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Full text of "Antibarbarus der lateinischen sprache"

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University  of  Toronto 


http://www.archive.org/details/antibarbarusder01kreb 


ANTIBARBARÜS 


DER 


LATEINISCHEN  SPRACHE. 


EESTEE  BAND. 


ANTIBARBARUS 


DER 


LATEINISCHEN  SPRACHE. 

NEBST  EINEM  KÜRZEN  AßRISS  DER  GESCHICHTE 
DER  LATEINISCHEN  SPRACHE  UND  VORBEMERKUNGEN  ÜBER 

REINE  LATINITÄT 

VON 

J.  PH,  KREBS. 


SIEBENTE  GENAU  DURCHGESEHENE  UND  VIELFACH 
UMGEARBEITETE  AUFLAGE 


VON 


J.  H.  SCHMALZ. 


BASEL. 

BENNO   SCHWABE,  VERLAGSBUCHHANDLUNG. 

X905. 


17  l'  2L/ 


sc  HW  EIG  11  AU  SE  RISC  HE   nUC  II  DRUCKEREI. 


Vorwort  zur  siebenten  Auflage. 


Der  Antibarbarus  entstand  zu  einer  Zeit,  da  das  Latein  die 
Sprache  der  wissenschaftlichen  Abhandlung  und  die  Verkehrssprache 
der  Gelehrten  war.  Er  hatte  sich  die  Aufgabe  gestellt,  vor  den 
Fehlern,  die  sich  in  grosser  Zahl  in  das  Latein  eingeschlichen  hatten, 
zu  warnen  und  zugleich  den  richtigen  und  guten  Ausdruck  an  die 
Hand  zu  geben. 

Heute  ist  die  lateinische  Sprache  nicht  einmal  für  die  philo- 
logische Abhandlung  mehr  unbedingt  erforderhch,  wir  haben  viele 
philologische  Dissertationen  in  deutscher  Sprache;  nur  die  Schul- 
verwaltungen verlangen  noch  die  Abfassung  der  für  die  philologische 
Staatsprüfung  vorgeschriebenen  Hausarbeiten  in  lateinischer  Sprache. 
Hier  kann  der  Antibarbarus  seine  hilfreiche  Hand  bieten  und  dem 
Kandidaten  über  die  Hauptschwierigkeiten  hinweg  helfen. 

Wichtiger  ist  für  den  Antibarbarus  eine  andere  Aufgabe.  Das 
lateinische  Skriptum  ist  durch  die  neuen  Lehrpläne  Preussens  neu 
befestigt  und  mag  auch  von  einflussreicher  Seite  an  seinem  Bestand 
gerüttelt  werden  und  mancher  Schulmann  mit  Entsagung  dem  Ver- 
schwinden des  Skriptums  entgegensehen,  die  durch  das  lateinische 
Skriptum  vermittelte  geistige  Schulung  hat  in  den  Kreisen  der  Schul- 
männer noch  so  viel  Ansehen  und  geniesst  eine  solche  Würdigung, 
dass  an  eine  Abschaffung  des  Skriptums  zunächst  nicht  zu  denken  ist. 
Nun  aber  stösst  der  Lateinlehrer  bei  der  Korrektur  der  schriftlichen 
Arbeiten  der  oberen  Klassen  erfahrungsgemäss  oft  auf  Wendungen 
und  Wörter,  die  dem  guten  Sprachgebrauch  zuwiderlaufen.  Hier 
bedarf  der  Lehrer  eines  zuverlässigen  Führers,  um  sofort  den  minder 
guten  Ausdruck  zu  erkennen  und  durch  den  richtigen  zu  ersetzen. 
Diese  Führung  soll   der  Antibarbarus  übernehmen,   er  soll  aber  zu- 


VI 


gleich  auch  dem  Lehrer,  der  die  überreiche  Literatur  der  lateini- 
schen Sprachwissenschaft  unmöglich  überschauen  kann,  die  wissen- 
schaftliche Begründung  geben  oder  wenigstens  die  Schriften  bezeichnen, 
wo  nähere  Belehrung  geholt  werden  kann. 

Damit  ist  unwillkürlich  eine  weitere  Aufgabe  des  Antibarbarus 
gegeben:  Förderung  der  wissenschaftlichen  Forschung.  Gar  viele 
sprachliche  Untersuchungen  der  neuen  Zeit  lehnen  an  den  Antibar- 
barus an,  erweitern  bald  dessen  Angaben  oder  berichtigen  sie;  ich 
verweise  hier  nur  beispielsweise  auf  Hopijes  treffliches  Buch  über  die 
Syntax  und  den  Stil  des  Tertullian  und  Bercpnüllers  und  Freses  ge- 
diegene Abhandlungen  über  die  Sprache  des  Plauens  und  des  Cäsar. 
Auch  habe  ich  beim  Studium  der  Abhandlungen  über  Semasiologie, 
so  der  feinsinnigen  Untersuchungen  von  Heerdegen  und  Hey,  die 
Wahrnehnmng  gemacht,  dass  der  Antibarbarus  auf  dem  heiklen 
Gebiete  der  Bedeutungsentwicklung  manche  treffende  Beobachtung 
zu  verzeichnen  hatte;  so  konnte  er  auch  hier  anregend  wirken.  Er 
hätte  auch  mit  Erfolg  in  bedeutenderen  sprachwissenschaftlichen 
Untersuchungen  beigezogen  werden  können :  hier  haben  die  Verfasser 
manchmal  Umwege  gemacht,  statt  den  Antibarbarus  zu  befragen, 
oder  geglaubt  Neues  zu  bringen,  während  der  Antibarbarus  früher 
schon  das  Richtige  lehrte.  Ich  verweise  hier  nur  auf  Archiv  XII, 
164  bezüglich  des  Wortes  notus,  auf  Archiv  XIII,  S.  401  für  den 
Lokativ  belli ;  auf  Archiv  XII,  S.  8  für  comiMces,  auf  Wölfflin  Epigr. 
Beitr.  II,  S.  179  für  profligare,  Freising.  Itala  S.  12  für  salvator  u.  ä. 
Solche  Anregung  und  Unterstützung  will  der  Antibarbarus  auch 
weiterhin  geben;  daher  geht  er  überall  auf  die  Ergebnisse  der 
neuesten  Forschung  ein  und  verzeichnet  die  wichtigste  Literatur, 
freilich  ohne  erschöpfend  sein  zu  können  oder  zu  wollen. 

Damit  hätte  der  Antibarbarus  auch  für  unsere  ganz  veränderten 
Verhältnisse  die  Berechtigung  seines  Daseins  nachgewiesen  und  zu- 
gleich gezeigt,  worin  er  seine  Aufgabe  erblickt  und  was  man  von 
ihm  verlangen  darf. 

Nun  noch  einige  Worte  über  die  neue  Bearbeitung.  Seine  Ent- 
stehung aus  Notizen  über  vorgefundene  Fehler  zeigte  der  Antibarbarus 
bisher  in  der  oft  ganz  unvermittelten  Anreihung  von  Beobachtungen 
und  Einzelwahrnehmungen;  hier  suchte  die  neue  Bearbeitung  mehr 
Ordnung  zu  schaffen;  freilich  gelang  es  nicht  immer,  da  bei  man- 
chen Aufstellungen  ein  innerer  Zusammenhang  nicht  zu  gewinnen  ist. 
Es    wurden    nunmehr    die  einzelnen  Schichten   der  Artikel  genauer 


—      VII      — 


auseinander  gehalten  und  dies  auch  äusserlich  gekennzeichnet. 
Ferner  wurde  bei  der  Bearbeitung  der  YII.  Auflage  des  Antibarbarus 
die  seit  1888  erschienene  grammatisch-stihstisch-lexikalische  Lite- 
ratur, in  erster  Reihe  Wölfflins  so  inhaltsreiches  Archiv,  soweit  als 
möglich  benützt;  ein  Abschluss  ist  natürlich  bei  einem  Werke  dieser 
Art  nicht  zu  erreichen,  Versehen  und  Übersehen  sind  nicht  zu  ver- 
meiden, und  so  wird  bald  dieses,  bald  jenes  vermisst  werden.  Soweit 
der  Thesaurus  vorgeschritten,  wurde  er  genau  verglichen;  wo  der 
Antibarbarus  bis  jetzt  eingehende  Stellenverzeichnisse  hatte  (z.  B.  bei 
ahstinere)^  die  durch  den  Thesaurus  oder  die  Yorarbeiten  dazu  in 
Wölfflins  Archiv  überflüssig  geworden  sind,  genügte  eine  Verweisung; 
dadurch  wurde  Raum  gewonnen  für  Zusätze  und  Erweiterungen,  die 
notwendig  schienen.  Mit  dem  alten  Ballast  unnötiger  Zitate  aus  Werken, 
die  heute  niemand  mehr  nachschlägt,  wurde  gründlicher  aufgeräumt, 
als  dies  in  der  VI.  Auflage  möglich  schien;  auch  dies  schaffte  Raum 
für  Ergänzungen,  die  ganz  besonders  der  Schule  zugute  kommen 
sollen.  Neue  Artikel  wurden  verhältnismässig  nicht  viele  aufgenommen; 
gerne  hätte  ich  hier  den  Wünschen  des  Herrn  Prof.  Dr.  Schniid 
in  Tübingen  entsprochen  und  über  die  lateinische  Wiedergabe  von 
manchen  modernen  Ausdrücken^  wie  dämonisch^  idyllisch^  instruktiv^ 
bildende  Kunst,  Novelle  u.  ä.  gehandelt;  allein  dazu  fehlte  mir  die 
Zeit,  da  der  Verleger  mir  erst  von  der  Notwendigkeit  einer  neuen 
Auflage  Mitteilung  machte,  als  die  VI.  beinahe  vergriffen  war.  Die 
genaue  Durchsicht  des  gesamten  Antibarbarus  aber  nahm  alle  Zeit 
in  Anspruch,  die  mir  meine,  am  neuen  Berufsorte  ganz  besonders 
gehäufte  berufliche  Arbeit  übrig  liess.  Die  Zitierweise  wurde  tun- 
lichst vereinfacht  und  derjenigen  des  Thesaurus  angepasst;  in  diese 
mich  einzuleben  hatte  ich  reichlich  Gelegenheit  durch  die  Teilnahme 
an  der  Korrektur  des  Thesaurus,  um  die  ich  Ostern  1904  ersucht 
wurde  und  die  mich  immer  mehr,  besonders  an  den  trefflichen 
Artikeln  von  Vollme?^  und  Hey^  die  Bedürfnisse  der  Lexikographie 
erkennen  lässt. 

Dem  Wunsche  des  leider  so  frühe  verstorbenen  Riemann  ent- 
sprechend wird  dem  Antibarbarus  ein  Verzeichnis  derjenigen  Wörter 
und  Ausdrücke  beigegeben  werden,  die  innerhalb  der  einzelnen  Ar- 
tikel vorkommen,  ohne  dass  dies  aus  dem  Stichworte  oder  einer 
entsprechenden  Verweisung  sofort  zu  ersehen  wäre.  Dadurch  wird 
die  Brauchbarkeit  des  Buches  noch  erhöht  werden.  Dies  Verzeichnis 
ist  von  Herrn  Professor  Dr.  Burg  am  Gymnasium  in  Rastatt  gefertigt, 


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der  mich  wie  auch  Herr  Prof.  Dr.  Mayer  am  Bertholdsgymnasium 
hier  bei  der  Korrektur  aufs  freundlichste  unterstützt  hat;  beiden 
Herren  Kollegen  sei  auch   hier  aufrichtigst  Dank  gesagt. 

Zum  Schlüsse  sei  all  den  Gelehrten  und  Schulmännern,  welche 
entweder  durch  Besprechung  der  VI.  Auflage,  oder  in  ihren  Schriften 
oder  durch  briefliche  Mitteilungen  mich  unterstützten  und  zu  Dank 
verpflichteten,  dieser  Dank  bestens  ausgesprochen.  Aus  allen  Ländern, 
aus  der  engeren  und  weiteren  Heimat,  aus  Österreich,  Frankreich, 
Itahen,  Russland,  besonders  auch  aus  Nordamerika  kamen  Beweise 
der  Anerkennung  und  Notizen  zur  Berichtigung,  Erweiterung  und 
Yerbesserung,  die  alle  gebührend  verwendet  wurden. 

Freilnmj  LjEr.  im  Oktober  1904. 

J.  H.  Schmalz. 


Historische  Einleitimg.  *) 


Wer  in  einer  Sprache,  sei  es  in  seiner  Muttersprache  oder  in  1. 
einer  fremden,  etwas  schreiben  will,  muss  nach  den  besten  Mustern 
schreiben,  wenn  er  anders  gelesen  und  nicht  getadelt  zu  werden  wünscht. 
Denn  nicht  alles,  was  geschrieben  ist,  gilt  als  Muster  für  unsere 
Nachbildung,  so  gross  auch  der  Wert  dessen  sein  mag,  was  darin 
behandelt  worden  ist.  Soll  daher  die  Rede  selbst  musterhaft  sein, 
und  hat  man  die  Absicht,  auch  von  dieser  Seite  zu  gefallen,  so 
müssen  alle  Eigenschaften  hervortreten,  welche  die  Darstellung  nach 
den  Vorschriften  der  Kunst  oder  der  Stilistik  zu  einer  musterhafte}! 
machen.  Es  sind  aber  alle  darin  einig,  dass  dieselbe,  ausser  gram- 
matischer Richtigkeit,  auch  in  den  ehizelneyi  Wortformen,  Wörtern 
und  Redensarten  den  besten  Mustern  folgen  müsse.  Man  nennt  diese 
Eigenschaft  die  Reinheit  der  Rede,  welche  fordert,  dass  man  nur 
solche  Formen,  Wörter  und  Redensarten  gebrauche,  welche  von  den 
Mustern  und  Meistern  der  Rede  gewählt  worden  sind,  und  dass  man 
dagegen  im  allgemeinen  alles  vermeide,  was  diese  als  alt,  rauh  oder 
allzu  gemein  und  nicht  städtisch  und  gebildet  genug  sorgsam  und 
weise  vermieden  haben.  Daher  wird  in  den  Büchern  über  Stilistik 
vor  allem  auch  die  Reinheit  der  Rede  empfohlen,  ohne  welche  keine 
Schrift  musterhaft  genannt  werden  könne.  Wie  kann  aber  diese 
Reinheit  bestehen,  wenn  man  in  einer  lebenden  oder  toten  Sprache, 
welche  vielfachen  Wechsel  erlitten  hat,  sich  nicht  die  klassischen, 
d.  h.  musterhaften  Schriftsteller  zur  Nachahmung  auswählt,  sondern 
entweder  zu  den  frühesten  Denkmalen  der  noch  unvollendeten  Sprache 
zurückgeht  oder  sich  an  die  spätem,  durch  das  böse  Schicksal  der 
Sprache  verbildeten  Schriftsteller  anschliesst,  oder  sich  ganz  will- 
kürlich aus  allen  Jahrhunderten  eine  eigene  buntscheckige  Sprache 
bildet! 

Es    hat   aber   fast  jede  Sprache,   welche  mehrere  Jahrhunderte  2. 
eine  lebende  war,  mancherlei  Wechsel  erlitten,  wodurch  die  frühere 
gegen  die  spätere  oft  ganz  unverständlich  wurde,   indem  sie  bald  im 
Steigen,  bald  im  Sinken  war,  und  das  bürgerliche  Leben  des  Yolkes, 

*)  In  diesem  einleitenden  Abschnitte  habe  ich  mich  auf  Streichung  des 
Überflüssigen,  Verbesserung  des  Unrichtigen,  sowie  Klarstellung  meines  Stand- 
punktes hinsichtlich  der  Nachahmung  verdienenden  Schriftsteller  beschränkt:  es 
fällt  also  der  Stil  der  Darstellung  im  grossen  und  ganzen  auf  die  Rechnung  von 
Krebs- Allgayer,  deren   Worte  ich  wo  tunlich  pietätvoll  beibehielt. 

Kr  ebs-Sch  ni  iilz,  Antibiirbarus  I.  1 


—     2     — 

seine  Regierungsverfassung,  Begünstigung  oder  Anfeindung  der 
Künste  und  Wissenschaften,  ihrer  Freunde  und  Liebhaber,  Nachbar- 
schaft und  Verbindung  der  Yölker  und  Staaten  miteinander,  die 
Ruhe  oder  Unruhe  von  aussen  und  innen,  endlich  Kriege  und  Ein- 
wanderungen, und  andere  Umstände,  einen  bedeutenden  Einfluss  auf 
sie  hatten.  Jede  Sprache  war  anfangs,  wie  das  Yolk  selbst,  roh, 
ungebildet,  geist-  und  wortarm,  einfach  und  durchaus  nur  den  be- 
schränkten Bedürfnissen  des  Lebens  angemessen.  Wie  sich  aber 
ein  umherziehendes  Yolk  in  Städte  vereinigt,  bürgerliche  Verfassung 
annimmt,  Ackerbau  und  Gewerbe  zu  treiben  anfängt  und  mit  der 
Zeit  geistige  und  leibhche  Bedürfnisse  sich  vermehren,  wie  mehrere 
Städte  mit  einander  in  Wechselverbindung  treten  und  im  Fortgang 
der  Zeit  mit  gebildeten  Nachbarvölkern  in  freundliche  oder  feind- 
liche Berührung  kommen,  gewinnt  auch  die  Kultur  der  Sprache 
an  Feinheit  und  Reichtum  und  steigt  und  blüht  so  lange,  als 
Künste  und  Wissenschaften  unter  dem  Yolke  blühen  und  von  den 
Machthabern,  den  Grossen  und  den  Staatsgewalten  geehrt,  begünstigt 
und  befördert  werden.  Wenn  nun  aber  wieder  die  wissenschaftliche 
Kultur  durch  mancherlei  Umstände  beschränkt  wird  und  von  Zeit 
zu  Zeit  mehr  ab-  als  zunimmt,  wenn  das  Yolk  erschlafft,  Sitten- 
verderbnis durch  Luxus  und  Wollust  einreisst,  Kunst  und  Wissen- 
schaft gering  geachtet,  wohl  gar  verdächtigt  und  angefeindet  wird, 
fremde  und  rohe  Yölker  einbrechen  und  am  Ende  selbst  die  Ober- 
herrschaft erhalten,  dann  stirbt  allmählich  zugleich  die  Sprache  aus, 
und  die  Sprache  des  Siegers  verschmilzt  mit  der  der  Besiegten  zu 
einem  neuen  Idiom. 
3.  So   ging    es   der  lateinischen  Sprache :  sie  erhob  sich  aus  ihrer 

rohen  Kindheit  allmählich,  blühte  und  stieg  innerhalb  500  Jahren  bis 
zu  einem  hohen  Gipfel  der  Yollkommenheit,  sank  aber  in  den 
nächsten  500  Jahren  so  tief  herunter,  dass  sie  seit  dem  secluten 
Jahrhunderte  nach  Christus  von  andern  überall  unterdrückt  und  ver- 
drängt ausstarb  und  eine  tote  Sprache,  d.  h.  eine  solche  wurde, 
welche  sich  nur  im  Gebrauch  der  Gelehrten  und  als  kirchliche  und 
offizielle  Sprache  erhielt,  in"  welcher  die  Verhandlungen  des  öffent- 
lichen Lebens  das  ganze  Mittelalter  hindurch,  ja  noch  in  der  neuern 
Zeit  so  lange  abgefasst  wurden,  bis  sie  von  einer  neuen  W^eltsprache, 
dem  Französischen  verdrängt  wurde.  Wie  mannigfach  sich  aber  die 
lat.  Sprache  in  der  Zeit  ihres  fast  tausendjährigen  Lebens  ver- 
ändert habe,  zeigen  dem  Kenner  zur  Genüge  die  Ueberreste  von 
Denkmälern  und  Schriften  aus  den  verschiedenen  Jahrhunderten 
vom  Anfange  derselben  bis  zu  ihrem  Ende.  Ihre  Beschaffenheit 
änderte  sich  unter  dem  steten  Einfluss  der  griechischen  Sprache  und 
Literatur  mit  dem  allmählichen  Steigen,  Blühen  und  Mächtigwerden 
der  Römer  und  sank  und  ging  parallel  mit  dem  Verfall  und  Unter- 
gang des  römischen  Reiches  ihrem  Untergang  entgegen.  Achtet 
man  auf  die  verschiedenen  Stufen  ihrer  Entwickelungen  und  Wan- 
delungen, so  nimmt  man  etwa  im  ganzen  vier  Sprachperioden  wahr. 


—     3     — 

eine  vorldas^ frische,  Massische^  iiachJdassificlie  und  simÜate mische^  welche 
letztere  sich  bei  mehrern  späten  Schriftstellern  schon  als  eine  Jicdb- 
harharische  zeigt. 

Die  vo7'Massische  begreift  alle  Denkmäler,  Schriften  und  Reste  4. 
derselben,  welche  von  den  ersten  Zeiten  Roms  an  bis  auf  die  haupt- 
sächlichsten Bildner  und  Verfeinerer  der  Sprache,  Cicero  und  Caesar 
(60  J.  V.  Chr.)  übrig  sind  und  erwähnt  werden.  Was  man  freilich 
aus  den  frühesten  Zeiten  Roms  noch  übrig  hat,  das  weicht  so  sehr 
von  der  gebildeten  Sprache  der  nachfolgenden  Jahrhunderte  ab, 
dass  selbst  die  gelehrten  Sprachkenner  ^  unter  den  Römern  gestanden 
haben,  es  nicht  mehr  zu  verstehen,  und  dass  man  es  noch  weniger 
wegen  des  dürftigen  Inhalts  und  der  rauhen  und  ungehobelten 
Sprache  aufsuchen  und  zur  Unterhaltung  oder  Belehrung  lesen  mochte.' 
Jedoch  seitdem  die  Römer  (seit  230  v.  Chr.)  die  Schriften  der 
Griechen  kennen  lernten,  übersetzten  und  nachahmten,  begann  die 
bessere  voy^klassisclie  Ferio^e^  wo  erst  durch  Dichter,  Geschichtschreiber 
und  Redner  der  Grund  für  höhere  geistige  Bildung  gelegt  wurde, 
und  wo  man  auch  schon  allen  Fleiss  auf  die  Ausbildung  der  Sprache 
verwendete  und  glückUche  Schritte  tat,  sie  zu  verfeinern,  zu  bilden 
und  den  Wörterschatz  zu  vermehren.  Gleichwohl  sind  uns  aus  dieser 
Zeit,  abgesehen  von  Catos  Schrift  de  agri  cultura  (ed.  Keil).,  nur  von 
den  zwei  Komikern  Plautus  und  Terentins  ganze  Stücke  erhalten; 
von  allen  übrigen  Dichtern  (in  neuester  Zeit  von  0.  Rihbeck  heraus- 
gegeben, die  Fragmente  des  Enniits  von  J.  Vahlen  und  L.  Müller, 
die  des  Luciliiis  von  L.  Müller  und  jetzt  von  Fr.  Marx)^  Geschicht- 
schreibern (von  H.  Feter  herausgegeben)  und  Rednern  (in  der 
Sammlung  von  H.  Meyer)  besitzen  wir  kein  ganzes  Werk,  sondern 
nur  abgerissene  Bruchstücke,  oft  sogar  nur  einzelne,  um  ihres  Alters 
und  ihrer  Seltenheit  willen  später  erwähnte  und  erklärte  Wörter. 
Indes  sind  jene  zwei  Komiker  wichtig  zur  Kenntnis  des  kurzen  Ge- 
sprächsstils und  für  die  Sprache  des  Umgangs  höchst  brauchbar  und 
beachtungswert  ^,  jedoch  so,  dass  alle  archaischen  Formen,  von  denen 
ihre  Sprache  noch  voll  ist,  und  alle  aus  der  Yolkssprache  her- 
genommenen Wörter  zu  vermeiden  sind  und  dass  das,  was  in 
klassische  Formen   und  Wörter  gefasst   werden  kann,   in  diese  um- 

1.  Unter  Andern  sagt  Quintilian,  bekannt  als  grosser  Sprachkenner  (Inst, 
I,  6,  40) :  Saliorum  cannina  vix  sacerdotibus  suis  satis  intellecta.  Und  so  wird 
sich  mancher,  welcher  nur  ausgebildetes  Latein  gelesen  hat,  über  die  Reste  aus 
den  Zwölftafelgesetzen,  über  die  Inschrift  anf  der  Duilischen  Säule  und  über  andere 
auf  andern  Denkmälern  höchlich  verwundern. 

2.  Yon  Terenz  wenigstens  sagt  Cicero  (Att.  VII,  3,  10):  cuius  fabellae 
{Schauspiele)  propter  elegantiam  sermonis  putabantur  a  C.  Laelio  scribi,  und  Caesar 
pries  ihn  als  pari  sermonis  auctorem  (Sueton  vita  Ter.  S.  34  Reiff.) ;  vgl.  E.  Norden 
Antike  Kunstprosa  I  S.  186  Anm. ;  dagegen  nennt  Cicero  den  Caecil.  Statins, 
einen  andern  Komiker  jener  Zeit,  malum  auctorem  latinitatis,  d.  h.  einen  schlechten 
Geicührsmann  für  Latinität.  —  Yon  allen  aber  dieser  Zeit  bemerkt  Quiutil.,  X, 
1,  97 :  ceterum  nitor  et  summa  in  excolendis  operibus  manus  magis  videri  potest 
temporibus,  quam  ipsis  defuisse  ;  er  nennt  sie  ingeniosos  quidem,  sed  arte  carentes, 
zwar  geistvolle  Köpfe,  aber  ohne  Kunst  und  Schönheit. 


gesetzt  werden  muss.     So  werden  sie  gewiss,  besonders  der    feinere 
Terenz^    bei  vorsichtigeni   Gebrauche  auch  jetzt  noch  an    gehörigem 
Orte  treffliche  Dienste  leisten. 
5.  Die    ziueite  Sprachperiode   ist  die  klassische,  welche  von  vielen 

auch  die  goldene  genannt  wird.  Sie  reicht  von  Ciceros  Zeit  an 
(von  60  V.  Chr.)  bis  zum  Tode  des  Kaisers  Augustus  (14  n.  Chr.); 
in  engerem  Sinne,  d.  h.  füi*  die  Prosa,  verstehen  wir  darunter 
nur  die  Zeit  des  Untergangs  der  Republik.  In  dieser  Zeit  erhob 
sich  die  Sprache  durch  ausgezeichnete  Redner  und  Grelehrte,  unter 
denen  M.  Tidlius  Cicero  und  C.  Julius  Caesar  vor  allen  genannt 
werden  müssen,  ^*  zu  einem  so  hohen  Grade  der  Vollkommenheit 
durch  Yerfeinerung  der  Formen,  Erweiterung  des  Wörterreichtums, 
Vermeidung  aller  gemeinen,  veralteten  und  für  den  Gebrauch  unver- 
ständlich gewordenen  Wörter  und  besonders  durch  Schönheit  der 
Darstellung,  dass  die  Schriftwerke  jener  beiden  Männer,  auch  nach 
dem  Urteile  der  Spätem,  wie  des  Quintilian;-  und  des  Jüngern  Plinius, 
für  alle  Mitlebenden  und  Nachfolgenden  Muster  sein  konnten.  Aber 
sie  wurden  es  nicht  einmal  für  alle  Zeitgenossen  *,  indem  viele  eigen- 
sinnig und  geflissentlich  bei  ihren  Grundsätzen  und  ihrem  Stile  be- 
harrten, viele  auch  wohl  sie  nicht  zu  erreichen  und  nachzuahmen 
vermochten,  viele  andere  sich  mehr  um  anderes  als  um  Sprache 
und  Rede  bekümmerten.  Daher  sind  auch  nicht  alle,  welche  in 
dieser  Periode  schrieben,  so  musterhaft,  dass  sie  als  solche  empfohlen 
werden  könnten.  Jenen  beiden  aber  kann  noch  als  Vorbild  beigesellt 
werden  Q.  Cicero  ^,  des  Redners  Bruder.  In  den  Schriften  dieser 
drei  Männer  findet  man  nun  die  höchste  Blüte  der  Sprache  und  der 
Rede,  welche  nachher  von  keinem  wieder  erreicht  worden  ist.  Diese 
müssen  daher  auch  für  uns  die  ersten  und  hauptsächlichsten  Muster  in 
allen  den  Stilarten  sein,  worin  sie  etwas  schriftlich  hinterlassen 
haben.  Vorsichtiger  zu  gebrauchen  und  nachzuahmen  sind  SaUustms  *^ 


2  a.  „Cicero  und  Caesar  trafen  am  meisten  den  Geschmack  des  gebildeten 
Publikums,  sie  wurden  die  von  Mit-  und  Nachwelt  gepriesenen  Ideale."  Norden, 
1.    1.  I  S.  194. 

3.  Vgl.  dessen  glänzendes  Urteil  über  Cicero  Inst.  X.  1,  105 — 112  und  über 
Caesar  ebeud.  114. 

4.  Vgl.  Norde7i  1.  1.  S.  194. 

5.  Von  Q.  Cicero  ist  erhalten  eine  Schrift  de  petitiojie  consulatus  (ed.  Bü- 
cheier u.  C.  F.  W.  Müller)  und  einige  Briefe  an  seinen  Bruder  und  dessen  Frei- 
gelassenen Tiro  in  der  Sammlung  ad  fam.  Übrigens  war  ei-  mehr  Dichter  als 
Prosaist. 

6.  Er  ist  zwar  als  Geschichtschreiber  vorzüglich,  aber  abhold  der  damals, 
zumal  von  seinem  Feinde  Cicero,  veredelten  und  vielfach  neugebildeten  Sprache, 
folgte  er  mehr  der  Sprache  seiner  Vorgänger  in  der  Geschichte,  besonders  des 
Cato  und  des  Sisenna  und  gefiel  sich  nicht  allein  in  alten  Formen,  sondern  auch 
in  alten  A\^'3rtein  und  Wortverbindungen:  ebenso  bemerkt  man  den  Einfluss 
seiner  griechischen  Vorbilder  Thucydides  und  Demosthenes'^  poetische  Worte  aber 
hat  er  gemieden.  Er  fand  schon  frühe  Tadler;  so  heisst  er  bei  Gellius  1,  15,  18 
novator  verborutn,  und  der  Grammatiker  Lenaeus  nannte  ihn  priscorum  Catonis 
verhorum  ineruditissimum  furein.  Vgl.  Sueton  Gramm.  15  und  Quintil.  8,  3,  29 
und  9.  3.   17.  wo  er  sagt,  ex  graeco   translata  Sallustii  plurima.    Diese   Ansicht 


—     5      - 

Ä.  Hirtiiis  '',  Cornelius  Nepos  ^,  M.  TerentiuH  Varro  ■'  und 
die  meisten  Epistolographen  ^^  in  beiden  Sammlungen  der  Briefe 
Ciceros.  Yon  Wert  und  Autorität  sind  aber  noch,  mit  vorsichtiger 
Ausscheidung  aller  poetischen  Formen,  Wörter  und  Redensarten, 
die  Dichter  Vergilius,  Horatius,  Tilndlus  und  OvicV^  indem  be- 
sonders die  Sermonen  und  Episteln  des  Hör.  manches  Brauch- 
bare, aus  der  Stadtsprache  genommene  Wort  für  unsere  Prosa  dar- 
bieten. 

Den  Übergang  von  der  klassischen  zur  nachklassischen  Periode  6. 
vermittelt  Liviiis.     Seine  ganze  Darstellungsweise  trägt  ein  Gepräge, 

hatte  auch  der  Kaiser  Augustns,  der  über  Feinheit  der  Rede  ein  gesundes  Urteil 
hatte,  nach  Sueton  Aug.  86.  Von  Neuern  sehe  man,  wie  Wölfflin  Philol.  34, 
S.  146,  Jordan  {Krit.  Beür.  S.  355  f.)  Kraut  im  Progr.  von  Blaubeuren  1881, 
Norden  in  Antike  Kunstprosa  I  S.  200  ff.  über  Sallusts  Sprache  geurteilt ;  vgl. 
auch  meine  Einleitung  zu  Sali. 

7.  Von  ihm  ist  wohl  ausser  dem  VIII.  Buche  de  hello  Gallico  noch  die 
Schrift  de  hello  Alexandrino,  bei  deren  ilusarbeitung  jedoch  von  ihm  verschiedene 
Vorlagen  benützt  worden  zu  sein  scheinen.  Dagegen  die  Kommentarien  über  das 
bellum  Äfricae  und  das  hellum  Hispaniense  stammen  von  andern  Verfassern  her, 
die  nur  geringe  Bildung  und  wenig  Sinn  für  geschmackvolle  Darstellung  be- 
sassen;  über  das  h.  Hisp.j  vgl.  jetzt  besonders  Norden  1. 1.  S.  211.  Um  so  wert- 
voller sind  beide  Schriftstücke  für  unsre  Kenntnis  des  Vulgärlateins.  Ausgebeutet 
wurden  dieselben  in  sprachlicher  Hinsicht  von  PJ.  Wölfflin,  Alh.  Köhler  (act. 
sem.  Erlang.  IJ^  G.  Landgraf,  mit  gleichzeitiger  Berücksichtigung  des  Inhalts 
von   'Fröhlich  und  Degenhart. 

8.  Die  Sprache  des  Cornelius  Nepos  weicht  in  so  vielen  Punkten  von  der 
des  Cicero  und  Caesar  ab,  dass  man  ihn  nur  sehr  vorsichtig  nachahmen  darf. 
Eine  erschöpfende  Darstellung  der  cornelianischen  Diktion  hat  Lupus  gegeben ; 
hier  sind  zugleich  sämtliche  Abweichungen  vom  klassischen  Brauche  verzeichnet. 
Sehr  lehrreich  ist  auch  die  OorweZausgabe  von  Nipper dey-Lupus.  Vgl.  noch 
Norden  1.  1.  S.  204  ff. 

9.  Die  Sprache  des  Varro,  von  welchem  sechs  Bücher  de  lingua  latina 
(ed.  Spengel,  ed.  Müller)  und  drei  Bücher  de  re  rustica  (ed.  Keil),  sonst  nui- 
Fragmente  erhalten  sind,  darf  von  sorgfältigen  Stilisten  wohl  nur  da  berück- 
sichtigt werden,  wo  Cicero  und  Caesar  uns  im  Stiche  lassen.  Seine  Diktion  ist 
hart,  rauh,  ohne  besondere  Sorgfalt,  vielfach  archaisierend  und  vulgär.  StünJcel 
sagt  S.  13:  exploratum  est  veteres  cum  Varronis  doctrinam  et  antiquitatis  co- 
gnitionem  permagni  aestimarent,  eiusdem  dicendi  genus  imitandum  esse  nun- 
quam  iudicasse.     Vgl.  noch  Norden  l.  1.  S.  194  ff.,  Heidrich  und  Krumhiegel. 

10.  Nachdem  Opitz  im  Progr.  von  Naumburg  1879  im  allgemeinen  die 
Sprache  von  Ciceros  Korrespondenten  untersucht,  habe  ich  in  folgenden  Abhand- 
lungen nachgewiesen,  dass  auch  die  besten  Skribenten  der  klassischen  Zeit  Vul- 
gäres und  nicht  Nachzuahmendes  aufgenommen,  somit  nur  vorsichtig  nachzuahmen 
sind:  Z  f.  G.  W.  1881  S.  87—141  (Ser.  Sulpicius  Bufus,  M.  Marcellus,  Dola- 
hella,  CuriusJ,  Progr.  Mannheim  1881  (P.  Vatinius),  Festschrift  zur  XXX FJ. 
Philolog.  Versammlung  S.  76 — 101  (Asinius  Pollio),  in  IL  Aufl.  München  1890. 
Die  Sprache  des  M.  Brutus  behandelte  Schirmer  im  Progr.  von  Metz  1884 ; 
ausserdem  gehören  hieher  die  im  Literaturverzeichnis  aufgeführten  Abhandlungen 
von  Becher,  Burg,  Bergmüller,  Gehhard,  Hellmuth,  Köhler,  Mhodius,  ferner 
Schmalz  in  Comm.  Wölfflin.  S.  269—274,  und  schliesslich  mehrere  Bemerkungen 
von  Landgraf  in  Bayr.  Gymn.  XVI.  S.  274—280  und  317—331. 

11.  Übei-  Vergil  vgl.  0.  RihhecJc,  Ciesch.  der  röm.  Dichtung  11  S.  79,  über 
Roraz  L.  Müller  in  seiner  Biographie  des  Horaz  S.  73  und  Kiessling,  Hör.  sat. 
S.  XVIII  (IL  Aufl.),  über  Ovid  M.  Schanz  in  seiner  Röm.  Lit.-Gesch.  §  212 
(„Ovid  ist  der  genialste  Erzähler  der  Eömer"). 


—     6     — 

dessen  Formen  die  der  poetischen  Diktion  sind^^^,  durch  welche  er 
denn  auch,  wie  Seyffert  sagt,  der  dux  et  sigiilfer  der  ganzen  silbernen 
Latinität  geworden.  Mit  Unrecht  hat  man  ihn  daher,  trotz  seiner 
erklärten  Anhängerschaft  an  Cicero  (Quintil.  10,  1,  39),  unter  die 
klassischen  Musterschriftsteller  gerechnet.  Yom  formellen,  gramma- 
tischen Standpunkt  aus  betrachtet  ist  es  nach  Seyfferts  Urteil  ganz 
gleich,  ob  man  dem  Schüler  Livius  oder  Virgil  in  die  Hand  gibt. 
Ebenso  ist  die  livianische  Phraseologie,  welche  wie  die  ganze  Diktion 
im  allgemeinen  poetisierend  ist,  nur  mit  grosser  Yorsicht  nachzu- 
ahmen. Dagegen  darf  man  die  Periodologie  des  Livius  im  ganzen 
(abgesehen  von  gewissen  monströsen  Perioden)  als  mustergiltig  be- 
zeichnen. ^^  ^  Wir  werden  also  auch  für  Livius  gelten  lassen,  was  Kühn- 
ast  S.  8  sagt,  dass  man  nämlich  aus  den  an  die  klassische  Zeit  des 
Cicero  und  Caesar  angrenzenden  Zeitaltern  nur  solche  Ausdrücke 
aufnimmt,  wo  sichere  Analogien  uns  überzeugt  sein  lassen,  dass  sie 
auch  im  Zeitalter  der  Muster  zulässig  gewesen  sind.  Noch  mehr 
passt  dies  auf  die  von  Livius  eingeleitete  sog.  silberne  Latinität, 
die  dritte  Periode,  welche  wir  bis  zur  Zeit  der  Antonine  um  120 
n.  Chr.  ausdehnen.  ^^  ^  Einen  ungünstigen  Einfluss  übte  hier  zunächst 
die  auf  Augustus  folgende  tyrannische  Herrschaft,  indem  die  öffent- 
liche Beredsamkeit  fast  ganz  verstummte,  der  gepriesene  Freimut 
der  Eömer  allgemeinem  Knechtessinn  Platz  machte  und  so  die  Sprache 
auch  einen  ganz  andern  Charakter  annahm.  Die  geistvollen  Köpfe  ver- 
liessen  die  gefährliche  Öffentlichkeit  und  zogen  sich  in  den  Schatten 
ihrer  stillen  Behausungen  zurück,  und  mit  der  Zeit  unzufrieden 
neigten  sich  viele  zur  ernsten,  alle  Kunst  und  Schönheit  der  Hede 
verachtenden  stoischen  Philosophie  ^^,  andere  grübelten  nur  über  die 


11  a.  Norden  1.  1.  S.  235  ^dazu  kommt  ein  leises  poetisclies  Kolorit,  das  er 
nicht  oline  Bewusstsein  teils  aus  seinen  Quellen  herübergenommen,  teils  ihnen 
selbst  hinzugefügt  hat". 

11  b.  Madvig  Kl.  ])hil.  Schrift.  S.  358,  Nordeii  1.  1.  S.  236. 

11  c.  Vgl.  bei  Norden  1.  1.  1.  S.  299  die  allgemeine  Charakteristik. 

12.  Von  den  Stoikern  sagt  Cic.  Brutus  21U:  Stoicorum  adstrictior  est 
oratio  aliquantoque  contractior^  quam  au  res  populi  requirunt  —  und  de  or.  3, 
66:  Stoici  orationis  genus  haheut  fortasse  subtile  et  certe  acutum,  sed  exüe. 
inusitattim ,  ahhorrena  ab  auribus  vulgi,  obscurum,  inane,  ieiunum  et  eiiismodi. 
quo  uti  ad  vulyus  nullo  modo  2>ossis,  und  Parad.  prooem.  2:  in  ea  est  haeresi 
(Cato  Stoicus),  quae  nulluni  sequitur  florem  orationis.  Wie  konnte  daher  der 
Philosoph  Seneca  als  Stoiker  anders,  als  kurz,  gedrängt  und  in  kurzen  Sätzen 
schreiben,  wie  er  es  besonders  in  seinen  Briefen  tut  und  iu  der  Philosophie 
die  neuen  Kunstwörter  billigt  und  aufnimmt,  obgleich  er  selbst  mehrmals  über 
die  neue  Redeweise  seiner  Zeit  klagt !  In  solcher  gedrängten  Manier  folgte  ihm 
später  der  geistvolle  Tadtus,  nur  dass  dieser  noch  mehr  alte  ^^'örter  aufnahm, 
sich  neue  bildete  und  aus  Dichtern  griechischartige  Konstruktionen  in  seine 
kräftige  und  grossartige  Rede  einwebte.  Von  seiner  Latinität  haben  am  besten 
Wölfflin  iu  den  grundlegenden  Abhandlungen  Philol.  XXV,  XXVI,  XXVII,  und 
dann  Draeger  in  seinem  Abriss  tacit.  Syntax  und  Stilistik  gesprochen.  A\'ertvoll  ist 
jetzt  noch  Nipperdeys  Ausgabe  der  Annalen:  für  die  Lexikographie  sehr  wichtig 
das  lexic.  Taciteiim  von  Gerher  und  Greef\  durch  welches  Böttichers  lex.  Tac. 
überflüssig  wird. 


—     7     — 

Sprache  nach,  und  aus  Neuerungssucht  das  Bisherige  verachtend, 
bildeten  andere  neue  Wörter,  suchten  die  alten  der  vorklassischen 
Zeit,  welche  unter  dem  Yolke  noch  gäng  und  gäbe  waren,  meist  ohne 
feine  Auswahl,  wieder  hervor  oder  gedachten  durch  poetische  Wörter 
und  Redensarten,  durch  Bilder  und  schöne  Phrasen  und  aus  dem 
Griechischen  entlehnte  Redeverbindungen  zu  glänzen  oder  gebrauchten 
auch  wohl  klassische  Wörter  in  neuem  Sinne  '^,  da  ihnen  das 
Alte  nicht  gut  genug  war  und  sie  sich  durch  Neues  hervorheben 
wollten.  Wenn  aber  die  lateinische  Sprache  noch  in  der  klas- 
sischen Zeit  an  einem  auffallenden  Mangel  namentlich  an  Substan- 
tiven litt^^*  und  deshalb  oft  zu  langen  und  lästigen  Umschreibungen 
gezwungen  war  ^^  ^ ,  so  haben  die  Nachklassiker  eine  Menge  von 
Zeitwörtern  abgeleiteter  Substantiva  in  Gebrauch  gebracht  und  auch 
viele  Zeitwörter  dem  alten  Sprachschatz  neu  hinzugefügt.  In  diesen 
beiden  Beziehungen  haben  sie  also  die  lateinische  Sprache  in  einem 
durch  die  Bedürfnisse  der  Zeit  verlangten  Umfang  weiter  fortgebildet 
und  so  gewissermassen  sich  ein  Verdienst  um  dieselben  erworben. 
Sodann  kommt  in  Betracht,  dass  in  diesem  Zeitalter  auch  die  Syntax 
in  manchen  Kapiteln  Fortschritte  gemacht  hat,  dass  die  silberne 
Latinität  die  Sprache  noch  um  einige  geschickte  syntaktische  Formen 
bereichert,  wie  z.  B.  im  Gebrauche  des  Partie.  Fut.  activi,  in  der 
Anwendung  des  absoluten  Ablat.  Partie.  Perf.  pass.,  während  die 
Feinheit  im  Gebrauche  des  Konjunktivs  fast  unverändert  fortbesteht. 
Drittens  hat  die  Phraseologie  der  Nachklassiker  manches,  was  vom 
Gebrauche  der  klassischen  Periode  abweicht.  Dies  mag  immerhin 
Verwendung  finden,  wenn  es  einfach,  klar  und  bezeichnend  ist  und 
das  Streben  nach  tieferem  und  prägnanterem  Ausdruck  des  Ge- 
dankens an  den  Tag  legt,  aus  klassischer  Zeit  aber  eine  ebenso 
prägnante  Phrase  nicht  zu  Gebote  steht.  Dagegen  ist  die  schwache 
Seite  dieses  Zeitalters  einmal  darin  zu  suchen,  dass  viele  Autoren 
desselben  bei  der  Bildung  neuer  Wörter  und  tropischer  Ausdrücke 
oft  nach  Willkür  und  Laune  und  mit  sichtbarer  Effekthascherei  ver- 
fahren sind.  Ganz  entschieden  aber  steht  die  Komposition  hinter 
der  klassischen  Zeit  zurück ;  die  Kunst  der  Periodologie,  welche  dem 

13.  Kichtig  bemerkt  Seneca  Ep.  114,  10,  dass  mit  den  Sitten  sich  auch  die 
Sprache  geändert  habe:  Cum  adsuevit,  sagt  er,  animus  fastidire,  quae  ex  more 
sunt,  etiam  in  oratione,  quod  novum  est,  quaerit,  et  modo  antiqiia  verba  atque 
exoleta  revocat  ac  profert,  modo  fmgit  ignota  ac  deflectit,  modo  id^  quod  nuper 
increbruit,  pro  cultu  habetur  audax  translatio  ac  frequens  —  und  was  er  dort 
sonst  noch  Anderes  über  Verwandtschaft  der  Sitten  und  der  Denkungsart  treff- 
lich bemerkt.  Man  vgl.  auch  nocli  Petron.  Sat.  c.  1 — 5  und  was  Tacitus  im 
Dial.  de  erat.  c.  26  und  34  u.  fgg.  über  die  damalige  neue  Beredsamkeit  sagt, 
welches  Buch  überhaupt  für  die  Charakteristik  dieser  Zeit  ganz  besonders 
wichtig  ist. 

13  a.  Norden  I  S.  189  „in  der  Zeit,  in  der  die  lat.  Schriftsprache  ihre  höchste 
stilistische  Formenvollendung  erreicht  hat,  ist  sie  in  ihrem  "Wortschatz  am 
ärmsten  gewesen". 

13  b,  Norden  I  S.  187  „in  der  Praxis  umschreibt  Cicero  lieber  (seine  Theorie 
vgl.  de  or.  3,  154;  167),    als  dass  er  an  der  Klippe  einer  Neuprägung  scheitert". 


—     8     — 

goldenen  Zeitalter  eigen  war,  ist  verschwunden,  so  dass  die  Autoren 
der  silbernen  Latinität  im  ganzen  die  kurzen,  oft  nachlässig  ge- 
bauten und  lose  gefügten  Sätze  lieben  und  der  Gebrauch  der  Par- 
tikeln namentlich  immer  seltener  wird  '^^  <= .  Auch  darf  nicht  ver- 
gessen werden,  dass  die  Kachklassiker  vor  allem  unter  dem 
Einfluss  der  Rhetorik  standen  und  infolge  davon  die  Grenzen, 
welche  früher  das  poetische  Gebiet  von  der  Prosa  trennten,  jetzt  der- 
gestalt in  einander  zerflossen  ^*,  dass  die  Prosa  poetische  Färbung 
bekam,  die  Poesie  dagegen  im  Gewand  der  Rhetorik  auftrat  und 
reflektierend  wurde.  So  musste  das  feste  Gepräge  der  Redegattungen 
und  ihrer  Stilarten  bald  verwischt  werden.  Endlich  ist  noch  zu 
beachten,  dass  die  Autoren  dieser  Periode  sich  auch  in  syntaktischer 
Beziehung  Freiheiten  herausnehmen,  welche  vom  Gebrauch  der 
ciceronischen  Zeit  grell  abstechen  und  namentlich  in  der  Verbindung 
der  Wörter  und  in  der  Kasuslehre  nach  Analogie  der  griechischen 
Sprache  in  einer  Weise  verfahren,  welche  den  festen  und  stetigen 
Formen  der  klassischen  Zeit  durchaus  fremd  ist.  Hiemit  ist  der 
allgemeine  Charakter  der  silbernen  Latinität  bezeichnet,  während 
eine  Yergleichung  der  einzelnen  Autoren  —  man  denke  z.  B.  an 
Siietonius  und  Vellejus  —  die  grössten  Kontraste  aufzeigt.  Wenn 
man  daher  auch  dem  Urteile  David  Riüinkens  beistimmt  und  das 
gute  Latein  (versteht  sich  mit  Ausnahmen)  wenigstens  bis  auf  die 
Antonine  ausdehnt,  so  darf  doch  nicht  vergessen  werden,  dass  nur 
wenige  —  und  auch  diese  nicht  in  allen  Stücken  —  den  Klassikern 
fast  gleichzuachten  sind.  Hieher  gehören  vor  allen  Quintilian  in  seiner 
mstitidio  oratoria^  vgl.  über  die  Sprache  derselben  meine  Stihstik  ^ 
§  58,  S.  579  (bezüglich  der  Dedamationes  vgl.  Schenkl  W.  f.  kl.  Phil. 
1886  S.  73  ff.)  und  dev  jüngere  Pliniiis^  welche  beide  dem  Cicero  und 
Caesar  die  Meisterschaft  der  Rede  zugestanden  und  sie  zu  erreichen 
bestrebt  waren.  Ihre  Autorität  für  Wörter  und  Redensarten  mag 
derjenigen  der  klassischen  Schriftsteller  sehr  nahe  kommen,  indem, 
was  vom  klassischen  Gebrauche  abweicht,  vielleicht  aus  klassischen, 
verloren  gegangenen  Schriften  herstammt  oder  als  gut  schon  in  die 
Sprache  der  Gebildeten  aufgenommen  war.  Gleichwohl  ist  es  auch 
hier  sehr  zu  empfehlen,  das  neu  und  fremdartig  Scheinende  gegen 
das  Klassische,  wenn  es  vorhanden  ist,  umzutauschen.  Nicht  ausge- 
macht ist,  welchem  Zeitalter  der  Geschichtschreiber  Alexander  des 
Grossen,  Q.  Giirtiiis  Rufiis^  angehöre  ^^.  Sei  dem,  wie  ihm  wolle,  als 
Nachahmer  des  Liviiis  und,  wenn  nicht  Genosse,  so  doch  nächster 
Verwandter  der  silbernen  Latinität  kann  er  nur  da  Nachahmung 
beanspruchen,  wo  die  Klassiker  nichts  Geeignetes  an  die  Hand  geben. 
Von  Fachschriftstellern  sind  Cehus,  den  Wölfpin  Archiv  11^  S.  239 


13  c.     Vgl.  Norden  1,  S.  295. 

14.  Norden  I.  S.  287;  Peter,  Die  geschichfl.  Lit.  iibor  die  röm.  Kaiserzeit, 
Leipzig  1897. 

15.  .,Sprac'he  und  Stil  stellen   den  Verf.  unwiderleglich  zwischen  Livius  und 
Seneca  phil."' ,  {  Vogel- Weinhold,  Einleitung  S.  4,  Ausgabe  des  Curtius,  1908). 


den  ^Klatisiker  unter  den  Medizinern"'  nennt,  für  den  Stil  der  medi- 
zinischen, Coluniella  für  den  der  landwirtschaftlichen  Sprache  treff- 
liche, auf  ihrem  Gebiet  für  klassisch  zu  achtende  Gewährsmänner, 
während  Sueton  durch  den  einfachen,  klaren  und  ruhigen  und  im 
ganzen  verhältnismässig  immer  noch  ziemlich  reinen  Ton  seiner 
Sprache  den  Leser  wohltätig  anspricht,  Tacitus  hingegen  mehr  als 
grossartiger  und  bewunderungswürdiger,  denn  zur  stilistischen  Nach- 
ahmung zu  empfehlender  Autor  sich  darstellt.  Sehr  beachtenswert 
ist  ferner  der  ältere  Seneca  als  Verfasser  der  bekannten  Controv. ; 
sie  enthielten  ursprünglich  10  Bücher^  von  denen  jetzt  noch  fünf 
vorhanden  sind.  In  eine  etwas  spätere  Zeit  fallen  seine  Suasoriae, 
welche  jetzt  ein  aus  sieben  Reden  bestehendes  Buch  ausmachen. 
Der  Stil  hält  sich  möglichst  an  Cicero,  dessen  Bewunderer  Seneca  war, 
und  erreicht,  soweit  es  die  Zeitrichtung  zuliess,  Reinheit  und  Klas- 
sizität des  Ausdrucks.  Dies  gilt  jedoch  nur  für  die  Partien,  in  denen 
Seneca  selbst  spricht;  die  sententiae  und  colores  der  Deklamatoren, 
welche  er  redend  einführt,  sind  dagegen,  wie  Rehlinfj  im  Kieler  Progr. 
1873^  8.  20  ff.  nachweist,  eine  Fundgrube  für  das  Latein  der  Vulgär- 
sprache. Seneca  der  Philosoph  aber,  der  Sohn  des  Vorgenannten, 
steht  in  Beziehung  auf  Wortschatz,  Phrasen  und  grammatische  Fü- 
gungen nicht  unter  oder  hinter  seiner  Zeit.  Insoweit  liefert  er  dem 
Antibarbaristen  eine  nicht  geringe  Ausbeute  von  schätzenswertem 
Material.  Anderseits  aber  kann  ebenso  wenig  geleugnet  werden, 
dass  er  als  einer  der  auffallendsten  Repräsentanten  seines  Zeitalters 
dasteht,  dass  insbesondere  seine  kurzen,  zerhackten,  in  Antithesen 
und  Sentenzen  spielenden  Sätze,  seine  ganze,  mit  allen  Mitteln  rhe- 
torisch deklamatorischen  Aufputzes  verunzierte  Darstellung  sowohl 
in  den  prosaischen  Schriften  als  in  den  Tragödien  nur  negativ  zur 
Bildung  eines  einfachen  und  natürlichen  Stils  beitragen  '^.  Hieher 
gehört  auch  noch  Q.  Ahc.  Pedianus,  dessen  Blütezeit  wohl  in  die 
Regierung  der  Kaiser  Claudius  und  Nero  fiel.  Von  seinen  Kommen- 
tarien zu  den  Reden  Ciceros  sind  nur  noch  wenige  und  selbst  diese 
nicht  mehr  unversehrt  auf  uns  gekommen.  Was  sie  für  den  Anti- 
barbaristen besonders  interessant  macht,  besteht  darin,  dass  sie  in 
schlichter  und  reiner  Sprache  verfasst  sind  (Teitffel-Schivabe  II, 
S.  718).  Von  geringerer  Autorität  in  Beziehung  auf  die  Sprache 
sind  Velleius  Pat.,  „der  Bahnbrecher  der  silbernen  Latinität"  (Wölff- 
lin  Archiv  II,  S.  3o6),  Valerius  Maximus,  der  Vorläufer  des  Apu- 
leius,  der  ältere  Plinius  und  Frontinus,  von  noch  geringerer  aber 
Vitruvius,  Hyginus,  Rutilius  Lupus,  Pomp.  Mela  'l  Unbrauchbar 
aber  für  die  Prosa  sind  fast  alle  Dichter  dieser  Zeit. 

Endlich  die  vierte  Periode  ist  die  verdorbene,  fast  halbharba- 
rische  (von  andern  die  eherne  und  eiserne  genannt)  derjenigen  spä- 
tem   Lateiner^    welche    vom    J.  120   n.  Chr.   bis    zum    Untergange 

16.  Norden  I,  S.  308:  „Er  ist  als  Philosoph  und  Dichter  Deklamator  ge- 
blieben". 

17.  Charakteristiken  der  genannten  Schriftsteller  hat  Norden  l.  l.  I,  S.  302  ff. 


—     10     — 

der  lebenden  Sprache,  etwa  bis  zum  J.  600,  geschrieben  haben. 
Dadurch,  dass  die  griechische  Sprache  nicht  nur  schon  von  Hadrian, 
sondern  noch  mehr  von  den  Antoninen  als  Hofsprache  der  römischen 
vorgezogen  wurde,  dass  griechische  Grelehrte  fast  in  höherem  Ansehen 
als  römische  standen,  und  dass  aus  den  Provinzen  unzählige  Men- 
schen einwanderten,  die  lateinische  Sprache  sich  zwar  in  alle  Pro- 
vinzen verbreitete,  aber  auch  mit  den  Sprachen  derselben  sich 
vermengte,  verlor  sie  immer  mehr  an  Reinheit  und  Schönheit  und 
verbildete  sich  in  verschrobene,  affektierte,  gekünstelte  und  poetische 
Gestaltungen.  Was  den  Anfang  dieser  Periode  —  das  zweite  Jahr- 
hundert von  den  Antoninen  an  —  betrifft,  so  wird  derselbe  durch 
einen  entschiedenen  Mangel  an  Greist  und  selbstcändiger  Kraft  charak- 
terisiert. Kein  Gebiet  prosaischer  oder  poetischer  Darstellung  findet 
tüchtige  Bearbeitung ;  daher  bemächtigen  Theoretiker,  Sammler, 
Grammatiker  und  Rhetoren  sich  der  heri-enlos  gewordenen  Literatur, 
Was  die  Sprache  insbesondere  betrifft,  so  ist  es  merkwürdig,  wie 
die  Vertreter  des  neuen  Ungeschmackes  hauptsächlich  gegen  die  Zeit 
von  Augustus  bis  Hadrian  reagierend  auftraten  und  statt  auf  der  Grund- 
lage der  goldenen  und  silbernen  Latinität  zu  fussen,  zu  den  Autoren 
und  Formen  der  vorklassisch-archaischen  Periode  zurückgriffen.  Da- 
mit wollten  die  Altertümler,  die  mit  und  durch  Kaiser  Hadrian  zur 
Herrschaft  kamen,  die  Sprache  berichtigen  und  verbessern,  in  der 
Tat  aber  setzten  sie  an  die  Stelle  der  silbernen  Latinität  eine  bunt- 
scheckige, mit  archaischen  und  provinziellen  Wörtern,  Phrasen  und 
Strukturen  verunzierte  Sprache.  In  dieser  durch  die  gleichzeitigen 
atticistischen  Tendenzen  der  griechischen  Prosa  geförderten  Art 
schrieb  G.  Fronto.  Auf  alte  Wörter  und  Wendungen  griffen  gleich- 
falls die  Hauptrepräsentanten  der  im  zweiten  Jahrhundert  in  Afrika 
zur  Herrschaft  gekommenen  Stilgattung:  FloruSy  Aindems  und  Ter- 
tidlianiis.  Apidems  vereinigt  mit  dem  ungeheuerlichsten  Schwulst  die 
affektierteste  Zierlichkeit;  er  verwendet  alle  möghchen  Redefiguren, 
vermischt  vollständig  den  prosaischen  und  den  poetischen  Ausdruck, 
versucht  Neubildungen  kühnster  Art  und  paradiert  daneben  mit  ver- 
alteten Worten.  Yon  ihm  unterscheidet  sich  Tertidlian  in  den 
äusseren  Mitteln,  mit  denen  er  seinen  Stil  aufputzt,  gar  nicht  '"*. 
Beide  Schriftsteller  sind  Vertreter  des  sog.  „neuen  Stils",  der  sich 
aus  der  sophistischen  Kunstprosa  der  platonischen  Zeit  herleitet,  des 
„griechischen  Asianismus  in  lateinischem  Gewände"  (Norden  11^  S.  596). 
Mit  grosser  Mässigung  folgt  Ä.  Gellvis  der  archaisierenden  Richtung 
und  ist  für  den  Antibarbaristen  auch  in  sofern  von  grosser  Wichtig- 
keit, als  sich  bei  ihm  reiche  Exzerpte  aus  verloren  gegangenen 
Werken  auch  aus  den  bessern  Perioden  der  altrömischen  Literatur 
finden.  Später  —  im  vierten  Jahrhundert  —  kam  der  Gallicanismus 
in  Aufnahme;   auch  hier  ist,    wie  in  Afrika,   Schwulst,   Zierlichkeit, 


17  a.  Vgl.  Norden  1.  1.  II,   S.  598  fl'.,    Hoppe,   Syut.    und    Stil   des  Tertull 
Einleitung  S.  9  fP. 


—       11    — 

Pathos  herrschend,  kurz  der  „neue  Stil"  mit  allen  seinen  sprach- 
lichen Verzerrungen,  verwegenen  Neubildungen,  masslosen  Archaismen 
u.  s.  w.  ^^.  Vertreter  dieser  Richtung  sind  z.  B.  SidoniuH,  Ennodius^ 
dann  auch  Gregor  von  Tours  u.  a.  Gegenüber  diesen  wenig  nach- 
ahmungswerten Schriftstellern  verdienen  zunächst  die  juristischen 
Schriftsteller  ehrende  Erwähnung,  vor  allem  GaiuSy  aber  auch  Aemi- 
liiis  Fapinianus ;  ihre  Sprache^  welche  in  neuerer  Zeit  eingehend 
untersucht  worden,  ist  einfach  und  klar  und  sucht  der  klassischen 
nahe  zu  kommen.  An  vielen  Stellen  hat  dies  Kalb  für  Gaius  und 
Leipold  für  Fapinian  erwiesen.  Auch  spätere  Juristen  bis  Diodetian 
zeigen  das  gleiche  Bestreben.  Von  den  christlichen  Schriftstellern 
sind  Cyjman  und  Ladanz  Gegner  der  Stilrichtung  des  Tertidlian; 
Lacianz  ahmte  dem  Cicero  nach,  CyiJrian  schreibt  ein  behaglich 
breites  Latein  ohne  Schwulst^  Minucius  Felix  hatte  mit  seinem  Oc- 
tavius  die  Reihe  der  christlichen  Autoren  würdig  eröffnet,  es  folgten 
später  bedeutende  Männer,  die  auch  in  der  Entwicklungsgeschichte 
der  lat.  Sprache  alle  Beachtung  verdienen.  Sehen  wir  uns  die 
drei  Hauptvertreter  der  abendländischen  Väter,  Amhrosius,  Aiigusü- 
nus  und  Hieronymiis  näher  an,  so  lehrt  die  Lebensgeschichte  dieser 
Männer,  dass  sie  sämtlich  aus  guten  Familien  abstammten  und  mit 
trefflichen  Naturgaben  ausgestattet  sich  durch  die  tüchtigsten  Lehrer 
und  Bildungsmittel  ihrer  Zeit  zu  befähigen  suchten,  dereinst  im 
öffentlichen  Leben  eine  glänzende  und  ehrenvolle  Stellung  zu  er- 
ringen. Als  sie  zum  Christentum  übertraten  und  sich  berufen  fühlten, 
mit  den  Waffen  des  Geistes  als  Sachwalter  desselben  aufzutreten, 
bildeten  sie  eine  Sprache  aus,  die  zwar  weder  gewählt,  noch  im  ein- 
zelnen korrekt  ist,  aber  wie  bei  den  Juristen  technische  Präzision 
und  männliche  Kraft  besitzt  und  in  Durchführung  und  Fülle  der 
Gedanken,  selbst  in  höherer  Beredsamkeit  die  Profanen  der  letzten 
drei  Jahrhunderte  entschieden  übertrifft.  Freilich  muss  vom  hl. 
HieronymiLS  zugegeben  werden,  dass  er  sich  von  den  Auswüchsen 
des  pathetischen  Stils  nicht  überall  freigehalten  hat,  aber  ebenso 
sicher  ist,  dass  er  ein  immerhin  relativ  gutes  und  selbst  fliessendes, 
die  genaueste  Bekanntschaft  mit  den  Schätzen  der  klassischen 
Zeit  vielfach  bekundendes  Latein  schreibt.  Wenn  diese  Autoren 
sich  einer  gewählteren  Sprache  hätten  befleissigen  wollen,  so 
hätten  sie  es  wohl  vermocht;  wenn  sie  es  nicht  taten,  sondern 
Grammatik  und  korrekte  Form  gering  achteten,  so  kam  dies  daher, 
dass  sie  nicht  durch  Wohlredenheit  glänzen,  sondern,  wie  der  hl. 
Hieronymus  namentlich  oft  versichert,  durch  den  Gedankeninhalt 
überzeugen  und  rühren  wollten,  auch,  wie  wir  vom  hl.  Au- 
gustiii  wissen,  sich  in  ihren  populären  Vorträgen  im  Interesse  der 
Verständlichkeit  zu  der  Sprache  des  gemeinen  Mannes  herabliessen  ^^  *  . 
Besonders    charakteristisch    ist    in    diesem  Sinne    ein  Wort    des   hl. 


18.  Vgl.  Norden  1.  1.  II,  S.  631  ff. 

18  a.  Vgl.  Ferrere  revue    de  phil.  1901,  S.  835  (Langue  et  style  de   Victor 
de  Vita):  „Le  solecisme  devient  necessaire  pour  la  clarte  de  la  phrase.'' 


—      12     — 

Augustinus  in  ps.  138,  20  melius  est  repreliendant  nos  f/rammatiri 
quam  non  intellegant  iwpuli.  Daneben  ist  es  nur  zu  begreiflich,  dass 
Prediger  wie  Amhrosius  die  Kunstmittel  der  Sprache  nicht  ver- 
schmähten, um  auf  die  Herzen  zu  wirken.  Nimmt  man  daher  Licht- 
und  Schattenseiten  der  patristischen  Latinität  zusammen,  so  wird 
man  immerhin  sagen  müssen,  dass  dieselbe  vielmehr  als  bisher  ge- 
schehen ist,  verdient,  von  unseren  Lexikographen  und  Antibarbaristen 
gekannt  und  ausgebeutet  zu  werden.  Diese  Unbekanntschaft  trägt 
die  Schuld  daran,  dass  manches  für  ??e?(lateinisch  erklärt  worden  ist, 
was  bei  den  kirchlichen  Autoren  gute  Beglaubigung  findet  und  was 
um  so  mehr  hervorgehoben  werden  muss,  je  zuversichtlicher  man  oft 
das  Gegenteil  behauptet  hat;  beispielsweise  möge  man  appendere 
in  5.  Aufl.  und  in  meiner  Bearbeitung  vergleichen.  Dazu  kommt, 
dass  unsere  Lexikographen  für  manche  kirchlichen  Begriffe  ganz 
moderne  Bezeichnungen  bieten;  wenn  sie  die  lateinischen  Yäter  der 
alten  Kirche  ansehen  wollen,  so  können  sie  ihnen  vielfach  die  an- 
gemessensten Ausdrücke  entnehmen.  Endlich  ist  noch  zu  beachten, 
dass  von  der  patristisch-kirchlichen  Latinität  auch  für  ganz  profane 
Dinge  nicht  selten  Autoritäten  geboten  werden,  die  nicht  treffender 
und  bezeichnender  sein  könnten.  Sie  aber  bloss  deswegen  zu  ver- 
werfen, weil  sie  erst  bei  späten  und  dazu  noch  christlichen  Autoren 
vorkommen,  wäre  ebenso  ungereimt,  als  wenn  man  ihnen  umge- 
kehrt alles  ohne  nähere  Prüfung  auf  Treu  und  Glauben  nachbrauchen 
wollte. 
8.  Einen    letzten  Schimmer   wie    vor    dem  Untergange    der  Sonne 

warf  auf  die  lateinische  Literatur  nach  der  Zertrümmerung  des 
weströmischen  Reiches  die  Zeit  Theoderichs  des  Grossen,  in  welcher 
Boetliius  ^^  und  Cassiodorius  ^^  den  letzten  Beweis  dafür  lieferten, 
dass  die  liberale  Förderung  der  Wissenschaft  mit  der  nüchternen 
Tätigkeit  des  Staatsmannes,  des  weltlichen  oder  geistlichen  Be- 
rufes gar  wohl  zusammengehen  könne.  Doch  bald  genug  traten  die 
Zeiten  ein,  in  welchen  namentlich  Italien,  das  Mutterland  der  latei- 
nischen Zunge,  von  fremden,  halb  barbarischen  Völkern  in  Besitz  ge- 
nommen wurde.  Die  nächste  Folge  davon  war  die,  dass  das  Latein 
durch  die  Vermischung  mit  andern  Idiomen  jählings  seinem  Unter- 
gang entgegenging  und  so  der  Grund  zu  den  sogenannten  romanischen 
Sprachen  gelegt  wurde.  Jetzt  wäre  das  Schicksal  der  altrömischen 
Literatur  wohl  für  immer  besiegelt  gewesen,  wenn  ihr  nicht  kirch- 
liche Institute  die  notwendige  und  feste  Unterstützung  gewährt 
hätten.  Insbesondere  darf  es  als  eine  sehr  günstige  Fügung  des 
Himmels  betrachtet  werden,  dass  in  diesem  kritischen  Zeitpunkte  der 
neu  entstandene  Orden    des  hl.  Benedikt    von  Nursia  die  klassische 


19.  Norden  1.  1.  S.  .586  Acv  Schwung  der  Sprache  lässt  ihn  als  Verehrer 
Ciceros  erkennen^:  Vi^l.  aber  auch  Engelbrecht  Sitzungsher.  der  Wiener  Akademie 
Phil.-hist.  Kl.   1901,  S.  26—36  und  Rand  N.  .Jahrbb.'  Suppl.  XXVI. 

20.  Norden  1.  l.  S.  663. 


—     13     — 

Literatur  der  Römer  unter  seine  besondere  Pflege  und  Obhut  nahm^^ 
und  dass  das  Beispiel,  welches  zunächst  Italien  gegeben  —  man 
denke  an  Monte  Cassmo  und  Bohhio  —  in  England  und  Irland  ^- 
jene  energische  und  folgenreiche  Nachahmung  fand,  durch  welche 
die  Werke  der  Alten  vom  sechsten  bis  achten  Jahrhundert  dem  Ver- 
derben entzogen  wurden.  Jetzt  erfolgte  der  frische  Aufschwung  der 
Karolingischen  Periode;  die  Anregung,  welche  Karl  der  Grosse  ge- 
geben, ging  durch  die  ganze  Zeit  seiner  Nachfolger  hindurch ''^^.  Als 
bleibender  Gewinn  dieser  Bemühungen  Karls  des  Grossen  erscheint 
die  lange  anhaltende  Blüte  der  Stifts-  und  Klosterschulen,  welche  der 
Kaiser  in  vielen  Städten  seines  Reiches  errichtete.  Wohltätig  rea- 
gierte dies  auch  auf  England,  wo  gegen  das  Ende  des  neunten  Jahr- 
hunderts König  Alfred  der  Grosse  die  glänzendste  Tätigkeit  zur 
Förderung  der  klassischen  Studien  entwickelte.  Schade,  dass  die 
Einbrüche  der  Normannen  diesem  fröhlichen  Aufschwung  nur  zu 
bald  hinderlich  in  den  Weg  traten.  In  Deutschland  dauerte  nach 
dem  Aussterben  des  Karolingischen  Hauses  unter  den  Ottonen  und 
ihren  Nachfolgern  der  Aufschwung  der  klassischen  Studien  noch  fort, 
und  mehr  und  mehr  begannen  die  Früchte  der  Aussaat  Karls  und 
seiner  nächsten  Nachfolger  zu  reifen.  Dies  trat  insbesondere  auch 
in  der  Handhabung  des  lateinischen  Stiles  zu  Tage.  Durch  Rein- 
heit und  Lesbarkeit  der  Form  glänzt  als  Dichterin  die  Nonne  Hros- 
witha  und  wer  z.  B.  Adams  von  Bremen  gesta  Hammaburgensis 
ecclesise  pontificum,  Brunos  liber  de  hello  Saxonico  oder  die  Annalen 
des  Mönches  von  Hersfeld  gelesen  hat,  wird  sicherlich  angenehm 
davon  überrascht  worden  sein,  eine  für  die  damaligen  Zeiten  und 
Verhältnisse  ziemlich  rein  zu  nennende,  klare  und  selbst  fliessende^, 
das  Studium  der  alten  Klassiker  sichtbar  und  unzweideutig  beur- 
kundende Sprache  bei  diesen  Historikern  gefunden  zu  haben.  Um 
den  Anfang  des  zwölften  Jahrhunderts  traten  die  Universitäten  auf. 
Wenn  dadurch  die  Kloster-  und  Stiftsschulen  einen  guten  Teil  ihres 
Ansehens  und  ihrer  Wichtigkeit  einbüssten,  so  nahmen  die  klassi- 
schen Studien  doch  keinen  Schaden,  im  Gegenteil,  sie  wurden  auch 
an  den  neugegründeten  Anstalten  in  Italien,  Frankreich,  England 
und  Deutschland  eifrig  gepflegt.  Nicht  ohne  Glück  wurden  sogar 
Versuche  gemacht,  die  Alten  in  der  Schönheit  poetischer  Darstel- 
lung nachzuahmen.  Hieher  gehört  namentlich  Johann  von  Salesbury, 
welchen  nach  Bernhardys  Urteil  kein  Latinist  des  Mittelalters  an 
Klarheit  des  Stiles  übertraf^*,  während  auf  dem  Felde  der  Prosa 
rühmend  hervorzuheben  sind  die  Historiker  Otto  von  Freisingen 
und    der   Chronist    Saxo  Grammaticiis,    dessen  dänische  Geschichte, 


21.  Doch  nicht  Benedikt  selbst,  vgl.  Norden  1.1.  S.  665,    Wölfßin  im  Archiv 
IX,  S.  521  und  Sitzungsber.  d.  bayr.  Akad.  vom  6.  Juli  1895. 

22.  Vgl.  J^orden  1.  1.  S.  665  ff. 

23.  Vgl.  Norden  1.  1.  S.  693  ff. 

24.  Vgl.  Nordens  ähnliches  Urteil  1.  1.  S.  717    „sein   füi-   die  damalige  Zeit 
musterhaftes  Latein", 


—     14     — 

neu  herausgegeben  von  A.  Holder^  besonders  das  sorgfältigste  Stu- 
dium der  Alten  an  den  Tag  legt.  Noch  mehr  aber  erglänzen  durch 
Korrektheit  der  Form  und  Gelehrsamkeit  die  Dichter  des  zwölften 
Jahrhunderts;  sie  waren  trefflich  geschult,  und  ihre  formale  Gewandt- 
heit könnte  schon  allein  das  früher  uneingeschränkte  Urteil  gegen  die 
Barbarei  des  Mittelalters  widerlegen.  Mit  dem  Sinken  des  Mittel- 
alters im  dreizehnten  Jahrhundert  nahm  auch  die  Blüte  der  klassischen 
Studien,  besonders  von  1250  an,  mehr  und  mehr  ab,  während  Un- 
wissenheit und  Trägheit  wuchsen  und  alles  Studium  im  Betriebe  der 
Rechtswissenschaft  oder  der  Scholastik  aufging,  welche  ihre  Dialektik 
und  Disputiersucht  in  die  barbarische  Terminologie  eines  völlig  ent- 
arteten, durch  die  Dominikaner  und  Franziskaner  zuerst  eingeführten 
Lateins  einhüllte. 

Jedoch  endlich  ging  mit  der  neuen  Bekanntwerdung  der  alten 
Griechen  und  Römer  und  namentlich  ihrer  Klassiker,  befördert  be- 
sonders durch  die  Erfindung  der  Buchdruckerei  im  fünfzehnten 
Jahrhundert,  auch  für  das  Studium  und  die  praktische  Verwendung 
der  lateinischen  Sprache  ein  neuer  Glücksstern  auf.  Die  feinern 
Sprachkenner  fanden  das  Latein  der  nächst  vorhergehenden  Jahr- 
hunderte, mit  dem  klassischen  verglichen,  ungeniessbar  ^^,  und  bemüh- 
ten sich,  durch  eigene  Versuche  die  Sprache  des  goldenen  Zeitalters 
der  altrömischen  Literatur  nachzuahmen.  Aber  viele  von  ihnen 
gingen  zu  einseitig  zu  Werke  ^^  * ,  indem  sie  nur  den  Cicero  für  das 
einzige  Vorbild  erkannten  und  alles  verdammten,  was  nicht  aus  ihm 
erwiesen  werden  konnte.  Sie  waren  nur  sklavische  Nachahmer  des- 
selben, indem  sie  aus  seinen  Worten  und  Redensarten  zusammen- 
setzten, was  sie  schrieben.  Daher  wurden  sie  von  denen,  welche 
etwas  freiere  Ansichten  hatten,  ohne  der  Barbarei  und  der  willkür- 
lichen Mengerei  aus  allen  Jahrhunderten  zu  huldigen,  spöttisch  Cice- 
ronianer  genannt  "^.     Diese  freieren  Ansichten  und   Spöttereien    ver- 


25.  Petrarca  verglich  das  Mönchslatein  einem  verkrüppelten  Baume,  der 
weder  grüne  noch  Früchte  trage,  vgl.  Norden  1.  1.  S.  763.  G.  Voigt^  Wiederbelebg. 
d.  klass.  Altert.  I^,  S.  35. 

25  a.  Sie  lebten  und  webten  nur  in  Ciceros  "Worten  und  Gedanken  und  legten 
dadurch  dem  freien  Gredankengange  die  lästigsten  Fesseln  an.  Zu  ihnen  gehörten 
aus  dem  Anfange  des  sechzehnten  .Jahrhunderts  die  sonst  sehr  verdienstvollen 
Männer  Bembus,  Longolius,  BuneUus,  Laz.  Bonamicus  u.  a..  denen  nur  der 
frische  lebendige  Geist  fehlte,  ihre  Kenntnis  der  Ciceronischen  Sprache  freier  zu 
handhaben:  dahingegen  creistvoUe  und  freier  denkende  Gelehrte,  wie  Sadoletus, 
Erasmus,  Osorius,  Manutius,  Sigonius,  Perpinianus^  Miirettis,  Lambinus  u.  a.. 
welche  nicht  weniger  klassische  Lateiner  sein  wollten  und  dem  Cicero  und  Caesar 
auch  die  ersten  Plätze  einräumten,  erlaubten  sich  aus  der  nachklassischen  Zeit, 
ja  bisweilen  aus  der  spätem  Wörter  aufzunehmen,  welche  ihnen  zum  Ausdruck 
ihi'er  Gedanken  gut  und  passend  zu  sein  schienen. 

26.  Vgl.  Norden  1.  1.  S.  773  Der  Ciceronianismus  und  seine  Gegner.  Wenn 
übrigens  Norden  8.  774.  Anm.  2  meint,  dass  die  Schüler  vor  dem  Übersetzen 
aus  dem  Lateinischen  den  lateinischen  Text  lesen  sollen,  so  stimmen  wir  nicht 
mit  ihm  überein.  Das  Lesen  hat  erst  dann  Wert,  wenn  dem  Schüler  das  Ver- 
ständnis des  Schriftstellers  erschlossen  ist.  Ich  pflege  deshalb  Cicero  (z.  B.  in 
diesem  Jahre  Cic.  Plane.)    so    zu    behandeln,    dass   ich    mit   der  Exegese  beginne, 


—     15     — 

darben  aber  mehr,  als  sie  nützten,  indem  sie  die  Arbeit,  Mühe  und 
Fleiss  Scheuenden  unbekümmert  und  sorglos  um  Reinheit  der  Sprache 
und  mit  ihr  auch  um  alle  schöne  Darstelhmg  machten.  Daher  hat 
diese  Sorglosigkeit  lateinische  Schriften  hervorgebracht,  welche  ent- 
weder ganz  unlateinisch  sind,  indem  alles  nur  in  der  Muttersprache 
gedacht,  mit  den  schlechtesten  Wörtern  angefüllt  und  wohl  gar  noch 
mit  Fehlern  aller  Art  gegen  den  lateinischen  Sprachgebrauch  über- 
säet ist  ^'^,  oder  die  zwar  ziemlich  lateinisch  gedacht,  aber  durch  den 
Gebrauch  von  Wörtern  aller  Jahrhunderte  entstellt  sind.  Was  ein- 
zelne Wörter  betrifft,  wird  das  im  zweiten  Teil  folgende  Verzeichnis 
lehren,  dass  man  manche  yieue  Wörter,  welche  sich  auf  keine  Au- 
torität stützen  und  durch  gute  alte  ersetzbar  sind,  im  neuen  Latein 
findet,  wobei  die  Kunstwörter  nicht  gerechnet  werden,  da  sie  oft 
nicht  zu  ersetzen  sind. 

Da  nun  aber  die  lateinische  Sprache  bis  in  unsere  Zeiten  in  10. 
allen  Ländern,  wo  die  humaniora  die  Grundlage  der  allgemeinen 
Bildung  überhaupt  geblieben  sind,  oder  doch  in  einer  Schulgattung, 
dem  humanistischen  Gymnasium,  es  bleiben,  sorgfältige  Pflege  findet 
und  wir  durch  den  neuen  Thesaurus  linguae  latinae  allmählich  unter- 
richtet werden,  was  wirklich  gutes  Latein  ist,  so  ist  die  Forderung 
gewiss  billig  und  zur  Ehre  der  Sprache  gerecht  und  notwendig, 
dass  die  Unterweisung  im  Latein  eben  nur  im  besten  Latein  geschehe. 
Daher  bleibt,  wenn  die  latein.  Sprache  einmal  zur  Anwendung  kommen 
soll,   unerlässliche   Bedingung,    dass   man   sie   in  ihrer  Reinheit  und 


alle  sprachlichen  .und  sadilichen  Schwierigkeiten  beseitige,  für  lateinische  Eigen- 
tümlichkeit mit  den  Schülern  den  deutschen  Ausdruck  suche,  und  erst  wenn  in 
lebhafter  Erörterung  quaerendo  et  respondendo  alles  klar  gelegt  ist,  die  Über- 
setzung und  das  Lesen  des  lateinischen  Textes  folgen  lasse.  So  zeigt  die  Über- 
setzung dann,  ob  die  Schüler  alles  verstanden,  und  das  Lesen,  ob  sie  für  Satz- 
bau, Rhythmus  und  alle  rhetorischen  Mittel  Verständnis  und  Glefühl  haben.  Diese 
Art  der  Behandlung  langweilt  gewiss  nicht,  sondern  regt  an  und  gibt  mit  der 
Anregung  auch  die  Grundlage  zur  vollen  Würdigung  des  Redners  und  Stilisten 
Cicero. 

27.  Abgesehen  von  den  Epistolis  obscuror.  viror.,  die  zur  Verspottung  des 
Mönchslateins  im  sechzehnten  Jahrhundert  absichtlich  unlateinisch,  wahrscheinlich 
von  Mehrern,  verfasst  worden  sind,  und  andern,  welche  absichtlich  verdorbenes 
Latein  enthalten,  wimmeln  unabsichtlich  viele  neue  latein.  Bücher  von  Solö- 
cismen  und  Barbarismen  und  den  Idiomen  der  Muttersprache  der  Verfasser, 
nicht  etwa  bloss  in  theologischen,  juristischen,  medizinischen,  philosophischen,  ge- 
schichtlichen und  andern  Schriften,  sondern  selbst  in  philologischen,  in  Briefen 
und  in  Reden,  wo  gutes  Latein  von  allen  erwartet  wird.  Am  meisten  ging  den 
Philologen  der  gelehrte  Just.  Lipsius  mit  einem  sehr  verderblichen  Beispiele 
voran.  Ihn  bekümmerten  nur  die  Sachen,  nicht  die  Worte;  in  der  Sprache  unter- 
schied er  kein  Jahrhundert,  und  brauchte,  was  ihm  bei  seiner  grossen  Belesen- 
heit aus  irgend  einem  Schriftsteller,  altem  oder  neuem,  gutem  oder  schlechtem, 
gerade  einfiel.  Ebenso  schrieben  Jos.  Scaliger.,  Isaac  Casaubonus  und  Claud. 
Salmasius,  drei  an  vielseitiger  Gelehrsamkeit  unübertroffene  Männer.  Nicht 
besser  auch  noch  andere  unter  den  Frühern.  Dieser  bequemen  Art,  lateinisch 
zu  schreiben,  folgten  und  folgen  noch  viele  der  Neuern  aus  allen  Nationen,  und 
nur  wenige  verwenden  Mühe  und  Fleiss  auf  den  Stil,  wäre  es  auch  nur  auf 
Reinheit  der  Rede  und  auf  grammatische  Richtigkeit. 


—      16     — 

Richtigkeit,  also  stilistisch  handhabe.  Damit  aber  diese  beiden 
Eigenschaften  der  Rede,  wozu  das  vorliegende  Buch  Anleitung,  Nach- 
weisungen und  Warnungen  geben  soll,  erreicht  werden,  müssen  die 
gewählten  Wörter,  soweit  es  tunlich  ist,  ausschliesslich  aus  den 
besten  Schriftstellern  der  ziveiten  Periode  genommen  sein;  schon 
Livius^  noch  mehr  aber  die  Autoren  der  nachklass.  u.  Sp.  L.  Pe- 
riode sind  mit  Vorsicht  und  nur  da  nachzuahmen,  wo  sie  die  kon- 
sequente Weiterbildung  der  klass.  Sprache  aufzeigen  und  von  archai- 
sierender, poetisierender  oder  vulgärer  Diktion  sich  fernhalten.  So 
allein  ist  es  möglich,  einen  wirklichen  Stil  zu  schreiben,  der  frei  von 
aller  Sprachmengerei,  von  Barbarismen  und  Solözismen  klassisches 
Gepräge  trägt  und  wegen  seiner  Eleganz  gefallen  muss. 

11.  Wir  haben  daher  in  der  Neubearbeitung  des  Antibarbarus  vor 
Allem  das,  was  klassisch  ist  und  in  der  Schule  unbedingt  allein  nur 
gelten  darf,  zu  fixieren  gesucht.  Ausserdem  waren  wir  bestrebt, 
dem  angehenden  Stilisten,  wo  äusserst  tunlich,  durch  Darlegung  der 
geschichtlichen  Entwicklung  des  Wortgebrauchs  oder  der  Phrase 
und  grammatischen  Fügung  ein  Urteil  über  den  Vorzug  des  klass. 
Sprachgebrauchs  vor  allem  Früheren  oder  Späteren  zu  ermöglichen. 
Das  Unklassische,  aber  nicht  absolut  Verwerfliche,  haben  wir  mit 
mehr  oder  weniger  Zurückhaltung,  je  nachdem  es  der  einzelne  Fall 
zu  erfordern  schien,  der  freien  Wahl  des  Schreibenden  anheimge- 
stellt. Dagegen  haben  wir  alles  Unlateinische,  Vulgäre,  Importierte 
als  solches  gekennzeichnet  und  vor  Benützung  desselben  gewarnt. 
Es  wird  somit  der  Lehrer  am  Antibarbarus  einen  sichern  Führer 
haben  bei  der  Korrektur  der  lat.  Arbeiten  und  der  junge  Philologe 
eine  Kontrolle  seiner  lat.  Diktion,  mag  er  nun  einem  strengern  Stand- 
punkt huldigen,  oder  aber  neben  Cicero  und  Caesar  auch  Livius 
und  die  bessern  Autoren  des  silb.  Lateins  durchaus  gelten  lassen. 

12.  l^ber  die  übrigen  Erfordernisse  zu  einem  guten  lateinischen  Stile 
vergleiche  man  die  lateinischen  Stilistiken;  die  neuere  Literatur  hiezu 
habe  ich  in  meiner  ,, Historischen  Stilistik  der  lat.  Sprache^''  (Iivan 
MiÜlers  Handbuch  ^^  II 2,  S.  429)  verzeichnet. 


ANTIBARBARUS. 


Vorschriften  über  die  vorsichtige  Wahl  lateinischer  und 
fremder  Wörter  und  den  Antiharharus  selbst. 

In  zwei  Abtennngen. 


Krebs-Scbmalz,  Antibarbarns  I. 


Erste  Abteilung. 


Einige  Vorschriften  über  die  vorsichtige  Wahl  lateinischer 

nnd  fremder  Wörter. 

Um  gut  lateinif!cli^  wofür  wir  auch  klassisch  sagen  wollen,  zu  13. 
reden  und  zu  schreiben,  ist  es  notwendig,  dass  die  besten  und  für 
einen  Begriff  geeignetsten  Wörter  gewählt  werden.  Gross  aber  ist 
der  Wörterschatz  für  die  fast  immer  da  gewesenen  Begriffe,  und  für 
neue  ist  er  an  keine  Zeit  gebunden  und  wächst  mit  ihnen.  Da  aber 
viele  Wörter,  Konstruktionen  und  Redensarten,  welche  ein  und  das- 
selbe ausdrücken,  an  Wert  und  Güte  oft  sehr  verschieden  sind,  so 
beachte  man  folgende  Yorschriften : 

Erste  Vorschrift. 

Vermeide   alle   vorklassischen   oder    altlatehiischen  Formen  und  14. 
Wörter,   wenn  sie  in  der  bessern,   klassischen  Zeit  ausser  Gebrauch 
gekommen  und   durch  andere  ersetzt  worden  sind.     Ihren  etwaigen 
Gebrauch  muss  entweder  der  Inhalt  der  Schrift  oder  der  Schreiber 
selbst  entschuldigen. 

Veraltete,  ausser  Gehrauch  gekommene  Wörter  zu  vermeiden  ist  in  jeder  15. 
Sprache  Vorschrift  der  Redekünstier  oder  Stilistiker.  Cicero  (de  orat.  3,  97) 
sagt:  Moneo,  ut  caveatis,  ne  exilis,  ne  inculta  sit  vestra  oratio,  ne  vulgaris,  ne 
ohsoleta.  Ebenderselbe  (de  orat.  3.  150)  :  In  propriis  verbis  est  illa  laus  oratoris, 
ut  ahiecta  atque  ohsoleta  fugiat.  Ebenders.  (de  orat.  3.  39):  Non  erit  utendum 
verbis  iis,  quihus  iam  consuetudo  nostra  non  utitur,  und  (ib.  3.  153):  Inusitaia 
sunt  prisca  fere  ac  vetusta  et  ah  usu  cotidiani  sennonis  iam  diu  intermissa,  quae 
sunt  poetarum  licentiae  liberiora.  quam  nostrae  (der  Prosa).  Ebenso  riet 
Julius  Caesar^  von  welchem  Quintilian  (Inst.  10.  1.  114)  sagt:  Exornat  omnia 
mira  sermonis,  cuius  proprie  studiosus  fuit.  elegantia  —  bei  Gellius  I,  10,  4: 
Tamquam  scopulum,  sie  fuge  inauditum  atque  insolens  verbum,  —  darunter  ver- 
stand er  ausser  neuen,  erst  gehildeten,  gewiss  auch  alle  alten,  ausser  Gebrauch 
gekommenen  Wörter.  Grleicher  Meinung  ist  Quintilian ;  denn  wiewohl  er  (Inst. 
1,  6,  1)  sagt :  Vetera  (vocabula)  maiestas  quaedam  et.  ut  sie  dixerim.  religio 
commendat,  so  fügt  er  doch  ib.  20  hinzu:  Aholita  atque  ahrogata  retinere  inso- 
lentiae  cuiusdam  est  et  frivolae  in  parvis  iactantiae.  —  Diesen  Vorschriften 
zuwider  nahmen  zu  Ciceros  Zeit  unter  andern  Sallustius,  später  Arruntius 
in  seiner  Geschichte  des  Punischen  Krieges  (Teuffel-Schwabe^  259,  7),  Seneca 
und    Tacitus    und    nach    Hadrians    und    der   Antoninen    Zeit    Fronte,    Gellius 


—     20     — 

und  Apuleius  viele  alte,  in  der  Schriftsprache  nicht  mehr  gewöhnliche  AVürter 
wieder  auf.  Doch  ist  zu  bemerken,  dass  selbst  Cicero  und  andere  Klassiker  alte 
Wörter  und  Wortformen  nicht  ganz  vermeiden,  wenn  dieselben  in  der  Sprache 
der  Priester,  der  ßechtsgelehrten,  des  Handels,  der  Oekonomie  u.  s.  w.  von  Alters 
her  üblich  waren,  wie  dii  duint.  damnas  esto  oder  sicnto  für  damnatus  esto, 
damnati  sunto.  dixti  für  dixisti  etc.,  faxo,  apisci,  ast.  Alles  dieses  können 
wir  selbstverständlich  nachgebrauchen.  Was  aber  der  reinen  Volkssprache 
oder  den  Dichtern  angehört  oder  ganz  und  gar  veraltet  und  aus  dem  Gebrauch 
der  gebildeten  Zeit  verschwunden  ist.  z.  B.  die  aktiven  Fonnen  mancher  Depo- 
nentia wie  adulare,  aeimilare,  gratificare,  insequere,  morare,  paciscere,  partire, 
verdient  keine  Beachtung.  Selbstverständlich  dürfen  auch  die  Partie.  Perf.  von 
Deponentien  nur  dann  passiv  gebraucht  werden,  wenn  dafür  antike  Autoritäten 
vorhanden  sind.  Auch  wenn  Deponentia  hisiceüen  noch  als  Passiva  gebraucht 
werden,  muss  unsere  Latin ität  dem  allgemein  gewordenen  Gebrauch  der  klassischen 
Zeit  folgen.  Freilich  im  scher zlmften  Stile  und  im  muntern  Gespräche  sind  eine 
Menge  zum  Scherz  gebildeter  Wörter,  welche  bei  Plautus  und  Terentius  vor- 
kommen, ebenfalls  zu  gleichem  Zwecke  zu  benutzen  und  am  passenden  Orte  zu 
gehöriger  Zeit  anzuwenden,  woran  kein  Kenner  Anstoss  nehmen  wird.  Endlich, 
wenn  uns  ein  altes  vorklassisches  Wort  gerade  das  passendste  für  den  Sinn 
unserer  Rede  zu  sein  scheint,  so  kann  es  leicht  durch  die  Fonnel:  ut  Enniano^ 
Plautino,  Terentiano,  Catoniano  —  verho  utai\  nach  dem  Vorgang  von  Cicero 
und  Andern,  entschuldigt  werden. 

Zweite  Vorschrift. 

16.  Yermeide  wo  möglich  alle  dicliterischeyi  ^Yö^ter,  Redensarten 
und  Wörterverbindungen,  selbst  der  klassischen  Zeit.  Auch  ihr 
etwaiger  Gebrauch  werde  entschuldigt.  Doch  lässt  der  historische 
Stil,  welcher  mit  der  Sprache  der  Dichter  vermöge  seines  rhetori- 
schen Grepräges  am  nächsten  verwandt  ist,  am  rechten  Orte  man- 
ches sonst  poetische  Wort  zu;  so  weit  freilich  als  Livius  dürfen  wir 
nicht  gehen;  denn  seine  Sprache  hat  aus  £'/??u?(.9,dann  auch  aus  Vergil, 
auch  aus  Liicrez.  Tibull,  Horaz^  nicht  nur  einzelne  Wörter  und 
Phrasen,  sondern  ganze  Wendungen  herübergenommen,  z.  B.:  liaec 
uhi  dicta  dedit;  vgl  M.  Mülle)'  zu  Liv.  II.,  Anh.  S.  146  f. ;  Wölfffin 
Philol.  26,  S.  131;  ferner  Hcujen  N.  Jalirl.  1874,  S.  271  ff.  und 
besonders  Stacey  im  Archiv  X.  S.  22  ff. 

17.  Wie  verschieden  die  Sprache  der  Dichter  von  der  Prosa  schon  in  der  Wahl 
A.tx  Formen.^  in  der  Syntax  und  in  Bildung  Mewer  Wörter  auch  bei  den  Lateinern 
gewesen  sei,  lehrt  uns  jede  etwas  vollständige  poetische  Grammatik  ^     Was  aber 

1.  Ich  erinnere  nur  an  terrai,  aquai,  navita  f.  nauta;  caelituum  f.  caelitum ; 
caelicolum  f.  caelicolarum ;  olli  f.  Uli ;  saeclum  f.  saeculum ;  accestis  f.  accessistis ; 
vestibam  f.  vestiebam;  an  Konstructionen,  z.  B.  it  clamor  caelo  f.  ad  caelum:  venire 
Italiam  f.  in  Italiam:  pugnare  alicui  f.  cum  aliquo;  an  die  Adjektiva  mit  dem 
Infinitiv,  z.  B.  audax  perpeti,  bonus  dicere  versus^  oder  mit  beigesetztem  Accu- 
sativ  nach  griechischer  Art,  z.  B.  similis  vocem  coloremque:  stratus  niemhra ;  an 
convexa  caeii,  strata  viarum:  an  dignus  mit  ^tnxGenit.  oder  mit  dem  Infin.;  au 
Verha  neutra  mit  einem  Accus.,  z.  B.  properare  aliquid,  triumplmre  aliquem  — 
und  an  viele  andere  griechischartigen  Verbindungen,  welche  aus  den  Dichtern 
später  in  die  Prosa  übergegangen  sind.  Dazu  kommt  aber  auch  noch  eine  Menge 
von  den  Dichtern  gewagter  neuer  Wörter,  besonders  zusammengesetzter,  welche 
höchstens  nur  bisweilen  in  feierlichen  Reden,  wo  man  einen  höhern.  fast  poe- 
tischen  Ausdruck  verlanfft  und  erwartet,  angewandt  werden  können. 


—     21     — 

von  poetischer  Sprache  und  poetischem  Ausdruck  zu  halten  sei,  darüber  höre 
man  das  Urteil  Ciceros  und  einiger  andern.  So  sehr  nämlich  Cicero  in  seinen 
rhetorischen  Büchern  wünscht,  dass  sich  die  Rede  vor  der  gewöhnlichen  Alltags- 
rede durch  Schönheit  auszeichne,  so  warnt  er  doch  vor  allenthalben  ausgestreuten 
Blumen ;  er  wünscht  vielmehr  (de  orat.  3,  96),  dass  sie  so  verteilt  seien,  dass  sie  nur  als 
hervorstrahlende  Sterne,  wie  Verzierungen,  erscheinen.  Jede  Rede,  sagt  er  weiter, 
poetische  wie  prosaische,  welche  eine  gar  zu  gekünstelte,  in  die  Augen  fallende 
und  geschmückte,  gar  keine  Abwechslung  bietende  Aussenseite  hat,  mit  wie 
hellen  Farben  sie  auch  spielen  mag,  kann  kein  dauerndes  Vergnügen  gewähren. 
Kurz,  er  wünscht,  dass  die  Rede  zwar  blumenreich,  aber  nicht  mit  Blumen  und 
Bildern  überladen  sei.  Hier  spricht  aber  Cicero  nur  von  der  öffentlichen  Rede, 
nicht  von  Briefen,  nicht  von  belehrenden  Schriften,  nicht  vom  Dialog.  Er  würde 
gewiss  in  den  meisten  übrigen  Schriftarten  den  schlichten,  einfachen  und  unge- 
künstelten Vortrag  allein  empfohlen  und  den  blumenreichen,  fast  poetischen  ver- 
worfen haben.  Dafür  spricht  die  viel  zitierte  Stelle  ad  fam.  9,  21,  1  quid  tibi 
ego  videor  in  epistulis,  nonne  pleheio  sermone  agere  tecum?  nee  enim  semper 
eodem  modo,  quid  enim  simile  habet  epistula  aut  iudicio  aut  contioni?  quin 
ipsa  iudicia  non  solemus  omnia  tractare  uno  modo,  privatas  causas  et  eas  tenues 
agimus  subtilius;  capitis  aut  famae  seilicet  ornatius;  epistulas  vero  cotidianis 
verbis  texere  solemus.  Hieher  gehört  auch  Quintilians  Warnung  vor  der  zu 
seiner  Zeit  blühenden  Schreibart.  Duo  genera,  sagt  er  (Inst.  2,  5,  21),  maximc 
cavenda  pueris  puto :  unum,  ne  quis  (ein  Lehrer  der  Jugend)  eos  antiquitatis 
nimius  admirator  in  Gracchorum  Catonisque  et  aliorum  similium  lectione  dures- 
cere  velit:  fient  enim  horridi  atque  ieiuni ;  —  alterum  quod  huic  diversum  est, 
ne  recentis  huius  (der  jetzigen,  gegenwärtigen)  lasciviae  flosculis  capti  voluptate 
quadam  prava  deleniantur,  ut  praedulce  illud  genus  et  puerilibus  ingeniis  hoc 
gratius,  quo  propius  est,  adament.  Nur  da  ist  wohl  in  Prosa  eine  blumenreiche 
Darstellung  zulässig,  wo  es  der  Inhalt  der  Rede  fast  fordert,  wie  bei  malerischen 
Schilderungen  schöner  Gegenden  u.  ä. 

Eine  Überladung  aber  mit  Blumen  und  Bildern  ist  um  so  weniger  not-  18. 
wendig,  als  die  lateinische  Sprache  reich  ist  an  sinnlichen  und  bildlichen  Aus- 
drücken, indem  sie  schon  früh  dergleichen  in  ihre  gewöhnliche  Rede  aufgenommen 
hatte  und  oft  auch  bei  gewöhnlichen  Gegenständen  den  bildlichen  Ausdruck 
liebte,  wiewohl  man  bei  vielen  Wörtern  gewiss  nicht  mehr  lebhaft  an  das  dachte, 
was  sie  eigentlich  bezeichnen.  Dieses  mag  eine  Reihe  von  Beispielen  aus  Cicero 
beweisen.  Er  sagt:  Ärdet  hello  orbis  terrarum  —  actum  est  —  aculei  soUici- 
tudinum  —  agitare  mente,  animo  —  architectus  sceleris  —  amare  amorem  alicuius 
(Cic.  fam.  9,  16,  1)  —  aureolus  libellus  —  adducere  aliquem  in  odium  —  castra 
movere  (sich  entfernen  ohne  Rücksicht  auf  Krieg)  —  claudit  mihi  adhuc  pudor 
eius  consuetudinem  —  collustrare  animo,  oculis  —  colores  orationis  —  conglu- 
tinare  amicitiam  —  condimentum  humanitatis  —  concidere  (den  Mut  verlieren) 

—  contrucidare  rem  publicam  —  contrahere  vela  (sich  zurückziehen,  still- 
schweigen) —  creber  sum  in  scribendo  —  cumulus  magnus  commendationis  — 
cursus  animi,    vitae,   industriae    — ■    depingere  vitam  alicuius    —    devorare  libros 

—  dirumpi  dolore  —  evolat  oratio  —  edere  vitam  (sterben)  —  effundere  gratiam 
(die  Gunst  verscherzen)  —  erigit  oculos  et  vivit  res  nostra  —  excubat  cura  rei 
publicae  —  exhaurire  vitam,  spiritum  —  exsultat  alacris  improbitas  —  faces 
doloris  —  fluit  oratio  longius  —  fluctus  contionum  —  familiam  dueit  aliquis  in 
iure  civili  (er  steht  an  der  Spitze,  ist  das  Haupt  der  Juristen)  —  flumen  ver- 
borum  —  florere  gratia,  gloria,  auctoritate,  omni  genere  virtutis  u.  a.  —  frangere 
in  vielen  Verbindungen  —  fulmina  fortunae  —  guhernacula  rei  publicae  — 
gurges  libidinum  —  gustare  nullam  partem  rei  publicae  —  habitare  in  oculis,  in 
aliqua  re  —  haurire  luctum,  dolorem  —  iacere  terrores  —  impetus  fortunae  — 
imponere  alicui  vulnus  —  incendium  belli,  invidiae  —  incumbere  in  (von  gei- 
stigen Dingen,  wie  wir  sagen  sich  legen  auf  etwas)  —  incurrere  in  reprehen- 
sionem  u.  a.  —  ingredi  in  spem  (Hoffnung  fassen)  —  interit  pecunia  —  innrere 
alicui  dolorem  —  iter  amoris  nostri  —  lucet  virtus  in  tenebris  —  lucent  Athenae 

—  lux  forensis,  in  luce  Asiae  versari  —  mederi  (gut  machen,  befriedigen)  — 
movet  me  Cappadocia  (ich  tue  es  ivegen  C.)  —  mortuus  plausus  (der  erstorbene, 


—     22     — 

zu  Ende  gekommene  Beifallt<rufi  —  uiilitia  haec  urbana  ( vun  den  JStaatsgeschäften) 

—  murmur  maris  —  naufragium  rei  familiaris,  rei  publicae  u.  a.  —  ohscurare 
laudem.  gloriam.  famam  —  offerre  se  in  discrimen  —  orbis  rei  publicae  —  pennas 
alicui  incidere  —  penicillus  (von  der  Feder  des  Schriftstellers)  —  pingere  (vom 
Redner  und  seinen  Worten)  —  plagam  accipere  (Unglück  erleiden)  —  suam 
vitam  ut  legem  praeferre  suis  civibus  (Cic.  rep.  1.  52)  —  wo  das  gleich  einem 
Gesetze  zum  Muster  dienende  Leben  mit  einer  Fackel  verglichen  wird,  die  zur 
Leuchte  und  Leitung  dienen  soll)  —  regnat  amicitiae  nomen  —  revocare  se 
ad  industriam  (wieder  fleissig  werden)  —  retexere  se  (ein  neuer  Mensch  werden) 

—  saudus  animus  (ein  gekränktes  Gemüt)  —  sepelire  dolorem  —  silva  i-ei'um, 
sententiarum  —  signifer  [ein  Anführer  ohne  Beziehung  auf  Krieg)  —  stuprare 
iudicium  —  suffusus  animus  nulla  malevolentia  —  tela  fortunae  —  tempestas 
rei  publicae,  populi  —  tinctus  litteris  (wissenschaftlich  gebildet)  —  tenet  me 
spes,  Studium,  difficultas  rei  nummariae  (ich  hin  in  Geldnot)  —  tractare  vitam, 
reliqui  tempoi'is  spatium  —  transfundere  laudes  suas  ad  aliquem  —  vela  ora- 
tionis  pandere  —  verbera  contumeliarum  —  venire  in  suspicionem  u.  a.  —  vocare 
in  suspicionem,  invidiam,  discrimen,  contentionem,  disceptationem,  quaestionem  u.  a. 

—  undae  comitiorum  —  und  so  noch  hundert  andere  bildliche  Redensarten,  die  man 
sich  beim  Lesen  Ciceros  und  anderer  Klassiker  anmerken  kann. 

19.  Die  vielfache  Anwendung  sinnlicher  Wörter  verführte  auch  bald  dazu, 
leblose  Gegenstände  zu  personifizieren  und  sie  durch  zugesetzte  aktive  Verba  als 
tätige  und  handelnde  darzustellen,  besonders  solche,  bei  denen  man,  wie  auch 
in  andern  Sprachen.  Personen  denkt.  So  z.  B.  civitas,  iuventus,  vicinia,  nohi- 
litas,  servitium,  posteritas,  saeculum,  domus,  magistratus,  colonia  und  andere 
ähnliche.  Aufiallender  aber  sind  pestilentia,  religio,  voluptas,  gratia,  vitia, 
amidtia,  oratio  (sedate  placideque  locpiitur  Cic.  orat.  92),  communis  vita  (die 
Menschen  im  genuinen  Leben,  z.  B.  hac  de  re  non  dubitavit,  Cic.  divin.  1, 
86),  sententia  (erant  sententiae  —  quae  censerent.  Caes.  civ.  2,  30,  1),  dies 
(quintus  hie  dies  finem  faciet  Tusculanarum  disputationum,  Cic.  Tusc.  5,  1), 
annus,  nox  (perfeeit  bellum,  Liv.),  lux  (aperuit  bellum  ducemque  belli,  Liv.), 
indutiae  (tacitae  ind.  quietum  annum  tenuere,  Liv.)  u.  a.  Den  obigen  ähnlich 
werden  Länder-  und  Städtenamen  für  ihre  Bewohner  gesetzt,  z.  B.  Italia 
(f.  Itali),  Sicilia,  Hispania,  Africa,  Asia,  Athenae,  Locri  (Locri  nrbs  desciverat 
ad  Poenos,  Liv.  29,  6,  1),  ora  maritima  frequisivit,  Cic.  Pomp.  67),  Lamia 
(urbs)  regionem  maxime  Oetae  spectat,  Liv.  36,  25,  3.  Und  so  wird  von  einem 
Orte  gesagt:  ille  latronum  occultator  et  receptor  locus  (Cic.  Mil.  50),  und  Messana 
wird  genannt:  omnium  istius  furtorum  ac  praedarum  receptrix  (Cic.  Verr.  4,  150). 
So  wie  aber  Cicero  oben  der  Bede  eine  Spraclie  leiht,  so  leiht  er  ihr  auch  einen 
ornatus,  vires,  sanguis,  succus,  integra  valetudo  und  nennt  sie  compta.  venusta, 
incompta,  inornata  u.  dgl. 

20.  Jß  reicher  nun  ohnehin  die  Sprache  schon  in  der  bessern  unverdorbenen 
Zeit  an  bildlichen  x\usdrücken  war,  desto  weniger  hielten  es  die  bessern  Schrift- 
steller für  gut  und  notwendig,  sie  noch  mehr  mit  Blumen.  Bildern  und  poetischen 
Wörtern,  Redensarten  und  Sprachfügungen,  welche  meistens  griechischartig  waren, 
zu  überladen.  Dagegen  suchte  und  meinte  die  spätere  verdorbene  Zeit,  durch 
dergleichen  der  Rede  noch  mehr  Schönheit  zu  geben,  verdarb  aber  durch  solche 
aufgelegte  Schminke  die  einfache  Farbe  der  ungeschminkten  Schönheit.  Daher 
ist,  um  klassisch  zu  reden,  die  Kenntnis  des  ganzen  Umfangs  der  klassischen, 
d.  h.  der  bessern  Prosa  notwendig  und  ebenso  die  der  poetischen  Grammatik  und 
des  poetischen  S}>rachgebrauchs.  damit  die  Grenzen  nicht  geflissentlich  über- 
schritten werden.  Wenn  Cicero  sich  eines  bildlichen  Wortes  oder  Ausdruckes 
bedienen  will,  der  ihm  etwas  hart  oder  ungewöhnlich  scheint,  so  gebraucht  er 
mildernde  und  entschuldigende  Zusätze,  z.  B.  quasi,  tamquam,  quodammodo, 
paene,  quidam,  ut  ita  dicam ;  bei  spiichwörtlichen  ut  aiunt^  ut  dicunt,  ut  dici- 
tur,  qiiod  aiunt,  und  bei  griechischen  sprichwörtlichen  ut  Graeci  dicunt. 
Einige  Beispiele  aus  Cicero:  Omnis  ubertas  et  quasi  silva  dicendi  —  quasi  ami- 
citiae fores  aperiuntur  —  magistratus  quasi  rei  publicae  vilici  —  quasi  quidam 
aestus  ingenii  —  verborum  quasi  structura  —  qui  quasi  officinas  instruxerunt 
sapientiae  —  haoc  quasi  fabulam  (dieses  Drama,  tvenn  ich  so  sagen  darf)  rerum 


—     23     — 

eventoruuique  —  in  eo  quasi  tahernacttlum  vitae  suae  coUocarunt  —  securitate 
frui  non  potest  auimus,  si  tamquam  parturit  uiius  pro  pluribus  —  accurata  et 
facta  qiiodammodo  oratio  —  architecti  paene  verboruni  —  hi  maxime  forti  et,  ut 
ita  dicam,  virili  iituntur  ratione  —  amicos'  parant  optimam  et  pulcherrimam,  ut 
ita  dicam,  supellectileiii  —  verbum  ardens,  ut  ita  dicam  —  grandüoqui,  ut  ita 
dicam  —  omni  contentione,  velis,  ut  ita  dicam,  remisque  fugiendum  —  ut  cum 
aequalibus  possis  ad  calcem,  ut  dicitur,  pervenire  —  urge  igitur  nee  transversum 
unguem,  quod  aiunt,  a  stilo  (Cic.  fam.  7,  25,  2)  —  qui  mihi  a  teneris,  ut 
Graeci  dicunt,  unguiculis  es  cognitus  —  viris  equisque,  ut  dicitur,  decertandum 
est  —  totum  hominem  tibi  trado  de  manu,  ut  aiunt,  in  manum  tuam,  istam  — 
si  eum,  qui  tibi  promiserit,  fucum,  ut  dicitur,  facere  velle  senseris  u.  a.  m. 
Manche  anfangs  so  gemilderte  Ausdrücke  wurden  aber  nachher  so  gewöhnlich, 
dass  man  sie  ohne  Zusatz  brauchte,  z.  B.  grex  in  der  Bedeutung  Haufe  Menschen; 
ansam  dare,  Gelegenheit  geben  (vgl.  jedoch  Seyifert-Müller  zu  Lael.  S.  389  f.  und 
unten  s.  v.  ansa)\  architectus  in  der  Bedeutung  Urheber  u.  a,  bald  mit,  bald 
ohne  Zusatz  — ,  wodurch  der  bildlichen,  verschönernden  Schreibart  noch  Spiel- 
raum genug  gelassen  wird.  Und  so  kann  manches  poetische,  selbst  alte  Wort, 
wenn  man  es  für  notwendig  hält,  gebraucht  werden,  zumal  wenn  man  sich  ausser- 
dem der  oben  erwähnten  Redensart  bedient :  ut  Enniano,  JPlautino,  Terentiano,  Ca- 
tulliano,  Lucretiano  —  verbo  utar,  und  bei  wörtlicher  Übersetzung  deutscher 
Sprichwörter  (wofür  man  nicht  ängstlich  lateinische  zu  suchen  braucht)  nach 
Ciceros  Vorgange  bei  griechischen,  den  Zusatz  macht  ut  Germani  dicunt,  ut  in  Ger- 
manorum  proverbio  est ;  z.  B.  edit  araneas,  ut  Germani  dicunt  (er  hat  Spinnen 
gefressen  nach  dem  deutschen  Sprichivorte) :  wie  bei  einem  griechischen:  Ne 
noctuas  Athenas,  ut  Graeci  dicunt,  um  zu  sagen :  Bemühe  dich  nicht  vergebens 
(Trage  nicht  Eulen  nach  Athen).  —  Was  aber  die  Klassiker  ohne  einen  mil- 
dernden Zusatz  nicht  zu  brauchen  wagten,  werde  auch  nicht  geradezu  ohne  einen 
solchen  angewendet. 

Gleichwohl  aber  vermag  ein  solcher  Zusatz  nicht  den  Gebrauch  jedes  Wortes  21, 
und  jeder  ungewöhnlichen  Redensart  (fremde  Sprichwörter  ausgenommen)  zu 
mildern,  da  dieselben  von  der  Art  sein  können,  dass  sie  der  Denkart  und  dem 
Sprachgebrauche  der  Lateiner  ganz  zuwider  sind  oder  wenigstens  die  Grenzen 
der  Prosa  überschreiten  oder  wohl  gar  von  der  Art,  dass  sie,  wie  Seneca  sagt, 
non  modo  extra  sanitatem,  sed  extra  naturam  sind.  Dergleichen  sinnlose  Redens- 
arten bietet  besonders  Florus  ^  dar.  So  kommen  z.  B.  nie  in  Prosa  die  Namen 
der  Götter  für  die  Sachen  vor,  deren  Vorsteher  sie  sind,  z.  B.  Juppiter  für 
caelum,  aether,  aer ;  Neptunus  für  inare,  aqua;  Vulcanus  für  ignis ;  Ceres  für 
fruges ;  Bacchus  für  vinum ;  Apollo  oder  Phoebus  für  sol;  Phoebe  für  luna  u.  dgl., 
ausser  Mars,  das  in  bekannten  Ausdrücken:  communis  Mars  belli,  aequo  Marte 
u.  dgl.  ganz  in  appellative  Bedeutung  übergegangen  ist  (s.  das  Nähere  unter 
Mars),  und  in  Sprichwörtern,  die  aus  der  sinnlichen  Sprachperiode  herrührten, 
wie  sine  Baccho  et  Cerere  friget  Venus.  Nie  gebrauchte  man  ferner  das  appellative 
caelum,  wie  wir  Himmel,  für  dei  oder  deus,  und  falsch  ist  caelum  te  servet  (der 
Himmel  erhalte  dich)  für  Deus  (dei,  di)  te  servet  (servent),  das  gebe  der  Himmel: 
faxit  Deus,  doit,  det  Deus,  nach  Cic.  Catil.  1,  22,  Phil.  10,  13,  und  Tac. 
ann.  4,  38;  nie  mundus,  wie  unser  Welt,  in  der  Bedeutung  Menschen,  für 
homines ;  nie  hora.  Stunde,  in  der  Bedeutung  Unterricht,  für  disciplina;  nie 
nucleus,  der  Kern,  in  der  Bedeutung  das  Beste,  Kräftigste,  für  robur  oder  sonst 
wie;  nie  catena,  die  Kette,  in  der  Bedeutung  die  ununterbrochene  Reihe,  s.  darüber 
s.  V.  catena  und  so  viele  andere  Subst.  in  bildlichem  Sinne.  Ebenso  eine 
Menge  Verba  mit  bildlicher  Bedeutung,  z.  B.  gehen,  was  wir  leblosen  Dingen, 
wenn  sie  in  einer  Bewegung  sind,  beilegen,  wie  der  Mühle,  dem  Wagen,  dem 
Winde,  dem  Schiffe,  der  Uhr  u.  a.,  aber  nicht  so  das  lateinische  ire,  wofür 
andere  Verba,  meistens  auch  bildliche,  z.  B.  currere,  volare  u.  a.  gewählt  werden. 
—  Auch  sollen  die  Klassiker  nie  Länder-  und  Städtenamen  mit  einem  Verbum 
der  Seelentätigkeit  verbunden  haben,  was  wir  tun ;  z.  B.  Bom  dachte  jetzt 
auf  Krieg  gegen,  die  Nachbarn,  nicht  Borna  urbs  cogitabat  — ,   sondern  Bomani 

2.  Vgl.  über  seinen  Stil  das  Urteil  von  Norden,  Antike  Kunstprosa,  S.  598. 


—     24     — 

cogitabant;  Rom  schickte  Gresandte  nach  Athen,  nicht  Roma,  sondern  Romani. 
Grleichwohl  sagt  schon  Cic.  de  or,  2,  6  Graecia  haec  semper  summa  duxit,  vgl. 
Seyffert-3Iüller  zum  Lael.  S.  383.  meine  Stilistik  §  2,  d,  Anm.  und  Lebreton 
Etndes  S.  75  f.  Über  über  agit  de  aliqua  re.  tractat  aliquam  rem,  s.  unter  agere 
und  tractare.  Eben  so  wenig  sagt  man  von  einer  Stelle :  hie  locus  eins  rei  vien- 
tionem  facit  (tut  Envähnungj,  sondern  hoc  loco  —  mentio  fit;  hingegen,  was 
heutzutage  oft  gesagt  wird:  Codices,  editiones,  annales  u.  dgl.  habent  kommt  sehr 
oft  nicht  nnr  bei  den  Kirchenvätern  Ambrosius,  Hieronymus  und  Augustinus, 
sondern  schon  bei  Livius  vor  und  ist  also  vollkommen  gut  und  richtig.  Vgl. 
Livius  8,  37,  3;  21,  25,  4:  22,  27,  3  u.  40,  29.  5.  Ebenso  verbindet  Livius 
auch  tradere  mit  annales  aktivisch,  vgl.  22,  31,  8  u.  42,  11,  1.  So  legen  wir 
auch  manche  Handlungen  Sachen  bei,  welche  die  Lateiner  nur  Personen  beilegen  ; 
hier  helfen  mildernde  Zusätze  nichts,  wenn  der  Sprachgebrauch  entgegen  ist. 
Widersinnige  Bilder  gar  können  durch  nichts  gemildert  werden,  z.  B.  wenn 
Bentley  in  einem  seiner  Briefe  sagt:  ultimam  suis  cogitationihus  uianum  im- 
ponere;  Muretus :  urhs  in  caede  natabat ;  Famian  Strada  :  Comiti  Barlomontio 
senectus  supremam  imposuerat  manum  (in  der  Bedeutung  hatte  die  höchste  Würde 
verliehen),  und  integumento  corporis  se  evolvere  (sterben) ;  Muret :  tu  depravatas 
hominum  mentes  velut  de  integro  interpolasti ;  ein  anderer:  obscuritatem  quan- 
dam  enucleare ;  uterque  tractatus  in  se  est  totus  et  absolutus  ;  Aristoteles  rem 
habet  cum  auditoribus  u.  a.  dgl.  Hingegen:  seri  in  caelum  redeatis  Hesse  sich 
auch  vom  christlichen  Standpunkt  aus  verteidigen  und  stützen  durch  Hör.  Carm. 
1,  2,  45.  Wenn  aber  Hemsterhuis^  sagte  domesticum  memoriae  vestrae  tabu- 
larium,  so  bedurfte  dieses  gute  Bild  dennoch  eines  mildernden  Zusatzes,  den  er 
nicht  beifügte.  Lächerlich  und  gekünstelt  sind  die  neuen  Redensarten  sacerdos 
iustitiae  oder  Themidis  cultor,  der  Jurist  u.  ä. 

Dritte  Vorschrift. 

22.  Gebrauche  die  klassischen  Wörter  zunächst  und  hauptsächhch 
nur  in  der  Bedeutung  und  Verbindung,  in  welcher  sie  bei  den  Klas- 
sikern, nicht  in  welcher  sie  bei  nachfolgenden  spätem  Schriftstellern 
gefunden  werden.  Haben  aber  die  Nachklassiker  ein  klassisches 
Wort  in  neuer,  natürlich  entwickelter  Bedeutung  oder  Verbindung 
gebraucht,  so  ist  auch  dies  nicht  durchaus  zu  verwerfen;  dabei  ist 
aber  doch  von  Fall  zu  Fall  zu  erwägen,  ob  nicht  die  klassische 
Sprache  ein  der  verlangten  Bedeutung  entsprechendes  besonderes 
Wort  besitzt;  nur  wenn  dies  nicht  der  Fall  ist  und  das  nachklassisch 
in  seiner  Bedeutung  modifizierte  Wort  ganz  treffend  erscheint,  soll 
man  nach  dem  letztern  greifen. 

23.  Einige  Beispiele  mögen  zeigen,  wie  wir  die  dritte  Vorschrift  angewendet  zu 
sehen  wünschen.  Angenommen,  es  handle  sich  um  desideria  und  postulata. 
TJesideriuvi  kommt  nachklassiscli  bei  Suetonius.  Tacitus  und  Plinius  dem  Jüngern 
allerdings  in  neuer  Bedeutung  vor;  allein  es  bedeutet  in  diesem  neuen  Sinne 
streng  genommen  doch  nicht  so  viel  als  postulatum.  Es  ist  offenbar  ein  grosser 
Unterschied,  wenn  man  die  Worte  Caesars:  Petit  ab  utroque,  quoniam  Pompei 
niandata  ad  se  detulerint,  ne  graventur,  sua  quoque  ad  eum  postulata  deferre 
mit  der  folgenden  Stelle  des  Suetonius  vergleicht :  Nee  amplius  quam  Septem  et 
viginti  dies,  donec  desideria  militum  ordinarentur  Brundisii  commoratus  .... 
Octav.  17.  Man  vergl.  über  desideria  militum  ad  Caesarem  ferre  auch  Tac. 
ann.  1.    19  u.   26.     Zieht    man    hieraus    -das    Ergebnis,    so    sind    Caesars   postu- 

3.  Hemsterh.  oratt.  S.  9. 


—     25     — 

lata  die  Forderungen   des  Gleichberechtigten,    desideria  hingegen  Bitten,  Bittge- 
suche   der  Untergeordneten    an    ihren  Kriegsherrn.     Nun    fragen  wir,    ob  dieser 
neue  Sinn  des  Wortes  aus  der  klassischen  Bedeutung   desselben  nicht  so  einfach 
und  naturgemäss    entwickelt  sei,    dass    er    ohne  Anstand    nachgebraucht    werden 
dürfe?     Anders  urteile    ich  über  ampUare  \  wir  brauchen  es  nicht  in  seiner  nach- 
klassischen Bedeutung    „vergrössern,    erweitern",    weil  wir  klassisch  den  Begriff 
durchaus  deckende  Wörter  besitzen ;  vgl.  unten  s.  v.  ampliare.     Umgekehrt  bean- 
stande ich  nicht  vacare  „sich  mit  etwas  beschäftigen,  abgeben",  eine  Bedeutung, 
die  sich  naturgemäss  aus  dem  klassischen  Brauche  (siehe  unten  s.  v.  vacare)  ent- 
wickelt und  weil  es  doch  immerhin  etwas  ganz  Anderes  besagt  als  operam  dare, 
incumhere    oder  ähnliches.     Fast  das  gleiche  gilt  von  compactus,    welches  siehe, 
vielleicht  auch  für  superesse  =  überleben,   noch  am  Leben  sein;  denn  diese  Be- 
deutung findet  sich  nicht  nur  bei  guten  Nachklassikern  wie  Suet.  Claud.  21  und 
bei  Plin.  epp.  2,  1,  9,  sondern  es  kommt  derselben  auch  zu  gute,  dass  sie  bereits 
schon  bei  Livius  1,    34,    2  u.  28,    28,    12,    ib.  33,    15    und    selbst    bei  PoUio  in 
Cic.  fam.  10,   33,    5    gefunden    wird.      Componere  =  bestatten  ist  Eigentum  der 
besten    klassischen    Dichter  und    von    ihnen    ist    es    auch    in    die  nachklassische 
Prosa  hinübergenommen,  aber  selten  gebraucht  worden  ;  wir  möchten  es  zum  Gre- 
bj-auch  nicht  eben  empfehlen.     Dasselbe  gilt  von   cruda  viridisque  senectus.     Es 
ist  dies,  trotzdem  viridis  im  Kl.  L.  übertragen  voi'kommt,   ein   für  die  schlichte, 
kühnen  Übertragungen  abholde  Prosa  der  klassischen  Periode  nur  zu  prächtiger, 
den  Dichtern  entnommener  Ausdruck,  den  wir  nicht  ohne  weiteres  billigen,  aber 
doch  jedermann  zugestehen,  wenn  er  mit  einem:  ut  Taciti  verbis  utar  ein  geführt 
werden  will.     Vetus  =  senex,  annis  provectus  hat  als  poetische  Bezeichnung  für 
die  Prosa    keine  Bedeutung.     Ebenso    wenig    kann    auch  amittere  =  übergehen, 
educere  =  erbauen,  transmittere  =  mit  Stillschweigen   übergehen   für  den  sorg- 
fältigeren   lateinischen    Stil    verwendet    werden.     Hactenus  bis  hierher  (von  der 
Zeit  gebraucht)  steht  zwar  bei  Livius  7,  26,  6,  aber  ganz  vereinzelt  und  gehörte 
wohl  zu  der  Patavinität  dieses  Autors.    Kommt  es  auch  nachklassisch  bei  Florus 
und  Tacitus  wieder  vor,  so  kann  ihm  dies  doch  unseres  Erachtens  nicht  zur  Em- 
pfehlung gereichen,  denn  die  neue  Bedeutung  ist  nicht  auf  dem  Wege  natürlicher 
Entwickelung,  sondern  vielmehr  durch  eine  Vermischung  der  die  Begrenzung  von 
Raum  und  Zeit  darstellenden  Adverbien   entstanden.  —  Was   die   Verbindungen 
betrifft,  so  halten  wir  unbedingt  fest  an  den  in  der  klassischen  Sprache  üblichen 
Konstruktionen  und  verwerfen  die  denselben  widerstreitenden  Fügungen,  So  lassen 
wir  nur  invadere  in  c.  acc.  gelten,    dulden    in    der  Schule   nur  plenus  mit  Gen., 
billigen  nur  invidere  alicui  rei  alicuius,  lassen  neben  mea   sponte  durchaus  kein 
patris  sponte  oder  absolutes  sponte  passieren,  unterstreichen  unbarmherzig  abhor- 
rere  alicui  u.  ä.     Noch    entschiedener    verurteilen  wir  alle  Gräzismen,    die  nicht 
die  Zustimmung    der  Klassiker  erhalten    haben.     Bei  Quintil.  und  dem  jüngeren 
Plin.  finden   wir    dignus    mit    dem    Infin.    verbunden,    s.  Quintil.  10,    1,    96    u. 
Plin.  Paneg.  7,  4;    bei  Sali.  Jug.  34,  1  den  Acc.  c.  inf.  bei  amare.  Doch  so  hoch 
wir  auch  die  Autorität  dieser  Schriftsteller  anschlagen  wollen,  so  vermag  der  Schild 
ihres  Namens   diese  Konstruktion  nicht  zu  decken,   denn    dieselbe  ist  keineswegs 
dem  Geiste    der  lateinischen  Sprache  angemessen,    sondern  blosse,    auch    bei  den 
lateinischen  Dichtern  vorkommende  Nachahmung  griechischer  Redeweise.    Solche 
Erscheinungen    sind    daher    unbedingt    zu    verwerfen.     Dagegen  geben  wir  auch 
gerne    zu,    dass    das    deutsche    „er    hat  in  seinem  Berichte  alles  übertrieben  und 
schlimmer  dargestellt"    nicht    besser    als    durch  „in   maius  atque  deterius  omnia 
rettulit'^    gegeben   werden    kann,    wenn   auch  Sali,  zuerst  die  Phrasen  in  maius, 
in  mollius,  in  deterius  u.  ä.  eingeführt  und  damit  den  Griechen  (Thucyd.)  nach- 
geahmt hat. 

Noch  besondere  Beachtung  aber  verdient  die  Verbindung  richtiger  Adjek-  24. 
tiye  mit  Substantiven  und  richtiger  Adverbien  mit  Verben,  indem  sie  bald  nur 
einen  aktiven,  bald  nur  einen  passiven  Begriff  haben,  so  dass  jene  nur  lebenden 
Wesen,  diese  nur  leblosen  beigelegt  werden  können,  selten  aber  beide  Begriffe  in 
sich  schliessen.  So  ist  z.  B.  unlateinisch  accuratus  fein  genauer,  sorgsamer) 
scriptor,  poeta,  orator  u.  a.  Vgl.  den  Antib.  unter  Accuratus.  Ebenso  sind  den 
Römern  ein  unermüdliches  (indefessum,  non  defatigatum)  Studium,  ein  feindliches 


—     26     — 

(hosiilia)  Lager.  Land^  eine  (feiehrte  (doctus)  Schrift,  Müsse,  gelehrte  Werke,  ge- 
lehrtes Altertum  fast  fremd.  Vgl.  den  Antib.  unter  Antiquitas,  Doctus,  Eruditus, 
Hostilis.  Und  der  Art  gibt  es  noch  mehr  Sprach  Verschiedenheiten;  denn  gesetzt 
auch,  zwei  Wörter,  ein  Subst.  und  ein  Verbum.  wären  in  ihrer  Bedeutung  richtig-, 
z.  B.  gratia,  Dank;  scire,  loissen;  dicere,  sagen,  so  ist  doch  unlateinisch:  gra- 
iiam  scire,  Dank  wissen,  s.  untei*  gratia;  fides  heisst  der  Glaube,  dare  oder 
donare,  schenken,  aber  unlateinisch  ist  fidem  alicui  dare  oder  donare,  vgl.  das 
Wort  fides;  ludere,  spielen^  aber  nicht  ludere  comoediam,  tragoediam,  sondern 
agere ;  nicht  ludere  lyram,  tihiam  — ,  sondern  canere  lyra  u.  a.  Auf  solchen 
falschen  Verbindungen  guter  Wörter  beruhen  sehr  viele  Germanismen.  Es  ist 
daher  ein  Hauptvorzug  des  lexic.  Ciceronianum  von  Nizolius.  dass  es  nach  jedem 
Substantiv  dessen  Adjunkta  und  nach  jedem  Verbum  dessen  zulässige  Konstruk- 
tionen angibt:  sehr  sorgfältige  Zusammenstellungen  dieser  Art  haben  auch  viele 
Artikel  des  neuen  Thesaurus :  vgl.  z.  B.  s.  v.  amicitia. 

25.  Endlich  fordern  auch  noch,  wenn  man  gut  lateinisch  schreiben  oder  sprechen 
will,  die  synonymen  oder  sinnverwandten  Wörter  viel  Vorsicht  und  Studium, 
da  durch  ihre  Verwechselnno;  oder  Xichtkenntnis  etwas  Geschriebenes  und  Ge- 
sprochenes  leicht  unlateinisch  werden  kann.  Verschieden  sind  und  dürfen  nicht 
wohl  verwechselt  werden  z.  B.  si.  cum;  si  non,  nisi ;  praecipue,  maxime, 
imprimis,  praesertim.  potisslmum,  plurimum ;  imvetrare ,  assequi,  consequi, 
(idipisci,  nancisci,  accipere ;  aut,  vel,  sive ;  adhiic,  hactenus;  magister,  doctor, 
praeceptor ;  gratis  frustra ;  eloqitens,  disertus^  facundus ;  potentia,  potcstas, 
vis;  regnum,  imperium;  libertus,  libertinus ;  bellum  gerere  und  ducere ;  simu- 
lacrum,  Signum,  statua,  imago ;  und  so  viele  andere,  die  oft  willkürlich  ge- 
braucht und  verwechselt  werden.  Für  die  genauere  Kenntnis  und  Unterscheiduntf 
empfehle  ich  die  Bücher  von  Döderlein,  Ramshorn^  Schmalfeld,  Schnitze  und 
Tegge^,  für  die  Hand  der  Schüler  die  Büchlein  von  Menge  und  von  Meissner; 
vgl.  auch  das  Programm  von  Tegge,  Bunzlau  1883. 

Vierte  Vorschrift, 

26.  Vermeide  alle  späÜateinischen  Wörter,  WortverbiuduDgen  und 
Redensarten,  wenn  klassische  oder  nacliklassische  aus  den  bessern 
Schriftstellern  vorhanden  sind,  besonders  diejenigen,  welche  erst  in 
der  vierten  Sprachperiode  sich  neben  altklassischen  in  die  Sprache 
unnötig  eingeschlichen  haben. 

27.  Es  ist  wahr,  dass  das  Bestreben  der  silbernen  Latinität,  durch  neue  und 
interessante  Wortformen  den  Leser  oder  Hörer  anzuziehen  und  zu  fesseln,  im  ein- 
zelnen oft  nach  Willkür  und  Laune  eine  Menge  von  neuen  Wörtern  geschaffen 
hat,  deren  man  füglich  entraten  konnte.  Hierher  gehört  der  Schimmer  und  Schall 
der  Worte   in  invulnerabilis,   incomprehensibilis,  perpessicius,   incorporalis   und 


4.  Lateinische  Synonvme  und  Etymologieen  von  L.  Döderlein.  Leipz.  1826 
bis  1838.     6  T.     Dazu  Beilage:  Die  lateinische  Wortbildung.     Ebend.   1839. 

Lateinische  Synonymik.  Nach  Gardin  Dumesuils  Synon.  lat.  neu  bearb.  u. 
verm.  von  L.  Ramshorn.  Als  neue  Aufl.  der  allg.  lat.  Synonymik  von  Ernesti. 
Leipz.  1831.  1833.     2  T. 

L.  Ramshorns  Synonymisches  Handwörterbuch  der  lateinischen  Sprache. 
Leipz.  1835. 

Fr.  Schmalfelds  Lateinische  Synonymik  für  die  Schüler  gelehrter  Schulen 
zum  Gebrauch  beim  Lesen  der  latein.  Schriftsteller  und  beim  Abfassen  latein. 
Stilübungen.  Eisleben  1835.  Aufl.  2  verb.  u.  verm.  Ebendas.  1836.  Aufl.  3 
verb.  u.  verm.     Ebendas.  1839.     Aufl.  4.     Ebendas.  1869. 

Ferd.  Schultz'  Lateinische  Synonymik,  zunächst  f.  d.  obern  Gymn.  Klassen. 
Arnsb.  1841  (8.  Aufl.  Paderborn  1879). 

'Tegge,  Studien  zur  lateinischen  Synonymik:  Berlin,  Weidmann,  1886. 


—     27     — 

anderer  Flitterstaat  von  Seneca.  la  eben  diese  Rubrik  ist  aueli  zu  rechnen  die 
geschmacklose  Spielerei  mit  Diminutiven  wie  blandulus,  vagulus,  palliduliis^ 
nudulus.  Muss  aber  schon  vor  solchen  Formen  gewarnt  werden,  so  gilt  dies 
natürlich  noch  viel  mehr  von  den  Missbildungen,  welche  sich  vom  Beginne  der 
vierten  Sprachperiode  an  in  immer  steigender  Masslosigkeit  breit  gemacht  haben,  z.  B. 
aggeratim,  interibüis,  monoculus,  ossum  für  os,  dolus  für  dolor  und  die  ganz 
ohne  Not  aufgebrachten  deteriorare,  meliorare  und  vieles  andere  dieser  Art.  Das 
gleiche  gilt  natürlich  von  dem  Heere  ungemessener  Licenzen,  welche  sich  zum 
Teil  schon  nachklassisch,  besonders  aber  vom  Beginne  der  späteren  Latinität  an 
in  die  Sprache  eingeschlichen  hatten.  Dahin  gehört  z.  B.  der  übertriebene  Ge- 
brauch des  Ahlativus  absolutus  von  Substantiven  und  Adjektiven,  z.  B.  tribunatu 
militum,  im  Kriegstribunate  (Suet.  Caes.  5)  für  cum  tribunus  milüum  esset  oder 
einfach  tribunus  militum;  proscriptione  (ibid.  11)  für  cum  proscriptio  esset  zur 
Zeit  der  Achtserklärung ;  dubio  für  cum  dubiiim  esset ^\^\.  meine  Synt.^§97;  ferner 
die  übermässige  Anwendung  des  Genitivs  bei  Adjectiven  und  Verben;  der  substan- 
tivische Gebrauch  des  Neutrums  der  Adjective  im  Sing,  und  Plur.,  z.  B.  incerta 
casuum  humanorum,  extrema  imperii,  asperrimum  hiemis,  dubia  proeliorum ; 
ferner  die  Übertragung  der  klassischen  Konstruktion  eines  Verbs,  wie  potiri,  auf 
ein  anderes,  in  der  Bedeutung  ähnliches,  z.  B.  adipisci  rerum  =  potiri  rerum ; 
über  alle  erwähnten  Konstruktionen  vgl.  die  betr.  §§  meiner  Syntax  u.  Stilistik. 
Die  Veränderungssucht  dehnte  sich  damals  sogar  auf  den  Kanzleistil  aus,  welcher 
sonst  in  allen  Sprachen  sich  am  längsten  gleich  bleibt.  Man  brauchte  z.  B.,  um  nur 
ei7i  Wort  zu  erwähnen,  für  designare,  wählen,  bestimmen,  was  bei  Wahlversamm- 
lungen das  herkömmliche  Verbum  war,  entweder  destinare  oder  nominare.  Vgl. 
Suet.  Caes.  1,  Calig.  12.  Dazu  kommen  noch  die  vielen  poetischen  Wendungen 
und  gekünstelten  Eedensarten,  welche  sich  bei  vielen  nachaugusteischen  Schrift- 
stellern finden,  und  die  der  einfache,  kunstlose  Stil  so  viel  als  möglich  vermeiden 
muss.  Vgl.  darüber,  was  bei  den  beiden  vorhergehenden  Vorschriften  schon  be- 
merkt worden  ist. 

Wer  aber  das  Wörtermengen  aus  allen  Zeiten,  wie  billig  und  vernünftig  28. 
ist,  für  verwerflich  hält,  wird  vor  allem  den  Tdassischen  Wörtern  den  Vorrang 
einräumen  und  die  spätem  nur  dann  mit  in  seine  Sprache  ziehen,  wenn  sie  gut 
gebildet  sind  und  einen  Begriff  eben  so  gut  und  treffend  bezeichnen,  wie  jene, 
zumal  wenn  sie  bei  Quintilian,  dem  Jüngern  Plinius,  Gelsus,  Seneca  dem  Vater 
und  andern  mit  Auszeichnung  Genannten  vorkommen.  Ja  selbst  die  späte  Lati- 
nität bietet  manchmal  Ausdrücke  an,  \Velche  nicht  bezeichnender  sein  könnten 
und  darum  für  vollkommen  gut  zu  erachten  sind.  Für  unser  deutsches  Zahn  der 
Zeit  haben  unsere  gangbarsten  Lexika  in  der  Regel  nichts  als  vetustas  oder  das 
Ovidsche  tempus  edax  rerum.  Kann  es  aber  dafür  einen  bezeichnenderen  Aus- 
druck geben  als  confectrix  rerum  omnium  vetustas,  was  sich  freilich  erst  bei 
Lactant.  inst.  7,  11,  5  findet?  Das  Wort  umprägen  (von  Münzen)  war  noch  in 
der  fünften  Auflage  des  deutsch-lat.  Hdwtb.  von  Georges  gar  nicht  zu  finden. 
Was  heisst  nun  Münzen  umprägen  ?  In  der  einzigen,  mir  darüber  bekannten 
Stelle  bei  Tertull.  nat.  2,7;  106,  20  R.  heisst  es:  monetam  repercutere,wdiS  vollkommen 
gut  und  richtig,  weil  uns  n.  percutere,  Geld,  Münzen  schlagen  geläufig  ist.  Für 
Beligions-Geiüissensfreiheit  hatte  Georges  keinen  antiken  Ausdruck.  Was  jetzt 
dafür  geboten  wird,  ist  vollkommen  befriedigend,  obgleich  es  erst  aus  Lactant.  de 
m.  persecut.  c.  48,  §§  2  und  5  entnommen  ist.  Doch  ist  hier  strenge  Prüfung 
notwendig.  Gewiss,  es  zeigt  Gleichgültigkeit  und  Geschmacklosigkeit  im  Sprechen 
und  Schreiben,  wenn  man  den  bessern  Ausdrücken  und  Wörtern  die  spätem 
schlechtem  vorzieht,  z.  B.  solummodo  für  tantummodo ;  innumerus  (ein  poetisches 
AVort)  für  innumerabilis ;  coaevus  und  coaetaneus  für  aequalis,  eiusdem  aetatis; 
verbotenus  für  ad  verbum;  libitu  oder  pro  libitu  für  meo  arbitratu;  necator 
für  interfector,  percussor ;  praetervidere  für  neglegere^  omittere,  non  videre ; 
praeterlapsi  anni  für  praeteriti  anni;  seducere,  verführen,  für  inducere,  corrum- 
pere ;  frustra,  umsonst  d.  h.  unentgeltlich,  für  gratis;  taediosus,  verdriesslich, 
lästig,  für  taedio  coniunctus,  molestus ;  subiugare,  unterjochen,  für  subigere; 
insipidus,  geschmacklos,  einfältig,  für  insulsus;  passio  für  perpessio,  und  so  un- 
zählige andere. 


—     28     — 

Fünfte  Vorschrift. 

29.  Zulässig  dagegen  und  anwendbar  sind  alle  nadiklassischen  und 

späÜateifiischen  Wörter,  zu  deren  Begriffsbezeichnung  sich  noch  kein 
Wort  aus  der  bessern  Zeit  vorfindet  und  welche  demnach  klassische 
Geltung  haben  müssen.  Bei  mehreren  gleichbedeutenden  sind  die 
altern  immer  den  spätem  vorzuziehen.  Diese  Vorschrift  gilt  vor  allem 
für  die  Kunst-  oder  technischen  Wörter,  aus  welcher  Sprache  und 
Zeit  sie  auch  sein  mögen. 

80.  Mit    Recht   sagt    Cicero    (fin.    3,    3)  :    imponenda    sunt    nova    rebus   novis 

notnina,  und  (nat.  deor.  1.  44):  sunt  enim  rebus  novis  nova  ponenda  nomina. 
Eine  neue  Sache  und  mit  ihr  ein  neuer  BegrifiF  fordert  ein  neues  AYort ;  und  das 
dehnt  sich  bis  auf  die  spätesten  Zeiten  aus  und  berechtigte  alle  auf  Cicero  fol- 
genden Schriftsteller,  neue  Wörter  für  neue  Sachen  zu  erfinden,  und  jeder  tat 
dieses  in  seinem  Fache.  Bei  dem  ewigen  Wechsel  der  Dinge  im  menschlichen 
Leben,  wo  teils  das  Alte  dem  Neuen  weichen  muss,  teils  beides  sich  miteinander 
verbindet,  müssen  mit  der  Erweiterung  der  Begriffe,  mit  der  Entdeckung  und 
Auffindung  neaer  Sachen  in  Künsten  und  Wissenschaften  und  mit  der  Bekannt- 
werdung mit  dem.  was  andern  Völkern  eigentümlich  ist,  notwendig  auch  neue 
AVörter  für  die  neuen  Sachen  gebildet  werden.  Was  nun  so  die  Römer  bei  den 
Griechen  oder  andern  Völkern  Neues  in  Künsten  oder  Wissenschaften  oder  sonst 
im  menschlichen  Leben  fanden,  davon  nahmen  sie  entweder  meistens  die  fremd- 
artigen Benennungen  mit  mehr  oder  weniger  veränderter  Form  in  ihre  Sprache 
auf,  oder  sie  bildeten  sich  eigene  neue  Wörter  als  Stellvertreter  der  fremden; 
(über  griechische  vgl.  unten  §§  33  ff.)  —  und  so  wie  sie  mit  griechischen 
verfuhren,  so  auch  mit  Wörtern  anderer  Sprachen;  sie  sagten  z.  B.  für  das 
punische  schophet  (eine  höhere  Magistratsperson)  —  suffes^  im  Plur.  suffetes;  für 
das  wohl  keltische  Ambacht,  Andbalit,  der  Diener  —  ambactus;  für  das  keltische 
feargobreith  —  vergobretus  (Caes.  Grall.  1,  16,  5)  ;  für  souldur,  der  Verpflichtete 
(s.  Kraner-Dittenberger  zu  Caes.  Call.  3,  22, 1)  —  soldurius ;  für  das  ayrische  gamal 
—  camelus  (nach  Varro),  und  so  die  fremdartigen  acinaces,  gaza^  braca  (bracca), 
carrus,  matara^  framea,  tiara,  satrapes,  naphtha,  essedum,  petorritum,  reda, 
uriis,  mannus  u.  a.  m.  Die  meisten  lieferte  die  griechische  Sprache,  nicht  bloss 
für  die  Wissenschaften,  Philosophie,  Poetik  und  Rhetorik,  sondern  auch  für  die 
gewöhnlichen  Gewerbe  und  Künste,  für  Kochkunst  (vgl.  Apicius  de  re  culinaria), 
Baukunst  (vgl.  Vitruv),  Kriegswissenschaft  (vgl.Vegetiusj,  Ackerbau,  Jagd  u.  s.  w. 

31.  Es    würde    eine    unzeitige,    fast   lächerliche     und    überängstliche    Vorliebe 

für  Klassizität  verraten,  wenn  man  die  neuen,  oft  gar  verschiedenen  Begriffe 
alten  klassischen  Wörtern  unterlegen,  oder  für  ein  einfaches  Wort  eine  aus 
klassischen  Wörtern  bestehende  Umschreibung  wählen  wollte,  wie  man  von 
beiden  Arten  Beispiele  hat,  z.  B.  für  unser  Bürgermeister  —  consul^  zu  setzen 
und  Cardinal  durch  pater  purpuratus  auszudrücken,  oder  in  noch  vollerer  Form 
unus  de  purpuratis  aulae  pontificiae,  qui  Cardinales  vocantur.  Die  beiden  ersten 
sind  zur  Bezeichnung  der  Begriffe  unverständlich,  ja  das  Wort  consul   sagt  vom 


5.  F.  A.  Wolf  pflegte  in  seinen  Vorlesungen  diese  Übersetzung  nach 
seiner  Weise  zu  bespötteln,  und  weil  er  der  Meinung  war,  alles  Ausländische 
müsse,  wenn  es  einen  den  Römern  fremden  Begriff"  enthielte,  nach  der  Weise 
der  Römer  ohne  weiteres  nur  in  eine  lateinische  Form  gegossen  werden  und 
zwar  mit  geringer  Abänderung,  wollte  er  sogar  Burgermeisterus  sagen;  ebenso 
flinta,  die  Flinte:  pistola,  die  Pistole  und  ähnliche:  anders  wären  sie  nicht 
übersetzbar.  Man  könnte  aber  Bürgermeister  ganz  verständlich  übersetzen  durch 
magister  civium,  civibus  oder  urbi.  pago,  vico  praefectus;  Cardinal  aber  behalte 
man  durchaus  mit  seinem  schon  lateinischen  Namen  bei  und  so  andere,  schon  an 
sich  lateinische  oder  aus  dem  Griechischen  genommene,  wiewohl  sie  vielleicht  im 
Begriffe  abweichen,  z.  B.  Decanus,  Episcopus  u.  a. 


—     29     — 

modernen  Bürgermeister  unendlich  mehr  als  er  wirklich  ist;  das  letzte  aber  leidet 
an  Schwerfälligkeit.  Und  wie  denn  nun  mit  den  vielen  hundert  neuen  Wörtern 
für  das  viele  Neue,  was  seit  Augustus  die  Welt  gesehen  hat?  wie  mit  den  Namen 
der  unter  den  Kaisern,  Königen  und  Fürsten  alter  und  neuer  Zeit  neu  bestallten 
Staatsdiener  V  wie  mit  den  neuen  Namen  in  Jurisprudenz,  Mediciu,  Kriegskunst, 
Baukunst  und  allen  übrigen  Künsten  und  Wissenschaften?  wie  mit  der  Menge 
neuer  Wörter,  die  durch  die  christlichen  Religionslehrer,  griechische  und  lateinische, 
in  die  Theologie  gekommen  sind?  —  Durch  klassische  Wörter  sind  sie  nicht  er- 
setzbar und  müssen  durchaus  nach  der  Meinung  aller  bessern  Neulateiner,  eines 
Sadolet,  Manutius,  Perpinian,  Muret  (vgl.  dessen  Var.  lectt.  XV,  1)  u.  a.  bei- 
behalten werden,  wie  man  sie  bei  den  bessern  lateinischen  Theologen  findet.  Dies 
gilt  ganz  besonders  auch  von  der  Sprache  der  hl.  Schrift,  wie  dieselbe  lateinisch 
in  der  sogenannten  Vulgata  ausgeprägt  ist.  Was  die  Form  derselben  betrifft,  so 
versteht  es  sich  von  selbst,  dass  auch  sie  im  allgemeinen  nach  den  gewöhnlichen 
grammatischen,  syntaktischen  und  lexikalischen  Regeln  beurteilt  werden  niuss. 
Anderseits  aber  darf  eben  so  wenig  vergessen  werden,  dass  sie  einen  ganz  neuen, 
in  (für  die  Occidentalen)  neuen  Bildern,  Grleichnissen  und  sprichwörtlichen  Aus- 
drücken dargelegten  Gedankeninhalt  in  die  erstaunte  Menschheit  hineingeworfen 
hat  und  so  zu  sagen  eine  eigene  Welt  in  der  Welt  der  profanen  Sprache  dar- 
stellt. Die  alten  Bibelübersetzer,  welche  die  hl.  Schrift  ins  Lateinische  übertrugen, 
haben  sich  so  eng  wie  möglich,  hie  und  da  selbst  zu  enge  an  das  Original  an- 
geschlossen. Sie  taten  dies  nicht  nur  deswegen,  weil  ihnen  der  Boden,  auf  dem 
sie  standen,  als  heilig  erschien,  sondern  ganz  besonders  deswegen,  weil  ihnen 
dieser  Weg  als  der  einzig  geratene  und  mögliche  sich  darstellte.  Hiemit  ist  aber 
bereits  angedeutet,  wie  auch  wir  die  Vulgata  zu  beurteilen  und  zu  benützen 
haben.  Man  hat  es  versucht,  christliche  Gedanken  der  hl.  Schrift  in  das  Kleid 
der  profanen  Latinität  einzuhüllen,  aber  dieses  Kleid  war  eine  Zwangsjacke, 
welche  statt  den  Gedankeninhalt  ganz  und  voll  hervortreten  zu  lassen,  nur  ein 
quid  pro  quo  gab,  weil  sie  nicht  mehr  geben  konnte.  Wir  glauben  daher,  dass, 
sofern  es  sich  um  den  spezifisch  christlichen  Gedankeninhalt  der  hl.  Schrift 
handelt,  die  für  denselben  von  der  Vulgata  und  den  Vätern  der  abendländischen 
Kirche  ausgeprägten  lateinischen  Formen  für  eigentlich  klassisch  erachtet  werden 
müssen.  —  Wenn  aber  freilich  neue  Wörter  zu  barbarisch  klingen  und  wohl  gar 
nicht  einmal  dem  Lateinischen  analog  gebildet  sind,  so  ist  es  gut,  bei  Anführung 
eines  solchen  fremdartigen  Wortes,  zumal  in  feierlichen  Reden,  sich  mildernder 
Zusätze  zu  bedienen,  z.  B.  ut  ita  dicam,  ut  ea  voce  utar  u.  dgl.  Von  der  Art 
sind  besonders  neue  theologische  und  philosophische  Wörter,  wie  egoismus,  nihi- 
lismus,  nonismus,  syncretismus,  pietismus,  rationalismus,  obscurantismus,  scepti- 
cisnius,  Idealismus,  mysticismus  u.  a.  m.  der  Art;  ebenso  haecceitas,  perseitas, 
ubietas,  quidditas  —  und  was  sonst  der  Art  in  den  barbarischen  Zeiten,  besonders 
des  Mittelalters  und  später  neu  gebildet  worden  ist. 

Aber   ebenso,    wie  in  den   bisher   erwähnten  Fällen  die  neuen  Wörter  wo-  32. 
möglich,    wenn    sie    nicht    etwa    durch    besser    und    klassischer    gebildete  ersetzt 
werden  können,  beizubehalten  sind,  so  muss  auch  alles  den  neuen  Sitten  gemäss  ^, 


6.  Da  Deutlichkeit  und  Verständlichkeit  Erfordernis  jeder  Rede  ist,  so 
dürfen  klassische  Wörter  da  nicht  angewandt  werden,  wo  sie  verwirrend  und 
unverständlich  sind,  indem  sie  das  nicht  bezeichnen,  was  wir  nach  unserer 
Sprache  damit  bezeichnen  wollen.  So  ist  es  fast  mit  allen  Staatsämtern  vom 
höchsten  bis  zum  niedrigsten,  indem  die  zwar  reichhaltige  Notitia  dignitatum 
imperii  JRomani  doch  nicht  genügende  Hülfe  dazu  darbieten  wird,  so  dass  es 
immer  besser  sein  wird,  die  neu  eingeführten  Namen  beizubehalten.  —  Was  ist 
auch  im  Geldwesen  Anderes  zu  tun,  als  die  neuen  Namen  nur  in  lateinische 
Formen  umzugiessen,  da  wir  beim  Gebrauche  der  alten  mit  zu  vielen  Schwierig- 
keiten zu  kämpfen  haben?  —  Ebenso  bei  unserer  Wegeinteilung  in  Meilen  und 
Stunden,  bei  der  täglichen  und  nächtlichen  Zeitangabe  nach  unser n  Uhren,  und 
dergleichen,  wiewohl  wir  den  alten  Kalender  ohne  alle  Verwirrung  auf  unsern 
neuen    übertragen   können,    da   sich    beide    nur    in  Bezeichnung    der  Tage  unter- 


—     30     — 

wenn  von  ihnen  die  Rede  ist.  ausgedrückt,  und  alles  vermieden  werden,  was 
von  römischer  Sitte  durch  die  Länge  der  Zeit  ausser  Gebrauch  gekommen  ist  und 
von  unserer  Denkweise  abweicht,  wozu  auch  gehört,  was  der  christliche  Cilaube 
im  Glauben  und  in  der  Rede  geändert  hat.  Daher  heisst  bei  Tische  sitzen  nicht 
epulis  accunibere,  sondern  eputis  assidere ;  der  Friede  nicht  toga,  sondern  pax; 
öffentlich  kaufen  oder  verkaufen  nicht  sub  Corona  oder  sub  hasta  emere  oder 
vendere ,  sondern  palam,  in  publico — ;  nicht  si  displacet,  sondern  si  Deo  placet. 
Und  so  sind  heutzutage  viele  Redensarten  nicht  mehr  anwendbar,  weil  unsere 
Sitten  von  den  römischen  Sitten  abweichen,  z.  B.  volumen,  das  Buch ;  arena,  der 
Übungsplatz,  wohl  gar  die  Schule^  in  arenam  descendere,  sich  in  Streit  ein- 
lassen; fasces  submittere,  bescheiden  nachgeben;  pulvis  nicht  mehr  von  den 
Mathematikern,  die  sonst  in  Glasstaub  ihie  Figuren  einzeichneten:  qui  nondum 
aere  lavantur  von  Kindern :  claves  adimere  uxori,  sich  von  seiner  Frau  scheiden ; 
oratori  aquam  dare,  einem  Redner  Zeit  zum  Reden  verstatten;  stilum  vertere, 
ändern;  latum  clavum  alicui  tribuere,  einen  zum  Ratsherrn  machen;  latum 
clavum  adipisci  oder  impetrare,  Ratsherr  werden;  puerum  tollere  für  educare  : 
puncta  ferre.  geicählt  tverden;  velitatio ;  lar  familiaris,  der  häusliche  Herd;  di 
immortales,  numina,  superi,  luppiter  für  Dens;  tartarus,  orcus ;  magno  hominum 
et  deorum  studio;  ut  deos  orem,;  dis  hominibusque  approbantibus ;  quam  ob 
rem  deos  oro ;  o  di  immortales! 

Sechste  Vorschrift. 

33.  Griechische  Wörter,  mit  griechischen  Buchstaben  geschrieben, 
können  nur  dann  ohne  Tadel  in  die  lateinische  Rede  eingemischt 
werden,  wenn  von  ihnen  die  Rede  ist,  jedoch  auch  in  Briefen, 
scherzhaften  Gesprächen  und  erheiternden  Aufsätzen.  Eine  Aus- 
nahme machen  alle  Wörter,  welche  die  Lateiner  in  Ermangelung 
eigener  aufgenommen  und  mit  ihren  Buchstaben  geschrieben  haben, 
wohin  besonders  die  Kunstwörter  gehören,  namentlich  in  Bezug  auf 
griechische  Yerhältnisse  oder  aus  Griechenland  herübergekommene 
Gegenstände  und  Gebräuche. 

34.  Nur  von  Wörtern  und  Redensarten  ist  hier  die  Rede,  nicht  von  Graecismen, 
welche  durchaus  verwerflich  sind,  mögen  sie  auch  von  Dichtern  und  Nach- 
klassikern gebraucht  worden  sein.  Lateinische  Wörter  müssen  auch  in  der  Ver- 
bindung mit  andern  rein  lateinisch,  nicht  griechischartig  gebraucht  werden.  — 
Griechisch  geschriebene  Wörter  aber  unter  die  lateinischen  zu  mengen  ist  nur 
unter  den  oben  angeführten  Bedingungen  zulässig,  indem  sie  sonst  die  lateinische 
Rede  ebenso  verunstalten,  wie  vor  hundert  Jahren  unsere  deutsche  durch  griechische, 
lateinische  und  französische  hässlich  und  abscheulich  verunstaltet  und  verunreinigt 
worden  ist.  Zulässig  sind  sie  dagegen  nach  Ciceros  und  anderer  Vorgange  da,  wo 
von  ihnen  die  Rede  ist,  wie  so  oft  in  den  philosophischen  Schriften  Ciceros,  wo 
sie  entweder  übersetzt  oder  erklärt  oder  mit  den  lateinischen  verglichen  werden 
sollen ;  dann  aber  auch  in  vertraulichen,  scherzhaften  Briefen,  wo  es  Cicero  und 
der  jüngere  Plinius  häufig  tun;  und  so  gilt  dasselbe  auch  in  allen  heitern  und 
scherzhaften  Gesprächen  und  Aufsätzen  und  in  witzigen,  satirischen  Schriften, 
wo  jedes  Gemisch  fremder  W^örter,  ganzer  Redensarten  und  ganzer  Stellen,  wie 
bei  uns,    zur  Erreichung    des  Zweckes    des  Schreibenden,    nämlich  Zuhörer    und 


scheiden.  Jedoch  würde  auch  gewiss  unsere  Bezeichnung  den  Alten  selbst  nicht 
unverständlich  gewesen  sein,  wenn  wir  z.  B.  statt  Kalendis  Januariis  sagten 
die  primo  mensis  lanuarii ;  statt  a.  d.  (ante  diemj  VI  (sextum)  Nonas  lanuarias 
ganz  kurz  die  secundo  mensis  lanuarii.  und  so  die  übi-igen.  —  Wir  müssen  ja 
bei  unserm  Schreiben  immer  denken,  dass  wir  nicht  für  die  Alten,  sondern  für 
unsere  heutige   Welt  schreiben. 


—     31     — 

Leser  aufzuheitern,  wohl  gar  Lachen  zu  erregen,  förderlich  ist.  Hierin  gefiel  sich 
vor  Cicero  der  Dichter  Lucüius,  der  in  den  uns  erhaltenen  Fragmenten  seiner 
Satiren  ein  Muster  davon  giht. 

Ganz  anders  ist  es  aber,  wenn  man  ganz  zwecklos,  fast  nur  um  zu  glänzen  35. 
und  der  Rede  einen  gelehrten  Anstrich  zu  geben,  griechische  Wörtei-  statt  latei- 
nischer braucht,  wie  bei  den  Neulateinern  die  Formeln  o  ndyv  (durch  alle  Casus), 
6  /uayMQCrrjg  (ebenso),  xcn'  i^o/tjy^  (6g  iv  zfj  nccQodio;  und  besonders  der  Gebrauch  des 
Artikels  o  (in  allen  Casus)  vor  einem  Worte,  von  welchem  etwas  bemerkt  werden 
soll,  welcher  Gebrauch  des  Artikels  aus  den  spätem  Grammatikern  des  vierten 
Jahrhunderts  in  das  neue  Latein  übergegangen  ist;  hierüber  handelt  vortrefflich 
Nägelsbach-Müller  ^  S.  41  fi".  So  findet  man  auch  bei  den  besten  Neulateineru : 
o  nccvv  Scaliger \  verha  rov  ndw  Bentleii;  ex  bihliotheca  Ernestii  rov  juaxccQirov ; 
haec  vox  y.ca'  t^o/rjv  significat  certamen'^  illa  dixit  atg  iv  Tiagod^o);  quid  hie  est 
ro  morem  gerere?  —  sensus  rov  indignari;  vis  in  rw  placandum  inest.  — 
Solche  Ausdrucksweisen  haben  keine  Autorität  eines  mustergiltigen  Autors  der 
lebenden  Sprache.  Aber  nicht  nur  diese  alltäglichen  Phrasen,  sondern  auch  andere 
griechische  Wörter  findet  man  in  Anmerkungen  zu  Schriftstellern  und  in  ernsten, 
belehrenden  Untersuchungen  für  lateinische  Wörter  eingemischt,  wie  z.  B.  Bent- 
lejus  6  juiTQixojrarog ;  ea  vox  mihi  naQtX/.nv  videtur ;  dubia  est  huius  orationis 
yyrjffioTijg;  his  Cicero  nimiam  dxQißday  iureconsult07'um  tangit;  haec  verha  rji^og 
orationis  defendit ;  librarius  in  aliis  verbis  viwrsQi^ti;  loquitur  cum  nagQrjaCa 
quadam;  ro  est  in  quibusdam  Qtja^ai  videtur  esse  suspectum;  duae  sententiae  ix 
nccQakki] Xov  positae ;  quae  Sit  huiusce  cpQuasojg  mens,  u.  a.  m. 

Einen  ganz  andern  Gebrauch  macht  Cicero  von  griechischen  Wörtern,  indem  36. 
er  1)  in  seinen  wissenschaftlichen  Büchern  die  griechischen  Kunstioörter  nur  er- 
wähnt, entweder  um  sie  mit  den  lateinischen  zu  vergleichen  oder  um  sie  zu 
übersetzen  oder  zu  erklären,  wo  er  denn  bisweilen  freimütig  gesteht,  kein  passendes 
und  den  Begriff  ganz  erschöpfendes  Wort  dafür  finden  zu  können.  Beispiele  davon 
finden  sich  vor  allem  in  seinen  Tusculanen,  in  den  akademischen  Quaestionen, 
in  den  Büchern  de  divinatione  und  in  den  rhetorischen  Schriften.  Aber  anders 
wendet  er  sie  2)  in  seinen  Briefen  an  gelehrte  Freunde,  besonders  an  den  Halb- 
griechen Atticus  an,  wo  er  aus  Vorliebe  für  das  Griechische  oder  aus  politischen 
Gründen,  s.  Attic.  9,  4,  2,  dieses  vielfältig  mit  dem  Lateinischen  vermengt,  sogar 
nicht  selten  ganze  Verse  und  Stellen,  wie  auch  Sprichwörter,  griechisch  anführt, 
ohne  das  Eingemengte  lateinisch  zu  übersetzen.  Eine  gleiche,  nicht  anstössige 
Anwendung  ist  daher  in  Briefen  auch  uns  erlaubt,  jedoch  so,  dass  wir,  wie  Cicero, 
das  Griechische,  so  wie  es  ist,  unverändert  einmischen.  Beispiele  findet  dazu, 
wer  dergleichen  sucht,  besonders  in  den  Briefen  ad  Atticum.  wo  man  unter  andern 
auch  das  Wort  ^iXidg  im  bildlichen  Sinne  der  Menge,  der  grossen  Masse  von  Un- 
glücksstoff zu  einem  Gedichte  findet.  Vgl.  Att.  8,  11,  3.  Wie  er  das  Griechische 
in  Harmonie  mit  dem  beigesetzten  Lateinischen  bringt,  lehren  unter  andern 
folgende  Stellen.  Er  sagt  (Att.  5,  19,  3):  ro  vifxtaäv  interest  tov  (p&ovtlv.  wo 
interest  wie  (^uicptQSt  mit  dem  Genitiv  verbunden  ist:  und  (Att.  1,  16,  13,  ut 
opinor,  (piXoaocprjztoy  et  istos  consulatus  nou  flocci  facteon  (facrto»/),  wo  anstatt 
faciendum  jene  zwitterartige  Form  der  Koncinnität  wegen  gebraucht  ist.  Aber 
eben  solches  Gemisch  von  Lateinisch  und  Griechisch  findet  sich  nur  in  seinen 
Briefen,  nirgends  in  seinen  Reden,  nirgends  in  seinen  rhetorischen  und  philo- 
sophischen Schriften.     Ebenso  in  den  Briefen  des  Plinius. 

Von  ganz  anderer  Art  sind  die  vielen  griechischen  Namen,  Titel  und  37. 
Wörter,  welche  schon  früh  seit  der  Bekanntwerdung  mit  Griechenland  in  die 
lateinische  Sprache  mit  meistens  geringer  Abänderung  übergegangen  und  gleichsam 
eingebürgert  sind.  Die  Benennungen  von  Gewerben,  Künsten  und  Wissenschaften 
wurden,  ohne  dass  man  an  ihre  Uebersetzung  dachte,  meistens  mit  den  Sachen 
selbst  aufgenommen.  Dahin  gehören  alle  Nomina  propria  von  Menschen,  Tieren, 
Städten,  Bergen  u.  dgl.,  alle  Titel  von  Ämtei-n,  Namen  der  Künste  und  Wissen- 
schaften und  der  zu  ihnen  gehörigen  Werkzeuge  und  der  Kunstsachen  selbst, 
welche  die  Römer  in  Ermangelung  eigener  Benennungen  alle  ohne  Bedenken  in 
ihre  Sprache  aufnahmen,  wie  auch  wir  fremde  Wörter  in  die  unsrige  aufnehmen. 
Schon  die   ersten  lateinischen  Komiker  mussten  dies  nur   allzuoft  tun;  vorsichtiger 


—     32     — 

tat  es  Terentius,  der  als  bonus  auctor  latinitatis  nur  diejenigen  zuliess.  welche 
ihm  durch  ein  lateinisches  Wort  unerreichbar  zu  sein  schienen,  z.  B.  astn 
von  der  Stadt  Athen,  dtharistria,  comoedia,  cyathus.  dica  (der  Prozess),  drachma. 
elephantus.  ephebus,  epistula.  eunuchus.  gynaeceum.  hora^  lampas.  mina.  moechus. 
miisicus.  Obolus,  obsonium,  obsonare.  paedagogus.  pdlaestra.  platea.  poeta.  san- 
dalium.  satrapa.  sycophanta.  techna  (Kiuistgriff.  List).  Die  meisten  von  diesen 
und  noch  vielen  anderen  gingen  auch  in  die  gelehrte  Schriftsprache  und  die  der 
öffentlichen  Redner  über,  so  dass  man  sich  nicht  scheute,  sie  als  allgemein  be- 
kannte Wörter  selbst  in  gerichtlichen  Verhandlungen  zu  brauchen.  Die  Rhetoreu 
aber  und  die  Philosophen  vermehrten  sie  noch  mit  vielen  Ausdrücken  der  rhetori- 
schen und  philosophischen  Terminologie  der  Grriechen  und  wagten  es  kaum,  sie 
durch  lateinische  Bezeichnungen  zu  ersetzen.  Cicero  selbst,  so  viel  er  auf  Rein- 
heit der  Sprache  hielt,  seine  Muttersprache  selbst  der  griechischen  nicht  nachsetzte 
und  als  strenger  Purist  viele  neue  Wörter  zum  Ersatz  der  griechischen  erfand 
und  brauchte,  konnte  doch  die  griechischen  Xamen  seiner  beiden  Lieblingswissen- 
schaften (rhetorica  und  phüosophia)  nicht  entbehren  ;  und  in  solchen  Wörtern 
Sprachreiniger  zu  werden,  hielt  er  mit  andern  für  unnütz  verschwendete  Mühe. 
Vgl.  auch  Cic.  fin.  3,  15. 

38.  Wenn  nun  aber  Cicero  oft  nicht  wusste,  wie  er  wissenschaftliche  Kunst- 
wörter einfach  und  treffend  übersetzen  sollte  und  sie  lieber  unbedenklich  in  seine 
Sprache  aufnahm,  —  warum  wollten  wir  Bedenken  tragen,  solche  Kunstwörter 
und  Namen,  was  sie  auch  betreffen  mögen,  aufzunehmen,  wenn  kein  kurzes,  deut- 
liches, sie  treffend  bezeichnendes  lateinisches  Wort  da  ist?  Gesetzt  aber,  es  wäre 
ein  gutes  lateinisches,  aber  vielleicht  nicht  sehr  gebräuchliches  Wort  vorhanden, 
so  bedarf  es  nur  bei  Anwendung  des  griechischen  des  entschuldigenden  Zusatzes 
at  graeco  verbo  utar,  ut  ita  dicam.  ut  Graeci  dicunt  u.  dgl. 

Wer  abei-  die  griechischen  Namen  der  Götter,  für  welche  die  Lateiner 
eigene,  besondere  Namen  hatten,  die  sie  für  jene  überall,  nicht  allein  in  Prosa, 
sondern  sogar  in  ihren  Gedichten  brauchten,  indem  sie  die  griechischen  durchaus 
unbenutzt  Hessen,  in  Prosa  brauchen  wollte,  der  würde  dem  lateinischen  Sprach- 
gebrauche ganz  zuwider  reden  und  schreiben.  Man  sage  nicht  Zeus  für  luppiter, 
nicht  Hera  für  Inno,  nicht  Ares  für  Mars,  nicht  Hermes  für  Mercurius,  nicht 
Athene,  Aphrodite.  Demeter,  Selene.  Hestia,  Hephaestus,  Poseidon,  Helius, 
Charites,  Dioscuri  u.  s.  w..  an  deren  Statt  die  lateinischen  Namen  treten  müssen, 
da  jene  von  keinem  Lateiner  gebraucht  werden.  Sogar  die  Namen  Hellas  und 
Hellenes  kommen  nirgends  bei  einem  Lateiner  schlechtweg  für  Graecia,  Graeci 
und  Grai  vor^. 

39.  So  wird  denn  nach  dem  bisher  Gesagten  für  unser  Lateinisch- 
schreiben Folgendes  die  allgemeine  Vorschrift  sein: 

,^Meide  alles,  was  gegen  deji  besseret  Sprachg  ehr  auch  der  Lateiner 
^^ist;  meide  alles  Seltene;  wühle  die  besten  und  richtigsten  Wörter, 
y^auch  aus  der  nachklassischen  Latinität;  meide  alles  Griechischartige 
j^und  Poetische,  verbinde  aber  mit  der  Reinheit  der  Rede  in  Formen 
„und  Wörtern  vor  allem  die  echt  lateinische  Form  in  Stellung  der 
„Wörter  und  Verbindimg  der  Satze,  damit  Form  und  Einkleidung 
„echt  römisch  sei.  Seltene  Wörter  und  seltene  Konstruktionen  sind 
„immer  Ahiormitäten ,  welche  wir  beim  Schreiben  mehr  vermeiden 
„als  nachahmen  müssen.'-^ 

40.  Nichts  schleicht  sich  leichter  in  die  Rede  ein,  als  die  Eigenheiten  der 
Muttersprache  eines  jeden  Schreibenden,  weil  jeder  in  ihr  zu  denken  und  nach 
dieser  Denkweise  zu  reden  und  zu  schreiben  gewöhnt  ist.  Daher  die  wahre  Vor- 
schrift der  lateinischen  Stilisten:  Denke  das  zu  Schreibende  lateinisch!  Man  lernt 


')  üeber  dies  ganze  Kapitel  vgl.  meine  Stilistik  §  55  und  die  Schriften  von  Weise  und  Saalfeld. 


—     3B     — 

aber  lateiniacU  denken  nui-  durch  vieles  Lesen  und  genaue,  lang  fortgesetzte  Ver- 
gleichung  seiner  Muttersprache  mit  der  lateinischen.  Aber  darin  lernen  wir 
l'remdlinge  nie  aus.  Die  Wahrheit  des  Gesagten  erfährt  man  z.  B.,  wenn  man 
echt  lateinische  Sätze  gut  deutsch  übersetzen  will,  weil  dann  die  eine  Sprache 
der  andern  nur  zu  oft  widerstrebt;  und  so  begegnet  uns  dies  im  entgegengesetzten 
Falle  noch  leichter  und  öfter,  wenn  wir  echt  Deutsches  lateinisch  wiedergeben 
wollen.  Zum  Beweise  nur  einige  Beispiele  :  Die  Entschuldigung  lässt  sich  hören, 
lasse  ich  gelten  heisst  accipio  oder  audio  excusationem ;  in  einem  Stücke  sind 
wir  hesser  daran^  als  du^  uno  te  vincimus ;  ziveifle  doch  ja  nicht,  cave  duhites ; 
ich  verlor  ihyi  zur   Unzeit^  eum  alieno  tempore  amisi ;  es  ist  doch  verdammt,  dass 

—  facinus  indignum;  o  herrlich!  o  factum  bene!  —  o  traurig,  ach  schlimm! 
0  factum  male!  der  Sieger  ist  die  Mässigung  selbst,  victore  nihil  est  moderatius ; 
er  tut,  als  zürne  er,  simulat  se  irasci;  er  tut,  als  zürne  er  nicht,  dissimulat 
se  irasci ;  er  tat  dieses  in  der  Eigenschaft  eines  Konsids,  hoc  fecit  consul ;  einen 
Tag  um  den  andern,  alternis  diebus ;  Scherz  bei  Seite,  extra  iocum,  remotoioco; 
er  stellt  es  mir  frei,  integrum  (integram  rem)  mild  relinquit ;  es  steht  mir  frei, 
mihi  est  integrum;  hast  du  etivas  nach  Born  zu  bestellen  ?  num  quid  vis  Bomam  '^ 

—  es  ist  ganz  vollkommen,  omnes  numeros  habet;  nu7i  fei!)  fürivahr,  das  tväre 
schön  (allerliebst),  ivenn  der  das  nicht  ivüsste,  hoc  vero  Optimum,  ut  id  iste 
nesciat ;  unsere  Anklage  ist  durch  die  Länge  der  Zeit  vergessen,  accusatio  nostra 
in  oblivionem  diuturnitatis  adducta  est.  Wer  findet  hier  bei  Vergleichung  beider 
Sprachen  eine  Ähnlichkeit?  Noch  mehr  Verschiedenheit  wird  klar  hervortreten, 
wenn  längere  Sätze  und  Perioden  in  beiden  Sprachen  verglichen  werden  ;  es  wird 
sich  dann  zeigen,  wie  wahi"  es  sei,  dass  man  lateinisch  denken  lernen  müsse. 
Man  kann  daher  die  Schüler  nicht  genug  davor  warnen,  ihre  lateinischen  Arbeiten 
zuerst  deutsch  aufzusetzen  und  dann  erst  ins  Lateinische  zu  übertragen.  Schon 
frühe  sollen  die  Schüler  deshalb  zu  selbständigen  Referaten  über  die  Lektüre 
angehalten  werden.  Nur  auf  diese  Weise  gewöhnen  sie  sich  lateinisch  zu  denken 
und  bei  freien  lateinischen  Arbeiten  vollständig  von  der  Muttersprache  abzusehen. 
Man  kann  schon  auf  der  untersten  Stufe  mittels  lateinischer  Frage  eine  dem  ge- 
lesenen Texte  entwachsene  lateinische  Antwort  hervorrufen:  diese  Antworten  werden 
bei  regelmässiger  Übung  immer  sicherer  werden  und  schliesslich  eine  gewisse  Rasch- 
heit und  infolge  der  guten  Angewöhnung  fehlerfreie  Ausdrucksweise  erzielen. 
Auf  der  Mittelstufe  schliessen  sich  an  kleinere,  später  auch  grössere  gelesene 
Partien  Cäsars  mündliche  und  schriftliche  Referate  an;  diese  Übungen  werden 
auf  der  oberen  Stufe  immer  selbständiger.  Bei  richtiger  Pflege  des  klassischen 
Ausdrucks  wird  es  in  Prima  gelingen,  über  gelesene  Abschnitte  aus  den  Historien 
und  Annalen  des  Tacitus  in  klassischem  Latein  berichten  zu  lassen.  Bei  diesen 
Sprachübungen  hat  man  selbstverständlich  nicht  die  Absicht  auf  die  frühere  Ge- 
wohnheit lateinischer  Redeübung  hinzuarbeiten:  aber  es  sind  dies  geistige  Exer- 
zitien, die  auf  keine  andere  Weise  ersetzt  werden  können,  und  das  objektive 
Denken,  welches  der  Mathematiker  Hauck  (Verhandlungen  über  Fragen  des 
höheren  Unterrichts,  Berlin  1902,  S.  99)  vom  Lateinunterricht  gelernt  zu  haben 
bestätigt,  wird  gerade  durch  diese  Art  des  Lateinbetriebs  besonders  gefördert. 

Anhang.     Von  der  Bildung  neuer  Wörter  nach  der  Analogie  schon 

vorhandener. 

Dass  für  neue  Begriffe  und  Sachen  auch  neue  Wörter  zu  bilden  41. 
seien,  ist  oben  als  ein  notwendiges  Bedürfnis  der  Deutlichkeit  der 
Rede  nach  Ciceros  und  anderer  Vorgange  anerkannt  worden,  da 
alte  Wörter  in  ganz  neuer  Bedeutung  unverständlich  sein  würden. 
Ob  man  aber  auch  für  geiüöhnliche,  alltägliche  Begriffe,  welche  nichts 
Neues  enthalten,  z.  B.  das  Spielchen,  Kätzchen,  Bäumchen  u.  a., 
wenn  für  sie  nirgends  in  einem  Alten  Wörter  zu  finden  sind,  sich 
selbst  neue   nach  der  Analogie  anderer   bilden   dürfe,    ist  eine  be- 

Krebs-Schmalz,  Antibarbarns  I.  o 


—     34     — 

strittene  Frage.  Für  unerlaubt  und  tadelhaft  halten  es  diejenigen, 
welche  den  vorhandenen  Wörtervorrat  mit  dem  letzten  Autor  der 
noch  lebenden  Sprache,  mit  Isidorus,  gleichsam  für  geschlossen 
halten  —  und  welche  es  daher  nicht  wagen,  über  den  bekannten 
AYörtervorrat  hinauszugehen.  Dagegen  taten  dies  Muret,  Rulmken 
u.  a.,  und  bildeten  sich,  meistens  zum  Scherz,  wie  die  alten  Komiker, 
neue  Wörter  nach  der  Analogie  anderer,  welche  kurz  und  ver- 
ständlich ihren  Sinn  und  ihre  Gedanken  aussprechen  sollten.  Yon 
der  Art  sind  unter  anderem  Dbninutiva,  welche  die  Alten  ebenso, 
wie  wir,  wo  der  Sinn  etwas  der  Art  forderte,  besonders  liebten, 
namentlich  gerade  Cicero  ^,  welcher  reich  daran  ist  und  gewiss  die 
meisten  ohne  allen  Vorgang,  wie  es  die  Stimmung  nach  den  ver- 
schiedenen Beziehungen  dieser  Wörter  forderte,  selbst  gebildet  hat. 
Wir  halten  es  für  durchaus  unzulässig,  den  Wortschatz  der  lateinischen 
Sprache  jetzt  noch  bereichern  zu  wollen,  wo  doch  die  Kenntnis  der 
lateinischen  Sprache  bei  uns  lediglich  eine  aus  Büchern  gelernte  ist. 
Anders  stand  es  zur  Zeit  des  Cicero  und  Caesar,  die  mitten  im 
lebendigen  Strom  der  Sprache  in  ihren  Neubildungen  sich  gewiss 
nicht  gegen  den  Genius  der  Sprache  vergingen  und  deshalb  wegen 
Neuschöpfungen  keinen  Tadel  verdienen.  Man  halte  sich  deswegen 
streng  an  den  überlieferten  Sprachschatz,  vermeide  unnötige  Neu- 
bildungen und  traue  der  Analogie  nicht  zu  viel;  unsere  deutsche 
Sprache  kann  uns  darüber  belehren,  wie  fehl  wir  oft  gehen  und  dem 
Sprachgebrauch  entgegen  uns  ausdrücken  würden,  wenn  wir  uns 
ledighch  der  Führung  der  Analogie  überlassen  wollten. 

42.  Dagegen  darf  es  auch  heutzutage  einem  Gelehrten  nicht  ver- 
argt werden,  wenn  er  sich  für  andere  Fälle  und  Verhältnisse  nach 
Plautus,  Terentius  und  besonders  des  witzigen  Cicero  Manier  im 
Scherz  neue  Wörter  bildet,  um  deren  Alter  oder  Neuheit  jeder, 
welcher  sie  versteht,  unbekümmert  sein  wird.  So  bildete  Cicero 
spottend  und  scherzend  die  Wörter  J.j;j>»iefci.s'^  Lentulitas;  AntoniasteTy 
Fulviniaster  oder  Fulviaster^  vielleicht  auch  fidminaster  =  Blüzkerl, 
vgl.  0.  E.  Schmidt  N.  Jahrb.  1898  S.  177  (Cic.  Att.  XII,  44,  4,  vgl. 
C.  F.  W.  Müller  z.  St.),  und  die  Verba  iwoi<criiJÜirire,  'petiturirej 
sidlaturire  (Cic.  Att.  IX,  10,  6,  wo  er  von  Pompeius  spricht). 

43,  Da  man  endlich  einen  Mangel  an  entweder  männlichen  oder 
weiblichen  Personalbenennungen  auf  or  oder  ix  fühlt,  dieser  Mangel 

8.  Er  braucht  sie  in  mannigfachem  Sinne  und  in  mancherlei  Beziehungen, 
z.  B.  aetatula  (das  zarte  Alter),  specula  (von  spes,  nicht,  wie  ein  Recensent 
meinte,  sperula),  litterulae  nostrae  (unsere  armen  Studien^  wehmütig),  con- 
ciliutricula,  porticida,  animula,  muliercula,  ramusndus,  ranunculus,  commen- 
tariohwi,  versicuhis,  fehricida,  vocula,  navicida,  oraiiuncula,  fHiolus,  filiola, 
parvidus,  igniculus,  yloriola,  ancültda,  aureolus  libellus,  pulchellus,  integellus, 
servulus,  levicidus,  vicuhis,  lectiunctda,  appendicula,  vindemiola,  simiolus,  quaesti- 
culus,  lucellum^  Hmatulum  et  polituUim  tuum  ingenium,  contiuncula,  amicula, 
mendaciunculum,  anicula,  ratnincida,  forticulus,  acriculiis^  didciculus.  acutalus, 
contortidus,  contractiuncida,  conclusnincida,  candidulus,  senariolus^  interroga- 
tiuncida,  Atticula,  cenida,  memoriola,  scintillida,  resticida  —  und  noch  un- 
zählige andere,  welche  die  Lexica  angeben. 


—     35     — 

aber  gewiss  nur  zufällig,  sogar  natürlich  ist,  da  solche  Beziehungen 
nur  selten  sind  und  oft  durch  Umschreibungen  ersetzt  werden,  so 
kann  die  Zahl  der  hieher  gehörigen  klassischen  Wörter  leicht  durch 
vor-  oder  nacliklassisclie  bereichert  w^erden,  indem  man  zu  den  vor- 
handenen männlichen  auf  or  die  weiblichen  auf  ix  aus  der  vo7^-  oder 
nachklassischen  Zeit  hinzufügt  und  ebenso  zu  den  weiblichen  auf  ix 
die  fehlenden  männlichen  auf  or  ebendaher  entlehnt;  es  müssten 
denn  die  auf  o?^  unter  die  Communia  gehören,  wie  auctor  oder  das 
eine  oder  das  andere  durch  ein  eigenes  Wort  ersetzt  werden.  Daher 
verschmähe  man  nicht  acceptoj'  und  accepirix;  accusatrix  neben  ac- 
ciisator;  admonitrix  neben  admonitor;  adversator  neben  adversatrix ; 
amatrix  neben  amator ;  amlmlator,  amhulatrix;  asseniatrix  neben 
assentato?'  —  und  so  noch  viele  andere  aus  den  übrigen  Buchstaben 
des  Alphabets,  wie  calumniafrix  neben  cahminiator ;  confectrix  neben 
confector,   wie-  eff'ector   und  effectrix;  consectator  neben  consectatrix. 


Zweite  Abteilung. 


Des  Antibarbarus  lexikalisches  Verzeichiiis  der  in  diesem 
Buche  behandelten  Wörter  und  Eedensarten. 

44.  Zur  Bezeichnung  der  verschiedenen  Zeiten  der  Latinität  brauche 

ich  die  Bezeichnung  alflateinisch  (A.  L.)  von  denjenigen  Wörtern 
oder  Wortverbindungen,  Konstruktionen,  welche  vor  Ciceros  Zeit, 
besonders  von  den  Komikern  Plautus  und  Terentius  und  von  Cato 
gebraucht  und  manchmal  auch  von  Spätem  aus  Liebhaberei  ohne 
hesondern  Grund  angewandt  worden  sind;  das  Wort  klassisch  (Kl.) 
vorzugsweise  von  denen,  welche  in  den  Schriften  der  beiden  Cicero 
und  Caesar^  dann  aber  auch  der  übrigen  der  zweiten  Sprachperiode 
Angehörenden  sich  finden,  wobei  indes  das  Vorkommen  bei  Sallusty 
Yarro,  rhetor  ad  Her.,  Cornelius  Nepos  immer  besonders  angemerkt 
wird;  das  Wort  nacliklassisch  (N.  Kl.)  von  denen,  welche  die  Schrift- 
steller der  dritten  Periode  von  Livnis  bis  zu  den  Antoninen  gebraucht 
haben  und  von  welchen  diejenigen,  welche  sich  bei  Livius,  Celsus, 
Quintilian,  dem  jüngeren  Plinius  finden,  fast  klassischen  Wert  haben, 
und  teilweise  gebraucht  werden  können.  Mit  dem  Worte  späilctteiniscli 
(Sp.  L.)  benenne  ich  alles,  was  sich  yieu  und  nie  vorher  gebraucht 
bei  den  Schriftstellern  nach  den  Antoninen  bis  zum  letzten,  Isidorus 
(um  600  nach  Chr.),  findet ;  und  endlich  alles  andere,  noch  Spätere 
ist  harhariscli  (B.  L.)  oder  neulateiniscli  (N.  L.).  Was  nur  Dichter 
gebraucht  haben,  ist  poetisch  (F.  L.).  Ist  ein  Wort  oder  eine  Kon- 
struktion aus  dem  Griechischen  genommen,  so  ist  dies  durch  (G.  L.) 
bezeichnet,  wie  Gem.  L.  oder  V.  L.  die  Volks-  oder  Vulgärsprache 
ausdrückt.  Im  übrigen  bemerke  ich  nochmals,  dass  ich  mich  darauf 
beschränke,  die  Wörter,  Phrasen  und  Konstruktionen  hinsichtlich 
ihres  Vorkommens  zu  charakterisieren,  und  dass  es  denjenigen,  welche 
den  Begriff  der  klassischen  Latinität  weiter  fassen  als  ich,  demnach 
freisteht,  auch  da,  wo  es  mir  unnötig  oder  unrichtig  scheint,  in  den 
Sprachschatz  des  Livius  oder  seiner  Nachfolger  zu  greifen. 


—     37     — 


A.  a. 

Ah  ist  die  ältere  Form,  welche  z.  B.  bei  Cato  noch  weit  den 
Gebrauch  von  a  überwiegt,  und  zwar  steht  es  vor  Vokalen  und  Kon- 
sonanten ;  seit  der  aug.  Zeit  wird  regelmässig  ah  vor  Yokalen  und  /*, 
a  vor  Konsonanten  gesetzt.  Doch  erhielt  sich  ah  vor  Konsonanten 
auch  jetzt  noch  in  gewissen  formelhaften  Ausdrücken,  wie  z.  B.  ah 
iure,  ah  legato,  ah  conside  u.  ä.,  vgl.  John  C.  Rolfe  in  Archiv  X, 
S.  468.  Ahs  steht  besonders  vor  te,  doch  neben  ahs  te  ist  auch  a  te 
nicht  selten,  ja  wird  von  Cicero  in  der  Zeit  der  vollendeten  Diktion 
geradezu  bevorzugt,  wie  Wölfflin  Phil.  34,  144,  Hellmuth  ad.  Erl.  I, 
S.  120  u.  a.  dargetan  haben,  während  ah  te  zweifelhaft  bleibt  (jeden- 
falls steht  es  nicht  bei  Caesar,  vgl.  Mensel  s.  v.J.  Die  speziellen 
Nachweise  s.  bei  Thielmann  Cornif.  S.  424,  Burg  S.  16,  Langen 
Beitr.  S.  332,  Mensel  in  Neue  Jahrbb.  1885,  S.  402—407,  Haus- 
leiter in  Archiv  III,  S.  148,  Opitz  Progr.  Dresden  1884,  S.  16,  Hirt 
S.  7  Anm.,  Härder  N.  Jahrb.  1885,  S.  882  ff.,  Woltjer  im  Archiv  XI, 
S.  250  (ahs  fehlt  bei  Lucr.),  Rolfe  in  Archiv  X,  S.  465—486  und 
in  der  dort  S.  468  ausserdem  verzeichneten  Literatur,  Archiv  X, 
291  und  besonders  im  Thes.  sowie  bei  Neue -Wagener  11^, 
S.  826 — 856.  —  Verbindungen  wie  legati  ah  Alexandre,  Cic.  Tusc.  5, 
91,  a  Pyrrho  perfuga,  Off.  1,  40,  vgl.  C.  F.W.  Müller  z.  St.,  legati 
ah  Ardea,  Liv.  32,  1,  9,  a  rege  munera,  Nep.  Phoc.  1,  3  und  dergl. 
sind  besonders  bei  Livius  häufig.  Man  vergl.  Fabri  zu  Liv.  23, 
15,  7,  Drakenb.  zu  Liv.  4,  7,  4  und  28,  9,  1,  Klotz  zu  Cic.  Tusc. 
5,  91,  und  beachte,  was  Nägelsbach  in  seiner  lat.  Stilistik  über  das, 
was  er  den  energischen  Gebrauch  der  Präpos.  nennt,  beigebracht  hat. 
Weniger  zu  empfehlen  ist,  wenn  Vitruv  10,  17  Archimedes  ah  Sy- 
raciisis  (für  Syracusamis)  sagt.  Wir  finden  zwar  sogar  bei  Cicero 
Cluent.  36  Avillins  qnidam  Larino,  Caes.  civ.  1,  24  Magills  Cremona, 
Liv.  1,  50,  3  Turnus  Herdonius  ah  Aricia  u.  ä.,  vgl.  Nipp-Lup. 
zu  Nep.  Epam.  5,  2,  aber  das  Adj.  ist  Regel  und  werde  in  der 
Schule  allein  geduldet;  vgl.  meine  Synt,  ^  §  34,  Anm.  —  Richtig  ist 
ferner  esse  ah  aliquo  =  vo7i  Jemanden  ahstammen,  z.  B. :  si  ego  me 
a  M'.  Tullio  esse  dicerem,  Cic.  Brut  62,  Cic.  Phil.  13,  27  est  etiam 
ihi  Decius,  ah  Ulis  oinnor  Murihus,  und  in  der  Bedeutung  zu  je- 
mandes Partei  gehören,  Anhänger  von  jemand  sein,  wie:  erat  ah 
Aristotele,  Cic.  de  erat.  2,  160  und  Tusc.  2,  7.  Gut  ist  ebenso  hoc 
totum  est  a  me  =  das  spricht  ganz  für  mich,  Cic.  de  orat.  1,  55. 
Ganz  neulat.  aber  wäre  a  um  anzugeben,  wer  der  Urheber,  der  Ver- 
fasser von  etwas  sei,  wie:  hi  versus  sunt,  non  sunt  ah  Homero,  haec  ora- 
tio non  est  a  Cicerone  oder  a  Demade  nidla  exstant  scripta  für  den  Genit. 
auct. :  hie  versus  Plauti  yion  est,  Cic.  fam.  9,  16,  4,  ebenso  Attic.  1,19, 
10  und:  cuius  mala  scripta  exstant,  Demades,  Cic.  Brut.  36  und: 
exstant  epistidae  Philippi  ad  Alexandrum,  Cic.  off.  2,  48.  (Über  unser: 
von  jemanden  gehören    werden,    das    Kind   von  jemanden  sein  und 


—     38     — 

dergl.  wird  unter  den  A.  gignere  und  nasci  gesprochen  werden). 
Gut  aber  ist  a  um  die  Sache,  den  Ort  anzuzeigen,  von  welchem 
eine  Tätigkeit  oder  Bewegung  ausgeht:  Tres  viae  (sunt)  a  siipero 
marl:  Flaminia  .  .  Cic.  Phil.  12,  22,  Liv.  42,  10,  7;  dies  gilt  auch 
von  Städtenamen,  bei  denen  neben  dem  blossen  Ablat.  auch  a  steht, 
z.  B.  proficisci  ah  Athenis ,  Sulp,  bei  Cic.  fam.  4,  12,  2,  und: 
profecti  sunt  ctb  llio,  Cic.  div.  1,  24;  Livius  aber  hat  nach  der  Be- 
merkung von  M.Müller  zu  1,  27,  4  bei  Städtenamen  auf  die  Frage 
wolier  fast  immer  a  gebraucht,  vergl.  Liv.  8,  17,  9;  25,  31,  12  und 
81,  22,  6,  ebendas.  c.  24,  9  (aber  29,  15,  5  ohne  ah)  und  a  Ger- 
r/ovia  discedere,  Caes.  Gall.  7,  43,  5  und  das.  Kraner-Dittenberger; 
vgl.  meine  ausführliche  Untersuchung  in  Z.  f.  G.  W.  1881,  S.  100  f., 
wo  nachgewiesen  ist,  dass  Cicero  und  Caesar  nur  dann  ah  zu  Städte- 
namen setzen,  wenn  dieselben  prägnant  gebraucht  sind,  d.  h.  in 
irgend  einer  Weise  die  Umgebung  mit  einbegreifen.  —  Ebenso  ist  die 
Präposition  a  richtig  zur  Angabe  der  Zeit,  von  welcher  aus  der 
Eintritt  einer  Zeit  oder  eines  Ereignisses  berechnet  wird,  z.  B.  Cic. 
de  orat.  3,  7  ayimis  primus  ah  honorum  perfimdione,  dann  tertius 
ah  eo  casu  dies  finis  vitae  coyisuli  fait,  Liv.  10,  11,  1.  Nondiim 
quarhis  a  vidoria  mensis  (erat),  Tac.  bist.  2,  95  und  3,  34  init. 
und :  a  quo  tempore  ad  vos  consides  anni  sunt  sepMngenti  odoginta 
uniis,  Yell.  1,  8,  4  und:  quartum  iam  annmn  esse  ah  decreto 
Macedonico  hello,  Liv.  32,  28,  5.  Indes  kann  in  diesem  Fall  auch 
ex  oder  p)ost  angewendet  werden :  dies  ex  eo  die  quintus,  Caes.  Call. 
1,  42,  3  und  c.  48,  3  und  Liv.  34,  35,  3  und:  Suhita  morte  virtus 
Crassi  exstinda  est  vix  diehus  decem  post  eum  diem^  qui  .  .  Cic.  de 
orat.  3,  1  und :  tertio  tum  post  urhem  conditam  ledisteryiium  faxt,  Liv. 
7,  2,  2.  Wenn  aber  unser:  von  tvekher  Zeit  an  ohne  Beziehung 
auf  ein  anderes  späteres  Ereignis  oder  Zeitmoment  steht  (von  —  bis), 
so  wird  dafür  nicht  a  quo  tempore  =  von  iveldier  Zeit  an  gesagt 
für  ex  quo,  ex  quo  tempore,  nicht  a  longo  tempore  =  von  lange  her 
für  iam  pridem,  iamdiu  pridem,  nicht  a  trihus,  multis  annis,  für 
multi,  tres  anni  sunt,  cum  .  .  —  Auch  bemerke  man,  dass  unser 
deutsches:  Idi  hahe  drei  Briefe  von  dir  erhalten,  lat.  nicht  bloss 
heissen  kann :  tres  tuas  epistidas  accepi,  sondern  auch  tres  a 
te  epistalas  accepi,  nach  Cic.  Attic.  1,  15,  2:  nullae  ahs  te 
mihi  snyit  redditae  litterae ;  vgl.  Seyffert-Müller  z.  Lael.  S.  324. 
—  Was  den  Gebrauch  von  a  beim  Passiv  betrifft,  wenn  das 
aktive  Yerb  schon  mit  der  Präposition  verbunden  wird,  z.  B. 
impetrare  ah,  so  beachte  man,  dass  man  diesem  Gebrauche,  also 
z.  B.  a  me  impetratum  est,  nicht  allzuängstlich  ausweichen  darf ; 
denn  einmal  ist  die  Beziehung  von  a  in  der  Regel  klar  in  der  Kon- 
struktion des  Gerundivums,  wie  z.  B.  bei  Livius  10,  12,  1,  Cic.  nat. 
deor.  3,  88.  Sodann  aber  ist  zu  beachten,  dass  eine  wirkhche 
Zweideutigkeit  für  den  Lateiner  nur  in  kurzen,  abgerissenen,  selb- 
ständigen Sätzen,  also  namentlich  auch  zu  Anfang  der  Rede  ein- 
treten  könnte.     Wo   aber   der  Zusammenhang  die  Beziehung  von  a 


—     39     — 

in  der  passiven  Konstruktion  unzweideutig  bezeichnet,  kann  die  Prä- 
position unbedenklich  gebraucht  werden,  z.  B. :  sine  detrimento  rei- 
publicae  ahscedi  non  posse  ah  hoste,  Liv.  22,  33,  10.  So  ist  es  auch 
bei  acdioere,  afferre,  auferre,  emere,  exigere^  exspectare,  impetrare, 
liberare,  oft  bei  nominare,  bei  pftere,  postulare,  reciperare  oder  re- 
cuperare;  vgl.  Cic.  nat.  deor.  2,  6,  Verr.  4,  185,  divin.  Caes.  32,  Verr.  3, 
224,  de  orat.  3,  97,  ebendas.  1,  98  und  Liv.  33,  27,  6,  ebendas.  33, 
44,  9  und  36,  17,  13,  Quintil.  7,  6,  2,  Tac.  ann.  3,  53.  Wo  eine 
wirkHche  Zweideutigkeit  zu  befürchten  wäre,  kann  derselben  auch 
durch  den  Gebrauch  von  de  oder  ex  begegnet  w^erden,  z.  B. :  Equus 
ex  hoste  captus,  Cic.  inv.  1,  85.  Agri  ex  hostibus  capti,  Caes.  civ. 
3,  59,  2,  ager  captus  ex  hostibus,  Liv.  l,  46,  1,  aurum  ex  hostibus 
captum,  Livius  6,  14,  12,  servus  ex  hoste  captus,  Quintil.  5,  10,  67, 
ager  de  Gallis  captus,  Liv.  epit.  1.  XX  Ende,  victoria  ex  hostibus 
parta,  Liv.  3^  71,  1.  —  Man  beachte  auch  die  der  deutschen  An- 
schauung etwas  fern  abliegende  Verbindung  von  a  mit  den  Namen 
von  Personen,  welche  für  die  Kosten  einer  Sache  aufkommen  oder 
im  Namen  anderer  Zahlungen  leisten.  So  erklärt  C.  F.  W.  Müller 
richtig  in  N.  Jahrb.  1892,  S.  655  auf  Inscr.  liherti  et  heredes  a  se 
faciendum  curanint,  ferner  a  me  feci;  vgl.  noch  ut  tibi  ah  Egnatio 
solvat,  Cic.  Attic.  7,  18,  4,  Flacc.  35  und  44;  in  übertragener  Be- 
deutung bei  Cic.  Plane.  103,  vgl.  dazu  Landgraf;  hierüber  handelt 
ausführlich  G.  T.  A.  Krüger  im  Exkurs  zu  Hör.  sat.  2,  3,  69;  vgl. 
auch  meine  Bemerkung  in  Neue  Jahrb.  1884,  p.  154,  Seyffert-Müller 
z.  Lael.  S.  324  f.  Dies  geschieht  bisweilen  auch  bei  den  Namen  von 
Personen,  durch  welche  Briefe  überbracht  werden,  s.  Cic.  fam.  16, 
2  Leiicade  ttias  litter as  a  Marione  putaham  me  accepturum,  Attic. 
6,  2,  1.  Testis  steht  in  diesem  Falle  im  blossen  Ablativ:  Tarn 
multis  testihus  convictus,  Cic.  Yerr.  1,  1,  ibid.  127  u.  2,  20,  Cael.  6. 
—  Wichtig  ist  a  c.  abl.  durch  Sdmld  von.,  z.  B.  Cic.  fam.  6,  13,  3 
a  qiiihiis  se  piitat  diuturniorihus  esse  rnolestiis  conflictatum,  vgl. 
Nägelsb. -Müller  ^  S.  494.  —  Bemerkenswert  ist  a  me,  von  mir  zu 
Hause,  ad  me  in  meine  Wohnung,  so  besonders  in  Briefen,  vgl. 
Cic.  Att.  3,  25  2^ost  tuum  a  me  discessum  und  dazu  die  Anm.  von 
C.  F.  W.  Müller,  sowie  P.  Meyer  Progr.  1900  S.  25,  auch  bei  Plaut, 
und  Ter.,  vgl.  Plaut,  Amph.  639.  —  Partitiv  gebrauchtes  ah  ist 
selten,  doch  hat  es  schon  Yarro  r.  r.  2,  1,  5  ah  ovihus,  vgl.  Joh. 
Sitzler  S.  3,  Heidrich  S.  42,  vielleicht  sogar  Caes.,  denn  Gall.  2,  25, 
1  et  noyinidlos  ah  novissimis  deserto  loco  proelio  excedere,  ib.  2  ah  novis- 
simis  uni  militi  wird  sich  die  lokale  Auffassung  nicht  als  ausreichend 
zur  Erklärung  erweisen,  ja  Held  z.  St.  fasst  ah  geradezu  partitiv ; 
auch  Sali.  Cat.  59,  3  ah  eis  centuriones  omnes  .  .  .  in  primam  aciem 
suhducit  kann  ah  partitiv  gedeutet  werden;  vgl.  Kunze  Sali.  III,  2 
S.  299.  —  N.  L.  ist  redire,  reverti,  venire  ah  itinere,  von  einer  Reise, 
für  ex  itinere.  —  P.  L.  und  davon  entlehnt  N.  Kl.  bei  Tac.  ann. 
13,  47  und  15,  37  und  ^S^;.  L.  ist  ahusqite  mit  einem  Ablativ  für 
usque  ahj  vgl.  Kretschmann  Apul.  S.  123,  z.  B.  ahusque  Oceano,  für 


Abalienare  —     40     —  Abbreviare 

iisque  ah  Oceano,  wie  bei  Cic.  Sest.  124  usque  a  Capitolio,  und 
Cluent.  192  usque  a  mari  supero.  Das  Gleiche  gilt  auch  von  adusqne 
c.  Accus,  statt  usque  ad.  S.  Nipperdey  zu  Tac.  ann.  13,  47  und 
besonders  Thielmann  im  Archiv  YI^  S.  80  ff.  —  Sj).  L.  sind  Ver- 
bindungen wie  cib  extra,  von  aussen,  für  exirinsecus ;  ah  intra,  von 
innen  für  intrinsecus,  ersteres  Hier.  Migne  11,  415,  letzteres  Act. 
Mart.  ed.  Ruin  Yer.  1731  S.  11  b;  ebenso  findet  sich  einmal  a  contra 
Sor.  gyn.  2,  27  (19)  a  contra  sedere;  vgl  Hamp  in  Wölfflins  Archiv  Y 
S.  345  ff.  und  Thes.  ^Nicht  B.  L.  sondern  Sj).  L.  ist  a  longe,  von 
iveitem,  ah  olwi,  a  sursuni,  ebenso  auch  ah  invicem,  z.  B.  Hieron. 
ep.  43,  2  mordentes  invicem  consumimur  ah  invicem;  vgl.  Gölzer 
Hieron.  S.  413,  Rönsch  Coli.  phil.  S.  11  und  Ital.  S.  231,  Thes.  I 
S.  99.  —  Selten,  aber  klassisch  (Cic.  fam.  14,  2,  2  einem  ad  modum 
a  Vestae  ad  tahulam  Vuleriam  ducta  esses)  ist  cd)  mit  sog.  Ellipse, 
vgl.  Wölfflin  Archiv  IL  S.  369  f.,  Klussmann  in  Z.  f.  G.  1880  S.  325, 
Yahlen  \Yinterlekt.  Berlin  1899,  S.  5.  —  Ueber  den  Gebrauch  der 
Präpos.  a  in  kausalem  Sinne  vgl.  besonders  Thielmann  in  Comm. 
^Yölfflin.  S.  255  (häufiger  seit  Liv.).  —  Erst  nachklassisch,  aber 
gut,  ist  esse  cdicuius ,  alicui  ah  epistulis,  a  jjotione,  a  veste 
(zu  ergänzen:  minister,  servus ,  lihertus)]  vgl.  meine  Syntax^ 
§  12^. 

Ahalienare.  Cicero  gebraucht  dies  Wort  verhältnismässig  selten 
(Cäsar  nie)  und  in  der  Bedeutung  von  avertere  animum  nur  aluiuem 
(animum,  voluntatem  cdicuius)  ah  aliquo  oder  cdj  aliqua  re,  z.  B.  de 
or.  2,  304  nonne  ahs  te  iiidices  ahalienes  ?  Den  gleichen  Gebrauch 
beobachtet  Livius  z.  B.  45,  6,  1  omnium  ah  se  ahalienavit  animos. 
Mit  !N'epos  hat  jedoch  Livius  auch  den  blossen  Abi.,  z.  B.  Nep.  Ag. 
2,  5  und  Liv.  3,  4,  4  iam  infidos  colonos  Romanis  ahcdienavit, 
gemein.  In  der  Bedeutung  von  privare  oder  liherare  kennt  Livius 
nur  Abi.  ohne  a,  z.  B.  8,  3,  1  Campanos  metu  ahalienavit,  22,  60,  15 
ahalienati  iure  civium ;  Cicero  hat  diese  Konstruktion  nicht.  Ygl. 
Wölfflins  Archiv  I,  S.  565  —  571,  sowie  Thes.  1.  lat.  s.  v.,  wo  man 
jedoch  einen  sichern  Ueberblick  über  die  Konstruktion  von  ahalienare 
nicht  gewinnt;  z.  B.  bleibt  es  unklar,  ob  der  Thes.  Liv.  3,  4,  4  in 
Romanis  mit  Georges  Jahresber.  1886,  HI,  S.  26  einen  Dativ  oder 
mit  Hauler  im  Archiv  I,  S.  566  einen  Abi.  erblickt. 

Ahhreviare,  ahkürzen,  Sp.  L.  und  selten ;  nach  Wölfflins  Archiv 
11,  S.  451  findet  es  sich  zuerst  in  der  Itala  und  nimmt  von  der 
Zeit  des  hl.  Hieronymus  ständig  an  Yerbreitung  zu.  Der  Übergang 
in  die  romanischen  Sprachen  ist  von  Gröber  in  Wölfflins  Archiv  I,  233 
behandelt.  Wird  ein  Wort  in  ein  kürzeres  zusammengezogen,  z.  B. 
Lumnus  in  Lucas,  so  heisst  dies  lat.  compendium.  Das  äussere  sieht- 
hare  Zeichen  einer  solchen  Abkürzung  ist  )wta,  man  kann  daher  sagen 
per  notas  scrihere,  mit  Abbreviaturen  schreiben,  z.  B.  S.  V.  B.,  d.  h. 
si  vales  henest,  aber  nicht  nota  Menodori  est  Menas,  die  Abkürzung 
für  Menodorus  ist  Menas,  sondern  compendium  nominis  Menodori 
Menas  est.  —  Ahkürzen  von  der  Rede,   d.  h.  ins  kurze  ziehen  heisst 


Abdere  —     41     —  Abdicare 

contrahere,  in  anfjustum  cogere  oder  dediicere,  incidere  sermonem  ; 
N.  Kl.  bei  Quintilian  hreviare.  Ein  Wort  durch  Auslassung  eines 
Yokals  oder  einer  Silbe  im  Sprechen  abkürzen  heisst  immimiere, 
vgl.  Cic.  orat.  157;  z.  B.  cmdisse  für  audnssey  cmdivisse.  —  So  wie 
ahhreviare  sind  auch  alle  übrigen  abgeleiteten  Wörter  ahhreviatio, 
abhreviatiira  u.  a.  Sp.  L.  oder  N.  L. 

Abdere;  dieses  Wort  ist  genau  behandelt  von  Pb.  Thielmann  in 
Wölfflins  Archiv  III,  S.  471 — 494.  Abdere  se  oder  aliquem  wird 
Kl.  meistens  mit  in  und  d.  Accus,  verbunden,  in  aliquem  locwn, 
nicht  in  aliquo  loco,  verbergen  in  oder  an  einem  Ort,  so  schon  bei 
Ter.  Hec.  174  nam  senex  rus  abdidit  se,  oft  bei  Cicero,  z.  B.  in 
terram    (Cic.  divin.  2,  51),    in   intimam  Macedoniam  (Cic.  fam.  13, 

29,  4),  in  contrariam  partem  terrarum  (Cic.  Muren.  89)  u.  a.,  Arpi- 
num,  zu  Arpinum  (Cic.  Attic.  9,  6,  1),    in  occultum  (Caes.  Gall.  7, 

30,  1),  iisy  qiii  per  aetatem  arma  ferre  non  poterant,  in  silvam  Ar- 
diiennam  abditis,  ib.  5,  3,  4  und  öfters  in  silvas  u.  ä.  Daher  auch 
domum,  zu  Hause,  in  seinem  H.,  nicht  domi]  quo,  wo,  nicht  uhi; 
quocumque,  ivo  nur,  nicht  ubicumque;  eo,  dort,  nicht  ibl]  aliquo,  ir- 
gendwo, nicht  alicubi.  Doch  kommt  der  Ablativ  mit  oder  ohne  in 
nicht  bloss  bei  kirchlichen  Autoren  wie  Ambros.  Hexaem.  5,  24,  84, 
sondern  auch  bei  guten  Nachklassikern  vor,  vgl.  Curt.  8,  2,  37, 
Tac.  ann.  2,  39,  ebendas.  5,  7,  bist.  1,  79.  Da  sich  diese  Ver- 
bindung auch  bei  Livius,  nicht  nur  31,  36,  1,  sondern  ausserdem 
noch  9,  7,  11  und  25,  39,  1  u.  40,  7,  6  findet,  so  kann  sie  immer- 
hin, wenn  auch  nicht  in  der  Schule,  passieren.  In  der  bildlichen 
Redensart  sich  in  die  Wisseyischaften  vertiefen  sagt  Cicero  teils:  se 
totum  in  litteras  abdere  (Cic.  fam.  7,  33,  2),  teils  se  litteris  abdere 
(Cic.  Arch.  12),  was  der  Ablativ  instrum.,  jedenfalls  kein  Dat.  finalis 
ist.  Der  Dativ  bei  abdere  ist  P.  L.,  in  Prosa  hat  ihn^  nur  Yell.  2, 
91,  4  (doch  vgl.  EUis  z.  St.;  er  liest  carcere).  Üblich  ist  in 
mit  dem.  Ablat.  beim  Part.  Perf.  Pass.,  weil  dies  den  Zustand 
der  Ruhe  ausdrückt,  z.  B.  in  tectis  silvestribus  abditos,  Cic.  inv. 
1,  2,  ahditi  in  tabernacidis,  Caes.  Gall.  1,  39,  4,  daher  auch  mit 
den  Adverbien  der  Ruhe:  ibi  aMitis,  Liv.  10,  4,  7.  Ferner  kann 
abditus  auch  mit  einer  Präposition  wie  inter,  intra,  per  verbunden 
werden:  Caes.  civ.  2,  9,  6  intra  haec  tegimenta  abditi;  inter  sarcinas 
ahditi,  Tac.  bist.  3,  73  extr.  und  abditi  intra  muros,  Liv.  4,  56,  5 
und:  abdito  intra  vestem  ferro  proficisci,  ibid.  2,  12,  5  und  abditi 
per  tentoria,  Tac.  bist.  4,  72. 

Abdicare  wird  Kl.  nur  verbunden  se  cdiqua  re,  .sich  von  ettuas 
lossagen,  etiuas  aufgeben,  niederlegen,  z.  B.  magistratu,  munere,  ein 
Amt;  dictatura,  Caes.  civ.  3,  2,  1;  considatu,  tutela,  die  Vormund- 
schaft, Cic.  Att.  6,  1,  4  u.  dergl.  oder  absolut,  z.  B.  Cic.  nat.  2, 
11  ut  abdicarent  consides,  abdicaverunt,  ebenso  bei  Liv.  4,  34,  5. 
Bei  den  Historikern  seit  Sallust  (Cat.  47,  3)  auch  ahd.  aliquid,  ein 
Amt  niederlegen,  wie  Liv.  2,  28,  9;  5,  49,  9;  6,  18,  4,  ibid.  c  39, 
1  und  28,  10,   4  und  N.  Kl.,   besonders   in  der  silbernen  Latinität 


Abdicatio  —     42     —  Abducere 

auch  von  Menschen  ahd.  aliqaem,  sich  von  einem  lossagen,  ihn  Ver- 
stössen, z.  B.  patrem,  filium,  liberos\  ebenso  ahdicare  aliqiieni  =  ab- 
setzen, z.  B.  Plin.  nat.  6,  89  eligi  regern  liheros  non  habentem  et,  sipostea 
gignat,  abdicari ;  ferner  Sp.  L.  z.  B.  abdicare  vitia.  N.  L.  ist  ab- 
dicare  ab  aliqua  re,  z.  B.  a  munere  ahdicavi,  ich  habe  das  Amt 
niedergelegt,  ferner  cum  a  te  omne  aliud  scriptorum  geniis  abdicasses. 
Doch  se,  aliqiiem  abdicare  ab  aliqua  re  ist  spätl.  =  sich,  jemanden 
von  etivas  lossagen,  trennen,  freilich  nachdem  Cicero  Phil.  3,  12 
eo  die  se  non  modo  consulatu,  sed  etiam  libertate  ahdicavit  mit  der 
Konstruktion  (doch  ohne  ab !)  in  einem  Wortspiel  vorangegangen 
war,  vgl.  abdicaverimt  se  ah  isto  nomine,  Aug.  in  Ps.  75,  1.  Hos 
homines  ab  amicitia  vestra  penitiis  abdicate,  Leo  M.  Serm.  16,  5 
und:  a  generatione  Christi  abdicari,  ibid.  Serm.  26,  4.  Ungewöhnlich 
ist  auch  humanitate  se  abdicare,  keine  Humanität  beiueisen,  für  hu- 
manitatem  exuere  (Cic.  Attic.  13,  2,  1  ;  Ligar.  14),  hominem  ex 
homine  exuere  (Cic.  fin.  5,  35),  ab  humanitate  desciscere  (Matius 
in  Cic.  fam.  11,  28,  4),  omnem  htimanitatem  repellere  (Cic.  off.  1,  62) 
u.  a.  Doch  hat  der  Ausdruck  =  die  menschliche  Natur,  das  mensch- 
liche Wesen  verleugnen,  ausziehen  die  Autorität  des  Lactanz  für  sich, 
Lact.  inst.  3,  10,  14:  Quam  (religionem)  qui  non  suscipit  .  .  .  hu- 
manitate se  ahdicat.  Ygl.  nunmehr  Hauler  in  Wölfflins  Archiv  III 
S.  92 — 107,  wo  namentlich  über  abdicare  im  Spf.  L.  Genaueres  ver- 
zeichnet ist,  auch  Thes.  I,  S.  53  f.  sowie  Stacey  im  Archiv  X  S.  68. 

Abdicatio  ist  kein  klass.  Wort;  es  findet  sich  bei  Liv.  in  der 
Bedeutung  die  Niederlegung,  Lossagung  von  etwas  —  z.  B.  Liv.  6, 
16,  8  abdicatione  dictaturae,  also  alicuius  rei,  nicht  ab  aliqua  re; 
N.  Kl.  entsprechend  abdicare  filium  in  der  Bedeutung  Verstossung, 
Enterbung,  z.  B.  Plin.  nat.  7,  150  ahdicatio  Postumi  Agrippae  post 
adoptionem.     Ygl.  Hauler  in  Wölfflins  Archiv  II,  S.  598. 

Abdicativus,  verneinend,  Sp.  L.,  für  negans;    Archiv  II,  S.  602. 

Abdicere,  absagen,  ahsprechen  war  sehr  beschränkt  im  Grebrauche. 
Kl.  ist  es  nur  ein  heiliges  Wort  von  den  Vögeln,  abdicunt  aliquid^ 
sie  veriveigern  etivas,  luilligen  in  etivas  nicht  ein  und  steht  nur  Cic. 
div.  1,  31  ;  Sp.  L.  bei  dem  Juristen  Pomponius  in  den  Digest.  I,  2, 
2,  24  aliquid  ab  aliquo  abdicere,  einem  etivas  verweigern,  für  aliquid 
alicui  negare,  denegare ;  die  übrigen  Stellen  aus  Sp.  L.  —  A.  L. 
und  N.  Kl.  findet  es  sich  nicht  —  siehe  in  Wölfflins  Archiv  lY, 
S.  101  und  Thes.  I,  S.  56. 

Abditus,  versteckt.  Ygl.  Abdere.  Sp).  L.  ist  der  Komparativ 
und  Superlativ  für  occultior ,  occultissimus ;  vgl.  Georges  Wort- 
formen s.  V. 

Abducere  wird  im  gewöhnlichen  und  bildlichen  Sinne,  abführen, 
ahziehen,  gewöhnlich  mit  a  verbunden,  gleich  mit  avocare  aliquem 
ab  aliqua  re,  z.  B.  ab  omni  reip.  cura  (Cic  Q.  fr.  3,  5,  4),  ab  omnibus 
molestiis  (Cic.  fam.  5,  13,  5);  bei  Örtern  meistens  de  oder  ex,  z.  B.  de 
foro  (Liv.  2,  56,  15;  23,  23,  8),  e  fano  Dianae  Cic.  Yerr.  1,  85,  ex 
aedibus    Plaut.  Truc.   847,   e  foro    (Cic.  Yerr.   5,    33);    doch    auch 


Aberratio  —     48     —  Abesse 

exercitum  ab  Sagunto  abducere,  Liv.  21,  10,  13.  —  In  der 
Redensart  emen  abführen  (ins  Gefängnis)  ist  clucere  mehr  üblich, 
als  ahduce7'e]  letzteres  ist  übrigens  klassisch,  vgl.  Cic.  Yerr.  5, 
146  i2')sos  in  Imitumias  ahduci  imperahat  Überdies  heisst  nach 
oder  in  einen  Ort,  in  alicßiem  locnm,  oder  mit  dem  blossen  Accus, 
bei  Städtenamen,  und  za  etiuas,  ad  aliquid,  lauter  Konstruktionen 
klassischer  Latinität;  vgl.  Wöifflins  Archiv  II,  454  ff. 

Aberratio  kommt  nirgends,  als  bei  Cicero  und  da  nur  bildlich 
zweimal  vor  mit  a  dolore  Att.  12,  38,  3  und  a  molestiis  fam. 
15,  18,  1  in  der  Bedeutung  Entfernung,  Zerstreuung.  N.  L.  bedeutet 
es  den  Irrtum  in  etwas,  für  error,  erratum.  Ebenso  ungebräuchlich 
ist  aberrare  in  der  Bedeutung  irreii,  für  errare. 

Abesse  (Perf.  afiii,  Part.  fut.  afutu7us,  nie  abfui  oder  abfiduras, 
vgl.  Oberdick  Progr.  Breslau  1891,  S.  3,  aber  auch  Neue- Wagener  ^ 
II,  S.  836)  wird  klassisch  gewöhnlich  mit  a  und  dem  Ablat.:  ab 
aliqiio,  ab  aliqua  re  und  zwar  in  eigentlicher  wie  in  übertragener 
Bedeutung  verbunden.  Man  sage  also  prope,  propius  absum  ab  ocu- 
lis,  iudicio,  consilio,  regno,  signis,  a  vero,  veritate,  culpa,  x)ericulis, 
molestia  und  dergl.  Selten  tritt  abesse  allein  mit  dem  blossen  Ablat. 
auf,  wie  Liv.  9,  44,  2;  24,  3,  3;  26,  41,  11;  nicht  so  selten  nach 
procul  abesse,  s.  Weissenb.  z.  Liv.  33,  15,  6.  Nur  bei  einigen  Orts- 
bezeichnungen, z.  B.  domo,  foro,  urbe,  patria  steht  klass,  der  blosse 
Ablat.,  obgleich  auch  bei  diesen  Worten  sich  a  findet,  z.  B.  ab  urbe 
abesse,  Cic.  fam.  6,  2,  1  und  Caec.  28,  so  auch  a  foro  abesse.,  Cic. 
Yerr.  5,  31.  Strenge  Ciceronianer  wie  Wesenberg  leugnen,  dass  Cicero 
überhaupt  abesse  c.  ablat.  geschrieben,  daher  wird  Tusc.  5,  106 
abesse  a  patria  (aber  C.  F.  W.  Müller  abesse  patria),  fam.  5,  15,  4 
me  ab  ea  abesse  urbe  (Müller  me  abesse  urbe),  mit  Recht  je- 
doch Att.  3,  15,  2  ab  scelere  afuisse,  off.  1,  43  abest  ab  officio  ge- 
lesen. Auch  vor  Städtenamen  steht  der  Abi.  mit  und  ohne  Präpo- 
sition, vgl.  für  Cicero  leg.  2,  2  u.  fam.  14,  18,  1  abesse  Borna, 
aber  Cluent.  27  abest  a  Larino;  bei  Nepos,  der  sonst  immer  absum 
a  sagt  (Lupus  S.  78),  erscheint  gleichfalls  der  Ablat.  mit  und  ohne 
a:  Neque  vero  soliis  ille  Äthenis  aberat  libenter,  Chabr.  3,  4  und 
Adrumetum  quod  abest  a  Zama  .  .  .  Hannib.  6,  3;  ebenso  bei 
Livius:  Zama  quinque  dierum  iter  a  Garthagine  abest,  30,  29,  1, 
s.  die  Beispiele  bei  Hildebrand  S.  5.  —  Nicht  weit  von  einem  Orte 
entfernt  sein  heisst  sowohl  non  longe  ex  aliquo  loco  abesse,  Caes. 
Gall.  5,  21,  2  als:  neque  is  longe  aberat  ab  eo  loco,  Cic.  div.  2, 
135;  und  so  auch  bei  esse:  non  longe  ab  hoc  loco  f rater  est,  Petr. 
Sat.  127.  Bei  andern  Substantiven  wie  oppidiim,  castra,  continens, 
terra,  Eigennamen,  wie  Persis,  forum  Iidii  etc.,  ist  abesse  mit  a  das 
gewöhnliche:  yion  longe  ab  opxndo  castra  aberant,  Caes.  Gall.  7,  26, 
2.  hiveniebat  ex  captivis,  Sabim  fltmien  a  castris  suis  non  amplius  .  . 
abesse,  Caes.  Gall.  2,  16,  1.  Ebenso  ist  es  im  N.  Kl.  (die  Stelleu 
sehe  man  im  Thes.  s.  v.  oder  in  Wöifflins  Archiv  YII,  S.  147 — 183 
nach).     Die    Präposition    ex   bei    abesse  ist   selten,   wie:    abesse    ex 


Abesse  —     44     —  Abesse 

ea  urhe,  Cic.  Attic.  15,  5,  3  und:  nunquam  ex  iirhe  afiiit,  Cic. 
Plane.  67,  Caecina  20.  —  In  der  Bedeutung  fehlen^  nicht  haben  steht 
abesse,  Kl.  mit  dem  Dativ  aliciii:  Nee  est  quidqiiam  iwaeter  mun- 
dum,  cid  nihil  absit,  Cic.  nat.  2,  37.  Quid  huic  abest,  nisi  res  et 
virtus?  de  orat.  2,  281.  Abest  historia  litte7Hs  nostris,  leg.  1,  5. 
Cum  partem  (gregis)  abesse  numero  sensisset,  Liv.  1,  7,  6;  Gracchus 
fraudem  et  sermoni  et  rei  abesse  ratus,  ibid.  25,  16,  15;  in  der 
bildlichen  Bedeutung  im  Stiche  lassen,  nicht  beistehen,  ist  deesse  alicui 
das  gewöhnliche.  Doch  kommt  abesse  ah  aliquo  =  aliquem  non  iii- 
vare,  bei  Cicero  zweimal  vor,  s.  Köpke-Landgraf  zu  Cic.  Plane.  13. 
Nicht  damit  zu  verwechseln  sind  die  Fälle,  in  denen  abesse  lediglich 
im  Gegensatz  von  adesse  von  der  blossen  Abwesenheit  eines  Patrons 
vor  Gericht  gebraucht  ist.  Über  den  Unterschied  von  abesse  und 
deesse^  vgl.  die  klass.  Stelle  Cic.  Brut.  276:  hoc  unum  Uli,  si  nihil 
utilitatis  habebat,  al'uit,  sioimserat,  defuit:  vgl.  noch  Hands  Lehrb. 
S.  239  und  242,  Wölffiin  Liv.  Krit.  S.  28;  Heerdegen  zu  Reisig- 
Haase  S.  13,  Anm.  320,  zum  ganzen  vgl.  Cramer  in  Wölfflins  Archiv 
YJI,  S.  147—183. 

Abesse.,  mit  tantum  verbunden,  so  viel,  so  weit  entfernt  sein., 
wird  regelmässig,  wenn  zwei  Sätze  mit  iii  darauf  folgen,  unpersön- 
hch  gebraucht;  der  erste  Satz  mit  ut  ist  dabei  Subjekt  zum  Yerbum 
abest,  aberat,  afuit,  der  zweite  Satz  mit  ut  hängt  von  tantum  ab. 
Ungew^öhnlich  schreibt  daher  der  auctor  B.  Alex.  22,  1  hoc  detri- 
mento  milites  nostri  tantum  afuenmt  ut  perturbarentur ,  ut  — _,  wo 
man  afuit  erwartet.  Dies  Beispiel  ist  ganz  allein  stehend  in  der 
römischen  Literatur,  denn  der  Satz  aus  Liv.  6,  32,  1  tantum  abesse 
spes  veteris  levandi  faenoris,  ut  tributo  novum  faeniis  contraheretur, 
ist  anderer  Art,  da  er  nur  ein  ut  enthält,  vgl.  Weissenborn 
z.  St.  Der  Tadel,  den  Stacey  Archiv  X,  S.  70  gegen  den  Antibarb. 
ausgesprochen,  dass  er  Schneider  zu  b.  Alex.  22  getäuscht  habe, 
zerfällt  demnach  in  sich  selbst.  Der  zweite  Satz  kann  wie  im 
Deutschen  auch  selbständig  auftreten:  tantum  aberat,  ut  binos  scri- 
berent:  vix  singidos  confecerunt,  Cic.  Attic.  13,  21,  5,  und:  tantum 
abest,  ut  voluptates  consectentur  :  etiam  curas.,  sollicitudines,  vigilias 
perferunt,  Cic.  fin.  5,  57  ;  Brut.  278  tantum  afuit,  ut  inflammares 
nostros  animos :  somnum  isto  loco  vix  tenebamus;  Or.  104  tantum 
abest,  ut  nostra  miremur:  usque  eo  morosi  sumus  (nach  Stangl);  ja 
er  kann  aus  dem  Vorhergehenden  ergänzt  werden,  z.  B.  Cic.  Att.  6, 
2,  1  tantum  abest,  ut  ego  ex  eo  laxarl  aliquid  velim  (sc.  ut  vel  plu- 
rima  vincida  tecum  summae  coniunctionis  optem);  mit  Unrecht  zieht 
der  Thes.  1.  1.  213,  37  hieher  auch  Cic.  Att.  13,  21  5.  Diese  Kon- 
struktionen sind  auf  Cicero  beschränkt.  Wenn  dagegen  statt  des 
ersten  Satzes  mit  ut  die  Präposition  a  mit  einem  Subst.  steht,  so 
wird  abesse  dadurch  personal,  z.  B.  iveit  entfernt,  ihn  zu  tadehi, 
ziehe  ick  ihn  andern  vor  heisst  entweder  tantum  ahest  (nicht  dbsum)^ 
ut  eum  reprehendam,  ut  aliis  etiam  praeferam,  oder  tantum  absum  ab 
eins  reprehensione,  ut  aliis  eum  etiam  praeferam,  wo  abest  unlateinisch 


Abesse  —     45     —  Abesse 

wäre.  Solche  Beispiele  finden  wir  bei  Cic.  ofi".  1,  48,  Marc.  25, 
Phil.  10,  14,  Caes.  civ.  1,  79,  5,  Corn.  Nep.  Ages.  5,  2,  Timol. 
1,  3,  Att.  12,  2  und  Yal.  Max.  6,  2,  2.  Wenn  der  zweite  Satz  mit 
iit  negativ  ist  (dass  sogar  nicht) ^  so  ist  N.  L.  ut  etiam  noyi  für  ut  ne 
—  quidem.  —  Über  das  falsche  potius  (vielmehr)  beim  zweiten  ut 
vgl.  Potius.  Dagegen  findet  man  beim  zweiten  ut  die  Adv.  etiam, 
contra,  vix,  letzteres  nur  Liv.  22,  5,  3,  die  Stellen  und  ihre  Beur- 
teilung siehe  bei  Procksch  N.  Jahrb.  1885,  S.  370.  —  Will  man 
mit  gewissem  Nachdrucke  die  Beziehung  des  einzelnen  hervorheben, 
so  kann  man  auch  die  ursprüngliche,  indes  seltene,  aber  gute 
Wendung:  tantum  ahest  ah  eo,  ut  .  .  .  ut  gebrauchen.  Vgl.  Cic. 
Tusc.  1,  76,  Liv.  25,  6,  11  (Thes.  1.  1.  S.  213,  27  falsch  26,  5,  11) 
wobei  man  noch  bemerken  kann,  dass  die  Wortstellung:  tantum 
ahest  ah  eo  konstant  ist.  —  Bei  zwei  Sätzen  mit  ut  ist  das  unper- 
sönliche ahest  so  beständig,  dass  sogar  ego,  tu,  nos,  vos,  Uli  als  Per- 
sonalsubjekte des  zu  ut  gehörigen  Verbs  vor  tantum  ahest  voraus- 
gehen können,  z.  B.  ego  vero  illum  tantum  ahest  (nicht  ahsum)  ut 
reprehendam,  ut  — .  Vgl.  Cic.  Phil.  11,  36:  ego  vero  istos  otii  — 
inimicos  tantum  ahest  ut  ornem,  ut  effici  non  possit  —  vgl.  über 
die  Wort-  und  Satzstellung  Nägelsbach-Müller  ®  S.  588.  Der  Infinitiv 
statt  des  ersten  ut  ist  Sp.  L.  bei  Ammian  15,  5,  36  tantum  afuit 
laudare  gesta,  ut  .  .  scriheret  zu  finden ;  der  Acc.  c.  inf.  ist  ebenso 
Sp.  L.,  z.  B.  bei  Ambrosius  und  Lupus  Ferr.,  die  Stellen  siehe 
Archiv  VII,  S.  175.  Ein  Satz  mit  quominus  an  Stelle  des  ersten 
UtssLtzes  findet  sich  bei  Hegesipp  3,  21,  1  tantumque  aherat,  quo- 
minus aliquid  nuntiaretur,  ut  etiam,  quae  gestae  non  fuerant,  adiceren- 
tur;  vgl.  Rönsch  Coli.  phil.  S.  88.  —  Ob  auch  lo?ige  abesse  mit 
darauf  folgendem  ut  und  non  longe  ahesse  mit  darauf  folgendem  quin 
im  bessern  Gebrauche  ebenso,  wie  tantum  ahesse,  nur  impersonal  ge- 
wesen sei,  muss  unentschieden  bleiben,  da  man  in  sichern  Stellen 
ahsum  oder  ahes  u.  dergl.  nicht  gefunden  hat,  vgl.  Cramer  in  Wölfflins 
Archiv  VII,  S.  182.  Bei  der  dritten  Personalform  ist  es  auch  bei 
vorausgehendem  Nominativ  ille  noch  zweifelhaft,  ob  das  Verbum 
ahest,  aherat  u.  s.  w.  personal  oder  impersonal  hinzugesetzt  sei,  wie  es 
z.  B.  in  Cic.  acad.  2,  117  ille  loyige  aherit  ut  er edat  rnoXit  ausgemacht 
ist,  ob  ille  auch  zu  aherit  gedacht  werden  müsse,  wie  es  zu  credat 
gehört ;  es  kann  eine  ebenso  in  einander  geschobene  Redeform  sein, 
wie  in  der  oben  erwähnten  Stelle  (Phil.  11,  36)  zwischen  ego  —  ut 
ornem  —  das  Impersonale  tantum  ahest  eingeschoben  ist.  Sicher 
steht  nur  Augustin.  de  civ.  dei  9,  16  S.  390,  18  D.  a  qiiihus  longe 
ahsunt^  ut  incontaminatissimi  perseverent.  Man  enthalte  sich  daher 
der  ohnehin  seltenen  Phrase  longe  abesse  mit  ut  bei  der  ersten  und 
zweiten  Person.  Entschieden  impersonal  steht  non  longe  ahest,  quin 
bei  Fronte  epp.  ad  amicos  1,  5,  S.  177  Nab.  Auch  das  damit  ver- 
wandte projje  esse,  ut  wird  impersonal  (nicht  personal)  gebraucht. 
(Vgl.  Prope.)  —  Die  Phrasen  nihil,  non  longe,  paulum,  haud  midtum, 
non  midtum,  haud  prociü  ahesse  haben  im  Zusätze  nicht  ut  oder  ^it 


Abhinc  —    .46     —  Abhinc 

yiOHy  sondern  quin.  Dabei  findet  sich  auch  zweimal  die  persönliche 
Verbindung:  castra  quoque  .  .  .  adorti  Jumd  multum  afuere,  quin 
opera  perrumperenty  Fragm.  Liv.  Nr.  36  Weissenborn,  und :  adeo 
vehementer  tcdiim  inverti,  ut  minimum  afnerim,  quin  arüculum  .  .  . 
defringerem,  Apul.  Florid.  16.  S.  67  Oud.  Ebenso  minimum  abest, 
quin,  Suet.  Octav.  14  und  Quid  ahest  quin  =  nihil  a.  q. :  Liv.  8, 
4,  2,  Yal.  M.  5,  3  ext.  3.  Sp.  L.  aber  ist  noyi  abesse,  quin:  quod 
suhstituit  non  ahest^  quin  iucundius  lepidiiisque  sit^  Gell.  9,  9,  5; 
doch  kann  dies  ein  Archaismus  sein;  denn  abesse  non  potest,  quin  lesen 
wir  in  zwei  Fragmenten  des  C  Gracchus  bei  Gell.  11,  13,  8  und 
Cic.  orat.  233.  Über  parum  abesse,  quhi  für  paidum  abesse,  quin 
s.  unten  unter  Parum.  Sp.  L.  besonders  dem  Bibellatein  eigen,  vgl. 
Thielmann  Apoll.  S.  15,  ist  endUch  die  Phrase  absit,  ut  oder  auch 
mit  Infinitiv,  z.  B.  Hieron.  ep.  57,  5  absit  hoc  de  pedisequo  Christi 
dicere.  Ebenso  Sp.  L.  ist  p)cmlo  afiiit  quin  bei  Ammian,  wie  Tertull. 
tanto  abest  statt  tantum  ahest  sagt,  vgl.  Thes.  1.  1.  S.  213,  1  u.  42. 
Ganz  gut  wäre  natürlich  das  personale  absit  wie:  absit  hoc  a  virtute 
malum,  ut  unqnam  ratio  ad  vitia  confugiat,  Sen.  d.  ira  1,  10  init. 

Abhinc  findet  sich  nicht  bei  Caes.  Sali.  Liv.,  sondern  A.  L.  nur 
bei  Plaut.  Ter.  Pacuv.  Lucr.,  Kl.  bei  Cicero,  dann  bei  Hör.  in  epp.  und 
besonders  oft  bei  Yeli.  Pat.,  dann  im  Sp.  L.  Abhinc  im  örtlichen  Sinne, 
von  hier,  ist  P.  L.  und  Sp.  L.  und  dabei  selten  für  hijic  (nicht  bei 
Plaut.,  aber  bei  Lucr.  Apul.  Claudian.  Mam.  Jordanes,  vgl.  Engel- 
brecht, Claud.  Mam.  S.  22  gegen  Kretschmann  Apul.  S.  94).  Es  wird 
bei  allen  besseren  Autoren  nur  von  der  Zeit  gel3raucht,  in  der  Be- 
deutung von  jetzt  cm,  was  sich  aus  der  Herleitung  von  hie,  dem 
Pron.  der  I.  Pers.  erklärt,  vgl.  Tegge  S.  331,  aber  nur  in  Bezug  auf 
die  Vergangenheit  (unser  -jetzt  vor,  gleich  ante).,  nicht  in  Bezug  auf 
die  Zukunft;  die  futurale  Bedeutung  hat  freilich  schon  Pacuv.  trag. 
22  secpie  ad  ludos  iam  inde  abJiinc  exerceant,  dann  aber  erst  wieder 
das  Sp.  L.  seit  TertuUian.  Nicht  zu  billigen  sind  daher  die  Worte 
Murets  qui  abhinc  centum  annis  scripta  eins  legent,  für  j^ost  centum 
annos.  Die  Zeit,  am  tuie  viel  oder  wann  vor  jetzt  wird  regelmässig 
im  Accusativ  beigesetzt,  z.  B.  quaestor  fuisti  cd)]iinc  annos  quatuor- 
decim  (Cic.  Yerr.  I,  34),  du  bist  (nun)  vor  vierzehn  J.  Q.  geivesen, 
oder  es  sind  jetzt  viei^zehyi  J.,  dass  dti  Q.  geu-esen  bist.  Der  Ablativ 
findet  sich  nur  selten,  s.  Cic.  Rose.  Com.  37,  wo  jedoch  Lambin 
annos  schreiben  wollte  und  Plaut.  Most.  494  L.,  welche  Stelle  einen 
sehr  seltenen  und  inkorrekten  Ausdruck  enthält  —  wie  Lorenz 
sagt  — ,  denn  von  einem  Zeitpunkt  der  Yergangenheit  aus  rechnet 
man  nur  mittels  ante,  nicht  mit  ahhinc  zurück.  Diese  Unebenheit 
traute  man  Cicero  nicht  zu;  deshalb  vermutete  Halm  zu  Cic.  Yerr. 
2,  130  ante  statt  abhinc,  was  C.  F.W.  Müller  als  prob,  bezeichnet; 
er  selbst  setzt  vor  abhinc  ein  Kreuz.  Sicher  steht  der  Ablat. 
bei  Cic.  Att.  12,  17  abhinc  amplius  annis  XXV  (Abi.  compar.  ?) 
und  dann  erst  wieder  bei  Gellius  1,  10,  2,  sowie  bei  Ict. 
und  sonst  im  Sp.  L.,  vgl.   Archiv  lY  S.   110,  Kalb  Roms  Juristen 


Abhorrere  —     47     —  Abiecte 

S.  41.  Das  Zahlwort  ist  in  der  klassischen  Prosa  immer  ein  Cardi- 
nale, nie  ein  Ordinale,  also  nicht  ahhinc  anno  qiiarto  decimo,  die 
tricesimo.  Dies  findet  sich  erst  spätlat.:  centesinio  tisque  ahhinc 
saeculo,  Gell.  14,  1,  20,  vgl.  Gorges  S.  30  und:  armo  ahhinc  tertio 
me  commemini  devertere  .  .  M.  Aurelius  bei  Front,  epp.  II,  11, 
S.  35  (N.).  Dies  ahhinc  quinhis  an  sextus  est,  cum  .  .  Apul.  apol.  1. 
Daher  schreibt  gegen  den  Usus  Manut.  Epist.  I,  15:  qiiintum  abhinc 
annum  Romae  — ,  in  welcher  Stelle  auch  noch  das  fehlerhaft  ist, 
dass  ahhinc  in  die  Zeitbestimmung  eingeschoben  ist,  da  es  klassisch 
nie  anders,  als  vor  derselben  steht.  Falsch  ist  der  Ausdruck 
auch  in  den  Worten  ante  sescentos  ahhinc  annos,  da  ante  bei 
ahhinc  niemals  hinzugesetzt  wird.  Ebenso  lässt  der  Sprach- 
gebrauch den  Zusatz  von  'praeteritis,  exactis  oder  gar  elapsis,  praeter- 
lapsis  u.  dergl.  nie  zu,  wie  es  sich  im  Neulatein  findet.  Auch  passt 
ahhinc  nicht,  wenn  die  ganze  Zeit  vorher  von  jetzt  an  verstanden 
werden  soll.  Falsch  ist  daher :  Evolve  omnes  libros,  qui  de  ea  re 
ahhinc  viginti  annis  prodierunt,  wenn  dabei  nicht  das  einzelne 
ziuanzigste  Jahr  vor  jetzt,  sondern  die  ganze  Reihe  von  20  Jahren 
gemeint  ist,  wo  es  hiesse  proxiniis  viginti  annis  oder  intra  proximos 
viginti  annos.  Über  ahhinc  vorzüglich  Hands  Tursell.  I,  S.  63 
sq.  und  Ploen  im  Archiv  lY  S.  109 — 115,  Kalb  Roms  Juristen 
S.  41. 

Ahhorrere.  Dieses  Yerbum  ist  eingehend  behandelt  Archiv  IV 
S.  277 — 287.  Es  wird  klassisch  (bei  Caesar  nur  civ.  1,  85,  3  zu 
finden,  bei  Cicero  sehr  oft,  in  früheren  Reden  mit  dem  Adv.  procid, 
später  lieber  mit  longe  verbunden)  mit  ah  aliqua  re  konstruiert.  Der 
Accusativ  bei  ahhorrere  ist  N.  Kl.  und  Sp.  L.,  z.  B  Suet.  Aug.  83 
pumilos  atqiie  distortos  ahhorrehat;  bei  Cic.  Cluent.  41  omnes  illum 
aspernahantur ,  omnes  ahJiorrehant,  omnes  fugiehant  steht  abhorrere 
nicht  für  sich  allein,  sondern  ist  von  dem  unmittelbar  vorangegange- 
nen aspernahantur  in  die  Konstruktion  hineingezogen.  Der  Abiat. 
ohne  ah  ist  IST.  Kl.  und  Sp.  L.;  die  Stelle  bei  Cic.  de  fato  8  ist 
unsicher;  C.  F.  W.  Müller  schreibt  ut  alii  a  talihus  vitiis  ahhorreant, 
gesteht  jedoch,  dass  a  in  den  codd.  fehlt  (Lambin  hat  es  beigefügt). 
Ebenso  wenig  ist  der  Dativ  bei  Livius  2,  14,  1  nachzuahmen,  da 
Livius  sonst  nur  den  Ablativ  mit  a  hat  ;  vgl.  M.  Müller  z.  St.  Wo 
die  Form  zweideutig  ist,  muss,  namentlich  bei  Prosaikern,  eher  an 
den  Abi.  als  an  den  Dativ  gedacht  werden;  vgl.  Heraeus  zu  Tac. 
bist.  4,  55  und  Nipp,  zu  Tac.  ann.  14,  21.  Über  die  Herleitung 
und  Bedeutung  vgl.  Tegge  S.  91;  über  abhorret  mit  Inf.  vgl.  Engel- 
brecht, Claud.  Mam.  S.  66. 

Ahhorrescere,  Sp.  L.  für  ahhorrere;  vgl.  Archiv  IV,   S.  286. 

Abiecte  passt  wohl  zu  ferre,  facere,  vgl.  Cic.  Phil.  3,  28,  Tusc. 
2,  55,  aber  nicht  zu  sentire  de  aliqua  re,  verächtlich,  wegiuerfend 
von  etivas  denken,  für  contemptim  loqui,  da  die  Gedanken  in  Worten 
ausgedrückt  sind;  andere  Bedeutung  hat  nihil  ahiectum,  nihil  humile 
cogitant  bei  Cic.  fin.   5,  57;  vgl.  Thielmann   im  Archiv  IV  S.  552  ff, 


Abicere  —     48     —  Abire 

Ahicere  (Sehr  gute  Darstellung  von  Thielmann  im  Archiv  IV, 
S.  532—552).  Gleich  gut  ist  fte  alicui  ad  i^edes  und  f^e  ad  alicums 
2)edefi  abicere,  sich  einem  zu  F.  werfen;  vgl.  Cic.  Att.  8,  9,  1 :  cAn 
me  ad  pedes  abiecissem;  ib.  4,  2,  4:  se  ad  generi  pedes  abiecit;  ib. 
fam.  4,  4,  3.  Man  sagt  auch  bloss  se  alicui  suppUcem  abicere  pro 
aliquo,  Cic.  Mil.  100.  Ebenso  ist  es  bei  proicere,  s.  Cic.  Sest.  26; 
Caesar  Call.  1,  31,  2  und  7,  26,  3.  Bisweilen  wird  „sich  zu  Boden 
werfen"  durch  se  ahicere  ohne  Zusatz  ausgedrückt,  so  Cic.  Sest. 
79  exanimatus  se  abiecit.  N.  Kl.  und  Sp.  L.  sind  die  Zusätze  in 
terram,  in  Immum,  liumi.  Sich  ins  Meer  iverfen  ist  =  se  in  mare 
ahicere,  Cic.  Tusc.  1,  84.  Wenn  wir  bei  Com.  Nep.  Hann.  9,  3 
statuas  domi  in  propaiulo  abiciunt,  bei  Tac.  ann.  1,  22  responde, 
Blaese,  ubi  cadaver  ahieceris  und  bei  Suet.  Nero  48  odore  abiecti 
in  via  cadaveris  lesen,  so  ist  an  allen  diesen  Stellen  wie  auch  bei 
Cic.  de  or.  1,  28  in  herba  se  abiecit  der  Gedanke  an  die  Richtung 
ausgeschlossen,  und  es  soll  lediglich  der  Ort,  wo  das  abicere  oder 
das  abiectum  esse  =  iacere  stattfand,  bezeichnet  werden.  Anders  steht 
es  mit  Cic.  fin.  5,  92  anidiim  in  tnari  abiecerat,  wo  ein  Ausgleich 
zweier  Konstruktionen  cogitandi  quadam  celeritate  anzunehmen  ist. 
(So  Madvig  de  fin.  S.  773  f.  und  Thielmann  in  Wölfflins  Archiv  lY, 
S.  533.  Anderer  Ansicht  ist  C.  F.W.  Müller  ed.  Cic.  lY,  I,  S.  XXIX, 
der  noch  mehr  Beispiele  für  abicere  aliquo  loco  beibringt.)  „Auf 
dieser  Bank  von  Stein  will  ich  mich  setzen-'  schrieb  Schiller  —  wie 
Düntzer  sagt  —  mit  bekannter  Freiheit  bei  der  Bewegung  nach 
einem  Punkte  hin  die  Ruhe  als  Ziel  derselben  zu  bezeichnen  (vgl. 
Erläuterungen  zu  deutsch.  Klassikern  53.  54.  Bd.  S.  256  Anm.  3.). 

Abire.  In  der  eigentlichen  Bedeutung :  jemanden  aus  den 
Augen  gehen  steht  abire  nur  mit  e  oder  ex :  ex  conspectu  abire, 
vgl.  Caes.  Call.  6,  43,  5  u.  civ.  2,  22,  4,  Liv.  22,  12,  7;  und  ex 
orulis  abire  bei  Liv.  25,  16,  2  (ungenau  Thes.  1.  1.  S.  68,  8).  A.  L. 
und  N.  Kl.  ist  ab  oculis  abire,  vgl.  Plaut.  Trin.  989  u.  Sen.  ep.  36, 
10.  Mit  dem  blossen  Ablat.  aber  steht  es  regelmässig  in  dem  tro- 
pischen Sinn  von:  ein  Amt  niederlegen,  z.  B. :  consulatu.,  Cic.  rep. 
1,  7,  Liv.  2,  52,  6,  magistratu,  dictatura,  decemviratu,  interregno, 
s.  Liv.  2,  27,  13;  7,  22,  3  ;  3,  54,  4  u.  4,  7,  3.  Hingegen  im 
geistigen  Sinn  nur  mit  a:  ab  iure,  a  fabulis,  a  sensibus  abire,  Cic. 
acad.  2,  90.  Bei  Personen  oder  Sachen,  aus  deren  Xälie  man  sich 
entfernt,  von  deneti  man  iveggeht,  steht  a:  ab  iudice  abire,  Cic,  Flacc. 
50,  pacatum  a  .se  ahisse,  Liv.  43,  5,  4,  cd)  signis  abire,  Liv.  28,  24, 
8.  Ist  hingegen  die  Sache,  von  der  man  sich  entfernt,  eine  Ortlich- 
keit,  so  kann  abire  mit  a  oder  ex  verbunden  werden,  ersteres  drückt 
aus  sich  von  eticas  himveg,  letzteres,  sich  aus  einem  Orte  heraus- 
begeben. Also  ah  urbe  ahire  =  sich  von  Rom  entfernen,  s.  Liv. 
36,  3,  3.  Hingegen  ex  steht  aus  einem  Orte  heraus:  abire  ex  regno, 
Liv.  42,  41,  8,  ex  pairia  profugum  abire,  Sali.  Jug.  35,  1  und  ex 
agris  atque  ex  urbibus  cdnre,  Cic.  Yerr.  3,  79  ;  hieher  gehört  auch 
ex  concilio  abire,    Liv.   1,  51,    1  und  so  ist  auch  ahire  e  vita,    wie 


Abitio  —     49     —  Abiudicare 

excedere,  emigrare  e  vifa  konstruiert,  Cic.  Tusc.  1,  74.  Damit  ver- 
wandt scheint  der  Fall,  dass  jemand  so  oder  so  aus  einer  Versamm- 
lung, einer  Aktion,  an  der  er  beteiligt  war,  hervorgeht:  dies  hat 
wohl  zuerst  Ter.  Eun.  716  alio  pado  lioneste  hinc  quo  modo  aheam 
nescio;  neutra  acies  laeta  ex  eo  certamine  ahiit,  Liv.  1,  2,  2;  Romani 
semper  victores  ex  quamvis  temere  coepto  certamine  dlnre,  Liv.  34, 
19,  2;  dem  Cic.  scheint  dieser  Sprachgebrauch  nicht  besonders  ge- 
fallen zu  haben,  er  sagt  nur  Q.  Rose.  41  a6  üidicio  cd)eas  tmyissime 
victiis.  —  Wie  man  im  Deutschen  sagt:  es  entgeht  mir  etwas,  d.  h. 
wird  mir  nicht  zu  teil,  sodass  ich  zu  Verlust  komme,  so  äJmlich  auch 
lateinisch:  Si  res  abierit  ah  eo  maucipe,  quem.  .  .  Cic.  Yerr.  1,  141 
und  ganz  so:  ne  res  ahiret  ah  Apronio,  ibid.  3,  148.  Gut  ist  auch 
abire  für  unser  ahgehen,  ahschweifen:  ut  ne  longius  aheam,  Cic.  Caec. 
95  und:  ad  ineptias  ahire,  S.  Rose.  47.  Endlich  bedeutet  ahire 
prägnant:  ungestraft  durchkommen,  Cic.  Caec.  20:  ahiturum  cum  noii 
esse,  si  accessisset.  Vgl.  ibid.  45  u.  46.  Das  ivird  dir  nicht  un- 
gestraft hingehen  ist  auch:  hoc  tibi  non  sie  ahihit,  CatuU  14,  16  u. 
Ter.  Andr.  175  u.  daselbst  Meissner,  und  Cic.  fin.  5,  7;  Attic.  14, 
1,  1.  Ob  aber  je  hene,  male,  impune  oder  impunite  ahire  gesagt 
wurde,  für  hene,  prospere,  male  cedere,  impune  oder  impunitum  esse, 
ist  nicht  erwiesen.  Gut  ist  es  auch  (aber  wohl  mit  der  besondern 
Nebenbedeutung :  annum  frustra,  nidla  re  perfecta  ahisse)  von  der 
Zeit,  z.  B.  annus  ahit,  das  Jahr  vergeht;  auch  dies  hat  zuerst  Ter. 
Eun.  341  u.  691.  Von  einer  ansteckenden  Krankheit  sagt  man: 
pestilentia  ahit  de  loco,  Cic.  fam.  14,  1,  3.  Ferner,  wie  wir  im 
iJnwillen  sagen:  Geh'  dehies  Weges!  deiner  Wege!  so  im  Latein,  ahi 
tuam  viam,  wofür  sonst  recede  de  medio,  Cic.  S.  Rose.  112.  —  In 
proverhium  ahire  =  zum  Sprichivort  werden  ist  nicht  N.  L.  Es 
findet  sich  so  bei  Plin.  nat.  35,  85  (piod  et  ipsum  in  proverhium 
ahiit,  dann  als  Ergänzung  von  Ursinus  zweimal  bei  Festus  S.  230 
u.  310  ed  0.  M.  Neben  ahire  in  proverhium  gebraucht  Plin.  nat. 
23,  41  cedere  in  proverhium.  Über  die  Redensart  ad  plures  ahire  iüv 
mori  vgl.  Plures.     Vgl.  noch  Langen  in  N.  Jahrb.  1882  S.  674. 

Ahitio,  das  Weggehen,  ist  kein  klass.  Wort.  Es  findet  sich  im 
A.  L.  bei  Plaut,  u.  Ter.,  dann  wieder  hervorgeholt  von  Sp).  L.,  z.  B. 
Jul.  Val.  3,  30.  Kl.  ist  ahitus,  aber  auch  nur  in  der  Formel  post  ahi- 
tum,  z.  B.  Cic.  Verr.  3,  125,  oder  gewöhnHcher  discessus,  z.  B.  Cic. 
Att.  8,  3,  3  quid  perturhatius  hoc  ah  urhe  discessu  f  Während  aditus 
als  Zugangs  ort  kl.  ist  (vgl.  accessus)^  findet  sich  ahitus  lokal  nur  bei 
Verg.  Aen.  9,  380  u.  Tac.  ann.  14,  37;  vgl.  Wölfflin  im  Archiv  IV, 
S.  303. 

Ahiturire,  ahgeJien  wollest,  N.  L.  für  ahire  cupere,  und  so  ahitu- 
rientes  heutzutage  von  Schülern,  welche  die  Schule  verlassen  wollen, 
für  ahire  cupientes,  ahitum  oder  discessum  parantes. 

Ahiiidicare,  durch  Urteil  ahsprechen,  wird  meistens  verbunden 
ah  aliquo  aliquid,  einem  etivas,  nur  einmal  im  klass.  Latein  alicui 
aliquid  bei  Cic.  Caec.  99 ;  vgl.  Archiv  IV,  S.  304. 

Krebs-Schmalz,  Antibarbarus  I.  4 


Abiunctio  —     50     —  Abnormis 

AhiunctiOy  die  Äbtreyiniing ,  Entfernung,  ist  N.  L.,  z.  B.  ab- 
iuyicüo  locorum,  für  intervallum  locorum,  quo  disiuncti  sumus.  Das 
Yerbum  abiungere  dagegen  ist  gut,  wiewohl  höchst  selten,  jedoch 
findet  es  sich  bei  Cic.  Att.  2,  1,  3,  wo  indes  Boot  zu  vergleichen 
ist,  und  Ca  es.  Gall.  7,  56,  2  für  das  gewöhnliche  seiung  er  e  oder 
diiungere;   vgl.  Archiv  lY,    S.  305. 

Ablatio,  die  Wegnahme,  Sp.  L.  z.  B.  bei  Hieronym.,  vgl.  Gölzer 
S.  62,  auch  sonst  im  Sp.  L.,  vgl.  Archiv  lY,  S.  562;  es  wird 
vermieden  durch  die  Yerba  auferre,  detrahere,  tollere,  rapere, 
eripere,  amovere  u.  a.  oder  substantivisch  durch  ademptio,  demptio, 
detradio. 

Ablegare,  wegscliickeyi,  absondern,  wird  von  Cicero  und  Livius 
verbunden  ab  aliquo,  ab  aliqua  re,  fast  nur  in  böser  Absicht,  gleich 
removere;  daher  auch  N.  Kl.  extra  Italiam  in  exsilium  ablegare, 
Liv.  27,  9,  3  und  dementsprechend  N.  Kl.,  aber  auch  schon  bei 
Livius  6,  39,  7,  ablegatio,  die  Verbannung,  gleich  dem  Kl.  relegatio. 
Fehlerhaft  wäre  ablegare  in  dem  Sinn:  andere  auf  einen  Schrift- 
steller, Gewährsmann  u.  dgl.  veriveisen  für  delegare,  z.  B.  delegare 
alicßcem  ad  volumen  =  auf  ein  Buch,  vgl.  Nep.  Cato  3,  5,  oder  ad 
auctorem  relegare,  Plin.  nat.  7,  1,  oder  producere,  proferre  alicui 
magnae,  gravissimae  auctoritatis  virum,  dare,  exhibere  alicui  locu- 
pletissimum  testem  u.  dgl.  *,  vgl.  Seyffert  seh.  lat.  II,  168  und  Archiv 
lY,  S.  311. 

Abludere  ab  aliquo,  bildlich,  einem  unähnlich  sein,  findet  sich 
nur  bei  Horat.  sat.  2,  3,  320  haec  a  te  non  multum  ahludit  imago, 
vgl.  Fritzsche  zu  St.;  der  Ausdruck  ist  den  Musikern  entlehnt;  er 
kann  nur  mit  dem  Zusätze  ut  Horatiayio  verbo  utar  gebraucht 
werden. 

Abnegare,  abschlagen,  verweigern,  ableugnen,  P.  L.  (wie  es  scheint 
von  Yerg.  geneuert)  u.  N.  Kl.  selten,  z.  B.  Quintil.  11,  2,  11  und 
depositum  abnegare  bei  Sen.  de  benef.  4,  26,  3,  Plin.  epp.  10,  96 
(97)  7  für  negare,  denegare,  recusare.  Eidlich  etwas  ahlengnen  heisst 
abiurare,  eiurare  aliquid  (bonam  copiam  u.  dgl.),  nicht  cum  iuramento 
aliq.  abnegare.  Das  Subst.  abnegatio  ist  Sp).  L.,  bei  den  Eccl.  musste 
es  wie  abnegare  einen  Bedeutungswandel  durchmachen ;  hier  wird  es, 
wie  Gölzer  Hieron.  S.  235  ausführt,  =  renoncer  a;  vgl.  auch  Wölfflin 
im  Archiv  lY,  S.  576.  Bei  Mart.  Cap.,  dann  bei  Petrarca  u.  a.  wird 
es  =  vetare,  vgl.  Miodonski  Phil.  Call.  S.  21,  Archiv  1.  1.  574. 
S2).  L.  und  wie  abnegatio  gramm.  t.  t.  ist  ahiegativus,  verneinend, 
von  Wörtern,  wie  no7i,  haud,  für  privayis.  Ygl.  Privativus  und 
Archiv  lY,  S.  573. 

Abnoctare,  die  Nacht  auswärts  zubriyigeyi,  bei  Seneca,  Gellius, 
TertuU.  und  in  den  Digesten  und  selten,  für  foris  oder  exty^a  doynum 
peryioctare;  vgl.  Archiv  lY,  S.  577. 

Abnormis,  regellos,  den  Vorschriften  nicJit  geynäss,  nur  bei  Horaz 
(sat.  2,  2,  3,  vgl.  Fritzsche  z.  St.)  von  einem  Weisen:  sapiens  ab- 
normis, ein  Weiser  von  besonderem  Schlag,  für  qui  )ion  est  ad  cdicuiyis 


Abolere  —     51     —  Abrogare 

'normam  (nach  Cic.  Lael.  18)  oder  nidlam  nonnam  sequens,  a  norma 
discedens  (abnormitas  Sp.  L.,  vgl.  Sittl  bei  Bursian  1879/83  S.  330); 
Wölfflin  im  Archiv  lY,  S.  578. 

Aholere,  verderben,  vertilgen  findet  sich  in  Prosa  zuerst  bei  Livius, 
ausserdem  N.  Kl.  bei  Yell.,  vgl.  Georges  S.  44,  öfter  beim  jüngeren 
Plin.,  s.  Lagergren  S.  128,  und  besonders  bei  Tacitus.  Kl.  sagt  man 
dafür  delere,  tollere,  dirime^^e,  exstingiiere .  Für  aholere  legem,  ein 
Gesetz  abschaffen,  sagt  man  klass.  abrogare,  vv^ie  für  abolere  alicui 
magistratum  (Liv.  3,  38,  7)  abrogare  alic.  magistratiim.  Das  intran- 
sitive abolevi,  aholeveram  ist  auf  aholesco  zurückzuführen,  da  aholeo 
stets  transitiv  blieb,  s.  Liv.  1,  23,  3  u.  3,  55,  6  (aholeverat)  u.  Col. 
3,  2,  4  vitis  siccitatihus  aholescit.  Die  Zweideutigkeit  der  Form 
aholevi  führte  auf  aholefacio,  welches  wir  bei  Tert.  Ambros.  antreffen. 
Ygl.  Archiv  Y,  S.  107  u.  118. 

Ahomhiabilis,  veixihscheuensiuert,  abominatio,  die  Verabsclieiiimg ; 
ahominamentimi,  der  Greuel  und  abominosiis,  verhängnisvoll,  sind 
alle  Sp.  L.  für  detestahilis,  detestandus,  exsecrahilis  —  detestatio, 
exsecratio  —  res  exsecranda;  abominatio  gehört  vorzugsweise  den 
Eccl.  an,  vgl.  Gölzer  Hier.  S.  62  u.  300,  Rönsch  Ital.  S.  69  und  be- 
sonders Archiv  Y,  S.  89  ff. 

*^  ^^Aboininari,  veriuünscheyi,  hirituegivünschen,  erst  bei  Livius  und 
nachher  N.  Kl.  Curt.  7,  4,  12,  beim  Jüngern  Plinius,  Quintil.  und 
Sueton.,  besonders  in  der  Formel  qiiod  abominor !  das  möge  Gott 
verhüten!  Wir  brauchen  das  Wort  nicht  (vgl.  auch  Tegge  Ö.  243), 
denn  klass.  Ausdrücke  dafür  sind :  quod  deus  avertat,  quod  deus 
prohiheat,  quod  deus  amen  avertat,  s.  Döring  zu  Plin.  epp.  6,  22,  7, 
sonst  detestajn,  exsecrari,  male  precari,  auch  deprecari,  und  mit 
schwächerer  Idee  des  Yerabscheuens  aspernari  und  ho7Tere  (Cic. 
Quint.  fr.  I,  1,  33),  respuere,  abhorrere.  Ygl.  Tegge  S.  91,  sowie 
Archiv  Y,  S.  96. 

Abripere,  abreissen,  fortreissen,  wird  bei  Cicero  mit  ah,  ex  u.  de: 
Yerr.  5,  17  ahripi  hominem  a  tribunali  iuhet,  Yerr.  4,  24  quem  de 
convivio  in  vincla  ahripi  inssit,  Yerr.  1,  7  ß  complexu  parentum  ab- 
reptos  filios  ad  necem  duxit,  bei  Caesar,  wenn  es  überhaupt  vorkommt 
(vgl.  Meusel  s.  v.),  mit  ab,  bei  Livius  mit  ab  konstruiert;  nicht 
nachzuahmen  ist  das  mit  Plin.  min.  in  Prosa  aufkommende  abripere 
alicui,  z.  B.  Suet.  Aug.  17  Antonium  shnulacro  Divi  Iidii  ahreptmn 
interemit,  vgl.  Ploen  in  Archiv  Y,  S.  243 — 253. 

Abrogare,  abschaffen,  aufheben,  nur  mit  dem  Accus.,  z.  B.  legem, 
ein  Gesetz,  nicht  mit  dem  Dativ,  legi,  der  z.  B.  von  Nizolius  ange- 
geben wird,  aber  aus  den  von  ihm  beigebrachten  Beispielen  nicht 
zu  erweisen  ist;  wohl  aber  alicui  aliquid,  einem  etivas  nehmen, 
entziehen^  z.  B.  regi  imperium  abrogant,  wofür  auch  gesagt  wird 
imperium  regis  abr.  Dieser  Genitiv  der  Person,  welcher  etwas  ent- 
zogen werden  soll,  empfiehlt  sich  im  Interesse  der  Deutlichkeit  und 
des  Wohllauts  der  Rede  bei  dem  Gerundivum,  z.  B. :  legem  tidit  de 
abrogando  Q.  Fahii  imperio,  Liv.  22,  25,  10.     Wir  sagen  oft  kurz 


Abrumpere  —     52     —  Abscedere 

eiyien  absetzen^  der  Lateiner  nicht  alicptem  cibrogare,  sondern  almn 
muyiiis,  magistratimi  u.  a.  abrogare,  z.  B.  Yerr.  2,  140  si  tibi  magi- 
stratum  abrqgasset;  erst  Cassiodorius  wagte  zu  schreiben  dominus 
ahvgatur.  Übrigens  heisst  legem  abrog.  ein  schon  bestehendes  Ge- 
setz abschaffen,  aber  legem  antiqiiare  ein  in  Vorschlag  gebrachtes 
verwerfen  und  das  alte  beibehalten;  oratorische  Fülle  ist  es,  wenn 
Livius  22,  30,  4  sagt  pleheiscihim  primiis  antiquo  abrogoque  =  „für 
null  und  nichtig  erklären",  vgl.  Luterbacher  zur  St.  Näheres  über 
abrogare  findet  man  Archiv  Y,  S.  254 — 263. 

Abrumioere,  abbrechen  gebraucht  Caes.  gar  nicht,  Cic.  nur  Phil. 
14,  31  haec  legio  se  prima  abriqnt  latrocinio  Äntonii;  Liv.  konstruiert 
ab  aliqiio  (aliqua  re)^  die  silb.  Latinität  auch  ex  aliqua  re.  Abrum- 
pere ohne  einen  Accusativ,  z.  B.  sermonem,  ist  N.  L.,  z.  B.  haec 
locutus  abrupit,  bei  (nach)  diesen  Worten  brach  er  ab,  hörte  er  auf 
zu  spi^echen,  für  desiit,  institit  (Cic.  erat.  221).  Es  kommt  zwar  KL 
nirgends  vor  sermonem  abriimperey  die  Rede  oder  in  der  Rede  ab- 
brechen, aber  Yerg.  sagt:  his  dictis  medium  sermonem  ahrumpit, 
Aen.  4,  388,  nachher  Sueton.  Tiber.  21:  Augustus  nonnumquam 
hilariores  sermones  —  ahrupit;  Tacit.  ann.  4,  60:  inceptum  sermo- 
nem abriqnt y  und  Quintil.  4,  3,  13:  abrupto,  quem  incohaverat, 
sermone  — ;  so  dass  es  wenigstens  nicht  unlat.  ist  neben  loqui  desi- 
nere  und  insistere,  colloquium  interrumj^ere  alicuius;  nur  sage  man 
ja  nicht  in  sermone  abrumpere.  Übrigens  schreibt  auch  Plin.  ep. 
2,  14,  10  in  Beziehung  auf  Worte:  repetiit,  quod  abriiperat.  Etwas 
Ähnliches  bezeichnen  incidere  (Cic.  Phil.  2,  47)  und  praecidere  und 
praecisio,  rhet.  Her.  4,  67  u.  41.  Nachklassisch  bei  Yal.  Max.  3,  2, 
1,  Tac.  bist.  3,  6;  3,  14  u.  4,  70,  Front,  strateg.  2,  13,  5  ist  ab- 
rumpere  pontem,  eine  Brücke  abbrechen,  für  das  noch  bei  Livius 
(7,  9,  7)  übliche  rumper e,  interrumpere  u.  a.,  vgl.  Poyis.  —  Nicht 
N.  L.,  sondern  Sp.  L.  ist  ex  abrupto  in  der  Bedeutung  unversehens, 
unvermutet  für  improviso,  ex  oder  de  improviso,  hiopinato,  neco- 
pinato,  z.  B.  Serv.  Aen.  5,  623  ut  non  ex  abrupto,  quod  persuadere 
vult,  dicat;  näheres  siehe  Archiv  Y,  S.  264 — 276. 

Abs  s.  unter  a,  ab. 

Abscedere,  iveggehen,  fortgehen.  Bei  Persoyien,  von  denen  man 
sich  entfernt,  steht  bei  Livius,  (denn  bei  Caes.  kommt  das  Wort 
überhaupt  nicht,  bei  Cic.  nur  einmal  div.  2,  37  und  hier  absolut 
vor),  immer  die  Präpos.  a,  wie:  nunquam  a  constde  abscessi,  Liv. 
37,  53,  18  u. :  abscedere  a  Romanis,  Liv.  36,  42,  6.  Auch  von  etivas 
hinweggehen  ist  bei  Liv.  u.  a.  bei  Ortsbegriffen  oft  durch  absc. 
ab  ausgedrückt:  a  moenlbus  Lamiae  abscedere,  Liv.  39,  23,  9 
u.  42,  56,  4  u.  62,  1 :  a  ripa  Penei  non  abscedere  u.  44,  19,  11, 
ferner:  a  finibus  Armeniis  abscedere,  Tac.  ann.  12,  48  extr.  u.  so 
dann  auch  abscedere  a  corpore,  Tac.  ann.  3,  5.  Indes  steht  schon 
von  Livius  an  auch  der  blosse  Ablativ,  immer,  wie  es  scheint,  obsi- 
dione  abscedere,  Liv.  37,  31,  3  u.  36,  35,  1  u.  Thgrio  abscessit  Lh. 
36,  12,  11  neben  (t   Demetriade  abscessum  est,  44,  13,  9  und:   abs- 


Abscidere  —     53     —  Abscondere 

cessere  Armenia  Partlii,  Tac.  ann.  13,  7,  ferner:  non  militarihus 
soliim,  sed  civilihiis  qiioqtie  abscesserat  munerihiis,  Liv.  9,  3,  5  und 
incepto  cibsc.  26,  7,  2,  endlich  regno  ahscedere  =  vom  Königreich 
iuegfallen,  getrefint  tuerden^  Liv.  38,  38,  6.  Mit  der  Präposition  e 
wird  absc.  konstruiert  =  aus  dem  Bereich,  dem  Umkreis  einer  Sache 
sich  entfernen,  wie  e  conspedii^  e  foro  ctbsc.^  bei  Liv.  u.  Plaut.;  bei 
letzterem  wird  das  Wort  überhaupt  häufig  gefunden,  was  auf  den 
Ursprung  desselben  aus  der  Volkssprache  schliessen  lässt.  —  Sehr  selten 
sind  in  klass.  Zeit  die  Subst  abscessio  und  ahscessus,  das  Weggehen, 
die  Entfernung  für  discessio;  jene  beiden  finden  sich  nur  einmal 
bei  Cicero  Tim.  44  u.  de  nat.  deor.  1,  24  und  zwar  abscessio  im 
Gegensatz  zu  dem  dabei  stehenden  accessio  und  ebenso  abscessus  im 
Gregensatz  zu  dem  dabei  stehenden  appulsus.  Gut  dagegen  ist  ab- 
scessus in  der  medizinischen  Sprache  als  t.  t.  für  Eitergeschwür 
(z.  B.  bei  Celsus).    Näheres  siehe  Archiv  Y  S.  277  ff.  und  S.  500  ff. 

Abscidere  darf  nicht  mit  abscindere  zusammengeworfen  werden, 
jenes  bedeutet  abschneiden,  abhauen,  dieses  abreissen;  vgl.  Wagner 
zu  Verg.  Georg.  2,  23.  Daher  einem  die  Zunge  abschneiden  =  lin- 
giiam  aliciii  abscidere,  Plaut.  Amph.  557,  den  Kopf  abschneiden, 
caput  abscidere,  Cic.  Phil.  11,  5;  daher  steht  caput  abscisum  jetzt 
auch  mit  Recht  bei  Gurt.  8,  3,  9.  Abscidere  wird  auch  in  übertragener 
Bedeutung  gebraucht,  doch  nicht  vor  Livius;  wenn  für  abscindere 
spem  von  Kühnast  in  seiner  Liv.  Syntax  S.  383  auch  Liv.  4, 
10,  4  zitiert  wird,  so  ist  zu  bemerken,  dass  dort  und  anderwärts 
bei  Liv.  jetzt  sAlgemein  abscisa  (%9ej  gelesen  wird;  vgl.  24,  30,  12; 
35,  45,  6;  45,  25,  9;  Fügner  sagt  Lex.  Liv.  I,  S.  149:  abscindo 
Livianum  non  est.  So  wird  abscidere  von  Liv.  auch  9,  23,  12  an- 
gewendet: nos  omnium  rerum  respeckim  praeterqiiam  victoriae 
nobis  abscidamus;  fürs  N.  Kl.  vgl.  Yell.  2,  66,  2  abscisa  scelere 
Antofii  vox  ptublica  (Georges  S.  44).  Dagegen  abscindere  (nicht  ab- 
scidere) ist  am  Platze:  tunicam  eius  a  pectore  abscidit,  Cic.  Yerr.  5, 
3  =  riss  ihm  das  Unterkleid  von  der  Brust  hinweg.  Das  caput 
abscissum  bei  Horat.  sat.  2,  3,  303  widerspricht  dem  oben  an- 
gegebenen Unterschiede  der  beiden  Zeitwörter  nicht,  da  Agave  ihren 
unglückseligen  Sohn  in  bacchischer  Wut  mit  den  übrigen  Mänaden 
zerriss;  vgl.  Schütz  z.  St.;  Keller  u.  Häussner  jedoch  abscisum.  Ab- 
scissus  und  abscisus  werden  überhaupt  oft  verwechselt  und  so  mag 
auch  abscidere  oft  mit  abscindere  vertauscht  worden  sein;  vgl. 
Fürtner  im  Archiv  Y,  S.  520—533.  Die  Bemerkung  Ladewigs 
endlich,  dass  für  alicui  frumentum,  commeatum  abscidere  die  Analogie 
von  aquam  alicui  abscidere  Liv.  41,  11,  4  spreche,  dürfte  den  Ein- 
fluss  syntaktischer  Analogie  gegenüber  dem  Sprachgebrauch  zu  hoch 
anschlagen,  abgesehen  davon,  dass  aquam  abscidere  dort  =  aquam 
alveo  effosso  avertere  ist. 

Abscondere,  verbergen,  ist  in  klassischer  Prosa  sehr  selten,  bei 
Caesar,  Nepos,  Sallust  und  später  bei  Livius  nirgends  zu  lesen,  bei 
Cicero  nur  Rose.  Am.  121  als  Yerbum  finitum';  sonst  findet  sich  nach 


Absconsio  —     54     —  Absistere 

Thielmanns  Wahrnehmung  bei  Cic.  überall  nur  die  Partizipialform 
des  Perfekts  (Cornif.  S.  36);  vgl.  auch  Landgraf  p.  S.  Rose.  349. 
In  späterer  Zeit,  wo  man  condere  als  v.  simplex  ansah,  wird  ah- 
scondere  häufiger  und  zwar  bei  Curtius,  Seneca,  Plin.  mai. 
Tacitus,  Florus,  Justinus;  es  kann  sein  Gebrauch  keinem  Anstand 
unterliegen.  Man  brauche  aber  für  se  ahscondere,  welches  im  A.  L. 
beim  Komiker  Caecilius,  dann  auch  N.  Kl.  z.  B.  bei  Seneca 
u.  S})-  L.  bei  Apuleius  August,  u.  a.  oft  sich  findet,  lieber  se  cibdere 
und  se  occidtare,  und  für  se  ahscoyidisse,  sich  verborgen  haben,  die 
Yerba  hfere  und  delitescere.  Die  Konstruktion  se  cdjscondere  a  fade 
dei  (Lact.  inst.  2,  12,  18)  und  die  Ausdrucksweise  der  Yulgata 
(qiiae  ad  pacem  tibi)  abscondita  sunt  ab  ocidis  tuis  ist  ^u  vermeiden, 
da  wäre  noch  vorzuziehen  se  a  conspectit  alicuiiis  occidtare  oder  se 
occidtare  alicui,  beides  bei  Plaut.  Trin.  278  u.  627.  oder  aliquid  me 
fugit,  fallit,  praeterit,  mihi  est  incognitum.  Genaueres  über  ahscondo 
siehe  Archiv  YI,  S.  151—167. 

Absconsio,  das  Verbergen^  für  occidtatio^  ist  nicht  bei  Plin.  nat. 
8,  50  anzunehmen,  vgl.  Billig  z.  St.,  dagegen  hat  es  die  Yulgata 
bei  Jesaias  4,  6,  sowie  Hieronymus  und  andere  Eccl.;  vgl.  Gölzer 
S.  62,  Rönsch  Ital.  S.  69,  Thielmann  im  Archiv  Y,  S.  539,  Thes.  I, 
S.  169. 

Abse7is.  Ich  bin  abwesend  heisst  ahsum,  erst  im  Sp.  L.  finden 
wir  die  Umschreibung  absens  sum,  da  man  im  Sp.  L.  überhaupt  gern 
zur  Coniug.  periphrastica  mit  dem  Part,  praes.  griff;  vgl.  meine  Synt.  ^ 
§  183,  1  und  Gramer  im  Archiv  YII,  S.  407.  Gleichfalls  Sp.  L.  ist 
das  dem  in  praesenti  nachgebildete  in  absenti. 

Absentare,  in  welcher  Bedeutung  es  sei,  ist  Sj)-  L.  für  amovere^ 
amandare,  ablegare,  abesse,  absentem  esse;  vgl.  Paucker  Eustath.  S.  111; 
absentatio  findet  sich  nur  einmal  Desiderius  Patr.  87,  254  Mign. ; 
vgl.  Archiv  Y,  S.  508  u.  511. 

Absentia,  die  Abivesenheit,  ist  ein  klass.  Wort  (fehlt  jedoch  im 
A.  L.,  bei  Caes.  Sali.  Liv.  u.  a.),  werde  aber  nicht  überall  ange- 
wandt, wo  wir  unser  Subst.  anwenden.  Man  sage  z.  B.  nicht  in  ab- 
sentia mea,  in  meiner  Abivesenheit,  w^o  vielmehr  absens  (in  den  ver- 
schiedenen Kasus)  gebraucht  wird. 

Absimilis,  unähnlich,  fehlt  im  A.  L.,  wird  zuerst  von  Caes.  Gall. 
3,  14,  5  non  absimili  forma,  dann  öfter  im  N.  Kl.  Latein,  z.  B.  bei 
Colum.  Plin.  mai.  Suet.  und  dann  im  Sp.  L.,  z.  B.  bei  Arnob.  Eutrop, 
nirgends  von  Cicero  und  Livius,  die  dissimilis  sagen,  gebraucht;  es 
erscheint  überall  mit  einer  Negation  verbunden;  vgl.  Bagge  S.  5; 
Ai'chiv  Y,  S.  512. 

Absistere.  Dieses  Yerbum  fehlt  im  A.  L.,  bei  Cic. ;  Caesar  hat 
es  einmal  ab  signis  absistere  =  von  den  F,  sich  entfernen,  Gall.  5, 
17,  2,  aber  unsicher,  denn  Madvig  em.  Liv.  S.  401  ^  vermutet  mit 
Zustimmung  Yielhabers  abstinerent,  vgl.  Meusel  s.  v.  Bei  Livius 
27,  45,  11  ist  es  zweifelhaft,  Luchs  hat  die  Konj.  Wesenbergs  Tid- 
skrift  9,  280  abscedere  ab  signis  aufgenommen ;  doch  in  überti-agener 


Absolvere  —     55     —  Absolutus 

Bedeutung  braucht  es  Livius  oft  und  zwar  mit  dem  Ablativ,  z.  B. 
hello,  piigna^  oppugnatione,  precihus  u.  ä. ;  ebenso  die  N.  KL,  z.  B. 
Curt.  Tac.  Mit  dem  Inf.  kommt  absistere  nicht  nur  bei  Dichtern, 
besonders  Yergil,  wo  ahsiste  geradezu  gleich  noli  gebraucht  wird, 
u.  Yal.  Max.  7,  4,  5,  sondern  auch  bei  Liv.,  z.  B.  7,  25,  5;  32,  35, 
7;  36,  35,  4  vor;  bei  letzterem  erscheint  indes  schon  die  im  Sjh  L. 
so  ausgedehnte  Yerwendung  des  Abi.  ger.  an  Stelle  des  Inf.,  z.  B. 
29,  33,  8  fessum  ahsistere  sequendo  coegit ;  9,  34,  2  nee  ante  conti- 
nuando  ahstitit  magistratu,  vgl.  Ott  Gerund.  S.  35,  Wölfflin  Archiv  Y, 
S.  516  f.,  Fügner  Lex.  Liv.  S.  153. 

Absolvere.  Dieses  Yerbum  kommt  im  A.  L  und  in  der  klass. 
Sprache  nur  in  übertragener  Bedeutung  vor,  erst  seit  Plin.  mai. 
=  solvere.  Sich  von  jemanden  frei  machen  ist  se  absolvere  ah  aliqiio, 
Cic.  Rose.  Com.  36.  Jemand  von  etwas  befreien  heisst  (aber  nicht 
bei  Cic,  Caesar  kennt  das  Wort  überhaupt  nicht)  in  der  Regel  ab- 
solvere aliquem  aliqua  re,  z.  B.  cura,  bello  (Sali.  Tac),  so  auch  (im 
Gewissen)  sich  von  etwas  freisprechen  =  peccato  se  absolvere  (Liv. 
1,  58,  10).  Handelt  es  sich  um  die  gerichtliche  Freisprechung,  so 
steht  das  Objekt  der  Freisprechung  im  Accusativ,  das  Yerbrechen, 
von  welchem  einer  freigesprochen  wird,  aber  im  Genitiv,  wie  iniit- 
riarum  rhet.  Her.  2,  19,  improbitatis  Cic.  Yerr.  2,  72,  maiestatis  Cic 
Cluent.  116,  adulterii  Tac  ann.  3,  30.  Selten  wird  so  der  Ablativ 
gebraucht,  bei  Cic  nur  Cael.  78  ambitu  absolutus,  Liv.  2,  8,  1 
leges  regni  siisincione  considem  absolverunt,  ebenso  selten  (bei  Cic 
jedoch  dreimal)  der  Abi.  mit  de,  wie  Cic  Q.  fr.  2,  16,  3:  erat  de 
praevaricatione  absolutus.  Die  Strafe,  von  der  jemand  freigesprochen 
wird,  steht  bei  Cic  part.  124  reo  pecunia  absoluto  im  Abi.,  bei 
Nep.  Milt.  7,  6  und  Paus.  2,  6  capitis  absolvitur  im  Genitiv. 
Näheres  über  absolvere  siehe  Archiv  Y,  S.  540 — 564,  Novak  Anal. 
Tac.  S.  20. 

Absolutus.  Das  Wort  ist  ins  Deutsche  übergegangen,  ohne  dass 
es  deswegen  im  Lateinischen  gut  anzuwenden  ist,  z.  B.  in  der  Be- 
deutung unumschränkt  von  der  Herrschaft,  nicht  absoliitum,  sondern 
summum  imperium,  infinita,  immoderata  potestas  (Liv.  3,  9,  4);  nicht 
absoluta  necessitas^  eine  absolute  Notivendigkeit,  für  summa,  extrema 
necess. ;  absolute  Yollkommenheit  ist  zwar  absolutio  perfectioque,  Cic. 
de  or.  1,  130,  dagegen  „absolut  vollkommen"  in  suo  genere  expletum 
atque  cumulatum,  Cic  Tusc.  5,  39.  Man  sagt  nicht  Ablativus  ab- 
solutus, sondern  absolute  positus,  wiewohl  Abi.  abs.  als  Kunstausdruck 
in  der  Gramm,  nicht  verwerflich  ist.  Als  Adverb,  in  der  Bedeutung 
geradezu,  ohne  lueiteres,  nicht  absolute,  sondern  prorsus  oder  simpli- 
citer,  welchem  comparate,  beziehungsiueise  (Cic.  top.  84)  entgegen- 
steht; erst  im  Sp.  L.  ist  absolute  =  bedingungslos,  ausnahmslos, 
z.  B.  Hieron.  Sophon.  1,  7  absolute  praecipitur  in  cimctis  silentium. 
Absohlt  nichts  verstehen  ist  plafie  nihil  sapere  bei  Cic.  div.  Caec  55. 
Absolut  gelehrt  sein  (opp.  mediocriter)  heisst  jedoch  absolute  doctus 
bei   Suet.  Gramm.  4,   was    als  klass.  gelten  kann,   da  Cic  Tusc.  4, 


Absonus  —     56     —  Absque 

38  ahsohite  heatus,  ahsolut  glücMich  bedeutet.  Die  ahsolide  Ge- 
schwindigkeit wird  von  Seneca,  epp.  85,  4  so  bezeichnet:  pernicitas 
per  se  aesthnata,  non  quae  fardissimoriim  coUatione  laudatur.  Das 
letztere  giebt  zugleich  den  lateinischen  Ausdruck  für  unser  relativ. 
Man  vergleiche  auch  Nägelsb. -Müller  »,  S.  280,  309  u.  320.  —  Die 
Superl.-Form,  welche  einige  leugnen,  findet  sich  Cic.  Tim.  12,  bei 
Plin.  Epp.  1,  20,  10  u.  8,  3,  2,  rhet.  Her.  4  mal,  Thielmann 
Cornif.  S.  56,  gleich  dem  perfectissimus  bei  Cicero  orat.  3  snnimum 
et  perfedissimum,  der  Konzinnität  zu  liebe.  Näheres  über  ahsolutus 
siehe  Archiv  YI,  S.  169—184,  Neue- Wagener  ^  II,  S.  220,  und 
Gudeman  zu  Tac.  dial.  5. 

Ahsonus  in  der  Bedeutung  misstönend  bei  Cic.  de  orat.  1,  115 
u.  3,  41,  orat.  158  hingegen  =  Glicht  ühereinstimmend  verb.  mit  a 
oder  dem  Dat.,  zwar  nicht  bei  Cicero  und  Caesar,  aber  bei  Livius, 
vgl.  Kühnast  S.  171.  Für  cibsone  =  ungereimt,  was  Sp.  L.  ist, 
brauche  man  absurde.  Näheres  siehe  Archiv  YI,  S.  185  und  Wey- 
man  Litotes  S.  517. 

Ahsque,  ohne,  findet  sich  im  Altlat.  im  Kondizionalsatze,  z.  B. 
Plaut,  u.  Ter.  ahsqiie  nie  esset,  facerem.  Die  Erklärung  hiezu  gibt 
Skutsch  in  Fleckeisens  Jahrb.  Suppl.  XXYII,  S.  89,  dass  nämlich 
ahsqite  ursprünglich  an  den  ersten  Teil  eines  kondizionalen,  mit  si 
eingeleiteten  Yordersatzes  einen  zweiten  anhängte  und  dann  fähig 
wurde,  auch  ohne  vorausgehendes  si  kondizionale  Perioden  einzuleiten. 
In  anderer  Weise  wird  ahsqiie  im  A.  L.  nicht  gebraucht,  vgl.  Pradel 
S.  466.  In  der  Folgezeit  verschwindet  es,  proscrit  par  la  coterie 
des  Scipions,  wie  Gölzer  Hieron.  S.  337  wohl  mit  Eecht  annimmt;  die 
Stellen  Cicero  Att.  1,  19,  1,  Quint.  7,  2,  44  ahsqiie  sententia  sind 
zweifelhaft,  vgl.  Praun  Archiv  YI,  S.  202,  Thes.  I  S.  185,  80,  Lebre- 
ton  Etudes,  S.  XII.  Dagegen  grifi'en  die  Archaisten  um  so  gieriger 
nach  diesem  veralteten  Worte,  Fronto  hat  es  S.  85,  24  N.,  Gellius 
an  mehreren  Stellen,  ebenso  Apuleius  (vgl.  Ebert  S.  326,  Gorges 
S.  11,  Kretschmann  Apul.  S.  123,  Jordan  krit.  Beitr.  S.  313  ff.,  meine 
Syntax  -^  §  135  u.  265)  und  der  Jurist  Julianus.  Die  Archaisten, 
sowie  spätere  Autoren,  z.  B.  Hieronymus.  Sulp.  Sev.,  Oros.  Sidon. 
Greg.  Tour.  Fredegar.  u.  a.  brauchen  es  ganz  synonym  mit  sine.^  z.  B. 
Hieron.  ep.  125,  15  nuUa  ars  absque  magistro  discititr.  Auf  die  ver- 
meintliche Autorität  des  Cicero  (ad  Att.  1,  19,  1  u.  de  inv.  1,  64,  vgl. 
Georges  bei  Bursian  1879/80  S.  391)  gestützt,  brauchten  auch 
die  bessern  Neulateiner  der  altern  Zeit  absque  für  sine.  Jetzt 
aber  sind  Redensarten,  wie  absque  dubio  für  sine  diibio,  absque 
libris  für  sine  libris,  absque  magno  oder  absque  uTlo  labore  für  sine 
magno,  sine  ullo  labore  (Cic.  inv.  2,  169)  durchaus  zu  meiden,  und 
geradezu  B.  L.  ist  absque  omni  dubio,  absque  omni  dubitatione  für 
sine  dubio,  sine  ulla  dubitatione.  Eben  so  unbrauchbar  für  uns  ist 
die  oben  erwähnte  Redensart  der  Komiker  absque  me  (te,  illo  u.  s.  w.) 
esset  oder  foret,  in  der  Bedeutung  ujenn  ich  nicht  wäre  (gewesen 
wäre),  für  nisi  ego  essem.  Ygl.  Ilands  Tursellin.  I,  S.  66 — 70,  Gölzer 


Abstantia  —     57     —  Abstractus 

Hieron.  337  f.,  Diez  Wörterbuch  11^,  5,  ganz  besonders  aber  Wölff- 
lin  Rh.  Mus.  37,  S.  83  ff.  und  Praun  Archiv  VI,  S.  197—213,  Berg- 
müller Jordanes  S.  17,  Rönsch  Itala  S.  389,  Bonnet  Gregor.  S.  602, 
Haag  S.  75,  Kalb  Roms  Juristen  S.  58,  0.  Brugmann  Rhein.  Mus.  32, 
485,  Werth  S.  336,  Ribbeck  Beitr.  S.  23  N. 

Abstantia^  die  Entfernung^  der  Abstand^  "Wort  der  Volkssprache, 
findet  sich  nur  bei  Vitruv.  9,  1,  11  für  intervallum,  spatiiim.  Vgl. 
Distantia. 

Abstemius,  enthaltsam,  besonders  des  Weines,  eigentlich  „sich 
betäubender  Getränke  enthaltend"  nach  Tegge  S.  218,  ist  unklass., 
in  Prosa  nur  bei  Varr.  Vitr.  Plin.  mai.  sowie  im  Sp.  L.,  in  Poesie 
bei  Lucil.  Hör.  Ov.  vereinzelt  zu  finden;  es  ist  vielleicht  der  Vulgär- 
sprache angehörig,  vgl.  Archiv  VI,  S.  192,  Klotz  Stil.  S.   167. 

Abstergere,  ivegivischen,  entfernen,  ht  ein  Verb,  der  zweiten  Kon- 
jug.,  Cic.  Q.  fr.  2,  8,  4  M.  abstergebo  dolorem,  nicht  abstergam. 
Die  Form  abstergo,  gere  ist  nicht  vor  Scrib.  Larg.  sicher  zu  belegen. 
Caes.  Sali.  Tac.  und  die  aug.  Dichter  brauchen  das  Wort  überhaupt 
nicht.    Vgl.  Archiv  VI,  S.  213—218. 

Absterrere,  abschrecken  ist  ein  seltenes  Wort  geblieben;  Caesar 
enthielt  sich  desselben  ganz,  Cic.  braucht  es  nur  Plane.  66  u.  Verr. 
2,  142  a  pecimiis  capiendis  homines  absterrere;  sonst  verwendet  Cic. 
deterreo,  z.  B.  a  scribendo,  a  re  publica  defendenda  u.  ä.  Die  Kon- 
struktion mit  dem  Abi.  haben  Hör.  Lucan.  Sen.  phil.  Plin.  mai.  Tac, 
mit  dem  Abi.  und  de  Plaut. ;  bei  Liv.  und  im  N.  Kl.  überwiegt  Abi. 
mit  ab.     Näheres  siehe  Archiv  VI,  S.  193 — 195. 

Abstinentia,  die  Enthaltsamkeit,  wird  von  Caes.  und  Liv.  gar 
nicht,  von  Cic.  nur  absolut  gebraucht.  Die  Verbindung  mit  einem 
Genitiv,  z.  B.  amoris,  cibi  ist  nachklass.  Näheres  siehe  im  Archiv  VI, 
S.  532 — 538.  Auch  abstinens  gebraucht  Cicero  nur  absolut,  vgl. 
Archiv  VI,  S.  552. 

^Abstinere.  Es  hat  keinen  Zweck  hier  näher  auf  ahstiyiere  ein- 
zugehen, nachdem  Weinhold  im  Archiv  VI,  S.  509 — 527  sämtliche 
Beispiele  bis  auf  Gellius  herab  zusammengestellt  und  herausgebracht 
hat,  dass  es  in  Bezug  auf  die  Bedeutung  keinen  Unterschied  macht, 
ob  man  die  Präposition  ab  wiederholt  oder  nicht  und  ob  man  das 
Wort  reflexiv  braucht  oder  nicht.  Abstinere  se  iniuria,  abstinere  se 
ab  iniuria.,  abstinere  iniuria  und  abstinere  ab  iniuria  sind  daher 
ganz  gleichbedeutend.  Nur  das  mag  hier  ausgesprochen  werden, 
dass  abstinere  aliqttem  ab  aliquo,  (ah)  aliqua  re,  also  transitiv  ge- 
brauchtes abstinere  mit  persönlichem  Objekt,  unklassisch  ist  und  erst 
mit  Livius  aufkommt,  z.  B.  4,  59,  8  a  cetera  praeda  Fabius  militem 
abstinuit  u.  1,  15,  4  hostes  urbe  abstinuit;  aber  nianus  vix  a  se  abs- 
tiniiit  und  ut  manus  ab  illo  abstinerentur  sagt  Cicero  Tusc.  4,  79  u.  Verr. 
4,  146.  Caesar  hat  nur  zwei  Stellen,  Gall.  1,  22,  3  proelio  abstinebat  u. 
7,  47,  5  ne  a  midieribus  quidem  abstinerent  (vgl.  jedoch  Meusel  s.  v.). 

Abstractus  mit  seinem  Adverb  und  dem  Verb  abstrahere  wird  selbst 
fast  nicht  im  philosophischen  Sinne  unseres  abstrakt  und  abstrahieren 


Abstrudcre  —     58     —  Absurditas 

gebraucht,  wenigstens  nicht  ohne  einen  Accus.,  wie  mentem  u.  dgl. 
Er  abstrahiert  von  den  Wahrnehmung eri  des  Gesichtes  heisst  mentis 
aciem  a  consuetudine  oculoriim  abducit  (Cic.  nat.  deor.  2,  45);  mentem 
ah  oculis  sevocat(\h.  3,  20);  se  avocat  a  corpore  (id.  divin.  1,111);  animus 
a  corpore  se  abstrahlt  (Cic.  Somn.  Scip.  29)  oder  aliqids  sevocat  men- 
tem a  sensibus  et  cogitationem  ab  consuetudine  abducit  (Cic.  Tusc.  1, 
38);  abstrakt  als  philosophisches  Kunstwort  ist  inflnitus,  universus, 
opp.  definitus,  finitus,  auch  certus  und  proprius ;  in  abstracto  ist 
bisweilen  separaten  (Cic.  de  orat.  2,  118),  entgegengesetzt  dem  de- 
finite,  d.  h.  konkret;  oder  infiyiite,  s.  Cic.  de  orat.  2,  66,  oder  cogi- 
tatione,  entgegengesetzt  dem  re,  d.  h.  in  concreto  (Cic.  Tusc.  4,  24 
haec  cogitatione  inter  se  differunt,  re  quidem  copulata  sunt),  vgl. 
Nägelsbach-Müller  ^  S.  307.  —  Übrigens  wird  abstrahere  Kl.  bei  Cic, 
Caesar  (bezüglich  civ.  3, 78, 3  vgl.  Meusel  s.  v.)  und  Livius  verbunden  mit 
ab  aliqua  re,  und  wo  es  passt  mit  ex  oder  ^e,  z.  B.  a  sollicitudine, 
de  matris  complexu  Cic.  Font.  46,  e  sinu  gremiocpie  Cic.  Cael.  59. 
Über  Plancus  bei  Cic.  Fam.  10,  18,  3  si  quas  copias  a  Lepido  ahs- 
traxissent  vgl.  Bergmüller  Plane.  S.  37,  dessen  Auffassung  von  Tac.  ann. 
2,  5  Germayiicum  suetis  legionibus  abstraheret  (=  abtrünnig  machen) 
ich  nicht  teile.  Der  Dativ  bei  abstrahere  ist  N.  KL,  vgl.  Draeger 
zu  Tac.  ann.  2,  5.  Bildlich  steht  das  Yerbum  nur  von  raschem, 
gewaltsamem  Zuge  heftiger  Begierden,  wofür  milder  ist  avocare. 

Abstrudere,  vef'bergen  ist  ein  vulgäres  Wort,  dessen  sich  die 
Klassiker  fast  ganz  enthielten;  Caes.  braucht  es  gar  nicht,  Cic. 
nur  an  zwei  Stellen  und  zwar  acad.  2,  32  veritatem  in  profundo 
abstrusit,  Att.  12,  15  me  in  silvam  abstrusi ;  nachklass.  ist  die  Kon- 
struktion mit  inter,  Tac.  ann.  4,  69,  und  dem  blossen  Ablat.,  Plin.  pan. 
45,  2;  öfters  hat  Cic.  das  Partizip  abstrusus,  sogar  im  Komparativ,  z.  B. 
acad.  2,  30  disputatio  paidlo  abstrusior.  Ygl.  Archiv  VI  S.  547  —  552. 

Absumere  =  verbraiichen,  aufzehren  ist  ein  von  Cicero  nur  in 
der  Erstlingsrede  p.  Quinct.  34  ne  dicendo  tempus  absumam  ge- 
brauchtes und  von  Caes.  u.  Nepos  ganz  verschmähtes  Wort,  welches 
indes  vor-  und  nachklassisch  sehr  häufig  ist,  vgl.  Thielmann  Cornif. 
S.  38.  Unlateinisch  ist  duo  libri  in  amicitiam  absumpti  sunt  für 
de  amicitia  scripti  sunt.  Näheres  über  absumo  siehe  Archiv  YII  S.  185. 
Absurditas,  die  Ungereimtheit,  Sp.  L.  für  insulsitas,  perversitas, 
pravitas  (Cic.  Tusc.  4,  76),  ineptiae  (Cic.  de  orat.  2,  18);  im  kon- 
kreten Sinne  res  oder  ratio  absurda  Cic.  Balb.  37,  monstrum 
und  für  haec  dicere  est  absurditas  sage  man  lioc  absurdum  est  dicere, 
z.  B.  Cic.  prov.  37  non  sortiri  absurdum  est.  Ein  Substantiv  ab- 
surdum  ist  Sp.  L.,  z.  B.  Aug.  contr.  acad.  Patr.  32,  950  redis  ad  illud 
al)surdum,  vgl.  Wölfflin  Archiv  YII,  S.  199;  aber  jemanden  ad  ab- 
surdum führen,  heisst  nie  ad  absu7'dum  deducere,  dies  ist  N.  L.;  es 
kann,  aber  nur  in  vulgärer  Diktion^  vgl.  Petron.  58,  Saalfeld  Ten- 
saurus  s.  v.  alogia,  mit  den  Worten  Senecas  gegeben  werden:  alicui 
alogias  excutere,  de  morte  Claud.  7.  Über  die  in  Prosa  beliebte  Litotes  non 
ahsurdus  (Cic.  nur  Tusc.  3, 12  nee  absurde)  vgl.Weyman  Litotes  S.  517. 


Abundarc  —     59     —  Abusquc 

Abiindare  =  „ab-  oder  überwallen,  d.  h.  so  voll  sein,  dass  es 
abfliesst",  vgl.  Tegge  S.  376  und  Stöcklein  im  Archiv  YII,  S.  417, 
heisst  nicht  überflüssig,  d.  h.  unnötig,  imnütz  sein,  wie  es  S^h  L. 
besonders  von  den  Grammatikern  gebraucht  wird,  dies  liegt  vielmehr 
in  redtmdare  (Quintil.  1,  4,  9),  sitpervacanemn  esse,  super  esse.  Weniger 
gut  also,  wenn  auch  dem  technischen  Ausdruck  der  Grammatiker  ent- 
sprechend, sagt  der  Pseudo-Asconius  (Cic.  Yerr.  I,  114)  confusa  lo- 
cutio:  ahundare  enim  videtur  non  —  und  so  oft  heutzutage,  z.  B. 
Eustathius  äUä  abiindare  putat.  Ebenso:  haec  vox  ahundanter 
addita  est,  für  redundanter.  So  wäre  auch  ein  reichhaltiger,  frucht- 
barer Stoff  nicht  ahundans,  sondern  benigna  materia,  nach  Sen.  de 
ira  2,  1,  1.  Doch  ist  materia  abundans  für  die  reichen  Geistes- 
anlagen eines  Knaben  durch  Quint.  2,  4,  7  als  lat.  erwiesen.  Näheres 
bei  Stöcklein  im  Archiv  YII,  S.  207—244. 

Abimde.  Dieses  Adverb  steht  bei  Cicero  nur  selten,  de  div. 
2,  3  erit  abimde  satis  factum  toti  huic  quaestioni,  ad  Att.  4,  15,  4; 
16,  1,  5;  Cato  48,  dann  auch  bei  Plancus  in  Cic.  fam.  10,  23,  6; 
bei  Caesar  nie,  öfter  bei  Sali.,  aber  bei  ihm  nie  mit  dem  Genitiv, 
denn  Catil.  58,  9  ist  commeatus  nicht  Genit.^  sondern  Nominat.,  und 
abunde  wird  von  Sali,  überhaupt  nur  adjektiv.  oder  adverbial  ge- 
braucht. Die  Konstruktion  mit  dem  Genit.  kommt  zuerst  bei  Yerg. 
Aen.  7,  552,  in  nachklass.  Prosa  bei  Plin.  nat.  25,  25,  bei  Suet. 
Caes.  86,  vgl.  Bagge  S.  86,  dann  bei  Gell.  5,  10,  7,  vgl.  Gorges 
S.  32,  vor.  Quintilian  inst.  10,  1,  94  liest  Halm  und  jetzt  auch 
Bonnell-Meister  ahimde  salis,  doch  vgl.  hiezu  die  ausführliche  Er- 
örterung von  Stöcklein  Archiv  YII,  S.  264;  aber  ahimde  constantis 
animi  bei  Curt.  6,  7,  13  gehört  nicht  hieher;  denn  dort  ist  ahimde 
zur  Steigerung  von  constantis  verwendet,  wie  denn  ahimde  bei  Sali. 
Liv.  Yal.  Max.  Quint.  Curt.  Plin.  min.  Gell.  u.  a.  mit  Adj.  sich  ver- 
bindet, vgl.  Wölfflin  Comp.  S.  24  und  Stöcklein  S.  250.  Mit  esse 
verbunden  steht  es  prädikativ  bei  Sali.  Cat.  21,  1;  58,  9;  lug.  85, 
26;  63,  2,  öfter  beim  jüngeren  Plin.,  s.  Lagergren  S.  172,  und 
bei  Celsus,  Colum.,  Plin.  mai.  u.  Tacitus,  s.  Brolen  S.  35,  Kott- 
mann  S.  8,  u.  Dietsch  zu  Sali.  Catil.  58,  9.  Ygl.  Bergmüller 
Plane.  S.  44  und  besonders  Stöcklein  in  Wöifflins  Archiv  YII, 
S.  244—267. 

Äbusio,  der  Missbrauch,  ist  ein  rhetorisches  Kunstwort  vom 
falschen  Gebrauche  oder  falscher  Anwendung  bildlicher  Wörter,  z.  B. 
Cic.  or.  94,  rhet.  Her.  4,  45,  vgl.  Thielmann  S.  95,  wird  aber  von 
andern  Dingen  erst  im  Sp.  L.,  so  vom  Juristen  Julian  gebraucht, 
z.  B.  Hieron.  Patr.  25,  272  per  abusionem  potestatis.  In  demselben 
Sinne  wie  abusio  bei  Cic.  steht  auch  das  Adv.  abusive  bei  Quintilian 
8,  6^  35  neben  der  Kedensart  per  abusionem  10,  1,  12,  wobei  be- 
merkenswert ist,  dass  das  Adjekt.  abusivus  erst  sehr  Sj).  L.  vor- 
kommt und  vermieden  werden  muss;  vgl.  Kalb,  Roms  Juristen  S.  60, 
Wölfflin  im  Archiv  YII,  S.  421  ff. 

Abusque,  vgl.  oben  unter  A,  ab  und  unter   Usque. 


Abusus  —     60     —  Abuti 

Abusus,  höchst  selten  und  nur  in  juristischen  Stellen  in  der  Be- 
deutung Ah-  oder  Yermdzung,  Verhraucli,  gänzliche  Verwendung 
und  Verzehning,  doch  nicht  gerade  Misshrauch.  Daher  ist  N.  L. 
das  bekannte:  Abusus  non  tollit  usum.  Ausser  dem  Corpus  juris 
hat  es  nur  Cic.  top.  17,  wo  er  sagt,  der  Frau  sei  nur  die  Benutzung 
(usus  frudus)  der  Güter  vermacht,  nicht  das  Vertun,  die  Aufzehrung 
derselben:  usus,  sagt  er,  non  abusus  legatus  est.  Man  brauche  da- 
her für  abusus  im  gewöhnlichen  Sinne  res  niali,  2)essimi  exempli  oder 
usus  mit  einem  passenden  Adjectiv,  wie  malus,  pravus,  perversus, 
intemperayis,  insolens  mos,  consuetiulo,  intium  male  utentium,  utentium 
pravitas  u.  ähnl.,  oder  die  Yerba  uti  und  ahuti  mit  Adv.  wie  male, 
perverse,  intemperanter,  insolenter,  oder  mit  einem  sonstigen  Zusätze, 
der  den  bösen  Zweck  angibt.  Im  Zusammenhang  kann  für  miss- 
brauchen auch  convertere  oder  conferre  gebraucht  werden,  sofern 
etwas  dahin  gewendet,  getragen  wird,  wohin  es  eigentlich  nicht  ge- 
hört. S.  Nägelsb.  Stil.  ^  S.  431,  Caes.  civ.  1,  4,  5  und  dazu  Held, 
Cic.  ofif.  2,  51,  Nep.  Epam.  7,  5.  Das  andere  Subst.  abusio  aber 
ist  nicht  für  ahusus  zu  brauchen.     Ygl.  Abusio. 

Abuti  bedeutet  an  und  für  sich  weder  bloss  brauchen,  noch 
missbrauchen,  sondern  verbrauchen,  ausnutzen,  verzehren,  gänzlich 
brauchen,  gleichviel  ob  auf  erlaubte  oder  unerlaubte  Weise,  so  schon 
Cato  agr.  76,  4  donec  omne  caseum  cum  melle  ahusus  eris,  vgl.  auch 
Süpfle-Böckel  zu  Cic.  epp.  S.  107  u.  Georges  bei  Bursian  1881/82 
S.  251.  Daher  ist  auch  in  der  bekannten  Stelle  Cic.  Cat.  1,  1  : 
quousque  tandem  ahutere  patientia  nostra  wohl  mehr  ein  Abnutzen, 
ein  Aufbrauchen  von  Ciceros  Geduld  gemeint,  wiewohl  hier  und 
Suet.  Claud.  15  die  Begriffe  von  aufbrauchen  und  missbrauchen 
sehr  nahe  aneinander  grenzen,  so  dass  auch  dieses  Yerbum  gleich 
convertere  und  conferre  im  Zusammenhang  der  Gedanken  öfter  in 
die  Bedeutung  von  missbrauchen,  die  ihm  nicht  von  Hause  aus  an- 
gehört, übergeht,  z.  B.  legibus  ac  maiestate  ahuti  ad  quaestum  et  li- 
bidinem,  Cic.  S.  Rose.  54,  Yerr.  3,  61,  vgl.  Landgraf  p.  Rose.  Am. 
S.  238,  militmn  sanguine  abuti,  Caes.  civ.  3,  90,  2;  praegravant 
cetera  facta  dictaque  eius,  ut  et  abusus  dominatione  et  iure  caesus 
existimetur,  Suet.  Caes.  76  init.  Wo  nicht  schon  der  Zusammenhang 
der  Rede  diese  Bedeutung  an  die  Hand  gibt,  wird  dieselbe  durch 
Adverbien  wie  intemperanter  (Cic.  Tusc.  1,  6),  insolenter  und  ähnl. 
dargestellt.  Übrigens  wird  es  nur  A.  L.  mit  dem  Accusativ  ver- 
bunden, später  nur  mit  dem  Ablativ.  Im  Sp.  L.  scheint  die  Prä- 
position ganz  ihre  Bedeutung  verloren  zu  haben,  so  dass  ahutor  =  utor 
ist,  z.  B.  Hier.  ep.  70,  2  Paulus  Epimenidis  poetae  abusus  versiaido 
est;  vgl.  Gölzer  Hier.  S.  267,  Bünemann  zu  Lact.  inst.  1,  6,  4  u. 
epit.  61,  16  ;  der  letztere  hat  übrigens  mit  Unrecht  auch  für  Cicero 
ahutor  =  utor  angenommen,  ebenso  Ernesti,  vgl.  Reisig-Haase  Anm. 
323.  Den  passiven  Gebrauch  von  abuti  weist  Fr.  Scholl  in  Wölfflins 
Archiv  II,  S.  211  nur  aus  Plaut.  Asin.  186  nach.  Eingehend  jetzt 
behandelt  von  Wölfflin  Archiv  YII,  425—434. 


Abyssus  —     61     —  Ac 

Ahyssus,  der  Ahgnmd,  erst  Sp.  L.  bei  christlichen  Schrift- 
stellern im  Gebrauche  für  vorago,  profundtim ;  für  unsere  Hölle  findet 
man  es  oft,  z.  B.  Tert.  adv.  Marc.  4,  20  daemones  dei  tormenta  et 
ahyssiim  noverant  statt  Tartarus^  was  den  Yorzug  verdient.  Bei 
Lact.  inst.  6,  3,  11  heisst  Hölle  im  Gegensatz  zu  caeliim:  loca 
inferna.  Ygl.  Thes.  I  S.  243  f.  und  Weyman  im  Archiv  YII  S.  529. 

Äc  vor  Yokalen  und  vor  h  ist  zu  meiden ;  bei  Cicero  u.  Caesar 
steht  in  diesem  Falle  nur  atrpie.  Ac  vor  c,  g  u.  q  wurde  sicher 
von  Cicero  gemieden;  diese  Ansicht  hat  C.  F.  W.  Müller  in  seiner 
ed.  Cic.  II,  I  p.  CII  ausgesprochen  u.  Lebreton  S.  417  bestätigt. 
Auch  Caesar  enthielt  sich  tunlichst  der  Form  ac  vor  c  u.  g  und 
mied  sie  ganz  vor  q,  vgl.  Meusel  s.  v.  Das  silberne  Lat.  ausser 
Plin.  mai.  schloss  sich  an,  und  noch  im  Sp.  L.  tat  Ammian  das 
gleiche,  ebenso  die  Scr.  Hist.  Aug.  Man  gebrauche  also  vor  Yokalen, 
c,  g,  q  u.  h  nur  atque;  vgl.  noch  unten  s.  v.  Simul.  Die  reichr 
haltige  Litteratur  hiezu  hat  Landgraf  in  unsrer  Ausgabe  von  Reisig- 
Haase  Anm.  408  u.  409  verzeichnet;  füge  bei  Novak  Amm.  S.  32, 
Hist.  Aug.  S.  29,  Lebreton  Etudes  S.  417,  Lease  The  use  of  atque 
and  ac  in  silver  Latin,  Stud.  in  honour  of  Gildersleeve  S.  413—425, 
Thomas  zu  Cic.  Yerr.  5,  S.  57,  Thes.  1.  1.  I,  S.  1048  und  die  dort 
angegebenen  Schriften.  —  Die  Bedeutung  von  ac  betreffend,  ist  be- 
kannt, dass  es  im  Gegensatz  zu  et  und  que  etwas  Wichtigeres,  Auf- 
fallendes hervorhebt.  Daher  ac^  ac  potiits,  atque  etiani  =  sondern, 
sondern  vielmehr ,  sogar  nach  einem  negativen  Satze^  vgl.  Cic.  Yerr. 

4,  76  cum  iste  nihilo  remissius  atque  etiam  midto  veliementius  in- 
starety  so  wie  ac  non  bei  berichtigenden  Angaben  besonders  in  Be- 
dingungssätzen =  und  nicht  vielmehr  vorkommt,  vgl.  Cic.  S.  Rose. 
92  quasi  nunc  id  agatur  ac  non  hoc  quaeratur,  Cic.  Phil.  2,  38  quae 
sententia  si  valuisset  ac  non  .  .  .  ohstitissent ;  vgl.  noch  Caes.  Gall. 
7,  38,  7  und  die  Stellen  bei  Seyff.  schol.  lat.  I,  S.  136,  besonders 
al3er  Landgraf  zu  Reisig-Haase  Anm.  407,  wo  mehr  Belege  zu 
finden  sind.  —  In  der  Bedeutung  als  nach  einem  Komparativ  für 
quam  ist  es  vor  Horaz  nur  zu  treffen,  wenn  der  Komparativ  eine 
Negation  bei  sich  hat,  so  bei  Plaut.  Ter.,  aber  nicht  bei  Cic. 
Att.  5,  11,  2,  doch  bei  Catull  u.  Yerg.;  erst  Horaz  hat  atque  ohne  vor- 
hergehende Negation  gebraucht,  dann  noch  Sueton.  Jul.  14    (Bagge 

5.  64,  Freund  S.  53);  vgl.  hiezu  Wölfflin  Compar.  S.  52,  meine 
Synt.  ^  §  233  Anm.  u.  Ziemer  Indog.  Compar.  S.  199;  die  von 
Ziemer  Anm.  1  noch  beigezogene  Stelle  ad  Att.  13,  2,  3  wurde  von 
Allgayer  schon  als  nicht  hieher  gehörig  verworfen,  vgl.  auch  Boot 
z.  St.  u.  Landgraf  z.  Reisig-Haase  Anm.  410  <^  .  —  Ferner  ist  8p.  L. 
ac  nach  tum  für  quam,  vgl.  Spart.  Sev.  17,  6.  .  Richtig  aber  ist  es 
nach  Positiven,  welche  Gleichheit  oder  Ungleichheit  anzeigen,  nach 
aequCy  par,  pariter,  perinde,  non  secus,  item,  idem,  totidem,  aeqims, 
aeque,  similis,  similiter,  alius,  aliter,  contraynus,  dissimilis  und  in 
der  Redensart  p>'^o  eo,  nach  dem,  z.  B.  pro  eo  ac  deheo,  nach  dem, 
als  ich  schuldig  hin,  nach  meiner  Schuldigkeit  und  pro  eo  ac  mereor^ 


Ac  —     62     —  Academia 

Ser.  Sulp,  bei  fam.  4,  5,  1,  Cic.  Catil.  4,  3,  digne  ac  niereor  Cass.  b. 
Cic.  fam.  12,  13,  1,  vgl.  Z.  f.  G.  W.  1881  S.  123.  Manchmal 
liegt  der  Begriff  der  Gleichheit  im  Zusammenhange,  vgl.  Plaut. 
Bacch.  549  quem  esse  amiciim  ratus  sum  atque  ii^sus  sum  mihi;  hier 
findet  Norden  z.  Yerg.  Aen.  YI,  707  wohl  mit  Recht  ursprüngliche 
Parataxe.  Selten,  aber  gut  beglaubigt  ist  auch  ac  nach  tantum, 
talis  und  ähnlichen  für  quantum,  qualis  u.  s.  w.,  z.  B.  Faxo  tali  sit 
mactatus  atque  hie  est  infortunio,  Ter.  Phorm.  1028  und:  honos  tali 
looimli  Romani  voluntate  imncis  est  delatus  ac  mihi^  Cic.  Yat.  10,  und 
nach  totidem:  cum  totidem  navibiis  atqiie  erat  profectus,  Nep.  Miltiad. 
7,  4;  dass  nach  talis  auch  bei  Cicero  ac  folgen  kann,  ist  dem  Thes. 
II,  S.  1083,  52  entgangen.  Falsch  aber  ist  ac  nach  nihil,  nichts, 
für  nisi;  dagegen  kann  nach  negiertem  alias  wohl  ac  folgen,  wie 
C.  F.  W.  Müller  zu  Laelius  S.  129  gezeigt  hat,  z.  B.  Cic.  Mil.  23  neqiie 
cpädqiiam  aliter  ac  vellemus  iudicatum  est.  Über  statim  ac  oder 
atq}(e  vgl.  Statim.  Ac  si  steht  auch  klass.  nach  den  Wörtern  der 
Gleichheit  und  Yerschiedenheit ;  wir  finden  daher  bei  Cic.  nat.  deor. 
3,  8  similiter  facis  ac  si  me  roges,  Att.  13,  5,  1  scrijjsi  aliter  ac  si 
.  .  .  scriberem.  Aber  nach  tam,  ita  ist  ac  si  erst  Sp.  L.,  auch  nach 
talis,  tantiis  u.  ä.,  klass.  ist  hier  quasi,  vgl.  Cic.  Quinct.  9  quasi  sua 
res  aiit  honos  agatur,  ita  diligenter  morem  gerunt.  —  Sp.  L.  ist 
auch  ac  si  =  tamquam,  quasi,  z.  B.  Amm.  26,  9,  5  orahat  iit  se  ac 
si  parejitem  magis  sequerentur ;  mehr  Stellen  hat  Rönsch  Semas.  II, 
S.  61.  —  Über  quasi  nach  idem  S.  Seyffert  zu  Cic.  Lael.  S.  86; 
über  ut  si  Bentley  zu  Horat.  Epod.  14,  3.  Über  ac  simul,  und  zu- 
gleich vgl.  Simul.  —  Einige  verwerfen  ac  tarnen.,  aber  mit  Unrecht. 
Ygl.  Cic.  Yerr.  3,  109;  Pis.  3  nihil  comparandi  causa  loquor  ac  tarnen 
ea  .  .  .  reprehendam;  prov.  16;  näheres  bei  Hand  Tursellin.  I,  489 
und  Madv.  opusc.  I,  491,  Stürenburg  zu  Cic.  Arch.  S.  50.  —  P.  L. 
ist  atque  —  atque  für  et  —  et  zur  lebhaften  Aufzählung,  wie  bei 
Dichtern  (vgl.  Yerg.  ecl.  5,  22,  Sil.  1,  93,  vgl.  meine  Syntax  ^  §  235) 
atque  hinc  atque  illinc;  atque  deos  atciue  astra.  Man  sage  nicht 
atque  Plato  atque  Zeno  ita  censet. 

Academia.  So  hiess  bei  den  Griechen  ein  Gymnasium  zu 
Athen  (vgl.  Ser.  Sulp,  bei  Cic.  fam.  4,  12,  3  in  nohilissimo  orhi 
terrarum  gymnasio  Academiae),  in  w^elchem  Plato  und  seine  Nach- 
folger Philosophie  lehrten  und  von  dem  sie  Akademiker  genannt  werden; 
dann  auch  ein  Ort,  der  später  in  Alexandrien  zu  Yersammlungen 
und  zum  Aufenthalte  gelehrter  Männer  von  mancherlei  Wissenschaften 
diente.  Mit  dieser  letztern  Akademie  haben  auch  unsere  neuern 
gelehrten  Gesellschaften,  welche  diesen  Namen  führen,  viel  Ähnlich- 
keit, weswegen  man  sie  auch  unbedenklich  lateinisch  so  nennen 
kann.  Nur  sage  man  nicht  academiae  scientiarum,  sondern  artium. 
Auch  für  unsere  Uyiiversitäten  oder  Hochschulen  wird  academia 
immerhin  in  Ermangelung  eines  bezeichnenderen  Wortes  das  beste 
sein,  wie  denn  auch  der  klassische  Eichstädt  seine  bekannte  depre- 
catio  latinitatis  academieae  geschrieben  hat. 


Accantare  —     63     —  Accedere 

Accantare,  P.  L.,  nur  Stat.  silv.  4,  4,  55  und  accinere  Sp.  L., 
hei  oder  zu  etwas  singen  —  sind  zu  vermeiden  und  durch  canere  oder 
cantare  mit  einem  Zusätze  auszudrücken;  vgl.  Wölfflins  Archiv  VII, 
S.  535  und  IX,  S.  581. 

Accedere  hat  in  der  Bedeutung  hinzutreten^  sich  nähern,  wenn 
es  nicht  absolut  steht,  gewöhnlich  die  Präposition  ad  bei  sich.  So 
von  Personen,  denen  man  sich  nähert,  bei  Cicero  z.  B.  supplicem  ad 
aliquem  accedere,  Cic.  fam.  4,  4,  3  und  pars  exercitus  ad  te  accedat, 
Pomp,  bei  Cic.  Attic.  8,  12,  C.  1.   Bei  Sachen  ebenso,  z.  B.  Cic.  Attic. 

2,  1,  7  mtdli  harhati  qiii  ad  manum  accedant,  und  bei  Cic.  Zeit- 
genossen Caelius,  ad  trihunal  accedere,  fam.  8,  6,  1.  Ist  die  Sache 
eine  Örtlichkeit,  so  sagt  man  accedere  in  aliquid,  wenn  man  in  etivas 
hinein  kommt,  wie  in  portiim,  Cic.  Yerr.  5,  138,  in  Macedoniam 
accedey^e^  Phil.  10,  13,  während  die  blosse  Annäherung  durch  ad  be- 
zeichnet wird,  wie  ad  castra  accedere  Caes.  Gall.  5,  50,  4;  5,  58,  1 
und  ad  campestres  munitiones  accedere,  7,  83,  8,  (mehr  Stellen 
aus  Caesar  s.  bei  Meusel  s.  v.);  B.  Alex.  62,  3  und  ad  Atticam 
accedere^  Nep.  Milt.  4,  2.  Für  die  Konstruktion  von  accedere  bei 
Städtenamen  gilt  im  allgemeinen  die  Regel,  dass,  wenn  vom  völligen 
Eintritt  in  eine  Stadt  die  Rede  ist,  der  blosse  Accus.,  beim  Gedanken 
der  blossen  Annäherung  an  eine  Stadt  hingegen  ad  gesetzt  werde. 
Indes  ist  auch  im  letzteren  Falle  accedere  ohne  die  Präpos.  (von 
der  Annäherung  von  Schiffen  an  eine  Stadt)  nicht  ungewöhnlich, 
z.  B.  Carthaginem  accedere  PI.  epp.  7,  27,  3  und  dort  Döring, 
Adrumetum  accessit,  B.  Afric.  3,  1  und  63,  5.  Ante  liicem  accedey^e 
Lilyhaeum,  Liv.  21,  49,  9.  Teum  postero  die  accessere,  ibid.  37, 
27,  9  und  37,  20,  1,  Pachynum  accedere  24,  27,  7  und  27,  16,  3, 
so  auch  bei  Cicero:  Pompeianum  accedere,  Attic.  16,  7,  8,  vgl.  je- 
doch Boot  z.  St.;  bei  Cic.  Yerr.  5,  95  schreibt  C.  F.  W.  Müller  acce- 
dere incipiunt  [ad]  Syracusas,  Thomas  lässt  ad  aus.  Nach  dieser 
Analogie  sagt  Nep.  Milt.  1,  4  auch  Lemnmn  accessit,  weil  ja  die 
Namen  der  Inseln,  insbesondere  der  kleineren,  oft  wie  die  Städtenamen 
konstruiert  sind.  Etwas  kühner  ist  die  Verbindung  von  Africam 
accessit  bei  Nep.  Hann.  8,  1,  wo  nach  dem  gewöhnlichen  Gebrauche 
entweder  in  Afr.  oder  ad  Africam  je  nach  der  Verschiedenheit  des 
Sinnes  zu  sagen  war,  vgl.  jedoch  Nipp.  Lup.  z.  St.  und  Lupus  S.  41. 
Der  blosse  Accus,  bei  Personeyi  findet  sich  wohl  bei  Sali.  z.  B.  Jug. 
97,  3  Bocchus  cum  magna  midtitudine  Jugurtham  accedit,  (aber 
18,  9  lese  ich  Medis  et  Armeniis  accessei^e  Lihyes),  vgl.  Anton, 
Studien  1.  H.  S.  3,  und  bei  Tacitus:  ut  quosqiie  accesserat,  vgl.  bist. 

3,  24  u.  dort  Heraus  (Tac.  ist  wohl  der  einzige,  der  dem  accedere 
aliquem  entsprechend  ein  persönliches  Passiv  accedor  gebildet,  vgl. 
Tac.  ann.  12,  33  si  qua  clementer  accedi  poterunt) ;  nie  aber  begegnet 
uns  diese  Konstruktion  bei  Cicero,  Caesar,  Livius.  Der  Acc.  der  Sache 
ohne  ad  findet  sich  klassisch  nicht ;  wohl  aber  treffen  wir  accedere 
propius  aliquem  und  propius  aliquid,  bei  Cic.  nur  an  einer  Stelle  utinam 
propius  te  accessissem  Cic.  Att.  11,    13,    2;   propius  muros  accessit , 


Accedere  —     64     —  Accedere 

Nep.  Milt.  7,  2;  propius  hostem  accedendo  im  B.  Afric.  47,  2  u. 
30,  2:  neqiie  propius  coinas  eins  accederet  und  2)ropins  tumidurn  acce- 
dere, Caes.  Gall.  1,  46,  1;  cum  i^'^'opius  Aml)iorige))i  acxessisset,  ibid. 
5,  37, 1;  quod  propjius  Romanos  accessit  7,  20,  3;  Hirt.  B.  G.  8,  36  und 

B.  Alex.  67,  1 ;  in  allen  diesen  Stellen  fasse  ich  mit  Mensel  accedere  ab- 
solut und  lasse  den  Acc.  you p>ropins  abhängen.  —  Übertragen  sagt 
man  accedere  ad  aliquid,  z.  B.  Cic.  de  or.  3,  89  ad  artes,  off.  1,  89  ad 
poenam;  so  namentlich  auch  ad  maleficiiim,  ad  scelus,  ad  auxiUum,  vgl. 
Bergmüller  Plane.  S.  54,  Landgraf  z.  Cic.  Rose.  S.  293  f.  Bei  Cicero 
lesen  wir  übertragen  nur  jjrr)j;e  ad,  vgl.  Cic.  Lig.  38  propius  ad 
deos;  de  or.  1,  220  ad  veritatem  u.  ähnlich  öfters.  Aber  proxime 
konstruiert  er  mit  Acc.  oder  mit  ad  c.  acc,  vgl.  Cic.  Mil.  59 ;  acad. 
2,  131;  off.  3,  1;  Lael.  38.  Accedere  pericidum  Iq^qh '^'w  h^i  VXixwi. 
Epid.  149  und  bei  rhet.  Her.  4,  57;  vgl.  jedoch  Thielmann  Bayr. 
Gymn.  XYI,  S.  352.  Cic.  sagt  nur  accedere  ad  pericalum,  Balb.  26,  div. 
Caec.  63.  —  Bei  dem  impersonalen  accedit  genügt  statt  des  Beisatzes 
von  liiic,  eo,  eodem,  quo  auch  das  JS^eutr.  eines  Pronomens,  nament- 
lich wenn  ein  parataktisch  angefügter  Satz  folgt,  z.  B.  accedit  illud  : 
cadendum    est    (hier    befriedigt    wie    öfters    die    Interpunktion    bei 

C.  F.  W.  Müller  nicht)  Cic.  Attic.  8,  3,  2.  Sehr  häufig  steht  es 
sogar  ohne  allen  Beisatz:  accedit,  quod  oder  ut  (alle  andern  Kon- 
struktionen sind  unklassisch,  vgl.  Seyffert-Müller  z.  Lael.  S.  419). 
Die  Beifügung  von  linic,  ad  id,  eidem  oder  ad  idem  =  dazu  u.  s.  w. 
zu  accedit  wird  mit  Recht  verworfen;  ich  kenne  aus  klass.  Zeit  nur 
Cic.  fin.  1,  41  ad  ea  cum  accedit  ut;  JS".  Kl.  treffen  wir  jedoch  (wie 
bei  der  persönlichen  Konstruktion  von  accedere)  ad  liaec  und  ad  hoc, 
z.  B.:  ad  haec  accedehat,  quod  superhe  respondisset,  Curt.  7,  \,  15 
und  ad  illa  hoc  quoque  accessit,  quod,  ibid.  10,  3,  8,  und  accedit  ad 
haec,  quod  ne  ipse  quidem  Erisistratus  reperit,  Cels.  Prooem.  S.  10 
(D.)  Besonders  oft  ist  in  der  späten  und  schon  in  der  silbernen 
Latinität  his  accedit,  accessit,  z.  B. :  his  accessit,  quod  comperit  JPes- 
cennium  Niginim  .  .  imperaiorem  appellatum.  Spart,  v.  Sev.  imp.  6 
und  Capitol.  v.  Yeri,  8.  His  etiam  illud  accedit  quod,  Lact.  epit. 
51,  4  und:  accedit  his  quod,  Yal.  Max.  2,  9,  1  und  Sen.  IS".  Q.  7, 
7,  1 :  his  accedit  illud  quoque.  Accedit  his,  quod  forsitaji  Lichas 
viser e  languentem  desiderabit,  Petron.  101,  und  accedit  his  quod,  Plin. 
epp.  2,  19,  5  und  4,  12,  1,  und  liis  accedit,  quod  a  cura  docendi^ 
quod  intenderunt,  recedunt,  Quintil.  2,  12,  6.  JNoch  kann  bemerkt 
werden,  dass  zu  accedit  quod  manchmal  erklärende  Substantiva,  wie 
causa,  uicommodimi  treten  können,  z.  B.  b.  Afr.  71,  3,  Tac.  ann. 
15,  68,  Caes.  civ.  3,  79,  3,  und  dass  es  wie  bei  eo,  eodem,  huc, 
so  auch  nach  den  angegebenen  Beispielen  bei  ad  haec,  hoc,  his 
gleichgiltig  ist,  ob  sie  vor  oder  nach  accedit,  accessit  gestellt  werden. 
Der  Unterschied  von  accedit,  ut,  quod,  ist  der,  dass  durch  acc.  quod 
die  faktische  Tatsache  als  hinzukommender  Grund  für  etwas  an- 
gegeben wird.  Ut  dagegen  führt  die  hinzukommende  Tatsache  als 
solche  ein,    vgl.  Cic.  Deiot.  2,    Cato  16.     Natürlich  steht   bloss   ut^ 


Accensere  —     65     —  Acceptus 

wenn  der  hinzukommende  Umstand  nicht  als  faktisch,  sondern  als 
bedingt  angenommen  beigefügt  ist,  wie  Cic.  Rose.  Am.  86  und  fin. 
1,  41.  Nach  dieser  Regel  ist  auch  Cic.  Tusc.  1,  43  zu  beurteilen. 
Man  vgl.  hierüber  Reisig,  Vorl.  S.  431,  Seyffert,  Seh.  lat.  I,  S.  37.  — 
Dass  accedit  wiJd  aliquid  ad  aares  schlechthin  unlateinisch  sei,  kann 
nicht  behauptet  werden,  vgl.  Ter.  Hec.  482 :  haud  inyito  ad  auris 
sermo  mi  accessit  (Fleckeisen  jedoch  accidit)  tuos.  Über  accedere 
vgl.  jetzt  Weyman  im  Archiv  YII,  S.  535—568   und  Thes.  1.  1.  s.  v. 

Accensere^  IdnzttzäJden^  Jiinzurechnen,  ist  in  dieser  Bedeutung 
so  Sp.  L.y  dass  es  nicht  gebraucht  werden  kann,  für  adnumerare, 
in  numermn  referre.  Überhaupt  ist  es  abgesehen  vom  Partizip  accen- 
sus  höchst  selten;  doch  dies  hat  auch  Liv.  Im  N.  L.  ist  es  häufig, 
z.  B.  hi  Codices  antiquis  accensendi  sunt.  Ygl.  M.  Müller  zu  Liv.  1, 
43,  7  und  Wölfflin  Archiv  YIII,  S.  115. 

Accentns,  der  Accent,  Ton,  findet  sich  erst  N.  Kl.  bei  Quintilian 
1,  5,  22  und  Grell.  13,  26,  3  und  ist  als  Kunstwort  beizubehalten; 
Cicero  sagt  dafür  in  gewissem  Sinne  voXy  erat.  58,  soyius,  ib.  57. 
N.  L.  aber  ist  das  Yerb.  accentuarey  was  neuere  Grammatiker  ein- 
geführt haben,  für  syllaham  vocis  sono  e/ferre  oder  acuere  syllabam  (Quint. 
I,  5,  22).  Ygl.  Wölfflin  Archiv  YIII,  S.  117  und  Nettleship.  Contrib. 
to  Latin  Lex.  s.  v.,  Werth  S.  313. 

Acceptahilis ,  annehmlich,  anneJimhar,  erst  Sj).  L.  bei  Eccl.  und 
Juristen,  für  acceptus,  dignus  qui  accipiatar,  vgl.  Archiv  YIII,  S.  120, 
Gölzer  Hieron.   135  und  Rönsch  Ital.  S.  109. 

Acceptare,  annehme/n,  in  Empfang  nehmen,  seltenes  Wort  für 
accipere,  bei  Plaut.  Pseud.  606  (vgl.  Lorenz  zu  PI.  Pseud.  S.  58 
Anm.  48)  und  Yarro  in  sat.  Men.  92  B.  (vgl.  Stünkel  S.  62),  in 
Prosa  erstmals  bei  Colum.  8,  8,  2  und  bei  Quintilian  12,  7,  9,  hier 
passend  von  dem  Honorar,  welches  Lehrer  von  Schülern  empfangen. 
Oefters  findet  es  sich  im  Sp.  L.,  besonders  bei  Eccl.  Näheres  siehe 
Archiv  YIII,  S.   122. 

Acceptio,  der  Empfang,  die  Ein-  imd  Annahme,  nur  bei  Sallust 
Jug.  29,  4  acceptio  frumenti,  und  einmal  bei  Cic.  top.  37  neque  de- 
ditionem  neque  donationem  sine  acceptione  intellegi  posse  als  Gegen- 
satz zu  den  gewöhnlichen  juristischen  Wörtern  donatio  und  deditio; 
vereinzelt  findet  es  sich  im  Sp.  L.,  so  z.  B.  bei  Hieron.  in  I  Mich.  3, 
9  sine  munerum  acceptione;  ausser  dem  Lehrvortrage  gebe  man  es 
mit  accipere.  i9p.  L.  liest  man  es  auch  im  philosophischen  Sinne 
der  Wahl  und  Annahme  einer  zu  billigenden  Sache  entsprechend 
dem  Griechischen  ÖTröXrj'^ig  oder  Xrjfifia  für  das  Kl.  assumptio  (Cic. 
fin.  3,  18)  u.  a.;  vgl.  Gölzer  Hieron.  S.  242,  besonders  aber  Archiv 
YIII,  S.  122.  In  der  Bedeutung  der  Sinn  oder  die  Bedeutung  eines 
Wortes  ist  es  N.  L.  und  zu  verwerfen. 

Acceptus,  genehm,  angenehm  findet  sich  selten  in  klass.  Sprache, 
z.  B.  Caes.  Gall.  1,  3,  5  maxime  plebi,  Cic.  rep.  6,  13  nihil  est  deo 
accepti'us,  häufiger  bei  Sali.  Liv.  Tac.  und  zwar  gerne  in  der  Zu- 
sammenstellung  carus  acceptusque  von  Personen    (Sali.  Jug.   12,  3), 

Erebs-Scbmalz,  Äntibarbarus  1.  5 


Accessibilis  —     66     —  Accidere 

grahis  acceptusqice  von  Sachen,  so  schon  Plaut.  Stich.  50,  Truc. 
583,  vgl.  Sjögren  S.  42,  dann  Yarro  r.  r.  3,  16,  5,  Fronto  219  K;  vgl. 
Wölfflin  Archiv  YIII,  S.  124—129,  der  bei  Liv.  35,  15,  4  carior 
in  Zweifel  zieht  (mors  carior  accepüorque). 

Accessibilis,  zugäyiglicli,  sehr  Sp.  L.  für  aditit  facilis,  ad  quem 
aditus  oder  accessus  'patet,  accedi  poiest;  vgl.  Archiv  IX,  S.  126. 

Äccessus  in  der  Bedeutung  Zutritt,  Zugang  zu  jemanden  gleich 
aditiis,  wird  fälschlich  verworfen,  da  es  doch  nicht  allein  im  b.  Hisp. 
30,  sondern  sogar  bei  Cic.  (Q.  fr.  I,  1,  25)  vorkommt ;  gebräuchlicher 
aber  ist  aditiis,  ib.  facillimos  esse  aditus  ad  te.  Aber  nicht  nur 
P.  L.,  sondern  schon  bei  Cäsars  Fortsetzern,  dann  an  einigen  Stellen 
bei  Liv.,  z.  B.  29,  27,  9  und  44,  28,  13  (accessu  commodiore  ar- 
matos  exposueriint)  und  X.  Kl.  ist  es  in  der  Bedeutung  der  Zit- 
gangsort,  für  aditus.  Klass.  ist  also  nicht  duo  sunt  accessus  in  Ci- 
liciam  ex  Syria,  sondern  aditus  in  Cilic.  wie  Cic.  fam.  15,  4,  4  sagt. 
—  Nicht  nur  Sj).  L.,  sondern  schon  bei  Sen.  ir.  3,  1,  5  findet  es 
sich  in  der  Bedeutung  Zusatz,  Vergrösserung  für  accessio,  incre- 
mentum.  Näheres  in  Wölfflins  Archiv  IX,  S.  453  und  459,  sowie  im 
Thes.  lat.  s.  v. 

Accidere,  begegnen,  zustossen,  meistens  von  zufälligen,  nicht 
erwarteten  Begegnissen,  sei  es  glücklichen  oder  unglücklichen, 
während  evenire  mehr  von  natürlichen,  notwendigen,  ebenfalls 
glücklichen  und  unglücklichen  gebraucht  wird,  dagegen  contingere 
meistens  von  glücklichen,  vgl.  die  schöne  Darlegung  von  Seyffert- 
MüUer  zu  Cic.  Lael.  S.  40.  N.  L.  ist  mecum  accidit  nach  dem 
Deutschen  es  geschieht,  ereignet  sich  mit  mir,  für  mihi  accidit ;  mit 
mir  ist  es  derselbe  Fcdl  heisst  mihi  idem  accidit,  nicht  mecum.  Da- 
gegen ist  klass.  bene  actum  est  cum,  z.  B.  Ser.  Sulp,  bei  Cic.  fam. 
4,  5,  3  non  pessime  cum  iis  esse  actum,  vgl.  Z.  f.  G.  1881,  S.  122.  — 
In  der  Abhängigkeit  von  dem  historischen  Perfekt  accidit  ut  steht 
nur  der  Konj.  Imperf.  (nicht  Perf.)  s.  Haase  z.  Reisigs  Yorles.  Anm. 
479;  dasselbe  gilt  von  contigit,  factum  est  ut  u.  dgl.  Dass  nach 
accidit  etc.  regelmässig  ut  folgt,  ist  bekannt;  der  Infinit.:  neque 
enim  acciderat  mihi  opus  esse,  bei  Cic.  fam.  6,  11,  1  ist  eine  Be- 
sonderheit, die  von  Otto  zu  Tac.  ann.  S.  277  mit  Wesenbergs  Zu- 
stimmung (em.  alt.  S.  15)  durch  die  Konj.  ut  mihi  opus  esset  be- 
seitigt wird ;  ich  halte  es  mit  Stürenburg  zu  p.  Arch.  S.  49,  der  die 
Berechtigung  des  Inf.  nachweist,  und  gehe  auch  nach  Streichers 
Emendation  (S.  181)  opus  eins  nicht  davon  ab  (vgl.  Bursian  Jahres- 
ber.  zu  Cic.  epp.  1881—84  S.  50;  anderer  Ansicht  ist  C.  F.  \V. 
Müller).  Bei  Cic.  Phil.  5,  39  quid  opAatius  accidere  potuit  quam 
bellum  exstingui  ist  accidere  synonym  mit  esse,  daher  der  Acc.  c. 
inf.  naheliegend.  Ahnlich  verhält  es  sich  mit  Tac.  ann.  2,  5.  Wenn 
dagegen  bene,  male  evenit  etc.  gesagt  wird,  so  steht  in  dem  damit 
verbundenen  Satze  nicht  ut^  sondern  quod,  welches  in  dieser  Yer- 
bindung  den  Grund  des  glückhchen  oder  unglücklichen  Ereignisses 
ausdrückt.     In  diesem  Fall  den  Accus,  cum  Inf.  folgen  zu  lassen,  ist 


Accinere  —     67     —  Accipere 

sehr  selten  wie:  Cic.  Caecin.  8  videte,  quam  iniqiie  accidat,  quia  re^ 
indigna  sit,  ideo  tmyem  existimationem  sequi  und  illud  mihi  permiritm 
accidit,  tantam  temeritatem  fitisse  in  eo  adulescente^  Cic.  fam.  3,  10,  5. 
Ygl.  Hey  im  Archiv  IX,  S.  457  u.  Thes.  s.  v.,  wo  noch  ähnliche 
Fälle  aus  N.  Kl.  und  Sp.  L.  aufgeführt  sind.  —  Man  sagt  gleich 
gut  accidere  (fallen)  alicui  ad  pedes  (genua)  und  accid.  ad  alicuins 
pedes  (genua).  Ygl.  Cic.  Att.  1,  14,  5.  Auch  mit  dem  Dativ  bei 
Liv.  44,  31,  13  genibiis  praetoris.  Ygl.  Äbicere,  Procumbere  und 
Proicere.  —  Über  den  Ausdruck  Accidenz  in  seinen  verschiedenen 
Bedeut.  vgl.  D.  L.  Lexica.  Wo  es  zufällige  Einkünfte  bedeutet, 
kann  commoda  fortuita,  reditus  fortuiti^  fructits  adventicii  gesagt 
werden,  als  Gegensatz  von  reditus  stati  oder  auch  emolumenta. 

Accinere,  dazu  singen,  Sp.  L.  vgl.  Accantare, 

Accingere  und  accingi  finden  sich  nicht  bei  Cicero  und  Caesar, 
auch  nicht  bei  Horaz,  aber  schon  vorklassisch  bei  Terenz  u.  nach 
ihm  zuerst  bei  Yerg.  und  in  Prosa  bei  Liv.,  dann  N.  KL,  so  z.  B. 
bei  Tac.  und  Quint.,  schliesslich  Sp.  L.,  hier  besonders  bei  Eccl. 
wie  Hier,  und  Gregor  M.  Es  wird  in  eigentlichem  Sinne  und  über- 
tragen gebraucht  und  mit  ad  oder  in  konstruiert  =  sich  rüsten, 
anschicken  zu  oder  für  etwas;  in  hoc  discrimen  accingere,  Liv.  2, 
12,  10  (mit  in  nur  an  dieser  Stelle,  vgl.  M.  Müller).  lam  ad  con- 
s'ulatum  vulgi  turhatores  accingi,  el3endas.  4,  2,  7,  u.  accingendum 
ad  eam  cogitationem  esse,  Liv.  6,  35,  2.  So  auch  bei  Tacitus  ad 
spem,  in  proelium,  in  auxilium,  in  audaciam  accingi,  s.  bist.  3,  21, 
u.  ebendas.  4,  79  u.  3,  66  u.  3,  35.  Ad  venalem  usum  et  sordidum 
lucrum  accingimur,  Quintil.  1,  12,  16.  Klassisch  ist  parare  aliquid, 
z.  B.  hellum,  sich  zum  Kriege  rüsten,  oder  se  parare  ad  aliquid, 
z.  B.  te  para  ad  haec  ferenda  (Cic.  fam.  6,  12,  5),  accingere  kann 
nur  für  den  höheren  Stil  als  zulässig  gelten.  Mit  dem  Schwert 
u.  s.  w.  umgürtet  ist  ferro  etc.  accinctus,  s.  Tac.  ann.  4,  21,  ebend. 
6,  2;  11,  18  u.  ibid.  c.  22  u.  c.  31;  ebenso  auch  Liv.  40,  13,  2; 
sonst  aber  gebraucht  Liv.  nach  Drakenborch  zu  Liv.  40,  13,  2  in 
diesem  Falle  succinctus,  und  gerade  so  findet  es  sich  auch  bei  Suet. 
Yit.  11  u.  rhet.  Her.  4,  65.  Bei  Tacitus  steht  accinctus  auch 
trop. :  accinctus  studio  popidarium,  Tac.  ann.  12,  44.  Ygl.  Wölfflins 
Archiv  IX,  S.  580  und  für  reflexives  accingere,  das  auch  Liv.  6, 
35,  2  accingendum  ad  eam-  cogitationem  esse  (beachte  das  Gerundium!) 
hat,  Archiv  X,  S.  3. 

Accipere.  Wiewohl  es  mit  unserm  hekommen,  annehmen,  em- 
pfangen viel  übereinstimmt,  so  sind  doch  einige  Verbindungen  zu 
bezweifeln,  z.  B.  accipere  maritum  für  invenire  maritum,  Tac.  Germ. 
19  (N.Kl.  ist  unserm  Deutschen :  eine  zur  Ehe  nelimen  entsprechend 
aliquam  in  matrimonium  accipere  bei  Suet.  Aug.  62,  Claud.  26, 
Nero  35,  Just.  17,  2,  15.  Sp.  L.  ist  accipere  sihi  iixores  und  Ter- 
tull.  or.  22  in  uxores ;  ersteres  hat  einen  Yorläufer  an  (Sen.)  Oc- 
tavia  707  Peleus  coniugem  accepit  Thetin) ;  zu  meiden  ist  ferner 
accipere  liheros  für  suscipere  lib. :  ebenso  filium,  ßliam  statt  filio^  filia 


Accipere  —     68     —  Accipere 

augeri;  magistrum  für  liabere,  2iti;  amorem  und  henevolentiam  für  amo- 
rem  conciliare ^  amari;  benev.  suscipere^  coyiciliare,  contraliere  u.  a. 
Gut  aber  ist  dammtm  acciijere,  eiiien  Scliaden  erleidest  (Hör.  epist. 
I,  10,  28)  neben  facere  dammtm;  kl.  sind  acc.  detrimentum,  Caes. 
Gall.  5,  22,  3;  iyicommodwn,  ib.  5, 10,  3;  contumeliam,  ib.  5,  29,  4.  N.  L. 
ist  rimas  accipere,  Sprünge,  Ritzeyi  bekommen,  für  agere  rimas ;  gut 
aber  legem,  rogationem  accipere  ^=  annelimeri,  Liv.  3,  63,  11  u. 
Cic.  Attic.  1,  14,  5  und  sonst.  Man  gebraucht  zwar  accipere  epi- 
shdam,  litteras ;  unrichtig  ist  es  aber  im  Pass.,  wo  reddi  oder  afj'erri 
gesagt  wird.  Man  kann  also  nicht  sagen:  Kai.  Jan.  epistula  tua 
a  me  accepta  est^  sondern  mihi  reddita,  cdlata  est  oder  aktiv :  epi- 
stulam  accepi.  Der  Grund  davon  liegt  darin,  dass  in  der  Phrase 
epistulam  ab  aliquo  accipere  meistens  der  Absender  oder  auch  —  s.  a 
und  ab  —  der  Überbringer  durch  die  Präposition  bezeichnet  wird. 
Also  kann  man  ganz  wohl  die  Worte  Ciceros:  Cotidiene,  inqais,  a  te 
accipiendae  litierae  sunt,  Attic.  7,  9,  1  zur  Nachahmung  empfehlen. 
—  Wie  hast  die  es  aufgenommen  f  heisst  sowohl  quam  in  ptartem 
accepisti  (Cic.  fam.  3,  7,6)  als  quomodo,  quemadmodum  accepisti  f 
Ygl.  über  letzteres  rhet.  Her.  4,  49,  Cic.  fam.  9,  16,  5;  7,  30, 
3;  Phil.  7,  8  u.  12,  29,  Yerr.  4,  68.  Vgl.  auch  Attic.  6,  1,  7 
u.  15,  26,  1.  Dem  entsprechend  sagt  man  accipere  in  eam, 
in  boyiam,  in  malam,  in  optiinam  partem,  vgl.  Landgraf  p.  Rose.  Am. 
222,  Langen  N.  Jahrb.  1882,  S.  676,  amice,  sine  off'ensione,  oder 
aeqiii  bonique  aliquid  facere,  non  moleste,  noyi  aegre  ferre  mid  so 
ohne  noyi  —  moleste,  aegre,  aspere,  oder  indignari  u.  a.,  auch  dnre 
und  dnriter  accipere,  wie  Cic.  Att.  1,  1,4  dtirius  accipere  hoc  mihi 
visus  est.  Gut  ist  auch  accipere  aliquem  mit  adverbialem  Zusatz, 
z.  B.  Yerr.  5,  86  leniter  hominem  clenienterque  accepit;  besonders 
merke  man  male  accipere  aliquem,  z.  B.  Cic.  Yerr.  1,  140  iste  male 
accipit  vej'bis  Haboninm,  und  als  Ausdruck  der  Kriegersprache,  Len- 
tulus  bei  Cic.  fam.  12,  14,  4  Dolabella  in  oppugnando  male  acceptus-; 
vgl.  Burg  S.  62,  Köhler  Lent.  S.  38,  Wölfflin  b.  Afr.  18,  5,  Gebhard 
S.  31.  Accipere  pecuniam  vom  gesetzwidrigen  sich  bestechen  lassen 
ist  gut^  s.  Cic.  Yerr.  2,  78  und  agr.  1,  9,  besonders  in  der  solennen 
Formel  ob  rem  iudicandam  ptecnniam  accipere^  wo  Cic.  für  das  ur- 
sprüngliche capere  —  Rab.  Post.  16  u.  Tac.  ann.  4,  31  —  acdpere 
eingesetzt  hat,  vgl.  ^Yölfflin  im  Archiv  I,  S.  168.  —  Accipere  in 
der  Bedeutung  auffassen,  verstehen  ist  Kl.,  wenn  auch  selten,  z.  B. 
in  eam  sententiam  accipere  Cic.  inv.  2,  116;  aber  in  der  Konstruktion 
mit  doppeltem  Accus.  =  etivas  unter  etivas  verstehen  steht 
es  in  Prosa  zuerst  wohl  bei  Yarro,  dann  bei  Quintil.  6,  3, 
103  u.  an  mehreren  andern  von  Bonnell  lex.  Quint.  S.  10 
aufgezählten  Stellen,  wofür  Cic.  intellegere,  interpretari,  dicere, 
vocare,  appellare  sagt.  —  Wenn  es  hören,  vernehmen,  erfahren  be- 
deutet, so  wird  es  erstens  verbunden  mit  ex  aliquo^  von  jemanden, 
der  es  erzählt,  z.  B.  ex  nuntiis  accepit.  Sali.  Jug.  46,  1  und:  quae 
gerantnr,  accipies  ex  PoUione,  Cic.  fam.  1,   6,   1.     Ebenso  auch  mit 


Accitus  . —     69     —  Acclamare 

a,  wie  :  ut  accepl  a  senihus^  Cic.  Mur.  66  imd :  a  nostris  imirihus 
accepimiis^  Mil.  16.  Besonders  aber  ist  die  Konstruktion  mit  a  ge- 
bräuchlich, wenn  angedeutet  werden  soll,  dass  man  etwas  von  den 
Vätern  überkommen  hat,  sei  es  als  Nachri-cht,  Sitte,  Gesetz,  oder 
als  Erbteil,  wie  Ruhm,  Ehre  und  guten  JS'amen,  s.  Cic.  Lael.  39, 
div.  61,  Tusc.  4,  3;  accipere  kann  so  auch  absolut  gebraucht  werden, 
wie  bei  Cic.  Mur.  16  u.  Cato  13.  Livius  sagt  auch  a  patribus 
accipere  von  den  Eltern,  4,  2,  4  u.  22,  30,  9,  während  Sali,  auch 
in  dieser  Formel  ex  hat,  Jug.  85,  40.  Was  man  hört,  steht  ge- 
wöhnlich im  Accus,  m.  d.  Inf.,  wie  Liv.  5,  37,  4  oder  in  einer  ab- 
hängigen Frage;  z.  B.  ciuae  geraiitur,  accijnes  ex  Follione  (Cic.  fam. 

I,  6,  1)  oder  mit  muitiimi  und  dem  Genitiv  des  Gegenstandes.  Nicht 
ungewöhnlich  ist,  den  Gegenstand  selbst  in  den  Accus,  zu  setzen, 
von  dem  man  gehört  hat,  z.  B.  Cic.  nat.  deor.  2,  70  accejnmus  deo- 
rum  cupiditates,  aegritudines,  iracimdias,  vgl.  C.  F.  W.  Müller  zu 
Cic.  off.  1,  19;  doch  selten  sind  Fälle  wie:  accepta  clade  partium, 
Flor.  2,  13,  71  und:  nullmn  ipsos  mare  ne  fama  quidem 
accepisse,  Curt.  9,  9,  6,  tuo  sonst  mintium  cladis  etc.  gesagt  wird. 
Yerschieden  davon  ist,  wenn  Cicero  sagt  (Yerr.  2,  82):  Accipite 
nunc  aliud  eins  facinus  nobile.  —  Noch  bemerke  man  den  doppelten 
Accusativ  in  Beispielen  wie  Cic.  off.  1,  108  callidum  Hannihalem 
accepimus;  aus  dem  N.  Kl.  hat  Gudeman  zu  Tac.  dial.  12  Stellen 
beigebracht.  —  Über  accipere  aliquid  mutuo  vgl.  Miituus ;  über  accep- 
tum  liaheo  =  mihi  acceptiim  est  vgl.  Thielmann  in  Wölfflins  Archiv 

II,  S.  386;  über  accipere  überhaupt  Hey  in  Wölfflins  Archiv  X, 
S.  125—130. 

Accitus,  das  Herheirufen,  ist  nur  im  Ablat.  Sing,  accitu  üblich; 
wo  ein  anderer  Kasus  notwendig  ist,  brauche  man  die  Yerba  accire, 
arcessere,  advocare.  Zu  accitu  kann  wohl  ein  Genitiv  dessen,  der 
herbeiruft,  hinzutreten,  z.  B.  Cic.  Verr.  3,  68  magistratus  accitu 
istius  evoccmtitr,  aber  nicht  ein  Adjektiv  als  Beiwort,  und  falsch  wäre 
cito  fratris  accitu,  auf  des  Br.  schnelles  H.  für  cito  a  fratre  arces- 
sitiis  (Particip.) ;  vgl.  Wölfflins  Archiv  IX,  S.  583. 

Acclamare,  zurufen,  zuschreien,  und  das  Substant.  acclamatio 
wird  von  Cicero  nur  vom  missbilligenden  Zurufe  gebraucht  (vgl. 
Seyffert-MüUer  z.  Lael.  S.  168,  aber  inv.  1,  25  ist  acclamatio  doch 
=  Beifall);  jedoch  bedeutet  es  schon  bei  Livius  und  guten  Nach- 
klassikern den  Beifallsruf  s.  Liv.  34,  50,  4;  wie  es  denn  Quintilian 
mit  plausus  verbindet  8,  3,  3  ut  admirationem  suam  non  accla- 
matione  tantum,  sed  etiam  plausu  confiteretur ;  das  gleiche  gilt  für 
Plin.  min.  Tac.  u.  Spätere,  vgl.  Lagergren  S.  129.  —  Ist  acclamare 
nicht  absolut  gebraucht,  so  hat  es  den  Dativ  der  Person,  an  welche 
der  Zuruf  gerichtet  ist,  z.  B.  non  metuo,  ne  mihi  acclametis,  Cic. 
Brut.  256  und:  consurgenti  ei  acclamatum  est,  Plin.  epp.  4,  9,  18. 
Den  Accus,  regiert  es  nur  in  der  Bedeutung:  jemanden  durch  Zu- 
ruf für  etivas  erkläreyi,  z.  B.  prosequeyitihus  cunctis,  servatorem  liherato- 
remque  acclaniantihus,  Liv.  34,  50,  9  und:   si  nocentem  acclamaverayit, 


Accola  —     70     —  Accommodatus 

trucidahatiir ,  Tac.  ann.  1,  44.  Mit  dem  Accus,  c.  Inf.  steht  es  bei 
Cic.  Caec.  28:  2)0]3ulus  cum  risu  acclamavit  ipsa  esse  (IDDD  milia)^ 
bei  Liv.  34,  50,  4,  Yal.  Max.  7,  3  ext.  7  u.  a.,  Sp.  L.  z.  B.  risere 
Galli  tindique  acdamantes  hrevi  sensiiriim  (esse  Fiolemaeiim)  Just. 
24,  5,  4.  Auch  mit  direkter  Rede:  hoc  loco  accJamahit  mihi  tota 
maniis  delicatorum:  nihil  hac  re  humilius,  nihil  turinus,  Sen.  epp. 
47,  13,  Suet.  Dom.  13  u.  sonst;  endlich  beim  Ausdruck  eines 
Wunsches  mit  ut:  acclamavere,  iit  fllius  Blaesi  ea  legatione  fungere- 
tiir,  Tac.  ann.  1,  19;  vgl.  Funck  in  Wölfflins  Archiv  IX,  S.  589—591. 
Accola,  der  Anwohner,  Xachhar,  kann,  wiewohl  es  sich  nur 
einmal  bei  Cicero  findet  (Yerr.  4,  111),  nicht  entbehrt  werden,  zu- 
mal da  es  bei  Livius  mehrmals  und  oft  bei  den  Folgenden  vorkommt; 
jedoch  hüte  man  sich  vor  poetisierenden  Yerbindungen,  wie  z.  B. 
Tac.  ann.  1,  79  accolae  fluvii  die  benachbarten  Flüsse  schreibt. 
Schon  bei  Sen.  dial.  12,  7,  8,  Mela  1,  26,  dann  im  Sp.  L.  ist  accola 
■=  incola,  z.  B.  bei  den   scr.  h.  Aug.  u.  EccL,  vgl.   Gölzer  Hieron. 

5.  269.     Andere  Wörter,  wie  ricinus,   finiümus    bedeuten    nur  all- 
gemein den  Nachbar.     Ygl.  AYölfflins  Archiv  X,  S.  131. 

Accolere,  amvohnen,  bei  etwas  tvohnen,  wird  verbunden  mit  dem 
Accusativ  cdiqiiem  locum,  bei  einem  Orte,  nur  einmal  bei  Cicero  rep. 

6,  19  gens,  (p.iae  illum  locum  accolit,  aber  mehrmals  bei  Livius  und 
den  Folgenden;  vgl.  Wölfflins  Archiv  X,  S.  132. 

Accommodare  wird  in  der  Bedeut.  etivas  an  etwas  anpassen, 
anfügen,  anlegen  verb.  alicid  aliquid,  z.  B.  corpori  vestem;  einem 
ctivas  an  etiuas  anp.  u.  s.  w.  alicui  alicpäd  ad  aliquid,  z.  B.  alicui 
coronam  ad  caput  (Cic.  de  orat.  2,  250);  etivas  nach  etivas  ein- 
richteyi,  aliquid  ad  aliquid,  etwas  auf  etwas  antuenden,  aliquid  in 
aliquid,  z.  B.  in  plures  causas,  auf  mehrere  Fälle  (Cic.  inv.  1,  26). 
Kl.  u.  N.  Kl.  wird  auch  für  ad  der  Dativ  gebraucht,  aber  ausser 
de  or.  2,  159  und  orat.  180  in  übertragener  Bedeutung  7iie  bei  Cic, 
vgl.  Landgraf  zu  S.  Kose.  S.  321,  z.  B.:  cum  ccdautica  capiti  accom- 
modaretur,  Cic.  fragm.  orat.  in  Clod.  et  Cur.  Y,  3  und:  liaec 
oratio  multidudinis  est  auribus  accommodanda,  de  orat.  2,  159 ; 
quae  accommodata  regno  suo  sint,  ipsum  optime  scire,  Liv.  37,  52, 
10  u.  38,  59,  1;  oft  bei  Quintilian.  Hingegen  sagt  Cic.  Yerr.  4, 
126  nicht  alicui  aliquid  accommodare  in  der  Bedeutung  einem  etivas 
leihen;  denn  an  dieser  Stelle  wird  jetzt  commodare  gelesen.  Be- 
zweifelt wurde  auch  acco)nmodare  alicui  de  aliqua  re,  einem  in  einer 
Sache  gefällig  sein,  wie  bei  Cic.  fam.  13,  2  steht;  allein  Mendels- 
sohn und  C.  F.  W.  Müller  lesen  beide  so,  Se  accom.  alicui  =  sich 
mit  jemanden  einlassen,  findet  sich  bei  Suet.  Tib.  48. 

Accommodatus,  angepasst,  gemäss  einer  Sache  findet  sich  zuerst 
beim  rhet.  Her. ;  konstruiert  wird  es  klassisch  mit  ad  oder  mit 
dem  Dativ,  vgl.  SeyfFert-MüUer  zu  Cic.  Lael.  S.  106,  Wölfflin  im 
Archiv  X,  S.  133;  P.  u.  Sp.  L.  tritt  dafür  accommodus  ein,  welches 
Wort  von  Ycrgil.  gebildet  und  Sp.  L.  erst  von  Solinus  in  die  Prosa 
eingeführt  wurde;  vgl.  Archiv  X,  S.   134,  Rönsch  Coli.  phil.   S.  66. 


Accredere  —     71     —  Accumulare 

Accredere,  glaubend  heistimmen^  gehört  dem  Vulgärlatein  an  ; 
es  findet  sich  schon  bei  Plaut,  u.  Lucrez,  dann  auch  einmal  bei 
Cic.  ad  Att.  6,  2,  3,  bei  Nep.  Dat.  3,  4,  in  aug.  Zeit  bei  Hör.  ep. 
1,  15,  35,  dann  bei  Colum.  r.  r.  1,  1,4;  man  meide  dasselbe;  vgl. 
Lorenz  zu  Plaut.  Pseud.  Anm.  36,  Nipp.  —  Lup.  zu  Nep.  Dat.  3,  4, 
Landgraf  B.  Gymn.  1880  S.  321,  Süpfle-Böckel  zu  Cic.  epp.  S.  352, 
Funck  in  Wölfflins  Archiv  X,  S.  529. 

Äccrescere.  Dieses  Yerbum  bedeutet  immer  mehr  und  mehr 
steigend  anwachsen  und  drückt  das  allmähliche  Zunehmen  bezeichnender 
aus,  als  das  einfache  crescere.  Indes  Hess  Cicero,  der  das  Wort  nur 
de  inv.  2,  97  braucht,  frühe  schon  die  Präp.  fallen  und  begnügte 
sich  mit  dem  simplex,  v^ie  er  auch  für  adaugesco  später  nur  augesco 
u.  ä.  sagt;  ebenso  machte  es  Liv.,  der  nur  1,  54,  2  äccrescere  schreibt, 
später  aber  nur  crescere  gebraucht;  accresco  ist  somit  vulgär  und 
wurde  als  solches  gemieden,  wenn  es  sich  auch  bei  Nep.  Att.  21,  4, 
bei  Plin.  min.  Tac.  u.  a.  findet.  Yerdächtig  wird  accresco  auch  da- 
durch, dass  der  Pseud.  Sali,  in  Cic.  2,  4  redde  rationem,  quid  tibi 
litibus  accreverit  sagt  (wo  jedoch  die  Präp.  noch  ihre  Bedeutung 
wahrt);  vgl.  Funck  in  Wölfflins  Archiv  X,  S.  529,  Stacey  im  Ar- 
chiv X,  S.  60. 

Accubare  und  acciimbere  sind  beide  Kl.  Daher  acciibare  und 
accumbere  in  convivio^  beides  bei  Cic,  und  accubare  und  accumbere 
apiid  aliquem  ==  bei  einem  zu  Gast  sein,  doch  mit  dem  Unterschied, 
dass  ersteres  hingelagert  sein  (Cic.  Cat.  2,  10  u.  Tusc.  4,  3  u. 
Att.  14,  12,  3),  dieses  sich  (zum  Essen)  auf  das  tricHnium  hinlagern 
bedeutet,  Cic.  Mur.  74  Lacedaemonii  in  robore  accumbiint.  Von 
accubare  ist  besonders  das  Part.  Praes.  üblich.  Über  die  Formen 
accubui  und  accubitum  vgl.  Neue- Wagener  ^  III,  S.  375,  überhaupt 
Funck  in  Wölfflins  Archiv  XI,  S.   115. 

Acciüntus,  das  Beiliegen,  P.  u.  F>'p.  L.  für  das  klassische  accn- 
bitio,  wofür  accnbatio  falsche  Form  ist;  vgl.  Thes.  S.  338  und  A.  Funck 
in  Wölfflins  Archiv  X,  S.  532. 

Äccumidare^  anhäufen,  Kl.  nur  einmal  bei  Cic.  als  Beisatz  von 
augere,  addere  agr.  2,  59,  ebenso  nur  einmal  bei  Liv.  9,  1,  9,  der 
später  sich  mit  cumidare  begnügte;  nachklassisch  hingegen  steht  es 
beim  altern  Plinius,  sowohl  im  allgemeinen  Sinn  von  an-  oder  auf- 
häufen, wie  congeriem  arenae  accumidare,  Plin.  nat.  4,  5,  sodann  als 
t.  t.  in  Bezug  auf  Pflanzen,  um  welche  Erde  angehäuft  wird,  und 
so  bei  ihm  auch  das  Subst.  accumidatio,  was  sonst  nur  noch  beim 
hl.  Ambrosius  u.  bei  Donat  zu  Ter.  Eun.  728  vorkommt.  In  diesem 
technischen  Sinne  kann  man  auch  adaggerare  mit  Cato  agr.  94  und 
Colum.  5,  11,  8  gebrauchen.  Von  accumidatus  hat  das  Adv.  auch 
Cic.  Flacc.  89  prolixe  accumidateque  fecit  (Vgl.  Thes.  S.  342,  12), 
im  Superlat.  rhet.  Her  1,  27,  vgl.  Thielmann  Cornifio.  S.  56,  später 
sagt  noch  Firm.  Mat.  accumidatissime  aliquid  consequi  (Drossel  S.  13, 
aber  da  der  Thes.  es  nicht  hat,  scheint  hier  eine  Interpolation  vor- 
zuHegen),  u.  noch  Apul.  accumidate;  Cic.  hat  im  Superlativ  jedoch  nur 


Accurare  —     72     —  Accurrere 

cumulatissime,  fam.  13,  42,  1  ;  vgl.  Neue -Wagener  ^11,  S.  220 
(S.  225  fehlt  cumulatissime)^  Archiv  X,  S.  60. 

Acvurare,  besorgen,  gehört  der  Sprache  der  Komiker,  sowie  der 
niedern  Prosa  an ;  Cic.  verwendete  es  nur  in  seiner  Erstlingsschrit't 
de  inv.  1,  58;  vielleicht  ist  die  Stelle  Colum.  12  praef.  2  vidus 
domi  accurandus  erat  dem  Oecon.  des  Cicero  entnommen.  Yen 
Spät,  haben  Apul.  Lampr.  u.  a.  das  Wort  wieder  beigezogen.  Näheres 
bei  Thielmann  Cornif.  S.  8  f.  und  Landgraf  Bayr.  Gymn.  XYI,  321, 
besonders  aber  im  Archiv  XI,  S.  264. 

Acciirate  vgl.  Accuratiis. 

Accnratio,  die  Sorgeveriuendunr/  hat  zuerst  rhet.  Her.  3,  20 
(über  dessen  Yorliebe  für  Yerbalia  auf  io  vgl.  Marx  Proleg.  S.  168), 
dann  einmal  auch  Cic.  Brut.  238  in  inveniendis  componendisque 
rebus  mira  accuratio;  hier  wurde  es  von  Madvig  Adv.  crit.  III,  108 
verdächtigt  und  durch  cura  ac  ratio  ersetzt,  wohl  mit  Unrecht,  vgl. 
Näg.-Müller  «  S.  222,  Wölfflins  Archiv  XI,  S.  263  (aber  auch  II,  144). 
Hierauf  findet  man  es  wieder  im  Sp.  L.  und  auch  da  nur  ver- 
einzelt. 

Accuratiis,  in  Prosa  nur  in  imssiver  Bedeutung,  mit  Sorgfalt 
bereitet,  bearbeitet,  ausgeführt,  daher  auch  nur  von  Sachen,  nie  von 
Personen,  z.  B.  oratio  acc,  Tac.  dial.  6,  sermo  acc,  litterae  acc. 
u.  a. ;  bemerkenswert  ist  die  Zusammenstellung  mit  meditatus,  z.  B. 
Cic.  de  or.  1,  257  accuratae  ac  meditatae  conimentationes.  Im  N.  L. 
wird  es  dagegen  auch  von  den  Gelehrten  oft,  wie  unser  genau,  im 
aktiven  Sinne  von  Personen  gebraucht,  die  in  einer  Sache  sorgfältig 
sind,  indem  man  es  verbindet  mit  liomo,  scriptor,  poeta  u.  dgl.,  wo- 
von sich  bei  den  Alten  nirgends  eine  Spur  findet,  für  diligens,  reli- 
giosus.  Ygl.  Cic.  Att.  6,  1,  18:  Duris  Samius,  homo  in  historia 
diligens;  Brut.  60:  diligentissimus  investigator  antiquitatis,  ib.  44: 
quem  (Atticum)  rerum  Romanarum  auctorem  laudare  possum  reli- 
giosissimum.  Unpassend  ist  es  auch  bei  einigen  Sachsubstantiven,  wie 
doctrina,  scientia  und  ähnlichen,  für  exquisitus,  suhtilis,  singularis, 
interior,  excellens,  elegans^  optimus,  summus  u.  a.  Ebenso  vorsichtig 
sind  die  Adverb,  accurate,  accuratius,  accuratissime  anzuwenden,  w^o 
uns  das  deutsche  genau  ebenfalls  oft  zu  falschem  Gebrauche  ver- 
führt, indem  jene  nur  da  passen,  wo  sie  soviel  sind  als  mit  Sorgfalt, 
gleich  dem  cum  cura.  Richtig  ist  accurate  loqui  (Cic.  fam.  7,  5, 
2),  disputare,  scribere,  facere,  tractare,  administrare  u.  a.,  aber  ge- 
wiss unrichtig:  haec  accurate  cohaerent,  das  hängt  genau  zusammen, 
für  arte;  hoc  accuratius  videamus,  für  diligentiiis ;  aliquid  accurate 
teuere,  für  firmiter,  probe;  accurate  scire  für  exploratum  aliquid 
habere  u.  a. ;  accurate  nosse  für  penitus,  bene,  recte,  optime;  vir  accu- 
rate doctus  —  und  so  andere  Yerbindungen;  vgl.  Seyffert  Müller 
zu  Lael.  S.   176  f.  imd  besonders  Wölfflin  im  Archiv  XI,  S.  262  f. 

Accurrere,  herzulaufot,  wird  vcrb.  mit  ad,  zu  jemand,  und  mit 
in,  wohinehi  oder  dem  blossen  Accus,  bei  Städtenamen,  oft  auch 
absolut.     N.  Kl.  und  Sp.  L.    ist    accurrere    mit    Accus.,    z.  B.  Tac. 


Accusabilis  —     73     —  Acerbus 

ann.  15,  53,  vgl.  Nipp.  z.  St.,  öfters  bei  Apul.  Mit  Dativ  und  zwar 
doppeltem  steht  es.  bei  Sali.  Jug.  101,  10  accurrit  cmxilio  suis.  — 
Das  Subst.  accursiis  ist  erst  N.  Kl.  bei  Yal.  Max.,  Sen.,  Tacitus 
II.  Traj.  in  PI.  epp.   10,  43,  2  und  Sp.  L.  z.  B.  bei  Ammian. 

Accusahilis  ist  zwar  dr.a^  Xeyöficvov  bei  Cicero,  aber  nicht  ver- 
werflich in  der  Bedeutung  anJdagensiuert  im  eigentlichen  Sinn,  d.  h. 
tuert  angehlagt,  gerichtlich  belangt  zu  iverden;  also  darf  das  Wort 
nicht  mit  vitiqwrahilis  oder  rei)rehensione  dignns  als  Synonymum 
zusammengestellt  werden;  vgl.  Klotz  zu  Cic.  Tuscul,  4,  75.  Sp.  L. 
findet  es  sich  öfters. 

Äcciisare,  anMagen,  wird  im  gerichtlichen  Sinne  verb.  mit  dem 
Genitiv  des  angeschuldigten  Vergehens,  z.  B.  peccati,  maleficii,  sceleris, 
furti,  parricidii,  auch  mit  2Jro2)ter,  Cic.  Yerr.  2,  118;  mit  de  oder 
inter,  z.  B.  de  vi,  de  veneficiis^  mter  sicarios;  mit  in  z.  B.  Cic. 
Verr.  3,  206  illud,  in  quo  te  gravissime  accusavi.  Aber  nirgends 
findet  man  es  mit  dem  Genitiv  criminis,  sondern  nur  mit  dem  Abi. 
crimine,  da  crimen  bloss  die  Anschuldigung  bedeutet,  wobei  das 
Yerbrechen  selbst  im  Genitiv  folgt.  Ebenso  capitis  accusare,  auf 
Tod  und  Leben  anklagen.  Die  Handlung,  wegen  der  man  jemanden 
anklagt,  wird  durch  einen  Satz  mit  quod  ausgedrückt,  z.  B.  Caes. 
Gall.  1,  16,  5;  erst  bei  Tac.  findet  man  den  Acc.  u.  Inf.,  vgl.  ann. 
4,  22;  14,  18,  vgl.  Dräger  zu  letzter  Stelle  u.  Stegmann  JS".  Jahrb. 
1887  S.  263.  —  Beum  accusare  ist  erst  bei  Quint.  deck  313  S.  227 
qiti  caedis  reum  acciisaverit  neque  damnaverit  zu  finden,  aber  accu- 
sationes  reorum  hat  Tac.  dial.  36,  ann.  11,  5;  vgl.  hierüber  Gude- 
man  zu  Tac.  dial.  S.  338.  Beides  ist  nicht  zu  empfehlen.  —  Wo 
es  nur  Voriuibfe  machen  über  etivas  oder  tadeln  bedeutet,  sagt  man 
entweder  accusare  aliquem  de  aliqua  re,  z.  B.  de  neglegentia 
epistiilarum,  Cic.  Attic.  1,  6,  1,  oder  in  cdiqua  re:  me  tibi  excuso 
in  eo  ipso,  in  quo  te  accuso,  Cic.  Q.  fr.  2,  2,  1  u.  Sulla  63,  fam. 
3,  11,  5,  endlich  auch  accusare  aliquem  alicuius  rei,  wie  Cic.  Flacc.  83 
avaritiae  und  regem  temeritatis  accusare  bei  Liv.  31,  38,  1.  An 
jemanden  etwas  tadeln  heisst  aliq;uid  alicuius  accusare,  z.  B.  iner- 
tiam  adulescentium,  scelus  Pompei,  avaritiam  alicuius,  s.  darüber 
Cic.  de  erat.  1,  246,  Att.  9,  5,  1,  Nep.  Lysand.  4,  2. 

Acerbare,  vo'bittern,   nur  P.  L.  und  Sp.  L.  für  acerbum  facere. 

Acerbitudo,  die  Bitterkeit,  von  Gellius  13,  3,  2  als  gleichwertig 
mit  acerbitas  erwähnt,  findet  sich  nirgends. 

Acerbus  enthält  entsprechend  seiner  Etymologie,  vgl.  Tegge  S. 
367,  immer  etwas  Empfindhches,  Kränkendes  und  Schmerzendes,  was 
einer  Person  durch  eine  andere  widerfährt.  Daher  homo  acerbe  severus 
==  ein  Mann  streng  bis  zur  Härte,  also  schonungs-  =  rücksichtslos, 
Cic.  off.  3,  112.  Gegen  jemanden  rücksichtslos  sein  =  acerbum  esse 
in  aliquem,  Cic.  Phil.  8,  18.  Wenn  daher  Livius  7,  3,  9  sagt : 
dilectu  acerbo  iuventutem  agitavit,  so  war  der  Aushebende  bitter  und 
streng  und  schmerzhch  für  die  Ausgehobenen.  Und  so  spricht  Livius 
von  einer  dilectus  acerbitas  (vgl.   21,    11,    13).    Auch  bei  Cic.  Balb. 


Acervare  —     74     —  Acquirere 

11  :  omnia  acerhissima  diligentia  perpendemus  soll  nicht  bloss  die 
Strenge,  sondern  die  gehässige  Strenge  ausgedrückt  werden,  ebenso 
Cic.  fam.  15,  1,  5  loropter  acerhitatem  atqiie  iniurias  imperii  nostri, 
sowie  Cic.  bei  siiijerhisshno  dilectu  (prov.  5)  auf  das  Übermütige 
des   die  Auswahl   Übenden  anspielt. 

Acervare^  cmf häufen  kommt  nicht  vor  Livius  vor,  vgl.  Liv.  5, 
48,  3  acervatos  cumidos  hominum;  dann  findet  es  sich  N.  Kl.  und 
Sp.  L.  Bei  Cic.  treffen  wir  dafür  coacervo,  z.  B.  Cic.  Rose.  Am. 
138  quantum  una  in  domo  coacervari  potuii,  auch  cumido,  z.  B. 
Cat.  1,  14  scelere  scelus  cumidasti.  Ygl.  P.  Menge  in  Wölfflins 
Archiv  X,  S.  279. 

Achaeus  und  AcliaiuSy  beide  als  Adjekt.  Achäisch,  ans  Achaicc, 
F.  L.  für  Achaiciis ;    vgl.  Cic.  Att.  11,  14,    1  Achaici  deprecatores. 

Acher on.  Die  Redensart  Acheronta  movere  in  der  Bedeutung 
das  äusserste  versuchen  ist  P.  L.  für  extrema  experiri,  vgl.  Yerg. 
Aen.  7,  312.  Wir  sagen  Himmel  und  Erde  heiuegen,  und  darnach 
liesse  sich  wohl  rechtfertigen  caelum  et  terram  movere,  ut  aiunt  Ger- 
mayii,  ut  Germani  dicunt.  Klassisch  sagt  man  omnes  terras,  omyiia 
maria  movere,  Cic.  Att.  8,  11,  2. 

Acheronticus,  Acheronteus,  Acherontius,  —  Acherontisch,  poet. 
und  spätlat.  Formen  für  Acherusius  (Liv.  8,  24,  2,  nicht  bei  Cic. 
u.  Caes.). 

Achivus  als  Adjekt.  ist  P.  L.  für  Achaicus;  richtig  als  Subst. 
die  Griechen,  nach  der  Benennung  Homers,  wie  auch  Achaei  vom 
altern  Plin.  u.  Juven.  gesagt  ist.  Ethnographisch  betrachtet  heissen 
sie  bekanntlich  Graeci  und  als  römische  Provinzialen  Achaei,  z.  B. 
Cic.  Sest.  94. 

Ades  in  der  Bedeutung  Heer  bezeichnet  nur  das  in  Schlacht- 
ordming  aufgestellte,  nicht  das  auf  dem  Zuge  befindliche,  welches 
agmen  heisst.  Ein  Heer  in  Schiachtor dw mg  stellen  heisst  lateinisch 
neben  andern  Ausdrücken  auch  legiones  in  acie  constituere  oder 
collocare.  Es  könnte  dies  als  Germanismus  angesehen  werden,  hat 
aber  die  beste  Autorität.  S.  Caes.  Gall.  2,  8,  5;  4,  35,  1  u.  civ. 
2,  33,  4  u.  3,  89,  2.  —  Acumen  und  acies  ingenii  werden  so  unter- 
schieden —  s.  Seyffert,  Palästra^  S.  89  — ,  dass  dieses  die  geistige 
Sehkraft  als  natürliche  Beschaffenheit,  jenes  die  ausgebildete,  habituell 
geiuordene,  angetvandte  acies  ausdrückt.  Man  kann  daher  nur  sagen 
aciem  ingenii,  mentis  exacuere,  praestringere,  sowie  umgekehrt  nur 
vir  sine  idlo  acumine  zulässig  ist;  vgl.  Cic.  nat.  2,  74. 

Acinaces,  der  kurze,  krumme  Säbel  der  Perser,  Meder  und 
Scythen,  nur  da  zu  gebrauchen,  wo  von  diesen  Völkern  die  Rede  ist. 

Acquirere.  Dieses  Yerbum  kommt  vor  Cic.  nicht  vor.  Es  be- 
deutet klassisch  zu  dem,  was  man  bereits  hat,  etivas  Neues  hinzu- 
erwerben oder  zu  erwerben  suchen,  so  bei  Cic.  Tusc.  l,  109:  niliil 
enim  iam  acquirebatur,  cumulata  erant  officia  vitae;  Caes.  Gall.  7, 
59,  4;  Sali.  lug.  13,  6.  Diese  Bedeutung  hat  es  auch  zum  T.  später 
bewahrt,  z.  B.  Curt.  9,  2,    10   abundantes    onustosque  praeda  magis 


Acquisitio  —     75     —  Acroasis 

parta  frui  velle  quam  acquirenda  fatigari  Sonst  jedoch  bezeichnet 
im  N.  Kl.  acqtiirere  mit  Anstrengung  sich  etiuas  verschaffen  oder 
ertuerhen ;  vergl.  Sen.  ep,  95,  3  divitiaeper  smnmiim  acqiiisitae  siidorem, 
ferner  Suet.  Claud.  36  hnperiuin  alicui  acquirere  und  alicui  pliiri- 
mimi  vener ationis  acquirere^  Phn.  epp.  1,  10,  6 ;  summitm  decus, 
laudem,  pecuniam,  regniim  bei  Tac.  bist.  2,  76,  Quint.  3,  11,  25, 
Tac.  ann.  16,  17,  Just.  25,  3,  6,  wo  diese  Bedeutung  unbestreitbar 
ist ;  vgl.  Bagge  S.  5.  Anderseits  lässt  sich  nicht  verkennen,  dass 
ähnHch  wie  bei  addiscere  die  Bedeutung  der  Präposition  verblasst  u. 
acquirere  =  sihi  parare  wird.  Dann  kann  allerdings  hereditatem  pater- 
nam,  bona  paterna  acquirere  gut  gesagt  werden,  wie  wir  tatsächlich 
auch  bei  Juristen  und  sonst  es  finden,  vgl.  z.  B.  Apul.  apol.  85 
hereditatem  acquirere;  Gaius  inst.  2,  87  hereditas  noMs  acquiritiir  = 
die  Erbschaft  fällt  uns  zu;  vgl.  auch  Justin  38,  7,  10  non  paterna 
solum  regna  hereditatibus  acquisita  possidet.  Während  hier  acquirere 
den  allgemeinen  Begriff  des  Erwerbs  hat,  scheint  comparare  =  käuf- 
lich ertverben.  zu  sein;  vgl.  auch  das  italienische  comperare^  vgl. 
Leipold  S.  10. 

Acquisitio,  Eriuerbimg,  Sp.  L.  für  comparatio,  adeptio  (vgl. 
Gölzer  Hieron.  63,  Könsch  Itala  69). 

Acrimonia  ist  vox  propria  von  dem  schärfest,  pikanten  Geschmack 
und  Geruch,  welchen  manche  Erzeugnisse  des  Pflanzenreichs  haben; 
so  wird  es  bei  den  scriptt.  r.  r.,  z.  B.  Cato  157,  1  u.  bei  Plin.  mai. 
gebraucht.  Es  kommt  bei  Cic.  nur  zweimal  sicher  vor:  de  inv.  2, 
143  u.  Yerr.  act.  I,  52,  jedesmal  mit  vorausgehendem  vis;  häufiger 
treffen  wir  es  beim  rhet.  Her.,  die  Stellen  siehe  bei  Marx  S.  390; 
das  Wort  scheint  zum  technischen  Apparat  der  Rhetoren  gehört  zu 
haben.  Ob  Cic.  es  auch  ad  Att.  13,  40,  2  gebraucht  hat,  ist  frag- 
lich; 0.  E.  Schmidt  und  Tyrrell  lesen  daselbst  summa  acrimonia, 
C.  F.  W.  Müller  f  acrimonia.  Nie  bedeutet  acrimonia  Hitze  und 
Heftigkeit,  noch  auch  Schärfe  des  Geistes,  des  Urteils  =  ingenii 
oder  mentis  acies  oder  acumen,  iudicium  acre  et  certum  (Cic.  de  orat. 
3,  183).  Bei  rhet.  Her.  u.  Cic.  steht  es  von  dem  gestrengen, 
ätisserlich  in  der  Physiognomie  ausgeprägten  Wesen  des  Charakters: 
convenit  igitur  in  vultu  pudorem  et  acrimoniam  esse.,  rhet.  Her.  3,  26, 
ebendas  4,  19,  sodann  wird  es  auch  von  der  Energie  und  Tatkraft 
des  Handelns  und  von  der  Schärfe  der  Diskussion  gebraucht,  wie  : 
si  Glabrionis  patris  vim  et  acrimoniam  ceperis  ad  resistendum  Jiomi- 
nibus  audacisshnis,  Cic.  Yerr.  act.  I,  52  und :  eiusmodi  licentia  si 
nimium  videbitur  acrimoniae  habere,  midtis  mitigationibus  lenietur, 
rhet.  Her.  4,  49  ;  in  acrimonia.  Her.  4,  54  (Hellmuth  act.  Erl.  I, 
S.  124). 

Acritas  und  acritudo,  beide  A.  u.  Sp.  L.  für  vigor;  vgl.  Kretsch- 
mann  Apul.  46.  In  der  Bedeut.  Schärfe  bei  Sachen  des  Geschmack- 
sinnes Gem.  L.  bei  Yitruv.  für  acor,  acrimonia. 

Acroasis  in  der  Bedeut.  gelehrter  Vortrag,  Vorlesung,  Rede  vor 
Gelehrten,    erst  N.  Kl.,    wo  es  nach  Seneca  und  Sueton  Kunstwort 


AcrDaterium  —     76     —  Activus 

dafür  war,  während  es  bei  Cicero,  wo  es  ad  Att.  15,  17,  2  vor- 
kommt, nur  eine  Versammlung  von  Gelehrten  bedeutet.  Man  sagt 
aber  nicht  hahere,  sondern  facere  acroasin,  einen  Vortrag  halten 
(Vitruv.,  Sen.  rhet.,  Sueton) :  vgl.  Saalfeld  s.  v.  und  Thes.  s.  v. 

Acroaterium,  der  Hörsaal,  nirgends  bei  einem  Alten,  erst  von 
Neuern  unnötig  gebraucht  für  audiiorium,  was  zwar  erst  N.  Kl.  bei 
Quint.  Tac.  Suet.  vorkommt,  aber  für  den  Begriff  nicht  wohl  zu 
beanstanden  ist. 

Äcronyctae  stellae,  von  Sternen,  welche  bei  Sonnenuntergang  auf- 
oder  untergehen,  ein  Sp.  L.  Kunstwort  für  vespertimis,  steht  nur  bei 
Firm.  math.  2,  8,  1 ;  vgl.  Saalfeld  s.  v.  und  Thes.  s.  v. 

Acropolis,  die  Höhenstadt,  nirgends  bei  den  Alten ;  es  ist  aus 
dem  Griech.  genommen  für  arx,  wie  bei  Nep.  Them.  2,  8  arx 
im  Gegensatz  von  reliqiium  opiridum,  ebenso  Cic.  leg.  1,  2  die  Akro- 
polis  von  Athen;  bei  Cicero  de  or.  2,  273  u.  Cato  11  arx,  die 
Akropolis  von  Tarent  —  und  so  von  andern. 

Acta  oder  ade,  das  schöne,  reizende  Ufer,  das  griech.  dxTYj., 
einigemal  bei  Cicero  für  Utas,  sogar  im  Plural,  z.  B.  Cic.  Att.  14, 
8,  1  tu  me  rebare  in  actis  esse  nostris,  aber  nur  wo  er  von  einem 
griechischen  Lande  spricht,  oder  im  vertraulichen  Briefstil;  die 
Stellen  aus  Cic.  und  den  andern  lateinischen  Autoren  hat  Saalfeld 
s.  V.  gesammelt ;  vgl.  auch  Tegge  S.  26  und  Thes.  s.  v. 

Actio.  Über  dieses  Wort  besitzen  wir  eine  eingehende  Ab- 
handlung von  Hölzl  im  Progr.  von  Dresden  -  Neustadt  1894  (vgl. 
auch  Wölfflins  Archiv  IX,  S.  116  —  125  und  Wagener  in  Bursians 
Jahresber.  1902  III,  S.  151).  Es  kommt  zuerst  beim  rhet.  Her. 
vor,  die  A.  L.  und  Kl.  Dichter  meiden  es  und  bevorzugen  actus 
und  acta.  Die  ursprüngliche  Bedeutung  ist  das  in  Bewegung  Setzen, 
Treiben,  Führen.  Es  findet  sich  nur  in  übertragenem  Sinne ;  immer- 
hin bedeutet  es  nur  äussere  Tätigkeit,  richtig  also  ist  actio  vitae  = 
die  äussere  Lebenstätigkeit,  z.  B.  Cic.  nat.  deor.  1,  103  quae  est  deo 
actio  vitae  f  keineswegs  aber  steht  es  für  geistige  Tätigkeit,  also 
nicht  actio  mentis  oder  animi,  s.  darüber  unter  activitas.  Richtig 
aber  ist  actio,  wo  wir  sagen  die  Aktion,  von  der  ganzen  Haltung 
und  Bewegung  des  Körpers  beim  Sprechen,  z.  B.  Cic.  de  or.  1,  18 
quid  ego  de  actiojie  ipsa  pliira  dicam  f  quae  motu  corporis  moderanda 
est.  In  der  Bedeutung  Rede  ist  actio  N.  KI.;  vgl.  Gudeman  zu 
Tac.  dial.  S.  191,  Thes.  I,  440,  73. 

Activitas  kommt  bei  den  Gramm,  als  gramm.  terminus  vor; 
aber  =  die  Aktivität,  Tätigkeit  ist  es  N.  L.  für  alacritas,  indu- 
Stria,  Studium,  actio;  klass.  ist  Cic.  Tusc.  5,  66  vitae  modus  actioque, 
seine  Lebensweise  und  Tätigkeit,  wie  er  lebte  und  sich  beschäftigte, 
was  er  tat  (vgl.  Sest.  72),  und  in  Bezug  auf  die  Seele  agitatio 
mentis,  Cic.  off.  1,  19,  agitatus  mentis.  Varr.  L.  L.  6,  42,  studiorum 
agitatio,  Cic.  Cato  23,  sollertia,   Cic.  Tusc.  5,  66. 

Activus,  aktiv,  tätig,  erst  N.  Kl.  bei  Quint.  Sen.  phil.,  philo- 
sophisches  und   grammatisches   Kunstwort,   z.  B.   pliilosophia  activa 


Actu  —     77     —  Actus 

(praktische^  vgl.  PracMcm^) ,  der  conteminlatwa  (theoretifichen)  entgegen- 
gesetzt, Sen.  ep.  95,  10;  jedoch  klass.  iMlosophiciy  quae  est  de  vita 
et  de  morihus,  Tusc.  3,  8.  Ebenso  in  der  Grammatik  verha  activa, 
wie  bei  den  alten  Grammatikern,  wiewohl  die  früheren  Grammatiker 
agentia  verba  sagten.  Aber  nirgends  findet  sich  activus  in  der  ge- 
wöhnlichen Bedeutung  von  tätigen^  fleissigen  Menschen,  für  indtistriusy 
gyiaviis,  strenuus,  impiger,  promptiis,  haiid  segnis,  lahoriosus,  efficaXj 
agilis  u.  a.,  sowie  mit  dem  Verb  vigere,  tatig,  aktiv  sein,  z.  B.  animi 
vigent  vigilantes  (Cic.  divin.  2,  139).  —  Unbrauchbar  ist  das  sehr 
Sp.  L.  actiialis,  welches  neues  Kunstwort  für  die  praktische  Philo- 
sophie wurde,  z.  B.  Isid.  orig.  2,  24,  16;  das  Adj.  actorius  kennt 
der  Thes.  1.  1.  nicht. 

Actu,  Ablat.  von  actus,  nach  Augustin.  conf.  9,  4,  wo  actu  im 
Gegensatz  zu  cogitatu  steht,  JSf.  L.  in  der  Bedeutung  in  de?'  Tat,  in 
der  Wirklichkeit,  für  re,  re  vera,  re  ipsa,  reapse. 

Actum  est,  vgl.  Agere. 

Actuosus,  voll  Tätigkeit,  findet  sich  Kl.  bei  Cicero  nur  1)  als 
Beiwort  der  virtus  (nat.  deor.  1,  110),  deren  Lob  in  Tätigkeit  be- 
steht, wie  Cic.  off.  1,  19  sagt:  virtutis  laus  omnis  in  actione  consi- 
stit,  was  die  Griechen  durch  izpay-cx'/j  ausdrücken ;  2)  als  durch 
quasi  gemildertes  Beiwort  desjenigen  Teils  einer  guten  Rede,  worin 
Handlung  und  Leben  durch  Worte  und  Vortrag  dargestellt  ist,  Cic. 
orat.  125.  N.  Kl.  nennt  Seneca  ep.  39,  3  und  dial.  4,  19,  2  die 
immer  regsame  Seele  animum  actuosum  und  dial.  9,  4,  8  ein  un- 
verdrossen tätiges  Leben,  wie  vorher  schon  Val.  Max.  2,  1,  10  und 
8,  8,  1  vitam  actuosam.  Cicero  würde  (nach  Cato  26)  gesagt 
haben  vita  operosa,  semper  agens  aliquid  et  moliens  —  und  von  der 
Seele  (nach  Tuscul.  1,  66)  animus,  qni  viget,  omnia  movet  et  prae- 
ditus  est  motu  sempiterno.  Das  Wort  werde  daher  nur  wenig  an- 
gewandt und  durch  eines  der  unter  Activus  erwähnten  Wörter  er- 
setzt. Das  Adverb  actuose  ist  zwar  Kl.  bei  Cic.  (de  orat.  3,  102), 
aber  nur  von  einem  Schauspieler,  der  voll  Leben,  Feuer  und  Tätig- 
keit spielt. 

Actus  bedeutet  bei  den  klassischen  Dichtern  und  nachklassischen 
Prosaisten  meistens  den  mit  körperlicher  Bewegung  verhundenen 
äusseren  Vortrag  einer  Sache.  Zunächst  also  steht  es  von  dem 
rednerischen  Vortrag  in  einer  öffentlichen  Gerichtsverhandlung,  wie 
Quintil.  2,  12,  10  und  11,  3,  140,  was  die  klassische  Prosa  ge- 
wöhnlich durch  actio  bezeichnet.  Viel  häufiger  aber  wird  actus  von 
dem  äussern  Vortrag  auf  der  Schaubühne  und  in  Redensarten  ge- 
braucht, welche  von  ihr  entnommen  sind.  So  findet  sich  imitandorum 
carminum  actus  bei  Liv.  7,  2,  4  und  ibid.  §  11:  fabellarum  actum 
alicui  relinquere  =  die  Darstellung  der  Bühnenstücke  den  Schau- 
spielern überlassen,  ferner  histrionum  actus,  Quintil.  10,  2,  11,  actus 
tragicus,  Suet.  Ner.  24.  Weiter  sodann  ist  actus  in  die  Bedeutung 
einer  Haupthandlung,  eines  Hauptteiles  eines  Schauspieles  über- 
gegangen, was  auch   die  moderne  Welt  Akt  oder  Aufzug  nennt.  So 


Actutum  —     78     —  Ad 

schon  bei  Ter.  Hec.  39 :  primo  ctctii  placeo  und  Cic.  Phil.  2,  34 
non  solum  unum  actiirn^  sed  totam  fabulam  confecissem.  Yon  der 
Schaiibühne  wird  actus  auf  die  grössern  Ahschnitte  oder  Akfe^  wie 
sie  sich  besonders  im  öffentlichen  Lehen  eines  Mannes  darstellen^ 
übertragen:  hahet  enim  (haec  quasi  fdbula)  rerum  eventorumque 
nostrorum  varios  actus  midtasque  actiones  et  consiliorum  et  temporuMy 
Cic.  fam.  5,  12,  6  und:  ])rimus  actus  vitae  bei  Cic.  Yerr.  1,  32  und 
2,  18,  ferner  die  bereits  erwähnte  Stelle  Phil.  2,  34  und  Cato  5. 
N.  Kl.  aber  bedeutet  actus  auch  nach  dem  Vorgänge  des  Sali.  bist. 
5,  4  M.  hl  proeliis  actus  promptus,  das  Verrichten  einer  Sache,  die 
Tätigkeit  üherhaapt  wie :  post  actum  operis  =  nach  Ausrichtung 
einer  Sache,  Quintil.  2,  18,  1  und:  in  rero  acta  rei  =  bei  dem 
wirklichen  Hergang  von  etwas,  ebendas.  7,  2,  41;  uhi  illa  praecepta 
vestra,  quae  imperant  in  acta  mori  ?  Sen.  epp.  8,  1.  Usque  ad 
ultimum  vitae  finem  in  actu  erimus,  Sen.  de  otio  1,  4,  Quintil.  2, 
18,  1  und  §  4;  vgl.  Bagge  S.  5.  Insbesondere  wird  actus  rerum 
auch  N.  Kl.  von  der  öffentlichen  Tätigkeit,  von  den  Geschäften  des 
Staatslebens  gebraucht:  cogitatio  inter  medios  rerum  actus  (=  mitten 
im  Drang  der  Staatsgeschäfte)  aliquid  invenit  vacui,  Quintil.  10,  6, 
1.  Nunc  nie  rerum  actus  distringit,  Plin.  epp.  9,  25,  3  und  Pan. 
45;  Suet.  Octav.  32  und:  cotidianus  actus  forensis,  Quintil.  10,  1,  27. 
Auch  hier  ist  actio  das  klassische  Wort,  so  besonders  im  Plural, 
vgl.  Mgelsb.-Müller «  S.  70. 

Actutum,  flugs,  geschwind,  A.  L.,  nirgends  bei  Cic.  (denn  Cic. 
Phil.  12,  26  wird  von  Halm  mit  Recht  actutum,  das  noch  Baiter 
und  Kayser  haben,  verworfen,  Jordan  krit.  Beitr.  S.  352  stimmt  bei, 
ebenso  Madvig  und  C.  F.  W.  Müller),  ebenso  wenig  bei  Sali.,  denn 
Jug.  102,  14  ist  die  Konjektur  Jordans  aufgegeben.  Einmal  hat 
es  Liv.  29,  14,  5  in  einem  indirekt  gegebenen  amtlichen  Berichte. 
Sonst  finden  wir  es  nur  bei  den  Komikern  und  Tragikern,  Yerg. 
und  Ovid,  N.  Kl.  in  Prosa  bei  Quint.,  Sp.  L.  bei  Fronte  und  Apul. ; 
es  ist  wahrscheinlich  Wort  der  Volkssprache,  wie  unser  flugs  und 
dient  zunächst  zur  Verstärkung  eines  Befehls;  dafür  cito,  confestim^ 
extemplo,  ilico  u.  a.,  vgl.  Jordan  krit.  Beitr.  S.  350  f.  und  Wölftlin  im 
Rhein.  Museum  37,  94  ff.,  sowie  Georges  bei  Bursian  1881/82  S.  261, 
Keller  Etym.  S.  1  und  dagegen  Wölfflin  Archiv  XI,  S.  35  (Keller 
fasst  actiäum  als  elliptischen  Temporalsatz  =  simul  ac  tu(i)tum  est, 
Wölfflin  =  ad.  tntiwi,  auf  einen  Blick). 

Ad  erfordert  Vorsicht  beim  Gebrauche  und  bei  der  Verbindung 
mit  andern  Wörtern.  Man  merke  unter  dem  vielen  folgendes : 
Spf.  L.  sind  ad  instar  für  instar  (vgl.  Wölfflin  im  Archiv  11,  590  ff., 
wonach  man  vor  Apuleius  nur  instar  sagte),  ad  riceni  oder  gar  ad 
invicem  (vgl.  Gölzer  Hieron.  S.  413)  für  vice;  unlateinisch  ist  ad 
minus  für  minus;  Sp.  L.  und  selten  ist  ad  summum  (höchstens)  für 
summum,  ebenso  ad  miyiimum  (wenigstens,  zum  wenigsten,  nacJi  der 
kleinsten  Angabe)  für  minimnm.  Wir  lesen  ad  summum  bei  scr.  h. 
Aug.  Alex.  64,  1,  vgl.  Cotta  S.  14  und  Lessing  Progr.  Berlin  1897, 


Ad  _     79     —  Ad 

S.  12;  ferner  Scrib.  Larg.  122  itermn  vel  ad  summimi  tertio;  klas- 
sisch ist  sumtmimy  vgl.  Cic.  Mil.  12.  Ad  minimuni  schreibt  Hygin. 
mun.  castr.  49,  ad  aliquid,  einig ermassen,  Ulp.  dig.  43,  13,  1,  7; 
nicht  hieher  gehört  ad  smmmim  =  ohen,  wie  ad  imum  =  unten, 
ersteres  z.  B.  bei  Cato  agr.  154,  vgl.  Schöndörffer  S.  25  f.  Richtig 
ist  ad  summam  in  der  Bedeutung  kiü'z  und  gut,  i'tberhaupt,  Cic.  fam. 
14,  14,  2.  C.  F.  W.  Müller  sagt  darüber  zu  off.  1,  149:  ,,ad 
ftitnimam  nicht  häufig  in  den  Briefen,  ganz  selten  in  den  philosoph. 
Schriften,  gar  nicht  in  den  Reden" ;  vgl.  auch  Landgraf  Bayr.  Gymn. 
XYI,  278,  Thes.  I,  516,  61.  —  K  L.  ist  es,  als  Zahladverbia  zu 
gebrauchen  ad  primum,  ad  secundum  u.  s.  w.,  wie  wir  zu7n  ersten, 
d.  h.  erstens,  zum  ziveiten,  d.  h.  ziveitens,  für  primum,  secundum; 
ad  primum  lesen  wir  nur  Tert.  erat.  22  =  zum  erstenmale.  Statt 
der  Adverbien  erstens  u.  s.  w.  können  lateinisch  bekanntlich  bei 
Aufzählungen  auch  die  Ordinalzahlen  angewendet  werden:  Trihus 
nunc  locis  cum  Perseo  foedus  incisum  litteris  esse,  tmo  (erstens) 
Thehis,  altero  (ziveitens)  ad  Delum,  tei^tio  (drittens)  DeljyJiis,  Liv. 
42,  12,  5;  vgl.  noch  Quintil.  1,  2,  §  2  und  3  und  3,  4,  6,  Liv.  28, 
40,  7  und  29,  17,  4;  dabei  wird  aber  primus  stets  durch  unus  er- 
setzt. Richtig  ist  aber  ad  extremum  (bei  Cic.  wiederholt,  z.  B.  de 
or.  1,  142;  nat.  deor.  2,  118),  ad  postremum,  Plaut.  Aul.  526,  Hirt. 
Gall.  8,  43,  Liv.  30,  15,  4,  und  sonst  ad  idthmim  (bei  Liv.  Curt. 
Val.  Max.  Lact.);  z.  B.:  addunt  ad  extremum,  am  Ende,  zuletzt, 
endlich  (Cic.  div.  2,  25);  addidisti  ad  extremum  (Cic.  fin.  1,  26).  — 
N.  L.  ist  es,  bei  Bezeichnung  eines  Tages  nach  dem  römischen 
Kalender  zu  sagen,  z.  B.  ad  diem  sextum  Kalendas  Januarias,  für 
ante  diem  oder  a.  d.  Der  Fehler  liegt  an  den  alten  Ausgaben, 
welche  ad  für  a.  d.,  d.  h.  a^ite  diem,  haben.  —  In  der  Redensart 
zu  seinem  Vergyiügen,  zur  Lust  braucht  man  selten  ad,  sondern  mehr 
causa;  z.  B.  animi  voluptatisque  causa,  vgl.  Caes.  Gall.  5,  12,  6,  deli- 
ciarum  causa.  —  Wenn  in  zu  der  Begrifi"  verbunden  mit  liegt,  indem 
mehr  die  Wirkung  und  der  Erfolg,  als  die  Absicht  bezeichnet  werden 
soll,  wird  lieber  cum  als  ad  gebraucht;  z.  B.  hoc  retinemus  hodie  magna 
cmn  Salute  reipublicae,  wir  behalten  dieses  noch  heutzutage  bei  zum 
grossen  Heile  des  St.  (Cic.  rep.  2,  16).  Ygl.  auch  Cic.  Att.  4,  3,  4.  Mur. 
2.  —  Räumlich  bezeichnet  ad  1)  die  Richtung,  nach  welcher 
hin  eine  Bewegung  stattfindet.  Daher  ist  die  Verbindung  mit  cul 
ziemlich  regelmässig  bei  Ortsnamen,  insbesondere  von  einem  Heer, 
das  nicht  in  eine  Stadt,  sondern  nur  in  die  Nähe,  die  Umgebung 
derselben  kommt,  z.  B.  miles  ad  Capuam  profectus  sum  quintoque 
anno  post  ad  Tarentum,  Cic.  Cato  20  und:  qui  (exercitus)  p)7^ofectus 
ad  Mutinam  est,  Phil.  12,  8  und:  ad  Genavam  pervenit,  Caes.  Gall. 
1,  7,  1  und:  castra  ad  Gergoviam  movit,  ibid.  7,  41,  1.  Marius 
ad  Zamam  procedit.  Sali.  Jug.  57,  1  und  75,  6:  ad  Thalam  profici- 
scitur,  und  so  auch  bei  Livius,  Curtius  und  Sueton.  Wie  aber 
ad  die  Richtung,  die  Betvegung  nach  einem  Orte  hin,  so  drückt  es 
auch  2)  die  vollendete  Bewegung,  die  Richtung  in  der  Ruhe,  also  das 


Ad  _     80     —  Ad 

Beharren  aus.  Wie  man  daher  sagt  sedere  ad  latus,  iacere  ad  jjedes 
alicuins,  so  auch  esse  ad  aliquem  =  hei  jemanden,  in  jem.  Hanse 
sein,  s.  Cic.  Att.  10,  4,  8  und  10,  16,  1  :  cum  ad  me  heue  mane 
fuit.  An  beiden  Stellen  ist  apud  Änderung  von  Lambin  und  Orelli, 
die  Handschriften  sind  durchaus  für  ad;  vgl.  jedoch  Boot  zu  Att. 
10,  4,  8:  er  und  Kayser  schreiben  10,  4,  8  apud  me,  während  10, 
16,  1  Kayser  und  Baiter,  wie  Wesenberg  u.  C.  F.  W.  Müller  an 
beiden  Stellen  am  überlieferten  ad  festhalten.  Der  Sprachgebrauch 
Catos,  vgl.  Schöndörffer  S.  25,  lässt  darauf  schliessen,  dass  ad  in 
solchen  Redensarten  üblich  war  und  sich  im  Umgangston  auch  er- 
hielt; vgl.  auch  Pradel  S.  482  f.  Daher  auch  ad  exercitum  maner'e, 
Caes.  Gall.  5,  53,  3,  wie  schon  Plaut.  Amph.  504  non  adest  ad  exei'- 
citum;  ad  regem  remanere,  Liv.  24,  48,  9.  So  wird  aber  ad  auch 
mit  sachlichen  Substantiven  verbunden,  z.  B.  ali  ad  villam,  esse  ad 
aedem,  ad  forum,  ad  portum,  und  der  stehende  Ausdruck  ad  urhem 
esse,  von  dem  mit  dem  Oherhefelil  bekleideten  Feldherrn,  welcher  nicht 
in  die  Stadt  Rom  hineingehen  durfte.  Dies  wird  aber  auch  troj). 
so  angewendet.  S.  Nägelsbach  Stil.  ^  487  ff.  und  Livius  1,  36,  5: 
nt  esset  ad  posteros  miracidi  eins  monumentum;  so  auch  bei  Tac. 
ann.  1,  8  iactantia  gloriaque  ad  posteros.  S.  Nipperdey  z.  d.  St. 
Über  diesen  der  Umgangssprache  entnommenen  Gebrauch  von  ad 
vgl.  man  Richter  zu  Cic.  Rose.  Am.  15,  48  und  namentlich  Land- 
graf zu  S.  Rose.  S.  341,  sowie  die  bei  Näg.-Müller  ^  1. 1.  angegebene 
Literatur;  über  die  Ellipse  von  aedem  in  solchen  Fällen  vgl.  Eberhard 
zu  Cic.  Phil.  Anhang  S.  134.  Auch  darf  man  gar  keinen  Anstand 
nehmen,  ad  mit  einem  Substant.  ohne  eine  stützende  Yerbalform  zu 
verbinden,  z.  B.:  angustiae  ad  Ilerdam  rei  frumentaricie,  Caes.  civ. 
2,  17,  3  und  das.  Kraner,  und:  cum  Piliae  nostrae  villam  ad  Lu- 
crinum,  vilicos,  procuratores  tradidissem,  Cic.  Att.  14,  16,  1  und 
oft  so  bei  Livius:  nam  excessisse  pugna  ad  Tf-ehiam  in  annum  Cn. 
Servilii  non  potest,  Liv.  21,  15,  6  und:  nuntius  victoriae  ad  Cannas 
Carthagiyiem  venerat,  Liv.  23,  11,  7  und:  post  Cannensem  calami- 
tatem  primum  Marcelli  ad  Nolam  proelio  populus  se  Romanus  ere- 
xit,  Cic.  Brut.  12.  Acilius  navali  ad  Massiliam  proelio  .  .  . 
transilit  In  navem,  Suet.  Caes.  68 ;  jedoch  ist  es  empfehlenswert  die 
Bestimmung  mit  ad  so  zu  stellen,  dass  ihre  attributive  Verwendung 
klar  hervortritt,  wie  z.  B.  Marcelli  ad  Xolam  proelio,  Philippi  ad 
filium  epistulae.  Nie  sagte  man  prooemium  oder  praefatio  ad  ali- 
quem librum,  wo  nur  der  Genitiv  alicuius  lihri  statthaft  ist,  z.  B. : 
prooemium  helli  Punici,  Vorrede  zu  oder  Einleitung  in  den  P.  Kr., 
Cic.  orat.  230.  Dieser  Fehler  kommt  bei  Neulateinern  oft  vor.  — 
Klassisch  und  nunmehr  von  Wölfflin  im  Archiv  II,  S.  365  ff.  er- 
schöpfend behandelt  ist  ad  mit  Gen.  z.  B.  ad  Dianae,  ad  Opis,  ad 
Castoris,  z.  B.  Cic.  Phil.  1,  17  pecunia  uiinam  ad  Opis  maneret, 
vgl.  auch  Klussmann  in  Z.  f.  Gymn.  1880,  S.  325,  Pradel  S.  475, 
Anni.  5.  —  Während  bei  einigen  Substant.  ad  mit  dem  Gerun- 
dium.,   statt    des    Genitives,    z.  B.    voluntas   ad   hunc   opprimendum 


Adaeque  —     81     —  Adaequare 

(Cic.  Font.  30),  argumentum  ad  scribendum  (Cic.  Att.  9,  7,  7),  fa- 
cultas ad  dicendum  (Cic.  Font.  12)  üblich  ist,  wird  mit  Recht  bezweifelt, 
ob  man  auch  velocitas  ad  discendum  (für  discendi)  sagen  könne,  da  die 
Stelle  in  Cic.  ofF.  1,  107:  alios  videmus  velocitate  ad  cursum,  alios  viribus 
ad  luctandum  valere,  nichts  beweist,  weil  ad  cursum  mit  valere,  nicht 
mit  velocitate,  zu  verbinden  ist.  Man  sagt  wenigstens  alacritas  scribendi 
(Cic.  Att.  16,  3,  1).  Überhaupt  sei  man  vorsichtig,  ad  so  zu 
brauchen,  wenn  nicht  ein  sicheres  Beispiel  zur  Nachahmung  vor- 
liegt. Dagegen  ist  untadelig  Cic.  Lael.  83  ad  homim  comitatus  vgl. 
Seyff.-Müller  z.  Lael.  S.  492  f.  Ygl.  Hand  Tursell.  I,  S.  116.  — 
Gut  ist  ferner  a(i  bei  Zeitbestimmungen,  welche  sich  auf  die  Zu- 
kunft beziehen,  z.  B.  Nescio  quid  intersit,  utrum  illuc  nunc  veniam 
an  ad  decem  annos  =  in  zehn  Jahren,  Cic.  Att.  12,  46;  vgl.  ibid. 
2,  17,  2,  Tusc.  1,  90;  so  heisst  auch  ad  anniim  in  einem,  d.  h.  im 
nächsten  Jahre,  s.  Lucil.  930  (Pradel  S.  484),  Cic.  Att.  5,  2,  1, 
de  erat.  3,  92;  so  auch  ad  ininctum  temporis  =  in  einem  Augen- 
hlick  •  ad  ver  „um  die  Frühlingszeit",  semen  maturum  fit  ad  aiitiim- 
num  (Cato  agr.  162,  3,  vgl.  Schöndörffer  S.  26)  „gegen  den 
Herbst  hin".  S.  Nägelsbach  ^  489  f.  —  N.  L.  ist  ad  opinionem 
itsque,  der  Meinung  nach;  über  adiisque  vgl.  dieses  Wort.  —  Richtig 
ist  ad  id  mit  folgendem  td,  dazu,  zu  dem  Zwecke  dass  oder  damit,  so- 
wie ad  id  mit  folgendem  quod  bedeutet  ausserdem  dass,  gleich 
praeterquam  quod,  was  häufiger  ist ;  richtig,  wo  ad,  zu,  so  viel  ist 
als  nach,  dem  gemäss,  z.  B.  ad  voluntatem  loqui,  nach  dem  Willen  ; 
ad  nutum,  nach  dem  Winke;  richtig  ist  ferner  ad  manum  habere, 
zur  oder  bei  der  Hand  haben;  ad  se  redire,  luieder  zu  sich,  d.  h. 
zur  Besinnung  kommen,  sich  erholen,  Ter.  Ad.  794 ;  ad  memoriam, 
zum  Andenken,  neben  in  und  ob  memoriayn,  monimenti  causa  —  und 
so  vieles  andere.  —  Interessant  sind  die  Ausführungen  von  Skutsch 
über  die  Verbindung  von  ad  mit  erstarrten  Kasus  oder  Adverbien, 
vgl.  Caes.  Gall.  2,  33,  5  occisis  ad  hominum  milibus  quattuor,  so- 
wie adprobe,  adaeque  u.  ä.,  vgl.  Archiv  XII,  S.  214.  —  Am  um- 
ständlichsten hat  von  a^Z  gehandelt  Hand  im  Tursellin.  I,  S.  74 — 134  ; 
vgl.  auch  Reisigs  Yorles.  S.  725  ff.  und  jetzt  besonders   Thes.  s.  v. 

Adaeque,  auf  gleiche  Weise,  für  aeque,  nur  A.  und  ^S^.  L.,  z.  B. 
bei  Fronto  und  Apul.,  sowie  Ammian;  bei  Plaut,  nur  negativ,  vgl. 
Langen  Beitr.  21.  Bei  der  Stelle  Liv.  4,  43,  5  teilen  sich  die  Handschr. ; 
einige  haben  id  aeque,  andere  und  bessere  adaeque,  welches  Madvig 
emend.  Liv.  124  für  non  Livianum  erklärt.  Doch  s.  Lorenz  zu  Plaut. 
Most.  30,  Haupt  opusc.  II,  S.  356,  und  Ziemer  Komp.  S.  70,  so- 
wie Archiv  X,  S.  60,  Landgraf  zu  Reisig-Haase  N.  401. 

Adaequare  wird  ebenso  gut  transitiv  wie  intransitiv  gebraucht. 
Es  wird  in  der  Bedeutung  einem  etwas  gleich  machen  alicui  oder 
cmn  aliqiia  re  (aliquo)  aliquid  verbunden,  z.  B.  Caes.  Gall.  3,  12, 
3  und  Cic.  Arch.  24;  in  der  Bedeutung  eiyiem  in  etwas  gleich- 
kommen, einen  oder  etwas  in  einer  Sache  erreichen,  aliquid  alicuius , 
z.  B.  milites  longarum  navium   cursum  adaequarunt,   Caes.  Gall.  5, 

Krel)s-Schmalz,  Antibarbarus  I.  ^ 


Adagio  —     82     —  Adaperire 

8,  4.  Bei  Caes.  civ.  2,  16,  3  ist  nicht  sicher  zu  entscheiden, 
ob  se  Subjekt  oder  Objekt  ist,  der  Thes.  1.  1.  nimmt  se  als  Objekt,  also 
se  nostris  virtide  adciequare;  vgl.  noch  hiezu  Tac.  ann.  12,  60;  Plin. 
ep.  2,  7,  4,  Suet.  Domit.  2.  Etwas  dem  Erdhoden  gleich  machen  heisst 
aliquid  solo  adaequare  (Liv.  1,  29.  6:  omnia  tecta  adaequat  solo). 
Noch  öfter  sagt  man  dafür  solo  aequare,  was  Livius  nach  den  ersten 
Büchern  immer  gebraucht,  somit  später  adaequare  als  überflüssig 
fallen  lässt ;  es  steht  ae^z^are  Liv.  6,  18,  14;  22,  23,  4;  24,  47,  15, 
dann  Yell.  2,  4,  2,  Yal.  Max.  2,  7,  1  extr.,  Gurt.  8,  10,  8,  Sen. 
ad  Polyb.  1,  1,  Quintil.  2,  7,  20,  Tac.  ann.   1,  51. 

Adagio,  das  Sprichwo^i,  A.  L.  für  proverljiimi,  vgl.  Auson. 
S.  158  P.  qitod  per  adagionem  coepimus,  proverbio  finiamus ;  später 
bildete  man  adagium,  was  ebenso  verwerflich  ist.  Yon  dem  erstem 
sagte  schon  Yarro  ling.  7,  31  es  sei  bereits  verschwunden;  über  die 
Herleitung  von  aio  vgl.  Tegge  S.  132  und  Thes.  s.  v. 

Adam  oder  Adamus  kann  in  unserer  tropischen  Redensart  der 
alte  Adam,  d.  h.  die  eingewurzelte  Sündhaftigkeit,  wörtlich  übersetzt 
werden,  Adamus  vetus,  da  es  dem  biblischen  vetus  liomo  der  Yulgata 
bei  Rom.  6,  6,  Ephes.  4,  22,  Coloss.  3,  9  synonym  und  nachgebildet 
ist  und  vetus  Adam  =  der  Schwache,  der  Verführung  zugängliche 
schon  bei  Prud.  apoth.  926  ut  veterem  splendens  anima  exuat  Adam 
und  Augustin.  de  excid.  urbis  §  3:  illa  (das  Weib  Hiobs)  Eva  nova^ 
sed  ille  (lob)  non  vetus  Adam  zu  lesen  ist.  Nur  dem  Sinne  nach 
heisst  es  etwa  innatae  lihidines,  innata  cupiditatum  lenocinia,  jedes 
wie  es  der  Zweck  fordert. 

Adamare.  Dieses  Yerbum  kommt  vor  Cic.  Zeit  nicht  vor;  es 
bedeutet  nicht  lieh  haben,  was  amare  ist,  sondern  lieh  gewinnen,  sich 
in  etwas  verliehen.  Gebräuchlich  ist  es  fast  ausschliesslich  im  Perf. 
und  Plusquamperf. ;  präsentische  Formen  haben  Cic.  fin.  1,  69,  Colum. 
10,  199,  Petron.  110,  Quintil.  2,  5,  22,  und  Plin.  nat.  10,  119.  In 
der  klassischen  Periode  kommt  es  sehr  oft  von  Sachen  vor,  z.  B. 
Cic.  fam.  2,  4,  2  quarum  laudum  gloriam  adamaris,  Caes.  Gall. 
1,  31,  5  agros  et  cidtum  et  copias ;  bei  Cic.  und  Caes.  nie  von 
Menschen,  aber  bei  Nep.  Dion.  2,  3  und  öfters  N.  Kl.  und  Sp.  L., 
z.  B.  Vespasiano  adamato,  Suet.  Yesp.  23  extr,,  liomo  totus  ada- 
matur,  Apul.  Plat.  2,  22. 

Adaperire  hat  man  in  klassischer  Prosa,  die  allen  Decomposita 
abhold  war,  gemieden,  und  so  sehen  wir  es  in  Prosa,  abgesehen  von 
Yarro  rust.  2,  1,  22,  erst  seit  Livius  im  Gebrauch.  Livius  hat  es 
mehrfach,  z.  B.  5,  21,  8;  25,  30,  10;  45,  39,  17  (überall  wie  bei 
Yarro  im  Part.  Perf.  Pass.),  dann  oft  die  silberne  Latinität,  z.  B. 
dictator  privato  etiam  Pompeio  caput  adaperuit  Yal.  Max.  5,  2,  9, 
nahes  discussae  adapernere  coelum  Plin.  nat.  2,  129  und  forihus 
adapertis  ibid.  15,  80;  oft  Colum.:  adapertas  vites  relinquere  5,  5, 
6;  6,  30,  8;  8,  17,  3;  9,  8,  10;  9,  13,  10  und  sonst;  femer:  ada- 
perta  sella  per  publicum  incessit,  Suet.  Octav.  53,  toto  podio  adaperto, 
Suet.  Ner.    12    und:    hinc    ad    criminaiionem   invidorum    adapertae 


Adaptare  —     83     —  Addere 

sunt  aures  regis,  Curt.  9,  7,  24;  ferner:  equo  desüiam,  caput  ada- 
periam,  semita  cedam,  Sen.  epp.  64,  10;  adaperta  virtiis  ibid.  de 
tranq.  4,  7.  Eadem  illa^  quae  in  imum  congesserat  ocidorum 
error,  paidlatim  adaperiuntur,  de  const.  1,  2.  Libnim  .  .  tamquam 
leduriis  ex  commodo  adaperui,  Sen.  epp.  46,  1.  Latentem  friigem 
ruptis  velamentis  suis  adaperire,  N.  Q.  5,  18,  3  und  6,  24,  5  und 
de  dement.  1,  13,  1.  Oft  lesen  wir  es  auch  im  Sp.  L.  ;  die  Stellen 
siehe  Thes.  s.  v.  —  Sp.  L.  ist  adapertio,  vgl.  Rönsch  Itala  S.  69, 
Gölzer  Hieron.  S.  63. 

Adaptare,  anpassen  ist  im  A.  L.  und  Kl.  nicht  zu  finden;  es 
kommt  N.  Kl.  nur  im  Part.  Perf.  Pass.  adaptatus  bei  Suet.  vor, 
was  durch  accommodatus  ersetzt  werden  kann,  vgl.  Bagge  S.  5,  im 
Sp.  L.  auch  in  andern  Formen. 

Adhibere,  B.  L.  in  der  Bedeutung  zutrinken,  für  propinare; 
dagegen  hat  es  Plaut.  Stich.  382  u.  vielleicht  Mil.  217  =  dem 
Weine  zusprechen  und  nach  dem  Vorgang  des  Ter.  Haut.  220  sagt 
Gellius  2,  22,  25  j)^m5  paidlo  adhibi,  „dem  Glase  ein  bischen  mehr 
zusprechen"  (vgl.  Gorges  S.  8);  in  der  bildlichen  Bedeutung  auf- 
nehmen, heherzigen  findet  es  sich  zwar  nur  bei  Plautus  Mil.  876, 
vgl.  Lorenz  (883  Scholl),  und  Horaz  epist.  1,  2,  67,  kann  aber 
mit  Benutzung  ihrer  Worte  in  lebhafter  Rede  nachgebraucht  werden. 

Addere,  hinzufügen,  hinzutun,  wird  bei  Sachen  verbunden  alicui 
und  ad  aliquid,  in  aliquid:  aquam  addere  in  vinum,  Cato  agr.  111, 
sonst  selten  mit  in,  u.  nur  dann,  wenn  etwas  in  etwas  verflochten, 
eingeschaltet  wird;  Cic.  Att.  1,  13,  5 :  in  illam  orationem  Metellinam 
addidi  quaedam,  vgl.  Boot  z.  St.  und  Kritz  z.  Sali.  Cat.  51,  21;  bei 
Personen  nur  alicui,  z.  B.  mihi  animum  addis,  nohis  animos  addunt. 
Wenn  der  Begriff  sagend,  behauptend  hinzusetzen  darin  liegt,  so  folgt 
bei  einem  Satze  mit  dass  der  Accusativ  c.  Infin.,  wogegen  ut  folgt^ 
wenn  addere  hefehlend,  anordnend  hinzufügen  ausdrückt,  z.  B. :  addit 
etiam,  ut  .  .  restituat  Caes.  civ.  1,  87,  1,  Cic.  Yerr.  2,  164;  miserat 
duas  cohortes  praetorias  Caesar  addito,  ut  magistratus  Calahriae 
suprema  erga  filium  suum  m^unia  fungerentur,  Tac.  ann.  3,  2  init. 
So  auch  bei  einem  Antrag  :  At  etiam,  ut  media  nocte  proficiscamur, 
addunt,  Caes.  civ.  2,  31,  7,  und  so  mit  dem  vollen  Ausdruck :  in 
sententiam  addere,  ut  etc..  Sali.  Catil.  51,  21.  Anderer  Art  ist  der 
Satz  mit  ut  in  Fällen  wie  Plin.  ep.  6,  22,  2  flagitiis  addidit,  ut, 
quem  deceperat,  accusaret;  vgl.  auch  Max  C.  P.  Schmidt  N.  Jahrb.  1891, 
S.  194.  Während  bei  Cicero  nach  addo  und  adde  nur  ein  relatives 
quod  folgen  kann,  findet  sich  schon  bei  den  Kom.  und  Trag,  ein 
konjunktionales,  z.  B.  Att.  209  R.  tr.  adde  huc,  quod  mihi  cae- 
lestum  pater  prodigium  misit ;  dies  haben  die  Dichter  wie  Lucrez 
Horaz  Ovid,  aber  nicht  Vergil  übernommen.  In  die  Prosa  hat  es 
Asin.  PoUio  bei  Cic.  fam.  10,  31,  4  eingeführt;  ihm  folgen  die 
Epistolographen,  wie  Sen.  Plin.  Fronto  Symmach.,  die  Historiker, 
wie  Livius  (9,  19,  6).  Dem  Cicero  und  Yerg.  sowie  Livius  gehört 
adde    oder    adde   huc  mit  Objektskasus   an,   z.  B.  Yerg.  Georg.  2, 


Addicere  —     84     —  Additamentum 

155  adele  tot  urhes,  vgl.  Cic.  ofF.  1,  150;  2,  14,  Tusc.  5,  16,  nat. 
deor.  2,  98;  2,  139  und  sonst;  Liv.  7,  30,  15;  26,  41,  12.  Neben 
adde  qiiod  lesen  wir  auch  adice  quod,  und  zwar  erstmals  Liv.  23,  5, 
9;  aber  hier  mit  dem  Zusätze  ad  haec ;  ohne  Zusatz  findet  es 
sich  N.  Kl.  bei  Sen.  Piin.  Pan.  Tac.  dial.  9,  Quint.,  vgl.  Gudeman 
zu  Tac.  dial.  S.  126,  Thes.  I,  674,  16;  im  Sp.  L.  auch  adde  quia. 
Addo  mit  Inf.  im  Sinne  von  praeterea  ist  Sp.  L. ;  vgl.  Rönsch  Ital. 
S.  453,  Sittl.  S.  107  f.;  vgl.  ferner  Seyffert  schol.  lat.  1,  S.  40;  Lach- 
mann zu  Lucrez  S.  367,  Zimmermann  im  Progr.  Posen  1880  S.  5, 
Ott  Progr.  Rottweil  1869  S.  16,  Schmalz  Pollio  -  S.  48,  Rieger 
S.  37.  Bildlich  kommt  aber  se  addere  nicht  in  der  Bedeutung  sich 
anschliessen  vor,  und  es  ist  N.  L.,  wenn  Goerenz  in  seinem  Cicero 
mehrmals  sagt:  liic  codex  oder  haec  editio  saepe  se  melioribus  addit^ 
für  est,  facit,  stat  cum  melioribus  u.  a. 

Addicere  alicui,  einem  zusprechen,  beistimmen,  N.  L.  für  assentiri, 
wiewohl  in  der  heiligen  Sprache  der  Augurn  gesagt  wurde  aves 
addicunt,  die  Vögel  genehmigen  es,  heissen  es  gut,  z.  B.  Liv.  1,  36,  3 
?iisi  aves  addixissent.  Richtig  aber  und  durch  viele  Beispiele  aus 
Cic.  zu  belegen  ist  addicere  aliquem  alicui  =  jemandem  zusprecheyi, 
zuerkennen  im  rechtlichen  Sinne  oder  alicui  aliquid  =  zuschlagen, 
preisgeben,  selten  in,  z.B.  Caes.  civ.  2,  18,  5  eorum  bona  in  publicum 
addicebat  (Hess  konfiszieren)  oder  aliquem  alicui  rei  =  zu  etwas  be- 
stimmen, wozu  weihen,  z.  B.  morti  (aber  unsicher  Caes.  Gall.  6, 
13,  2  sese  in  servitutem  addicunt,  vgl.  Mensel  s.  v.);  so  auch  se  alicui 
addicere,  sich  einem  ergeben,  sich  an  einen  anschliessen,  was  dann  in 
geistigen  Dingen  heissen  kann  einem  ganz  folgen,  beistimmen  oder 
animum  alicui  addicere  =  einem  sein  ganzes  Herz  tveihen,  schenken, 
vgl.  Cic.  Plane.  93  u.  Sen.  controv.  9,  28,  13.  —  Daher  heisst  auch 
addictus  in  reflexiver  Bedeutung,  der  sich  einem  ergeben,  zugesagt 
U7id  geweiht  hat,  vgl.  Cic.  Tusc.  2,  5,  Augustin.  civ.  18,  41  nee  sen- 
tenttae  addictus  alienae.  Ebenso  ist  es  in  der  Bedeutung  ergeben, 
zugetan  nicht  zu  verwerfen,  wiewohl  ein  Superl.  addictissimus  un- 
erweislich ist;  aber  nie  steht  es  in  einem  Briefe,  vf o  msm  ßdissimus, 
(tibi)  deditissimus,  amicissimus,  studiosissimus  oder  observantissi- 
mus  sagt. 

Addiscere,  welches  yioch  mehr  dazu  leimen  bedeutet  (vgl.  Cic. 
Cato  26,  Plin.  epp.  4,  23,  1,  Colum.  1,  8,  3  und  13),  wird  im 
N.  Kl.  und  im  Sp.  L.,  z.  B.  Sen.  nat.  7,  32,  4  hoc  maiores  doce- 
rent,  hoc  minores  addiscerent  auch  für  das  einfache  discere,  lernen, 
erfahren  gebraucht.  Bei  Suet.  Calig.  47,  wo  es  heisst:  yionnullos  ex 
principibus  Galliarum  coegit  .  .  et  sermonem  Gertnanicum  addiscere, 
hätte  discere  genügt,  allein  durch  addiscere  sollte  das  Erlernen  einer 
weitern  Sprache  zu  der  Muttersprache  hinzu  besonders  ausgedrückt 
oder  hervorgehoben  werden;  vgl.  dazu  Cic.  de  or.  3,  86  und  dazu 
Thes.  S.  578,  41. 

Additamentum  ist  zwar  Kl.  (bei  Cic.  nur  Sest.  68,  bei  Caes. 
nirgends)  in  der  Bedeut.  Zugabe,  Zusatz,  was  noch  beigegeben,  hinzu- 


Additicius  —     85     —  Adducere 

gefügt  ist,  aber  freilich  nirgends  als  Kunstwort  der  Kritiker  vom 
Zusätze  einzelner  oder  mehrerer  Wörter  eines  andern  zur  Rede  des 
Schriftstellers,  also  nicht  fremder  Zusatz,  Da  aber  kein  eigenes 
Kunstwort  der  Alten  für  solche  Zusätze  vorhanden  ist  und  die  Grund- 
bedeutung dem  neuen  Gebrauch  nicht  widerspricht,  so  scheint  es 
nicht  verwerflich,  zumal  da  Cicero  es  sogar  von  einer  unbedeutenden 
Person  braucht,  welche  er  spöttisch  additamentum  inimicorum  meormn 
nennt.  Andere  wollen  accessio,  additio,  adiectio  u.  dgl.,  welche  Wörter 
aber  eben  so  wenig  für  den  Begriff  erweislich  sind.  Doch  kann  für 
adiectio  vielleicht  folgende  Stelle  eingesehen  werden:  commodiiis 
vobis  est,  si  fateamini  (testamentum  vetus)  incongruis  esse  adiectio- 
nihus  vitiatum,  Faust,  bei  Aug.  contr.  Faust,  lib.  32,  5.  Zulässig 
ist  ohnehin  auch  die  Umschreibung  mit  dem  Yerbum  addere.  In 
andern  Redensarten  wird  Zugabe  am  besten  durch  cumidiis  in  Ver- 
bindung mit  dem  Verbum  decedere  ausgedrückt;  z.  B.  Cicero  Att. 
16,  3,  3  accedit  magnus  ciimulus  commendationis  tuae. 

Additicius  und  additivus^  liinzugeßlgt,  beide  sehr  S}).  L.  für 
additus,  appositus;  vgl.  Thes.  I,  S.  579. 

Addocere,  noch  dazu-,  dabei  lehren,  findet  sich  nur  einmal  und 
zwar  bei  Horaz  ep.  1,  5,  18,  nirgends  bei  Cicero,  obwohl  es  dem 
addiscere  Cic.  Cato  26  entspricht;  es  ist  aber  als  kurzer  und  klarer 
Ausdruck  für  neue  Künste  lehren  ganz  unverwerflich. 

Adducere.  Adducere  locum  Homeri,  Piatonis  oder  geradezu 
adducere  Homerum,  Platonem  u.  dgl.  =  eine  Stelle  von  Homer,  den 
Homer  ayifrihren  ist  wie  prod^were,  citare  N.  L.  Denn  will  man  sich 
auf  Sen.  de  ira  2,  16,  2  berufen:  ea  animalia  in  exemplum  hominis 
adducit,  so  lässt  sich  diese  Ausdrucksweise  insofern  begreifen,  als 
adducere  hier  mit  einem  lebendigen  Objekt  verbunden  ist,  und  wie 
man  Tiere  im  eigentlichen  Sinn  zur  Schau  vorfilhrt,  so  lassen  sich 
dieselben  auch  tropisch  als  Muster  oder  Vorbilder  für  Menschen  vor- 
oder  anführen.  Im  gewöhnlichen  Gebrauch  dagegen  kann  für  unser 
zitieren,  anführen,  producere,  adducere  u.  citare  mit  persönlichen 
Objekten,  mit  oder  ohne  den  Beisatz  von  testem,  auctorem  nicht  ver- 
bunden werden.  Es  ist  daher  nach  Seyfl'ert  eine  kühne  poetische  Licenz, 
wenn  Livius  4,  20,  8  sagt :  libri  quos  Macer  Licinius  identidem  citat 
auctores.  Sehr  verschieden  davon  ist  Cic.  off.  1,  75:  quamvis  enim 
Themistocles  iure  laudetur  et  sit  eius  nomen  quam  Solonis  illustrius 
citeturque  Salamis  clarissimae  testis  victoriae;  denn  die  Personifikation 
von  Ortern  ist  gerade  bei  Berufung  auf  Zeugnisse  etwas  Gewöhn- 
liches, und  dass  citare  überall  nur  bedeute  vocare  aliquem  ut  adsit, 
speziell  testificandi  causa  ist  auch  von  Madvig  de  fin.  II,  §  18  be- 
zeugt, niemals  aber  ist  es  =  dem  einfachen  nominare.  Bei  säch- 
lichen Anführungen  sage  man  also  afferre,  proferre,  z.  B. :  cum  la- 
boris  sui  periculique  testimonium  afferre  vellent,  Caes.  civ.  3,  53,  4 
und:  Timothei  moderatae  sapientisque  vitae  cum  pleraque  possimus 
proferre  testimonia,  uno  erimus  content],  Nep.  Timoth.  4,  2.  Proferre 
wird  auch  mit  persönlichen  Objekten  verbunden:    Themistoclem  mihi 


Ademptio  —     86     —  Adeo 

et  Demosthenem  profertis,  Cic.  Tusc.  4,  55 ;  allegare  ist  erst  seit 
Plin.  und  Quintil.  in  Gebrauch  gekommen;  bei  lohender  Anführung 
steht  laudare  klassisch  :  quem  rerum  Romanarum  auctorem  laudare 
possum  religiosissimiim,  Cic.  Brut.  44.  —  Nach  adducor  =  ich  luerde 
zum  Glauben  heivogen  folgt  lateinisch  gar  nicht  selten  ut  credam, 
putem,  existimen.  Dieser  Gebrauch  findet  sich  nicht  nur  bei  kirch- 
lichen Autoren,  wie  Ambros.  de  off.  m.  3,  12,  78,  Hexaem.  4,  4, 
14,  Arnob.  3,  6,  sondern  auch  bei  Nachklassikern  und  Klassikern. 
Ygl.  Cic.  nat.  deor.  2,  17,  Lael.  59,  Phil.  8,  30,  fam.  2,  10,  1,  Liv. 
2,  18,  6  u.  4,  49,  10  u.  6,  42,  6,  Yal.  Max.  2,  6,  6  u.  Plin.  epp. 
8,  3,  2.  Nach  adduci  nequeo  folgt  quiyi  existimen  bei  Suet.  Tib. 
21  (wie  Hirt.  Gall.  8,  19,  8  nach  mala  calamitate  potuit  adduci 
schon  (luin  setzt).  Wenn  aber  adducor  für  sich  allein  in  der  präg- 
nanten Bedeut. :  ich  luerde  zum  Glauben  beivogen,  vorkommt,  so  folgt 
darauf  der  Accus,  c.  hifln.,  wie  Cic.  leg.  2,  6,  Cluent.  104,  wenn 
der  Begriff  des  credere,  die  Konstruktion  mit  ut,  wenn  der  des  adduci 
vorherrscht;  Cic.  fin.  1,  14  u.  ebendas.  4,  55.  Man  sagt  daher 
adducor  ut  sit  verum  und  adducor  esse  verum;  vgl.  SeyfiPert-Müller 
zu  Lael.  S.  388  und  die  ausführliche  Darlegung  von  Madvig  zu  fin. 
S.  33  f.,  sowie  Nägelsbach-Müller  ^  S.  694.  —  Ob  aliquem  addu- 
cere  ad  partes  alicuius  irgendwo  vorkomme,  scheint  zweifelhaft.  Doch 
ist  es  eine  Frage,  ob  es  darum  überhaupt  als  unlat.  zu  verwerfen 
sei.  Sagt  man  lat.  ja  doch  nicht  bloss  aliquem  ad  siiam  sententiam 
perducere,  Cic.  fam.  2,  3,  1  u.  de  orat.  2,  310,  sondern  auch  in 
suam  sententiam,  ad  suum  arhitrium  adducere,  s.  Cic.  fam.  5,  20,  2, 
Liv.  36,  11,  8  und  ad  suam  auctoritatem,  ad  tale  consilium  adducere, 
s.  Cic.  Deiot.  29  u.  Sali.  Catil.  40,  1  u.  ad  suscipiendum  bellum 
adducere,  Caes.  Gall.  7,  37,  6.  —  N.  L.  möchte  wohl  sein  adducere 
adminicula,  Stützen  gebrauchen,  für  adhibere  adminicula,  oder  mit 
Stützen  versehen  im  eigentlichen  Sinne  applicare,  addere  adminicula. 

Ademptio,  die  Wegnahme,  Kl.  nur  in  der  Rede  Cic.  dom. 
78  ademptio  civitatis  wohl  der  Konzinnität  zu  liebe;  sonst  nur  N.  Kl. 
bei  Tacitus  ann.  2,  76  ;  4,  6  und  Sp.  L. 

Adeo  ist  hinsichtlich  seines  Gebrauches  im  Altlat.  von  Langen  Beitr. 
S.  137  — 152  und  von  Th.  Braune  S.  23 — 41  gründlich  besprochen; 
vgl.  dazu  Sydow  Zum  Gebrauch  von  adeo  bei  Plautus,  Stettin  1896, 
Progr.,  Sjögren  S.  63.  Es  erscheint  sicher,  dass  adeo  ut  =  „in  der 
Absicht  dass"  sich  nicht  erweisen  lässt;  sehr  selten  findet  sich  die 
lokale  Bedeutung,  nirgends  bei  Cic.  Caes.  Sali.  Liv.,  wohl  nur  bei 
Cato  Colum.  Florus;  die  temporale  kommt  häufiger  vor,  sogar  bei 
Cicero,  vgl.  Yerr.  3,  77  liciti  sunt  usque  adeo,  quoad  se  efficere 
posse  ajMtrabantur  u.  Sest.  82  usque  adeo  hominem  in  periculo  fuisse, 
quoad  scitum  est,  ist  aber  bei  Nep.  Sali.  Liv.  nicht  anzutreffen;  un- 
klassisch ist  adeo  in  Yergleichungen,  z.B.  Ter.  Andr.  245  adeon  homi- 
nem esse  infelicem^  ut  ego  sum  l  Liv.  4,  2,  1  Id  non  adeo  plebis 
quam  patrum  cidpa  accidere;  30,  44,  6  Qui  (risus)  nequaqimm  adeo 
est  intempestivus  quam  vestrae   istae  lacrimae  sunt.     Gerne  schliesst 


Adeptus  —     87     —  Adequitare 

sich  adeo  an  Pronomina,  so  besonders  an  id  (oft  auch  bei  Cic), 
selten  an  ein  Relativ,  hier  um  etwas  wichtigeres  anzufügen, 
z.  B.  Plaut.  Amph.  678  Ampliitruo  uxorem  salatat,  quam  omnium 
optamam  diiudicat  quamque  adeo  („id  quod  maius  est"  Braune) 
cives  Thebani  vero  rumificant  proham ;  schliesslich  lesen  wir  es  in 
Verbindung  mit  den  Konjunktionen  sive,  nive,  ersteres  auch  bei  Cic, 
z.  B.  Yerr.  3,  110;  mit  si  wohl  nur  Altlat.  bei  Ter.  Andr.  440. 
Im  begründenden  Epiphonem  gebraucht  es  öfter  Livius,  z.  B.  2,  40, 

11  non  inviderunt  laude  sua  rmdierihus  viri  Romani:  adeo  sine  ob- 
tredatione  gloriae  alienae  vivehatur ;  diese  Konstruktion  ist  Cic. 
noch  fremd,  Ljv.  hat  sie  nach  dem  Vorgänge  von  Verg.  Greorg. 
2,  272,  jedoch  in  den  späteren  Dekaden  seltener,  vgl.  Seyffert 
schob  lat.  II,  S.  136,  Stacey  im  Archiv  X,  S.  70,  Seyffert-Müller 
z.  Lael.  S.  158.  —  Die  Konstruktion  adeo  non  iit  lesen  wir 
nirgends  bei  Cic.  und  Caes.,  sie  ist  Sali.  u.  Liv.  besonders  eigen 
und  von  diesen  auf  Vell.  Curt.  u.  Sp.  übergegangen.  Unbeanstandet 
ist  adeo  iit  bei  Cic.  fam.  9,  10,  2  tu  adeo  mihi  excussam  severitatem 
veterem  putas,  ut  ne  in  foro  quidem  reliquiae  appareant ;  ebenso  bei 
Caes.  Nep.  Asin.  Poll.  Hör.  Liv.  u.  Sp.  (Dahl  S.  178).  -  N.  L. 
aber  ist  wohl  ut  adeo,  so  dass  sogar,  ebenfalls  im  Beisatze,  z.  B.  iit 
adeo  Placidiae  ancillae  aegre  risum  continerent,  für  ut  ipsae 
etiam  Plac;  ferner  quam  adeo  non,  wie  sogar  nicht,  für  quam 
non  ohne  adeo  (Cic.  Ligar.  6) ;  unkl.  sind  Redensarten  wie 
ipse  adeo  Cicero,  selbst  sogar  Cicero  für  ipse  ille  Cicero,  während 
jedoch    ipse    adeo    bei    Plaut,    u.    Ter.    u.    auch    bei    Liv.    9,    26, 

12  ipsos  adeo  dictatorem  magistrumque  equitum  reos  esse  un- 
beanstandet bleibt  (Braune  39);  oder  eum  adeo  amo,  vgl.  jedoch 
fürs  Altlat.  Braune  38  f. ;  ferner  ist  für  unser  so  sehr  als  lat.  ge- 
wöhnlich bloss  tarn  —  quam,  z.  B.  nulla  re  tam  laetor,  quam  con- 
scientia  officiorum  meorum.  —  Endlich  meide  man  adeo  in  der  Be- 
deutung daher,  also,  um  eine  Folgerung  zu  ziehen,  für  ideo,  igitur, 
wenn  auch  Reisig  (Vorles.  S.  298)  mit  Unrecht  sagt,  dass  adeo  nie 
gebraucht  werde,  um  zu  folgern;  vgl.  Cotta  S.  41  über  atque  adeo 
anstelle  von  atque  ideo  bei  scr.  h.  Aug.,  sowie  Landgraf  zu  Reisig- 
Haase  S.  298.  —  Was  atque  adeo  bei  Cicero  u.  a.  bedeute,  darüber  s. 
Stürenb.  in  seiner  deutschen  Ausg.  von  Cic.  pro  Archia  S.  123,  Seyffert 
schob  lat.  I,  S.  23 ;  es  ist  eine  Form  der  correctio  =  oder  vielmehr, 
vgl.  Cic.  Plane.  48  j^osco  atque  adeo  flagito  crimen.  Sehr  vollständig 
handelt  von  adeo  Hand  Tursell.  I,  S.  135 — 155,  sowie  natürlich 
der  Thes.  s.  v. 

Adeptus  in  passiver  Bedeut.  findet  sich  bei  Sallust  (Cat.  7,  3; 
Jug.  101,  9),  dann  :N.  Kl.  bei  Val.  Max.  3,  5,  1,  bei  Tac.  ann. 
1,  7  und  Sueton.  Tib.  38.  In  der  Cic.  Stelle  (Cato  4)  ist  adeptam 
nunmehr  definitiv  aufgegeben.  Die  Stellen  aus  Dichtern  und  dem 
Sp.  L.  siehe   bei   Neue -Wagener  ^  III,  S.  23   u.  Thes.  S.  690,  20  ff. 

Adequitare,  heranreiten,  wird,  wo  es  nicht  absolut  steht,  mit  ad 
oder    dem    Dativ    verbunden  ;  das  erstere  gewöhnlich  bei  Personen, 


Adesse  —     88     —  Adhaerescere 

s.  Caes.  Gall.  1,  46,  1  (nur  hier  bei  Caesar,  nirgends  bei  Cic), 
Liv.  35,  35,  14;  bei  sächlichen  Wörtern  ist  der  Dativ  das  regel- 
mässige bei  Liv.  1,  14,  7;  9,  22,  4;  10,  34,  8  u.  22,  42,  5  und 
Tac.  ann.  6,   34,  Plin.  nat.    15,    76,   Flor.   2,   20,  4,  Front,  strateg. 

1,  5,  16  u.  2,  5,  23.  Auch  steht  es  mit  in  c.  Accus,  bei  Curt.  7, 
4,  33:  in  primos  ordines  adequitavit  =  er  sprengte  unter  die  vor- 
dersten Reihen  hinein.  Ob  auch  der  blosse  Accus,  zulässig  sei,  ist 
sehr  zweifelhaft.  Bei  Curtius  4,  9,  23  liest  Weinhold  et  iani  perar- 
matis  adeciuitare  coepit  (früher  Yogel  nach  Hedicke  ad  iam  perar- 
matos  adequitare  coepit);  bei  Liv.  24,  31,  10  steht  jetzt  ahequitare 
Syraaisas.  Vgl.  Thes.  S.  632,  70  ff.  u.  Fügner  Lex.  Liv.  s.  v. 
ahequitare. 

Adesse,  dasein,  beschränkt  sich  nicht  auf  lebende  Wesen,  die 
leiblich  an  einem  Orte  zugegen  oder  gegenwärtig  sind,  sondern  an 
manchen  Stellen  der  Klassiker  und  Nachklassiker  wird  es  auch  von 
leblosen  gebraucht,  deren  Dasein  durch  die  Wirkung  sichtbar  ist, 
wie  tayiti  aderant   morhi   (Cic.  fin.  2,  96),   adest  ingens  seditio  (Liv. 

2,  29,  1);  Tac.  ann.  1,  13:  quousque  patieris,  Caesar,  non  adesse 
Caput  reipuhlicaef  und:  an  eandem  Romanis  in  hello  virtutem  quam 
in  pace  lasciviam  adesse  C7'editisf  Agric.  32,  u.  c.  42.  Das  Dasein, 
d.  h.  die  Existenz  Gottes  heisst  daher  nicht  deum  adesse.^  sondern 
esse;  es  ist  schon  Hoffnung  da,  nicht  adest,  sondern  est;  es  ist  kein 
Grund  da  (vorhanden),  nicht  adest,  sondern  est;  die  Reden  sind 
noch  da,  nicht  adsunt,  sondern  exstant;  darüber  sind  viele  Stellen  da, 
sunt  oder  reperiuntur,  nicht  adsunt  —  und  so  in  ähnlichen.  — 
Wiewohl  alicui  adesse  in  aliqua  re  oft  vorkommt,  so  scheinen  die 
Alten  doch  nicht  adesse  cilicui  in  auspicio  (ausinciis)  gesagt  zu  haben, 
sondern  bloss  esse  alicui  u.  s.  w.    Ygl.  Cic.  rep.  2,  16  u.  divin.  2,  71. 

Adgregare  se,  sich  anschliessen,  ad  aliquem,  ad  aliquid,  an 
einen,  an  etwas,  bei  Cicero  und  Caesar,  vgl.  Caes.  Gall.  6,  12,  6, 
Cic.  fam.  1,  9,  11;  aliquem  in  aliquid,  z.  B.  in  numerum,  in  oder  an 
eine  Anzahl,  bei  Cicero,  z.  B.  Mur.  16  te  semper  in  nostrum  nu- 
merum aggregare  soleo  Nach  dem  Vorgänge  des  Tac.  und  Sueton 
kann  auch  se  adgi'egare  alicui  oder  aliquem  alicui  adgregare  gesagt 
werden:  Lucilius  Bassus  .  .  .  amhiguos  militum  anhnos  partihus 
adgregaverat.,  Tac.  bist.  3,  12,  oder  für  se  adgregare  das  mediale 
adgregari  mit  Dat. :  antequam  is  quoque  Ves2)asiani  partihus  ad- 
gregaretur,  Tac.  bist.  2,  96  u.  Suet.  Ner.  43. 

Adhaerere,  anhayigen,  findet  sich  bei  Cic.  nur  Arat.  292  absolut 
und  nat.  deor.  2,  137  cihi  vias,  qiuie  pertinent  ad  iecur  eique  ad- 
haerent  mit  Dativ.  Caesar  hat  es  nirgends.  P.  und  N.  Kl.  wird 
es  meistens  mit  Dativ  konstruiert,  an  etwas,  einem  hangen,  vgl. 
Ovid.  met.  6,  641  lateri  qua  xjectus  adhaeret,  Sen.  dial.  11,  8,  1 
incommodis  quae  exsilio  adhaerent,  vgl.  Georges  Yell.  S.  44,  wo 
Stellen   aus   Livius  Vell.  Plin.  mai.   gegeben   sind,   Kühnast  S.  135. 

Adhaerescere,  hängen  hleihen  an  etwas,  meistens  ad  aliquid,  z.B. 
Caes.  Gall.  5,  48, 8  tragula  casu  ad  turrim  adhaesit,  in  etwas,  in  aliqua 


Adhaesitatio  —     89     —  Adhibere 

re;  an  jemand,  in  aliqiio,  z.  B.  Cic.  dorn.  63  in  me  omnia  coniu- 
rationis  nefariae  tela  adhaesenint;  bildlich  sich  anschliessen  an  et- 
was, an  etivas  festhalten,  aliad  rei  u.  ad  aliquam  rem,  z.  B.  ad 
quamainque  sunt  disciplinam  quasi  tempestate  delati,  ad  eam  tam- 
qiiam  ad  scopidum  adhaeresciint  Cic.  acad.  2,  8  u.  mit  in  mit  Accus. 
nonne  providendum  senatui  fuit,  ne  in  hanc  tantam  seditionis 
materiam  ista  funesta  fax  adhaeresceret  .^  Cic.  dom.  13  (doch  fügt 
Rück,  de  M.  Tulli  Cic.  orat.  de  domo  sua  ad  pontifices,  München 
Diss.  1881,  S.  16  nach  seditionis  das  Partizip  iacta  ein,  andere 
wollen  in  hac  tanta  materie  lesen,  so  L.  Lang  Spie.  crit.  in  Cic. 
orat.  de  domo,  Leipzig  1881,  S.  17). 

Adhaesitatio  und  adhaesio,  das  Anhangen,  Welche  dieser  For- 
men bei  Cic.  (fin.  1,  19)  die  rechte  sei,  war  früher  streitig,  jetzt 
lesen  C.  F.  W.  Müller  und  Madvig  adhaesiones,  vgl.  Madvig.  z.  St. 
Damit  ist  überhaupt  das  Wort  adhaesitatio  aus  der  Welt  geschafft; 
adhaesio  jedoch  findet  sich  Sp.  L.  öfter,  z.  B.  bei  Apul.  Hieron. 
Augustin.,  vgl.  Gölzer  Hier.  S.  80 ;  die  Form  adhaesus  gehört  aus- 
schliesslich dem  Dichter  Lucr.  an,  vgl.  Thes.  S.  637  f. 

Adhibere,  was  meistens  zuziehen,  antuenden  und  brauchen  zu 
etivas  bedeutet,  drückt  nie  das  blosse  brauchen  und  gebrauchen 
ohne  einen  bestimmten  Zweck  aus,  wie  im  N.  L.  oft  vocem,  voca- 
bulum  u.  a.  adhibere  bloss  in  dem  Sinne  von  uti,  usurpare  steht, 
z.  B.  hoc  vocabulum  poetae  numquam  adhibent ;  hanc  vocem  de  diis 
adhibuit  poeta;  Homerus  multas  comparationes  adhibuit;  illud  arti- 
ficium  (diesen  Kunstgriff)  adhibet  Cicero;  Romani  curias  adhibuerunt 
rebus  divinis.  Richtig  bemerkt  Ruhnken:  Adhibeo  non  est  utor,  ut 
in  lexicis  traditur,  sed  admoveo,  advoco,  assumo.  Wohl  aber  kann 
adhibere  in  der  scheinbaren  Bedeutung  gehrauc^ien  angewandt  werden, 
wenn  zugleich  der  Zivech,  luozic  oder  der  Gegenstand,  luobei  und 
ivorin  etwas  gebraucht  wird,  hinzugesetzt  ist  oder  aus  dem  Zusammen- 
hange dazu  gedacht  wird,  wie  in  Cic.  orat.  191  :  iambicus  numerus 
potissimum  propter  simiHtudinem  veritatis  adhibetur  (wird  gebraucht) 
in  fabidis.  Eine  Menge  von  weiteren  Belegen  dafür  s.  Thes.  S.  647 ; 
wie  adhibere  neben  uti  synonym  gebraucht  werden  kann,  ersehe  man 
aus  Cic.  orat.  209,  de  or.  1,  73.  —  Was  die  Konstruktion  von  ad- 
hibere betrifft,  so  wird  bei  sächlichen  Wörtern,  auf  oder  für  welche 
etwas  in  Anwendung  gebracht  wird,  sowohl  der  Dativ  als  der 
Accus,  mit  a(i  gebraucht :  z.B.  ad  convalescendum  adhibe  prudentiam, 
Cic.  Att.  12,  4,  2  und:  privatis  suis  rebus  cautionem  adhibere, 
ibid.  1,  19,  8  und:  belli  necessitatibus  patientiam  adhibere,  Liv.  5, 
6,  3.  Bei  Personen  ist  der  Dativ  so  vorherrschend,  dass  sich  für 
die  Fügung  mit  ad  nur  drei  Beispiele,  Cic.  nat.  deor.  1,  112,  acad. 
2,  32  u.  Tusc.  4,  60  nachweisen  lassen;  immer  sonst  vim,  manus 
etc.  etc.  adhibere  alicui.  —  Sp).  ist  adhibere  fidem  alicui  in  der  Be- 
deutung ehiem  Glauben  beimessen,  einem,  glauhen,  für  habere  fidem, 
tribuere  fidem,  credere  alicui,  da  jenes  heisst  Redlichkeit  anwendeyi 
oder  zeigen  in   einem  einzelnen  Falle,    vgl.  Plaut.  Rud.  1043,    Cic. 


Adhortamen  —     90     —  Adhuc 

Cluent.  118  quam  ipse  adhihere  consuevit  in  amicorum  pericidis  fidem. 
Gut  ist  auch  adhibere  mit  einem  Adverb  wie  liheraliter,  severiiis 
aliquem  adliihere  Cic.  Q.  fr.  1,  1,  16;  quos  ego  universos  adhiheri 
liberaliter  dico  oportere,  Cic.  Att.  10,  12,  3;  selten  hingegen,  aber 
gut  ist  se  adhibere  für  se  gerere,  sich  benehmen,  sich  betragen:  sie 
se  adhihere  in  tanta  potestate  ut,  Cic.  Q.  fr.  1,  1,  22.  Jemanden 
zu  Rate  ziehen  ist  aliquem  in  oder  ad  consilium  adhihere.  Dies  ist 
der  klass.  Gebrauch,  für  welchen  bei  Cic.  Caes.  Liv.  der  Dativ 
nicht  häufig  ist,  vgl.  z.  B.  Caes.  Gall.  6,  13,  1,  Cic.  div.  1,  95, 
Liv.  23,  8,  5,  während  der  Dativ  in  der  nachklass.  Prosa  vorherrscht ; 
so  sagt  Tac.  ann.  14,  62,  Curt.  10,  6,  15,  Plin.  ep.  6,  15,  3  con- 
silio  adhihere.  Im  Zusammenhang  genügt  auch  adhihere  allein  ohne 
weitern  Beisatz  wie  unser  zuziehen.  S.  darüber  Liv.  5,  25,  7. 
Ähnlich  wie  consilio  adhihere  ist  adhihere  cenae,  coyivivio  zu  beur- 
teilen, Curt.  8,  1,  22,  Quint.  11,  2,  12,  Suet.  Caes.  73,  Calig.  25 
und  sonst.  Endlich  animmn  adhihere  =  animum  attendere  oder 
intendere  =  seineyi  Geist,  seine  Aufmerksamkeit  auf  etwas  richten, 
kommt  klassisch  nur  einmal  bei  Cic.  harusp.  20  adhihete  animos 
et  mentes  vestras,  non  modo  aiires  vor,  während  diese  Verbindung 
sonst  den  klass.  Dichtern  Yirgil  und  Ovid  angehört,  u.  sich  dann 
Sp.  L.  noch  einmal  in  Prosa  bei  Oros.  bist.  2,  18,  5  findet.  Sehr 
eingehend  handeln  Nägelsbach-Müller  ^  S.  439  f.  über  den  Gebrauch 
von  adhihere,  sowie  Thes.  I,  S.  638  ff. 

Adhortamen  und  adhortatus,  die  Ermunterung,  beide  ^S^;.  L. 
für  adhortatio  (bei  ApuL,  Kretschmann  S.  39  u.  S.  40);  adhortaius 
steht  im  Abi.  Sing,  schon  bei  Yell.  2,  89,  4  (sonst  nirgends). 

Adhortari,  ermuntern  zu  etwas.  Kl.  ad  aliquid,  N.  Kl.  selten 
bei  Tacitus  u.  a.  in  aliquid;  bei  einem  folg.  Satze  mit  Konjunktiv 
ohne  Konjunktion,  z.  B.  Ter.  Eun.  583  adhortor  properent,  mit  ut 
oder  yie,  N.  Kl.  auch  mit  Lifinitiv,  z.  B.  San.  dial.  5,  15,  3;  auch 
findet  man  ad  mit  dem  Gerundium.  Bezüglich  einer  Sache  de  aliqua 
re,  z.  B.  Cic.  Att.  2,  14,  2,  Caes.  Gall.  7,  17,  2.  Wie  wir  im 
Deutschen  sagen :  sich  gegen  ettvas  fassen  imd  zusammennehmen, 
so  auch  der  Lateiner  adhortari  se  et  indurare  adversus  aliquid,  Sen. 
epp.  4,  6. 

Adhuc  bedeutet  Kl.  nur  bis  jetzt,  hisher,  his  dahin,  wo  der 
Sprechende  die  jetzige  Zeit  denkt,  und  so  his  jetzt  noch  nicht,  adhuc 
no7i,  his  jetzt  noch  niemand,  nichts,  nie,  nemo  adhuc,  nihil  adhuc,  adhuc 
numquam  (s.  Cic.  Catil.  2,  16  u.  das.  Richter).  Unser  noch  wird  aber 
auch  bei  etwas  Vergangenem  gebraucht;  in  diesem  Falle  ist  adhuc 
nicht  Kl.,  nur  Dichter  und  N.  Kl.  Historiker  (vgl.  Livius  6,  32,  2, 
und  das.  Weissenborn,  und  21,  48,  u.  das.  Fabri ;  auch  24,22,  8), 
welche  das  Vergangene  gern  lebhaft  vergegenwärtigen,  gebrauchen 
hier  adhuc,  in  der  klassischen  Prosa  steht  dafür  tum,  etiam,  etiam 
tum,  tum  etiam,  ad  id  tempus,  usque  ad  id  oder  illud  tempus ;  bei 
den  altern  Autoren  wie  Cic.  werden  adhuc  und  nunc  nur  im  Brief- 
stil   mit    einem    historischen  Tempus   verbunden   oder   auch  in   der 


Adhuc  —     91      —  Adhuc 

philosophischen  Erörterung,  z.  B.  Cic.  fin.  3,  40  qiiae  quidem  (sc. 
'philosophia)  adhuc  peregrinari  videbatiir,  ferner  in  erat.  obl.  aus  der 
orat.  recta  beibehalten,  z.  B.  Cic.  de  or.  1,  94  scripsi  disertos  me 
cognosse  nonmdlos,  eloqnentei)i  adJiuc  neminem^  vgl.  Heraus  zu  Tac. 
hist.  1,  10  init.,  Fügner  Lex.  Liv.  s.  v.,  Gudeman  zu  Tac.  dial. 
S.  263.  Man  sage  nicht:  Tacitus  haec  scripsit  vivente  af?/ii*c  Nerva 
wie  Spart.  Ael.  6,  7  vivente  adhuc  Vero,  sondern  viv.  etiam  tum  N. 
—  Noch  in  der  Bedeutung  noch  heutzutage,  noch  jetzt  heisst  nicht 
adhuc  hodie,  wie  Hygin.  fab.  133  S.  114  sagt,  sondern  hodie  (über 
hodieque  s.  das  Nähere  unter  diesem  Worte),  etiam  nunc,  nicht  ad- 
huc nunc,  was  N.  Kl.  bei  Suet.  Claud.  1  steht,  z.  B.  man  sieht 
dieses  Bild  noch.  Immer  noch  ist  adhuc,  z.  B.  Cic.  Att.  3,  4,  1 
minus  moleste  feremus  nos  vixisse  et  adhuc  vivere.  —  Adhuc  in  der 
Bedeutung  soga?'  noch  in  einem  verstärkenden  Zusätze  ist  N.  L., 
z.  B.  idque  adhuc  (imd  dieses  sogar  noch)  exeunte  anno,  für  idque 
etiam  oder  bloss  idque  exeunte.  —  Unser  noch  andere,  ausserdem 
noch  andere  heisst  Kl.  etiam  oder  praeterea  alii,  N.  Kl.  adhuc  alii 
und  noch  an  einem  andern  Ort  =  atque  adhuc  alibi  Quintil.  2,  21, 
6  — ,  was  nicht  nachzuahmen  ist.  Auch  beachte  man,  dass  für 
unser  tadelndes  noch  lateinisch  etiam  gebraucht  wird.  S.  Ruhnken 
zu  Ter.  Eun.  668:  Scelerate  etiam  respicis;  Plaut.  Pers.  275. 
Sonst  ist  es  selten  und  vorzugsweise  poetisch,  etiam  ■■=  etiam  nunc, 
adhuc  zu  gebrauchen.  S.  Ruhnken  zu  Ter.  Andr.  116.  Unser  noch 
obendrein  ist  etiam  insuper,  insuper  etiam;  vgl,  Ter.  Eun.  645  u. 
1014,  Adolph.  246 ;  noch  lange,  noch  auf  lange  Zeit,  nicht  adhuc 
diu  oder  diu  adhuc,  sondern  diu  ohne  adhuc.  Falsch  ist  dent  dii, 
ut  Phaedria  diu  adhuc  huius  sermonis  recordetur,  für  ut  Ph.  di^t 
h.  s.  rec;  —  N.  L.  ist  adhuc  semel  in  der  Bedeutung  der  Zahl, 
noch  einmal  für  iterum,  N.  L.  adhuc  semel  tantum,  noch  einmal  so 
viel,  für  alterum  tantum;  adhuc  semel  tam  longus,  noch  einmal  so 
lang,  für  altero  tanto  longior ;  s.  darüber  Nep.  Eumen.  8,  5  und 
Liv.  1,  36,  7;  etiam  adhuc,  nunc  adJiuc,  auch  noch,  auch  nocli  bis 
jetzt,  für  etiamtum,  etiamnum;  adhuc  addere,  adiungere,  noch  hinzu- 
fügen, für  addere,  adiungere  ohne  adhuc.  N.  Kl.  ist  pauca  adhuc  adi- 
ciam  bei  Sen.  nat.  2,  52,  1  und  imam  rem  adhuc  adiciam  ib.  4,  8, 
1.  Ebenso  N.  Kl.  und  Sp.  L.  ist  es  auch  in  der  gewöhnlichen  Be- 
deutung überdies  für  etiam,  praeterea  etiam,  z.  B.  Sen.  ep.  52,  4 
praeter  haec  adhuc  invenies  gemis  aliud;  es  entspricht  adhuc  etiam 
einem  klass.  praeterea  quoque,  wie  Kalb  Roms  Juristen  S.  76  aus 
Quint.  und  Gaius  erweist.  Was  man  aus  Cic.  fin.  4,  71  anführt: 
ide^n  adhuc,  bedeutet  nach  Madvig  bis  dahin,  und  bei  Liv.  22,  49, 
10  et  vixisse  adhuc,  bis  jetzt,  bis  zu  diesem  Augenblicke,  mit  dem 
Begriffe  der  jetzigen  Zeit.  Auch  Madvig  leugnet  jene  Bedeutung 
für  die  bessere  Prosa.  —  Bis  jetzt  immer  ist  adhuc  semper  bei  Cic. 
de  orat.  1,  119:  enuntiaho,  quod  adhuc  semper  tacui  et  tacendmn 
putavi.  —  Richtig  sind  ferner:  jioyi  adhuc  oder  adhuc  non,  bis  jetzt 
nicht,   noch   nicht;   nihil  adhuc   oder   adhuc  nihil,   bis  jetzt   (noch) 


Adiacere  —     92     —  Adiectio 

nichts;  nemo  adlmc  oder  adhuc  nemo,  his  jetzt  noch  niemand.  Ygl. 
Cic.  Cato  28,  Yerr.  2,  29,   Att.  4,  1,   7,  fam.  9,    17,   3,  Q.  fr.  2,  2, 

1,  off.  1,  16,  fam.  2,  8,  1.  Gut  ist  auch,  auf  die  Gegenwart 
des  Sprechenden  bezogen,  satk  adhuc  ^=  lange  genug,  s.  Fabri  zu 
Liv.  21,  43,  8.  EndUch  ist  es  erst  N.  Kl.  aus  Senecas  und  Quin- 
tilians  Zeit,  adhuc  zur  Yerstärkung  des  Komparativs  zu  gebrauchen, 
wie  wir  unser  noch  verwenden,  z.  B.  ille  adhuc  ditior  est  Croeso, 
dieser  ist  noch  reicher  als  Cr.,  wofür  sich  bei  den  Klassikern  kein 
Beispiel  findet ;  diese  setzen  entweder  etiam  hinzu,  oder  meistens  gar 
nichts,  also  etiam  ditior,  etiam  fortior,  vgl.  Landgraf  zu  Reisig-Haase 
N.  401.  Wenn  aber  in  Kl.  Zeit  adhuc  bei  einem  Komparativ  steht, 
so  liegt  in  adhuc  der  Zeitbegriff  bisher,  his  jetzt,  z.  B.  Caelius  bei 
Cic.  fam.  8,  7,  1 :  quo  adhuc  felicius  rem  gessisti,  d.  h.  je  glück- 
licher du  bis  jetzt  —  und  so  in  andern  Stellen.  Man  vermeide  es 
als  spätere  und  unnötige  Sprachveränderung.  Am  vollständigsten 
spricht  über  adhuc  Hand  Tursell.  I,  S.  156 — 167;  vgl.  meine  Stilistik 
§  41,  Lessing  Progr.  Berlin  1889,  S.  35,  Paucker  Gros.  S.  29  f., 
Roosen  in  Wölfflins  Archiv  X,  S.  345  ff. 

Adiacere,  an,  bei  etwas  liegen,  kommt  bei  Cic.  nicht  vor;  bei 
Caes.  Gall.  6,  33,  2  lese  ich  mit  a:  quae  ad  Atuatucos  adiacet,  vgl. 
Pomp.  Mela  1,  7,  34  ad  Syrtim  adiacent,  Mensel  mit  ß  quae  Atua- 
tiicis  adiacet-  civ.  2,  1,  2  liest  Holder  mit  Bücheier  quod  ad- 
tingit  ad  ostiiim  Rhodani,  Landgraf  adtingit  ostium;  vgl.  Landgraf 
Progr.  1899,  S.  30,  Mensel  s.  v.  und  Jahresber.  XX,  S.  295.  Der 
Accus,  findet  sich  nur  Nep.  Tim.  2,  1  quae  mare  illud  adiacent. 
Bei  Liv.  u.  im  N.  Kl.  wird  adiacere  mit  dem  Dativ  verbunden: 
qua  Tuscus  ager  Romano  adiacet,  Liv.  2,  49,  9;  auch  7,  12,  6  mit 
H.  J.  Müller  Etruriae  adiacent  (codd.  Etruriam)]  quae  Vidturno 
adiacent,  ibid.  10,  31,  2 ;  in  Hisimniae  ora,  quae  yiostro  adiacet 
mari,  ibid.  26,  42,  4  u.  Eoo  muri  adiacere,  Plin.  nat.  6,  56  und 
Hellesponto  adiacere,  ibid.  5,  121.  Flerumque  cutis  et  excelsis  adior 
Cent  praerupta,  PI.  epp.  9,  26,  2  ;  so  auch  Front,  strateg.  3,  9,  5. 
Die  Dichter  kennen  nur  adiacere  mit  Dativ. 

Adicere,  iverfen,  etwas  (Geist,  Augen)  auf  etwas  richten,  wird 
verb.  ad  aliquid  oder  alicui  rei,  z.  B.  ad  omnia,  hereditati  Cic.  Verr. 

2,  37  videbant  adiectiim  esse  oculum  hereditati;  ebenso  in  der  Be- 
deutung hinzufügen.  —  Adicere  als  v.  dicendi  mit  Acc.  c.  inf. 
ist  nicht  Kl.,  es  findet  sich  so  jedoch  öfters  seit  Liv.  im  N.  Kl., 
vgl.  Max  P.  C.  Schmidt  N.  Jahrb.  1891,  S.  194;  auch  adicere 
ut  oder  ne  ist  N.  Kl.  bei  Curt.  Plin.  Suet.  —  Adicere  = 
hinzufügen  ist  weniger  gut  als  addere,  es  ist  besonders  im  silb. 
Lat.  beliebt,  vgl.  Wölfflin  Arch.  XI,  S.  6  ;  über  adice  quod  vgl.  s.  v. 
Addey^e. 

Adiectio  findet  sich  zuerst  bei  Liv.  1,  30,  6  u.  38,  14,  14,  dann 
N.  Kl.  u.  Sp.L.;  es  hat  ausschliesslich  aktive  Bedeutung,  das  Hin- 
zutun, die  Steigerung ;  es  ist  N.  L.  in  der  Bedeutung  der  Zusatz, 
wie  es  Muret  braucht. 


Adigere  —     93     —  Adipisci 

Adigere,  treiben ,  schleudern  nach  etwas,  kommt  bei  Cicero  im 
eigentlichen  Sinne  nicht  vor,  aber  mit  in  c.  Accus,  bei  Caes.  z.  B. 
Gall.  4,  23,  3  telum  in  litus  adigere  (Gall.  5,  43,  6  steht  adigere 
absolut).  Tropisch  =  jemanden  zu  etivas  treiben,  sagt  man  ad  ali- 
quid adigere,  z.  B.  ad  insaniam,  Ter.  Ad.  111.  Besonders  übhch 
ist  adigere  in  Verbindung  mit  ius  iurandiim :  von  jemanden  ver- 
möge des  Amtes  oder  der  Stellung  einen  Eid  verlangen;  man  sagte 
ad  ins  iurandum  aliquem  adigere,  z.B.  Sali.  Cat.  22,  1,  noch  öfter 
wurde  der  blosse  Accus,  gesetzt:  ius  iurandum  aliquem  adigere,  z.  B.  si 
adigam  ius  iurandum  sapientem  Cic.  ac.  2,  116;  vgl.  noch  Caes. 
civ.  1,  76,  3;  2,  18,  5  und  Liv.  43,  15,  8  (Thes.  I,  678,  78  un- 
richtig 44,  15,  8);  auch  findet  sich  der  blosse  Ablat.,  Caes.  Gall. 
7,  67,  1,  Liv.  2,  1,  9;  22,  38,  2;  24,  16,  12  u.  sonst.  Ohne  Zusatz 
steht  adigere  bei  Tacit.  bist.  4,  31,  sacramento  adigere  bei  Liv.  7, 
9,  6.  Man  sagte  auch  iusiurandiim  aliquem  adigere  in  ve7'ba  alicuius, 
vgl.  Caes.  civ.  2,  18,  5  und  bloss  in  verha  adigere  Tac.  bist.  4, 
61,  vgl.  Heraeus  zu  Tac.  bist.  4,  15.  Endlich  steht  nach  iure  iii- 
rando  adigere,  wenn  der  Gegenstand  des  Eidschwures  durch  einen 
ganzen  Satz  ausgedrückt  ist,  nicht  selten  auch  der  ilccus.  c.  inf.  fut., 
und  so  auch  bei  iuramento  adigere;  vgl.  Weissenborn  zu  Liv.  43, 
15,  8,  M.  Müller  zu  Liv.  2,  1,  9.  —  Aus  der  Rechtssprache  ist 
noch  zu  merken  arbitrum  aliquem  adigere,  z.  B.  Cic.  off.  3,  66  ar- 
hitrum  illum  adegit,  quidquid  sibi  dare  facere  oporteret. 

Adimplere,  anfüllen,  findet  sich  zuerst  bei  Columella,  vgl.  Prix 
s.  V.  u.  Archiv  I,  S.  127,  dann  erst  wieder  bei  TertuU.  und  sonst 
bei  Eccl.  und  anderen  Sp.  L.,'  ist  somit  Sp.  L.  für  implere,  explere. 
Ygl.  Wölfflin,  Liv.  Kritik  S.  11  und  namentlich  Cass.  Fei.  S.  414, 
wo  er  sagt,  adimpleo  bei  Liv.  38,  7,  13  überliefert,  aber  unsicher, 
ist  in  der  juristischen  u.  patristischen  Literatur  gang  und  gäbe;  vgl. 
noch  Gölzer  Hieron.  179  u.  Rönsch  It.  S.  206,  Wölfflin  Archiv  I, 
148,  Wölfflin  bei  Gradenwitz  Interp.  S.  230  f.,  Kalb  Roms  Juristen 
S.  90  u.  138,  Bergmüller  Jord.  S.  13,  Rönsch  Coli.  phil.  S.  168. 
—  Ebenso  findet  sich  adimpletio  nur  bei  kirchlichen  Schriftstellern ; 
über  die  doppelte  Bedeutung  vgl.  Gölzer  Hier.  S.  63. 

Adipisci,  durch  leibliche  oder  geistige  Mühe  das  erlangen,  wo- 
nach man  gestrebt  hat,  fast  gleich  assequi  und  consequi  (vgl.  Seyffert- 
Müller  zum  Lael.  S.  200  und  Tegge  S.  365);  dagegen  sehr  selten 
in  dem  Sinne  von  nancisci,  durch  glücklichen  oder  unglücklichen 
Zufall  erlangen,  finden,  so  bei  Liv.  6,  8,  8  (wo  jedoch  Weissenborn 
anmerkt  „nicht  ohne  Ironie,  als  ob  sie  diesen  zu  erlangen  gesucht 
hätten");  impetrare,  erlangen  durch  Worte.  Von  und  bei  tvem  man 
etwas  erlangt,  wird  klassisch  durch  a,  N.  Kl.  durch  apud  bezeichnet, 
Cicero  fam.  12,  22,  4:  maximam  ab  omnibus  (bei  allen)  laudem 
adeptus  es;  doch  adipisci  odium  apud  aliquem  Tac.  ann.  1,  74.  Mit  ut 
ist  es  konstruiert  Cic.  Yerr.  2,  51  per  qiios  Uli  adepti  sunt,  ut  ceteros 
dies  festos  agere  possent;  mit  quod  Cic.  Att.  4,  15,  10  illud  sumus 
adepti,  quod  .  .  possumus  iudicare,   mit  ne  Cic.  Mil.  34   vos   adepti 


Adire  —     94     —  Adire 

estis^  ne  quem  meiner etis.  N.  Kl.  und  nur  bei  Tacitus  adiinsci 
rerum,  die  Oherliewscliaft  erlangen,  für  ijotiri  rerinn,  wonach  es  ge- 
bildet ist,  vgl.  Nipp,  zu  Tac.  ann.  3,  55  und  meine  Syntax^  §  69. 
Über  adeptus  in  passiver  Bedeut.  s.  Adeptus, 

Adire.  Wenn  dieses  Yerbum  nicht  absolut  gebraucht  wird, 
steht  es  in  der  eigentlichen  Bedeutung  bei  Personen:  zu  jemanden 
hinzugehen,  sich  nähern  regelmässig  mit  der  Präposition  ad,  Cic. 
fam.  3,  10,  6,  Caes.  Gall.  4,  2,  5;  6,  18,  3;  civ.  1,  87,  2.  Dieselbe 
Konstruktion  findet  sich  auch  bei  sächlichen  Begriffen,  so  z.  B.  Cic. 
Caecin.  82  qua  adiham  ad  istum  ftindum,  Caes.  Gall.  6,  25,  4  qui 
se  adisse  ad  initiiim  eins  silvae  dicat.  Indes  kann  hier  auch,  und 
zwar  nicht  nur  bei  Städtenamen,  der  blosse  Accusativ  gebraucht 
werden,  wie  nach  unserem  deutschen  betreten,  also  nicht  nur  Romam, 
sondern  auch  curiam ;  und  so  auch  im  Passiv:  mala  regione  maris 
Hadriatici  prospere  adita  Liv.  10.  2,  14,  interiora  regionis  haud 
adiri  poterayit,  Curt.  6,  5,  11.  Dies  gilt  insbesondere,  wenn  adire 
in  der  klassischen  und  in  der  silbernen  Latinität  eineyi  Ort,  eine 
Gegend  besuchen,  bereisen  ausdrückt.  Hier  ist  der  blosse  Accusativ 
regelmässig;  vgl.  die  Stellen  aus  Caes.  bei  Mensel  S.  153.  Dem 
Gebrauche,  adire  in  seiner  nächsten  und  eigentlichsten  Bedeutung 
bei  Personalbegriffen  mit  ad  zu  verbinden,  entspricht  es  nun  auch, 
dasselbe  als  t.  t.  für  unser  deutsches  ^'e)>^an6Zen  um  Rat,  Hilfe,  recht- 
licJien  Beistand  angehen,  gleichfalls  mit  ad  zu  konstruieren.  Jedoch 
steht  in  diesem  Falle  gewöhnlich  der  blosse  Accus.  Dies  findet  fast 
ausschliesslich  statt,  wenn  nicht  von  gerichtlichen  Angelegenheiten  die 
Rede  ist,  wie  man  regelmässig  sagt  deos,  niagos,  oracida,  aras,  ali- 
quem  per  epistidam,  Plaut.  Mil.  1225,  scripta  adire  (letzteres  Tac. 
ann.  4,  39);  aber  in  Rechtssachen  ist  ad  üblich,  z.  B.  ad  praetorem, 
überhaupt  adire  in  ins  ad  cum,  quem  ius  dicere  opo7iet  Jjex  agi\  11 . 
—  Hat  das  Wort  endlich  die  Bedeutung  Gefahr,  Widerwärtigkeit, 
Verdruss  auf  sich  nehmeyi,  so  ist  die  Verbindung  mit  ad  zwar 
Kl.,  aber  sehr  selten,  wie  bei  Caesar  civ.  2,  7,  1,  hingegen  die  mit 
dem  blossen  Accusativ  das  gewöhnliche  und  alltägliche;  über  den 
Unterschied  von  adire,  obire  und  suhire  periculum  vgl.  Seyffert- 
Müller  zum  Lael.  S.  167.  —  In  etivas  hineinkommeyi  heisst  selbst- 
verständlich adire  in  aliquid,  vgl.  Cic.  Yerr.  4,  26  in  horum  con- 
ventum,  tropisch  aber:  in  den  Staatsdienst  treten,  ist  nur  adire  ad 
rem  pidÄicanu  Endlich  vergesse  man  auch  nicht,  dass  in  ius  adire 
und  hereditatem  adire  stehende  Ausdrücke  der  Rechtssprache  sind, 
Cic.  Yerr.  4,  147  und  Att.  14,  10,  3,  vgl.  Kalb  Juristenlatein  ^ 
S.  13  ff.  —  Obgleich  adire  libros  Sibyllinos,  vgl.  Tac.  ann.  1,  76, 
übersetzt  werden  kann  die  Sibyll.  Bücher  nachschlagen,  so  folgt  dar- 
aus nicht,  dass  man  so  auch  librum,  libros  adire  von  allen  Büchern 
sagen  dürfe,  die  man  vor  und  bei  sich  hat,  indem  bei  jener  Redens- 
art ein  wirkliches  Gehen  auf  das  Kapitel  als  den  Aufbewahrungsort 
jener  Bücher  stattfand;  daher  auch  Cic.  Yerr.  4,  108  aditum  est  ad 
libros  Sibyllinos.     Im  N.  L.  findet   man   es  mit  Unrecht  oft  so  an- 


Aditialis  —     95     —  Adiutor 

gewandt,  z.  B.  adii  Homerum,  Platonem,  lexicon  Suidae;  non  potui 
adire  Eustathium. 

Aditialis  wird  gebraucht  von  dem  Schmause  (cena,  epulae),  den 
einer  beim  Antritte  seines  Amtes  gibt,  z.  B.  auguralis  aditialis  cena, 
der  Äntrittsschmaus  eiyies  Aurjurn  (aber  nur  bei  Yarro,  Plin.  mai. 
und  Sen.  phil.,  vgl.  Stünkel  S.  42).  So  möchte  auch  wohl  eine  Hede, 
die  beim  (zum)  Antritt  eines  Amtes  gehalten  wird,  oratio  aditicdis 
genannt  werden  können,  immerhin  besser  als  inauguralis,  was  gar 
kein  lateinisches  Wort  ist.     Ygl.  hiaiicjuralis. 

Aditio,  das  Hinzugehen,  A.  L.  Form  für  aditiis,  die  sich  nur 
noch  später  vom  Antritt  einer  Erbschaft  und  auch  in  anderer  Be- 
deutung in  der  juristischen  Sprache  erhalten  hat ;  vgl.  Thes.  s.  v. 
I,  693. 

AdituSy  Zugang,  Zutritt  zu  etwas,  zu  jemanden,  auch  der  Zu- 
gangsort,  entweder  mit  ad  oder  dem  Genitiv,  z.  B.  Cic.  Somn.  Sc. 
18  limes  ad  caeli  aditum  patet^  es  breitet  sich  ein  Pfad  aus,  um 
zum  Himmel  zu  kommen ;  auch  mit  in,  wenn  es  in  etivas  hinein  be- 
deutet, z.  B.  aditus  in  id  sacrarium  non  est  viris  (Cic.  Yerr.  4,  99), 
In  der  Bedeutung  Audienz  hei  jemanden  nicht  apud,  sondern  ad  ali- 
quem,  z.  B.  ad  consulem,  hei  dem  Konsul.  Yon  admissio  unter- 
scheidet sich  aditus  so,  dass  dies  sich  auf  denjenigen  bezieht,  der 
die  Audienz  nachsucht,  vgl.  Nep.  Paus.  3,  2,  Tac.  ann.  2,  28  aditum 
ad  princiioem  postidat  u.  16,  1  und  c.  10;  admissio  hingegen  bezieht 
sich  auf  denjenigen,  der  die  Audienz  erteilt.     S.  Admissio. 

Adiudicare,  einem  etivas  zusiwecheyi,  wird,  wie  im  Deutschen, 
verbunden  aliciii  aliquid.  Se  adiudicare  alicui  erscheint  nur  Sp.  L. 
bei  Lactanz  Inst.  2,  2,  24  u.  Cyprian  ep.  75,  7  haereticis  se  adiu- 
dicat  und  ebenso  adiudicare  aliquem  supplicio,  piihlico  carceri,  morti, 
vgl.  Gölzer  Hier.  S.  315  u.  Thes.  S.  702,  56. 

Adiungere,  anschliessen,  anhnüpfeyi,  verhindeyi,  ivoran  oder  tvomit^ 
nicht  cum  aliquo,  sondern  alicui  (so  besonders  bei  Personen,  z.  B. 
sihi  Caes.  Gall.  6,  2,  2;  6,  12,  2)  und  ad  aliquem  (aliquid);  Cic. 
Att.  1,  14,  4:  hie  dies  me  valde  Crasso  adiunxit,  machte  mich  ganz 
zum  Freunde  des  Gr.;  de  rep.  2,  15:  ad  vim  (mit  der  Getvalt)  do- 
minationis  —  adiuncta  est  auctoritas;  Caes.  civ.  1,  60,  5  civitatihus 
ad  amicitiani  adiimctis.  Über  die  ersten  Anfänge  des  metaphorischen 
Gebrauchs  z.  B.  sich  jemanden  veyp fliehten ,  vgl.  Langen  N.  Jahrb. 
1882,  S.  678.  —  Adiuyigere  als  v.  die.  hat  den  Acc.  c.  inf.  bei 
sich,  z.  B.  Cic.  fam.  5,  2,  1 ;  mit  ut  steht  es  Cic.  off.  2,  42,  vgl. 
Max  C.  P.  Schmidt  N.  Jahrb.  1891,  S.  194. 

Adiutare,  helfen,  tmterstiitzeyi,  nur  einmal  bei  Cicero  in  einem 
Briefe  (ep.  fr.  ad  Axium  2,  vgl.  Landgraf  B.  Gymn.  XYI  S.  320, 
wo  noch  mehr  Literatur  über  derartige  vulgäre  Iterativa  verzeichnet 
ist),  sonst  A.  und   V.  L.  für  adiuvare. 

Adiutor,  der  Helfer,  Gehilfe;  luesseyi  Gehilfe  oder  zu  wessen 
Beistand  wird  durch  den  Genitiv  ausgedrückt;  wo  der  Dativ  steht, 
wie  Cic.  nat.  1,  17:  nolo  existimes  me  adiutorem  huic  venisse  oder 


Adiuvare  —     96     —  Admirari 

ad  wie  Caes.  Gall.  5,    38,   3,   ist    die   Konstruktion  von  der  ganzen 
Phrase  abhängig,  vgl.  meine  Syntax  ^  §  75. 

Adiuvare,  helfen^  beistehen^  wird  im  bessern  Latein  nur  mit  dem 
Acctisativ  verbunden.  —  Kl.  heisst  die  Perfektform  adiuvi,  nicht 
adiuvavi,  und  das  Supinum  adiutum,  nicht  adiuvatum;  vgl.  Neue- 
Wagener  ^  III  S.  388  und  585,  Kalb  Roms  Juristen  S.  137.  — 
Selten  und  nicht  Kl.  hat  adiuvare  nach  griechischer  Art  den  Infinitiv 
bei  sich,  wie  bei  Plin.  nat.  11,  85  :  adiuvat  enim  (iKiter)  incnbare;  ge- 
wöhnlich mit  in  aliqua  re  oder  ad  und  dem  Gerundium,  z.  B.  Cic.  off.  2, 
55:  liberales  sunt,  qui  amicos  in  filiarum  collocatione  adiuvant;  Cic. 
Quint.  75:  ad  verum  prohandum  aiwtoritas  adiuvat;  Liv.  37,  26, 
1 1 :  Eamenis  classis  adiuvit  considem  ad  traiciendas  in  Asiam  legio- 
nes ;  auch  mit  ut,  z.  B.  Cic.  Att.  7,  1,  4  ut  Uli  hoc  liceret,  adiuvi; 
—  endlich  auch  de  aliqua  re  inbetreff  einer  Sache :  neque  de  monu- 
mejitis  meis  ab  iis  adiutus  es,  a  quibus  debuisti,  Cic.  fam.  1,  9,  5.  Un- 
persönliches adiuvat  finden  wir  mit  Infinitiv  Cic.  fin.  4,  64  nihil 
adiuvat  procedere  et  progredi  in  virtute,  quominus  miserrimus  sit, 
besonders  aber  mit  quod,  so  Q.  Cic.  pet.  7  u.  Caes.  Gall.  7,  55,  10. 

Adminiculator ,  der  Gehilfe,  der  einen  unterstützt,  Sp.  L.  bei 
Gell.  6,  3,  8  für  adiutor,  administer,  socius. 

Admirabundus,  sich  verwundernd,  N.  L.  für  admirans,  mira- 
bundus ;  mit  Recht  warnt  Winckler  S.  13  vor  der  Bildung  neuer 
Formen  auf  bundus  und  empfiehlt  sich  streng  innerhalb  des  freilich 
engen  Kreises  des  Überlieferten  zu   halten. 

Admirari,  sich  verwundern,  wird  nur  verbunden  aliquid,  über 
etivas,  z.  B.  brevitatem  litterarum,  über  die  Kürze  des  Br.;  auch  wird 
de  gebraucht  und  zwar  sowohl  im  Anfang  eines  Satzes:  in  Beziehung, 
in  Rüchsicht  auf  — ,  als  auch  sonst.  S.  Cic.  Mur.  39  quid  tu  ad- 
mirere  de  multitudine  indocta  ?  Ygl.  Madvigs  Bemerkung  zu  Cic.  fin. 
1,  4  und  Gölzer  Hieron.  S.  341,  der  aus  Hieron.  Matth.  IV  ad  22, 
25  admiratae  sunt  de  doctrina  et  responsis  illius  zitiert.  Gut  ist  auch 
admiraid  in  aliquo,  in  aliqua  re,  s.  Tischer  zu  Cic.  Tusc.  3,  39; 
geradezu  elegant  admirari  mit  indirektem  Fragesatz,  z.  B.  Cic.  fin. 
1,  4  in  quo  admirer  cur  non  delectet  eos  sermo  patrius;  vgl.  Näg.- 
Müller  ^  S.  410  und  419.  Das  fehlende  Pass.  von  admirari  kann 
durch  eine  leichte  Umschreibung  ausgedrückt  werden:  admiratione 
afficiuntur  li,  qui  .  .  .  Cic.  off.  2,  37 ;  durch  admirationem  habere, 
vgl.  Cic.  fam.  5,  12,  5  u.  Cic.  bei  Quintil.  8,  3,  6  eloquentiam,  quae 
admirationem  non  habet,  nullam  iudico,  durch  in  admiratione  esse  N.  Kl. 
bei  Plin.  nat.  34,  41,  durch  admiratio  est,  vgl.  Cic.  off.  2,  48  magna 
est  admiratio  copiose  dicentis,  durch  admirationem  movere,  vgl.  Cic. 
de  or.  2,  254  admirationem  magis  quam  risum  movet.  —  Es  ist  etiuas 
Gegenstand  grösserer  Bewunderung  =  aliquid  plus  admirationis  habet, 
s.  Halm  zu  Cic.  Phil.  1,  7  und  besonders  Näg.-Müller  ®  S.  380,  so- 
wie C.  F.  W.  Müller  zu  Cic.  off.  2,  37.  Es  erregt  etwas  mein  Er- 
staunen: cdiquid  mihi  admirationem  movet,  Cic.  Phil.  10,  4  und  in 
Erstaunen  setzen:   in   admirationem  convertere,    Liv.  2,    13,    8  und 


Admiscere  —     97      —  Admodum 

22,  30,  1.  Über  den  Unterschied  von  mirari  (sich  verwundern)  und 
admirari  (bewundern)  bei  Livius,  vgl.  Wölfflin  zu  Liv.  21,  3,  4. 

Admiscere  wird  eigenthch  und  tropisch  verbunden  entweder 
aliquid  aliciii  rei  admiscere  =  ekuas  einer  Sache  heimischen,  z.  B. 
aqiiae  calorem,  Cic.  nat.  deor.  2,  26  ;  versus  orationi,  Cic.  Tusc.  2, 
26,  oder  aliquid  admiscere  aliqua  re  =  etivas  mit  einer  Sache  ver- 
mischen, vermeyigen,  z.  B.  aer  midto  calore  admixtus,  Cic.  nat.  deor. 
2,  27.  Was  im  Dativ  steht,  ist  wohl  grösser,  was  im  Ablativ, 
kleiner.  S.  Kraner  zu  Caes.  civ.  3,  48,  1  (wo  jetzt  auch  Meusel 
mit  Recht  genus  radicis^  quod  admixtum  lacti  inopiam  levahat  statt 
lacte  schreibt,  anderer  Ansicht  ist  Näg.-Müller  ^  S.  569). 

Admissio  in  der  Bedeutung  Zutritt^  Audienz  ist  in  den  Zeiten 
der  Kaiser  t.  t.  von  der  Audienz  bei  einem  Fürsten  und  Herrn, 
welcher  den  Zutritt  ztdässt,  wovon  auch  das  besondere  Amt,  für  die 
Audienzen  zu  sorgen,  officium  admissionis  (Suet.  Yesp.  14)  und  jeder, 
der  es  besorgte,  admissionalis,  ferner  der  höchste  Beamte,  der  für 
dieselben  zu  sorgen  hatte,  also  der  erste  Kammerherr  oder  Hof- 
marschall,  magister  admissionum,  und  der  nächste  nach  ihm  (gleich- 
sam der  Vice- Hof  mar  schall)  proximus  ab  admissione  (Ammian.  22, 
7,  2)  hiess.  Man  verwechsle  daher  nicht  admissio  mit  aditus,  wie- 
wohl admittere  ganz  allgemein  zulassen,  Zutritt  erteile}!,  bedeutet, 
vgl.  Cic.  Att.  13,  52,  1  7iec  quemquam  admisit  (Caesar)  u.  s.  v.  Aditus. 

Admittere;  aliquid  admittere  auribus  oder  ad  aures  ist  gleich 
richtig,  findet  sich  aber  nicht  bei  Cic.  Caes.  Sali.  Die  genannte 
Redensart  wird  bei  Liv.  immer  nur  in  negativen  Sätzen  gebraucht 
und  bedeutet:  von  etwas  so  gut  wie  nichts  wissen  oder  hören  wollen: 
primo  eas  condiciones  imperator  Romanus  vix  auribus  admisit,  Liv. 
30,  3,  7  und  :  pacis  cum  tyranno  mentionem  admittendam  auribus  non 
fuisse,  Liv.  34,  49,  1  und:  nihil  auribus  admittebant,  Liv.  23,  13,  6, 
und :  nihil  quod  salutare  esset  non  modo  ad  animum,  sed  ne  ad  aures 
quidem  admittebant,  Liv.  25,  21,  7  ;  so  auch,  wo  admittere  ad  animum 
allein  steht:  plebs  nee  patricios  ambo  co7isules  neque  comitiorum 
cur  am  ad  animum  admittebat,  Liv.  7,  19,  5.  Während  Kühnast 
S.  134  in  auribus  den  Dativ  erkennt,  fasst  es  Riemann  als 
Instrumentalis,  vgl.  lib.  XXIII  Remarque  112  S.  347.  Neben  in  se 
scelus,  facinus  admittere  wird  auch  einfach  scelus,  facinus  admittere 
gesagt ;  s.  über  letzteres  Cic.  off.  3,  95,  Caes.  Call.  4,  25,  5 
ne  tantum  dedecus  admitteretur,  6,  13,  5;  civ.  3,  64,  4,  Sali.  Jug. 
53,  7  u.  91,  7  u.  Tac.  ann.  4,  40;  aber  das  substantivierte  admissmn 
ist  ein  sehr  seltenes  und  unklassisches  Wort;  vgl.  Dräger  zu  Tac. 
ann.  14,  1,  Heraus  zu  hist.  4,  44  u.  Gudeman  zu  dial.  S.  149.  —  Ad- 
mittere in  cubicidum  ist  klass.,  vgl.  Cic.  Phil.  8,  29;  nicht  zu  em- 
pfehlen ist  jedoch  Nep.  Lys.  1,  5  in  horum  7iumero  jiemo  admissus 
est^  Yal.  Max.  9,  15,  1  popidum  in  hortis  suis  admisit;  vgl.  Heraus 
Progr.  Offenbach  1899,  S.  34. 

Admodum  bei  Zahlwörtern  braucht  man  im  N.  L.  in  der  Be- 
deutung ungefähr,  beinahe,   etwa,  z.  B.  admodum  decem,  etiua  zehn, 

Krebs-Schmalz,   Antibarbarus  I.  7 


Admodum  —     98     —  Admodum 

für  circiter,  ad  oder  fere,  während  es  vielmehr  unser  gerade,  genau 
oder  volle  zehn  bedeutet,  vgl.  Wölfflin  Comp.  S.  22.  Selten,  aber 
gut  El.  ist  non  admodum  bei  einem  Adjekt.  in  der  Bedeutung 
nicht  sehr,  nicht  gar  sehr,  nicht  eben,  für  no)i  ita,  z.  B.  Quibusdam 
et  iis  non  admodum  indoctis  totum  hoc  displicet  philosophari,  Cic. 
fin.  1,  1.  Quamquam  eum  colere  coepi  non  admodum  grandem  natu, 
sed  tamen  iam  aetate  provectum,  Cato  10.  Admodum  nihil  littera- 
rnm  sciebat  =  gar  nichts,  niJiil  admodum  =  so  gut  wie  nichts, 
s.  Piderit  zu  Cic.  Brut.  210.  —  Wie  admodum  zur  Massbestimmung 
=  völlig,  ganz  und  gar  bei  Adjektiven  und  adjektivisch  gewordenen 
Participien  der  verschiedensten  Art,  wie  es  ferner  zu  Adjektiven 
gesetzt  wird,  welche  wie  multns  zur  Zahlbestimmung  dienen,  so 
besonders  zu  solchen  Adjektiven  und  substantivierten  Xeutra  von  Ad- 
jektiven und  Adverbien,  wo  die  Grad-  oder  Massbestimmung  a  maiori 
ad  minus  geht.  Hierher  gehört  vor  allem  paucus.  Während  perciuam 
patici  und  ähnliches  selten  ist,  z.  B.  perquam  pauci,  Liv.  9,  30,  3, 
minium  perquam  paucis  notum,  Plin.  nat.  33,  119,  perquam  parvo 
aere  censebantur.  Gell.  16,  10,  10  (vgl.  Wölfflin  Comp.  S.  27),  ist 
dagegen  admodum  bei  paucus  das  gewöhnliche.  Ygl.  Cic.  Tusc. 
2,  11;  4,  6;  nat.  deor.  3,  60;  top.  3;  Liv.  10,  41,  14;  24,  15, 
2;  dazu  kommen  zahllose  Stellen  aus  dem  Is.  Kl.  Latein,  z.  B.  ge- 
nera  admodum  pauca,  Quintil.  7,  9,  1.  Demosthenis  pauca  admo- 
dum dicta,  ebendas.  6,  3,  2.  Admodum  pauci,  Sen.  epp.  14,  9. 
Ganz  ebenso  verhält  es  sich  mit  parvus  und  parvidus.  Ygl.  aut 
nullum  malum  esse  aut  admodum  parvum,  Cic.  Tusc.  3,  77.  Par- 
vulum  admodum  Anüochi  ijraesidium,  Yal.  Max.  3,  5,  1.  Parvus 
admodum  piscis,  Plin.  nat.  9,  79  und  9,  183  und  sonst  oft.  Hier- 
her gehört  ferner  auch  rarus,  z.  B.  Jianc  spinam  raram  admodum 
gigni,  s.  Plin.  nat.  7,  80,  ferner :  quod  admodum  rarum  est,  Cels. 
9,  14  extr.  In  der  Bedeutung  sehr  selten  ist  admodum  raro  so  ge- 
wöhnlich als  perraro,  z.  B.  raro  admodum  exclamant  Cic.  acad. 
2,  14;  admodum  raro  duo  flavere^  simul  venti,  Sen.  n.  q.  6,  12 
Ende.  Id  admodum  raro  fit,  Cels.  8,  6,  5.  Auch  paullum  nimmt 
admodum  an,  so  auch  tenuis  und  exiguus,  z.  B.:  tenui  admodum 
pecuyiia  familiari  esse.  Gell.  3,  17,  init.  und  admodum  tenue  filum, 
Yal.  M.  6,  4,  1  init.  Lien  admodum  exiguus,  PHn.  nat.  8^  122  und 
11,  204.  Endlich  mag  noch  erwähnt  werden,  dass  dies  wohl 
auch  von  exilis,  angustus,  levis,  brevis,  humilis  gesagt  werden  kann : 
admodum.  humili  loco  natus,  Yal.  M.  4,  7,  5  und  5,  4  extr.  3.  Ad- 
modum  angusto  loco,  ebendas.  8,  5,  6  und  iter  angustum  admodum., 
Sali.  Jug.  92,  7.  Levi  tamen  admodum  cura  res  prodita,  Colum. 
2,  14  Ende.  Brevis  admodum  epistula,  Suet.  Caes.  56.  De  tenui 
fönte  admodum  exilis  emanat,  Lact.  inst.  3,  1,  6.  In  der  klassischen 
Sprache  des  Cicero  und  Caesar  verbindet  sich  admodum  auch  nicht 
selten  mit  magnus,  ampjlus,  grandis,  firmus,  multus,  wie  Wölfflin 
Comp.  S.  22  nachweist.  Dass  admodum  bei  den  den  Grad  des 
Alters  bestimmenden  Wörtern,  wie  infans,  puer,  adidescens,  iuvenis 


Admonefacere  —     99     —  Admonitus 

u.  dgl.  gewöhnlich  sei,  wie  jme?^  admodiim  u.  s.  w.,  hat  schon  Georges 
im  Hdwtb.,  ebenso  Wölfflin  Comp.  S.  22  erinnert,  dabei  ist  eine 
feste  Wortstellung  nicht  zu  beobachten ;  wir  finden  iuvenis  admodiim 
neben  admodimi  adulescenSj  wie  überhaupt  in  der  Stellung  von  ad- 
modiim euphonische  Gründe  massgebend  gewesen  sein  müssen ;  vgl. 
Gudeman  zu  Tac.  dial.  1.  Satis  admodiim,  Liv.  34,  13,  4  ist  zweifel- 
haft, s.  Weissenborn  zu  d.  Stelle,  Fügner  Lex.  Liv.  s.  v.  adm,odum 
setzt  satis  in  Klammern.  Admodiim  steht  auch  bei  Verben,  z.  B. 
Cic.  Brut.  265  me  admodiim  delectahat  oratio;  mit  Negation  z.  B. 
Cic.  Brut.  101  quem  non  admodiim  diligebat. 

Admonefacere  ist  ganz  aufzugeben,  denn  statt  admonefecisti  liest 
man  admoniästi  bei  Cic.  Plane.  85.  Aus  Gloss.  II,  476,  6  zitiert 
der  Thes.  I,  761,  59  b7zopLvrjfiaTiC,co  admone  facio  (post  e  littera 
erasa). 

Admonere  wird  in  der  Bedeutung  einen  wegen  einer  Sache 
warnen,  erinnern  verbunden  aliqiiem  de  aliqua  re,  nicht  oh  (propter) 
aliquam  rem;  in  der  Bedeutung  ei7ien  an  etivas  e7^innern,  aliqiiem 
alicuius  rei  (sehr  selten,  z.  B.  Cic.  top.  5  und  zwar  beim  Passiv) 
oder  de  aliqua  re;  dies  ist  die  übliche  und  empfehlenswerte  Kon- 
struktion. Der  doppelte  Acc.  findet  sich  nur,  wenn  die  Sache  durch 
die  Neutra  der  Pron.  hoc,  id,  illiid,  cqitid,  qiiod  und  midta  aus- 
gedrückt ist;  dies  multa  bleibt  auch  beim  Passiv  stehen,  vgl.  Cic. 
nat.  deor.  2,  116  multa  extis  admonemur.  Hierher  gehört  auch  res : 
eam  rem  (=  id)  nos  locus  admonuit,  Sali.  Jug.  79, 1.  Falsch  ist  es  daher, 
wenn  N.  L.  gesagt  wurde  verha  admoneri  für  verhoram  oder  de  verhis. 
Nicht  nur  P.  und  Sp.  L.  (Ambros.  epp.  62,  n.  50)  steht  der  Lif. 
für  iit,  sondern  schon  bei  rhet.  Her.  2,  31  haec  cognitio  vitare  in 
argumentatione  vitium  admonehit  (jedoch  von  Kayser  und  von  Fried- 
rich in  Klammern  gesetzt,  aber  von  Marx  beibehalten),  dann  bei 
Cic.  Yerr.  1,  63  (wo  aber  C.  F.  W.  Müller  monehcmt  liest,  praef. 
S.  163),  Cic.  Cael.  34,  dann  Hirt,  bei  Caes.  Gall.  8,  12,  7,  Plin.  epp.  1, 
2,  4  (vgl.  Thielmann  Cornif.  S.  83);  man  meide  admoneo  mit  Inf.  und 
setze  lieber  ut.  Gut  ist  auch  aliqiiem  ad  aliquid  admonere  mit  dem  Accus, 
eines  Gerund,  jemanden  zu  etivas,  das  erst  geschehen  soll,  auffordern, 
antreiben,  vgl.  Cic.  div.  2,  134,  während  die  Verbindung  dieses  Yerbs 
mit  ad  und  einem  Subst.  ohne  Gerund,  der  nachklass.  Latinität  an- 
gehört, s.  Suet.  Claud.  39.  Unlateinisch  dagegen  ist  admonere  und 
admonitio  =  anmerken,  Anmerkung  für  annotare,  annotatio. 

Admonitus,  wovon  nur  der  Ablat.  admonitu  in  der  Bedeutung 
auf  den  Rat^  auf  die  Ermahnung,  Erinnerung  eines  andern  vor- 
kommt, z.  B.  Caes.  civ.  3,  92,  2,  öfters  bei  Cic.^  z.  B.  Att.  9,  10,  5 ; 
13,  18;  fin.  5,  4,  bedeutet  nie  das  Andenken  oder  die  Erinnerung 
an  jemanden  (objektiv).  Diese  Bedeutung  hat  das  Substantiv  ac^mo^ii^io^ 
welches  freilich  bei  Cic.  in  den  Reden  fehlt,  aber  sonst  nicht  selten  ist, 
vgl.  fin.  5,  2;  admonitio  bedeutet  auch  Mahnung,  z.  B.  Cic.  Att.  12,  46, 
fam.  5,  19,  2  admonitio  officii^  ferner  Warnung,  z.  B.  Cic.  de  or. 
2j  83.    Ygl.  die  interessante  Ausführung  von  Bergmüller  Plane.  S.  18, 


Admovere  —     100     —  Adolescens 

Der  Plur.  von  admonitmn  —  aclmonita  —  (nur  einmal  bei  Cic.  de 
orat.  2,  64)  durfte  nicht  beanstandet  werden  und  kann  unbedenklich 
nachgebraucht  werden,  wenn,  wie  bei  Cic.  a.  a.  0.,  eine  ähnliche 
Form  z.  B.  pxiecepta  unmittelbar  vorangeht;  Ähnliches  bei  Cic.  de 
or.  2,  175,  Phil.  14,  20  u.  sonst  mit  monitum,  vgl.  auch  leg.  2,  9. 
Über  andere,  ebenso  gebrauchte  substantivierte  Partie,  vgl.  Näg.- 
Müller  «  S.  132,  Bergmüller  Plane.  S.  18. 

Admovere,  heivegen,  in  Bewegung  setze}\^  u.  s.  w.,  wird  verb. 
aliqiiid  alicui  oder  ad  aliquem,  ad  alicßiid.  Üblich  sind  als  Objekte 
Heilmittel  aller  Art;  so  zunächst  sagt  man  curationem  adm.,  Cic. 
Tusc.  4,  61 ,  medicinam  adm.  Cic.  carm.  fr.  31,  f Omenta  Curt.  3,  6, 
14;  ferner  Reiz-  und  Schreckmittel,  z.  B.  calcar  Cic.  Att.  6,  1,  5, 
stimiilitm  Cic.  Tusc.  3,  35,  dann  dolorum  faces  admovere,  criiciatus 
admovere,  Cic.  off.  2,  37;  Yerr.  5,  163.  —  A^.  L.  ist  eiyieti  he- 
ivegen, etivas  zu  tun,  ihn  aufmuntern,  aliquem  admovere  für  im- 
pellere,  ad  aliquid  oder  mit  ut,  z.  B.  me  impidit  ad  scribendum,  ut 
scriherem. 

Adnare,  hei^anschwimmen^  ist  die  bessere  Kl.  Form  für  die  vul- 
gäre, zuerst  im  b.  Alex,  wiederholt  sich  findende,  dann  aber  dem 
silbernen  und  Sp.  L.  eigentümliche  adnatare.  Es  wird  klassisch 
verb.  mit  ad  aliquid,  z.B.  a<i  eam  urbem  (Cic.  rep.  2,  9);  «f?  naves, 
an  die  Schiffe  (Caes.  civ.  2,  44,  1),  vgl.  Meusel  Jahresber.  1894, 
S.  291  und  Frese  S.  35;  auch  Plin.  nat.  9,  38  liest  Detlefsen  ad 
quos.  Nachkl.  finden  wir  den  Dativ  navibus^  an  die  Seh.  (Liv.  28, 
36,  12),  Plin.  nat.  8,  93  insulae.  Bei  Cicero  und  Caesar  kommt 
es  nur  je  einmal  an  den  erwähnten  Stellen  vor. 

Adnedere  und  andere  mit  Adn.  anfangende  s.  unter  Ann. 

Adolere  (Perf.  adolevi,  vgl.  Neue- Wagener  ^  III  S.  378  und 
Thes.  S.  793,  38)  ist  in  der  allgemeinen  Bedeutung  verbrennen, 
ausser  Ov.  met.  1,  492  und  Colum.  12,  31,  erst  Sp.  L.  für  com- 
burere,  da  es  eigentlich  ein  heiliges  Wort  ist  und  vom  Verbrennen 
auf  einem  Altare  gebraucht  wird,  vgl.  Non.  58  adolere  verbum  est 
proprie  sacra  reddentium  und  Heraus  zu  Tac.  bist.  2,  3. 

Adolescere,  heranwachsen  hat  in  der  bessern  Prosa  im  Perfekt 
nur  adolevi,  vgl.  Thes.  S.  800,  84.  —  Davon 

Adolescens,  heranwachsend,  als  ^xxh^i.  adulescens^  der  junge  Mann, 
Jüngling,  die  Jungfrau.  Es  lässt  wohl  Subst.,  wie  filius,  filia  und 
(überflüssig)  homo  zu,  aber  nie  vir,  wie  bei  uns,  der  junge  Mann; 
viri  adulescentes  steht  erst  Yulg.  I  reg.  30,  17  dem  Hebräischen 
nachgebildet.  Die  Benennung  adulescens  kommt  zunächst  denen  zu, 
welche  zwischen  dem  14.  bis  30.  Jahre  stehen,  vor  ihnen  ^;?(eri  und 
nach  ihnen  iuvenes ;  das  Alter  der  adulescentes  ist  die  adulescentia. 
Oft  aber  werden  auch  die  iuvenes,  welche  über  30  Jahre  alt  sind, 
so  genannt  in  Bezug  auf  blühendes  Aussehen,  Rüstigkeit,  Lebendig- 
keit und  Kraft,  und  die  Wörter  werden  so  oft  mit  einander  ver- 
wechselt, was  jedoch  nie  geschehen  darf,  wenn  nur  das  Alter  be- 
rücksichtigt wird.     Daher  möchte  es  wohl  zu  tadeln  sein,   wenn  im 


Adolescens  —     101     —  Adolescens 

N.  L.  auf  dem  Titel  vieler  Schulbücher  steht  in  usum  iiivenum  oder 
gar  studiosae  iiwentutis.  Übrigens  nennt  Cicero  junge  Leute,  so 
lange  sie  sich  auf  ein  Staatsamt  oder  auf  den  Redner-  und  Ad- 
vokatenstand vorbereiteten  und  sich  bei  Juristen,  Rednern  und 
Philosophen  übten,  niemals  iiivenes,  sondern  nur  adidescentes ,  und 
ebenso  hiess  im  Kriegsdienste  der,  welcher  sich  demselben  vor  den 
gesetzmässigen  Jahren  widmete,  noch  nicht  iuvenis,  sondern  adidescens. 
Auch  merke  man  noch,  dass  bei  ziuei  gleichnamigen  Personen  aus 
einer  Zeit  der  jüngere  zum  Unterschiede  von  dem  älte^m  oft  adu- 
lescens  genannt  wird,  dass  aber,  wenn  Vater  und  Sohn  unterschieden 
werden  sollen,  wo  wir  gewöhnlich  jenen  den  alteyi,  diesen  den  jimgen 
nennen,  die  Lateiner  meistenteils  jx^^er  und  filius  brauchten,  z.  B. 
Curio  loater,  Curio  filiuSy  der  alte  Curio,  der  junge  Curio;  C.  Marius 
filius,  Nep.  Att.  1,  4,  Caes.  civ.  2,  23,  3  und  Cic.  Att.  2,  24,  2; 
doch  auch  Caesar  adidescens,  Caes.  civ.  1,  8,  2.  —  Was  von  adti- 
lescens  und  iuvenis  gesagt  worden  ist,  gilt  auch  von  adidescentia  und 
iuventus.  Man  beachte  aber  wohl,  dass  adidescentia  bei  den  Alten 
für  adidescentes  verhältnismässig  nicht  oft  gebraucht  ist;  diesen  Ge- 
brauch bezeichnet  Hey  Semas.  Stud.  S.  181  als  eine  „okkasionelle 
metonymische  Verwendung,  da  adidescentia  selber  keine  Kollektiv- 
bedeutung aus  sich  heraus  entwickelt  hatte";  vgl.  Cic.  Cato  48: 
adidescentia  voluptates  'propter  intiiens  magis  foriasse  laetatur  und 
Sen.  de  ira  3,  25,  2:  respiciamus,  qiiotiens  adidescentia  nostra  in 
officio  partim  diligens  fuerit,  in  sermone  parmn  modesta,  ifi  vino 
partim  temperans.  Umgekehrt  ist  iuventus  =  iuvenes  ganz  gewöhn- 
lich; ja  das  Wort  itiventus  beschränkte  sich  in  der  guten  Zeit  fast 
ganz  auf  die  kollektive  Bedeutung  =  multittido  iuvenum  u.  konnte 
auch  in  Vertretung  von  adidescentia  eine  multittido  adulescentium 
bezeichnen;  vgl.  die  hochinteressanten  Ausführungen  von  Hey  1.  1. 
176  ff.,  besonders  179  f.  Dem  entsprechend  wird  adulescentia,  auch 
wenn  es  wie  iuventus  metonymisch  aufzufassen  ist,  nur  ganz  all- 
gemein im  Gegensatz  zum  Greisenalter  gebraucht,  z.  B.  Cic. 
Brut.  325  genus  orationis  Asiaticum  adidesceyitiae  magis  concessum 
quam  senectuti,  oder  von  einzelnen  Personen,  z.  B.  Cic.  Sest.  110 
cum  eins  adtilescentia  in  amp)lissimis  honorihus  florere  potuisset,  Cic. 
Cael.  70  Caelii  adulescentia  ad  poenas  deposcitur,  nie  aber  in  Ver- 
bindungen wie  omnis  adidescentia,  adidescentia  Romana,  Germanica. 
Vom  Beginn  des  jugendlichen  Alters  an  heisst  lat.  bekanntlich  sehr 
gewöhnlich  cd)  ineunte  aetate.  Indes  kann  man  dafür  auch  a  prima 
adulescentia  oder  ah  inetmte  adulescentia  sagen,  vgl.  Cic.  Brut.  315, 
fam.  1,  9,  23,  dann  a  prima  adulescentia  in  ore  vestro  privatus  et 
in  magistratihus  egi.  Sali.  hist.  or.  Cott.  4;  ep.  Pomp.  1;  frg.  3,  88; 
ineunte  adulescentia  am.atus  est  a  midtis,  Nep.  Alcib.  2,  2  und:  ine- 
ufite  adulescentia  maximi  ipse  exercitus  imperator,  Cic.  Pomp.  28. 
In  adulescentia  ist  gut  KL,  z.  B.  Cic.  Cael.  43,  Mur.  63  me  quoque  in 
adulescentia  quaesisse  adiumenta  doctrinae ;  doch  wird  man  gewöhn- 
lich besser  adidescens   verwenden,  z.  B.  me  adulescentem  quaesisse. 


Adulescentiari  —     102     —  Adorare 

Adidescentiari  und  adidescentiirire,  Jugendstreiche  machen,  sich 
jugendlich  benehmen,  stehen  einzeln  da  (jenes  bei  Yarro,  vgl.  Stünkel 
S.  66,  dieses  bei  Laberiiis) ;  sie  können  neben  iuveniliter  agere,  luv. 
exsidfare  u.  s.  w.  in  entsprechendem  Zusammenhange  unbedenkhch 
gebraucht  werden. 

Adoperire,  bedecken,  findet  sich  als  Yerbum  finit.  bei  Columella 
nicht  nur  in  der  Form  adoperiitnt,  sondern  auch  in  adoperies  im 
lib.  de  arb.  7,  4,  und  cidoperient  steht  in  der  Itala  Sp.  L.  bei  Aug. 
Quaest.  hept.  4,  8  und  vom  Verbum  infinit,  findet  sich  bei  Colum. 
12,  44,  7  der  Infinit.  Pass.  adoperiri ;  sonst  kommt  nur  das  Part. 
cidopertus,  aber  nicht  nur  bei  Dichtern,  z.  B.  Yerg.  Aen.  3,  405, 
TibuU.  1,  1,  70,  sondern  auch  zunächst  wohl  in  Nachahmung  der 
Dichter  in  Prosa,  freilich  nicht  Kl.,  vor.  S.  darüber  Liv.  1,  26,  13 
(vgl.  Wölfflin  Liv.  Krit.  S.  11  u.  Archiv  X,  S.  54),  Plin.  nat.  8,  119, 
Plin.  epp.  7,  21,  2,  Suet.  Octav.  53,  Nero  48,  Otho  11.  Gewöhn- 
licher ist  operire,  obtegere,  vgl.  oben  zu  Äbscondere  und  Adaperire. 

Adoptare  hat  zwar  mit  und  ohne  sihi  die  Bedeutung  an  oder 
zu  sich  nehmen  zu  seinem  Dienste  und  Gebrauche,  icählen,  und  hat 
daher  fast  nur  ein  Personenobjekt,  z.  B.  hunc  mihi  patronum  adoptavi, 
diesen  habe  ich  mir  zum  Verteidiger  gewählt;  aber  in  der  allge- 
meinen Bedeutung  wählen,  nehmen^  mit  einem  Sachobjekte  verbunden 
ist  es  N.  KL,  z.  B.  Sen.  epist.  13,  17  Epicuri  dicta,  quae  mihi  et  lau- 
dare  ei  adoptare  permisi;  in  Yerbindungen,  wie  das  N.  L.  sie  auf- 
weist, adoptare  lectionem,  scripturam  (eine  Lesart),  u.  dergl.  ist 
es  in  klass.  und  nachklass.  Prosa  unerweishch,  für  recipere,  eligere, 
sibi  sumere.  Ebenso  wenig  sagt  man  auch  ordinem  adoptare  =  einen 
Stand  wählen  für  deligere,  quam  quis  viam  vivendi  sit  ingressurus 
Cic.  off.  1,  118;  die  Standeswahl  bestimmen,  treffen  =  sibi,  alicui 
genus  aetatis  degendae  constituere,  ibid.  §  117,  die  richtige  Standes- 
wahl treffen  =  rectum  vitae  viam  secpii,  ibid.  und  in  einen  Stand 
(durch  Wahl)  aufgenommen  werden  =  cooptari  in  ordinem.  Je- 
manden an  Kindesstatt  annehmen  kann  lat.  heissen  entweder  einfach 
aliquem  adoptare,  was  sich  sehr  häufig  findet,  oder  sibi  adoptare, 
z.  B.  Cic.  Pis.  fr.  7,  auch  aliquem  fllium  sibi  adoptare,  vgl.  Plaut. 
Men.  60  und  61,  Poen.  1059,  Cic.  de  domo  37.  VorU.  auch  ali- 
quem adoptare  pro  filio,  Plaut.  Poen.  Prol.  76  und  119;  endlich 
in  filium  aliquem  adoptare  ist  Ausdrucksweise  des  Sp.  L.,  z.  B.  bei 
scr.  h.  Aug.  Eccl.  Gros.,  vgl.  Paucker  Z.  f.  ö.  G.  1883  S.  327  f. 
u.  Thes.  S.  810,  38  ff. 

Adoptatio,  und  mit  kürzerer  Form  adoptio,  die  Annahme.,  be- 
sonders an  Kindesstatt,  sind  beide  Kl.  und  gut;  die  erste  ältere 
Form  findet  sich  auch  in  einigen  Stellen  Ciceros,  wie  z.  B.  dom.  77, 
vielleicht  Tusc.  1,  31  und  sicher  Balb.  57,  vgl.  Fabri  zu  Sali.  Jug. 
11,  6.  N.  Kl.  und  später  wurde  die  kürzere  Form  vorgezogen, 
welche  auch  ausschliesslich  bei  den  Juristen  angetroffen  wird. 

Adorare,  verelircn  (die  Götter),  beten,  bitten  um  etwas,  zwar 
nie  bei  Cicero  und  Caesar,  welche  venerari,  colere,  precari  und  sup- 


Adulari  —     103     —  Adusque 

plicare  dafür  brauchen,  aber  doch  seit  Yerg.  und  Livius  ganz  ge- 
wöhnlich bei  Dichtern  und  Prosaisten,  die  es  nicht  nur  von  demütiger 
äusserer  Yerehrung  in  Bezug  auf  Götter,  sondern  auch  auf  Menschen 
brauchen,  z.  B.  Quint.  10,  1,  88  Ennium  sicut  sacros  vetustate  lucos 
adoremiis.  Näheres  hierüber  siehe  bei  Heerdegen  Untersuch.  UI, 
S.  101  und  Archiv  X,  S.  36.  Dagegen  steht  adoratio  erstmals  bei 
Plin.  nat.  28,  22;  29,  67,  dann  bei  ApuL,  Sj).  L.  bei  Hieronym. 
und  sonst ;  ebenso  meide  man  adorahilis  und  ado7Xttor  als  Sj).  L. 
(vgl.  Gölzer  Hieron.  46,  Rönsch  Itala  S.  55). 

AdjJ.  ]    die  so  anfangenden  Wörter  s.  unter  ÄjJi). 
Adr.  [  —  —  —  —      s.  unter  Arr. 

Ads.  (  —   —  —  —      s.  unter  Ass. 

Adt.  J   —   —  —  —      s.  unter  AU. 

Adidari  =  auf  niedrige,  kriechende,  speichelleckerische  Weise 
schmeicheln  (das  Aktiv  adido  ist  nur  archaisch  und  archaistisch, 
vgl.  Kretschmann  S.  79,  oder  P.  L.,  vgl.  Cic.  Tusc.  2,  24,  jeden- 
falls nicht  nachzuahmen;  bei  Cic.de  off.  1,  91  schwankt  C.  F.W.  Müller, 
ob  er  in  neve  adidari  nos  sinamus  das  Subj.  zum  Inf.  ergänzen 
oder  adulari  als  pass.  annehmen  soll,  Neue -Wagener  ^  III,  S.  21 
sehen  in  nos  das  Objekt,  wohl  mit  Recht).  Bei  Cicero  steht  adulari 
nur  mit  dem  Accus.,  z.  B.  de  divin.  2,  6  u.  Pis.  99.  Caesar  hat 
es  gar  nicht,  Nepos  Att.  8,  6  konstruiert  es  zuerst  mit  Dativ, 
welche  Konstruktion  von  Livius  an  die  häufigere  wird,  wie 
Quint.  9,  3,  1  bezeugt ;  vgl.  Nipp. -Lupus  zu  Nep.  Att.  8,  6,  Thes.  I, 
S.  877,  Landgraf  zu  Reisig-Haase  N.  544  b. 

Adidteratus,  verfälscht,  nachgemacht,  wird  in  Verbindung  mit 
nummus,  Münze,  Geld,  signum,  Siegel,  Fetschaft,  clavis,  Schlüssel 
u.  a.  nicht  gebraucht,  indem  bei  ihnen  adidterinus  üblich  ist.  Doch 
wird  Geld  verfälschen  durch  adtdterare  nummos  ausgedrückt:  c[iii 
nummos  anreos  argenteos  adidteraverit  (wohl  aus  einem  Gesetze), 
ebenso  heisst  der  Fälscher  adidterator,  beides  bei  Juristen,  auch 
steht  Lex.  Sal.  11,  5,  51  si  clavem  adidteraverit;  vgl.  Thes.  s.  v. 

Adultus,  herangewachsen.  Dass  der  Thes.  unter  diesem  Worte 
der  Ergänzung  bedarf,  habe  ich  Berl.  Ph.  Wocb.  1902,  S.  958  ge- 
zeigt. Adultus  ist  klass.  und  gut,  aber  adidtiores  in  der  Bedeutung 
die  Älteren  N.  L.  für  maiores  natu^  wenn  auch  adidtior  bei  Plin. 
nat.  10,  92  u.   Solin.  12,   12  vorkommt. 

Adunare,  vereinigen,  8p.  L.  für  coniimgere,  vgl.  Paucker  Vor- 
arbeiten II,  S.  74  (Justin.  Eccl.),  Rönsch  It.  S.  182,  Bergmüller 
Jord.  S.  13,  Rönsch  Coli.  S.  123.  Noch  später  adunatio.,  die  Ver- 
einigung; vgl.  Thes.  s.  V. 

Adusque,  his  an,  wurde  von  Catull  4,  23  erstmals  gebraucht, 
dann  von  Vergil  wohl  unter  dem  Zwange  des  Metrums  eingeführt; 
durch  seinen  Einfluss  ist  es  auf  Tacitus  (vgl.  ann.  14,  58  und  Nipp. 
zu  ann.  13,  47)  und  die  Sj).  L.  gekommen.  Vgl.  Gorges  Gell. 
S.  11  und  besonders  Thielmann  in  Wölffiins  Archiv  VII,  S.  106, 
sowie  Thes.  S.  899,  Novak  Amm.  S.  63. 


Advecticius  —     104     —  Advenire 

Advecticms,  herheigehraclit,  fremd,  ausländisch,  findet  sich  nicht 
in  klass.  Sprache,  aber  bei  Sallust  Jug.  44,  5,  vom  Weine,  viniim 
advect.,  dann  bei  Ammian  14,  8,  8  coinae ;  klassisch  ist  im])ortatus, 
z.  B.  Caes.  Gall.  5,  12  aere  iituntur  hnportato,  civ.  3,  42  fru- 
mentum  imi^oriatum.  Näheres  über  advecticius  siehe  bei  Wölfflin 
Archiv  Y,  S.  426,  Hertz  S.  15,  Engelbrecht,  Wiener  Sitzungsberichte 
1903  YIII,  S.  3  (wonach  Thes.  I,  825,  35  die  beiden  Stellen  aus 
Ambrosius  zu  streichen  sind),  Köhler  act.  Erl.  I,  S.  377,  Paucker 
Vorarbeiten  S.  94. 

Advehere  wird  im  A.  L.  und  Klass.  mit  dem  Dativ  der  Person 
konstruiert,  z.  B.  Plaut.  Merc.  261  ancillam  matri  advexit,  Oic. 
Yerr.  5,  64  quasi  praeda  sihi  advecta,  die  Sache  steht  im  Accus, 
mit  ad  oder  in,  z.  B.  Cic.  Phil.  2,  77  ad  urhem  advectus,  Tusc.  1, 
113  sacerdos  advecta  in  fanum.  Im  N.  Kl.  seit  Livius  wird  dieser 
Unterschied  nicht  mehr  beobachtet.  Der  Accus,  ohne  Präpos.  findet 
sich  bei  Yerg.  und  dann  bei  Tac,  vgl.  Yerg.  Aen.  8,  136  und  Tac. 
ann.  2,  45  u.  dazu  Nipp.  Näheres  bei  Landgraf  Programm  1899, 
S.  33. 

Advenerari,  verehren,  A.  L.  bei  Yarro  r.  r.  1,  1,  6  und  P.,  sowie 
Sjh  L.,  vgl.  Thes.  S.  830,  wo  jedoch  Yarro  r.  r.  1,  1,  6  (nicht 
1,  6)  zu  schreiben  ist. 

Advenire,  ayikommen,  wird  nur  verbunden  entweder  mit  ad 
oder  mit  in  und  dem  Accus.,  aber  nie  mit  in  und  dem  Ablat.;  dies 
findet  sich  erst  Sp.  L.  bei  Sulp.  Sev.  chron.  1,  12,  6  in  Aegypto, 
vgl.  noch  Thes.  S.  831,  65;  P.  mit  dem  blossen  Acciis.;  wiewohl 
wir  Deutschen  nicht  allein  sagen  an  einen  Ort  kommen,  sondern  auch 
an  ei7iem  Ort  ankommen.  Man  sage  daher:  advenire  in  urhem,  in 
domum  (im  Hause),  oder  bloss  domum  (zu  Hause),  Delphos  (z.  D.), 
ad  me  (hei  mir),  nicht  in  urhe,  in  domo,  domi,  Delphis,  apud  me. 
Daher  auch  luo,  quo,  nicht  uhi;  hier,  huc,  nicht  hie;  dort,  eo,  istiic  oder 
illuc,  nicht  istic,  ihi,  illic;  wo  hie,  istic  u.  ä.  sich  findet,  ist  die  Über- 
lieferung oder  Erklärung  zweifelhaft,  vgl.  Thes.  S.  831,  79.  So 
auch  bei  dem  Subst.  adventus,  die  Ankunft,  z.  B.  honestus  tum  erii 
yioster  ad  Pompeium  adventus,  Cic.  Att.  10,  8,  2  und :  de  Bruti 
adventu  ad  suas  legiones,  ibid.  14,  13,  2  und:  repentinus  ad 
meos  necessarios  adventus,  Phil.  1,  7  und :  ipsorum  adventus  in 
urhes  sociorum,  Pomp.  13  und:  ante  consulis  Bomam  adventum, 
Liv.  21,  62,  13.  —  Was  adventare  betrifft,  so  wird  es  allerdings  etwas 
seltener  sein,  als  advenire,  ist  aber  in  klassischer  Sprache  wenigstens, 
vgl.  meine  Stilistik  ^  §  35,  nicht  gleichbedeutend  mit  advenire,  sondern 
hat,  wie  schon  die  Prequentativform  andeutet,  den  Nebenbegriff  der 
ununterbrochen  fortgesetzten  Annäherung,  ist  also  gleich  unserem 
heranrücken,  anmarschieren,  im  Anzüge  hegriffen  sein;  vgl.  auch 
Thes.  S.  835,  47  ff.  In  dieser  seiner  Bedeutungssphäre  aber  ist  das 
Yerbum  ungemein  häutig,  kommt  jedoch  —  wie  Wölfflin  Archiv  III, 
S.  558  gezeigt  —  nur  im  Präsens  oder  Imperfekt  vor  (die  wenigen 
Perfektformen  hat  Thes.  I,  S.  835,  42  ff.) ;  besonders  beliebt  ist  es 


Adventorius  —     105     —  Adversari 

bei  den  Historikern ;  so  hat  es  —  um  die  Sache  rückwärts  zu  ver- 
folgen —  öfter  Justin.  Nicht  sehener  ist  das  Wort  auch  bei  Tacitus: 
per  intervalla  adventantes  =  in  Zivisclienräumen  amnar  schier  ende 
Tnipimi,  ann.  4,  73;  6,  33  und  11,  18,  bist.  1,  70;  2,  6  und  3, 
S)  und  sonst,  sowie  bei  Curtius.  Adventantis  equitatiis  fragor, 
Yal.  Max.  3,  1,  1.  Sehr  häufig  ist  dieser  Gebrauch  auch  bei  Livius : 
quae  (vox)  magistratihus  dici  iiiberet  Gallos  adveyitare,  5,  32,  6 
und:  repeyite  aiidit  Gallorum  exercitmn  adventare,  ebendas.  c.  43,  8 
und  c.  44,  4  und:  prospicere  adventantem  hostium  dassem,  21,  49, 
8  u.  s.  w.  Ebenso  auch  bei  Nep. :  Miltiades  timeyis,  ne  classis  regia 
adventaret,  Milt.  7,  4  und  :  cum  adventare  dicerentiir  .  .  .  magno  cum 
exercitu  Macedomtm,  ibid.  Eum.  3,  3.  Auch  Sali,  hat  das  Wort  ver- 
wendet: postqiuim  Antofiius  cum  exercitu  adveyitahat,  Catil.  56, 4;  eben- 
so einmal  Cäsar:  Caesar  adventare  iam  iamque  et  adesse  eins  equi- 
tes  falso  nuntiabantur  civ.  1,  14,  1  und  das.  Kraner;  daraus  kann  man 
indes  nichts  schliessen,  denn  auch  advenire  hat  Caesar  nur  einmal,  civ. 
2,  32,  12.  Ausserdem  findet  sich  dasselbe  auch  bei  Hirtius  in  Caes,  Gall. 
8,  20,  2  und  im  B.  Alex.  36,  3.  Oft  ist  endhch  adventare  auch  von  Cicero 
gebraucht,  wenn  er  von  militärischen  Bewegungen  spricht:  adventare 
cum  magnis  copiis,  Cic.  Att.  8,  3,  7  und  15,  21,  3  und:  legiones, 
milites  adventantj  ibid.  16,  4,  4  und  3,  22,  8  und  Plane,  bei  Cic. 
fam.  10,  15,  4.  Aber  auch  ausserhalb  der  militärischen  Sphäre 
ist  adventare  nicht  ungewöhnlich:  cum  me  vires  (qiiod  fere  iam  tem- 
pus  adventat)  deflcere  coepissent,  Cic.  de  erat.  1,  199  ;  so  vom  heran- 
rückenden Greise7ialter  Cato  2,  vom  hera?irückenden  Tode  Tusc.  1, 
95  und  5,  56,  von  dem  Verhängnis  der  Zerstörung  Roms  durch  die 
Gallier  Liv.  5,  33,  1.  Im  militärischen  Sinn  wnrd  oft  auch  adventiis 
=  Anmarsch  genommen :  praecogyiito  nostro  adventu,  Plane,  bei  Cic. 
fam.  10,  15,  4,  Nep.  Them.  2,  6,  Eum.  9,  4,  Caes.  Gall.  5,  48,  10, 
Tac.  ann.  2,  7. 

Adventorius,  die  Ankuyiß  betreffend,  P.  und  N.  Kl.  für  das 
klassische  adventicius;  daher  ceym  adventicia,  nicht  adveyitoria^  der 
Ankirnftsschmaus ;  vgl.  Paucker  Yorarbeiten  I,  S.  31,  Archiv  Y, 
S.  426,  Heraus  Progr.  Offenbach  1899,  S.   19. 

Adversari,  tviderstreiten,  sich  ivider setzen,  ist  ein  klass.  Wort; 
es  wird  verb.  alicui  oder  alicui  rei  (meistens  nur  der  Meiyiung,  Ge- 
sinnung, Absicht  jemands  sich  luidersetzen,  während  resistere  und  ob- 
sistere  sich  auf  fe  Tat  beziehen,  welcher  Widerstand  geleistet  wird); 
vgl.  Cic.  Phil.  9,  9  noyi  ausi  sumus  adversari  volimtati.  —  Mit  Aus- 
nahme einiger  Stellen,  die  der  Thes.  S.  850,  34  fiP.  aufführt,  wird 
für  adversari  (=  detestari,  speyiiere)  jetzt  überall  aversari  gelesen; 
dieses  adversari  wird  mit  Accus,  konstruiert,  z.  B.  Ps.  Cyprian 
adv.  Ind.  2  adversatus  est  patrem,  gerade  wie  aversari  bei  Enn.  ann. 
583  M.,  Sali.  bist.  5,  16  M.  und  Liv.  3,  12,  9  transitiv  gebraucht  wird; 
Cic.  hat  nur  intrans.  aversari,  Caes.  gebraucht  das  Wort  nicht ; 
vgl.  noch  Archiv  X,  S.  30.  A.  L.  bei  Plautus  steht  adversari  mit 
contra  oder  adversus  aliquem,  was  beides  nicht  nachzuahmen  ist. 


Adversaria  —      106     —  Adversus 

Adversm'ia,  als  Subst.  im  Plur.  die  Aäversarien^  sind  bei  den 
Alten  nur  die  Konzeptbücher  zum  vorläufigen  Eintragen  der  Geld- 
posten im  Handel  und  Wandel  und  in  der  Wirtschaft,  also  in  ad- 
versaria referre,  in  adversariis  relinquere,  adversaria  neglegenter 
scrihere,  adversariis  nihil  Gliedere,  was  sich  alles  bei  Cicero  findet, 
im  Gregensatz  von  tahidae  oder  codex  accepti  et  expensi;  erst  im 
N.  L.  wird  es  von  Gelehrten  angewandt  auf  ihre  Notizbücher,  in 
welche  bei  Gelegenheit  Bemerkungen,  teils  eigene,  teils  anderer  zu 
künftigem  weiteren  Gebrauche  und  weiterer  Ausführung  eingetragen 
werden.  Dafür  brauchten  die  Alten  commentarii,  wovon  unten  bei 
diesem  Worte. 

Adversarius,  zuiuider,  feindlich,  jedoch  ohne  dass  die  Gesinnung 
dabei  in  Betracht  käme,  vgl.  Tegge  S.  19,  wird  als  Adjektiv  nur  mit 
dem  Dativ  verbunden,  aber  als  Substantiv  mit  dem  Genitiv,  wie 
z.  B.  Cic.  Tusc.  5,  76  acerrimus  virtutis  adversarius  (so  liest  C.  F. 
W.  Müller  ohne  Bemerkung);  das  fem.  adversaria  „die  Gegnerin" 
findet  sich  bei  Cic.  fam.  2,  4,  2  und  dann  N.  Kl.  und  Sp.  L.,  z.  B. 
bei  Yal.  Max.  Sen.  phil.  Tert.  Hieron.  u.  a.;  vgl.  Gölzer  Hieron. 
S.  115.  Wenn  der  Begriff  unglücklich,  itngünstig  darin  liegt,  wird 
meist  das  Adjektiv  adversus  gebraucht,  z.  B.  bei  valetudo,  fortuna, 
res,  ventus;  daher  res  adver sae,  nicht  adver sariae,  das  Unglück,  die 
Not,    Bedrängnis  u.  a. 

Adversio,  das  Ui7iiuenden,  die  Richtung,  ein  höchst  seltenes 
Wort,  treffen  wir  nur  bei  Tertull.  adv.  Marc.  2,  13;  bei  Cic.  Arch. 
16  lesen  Baiter,  Halm  und  C.  F.  W.  Müller  animi  remissionem;  vgl. 
noch  Thes.  S.  847,  46. 

Adversitas^  N.  Kl.  beim  altern  Plinius  in  der  Bedeutung  das 
Widerliche;  aber  sehr  Si^.  L.  in  der  Bedeutung  die  Widertuärtigkeit, 
das  Unglück.  Man  hat  dafür  viele  andere  gute  Wörter,  z.  B.  malum, 
res  adversa,  casus  u.  a.     Vgl.  Thes.  S.  847. 

Adversus,  a,  um.  Mit  dem  Neutr.  adversum  fanden  sich  in  der 
gewöhnlichen  Sprache  mit  ex  und  in  die  Redensarten  ex  adverso, 
von  der  andern  Seite  her,  gegenüber  und  hi  adversum,  nach  der 
entgegengesetzten  Seite  hin.  Beide  fehlen  in  der  klass.  Prosa;  ex 
adverso  hat  das  Bell.  Hisp.  5,  2  ex  adverso  castra  ponit  (Thes.  S.  868, 
35  unrichtig  4,  5,  2),  dann  Li^.  und  die  N.  Kl.  Prosa;  in  adversum 
das  silberne  Latein  und  das  Sp.  L.  Klassisch  ist  für  das  erste  e 
regione,  für  das  andere  in  adversam  partem. 

Adversus  als  Präposition  wird,  wie  unser  gegen,  nicht  nur  in 
feindlichem,  sondern  auch  in  freundlichem  Sinne  gebraucht,  z.  B. 
reverentia  adversus  homines,  iustitia  adversus  infimos;  denn  der  Be- 
griff des  Feindlichen  lag  ursprünglich  nicht  darin,  vgl.  Pradel  S.  486; 
stilistisch  wichtig  ist  der  von  Nägelsbach-Müller  ^  S.  494  behandelte 
Gebrauch  von  adversus  =  „auf  Kosten,  zum  Schaden",  z.  B.  Tac. 
bist.  2,  12  adversus  modestiam  disciplinae  .„zum  Schaden  der  Dis- 
ziplin^'' ;  vgl.  Heraus  z.  St.  Dies  darf  man  unbedenklich  nach- 
brauchen,   da    es  eine  konsequente  Fortbildung   der  klassischen  Be- 


Advertere  —     107     —  Advocare 

deutung  von  adversiis  ist;  vgl.  auch  Schenkl  in  W.  f.  kl.  Phil.  1886 
S.  77  über  adversiis  =  ,^gec/enüber,  in  Hinsicht  aiif-^ ,  Cic.  fam. 
3,  13,  2,  sowie  Gudeman  zu  Tac.  dial.  33  über  adversus  =  gegen- 
über^ im  Vergleich  mit''^  z.  B.  Liv.  7,  32,  8.  —  Die  Begriffe  des 
Schützens,  Bewahrens,  des  Geschützt-  oder  Gesichertseins  vor  etwas 
werden,  wenn  nicht  das  Befeinden  des  ahzuivehrenden  Gegenstandes 
ausgedrückt  werden  soll,  nicht  mit  contra  oder  adversus,  sondern  mit 
ah  verbunden,  z.  B.  a  quo  pericido  defendite  eum  virum,  Cic.  Font. 
49.  Portus  ah  Africo  tegehatur,  Caes.  civ.  3,  26,  4.  Aber  vergl. 
Sali.  Jug.  110,  6  t'ueri  adversum,  Liv.  5,  35,  4  adversus  popidiim 
Romanum  def ender e,  Liv.  4,  59,  6  adversus  Fabiimi  urbem  tue- 
bantiir.  —  Nur  bei  Sallust  Jug.  101,  8  und  bist.  2,  71  M.  und 
Nepos  steht  es  hinter  dem  Accusativ,  bei  jenem  nur  dem  Pron.  relat., 
bei  diesem  dem  Pron.  demonstr.  nachgesetzt  (vgl.  Lupus  S.  81, 
Constans  S.  132),  während  die  Komiker  adv.  häufig  dem  Pron. 
pers.  nachstellen^  z.  B.  Plaut.  Amph.  750  te  advorsus.  Nie  erfolgt  diese 
Umstellung  bei  Cicero  und  Caesar.  —  Adversum  quam  =  contra  quam 
findet  sich  nur  bei  Plaut.  Trin.  176.  Näheres  siehe  im  Thes. 
S.  850  ff.  und  bei  Reissinger  im  Progr.  von  Landau  1897,  S.  53  ff., 
welcher  sehr  hübsch  entwickelt,  wie  adversus  in  die  Stelle  des  ab- 
sterbenden ob  eintritt. 

Advertere  wird  klassisch  verbunden  mit  animum,  vgl.  Animad- 
vertere.  In  der  Bedeutung  anziehen,  aufmerksam  machen,  ist  es 
nachklassisch,  z.  B.  bei  Sen.  phil.,  bei  PI.  epp.  1,  10,  5  und  bei 
Tacit.;  vgl.  Dräger  zu  ann.  2,  17  und  Heraus  zu  bist.  3,  48  ;  in  der 
Bedeutung  „aufmerken,  achthaben"  steht  advertere  oft  bei  Dichtern 
und  im  Sp.  L.  auch  in  Prosa;  advertere  =  „bemerken"  lesen  wir 
jetzt  auch  bei  Cic.  fam.  1,  1,  3,  dann  bei  Liv.,  z.  B.  44,  46,  4,  oft  im 
N.  KL,  z.  B.  bei  Plin.  nat.  8,  29,  und  öfters  bei  Tac.  Verbunden 
mit  in  aliqitem  in  der  Bedeutung  jemanden  bestrafest  ist  es  N.  Kl. 
nur  bei  Tacitus  für  das  Kl.  animadvertere  in  aliquem  (vgl.  Nipp,  zu 
Tac.  ann.  2,  32).  Im  ganzen  bekommen  wir  den  Eindruck,  dass 
advertere  ein  Wort  der  sinkenden  Latinität  ist. 

Advocare  bedeutet  mit  Rücksicht  auf  die  rufende  Person, 
jemanden  in  einer  bestimmten  Absicht,  als  Ratgeber,  Beistand,  Helfer 
zu  sich  oder  an  einen  bestimmten  Ort  hinrufen.  So  hat  es  schon 
Plaut.  Amph.  1128,  auch  Cicero,  z.  B.  Yerr.  5,  102,  Sest.  28,  dann 
Sali.,  z.  B.  Cat.  58^  3,  Jug.  33,  3,  auch  Caes.  civ.  3,  33,  1,  Liv.  1,  59, 
7;  dabei  kann  der  Zweck  ausdrücklich  angegeben  werden,  wie 
z.  B.  advocare  ad  obsignandum,  Cic.  Attic.  12,  18,  2,  quos  advo- 
caverit  in  consilium,  Liv.  44,  34,  2.  —  Als  stehender  Ausdruck 
des  altrömischen  Kurialstils  aber  wird  advocare^  besonders  in  der 
Zeit  der  Republik,  vom  Richter  gesagt,  welcher  Sachverständige  zu 
einer  Beratung  in  einer  Rechtssache  zusammenruft ;  dann  wird  es  auch 
von  den  Parteien  angewendet,  welche  Freunde,  besonders  Juristen, 
um  ihr  rechtliches  Gutachten  angehen  und  zum  persönlichen  Erscheinen 
vor  Gericht  berufen,  nicht,  um  dort  für  sie  als  Sachwalter  zu  sprechen 


Advolare  —     108     —  Aedes 

(was  der  «cfor  causae,  caiisae  patromis  tat),  sondern  um  durch  ihr 
blosses  Erscheinen  bei  der  öffentlichen  Gerichtsverhandlung  ein  mo- 
ralisches Gewicht  in  die  Wagschale  ihres  Klienten  zu  werfen;  vgl. 
Piderit  zu  Cic.  Brut.  289.  Erst  nachkl.  wird  aduocare  und  advocatus 
von  demjenigen  gesagt,  welcher  als  Reclüsamvcdt  vor  Gericht  die 
Sache  eines  andern  mündlich  verficht,  z.  B.:  etiam  in  his  causis, 
quihus  advocamiir,  Quintil.  1,  11,  39.  Respondi  :  cum  simus  advocati 
a  senatu  dati,  dispice,  num  putes  .  .  Plin.  epp.  7,  33,  5.  In  diesem 
Sinne  wird  nachklass.  für  advocati  auch  |das  abstrakte  advocatio 
=  coetiis  advocatoriim  gefunden.  S.  Lagergren  S.  15  und  Thes.  S.  894. 

Advolare,  herheifliegen  oder  -eilen,  wird  Kl.  verbunden  ad 
aliquem  (selten  ohne  ad,  Cic.  Att.  1,  14,  5  hie  tibi  rostra  Cato  ad- 
volat,  vgl.  Boot  z.  St.  und  meine  Syntax  ^  §  47;  doch  C.  F.  W.  Müller 
liest  in  rostra,  der  Thes.  S.  896,  54  zieht  ad  rostra  vor)  und  mit 
in  —  z.  B.  Cic.  Phil.  11,  27  in  Macedoniam  alienam  advolavit  = 
hinein;  P.  L.  cdicui,  z.  B.  Yerg.  Aen.   10,  509;  vgl.  Thes.  S.  896. 

Ädvolvere  se  oder  advolui,  sich  luälzen,  niederfallen,  nirgends 
bei  Cicero  und  Caesar,  welche  accidere,  jirocumhere,  j^roicere  brauchen ; 
zuerst  findet  es  sich  bei  Livius,  z.  B.  8,  37,  9  genibus  omniiim  se 
advolvens  und  dann  im  N.  Kl.  mit  dem  Dativ.,  z.  B.  pedibus,  zu  den 
Füssen,  Sen.  de  ira  2,  34,  4;  andere  (Sallust  und  Tacitus)  mit  dem 
blossen  Äccusativ,  z.  B.  genua  (Sali.  hist.  fr.  ine.  16  M.).  Ebenso 
spätl.  Apul.,  welcher  in  dergl.  Accusativkonstruktionen  sehr  kühn  ist : 
Psyche  pedes  eins  advoluta,  met.  6,  2  und  apol.  94  (vgl.  Kretsch- 
mann  S.  130). 

Adytum,  das  Innerste,  Allerheilig ste  eines  Tempels,  zwar  nur 
P.  L.  und  Sp.  L.  für  occidta  ac  recondita  templi  (Caes.  civ.  3, 
105.  4),  intima  aedis  pars,  interiora  aedis,  auch  penetralia ;  aber 
dennoch  in  der  Bedeutung  das  Allerheilig  ste  etwa  so  anzuwenden, 
wie  es  Caesar  tut,  der  zu  jenen  Worten  hinzusetzt:  cpiae  Graeci 
adyta  (äduza)  appellant  (vgl.  Saalfeld  im  Tensaurus  s.  v.,  sowie 
Thes.  S.  902). 

Aedes  oder  gleich  gut  aedis  (vgl.  Neue -Wagener  ^  I,  S.  379) 
bedeutet  im  Singular  nur  den  Tempel  (über  den  Unterschied  von 
aedes  und  templum  vgl.  Mommsen  Res  gest.  Div.  Aug.  S.  78)  oder 
ein  grösseres  Gemach  eines  Hauses,  vgl.  Schütz  zu  Horat.  carm.  1, 
30,  4,  letzteres  jedoch  sehr  selten ;  nie  das  Haus,  für  welche  Be- 
deutung nur  der  Plural  diente.  Mehrere  Tempel  heissen  nur  aedes 
sacrae  (Cic.  Sest.  95)  oder  aedes  deoriim  oder  aedes  deorum  immor- 
talium,  auch  bloss  aedes,  wenn  der  Zusammenhang  die  Bedeutung 
an  die  Hand  gibt,  wie  z.  B.  bei  Cic.  de  or.  3,  180.  Man  merke:  zwei 
Tempel  heisst  diiae  aedes  sacrae,  aber  zwei  Häuser,  binae  aedes,  vgl. 
Tegge  S.  29  f.  —  Wann  aedes  bei  dem  Genitiv  weggelassen  oder 
beigefügt  wird,  also  ob  man  ante  Castoris  oder  ante  Castoris  aedem 
sagt,  darüber  hat  eine  hübsche  Zusammenstellung  aus  Cicero  Kluss- 
mann  in  Z.  f.  G.  1880,  S.  325;  vgl.  dazu  noch  Kunze  Sali.  lil,  2, 
1  für  Sallust  (nur  hist.  ine.  26  M.  ad  Jovis,  sonst  ist   immer  aedem 


Aedificare  —     109     —  Aeger 

beigefügt),  Novak  studia  Liv.  S.  58  für  Liv.,  wo  wohl  2,  7,  12  ithi 
nunc  aedes  Vicae  Fotae  est  zu  lesen  ist,  vgl.  indes  Wölfflin  im 
Archiv  II,  370  (hier  ist  indes  aus  Cic.  divin.  2,  85  propter  Jovis 
piieri  zur  Berichtigung  beizufügen). 

Aedificare  dehnt  sich  KL  auf  alles  aus,  was  hervorgebracht 
oder  geschaffen  wird,  nicht  bloss  auf  Häuser;  daher  z.  B.  naveni 
(Cic.  Yerr.  5,  43),  urhem  (Cic.  off.  2,  15),  mimdiim  Tusc. 
1,  63,  hoy^tos,  pisdyias  u.  a.  In  dem  Sinne  üherhauen  (einen  Ort), 
d.  h.  mit  mehreren  Häusern  besetzen,  sagt  man  klassisch  gewöhnlich 
nicht  aedificare,  sondern  coaedificare ;  daher  bei  Cic.  part.  36  loci 
coaedificati  an  vasti,  Cic.  Att.  13,  33,  4,  Yerr.  4,  119;  aber  doch 
auch  Cic.  Att.  4,  19,  2  Dionysio  no?i  modo  servavi,  sed  etiam  aedi- 
ficavi  locum;  Liv.  1,  35,  10  und  N.  Kl.,  z.  B.  Phn.  nat.  18,  28.  Inter- 
essant ist,  dass  die  Eccl.  aedificare  und  aedificatio  wie  ohodofielv^  z.  B. 
1  Kor.  8,  1,  übertragen  brauchen,  woraus  unser  ,^erhaiien^^  hervor- 
gegangen, vgl.  Hieron.  ep.  64,  5  omne,  qiiod  non  aedificat  audientes, 
in  pericidum  vertitur  loquentiitm;  vgl.  Gölzer  Hieron.  S.  235,  Thes. 
S.  926,  71. 

Aeditiimiis  (aeditimus)  und  aeditims,  der  Khxhner,  Küster, 
Tempelhüter,  welche  Formen  zu  Ciceros  Zeit  im  Gebrauche  waren  ; 
die  erste  war  die  ältere,  die  andere  die  neuere  von  den  Städtern 
(Varr.  r.  r.  1,  2,  1)  gebrauchte  und  nachher  allein  gebliebene  Form. 
Cicero  brauchte  in  seinen  ersten  Reden  vielleicht  noch  die  ältere 
Form,  später  die  neue.  Ygl.  Yerr.  4,  96  u.  topic.  36  und  die  aus- 
führliche Erörterung  von  Gellius  12,  10,  4;  eine  Herleitung  des 
Wortes  gibt  Studemund  in  Wölfflins  Archiv  I  S.  115;  vgl.  noch 
Keil  zu  Yarro  r.  r.  1,  2,  1. 

Aegineta,  der  Einwohner  von  Aegina,  kl.  bei  Cic.  off.  5,  46  ; 
dafür  sagt  Yal.  Max.  9,  2  extr.  8  Aeginenses.  Als  Adj.  gebraucht 
Plin.  nat.  34,  8  u.  sonst  Aegineticus. 

Aeger  =  krank,  kommt  wie  im  Deutschen,  so  auch  lat.  oft 
absolut  vor,  z.  B.  Tiro  aeger,  Cic.  Attic.  7,  2,  3,  familia  aegra, 
ibid.  16,  8,  1,  graviter  aeger,  de  divin.  1,  53.  Wird  die  Ursache 
der  Krankheit  angegeben,  so  steht  sowohl  der  blosse  Ablat.,  als  der 
Ablat.  mit  ex,  also  vulnerihus  aeger,  Nep.  Milt.  7,  5  und  ex  vul- 
nerihiis  aeger,  Caes.  civ.  3,  78,  5;  nicht  nachzuahmen  ist  aeger 
maniim  bei  Tac.  bist.  4,  81,  jjedes  aeger  bei  Gell.  19,  10,  1,  sowie 
cuiiis  morhi  aeger  esset  Yal.  Max.  5,  7  ext.  1  und  aegra  corporis 
Apul.  met.  4,  32.  Oft  wird  dieses  Adjektiv  von  Klassikern  wie 
Caesar,  z.  B.  Gall.  5,  40,  5;  civ.  3,  75,  1  und  Cicero,  z.  B. 
de  orat.  2,  186  aegro  adhihere  medicinam,  namentlich  aber  von  den 
medizinischen  Schriftstellern  der  frühern  Zeit,  wie  Celsus  und  Scri- 
bonius,  als  Subst.  gebraucht,  so  dass  aeger,  besonders  aber  aegri, 
bei  den  genannten  Autoren  die  Patienten  bezeichnet.  Später  aber 
tritt  aegrotus,  welches  indes  schon  bei  Cic,  bei  Celsus  aber  nie  subst. 
und  nur  einmal  adj.  vorkommt,  in  Yordergrund,  so  dass  Patienten 
nunmehr  durch   aegroti   oder  aegrotayites  gegeben  wird.     Das  Wort 


Aegre  —     110     —  Aegyptiacus 

aeger  aber  ist  schliesslich  ganz  verschollen.  Ygl.  Brolen  S.  26, 
Wölfflin  Cass.  Felix  S.  393  f.,  Dressel  S.  5.  — Was  den  tropischen 
Grebrauch  von  aeger  =  krankhaft  angegriffen,  verstimmt,  verdriesslich 
betrifft,  so  findet  sich  derselbe  schon  bei  Cic.  Mil.  68:  qiäs  non 
intellegit  omnes  tibi  rei  puhlicae  partes  aegras  et  labantes  esse  com- 
missas ;  Liv.  5,  3,  6  semper  aegri  aliquid  esse  in  republica  voliint. 
So  sind  denn  auch  aegrae  omnium  mentes  bei  Liv.  2,  42,  10  =  die 
allgemeine  Verstimmung,  Mis Stimmung ,  vgl.  M.  Müller  z.  St.,  welcher 
sagt,  dass  dies  ein  häufiger  Tropus  von  pohtischer  Yerstimmung  sei. 
Yon  Livius  an  tritt  zu  aeger  auch  noch  der  Abi.,  z.  B.  21,  53,  2  animo 
magis  quam  corpore  aegixim,  oder  der  Lokativ,  aeger  animi,  s.  Liv. 
1,  58,  9  und  30,  15,  9,  Tac.  bist.  3,  58,  Curt.  4,  3,  11;  niemals 
aijer  sagt  man  aegrotus  animi,  sondern  aegrotus  animus.  Dies 
aegrotus  animus  steht  nicht  bei  Cic,  so  wenig  als  aeger  animi,  wohl 
aber  bei  den  alten  Kom.  und  Tragikern,  z.  B.  Ter.  Andr.  193,  in 
der  Bedeutung  „  liebeskrank "  ;  dagegen  lesen  wir  bei  Cic.  Tusc.  4, 
79  aegrotationes  animi,  qualis  est  avaritia  und  ea  res,  ex  qua  ani- 
mus aegrotat.  Ygl.  über  aeger,  aegrotus,  aegrimonia  etc.  Tegge  S.  77  f. 

Aegre.  Die  Redensart  hoc  mihi  aegre  est,  das  ist  mir  verdriesslich, 
ich  hin  darüber  verdr.,  ist  A.  L.  und  findet  sich,  wahrscheinlich  aus 
der  Yolkssprache  genommen,  bei  den  Komikern,  vgl.  Lorenz  zu 
Plaut,  mil.  740,  bei  Lucil.  und  Lucr.,  sowie  Sp.  L.  bei  Symm. 
Gleichwohl  braucht  es  Muret.,  cui  hoc  ipsum  per  se  aegre  est  für 
qui  aegre  fert,  cui  molestum  est.  Aegre  dolere  =  schmerzlich  be- 
dauern, wie  Halm  zu  Cic.  Sulla  31,  S.  85  lat.  Ausg.  sagt,  ist  unlat. 
für  aegre  /erre.  Sehr  häufig  lesen  wir  aegre  pati  und  aegre  ferre, 
auch  im  klass.  Latein. 

Aegy^ey^e,  krank  sein,  und  aegrescere,  krank,  bekümmert  werden, 
beide  fast  nur  P.  L.  und  das  letzte  in  Prosa  nur  bei  Plinius  dem 
altern  und  Tacitus  ann.  15,  25,  sowie  im  Sp.  L.;  jenes  für  aegrum 
oder  aegrotum  esse,  aegrotare,  dieses  für  in  morbum  incidere,  morbo 
afflictai^i. 

Aegrimonia,  der  Kummer,  nur  einmal  bei  Cicero  Att.  12, 
38,  2,  sonst  nur  bei  Dichtern  und  im  Sp.  L.  für  aegritudo]  über 
den  vulgären  Charakter  des  Wortes  vgl.  Landgraf  B.  Gymn.  XYI 
S.  319,  Guericke  S.  31,  Rönsch  Itala  S.  28  f. 

Aegritudo  und  aegrotatio,  die  Ky^anklieit;  jenes  Kl.  nur  von  der 
Seele,  dem  Gemüte,  also  Gemütskrankheit,  seit  Columella  vielleicht 
infolge  einer  Art  von  Euphemismus  auch  vom  Körper ;  das  zweite 
nur  vom  Körper.  Cic.  (Tusc.  3,  23)  sagt:  ut  aegrotatio  in  corpore, 
sie  aegritudo  in  animo  nomen  habet  non  seiunctum  a  dolore.  Ygl. 
ib.  4,  14,  sowie  Hey  im  Archiv  XI,  S.  519  Anm.  Über  aegrotatio 
animi  s.  Aeger, 

Aegyptiacus,  schlechtere  Sp.  L.  Form,  zuerst  bei  Gellius,  für  das 
klass.  Aegyptius,  was  Adj.  und  Subst.  ist.  Das  Adverb  dazu  Aegyp- 
tiace  findet  sich  nur  bei  Treb.  Poll.  trig.  tyr.  30,  21  P. :  Aegyptiace 
loqui. 


Aemulari  —     111     —  Aenus 

Aemidari  ■=  nach-  oder  ivetteifern,  eine  Person  oder  Sache  zu 
erreichen  strebeyi,  steht  regelmässig  mit  dem  Accus. :  aliquem^  aliqitid 
aemidari.  Sehen  wir  von  den  zahh-eichen  Belegen  aus  dem  N.  Kl.  und 
Sp.  L.  ab  und  führen  wir  nur  die  Zeugnisse  aus  der  kl.  Zeit  und  aus 
Livius  auf :  Aemulari  Agameynnonem ,  Nep.  Epam.  5,5.  Ut 
omnes  eius  instituta  laiidare  facilius  possint  quam  aemidari^  Cic. 
Flacc.  63.  Virtutem  veteranorum  aemidari,  B.  Afric.  81  ext.  Quem 
(Pythagoram)  .  .  .  iuvenum  aemidantium  studia  coetus  hahuisse  con- 
stat  Liv.  1,  18,  2.  Himts  fama  pugnae  .  .  animos  militum  ad 
aemulandum  decus  accendit,  ibid.  3,  61,  11  und  ebenso  7,  7,  3.  Den 
Zeugnissen  für  den  Accus,  stehen  die  Stellen,  an  denen  aemulari  = 
icetteifern,  wetteifernd  nachstreben  mit  dem  Dativ  verbunden  ist,  in 
einer  merkwürdigen  Minorität  gegenüber.  Sicher  ist  dafür  Just.  6,9,  2 : 
amisso  cid  aemidari  consueverant  in  segnitiem  ....  resoluti.  Bei 
Plin.  nat.  14,  30  stand  früher  vinum  aemulantur,  von  Jan  indes 
und  Detlefsen  lesen  jetzt  dort  vino.  Sicher  ist  Quintil.  10,  1,  122: 
consimmiati  iam  patroni  veterihus  aemidantur,  vgl.  Meister  z.  St.  und 
Pallad.  10,  8 :  feruntur  haec  Punica  mala  siccata  recentibus  pomis 
aemidari.  Bei  Tac.  ann.  12,  64  ist  vitiis  aemidahantur  der  in- 
strumentale Ablativ:  sie  wetteiferten  in,  mit  ihren  Lastern.  Aus 
klass.  Zeit  gibt  es  nur  wenig  Stellen  :  Cic.  Tusc.  1,  44  quod  iis 
aemidemur  (vgl.  Kühner  z.  St.),  dann  Tusc.  4,  56:  ohtrectare  vero 
alteri  aut  illa  vitiosa  aemulatione  aemidari;  hier  aber  ist  der  Ein- 
fluss  von  ohtrectare  vorherrschend  und  die  Bedeutung  von  aemulari 
streift  nach  Cic.  Tusc.  4,  17  mehr  an  „beneiden"  als  an  „nach- 
eifern"; es  ist  somit  aemidari  alicui  „einem  nacheifern"  für  Kl.  L. 
nicht  zu  erweisen;  übrigens  darf  auch  aemulari  aliquid  bei  Cic. 
Flacc.  63  (s.  oben)  nicht  besonders  betont  werden,  weil  dort  laudare 
mitkonkurriert.  Darnach  wäre  aemulari  ein  der  klass.  Latinität 
nicht  geläufiges  Wort,  das  in  gutem  Sinne  nie  den  Dativ  nach  sich 
hat  und  für  den  Accus,  sich  auch  nur  auf  die  schwache  Autorität 
einer  Stelle  stützen  kann.  Nur  an  einer  Stelle  findet  sich  aemulari 
cum  aliquo,  Liv.  28,  43,  4,  statt  aliquem.  Selten  ist  auch  die  Ver- 
bindung mit  dem  Infin.,  sie  steht  ausser  Tac.  bist.  2,  62  nur  noch 
einmal  in  der  Yulgata;  vgl.  Heraus  zu  Tac.  bist.  2,  62. 

Aemulatus,  die  Nacheiferung,  N.  Kl.  nur  bei  Tacitus  ann.  13, 
46  (vgl.  Nipp,  zu  Tac.  ann.  13,  14),  vielleicht  auch  bist.  3,  66  und* 
Agr.  46  für  aemulatio ;  letzteres  findet  sich  seit  Cicero,  ist  Lieblings- 
wort des  Tacitus.  Aus  aemidari  cum  bei  Liv.  28,  43,  4  erklärt 
sich  aemulatio  cum  aliquo  bei  Suet.  Tib.  11  (nach  Bagge  S.  6  um 
den  doppelten  Gen.  zu  vermeiden);  regelmässig,  wenn  auch  nicht 
klass.  zu  belegen  ist  der  Gen.:  aemulatione  Xerxis,  Suet.  Calig.  19 
und  aemidatio  vocis,  Nero  33. 

Aenigma  hat  im  Dat.  und  Ablat.  Plur.  aenigmatis,  nicht  aenig- 
matihus ;  vgl.  Saalfeld  s.  v.  und  Neue -Wagener  ^  I,  S.  440;  die 
Form  aenigmatihus  steht  Yulg.  3  reg.  10,  1  und  2  paral.  9,  1. 

Aenus  und  ahenus,  ehern,  A.  L.  und  P.  Form  für  aeneus  oder  aheneus. 


Aeolia  —     112     —  Aequare 

Aeolia^  Name  einer  kleinasiatischen  Landschaft,  welcher  sicher 
steht  in  Cic.  div.  1,  3  und  Nep.  Conon  5,  2;  Livius  und  der  ältere 
Plinius,  auch  Nep.  Milt.  3,  1  (vgl.  Nipp.-Lup.  zu  Conon  5,  2) 
brauchen  dafür  Aeolis  (Gen.  Aeolidis).  Doch  hat  Plinius  auch  die 
Form  Aeolia^  nat.  5,   120. 

Aequaevus,  gleiclialterig ,  von  gleichem  Alter,  F.  L.  seit  Yerg., 
vgl.  Norden  zur  Aen.  6,  141,  und  in  Prosa  N.  Kl.  und  Sp.  L.  für 
aequalis,  welches  für  diesen  Begriff  als  klassischer  Ausdruck  am 
meisten  gebraucht  wird.  Ygl.  Cic.  Brut.  239:  mens  aequalis  Cn. 
Pompeius,  welcher  ein  Geburtsjahr  mit  Cicero  hatte;  de  orat.  3,  31 
duo  prope  aequales '^  fin.  5,  42  von  Kindern:  aequaUhiis  delec- 
tantur;  cum  aequalihis  decertant  u.  s.  w.,  wiewohl  es  bisweilen  nur 
den  Zeitgenossen  bedeutet  und  gleich  dem  eiusdem  aetatis  ist,  was 
Cicero  ebenfalls  in  diesem  Sinne  braucht,  wie  in  Caecil.  41  :  ut 
eiusdem  aetatis  aut  nemo  aut  pauci.  Ausserdem  aetati  alicimis 
adiundtis  oder  conimictus,  Cic.  leg.  1,  6,  Brut.  99;  174;  226. 
Bezieht  sich  gleichzeitig  auf  die  Vergangenheit,  so  kann  es  auch 
ausgedrückt  werden  durch  temporum  illorum  scriptores,  nach  Tac. 
ann.  12^  67  u.  13,  17  u.  tem]poris  eins  audores,  ann.  6  (5)  9. 
Aequaevus  ist  also  in  Prosa  durchaus  verwerflich. 

Aequalis,  gleich,  wird  verbunden  wie  ein  Subst.  mit  dem  Genitiv, 
und  wie  ein  Adjekt.  mit  dem  Dativ;  P.  u.  nachklass.  mit  cum, 
s.  Plin.  nat.  16,  236.  (Man  lasse  sich  nicht  durch  Georges  s.  v. 
verführen,  der  auch  dem  Sali.  fr.  die  Konstruktion  aequalis  cum 
zuschreibt;  der  von  ihm  zitierte  Satz  steht  bei  Pseud.  Sali,  ad 
Caes.  sen.  13,  5  gloria  tua  cum  multis  viris  fortihus  aequalis  est). 
Der  Komparativ  von  aequalis  steht  bei  Quintil.  3,  8,  60,  Liv.  24,  46,  5, 
Plin.  nat.  19,  9,  der  Superl.  erst  bei  TertulL  Siehe  Neue-Wagener^  II, 
S.  246. 

Aequalitas  mit  dem  Genit.  animorum,  Gleichheit  der  Gesinnungen 
ist  nicht  zu  erweisen;  man  sage  dafür  eadem  studia,  eaedem  volun- 
tates  (Cic.  ofF.  1,  56),  voluntatum,  studiorum,  sententiarum  (summa) 
consensio  (Lael.  15)  und  nach  Lael.  27:  cuius  cum  morihus  et 
natura  congruimus  maxime.  —  Auch  liegt  der  Begriff  schon  im  Wort 
selbst,  so  in  aequalitas  fraterna,  wie  bei  Cic.  Ligar.  34,  vgl.  übrigens 
fraterni  animi  bei  Horat.  epist.  I,  10.  4, 

Aequanimus  und  aecßianimis,  gleichmütig,  gleichgesinnt^  sind 
Sj).  L.  und  ganz  zu  vermeiden  für  aecßio  animo  oder  constans,  und 
in  der  zweiten  Bedeutung  für  Concors,  fraterno  animo  u.  a.  Ebenso 
das  Adv.  aec[uanimiter ;  vgl.  Rönsch  Coli.  phil.  S.  67  u.  121.  Aber 
auch  aecpiaiwnitas,  bedeute  es  Wohlwollen  oder  Gleichmut,  ist  ver- 
werflich, da  es  in  jener  Bedeut.  für  henevolentia  nur  A.  L.  und  in 
der  zweiten  für  aequus  animus,  aequitas  animi,  constantia  nur  in 
den  Sprüchen  des  P.  Syrus,  dann  N.  Kl.  beim  altern  Plinius,  bei 
Seneca  und  Sj),  L.  besonders  bei  Eccl.  vorkommt. 

Aequare,  gleichmachen.  Jemanden,  etwas  mit  einem  andern 
gleichmachen,  bei  Cic.  u.  Caes.  aliquem,  aliquid  aequare  cum  aliquo, 


Aequator  —     113     —  Aeque 

aliqua  re ;  vgl.  Caes.  Gall.  6,  22,  4 :  cum  suas  quisque  opes  cum 
potentissimis  aequari  videat  und:  inventiim  est  temper amentum,  quo 
tenuiores  cum  pi'ijicipibus  se  aequari  putarent,  Cic.  leg.  3,  24.  Nur 
bei  se  aequare  hat  Cic.  den  Dat.,  s.  ofF.  1,  3.  Der  Dativ  aber 
aequare  aliqiiem  alicui,  alicui  rei  ist  poetisch  und  von  Livius  an 
auch  in  der  Prosa  eingebürgert;  vgl.  Liv.  31,  41,  10  cum  per  som- 
num  vinumque  dies  noctihus  aequarent ;  Quint.  10,  1,  50  (Thes. 
S.  1018  falsch  750)  nam  epilogus  quis  unqitam  p)oterit  Ulis  Priami 
rogantis  Acliillem  precihus  aequari  f  Ausser  Liv.  u.  Quintil.  vgl. 
noch :  campi  montibus  aequati,  Suet.  CaUg.  37.  Auch  der  jüngere 
Plin.  hat  diese  Verbindung,  welche  Lagergren  150  durch  epp.  2, 
12,  4  u.  5,  14  (15)  3,  paneg.  25,  35,  61  u.  71  belegt.  Auch 
Tacitus,  vgl.  sanctissimis  ArrimtU  artibus  dignitate  ultionis  aequa- 
batur,  Tac.  ann.  6,  7.  Zuerst  bei  Ovid  und  Livius,  dann  N.  Kl. 
finden  wir  die  Phrase  solo  aequare  (s.  unter  Adaequare);  wenn 
Tacitus  aliqiiem  caelo  aequare  trop.  =  einen  bis  zum  Himmxl  er- 
heben^ ann.  4,  34,  schreibt,  so  ist  dies  nach  Yerg.  z.  B.  Aen.  11,  125 
gebildet.  —  Ist  aequare  Verbum  neutr.  =  jemanden^  einer  Sache  in 
irgend  etwas  gleichkommen,  so  hat  es  bekanntlich  bei  Klassikern 
(bei  Caes.  in  dieser  Bedeutung  nur  Grall.  2,  32,  4,  wenn  daselbst 
nicht  vielmehr  adaequarent  zu  lesen  ist,  bei  Cic.  ist  mir  keine  Stelle 
bekannt)  u.  Nachklassikern,  so  besonders  bei  Liv.  u.  Curt.,  den 
Accus.,  wie  cursum  etc.  alicuius  aequare,  bei  sich,  womit  oft  noch 
der  Ablativ  der  Sache,  durch  welche  man  jemanden  gleichkommt,  ver- 
bunden sein  kann,  z.B.  celeritate  aliquem  aequare.  Der  Dativ  bei  aequare 
ist  Sp.  L.,  denn  bei  Hirt.  b.  Gall.  8,  41,  5  liest  man  jetzt  adaequaret. 

Aequator,  der  Aequator  auf  der  Erdkugel,  N.  L.  für  circulus 
aequinoctialis  nach  Yarro  ling.  8  (9),  L8,  p.  471  ed.  Speng.  (p.  203 
ed.  Müller),  Plin.  nat.  2,  177,  oder  circulus  meridianus  nach  Seneca 
nat.  5,  17,  2. 

Aeque  ac  nicht  vor  einem  Vokal  für  aeque  atque.  Vgl.  oben 
Ac.  Wohl  aber  steht  aeque  atque  vor  Konsonanten,  s.  Cic.  fin.  1, 
67.  Aeque  verbindet  zwei  gleiche  Gegenstände  Kl.  durch  ac  (atque) 
oder  et,  z.  B.  Cic.  Tusc.  2,  62  eosdem  labores  non  aeque  graves  esse 
imperatori  et  militi;  ac  steht  immer  vor  si,  z.  B.  ebenso  wie  oder 
als  ivenn,  aeque  ac  si,  z.  B.  Cic.  fam.  13,  43,  2  aeque  a  te  peto 
ac  si  mea  negotia  essent.  A.  L.  u.  P.  ist  aeque  cum,  z.  B.  aeque 
mecum,  ebenso  luie  ich  —  doch  vgl.  auch  Quint.  9,  4,  126  ;  mit  dem 
blossen  Ablat.,  z.  B.  aeque  illo,  ehenso  wie  (als)  jener,  bei  den  Ko- 
mikern, aber  auch  N.  Kl.  bei  Plin.  nat.  u.  Sp.  L.,  vgl.  meine 
Syntax  3  §  92,  Anm.  5,  Thes.  S.  1044,  39.  —  Bei  Cicero  und 
Caesar  findet  sich  nie  aeque  mit  folg.  quam;  so  aber  schon  bei  Plaut, 
u.  dann  bei  Livius  und  den  folgenden,  die  Stellen  siehe  Thes. 
S.  1044,  8  ff.  Richtig  mag  sein,  dass  es  so  in  der  Volkssprache 
gebräuchlich  war;  diese  Konstruktion  von  aeque  hat  Vell.  2,  121,  1 
auch  auf  das  Adj.  aequus  übertragen;  vgl.  Georges  Vell.  S.  26. 
Aeque  ut  steht  schon  bei  Plaut.  Asin.  838   (wo  es  freilich  Lambin 

Krebs-Schmalz,  Antibarbarus  1,  g 


Aequicrurius  —     114     —  Aequiperare 

tilgte  und  mit  ihm  Fieckeisen,  jetzt  lesen  wir  es  wieder  bei  Leo 
und  Scholl  in  bemerkenswerter  Abundanz,  vgl.  auch  Thes.  S.  1044, 
60),  dann  bei  Cic.  Phil.  2,  94,  auch  Hör.  od.  1,  16,  7,  wo  jedoch 
die  Korrelation  mit  dem  unmittelbar  vorausgehenden  sie  näher  liegt, 
schliesslich  bei  Plin.  epp.  1,  20,  1,  vgl.  Kraut  S.  23,  und  sonst 
N.  Kl.,  vgl.  Thes.  S.  1044,  47  ff.  Über  das  klassische  ut  si  (ohne 
vorangehendes  aeque)  vgl.  Mützell  zu  Curt.  5,  1,  33.  Poetisch  bei 
Hör.  ep.  1,  1,  26  ist  das  doppelte  aecßie  —  aeqioe  für  aeque  ac 
oder  tarn  —  quam;  bei  Tac.  Agr.  15  ist  aeque  —  aeque  nicht  so 
zu  beziehen,  sondern  anaphorisch  gesetzt,  vgl.  Thes.  S.  1043,  35.  Man 
sage  also  nicht:  illi  aeqite  tibi,  quam  oder  iit  mihi  (dir  ebenso,  wie 
oder  als  mir)  noti  sunt,  für  aeque  tibi  ac  mihi  — ;  tua  negotia  tueor 
aeque,  quam  oder  td  si  mea  essent,  für  aeque,  ac  si  m.  e.  —  Ebenso 
viele  heisst  lat.  allerdings  gewöhnlich  totidem,  aber  auch  aeque  multi 
ist  nicht  N.  L. :  vgl.  aeque  midta  vohmiina,  quam  Liv.  31,  1, 
3,  und:  in  inierili  jiectore  tantum  vis  odii  jjotuit,  sed  in  mulieribus 
quoque  aeque  midtum  valuit,  Yal.  M.  9,  3  ext.  4;  hingegen  SjJ.  L. 
ist  aeque  totidem  quot  bei  Lact.  opif.  13,  7.  N.  L.  hi  aeque  bene 
ac,  eben  so  gut  als,  in  der  Bedeutung  eben  so  sehr  oder  eben  so  als, 
für  aeque  ac  oder  perinde  ac,  oder  tarn  —  quam.  Richtig  ist  aeque 
bene  ohne  ac  in  der  Bedeutung  gleich  gut,  wie  bei  Quint.  4,  1,  53: 
hoc  aeqiie  bene  dici  potest;  Colum.  6,  13  init.,  Nep.  Hannib.  4,  3 
u.  Plaut.  Most.  242;  überhaupt  wird  aeque  ohne  ausgesprochenen 
Yergleich  oft  gebraucht,  vgl.  Cic.  fin.  3,  63  qiii  sajnentes  non  sint, 
omnes  aeque  miseros  esse,  vgl.  Gudeman  zu,  Tac.  dial.  35.  —  N.  L. 
ist  aeque  minus  ac  in  der  Bedeutung  eben  so  wenig  als  für  neque 
—  neqiie.  —  Zu  bezweifeln  ist  wohl  aeque  longe  abesse,  gleichweit 
entfernt  sein,  wenigstens  steht  es  nicht  bei  den  bessern  Autoren  für  aequo 
sjnitio  oder  2^ari  intervallo  abesse,  wie  Caesar  beide  braucht;  vgl. 
indessen  Caes.  civ.  2,  10,  2  diuie  trahes  in  solo  aeque  longe  distantes, 
wo  nach  Meusel  s.  v.  nur  cod.  a  longae  liest,  während  longe  sonst 
überliefert  ist;  Ps.  Cens.  frg.  2,   1  sagt  aeque  distare  von  Parallelen. 

Aequicrurius,  gleichschenkelig ,  z.  B.  von  einer  geom.  Figur,  ist 
sehr  Sio.  L.  für  aequis  cruribus.     Ebenso 

Äequilateralis^  aequilaterus,  aequilatus  (G.  eris,  wie  vetus),  gleich- 
seitig, von  einer  geom.  Figur,  —  sind  alle  /S^j.  L.  für  aequis  lateri- 
bus,  nach  Quintil.  1,  10,  3  data  linea  constitui  triangula  aecßiis 
lateribus  possunt. 

Aequilibris,  ivagrecht,  horizontal,  wahrscheinlich  das  Kunstwort 
bei  Yitruv.,  wofür  Yarro  (r.  r.  1,  6,  6)  von  einem  ganz  eben  oder 
wagerecht  liegenden  Orte  sagt:  locus  ad  libellam  aequus. 

Aequii^erare  in  der  Bedeutung  gleichlwmmen,  erreichen  wird  ver- 
bunden mit  dem  Accus,  aliquem,  z.  B.  Nep.  Them.  6,  1,  Liv.  37, 
53,  15,  Suet.  Nero  53  u.  sonst;  A.  L.  bei  Pacuv.  trag.  407  und 
vielleicht  auch  bei  Enn.  ann.  131  (ed.  Y.)  mit  dem  Dat.  (nach 
L.  Müller  ann.  145  ist  dies  ein  versus  corruptus,  aus  dem  sich 
nichts  schliessen  lässt),  vgl.  auch  Archiv  X,  S.  6 ;  ebenso  im  Sp.  L., 


Aequipollere  —     115     —  Aequus 

z.  B.  Apul.  Tert.  Iren. ;  aber  ehvas  (sicJi)  einem  gleichstellen  mit 
dem  Dativ,  wie  bei  Liv.  5,  23,  6,  nirgends  aber  bei  Cic.  u.  Caes. 
Aeqidperare  aliquid  ad  aliquid  wohl  nur  bei  Plaut.  Mil.  12,  wofür 
bei  Cicero  aliquid  cum  aliqua  re  aequare  steht,  Verr.  1,  21;  Gell, 
sagt  3,  7,  1  (lemma)  aequipero  virtutem  cum  aliq.  Bei  Cic.  Mur. 
31  ist  aequiperare  blosse  Konjektur  von  Madvig,  die  ausser  bei 
Halm  I  bis  jetzt  keine  Aufnahme  gefunden  hat;  alle  neueren  edd. 
schreiben  daselbst  nach  Sorof  und  Kayser  aequa  parta.  Lorenz  zu 
Plaut.  Mil.  12  scheint  auch  für  Cic.  Yerr.  1,  21  aequiperare  anzu- 
nehmen, mit  Unrecht.  Nur  Tusc.  5,  49  legt  Cic.  dem  Africanus 
das  Wort  aequipera^^e  in  den  Mund,  er  selbst  gebraucht  es  nirgends. 
Ygl.  Nipp. -Lupus  zu  Nep.  Ale.  11,  3.  Man  meide  das  Wort 
wenigstens  in  der  Schule.  Auch  ist  das  Subst.  aequiperatio  Sp.  L, 
für  aequatio  (Gell.  5,  5,  7;  14,  3,  8).  Über  die  Form  aequiparo 
vgl.  den  Thes.  S.  1011,  76  ff.  (videtur  antiquariis  deleri). 

Aequipollere^  gleichgelten^  ist  ohne  alle  Autorität;  jedoch  aeqiii- 
pollens  Sp.  L.  für  idem  significans,  eiusdem  significationis,  notionis. 
N.  L.  ist  aequipollentia. 

Aequitas  in  der  Bedeutung  Gleichheit^  Gleichförmigkeit  lesen  wir 
Kl.  nur  bei  Cic.  rep.  1,  53,  sonst  ist  es  N.  KL,  aber  auch  hier  selten, 
z.  B.  bei  Seneca  und  Sueton  (vgl.  Bagge  S.  6,  der  aequitas  memhrormn 
Suet.  A.  79  zitiert  mit  dem  übrigens  unrichtigen  Anfügen:  frequenter 
apud  Poster.)  für  aequalitas  oder  aeqiiahilitas.  Kl.  bedeutet  es 
Billigkeit,  Gelassenheit,  Gleichmut,  zumal  mit  dem  Genit.  animi 
(z.  B.  Cic.  Att.  4,  19,  2),  vgl.  Tegge  S.  351. 

Aequivalere,  gleich  viel  vermögen,  ist  N.  L. ;  der  Thes.  kennt  das 
Wort  nicht. 

Aequor  in  der  Bedeutung  das  Meer  ist  nur  P.  L.,  eingeführt 
durch  Ennius,  vgl.  Norden  zu  Yerg.  Aen.  6,  723,  und  N.  Kl.  bei 
wenigen,  z.  B.  Val.  Max.  Curt.,  Sp.  L.  Justin,  vgl.  Paucker  Yor- 
arbeiten  II,  S.  70,  für  mare ;  es  ist  in  Prosa  kaum  anwendbar,  so 
häufig  es  auch  im  N.  L.  dafür  gebraucht  worden  ist.  Für  P.  erklärt 
es  auch  Cic.  in  einem  Fragm.  bei  Cic.  ed.  C.  F.  W.  Müller  lY,  I 
p.  86  aus  acad.  2.  Quid  tarn  planum  videtur,  quam  mare  f  ex  quo 
etiam  aequor  illud  poetae  vocant;  vgl.  Tegge  S.  231,  der  in  aequor 
die  spezifisch  römische  Dichterbezeichnung  für  das  Meer  erblickt. 
Ausser  dieser  P.  Bedeutung  hat  es  die  jeder  ehenen  Fläche,  teils  in 
Prosa,  teils  bei  Dichtern,  aber  sehr  selten  und  mit  poetischer  Färbung 
für  die  gewöhnhchen  Bezeichnungen  planities,  planus  oder  aequus 
locus  und  campus.  Ygl.  Anton.  Progr.  S.  90,  der  es  für  die  höhere 
Rede  empfiehlt  (s.  Cic.  divin.  1,  93). 

Aequus.  Die  Adjektiva  aequus  und  honus  werden  formelhaft 
verbunden  und  zwar  zunächst  asyndetisch ;  so  sagt  schon  Plaut.  Men. 
578  aequom  honum  (doch  nur  hier  asyndetisch!  vgl.  Sjögren  S.  15), 
Cic.  Att.  7,  7,  4  aequi  honi,  ebenso  Phil.  2,  94,  Brut.  198  aequum 
honum,  top.  66  ebenso,  und  zwar  überall  in  dieser  formelhaften 
Stellung;  eine  Ausnahme  davon  machen  nur  die  Digest.,  welche  21, 


Aer  —     116     —  Aera 

1,  42  u.  47,  10,  18  honmn  aeqiunn  stellen.  Im  Komparativ  da- 
gegen war  die  umgekehrte  Wortfolge  üblich,  so  Cic.  top.  66  u.  off. 
3,  61  aus  Gesetzesstellen  melius  aeqiiiiis.  Sobald  aber  eine  Kon- 
junktion beigegeben  wurde  und  zwar  in  der  Umgangssprache  ge- 
wöhnlich qiie^  bei  Cic.  öfters  et^  ganz  selten  ac^  so  war  die  Stellung 
beliebig;  wir  finden  daher  bei  Plaut,  wiederholt  honum  aequomque, 
bei  Ter.  Heaut.  642  honum  atqiie  aeqitom;  Cic.  Q.  Rose.  11  aequiiis 
et  melius^  Caec.  80  aeqiii  et  honi  (vgl.  C.  F.  W.  Müller  S.  XYIII). 
Cicero  freilich  scheint  auch  in  der  kopulativen  Fügung  im  Positiv 
die  Wortfolge  aeqimm  honum,  welche  die  natürHche  ist,  beibehalten 
zu  haben  (vgl.  Preuss  S.  110  f.),  während  Sali.  Jug.  15,  3  honum 
et  aequom  neben  aequo  honoque  35,  7  und  aequo  et  hono  bist.  1, 
77,  17  M.,  sowie  aequi  honiqiie  bist.  1,  90  M.  sagt.  Die  Ver- 
bindung der  Superlative  oiJtumum  atque  aequissimum  mit  oras 
ist  bei  Plaut,  formelhaft,  vgl.  Sjögren  S.  16,  Heerdegen  Untersuch. 
III,  S.  17.  —  Was  aequo  animo  und  aequis  animis  neben  einem 
im  Plur.  stehenden  Subst.  betrifft,  so  ist  das  letztere  ganz  selten, 
s.  Plaut.  Cas.  377,  Cic.  Sest.  48,  der  Singular  dagegen  das  ge- 
wöhnliche und  regelmässige,  weil  aequo  animo  hier  ganz  adverbial 
=  iKitienter,  moderate  gefasst  wird  (richtiger  wohl  nach  Seyffert- 
Müller  zum  Lael.  S.  75  zu  erklären,  wonach  animus  hier  abstrakt 
=  Gemütsverfassung;  vgl.  s.  v.  Animus).  Eine  Menge  von  Bei- 
spielen der  klassischen,  wie  der  vor-  und  nachklassischen  Periode 
bieten  Allgayers  Zusätze  und  Bem.  zu  Krebs'  Antib.  S.  11  und  jetzt 
der  Thes.  S.   1035,  70  ff.,  aus  Caes.  Meusel  S.  198. 

Aer,  Luft,  fast  nur  als  Element,  mit  den  dazu  als  solchem  pas- 
senden Beiwörtern  sinrahilis,  imrus,  tenuis,  aber  nicht  von  der  einer 
Gegend  eigenen  Luft,  welche  caelum  heisst,  wozu  man  denn  auch 
nach  der  Verschiedenheit  des  Klimas  crassum,  nehulosum,  temperatum, 
caliginosum,  saluhre,  grave  u.  dgl.  hinzusetzt.  Nur  selten  kommt 
dann  aer  vor,  immerhin  lassen  sich  schon  Stellen  bei  Cicero  so 
deuten,  z.  B.  nat.  deor.  2,  42  qui  terras  incolant  eas^  in  quihus  aer 
sit  imrus  ac  tenuis,  jedenfalls  bei  Hör.  ep.  2,  1,  244  Boeotüm  in 
crasso  iurares  aere  natum,  dann  bei  Plin.  epist.  5,  19,  7  aer  saluher, 
vgl.  Saalfeld  im  tensaurus  s.  v.  Die  Luft,  die  man  einatmet,  ist 
nicht  aer,  sondern  sinritus  oder  caeli  haustus,  Curt.  5,  5,  19,  vgl. 
Tegge  S.  534.  Für  Luftv  er  ander  ung  ist  neben  caeli  mutatio  ebenso 
gut  loci  mutatio  (Cic.  fam.  7,  26,  1)  zu  gebrauchen. 

Aera,  die  Zeitrechnung,  ist  das  einzige  lat.  Kunstwort,  freilich 
aus  der  spätesten  Zeit;  es  ist  der  Kürze  wegen  in  Ermangelung 
eines  andern  nicht  zu  verwerfen.  Daher  bei  unsern  Chronologen 
aera  Yarroniana,  Catoniana,  Christi,  Olympiadum  u.  s.  w.  Andere 
wählen  das  griechische  epocha,  was  nur  im  N.  L.  vorkommt  und 
deshalb  von  Saalfeld  im  tensaurus  nicht  einmal  aufgeführt  wird. 
Wenn  nicht  streng  jener  Begriff  dadurch  ausgedrückt  werden  soll,  so 
umschreibe  man  es  durch  comjjutatio  annorum,  temporum  notatio 
oder  ratio  und  ähnliches. 


Aerarium  —     117     —  Aerumna 

Aerariitm  ist  jede  öffentliche  Kasse,  nicht  die  Kasse  oder  Scha- 
tulle des  Fürsten,  welche  fiscus  hiess,  vgl.  Tac.  ann.  6,  2  u.  6,  17. 
So  unterscheiden  sich  beide  in  den  Zeiten  der  Kaiser.  Doch  ist  es 
strittig,  ob  die  kaiserlichen  Kassen,  die  fisci  Caesaris,  als  Privat- 
eigentum des  Prinzeps  gegolten  haben  (so  Mommsen  Staatsrecht  II  ^ 
S.  998  ff.),  oder  ob  sie  Staatseigentum  blieben,  die  der  Kaiser  nur  ver- 
v^altete  und  über  die  er  dem  Staate  Rechenschaft  schuldig  war  (so 
Hirschfeld  Untersuchungen  zur  röm.  Yerwaltungsgeschichte,  S.  5  ff. 
u.  Eduard  Meyer  in  seinem  Heidelberger  Vortrage  über  Augustus^ 
Sybels  Zeitschrift  1903,  S.  419  Anm.).  Die  Quaestoren  und  Tri- 
huyien,  welche  bei  den  öffentlichen  Kassen  angestellt  waren,  erhalten 
aber  zur  Bezeichnung  das  Adj.  aerarius,  nicht  den  Grenit.  von  aera- 
rium, z.  B.  qiiaestor  (trihunus)  aerarius,  nicht  aerarii,  vgl.  Süpfle- 
Böckel  zu  Cic.  epp.  S.  62;  unrichtig  zitiert  Nizol.  Cic.  Q.  fr.  2,  15, 
3  a  trihimis  aerarii;  daselbst  ist  aerariis  zu  lesen.  Falsch  sagt 
daher  Bembus  epist.  X,  42  sescentomm  (für  sescenoriim)  nummüm 
aureorum  pensionem  in  annos  singulos  tibi  ut  dent  aerarii  (für  aera- 
riis) quaestoribus  mando.  Ygl.  Tribunus.  Richtig  aber  ist  praefedus 
aerarii,  seit  Nero  gebräuchlich,  vgl.  Thes.  S.  1058,  13  ff. 

Äereus,  ehern,  kupfern,  nicht  nur  P.  und  N.  Kl.  Form  für  aeneus 
oder  aheneus,  sondern  schon  bei  Liv.  34,  52,  4  ;  35,  36,  9  und  45, 
33,  1,  während  er  sonst,  wie  Cicero  ausschliesslich,  aeneus  hat, 
N.  Kl.  alsdann,  sowie  Sp.  L.  oft.  Caesar  sagt  nie  aeneus,  vielleicht 
aber  einmal  aereus,  vgl.  Mensel  s.  v.  (Gall.  5,  12,  4  iituntur  aut 
nummo  aureo  [aereo  ß ;  Sehn.]  aut  taleis  ferreis). 

Aerius,  luftig,  ist  ein  poetisches  Wort;  Cicero  hat  es  einmal,  Tim. 
35,  von  den  Yögeln  genus  animantium  pinnig emm  et  aerium,  dann  top. 
77  aerii  volatus  avium,  sonst  nicht.  Es  wird  in  Prosa  nie  von  einem 
Orte  gesagt,  welcher  der  Luft  ausgesetzt  ist  und  von  derselben 
durchweht  wird ;  dafür  perflahilis.  Gut  ist  auch  das  Subst.  perflatus, 
8.  Cels.  7,  29  extr.  u.  sonst.  Anders  freilich  ist  es  bei  Dichtern, 
z.  B.  mons  aerius^  Yerg.  Aen.  8,  221;  Alpes  aeriae  ib.  Georg.  3,  474; 
vgl.  Tegge  S.  234. 

Aerumna,  der  Kummer,  die  Plackerei,  Trübsal,  das  drückende 
Leiden.  Dieses  Wort  ist  nach  Cicero  das  verbum  tristissimum  für 
labores  non  fugiendos  (fin.  2,  118,  vgl.  Madvig  z.  St.).  In  der 
altern  Latinität  war  deswegen  Herculis  aerumnas  perpeti  stehender 
Ausdruck,  später  sagte  man  dafür  Herculis  labores.  Obgleich  daher 
zu  Ciceros  Zeit  schon  etwas  veraltet,  ist  es  doch  ein  ganz  und  gar 
passender  Ausdruck,  wenn  man  von  Leiden  und  Mühseligkeiten  im 
Superlativ  sprechen  will,  weshalb  es  auch  Cicero  von  der  trostlosen 
Zeit  seiner  Yerbannung  mit  Yorliebe  braucht.  So  auch  bei  Sali. 
Catil.  51,  20:  Ln  luctu  atque  miseriis  mortem  aerumnarum  requiem, 
non  cruciatum  esse,  oder  bei  Livius:  Rogare,  ut  sibi  patres  ademidi 
deplorandique  aerumnas  suas  potestatem  facerent,  29,  16,  7  (bei 
Historikern  vorzugsweise  in  Reden  gebraucht;  Liv.  hat  es  nur  an 
der  einen  Stelle  in  einer  Rede).    Wenn  Quintil.  8,  3,  26  sich  gegen 


Aesopicus  —     118     —  Aestimare 

dieses  Wort  erklärt,  so  kann  man  dieser  Autorität  eine  andere,  die 
von  Cicero  selbst,  entgegenhalten,  s.  de  orat.  3,  153,  wo  der  grösste 
Meister  des  lateinischen  Stiles  für  den  (allerdings  sparsamen)  Ge- 
brauch solcher  Wörter  sich  ausspricht,  weil  die  Rede  dadurch  an 
Erhabenheit  und  poetischem  Kolorit  gewinne.  Demgemäss  hat  Cicero 
das  Wort  auch  öfter  gebraucht  und  zwar  nicht  bloss  in  philo- 
sophischen Bestimmungen.  S.  Cic.  fam.  14,  1,  1,  Attic.  3,  8,  2 ; 
3,  11,  2  u.  3,  14,  1,  Sest.  7  u.  49,  prov.  cons.  17,  inv.  2,  102. 
Auch  das  Adj.  aerumnosus  (aber  nicht  das  P.  u.  Sp.  L.  aerumna- 
hilis)  braucht  Cicero,  ja  sogar  im  Superlat.,  Cic.  Att.  3,  19,  2  und 
3,  23,  5  Terentiam  unam  omniiim  aerumnosissimam,  und  andere 
öfter. 

Aesopicus,  Äsopisch,  ganz  Si^.  L.  Form  für  die  bessere,  aber  in 
Prosa  auch  vor  Seneca  nicht  nachweisbare  Aesopius. 

Aestlieticus,  ästhetisch,  N.  L.  aus  dem  Griechischen  ala^Tizr/M 
(worin  aber  der  Begriff  nicht  liegt),  kann  als  neueres  Kunstwort  in 
der  Philosophie  kaum  entbehrt  werden.  Man  verbindet  damit  den 
Begriff  des  Schönen,  weswegen  in  vielen  Fällen  die  Wörter  pulchri- 
tudo,  ars  (wenn  der  allgemeine  Begriff  des  Wortes  aus  dem  Zu- 
sammenhang seine  nähere  Beziehung  erhält,  s.  Seyffert,  Palästra^, 
S.  205,  5),  pidrhrum,  elegans^  z.  B.  honae  litterae,  honae  mies  den 
Gedanken  ausdrücken.  So  heisst  z.  B.  er  hat  ästhetisches  Gefühl, 
in  eo  inest  elegantia. 

Aestimahilis,  bei  Cicero  nur  (fin.  3,  20  u.  50)  als  Übersetzung 
eines  griech.  philosophischen  Wortes  in  der  Bedeutung  ivas  der 
ScMitzung,  Beachtung  und  daher  der  Wahl  luürdig  ist,  beachtens- 
wert. Da  es  sonst,  abgesehen  von  Cael.  Aur.  chron.  4,  1,5,  nirgends 
vorkommt,  kann  es  ganz  vermieden  und  etwa  durch  aestimatione 
dignus  ausgedrückt  werden,  zumal  da  der  Begriff  unseres  Wortes 
schätzbar  nicht  gerade  darin  liegt. 

Aestimare.  Aestimare  =  wertschätzen,  hochachten,  wie  es  heut- 
zutage oft  vorkommt,  ist  N.  L.,  z.  B.  virtutem  aestimo,  bonos  homines 
aestimamus,  collega  aestimatissimus,  editio  aestimata.  Um  nichts 
besser  wäre  es  auch,  wenn  man  aestintare  in  dieser  Bedeutung  mit 
den  Adverbien  valde,  plus,  magis,  minus,  maxime,  minime  verbinden 
wollte,  denn  in  diesem  Fall  ist  überall  der  Genit.  des  Wertes  magni, 
pluris,  plnrimi  u.  dgl.  (seltener  ist  der  Ablat,  magno,  permagno,  s. 
Tischer  u.  Heine  zu  Cic.  Tusc.  3,  8)  zu  gebrauchen;  denn  ohne 
einen  Genitiv  des  Wertes  heisst  dieses  Yerbum  nur  beurteilen,  ivägen, 
den  ^Yert  berechnen  und  angeben,  s.  Sen.  ep.  81,  29:  Tac.  ann.  15, 
2,  wobei  ein  Zusatz  mit  ex  oder  im  blossen  Ablat.  das  an- 
gibt, woraus  das  Urteil  gezogen  und  wonach  der  Wert  berechnet 
und  angegeben  wird;  z.  B.  Cic.  Q.  Rose.  29  vulgus  ex  veritate 
pauca,  ex  opinione  multa  aestimat ;  amicitias  inimicitiasque  non  ex 
re,  sed  ex  commodo  aestimamus.  In  dieser  Bedeutung  nimmt  aesti- 
mare auch  Adverbien  der  Art  und  Weise  zu  sich,  z.  B.  prave  aesti- 
mare, Tac.  bist.  2,  23,  vere  rem  aestimare,  Liv.  3,  19,  6,  gravius  aesti- 


Aestimatio  —     119     —  Aestimator 

mare,  Tac.  ann.  13,  42  u.  Caes.  Gall.  7,  14,  10,  u.  levüis  aesümare, 
ibid.  civ.  3,  26,  4,  optime  aesümare,  PI.  epp.  3,  9,  30,  Tac.  Agric. 

1,  tenuissime  aesthnare,  Cic.  Verr.  4,  35,  simiüicius  famam  in  hoste 
aesümare,  Curt.  8,  14,  46,  saus  aesümare,  Tac.  ann.  4,  39  und  da- 
zu die  Anm.  v.  Nipperdey,  care  u.  carius  aesümare,  M.  Brutus  bei 
Cic.  ad  Brut.  1,  16,  6  u.  Plane,  bei  Cic.  fam.  10,  4,  2,  vgl.  hiezu 
Schirmer  Sprache  des  M.  Brutus  S.  14,  Landgraf  Beitr.  S.  5,  Frese 
S.  47.  Ganz  vereinzelt  steht  qiiod  carum  aestumant  bei  Sali.  Jug. 
85,  41  ;  übrigens  kann  Sen.  ep.  81,  28  nihil  carius  aesümamus  auch 
so  erklärt  v^erden,  vgl.  Fabri  zu  Sali.  Jug.  85,  41  und  Cat.  2,  8. 
Gut  wäre  quod  carum  exisümant,  und  das  von  Kubier  Caes.  civ. 
3,  26,  4  aus  Y.  hergestellte  levius  periculum  exisümaverunt  erklärt 
sich  darnach  trefflich.  Nipperdey  bestimmt  den  Unterschied  zwischen 
aesümare  und  exisümare  a.  a.  0.  richtig  so:  Aesümare  w^ird  nur 
vom  "Wert  gebraucht,  während  die  Beurteilung  der  Beschaffenheit 
durch  exisümare  ausgedrückt  wird;  dies  muss  daher  stehen,  so  oft 
ein  auf  das  Objekt  bezügliches  Adjektiv  oder  Adverb  (z.  B.  aUqiiid 
honum  exisümare)  hinzugefügt  wird.  —  Der  Acc.  c.  inf.  nach  aesü- 
mare gehört  vorzugsweise  dem  silbernen  Latein  an,   z.  B.  Yal.  Max. 

2,  6,  8  mortem  suam  Fompei  praesentia  clariorem  fieri  magni  aesti- 
maret;  ähnlich  der  Inf.,  Plin.  ep.  3,  4,  1  magni  aesümo  scire,  quid 
senüas  tu,  ebenso  3,  2,  5  ;  5,  28,  1;  Suet.  Vesp.  15,  20;  ferner  im 
Briefe  des  M.  Brut.  1,  16,  5  u.  bei  Cic.  nur  in  einem  aus  Epicharm 
übersetzten  Yerse,  Tusc.  1,  15  sed  me  esse  mortuum  nihil  aesümo; 
vgl.  Paul  Meyer  S.  151  f.,  Ruete  S.  116,  Becher  im  Rh.  Mus.  N. 
F.  XXXYII  S.  583,  Menna  S.  44. 

Aestimatio  bedeutet  entsprechend  aesümare  nur  Ahiuägung,  Beur- 
teilung, Schätzung,  Beachtung  oder  den  relativen  Wert  einer  Sache, 
eines  Gutes  (vgl.  Cic.  fin.  3,  44),  aber  wieder  Achtung,  Verehrung,  Hoch- 
schätzung, die  ich  einem  Gegenstande  erweise,  was  meistens  ohser- 
vantia  heisst,  noch  auch  die  Achtimg  und  Wertschätzung,  in  der  ich 
bei  andern  stehe  und  die  mir  erwiesen  wird,  wofür  man  exisümatio 
sagt,  vgl.  Cic.  fam.  13,  65,  1.  Es  gibt  daher  wohl  eine  aestimatio 
frumenti,  poenae,  litis,  librorum  manuscriptorum  und  dgl.,  aber  nur 
im  Sinne  der  Abschätzung  des  Geldwertes,  nicht  der  Wert-  oder 
Hochschätzung;  indes  ist  nicht  zu  leugnen,  dass  bei  Cicero  in  aesü- 
mandus  und  aestimatiofie  dignus,  freilich  dem  Zusammenhange  ge- 
mäss, eine  Annäherung  an  die  Bedeut.  schätzensivert,  wenigstens 
beachtenswert,  was  Beachtung  verdient  liegt.  Ygl.  die  oben  angeführte 
Stelle  Cic.  fin.  3,  44.     Nicht  minder  ist 

Aestimator  klass.  nur  der  Abschätzer,  Beurteiler,  z.  B.  Cic. 
Pis.  86  aestimator  frumenti,  parad.  51  callidi  rerum  aestimator  es, 
aber  weder  der  Ve7xhrer,  noch  der  Kenner  eines  Gegenstandes,  wie 
es  im  N.  L.  oft  vorkommt.  Der  Kenner  heisst  exisümator,  eigent- 
lich der,  welcher  den  Wert  einer  Sache  berechnet  hat,  mit  seiner 
Berechnung  und  Beurteilung  fertig  ist,  sie  also  kennt  und  zu  be- 
urteilen versteht:    daher  der  Kenner,    der  Sachverständige    (Seyffert 


Aetas  —     120     —  Aet 


as 


Palaestra"^  S.  8).  Den  Unterschied  beider  erkannte  vielleiclit  zuerst 
Lambin,  der  bei  Cicero  überall  existimator  zu  lesen  vorschlug,  wenn 
es  den  Kenner  bezeichnen  sollte,  z.  B.  Cic.  Marc.  15,  orat.  141. 
Dem  existimator  fügt  daher  Cicero  bisweilen  das  synonyme  iudex 
oder  ein  den  Kenner  bezeichnendes  Adjektiv  bei,  wie  fin.  3,  6:  te 
habeo  aequissimum  eorum  studiorum  existiniatorem  et  iudicem,  und 
Brut.  320:  quantum  existimator  dodus  et  intellegens  poterat  cogno- 
scere.  N.  Kl.  bei  Liv.  34,  25,  7  bezeichnet  aestimator  den  Sacli- 
verständigen ;  vgl.  Schmidt  1888,  S.  5. 

Äetas  in  der  Bedeut.  die  Menschen  irgend  einer  Zeit  ist  nicht 
verwerflich;  der  Römer  war,  wie  Seyff'ert  Pal.'  S.  40  sagt,  an  den 
metonymischen  Gebrauch  des  Wortes  gewöhnt;  er  findet  sich  schon 
bei  Yarro  r.  r.  2,  1,  11  cui  liaec  aetas  defert  palmam,  bei  Cic. 
off.  2,  45,  Cato  46,  Brut.  201,  de  orat.  1,  40,  Verr.  5,  137, 
divin.  1,  37,  orat.  18  und  dann  bei  Livius  und  den  bessern  Folgen- 
den, wie  bei  Quintil.  12,  1,  36:  quos  gravissimos  sapientiae  magistros 
aetas  vetiis  (die  alte  Welt,  die  Menschen  der  Vorzeit)  credidit.  Da- 
rauf beruht  auch  der  Gebrauch  der  Alten,  das  Wort  von  den  ver- 
schiedenen Perioden  des  Menschengeschlechtes  zu  brauchen  und  ihre 
Yerschiedenheiten  nach  altgriechischer  Redeweise  durch  die  Adjektive 
aurea,  argentea,  aenea,  ferrea  zu  bezeichnen.  Aber  nie  dienen 
diese  Ausdrücke  als  bildliche  Benennungen  der  Perioden  der  Lite- 
ratur eines  Yolkes;  wollen  wir  aetas  so  brauchen,  so  bedarf  es  des 
Zusatzes  ciiiam  vocant,  z.  B.  scriptores  aureae  aetatis,  quam  vocant. 
Yom  einzelnen  Menschen  gebraucht  man  hinsichtUch  des  Alters  fol- 
gende Bezeichnungen:  1)  von  der  Kindheit:  piierilis  aetas,  Cic.  de 
or.  3,  85;  infirma  aetas,  Cic.  fin.  5,  43;  2)  vom  Jünglingsalter  : 
matura  aetas,  Plaut.  Merc.  521;  Cic.  fam.  4,  4,  4;  florens  aetas, 
Cic.  Cato  20;  unklassisch  ist  aetas  iuvenilis ;  dies  findet  sich  Coium. 
4,  21,  1  und  dann  erst  wieder  Sp.  L.,  z.  B.  Tert.  nat.  2,  12;  Au- 
gustin. ep.  36,  1;  3)  vom  Mannesalter:  media  aetas  Plaut.  Aul. 
161,  Cic.  Cato  76,  auch  confirmata  aetas,  Cic.  fam.  10,  3,  2;  un- 
klass.  ist  virilis  aetas;  dies  hat  Hör.  ars  166,  dann  im  Sp.  L.  Yulg. 
Hier.  Cassian;  4)  vom  Greisenalter:  exacta  aetas  Cic.  Deiot.  28, 
Liv.  2,  40,  11  u.  sonst;  extrema  aetas  Cic.  Cato  60,  Sali.  Cat.  49, 
2  u.  sonst;  auch  aetas  adfecta  Cic.  Yerr.  3,  95,  siqierior  aetas  Caes. 
civ.  2,  5,  3 ;  aber  senilis  aetas  hat  nach  Yell.  2,  66,  7  erst  wieder 
das  Sp.  L.,  vgl.  Thes.  S.  1129,  42  ff.;  es  ist  also  K  Kl.  und  Sp.  L. 
und  zu  meiden,  gerade  wie  iuvenilis  und  virilis  aetas.  —  Bisweilen  wer- 
den auch  iniens  aetas  und  2wima  aetas  von  der  Kindheit  gebraucht, 
so  z.  B.  Plaut.  Trin.  305,  Sen.  ep.  99,  31,  Suet.  Nero  22  :  aber 
gewöhnlich  liegt  in  aetas  iniens  nur  die  frühe  Jugend,  nicht  die 
Kindheit,  welchen  Begriff  die  Neuern  oft  damit  verbinden,  besonders 
in  der  Redensart  ah  ineunte  aetate.  Ygl.  besonders  Cic.  off.  2,  44 
und  de  orat.  2,  3,  wo  er  sich  adulescentidmn,  und  sein  Alter  ine- 
untem  nennt;  s.  auch  bei  adulescentia ;  vgl.  Anton  Studien  H,  S.  171, 
Seyff.-MüUer  z.  Lael.  S.  244,  Gudeman  zu  Tac.  dial.  8.  Auch  liegt 


Aeteroabilis  —     121     —  Aeternus 

der  Begriff  adulescenüa  in  der  Redensart  ab  initio  aetatis  (Cic.  off. 
2,  4)  und  sehr  häufig  auch  in  aetas  prima  (Suet.  Caes.  30),  ebenso 
in:  a  primis  temporihis  aetatis^  Cic.  Tusc.  5,  5..  Gut  ist  auch  für 
unser  vofi  früher  Jugend  an,  ah  meimte  adidescentia,  Cic.  fam.  13, 
21,  1,  Yal.  Max.  1,  6,  12,  Tac.  dial.  8  Ende.  Im  vorgerückten 
Alter  heisst  gewöhnHch  aetate  provedum  (nicht  provecta)  esse,  z.  B. 
Cic.  div.  2,  5  iam  aetate  provecti,  vgl.  noch  Seyffert  Progymn.  Comm. 
6,  11,  S.  90.  —  Was  aetatem  ferre  und  ähnl.  betrifft,  so  sind  diese 
Ausdrücke  vielfach  von  den  uns  erhaltenen  Werken  der  altklassi- 
schen Literatur  mit  Unrecht  gebraucht  worden.  Aetatem  ferre  heisst 
zunächst  sich  halten,  im  Lauf  der  Zeit  seine  Natur  und  Wesenheit 
nicht  verändern.  So  vom  Weine :  hene  aetatem  fert  =  er  hält  sich 
gut;  vgl.  auch  Quintil.  2,  4,  9.  Wo  auch  vetustatem  per  ferre  oder 
ferre  in  einem  mit  dem  modernen  Gebrauche  scheinbar  überein- 
stimmenden Sinne  steht,  v^ie  bei  Quintil.  10,  1,  40  u.  Ovid.  trist. 
5,  9,  8,  ist  doch  nicht  an  das  passive  Erhaltenivordeyisehi  zu  denken, 
sondern  es  bedeutet  diejenigen  Schriftsteller,  deren  Erzeugnisse  sich 
(wie  guter  Wein)  durch  ihre  innere  Güte  und  Trefflichkeit  im  An- 
denken und  Gebrauch  erhalten  haben;  qui  vetustatem  pertulerimt 
lihri  stehen  somit  im  Gegensatz  nicht  zu  den  Veiiorenen,  sondern 
zu  den  in  Vergessenheit  gekommenen  und  bei  Seite  gelegten.  — 
Der  Plural  wird  von  mehreren  gebraucht  ähnHch  wie  es  bei  animus 
der  Fall  ist ;  daher  Liv.  5,  25,  3  ah  horum  aetatihus  violandis  dum 
ahstinehatur,  aber  1,  13,  7  aetate  an  dignitatihus  suis  virorumve  ayi 
Sorte  lectae  sint,  was  Riemann  S.  57  richtig  durch  d'apres  le  principe 
de  Page  erklärt. 

Aeternahilis  und  aeternalis,  ewig,  teils  A.,  teils  Sp.  L.  für 
aeternus. 

Aeterne,  ewig,  als  Adverb  ist  Sp.  L.,  vgl.  Thes.  S.  1148,  24; 
man  sage  daher  nicht  z.  B.  aeterne  vivere,  ewig  leben,  für  aeternum 
esse,  agere  vitam  perpetuam  u.  a.  P.  L.  ist  das  Adv.  aeterno,  z.  B. 
Ovid.  am.  3,  3,  11;  auch  dies  ist  zu  meiden. 

Aeternitas,  die  Eiuigkeit.  Unser  von  Ewigheit  zu  Eiuigkeit  heisst 
ah  aeterno  tempore  in  aeternum  (Cic.  Tusc.  5,  70),  und  ist  nicht 
durch  aeternitas  auszudrücken,  welches  in  andern  Verbindungen  ge- 
braucht wird.  Verworfen  wird  mit  Recht  in  omnem  aeternitatem 
hoc  non  fiet,  das  ivird  in  alle  Eivigkeit  nicht  gescheheyi,  für  hoc  nidlo 
imqiiam  tempore  oder  nunquam  fiet.  Endlich  unser  von  Eiuigkeit 
her,  in  aller  (alle)  Eivigkeit,  immer  und  eioig  heisst  ex  oder  ab 
omni  aeternitate.  Vgl.  Cic.  divin.  1,  125;  2,  19;  fat.  32.  Auf  immer, 
auf  ewig,  für  alle  Eiuigkeit  heisst  iyi  aeternum  (Liv.  4,  4,  4 ;  28,  28, 
11,  Quintil.  5,  11,  41  neque  durassent  haec  in  aeternum).,  oder  auch 
iyi  perpetuimi,  welches  aber  weniger  sagt  und  mit  Rücksicht  auf  ein 
beliebiges  Ziel,  z.  B.  des  Lebens,  gebraucht  wird.  S.  Döderlein, 
Hdb.  der  lat.  Synon.  S.  51  u.  Tegge  S.  227  f. 

Aeternus,  ewig,  kann  ganz  gut  gebraucht  werden  an  Stellen,  wo 
man  assiduus  erwarten  könnte,  z.  B.  aeterna  aerumna,  Cic.  p.  red.  in 


Aevum  —     122     —  Aevum 

sen.  34,  aet.  sollicitudo,  Sali.  Jug.  31,  22,  aet.  liostes,  Liv.  3,  16, 
2,  aet.  lahor,  Tac.  ann.  1,  28,  servitiis  aet  ebendas.  12,  34,  dolor 
aet.  15,  63.  Anton  aber  erinnert  in  seinen  Studien  etc.  I  (2.  A.), 
S.  5,  dass  aeternus  auch  mit  tenehrae  u.  vincida,  Cic.  Catil.  4,  10, 
mit  helliim  ibid.  22,  mit  heneficiimi^  Cic.  parad.  29,  mit  silentium, 
Tusc.  o,  63,  mit  amor,  Yerg.  Aen.  11,  588,  mit  gloria,  Cic.  Catil. 
4,  21,  mit  testimonium  laudiim,  Cic.  Arch.  31,  mit  lahorum  prae- 
conium,  ibid.  20,  mit  dedeciis,  Cic.  Font.  48  verbunden  wird; 
Nägelsbacli-Müller  Stil.^  S.  273  erwähnen  aus  Tac.  ann.  14,  55  eine 
bezeichnende  Stelle:  tiia  erga  me  munera,  dum  vita  supioetet, 
aeterna  eruyit.  In  allen  diesen  Stellen  ist  aeternus  absichtlich  aus 
rhetorischen  Motiven  gewählt,  weil  es  sowohl  ewig  im  eigentlichen 
Sinne  des  Wortes,  als  auch,  wie  unser  ewige  Schmach  =  das  ganze 
Lehen,  die  ganze  Zukunft  hindurch  ivährend,  nie  eyidend,  bezeichnet 
und  damit  die  betreffende  Sache  am  stärksten  und  wirkungsvollsten 
ausdrückt.  Eine  merkwürdige  Stelle  bietet  dafür  auch  Caes.  Gall. 
7,  77,  15  (nebenbei  bemerkt  die  einzige  Stelle  bei  Caesar,  wo  aeter- 
71US  vorkommt),  wo  dem  Gallier  Critognatus  die  Worte  in  den  Mund 
gelegt  werden,  die  Römer  suchen  (Gallorum)  hi  agris  civitatihusque 
considere  atqite  his  aeternam  iniungere  servitutem,  d.  h.,  wie  Köchly 
und  Rüstow  gut  übertragen:  sie  in  das  Joch  eiviger  Knechtschaft  zu 
zwingen.  So  gemahnen  auch  die  Worte  von  Livius:  quis  dubitat, 
quin  in  aeternum  urbe  condita  nova  imperia  .  .  .  instituantur,  4,  4, 

4,  unwillkürlich  an  Rom,  die  ewige  Stadt.  (Der  Ausdruck  whs 
aeterna  ist  übrigens  nicht  klassisch;  zuerst  hat  ihn  Tib.  2,  5,  23,  dann 
im  Sp.  L.  öfters  Ammian;  häufig  findet  er  sich  auf  Inscr.,  vgl.  Thes. 

5.  1147,  20  ff.  und  Georges  Jahresber.  1886,  S.  26.)  —  Bei  assi- 
diiiis  aber,  sagt  Anton  a.  a.  0.  S.  7,  wiegt  der  Begriff  des  nicht 
Nachlassenden,  beständig  Anhaftenden,  immer  Gegeniv artigen  vor,  es 
wird  daher  hauptsächlich  bei  Dingen  gebraucht,  von  denen  man  nicht 
oder  nur  schiver  loskommen  kann,  und  die  durch  ihre  ununterbrochene 
Dauer  lästig  und  ividerivärtig  shid,  z.  B.  ewiges  Schivänken  zwischen 
Tugend  und  Laster  assidua  iactatio  inter  —  nicht  aeterna.  —  Der 
eivige  Schnee  der  Hochgebirge  heisst  weniger  passend  nix  aeterna 
bei  Sen.  nat.  4,  11,  5,  was  bei  Curt.  7,  11,  8  ganz  eigenthch 
ausgedrückt  ist  durch  7iive  perenni  ohruta  inga.  —  Das  adverbiale 
in  aeternum,  z.  B.  Liv.  34,  6,  4  leges  in  aeternum  latae  sunt  ist 
unklass. ;  es  kann  aber  auf  die  Autorität  des  Livius  und  Quint.  hin 
gebraucht  werden,  vgl.  s.  v.  Äeternitas,  nicht  so  das  adv.  aeternum, 
vgl.  Tac.  ann.  12,  28  quibusciim  aeternum  discordant,  welches  P.  L. 
ist,  vgl.  Norden  zu  Yerg.  Aen.   6,  401. 

Aevum.  In  der  Bedeutung  von  Zeit  überhaupt  ist  es  nur  poet. 
und  nachklass.  (jedoch  vorbereitet  von  Asinius  PoUio,  der  bei  Sen. 
suas.  6,  24  schreibt:  tot  tantisque  operihus  mansuris  in  omne  aevum). 
In  der  klass.  Zeit  ist  es  überhaupt  selten  =  Lehen,  Lehensdauer, 
Zeitalter,  und  wird  nur  da  gebraucht,  wo  der  Begriff'  der 
Dauer    damit    verbunden   wurde,    vergl.   Fabri   zu    Sali.    Jug.  1,  1, 


Afer  —     123     —  Affectare 

z.  B.  natura  Jiominum  aevi  hrevis,  Sali.  Jug.  1,  1;  dann  iyitra 
tarn  hrevis  aevi  memoriam,  Liv.  26, 11, 12,  und:  per6re^;i9  aevi  Cartha- 
ginem  esse,  Liv.  28,  35,  11,  und:  cum  omnis  aevi  claris  viris,  eben- 
das.  28,  43,  6.  Hingegen  nachklass.  kommt  es  =  Zeitalter  öfter 
vor,  und  zwar  nicht  bloss  bei  Yell.  und  Plin.  nat.,  sondern  auch 
bei  Plin.  epp.  2,  \,  7 :  exemplar  aevi  prioris;  auch  paneg.  78  ist 
aevmn  =  aetas  et  vita  hominis,  vgl.  Georges  Vell.  17.  Bei  Cicero 
finden  wir  es  in  einer  dem  Ennius  entnommenen  Stelle  (Tusc.  1,  28, 
Ennius  ann.  110  L.  Müller),  dann  im  Somn.  Scip.  und  in  einem 
Fragment  des  Hortensius  (C.  F.W.  Müller  IV,  III,  S.  318);  zur 
Sprache  des  Somn.  vgl.  Meissner  S.  9,  Anm.  24,  das  Hortensius- 
fragm.  erinnert  an  Ennius  und  weist  durch  den  Zusatz  (immortale 
aevum,  ut  fahulae  ferunt,  degerej  auf  altlat.  Herkunft.  Ygl. 
Schmalz  PoUio^,  S.  36.  Wie  Cicero  das  Wort  aetas,  braucht  Yell. 
aevum  für  die  Menschen,  die  zu  einer  Zeit  leben,  z.  B.  2,  13,  2 
vir  um  omnis  aevi  Optimum;  vgl.  Georges  Yell.  23.  Die  Pluralform 
aeva  ist  zu  vermeiden,  da  dieselbe  nur  poet.  (Ovid.)  und  in  Prosa 
nachklass.  öfter  bei  Phn.  nat.,  ferner  Sp.  L.  bei  Arnob.  und  Hieronym. 
vorkommt;  vgl.  Neue-Wagener^  I,  S.  652. 

Afer  als  Adj.,  afrilianisch,  ist  P.  X. ;  in  Prosa  findet  es  sich 
so  klass.  gar  nicht,  einmal  bei  Liv.  21,  22,  2:  Afri  pedites,  wieder- 
holt N.  Kl.  und  Sp.  L.;  sonst  ist  es  in  Prosa  nur  Subst.  der  Afri- 
kaner, z.  B.  Cic.  nat.  1,  82;  vgl.  noch  Georges  Jahresber.  1886, 
S.  26.  Der  Unterschied  zwischen  Afer,  Africus,  Africanus  wird 
von  einem  anonymen  scriptor  dififerentiarum  so  bezeichnet :  Afrum 
dicimus  civem,  Africum  ventiim,  Africanum  negotiatorem.  Es  wird 
somit  Africus  als  Adj.  zu  Africa  und  zu  Afri  gehören;  dagegen 
wird  Africanus  gebraucht,  wenn  man  die  Beziehung  auf  das  Land 
hervorheben  will,  also  helliim  Africanum,  ein  Krieg  in  Afrika,  wo 
die  Afri  keine  der  kriegführenden  Parteien  sind,  ferner  zur  Be- 
zeichnung einer  Persönlichkeit,  die,  ohne  aus  Afrika  zu  stammen, 
doch  zum  Lande  in  näherer  Beziehung  stand,  daher  negotiator  Afri- 
canus, Scipio  Africanus.  In  späterer  Zeit  verwischten  sich  diese 
Unterschiede ;  vgl.  Schnorr  v.  Carolsfeld  in  Wölfflins  Archiv  I, 
S.  192,  FröhHch  S.  6,  Beck  de  different.  scriptt.  S.  33. 

Affabiliter,  freundlich,  gefällig,  als  Adv.  Sp.  L.  für  comiter, 
liberaliter,  benigne,  wiewohl  affahilis  und  affabilitas  Kl.  sind,  z.  B. 
Cic.  off.  1,  118  u.  2,  48. 

Affamen  und  affatus  als  Subst.,  das  Anreden,  beide  P.  L.  und 
Sp.  L.  für  appellatio,  alloquium,  cdlociitio. 

Affectare,  affectatio,  affectator,  affectatus.  Bei  Cicero  kommt 
von  diesen  Wörtern  nur  affectare  vor  und  zwar  zweimal,  pro  S.  Rose. 
140  und  agr.  1,  5,  in  der  vorzugsweise  der  Sprache  der  Ko- 
miker eigentümlichen  Phrase  iter  affectare,  bei  Caesar  trifft  man 
weder  das  eine  noch  das  andere  der  angegebenen  Wörter.  Bei  Sali, 
findet  sich  affectare  einigemale  (Jug.  64,  4  honorem,  hist.  1,  12  M.  do- 
minationes,    Jug.  66,  1  civitates)   =    nach   etwas   trachteyi,    streben; 


Affectio  —     124     —  Affectus 

7'egmmi  affedare  hat  wohl  Liv.  zuerst  gebildet,  vgl.  Archiv  XI,  S.  7; 
nach  ihm  gebraucht  das  Verb  Vell.  (Georges  S.  44)  und  Tac.  (vgl. 
Heraeus  zu  bist.  4,  66).  Über  affedare  =  occiq)are  vgl.  Frigell 
Epileg.  zu  Liv.  I,  S.  77.  —  N.  Kl.  erhielten  diese  Wörter  den  Be- 
griff des  eitlen  Strebens  nach  etwas  und  der  Sucht,  in  Worten  oder 
sonst  in  einer  Sache  zu  gefallen  oder  Aufsehen  zu  erregen,  was  wir 
auch  affektieren^  affektiert  oder  geziert  nennen.  Quintilian  hat  die 
Wörter  oft  in  solchem  Sinne,  und  sie  können  so,  wie  er  sie  braucht, 
angewandt  werden.  Ygl.  Bonnells  lexicon  Quintilian.  und  Thes. 
S.  1175,  81.  Aber  N.  L.  ist  es,  das  letzte,  affedatiis,  von  Mensdien 
zu  gebrauchen,  da  nur  Sadien  so  genannt  werden,  z.  B.  affedata 
scurrilita.s,  aff\  castitas  u.  a.,  wo  es  erheuchelt,  nachgemadit,  er- 
künstelt bedeutet.  Yon  Personen  sage  man  homo  xmtidus,  alienos 
mores  affedans,  arte  quadam  in  ostejitationem  alicimis  rei  fadiis  oder 
compositus,  s,  über  letzteres  Liv.  26,  19,  3  u.  in  securitatem  com- 
Ijositus,  Tac.  ann.  3,  44  und  in  admirationem  formata,  Suet.  Claud. 
37 ;  bei  Sachen  mehr  qiiaesitus,  assumijtus,  adventidus  u.  a. 

Affedio,  affedio  animi  ist  ein  von  Cicero  eingeführtes  Substantiv, 
das  dann  seit  Seneca  neben  dem  von  den  Dichtern  übernommenen 
affedus  sich  eingebürgert  hat.  Es  bedeutet  bei  Cic.  entweder  die 
augenhlicklidie,  besondere  Seelenstimmung,  oder  die  hahituelle  Denk- 
und  Empfindung siveise ;  in  der  Bedeutung  Zuneigung,  Liehe,  Wohl- 
wollen ist  das  Wort  erst  N.  Kl.  (bei  Plin.  Tac.  Just.  u.  vielen 
anderen,  vgl.  Thes.  S.  1178,  28  ff.),  findet  sich  nicht  bei  den 
Bessern  und  steht  für  amor,  voluntas,  Studium,  henevolentia  u.  a. 
Man  vermeide  es.  —  Sp.  L.  ist  affediosus  oder  affeduosus,  voll 
Neigung,  Zuneigung,  vgl.  Paucker  Yorarb.  I,  S.  74,  sowie  Thes. 
S.   1180,  53  u.'ll84,  74. 

Affedus  bedeutet  Kl.  (Cic.  hat  es  nur  Tusc.  5,  47)  eine 
Regimg,  Stimmung,  einen  Zustand  der  Seele,  gleich  affedio; 
bei  Medizinern  bezeichnet  es  auch  einen  Zustand  des  Körpers, 
wie  es  denn  von  Cels.  =  Krankheit,  Unpässlichkeit  angewendet 
wird.  S.  Brolen  S.  12.  N.  Kl.  bürgert  es  sich  rasch  ein  (vgl. 
Norden  Antike  Kunstprosa  S.  184)  und  findet  sich  besonders  häufig 
bei  Sen.  phil.  u.  Quint.  Es  bedeutet,  wie  affectio.  Liehe,  Zuneigung, 
Vorliehe,  für  Studium,  gratia;  bei  Seneca  und  in  der  damaligen 
Sprache  der  Philosophen  bezeichnet  es  eine  unerlaubte  Leidensdmft, 
für  die  Kl.  perturhatio,  condtatio,  motus,  Impetus  animi,  welche  den 
Gebrauch  des  Wortes  ganz  unnötig  machen  und  höchstens  auf  die 
Philosophie  beschränken.  In  der  rhetorischen  Sprache  spielt  das 
Wort  affedus  eine  grosse  Rolle;  bei  Quint.  hb.  YI  handelt  cap.  2 
de  affedihus;  Quint.  sagt  6,  2,  8  quod  Graed  zddog  vocant,  nos 
verteiltes  rede  ac  prop)rie  äff ec tum  didmus.  —  Für  das,  was  wir 
Affekt,  d.  h.  leidensdmftliche  Aufregung  und  Stimmung  nennen, 
ist  affedus  im  Lat.  ganz  und  gar  unbrauchbar,  also  z.  B.  jemanden 
im  Affekt  strafen  heisse  etwa:  ve]ieme)äiore  animi  condtatione,  im- 
petu  animi  ahreptum,  ahlatum  punire  aliquem.  —  Was  affedus  als 


Afferre  —     125     —  Affigere 

Partie.  Perf,  Pass.  zu  afficere  betrifft,  so  achte  man  wohl  auf  den 
Sinn  von  aetate,  senectitte  iam  affectus.  Es  bedeutet  dies  (und  zwar 
bei  Cicero)  nur  vom  Alter  angecjriffenj  geschiuächt^  z.  B.  Cic.  Cat. 
2,  20;  de  orat.  3,  68,  während  confechts  senectute^  senio  von  dem 
gesagt  wird,  der  cm  Altersscliiväche,  am  Nachlass  der  Natur  stirbt, 
vgl.  Cic.  Rab.  perd.  21. 

Afferre  wird  in  seiner  vielfachen  Anwendung  verbunden  aliquid 
alicui  oder  aliquid  ad  aliquem^  z.  B.  mihi  oder  ad  me  litteras  attulii. 
Nur  in  einigen  Redensarten  ist  nicht  ad,  sondern  nur  der  Dativ 
üblich,  z.  B.  afferre  alicui  vim,  manus,  necem,  Geiualt  brauchen, 
Hand  anlegen,  ermorden.  Impersonal  sagt  man  auch  mihi  affertur 
de  cdiqua  re,  mir  tvird  etivas  gemeldet,  z.  B.  de  morte  alicuius,  Cic. 
Brut.  1.  Auch  sagt  man  afferre  aliquid  in  aliqiiid,  z.  B.  in  con- 
tiojiem,  causas  in  iudicium,  considatum  in  familiam.  Das  Objekt 
bei  afferre  ist  eigentlich  nur  eine  tragbare  Sache,  daher  wohl  e'pi- 
stidam,  litteras,  librum,  mensam  —  und  in  bildlicher  Anwendung 
metum,  dolorem,  nuntium,  rumorem,  exemplum,  locum  (Stelle  eines 
Schriftst.)  u.  a.  m.  (ein  sehr  weitgehender,  von  Langen  N.  Jahrb. 
1882,  S.  677  in  seinen  ersten  Anfängen  untersuchter  und  von  Nägels- 
bach-MüUer^  S.  427  ausführlich  erörterter  Grebrauch,  auf  welchen 
der  angehende  Stilist  nicht  genug  verwiesen  werden  kann).  Dagegen 
sagt  man  nicht  hominem,  equum,  navem  afferre,  sondern  addiicere, 
vgl.  Plaut.  Pseud.  711  attuli  hunc.  Quid  attulistif  adduxi  volui 
dicere ;  vgl.  ferner  den  Scherz  bei  Plaut.  Cist.  284  mit  loricam  addu- 
cere  und  equom  adferre.  Doch  wurde  der  Unterschied  selbst  von 
Cic.  nicht  durchweg  beobachtet;  er  sagt  Font.  16  maiorem  hominum 
copiam  adferam  und  von  sächlichen  Subjekten  wie  fortima,  casus, 
causci^  unbedenklich  adferre  cdiquid,  vgl.  Verr.  5,  39  u.  de  orat.  2, 
15.  Über  scriptorem,  poetam  —  adferre,  einen  Schriftsteller  anführen, 
erwähnen,  vgl.  Äddncere.  —  Die  bei  Yerg.  beliebte  Phrase  se  adferre 
=  advenire,  z.  B.  Aen.  3,  310  kommt  vorher  nur  Plaut.  Amph. 
989  u.  Ter.  Andr.  807  vor;  nach  Norden  zu  Yerg.  YI,  S.  366  ist 
wohl  Ennius  die  gemeinschafthche  Quelle  derselben;  sie  scheint 
allerdings  dem  feierlichen  Stil  anzugehören,  bei  Plaut.  lovis 
iussu  .  .,  bei  Ter.  haud  auspicato  huc  me  adfero.  —  Über  niintii 
afferunt  vgl.  Nuntius.  Eineyi  Eid  antragen,  d.  h.  fordern,  heisst 
nicht  iusiurandum  afferre,  wie  Muret.  epist.  III,  30  sagt:  si  quis 
iusiurandum  attulisset,  sondern,  wie  Ruhnken  dazu  bemerkt,  iusiur. 
deferre,  während  iusiurandum  offerre  =  sich  selbst  zum  Eid  erbieten 
ist;  vgl.  Quintil.  5,   6,  1  und  6. 

Afßcticius  bedeutet  bei  Yarro  r.  r.  3,  12,  1  hinzugefügt,  vgl. 
Stünkel  S.  48,  hingegen  in  der  Bedeutung  erdichtet  ist  es  N.  L.  für 
fictus,  commenticius. 

Affigere,  anfügen,  anheften,  wird  gleich  gut  verbunden  mit  ad 
oder  mit  dem  Dativ  ;  so  sagt  Cic.  Tusc.  5,  8  Prometheus  adfixus 
Caucaso  und  Tusc.  2,  23  adfixus  ad  Caucasum;  ferner  sagt  man 
affixus  in,    z.  B.  Cic.  de  or.  1,    196    (Thes.  S.   1213,    81    ungenau 


Affingere  —     126     —  '  Affluere 

zitiert)  in  saxulis;  üblich  ist  cruci  (Cic.  kennt  jedoch  weder  cruci 
noch  ad  crucem  adfixiis)  z.  B.  Liv.  28,  37,  2  anici  adfigi  iussit  su- 
feteSy  nicht  ad  cj^ucem;  bei  Eccl.  ist  cruci  affixus  sehr  oft  zu  finden. 

Äffingere  =  liinziibilden,  wird,  in  welcher  Bedeutung  es  sei, 
nur  mit  dem  Dativ  verbunden.  Etwas  ganz  anderes  ist  natürlich 
aliqiiid  opinione  affmgere  =  im  Irrwahn,  Cic.  Tusc.  3,  80,  und 
afflyigere  rumorihus  =  durch  G.,  Caes.  Gall.  7,  1,  2. 

Affinis  wird  in  der  Bedeutung  „verschwägert"  wie  propinquus 
und  amiciis  konstruiert;  bei  einem  Vergehen,  einer  Schuld  bezeichnet 
der  Dativ  „nicht  unverdächtig",  der  Gen.  das  Yerwickeltsein  in  eine 
Sache,  z.  B.  Cic.  SuU.  70  qui  Jude  adfines  sceleri  faerunt  und  17 
liuiiis  affines  snspicionis,  Cat.  4,  6  hidc  facinori  affinis;  diesen 
letztern  Gebrauch  kennen  Nep.  Sali.  Tac.  Curt.  nicht,  Caesar  ver- 
wendet nie  affinis,  wohl  aber  affinitas.  Die  lokale  Bedeutung  „an- 
grenzend" ist  selten,  doch  klassisch,  z.  B.  Cic.  Tüll.  14  cui  fundo 
erat  affinis  M.  Tidlius,  Liv.  28,  17,  5  gens  affmis  Mauris;  vgl.  Haase 
Yorles.  II,  S.  143,  Landgraf  p.  Rose.  Am.  S.  165,  Anh.  z.  Sulla  S.  69. 

Affirmanter,  versichernd^  mit  Geivisslieit,  mit  Beteuerung,  Sj).  L. 
bei  Gellius  ist  jetzt  aufgegeben,  Hertz-Hosius  liest  14,  1,  24  afflrmant ; 
das  Wort  affirmanter  existiert  also  nicht;  vgl.  Yogel  Progr.  Zwickau 
1862,  S.  31. 

Affirmativus,  versichernd,  bejahend,  82^.  L.  Kunstwort  in  der 
Grammatik,  Rhetorik  und  Philosophie  für  affirmans;  und  so  affir- 
mative für  aßrmate  (Cic.  off.  3,  104);  vgl.  Thes.  S.  1222. 

Afffatio,  das  Anivehen,  Ayihauchen,  ist  Sp.  L.  und  selten  für 
afflatus;  letzteres  Wort  hat  Cic.  nur  in  übertragener  Bedeutung, 
z.  B.  nat.  deor.  2,  167. 

Afflictare  =  heftig  hin-  und  anschlagen.  Die  Hände  an  die 
Brust  schlagen  (zum  äussern  Ausdruck  des  höchsten  Schmerzes)  ist 
ausgedrückt  durch  se  adflictare  bei  Tac.  ann.  2,  81  Biso  .  .  .  se- 
met  adflictando.  Dies  se  adflictare  kann  auch  da  gebraucht  werden, 
wo  man  nur  den  Schmerz  (ohne  äussere  Kundgebung  durch  Schlagen) 
bezeichnen  will,  z.  B.  Cic.  Tusc.  3,  77,  Att.  3,  12,  1,  doch  ist  in 
diesem  Falle  adflictari  übhcher,  z.  B.  Cic.  Tusc.  3,  83,  Att.  11, 
1,  1;  vgl.  noch  Fabri  zu  Sali.  Cat.  31,  3.  Die  eigentliche  Be- 
deutung von  adflictatio  gibt  Cicero  selbst  Tusc.  4,  18  afflictatio  est 
aeg^ntudo  cum  vexatione  corporis. 

Affluere  in  der  Bedeutung  ayi-  oder  vorheiströmen  an  etwas 
kommt  bei  Cicero  und  Caesar  nicht  vor,  wohl  aber  bei  Livius  und 
Tacitus  und  wird  hier  verb.  von  Livius  alicui  rei,  z.  B.:  Aufidus 
utrisque  castris  adfluens  aditum  aquatorihus  dahat,  Liv.  22,  44,  2 
und  35,  29,  9,  mit  ad  von  Tac.  ann.  2,  6  extr. ;  in  der  Bedeutung 
überströmen  von  oder  7'eicJi  sein  an  etwas,  wird  es  konstruiert 
aliqua  re;  so  auch  (vgl.  Nägelsb.-Müller^  S.  544)  afßuens  (häufig 
bei  Cicero,  Caesar  hat  das  Wort  nicht).  Die  Schreibung  afluere 
nach  Analogie  von  ahundare  hat  endgültig  zurückgewiesen  J.  Stöcklein 
im  Programm  von  Dillingen  1895,  S.  31 — 59. 


Affundere  —     127     —  Age 

Affundere,  hinzugiessen,  ia  Prosa,  abgesehen  von  Yarro  r.  r. 
3,  16,  28  adfimdnnt  sapam,  erst  N.  Kl.  seit  Sen.  Plin.  Tac,  da- 
gegen in  Poesie  zuerst  bei  Ovid;  in  übertragener  Bedeutung  steht 
es  oft  recht  kühn,  z.  B.  Sen.  ep.  11,  3  rubor  affimditnr;  Tac.  Agr. 
35  equitiim  tria  milia  coiiiihiis  adfimderentiir ;  Flor.  2,  13,  56  Cleo- 
patra adfiisa  Caesaris  genibus  (nach  Lucan.  7,  71?  vgl.  Norden 
Antike  Kunstprosa  S.  598).  Es  werde  vermieden  durch  fundere 
ad  aliquid.  Über  affundere  lucem  alicui  loco,  in  irgend  eine  (dunkele) 
Stelle  Licht  bringen,  sie  aufhellen,  aufklären,  erklären,  vgl.  Lumen ; 
es  ist  N.  L. 

Africanus  wird  gut  lat.  nur  als  Adj.,  nicht  als  Subst.  gebraucht; 
als  solches  kommt  nur  Afer  vor.  An  Stellen  wie  Caelius  bei  Cic. 
fam.  8,  8,  2,  Livius  44,  18,  8  sexaginta  tres  Africanas  lusisse  ist 
eine  Ellipse  anzunehmen,  es  sind  Africanae  sc.  bestiae,  vgl.  Burg 
S.  37  ;  bei  Tert.  nat.  2,  7  Mojjsus  Africanus  ist  Afr.  Adj.,  aber 
Spart.  Hadr.  22,  14  ab  Africanis  dilectus  est  Hadrianus  ist  Sub- 
stantivierung anzunehmen  wie  bei  Romani. 

Age,  ivohlan,  verbunden  mit  dem  Plur.  eines  andern  Yerbs,  ist 
von  einigen,  wie  Laur.  Yalla  Eleg.  II,  16,  mit  Unrecht  als  schlecht- 
lat.  verworfen  worden;  schon  Servius  sagt  zu  Aen.  2,  707  .  .  ut 
plerumque  age  facite  dicamus  et  singularem  numerum  copulemus 
plurali.  So  finden  wir  schon  bei  Plaut,  age  vor  dem  Yerbum,  das 
eine  an  eine  Mehrheit  gerichtete  Aufforderung  enthält,  z.  B.  age  intro 
abite,  Mil.  928,  age  licemini,  Stich.  221  (vgl.  Loch  S.  16  f,  der  auch  cave 
an  Stelle  von  cavete  erwähnt)-;  age  decumbamus,  sis,  pater,  Asin.  828, 
age  ergo  hoc  agitemus  convivium,  ib.  834.  Neben  age  hat  er  aber  auch 
den  PI.  agite,  z.  B.:  agite  ite  actutum,  Merc.  741,  agite  itefo7Xis,  Stich. 
683.  Bei  Terenz  steht  age  und  agedum  nur  bei  eifier  an  ein  Individuum 
gerichteten  Aufforderung,  wie  age  instig a,  Andr.  692,  age  da  veniam 
filio,  Adolph.  937,  während  es  mit  dem  Konjunktiv  z.  B.  age  eamus 
intro,  Enn.  377,  Ad.  877  age  age  nunc  iam  experiamur  wiederholt 
bei  allgemeiner  Aufforderung  gefunden  wird.  Bei  Cicero  ist  age 
rein  adverbial  geworden  und  steht  darum  immer  (nie  agite)  auch  bei 
einer  an  eine  Mehrheit  gerichteten  Aufforderung:  age  nunc  ceteras 
quoque  facidtates  consideremus,  Pose.  Am.  93,  und :  age  nunc  illa 
videamus,  ibid.  105,  ferner:  age  nunc  comparate,  Mil.  55.  Bei  Livius 
ist  es  anders.  Zwar  stimmt  er  auch  hierin  bisweilen  mit  Cicero 
überein:  age  repetite,  26,  13,  7  und  mittite  agedum  legatos  38,  11, 
allein  an  der  Mehrzahl  der  einschlägigen  Stellen  hat  er  nach  dem 
Gebrauch  von  Plaut,  agite  und  (was  bei  ihm  zuerst  auftritt)  agitedum, 
z.  B.:  agite  iuvenes  praestate,  3,  61,  7  und  so  4,  28,  5,  und  agi- 
tedum clamorem  tollite,  3,  62,  4;  7,  35,  9;  7,  33,  10  und  sonst.  — 
Aus  diesen  Stellen  erhellt  zugleich,  dass  nach  age  etc.  regelmässig 
der  Imperat.  der  zweiten  Pers.  des  Sing,  oder  Plur.  folgt.  Der 
Konj.  steht  nur  für  den  fehlenden  Imperat.  der  ersten  Person. 
Endlich  wird  mit  age  etc.  nie  die  Copula  et  verbunden  ausser  bei 
Dichtern    (M.   Müller    zu    Liv.    II    S.    142    drückt    sich    vorsichtig 


Agere  —     128     —  Agere 

aus :  7,  34,  14  agitedum,  ite  mecum  —  auch  andere  Imper.  nach 
age,  agite  meist  asyndetisch),  und  auch  dann  nur  in  der  vollen  Form 
der  Aufforderung,  wie:  Quin  agite  et  mecum  exurite  puppis,  Verg. 
Aen.  5,  635,  ergo  agite  et  cuncti  laetum  celehremus  honorem^  ib.  5, 
58.  S.  Seyffert,  seh.  lat.  I,  S.  45;  über  age  nunc  und  yiunc  age 
(dies  dichterisch)  Landgraf  p.  S.  Rose.  S.  226. 

Agere  heisst  zunächst  etivas  in  Bewegung  setzen,  treiben,  z.  B.: 
captivos  prae  se  agere,  Curt.  7,  6,  2  und  armentum  prae  se  agere, 
Liv.  1,  7,  4.  Auch  verjagen,  versclieuclien,  z.  B.  Cic.  Att.  11,  21, 
2  legio  lapidihus  hominem  egisse  dicitur.  Dann  ist  es  treiben  = 
handeln,  besonders  mit  pronominalem  Objekt  z.  B.  qutdquid  agis,  oder 
mit  Adv.,  z.  B.  prudenter  agas.  Selten  steht  es  in  dieser  Bedeutung 
absolut,  z.  B.  Cic.  Arch.  8  qui  se  non  interfuisse,  sed  egisse  dicit, 
Lucil.  865  surgamus,  eamus,  agamus,  nur  der  Infinitiv  mit  seinen 
Gerundien,  z.  B.  Cic.  nat.  deor.  2,  132  agendi  tempus  dies,  quiescendi 
nox,  fin.  2,  40  hominem  ad  inteUegendum  et  agendum  esse  natum 
und  im  Neutrum  agendum  est,  es  muss  gehandelt  werden,  ist  üblich. 
—  N.  L.  ist  agei^e  orationem,  eine  Rede  halten,  für  habere  orationem. 
Jedoch  ist  orationem  agere  =  vortragen  klassisch,  z.  B.  Cic.  Tim.  8 
orationem  bene  agi,  si  .  .;  denn  agere  bei  einer  Rede  bezieht  sich 
nur  auf  die  Aktion  oder  Gestikulation  und  bedeutet  das  Vortragen, 
z.  B.  Cic.  de  erat.  3,  213  ut  aguntur,  ivie  sie  vorgetragen  iverden. 
Er  spricht  hier  von  der  actio,  dem  Vortrage  der  Rede.  So  heisst 
auch  actor  in  dieser  Beziehung  der  Redner,  insofern  er  die  Rede 
hält  odiQv  vorträgt,  wie  in  jener  nämlichen  Stelle  ac^ore  mutato;  auch 
Ascon.  Mil.  S.  42  B.  ist  so  zu  verstehen:  Brutus  in  ea  oratione 
quam  edidit,  quasi  egisset;  hier  streift  agere  nahe  an  habere.  So 
wird  auch  von  einem  Schauspieler  gesagt  agit  verswn,  er  trägt  einen 
Vers  mit  Geherden  vor;  Cic.  de  or.  3,  102  agit  hunc  versum  Ros- 
cius  eo  gestu.  —  Gut  ist  auch  agere  aliquem,  z.  B.  Ballionem,  von 
dem  Schauspieler,  der  den  Ballio,  d.  h.  seiyie  Rolle  spielt,  Cic.  Q. 
Rose.  20.  Von  der  Bühne  übertragen  auf  das  Leben  sagte  Caelius 
bei  Cic.  fam.  8,  2,  2  nobilem  agere  und  8,  17,  1  mirificum  civem 
agis ;  dann  in  Prosa  Liv.  45,  25,  2  lenem  mitemque  senatorem  agit 
(Cato);  von  Liv.  ab  findet  man  diesen  Gebrauch  allenthalben,  so 
bei  Yell.  agere  considem,  aemidum,  civem,  bei  Val.  Max.  Sen.  rhet. 
Sen.  phil.  Quint.  Tac.  Suet.  u.  a.,  vgl.  Burg  S.  64,  Georges  Vell. 
S.  44.  Se  agere  exulem  u.  ä.  ist  selten;  vielleicht  sagt  Suet.  Claud. 
29  non  principem  se,  sed  ministrum  egit  (doch  ist  se  wohl  Ditto- 
graphie,  vgl.  Smilda  S.  145,  Freund  S.  56,  Bagge  S.  77,  Anm.  12), 
jedenfalls  steht  es  oft  Sp.  L.,  z.  B.  bei  scr.  h.  Aug.  u.  a.  Be- 
merkenswert ist  hier  Suet.  Claud.  25  cpii  se  pro  equitibus  Romanis 
agerent.  Trotz  der  vielen  Beispiele  für  agere  personas  findet  man 
personam  agere  selbst  selten,  z.  B.  Sen.  benef.  2,  17,  2  und  Yopisc. 
Prob.  10,  7  agenda  est  persona,  quam  miles  mihi  imposuit.  —  Was 
bellum,  pugnam,  proelium  agere  betrifft,  so  kann  man  jetzt  sagen, 
dass  es  bei  Caesar  (Gall.  3,  28,    1)    und  Nepos  (Hann.  8,  3)   nicht 


A^ere  —     129     —  Agere 

mehr  vorkommt.  Bei  Livius  findet  sich  hellum  agere  10,  31,  10 
unbeanstandet,  bedeutet  aber  dort:  sich  mit  den  Kriegsereignissen 
(schriftstellerisch)  beschäftigen.  Über  hellum,  piignam  agere  =  den 
Kr.,  das  Tr.  betreiben  tut  aber  Madvig  in  seinen  emend.  Liv.  S.  236 
den  allgemeinen  Machtspruch,  dass  sich  diese  Verbindungen  bei 
keinem  auch  nur  mittelmässigen  Prosaiker  finden.  Allein  auch  ab- 
gesehen von  den  ganz  späten  Autoritäten  und  von  unsicheren  Stellen, 
wie  Caes.  Gall.  3,  28,  1,  wo  /?  bellum  agere  liest,  steht  agere 
bellum  bis  jetzt  noch  bei  Sali.  bist.  2,  48,  11  M.,  vgl.  Jacobs-Wirz 
z.  St.,  sowie  Kritz  zu  Sali.  frg.  II,  50  S.  170  u.  Fabri  zu  Sali. 
Cat.  21,  3,  Liv.  epit.  49,  vgl.  dazu  Drakenborch,  Ov.  a.  a.  1,  182, 
Curt.  4,  10,  29,  vgl.  Yogel- Weinhold  z.  St.,  Mela  1,  16,  1,  Porphyr. 
Hör.  carm.  1,  2,  1.  Ehe  es  daher  gelingt,  alle  diese  Stellen  durch 
gute  handschriftliche  Zeugnisse  zu  beseitigen,  muss  agere  bellum  in 
der  Bedeutung  den  Krieg  betreiben  wohl  anerkannt  werden,  um  so 
mehr,  als  der  Ausdruck  nichts  Gredankenwidriges  enthält  (vgl.  noch 
Lachmann  zu  Lucr.  S.  264,  Nipp.  Spie,  zu  Nep.  S.  69).  Man  sehe 
über  bellum  facere,  agere,  gerere  besonders  Mützell  zu  Curt.  4,  10, 
29.  —  Wiewohl  agere  forum,  Gerichtssitzung  halten  (in  den  Pro- 
vinzen), neben  conventus  agere  klass.  ist,  z.  B.  Cic.  Att.  5,  16,  4 
Appius  ibi  forum  agit,  Caes.  Gall.  1,  54,  3  ad  conventus  agendos 
profectus  est,  so  kommt  dagegen  senatum  agere  für  habere  nur  N.  Kl. 
bei  Sueton  zweimal,  Caes.  88,  Aug.  35,  sowie  Sp.  L.  bei  Capitol. 
Gord.  22,  8  vor  und  werde  deshalb  vermieden;  ebenso  ist  reum  agere 
aliquem  nicht  klassisch;  es  steht  oft  bei  Ovid,  z.  B.  met.  15,  36, 
bei  Liv.  24,  25,  1  u.  45,  37,  8,  dann  N.  Kl.  bei  Yal.  Max.  6,  3, 
6,  Sen.  contr.  2,  4,  11,  Yell.  2,  45,  1,  vgl.  Georges  Vell.  44.  — 
Mit  Kecht  verwirft  auch  wohl  Laur.  Yalla  Eleg.  III,  75  agere  ali- 
quem certiorem,  alicui  gratum,  ludos,  rem  divinum,  sacrificium,  sol- 
lemnitatem,  für  facere.  Einige  der  Wendungen  sind  indes  nicht 
unlat.,  z.  B.  rem  divinum  agere  sagt  Aur.  Vict.  Caes.  26,  3,  sollem- 
nitutem  Sacr.  Leon.  293  und  Bened.  reg.  13,  3,  sucrificium  Macrob. 
sat.  3,  6,  3.  Iter  agere  ist  durch  Enn.  trag.  179,  Ov.  met.  2,  714 
und  8,  225,  a.  a.  2,  84  und  durch  viele  Stellen  aus  Sp.  L.  (vgl. 
Thes.  S.  1382,  69  ff.)  zwar  erwiesen,  aber  damit  für  den  prosaischen 
Gebrauch  keineswegs  empfohlen.  —  Obgleich  agere,  zumal  mit  cum 
aliquo,  bedeutet  mit  jemanden  sprechen,  besonders  im  politischen 
Sinne  des  Unterhandelns  oder  Sprechens,  Debattierens,  um  etwas  zu 
erlangen,  z.  B.  so  schon  bei  Cic.  Lael.  4,  vgl.  Seyffert-Müller  S.  19, 
dann  Tac.  ann.  2,  85,  Suet.  Octav.  94,  Caes.  28  und  Gell.  13,  16, 
3  (15,  10),  wo  die  Bedeutung  von  cum  populo  agere  angegeben  ist, 
so  kommt  doch  nirgends  liber  agit  vom  geistigen  Besprechen  einer 
Sache  und  vom  Handeln  und  Sprechen  von  einer  Sache  vor.  Dies 
ist  unlateinisch  für  hie  liber  est  de  yiat.  deor.,  in  hoc  libro  tructutur 
naturu  deorum,  disseritur  oder  disputatur  de  nat.  deor.,  vgl.  besonders 
Seyffert-Müller  zum  Lael.  S.  79.  —  Agitur  aliquid  unterscheidet 
sich  so  von  agitur  de  aliqua  re :  jenes  bedeutet,  eine  Sache  kommt  zur 

Krebs- Schmalz,  Antibarbaras  I.  9 


Agere  —     130     —  Agere 

Entscheidung,  zur  Durchführung,  sie  steht  „auf  dem  Spiele",  während 
dieses  nur  besagt  „die  Frage  dreht  sich  um,  die  Rede  ist  von** ;  man 
lese  Cic.  Pomp.  6  agitur  ]^op.  R.  gloria  .  .,  saliis  sociorum  atque 
amicorum  .  .  .,  aguntur  vectigalia  .  .  .,  bona  multorum  civhim; 
Nep.  Att.  15,  2  suam  existwiationem  in  ea  re  agi  jmtahat  und  Sali. 
Cat.  52,  6  non  agitur  de  vectigalibus  neqiie  de  sociorum  iniuriis  „die 
Frage  dreht  sich  nicht  um  ..."  —  Obgleich  vitam  agere,  das  Lehen 
hinbringen,  Kl.  und  sehr  gewöhnHch  ist,  so  ist  doch  N.  L.  vitae 
cursiim  agere  für  ?;.  c.  fenere.  Nicht  bei  Cicero  und  Caesar,  wohl 
aber  bei  Sali.  Jug.  6,  1  findet  sich  temjnis  agere,  die  Zeit  hinbringen, 
neben  traducere,  consumere  und  N.  Kl.  beim  Jüngern  Plinius  exigere, 
vgl.  ferner  Suet.  Yespas.  4,  PL  epp.  3,  5,  7.  —  Bei  Sallust  (aus  dem 
A.  L.)  und  bei  Tacitus  findet  sich  agere  mit  einem  Adjektiv  in  der  Be- 
deutung leben  für  vivere,  z.  B.  Sali.  Jug.  56,  2  civitas  laeta  agit,  Tac. 
ann.  3,  38  Thracia  tum  discors  agehat;  vgl.  auch  Agitare.  Ebenso  ist  zu 
beachten,  dass  agere  cum  aliquo  bene  =  mit  jemand  gut  verfahren,  oder 
agitur  oder  actum  est  mecum  bene,  2)raeclare,  oj^time  bedeutet  es  steht 
gut,  herrlich  mit  mir,  ich  bin  in  einem  glücklichen  Zustande,  und  so  ent- 
gegengesetzt male,  pessime;  diesen  Gebrauch  habe  ich  eingehend  in 
Z.  f.  G.  W.  1881  S.  122  besprochen.  —  Erst  Sp.  L.  wird  agere  mit 
dem  Plural  von  annus  und  einer  Kardinalzahl  in  dem  Sinne  von: 
im  so  oder  so  vielten  Jahre  des  Alters  stehen  verbunden,  wie  bei 
Aug.  civ.  15,  12,  1  und  scr.  hist.  Aug.,  z.  B.  Capit.  Ant.  Pius 
5,  1.  Der  mustergültige  Gebrauch  erfordert  durchaus  den  Sing. 
annum  mit  einer  Ordinalzahl,  z.  B.  a.  vicesimurn  agere.  Dass  Plin. 
nat.  14,  18  und  Just.  41,  5,  9  nicht  hieher,  sondern  zu  dem  oben 
besprochenen  Gebrauch  von  tempus  agere  gehören,  ist  an  und  für 
sich  klar.  —  Kühnast,  Liv.  Syntax  S.  377,  hat  Unrecht,  wenn  er 
auch  animam  agere  unter  den  Phrasen  auff'ührt,  die  in  früheren 
Schriftstellern,  zumal  Prosaikern,  namentlich  bei  Caesar,  Sallust, 
Cicero,  fehlen,  oder  wenigstens  in  unseren  Wörterbüchern  aus  ihnen 
noch  nicht  nachgewiesen  sind;  Caes.  und  Sali,  kennen  die  Phrase 
freilich  nicht,  aber  Cael.  bei  Cic.  fam.  8,  13,  2,  Cic.  Q.  Rose.  24, 
Tusc.  1,  19.  —  Acta  agere  ist  sprichwörtliche  Redensart,  etwas,  icas 
geschehen  und  nicht  mehr  zu  ändern  ist,  wieder  in  die  Hand  nehmen, 
also  vergeblich  an  etwas  arbeiten,  vgl.  SeyfFert-MüUer  zu  Laelius 
S.  498;  dieselbe  findet  sich  wiederholt  bei  Cicero,  bei  den  Komikern, 
bei  Liv.  28,  40,  3  (rem  actum  hodierno  die  agi),  vgl.  Landgraf  act. 
sem.  Erl.  II,  S.  55.  —  Endhch  ist  N.  L.  agere  nihil  aliud  nisi  mit 
folgendem  quod  oder  dem  blossen  Konjunktiv,  für  nisi;  z.  B.  er  tat 
nicfits,  als  dass  er  sich  Mühe  gab,  nihil  aliud  egit,  nisi  operam  dedit, 
nach  Cic.  Süll.  35  ego  rpioque  hoc  tempore  nihil  aliud  agerem,  nisi 
eum  defenderem.  Bei  Nep.  Hann.  10,  1  steht  dafür  nihil  aliud  egit, 
quam  .  .  .  armavit,  was  nicht  zu  empfehlen  ist,  vgl.  noch  s.  v.  Alius. 
Gut  ist  nihil  agere  =  nichts  ausrichten,  auch  7ion  midtum,  non 
nihil,  vgl.  Z.  f.  Gymn.  1881  S.  138,  Hellmuth  Galba  S.  22,  Land- 
graf Rose.  S.  364. 


Aggredi  —     131     —  Agitare 

Aggredi,  tmfernehmen^  wird  bei  folgendem  Infin.,  etwas  zu  Um, 
Kl.  oft  genug  mit  dem  Infinitiv  verbunden,  um  nachgebraucht  werden 
zu  können,  so  bei  Caesar  civ.  3,  80,  7,    bei  Cic.  inv.  2,  74,  off.  2, 

1,  erat.  133,  dann  bei  Sali.  Jug.  9,  3;  21,  3  und  75,  2,  Liv.  3, 
35,  7;  7,  21,  5  und  sonst.  —  Sich  an  jemanden  wenden^  ihn  für  sich 
zu  geiüimien  suchen  heisst  aggredi  aliqimn,  z.  B.  Damasippiim  velim 
aggrediare,  Cic.  Att.  12,  33,  1,  Caec.  71,  Sali.  Jug.  65,  3;  ebenso 
in  feindlicher  Absicht,  s.  Cic.  Phil.  12,  25,  Caes.  Gall.  1,  12,  3  und 
sonst  oft,  vgl.  Mensel  s.  v..  Sali.  Jug.  57,  4,  Liv.  23,  9,  6  und  sonst 
sehr  oft  und  Yell.  2,  109,  5.  Aggredi  ad  aliquid  ist  =  sich  an 
etivas  machen,  zu  etwas  schreiten,  z.  B.  ad  singidas  leges,   Cic.  leg. 

2,  8,  ad  crimen,  Cluent.  8,  ad  dicendtim,  Brut.  139;  aggredi  mit 
dem  blossen  Acc.  =  heginnen,  unternehmen,  z.  B.  aggredi  causam, 
Cic.  fin.  4,  1,  maiora  et  magis  aspera.  Sali.  Jug.  89,  4  u.  s.  w. 

Aggressio  kommt  in  klassischer  Sprache  nur  im  trop.  Sinne  bei 
Cic,  erat.  50  vor,  ferner  als  rhetorischer  Fachausdruck  bei  Quint., 
sonst  ist  es  wie  aggressura,  aggressus,  der  Angriff,  Anfall,  Sp.  L. 
für  impetus,  oppugnatio,  incursio,  incursus  u.  a.,  oder  mit  dem 
Verbum.  Ebenso  aggressor,  der  Angreifer.  Über  den  Gebrauch  all 
dieser  Wörter  in  den  Kaiserkonstitutionen  des  Cod.  Just.  vgl.  Krüger 
im  Archiv  XI,  S.  455. 

Agilis  hat  nach  Sisenna  zuerst  Livius  in  Prosa  gebraucht 
(30,  10,  3),  dann  Vell.  (2,  105,  2  virum  navum,  agilem,  providmn)., 
Sen.  phil.  Quint.  Plin.  min.  Suet.  u.  viele  Sp.  L.,  sonst  ist  es  nur 
bei  Dichtern  zu  finden,  nach  dem  Yorgang  des  Horaz,  vgl.  Georges 
Yell.  S.  28. 

Agitare  hat  mit  agere,  dessen  Frequentativ  es  ist,  ziemlich 
gleiche  Bedeutungen,  etwas  heftig,  rasch  in  Bewegung  setzen  in  ver- 
schiedenen Beziehungen,  z.  B.  feras  agitare  =  Wild  jagen,  Curt.  8, 
1,  13,  mare  ventorum  vi  agitatur,  Cic.  Cluent.  138  u.  s.  w.  Kl. 
wird  es  nur  von  unruhiger,  stürmischer  Bewegung  gebraucht,  z.  B. 
Cic.  Cluent.  4  rem  agitatam  in  contionihus,  Cic.  S.  Rose.  67  suum 
quemqite  scelus  agitat,  so  besonders  von  der  Seele,  animo,  in  animo, 
cum  animo,  mente  oder  in  mente  secuyn.  Seciim  ipsum  animo  agi- 
tare, Liv.  35,  28,  2  und  sie  agitare  animo,  Cic.  fam.  6,  1,  2  und 
agitare  de  aliqua  re  =  sich  mit  dem  Gedanken  an  etwas  tragen, 
Liv.  22,  43,  4  und  25,  36,  5.  Auch  agitare  und  exagitare  aliquem 
—  einen  (mit  Worten)  geissein  ist  gut,  s.  Cic.  Brut.  109.  —  Altlat. 
und  bei  Sali,  und  Tacit.  ist  agitare  vollständig  =  agere  und  wird 
mit  hellum,  pacem,  imperium,  vitam  etc.  verbunden,  vgl.  Fabri  zu 
Sali.  Cat.  2,  1,  Kunze  Sali.  III,  1,  79,  Wölfflin  Yulgärlatein  S.  158, 
Hauler  Archiv  III,  S.  536  u.  Schönfeld  S.  29,  z.  B.  imperium  agi- 
tare =  handhaben,  pacem  =  pflegen,  gaudium  atque  laetitiam  = 
laut  äussern,  odium  agit.  =  auslassen.  Aber  man  kann  nicht  sagen 
agitare  proelium,  für  facere,  committere  jjroelium,  erst  Sp.  L. 
bei  Jul.  Yal.  finden  wir  tempus  agitando  proelio.  —  Besonders  be- 
merkenswert sind  bei  Sali.  Tac.  und  ihren  spätlat.  Nachahmern  die 


Agmen  —     132     —  Agon 

Phrasen,  in  welchen  agitare  mit  Adj.  oder  Adv.  verbunden  erscheint, 
z.  B.  Sali.  Jug.  74,  1  Jugurtha  varius  iiicertusque  agiiahat,  ferner 
Cat.  23,  3  ferocius  agitahat  und  laetiis  agitat  =  er  ist  vergnügt. 
Ygl.  Agere. 

Agmen,  der  Zug  wird  besonders  von  den  Historikern  und  zwar 
in  der  bessern  Prosa  nur  vom  zieJmiden,  marschierenden  Heere,  bei 
Caesar  nach  Meusel  s.  v.  nur  vom  Fussvolke,  nicht  aber  von  der 
Reiterei,  gebraucht;  exercitus  bedeutet  allgemein  das  Heer,  acies  aber 
das  in  Schlachtordnung  gestellte,  geordnete;  selten  bezeichnet  agmen 
=  iter  exercitus,  so  Caes.  Gall.  7,  66,  4  proinde  in  agmhie  impe- 
ditos  adorirentur ;  ebenso  3,  24,  3.  Nur  Foet.  steht  agmen  für 
exercitus.  Wenig  üblich  ist  agmen  cogere  in  der  Bedeutung  ein 
Heer  zusammenhingen  —  wohl  nur  Suet.  Cal.  45  — ,  da  es  vielmehr 
von  der  das  Heer  zusammenhaltenden  und  deckenden  Nachhut  steht, 
z.  B.  Hirt.  Gall.  8,  8,  4,  Liv.  10,  41,  6;  34,  28,  7  und  sonst;  so 
wird  denn  agmen  cogere  auch  tropisch  gebraucht  bei  Cicero  Attic. 
15,  13,  1:  7iec  duces  simus,  nee  agmen  cogamus,  ivir  ivollen  weder 
die  ersten,  noch  die  letzten  sein;  vgl.  die  interessante  Darlegung  von 
Boot  z.  St.;  Caesar  indes  sagt  nie  agmen  cogere,  sondern  nur  a.  clau- 
dere,  z.  B.  Grall.  1,  25,  6.  Bei  Liv.  9,  13,  4  u.  33,  37,  5  ist  agmen 
cogere  =  die  Reihen  dichter  zusammentreten  lassen,  ebenso  38,  18,  7. 
^S^;.  L.  ist  auch  agmhiatim  für  catervatim;  es  wird  bei  Apul.  und 
Sol.,  sowie  bei  Amm.  Marc,  gelesen,  vgl.  Kretschmann  S.  63, 
Köhler  act.  Erl.  I,  S.  380,  Paucker  Yorarb.  I,  S.  129,  Archiv  YHI, 
S.  103  u.  109. 

Agnatus,  der  Verwandte,  nach  streng  juristischem  Gebrauche 
(vgl.  Gaius  inst.  1,  156)  nur  der  von  väterlicher  Seite;  das  Wort 
ist  klass.  selten,  z.  B.  Cic.  rep.  3,  45 ;  häufiger  findet  sich  cognatus, 
welches  allgemein  beide  Arten  von  Verwandtschaft,  von  väterlicher 
und  mütte?iic]ier  Seite,  bedeutet  und  daher  im  gewöhnlichen  Ge- 
brauche das  passendste  Wort  für  den  Veriuandten  ist,  vgl.  z.  B. 
Cic.  S.  Rose.  96   propinqui  cogyiatique. 

Agnomen,  der  Beiname,  Sp.  L.  erst  bei  den  Grammatikern 
(z.  B.  Prise,  gramm.  H,  58,  2)  zur  bestimmten  Unterscheidung  der 
verschiedenen  Namen  oder  Beinamen  einer  Person,  wofür  man  in 
der  bessern  Prosa  nur  cognomen  gebraucht  findet.  Jul.  Capit.  Yer. 
3,  5  steht  in  der  Ausg.  von  Eyssenhardt  u.  Jordan  für  das  alte 
agnomen:  nee  aliud  ei  honorificentiae  ad  nomen  adiunctum  est,  quam 
quod  .  .  .  Peter  aber  liest  adnomen,  was  :=  agnomen  ist.  Gesichert 
scheint  agnomen  bei  Flor.  1,  43,  1,  Metelli  domus  hellicis  agnominihus 
adsueverat  (vgl.  Thes.  S.  1353,  30,  aber  auch  Rossbach  z.  St.). 

Agon,  der  Wettkampf,  das  Wettspiel,  findet  sich  nur  einigemal 
N.  Kl.  für  certamen  oder  ludus,  z.  B.  agones  gymnici  und  musici, 
Plin.  ep.  4,  22,  1,  Suet.  Nero  22,  ferner  in  der  Redensart  nunc 
demum  agon  est,  vgl.  Suet.  Ner.  45;  häufig  ist  es  im  christlichen 
Latein,  besonders  von  den  Yerfolgungen  und  dem  Martyrium.  N.  L. 
in  der  Bedeutung  Todeskampf,  wo  der  Lateiner  nur  animam  agere, 


Agrarius  —     133     —  Aio 

extremum  spiritum  agere  oder  ducere  braucht,  ohne  Beziehung  auf 
einen  Kampf.  Auch  agonia,  ein  sehr  spätlat.  Wort,  ist  in  diesem 
Sinne  N.  L.,  vgl.  Rönsch  Ital.  S.  238  u.  Coli.  phil.  S.  119. 

Agrariiis  gebrauche  man  vorsichtig,  da  es  nur  die  Acker- 
verteilung und  was  damit  zusammenhängt  (z.  B.  lex  agraria,  facid- 
tas,  largitio,  ratio,  alles  bei  Cicero)  betrifft  und  mit  agrestis  nicht 
zu  verwechseln  ist.  Agrarii  =  Freunde  der  Ackerverteilimg  ist 
klass.,  z.  B.  Cic.  Cat.  4,  4. 

Agrestis,  Imidlicli.  Die  vita  agrestis  bei  Cic.  Rose.  Am.  74 
bedeutet  das  „bäuerische"  Leben  im  Gegensatz  zu  der  vita  rustica, 
dem  Z'fm^leben.  Ebenso  stehen  agrestes  =  die  Ungehildeten  und 
Rohen,  nicht  selten  im  Gegensatz  zu  docti,  die  Gebildeten,  wie  bei 
Cic.  Cael.  54,  leg.  1,  41,  or.  148.  S.  darüber  Osenbrüggen  zu  Cic. 
Rose.  Am.  74. 

Agricolatio,  der  Ackerhau,  N.  Kl.  nur  bei  Colum.  an  mehreren 
Stellen.     Ygl.  Agricidtio. 

Agricidtio  (oder  besser  getrennt  agri  ciiltio,  agri  cidtura,  agri 
cultor),  der  Ackerbau,  Kl.,  aber  nur  bei  Cicero,  jedoch  zweimal 
Cato  56  und  Yerr.  3,  226,  sonst  nirgends;  es  dient  zur  Abwechslung 
mit  agri  cidtura  oder  cidtura  agri,  agrorum,  und  cultus  agri,  agroriim. 
So  kommt  auch  ausser  agri  cidtores  vor  agrorum  cultores  oder  cul- 
tores  agrorum. 

Agrosus,  an  Äckern,  an  Feld  reich,  A.  L.,  nur  bei  Yarro 
(1.  lat.  5,  13,  jedoch  bestritten,  vgl.  Stünkel  S.  50;  Spengel  liest 
agrestem)  einmal  für  locuples,  dives  agyns;  jedoch  findet  es  sich 
nie  in  den  Büchern  vom  Landbau.  Ygl.  Paucker  Yorarbeiten  I, 
S.   74;  Archiv  Y,  S.  220  ist  es  nicht  mehr  aufgeführt. 

Aio.  Da  es  ja  sagen,  bejahen  bedeutet,  so  tritt  kein  Wort  zur 
Bezeichnung  des  ja  hinzu;  7iein  sagen  kann  aber  nicht  durch  no7i 
aio  ausgedrückt  werden,  so  wenig  als  durch  non  assevero.,  sondern 
nur  durch  negare,  z.  B. :  modo  ait,  modo  negat,  Ter.  Das  Yerbum 
steht  bald  vor  den  Worten,  die  jemand  sagt,  bald  nach  denselben, 
bald  eingeschoben;  das  Subjekt  aber  hat  es  immer  bei  sich,  und  es 
wird  nicht  von  ihm  getrennt.  Daher  z.  B.  no7i  male  ait  Callimachus 
lacrimasse  Priamum,  nicht  aber  no7i  male  Callimachus,  lacrimasse, 
ait,  Pr.  Dem  gewöhnlichen  bessern  Gebrauche  nach  steht  es  bei 
der  ungeraden  (obliqua)  Rede  eines  andern,  nicht  bei  der  geraden 
(recta),  bei  welcher  der  Sprachgebrauch  inquit  verlangt,  ausser  wo 
es  in  der  Bedeutung  behaupte}!  steht,  wie  Cic.  erat.  36 :  Ennio 
delector,  ait  quispiam  (behauptet  einer),  quod  — ,  Pacuvio,  inquit 
alius.  Dichter  beachten  den  Sprachgebrauch  nicht  genau,  und  in 
Prosa  weicht  Livius  einigemal  ab,  auch  Hygin.  hat  ait  vor  direkter 
Rede;  vgl.  Fabri  zu  Liv.  21,  54,  1,  S.  163,  Fügner  Lex.  Liv.  S.  825, 
Tschiassny  S.  25.  Ebenso  schwankend  sind  die  Neulateiner;  in  der 
Schule  aber  muss  man  sich  streng  daran  halten.  —  Wenn  bei  ge- 
rader Rede  ut  ait  gebraucht  wird,  so  steht  das  Subjekt  am  ge- 
wöhnlichsten nach  dem  Yerbum,  z.  B.  ut  ait  Plato,  ut  ait  Homerus, 


Ala  —     134     —  Ala 

Doch  ist  auch  die  umgekehrte  Stellung  nicht  ganz  selten,  z.  B.  ut 
Th.  ait,  Varro  r.  r.  1,  7,  6 ;  sicut  Ennius  ait,  Liv.  30,  26,  9, 
Quintil.  1,  5,  72;  12,  3,  11  u.  ebend.  c.  9,  16  u.  c.  10,  56;  Plin. 
epp.  4,  18,  1;  Tac.  dial,  13  u.  dazu  Gudeman.  Cicero  stellt  es 
vielleicht  nur  vor  das  Yerbum,  wo  zwei  Personen  in  ihrer  Rede 
einander  entgegengestellt  werden.  jS^ichts  beweist  jetzt  Cic.  Tusc.  1, 
64,  ut  Pluto  aitj  donum,  ut  ego,  inventum  deorum,  wo  die  neuern 
edd.,  so  auch  C.  F.  W.  Müller,  nach  den  bessern  Handschr.  ait 
ganz  streichen.  Für  ut  ait  Ennius  steht  auch  einfach  ut  Ennius, 
s.  SeyfFert  schol.  lat.  II,  S.  181.  In  Eedensarten  wie:  Carneades 
sagt  hold  dieses,  bald  jenes,  braucht  Cicero  dieses  Verbum,  C.  modo 
ait  hoc,  modo  illud  (divin.  1,  62).  Wenn  ait  bei  gerader  Rede 
gebraucht  wird,  lasse  man  in  der  Schule  jedenfalls  ut  davor 
nicht  aus. 

Ala.  Die  Hauptteile  der  Schlachtordnung  bilden  die  media 
acies  =  das  Zentrum,  w^ährend  die  beiden  Flügel  stets  cornua 
heissen.  Unter  ala  verstanden  die  Römer  entweder  die  zum  Heer 
der  römischen  Bürger  gestellte  und  in  der  Regel  am  äussersten 
Ende  eines  Flügels  aufgestellte  Reiterei  der  socii  latini  nominis, 
s.  Liv.  8,  39,  3'  u.  10,  29,  9  und  das.  Weissenborn  u.  §  12  :  Cam- 
panorum  alam  u.  s.  w.  Oder  es  sind  Fusstruppen  derselben  Bundes- 
genossen gemeint,  s.  Liv.  25,  21,  6  u.  das.  Weissenborn,  oder  man 
dachte  dabei  an  Fiisstruppen  und  Reiterei  der  Bundesgenossen  zumal, 
vgl.  Liv.  34,  14,  8.  Nachdem  aber  der  Unterschied  zwischen  socii 
und  legiones  aufgehört  hatte,  seitdem  die  Italiker  ins  römische 
Bürgerrecht  aufgenommen  waren,  bedeuten  alae  die  Reiterei  der 
(ausseritalischen)  Hilfstruppen;  vgl.  Heine  zu  Cic.  ofF.  2,  45  und 
Ruhnk.  zu  Suet.  Octav.  38  ;  bemerkenswert  ist,  dass  Cäsar  ala  als 
mihtärischen  t.  t.  nicht  kennt,  wohl  aber  das  b.  Afr.  39,  5;  78,  7, 
vgl.  Tegge  S.  237.  —  Als  Flügel  eines  Vogels  bedeutet  cda  das  or- 
ganische Glied  im  Gegensatz  zu  den  übrigen  Gliedern,  penna 
(pinna)  hingegen  ist  wieder  ein  Teil  der  ala:  die  Schivung- 
feder,  s.  Lact.  opif.  5,  3.  So  sagt  Plautus:  Meae  alae  pennas  non 
hahent,  Poen.  871.  Ebenso  konnte  in  der  Stelle  Plin.  nat.  10, 
109  inseca^'e  alarum  articulos  für  alas  selbstverständlich  keineswegs 
pennarum  substituiert  werden.  Einen  Flügel  brechen  kann  ebenso 
nur  frangere  alam  heissen.  S.  Plin.  nat.  10,  103.  Umgekehrt: 
eiiiem  Vogel  die  Flügel,  d.  h.  die  Sc! nvung federn  stutzen,  ist  ebenso 
natürlich  nur  pennas  incidere,  Cic.  Attic.  4,  2,  5.  Ebenso  verhielte 
es  sich,  wenn  von  der  Farbe  der  Flügel,  d.  h.  ihres  Gefieders  die 
Rede  wäre,  s.  Colum.  8,  2,  7  u.  Plin.  nat.  10,  13  u.  10,  99:  color 
pennarum.  Wo  nicht  diese  speziellen  Verhältnisse  obwalten,  ist  es 
oft  gleicbgiltig,  ob  das  eine  oder  das  andere  Wort  gewählt  w^erde; 
Quintil.  sagt:  alicuius  os  alis  everberare,  2,  4,  18,  was  synekdochisch 
auch  durch  iieiinis  os  verberare  gegeben  wird  von  Plin.  nat.  10,  17. 
Weil  beim  Fliegen  die  Hauptsache  auf  die  ScJavung federn  ankommt, 
80  heisst  auffliegen  allerdings  häufiger  pjennis  se   levare,   Curt.  4,  7, 


Alacer  —     135     —  Alere 

15;  doch  kommt  auch  ala  vor  bei  Liv.   7,    26,   5.     Ygl.   auch  Liv. 

1,  34,  8,  u.  5,  47,  4. 

Alacer  (das  Gegenwert  von  tristis^  maestiis)  ==  heiter,  fröhlich. 
Dafür  ist  alacris  A.  L.  u.  poetisch  noch  bei  Yerg.  Aen.  5,  380  u. 
6,  685,  sov^ie  Sp.  L.  bei  Amm.  20,  11,  8  erhaltene  Form,  die  nicht 
nachzuahmen  ist,  indem  alacris  sonst  nur  Form  des  Femin.  war; 
vgl.  Caes.  Gall.  3,  19,  6  alacer  et  promptus  animus;  näheres  bei 
Neue-Wagener^  II,  S.   17  und  Thes.  I,  1473,  22. 

Ataris,  zum  Flügel  eines  Heeres  gehörig,  findet  sich  erstmals 
Liv.  10,  41,  5;  dann  hat  es  auch  Tac.  bist.  2,  94  u.  ann.  15,  10 
u.  15,  11,  aber  als  Substantiv.     Klassisch  ist  alarius,  vgl.  Cic.  fam. 

2,  17,  7;  vgl.  s.  V.  Auxiliaris. 

Alhani  sind  die  Einwohner  von  Alba  longa,  Alhenses  aber  die 
von  Alba  Fucens ;  Ausnahmen  hieven  finden  sich  ganz  vereinzelt, 
vielleicht  nur  Oros.  5,  22,  17  und  Ampel.  16,  4. 

Albedo,  die  Weisse,  iveisse  Farbe,  wie  nigredo,  die  Schwärze, 
schivarze  Farbe  sind  zwar  nicht  N.  L.,  aber  sehr  8p.  L.,  und  zu 
ersetzen  entweder  durch  albitudo  (bei  Plautus  Trin.  874)  oder  durch 
album  (bei  Livius,  Cels.  6,  6,  1  g.  E.  u.  Yirgil)  oder  zu  umschreiben 
durch  albus  color ;  die  blendende  Weisse  heisst  Kl.  candor.  Über 
Wörter  wie  albedo,  nigredo,  rubedo  vgl.  Schepss  Conrad  Hirsaug. 
S.  50  Anm.  24 ;  über  riigredo  siehe  s.  v. 

Albere.  Die  Wendung  albente  caelo  gehört  der  Umgangssprache 
an.  Caesar  hat  sie  civ.  1,  68,  1,  Cicero  nie,  vgl.  Frese  S.  67; 
zuerst  steht  sie  wohl  bei  Sisenna  bist.  103  P.,  vgl.  auch  Wölfflin 
zu  b.  Afr.  11,  1. 

Albescere,  lueiss  luerden  ist  zwar  Kl.  bei  Cicero  acad.  2,  105 
mare  albescit,  aber  es  wird  nicht  vom  Menschen  gesagt  :=  vor  Furcht 
und  Scham;  hier  wird  nur  exalbescere  oder  expallescere  gebraucht. 
Vgl.  Cic.  de  erat.  1,  121:  ut  exalbescam  in  principiis  dicendi.  Erst 
Sp.  L.  sagt  Gell.  19,  1,.  21,  nachdem  er  aber  19,  1,  17  pallescere 
gebraucht  hat,  quasi  albescere;  der  Ausdruck  bedurfte  also  in  seiner 
Zeit  noch  der  Entschuldigung. 

Alcyon  oder  halcyon ,  der  Eisvogel,  ist  die  griechische, 
nur  bei  Dichtern  u.  Plin.  mai.  gebräuchliche  Benennung  für  die 
lat.  cdcedo  (halcedo),  vgl.  Yarro  ling.  7,  88 :  haec  enim  avis  nunc 
Graece  dicitur  aXxocbv^  a  nostris  halcedo;  vgl.  Saalfeld  im  ten- 
saurus  s.  v. 

Aleo,  der  Hazardspieler,  A.  L.  und  bei  Catull  29,  2  für  das 
Kl.  aleator.  Bei  Sali.  Cat.  14,  2  schreibe  ich  mit  Wölfflin  (Bursian 
Jahresb.  für  1873/74  S.  1662)  jetzt  auch  quicimique  impudicus  ganeo 
aleo;  vgl.  noch  Fisch  an  vielen  Stellen  (siehe  dessen  Register). 

Alere,  ernähren  (das  verbum  propr.  vom  Halten  von  Haustieren, 
z.  B.  alere  canes,  gallinas  und  oft  trop.  wie:  hoyios  alit  artes,  Cic. 
Tusc.  1,  4),  hat  im  Partizip  alitus  und  altus,  doch  ist  die  erstere 
Form,  mag  sie  auch  von  Cic.  Plane.  81  gebraucht  sein,  erst  am 
Ende  der  augusteischen  Periode  in  Aufnahme  gekommen,    als  altus 


Ales  —     136     —  Alibi 

nur    als  Adj.   gefühlt    wurde;    vgl.  Hey   Semas.   Stud.   119  u.  161, 
Neue-Wagener^  III,  S.  530. 

Ales  der  Yogel  ist  ein  sakrales  Wort,  vgl.  Cic.  nat.  deor.  2, 
160  aUtes  et  oscines,  ut  nostri  augures  appellayit ;  dasselbe  war  bei 
Dichtern  besonders  beliebt  und  bürgerte  sich  auch  bei  den  nach- 
klassischen Prosaisten  ein.  Das  Geschlecht  ist  fem.;  als  masc.  haben 
es  Dichter,  in  Prosa  nur  Colum.  8,  15,  7;  man  brauche  dafür 
nur  avis,  ausser  wo  die  ausgesprochene  Bedeutung  „AVahrsagevogel" 
wie  bei  Tac.  bist.  1,  62  vorliegt;   vgl.  Tegge  S.  232. 

Alias,  geht  Kl.  auf  die  Zeit,  ein  andermal,  zu  anderer  Zeit, 
bei  andern  Gelegenheiten,  sonst,  sei  es  ehedem  oder  künftig.  Ihm 
entgegen  steht  nunc,  jetzt,  daher  alias  —  nunc,  ein  andermal  (wird 
das  geschehen),  nunc,  jetzt  aber  (geschieht  das).  Daher  die  Ver- 
bindungen :  si  unqiiam  alias  ante,  nunquam  alias  ante,  saepe  alias, 
semper,  raro  alias,  nunquam  alias,  und  das  von  Wölfflin  im  Archiv  11, 
S.  235  ff.  genau  besprochene  alias  —  alias.  Durchaus  unklassisch  und 
nach  Madvig  de  fin.  21  vor  Plin.  mai.,  der  überhaupt  eine  grosse  Yor- 
liebe  für  alias  hat,  nirgends  zu  finden  ist  ee  in  der  Bedeutung  an  einem 
andern  Orte,  ander sivo,  wie  unser  sonst,  für  alihi,  alio  loco,  alii  locis ; 
ob  Celsus  schon  alias  =  alio  loco  gebraucht  hat,  wie  Brolen  S.  36 
behauptet,  ist  mir  wie  Georges  zweifelhaft.  Unstreitig  haben  jedoch 
die  Juristen  oft  alias  =  alihi,  vgl.  Dirksen  s.  v.  §  1.  Ist  sonst  =  auf 
eine  andere  Weise,  so  sagt  man  gutlat.  dafür  aliter,  ist  es  =  in  anderer 
Hinsicht,  so  braucht  man  alioqui.  Aber  in  der  Phrase  7ion  alias  quam 
gebrauchen  Ulpian  u.  spätere  Juristen  alias  =  aliter,  vgl.  Kalb  Roms 
Juristen  S.  18,  Leipold  S.  57;  auch  non  alias  nisi  liest  man  Sp.  L.  öfters, 
vgl.  z.  B.  Tert.  nat.  1,  9.  Wenig  zu  empfehlen  ist  alias  auch, 
wenn  unser  sonst  die  Stelle  einer  verneinenden  Bedingung  vertritt,  für 
tvenn  das  nicht  ist,  nicilit  tuäre,  nicht  geivesen  tväre;  es  findet  sich 
in  dieser  Bedeutung  gleichfalls  erst  seit  Plin.  mai.,  z.  B.  9,  162  ova  ma- 
scitlus  prosequitur  adflatu:  alias  sterilescunt.  In  solchen  Fällen  ge- 
brauche man  aliter  oder  umschrieben  quod  nisi  ita  est  (esset,  f lasset,  z.  B. 
quod  ni  ita  fuisset,  Cic.  Cato  35),  auch  wohl  alioqui.  Sp.  L.  ist  es 
in  der  Bedeut.  auf  andere  Weise,  für  aliter,  alio  modo,  auch  für 
alioqui  bei  scr.  h.  Aug.,  vgl.  Cotta  S.  4,  u.  Cypr.  ep.  69,  10 
u.  sonst. 

Alihi.  Es  ist  wahr,  dass  alihi  bei  Cicero  sehr  selten  gefunden 
wird;  ich  kenne  nur  drei  Stellen,  Att.  13,  12,  3;  13,  52,  2;  acad. 
2,  103.  Caesar  hat  alihi  nirgends.  Daraus  kann  man  schliessen, 
dass  es  in  der  urbanen  Sprache  nicht  üblich  war.  Wie  es  im  A.  L. 
öfter  von  den  Komikern  gebraucht  wird,  so  hat  es  sich  wieder  mit 
Livius  Eingang  in  die  Literatur  zu  verschaffen  gewusst  und  sich 
von  da  ab  im  N.  Kl.  u.  Sp.  L.  erhalten.  Die  wohldisponierte  Dar- 
stellung des  Gebrauchs  von  alihi,  wie  Hey  sie  im  Thes.  gegeben, 
zeigt  dies  genau.  —  Wie  man  sagte  JRomae  —  alihi  (Liv.  3,  1,  7) 
regum  nomen  alihi  magnum,  Romae  intolerahile  esse,  Liv.  27,  19,  4, 
so  auch  parallel  alihi  —   alihi]    dies   gebrauchte  Liv.  u.  das  N.  Kl. 


Alienare  —     137     —  Alienus 

lokal,  z.  B.  Liv.  3,  28,  3;  im  Sp.  L.  aber  wird  es  auch  aufs  Zeitliche 
übertragen,  vgl.  Wölfflin  Archiv  II,  S.  249.  Sodann  bedeutet  alibi 
nicht  selten  so  viel  als  in  alia  re,  in  aliis  rebus.  So  bei  Plaut. 
Bacchid.  1102  atque  ego,  si  alihi  plus  perdiderim,  minus  aegre 
habeam,  und:  7iobis  opiyiio  decedat,  qualis  quisque  habeatur,  alibi 
quam  in  civium  iudicio  esse,  Tac  ann.  15,  20  und:  nusqiiam  alibi 
quam  in  armis  spem  poneha?it,  Liv.  2,  39,  8,  vgl.  hiezu  Stacey  Ar- 
chiv X,  S.  73.  Dies  geht  ins  kondizionale  Verhältnis  über,  schon 
bei  Liv.  (wo  aber  2,  59,  3  unsicher  ist),  besonders  im  Sp.  L.,  z.  B. 
Cassiodor.  var.  9,  18,  1  qui  se  noverat  alibi  non  posse  sustinere  vin- 
didam.  Ferner  bezeichnet  alibi  oft  eine  einzelne  Stelle  aus  einer 
Rede,  Schrift  u.  dgl.,  z.  B.  Cic.  Att.  13,  12,  3,  Liv.  26,  49,  1,  et 
alibi  ==  alio  loco,  Quintil.  9,  2,  21;  quae  medicamenta  alibi  posui, 
Cels.  7,  16,  u.  alibi  =  in  einem  andern  Teil  der  Rede  im  Gegen- 
satz zum  Prooem.,  Quintil.  4,  1,  53  u.  6,  4,  4,  u.  ==  in  einem 
andern  Teil  des  Satzes,  Quintil.  9,  4,  106.  Plinius  mai.,  Celsus,  Sen. 
gebrauchen  es  zum  Ausdruck  anderer  Teile  oder  Stellen  des  mensch- 
liehen  Körpers,  vgl.  Plin.  nat.  11,  198;  Cels.  7,  16  p.  medd.;  Sen. 
epp.  99,  29. 

Alienare  wird  klass.  nur  verbunden  aliquem  (aliquid)  ab  aliquo  : 
einen  einem  andern  entfremden,  abgeneigt  ynachen,  z.B.:  conatur  volun- 
tatem  meam  a  te  alienare;  bei  Livius  auch  einmal  alicui,  z.  B.  regem 
sibi  (für  a  se)  alienavit,  Liv.  44,  27,  8,  und  alienare  sibi  aliquid 
alicuius:  patris  atque  eiusdem  avi  sui  animum  alienavit  sibi,  Vell. 
2,  112,  7;  Just.  6,  1,  7  rex  Tissaferni  alienatus;  andrer  Art  ist 
alienato  erga  aliquem  animo  esse,  Tac.  hist.  4,  49  (nicht  nach- 
zuahmen!), Justin,  prol.  32,  4  alienatus  in  Romanos  animus. 

Älienigenus,  a,  um,  ist  als  volles  Adjektiv  A.  L.  und  N.  KL, 
da  sonst  nur  alienigena  (wie  advena  u.  a.)  teils  als  Subst.,  teils  als 
adjektivischer  Beisatz  eines  Subst.,  jedoch  nur  von  Personen  gebraucht 
wird,  z.  B.  alienigena  (ein  fremder,  ausländischer)  deus,  homo,  exer- 
citus  u.  a.,  alles  klass.  bei  Cicero.  Die  Yerbindung  vinum  alienigena 
bei  Gell.  2,  24,  2,  gerade  wie  vinum  indigena  bei  Plin.  mai.,  ist 
nicht  nachzuahmen,  vgl.  meine  Syntax^  §  43  Anm. 

Alienus  ist  das  Possessiv  zu  alius  und  zu  alter;  es  bezeichnet 
also,  was  einem  andern  oder  auch  de7n  nächsten  gehört;  so  sind  agri 
alieni  bei  Ovid  ars  1,  349  anderer  Leute  Äcker,  aliena  capella  bei 
Hör.  sat.  1,  1,  110  ist  die  Ziege  des  Nachbars,  aliena  opprobria  bei 
Hör.  sat.  1,  4,  128  ist  der  Tadel,  der  andere  trifft.  —  In  der  Be- 
deutung fremd,  steht  alienus  mit  dem  Dativ  bei  Liv. :  sacerdotium 
genti  conditoris  haud  alienum,  Liv.  1,  20,  3  und  so  Cael.  bei  Cic. 
fam.  8,  12,  2,  malui  collegae  eins  homini  alienissimo  mihi  .  .  me 
obligare  quam  .  .,  wofür  bei  Cicero  gewöhnlich  a  steht  wie:  homo 
haud  alienus  a  litteris ;  vgl.  Burg  S.  22,  wo  auch  Stellen  aus  Sen. 
phil.  und  Fronte  zitiert  sind.  In  der  Bedeut.  ungünstig,  ungelegen 
steht  es  auch  bei  Cic.  bisweilen  mit  dem  Dativ  incomm.,  z.  B. :  non 
aliena  rationi  nostrae  fuit  illius  haec  praepostera  preyisatio,  Cic.  Att.  1, 


Aliger  —     138     —  Alioqui 

1,  1  und:  qiiod  maxime  est  huic  caiisae  alienum,  Cic.  Caec.  24;  auch 
sonst:  alienissimo  sihi  loco  .  .  .  conflixit,  Nep.  Themist.  4,  5  und:  id 
lüde  morl)o  aJiemmi  est,  Geis.  4,  13  extr.  u.  ä;  diese  Konstruktion  ist 
in  der  Kaiserzeit  die  vorherrschende,  z.  B.  Tac.  hist.  4,  68  Domi- 
tiani  aninium  Yaro  liaud  alienum  mitigaret;  vgl.  Landgraf  zu  Cic. 
Rose.  Am.  S.  222.  Die  Bezeichnung  des  Ziveckes,  zu  welchem 
eine  Zeit  ungeeignet  ist,  wird  durch  ad  ausgedrückt:  alienum  tempns 
ad  committendiim  proelium,  Caes.  Gall.  4,  34,  2.  In  der  Bedeut. 
fremd  steht  bei  Cic.  u.  Sali,  auch  der  Grenit. :  omnia  quae  essent  aliena 
firmae  et  constantis  assensioyiis,  Cic.  acad.  1,  42  und:  qids  alienum 
piitet  esse  eins  dignitatis,  fin.  1,  11.  Domus  aliena  consilii,  Sali. 
Catil.  40,  5.  In  der  Bedeut.  feindselig  (von  zwei  Personen)  sagt  Cic. 
immer  alienum  oder  alieno  animo  esse  ah  aliquo,  Caes.  aber  civ.  1, 
6,  2  alieno  esse  animo  in  Caesarem  milites ;  bei  sachhchen  Wörtern 
ist  bei  Cic.  in  der  Bedeutung  von  fremdartig,  ivider sprechend^  sowohl 
alienum  esse  ah  aliqua  re  als  bloss  aliqua  re  das  Allergewöhnlichste ; 
man  findet  daher  sowohl  non  alienum  putant  dignitate,  maiestate  sua, 
institidis  sids  als  a  dignitate  u.  s.  w.  In  der  Bedeutung  fremd  passt 
alienus  aber  nicht,  wenn  darin  das  Örtliche,  unser  ausländisch  liegt ; 
dafür  sage  man  exterus,  peregrinus,  alienigena,  z.  B.  ein  fremdes  Volk, 
gens  peregrina,  nicht  aliena.  N.  L.  ist  es,  nach  alienum  est,  es  ist  un- 
passend, den  folgenden  Satz  mit  si  anzufangen,  wo  nur  der  Infinitiv  zu 
folgen  pflegt-,  für  alienum  non  est  mit  Infin.  vgl.  Cic.  Tüll.  6,  fin.  3, 
70  u.  71,  Kunze  Sali.  III,  1,  37.  N.  L.  ist  es,  die  Redensart  ich  hin 
nicht  geneigt,  dieses  zu  tun  auszudrücken:  alienus  sum,  ut  hoc  faciam, 
für  nolo  oder  mild  non  lihet  (luhet)  hoc  facere,  nur  bei  Vitr.  10 
prol.  4  finden  wir  non  alienum  esse  videtur  ut  .  .  Aliene  (adv.)  ist 
unlateinisch. 

Aliger,  geflügelt,  F.  L.  u.  Plin.  mai.,  vgl.  Paucker  Vorarb.  I,  S.  71. 

Alimonia  und  alimonium  sind  vulgäre,  von  Cic.  Caes.  Sali.  Liv. 
durchaus  verschmähte  Formen.  Alimonia  ist  bei  Yarro  Gell.  Apul. 
und  Sp.  L.  zu  finden,  alimonium  bei  Yarro  zuerst,  dann  bei  Tac. 
ann.  11,  16,  Suet.  Cal.  42  u.  im  Sp.,  vgl.  Thes.  I,  1589,  7  ff. 
Über  die  Substantiva  auf  monia  und  monium  vgl.  Rebling  S.  14, 
Ludwig  S.  29,  Rönsch  It.  S.  30,  Köhler  act.  Erl.  I,  S.  375,  Schulze 
S.  45,  Kretschmann  Sidon.  S.  9,  Bergmüller  Jord.  S.  11.  Man  meide 
diese  Wörter,  deren  Auftreten  in  der  Literatur  mit  dem  Yerfalle  der 
letzteren  aufs  engste  zusammenhängt. 

Alioqui  findet  sich  in  P.  L.  nur  bei  Lucr.  u.  Hör.,  in  Prosa 
erst  seit  Liv.,  die  Form  alioquin  wird  erst  seit  dem  zweiten  saec. 
p.  Chr.  üblich  und  verdrängt  dann  die  frühere  cdioqui,  die  bei  den 
Ict.  nur  noch  ganz  vereinzelt  vorkommt.  Alioquin  ist  wohl  wie 
atqiän  eine  durch  qidii  veranlasste  Entstellung  der  ursprünglichen  Form 
(vgl.  Ribbeck  Lat.  Part.  S.  20,  Georges  Phil.  Rundsch.  II,  S.  1584, 
Landgraf  zu  Reisig-Haase  N.  431  b.,  Thurneysen  im  Thes.,  Sittl 
bei  Bursian  1878/83  S.  331);  abgesehen  von  Liv.  7,  19,  2  spricht 
die  beste  Überlieferung  in  der  Zeit  vor  Yell.  nur  für  alioqui,  vgl.  noch 


Aliorsum  —     139      —  Aliquantisper 

Archiv  X,  S.  59.  —  Kondizional  genommen  =  widrigenfalls,  im 
andern,  im  entgegengesetzten  Fall,  steht  alioqui  nirgends  bei  Cic. 
(wo  man  es  früher  orat.  49  u.  leg.  2,  62  las),  Caes.,  Nepos, 
Sali.  Klassisch  sagt  man  dafür :  (piod  nisi  ita  esset,  quod  nisi  ita 
faceret^  quod  nisi  oder  ni  ita  fuisset  (s.  auch  unter  alias).  Ebenso 
kann  dafür  aliter  verwendet  werden:  aliter  ymllius  eariim  rerum 
considi  ins  est.  Sali.  Cat.  29,  3  u.  das.  meine  Anm.,  ebenso  ibid. 
44,  1 :  aliter  haud  facile  eos  ad  tantuni  negotium  impelli  ijosse,  wo 
aliter  aus  dem  Yorhergehenden  =  nisi  iiisiurandum  signatum  ad 
cives  pertidissent  sich  erklärt.  Ebenso  verhält  es  sich  mit  den 
Worten  Ciceros:  aliter  am^jUi  domus  dedecori  saepe  domhio  est,  off. 
1,  139  u.  das.  C.  F.  W.  Müller.  N.  Kl.  indes  bei  Sen.  phil.,  z.  B. 
ep.  94,  17,  dann  bei  Quintil.  u.  dem  Jüngern  Plin.  tritt  alioqui  auch 
.in  diesem  kondizionalen  Sinne  auf.  Viel  häufiger  aber  wird  alioqui 
von  Livius  an  in  dem  Sinne  von :  in  anderer  Beziehung,  im  übrigen, 
sonst,  ausserdem  gebraucht:  triiimphatum  de  Tihurtihus,  alioqui  mitis 
Victoria  fuit,  Liv.  7,  19,  2,  so  auch  27,  27,  11  u.  sonst.  Sermone 
Graeco  quamquam  alioqui  promptus  et  facilis,  non  tamen  usquequaque 
usus  est,  Suet.  Tib.  71  u.  Yitell.  2,  ebenso  Curt.  7,  4,  8:  magicae 
artis  .  .  magis  professione  quam  scientia  celeber,  alioqui  moderatus 
et  prohus.  In  der  Bedeutung  „auch  sonst,  auch  im  übrigen"  findet 
es  sich  bei  Livius  wohl  nur  in  der  Disjunktion,  z.  B.  cum  alioqui  — 
tum,  dann  bei  Curt.,  z.  B.  4,  2,  5:  non  tenuit  iram,  cuius  alioqui 
potens  non  erat.  Auch  bei  Quintil.  4,  2,  11:  ego  autem  magnos 
alioqui  secutus  auctores  etc.  u.  2,  14,  4.  Dass  alioqui  auch  bei  Celsus 
in  der  Bedeutung  von  praeter ea  nicht  selten  stehe,  zeigt  Brolen 
S.  37  oben,  wie  dieser  Gebrauch  aus  dem  Jüngern  Plin.  von  Lager- 
gren S.  171  aufgezeigt  ist.  Endlich  beachte  man  auch  die  Be- 
merkung Dörings  zu  Plin.  epp.  10,  42,  2,  dass  alioqui,  wenn  es  noch 
et  vor  sich  habe,  zu  dem  Vorangegangenen  noch  einen  neuen, 
iviclitige}i  Grund  hinzufüge:  und  überdies,  eine  Konstruktion,  die 
seit  Sen.  phil.  sich  findet;  Beispiele  hat  der  Thes.  aus  Sen.  Plin. 
mai.  Plin.  min.  Quint.  u.  Sp.  L.  unter  1,  b. 

Aliorsum,  andersivohin,  A.  L.  und  aus  der  Volkssprache  erst 
spät  wieder  in  die  Schriftsprache  herübergenommen  für  das  Kl.  alio, 
wie  z.  B.  Ammian  stets  aliorsum  statt  alio  gebraucht,  vgl.  Novak 
Amm.  S.  45. 

Aliquam  kommt  nur  vor  verbunden  mit  multi,  ziemlich  viele,  u. 
aliquam  midtum,  ziemlich  vieles,  sowie  mit  diu,  wie  aliquamdiu, 
ziemlich  lange;  es  findet  sich  nur  einmal  bei  Cicero  (Verr.  4,  56), 
sonst  ist  es  nur  8p.  L.  bei  Gellius  und  Apuleius,  den  Freunden 
seltener  Wörter;  vgl.  Wölfflin  Comp.  22,  sowie  Thes. 

Aliquantisper  ist  in  der  Bedeutung  eiyie  ziemliche  Zeit  nur  A.  L. 
und  einigemal  8p.  L.  für  aliquantum  temporis;  N.  L.  in  der  Be- 
deutung eine  kleine  Zeit,  nicht  lange  für  paulisper  oder  parumper 
(Cic.  de  orat.  3,  143).  Die  Stellen  für  aliquantisper  hat  der 
Thes. 


Aliquantus  —     140     —  Aliquis 

Aliqiimitus  bedeutet  weder  ivenig  noch  viel,  sondern  eine  zwischen 
wenig  (paidlum)  und  viel  (midtmn)  in  der  Mitte  liegende  Quantität, 
ein  tüchtiges  Stück,  ein  ziemlicher  Teil  von  etivas.  Selten  (nicht 
bei  Cic.  und  Caes.)  wird  es  adjektivisch  gebraucht,  wie  b.  Afr.  21, 
1,  bei  Sali.  Jug.  74,  3,  Liv.  29,  35,  13;  die  Stellen  siehe  im  Thes. 
Sp.  L.  und  nicht  nachzuahmen  auch  im  Plural,  wofür  Kl.  aliquot 
gebraucht  wird,  also  z.  B.  nicht  aliqiianta  oppicla  für  aliquot  op- 
pida ;  über  aliquanti  =  aliquot  vgl.  Wölfflin  in  Rh.  Mus.  37,  123, 
Georges  bei  Bursian  1881/82  S.  264,  Gölzer  Hieron.  S.  415  und 
meine  StiHstik  §  28,  sowie  Zink  S.  46,  Paucker  im  Scrutarium  S. 
51.  Hingegen  das  substantivierte  aliquantum,  oft  mit  dem  Genitiv 
partit.  verbunden,  ist  gut  klassisch,  z.  B.  Cic.  Att.  7,  13  b,  2  ali- 
quantum  animi  videtur  nohis  attidisse  Labienus,  vgl.  jedoch  Boot 
zu  St.  Mehr  P.  und  griechischartig  ist  bei  einem  Komparativ  der 
Accusativ  aliquantum,  für  das  echtlatein.  aliqiianto  im  Abi.,  mag 
auch  Livius  einigemal  jenes  für  dieses  gebraucht  haben,  z.  B.  1,  7, 
9  :  formam  viri  aliquantum  (für  aliquanto)  ampliorem.  Der  Thes. 
bemerkt  mit  Recht,  dass  Liv.  an  den  Stellen,  an  welchen  er  ali- 
quantum mit  dem  Komparativ  verbindet,  durch  einen  konkurrieren- 
den Abi.  von  der  Form  aliquanto  abgehalten  wurde;  bei  Val.  Max. 
5,  9,  3  lesen  wir  iyi  filio  aliquantum  taetriore,  aber  7,  3,  ext.  1  in 
alkiuanto  viliore  animali.  Man  sage  also  nicht  aliquantum  plus,  um 
ein  gut  Teil  mehr,  sondern  aliquanto  plus ;  vgl.  meine  Syntax^  §  88 
Anm.  1. 

Aliquis.  Für  den  Gebrauch  der  Formen  merke  man:  aliquis 
ist  subst.  und  adj.  gebraucht,  aliqui  zumeist  adj.,  findet  sich  aber 
seltener  als  adj.  aliquis;  subst.  aliqui  ist  klassisch,  doch  besser  ali- 
quis;  aliqua  ist  adj.,  N.  Kl.  auch  subst.,  die  Form  aliquae  meide 
man;  auch  Cic.  fam.  6,  20,  2  liest  man  trotz  Med.  aliqua  res;  ali- 
quid  gebrauche  man  nur  subst.,  aliquod  nur  adj.,  Pluralformen  sind 
klass.  selten.  —  Über  die  Yerschiedenheit  dieses  Pronomens  von  den 
synonymen  idlus,  quisquam  u.  a.  vgl.  die  Sprachlehren  und  andere 
grammat.  Bücher,  wie  Reisigs  Vorles.  in  der  Bearbeitung  von 
Schmalz  u.  Landgraf  S.  50  ff.  Ein  recht  bezeichnendes  Beispiel 
steht  Cic.  inv.  2,  107  ut  honore  potius  aliqno,  quam  nllo  supplicio 
dignus  esse  videatur,  ebenso  p.  red.  in  sen.  30  difßcile  est  non  ali- 
qnem,  nefas  quemquani  praeterire.  Man  hüte  sich  besonders  aliquis 
in  verneinenden  Sätzen  zu  gebrauchen,  wenn  die  Negation  sich  auf 
den  ganzen  Satz  bezieht.  N.  L.  ist  daher  cave  turpe  aliquid  facias, 
für  quidquam;  N.  L.  non  reperitur  aliud  quid  oder  aliquid  aliud, 
etwas  anderes  findet  man  nicht,  für  aliud  quidquam;  ebenso  noji  est, 
non  reperitur  aliquis,  es  gibt,  man  findet  niemanden,  für  quisquam, 
oder  nemo  est,  nemo  reperitur.  „Ohne  alle  Kränkung"  heisst  regel- 
mässig sine  idla  iniuria.  Wenn  aber  in  einem  Satz  zwei  einander 
aufhebende  und  den  Satz  damit  positiv  machende  Negationen  stehen, 
so  kann  nur  aliquis,  nicht  idlus  gesagt  werden.  Besonders  oft  findet 
sich  dies  bei  non  sine,  nemo  sine,  nihil  sine,  z.  B.  nemo  vir  magnus 


Aliquis  —     141     —  Aliquis 

sine  aliqiio  afflatu  divino  imquam  fuit,  Cic.  nat.  2,  166.  Nihil  un- 
quam  facit  sine  aliquo  quaestu,  Verr.  5,11.  Manchmal  behält  das  Pro- 
nomen trotz  der  Verneinung  des  Ganzen  doch  seine  bejahende  Kraft 
und  bisweilen  sogar  in  Steigerung,  wie  bei  dem  negativen  sine.  Es 
bedeutet  demnach  sine  iilla  accessione,  ohne  alle  und  jede  Beigabe, 
während  sine  aliqua  accessione  ausdrückt:  ohne  eine  vielleicht  nicht 
ganz  unbedeutende  Beigabe.  Bezeichnend  ist  dafür  Caes.  civ.  3,  73, 
3:  habeyidam  gratiam  fortunae,  quod  Italiam  sine  aliquo  vulnere  ce- 
2nssent  =  ohne  erheblichen,  neyinenswerten  Verlust,  wo  Caesar  sine 
idlo  vidnere  gar  nicht  sagen  konnte,  ohne  der  Wahrheit  ins  Gesicht 
zu  schlagen.  S.  Kraner-Hofmann  zu  der  genannten  Stelle  ;  andere 
Stellen,  wo  aliquis  nach  sine  folgt,  habe  ich  zu  Reisig-Haase  S.  54 
zusammengestellt;  vgl.  dazu  noch  aus  dem  Sp.  L.:  Yict.  Yit.  2,  73 
quia  nos  perfectum  patrem  perfectum  filium  sine  sui  diminutione,  sine 
aliqua  derivatione,  sine  omni  omnino  passionis  infirmitate  genuisse  fide- 
liter  profitemur,  ferner  was  der  Thes.  beibringt.  Wenn  aber  nicht 
das  Ganze,  sondern  nur  ein  gewisser  einzelner  affirmativer  Begriff, 
dieser  oder  jener  Gegenstand  einer  gedachten  Klasse  negiert  wird 
oder  wenn  die  Negation  nur  ein  einzelnes  Wort  des  Satzes  betrifft, 
das  Pronomen  also  seine  Affirmativkraft  vollständig  behält,  ist  aliquis 
richtig,  z.B.  Cic.  Tusc.  1,  88  ne  relinqueretur  aliquid  erroris  in  verbo 
=  damit  Glicht  irgend  ein,  einiger  Irrtum  im  Ausdruck  bliebe,  quid- 
qiiam  erroris  wäre:  nicht  der  geringste  Irrtum.  S.  Kraner  zu  Caes. 
civ.  3,  28,  5,  Mpperdey  zu  Tac.  ann.  I,  4,  Poppe,  Zeitschrift  für 
das  Gymnasialwesen  XIII,  7,  S.  498,  meine  Anm.  352  zu  Reisig- 
Haase.  Der  Thes.  notiert  übrigens,  dass  im  N.  Kl.  und  Sp.  L. 
öfters  aliquis  im  verneinten  Satze  erscheint.  —  Ob  aliquis  in  dem 
Sinn  von  alius  quis  gebraucht  werden  dürfe,  darüber  sind  die  An- 
sichten der  Gelehrten  vielfach  auseinander  gegangen.  Wenn  man 
indes  erwägt,  was  Wesenberg  (bei  Halm,  Komment,  zu  Cic.  Rede 
pro  Sest.  135),  Haase  zu  Reisigs  Vorlesungen  etc.  A.  351,  nament- 
lich aber  Seyffert-MüUer  zu  Laelius  S.  247  u.  Kvicala  Pronomina 
S.  87  ff.  ausgeführt  haben,  muss  die  Statthaftigkeit  dieses  Gebrauches 
durchaus  verworfen  werden;  dieser  Ansicht  ist  auch  der  Thes.,  der 
lehrt:  ut  numquam  aliquis  sit  i.  q.  alius  quis;  immo  hoc  aut  ipsum 
ponit'ur  aut  alius  aliquis.  Eine  ganze  Reihe  von  Stellen  sind  vom  Thes. 
genau  erklärt,  z.  B.  Ter.  Andr.  259,  Haut.  290.  —  Da  in  Komparativ- 
sätzen mit  quo,  je  —  eo,  desto  das  Subjekt  einer  ganz  unbestimmt  ge- 
dacht wird,  so  ist  aliquis  dabei  N.  L.  für  quis  oder  quisque,  welches 
letztere  immer  gesetzt  wird,  wenn  noch  ein  Subst.  dazu  gehört,  z.  B. 
quo  quisque  medicus,  quo  quaeque  causa.  —  N.  L.  ist  aliquo  zur  Ver- 
stärkung eines  Komparativs,  für  paido  oder  aliquanto,  um  etwas,  um  ein 
gut  Teil,  wie  z.  B.  quis  non  a  Turnebo  aliquo  (für  aliquanto)  doctior 
redeat?  Wird  aliquis  mit  Zahlwörtern  verbunden,  so  ist  es  soviel  als 
unser  deutsches  etwa,  etliche,  um  die  Schätzung  als  eine  beiläufige  und 
ungefähre  zu  bezeichnen,  vergl.  meine  Anm.  254  zu  Reisig-Haase 
S.  56  (Georges  bei  Bursian  1884  S.  119),  wo  zugleich  bemerkt  ist, 


Aliquis  —     142     —  Aliquispiam 

dass  aiiqiäs  auch  für  unser  einige,  mancher ,  gebraucht  werden  kann, 
nach  Caes.  civ.  1,  2,  2.  —  Da  das  Neutr.  aliquid  nicht,  wie  unser 
etwas,  gleichsam  adverbial  gebraucht  wird  und  daher  ein  Adjektiv 
oder  Yerbum  nicht  verstärkt,  so  wird  dafür  bei  Adjektiven  im  Positiv 
entweder  nonyiihil  oder  siib  vorgesetzt,  wenn  es  eine  mit  sab  zusam- 
mengesetzte übliche  Form  des  Adjektivs  gibt,  oder  es  wird  der 
Positiv  zum  Komparativ  erhoben;  z.  B.  diese  Stelle  ist  etivas  dunkel, 
nonnihil  ohscurus  oder  siibobscurus  oder  obscurior;  ferner  bei  Ad- 
jektiven im  Komparativ  wird  imido,  oder  mit  steigernder  Kraft  ali- 
qiianto  gebraucht;  z.  B.  ein  etivas  heilsamerer  Rat,  consilium  iniido 
oder  aliquanto  salubrius;  und  endlich  bei  Verben  wird  paulum  oder 
paidulum  gebraucht;  z.  B.  er  schweifte  etims  ah,  paulidum  digressus 
est  (Cic.  partit.  14).  Nur  Ulp.  dig.  43,  13,  1,  7  ea  res  cursum 
fluminis  ad  aliquid  imrnittavit  finden  wir  ad  aliqidd,  vgl.  Thes.  I, 
516,  54.  Wenn  aber  Cic.  Sest.  10  sagt:  ut  iam  puerilis  tua  vox 
possit  aliqidd  significare,  so  liegt  darin  keine  Verstärkung,  sondern 
das  Objekt  als  Accusativ  zum  Verbum,  also  einige  Andeidung  von 
dem  gehen^  was  von  dir  zu  erwarten  sei.  —  Aliqidd  tantum  =  nur 
einiges  ist  unlat.  für  aliqidd  allein.  —  Wo  wir  von  einer  Person  sagen 
sie  ist,  gilt  etwas,  sagt  man  auch  lateinisch  est  aliquid.  Vgl.  Cic. 
fam.  6,  18,  4  ego  quoque  aliqidd  sum;  divin.  in  Caecil.  48:  tu 
aliqidd  esse  videris ;  Deiot.  35,  vgl.  Süpfle-Böckel  zu  Cic.  epp. 
S.  120.  N.  u.  D.  L.  ist  es  in  neutralen  Sätzen,  wie:  etivas  Grosses, 
etwas  Schweres  ist  es,  nicht  zu  zidiien  — _,  zu  sagen  aliquid  mag- 
niim,  aliquid  difficile  est,  für  magnum  est,  difficile  est,  ohne  aliqidd, 
oder  magna  res  est  (Cic.  Tusc.  2,  15)  —  und  so  in  allen  ähnlichen 
Fällen,  z.  B.  etivas  anderes  ist  es,  aliud  est;  etwas  anderes  ver- 
langt, aliud  desiderat;  etwas  ganz  anderes  ist  es,  longe  aliud  est; 
so  zu  leben  ist  etwas  höchst  Trauriges,  miserrimum  est ;  ich  halte  das 
für  etivas  Trauriges,  miserum  duco ;  was  für  dich  etwas  Angenehmes 
ist,  quod  tibi  iucundum  est,  nicht  aliqidd  iucundum  est;  was  für 
dich  etwas  Leichtes  ist,  quod  tibi  facile  est.  Und  so  bleibt  in  allen 
ähnlichen  Ausdrücken  aliquid  weg,  was  man  so  häufig  im  N.  L. 
dabei  findet.  —  Sagt  man  tmum  aliqidd  oder  unum  aliquod? 
Letzteres  ist  klass.,  vgl.  Cic.  div.  Caec.  27,  rhet.  Her.  3,  39 ;  doch 
rhet.  Her.  4,  53  steht  unum  aliquid  aut  alterum. 

Aliquis  und  qiddam  sind  genau  zu  scheiden,  also  scriptor  aliquis 
irgend  einer,  der  Schriftsteller  ist,  scriptor  quidam  eine  Art  von 
Seh.  Doch  schon  bei  Tac.  dial.  39  lesen  wir  aliquis  oraiojmm 
campus  im  Sinne  von  qiddam  cayyipus.  Über  die  Vertauschung  der 
Pronomina  vgl.  meine  Stilist.^  §  22. 

Aliquispiam  ist  für  die  klassische  Zeit,  ebenso  für  N.  Kl.  nir- 
gends nachzuweisen,  wie  Madvig  op.  ac.  I  S.  465  zu  Cic.  Sest.  63 
dargetan  hat.  Dagegen  ist  es  unantastbar  bei  Claudianus  Mam.  176, 
6  sed  en  aliquorumpiam  qui  interimunt  animas  garrientibus  nugis  etsi 
non  sistimur  ab  itinere,  lentamur  tarnen,  vgl.  Engelbrecht  S.  97  f. 
Beim  gleichen  Autor  treffen  wir  auch  harumpiam. 


Aliquo  —     143     —  Alius 

Aliqiio  steht  nur  auf  die  Frage  luohinf  z.  B.  Cic.  fam.  11,  1, 
3  migranchim  Rhodiim  auf  aliquo  terrarum  arhitror.  Wenn  Ulp. 
dig.  18,  7,  1  sagt  ne  aliquo  loci  moretur^  so  ist  dies  Analogie- 
bildung nach  eo  loci  u.  ä. 

Aliquot.  Der  substantivische  Gebrauch  steht  zwar  klass.  fest, 
z.  B.  Cic.  Phil.  8,  6,  Brut.  181,  tritt  aber  gegenüber  dem  adj. 
ganz  auffällig  zurück ;  man  meide  also  substantivisches  aliquot. 

Aliter,  anders,  sonst.  Ygl.  darüber  Alioqui  und  ausser  Hand 
Tursellin.  T.  I,  S.  367  fgg.  noch  Reisigs  Yorles.  S.  282,  SeyfPert- 
MüUer  zu  Lael.  S.  456  und  die  dort  verzeichnete  Literatur.  Aliter 
quam  ist  klass.,  es  findet  sich  bei  Cic.  inv.  2,  66,    Quint.  84,  Verr. 

I,  24,  öfters  im  N.  Kl. ;  üblicher  bei  Cicero  ist  aliter  atque.     Über 
die  Redensart  aliter  fieri  non  potest,  quam  ut  vgl.  Fieri. 

Aliuhiy  ander sivo,  wie  es  sich  bei  Yarro  Sen.  rhet.  und  phil. 
Petron.  und  Plin.  mai.  sowie  Sp.  L.  findet,  ist  ältere  und  seltenere 
Form  für  alil>i,  welches  jedenfalls  vorzuziehen  ist;  vgl.  JSTeue-Wagener^ 

II,  S.  659. 

Alius.  In  der  Regel  steht  es  nur  in  Bezug  auf  mehr  als  zwei, 
dagegen  alter  in  Bezug  auf  zivei,  worauf  man  im  Schreiben  achte; 
z.  B.  der  eine  tötete  den  andern,  alter  alterum,  aber  einer 
tötete  den  andern,  alius  alium;  der  eine  starb  nach  dem  andern, 
alter  iwst  alterum,  aber  einer  starb  nach  dem  andern,  alius 
post  alium  und  ajnid  me  gr alias  aliis  super  alias  epistulis  agit,  PI. 
epp.  7,  8,  1.  Bei  Aufzählungen  ist  daher  imus  —  alter  von  zweien 
zu  sagen;  Ausnahmen  sind  selten,  wie  z.  B.  Cic.  Brut.  325  genera  .  . 
duo  sunt  .  .  uyium  .  .  .  .,  aliud;  hier  mag  die  grosse  Entfernung 
des  aliud  von  unum  mitgewirkt  haben.  Wenn  bei  Sali.  Cat.  54,  1 
magnitudo  animi  par,  item  gloria,  sed  alia  alii  von  zweien  (Caesar 
und  Cato)  gesagt  ist,  so  soll  aliiis  „den  beiderseitigen  Ruhm  als 
einen  verschiedenen  bezeichnen"  (Fabri).  —  Zum  Ausdruck  des 
reziproken  Yerhältnisses  gebrauchte  man  auch  ursprünglich  alter 
alterum  von  zweien,  alius  alium  von  mehreren.  Aber  für  den  Gen. 
alius  sagte  man  alterius  u.  so  trat  auch  hier  bald  das  eine  für  das 
andere  ein  und  wir  finden  alius  für  alter  z.  B.  schon  Liv.  1,  25,  6 
duo  Romani  super  alium  alius.  Man  halte  sich  jedoch  beim  Schreiben 
streng  an  den  klass.  Gebrauch.  Ygl.  Thielmann  im  Archiv  YII, 
S.  353 — 360.  Der  ehie  —  der  andere  ist  dem  entsprechend  bald 
alius  —  alius,  bald  alter  —  alter  und  von  mehreren  alii  —  alii, 
sowie  alteri  —  alteri.  Bemerkenswert  ist,  dass  auch  hier  alius 
statt  alter  auftritt,  z.  B.  Sali.  Cat.  10,  5  aliud  clausum  in  pectore, 
aliud  in  lingua  promptum  habere,  weil  hier  trotz  der  Zweiheit  nicht 
die  scharfe  Gegenüberstellung  der  Begriffe  stattfindet,  wie  z.  B.  Sali. 
Cat.  1,  2  alterum  nobis  cum  dis,  alterum  cum  beluis  commune  est, 
oder  bei  Cic.  fin.  4,  59  alterum  cum  morbo,  alterum  cum  valetudine. 
—  Nicht  zu  beanstanden  ist  die  Unterdrückung  eines  ersten  alii, 
wir  finden  dies  auch  bei  Caes.  Gall.  1,  8,  4  Helvetii  navibus  iunctis 
ratibusque  compluribus  f actis,  alii  vadis  .  .  perrumpere  conati  (für  Hei- 


Alius  —     144     —  Alius 

vetii  alii  —  alii)^  vgl.  Kunze  Sali.  III,  2,  S.  28.  Wenn  ferner  ein 
anderer  dem  Subjekte  des  Satzes  selbst  entgegensteht,  so  dass  es 
sich  dem  Begriffe  unserer  Subst.  der  Nebenmensch,  der  Nächste 
nähert,  so  heisst  es  alter,  nicht  alius,  z.  B.  7ver  nichts  um  eines 
andern  willen  tut,  der  — ,  qui  nihil  alterius  causa  facit,  Cic.  leg.  1,  41. 
Ebenso  auch  alter  in  Redensarten,  wie:  er  war  fast  ein  anderer 
Laelius,  ein  anderer  Verres,  alter  Laelius,  alter  Verres,  wo  ein 
anderer  gleich  dem  ziveiten  ist.  Doch  steht  in  dieser  Beziehung 
(nie  jedoch  in  der  klassischen  Sprache)  bisweilen  auch  alius,  wie 
bei  Suet.  Tit.  7:  propalam  alium  Neronem  .  .  .  praedicahant.  Alium 
Liberum  pati^em  adventare  credebant,  Curt.  9,  8,  5  und  10,  5,  22 
und:  qui  talem  Cicerofiis  casum  satis  digne  deplorare  possit,  alius 
Cicero  non  exstat,  Yal.  Max.  5,  3,  4.  So  findet  sich  alius  pater 
auch  bei  PL  epp.  2,  13,  4;  vgl.  hierüber  Reisig-Haase  in  der  Aus- 
gabe von  Schmalz  und  Landgraf  S.  45  f.  —  N.  Kl.  und  Sp.  L.  ist 
alius  =  der  folgende,  z.  B.  alio  die  =  postero  die;  viele  Beispiele 
hat  C.F.W.  Müller  in  N.  Jahrb.  1890,  S.  713.  —  Die  andern 
heisst  streng  klassisch  nie  alii,  sondern  ceteri;  die  Volkssprache 
wendet  allerdings  alii  auch  für  ceteri  an,  s.  Brix  zu  Plaut.  Trin. 
944,  und  dieser  Gebrauch  hat  auch  bei  Cicero  und  nachher  bei  Liv. 
Eingang  gefunden,  bei  letzterem  besonders  in  der  ersten  Dekade. 
S.  Vogel,  Symb.  I,  S.  5  und  6;  Riemann  etudes  S.  186  f.  und  in 
revue  critique  1881  S.  176;  meine  Anm.  348  zu  Reisig-Haase  S.  46, 
Burg  S.  51,  Lebreton  Etudes  S.  109,  wo  die  Stellen  aus  Cicero 
aufgeführt  werden.  Umgekehrt  muss  das  einfache  andere  in  manchen 
Verbindungen  durch  ceteri  gegeben  werden,  wenn  nämlich  nicht 
einige  andere,  sondern  alle  andern  gedacht  werden,  vgl.  hierüber 
Lebreton  Etudes  S.  111,  Seyffert-Müller  z.  Lael.  S.  95,  Reisig-Haase 
N.  348,  Thomas  zu  Cic.  Verr.  4,  19.  Alle  anderyi  heisst  klass.  ceteri 
omnes,  seltener  omnes  ceteri;  für  ersteres  vgl.  Cic.  Marc.  12,  Balb.  29, 
Verr.  5,  171  u.  a.,  für  letzteres  Cic.  Süll.  40,  Verr.  4,  15  u.  4,  111. 
Liv.  hat  nur  ceteri  omnes,  auch  im  Sing,  cetera  omnis,  vgl.  Novak 
Stud.  Liv.  Prag  1894,  S.  239.  Klass.  ist  ferner  reliqui  omnes,  z.  B. 
Cic.  Plane.  99,  Verr.  2,  187  u.  sonst,  auch  omnes  reliqui,  z.  B.  Cic. 
Pomp.  9  u.  29.  Vereinzelt  findet  sich  auch  alii  omnes  (omnes  alii) 
u.  zwar  nicht  nur  Liv.  35,  14,  11:  ante  omnes  alios  imperatores,  und 
ebenso  Sali.  Cat.  37,  7,  Jug.  91,  6,  sondern  auch  bei  Cic.  omnibus 
in  aliis  vectigalibus,  Cic.  Verr.  3,  27,  leges  aliae  omnes,  Cluent.  151. 
Besonders  bemerkenswert  ist  alia  omnia,  sowohl  in  seiner  gewöhn- 
lichen Bedeutung,  s.  Sali.  Cat.  21,  2,  Jug.  46,  2,  Cic.  Phil.  2,  64 
und  4,  13,  PI.  epp.  7,  15,  2:  te  alia  omnia  agere  moleste  ferrem, 
als  auch  immer  in  der  Formel  bei  Abstimmungen  alia  omnia  censere, 
in  cdia  omnia  ire,  transire,  discedere,  z.  B.  Cic.  fam.  10,  12,  3 
senatus  in  alia  omnia  discessit;  vgl.  Georges  Jahresber.  1886,  S.  27, 
Riemann  u.  Lebreton  1.  1.  — ;  N.  L.  ist  alius  als  Adj.  in  der  Be- 
deutung eines  andern,  fremd,  für  alienus,  z.  B.  die  Briefe  kamen  in 
aridere  Hände,   in    alienas    manus,    nicht   in  alias  manus.  —  Ganz 


Alius  —     145     —  Alius 

selten  und  durchaus  zu  meiden  ist  aliu.9  hoc,  alius  illud,  ein  anderer 
dieses,  ein  anderer  jenes ;  alius  liic,  alius  illic,  ein  anderer  hier,  ein 
anderer  dort  —  für  die  abgekürzten  zusammengedrängten  Formeln 
alius  aliud,  alius  alihi,  worüber  Nägelsb.-Müller  ^  S.  354  zu  ver- 
gleichen, —  und  so  viele  ähnliche  Yerbindungen.  Doch  findet  man 
wenigstens  bei  Sen.  alius  hinc,  alius  illinc  faces  suhdebant,  de  ira 
3,  11,  4  und:  inde  item  in  aliud,  inde  in  aliud,  Ter.  Eun. 
846  und:  quae  aliis  sie,  aliis  .  .  .  secus  videntur,  Cic.  leg.  2, 
47.  —  Alius  quam  ist  nicht  bloss  N.  Kl.  bei  Suet.  Ner.  2,  Plin. 
epp.  7,  15,  2,  Quintil.  3,  6,  63,  sondern  es  kommt  auch  schon  bei 
Sali.  Jug.  82,  3,  dann  wiederholt  bei  Livius  vor,  z.  B.  1,  56,  7  ; 
31,  35,  7  u.  39,  28,  1,  ja  selbst  bei  Cicero,  freilich  nur  in  den 
Erstlingsschriften  und  de  domo ;  die  Stellen  hat  C.  F.  W.  Müller  zum 
Laelius  S.  129  gesammelt.  Bei  Yerneinungen  non  alius.)  nemo  alius, 
nihil  aliud,  oder  nach  der  rhetorischen,  die  Negation  in  sich  schliessen- 
den  Frage :  quid  est  aliud  f  folgt  bei  Cicero  stets  nisi,  nicht  quam ; 
denn  an  drei  Stellen,  wo  man  es  bisher  lesen  wollte,  leg.  1,  25, 
Sest.  14,  Rab.  perd.  4  steht  jetzt  überall  nisi,  ebenso  Cic.  Att.  9. 
5,  3,  vgl.  hierüber  das  apodiktische  Urteil  von  C.  F.  W.  Müller  zum 
Laelius  S.  128  und  Cic.  Oratt.  II  2  S.  LXI.  Livius  hingegen  braucht 
in  diesem  Falle  am  allergewöhnlichsten  nemo  alius,  nihil  aliud  quam, 
und  zwar  entweder  so,  dass  die  miteinander  verglichenen  Begriffe  das 
Verbum  esse  mit  einander  gemeinschaftlich  haben,  z.  B. :  hostis  quid  est 
cdiud  quam  ;perpetua  materia  virtutis  vestrae  f  Liv.  6,  7,  3.  Transfugas 
nihil  aliud  quam  unum  vile  atque  infame  corpus  esse  ratus,  Liv.  22, 
22,  7  und  23,  43,  17  und  so  noch  oft.  Oder  jeder  der  beiden  ver- 
glichenen Begriffe  hat  sein  eigenes  Yerbum,  z.  B. :  neque  aliud  tota 
urhe  agi  quam  bellum  apparari,  Liv.  4,  26,  12  und  ganz  ebenso 
Liv.  41,  23,  12.  Obgleich  diese  Ausdrucksweise  aber  das  natür- 
lichste wäre,  so  wird  doch  das  Yerbum  nach  nihil  aliud  von  Livius 
in  der  Regel  weggelassen  und  nihil  aliud  quam  als  Adverb  genommen, 
welches  eine  nähere  Bestimmung  des  folgenden  Yerbs  bildet  =  ledig- 
lich, 7iur,  einzig  und  allein,  z.  B. :  sed  ah  lictore  nihil  aliud  quam 
prendere  prohihito,  Liv.  2,  29,  4  und  daselbst  Weissenborn  und 
besonders  Fabri,  welcher  zu  Liv.  22,  60,  7  eine  Menge  von  Belegen 
aus  diesem  Schriftsteller  anführt  und  zeigt,  dass  es  bei  Livius  auch 
bei  7iihil  prius  und  nihil  minus  quam  so  gehalten  werde.  Die  Nach- 
klassiker treten  in  die  Fusstapfen  von  Livius,  man  vgl.  z.  B.  die 
Anmerkung  von  Nipperdey  zu  Tac.  ann.  4,  34,  und  füge  zu  den 
dort  erwähnten  Autoritäten  etwa  noch  bei :  captum  me  piratae  nihil 
aliud  quam  alligaverunt,  Sen.  controv.  1,  7,  4.  Quid  aliud  quam 
nimis  occupatos  dixerim  .^  Yell.  2,  53,  4.  Quid  cdiud  quam  telis 
me  opposui  f  Sen.  de  v.  beata  2,  3 ;  dazu  kommen  viele  Stellen  aus 
Suet.,  vgl.  Freund  S.  51.  Ausserdem  findet  sich  auch  bisweilen 
nihil  cdiud  praeter:  nee  quicquam  aliud  est  philosophia  praeter 
Studium  sapientiae,  Cic.  off.  2,  5  und  Liv.  38,  21,  5.  Bei  Cic.  hin- 
gegen ist  in  dieser  Redensart  die  Ellipse  von  v.  agendi  oder  faciendi 

Krebs-Schmalz,  Äntibarbarus  I.  10 


Allabi  —     146     —  Allegare 

sehr  selten,  also  bei  ihm  gewöhnlich  die  volle  Phrase :  nihil  aliud 
fecerunt,  nisi  rem  detiile7nntj  Rose.  Am.  108,  s.  Halm  zu  Cic.  pro 
Sulla  35.  Sehr  selten  endlich  ist  bei  Livius  das  ciceronische 
7iihil  aliud  nisi,  wie:  nihil  est  aliud  in  re,  Quirites,  nisi  ut  omnia 
negata  adipiscamur,  Liv.  10,  8,  11,  und:  nihil  aliud  a  caede  con- 
tinuisse  homines  nisi  iKäientiam  inagistratuum,  Liv.  25,  4,  5.  —  Alius 
alium  ist  nicht  bloss  distributiv,  sondern  aucli  reziprok:  alius  aliuni 
adhortantes,  Curt.  7,  9,  12  und:  ut  fidere  alii  aliis  possent,  Liv. 
35,  3,  4.  —  Zu  vermeiden  ist  auch  der  hauptsächlich  poet.  Abi.  comp, 
nach  alius,  vgl.  Ziemer  Komp.  S.  66,  z.  B.  Hör.  ep.  1,  16,  20  neve 
putes  alium  sapiente  honoque  heatum;  Yarro  r.  r.  3,  16,  23  qiiod  est 
aliud  melle ;  Brut,  et  Cass.  bei  Cic.  fam.  11,  2,  2  jiec  quicquam  aliud 
lihertate  communi  quaesivisse;  Sen.  ep.  74,  22  negatis  idlum  esse  aliud 
honesto  honum.  Sp.  L.  ist  alius  und  alter  ab,  z.  B.  sie  et  aliud  spiritus 
ah  anima,  vgl.  Gölzer  Hieron.  S.  336,  Hoppe  Tert.  S.  36.  —  N.  L. 
ist  alia  ratio  est  cum  aliqua  re,  anders  verhält  es  sich  mit  etwas^ 
für  alicuius  rei. 

Allahi,  bei  Cicero  nur  an  einer  Stelle  div.  2,  58  als  Partie, 
allapsus,  von  Feuchtigkeit  (hwnor),  die  sich  wo  ansetzt,  und  bei 
Livius  von  Schlangen,  die  lier anschlüpfen,  P.  u.  N.  Kl.  von  Yögeln, 
die  heranfliegen  —  sonst  zumeist  nur  P.  in  der  Bedeutung  heran- 
kommen. In  der  gewöhnlichen  Bedeutung  herannahen,  von  Menschen 
und  Gottheiten,  steht  es  höchst  selten,  z.  B.  Ennod.  ep.  1,  21  in  eo 
loci  constitutus,  ad  quem  difflcile  nuntius  exspectatus  adlahitur  u. 
Hier.  ep.  31,  2  in  columhae  specie  spiritus  sanctus  adlahitur  (beide 
male  in  naheliegender  Übertragung  gebraucht).  Wenn  daher  Yalke- 
naer  (Oratt.  S.  186)  Gott  anruft:  Coeptis  nostris  allabere  benignus, 
so  ahmt  er  Culex  25  Octavi  venerande,  meis  allahere  coeptis,  oder 
Hier.  ep.  nach. 

Allatrare,  anhellen,  findet  sich  nicht  vor  Liv. ;  es  wird  nur  über- 
tragen, nie  im  eigentlichen  Sinne  gebraucht  und  verbunden  aliquem, 
Sp.  L.  bei  Claud.  auch  alicui;  es  ist  ein  seltenes  Wort,  vgl.  Liv. 
38,  54,  2  Cato  magnitudinem  eius  (Scipionis)  adhttrare  solitus  erat; 
Colum.  (Praef.  L.  I)  caninum  Studium  aUatrandi  (von  Rednern  und 
Advokaten);  im  richtigen  Zusammenhange  ist  es  (vgl.  Fritzsche  zu 
Hör.  sat.  2,  1,  85)  immerhin  anwendbar.  K.  L.  dagegen  ist  alla- 
trator,  was  Muret  gewagt  hat:  de  toto  isto  allatratorum  genere,  für 
hominum  allatrantium. 

Allegare,  einen  zu  oder  an  jemanden  absenden,  abschicken,  wird 
verbunden  ad  aliquem,  bedeutet  aber  nur  absenden  in  Privatangelegen- 
heiten, nicht  in  öffentlichen,  wo  legare  aliquem  gesagt  wird;  das 
Objekt  ist  gewöhnlich  eine  Person  oder  eine  Sache,  die  personifiziert 
erscheint,  z.  B.  Cic.  fam.  15,  4,  16  philosophiam  ad  te  allegem  .  .  .; 
haec  .  .  tecum  agit  de  mea  laude;  der  N.  Kl.  und  Sp.  L.  Gebrauch 
des  Wortes,  den  man  im  Thes.  s.  v.  nachsehe,  geht  viel  weiter, 
dort  finden  wir  auch  Acc.  c.  inf.,  indirekte  Frage,  quod  u.  ä.  nach 
allegare,  das  die  Bedeutung  annimmt:   etwas  zur  Yerteidigung  oder 


AUevatio  —     147     —  Allocutio 

Belastung  anführen,  erw<ähnen;  aber  scriptorem,  lociim  scri2)toris^ 
exempliim  u.  s.  w.,  ist  ganz  verwerflich,  da  es  sich  in  diesem  Sinn 
bei  keinem  antiken  Autor  findet.  Vgl.  Addiicere  und  Landgraf  zu 
Cic.  S.  Rose.  S.  183;  für  Plaut.,  der  regelmässig  einen  Relativsatz 
folgen  lässt,  z.  B.  Pers.  136  alium  adlegavero,  qiii  vendat  vgl.  Sjögren 
S.  106.  —  Wie  allegare  von  legare  unterscheidet  sich  allegatio 
von  legatio ;  jene  gilt  ad  amicos  und  diese  ad  civitates,  aber  nicht 
wohl  umgekehrt.  Cicero  gebraucht  allegatio  nur  von  Menschen,  vgl. 
Yerr.  1,  44  qitafita  iste  ciqnditafe^  qiiihus  adlegationilms  illam  sibi 
legatio7iem  exinignavit;  über  den  Sp.  Kl.  Gebrauch,  besonders  bei 
den  Juristen,  vgl.  den  Thes. 

AUevatio^  die  Erleichterimg ,  Erheitenmg ,  und  allevamentum, 
das  Erleichterung smittel,  finden  sich  beide  bei  Cicero,  jenes  fin.  1, 
40  und  fam.  9,  1,  1,  dies  Sulla  66,  in  diesen  Bedeutungen;  allevatio 
kommt  sonst  nur  in  eigentlicher  Bedeutung  vor  u.  zwar  N.  Kl.  und 
Sp.  L.;  dagegen  lesen  wir  nur  übertragen  allevamentum  noch  bei 
Heges.  u.  Ambros.,  vgl.  Rönsch  Coli.  phil.  S.  59,  sonst  nirgends. 
Das  Yerb  adlevare  ist  gleichfalls  sehr  selten  bei  Cicero,  vgl.  Land- 
graf p.  S.  Rose.  S.  .147  u.  Thielmann  B.  G.  XYI  S.  204.  B.  L. 
ist  aber  alleviatio.  Über  die  Einfügung  des  i  in  alleviare^  angustiare 
u.  ä.  vgl.  Rönsch  Ital.  S.  466  u.  Coli.  phil.  S.  21. 

AUicefacere,  anlocken  findet  sich  nur  N.  Kl.  bei  Sen.  ep.  118, 
8  und  Suet.  Yit.  14;  es  ist  unnötig  wegen  des  Kl.  allicere. 

AUidere,  anstossen,  wird  in  Prosa  verb.  ad  aliquid,  z.  B.  ad 
scopidos,  Caes.  civ.  3,  27,  2. 

Alligare,  anhiyiden  an  etwas,  wird  verb.  ad  aliquid.  Kl.  sogar 
von  einer  Wunde,  einem  verivimdeten  Teile  des  Körpers  —  sie 
(ihn)  zuhinden,  verbinden,  alligare  neben  obligare.  Wenn  alligare 
navem  ad  terram  (für  deligare  \religare  Caes.  civ.  3,  15,  2]  ad  terram, 
ad  ripam,  ad  ancoras,  —  alle  bei  Caesar)  auch  nirgends  vorkommt, 
so  ist  es  doch  sehr  fraglich,  ob  alligare  navem  ad  terram  überhaupt 
unlat.  wäre;  findet  sich  ja  doch  zunächst  yiavem  alligare  Yerg.  Aen. 
1,  169,  Aug.  civ.  10,  16,  dann  unter  anderm  alligare  vaccam  ad 
oleam,  Plin.  nat.  16,  239  und  canem  ad  ostium  alligare,  Sen.  controv. 
10,  1,  13;  producuntur  et  ad  palum  alligantur,  Cic.  Yerr.  5,  10  und 
in  der  gleichen  Bedeutung  ebendas.  120.  Gut  aber  ist  das  Yerbum 
in  der  bildlichen  Bedeutung  unseres  anbinden,  binden,  verpflichten; 
vgl.  Seyffert-Müller  zu  Lael.  S.  299;  dabei  steht  klass.  der  Abi., 
wodurch  man  verpflichtet  ist,  z.  B.  Cic.  Plane.  81  non  modo  hene- 
ficio,  sed  etiam  henevolentiae  significatione  alligari;  N.  KL  ist  alli- 
gari  ad,  z.  B.  Quintil.  8,  Prooem.  2  :  ad  dicendi  leges  alligatiis. 

Allinere,  anschmieren,  kann  nur  in  Spott  und  Scherz  angewandt 
werden  auf  Anmerkungen  und  Glossen  zu  Büchern,  und  da  der 
Gebrauch  ohne  alle  Autorität  ist,  muss  das  Wort,  wenn  man  es  so 
anwendet,  entschuldigt  werden.  Ebenso  das  unten  erwähnte  Aspergere. 

Allocutio,  das  Anreden,  die  Anrede,  findet  sich  in  Prosa  nicht 
vor  Sen.,  aber  auch  im  N.  Kl.  selten,  jedoch  beim  Jüngern  Plinius, 


Alloqui  —     148     —  Alphabetum 

Quintilian  und  Sueton;  häufiger  wird  es  im  Sp.  L.  Es  ist  nicht 
geradezu  verwerflich  neben  dem  bei  klassischen  Dichtern,  bei  Liv., 
dem  altern  und  Jüngern  Plinius,  Tacitus  und  Yell.  (2,  123,  3)  vor- 
kommenden alloquiiim  und  dem  noch  besseren  appellaüo  und  com- 
pellatio,  Cic.  fam.  12,  25,  2. 

ÄUoqui  aliquem^  einen  anreden,  hat  Caesar  gar  nicht,  auch 
nicht  seine  Fortsetzer,  Cicero  sehr  selten,  in  den  Reden  nur  p.  Cluent. 
170;  um  so  häufiger  findet  es  sich  seit  Livius  in  der  silbernen  La- 
tinität  (Yell.  Curt.  Sen.  phil.  Plin.  mai.  Quint.  Tac.  Suet.),  sowie  im 
Sp.  L. ;  die  Bedeutung  trösten  kennt  schon  Yarro  (I.  lat.  6,  57),  sie 
findet  sich  aber  erst  Yal.  Max  2,  7,  6,  bei  Sen.  phil.  und  im  Sp.  L. 
Im  P.  L.  treffen  wir  es  schon  bei  Plaut.,  dann  bei  Catull,  Ovid  etc. 
Aufgefallen  ist  mir,  dass  Tac.  es  oft  in  den  bist.,  doch  nirgends  in 
den  ann.  hat.  Jemanden  um  etwas  ansprechen  heisst  adire  aliquem, 
petere  aliquid  ah  aliqico. 

Allotria^  fremdartige  Dinge,  ist  kein  lateinisches  Wort;  es 
findet  sich  erst  im  N.  L.  aus  dem  Griechischen  genommen,  für 
iiiigae,  ineptiae,  alienae  (aliae)  res,  z.  B.  alias  res  ayere,  Allotria 
treiben;  vgl.  Landgraf  zu  Cic.  Rose.  Am.  S.  250. 

Alludere,  anspielen  auf  etwas  (alicui)  und  ad  aliquid  in  der 
Rede,  findet  sich  nur  bei  dem  gekünstelten  Yaler.  Max.  (3,  7,  ext.  4) 
vgl.  Fritzsche  zu  Hör.  sat.  2,  3,  320  und  bei  Pseudo-Asc.  zu  Cic.  Yerr. 
2,  24,  sowie  sonst  vereinzelt  Sj).  L.  und  ist  nicht  nachzubrauchen. 
Ygl.  Hands  Lehrb.  S.  154.  Man  sage  significare  (Cic.  Tusc.  2,  60, 
Att.  16,  7,  5,  Suet.  Caes.  9),  designare  aliquem  oder  aliquid  ora- 
tione  (Caes.  Call.  1,  18,  1),  denotare  aliquem  oder  ahquid  (Liv.  4, 
55,  7),  iocari  in  aliquid,  scherzend  anspielen  auf  —  (Liv.  32, 
34,  3)  aliquem  significatione  appellare,  jem.  durch  deutliche  Winke 
so  gut  als  mit  Namen  nemien  (Cic.  fam.  1,  9,  20),  auch  describere 
aliquem  (Cic.  Mil.  47,  Sulla  82,  Q.  fr.  2,  3,  3).  Wenn  der  Begriff 
versteckt  darin  liegt,  so  setze  man  tecte  hinzu.  Und  so  heisst  denn 
die  Anspielung  nicht  allusio,  was  überhaupt  nur  Sp.  L.  und  nur 
zweimal  vorkommt,  sondern  significatio  (Suet.  Nero  37). 

Alluere,  etiuas  bespülen,  aliquid,  vom  Wasser,  z.  B.  oppidum, 
die  Stadt,  besonders  oft  im  Passiv  z.  B.  Caes.  civ.  2,  1,  3  Massilia 
tribus  ex  oppidi  partibus  mari  adluitur. 

Almus,  nährend,  P.  L.,  in  Prosa  nur  bei  Colum.  3,  21,  3  so- 
wie Sp.  L.  bei  Apul.  u.  a.,  aber  selten;  es  ist  eigentlich  nur  Bei- 
wort weiblich  gedachter  Wesen,  z.  B.  der  Yenus,  auch  der  Juno, 
dann  der  Ceres,  eigentlich  „die  schaffende  und  Wachstum  gebende", 
vgl.  Tegge  S.  390  u.  Serv.  zu  Aen.  1,  306;  übertragen  auch  von 
Dingen,  z.  B.  cäma  lux,  tellus  u.  ä.  Es  ist  in  Prosa  durch  andere 
Wörter  dem  jedesmaligen  Sinne  nach  zu  ersetzen,  z.  B.  durch  alens, 
nutriens,  benignus,  benevolus,  proxdtius  u.  a. 

Alphabetum  ist  erst  sehr  Sp.  L.  bei  Ps.  Tert.  Hieron.  u.  a. 
für  litterae;  in  Beziehung  auf  die  Reihenfolge  =  litterarum  ordo,  litte- 
rarum  notae  digestae.     So  auch  nicht  alphabetice,  was  gar  nicht  la- 


Alsus  —     149     —  Alter 

teinisch  ist,  al])liabetiscli  (geordnet),  iyi  alphabetischer  Ordymnfj,  son- 
dern litterarum  ordine;  etivas  alphabetisch  ordnen,  disponere,  digerere 
ad  oder  in  liUeram,  ordine  litterarum.  In  vielen  Wendungen  wird 
man  auch  das  horazische  elementa  velint  ut  discere  prima  verwenden 
können  (Hör.  sat.  1,  1,  26),  z.  B.  Abc-Schützen,  nicht  einmal  das 
Abc  einer  Wissenschaft  kennen,  Analphabeten  u.  ä.  Vgl.  s.  v.  Ele- 
mentitm. 

Alsus,  kühl.  Bei  Cicero  kommt  davon  zweimal  der  Komparativ 
vor,  nihil  alsius  Q.  fr.  3,  1,  5,  Att.  4,  8,  1  cfr.  Boot  z.  St.,  sonst 
nirgends,  auch  alsus  findet  sich  sonst  nicht.  Der  Positiv  kommt 
nur  in  der  verlängerten  Form  alsius,  a,  um  bei  dem  Dichter  Lucrez 
vor.  Nichts  ist  sicher  und  ohne  Tadel  nachzubrauchen,  als  jenes 
nihil  alsius  aus  Cicero. 

Altaria  kommt  bei  Cicero  nur  im  Plural  vor  (bei  Caes.  über- 
haupt nicht,  so  wenig  als  ara)  z.  B.  Cic.  Cat.  1,  24  a  cuius  altaribus 
saepe  te  ad  necem  civium  transtulisti,  ebenso  bei  Liv.,  z.  B.  21,  1,  4. 
Vereinzelt  bei  Cicero,  z.  B.  p.  Balb.  12  iurandi  causa  ad  aras  acce- 
deret,  öfter  bei  Livius,  z.  B.  42,  40,  8  ante  aras  mactatus  erscheint 
auch  arae  von  einem  Altar,  dies  findet  sich  auch  noch  Sp.  L.,  wo 
z.  B.  arae  =  ara  bei  Commodian,  immer  am  Versschlusse,  steht;  vgl. 
Schneider  S.  6.  Regelmässig  bei  Cic.  ist  der  Sing.  z.  B.  p.  Place.  90 
si  aram  tenens  iuraret.  Sp.  L.  erst  —  abgesehen  von  Petron.  135 
in  medio  altari  —  finden  wir  altare,  altar  und  altarium;  vgl.  Neue- 
Wagener  ^  I,  S.  689,  R,iemann  etudes  S.  51  und  über  die  Grund- 
bedeutung von  ara  (=  Feuerstätte)  vgl.  Norden  zu  Verg.  Kqw.  6, 
177.  In  der  Verbindung  arae  et  foci  z.  B.  pro  aris  et  focis  piig- 
nare  ist  nur  der  Plural  üblich. 

Älter  ist  in  der  Regel  nur  der  eine  von  zweien,  daher  alter  — 
alter,  der  eine,  der  andere,  und  unterscheidet  sich  so  von  alius.  Vgl. 
Alias.  Unus  aut  alter,  ebenso  uniis  alterve  bedeutet  „einen  oder 
zwei",  z.  B.  unum  alterumve  diem  es  kommt  auf  einen  oder  zwei 
Tage  nicht  an;  dagegen  unus  et  alter  steigert  die  Zahl,  z.  B.  Cic. 
Att.  14,  18,  1  imis  et  alteris  litteris;  vgl.  Süpfle-Böckel  zu  Cic.  epp. 
S.  195  und  232,  Preuss  S.  49,  Gudeman  zu  Tac.  dial.  S.  122,  John 
zu  Tac.  dial.  21,  Nipp,  zu  Tac.  ann.  3,  34.  In  der  Bedeutung 
mancher  findet  man  nur  non  yiemo^  nicht  alter  et  alter.  —  Ferner: 
auf  der  andern  Seite  in  der  Bedeutung  dagegen  heisst  nicht  altera 
ex  parte,  sondern  rursus  oder  e  contrario;  vgl.  für  rursus  Cic.  off. 
2,  2,  für  e  contrario  Cic.  inv.  2,  25.  —  Über  alter  bei  Aufzählungen 
vgl.  Cic.  Phil.  1,  32  proximo,  altero,  tertio,  deyiique  reliquis  conse- 
cutis  diebus.  Dass  alter  oft  geradezu  für  alteruter  stehe,  ist  von 
Fabri  zu  Liv.  21,  8,  7  behauptet,  von  Heerwagen  aber  nicht  ohne 
Grund  bestritten  worden.  Allerdings  kommen  die  Bedeutungen  ein- 
ander nahe,  daher  Weissenborn  zu  Liv.  1,  13,  3  und  29,  53,  9 
bemerkt,  dass  alter  hier  fast  alteruter  gleich  sei.  Aber  nicht  voll- 
ständig! Denn  bei  alteruter  wird  ein  besonderes  Gewicht  darauf 
gelegt,  wen  es  treffen  soll,    und    die  Entscheidung  kann  immer  nur 


Altercare  —     150     —  Altus 

nach  der  einen  Seite  positiv,  nach  der  andern  negativ  ausfallen.  Bei 
alte}'  ist  es  für  den  Sprechenden  gleichgiltig,  auf  welcher  Seite  der 
gegebene  Fall  eintreten  wird;  auch  wird  die  Möglichkeit  des  Ein- 
trittes auf  beiden  Seiten  nicht  ausgeschlossen.  —  Über  alienmi  tantiini 
==  noch  einmal,  doi^pelt  soviel,  vgl.  Cic.  orat.  188,  Nep.  Eum.  8,  5, 
Liv.  1,  36,  7.  —  Selten  ist  die  Gegenüberstellung  alteri  .  .  alteri, 
ol  fikv  —  oi  di,  vgl.  Cic.  Sest.  96;  Phil.  5,  32;  fam.  6,  3,  4,  ygl. 
Wölfflin  Archiv  II,  S.  235;  die  Unterdrückung  des  ersten  alfer  in 
Gegenüberstellungen  ist  häufig  bei  Plin.  nat.,  vgl.  C.  F.W.  Müller  Frogr. 
Breslau  1888,  S.  5 ;  über  das  Fehlen  eines  ersten  alii  vgl.  s.  v.  Alins. 

Altercare,  zanken,  streiten,  nur  A.  und  Sj)-  L.  für  altercari  als 
Deponens. 

Alternatim,  ivechselweise,  A.  und  Sp.  L.  für  alternis  (welches 
jedoch  selbst  weder  bei  Cicero  noch  bei  Caesar  sich  findet,  vgl.  Köhler 
act.  Erl.  I,  S.  455),  vicissim,  invicem,  imitiio  oder  das  N.  Kl.  alterne 
bei  Seneca  und  dem  altern  Flinius.  Ebenfalls  Sj).  L.  ist  alternatio, 
der  Wechsel,  und  N.  L.  alternitas  für  vicissitiido.  Auch  das  P.  u. 
N.  Kl.  alternare,  ahivechseln,  werde  vermieden.  Alternierten  (ah- 
tvechselnj  in  der  Regierung  =  alternis  imperare,  Sen.  epp.  37,  4. 

Alteriiter,  einer  (der  eine)  von  beiden,  bei  Yell.  auch  =  läerque, 
vgl.  Georges  S.  34.  Entweder  wird  alter  unverändert  zu  dem  de- 
klinierten uter,  iitra,  utrum  hinzugesetzt,  z.  B.  alterutra,  alteriitrius, 
was  immer  im  Plural  der  Fall  zu  sein  scheint,  oder  es  werden 
beide  Wörter  flektiert.  S.  Neue -Wagener  ^  II,  S.  542.  Wenn  alter- 
uter  diiorwn  verworfen  wird,  so  ist  dies  nur  vom  Kasus,  aber  nicht 
vom  Zahlwort  überhaupt  richtig,  denn  alteriiter  e  duohiis  ist  nicht 
ohne  Autorität.  S.  Sen.  Polyb.  9,  2.  Dafür  wird  mit  etwas  modi- 
fizierter Bedeutung  —  s.  Alter  —  im  Lateinischen  auch  alter  e  oder 
de  diiohiis  gesagt.  S.  darüber  Cic.  Tuscul.  1,  97,  Sen.  de  brevit.  v. 
13,  8,  Gell.  5,  11,  7.  Ygl.  auch  Duo.  —  Aus  dem  Sp.  L.  rezi- 
proken alterutrum  hat  sich  auch  ein  reziprokes  alteriiter  herausgebildet 
=  miitims,  z.  B.  sine  alterutra  oppositione  bei  Tert. ;  näheres 
hierüber  bietet  der  interessante  Aufsatz  von  Thielmann  Archiv  VII, 
S.  373  ff. 

Altitiido,  die  Höhe.  Über  in  altitadinem,  wo  wir  im  Dativ 
sagen  in  der  Höhe  vgl.  In.  Es  findet  sich  nicht  konkret,  als 
Gegensatz  der  Erde,  z.  B.  oh  in  der  Höhe  oder  auf  der  Erde  heisst 
sublime  an  humi.  S.  Sublimis.  N.  L.  bedeutet  altitudo  auch  die 
Tiefe  der  (militärischen)  Aufstellung,  was  nach  Veget.  2,  3,  23  lati- 
tudo  heisst,  und  hi  der  Tiefe  =  introrsus,  dagegen  die  Breite  der 
A.  longitudo. 

Altriyisecus,  nach  der  andern  Seite  hin^  A.  und  Sp.  L.  für  ad 
oder  in  alteram  partem.  Ebenso  ist  es  Sp.  L.  in  der  Bedeutung 
von  beiden  Seiten,  für  ab  iitraque  parte;  Holtze  Synt.  II,  S.  285, 
Leipold  S.  40,  Chruzander  S.  9. 

Altns  ist  identisch  mit  dem  Partizip  von  alere.  Altus  wird  in 
seinen  beiden  Bedeutungen,  liocli  und  tief,   in  der  klassischen  Latini- 


Altus  —     151     —  Altus 

tat  wenig  tropisch  gebraucht,  wie  alte  spedare  bei  Cic.  Tusc.  1,  82 
=  sich  ein  hohes  Ziel  setzen,  wofür  er  sonst  magna  spectare  sagt; 
doch  so  auch  alte  ascendere,  fam.  10,  26,  3  und  in  altiorem  locum 
pervenh^e,  Rose.  Am.  83,  ordo  editus  in  altiim,  Cic.  Verr.  3,  98, 
altius  perspicere  =  tieferes  Verständyiis  haben,  tiefer  sehen,  Yerr.  1, 
19.  Ein  tiefer  Schlaf  heisst  deshalb  bei  ihm  nur  artiis  somniis, 
tief  schlafen,  arte  oder  graviter  dormire,  somno  oppressum  esse,  tiefer 
Friede  bei  ihm  nur  summa  2^cix,  tiefes  StillscMv eigen  nur  smnmum 
silentium.  In  der  N.  Kl.  Latinität  hingegen  hat  altus,  tropisch  be- 
trachtet, eine  sehr  reiche  und  glückhche  Verwendung  gefunden.  Zwar 
von  Gott  sagt  erst  Commodian  altus  und  altissimus,  was  dann  bei  den 
Eccl.  allgemein  üblich  wird,  vgl.  Ferrere  S.  118  u.  Georges  Jahresber. 
1886,  S.  27,  vorher  war  nur  üblich  siimmus,  maximiis;  auch  alta,  altior 
aetas  findet  sich  ebenso  wenig  für  grandis,  grandior  aetas,  auch  nicht 
vom  hohen  Alter  von  Wörtern  (was  bei  Cic.  de  orat.  1,  193  verhör  um 
vetustas  prisca  heisst);  eine  hohe  Meinung  von  jemanden  haben,  ist 
N.  Kl.  ebenso  wenig  altam  ojnnionem  habere;  vielmehr  ist  dafür 
magna  ophiio  zu  nehmen,  auch  alta  nox  =  tiefe  Nacht,  kommt  so 
erst  Sp.  L.  bei  Apul.  met.  1,  17  init.  vor,  denn  bei  Sen.  ad  Marc. 
26,  3 :  videmusque  non  alta  nocte  circumdati,  bedeutet  altus  nicht  die 
Tiefe,  sondern  die  Beschaffenheit  der  Nachtzeit  ==  undurchdringlich, 
stockfinster,  und  ebenso  ist  es  bei  demselben :  qiiibus  abscondendis  nulla 
satis  alta  yiox  est,  nat.  1^  16,  7  u.  ebendas.  5,  15  Ende:  altam 
perpetuamque  noctem ;  die  Tiefe  der  Nachtzeit  dagegen  wäre:  midta, 
iyitempesta  nox.  Hohe  Stimme  ist  auch  nicht  cdta  vox  für  vox  acuta, 
während  altus  sonus,  alta  vox  den  aus  voller  Brust  hervorgesungenen, 
hervorgesprocheyien  Ton  ausdrückt,  s.  Georges,  deutsch-lat.  Hdwtb. 
unter  dem  W.  Hoch.  Yom  tiefeyi  Schlaf  hingegen  wird  nach  dem 
Yorgang  von  Liv.  7,  35,  11  in  der  silbernen  Latinität  gern  altus 
somnus  gesagt;  vgl.  Curt.  8,  3,  9  u.  6,  10,  13,  Petr.  sat.  86;  über 
altior  somnus  vgl.  Curt.  4,  13,  17  u.  9,  26;  über  altissimus  somyius, 
Sen.  de  prov.  5,  3  Ende  (Riemann  etudes  S.  19  Anm.  1  erblickt 
in  somyms  altissiynus  bei  Liv.  7,  35,  11  eine  Eigentümlichkeit  der 
poetisierenden  Sprache  des  Liv.  und  seiner  Nachahmer,  vgl.  auch 
Archiv  X,  S.  49);  so  auch  alta  rerum  quies  und  alta  quies  et  placida, 
Sen.  de  const.  9,  3.  Alta  pax  scheint  nur  poet.  zu  sein  (für  summa  pax) 
bei  Sen.  Agam.  596,  Troad.  324,  Lucan.  1,  249;  (früher  war  im 
Antib.  für  alta  pax  irrig  auch  Sali,  zitiert).  Dagegen  s.  über  altum 
otium  PI.  epp.  9,  3,  1  (profundum  otium  sagt  Ammian  28,  4, 
14),  securitas  alta,  alta  oblivio,  alta  dissimulatio,  Sen.  de  dem.  1, 
1,  8,  epp.  21,  4,  Curt.  10,  9,  8;  über  cdtior  intellectus,  altius 
consilium  s.  Quintil.  8,  3,  83,  Tac.  bist.  4,  14,  Curt.  6,  11,  28 
und  so  auch  altissimum  maiestatis  fastigium,  Yal.  M.  3,  4,  1  u.  in 
altissima  quaque  fortuna,  Curt.  6,  20,  1;  altissimae  civium  di- 
gnitates,  PI.  Paneg.  61,  2;  altissiyyium  ingenium,  PI.  epp.  9,  33,  1, 
u.  was  Lagergren  über  diese  Ausdrucksweise  des  Phn.  S.  101  in 
seinem    Buch    de    eloc.  etc.   noch    weiter    bemerkt    hat.     Und    wie 


Alucinari  — ^     152     —  Amans 

Livius  altu  sperare  sagt  1,  34,  9,  so  findet  sich  nach  dem  Vorgang 
von  Sali.  Cat.  5,  5  nimis  alta  ciipiehat  auch  altissima  cupere  bei 
Tac.  ann.  4,  38  und  altiiis  intueri  veritatem,  Sen.  ad  Polyb.  9,  6 
und  altiora  meditari,  Suet.  Caes.  26  und  eaque  offensio  altius  pene- 
trcibat,  Tac.  ann.  16,  21.  Unverwerflich  sind  auch  altiores  litterae, 
Sen.  de  benef.  5,  13,  3,  altiores  artes,  Quintil.  8,  3,  2,  Tac.  dial. 
10,  altiores  disciplinae,  Quintil.  2,  1,  3,  altiora  studia,  PL  epp.  5, 
16,  8,  Suet.  Gramm.  21  init.,  Tac.  hist.  4,  5,  altior  ordo,  Sen.  ad 
Polyb.  6,2;  altum,  altissimum  silentimn  endhch  findet  sich  nicht 
bloss  Sp.  L.  bei  Amm.  Marc.  21,  4  g.  E.  u.  c.  11  g.  E.,  sondern 
altum  Sil.  hat  auch  Sen.  ad  Marc.  5,  1  u.  altissimum  silentium 
Quintil.  10,  3,  22.  —  "Was  heisst  lat.  das  tiefe  Meer,  mare  altum 
oder  pyroftüidmnf  Beides!  Durch  profimdus  und  profundum  wird 
die  Eigenschaft  der  Tiefe  als  einer  unergründlichen,  unmessharen 
bezeichnet,  z.  B.  Cic.  Plane.  15  mare  pro fimdum  etimmensum;  dabei 
kann  der  Begriff  der  Tiefe  auch  als  unterste  Region  gefasst  werden, 
so  z.  B.  Yal.  Max.  6,  9,  5  ext.,  Curt.  4,  3,  6,  Just.  30,  4,  2.  Wird 
dagegen  die  Tiefe  nicht  in  diesem  Sinne  der  Unergründlichkeit, 
sondern  nur  im  allgemeinen  als  körperliche  Eigenschaft,  oder  als 
mess'  und  bestimmbar  betrachtet,  oder  ivirklich  gemessen,  so  ist  altum 
mare  oder  altitudo  maris  richtig.  Nostris  militibus  cunctantibus 
maxime  propter  altitudinem  maris,  Caes.  Gall.  4,  25,  3  und  Caes. 
bei  Cic.  Att.  9,  14,  1.  Quinquaginta  cubita  altum  mare,  Plin.  nat. 
5,  128.  —  Schon  frühe  finden  wir  altum  und  dann  auch  profundum 
ohne  mare  elliptisch  gebraucht;  klass.  ist  in  alto,  in  altum,  ex  alto, 
ebenso  in  profundum;  vgl.  Cic.  Yerr.  4,  26  in  profundum  abicere, 
Sest.  45  iecissem  me  potius  iyi  profundum;  Cic.  inv.  1,  95  in  alto 
iadari,  fin.  4,  64  ex  alto  emergere,  de  or.  3,  145  in  altum  ab- 
stralii.  Für  ex  profundo  vgl.  Curt.  4,  3,  6.  Ygl.  Wölfflin  Col. 
rostr.  303. 

Aluciyiari  (Halucinari)  ist  ein  seltenes,  aber  von  Cicero  nicht 
verschmähtes  Wort,  z.  B.  Att.  15,  29,  2,  wie  unser  faseln,  und  im 
Spotte  wohl  anwendbar.  Dagegen  sind  N.  KL  und  Sp.  L.  aluci- 
natio,  die  Faselei,  Träumerei  und  alucinator,  der  Faseler.  Ygl. 
Rönsch  Coli.  phil.  S.  241. 

Alumnus  und  alumna  sind  in  aktivem  Sinne  der  Pfleger,  Er- 
nährer erst  sehr  Sp.  L.,  z.  B.  Mart.  Cap.  1,  28  cggnus  alumna 
stagna  petierat,  und  so  durchaus  verwei'flich,  gut  aber  in  passivem 
Sinne  der  Pflegliyig,  das  Pflegekind;  denn  offenbar  ist  alumnus,  eigent- 
lich alumenus,  als  Part,  praes.  pass.  von  alo  zu  erklären;  auch  im 
bildlichen  Sinne,    vgl.  Tac.  dial.  40  alumna  licentiae. 

Ama)is  hat  zwar  den  Genitiv  dessen  bei  sich,  den  jemand  liebt, 
aber  in  Prosa  nie  ein  Adjektiv  als  bestimmendes  Beiwort,  z.  B. 
magnus  amans  hominum,  ein  grosser  Menschenfreund,  was  B.  L.  ist ; 
und  doch  wird  Jesus  in  einem,  lateinischen  Lesebuche  maximus 
amans  hominum  genannt,  für  amantissimus  Jiom.  Dies  erlauben  sich 
nur  Dichter:  Yerg.  G.  4,  488  und  Ov.  am.  3,   8,    65.     Aber    auch 


Amanuensis  —     153     —  Amare 

dieser  Superlativ  ist,  im  passiven  Sinne  gebraucht  =  der  Geliehteste, 
Liebenswürdigste,  nur  Sp.  L.,  z.  B.  M.  Aurel.  bei  Front,  ad  M. 
Caes.  II,  13  (10  ed.  Nab.):  vcde,  mi  amantissime  für  carissimus, 
siiavissimus,  da  es  vielmehr  den  innigst  Liehenden,  Liehevollsten  be- 
deutet, und  so  auch  von  Sachen  gesagt  wird,  die  von  liebenden 
Menschen  ausgehen,  z.  B.  verha  amantissima  (Cic.  fam.  5,  15,  1), 
consilia  amantissima  (id.  fam.  2,  1,  2)  u.  a. ;  über  den  passiven  Ge- 
brauch von  amantissimus,  desiderantissimits  vgl.  meine  Syntax  ^ 
§  172,  Bücheier  in  Melanges  Boissier  Paris  1903;  C.  F.  W.  Müller 
in  N.  Jahrb.  1892,  S.  655.  —  Bei  Personen  tritt  meistens  ein  Gegen- 
stand der  Liebe  im  Genitiv  hinzu,  z.  B.  mei,  patriae,  litterarum,  vini 
u.  a.,  ohne  welchen  es  den  LiehevoUsteyi  bedeutet.  In  Reden  ist  daher 
die  Anrede  aitditores  oder  adidescentes  oder  iuvenes  amantissimi 
sehr  seltsam,  da  es  unentschieden  ist,  cuiiis  hominis  oder  ciiiiis  rei 
amantissimi  sint.  Und  so  sage  man  daher  auch  in  Briefen  nicht : 
amantissime  frater,  sondern  carissime  frater  atque  opttime  (Cic.  de 
erat.  2,  10). 

Amanuensis,  ein  Sekretär,  Sclireiher,  sonst  auch  serviis  a  mann, 
ist  zwar  erst  N.  Kl.  bei  Sueton,  zumal  vom  Gehilfen  und  Diener 
beim  Schreiben,  aber  durch  kein  Kl.  Wort  zu  ersetzen,  da  miyiister 
und  administer  allgemein  einen  Diener  bedeuten  und  lihrarius  mehr 
einen  Ahschreiher. 

Amare.  Als  unlateinisch  verwarf  Sanctius  (Miner v.  III,  2)  amare 
deum,  ohne  Grund,  da  es  doch  bei  Plaut.  (Poen.  282  deos  et  amo 
et  metuo).,  Seneca  (ep.  47,  18  deus  colitur  et  amatiir)  und  in  der 
lateinischen  Bibelübersetzung  der  Yulgata  unzähligemal  vorkommt.  — 
Was  den  Ausdruck  der  Umgangssprache  amaho  oder  amaho  te  be- 
trifft, so  ist  zu  bemerken,  dass  man  dafür  nie  amaho  vos  findet,  und 
was  seine  Stellung  beim  Imperat.  angeht,  so  steht  es  demselben  so- 
wohl vor  als  nach,  s.  Cic.  Att.  2,  2,  1,  ebendas,  16,  16,  C  1  u. 
10,  10,  3.  Noch  beachte  man,  dass  amaho,  amaho  te  entweder  paren- 
thetisch im  Satz  eingeschoben  wird  oder  auch  als  regierendes  Haupt- 
verbum  steht  und  dann  ut  oder  ne  nach  sich  hat;  vgl.  Brix  zu 
Plaut.  Men.  425  sed  sein  quid  te  amaho  ut  facias"^  Cic.  Q.  fr.  1,  4, 
1  amaho  te,  mi  frater,  ne  .  .  .  assignes;  doch  ist  hierüber  Blase 
anderer  Ansicht;  im  ersten  Beispiel  erkennt  er  einen  parataktischen 
imperativischen  Ut-satz,  im  letzteren  den  Prohibitiv.  Näheres  über 
amaho  hat  Blase  in  Wölfflins  Archiv  IX,  S.  485  ff.  und  X, 
S.  137  gegeben;  das  Resultat  seiner  Untersuchung  fasst  er  IX,  S.  491 
zusammen.  Cicero  weicht  in  wesentlichen  Punkten  vom  altlat.  Ge- 
brauche ab;  bei  ihm  fehlt  die  Verbindung  mit  einer  Frage  (Plaut. 
Poen.  399  amaho,  men  prohihere  postidas  .^),  die  Ellipse  von  te  ist 
durchgängig  (ausser  an  drei  Stellen)  vermieden ;  te  wird  immer 
nachgestellt;  die  Formel  wird  nur  von  männlichen  an  männliche 
Personen  gerichtet,  während  im  Altlat.  amaho  ein  Schmeichelwort 
der  Frauen  ist,  das  Plaut,  nur  an  einigen  Stellen  um  eine  komische 
Wirkung  zu  erzielen  von  Männern   an  Frauen  richten  lässt.     Nach 


Amaritas  —     154     —  Amasia 

Blase  hätten  Cicero  und  Caelius  (fam.  8,  6,  5;  8,  9,  3)  den  zu  ihrer 
Zeit  abhanden  gekommenen  Gebrauch  von  amaho  geneuert,  ohne 
aber  sich  der  Schranken  bewusst  zu  sein,  innerhalb  welcher 
sich  der  archaische  Gebrauch  bewegte.  Dass  für  amaho  te 
auch  si  me  amas  gesagt  werden  kann,  bemerkt  Hofmann  zu  Cic. 
Att.  5,  15,  3,  wo  noch  beigefügt  ist,  dass  amare  alig_uid,  aliquem 
in  (de)  aliqita  re,  hei  einer  Sache  mit  etwas,  mit  jemanden  zufrieden 
seiuj  etiuas  dankhar  anerkenne)!,  jemanden  sich  verpflichtet  fühlen, 
ciceronisch  ist,  s.  Cic.  fam.  9,  16,  1  u.  13,  62,  1  ;  Att.  4,  16, 
10,  vgl.  auch  Süpfle-Böckel  zu  Cic.  epp.  S.  214.  —  Wenn  Sallust 
Jug.  34,  1,  nach  ihm  Tacitus,  und  ausser  ihnen  Horaz  od.  1,  2, 
50  das  Yerbum  in  der  Bedeutung  pflegen,  für  solere,  mit  einem  In- 
finitiv  brauchen,  so  ist  dies  nicht  rein  lateinisch,  sondern,  wie 
schon  Quintil.  9,  3,  17  bemerkt,  dem  Griechischen  nachgeahmt; 
er  sagt:  ex  Graeco  translata  Sallustii  plurima,  quäle  est  vulgus  amat 
fieri.  Wenn  Klotz  Stilist.  S.  206  vielmehr  in  diesem  Gebrauche  von 
amare  einen  Vulgarismus  erkennen  zu  sollen  glaubt,  so  ist  zu  be- 
achten, wie  nahe  sich  Gräzismus  und  Vulgarismus  verwandt  sind; 
die  Ausführungen  von  Klotz,  ergänzt  durch  Landgraf  in  Berl.  Phil. 
Woch.  1886  S.  1419,  verdienen  nachgelesen  zu  werden;  vgl.  auch 
noch  Hoppe  Synt.  Tert.  S.  45,  der  auch  zwei  Stellen  aus  Tert.  bei- 
bringt. —  Wenn  wir  im  Deutschen  sagen  irgoid  ein  Gewächs,  eine  Frucht 
liehe  den  oder  den  Boden  etc.,  so  wird  das  auch  im  Lat.  durch  amare  aus- 
gedrückt: montes  amant  cedrus  etc.,  Plin.  nat.  16,  73  und:  lens  anutt 
solum  tenue  magis  qiuim  pingue,  18,  123  und  ib.  138  siccitatem  ex  omni- 
hus  quae  seruntur  maxume  amat.  So  auch  bei  Pallad.  H,  tit.  14: 
amant  solum  sidjactum,  pingue  .  .  Vgl.  ebendas.  tit.  15:  amat  loca 
humida  und  sonst;  auch  bei  Colum.  2,  10,  3:  id  (legumen)  exilem  amat 
terram,  wofür  Colum.  und  Pallad.  auch  gaudere  und  laetari  anwenden. 
Das  Gegenwort  von  amare  ist  auch  in  dieser  trop.  Bedeutung  odisse, 
s.  darüber  Plin.  nat.  19,  69  und  18,  135.  Für  amare  wird  von 
Varro  r.  r.  1,  23,  4  auch  quaerere  verwendet  =  verlangen.  Für 
amare  steht  endlich  bei  Pallad.  4,  9,  1  und  Plin.  nat.  16,  74  auch 
diligere,  für  odisse  aber  formidare,  Pallad.  2,  13,  2. 

Amaritas,  die  Bitterkeit,  bei  Vitruv  2,  9,  14,  und  amarities  bei 
Catull  68,  18,  sind  beide  weniger  gut  und  üljlich,  als  das  zwar 
gleichfalls  unklassische,  aber  schon  bei  Varro  (Stünkel  S.  31)  und 
oft  seit  dem  silb.  Latein  vorkommende  amaritudo  (vgl.  Schulze 
Symmach.  S.  40),  übertragen  z.  B.  Tac.  dial.  10  iamhorum  amari- 
tudinem,  ebenso  Sp.  L.  bei  Paneg.  XI,  260,  26  amaritudine  iniuriae, 
vgl.  Chruzander  S.  9.  Interessant  ist  die  Hochflut,  mit  der  amari- 
ttulo  die  ganze  spätlat.  Literatur  überschwemmt,  bezeichnend  ist,  dass 
Val.  Max.  auch  hier  die  Reihe  eröffnet  (vgl.  Norden,  Antike  Kunst- 
prosa S.  303)  und  Sen.  rhet.  ihm  zur  Seite  steht.  Auch  amarus 
hat  Val.  Max.  öfters  in  übertragener  Bedeutung. 

Amasia,  das  Liehchen,  ganz  N.  L.,  amasiuncula  F.  L.,  anuisio 
und  amasiunculus,  der  Liehhaher,   Sp.  L.,   und  endlich  amasius  A. 


Amatus  —     155     —  Ambire 

und  Sj).  L.;  sie  sind  alle  als  wahrscheinlich  nur  gemeine  Alltags- 
wörter zu  verwerfen  und  durch  amator,  amatrix,  amica  und  amicida 
zu  ersetzen.  Übrigens  ist  nach  Cic.  Tusc.  4,  27  amator  der, 
bei  welchem  die  Liebe  herrschende  Leidenschaft  ist,  amans  aber,  als 
Partie,  nur  der,  welcher  zu  Zeiten  ei^ie  oder  ei7ien  oder  etivas  lieht. 

Amatus,  lieh,  ivert,  belieht,  wofür  wir  auch  gelieht  sagen,  ist 
adj.  und  substantivisch  unklassisch  und  überhaupt  sehr  selten  für 
cariis^  snavis,  amore  dignus.  Bekannt  sind  folgende  Stellen:  Liv.  30, 
14,  1  amatam  apud  aemidum  cernens;  Lucan  Phars.  1,  508  extremo 
timc  forsitan  urhis  amatae  plenus  ahiit  visu;  Juv.  3,  186;  Gell. 
6  (7),  5,  3  is  Pohls  unice  amatum  filium  morte  aniisit;  ib.  16,  19, 
4  Arionem  Feriander  amicum  amatiimque  hahuit  artis  gratia ;  Amm. 
Marc.  15,  4,  6  und  22,  9,  15.  Der  Superlativ  amatissimus  steht 
nur  C.  I.  L.  VIII,  7566,  6,  gewiss  nicht  richtig,  wie  C.  F.  W.  Müller 
N.  Jahrb.  1892  S.  655  sagt;  heiss  geliebt  ist  auf  Inscr.  u.  Sp.  L. 
amantissimiis,  vgl.  auch  meine  Synt.^  §  172.  Man  meide  das  Wort 
und  helfe  sich  mit  Umschreibungen,  wie  dies  Cic.  Tusc.  5,  60  c[uem 
enim  vehementer  amarat  occiderat  auch  tut;  vgl.  Nägelsbach-Müller'* 
S.  135. 

Amhages,  TJmschiueife,  Rätselhaftigkeit,  ist  kein  klassisches 
Wort^  es  findet  sich  in  Prosa  erst  bei  Livius,  der  es,  besonders  in 
der  Wendung  per  ambages,  liebt,  dann  bei  Yal.  Max.,  Plinius  mal., 
Quintilian  und  Tacitus.  Gebräuchlich  ist  vom  Singular  der  Abi., 
dann  der  Abi.  Plur.,  vgl.  M.  Müller  zu  Liv.  1,  54,  8.  Der  Nom. 
Sing,  steht  Tac.  bist.  5,  13  H,  doch  vgl.  Neue -Wagener  I^  689, 
Georges  Wortformen  s.  v.,  Archiv  X,  S.  36.  Andere  Ausdrücke 
dafür  sind  anfractus,  circuitio,  circuitus,  ambiguitas,  oder  man  helfe 
sich  mit  dem  Adj.  ambigims  oder  dem  Subst.  aenigma. 

Ambigere  =  über  etwas  eine  andere  Meinung  haben  als  ein 
anderer,  streiten  darüber,  was  das  Wahre  und  Rechte  sei  (nicht  in 
dem  Sinn  von  zanken,  haderet  /)  wird  entweder  absolut  gebraucht : 
ii  qui  ambigunt  =  die  streitenden  Parteien,  oder  man  sagt  ambigere 
de  aliquo  oder  passiv :  es  wird  über  etivas  Ziueifel  erhoben,  es  tuird 
etivas  in  Zweifel  gezogen  und  zwar  entweder  personal:  ins  quod 
ambigitur  ifiter  peritissimos  oder  impersonal :  ambigitur  de  aliqua  re, 
letzteres  auch  mit  indirektem  Fragesatz,  z.  B.  Cic.  Tüll.  fr.  1  an 
dolo  nialo  factum  sit  ambigitur;  vgl.  dazu  Gutsche  S.  34.  Ebenso 
auch  ambigere  cum  aliquo  de  aliqua  re.  —  Während  7wn  ambigitur 
quin  sich  bei  Liv.  2,  1,  3  und  non  ambigitur  c.  acc.  c.  inf.  sich  bei 
Liv.  10,  5,  14,  bei  Tac.  Apul.  Papinian  Amm.  u.  a.  Sp.  L.  findet, 
ist  ambigo  credere  =  duhito  credere  =  ich  trage  Bedenken  zu  glauben 
nur  Sp.  L.,  z.  B.  Paul.  Petricord.  6,  349,  Amm.  15,  4,  12  prodire 
iyi  publicum  ambigehant. 

Ambire,  herumgehen,  fordert  den  Accusativ  der  Person,  die  man 
um  einer  Sache  willen  angeht ;  ein  doppelter  Acc,  der  Person  und 
der  Sache,  ist  nicht  nachweisbar,  denn  Cic.  rep.  1,  47  liest  C.F.W. 
Müller  ferunt  enim  suffragia,  mandant  imperia,  magistratus,  ambiuntur. 


Ambrosius  —     156     —  Amicus 

rofjantur.  Nur  bei  Plautus  Amph.  prol.  69  steht  sive  qid  amhissint 
pcdmam  histrionihus,  dann  74  quasi  magistratum  sibi  amhiverit, 
wo  die  Personen,  die  er  angegangen,  d.  h.  bei  denen  er  darum 
angehalten  hat,  nicht  beigesetzt  sind.  Im  übrigen  ist  amhire 
aliquid  Sp.  L.  und  zu  meiden ;  man  sage  daher  nicht  magi- 
stratum amhire,  sondern,  was  das  gesetzmässige  ist,  petere.  Und 
so  braucht  auch  Q.  Cicero  in  seinem  Buche  de  petitione  con- 
sulatus  nie  amhire,  sondern  nur  petere.  N.  L.  ist  daher  eloquen- 
tiae  laiidem  amhienti  für  petenti,  so  wie  in  amhienda  gloria  für  in 
Ijetenda.  —  Als  Subst.  übersetzt  man  das  persönliche  Herumgehen  der 
Kandidaten  und  ihre  Bearbeitung  der  Wahlmänner  durch  amhitio, 
das  Anhalten  durch  petitio;  dagegen  ist  amhitus  nur  das  ungesetz- 
liche, strafwürdige,  mit  Bestechungen  und  andern  strafbaren  Prak- 
tiken verbundene  Anhalten.  Man  verwechsle  also  amhire  und  petere, 
so  wie  ambitio,  amhitus  und  petitio  nicht  mit  einander.  —  Übrigens 
zeigt  Heraus  zu  Tac.  bist.  1,  1,  dass  aus  dem  oben  angegebenen 
eigentlichen  Sinne  von  ambitio  schon  zu  Ciceros  Zeit  oder  wohl 
schon  vorher  die  Bedeutung  von  Menschengefülligkeit,  persönliche 
Rücksichtsnahme  auf  andere,  parteisüchtige  Nehenrücksichten  sich 
entwickelte.  Umgekehrt  wird  amhitus  bei  Plin.  min.  und  seinen 
Zeitgenossen  auch  in  dem  Sinne  von  ambitio  =  Ehrgeiz,  ehrgeiziges 
Streben  genommen.  S.  Lagergren  S.  59.  Sp.  L.  bekommt  ambitio 
wie  amhitus  die  Bedeutung  =  cortege,  auch  Pracht,  Prunk,  Ge- 
j)ränge,  so  bei  Solin.  Minuc.  Fei.  Hieronym.  u.  a.,  vgl.  Grölzer 
Hieron.  S.  243,  Rönsch  Coli.  Phil.  S.  46,  98  u.  124.  —  Schliess- 
lich hüte  man  sich,  das  Yerbum  nach  eo  —  ire,  gehen,  zu  kon- 
jugieren, wie  man  dies  N.  L.  zuweilen  findet,  z.  B.  ambibat  (für 
amhiehat\  eine  Form,  die  nachklassisch  bei  Liv.  27,  18,  6,  Tac. 
ann.  2,  19,  Plin.  epp.  6,  33,  3  und  zuerst  wohl  bei  Ovid.  met.  5, 
361  sich  findet;  vgl.  Neue -Wagener^  HI,  S.  317  u.  319,  zu  er- 
gäüzen  aus  Georges  Wortformen  s.  v.  und  Kofi'mane  lex.  s.  v. 

Ambrosius,  unsterblich,  göttlich,  lieblich,  ist  nur  P.  L.  und  in 
Prosa  Sp.  L.  nur  bei  Apul.  für  immortalis,  divinus,  suavis. 

Ambulacrum,  der  Spaziergang,  sei  es  das  Gehen  oder  der  Ort, 
A.  und  Sp.  Li.,  z.  B.  Plaut.  Most.  756,  vgl.  Lorenz  z.  St.,  Gell.  1, 
2,  2;  3,  1,  7;  Paneg.  XII,  289,  24.  Klass.  ist  nur  ambulatio, 
z.  B.  Cic.  fin.  5,  1-,  Tusc.  4,  7.  Über  den  vulgären  Charakter  der 
Wörter   auf  acrum  vgl.  Rönsch  Ital.   S.  39,   Schulze    Symm.  S.  50. 

Amicus,  Freund,  gewogen,  ljefreu)idet.  Die  lateinische  Sprache 
gebraucht  amicus  nicht  so  allgemein,  wie  wir  unser  Freund  an- 
wenden. In  der  Anrede  an  einen  weniger  Bekannten  ist  unser: 
guter  Freund  lat.  honus  vir,  vgl.  Sen.  epp.  3,  1.  Doch  ist  klass. 
die  bestrittene  Verbindung  amicus  animus,  vgl.  neben  Hör.  od.  4, 
7,  19  besonders  Cic.  Sest.  121,  prov.  cons.  41;  amicissimus  animus 
steht  Cic.  Phil.  7,  5  und  Plane.  100;  auch  noch  Curt.  4,  11,  4, 
wo  ab  amico  animo  =  (von  einer  lieben  Seele)  von  einem  guten 
Freunde    ist ;    vgl.  Weinhold    z.  St.     Amicus  wird    verbunden    mit 


Amissus  —     157     —  Amittere 

dem  Genitiv  und  Dativ,  je  nachdem  die  substantivische  oder 
adjektivische  Bedeutung  überwiegt;  N.  L.  oder  D.  L.  mit  cum; 
z.  B.  nie  est  cum  fratre  tiio  amicus,  er  ist  mit  deinem  Br.  he- 
freundet,  gut  Freund  mit  deinem  Br.,  für  fratris  tui  oder  fratri 
tuo.  Wenn  wir  das  Wort  gut  zur  Verstärkung  hinzusetzen,  so 
kann  es  nicht  durch  l)0)ms  übersetzt  werden,  sondern  bleibt  ent- 
weder weg,  oder  man  wählt  den  Superlativ  amicissimus,  der  beste 
Freund,  oder  familiariter  amicus,  nicht  amicus  optimus,  indem  honus 
mehr  den  treuen  Freund  bezeichnet,  Nep.  Themist.  9,  4.  Man  sagt 
auch  nicht  magnus  amicus  in  der  gewöhnlichen  Bedeutung  unseres 
grosser  Freund,  da  magnus  amicus  vielmehr  einen  mächtigen,  viel 
vermögenden  Freund  bedeutet,  wie  z.  B.  Curius  den  Cicero  ad  fam. 

7,  29  amice  magne  anredet,  vgl.  Soph.  Aias  1331  cpiXo<i  fiifccFzog, 
Philoct.  586,  sowie  Cic.  Sest.  121.  Bei  den  Komikern  finden  wir 
summus  amicus,  z.  B.  Ter.  Phorm.  35  amicus  summus  meus,  auch 
summus  allein,  z.  B.  Plaut.  Truc.  79  nam  me  fuisse  huic  fateor  summum 
atque  intumum;  vgl.  Spengel  zu  Ter.  Ad.  352.  —  N.  L.  ist  ein  Kom- 
parativ amicitior  für  amicior.  Für  amicior,  inimicior,  familiarior  ist 
noch  zu  beachten,  dass  sie  im  Komparativ  nur  adjektiv.,  also  nur  mit  dem 
Dativ,  commodi  oder  incommodi,  die  Superlative  dagegen  adjekt.  und 
substant.  gebraucht  werden,  also  mihi  amicissimus  oder  meus  amicissi- 
mus, familiarissimus  est,  Cic.  SuU.  49  und  57.  Wenn  Cic.  Phil.  5,  44 
ex  Antoni  amicis,  sed  amiciorihus  libertatis  sagt,  so  hat  das  Streben 
nach  Konzinnität  den  Genitiv  lihertatis  veranlasst.  Inimicissimus 
mit  dem  Dativ,  Quintil.  11,  1,  80  und  mit  Genitiv,  Nep.  Hannib. 
12,  2,  Cic.  Mil.  25.  Unser  deutsches:  mein  lieher  Leser  lässt  sich 
latein.  wörtlich  wiedergeben  durch  amice  lector  nach  Martial.  5,  16, 
2,  sonst  auch  optime  lector,  Apul.  met.  10,  2.  Wisshegieriger  Leser 
ist  studiose  lector,  ibid.  11,  23.  —  P.  L.  aus  dem  Griech.  ist  ami- 
cum  est  mihi  in  der  Bedeutung  es  ist  mir  lieb,  für  mihi  placet,  videtur, 
optatum  est  u.  a. ;  vgl.  Hör.  od.  2,  17,  1. 

Amissus  als  Subst.  der  lY  Dekl.  in  der  Bedeutung  der  Verlust 
bei  Nep.  Ale.  6,  2  ist  aufgegeben;  das  Wort  existiert  also  nicht; 
klass.  sind  das  häufig  vorkommende  a^nissio  und  iactura. 

Amittere  steht  meistens  da,  wo  wir  verlieren  brauchen,  z.  B. 
vitam,  animam,  s.  Sali.  Catil.  58,  21.  Auch  in  der  Bedeutung  sein 
Leben  freiivillig  lassen  findet  sich  vitam  und  animam  amittere,  s. 
Plaut.  Asin.  611,  rhet.  Her.  4,  57;  ebenso  ocidos,  lumina,  ad- 
spectum  u.  a.  N.  L.  aber  ist  amittere  proelium,  pugnam,  ein  Treffen 
verlieren,  für  vinci  oder  inferiorem  discedere  acie,  pugna,  proelio  ; 
animum  amittere,  den  Mut  verlieren,  für  cadere  animo,  deficere  animo , 
aber  mentem  amittere^  den  Verstand  verlieren,  für  mente  capi,  mentem 
alienari  (mens  cdienatur),  ist  nicht  neulat.,  denn  es  steht  bei  Cic. 
har.  resp.  33.  So  heisst  auch  in  Gefahr  sein  den  Kopf  zu  verlieren, 
capitis  periculum  adire  (Cic.  Rose.  Am.  110).  Gut  ist  auch  recep- 
tum  amittere   =   die  Rüchzug slmie    verlieren,    Pomp,    bei   Cic.  Att. 

8,  12,   C.  2;   ebenso   oppidum   amittere  =  an  den  Feind  verlieren, 


Amnestia  —     158     —  Amor 

Caes.  civ.  3,  101,  3;  ebenso  rem  'puhlicam  amittere,  Cic.  Att.  1, 
18,  6  und  9,  5,  2.  Verworfen  wurde  auch  amittere  causam,  litem, 
ehien  Prozess  verlieren,  für  causa  cader e ;  aber  bei  Cic.  (de  orat. 
2,  100)  steht  causam  amittere  und  (Rose.  Com.  10)  litem  amittere. 
Ebenso  causam  perdere  (ebend.)  und  litem  perdere  (de  orat.  1,  167). 
Multum  amittere  in  aliquo  homine,  viel  in  einem  Menschen  (durch 
seinen  Tod  oder  Abgang)  verlieren  sagt  Quintil.  X,  1,  89:  multum 
in  Valerio  Flacco  amisimus;  Cicero  dagegen  schreibt  ad  fam.  10, 
28,  3  magnum  damnum  factum  est  in  Servio. 

Amnestia,  die  Amnestie,  Vergebung  eines  Staatsverhrecliens,  ist 
erst  Sp.  L.,  z.  B.  Oros.  7,  6,  5  illa  praeclara  et  famosa  Atheniensium 
amnestia  und  ohne  Umschreibung  (wie  sie  sich  bei  Yal.  Max.  4, 
1,  ext.  4  findet:  haec  oblivio,  quam  Athenienses  (Grraeci)  djuvT^azcav 
Yocant)  nicht  anzuwenden;  man  gebrauche  dafür  lex  ohlivionis  nach 
Nep.  Thrasyb.  3,  2,  oder  oblivio,  venia  et  oblivio,  abolitio  facti.  So 
Quintil.  9,  2,  97  sub  pacto  abolitionis.  Dafür  auch  oblivio  rerum 
praeteritarum,  Vell.  2,  58,  4.  Umschrieben  wird  jener  Begriff  von 
Nep.  a.  a.  0.  legem  tidit,  ne  quis  ante  actarum  rerum  accu- 
saretur  neve  midtaretur  und  von  Cicero:  omnem  memoriam  dis- 
cordiarum  oblivione  sempiterna  delere,  Phil.  1,  1.  Ygl.  auch  Liv.  3, 
53,  4. 

Anioebaeus,  abivechselnd,  findet  sich  erst  bei  den  späten  Gram- 
matikern als  Kunstwort  zur  Bezeichnung  eines  WecJiselliedes  zweier 
Sänger  in  gleichen  Strophen,  Carmen  amoebaeum,  sonst  aber  nicht ; 
abivechselnd  werde  durch  alternus  u.  ä.  übersetzt. 

Amoenitas  und  amoenus  beschränken  sich  bei  Cicero  und  den 
Bessern  auf  das  Angenehme  und  Liebliche  sinnlicher  Gegenstände 
der  Natur  und  Kunst,  wie  in  Bezug  auf  letzteres  bei  Livius:  cultus 
amoenior,  allzu  zierliche  Kleidung.  N.  Kl.,  was  aber  nicht  nach- 
zuahmen ist,  wird  es  von  geistigen  Dingen  gebraucht,  wie  ingenium 
amoenum  (so  Tac.  ann.  13,  3  über  Seneca),  litterae  amoeniores,  verba 
amoenissima.  So  bei  Gell.,  der  hier  die  alten  Komiker  nachahmt, 
bei  denen  amoenus  nicht  selten  für  amabilis  angewendet  wird,  s. 
Yogel,  Symb.  I,  S.  6.  N.  L.  ist  amoena  fortunaiiiv  laeta,  secunda, 
florentissima  fortuna. 

Amoliri,  fortschaffen  (mit  dem  Nebenbegriff  der  Schwierigkeit), 
in  Prosa  erst  seit  Livius,  N.  Kl.  und  selten,  und  bei  Quintilian  nur 
in  der  Bedeutung  abweisen,  nnde^iegen,  für  refntare;  als  ein  kräftiges 
Wort  ist  es  immerhin  anwendbar.  In  jener  ersten  Bedeutung  braucht 
man  öfter  submovere,  tollere.  Ausdruck  der  Volkssprache  bei  den 
Komikern  ist  se  amoliri,  sich  schieben  =  sich  entferyien,  weggehen, 
für  die  Kl.  abire,  discedere,  vgl.  Lorenz  zu  Plaut.  Pseud.  535,  Meissner 
zu  Ter.  Andr.  707. 

Amor,  der  Liebling,  steht  sowohl  im  Sing,  als  im  Plur.  Ygl. 
über  letzteren  Numerus  Cic.  Attic.  2,  19,  2;  über  den  ersteren  Suet. 
Tit.  1;  Auson.  Caes.  11  und  Eutrop.  7,  21;  vgl.  auch  Kuttner 
S.  27  f.  über  den  Gebrauch  des  Wortes  amor  bei  Properz. 


Amovere  —     159     —  Ampliare 

Ämove7^e,  entfernen^  wird  verbunden  ah  aliqua  re,  von  etwas  iveg 
und  ex  aliqua  re,  aus  etwas  heraus;  für  letzteres  vgl.  Plaut.  Epid. 
279  und  Cic.  Att.  1,  12,  2  ex  istis  locis.  Für  amoto  ludo,  Scherz 
hei  Seite,  was  Horaz  sat.  1,  1,  27  braucht,  sagt  Cicero  remoto  ioco, 
fam.  7,  11,  3. 

ÄmpMhiam,  ein  aus  dem  Griechischen  in  anderer  Bedeutung 
(bei  Varro  r.  r.  3,  10,  1  werden  auch  die  anseres  unter  die  ampliihia 
gerechnet)  erst  Sp.  L.  aufgenommenes  Kunstwort  in  der  Natur- 
geschichte; es  ist,  wie  alle  mit  dem  Griechischen  dfj.(pc  (amphi)  an- 
fangenden, teils  alten,  teils  auch  erst  neueren  Kunstwörter  beizu- 
behalten. Cicero  (nat.  1,  103)  gebraucht  dafür  anceps  hestia,  in 
utraque  sede  vivens. 

Amphihologia,  die  Doppelsinnigkeit,  ist  eine  schlecht  gebildete 
Form  der  spätem  Zeit  für  die  schon  bei  Cicero  und  andern  vor- 
kommende amphiholia  (die  Stellen  siehe  bei  Saalfeld  tens.  s.  v.). 
Übrigens  heisst  es  gut  lateinisch  amhiguitas  (sermonis),  z.  B.  Cic. 
part.  19  ambiguitas  verborum. 

Ampliimacer  (ein  bekannter  Versfuss  —^—)  ist  eine  schlechte 
neue  Form  unserer  Grammatiker  für  das  von  Priscian  gebilligte 
ampJiimacrus,  welcher  Yersfuss  jedoch,  wie  Quintilian  9,  4,  81  sagt, 
häufiger  creticus  genannt  wurde. 

AmpJiitheatralis  wird  nicht  von  dem  gebraucht,  was  die  Ge- 
stalt eines  Amphitheaters  hat,  demselben  gleicht.  Dafür  sage  man: 
aliquid  velut  amphitheatri  oder  tJieatri  efflcit  speciein  und  Adv. :  in 
formam  theatri,  z.  B.  recedere,  theatrali  modo  (in  theatralem  modumj 
inflexus. 

Amphitheatricus  ist  weniger  übliche  Form  für  die  echt  lat. 
amphitheatralis ;  vgl.  Saalfeld  tens.  s.  v. 

Amplexare,  umfassen,  ist  A.  L.  und  Vulg.  L.,  vgl.  Petron.  63,  8 
und  kommt  bei  Cicero  nur  als  Imperativform  amplexato  vor,  Cluent. 
124,  s.  Madv.  Opusc.  II,  241,  für  das  gewöhnliche  amplexari  als 
Deponens,  wie  man  klass.  amplecti,  nicht  ampledere  sagt;  vgl.  Koff- 
mane  lex.  s.  v.  und  besonders  Neue- Wagener ^  III,  S.  77,  sowie 
Thes.  s.  V.,  der  Cic.  Cluent.  124  amplexator  liest  mit  Hinweis  auf 
dom.  81.  Dass  amplecti  ist  =  „einmalig  umarmen",  aber  amplexari 
„mit  Yorliebe",  vgl.  Seyff.  Prog.  8,  79  und  Tegge  S.  173. 

Ampliare  ist  in  der  Bedeutung  ertueitern,  vergrössern  in  Prosa 
erst  im  silbernen  Latein  nach  dem  Vorgange  des  b.  Hisp.  42,  Hör. 
sat.  1,  4,  32  und  Augustus  im  mon.  Ancyr.  üblich  geworden,  klassisch 
sagt  man  amflificare;  Kl.  dagegen  ist  es  in  der  gerichtlichen  Be- 
deutung die  Entscheidung  aufschiehen,  und  zwar  sagt  man  sowohl 
hominem  als  causam  amp)liare;  letzteres  ist  die  Grundbedeutung,  an 
welche  sich  erst  die  zweite  vergrössern  (eig.  amplare)  angeschlossen 
hat.  Ygl.  die  Erklärung  von  Tegge  S.  55,  wonach  ampliare  von 
ampliiis  sc.  cognoscendum  esse  sich  herleitet;  ganz  besonders  aber 
von  Wölfflin  im  Archiv  YIII,  412  u.  IX,  10,  sowie  Epigr.  Beitr. 
II,  S.  169,  von  Flemisch  S.  5  und  Leipold  S.  48  (nicht  selten  bei  Ict.). 


Ampliter  —     160     —  An 

Amj)liter^  Adv.,  A.  L.  bei  Plautus  und  dann  wieder  bei  den 
Archaisten  Apul.  und  Gellius,  veraltet  für  das  Kl.  am^ple ;  es  durfte 
von  dem  Ciceronianer  Bembus  (epist.  YIII,  3),  der  quamprimum 
quamqiie  amjMer  schrieb,  nicht  gebraucht  werden. 

Ämpliiis.  Es  wird  im  N.  L.  in  negativen  Sätzen  mit  niM 
mehr,  nirgends  mehr,  nie  mehr  ohne  ein  folgendes  als  falsch  gebraucht, 
indem  man  sagt:  non,  nusquam,  nunqiiam  amplius,  wo  KL  iam  steht; 
z.  B.  damals  gab  es  yiirgeyids  mehr  königliche  Prinzen.,  iam  nusquam 
erant  (Cic.  Plane.  59),  nicht  misquam  amplius.  Etwas  anderes  ist 
non  amplius  in  der  Bedeutung  yiicht  weiter,  nicht  länger  in  Bezug 
auf  ein  vorausgehendes  Tun,  z.  B.  Cic.  de  or.  1,  74:  non  luctabor 
tecum  amplius.  —  Wie  Livius  nihil  aliud  quam  gebraucht  Sueton 
auch  yiihü  amplius  quam  =  nur,  vgl.  Freund  S.  52. 

Amussis.,  das  Senkblei,  die  Stellwage,  das  Richtscheit,  ist  ein 
altes  aus  dem  Griechischen  herübergenommenes  Kunstwort;  aber  ad 
amussim  und  examussim  in  der  Bedeutung  genau,  für  accurate,  exacte 
findet  sich  nur  bei  Plaut.,  Yarro  und  den  Archaisten,  vgl.  Lorenz 
zu  Plaut.  Most.  102,  und  ist  nicht  nachzuahmen. 

An  —  an  im  Sinne  von  utrum  —  an  ist  dichterisch  und 
nachklassisch,  z.  B.  Ovid  met.  10,  254;  Celsus  75,  Plin.  nat. 
35,  59;  an  manchen  Stellen  wird  man  jedoch  weniger  an  eine 
disjunktive  Frage,  als  vielmehr  an  eine  Wiederholung  des  an 
(anaphorisches  an)  zu  denken  haben,  vgl.  meine  Syntax^  §  273, 
Wolff  S.  35,  Maier  S.  18,  Paucker  Z.  f.  ö.  G.  1883,  S.  338  (letztere 
für  Sp.  L.).  N.  L.  ist  an  mit  folgendem  necne,  welcher  Gebrauch 
auf  falscher  Auffassung  oder  schlechten  Lesarten,  jetzt  aus  Hand- 
schriften geänderter  Stellen  Ciceros  (Caec.  31  und  Catil.  2,  13,  vgl. 
dazu  Reisig-Haase  §  278,  Gutsche  S.  35)  und  Horazens,  vgl.  Fritz- 
sche  zu  sat.  1,  4,  124  beruht.  Nicht  N.  L.,  aber  Sp.  L.  ist  an  .  .  . 
an  7iecne,  z.  B.  Tert.  adv.  Jud.  6  quaerendum  an  iam  venerit  an 
necne,  auch  an  necne  ohne  erstes  an,  z.  B.  Lucif.  de  reg.  apost.  1; 
vgl.  Hartel  im  Archiv  III,  S.  14.  Man  sage  daher  nicht: 
ignoro,  an  illud  —  sit  necne,  für  ignoro,  illudne  (utrum  illud) 
sit  necne.  Das  bisher  als  N.  L.  verworfene  aii  —  sive, 
an  —  vel  und  an  —  aut  ist  nunmehr  aus  Sp.  L.  Schriftstellern 
erwiesen,  vgl.  Thes.  11,  S.  9,  58  ff.  —  Wenn  Zumpt  (Gramm. 
§  353  und  zu  Cic.  Verr.  4,  27)  zweifelt,  ob  an  in  der  einfachen 
abhängigen  Frage  Kl.  sei,  so  wird  er  damit  für  den  Sprach- 
gebrauch Ciceros  im  Rechte  sein,  vgl.  darüber  C.  F.  W.  Müller  ed. 
Cic.  II,  I,  S.  XCIII,  Schwab.  Philol.  XXX,  S.  318  sq.,  Gutsche 
S.  35,  meine  Syntax^  §  272.  Der  Thes.  zitiert  zwar  noch  für  quaero 
ayi  aus  Cicero  Verr.  5,  27  (=  4,  27);  aber  an  dieser  Stelle  ist  an 
aufgegeben,  vgl.  Gutsche  S.  35  u.  C.  F.W.Müller  S.  XCIII;  ferner 
zitiert  er  Cael.  bei  Cic.  epist.  8,  8,  1;  aber  hier  steht  die  Lesart 
nicht  fest;  C.  F.W.  Müller  liest  quaeris,  qua  in  causa.  Unrichtig 
ist,  dass  Cicero  nach  non  ciiro  einen  Satz  mit  an  folgen  lasse  ;  Phil. 
13,  33  vivat  an  mortuus  sit,  quis  seit  aut  curat  steht  an  im  zweiten 


An  —     161     —  An 

Teile  einer  Doppelfrage;  ebenso  unrichtig  ist,  dass  Cic.  or.  205  ex- 
pUcandum  est  an  schreibt;  an  hängt  hier  von  quaesitum  est  ab  und 
bedeutet  oder^  vgl.  Piderit  zur  Stelle.  Richtig  ist  jedoch  als  klassisch 
notiert  vide  an  in  frg.  orat.  A.  XIII  7  (S.  273,  8  Müller);  vide  an 
ist  synonym  mit  nescio  an.  Allein  bei  Livius  steht  an  doch  öfter  so, 
s.  Weissenborn  zu  Liv.  31,  48,  6,  und  von  da  ab  überwiegt  an  in 
der  einfachen  abhängigen  Frage,  während  num  immer  mehr  zurück- 
tritt. —  Nach  vorausgeschickter  allgemeiner  Frage  führt  die  nach- 
folgende neue,  durch  an  angereihte  Frage  denjenigen  Umstand  an, 
weichen  der  Sprechende  aus  mehreren  Möglichkeiten  besonders  her- 
vorheben will:  Cur  autem  ea  comitia  habiästif  an  quia  tribiinus 
plebis  sinistrum  fulmen  nuntiahatf  Cic.  Phil.  2,  99  und:  Quo  me 
teste  convincasf  an  cliirograplio'^  ebendas.  2,  8  und  ebendas.  100 
und  110.  Sodann  steht  an  auch  —  s.  Meissner  zu  Cic.  Tusc.  1,  87  — 
zur  Widerlegung  einer  ausgesprochenen  fremden  Ansicht,  wie  bei 
Cic.  Phil.  2,  38 :  at  vero  Cn.  Fompei  voluntatem  a  me  ahalienahat 
oratio  mea.  An  ille  quemqitam  plus  dilexit  f  =  non  recte  isti  dicunt 
—  an,  und  fam.  2,  16,  5:  nam  qitod  rogaSy  ut  respiciam  generuni 
meum  adulescentem  optimum,  an  duhitas,  qui  scias  quanti  cum  illumy 
tum  vero  Tulliam  meam  faciam  ?  =  non  est  quod  roges,  an.  —  An 
als  disjunktive  Partikel  (z.  B. :  qua^n  orationem  Cato  in  origiyies  suas 
rettulit  j^cmcis  anteqnam  mortaus  est  diehus  an  mensihuSy  Cic.  Brut. 
89)  ist  nicht  gerade  selten;  über  die  Yerbreitung  dieses  Gebrauches 
und  dessen  Erklärung  vgl.  meine  Syntax^  §  225,  Nipp,  zu  Tac.  ann. 
1,  13,  Heraus  zu  Tac.  bist.  1,  7,  Grudeman  zu  Tac.  dial.  S.  159.  — 
Über  dithito  an  und  nescio  oder  liaud  scio  an  mit  einem  einzelnen 
folgenden  Satze  wird  nachher  unter  did)ito  die  Rede  sein.  —  Nach 
den  Verben  des  JJherlegens,  Versuchens,  Erwartens  entspricht  dem 
deutschen  oh  die  Konjunktion  si;  dieser  Gebrauch  ist  klass.,  z.  B. 
Cic.  div.  2,  26  experiamury  si  possimus ;  Caes.  Gall.  2,  9,  1  lianc 
(paludem)  si  nostri  transirent,  Jiostes  exspectahayit ;  oft  liegt  der  Be- 
griff der  Erwartung  im  Zusammenhang,  z.  B.  in  der  Abschiedsformel 
bei  Cic.  fam.  3,  9,  2  te  adeunt  fere  omyies,  si  quid  velis;  vgl.  auch 
noch  Hör.  sat.  2,  5,  86  cadaver  unctum  tidit  lieres,  scüicet  elahi  si 
posset  mortua,  und  Fritzsche  z.  St.;  so  verhält  es  sich  in  Sätzen 
wie:  ich  öffnete  das  Packet,  oh  etwa  ein  Brief  an  mich  darin  läge, 
si  quid  ad  me  esset  litterarum.  Im  letzteren  Falle  ist  ein  Fragewort 
wie  num  unlateinisch,  während  nach  experiri  und  exspectare  im 
N.  Kl.  an  folgen  kann,  z.  B,  Yal.  Max.  2,  2,  4  experiri  volui,  an 
scires  coyisidem  agere,  klass.  aber  nach  experiri  nur  ein  disjunktiver 
Fragesatz,  z.  B.  Cic.  Verr.  1,  24  ut  experiar,  utrum  ille  ferat  mo- 
lestius  me  tunc  tacuisse  an  nuyic  möglich  ist.  Einen  Fragesatz  mit 
ne,  num  wüsste  ich  nicht  aus  Cic.  und  Caes.  zu  belegen.  Ygl.  über 
an  noch  Hands  Tursellinus  I  S.  296 — 361,  Reisig -Haase  S.  307, 
Seyffert  seh.  lat.  I  S.  110  und  114;  Hinze  Diss.  Halle  1887,  Skutsch 
Jahrb.  Phil.  Suppl.  27  S.  105,  Olbricht  Diss.  Halle  1883,  für 
Cicero  noch  Gutsche  S.  26  ff. 

Krebs-Schmalz,  Antibarbarns  I.  11 


Anabaptismus  —     162     —  Ancora 

Ayicibaptismus,  die  Wiedertaiife,  muss  als  ein  neues  spätlat.  Wort 
(Augustin.  enarr.  psalm.  38,  Saalfeld  tens.  s.  v.,  der  Thes.  hat  das 
Wort  nicht)  für  eine  neue  Idee,  sowie  alle  anderen  späteren  und 
neueren,  mit  dem  griechischen  äva  (ana)  anfangenden  Wörter,  da 
sie  meistens  Kunstwörter  sind,  in  Ermangelung  klassischer  oder 
erträglich  lateinischer  Wörter  beibehalten  werden,  ebenso  anabaptistes. 
Yon  der  Art  sind  z.  B.  cmachronismus^  analecta,  anabasis  u.  a. 

Änagnostes  ist  in  der  Bedeutung  Dolmetscher  N.  L.  und  ver- 
werflich für  interpres.  Auch  in  der  Bedeutung  Vorleser  werde  es 
nicht  von  jedem  gebraucht,  wofür  lector  da  ist  (Cic.  de  or.  1,  136 ; 

2,  223),  indem  Cicero  und  andere  nur  die  zum  Vorlesen  bestimmten 
Sklaven  nach  griechischer  Art  so  zu  nennen  pflegen,  vgl.  Cic.  Att. 
1,  12,  4,  Nep.  Att.  14,  1,  Yatinius  bei  Cic.  fam.  5,  9,  2,  dazu  vgl. 
Progr.  Mannheim  1881  S.  33  (Thes.  II  S.  15,  23  unrichtig  Cic. 
epist.  5,  9,  2). 

Änalogia.  Nach  Quint.  1,  6,  3  fing  man  zwar  zu  seiner  Zeit 
an,  nach  dem  Vorgange  Ciceros  dafür  proporüo  zu  brauchen,  vgl.  Cic. 
Tim.  13,  Nägelsb. -Müller^  S.  37,  aber  da  es  den  Begriff  des  grie- 
chischen Wortes  nicht  erschöpfte,  behielt  man  jenes  auch  später  bei, 
weil  man  die  Autorität  Varros,  Julius  Cäsars  u.  a.  im  Gebrauche 
des  Wortes  für  sich  hatte ;  vgl.  Saalfeld  tensaurus  s.  v.,  Thes.  II 
S.  15  u.  16. 

Anapaesticus ,  a^  tim,^  Sp).  L.  Form  für  die  bessere  KL  ana- 
paestus,  a,  um;  daher  bedeutet  anapaesUis  (seil,  pes)  den  Versfuss 
^^-,  z.  B.  Cic.  orat.  190,  und  anapaeshim  (seil.  Carmen)  ein  aus 
Anapästen  gebildetes  Gedicht,  z.  B.  Cic.  Tusc.  3,  57;  vgl.  Saalfeld 
im  tensaurus  s.  v.,  Thes.  II  S.  17. 

Ayiatomus,  der  Anatom,  ist  erst  N.  L.  für  das  freilich  Sp.  L. 
(Macrob.  Ammian  August.)  Wort  anatomicus  (seil,  medicus).  Wunder- 
bar ist,  dass  anatomia  (zwar  nur  erst  Sjh  L.)  üblich  war,  wiewohl 
die  Griechen  es  nicht  so,  sondern  anatome  {dvazofjtvj)  nannten,  vgl. 
Saalfeld  tensaurus  s.  v.  Lateinisch  hiess  es  corporum  apertio,  Cael. 
Aur.  acut.  1,  8,  57,  und  Cicero  nennt  ac.  2,  122  das  Anatomieren 
Corpora  aperire,  Celsus  aber  corpora  incidere. 

Ancilla  (bei  den  Komikern  das  gewöhnliche  Femin.  zu  servus, 
weit  seltener  serva,  s.  Lorenz  zu  Mil.  787;  auch  Cic.  off.  1,  113 
stellt  servoriün  ancillarumqiie  zusammen)  hat  nirgends,  auch  nicht 
Sp.  L.,  im  Dat.  und  Abi.  Plur.  —  wie  natürlich  bisweilen  se^'va 
im  Interesse  der  Differenzierung  mit  servus,  —  ancülabus. 

Ancora,    der   A^iker.      Vor  Anker   liegen  ist  lat.  bei  Caes.  civ. 

3,  102,  4  ad  ancoram  constitisse,  3,  28,  1  in  ancoris  constitisse; 
aijer  bei  Liv.  32,  32,  12  in  ancoris  stare,  Liv.  25,  25,  \\  ad  an- 
coram stare.  Dafür  reicht  auch  stare  allein  in  Verbindung  mit  einer 
Örtlichkeit  aus;  wie:  classis  stat  Bliegii,  Liv.  26,  39,  2  (vgl.  Frieders- 
dorff  z.  St.)  und  27,  30,  11:  classem  stare  ad  Naupactum ;  vgl.  auch 
Liv.  32,  19,  3  und  36,  43,  2.  Sp.  L.  ist  in  ancoris  esse.  —  In  guter 
Prosa   ist  ancora   in  übertragenem  Sinne  wie:   Ayiker  der  Hoffnung 


Anfractum  —      163     —  Angustla 

nicht  üblich  für  sj^es^  suhsidmniy  solatiitm  u,  dgl. ;  jedoch  Sp.  L. 
bei  Aug.  40,  680  M.  7iec  desit  cmchora  spes  nostrae  scdiitis  erscheint 
der  Anker  als  Sinnbild  der  Hoffnung,  vgl.  ausserdem  noch  Sedulius 
12,  4,  Huemer :  auctoritatis  ancora.  Ob  ancoras  soJvere  oder  tollere 
zu  sagen  sei,  vgl.  Solvere. 

Anfractum^  die  Krümmung^  Biegung,  Ä.  L.  und  Sp.  L.  für  das 
Kl.  anfradus ;  letzteres  steht  klass.  auch  übertragen,  z.  B.  Cic.  div. 
2,  127  quid  opus  est  ciramiitione  et  anfractu. 

Angere,  ängstigen.  Im  gewöhnlichen  Gebrauch  sind  davon  nur 
Praes.  und  Imperf.  Doch  das  Perf.  anxi  findet  sich  bei  Gell.  1,  3,  8, 
das  Sup.  anctmn  nur  bei  Prise,  ohne  Beleg,  das  Part,  andus  bei 
Paul.  Diac.  S-  29,  8,  Glossar.  Labb.  S.  12  (c),  vgl.  Koffmane  lex.  s.  v. 
Neue-Wagener^  III  S.  402  und  S.  543,  Thes.  II  S.  48. 

Anglas,  der  Engländer,  und  Anglia,  England,  finden  sich  erst 
8p.  L.,  z.  B.  bei  Greg.  M.  epist.  6,  7  piieros  Anglos  und  so  öfters, 
dann  ib.  11,  1155  in  Anglia;  ferner  bei  Beda  Venerabilis  Hist.  eccl. 
Anglorum,  z.  B.  2,  1. 

Angulidus,  das  Winkelchen,  Eckchen,  ist  falsche  Form  für  an- 
gellus,  welches  letztere  bei  Lucr.  2,  426  und  Sp).  L.  bei  Arn  ob.  nat. 
7,  49  steht. 

Angidus,  der  Winkel,  ist  Kl.,  aber  bezweifelt  wurde  latere  in 
angido  für  occidto,  occidte.  Es  hat  aber  die  Autorität  von  Sen.,  nur 
dass  er  nicht  latere,  sondern  iacere  in  angido  hat,  ad  Pol.  de  cons. 
6,  4,  während  latere  sich  bei  Just.  40,  2,  3  findet:  in  angido  Ciliciae 
latere;  vgl.  noch  Lampr.  Heliog.  14,  6  in  angidum  se  condit. 

Angustare  findet  sich  zuerst  bei  CatuU,  in  Prosa  nicht  vor  Sen. 
phil.  und  Plin.  mai.  Man  meide  es  durchaus  und  brauche  dafür  die 
Kl.  Umschreibungen  in  angustum  adducere  oder  condudere,  auch 
contr allere,  minuere,  angustum  facere.  Ygl.  für  derartige  von  Ad- 
jektiven gebildete  Verba  auf  are,  wie  salvare,  tardare  u.  ä.  Wölff- 
lin  Cass.  Fei.  S.  415  f.  Das  Verb  angustiare  =  ängstigen  ist  nicht 
selten  in  der  Yulg.,  vgl.  Rönsch  Coli.  Phil.  S.  284. 

Angustia.  Für  diesen  Singular  kennt  man  bis  jetzt  aus  der 
guten  Latinität  nur  sehr  wenige  Stellen  und  zwar  bei  Cic.  nat. 
deor.  2,  20,  wo  er  die  Kürze  und  Gedrängtheit  der  Rede  an- 
gustiam  conclusae  orationis  nennt,  Yitr.  5,  3,  6  und  bei  Plin.  nat. 
14,  61  von  einem  engen,  kleinen  Räume;  vgl.  Sali.  Hist.  4,  26  M., 
Tac.  ann.  4,  72  und  dazu  Nipp.,  Dial.  8  u.  dazu  Gudeman,  Apul. 
Met.  10,  26,  Yict.  Yit.  2,  31  P. ;  noch  mehr  Stellen  aus  dem  Sp.  L. 
haben  Neue -Wagener^  I  S.  690.  In  gewöhnlichem  Gebrauche  war  zu 
allen  Zeiten  der  Plur.  angustiae  in  mancherlei  Yerbindungen  und 
Bedeutungen  üblich,  z.  B.  angustiae  temporis  in  der  Bedeutung  le- 
denklidie  Zeit,  vgl.  Cic.  de  or.  1,  3;  3,  226;  man  vermeide  den 
Singular.  Yerworfen  wird  angustiae  ayiimi  in  der  Bedeutung  Angst, 
Angstlidikeit,  welcher  Begriff  nicht  darin  liegt,  so  wenig,  wie  in 
dem  vorhergehenden  angustare;  indes  lässt  das  wohl  direkt  aus  an- 
gustia entstandene  Yerbum  angustiare  =  ängstigen  auf  ein  angustia 


Angustus  —     164     —  Anima 

in  diesem  Sinne  schliessen;  vgl.  s.  v.  Angustm^e.  Kl.  ist  angicstiae 
animi  sowie  ayigustiae  iKctoris  =  Besdiränhtheit,  Engherzigkeit^ 
vgl.  Cic.  nat.  deor.  1,  88  und  Pis.  24. 

Angusüis^  eng,  schmal  u.  s.  w.  Es  wird  Kl.  auch  von  einem 
Worte  gebraucht,  so  dass  man  sagt  angustius  valet  in  der  Bedeutung: 
es  hat  einen  engern,  eingeschränktem  Gehrauch,  ist  im  GehraucJie 
eingeschränkter  (vgl.  Cic.  Tusc.  3,  16),  wie  sonst  im  entgegen- 
gesetzten Sinne:  es  hat  lueitern  Umfang,  ist  im  Gebrauche  aus- 
gedehnter, latius  patet  (Cic.  Tusc.  3,  11).  Und  so  kann  auch  wohl 
richtig  unser  eine  enge  (engere)  Definition  von  eticas  gehen  übersetzt 
werden  durch  aliquant  rem  angnste  (angustius)  definire  oder  termi- 
nare  bei  Quintil.  9,  1,  14;  vgl.  auch  Cic.  Mur.  28  tarn  anguste  scrip- 
tum est"  u.  dazu  Landgraf.  Jedoch  hüte  man  sich  vor  der  von 
Neuern  oft  gebrauchten  Redensart  angustiore  sensu,  im  engern  Sinne, 
wofür  jenes  qitod  angustius  valet,  oder  quod  proprie  vereque  dicitur 
(Cic.  off.  3,  9)  anzuwenden  ist,  vgl.  Latus.  In  die  Enge,  d.  h.  in 
Verlegenheit  kommen  kann  lat.  ganz  wörtlich  gegeben  werden:  in 
a7igustum  venire,  Cic.  Plane.  54;  die  Folge  davon  ist  angustius  se 
hahere,  Cic.  Tusc.  5,  87.  Angustus  bedeutet  bekanntlich  bei  ent- 
sprechendem Zusätze,  wie  z.  B.  j)ro  multitudine  hominum,  schon  im 
Positiv  nicht  selten  zu  enge,  vgl.  Kraner-Dittenberger  zu  Caes.  Gall. 
1,  2,  5,  aber  gar  zu  enge,  allzuenge,  absolut  gesagt,  ist  auch  lat. 
nimis  angustus  wie:  quihus  nimium  angustus  orhis  terrarum  esse 
videatur,  Cic.  agr.  2,  37.  Über  die  Adj.,  welche  im  Positiv  kom- 
parativische Bedeutung  annehmen  können,  wie  z.  B.  exiguus,  diffl- 
cilis,  mollis,  asper,  arduus,  serus,  vgl.  die  interessante  Darlegung 
von  Anton  in  Z.  f.  Gymn.  1887,  S.  558. 

Anhelare  wird  im  bildlichen  Sinne  mit  einem  Objekte  im  Accus. 
(aliquid)  verbunden,  nach  etwas  schnauheji,  lechzen,  z.  B.  scelus, 
crudelitatem,  Cic.  Cat.  2,  1;  rhet.  Her.  4,  68;  Sp.  L.  bei  L. 
Ampel,  lib.  mem.  2,  6  cayiis  post  aquam  anhelans  in  pnteum  se 
proiecit,  vgl.  Sorn  Ampel.  S.  7,  Zink  S.  44  (der  Thes.  zitiert  jedoch 
canis,  aquam  anhelans  II  S.  67,  44),  und  mit  ad  aliquid  von  etwas 
Gutem,  vgl.  Aug.  vit.  erem.  1  ad  Chj'isti  anhelarent  et  suspirarent 
amplexum.  Sp.  L.  ist  auch  anlielare  mit  Infinitiv,  z.  B.  Aug.  man. 
30  anhelat  videre  te. 

Anima  bedeutet  zunächst  die  Seele  als  Prinzip)  des  Lehens, 
Lehenshauch,  vgl.  Nonius  426  animus  est,  quo  sajnnius,  anima, 
qua  vivimus.  Auf  diese  Bedeutung  des  Wortes  beziehen  sich  die 
Redensarten  animam  efßare,  das  Lehen  aushauchen,  sterhen,  Cic. 
Mil.  48,  animam  amittere  =  sein  Lehen  verlieren.  Sali.  Cat.  58, 
21,  animam  agere,  am  Sterhen,  in  den  letzten  Zügen  liegen,  Cic. 
Tusc.  1,  19  u.  dgl.  Ebenso  wird  anima  =  lebendes  Wesen  wie 
unser  Seele  im  lobenden  oder  tadelnden  Sinne  gebraucht,  wie  Cicero 
seine  Familie  anredet:  vos  meae  carissimae  animae,  fam.  14,  14,  2; 
vgl.  ferner  Yerg.  Aen.  11,  372  nos  animae  viles  sternamur  campis 
und  Tac.  bist.  4,    32  vos  Treveri   et  ceterae   servientium  animae  ■== 


Animadversio  —     165     —  Animadversio 

lind  alV  ihr  andern  Sklavenseelen,  wo  animi  nicht  wohl  gebraucht 
werden  konnte.  Weiter  bezeichnet  anima  bei  Sali,  im  Gregensatz 
zu  corpus  das  ganze  seelische  Lehen  überhaupt,  s.  Catil.  2,  8  u.  dazu 
Fabri  und  Jug.  2,  1,  und  ebenso  spricht  Tac.  ann.  16,  19  de  im- 
mortalitate  animae  und  sagt  mar/nae  animae  (gleichfalls  im  Gregen- 
satz) im  Agric.  46.  init.  So  sagt  auch  Quintil.  5,  14  10:  anima 
imniortalis  est  und  ebenso  7,  4,  1.  Denselben  Sinn  von  anima  hat 
Caesar  im  Auge,  wenn  er  Gall.  6,  14,  5  von  den  Druiden  sagt: 
docent  non  inteynre  animas  (wie  der  Körper),  und  selbst  Cicero  sagt: 
anima  rationis  consiliique  'particeiis,  nat.  deor.  1,  87.  Im  Gegensatz 
nun  zu  anima  bedeutet  cmimiis  die  Seele  als  das  empfindende,  be- 
gehrende und  denkende  Prinzip)  und  bildete,  wie  anima,  auch  den 
Gegensatz  zu  corpus,  nur  mit  dem  Unterschied,  dass  animus  in  diesem 
Fall  viel  häufiger  ist,  als  anima,  daher  die  unsteyMiche  Seele,  die 
Unsterblichkeit  der  Seele  bei  Cicero  stets  durch  immortales  animi, 
immortalitas  animorum  ausgedrückt  ist;  sen.  82  u.  78.  In  dem  tro- 
pischen Sinn:  die  Seele  von  etivas  sein,  sagt  man  vis  ac  potestas  rei, 
rerum  est  penes  aliquem,  Tac.  bist.  2,  39,  oder  vis  consiliorum  est 
penes  aliquem;  auch  kann  cajnit  verwendet  werden,  vgl.  s.  v.  Caput. 
Vgl.  noch  Keisig-Haase-Heerdegen  S.  75. 

Animadversio  hängt  mit  animi  adversio,  die  Richtung  des  Geistes 
genau  zusammen  und  hat  daher  auch  meistens  in  mit  dem  Accus. 
bei  sich,  so  namentlich  wenn  es  bedeutet  Tadel,  Bestrafung,  Ahn- 
dung —  iyi  aliquem,  z.  B.  in  servos,  in  cives,  z.  B.  Liv.  21,  18,  7 
nostra  animadversio  in  civem  nostrum  est,  wogegen  im  Genitiv  die 
tadelnde,  strafende  Person  liegt,  z.  B.  Cic.  off.  3,  111  a.  censormn 
und  entsprechend  Cic.  S.  Rose.  68  a.  paterna.  Jedoch  setzt  Cicero 
(Cluent.  128)  auch  den  Genitiv  statt  in  c.  Accus. :  in  iudicio  civium 
et  in  animadversione  vitiorum.  Veranlasst  ist  der  Gen.  durch  die 
Rücksicht  auf  das  unmittelbar  vorangegangene:  in  iudicio  civium, 
und  zweitens  wäre  es  auch  schon  an  sich  sehr  hart  und  störend  ge- 
wesen zu  sagen:  in  animadversione  in  vitia.  Die  Rücksicht  auf 
Konzinnität  mag  auch  Cic.  Caec.  35  animadversionem  iniuriarum 
den  Gen.  herbeigeführt  haben,  doch  die  Stelle  ist  korrupt.  Im 
Sp.  L.,  z.  B.  bei  Firmic.  Mat.,  überwiegt  animadversio  über  alle 
Wörter,  die  „Strafe"  bedeuten,  vgl.  Drossel  S.  11  (und  doch  er- 
wähnt der  Thes.  nicht  Firm.  Mat.  s.  v.  animadversio,  bringt  auch 
keine  Stelle  aus  ihm  für  animadverto,  trotzdem  er  II  S.  74,  45 
s.  V.  animadverto  sagt:  pro  puniendo  deamat  Firm.  Mat.).  —  Mit 
Recht  wird  es  aber  jetzt  allgemein  in  der  Bedeutung  einer  erklären- 
den Anmerkung  zu  etwas  Geschriebenem  oder  Gesagtem  verworfen, 
da  es  ohne  alte  Autorität  und  selbst  gegen  den  Sprachgebrauch  ist, 
nach  welchem  animadversio  ausser  der  Bedeutung  Wahrnehmung  und 
Beachtung  nur  noch  die  eben  berührte  der  sittlichen  Bilge  der  Cen- 
soren  und  der  Ahidung  und  Bestrafung  hat.  Das  Wort  ist  den 
Gelehrten  heutzutage  in  jener  neuen  Bedeutung  einer  erklärenden 
Anmerkung     oder     überhaupt     einer    Bemerkung    zu    etwas    ganz 


Animadversura  —     166     —  Animadvertere 

gewöhnlicli,  was  die  vielen  Bücher  zeigen,  welche  den  Namen 
Animadversiones  in  aliquem  lihriim,  in  scriptores  u.  s.  w.  führen. 
Man  brauche  in  jenem  Sinne  explicatio,  interpretatio,  explanatio, 
annotatio,  und  als  Verba  ayinotare,  explicare,  inte^yretari,  explanare; 
jedenfalls  lässt  sich  aus  Yitr.  2,  9,  17  secßdtnr  animadversio  quid 
ita  .  .  ahies  deterior  est  keine  Berechtigung  herleiten. 

Animadversum  kommt  als  Subst.  in  der  Bedeutung  heiehrende 
Bemerkung  nirgends  vor;  unlateinisch  hat  also  Hadr.  Junius  seinen 
Büchern  gelehrter  Anmerkungen  den  Titel  lihri  animadversorum  ge- 
geben. Indes  kann  animadversum,  wenn  auch  nicht  als  reiner  Sub- 
stantivbegrifip,  zur  Umschreibung  unseres  Wortes  Beobachtung,  z.  B. 
von  Naturerschein uDgen,  dienen,  lllud  vero  ah  Aristotele  animad- 
versum (=  die  von  Aristoteles  wahrgenommene  Tatsache,  Schö- 
mann  z.  St.),  a  quo  pleraque,  quis  potest  non  mirari  f  Cic.  nat.  deor. 
2,  125. 

Animadvertere  ist  gleich  mit  animum  advertere  (vgl.  darüber 
meine  Bemerkung  in  Z.  f.  G.W.  1881  S.  132  und  die  dort  zusammen- 
gestellte Literatur) ;  jenes  wird  aber  nur  verbunden  mit  dem  Accus. 
aliquid,  etwas  ivahrnehmen,  rügen,  tadeln;  erst  bei  Gell.  7  (6)  2,  2 
steht  es  in  Prosa  mit  der  Präposition  ad  (ad  ipsiiis  verha  aymnad- 
vertat) ;  an  luem  man  etwas  wahrnimmt,  mit  m  aliquo,  in  aliqua 
re,  aber  tuen  man  rügt,  tadelt  und  straft,  mit  in  aliquem.  Dagegen 
wird  animum  advertere,  seinen  Geist  richten  auf  etwas,  wenn  es  nicht 
absolut  steht,  wie  bei  Dolabella  in  Cic.  fam.  9,  9,  2,  Caes.  Gall.  5, 
18,  2,  zunächst  mit  ad  aliquid  verbunden,  aber  auch  wie  animad- 
vertere mit  dem  blossen  Accus.,  was  Bentley  zu  Cic.  Tusc.  5,  65 
leugnet.  Cicero  z.  B.  sagt  in  der  angeführten  Stelle  animum  adverti 
columellam,  ich  bemerkte  (nahm  ivahr)  eine  kleine  Saide;  Caesar 
Gall.  1,  24,  1:  postquam  id  animum  advertit,  und  4,  12,  6:  cum 
Piso  id  —  procul  animum  advertisset,  —  und  andere  Stellen, 
aus  denen  erhellt,  dass  es  auch  mit  jenem  ganz  gleich  verbunden 
wird.  So  häufig  auch  bei  den  Komikern  und  Sali.,  s.  Kraner  zu 
Caes.  Gall.  1,  24,  1.  Wahrnehmen,  die  Aufmerksamkeit  auf  etwas 
richten,  ist  bei  einem  im  Plural  stehenden  Subjekt  sowohl  animos 
als  anhnum  advertere,  z.  B. :  Tusculanis  negotium  datum,  adverterent 
animos  ne  .  .  .  Liv.  4,  45,  4;  dagegen:  censores  .  .  .  ad  mores 
hominum  regendos  animum  adverterunt,  Liv.  24,  18,  2;  ebenso  bei 
Caes.:  uhi  Caesaris  castra  posita  .  .  .  animum  adverterunt,  civ.  1, 
80,  3  u.  bei  Sali.  Jug.  69,  3  :  uhi  iam  primos  super are  regionem 
castrorum  animum  adverterunt  und  Cic.  off.  2,  68  :  iam  illud  non 
sunt  admonendi  .  .  iit  animum  advertant  (C.  F.  W.  Müller  animad- 
vertant)  u.  Nep.  Epam.  6,  2  animum  advertere  dehere  Arcadas.  Neben 
animadvertere  in  aliquem  =  gegen  jemand  strafend  einschreiten,  kann 
wohl  auch  animum  in  aliquem  advertere  gesagt  werden,  denn  bei 
Cic.  fam.  5,  2,  8  lesen  die  neuesten  Ausgaben,  z.  B.  Mendelssohn, 
C.  F.  W.  Müller  nach  den  Andeutungen  des  Med. :  qui  in  alios  ani- 
mum advertisset   indicta   causa;    Sp.  L.  ist  animadv.  aliquid,    z.  B, 


Animalculum  —     167     —  Animus 

Fronto  S.  207  N.,  sowie  animadvertere  aliqiiem  =  einen  hinrichten^ 
vgl.  Kalb  Roms  Juristen  S.  138,  Watson  S.  311  (Cyprian  hat  vielleicht 
letzteres  zuerst,  meint  Watson:  sollte  er  es  nicht  von  den  gleichzeitigen 
Juristen  haben?).  N.  L.  ist  aber  animadvertere y  wie  oben  animadversio, 
in  der  Bedeutung  etwas  mi'mdlich  oder  schriftlich  hemerkeyi,  zur  Be- 
lehrimg anderer  eine  Ayimerkimg  machen^  anmerhen,  wie  man  es 
jetzt  häufig  so  findet,  z.  B.  ad  illum  locum  haec  Wolfius  animad- 
vertit  für  annotavit,  dociiit,  adscripsit.  Ebenso  wenig  heisst  in  einem 
Briefe,  hei  etiuas  Schriftlichem  noch  dabei  bemerken  —  animadvertere, 
sondern  adscrihere.     Ygl.  Cic.  fam.  1,  9,  4. 

Animalcidum,  das  Tierchen,  N.  L.  und  unnötig,  vielleicht  von 
Muret  gebildet. 

Animare,  Kl.,  beleben,  beseelen;  daher  animatus,  belebt,  beseelt 
bei  Cic.  top.  69  u.  rep.  6,  15.  Sodann  bedeutet  animatus  eben  so 
gut  Kl.  in  eine  geistige  Stimmung  versetzt,  daher  bene,  male  ani- 
matuni  esse  (erga,  in,  adver sus  aliqiiem);  z.  B.  Cic.  fam.  15,  1,  3 
intelleg  ebam  socios  in  firme  animatos  esse.  Dieser  Bedeutung  gehört 
auch  Tac.  Germ.  29  an:  Mattiaci  .  .  .  acrius  animantur  =  werden 
mit  kühnerem  Sinne  erfüllt.  So  heisst  denn  auch  iwobe  animatus 
vorklassisch  bei  Plaut.  Bacch.  942  mutig,  kriegerisch.  Sp.  L.  aber 
ist  animare  (=  eimuntern,  ermutigen)  aliqiiem  ad  aliquid.  Auch 
ad  aliquid  animatum  esse  s.  Macrob.  Somn.  Scip.  1,2,  1  und  Leo  M. 
Serm.  51,  1.  Nur  das  Partie.  Perf.  Pass.  mit  esse  =  gewillt,  ent- 
schlossen sein  mit  dem  Inf.  (aber  nicht  ad!)  hat  schon  die  Autorität 
des  Plaut.  (Truc.  966)  für  sich;  das  bei  Titin.  9  Ribb.  sich  fin- 
dende animare  in,  z.  B.  ita  spurcus  animatur  in  proelium  kommt 
wieder  im  Sp.  L.  vor,  z.  B.  Amm.  19,  11,  2. 

Animitus,  von  Herzen,  findet  sich  nur  bei  einem  späten  Gram- 
matiker Non.  147  für  ex  ayiimo. 

Animositas,  Mut,  Beherztheit,  Spt-  L.  seit  Cyprian  für  animus, 
fortitudo;  vgl.  Gölzer  Hieron.  S.  103,  Schulze  Symm.  S.  34,  Rönsch  It. 
S.  305,  Kretschmann  Sidon.  S.  8,  Archiv  Y  S.  219,  Chruzander 
S.  10,  Regnier  S.  171.  Dagegen  sind  animosus  und  animose  KL  und 
gut,  sowohl  in  der  Bedeutung  mutig,  als  in  der  von  aufgeregt,  heftig. 
Dabei  ist  noch  zu  bemerken,  dass  Adj.  u.  Adverb,  klass.  nur  von 
Menschen  (dem  widerspricht  nicht  Cic.  sen.  72  ut  animosior  etiam 
senectus  sit  quam  adulescentia)^  nicht  von  Taten  gesagt  wird ;  also 
die  mutigsten  Taten  sind  res  maximi  animi,  s.  J.  v.  Gruber  zu  Cic. 
off.  1,  92,  ein  mutiger  Entschluss  consiliiim  magni  et  fortis  animi, 
Cic.  fam.  4,  7,  3,  aber  multo  animosius  Marius  se  gessit,  Yal.  Max.  8, 
2,  3,  und  so  hitzig  darauf  losbieten,  animose  liceri,  Dig.,  vgl.  noch 
Georges  Jahresber.  1886  S.  35.  Der  Superlativ  ist  nicht  klass., 
ihn  hat  nur  Suet.  Caes.  47  animosissime  comparasse,  vgl.  Freund 
S.  49. 

Animus  (vgl.  oben  Anima)  ist  zwar  im  allgemeinen,  als  Gegen- 
satz des  corpus,  die  Seele,  der  Geist,  und  begreift  Verstand^  Willen 
und  Empfindung  in  sich;    aber   bei   strengerer  Unterscheidung  son- 


Animus  —     168     —  Animus 

derte  man  den  Verstand  oder  den  denlienden  Geist  ab  und  bezeich- 
nete diesen  durch  mens  oder  ingeyiium,  und  so  findet  man  mens  und 
animus  einigemal  als  einander  ergänzende  Begriffe  beisammen,  wie 
bei  uns  Geist  und  Gemüt,  Herz  und  Geist.  Gesondert  erscheinen 
sie  in  den  Redensarten  in  animo  habere,  im  Si)ine  haben,  d.  h. 
tuollen,  Willejis  sein,  wo  mens  nicht  gebraucht  wird,  oder  aliquid 
in  animo  habere  bedeutet  auch  etivas  im  Sinn,  in  Gedanken,  im 
Gedächtnis  haben:  habebit  illiid  in  animo  vetiis  iwaeceptum,  Deiim 
esse,  Sen.  de  v.  beat.  15,  5  und  Quintil.  1,  3,  13;  aber  in  mentem 
venire,  in  den  Sinn  kommen,  einfallen,  nicht  in  animum.  Ebenso 
ifidiicere  animum  (so  gewÖhnUch  jjei  Cic.  ohne  in,  vgl.  Seyffert  Pal. 
Cic.^  S.  76,  besonders  aber  Funck  in  N.  Jahrb.  1883  S.  487  ff.),  nicht 
(in)  mentem.  Mut,  Beherztheit  heisst  auch  nie  mens,  sondern  animus, 
sowohl  in  Verbindung  mit  dem  Adjektiv  magnus  oder  bonus,  daher 
immer  bono  animo  esse,  als  auch  ohne  magnus  in  andern  Redensarten, 
wde  animus  ei  accedit,  er  bekommt  Mut,  ivird  mutig,  der  Mut  wächst 
ihm.  Merkwürdig  ist  es,  dass  der  Scharfsinn  nicht  allein  acies 
(acumen)  mentis  oder  ingenii  heisst  —  s.  über  den  Unterschied  von 
acies  und  acumen  ingenii  s.  v.  Acies  —  sondern  auch  acies  animi, 
wie  bei  Cic.  Tusc.  5,  39,  Cato  83.  —  Der  Plural  animi  von  einer 
Person  gebraucht  bedeutet  Fülle  oder  Äusserungen  des  Mutes  und 
zwar  in  gutem  oder  schlechtem  Sinne,  z.  B.  Cic.  Pomp.  66  quae 
civitas  est,  quae  itnius  tribuni  militum  animos  ac  sjnritus  capere 
possitf  (vgl.  Deuerling  zur  St,)^  Cic.  Att.  7,  2,  4  libros  laudando 
animos  mihi  addidisti.  Ist  von  mehreren  Personen  die  Rede,  so  steht 
der  Plural,  z.  B.  Cic.  Flacc.  53  Tralliani  remittant  sinritus,  com- 
j)rima7it  animos  suos;  indessen  ist  auch  der  Singular  nicht  ausge- 
schlossen, z.  B.  Caes.  Gall.  7,  70,  3  praesidio  legionum  addito 
nostris  animus  augetur.  So  kann  überhaupt  animus  von  mehreren 
Personen  gebraucht  w^erden.  wenn  es  in  allgemeiner  abstrakter  Be- 
zeichnung zu  fassen  ist,  wie  z.  B.  Caes.  civ.  2,  34,  6  praeoccupatus 
animus  Attianonim  militum  timore  et  fiiga  nihil  de  resistendo  cogi- 
tdbat  der  Sing,  ayiimus  die  Gemütsverfassung  als  psychischen  Zu- 
stand bezeichnet.  Recht  bezeichnend  ist  Livius  22,  5,  8  tantus  fait 
ardor  animorum,  adeo  intentus  pugnae  animus,  ut ,  .;  vgl.  Seyf- 
fert-Müller  zum  Laelius  S.  75,  Riemann  etudes  S.  57.  Aus  den 
angegebenen  Stellen  erhellt  zugleich  auch,  dass  bei  dem  Namen  der 
Person  sowohl  der  Genit.,  als  der  (häufigere)  Dat.  stehen  kann,  wie 
z.  B.  auch  Liv.  44,  3,  8:  quae  res  accendit  militi  animos  und  mit 
dem  Genit.  ebendas.  2,  47,  4.  Aber  wiewohl  der  Plur.  animi  in 
der  Bedeutung  Mut  bei  mehreren,  z.  B.  bei  milites,  sehr  natürlich 
ist,  so  findet  man  ihn  dabei  doch  nie  im  Eigenschaftsablativ,  nicht 
iis  animis  esse,  einen  solchen  Mut  haben,  sondern  eo  animo  esse. 
Niemals  finden  wir  schliesslich  den  Plural  in  der  Phrase  animum 
induco  (in  animum  induco).  —  Auch  beachte  man  die  im  Latei- 
nischen so  gewöhnliche  Umschreibung  einer  Person  durch  animus, 
wie    animum    commovere,   perturbarc,    off  ender  c,   vincere  u.  dgl.     S. 


Annalis  —     169     —  Anne 

Nägelsbach,  Stil.^  S.  195.  —  Nachklass.  bei  Tac.  Agric.  30  ist 
magnus  mihi  animus  est,  mit  f.  Acc.  und  Infin.  =  ich  habe  grosse 
Hoffnung,  dass,  für  magna  me  spes  tenet.  N.  KL  bei  Sueton.  und 
Quintil.  und  bei  Dichtern  ist  animus  mihi  est  oder  fert  animus  mit 
dem  Inf.,  ich  hahe  Lust,  etwas  zu  tun,  für  das  Kl.  in  animo  haheo 
oder  mihi  est  in  animo;  bei  Suet.  Cal.  56  finden  wir  auch  non  de- 
fuit  plerisque  animus  adoriri,  vgl.  Bagge  S.  98.  Anderer  Art,  weim 
auch  verwandt,  ist  animus  est  in,  z.  B.  Plaut.  Pers.  709  animus 
iam  in  navist  mihi,  im  Geist  hin  ich  schon  auf  dem  Schiffe;  so  auch 
Cic.  Att.  12,  12,  1  est  igitur  animus  in  hortis;  vgl.  Landgraf  B. 
Gymn.  XYI  328.  In  unserer  deutschen  Redensart:  ma7i  zählt  hier 
tausend  Seelen,  passt  im  Lateinischen  weder  animi  noch  animae, 
sondern  ca^ita.  Über  animum  advertere  s.  oben  Animadvertere.  — 
Animi  als  Gen.  oder  als  Lokativ  mit  Adj.,  z.  B.  aeger  animi  ist 
nicht  klass.,  vgl.  Stacey  im  Archiv  X  S.  68  und  unten  s.  v.  Pen- 
dere,  sowie  meine  Syntax^  §  64  Anm.  2. 

Annalis,  jährig,  die  Jahre  betreffend,  wird  auch  ohne  das  Subst. 
liher  in  der  historischen  Bedeutung  Jalirhuch  gebraucht,  wovon 
Geschichtsiverke,  in  einzelne  Jahrbücher  geteilt,  annales  hiessen. 
Man  sagte  aber  in  der  Kl.  Periode  nicht,  wie  man  im  N.  L.  oft 
findet,  liher  primus,  secundus  u.  s.  w.  annalium,  sondern  primus 
annalis,  secundus  annalis  u.  s.  w.  So  Cic.  Brut.  58  in  nono  annali, 
Quint.  6,  3,  86  de  lihro  Ennii  annali  sexto.  Erst  N.  Kl.  bei  Seneca 
und  Sp.  L.  bei  Gellius  ist  der  Genit.  üblich,  z.  B.  Sen.  benef.  3,  23,  2 
in  duovicensimo  annalium.  Übrigens  wird  ausser  diesem  Gebrauche 
und  der  Yerbindung  mit  lex  (ein  die  Jahre  zum  Antritt  von 
Ehrenstellen  bestimmendes  Gesetz)  meistens  dafür  annuus  gebraucht. 
Unser:  die  Jahrbücher  berichten,  melden,  kann  auch  lateinisch  über- 
setzt w^erden  durch  amudes  tradunt,  Liv.  22,  31,  8. 

Annalista  ist  kein  lateinisches  Wort ;  man  sage  dafür  annalium 
scriptor,  auch  nach  Plin.  nat.  13,  84  ayinalium  auctor. 

Annare  und  annatare.  Ygl.  oben  Adnare. 

Anne  ist  nach  Skutsch  aus  atne  hervorgegangen;  es  erscheint 
in  der  diesem  Ursprung  entsprechenden  Bedeutung  z.  B.  Verg.  Aen. 
6,  719  anne  .  .  putayidumst  j^aber  ists  denyi  zu  glauben  f"  Ygl. 
Skutsch  Jahrb.  f.  Phil.  Suppl.  XXYII  105  ff.,  Döhring  im  Archiv 
XI  S.  125,  Norden  zu  Yerg.  Aen.  6,  719.  Es  deckt  sich  in  der 
Bedeutung  und  im  Gebrauche  mit  ayi,  wie  man  utrumne  oft  für 
utrum  findet.  Daher  lesen  wir  bei  Cicero  neben  utrum  —  an  auch 
utrum  —  an7ie,  neben  —  ne  —  an  auch  —  7ie  —  anne,  jedoch 
viel  seltener,  vgl.  Gutsche  S.  60,  73  u.  85  ( —  ne  —  arme  nur 
Cic.  Yerr.  4,  73),  Reisig-Haase  §  277.  N.  L.  ist  es  in  der  Be- 
deutung oder  nicht,  für  annon  oder  necne.  Wohl  aber  findet  sich 
anne  in  einfacher  indirekter  Frage  im  N.  Kl.  bei  Plin.  nat.,  z.  B. 
2,  95  ad  duhitationem  est  adductus,  anne  hoc  saepius  fieret,  ebenso 
24,  129;  30,  104,  vgl.  Tbüssing  S.  36.  Klassisch  ist  dies  ebensowenig 
als  einfaches  a7i,  weshalb  Ernesti  an  folgenden  Stellen  mit  Unrecht 


Annectere  —     170     —  Annotameatum 

anne  oder  annoji  für  nonne  lesen  wollte:  Cic.  orat.  214,  fin.  3,  13, 
acad.  2,  76,  Tusc.  5,  35. 

Annectere,  anknüpfen  an  etwas,  kommt  bei  Caesar  nicht  vor, 
bei  Cicero  wird  es  verbunden  alicui  und  ad  aliquid;  seit  Livius  wird 
der  Dativ  üblicher,  und  hier  finden  wir  auch  aliqiiid  aliqua  re  =  mit 
etwas  befestigen,  Liv.  21,  28,  9.  Aber  Liv.  33,  29,  6  in  cadavera 
saxis  aiit  amphoiis  annexa  ist  saxis  und  amph.  wohl  der  Dat. 

Annexio,  die  Verknüpfung,  Sp.  L.  und  annexus  N.  Kl.  und 
wohl  nur  bei  Tacitus  (vgl.  Heraus  zu  Tac.  bist.  3,  34)  für  die  Kl. 
adiunctio,  coniunctio. 

Annihilare  und  annullare,  zu  nickte  machen,  Sp.  L.  für  delere, 
aholere,  irritum  facere  u.  a.,  ebenso  die  Subst.  annihilatio  und  ayi- 
mdlatio,  vgl.  Gölzer  Hieron.  S.  63  und  179,  Bergmüller  Jord.  S.  13, 
Rönsch  It.  S.  202. 

Anniti,  sich  stemmen  an  etivas,  kommt  bei  Caesar  nicht  vor, 
bei  Cicero  verbunden  ad  aliquid,  z.  B.  Lael.  88,  de  mit  Abi.,  z.  B. 
Cic.  Att.  6,  8,  5,  bei  Sali.  Jug.  43,  4  mit  ad  cdiquid  patran- 
dum,  N.  Kl.  und  P.  mit  dem  Dativ,  mit  pro,  de  cdiquo,  pro,  de 
aliqua  re  anniti,  auch  adver sus  aliquid,  z.  B.  Liv.  4,  43,  5,  oder 
ad  aliquid  mit  dem  Accus,  des  Gerundivs  oder  mit  dem  Accus,  eines 
Pron.  neutr.  und  ^S^;.  L.  auch  mit  dem  Accus,  eines  Substantivs, 
endUch  bei  Sali.  Liv.  mit  ut  oder  —  dies  schon  bei  Plaut.,  auch 
bei  Liv.  Tac.  u.  N.  Kl.  Dichtern,  sowie  Sp.  L.  —  dem  Inf. 

Annon,  oder  nicht;  vgl.  Necne.  Ob  annon  in  der  Bedeutung 
ob  nicht,  also  zur  Einleitung  einer  abhängigen  Frage  gebraucht  werde, 
ist  zu  bezweifeln;  Cicero  braucht  nonne;  vgl.  s.  v.  Anne. 

Annosus,  alt,  hoch.,  bejahrt,  F.  L.  u.  N.  Kl.  bei  Sen.  und  dem 
altern  PL,  sowie  bei  Colum.,  ferner  bei  Juristen  u.  Sp.  L.  bei  Symm., 
vgl.  Schulze  Symm.  S.  68,  u.  Sedul.,  vgl.  Huemer  S.  8,  für  vetus, 
senex. 

Annotare  und  annotatio  sind  zwar  erst  N.  Kl.  (vielleicht  aber 
hat  Cicero  im  Oeconom.  (fragm.  10  bei  C.  F.  W.  Müller)  memi- 
nisset  atqiie  adnotaret,  quid  et  quando  et  cui  dedisset  geschrieben), 
können  aber  in  der  Bedeutung  Anmerkungen  (schriftliche)  machen 
über  etwas  Geschriebenes,  anmerken,  für  Kl.  gelten,  da  dergleichen 
erst  in  der  nachaugusteischen  Zeit  durch  Grammatiker  und  Rhetoren 
üblich  wurde.  Ygl.  Quintil.  1,  4,  17:  de  quibus  in  orthographia 
pauca  annotabo,  und  Plin.  ep.  7,  20,  2:  a  te  librum  meum  cum 
ajinotafionibus  tuis  exspecto.  Ausser  diesem  sind  auch  noch  einige 
andere  Yerben  u.  Subst.  passend,  welche  oben  bei  Äninmdversio  er- 
wähnt sind.  Im  Passiv  wird  annotare  persönlich  und  unpersönlich 
gebraucht  von  Tac.  ann.  13,  35  u.  15,  23;  die  erstere  Konstruktion 
hat  sich  im  Sp.  L.  erhalten,  vgl.  meine  Syntax^  §  160  und  Gölzer 
Hieron.  S.  374. 

Annotameyitum,  die  Anmerkung,  für  annotatio,  ist  Sp.  L.  nur 
bei  Gellius  1,  7,  18  u.  17,  2,  1  und  vielleicht  von  ihm  selbst  ge- 
bildet. 


Annuatim  —     171      —  Annus 

Anniiaüm,  jahrlich,  für  quotannis,  ist  Sp.  L.  und  singulär;  vgl. 
Funck  Archiv  YII  S.  496. 

Anyiuere  ist  in  der  Bedeutung  zusagen,  vers^jr ecken,  nicht  nur 
P.  L.,  sondern  kommt  auch  in  Prosa  vor,  nicht  nur  bei  dem  späten 
Arnobius,  sondern  auch  bei  Cic.  Att.  13,  44,  1,  Nep.  Att.  15,  2, 
Liv.  32,  39,  3.  Besonders  ist  es  als  feierliches  Wort  von  Gott 
(Göttern  etc.)  wohl  zu  brauchen,  wie  es  auch  Liv.  7,  30,  20  pas- 
send tut.  Gut  ist  auch  anniiere  =  genehmigen,  hestätigen:  ut  pro- 
missis  medicorum  deus  anmiat,  PI.  epp.  1,  22,  11  u.  so  auch  Paneg. 
72,  3.  Gut  ist  daher:  deus  nobis  amuiit,  Gott  ivinkt  zu,  ist  ge- 
ivogen,  verspricht,  aber  nirgends  findet  sich  Kl.  caeliim  annuit,  si 
caeliim  annuerit,  vgl.  Caeliim. 

Annullare,  s.  oben  Ännihilare. 

Annumerare,  zuzählen,  hinzurechnen  zu  oder  unter  ettvas,  wird 
verbunden  alicui  oder  mit  in  c.  Ahlat:  in  grege  adnumerari  bei 
Cic.  Rose.  Am.  89  u.  Brut.  75:  quem  in  vatihus  adnumerat  Ennius. 
Die  letztere  Konstruktion,  welche  Stürenburg  zu  p.  Archia  S.  66 
als  unlateinisch  verwarf,  wird  als  echtlateinisch  nicht  nur  durch 
Cicero,  sondern  auch  durch  Ovid  erwiesen,  z.  B.  Heroid.  15,  328 
quartus  in  exemplis  adnumerabor  ego ;  vgl.  Ovid  Trist.  5,  4,  20, 
Jahn  zu  Cic.  Brut.  75,  Landgraf  zu  p.  Rose.  S.  298,  Haase  zu 
Reisig  Anm.  572.  UnMass,  ist  adnimmxire  cum  aliquo,  Pseud.  Cic. 
in  Sali.  2,  6,  auch  inter,  vgl.  Thes.  I  S.  786,  80. 

Annuntiare  ist  ein  Wort  der  sinkenden  Latinität.  Wir  lesen  es 
zuerst  bei  Sen.  phiL,  dann  bei  Plin.  mai.  Curt.  Suet.,  bei  Apul.  und 
Tertull.,  bei  Hieronymus  und  Lactanz  und  sonst  bei  Eccl.  Es  ist 
also  zu  meiden.  Dagegen  ist  denuntiare  als  vox  propria  von  der 
Ankündigung  einer  schlimmen  Sache  klassisch,  z.  B.  Cic.  Cato  18 
Karthagini  bellum  midto  ante  denuntio,  Sest.  40  Clodius  vim, 
arma  .  .  castra  denuntiäbat.  Zu  annimtio  vgl.  Gölzer  Hieron. 
S.  351. 

Annus.  Unser  deutsches  Lebensjahr  heisst  im  klassischen  La- 
tein annus  aetatis.  Darum  ist  aber  annus  vitae  doch  nicht  absolut 
zu  verwerfen,  denn  wenn  man  absehen  will  von  so  späten  Beleg- 
stellen wie  Hier,  in  Daniel.  6,  1,  Gell.  15,  7  init.,  von  Aur.  Victor, 
welcher  es  öfter  gebraucht,  findet  sich  annus  vitae  auch  bei  Yal. 
Max.  4,  1,  6:  Voluerunt  ei  per  omnes  vitae  annos  consulatum  tri- 
buere,  und:  octingenti  vitae  anni,  ebendas.  8,  13  ext.  7,  ferner: 
Septem  et  triginta  annos  vitae  explevit,  Tac.  ann.  2,  88  ext.,  ebenso 
bei  Suet.  Yitell.  18,  init.:  periit  .  .  anno  vitae  YII.  et  quinqua- 
gesimo.  Oft  beim  altern  Plin.,  z.  B. :  ii  quadragesimum  annum  vitae 
non  excedunt,  nat.  6,  195  und  so  octavum  vitae  annum  non  exce- 
dere,  7,  30,  ebenso  7,  160  u.  7,  175  u.  s.  w.  Wenn  behauptet 
wurde,  dass  in  der  Phrase:  ich  bin  in  meinem  zehnten  etc.  Jahre, 
weder  das  Possess.  mens,  noch  bloss  annus  (ohne  aetatis)  stehe,  so  ist 
dies  nicht  richtig,  denn  das  Pron.  wird  wenigstens  mit  dem  Genit. 
aetatis    verbunden,    z.  B.:    trigesimo    aetatis   suae    aymo   findet    sich 


x\.nnuus  —     172     —  Anonymus 

spätlat.  bei  Hieron.  Praef.  in  Ezech.  und :  villcifi  ne  tedorio  qiiidem 
praelitas  fitisse  dicit  ad  annmn  uscßie  aetatis  sitae  septuagesimum, 
Gell.  13,  24  (23),  1.  Im  Zusammenhang  der  Rede  aber  kann  der 
Genitiv  aetatis  selbstverständlich  auch  weggelassen  werden,  z.  B. : 
ad  anmim  odogeshnum  iiervenire,  Nep.  Phoc.  2,  1,  ebenso  bei  PI. 
epp.  1,  12,  4  u.  Cic.  divin.  1,  46,  vitam  ad  centesimwn  annum  i^er- 
duxit  Cic.  Cato  60,  Caes.  Gall.  6,  21,  5.  —  Unser:  so  und  so  viele 
Jahre  zählen^  darf  lat.  ja  nicht  durch  numerare  ausgedrückt  werden, 
sondern  durch  Jiahere^  z.  B.:  annos  liahehat  qaattiior  et  triginta,  Cic. 
Brut.  161.  Ferner  vermöge  seiyier  Jahre  heisst  gewöhnlich  allerdings 
per  aetatem,  z.  B.  Caes.  Gall.  2,  16,  5;  5,  3,  4;  7,  71,  2;  aber 
auch  per  annos  ist  nicht  ohne  Autorität.  S.  Hier,  in  Matth.  lib.  3, 
c.  18,  3,  Terent.  Ad.  931  (Thes.  H  119,  17  falsch  901).  Am  Ende 
des  Jahres  heisst  KI.  anno  exeunte,  z.  B.  Cic.  div.  1,  53  quinto 
anno  exeimte  oder  bei  Livius  extremo  anno ;  auch  anno  vertente,  im 
Verlauf,  inyierhalh  eines  Jahres,  vgl.  Cic.  Quinct.  40.  —  Was  von 
Lehensjahr,  gilt  im  ganzen  auch  von  Lehenszeit.  Auch  hier  ist  temjnis 
vitae  das  seltenere,  z.  B.  Caes.  civ.  2,  41,  8  extremo  vitae  tempore, 
temjnts  aetatis  das  gewöhnliche  und  regelmässige;  vgl.  Cic.  Cato  2 
omne  tempus  aetatis  degere,  fin.  2,  87  Jieque  exspedat  idtimum  tempiis 
aetatis.  Wir  gebrauchen  ferner  Zeit  oft  =  Zeitperiode,  Zeitalter  eines 
Marines.  Auch  hier  steht  N.  Kl.  bisweilen  tempus,  in  der  Regel  aber 
aetas.  S.  Allgayers  Zusätze  u.  Berichtigungen  zu  Krebs'  Antib.  S.  16  u. 
17.  Jahreszeit  ist  anni  tempus,  z.  B.  Hirt.  Gall.  8,  6,  1  tempore 
anni  diffwillimo.  Sali.  Jug.  50,  1  ex  amii  tempore. 

Annuus  heisst  Kl.  ein  Jahr  daueryid,  im  ganzen  Jahre  ge- 
sdiehend,  z.  B.  Cic.  Sest.  137  magistratus  anmios  creaverunt;  seltener, 
aber  doch  auch  klass.  findet  es  sich  in  der  Bedeut.  7iadi  einem  Jahre 
oder  in  einem  Jah7'e  wiederkehrend,  jährlidi,  was  Kl.  amiiversarius 
heisst;  z.  B.  dies  festi  anniversarii  Cic.  Yerr.  4,  107,  sacra  anni- 
versaria  ib.  4,  84,  alle  Jahre  einmal  tviederkelirende  Feste.  Daher 
heissen  die  jährlichen  Ahuedislimgen  der  Jahreszeiten,  die  Jahr  für 
Jahr  wiederkehren,  anniversariae  vidssitudines  (Cic.  nat.  2,  97), 
aber  ib.  101  annuas  frigorum  et  calornm  varietates.  Wenn  Cicero 
von  anmute  commutationes  spricht  (inv.  1,  59),  so  versteht  er  dar- 
unter die  Veränderungen  im  ganzen  Jahre,  das  ganze  Jahr  hindurdi, 
Jahr  aus  Jahr  ein;  und  so  ist  bei  ihm  (Verr.  3,  114)  amiuus  lahor 
agricolarum,  die  Landarbeit,  die  ivährend  des  ganzen  Jahres  ge- 
sdtieht,  aber  doch  auch  mit  jedem  Jahre  sich  wiederholt;  so  verhält 
es  sich  auch  mit  annuus  sumptus  bei  Cic.  Att.  15,  15,  4.  Vgl.  auch 
s.  V.  Annalis. 

Anongmus,  nidit  mit  Namen  genayint,  findet  sich  Plin.  nat.  27, 
31  und  dann  erst  bei  Cassiodor  inst.  div.  litt.  8  codex  anonymus. 
Man  sage  von  Sachen  sine  nomine  mit  einem  Partizip,  z.  B.  ein 
anonymer  Brief,  litterae  sine  nomine  scriptae,  auch  sine  audore, 
audore  siä)lato.  Sali.  Cat.  23,  4,  bei  Suet.  (Aug.  70)  siyie  audore 
notissimi  versus;  —  von  Personen  )iescio  qui. 


Ansa  —     173     —  Ante 

Änsciy  die  Handhahe,  trop.  die  Veranlagung,  der  Anlass  zu 
etivasy  wird  von  den  Neuern  sehr  missbraucht  und  für  causa  schlecht- 
hin genommen.  Es  bemerkt  aber  SeyfFert  zu  Cic.  Lael.  S.  389  ff. 
mit  Recht,  dass  Cicero  das  Wort  seiner  eigentlichen  Bedeutung  ge- 
mäss nur  mit  Yerben  verbindet,  die  zu  dem  Bilde  der  Handhabe 
oder  des  Griffes  passen,  wie  capere,  dare,  habere,  retinere.  Ygl.  auch 
die  interessante  Abhandlung  von  R.  Scholl  in  Wölfflins  Archiv  I, 
534 — 538,  der  auch  tadelt,  „dass  unsre  Neulateiner  mit  Vorliebe 
von  einer  ansa  diMtandi,  emendandi  u.  dgl.  sprechen."  Einen  A71- 
lass  zu  ekvas  gehen  heisst  wohl  alicui  alicuius  rei  ansam  dare,  nach 
Cic.  Plane.  84  locus  habet  reprehensionis  ansam,  doch  mit  ad  bei 
Cic.  Lael.  59  ad  reprehendendum. 

Ante,  vor  u.  s.  w.  Es  wird  nicht  immer  für  unser  vor  ge- 
braucht; man  sage  nicht  ante  iudicium  ire,  venire,  vor  Gericht  gehen, 
kommen,  sondern  in  ins  adire;  nicht  ante  iudicium  adesse,  vor  Ge- 
richt erscheinen,  sondern  ad  iudicium  adesse  und  ad  iudicium  ire 
=  vor  Gericht  erscheinen,  sich  stellen,  Liv.  3,  24,  6,  nicht  aliquem 
a7ite  iudicium  vocare,  adducere,  deducere,  sondern  in  ius,  in  iu- 
dicium vocare,  in  iudicium  adducere,  deducere,  auch  bloss  ad  aliquem, 
z.  B,  Caes.  civ.  1,  23,  1  omnes  ad  se  produci  iiibet  =  vor  seinen 
Richter  stuhl ;  ferner  sagt  man  nicht  (gerichtlich)  ante  iudicem  (iu- 
dices),  praetorem,  für  apud  — .  Selten  u.  unklass.  ist  auch  ante 
aliquem  dicere,  orationem  habere,  vor,  in  jemandes  Gegeniuart  reden, 
für  ad  oder  apmd  aliquem,  coram  aUquo  dicere;  vgl.  Sen.  suas.  4, 
5  cum  suasoriam  ante  Fuscum  diceret.  —  Man  sage  nicht  brevi  ante 
oder  ante  brevi,  kurz  vorher,  im  paulo  ante,  oder  ante  p)aulo ;  letztere 
Stellung  hat  z.  B.  Cic.  rep.  2,  9,  Colum.  5,  11,  12.  Brevi  ante 
scheint  nicht  vorzukommen,  der  Thes.  kennt  es  nicht.  Über  midtum 
ante  vgl.  meine  Synt.^  §  88  Anm.  1,  doch  auch  Berl.  Phil.  Woch. 
1903,  S.  573,  Landgraf  zu  Reisig-Haase  III  167.  —  Wenn  in  einem 
und  demselben  Satz  angegeben  wird,  um  ivie  viel  Jahre  u.  dgl.  ein 
Ereignis  früher  oder  später  eingetreten  sei,  als  ein  anderes,  so  wäre 
es  natürlich  unlatein.,  auch  die  erste  Zeitangabe  durch  den  Accus, 
auszudrücken,  also  z.  B.:  viele  Jahre  vor  der  Schlacht  bei  Cannä 
ist  dies  oder  jenes  geschehen,  nicht  midtos  annos  ante  proelium  Can- 
yiense  aliqua  res  gesta  est,  für  midtis  annis  ante,  post  pr.  C.  Der 
Accus,  wäre  nur  dann  zulässig,  wenn  die  ganze  Zeit  gemeint  tväre, 
über  welche  sich  etwas  erstreckte,  bis  etwas  anderes  eintrat,  wie  bei 
Cic.  Pomp.  54:  at  hercide  aliquot  annos  continuos  ante  legem  Ga- 
biniam  ille  popidiis  Romanus  .  .  .  maxima  parte  non  modo  utilitatis, 
sed  dignitatis  atque  imperii  caruit.  Allein  statt  cdiquot  anyiis  ante 
oder  aliquot  ante  annis  finden  wir  doch  auch  aliquot  ante  annos,  ebenso 
paucos  ante  dies  oder  ante  paucos  dies  u.a.;  dies  ist  weniger  auf- 
fällig, wenn  der  Termin  angegeben  oder  erkennbar  ist  (z.  B.  beim 
Plusquamperfekt),  von  welchem  aus  gerechnet  wird,  z.  B.  Liv.  31, 
24,  5  quae  Chalcidem  dies  ante  paucos  prodiderat.  Auffällig  sind 
jedoch  Beispiele   wie  Nep.  Dat.  11,  2  huc  Mithridates  ernte  aliquot 


Ante  —     174     —  Ante 

dies  venu;  solche  Fälle  gehören  der  N.  Kl.  und  späteren  Latinität 
an.  Manchmal  schwankt  die  Überlieferung,  vgl.  Cic.  Tusc.  1,  4  u. 
dazu  Kühner,  sowie  C.  F.  W.  Müller.  Näheres  bei  Nipp.-Lupus  zu 
Nep.  Dat.  11,  2  u.  Stegmann  in  N.  Jahrb.  1887,  S.  258.  —  Für 
aliquot^  multis  annis,  saeculis  ante  (iwst)  aliquid  nova  res  aliqua 
accidit  durch  Umstellung  zu  sagen:  a7ite  miiltos  annos  etc.  alicuius  rei 
nova  7^es  evenit,  ist  späte,  jedoch  auch  bei  den  Nachklassikern  dann 
und  wann  vorkommende  Weise  des  Ausdrucks :  j^os^  mille  annos 
mortis  suae,  Lact.  Inst.  1,  S.  654,  1 ;  post  annum  urhis  conditae 
qiiadringeyiteslmum  fere  et  septuagesimum  bellum  cum  rege  Pyrrlio 
sumptmn  est,  Gell.  17,  21,  37.  Post  tot  annos  emeritoriim  stipen- 
diorum  .  .  .  ah  ipsa  missione  in  7iovam  militiam  revocare,  Just.  14, 
3,  8,  ebenso  18,  3,  5  und  38,  8,  1.  Claiidiam  ante  qiiintum  men- 
sem  divortii  natam  .  .  exponi  tarnen  .  .  iussit,  Suet.  Claud.  27. 
Alterum  ex  suis  liberis  a?ite  paucos  triiimphi  amisit  dies,  Yell.  1,10, 
5  und :  sextum  post  cladis  annum  trium  legionum  ossa  .  .  condebant, 
Tac.  ann.  1,  62,  1,  ferner:  subit  indignatio  cum  miseratione,  post 
decimum  mortis  annum  reliquias  neglectumque  cinerem  sine  titulo, 
sine  nomine  iacere,  Plin.  epp.  6,  10,  3  und :  in  coitionem  Catilinae 
et  Äntonii  invectus  est  ante  dies  comitiorum  paucos,  Asc.  Ped.  in 
Cic.  or.  de  toga  cand.  S.  74,  20.  Nur  mit  dem  Genit.  eines  die 
Zeit  bezeichnenden  Wortes  sagt  auch  Cicero:  post  diem  tertium  eins 
diei  .  .  .  Att.  3,  7,  1.  Über  diese  ganze  Materie  s.  meine  Syn- 
tax^ §  58  Anm.  3,  Benecke  zu  Just.  14,  3,  8  und  besonders  Nipper- 
dey  zu  Tac.  ann.  1,  62;  hier  ist  zugleich  nachgewiesen,  dass  von 
Tac.  Vell.  Suetonius  und  dem  altern  Plinius  auch  int7xc  =  post  so 
gebraucht  wird,  gerade  wie  Kalb  im  Nürnberger  Programm  1886 
S.  18  intra  =  ante  bei  den  Juristen  nachgewiesen  hat.  —  A^ite 
oder  antea  (auch  j;mts)  mit  folgendem  antequam  (ehe),  z.  B.  is  qui 
ante  sagit  (vorher  empfindet,  vorher  ahnt),  anteqaam  oblata  res  est, 
dicitur  praesagire,  für  ante  sagit,  quam  —  oder  qui  sagit,  antequam 
ist  eine  nicht  zu  empfehlende  Fülle  des  Ausdrucks,  die  sich  im 
klass.  Latein  nicht  findet,  vgl.  Lact.  1,  S.  284  priusquam  incipiam, 
pauca  a7ite  dicenda  sunt,  vgl.  meine  Stilistik'  §  66;  mehr  Stellen 
siehe  Thes.  II  S.  136,  39  ff.  —  Esse  ante  aliquem  =  jemanden  über- 
treffen, Tac.  ann.  13,  54,  mangelt  bei  Cic.  u.  Caes.,  findet  sich  aber 
bei  Sallust,  Liv.  Curt.  u.  Tac.  S.  Hand,  Tursell.  I  S.  386  u. 
Draeger  zu  Tac.  ann.  13,  54.  N.  Kl.  ist  ante  zur  Bezeichnung  des 
Vorranges,  der  einer  Person  oder  Sache  gegen  eine  andere  einge- 
räumt wird:  ayite  alios,  ante  omnes,  ante  ceteros  (vgl.  Wölfflin  Komp. 
64 ;  darnach  ist  ante  alios  P.  u.  silb.  Latein,  Kl.  praeter  ceteros) ; 
80  auch  ante  omnia,  was  noch  Reisig,  Vorlesungen  etc.  S.  403  mit  Un- 
recht für  unlateinisch  erklärt  (vgl.  jetzt  Landgrafs  Anm.  402  ^  zu 
Reisig-Haase  S.  178).  Es  bedeutet  aber  wie  unser  vor  allem  den 
Y errang  der  Zeit  oder  Stellung  nach  =  was  zuerst,  zunächst  vor 
allem  andern  zu  geschehen  hat.  S.  Brolen  S.  43.  Vgl.  noch  meine 
Syntax^  §  103,  Hellmuth  Balb.  S.  41. 


Antea  —     175     —  Antecedere 

Äntea,  vor,  vorher^  findet  sich  bei  Plaut,  nicht  (zweifelhaft  ist 
fr.  ine.  54  (79)  prohus  quidem  antea  (?)  iaculator  eras)^  bei  Ter. 
nur  Andr.  52,  bei  Cicero  kommt  es  erst  allmählich  auf  neben  dem 
bisher  üblichen  adv.  ante;  doch  hat  sich  ante  erhalten  bei  Ablativen 
des  mn  luie  viel,  z.  B.  paiicis  diehus,  decem  annis,  multo,  paido,  wo 
man  antea  durchaus  meide,  wenn  auch  Cic.  nat.  deor.  3,  57  paulo  antea 
und  vergleichsweise  inv.  2,  154  sowie  Cluent.  130  triennio  postea 
(statt  post)  schreibt.  —  Die  Form  anteaquajn  für  anteqiiam  ist  gleich- 
falls sehr  selten,  bei  Cicero  in  den  Reden  nur  Deiot.  30,  sonst  noch 
fam.  3,  6,  2;  aber  sie  ist  nicht  zu  verwerfen  und  wird  zudem  ge- 
schützt durch  das  analoge  posteaquam  neben  postqiiam;  vgl.  Thiel- 
mann Cornif.  S.  32  f,  Landgraf  p.  Rose.  S.  183.  —  Ante  haec  für 
afitea  ist  K  Kl,  z.  B.  Colum.  4,  29,  10. 

Anteamhulo,  der  Vorläufer,  ist  wie  alle  derartigen  Mascuhna  auf  o, 
z.  B.  aleo,  edo  u.  ä.  gebraucht  werden,  vgl.  Wölfflin  im  Archiv  I  S.  16,  ein 
gemeines,  den  Diener,  den  Lakai  bezeichnendes  Wort,  welches  daher 
selten  ist ;  es  kann  nicht  im  guten  Sinne  gebraucht  werden  für  jf^^xte- 
ciirsor  mit  oder  ohne  das  mildernde  quasi,  je  nach  dem  Zusammen- 
hange oder  auch  umschrieben;  vgl.  Fisch  S.  77  u.  87.  Das  Yerb. 
anteamhidare,  „besorgen",  hat  Löwe  aus  Grloss.  mitgeteilt  in  Wölff- 
lins  Archiv  I  S.  22. 

Antecedens  ist  im  Gebrauche  sehr  beschränkt  und  nur  N.  Kl. 
beim  altern  Plinius  und  bei  Sueton.  antecedens  annus  für  proximus 
oder  superior  annus,  indem  proximus  das  zunächst  vorhergehende 
Jahr  heisst  und  die  diesem  vorausgehenden  superiores ;  auch  proximus 
superior  kann  zusammengestellt  werden,  was  man  noch  in  neuerer 
Zeit  bezweifelt  hat,  vgl.  Iwan  Müller  bei  Bursian  Jahresber.  z.  Cic. 
epp.  1879/80  S.  12,  Nipp,  zu  Tac.  ann.  1,  77,  Köpke-Landgraf  zu 
Cic.  Plane.  40.  Proximus  superior  findet  sich  ausserdem  Cic.  nat. 
deor.  3,  54,  Yop.  Prob.  11;  proximus  inferior  Cic.  nat.  deor.  2,  53, 
prox.  ulterior  Frontin.  strat.  1,  6,  4.  Am  vorhergehenden  Tage  aber 
heisst  pridie.  Ebenso  wenig  sagt  man,  was  im  N.  L.  oft  vor- 
kommt, liher  antecedens,  das  vorhergehende  Buch,  für  liher  superior ; 
epistida  antecedens,  für  epist  superior,  wie  bei  Cicero  (fam.  1,  9, 
26)  in  der  Nachschrift  der  vorausgehende  Brief  mit  superior  be- 
zeichnet ist;  daher  ist  ganz  singulär  und  nicht  nachzuahmen  Plin. 
nat.  30,  1  antecedente  operis  parte.  N.  L.  ist  auch  dixi  in  ante- 
cedentihus,  im  vorhergehenden,  für  supra.  Ein  Kunstausdruck  aber 
in  der  Logik  und  Rhetorik  war  antecedentia,  welchem  consequentia 
entgegenstand,  das  Vorhergehende,  die  vorhergehenden  Ursachen  (einer 
Tat)  und  dieses  das  Nachfolgende,  die  Folgen,  woraus  die  Beweis- 
gründe gezogen  werden;  vgl.  Thes.  II  S.  143,  60  ff. 

Antecedere.  In  den  beiden  Bedeutungen:  in  Raum  oder  Zeit 
vorausgehen,  wird  dieses  Yerbum  in  der  silbernen  Latinität  stets  mit 
dem  Accus,  verbunden,  z.  B.  duae  Punicae  naves  antecedebant  Po- 
manam  classem,  Liv.  36,  44,  5 ;  lux  quae  solem  antecedit,  Sen.  nat. 
5,  9,  3 ;    ingressos    viam    sensim   antecessit  (aquila),   Suet.  Yitell.  9, 


Antecellere  —     176      —  Antecessor 

Auch  im  klassischen  Gebrauch  hat  antecedere  in  den  genannten  Be- 
deutungen nur  den  Accus,  bei  sich,  so  bei  Caesar:  agmen  antecedere, 
Grall.  4,  11,  2  und  7,  12,  4;  dann  hiduo  me  Antonius  antecessit , 
D.  Brut,  bei  Cic.  fam.  11,  13,  2  und  bei  Cicero  selbst  in  Orts- 
bestimmungen: expeditus  antecesserat  legiones,  Cic.  Att.  8,  9,  4.  In 
der  tropischen  Bedeutung:  der  Zeit  nach  üherholen,  zuvorkommen, 
dem  Range,  dem  Innern  Wert  nach  einen  Vorsprung  haben,  über- 
treffen, steht  N.  Kl.  u.  Sp.  L.  wieder  durchaus  der  Accus. :  Jupiter 
quo  antecedit  virum  honum?  Sen.  epp.  73,  13;  gradu  ajitecedere 
aliquem  =  dem  gesellschaftlichen  Bang  nach  höher  stehen,  Sen.  de 
dem.  1,  18,  1.  Imitatio  iudicium  antecedit,  Quintil.  2,  5,  26.  Spec- 
taciiloriim  assiduitate  et  varietate  omnes  antecessit,  Suet.  Octav.  43 
init.;  nohilitate  Macedones  Poenos  antecesserunt,  Justin  33,  1,  1  ; 
mehr  Stellen  bietet  der  Thes.  II  S.  140  ff.  Ebenso  ist  es 
bei  I^epos.  S.  die  Stellen  bei  Lupus  S.  43.  Auch  Caesar  hat 
in  diesem  tropischen  Sinn  nur  den  Accus.:  fatum  alicuius  ante- 
cedere, civ.  2,  6,  1  und:  ne  unus  omnes  antecederet,  ebendas.  3, 
82,  extr.  Statim  ah  oppido  castra  movit  et  Metropolim  venit,  sie  ut 
nuntios  expugnati  oppidi  famamque  antecederet,  civ.  3,  80  extr. 
Scientia  atque  usu  nauticariim  rerum  ceteros  antecedunt,  Gall.  3,  8, 
1  und  7,  54,  4;  sämtliche  Stellen  bei  Mensel  s.  v.,  aus  welchen 
sich  ergibt,  dass  Caesar  das  Wort  nur  absolut  oder  mit  Accus, 
gebraucht.  Dieser  Tatsache  gegenüber  ist  es  nun  merkwürdig,  dass 
Cicero  antecedere  in  tropischer  Bedeutung  wie  in  Zeitbestimmungen 
nach  dem  Vorgänge  von  Plaut,  und  Ter.  (vgl.  Pseud.  510  L.)  stets 
mit  dem  Dativ  der  Person  oder  Sache  verbindet,  wie:  aetate  alicui 
antecedere,  Brut.  82,  fat.  34  und  43.  Longe  ceteris  studiis  et  artihus 
antecedere,  ac.  1,  3.  Natura  hominis  pecudihus  reliquisque  heluis 
antecedit,  off.  1,    105;    vgl.  Plaut.  Pseud.  532,    Ter.    Phorm.    525. 

Antecellere,  übertreffen,  sich  auszeichnen.  Kl.  nur  mit  dem  Dativ 
der  Person  oder  der  Eigenschaft  einer  Person  (s.  Cic.  Mur.  29) ; 
bei  Caes.  steht  antecello  nur  civ.  3,  36,  1  nach  einer  Konjektur  von 
Madvig,  nirgends  bei  Liv.  N.  Kl.  finden  wir  es  auch  mit  dem 
Accusativ,  z.  B.  Tac.  ann.  14,  55  nondum  omnes  fortuna  antecellis ; 
übrigens  hat  schon  rhet.  Her.  2,  48  ein  persönliches  Passiv  ciui  his 
Omnibus  rebus  antecelluntur,  vgl.  Thielmann  Cornif.  S.  59,  Heraus 
zu  Tac.  bist.  2,  3,  Schönfeld  S.  44.  Die  Formen  des  Ferf.  und 
Supins  kommen  nicht  vor.  Gleichwohl  findet  man  im  N.  L.  ante- 
cellui;  über  die  Form  antecelleo  vgl.  Lorenz  zu  Plaut.  Pseud.  659, 
Landgraf  und  C.  F.  W.  Müller  zu  Cic.  Mur.  29,  Neue -Wagener^ 
m  S.  281;  Thes.  II  S.  146,  1  Ü. 

Ajitecessor  ist  in  keiner  Bedeutung  Kl.;  es  findet  sich  in  klass. 
Zeit  nur  b.  Afr.  12,  1  i^er  speculatores  et  antecessores  equites  nun- 
tiatur ;  es  wird  entweder  mit  antecedere  oder  mit  einem  andern 
Verbum,  wie  es  der  Sinn  verlangt,  umschrieben,  z.  B.  mein  Vor- 
gänger (im  Reden),  qui  ante  me  dixit  (Cic.  Sest.  4).  Den  eben  ab- 
gehenden Amtsvorgänger  nennt  Cicero  (Scaur.  33)  decessor:  successori 


Antecessus  —     177     —  Anteire 

decessor  invidit,  —  was  freilich  ohne  Bezug  auf  einen  Abgang  nicht 
passt  und  daher  besser  umschrieben  wird.  In  der  spätem  Kaiser- 
zeit ward  es  nicht  nur  Kunstwort  für  den  Amtsvorgänger,  sondern 
sogar  Titel  für  einen  Reclitdehrer,  Lehrer  der  Jurisprudenz  u.  für 
einen  Kirchenlehrer,  vgl.  Tert.  virg.  veL  2,  Harteis  Index  zu 
Cyprian  und  Dirksen  s.  v.  Antecessores  =  militärischer  Vortrab  ist 
nicht  Kl.^  es  findet  sich  nur  b.  Afr.  12,  1,  Suet.  Yitell.  17,  sowie 
Yulg.  sap.  12,  8.  Kl.  wird  der  Vortrah  —  s.  Oudendorp  zu  b. 
Afr,  c.  12  — ^  von  Caesar  durch  antecursores  ausgedrückt,  Gall.  5, 
47,  1;  civ.  3,  36,  8;  1,  16,  3;  aber  Liv.  gebraucht  dafür  26,  17, 
16  'praecursores.  N.  L.  aber  sind  antecessores,  die  Vorfahren,  für 
maiores. 

Antecessus  in  der  Phrase  in  antecessum,  z.  B.  dare,  accipere, 
wie  unser  zum  voraus,  bei  den  Verben  gehen,  zahlen,  annehmen  und 
ähnhchen,  war  ein  gewöhnliches  Kunstwort,  z.  B.  Sen.  ep.  7,  10 ; 
118,  1,  meistens  bei  Zahlungen,  wurde  aber  nie  im  weiteren  Sinne 
für  vorher,  ante,  iwius  gebraucht.  Es  kommt  erst  N.  Kl.  vor.  Man 
missbrauche  es  nicht ;  lächerlich  wäre  es,  zu  sagen :  haec  tibi  in 
antecessum  scripsi. 

Antecurrere,  voj^anlaufen,  höchst  selten,  nur  einmal  bei  Yitruv 
9,  4,  7  u.  Sj).  L.  bei  Sidon.  ep.  9,  9,  1  für  das  Kl.  ])raecurrere, 
aniecedere,  antegredi,  anteire.  Ebenso  ist  antecursores,  die  Vorläufer, 
nur  ein  militärisches  Wort  vom   Vortrab  (s.  unter  Antecessor). 

Antefery^e,  einem  vorziehen,  verbunden  mit  dem  Dativ  alicui, 
klass.  häufig. 

Antegredi,  vor-  oder  vorangehen,  wird  nur  mit  dem  Accus,  ver- 
bunden, aliquem,  nur  bei  Cicero,  nat.  deor.  2,  53;  vgl.  Schönfeld 
S.  44;  absolut  findet  es  sich  bei  Cic.  u.  Sp.  L.  bei  Amm. 

Antehabere,  vorziehen,  ist  TV.  Kl.  nur  bei  Tac.  ann.  1,  58  u. 
4,  11  für  anteferre,  praeponere  u.  a.;  vgl.  Dräger  zu  Tac.  ann. 
1,  58. 

Anteire  kommt  bei  Caesar  nur  civ.  1,  32,  8  und  zwar  absolut 
vor.  Bei  Cicero  steht  in  eigentlicher  und  tropischer  Bedeutung  regel- 
mässig der  Dativ,  z.  B.  fin.  5,  93  qui  quamvis  miyihnam  praestcmtiam 
animi  omnibus  bonis  corporis  anteire  dicamus,  vgl.  ferner  Tusc.  1,  5; 
rep.  2,  17  ;  off.  2,  37.  Dagegen  lesen  wir  auch  den  Acc.  an  mehreren 
Stellen,  z.  B.  nat.  deor.  2,  153  hominis  natura  quanto  omnis  anteiret 
animantes,  ebenso  Brut.  229  und  ac.  1,  35.  Unsicher  ist  Phil.  9, 
1,  wo  Kayser  und  Baiter,  sowie  Müller  aetate  illos  anteiret,  sajneiitia 
'omnis  schreiben,  während  Arusianus  M.  S.  213  die  Stelle  mit  dem 
Dativ  zitiert,  wie  auch  die  Überlieferung  teilweise  lautet;  vgl.  C.  F. 
W.  Müller  z,  St.  Sallust  und  Nepos  kennen  nur  anteeo  mit  Accus. 
(Sallust.  Jug.  6,  1,  bist.  2  mal,  für  Nepos  vgl.  Lupus  S.  43),  von 
Livius  an  aber  ist  der  Dativ  durch  den  Accus,  geradezu  verdrängt : 
Manliis,  quod  genere  plebeios,  gratia  Jidium  anteibant,  Volsci 
provincia  ....  data,  Liv.  6,  30,  3,  omnes  eo  tempore  pru- 
dentia   et   auctoritate    anteibat.,    35,    25,    7;     currum    regis   anteire, 

Krebs-Schmalz,  Antibarbarns  I.  12 


Anteloquium  —     178     —  Antequam 

Curt.  3,  3,  15  und:  cum  fua  vexilla,  tiias  aqiiilas  magno  gradu  an- 
teires,  PI.  Pan.  10,  3  und  trop.:  natura  gloriosa  virtus  est,  anteire 
iwiores  ciqnt,  Sen.  benef.  3,  36,  1;  grave  est  a  deteriorihus  honore 
anteiri,  dial.  1,  3,  14.  So  auch  bei  Tacitus  sowohl  in  dem  Sinn 
von  iwaevenire,  antevertere,  als  snperare,  superiorem  locum  teuere; 
auffällig  ist  bei  ihm  nur  ann.  5,  3  yieque  Seianiis  audebat  audoritati 
parentis  anteire  (für  parenti  oder  parentem  aiidoritate  anteire).  Erst 
bei  Gell,  tritt  der  Dat.  wieder  auf,  z.  B.  1,  1,  3;  1,  22,  10.  Nach 
den  obigen  Ausführungen  wird  jetzt  auch  Cic.  Sulla  23  nicht  mehr 
als  Gräcismus  angesehen  werden  können;  es  ist  vielmehr  die  Kon- 
struktion se  aequales  als  te  anteiri  piitant  die  notwendige  Konse- 
quenz von  anteire  aliquem,  gerade  wie  bei  Sen.  dial.  1,  3,  14. 

Anteloquium,  das  Vorivort,  die  Vorrede,  sehr  Sp.  L.  für  prae- 
fatio,  prooemium ;    vgl.  z.  B.  Symm.  ep.  1,  77,  Macr.  sat.  1,  24,  21. 

Anteludium,  das  Vorsjnel,  Sp.  L.  nur  bei  Apul.  met.  11,  8  für 
prolusio  oder  praelusio,  aber  nicht  praeludium;  vgl.  unter  diesem 
Worte. 

Antemeridialis,  vormittägig^  sehr  Sp.  L.  u.  nur  bei  Mart.  Cap. 
6,  600  für  das  klass.  antemeridianus,  vgl.  Cic.  Att.  13,  23,  1,  de 
or.  3,  22  u.  3,  121. 

Antemittere,  vorausschicken.  Dieses  Wort  wird  richtiger  getrennt 
geschrieben  ante  mittere,  s.  Caes.  Gall.  1,  21,  3:  equitatum  omnem 
ante  se  mittit,  und  eos  ante  missis  ecpiitihus  aggreditur,  ibid.  civ. 
1,  51,  4. 

Antepaenultimus,  der  drittletzte,  Sp.  L.  Kunstwort  in  der  Pro- 
sodik,  welches,  wenn  es  der  Kürze  und  Yerständlichkeit  wegen  nicht 
zu  vermeiden  ist,  beibehalten  werden  muss,  in  andern  Fällen  werde 
dafür  tertius  ah  extremo  gesagt,  wie  ähnlich  bei  Cic.  orat.  217  für 
paenuUimus  gesagt  ist  proximus  a  postremo. 

Anteponere,  etwas  (zum  Essen  und  Trinken)  vorsetzen,  vorstellen, 
A.  L.  bei  Plautus  Men.  274,  für  das  Kl.  und  übliche  apponere, 
vgl.  Cic.  Tusc.  5,  91  und  Liv.  1,  7,  13.  N.  L.  ist  aliquem  alicui 
antep.,  einen  einem  vorstellen  als  Beispiel,  für  ante  oculos  ponere, 
z.  B.  die  Geschichte  stellt  uns  grosse  Männer  vor,  nicht  anteponit, 
sondern  ante  oculos  ponii.  Für  cdiquid  cdicui  anteponere,  einem  et- 
was vorziehen,  steht  A.  L.  bei  Ennius  ann.  287  Müll,  cdiquid  ante 
cdiquam  rem  ponere,  was  nur  Sali.  (Jug.  15,  1)  nachgebraucht  hat: 
ne  verba  inimici  ante  fcicta  sua  ^jonerent  für  factis  suis  ante- 
ponerent ;  vgl.  übrigens  Fabri  z.  St.  und  Kraut  im  Progr.  Blau- 
beuren  1881  S.  4. 

Antequam,  ehe  cds.  Welchen  modus  es  bei  sich  habe,  darüber 
vgl.  man  ausser  den  Grammatiken  und  Hands  Tursell.  I  396 
das  erschöpfende  Programm  von  xlnton :  Über  die  Konstruktion  der 
lat.  Zeitpartikeln  antequam  und  priusciuam,  und  für  den  Gebrauch 
von  Liv.  insbesondere  Kühnasts  Hauptpunkte  der  Livianischen  Syn- 
tax, 2.  Aufl.  Berlin  1872,  für  Tac.  Ihm,  Quaest.  synt.  S.  45  ff., 
überhaupt  Micalella  im  BoUettino  di  filol.  classica  1898    S.  42    (be- 


Anterior  —     179     —  Anticipare 

züglich  des  Gebrauchs  des  Konj.  Imperf.  u.  Phisq.),  Dittmar  Studien 
S.  153  ff.,  Hoffmann  Zeitpartikeln  S.  168 — 174,  meine  Syntax^ 
§  301.  Besonders  hinweisen  will  ich  auf  zwei  Feststellungen  von 
Lebreton.  Dieser  zeigt  Etudes  S.  347,  dass  im  Satze  mit  ayiteciuam, 
wenn  es  eine  wiederholte  Handlung  ausdrückt,  im  Gebiete  des 
Praes.  der  Ind.  Perf.  und  im  Gebiet  der  Yergangenheit  der  Ind. 
Plusq.  steht;  S.  374  aber,  dass  im  Satz  mit  ante  quam  in  orat.  obl. 
auch  der  Inf.  stehen  kann,  vgl.  Cic.  div.  2,  68  censes  ante  coro- 
nain hei'hae  exstitisse,  quam  concejytum  esse  semen  ?  Im  letzteren 
Falle  ist  ante  quam  immer  getrennt.  Wenn  es  früher  im  Antib. 
hiess,  dass  bei  einer  Negation  antequam  zu  trennen  sei,  so  triff't  dies 
wohl  in  den  meisten,  aber  doch  nicht  in  allen  Fällen  zu,  wie  Anton 
a.  a.  0.  S.  38  erwiesen  hat.  —  Über  das  Vorkommen  von  antequam 
und  priiisquam  vgl.  noch  N.  Jahrb.  1891  S.  221. 

Anterior,  vom  Orte  der  vordere,  von  der  Zeit  der  frühere, 
beides,  mit  Ausnahme  von  Geis.  8,  9,  2,  Sp.L,;  der  vordere  heisst 
prior,  der  frühere  superior,  z.  B.  der  Vorderfuss  nicht  jjes  ayiterior, 
sondern  prior  (opp.  posterior)^  das  vordere  Glied,  memhrum  prius, 
nicht  anterius,  und  so  oft  beim  altern  Plinius  der  Vorderleib,  adversiim 
corpus,  z.  B.  vulnus  (cicatrix)  adverso  corpore  exceptum  (excepta) ; 
die  früheren  Könige,  reges  superiores,  nicht  anteriores,  wie  bei  Sul- 
picius  Severus  chron.  1,  52,  3.  Anterius  wird  nur  von  der  Zeit 
gebraucht,  kommt  aber  nach  Wölfflin  Komp.  S.  45  kaum  vor  Tert. 
vor;  vgl.  auch  Köhler  act.  Erl.  I  S.  410,  Rönsch  It.  S.  338, 
Paucker  Hier.  S.  164,  Gros.  S.  6,  Thes.  II  S.  159,  25. 

Antesignayius  kann  nur  im  Scherz  von  einem  Amtsvorgänger 
gebraucht  werden,  wie  man  es  wohl  im  N.  L.  findet.  Ygl.  Antecessor. 

Antestari,  ein  altes,  gerichtliches  Wort,  welches  sich  schon  in 
den  XII.  tabb.  findet,  jemanden  zum  Zeugen  anrufen,  sich  auf  einen 
als  Gewährsmann  hertifen,  wird  verbunden  mit  dem  Accus,  aliquem; 
es  ist  auch  wohl  ausser  der  Gerichtssphäre  zulässig;  vgl.  Cic.  Mil.  68 
und  Osenbrüggen-Wirz  z.  St.   und  Fritzsche  zu  Hör.  sat.   1,  9,  76. 

Antevenire,  zuvorkommen  und  dadurch  vereiteln  (Dietsch  zu 
Sali.  Jug.  88,  2),  ühertreffen,  wird  prosaisch  nur  mit  dem  Accus., 
poetisch  auch  mit  dem  Dat.  verbunden,  ist  aber  ausser  bei  Sali.  A.  L., 
N.  Kl.  bei  Tac.  und  Sp.  L.  und  dabei  sehr  selten  für  antevertere, 
praevertere,  praecurrere,  super are  u.  a.  Bei  Livius  kommt  nur  ante- 
veniens  42,  66,  4  vor,  woraus  nicht  viel  zu  schliessen  ist;  vgl.  Kraut 
im  Progr.  Blaubeuren  1881   S.  4  u.  Schönfeld  S.  44. 

Antibarharus  findet  sich  zwar  nirgends  bei  einem  Lateiner,  aber 
als  N.  L.  Kunstwort  von  einem  Buche  gegen  die  Sprachbarbarei  ist 
es  zulässig  und  nicht  zu  verwerfen,  da  eine  kurze  lateinische  Be- 
zeichnung fehlt. 

Anticipare,  vorausnehmeyi,  im  gewönlichen  Sinn  nur  einmal  bei 
Cicero:  molestiam  anticipare,  Cic.  Att.  8,  14,  2,  sodann  p)hiloso2')hisches 
Kunstwort  von  den  insitae  animi  notiones,  Cic.  nat.  deor.  1,  76 ; 
später  bei  Sen.  epp.  5,  9,  Plin.  nat.  2,  122  imo    die  anticipare,  so- 


Anticus  —     180     —  Antiquitas 

wie  Suet.  Tib.  61  und  Claud.  21  u.  Sj).  L.  Dafür  kann  man  auch 
sagen:  1)  anteccqjere,  was  sich  bei  Caes.  gar  nicht,  bei  Cic.  nur  nat. 
deor.  1,  43  in  der  Form  antecepfus  findet,  z.  B.  omnia  luxu  ante- 
capere,  Sali.  Cat.  13,  3  und  ebendas.  32,  1  u.  55,  1,  Jug.  21,  3  u. 
50,  1,  oder  2)  praecipere,  z.  B.  Cic.  Phil.  13,  45  gcmclia  praecipere, 
dann  praecipere  pecuniam  insequenüs  anni,  Caes.  civ.  3,  31,  2;  und: 
tanta  laetitia  fuit,  ut  praeciperetur  vidoria  animis,  Liv.  10,  26, 
4;  3)  praesumere,  was  jedoch  nirgends  bei  Cic.  Caes.  Liv.  vor- 
kommt, z.  B.  praesumere  gaiidmmj  Plin.  epp.  2,  10,  6  und  Pan.  79, 
4  und  :  cogifatione  aliquid  i^raesimiere,  Sen.  de  br.  vit.  5,  schliess- 
lich 4)  bei  Zeitbegriffen  praeferre,  doch  nur  bei  Liv.  und  Ict.,  wie 
iriumplii  diem  praeferre,  Liv.  39,  5,  12. 

Anticus,  der  voy^dere,  A.  L.,  auch  bei  Cic.  Tim.  36,  später  fast 
ungebräuchHch. 

Antidohim,  das  Gegengift  {aiitidotus^  f.,  z.  B.  amarissima  anti- 
dotus  bei  Gell.  17,  16,  6  und  sonst  Sp.  L.,  vgl.  Gölzer  Hieron.  S.  294, 
Weise  S.  343,  Appel  S.  32)  ist  das  kurze  Kunstwort  bei  Celsus, 
wofür  auch  remedium  adversus  venena  gesagt  werden  kann ;  im  Thes. 
II,  168  f.,  vermisse  ich  Salvian  5,  4  F.,  wo  legis  antidotum  im 
moralischen  Sinne  gebraucht  ist.  —  Sprichwörtlich  war  prius  anti- 
dotum quam  venenum,  Hier.  adv.  Ruf.  2,  34,  vgl.  Archiv  YI 
S.  338. 

Antiochenus,  zu  Antiocliien  gehörig,  Sp.  L.  Form  für  das  klass. 
Ayitiochensis. 

Antipodes,  die  Gegenfüssler,  war  wohl  neben  anticlitliones  (bei 
Mela,  Plin.  mai.  u.  Sp.  L.)  das  geographische  Kunstwort;  Cicero 
braucht  es  nur  griechisch  und  erklärt  es  (ac.  2,  123)  qui  adversis 
vestigiis  stant  contra  nostra  vestigia,  und  kürzer  (Somn.  Scip.  12  u. 
13)  qui  adversi  nohis  stant  oder  qiii  adver sa  nohis  urgent  vestigia; 
vgl.  Sali.  bist.  fr.  dub.  3  M. 

Antiquarius  ist  kein  klass.  Wort;  es  findet  sich  N.  Kl.  selten 
im  Sinne  von  Verehrer  des  Altertums,  z.  B.  Tac.  dial.  21  u.  dazu 
Gudeman,  Suet.  Oct.  86,  sowie  Sp.  L.  in  der  Bedeutung  von  lih- 
rariiis,  vgl.  Thes.  s.  v.  Unser  Antiquar  muss  durch  Umschreibung 
gegeben  werden. 

Antiquitas.  Es  kommt  im  Gebrauche  fast  ganz  mit  dem  deut- 
schen Altertum  überein,  indem  es  nicht  nur  das  Altsein  einer  Sache, 
sondern  auch  konkret  die  Menschen  der  alten  Zeit  samt  ihrer  Ge- 
schichte, ihren  Sitten  und  Gebräuchen  bedeutet.  Zu  voreilig  verwirft 
man  es,  wo  es  von  den  Menschen  gebraucht  wird,  da  doch  Cicero 
selbst  div.  2,  70  antiquitas  multis  in  -rebus  erravit,  Tusc.  1,  26 
(auctore  uti  possumus)  omni  antiquitate,  quae  quo  propius  aberat  ah 
ortu  et  divina  progenie,  hoc  melius  ea  fortasse,  quae  erant  vera,  cer- 
nehat,  legg.  2,  27  ayitirpiitas  proxime  accedit  ad  deos  sagt  und  die 
nachklass.  Sprache  aufi'allende  Beispiele  bietet,  wie :  errat  antiquitas, 
Sen.  nat.  2,  42,  1,  anticpiitas  tradit,  fabulose  narravit,  Plin.  nat.  12, 
85  und  Curt.  7,  3,  22  und  Sp.  L.  noch  Hieron.  ep.  60,  13  Niohen 


Antiquus  —     181     —  Antiquus 

in  lapidem  immntatam  flnxit  antiqnitas.  Freilich  Adjektive,  wie 
doda,  emdita,  UUerata  (gelehrt),  sainens  (weise)  und  ähnliche  andere 
kommen  nirgends  damit  verbunden  vor  und  müssen  daher  vermieden 
werden.  Ebenso  bedeutet  wohl  antiquitas  die  alte  Zeit,  aber  un- 
erweislich ist  doch  z.  B.  in  antiquitate  Graeci  maxime  excellunt,  wie 
wir  sagen  im  Altertwne  zeichnen  sich  ....  aus,  für  antiquis  tem- 
poribiis.  Unverwerflich  aber  ist  es,  sowohl  antiqnitas ,  als  auch  an- 
tiquitates  von  dem  zu  brauchen,  was  wir  Altertümer  nennen,  wie- 
wohl allerdings  jenes  nur  allgemein,  was  zum  Altertum  gehört, 
bedeutet,  dieses  aber  einzelne  Sachen,  Sitten,  Gebräuche,  Geschichte, 
Sagen  u.  dgl.  andeutet.  So  reist  z.  B.  nach  Tac.  ann.  2,  59 
Germanicus  nach  Ägypten  cognoscendae  antiquitatis,  um  alles  Alter- 
tümliche zu  sehen,  und  Yarro,  so  wie  andere,  schrieben  antiqui- 
tates,  vgl.  ling.  6,  13,  ebenso  evolvere  antiquitates,  Sen.  dial.  8,  5, 
2  und :  in  Romanis  antiqnitatihus  legere,  Ateius  Capito  bei  Gell. 
13,  12,  2.  Indes  möchte  es  doch,  wenn  unser  Wort  Altertümer  den 
Sinn  alter  Denkmäler  hat,  zur  Bezeichnung  besser  sein,  antiqua 
monumenta  zu  setzen,  als  antiquitates.  —  Über  antiquitatis  scientia, 
Altertumswissenschaft,  vgl.  Humamis. 

Antiquus,  alt,  in  der  Bedeutung  bejahrt  vom  menschlichen 
Lebensalter  ist  unerweislich  für  magnus  oder  grandis  natu,  senex; 
nur  Aug.  schreibt  an  einer  Stelle  (ad  fratr.  in  erem.  serm.  6)  imter 
noster  antiquus  est,  tibi  incumhit  familiam  regere  und  Rönsch  Semas. 
Beiträge  TI  S.  3  zitiert  aus  Hist.  de  Nativ.  Mariae  et  de  Infantia 
Salv.  6  midieres  ayitiquae.  Aber  vom  Alter  z.  B.  eines  Baumes 
kommt  es  vor:  quercus  antiqua,  Suet.  Yesp.  5,  init.  Gut  aber  für 
alter  Freund  ist  antiquus  amicus,  s.  Cic.  fam.  11,  27,  2:  antiqiiior 
amicus,  und  antiquis si7mis  amicus  tuus  bei  Cic.  Yerr.  3,  148.  Die 
alte  Sprache,  auch  Cicero  in  der  ersten  Stilperiode,  später  dann 
Tacitus  gebrauchen  antiquus  vorzugsweise  in  gutem  Sinne,  z.  B.  Ter. 
Ad.  442  antiqua  virtute  ac  fide,  Cic.  Quinct.  72  hominem  antiqui 
offlcii,  vgl.  Meissner  zu  Ter.  Andr.  817,  Landgraf  zu  Cic.  Rose. 
S.  163  f.  —  Nach  nihil  antiquius  habere  mit  einem  folgenden  Satz 
sagt  Cicero  cquam  ut,  s.  fam.  11,  5,  1,  Suet.  aber  hat  für  2tt  den 
Infinit. :  7iihil  antiquius  duxit  quam  id  biduum  .  .  .  memoriae  exi- 
mere,  Suet.  Claud.  11  und  Yesp.  8.  —  Das  Neutrum  antiquiun,  das 
Alte,  d.  h.  cdte  Sitte,  Oeiuohnheit,  scheint  in  der  Yerbindung  mit 
obtinere  eine  der  Umgangssprache  angehörige  Redensart  gewesen  zu 
sein,  wie  sie  wenigstens  bei  Plautus  und  Terenz  vorkommt,  anti- 
quum  hoc  obti7ies  tuum,  und  einfach  obtines  antiquum,  du  behältst 
deine  alte  (schlechte  oder  gute)  Sitte  bei,  und  darum  ist  es  an  passen- 
der Stelle,  wie  in  Briefen  und  Gesprächen,  wohl  anzuwenden,  wie- 
wohl man  auch  vollständig  antiqmmi  morem  obtinere  dafür  brauchen 
kann;  vgl.  Lorenz  zu  Plaut.  Most.  789,  Spengel  und  Meissner  zu 
Ter.  Andr.  817.  —  N.  L.  aber  ist  antiquo,  von  Alters  her,  für  anti- 
quitas, und  schon  von  Alters  her  heisst  iam  inde  ayitiquitus ,  vgl. 
Liv.  9,  29,  8 ;  bemerkenswert  ist,    dass  antiquitus  bei  Cicero  fehlt, 


Antrum  —     182     —  Aperire 

Caes.  jedoch  hat  es  öfters  =  in  alter  Zeit  und  von  alte}'  Zeit  her. 
—  Antiquiert  ist  nimis  antiqims  nach  Cic.  Phil.  1,  25  nimis  antiqua 
et  stiilta  diicimus  das  gilt  hei  uns  für  antiquiert  und  dumm. 

Antrum,  die  Höhle,  Grotte,  aus  dem  griechischen  ävrpov^  meist 
P.  L.  für  sioelunca,  caverna,  specus ;  vgl.  Norden  zu  Verg.  Aen.  6, 

10  (von  den  Neoterikern  aus  der  zierlichen  hellenistischen  Poesie 
übernommen);  doch  auch  in  Prosa  bei  Petron.  101,  Plin.  nat.  31,  30, 
Suet.  Tib.  43  und  ^S^;.  besonders  bei  christlichen  Autoren,  z.  B. 
Lact.  inst.  6,  10,  13,  vielleicht  nach  Cic.  rep.  1,  40  (oder  richtiger 
nach  Lucr.  5,  955). 

Anxietas  oder  anxitudo  (anxietudo)  ist  Ängstlichkeit,  nicht  die 
Angst  seihst,  wie  es  P.  und  Sj).  L.  gebraucht  wird;    vgl.  Cic.  Tusc. 

4,  27  iracimdia  ah  ira  diffe7't,  ut  dvjfert  anxietas  ah  angore ;  Angst 
also  ist  migor.  N.  Kl.  bezeichnet  anxius  auch  peinlich  genau  und 
anxietas  die  peinliche  Sorgfalt,  z.  B.  Quint.  8  prooem.  29,  Tac. 
dial.  39,  vgl.  dazu  Gudeman.  Übrigens  kommt  anxitudo,  nach 
Nonius  unter  anxitudo,  Kl.  nur  einmal  vor  bei  Cic.  rep.  2,  68,  sonst 
ist  es  A.  und  Si).  L. 

Anxius,  ängstlich,  in  Angst,  hesorgt,  hat  bei  Cicero  und  Caesar 
kein  Objekt  bei  sich,  bei  Sali,  finden  wir  bist.  1,  88  anxius  Ulis, 
vgl.  jedoch  Maurenbrecher  Proleg.  S.  27,  bei  Livius  hat  es  ein  solches 
im  Genitiv  oder  blossen  Ahlat.,  (25,  40,  12  liest  Kreizner  anxius 
gloriae  eins,  Weissenb.  und  Riemann  gloria)^  nur  der  Ablat.  steht 
bei  Curt.  7,  5,  9  und  9,  4,  19,  bei  andern  j)^'0,  z.  B.  Plin.  epp.  4, 
21,  4,  oder  de,  z.  B.  Curt.  3,  3,  2.  Bei  Tacitus  lesen  wir  bist.  1, 
83  anxius  mit  Abi.,  dagegen  mit  Gen.  bist.  3,  38;  ann.  2,  75;  4, 
59;  aber  bist.  4,  58  steht  nicht  anxius  pro,  wie  Yogel  Symb.  S.  6 
unten  sagt,  sondern  pro  vohis  sollicitior;  nicht  vorkommen  die  Prae- 
pos.  propter,  ebensowenig  causa,  dagegen  findet  sich  bei  Sen.,  der 
ep.  98,  6  anxius  futuri  schreibt,  ep.  115,  1  auch  das  N.  Kl.  circa, 
in  Rücksicht  auf,  wie  unser  um,  z.  B,  nolo  nimis  anxium  esse  te 
circa  verba,  vgl.  Haustein  S.  63,  Dräger  Synt.  Tac.  §  71,  b,  auch 
super  und  ad  bei  Dichtern,  oh  bei  Dict.,  erga  bei  Tac;   vgl.  Thes. 

11  S.  202,  83. 

Apenninus    (oder    richtiger    wohl    Ap)penyiinus,    vgl.   Thes.    II 

5.  278,  57)  wird  nur  ira  Sing.,  nie  im  Flur,  gebraucht,  während 
wir  die  Apenninen  zu  sagen  pflegen. 

Aperire,  öffnen.  N.  L.  ist  se  aperire,  sich  öffnen,  mit  terra 
oder  caelum  verbunden,  nach  dem  Deutschen  die  Erde,  der  Himmel 
öffyiet  sich,  spaltet  sich,  für  terra,  caelum  discedit,  patefit.  Vgl. 
Dehiscere.  Richtig  ist  aber  vulvae  se  ipsae  aperiunt  (Cic.  div.  1,  74), 
und  ohne  i])sae  —  valvae  clausae  subito  se  aperuerunt  (ib.  2,  67). 
N.  L.  ist  se  aperire  in  der  Bedeutung  seine  Meinung,  seine  Ge- 
danken sagen,  eröffnen,  für  sensus  si\os,  E^ep.  Dion.  8,  2,  sententiam 
suam  aperire  oder  quid  cogitet  aliquis,  Cic.  Mil.  44.  Etwas  anderes 
bedeutet  es  bei  Terenz  (Andr.  632)  und  Liv.  (2,  12,  7),  nämlich 
sicli  durch  sein  äusseres  Benehmen  zeigen,    luie  man  ist  und  denkt, 


Apertus  —     183     —  Apologatio 

sich  verraten,  aber  nicht  mÜDdlich;  vgl.  jedoch  M.  Müller  zu  Liv. 
2,  12,  7.  N.  L.  ist  ferner  sihi  sententiani  oder  sensum  alicuius  loci 
aperire,  sich  den  Sinn  einer  Stelle  öffnen,  zu  erklär en  suchen,  für 
illustrare,  exiüicare,  declarare.  Früher  hielt  man  cqjerire  epi- 
stulam,  einen  Brief  öffnen,  aufmacheii,  für  N.  L.  und  wollte  dafür 
vincula  epistidae  laxare  setzen,  was  doch  heutzutage  unpassend  ist, 
wenn  unter  vincula  das  Siegel  verstanden  werden  soll.  Man  über- 
sah, dass  litteras,  epistrdam  aperire  gerade  das  gewöhnliche  ist,  wie 
Cic.  (Att.  1,  13,  2)  sagt:  litterae  —  aut  interire,  aut  aperiri,  aut 
intercipi  possunt,  und  (ib.  5,  11,  7)  fasciculum  (epistularum)  aperire. 
Ygl.  weiter  Cic.  Att.  6,  9,  1  und  10,  17,  1,  Catil.  3,  7;  3,  12;  Liv. 
33,  28,  14;  Curt.  3,  13,  3.  Solvere  epistulam,  was  Nep.  Hann.  11, 
3  hat,  findet  sich  auch  Cic.  Att.  15,  4,  4. 

Apertus.  Nirgends,  mit  Ausnahme  von  Gell.  6,  14,  6  und  Cic. 
fam.  9,  22,  5,  findet  sich  verhis  ape^^tis,  mit  offenen,  klaren,  deut- 
lichenWorten,  für  perspicuis,  planis  verhis,  oder  aperte,  liquido,  plane; 
nirgends  se  apertum  facey^e,  sich  offenbaren,  für  animi  sensus  aperire; 
nirgends  ingenium  apertum,  z.  B.  ad  haurienda  praecepta;  animus 
apei'tus  bei  Cic.  fam.  1,  9,  22  bedeutet  etwas  anderes,  wie  die  Zu- 
sammenstellung mit  Simplex  zeigt,  vgl.  noch  Cic.  nat.  deor.  1,  27 
aperta  simplexqiie  mens. 

Apex  ist  in  der  Bedeutung  Spitze,  Gipfel  eines  Berges,  Baumes 
u.  dgl.  P.  L.  (doch  Plin.  nat.  21,  14  von  Pflanzen)  für  fastigium, 
Vertex,  von  Bergen  auch  culmen  und  von  Bäumen  cacumen;  mit  dem 
Genit.  litterae  (litterarum)  in  der  Bedeutung  Zug  eines  Buchstahens 
ist  es  Sp.  L.  bei  Gell.  13,  31,  10  für  ductus  litterae  (litterarum), 
wie  Quintilian  es  ausdrückt;  ohne  litter artim  hat  es  Hegesipp,  mit 
elementorum  id.,  vgl.  Rönsch  Ital.  S.  358,  Coli,  philol.  S.  47.  Kl.  aber 
=  höchste  Zierde,  höchster  Schmuck,  die  Krone  von  etivas,  Cic.  Cato 
60 :  apex  est  autem  senectutis  auctoritas. 

Apisci,  erlangen,  ist  alte,  einfache,  auch  noch  Kl.,  aber  selten 
vorkommende  Form  für  die  teils  Kl.,  teils  nachher  gewöhnliche 
Form  adipisci.  Später  brauchten  auch  Livius,  Yell.  Plin.  min.  und 
Tacitus  noch  das  alte  apisci.  S.  Nipperdey  zu  Tac.  ann.  3,  27, 
Schmalz  in  Z.  f.  G.W.  1881  S.  104,  Kalb  Juristenlat.  S.  11  ff.;  Thes. 
II  S.  238;  Ellis  zu  Yell.  2,  116,  3. 

Apographon,  die  Abschrift,  Kopie  ist  Kl.  nur  griechisch  (Cic. 
Att.  12,  52,  3)  und  auch  später  noch  nicht  im  Gebrauche  für  exem- 
plar,  exemplum,  oder  im  Gegensatz  zu  chirographum :  quod  librarii 
manu  est  nach  Cic.  Phil.  2,  8.  Der  ältere  Phn.  (nat.  35,  125)  er- 
wähnt die  Kopie  eines  Gemäldes  mit  den  Worten  :  huius  tabulae 
exemplar,  quod  apographon  vocant;  vgl.  noch  Symm.  ep.  2,  12,  1 
apografa  epistidarum  mearum. 

Apologatio,  die  Fabel  in  Äsopischer  Manier,  —  nach  Quintil. 
5,  11,  20  ein  neues  Wort  seiner  Zeit,  aber  wenig  im  Gebrauche 
(non  sane,  sagt  er,  recepto  in  usimi  nomine)  für  das  bei  Cicero  aus 
dem  Griechischen  genommene  apologus  oder   das  lateinische  fabula. 


Apologia  —     184     —  Apparatus 

Apologia,  die  Verteidigung^  ist  der  Titel  einer  Schrift  des 
Apuleius;  dann  findet  es  sich  noch  Hieron.  adv.  Ruf.  2,  1  veniam 
ad  apologiam  eiits.  Das  von  Georges,  Freund  und  Saalfeld  zitierte 
Hieron.  adv.  Rufin.  2,  4  et  6  hat  Gölzer  Hieron.  S.  206  Anm.  nicht 
entdecken  können;  der  Thes.  II  249,  68  hat  noch  Hier,  epist.  c. 
Joan.   1  u.  37. 

Ai^ologus,  eine  Fahel  in  Asoinscher  Manier.  Cic.  inv.  1,  25 
behielt  dieses  griechische  Wort,  indem  er  es  ins  Lateinische  auf- 
nahm, in  jener  Bedeutung  bei  und  unterschied  davon  das  gewöhn- 
liche fahula  (jede  erdichtete  Erzählung  ohne  Absicht  der  Belehrung), 
welches  aber  so  wie  fahella  N.  Kl.  das  gewöhnliche  Wort  auch  für 
diese  Bedeutung  wurde.  Beide  sind  gleich  gut.  Die  Stellen  siehe 
Thes.  II  249,  81  ff. 

Aijotlieosis,  die  Vergötterung y  ist  ganz  unnötig  erst  sehr  Sp.  aus 
dem  Griechischen  genommen,  für  consecratio  oder  in  deorum  numerum 
referre;  bei  Cic.  Att.  1,  16,  13  steht  es  griechisch. 

Apimrare  mit  Objekt  ist  klass.,  z.  B.  Caes.  Gall.  7,  17,  1  ag- 
gereni  apparare,  Cic.  Qu.  fr.  3,  8,  6  liidos  apimrat;  mit  Infinitiv  findet 
es  sich  in  klass.  Zeit  nur  bei  Caes.  Gall.  7,  26,  3,  vgl.  Frese  S.  51, 
öfters  jedoch  vor-  und  nachklass.,  besonders  bei  Dichtern,  z.  B.  bei 
Verg.  dreimal. 

Aiypüratiis.  Sieht  man  die  beiden  Bedeutungen  dieses  Wortes 
an  1)  als  Handlung  des  Ziibereitens ,  des  Herricldens  für  einen  be- 
stimmten Zweck;  2)  den  durch  diese  Tätigkeit  geivonnenen  Vorrat, 
das  Materied  zu  etwas,  so  wird  apparatus  von  den  Lateinern  ins- 
besondere im  militärischen  Sinne  in  der  Regel  als  vox  collectiva  be- 
trachtet, während  tuir  gewohnt  sind,  von  Kriegsrüstungen  zu  sprechen. 
Gerade  aber  in  dieser  —  die  ganze  Tätigkeit  des  Zurüstens  be- 
zeichnenden Bedeutung  —  steht  lateinisch  fast  durchgängig  der 
Singular.  Mit  Kriegsrüstungen  beschäftigt  sein  =  helli  apparatu 
occupatmn  esse,  Liv.  29,  19,  1.  Urhs  ipsa  strepebat  apparatu  helli 
=  die  Stadt  hallte  wider  von  dem  Lärmen,  den  die  Arbeiten  der 
Kriegsrüstungen  verursachten,  Liv.  26,  51,  7.  Seine  Tätigkeit  auf 
Kriegsrüstungen  verlegen  =  cur  am  intendere  in  helli  apparatum,  eben- 
das.  37,  36,  7.  Die  Kriegsrüstungen  nicht  hinausschieben  =  belli 
apparatum  non  differre,  eben  das.  42,  27,  1.  Sie  brachten  zwei  Tage 
mit  den  Vorkehrungen  (zu.r  Seeschlacht)  zu  ==  biduum  in  apparatu 
morati,  Liv.  36,  43,  8.  Tertius  annus  in  apparatu  belli  consumptus, 
Yell.  2,  12,  3.  Die  Kriegsrüstungen  hintertreibeyi  =  belli  appa- 
ratum discutere,  Liv.  35,  45,  5.  Wählend  der  Kriegsrüstungen 
sterben  =  inter  apimratum  belli  fato  oppriyni,  Liv.  42,  52,  7.  Da- 
gegen der  Plural  nur  bei  Cic.  Phil.  5,  30 :  belli  apparatus  re- 
friyescent,  Caes.  civ.  2,  15,  1  lüji  tantos  suos  labores  et  apparatus 
male  cecidisse  viderunt,  und  bei  Livius:  Ajitiochus  cum  totam  hiemem 
libeyxim  in  apparatus  terrestres  maritimosque  habuisset  ==  zu  Rüstungen 
für  den  Land-  und  Seekrieg,  Liv.  37,  8,  1.  Was  die  zweite  Be- 
deutung von  apparatus  betrifft,  so  ist  auch  hier  der  Singular  nament- 


Apparentia  —     185     —  Apparerc 

lieh  im  militärischen  Sinne  sehr  gewöhnlich,  z.  B.  oimiis  apparatus 
oppugyiandariim  urhiuni  =  alle  Erfordernisse,  das  gesamte  Material 
zu  ...  .  Liv.  23,  36,  7  und  24,  33,  9  und  ebendas.  c.  34,  13  und 
25,  14,  11.  Überfluss  Jtahen  an  allem  möglichen  Kriegsmaterial  = 
plennm  esse  omni  hellico  apparatu,  ebendas.  26,  42,  3,  vgl.  FriedersdorfF 
z.  St.  Ein  ungeheures  Kriegsgerät  luurde  erheutet  =  captus  (est) 
apparatus  ingens  belli,  Liv.  26,  47,  5.  Vgl.  auch  27,  15,  5; 
31,  45,  4;  36,  22,  9  und  43,  18,  5,  Caes.  civ.  3,  41,  3  und 
44,  1.  Doch  kommt  in  diesem  Sinn  auch  der  Plural  öfter  vor.  S.  Liv. 
9,  29,  4  und  9,  40,  1,  Caes.  civ.  2,  2,  1.  Ebenso  sacrorum  ap- 
paratus disicere,  Liv.  25,  1,  10.  Älios  belli  appayxttus  hat  Liv.  35, 
48,  7.  Satis  regios  apparatus  suffleere,  Liv.  42,  53,  4  u.  42,  47,  1. 
Ebenso  ist  es,  wo  apparatus  die  mit  einer  Zurüstung,  Einrichtung 
und  ähnl.  verbundene  Pracht  und  Herrlichkeit  bedeutet,  „die  reiche 
Ausstattung"  (C.  F.  W.  Müller).  Wie  man  hier  den  Singular  ge- 
brauchen kann,  z.  B.  Cic.  orat.  83  und  rep.  6,  10 :  accipere 
apparatu  regio,  so  auch  den  Plural:  delectant  etiam  magnifici  appa- 
ratus, Cic.  off.  1,  25,  vgl.  dazu  C.  F.  W.  Müller.  Quid  prayidiorum 
apparatus  proferam?  Cic.  Phil.  2,  101,  Just.  38,  8  u.  s.  w.  —  Yom 
Schmuck  der  Rede  wird  apparatus  auch  bei  Cicero  gebraucht,  z.  B. 
de  or.  3,  124  facile  suppeditat  omnis  apparatus  ornatusque  dicendi. 
Aber  nirgends  finde  ich  das  Wort  im  Sinne  von  Vorrat  auf  geistige 
Dinge  angewandt,  wie  man  im  N.  L.  von  einem  apparatus  doctrinae 
et  eruditionis  spricht,  worunter  man  Reichtum  und  Fülle  von  Ge- 
lehrsamkeit versteht,  für  überlas  oder  copia. 

Apparentia,  die  Erscheinung,  ist  8p.  L.,  in  welcher  Bedeutung 
es  sei;  will  man  die  Erscheinung  für  die  Augen  bezeichnen,  so  sind 
dafür  besser  visio,  visum,  visus,  ostentum,  monstrum,  portentum;  bei 
Genitiven,  wie  deorum  —  praesentia  (Cic.  nat.  deor.  2,  166);  in  der 
Bedeutung  Ankunft  adventus,  in  der  Bedeutung  Schein  species.  Vgl. 
auch  Apparitio. 

Apparere.  Wiewohl  es  in  die  Augen  fallen,  sichtbar  werden., 
sich  zeigen  bedeutet,  z.  B.:  Cael.  bei  Cic.  fam.  8,  9,  l  qui  nuyiquam 
in  foro  apparuerit,  Liv.  34,  5,  7  in  publico  apparere  =  sich  öffent- 
lich zeigen,  so  ist  doch  apparere  alicui  per  somnium  oder  in 
somnis  nur  die  Sprache  der  Vulgata  bei  III  reg.  3,  5  u.  bei  Matth. 
1,  20  für  die  gewöhnhchen  Ausdrücke  ohversari  somno,  s.  Liv.  2, 
36,  6;  von  dem  Erscheinen  eines  Gespenstes  sagen  Dichter  und 
Sp.  wohl  apparere,  doch  ist  besser  offerri,  occurrere,  s.  Plin.  epp.  7, 
27,  2  und  3,  se  alicui  ostendere  in  somnis,  videri  in  sonuiis,  per 
somnum,  per  quietem,  in  quiete.  F.  L.  und  mit  Unrecht  N.  L. 
nachgebraucht  aber  ist  dies  apparet,  der  Tag  erscheint,  für  venit; 
wenig  Empfehlung  verdient  reus  in  iudicio  apparet  für  iyi  ins  adit, 
ad  iudicium  adest,  vgl.  jedoch  Cic.  Süll.  5  in  quibus  subselliis  haec 
ornamenta  ac  lumina  reipublicae  viderem,  in  his  nie  apparere  nollem, 
u.  Cluent.  147  quid  sibi  autem  Uli  scribae,  cquos  apparere  huic 
quaestioni  video,  volunt?    Und  wiewohl  es  apparentia  vitia  corporis, 


Apparitio  —     186     —  Appellare 

Quint.  12,  8,  10  (vgl.  Cic.  fin.  5,  46)  gibt,  so  gibt  es  doch  keine 
apparentia  vitia  oraüonis  et  sermoyiis,  und  eben  so  wenig  aj)]mrentes 
gejinanismi.  Synonym  mit  cerniy  videri  ist  es  schon  bei  Cic.  zu 
finden,  z.  ß.  Mil.  84  ea  vis  non  apimret  nee  cernitur,  Cato  80  ani- 
mits  non  apjutret;  öfters  auch  bei  Liv.,  vgl.  Friedersdorff  zu  28,  5, 
16;  weniger  zu  empfehlen  ist  jedoch  apinirere  in  Sätzen  wie  nymphae 
in  comitatu  Dianae  ai^imrent  für  sunt,  eonspiciimtitr,  wenn  auch  Fest. 
182  Oreades  in  montihns  freciuenter  apimrent  sagt.  —  Apimret 
mit  Acc.  c.  inf.  ist  klass.,  aber  auch  die  persönliche  Konstruktion 
ist  klass.,  vgl.  Cic.  fin.  3,  23  memhra  nohis  ita  data  sunt,  ut  ad 
quandam  rationem  vivendi  data  esse  ajjjmreant,  auch  Yarro  konstruiert 
so  r.  r.  1,  6,  2  haec  apparent  magis  ita  esse,  vgl.  meine  Synt.^  §  160. 

Apparitio  in  der  Bedeutung  Erscliehmng  kennt  die  profane 
Latinität  nicht,  da  es  nur  die  Bedienung  als  Handlung  und  als 
Personen  bedeutet.  Ygl.  Apparentia.  Aber  bei  Greg.  M.  homil.  in 
evang.  2,  38,  15  g.  E.  steht  für  Ersclieinungsfest  des  Herrn  statt 
des  griechischen  epipliania:  dominicae  apparitioyiis  dies  und  ebenso 
heisst  es  lib.  Sacram.  n.  146:  Hostias  tibi  pro  nati  imfilii  apparitione 
offerimus,  und  so  steht  apparitio  domini  et  salvatoris  nostri  auch  bei 
Leo  M.  Serm.  34,  1 ;  vgl.  auch  Hieronym.  ep.  120,  3  ut  de  resiir- 
rectione  domini  et  apparitione  evangelistae  diversa  narraverint  : 
Gölzer  Hieron.  S.  243  und  Thes.  II  S.  268. 

Appellare,  etwas  nach  etivas  benennen,  wird  verbunden  ah  oder 
ex  aliqua  re,  vgl.  Cic.  rep.  2,  40  ah  asse,  Tusc.  2,  43  ex  viro,  Caes. 
Gall.  7,  73,  8  ex  similitudine,  bisweilen  auch  mit  oh  und  propter, 
s.  Liv.  21,  46,  8  und  Cic.  de  or.  3,  109;  weniger  zu  empfehlen  ist 
de,  ein  klass.  Beispiel  hiefür  gibt  es  nicht  (Yarro  Paul.  Fest.  Gell.). 
Anreden,  z.  B.  appellare  aliquem  Punice^  Plaut.  Poen.  982,  an- 
sprechen um  ettvas,  oder  luegen  einer  Sache  ist  de  aliqua  re,  z.  B. 
Plaut.  Aul.  200  de  communi  re.  Zur  Zeit  der  Republik  war  appellare 
auch  so  viel,  als  eiyie  Ohrigkeit,  z.  B.  die  Yolkstribunen  u.  a.  um 
Hilfe  anrufen,  wenn  man  sich  von  einer  andern  Obrigkeit  bedrängt 
glaubte,  wie  so  appellare  aliquem  mit  oder  ohne  iy%  aliqua  re  vor- 
kommt bei  Cic.  Yerr.  4,  146  und  Liv.  3,  36,  8  siquis  collegam 
appellasset,  und  appellare  de  aliqua  re,  Caes.  civ.  3,  20,  1,  wo  Kraner- 
Hofmann  über  diesen  Punkt  klar  und  deutlich  sich  ausspricht.  Der 
Magistrat,  von  welchem  hinweg,  d.  h.  gegen  dessen  Entscheidung 
eine  andere  gleiche  oder  höhere  Behörde  angerufen  wurde,  wird 
durch  ah  aliquo  appellare  aliquem  bezeichnet:  cuius  procurator  a 
praetore  trihunos  appellare  ausus  sit,  Cic.  Quint.  64.  In  der  Kaiser- 
zeit hingegen  bedeutete  appellare  förmlich  das,  was  wir  appellieren, 
d.  h.  eine  höhere  richterliche  Instanz  anrufen  heissen.  Und  jetzt 
sagte  man  nicht  bloss  (wie  schon  in  den  Zeiten  der  Republik)  appel- 
lare ah  aliquo,  a  oder  ex  sententia,  sondern  auch  ad  aliquem,  wie 
dies  Sp.  L.  oft  in  den  Dig.  vorkommt  und  appellatio  a  iudicihis  ad 
senatum  schon  bei  Suet.  Nero  17  gefunden  wird,  vgl.  Bagge  S.  8, 
Thes.  II  S.  274,  1  ff.  und  S.  271,  27. 


Appellere  —     187     —  Appetitus 

ApiieUere.  Wenn  dieses  Yerbum  die  Bedeutung  hat  anlanden, 
ist  der  volle  lateinische  Ausdruck  aliqtds  navem,  cla^sem  und  ähnliche 
appellit  und  zwar,  im  Gegensatz  zum  deutschen :  irgenchuo  landen, 
mit  Rücksicht  auf  die  Bewegung  nach  einem  Ziele  hin  mit  ad  (in) 
aliquem  locmn,  bei  Städtenamen  mit  dem  blossen  Accus,  oder  mit 
in,  wenn  sie  eine  Apposition  haben:  Emporias  in  iirbeni  sociormn 
classem  aj^pidisti,  Liv.  28,  42,  3.  Statt  des  Accus,  mit  ad  kommt 
K  Kl  (nicht  bei  Liv.  21,  60,  2,  vgl.  Luchs  Erlang.  Lekt.  Kat.  1881, 
S.  1,  anders  jedoch  Riemann  rem.  73),  auch  der  Dativ  vor,  aber 
nur  von  Appellativen  wie  litori,  muris,  rijKie,  z.  B.  Liv.  25,  26,  4, 
Yell.  2,  107,  2,  Curt.  4,  2,  24  und  4,  3,  18,  Tac.  bist.  4,  84. 
Indes  kann  appellere  in  dieser  Bedeutung  auch  absolut  gebraucht 
werden  und  zwar  entweder  mit  dem  Beisatz  classe,  nave  aliquis 
appellit :  Cum  Regium  onera^ia  nave  ajjpidisset,  Suet.  Tit.  5, 
Liv.  30,  10,  9,  und  passiv  Cic.  Yerr.  5,  145,  qiti  essent  adpidsi 
navigiis.  Oder  ^dieser  Beisatz  kann  auch  fehlen :  Cum  ad  litiis  idem 
apjpidisset,  Quintil.  7,  3,  31,  Tac.  bist.  2,   54  und  3,    47,  Yal.  Max. 

I,  1,  extr.  2  und  ibid.  1,  5,  6  und  1,  8,  2  und  2,  4,  5,  Suet.  Tib. 

II,  Liv.  37,  21,  7,  Caes.  civ.  2,  23,  1,  Horaz  sat.  1,  5,  12.  Ja 
appellere  kann  selbst  allen  Zusatz  entbehren,  wie  .  .  .  hortantium 
ut  appeller  et,  Suet.  Nero  27,  Tac.  ann.  4,  67.  Endlich  wie  man 
sagt  aliquis  aliquo  appellit,  oder  die  Ortsbezeichnung  ganz  hinweg 
lässt,  so  wird  auch  navis  Subjekt  des  Satzes:  Alexandrina  yuivis 
Dertosam  appulit,  Suet.  Octav.  98,  Galba  10.  Solct  Germanici  tri- 
remis  Chaucoimm  terrani  appulit,  Tac.  ann.  2,  6  und  c.  24,  tres 
triremes  appidere,  ib.  4,  27.  Ähnlich  wie  appellere  wird  auch  appli- 
care  absolut  gebraucht,  z.  B.  B.  Hisp.  37,  3,  Liv.  26,  44,  11;  44, 
42,  8,  Justin.  2,  4,  2;  12,  2;  Ulp.  Dig.  1,  16,  4,  vgl.  Köhler  act. 
Erl.  I  S.  456.  Der  Thesaurusartikel  über  appellere  entbehrt  der 
Übersicht   und  Ordnung. 

Appendere  ist  in  der  Bedeutung  aufhängen  Sp.  L.  für  suspejulere 
aliquid  ex  aliqua  re,  etivas  an  etivas  auf  Illingen;  vgl.  Capitol.  Ant.  P. 
3,  5  Pet.  taurus  marmoreus  cornihus  ramis  arhoris  adcrescentibus 
appeyisus  est-,  Hieron.  adv.  Ruf.  3,  14  non  quaero,  quis  te  quasi  in 
eculeo  appensum  interrogaverit;  vgl.  Grölzer  Hieron.  S.  345  und  246 
und  Thes.  II  S.  277,  54  ff.  Nach  dem  Sprachgebrauch  des  hl. 
Hieronymus  u.  anderer  Sp.  L.  erklärt  sich,  was  Heyne  schrieb  (zu 
Yirg.  E.  3,  12)  arcum  in  fago  appensum  für  e  fago  suspensum. 

Afpetenter,  begierig,  ist  bei  Cic.  off.  1,  33  von  einigen  bezweifelt 
und  verändert  worden,  da  es  sonst  nicht,  ausser  Sp.  L.  bei  Apul. 
Met.  7,  11  u.  vielleicht  Amm.  29,  1,  16  sowie  Ale.  Avit.  c.  Eut.  1 
S.  16,  9  vorkömmt.  Es  ist  aber  nicht  zu  verwerfen  und  durch 
andere  ähnliche,  eben  so  seltene  Adv.  geschützt. 

Appetitus,  der  Appetit,  wird  mit  Unrecht  als  N,  L.  verworfen, 
da  es  Sp.  L.  wenigstens  so  vorkommt.  Besser  ist  freilich  appetentia 
cihi  oder  aviditas  cibi  appetendi,  dieses  bei  PI.  nat.  22,  113,  jenes  ibid. 
19,  127,  oder  cupiditas  cihi  (bei  Celsus  2,  3,  6).     Edundi  appetens 


Applaudere  —     188     —  Apponere 

und  api^titio  hat  Gell.  16,  3,  2;  letzteres  findet  sich  auch  sonst, 
vgl.  Thes.  II  280,  67.  Der  fehlende  Appetit  heisst  fastidium  cibi, 
Cic.  inv.  1,  25;  den  Appetit  reizen  aviditatem  excitare,  incitare  oder 
facere,  den  Appetit  nehmen  aviditatem  p)otio7iis  et  cihi  tollere,  Cic. 
Cato  46. 

Applaudere,  heifällig  zitMatschen,  kommt  klass.  nicht  vor;  es 
findet  sich  A.  L.  bei  Plaut.,  z.  B.  Bacch.  1211,  in  Prosa  erst  Sp.  L. 
bei  Apul.  Met.  3,  9,  beim  hl.  Hieronymus,  hier  in  der  Verbindung 
sihi  ap2)laudere,  z.  B.  qui  applaudant  sihi  in  eruditione,  vgl.  Gölzer 
Hieron.  S.  315,  und  sonst  vereinzelt,  vgl.  Thes.  II  295,  10  fi". ;  bei 
Cic.  Sest.  115  hat  Halm  auf  handschriftliches  Zeugnis  hin 
plaiulatiir  hergestellt.  Dieses  findet  sich  oft  und  davon  plausus, 
nicht  applausus,  plausor,  nicht  applausor ;  denn  in  Plin.  Paneg.  46, 
4  haben  für  applausor  die  bessern  Handschriften  pMiisor,  wie  auch 
Keil  u.  Müller  lesen;  applausor  scheint  überhaupt  nirgends  vor- 
zukommen. Das  im  N.  L.  so  häufige  applausus  ist  spätl.  bei  Firm. 
Mat.  an  zwei  Stellen,  vgl.  Drossel  S.  12,  für  pRausus,  approhatio, 
assensus,  clamores ;  allein  nach  Krolls  freundlicher  Mitteilung  beruht 
es  an  beiden  Stellen  auf  humanistischer  Interpolation;  bei  Cic.  div. 
2,  104  liest  C.  F.  W.  Müller  plausu  ohne  jede  Bemerkung.  —  Man 
gebrauche  daher  nicht  applaudere,  sondern  plaudere  oder  plausum 
dare  (Cic.  Q.  fr.  3,  1,  13).  —  Der  Thes.  kennt  applausus  nur  aus 
Stat.  Theb.  2,  515  im  eigentlichen  Sinne. 

Applicare.  Kl.  ist  im  Perf.  sowohl  die  Form  applicavi  (immer 
bei  Cicero  ausser  Flacc.  82  aprplicuisti)^  als  ajjplicui,  und  im 
Supinum  applicatum,  während  applicitum  sich  wieder  aus  Cicero,  noch 
aus  Caesar  belegen  lässt  und  in  Prosa  nicht  vor  Petron,  Colum., 
Quint.  und  Plin.  min.  erscheint.  Ygl.  Reisig -Haase  ed.  Hagen 
S.  369  Anm.  292,  Neue-Wagener^  III  S.  376  u.  523  ff.  Es  wird 
meistens  verbunden  mit  ac/,  z.  B.  Caes.  Call.  6,  27,  3  ad  eas  (ar- 
hores)  se  apjplicant,  bei  Liv.  32,  30,  5,  sodann  N.  Kl.  und  P.  auch 
mit  dem  Dativ;  daher  wird  auch  das  ivo  nicht  durch  ubi,  sondern 
durch  (pio  (wohin),  dort  nicht  durch  ihi,  sondern  durch  eo  ausge- 
drückt. Mit  navis,  Schiff,  verbunden  =  landen,  hat  es  dieselbe 
Konstruktion,  wie  appellere,  z.  B.  Civ.  inv.  2,  153;  Caes.  civ.  3, 
101,  5;  vgl.  noch  s.  v.  Appellere  und  Archiv  X  S.  7,  wo  intran- 
sitives applicare  besprochen  ist.  K.  L.  ist  applicare  aliquid  in  ali- 
quem  in  der  Bedeutung  ettcas  auf  jemanden  amuenden,  für  ti'ans- 
ferre  aliquid  in,  accommodare  aliquid  in  aliquem,  aber  applicare  re- 
prehensionem  alicui  rei  =  Tadel  amuenden,  tadeln  hat  Quint.  deck  257, 
16.  —  Das  Subst.  applicatio  hat  N.  L.  aus  dem  Französischen  die  Be- 
deutung Fleiss,  für  industria,  übrigens  ist  es  klass.  im  Sinne  von 
adiunctio,  vgl.  Cic.  Lael.  27,  de  or.   1,  177. 

Apponere,  hei-  oder  zu  etivas  setzen,  wird  verbimden  ad  aliquid 
oder  alicui,  nicht  apud;  in  der  Bedeutung  einen  einem  andern  bei- 
f/ehen,  aliquem  alicui,  wobei  ein  zweiter  Accusativ  angibt,  wozu  man 
einen  beigibt,  z.  B.  aliquem  alicui  custodem,    moderatorem,   rectorem, 


Apportare  —      189     —  Appropinquare 

z.  B.  Cic.  div.  Caec.  51,  Nep.  Dio  4,  5,  Liv.  8,  18,  6.  N.  Kl.  bei 
Plin.  nat.  32,  19  ist  exemplum  apponere^  ein  Beispiel  beisetzen^  für 
subicere;  vgl.  auch  s.  v.  Anteponere.  Appontiis  eigentlich  =:=  viciniis 
ist  poet.  (auch  Cic.  Arat.  19)  und  nachkl.  bei  Plin.,  Tac.  und  Curt. 
4,  1,  26,  trop.  so  nur  einmal  von  Cic.  inv.  2,  165  mit  propinquus 
verbunden,  klass.  dagegen  =  geschickt^  geeignet^  hrmicJihar  von 
Menschen  und  Sachen,  so  öfter  bei  Cic,  z.  B.  Att.  3,  14,  2  locus 
minime  app)ositus  ad  tole7rmdam  in  tanio  liictu  calamitatem;  vgl. 
auch  Hellmuth  in  act.  Erlang.  I  S.  170.  —  Gut  ist  auch:  cnsto- 
diae  alicuius  appositus  =  heh^mä  mit,  kommandiert  zu,  Tac.  ann. 
1,  6;  2,  68,  ein  Gebrauch,  der  durch  Cicero  schon  vorbereitet 
wird,  z.  B.  off.  3,  61. 

Apportare,  herheitragen,  -bringen,  -schaffen.  Kl.  nur  von  dem, 
was  tragbar  ist,  bei  allem  andern  werde  ein  anderes  Yerbum  ge- 
wählt, besonders  afferre,  oder  wie  bei  equiim  und  navem  und  dergl. 
—  adducere.     Übertragen  wird  apportare  klass.  nie  gebraucht. 

Apprehendere  ist  in  geistiger  Bedeutung,  etwas  begreifen,  erst 
Sp.  L.  für  meyite  comp)reliende7^e,percipere,  intellegere,  vgl.  Tert.  anim.  18 
veritates  per  imagines  apprehendiintiir ;  ebenso  Sp.  L.  apprehensio, 
das  geistige  Begreifen,  Verstehen,  für  comprehensio,  perceptio,  intelle- 
gentia,  und  gleich  ^^S^;.  L.  u.  selten  apprehensibilis,  begreiflich,  für 
comprehensibilis  u.  a.,  vgl.  Tert.  adv.  Yal.  11  und  Rönsch  Sem. 
3  S.  8. 

Apprime,  vor  allem,  vorzilglich  gehört  der  archaischen  und 
archaistischen  Latinität,  bezw.  dem  Vulgärlatein  an;  in  klass.  Zeit 
begegnet  es  uns  nur  bei  Nep.  Att.  13,  3,  vgl.  Nipp.-Lupus  z.  St. 
und  Yarro  r.  r.  3,  2,  17.  Es  wird  zumeist  mit  Adj,  und  Partiz., 
z.  B.  apprime  eruditiis  bei  Hieron.,  apprime  modestiis  bei  Apul.,  in 
der  späten  Latinität  auch  mit  Yerben  verbunden,  z.  B.  Solin.  17,  5 
apprime  decet ;  vgl.  Cotta  S.  3.  Zu  voreilig  wollte  es  Ang.  Mai  in 
einem  selbst  gemachten  Zusätze  zur  Ausfüllung  einer  Lücke  in  Cic. 
rep.  2,  30  einschwärzen.  Es  war  früher  auch  Lesart  in  Cic.  fin. 
3,  32,  welche  jetzt  aber  nach  den  Spuren  in  den  Handschriften  in 
a  primo  geändert  ist.  Ygl.  Madvig  zu  dieser  Stelle,  namenthch  aber 
Wölfflin,  Kompar.  S.  17,  wo  noch  andere  ähnliche  Stellen  besprochen 
werden,  Wölfflin  im  Archiv  I  S.  97  und  besonders  Skutsch  im  Ar- 
chiv Xn  S.  213,  welcher  ap)prime  =  ^^dem  prime  nahekommend'-''  er- 
klärt und  die  Herleitung  von  apprimns  mit  Recht  zurückweist. 

Appropinquare,  sich  nähern.  In  räumlicher  Bedeutung  erscheint 
es  bald  absolut  oder  regelmässig  mit  Dativ  und  zwar  bei  Caesar 
ausschliesshch  (vgl.  Mensel  s.  v.),  bei  Cicero  z.  B.  fin.  5,  64  regem 
moenibus  iam  appropinquantem,  ebenso  bei  Liv.  Tac.  Suet.  Die 
Konstruktion  mit  ad  ist  bei  Caes.  Gall.  2,  19,  2  jetzt  aufgegeben 
(vgl.  Köhler  act.  Erl.  I  S.  433,  Mensel  s.  v.),  findet  sich  indes  bei 
Cic.  fin.  4,  64  ad  summam  aquam  appropinquare  (aber  nur  hier!), 
dann  bei  Nep.  Tim.  3,  3,  b.  Afr.  23,  2,  b.  Hisp.  3,  8;  9,  5,  bei 
Yitruv  1,  5,  2;  10,  16,  7;  Liv.  40,  58,  3  ad  iuga  montium  ap^pro- 


Appropriare  —     190     —  Apud 

innquantes.  Der  Accus,  ohne  ad  kommt  im  b.  Hisp.  5,  5,  vgl. 
Landgraf  Archiv  X  S.  396,  mit  in  ib.  30,  2,  sonst  nirgends  vor. 
Die  Annäherung  an  Personen,  sowie  das  Näherkommen  in  über- 
tragener Bedeutung  wird  ausschliesslich  (und  zwar  klassisch)  mit 
dem  Dat.  gegeben,  z.  B.  Caes.  Gall.  4,  25,  6  liostibus  ap2)roinnquariint, 
Cic.  Phil.  4,  10  iit  nohis  lihertas  approjnnqiiet.  Man  halte  sich 
also  vorzugsweise  an  approinnquare  mit  Dativ;  vgl.  auch  Landgraf 
Progr.  1899  S.  34.  Über  das  vulgäre  u.  Sp.  L.  approximare  vgl. 
Wölfflin  Arch.  II  S.  357,  Hauler  ib.  X  S.  440. 

Appropriarey  ayieignen  und  appropriatio,  die  Aneignung,  sind 
gleich  Sp.  u.  selten  für  rem  proprium  oder  suam  facere,  adsciscere 
oder  vindicare  sihi  cdiquid;  vgl.  Thes.  II  S.  316. 

Appiignare,  hestürmeny  angreifen,  z.  B.  dassem.,  castellum,  für 
oppugnare,  findet  sich  sicher  nur  bei  Tacitus  in  den  Annalen,  vgl. 
Dräger  u.  Nipp,  zu  Tac.  ann.  2,  81,  gewiss  aber  ohne  Unterschied 
von  dem  letzteren. 

Apricus,  sonnig,  ist  Kl.;  aber  N.  L.  bildlich  aliquid  in  aprico 
ponere  für  declarare,  aperire,  vielleicht  nach  Hör.  epist.  1,  6,  24 
quicquid  sab  terra  est,  in  apricum  proferet  aetas  gebildet. 

Aptare,  anpassen,  bei  Livius,  bei  Quintilian  und  anderen,  N.  Kl. 
sowie  im  Sp.  L.,  z.B.  bei  x\mmian,  für  accommodare;  es  wird  mit 
ad  oder  dem  Dativ  verbunden.  Bei  Cicero  findet  sich  nur  das  Partiz. 
aptatus  als  Adjektiv,  passend  zu  etwas,  z.  B.  de  or.  3,  162. 

Aptitndo,  die  Tanglichkeit,  ist  Sj).  L.  bei  Boet.  und  Ps.  Boet. 
für  hahilitas. 

Aptus.  In  der  Bedeutung  hangend,  befestigt,  angeknüpft  an 
etwas,  wird  es  verbunden  ex  aliqua  re,  z.  B. :  gladius  e  lacunari 
aptus  (Cic.  Tusc.  5,  62,  vgl.  dazu  Näg.-Müller^  S.  474) :  ebenso  in 
der  bildlichen  Bedeutung  von  eticas  abJiängend,  z.  B.:  officium  ex 
honesto  aptum  est  (Cic.  off.  1,  60).  Mit  dem  blossen  Ablat.  steht 
es  nur  bei  Cic.  Tusc.  5,  40  u.  leg.  1,  56:  vita  apta  virtute,  vgl. 
Feldhügel  zu  Cic.  leg.  II  S.  108.  In  der  Bedeutung  geschickt, 
passend,  wird  es  bei  Sachen,  für  die  jemand  oder  etwas  passend 
ist,  mit  dem  Dativ  verbunden,  wie  bei  Cic.  Att.  6,  6,  4.  Daneben 
aber  findet  sich  auch  die  Yerbindung  mit  ad  und  ausserdem  in 
Prosa  seit  Livius  die  Konstruktion  von  aptum  esse  in  aliquid,  25, 
9,  1  und  38,  21,  8.  Die  Person,  für  welche  etwas  geeignet  ist, 
steht  regelmässig  im  Dativ,  z.  B.  Cic.  Brut.  326  Jiaec  dicendi  genera 
aptiora  sunt  adulescentihus ;  Person  und  Sache  stehen  nebeneinander, 
z.  B.  Cic.  Mil.  53  locus  ad  insidias  utri  fuerit  aptior. 

Apud.  Bei  mancher  Ähnlichkeit  im  Gebrauche  mit  unserm  deut- 
schen bei  findet  doch  manche  Verschiedenheit  u.  Abweichung  statt. 
Wir  fragen  z.  B.  bei  vielen  Verben  mit  ivo?  die  Lateiner  aber  mit 
woJmi  ?  oder  wir  brauchen  bei,  die  Lateiner  ad,  d.  h.  nacli  etwas 
hin.  Vgl.  Advenire,  Convenire,  Devertere  u.  a.  —  A.  L.  (sogar  einmal 
bei  Cicero,  dann  bei  Tac,  oft  im  Sp.  L.)  ist  es,  apud  bei  Städte-  und 
andern  Ortsnamen    zu    brauchen    für   in   mit  dem  Ablat.  oder    was 


Apud  —     191     —  Apud 

sonst  Kl.  üblich  war,  z.  B.  ainid  Romam  für  Bomae,  zu  oder  in 
Rom,  nicht  hei  Rom,  in  der  Nähe  Roms;  apud  Graeciam  für  in 
Graecia;  apud  forum,  apud  oppid^im,  apud  villam  u.  dgl.,  was  in 
der  Umgangssprache  alltäglich  gewesen  zu  sein  scheint  und  bei  uns 
höchstens  im  Dialog  zulässig,  sonst  aber  zu  vermeiden  ist;  näheres 
hierüber  findet  man  bei  Hellmuth  act.  Erl.  I  S.  146,  Meissner  zu 
Ter.  Andr.  254,  Lorenz  zu  Plaut.  Most.  339,  Pradel  S.  495,  Maue 
S.  29—31,  Greef  S.  24-26,  Brix  zu  Plaut.  Mil.  930,  Landgraf  zu 
Cic.  S.  Rose.  S.  219,  Nipp,  zu  Tac.  ann.  1,  5,  Bagge  S.  70,  Paucker 
Oros.  S.  43,  Cotta  S.  14,  Lönnergren  S.  28,  Rönsch  Itala  u.  Yulg. 
S.  391,  Gölzer  Hieron.  S.  331  und  ganz  besonders  Wölfflin  im  Ar- 
chiv XH  S.  451.  —  In  Ausdrücken,  wie  in  der  Schlacht  hei  Sena 
u.  dgl.  kann  auch  lat.  ajntd  ohne  ein  stützendes  Partizip  (facto), 
wie  unser  hei  gebraucht  werden,  z.  B. :  magni  opera  eius  existimata 
est  in  proelio  apud  Senam,  Nep.  Cat.  1,  2.  Nostra  semper  fey^etur 
et  praedicahitur  .  .  .  incredihilis  apud  Tenedum  illa  pugna  navalis, 
Cic.  Arch.  21,  ebenso  nat.  deor.  3,  11,  Curt.  4,  1,  34,  und  so  auch 
villa  ad  Lucrinum,  Cic.  Att.  14,  16,  1  und  imntius  victoriae  ad 
CannaSy  Liv.  23,  11,  7;  doch  ist  die  Beifügung  eines  Partizips  em- 
pfehlenswert, wenn  nicht  die  Ortsbestimmung  attributive  Stellung 
hat;  vgl.  oben  s.  v.  Ad,  auch  Kraner  zu  Caes.  Gall.  4,  33,  1.  — 
Gut  ist  apud  aliquem  esse,  hei  jemanden  sein,  wenn  es  heisst  in 
seinem  Hause  lehen,  sich  aufhalten;  aber  nicht  in  seiner  Nähe,  iu 
seiner  Gesellschaft  sein,  umgeheyi  mit  ihm,  was  esse  cum  aliquo  heisst ; 
so  ist  es  auch  mit  hahita^^e,  vivere  u.  ä.,  z.  B.  Cic.  Cael.  51  qui 
tum  apud  Lucceium  hahitahat;  acad.  2,  115  qui  mecum  vivit  tot 
annos,  qui  hahitat  apud  me,  Tusc.  5,  69  sapientis  animmn  cum  his 
hahitantem  pernoctantemque  curis.  Vgl.  noch  Seyffert-MüUer  z.  Lael. 
S.  16  u.  73  für  den  Unterschied  von  vivere  cum  und  esse  cum 
aliquo.  Ebenso  ist  richtig  rede  est  apud  aliquem  =  es  steht  gut  mit  e., 
er  ist  tüohl,  s.  Cic.  Att.  1,  7  u.  ibid.  14,  16,  4  u.  Dolab.  bei  Cic. 
fam.  9,  9,  1.  B.  L.  ist:  hoc  est  (non  est)  ap)ud  me,  das  steht 
(steht  nicht)  hei  mir,  d.  h.  in  meiner  Macht,  für  penes  me,  in  mea 
potestate.  Diesem  widerspricht  nicht,  wenn  Nep.  Phoc.  2,  4  sagt : 
cum  apud  eum  summum  esset  imperium  populi,  denn  aliquid  est  apud 
aliquem  ist  nicht  mehr  als  hahere  aliquid,  wie  dies  Nipp.-Lupus  zur 
St.  ausführt.  So  sagt  selbst  Cic.  Brut.  152  existimo  iuris  civilis 
magnum  usum  et  apud  Scaevolam  et  apud  multos  fuisse,  dann  Liv. 
39,  37,  13:  apud  Romanos  imperium  est  =  bei,  auf  Seiten  der  R. 
und  Sen.  ep.  98,  10  quicquid  est,  cui  dominus  inscriheris,  apud  te 
est.  —  B.  L.  ist  ferner  esse  apud  manum,  hei  der  Hand  sein,  für  ad 
manum;  apud  se,  apiul  animum  suum  cogitare,  hei  sich  denken,  iiher- 
legen,  für  secum,  cum  animo  suo  cogitare,  wiewohl  richtig  ist  ap>ud 
animum  suum  statuere,  proponere,  was  ich  Z.  f.  G.  W.  1881  S.  121  ff. 
mit  Beispielen  belegt  habe  (Sulp,  bei  Cic.  fam.  4,  5;  Liv.  6,  39, 
11;  34,  2,  4);  vgl.  auch  Sali.  Jug.  110  apud  animum  meiim  nihil 
carius  haheo;    apud    animum  suum    expendere  hat  Val.  Max.  6,  9, 


Aqua  —     192     —  Aquaticus 

6;  cqmd  te  ipsum  reimtciy  Front,  de  eloqu.  S.  167  und:  isiud  cqmd 
nostros  animos  identidem  reputaljamus,  Apul.  Metam.  4,  21  extr. 
Sehr  Sp.  L.  bei  Schol.  Juv.  13,  213  steht  freilich  apiid  conscientiam 
suani  cogitant  de  admisso  scelere,  doch  das  klingt  schon  fast  bar- 
barisch. N.  L.  aber  ist  aliquid,  z.  B.  nummos  apud  se  ferre  für 
secum  ferre;  B.  L.  disertus  est  apud  vinum  u.  ähnl.,  heim  Weine, 
für  ad  vinum  (Cic.  Cael.  67).  —  Gut  ist  auch  apud  bei  Yerweisen 
auf  Stellen  eines  Schriftstellers,  z.  B.  Cic.  fin.  5,  28  iit  ille  apud 
Terentium,  Tac.  dial.  9  apud  ie,  ann.  1,  81  apud  auctores ;  ferner 
apud  illos  est  consuetudo,  Caes.  Gall.  1,  50,  4,  apud  me  valet  illius 
auctoritas  (Cic.  Lael.  13,  Farad.  8).  Auch  ist  apud  se  esse,  hei  sich 
sein,  hei  Besinnung  sein,  im  Dialog  nicht  verwerflich  und  findet 
sich  oft  bei  Terenz,  vgl.  Spengel  zu  Ter.  Andr.  408,  auch  bei  Plaut. 
Mil.  1345,  bei  Afr.  38,  vgl.  Guericke  S.  62,  Fradel  S.  492;  vgl. 
noch  penes  se  esse  Hör.  sat.  2,  3,  273  und  dazu  Fritzsche. 

Aqua.  „Hochwasser"  oder  „Überschwemmung"  heisst  aquae, 
z.  B.  Caes.  civ.  1,  50,  1  hae  permanserunt  aquae  dies  complures ; 
als  Attribut  erscheint  niacjnae,  maiores,  bei  Livius,  welcher  denselben 
Gebrauch  aufweist,  auch  das  rhetorisch  poetische  ingentes,  35,  9,  2, 
substantivisch  aquarum  magnitudo  bei  Liv.  30,  38,  10  aquarum  in- 
solita  magnitudo.  Ferner  bedeutet  aquae  „Heilquelle",  z.  B.  Cic. 
Plane.  65  ad  aqiuts  venire,  also  „Kurgast"  =  qui  ad  aquas  venit ; 
vgl.  Neue -Wagener^  I  S.  605,  Archiv  XH  S.  525.  Mineralwasser 
bloss  seiner  stofflichen  Zusammensetzung  (nicht  seiner  medizinischen 
Wirkung)  nach  betrachtet  ist  aqua  medicata,  wie  auch  Georges  im 
Hdwtb.  angibt.  "Wenn  man  —  wie  noch  Klotz  tut  —  sich  für  den 
Plural  auf  Sen.  nat.  3,  25,  9  berief,  so  war  dies  übereilt,  denn  dort 
steht  der  Singul.:  aquae  gravitas  medicatae.  Wenn  Wasser  dem 
Lande,  nicht  der  Erde  als  Element,  entgegensteht,  so  wird  in  Prosa 
gewöhnlich  mare,  nicht  aqua,  gebraucht,  und  so  mare  bei  einer 
Reise  zu  Wasser,  und  unser  zu  Wasser  und  zu  Lande  terra  muri- 
que  oder  seltener  et  mari  et  terra,  mari  atque  terra,  aber  nie  aqua. 
Curt.  freilich  9,  3,  21  sagt  iam  in  aqua  dassis  stahat,  doch  dies 
ist  nicht  nachzuahmen,  wenn  auch  Lentulus  bei  Cic.  fam.  12,  15,  2 
schon  navis  instrudas  et  paratas  in  aqua  ludjere  schreibt.  Doch  hat 
Cic.  selbst  aqua  =  mare,  z.  B.  Yerr.  2,  86  decumas  ad  aquam  de- 
po7iatas;  im  F.  L.  findet  sich  oft  aqua  =  mare.  Dagegen  Wasser 
als  Element  ist  jedenfalls  aq^ui,  z.  B.  Cic.  nat.  deor.  2,  26  aquae  ad- 
mixtum  esse  calorem,  vgl.  auch  Plin.  nat.  28,  107  crocodilo  vita  in 
aqua  terraque  communis.  Beachtenswert  ist  schliesslich,  dass  es  für 
unser:  etiuas  auf  dem  Wasser-,  Landweg  irgendwohin  hriyigen,  bei 
Plin.  epp.  10,  41  (50)  2  heisst:  aliquid  ad  viam  navihus,  inde 
vehiculis  ad  mare  develiere.  Über  aquae  und  aquarum  ductus  vgl. 
Ductus. 

Aqiuiticus,  im  Wasser  lehend,  -hefindlich,  steht  N.  Kl.  oft  beim 
altern  Plinius  für  das  klass.  aqiuitilis  (Cic.  nat.  deor.  1,  103),  in 
aqua  vivens,  hahitans. 


Aquilo  —     193     —  Arbiträre 

Aquilo,  der  Nordiuind,  nie  eigentlich  der  Norden  als  Land  für 
Äquilonis  imrtes  (Cic.  rep.  6,  22),  partes  septentrionihns  suhiedae, 
terra  subiecta  aqniloni  (Cic.  rep.  6,  21),  oder  in  septentriones  spectayis 
Caes.  Gall.  1,  1,  6,  terra  suh  septeyitrionibiis  posita  ib.  1,   16,  2. 

Aqaüonius,  yiördlicli,  ist  nicht  nur  N.  Kl.  und  A.  L.,  sondern 
auch  Kl.,  denn  bei  Cic.  nat.  deor.  2,  50  liest  C.  F.  W.  Müller 
regio,  quae  tum  est  aquilonia,  tum  australis,  bei  Liv.  40,  58,  8 
aquilonia  regio,  Madvig  u.  Hertz;  ausserdem  sage  man  septentrio- 
nalis,  aquiloni  suhiedus. 

Aquosus,  luasserreicJi,  ist  nicht  nur  P.  L.,  sondern  auch  pro- 
saisch bei  Cato,  Varro,  Livius:  campus  herhidus  aquosusque,  Liv.  9, 
2,  7,  Colum.  Pallad.  (1,  6,  14),  Plin.  mai.  und  Plin.  min.  (epp.  3, 
19,  5),  Sen.  nat.  3,  11,  4,  Sp.  L.  bei  Sedulius  und  sonst,  nirgends 
aber  bei  Sallust,  Cicero  u.  Caesar;  man  mag  es  immerhin  gebrauchen 
von  der  natürlichen  Feuchtigkeit  als  Attribut  von  campus,  ager, 
solum,  terra,  locus.  Das  Neutr.  Plur.  wird  als  Substantiv  gebraucht, 
z.  B.  Plin.  nat.  16,  77  u.  sonst.  Hier,  epist.  7,  3  j^ism  aquosa  petit, 
Gölzer  Hieron.  S.  119. 

Arabus,  arabisch  und  der  Araber,  ist  mehr  P.  Nebenform,  jedoch 
Plin.  nat.  36,  153  lapis  Arabus,  für  das  Adjekt.  Arabiens  und  das 
Subst.  Arabs^  welche  beide  in  Prosa  allein  anzuwenden  sind. 

Arator,  der  Pflüger,  werde  als  mehr  P  vermieden  durch  agri- 
cola,  indem  arator  es  in  Prosa  gewöhnlich  nur  die  Pächter  der  Staats- 
güter hiessen  (wiederholt  so  Cic.  in  Yerr.);  doch  vgl.  Cic.  Scaur.  25 
adii  casus  aratorum,  leg.  agr.  2,  84  genus  hominum  optimonim  et 
aratonim  et  militum. 

Arbiter  ist  in  der  Bedeutung  Herr,  Gebieter,  P.  L.  u.  N.  Kl. 
für  dominus,  z.  B.  Hör.  od.  1,  3,  15;  doch  finde  ich  schon  bei 
Cicero  Stellen,  wo  arbiter  die  Bedeutung  von  dominus,  nioderator 
hat,  z.  B.  Att.  15,  1,  2  arbitrum  me  statuebat  yion  modo  huius  rei, 
sed  totius  considatus  sui  =  ich  solle  verfügen  über;  die  Stellen  aus 
dem  P.  L.,  aus  dem  N.  Kl.  und  Sp.  L.  siehe  Thes.  II  S.  406, 
80  ff. 

Arbiträre  findet  sich  als  aktive  Form  altlateinisch  bei  Plautus 
und  bei  Cicero  nat.  deor.  2,  74  (nach  C.  F.  W.  Müller),  vgl.  KofF- 
mane  lex.  s.  v.,  Georges  Wortformen  s.  v.  und  Lorenz  zu  Plaut. 
Mil.  987  u.  Most.  948.  Vergleicht  man  damit  Caes.  civ.  3,  6,  3; 
portus  omnes  timens,  quod  teneri  ab  adversariis  arbitrabantur,  und  ist 
das  die  bestbeglaubigte  Lesart,  so  lässt  sich  dieselbe  nicht  anders, 
als  passiv  fassen  und  als  Reminiscenz  an  die  ursprüngliche  Aktiv- 
form erklären,  wie  dies  Kraner-Hofmann  (auch  Mensel  s.  v.)  wirk- 
lich tun  und  diesen  (seltenen)  Sprachgebrauch  einigemale  auch  bei 
Cicero  finden,  z.  B.  Verr.  5,  106:  cum  ipse  praedonum  socius  arbi- 
traretur.  Entscheidend  ist  die  Stelle  allerdings  nicht,  weil  die  beiden 
Handschriften  R  und  Y  auseinandergehen;  indes  erkennen  Müller 
und  Nohl  dem  Regius  mit  arbitraretur  den  Vorzug  zu.  In  einer 
andern  ciceronischen  Stelle,    Mur.  34:    cuius    expulsi    et    eiecti   vita 

Krebs-Schmalz,  Antibarbarns  1.  13 


Arbitratus  —     194     —  Arcane 

tanti  existimata  est,  id  morte  eins  nuntiata  deniqne  hellum  confednm 
arhitraretiir ,  haben  alle  Handschriften  arhitraretur.  Dazu  kommt,  dass 
auch  bei  Cic.  Att.  1,  11,  2:  qiiod  in  epistula  tiia  scriptum  erat,  me 
iam  arhitrari  designatimi  esse  der  Wortlaut  an  sich  verlangt,  dass 
arhitrari  durch  man  glaubt,  mithin  passivisch  übersetzt  werde  (Thes.  II 
417,  57  ergänzt  jedoch  fe).  Endlich  ist  noch  zu  beachten,  dass  Pris- 
cian  gramm.  II  383,  11  eine  ähnhche  Stelle  aus  Caelius,  dem  Zeit- 
genossen Ciceros,  anführt.  Wir  werden  also  diesen  passiven  Ge- 
brauch ebenso  wie  manches  andere,  was  selten  vorkommt,  gelten 
lassen.  Näheres  bei  Landgraf  zu  Cic.  Mur.  Anhang  S.  74,  Thomas 
zu  Cic.  Yerr.  5,  106,  ßebling  Progr.  Kiel  1873  S.  21;  auch 
C.  F.  W.  Müller  ist  für  den  passiven  Gebrauch,  wie  aus  Bemerk- 
ungen zu  Cic.  Reden,  z.  B.  II,  II  S.  LH  und  sonst  hervorgeht; 
anders  urteilt  Boot  zu  Cic.  Att.  1,  11,  2.  Ygl.  noch  Neue- 
Wagener^  III  S.  24  f.,  Frese  S.  66.  —  Für  die  Kl.  Verbindung 
zweier  Accusative  ohne  esse  bei  diesem  Yerbum  diene  folgendes 
Beispiel  aus  Cicero  (fam.  5,  12,  6) :  non  eos  magis  —  —  invidos, 
quam  eos,  qui  laudant,  assentatores  arhitrari;  mehr  Beispiele  hat 
Thes.  II  S.  416,  79  ff. 

Arhitratus  ist  nur  im  Ablativ  üblich,  arbitratu,  nach  Ent- 
scheidung, nach  Gutdünken,  Willkür,  freier  Wahl,  fast  immer  in 
Beziehung  auf  die  handelnde  Person  mit  den  Pronom.  meo,  tuo,  suo 
u.  s.  w.,  selten  mit  einem  Genitiv;  doch  ist  boni  viri  arbitratu  bei 
den  Juristen  üblich,  auch  Cic.  hat  Beispiele  mit  Gen.,  z.  B.  fam. 
13,  42,  1 ;  N.  Kl.  finden  sich  viele,  schon  bei  Liv.,  doch  mehr,  wenn 
arbitratu  =  7iach  Entscheidung  bedeutet.  Man  sagt  sowohl  meo 
u.  s.  w.  arbitratu  (arbitrio)  als  arbitratu  (arbitrio)  meo,  tuo  u.  s.  w\ 
Das  erstere  ist  zu  gebrauchen,  wenn  der  Nachdruck  auf  dem  Pro- 
nomen, im  Gegensatz  zu  einer  andern  Person  gedacht,  ruht,  vgl.  Cic. 
Plane.  71  ciuasi  vero  me  tuo  arbitratu  et  non  meo  gratum  esse  oporteat, 
Cic.  fin.  2,  28  und  über  suo  etc.  arbitrio  Liv.  4,  10,  2  u.  21,  18, 
7.  Liegt  dagegen  der  Schwerpunkt  auf  arbitratu  (arbitrio),  im 
Gegensatz  zu  Not  und  Zwang.,  so  tritt  das  Pronomen  dem  Substant. 
nach,  s.  Sen.  de  benef.  2,  18,  7,  ebenso  epp.  18,  1,  8,  Cic.  Phil. 
6,  4,  fin.  5,  89,  fam.  7,  1,  5,  Q.  fr.  2,  4,  1  u.  Quinct.  96.  Sp.  L, 
ist  es  aber,  ein  Adjektiv  hinzuzusetzen,  wie  z.  B.  Ambr.  off.  3,  12, 
81  fecit  arbitratu  spontaneo,  fid.  2,  11,  97  voluntario  functus  arbi- 
tratu. Den  Nominativ  Sing,  hat  Plaut.  Asin.  766,  Rud.  13,  55, 
vereinzelt  findet  sich  der  Acc.  u.  der  Abi.  mit  Präpos.,  z.  B.  ex  arbitratu. 

Arboretum,  Banmgarten,  Baumstück,  ist  A,  L.  bei  Quadrigarius 
für  arbustum ;  Böhmer  II  S.  18  hält  das  unrichtig  gebildete  und 
von  Gell.   17,  2,    25    ignobilius   verbum   genannte  Wort  für  vulgär. 

Arcadius,  Arkadisch,  P.  Form  für  Arcadicus;  ebenso  Areas  als 
Adjektiv,  da  es  in  guter  Prosa  nur  Sahst,  ist;  vgl.  jedoch  Aug.  civ. 
18,  18  ah  diis  vel  j)otius  daemonibus  Arcadibus. 

Arcane,  heimlich,  geheim,  ist  eine  nicht  vorkommende  Form  des 
Adv.  für  arcano;  dieses  steht  Cic.  Att.  16,  3,  1,   Caes.  civ.  1,  19,  2. 


Arcere  —     195     —  Archetypum 

Ä7xere^  ahhalten.  Jemanden  von  etwas  aWialten  wird  am  aller- 
gewöhnlichsten  mit  dem  blossen  Ablat.  des  Ortes  konstruiert,  z.  B.  ar- 
cere aliqiiem  Italia,  Gallia  provincia,  inovinciae,  reijni  finihiis,  regno, 
Samniti  agro,  Chersonesi  urhibus,  PeloponnesOy  und  sodann  auch  pro- 
gressit,  reclitu,  aditu,  transitii,  sedihus,  forihus^  flumine,  vado,  curia, 
templo,  litoribus,  ascensii,  aqua,  commeatihiis,  poimlationilms ,  portihiis 
et  litorum  appidsu  arcere.  S.  darüber  z.  B.  Cic.  Phil.  5,  37;  11, 
4,  Tusc.  1,  89,  leg.  2,  25,  Phil.  2,  104,  Liv.  26,  25,  5  u. 
26,  41,  6  u.  37,  37,  11;  2,  23,  12;  7,  25,  12;  7,  35,  3;  22,  59, 
5  u.  a.  —  Sehr  selten  wird  gesagt  arcere  aliqitem  ah  aliqiia  re  wie:  ah 
effusa  fuga  flumen  ohiectnm  ah  tergo  (eos  arcehat),  Liv.  10,  23,  4 
und:  Campayios  facile  Appiits  a  vallo  arcehat,  Liv.  26,  5,  10. 
Hunc  et  Jmiiis  socios  a  titis  ceterisqiie  teniplis  .  .  .  arcehis,  Cic.  Catil. 
1,  33.  Hingegen  ist  arcere  aliqiiem  ah  aliqiia  re  das  gewöhnliche, 
wenn  es  sich  um  ethische  Dinge  handelt,  von  welchen  jemand  ab- 
gehalten werden  soll:  ah  illecehris  peccantium  aliqitem  arcere,  Tac. 
Agric.  4.  Arcere  homines  ah  improhitate  omni,  Cic.  Parad.  23. 
Maxime  haec  aetas  a  lihidinihus  arcenda,  Cic.  off.  1,  122.  Quodsi 
homines  ah  iniuria  poena,  non  natura  arcere  deheret,  Cic.  leg.  1, 
40.  Qui  a  stnpro  arcentur  infamiae  metu,  ibid.  51  und  a  delictis 
arcere,  rep.  5,  6;  dagegen  selten  ohne  a:  ut  populum  Romayimn  li- 
centia  arceas,  Liv.  3,  21,  7.  Endlich  etivas  von  etiuas  ahhalten  ist 
bei  Liv.  suis  munimentis  arcere  vim,  Liv.  5,  8,  8  und  portis  moeni- 
hiisque  vim  arcere,  ebendas.  21,  57,  1;  hier  kann  in  munimentis 
u.  s.  w.  auch  der  Dat.  erblickt  werden;  Fügner  nimmt  wohl  mit 
Recht  den  Abi.  an,  der  Dat.  ist  P.  und  Sjh  L.  —  laicht  nachzuahmen 
ist  die  Konstruktion  von  arcere  mit  Infin.,  welche  P.  L.  und  Spf.  L. 
ist,  vgl.  Gölzer  Hieron.  S.  369.  Doch  arcere  ne  hat  Liv.  27,  48, 
8,  non  arceo  quin  Liv.  26,  44,  9,  aber  arcere  ut  erst  Claud. 
26,  100. 

Arcessere,  nicht  accersere  ist  die  im  klass.  Latein  übliche  Form; 
vgl.  darüber  Keller  Etym.  S.  59  f. ,  besonders  aber  Wölfflin  im 
Archiv  VHI  S.  279—287,  sowie  S.  562.  Arcivero  statt  accivero 
liest  C.  F.  W.  Müller  bei  Cic.  Att.  5,  1,  3. 

Arcessitas^  das  Herheirufen,  ist  nur  im  Ablat.  üblich,  arcessitu, 
u.  auch  dieser  Abi.  findet  sich  nur  Plaut.  Stich.  327,  Cic.  nat.  deor. 
1,  15,  sowie  Amm.  31,  10,  3,  aber  schwerlich  Caes.  Gall.  7,  74, 
1,  vgl.  Meusel  s.  v. ;  zu  arcessitu  kann  ein  Genitiv  oder  Pron. 
poss.,  aber  kein  Adjektiv  treten.  Falsch  wäre  celeri  eins  arcessitu 
vejii,  auf  sein  schnelles  Herh.,  für  celeriter  ah  eo  ayxessitus  veni.  Ygl. 
A7-hitratus. 

Archetypum,  das  Original,  zuerst  bei  Yarro  r.  r.  3,  5,  8  als 
Adj.  ins  Lateinische  aufgenommen  und  von  PUn.  ep.  5,  15, 
1  ego  autem  ah  hoc  archetgpo  lahor  et  decido  nachgebraucht,  bei 
Cicero  in  den  Briefen  ad  Att.  12,  5;  16,  3,  1  noch  äp^sruTrov; 
in  Reden  möchte  es  nicht  anwendbar  sein  und  lieber  umschrieben 
werden  durch  liher  ipsiiis  auctoris  manu  scriptus. 


L 


Architectari  —     196     —  Ardens 

Architectari  findet  sich  in  eigentlicher  Bedeutung  bei  Yitruv, 
pass.  auch  in  einem  Fragm.  des  Nepos,  aber  nicht  bei  Cicero;  da- 
gegen hat  der  letztere  es  wie  vorher  rhet.  Her.  in  iibeiiragener 
Bedeutung  gebraucht,  vgl.  Cic.  fin.  2,  52;  vgl.  Saalfeld  tens.  s.  v. 
architedus  u.  Landgraf  p.  S.  Rose.  367,  Klotz  Stil.  S.  143. 

ArcMtedon,  der  Baumeister,  ist  nicht  nur  griechisch,  sondern 
bei  Plaut.,  vielleicht  auch  bei  Titin.  com.,  bei  Yarro  sat.  Men.  249 
u.  sonst,  aber  nicht  bei  Cicero,  auch  lateinisch  neben  der  Form 
architedus,  welch  letztere  in  eigentlicher  und  übertragener  Be- 
deutung klassisch  ist.  Aber  architectonia  ist  unlateinisch,  vgl.  Ge- 
orges bei  Bursian  1884,  S.  85,  Thes.  II  464,  1. 

Archium  oder  archivum,  das  Archiv,  ist  erst  SiJ.  L.  für  tahi- 
larium,  siehe  die  Stellen  Thes.  II  S.  466  u.  Gölzer  Hieron.  S.  224. 
Dafür  braucht  Lambinus  das  ebenso  bedenkliche  chartariiim,  was 
aS^.  L.  bei  Hier,  vorkommt,  vgl.  Gölzer  Hieron.  S.  96. 

Ardere.  Wie  unser  brennen  wird  auch  ardere  in  mannig- 
fachen Ausdrücken  trop.  gebraucht  (vgl.  Nägelsbach  -  Müller^ 
S.  516  f.),  wie  ira  ardere,  Liv.  2,  56,  13  ;  desiderio  ardere,  Cic. 
Tusc.  4,  37;  ira  odioque  ardere,  Liv.  9,  10,  16;  ardere  dolore,  Cic. 
Mil.  16  ;  ardet  hello  orhis  tert^arum,  tota  Italia,  Cic.  fam.  4,  1,  2, 
Yerr.  5,  8;  ardere  amore  hosjntae,  Cic.  Yerr.  2,  116;  ardere  ira- 
cundia,  Cic.  Flacc.  88;  ardere  studio  veri  inveniendi,  Cic.  acad.  2, 
65 ;  ardere  ciipiditate  helkmdi,  rep.  2,  26 ;  iiodagrae  dolorihus  ardere, 
fin.  5,  94 ;  ardere  amore  patriae,  prov.  cons.  23  und :  ardet  coniiiratio 
acerrime^  Süll.  19.  Kühn  ist  jedoch  bei  Hieron.  in  Abd.  pr. :  cir- 
dehat  animiis  cognitione  mystica,  vgl.  Gölzer  Hieron.  S.  324.  Da- 
her natürlich  nicht  nur  ardens  ira,  Liv.  2,  56,  13  und  amore  ar- 
dens, Liv.  1,  58,  2  u.  3,  44,  4,  ardens  odio,  Cic.  Phil.  5,  42,  ardens 
indignatione,  Yal.  Max.  9,  3,  8,  sondern  es  ist  z.  B.  ein  Ji'mgling 
von  f eitrigem  Sinne  auch  lat.  ebenso  kurz:  iuvenis  ardentis  animi, 
Liv.  1,  46,  2  und  heisse,  glühende  Liehe  für  sich  geivinnen:  ar- 
dentes  amores  siii  excitare,  Cic.  fin.  2,  52  und  habere  studia  suoriim 
ardentia,  Cic.  Plane.  20  und :  Quis  unqiiam  aut  avaritia  tarn  ardenti 
fuit,  aut  .  .  .  fin.  3,  36  und:  ardentiore  studio  aliquid  pete^^e,  fin. 
2,  61 ;  daher  auch  etivas  heiss,  feurig  luilnschen:  aliquid  ardenter 
cupere,  Tusc.  4,  39.  Wenn  daher  Augustinus  civ.  dei  5,  12  u.  19, 
20  diligere  ardentissime  sagt,  so  ist  das  schon  nach  dem  angeführten 
gerechtfertigt,  lässt  sich  aber  auch  noch  speziell  belegen  durch  Plin. 
epp.  1,  14,  10:  ardentissime  diligere,  ebenso  Suet.  Dom.  22  und:  Cae- 
soniam  et  ardentius  et  constcmtius  amavit,  Suet.  Calig.  25 ;  ardere  = 
liehen  aber  ohne  Zusatz  ist  nur  P.  L.  und  Sp.  L.,  z.  B.  Gell.  6,  8,  3 
pueros  arserunt  delphini. 

Ardens,  hrenyiend,  wird  allerdings  bildlich  auch  von  der  Rede 
gebraucht,  die  feurig  ist  und  mit  Feuer  der  Seele  gehalten  wird, 
z.  B.  Cic.  orat.  132  nisi  ardens  cul  eum  pervenirei  oratio, 
ebenso  von  einem  Briefe,  z.  B.  Cic.  Att.  14,  10,  4  ardentes  iyi  eum 
litteras  ad  me  misit,  „einen   zornglühenden  Brief'',  Nägelsb. -Müller^ 


Ardescere  —     197     —  Arere 

S.  516,  aber  dennoch  findet  man  nirgends  ardentes  j^reces  für  unser 
heisse  Oehete,  heisses  Flehen;  man  sage  dafür  substantivisch  preces 
iyifimae,  Liv.  8,  2,  9,  oder  py^eces  impensissimae^  Suet.  Tib.  13;  im- 
pensius  orare  =  flehentlicher  bitten^  Liv.  36,  35,  2.  Doch  findet 
sich  wenigstens  ardentihiis  votis  exoptare  bei  Schol.  Cic.  Bob.  365, 
24  sowie  August,  epp.  166,  28  und  ardentes  lacrimae  bei  Cyprian 
A.  319,  272  Hartel. 

Ardescere,  entbrennen,  in  Brand  geraten,  ist  P.  L.  und  N.  KL 
bei  Tacitus  und  dem  altern  Plinius  für  exardescere,  vgl.  Dräger  zu 
Tac.  ann.  15,  43,  dann  S^j.  L.,  z.  B.  bei  Lact.  Aug.  u.  a. 

Ärduiis  bezeichnet  ausser  der  gewöhnlichen  Bedeutung  hocJi, 
steil,  nur  ivas  schwer  zu  erreichen,  zu  unternehmen  ist,  vgl.  Gellius 
4,  15,  6  über  den  Sprachgebrauch  des  Sallust,  welcher  mit  ardmmi 
auch  das  bezeichne,  quod  est  cum  difflcile,  tum  molestum  quoque  et 
incommodum  et  intractabile ;  aber  locus  arduus  (für  difficilis)  =  eijie 
schiuere  Stelle  ist  neulat.  Die  Formen  des  Kompar.  u.  Superl.  sind 
ungewöhnlich,  vgl.  Neue -Wagener  ^  II  S.  202  (Cato  hat  arduius  u. 
arduisshnus).  F.  L.  und  bei  Cic.  inv.  2,  163,  sowie  oflP.  1,  66  ist 
res  arduae  in  der  Bedeutung  schwierige  Verhältnisse,  über  ivelche 
nicht  leicht  hinwegzukommen  ist. 

Arena  ist  bei  den  Alten  auch  der  Kampfplatz  der  Fechter  im 
Amphitheater,  daher  im  N.  L.  die  bildliche  Redensart  hi  arenam 
descendere  sogar  in  der  Bedeutung  sich  in  einen  gelehrte?!  Streit  ein- 
lassen vorkommt,  was  aber  ganz  unpassend  ist,  da  die  arena  für  Fechter 
(gladiatores)  des  gemeinsten  Schlages  war;  es  ist  also  höchstens  nur 
in  heiterem,  scherzhaftem  Gespräche,  aber  nicht  in  ernster  Rede  zu- 
lässig. Passender  ist,  was  Cic.  erat.  12  braucht,  in  aciem  dimicatio- 
nemque  descendere»  Der  Plural  arenae  wurde  von  Caesar  verworfen, 
(vgl.  Gell.  19,  8,  8),  findet  sich  aber  bei  Dichtern,  Liv.  22,  16,  4, 
dann  N.  Kl.  und  Sp.  L.,  vgl.  Riemann  etudes  S.  53,  Neue- 
Wagener  ^  I  616. 

Areopagus.  Dem  "Apswg  ndyog,  der  Griechen  entsprechend 
sagten  auch  die  Römer  Arius  oder  Arcus  pagus,  wenn  sie  nicht 
vorzogen,  wie  Cic.  Att.  1,  14,  5,  die  griechischen  Worte  in  ihrer 
griechischen  Form  beizubehalten;  vgl.  Cic.  div.  1,  54  Arium pagum, 
Val.  Max.  5,  3  ext.  3.  Yielleicht  haben  wir  da,  wo  der  Dat.  oder 
Abi.  Areo  pago  gelesen  wird,  auch  den  Nomin.  Areiis  pagus  anzu- 
nehmen ;  allein  die  Römer  bildeten  nach  dem  griechischen  "Apecörcayog 
auch  ein  Wort  Areopagus  (oder  Ariopagus).,  z.  B.  Yarro  ling.  7,  19, 
Cic.  rep.  1,  43,  nat.  deor.  2,  74.  Aus  Apeconayirqg  wird  dann  lat. 
Areopagites  oder  Ariopagites,  vgl.  Cic.  Balb.  30  Ariopagitarum,  off". 
1,  75  Areopagitas.  Puristen  wie  Tacitus  sagten  Areum  iudicium, 
ann.  2,  55.     Näheres  bietet  der  Thes.  II  S.  506  f. 

Arere,  dürr,  trocken  sein.  Bei  Liv.  44,  38,  9  schwankt  die 
Lesart  zwischen  arentibus  u.  ardentibus  siti  faucibus;  dieses  ist  von 
Drakenborch,  Madvig  u.  Weissenborn,  jenes  von  Hertz  aufgenommen. 
Fauces  siti  ardentes  aber  scheint  sich  sonst  nirgends  wörtlich  zu  finden 


Argentoratus  —      198     —  Argi 

und  wird  nur  —  s.  Drakenborch  a.  a.  0.  —  durch  analoge  poetische 
Yerbindungen  gestützt.  Anderseits  aber  führt  derselbe  Drakenborch 
dort  für  fauces  arent  Ov.  met.  6,  355  u.  7,  556  an.  Dies  lässt  sich 
aber  auch  noch  aus  der  Prosa  belegen:  heneficium  est  arentibus  siti 
et  vix  spiritwn  i)er  siccas  fauces  ducentihus  monstrare  foniem,  Sen. 
benef.  3,  8,  3,  und  arentibus  siti  faucibiis  steht  auch  bei  Hier.  comm. 
in  Jesaiam  lib.  IX,  c.  XXIX  S.  329  (Migne).  Auch  kann  man 
noch  auf  Cicero  verweisen :  cum  inexiüehües  populi  fauces  exaruerunt 
lihertatis  siti,  rep.  1,  66,  sowie  auf  Ammian  18,  7,  9  arescunt  om- 
nia  siti  ijerpetua,  vgl.  Novak  Amm.  S.  30. 

Argentoratus,  der  Name  der  Stadt  Strassburg,  kommt  als  Femin. 
vor  bei  Amm.  15,  11,  8,  und  sein  Zeugnis  muss  uns  giltiger  sein, 
als  das  der  beiden  Griechen  Zosimus  und  Ptolemäus,  von  denen  der 
erstere  sie  Argentor,  der  zweite  Argentoratum  nennt,  welcher  letztere 
Name  heutzutage  der  alltägliche  ist ;  auch  Hier.  ep.  123,  16  schreibt 
Argentoratus.  Bei  Amm.  Marc.  16,  2,  12  und  Eutrop.  10,  14,  1 
ist  in  dem  Accus.  Argentoratum  das  genus  nicht  zu  erkennen  (C. 
Wagener  nimmt  im  Index  zu  Eutrop.  Argentoratum  als  Nomin.  an). 
Argentoratus  erklärt  Keller  Yolksetym.  S.  7  als  ^Burg  an  der  Ar- 
gem^'' ;  vgl.  auch  Etym.  S.  142. 

Argentum.  In  der  Volkssjjraclie  galt  argentum,  wie  so  oft  bei 
Plaut,  u.  Ter.  und  in  den  Satiren  des  Horaz,  vgl.  Fritzsche  zu  Hör. 
sat.  1,  1,  86,  für  das  allgemeine  Geld,  und  wird  daher  ganz  an- 
wendbar sein,  wo  wir  auf  gleiche  Weise  Silber  brauchen,  z.  B.  etivas 
versilbern^  zu  Silber  machen,  cdiciuid  argenteum  facere,  bei  Plaut., 
vgl.  Pseud.  347.  Sodann  aber  kommt  argentum  nach  der  be- 
kannten Metonymie  nicht  selten  in  der  allgemeinen  Bedeutung  von 
(Silber-)  Geld  auch  in  der  klassischen  Sprache  vor.  Hieher  gehören 
die  Ausdrücke  argentum  legare  Cic.  top.  16,  und  bei  Plaut,  u.  Ter. 
mimerare,  solvere,  sumere.  Also  kann  man  auch  ganz  richtig  sagen 
exercitiim  argento  facere  =  pecunia  parare,  was  sich  bei  Sali  bist. 
1,  27  M.  findet.  Ist  nun  aber  doch  L.  Arruntius  nach  Sen.  epp. 
114,  17  wegen:  e^ercif?^^  a>7/e>2^o /ecif  getadelt  worden,  so  lehrt  eine 
genauere  Einsicht  in  die  Worte  Senecas,  dass  Arruntius  von  Seneca 
nicht  deshalb  getadelt  wird,  dass  er  diese  Phrase  überhaupt,  sondern 
deswegen,  w^eil  er  sie  auf  jeder  Seite  seines  Buches  dem  Sallust 
nachgebraucht  habe.  N.  oder  Franz.  L.  dagegen  wäre  argentum 
■=  ein  einzelnes  Geldstück,  einzelne  Geldstücke  oder  Münzen,  was 
nummus  oder  im  Plural  nummi  ist.  Daher  bei  Plaut. :  nummum 
nusqiiam  reperire  argenti  queo,  Pseud.  299.  Über  nummus  argenti 
vgl.  Lorenz  zu  Plaut.  Pseud.  96. 

Argi  ist  die  lateinische  Form  für  Argos,  vgl.  Yarro  ling.  9, 
89  laiine  Argi  dicimus.  Yerg.  hat  nur  Argi,  Hör.  Argos,  ebenso 
Ovid  (ausser  im  Dat.-Abl.),  vgl.  Norden  zu  Yerg.  Aen.  6,  838 ;  bei 
Cic.  Caes.  Sali,  kommt  der  Name  nicht  vor,  Nep.  hat  Them.  8, 
1  u.  reg.  2,  2  den  Acc.  Argos,  Them.  8,  3  den  Abi.  Argis;  nur 
einmal  hat  Liv.  Argos  38,  10,    1   Argos  Amphilochium,  sonst  Argi, 


Argivus  —     199     —  Argumentum 

Arqisy  Argos.  Man  halte  sich  demnach  an  Argi;  vgl.  Neue -Wagener^ 
I   "S.  715  u.  Thes.  II  S.  532. 

Argivus  =  argivisch,  aus  Argos  gebürtig.  Wesenberg  bemerkt 
zu  Cic.  Tusc.  1,  113,  Cicero  habe  ohne  Zweifel  dort  nicht  Arglae, 
was  die  Yulgata  hat,  sondern  wie  Lambin  Argivae  geschrieben ;  er 
begründet  es  durch  den  sonstigen  Gebrauch  Ciceros,  nämlich  durch 
den  Hinweis  auf  Tusc.  1,  45  und  3,  53  und  nat.  deor.  1,  82,  divin. 
1,  37,  Brut.  50.  Aber  C.  F.  W.  Müller  liest  Cic.  nat.  deor.  1,  82 
at  non  est  talis  Argia  nee  Romana  Juno,  u.  Tusc.  1,  113  Argiae 
sacerdotis  Cleohis  et  Biton  filü  iwaedicantiir ;  es  ist  somit  Argius  neben 
Argivus  nicht  zu  verwerfen;  vgl.  Thes.  II  S.  533,  30. 

Argumentum  ist  N.  L.  in  der  Bedeutung  Inhalt,  Inhaltsanzeige 
einer  grössern,  längern  Schrift,  wie  es  in  neuern  Schriften  so  häufig 
den  Büchern  der  Alten  voransteht,  da  es  vielmehr  den  Gegenstand, 
sei  er  nun  etwas  einzelnes  oder  mehrfaches,  bedeutet;  vgl.  rhet. 
Her.  1,  13  a^^gumenttim  est  flcta  res,  quae  tamen  fieri  potuit,  veliit  argu- 
menta comoediarum,  Cic.  inv.  1,  27,  Cael.  64;  Quint.  inst.  5,  10,  9. 
So  ist  argumentum  orationis,  epistulae,  das,  wovon  eine  Rede,  ein 
Brief  handelt,  der  Stoff;  argumentum  picturae,  das,  was  das  Gemälde 
vorstellen  soll;  argimi.  sculpturae,  der  Gegenstand  eines  Bild- 
werkes. Ygl.  Cic.  Att.  9,  4,  1 :  egeo  argumento  epistularum,  u. 
Yerr.  4,  124,  vgl.  dazu  Halm.  Viele  Beispiele  hat  Thes.  II 
S.  548  f.  —  Inhaltsanzeige  oder  Auszug  aus  grössern  Werken  heisst 
summarium  oder  epitome,  aus  kleinern  exemphrni,  wie  Cicero  (Att. 
9,  6,  3)  sagt:  litterae  sunt  allatae  hoc  exemplo,  folgenden  Inhalts; 
vgl.  Süpfle-Böckel  zu  Cic.  epp.  S.  191.  Der  Hauptinhalt  ist  summa 
(Caes.  civ.  3,  57,  2).  —  Was  den  Unterschied  von  documentum  und 
argumentum  betrifft,  so  ist  ersteres  objektiv,  alles,  ivas  etwas  zeigt, 
an  den  Tag  legt,  eine  Probe,  Bezeugung  von  etivas  gibt ;  argumentum 
hingegen  ist  subjektiv,  d.  h.  es  bezeichnet  alles,  luas  ich  als  Grund 
ansehe  und  benütze,  um  einen  Beiueis  für  etwas  zu  führen.  Also 
einen  Beiueis  von  Beredsamkeit  geben  wäre  nur  documentum  elo- 
quentiae  dare.  Die  Beiveise  für  Gottes  Dasein  hingegen  sind  argu- 
menta. Von  vestigia  unterscheidet  sich  argumenta  so,  dass  ersteres 
die  äussern,  argumeyita  aber  die  Innern  Gründe  bezeichnet,  vgl. 
Landgraf  p.  S.  Rose.  253.  —  Noch  bemerke  man,  dass  man  nicht  sagen 
darf  argumentum  pro  aliqua  re,  sondern  der  Zusatz  wird  entweder 
in  einen  Beisatz  verwandelt,  z.  B.  ein  Beiueis  für  Gottes  Dasein, 
argumentum,  quo  Deum  esse  demonstratur  oder  nach  Cic.  nat.  deor.  1, 
62  magnum  esse  argumentum,  cur  esse  deos  confiteremur,  oder,  wo 
es  geht,  mit  dem  Genitiv  des  Subst.,  z.  B.  veritatis,  für  die  Wahrheit, 
sceleris,  criminis  u.  ä.  Wie  jedoch  bei  Subst.  der  geistigen  Tätigkeit 
wie  spes,  opiyiio,  cogitatio  der  Acc.  u.  Infin.  im  unmittelbaren  Anschluss 
an  das  Subst.,  wenn  auch  selten,  vorkommt,  vgl.  Meissner  zu  Cic.  Tusc. 
3,  34,  so  lesen  wir  auch  bei  Quint.  11,  2,  9  quod  et  ipsiim  argumen- 
tum est  subesse  artem  aliquam  =  Beiueis  für  das  Vorhayidejisein  .  .  . 
In  der  Schule  halte  man  sich  an  die  ersteren  Ausdrucksweisen. 


Argutari  —     200     —  xlrrepere 

Argutm^i  =  schwätzen,  her scliiu ätzen,  ist  nur  A.  L.  und  Sp.  L. 
und  dabei  so  selten^  dass  es  auffällt,  wie  man  es  im  N.  L  so  oft 
gebraucht  findet.     Man  vermeide  es  gänzlich. 

Aridiis.  Das  Neutr.  aridiun  wird  Kl.^  wie  unser  das  Trockene, 
vom  Ufer,  dem  Wasser  entgegengesetzt,  jedoch  bei  Caes.  nur  mit 
Präpositionen  (in,  ex)  gebraucht,  s.  Gall.  4,  29,  2  naves  iyi  aridum 
suhdiicere  (nicht  siibtrahere)^  aufs  Trockeyie,  ans  Land  ziehen;  die 
Stellen  s.  bei  Mensel  s.  v.  Bei  Sali.  Jug.  48,  3  fasse  ich  mit 
Wagener  und  Opitz  liumi  arido  als  Lokativ,  Maurenbrecher  (Jahres- 
ber.  S.  242)  stimmt  zu.  Die  gleiche  Aufi'assung  gilt  wohl  für 
Hieron.  in  Amos  praef.  Migne  25,  990  u.  Ambr.  virg.  3,  5,  21, 
doch  wohl  nicht  für  Heges.  4,  16  (Thes.  II  569  sieht  an  allen 
Stellen  in  Jiumi  einen  vom  substantivierten  arido  abhängigen  Gen.). 
Kl.  ist  es  endlich  von  der  Eede,  Cic.  de  or.  2,  159  gemis  sermonis 
aridum,  wie  auch  wir  trocken  brauchen;  vom  Redner  selbst  gebraucht 
finden  wir  es  erst  bei  Quint.,  Sen.  u.  Tac,  vgl.  Gudeman  zu  Tac. 
dial.   18. 

Aristocratia,  die  Aristokratie,  Herrschaft  der  Vornehmen,  kommt 
nur  einmal,  Heges.  2,  13,  1,  sonst  nirgends  vor.  Es  werde  daher 
nur  da  angewandt,  wo  es  den  griechischen  Namen  dieser  Verfassung 
gilt;  dagegen  brauche  man  sonst  das  latein.  optimatium  dominatus 
(bei  Cic.  rep.  1,  42  civitas,  qiute  optimatium  arhitrio  regitur)^  und 
so  heisst  denn  ein  Aristokrat  oj^timas,  wie  Cic.  Brut.  306  o^ytinuites 
Atheniensium,  oder  priyicipes,  Cic.  Sest.  103;  ebenso  wird  optimas 
als  Adj.  im  Sing,  gebraucht,  Att.  1,  20,  3  existimes  me  hanc  viam 
optimatem  post  Catuli  mortem  nee  praesidio  ullo  nee  comitcttu  teuere; 
vgl.  Boot  z.  St.  Dass  Cicero  bisweilen  optimates  anders  erklärt,  wo 
und  wann  er  es  für  nötig  findet,  beweist  nichts,  zumal  da  die  äpcaroi 
und  optimates   im  Begriffe   gleich   sind.     Tac.  ann.  4,    33  und  Liv. 

1,  59,  6    nennt  sie  im  Gegensatze  zum  Volke  und    den  Alleinherr- 
schern =  primores. 

Aristotelicus,  Aristotelisch,  ist  Sp,  L.  für  das  klassische  Aristo- 
teleus  (oder  —  ins)^  z.  B.  Cic.  fin.  3,  10,  fam.  1,  9,  23. 

Arithmeticus  kommt  als  Subst.,  der  Arithmetiker,  Rechner,  nur 
Sp.  L.  einigemale  vor,  die  Stellen  s.  Thes.  II  589.  Cicero  nennt 
(Att.  14,  12,  3)  einen  geilhten,  tüchtigen  Rechner,  in  arithmeticis 
satis  exercitatum ;  sonst  heisst  der  Rechner  N.  Kl.  bei  Seneca  (ep. 
87,  5)  computator,  mit  dem  Beiworte  diligentissimus,  ein  recht 
genauer. 

Armenius  und  nicht  Arminius  ist  die  lateinische  Form  des 
Namens  unseres  Stammeshclden  ;  so  schreibt  Rossbach  in  seiner  Florus- 
ausgabe  nach  den  besten  Codd.  u.  verweist  auch  darauf,  dass  Strabo 
7,  291  und  Dio  Cass.  56,  19  'i/Y^iv^og  haben ;  auch  Tac.  ann.  1,  55; 

2,  88;    11,    16    hat    der    Med.  Armenius;    vgl.  Wagener   in  Burs. 
Jahresber.   1902,  III  S.  113. 

Arrepere,  heranschleichen,  wird  Kl.  verbunden  mit  ad  cdiquid, 
z.  B.  Cic.  Verr.  3,  158,  N.  Kl.  mit  dem  Dativ  alicui. 


Arridere  —     201     —  Arripere 

Arriderc,  anlachen,  wird  verbunden  mit  dem  Dativ.  Doch  findet 
sich  auch  der  Acc.  eines  Pron.  Neutrum,  z.  B.  Cic.  nat.  deor.  1, 
79  Video,  quid  arriseris;  aber  arridere  mit  substantivischem  Objekt, 
z.  B.  iniuriam,  ist  Sp.  L.  —  In  der  Bedeutung  günstig  sein  ist  es 
nur  P.  L.,  N.  Kl.  u.  /S^;.  L.,  z.  B.  Sedul.  S.  195,  15  H.  Christe, 
arride  votis.  Für  fortima  nohis  arrideat,  das  Gl.  lache  uns  an,  sei 
uns  günstig,  sagt  Cic.  (Att.  5,  9,  1)  fortuna  nos  iuvet,  und  Quintil. 
(11,  3,  147)  braucht  fortuna  afflat.  In  der  Bedeutung  gefallen  ver- 
werfen es  einige  übereilt  als  ISf.  L.,  da  es  doch  bei  Cic.  (Att.  13, 
21,  3  quod  [verbum]  valde  mihi  arriserat)  vorkommt. 

Arrigere  kommt  zunächst  in  der  eigentlichen  Bedeutung  vor :  die 
Ohren,  die  Mähyien  emiiorrichten,  und  so  nicht  nur  bei  den  Dichtern, 
sondern  auch  bei  Colum.  6,  29,  2,  welcher  unter  anderen  Kenn- 
zeichen der  edeln  Kasse  eines  Füllens  auch  sagt:  corporis  vero  forma 
constahit  .  .  .  hrevihus  auriculis  et  arrectis,  woher  denn  der  Tropus 
arrectae  aures  von  demjenigen,  welcher  aufmerksam,  hegierig  ist  zu 
hören,  vgl.  Yerg.  Aen.  1,  152  silent  arrectisque  aurihus  adstant. 
Dies  ist  in  Prosa  nie  gesagt  worden  und  kann  höchstens  mit  einem 
mildernden  Beisatz  angewandt  werden.  Cicero  hat  das  Wort  weder 
im  eigentlichen,  noch  im  figürlichen  Sinne,  sondern  verwendet  für 
den  tropischen  Gebrauch  erigere:  quo  igitur  tempore  aures  iudex 
erigeret  animumque  attenderetf  Yerr.  1,  28  und:  erigite  aures  men- 
tesque  vestras,  Süll.  33.  Und  so  auch  nachklass. :  erexeram  aures, 
Sen.  epp.  68,  9 ;  aurihus  erectis  curiosisque  aliquid  audire,  ib. 
epp.  108,  39  und:  erexistis  aures  =  ihr  seid  in  gesparinter 
Eriuartung,  Sen.  de  v.  beata  23,  5  u. :  erexi  aures  tuas,  Plin. 
epp.  5,  5,  4.  Hingegen  ist  aliquem,  animum,  animos  arrigere  nicht 
selten  bei  Sali.:  vetus  certamen  animos  eorum  arrexit,  Cat.  39,  3. 
Sic  animis  eorum  arrectis  .  .  Jug.  68,  4  und:  eos  non  paidum  ora- 
tione  Sita  Marius  arrexerat,  ibid.  84,  4  und:  postquam plehis  animos 
arrectos  videt,  86,  1.  Arrecta  omni  civitate,  Tac.  ann.  3,  11;  so 
auch  bei  Livius:  lihertas  praeter  spem  data  adrexit  animos,  45,  30, 

1.  Merke  endlich  auch  arrigere  ad  aliquid:  arrecti  ad  hellan- 
dum  animi,  Liv.  8,  37,  2  und:  hortando  suos  ad  virtutem  artigere. 
Sali.  Jug.  23,  1.  Man  meide  also  das  der  klass.  Sprache  durchaus 
fremde  Wort,  welches  der  P.  L.  und  in  Prosa  nur  der  Richtung 
Sallust  -  Liv.  -  Tac.  eigen  ist,  und  halte  sich  an  erigere  oder  exci- 
tare  u.  ä. 

Arripere.  Man  beachte,  dass  lateinisch  nicht  bloss  gesagt  wird 
domiis  u.  dgl.  ignem  concipit,    z.  B.  Caes.  civ.  2,    14,  2,  Cic.  de  or. 

2,  190,  sondern  dass  die  lat.  Sprache,  freihch  erst  in  nachklassischer 
Zeit,  so  gut  wie  die  deutsche  beide  Grundanschauungen  kennt,  nach 
welchen  der  Begriff  Feuer  sowohl  das  Subjekt  als  das  Objekt  des 
Prädikates  sein  kann.  Vgl.  über  ersteres :  Postquam  ignis  corpus  eins 
corripuit,  vivere  se  proclamavit,  Yal.  Max.  1,  8,  12,  Curt.  4,  3,  3 
u.  6,  6,  30  u.  8,  10,  8,  Sen.  n.  q.  1,  15,  1,  Tac.  ann.  13,  57  u. 
15,  38,  Liv.  30,  5,    7,  Verg.  Aen.  9,   537.     Daher  auch  passivisch 


Arrodere  —     202     —  Articulus 

nicht  nur  bei  Gell.  15,  1  u.  Macrob.  Sat.  1,  20,  12:  imiiroviso  igne 
correptae  naves  conflagraveriint,  sondern  schon  früher  bei  Hirt.  Gall. 
8,  43,  3  u.  Liv.  28,  23,  4:  Correpti  alii  flammet  sunt.  Auch  arri- 
pere  ist  in  dieser  Verbindung  nicht  ohne  Autorität,  s.  Lucr.  3,  32 
und  6,  660;     Lact.  inst.  1,  12,  5. 

Arrodere,  nagen  an  etivas,  wird  verbunden  mit  dem  Accus., 
aliquid;  vgl.  Cic.  Sest.  72. 

Arrogare,  zueignen,  aneignen,  Kl.  nur  sihi  aliquid,  sich  etwas 
anmassen,  aneignen,  P.  L.  u.  Sj)-  L.  auch  auf  andere  übertragen, 
alicui  aliqnid,  einem  etwas  verschaffen ;  vgl.  Hör.  epist.  2,  1,  35. 

Arsis,  die  Heljung  des  Tones,  ist  das  späte  Kunstwort  in  der 
Metrik,  welches,  wo  es  nötig  ist,  beizubehalten,  sonst  aber  durch 
suhlatio  zu  ersetzen  ist ;  vgl.  die  Stellen  im  Thes.  II  677,  45. 

Ar sus, gebrannt, geröstet  =  tostus  wird Yon'Neue  (Formenlehre^  III 
119)  nur  aus  Plin.  Yal.  2,  9  nachgewiesen.  Das  Part,  arsurus  steht 
nicht  allein  bei  Dichtern  wie  Yerg.,  Ovid  und  Tibull,  sondern  auch 
in  Prosa  bei  Liv.  25,  24,  14  u.  sonst,  bei  Sen.  nat.  q.  3,  29,  1, 
Sjh  L.  bei  Aug.  civ.  dei  21,  5,  2,  vgl.  Neue^  III  S.  584,  Georges 
Wortformen  S.  64. 

Arteria,  welches  sich  bei  Cic.  Gels.  Plin.  mai.  u.  a.  findet,  ist 
nicht  jede  Ader,  sondern  nur  die  Pulsader,  dagegen  vena  jede  Ader, 
auch  die  Pulsader. 

Arthritis,  die  Gliederschmerzen,  Gicht,  ist  ein  selten  vorkommen- 
des medizinisches  Kunstwort,  wiewohl  Cicero  arthiticus,  gichtisch, 
in  einem  Briefe  ad  fam.  9,  23  scherzhaft  braucht;  gewöhnlich  sagt 
man  dafür  rein  latein.  bei  Cicero  und  Celsus  (4,  24  u.  a.)  dolor 
(dolores)  artuum  oder  articulorum  u.  N.  KL  morbus  articularis,  vgl. 
Scrib.  Larg.  101  ad  articiday^em  morbum,  quem  dp^plnv  vocant. 

A7iicidatus,  gegliedert,  artikuliert,  scheint  wie  das  Yerbum 
articulare  ein  Kunstwort  der  alten  philosophischen  Grammatik 
gewesen  zu  sein  von  der  Gliederung  der  Wörter,  indem  schon 
Lukrez  in  seinem  philosophischen  Gedichte  4,  549  von  der  kunst- 
reichen menschlichen  Zunge  sagt :  articidat  voces,  quas  corpore 
nostro  exprimimus,  sie  gliedert,  spricht  in  Gliedern  die  Töne  und 
Worte  aus.  Wo  es  nötig  ist,  bleibt  es  als  Kunstwort.  Ein  ähnlicher 
Begriff  liegt  in  vox  significahilis  bei  Yarro  ling.  6,  52,  S.  80  ed. 
Spengel :  Fatur  is,  qui  primum  homo  signiflcabilem  ore  mittit  vocem. 
Dafür  steht  bei  dem  Kirchenvater  Augustinus  auch  significans :  vox 
significans  verbum  est,  Serm.  289,  3  u.  significantium  vocum  enun- 
tiatio  =  das  Aussprechen  artikulierter  Laute,  de  Trinit.  Hb.  10  §  2. 
Yoces  articidatas  exprimere  hat  auch  Arnob.  7,  9  u.  August,  sol. 
2,  11,  19  u.  öfter  und  so7ius  articidatus  de  mag.  1,  2  und  forma 
locutionis  articulatae,  epp.  169,  10;  Hieronym.  Didym.  spir.  sanct. 
3  cum  articulata  voce,  vgl.  Gölzer  Hieron.  S.  159. 

Articidiis.  Da,  wo  wir  Artikel  zu  sagen  pflegen,  ist  articulus 
fast  nicht  anwendbar,  ausser  in  der  Grammatik,  wie  es  schon  bei 
Yarro    ling.  8,  45  u.  ö.  und  Quint.   1,  4,  19  vorkommt.     Jedenfalls 


Artificialis  —     203     —  Ascendere 

können  die  Artikel  eines  Vertrags,  eiyies  Gesetzes,  des  cJwistlichen 
Glatd)ens,  eines  Fy-iedensscliliisses  (Friedensartikel)  nicht  durch  das 
in  diesem  Sinne  nur  aus  Jurist.  Autoren  zu  belegende  articidi,  sondern 
nur  durch  capita  übersetzt  werden,  vgl.  z.  B.  Cic.  fam.  7.  22  id  ccqnit, 
tibi  Jiaec  controversia  est,  notavi.  —  Gut  aber  ist  articidus  von  der  Zeit, 
d.  h.  von  dem  Scheide-  oder  Wendeimnld,  dem  entscheidenden  Moment: 
in  qiio  me  articido  rerum  mearum  forttma  deprehenderit,  cernitis,  Curt. 
3,  5,  11  und :  yiec  tameyi  in  ipsis  qiios  dixi  temporiim  articidis,  sed 
paucis  post  diehus,  Plin.  nat.  2,  216,  ferner:  si  de  singulis  articidis 
tempoimm  deliherabimus,  August,  bei  Suet.  Claud.  4 ;  so  sagt  selbst 
Cicero,  freilich  nur  in  einer  Erstlingsrede  und  hier  wieder  in  auffallen- 
der Uebereinstimmung  mit  Terenz  (Ad.  229,  vgl.  Spengel  zur  St.  u. 
Dirksen  in  Manuale  s.  v.)  in  ipso  articido  temporis,  Quinct.  19, 
Sp.  L.  Amm.  16,  12,  37  iji  ip^so  proelioriim  articido,  vgl.  noch  Yal. 
Max.  4,  2,  2  in  aspero  ac  difficili  temporum  articido  plurimum  sa- 
liäis  iirhi  atque  Italiae  attidit.  Vgl.  Hellmuth  act.  Erl.  I  S.  167 
und  Landgraf  elocut.  S.  27.  —  Man  beachte  auch  die  Phrase  cdiquem 
molli  articido  tractare  =  gelinde  anlassen,  tadeln,  bei  Quint.  inst.  11, 
1,  70  ganz  wie  Cic.  Att.  2,  1,  6  sagt  molli  brachio  obiurgare  aliquem. 

Artificialis,  künstlich,  kunstgonäss,  N.  Kl.  zuerst  bei  Quintilian, 
aber  nur  rhetorisches  Kunstwort,  da  das  Kl.  artificiosiis  allgemeiner 
ist  und  jenes  seine  Stelle  nicht  ganz  vertritt.  Artificiosa  explicatio 
=  gezwungene  oder,  wie  wir  sagen,  künstliche  Erklärung  ist  neulat. 
für  coyitorta  expl.,  vgl.  Cic.  acad.  2,  75. 

Artista,  Lehrer  einer  Kunst,  N.  L.,  ein  Wort  auf  italienischen 
Universitäten  für  die  Lehrer  der  Künste;  man  sage  dafür  artis  (ar- 
tium)  doctor  (doctores). 

As,  der  Ass,  die  alte,  kleine  römische  Münze.  Davon  war  ex 
asse  ein  Ausdruck  bei  Erbschaften,  wodurch  das  Ganze  angedeutet 
wurde,  heres  ex  asse,  ein  Universalerbe ;  aber  im  allgemeinen  Sinne, 
ganz  und  gar,  ist  es  sehr  Sp.  L.  bei  Sidon.  Man  sage  nicht 
hoc  ex  asse  respondet,  das  entspricht  völlig,  oder  ganz  und  gar, 
für  plane. 

Ascendere,  steigen,  ersteigen,  wird  selten  vom  Schiffe  gesagt,  bei 
Cic.  und  Caes.  wohl  nirgends,  doch  bei  Nep.  Ale.  4,  3  in  trierem 
ascendere  und  Hann.  7,  6,  Sali.  Jug.  25,  5  navem  asceyidere;  üblich 
ist  hier  conscendere  und  zwar  navem,  vgl.  s.  v.  Conscendere.  Ascen- 
dere wird  verbunden  mit  dem  Accusativ  aliquem,  aliquid  oder  in 
aliquem,  in  aliquid  (z.  B.:  in  fortunam,  in  equum  ascendere,  Curt.  9,  8, 
24  u.  Cic.  Cato  34);  bildlich  „sich  emporschwingen"  Cic.  Rose.  Am. 
83,  Cluent.  110  und  zwar  in  cdtiorem  locum,  auch  mit  ad,  z.B.  Cic. 
Brut.  241  ad  honores.  N.  Kl.  bei  Yell.  und  Tacitus  super  aliquem, 
supra  aliquid,  jemanden  oder  etivas  iveit  übersteigen,  übertreffen  (nicht 
nachzuahmen!).  N.  L.  ist  ascendere  von  Krankheiten,  welche  steigen,  für 
increscere;  von  Preisen,  für  ingravescere,  augeri.,  incendi  (Yarro  r.r.  3,  2, 
16);  steigen  bis  zu,  bisauf,perveyiire  ad  (Caes.  civ.  1,  52,  2  annona  _2:)er- 
venit  ad  denarios  quinquagenos),    exardescere  (N.  Kl.   bei    Sueton.), 


Asciscere  —  204  —  Aspergere 

pretium  alicui  rei  accedere  u.  a.     Der  Mangel  cm    allem  steigt:    in- 
opia  omnium  crescit  (Liv.  21,  11,  12). 

Asciscere  (über  die  Schreibung  vgl.  Meusel  s.  v.).  Einen  als 
etiuas,  z.  B.  als  Bürger  aufnehmen,  heisst  aliquem  civeni  asc;  der 
Zweck  wird  durch  ad  oder  in  aliqiiid  bezeichnet,  also  aliquem  ad 
scelus,  ad  spem  'praedae;  in  die  Familie  u.  ähnl.  in  familiam,  in 
civitatem.  Bei  Personen  steht  asdscere  nur  mit  dem  Dativ,  also 
einen  mit  sich  verhiyiden,  aliquem  sibi  asc,  z.  B.  Cic.  rep.  2,  57, 
Caes.  Gall.  1,  5,  4,  Sali.  Cat.  24,  3.  Ovid  hat  zuerst  auch  bei 
Sachen  den  Dativ,  worin  nur  Sulp.  Sev.  ihn  nachahmte,  vgl.  Land- 
graf Progr.  1899,  S.  31. 

Ascrihere,  heischreihen,  hinzusetzen,  wird  verbunden  alicui,  zu 
etiuas,  hei  ettvas,  z.  B.  Cic.  dorn.  116  suum  nomen  emiüioni,  auch 
in  aliqua  re,  z.  B.  Cic.  Pis.  86  in  venditione;  aufnehmen  in  einen 
Staat,  in  civitatem,  z.  B.  Cic.  Arch.  6;  zählen,  rechnen  zu  etwas,  ad 
aliquid,   vgl.  Cic.  de  or.  2,  264  ad  hoc  genus. 

Asia.  Der  Name  Kleinasien  findet  sich  erst  Sp.  L.  durch  Asia 
minor  gegeben  bei  Oros.  hist.  1,  2,  26  Asia  regio  vel,  ut  proprie 
dicam,  Asia  minor;  nachher  hat  es  Isidor.  öfters.  KL  ist  Asia,  so  oft 
bei  Cic.  u.  sonst,  vgl.  Gudeman'  zu  Tac.  dial.  10. 

Aspectus  (Adspectus).  Wie  adspicere  von  coyispicere  sich  dadurch 
unterscheidet,  dass  jenes  bedeutet  anhlicken,  d.  h.  seinen  Blick  auf 
ettvas  richten,  dieses  hingegen  mit  dem  Gesicht  etwas  erreichen,  einer 
Sache  ansichtig  werden^  etwas  erhlicken,  so  unterscheidet  sich  eigent- 
lich auch  aspectus  von  conspectus :  jenes  ist  die  geivollte,  durch  die 
Richtung  des  Gesichtes  auf  etwas  heivirJde  Anschauung,  der  Anhlick, 
dieses  das,  ivas  durch  Nähe  oder  Gegemvart  von  seihst  ins  Auge  fällt, 
die  Erhlickung,  das  Ansichtigw erden  von  etwas.  Es  war  daher  nicht 
richtig,  wenn  früher  in  diesem  Buch  nach  Döderlein  gesagt  wurde, 
dass  aspectus  aktiv,  conspectus  passiv  sei,  wie  denn  conspectus  meistens 
aktiv,  nur  selten  passiv  gebraucht  wird  und  umgekehrt  auch  aspectus 
bisweilen  passiv  genommen  ist.  N  L.  ist  aspectu  =  specie,  dem 
Scheine  nach,  aber  klass.  =  anzuschauen,  z.  B.  Cic.  Sest.  19 
cpiam  terrihilis  aspectu;  gut  ist :  plura  suh  uno  aspjectu  ponere 
mehr  er  es  in  eine  gemeinschaftliche  tJher  sieht  hringen,  Q.  Cic.  pet.  1, 
1;  unum  suh  aspjectum  suhici,  Cic.  inv.  1,  98 ;  ebenso  uno  aspectu, 
hei  einem,  einem  einzigen  Blicke,  (Cic.  Brut.  200),  und  primo  aspectu, 
heim  ersten  Blicke,  Caes.  Gall.  7,  56,  4 ;  Cic.  de  or.  3,  98. 

Asperare,  fehlt  bei  Cic.  Caes.  Sali.  Liv.  Seu.  phil.  u.  a.  in  der 
Bedeutung  reizen,  erzürnen;  es  ist  P.^  N.  Kl.  u.  Sp.  L.,  vgl.  z.  B. 
Tac.  ann.   1,  72  für  exasperare,  h^am  oder  hilem  commovere  u.a. 

Aspergere,  hespmtzeyi,  kann  in  der  Bedeutung  hinzufügen,  für 
addere,  dann  gesetzt  werden,  wenn  etwas  Unwesentliches  beigegeben 
wird,  z.  B.  zur  Ausschmückung,  zum  Aufputz  u.  ä.,  was  man  hin- 
nehmen kann  oder  muss:  wie  bei  Cic.  fam.  2,  16,  7:  hoc  adspersi 
für  hoc  addidi,  Cic.  orat.  87  huic  generi  orationis  aspergentur  etiam 
sales,  Q.  fr.  2,  8,  2  mihi  ejristula  hoc  adspersit  molestiae.    Sp.  L.  bei 


Aspicere  —     205     —  Aspirare 

Gell.  9,  4,  5  (u.  ebendas.  inspergei^e  1,  7,  18)  ist  es,  von  Anmerk- 
ungen zum  Texte  eines  Buches  zu  sagen  aspergere  annotationes, 
scholia  (notas,  notulas)  u.  dgl.,  was  man  im  N.  L.  oft  findet.  Ganz 
anderer  Art  ist  alicui  Icibeculam,  maculam  oder  aliquem  lahecidciy 
macida  —  aspergere,  vgl.  Cic.  Yat.  41 ;  Plane.  30,  Cael.  23  ;  der 
Thes.  hat  hier  mit  Unrecht  nicht  geschieden. 

Aspicere  (Adspicere),  anblicken,  ansehen,  looliin  sehen  u.  s.  w., 
wird  Kl.  mit  dem  Accus,  aliquem,  aliquid  verbunden;  über  sein 
Verhältnis  zu  conspicere  s.  unter  Aspectus.  Aspicere  und  aspectare 
ist  erst  N.  Kl.  in  dem  Sinn  von  spectare  =  nach  einer  Himmels- 
gegend  hin  gelegen  sein,  s.  Dräger  zu  Tac.  Agr.  24.  N.  L.  ist  es 
in  der  Bedeutung  einen  ivofür  ayisehen,  halten,  für  habere,  existimare, 
putare,  z.  B.  aliquem  heatum  — ,  einen  für  einen  glücklichen  ansehen. 

Aspirare.  Was  die  tropische  Bedeutung  betrifft,  so  sagt  Jordan 
zu  Cic.  Caec.  39,  S.  210:  cum  sigyiificet  spiritu  quasi  tantum  at- 
tingere,  i.  e.  vix  ac  ne  vix  quidem  attingere,  consentaneum  est  hoc  ver- 
hum  ad  eas  ijotius  res  accommodari,  ad  quas  res  yion  accedimus, 
sed  s^iiritu  tantum  attingere  studemus,  quam  ad  eas,  quas  vere  asse- 
quimur ;  es  bedeutet  also  sich  zu  etivas  (unerreichbar eyn)  versteigen, 
einer  Sache  sich  ayinähern.  Bei  Cicero  steht  es  nur  in  negativen 
Sätzen  oder  in  Fragen  mit  negativem  Sinn ;  die  Konstruktion  be- 
treffend, wird  es  bei  Personen  und  Sachen  mit  ad  verbunden:  bellica 
laude  ad  Africanum  aspirare  nemo  potest,  Cic.  Brut.  84,  ad  quem 
ceteri  aspirare  non  possunt,  fam.  7,  10,  1,  ferner:  quisquam  tarn 
impudeyis  reperietur,  qui  ad  alienam  causam  invitis  iis,  quorum  ne- 
gotium est,  accedere  aut  aspirare  audeat?  Divin.  20.  Bei  Lokal- 
wörtern auch  mit  hi:  quando  homo  .  .  .  yiisi  Februario  mense  aspira- 
bit  in  curiam,  Yerr.  2,  76  und  Sulla  52,  vgl.  dazu  Landgraf.  Da- 
bei ist  wohl  zu  beachten,  dass  nur  ein  persönliches  Subj.  (Yerr.  5, 
97  ist  bei  classes  an  die  Mannschaft  zu  denken)  bei  aspirare  stehen 
kann;  ich  halte  daher  quo  nihil  possit  aspirare  für  unrichtig,  es 
muss  heissen  quo  nemo  aspirare  possit.  Dies  gilt  für  die  klass. 
Latinität ;  aber  die  Übertragung  auf  Sachsubstantive  blieb  nicht  aus, 
so  sagt  Gellius  10,  22,  3  cum  ad  proprietates  eorimi  nequaquam 
possit  Latina  oratio  aspirare.  Ebenso  wurde  aspirare  später  auch 
ohne  Negation  gebraucht,  z.  B.  Hist.  Aug.  v.  Alex.  Sev.  28,  4  cum 
quidam  ad  militiam  adspirasset ;  Paneg.  4,  12  ad  ubeyrima  ista  com- 
pendia  laudis  aspirat.  An  Stelle  von  ad  oder  in  c.  acc.  findet  sich 
auch  der  Dativ,  z.  B.  Sil.  6,  605  Tarpeium  accedere  collem  murisque 
aspirare  veto;  doch  ist  diese  Konstruktion  nicht  empfehlenswert.  Die 
Literatur  hiezu  und  noch  mehr  Beispiele  s.  bei  Nägelsbach-Müller^ 
S.  541.  Ygl.  auch  noch  Novak  Paneg.  60,  welcher  die  Konstruktion 
aspirare  aliquid  wenigstens  für  die  Paneg.  zurückweist,  der  Thes. 
II  S.  842,  16  weiss  ausser  Paneg.  10,  3  überhaupt  keine  Stelle 
für  aspirare  aliquid.  In  der  Bedeutung  förderlich,  behilflich  sein 
ist  es  P.  u.  N.  Kl.  und  zwar  zunächst  absolut:  qua  (fortuna)  aspirante 
res  tarn  prospere  gesserat,    Curt.  3,    8,    20   u.  Sen.  benef.  3,  2,  2 ; 


Aspredo  —     206     —  Assentiri 

dann  auch  aspirare  alicui  rei :  lupinter  .  .  ducimi  nostrorum  con- 
siliis  aspiravit,  Yal.  Max.  7,  4,  4 ;  ferner  aspirare  alicid  P.  u.  Sp.  L., 
z.  B.  Yerg.  Aen.  9,  523  aspirate  canenti;  endlich  auch  aspirare 
alicui  aliquid  bei  Quintil.  lib.  4,  Prooem.  §  5:  (numen)  tantum 
ingenii  nohis  aspiret. 

Aspredo  und  Aspritudo,  die  Rauheit,  N.  Kl.  bei  Celsus,  Sp.  L. 
bei  Apul.  Cyprian,  Paulin.  Petr.  u.  a.,  scheinen  Wörter  der  Yolks- 
sprache  für  asperitas  gewesen  zu  sein;  vgl.  Kretschmann  Apul.  S.  46. 

Assecia  oder  (nach  den  besten  Handschriften  bei  Cicero)  adsecula^ 
z.  B.  Cic.  Verr.  3,  34 ;  ad  Att.  6,  3,  6,  ist  immer  nur  der  Begleiter 
mit  verächtlichem  Sinne,  vgl.  Nepos  Att.  6,  4,  nirgends,  wie  im  N.  L., 
im  edlen  Sinne  ein  Anhcbiger,  Schiller,  für  auditor,  discipuliis,  alum- 
nus,  assectator  (N.  Kl.),  qui  est  ah  aliquo  u.  a. 

Assectator,  der  Anhänger,  Begleiter  im  guten  Sinne,  steht  zwar 
erst  N.  Kl.  bei  Sen.  phil.,  beim  altern  Plinius  und  Sp.  L.  bei  Gellius 
und  Symm.  in  der  Bedeutung  Schüler,  Anhänger  eines  Lehrers,  ist 
aber  durchaus  nicht  verwerflich;  ebenso  kann  von  einem  solchen 
das  Yerbum  assectari  gebraucht  werden,  assectatur  magistrwn,  vgl. 
Plin.  ep.  2,  14,   10  und  Tac.  dial.  2  und  dazu  Gudeman. 

Assecutio,  das  Erlangen,  Erhalten,  ist  ein  nur  im  Sp.  L.  vor- 
kommendes vulgäres  Wort  für  adeptio,  consecutio;  noch  besser  ist 
die  Umschreibung  mit  einem  Yerbum. 

Assentari  wird  nur  bei  Plaut,,  dann  bei  Yell.  Pat.  (vgl.  Georges 
Yell.  S.  37)  und  Petron.,  sowie  bei  Tert.  im  Sinne  von  beistimmen, 
gleicher  Meinung  sein,  gefunden,  sonst  ist  damit  immer  der  Begriff 
„aus  Schmeichelei"  verbunden,  vgl.  die  Darlegung  von  Seyffert-Müller 
z.  Lael.  S.  402  und  520;  es  werde  daher  nicht  mit  assentiri  ver- 
wechselt; vgl.  dazu  Cic.  Brut.  296.  Falsch  wäre  es  z.  B.  zu  schreiben: 
ego  Manutio  assentor,  wo  der  Begriff  Schmeichelei  ganz  fern  liegt,  — 
für  assentior.  Ebenso  vermeide  man,  wenn  sie  nicht  den  Sinn  von 
Schmeichelei  enthalten  sollen,  die  Wörter  assentatio  und  assentator 
für  assensio  oder  assensus,  und  assensor  oder  astipidator;  vgl.  Ge- 
orges Yell.  S.  12,  Thes.  II  853,  52. 

Assentiri.  Für  Cicero  lässt  sich  bezüglich  der  Formen  assentio 
und  assentior  im  allgemeinen  sagen,  dass  er  nur  in  den  Erstlings- 
schriften assentio  gerne  brauchte,  dass  er  aber  später  es  sichtHch 
mied  und  dafür  assentior  bevorzugte.    Wir  lesen  inv.  1,  25  ;  1,  51 ; 

1,  52;  1,  54;  2,  10  die  aktive,  bezw.  passive  Form;  in  den  Reden 
nur  Pomp.  48  und  Phil.   11,    19,  in  den  Briefen  fam.  5,    2,    9;    1, 

2,  1;  Q.  fr.  2,  1,  2;  Att.  1,  14,  5;  2,  1,  8.  Dagegen  finden  wir 
das  Deponens  in  den  Reden  an  ungefähr  25  Stellen,  sehr  oft  in  den 
Briefen  und  philosophischen  Schriften.  Unrichtig  ist  die  Bemerkung, 
dass  Cicero  im  Perf.  assensi  vor  assensus  sum  bevorzuge;  es  ist  viel- 
mehr das  Gegenteil  wahr,  nur  das  ist  richtig,  dass  assensi  und  die 
davon  abgeleiteten  Formen  viel  häufiger  sind,  als  die  höchstseltenen 
vom  Präsensstamm  gebildeten  aktiven  Formen.  Caesar  hat  assentio  so 
wenig  wie  assentior,  Livius  braucht  nur  einmal  1,   54,  1  die  aktive 


Assequi  —     207     —  Asserere 

Form  (bestritten  von  Novak  Liv.  Prag  1894,  S.  242),  um  so  häufiger 
die  nachldassische  und  späte  Latinität  (aber  nicht  Ammian) ;  im 
Perf.  indes  scheint  auch  hier  assensiis  siim  gleichmässig  mit  assensi 
verwendet  worden  zu  sein.  Näheres  erfährt  man  hierüber  bei  KofF- 
mane  lex.  s.  v.,  Hellmuth  act.  Erl.  I  S.  118,  Köhler  act.  Erl.  I 
S.  391,  Stinner  S.  16,  6,  Thielmann  Cornif.  52,  Gorges  S.  19, 
Osann  Cic.  rep.  3,  47,  S.  300,  Reisig-Haase-Hagen  Anm.  289,  Neue- 
Wagener^  III  S.  19,  Novak  Amm.  S.  33,  Georges  Lex.  d.  Wort- 
formen s.  V.,  Thes.  II  855.  —  Das,  ivorin  man  beistimmt,  steht, 
wenn  keine  Person  einzeln  genannt  ist,  im  Dativ;  aber  emem  tuorin 
heistimmen  heisst  alicid  in  oder  de  aliqiia  re;  nur  neutrale  Wörter, 
wie  hoc^  id,  illud,  cetera,  iitrumque,  können  im  Acciisativ  als  Objekt 
beigesetzt  werden,  z.  B.  omnia  assentior,  in  edlem  stimme  ich  hei, 
für  in  oder  de  omnibus  rebus  assentier.  Zu  einem  solchen  Accitsativ 
kann  auch  noch  ein  bestimmendes  Adjektiv  hinzutreten,  z.  B.  assen- 
tiri  quidquam  aiit  falsnm  aut  incognitum,  vgl.  Cic.  ac.  2,  68.  Da- 
bei merke  man  aber,  dass  dergleichen  Accusative  nicht  als  Subjekte 
in  einen  passiven  Satz  übergehen  können,  indem  lioc  assentitur,  ce- 
tera, omnia  assentiuntiir  in  der  passiven  Bedeutung  man  stimmt 
darin,  in  dem  übrigen,  hi  allem  üherein,  B.  L.  ist. 

Assequi  ist  immer  nur  erreichen,  orangen  mit  leiblicher  oder 
geistiger  Bemühung,  z.  B.  honores,  praemium  u.  ä. ;  daher  heisst 
seinen  Wunsch  erreichen,  wenn  er  sofort  ohne  Bemühung  gewährt 
wird,  nicht  optatum  assequi,  sondern  impetrare.  Ygl.  Seyffert- Müller 
zu  Laelius  S.  272. 

Asserere  ist  eigentlich  t.  t.  der  Gerichtssprache:  jemanden  durch 
Auflegung  der  Hayid  für  frei  oder  als  seinen  Sklaven  erklären;  so 
sagt  schon  Plaut.  Cure.  49  t,  auch  Cic.  Flacc.  40;  in  servitutem  ad- 
serere  lesen  wir  bei  Liv.  3,  44,  5;  oft  gebrauchen  es  die  juristischen 
Schriftsteller,  vgl.  Georges  Yell.  S.  37.  Nach  dem  Vorgang  von  Ov. 
aber  gebrauchen  es  die  Nachklassiker  auch  in  allgemeiner  Bedeutung 
=  vhidicare,  für  sich  in  Anspruch  nehmen.  Daraus  entwickelte 
sich  dann  auch  der  Sinn  von  liherare,  z.  B.  orahat,  ut  se  ah  iniuria 
ohlivionis  adsereret,  Plin.  ep.  3,  5,  4,  vgl.  Lagergren  S.  129  und 
Yogel  zu  Curt.  8,  1,  42.  In  der  Bedeutung  behaupteyi,  versichern 
ist  asserere  nur  Sp.  L.  u.  seit  Apul.  sehr  beliebt;  über  frühere 
Stellen  mit  asserere  =  behaupten  vgl.  Thes.  II  865,  36  ff.;  be- 
züglich des  hier  nicht  erwähnten  Plin.  nat.  20,  89  vgl.  die  edd.  von 
V.  Jan  und  Detlefsen.  In  diesem  Sinne  ist  asserere  durchaus  ver- 
werflich für  censere,  affirmare,  dicere,  docere  u.  a.  Gleich  verwerflich 
ist  das  Subst.  assertio  in  der  Bedeutung  Behauptung,  Versicherung, 
wie  es  nur  Sp.  L.  vorkommt.  Vorher  stand  es  auch  in  Cic.  acad. 
1,  45,  wofür  jetzt  assensio  aufgenommen  ist ;  vgl.  über  assero  und 
assertio  die  hübsche  Bedeutungsentwicklung  bei  Gölzer  Hieron.  S.  273, 
ferner  Bonnet  Greg.  S.  295.  Noch  viel  weniger  ist  zu  brauchen 
das  Sp.  L.  assertum  (nur  im  Plural  üblich),  die  Behauptung,  für  seri- 
tentia,  dictum,  effatum  u.  a.,  vgl.  Thes.  II  868,  59. 


Assertor  —     208     —  Assidere 

Ässertor  ist  nicht  klass.;  es  war,  wie  asserere  und  assertio,  ein 
gerichtliches  Wort  von  dem,  der  jemanden  in  den  Freiheits-  oder 
Sklavenstand  versetzt,  so  bei  Liv.  3  wiederholt,  vgl.  Schmidt  1888, 
S.  6;  es  konnte  wohl,  was  N.  Kl.  geschah,  im  allgemeinen  Sinne 
von  Ewetter,  Befreier  gebraucht  werden  =  liberator,  servator,  so 
bei  Muret,  Christe  Jesu,  humani  generis  conditor  et  assertor,  als 
Nachahmung  von  Sueton.  Galb.  9.  Bei  Quintil.  1,  6,  39  ist  asser- 
tor =  Patron,  Verteidiger,  in  welcher  Bedeutung  es  sich  Sp.  L. 
sehr  häufig  findet. 

Asservire,    hehilflich  sein,    kommt  einmal  vor  bei  Cicero  Tusc. 

2,  56 :  toto  corpore  —  contentioni  vocis  asserviunt,  wo  es  sehr 
passend  die  Beihilfe  oder  das  noch  yiehenhei  stattfindende  Unterstützen 
kurz  ausdrückt. 

Asseveranter,  ernstlich  heteiiernd,  soll  nicht  in  verneinenden 
Sätzen  und  bei  verneinenden  Verben,  wie  negare,  gebraucht  werden. 
In  der  Tat  stehen  die  beiden  Beispiele  bei  Cicero  (Att.  15,  19,  2 
und  ac.  2,  61),  sowie  das  einzige  sonst  noch  existierende  Yal.  Max. 
9,  15,  4  in  affirmativen  Sätzen,  wie  dies  auch  der  Abstammung  des 
Adv.  von  adsevero,  „im  Ernst  behaupten"  entspricht.  Wenn  Tac. 
ann.  3,  49  schreibt  sola  Vitellia  nihil  se  audisse  adseveravit,  so  be- 
weist dies  nichts  dagegen ;  denn  hier  gehört  die  Negation  ja  nicht 
zu  adsevero;  dasselbe  gilt  auch  für  andere  Stellen  wie  Ulp.  dig.  19, 
1,  13,  3  non  debuit  facile,  quae  ignorahat,  asseverare.  Es  gibt  also 
kein  non  assevero.  Man  gebrauche  für  ernstlich  verneinen  etwa  prae- 
cise,  ijraefracte,  loertinaciter ,  liquido,  plane,  prorsus,  omnino  negare 
u.  a.  Alles  Ernstes  einem  versichern  ist  auch  lat.  omni  aliciii  asse- 
veratioyie  affirmare,  Cic.  Att.  13,  23,  3. 

Assidere  alicui  ist  vox  propria  für  unser  Krankenpflege  leisten, 
s.  Wölfflin  zu  Liv.  21,  53,  6  und  Döring  zu  Plin.  epp.  1,  22,  1,  Sen. 
benef.  3,  9,  2  und  4,  20,  3;  vgl.  auch  assessio  bei  Cic.  fam.  11, 
27,  4.  In  der  Bedeutung  „belagern,  eingeschlossen  halten",  so  be- 
sonders untätig  vor  einer  belagerten  Stadt  liegen,  findet  es  sich  schon 
bei  Livius  mit  dem  Dativ  verbunden  und  kann  nachgebraucht  wer- 
den; vgl.  Liv.  21,  25,  6  und  23,  19,  5,  Curt.  4,  3,  1,  Plin.  Paneg. 
12,  3.  Seltener  ist  der  Accus,  assid.  aliquem  locum,  aber  schon  bei 
Sali.  bist.  4,  13  M.,  Tac.  ann.  4,  58;  6,  43;  Gell.  7,  1,  8.  Über 
die  nachklassische  Bedeutung  von  assidere  =  assidne  studere,  s. 
Lagergren  S.  123,  Hoppe  Synt.  Tert.  S.  27.  Näheres  siehe  Land- 
graf Progr.  1899,  S.  32.  —  Yielfach  schwer  zu  entscheiden  ist,  ob 
eine  Form  von  assidere  oder  von  assidere  kommt;  letzteres  heisst 
Platz  yiehmen,  z.  B.  Cic.  Verr.  4,  138  rogatu  magistratus  assedimus. 
Wo  man  Platz  nimmt,  wird  mit  in  u.  Abi.  ausgedrückt,  z.  B.  Cic. 
div.  2,  8  in  Inbliotheca,  auch  mit  super,  z.  B.  Cic.  fin.  2,    59  (rep. 

3,  38)  super  aspidem^^  dann  mit  propter,  z.B.  Cic.  rep.  1,  17  prop- 
ter  Tuheronem.  Als  transitives  Yerb  gebraucht  Sali.  Jug.  11,  3  dextra 
Adherhalem  assedit  das  Wort;  vgl.  Cic.  Pis.  fr.  18  M.  Jieque  assidere  Ga- 
hinium  aiit  alloqui  in  curia  quisquam  audehat. 


Assiduus  —     209     —  Assitus 

Assidaus.  Festus  sagt  (vgl.  Bruns  fontes^  S.  2) :  assiduus  dici- 
tur,  qui  in  ea  re,  quam  frequeyiter  agit,  quasi  consedisse  videatur. 
Assiduum  esse  (loco  aliquo,  cum  aliquo)  heisst  nicht  eifrig,  emsig, 
sondern  beständig,  ummterhrocJteji,  unausgesetzt  sich  an  einem  Orte 
aufhalten,  mit  jemand  umgehen,  z.  B. :  Romae  esse  homiyiem  und 
fuisse  assiduum,  Cic.  Att.  4,  8  b,  3 ;  mecum  fuit  assiduus  inaetore 
me,  Cic.  Cael.  10;  assiduum  esse  in  praediis,  S.  Rose.  18;  alter 
decimum  iam  prope  annum  assiduus  in  oculis  hominum  fuerat,  Liv. 
35,  10,  6.  Wenn  dabei  noch  semper  steht,  wie  Cic.  S.  Rose.  51, 
so  darf  man  dies  nicht  für  einen  Pleonasmus  ansehen,  wie  Halm 
z.  St.,  Landgraf  p.  S.  Rose.  S.  234,  Thielmann  Cornif.  S.  23  nach- 
gewiesen haben.  Mit  esse  kann  aber  statt  des  Adjekt.  auch  das  Ad- 
verh.  verbunden  werden:  assiduissime  mecum  fuit,  Cic.  Brut.  316; 
dies  ist  Regel  bei  anderen  Yerben  in  klassischer  Prosa  wie:  quihus 
(literis)  assidue  utor,  Cic.  fam.  5,  15,  3  und:  voces  audio  assidue, 
Cic.  Mil.  93  und  sonst.  Doch  vgl.  vivo  assiduus  bei  Cic.  S.  Rose. 
51  (mit  praedikativem  assiduus).  Noch  beachte  man,  dass  assidue 
seit  rhet.  Her.  üblich  wird  für  das  von  Plaut,  noch  ausschliesslich 
gebrauchte  assidiio ;  dies  ist  nicht  klass.,  vgl.  Neue-Wagener^  II 
S.  617,  sowie  Marx  zu  Lucil.  5,  195.  Über  Kompar.  u.  Superl.  von 
assiduus  vgl.  Neue  -Wagener^  II  S.  203  {assiduior  bei  Yarro,  assi- 
duissimus  Suet.  Aug.  71,  assiduissime  Cic.  Brut.  316).  —  Entsprechend 
der  Bedeutung  von  assiduus  bedeutet  denn  auch  assiduitas  die  he- 
ständige  Gegemvart,  ununterbrochene  Fortdauer  u.  dgl. ;  es  findet 
sich  oft  bei  Cicero. 

Assimilis,  ähnlich,  findet  sich  in  Prosa  zuerst  bei  Cato  (Jordan 
S.  85,  2),  dann  bei  Cic.  nat.  deor.  2,  136,  aber  nur  an  dieser  einen 
Stelle,  denn  sonst  lässt  Cicero  regelmässig  überflüssiges  con,  ad,  ex 
fallen,  bei  Suet.,  vgl.  Bagge  S.  9,  u.  im  Sp.  L.  Beliebt  war  assi- 
milis im  P.  L.  seit  Plaut.  Über  das  plautinische  adsimile  vgl. 
Skutsch  im  Archiv  XII  S.  213  (assimile  =  ad  simile,  vgl.  apprime). 

Assimulare  =  ähnlich  machen,  nachmachen  ist  P.,  N.  Kl.  u. 
Sp.  L.  selten.  Bei  Cicero  kommt  in  diesem  Sinne  nur  assimidatus 
vor:  litterae  lituraeque  omnes  assimulatae,  Cic.  Verr.  2,  189.  Fa- 
miliaritas  assimulata,  Cic.  Cluent.  36,  virtus  assim.  Cael.  14,  alia 
Vera,  alia  assimidata,  Liv.  26,  19,  9.  S.  Dräger  zu  Tae.  ann.  15, 
39,  Novak  Amm.  S.  67.  In  der  Bedeutung  vergleichen,  entweder 
absolut  oder  mit  dem  Dat.,  kommt  es  nachklassisch  öfter  bei  Tacitus, 
sonst  sehr  selten  vor,  klassisch  steht  so  nur  assimidandus,  Cic.  inv.  1, 
42;  vgl.  Thielmann  Cornif.  S.  29. 

Assistere  alicui  in  der  Bedeutung  einem  beistehen,  ist  N.  Kl. 
auch  bei  Quint.,  z.B.  1,  11,  14  mild  diligens  aliquis  ac  peritus  adsi- 
stat,  bei  Tac,  z.  B.  bist.  3,  31,  bei  Plin.  min.  u.  Sp.  L.  Vom  ge- 
richtlichen Beistand  gebrauchen  es  Tac.  Plin.  min.,  Juristen  u.  Sp.  L. 
Apul.  Fronte.     Klass.  ist  adesse,  non  deesse. 

Assitus,  bei,  neben  etiuas  gelegen,  ist  Sp.  L.  für  prope  situs, 
adiacens. 

Krebs-Schmalz,  Antibarbarus  I,  14 


Associare  —     210     —  Assutus 

Associare,  verlnnden,  ist  Sp.  L.  für  consociare^  z.  B.  bei  Firm. 
Mat.  3,  1,  20,  vgl.  Dressel  S.  13.  N.  L.  ist  das  Subst.  associatio, 
die   Verknüijfung ,  für  consociatio,  z.  B.  idearum. 

Assolere,  pflege?i,  ist  nur  gut  in  der  impersonalen  Redensart  ut 
assolet  in  der  Bedeutung,  tuie  es  zu  geschehen  pflegt,  tvie  geiuöhnlich. 
Bei  Livius  ist  es  technischer  Sakralausdruck  von  Opfern,  religiösen 
Festen  u.  ä.  S.  Wölfflin,  Liv.  Kritik,  S.  28.  Indes  gebrauchen  es 
andere  auch  ausserhalb  der  religiösen  Sphäre  von  Dingen,  die  bei 
gewissen  Veranlassungen  regelmässig  eintreten:  cum  in  hortos  D.  Bruti 
auguris  commentandi  causa,  nt  assolet,  venissemus,  Cic.  Lael.  7. 
Ygl.  Seyffert-Müller  z.  St.,  dann  Thielmann  Cornif.  S.  9,  Madvig  fin. 
S.  604,  Anton  Stud.  2,  104,  M.  Müller  zu  Liv.  1,  28,  2,  Schulze 
Symmach.  S.  91,  Leipold  S.  35  (bei  Papinian  u.  a.  Ict.).  Die 
Stellen,    in    denen  assolere  persönlich  konstruiert  ist,  hat  Thielmann 

1.  l.  gesammelt;    aus  Cicero    finden  wir  dort  nur  inv.  2,  122  deitide 
quae  adsolent. 

Assuefacere,  an  etwas  gewöhnen,  wird  in  der  klassischen  Sprache 
Ciceros  und  Caesars  entweder  mit  dem  Abi.  oder  mit  dem  Inf.  kon- 
struiert, z.  B.  Caes.  Gall.  4,  1,  9  a  pueris  nullo  officio  aut  disci- 
plina  adsuefacti,  Cic.  Brut.  213  pjuro  sermone  adsuefacta  domiis  ; 
Caes.  Gall.  4,  2,  3  equos  eodem  vestigio  remanere  adsuefecerunt,  Cic. 
prov.  33  Caesar  ceteras  naiiones  imperio  Romano  parere  adsuefecit. 
Seit  Livius  wird  auch  der  Dativ  und  ad  c.  acc.  angetroffen,  z.  B.  Liv. 
24,  48,  12;  3,  52,  11.  An  manchen  Stellen  lässt  sich  nicht  unter- 
scheiden, ob  der  Abi.  oder  der  Dativ  anzunehmen  ist,  z.  B.  Cic. 
fam.  4,  13,  3  orlms  omnihus  7^ehus,  ciuibus  et  natura  et  .  .  .  me  ad- 
siiefecerat;  jedenfalls  ist  mit  Mensel  für  Caes.  immer  der  Abi.,  mit 
Fügner  für  Liv.  immer  der  Dat.  anzuerkennen;  auch  bei  Cicero 
spricht  der  Abi.  Brut.  213,  de  or.  3,  39,  Cat.  2,  9  für  die  stete 
Konstruktion  mit  Abi.  —  Ganz  dasselbe  gilt  für  adsuescere,  nur 
dass  hier  schon  Caes.  Gall.  6,  28,  4  adsuescere  ad  homines  sagt 
und  sich  bei  Quint.  2,  4,  17  auch  in  c.  acc.  findet;  auch  adsuetus 
wird  wie  adsuesco  konstruiert.  Adsuesco  in  der  Bedeutung  von  ad- 
suefacio  lesen  wir  in  Prosa  zuerst  bei  Vell.  2,  79,  1,  vgl.  Georges 
Yell.  Pat.  41. 

Assurge^^e^  aufstehen,  sich  erheben  vor  jemanden,  wird  verbunden 
alicui;  das  Passiv  ist  demnach  unpersönlich,  nur  Cic.  sen.  63  könnte 
man  an  ein  persönliches  durch  Konzinnität  veranlasstes  Passiv  denken. 
Von  einer  KrankJieit  wieder  aufstehen  ist,  wenn  nicht  klass.,  so  doch 
lateinisch  ex  morho  assurgere  bei  Liv.  3,  24,  4  und  e  gra/in  corporis 
morljo  assurgere,  Tac.  bist.  2,    99 ;  ferner    Sp.  L.    bei  Fronto  u.  a. 

Assutus,  angeflickt,  ist  nicht  N.  L.  oder  ein  unerweisliches 
Partiz.  von  assuere,  sondern  assutus  und  assuendus  haben  beide  die 
Autorität  von  Celsus  für  sich.  Ausserdem  findet  sich  assuitur  bei 
Horaz  a.  p.   16    und  spätlat.  auch    assutus    bei    Ambros.  de  poenit. 

2,  11,  98:  sicut  semel  assuta  redintegrantur,  ita  frequenter  suta  sol- 
vuntur,  sowie  bei  anderen  Sj).  L.,  bei  christlichen  Autoren  auch  in 


Ast  —     211     —  Astronomia 

übertragener  Bedeutung,  z.  B.  Tert.  adv.   Marc.  4,    11   veteri  evan- 
gelio  pannum  haereticae  novitatis  assuisti. 

Ast,  aber.  „Die  Geschichte  von  astht  in  ihren  einzelnen  Teilen 
geschriei3en,  es  handelt  sich  nur  noch  darum,  die  Glieder  zur  Kette 
zusammenzufügen" ,  so  sagt  Skutsch  Jahrb.  für  Phil.  Suppl.  XXVII 
S.  89  Anm.  1.  Die  Zusammenfügung  hat  der  Thes.  II,  942  aus  der 
kundigen  Feder  Yollmers  geboten;  freilich  für  Cicero  bleibt  auch  jetzt 
noch  die  Frage  offen,  in  wie  weit  für  ihn  der  Gebrauch  von  ast 
anzunehmen  sei.  Die  gänzlich  ablehnende  Haltung  Jordans  (Krit. 
Beitr.  S.  297)  wird  sich  nicht  aufrecht  erhalten  lassen;  aber  wo 
z.  B.  bei  Cic.  Att.  ast  anzunehmen,  wo  es  abzuweisen  sei,  darüber 
wird  eine  Einigung  nie  erzielt  werden.  Der  Thes.  scheidet  für  ast 
einen  usus  antiquus  und  einen  usus  recentior ;  der  erstere  findet  sich 
in  Gesetzen  und  Gebetsformeln  (so  auch  Liv.  10,  19,  17),  gewöhn- 
lich im  kondizionalen  Satzgefüge  u.  zwar  zumeist  im  Vordersatz, 
z.  B.  lex  Servi  TuUi  bei  Bruns  fontes^  S.  14:  si  imrentem  puer  verherit, 
ast  olle  plorassit,  inier  divis  imrentum  sacer  esto;  nach  letzterem  Ge- 
brauche ist  ast  ==  at.  Dies  ast  findet  sich  nirgends  bei  Caes.  Nep. 
Sali.  Liv.,  bei  Cic.  abgesehen  von  den  Gesetzen  nur  in  epp.  ad 
Atticum;  vgl.  Cic.  Att.  1,  16,  17;  aber  Cic.  Att.  3,  15,  6  —  das 
Thes.  II,  943,  12  zitiert  —  hat  C.  F.  W.  Müller  at,  unsicher  ist 
Att.  15,  4,  1,  u.  Att.  16,  6,  1  liest  Müller  aiqiie  statt  ast;  in  feier- 
licher archaisierender  Rede  wird  es  gelten  können.  Häufig  ist  ast 
in  P.  L.  und  zwar  gewöhnlich  vor  Vokalen;  die  Stellen  bei  Pro- 
saikern, wo  es  von  den  Dichtern  übernommen  scheint,  hat  Thes.  II, 
944,  23.  Näheres  sehe  man  R.  Scholl  XII  tabb.  rell.  S.  108, 
Bücheier  K  Jahrb.  1859,  S.  765;  Bruns  fontes«  (Festus)  S.  3  Anm. 
9,  Jordan  Krit.  Beitr.  S.  290;  Segebade  S.  38  (zu  Petron.  99), 
Leo  zu  Sen.  tragoed.  S.  214  ff.,  die  Ausleger,  so  besonders  auch 
C.  F.  W.  Müller,  zu  Cic.  Att.  1,  16,  17  u.  3,  15,  6,  Lehmann  Aus- 
gew. Briefe  S.  240,  Madvig  Adv.  III  S.  166  (will  Cic.  Att.  1,  16, 
17  exspeda,  sed  statt  exspecta ;  ast,  wozu  Müller  recte,  credo,  be- 
merkt), Norden  zu  Verg.  Aen.  6,  316;  Skutsch  1.  1.  zitiert  noch 
Mommsen    Monumenti    antichi    I,    662    A.    4,  Wackernagel    K.    Z. 

xxxm  50  ff. 

Astringer e,  anbinden  —  an  etivas,  ad  aliqidd,  z.  B.  ad  statuam 
(Cic.  Verr.  4,  92).  So  auch  tropisch:  ad  certa  verha  se  adstringere, 
Quintil.  7,  3,  16.  Gut  ist  auch  scelere  se  astringere,  Cic.  Phil.  4,  9 
und  ofi".  3,  19  und  scelere  astringi,  Cic.  Sest.  108  und  scelere  ad- 
strictus,  Sulla  82;  über  diese  Art  von  Metaphern  vgl.  Näg.-Müller^ 
S.  508.  Sehr  beliebt  ist  astringere  bei  Papinian,  besonders  in  der 
Phrase  fidem  ast7^ingere,  auch  kommt  es  sonst  bei  Ict.  vor,  vgl.  Lei- 
pold  S.  70. 

Astronomia,  die  Sternkunde^  kommt  erst  N.  Kl.  bei  Seneca 
ep.  95,  10  und  astronomus  =  Sternkundiger  erst  Sp).  L.,  z.  B. 
Hier.  ep.  53,  6  vor,  da  man  vorher  Kl.,  vgl.  Cic.  div.  2,  88,  nur 
astrologia  und  astrologiis  sagte.    Die  Bedeutung  Sterndeuter,  Astrolog 


Astruere  —     212     —  Asyndeton 

im  modernen  Sinn,  bekommt  astrologus  schon  bei  Cicero,  vgl.  fam. 
6,  6,  7  nt  augiires  et  astrologi  solent;  aber  astrologia  findet  sich  in 
diesem  schlimmen  Sinne  erst  spät,  vgl.  Tert.  idol.  9  scinms  magiae 
et  astrologiae  inter  se  societatem.  Um  Zweideutigkeit  zu  vermeiden, 
muss  af;tronomia  und  astronomus  in  der  neuern  Bedeutung  genommen 
werden  und  ebenso  astrologia  und  astrologus  in  der  Bedeutung  Stern- 
deuterei  und  Sterndeuter. 

Astruere  ist  EJ.  sehr  selten,  bei  Cicero  nie,  bei  Caesar  nur  in 
der  Bedeutung  bedecken,  hefestigen  (civ.  2,  9,  2,  vgl.  Mensel  s.  v.), 
N.  Kl.  findet  es  sich  in  der  Bedeutung  „hinzufügen"  zuerst  bei 
Yell.  (vgl.  Georges  Teil.  S.  37),  dann  bei  beiden  Plin.,  Sen.  phil., 
Quint.,  Tac.  und  später  bei  Justin,  u.  Paneg. ;  vgl.  Dräger  zu  Tac. 
Agric.  44  und  Heraus  zu  Tac.  bist.  1,  78.  Nicht  N.  L.,  sondern 
Sp.  L.  ist  es  in  der  Bedeutung  versichern,  bestätigen,  für  affirmare, 
asseverare  und  findet  sich  so  sehr  häufig,  besonders  bei  den  christ- 
lichen Schriftstellern,  vgl.  Thes.  II  S.  979  f. 

Ästu,  die  Stadt,  ein  Indeclin.,  ist  nur  von  Athen  gesagt  worden 
und  darf  nie  für  itrhs  oder  oppiduni  überhaupt  gebraucht  werden ; 
vgl.  Lupus  S.  212.  Es  kommt  sonst  nur  als  Acc.  vor;  Yitruv  7, 
praef.  17  (und  Apul.  met.  1,  24,  wo  Eyssenhardt  ex  asty  nach  einer 
Konj.  des  Stewechius  liest)  haben  es  allein  auch  für  den  Abi.  ge- 
setzt; vgl.  Köhler  act.  Erl.  I  S.  391.  Die  Stellen  siehe  Thes.  II 
980,  47  ff. 

Astupescere,  anstaunen,  ist  N.  L.  für  admirari;  aber  astupeo 
(adstupeo)  ist  P.  und  Sp.  L. 

Astus,  List,  Geiuandtheit  =  astutia,  dolus,  calliditas,  kommt 
bei  Cicero  nie  vor,  obgleich  er  so  astutus  und  astutia  gebraucht; 
A.  L.  nur  im  Abi.  astu.  Yon  den  aug.  Dichtern  an  erscheint  es 
auch  in  andern  Kasus  und  von  Liv.  ab  in  Prosa  in  Yerbindung  mit 
Adjektiven,  z.  B.  Liv.  35,  14,  12,  mit  Pronomina  und  Genetiven; 
bei  Tacitus  und  andern  spätem  tritt  astus  selbst  im  Plural,  aber  nur 
im  Nora.  u.  Acc.  für  doli  auf,  für  Gell.  vgl.  Gorges  S.  6 ;  vgl. 
Thes.  II  983  f. 

Asylum  war  bei  den  Alten  nur  ein  als  Freistätte  geheiligter 
Ort,  nicht  jeder,  der  uns  eine  sichere  Zuflucht  bietet;  vgl.  Cic.  Yerr. 
1,  85  und  Liv.  35,  51,  2  ea  religione  et  eo  iure  sancto,  quo  sunt 
templa,  quae  asyla  Graeci  vocant;  daher  missbrauche  man  es  nicht 
für  das  allgemeine  perfugium,  Cic.  dom.  109  oder  j^ericidi  perfugium, 
vgl.  Cic.  leg.  2,  36  und  bildlich  arx  tuta  perfugiiimque  Liv.  22, 
22,  11,  arx  tuta  et  veliä  sancta  Liv.  38,  53,  4,  vgl.  Nägelsbach** 
Stil.  S.  34;   Thes.  II  990. 

Asymholus,  der  yiichts  beiträgt,  findet  sich  nur  bei  Terenz 
Phormio  339  und  Gellius  7,  13,  2,  in  Prosa  muss  man  dafür  ini- 
munis  brauchen,    welches   bei  Gell.  1.  1.  damit  verbunden  erscheint. 

Asyndeton,  das  Unverbundene,  kann  in  der  Rhetorik  als  Kunst- 
wort nicht  entbehrt  werden;  sonst  heisst  es  caesa  oratio  (rhet.  Her. 
4,  26),  bei  den  Gramm,  dissolutio  oder  id)i  mala  conexio  est. 


Athene  —     213     —  Attendere 

Athene^  griechischer  Name  der  Minerva,  findet  sich  nirgends 
bei  einem  Lateiner  geradezu  für  Minerva  oder  Fallas ;  nur  Acc.  trag. 
3,  1  sagt  maxima  pars  Gramm  Satiirno  et  maxime  Athenae  con- 
ficiimt  Sacra  und  Petron  58  AtJiana  tibi  sit  irata  cnraho;  sonst  steht 
immer  quae  Oraece  dicitur  oder  ähnliches  dabei. 

Athens^  der  Atheist,  kommt  in  der  Form  Atheos  als  Name  des 
Philosophen  Diagoras  nur  bei  Cic.  nat.  deor.  1,  63  vor;  ob  griechisch 
oder  lateinisch,  ist  zweifelhaft  und  in  den  Ausgaben  verschieden;  Sj).  L. 
treffen  wir  es  wieder  bei  Min.  Fei.  8,  2,  Arnob.  Lact.  Für  den 
theoretischen  Atheisten  hatten  die  Lateiner  kein  einzelnes  Wort,  wohl 
aber  kann  man  den  praktischen  durch  impius  ausdrücken ;  um- 
schrieben ist  es  qui  deiim  non  credit,  qui  deum  non  imtat,  Cic.  div. 
1,  104,  qui  deum  esse  negat,  Aug.  c.  litt.  Petill.  1.  3,  §  25.  Für 
den  gelehrten  Atheisten  behalte  man  den  Namen  Atheos  oder  Athens 
und  so  auch  für  das  Nichtglauben  an  das  Dasein  Gottes  (der  Grötter) 
das  griechische  Wort  Atheismus.  Ohne  Kunstwort  sagten  die  Alten 
deos  non  imtare  (Cic.  div.  1,  104);  v^ir  Christen  müssen  sagen  deum 
non  putare.  Die  Worte  Ciceros  in  jener  Stelle:  Id  ipsum  est  deos 
non  putare,  quae  ab  iis  significantur  contemnere  —  können  wir 
übersetzen  :  Gerade  das  ist  Atheismus,  die  Anzeichen  der  Götter  zu 
verachten. 

Athlon,  der  Kampf,  ist  ein  griechisches  Wort  für  certamen;  wo  es 
gebraucht  wird,  bezeichnet  es  die  Kämpfe  des  Herkules;  vgl.  z.  B. 
Varro  Men.  162  ad  Herculis  athla ;  der  Sing,  findet  sich  nur  einmal 
bei  Hygin.  Es  scheint  auch  im  Yolksmunde  üblich  gewesen  zu  sein, 
um  die  Mühen  des  menschlichen  Lebens  zu  bezeichnen,  wahrschein- 
lich in  Beziehung  auf  die  athla  Herculis,  vgl.  Petron.  57  haec  sunt 
Vera  athla.  N.  L.  ist  es  in  der  Bedeutung  die  Mühe,  für  lahor. 
Über  den  Gebrauch  des  Wortes  bei  den  Astrologen  vgl.  Thes.  II, 
1037,  50. 

Atque.     Vgl.  Ac,  mit  welchem  es  in  der  Bedeutung  gleich  ist. 

Atrocia,  die  Wildheit,  Strenge,  ist  N.  L.  für  atrocitas. 

Attalicus,  Attalisch,  ist  in  der  Bedeutung  7^eich,  prachtvoll  fast 
nur  P.  L.  und  N.  Kl..,  einmal  bei  Cic.  (Yerr.  4,  27)  für  dives,  splen- 
didus,  magnificus,  wo  jedoch  Halm  peripetasmata  als  eine  Glosse 
streicht  und  Attalica  im  Sinne  von  Plin.  nat.  8,  196  aurum  intexere 
in  eadem  Asia  invenit  Attalus  rex,  unde  nomeyi  Attalicis  auffasst. 

Attaminare,  beflecken,  beschmutzen,  ist  Sp).  L.  für  contaminare, 
macidare,   polluere;    vgl.  Thes.  II,    1115,  Rönsch  Coli.  phil.  S.  68. 

Attendere,  richten,  spannen,  hat  klassisch  bei  zugesetztem  animum 
oder  animos  den  Gegenstand  mit  ad  bei  sich,  ad  aliquem,  ad  aliqtiid, 
z.  B.  Cic.  agr.  2,  38  attendite  animos  ad  ea,  quae  consequuntur,  aber 
ohne  animum  (animos)  in  der  Bedeutung  achten,  aufmerken  auf 
einen,  auf  etwas  bloss  aliquem,  aliquid,  nicht  mit  ad,  z.  B.  ich  achte 
auf  dich,  attendo  te,  aber  animum  attendo  ad  te;  vgl.  Cic.  Arch.  18 
quoniam  me  tam  diligenter  attenditis,  Phil.  2,  30  stuporem  hominis 
attendite.     N.  Kl.  wird  es    auch  mit   dem  Dativ  alicui  oder  alicui 


Attentio  —     214     —  Attinere 

rei  dlicuiiis  verbunden,  z.  B.  sermonihiis  für  das  klassische  ad  ser- 
mones  aliciims  animum  aUendere,  vgl.  Plin.  epp.  7,  26,  2  sermonibus 
malignis,  Paneg.  65  Caesari  und  ebenso  in  der  Bedeutung  sich  he- 
mühen  um  etwas,  z.  B.  eloquentiae  (für  studere  eloquentiae),  Suet. 
Cal.  53,  inter  liberales  discipUnas  attendit  et  iiiri,  Suet.  Galb.  4,  was 
nicht  nachzuahmen  ist.  Während  acc.  c.  inf.  oder  indirekter  Frage- 
satz nach  attendere  klass.  ist,  sind  alle  Konjunktionalsätze  darnach 
unklass. 

Attentio  kommt  in  der  Bedeutung  Aufmerksamkeit  klassisch 
nirgends  allein  vor,  sondern  nur  mit  dem  Genitiv  animi,  und  nur 
bei  Cicero,  und  auch  da  nur  einmal  (de  orat.  2,  150).  Im  iV!  Kl. 
wird  dagegen  attentio  in  dieser  Bedeutung  auch  allein,  ohne  animi, 
gesetzt,  vgl.  Quint.  4,  1,  34.  Doch  ist  dies  selten.  Sonst  drücken 
Cicero  und  alle  anderen  den  Begriff  durch  attentus  animiis  aus,  z.  B. 
eineyi  mit  der  grössten  Aufmerksamkeit  anhören,  audire  aliquem 
attentissimo  animo  (attentissimis  animis)  oder  attente  audire,  Cic.  de 
orat.  2,  148  und  fam.  15,  4,  14,  fin.  5,  4,  Quinct.  8,  Phil.  2,  47 
und  attente  legere,  fam.  7,  19.  Ferner:  seine  Aufmerksamkeit  auf 
ettuas  richten  heisst  animum  mentemqice  tradiicere  ad  aliquid,  oder 
animum  intendere  ad  aliquid,  die  Aufmerksamkeit  des  Zuhörers  er- 
halten =  animum  auditoris  attentiim  retinere,  rhet.  Her.  4,  24. 
Dass  aber  attentus,  gesimnnt,  dem  Zusammenhange  gemäss  auch 
für  sich  allein  aufmerksam  bedeuten  könne,  ist  natürlich,  und  es 
findet  sich  so  mehrmals,  besonders  vom  Zuhörer  gesagt,  in  rhe- 
torischen Schriften,  vgl.  rhet.  Her.  1,  6;  Cic.  inv.  1,  20;  Quint.  4,  1,  5. 

Attestari,  bezeugeyi,  bescheinigen,  hat  zuerst  Yarro  frg.  Non.  367, 
dann  findet  es  sich  N.  Kl.  und  sehr  selten  bei  Phaedrus,  Seneca, 
Plin.  mai.,  häufiger  im  Sp.  L.,  hier  auch  in  der  Bedeutung  von 
adseverare,  z.  B.  Yict.  Yit.  2,  6  P.  Man  sage  daher  nicht,  wie 
oft  im  N.  L.  attestor  tibi  für  testor  mit  dem  Accus,  c.  Inf.  —  Sehr 
Sp.  L.  ist  attestatio,  die  Bescheinigung,  Bezeugimg,  ebenso  attestator 
(Augustin  serm.  288,  2),  und  N.  L.  ist  attestatum,  das  Zeugnis, 
für  testimoyiium,  auctoritas.  Näheres  hierüber  findet  man  bei 
Schulze  Symmach.  S.  92,  Dressel  S.  13,  Gorges  S.  8,  Georges  bei 
Bursian  1879/80  S.  393,  Krüger  Archiv  XI  S.  458  (über  den  Ge- 
brauch bei  den  Ict.). 

Attexere,  anfügen  an  ettuas,  wird  verb.  alicui  rei  und  ad  aliquid; 
es  ist  sehr  selten,  aber  bei  Cicero  und  Caesar  (Gall.  5,  40,  6;  Cic. 
rep.  2,  9;  Tim.  41)  zu  finden,  zuerst  bei  Yarro  r.  r.  2,  5,  2. 

Attiguus,  angrenzeyid,  nacJibarlich,  ist  Sp.  L.  für  finitimus, 
affmis,  vicinus  u.  a. 

Attinere  wird  in  der  Bedeutung  angehe?!,  betreffen,  Bezug  haben 
durchaus  nur  mit  ad  alüptem,  ad  alicpiid  verbunden,  nicht  ohne  ad, 
indem  die  Richtigkeit  der  Stellen,  wo  ad  fehlt,  bezweifelt  werden 
kann,  z.  B.  Cael.  bei  Cic.  fam.  8,  2,  2,  wo  die  beste  Überlieferung 
quod  pantheras  attiyiet  bietet,  aber  Mendelssohn  und  Müller  ad  ein- 
fügen.    N.    L.   ist:   haec   res,   hie   über    ad   me   attinet  in    der  Be- 


Attinere  —     215     —  Attinere 

deutung  dieses  gehört  mir,  ist  mein,  für  mea,  meus,  est.  N.  L.  ist 
quod  ad  id  attinet,  quod  — ,  tuas  das  anbetrifft^  dass  — ,  inhetreff 
dessen,  dass  — ,  für  das  einfache  quod.  Was  in  der  Formel  quod 
attinet  ad  zunächst  die  Stellung  der  einzelnen  Wörter  betrifft,  so 
hat  schon  Pabri  zu  Liv.  23,  25,  4  mit  Recht  darauf  aufmerksam 
gemacht,  dass  quod  der  Präpos.  und  dem  Substantiv  oder  dem 
dasselbe  vertretenden  Pron.  (Liv.  3,  50,  8  quod  ad  se  attineat  und 
5,  30,  2)  voran,  niemals  nachgesetzt  werde.  Bei  Cicero  tritt  diese 
Formel  am  häufigsten  in  den  Briefen  auf,  während  Livius  sie  mit 
Vorliebe  in  der  erat,  obliq.  seiner  Reden  anwendet ;  siehe  die  Stellen 
bei  Fügner  Lex.  Liv.  I  S.  416  f.  Übrigens  bedeutet  hoc  ad  ine 
attinet^  das  geht  mich  an,  betrifft  mich,  hat  Bezug  auf  mich,  ich 
bin  dabei  beteiligt;  aber  hoc  ad  me  pertinet,  dieses  ist  wichtig  für 
mich,  hat  Einfluss  auf  mich,  Vorteil  für  mich,  gleich  hoc  mea  inter- 
est ;  vgl.  Liv.  6,  6,  1,  wo  pertinet  mit  interest  abwechselt;  vgl. 
Reisig-Haase-Heerdegen  S.  17.  —  Wiewohl  quod  attinet  mit  einem 
Subst.,  z.  B.  ad  librum,  richtig  ist,  wenn  noch  ein  einzelner  Satz 
in  Beziehung  darauf  folgt,  z.  B.  loas  das  Buch  anlangt,  so  luisse  — , 
quod  ad  librum  attinet,  scito  (vgl.  Cic.  fam.  6,  7,  6),  so  ist  diese 
Umschreibung  dennoch  N.  und  D.  L.,  wenn  der  zweite  Satz:  und 
was  den  oder  das  betrifft,  lediglich  ein  Beispiel  für  die  Behauptung 
des  ersten  Satzes  gibt:  hac  de  re  multi  scripserunt,  et  quod  ad 
Ciceronem  attinet,  is  quinque  de  ea  re  libros  scripsit  — ,  wofür  gut 
Lat.  gesagt  wird  et  Cicero  quidem  quinque  u.  s.  w.  Statt  quod 
attinet  ad  =  inbetreff  findet  sich  selten  seit  Liv.  quantum  attinet 
ad,  z.  B.  Liv.  28^  43,  17,  auch  ohne  Yerb  =  quantum  ad,  z.  B. 
Tac.  bist.  5,  10,  vgl.  Gudeman  zu  Tac.  dial.  25.  Statt  dieser 
Phrasen  kann  man  auch  de  oder  in  c.  Ablat.  gebrauchen,  meistens 
in  Verbindung  mit  einem  Verbum  sent.  oder  decl.  S.  Madvig  zu 
Cic.  fin.  3,  57  und  2,  14:  De  bona  fama  .  .  .  Chrysippus  cquidem 
et  Diogenes  detracta  utilitate  ne  digitum  quidem  porrigendum  eins 
causa  esse  dicebant  und:  in  eo  autem  (corpore)  voluptas  omniuni 
Latine  loquentium  more  ponitur  =  tuas  den  K.  betrifft  .  .  .;  dies 
de  findet  sich  besonders  im  Anfang  von  Briefen,  vgl.  P.  Meyer 
Progr.  Hof  1900  S.  13;  auch  steht  oft  ein  Satz  mit  quod:  quod 
meum  consilium  exquiris,  id  est  tale,  Cic.  fam.  4,  2,  2.  Quod  im- 
yroviso  unum  pagum  adortus  esset  .  .  ne  .  .  Caes.  Gall.  1,  13,  5 
und  das.  Kraner.  Die  Ellipse  von  attinet  hat  schon  Varro  1.  1. 
5,  57  quod  ad  loca  quaecpte  his  coniuncta  fuerunt,  dixi,  vgl.  Heidrich 
S.  52 ;  näheres  siehe  s.  v.  Quod.  —  Auch  beachte  man,  dass  attinet 
=  es  kommt  darauf  an,  macht  etivas  aus,  gehört  zur  Sache  und 
dergl.  immer  nur  mit  vorhergehender  Negation  oder  in  negativen 
Fragesätzen  gebraucht  wird;  vgl.  Seyffert-Müller  zu  Lael.  280; 
zwei  spätlat.  Ausnahmen  hat  der  Thes.  II  S.  1142,  17  und  42. 
Bei  quid  attinet  oder  nihil  attinet  steht  Klass.  der  Inf.  oder  auch 
der  Acc.  c.  inf.,  z.  B.  Cic.  Flacc.  91  quid  attinuit  relinquere  hanc 
urbem,  de  or.  2,  355  quid  me  attinet  dicere  f  —  Endlich  ist  A.  L. 


Attingere  —     216     —  Auetor 

und.^\  KL,  besonders  bei  Tacitus,  sowie  Sp.  L.,  aliquem  custodia, 
castris  u.  s.  w.  attinere  in  der  Bedeutung  einen  im  Gefängnisse,  im 
Lager  fest-  und  zurückhalten,  für  tenere,  retinere;  vgl.  auch  Fabri 
zu  Sali.  Jug.  108,  3. 

Attingere,  eigentlich  eticas  anrühren,  herühren,  hält  sich  regel- 
mässig auch  in  allen  seinen  bildlichen  Bedeutungen  an  die  ihm 
natürliche  Konstruktion  mit  dem  blossen  Accus,  ohne  ad,  also 
aliquid,  aliquem.  Mit  ad  finden  wir  attingere  Plaut,  Merc.  32,  Mela 
1,  20,  und  Sp.  L.  selten;  vgl.  Thes.  II  S.  1146,  61;  noch  seltener 
ist  der  Dativ,  ib.  66. 

Attrahere,  anziehen.  Wiewohl  es  fast  nur  in  eigentlicher,  selten 
in  bildlicher  Bedeutung  vorkommt,  so  ist  dennoch  attr.  nervum  (die 
Sehne),  arcum,  hahenas,  lorum  u.  s.  w.  fast  nur  F.  für  adducere; 
nirgends  aber  sihi  (müsste  wenigstens  ad  se  heissen)  attr.  invidiam, 
vituperationem,  inimicitiam  (inimicitias),  suspicionem  und  andere 
ähnliche,  wie  im  Deutschen  sich  Neid,  Tadel  u.  s.  w.  zuziehen,  für 
invidiam  sihi  facere,  parare,  in  vituperationem  inaivrere,  inimicitias 
suscipere,  in  suspicionem  venire  oder  vocari. 

Audio  ist  in  der  Bedeutung  Vermehrung,  Zmvachs  Sp.  L.  für 
accessio,  amplificatio,  incrementum  u.  a.,  oder  eine  Umschreibung  mit 
dem  Yerbum  augeri.  Kl.  aber  ist  es  in  der  Bedeutung  Versteigerung 
—  und  ebenso  auctionari.,  AuJdion  halten,  versteigern. 

Auetor.  Dieses  vieldeutige  Wort,  wofür  die  Schreibart  autor 
B.,  aber  bei  uns  jetzt  allgemein  üblich  ist  (vgl.  Prob.  app.  gramm. 
4,  198,  30  auctor  non  autor  und  Heraus  im  Archiv  XI  S.  323),  hat 
Kl.  nie  die  allgemeine  Bedeutung  Schriftsteller,  denn  bei  Cic.  (Att. 
12,  18,  1  habes  nonnullos  ex  iis,  quos  nunc  lectito,  auctores,  qui 
dicant  id  fieri  oportere)  bedeutet  auctores  nicht  Schriftsteller,  sondern 
Ratgeher,  die  Lehre  Gehenden,  indem  qui  dicant  dasselbe  näher 
erklärt  und  bestimmt;  und  so  hat  Paul.  Manutius  (zu  Cic.  fam.  1, 
1  S.  29  der  Ausgabe  von  Richter)  Recht,  wenn  er  sagt:  Auctor  is 
est,  cuius  auctoritate  et  sententia  aliquid  fit.  Scriptor  autem  alicuius 
libri,  quam  latine  auctor  dicatur,  viderint  ii,  qui  non  dubitanter 
usurpant.  Equidem  neque  Ciceronem,  nee  eins  aequales,  aut  omnino 
quemquam  staute  repuhlica  ita  locutum  existimo.  Er  führt  dann 
weiter  die  Kl.  Bedeutungen  des  Wortes  an,  z.  B.  Urheher,  Ratgeher, 
Erzähler,  Bürge  für  eticas  (z.  B.  bonus  latinitatis  auctor,  der  für 
Latinität  ein  tüchtiger,  vollwichtiger  Bürge  und  Gewährsmann  ist, 
auf  den  man  in  dieser  Beziehung  bauen  kann,  Cic.  Att.  7,  3,  10: 
malus  enim  auctor  latinitatis  est),  Gewährsmann  u.  dgl.  Ygl.  Schö- 
mann  zu  Cic.  nat.  deor.  1,  11  und  Halm  zu  Cic.  Sest.  22.  Die 
allgemeine  Bedeutung  Schriftsteller,  Verfasser  von  Büchern  ist  erst 
N.  Kl.  bei  Seneca  (epist.  2,  2:  ista  lectio  multorum  auctorum\ 
Quintil.  10,  1,  48:  hunc  auctorem,  nämlich  Homer;  ib.  10,  5,  3: 
rerum  copia  graeci  auctores  abundant;  ib.  1,  5,  11:  auctores,  quos 
praelegunt;  ib.  1,  8,  8:  Latini  quoque  auctores  afferent  utilitatis 
aUquid  u.  a.  m.,    sehr   oft    bei  Sueton    (Bagge    S.  9,    Aug.  89:    in 


Auetor  —     217     —  Auetor 

evolvendis  utriusque  linguae  anctorihis)^  Tac.  bist.  1,  1,  PI  in.  epp. 
7,  9,  15  und  Lagergren  S.  70,  und  so  bei  andern  folgenden.  Wer  daber 
Kl.  scbreiben  will,  braucbe  scriptor.  Man  sprecbe  daber  von  scriptores 
veteres,  script.  graeci,  Script,  latini,  nicbt  von  aiidores  veteres,  graeci, 
latini,  was  zwar  nicbt  unlateiniscb  und  verwerflieb,  aber  docb  weniger 
gut  ist.  —  Aiidorem  esse,  7Xiten  zu  ehvas,  bat  Kl.  adverbiales  quid  bei 
sich,  z.  B.  Cic.  Att.  13,  40,  2  quid  mi  auctor  esf,  vgl.  Lebreton,  Etudes 

5.  XII,  ferner  den  Gen.  gerund.,  z.  B.  Cic.  rep.  1,  13  ut  discendi 
et  docendi  essemus  auctores;  aucb  bat  es  ut  nacb  sieb,  z.  B.  Cic. 
Verr.  2,  37  auctor  est,  ut  agere  incipiant;  aber  in  der  Bedeutung 
etiuas  erzählen,  für  etivas  Bürge  sein  folgt  der  Äccusativ  m.  d.  Infin. 
Daber  tadelt  Reisig  (Vorles.  S.  564)  den  Halbgriecben  Atticus,  dass 
er  (Cic.  Att.  9,  10,  5)  gescbrieben  babe:  ego  tibi  non  sim  auctor, 
si  Pompeius  Italiam  relinquit,  te  quoque  profugere,  für  ut  tu  quoque 
profugias.  Docb  sagt  so  aucb  Cels.  1,  7,  6:  ubi  alho  ipsius  oculi 
palpebra  inhaesit,  Heraclides  T.  auctor  est  adver  so  scalpello  siihsecare, 
(fehlt  Tbes.  II,  1196,  75),  sonst  nur  Ovid  und  Sil.,  vgl.  meine 
Syntax^  §  158,  1.  —  IJm  bei  Redensarten  wie  me  auctor e,  Herodoto 
auctore  etc.  nicbt  irre  zu  geben,  ist  streng  festzuhalten  an  der  oben 
angeführten,  von  Paul.  Manutius  gegebenen  Bestimmung  des  Sinnes 
von  auctor.  Der  auctor  kann  selbstverständlich  entweder  ein  un- 
mittelharer,  d.  b.  ein  solcher  sein,  auf  dessen  Rat,  Zureden  und 
Ansehen  hin  sich  jemand  zu  etwas  hestimmen  lässt,  oder  ei7i  mittel- 
barer, eiyie  historische  oder  überhaupt  eine  litterarische  Quelle,  ein 
Gewährsmann,  luelchem  ivir  irgend  eine  Notiz,  eine  Behauptung  ent- 
nehmeyi  und  nacherzählen,  z.  B. :  Herodoto  auctore  proferunt  Cic. 
Tusc.  1,  113,  Prisci  Tarquinius  filius  neposve  fuerit,  parum  liquet; 
plurihus  tarnen  aiictoribus  filium  ediderim,  Liv.  1,  46,  4;  8,  26, 
6;  27,  7,  5  und  36,  19,  11,  vgl.  ausserdem  Sen.  n.  q.  6,  26, 
3,  Quintil.  8,  6,  18,  Tac.  bist.  3,  25.  Sofern  aber  der  auctor  zu 
einem  andern  nicht  in  dem  Innern  Zusammenbang  steht,  dass  er 
für  denselben  Führer  und  Quelle  oder  Gewährsmann  für  eine  Be- 
hauptung ist,  sondern  wenn  die  zu  erwähnende  Sache  vom  auctor 
nacb  Ursprung  und  Verlauf  ganz  unabhängig  dasteht,  so  dass  der 
auctor  lediglich  als  historischer  Referent  über  etwas  früheres,  ver- 
gangenes betrachtet  wird,  da  ist  lateinisch  nicht  zu  sagen  auctore 
aliquo  rem  gestam  esse.  Ungewöhnlich  ist  also :  Maecenas  pulcherrimae 
sed  morosae  eiusdem  Terentiae  quotidiana  fere  repudia  Seneca  auctore 
(==  nach  Sen.  Erzählung)  sie  deflevit,  ut  ....  Hiefür  musste  es 
entiveder  beissen:  Maecenatem  Seneca  auctor  est  repudia  sie  defle- 
visse,  ut  ....  vgl.   darüber  Liv.  1,  48,  9  und  sonst  oft,   Cic.  Att. 

6,  1,  8,  Curt.  9,  8,  15,  Sen.  n.  q.  3,  26,  1,  Quintil.  1,  10,  10, 
oder  es  konnte  dafür  aucb  gesagt  werden :  Maecenas,  ut  Seneca 
auctor  est,  .  ...  sie  deflevit.  S.  Liv.  21,  38,  1  und  38^  50,  5.  Erst 
spätlat.  beisst  es:  tertii  ludi  fuerunt  Antiate  Livioque  aiictoribus  P. 
Claudio  Pulchro,  L.  Junio  Ptdlo  considibus,  Censor.  de  die  nat.  17, 
10    und   einmal   N.  Kl.    bei   Plin.   nat.  4,  9:   Peloponnesus  circuitu 


Auctrix  —     218     —  Andere 

DLXIII M.  imssiimn  colligit  audore  Isidoro.  Über  einige  ciceronische 
Stellen,  in  denen  audore  aliqiio  in  einer  unserer  Auseinandersetzung 
scheinbar  widersprechenden,  dem  wahren  Sachverhalt  nach  aber 
ganz  richtigen  Weise  gebraucht  ist,  verweisen  wir  auf  Allgayers 
Zusätze  und  Berichtigungen  zu  diesem  Buch,  S.  20.  Ebenso  ist 
audore  aliquo  auf  Titeln  der  Bücher  N.  L.,  da  es  mit  keinem 
Yerbum  in  Verbindung  steht  und  der  absolute  Ablativ  nicht 
mit  einer  Konjunktion  erklärt  werden  kann,  z.  B.  Q.  Horatii  Flacci 
vita  audore  C.  Suetonio  Tranquillo,  oder :  de  Sabinarum  raptu  ins 
gentium  haud  violante  audore  D.  C.  Ferd.  Sdimid  u.  dgl. ;  im 
übrigen  vgl.  über  audor  und  audoritas  die  feine  Erörterung  bei 
Näg.-Müller«  S.  246  ff. 

Audrix  ist  als  Fem.  von  audor  sehr  spätlat.  und  selten,  da  in 
der  bessern  Zeit,  z.  B.  Cic.  divin.  1,  27  sihi  eas  aves,  quihus 
aiidoribus  offidum  et  fidem  secutus  esset,  hene  consuluisse;  Ovid 
fast.  6,  709,  Liv.  40,  4,  14,  audor  seine  Stelle  vertritt;  vgl.  Reisig- 
Haase-Hagen  S.  216  und  Neue-Wagener^  I,  908  ff. 

Äudus,  die  Vermelirung,  ist  A.  L.  und  N.  Kl.,  einmal  auch 
bei  Liv.  29,  27,  3  in  altertümhcher  Gebetssprache  in  der  fig.  etymol. 
audibus  augere;  und  ausserdem  auch  Liv.  4,  2,  2,  vgl.  Georges 
Yell.  S.  18  und  Landgraf  act.  Erlang.  II,  28;  unrichtig  ist,  dass 
sich  audus  nur  in  der  fig.  etymologica  finde,  vgl.  Liv.  4,  2,  2  und 
Milkau  S.  86.  Klass.  gegeben  durch  augere,  z.  B.  quae  (natura) 
causas  augendi  liabeat  Cic.  nat.  1,  35. 

Audadter  und  audader ;  jenes  war  das  ältere  und  wurde  von 
Cicero  wahrscheinlich  wenig  gebraucht,  s.  Neue-Wagener^  11,  684, 
Meissner  z.  Cic.  Cato  72,  Hellmuth  act.  Erl.  I  S.  115,  Thielmann 
Cornif.  S.  54,  Koffmane  lex.  S.  19,  Landgraf  S.  Rose.  Am.  S.  325; 
meistens  wählte  Cicero  dieses.  Das  gleiche  gilt  von  Liv.,  vgl. 
Fügner  Lex.  Liv.  I  S.  1377,  Schmidt  1889  S.  20.  Den  Gebrauch 
jener  Form  tadelt  schon  Quintilian  (1,  6,  17):  inhaerent  quidam 
molestissima  diligentiae  perversitate,  ut  audadter  potius  dicant,  quam 
audader.  Für  vulgär  wird  audadter  gehalten  von  Böhmer  II  S.  19; 
dafür  spricht  auch  das  häufige  Yorkommen  im  Si).  L.,  z.  B.  bei  Cyprian. 

Audax^  kühn,  heherzt  für  oder  zu  etivas,  wird  verbunden  ad 
aliquid,  P.  L.  bei  einem  Yerb  mit  dem  Infinitiv,  z.  B.  audax perpeti. 

Audens,  kühn,  steht  nirgends  bei  Cicero,  Caesar,  Livius,  sondern 
nur  P.  und  N.  Kl.  oft  bei  Tacitus,  bei  Suet.  Caes.  58,  Calig.  8, 
Plin.  epp.  9,  26,  5  und  ibid.  §  9,  audentior  Plin.  epp.  9,  33,  4  und 
Quintil.  12,  10,  23,  audentius,  ebendas.  8,  3,  27,  Tac.  bist.  1,  79 
init.  und:  audentissimus,  Agric.  33.  Dass  audens  nicht  =  „ge- 
wagt" ist,  wie  Usener  Jahrb.  1878  S.  51  ff.  behauptet,  zeigt  Schön- 
feld S.  21. 

Andere  wird  vor  den  Infinitiv  gestellt,  z.  B.  Cic.  Lael.  1  audeo 
dicere,  ib.  35  qui  quidvis  ah  amico  auderent  ijostulare,  wenn  es  volle 
Kraft,  nicht  phraseologische  Bedeutung  hat,  vgl.  Seyffert-MüUer  z. 
Lael.  S.   11    und   meine  Stilist.  §  45,  2.      Die   umgekehrte  Stellung 


Audiens  —     219     —  Audientia 

zeigt  das  phraseologische  negierte  ansim,  welches  sich  auch  einmal 
bei  Cicero  findet,  Brut.  18 ;  sonst  ist  aiisim  beliebt  bei  den  Ko- 
mikern, aug.  Dichtern,  Livius,  Tacitus,  im  silb.  Lat. ;  vgl.  die  Stellen 
bei  Neue-Wagener^  III  S.  510.  Nach  einer  Konjunktion  finden  wir 
ausim,  ausis,  aiisit  selten,  vgl.  Lucr.  2,  982  nusqiiam  consistere  ut 
aiisis;  4,  508  nisi  credere  sensihiis  ausis ^  Tac.  Agr.  43  ut  adfirmare 
ausim,  letzteres  freilich  beanstandet  von  Wölfflin  zu  Liv.  22,  36,  1. 
Jedenfalls  ist  sicher  und  von  Lübbert  in  Wölfflins  Archiv  II  S.  227 
dargetan,  dass  alle  diese  Formen  auf  sim  die  Bedeutung  der  Yer- 
gangenheit  nie  besessen  haben ;  für  Liv.  wird  dies  ausdrücklich  be- 
stätigt Lex.  Liv.  I,  1379.  —  Auderi  bei  passivem  Infinitiv  steht 
Nep.  Milt.  4,  5  nach  Analogie  von  coejjüis  und  desitus  sum,  vgl. 
Nipp.-Lup.  z.  St.  und  meine  Syntax^  §  221.  —  Andere  aliquid 
sagen  Cicero  und  Caesar  nicht  (letzterer  jedoch  Grall.  2,  8,  2  quid 
auderent  und  6,  13,  3  quae  nihil  audet)^  hei  beiden  ist  audeom.it  Inün. 
Regel;  dagegen  treffen  wir  andere  aliquid  bei  Dichtern  seit  Terenz, 
in  Prosa  zuerst  bei  Sali.  bist.  3,  86  M.  midta  nefanda  ansi  atque 
passi,  dann  bei  Livius,  Yellejus,  Tacitus.  Das  Partie,  ausus  in 
pass.  Bedeutung  verwendet  zuerst  Vell.  (Georges  Yell.  S.  45),  dann 
Tacitus  ann.  3,  67  ausis  ad  Caesarem  codicillis.  Das  Subst.  ausum, 
Wagstück  kennen  Cicero,  Caesar,  Livius  nicht,  es  ist  P.  und  N.  KL, 
vgl.  Dräger  zu  Tac.  ann.  2,  39,  Neue-Wagener^  III  S.  109.  — 
Andere  quid  in  aliquo  ayi  einem  ettvas  luageyi,  hat  nur  die  Autorität 
des  Livius  für  sich,  so  3,  17,  8  ausurum  se  in  trihunis,  quod  prin- 
ceps  familiae  snae  in  regihns  esset;  vgl.  6,  18,  4;  8,  31,  7  {nie  mit 
subst.  Objekt);  Liv.  2,  12,  14  in  te  magis  quam  in  nie  hostilia 
ausus  nimmt  man  me  und  te  als  Acc.  an.  —  Andere  in  proelia  u. 
ä.  sich  luagen  in  findet  sich  bei  Yerg.  und  anderen  Dichtern,  in 
Prosa  erst  im  Sp.  L.,  vgl.  Kluge  S.  43;  klass.  ist  se  committere  in, 
vgl.  s.  V.  Committere.  Sp.  L.  und  von  Dresse!  S.  13  aus  Firm. 
Mat.   nachgewiesen  ist  andere  ad,  ganz  unser  „Mut  zu  etwas  haben". 

Audiens,  gehorsam;  vgl.  Andire. 

Audientia  ist  in  besserer  Prosa  nicht,  was  wir  Audienz  oder 
Zutritt  nennen,  und  bildet  Sp.  L.  die  schlechten  Redensarten  an- 
dientiam  dare  alicui,  einem  Audienz  gehen,  für  aliquem  admittere, 
aditum  conveniendi  dare;  andientiam  apud  aliquem  habere,  Audienz 
hei  jemand  haben,  für  aditum  ad  cdiquem  hahere,  admissum  esse,  und 
andientiam  apud  aliquem  accipere,  Audienz  hei  jemand  erhalteyi,  für 
admitti  (ad  colloquium),  audiri.  Für  aditus  steht  auch  accessio  (Cic. 
Yerr.  2,  133).  Ygl.  auch  Cic.  Q.  fr.  1,  1,  32,  Nep.  Con.  3,  2: 
nemo  admittitur ;  und  oben  Admissio.  Die  bessern  Lateiner  brauchen 
andientiam  facere  sihi,  alicui^  orationi  alicuius  in  der  Bedeutung 
einem  geneigtes  Gehör  anderer  verschaffen,  die  Aufmerksamkeit  rege 
machen,  s.  Cic.  de  or.  2,  325  andientiam  sihi  fieri  yiolle  videntur; 
Cato  28,  div.  in  Caecil.  42  und  rhet.  Her.  4,  68,  auch  Stille  ge- 
bieten, Liv.  43,  16,  8:  andientiam  facere  praeconem  iussit,  er 
befahl  dem  Ausrufer,  Stille  zu  gebieten. 


Audire  —     220     —  Audire 

Äudire.  Man  verbindet  es  mit  ah^  ex  (audire  ex  cdiquo:  Cic. 
Lael.  14,  fam.  9,  2,  1,  leg.  2,  47  und  Caes.  civ.  2,  38,  1)  und  de 
aliquo  (über  audire  de  aliqiw  s.  Cic.  fam.  11,  12,  2,  Att.  16,  7, 
8,  Verr.  3,  130,  de  orat.  3,  133,  de  rep.  2,  28,  Brut.  225),  wenn 
es  den  bezeichnen  soll,  icelcher  etwas  erzählt;  mit  de  aliquo  oder 
de  aliqua  re,  wenn  es  den  oder  das  bezeichnet,  über  den  und  üher 
das  man  etwas  hört;  mit  aliquem,  einen  hören,  anhören,  einem  zw- 
hören,  und  ebenso  in  der  Bedeutung  einem  gehorchen,  auf  einen 
Jiören,  wo  auch  A.  L.  und  X.  Kl.,  aber  selten,  alicui  audire  ge- 
braucht wird.  Selten  ist  audire  aliquem,  von  einem  hören,  vielfach 
durch  ein  danebenstehendes  transitives  Yerb  wie  cognoscere,  videre 
u.  ä.  hervorgerufen,  Cic.  Rab.  P.  35  audiebamus  Alexandriam,  nunc 
cognoscimus;  Caes.  Gall.  2,  12^  5  quae  neque  viderant  ante  Galli 
neque  audierant;  Cic.  Cat.  1,  26  cum  in  tanto  numero  tuorum 
yieque  audies  virum  honum  quemquam  neque  videhis;  öfters  findet 
sich  das  Passiv  audior,  man  hört  von  mir,  z.  B.  Cic.  nat.  2,  6  eo 
ipso  die  auditam  esse  eam  pugnam  ludis  Olgmjnae  memoriae  traditum 
est;  besonders  viele  Beispiele  hat  Tac,  vgl.  Nipp,  zu  Tac.  ann.  4, 
23,  Gudeman  zu  Tac.  dial.  7;  für  Cic.  vgl.  Lebreton  Etudes  S.  154. 
Richtig  sagt  man  von  einem  Schüler,  der  seinen  Lehrer  hört,  audit 
eum.  S.  Cic.  off.  1,  1,  acad.  1,  34,  Tusc.  1,  7.  Daher  auch 
auditor,  der  Schiller,  z.  B.  Liv.  40,  29,  8  creditur  Pgthagorae 
aiiditorem  fuisse  Numam.  —  Nach  den  Yerben.  welche  hören,  sehen 
bedeuten,  steht  lat.  im  Falle  unmittelbarer  Wahrnehmung  statt  des 
Inf.  oft  das  Part.  Praes.,  vgl.  meine  Syntax^  §  177;  Beispiele  aus 
Cic.  sind  acad.  2,  11;  fin.  2,  21;  doch  ist  der  Inf.  viel  häufiger, 
z.  B.  S.  Rose.  133;  Mur.  58;  fin.  5,  7;  vgl.  v.  Kobilinski  Z.  f.  Gymn. 
1884  S.  436,  der  aber  in  der  Verwerfung  des  Partizips  zu  weit 
geht  (Stegmann  brieflich).  Eine  Masse  anderer  Belege  dafür  s.  bei 
Heumann,  Programm  München,  1860  S.  11.  —  P.  L.  ist  audire  in 
der  Bedeutung  genannt,  gehalten  iverden  für  etwas  mit  dem  Nomi- 
nativ des  Prädikats,  X.  L.  aber,  wenn  Görenz  (praef.  Cic.  fin.  S.  9) 
sagt:  haec  utraque  Tidlio  Perijyatetica  audit,  diese  beiden  Lehren 
iverden  von  Cicero  für  peripatetisch  gehalten.  —  In  der  Redensart 
ich  kann  ihn  oder  das  nicht  anhören,  d.  h.  es  ist  mir  zuioider,  ist 
N.  L.  eum  audire  non  possum,  für  ferre  non  possum  oder  ähnliches. 
Richtig  ist  aber  audio  in  der  Bedeutung  das  lässt  sich  hören;  vgl. 
darüber  Nägelsb. -Müller^  S.  400  und  Landgraf  zu  S.  Rose.  S.  235, 
wo  auch  non  audio  „davon  will  ich  nichts  hören"  erwähnt  ist  nach 
Thielmann  Bayr.  Gymn.  XYI,  358.  Dagegen  wird  für  audite,  quid 
fecerit,  wenn  das  lebendig  geschildert  wird,  was  er  tat,  auch  gesagt 
videte.  Ygl.  Cic.  Rose,  Am.  116:  videte  (hört)  iam  porro  cetera.  — 
N.  L.  ist  bene,  male  audire,  gut,  schlecht  hören,  in  der  Bedeutung 
ein  gutes,  schlechtes  Gehör  haben,  für  auditu  valere,  non  valere  oder 
surdastrum  esse  (Cic.  Tusc.  5,  116);  denn  bene  audire  bedeutet  in 
gutem  Rufe  stehen,  male  audire,  in  bösem  (schlimmem)  Rufe  stehen, 
und  so  minus  commode   audire,  in    weniger    gutem  Rufe    stehen,  zu 


Auditio  —     221     —  Auferre 

welchen  Redensarten  ah  aliqiio  in  der  Bedeutung  von  hei  jemandem 
tritt;  vgl.  hiezu  Gudeman  zu  Tac.  dial.  18,  der  Ter.  tiec.  600 
als  ältestes  Beispiel  zitiert,  Cic.  de  or.  2,  277,  Tusc.  5,  llß;  fin. 
3,  57  hene  audire  a  parentihus ;  eigentlich  bedeutet  hier  audire,  zu 
hören  hekommen,  vgl.  Cic.  ofF.  3,  98  und  dazu  C.  F.  W.  Müller  und 
Hör.  sat.  1,  4,  53.  —  Endlich  heisst  unser  nicht  oder  nichts  hören 
in  der  Bedeutung  von  tatih  sein,  nicht  non  oder  nihil  audire,  sondern 
seyisu  audiendi  carere,  aurihus  captum  esse.  —  Äiidiens  für  sich 
allein  in  der  Bedeutung  gehorsam  ist  N.  L.,  gut  aber  in  Verbindung 
mit  einem  Dativ,  wie  dicio  u.  ähnl.  So  schon  vorkl.:  dicto  snrn 
aiidiens,  Plaut.  Pers.  399  und  Asin.  544,  und  dann  auch  klassisch, 
vgl.  Cic.  Verr.  1,  88  sunt  Uli  quidem  dicto  audientes,  quamdiu  ad- 
sunt  ii,  qui  imperant;  für  Liv.  vgl.  Fügner  Lex.  Liv.  I  S.  1396, 
44  und  Friedersdorff  zu  Liv.  28,  24,  11.  Dazu  tritt  auch  noch  oft 
der  Dativ  der  Person,  welcher  man  aufs  Wort  gehorcht:  ego  simi 
Jovi  dicto  audiens,  Plaut.  Amph.  989,  Cato  agr.  142  dominoque  dicto 
audiens  sit  und  so  auch  bei  Cicero,  vgl.  Yerr.  5,  85.  Über  dicto 
aiidientem  atque  ohoedientem  esse,  s.  unter  Ohoedire.  Yorklassisch 
wird  auch  dicto  ohoediens  gesagt:  magistro  desinehat  esse  dicto  ohoe- 
diens,  Plaut.  Bacch.  439  und:  futiira's  dicto  ohoediens  an  non patri"^ 
ibid.  Pers.  378.  Endlich  wird  vorklassisch  statt  des  Dat.  auch  der 
Grenit.  gebraucht:  eins  dicto  imperio  sum  audiens,  Plaut.  Amph.  991; 
vgl.    hiezu    Sjögren  S.  16,  der  in  dicto  imperio  ein  Asyndeton  sieht. 

Auditio  ist  in  der  Bedeutung  das  Gehör,  der  Sinn  des  Gehörs, 
ebenso  in  der  Bedeutung  „Yerständnis"  Sp.  L.  für  auditus,  sensus 
audiendi;  vgl.  Gölzer  Hieron.  274.  Aber  in  der  Bedeutung  Gerilcht 
ist  es  klass.,  vgl.  Caes.  Gall.  7,  42,  2,  Cic.  Plane.  56,  Näg.-Müller» 
S.  231,  Burg  S.  66. 

Auditorium,  der  Hörsaal,  ist  zwar  nur  N.  KL,  aber  für  diese 
und  damit  verwandte  Bedeutung  Ä7. ;  ja  selbst  für  die  Zuhörer  steht 
es  bei  Quintihan  und  dem  Jüngern  Phnius,  sowie  Sp.  L.,  z.  B.  bei 
Paneg.,  wie  unser  Schide  für  Lehrer  und  Schiller.  Übrigens  kann 
es  durch  auditores  oder  audientes  ersetzt  werden,  z.  B.  vor  (hei) 
einem-  grosse^i  Auditoimmi,  in  magnct  audientiiim  (auditoriim)  celehri- 
tate  (frequentia)  oder  frequentihus  aiulitorihus. 

Auditus  ist  in  der  Bedeutung  das  Hören,  Anhören  N.  Kl.  bei 
Quintilian  u.  a.  für  auditio;  gut  ist  es  nur  in  der  Bedeutung  das 
Gehör  neben  sensus  audiendi.  Aber  N.  L.  ist  mihi  auditus  et 
visiis  ahit,  mir  vergeht  Hören  imd  Sehen,  für  neque  aurihus  neque 
ocidis  satis  consto  (nach  Livius  5,  42,  3  und  7,  26,  5:  ocidis  simid 
ac  meyite  turhatus  sum).,  oder  nach  Tacitus  ann.  3,  46  (vgl.  Tac.  bist. 
3,  73):  neque  oculis  neque  aurihus  satis  compeio;  vgl.  capti  aurihus  et 
ocidis  metu  omnes  toyyent,  Liv.  21,  58,  5. 

Auferre  =  jemanden  etivas  himvegnehmen,  entreissen  (fehlt  bei 
Caesar  ganz)  wird  im  allgemeinen  Sinn  klass.  so  gut  mit  dem  Dativ 
konstruiert  als  adimere  oder  eripere  —  hierauf  muss  ausdrücklich 
hingewiesen  werden,  weil  Bonnet  Greg.  S.  543  sagt:  auferre  admet 


Augmen  —     222     —  Augurari 

le  datif  depuis  Tite-Live  —  z.  B.  Quis  duhitaf,  quin  ei  vitam  ab- 
stulerit  ij)sa  legatio?  Cic.  Phil.  9,  5.  Ygl.  ausserdem  Yerr.  1,  20, 
Cato  71,  Caec.  9,  Cluent.  10,  Sulla  92,  Caelius  bei  Cic.  fam.  8, 
17,  1,  Liv.  2,  56,  3:  23,  44,  3;  8,  31,  4  u.  9,  9,  1.  Im  gleichen 
Sinn  sagt  man  Siuch.  aiiferre  cdiquid  ah  aliquo,  wie:  mdicia  a  senatu 
auferre,  Cic.  Yerr.  1,  23  u.  ibid.  3,  20;  dientelam  auferre  a  imtronisy 
ibid.  4,  90;  auferre  ausjncia  a  patrihus,  Liv.  6,  41,  7;  7,  18,  2; 
23,  5,  11  u.  28,  27,  4.  Notwendig  ist  auferre  aliquid  ab  aliquo 
in  der  dem  Deutschen  entsprechenden  Redensart:  etwas  von  jemanden 
auf  einen  andern  ühertragen,  z.  B.  auferre  a  j^rimoribiis  ad  plehem 
summum  imperiimi,  Liv.  4,  1,  3.  Auch  wenn  auferre  in  der  engeren 
Bedeutung  gebraucht  wird,  jemanden  etwas  mit  List  oder  Geivalt, 
in  betrügerischer  Weise  abnehmen,  etiuas  fortnehmen,  um  es  für  sich 
zu  behalten,  ist  auferre  aliquid  ab  aliquo  sehr  gewöhnlich,  jedoch 
so,  dass  daneben  auch  gleich  gut  auferre  aliquid  cdicui  gesagt 
werden  kann.  S.  Cic.  Flacc.  34  u.  39,  Yerr.  1,  86  u.  4,  67  u.  57; 
off.  3,  29.  Bei  der  Angabe  von  Ortern  steht  für  ab  auch  de  und 
ex:  ah  ianua  stercus  auferre,  Plaut.  Asin.  424;  quod  de  sacrario  esset 
ablatum,  Cic.  Yerr.  4,  27;  auferri  ex  proelio,  Liv.  30,  18,  13;  vgl. 
Zumpt  zu  Cic.  Yerr.  T.  I  S.  110,  Gölzer  Hieron.  S.  339.  Daher 
sage  man  auch  nicht:  Tibi  haec  abstulisti?  für  unde  — ;  nicht: 
Yerres  uhique  oder  omnibus  locis  vasa  abstulit,  sondern  undique,  ex 
Omnibus  locis  — .  Ygl.  Cic.  Yerr.  4,  132.  Wenn  jedoch  die  be- 
raubte Person  mit  a  steht,  kann  der  noch  dabei  stehende  Ort,  wo 
der  Raub  geschieht,  im  Lokativ  folgen,  wie  in  Cic.  Yerr.  4,  37  tu 
a  M.  Coelio,  quae  voluisti^  Lilybaei  abstiäisti.  Aus  der  Yolkssprache 
haben  die  Komiker  se  auferre,  sich  tvegbegeben,  fortgehen,  genommen, 
was  nur  im  Dialog  anwendbar  ist,  vgl.  Plaut.  Rud.  1032  te  auf  er 
modo;  vgl.  noch  Lorenz  zu  Plaut.  Pseud.  535  u.  Spengel  zu  Ter. 
Ad.  937. 

Augmen,  die  Vermehrung ,  ist  A.  u.  P.  L.  (Lukrez),  augmentum 
Sp.  L.,  höchst  selten;  —  beide  sind  unnötig.  Ygl.  Auctio.  Sp.  L. 
ist  augmentare  und  augmentatio,  vgl.  Gölzer  Hieron.  S.  171.  —  Als 
Kunstwort  muss  augmentum  bei  der  Lehre  vom  griech.  Yerbum 
beibehalten  werden. 

Augur  in  der  allgemeinen  Bedeutung  Wahr-  oder  Weissager 
kann,  wiewohl  es  nur  bei  Dichtern  so  vorkommt,  dennoch  neben 
vates  recht  wohl  gebraucht  werden,  da  bei  Cicero  augurium  allge- 
mein jede   Wahrsagung  bedeutet. 

Augiirari  steht  in  besserer  Prosa  nur  als  Deponens.  Passivisch 
findet  sich  von  dem  A.  L.  augurare  nur  das  Partiz.  auguratus,  ein- 
getveiht,  geheiligt,  und  (bei  Liv.  u.  Sueton)  der  Abi.  abs.  augurato 
nach  Anstellung  der  Augurien,  gleich  cum  augurium  actum  esset; 
andre  Formen  sind  selten  und  bei  Cicero  ausser  in  der  Schrift  de 
leg.  u.  zwei  Fragm.  nicht  zu  finden.  Bei  augurium  brauche  man 
als  Yerbum  agere,  vgl.  Cic.  off.  3,  66,  div.  1,  32;  N.  Kl  steht 
auch  capere,  z.  B.  Liv.  10,  7,  10,  Yal.  Max.  8,  2,  1,  u.  facere  bei 


Augustus  —     223     —  Auricula 

Suet.  Yit.  18,  Bagge  S.  9.  Bei  ausjncia  aber  ist  üblich  das  mit 
aiigurium  nie  verbundene  habere;  über  die  Bedeutung  des  letztern 
s.  Auspicari.  Yon  migurium  herzuleiten  ist  aiiguriari  in  der  Yulg., 
vgl.  Rönsch  Coli.  phil.  S.  138. 

Augustus  und  als  Fem.  Augiista  sind  für  uns  die  Kl.  Wörter 
für  Kaiser,  kaiserliche  Majestät,  Kaiserin,  kaiserliche  Hoheit,  wofür 
auch  Caesar  und  Imperator  gebraucht  wurde  und  bis  auf  Hadrian 
als  Titel  verdoppelt  Caesar  Augustus.  So  redet  Plinius  (Paneg.  3, 
3)  den  Kaiser  Trajan  Caesar  Auguste  an.  —  Der  Monatsname 
Augustus  (mensis  Augustus)  ist  auch  N.  Kl.  nur  selten  im  Gebrauche 
für  das  alte  mensis  Sextüis,  aber  heutzutage  als  allgemein  ange- 
nommene Änderung   des    alten  Namens   durchaus   zulässig. 

Aula  in  der  Bedeutung  des  (innern,  unbedeckten)  Hofes  eines 
Hauses  ist  N.  L.  für  propatulum,  impluvium  oder  das  N.  Kl.  area 
beim  Jüngern  Plinius.     Kl.   ist  es  aber   schon   bei  Cicero    (fani.  15, 

4,  6)  in  der  Bedeutung  Hof  eines  Fürsten,  fürstliche  Macht,  vgl. 
Saalfeld  tens.  s.  v. ;  und  so  heissen  auch  schon  bei  Nep.  (Dat.  5,  2) 
die  Hofleute  im  allgemeinen  aulici,  sowie  die  hohem  purpurati 
genannt  wurden.    Beide  sind  also  für  diese  Begriffe  die  echten  Wörter. 

Aidoeclus  =  Flötenspieler,  ist  ohne  Autorität  für  tibicen;  denn 
aidoedus  bezeichnet  denjenigen,  welcher  den  Flötenspieler  mit  Ge- 
sang begleitet,  vgl.  Cic.  Mur.  29. 

Aura  ist  in  der  Bedeutung  Luft  fast  ausschhesslich  P.  L.  (doch 
hat  es  Yitr.)  für  aer,  wiewohl  auram  communem  haurire  und  das 
tropische,  aber  noch  das  sinnliche  Bild  festhaltende  auram  libertatis 
captare,  Liv.  3,  37,  1,  immerhin  gebraucht  werden  können.  Häufig 
dagegen  ist  es  in  rein  bildlichem  Sinne,  wie  levis  aura  spei  obiecta 
est,  Liv.  42,  31,  9;  parva  aura  rumoris,  Cic.  Mur.  35;  vgl. 
Fabri  zu  Liv.  22,  26,  4  und  Mützell  zu  Curt.  4,  5,  12.  Der  Plur. 
aurae,  der  nur  P.  ist,  muss  in  der  Prosa  vermieden  werden. 

Aureus,  golden,  kann  in  der  Bedeutung  herrlich,  schön  nicht 
verworfen  werden,  wie  denn  auch  Cic.  off.  3,  70  illa  verba  aurea, 
acad.  2,  119  flitmen  orationis  aureum  fimdeyis  Aristoteles ;  aureohis 
libellus  acad.  2,  135  und  aureola  oratiuncida  nat.  deor.  3,  43  sagt, 
und  Plin.  (ep.  2,  20,  1)  fahidam  auream.  Für  unser  goldene 
Berge    versprechen    sagt   Terenz   Phorm.    68:  montes  auri  polliceri, 

5.  Hieron.  Opp.  ed.  Erasm.  Parisiis  1546  T.  2,  S.  82,  C  hingegen 
montes  aureos  polliceri ;  letzteres  wird  vom  Schol.  zu  Pers.  3,  65  als 
sprichwörtlich  bezeichnet.  Wenn  aber  goldene  Berge  nicht  in  diesem 
tropischen,  sondern  im  eigentlichen  Sinn  steht,  wäre  montes  aurei 
selbstverständlich  ganz  richtig.  S.  Hier.  epp.  125,  3,  Plaut.  Stich. 
25  u.  Plin.  nat.  37,  14.  Wenn  aber  echt  lateinisch  aureus  imber 
(Ter.  Eun.  585  u.  Lact.  inst.  1,  11,  18)  gesagt  wird,  so  müssten 
darnach  auch  aurea  semina  gerechtfertigt  sein;  doch  steht  kein  Beleg 
dafür  zu  Gebote. 

Auricida,  in  der  vulgären  Form  oricida,  die  auch  C.  F.  W. 
Müller  bei  Cic.  Q.  fr.  2,  13,  4  und  Marx  bei  rhet.  Her.  4,  14  auf- 


Auriga  —     224     —  Auris 

genommen  haben,  ist  das  Deminutiv  zu  aurif^ ;  es  bezeichnet  zwar  ge- 
wöhnlich den  äussern  Teil  des  Ohres,  z.  B.  Yarro  r.  r.  2,  9,  4  canes  capiti- 
hus  et  auricidis  magnis,  wurde  aber  auch  in  der  Umgangssprache  wie 
auris  gebraucht;  es  bildet  selbst  wieder  ein  Deminutiv  aiiricilla,  daher 
französisch  oreille.  OhrlüpiJcJieii  heisst  gewöhnlich  auricula  infima, 
Cic.  Q.  fr.  2,  13,  4  u.  bei  Plin.  nat.  11,  251  auris  ima;  Catull  25, 
2  imula  auricilla,  Amm.  19,  12,  5  ima  auricula;  vgl.  besonders 
Wölfflin  Rh.  Mus.  37  S.  83—123  u.  Georges  bei  Bursian  1881/82, 
wo  Stellen  zitiert  sind,  in  denen  seit  Horaz  auricula  ==  Olir  ist, 
z.  B.  Hör.  ep.  1,  2,  53,  Heraus  Progr.  Offenbach  1899  S.  7,  Thes. 
II  1495,  43  ff. 

A^irifja  ist  nicht  der  gewöhnliche  Fiüirmann,  der  Waren  fährt, 
sondern  der  Pferde-  und  Wagenleiiker,  der  Kutscher  in  den  circen- 
sischen  Spielen  oder  in  der  Schlacht,  vgl.  Caes.  Gall.  4,  33,  2, 
gleich  agitator ;  jener  heisst  qui  vecturam  facit,  merces  plaustro  vehit, 
oder  mit  einem  spätem  ^Yorte  vecAurarius. 

A7iris.  Wir  beachten  beim  Gebrauche  des  Sing.  OJir  nicht 
immer,  ob  nur  eines  oder  heide  zu  denken  seien,  worauf  im  Latein, 
mehr  gesehen  wird;  denn  der  Singular  auris  steht  im  Lat.  nur, 
wenn  wirklich  nur  an  ein  Ohr  zu  denken  ist,  und  in  den  ent- 
sprechenden Redensarten  daher  nur  praehere  oder  admovere  aurem, 
wenn  man  ein  Ohr  hinreicht,  damit  ein  anderer  uns  etwas  zuflüstere 
(Cic.  de  orat.  2,  153,  Suet.  Calig.  22,  wo  Oudendorp  zu  vergleichen 
ist),  sich  aufs  Ohr  legen  in  aurem  dormire,  conquiescere,  sich  aufs 
andere  Ohr  legen  in  alteram  anrem,  vgl.  Cic.  Att.  13,  24.  Aber 
das  Ohr  beleidigen  ist  offmdere  aures,  Cic.  orat.  150;  ein  offenes 
Ohr  haben  für  ettvas  =  patent  aures  alicui  rei;  praebere  aures  = 
einem  Sprechenden  aufmerksam  zuhören;  ettvas  nach  dem  Gehör  be- 
urteilen r=  aurium  iudicio  aliquid  ptonderare;  einem  geneigtes  Gehör 
schenken  =  aures  alicui  praebere  u.  ähnl.  —  Gut  ist  zwar  ad  aures 
venire  oder  accidere  ad  aures  u.  auribus  accidere,  s.  Cic.  Yat.  4, 
Sest.  107,  vgl.  Anton  Studien  I  123,  Plin.  Paneg.  92,  9  u.  Liv. 
24,  46,  5,  Tac.  ann.  15,  67,  Quintil.  12,  10,  75  etc.,  zu  Ohren 
kommen,  gelangen,  hören,  aber  nicht  mit  dem  Dativ  derer,  welchen 
etwas  zu  Ohren  kommt,  sondern  mit  dem  Genitiv  oder  den  Pronom. 
meas,  tuas,  suas  u.  s.  w.  Man  sage  nicht  hoc  populo  Romano  ad 
aures  accidit^  sondern  ad  popidi  Romani  aures  (Cic.  Sest.  107),  nicht 
hoc  mihi  ad  aures  venit,  wie  wir:  dieses  kam  mir  zu  Ohren,  sondern 
hoc  ad  aures  meas  venit,  oder  pervenit,  Nep.  Milt.  3,  6,  Cic.  Verr. 
4,  64  u.  mit  Accus,  c.  Inf.  Nep.  Pelop.  3,  1.  Phrasen,  wie:  vox 
ad  aures  mihi  advolavit,  aures  verberat,  aures  tangit,  ad  aures  mihi 
accessit,  venit  gehören  den  Komikern  an,  s.  Plaut.  Merc.  864, 
Amph.  333,  Rud.  234,  Ter.  Ilec.  482.  Noch  ungewöhnlicher  sind 
Ausdrücke  wie:  mihi  imternae  vocis  sonitus  aures  accidit,  Plaut. 
Stich.  88.  —  Gut  ist  aber  dicere  in  aurem,  ins  Ohr  sagen,  was  vielen 
als  P.  bei  Plautus  (Trin.  207),  Horaz  (serm.  1,  9,  10)  u.  Ovid 
(Her.  3,    23)    verwerflich  scheint;   aber   so  sagt  auch  rhet.  Her.  4, 


Auritus  —     225     —  Auspicari 

63  u.  4,  64,  vgl.  Thielmann  Bayr.  Gymn.  XVI,  358  ei  dicit  in 
aurem,  Cicero  selbst  (in  einem  Bruchstücke  aus  dem  Buche  de  fato 
bei  Macrob.  2,  12)  in  aurem  Pontius^  Scipio,  inquit,  vide  quid 
ugas ;  auch  Quintil.  (11,  3,  131)  in  aurem  alicuius  loqiii,  und  (4, 
2,  124)  ad  aurem  invocare.  Auf  ähnliche  Weise  sagt  man  ad 
aurem  aliquem  admoyiere,  einem  luarnend  ins  Ohr  sagen  (Cic.  fin.  2, 
69);  ad  aurem  oder  in  aures  insusurrare^  ins  Ohr,  in  die  Ohren 
fiiistern;  auch  bloss  insusurrare.  —  Aures  für  Geschmack  steht 
nicht  nur  Tac.  ann.  13,  3  Senecae  ingenium  temporis  eius  aurihus 
accommodatum,  sondern  auch  Cic.  de  or.  2,  159  haec  enim  nostra 
oi^atio  multitudiyiis  est  aurihus  accommodanda,  vgl.  noch  Tac.  dial. 
21  u.  34  u.  dazu  Gudeman. 

Auritus  ist  in  der  Bedeutung  der  etwas  gehört  hat  nur  A.  L. 
bei  Plautus  Truc.  489;  vgl.  darüber  s.  y.  Ocularis,  sowie  den  Thes., 
der  S.  1519,  41  noch  auf  Paul.  Fest.  S.  179  u.  Apul.  flor.  2  S.  6 
verweist. 

Aiiscultare^  mit  Accusativ  hören,  mit  Dat.  gehorchen,  ist  in  der 
Sprache  der  Kom.  u.  Trag,  beliebt ;  in  Prosa  findet  es  sich  nur  bei 
Cato  (Jordan  S.  58)  u.  agr.  5,  3,  bei  Cic.  Rose.  Am.  104,  vgl.  Land- 
graf zur  St.,  sowie  bei  Gran.  Licin.  16  B.  10,  Sen.  ep.  33,  6  und  bei 
den  Archaisten,  z.  B.  Apul.,  dann  sonst  im  Sp.  L.,  vgl.  Hellmuth  act. 
Erl.  I,  172,  Flemisch  S.  8  und  Archiv  XI  S.  264,  ßönsch  Ital.  S.  237.  — 
Das  Substantiv  auscidtator  lesen  wir  bei  Cic.  part.  10,  aber  nicht  in 
der  Bedeutung  der  Horcher,  sondern  der  Zuhörer;  jener  heisst 
bildlich  sermonis  alicuius  auceps  (bei  Plaut.  Mil.  955).  Für  die  Be- 
deutung Horcher  stand  früher  in  diesem  Buche  auch  arhiter  sermonis 
mit  Berufung  auf  Cic.  Yerr.  5,  80  amoeno  sane  et  ah  arhitris  remoto 
loco.  Allein  dort  fehlt  der  Genitiv  sermonis  und  arhiter  bedeutet, 
s.  meine  Anm.  zu  Sali.  Cat.  20,  1,  denjenigen,  der  etwas  unmittel- 
bar aus  nächster  Nähe  mit  ansieht  oder  hört,  a.  a.  0.  also  den 
lästigen  Zeugen.  Bei  Tac.  ann.  13,  21  finden  sich  arhitri  ser- 
monis, sind  aber  auch  hier  keineswegs  Horcher,  sondern  vielmehr 
Ohrenzeugen.  Den  Horcher  machen  kann  man  auch  ganz  gut  mit 
Plautus  u.  Terenz  durch  sermonem  alicuius  aacupari  oder  captare 
geben. 

Ausim  vgl.  unter  Andere. 

Auspicari  ist  Kl.  nur  ein  heiliges  Wort,  Aiispizien  halten, 
während  auspicium  oder  auspicia  hahere  nicht  bedeutet  die  Vogel- 
schau vorneJimen,  sondern  nur  das  Recht,  dieselhe  anzustelloi  be- 
zeichnet, vgl.  Cic.  div.  2,  76  proconsules  et  propraetores  auspicia  non 
hdbent.  N.  Kl.  ist  es  in  der  Bedeut.  anfangen,  wobei  das  mit 
etwas  durch  den  Infinitiv,  z.  B.  Tac.  dial.  11,  oder  ah  aliqua  re  und 
auspicari  aliquid  ausgedrückt  wird ;  vgl.  Plin.  ep.  2,  14,  2  und 
Suet.  Cal.  54.  Noch  seltener  u.  Sp.  L.  ist  ausincium  in  der  ge- 
wöhnlichen Bedeut.  Anfang,  was  nicht  nachzuahmen  ist.  Die  Bei- 
spiele dazu  sehe  man  Thes.  S.  1548,  29  ff.,  z.  B.  Lampr.  Comm. 
1,  9  auspicium  crudelitatis  apud  Centumcellas  dedit  (aber  auch  hier 

Krebs-Schmalz,  Antibarbarus  1.  lö 


Auster  —     226     —  Ausum 

schimmert  die  ursprüngliche  Bedeutung  noch  durch).  —  Yon  der 
älteren  aktiven  Form  wird  das  Partiz.  auspk'aiui^  in  der  Bedeutung 
geheiligt  gebraucht,  und  so  im  Abi.  absol.  (bei  Cicero  und  nach 
ihm)  auspicato  nach  gehaltenen  Auspizien.  Da  das  Recht  die 
Auspizien  anzustellen  im  Kriege  nur  dem  Oberantührer  zustand,  so 
bedeutet  aiispicium  bekanntlich  auch  die  oherste  Kriegsleitung ^  das 
Oherlxommando  selbst  und  wird  so  gewöhnhch  mit  dudu,  auch  mit 
dudu  und  imperio  zusammengestellt,  also  dudu  auspido  imperioque 
eins  Adiaia  capta  est  im  Titulus  Mummianus;  bei  Plaut.  Amph. 
196  ut  gesserit  remp).  dudu  imperio  auspido  suo;  192  imperio  atque 
auspido;  657  eos  auspido  meo  atque  dudu  vidmus;  bei  Cic.  und 
Caes.  findet  sich  kein  Beispiel,  dagegen  lesen  wir  dudu  ausjndoque, 
seltener  dudu  atque  auspido  oder  dudu  et  auspicio  bei  Livius,  die 
Stellen  sehe  man  bei  Fügner  Lex.  Liv.  S.  1419;  die  meisten  werden 
wohl  von  Livius  aus  Inschriften  entnommen  sein.  Nur  einmal  hat  Liv. 
den  Plural  u.  zwar  8,  33,  22  qui  eins  dudu  auspiciisque  vidsset.  Yon 
da  ab  finden  wir  X.  Kl.  und  Sj).  L.  regelmässig  den  Plural,  z.  B. 
eins  dudu  auspiciisque  infradae  Gcdliae,  Teil.  2,  39,  1,  Yal. 
Max.  3,  7,  1;  ebenso:  qui  studia  nostra  dudu  et  auspficiis  suis 
lucidiora  et  alacriora  reddidit,  ebendas.  4,  7,  1  und:  Thehas  dudu 
et  ausptidis  meis  caput  Graedae  fadas  video,  ebendas.  3,  2,  extr.  5, 
recepta  signa  dudu  Getmanid,  auspidis  Tiberii,  Tac.  ann.  2,  41, 
domuit  autem  partim  dudu,  partim  auspidis  suis  Cantahriam,  Suet. 
Aug.  21  und:  eins  dudu  auspidisque  gentes  Alpinae  omnes  .  .  . 
suh  imperium  popidi  Romayii  sunt  redadae,  Plin.  nat.  3,  136;  ferner: 
quod  aerarium  meo  dudu  meisque  auspidis  bis  milies  sestertio  2iherius 
fed,  omnia  unius  dudu  et  auspidis  dicta  sunt,  Sen.  epp.  33,  4, 
miles  qui  dudu  atque  auspidis  tuis  toties  felicissime  dimicasset,  Lic. 
Paneg.  Constant.  Aug.  c.  15  med.  Auf  den  alten  Brauch  gehen 
zurück:  Curt.  6,  3^  2  alia  dudu  meo,  alia  imperio  auspicioque  per- 
doriiui;  ferner:  Dausara  et  KicepjJwrum  et  Artaxata  dudu  auspicio- 
que tuo  armis  capAa  sunt,  Front,  epp.  ad  Yerr.  2,  1  S.  121  (N.), 
Traiayii  proavi  vestri  dudu  auspidoque  nonne  in  Dada  captus  vir 
consularis?  Front,  de  hello  Parth.  S.  217  (X.),  illa  vero  quae 
dudu  atque  auspido  numinis  tui  gesta  sunt,  Eum.  Paneg.  Const. 
Caes.  c.  5  extr.     Ygl.  auch  ^Yölfflin  Scipionenelog.  S.  199. 

Auster,  der  Süden  als  Land  selbst,  ist  N.  L.  für  Austri  imrtes, 
australis  regio  oder  ora.  Man  sage  nicht:  Auster  incognita  fere  est 
pars  terrae,  für  Austri  partes  fere  sunt  incognitae.  Sonst  bedeutet 
Auster  nur  den  Südicind,  in  austrum,  ad  austrum,  ah  austro  die 
Richtung  (alles  unklass.). 

Australis,  südlidi,  findet  sich  seit  Cic,  z.  B.  Tusc.  1,  68;  nat.  deor. 
2,  50  quae  regio  tum  est  aquilonia,  tum  australis.  B.  u.  N.  L.  sind 
australior  und  australissimus^  die  sich  beide  in  N.  Lateinern  finden. 

Ausum,  das  Wagstiick,  unkl.  für  fadnus  audadae  pleyium  Cic.  S. 
Rose.  28,  auch /'rtawMs  audax,  z.  B.  Liv.  2,  12,  3  magno  audadque 
aliquo  fadnore,  vgl.  Andere. 


Aut  —     227     —  Aut 

Äut,  oder,  und  cmt  —  ant,  entweder  —  oder,  stehen  meist, 
wenn  zwei  Personen  oder  Begriffe  einander  entgegengesetzt  und 
von  einander  verschieden  sind,  z.  B.  (aut)  dives  aut  pauper,  frigus 
aut  calor,  Cicero  aut  Pompeius.  Bei  Personen  oder  Dingen^  die  nur 
dem  Worte  nach  verschieden  sind,  wird  sive,  seu,  nicht  aut  ge- 
braucht. Daher  ist  falsch:  Pallas  aut  Minerva;  Cybele  aut  Ops; 
Hortalus  aut  Hortensius,  denn  beide  Namen  bezeichnen  eine  und 
dieselbe  Person.  Eben  deshalb  sagt  man  auch  fast  nicht  aut,  wenn 
man  ein  eben  gewähltes  Wort  durch  ein  anderes  verbessert,  sondern 
gewöhnhch  vel,  vel  dicam,  vel  potius^  z.  B.  benevolentia  vel  amor 
potius  (Cic.  fam.  3,  9,  1);  fateor  a  plerisque,  vel  dicam  ab  omnibus 
(ib.  4,  1,  3) ;  vulgi  voluntas,  vel  potius  consensus  omnium  (ib.  4, 
13,  5);  —  seltener  sive  potius  und  aut  potius;  z.  B.  hoc  discessu 
sive  potius  turpissima  fuga  (Cic.  Att.  8,  3,  3);  erravit  aut  potius 
insanivit  (id.  Yerr.  3,  113).  —  Auch  wird  aut  —  aut  gebraucht, 
wenn  die  Begriffe  wohl  neben  einander  bestehen  können,  aber 
schärfer  geschieden  werden  sollen,  meistens  so,  dass  es  bedeutet 
entweder  —  oder  'wenigstens,  z.  B.  aut  in  omni  aut  in  magna  parte 
vitae  (Cic.  Tusc.  3,  38).  Schliesslich  hat  aut  geradezu  seine  dis- 
junktive Bedeutung  vielfach  verloren  und  kopulative  angenommen, 
vgl.  C.  F.  W.  Müller  zu  Lael.  S.  470,  Kunze  Sali.  III,  2  S.  186.  — 
In  negativen  Sätzen  werden  lateinisch  gewöhnlich  statt  der  disjunk- 
tiven Partikeln  die  negativen  yieque  —  neque  oder  nee  —  nee,  weder  — 
Jioch,  gewählt,  z.  B.  Cic.  de  or.  2,  248  cid  domi  nihil  sit  neque  occlu- 
sum  neque  obsignatum;  Cic.  Att.  14,  20,  3  nemo  unquam  neque  poeta 
neque  orator  fuit,  qui  quemquam  meliorem  quam  se  arhitraretur\  Quintil. 
6,  3,  50,  Plin.  Paneg.  3,  1,  Liv.  1,  46,  6  u.  4,  38,  1  (vgl.  meine 
Stihst.^  §  40).  Doch  finden  sich  auch  nicht  selten  Beispiele  davon, 
dass  die  disjunktiven  Partikeln  beibehalten  sind,  wie:  Quo  genere 
hominum  nihil  aut  sincerius  aut  melius,  Plin.  epp.  2,  3,  5  u.  8, 
23,  9,  Liv.  27,  50,  4  u.  28,  40,  10  u.  42,  5,  11,  Caes.  civ.  3,  61, 
2.  Über  die  Fälle,  wo  nach  7ieque  oder  neque  —  neque  im  folgenden 
Gliede  aut  eintritt,  s.  Dietsch  zu  Sali.  Jug.  18,  2.  —  Falsch  ist 
aut  in  Fragen,  wo  eins  dem  andern  entgegensteht,  z.  B.  sanusne 
est  aut  aeger?  für  an  aeger?  zulässig,  wo  dies  nicht  der  Fall  ist, 
vgl.  meine  Syntax^  §  248;  doch  zitiert  der  Thes.  unzweifelhafte 
Beispiele  für  utrum  —  aut,  nämlich  Yarro  ling.  7,  32  und  Stellen 
aus  dem  8p.  L.,  vgl.  S.  1575,  39  ff.  Ganz  auffällig  ist  Tert.  carn.  8 
nihil  interest,  aut  excogitent  aut  agnoscant  (wo  aut  —  aut  für 
utrum  —  an  steht).  —  In  Fragesätzen  mit  quid,  qiiando  und  ähnlichen, 
z.  B.  ivas  sich  passe  oder  nicht^  luas  zu  tun  sei  oder  nicht,  sagt  man 
weder  necne,  noch  aut  non,  sondern  man  wiederholt  das  Yerbum 
mit  u.  ohne  quid,  also  quid  conveniat  aut  quid  noji  conveniat  (Cic. 
inv.  1,  31);  quid  iis  faciendum  sit  aut  non  faciendum  (fin.  4, 
46);  quid  ab  eo  factum  aut  non  factum  sit  (Cluent.  70);  quando 
utendum  sit  aut  non  sit  narratione  (de  orat.  2,  330);  —  ebenso: 
er  mag  luollen  oder  nicht,  velit  nolit.     Bei  Liv.  8,  2,  13  aber  heisst 


Autem  —     228     —  Authenticus 

es:  Campanos  seu  velint  seu  nolint  quieUiros,  ebenso  wiederholt  bei 
Jurist.  Autoren,  vgl.  hierüber  Preuss  S.  45  ff*,  u.  Georges  bei  Bursian 
1881/82  S.  260  in  Ergänzung  von  Wölfflin  im  Rh.  Mus.  37,  S. 
83 — 123.  —  Sj).  L.  sind  Fragen  mit  an  —  auf,  oder  an  —  vel, 
vgl.  oben  s.  v.  An.  —  P.  L.  ist  auf  —  vel,  oder  vel  —  aut  für  auf 
—  auf.  Doch  kommt  vel  —  aiit  und  aut  —  vel  in  Nachahmung  des 
poetischen  Ausdruckes  bisweilen  auch  in  Prosa  vor,  s.  Geis.  1,  3: 
niidto  magis  si' etiam  os  amarum  est  vel  oculi  caligant  aut  venter 
perturhatur,  ebenso  4,  2,  2  u.  3,  19  u.  2,  2,  5  und:  nee  secari 
adamas  auf  caedi  vel  deteri  potest,  Sen.  de  const.  3,  5;  vgl.  über 
die  Willkür  im  Gebrauche  der  disjungierenden  Konjunktionen  im 
silbernen  und  *S^.  L.  meine  Syntax^  §  252.  Endlicli  unser:  einer 
oder  mehrere  heisst  unus  pluresve  (Cic.  de  rep.  1,  48),  nicht  unus 
aut  plures. 

Autem,  aber,  steht  regelmässig  an  zweiter  Stelle ;  an  dritte 
Stelle  rückt  es,  wenn  die  beiden  ersten  Wörter  eng  zusammenge- 
hören, wie  z.  B.  Präposition  und  Nomen,  z.  B.  ex  ijjso  autem;  ganz 
selten  finden  wir  Stellen  wie  Cic.  ofF.  2,  8  contra  autem  omnia,  nat. 
deor.  2,  52  infra  autem  hanc,  vgl.  Müller  zu  Cic.  ofiF.  2,  8,  Kunze 
Sali,  in,  2  S.  95 ;  zurück  tritt  autem,  besonders  wenn  das  erste 
ein  Pronomen,  ein  Fragewort,  das  zweite  esse  ist,  z.  B.  (luid  est 
autem,  bei  Negationen  niliiL  est  autem;  auffällig  erscheint  Cic.  Cluent. 
167  cAir  non  de  integro  autem  datum?  Doch  ist  hier  non  de  integro 
wie  ein  Begriff  gefasst.  —  Nach  Laur.  Yalla  (Eleg.  II,  24)  wird  nicht 
tum  autem,  teils  aber,  bei  vorausgehendem  tum,  teils,  gesagt,  sondern 
tum  vero;  aber  bei  Cic.  inv.  1,  90  u.  nat.  deor.  2,  51;  61;  101 
lesen  wir  tum  —  tiim  autem;  jedoch  sagt  man  nur  age  vero,  sane 
vero,  tarn  vero,  enim  vero,  nicht  autem  statt  vero.  —  Nicht  gebraucht 
wird  autem,  um  einen  unterbrochenen  Gedanken  wieder  aufzunehmen, 
vgl.  Madvig  zu  Cic.  fin.  3,  35,  wohl  aber  zur  Einführung  einer 
Parenthese,  vgl.  Roschatt  S.  25,  meine  Syntax^  §  243,  Fügner  Lex. 
Liv.  I  S.  1455.  Ferner  ist  non  andern  im  negativen  Gegensatze 
aber  Glicht,  nicht  aber,  für  das  einfache  non  selten,  aber  klassisch, 
Cic.  fin.  3,  49  u.  nat.  deor.  3,  34,  ebenso  at  non,  Cic.  Clu.  74.  —  Wo 
wir  im  Deutschen  ein  Relativ  durch  die  Konj.  aber  mit  dem  voran- 
gehenden Satz  verknüpfen,  ist  dies  lat.  nicht  möglich,  ausser  wenn 
das  Relativ  erst  im  folgenden  sein  Determinativ  hat,  z.  B.  Cic.  fin. 
3,  27  quod  est  bonum,  omne  laudabile  est;  quod  autem  laudabile 
est,  omne  ho)iestum  est;  vgl.  noch  unten  s.  v.  Qui.  Hingegen  bei 
der  Anreihung  des  Untersatzes  im  Syllogismus  sagt  man  für  unser  aber 
atqui  oder  autem,  nicht  vero,  s.  Seyff.  seh.  lat.  I,  §  83  u.  II,  §  25.  Ygl. 
über  autem  ausser  dem  Thes.  I  S.  1576  fT.  Reisig-Haase  §  258, 
meine  Syntax^  §  243,  Ziemer  Streifzüge  S.  155,  Segebade  S.  39. 

AutJienticus,  echt,  iirkundlich,  ist  ein  erst  spät  von  den  Juristen 
u.  Eccl.  aus  dem  Griech.  genommenes  Wort,  für  verus,  certus,  sin- 
cerus.  Nicht  zu  erweisen  ist  das  Adverb  authentice  für  rnm  aucto- 
ritate,  certo  auctore;  vgl.  Gölzer  Hieron.  S.  218  und  Saalfeld  tens. 


Autochthon  —     229     —  Avellere 

s.  V.,  sowie  Dirksen  s.  v.  u.  Kretschmann  Sidon.  S.  16.  Äuthentici 
subst.  =  auctores  scripturae  sacrae  steht  bei  Ciaudian  u.  Sidon., 
vgl.  Engelbrecht  S.  45. 

Atäochthon  (autoctJion)  der  Eingehorne,  ist  erst  Sp.  L.  bei  Cens. 
Apul.  u.  Ampel.  8,  2  und  unnötig  für  indiyena;  vgl.  Saalfeld  tens. 
s.  V.,  Sorn  Ampel.  S.  6. 

Autograjjhus  ist  als  Adj.  eigenhändig  N.  Kl.  bei  Sueton  u. 
Sp.  L.  bei  Theod.  epist.  ad  Auson.  S.  3;  es  ist  unnötig  für  mea, 
tiia,  sua  (ipsius)  manu  scriptus;  Sp.  L.  bei  Symm.  ep.  3,  11,  2  ist 
erst  ciutographum  als  Subst.,  die  eigene  Handschrift^  und  eben  so 
unnötig,  wie  jenes. 

Autumare,  sagen,  hehaiipten,  nenyien,  gehört  der  alten  und  der 
poetischen  Sprache  an;  abgesehen  von  drei  Stellen  bei  Plaut,  findet 
es  sich  nur  im  Ind.  praes.  act.;  Plaut.  Pseud.  985  R.  quem  misisse 
ad  me  autumasf  Ter.  Heaut.  prol.  19,  CatuU  44,  2  u.  dazu  Riese, 
Hör.  sat.  2,  3,  45  u.  Fritzsche,  sowie  Schütz  zur  St.;  Cic.  gebraucht 
das  Wort  selbst  nicht,  zweimal  findet  es  sich  bei  ihm  in  Zitaten 
(vgl.  or.  166  u.  top.  55);  Cic.  fam.  5,  13,  1  wollte  Streicher  comm. 
Jenens.  III  170  quam  qiiidem  laudem  sapientiae  autumo  maxima^nsms 
Y  herstellen;  aber  statt  autumo  wird  hier  jetzt  statuo  gelesen.  N. 
Kl.  finden  wir  autmnare  bei  Yell.  1,  6,  4  (mit  dopp.  Acc.  wie  bei 
Horaz),  Quint.  8,  3,  24  ff.,  Gell.  15,  3,  4;  Sp.  L.  bei  Apul.  Ciau- 
dian. Sidon.  u.  a.,  vgl.  Engelbrecht  S.  23.  —  Im  N.  L.  trifPt  man 
es  nicht  selten. 

Auxiliari^  helfen,  steht  zwar  bei  Cicero,  wiewohl  nur  einmal 
(fam.  5,  4,  2),  und  dreimal  bei  Caesar  (Call.  4,  29,  2;  7,  25,  1 
u.  7,  50,  6),  einmal  bei  Sallust  (Jug.  24,  3),  rhet.  Her.  4,  37  u. 
Ov.  Pont.  1,3,  12,  ist  aber  sonst  sehr  selten  und,  was  zu  verwundern 
ist,  nirgends  bei  Livius;  es  ist,  wie  Wölfflin  wohl  richtig  annimmt, 
ein  in  der  Soldatensprache  übliches  Wort,  vgl.  Thielmann  Cornif. 
S.  36  f.,  Landgraf  S.  Rose.  S.  188,  Stinner  S.  16.  Nachaugusteisch 
aber  steht  auxiliari  sehr  oft  beim  altern  Plinius  u.  Petron  19;  Sp. 
L.  Just.  6,  4,  3  u.  35,  2,  2,  u.  38,  1,  8,  Lact.  6,  11,  5,  bei  Apul., 
dessen  Lieblingswort  es  nach  Koziol  S.  311  ist;  vgl.  noch  Landgraf 
B.  Gymn.  XYI  S.  328.  Yiel  seltener  dagegen  und  erst  N.  Kl. 
(zuerst  bei  Petron  und  Quint.)  und  Sp.  L.,  vgl.  Archiv  XIII,  176, 
ist  das  Subst.  auxiliator  für  adiutor,  administer,  und  sehr  Sp.  L. 
auxiliatrix  für  adiutrix,  vgl.  Dräger  zu  Tac.  ann.  6,  37.  Man 
spreche  daher  nicht  von  copiae  auxiliatrices,  das  Hilfsheer,  für 
auxilia,  auxiliares,  cohortes  auxiliares  oder  auxiliariae,  s.  Cass.  bei 
Cic.  fam.  12,  13,  4  u.  B.  Alex.  62,  1,  Cic.  prov.  15;  vgl.  über 
auxiliaris  und  auxiliarius  Schmalz^  Pollio  S.  11.  Beizufügen 
wäre,  dass  substantivisches  auxiliares  allein  klass.  ist,  subst.  auxili- 
arii  hat  zuerst  Tac. 

Avellere,  ah-  oder  losreissen,  wird  verbunden  mit  a  oder  de,  von 
etiuas  und  mit  ex.,  aus  etwas;  P.  u.  N.  Kl.  mit  dem  Dativ  oder 
Ablativ.     Bei  Cic.   fam.    5,  12,  5    liest    Kayser    mit    Berufung    auf 


Aventer  —     230     —  Avocamentum 

fin.  2,  95  evelli  statt  des  überlieferten  avelli,  Mendelssohn  ii.  C.  F.  W. 
Müller  schliessen  sich  ihm  an ;  avellere  alicui  muss  daher  als  unkl. 
bezeichnet  werden. 

Äventer,  gierig,  begierig,  ist  Sjo.  L.  für  ciqnde,  avide. 

Averruncare,  ahicenden,  abwehren,  wird  nur  in  Bezug  auf  ein 
drohendes  Unheil  gebraucht,  welches  die  Götter  abwenden  sollen. 
S.  Liv.  8,  6,  11  u.  10,  32,  1  u.  Cic.  Att.  9,  2,  a,  1,  ygl.  Boot 
zur  St.  („Äi  averrimcent'-^  prisca  formula  deprecandi  mali  quod  instat), 
—  sonst  avertere,  i^emovere. 

Aversatio  ist  nur  etwa  in  der  eigentlichen  Bedeutung  das  sich 
Abwenden  zulässig,  wiewohl  es  nur  einmal  bei  Quintil.  u.  bei  Seneca 
de  tranq.  an.  2,  11  vorkommt,  aber  von  dem  Kl.  aversari,  sich  ab- 
wenden,  gebildet,  womit  es  auch  umschrieben  werden  kann.  Über 
aversari  vgl.  oben  s.  v.  Adversari. 

Avertere,  abiv enden,  wird  von  Cicero  und  Caesar  regelmässig 
mit  ab  aliqua  re  verbunden,  nur  einmal  bei  Cic.  mit  de,  s.  Yerr.  4, 
53 :  avertere  de  publico ;  bei  Caesar  nur  einmal  mit  dem  blossen 
Ablat. :  eo  itinere  se  avertit  civ.  3,  21,  5  (Meusel  s.  v.  setzt 
jedoch  in  Klammer  ah  eo),  wie  auch  bei  Liv.  avertere  gewöhnlich 
mit  a  verbunden  ist,  so  dass  nur  Liv.  25,  19,  6  steht:  ut  Capua 
averterent  Hannihalem.  Die  Richtung  oder  das  Ziel  wird  bei  aver- 
tere mit  den  Präpos.  ad  und  in  c.  Acc.  verbunden:  his  sermonibus 
tota  in  se  castra  averteixit,  Liv.  6,  23,  8  =  hatte  d.  g.  L.  ihm  an- 
hängig gemacht.  Quae  res  omniiim  ferme  animos  ad  Romajios  avertit, 
Liv.  23,  27,  9  u.  so  auch  avertere  aliqiiem  ab  aliqiio,  ab  aliqua  re 
in  aliqiiem,  aliqitid,  z.  B. :  ab  societate  regia  in  Romanam  amicitiam 
aliquem  avertere,  Liv.  32,  19,  1  und:  a  ceteris  velut  ah  ignotis  cajn- 
tibiis  considis  liheri  omnium  in  se  averterant  oculos,  Liv.  2,  5,  6. 
Aversis  in  aliud  animis,  Quintil.  4,  3,  8.  P.  u.  bei  Sali.  (Jug.  93, 
2),  N.  Kl.  bei  Tac.  (ann.  1,  66)  mit  dem  Dativ;  vgl.  Nipp,  zu  Tac. 
ann.  1,  66.  N.  L.  ist  wohl  se  avertere  a  sollicitudine,  maerore  u. 
s.  w.,  sich  von  etwas  abtuenden,  sich  einer  Sache  entschlagen,  für 
animum,  se,  aliquem  abducere  ab  aliqua  re  (s.  Cic.  fam.  4,  13,  4  ; 
5,  1,  2  u.  5,  13,  5,  Q.  fr.  3,  5,  4).  Aber  animum,  cogitationem 
avertere  ab  aliqua  re  ist  ganz  richtig,  vgl.  Liv.  25,  38,  4  und  Cic. 
fam.  6,  1,  1.  Endlich  ist  se  avertere  im  eigentlichen  Sinne  des 
Wortes  ganz  richtig,  vgl.  Caes.  civ.  3,  21,  5  und  Cic.  Phil.  5, 
14,  38.  Das  intransitive  avertere  ist  P.  L.,  A.  L.  u.  Sp.  L.  (Plaut., 
Yerg.,  Gell.,  Fronto) ;  die  Stellen  hat  gesammelt  Georges  bei  Bursian 
1881/1882  S.  269. 

Avocamentum  bedeutet  bei  Plinius  dem  jungem,  wo  es,  wenn 
man  von  Spätem  absehen  will,  allein  vorkommt,  ein  Beruhigungs- 
mittel, Trost,  Linderung,  was  sonst  solacium,  levamentum,  adiumentum 
heisst,  ebenso  Zerstremingsmittel,  Erholung  überhaupt;  vgl.  Gierig 
zu  Plin.  Pan.  82.  Über  avocare  =  delectare  vgl.  Rönsch  Ital. 
S.  351  u.  Coli.  phil.  S.  28,  sowie  Sem.  III  S.  10;  es  ist  nur 
Sp.  L. 


Avuuculus  —     231     —  Baiulus 

Avunculus,  der  Mutter  Bruder,  Oheim  von  mütterlicher  Seite, 
bekommt  lat.  so  wenig  als  imtruus  =  Vatershrnder  einen  besondern 
Zusatz,  z.  B.  maternus,  welchen  ihm  Gesner  (Übersetzung  von  Lu- 
ciani  Somn.  1)  gibt;  dagegen  sind  bei  avus,  der  Grossvater ^  die 
Zusätze  paternus  und  maternus  notwendig,  wenn  nicht  schon  der 
Zusammenhang  die  Abstammung  von  der  väterlichen  oder  mütter- 
lichen Seite  klar  und  unzweideutig  bestimmt. 

Axioma,  der  Grundsatz,  die  Behauptung,  ist  erst  8p,  bei  Gell, 
und  Apul.  ins  Lateinische  aus  dem  Griechischen  genommen  und 
unnötig  für  pronuntiatum,  enuntiatum,  pro-  oder  effatum,  dogma, 
decretum  u.  a.   Griechisch  geschrieben  hat  es  auch  Cic.  Tusc.   1,  14. 


B.  K>. 


Bacchahundus  =  bacchantisch  schwärmend,  bacchantischer  Be- 
geisterung sich  hingebend,  steht  nur  einmal  N.  Kl.  bei  Curt  9,  10, 
27,  und  sonst  nur  Sp.  L.  bei  Apul.  (vgl.  Kretschmann  S.  50),  allein 
dies  ist  —  s.  Yogel  zu  Curt.  a.  a.  0.  —  wohl  nur  zufällig,  da  schon 
Livius  eine  ganze  Reihe  derartiger  Bildungen  hat. 

Bacchus  steht  nirgends  in  Prosa  für  vinum,  Wein,  was  im  N. 
L.  für  ausgezeichnet  schön  gehalten  wird. 

Baceolus  kommt  nur  einmal  bei  Suet.  Octav.  87  vor,  ist  wahr- 
scheinlich ein  griechisches  Lehnwort  (vgl.  jedoch  Gröber  in  Wölfflins 
Arch.  I,  247)  und  von  Kaiser  Augustus  als  Bezeichyiung  eines  dummen 
Menschen,  wie  unser  Faselhans,  Dummhut  gebraucht  worden. 

Bacillus  und  baculum,  ein  Stock,  kommt  bei  Cicero  wahr- 
scheinlich gar  nicht  vor,  dagegen  aber  bacillum  Yerr.  5,  142  (vgl. 
dazu  Halm,  Thomas,  C.  F.  W.  Müller,  Thes.  jedoch  liest  converso 
baculo),,  agr.  2,  93.  Was  das  Yerhältnis  zwischen  der  männlichen 
und  neutralen  Form  betrifft,  so  ist  baculum  offenbar  das  gewöhnliche, 
baculus  dazu  sehr  seltene  und  in  Prosa  erst  späte  Nebenform ;  vgl. 
Reisig-Haase-Hagen  Note  111,  Neue- Wagener ^  I  S.  790;  über  baceUus 
und  bacillus  neben  bacillum,  vgl.  Paucker  Add.  lex.  lat.  subr.  s.  v., 
Gölzer  Hieron.  S.  121,  Rönsch  Coli.  phil.  S.  149;  es  scheint  bacillus 
eine  erst  spät  zu  erweisende  Form  (Hier.  Isid.),  Thes.  H,  1668,  35. 

Baiidus,  der  Lastträger,  und  baiidare,  eine  Last  tragen,  fort- 
schleppen, sind  Wörter  der  Yolkssprache  von  gemeinen  Leuten  und 
niedrigen  Arbeitern  und  daher  am  gehörigen  Orte  wohl  zu  ge- 
brauchen, auch  im  Hohn  und  Spott.  Interessant  ist,  wie  dies  Wort 
seine  Bedeutung  immer  mehr  verengert,  so  dass  es  schliesslich  = 
^^Briefträger^^  ist,  z.  B.  Hieron.  ep.  103,  1  ut  baiulum  litterarum 
habeas  commendatum  obsecro;  vgl.  Gölzer  Hieron.  S.  262,  Thes.  H, 
1687,  29.  Neben  baiidus  findet  sich  auch  baiolus,  selbst  bei  Cicero, 
vgl.   Georges  bei  Bursian  1884,  S.  138,  Thes.  H,  1686,  66. 


Balbuties  —     232     —  Barbaricus 

Bcdhuties  wird,  obwohl  es  kein  lat.  Wort  ist,  N.  L.  von  dem 
Stammeln,  dem  Anstossen  mit  der  Zunge  gebraucht,  für  haesitantia, 
haesitatio ,  titiibantia  lingitae  oder  oris. 

Bcdneum  oder  halineum,  das  Bad.  In  republikanischer  Zeit 
ist  halineum  ^  die  herrschende  Form,  nachher  kam  dafür  balneiun  in 
allgemeine  Übung.  Das  Wort  hat  im  Plural  schon  bei  Plaut.,  in 
Prosa  zuerst  bei  C.  Gracchus,  vgl,  Grellius  10,  3,  3,  dann  aber  Kl. 
halneae  oder  halineae  in  der  weiblichen  Form;  mit  dem  Überwiegen 
des  daktylischen  Numerus  in  der  aug.  Zeit  bürgerte  sich  balnea  zu- 
nächst in  der  Dichtung  ein  (Hör.  Ovid),  dann  wurde  es  auch  in  die 
Prosa  aufgenommen,  vgl.  Neue-Wagener ^  1  S.  824,  Keller  Lat. 
Yolksetym.  S.  263,  Lagergren  S.  88,  Thes.  s.  v.  Der  Plural  halinea 
findet  sich  zuerst  bei  Liv.  23,  18,  12  {si  rectejrad.  fügt  der  Thes. 
II,  1705,  57  vorsichtig  bei),  dann  N.  Kl.  Übrigens  bedeutet  es 
meistens  nur  ein  Privatbad,  nicht  ein  öffentliches,  welches  thermae 
hiess.     Yerschieden  davon  ist  auch  aquae;  vgl.  Aqua. 

Barathrum.,  der  Schhmd,  ging,  wiewohl  es  schon  früh  aus  dem 
Griechischen  ins  Lateinische  aufgenommen  wurde,  doch  wohl  nur 
bei  Yitruv  in  die  Prosa  über ;  man  wähle  vorago.  In  trop.  Sinn  von 
einem  unersättliclien  Magen,  Fresser  kann  es  als  vox  Horatiana 
(ep.  1,  15,  31)  am  rechten  Orte  w^ohl  gebraucht  werden;  vgl.  Saal- 
feld tens.  s.  V.  F.  L.  ist  es  =  orcus,  z.  B.  Yerg.  Aen.  8,  245 ; 
vgl.  Westhoft  S.  44. 

Barba.  Den  Bart  scheren  ist  tondere  barbam,  Cic.  Tusc.  5,  58; 
Yarro  soll  jedoch  wie  später  Lampr.  Heliog.  31  facere  barbam  gesagt 
haben.  Aber  Imrbatoriam  facere  bei  Petron  73  ist  nicht,  wie  Rolfe 
im  Archiv  X  S.  237  meint,  =  barbam  facere,  sondern  zu  barba- 
toriam  ist  diem  zu  ergänzen,  vgl.  Heraus  Progr.  Offenbach  1899  S. 
20.  Man  meide  barbam  facere,  wie  auch  ungiies  facere;  für  letzteres 
sage  man  itngues  demere,  Plaut.  Aul.  312  oder  resecare,  vgl.  Yal. 
Max.  3,  2,  15. 

Barbaria.  Dieses  Substantiv  bedeutet  bei  Cicero  nicht  selten 
Barbarenland,  Barbarenvolk,  vgl.  Tischer  zu  Cic.  Tusc.  5,  77;  sodann 
aber  bezeichnet  es  den  Mangel  an  geistiger  Bädung,  Unkultur, 
rohes,  ungeschlachtes  Wesen,  so  wie  auch  die  moralische  Barbarei 
und  Wildheit.  Nebenform  davon  ist  barbaries,  welches  in  klassischer 
Prosa  nur  Cic.  Brut.  258  (von  Stangl,  andere  barbaria)  aufgenommen 
ist;  vgl.  Neue-Wagener^  I  S.  563.  In  der  Bedeutung  von  Aus- 
land kann  es  jetzt  selbstverständlich  nicht  mehr  gebraucht  werden, 
ebenso  wenig  als  barbarus  für  ausländiscJi,  was  nur  durch  exteixie 
gentes,  nationes,  externi  popidi  zu  geben  ist. 

Barbaricus  ist  allermeist  im  Gebrauch  der  Dichter  und  wird 
bei  keinem  Prosaiker  des  goldenen  Zeitalters  gefunden.  Erst  später 
(wahrscheinlich  nach  Yitr.  1,  1,  6  barbarico  vestis  ornatu  u.  2,  1,  4 
zuerst  vom  altern  Plinius)  wurde  es  auch  in  die  Prosa  eingeführt; 
das  substantivierte  barbaricum  ist  aber  erst  Sj).  L.;  es  findet  sich 
besonders  in  der  Redensart  in  barbarico  {=  i7i  solo  barbarico,  was 


Barbarus  —     233     —  Beatitas 

daneben  Sj).  L.  üblich  ist).  Man  sage  dafür  harharia,  wie  harhare 
für  harharice;  vgl.  Wölfflin  Arch.  XIII,  178. 

Barhanis.  Davon  steht  bei  Ovid  der  Komparativ  harharior  so 
vereinzelt  (Trist.  5,  1,  72  und  Pont.  3,  2,  78),  dass  er  nicht  nach- 
zubrauchen  ist. 

Bardus  findet  sich  als  Subst.  in  der  allgemeinen  Bedeutung 
Dicliter,  Sänger,  wie  wir  Barde  brauchen,  nirgends  bei  den  Alten 
für  ijoeta;  es  war  nur  bei  den  Galliern  Name  für  ihre  Sänger  und 
Dichter. 

Baro.  Dass  unser  Baron  tatsächlich  von  haro  kommt,  dürfte 
sicher  stehen.  Die  Grundbedeutung  von  haro  scheint  liomo  corporis 
rohore  stolide  ferox  zu  sein.  Aus  den  Glossen  ersieht  man,  wie 
haro  =  mercennariusy  harones  =  fortes  in  hello  erklärt  wird,  und 
so  ist  der  Übergang  zu  Vasallen  leicht  zu  gewinnen.  Näheres  sehe 
man  bei  Wölfflin  Archiv  IX  S.  13  und  besonders  Heraus  im  Progr. 
Offenbach  1899  S.  12.  Die  klass.  Stellen  für  haro  hat  Wölfflin  1. 
1.  S.  13. 

Basiiim,  der  Kuss,  ein  ursprünglich  wohl  gallisches  Wort,  führte 
Catull  in  die  römische  Litteratur  ein;  ihm  folgen  Phaedr.,  Petron., 
Martial  und  Sp.,  dann  haben  es  die  romanischen  Sprachen  erhalten; 
vgl.  Riese  zu  Catull.  5,  7.  Das  gleiche  gilt  für  hasiare,  küssen,  und 
hasiatio,  das  Küssen,  sowie  hasiolum.  Näheres  findet  man  bei  Süss 
act.  Erlang.  I  S.  46  f..  Heraus  Progr.  Offenbach  1899  S.  24. 

Basilicus,  königlich,  ist  nur  A.  L.  bei  Plautus  aus  griechischen 
Komikern  genommen  für  regius,  regalis  und  ebenso  das  Adv.  hasilice 
für  regie.  Nur  als  Kunstwort  erhielt  sich  hasilica  von  einer  Sckden- 
halle,  z.  B.  Cic.  Yerr.  5,  152,  während  er  Caec.  14  dafür  regia  setzt, 
vgl.  Nägelsb. -Müller^  S.  35,  und  hasilica  vitis,  die  Königsrehe,  eine 
vorzügliche  Rebenart  (Colum.  Plin.  mai.). 

Batavia  ist  erst  Sp).  L.  Benennung  von  Holland  für  die  alte 
Kl.  Batavoriim  insida  (Caes.  Gall.  4,  10,  1),  wiewohl  es  als  kurzer 
Name  nicht  zu  verwerfen  ist,  damit  man  nicht  zu  dem  neuen  Hollandia 
greife.  —  Das  Adjekt.  heisst  aber  Batavus,  nicht  Batavicus.  Dass 
Batävus  zu  sprechen  ist,  zeigt  z.  B.  Martial  14,  176  Sum  figidi 
liisus  nissi  persona  Batavi;  vgl.  Müllenhoff  zu  Tac.  Germ.  S.  397 
und  Thes.  s.  v.,  wo  aber  auch  Batavi  aus  Lucan  1,  431  belegt  ist. 

Beare,  heglücken,  glücklich  machen,  ist  nur  P.  L.  und  Sp.  L. 
bei  den  Paneg.  für  heatiim  aliqiiem  efflcere^  fortunare,  sospitare.  Nur 
Sp.  L.  sind  heaiificare  und  heatificus^  beide  unnötig  und  in  der  Be- 
deutung selig  sprecheyi,  für  heatoriim  numero  addere  u.  a.  gebraucht. 

Beatitas  und  heatitudo,  die  Glückseligkeit,  finden  sich  zuerst  bei 
Cicero  (nat.  deor.  1,  95),  der  sie  entweder  selbst  gebildet  oder  als  seltene 
Wörter  zu  seiner  Terminologie  benutzt  hat;  sie  wurden  von  ihm 
nicht  weiter  gebraucht  und  erst  spät  von  andern  benutzt,  vgl.  Gölzer 
Hieron.  S.  108,  Kretschmann  Apul.  S.  46.  Er  sagt  dafür  sonst  heata 
vita,  z.  B.  fin.  5,  25,  auch  heatiim  esse,  heate  vivere  und  mit  einem 
Pronomen :   heate  vivere  vestriiin^   und  sogar  heatimi  als  Subst.    Ygl. 


Belgium  —     234     —  Bellicus 

Cic.  Tusc.  5,  61:  nihil  ei  esse  heatum  cid  =  dass  es  für  den  kein 
Glück  gehe,  dem  .  .  und  ebenso  Tusc.  5,  45;  vgl.  Näg.-Müller^  S. 
155,  P.  Meyer  Progr.  Hof  1903  S.  5,  Linderbauer  S.  12.  Ausser- 
dem liegt  in  felicitas  oft  ganz  derselbe  BegriflP.  —  Übrigens  ist 
hcahis  der,  welcher  sich  von  geistigen  und  leiblichen,  Innern  und 
äussern  Gütern  befriedigt  fühlt,  wie  es  der  Weise  und  der  Christ 
nach  den  Grundsätzen  gesunder  Philosophie  und  des  Christentums 
sein  muss,  er  sei  reich  oder  arm.  Da  aber  reicli  sein  nach  gewöhn- 
lichen Begriffen  die  Quelle  des  Glückes  ist,  so  bedeutete  heatus  oft 
geradezu  reich.  Ygl.  Laur.  Yalla  eleg.  4,  114,  Fritzsche  zu  Hör. 
sat.  2,  8,  1,  Seyffert-MüUer  z.  Lael.  S.  323.  ßeatiis  =  reich  von 
Sachen  gebraucht,  scheint  nicht  klass.  zu  sein,  aber  Quint.  10,  1,  61 
sagt  heatissima  rerum  verhorumque  cojria.  Die  beiden  andern  "Wörter, 
felix  und  fortunatus,  beziehen  sich  meistens  fast  nur  auf  äusseres 
Glück.  Nach  Cicero  (Tusc.  5,  28)  hat  der  heatus  —  secretis  maus 
Omnibus  cumulatam  bonorum  complexionem,  nee  quidquam  ei  deest. 
—  Sehr  Sp.  L.  ist  die  Redensart  heafae  memoriae,  seligen  Andenkens, 
wie  überhaupt  der  Gebrauch  des  Wortes  heatus  von  einem  Ver- 
storhenen,  was  durchaus  zu  vermeiden  ist;  vgl.  heatae  memoriae  Eu- 
sehia  Inscr.  Gall.  XH,  2408,  Pirson  S.   176. 

Belgium,  Belga  und  Belgicus  müssen  heutzutage  von  Batavia 
oder  terra  Batava  und  Batavus  wohl  unterschieden  w^erden,  da  jetzt 
getrennte  Länder,  Belgien  und  Holland,  und  getrennte  Völker  darunter 
verstanden  werden,  was  nicht  immer  der  Fall  war. 

Bellator  kommt  nie  in  der  gewöhnlichen  Bedeutung  jeder,  der 
Waffen  trägt  (unser  Soldat,  was  miles  heisst)  vor,  sondern  nur  einer, 
der  mit  Kriegsmut,  Gewandtheit  etc.  streitet,  wie  Cic.  Tusc.  4,  43, 
Liv.  8,  8,  17  und  9,  1,  2:  primus  hellator,  während  miles  den 
Soldaten  nach  seinem  äussern  Stand  und  Beruf  darstellt.  Bei  Cicero 
u.  a.  kommt  es  auch  oft  im  Wortspiele  neben  anderen  Substantiven 
vor,  die  sich  auf /^^for  endigen,  z.B.  aut  hellatori  aut  imperatori  aut 
oratori  (Cic.  Tusc.  4,  53);  im  Gegensatz,  z.  B.  otiosi  iirhani  —  fortes 
hellcttores  =  müssige  Bummler,  Pflastertreter  der  Hauptstadt  —  tapfere 
Krieger,  Kriegshelden,  steht  es  bei  Liv.  5,  20.  6.  Bei  Dichtern  findet 
es  sich  auch  adjektiv.,  z.  B.  Ov.  met.  15,  368  hellator  eqmis  =  Schlacht- 
ross  =  Yerg.  Georg.  2,  145,  was  auch  Tac.  Germ.  14  hat.  Das  davon 
abgeleitete  Adj.  hellatorius,  w^elches  Plinius  (ep.  1,  9,  7),  aber  mit 
dem  Beisatze  (piasi  braucht  und  der  streitsüchtigen,  polemischen 
Bede  beilegt  (semper  pugnax  hie  et  quasi  hellatorius  stilus)  kann 
auch  von  uns  verwendet  werden. 

Bellicus  und  hellicosus  müssen  wohl  unterschieden  werden. 
Bellicus  ist  das,  was  sich  auf  den  Krieg  bezieht,  ihn  angeht  oder 
betrifft,  wne  ars,  disciplina,  Ums,  virtus  u.  dgl.,  obwohl  bei  ars  und 
discijjlina  das  Beiwort  militaris  noch  gewöhnlicher  ist.  Bellicosus 
hingegen  ist  auf  Personen  bezogen  =  kriegerisch,  zum  Kriege  ge- 
neigt, vgl.  Caes.  Gall.  1,  10,  2;  mit  sächlichen  Begriffen  verbunden 
ist  es  entweder   reicli   an  Krieg,   wie  annus  hellicosus  —  Gegensatz 


Belligerare  —     235     —  Bellum 

imhellis  —  bei  Liv.  10,  9,  10,  oder  von  Kriegsmut  zeugend^  tapfer, 
kriegerisch,  wie  bei  Liv.  9,  6,  13:  qiiod  multo  hellicosius  fiierit, 
Romanam  virtiitem  ferociamqiie  (eos)  cepisse.  Dieser  Bestimmung 
widerspricht  Yell.  2,  38,  3  nicht,  denn  dort  ist  nicht  ein  kriegerischer 
Staat,  sondern  ein  Kriegsstaat,  d.  h.  ein  solcher  gemeint,  welcher 
aus  dem  Kriege  Geschäft  oder  Profession  macht,  wie  der  römische. 
—  Dass  bei  Dichtern  hellicus,  heilax,  hellifer,  helliger  und  helli- 
potens  für  das  hexametrisch  unbrauchbare  hellicosiis  gebraucht  wird, 
vgl.  Archiv  Y  S.  201. 

Belligerare.  Es  ist  ein  altertümlicher  und  feierlicher  Aus- 
druck für  hellum  gerere  (so  schon  Enuius  ann.  197  M.).  Aus  dieser 
seiner  Natur  erklärt  es  sich,  dass  das  Wort  nur  selten  vorkommt. 
Indes  hat  es  die  besten  Gewährsmänner  an  Cicero  und  Livius.  Wie 
es  also  lächerlich  wäre,  dasselbe  ganz  wie  hellum  gerere  zu  gebrauchen, 
so  kann  es  doch  am  geeigneten  Orte,  d.  h.  wenn  die  Sprache  einen 
feierlichen  Aufschwung  nehmen  will  oder  soll,  ganz  gut  angewendet 
werden. 

Beliiiyius,  tierisch,  ist  Sp.  L.  (vgl.  Kretschmann  Sidon.  S.  12) 
und  muss  durch  helita,  hestia  oder  animal  ausgedrückt,  oder  durch 
feriis,  immanis  ersetzt  werden.  Über  hestia,  helua  vgl.  Miodonski 
in  Wölfflins  Archiv  I  S.  588  f. 

Bellum  cum  aliquo,  der  Krieg  mit  jemayiden,  kann  gebraucht 
werden,  auch  wenn  das  Yerbum  des  Satzes  nicht  mit  cum  in  Yer- 
bindung  steht,  z.  B. :  üt  idem  cum  lugurtha  hellum  administray^et, 
Cic.  Pomp.  60.  Himc  finem  hellum  JRomcmoriim  cum  Philippo 
hahuit,  Liv.  33,  35,  12.  Graeciae  res  causae  fuerunt  cum  Äntiocho 
helli,  35,  40,  1.  Quod  novum  cum  Äntiocho  instahat  hellum,  36, 
36,  7;  44,  14,  7;  33,  20,  9;  38,  58,  8  und  39,  1,  8.  In  allen 
diesen  Stellen  hängt  cum  mit  dem  den  Kasus  von  hellare,  hellum 
gerere  regierenden  Substantiv  so  leicht  wie  deutlich  und  klar  zu- 
sammen, dass  wir  diese  Konstruktion  nicht  missen  können.  Für 
hellum  cum  aliquo  kann  aber  auch  hellum  alicuius  gesagt  werden, 
z.  B.  bellum  Pyrrhi,  Hannihalis,  Krieg  mit  Pyrrhus,  mit  Hannihal, 
hellum  Persarum,  mit  den  Perser?!,  oder,  wo  es  vorhanden  ist,  ein 
Adjektiv,  z.  B.  hellum  Persicum,  oder  es  tritt  ein  Partiz.  noch  hinzu 
als  Stütze  der  Präp.  cum,  z.  B.  bellum  cum  Hannihale  gestum.  — 
Bellum  gerere  contra  sagt  Cic.  fam.  12,  22,  1  hellum  gerimus,  sed 
non  pari  condicione,  contra  arma  verhis;  doch  scheint  contra  cdiqiiem 
nur  Sp).  L.  zu  sein;  man  halte  sich  an  h.  gerere  cum.  —  P.  L. 
oder  A.  L.  ist  der  Genitiv  helli  in  der  Bedeutung  im  Kriege,  ohne 
dass  domi,  im  Frieden,  damit  in  Yerbindung  steht,  für  iyi  hello; 
doch  ist  helli  so  einmal  von  Cic.  rep.  2,  56  und  von  Sali.  lug.  49, 
2  nach  Kunzes  Ansicht  —  Sali.  III  2,  87  —  gebraucht,  vgl.  jedoch 
meine  Anm.  z.  St.,  wie  militiae  von  Sallust  Jug.  84,  2  (vgl.  Fabri 
z.  St.)  gesagt  wird;  aber  domi  hellique,  domi  militiaeque  oder  helli 
domique  oder  vel  domi  vel  helli  auch  domi  —  helli,  z.  B.  Sali.  lug. 
63,  2  animus  helli   ingens,    domi    modicus    sind    sehr    gebräuchlich. 


Bene   dicere  —     236     —  Bene  dicere 

Im  Krieg    (bei   einem    bestimmten,  genannten  Krieg)    kann    sowohl 
in  hello,  als  bloss  hello  heissen,    letzteres  besonders  dann,    wenn  mit 
helliim    eiu    Genitiv    oder    ein   Adjektiv    verbunden    ist;    vgl.    über 
ersteres    nicht    nur  Plin.  nat.  8,  36    und  30,  5,    sondern  auch  Cic. 
Phil.    2,    47     und    14,    22,    Liv.    23,    46,    6;     für    Livius    ist   M. 
Müller  im  Anhange  zu  lib.  II  S.   152  f.  zum  Ergebnis  gelangt,  dass 
er  hello  und   in   hello   oft  unterschiedslos  gebraucht   hat.  —  Bellum 
von   einem    einzelnen    Treffen    gesagt,    hat    Yerg.  Aen.  2,    439,    in 
Prosa   aber   erst    das   K.  Kl.  Latein,    z.   B.  Flor.  Frontin.    und    oft 
Justin,  vgl.  Flemisch  S.  7;    Seck  II  S.  10.    —    Wiewohl  proficisci 
in  inignam,    in   expeditionem    gut    ist    (s.  Sali.    Jug.  103,   4,    Caes. 
civ.  3,   99,   2),   so   ist   doch  in    hellum  iwoflcisci   nicht   zu    billigen, 
da   es   nur  bei  Just.  2,   11,   9    und  Front,    de    princ.    bist.    S.   205 
(N),  Gell.   17,    9,   8    vorkommt;    stehender   Ausdruck   ist   ad  hellum 
Ijroficisci,   s.  Cic.    fam.    7,    3,    1,    Catil.   1,    33,   Phil.    14,    4,    Caes 
Gall.  6,    29,   4,   Sali.  bist.  2,    98,  4  M.,   Liv.  4,  45,  7  u.  6,   2,   9 
Nep.  Alcib.  4,  1 ;  ebenso  das  kausative  mitfere  ad  hellum,  Cic.  fam 
15,   1,  4.  —  Wenn   hellum  ponere    von  Heraus   zu  Tac.  bist.  3,  31 
als  Neuerung  erklärt  wird,  so  ist  zu  erinnern,    dass    dies    schon  bei 
Sali.  Jug.  112,  1  u.  bist.   1,   11  M.,  Horat.  epp.  2,   1,   93    und   be 
Liv.  1,  53,  5   (vgl.  H.  J.  Müller  z.  St.)   gefunden   wird.      Gewöhn 
lieber  aber,  wenn  auch   nirgends   bei  Cicero   und  Caesar    zu  finden 
ist  schon    hellum  componere,   Poll.   bei   Cic.    fam.    10,    33,    3,    Nep 
Hannib.    6,  2,   Alcib.  8,    3,    Sali.    Jug.    97,    2    und    103,    3;    vgl 
Schmalz^  Asin.  Pollio  S.  55.     Auch  hellum  deponere  findet  sich  bei 
Liv.  31,  1,  8  u.  31,  19,  auch  bei  Cic.  leg.  2,  34,  Sali.  Jug.  83,  1. 
Sehr  häufig  ist  ferner  bei  Livius  das  schon  von  Caes.  civ.  3,   18,  5 
gebrauchte  hellum  perficere,   wie  perfedo  Africo   hello  21,  1,  4   und 
22,  38,  7,  ib.  52,  7  und  31,  4,  2  und  sonst;    ausserdem  vgl.  auch 
Just.  5,  2,  11.     Klassisch  ist    auch  hellum  finire,  vgl.  Caes.    civ.   3, 
51,  3  hellum  eo  die  p)otuisse  finiri;   die  Phrase   findet   sich  oft   bei 
Liv.,    in  der  silbernen    und  Sp.    Latinität;    es   mögen   einige  Belege 
folgen:  Yell.  2,  17,  1 ;  50,  1  u.  82;    Curt.  3,  1,  9;  Tac.   ann.    15, 
17,    Just.    16,    2,    6  und  24,    1,    8,   Treb.  Poll.   v.  Claud.  c.    11   u. 
12,    Yopisc.   V.   Aurel.    20   extr.,    Capit.    v.   M.  Ant.   Phil.  9   u.    13 
init.    Am   allergewöhnlichsten    aber   und    von    den    besten  Gewährs- 
männern geboten  ist  hellum  conficere     Klass.  Stellen  dafür  sind:  Cic. 
prov.  27,  rep.  6,  11;   viele  Beispiele  hat  Caes.    vgl.  Mensel,    einige 
Sali.,  auch  Liv.,  besonders  in  der  III.  Dekade,  vgl.  Füguer  Sp.  1497, 
viele  Tac.  u.    andere  N.  Kl.  u.  Sp.  L. 

Bene  dicere  (henedicere  als  ein  Wort)  aliciii  und  aliqiiem  in  der 
Bedeutung  ei7ien  lohen,  eineri  segnen,  ist  erst  Sp.  L.  für  laudare, 
praedicare,  fortunare,  hene  alirui  precari;  dagegen  Kl.  alicui  hene 
dicere  in  der  Bedeutung  gutes  von  jemanden  sagen,  gut  von  jemanden 
sprechen;  vgl.  Cic.  Sest.  110  cui  hene  dixit  nnrptam  hono?  Ebenso 
ist  Sp.  L.  henedicfus^  gesegnet,  für  fortunatus.  In  der  Kirchensprache 
ist  hoiedichis   sowohl  =  gepriesen,  verherrliclii,  als  =  von  Gott  ge- 


Bene  —     237     —  Bene 

segnet  und  henedictio  =  der  (/oftUche  Segen  nicht  zu  entbehren. 
Sonst  bedeutet  he^ie  dicere  ohne  Objekt  gut,  sdiön  sprechen,  redeyi. 
Gut  ist  auch  hene  aliqiiem  nosse,  einen  gut  oder  luoJil  kennen;  hene 
vcdere,  recht  wohl  sehi  sagt  Cic.  dorn.  37  hnberhum  cididescentuhim 
hene  valentem  ac  maritum,  aber  im  Imp.  hene  vale  nie,  wie  Hof- 
mann-Audresen  zu  Cic.  epp.  2  S.  131  richtig  erinnern;  dagegen 
steht  es  bei  Plaut.  Asin.  606;  Ter.  Heaut.  167,  Hec.  197,  Mat.  in 
Cic.  fam.  11,  28,  8,  Curius  in  Cic.  fam.  7,  29,  2;  Fronto  S.  94 
und  S.  163  N;  Florus  4,  10,  7,  vgl.  P.  Meyer  Progr.  1900  S.  17, 
Comm.  Wölfflin.  S.  274;  Thome  S.  9.  —  Gut  ist  hene  mihi  est,  es 
ist  (geht)  mir  wohl;  melius  oder  meliuscule  mihi  est,  mir  ist  (geht 
es)  hesser;  melius  mihi  est  factum  nicht  bloss  zur  Anzeige  eines 
Grades  der  Besserung,  es  ist  mir  hesser  geworden,  sondern  auch  um 
anzuzeigen,  dass  einer  wieder  gesund,  ganz  hergestellt  sei,  wo  wir 
uns  auch  so  ausdrücken;  die  Stellen  aus  Cicero  siehe  bei  Stinner 
S.  30,  z.  B.  Tusc.  1,  86  Pomimo,  cum  graviter  aegrotasset  Neapoli, 
melius  est  factum.  —  Über  die  Abkürzung  in  Briefen  Suh  ■=  si 
vales  henest,  vgl.  Z.  f.  Gymn.  1881  S.  132,  Süpfle-Böckel  S.  42  Anm., 
Hellmuth  Balb.  S.  55,  Köhler  Lent.  S.  20. 

Bene,  male  u.  dgl.  zu  Adjektiven,  wie  Graecus,  Latinus,  Ger- 
manicus  und  andern  ähnlichen,  und  ebenso  zu  ihren  Adverbien 
Graece,  Latine,  als  näher  bestimmende  Eigenschaftswörter  der  schon 
bestimmt  angegebenen  Sprache  hinzuzusetzen,  verwarf  als  unlateinisch 
F.  A.  Wolf  und  mit  ihm  Spalding  (in  Wolfii  Museum  antiq.  I  S. 
92)  gegen  viele  Neuere,  welche  z.  B.  sagen:  hoc  non  est  hene  la- 
tinum,  wie  Ernesti  oft  in  seinem  Cicero,  und  gegen  Scheller,  der 
bekanntlich  Praecepta  stili  hene  latini  schrieb.  Wolf  und  Spalding 
haben  bestimmt  recht.  Denn  wo  hene,  male  scheinbar  so  gefunden 
wird,  ist  es  doch  nirgends  mit  einem  Adverb,  wie  Latine,  Graece 
in  der  Weise  verbunden,  dass  durch  hene  und  male  die  Quahtät  von 
Latine,  Graece  bezeichnet  wird,  sondern  es  ist  mit  Latine  loqui, 
Graece  dicere  zu  verbinden,  da  beide  eng  und  notwendig  zusammen- 
gehören, z.  B.:  tu  illiul  dixisti  hene  Latine,  purum  plane,  Cic.  fin. 
2,  10,  d.  h.  hene  Latine  dixisti,  sed  purum  plane  dixisti;  der 
Gegensatz  ist  durch  hene  und  purum  ausgedrückt;  die  gleiche  An- 
sicht sprechen  aus  Nägelsbach-Müller^  S.  350,  wo  noch  Plin.  ep. 
4,  3,  5  hominemne  Romanum  tum  Gruece  loqui,  „so  gut  griechisch" 
zitiert  ist.  Mule  Lutine  videtur  (seil,  dixisse)^  sed  praeclare  Accius, 
Tusc.  3,  20.  Poenus  non  optime  Gruece,  sed  tarnen  libere  respondisse 
fertur,  de  orat.  2,  75,  d.  h.  nicht  um  hesten  griechisch,  cd)er  doch 
freimütig.  L.  Furius  Fhilus  perhene  Lutine  loqui  videhutur.,  Brut. 
108.  L.  Siseyinu  doctus  vir  et  studiis  optimis  deditus ,  hene 
Lutine  loquens,  ib.  228.  Ei7ie  gute  Latinität  heisst  daher  nirgends 
sermo  hene  Lutiyius,  orutio  hene  Latina,  sondern  Latine  dicendi  ele- 
guntia,  uccurutu  eleguntiu  Lutine  loquendi,  incorrupta  Lutini  sermonis 
integritus,  purus  se^mo,  locutio  emendutu.  Übrigens  steht,  wie  be- 
merkt, Latinus  und  Latine,  Gruece  auch  bisweilen  prägnant  in  der 


Bene    facere  —     238     —  Bibere 

Bedeutung  echt  (gut)  lateinisch^  wie  denn  Cicero  z.  B.  sagt:  locutio 
emendata  et  latijia^  und  Seneca,  (ep.  39,  1):  cum  Latine  loqueremur, 
da  wir  noch  (gut)  lateinisch  sprachen.  So  könnte  man  daher  für 
Schellers  praecepta  stili  hene  Lati7ii  kurz  und  gut  sagen :  ratio,  arsy 
praecepta  Latine,  hene  Latine  loqiiendi,  dicendi  nach  Cic.  Brut.  253. 

Bene  facere,  ivohl  tun,  ist  richtig  in  der  Redensart  hene  facis 
qiiod  — ,  du  tust  ivohl  daran,  dass  du  — ;  gut  auch,  aber  Kl. 
selten,  alicui  hene  facere,  einem  ivohl,  gutes  tun,  eine  Wohltat  er- 
loeisen,  gewöhnlicher  henigne  alicui  facere,  heneficium  in  aliquem 
conferre,  deferre,  alicui  dare,  in  aliquo  collocare  u.  a.  Aber  N.  und 
D.  L.  ist  haec  res  mihi  hene  facit,  dies  tut  mir  ivohl,  für  iucunda 
est;  aurihus  hene  facit,  es  tut  den  Ohren  wohl,  für  iucunda  est 
auditu,  und  bildlich  ferunt  aures  hominum  (Cic.  de  orat.  2,  344). 
Über  hene  factum,  male,  recte  factum,  honum  factum,  s.  unter  Factum. 
Ä.  L.  und  F.  ist  es  in  der  Bedeutung  von  heneficium,  eine  Wohl- 
tat. Die  klass.  Sprache  jedoch  hat  differenziert:  in  ihr  sind  hene- 
ficia  Wohltaten,  hene  facta  ruhmvolle  Taten,  Verdienste;  vgl.  Wölfflin 
Archiv  XI  S.  507.  Das  Subst.  henefactor,  der  Wohltäter,  ist  Sp.  L., 
vielleicht  auch  A.  L.,  wie  malefactor,  aber  im  bessern  Latein  nie 
üblich  für  (homo)  heneficus,  qui  heneficio  aliquem  afficit,  äuget,  ornat, 
heyieficium  in  aliquem  confert,  hene  alicui  facit,  Cic.  Plane.  47  u.  a. 

Bene  vivere,  in  der  Bedeutung  wohl,  herrlich,  lustig  lehen,  gehört 
den  Komikern,  z.  B.  PI.  Mil.  1706,  Ter.  Hec.  461,  Eun.  1074; 
ebenso  hene  esse  bei  PI.  Men.  481  (Brix)  u.  Merc.  583:  pulchre 
esse,  für  laute,  iucunde,  molliter,  liheraliter,  magnifice  vivere;  jenes 
hene  vivere  bedeutet  in  guter  Prosa  gut,  vernünftig  leben  und  mit 
heateque  verbunden,  gut^  unhescholten,  tugendhaft  lehen ;  vgl.  die 
interessante  Darlegung  von  Seyffert-Müller  z.  Lael.  S.  118. 

Benevolens,  gütig,  wohlwollend,  ist  A.  L.  für  henevolus^  vgl. 
Brix  zu  Plaut.  Trin.  46 ;  ebenso  wenig  zu  gebrauchen,  weil  nur 
Sp.  L.,  sind  henevolenter,  henevolentius,  henevolentissime  für  henignus, 
henignissime. 

Benificium.  Die  klass.  Form  ist  heneficium,  an  welche  man 
sich  halte.  Über  henificium  vgl.  Ritschi  op.  2,  561;  Archiv  XI, 
248  und  XII,  576. 

Bestialis,  tierisch,  viehisch,  ist  sehr  Sj).  L.  für  ferus,  immanis, 
hrutus,  hestiarum  more  vivejis  und  andere  Umschreibungen.  N.  L. 
aber  ist  hestialitas  für  feritas,  immanitas. 

Bihere.  Davon  ist  weder  hihitum,  noch  was  davon  herkommt 
im  Gebrauche;  diese  Formen  kamen  sehr  spät  auf,  vgl.  Neue- 
Wagener^  III  S.  540,  und  Gölzer  Hieron.  S.  290;  man  setzt  dafür 
potum  oder  potatum  und  das  davon  Abgeleitete;  vgl.  Cic.  Brut.  43 
sanguine  poto,  Tusc.  5,  13  magis  gustata  quam  potata.  N.  L.  ist 
wohl  (wenigstens  findet  sich  nirgends  etwas  ähnliches)  hihere  in  ali- 
cuius  salutem  oder  gar  sanitatem,  auf  jemandes  Gesundheit  trinken; 
besser  wohl  hihere  alicui,  propi}uire  alicui  salutem;  und  beim  Trinken 
selbst  bald  mit  dem  Dativ,  bald  mit  dem  Accusativ,   hene  tihi  oder 


Bibitus  —     239     —  Bibliopola 

hene  te,  auf  dein  Wohl,  auf  deine  Gesundheit;  hene  patri  tuo  oder 
patrem  timm,  auf  deines  Vatei^s  Wohl  (Gesundheit);  und  so:  hene 
Principi  (Principem),  Diici  (Ducem),  Regi  (Regem),  Imperatori 
(Imperatorem).  —  Eine  den  Ärzten  geläufige  Formel  war  nach 
Wölfflin  Archiv  II  S.  201  Anm.  hiher  dare  (Böhmer  II,  21  erblickt 
darin  einen  Ausdruck  der  Bauernsprache),  dafür  sagte  man  zunächst 
dare  hihere  und  im  höhern  Stil  bei  Cic.  Tusc.  1,  65  ut  lovi  hihere 
miyiistraret ;  vgl.  meine  Syntax^  §  145,  Meissner  zu  Cic.  Tusc.  1,  65. 
So  sagt  Apul.  Met.  10,  17  auch  hihere  flagitare.  Aber  ehiem  etwas 
zu  trinken  geben  ist  =  alicui  aliquid  hihendum  dare,  Sen.  de  benef. 

3,  24.  Ganz  gut  ist  auch  hihere  poculum,  scyphum,  phialam,  pateram, 
wie  wir  sagen  ehi  Glas,  einen  Becher  iriyiken,  s.  darüber  nicht  nur 
so  späte  Autoren,  wie  S.  Ambros.  de  Isaac,  5,  49,  Trebell.  PoU.  in 
V.  Gall.  17,  sondern  auch  Celsus:  Aquae  frigidae  tres  cyathi  hihendi 
sunt.  Med.  1,  3  de  vom.  und  ibid.  c.  8  und  3,  19  und  4,  4  und 
sonst  öfter.  Richtig  ist  auch  hanrire  poculum  (Liv.  30,  15,  8); 
ebenso  exhaurire  jwcidum  bei  Cic.  Cluent.  31  =  e.  B.  aus- 
trinken. 

Bihitus  als  Subst.  ist  ohne  alle  Autorität.  Muret  wagte  zu 
schreiben:  esiii  ac  hihitui  für  potiii  oder  potioni,  weswegen  ihn 
Ruhnken  mit  Recht  tadelt.  Mit  Unrecht  hat  ihn  Reisig  in  Schutz 
genommen,  vgl.  Reisig-Haase-Hagen  S.   144  ]N^  92. 

Bihlia  kommt  weder  als  Sing.,  noch  als  Plur.  bei  einem  La- 
teiner, nicht  einmal  bei  dem  spätesten  vor ;  als  Plural  wäre  es  er- 
träglich, als  Sing,  aber  B.,  da  es  im  Griech.  die  Bücher  bedeutet, 
mögen  es  auch  gelehrte  Theologen  als  Singular  gebraucht  haben. 
N.  L.,  meistens  mit  dem  Zusätze  sacra,  versteht  man  darunter  das, 
was  wir  die  Bihel  nennen.  Der  —  wie  man  ihn  bisher  nannte  — 
kirchhche  Cicero,  Lactanz,  sagt  dafür  litterae  sa7ictae  {Inst.  2,  16,  4; 

4,  7,  2  u.  a.)  oder  litterae  divinae  (ib.  4,  11,  3)  und  (wie  wir: 
die  heilige  Schrift)  scriptura  sancta  (ib.  4,  5,  9);  letzteres  hat 
auch  Cyprian,  der  auch  scriptura  divina,  ganz  vereinzelt  caelestes 
scriyturae  oder  dominicae  scr.  sagt,  vgl.  Watson  S.  251.  Besser 
ist  offenbar  sacrae  litterae,  August,  de  fide  rerum  quae  non  videntur, 
§  10  u.  de  fide  et  symbolo  §  23.  Ygl.  Scriptura.  Man  halte  sich 
an  jene  beiden  Ausdrücke,  oder  sage  (was  Sadolet  und  Perpinian 
vielleicht  aus  Leo  M.  Serm.  66,  1  genommen  haben)  lihri  sacri, 
lihri  divini  (Christianorum). 

Bihliopola,  der  Biichhändler,  ist  das  für  diesen  Begriff  gleich- 
sam Kl.  Wort,  obgleich  es  erst  N.  Kl.  (beim  Jüngern  Plinius  und 
Martial)  und  dann  Sp).  L.  steht,  da  man  es  durch  kein  früheres  er- 
setzen kann.  Neuere  gebrauchen  auch  lihrarius,  allein  da  dieses 
Wort  eigentlich  den  Bücherahschy^eiher  und  also  nur  einen  Händler 
mit  ahgesch^Hehenen  Büchern  bedeutet,  so  ist  es  nach  der  Erfindung 
der  Buchdruckerkunst  streng  genommen  nicht  mehr  passend.  Re- 
demptor  lilrri,  redemptores  lihrorum  wäre  modern,  aber  ein  kurzer 
und  damit  passender  Ausdruck  für    Verleger,   Verlag shuclihändler. 


Bibliothecarius  —     240     —  Bini 

Bihliotliecarius  ist  das  kürzeste,  schon  bei  Fronto  ad  M.  Caes. 
ep.  4,  5  vorkommende  Wort  und  neben  Umschreibungen,  wie:  _prae- 
fectus  hihliotliecae,  qui  praeest  hibliothecae,  qui  est  alicui  a  hihliotheca 
zu  brauchen. 

Biho^  der  Trinker^  Zedier,  ist  Sp.  L.  (vgl.  Fisch  S.  71,  100 
u.  179,  Kretschmann  Apul.  S.  46)  für  potator,  ehriosus,  compotor, 
wiewohl  coinbiho,  der  Zechbruder,  Trinkgenosse,  Kl.  bei  Cic.  fam.  9, 
25,  2,  vgl.  Stinner  S.  6,  ist. 

Biduum,  zivei  Tage,  aber  nur  zwei  auf  einander  folgende,  nicht 
getrennte,  welche  duo  dies  heissen.  Dagegen  merke  man,  dass  zwei 
Tage  später  nur  hiduo  post,  z.  B.  Caes.  Gall.  1,  47,  1,  oder  einfach 
hiduo,  z.  B.  Caes.  Gall.  5,  27,  8  haue  adfore  hiduo  heisst,  nicht 
duohus  diehus  post.  Für  Liv.  vgl.  Fügner  lex.  Liv.  Sp.  1549  und 
Richter  Progr.  Oldenburg  1880  S.  21. 

Biennis  ist  ein  zwar  seltenes  spätlatein.,  aber  nach  der  Analogie 
von  quinqiiennis,  triennis  gut  gebildetes  Adjektiv  für  hiennii  oder 
das  gewöhnliche  himus;  vgl.  Liv.  9,  20,  3  indutiae  hiennii  impe- 
tratae  (sunt);  Cic.  fam.  3,  8,  9  7it  de  hac  sententia  hima  (=  hiennii) 
decedat.  Was  für  hidimm  bemerkt  worden,  gilt  auch  für  hien- 
nium. 

*  Auf  Suet.  (Gall).  15)  kann  man  sich  für  biennis  nicht  berufen,  weil  dort 
hienni  spatio  bei  Roth  =  hiennii  spatio  ist.  Bei  Plin.  nat.  2,  198  schwanken 
die  Ausgg.  zwischen  bienni,  hiennii  und  biennio  spatio;  v.  Jan  gibt  hienni, 
Sillig  hiennio.  Da  aber  von  hiennius,  a,  um  sonst  keine  Spur  vorkommt  und 
der  Zusammenhang  mit  annuus  ein  Adjektiv  erfordert  und  endlich  anno  und 
biennio  spatio  ziemlich  kakophonisch  klänge,  so  wird  man  mit  v.  Jan  u.  Detlefsen 
lesen  müssen  :  utpote  cum  quiclam  annuo  et  bienni  spatio  duraverint. 

Bifarius  a,  um,  zwiefach,  doppelt,  sowie  das  Adv.  hifarie  ist 
Sp.  L.  für  di(j)lex  und  das  Kl.  Adv.  hifariam,  z.  B.  Cic.  Tusc.  3,  24; 
vgl.  Gölzer  Hieron.  S.   156  und  193  und  Liesenberg  I  S.  30. 

Biga,  das  Ziveigespann,  steht  erst  N.  Kl.  bei  Dichtern  und 
einigen  Prosaisten  für  das  Kl.  higae  im  Plur. ;  die  Stellen  siehe  bei 
Ivoffmane  lex.  s.  v.,  Gölzer  Hieron.  S.  296  und  besonders  bei 
Neue- Wagener  =^I  S.  690. 

Bilis,  die  Galle,  der  Zorn,  ist  Kl. ;  aber  dennoch  ist  N.  L.  sine 
hile  loqui,  ohne  Galle  (Zorn)  reden,  für  sine  nllo  stomacho,  nicht 
ohne  einige  Galle  von  meiner  Seite,  =  non  sine  aliqiio  meo  stomacho. 
Voller  Galle  =  plenus  stomachi,  Cic.  Q.  fr.  3,  8,  1.  Aber  einem 
die  Galle  reizen  ist  hilem  alicui  commovere,  Cic.  Att.  2,  7,  2. 

Bimaris,  e,  an  zwei  Meere  stossend,  ist  P.  L.  für  duo  maria 
attingens. 

Bini,  je  zwei.  N.  L.  finden  wir  es  auch  von  zwei  einzelnen 
Dingen,  wo  kein  Distributivbegriff  obwaltet,  z.  B.  hini  Codices,  hini 
lihri.,  hinae  editiones ;  hinos  illos  libros  in  quattuor  divisos  vult; 
Ciceronis  priora  academica  binis  libris  comprehendebantur ;  dies  alles 
ist  unlat.  Wo  wir  sagen  zu  zweioi  oder  zwei  und  zwei,  sagt  man 
bloss  hini,  weder  hini  et  hini,  noch  duo  et  duo. 


Biographia  —     241     —  Bonus 

Biographia,  die  Lebensheschreilmnr/^  ist  weder  ein  altgriecliisches, 
noch  ein  altlateinisches  Wort,  sondern  erst  N.  L.  Man  brauche 
nur  vitae  expositio,  descriptio. 

Bipedaneiis,  zwei  Fuss  messend,  ist  TV.  Kl.  nur  bei  Columella 
und  dem  altern  Plinius  für  das  Kl.  hvpedalis. 

Bis  mit  Kardinalzahlen  verbunden  ist  F.  L.,  z.  B.  Ins  quiyique, 
bis  decem,  bis  mille  u.  s.  w.,  für  decem,  viginti,  dito  milia ;  vgl.  meine 
Stilistik^  §  31.  Jene  Ausdrucksweise  ist  nicht  selten  im  N.  L.  Was 
bis  terve  und  bis  terqiie  betrifft,  so  sind  sie  genau  zu  unterscheiden, 
denn  das  erstere  ist  =  selten,  z.  B. :  a  te  bis  terve  summum  et  eas 
perbreves  (litteras)  accepi,  Cic.  fam.  2,  1,  1  u.  Hör.  a.  p.  358. 
Dagegen  bis  terque  hat,  wie  Ruhnken  sagt,  sensum  crebritatis  = 
doppelt  und  dreifach,  also  in  Verbindung  mit  einem  Adj.  oder  Ad- 
verb wie  stulte  bis  terque,  Cic.  Q.  fr.  3,  8,  6  =:  ein  ganzer  Narr, 
ein  Narr  in  Folio;  vgl.  Süpfle-Böckel  zu  Cic.  epp.  S.  195.  Über 
semel  et  bis  hoc  dixi  vgl.  Semel. 

Blandidiciis ,  blandiloquens  und  blandiloqiius  sind  A.  u.  F.  L. 
und  müssen  vermieden  oder  behutsam  angewandt  werden.  Ebenso 
blandiloquentia  und  blandiloqimtm.  Man  reicht  mit  blandus,  blandiri, 
blandimentum  und  blanditiae  aus.  Ygl.  über  solche  Wortbildungen 
wie  blandidiciis  u.  ä.  L.  Müller  Q.  Ennius  S.  204. 

Blandities  (nur  im  Abi.)  ist  Sp.  L.  für  blandimentum,  blan- 
ditia  (gewöhnlich  im  Plur.  blanditiae):,  Kretschmann  Apul.  S.  44, 
Neue-Wagener^  I  S.  563. 

Blasphemus,  blasphemare,  blasphemia,  blasphematio,  blasphemator 
(Augustin  serm.  48,  5),  Oott  lästern,  Ootteslästerimg,  sind  lauter 
späte,  von  den  lat.  Kirchenschriftstellern  aus  dem  Griechischen  ent- 
nommene Bezeichnungen,  vgl.  Gölzer  Hieron.  S.  206,  218  u.  220, 
Regnier  S.  162;  für  das  Verbum  kann  man  rein  lat.  sagen  Deo 
maledicere,  Deiim  infamare,  impia  in  Deum  dicere,  für  Gottes- 
lästerung maledictum  (a)  in  Deum,  in  Christum  coniectum  (a)  nach 
Cic.  Plane.  31,  u.  Gotteslästerer  wäre  maledicus  in  Deum,  in  Christum, 
qui  impia  in  Deum  dicit. 

Blaterare  u.  seltener  blatire,  plapperyi,  albernes  Zeug  schtuatzen, 
ist  A.  L.,  oft  bei  den  Komikern  und  von  Spätem  an  passender  Stelle 
im  niedern  Stile  wieder  gebraucht,  vgl.  Hör.  sat.  2,  7,  35  u.  dazu 
Fritzsche;  sonst  nugari,  garrire,  und  von  Personen  (für  blatero) 
nugator.     Ygl.  Klotz  Stil.  S.  183. 

Boatus,  das  laute  Geschrei,  ist  Sp.  L.  für  clamor  magyius ;  N  L. 
das  Brüllen  der  Ochsen,  für  mugitus. 

Bonus.  Dieses  Adjektiv  stimmt  im  Gebrauch  und  in  der  Ver- 
bindung mit  Substant.  oft  mit  dem  Deutschen  nicht  zusammen,  z.  B. 
ein  gutes  Auge,  gutes  Gesicht  ist  lateinisch  oculi  acres  atqiie  acuti; 
gut  sehen  bene  oder  acriter  videre,  oculos  acres  atque  acutos  habere; 
der  gute  Geruch  oder  Geschmack,  den  etivas  an  sich  hat,  odor  suavis, 
iucundus,  suavitas  odoris  und  ebenso  sap)or  dulcis,  suavis,  iucundus 
und  einen  guten  Geschmack   liaben  =  iucunde   sapere,   esse  sapore 

Krebs-Schmalz,  Antibarbaras  I,  \Q 


Bonus  —     242     —  Bonus 

iiicundo;  gutes  Gehör  ist  aiiditus  acer,  gut  hören  auditu  valere,  acer- 
rimo  esse  auditu;  gute,  gesunde  Luft  ist  nicht  honus  aer,  sondern 
saluber,  purus,  temiis  aer;  der  Wem  ist  für  den  Kör2)er  gut  =  vinum 
corpori  saluhre;  gutes  Lehen  niclit  vita  bona,  sondern  v.  lauta,  volup- 
tatihus  affliiens,  gute  Tage  bei  einem  hahen  =  laetos  dies  apud  cdi- 
qiiem  transigere,  iucunde  vivere  cum  aliquo ;  auch  bonus  ventus  = 
guter  Wind  ist  nicht  lat.,  man  sagt  dafür  ventus  secundus.  Versteht 
man  unter  dem  guten  Tag  den  heitern,  unbeivölkten,  vo7i  Unwetter 
freien  Tag^  so  ist  bonus  dies  zulässig  nach  Sen.  de  v.  beata  c.  22, 
wie  bei  Ov.  fast.  1,  72  dies  bonus  ein  glücklicher  Tag  ist;  hingegen 
sich  einen  guten  Tag  macheyi  ist  se  dare  iucunditati,  genio  indulgere, 
animum  relaxare;  einen  guten  Schlaf  hahen  ist  nicht  bonum  somnum 
habere,  sondern  arte  dormire;  zur  guten  Stunde  kommen  ist  nicht 
wörthch  zu  übertragen,  sondern  heisst  oportune,  tempore  venire.  So 
ist  auch  unser  guter  Freund  in  der  traulichen  Anrede  an  einen 
Fremden  nicht  bone  amice,  sondern  o  bonef  sodesf  Ist  gut  =  zu- 
verlässig, triftig,  z.  B.  etwas  von  guter  Hand,  aus  guter  Quelle  haben, 
so  ist  dies  lateinisch  audivisse,  accepisse  cdiquid  ab  certo  homine,  ab 
idoneo  auctore,  certis  auctoribus  comjjerisse  alicßdd;  ich  habe  meine 
guten  Gründe  für  etwas  ist  =  idoneae,  iustae  causae  me  impellunt, 
ut  etc.;  nicht  ohne  guten  Grmid,  non  frustra,  Madvig  fin.  S.  209, 
u.  yion  sine  causa,  Cic.  fam.  15,  2,  8.  Ist  gut  ferner  =  beträcht- 
lich der  Zahl  nach,  so  kann  es  nicht  bloss  durch  magnus  numerus, 
sondern  auch  durch  bona  pars,  wie  bona  pars  hominum,  bona  copia 
librorum  (beides  bei  Hör.)  gegeben  werden.  Guter  Freund  im  ge- 
wöhnlichen Sinn  ist  nicht  bonus  amicus,  sondern  bloss  amicus,  mihi 
amicus,  amicus  mens,  denn  bonus  amicus  sagt  mehr:  es  bezeichnet 
den  iDohliv ollenden,  treuen  Freund,  S.  Nep.  Them.  9,  4,  Curt.  7, 
8,  27.  Für  gutes  Wetter  aber  kann  neben  idonea  tempestas  auch 
bona  tempestas  gewählt  werden,  s.  Cic.  Q.  fr.  2,  2,  4.  Gut  ist  auch 
bonum  genus  =  gutes  Haus,  gute  Familie,  rhet.  Her.  3,  13;  ebenso 
ist  bonus  anzuwenden  in  Ausdrücken  der  Geschäftssprache,  z.  B. 
der  Mann  ist  gut  (=  zahlungsfähig),  vgl.  Cic.  fam.  5,  6,  2  hoc 
sum  assecutus,  ut  bonum  nomen  existimer.  Gute,  glückliche  Fahrt 
(zur  See)  ist  bona  navigatio,  s.  Cic.  nat.  deor.  3,  83,  Yal.  Max.  1,  1,  3 
ext.  Lnser  gut  liegt  manchmal  auch  schon  in  dem  prägnant  ge- 
brauchten Selbst,  oder  Adj.,  wie  für  das  deutsche  die  guten  alten 
Zeiten  latein.  ledighch  antiqua  tempora  gesagt  wird;  und  so  sind 
auch  die  Menschen  der  guten  alten  Zeit  einfach  homines  antiqui. 
Ist  ferner  unser  deutsches  guten,  günstigen  Wind  erivarten  bei  Cic. 
Phil.  1,  8  u.  Att.  16,  7,  1  bloss  durch  ventum  exspectare  ausge- 
drückt, so  liegt  hier,  wie  man  sieht,  das  Moment  des  Günstigen  in 
dem  Yerbum.  Endlich  unser  der  gute  Mann,  guter  Mann  ironisch 
genommen,  kann  auch  lat.  durch  bonus  vir,  bone  vir  ausgedrückt 
werden.  S.  Kühner  zu  Cic.  Tusc.  3,  50  und  Landgraf  zu  Cic.  S.  Rose. 
S.  175.  —  iV.  L.  aber  ist:  bonum  mihi  videtur,  es  scheint  mir 
gut,  d.  h.  ich  bin  der  Meimmg,  z.  B.  dass  dieses  geschehe,  für  mihi 


Borealis  —     243      —  Bracchium 

videtur,  mihi  placet,  mihi  lihet.  Wenn  aber  der  Superlative  Grad: 
es  scheint  am  besten  ausgedrückt  werden  soll,  wäre  o])timum  videtiir 
richtig  nach  Liv.  3,  4,  10:  ipsum  consulem  Romae  mauere  ad  con- 
scrihendos  omyies,  qui  arma  ferre  possent,  optimiim  visuni  est.  Über 
hotium  factum^  ivohl,  gut  getan,  für  bene  factum  s.  Factum.  Über 
aequiim  et  bomim  und  bonmn  et  aeqitum  s.  Aequus. 

Borealis,  nördlich,  ist  Sp.  L.  und  steht  bei  einem  Dichter  für 
aquilonaris,  septentrionalis,  septentrionibus  subiectus,  ad  septentriones 
spectans^  vergens.     Ebenso  ist  P.  L.  boreus,  a,  um. 

Boreas  ist  griechische  und  fast  nur  P.  Benennung  des  Nord- 
windes, für  aquilo,  septentrio,  septentriones  venti.  Auch  brauche  man 
es  nicht  für  den  Norden  als  Land  oder   Volk.     Vgl.  Aquilo. 

Wenn  Nep.  Mi  lt.  2,  4  Boreas  vom  Nordivinde  brauchte,  so  nahm  er 
das  Wort,  wie  die  ganze  Erzählung,  aus  dem  Griechischen;  Liv.  dagegen  hat 
mit  saeviente  borea  31,  45,  11,  wie  oft,  den  dichterischen  Ausdruck  angenommen. 

Bovile,  der  Kuhstall,  ist  Nebenform  von  bubile,  richtiger  von 
buvile ;  Havet  sagt  Archiv  IX  S.  523:  j;ar  la  plus  absurde  des  in- 
consequeyices  les  modernes  cmvent  bovile  par  u  (=  v)  et  bubile  par  b. 
Die  Schreibung  buvile  ist  die  von  Yarro  1.  lat.  8,  54  und  Charisius 
S.   104. 

Bovillus  ist  Ä.  L.,  aber  auch  von  Liv.  22,  10,  3  neben  suillus 
und  ovillus  gebraucht;  bovinus  zum  Binde  geJiörend,  ist  Sp.  L.,'für 
das  Kl.  auch  ungebräuchliche,  aber  von  Liv.  38,  18,  4  verwendete 
und  sonst  häufige  bubidus. 

Bracchium,  der  Arm.  Über  die  Schreibung  bracchium,  welche 
die  besser  beglaubigte  ist  als  brachium,  vgl.  Wölfflin  Archiv  XI 
S.  60.  —  D.  L.  ist  in  bracchiis  alicuius  mori,  in  jemandes  Armen 
sterben,  für  in  manibus  alicuius  mori  (Cic.  inv.  1,  108)  oder  in 
alicuius  complexu  mori  (emori),  oder  extremmn  spiritum  edere  (Cic. 
fam.  14,  4,  1,  Phil.  7,  22),  jemanden  in  die  Arme  stürzen  ist  =  in 
amplexus  alicuius  ruere,  Tac.  anu.  16,  32.  Jemanden  in  die  Arme 
von  jemand  (etivas)  führen,  treiben  ist  =  aliquem  in  siniim  alicuius 
(rei)  compellere  nach  Cic.  Tusc.  5,  5.  Hingegen  unser:  den  Arm 
brechen  heisst  auch  lat.  bracchium  frangere,  Cic.  de  orat.  2,  253; 
unlat.  aber  ist  ex  alicuius  br.  avellere,  aus  jem.  Armen  reissen,  für 
ex  alicuius  complexu  avellere  oder  ahripere  (Cic.  Att.  3,  9,  1,  Yerr. 
1,  7).  Sehr  oft  wird  manus  für  Arm  gebraucht,  z.  B.  in  manibus 
hahebant  neben  amplexabantur  Cic.  fam.  1,  9,  10,  orat.  131,  Cluent. 
15;  vgl.  Näg.-MüUer^  S.  520,  auch  141.  Bei  Curtius  und  Plin. 
mai.  findet  sich  bracchium  von  einem  Gebirgsarme;  bei  Caesars 
Fortsetzern  und  im  N.  Kl.,  auch  bei  Liv.,  bezeichnet  bracchium  eine 
Art  von  Befestigung;  vgl.  Köhler  act.  Erl.  I  S.  469,  der  mit  Recht 
bemerkt,  in  cotidiano  sermone  ,^bracchium'^  multo  frequentius  trans- 
latum  esse  quam  ex  scriptoribus  possit  divinari.  Der  Arm  eines 
Flusses  ist  klsiss.  pars  fluminis,  vgl.  Caes.  Call.  4,  10;  aber  Sp.  L.  ist 
bracchium  =  Flussarm,  so  in  der  Kosmographie  des  Jul.  Honorius, 
vgl.  Archiv  XIII    S.  534;    bei   den  Paneg.    ist  Flussarm  =  cornUj 


Breviare  —     244     —  Britannus 

z.  B.  7,  170,  11  in  dno  cornua  gestit  excedere  sc.  Rlieniis,  vgl. 
Chruzander  S.  19.  —  D.  L.  ist  hracchium  in  der  Verbindung  de7' 
iveltliclie  Arm,  d.  h.  Gewalt,  Macht,  für  hnperium,  potestas  magistra- 
tuiim.  Steht  tveltlicher  Arm  abstrakt  gedacht  im  Gegensatz  zum 
geistlichen  Arm,  so  lassen  sich  diese  Gegensätze  durch  regale 
fastir/ium,  sacerdotii  dir/nitas  ganz  gut  bezeichnen  nach  S.  Hier,  in 
Zachar.  6,  9,  10  seqq.^    Vgl.  auch  Tegge  S.   189. 

Breviare,  abkürzen,  zusammenziehen,  ist  zwar  erst  N.  Kl.,  aber 
bei  Quintilian,  und  zwar  findet  es  sich  hier  in  verschiedenen  Be- 
deutungen und  Yerbindungen,  z.  B.  syllaham  breviare,  cdiquid  callide 
breviare,  „kurz  fassen"  u.  ä.  Sehr  ^S^;.  L.  ist  breviator,  der,  ivelcher 
abkürzt. 

Brevicüium,  der  kurze  Auszug,  die  kurze  Übersicht,  ist  N.  Kl. 
Cic.  gebraucht  nur  epitome  (epitoma)  und  auch  dies  nur  in  epp. ; 
vgl.  Cic.  Att.  12,  5,  8  u.  dazu  Wölfflin  Archiv  XII,  336.  Als  Adverb 
in  diesem  Sinne  verwendet  er  siimmatim,  z.  B.  sumnmtim  perscribere, 
Att.  5,  16,  1.  Wenn  Seneca  ep.  39,  1  sagt:  Plus  proficiet 
ratio  ordinaria  (die  geivöhnliche  Weise,  etivas  vollständig  vorzutragen), 
quam  haec,  quae  nunc  vulgo  breviarium  dicitur,  olim,  cum  latine 
loqueremur,  summarium  vocabatur,  so  ist  zu  bemerken,  dass  summa- 
rium  aus  keinem  latein.  Schriftsteller  bekannt  ist.  N.  KL  steht 
breviarium  noch  bei  Suet.  Gramm.  10.  Breviarium  bekam  auch  die 
Bedeutung  J.&>iss'_,  Handbuch,  gerade  wie  epitoma ;  näheres  hierüber 
sehe  man  bei  Wölfflin  Archiv  XII,  342  ff. 

Brevis,  e,  kurz.  N.  L.  ist  brevibus,  z.  B.  dicere,  exponere,  mit 
icenigen  Worten  sagen,  für  piaucis^  brevi,  breviter,  prorsus,  s.  Kritz 
zu  Sali.  Cat.  15,  5.  Ebenso  N.  L.  ante  breve  tempus,  brevi  ante 
tempore  in  der  Bedeutung  vor  kurzem,  für  nuper.  Nicht  bei  Cic. 
und  Caes.,  auch  nicht  bei  Sali,  und  nicht  bei  Liv.  findet  sich  brevi 
ante  in  der  Bedeut.  kurz  vorher,  gleich  paulo  ante;  mit  Liv.  kommt 
auf  brevi  postilAx.  24,  3,  14;  33,  37,  9);  unsicher  ist  brevi  deinde 
24,  4,  9,  vgl.  Riemann  z.  St.  X.  L.  ist  es,  die  adverbialen  Wörter 
brevi  und  breviter  ohne  irgend  ein  Yerbum  für  sich  allein  zu  brauchen 
in  der  Bedeutung  kurz,  um  es  mit  -wenigen  Worten  zu  sagen,  wenn 
man  zu  Ende  eilt,  dafür  cpnd  multa  ?  quid  lüura  ?  ne  midta,  ne  plura, 
ne  multis,  quid  quaeris/  noli  ciuaerere,  ad  summam,  und  bei  Auf- 
zählung von  mehrerem,  wenn  noch  alles  ähnliche  zusammengefasst 
wird,  denique  oder  postremo.  Über  den  Unterschied  von  brevi  und 
mox  handelt  Tegge  S.  290;  wir  halten  daran  fest,  dass  mox  in  Bezug 
auf  die  Zukunft,  brevi  in  der  Erzählung  zu  brauchen  ist;  Caes.  Gall. 
1,  40,  11   ist  or.  obl.  und  somit  richtig  brevi  temjwre. 

Brevitudo,  die  Kürze,  ist  N.  L.  bei  Jul.  Caes.  Scaliger  für  brevitas. 

Britannus,  a,  um,  ist  als  Adjekt.  nur  P.  L.  für  Britanniens, 
was  auch  zu  Beinamen  dient;  dagegen  ist  es  klass.  als  Subst.  Bri- 
tannus, der  Britannier,  Britte.  Über  den  Gebrauch  der  Dichter, 
zu  Hör.  od.  Britannus  statt  Britannicus  etc.  zu  setzen,  handelt  aus- 
führlich Schütz  1,  1,  3. 


Bruma  —     245     —  Caballus 

Brnma  in  der  Becleut.  Wmte7'  werde  als  fast  nur  P.  L.  ver- 
mieden; dafür  hiems.  Aber  =  kürzeste}'  Tag  haben  es  Cic.  Caes. 
Liv.,  freilich  selten;  so  z.  B.  suh  hrimia  Caes.  Gall.  5,  13,  3;  siih 
tempiis  hrumae  Liv.  43,  18,  1. 

Brumalis  in  der  Bedeut.  ivinterlich  findet  sich  auch  bei  Cic, 
z.  B.  de  or.  3,  178  signiim  brumale,  dies  brumalis,  dann  bei 
Hirt,  im  b.  G.,  Liv.  40,  22,  7  u.  Sp.  Wir  halten  dies  hrmnalis 
für  besonders  geeignet,  um  die  oft  durch  ihre  Kürze  zur  Ver- 
zweiflung bringenden  Dezembertage  zu  bezeichnen. 

Bruitium  als  Name  der  italischen  Landschaft  ist  nicht  ge- 
bräuchlich ;  man  sage  ager  Bruttius  oder  Bruttii,  vgl.  Sali.  Cat. 
42,  1  m  agro  Pieeno,  Bruttio,  Cic.  S.  Rose.  132  in  Sallentinis  aitt 
in  Briittiis,  vgl.  Landgraf  zu  S.  Rose.  S.  369,  Kunze  Sali.  III, 
2,  263. 

Brutus,  a,  um  in  der  Bedeutung  unvernünftig  als  allgemeines 
Beiwort  aller  Tiere  ist  sehr  spätlatein.  bei  Gregor  dem  Grossen  in 
Job  10,  13,  n.  23:  plerumque  homifii  non  licet,  quod  hrutis  anima- 
libus  licet  u.  ibid.  17,  30,  n.  46:  neque  iustum  fidt,  ut  pro  rationall 
Jiomine  brutorum  animalium  victimae  caederentur  u.  21,  15,  S.  23: 
quasi  non  Jiominibus,  sed  brutis  animalibus  dominantiir  und  sonst  für 
ratione  carens,  rationis  expers.  In  früherer  Zeit  ist  es  nur  Beiwort 
gefühlloser,  stumpfsinniger  Tiere,  z.  B.:  animalium  hoc  (das  Schivein) 
maxime  brutum,  Plin.  nat.  8,  207,  und  ihnen  ähnhcher  Menschen. 
Das  Neutr.  brutum  als  Subst.,  das  Tier,  ist  N.  L. 

Buhidinus,  zum  Binde  gehörend,  ist  Sp,  L.  Form  für  bubulus. 

Bläß,  der  Sediat;  bideiita,  der  Senator;  buleuterium,  das  Rat- 
haus, sind  griech.  Wörter,  die  von  dem  Jüngern  Plinius  u.  Cicero 
(dieser  jedoch  hat  es  bloss  Yerr.  2,  50  in  curia  Syracusis,  quem 
locum  illi  buleuterium  nomine  appellant)  nur  gebraucht  wurden,  wenn 
sie  von  griechischen  Yerhältnissen  sprachen,  und  nur  so  sind  sie  auch 
von  uns  zu  brauchen  für  senatus,  Senator,  curia, 

Bgzantium  ist  der  frühere  Name  der  nachher  von  Konstantin 
dem  Gr.  Constantinopolis  genannten  Stadt.  Im  Gebrauche  des 
einen  oder  des  andern  werde  die  Zeit  beachtet,  von  der  man 
spricht.  —  Das  Adjektiv  heisst  in  der  bessern  Form  Byzantius,  in 
der  schlechtem  Byzantiacus  und  in  der  noch  spätem  Byzantinus ; 
letztere  ist  im  N.  L.  die  gewöhnliche.  Auch  der  Einwohner  dieser 
Stadt  heisst  Byzantius. 


c.  c. 

Caballus,  in  der  Yulgärsprache  das  Pferd,  der  zu  gemeinen 
Diensten  bestimmte  Gaid,  Klepper,  Mähre,  ist  A.  L.,  nachher  fast 
nur  P.  Wort  für  eqiius;  ebenso  die  dazu  gehörigen  Wörter  cahallinus 
und  cahallio.  Alle  sind  nur  von  der  angegebenen  Art  von  Pferden 
anzuwenden;  vgl.  Archiv  YII  S,  316. 


Cachinnari  —     246     —  Cadere 

Cachinnari,  heftig  lachen,  stand  als  Deponens  früher  in  allen 
Ausgaben  des  Cic.  (Yerr.  3,  62)  vor  Zumpt,  für  cachiyinare,  wie 
die  Handsclir.  lesen  und  in  weicher  Form  das  Yerbum  auch  nur 
vorkommt  (nie  ausser  im  Gloss.  Labb.  in  der  medialen).  Es  hat 
aber  kein  Objekt,  ivorüher  man  lacht,  bei  sich,  ausser  im  Si).  L., 
z.  B.  Apul.  met.  3,  7  exitinn  meum  cachinnat^  was  nicht  nachzu- 
ahmen ist.  Das  Substantiv  ist  cachinnatio  =  lautes,  schallendes 
Gellichter,  Cic.  Tusc.  4,  66,  rhet.  Her.  3,  25  (vgl.  Thielmann  Cornif. 
S.  89  u.  Gölzer  Hieron.  S.  80)  u.  cachinmis;  über  den  Unterschied 
vgl.  Tegge  S.  155  f. 

Caciimen  kommt  bei  Cic.  nicht  vor  u.  ist  Kl.  nur  bei  Caesar 
von  den  Sjntzen  der  Äste,  Call.  7,  73,  2,  N.  Kl.  öfter  von  den 
Baum-  und  Bergspitzen,  wie  schon  bei  Livius  7,  34,  4:  cacimmia 
montium  gebraucht;  es  ist  gut  neben  fastigium  und  Vertex.  Ygl. 
Cidmen. 

Cadaver  ist  zunächst  die  medizinische  vox  artis  für  Leichnam, 
Leiche,  s.  Sen.  controv.  9,  34,  S.  331  (B),  Plin.  nat.  2,  233  u.  11, 
184,  Yal.  Max.  9,  2,  ext.  10.  Sodann  wird  cadaver  gebraucht  von 
den  Leichen  gemeiner  oder  verachteter  Menschen,  wie  der  Sklaven 
und  Verbrecher.  S.  Cic.  Mil.  33,  Horat.  sat.  1,  8,  8  u.  2,  5,  85, 
Yal.  Max.  7,  3,  5.  Yon  den  Leichen  der  auf  dem  Schlachtfeld  Ge- 
hlieheneyi  steht  es  sehr  selten,  z.  B.  bei  Caes.  Gall.  7,  77,  8,  Sali. 
Cat.  61,  4  u.  8,  Yal.  Max.  7,  6,  5.  In  der  silbernen  Latinität 
endlich  wird  das  ^Yort  gebraucht  ohne  den  Nebenbegriff,  um  dessent- 
willen  die  klass,  Periode  das  euphemistische  corpus,  corpora  mortuorum, 
mortui,  auch  einfach  mortims,  vorzieht  und  der  am  besten  aus  Caes. 
civ.  3,  49,  2  hervorgeht. 

Cadere.  Es  wird  in  tropischer  Anwendung  oft  ganz  gleich 
unserm  fallen  gebraucht,  weicht  aber  auch  nicht  selten  ab.  Cadere 
alicui  oder  alicuiiis  ad  pedes  ist  spätlatein.  bei  Eutrop.  4,  7,  Yulg. 
bei  Luc.  8,  41,  Joann.  11,  32,  August,  serm.  143,  4  u.  singulär  ist 
auch  Sen.  controv.  1,  1,  19:  cecidit  in  pedes  meos  senex.  Klass. 
sagte  man  dafür  ad  pedes  alicuius  procidere  Liv.  39,  13,  1  oder 
ad  pedes  alicui  se  proicere,  Caes.  Gall.  1,  31,  2;  ebenso  se  ad  pedes 
alicuius  oder  alicui  ahicere  Cic.  Att.  4,  21,  4;  4,  4,  3  und 
8,  9,  1;  ein  weiterer  Ausdruck  dafür  ist  ad  pedes  alicuius  pro- 
cumbere,  Liv.  8,  28,  7  und  26,  49,  11  und  se  ad  pedes  alicuius 
prosternere,  Cic.  Phil.  2,  45  und  ad  pedes  alicuius  accidere,  Cic. 
Att.  1,  14,  5;  vgl.  {qyhqv  proiectae  ad  pedes  eorum  omnihus  precibus 
petierunt,  ut  .  .  Caes.  Gall.  7,  26,  3  und  so  auch  ad  pedes  alicui 
und  alicuius  iacere  (liegen),  Cic.  Yerr.  5,  129  u.  Q.  fr.  2,  5,  2  und 
stratus  alicui  ad  pedes,  Att.  10,  4,  3.  So  sagt  man  auch,  aber 
nicht  im  Kl.  L.,  sondern  erst  seit  Livius  genibus  alicuius  accidere, 
Curt.  10,  5,  24,  oder  ad  genua  cdicuius  procidere,  Sen.  controv. 
7,  17,  12  (B),  oder  se  jjroicere,  Liv.  26,  32,  8,  oder  genibus  alicuius 
se  advolvere,  Liv.  8,  37,  9,  oder  genibus  alicuius  provolvi,  Tac. 
anu.  12,  8  ;    vgl.   s.  v.  Abicere   und  Accidere.    —   Deutschlateinisch 


Caducus  —     247     —  Caecus 

wäre  cadere  in  ijoenam,  in  multam,  in  eine  Strafe  fallen,  ver- 
fallen, für  poena  afßci,  poena  teneri,  multam  commütere  (Cic. 
Cluent.  103).  Ebenso  schlecht  ist  in  oculos  cadere,  in  die 
Augen  fallen  in  der  Bedeutung  offeyibar,  deutlich  sein,  für  insigne, 
conspicuum  esse;  z.  B.  der  Fehler  fällt  in  die  Äugen,  vitium 
insigne  oder  conspicuum  est;  cadere  circmn  alicuius  collum,  jem.  um 
den  Hals  fallen  ist  spätlatein.  Ausdruck  der  Yulg.  im  evang.  Luc. 
15,  20  für  invadere  in  collum  alicuius  (Cic.  Phil.  2,  77),  oder  collum 
amplexu  petere  (K.  Caelius  bei  Quint.  4,  2,  124);  mohi  cadere  alicui 
in  manus  oder  in  alicuius  m.,  in  jemandes  Hände  fallen,  geraten, 
für  das  ciceronische  incidere  in  cdicuius  manus;  —  und  so  noch 
andere  deutsche  Redensarten.  —  N.  L.  ist:  Aptius  nihil  cadere 
potest,  quam  Yarronis  persona  ad  philosophiam  Antiochi  —  für  tiihil 
accommodatius  esse  potest.  —  Übrigens  werden  manche  Yerbindungen 
bezweifelt,  die  dennoch  gut,  sogar  Kl.  sind.  Dahin  gehört  auch  das 
obige  in  ocidos  cadere  in  der  eigentlichen  Bedeutung,  ins  Gesicht 
fcdlen,  dem  Auge  sichtbar  sich  darstellen,  gleich  in  conspectum  cadere 
(Cic.  Tusc.  1,  50),  wie  man  auch  sonst  sagt  in  ocidis  esse,  hahitare, 
suh  ocidos  cadere,  Cic.  erat.  9.  Cadere  in  morhum  =  in  e.  K. 
fallen  ist  neben  incidere  in  morhum  (Cic.  Cluent.  175)  gleichfalls 
gut,  Cic.  Tusc.  1,  79:  ebenso  ist  richtig  catZere^  decidere  und  incidere 
mit  in  c.  Accus,  oder  dem  Dativ  von  Flüssen,  die  in  irgend  ein 
Gewässer  fallen  oder  münden.  S.  Plin.  nat.  4,  50,  Curt.  6,  4,  6 
und  ibid.  §  18  u.  7,  3,  21,  Liv.  38,  4,  3,  ebendas.  c.  13,  6  u.  44, 
31,  4.  De  equo  cadere,  Cic.  Cluent.  175,  unterscheidet  sich  von 
ex  equo  labi,  Curt.  4,  16,  23,  Liv.  2,  6,  9,  wie  unser  vom  Pferde 
fallen  und  vom  Pferde  sinken;  cadere  in  peccatum  hat  Hieronymus 
u.  August,  in  Ps.  65,  13  neben  incidere  in  p.  Letzteres  braucht 
Cic.  fin.  4,  40,  aber  auch  ersteres  ist  gut,  wie  man  ja  auch  sagt: 
Aetas  Romuli  in  id  saeculum  cecidit  (Cic.  de  rep.  2,  18)  für  das 
gewöhnliche  incidit.  —  Cadere  mit  Adverb  =  ausfallen  ist  gut,  vgl. 
Plaut.  Trin.  507  si  haec  res  graviter  cecidit  stidtitia  mea,  Cic.  Att. 
3,  24,  2  haec  res  quemadmodum  cecide^it,  vgl.  Langen  Beitr.  S.  322. 

Caducus,  welches  Ruhnken  (Elog.  Hemst.  S.  36)  yon  der  pos- 
sessio brauchte:  involantibus  fere  in  illam,  quasi  in  vacuaih  et  caducam 
possessionem,  compilatoribus  —  ist  von  einigen  beanstandet  worden, 
da  eine  vacua  possessio  wohl  etwas  sei,  aber  nicht  eine  caduca.  Ohne 
Zweifel  versteht  aber  Ruhnken  ebendasselbe  darunter,  was  Cic.  de 
or.  3,  122,  welche  Stelle  fast  mit  denselben  Worten  von  ihm  nach- 
geahmt ist.  Es  ist  eine  juristische  Redensart;  Dirksen  zitiert  im 
Manuale  s.  v.  cum  fisco  caduca  bona  defuncti  addicantur  und  caduca 
mortuorum  bona  ad  competitores  transferri  aus  juristischen  Autoren 
und  erklärt  caducus  mit  vacans  res,  dominum  non  habens. 

Caecitudo,  die  Blindheit,  findet  sich  einmal  bei  Fest,  zitiert, 
sonst  nirgends;  klass.  ist  caecitas. 

Caecus.  Blind  für  etivas,  d.  h.  in  Bezug  auf  etivas  heisst  caecus 
ad  aliquid,  z.  B.  ad  omnia,  für  alles;  und  so  braucht  Cicero  (Tusc, 


Caecutire  —     248     —  Caelites 

3,  11)  sogar  caecitas  mit  dem  Zusätze  ad  omnia,  wofür  er  auch 
omnium  renim  sagen  komite;  vgl.  Kühner  z.  St.  P.  L.  ist  caecus 
alicui  rei,  blind  für  etwas.  Durch  Leidenschaft  verhlendet  ist  ciipi- 
dine  caecus  bei  Sali.  Jug.  25,  7  ;  vgl.  noch  Cic.  Süll.  91  caeca  cupi- 
ditas  u.  dazu  Landgraf.  Der  hlinde  Zufall  ist  auch  lat.  caecus  casus, 
s.  Cic.  divin.  2,  15  oder  temeritas  et  casus,  ibid.  2,  85,  und  caeca 
amhitione  lahorare  hat  Sen.  de  benef.  7,  26,  4.  Änimus  lihidinibus 
caecaius  steht  Cic.  Tusc.  1,  72  und  errorihus  caecari,  ibid.  5,  39; 
dabei  ist  bemerkenswert,  was  Gölzer  Hieron.  S.  276  notiert,  dass 
caecare  im  eigentlichen  Sinne  sich  sehr  selten  findet.  Was  caecus 
terror  und  ähnliches  betrifft,  so  vgl.  über  caecus  timor  Phaedr.  2, 
8,  4  u.  dazu  Burmann.  Caecus  pavor  hat  Tac.  bist.  1,  82  und 
caecus  timor  Cic.  Lig.  3,  also  wird  es  zumal  in  der  höheren  Rede 
ganz  wohl  anwendbar  sein.     Es  ist  unser  panischer  Schrecken. 

Caecutire,  blind  sein,  steht  zwar  bei  Yarro,  aber  in  den  wegen 
ihrer  Diktion  nicht  besonders  zu  lobenden  sat.  Men.,  vgl.  Fritzsche 
zu  Hör.  sat.  Einl.  S.  27,  ist  sonst  nur  Sp.  L.,  und  zu  vermeiden 
durch  caecum  esse,  ocidis  captum  esse,  und  geistig:  moite  captuni  esse. 

Caedes.  Unserm  bekannten:  keine  Schlacht  ivar's  mehr,  ein 
Schlachten  tvar's  zu  nennen,  entspricht  im  Lateinischen  iam  non 
pugna,  sed  caedes  erat,  Curt.  4,  15,  32  und  ganz  ebenso,  nur  in 
umgekehrter  Stellung  der  Substantive:  caedes  inde,  non  iam  pugna 
fuit,  Liv.  23,  40,  11.  Mitten  aus  dem  Gemetzel  entfliehen  =  ex 
media  caede  effugere,  Liv.  23,  29,  15.  Mit  Mord  und  Brand  eine 
Feldmark  gänzlich  verwüsten  =  cum  caedibus  et  incendiis  agrum 
perpopidari,  Liv.  34,  56,  10. 

Caelare  aliquid  heisst  zunächst  etwas  mit  erhabener,  gravie^ier 
oder  getriebener  Arbeit  versehen,  z.  B.  vasa  magnifica  et  pretiose 
caelata,  Cic.  inv.  2,  116;  und  so  ist  argentum  aurumque  caelatum 
bei  Cic.  Tusc.  5,  61  Gold-  und  Silbergeschirr  mit  erhabeyien  Arbeiten. 
Sodann  sagt  der  Lateiner  auch  caelare  aliquid  in  aliqua  re  =  etivas 
an  einem  Gerät  in  hcdberhabener  Arbeit  darstellen  wie  centauros  in 
scyphis,  Plin.  nat.  33,  156,  hingegen  mit  dem  blossen  Abi.  des  ein- 
gelegten Stoffes,  in  welchem  die  erhabene  Arbeit  dargestellt  wird, 
wie  arma  auro  caelata,  Liv.  7,  10,  7;  anders  verhält  es  sich  mit 
Cic.  Yerr.  4,  97  gcdeas  aeneas  opere  Corinthio  caelatas,  während 
jedoch  auch  Cicero  den  erwähnten  Gebrauch  kennt,  z.  B.  Corinthio 
caelare,  speciem  auro  caelare,  Cic.  divin.  1,  79. 

Caelicola,  der  Himmelsbeivohner,  ist  nur  P.  L.  für  deus,  Sp.  L. 
aber  in  der  Bedeutung  Himmelanbeter,  für  cpä  caelum  colit. 

Caelicus,  himmlisch,  ist  P.  u.  Sp.  L.  für  caelestis. 

Caelites,  die  Himmlischen,  die  Götter,  ist  nicht  nur  P.  L.  für  cae- 
lestes,  dii,  sondern  kommt  auch  pros.  N.  Kl.  und  besonders  spätlatein. 
vor:  caelitum  populus,  caeliium  societas,  Plin.  nat.  2,  16  u.  7,  119  und 
concessus  caelitum,  Eumen.  pan.  Const.  7  u.  Apul.  Met.  3,  23  u. 
11,  5,  de  magia  26  init.  u.  de  deo  Socrat.  c.  5  u.  12.  Die  Stelle 
Cic.  rep.  6,  9  grates   tibi  ago,   summe  sol,    vobisque,    reliqui  caelites 


Caelitus  —     249     —  Caerimonialis 

ist  poetisch  angehaucht,  vielleicht  sogar  einem  Dichter  entnommen; 
letzteres  ist  die  Ansicht  Mosers  (Symb.  crit.  3,  6  S.  12).  Singu- 
larische Formen  wie  caelitem,  caelitis  sind  F.  L.  und  Si^.  L.,  vgl. 
Neue-Wagener^  I  S.  664. 

Caelihis,  vom  Himmel  herab,  ist  Sp.  L.  für  e  oder  de  caelo, 
divinitus,  ein  unnötiges  Wort.  Wenn  es  gut  gewesen  wäre,  so  würden 
die  Alten,  welche  diesen  Begriff  so  oft  sprachlich  auszuprägen  hatten, 
caelitus  bestimmt  nicht  verschmäht  haben.  Immerhin  mag  das  Wort 
als  ein  bei  den  Eccl.  beliebtes  und  in  den  Hymnen  fortlebendes  (et 
emitte  caelitus  lucis  tuae  radiiim)  von  Theologen  benützt  werden; 
vgl.  auch  Gölzer  Hieron.  S.  202,  Kretschmann  Sidon.  S.   13. 

Caelum,  der  Himmel.  Fast  nie,  ausser  bei  Dichtern  und  den 
Kirchenvätern,  kommt  etwas  anderes  als  der  Sing,  vor,  nicht  ein 
Plur.  caela.  Eine  männliche  Form,  caekis  (Caelus),  war  der  persön- 
liche Name  der  alten  Gottheit,  die  bei  den  Griechen  Uranus  hiess, 
welche  die  Dichter  für  Himmel  brauchten,  und  sogar  auch  im  Plur. 
caeli  (näheres  bei  Appel  S.  20  und  S.  79).  Nach  Caes.  bei  Gell. 
19,  8,  3  hat  caelum  keinen  Plural  und  daran  halte  man  sich. 
Näheres  über  das  Yorkommen  von  caeli  siehe  bei  Neue-Wagener^  I 
S.  624.  —  Dass  es  N.  L.  ohne  alle  Autorität  sei,  caelum,  wie  unser 
Himmel,  für  Deus,  Gott,  zu  brauchen,  ist  schon  S.  23  dieses  Buches 
auseinandergesetzt  worden.  Sonst  steht  es  fast  überall,  wo  wir 
Himmel  brauchen,  z.  B.  im  Himmel  sein,  ivie  im  Himmel  sein,  d.  h. 
sich  glücklich  fühlen,  in  caelo  esse  (Cic.  Att.  2,  9,  1) ;  einen,  etwas 
(lobpreisend)  zum  Himmel  erheben,  aliquem,  aliquid  (laudibus)  in 
oder  ad  caelum  ferre  oder  efferre  Cic.  Att.  7,  1,  5;  16,  7,  5,  fam. 
9,  14,  1  u.  12,  25;  tollere,  Cic.  Att.  6,  2,  9;  so  auch  digito  caelum 
attingere,  in  caelo  esse,  Att.  2,  1,  7  u.  2,  9,  1;  einen  aus  dem  Hhyimel 
seines  Ruhmes,  Glückes  herunterreissen  ist:  cdiquem  de  caelo  detrahere, 
Cic.  Phil.  2,  107 ;  einen  bis  zum  Himmel  erheben  ist  auch  aliquem 
caelo  aequare,  s.  Tac.  ann.  4,  34.  Richtig  ist  auch  caelum  merere 
=  den  Himmel  verdieneyi  (Sen.  suas.  1,  init.);  in  caelum  venire, 
migrare,  adscendere  in  der  religiösen  Bedeutung  nach  dem  Tode 
glücklich  uyid  selig  werden,  dann  der  Glaube,  dass  die  Seele  nach 
Abtrennung  vom  Körper  sich  in  den  Himmel,  als  den  Wohnsitz  der 
Guteyi,  erhebe,  ist  schon  antik.  Ygl.  Cic.  Tusc.  1,  51;  71  u.  a. 
—  Endlich  aber  brauche  man  die  sprichwörtliche  Redensart  toto 
caelo  errare,  geivaltig  irren,  die  erst  aS^;.  L.  bei  Macrob.  sat. 
3,  12,  10  ist  und  für  vehementer  errare  oder  falli  tota  re  nach  Liv. 
33,  12,  4  steht,  nur  mit  dem  Zusätze  quod  aimit ;  übrigens  kann 
für  errare  auch  ein  anderes  Yerbum  stehen,  wie  z.  B.  toto,  quod 
aiimt,  caelo  dissentire,  wofür  Cic.  fin.  4,  2  sagt  uyiiversa  re  et  tota 
seyitentia  dissidere  ab  cdiqiio.  Es  sagt  aber  Ter.  Eun.  245  bei  errare 
passender  tota  via  eiTUs. 

Caerimonialis  (caeremoyiialis)  und  caeremoniosus  sind  Sp.  L.  be- 
sonders bei  Amm.,  für  ritualis  oder  auch  religiosus,  z.  B.  Amm.  22, 
15,  17  dies  caerimoniosos. 


Caeruleatus  —     250     —  Calculi 

Caeruleatus,  hlau  gefärht,  ist  nur  N.  Kl.  und  steht  nur  bei 
Yell.  2,  83,  2  für  caeruleus,  caerideo  colore  tinctus. 

Caesareus,  Cäsarisch,  kaiserlich^  den  Caesar  heireffend,  ist  nur 
P.  L.  für  Caesarianus  oder  Caesarinus ;  vgl.  über  letztere  Form 
Boot  zu  Cic.  Att.  16,  10,  1,  Schmalz  Pollio^  S.  11  und  Robert  S. 
Radford  S.  104.  Die  Form  Caesareamis  hat  z.  B.  Sen.  ep.  95,  70, 
aber  Flor.  2,  13,  66  u.  2,  14,  2  liest  Rossbach  Caesarianus,  vgl. 
noch  Radford  S.  104  Anm.  1  u.  Archiv  I  S.  185.  Übrigens  hat 
Radford  die  Behauptung  von  Schnorr  von  Carolsfeld  im  Archiv  I 
S.  184,  Caesarianus  sei  bei  Cic.  unmöglich,  durch  den  Hinweis  auf 
Cic.  Att.  6,  8,  2  meros  terrores  Caesarianos  widerlegt.  Es  ist 
also  Caesarianus  und  Caesarinus  klassisch. 

Calahricus,  a,  um,  Kalahrisch,  ist  so  wenig  Kl.,  als  Calaher, 
hra,  hrum ;  doch  verdient  letzteres  den  Vorzug. 

Calamtis  kann  mit  und  ohne  das  Adjektiv  scriptorius  wohl  un- 
bedenklich für  unsere  Schreihfeder  (Feder)  gebraucht  werden,  da  die 
Lateiner  eben  so  wenig  bei  ihrem  Worte,  wie  wir  bei  unserem,  an 
den  Stoff  dachten,  sondern  nur  an  das  Werkzeug,  womit  sie  schrieben. 
Für  uns  ist  es  das  Kl.  Wort,  nicht  das  erst  im  Sp.  L.  gebräuchliche 
])enna;  vgl.  Wölfflin  im  Archiv  Y  S.  147.  N.  L.  aber  ist  in  cala- 
mum  dictare,  in  die  Feder  diktieren,  für  das  einfache  dictare ;  da- 
gegen findet  sich,  wie  Böckel  Einleitung  zu  Cic.  epp.  S.  41  Anm. 
notiert,  schon  bei  Cicero  unsere  triviale  Phrase  „ich  ergreife  die 
Feder"  Att.  6,  8,  1  cum  instituissem  ad  te  scrihere  calamiimqiie  sump- 
sissem. 

Calathus,  der  aus  Flechtwerk,  Metall  oder  Holz  in  Gestalt  einer 
offenen  Lilie  zu  verschiedenem  Grebrauch  konstruierte  Koi'h  ist  nicht 
nur  P.  L.  für  das  rein  lateinische  (aber  nur  beim  Wollspinnen  ver- 
wendete) qiiasillum,  sondern  hat  auch  die  prosaischen  Autoritäten 
von  Yitruv,  PI.  dem  altern  und  Colum.  für  sich. 

Calceus,  der  Schuh,  ist  nicht  zu  brauchen  in  Redensarten,  wie 
„ich  weiss,  wo  mich  der  Schuh  drückt"  ;  dies  heisst  nach  der  be- 
kannten xYnekdote  bei  Hieron.  ad  Jovin.  1,  48  S.  371  scio,  uhi  soccus 
me  premat,  vgl.  Archiv  Y  S.  5.  Doch  sonst  sagt  man  calceus  urit, 
vgl.  Hör.  ep.   1,  10,  42  und  Näg.-Müller«  S.  548. 

Calculare,  berechnen,  beurteilen,  ist  erst  Sj).  L.  (vgl.  Kretsch- 
mann  Sidon.  S.  14)  für  comjmtare,  ad  ccdculos  vocare,  calculos  sub- 
ducere  (Cic.  fin.  2,  60)  und  andere  mit  irttio,  rationes  (welche  die 
Hauptwörter  für  Rechnung  sind)  gebildete  Redensarten.  Ebenso 
Sp.  L.  ist  calcidatio,  die  Berechming,  für  computatio,  numeratio. 
Etwas  früher  findet  sich  calculator,  welches  weniger  verwerflich, 
wiewohl  ratiocinator  besser  ist. 

Ccdculi  sind  die  Rechensteinchen,  welche  die  Knaben  in  den 
arithmetischen  Unterricht  mitbrachten  (Seyffert-Müller  zu  Lael.  S.  381), 
daher  die  oben  erwähnten  Redensarten  ad  calcjdos  vocare  u.  ä.  Dann 
bedeutet  es  Stimmsteine ;  es  kann  daher  für  sich  allein  nicht  Beifall 
bedeuten,    sondern    nur    mit    dem   Beiworte   albus,    wie   bei  Plinius 


Caldor  —     251     —  Callere 

(ep.  1,  2,  5):  si  modo  tu  fortasse  errori  nostro  alhum  calculiim  ad- 
ieceris.  Über  calculum  ponere  =  eine  Berechnung  anstellen  eigentl. 
oder  trop.,  im  letzten  Fall  auch  cum  aliqua  re,  s.  Lagergren  S.  51. 
N.  L.  aber  ist  calculum  alicuius  ferre,  jemandes  Beifall  erhalten^  und 
ebenso  suffragii  tui  calculum  periclitatur  hoc  volumen. 

Caldor,  die  Wärme,  Hitze,  steht  nur  bei  Yarro  (r.  r.  1,  41,  1 ; 
1,  55^  6  u.  3,  9,  15)  und  dann  Sp.  L.  für  das  Kl.  und  häufige 
calor,  aestus. 

Calendarium  kommt  bei  Kl.  Autoren,  überhaupt  vor  Sen.  phil., 
nicht  vor;  es  war  bei  den  Alten  nur  das  Schuld-  und  Zinsenhuch, 
worin  die  Calendae  und  Idus  jedes  Monats  verzeichnet  waren,  nicht 
alle  Tage  jedes  Monats.  Es  passt  daher  nicht  für  unser  Kalender, 
der  vielmehr  mit  dem  zusammenstimmt,  was  die  Alten  fasti  nannten. 

Calere,  brennen,  wird  oft  auch  tropisch  in  verschiedenen,  aus 
dem  Zusammenhang  der  Rede  erhellenden  Beziehungen  gebraucht. 
Abgesehen  von  Dichterstellen  wie  Hör.  carm.  1,  1,  19,  epp.  2,  1, 
108  vgl.  man:  at  ille  utendum  animis,  dum  spe  calerent,  ratus,  Curt. 

4,  1,  29.  Romani  calentes  adhuc  ab  recenti  pugna  proelium  ineunt, 
Liv.  25,  39,  9.    Postquam  satis  calere  res  Rubrio  visa  est,  Cic.  Yerr. 

1,  66,  i.  e.,  wie  Zumpt  bemerkt,  ^natura  esse,  bene  procedere.  Ygl. 
ausserdem  Cic.  Brut.  234,  Plane.  55,  Phil.  5,  11,  Cic.  Att.  7,  20, 
2;  fam.  7,  10,  2;  Cael.  bei  Cic.  fam.  8,  6,  5,  rhet.  Her.  4,  21, 
Quintil.  4,  1,  59,  namentlich  aber  Nägelsb. -Müller^  S.  549  und  Burg 

5.  51.  —  Das  gleiche  gilt  für  calfacere,  vgl.  Burg  S.  51,  Näg.-MüUer^ 
S.  508,  Becher  S.  37. 

Calficere  ist  Nebenform  zu  calefacere,  auch  bei  Cic.  vorkommend, 
z.  B.  nat.  deor.  2,  151,  ebenso  auch  calfacere,  z.  B.  Cic.  fam.  16, 
18,  2;  der  Imper.  heisst  calface;  vgl.  Neue-Wagener^  HI  S.  309. 
Einem  tvarm  machen  ist  auch  lat.  calefacere  aliquem,  z.  B.  Cael.  bei 
Cic.  fam.  8,  6,  4;  vgl.  s.  v.   Calere. 

Callere  mit  einem  Accus,  aliquam  rem,  mit  ettuas  genau  bekannt 
sein,  etwas  ivohl  und  gut  kemien,  ist  selten,  aber  gut.  So  findet  man 
callere  aliquid  schon  bei  Plaut.  Most.  279  ut  perdocte  cuncta  callet; 
dann  bei  Cic.  Balb.  32  si  neque  Poenorum  iura  calles,  Liv.  39,  40, 
4 :  urbanas  rusticasque  res  pariter  callebat,  ebenso  auch  usu  alicuius 
rei  callere  =  etwas  aiis  Erfahrung  kennen,  verstehen  bei  Liv.  35, 
26,  10  und  Yal.  Max.  8,  12,  1.  >laut.  Truc.  932  verbindet  auch 
ad  suum  quaestum  callere,  was  sich  bei  dem  späten  Am.  Marc.  15, 

2,  4  und  21,  3,  5  wiederholt;  jedoch  lesen  Götz  und  Scholl  bei 
Plaut.  1.  1.  calent.  Bei  Phn.  nat.  8,  91  und  9,  86  endlich  und 
später  bei  Hieronym.  (vgl.  Gölzer  Hieron.  S.  345)  findet  sich  auch 
callere  in  aliqua  re,  iji  etivas  geiuandt,  erfahren  sein.  Auch  das 
Partiz.  callens  in  der  Bedeutung  kundig,  bekannt,  m.  d.  Genitiv 
des  Gegenstandes,  z.  B.  vaticinandi,  utriusque  linguae,  ist  erst  N. 
Kl.  beim  altern  Plinius  und  später  bei  Gellius  17,  5,  3,  der  callere 
überhaupt  liebt,  vgl.  Gorges  S.  27.  Dadurch  ist  auch  die  Redens- 
art   linguam    aliquam    callere,    einer    Sprache    ganz    kundig    sein. 


Calor  —     252     —  Calx 

geschützt.  Nicht  zu  empfehlen  ist  lingiiarum  callentissimus ;  denn 
hier  steht  der  Superlativ  ohne  alle  Autorität  und  Not,  da  in  dem 
Worte  selbst  schon  die  genaue^  grosse  Kenntnis  liegt. 

Calor,  die  Wärme,  Hitze.  Davon  brauchen  Cicero  und  andere 
oft  den  Plur.  calor  es,  um  dadurch  lange  anhaltende  Hitze  im  Gegen- 
satze zu  frigora  zu  bezeichnen;  vgl.  Riemann  etudes  S.  57.  —  In 
tropischer  Bedeutung  =  Feuer,  z.  B.  der  Rede  und  dgl.  wird  es 
im  goldenen  Zeitalter  noch  nicht  gefunden,  da  klass.  ardor  oder  fervor 
üblich  war,  z.  B.  ardor  cninditatum^  Cic.  fin.  1,  43,  fervor  aetatis, 
Cato  45.  N.  Kl.  hingegen  wird  calor  in  übertragenem  Sinne  nach 
dem  Yorgang  der  Dichter  der  Augusteischen  Zeit  nicht  selten  ge- 
braucht, z.  B.  invenilis  calor,  Quintil.  2,  15,  28;  calorem  cogitationis 
exstinguere^  ib.  8,  Prooem.  27;  calor  dicendi,  ib.  11,  3,  130,  vgl. 
ausserdem  6,  2,  15  und  10,  3,  6.  Dicentis  calor  hat  Plin.  epp.  4, 
9,  11  und  2,  19,  2  und  Paneg.  3.  Anibitionis  calor  ahducit  a  tiitis, 
Sen.  de  benef.  2,  14,  5  und:  quod  calore  aliquo  gerendum  est,  de 
ira  3,  3,  5.  Coliortationis  calor,  Yal.  Max.  2,  6,  2.  —  Auch  calidus 
wird  tropisch  gebraucht,  aber  in  guter  Prosa  nie  in  honam  partem, 
also  ja  nicht  calidissimis  votis  aliquid  exoptare,  was  ganz  unlateinisch 
wäre,  sondern  wie  unser  hitzig  =  unbesonnen.  Daher  die  bekannten 
Yerbindungen :  consilia  calida,  Cic.  ofiP.  1,  82;  calidiora  consilia, 
Liv.  22,  24,  2  und  consilitnn  calidius,  Hirt,  bei  Cicero  Att.  15, 
6,  2 ;  sehr  nahe  lag  hier  die  Yerwechslung  mit  callidius,  welches 
Lambin  an  unsrer  Stelle  (S.  4097  der  ed.  1580)  entschieden  ver- 
wirft. Ygl.  auch  Boot  zu  Att.  15,  6,  2,  die  Ausleger  zu  Liv.  35, 
32,  13  und  Wölfflin  zu  Liv.  22,  24,  2. 

Ccdiimniosus,  verläumderisch,  ist  Sp.  L.  seit  ülp.  u.  Arnob.  für 
criminosiis,  mcdigniis;  ebenso  calumniose  fürj^er  calumniam,  criniinose. 

Calx,  das  Ziel,  Ende,  ist  in  Prosa  Kl.  wohl  nur  Femininum, 
z.  B.  Cic.  Tusc.  1,  15  nunc  video  calcem,  ad  quam  cum  sit  decursum. 
In  der  Bedeutung  Ende  kommt  es  bei  den  Alten  nur  so  vor,  dass 
man  das  Bild  von  der  Rennhahn  hernimmt,  wo  das  Ziel  im  Gegen- 
satz von  carceres,  den  Schranken,  von  welchen  aus  der  Wettlauf 
begann,  calx  hiess,  und  womit  auch  ein  Yerbum  der  Bewegung, 
besonders  des  Laufens,  verbunden  wird,  und  oft  auch  noch  mildernde 
Wörter,  wie  ut  dicitur,  tanquam,  quasi  zur  Kennzeichnung  des 
Sprichwörtlichen  eingeschoben  werden.  Nicht  ohne  Autorität  ist 
es,  wenn  man  im  N.  L.  sagt:  haec  in  calce  lihri  (am  Ende  des 
Buches)  dicam;  de  qua  re  ad  calcem  (libri,  epistulae)  quaedam 
apposui,  und  ähnliches.  Es  findet  sich  diese  Bedeutung  von  calx 
schon  angebahnt  in  einem  Fragm.  Cic.  bei  Sen.  ep.  108,  32  quoniam 
sumus  ab  ipsa  calce  eius  interpellatione  revocati,  vgl.  SeyfFert-Müller 
zu  Lael.  S.  550,  dann  aber  bei  Hieron.,  z.  B.  in  calce  einstidae 
recordatus  sum  quadrigae  vestrae,  epp.  26,  Ende  und  84,  Anfang. 
In  calce  sermonis,  epp.  9,  Ende.  Non  mihi  videtur  in  calce  lihri 
tacenda  Constantiae  illius  .  .  .  devotio,  vit.  Hilar.  Ende  und  sonst 
noch  öfter.     Ygl.   auch  Quintil.  8,  5,  30:    si    tarnen    in  clausula  ei 


Camena  —     253     —  Campus 

calce  pronuntietiir  sententia.  Wenn  Ammian  21,  1,  14;  25,  10,  7 
sagt:  extra  calcem  deciirrere  in  der  Bedeutung  über  das  Thema 
MnaufigeJieyi,  so  ist  dies,  wenn  id  dicitiir  hinzugesetzt  wird,  entschuld- 
bar, wiewohl  es  besser  heisst:  ext7-a  cancellos  egredi  (Cic.  Quinct.  36), 
transire  lineas,  Cic.  Parad.  20. 

Camena,  nicht  Camoena,  die  Muse  in  der  Bedeutung  das  Gedicht, 
das  Lied,  ist  nur  P.  L.  für  carmen. 

Camera  ist  nur  eine  gewölbte  Decke,  nicht  ein  Zimmer,  eine 
Kammer,  wie  es  im  N.  L.  vorkommt,  für  conclave,  ciüjicidum. 

Camerimis  ist  der  Einwohner  von  Cameria,  einer  Stadt  in 
Latium,  umgekehrt  ist  Camers  der  Bewohner  von  Camerinum,  einer 
Gebirgsstadt  in  Umbrien,  das  Adjekt.  dazu  ist  gleichfalls  Camers, 
wie  ager  Camers,  Cic.  Süll.  53,  oder  Camertinus,  wie  foediis  Camer- 
tinum,  Cic.  Balb.  46. 

Campana,  die  Olocke,  finden  wir  zuerst  in  einem  Briefe  des 
Ferrandus  aus  dem  Jahre  515,  die  Diminutive  campanida  und  campanella 
in  den  Acta  Sanctorum;  vgl.  Wölfflin  Lexik.  Beitr.  S.  8.  Dass 
campana  auf  aes  Campanum  zurückgeht,  wird  von  Wölfflin  als 
zweifellos  bezeichnet. 

Campanicus,  Kampanisch,  ist  mehr  A.  L.  Form  für  die  ^L 
Campanus ;  z.  B.  peristromata  Campanica  Plaut.  Pseud.  146.  Über 
Campanus,  z.  B.  Campana  suppellex,  vasa  Campana  vgl.  Wölfflin 
Lex.  Beitr.  S.  4. 

Campester.  Scherzhaft  vielleicht  nennt  Livius  (7,  1,  2)  die  Zu- 
neigung, die  sich  beim  Yolke  in  den  Komitien  auf  dem  Marsfelde 
für  jemanden  zeigt,  gratiam  campestrem,  ein  Ausdruck,  der  heutzutage 
eben  auch  nur  von  dem  bei  einer  öff'entlichen  Wahlversammlung 
unter  freiem  Himmel  sich  geltend  machenden  Einfluss  einzelner 
anwendbar  ist;  statt  demagogi  illi  gratiam  carnj^estrem  captant  sagt 
man  daher  passender  und  natürlicher  auram  populärem. 

Campus  geradezu  ohne  allen  Beisatz  in  der  Bedeutung  Schlacht- 
feld ist  nur  bei  Juven.  und  Yegetius  zu  finden.  Aber  selbst  campus 
pugnae,  proelii  kommt  bei  Caesar,  Livius  und  Tacitus  nirgends  vor, 
sondern  dafür  nur  locus  pugnae,  proelii,  locus  uhi  pugnatum  est  oder 
loca  proelii,  sofern  auf  getrennten  Punkten  zugleich,  wie  z.  B.  1813 
bei  Leipzig,  gekämpft  worden  ist.  Also  kann  man  auch  nicht  sagen: 
campum  pugnae  tenere  =  das  Schlachtfeld  behaupten,  sondern  nur 
locum  pugnae  tenere,  ohtinere,  retinere  locum,  uhi  pugnatum  est. 
Campus  pugnae,  proelii,  campus  uhi  pugnatum  est  wäre  nur  dann 
zulässig,  wenn  das  Schlachtfeld  speziell  als  off'enes,  ebenes  Terrain 
bezeichnet  werden  soll.  Im  Zusammenhang  würde  dann  auch  campus 
oder  campi  mit  adjektivischer  Beifügung  der  Lokalität,  welche  Schau- 
platz des  Kampfes  war,  genügen  können,  wie  Tacitus  bist.  2,  70 
berichtet,  dass  Yitellius  das  Verlangen  gehabt  habe,  das  Schlachtfeld 
von  Bedriacimi  zu  besuchen  =  insistere  Bedriacensihus  campis,  wo- 
nach im  Verlauf  der  Rede  die  Felder  der  Völkerschlacht  bei  Leipzig 
ebenso  durch  campi  Lipsienses  gegeben   werden  könnten,  z.  B.  loie 


Canalis  —     254     —  Canere 

viele  tausende  der  ta]^f ersten  Krieger  sind  1813  auf  den  Schlachtfeldern 
um  Leiiozig  gehlieben:  quot  fortissimorimi  militum  milia  anno  1813 
hl  campis  Lipsiensibus,  in  circumiectis  Lipsiae  campis  ceciderunt.  — 
Sofern  wir  unter  Feldern  die  einzelnen  Teile  eines  Ganzen  verstehen, 
also  z.  B.  von  den  verschiedenen  Feldern  des  Altertums  sprechen, 
kann  nie  campi,  sondern  nur  partes,  loci,  genera  antiquitatis  gesaugt 
werden,  denn  campus  steht  trop.  nur  vom  Tummel-  oder  Übungs- 
platz, auf  welchem  sich  eine  Tätigkeit  ergeht,  z.  B.  nulluni  vobis 
sors  campum  dedit,  in  quo  excurrere  vi^ius  cognoscique  posset,  Cic. 
Mur.  18.  Magnus  est  in  repuhlica  campus,  multis  ap^ertus  cursus  ad 
laudem,  Cic.  Phil.  14,  17.  Hinc  rhetorum  campus  de  Marathone, 
Salamine,  Plataeis,  Cic.  ofF.  1,  61;  de  or.  3,  124.  —  Der  Begriff  von 
Feld  liegt  oft  auch  in  der  Präpos.  in  oder  inter,  z.  B.  auf  dem  Ge- 
biet der  Poesie  =  in  poesi,  inter  poetas,  s.  Seyff.  Prog.  105,  1  und 
Pal.  S.  144. 

Canalis  bedeutet  nicht  einen  bedeckten,  unterirdischen  Kanal, 
welcher  aquae  ductus  heisst,  sondern  nur  eine  Wasserrinne  und 
Wasserröhre.  Ygl.  über  das  Geschlecht  des  Wortes  Appel  S.  110 
und  Koffmane  lex.  s.  v.,  sowie  Neue-Wagener^  I  S.  1000  und 
Heraus  Progr.  Offenbach  1899  S.  13;  es  ist  gewöhnlich  masc,  bei 
Cato  und  Yarro  auch  feminin. 

Candelaber  oder  candelahrus  sind  seltene  und  (meistens)  spät- 
gebrauchte Nebenformen  für  das  Kl.  candelahrum,  der  Leuchter; 
vgl.  Appel  S.  101  (erklärt  es  aus  dem  allmählichen  Yerschwinden 
des  Neutrums  in  der  lat.  Sprache)  und  Koffmane  lex.  s.  v. 

Candentia,  die  Weisse,  der  helle,  lueisse  Glanz,  nur  bei  Yitruv 
9,  2,  2  iÜY  candor ;  vgl.  Archiv  I  S.   127. 

Candidatorius,  den  Amtsbewerber  betreffend,  findet  sich  nur 
einmal  und  zwar  bei  Cicero  munus  candidatorium,  Cic.  Att.  1,  1,  2 
statt  des  Genit.  candidati  oder  candidatorum. 

Candor  oder  candor  animi  ist  P.  und  N.  Kl.,  z.  B.  Yell.  2, 
116,  5;  auch  Sp.  L.,  z.  B.  bei  Paneg.  Kl.  sagt  man  integritas, 
probitas ;  ebenso  ist  es  mit  candidus  wie:  candidissimus  omnium 
magnorum  ingeniorum  aestimator  T.  Livius,  Sen.  suas.  6,  22  und: 
habet  avunculum,  quo  nihil  verius,  nihil  simplicius,  nihil  candidius 
novi,  PHn.  ep.  2,  9,  4;  hier  haben  die  aug.  Dichter  wie  oft  auf 
die  N.  Kl.  Prosa  eingewirkt;   vgl.  Fritzsche   zu  Hör.  sat.   1,  5,  41. 

Canere.^  Ungebräuchlich  sind  das  Sup.  cantum  und  die  davon 
abgeleiteten  Formen  für  cantatum  oder  cantitatum,  nur  dass  Sp.  L. 
bei  Prise,  canturus  und  einmal  in  der  Yulgata  (Apocal.  8,  13)  und 
dann  wieder  bei  Hieronymus,  vgl.  Gölzer  Hieron.  S.  290,  caniturus 
vorkommt.  Seiner  Bedeutung  nach  ist  canere  von  grösserem  Umfang 
als  unser  singen;  —  es  drückt  aus:  einen  melodischen  Ton  von  sich 
gehen,  daher  steht  es  zunächst  oft  von  den  modulierten  Naturlauten 
der  Tiere  und  zwar  nicht  bloss  der  Singvögel,  sondern  auch  solcher, 
deren  Naturlaute  die  deutsche  Sprache  durch  spezielle  Bezeichnungen, 
wie   krähen,   heulen,   krächzen,  quacken    von  einander  scheidet,    wie 


Canere  —     255     —  Canere 

z.  B.  galliis  canit,  der  Hahn  kräht  und  so  auch  gallorum  gallina- 
ceorum  cantus  bei  Cic.  divin.  2,  56  und  57.  Das  Yerbum  canere 
und  concinere  wird  aber  auch  von  toten  Sachen^  von  musikalischen 
Blasinstrumenteyi  gebraucht,  von  welchen  wir  sagen,  dass  sie  ertönen, 
schmettern,  erschallen :  tibi  signa  concinuissent,  Liv.  30,  5,  2 ;  classicum 
apiid  eos  cecinit,  ib.  28,  27,  15  und  27,  47,  3  und  5  und  Sali.  Cat. 
59,  1 ;  und  so  auch  tiibae,  tuharum  cantus,  Liv.  25,  24,  5.  Ist  in 
den  angeführten  Stellen  canere  als  neutrales  Yerbum  gebraucht,  so 
erscheint  es  dagegen  in  andern  ganz  gleichartigen  Sätzen  als  Transi- 
tivum,  wie  classicum  aimd  eum  cayii  iiibet,  Caes.  civ.  3,  82,  1 ; 
simidatque  aliqui  motus  novus  hellicum  canere  coepit  =  anfängt  in 
die  Kriegstrompete  zu  stossen,  Cic.  Mur.  30  und  ubi  primum  hellicum 
cani  audisset,  Liv.  35,  18,  10;  nebeneinander  haben  wir  beide  Kon- 
struktionen bei  Sali.  Jug.  99,  1,  vgl.  meine  Anm.  —  Auf  Menschen 
bezogen  bedeutet  canere  und  cantus  nicht  bloss  Singen  und  Gesang 
im  eigentliche}!  Sinne  des  Wortes  (cantus  vocis,  vocum),  sondern  be- 
zeichnet auch  nach  seiner  Grundbedeutung  das  Spiel,  Spielen  von 
Saiten-  und  Blasinstrumenten,  wobei  aber  nicht  wie  im  Deutschen 
die  Flöte  u.  dgl.  blasen,  der  Accus.,  sondern  der  (instrumentale) 
Ablativ  tibiis,  fidibus,  voce  canere  gesetzt  wird.  Wiewohl  ferner 
der  Accus,  zum  Ausdruck  des  Objektes  richtig  ist,  wie  Carmen 
canere,  Cic.  de  or.  2,  352,  Curt.  5,  1,  22,  so  ist  doch  receptum 
canere  =  zum  Ritckzug  blasen  P.  L.  für  den  Dat.  receptui,  welcher 
in  Prosa  stehende  Redensart  ist.  Singen  (vom  Dichter  gesagt, 
z.  B.  Homer  singt)  ist  nicht  canere,  sondern  loqiii,  dicere,  versibus 
canere.  —  In  der  Bedeutung  verherrlichen  (ohne  Lied  und  Gesang) 
sagt  man  erst  nachklassisch  canere  aliqiiid,  z.  B.  Epicurus  in  quadam 
epistula  amicitiam  suam  et  Metrodori  grata  commemoratione  cecinerat, 
Sen.  epp.  79,  13,  wofür  Cicero  (nach  Plane.  95)  gesagt  haben 
würde  celebraverat,  da  canere  Kl.  nur  bedeutet  im  Liede  verherrlichen. 
Aber  auch  in  diesem  Sinne  ist  canere  all  quem  erst  N.  KL:  canitur 
adhuc  bay^baras  apud  gentes  (Arminius),  Tac.  ann.  2,  88  und  Her- 
cidem  primum  omnium  virorum  fortium  ituri  in  proelia  cayiimt, 
Germ.  2.  (Nur  in  der  allgemeinen  Bedeutung  preisen,  verherrlichen 
kommt  cayitare  aliquem  auch  einmal  in  klass.  Prosa  vor:  ut  scis, 
iam  pridem  istum  canto  Cäesarem  Cic.  Q.  fr.  2,  13,  1.)  Hingegen 
bei  Livius  heisst  unser:  jemanden  in  Lied,  Gesang  verherrlidien 
carmina  in  aliquem  canere,  4,  20,  2,  und  carmina  (in  epidis)  cantitare 
de  laudibus  alicuius  steht  bei  Cic.  Brut.  75,  oder  man  drückt  es 
durch  laudes,  virtutes  alicuius,  a.  rei  aus :  Nobilibus  pueris  ac  puellis 
carmine  modulato  laudes  virtutum  eius  canentibus,  Suet.  Calig.  16 
extr.  Qua  (musica)  laudes  fortium  canebantur,  Quintil.  1,  10,  31. 
Milites  suas  et  imperatoris  laudes  canentes  per  urbem  incedunt,  Liv. 
45,  38,  12.  Dei  laudes  canere  et  audire  iucundum  sit,  Lact.  6,  21,  9. 
Laudes  mortui  canere  hat  Yarro  1.  lat.  7,  70  und  deorum  laudes 
canere,  Yal.  Max.  1,  8,  ext.  8.  Selten  wird  in  diesem  Sinne  canere 
^e  aliqua  re  gewählt:  est  ifi  Originibus,  solitos  esse  in  epulis  canere 


Caniculus  —     256     —  Cantare 

convivas  ad  tibicinem  de  ckironnn  liominmn  vWtuiihus,  Cic.  Tusc.  1,3.  — 
Gut  wird  canere  ferner  gebraucht  für  unser  lueissagen,  vorhersagen : 
quae  tarn  midta  nobis  considihiis  facta  sunt,  ut  liaec,  qiiae  nunc  fiunt, 
canere  dii  immortales  viderentur,  Cic.  Catil.  3,  18  und:  non  enim 
Cicero  ea  soliim,  quae  vivo  se  acciderunt,  futura  inxiedixit,  sed  etiam 
quae  nunc  usu  veniunt,  cecinit  ut  vates,  Nep.  Att.  16,  4  und  Cic. 
Sest.  47.  Ebenso  bei  Tacitus:  i:)Ossessionem  verum  Immanarum 
Transal])ims  gentihus  portendi  suijerstitione  vana  Druidae  canehant, 
hist.  4,  54.  Landes,  liymnum,  carmen  Deo,  Domino  canere  ist 
Sprache  der  kirchlichen  Latinität,  aber  nicht  zu  verwerfen,  da  es 
seinen  Ursprung  bereits  in  den  Worten  des  Jüngern  PHn.  10,  96,  7 
hat:  Carmen  Christo  quasi  deo  dicere  und  auch  bei  den  Paneg.  vor- 
kommt, vgl.  Chruzander  S.  14. 

Caniculus,  das  Hündchen,  der  kleine  junge  Hund,  ist  N.  L. 
gebildet  nach  canicida,  aber  ohne  Autorität,  für  catellns,  catidus. 

Canitia,  die  graue  Farbe,  steht  nur  bei  Plin.  nat.  31,  91,  sowie 
in  der  Tulg.  (Amiat.)  Eccli.  25,  6,  vgl.  Neue-Wagener^  I  S.  568; 
üblicher  ist  bei  Plin.  canities,  Kl.  keines  von  beiden.  Ebenso  zu 
meiden  ist  das  A.  L.  canitudo,  sowie  canosus  =  grau,  was  Si).  L. 
bei  Cass.  Fei.  sich  findet,  vgl.  Rönsch,  Semas.  II  S.  5. 

Canon  =  Rirlitscheit  findet  sich  bei  Yitr.,  übertragen  =  Richt- 
schnur, Norm  hat  es  Plin.  nat.  34,  55;  im  kirchlichen  Sinne  =  der 
Cayion  ist  es  Sp.  L.  Wird  jemand  als  Kanon,  d.  h.  als  Muster,  Ideal 
in  irgend  einer  Kunst  oder  Wissenschaft  aufgeführt,  so  gibt  es  dafür 
Ausdrücke  wie  j)ae>?e  lex  orandi,  Quintil.  10,  1,  7,  oder  norma 
oratoris  et  regula,  PL  epp.  9,  26,  8.  Hunc  amplexantur  amatores 
istius  nominis  modum^  Quintil.  12,  10,  21. 

Canonicus,  a,  um  =  durch  die  geistliche,  kirchliche  Gewalt 
festgesetzt,  bestimmt,  ist  zwar  spätlat.,  doch  für  einzelne  Begrifi'e  so 
sehr  und  schon  so  lange  aufgenommener  t.  t.,  dass  derselbe  nicht 
mit  einem  andern  Worte  zu  vertauschen  ist,  wie  also  das  kirchliche 
Recht  durchaus  lat.  durch  ins  canonicum  gegeben  werden  muss; 
ebenso  sind  die  von  der  Kirchengewalt  als  echt  und  unverfälscht  in 
den  Kanon,  d.  h.  in  das  kirchUche  Yerzeichnis  der  hl.  Bücher 
aufgenommenen  Schriften  durchaus  lihri  canonici.  In  dem  Sinn 
von  gesetzmässig  kommt  canonicus  schon  bei  Yitr.  1,  1,8  canonicam 
rationem,  5,  3,  8,  im  kirchlichen  Sinne  schon  bei  S.  August,  de 
doctr.  Christ.  2,  8  und  c.  d.  18,  36,  bei  Hieronym.  ep.  112,  19  in 
lihris  canonicis  und  überhaupt  bei  eccl.  vor;  vgl.  Gölzer  Hieron. 
S.  218  und  207. 

Canor,  Gesang,  Ton,  findet  sich  ganz  selten  in  Prosa,  sonst  ist 
es  nur  F.  L.  für  cantus. 

Cantaber  ist  als  Adjekt.  F.  L.  für  Cantahricus ;  es  ist  nur  Subst., 
der  Cantahrer. 

Cantare.,  in  der  Bedeutung  ein  musikalisches  Instrument  sinelen, 
also  z.  B.  cantare  fidibus  für  cajiere  fidibus,  findet  sich  nicht  bei 
Cicero,  Caesar  und  Livius,  wohl  aber  bei  Nep.  praef.  1  und  Epam. 


Cantator  —     257     —  Capere 

2,  1 ;  sonst  ist  es  archaisch  und  archaistisch,  sowie  ^S^;.  L.,  ferner 
vereinzelt  in  aug.  Zeit  und  N.  Kl.  zu  treffen.  So  lesen  wir  ühiis 
cantare  Yuig.  Luc.  7,  32,  calamo  cantare  Sen.  de  benef.  4,  6,  5, 
striictis  avenis  cantare  Ov.  met.  1,  677,  lituo,  tiiba  cantare  Gell. 
20,  2,  2,  fidibus  cantare  Plaut.  Epid.  500.     Ygl.  auch  Canere. 

Cantator^  der  Sänger,  ist  selten  für  cantor  oder  psaltes,  und  als 
Fem.  psaltria;    z.  B.  Arion  caritator  fidibus  fait,    Gell.  16,   19,  2. 

Capax  und  capacitas  bedeuten  zunächst  örtlich  geräumig,  gross 
genug,  um  ettuas  zu  fassen,  örtliche  Oeräumigkeit,  z.  B.  capacitas 
vasorum,  Colum.  12,  43,  10,  ebenso  portus  capax,  Plin.  nat.  4,  26. 
Quod  nulla  in  Italia  moles  tam  capax  foret^  Tac.  hist.  2,  21.  Der 
übertragene  Gebrauch  von  geistigen  Fähigkeiten  findet  sich  im 
silbernen  Latein  seit  Yelleius;  denn  wie  capax  in  eigentlicher  Be- 
deutung da,  wo  der  Sinn  es  erfordert,  einen  Genit.  der  näheren 
Bestimmung  zu  sich  nimmt,  z.  B.  magnae  sedis  insula  Jiaud  capax 
est,  Gurt.  4,  8,  1,  so  auch  tropisch  zur  Bezeichnung  der  geistigen 
Fähigkeit  oder  Empfänglichkeit  für  etwas :  aetas  honorum  nondum 
capax,  Tac.  hist.  4,  42.  Solam  divi  Augusti  mentem  tantae  molis 
capacem  (fuisse)  =  der  Beherrschimg  des  kolossalen  Weltreiches 
gewachsen  gewesen  Tac.  aun.  1,  11.  Ferner  capacia  quidem  honae 
spei  pectora  =  die  für  gute  Hoffnungen  empfänglichen,  leicht  ge- 
öffneten Herzen,  Curt.  8,  13,  11.  Magyiorum  operum  non  alios 
capaces  putant  quam  quos,  Curt.  6,  5,  29  =  fähig  zu  grossen  Täte?!. 
Imperii  capax  =  fähig  zur  H.,  Tac.  hist.  1,  49.  Erat  tibi  malus 
ingenium  quam  fratribiis  tuis,  omnium  bonarum  artium  capacissimum, 
Sen.  controv.  2,  praef.  §  4.  Cuiusque  clari  operis  capacia  ingenia, 
Yell.  1,  16,  2.  Bonum  et  capax  recta  discendi  ingenium,  ib.  2,  29,  5 
und  2,  127,  3.  —  Yorbereitet  ist  dieser  Gebrauch  durch  Cic.  or.  104, 
wo  er  von  aures  avidae  et  capaces  spricht,  und  somit  hat  das  N.  Kl. 
lediglich  das  von  Cicero  Angebahnte  weiter  fortgebildet.  Übrigens 
sehen  wir  überall  hier  einen  Gen.  dabei;  ohne  einen  solchen  kennen 
wir  nur  Sen.  ep.  92,  30  capax  est  noster  animus.  Statt  des  Gen. 
steht  der  Inf.  bei  Tert.,  auch  schon  bei  Stat.  silv.  3,  1,  85,  vgl. 
Hoppe  Synt.  Tert.  S.  49  (wo  jedoch  operire  statt  aperire  zu  lesen 
ist).  —  Das  Subst.  capacitas  in  übertragenem  Sinne  steht  einmal 
bei  einem  Juristen,  capacitatem  naturae  humanae,  vgl.  Dirksen  s.  v. ; 
man  meide  es  und  brauche  dafür  vis  percipiendi,  ifidoles,  ingenium 
oder  ähnliches;  ein  fähiger  Kopf  aber  ist  docilis,  sollers,  promptus 
ad  discendum. 

Capella  ist  in  der  Bedeutung  kleiner  Tempel,  Bethaus  N.  L. 
für  aedicida,  sacellum. 

Caperare  frontem,  die  Stirn  runzeln,  in  Blinzeln  zusammen- 
ziehen, ist  archaisch  und  archaistisch  für  frontem  in  rugas  con- 
trahere  oder  colligere  rugas,  vultum  contrahef^e,  supercilium  addu- 
cere  u.  a. 

Capere,  fassen,  nehmen.  Mit  dem  Deutschen  übereinstimmend 
ist  capere  =  fassen,  Raum  genug  habest,  z.  B. :  portus  ingentem  vim 

Krebs-Sclimalz,  Antibarbarus  1,  17 


Capessere  —     258     —  Capessere 

navium  capit,  besonders  in  negativen  Sätzen :  nicht,  kaum  fassen,  zu 
klein  sein  für  etwas:  pons  fugientes  non  capiehai ;  auch  im  Pass., 
vgl.  Cic.  Phil.  2,  114  Uli  eani  gloriam  conseadi  sunt,  quae  vix  caelo 
capi  posse  videatiir.  Aber  intransitives  cajnt  =  Raum  finden,  möglich 
sein,  ist  Sp.  L.,  ebenso  capere  =  als  möglich  zidassen,  vgl.  Rönsch, 
Sem.  III  S.  11.  —  An  einem  Orte  (besonders  zu  Schiff)  ayilangen, 
ihn  erreichen  wird  im  Lateinischen  gern  durch  insidam,  locum,  portum 
capere  ausgedrückt;  vgl.  Caes.  Gall.  4,  26,  5;  4,  36,  4  und  5,  23,  4, 
so  auch  den  Anlauf  nehmen,  den  raschen  Entschlitss  zu  etwas  fassen, 
impetum  alicuius  rei  capere  nach  Suet.  Calig.  43  und  (ohne  Genit.) 
Liv.  2,  65,  5  und  8,  30,  6  =  den  Anlauf  zu  etwas  neJimen.  Gut 
ist  capere  auch  =  einnehmen,  fesseln,  so  bei  Nep.  Att.  4,  1  und 
im  schlimmen  Sinn  herücken,  üherlisten  =  dolo  alicuius  decipi, 
circumveniri ;  vgl.  Fabri  zu  Liv.  23,  35,  2.  Von  hinern  oder  äussern 
Empfindungen,  Zuständen  ist  capere  ebenfalls  gut,  wie  somnum  capere, 
capere  dolorem.  Man  sagt  capere  dolorem  (Schmerz  empfiyiden  üher 
etivas),  voluptatem,  fructum,  desiderium  u.  s.  w.  ex  cdiqua  re,  auch 
mit  dem  blossen  Ablat.,  s.  Cic.  fin.  2,  96,  oder  mit  dem  Genit. 
alicuius  rei  (nicht  ah  oder  de  cdiqiut  re),  wo  wir  nach  verschiedener 
Übersetzung  verschiedene  Präpositionen  wählen;  vgl.  Seyffert-MüUer 
z.  Lael.  S.  442  f.  (Über  den  Genitiv,  welcher  dann  gesetzt  wird, 
wenn  das,  woraus  etwas  genommen  wird,  an  oder  hei  der  Person 
selbst  ist,  vgl.  Fructus).  Dem  ähnlich  ist  documentum  capere  ex 
aliquo  (Cic.  Phil.  11,  5),  specimen  a.  rei  capere  ex  aliqua  re,  Cic. 
Tusc.  1,  32,  wofür  bei  Ter.  Andr.  651  exem])luni  capere  de  aliquo 
und  Ad.  416  exemplum  sumere  ex  cdiquo  vorkommt.  —  Wohl  N.  L. 
ist  pericidum  capere  alicuius  rei.,  einen  Versuch  mit  etivas  machen, 
für  peric.  facere.  N.  L.  ist  capere  alicui  lumen,  prospectum,  einem 
das  Licht,  die  Aussicht  nehmen,  für  lorospectum  alicuius  impedire, 
alicui  prospectum  adimere,  obstruere  alicuius  luminihus,  —  wie  denn 
überhaupt  capere  selten  einem  etwas  nehmen,  wegnehmen  bedeutet, 
was  auferre,  demere,  adimere  und  unter  Umständen  eripere,  surripere 
u.  a.  heisst.  —  Yon  der  Empfindung,  Stimmung  etc.,  die  sich  meiner 
bemächtigt,  sagt  man  lat.  regelmässig  ca^nt  aliquid  aliquem,  z.  B. 
ca2nt  aliquem  odium  alicuius,  Ter.  Hec.  580,  oder  satietas  hominum 
aliquem  capit,  ib.  Eun.  403,  te  cepisse  odium  regni  videbatur, 
Cic.  Phil.  2,  91,  nos  servitidis  oblivio  cepit,  ibid.  3,  4,  9,  animum 
eius  cura  sacrorum  cepit,  Liv.  27,  8,  6.  Die  umgekehrte  Redeweise: 
capit  aliquis  cdiquid  ist  zwar  nicht  ohne  Autorität,  aber  selten,  s. 
Plaut.  Amph.  472  dum  pater  scdietatem  capiet  illius,  Nep.  bei  Gell. 
6  (7),  18,  11  td  taedium  vitae  ceperint,  also  zu  vermeiden.  —  Die  von 
Raschig  bezweifelte  Bedeutung  etwas  geistig  erfassen,  verstehen  wird 
von  Freund,  Klotz  und  Georges  hinlänglich  beglaubigt.  N.  und 
B.  L.  ist  endlich  aliquid  in  se  capere,  etwas  auf  sich  (über  sich) 
nehmen,  für  aliquid  suscipere. 

Capessere.     Das  im  N.  L.  oft  vorkommende  capfessere  occasiDyiem, 
eine  Gelegenheit  ergreifen,  ist  ohne  Autorität  für  occasionem  arripere^ 


Capillus  —     259     —  Captivitas 

captare,  amplecti,  non  praetermittere,  im  A.  L.  bei  Plaut.  Pseud. 
1022  auch  capere  occas. 

Capillus.  Der  Plural  wurde  wegen  Yarro  (bei  Charis.  I,  104,  20) 
beanstandet;  er  ist  aber  sogar  klass.,  z.  B.  Cic.  Pis.  25  erant  Uli 
compti  capilliy  vgl.  Maas  im  Archiv  XII  S.  534  Anm. 

Capitalis  ist  in  tropischer  Bedeutung  ausgezeidmet,  in  seine^^ 
Art  hervorragend,  und  auf  Menschen  bezogen :  der  Haupt-,  Kapital- 
mann in  etiuas,  wie  denn  Philistus,  der  Hauptgeschichtschreiber 
Siziliens,  von  Cicero  (Q.  fr.  2,  13,  4)  capitalis  genannt  wird,  und 
ebenso  sagt  Ov.  (fast.  3,  839) :  capitale  vocamus  ingenium  sollers, 
und  iocus  capitalis  steht  bei  Trebell.  30  tyr.  10.  Man  kann  dies 
natürlich  nachgebrauchen,  wenn  von  der  Superlativen  Bedeutung  eines 
oder  mehrerer  Männer  die  Rede  ist.  Hingegen  kann  für  unser 
Hauptsache  keineswegs  res  capitalis  gesagt  werden,  denn  res  capitalis 
bezeichnet  bei  den  Alten  ein  Kapitalverbrechen,  bei  welchem  es  sich 
um  das  caput,  d.  h.  um  Leih  und  Leben  und  bürgerliche  Existenz 
handelt,  z.  B. :  qid  in  vinculis  essent  damnati  rei  capitalis,  Cic.  Cato 
42  und  das.  Meissner.  Daher  wird  capitalis  auch  mit  Substantiven 
wie  odiiim,  ira  (vgl.  Hör.  sat.  1,  7,  13),  oratio,  iniustitia,  animad- 
versio,  supplicium,  maleficium,  flagitium,  fr  aus,  crimen,  noxa,  poena 
verbunden  (vgl.  Seyff.-Müller  zu  Lael.  S.  15  f.),  und  capitalis  hostis 
oder  inimicus  ist  ebenso  =  Todfeind.  Also  kann  für  Hauptsache, 
Hauptpunkt  nur  caput  (bei  Plaut.  Merc.  609  cul  capita  rerum  per- 
veni!)^  quod  rem  oder  quod  maxime  rem  causamque  continet  gesagt 
werden.  Vgl.  Cic.  fam.  3,  7,  4,  Tusc.  4,  23,  Brut.  112  und  164, 
nat.  deor.  1.  2. 

Capitatio,  die  Kopfsteuer,  ist  Sp.  L.  bei  den  Juristen  u.  Amm. 
17,  3,  2  für  exactio  capitum,  Cic.  fam.  3,  8,  5,  oder  tributum  capitis 
bei  Ulpian  in  den  Dig. 

Capitidum  ist  in  der  Bedeutung  Köpfchen  nur  A.  L.  bei  den 
Komikern,  doch  nicht  verwerflich;  aber  in  der  Bedeutung  Kapitel, 
Teil,  Abschnitt  einer  Schrift  ist  es  Sp.  L.  für  caput,  pars,  locus. 
Ebenso  Sj).  L.  ist  capitidatus  =  verzeichnet,  kurz  angeführt,  z.  B. 
nomina  regum  capitulata,  vgl.  Rönsch  Semas.  II  S.  5,  Coli.  phil.  S.  122. 

Captatio,  mit  dem  Genitiv,  benevolentiae.  Streben  nach  Zuneigung, 
bezweifeln  einige,  weil  es  nicht  vorkommt;  es  wird  aber  hinlänglich 
geschützt  durch  die  Kl.  Ausdrücke  captare  voluntates  hominum, 
assensionem,  plausus,  favorem,  misericordiam  u.  a.  und  durch  captator 
aurae  popularis  (bei  Liv.  3,  33,  7).  Nachkl.  sagt  man  auch  captare 
aliqiiem,  s.  Lagergren  S.  131. 

Captivitas,  die  Gefangenschaft,  findet  sich  zuerst  N.  Kl.  bei 
Seneca,  nachher  auch  bei  Tacit.  Plin.  Paneg.  Flor,  und  andern, 
es  kann  ersetzt  werden  durch  captivum  esse,  servitus  und  condicio 
servitutis  (Cic.  Catil.  4,  16).  Dass  captivitas  dem  goldenen  Zeitalter 
nicht  angehöre,  darüber  ist  jetzt  kein  Zweifel  mehr.  S.  Lagergren 
S.  64.  Im  konkreten  Sinne  =  captivi  ist  es  *S^.  L.,  vgl.  Gölzer 
Hieron.  S.  395.    Über  captivus  in  Verbindung  mit  Sachsubstantiven, 


Captus  —     260     —  Caput 

z.  B.  ccqotiva  arma,  vgl.  Frese  S.  58 ;  bei  Cicero  ist  dies  nicht  zu 
finden ;  der  Gebrauch  scheint  dem  sermo  castrensis  anzugehören ; 
vgl.  Liv.  33,  23,  4  ca^ptiva  carpenta  =  erbeutete  Wagen. 

Castus  kommt  als  Subst.  in  der  bildlichen  Bedeutung  Einsicht, 
Fassungskraft  in  der  bessern  Sprache  bei  Terenz,  Cicero  und  Caesar 
nur  in  der  Redensart  iit  captus  est  mit  einem  Genitiv  Plur.  (ser- 
vorum,  liomiyimn,  Germanorum)  vor,  aber  nie,  ausser  im  Sp.  L., 
mit  Präpositionen  wie  siqora  und  pro  verbunden,  vgl.  Werth  S.  313, 
Chruzander  S.  14.  Verwerflich  sind  daher  pro  captu  piierorum, 
siqjra  captum  piierorum,  tiromim,  discipulorum,  ad  talis  aetatis 
captiim,  captiii  iiivenum  accommodatus,  wie  es  sich  im  N.  L.  findet. 
Mit  pro  verbunden  erscheint  captus  allerdings,  aber  in  einem  ganz 
anderen  Sinn  bei  Sen.  de  dem.  1,  19,  2 :  iracundissimae  ac  j;ro 
corporis  captu  piignacissimae  sunt  apes  =  im  Verhältnis,  zum 
Umfang  ihres  Körpers.,  für  ihre  Grösse;  dieser  Gebrauch  hat  sich 
im  Sp.  L.  sehr  erweitert  und  pro  captu  ist  geradezu  =  je  nach, 
gemäss y  entsprecheyid,  z.  B.  Amm.  25,  6,  5  pro  captu  locorum,  vgl. 
Liesenberg  I  S.  15.  Sich  zur  Fassungskraft  des  Schülers  herablassen 
ist  bei  Quintil.  1,  2,  27:  ad  intellectum  discentis  descendere;  schnelle 
Fassungskraft  =  celaitas  percipiendi,  ebendas.  1,  10,  34.  Von 
schneller  Auffassungskraft  cogitatu,  sensu  celer,  Yell.  2,  73,  1  u.  118,  2. 

Capida/ris  ist  ein  A.  L.,  nachher  ganz  ungebräuchliches  Wort 
von  dem,  der  dem  Tode  nahe  ist,  am  Rande  des  Grabes  steht;  vgl. 
Plaut.  Mil.  628  und  Lorenz  z.  St.  Nach  Hand  (Lehrb.  S.  124)  ist 
es  nicht  zu  verwerfen. 

Caput,  Kopf.  Über  dieses  Wort  haben  wir  eine  treffliche 
Untersuchung  von  Küspert  im  Progr.  Hof  1903,  die  leider  jedoch  nur 
das  ältere  Latein  (mit  Einschluss  des  Kl.)  umfasst;  sehr  zu  wünschen 
wäre,  dass  die  Untersuchung  auf  das  N.  Kl.  und  Sp.  L.  ausgedehnt 
würde.  Nur  in  der  Yolkssprache  brauchte  man  caput  in  bezug  auf 
Geist  und  Verstand,  wie  incolumi  capite  esse,  vernünftig  sein;  yion 
incolumi  capite  esse,  im  Kopfe  nicht  recht,  yiicht  gescheit  sein;  vgl. 
Hör.  sat.  2,  3,  132;  ebenso  es  geht  mir  etivas  durch  den  KopfVLov. 
sat.  2,  6,  34  salit  per  caput.  Jedoch  finden  wir  bei  Plaut,  u.  Ter. 
derartiges  noch  nicht,  hier  ist  der  metaphorische  Gebrauch  von 
caput  noch  wenig  entwickelt.  Kl.  wird  nicht  caput,  sondern  m- 
genium,  mens,  sanitas,  sanus  u.  a.  gebraucht;  z.  B.  er  hat  Kopf 
zum  Studieren,  ingenio  est  docili ;  er  ist  ganz  kopflos,  expers  consilii 
atqiie  ingenii;  ein  vergesslicher  Kopf,  immemor  ingenium  (Cic.  Brut. 
218)  u.  s.  w.  Unser  den  Kojyf  verlieren  in  der  Bedeutung  enthaiqytet 
werden  heisst  nicht  cajyut  perdere  oder  amittere,  capite  minui  oder 
plecti,  sondern  securi  percuti  oder  feriri,  Cic.  Verr.  1,  75,  Pis.  84; 
auch  capite  puniri,  capite  affici,  capitali  poena  affici;  letztere  Phrasen 
sind  indes  nicht  klass.,  vgl.  Noväk  Hist.  Aug.  Ö.  10.  Wo  Kopf  iüx 
Gedächtnis  steht,  heisst  es  memoria.  Sein  Haupt  erheben  als  Zeichen 
der  Hoffnung.,  der  wiederkehrenden  bessern  Stimmung  ist  auch  lat. 
caput  extollere,  z.  B. :    libertas  mcdis  oppressa  civilibus  extollere  iam 


Carbasus  —     261     —  Cardinalis 

Caput  .  .  .  debehai,  Cic.  Plane.  33.  Bei  Zahlenangaben  bedeutet 
Caput  das,  was  wir  Personen,  Köpfe,  Seelen  nennen,  z.  B.  capituyn 
Helvetiorum  milia  CCXIII,  Caes.  Gall.  1,  29,  2.  Gut  ist  es  auch 
in  der  Bedeutung  Haiiptpersoyi,  Hauptanstifter ,  z.  B.  Cic.  Flacc.  42 
capiit  est  omnium  Gyxiecorimi  concitandorum  Heraclides  ille  Tenmites; 
aber  capita  coniiirationis  ist  nirgends  im  A.  L.  und  nicht  im  Kl.  zu 
erweisen;  es  findet  sich  Liv.  10,  1,  3,  wie  auch  rei  piiblicae  capita 
(Caesar  &  Pompeius)  bei  Yell.  2,  52,  2.  Ebenso  beachte  man,  dass 
Caput  maleficü  u.  dgl.  die  Quelle,  der  Ausgangspunkt  des  Yerbrechens 
klass.  ist,  s.  Cic.  S.  Rose.  74;  ferner  ,^Herd,  Centrum,  Seele^^^  z.  B. 
Liv.  28,  42,  16  ubi  Hannihal  sit,  ihi  caput  arcemque  huius  belli  esse; 
vgl.  Friedersdorff  zu  Liv.  26,  7,  3  und  Landgraf  zu  Cic.  S.  Rose. 
S.  275.  Dabei  ist  die  Zusammenstellung  mit  arx  oder  fons  be- 
merkenswert. Caput  bedeutet  bekanntlich  auch  das  physische 
Leben;  daher  wie  wir  sagen  sei^i  Leben,  seinen  Kopf  für  das  Vater- 
layid  ivagen,  so  auch  der  IjdiiQmQx  caput  off  er  re  pro  patria,  Cic.  SuU.  84. 
Zu  super  caput  esse  bei  Tacit.  bist.  4,  69  bemerke  man,  dass  Cic. 
Sali.  Liv.  supra  caput  esse  gebrauchen,  um  die  Nähe  von  etwas  Ge- 
fährlichem oder  Lästigem  zu  bezeichnen^  z.  B.  Cic.  Q.  fr.  1,  2,  6 
ecce  supra  caput  homo  levis  ac  sordidus.  Sali.  Cat.  52,  24  dux 
hostium  cum  exercitu  supra  caput  est,  Liv.  42,  42,  so  dass  sup)er 
caput  e.  erst  nachklass.  ist;  vgl.  Fabri  zu  Sali.  Cat.  52,  24,  Küspert 
S.  45;  Augustin  sagt  Genes.  1,  124  dicimus  super  caput  esse  aliquid, 
cuius  maximam  curam  gerimus.  —  Caput  =  urbs  primaria,  nobilissima 
eines  Landes  =  der  Vorort,  nicht  =  unserm  Hauptstadt,  ist  klass., 
vgl.  Cic.  fam.  15,  4,  9  Eranam  autem,  quae  fuit  noyi  vici  instar, 
sed  urbis,  quod  erat  Amani  caput,  b.  Hisp.  3,  1  Corduba  eius  pro- 
vinciae  caput  esse  existimabatur ;  Nep.  Ep.  10,  4  Thebae  caput  totius 
Graeciae.  Es  scheint  jedoch,  dass  in  dieser  Bedeutung  nur  der 
Nomin.,  Acc.  undVoc.  von  cajnit  gefunden  werden.  —  Über  caput  est, 
besonders  in  den  eingeschobenen  Sätzen  id  quod  caput  est,  was  die 
Hauptsache  ist,  vgl.  Seyff. -Müller  z.  Lael.  S.  318.  Auf  caput  est 
folgt  ut,  ne,  auch  der  Inf.,  vgl.  Küspert  S.  34.  —  Man  merke  noch 
als  klass.  capita  conferre,  Cic.  Yerr.  2,  31  =  die  Köpfe  zusammen- 
stecken, dann  caput  =  Abschnitt,  Paragraph,  Kapitel,  z.  B.  Cic. 
Verr.  1 ,  111  caput  illud  edicti,  dann  capita  =  lyihaltsverzeichnis,  z.  B. 
Cic.  Brut.  164  quasi  capita  rerum,  ein  förmliches  Inhaltsverzeichnis. 

Carbasus,  gewöhnlich  Femin.,  bei  Val.  Max.  1,  1,  7  u.  Amm. 
14,  8^  14  Masc.  u.  mit  heteroklitischem  Phir.  carbasa,  ist  in  der 
Bedeutung  Segel  nur  P.  L.  für  velum,  vela;  ausführlich  behandelt 
von  Saalfeld  im  tens.  s.  v.,  wo  auch  die  Litteratur  nachzusehen  und 
Appel  S.  47  nachzutragen  ist;  vgl.  noch  Neue-Wagener^  I  S.  969 
und  809. 

Cardinalis,  sehr  selten  und  in  der  Bedeutung  vorzüglich  sehr 
Sp.  L.,  ist  ganz  zu  vermeiden  für  princeps,  primarius,  palmarius 
u.  a.  Als  Titel  der  höchsten  Ratgeber  und  Gehilfen  des  Papstes 
in  der  Verwaltung  der  Gesamtkirche  ist  es  ein  nicht  zu  vermeidendes 


Cardo  —     262     —  Carina 

N.  L.  Kunstwort  und  ebenso  in  der  Arithmetik  numeri  cardinales. 
Sp.  L.  sind  virtides  cardinales.     S.  Hier,  in  Marc.  1,  16 — 19. 

Cardo f  tropisch  der  Wendejntnkt^  der  Haiipfjninkt^  um  den  sich 
alles  dreht,  findet  sich  sprichwörtlich  in  der  Phrase  in  cardine  esse, 
vgl.  Servius  zu  Yerg.  Aen.  1,  672,  Isidor.  orig.  15,  7,  7,  doch 
nirgends  im  klass.  Latein;  selten  und  gleichfalls  unklassisch  ist  es 
in  andern  Verbindungen,  wie  z.  B.  in  quo  totius  doniinationis  summa 
quasi  qitodam  cardine  continetur,  Yal.  Max.  3,  3  ext.  5.  Cardo 
causae  findet  sich  bei  Quintil.  5,  12,  3  und:  ithi  litium  cardo  ver- 
tatiir,  ebendas.  12,  8,  2.  Uyiiim  eligamus,  in  quo  est  summum  ac 
jjrincipale,  in  quo  totius  sapientiae  cardo  versatur,  Lact.  inst.  3,  7,  6. 
Wie  cardo  zu  ersetzen  sei,  ist  zum  Teil  schon  unter  dem  A.  Caput 
angegeben  worden.  Ausserdem  aber  zeigt  Fabri  zu  Liv.  23,  29,  7, 
dass  bei  diesem  Autor  dafür  verti  aliqiia  re  oder  in  aliqua  re  sehr 
häufig  ist.     Ygl.  Archiv  V  S.  13. 

Care  emere  hat  Cic.  wohl  nur  domo  115  emit  dimidio  carius 
quam  aestimahatiir :  Yarro  sagt  auch  r.  r.  3,  5,  2  quae  veneunt 
care;  vgl.  Krumbiegel  S.  85,  Lucil.  668  Marx  quod  mihi  constat 
carius,  vgl.  noch  Aestimare. 

Garere  mit  Acc.  ist  eine  vulgäre,  gänzlich  zu  meidende  Kon- 
struktion, vgl.  meine  Synt.^  §  45  u.  §  73.  Carere  c.  Abi.  heisst 
zunächst  von  etiuas  frei  sein,  ettvas  nicht  haben,  ohne  etwas  sein,  sei 
es,  dass  das  Fehlende  etwas  Gutes  und  Wünschenswertes,  oder  etwas 
Böses  sei.  Daher  sind  Ausdrücke  wie  culpa,  dolore,  febri,  mcdo, 
morho  und  dgl.  mit  Unrecht  verdächtigt  worden.  S.  darüber  Cic. 
Tusc.  5,  4,  fin.  1,  38,  fam.  16,  15,  1,  acad.  1,  38.  Sodann  aber 
bedeutet  carere  auch  freiivillig  sich  von  einer  Person  oder  Sache 
fern  halten,  sich  ettvas  versagen,  ettvas  missen  oder  meiden  im 
Gegensatz  von  uti.  S.  Nep.  Epam.  3,  4,  Cic.  Mil.  18,  Yerr.  4,  41, 
Brut.  32,  Catil.  1,  17.  An  diesen  Sinn  des  Wortes  hat  sich  ein 
falscher  Gebrauch  angeschlossen,  sofern  carere,  facile  carere  aliqua 
re  neulat.  =  rion  opus  est,  es  ist  nicht  nottvendig,  gesagt  worden 
ist,  z.  B.:  caremus  facillime  coniectura  Mureti,  für  non  oder  nequa- 
quam  opus  est  c.  M.  Drittens  bedeutet  carere  auch  unfreiwillig 
etwas  Gutes  und  Wünschenswertes  nicht  haben,  es  enthehren  müssen 
oder  vermissen,  oft  mit  dem  Nebenbegrifif,  den  Mangel  einer  Sache 
bitter  empfinden,  im  Gegensatz  von  frui.  Nur  darf  das  Yermisste 
nicht  zu  den  unumgänglichen  Bedürfnissen  gehören,  denn  dieser 
Begriff  wird  durch  egeo  und  indigeo  ausgedrückt,  z.  B.  caret  oculis 
odiosa  caecitas,liberis  orbitas,  Cic.  Tusc.  1,  87  und:  quam  huic 
erat  miserum  carere  consuetudine  amicorum,  societate  victus,  sermone 
omnino  familiari,  ibid.  5,  63;  ferner:  nos  non  modo  provinciis  atque 
oris  Italiae  maritimis  ac  xoortubus  yiostris,  sed  etiam  Appia  iam  via 
carebamus,  Cic.  Pomp.  55;  vgl.  auch  Cic.  Tusc.  1,  88  und  Seyff.- 
Müller  z.  Lael.  S.  150. 

Carina  ist  in  der  Bedeutung  Schiff,  Fahrzeug,  Nachen  P.  L. 
für  navis,  navigium,  scapha. 


Carnifex  —     263     —  Cascus 

Carnifex  (caryiufex),  de?'  Henker^  ist  bei  unsern  Yerwünschungs- 
formen  zum  Henker  gehen  und  der  Henker  soll  ihn  holen!  nicht  an- 
wendbar; jenes  heisst  bei  den  Alten  ire  oder  abire  in  malam  criicem, 
in  malam  pestem  malumque  cruciatitm  Cic.  Phil.  13,  48,  —  dieses 
di  eum  perdiiint  f  quem  di  mortimm  (noch  im  Grabe)  perduintf  (Cic. 
Att.  15,  4,  3);  di  isti  (homini)  male  faciant!  (Cic.  fam.  5,  11,  3; 
ib.  11,  21,  1:  d/i  isti  Segidio  male  /*.);  —  auch  kurz  zum  Henker, 
m  malam  crucem!  Gut  aber  und  Idass.  ist  für  zum  Henker:  maliim 
als  Parenthese,  wird  jedoch  nur  hinter  interrogat.  Pronom.  u.  Adverb, 
in  Ausrufen  der  Entrüstung  gebraucht;  vgl.  C.  F.  W.  Müller  zu 
Cic.  off.  2,  53.  Martha  in  revue  de  philol.  III  S.  19  erklärt  malum 
mit  malum  melius  o  folie,  o  extravagance !  Ygl.  noch  Klussmann 
in  Z.  f.  Gymn.   1880  S.  324. 

Carpere  in  der  bildlichen  Bedeutung  gemessen,  verbunden  mit 
Subst.,  wie  gaudia,  voluptates,  soporem,  vitam,  und  ähnl.,  ist  nur 
P.  L.  für  frui,  capere,  perfundi  (aliqua  re).  Ebenso  sind  P.  L. 
carpere  viam,  campum,  iter,  mare  u.  a.;  nach  Keller  Etym.  S.  20 
hätten  sich  diese  Phrasen  im  Anschlüsse  an  das  keltische  Lehnwort 
carpentum  gebildet;  mir  unwahrscheinlich:  carpere  ist  =  ein  Stück 
nach  dem  andern  ivegnehmen,  iter  carpere  =  Schritt  für  Schritt 
geheyi.  In  Prosa  sage  man  iter  emetiri,  permetiri,  decurrere,  con- 
ficere.  Manche  sagen  nach  Horaz  wohl  gar  supremum  iter  carpere, 
für  mori.  —  Carpere  =  tadeln,  schimpfen  ist  klass.,  vgl.  Cic.  Balb. 
57,  Q.  fr.  2,  3,  2,  N.  Kl.  besonders  bei  Sueton,  vgl.  Freund  S.  29. 

Carptim  in  der  Bedeutung  kurz,  für  brevi,  ist  N.  L.  Falsch  ist: 
ea  de  re  carptim  (kurz)  dicam.  Offenbar  ist  dieser  Missbrauch  aus 
falscher  Auffassung  von  Sali.  Cat.  4,  2  und  einigen  von  Fabri  1.  1. 
zitierten  Pliniusstellen  hervorgegangen. 

Carthaginensis  ist  spätlat.  Form,  z.  B.  Fest.  5  W.,  für  Cartha- 
giniensis. 

Carus  kommt  nur  Ä.  L.  bei  Plautus  und  N.  Kl.  bei  Seneca 
substantivisch  vor,  bei  Plautus  cari  mei,  meine  Lieben,  für  mei  allein 
oder  homines  mihi  cari;  bei  Seneca  (cons.  ad  Marc.  7,  1):  ex  de- 
cessu  carissimorum.  Man  sage  aber  dennoch  nicht  mi  carissime,  tu 
meus  es  carissimus,  mein  Teuerster,  für  mihi  carissime,  tu  mihi  es 
carissimiis;  richtig  aber  ist  mi  carissime  frater.  —  Über  carum  habere 
siehe  s.  v.  Habere.  —  Carus  und  vilis  sind  Gegensätze  in  der 
Preisbezeichnung:  vinum  carum  und  vinum  vile,  vgl.  Piso  bei  Gell. 
11,  14,  2;  auch  Cicero  spricht  von  der  annona  carior  und  carissima 
dom.  14  u.  divin.  2,  59.  —  Carus  kann  auch  =  zu  teuer  sein, 
vgl.  Cato  bei  Sen.  ep.  94,  27  quod  opus  non  est,  asse  carum  est, 
vgl.  Wölfflin  Arch.  IX,  103;  vgl.  oben  s.  v.   Care. 

Cascus,  alt,  ist  ein  A.  L.  Wort  der  frühesten  Zeiten,  wofür 
nachher  priscus  gebräuchlich  wurde.  Vgl.  Cic.  Tusc.  1,  27 :  illud 
insitum  erat  priscis  illis,  quos  cascos  appellat  Ennius  (ann.  12  L.  M.). 
Kl.  ist  es  so  veraltet,  dass  man  beim  Gebrauch  eine  Entschuldigung 
zusetzen  muss,    wenn  nicht  gerade    von  der   uralten  Zeit  die  Rede 


Cassis  —     264     —  Castrum 

ist,  wo  indes  immer  priscus  oder  idtimiis  verständlicher  bleibt.  Daher 
sagt  man  weniger  gut  von  Apulejus :  e  casca  vetiistate  suam  ora- 
tionem  confiavii,  wo  entweder  prisca  oder  ultima  zu  setzen  gewesen 
wäre.  —  Lächerlich  aber  wäre  es,  unsere  alten  Schriftsteller  cascos 
zu  nennen,  deren  bessere  nicht  einmal  j^'f^isci  zu  nennen  sind,  sondern 
veter  es  oder  antiqid. 

Cassis,  Plur.  casses,  ist  in  der  Bedeutung  das  Netz  P.  L.  für 
rete,  aber  in  der  Bedeut.  der  metallene  Helm,  Plural  cassides,  Kl. 
bei  Caesar  (Gall.  7,  45,  2). 

Cassus,  in  der  Bedeutung  ohne  Inhalt,  hohl,  leer,  unnütz,  für 
vanus,  inanis,  inutilis,  ist  in  eigentlicher  und  bildlicher  Bedeutung 
sehr  selten,  s.  Cic.  Tusc.  5,  119  u.  Plin.  nat.  18,  161,  PL  epp.  8, 
23,  6;  Tac.  bist.  3,  55.  Doch  m  cassum  oder  als  ein  Wort  in- 
cassum  =  ins  eitle,  leere  hinein,  umsonst  findet  sich  schon  bei 
Plaut.  Poen.  360  omnia  in  cassum  cadunt,  dann  bei  Lucrez,  nicht 
bei  Cic,  Caes.,  aber  bei  Liv.  2,  49,  8,  (vgl.  M.  Müller  z.  St.),  10, 
29,  2,  (Riemann  etudes  S.  98),  vorher  schon  bei  Sallust  bist.  3,  48, 
UM.  quae  in  cassum  agehantur,  dann  im  silb.  Latein,  aber  nicht 
bei  Quint. ;  auch  Tac.  hat  es  nur  ann.  1,  4,  während  er  wie  Liv. 
sonst  in  inritum  (Liv.  ad  inritum)  sagt.  Das  Nähere  siehe  in  der 
eingehenden  Darlegung  von  Wölfflin  Archiv  II  S.  14  ff.,  sowie  bei 
Stöcklein  S.  16.  Man  vermeide  es  durchaus,  ebenso  auch  cassus 
herauht,  enthelirend,  was  P.  L.  ist. 

Castigare  heisst  in  der  bessern  Prosa  nie  (geivaltsam)  züchtigen, 
ausser  wo  verberihus  oder  etwas  Ähnliches  dabei  steht,  (so  Liv.  26, 
27,  8,  39,  1,  5  baculo,  Curt.  8,  6,  5  clade  c.  Plin.  nat.  8,  6, 
Front.  Strateg.  1,  1,  3,  exuviis  huhidis  c.  PI.  Most.  882),  sondern 
nur  zur eclitic eisen,  in  Schranken  halten,  meistens  mit  Worten;  ebenso 
castigatio.  Beide  werden  erst  Sp.  L.  von  Schlägen  gebraucht.  Noch 
weniger  kann  es  in  guter  Prosa  für  emendare  oder  vom  Verbessern 
fehlerhafter  Stellen  der  Alten  gebraucht  werden,  denn  carmen  castigare 
findet  sich  nur  Hör.  ars  294,  u.  multis  locis  castigatus,  was  auf 
Büchertiteln  zu  finden  ist,  war  bei  den  Alten  unerhört. 

Castrametatio  oder  castrimetatio,  die  Lagerabsteckung,  u.  ebenso 
castrametator  oder  castrimetator,  der,  luelcher  das  Lager  absteckt, 
sind  neue,  unlateinisch  zusammengesetzte  Wörter,  die  sich  aus  dem 
falschen  Titel  eines  Buches  des  Hyginus  in  Lipsius  Buche  de  militia 
Romana  und  von  da  in  den  Rosinus  und  andere  Bücher  der  Art, 
sogar  in  Reiz,  Antiquitäten  eingeschlichen  haben,  für  castroriim 
metatio,  castrorum  metator.  Ygl.  Heusing.  Emendatt.  S.  330.  So 
meinte  Krebs-Allgayer.  Meiner  Ansicht  nach  hat  man  castrametatio 
von  dem  nicht  abzuweisenden  castrametari  in  regelrechter  Analogie 
gebildet ;  für  das  Yorkommen  von  castrametor  im  Sp.  L.  hat  Paucker 
die  nötigen  Belege  gesammelt,  vgl.  Oros.  S.  31  u.  Gölzer  Hieron. 
S.   190  f. 

Castrum,  das  Schloss,  ist  gleich  dem  häufiger  vorkommenden 
castellum,  und  sein  Plural  ist   nicht  zu  verwechseln  mit  dem  Plural 


Casualis  —     265     —  Catena 

castra  in  der  Bedeutung  das  Lager,  indem  ztvei  Schlösser,  duo  castra, 
aber  zivei  Lager,  hina  castra  heisst. 

Casualis  ist  in  der  Bedeutung  zufällig,  S2).  L.  für  fortuitus,  in 
casii  positiis,  und  ebenso  casiutUter  für  fortuito,  casu,  temere.  Kl. 
aber  ist  casualis  als  grammatisches  Kunstwort  in  der  Bedeutung  den 
Kasus  betreffend;  so  haben  es  wenigstens  Yarro  1.  lat.  und  Gramm, 
gebraucht. 

Casus  entspricht  häufig  unserm  Worte  Fall,  werde  aber  vor- 
sichtig gebraucht,  zumal  wenn  nur  der  Begriff  Umstand  und  Ver- 
anlassiing  darin  liegt,  nicht  Zufall  oder  Lreignis,  z.  B.  wichtige 
Fälle,  magnae  res  (Cic.  Lael.  75);  in  diesem  Falle,  in  isto  genere, 
(Cic.  fam.  3,  7,  4),  cum  talis  res  incidit,  Gels,  praef.  S.  9.  Aus- 
genommen den  Fall  vo7i  etiuas  =  excepta  causa  alicuius  m_,  s. 
Vulg.  Matth.  5,  32;  in   beiden  Fällen,   in   iitraque   re  (Cic.  Att.  8, 

3,  5);  in  dergleichen  Fallen,  in  huiusmodi  causis  (Cic.  off.  3,  51); 
es  treten  Fälle  ehi,  incidunt  caiisae  (ib.);  in  andern  Fällen,  aliis  in 
locis  (Cic.  Cluent.  5)  —  und  so  ausser  res,  causa,  genus,  auch 
tempora  {Oia.  off.  1,  31)  und  andere  Ausdrücke,  z.  B.  quod  si  est, 
quae  si  ita  sunt,  quod  si  acciderit,  quod  ni  ita  est  =  im  andern 
Falle,  und  nötigen  Falles  =  si  res  postidat,  Cic.  S.  Rose.  37;  vgl. 
Landgraf  zu  St.,  der  auch  Sali.  Jug.  12,  3  uhi  res  postularet  zitiert; 
in  jedem  Falle  quidquid  id  est,  certe  u.  ä.  Was  casus  =  Fall  oder 
Ereignis  betrifft,  so  sind  wie  im  Deutschen,  so  auch  im  Lateinischen 
Ausdrücke  wie  in  huiusmodi,  tali,  simili  casu  u.  dgl.  ganz  gewöhn- 
lich, werden  aber  in  mustergültiger  Prosa  nur  in  malam  partem 
von  kritischen,  gefahrvollen,  widerwärtigen  und  unglücklichen  Er- 
eignissen gebraucht,  z.  B.  res  minirne  in  huiusmodi  casu  (Erdbeben) 
noxia,  Sen.  n.  q.  6,  21,  2,  consol.  ad  Marc.  5,  3.  Quod  consilium 
etsi  in  eiusmodi  casu  reprehendendum  non  est,  tamen  incommode  ac- 
cidit  =  obgleich  ein  solcher  Entschluss  in  einer  so  kritischen  Lage 
nicht  zu  tadeln  ist,  so,  Caes.  Gall.  5,  33,  4.     Vgl.  ausserdem  Gurt. 

4,  3,  18  u.  10,  5,  8,  Quintil.  6,  2,  34,  Tac.  ann.  2,  47,  Liv.  24,  2, 
11  u.  38,  8,  5;  Tegge  S.  326.  Daher  auch  in  tali  casu  u.  dgl. 
oft  bei  Gels,  von  Krankheitsfällen.  In  der  Grammatik  ist  casus  ein 
Kl.  Kunstwort,  sogar  für  die  einzelnen  Formen  und  Endungen  der 
Konjugation.     Ygl.  Reisig-Haase-Hagen  S.  315. 

Catalogus,  ein  Verzeichnis,  eiyie  Aufzählung,  ist  S]).  L.  für 
index,  enumeratio;  vgl.  Gölzer  Hieron.  S.  207. 

Catastropha  und  catastrophe  sind  erst  *S^.  L.  im  Gebrauche, 
aber  höchst  selten.  Wie  wir  es  brauchen,  ist  es  meistens  casus, 
wie  casus  Cremonae  bei  Tac.  bist.  3,  53  euphemistisch  steht  für 
excidium  oder  casus  adversus,  commutatio  oder  coywersio  rerum, 
vicissitudo  fortuna  u.  a. 

Catejia,  die  Kette.  Dieses  Substantiv  kommt  allerdings  am 
häufigsten  in  dem  Numerus  plural.  vor,  weil  dabei,  wie  bei  unserm 
Deutschen  Ketten  und  Bande,  in  der  Regel  an  eine  Mehrheit  fesseln- 
der  Instrumente    gedacht    ist,    daher    in    catenas    conicere,    catenas 


Catenare  —     266     —  Causa 

aliciii  micere,  catenis  vincire  oder  constringere,  in  Keifen  einen  durch 
eine  Stadt  führen  =  in  catenis  aliquem  per  urbem  ducere,  Liv.  45, 
40,  6.  Daher  gilt  catenae  bei  Caes.  Gall.  1,  53.  5  wie  ein  Plurale 
tantiim :  trinis  catenis  vinctus,  wenigstens  als  ein  Wort  von  kollek- 
tiver Bedeutung:  mit  drei  oder  mit  dreifachen  Ketten  geschlossen, 
gefesselt,  vgl.  Held  zu  d.  St. ;  wie  mir  scheint,  ist  catenae  bei  Cic, 
Caes.,  Sali,  in  den  kl.  Schriften  ein  Plurale  tantum.  —  Indes  ist  diese 
Yorstellungsweise  für  die  alren  Römer  ebenso  wenig  wie  für  uns 
die  einzige  und  ausschliessliche,  oder:  catena  ist  auch  im  Sing,  wohl 
beglaubigt  und  deswegen  gut  nachzugebrauchen.  Ganz  richtig  sagt 
Ammiau.  Marc,  von  den  Bewohnern  einer  Seestadt,  sie  hätten  den 
Eingang  des  Hafens  per  catenam  ferream  valde  rohustam  gesperrt, 
26,  8,  8.  Tyrii  aurea  catena  devinxere  siniidacrum,  Curt.  4,  3,  22 
u.  7,  5,  36.  In  senatum  inducti  sunt  catena  vinctus  pater,  prciepa- 
ratus  adolescens  mültis  munditiis,  Tac.  ann.  4,  28  u.  6,  14.  luvenem 
demissum  e  caelo  catena  aurea,  Suet.  Octav.  94,  Sen.  epp.  9,  8,  Plin. 
nat.  34,  150,  Petr.  sat.  29  u.  64,  Liv.  24,  34,  10.  Und  wie  im 
eigentlichen,  so  lässt  sich  catena  auch  im  tropischen  Sinn  singularisch 
gebrauchen,  vorbereitet  durch  Sali.  bist.  1,  144  M.  nexuit  catenae  modo, 
z.  B.:  qui  ad  superiora  progressus  est  et  se  altius  extulit,  laxam 
catenam  trahit  nondum  über,  iam  tarnen  pro  libero,  Sen.  de  v.  beata 
16,  3.  Omnes  cum  fortuna  copulati  sumus,  aliorum  aurea  catena 
est,  cdiorum  laxa,  aliorum  arta  et  sordida,  ibid.  de  tranq.  a.  10,  3. 
Respondit  Tlioas,  non  ad  oppugnandos,  sed  ad  liherandos  ab  Romanis 
venire  sese:  splendidiore  nunc  eos  catena,  sed  multo  graviore  vinctos 
esse,  quam  cum  praesidium  Macedonum  in  arce  hahuissent,  Liv.  35, 
38,  10.  D.  L.  aber  wäre  catena  mcdorum  =  eine  Kette  von  ün- 
glüclxsfällen  für  series  malorum. 

Catenare,  verketten,  verbinden,  in  Ketten  legen,  ist  nicht  nur 
Sp.  L.,  sondern  auch  schon  bei  Colum.  6,  19,  2;  häufiger  war  cate- 
natus  als  Partiz.  X.  Kl.  üblich,  und  schon  vorher  brauchte  es 
Horaz  (aber  nicht  Cael.  bei  Cic.  fam.  8,  15,  wo  der  Med.  freilich 
ipsa  caclenatus  liest,  woraus  mit  Recht  psecade  (psacade  Mend.  Müll.j 
natus  hergestellt  ist,  vgl.  Süpfle-Böckel  z.  St.). 

Catilinarius  ist  kein  klass.  Wort,  es  findet  sich  erst  Sp.  L., 
vgl.  Wölfflin  im  Archiv  I  S.  277 — 279.  Man  sage  coniuratio  oder 
bellum  Catilinac.  Nach  Meister  Berl.  Phil.  Woch.  1904  S.  93  ist 
jedoch  bei  Quint.  3,  8,  9  Catilinario  nicht  erst  von  Aldus  aufge- 
nommen, sondern  findet  sich  schon  in  späten  Hss. 

Caupona  bedeutet  Kl.  nur  das  Wirtshaus,  die  Sclienhe,  nicht 
die  Wirtin,  wie  es  einmal  .4.  L.  und  Sp.  L.  wieder  vorkommt, 
für  copa  oder  cupa;  nicht  gut  lat.  ist  also  caupona  ista  assem  lucrata 
fuerat,  für  copa  ista  — ,  obwohl  Lucil.  nach  Priscian  H  S.  209,  6  K. 
caupona  Sgra  sagte;  vgl.  Marx  zu  Lucil.  128. 

Causa.  Der  Unterschied  von  causa  mit  Gen.  und  propier  mit 
Acc.  ergibt  sich  aus  Yarro  r.  r.  1,  19  non  modo  qui  prata  liabent, 
ut  poiius  oves  quam  sues  habeant  curant,   sed  etiam  qui   non  solum 


Causa  —     267     —  Causa 

pratorum  causa  hahent,  propte^^  sterciis  und  Cic.  inv.  2,  75  iit 
propter  salutem  militum  ea  qiiae  saluiis  causa  comparata  sunt 
hostibus  tradantiir.  Ygl.  Wölfflin  im  Archiv  l  S.  171,  Tegge  S.  330. 
In  den  Redensarten  meinet-^  deinet-,  seinettvegen  u.  s.  w.  sagen  die 
Lateiner  durchaus  mea,  tiia,  sua  causa.  An  allen  Stellen,  in  welchen 
man  mitunter  mei  etc.  causa  lesen  wollte  oder  gelesen  hat,  ist  jetzt 
mea,  tua  etc.  hergestellt,  so  dass  wohl  vor  TertuUian  niemand  mei 
causa  geschrieben  hat;  vgl.  Wölfflin  Archiv  I,  172  f.,  Seyffert-Müll. 
zu  Lael.  S.  378,  Kalb  Roms  Juristen  S.  72,  meine  Syntax^  §  84 
Anm.,  Lebreton  Ciceron  S.  98,  Hoppe  Tert.  S.  18,  Landgraf  zu 
Reisig-Haase  N.  540.  Selten  ist  die  Voranstellung  von  causa,  z.  B. 
Cic.  Lael.  57  causa  amicorum,  Liv.  31,  12,  4  causa  expiandae  violationis, 
vgl.  Mg.-Müller«  S.  653,  Kunze  Sali.  III,  2,  60,  Kühnast  S.  85, 
Rönsch  Coli.  phil.  S.  57,  Ital.  S.  418.  —  Wo  wir  sagen  die  Ursache, 
wesivegen  oder  um  derentivillen,  sagt  man  Kl.  meistens  causa,  cur 
oder  causa,  quare;  dagegen  Ä.  L.  bei  den  Komikern  u.  klass.  bei 
Cic.  fin.  4,  44  causa,  quamohrem,  vgl.  Spengel  zu  Ter.  Andr.  382, 
und  N.  Kl.  causa,  propter  quam,  so  öfters  Sen.  phil.,  vgl.  Reissinger 
1900  S.  63.  Ferner  heisst  unser  meinetivegen  in  der  Bedeutung 
ich  erlaube  es,  habe  nichts  daiuider,  nicht  mea  causa,  sondern  per  me, 
sowie  man  in  Redensarten,  wie:  des  Wetters  ivegen  konnte  ich  nicht 
kommen,  nicht  sagt  tempestatis  causa,  sondern  meist  per  tempestatem, 
weniger  propter  tempestatem,  weil  in  per  teils  ein  Zugeständnis,  teils 
in  verneinenden  Sätzen  ein  Hindernis  liegt.  —  Yerworfen  wird  die 
Konjunkt.  ut  nach  causa  est,  haec  est  causa,  quid  causae  est,  wo 
für  ut  vielmehr  cur,  quare  oder  quamobrem  folgen  müsse.  Auch 
Reisig  war  der  Ansicht  (Vorles.  S.  449) ;  aber  Haase  widerlegt  diese 
Bemerkung,  indem  er  eine  Anzahl  Beispiele  dagegen  aufführt,  in 
denen  ut  auf  causa  folgt,  wodurch  entweder  die  Absicht,  welche 
man  hat,  oder  das  aus  ihr  hervorgehende  Ereignis  angezeigt  werden 
solle;  vgl.  Cic.  rep.  2,  59;  Liv.  5,  55,  5.   Ygl.  Kühnast  S.  231  und  Dahl 

5.  239,  der  auch  einen  Unterschied  macht  zwischen  Sätzen  wie  Livius 

6,  31,  7  und  5,  55,  5.  Ganz  gut  ist:  aliquis,  aliquid  causa  est  alicuius 
rei,  z.  B.  Cic.  Phil.  9,  7:  qui  causa  mortis  fuit,  Quintil.  7,  3,  18  u.  7,  4, 
42,  Liv.  21,  21,  1.  Auch  im  Plural  Liv.  l,  13,  3:  Nos  causa  belli  su- 
mus,  Sen.  de  ira  2,  27,  3,  Quintil.  7,  3,  32.  —  Unklassisch  ist  in  causa 
est;  die  einzige  Stelle,  welche  man  aus  Cic.  beibringt,  ad  fam.  1,  1,  1 
in  causa  haec  sunt  wird  von  SeyfF.-MüUer  zu  Lael.  S.  37  erklärt 
=  in  hac  re  atque  negotio  haec  insunt.  Die  Phrase  in  causa  est 
scheint  mit  Livius  aufzukommen  und  erhält  sich  dann  im  silb.  La- 
tein; vgl.  Liv.  40,  26,  5:  vim  morbi  in  causa  fuisse,  quo  serius 
perficeretur  (census).  Dies  findet  sich  auch  bei  Quintil. :  verecundiam 
multis  in  causa  fuisse,  ut  .  .  12,  5,  2,  und  so  auch  bei  Plin.  nat. 
9,  94  u.  Plin.  ep.  6,  10,  3:  nee  difflcultas  operis  in  causa,  und  7, 
5,  1,  vgl.  Nieländer  1893  S.  5  Anm.  1,  wo  sich  noch  andere  N.  Kl. 
Phrasen  mit  causa  finden.  Umgekehrt  kann  man  auch  sagen  :  ali- 
cuius rei  causa  in  aliquo  est,  z.  B.  tarditatis  causa  in   senatu  fuit, 


Causari  —     268     —  Cavere 

Livius  4,  58,  4.  N.  L.  aber  ist  wohl  causam  dare  alicui  rei  oSer 
ad  aliqidd,  Veranlassung  zu  etwas  gehen,  für  alicuius  rei,  z.  B. 
hoc  dedit  causam  harum  litte^^arum,  zu  diesem  Briefe,  Cic.  fam. 
11,  27,  8.  Doch  hat  causam  dare  ad  aliquid  wenigstens  poetische 
Autorität.  S.  Verg.  Georg.  2,  455.  —  Aus  diesem  Grunde  ist 
klassisch  hac  de  causa,  z.  B.  Cic.  Rose.  com.  31,  Caes.  civ.  1, 
82,  5  (öfters  im  Plural  Jiis  de  causis)^  wie  überhaupt  de  vor  ex 
klass.  in  Yerbindung  mit  causa  bevorzugt  wird;  während  aber  hac 
ex  causa  klassisch  selten  zur  Angabe  der  Umstände,  der  Veranlassung, 
aus  welcher  etwas  entstanden,  hervorgegangen  ist,  wie  bei  Cic.  rep. 
2,  13  und  Mur.  36,  gebraucht  wird,  ist  dies  nachklass.  bei  Quintil. 
Sen.  und  dem  Jüngern  PL  gewöhnlich  ;  vgl.  Cic.  Flacc.  9  variis  de 
causis  mit  Quint.  1,  4,  25  ex  variis  causis  und  Kalb  in  Wölfflins 
Archiv  I,  87.  Bezüglich  der  Stellung  der  Präposition  merke  man, 
dass  midtis  de  causis  ausschliesslich  gesagt  wird  —  nur  Sali.  Cat. 
37,  4  steht  de  midtis  causis,  und  im  übrigen  wurde  die  Zwischen- 
stellung der  einsilbigen  Kausalpräposition  wenigstens  bevorzugt;  viele 
Beispiele  hat  Kunze  Sali.  III,  2,  S.  12  ff.  Qua,  ea  causa  endlich 
=  qua  de  causa  oder  ea  de  causa  (Cic.  Att.  14,  18,  1)  findet  sich 
zuerst  bei  Plaut.,  dann  bei  Sali,  und  nachklass.  auch  beim  jungem 
Plin.  S.  Döring  zu  PI.  10,  64,  2  u.  Dietsch  zu  Sali.  Cat.  52,  7, 
sowie  Kunze  Sali.  III,  2,  S.  43.  —  Hierüber,  sowie  über  ob  eam  causam, 
oh  eas  causas  (letzteres  vulgär)  vgl.  Wölfflin  im  Archiv  I  S.  164  ff., 
Reissinger  in  den  Progr.  von  Landau  1897  u.  Speyer  1900  u.  unten 
s.  V.   Oh,  Kunze  Sali.  III,  2,  12  ff. 

Causari,  etivas  als  Grund  vorschützen,  vorgehen,  verbunden  mit 
dem  Accus,  alicßiid  causari  oder  mit  dem  Accus,  c.  Infinit,  findet 
sich  in  Prosa  zuerst  bei  Livius  3,  64,  2;  23,  8,  7  u.  36,  10,  13; 
dann  bei  Tac,  Suet.  und  Curtius.  Selten  (bei  Suet.  u.  Ict.)  ist  die 
"Verbindung  mit  quod.  In  der  Bedeutung  ,^sich  beschweren''^  oder 
=  crimini  dare,  reprehendere  ist  es  Sp.  L. ;  vgl.  Gölzer  Hieron. 
S.  267,  Paucker  Hier.  S.  12,  Oros.  S.  8,  Bergmüller  Jord.  S.  16 
und  Paulin.  Petric.   1,  156. 

Causidicus,  der  Advokat^  der  Bechtsamvalt,  ist  zwar  klassisch 
bei  Cic.  de  or.  1,  102,  aber  mit  dem  verächtlichen  Nebenbegriff  des 
gewerbsmässig  und  ohne  oratorische  Kunst  Plaidierenden  für  das 
edlere  causae  patromts,  für  welchen  causidicus  erst  N.  Kl.  gebraucht 
wird. 

Cautela,  die  Vorsicht,  ist  Sp.  L.  für  cautio,  Providentia.,  pro- 
visio  oder  umschrieben  mit  cavere. 

Cautio  ist  Kl.  wohl  eine  Schiddverschreibung ,  eine  Ohligation, 
aber  nicht,  was  wir  so  nennen,  zur  Sicherheit  niedergelegtes  Geld; 
dieses  heisst  satisdatio ;  Kaution  stellen,  satisdare,  fidem,  satisdatiofiem 
praestare,  sponsionem  facere,  cavere  de  aliqua  re,  und  Kaution  er- 
halten, satis  accipere. 

Cavere.  Cavere  se  ah  aliquo,  ah  aliqua  re  ist  sicherlich  unlat.; 
aber  cavere  sihi  ah  aliquo  findet  sich  schon  bei  Plaut.  Pseud.  897: 


Cavillari  —     269     —  Cedere 

Pater  Calidori  opere  edixit  maxwno,  ut  mihi  cavereni  a  Pseudolo 
servo  suo;  ebenso  Pseud.  1227  u.  Gas.  682  und  dann  wieder  8p. 
L.  bei  Apul.  met.  2,  5  und  de  mag.  87,  extr.,  sowie  Tert.  Scorp.  2, 
vgl.  Hoppe  Synt.  Tert.  S.  27.  Auch  Livius  hat  diese  Konstruktion : 
orant  ac  monent,  ut  ipsis  ah  invidia  caveatur  ==  sie  baten,  dass  sie 
gegen  den  Hass,  die  Anfeindung  geschützt  würden,  Liv.  3,  52,  11 
u.  (Valerius  Horatiusque)  decemviris  quoqiie  ab  ira  et  impetii  multi- 
tudinis  praecavere  iubentur,  ib.  53,  1.  Klassisch  und  mit  vielen 
Beispielen  aus  Cic.  zu  belegen  ist  cavere  ab  aliquo  u.  cavere  aliquem. 
A.  L.  u.  P.  steht  es  mit  dem  Infin.,  wofür  man  ne  mit  dem  Kon- 
junktiv, z.  B.  nicht  sapiens  cavet  stulte  agere,  sondern  ne  agat  und 
beim  Imperativ  cave,  cavete  mit  und  ohne  ne,  z.  B.  cave  |;ifcfe^  oder 
ne  piites  brauche.  In  Prosa  treffen  wir  die  vulgäre  und  nicht  nach- 
zuahmende Konstruktion  mit  dem  Infinitiv  nur  Sali.  Jug.  64,  2 ;  bei 
Cic.  Att.  3,  17,  3  liest  man  jetzt  cave  vereare  (statt  vereri)^  vgl.  C. 
F.  W.  Müller  z.  St.  —  Das  Adjektiv  cautiis^  vorsichtig,  wird  ver- 
bunden in  aliqiia  re,  bei  etwas,  z.  B.  Cic.  Q.  fr.  3,  9,  3  cautum  esse 
in  scribendo ;  P.  ist  cautus  mit  Inf.,  z.  B.  Hör.  sat.  1,  6,  51  cautum 
dignos  assumere;  nachklassisch  sind  ad  aliquid,  oder  adversus  aliquid, 
auch  contra  aliquid,  Curt.  8,  4,  24  und  cautus  erga  aliquid,  gegen 
etwas,  ibid.  10,  1,  40. 

Cavillari,  verhöhyien,  verspotten,  wird  verbunden  aliquem,  ali- 
quid, nicht  in  aliquem,  aliquid;  zulässig  ist  aber  cavillari  in  aliqua 
re,  vgl.  Cic.  nat.  deor.  3,  83  atque  in  eo  cavillatus  est  etc.  Meistens 
steht  das  Yerbum  ohne  Objekt.  Passives  cavillari  ist  Sp.  L.,  vgl. 
Neue-Wagener^  III  S.  30. 

Cavitas,  die  Höhlimg,  ist  Sp.  L.  (s.  Paucker  Add.  S.  8)  für 
cavatio,  caverna. 

Cedere,  tveggehen;  —  aus  etwas,  ex  aliquo  loco  (Liv.  3,  63,  1) 
u.  (gewöhnlicher)  aliquo  loco,  z.  B.  e  vita  u.  vita  (vgl.  Seyff. -Müller 
zu  Lael.  S.  51),  e  patria  u.  patria,  militärisch  abziehen,  sich  weg- 
ziehen, de  loco.  In  der  Bedeutung  eitlem  etivas  abtreten,  für  einen 
von  etwas  abstehen,  alicui  aliqua  re  cedere,  z.  B.  Cic.  Mil.  75  nisi 
sibi  hortoruyn  possessione  cessissent;  aus  cedere  aliqua  re  geht  der 
Begriff  des  Überlassens  hervor,  und  so  finden  wir  bei  Cic.  Brut.  290 
in  dando  et  cedendo  loco;  hier  hat  offenbar  dare  locum  das  cedere 
locum  nach  sich  gezogen;  Liv.  45,  39,  2  ciirrum  ei  cessuri  et  prae 
pudore  videntur  insignia  ipsi  sua  tradituri;  auch  hier  steht  cedere 
aliquid  neben  tradere;  aber  schon  Yell.  2,  85,  5  aegre  summissis 
armis  cessere  victoriam  finden  wir  cedere  aliquid  ganz  selbständig. 
Ygl.  Schlossmann  S.  65  ff.,  der  cedere  als  ursprüngliches  Transi- 
tivum  zu  erweisen  sucht  und  das  Beispiel  bei  Yarro  r.  r.  3,  16,  2 
hereditate  cessa  durch  immer  transitives  —  doch  nur  bei  Ict.  er- 
weisbares —  in  iure  cedere  erklärt.  —  Ferner  sagt  man  multa,  pau- 
lulum  de  aliqua  re,  in  vielen  Stücken,  in  etwas  abgehen  von  einer 
Sache,  z.  B.  de  iure  suo  von  seinem  Rechte,  einem  in  einer  Sache 
nachstehen,  nachgehen,  alicui  aliqua  re   oder  in    aliqua   re;   jedoch 


Celare  —     270     —  Celebrare 

nihil  aliciii  cedo,  wie  vorhin  multa,  pauliduni^  ich  stehe  in  keiner 
Sache  einem  nach,  für  yiidla  re,  Cic.  leg.  1,  5. 

Celare.  Einem  etwas  verheimlichen,  verhergen  heisst  im  Aktiv 
celare  aliquem  cdiquid,  im  Passiv  aber  ist  der  Accusat.  nur  bei 
dem  Neutr.  des  Pron.  gebräuchlich;  vgl.  nosne  hoc  celatos  tamdiiif 
Ter.  Hec.  645  und :  sed  tarnen  indicabo  tibi,  quod  mehercule  im- 
primis  te  celatum  voleham,  Cic.  Q.  fr.  3,  5,  4.  Dagegen  wendet  Cic. 
sonst  d.  h.  bei  Subst.  statt  des  Accus,  die  Wendung  mit  de 
(in)  cdiqiia  re,  wie:  noji  est  profecto  de  illo  veneno  celata  mater, 
Cic.  Cluent.  189.  Credo  celatum  esse  Cassiiim  de  Sidla  uno,  Cic. 
Süll.  39.  Dehes  existimare  te  maximis  de  rebus  a  fratre  esse  celatum, 
fam.  5,  2,  9.  Für  den  Dativ  der  Person  kann  man  sich  nicht 
mehr  auf  Nep.  Alcib.  5,  2  berufen,  denn  dort  wird  jetzt  gelesen: 
id  Alcibiades  celari  non  potidt,  und  ebenso  heisst  es  jetzt  im  B. 
Alex.  7,  1:  ciuod  neque  celari  Alexandrini  possent  in  apparanda 
fuga;  vgl.  die  ausführliche  Darlegung  von  Lupus  S.  57.  —  Celare 
mit  Acc.  c.  Inf.  ist  Kl.,  z.  B.  Cic.  Att.  11,  24,  2  quam  quidem  celo 
miseimm  me  hoc  timere. 

Celeber  (bei  Rhet.  Her.  2,  7  und  öfter  bei  Tac.  und  sonst  cele- 
bris  auch  als  Maskul.,  vgl.  Neue -Wagener^  II  S.  17,  Thielmann 
Cornif.  S.  49,  Koffmane  S.  29  ff.,  Grorges  S.  17,  wonach  auch  Gell. 
17,  21,  10  pfoeta  celebris  sagt;  aber  Curt.  5,  1,  18  liest  Weinhold 
jetzt  famae  celebris  als  Gen.  quäl,  statt  fama  celebris).,  celebris, 
celebre  wird  in  Ciceros  Zeitalter  zunächst  von  vielbesuchten  Ortlich- 
keiten  gebraucht,  s.  Cic.  part.  orat.  36,  Verr.  2,  159,  Mil.  66. 
Ebenso  steht  es  von  Feierlichkeiten,  festlichen  Zusammenkünften  u. 
dgl.,  sofern  eine  grosse  Anzahl  von  Menschen  sich  zu  einem  solchen 
Zwecke  versammelt,  wie  Cic.  Pis.  34,  Philipp.  14,  16,  Yerr.  4,  107. 
An  diese  Bedeutung  schliesst  sich  unmittelbar  der  klassische  Sprach- 
gebrauch an,  celeb.  auch  troj).  von  vielfach  erwähnten,  genannten, 
gefeierten  und  verherrHchten  Sachen  zu  sagen,  z.  B.  res  tota  Sicilia 
celeberrima.  Yon  Personen  wird  in  Ciceros  Zeitalter  für  berühmt, 
Bulnn  nobilis  und  nobilitas  gebraucht.  S.  Nägelsb.  Stilist.^  S.  304 
und  Seyffert-Müller  zu  Lael.  S.  64,  Tegge  S.  129  f.  Doch  seit 
Livius  kommt  celeber  auch  von  Menschen  und  göttlichen  Personen 
vor,  die  geehrt  und  geachtet  werden.  S.  darüber  Friedersdorif  zu 
Liv.  26,  27,  16,  Kühnast  S.  340.  Wenn  daher  auch  klass.  vir 
celeberrimus  durchaus  verwerflich  und  deshalb  in  der  Schule  nicht 
zu  dulden  ist,  so  darf  doch  nicht  verschwiegen  werden,  wie  denn 
auch  Nägelsbach  am  a.  0.  S.  304  darauf  hinweist,  dass  schon 
Döderlein  Syn.  I  S.  25  gezeigt  hat,  celeber  sei  für  gefeiert  auch 
von  Personen  an  sich  nicht  verwerflich.  So  braucht  Cicero  ja  schon 
celebritas :  Si  quis  ab  ineunte  aetate  habet  causam  celebritatis,  off". 
2,  44,  wo  celebritas  =  fama  nomiyiis  ist;  C.  F.  W.  Müller  übersetzt 
„ein  gesuchter  Mann  zu  sein".     S.  Ruhnken  zu  Yell.  2,  13. 

Celebrare  wird  eigentlich  nur  von  solchen  Festlichkeiten  gesagt, 
welche   feierlich    und    öffentlich,    unter    zahlreicher  Beteiligung    des 


Celer  —     271     —  Censere 

Puhlikiims  begangen  werden,  wie  z.  B.  bei  Spielen:  dies  festos  liido- 
rum  celehrare,  Cic.  Arch.  13  u.  Pis.  51.  Postero  die  celebrante 
popido  diem  (=  unter  zahlreiche'r  Beteiligung  des  Volkes)  trium- 
phavit,  Liv.  10,  37,  12  u.  so  festos  et  solemnes  dies  celebrm^e,  Suet. 
Octav.  75  und  natalem  alicuiiis  publice  celebrare,  ib.  Tib.  65,  ferner : 
natalem  patris  Drusi  celebrare^  ib.  Claud.  11  und  Othonis  impera- 
toris  diem  natalem  celehrare,  ib.  Domit.  11.  So  ist  es  auch  mit 
conviviiim  celebrare  bei  Liv.  40,  14,  2  und  celebyxtre  exsequias  ali- 
cuius,  ib.  37,  22,  2;  ebenso  bei  Tacitus:  diem  natalem  Vitellii  editis 
tota  urbe  vicatim  gladiaioribus  celebrare,  bist.  2,  95.  Cuius  (pe- 
cuniae)  ex  annuo  faenere  suus  natalis  dies  celebraretur  editione 
ludormn,  qiios  appellavit  Floralia,  Lact.  1,  20,  6  und:  diem  debita 
religione  celebravimus ,  PL  epp.  10,  102  Müll.  —  Im  Gegensatz  dazu 
wird  diem  festiim  agere  von  dem  gesagt,  was  mehr  den  Charakter 
ei7ier  stillen,  privaten,  auf  den  Familien-  oder  Freundeskreis  sich 
beschränkenden  Feier  haben  soll.  So  ordnete  nach  Cic.  fin.  2,  101 
Epikur  an:  ut  dent  heredes  siii,  qiiod  satis  sit  ad  diem  agendum 
natalem  suum  quotannis.  Indes  beachte  man,  dass  agere  als  allge- 
meiner Ausdruck  sich  auch  da  findet,  wo  celebrare  stehen  könnte, 
z.  B.  Cic.  Yerr.  4,  107  :  ubi  usqiie  ad  hoc  tempus  Syracusani  festos 
dies  anniversarios  agimt  celeberrimo  virorum  midierumque  conventu, 
ebenso  erfährt  bei  Liv.  25,  23,  14  Marcellus:  diem  festum  Dianae 
per  triduum  agi.  Das  Umgekehrte  wird  sich  wohl  nur  im  N.  KL 
u.  ;iS^.  L.  feststellen  lassen,  wo  die  Bedeutungen  sich  allmählich 
verwischen,  wie  denn  bei  PL  epp.  6,  30,  1  für  natales  celebrare  u. 
bei  Cyprian  583,  12  H  martyrum  dies  celebrare  das  Yerb  agere 
genügt  hätte,  ebenso  bei  Tacitus:  yiullo  pavore  diem  natalem  celebrans 
raptus  est  in  curiam,  ann.  6,  18.  —  Im  christlichen  Latein  findet 
sich  celebrare  oft,  so  besonders  celebrare  sacrificium  =  sacrificare 
(daher  die  Messe  celebrieren)'^  besonders  bei  Cyprian  ist  celebrare 
Lieblingswort,  es  dient  zu  allen  möglichen  Umschreibungen,  z.  B. 
benedictionem  celebrare  =  benedicere,  vgl.  Watson  S.  267. 

Celer,  schnell,  ist,  vom  Tode  gebraucht,  nicht  nur  P.  L.  für  cita, 
repentina  mors,  sondern  steht  prosaisch  auch  bei  Suet.  und  kann  neben 
cita  m.,  das  auch  nur  poetische  Autorität  hat,  um  so  mehr  gebraucht 
werden,  als  perceler  interitus  auch  bei  Cic.  Cael.  58  vorkommt. 

Celeriter  heisst  das  Adverb  zu  celer,  so  ungefähr  10  mal  bei 
Plaut.,  vgl.  Sjögren  S.  59  Anm.,  regelmässig  im  Kl.  und  sonst. 
Eine  Form  celere  kommt  einigemal  im  A.  L.  und  im  Sp.  L.  vor, 
schwerlich  jedoch  bei  Plaut,  u.  Terenz ;  vgl.  Engelbrecht  Stud.  Ter. 
S.  73,  dagegen  Sjögren  S.  59,  der  Plaut.  Cure.  283  propere  et  celere 
letzteres  als  Adjektiv  fasst,  vgl.  meine  Stilist.^  §  71  Anm.  3;  Neue- 
"Wagener^  II  S.  587,  Wölfflin  Archiv  YIII  S.  12. 

Celeritudo,  die  Schiielligkeit,  für  celeritas,  findet  sich  nur  einmal 
bei  Yarro  r.  r.  3,  12,  6. 

Censere.  Obgleich  censor  von  Cic.  (de  or.  3,  93)  von  dem 
strengen  Beurteiler  in  geistigen  Dingen  (ivelcher  tadelt  und  verivirft) 


Censorinus  —     272     —  Centrum 

gebraucht  wird,  so  scheint  doch  censere  =  ein  Buch,  eine  Schrift 
heurteilen,  kritisieren,  ohne  Autorität  zu  sein  für  iudicium  facere  de 
Uhr 0,  ijercensere  odiQr  (s])ätL)  recensere  librum,  o^qv  iudicium  censuram- 
que  facere  de  lihro.  Ebenso  unbrauchbar  sind  für  den  Begriff  von 
Beurteilung,  Kritik  census  u.  censio,  und  N.  L.  ist  in  censmn  venire 
für  censeri.  Vgl.  Raschig,  Progr.  S.  25.  —  In  der  Bedeutung  für  jemand 
etwas  beantragen,  hescJüiessen,  wird  censere  von  Tac.  sehr  oft  mit  dem 
Accus,  der  Sache  und  mit  dem  Genitiv  oder  Dativ  der  Person  verbunden, 
z.B.:  censuere  loatres  effigiem  Seiano,  ann.  3,  72;  censentur  Ostorio 
triumi^halia  insignia,  ibid.  12,  39;  dagegen  effigies  Caesaris  ac  Seiani 
censuere  4,  74  und  effigies  princijmm  censere  3,  57.  In  der  früheren 
Latinität  finden  sich  dafür  nur  vereinzeUe  Beispiele;  censere  aliquid 
steht  bei  Caes.  Gall.  7,  77,  2,  Sali.  bist.  3,  48,  17;  1,  71  M.  und: 
bellum  Samnitibus  patres  censuerunt,  Liv.  10,  12,  3,  s.  Nipperdey 
zu  Tac.  ann.  13,  8.  Gewöhnlicher  wird  für  beantragen,  sich  für 
etivas  aussjyrechen,  censere  mit  dem  Gerimd.  und  esse  oder  mit  ut 
oder  mit  dem  blossen  Konj.  verbunden:  censebant,  ut  iter  facerent, 
Caes.  civ.  1,  67,  1  und  censeo  desistas,  Cic.  Verr.  5,  174.  In  der 
Bedeutung  beantragen^  für  etivas  stimmen,  hat  Livius  auch  die  Kon- 
struktion mit  Accus,  c.  Inf.  Pass.,  eine  Eigenheit,  die  sich  sonst 
nur  bei  Spätem  findet,  s.  Kühnast,  Liv.  Synt.  S.  20.  In  der  Be- 
deutung die  Meinmig  hegen,  glauben,  regiert  es  den  Accus,  c.  Inf. : 
Aristoteles  omnia  aut  natura  moveri  censet,  aut  etc.,  Cic.  nat.  deor.  2, 
44;  mundum  censent  regi  numine  deorum,  fin.  3,   64. 

Censorinus  ist  wohl  I^ame  von  Personen,  wie  z.  B.  eines  späten 
lateinisch.  Schriftstellers,  aber  bedeutet  nicht  den  gewesenen  Censor, 
welcher  censorius  heisst,  wie  praetorius,  der  gewesene  Prätor, 
quaestorius,  der  geiuesene  Quästor;  dagegen  ist  von  Mommsen  zu 
CIL  1,  1166,  16  erwiesen,  dass  censorinus  den  bedeutet,  welcher 
zweimal  Censor  gewesen  ist. 

Centies,  hundertmal,  für  sehr  oft,  und  centum,  hundert,  für  sehr 
viele,  war  beides  gewiss  ebenso  im  Alltagsgebrauche,  wie  sescenties, 
sescenti,  millies  und  mille,  die  nur  mit  noch  grösserer  Steigerung 
denselben  Begriff  ausdrücken.  In  klassischer  Prosa  wurde  sescenti 
bevorzugt,  man  halte  sich  daher  an  dasselbe.  Über  ähnliche  runde 
Zahlen  vgl.  meine  Stilistik^  §  30  und  besonders  Archiv  IX  S.  184  ff. 

Centum.  Man  merke  hier  nur  die  Redensart:  hinter  hundert 
kaum  einer,  vix  centesimus  quisque. 

Centrum,  der  Mittelimnkt,  das  griechische  xsvrpov,  gehört  zur 
mathematischen  Kunstsprache,  kommt  N.  Kl.  bei  "Vitruv  u.  Plinius 
als  allgemein  übliches  Wort  vor  und  ist  wegen  seiner  Kürze  dem 
weitläufigen  punctum  in  medio  situm  und  der  Umschreibung  bei 
Cic.  (Tusc.  1,  40)  quasi  puncti  instar,  quod  xivrpov  Uli  vocant  (die 
Erde  ist  im  grossen  Weltgebäude  in  der  Mitte  gleichsam  wie  der  von 
den  Griechen  Centrum  genannte  Punkt)  weit  vorzuziehen.  Nie  haben 
aber  die  Alten  darunter  jeden  mittlem  Teil  in  jeder  Fläche  ver- 
standen, weswegen   erst  N,  L.   der    mittlere  Teil    eines   geordneten 


Cerebrum  —     273     —  Gerte 

Heeres  und  Haufens  von  Soldaten  oder  andern  Menschen  centriim 
genannt  wird,  für  media  acies,  da  centriim  bloss  den  Mittelpunkt 
eines  Kreises  bedeutet. 

Cerehriim,  Gehirn y  für  Verstand,  Leidenschaft,  gehört  zur  scherz- 
haften Volkssprache  und  wurde  so  benutzt  von  Horaz,  Phaedrus 
u.  a.,  kommt  aber  in  Prosa  nur  selten  vor. 

Ceres  für  Frucht,  Getreide,  Speise  ist  nur  P.  L. ;  in  Prosa  steht 
dafür  nur  friiges,  payiis,  frumentum,  cibiis,  und  wiewohl  Cicero 
selbst  (nat.  deor.  2,  60)  sagt:  fruges  Cererem  appellamus,  vinum  autem 
Liberum,  so  machte  er  doch  mit  allen  andern  Prosaisten  nirgends 
davon  Gebrauch. 

Cerevisia;  s.  Cervisia. 

Cernere  in  der  Bedeutung  streiten,  kämpfen,  mit  oder  oh7ie  ferro, 
armis,  ist  den  Dichtern  zu  überlassen.  Übrigens  bedeutet  cernere 
meistens  schaff  sehen,  mit  den  Augen  alles  unterscheiden,  videre 
dagegen  nur  tvahrnehmen,  und  enthält  nur  den  allgemeinen  Begriff 
des  Sehens;  vgl.  Cic.  fam.  15,  1,  4  si  quid  apud  vos  auctoritas  mea 
2)07ideris  habet  in  iis  praesertim  rebus,  quas  vos  audistis,  ego  paene 
cerno ;  Cic.  Tusc.  1,  46  7ios  enim  ?ie  nunc  quidem  ocidis  cernimus  ea, 
quae  videmus;  acad.  2,  80  ego  Catuli  Cumanum  ex  hoc  loco  video, 
Poynpeianum  yion  cerno. 

Certamen,  Streit,  —  mit  jemanden,  cum  aliquo,  sehr  selten 
alicuiiis,  und  so  einmal  bei  Cic.  (fin.  5,  71):  certamen  virtutis  für 
cum  virtute;  Madvig  bemerkt  dazu  dure  admodum  dicitur  und  ver- 
zeichnet ähnliche  Härten  aus  ciceronischen  Schriften.  Es  kostet 
etwas  keine  grosse  (militärische)  Anstrengung  kann  nach  Liv.  21, 
60,  7  gegeben  werden:  7iec  magni  certaminis  ea  dimicatio  fuit. 

Certe  und  ce^io.  Jenes  wird  bei  allen  Yerben  angewandt,  certo 
aber  beschränkt  sich  in  der  bessern  Prosa  nur  auf  scire;  der  Unter- 
schied zwischen  certe  scio  u.  certo  scio  wird  dahin  bestimmt,  dass 
ich  sage  certe  scio,  wenn  ich  von  mir  versichern  will,  dass  ich  etwas 
weiss  —  ja  geiviss,  in  der  Tat,  ivahrhaftig  ich  iveiss  es;  aber  certo 
scio,  wenn  ich  angebe,  ivie  ich  es  weiss,  mit  Geivissheit,  als  etwas 
gewisses  und  von  meiner  Seite  unbezweifeltes.  Cicero  bevorzugt 
certo  scio,  allein  certe  scio  kann  ihm  nicht  ganz  abgesprochen  werden, 
vgl.  C.  F.  W.  Müller  zu  Cic.  Att.  12,  41,  3,  Hellmuth  Balb.  S.  52, 
Landgraf  zu  Cic.  Süll.  39,  ganz  besonders  aber  Hey  Semas.  Stud. 
S.  144,  wo  certe  als  suhjektiv,  certo  als  objektiv  bezeichnet  und  auf 
Breals  Unterscheidung :  certe  =  du  moins,  certo  =  certainemeyit 
hingewiesen  wird.  Bemerkenswert  ist,  dass  Caesar  certo  ganz  zurück- 
gewiesen u.  certe  auch  im  Sinne  von  certo  gebraucht  hat;  ihm  folgen 
Yerg.  und  Horaz.  Man  beachte,  dass  die  affirmierenden  oder  be- 
teuernden Adverbien  im  Lat.  nicht  wie  im  Deutschen  doppelt  gesetzt 
werden  können.  Man  kann  nicht  sagen:  certe,  certe  non  fuit,  sondern 
entweder  einfach:  certe  non  fuit  oder:  non  fuit,  certe  non  fuit; 
diese  Wahrnehmung  wird  durch  Wölfflins  Schrift  über  die  Gemination 
im   Lateinischen   bestätigt.     Dasselbe    gilt    von    sane    und   profecto. 

Krebs-Schmalz,  Antibarbarus  1,  18 


Certificare  —     274     —  Certus 

S.  Madvig  Opusc.  acad.  I,  473.  Ygl.  vor  allen  Stürenb.  Cic.  Arch. 
(deutsche  Ausg.)  S.  194,  Reisig-Hagen  I  S.  299  Anm.  249,  Neue- 
Wagener^  III  S.  618 — 621,  Haase  in  Yorlesungen  ed.  Eckstein  S. 
114,  Langen  Beitr.  S.  22  (u.  dazu  Dombart  Bayr.  Gymo.  1881 
S.  336),    Hand  Tursellin.  II  S.  14—29,  Landgraf  S.  Rose.  S.   172. 

Certificare,  bestätigen,  für  gewiss  erklären,  ist  N.  L.  für  con- 
firmare,  declarare,  certius  oder  firmius  aliqidd  facere  oder  reddere, 
ad  cerlum  redigere,  Liv.  44,  15,  4. 

Certiorare,  henadirichtigen,  anzeigen,  ist  Sp.  L.  und  findet  sich 
oft  bei  den  Juristen  (aber  nicht  bei  Gaius,  dagegen  bei  Ulpian, 
Modestin  und  Marcellus,  dann  Tvieder  bei  Justinian,  vgl.  Kalb  in 
Wölfflins  Archiv  I  S.  89,  lY  S.  644,  Roms  Juristen  S.  91,  Wölfflin 
Savigny-Zeitschr.  IX  S.  6)  für  certiorem  aliqnem  facere;  über  solche 
V.  decomparativa  handelt  Wölfflin  Cass.  Felix  S.  418. 

Certitiido,  die  Gewissheit,  hat  nur  spätlat.  Autorität  bei  den 
Eccles.,  ist  aber  dennoch  im  N.  L.  nicht  selten.  Man  brauche 
dafür  fides  oder  certa  fides,  oder  umschreibe  es  durch  certus,  ex- 
ploratiis,  non  duhiiis. 

Certus.  Man  verbindet  aliquem  certiorem  facere,  emen  von  etwas 
benachrichtigen,  einem  etwas  verkünden,  teils  mit  de  (wie  Caesar  immer 
tut,  vgl.  die  Stellen  bei  Mensel),  teils  mit  dem  Genitiv  dessen,  was 
man  einem  verkündet,  z.  B.  de  victoria  oder  victoriae.  Hingegen 
aliqnem  certimi  facere  ist  selten  und  gewöhnlich  nur  von  Dichtern 
so  gebraucht,  z.  B.  Plaut.  Pseud.  16,  vgl.  Lorenz  z.  St.  und  Land- 
graf Bayr.  Gymn.  XYI  S.  326,  Ov.  met.  6,  268,  Yerg.  Aen. 
3,  179.  Also  durchaus  für  die  Prosa  zu  vermeiden.  Für  die 
Redensart  certo  hoc  est  certnis,  das  ist  gewisser  als  gewiss,  für  quo 
yiihil  est  certius,  vgl.  Ulp.  Dig.  42,  9,  10  und  Plaut.  Capt.  644,  eine 
dritte  Stelle  steht  bei  Ambros.  in  epp.  ad  Ephes.  c.  5 :  id)i  ebrietas, 
ibi  certo  certius  luxuria  est.  Ygl.  auch  certo  certius  nosse  viriim, 
Paul.  V.  S.  Ambros.  c.  25;  aliquem  occultare  apud  se  certo  certius, 
Apul.  met.  9,  41  g.  E.  und  claritas  Christi  ut  certo  certius  nobis 
insinuaretur,  Serm.  Leoni  M.  adscripti  20,  3  init.,  vgl.  über  diese 
comparatio  etymologica  Landgraf  act.  sem.  Erlang.  II  S.  65  f. 
Endlich  bemerke  man  auch  noch,  dass  bei  ^;ro  certo  afflrniare  u.  dgl. 
pro  certo  sowohl  als  Ablat.  neutr.  vorkommt  und  also  auch  nach 
einem  Substantiv  verschiedenen  Geschlechtes  unverändert  bleibt,  als 
auch  adjektivisch  behandelt  und  in  dasselbe  genus,  welches  das 
vorangehende  Substantiv  hat,  gesetzt  werden  kann;  vgl.  M.  Müller 
zu  Liv.  1,  3,  2.  Man  beachte  ferner,  dass  certi  homines  im  Lat. 
nicht  bloss  zuverlässige  Leute  bedeutet,  wie  z.  B.  bei  Cic.  Att.  5, 
21,  6,  sondern  certi  Jiomines  auch  Leute  sind,  die  man  wohl  kennt, 
aber  nicht  näher  bezeichnen  will,  wie  unser  :  gewisse  (i.  e.  wohlbe- 
kannte)  Leute  :  quem  virum  domi  meae  certi  homines  ad  eam  rem 
positi  monuerunt,  ut  cautior  esset.,  Cic.  Sest.  41.  Quotiens  ego  eum 
.  .  .  vidi  cum  insolentiam  certorum  hominum,  tum  etiam  ipsius 
victoriae  ferocitatem  extimescentem,  Marceil.  16.    Nihil  de  conspiratione 


Cervical  —     275     —  Cervix 

audiehat  certoymm  hominum  contra  dignitatem  tuam,  Deiot.  11.  Certos 
homines  cotidie  cum  eo  secreios  sennones  severe,  Liv.  34,  61,  7 ; 
vgl.  darüber  Richter  und  Halm  zu  Cic.  Dei.  11,  sowie  Heraeus  zu 
Tac.  bist.  1,  81.  Endlich  bezeichnet  certiis  auch  denjenigen,  weichem 
irgend  eine  Eigenschaft  imheziveifelt,  iinbestreithar  zukommt:  ecquem 
hl  illo  certiorem  nehulonem?  Cic.  Att.  15,  21,  1.  Competitores  qui 
certi  esse  videantur,  s.  Hofmann  zu  Cic.  fam.  2,  4,  1.  Über  certus 
c.  genit  rei  in  der  Bedeutung  zu  etwas  entschlossen  sein,  findet  man 
das  Nötige  bei  Haustein  S.  24  f,  wo  alle  Stellen,  in  denen  certus 
c.  genit.  erscheint,  aufgezählt  werden;  ein  klassisches  Beispiel  ist 
nicht  darunter.  Es  scheint,  dass  die  Konstruktion  von  Yerg.  auf 
die  silb.  Lat.  übergegangen  ist,  wo  sie  bei  Plin.  min.  und  Tacitus 
angetroffen  wird.  Certus  c.  gen.  sicher,  geiuiss,  über  etwas  mit  sich 
im  reinen  sein,  ist  ebenfalls  nur  N.  Kl.,  vgl.  Haustein  1.  1.  Incertus 
c.  gen.  hat  Haustein  S.  30  gleichfalls  erschöpfend  behandelt ;  aus 
Cicero  und  Caesar  ist  nichts  nachgewiesen,  dagegen  hat  Livius 
mehrere  Beispiele,  und  zwar  sagt  er  ebenso  wohl  incertus  animi 
(wie  schon  Sali.  bist.  3,  107  M),  als  auch  incertus  veri  „er  iviisste 
yiicht,  ivas  er  denken  solle'''',  incertus  sententiae  ,^schiuankend  in 
seiiier  Ansicht^^,  vgl.  auch  Kühnast  S.  391,  sowie  Archiv  X  S.  30. 
Ebenso  lesen  wir  incertus  c.  genit.  bei  Plin.  min.  und  Curt.  Wir 
sind  sicher  darüber,  dass  alles  versinelt  ist  heisst :  certi  sumus  omnia 
perisse,  Cic.  Att.  2,  19,  5. 

Cerviccd,  das  Kopfkissen,  ist  erst  N.  Kl.  bei  Dichtern  und 
Sueton  und  Plin.  epp.  6,  16,  16  und  Plin.  nat.  20,  217  und  28,  47 
für  das  Kl.  pidvinus. 

Ce^'visia  oder  cerevisia,  ein  unserm  Bier  ähnlicher  Trank,  ist 
der  vom  altern  Plinius  aus  der  gallischen  Sprache  genommene 
Name,  der  mit  keiner  neuern  Umschreibung  zu  vertauschen  ist.  Dass 
cervisia  und  nicht  cervtsia  zu  sprechen  ist,  hat  Gröber  Archiv  I  S. 
545  nachgewiesen ;  die  Schreibung  cerevisia  statt  cervisia  verwirft 
Georges  bei  Bursian  1881/82  S.  272. 

Cervix,  der  Nacken.  Bis  zur  Zeit  des  Yarro  scheint  sich  der 
Singular  auf  die  Dichter  beschränkt  zu  haben,  welche  sich  wohl  mit 
Absicht  gegen  die  gewohnte  Ausdrucksweise  abschlössen,  vgl.  Enn. 
ann.  510  L.  Müll.,  Pacuv.  bei  Cic.  div.  2,  133;  Lucr.  Catull,  Cic. 
Aratea  an  mehreren  Stellen.  Der  Redner  Hortensius  brauchte  nach 
Yarro  1.  lat.  8,  14  den  Sing.,  aber  auch  nur  in  seinen  Gedichten. 
Cicero  in  seinen  prosaischen  Schriften  und  Sallust  kennen  nur  den 
Plural,  auch  von  einer  Person;  dagegen  sagt  Cic.  Yerr.  3,  49  freihch 
cervic^da,  worin  Allgayer  einen  leisen  Spott  auf  des  Hortensius  cervix 
erbhcken  zu  dürfen  glaubte.  Yarro  hat  den  Singular  r.  r.  2,  2,  3; 
3,  2 ;  7,  5  ;  dann  Livius,  aber  von  einer  Mehrzahl  von  Menschen 
sagt  er  nur  cervices,  ebenso  hat  den  Sing,  auch  Petron,  die  spätere 
Prosa  hat  ihn  sogar  bevorzugt.  Mit  Livius  entwickelt  sich  der 
Sprachgebrauch,  an  dem  nach  Georges  Yell.  S.  22  auch  Yell. 
Pat.  teilnimmt,  cervix  in  eigentlicher   und    cervices    in    übertragener 


Cessare  —     276     —  Ceterus 

Bedeutung  zu  verwenden.  Vgl.  besonders  Kiemann  etudes  S.  54, 
Köhler  act.  Erl.  I  S.  470,  Weissenborn  zu  Liv.  35,  11,  7,  Neue- 
Wagener^  I  S.  672  und  ganz  besonders  Maas  im  Archiv  XII,  501. 
Man  halte  sich  ausschliesslich  an  den  Plural  und  meide  den  Sing, 
durchaus. 

Cessare.  Dieses  Yerbum  bedeutet  erst  in  der  Yulg.  des  alten 
und  neuen  Testamentes  aufhören  überhaupt,  in  der  früheren  Zeit 
heisst  es  bloss  von  einer  (bereits  begonnenen  oder  aufgetragenen) 
Tätigkeit  ans  Mangel  an  Energie  und  Kraft  iveiclien,  abstehen,  mit 
etivas  aussetzen,  Feierabend  maclie)t,  oder  minus  stremie  agere,  s. 
Madvig  opusc.  I,  395;  Donat  zu  Ter.  Eun.  3,  1,  25  sagt:  cessat 
desidiosus,  requiescit  fessus ;  vgl.  auch  Gölzer  Hieron.  S.  274.  Da- 
durch unterscheidet  sich  das  Wort  ebenso  von  cundari  =  etivas 
nicht  beginnen,  verzögern,  als  von  desistere  und  desinere  =  etwas 
gänzlich  aufgeben,  hat  also  den  Nebenbegriff  des  tadelhaften  Kach- 
lassens.  Es  wird  bei  Cicero  (Caesar  hat  das  Wort  nicht)  konstruiert 
mit  in  aliqua  re  oder  mit  dem  Inf.,  z.  B.  Cato  13  Gorgias  nunquam 
in  suo  studio  et  opere  cessavit  und  Q.  fr.  3,  5,  1  illos  libros  scribere 
non  cessavi  7ieque  cesso.  Erst  Livius  sagt  cessare  ab  oim'e,  ab  arniis 
u.  ä.,  und  dies  findet  sich  noch  bei  Hieron.,  vgl.  Gölzer  Hieron. 
S.  335;  seltener  ist  cessare  c.  Abi.,  aber  auch  bei  Livius.  Yon 
Krankheit  kommt  es  wohl  nicht  vor,  wo  abire  oder  discedere  ge- 
bräuchlich sind,  vgl.  Cic.  fam.  14,  1,  3:  abiit  pestilentia.  Über 
morbus  cessans  laei  Horaz  siehe  s.  v.  CJironica  a.  Ende. 

Ceteroqm,  sonst,  in  anderer  Hinsicht,  Beziehung,  ist  als  Kl. 
bezweifelt  worden,  wiewohl  es  bei  Cicero  einigemal  sehr  sicher  steht, 
wie  Cic.  fam.  6,  19,  1,  Att.  14,  16,  1,  vgl.  Boot  z.  St.,  also  jeden- 
falls der  Sprache  der  Briefe  nicht  abgesprochen  werden  kann;  jedoch 
passt  oft  eben  so  gut  ceterurn,  was  bei  Caesar  nicht  vorkommt  und 
bei  Cicero  nur  Q.  fr.  2,  12,  1  feststeht,  vgl.  W^ölfflin  Archiv  H  S. 
90,  ceteris  in  rebus  (Cic.  Cato  59),  ceteris  rebus  Cic.  Phil.  2,  117, 
vgl.  Näg.-Müller^  S.  61,  Köhler  Lent.  S.  26.  Näheres  s.  bei  Rib- 
beck Partikeln  S.  19  f,  der  auch  sagt,  dass  für  die  Form  ceteroquin 
ein  beglaubigtes  Zeugnis  nicht  existiere.    Ygl.  Hand  Tursell.  II  S.  44. 

Ceterus.  Diese  Form  findet  sich  nirgends,  wohl  aber  cetera, 
ceterimi  bei  Sali.,  vgl.  Fabri  zu  Cat.  23,  6;  klass.  ist  der  Plural; 
vereinzelt  finden  sich  Formen  des  Singulars,  so  Q.  fr.  pet.  16  cetera 
vita,  Cic.  Att.  6.  2,  5  cetera  iurisdiciio,  Cic.  fin.  1,  26  de  cetero, 
betreffs  des  übrigen ;  Liv.  24,  40,  15  cetera  omnis  praeda;  das  Neutrum 
ceterurn  wird  bei  Sali.  =  sed  gebraucht,  vgl.  Fabri  zu  Cat.  51,  26, 
Cic.  hat  es  selten  und  in  der  Bedeutung  idwigens,  vgl.  Süpfle-Böckel 
zu  Cic.  Q.  fr.  2,  12,  1;  für  ceterus  vgl.  Neue-Wagener^  II  S.  8. 
Lnser  u.  s.  w.  wird  mit  cetera  gegeben  in  Yerbindungen  wie  nosti 
cetera  bei  Cic.  fam.  7,  28^  2,  aber  auch  mit  et  cetera,  vgl.  Cic.  de 
or.  2,  141  cum  scriptum  ita  sit  „si  mihi  filius  genitur  isque  prius 
moritur^'-  et  cetera.  Andere  Ausdrucksweisen  hat  Yarro,  z.  B.  mit 
und  ohne  et:  sie  alia^  relicpia,  cetera,    auch  piorro,   deinceps  und  sie 


Ceu  —     277     —  Charta 

allein;  vgl.  C.  F.  W.  Müller  Progr.  Breslau  1888  S.  14.  —  Der 
Acc.  adv.  cetera  ist  nicht  klass.,  z.  B.  Liv.  1,  32,  2  cetera  egregiusy 
vgl.  Novak  Prag  1894  S.  240,  meine  Syntax^  §  52  Anm.,  Archiv  II 
S.  90  ff.,  615;  X  S.  68. 

Ceu,  lüie,  gleichivie,  ist  in  Vergleichungen  A.  L.  und  P.  L.  und 
in  Prosa  N.  Kl.  für  ut,  velut^  vgl.  Nägler  S.  8.  N.  L.  aber  ist  es 
für  ut,  lüie,  tvie  zum  Beispiel,  zur  Angabe  eines  Beispiels  oder  für 
ivas,  ausser  aller  Vergleichung,  z.  B.  Calpurnius  sub  Adriane  famam 
consecutus  esse  videtur,  ceu  (für  ut  oder  quod)  J.  F.  Gronovius  e 
fragmentis  Ictorum  probavit.  Ygl.  über  diesen  falschen  Gebrauch 
Drakenb.  Liv.  21,  46,  10. 

Chalcidensis  ist  adjektivisch  neben  Chalcidicus  wohl  zu  ge- 
brauchen: es  findet  sich  nicht  nur  bei  Plin.  nat.  35,  58,  sondern 
auch  bei  Liv.  35,  49,  6,  Chalcidicensis  hingegen  ist  erst  spätlat.  bei 
Gell.  10,  16,  8. 

Chaldaeus  ist  als  Adjektiv,  Chaldäisch,  P.  L.  neben  Chaldaeicus 
und  Chaldaicus;  richtig  als  Subst.  der  Chaldäer. 

Chalyhs  ist  in  der  Bedeutung  Stahl  als  Metall  beim  altern 
Plinius  zu  finden;  aber  in  andern  Bedeutungen  F.  L.  für  Schwert, 
gladius,  —  Dolch,  sica,  ferrum  u.  a. ;  vgl.  Saalfeld  tens.  s.  v. 

Character,  was  wir  in  unsere  Sprache  aufgenommen  haben, 
brauchte  der  gelehrte  Yarro  von  der  Art  der  Abfassung  einer  Schrift 
für  das  gewöhnliche  stilus,  scribendi  genus,  r.  r.  3,  2,  17  cuius  Luci- 
liano  sunt  charactere  libelli;  bei  Columella  bedeutet  es  N,  Kl.  ein 
eingebranntes  Zeichen,  für  signiim.  Sonst  ist  es  erst  Sj).  L.  im  Ge- 
brauche; bei  Cicero  nur  griechisch.  Wir  brauchen  es  von  der  Seele, 
für  animus,  mores,  ingenium,  indoles,  natura;  und  wenn  beides  darin 
liegt,  Gesinnung  und  Handlungsweise,  so  sagt  man  animus  oder  in- 
genium et  mores,  in  prägnanter  Bedeutung  constcmtia,  vgl.  Seyffert- 
Müller  z.  Lael.  S.  117.  Das  Wort  character  werde  also  ganz  ver- 
mieden. 

Charis,  die  Grazie,  und  Charites,  die  Grazien,  sind  nur  P.  L. 
Formen,  die  sich  in  Prosa  je  einmal  bei  Seneca  und  dem  altern 
Plinius  finden,  man  sage  dafür  Gratiae. 

Chciiia  ist  das  Kl.  Wort  für  unser  Papier,  mag  auch  Stoff  und 
Bereitung  anders  sein.  K'ö7iigspapier  (Royalpapier)  nennt  Cicero 
macrocollum  Att.  13,  25,  3  und  16,  3,  1  (richtiger  wohl  macro- 
colum  fiaxpöxcoXov).,  wofür  man  freilich  für  unsere  Zeit  verständlicher 
entweder  Augiistea  oder  Regia  charta  brauchen  kann,  welche  als 
neuere  Kunstwörter  giltig  sind ;  geglättetes  Papier  besser  nach  Cicero 
(Qu.  fr.  2,  15,  1)  Charta  dentata,  als  levigata,  wie  es  jetzt  ge- 
nannt wird.  Nicht  anzuwenden  ist  aber  charta  für  die  Redensart 
vom  Papier  ablesen,  was  legere  oder  dicere  de  scripto  heisst,  Cic. 
Plane.  74,  fam.  10,  13,  1,  Sest.  129,  Phil.  10,  5;  —  ohne  Papier 
wieder  hersagen,  sine  scripto  aliquid  reddere,  Cic.  Brut.  301.  Näheres 
über  Charta  findet  man  bei  Saalfeld  s.  v. ;  über  die  Schreibung 
Charta,    „welcher   wohl,    seit   die  Aspiration  in  Gebrauch   kam,    alle 


Chirographum  —     278     —  Chronologia 

Gebildeten  der  Kl.  und  N.  KL  Zeit  gehuldigt  haben",  neben  carta, 
vgl.  Georges  in  Wölfflins  Archiv  I  S.  572. 

Cliirograi^limn,  die  Handschrift,  ist  Kl.  und  gut,  steht  oft  bei 
Cicero  und  bedarf  keiner  Yertauschung  mit  manus,  was  aber  auch 
gebraucht  werden  kann.  So  lesen  wir  Cic.  fam.  2,  13,  3  extrema 
pagella  impugit  me  tiio  chirograplio  und  Cic.  Att.  7,  2,  3  quae  erant 
tiia  manu.     Ygl.  Bergmüller  Plane.  S.  26,  P.  Meyer  S.  58. 

Clwragiwn  ist  ausser  seiner  eigentlichen  griechischen  Bedeutung 
in  der  bildlichen  von  Ziirüstiing ,  Aufwand,  Enverhungsmittel  nicht 
mehr  anwendbar,  wenn  der  Stil  nicht  affektiert  sein  soll,  wie  bei 
ApuL,  der  es  wiederholt  verwendet;  vgl.  J.  W.  Beck  zu  Apul. 
met.  4,  33.  Die  Worte  des  rhet.  Her.  4,  63  fragile  falsae  gloriae 
cJioragium  von  einem  prahlsüchtigen  Reichen  hat  Thielmann  Bayr. 
Gymn.  XYI  S.  211  richtig  charakterisiert.  Lächerlich  aber  sagt 
Mahne  (Crito  S.  260) :  explicare  solent  midto  testimoniorum  choragio 
für  magna  copia. 

Chorea  und  chorus  sind  in  der  gewöhnlichen  Bedeutung  Tanz 
nur  P.  L.  für  saltatio  oder  umschrieben  mit  saltare;  chorus  in  der 
Bedeutung  Chorgesang,  das  Lied  des  Chores,  ist  Sp.  L.  bei  Teren- 
tian,  z.  B.  1958  in  tragicis  clioris,  vgl.  Werth  S.  320.  Dagegen 
ist  chorus  in  der  gewöhnlichen  Bedeutung  Menge,  Schar,  für  turha, 
midtitudo,  bei  Cicero  nicht  nur  im  Spotte,  sondern  auch  ohne  diese 
Nebenbedeutung  gebraucht.  S.  darüber:  philosophorum  chorus,  Cic. 
fin.  1,  26,  off.  3,  116:  chorus  virhitum;  ebenso  Tusc.  5,  13.  Also 
ist  es  wohl  zu  gebrauchen,  zumal  im  höheren  Stil.  Endlich  steht 
es  im  iV.  L.  für  den  von  mehreren  zugleich  vorgetragenen  ein- 
stimmigen Gesang,  wie  in  unserem  im  Chore  singen.  Dies  heisst  aber 
Kl.  concentio  (Cic.  Sest.  118).     Näheres  siehe  bei  Saalfeld  tens.  s.  v. 

Clironica,  die  Chronik,  ist  JV.  L.  als  Sing.,  da  es  Plur.  ist, 
Genit.  chronicorum,  wie  alle  ähnlichen.  Das  Wort  selbst  ist  erst 
nachklassisch  und  unnötig  für  die  reinlat.  annales  lihri  und  commen- 
tarii  annorum,  welche  denselben  Begriff  bezeichnen.  Morhi  chronici, 
chronische,  langwierige  Krankheiten  ist  erst  Sj).  L.  für  morhi  longi, 
wie  sich  der  medizinische  Klassiker  Celsus  3,  1  ausdrückt:  Graeci 
alios  (morbos)  acutes,  alios  loyigos  esse  dixerunt;  Hör.  ep.  1,  15,  6 
nennt  eine  chronische  Krankheit  morbus  cessans. 

Chronologia,  chronologus,  chronologicus  wird  man  vergeblich  in 
einem  Lexikon  suchen ;  dieselben  sind  neulateinisch  und  durchaus 
zu  meiden  und  zwar  zu  ersetzen,  z.  B.  durch  computatio,  ratio  tem- 
poris  oder  temyorum,  ordo  oder  ordines  temporum,  descriptio  temporum; 
Römische  Chronologie,  Romanorum  annalium  ratio  (Cic.  Brut.  49); 
ein  genauer  Chronolog  ist  diligens  in  exquirendis  temporihus  (Cic. 
rep.  2,  27);  Beschäftigung  mit  der  CJironol.,  notatio  temporum;  sich 
mit  CJiron.  beschäftigen,  annos  dinumerare,  temporum  annales  per- 
sequi  (Cic.  rep.  2,  29) ;  die  Chron.  beachten,  servare  temporis  ordinem; 
—  daher  heisst  nnchr onologisch,  non  servato  temporis  ordine.  S. 
auch  Nägelsbach-Müller®  S.  60  u.  71. 


Cibare  —     279     —  Cicur 

Cihare,  füttern,  Speise  gehen  (in  der  profanen  Latinität  nur  vom 
Füttern  der  Tiere  gebraucht),  ist  N.  Kl.  selten  und  nur  bei  Colu- 
mella,  Sueton  und  Liv.  epit.  1.  19.  Gleichwohl  ist  das  Wort  keines- 
wegs zu  verwerfen,  es  ist  aber  nicht  durchaus  identisch  mit  pascei^e 
und  alere,  denn  cihare  heisst  füttern  mit  eigener  Hand,  während 
alere  und  pascere  im  weitern  Sinn  nur  das  Futter  als  Herr  und 
Pfleger  hergehen  ausdrücken.  Hingegen  Sp.  L.  in  der  Yulg.  wird 
es  oft  auch  von  der  Speisung  der  Menschen  gesagt:  cihavit  eos  ex  adipe 
friimenti,  Ps.  18,  17,  Sir.  29,  33,  Pauli  epp.  ad  Rom.  12,  20  und  so 
ging  es  auch  in  die  Sprache  der  Eccl.  über,  vgl.  GÖlzer  Hieron.  S.  274. 

Cicatricari,  sich  vernarhen,  zuheilen,  ist  Sp).  L.  für  cicatricem 
ducere  und  inducere  (Gels.  7,  28),  ccd  cicatricem  tendere  (Gels.  7,  27), 
venire  ad  cicatricem  (Sen.  epp.  2,  3)  u.  a.;  auch  cicatrix  coit,  oh- 
ducitur.     Über  renovare  cicair.  vgl.  Renovare. 

Ciceronianus,  der  Ciceronianer.  Dieses  Wort  ist  zunächst  Ad- 
jektiv und  kommt  als  solches  nach  Georges'^  nur  bei  Plin.  mai.  vor. 
Als  Substant.  dagegen  erscheint  es  bei  Hier.  epp.  22,  30:  Ciceroni- 
anus es,  non  Christianus,  was  freilich  zunächst  nur  heisst :  du  hist 
ein  Anhänger  von  Cicero,  yiicht  aber  von  Christus.  Da  aber  diese 
Anhänglichkeit  nach  dem  eigenen  Zeugnis  des  Hieron.  auf  dem 
Wohlgefallen  an  der  Vollendung  der  Ciceronischen  Sprache  heruhte, 
so  wurde  dieselbe  durch  das  Weben  und  Streben  unserer  histo7^isch 
geivordenen  Ciceronianer  jedenfalls  so  nahe  berührt,  dass  es  wohl  am 
kürzesten  und  besten  sein  dürfte,  dieselben  einfach  durch  Ciceroniani 
oder  Ciceroniani  qiios  vocant  etc.  zu  bezeichnen.  Bedenkt  man  aber, 
dass  der  historisch  gewordene  Name  Ciceroyiianer  kein  Ehrenname 
war,  sondern  Spott  und  Tadel  involvierte,  so  könnte  mit  germanus 
Cicero  keineswegs  ein  historischer  Giceronianer,  sondern  nur  ein 
solcher  Latinist  benannt  werden,  der  nach  Inhalt  und  Form  einen 
ztueiten  Cicero  darstellen  würde.  Ist  aber  Ciceronianus,  wie  wir  ge- 
sehen haben,  auch  Subst.  wie  Christianus  und  wird  dieses  eben 
darum  auch  mit  Adjekt. :  honiis,  malus.,  perfectus  in  der  patristischen 
Literatur  verbunden,  so  müsste  nach  aller  Analogie  der  (echte,  ideale) 
Ciceronianer  nicht  nur  durch  vere,  sondern  auch  durch  verus  Cice- 
ronianus gegeben  werden  können. 

Cicur,  zahm,  ist  nur  Adj.  einer  Endung.  Es  ist  selten,  aber 
klassisch,  z.  B.  Cic.  Tusc.  5,  38,  findet  sich  auch  bei  Yarro  und 
Sp.  L.  bei  Jul.  Capit.  in  v.  Yeri.  5,  Apul.  de  mundo  c.  28  und 
36  und  nur  von  Tieren  gebraucht,  wo  es  dem  ferus  oder  immanis 
entgegengesetzt  ist;  man  sagte  für  zahm  auch  mansuetus,  rhet.  Her. 
4,  61  und  Liv.  35,  49,  7,  Yarro  r.  r.  2,  6,  3;  aber  man  beachte, 
dass  mansuetus  auf  die  durch  Dressur  bewirkte  Zahmheit  sich  be- 
zieht, während  cicur  von  Natur  zahm  bedeutet;  vgl.  Tegge  S.  338. 
Das  Yerbum  aber,  cicurare,  zahm  mache?!,  ist  nur  A.  L.,  und  dafür 
ist  mansuefacere  das  beständige  Wort.  Gurt,  hat  dafür  auch  mitigare, 
9,  2,  16  und  gezähmt  ist  mansuef actus,  Plin.  nat.  8,  65.  N.  L.  ist 
cicuritas,  die  Zahmheit,  für  mansuetudo. 


Cilix  —     280     —  Circularis 

Cilix  als  Adjekt.,  Ciliciscli,  ist  mehr  P.  L.  für  Ciliciensis  oder 
N.  Kl.  Cilidus,  da  Cilix  und  Cilissa  die  Yölkernamen :  der  Cilicier 
und  (^ie  Cilicierin  sind. 

Cimher  als  Adjekt.,  Cimhrisch,  ist  ^.  i^.  für  Cimhricus;  jenes 
ist  in  Prosa  nur  Suhst. 

CinctutuSj  gegürtet,  umgürtet,  ist  P.  Z.  und  heisst  nur  mit  dem 
Schurze  bekleidet;  vgl.  Hör.  ars  50;  gegürtet  aber  ist  cinctus,  succinctus. 

Circa  kommt  im  Ä.  L.  bis  auf  Lucrez  und  Sallust  in  der  Lite- 
ratur gar  nicht  vor,  aber  in  Inscr.  schon  um  122  v.  Chr. ;  es  findet  sich 
zuerst  in  Cic.  Yerr. ;  gebraucht  wird  es  selten  bei  Cicero  und  Caesar 
(bei  Cic.  sicher  nur  Verr.  1,  133;  1,  126;  4,  107  und  bei  Caes. 
civ.  3,  31,  1)  und  nur  in  der  örtlichen  Bedeutung  um,  herum,  in  der 
Nähe  hei,  für  circiim.  Erst  bei  Livius,  der  gewöhnlich  ci^xa,  selten 
circum  hat,  steht  es  synonym  mit  apud  oder  ad,  bei  Liv.  und  später 
wurde  es  ferner  nicht  nur  örtlich,  sondern  auch  von  der  Zeit  ge- 
braucht, —  um  eine  geiuisse  Zeit,  z.  B.  circa  annum  octavum,  circa 
meridiem,  circa  horam  jwimam,  circa  Idus  Maias  u.  dgl.  So  z.  B. 
oft  bei  Cek.,  s.  Brolen  S.  43;  auch  bei  Colum.,  vgl.  Kottmann  S.  23. 
Bei  Cic.  Att.  2,  17,  1  steht  dafür:  a.  d.  sex.i\im  cii'citer  Idus  Maias ; 
fam.  4,  12,  2  circiter  hora  decima  noctis;  Q.  fr.  2,  2,  1  suh  dies 
festos;  ib.  §  3  diligenter  naviga  de  mense  Decembri;  Caes.  Gall.  1, 
50,  2  circiter  meridiem.  Ebenso  wurde  es  erst  seit  Livius  zur  un- 
gefähren Bestimmung  einer  Zahl  gebraucht,  unser  um  oder  an,  für  ad 
oder  circiter,  z.  B.  circa  ciuindecim,  um,  an,  ungefähr  fünfzehn,  für 
ad  quindecim  (Cic.  Att.  1,  14,  5);  circa  passus  sescentos,  für  cir- 
citer p.  (Caes.  Gall.  1,  49,  1).  N.  Kl.  ist  ferner  und  häufig,  auch 
bei  Quintil.,  circa  in  der  Bedeutung  in  Beziehung,  in  Rücksicht  auf, 
in  betreff  einer  Sache,  für  de  oder  ([uod  mit  einem  Yerbum,  ebenso 
=  erga,  z.  B.  amor  circa  ijatriam,  vgl.  Archiv  YIII,  179;  IX,  550 
u.  XII,  460.  Hingegen  bei  Livius  (27,  27,  12):  multos  circa  unam 
rem  ambitus  fecerim,  ist  circa  durch  ambitus  veranlasst.  S.  Weissen- 
born  z.  d.  St.  Damit  hängt  auch  zusammen,  dass  iV.  Kl.  versari 
u.  occuimtum  esse,  sich  beschäftigen  mit  etwas,  mit  circa  aliquam  rem 
verbunden  wird  für  das  klassische  in  cdiqua  re\  man  meide  alle 
diese  nachklassisch.  Wendungen  und  gebrauche  circa  ausschliesshch 
lokal.  Ygl.  über  circa  Hand  Tursell.  II  S.  49 — 70,  meine 
Syntax^  §  117,  Reisigs  Yorles.  S.  730  und  besonders  Wölfflin  im 
Archiv  Y  S.  294,  Novak  Stud.  Liv.  1894  S.  75.  —  Über  circa 
mit  einem  Ortsaccusativ  in  der  Bedeutung  ringsum  zu  oder  an  oder 
in  s.   Circum. 

Circulare  ist  ein  Sp.  L.  Wort,  nirgends  hat  es  die  Bedeutung 
unseres  zirkidieren ;  dies  ht  circumferri,  vgl.  Cic.  Att.  1,  16,4  cum 
tabulae,  ut  mos  est,  circumferrentur ;  zirkidieren  lassen  ist  circum- 
ferre,  vgl.  Cic.  Yerr.  2,  104  cedo  codicem,  circumfer,  ostende. 

Circularis  ist  ganz  Sjh  L.  in  der  Bedeutung  kreisförmig;  es 
werde  umschrieben  mit  orbis  oder  circus,  circulus,  qui  in  orbem,  in 
circum  fertur;  auch  mit  der  Präpos.  circum,  herum. 


Circulus  —     281     —  Circum 

Ciradiis  bedeutet  nicht  das  Instrument,  mit  dem  ein  Kreis  ge- 
zogen wird,  was  wir  Zirkel  nennen  (dieser  heisst  circinus)^  sondern 
nur  den  K^^eis  selbst,  vgl.  Cic.  nat.  deor.  2,  47  circulus  aut  orhis, 
qui  xuy.?.og  graece  dicitur ;  besonders  üblich  ist  es  aber  in  der  Bedeut. 
Zusammenkunft^  Gesellschaft  von  Menschen,  wie  wir  Zirkel  sagen, 
z.  B.  Cic.  de  or.  1,  174  cum  in  circulo  decijnare  adversarii  stipulati- 
uncula,  Att.  2,  18,  2  in  circulis  et  in  conviviis,  vgl.  Stangl  Tüll. 
S.  46,  N.  L.  aber  von  HerumsteJienden,  die  einen  Kreis  bilden, 
für  Corona^  wiewohl,  wenn  sie  in  einem  doppelten  und  mehrfachen 
Kreise  hintereinander  stehen,  gesagt  werden  kann,  duplici,  midtiplici 
circulo.  Vgl.  PI  in.  epp.  6,  33,  3.  Einen  Kreis  (von  Menschen) 
schliessen  heisst  orhem  (nicht  circulum)  colligere,  in  orhem  coyisistere ; 
das  philosophische  einen  Zirkel  im  Beiveis  machen  etwa  eodem  revolvi 
(nach  Cic.  divin.  2,  13).  —  N.  L.  wird  es  von  einer  Fläche  Landes 
gebraucht,  wie  wir  sagen  fränkischer,  bayerischer  —  Kreis,  circulus 
für  pagus  oder  regio. 

Circum,  um,  wird  V.  L.  von  Vitruv  4,  1,  9  circum  vernum 
tempus  von  der  Zeit  gebraucht,  für  circiter,  de,  suh  und  das  N.  Kl. 
circa  (vgl.  (7irca);  es  ist  auf  Angaben  von  Orteyi  oder  Menschen  zu 
beschränken.  —  Merkwürdig  ist  der  im  Latein,  feststehende  Gebrauch, 
bei  Yerben,  wie :  mittere,  ducere,  cursare,  errare  u.  a.  ähnlichen, 
circum  mit  dem  Accusativ  in  der  Bedeutung  ringsherum  zu,  an  oder 
in  zu  brauchen,  und  z.  B.  für  aliquos  circum  mittere  in  urhes  zu 
sagen  aliquos  mittere  circum  urhes,  z.  B.  Naevius  pueros  circum 
amicos  (zu  den  Freunden  umher)  dimittit  (Cic.  Quinct.  25) ;  ego  volo 
circum  villulas  meas  errare,  ich  gedenke  in  meinen  Landhäusern 
herumzustreifen  (Att.  8,  9,  3) ;  Apronius  ducebat  eos  circum  civitates, 
ringsherum  in  die  Städte  (Yerr.  3,  65) ;  ille  circum  hospites  (hei 
seinen  Gastfreunden  herum)  cursabat  (ib.  4,  41).  Circum  oram  mari- 
timam  misit,  ut  .  .  .  Liv.  29,  24,  9 ;  Romidus  legatos  circum  vicinas 
gentes  misit,  1,  9,  2.  Aber  schon  Livius  gebraucht  dafür  das  von 
ihm  bevorzugte  circa,  z.  B. :  legatos,  custodes  mittere  circa  aliquem, 
4,  23,  5  u.  28,  26,  11  und  litteras  circa  praefectos  dimittere,  42,  51,  1, 
circa  domos  ire,  circa  fora  proficisci,  circa  vias  discurrere,  26,  13,  1; 
39,  18,  2;  25,  9,  2  u.  circa  horrea  ducti,  29,  22,  3;  discipidos  circa 
urhes  dimisit,  Plin.  nat.  7,  123  und  Suet.  Octav.  49.  Jedoch  kommt 
es  auch  bisweilen  Kl.  vor,  dass  circum  mit  dem  Yerbum  verbunden 
wird,  wo  denn  zum  Subst.  teils  eine  Präposition  hinzutritt,  teils 
ausgelassen  wird,  z.  B.  legationes  in  omnes  partes  circummittuntur 
(Caes.  Gall.  7,  63,  1) ;  oder  circummittere  wird  absolut  gebraucht, 
wie  bei  Caes.  Gall.  5,  51,  3  u.  a.  Nie  aber  wird  circum,  wenn  es 
mit  dem  Yerbum  verbunden  ist,  noch  einmal  beim  Substant.  wieder- 
holt, wie  wir  sagen  um  etwas,  einen  herumgehen ;  der  Lateiner  sagt 
bloss  circuire  oder  circumire  aliquem,  cdiquid.  —  Sehr  selten  ist  das 
verdoppelte  circumcirca,  ringsherum,  was  in  kl.  Zeit  nur  in  einem 
Briefe  des  Sulpicius  (Cic.  fam.  4,  5,  4)  und  bell.  Hisp.  41  vor- 
kommt;   vgl.  Wölfflin  Gemination  S.  482,   wo  Anm.   1  bemerkt  ist: 


Circuire  —     282     —  Circumfluere 

„ circumcirca  ist  wohl  ==  circa  circum,  im  Kreis  herum;  oder  ist 
die  Form  geminiert  mit  Wechsel  der  Endung  wie  verum  enim  vero  ^" 
Ich  halte  das  letztere  für  wahrscheinlich,  zumal  das  Wort  vulgär 
ist  und  in  der  Volkssprache  die  Endungen  nicht  viel  Beachtung 
fanden.  Ygl.  auch  meine  Abhandlung  Z.  f.  G.  W.  1881  S.  105, 
Köhler  act.  Erl.  I  S.  388,  Rebling  S.  17.  Sj).  L.  findet  sich  mehr- 
fach circumquaque,  rings  umher  u.  bei  Lucr.  Yerg.  und  S}).  L.  bei 
GeUius  circum  undique:  lauter  Wörter,  die  man  zu  meiden  hat. 

Circuire,  vgl.  Circumire. 

Circumcurrerey  herumlaufen,  ist  sehr  selten  und  N.  KL,  auch 
wird  discurrere  circa  aliqiiem  lociim  gebraucht.  Ebenso  selten  ist 
circumcursare ;  es  ist  A.  L.  und  Sp.  L.,  vgl.  Watson  S.  307. 

Circumcursatio,  das  Herumlaufen,  ist  N.  L.  Es  hat  gar  keine 
Autorität.  Circumcursio  ist  erst  Sp.  L.  und  kommt  nur  einmal  bei 
Apul.  met.  9,  13  vor.  Man  brauche  das  Yerbum  oder  das  Subst. 
discursus. 

Circumdare,  umgehen,  wird  verbunden  entweder  aliquid  (aliquem) 
aliqua  re  oder  alicui  aliquam  rem.  Sehr  selten  wie  bei  Tac.  bist. 
3,  63  ist  circumdare  mit  dem  Äcc.  ohne  einen  Ahl.,  womit,  wofür 
man  cingere  sagt.  Unmöglich  wäre  also:  eum  midütudo  hominum 
circumdedit,  ihn  umgah,  umriugfe  — ,  für  cinxit;  flumen  Dubis  paene 
totum  oppidum  circumdat,  für  cingit;  aber  der  Dativ  kann  fehlen 
und  aus  dem  Zusammenhange  hinzugedacht  werden.  S.  darüber 
z.  B.  Caes.  Gall.  7,  72,  4:  turres  toto  opiere  circumdedit  =  auf  der 
ganzen  Linie  etc.;  ebendas.  1,  38,  6. 

Circumducere ;  wohin  mit  ad,  ivodurch  mit  per,  an  was  vor- 
üher  mit  praeter,  aber  auch  mit  dem  blossen  Äccusativ  des  Ortes, 
tvo  und  ivodurch  jemand  herumgeführt  wird ;  wenigstens  sagt  Caesar 
(civ.  3,  61,  1):  quos  Pompeius  omnia  sua  praesidia  circumduxit, 
was  ganz  gut  ist,  da  —  s.  Kraner  zu  d.  Stelle  —  der  doppelte 
Accus,  bei  circumducere  wie  bei  transportare,  traicere,  traducere  steht. 
Diese  Stelle  ist  äusserst  interessant,  da  von  dem  einen  Yerb  drei 
Acc.  {circum  ist  ja  auch  Acc.)  abhängen ;  vgl.  hierüber  Piger  S.  32. 

Circumfluere,  umfliessen,  steht  in  klass.  Prosa  nie  in  eigentlicher 
Bedeut.,  dafür  circumluere,  circumfundere,  cingere,  z.  B.  terra  circum- 
luitiir  mari,  alluitur  mari,  continetur,  circumfunditur,  cingitur,  mare 
attingit  terram.  Aber  nach  dem  Yorgange  von  Ov.,  der  gerne  in 
Wörtern  und  Konstruktionen  neuert,  kommt  der  blosse  Accusat.  in 
der  silbernen  und  in  der  spätem  Latinität  vor.  Wir  fügen  den  in 
den  Lexx.  dafür  angeführten  Stellen  noch  folgende  weitere  Belege 
bei:  De  oceano  tamen  dubitant,  utrumne  terras  velut  viyiculum  circum- 
fluat,  an  .  .  Sen.  suas.  1,  4  (B.)  und:  hanc  (Spartam)  Eurotas 
circumfiuit,  Sen.  suas.  2,  5  (B.) ;  Sen.  nat.  quaest.  3,  30,  4.  Cum 
(oceanus)  omnes  terras  circumfiuat,  Gell.  12,  13,  20.  Smgrna, 
quam  circumfiuit  Meles  fluvius,  M.  Cap.  6,  S.  287  (Eyss.).  —  Klassisch 
hingegen  ist  das  Wort  in  intransit.  Bedeutung  mit  dem  Ablativ: 
Omnibus  rebus,  omnibus  copiis  circumfluere  ^=  im  Überfluss  schwim- 


Circumforaneus  —     283     —  Circumspectus 

men^  Cic.  Verr.  3,  9  und  Lael.  52;  gloria  circwnfluere  =  im  Sonnen- 
glanz des  Ruhmes  sich  laden,  Cic.  Att.  2,  21,  3  ;  vgl.  Seyff.-Müller 
zu  Lael.  S.  356.  —  Das  Adjekt.  circumfluiis,  umströmend  und  um- 
flossen, ist  nur  P.  L.  und  N.  Kl.  bei  Tacitus  und  dem  altern  Piin. 
für  circumfusiis,  cindiis  {mari,  fliictihiis ;  Cic.  rep.  2,  8). 

Circumforaneus  ist  in  der  Bedeut.  alltäglich,  gemein,  in  welcher 
es  im  N.  L.  genommen  wird,  ohne  Autorität,  für  cotidianus,  vidgaris, 
translaticius,  pleheius.  Was  es  bedeute,  erhellt  am  besten  aus  Cic. 
Att.  2,  1,  11  aes  circumforaneum,  vgl.  Boot  z.  St.  und  fürs  Sp.  L. 
aus  Kretschmann  Apul.  S.  52. 

Circumire  oder  circuire  wird  verbunden  mit  dem  Acc.  aliquem 
oder  aliquid  und  zwar  oft  mit  dem  Nebenbegriff  des  Bittens  um 
etwas  oder  in  anderer  Absicht;  ebenso  auch  in  der  Bedeutung  in 
einem  Orte,  in  einer  Gegend  herumgehen,  nicht  in  aliquo  loco.  Vgl. 
darüber  Circum. 

Circumiacere,  herum-,  in  der  Nähe  anliegen  an  etivas,  kommt 
in  der  klass.  Sprache  nicht  vor,  aber  bei  Liv.  u.  Tac.  und  wird  ver- 
bunden alicui  loco,  z.  B.  U7n  oder  an  Europa,  Europae,  s.  Liv.  37, 
54,  11,  Sp.  L.  mit  Acc,  vgl.  Rönsch  Coli.  phil.  S.  88. 

Circumiectus ,  ist  bei  Cicero  sehr  selten,  einmal  in  der  Über- 
setzung eines  Euripid.  Yerses,  nat.  deor.  2,  65,  wo  es  Umfayigen,  Um- 
schlingen bedeutet,  und  das  anderemal  rep.  2,  11,  hier  =  Umgehung ; 
man  ersetze  es  durch  cingere,  circumdare,  saepire.  Dafür  bei  Tacitus 
auch  circumiecta  (seil,  loca) :  vagicircumiectapopulahantur,  ann.  1,  21. 

Circumlinere,  umschmieren,  wird  verbunden  aliquid  aliqua  re, 
seltener  alicui  aliquid,  z.  B.  mortuos  cera  oder  mortuis  ceram  circum- 
linere; beides  ist  unklassisch,  kommt  mit  den  aug.  Dichtern  auf  und 
geht  dann  ins  silb.  Latein  über. 

Circumlocutio  erwähnt  Quintil.  8,  6,  61  als  das  gewöhnliche 
Wort  für  das  griech.  Ttepicppaacg,  die  Umschreibung,  zieht  ihm  aber 
circuitus  eloquendi  vor,  wofür  auch  circuitio  oder  amhitiis  verhorum, 
Suet.  Tib.  71,  gebraucht  werden  kann.  Auch  möchte  das  griech. 
Wort  periphrasis  als  Kunstwort  nicht  zu  verwerfen  sein.  Sp.  L. 
bei  Amm.  30,  4,  15  sind  circumlocutiones  =  unverdaute  Phrasen, 
vgl.  Liesenberg  I  S.  11;  ebenso  Sp.  L.  ist  diO,^  \ Qvhwm.  circumloqui 
für  das  N.  Kl.  circuire  (verhis,  eloquendo),  vgl.  Kretschmann  Apul.  37. 

Circumquaque,  vgl.  Circum. 

Circumretitus,  imigarnt,  umgeben,  bildlich,  findet  sich  bei  Cicero 
einmal  an  passender  Stelle :  te  circumretitum  frequentia  popidi  Ro- 
mani  esse  video,  Yerr.  5,  150,  vgl.  Thomas  z.  St.;  das  Verbum 
circumretire  ist  nur  P.  u.  Sp.  L. 

Circumscribere  und  circumscriptio  (von  der  Rede)  werden  mehr 
für  die  Periode  gebraucht,  als  für  das,  was  man  umschreiben  oder 
Umschreibung  nennt.  Vgl.  darüber  Circumlocutio.  Auch  Hand  ver- 
wirft es  (Lehrb.  S.   136). 

Circumspectus,  bedächtig,  überlegt,  umsichtig,  von  Sachen  und 
Personen,  ist  zwar  erst  N.  KL,   steht  aber  bei  Celsus,  Quintil.   und 


Circumspicere  —     284     —  Cis 

Sueton,  und  ist  darum  nicht  durchaus  zu  verwerfen,  zumal  da  Cicero 
selbst  das  Substant.  chxumsi^ectio  acad.  2,  35  in  der  Bedeut.  Umsicht 
gebraucht.  So  nennt  Quintil.  (10,  1,  26)  ein  umsichtiges,  luohl  über- 
legtes  Urteil  iiidicium  circumspectum. 

Circumsjncere.  Sich  umsehen  heisst  circumspicere,  z.  B.  Cic.  de 
div.  2^  72  nee  suspicit  nee  circmnspicit,  und  so  sagt  schon  Plautus 
Trin.  151  circumspice,  schau  um  dich!  Auch  circumspecto  wird  so 
gebraucht  Bacch.  279  dum  circumspecto,  sowie  klass.,  z.  B.  Cic. 
nat.  deor.  2,  126  ut  in  pastu  chxumspecteyit  sc.  hestiae.  Nur  von 
Plaut,  wird  circumspicere  se  =  sich  umsehen,  umherhlicJcen  (also  im 
eigentlichen  Sinne)  als  Yerbum  reflex.  genommen:  circumspicedum 
te,  ne  qiiis  adsit  cüMter  nohis,  Trin.  146;  ebenso  steht  bei  demselben 
circumspectare  se,  ib.  863:  loca  contemplat,  circumspectat  sese.  Plautus 
kennt  circumspicere  nur  in  eigentlicher  Bedeutung.  Doch  schon  Ter. 
Ad.  688  numqidd  circumspextif  gebraucht  es  metaphorisch.  In 
diesem  Sinne  steht  es  klass.  auch  reflexiv,  z.  B. :  Numcpiamne,  homo 
amentissime,  te  circumspicies  =  ivirst  du  nie  einen  Blick  auf  dich 
seihst  iverfen,  um  zu  erivägen,  wer  du  seiest  f  Cic.  Parad.  30, 
ebenso  bei  Sen. :  Romanus  sermo  niagis  se  circumspicit  =  gibt  mehr 
auf  sich  seihst  acht,  ist  umsichtiger.  Als  transitives  Yerb  ist  circum- 
spicere klass.,  z.  B.  Cic.  fam.  5,  13,  3  circumspice  omyiia  memhra 
rei  p.,  ebenso  circumspectare,  z.  B.  Cic.  Pis.  99  omnia  circumspec- 
tantem.  S.  J.  Ott,  Rottw.  Progr.  von  1868;  Maier,  Progr.  Bruchsal 
1880  S.  10;  Langen  in  N.  Jahrb.  1882  S.  683,  Brix-Niemeyer  zu 
Plaut.  Trin.  146,  Reisig-Haase-Heerdegen  S.   123. 

Circumstantia  kommt  erst  N.  Kl.  vor  und  oft  Sp.  L. ;  es  kann  weder 
im  Sing.,  noch  im  Plur.  für  die  gewöhnlichen  Wörter  Umstand.,  Um- 
stände gebraucht  werden,  da  es  im  Lateinisch,  einen  ganz  anderen 
Begriff  enthält;  man  brauche  res,  condicio,  momentum,  oder  was 
sonst  der  Sinn  nach  dem  Zusammenhange  fordert,  z.  B.  kleine  Um- 
stände müssen  beachtet  werden,  parvae  res,  parva  momenta;  nach 
Zeit  und  Umständen,  pro  tempore  et  pro  re  (Caes.  Gall.  5,  8,  1) ; 
die  Zeitumstände,  tempora,  ratio  temporis  (temporum),  temporum  vin- 
cula  (Cic.  fam.  10,  6,  2),  nicht,  wie  manchmal  im  N.  L.,  circum- 
stantiae  temporis  oder  temporum.  Uyiter  geiuissen  Umständen  kann 
auch  gegeben  werden  durch  aliquando  nach  Quint.  4,  1,  70;  für 
unter  .solchen  Umständen  genügt  ein  blosses  ita,  sie,  sie  quoque,  ne 
sie  quidem.     S.  Vogel  zu  Curt.  7,  8,  11  u.  Halm  zu  Cic.  Mur.  13. 

Circumstipare,  umdrängen,  ist  P.  für  circumdare,  cingere. 

Circumversus,  um-  oder  rückiuärts  gekehrt,  ist  N.  L.  für  retro- 
versus ;  in  umgekehyier  Ordnung,  nicht  circumverso  ordine,  sondern 
bloss  retrorsum,  z.  B.  dicimus  potius  diem  ac  noctem,  quam  retro?^- 
sum,  als  umgekehrt,  in  umgekehrter  Ordnung. 

Cis  von  der  Zeit  in  der  Bedeutung  hinnen,  ist  nur  Ä.  u.  Sp.  L. 
und  nicht  nachzubrauchen;  dafür  intra,  z.  B.  nicht  cis  paucos  menses, 
sondern  intra  paucos  menses  (nur  Sali,  sagt  in  klass.  Zeit  eis  paucos 
dies,  hist.   1,  70  M.) ;  vgl.  Pradel  S.  499,  Lorenz  zu  Plaut.  Most.  18, 


Oissos  —     285     —  Civicus 

Chruzander  S.  80.  Über  lokales  eis,  welches  klass.  ist,  z.  B.  Cic. 
Att.  7,  2,  6  quoad  hostis  eis  Euphratem  fiiit,  vgl.  Schmidt  Liv. 
1903  S.  4  fF.,  überhaupt  meine  Syntax^  §  112. 

Cissos,  das  griechische  Wort  für  Epheu,  steht  bei  Plinius  als 
botanisches  Kunstwort  für  das  latein./ieriera^  was  allein  gebraucht  werde. 

Citare  =  einen  Sehrißsteller,  eine  Stelle  etc.  anfuhren,  darüber 
s.  unter  Adducere. 

Citatim,  eiligst,  für  cito,  propere,  ist  Kl.  höchst  unsicher  be- 
glaubigt; bei  Cic.  Att.  14,  20,  5  verdankt  es  seine  Existenz  dem 
Fälscher  Bosius,  vgl.  Boot  u.  C.  F.  W.  Müller  z.  St.;  von  unge- 
nügender Autorität  aber  ist  der  Verf.  des  bellum  Afric,  wo  es  c. 
80,  4  steht;  vgl.  Köhler  act.  Erl.  I  S.  380  und  Fröhlich  S.  56, 
Wölfflin  zu  b.  Afr.  1.  1.,  Archiv  YII  S.  496,  YIII  S.  92  und  XII 
S.  194.  Im  Kompar.  finden  wir  citatius  bei  Quint.  11,  3,  112  u. 
als  Superlat.  citatissime  ib.  1,  1,  37;  der  Positiv  citate  ist  nur  im 
Corpus  Gloss.  II,  101,  22  überhefert,  vgl.  Archiv  YIII  S.  92. 

Citatio,  die  Vorladung,  ist  N.  L.  für  vocatio  in  ins,  oder  mit 
dem  Yerb  citare. 

Citerior  ist  in  der  Bedeutung  früher  N.  Kl.,  wohl  zuerst  bei 
YelL,  dann  bei  Yal.  Max.  und  Sen.  zu  finden;  vgl.  Georges  Yell. 
S.  27  und  Wölfflin  Comp.  S.  45. 

Citra  kommt  erst  spät  auf,  Plaut,  und  Ter.  kennen  es  nicht; 
zuerst  hat  es  wohl  Lucr.  Noch  Liv.  gebraucht  es  nur  in  örtlicher 
Bedeutung  (vgl.  Schmidt  1903  S.  6  f.),  in  der  Bedeut.  vor  von  der 
Zeit  ist  es  P.  und  N.  Kl.  und  selten  für  ante;  aber  in  der  Bedeut.  ohne, 
sonder,  ausgenommeyi,  für  sijie,  praeter,  ist  es  N.  Kl.  u.  Sp.  L.,  bei 
Colum.  Quintilian  und  Plinius  min.  üblich;  man  meide  es  als  un- 
nötige Neuerung,  wie  z.  B.  schon  der  Jurist  Gaius  es  auch  kon- 
sequent abgewiesen  hat,  vgl.  Hoppe  Synt.  Tert.  S.  37,  Kalb  in 
Wölfflins  Archiv  I  S.  90 ;  Roms  Juristen  S.  9;  Leipold  S.  19 
(während  Ulpian  citra  j^^'^'^issiim  praetoris  schreibt,  hat  Gaius  sine 
permissu  pr.).     N.  L.  ist  aber  citra  duhiiün  für  sine  dubio. 

Citro  wird  in  der  Verbindung  mit  idtro  diesem  immer  nach- 
gestellt, (denn  der  Tonfall  vom  dumpfen  zum  hellen  Yokal  war  be- 
hebt, Wölfflin  Allitt.  S.  18);  das  Asyndeton  idtro  citro  findet  sich 
bei  Cicero  nur  nat.  deor.  2,  84,  nicht  bei  Caes.,  aber  bei  Yitruv, 
Liv.,  Plin.  mai.,  ApuL,  Sueton;  idtro  citroqiie  lesen  wir  bei  Cato 
wiederholt,  bei  Cic.  3,  bei  Caes.  2  mal,  im  b.  Afr.  u.  Hisp.,  bei 
Liv.  14  mal,  oft  im  Sp.  L.;  idtro  et  citro  steht  bei  Cic.  3  mal,  u. 
bei  Gell.  9,  12,  17;  idtro  ac  citro  nur  Yarr.  r.  r.  3,  5,  16,  nitro 
atque  citro  nirgends.  Ygl.  Preuss  S.  17  ff.,  Köhler  act.  Erl.  I  S. 
442,  Thielmann  Cornif.  S.  70. 

Civicus,  bürgerlich,  wird  in  der  bessern  Prosa  nur  mit  Corona 
(die  Bürgerkrone)  verbunden,  z.  B.  Cic.  Plane.  72,  ausserdem  steht 
immer  civilis,  wofür  nur  die  Dichter  jene  Form  brauchen.  Früher 
las  man  civicus  auch  bei  Liv.  1 ,  40,  2 ,  civicae  stirpis,  wofür  aber 
jetzt  aus  den  besten  Handschriften  vicinae  stirpis  aufgenommen  ist. 


Civilis  —     286     —  Clam 

Civilis  bedeutet  vor  Augustus  nur  hib^gerlich,  den  Bürger  an- 
gehend; seit  Augustus  aber  hilrgerfreundlich^  populär,  herablassend, 
höflich,  so  schon  bei  Livius  se7ino  civilis;  bei  den  Folgenden  steht 
es  oft  für  humanus,  comis  und  in  der  Bedeut.  höflich  für  urhanus, 
politus.  Civilämter  im  Gegensatz  zu  den  militärische?!  sind  zu  Cic. 
Zeit  magistratiis  —  imperia,  Sali.  Jug.  3,  1,  oder  imperia  et  po- 
testates,  Koch  zu  Cic.  Phil.  2,  53 ;  erst  bei  Liv.  9,  3,  5  werden 
militaria  und  civilia  munera,  ebendas.  civiles  hellicaeque  res  u.  6,  22,  7 
civiles  res  u.  hella  einander  gegenübergestellt. 

Civilitas  bedeutet  erst  N.  KL  die  Leutseligkeit  u.  dgl.  für  hu- 
manitas,  comitas,  urhanitas.  IS^achklass.  bei  Quintil.  und  Sp.  L.  bei 
Apul.  dogm.  PI.  2,  8,  Amm.  30,  4,  3  findet  es  sich  in  der  Be- 
deutung Staatswissenschaft  als  Übersetzung  des  griech.  TzoXcrr/.rj  für 
civilis  scientia  u.  a.     Vgl.  Politica. 

Civitas^  der  Staat,  v^urde  im  bessern  Latein  nur  gedacht  als 
vereinigte  Bürgerschaft  samt  ihren  Rechten,  ohne  Beziehung  auf  die 
Hänser  (die  in  U7'hs  und  oppidum  liegt)  und  auf  die  Verfassung, 
welche  res  publica,  das  Gemeinwesen,  und  in  monarcliischen  Staaten 
Imperium,  regnmn  heisst.  Nach  der  klassischen  Bedeutung  von  civitas 
können  daher  Piatos  Bücher  über  den  Staat  sowohl  respuhlica  als 
civitas  heissen,  s.  Cic.  de  or.  1,  230:  si  in  illa  commenticia  Piatonis 
civitate  res  ageretur.  Archaisch-vulgär  ist  der  Gebrauch  von  civitas 
=  Stadt;  so  sagt  schon  Ennius  fab.  84  Müll,  set  civitatem  video 
Argivom  incendier;  in  Prosa  hat  es  wohl  zuerst  Dolabella  bei  Cic. 
fam.  9,  9,  3,  während  Cic.  diese  Bedeutung  nicht  anerkennt.  Später 
wird  civitas  =  Stadt  allgemein  üblich  und  ging  daher  auch  in  die 
romanischen  Sprachen  über.  Ausführlich  handelt  hierüber  Wölfflin 
Cass.  Felix  S.  401  f.,  Sittl  S.  109  u.  156,  Landgraf  S.  Rose.  S.  30 
u.  408,  Thielmann  Apollon.  S.  31,  Kraut  Progr.  Blaubeuren  1881 
S.  3,  Gorges  S.  21.  —  Einem  (fremden)  Worte  das  Bürgerrecht 
schenken,  d.  h.  es  in  eine  andere  Sprache  aufnehmen,  kann  auch 
lat.  ganz  wörtlich  ausgedrückt  werden.  Yogel  weist  für  vocahiihcm, 
orationem  civitate  donare  nicht  nur  auf  Gell.  19,  13,  3,  sondern 
auch  auf  Quintil.  8,  1,  3  hin.  Verhinn  civitate  donare  findet  sich 
aber  auch  noch  bei  Sen.  epp.  120,  4  u.  n.  q.  5,  16,  4:  sed  et 
Eurus  iam  civitate  donatus  est  et  nostro  sermoni  non  aliemis  inter- 
venit.     Ygl.  Eruditus. 

Clam  ist  bei  Cic.  nur  Adverb  (Att.  10,  12,  5  dam  andern 
istis  ist  sehr  verdächtig,  vgl.  Boot  z.  St.;  C.  F.  W.  Müller  liest 
clam  agendum  est)^  bei  Caes.  civ.  2,  32,  8  wird  es  als  Präp.  mit 
Abi.  verbunden;  dies  ist  die  einzige  Stelle  für  clam  c.  Abi.,  denn 
b.  Afr.  11,  4  ist  clam  Adverb,  vgl.  Wölfflin  Archiv  YI  S.  100; 
YII  S.  278;  nur  bei  Hygin  S.  111,  6  lesen  wir  cla^n  procis.  Der 
Acc.  bei  clam  scheint  vulgär  (Kom.,  b.  Hisp.,  Gell.,  Pseudo-Cic.  in 
Sali.,  Dict.  Cret.);  vgl.  meine  Syntax^  §  139,  Pradel  S.  501,  Frese 
S.  69,  Langen  Beitr.  S.  229.  ,^Heimlich  lueggehen^^  in  verächtlichem 
oder  auch  scherzhaftem  Sinne  wird  in  der  Umgangssprache,  so  auch 


Clamare  —     287     —  Clarus 

bei  Cic.  Q.  fr.  3,  4,  1,  durch  se  diicere,  se  suhducere  u.  ä.  gegeben, 
vgl.  meine  Abb.  über  Asin.  PoUio^  S.  47. 

Clamare^  riefen^  wird  im  Sinne  von  vocare  von  Dichtern  seit 
Plaut,  gebraucht,  z.  B.  Plaut.  Asin.  390  icmiia  ianitorem  damat, 
in  Prosa  aber  erst  Sp.  L.,  vgl.  Rönsch  Sem.  III  S.  13.  Nach 
clamare  folgt  klass.  Acc.  c.  inf.  u.  finales  lä,  z.  B.  Cic.  Yerr.  2,  47 
damay^e  coeijeriiyü,  sihi  ut  hoher  et  hereditatem,  fin.  1,  57  damat  Epi- 
citrus  non  posse  mcitnde  vivi  nisi  sapienter. 

Clancidum,  lieimlidi,  ist  ein  Wort  der  Yolkssprache,  A.  L.  bei 
den  Komikern  für  clam^  dann  im  bell.  Hisp.,  und  ebenso  Sj:).  L. 
dancido ;  beide  sind  für  den  bessern  Stil  zu  vermeiden;  vgl.  Köhler 
act.  Erl.  I  S.  374,  Maier  S.  17.  Über  die  Herleitung  des  Wortes 
vgl.  Stowasser  im  Arch.  VI  S.  563  und  dagegen  Funck  im  Archiv 
YII  S.  23;  vgl.  noch  Pradel  S.  501,  Rönsch  Coli.  Phil.  S.  66. 

Clarere,  sichtbar,  herühmt  sein,  glänzen,  ist  nur  A.,  P.  u.  Sp.  L, 
für  darum  esse  u.  a. 

Clarescere  ist  in  der  Bedeutung  herühmt  werden  N.  Kl.  und 
selten,  nur  bei  Tacitus  und  Sueton,  doch  der  Kürze  wegen  nicht 
durchaus  zu  verwerfen  für  darum,  nohilem  fteri,  nohilitari,  illustrari, 
fiorescere  u.  a.,  oder  indarescere  bei  Yal.  Max.,  Plin.  mai.  und  min., 
Tacit.,  Suet. 

Clarificare,  herühmt  machen,  ist  Sp.  L.  für  illiistrare  u.  a.,  z.  B. 
Lucif.  260,  21,  Priscill.  66,  1,  Cypr.  679,  4  darificato  die;  letztere 
Wendung  scheint  allerdings  einzig  in  ihrer  Art  zu  sein,  wie  Watson 
S.  307  sagt. 

Ciaritudo,  die  Berühmtheit,  der  Ruhm,  ist  A.  L.  Form  für 
da^ntas  und  von  da  bei  Sallust,  der  daritas  gar  nicht  gebraucht, 
vgl.  Kunze  Sali.  III,  1  S.  8,  aufgenommen ;  sonst  findet  es  sich  nur 
N.  Kl.  bei  Yell.,  Tac.  und  Sp.  L.  bei  Gellius,  vgl.  Gorges  S.  6,  u. 
Amm. ;  es  ist  zulässig  neben  daritas,  nohilitas,  gloria,  splendor,  summa 
dignitas,  amplitudo,  nominis  cdehritas  u.  a. ;  vgl.  Georges  Yell.  S.  18, 
Liesenberg  I  S.  22. 

Clarus  ist  klar,  hell,  zunächst  für  das  Gesicht,  daher  clara  lux 
=  der  helle,  lichte  Tag,  Cic.  leg.  2,  37,  und  im  Ablat.  cla^xt  liice, 
Liv.  23,  7,  10  und  darissima  liice,  Cic.  Cael.  47.  Ebenso  sagt  man  für 
das  Gehör  clara  voce.  Im  übertragenen  Sinn  (auf  einen  Menschen 
bezogen)  bedeutet  es  den  durch  Gehurt,  Reichtum,  Ehrenstellen 
Hervorragenden  und  insofern  Berühmten,  während  nohilis  denjenigen 
ausdrückt,  der  sich  durch  Verdienste  ausgezeichnet  hat,  s.  darüber 
Tischer  zu  Cic.  Tusc.  1,  116,  besonders  aber  Nägelsbach-Müller^ 
S.  304.  Auch  von  Sachen  kann  clarus  gesagt  werden,  besonders 
im  Superlativ,  vgl.  Cic.  Lael.  12  illum  diem  darissimum  fuisse.  Zu 
bemerken  ist  noch,  dass  clarus  in  diesem  tropischen  Sinn  auch  in 
malam  partem  gebraucht  wird  =  herüchtigt,  s.  Cic.  Yerr.  1,  50: 
illa  vero  expugnatio  fani  antiquissimi  .  .  .  quam  clara  fuit  apud 
omnes,  ebenso  4,  27  und  das.  Halm;  Luxuria  superhiaque  clarus, 
Liv,  7,  31,  6. 


Classicus  —     288     —  Classis 

Classicus,  klassisch,  ist  N.  L.  in  den  beiden  Bedeutungen, 
welche  das  Wort  klassisch  bei  uns  hat,  nämlich  1.  das  griech.  und 
röm.  Altertum  hetreffend  und  2.  ausgezeichnet,  vorzüglich,  vortrefflich. 
In  jener  ersten  Bedeutung,  wo  wir  z.  B.  alle  griech.  und  latein. 
Schriftsteller,  gute  und  schlechte,  klassische  nennen  oder  von  klassi- 
schem Altertiime  sprechen,  kann  classicus  gar  nicht  angewendet 
werden,  sondern  es  muss  dafür  antiqui  scriptores  utriiisque  linguae 
oder  veteres  scriptores  graeci  et  latini  oder  antiquitas  Graecoinmi  et 
B,o)nanorum  gesagt  werden.  Ygl.  mehr  unter  Humaniores  und 
Philologia.  —  In  der  zweiteyi  Bedeutung,  ausgezeichnet,  scheint  es 
allerdings  Autorität  zu  haben,  indem  Gellius  (aus  dem  Zeitalter  der 
Antoninen  um  130  n.  Chr.)  19,  8,  15  von  einem  sc?nptor  classicus 
und  im  Gegensatz  dazu  von  einem  proletarius  spricht;  er  nimmt  also 
seine  bildlichen  Benennungen  von  der  Klasseneinteilung  der  Römer 
her,  nach  welcher  die  reichsten  und  vorzüglichsten,  nämlich  die  der 
ersten  Klasse,  vorzugsweise  classici  hiessen,  die  ärmsten  hingegen,  die 
der  letzten  (sechsten)  Klasse,  proletarii.  Ausser  Gellius  hat  es  aber 
niemand  gewagt,  classicus  auf  etwas  anderes  anzuwenden,  und  da 
es  für  die  Prosa  ohne  Autorität  ist,  so  muss  das  Wort  in  dieser 
allgemeinen  Bedeutung  ebenfalls  durchaus  vermieden  werden.  Man 
spreche  also  nicht  von  scriptores  classici,  sondern  von  scriptores 
optimi,  praestantissimi  oder  nach  Cicero  Script,  primae  classis  oder 
scriptores  py'ohati,  Sen.  epp.  2,  4^  prohatissimi  auctores^  Colum.  1,  1,  8 
und  scriptor  idoneus.  Gell.  10,  26,  5  u.  17,  19.     Ygl.   Classis. 

Classis,  die  Klasse,  ursprünglich  clasis  =  Aufgebot^  daher  clasis 
navalis  (Gegensatz  clasis  procinda)  auf  der  Col.  rostr.,  vgl.  Wölfflin 
S.  302,  ist  erst  später  =  Flotte.  Wiewohl  es  für  die  Klassen  in 
Schulen  von  einigen  verworfen  und  ihm  ordo  vorgezogen  wird,  so 
ist  es  doch  die  älteste  Benennung  für  die  Schidklassen ;  denn  die 
Schulmeister  hatten,  wie  Quint.  (1,  2,  23)  berichtet,  in  jenen  Zeiten 
ihre  Schüler  in  Klassen  (classes)  abgeteilt,  nicht  in  Ordnungen 
(ordiyies);  praeceptores  mei  (sagt  er)  pueros  in  classes  distribuerant; 
ducere  vero  classem  (der  erste  in  einer  Klasse  sein)  multo  pulcherrimum 
fuit.  Dies  ist  wohl  hinreichende  Autorität  für  classis.  "Wo  freilich 
die  Schülerzahl  in  Ordnungen  geteilt  ist,  zumal  in  den  Klassen  selbst, 
da  brauche  man  auch  ordo,  und  passend  ist  dann  discipidi  primi  (se- 
cundij  ordinis,  primae,  secundae,  tertiae  classis,  oder  cliscip.  primorum 
ordinum,  die  Seh.  der  ersten  Ordnungen.  Hergenommen  ist  dieses 
Wort  von  den  Unterabteilungen  im  römischen  Heere,  welche  ordines 
hiessen.  Es  ist  also  passend  für  jene  Ordnungen.  Es  findet  sich  aber 
jene  bildliche  Übertragung  von  den  Yermögensklassen  der  Römer  (s. 
classicus)  auf  Abteilung  der  Menschen  nach  geistigem  Werte  schon  bei 
Cicero,  der  (acad.  2,  73)  Philosophen  des  niedrigsten  Ranges  nennt 
philosophos,  qui  mihi  quintae  classis  videntur,  die  in  die  fünfte 
Klasse  zu  gehören  scheinen.  Auf  diesen  Sprachgebrauch  gründet  es 
sich  auch,  dass  auf  den  meisten  Schulen  prima  classis  diejenige  ge- 
nannt wird,   welche  die  geistig  reifsten  Schüler  enthält,   und  so  ab- 


Claudere  —     289     —  Clepere 

wärts.  Dagegen  nennt  man  diesem  Sprachgebrauche  zuwider  vielfach 
prima  classis  die  unterste^  niedrigste  Klasse,  welche  die  ersten  Anfänger 
enthält.  Wo,  ohne  Beachtung  des  Wertes,  grosse  Massen  in  Ah- 
teihmgen  oder  Klassen  gebracht  werden,  und  Klassen  so  viel  ist  wie 
Arten,  da  passt  nur  geyius,  nicht  classis.  Und  so  kennt  auch  Plinius 
in  der  Naturgeschichte  keine  classes  animalium,  sondern  nur  genera. 
Gleichwohl  kann  man  in  der  Terminologie  bei  den  vielen  Unter- 
abteilungen des  Wortes  classes  für  unser  Oherahteilungen  nicht  ent- 
behren, denen  genus  und  species  untergeordnet  sind.  Vgl.  s.  v.  Species. 

Claudere,  verschliessen.  Die  Form  cludere  findet  sich  nicht  bei 
Cic,  Caes.,  Sali.  u.  Liv.,  wohl  aber  A.  L.  u.  N.  Kl.;  nach  Köhlers 
Ansicht  act.  Erl.  I  S.  371  war  sie  zu  Caesars  Zeit  nicht  urban. 
Die  Litteratur  darüber  siehe  bei  Köhler  1.  1.  Über  clustrum  neben 
claustrum  und  clostrum  vgl.  Bücheier  in  Wölfflins  Archiv  I  S.  111. 
Im  eigentlichen  Sinn  sagt  man  claudere  aliquid  alicui,  z.  B. :  con- 
veyitus  portas  Van^oni  clausit,  Caes.  civ.  2,  19,  3;  in  tropischer  Be- 
deutung =  hemmen,  lähmen,  auch  d.  aliquid  alicuius,  wie :  horum 
ferocia  vocem  Kuandri  clausit,  Liv.  44,  45,  12.  Nicht  verwerflich 
ist  es  in  der  Bedeutung  endigen,  heschliessen,  wiewohl  nur  N.  KL 
bei  Quintil.  Statt  des  Dativs  der  Sache  kann  auch  der  Accus,  mit 
ad  gew^ählt  werden  nach  Cic.  Tusc.  4,  2:  quis  est  qui  putet  .  .  . 
nostrorum  hominum  ad  eorum  (Pythagoreorum)  voces  aures  clausas 
fuisse!  Sofern  das  Verschliessen  den  Zweck  der  Abhaltung  irgend 
einer  bösen,  verderblichen  Macht  hat,  kann  auch  contra,  oder  ad- 
versus  gebraucht  werden,  wie  domus  clausa  contra  cupiditatem,  Cic. 
Yerr.  5,  39  und:  cluso  corpore  adversum  vim  veneni,  Tac.  ann. 
15,  64.  Einen  Brief  schliessen  ist  klass.  concludere  epistulam,  die 
Rede  schliessen  oft  perorare,  sowie  der  Schhiss  peroratio.  Aber 
D.  L.  wäre  für  unser  einen  Kreis  schliessen  von  Menschen  oder 
Tieren  clcmdere  circidiim,  für  in  orhem  consistere,  orhem  colligere, 
orhem  facere,  coire  in  orhem  u.  orhem  volvere,  s.  Fabri  zu  Liv.  22, 
29,  5. 

Claudicare,  hiyiken,  im  eigentlichen  Sinne  ist  gut:  graviter  clau- 
dicare  ex  vulnere  oh  rem  piMicam  accepto,  Cic.  de  or.  2,  249.  Noch 
öfter  aber  braucht  insbesondere  Cicero  dieses  Yerbum  trop.  =  mangel- 
haft, nicht  in  gehöriger  Verfassung  sein,  auf  schlechten  Füssen  stehen. 
Diese  Übertragung  war  ihm  so  geläufig,  dass  er  sie  mit  Ausnahme 
von  fin.  1,  69  immer  ohne  ein  milderndes  quasi  anwendet,  z.  B. 
or.   170;  Tusc.  5,  22;  nat.  deor.  1,  107  u.  a. 

Clemens,  mild,  sanft,  gelinde,  von  Luft,  Wind,  Wetter,  ist  mehr 
P.  L.  für  mitis,  lenis,  placidus,  quietus ;  Kl.  aber  vom  Gemüte,  z.B. 
Cic.  Plane.  31  apud  dementes  iudices  et  misericordes. 

Clepere,  stehlen,  ist  A.  L.  für  furari,  jedoch  steht  es  auch  bei 
Cic.  leg.  2,  22  in  einer  alten  Gesetzesformel  und  de  rep.  4,  3  S.  355 
ed.  C.  F.  W.  Müller  noyi  modo  ut  Spartae,  rapere  tihi  pueri  et  clepere 
discunt  als  Übersetzung  des  griech.  ydsTzzecv  und  offenbar  aus  einem 
alten  Verse  genommen.     Vgl.  Madvig  Cic.  fin.  5,  75. 

Krebs-Schmalz,  Antibar\)aru3  I.  ^9 


Clima  —     290     —  Coepisse 

Clima,  das  Klima,  Beschaffenheit  des  Himmels  und  der  Luft 
einer  Gegend,  ist  Sp.  L.  und  unbrauchbar  für  caeliim,  natura  caeli, 
tenqieratio  caeli,  status  caeli  (Colum.  5,  5,  4),  temj^eries  caeli  (Curt.  4,  7, 
17  u.  Tac.  ann.  4,  67),  indinatio  caeli  (Vitruv.  1,  1);  daher  heisst  ah- 
ivechselndes  Klima,  Wechsel  der  Luft,  caeli  varietas  (Cic.  diy.  1,  79). 

CliiJeus,  Schild,  bildlich  für  Schutz,  ist  Sp.  L.  für  scittum  (bei 
Livius),  praesidium,  und  persönlich  custos,  tiitor. 

Coacervare,  aufhäufen.  Yon  Cic.  wird  es  nur  mit  in  u.  Ablat. 
verbunden:  videtis  indignissimo  in  loco  coacervatam  multitudinem 
vestro7'um  civium,  Yerr.  5,  148  u.:  cßiantum  (caelati  argenti  etc.) 
.  .  in  turha  et  rapinis  coacervari  una  in  domo  potuit,  S.  Rose.  133. 
Nur  der  Verfasser  des  b.  Afric.  verbindet  es  91,  2  mit  eo  = 
in  pyram,  nachdem  er  selbst  87,  2  in  medio  foro  lignis  coacervatis 
geschrieben;  es  ist  somit  nur  c.  in  c.  Abi.  (ibi)  anzuwenden. 

Coadiutor,  der  Gehilfe,  Beistand,  nur  bei  Orelli  Inscript.  3427 
für  adiutor,  collega;  dagegen  findet  sich  coadiuvare  bei  Eccl.,  vgl. 
Gölzer  Hieron.  S.  180. 

Coaequalis,  gleich,  gleich  alt,  gleichzeitig,  ist  selten,  X.  Kl.  und 
Si).  L.,  unnötig  und  ganz  verwerflich.  Es  findet  sich  nach  Heraus 
Progr.  OfFenbach  1899  S.  27  zuerst  in  einer  Inscr.  aus  der  Zeit  des 
Augustus,  auch  sonst  in  Inscr. ^  dann  Petron  136,  ferner  braucht 
auch  der  hl.  Hieronymus  coaequalis,  Gölzer  Hieron.  S.  144,  ebenso 
Justin  wiederholt,  also  kann  es  nicht  geradezu  als  harharisch  be- 
zeichnet werden.  Wodurch  es  zu  ersetzen  ist,  s.  unter  Äequaevus. 
Ganz  N.  L.  ist  coaequus. 

Coaetaneus  und  coaevus,  gleichalterig,  gleichzeitig,  sind  beide 
Sp.  L.  (Gölzer  Hier.  S.  150  u.  160,  Koziol  S.  273,  Rönsch  Ital. 
S.  122,  Kretschmann  Apul.  S.  52);  mit  wem  jemand  gleichalterig 
ist,  steht  im  Gen.  oder  Dat.,  vgl.  Hoppe  Synt.  Tert.  S.  21.  Sp.  L. 
ist  auch  coaevitas  bei  Aug.  serm.,  vgl.  Regnier  S.   172  ;  \ gl.* Äequaevus. 

Coenohita,  Coenohium,  vgl.  Monacha. 

Coepisse  und  coeptum  esse  bedeuten  nicht  anfangen,  sondern 
angefangen  luihen,  Y^ährend  incip^ere  den  Anfang  angibt,  womit  etwas 
hegorinen  und  angefangen  wird;  es  ersetzt  das  Praesens,  Imper- 
fectum  und  Futurum  von  coepi.  Vgl.  Incipere.  —  Es  werden  aber 
jene  zwei  Formen  bei  Cicero  und  Caesar  nur  so  angewandt,  dass 
coepi  bei  einem  aktiven  Infinitive,  coeptus  sum  bei  einem  passiven 
steht,  wovon  nur  fieri,  welches  nicht  als  Passivum,  sondern  als  De- 
ponens betrachtet  wurde,  eine  Ausnahme  macht,  so  dass  nach  dem- 
selben coepit  steht,  z.  B.  Cic.  Brut.  106:  eo  forum  tenente  plura 
fieri  iudicia  coeperunt  und  ebenso  fam.  14,  18,  1.  Umgekehrt  findet 
man  im  b.  Afr.  regelmässig:  coeptum  est  fieri,  eine  Wendung,  die 
auch  Livius  oft  anwendet.  Vgl.  Liv.  24,  48,  13;  25,  34,  13;  27, 
42,  5;  31,  23,  7  u.  37,  18,  5.  Weitere  Belege  dafür  bei  Wölffliu 
Liv.  Kritik  S.  21  und  Stacey  im  Arch.  X  S.  ^^.  Was  die  Ver- 
bindung von  coepi  mit  einem  wirklichen  Infin.  Pass.  betrifft,  so  finden 
sich   Beispiele    dafür    nicht   nur    bei    allen  Nachklassikern,    sondern 


Coepisse  —     291     —  Coepisse 

auch  im  b.  Afr.,  bei  rhet.  Her.,  Sali.  u.  bei  Livius.  Für  rhet.  Her. 
steht  4,  14  coepit  defricari  fest;  vgl.  Thielmann  S.  83;  im  b.  Afr.  27, 
1  cum  lapides  mifti  coepissent;  82,  4  signa  coep^ertüit  inferri,  vgl. 
Wölfflin  Arch.  YI  S.  101;  für  Sallust  jedoch  vgl.  über  S.  12  und 
meine  Rezension  in  Phil.  Rundschau  III  S.  494;  ich  habe  nirgends 
bei  Sali,  coepi  mit  Inf.  pass.  allei7i  gefunden;  wohl  aber  gilt  für 
Sali. :  „Sind  in  einem  Satze  ein  aktiver  oder  medialer  Infin.  und  ein 
passiver  vereinigt,  so  wird  aus  coepisse  die  pass.  Form  ergänzt." 
Für  Livius  glaubt  Novak  annehmen  zu  dürfen,  dass  er  niemals  dem 
Inf.  pass.  das  aktive  coepi  beigegeben  habe ;  näheres  sehe  man  Studia 
Liv.  1894  S.  60  f.  u.  S.  243  f.,  wo  reiche  Sammlungen  sich  finden. 
Selten  ist  coepkim  est  mit  Inf.  Depon.,  z.  B.  Cael.  bei  Cic.  fam.  8, 
8,  2  loqjii  est  coeptum  u.  Gell.  1,  11,  3;  vgl.  Burg  S.  35,  Thiel- 
mann Cornif.  S.  83  Anm.  2  u.  Wölfflin  zu  Liv.  21,  58,  10.  —  Häufig 
ist  coepi  ledigHch  umschreibend,  vgl.  Z.  f.  G.  W.  1881  S.  110  f.. 
Degenhart  S.  4  f.,  Köhler  act.  Erl.  I  S.  453,  Georges  bei  Bursian 
1877  S.  328,  Hellmuth  act.  Erl.  I  S.  161,  Thielmann  Bayr.  Gymn. 
1880  S.  207  Anm.  S.  Krüger  lat.  Grammat.  §  477,  A.  1 ;  Poppe, 
Z.  f.  G.  W.  XIII,  7,  S.  499,  Hellmuth  Galba  S.  28,  Gebhard 
S.  51,  Degenbart  S.  4,  Neue-Wagener^  III  S.  641.  —  Wenn  end- 
lich bei  Cic.  und  Caesar  coe^n  nie  ohne  Verbindung  mit  dem 
Infinit,  vorkommt,  so  ist  zu  beachten,  dass  es  von  Sali.,  Liv.  und 
den  Folgenden  auch  für  sich  allein  bei  Personen  und  Sachen  ange- 
wendet wird,  z.  B. :  uhi  deditio  coepit,  Sali.  Jug.  72,  7 ;  ithi  dies 
coepit,  ebendas.  91,  4;  quibus  nohilitas  ex  virtitte  coepit,  ebendas. 
85,  17  u.  sonst.  Simiil  cetera  eqiiestris  pugna  coepit,  Liv.  2,  6,  10; 
ita  coepit  tyrannus,  ebendas.  34,  31,  1  u.  28,  27,  1  u.  39,  15,  2. 
Postqiiam  ad  Cadmiam  cum  Lacedaemoniis  pugna  coepit,  Nep.  Epam. 
10,  3.  Aqua,  quae  mülo  antecedente  morho  coepit  (Cels.  2,  8,  S.  45, 
D)*,  tibi  is  dolor  coepit,  ebendas.  4,  14,  p.  init.  (D);  quando  coepisset 
febris,  3,  4,  24,  S.  79  (D)  u.  sonst  oft.  Tacitus  drückt  sich  nach 
Drägers  histor.  Synt.  der  lat.  Sprache  S.  137  ff.  immer  so  aus: 
civile  bellum  a  Vitellio  coepit,  bist.  2,  47;  proditio  coepit  e  domo 
Scaevini,  ann.  15,  54;  apud  circumfiisos  ita  coepit,  ann.  1,  41  u. 
2,  37  u.  bist.  1,  36  extr.  Quando  coeperit  haec  ars,  Quintil.  2,  17,  8 
u. :  a  quo  iargiiim  coepit,  ebendas.  5,  10,  72.  —  Sodann  ist  zu  be- 
merken, dass  coepi  auch  als  Transitivum  mit  dem  Accus,  verbunden 
wird.  Doch  ist  dies  im  Aktiv  prosaisch  selten,  bei  Cicero  bestritten, 
vgl.  z.  B.  Cic.  leg.  2,  69,  fam.  1,  9,  21  (Med.  cursum  coeperis)^ 
doch  bei  Sali.  bist.  4,  69,  13  M.  bellum  coepi,  sonst  wohl  auf  Dichter 
u.  N.  Kl.  beschränkt,  vgl.  Heraeus  Archiv  IX  S.  134.  Hingegen  im 
Passiv  tritt  diese  Konstruktion  nicht  selten  auf,  ja  sie  ist  sogar 
klassisch,  z.  B.  Cic.  Yerr.  5,  174  illa  quae  temptata  iam  et  coepta 
sunt  ah  isto;  Cic.  Cat.  4,  17;  Cael.  54;  vgl.  Landgraf  S.  Rose. 
S.  236;  häufig  wird  sie  mit  Livius,  z.  B.  consilium  fraiide  coeptum, 
Liv.  35,  36,  5.  Id  primum  ad  coeptam  mag?iitudinem  roboris  fuit, 
Liv.  1,  8,  6,  vgl.  ausserdem  Liv.  34,  19,  2  u.  35,  23,  1:  exspectatio 


Coetus  —     292     —  Cogere 

nondiim  coepti  cum  Antiocko  helli.  Immerhin  ist  mir  aufgefallen, 
dass  bei  Cic.  ausser  Cael.  54,  bei  Sali.  Jug.  21,  2,  bei  Tac.  ann. 
12,  16  noch  ein  anderes  Yerb  wie  imirare  oder  temptare  zur  Stütze 
von  coei^tufi  dient.  Gut  ist  auch  das  substantivierte  coephnn,  das  he- 
gonnene  We7'k,  das  Uniernehmeyi,  wofür  coeptus,  ks  selten,  aber  bei 
Cic.  vorkommt :  coeptus  nefarii  Cic.  Cat.  1,  6  und  daselbst  Richter, 
sowie  C.  F.  W.  Müller  S.  LXY. 

Coetus  (von  coire,  vgl.  Hey  Semas.  Stud.  S.  154),  das  Zu- 
sammeyigehen,  Zusammenkommen,  Zusammensein,  wird  verbunden  in 
aliquem  locum,  wie  coire,  nicht  in  aliquo  loco,  z.  B.  coetus  m  domum 
(nicht  in  domo)  Pisonis,  Tac.  ann.  4,  41 ;  aus  einem  klass.  Schrift- 
steller ist  mir  die  Konstruktion  übrigens  nicht  bekannt.  Daher  auch 
nicht  ajmd,  sondern  ad  aliquem,  nicht  2ihi,  sondern  quo,  ico,  u.  dgl., 
wie  bei  dem  folgenden  cogere. 

Cogere  hat  in  der  Bedeutung  zusammenbringen,  zusammenziehen 
das  Wo  ?  oder  Wohin  ?  gewöhnlich  nur  mit  in  und  dem  Acc,  in 
aliquem  locum,  nicht  in  aliquo  loco,  bei  sich,  und  daher  luo,  cpio, 
nicht  uhi ;  dort,  eo,  nicht  ibi,  in  der  Provinz,  in  iwovinciam,  nicht 
in  provincia.  Ygl.  Cic.  fam.  15,  4,  2.  —  N.  L.  ist  wohl,  w^enn 
ich  sage:  dazu  hat  er  mich  gezwungen,  ad  hoc  me  coegit,  für  hoc 
(rpwd)  me  facere  oder  lioc  (quod)  ut  facerem  coegit.  Und  so  sagt 
Cicero  (S.  Rose.  143),  wo  er  seine  freimütige  Rede  erklärt,  qua 
me  uti  —  coegit,  w^o  wir  sagen :  und  dazu  hat  mich  gezwungen,  oder 
man  setzt  auch  den  blossen  Accus,  (aber  in  klass.  Prosa  nur  bei 
dem  Neutr.  eines  Pronom.  u.  dgl.),  also  auch  lioc  me  coegit,  s.  Weissen- 
born  zu  Liv.  4,  26,  3.  Was  cogere  alicjuem  ad  aliquid  faciendum 
betrifft,  so  finden  wir  es  ^N'ep.  Them.  4,  4  ad  depugnandum  alicpiem 
cogere,  dann  erst  wieder  beim  Juristen  Julian  cogere  ad  rationes 
reddeyidas,  vgl.  Kalb  Roms  Juristen  S.  59;  klass.  ist  cogere  cdiqtiem 
facere  aliquid,  vgl.  Cic.  off.  3,  55  mim  te  emere  coegit,  qui  ne  hor- 
tatus  quidem  est  ?  —  Cogere  ad  aliquid  bei  substantivischen  Wörtern 
findet  sich  Sen.  de  dem.  1,  1,  bei  Tac.  ann.  2,  21,  aber  auch  schon 
bei  Sali.  Jug.  85,  3  und  öfter  bei  Livius.  S.  Liv.  10,  11,  11; 
4,  22,  4;  23,  1,  4;  34,  18,  2  u.  43,  1,  1,  vgl.  M.  Müller  zu 
Liv.  2,  Anhang  S.  160.  —  Cogere  ut  ist  klass.,  z.  B.  Cic.  Tusc.  1,  16, 
Att.  3,  19,  3,  de  or.  3,  9;  Stellen  aus  andern  Autoren  hat  Fabri  zu 
Sali.  Jug.  91,  6;  cogere  mit  Acc.  c.  inf.  passivi  ist  gleichfalls  klass., 
aber  selten,  vgl.  Cic.  Cat.  2,  25;  Yerr.  3,  36;  vgl.  noch  Liv.  7, 
11,  4;  31,  11;  Yell.  2,  42.  —  Was  wdr  einen  zwingenden  Grund 
nennen,  ist  latein.  causa  necessaria,  s.  Cic.  Tusc.  2,  53 :  maiorem 
(dolorem)  sine  causa  necessaria  ferre  noluit;  vgl.  Landgraf  zu  Cic. 
Plane.  3.  —  Coactus  in  der  Bedeutung  gekünstelt.,  unnatürlich,  ist 
Sp.  L.  und  findet  sich  nur  bei  Gell.  1,  4,  7:  absurdum  et  nimis 
coactum  foret,  si  .  .  .;  also  wäre  auch  zu  vermeiden  interpretatio 
coacta  für  contorta,  violenta  und  ähnliche.  Auch  roacte  ist  erst  spät- 
lat.,  man  sage  invitus,  per  vim;  ein  gezwungener  Stil  ist  oratio  con- 
torta, quasi  altiiis  exaggerata. 


Cogitabilis  —     293     —  Cogitato 

Cogiidbüis,  denkbar^  ist  N.  Kl.  und  selten,  als  philosophisches 
Kunstwort  bei  Seneca ;  sonst  wird  es  umschrieben  mit  qui,  (qaae,  quod) 
cogitari,  mente  comprehendi  iwtest  oder  in  cogitationem  cadit  und  dgl. 

Cogitanter,  mit  Bedaclit,  ist  N.  L.  für  cogitate  (Cic.  Arch.  18), 
considerate. 

Cogitare  ist  denken  und  iiberlegen,  dagegen  sentire,  denheyi  und 
meinen.  Es  wird  verbunden  de  aliqiio,  an  jemanden  denken,  zurück- 
denken, sich  jemanden  vorstellen;  de  aliqua  re,  über  etivas  nach- 
denken, etwas  (Künftiges)  im  Sinne  haben;  aliquid,  an  etivas  denken, 
auf  ettvas  sinnen,  sich  etwas  im  Geiste  vorstelleyi  (vgl.  SeyfF.-MüUer 
zu  Lael.  S.  392),  und  daher  aliquid  facere,  etivas  tun  ivollen.,  etivas 
zu  tun  im  Sinne  haben;  secum  oder  cum  animo  suo  (beides  bei 
Cicero,  vgl.  agr.  2,  64  vos  tarnen  id  potestis  cum  animis  vestris 
cogitare,  besonders  jedoch  der  Umgangssprache  eigen,  vgl.  Thielmann 
Cornif.  S.  23,  Z.  f.  G.  W.  1881  S.  106),  bei  sich  yiachdenken,  über- 
denken; in  lociim,  nach  einem  Orte  zu  reisen  gedenke?!^  z.  B.  cogito 
in  Italiam,  cogito  Eomam  Cic.  fam.  7,  4,  Att.  2,  8,  2;  5,  15,  3  u. 
16,  2,  4.  Vgl.  Matthiae  zu  Cic.  Ligar.  28,  namentlich  aber  Nägels- 
bach-Müller^  S.  690,  Stinner  S.  55,  Hofmann  zu  Cic.  Att.  7,  3,  2. 
Ebenso  gebräuchlich  ist  auch  die  andere  Ellipse:  Eo  die  cogitaham 
in  Anagnino,  ijostero  autem  in  Tuscidayio  (mayiere),  Cic.  Att.  12,  1,  1 
u.  Q.  fr.  2,  7.  Doch  beides  nur  im  Briefstil.  —  Gut  ist  auch  amice, 
male  de  aliquo  cogitare  nach  Cael.  bei  Cic.  fam.  8,  12,  1,  Nep. 
Hannib.  2,  6  ;  male  cogitare  steht  auch  absolut  =  Böses  im  Schilde 
führen,  Cic.  Cato  18. 

Cogitatio  ist  nicht  nur  das  Nachdenken  und  die  Überlegung 
selbst,  sondern  auch,  weil  die  Handlung  des  Denkens  und  das  Ge- 
dachte bei  manchen  Ausdrücken  zu  nahe  an  einander  grenzt  und 
in  einander  verschmilzt,  der  Gedanke,  d.  i.  das  Gedachte  und  Aus- 
gedachte  selbst,  wofür  zwar  eigentlich  das  Wort  cogitatum  vorhanden 
ist,  aber  weniger  als  jenes  gebraucht  wird.  Daher  sagt  z.  B.  Cicero 
(Tusc.  1,  6):  litteris  mandare  cogitationes  suas,  seiyie  Gedankeyi  auf- 
zeichnen, wo  es  für  cogitata  sua  steht;  vgl.  Nägelsb.-Müller^  S.  231. 
Wenn  die  Gedanken  in  Worte  gefasst  sind,  so  heissen  sie  sententiae, 
und  sind  es  Gedankeyi  des  Willeyis,  Absichteyi,  Grundsätze,  so  heissen 
sie  coyisilia  oder  quidquid  quis  sensit.  Bedeutet  Gedanke  bloss  den 
Siym  jemandes,  so  ist  es  7neyis,  z.  B.  jemandes  Gedayiken  erraten, 
alicuius  mentem  assequi,  nicht  cogitatioyiem.  Über  unser:  ein  Wort 
in  Gedankeil  ergänzen,  suppliereyi,  vgl.  unter  dem  Wort  Subaudire. 
Der  einzelne  Gedayike  wird  lateinisch  durch  das  Neutrum  eines  Pro- 
nomens oder  Adjektivs  ausgedrückt,  wie:  Ista  tua  nidliim  ad  usum 
meum,  tayitum  cognosceyidi  studio  adductus  requiro  =  deine  Gedanken, 
Cic.  or.  74.  .  Ego  a  te  elegantiora  requiro  =  spekulativere  Gedayikeyi, 
ibid.  fin.  4,  24;  vgl.  Mgelsb.-Müller^  S.  162  u.  200. 

Cogitato  könnte  als  Adv.,  überdacht,  bedächtig,  nach  Madvig  (Cic. 
fin.  5,  41)  nicht  für  sich,  ohne  ein  Wort  wie  considto.^  gebraucht 
werden ;  dafür  cogitate,  z.  B. :  quae  accurate  cogitateque  scripsisset, 


Cognatus  —     294     —  Cognitus 

Cic.  Arch.  18.  Bei  Cic.  off.  1,  27  wird  indes  nach  den  besten 
Handschriften  nicht  cogitato,  sondern  cogitata  als  Adjektiv  gelesen: 
cm  consulto  et  cogitata  fiat  iniuria  (es  entsprechen  sich  also  hier 
Adv.  und  Adj.,  wie  oft,  vgl.  meine  Stilist.^  §  71  Anm.  3  und  als 
Ergänzung  dazu  Sjögren  S.  61).  Jenes  aber  kommt  sonst  nirgends 
und  somit  überhaupt  nicht  vor. 

Cognatus,  veriuandt,  wird  verbunden  mit  dem  Dativ,  alicid,  mit 
jemanden;  das  Subst.  cognatio  aber  mit  cum.  Doch  ist  dies  seltener, 
z.  B.  bei  Curt.  4,  4,  15  und  (trop.):  quibus  (poetis)  est  maxima 
cognatio  cum  oratoribus,  Cic.  de  or.  3,  27.  GewöhnUcher  ist  es, 
da,  wo  keine  Verbindung  mit  einem  Yerbalbegriff  (s.  Cic.  Att.  12, 
49,  1)  stattfindet,  wie  bei  coniunctio  den  Genit.  zu  setzen.  An 
potest  cognatio  proinor  uUa  esse  quam  2)atriae?  Cic.  Phil.  5,  6. 
Deoriim  cognationem  agnoscerem  non  iywitus,  nat.  deor.  1,91.  Cognatione 
Licinii  se  excusare,  Liv.  6,  39,  4.  Alexandro  cognatio  Buharis  non 
Darei  tantiun  temporihus  pacem  praestitit,  Just.  7,  4,  1.  Die  nahe 
Veriuandt  sc]  Ulf t  ist  p)ropin(iua  cognatio,  Cic.  Lig.  8  und  Liv.  23,  41,  2, 
also  in  naher  Yerivandtschaft  mit  einem  stehen  =^  propinqua  cogna- 
tione cum  aliciuo  coniunctmn  esse,  Nep.  praef.  §  7  und  propinqua 
cognatione  aliquem  contingere,  Curt.  5,  3,  12.  In  naher,  in  nächster 
Yeriuandtschaft  stehen  heisst  auch  arta  propinquitate  (cum  aliciuo) 
coniunctum  esse.  Just.  5,  6,  4.  Entfernte,  lueitschichtige  Verivanclt- 
schaft  ist  longi)upia  cognatio,  daher  longinciua  cognatione  aliciuem 
contingere,  Curt.  10,  10,  19,  wie  derselbe  Historiker  auch  longa 
cognatio  im  gleichen  Sinn  gebraucht,  4,  1,  19.  Sp.  L.  wird  cognatio 
=  cognati  gefunden,  vgl.  Gölzer  Hieron.  S.  395. 

Cognitio  bedeutet  im  mustergiltigen  Latein  nur  das  Erkennen, 
Kennenlernen,  Erforschen,  die  Erforschung,  aber  nicht  was  dadurch 
erlangt  ist,  die  dadurch  erworbene  Wissenscliaft  oder  Kenntnis,  weder 
im  Sing.,  noch  im  Plur.,  in  welchem  Numerus  cognitiones  bei  Cicero 
Begriffe  bedeutet,  innatae  cognitiones,  angehorne  Begriffe  (Cic.  nat. 
deor.  1,  44),  während  cognitiones  =  Kenntnisse  erst  bei  Amm.  21, 1,  7 
und  25,  4,  7  gefunden  wird.  Kenntnisse  heisst  also  doctrina, 
scientia,  disciplina,  eruditio  u.  a.,  z.  B.  cdiquem  scientia  augere, 
jemandes  Kenntnisse  vermehren  (Cic.  oflP.  1,  1);  ingenio  scientiacpie 
Antiockus  excellit,  Ant.  zeichnet  sich  durch  Geist  (Kopf)  und  Kennt- 
nisse aus  (Cic.  acad.  2,  4);  litterarum  culmodum  nihil  sciebat,  er 
hatte  sehr  wenige  gelehrte  Kenntnisse  (Brut.  210);  erant  in  eo  plurimae 
litterae  nee  eae  vulgares,  sed  interiores  qimedam  et  reconditae,  er  hatte 
seh7'''^viele  und  zwar  keine  gemeine,  sondern  tiefe,  gelehrte  Kenntnisse 
(ib.  265).  Gelehrte  Kenntnisse  heissen  ausser  doctrina  und  litterae 
auch  optimarum  artium  scientia  (Cic.  fam.  7,  3,  4).  Doch  bei  Cic. 
de  or.  1,219:  quorum  ecjo  copiam  macjnitudinemque  cognitionis  atciue 
artis  non  modo  non  contemno,  sed  .  .  ist  cognitio  doch  wohl  das  er- 
worbene  Wissen,  icissenschaftliche  Bilduncj. 

Cognitus  hat  nur  P.  L.    den  Comp,  cognitior   und  den  Superl. 
cognitissimus ;  der  letztere    ist   bei  CatuU   vielleicht   zum  Scherz  ge- 


Cognominis  —     295     —  Cognoscere 

bildet  (vgl.  jedoch  Riese  zu  Catull  4,  14),  und  so  auch  noch  jetzt 
zulässig;  vgl.  Neue-Wagener^  II  S.  222. 

Cognominis y  (ßeicJinamißy  ist  nicht  bloss  F.  L.;  es  kommt  nach- 
klassisch einige  Male  bei  Suet.,  ausserdem  aber  auch  bei  Yell.  Plin. 
mal.  Grell,  und  einmal  selbst  bei  Liv.  5,  34,  9  vor:  coißiominis  In- 
siibrihis  pagiis;  vgl.  Georges  Yell.  S.  28  und  Gorges  Gell.  S.  7. 

Cognomentum  kommt  bei  Cicero  nur  in  einem  alten  Yerse  vor 
(vielleicht  des  Lucilius)  fin.  2,  15.  Daselbst  charakterisiert  Madvig 
S.  161  das  Wort  folgendermassen :  comicorum  est  et  eorum  scriptorwm^ 
qiii  antiqua  aiit  ohsolescentia  retinuerunt  aiit  ohsoleta  revocarunt.  Be- 
kanntlich gebraucht  es  Tac.  ganz  wie  nomen,  vgl.  Dräger  zu  Tac. 
ann.  1,  31. 

Cogyiominare,  einen  Beinamen  gehen,  kommt  Kl.  bei  Cicero  nur 
im  Partie.  Perf.  vor,  woraus  für  den  Gebrauch  des  Wortes  nichts 
folgt,  sonst  ist  es  nur  N.  Kl.  und  spätlat.  bei  Macr.  sat.  1,  6,  26 
und  27,  aber  als  kurzes  Wort  nicht  verwerflich.  Früher  brauchte 
man  für  das  aktive  cognominare  die  Phrase  cognomen  dare  und  für 
das  passive  cognomen  accipere,  trahere,  sumere. 

Cognoscere  wird  in  der  Bedeutung  etiuas  erfahren,  vernehmen 
von  jemanden,  von  Cicero  meistenteils  verbunden  aliquid  ex  aliquo 
(von  dem,  der  es  erzählt),  seltener  ist  bei  ihm  a,  während  bei  Caesar 
in  diesem  Fall  ex  und  a  gleich  häufig  steht.  S.  Hildebrand  Pro- 
gramm von  1858,  S.  22.  Mit  per  wird  cognoscere  in  dem  fast  stehend 
gewordenen  Ausdruck  verbunden  per  exploratores,  specidatores  aliquid 
cognoscere  bei  Caes.  Gall.  1,22,  4;  5,  49,  1;  2,  11,  2  und 
7,  16,  2.  S.  Anton,  Studien  I  S.  8  und  9.  —  In  der  Bedeutung 
einen  an  etivas  (einem  äusserlichen,  in  die  Sinne  fallenden  Merkzeichen) 
erkennen  ist  bei  Plaut,  noscere,  agnoscere  de,  z.  B.  Epid.  597  qiiihus 
de  signis  agnoscehar,  Stich.  4  eius  animum  de  nostris  f actis  noscimus; 
klass.  aber  selten  ist  cognoscere  cdiqiiid  ab  aliqiia  re  (Caes.  Gall.  1, 
22,  1),  häufiger  dagegen  klass.  der  Abi.  mit  ex,  z.  B. :  cum  pauci- 
tatem  militiim  ex  castrorum  exiguitate  cognosceret,  Caes.  Gall.  4, 
30,  1.  Aetatem  eorum  ex  dentihus  cognoscunt,  Yarr.  r.  r.  2,  8,  6. 
So  auch  bei  agnoscere :  Quae  (navis  Decimi  Bruti)  ex  insigni  facile 
agnosci  poterat,  Caes.  civ.  2,  6,  4.  Ut  deum  agnoscis  ex  operihus 
eius,  Cic.  Tusc.  1,  70  und pernoscere  wie:  moj^es  hominum  ex  corpore, 
oculis,  vultu,  fronte  pernoscere,  de  fato  10.  In  der  späten  und 
nachklass.  Latinität  steht  dafür  gewöhnlich  der  blosse  Abi.  nach 
agnoscere,  noscere  und  noscitare.  Ygl.  ff.  Stellen:  lineamentorum 
similitudine  et  notis  corpoi^is,  quae  inustae  imrvulo  fuerant,  nepos 
agnitus.  Just.  44,  4,  9.  Notas  corporis,  quibus  agnosci  posset, 
centurionibus  edidit,  Yal.  Max.  9,  11,  5.  Ne  forte  cultu  regio  posset 
agnosci,  Curt.  5,  12,  20.  Per  diem  visu,  per  noctem  ulidatu  et  gemitu 
coniuges  aut  liberos  noscebant,  Tac.  ann.  4,  62.  Signum  (die  Parole), 
quo  inter  se  noscebantMr,  bist.  3,  73  extr.  Alii  parentes,  alii  liberos 
vocibus  noscitabant,  Plin.  epp.  6,  20,  14.  —  Bene  novisse  u.  be?ie 
cognitum  esse  sind  klass.,    aber    sind  es   auch  bene   cognoscere,   oder 


Cognoscibilis  —     296     —  Coire 

gar  melius  cognoscere  =  hesser  jemanden  kennen  lernen  f    Ich  glaube 
es  nicht. 

Cognosdhilis,  erkennhar,  ist  Sp.  L.  ixir  ciid  cognosci  igtest ;  doch 
ist  es  besser  gebildet  als  cognohilis,  was  als  A.  L.  erwähnt  wird 
(vgl.  Gellius  20,  5,  9  und  20,  5,  13). 

Cohaerere,  zusammenhängen ;  —  mit  etwas,  cum  aliqua  re,  mit 
einander,  inter  se,  nicht  secitm;  nachklass.  ist  alicui  ?^ei  statt  cum 
mit  Abi.,  häufig  im  Sj).  L.,  vgl.  Maier  S.  10.  Genau  zusanimen- 
hängend,  a,pte,  nicht  accnrate  cohaerere,  vgl.  Cic.  or.  149  ut  inter  se 
quam  aj^tissime  cohaereant  extrema  cum  primis.  Im  N.  Kl.  bei  Plin. 
mai.  und  Sj:).  L.  bei  den  Paneg.  steht  es  von  Ortern,  die  an  einander 
stossen,  zusammenhängen,  z.  B.  Paneg.  7,  175,  10  Massilia  terrae 
cohaeret  für  continentem  esse  cum  (Cic.  fam.  15,  2,  2). 

Cohaesio,  das  Zusamme?ihängen,  der  Zusammenhang,  ist  N.  L. 
für  cohaerentia,  was  freilich  auch  nur  einmal  bei  Cic.  nat.  deor.  2, 
155  und  dann  Sj).  L.  höchst  selten  vorkommt  und  durch  das  Yerbum 
cohaerere  oder  continentem  esse  u.  dgl.  zu  ersetzen  ist.  Dieses  co- 
haerentia braucht  man  im  N.  L.  verbunden  mit  verhör  um  oder  sen- 
tentiarum  vom  Zusammenhange  der  Gedanken  unter  einander,  aber 
ohne  alle  Autorität.     Ygl.  Nexus. 

Cohors  ist  in  der  bildhchen  Bedeutung  Menge,  Haufe  mehr 
P.  L.,  doch  findet  es  sich  einigemal  N.  Kl.,  wie  denn  von  Georges 
cohors  amicorum,  canum  aus  Curt.  und  Plin.  zitiert  ist.  Amicorum 
cohors  steht  aber  auch  Suet.  Calig.  19,  Nero  5,  Galba  7  und  cohors 
(yratorum,  poetarum.  Gell.  19,  8,  15  und  sectatorum  (Aristotelis) 
cohors,  ebendas.  13,  5,  2. 

Coincidere,  zusammenstossen^  auf  eins  hinauskommeyi  u.  dgl., 
ist  N.  L.  für  concurrere,  eodem  redire  u.  a. 

Coire,  zusammenkommen.  Bei  jemanden  zusammenkommen  ist 
coire  ad  aliquem,  Liv.  2,  40,  1 ;  luo  man  zusammenkommt,  wird  bis- 
weilen, aber  nie  im  Kl.  L.  durch  in  aliquo  loco  ausgedrückt :  cimi 
rege  Parthorum  in  insula,  quam  amnis  Euphrates  amhiebat,  coiit, 
Yell.  2,  101,  1.  In  foro  deinde  coeunt.  Just.  5,  7,  6.  A^oud  aram 
eins  dei,  in  cuius  templo  coiretur,  Suet.  Aug.  35;  Sen.  de  tranq. 
a.  5,  1;  hingegen  bei  Plin.  epp.  1,  5,  9  steht  jetzt  in  porticum,  wie 
auch  Cic.  Att.  7,  3,  10  aus  Terenz  coimus  in  Firaeum  zitiert,  wo 
man  freilich  Eun.  539  Dziatzko  coimus  in  Piraeo  liest;  offenbar 
hat  Cicero  seinem  Sprachgefühl  entsprechend  den  Acc.  für  den  Abi. 
des  Terenz  gesetzt.  Wird  aber  coire  trop.  gebraucht:  eineyi  Bund 
schliesseyi,  so  sagt  man  lat.  immer  societatem  coire;  dies  findet  sich 
oft  bei  Cicero.  Dieser  Aufstellung  widerspricht  nicht  Tac.  ann.  12, 
47:  mos  est  regihus,  quando  in  societatem  coeant,  implicare  dexteras; 
denn  dort  steht  coire  im  eigentlichen  Sinn  zusammenkommen  und 
in  societatem  heisst  zum  Zweck  eines  Bündnisses;  in  der  Stelle  des 
Suet.  Aug.  32  ad  mdlius  non  facinoris  societatem  coihant  ist  coire 
ad  =  consentire,  consjnrare  ad  aliquid.  S.  darüber  auch  Nipperdey 
zu  Tac.  1.  1. 


Colendissimus  —     297     —  Collidere 

Colendissimus,  sehr  verehrensivert,  hochgeehrteste  ist  N.  L.  Superl. 
für  maxime  colendiis ;  es  findet  sich  oft  in  neuern  Briefen.  Vgl. 
Bevereyidissimiis. 

Colica  ist  als  Subst.,  die  Kolik,  N.  L.,  wiewohl  das  Adj.  colicus, 
an  der  Kolik  leidend  bei  Veget.  vorkommt;  man  brauche  dolores 
alvi,  oder  ex  intestinis  lahorare. 

Collabascerey  zugleich  mit  zu  luanken  anfangen,  kommt  A.  Kl. 
nur  einmal  bei  Plaut.  Stich.  522  vor  und  muss  durch  labi,  lahare, 
collahi,  concidere,  corruere  ersetzt  werden. 

CoUatio  ist  in  der  Bedeutung  die  Schmaiiserei  N.  L.  für  con- 
viviiim,  cena  collaticia;  wohl  aber  bedeutet  es  seit  Livius  einen  Geld- 
heitrag,  eine  Beisteuer.  Sehr  oft  wird  im  modernen  Latein  codicum 
collatio,  Vergleichung  der  Handschriften  gelesen.  Hiefür  hat  das 
Wort  einen  zwar  späten,  aber,  wie  wir  glauben,  doch  genügenden 
Gewährsmann  an  Augustin,  welcher  c.  Faust,  lib.  32,  c.  16  g.  E. 
(opp.  T.  10)  sagt  aliquem  multorum  codicum  vetustiorum  collatione 
confutare;  collatio  überhaupt  =  Vergleichimg  ist  klass.,  vgl.  Cic. 
Tusc.  4,  27. 

Collatus,  der  Angriff,  steht  nur  bei  dem  Yerfasser  des  bellum 
Hispan.  31,  2,  vgl.  Köhler  act.  Erl.  I  S.  376,  für  collatio,  incursus, 
coficiirsus,  imgna,  und  aS^^.  L.  bei  Censorinus  1,  8  =  Mitteilimg, 
Ideenaustausch. 

Collectanea  (Plur.),  SammeTbuch,  worin  allerlei  gesammelt  ist, 
ist  in  dieser  Bedeutung  nicht  neulateinisch.  Es  findet  sich  Sp.  L. 
als  Titel  des  Sammelwerkes  von  C.  Julius  Solinus :  collectanea  rerum 
mirabilium,  vgl.  Teuffel-Schwabe  §  389;  besser  aber  sagt  man  elec- 
torum  commentarii  (nach  Plin.  epp.  3,  5,  17).  Das  Adj.  collectaneus 
hat  auch  Suet.  Caes.  56  dicta  collectanea  (Schrift  Caesars). 

Collectio  war  bei  den  Alten  nur  die  Handlung  des  Sammeins, 
nicht  das  Gesammelte  selbst,  wie  es  im  N.  L.  (nach  dem  Deutschen 
Sammlung)  gebraucht  wird.  Man  drücke  es  daher  mit  dem  Partiz. 
collectus  aus,  z.  B,  Sammlung  von  Gedichten  aus  Mehrern,  poemata 
in  unum  collecta  ex  plurihus  poetis,  nicht  collectio  poematum  plurium 
poetarum,  eher  thesaurus  oder  coyyus.  —  Ebenso  ist  ohne  alle  Au- 
torität collector,  der  Sammler,  und  collectiuncula,  als  Diminutiv  von 
collectio,  die  kleine  Sammlung,  was  entschieden  zu  verwerfen  ist. 

Collegium  ist  in  der  neuen  Bedeutung  die  Vorlesung  eines 
Lehrers  ganz  N.  L.  für  schola.  Ein  Kollegium,  d.  h.  eine  Vorlesung 
hören  heisst  scholam  audire;  ein  Kollegium  lesen  (von  einem  Lehrer 
gesagt),  scholam  hahere;  ein  Kollegium  endigen,  scholam  dimittere 
(Suet.  Gramm.  6).  Auch  billigt  Nägelsbach  Stil.^S.  190  für  Kollegien 
besuchen  als  ganz  gut  auditiones  ohire.  Gell.  19,  8,  1. 

Collidere,  zusammenstosseny  und  collisio,  das  Zusammenstossen, 
werden  erst  von  Mar.  Yictor.  S.  66,  5  K.  litterarum  vocalium  inter 
se  collisio  und  vom  Metriker  Terentian  von  Buchstaben  und  Silben 
gebraucht;  dafür  ist  besser  concurrere,  concursus  —  vocalium, 
htterarum,  oder  congredi  und  congressus;  vgl.  Werth  S.  311. 


Collimare  —     298     —  Color 

Collimare  ist  jetzt,  gleichviel  in  welcher  Bedeutung,  ganz  aus 
der  Reihe  lateinischer  Wörter  ausgestossen.  Es  stand  früher  zweimal 
bei  Cicero  (divin.  2,  121  und  fin.  3,  22),  wofür  man  aber  jetzt  nach 
Handschr.  coUineare  liest.  Aus  den  früheren  Ausgg.  Ciceros  nahmen 
es  Muret  und  andere  Neulateiner. 

Collocare^  stellen^  setzen^  versetzen^  hatte,  wie  dergleichen  Wörter 
bei  uns,  eine  doppelte  Verbindung :  in  aliquem  locum  und  in  aliquo 
locOf  von  welchen  die  letztere  die  gebräuchlichste  war,  da  sie  sich 
Kl.  fast  allein  findet;  doch  der  Acc.  auch  bei  Sali.  Jug.  61,  2, 
Caes.  Gall.  1,  18,  7,  wo  indes  niiptum  coUocare  als  ein  Begriff  zu 
fassen  und  somit  die  Konstruktion  weniger  auffällig  ist,  vgl.  Kraner 
z.  St.  Man  sage  daher  lieber  collocare  cdiquid  in  navi,  in  foro^  in 
mensa,  Bomae,  als  in  navem,  in  forum,  in  mensam,  Romain.  Ebenso 
in  der  bildlichen  Bedeutung  ehvas  auf  etwas  ve7^wenden,  aliquid  in 
aliqua  re,  z.  B.  adulescentiam  suam  in  amore  et  voluptatihus ;  prae- 
sidium  ifi  capite  atque  cervicibus  nostris  collocare  Cic.  agr.  2,  74. 
Einem  eine  Wohltat  eriveisen,  heneficiiim  collocare  apud  aliquem; 
eine  an  jemanden  verheiraten,  alicui  aliquam  in  matrimonium,  z.  B. 
Plaut.  Trin.  782  (locata)  u.  Cic.  divin.  1,  104  oder  in  matrimonio 
collocare,  Cic.  Phil.  2,  44;  vgl.  Reisig-Haase  §  409  S.  715. 

Colloqui.  Man  sagt  zwar  colloqui  cum  aliquo,  aber  sich  mit 
einander  hesprechen,  unterreden  heisst  colloqui  inter  se,  nicht  secum; 
daher  luir  l)esprechen  uns  miteinander,  colloquimur  inter  nos,  z.  B. 
Cic.  fam.  4,  1,  1.  Dagegen  bedeutet  secum  colloqui,  mit  sich  (in 
der  Stille)  reden,  hei  sich  üherlegen.  Als  Objekt  zu  colloqui  erscheint 
gewöhnlich  nur  ein  Pronomen  oder  Adj.  numerale  im  Neutrum ; 
Ausnahmen  sind  selten,  z.  B.  Nep.  Them.  9,  4  de  iis  rebus,  quas 
colloqui  tecum  volo;  qiuis  =  klass.  de  ciuihus.  Das  Subst.  collocutio 
ist  klass,,  collocutor  dagegen  erst  Sp.  L.  bei  den  Eccles.  für  collo- 
quentes,  disjyutantes  inducuntm\  vgl.  Regnier  S.   162. 

Colhivies,  der  Zusammenfluss,  tropisch:  die  zusammengespillte 
Masse,  Kehricht,  Ausiuurf,  Mischmasch,  ist  seltene,  aber  klassische 
Form  —  s.  Atticus  bei  Cic.  Att.  9,  10,  7  —  für  das  gewöhnlichere 
colluvio. 

Colophonem  alicui  rei  imponere,  eine  Sache  beendigen,  ist  eine 
sprichwörtliche  Redensart,  die  bei  keinem  Alten  vorkommt,  sondern 
von  einem  Neulateiner  (ich  weiss  nicht  welchem)  aus  dem  Griechischen 
genommen  und  für  fastigium  alicui  rei  imponere,  cumuliim  addere 
(accedit  cumidus)  oder  finem  facere  alicuius  rei  gebraucht  worden 
ist.  Will  man  es  benützen,  so  muss  man  nt  aiunt  Graeci  {xoXocpwva 
iTzcdelvac)  hinzusetzen,  ohne  welches  es  lächerlich  ist.  Wenn 
Görenz  z.  B.  (Fin.  S.  641)  sagt:  quo  propius  a  Colophone  absint,  so 
kann  er  sich  auf  Paul,  aus  Fest.  37,  14  colophoji  dixerunt,  cum 
aliquid  finitum  significaretur  berufen. 

Color  und  colores,  Farbe,  Kolorit,  Anstrich,  wird  nur  der  Rede 
und  der  Schrift  beigelegt,  nicht  dem  Redner  und  dem  Schriftsteller 
selbst;    unrichtig    ist    daher:  quum    orationem    vestram    dictionibus 


Columba  —     299     —  Comitatus 

colorihtsqiie  Ciceroniayiis  ornaveritis,  für  flosculisqiie.  Im  tropischen 
Sinn  eine  Farbe,  einen  Anstrich  annehmen  heisst  nicht  colorem 
sumere  oder  acciinre,  sondern   dncere,   s.  Yogel  zu  Curt.  10,  3,  14. 

Cohmiha.  Das  sprichwörtliche:  Gebratene  Tauben  fliegest  jemanden 
in  den  Mund  ist  lateinisch  nach  Petronius  sat.  45  zu  übersetzen 
durch  porci  codi  ambulant. 

Columna  kommt  in  der  bildlichen  Bedeutung  Stütze,  Schutz,  nur 
einmal  P.  bei  Horaz  od.  1,  35,  14  vor,  für  columen,  praesidium, 
firmamentum  (Cic.  rep.  2,  17,  Tac.  bist.  4,  84  und  2,  28);  doch 
vgl.  Kiessling  z.  St.,  der  es  :=  Ehrendenksäule  fasst.  Muret 
(Opp.  T.  I  S.  153)  brauchte  es  als  Anspielung  auf  den  damals 
ausgezeichneten  Römer  Ayit.  Columna,  was  Ruhnken  zu  jener  Stelle 
frigidum  liisum  in  yiomine  nannte. 

Combinare,  vereinigen,  ist  sehr  S}!.  L.  für  iungere,  coniungere, 
consociare,  conectere.  Ebenso  Sp.  L.  ist  combinatio  für  co7iiunctio, 
consociatio. 

Comicus.  Dieses  Wort  bedeutet  als  Adjektiv  das,  tuas  zum 
Lustspiele  gehört,  in  demselben  vorkommt,  also  z.  B.  poeta  comicus, 
poema  comicum  ist  =  Lustspieldichter,  Lustspiel,  die  comici  sttdti 
senes  bei  Cic.  Cato  36  sind  die  alten  Narren  der  Komödie.  Daher 
ist  comicus  als  Substant.  entweder  der  Dichter  oder  der  Schauspieler 
in  der  Komödie.  Nie  aber  hat  comicus  bei  den  Alten  die  moderne 
Bedeutung  von  komisch  =  spasshaft,  lächerlich,  also  ja  nicht  comicum 
aliquid  accidit  =  es  hat  sich  etwas  Lächerliches  zugetragmi  für  ridi- 
culum,  und  so  heisst  auch  der  Komiker  als  Spass-  oder  Liistigmacher 
nur  homo  ridiculus  oder  ridicidus  substantivisch  genommen. 

Comitari,  begleiten,  hat  regelmässig  den  Accus,  aliquem  bei  sich, 
aber  bei  Cicero  an  drei  Stellen  auch  den  Dativ  alicui  in  übertragener 
Bedeutung  ==  coniunctum  esse;  diese  Stellen  sind  Cic.  Tusc.  5,  68; 
5,  100;  rep.  2,  44.  Die  letztere  Stelle  lautet  bei  C.  F.  W.  Müller 
illi  iniusto  domino  atque  acerbo  aliquamdiu  in  rebus  gerundis  pros- 
pera  fortuna  comitata  est.  Im  Sp).  L.  findet  sich  der  Dativ  wieder, 
vgl.  Gölzer  Hier.  S.  312,  Rönsch  Coli.  phil.  S.  173,  aber  auch  die 
wohl  älteste  Konstruktion  comitari  cum,  die  wohl  immer  volks- 
tümlich blieb,  ib.  S.  109,  Sem.  III  S.  16,  Regnier  S.  53.  —  Kl.  und 
gut  ist  das  Partiz.  comitatus  in  passiver  Bedeutung,  wiewohl  comitari 
nicht  so  vorkommt.  Comitem  esse  wird  sowohl  mit  dem  Dativ  als 
dem  Genitiv  verbunden:  cui  tu  me  comitem  putas  dehere  esse,  Cic. 
Att.  8,  7,  1  und:  erat  comes  eins  Rubrius  quidam,  Yerr.  1,  64. 

Comitatio,  die  Begleitung,  ist  iV'.  L.  für  comitatus. 

Comitatus.  Mit  grossem  Gefolge  reisen,  ist  lat.  magyio,  multo 
comitatu  oder  auch  magno  cum  comitatu  iter  facere.  So  sagt  Cicero 
Cluent.  192  Romam  proficisci  cum  magno  comitatu,  aber  Cat.  3,  6 
magno  comitatu  pontem  ingredi  u.  Mil.  28  magno  et  impedito  comi- 
tatu. Ygl.  auch  Pompeius  comitatu  equitum  triginta  ad  mare  per- 
venit,  Caes.  civ.  3,  96,  4.  Aus  nachklass.  Zeit  wird  zitiert:  Ferre 
impetum  vitiorum,  tarn  magno  comitatu  venientium,   Sen.  epp.  7,  6. 


Comitia  —     300     —  Commendare 

Iter  modico  comitatu  ingressus  est,  Suet.  Caes.  31  und  Tac.  ann. 
6,  28  multo  ceterarum  aviiim  comitatu,  —  Der  Plural  comitatiis  bei 
Sali.  Cat.  45,  1  itt  in  imnte  Midvio  Ällohrof/uni  comitatus  dcprelien- 
dant  soll  offenbar  ,^die  ganze  grosse  Reisegesellschaft''^  bedeuten. 

Comitia,  die  Ver Sammlungen,  aber  nicht  der  Fürsten  und  Herren, 
welche  passender  conventiis  genannt  werden,  sondern  nur  des  Volkes, 
sodass  sie  eher  für  unser  Landtage  und  Parlamente  passen.  Dabei 
merke  man  auch,  dass  in  Versammlungen  zusammenkommen  heisst 
comitiis  coire,  coywenire,  nicht  in  comitiis  oder  in  comitia  — ;  ebenso 
bei  creari,  geiuählt  werden  u.  a.  Yerben. 

Comma  ist  in  der  Bedeutung  Abschnitt  eines  längern  Satzes  bei 
Quint.  und  den  Grammatikern  zu  finden,  rein  lat.  sagt  man  dafür 
incisum.  N.  L.  ist  es  in  der  Bedeutung  A7't  für  genus.  So  sagt 
sogar  Morhof,  wiewohl  er  de  pura  dictione  spricht,  ciiius  commatis 
(d.  h.  generis)  illae  voces  sunt. 

Commemorahilis,  denk-  oder  merkwürdig,  erklärt  F.  A.  Wolf 
zu  Cic.  Marcell.  10,  wo  es  vorkommt,  für  Plautinisch  und  findet 
darin  ein  Zeichen  nicht  Kl.  Latinität  jener  Rede;  aber  es  kommt 
ja  auch  nat.  deor.  2,  131  vor:  multaque  alia  in  aliis  locis  commemora- 
hilia  und  steht  dort  fest  und  sicher.  Es  bleibt  also  ein  Kl.  Wort 
und  unverwerfiich.  Aber  das  Neutr.  Plur.  commemorahilia  ist  als 
Subst.  in  der  Bedeutung  die  Merkiuürdigkeiten  N.  L.,  z.  B.  comme- 
morahilia huius  urhis.  Neben  commemorahilis  ist  klass.  auch  comme- 
morandus,  vgl.  Cic.  fam.  1,  9,  18,  Yerr.  1,  42. 

Gommendatorius,  emi^fehlend,  die  Emi)fehlung  angehend,  ist 
Sp.  L.  für  commendaticius,  z.  B.  litterae  commend.,  ein  Emijfehlungs- 
hrief ;  vgl.  Kretschmann  Sidon.  S.   11. 

Commendctre  ali([uem  ajnid  aliquem,  einen  hei  jemanden  emiifehlen, 
ist  Sj).  L.  für  alicßiem  alicui.  —  Sicli  empfehlen  kann  in  zweifachem 
Sinne  stehen.  Entweder  drückt  es  rein  objektiv  aus,  sich  durch 
etwas  lieb,  wert,  angenehm  machen.  S.  Ruhnken  zu  Suet.  Domit. 
c.  18.  Wenn  Yal.  Maximus  in  diesem  Sinne  se  commendare  ge- 
braucht, 5,  2,  1  ext.,  so  verdient  das  sicherlich  keine  Nachahmung; 
dagegen  ist  das  Passiv  korrekt,  wie  Cic.  Brut.  216  7iidla  re  una 
magis  commendatur  orator  quam  splendore  verhorum.  Allein  sich 
empfehlen  kann  zweitens  auch  ausdrücken  das  subjektive  Streben, 
durch  Bitten,  Zureden  oder  Handlungen  sich  der  Gunst,  des  Schutzes, 
der  Fürsorge  eines  andern  zu  versichern.  Vgl.  Caes.  Gall.  4,  27,  7, 
Hirt,  bei  Caes.  Gall.  8,  50,  3,  Cic.  dom.  145.  Diese  Stellen  ent- 
halten Belege  für  den  Fall,  dass  neben  dem  Objekte  sich  noch  ein 
anderer  oder  ein  anderes  zugleich  mitgenannt  wird.  Allein  dieses 
Mitgenanntwerden  oder  der  Gegensatz  zu  einem  andern  ist  für  die 
Giltigkeit  von  se  commendare  durchaus  nicht  notwendig.  Ygl. 
darüber:  Complures  trihuni  militum  et  centuriones  ad  Caesarem 
veniunt  seque  ei  commendant,  Caes.  civ.  1,  74,  4.  Ter.  Eun.  1039, 
Cic.  Phil.  2,  3,  ebendas.  5,  3,  Att.  3,  20,  2.  —  Einen  vulgären  Ge- 
brauch von  se  commendare  bespricht  Köhler  act.  Erl.  I  S.  382;  während 


Commensalis  —     301     —  Commentum 

nämlich  Caesar  Gall.  2,  24;  5,  18  sagt  fugae  se  mandare,  lesen  wir 
b.  Afr.  34,  2  se  fugae  commendare ;  ebenso  wird  an  Stelle  des 
klass.  litteris  mandare  von  Brut,  bei  Cic.  fam.  11,  20,  2  litterw 
commendare  geschrieben;  vgl.  noch  Wölfflin  Archiv  YI  S.  89  u.  Geb- 
hard  S.  13  (unklar).  —  Commendare  aliqiiid  memoriae  ist  nicht  bloss 
spätlat.,  sondern  findet  sich  auch  schon  bei  Yell.  2,  4  und  selbst 
Cicero  sagt:  Qiiae  res  commendatior  erit  Jwminum  memoriae  semjn- 
ternae?  Phil.  2,  32.  Ebenso  ist  gut  nomen  suum posteritati  commen- 
dare,  Curt.  9,  3,  5  und  nomen  tuum  immortalitati  commenda,  Cic. 
fam.  10,  12,  5.  Für  den  Superl.  commendatissimiis  führt  Yogel, 
Symbol.  I,  10  vier  Stellen  Ciceros  an,  fam.  2,  8,  3;  12,  26,  2;  13, 
10,  2  und  13,  64,  1. 

Commensalis^  der  Tischgenosse,  ist  N.  L.  für  conviva,  sodalis, 
auch  wohl  convictor. 

Commensiis  proportionis,  das  Eil)enmass,  die  Symmetrie,  braucht 
Yitruv  einigemal  neben  dem  griechischen  symmetria,  vielleicht  als 
gewöhnliches  Kunstwort.  Aber  der  ältere  Phnius  muss  dasselbe  gar 
nicht  gekannt  haben,  weil  er  sagt:  JSTon  habet  latinum  nomen  sym- 
metria.  Der  jüngere  Plinius  drückt  es  aus  durch  congruentia  et 
aeqiialitas. 

Commentarius  und  commentariitm  und  als  Demin.  commentarioliim 
oder  als  Sp.  L.  Form  commentariolus ;  vgl.  darüber  Gölzer  Hieron. 
S.  293.  Im  Plur.  kommt  fast  nur  die  männliche  Form  commentarii 
vor,  nicht  commenfaria;  überhaupt  ist  die  gebräuchliche  Form  im 
Sing,  commentarius  und  im  Plural  commentarii,  vgl.  Neue-Wagener^ 
I  S.  795.  Die  Wörter  bedeuten  aber  alle  nichts  weiter  als  schrift- 
licher Entwurf,  Ahriss,  Memoiren,  Tagebuch  über  etwas.  Erst 
N.  Kl.  findet  man  commentarii  und  commentaria  in  der  Bedeutung 
ErMärimgen,  Amne7^'kungeyi  zu  einem  Schriftsteller,  indem  Gellius 
(2,  6,  1)  von  Annaeus  Cornutus,  einem  Grammatiker  und  Rhetor 
aus  Yespasians  Zeit,  commentaria  in  Virgilium  erwähnt,  deren  Inhalt 
wir  freilich  wenig  kennen.  Darauf  beruht  der  heutige  Gebrauch, 
commentarius  und  commentarii,  mit  und  ohne  perpetuus,  von  einer 
meist  umständlichen  und  vollen  Erklärung  eines  Schriftstellers  zu 
sagen,  was  aber  wohl  schwerlich  in  jenem  Worte  liegt.  Da  nun 
aber  einesteils  bei  Suet.  (Gramm.  2)  commentari  carmina,  Gedichte 
erldären  bedeutet,  andernteils  das  Wort  im  N.  L.  seit  Muret  und 
Manutius  alltägliches  Kunstwort  geworden  ist,  so  ist  es  nicht  zu 
verwerfen. 

Commentatio  ist  in  der  Bedeutung  Abhandlung  oder  Schrift  zwar 
erst  N.  Kl.  bei  Plin.  mai.  und  Gellius,  aber  neben  commentarius 
und  commentarioliim  unbedenklich  zu  brauchen. 

Commentatus  kommt,  obgleich  es  von  dem  Depon.  commentari 
abstammt,  doch  passivisch  bei  Qu.  Cic.  (fam.  16,  26,  1)  vor:  com- 
mentata  oratio. 

Commentum  ist  in  der  Bedeutung  Erklärung,  Abhandlung  Sp.  L., 
indem  der  Grammatiker  Donat   unter    dem  Titel    commentum   artis 


Commercium  —     302     —  Commisereri 

eine  Art  von  Grammatik  schrieb;  bei  Firm.  Mat.  hat  es  nach  Dressel 
S.  14  die  Bedeutung  ^^Lelire,  Theorie^^.  Im  N.  L.  des  15.  und  16. 
Jahrh.  werden  die  Auslegungen  der  Schriftsteller  ganz  gewöhnlich 
commenta  genannt,  was  nicht  nachzuahmen  ist. 

Commercium  ist,  mit  dem  Genit.  epistularum  verbunden,  der 
Ausdruck  für  unser  JBriefwechsel  bei  Yell.  (2,  65,  1)  und  Sen.  (epp. 
38,  1);  wenn  äusserst  tunlich,  meide  man  es,  wie  es  auch  Cicero 
macht,  fam.  15,  21,  5  ut  omne  desiderium  litteris  mittejidis  accipien- 
disqiie  leniam,  und  Phil.  2,  7  ioUere  amicorum  conloquia  dbsentium. 
N.  L.  aber  ist  commercium  ejnstolicum  und  liiierarium  als  Titel  von 
Büchern,  in  denen  der  Briefwechsel  eines  Mannes  mit  einem  oder 
mehreren  abgedruckt  ist.  Im  Briefivechsel  mit  jemanden  stehen 
heisst:  commercium  epistularum  est  inter  me  et  alium  (richtiger 
epistidas  inter  nos  mittimus  accijnmusque) :  aber  ep.  c.  habere  c.  aliquo 
ist  ohne  Autorität.  Commercium  litterarum,  epistularum  kann  jedoch 
nur  den  hrieffichen  Verkelir  selbst,  niemals  aber  die  aus  demselben 
hervorgegangene  Briefsammlung  bezeichnen,  so  wenig  als  officium 
litterarum,  s.  Nägelsbach,  Stil.^  158.  —  Sonst  bedeutet  es  oh  Handel 
und  Wandel,  Verkehr,  wie  bei  Liv.  38,  18,  12:  commercium  hominum 
in  locum  aliquem  mutui  usus  contrahunt.  Gut  ist  commercium  auch 
tropisch,  cum  virtute,  cum  Musis  commercium  luihere,  Cic.  Cato  42 
und  Tusc.  5,  66. 

Commerere,  verdienen,  nur  von  Strafe  für  ein  Vergehen,  ist  fast 
nur  A.  L.  bei  den  Komikern  und  steht  nur  einmal  bei  Cic.  (de 
or.  1,  232),  wogegen  merere  von  Belohnungen  und  Strafen  gesagt 
wird;  Spengel  lehrt  zu  Ter.  Andr.  139,  dass  commereo  nur  in  malam, 
prome7^eo  nur  in  bonam,  mereo  aber  in  utramque  partem  verwendet 
wird.  In  beiderlei  Sinne  steht  sonst  auch  dignum  esse  aliqua  re  und 
flicht  verdienen,  indignum  esse. 

Commiles  wird  nur  aus  einer  Inscr.  belegt,  zweifelhaft  ist  es  bei 
Caes.  civ.  2,  29,  4,  vgl.  Mensel  tab.  coni..  Holder  z.  St. ;  möglicher- 
weise steht  es  Paneg.  12,  300,  4,  wo  Chruzander  S.  15  commilitum 
munus  lesen  will;  gut  jedoch,  wenn  auch  nicht  klass.,  ist  commilitium, 
vgl.  Draeger  zu  Tac.  ann.   1,  60. 

Commilitones ;  über  commilito,  das  auch  Cic.  Deiot.  28  in  Graecia 
commilito  fuit  hat,  das  aber  sonst  gewöhnlich  nur  in  der  Anrede 
gebraucht  wurde,  so  Petr.  82,  Augustus  bei  Quint.  6,  3,  95  im 
Sing.,  Suet.  lul.  67  und  Aug.  25  und  sonst  im  Plural,  vgl.  Heraeus 
Archiv  XII  S.  275,  Fisch  S.  12  ff.  In  der  geistigen  Bedeutung 
die  Mitst'udier enden  und  wohl  gar  als  Anrede  an  die  Studenten  oder 
Schüler  ist  es  ohne  alle  Autorität.  Hand  (Lehrb.  S.  169)  verwirft 
das  Wort  mit  Recht ;  andere  nehmen  es  in  Schutz,  weil  commilitium 
Studiorum  nicht  nur  bei  ApuL,  sondern  auch  bei  Ov.  vorkommt; 
vgl.  Georges  Yell.  S.  16. 

Commisereri,  Mitleid  haben,  ist  Sp.  L.  und  kommt  vielleicht 
nur  einmal  impersonal  bei  Gell,  vor,  vgl.  Gorges  S.  8;  commiseres- 
cere,  Mitleid  haben,  ist  A.  L.  und  selten.     Beide   sind   zu  ersetzen 


Commissarius  —     303     —  Committere 

durch  misericordia  cain,  moveri,  commoveri;  misericordia  franr/i  ist 
von  Mitleid  tief  gerührt^  üheriüältigt  luerden ;  conimiserari  aber  be- 
deutet das  Mitleid  laut  iverden  lassen,  jemanden,  etivas  beklagen; 
Thielmann  Cornif.  S.   10  und  Bayr.  Gymn.  XYI  S.  352. 

Commissarius,  ein  Kommissär,  dem  etwas  übertragen  wird,  ist 
N.  L.  für  curator,  procurator,  legatus,  cid  negotium  datum  oder 
mandatum  est.     Ebenso  ist 

Commissio  in  der  Bedeutung  Auftrag  N.  L.  für  mandatum 
(Cic.  S.  Rose.  111),  negotium^.  Mit  einem  Genitiv,  wie  liidorum 
u.  a.  bedeutet  es  aber  nicht  die  Harullung  selbst  von  Anfang  bis  zu 
Ende,  die  Feier  der  Spiele,  sondern  nur  den  Anfayuj,  Beginn,  z.  B. 
iam  ah  ij)sa  commissione,  nämlich  ludorum,  schon  vom  Anfange  der 
Spiele  an,  Cic.  Att.  15,  26,  1,  wo  Boot  notiert:  committere  ludos 
est  incohare.  Commissio  proelii,  pugnae,  belli  sowohl  in  dem  Sinn 
von  Anfang,  als  von  dem  Kampf  selbst  ist  ohne  Autorität  und 
darum  zu  vermeiden.     Ygl.   Committere. 

Committere.  Bellum,  pugnam,  proelium  u.  dgl.  committere  ist 
der  eigentliche  Ausdruck  für  ein  Treffen  etc.  beginnen,  eröffnen.  S. 
Bremi  zu  Nep.  Milt.  6,  3.  Dies  wird  bestätigt  von  Fabri  zu  Liv. 
21,  40,  11.  Ygl.  auch  Caesar:  Proelii  committendi  signum  dare, 
Gall.  2,  21,  3 ;  cum  proelium  commissum  audissent,  suhsidio  suis 
ienmt,  ib.  7,  62,  8;  commisso  ab  equitibus  proelio  signa  legionum 
procid  ab  utrisque  conspiciimtur ,  civ.  1,  40,  7.  Proelium  statim 
committere  non  dubitavit,  I^ep.  Hann.  11,  3.  Postquam  eo  ventnm 
est,  ut  a  ferentariis  proelium  committi  posset  .  .  .  Sali.  Cat.  60,  2. 
Heisst  es  daher  bei  Caesar:  commisso  proelio  diutius  nostrorum  mili- 
tum  impetum  liostes  ferre  non  potuerunt,  Gall.  4,  35,  2,  so  bedeutet 
])roelio  commisso  auch  hier  als  der  Kampf  begonnen  u.  s.  w.  Ganz 
ebenso  ist  es,  wenn  Caes.  civ.  1,  13,  4  sagt:  commisso  proelio  de- 
seritur  a  suis  Yarus  =  als  es  zum  Treffen  gekommen  luar;  ebenso 
2,  6,  1 :  commisso  proelio  Massiliensibus  mala  res  ad  virtutem  defuit. 
Soll  hingegen  der  ganze  Kampf,  die  volle  Aktion  des  Kampfes  dar- 
gestellt werden,  wie  etwa  in  unserem  Deutschen  eine  Schlackt 
schlagen,  so  ist  proelium  fit,  ante  proelium  factum,  proelio  facto  das 
regelmässige:  qui  audito  proelio,  quod  circa  amnem  Aoum  factum 
erat  .  .  .  Liv.  32,  13,  10;  eodem  tempore  litterae  allatae  de  navali 
pugna  ad  Myonesum  facta.,  ib.  37,  47,  3;  navalibus  proeliis,  quae 
midtis  locis  facta  sunt,  omnibus  adfuit,  ib.  c.  53,  15  und  §  18: 
nulluni  equestre  proelium  sine  me  factum  est  und  c.  59,  6 ;  pluribus 
proeliis  secundis  factis  in  deditionem  gentem  accepit,  ib.  39,  2,  1  und 
dura  ibi  proelia  aliquot  facta,  40,  16,  8.  Hoc  proelio  facto  .  .  . 
pontem  in  Arare  faciendum  curat,  Caes.  Gall.  1,  13,  1  und:  quod 
proelium  factum  slt  Admagetobrigae,  ib.  1,  32,  12;  hoc  proelio  facto 
.  .  maiores  natu  .  .  legatos  ad  Caesarem  miserunt,  ib.  2,  28  init.; 
quo  proelio  facto  Galba  .  .  in  provinciam  reverti  contendit,  ib.  3,  6,  4 
und  ganz  ebenso  4,  13,  9  und:  equestri  proelio  levi  facto  .  .  .  de 
expugnatione  desperavit,  7,  36,  1 ;  per  eos  dies  proelium   secundum 


Committere  —     304     —  Committere 

equestre  fecit  und  sonst  öfter.  Die  ipso,  quo  facturus  erat  navale 
proeliiim,  classiarios  convocat,  Nep.  Hann.  10,  5.  Festinans  tempus 
legatorum  antecape.re,  quos  ante  proelium  factum  .  .  Romam  missos 
audiverat,  Sali.  Jug.  21,  3.  Neque  proelium  facere,  neque  otium 
pati,  ib.  55,  8  und :  proelium  in  manihus  facere  =  im  Handgemeyige 
kämpfen,  ib.  57,  4;  py^oelia  multa,  ceterum  levia  alia  cdiis  locis  facere, 
ib.  87,  1;  Romae  dum  proficisci  parant^  de  proelio  facto  audiehatur, 
ib.  22,  1  und:  proelii  faciendi  tempus  adesse,  ib.  97,  1  und:  suo 
loco,  ex  commodo  pugjiam  facere,  ib.  61,  1  und  82,  2.  Indes  ist 
nicht  zu  leugnen,  dass  Livius  dann  und  wann  synekdochisch  proelium 
u.  dgl.  committere  für  die  ganze  Aktion  des  Kampfes  gebraucht,  wie 
er  z.  ß.  neben  levia  proelia  fiehant  inter  .  .  .  27,  33,  5  an  einem  andern 
Orte:  levia  inde  proelia  per  quadriduum  commissa  sagt,  34,  37,  7 
und:  commisso  modico  certamiyie  .  .  se  receperunt  =  nach  einem  tin- 
hedeutendeyi  Gefechte  und  23,  44,  5,  und  so  einmal  selbst  Cicero : 
diem  proelii  committendi  differehat,  Cic.  div.  1,  77.  —  Wiewohl 
man  sagt  committere  delictiim,  caedem,  fraiulem  u.  s.  w.,  ein  Ver- 
sehen, einen  Betrug,  einen  Mord  begehen,  indem  etwas  Tatsächliches 
damit  verbunden  wird,  so  kann  doch  nicht  gesagt  werden  errorem 
committere,  einen  Irrtum  begehen.  Dies  kommt  auch  nirgends  vor, 
ist  aber  im  N.  L.  sehr  häufig,  für  er  rare,  in  errore  versari,  error  e 
capi  oder  duci,  in  erro7^em  indiici  u.  a.,  und  Ruhnken  hatte  Recht, 
wenn  er  in  seinem  Elogium  S.  250  das  früher  geschriebene  ioculares 
error  es  committere  abänderte  in  labi  in  ioculares  errores.  Jedoch 
in  der  Bedeutung  sittliche  Yerirrung  kommt  errorem  committere  bei 
den  Eccles.  vor,  z.  B. :  tamdiu  exercetur  noxius  poenis,  ut  commissi 
supplicia  erroris  expendat.,  Ambr.  in  exp.  evang.  Luc.  lib.  7,  n.  158 
und:  oratio  haec  interpellans  commisso  eos  revocet  ab  errore,  ut  non 
perferant  tartareos  cruciatus,  Greg.  lib.  Sacram.  N.  886.  Nathan 
projyheta  regi  David  et  commissum  prommtiavit  erj^orem  et  ipsiim 
commisisse  yion  tacuit,  Append.  ad  opp.  Leonis  M.  T.  3,  c.  7  S.  649 
(Migne).  —  Committere  mit  folgendem  ut  bedeutet  es  dahin  kommen 
lassen,  dann  auch  verschulden,  den  Fehler  begehen;  vgl.  Cic.  Att.  5, 
6,  2;  Caes.  Call.  1,  46,  3;  Cic.  fam.  3,  9,  3  u.  D.  Brut,  bei  Cic. 
fam.  11,  20,  1  u.  2,  vgl.  Gebhard  S.  31.  —  Committere  alicui  aliquid 
und  dare  negotium  cdicui  unterscheidet  sich  so :  dare  cdicui  negotium 
sagt  ganz  allgemein,  ohne  irgend  einen  Nebenbegriff:  jemandeti  ein 
Geschäft  übergeben,  einen  Auftrag  erteilen,  hingegen  committere  alicui 
aliquid  heisst  jemanden  etwas  anvertrauen,  d.  h.  in  dem  Glauben 
und  Vertraueyi  übergebeyi,  dass  der  Beauftragte  das  Vertraueyi  des 
Auftrag  gebenden  rechtfertig  eyi  werde.  So  sagt  man  ja  auch  alicui 
litteras  dare  ad  aliqueyn  =  zur  Bestellimg  an  jemcmden  übergebeyi, 
während  bei  Cic.  Cat.  3,  22  coynynissae  litterae  selbstverständlich 
mehr  sagt.  So  heisst  auch  jemayiden  eiyi  öffentliches  Amt  übertragen 
meistens  magistratum  alicui  dare,  mandare  u.  ähnl.,  aber  bei  Cic. 
Plane.  61  steht  aus  dem  angegebenen  Grunde  coynmittere  magistratum. 
Demnach  ist  auch  negotiuyn  cdicui   coynmittey^e    vollkommen    richtig: 


Commodare  —     305     —  Commoditas 

Nee  Uli  (Catoni)  commitfendiim  illud  negotium,  sed  imponendimi 
imtaverimty  Cic.  Sest.  60.  Für  unser  sich  in  etwas  einlassen, 
loagen,  heisst  es  lat.  se  in  aliqnid  committere  (vgl.  Landgraf  zu 
S.  Rose.  255),  z.  B.  in  aciem,  in  ijeiicidum,  in  coyisjjectmn,  in 
senatum  se  committere,  s.  Liv.  23,  11,  10,  Cic.  inv.  2,  8,  Verr.  4,  26 
und  Q.  fr.  3,  2,  2.  Bei  Livius  steht  auch  der  Dativ  ijroelio  se  com- 
mittere 4,  59,  2  und  5,  32,  4  und  theatro  se  committere  sagt  auch 
Cic.  Sest.  116,  vgl.  dazu  Halm.  Endlich  sagt  man  nicht  committere 
in  se,  gegen  sich  sündigen,  tuider  sich  seihst  handeln,  sondern  ad- 
mittere  in  se,  peccare  in  se,  facimis,  delictiim  in  se  admitte?'-e.  In- 
struktiv für  den  Unterschied  von  committere  und  admittere  ist  Cic. 
fam.  3,  10,  2  si  quid  a  me  praeter missum  erit,  commissum  fäcinus 
et  admissum  dedecus  confitehor. 

Commoda7^e,  leihen,  darleihen,  wird  mustergiltig  nur  von  Sachen 
gebraucht,  die  man  in  natura  wieder  zurückgibt,  also  nur  hingehen 
zum  Gebrauche  und  zur  Benutzung,  z.  B.  lihrum^  domiim,  hortum; 
aber  commodare  pecuniam,  nummos,  frumentum,  vinum,  oleum  und 
was  man  sonst  wohl  leihen,  wofür  man  aber  nur  ähnliches  oder  ein 
Äquivalent  zurück  erhalten  kann,  ist  erst  spätlat.  und  sehr  selten  — 
S.  Ambros.  de  Tob.  2,  7  — ;  hiefür  wird  klass.  statt  commodare 
gesagt  credere  alicui  pecuyüam,  dare  mutuam  pecuniam,  mutuos  num- 
mos. Wenn  aber  Cicero  (Cael.  32)  sagt:  Clodia  se  aurum  Caelio 
commodasse  non  dicit,  so  versteht  er  unter  aurum  goldenes  Geräte, 
nicht  Geld  in  Gold.  —  N.  L.  ist  auch  commodato  dare,  etwas  leihen. 
Was  wir  aber  lehnen  nennen,  d.  h.  etwas  lehnsweise  erhalten,  heisst 
ebenso  wenig  commodato  accipere  (höchstens  commodatum  accipere 
bei  den  Juristen,  S.  Ulpian  dig.  13,  6,  3,  §  3),  sondern  utendum 
accipere  oder  mutuari  ah  aliquo.  Ausgeliehene  Geldposten  sind 
pecuniae  creditae.  Falsch  wäre  daher:  a  viris  virtus  nomen  com- 
modavit  (hat  deti  Namen  entlehnt)  für  mutuata  est  (Cic.  Tusc. 
2,  43).  —  Commodare  alicui  =  einem  gefüllig  sein  (ohne  se)  ist 
klassisch.  Ygl.  Manut.  zu  Cic.  fam.  13,  53,  1.  Sich  nach  einem 
in  etwas  ricJiten  wird  teils  durch  in  aliqua  re,  teils  durch  aliqua  re 
ausgedrückt.  Ygl.  Cic.  fam.  13,  53,  1.  Nach  accommodare  steht 
de  aliqua  re  bei  Cic.  fam.  13,  2  peto  a  te,  ut  ei  de  hahitatione  accom- 
modes.  Dagegen  sagt  Quintil.  (2,  8,  4):  praeceptor  se  commodahit 
singulis,  er  wird  sich  nach  den  einzelnen  richten,  seinen  Unterricht 
nach  ihnen  einrichten,  und  ebenso  steht  se  commodare  alicui  bei  Sen. 
benef.  2,  34,  2;  nachklass.  ist  endlich  auch  aliquid  (operam  suam, 
manus)  commodare  ad  aliquid  oder  alicui  rei,  s.  Plin.  epp.  2,  11, 
23,  Sen.  benef.  3,  20  und  epp.  88,  10. 

Commoditas  bedeutet  nicht  Bequemlichkeit,  was  opportunitas 
heisst,  sondern  Fasslichkeit,  Geschicklichkeit;  vgl.  Langen  Beitr. 
S.  252.  Auch  unser  kommod  ■=  langsam,  gemächlich,  z.  B.  gehen 
und  ähnliches,  kann  im  Lat.  niemals  durch  commode  gegeben  werden, 
sondern  ist  durch  placide,  quiete,  gradu  placido,  quieto  ire,  procedere, 
amhidare  zu  übersetzen. 

Krebs-Schmalz,  Antibarbarus  I.  20 


Com  m  od  um  —     306     —  Commnnicare 

Commodum.  Über  die  uniat.  und  durchaus  zu  meidende  Phrase 
commodo  esse  vgl.  s.  v.  Incommodum. 

Commonefacere,  einen  an  etivas  erinnern,  hat  Caes.  nur  Gall. 
1,  19,  4  mit  indir.  Fragesatz;  Cic.  konstruiert  cdiquem  alieiiius  rei 
oder  aliqiiid,  z.  B.  Yerr.  5,  112  qiiin  tui  sceleris  commonefiat  und 
4,  144  quae  commoyiefaceret  istiiis  tii^yem  praetiiram,  oder  mit  iit: 
Yerr.  2,  41 ;  mit  de  hat  es  Cic.  nicht,  denn  fam.  5,  3,  2  gehört  de 
nicht  zu  commonefaceret.  Sp.  L.  scheint  de  vorzukommen.  —  Com- 
monere  verbindet  Cic.  nur  mit  de,  z.  B.  Yerr.  1,  154  quin  de  ava- 
7^itia  tiia  commone^^etur ;  rhet.  Her.  4,  44  mit  Gen.  non  miptiales 
tihiae  te  eins  matrimonii  commo7iehant  f  Caes.  hat  das  Wort  nicht, 
Sali,  auch  nicht,  wohl  aber  hat  Sali.  Jug.  49,  4  commonefacere  aliquem 
heneficii,  Nep.  gebraucht  keines  von  beiden. 

Commonito7%um,  das  Erinnerungsschreiben,  ist  S20.  L.  für  mo- 
nitum,  monitio,  admonitio,  commonitio,  admonitum;  vgl.  Gölzer 
Hieron.  S.  96. 

Commori,  mitsterhen,  steht  schon  bei  Plaut.,  der  eine  Komödie 
Commorientes  =  SovaTzod-vrjayMvreQ  geschrieben,  vgl.  Ter.  Ad.  7, 
dann  bei  Sallust  "(aber  nur  h.  1,  138  M  commori  hostihus)^  Yal. 
Max.  6,  8,  2,  Sen.  controv.  9  (4),  29,  Sen.  epp.  77,  13  und 
Quint.  decl.  194,  13  R.,  Front,  strat.  2,  6,  5,  Plin.  nat.  8,  32; 
10,  47  und  27,  5,  Liv.  epit.  1.  2;  Sp.  L.  in  der  Yulg.,  bei  Hieron. 
und  sonst,  vgl.  Gölzer  Hieron.  S.  315  u.  Rönsch  Coli.  phil.  S.  79. 
Es  wird  entweder  absolut  oder  nach  griechischer  Art  alicid  commori, 
am  besten  mit  cum  aliquo  c.  (Liv.  epit.  und  Yal.  Max.)  verbunden; 
Cicero,  Caesar  und  Livius  kennen  das  Wort  nicht. 

Commnnicare.  Nicht  selten  steht  dieses  Yerbum  ganz  absolut, 
wie  wir  auch  im  Deutschen  sagen  mit  jemanden  kommimizieren, 
d.  h.  sich  ins  Einvernehmen  setzen,  sich  beraten,  z.  B.:  quihuscum 
commimicare  de  maximis  rebus  Pompeius  consueverai,  Caes.  civ.  3, 
18,  3  und:  Pompeius  mecuni  saepissime  .  .  .  de  te  commimicare  solet, 
Cic.  fam.  1,  7,  3.  Oder  das  Yerbum  wird  als  Transitivum  be- 
handelt, dann  heisst  es  etivas  zu  dem  Seinigen  oder  zu  einem  Ge- 
meinschaftlichen machen,  z.  B.  pericula  communicare  bei  Cic.  Lael. 
24,  vgl.  Seyft.- Müller  zu  Lael.  S.  154  und  Näg.-Müller»  S.  464. 
—  Ferner  erscheint  es  in  der  bekannten  Konstruktion :  communicare 
cdiquid  cum  cdiquo.  Sagen  wir  im  Deutschen  auch  einem  etivas  mit- 
teilen, so  ist  zu  beachten,  dass  der  wörtliche  lateinische  Ausdruck 
commnnicare  cdiquid  alicui  erst  spätlat.  vorkommt.  Ygl.  hierüber 
Hoppe  Synt.  Tert.  S.  27,  Chruzander  S.  15,  Watson  S.  268.  Also 
wäre  es  nicht  mustergiltig  zu  sagen:  communicare  sibi  invicem,  sich 
gegenseitig  oder  einander  etwas  mitteilen  für  cdiquid  inter  se  com- 
municare. Der  Dativ  ist  nur  dann  zulässig,  wenn  communicare  von 
der  Konstruktion  eines  andern,  den  Dativ  regierenden  Yerbums  be- 
herrscht und  also  der  Konzinnität  wegen  mit  dem  gleichen  Kasus 
verbunden  wird,  z.  B. :  necque  iis  petentibus  ius  redditur,  neque  honos 
ullns    communicatur,    Caes.  Gall.  6,  13,  7    und   ganz   ebenso  ib.  c. 


Communis  —     307     —  Communis 

23,  9:  liis  omnium  domus  patent  victusque  communicatur.  Dieser 
Gebrauch  kann  also  auch  für  uns  keinem  Anstand  unterliegen. 
Wenn  aber  die  eine  der  beiden  Personen,  welche  etwas  gemein- 
schaftlich haben,  bereits  durch  cum  mit  dem  Abi.  aufgeführt  ist, 
so  tritt  die  andere  im  Dativ  hinzu,  welcher  Dativ  dann  nicht  von 
der  Konstruktion  von  commimlcare  bedingt,  sondern  wie  bei  jedem 
andern  transitiven  Verbum  Ausdruck  des  entfernteren  Objektes 
ist.  So  richtig  Heerwagen  zu  Liv.  22,  27,  8  :  sibi  communicatum 
cum  alio,  non  ademptum  miperkim  esse,  zu  welcher  Stelle  Heerwagen 
auch  auf  Cic.  Brut.  254  und  div.  Caecil.  14  und  Yerr.  5,  5  hin- 
weist. Dieselbe  Konstruktion  findet  sich  auch  bei  Cic.  S.  Rose. 
142:  qui  sibi  cum  illo  rationem  communicatam  imtat.  —  In  der 
Bedeutung  umgehen  mit  jemanden  findet  sich  commuyiicare  nur  in 
der  späten  kirchlichen  Latinität:  ne  communices  homine  indocto, 
Yulg.  Sir.  8,  5,  daneben  auch  se  communicare  alicui,  ibid.  13,  1  und 
commimicare  alicui  rei,  teil  haben  an  etwas,  Vulg.  I.  Tim.  5,  22, 
sowie  commimicare  aliquid,  teilnehmen  an;  näheres  hierüber  gibt 
Gölzer  Hieron.  S.  239,  welcher  den  Gebrauch  von  commimicare  bei 
den  Eccl.  ausführUch  bespricht,  ferner  Hoppe  Synt.  Tert.  S.  28.  — 
Beleliruyigen  mitteilen  endlich  kann  wohl  unbedenkhch  durch  alicuius 
rei  praecepta  u.  dgl.  commimicare  cum  aliquo  übersetzt  werden  nach 
Cic.  nat.  deor.  1,  8:  Complures  Oraecis  institutionibus  eruditi  ea,  quae 
didiceranty  cum  civibus  suis  communicare  no7i  poterant,  quod  illa,  quae 
a  Graecis  accepissent,  latine  dici  posse  difflderetit.  —  Das  Deponens 
commimicari  steht  Liv.  4,  24,  2,  sonst  nirgends,  vgl.  Neue- Wagener ^ 
ni  S.  32;  doch  will  Novak  Stud.  Liv.  1894  S.  91  hier  cum  quibus 
spes  integra  commimicata  non  sit  schreiben. 

Communis  ist  in  der  Bedeutung  gemein,  d.  h.  gewöhnlich,  all- 
täglich, mit  dem  Nebenbegriff  des  Unwerten,  der  Niedrigkeit  und 
Gemeinheit  N.  L.  für  vulgaris;  es  enthält  vielmehr  den  Begriff"  des 
Gemeinschaftlichen  oder  Gemeinsamen,  dessen,  was  wir  mit  andern 
oder  wohl  gar  mit  allen  gemeinschaftlich  haben  und  was  nicht  uns 
allein  eigentümlich  ist.  Daher  ist  ein  gemeiner  Mann  nicht  homo 
communis,  auch  nicht  vulgaris,  sondern  homo  de  plebe,  plebeius,  sor- 
didus,  obscurus,  obscuro  oder  infimo  loco  natus ;  gemeine  Menschen, 
vulgus;  gemeine  Soldaten,  vulgus  militum ;  gemeine  Sitte  und  Art, 
nicht  communis,  sondern  vulgaris  mos,  modus,  und  wenn  Burmann 
(Petron.  S.  335)  schreibt:  omnia  in  huius  suppelectile  extra  communem 
modum  sunt,  so  musste  er  entweder  vulgarem  sagen  oder  bloss  modum 
excedunt.  In  vulgaris  liegt  meistens  der  Genitiv  vulgi,  in  communis 
aber  der  Genit.  omnium,  daher  liegt  der  Gegensatz  von  commimis 
in  proprkis.  Was  nun  beiden,  dem  vulgus  und  den  omnibus  gilt, 
kann  vulgaris  und  commimis  genannt  werden;  ein  mos  vidgaris  ist 
eine  Sitte  des  gemeinen  Volkes,  ein  mos  communis  eine  allgemeine 
Sitte,  eine  Sitte,  die  von  allen  befolgt  wird.  —  Mit  jemanden  etwas 
gemeinschaftlich  haben  ist:  aliquid  alicui  cum  aliquo  commune  est, 
aliquid  aliquorum  commune  est,   oder  aliquid  inter  aliquos  commune 


Comoedia  —     308     —  Comoedia 

est^  auch  cqmd  aliquos  cdiquid  commune  est.  Gerade  so  gut  ist  aber 
auch  das  mit  dem  Deutschen  wörtlich  zusammenstimmende  cum  aliquo 
cdiquid  commune  habere,  was  sich  bei  Autoren  aller  Sprachperioden 
findet,  wie :  hoc  solum  commune  liaheham  cum  harharis,  Ambros.  epp. 
18,  7,  g.  E.  Veritatis  discijndis  esse  gaudium  non  dehet  yiisi  de  eo 
loyio,  quod  commune  cum  omnibus  habent,  Greg.  epp.  lib.  11,  28. 
Nee  habet  (pecudmn  natura)  quidquam  commune  cum  coelo  quod 
non  intuentur,  Lact,  de  ira  7,  4  und  8,  3.  Ex  his  qidnque,  quae 
commemoraviy  postremum  cum  diis  immortalibus  commune  habent, 
Apul.  de  deo  Socr.  c.  13  extr.  Sit .  .  .  proijosita  controversia,  quae 
communes  minime  cum  aliis  quaestiones  habet,  Quint.  5,  10,  110. 
Quidni  filium  mihi  nolim  cum  isto  communem  esse,  cum  cpio  utinam 
communem  nee  patrem  habuissemf  Sen.  controv.  1,  1,  25  (B.).  Oft 
bei  dem  Jüngern  Seneca:  illum  iyi  aliis  mimdi  finibus  sua  virtus 
coUocavit,  nihil  vobiscum  commune  habentem,  de  const.  15,  2;  sciat 
se  nihil  mecum  habere  commune,  de  benef.  7,  12,  2;  omnia  cum  amico 
communia  habebit,  qui  midta  cum  homine,  epp.  48,  3  und  74,  17,  nat. 
2,  37,  2  und  ib.  7,  2,  1.  Ygl.  noch  quam  (viUam)  dominus  habes 
communem  cum  asino,  Yarro  de  r.  r.  3,  2,  9.  Vetustas  habet  aliquid 
commune  cum  multis,  Cic.  fam.  11,  27,  2;  cum  rerum  natura  .  .  . 
quid  habere  potest  commune,  non  dicani  gallinaceum  fei  .  .  .  sed, 
div.  2,  29.  Wenn  Terentian  1172  quod  Graecis  (statt  cum  Graecis) 
commuyie  videynur  habere  sagt,  so  ist  der  Zwang  des  Metrums  schuld, 
vgl.  Werth  S.  330  Anm.  3.  —  Kl.  ist  auch  in  commuyie  conferre, 
Cic.  Quinct.  12,  woraus  im  N.  Kl.  eine  Reihe  von  Phrasen,  z.  B.  in 
comyyiune  considtctre  und  ähnliche  sich  entwickelten,  vgl.  Heraus  zu 
Tac.  bist.  4,  64.  —  Ebenso  heisst  coynmuyiiter,  gemeinschaftlich  mit 
andern,  und  dementsprechend  auch  im  allgemeinen,  überJiaiqyt,  z.  B. 
Cic.  Arch.  32,  aber  nicht  gemeiniglich,  getvöhyilich,  alltäglich,  was 
vulgo,  fere,  plerumque  heisst.  Wunderliches  Latein  ist:  ambo  com- 
mMniter  apud  me  fuerunt,  wo  ima  für  communiter  stehen  musste.  — 
Endlich  sei  noch  bemerkt,  dass  commimis  =  herablassend  ganz  gut 
ist.  S.  J^ep.  Att.  3,  1,  Cic.  fam.  4,  9,  2  und  sonst;  vgl.  Seyif.- 
Müller  zu  Lael.  S.  418.  —  In  den  novis  epp.  obscurorum  virorum 
wurde  seiner  Zeit  Rüge  durch  vir  communis  als  Koynmimist  natürlich 
bloss  scherzhaft  bezeichnet.  Richtig  dürfte  man  dafür  wohl  sagen : 
homo  aequationis,  commuyiionis  omnium  bonorum  appetens  und 
Koymnunisynus :  prava  aequatioyiis,  comnumionis  omyiiuyn  bonorum 
ratio. 

Comoedia.  Eine  Koynödie  aufführen,  spielen  heisst  comoediam 
agere,  und  der,  ivelcher  sie  aufführt  und  mitspielt,  actor  comoediae 
(comoediarum)  oder  comoedus,  wie  der  eigentlich  wahre  Komödiayit 
oder  der  komische  Schauspieler  genannt  wird,  da  der  Komödiant 
im  allgemeiyien  Sinne,  d.  h.  der  Schauspieler,  histrio  oder  actor 
heisst.  Comoedus  aber  bedeutet  nicht  den  Komödiendichter,  welcher 
poeta  comicus  oder  bloss  comicus  heisst,  sowie  tragicus,  der  Tragödien- 
dichter.     N.  L.  ist  comoedicdis  und  Sp.  L.  comoedicus   für  coynicus. 


Compactum  —     309     —  Comparere 

Compactum  ist  als  Partizip  Perf.  Pass.  Kl.  nur  im  Abi.  com- 
pacto  üblich  in  der  Bedeut.  nach  Verabredung,  verahredetermassen, 
z.  B.  Cic.  Att.  10,  12,  2,  vgl.  Boot  z.  St.,  der  noch  p.  Scauro  8 
compecto  zitiert.  A.  L.  u.  N.  Kl.  steht  dafür  auch  und  zwar  bei 
Plaut,  de  conpecto  (Lor.  z.  Pseud.  518)  und  bei  Suet.  ex  compacto ; 
alle  drei  sind  selten,  können  aber  wohl  angewendet  werden,  da  sie 
sich  von  ex  composito  dadurch  unterscheiden,  dass  sie  gewöhnlich 
wie  unser  deutsches  im  Komplott,  ahgekartetermassen  in  malam  par- 
tem  stehen.  Das  Partizipialadj.  compactiis  =  fest,  gedrungen,  unter- 
setzt, ist  zwar  erst  nachklassisch,  aber  gut,  denn  die  Bedeutung  ist 
vermittelt  durch  Cic.  fin.  3,  74,  s.  Lagergren  S.  100. 

Compages,  die  Fuge,  Verhindimg,  mit  der  in  Prosa  seltenen 
unklass.  Nebenform  compago  —  kommt  überhaupt  selten  und  bei 
Cicero  nur  im  Plur.  vor:  in  his  compagihus  corporis,  Cato  77;  für 
compages  braucht  er  sonst  vincula. 

Comparare  in  der  Bedeut.  vergleichen  wird  verbunden  aliquem 
(aliquid)  aliciii  oder  (viel  häufiger)  cum  aliquo,  einen  (etivas)  mit 
einem  (etivas)  vergl.;  sich  bereiten  (rüsten)  auf  oder  für  etwas,  ist 
se  comparare  ad  aliquid,  z.  B.  Caes.  Gall.  7,  79,  4:  se  comparare 
ad  omnes  casus,  sich  auf  alle  Fälle  gefasst  machen.  Yerworfen  wird 
als  N.  L.  die  Redensart:  ita  comparatum  est  cum  aliquo,  so  ist  es 
mit  jemanden  beschaffen,  wofür  entweder  ein  Dativ,  cdicui,  eintritt 
oder  comparatum  est  alicui  in  aliqua,  wie :  ita  quoique  comparatumst 
in  aetate  hominum  .  .  voluptatem  ut  maeror  comes  consequatur^  PI. 
Amph.  634,  oder  der  jemand  und  das  ettuas  Subjekt  des  Yerbs  wird, 
oder  statt  dessen  ein  Satz  folgt.  Man  sage  z.  B.  ita  (perinde) 
'  lingiiae  latinae  ratio  comparata  est,  ut  hominis  nach  Cic.  Lael.  101 
ita  ratio  comparata  est  vitae  naturaeque  nostrae.  Oder  es  ist  Ein- 
richtung der  Natur  heisst  lat.  auch  ita,  sie  (hoc)  fiatura  comparatum 
est,  ut  .  .;  so  sagt  Cic.  Cluent.  57  iam  hoc  prope  iniquissime  com- 
paratum est  (vgl.  Landgraf  zu  S.  Rose.  S.  322),  ähnlich  Liv.  3,  68, 
10,  Yal.  Max.  3,  8  init.,  Plin.  epp.  5,  19,  5.  Landgraf  weist  darauf 
hin,  dass  dies  comparatum  est  besonders  zur  Einführung  allgemein 
giltiger  Sentenzen  und  Wahrheiten  dient.  Bemerkenswert  ist  noch 
rhet.  Her.  4,  23  bene  maiores  nostri  hoc  comparaverunt  und  Sali. 
Cat.  51,  8  quae  legibus  comparata  sunt,  vgl.  m.  Anm.  —  Compa- 
rare =  kaufen  findet  sich  schon  früh  im  Vulgärlatein ;  vgl.  Schuchardt 
Yok.  d.  Yulg.  I,  195  u.  Densusianu  im  Archiv  XI,  275. 

Comparative,  vergleichungsweise,  mit  Vergleichung ,  ist  erst  S2).  L., 
wiewohl  compa?xitivus  sogar  Kl.  einmal  bei  Cicero  steht  (inv.  2,  76) 
für  comparate  (Cic.  top.  84)  oder  ex  comparatioyie  (Cic.  de  or.  3,  116). 
In  comparatione  alicuius  und  ex  comparatione  alicuius  ist  nachklass., 
s.  Yogel-Weinhold  zu  Curt.  3,  11,  20.  Nichts  in  komparativer  Ab- 
sicht aussprechen  ist  nihil  comparandi  causa  loqui,  Cic.  Pis.  3. 

Comparere  bedeutet  zwar  sichtbar  sein,  sichtbar  erscheinen,  aber 
ungewöhnlich  ist  comparere  in  iudicio,  ante  iudicium,  ante  iudicem, 
vor  (im)  Gericht  erscheinen,  für  se  sistere,  in  ins  adire,  ad  iudicium 


Compassio  —     810     —  Comperendinare 

adesse.  Wenn  Lact.  5,  3,  9  repente  in  mdicio  yioyi  comparuit  sagt, 
so  ist  dies  etwas  anderes;  non  comparere  ist  =  verschiuinden ;  viele 
Beispiele  hiefür  hat  Rönsch  Ital.  S.  349,  Coli.  phil.  S.  128;  be- 
sonders üblich  war  nusquam  comparere,  z.  B.  Lact.  mort.  2,  7.  Schon 
Cic.  Att.  12,  2  sagt  Pompeium   non  comparere  =  sei  verschiviinden. 

Compassio,  das  Mitleiden,  und  compati,  mitleiden,  Mitleiden 
hahen,  sind  beide  sehr  ^S^.  L.  und  durchaus  zu  vermeiden;  vgl. 
Gölzer  Hieron.  65,  Rönsch  Ital.  S.  80,  Coli.  phil.  S.  35,  Regnier 
S.  168.  Man  wähle  andere  Wörter,  wie  sie  der  Sinn  verlangt. 
Vgl.  Condole7^e. 

Compendiiim,  was  im  bessern  Latein  nur  Vorteil,  Geivinn,  Er- 
sparnis bedeutet  und  N.  Kl.  auch  einen  hessern  Weg,  gleich  via 
compendiaria,  wobei  Zeit  gewonnen  und  Mühe  erspart  wird,  hat  im 
N.  L.  auch  die  Bedeutung  Handbuch  oder  Lelirhnch  über  irgend 
eine  Wissenschaft  oder  Kunst  erhalten,  wozu  vielleicht  Quintil.  (inst. 
1,  1,  24)  Anlass  gegeben  hat.  Dieser  sagt:  Piideatne  me  in  ipsis 
staiim  elementis  (gleich  hei  den  ersten  Anfangsgründen)  etiam  hrevia 
docendi  monstrare  compendia,  d.  h.  auf  kleine  Ahkilrznngen,  Meine 
Vorteile  des  Unte^Tichts  hinzuweisen.  Das  richtige  Yerständnis  dieser 
Worte  zeigt,  dass  es  N.  L.  ist  zu  sagen :  Compendiwn  anticpdtatum 
Eomanarum  edidit  Cellariiis  oder  editum  a  Cellario  —  und  so  viele 
ähnliche  Titel,  für:  Compendium  docendi  antiqnitates  Romanas  monstra- 
vit  Cellarius  oder  moyistratiim  a  Cellario.  So  sind  alle  ähnlichen 
Titel  zu  ändern.  Auch  Wölfflin  ist  keine  Stelle  bekannt,  an  welcher 
ein  Buch  compendium  genannt  wäre  ;  doch  kommen  ^S^;.  L.  Stellen, 
die  er  Archiv  XII,  344  aufführt,  dieser  Bedeutung  ziemlich  nahe. 
Übrigens  hiess  Lehrhuch  einer  Kunst  ars,  s.  Quintil.  8,  1,  10:  artem 
edere  =  herausgehen,  componere  =  abfassen,  12,  11,  4;  Cic.  de 
or.  2,  64:  praecepta,  quae  in  artihus  rhetorum  reperiantur  —  (in 
den  rhetorischen  Lehrhüchern,  in  den  Lehrhilchern  der  RhetorAk)  ; 
id.  fin.  4,  7:  artem  rhetoricam  (ein  Lehrhuch  der  Rhetorik)  scripsit 
Cleanthes,  und  wenn  er  (orat.  43)  sagt:  quid  sit  Optimum,  in  tra- 
denda  arte  dici  solet,  so  würden  wir  sagen:  das  pflegt  in  einem  Lelir- 
huche  der  Rhetorik  angegeben  zu  iverden.  Ist  das  Lehrbuch  eine 
kurze,  gedrängte  Darstellung  der  betreffenden  Disziplin,  so  ist  a?iis 
lihellus,  epitome  zu  sagen  nach  Quintil.  2,  18,  15. 

Compensare,  ausgleichen,  ahuägen,  erkaufen,  ersetzen  (etwas 
durch  oder  gegen  ettuas),  wird  gleich  gut  verbunden  cdiquid  cdiqua 
re,  Cic.  or.  231  und  cum  cdicjua  re,  Cic.  fin.  5,48,  z.  B.  voluptatem 
cum  curis  oder  curis,   Vergnügen  gegen   oder  mit  Sorgen   erkaufen. 

Compensatio  mit  einem  Genitiv,  z.  B.  mei^itorum  in  der  Bedeut. 
Vergeltung  ist  N.  L.  für  remuneratio,  pensatio,  aequatio. 

Compe^^endinare.  Dieses  Yerbum  wird  von  Neuern  nicht  selten 
im  Sinne  von  einer  späteren  Anberaumung  eines  Gerichtstags  über- 
haupt gebraucht,  während  der  Sinn  von  comperend.  nur  der  ist:  die 
Parteien  in  einer  bereits  klaren  Sache  auf  den  drittnächsten  Ge- 
richtstag als  letzten  Termin,  wo  der  Spruch  erfolgen  musste,  vorladen. 


Cornperire  —     oll     —  Competere 

Comperire.  Das  Deponens  comperiri  ist  A.  L.,  steht  vereinzelt 
bei  Sali.  u.  Tac.  und  den  Archaisten  Apul.  Gell.,  auch  bei  Tert., 
vgl.  Neue-Wagener^  III  S.  32  ;  man  halte  sich  nur  an  die  aktiven 
Formen.  —  In  der  Bedeutung  =  gencvu,  zuverlässig  erfahren,  wird 
es  verbunden  mit  dem  Accus,  aliqitid,  de  aliqiio,  de  aliqua  re  = 
über  jemand,  über  ehuas  zuverlässig  erfahren,  z.  B. :  afferant  aliquid 
sese,  quod  de  his  duobus  habuerint  compertum,  de  ceteris  comperisse, 
Cic.  Cluent.  127;  nihil  de  hoc  (Sulla)  consid  comperi,  Cic.  Sulla  86. 
Fostquam  de  scelere  filii  comperit,  Nep.  Paus.  5,  3.  Metelliis  post- 
quam  de  rebus  Vagae  actis  comperit,  Sali.  Jug.  68,  1.  Hingegen 
von  jemanden,  ivelcher  erzählt,  veryiehmen,  ist  comperire  aliquid  ab 
aliquo,  z.  B.:  a  quo  ut  rem  gestam  comperit,  Nep.  Dat.  3,  4  und 
noch  gewöhnlicher  ex  aliquo,  z.  B. :  qiii  ex  fratre  comperta  ipsi 
nuntiasset,  Curt.  6,  8,  11  und:  haec  ex  vate  comperta  Erigyius 
nuntiabat,  ebendas.  7,  7,  22  und:  quae  ex  fratre  compererat  .  .  . 
mmtiari  regi  iahet,  ibid.  6,  7,  18.  Ex  captivis  comperit,  Caes. 
Gall.  1,  22,  1  u.  Hirt.  Gall.  8,  17,  1,  sowie  8,  36,  1.  Ebenso 
mit  der  Präposition  per :  Caesar  postquam  per  TJbios  explora- 
tores  comperit  .  .  Caes.  Gall.  6,  29,  1  und  4,  19,  2,  was  ganz 
gut  ist,  da  per  exploratores  certiorem  fieri,  cognoscere  bei  Caesar 
gewöhnlich  sind ;  endlich  findet  sich  auch  der  blosse  Abi. :  ubi  certis 
auctoribiis  comperit,  Caes.  civ.  2,  37,  3;  2,  18,  3  und  Cic.  Att.  14, 
8,  1.  Compertiis  mit  dem  Genit.  =  einer  (bösen)  Sache  überiviesen 
findet  sich  zwar  noch  nicht  bei  Cicero,  welcher  dafür  convictus  ge- 
braucht, aber  bei  Livius:  nullius  probri  compertus  7,  4,  4;  22, 
57,  2  und  32,  1,  8,  bei  Tac.  ann.  1,  3:  mdlius  flagitii  compertus,  und 
bei  Just.  11,  11,  5:  stiqjri  comperta  (Olympias),  ist  also  N.  Kl.; 
Suet.  Tib.  35  sagt  compertus  iyi,  vgl.  Freund  S.  51. 

Competere  fdicui  oder  in  aliquid,  in  der  Bedeutung  für  ettuas 
passen,  geeignet  sein,  ist  als  N.  Kl.  nicht  anzuwenden  für  convenifx 
iyi  aliquem  (cdiquid) ;  vgl.  Bagge  S.  13.  Für  quatenus  orationi 
competit,  insofern  es  für  die  Rede  passt,  wäre  klass. :  quat.  in  orati- 
onem  conveynt.  Aber  competere  ad  aliquid  =  zu  eticas  fähig,  im 
stände  sein,  hat  die  Autorität  von  Liv.  22,  5,  3:  ut  vix  ad  arma 
capienda  aptandacque  pugnae  competeret  animus  nach  dem  Vorgange 
des  Sali.  bist.  1,  136  M.  quasi  formidine  adtonitus  neque  animo  neque 
auribus  aut  lingua  satis  competere;  in  der  Bedeutung  zusammen- 
treffen steht  es  bei  Yarro:  ubi  viae  competunt,  1.  lat.  6,  25  und  in 
unum  competere,  Colum.  4,  17,  1.  Wie  competere  bei  Colum.  a.  a. 
0.  räumlich,  so  steht  es  zeitlich  bei  Plin.  nat.  16,  191  si  competant 
coitus  liinae  in  novissimum  diem  brumae  u.  mehr  unserer  Auff'assung 
entsprechend  bei  Tac.  bist.  2,  50  initium  finemque  miraculi  cum 
Othonis  exitu  competisse.  Sj).  L.  ist  competit  mit  Inf.  =  convenit, 
vgl.  Hoppe  Synt.  Tert.  S.  48.  —  Competens  =  zuständig,  angemessen, 
passeyul,  gehört  den  spätem  Juristen,  auch  Paneg.  u.  Eccl.  an  für 
legitimus,  iustus,  idoyieus,  verus ;  also  ein  koyyipetenter  Richter  ist  bei 
Aug.  ep.  251  competeyis  iiulex,  klass.  aber  =  iustus  iudex;  iyi  dieser 


Compilare  —     312     —  Complere 

Sache  hin  icli  liompetent  =  liiiius  causae  potestas  imies  me  est;  das 
komiietenteste  Urteil  iiher  eticas  haben  =  verissimum  alicuitis  rei 
iudicium  habere.  Ebenso  spät  ist  competenter  (vgl.  darüber  Gölzer 
Hieron.  S.  197,  Rönsch  Coli.  pbil.  S.  44  u.  160,  Kretschmann  Sidon. 
S.  13).  Das  spätlatein.  Subst.  comj)etentia  aber  ist  in  der  Bedeutung 
Befugnis,  in  welcher  wir  Kompetenz  brauchen,  N.  L.  für  ins  oder 
potestas. 

Compilare  ist  zwar  Kl.,  bedeutet  aber  nur  eticas  bestellten,  be- 
raubeyi,  jüündern  mit  dem  Acc.  des  persönlichen  oder  sächlichen 
Objektes,  welches  bestohlen  oder  ausgeplündert  wird,  z.  B.  Cic.  Yerr. 
4,  53  uno  imperio  ostiatim  totiim  oppidum  compilavit ;  bei  Livius 
wird  dieser  Acc.  noch  verbunden  mit  dem  Abi.  des  Gegenstandes, 
dessen  eine  Ferson  oder  Sache  beraubt  worden  ist,  z.  B.  templum 
omnibiis  ornamentis  compilare,  einen  Tempel  alles  seines  Schmuckes 
berauben.  Mit  dem  Accus,  der  Sache,  die  man  plündernd  rauht, 
steht  es  bei  Plaut.  Men.  560;  bemerkenswert  ist  Cic.  Mur.  25  ah 
ipsis  capsis  iuris  considtorum  sajnentiam  compilavit,  wo  Landgraf 
notiert:  „gewöhnlicher  wäre  ipsas  capsas  compilavit^'',  vgl.  Hör.  sat. 
1,  1,  120;  aber  was  sollte  dann  aus  sapientiam  werden?  Übrigens 
schliesst  Kayser,  der  ein  sehr  feines  Gefühl  für  cic.  Latinität  besass, 
den  ganzen  Satz  als  Glossem  ein.  N.  L.  aber  wird  ganz  verkehrt 
gesagt:  iste  librum  suum  (ex  aliis)  compilavit,  da  bei  den  Alten  nur 
ein  fremdes  Buch  kompiliert,  d.  h.  geplündert  wird,  nicht  ein  eigenes, 
indem  nicht  der  Begriff  des  Sammeins,  sondern  des  Stehlens  darin 
liegt.  Also  lässt  sich  auch  nicht  sagen  divitias  compilare,  Reichtümer 
sammeln,  für  coUigere  divitias.  —  Das  Wort  compilator,  der  Plünderer, 
Dieb,  ist  spätlat.,  aber  gut  gebildet,  und  in  der  tropischen  Bedeutung 
litterarischer  Flünderer,  wie  es  von  Hieron.  {iit  [Yergilius],  cum 
quosdam  versus  Homeri  transtulisset  ad  verbum,  compilator  veterum 
diceretur,  vgl.  Gölzer  Hieron.  S.  46)  und  Isid.  gebraucht  wird,  als 
ein  ebenso  kurzer  wie  bezeichnender  Ausdruck  vollkommen  anwendbar. 

Compjlacere  alicui,  einem  gefallen,  ist  A.  L.  u.  N.  Kl.,  selten  und 
unnötig  für  placere.  Zu  complacitus  vgl.  Rönsch  Ital.  S.  142  und 
Coli.  phil.  S.  65. 

Complecti.  Das  Partiz.  complexus  kommt  Kl.  auch  adjektivisch 
in  der  passiven  Bedeut.  vereinigt  vor.  Vgl.  Cic.  S.  Rose.  37 ; 
Thielmann  Cornif.  S.  52  sagt,  dass  nur  an  dieser  Stelle  bei  Cicero 
die  passive  Bedeutung  von  complexus  festzuhalten  sei,  sonst  überall 
z.  B.  Tusc.  5,  40  habe  man  compleo  hergestellt.  Vgl.  noch  Land- 
graf zu  S.  Rose.  krit.  Anh.,  Koffmane  lex.  S.  37.  Unser  etivas  in 
Worte,  in  eine  Rede  fassen  heisst  nicht  aliquid  complecti  in  verba, 
in  orationem,  sondern  verbis,  oratione;  rem  plane  verbis  complecti  = 
den  Kagel  auf  den  Kopf  treffen  =  rem  acu  längere;  vgl.  Cic. 
Yerr.  4,  57. 

Complere  bezieht  sich  meistens  auf  etwas  Unvollständiges  und 
heisst  vervollständigen,  vollzühlig  machen,  ausfüllen,  implere  aber 
etwas  Leeres  fällen,  also  anfallen.    Auch  wird  complere  tropisch  ver- 


Complex  —     313     —  Complurimus 

bunden  mit  Wörtern,  wie  lüangor,  lamentatio,  aber  nur  in  räumlicher 
Yorstellung,  z.  B.  Cic.  or.  131  iit  forum  plangor e  et  lamentatione 
comiüeremus ;  ebenso  spe,  gaudio,  voliiptate,  z.  B.  Caes.  civ.  2,  4,  4; 
2,  21,  2;  Cic.  ac.  2,  127.  Wo  diese  Yorstellung  nicht  obwaltet, 
sagt  man  besser  afficere,  afferre  u.  ä.  Das  gleiche  gilt  für  implere, 
das  jedoch  bei  Cic.  nicht  übertragen  gebraucht  wird.  Der  Gen.  bei 
complere  ist  Kl.  höchst  selten,  z.  B.  Cic.  Cato  46,  auch  bei  imj)lere, 
z.  B.  Cic.  fam.  9,  18,  4,  vgl.  meine  Syntax^  §  91-  —  ^^^  der  Zeit 
gebraucht,  z.  B. :  sein  Lehen  auf  volle  hundert  Jahre  bring eyi,  kann 
lateinisch  sowohl  die  Ordinal-  als  die  Kardhialzahl  gebraucht  werden: 
M.  Valeriiis  Corvimis  centesimum  amiuni  complevit,  Yal.  Max.  8,  13,  1. 
Nidlum  hominmn  mori  volunt,  nisi  cum  centesimum  aetatis  comj)leverit 
annum,  Lact,  de  opif.  D.  4,  3,  dagegen:  cum  VII  et  LXX  amios  com- 
plesset,  Nep.  Att.  21,  6  und:  cuius  magister  centiim  et  Septem  complevit 
annos,  Cic.  Cato  13;  dichterisch  ist  quater  undenos  implevisse  Decem- 
hres  bei  Hör.  ep.  1,  20,  27. 

Complex^  Plur.  complices,  ist  ursprünglich  synonym  mit  consors; 
in  malam  partem  hat  wohl  der  Papst  Gelasius  das  Wort  zuerst  ge- 
braucht und  so  ist  es  in  der  Bedeutung  die  Mitschiddigen,  Ver- 
hündeten  sehr  Sp.  L.  (vgl.  Kretschmann  Sidon.  S.  12  und  Westhoff 
S.  49)  für  scele?is  socii,  affines,  po^ndares.  Es  stand  früher  in  Cic. 
Catil.  1,  12,  wo  für  comitiim  gelesen  wurde  complicium;  vgl.  Archiv 

xn  s.  7. 

Complexio  ist  in  der  Bedeutung  hörperliche  Beschaffenheit  sehr 
Sp.  L.  für  constitutio,  natura,  affecüo,  und  N.  L.  in  der  Bedeut. 
Umarmung,  für  complexus;  gut  aber  ist  cumulata  bonorum  com- 
plexio =  vollständiger  Inbegriff  der  Güter,  Besitz  der  Güter  im 
vollen  Umfange,  Cic.  Tusc.  5,  29. 

Comp)licare,  zusammenfalten,  ist  in  der  klass.  Sprache  im  Perf. 
nicht  nachweisbar,  aber  N.  Kl.  hat  es  complicui,  im  Supinum  sagt 
Cic.  complicatum,  vgl.  off.  3,  76,  vielleicht  auch  Caes.  Gall.  7,  73,  4, 
vgl.  Meusel  s.  v.,  Sp.  L.  ist  complicitum,  vgl.  Koffmane  lex.  S.  38 
und  Neue-Wagener^  III  S.  377  u.  523. 

Complures  lässt,  da  es  nicht  als  Komparativ  gebraucht  wird 
und  sich  dadurch  von  plures  unterscheidet,  keinen  Ablat.  des  Grades 
um  ivie  viel  zu,  z.  B.  multo,  um  vieles,  lueit.  Über  den  Unterschied 
zwischen  plures  und  complures  vgl.  s.  v.  Flures.  —  Ein  Adv.  com- 
pluries,  mehrmals  ist  nur  A.  L.,  z.  B.  Plaut.  Pers.  534  und  galt 
später  als  minus  usitatum  et  barbare  dictum;  vgl.  Gell.  5,  21,  15. 
Man  brauche  dafür  saepe,  saepius,  identidem,  interdum,  _2^^nn?;?t5 
locis,  nonnunquam  u.  a.  Zweifelhaft  ist  aber  pluries.  Ygl.  dieses 
Wort. 

Complurimus  ist  Sp.  L.  und  selten;  es  findet  sich  bei  Gell.  11,  1,  1 : 
buceta  —  complurima,  sowie  beim  Juristen  Callistratus,  vgl.  Kalb 
Roms  Juristen  S.  119,  Sittl  Loc.  Yersch.  S.  103,  und  bei  Jordanes 
Get.  55,  vgl.  Bergmüller  Jord.  S.  37.  Es  verdient  so  wenig  Nach- 
ahmung als  quamplures,  perplarimi  und   andere   spätlat.  Bildungen, 


Componcre  —     314     —  Comprecari 

die  auf  dem  allmälilicheii  Yerschwiuden  der  ursprünglichen  Be- 
deutung der  Komparatiousgrade  beruhen.  Für  den  Superlativ  reicht 
plurimus  hin. 

Componere.  Wiewohl  man  vom  Dichter  sagt  vomp.  versus,  car- 
mina,  cantka,  so  kann  componere  doch  nicht  von  dem  Musiker,  der 
ein  Gedicht  in  Musik  setzt,  also  komponiert,  gebraucht  werden ;  da- 
für sagt  man  (nach  Quintil.  1,  12,  14)  muskis  notis  (modis)  ccoiticum 
ex'cipere.  modos  facere  u.  ähnl.  —  In  der  Bedeutung  vergleichen  wird 
es  verbunden  cdicui  und  cum  cdiquo.  —  Xach  Cicero  bedeutet  rer&a 
componere  nicht,  wie  wir  sagen,  ein  paar  Wörter  zusammensetzen, 
in  eins  rerhindoL  sondern  nacJi  Ordnung  und  Gesetz  zusammenstellen 
und  ordnen.  Und  so  bedeutet  comjmsitio  verhorum  nicht  die  Yer- 
hindu)i(/  zweier  ^\'örter,  sondern  die  scJiickliche  Stellung  und  das 
Ordnen  der  TTörter.  Tgl.  Cic.  or.  228.  Zuei  ^Y'örter  verbinden 
oder  zusammensetzen  drückt  Cic.  (or.  154)  durch  copulando  verha 
lungere  aus  und  nennt  solche  ^yörter  nicht  composita,  sondern  copu- 
lata,  iuncta  oder  coniuncta:  sie  sind  duplicata  nach  Liv.  27,  11,  5. 
Da  aber  schon  Quintil.  (1,  5,  3  u.  öfter)  solche  Wörter  composita 
nennt,  so  hat  auch  diese  Benennung  hinreichende  Autorität.  Ob 
man  aber  corpora  co}}qwsita.  zusaiiriiiengesetzte  Körper,  nämlich  aus 
verschiedenen  Stoffen  zusammengesetzt,  sagen  dürfe,  kann  bezweifelt 
werden:  nach  Cicero  heissen  sie  corpora  concreta.  Auch  sagt  man 
wohl  nicht:  liomo  iste  est  totus  ex  fraude  et  mendacio  comjwsitus^ 
aus  Lug  und  Trug  zusammoigesetzt,  sondern  factus.  wie  Cic.  Cluent. 
72,  oder  coiiglutiimtus,  Cic.  Phil.  3,  28,  oder  co)iffatus,  Cael.  12. 
oder  ex  fallaciis,  mendaciis  constare  totum.  Cic.  Rose.  Com.  20; 
richtig  ist  hingegen,  wenn  auch  nicht  Kl.,  cdiquis  ad,  in  aliquid  est 
compositus.  jenuDul  ist  zu  etwas  gemaclit.  gehören,  gerüstet,  geschult, 
geeignet.  Yon  da  an  ist  es  dann  nur  ein  Schritt  bis  zu  der  Be- 
deutung sich  den  Schein  von  etwas  gehend,  sich  zu  etwas  verstellend, 
wie:  i)i  maestitiam  comjwsitus  u.  dgl.,  was  der  silb.  Latinität  und 
insbesondere  Tac.  eigen  war,  vgl.  Tac.  bist.  2,  9. 

Compotator.  der  Mittrijiker,  Zechhruder,  ist  Sp.  L.  bei  Ambros., 
eine  nach  dem  Kl.  compotatio  bei  Cicero  Cato  45;  fam.  9,  24,  3 
gebildete  Form  für  compotor,  wovon  man  auch  bei  Terenz  u.  Sp.  L. 
bei  Sidon.  ein  Femin.  compotrix  hat,  oder  für  comhiho,  was  jedoch, 
vielleicht  zutallis;.  nur  im  Plural  comhihones  vorkommt;  vsrl.  über 
comhiho  Lando;raf  Bavr.  Gvmn.  XYI  S.  319,  Fisch  S.  62.  Jenes 
compotatio  aber  ist  Ciceros  wörtliche  Übersetzung  des  griechischen 
(TouTzöffiov  und  nicht  uach2:ebraucht  worden. 

Comprecari  ist  mehr  als  precari  und  bedeutet  mit  aller  Förm- 
lichkeit bitten  uinl  flehen :  es  findet  sich  nicht  in  der  klass.  Prosa, 
sondern  meist  bei  Dichtern  und  wird,  wenn  es  nicht  absolut  steht, 
von  Ter.  u.  CatuU  mit  dem  Accus.,  von  Plaut,  mit  dem  Dativ  der 
Person,  welche  angefleht  wird,  verbunden;  vgl.  Riese  zu  CatuU  64, 
191  u.  Lorenz  PL  Mil.  393.  Bei  Sen.  epp.  99,  15  (16)  bedeutet 
es  etwas  herbeiwünschen,  herbeiflehen  :  tunc  mortem  comprecantur  sibi, 


Coniprehendere  —     315     —  Coucatenare 

ebenso  iratnm  princiiKm  alicui  comprecari^  Plin.  epp.  4,  25,  2  = 
emem  die  Unfjnade  des  Kaisers  anivünschen. 

Compr eilender e,  sogar  mit  aninio  oder  niente  verbunden,  soll 
nach  Hand  (Lehrb.  S.  153)  nicht  bedeuten  her/reifen^  einsehen,  ver- 
stehen, wie  hitellerjere,  sondern  nur  etwas  in  die  Seele,  in  den  Geist 
aufnehmen,  ergreifen,  erfassen;  Hand  nennt  jene  Bedeutung  sogar 
italienisch-lateinisch.  Da  jedoch  Cicero  viele  Stellen  aufweist,  an 
denen  compreJiendere,  gewöhnhch  mit  aninio  oder  niente  verbunden, 
=  verstehen  ist,  z.  B.  nat.  deor.  3,  21  id  qnod  tu  vis,  non  possiim 
niente  compreheyidere,  so  kann  man  es  unbedenklich  nachbrauchen. 
Über  comprehensum  haheo  =  ich  habe  begriffen,  verstanden,  was 
Cicero  nur  in  seinen  philosophischen  Schriften  braucht,  vgl.  Thiel- 
mann in  Wölfflins  Archiv  H  S.  533. 

Compressiis.  Im  N'.  L.  wird  compressa  vox  gesagt  in  der  Be- 
deutung die  leise  Stimme,  was  aber  summissa  oder  suppressa  vox 
(Cic.  Süll.  30)  ist,  indem  vocem  alicuiiis  comprimere  oder  sermoneni 
reprimere,  Cic.  fam.  3,  8,  7  bedeutet  jemanden  zum  Schweigen  bringen, 
reprimere  absolut  nicht  mehr  iveiter  reden  (vgl.  Süpfle  -  Böckel  ^® 
Cic.  epp.  S.  419),  und  compresse  loqui,  kurz  und  gedrängt  reden, 
Cic.  fin.  2,  17.  Der  vox  summissa  steht  die  contenta  entgegen,  Cic. 
orat.  56. 

Computus,  die  Berechnung,  ist  sehr  Sp.  L.  für  computatio,  ratio, 
nunieratio.  Es  steht  zuerst  bei  Firmicus,  wie  Kelber  Progr.  Erlang. 
1883  nachgewiesen  hat. 

Conamen,  Versuch,  Anstrengung,  Bemühung,  ist  P.  L.  für  cona- 
tum,  conatus. 

Conari,  versuchen,  unternehmen,  verbunden  mit  ut  statt  des 
Infin.  ist  N.  L.  Bei  Caes.  Call.  1,  5,  1  i(^  cpiodface^^e  constituerant, 
concmtur,  ut  e  finibus  exeant  ist  der  Satz  mit  ut  explikativ  zu  id; 
vgl.  Dräger  H.  Synt.  H  S.  266.  Auch  conor  si  ist  zu  verwerfen 
u.  bei  Caes.  Call.  1,  8,  4  saepius  noctu  perrumpfere,  si  possent,  conati 
zu  interpungieren ;  es  ist  somit  der  Inf.  die  allein  nach  conari  mög- 
liche Konstruktion. 

Conasci  =  zugleich,  mitgeboren  luerden  und  conatus,  zugleich 
mitgeboren,  gehören  der  ganz  späten  Latinität  an. 

Conatum,  der  Versuch,  meist  nur  im  Plural  gebraucht,  steht 
ebenso  fest  als  conatus.  Ygl.  Caes.  Gall.  1,  3,  6  conata  perficere, 
Cic.  Cat.  2,  27  inceptum  ullum  conatumve.    Häufiger  jedoch  ist  conatus. 

Concatenare,  verketten,  zusammen  verbinden,  ist  Sp.  L.  und  findet 
sich  bei  Lactanz  und  Sidon.,  vgl.  Kretschmann  Sidon.  S.  14;  an 
passender  Stelle  ist  es  nicht  zu  verwerfen.  Concatenati  labores  aber 
für  continui  kommt  wohl  nirgends  vor.  Jedenfalls  kann  Min.  Fei. 
Octav.  17,  2  dafür  nicht  zitiert  werden.  Dort  und  bei  Ambros.  ex- 
pos.  in  evang.  Luc.  lib.  5,  n.  63  steht  concatenatus  in  Verbindung 
mit  cohaerens,  conexus,  bezeichnet  also  nicht  die  unimterbrocJiene 
Dauer  in  der  Zeit,  sondern  ist  lediglich  =  verbunden,  zusammen- 
hängend. 


Concedere  —     316     —  Concenare 

Concedere.  Es  ist  eine  Eigentümlichkeit  des  Tacitus,  concedere 
=  sterhen  für  das  klassische  decedere  entweder  mit  dem  Ablativ 
vita  concedere  oder  auch  gsmz  ah  solid  zu  gebrauchen;  ersteres  findet 
sich  ann.  1,  3;  3,  30;  6,  39;  12,  39  und  14,  51,  dieses  ann.  13,  30 
und  4,  38;  mit  Plin.  min.  gemein  hat  Tac.  fato  concedere^  vgl. 
Nipp,  zu  Tac.  ann.  2,  71,  und  zwar  in  der  Bedeutung  eines 
naülrlicheyi  Todes  sterhen.  Dafür  sagen  wir  mortem  ohire  naturae 
dehitam  nach  Cic.  Phil.  14,31.  —  In  der  Bedeutung  ncichrjehen  hat 
concede?^e  bei  den  altern  Autoren  wäe  Ter.  und  Cic.  meistens  einen  ad- 
verbialen Quantitätsacc.  bei  sich,  wie:  si  nunc  de  tiio  iure  concessisses 
IKtulidum,  Ter.  Ad.  217.  Num  hie  discipidiis  magistro  tantuhim  de 
arte  concedere  videtiir?  Cic.  S.  Kose.  118.  Doch  fehlt  auch  bei 
Cicero  bisweilen  der  genannte  Accusativ:  etsi  de  cupiditate  nemini 
concedam,  Cic.  Att.  12,  47,  2  und:  ut  vix  Apronio  Uli  de  familiari- 
tate  concedere  videatur,  Yerr.  2,  108;  selten  ist  concede7X  hi,  aber 
klassisch,  Cic.  Att.  14,  18,  3  rieqne  ei  quiccßiam  in  desperatione 
concedo,  vgl.  Landgraf  zu  Cic.  S.  Rose.  S.  345.  Yon  Livius  an  ist 
concedere  de  alicßia  re  im  neutralen  Sinn  =  nachgehen,  den  Vorzug 
einräumen  das  gewöhnliche :  concessum  propemodum  de  victoria  crede- 
hant,  3,  60,  4  und :  aut  hostihus  aut  nohis  de  victoria  concedendum 
esse,  ebendas.  4,  6,  6;  ebenso  bei  Tacitus:  ne  Antonio  Varoque  de 
gloria  concederent,  bist.  3,  64;  Curtius  hat  dafür  den  Accus.: 
victoriam  concedere,  5,  5,  1,  wohl  nach  dem  Vorgang  des  Liv., 
der  auch  einmal  30,  18,  5  ni  vulnere  ducis  concessa  victoria 
esset  schrieb;  vgl.  dazu  das  oben  s.  v.  Gedeihe  über  cedere  ali- 
quid Gesagte.  —  Ist  concedere  synonym  mit  ignoscere,  so  sagt  man 
cdicui,  cdicui  rei  concedere,  z.  B. :  alienis  peccatis  concedere,  Cic.  Yerr. 
3,  223  und  cdicui  cdiquid,  wie :  omnihus  omnia  peccata  et  mcdeficia 
coyicedere,  ib.  1,  128;  vgl.  auch  Horaz  sat.  1,  4,  140  und  ep.  2,  2, 
142,  Landgraf  S.  Rose.  S.  135.  Ist  der  Gegenstand  der  Yerzeihung 
durch  einen  ganzen  Satz  ausgedrückt,  so  gebraucht  Cicero  an  fol- 
genden zwei  Stellen  den  Dativ  des  Partiz.:  quapropter  forsitan  et 
iis  concedendum  sit  rem  puhlicam  non  capessentihus  =  man  muss  es 
ihfien  zu  gute  halten,  ivenn,  dass  sie  .  .  .  off.  1,  71  und:  adspice 
PJdloctetam,  cui  concedendum  est  gementi  =  dass  er  seufzt,  Tusc. 
2,  19;  an  einen  Gräzismus  ist  nicht  zu  denken,  vgl.  C.  F.  W.  Müller 
zu  Cic.  off.  1,  71  und  meine  Syntax^  §  178.  —  Einer  Eigenschaß 
eines  Mannes  zuliehe  zurücktreten  ist  gleichfalls  concede^^e  alicui  rei 
alicuius,  wie:  dignitati  eorum  concessit,  Cic.  Mur.  57.  —  Über  con- 
cedo ut  anstelle  von  concedo  mit  acc.  c.  inf.  vgl.  C.  F.  ^Y.  Müller 
zu  Cic.  off.  1,  129;  Kiessling  zu  Hör.  sat.  1,  4,  12;  klass.  ist  con- 
cedo, ut  apta  sint  =  ich  gehe  zu,  dass  .  .  (mit  Ellipse  des  Gedankens 
wie  bei  efficio  ut,  ich  heiueise). 

Concenare,  mitspeisen,  mitessen,  ist  N.  L.  aus  dem  Kl.  concenatio 
Cic.  Cato  45  gebildet,  für  una  cenare;  ebenso  neulateinisch  ist  com- 
prandere  nach  compransor  bei  Cic.  Phil.  2,  101.  Aber  auch  jenes 
concenatio,  was  Cicero  wörtlich   dem  griechischen    a'jvdesr.vov  nach- 


Conceptus  —     317     —  Concivis 

bildete,  ist  nicht  weiter  gebraucht  worden;  vgh  EUendt  zu  Cic.  de 
or.  2,  94  und  Landgraf  zu  Cic.  Süll.  S.  69;  vgl.  oben  s.  v.  Compo- 
tator. 

Conceptus  animi,  der  Gedanke,  Voj^satz,  Begriff,  ist  sehr  8p.  L. 
für  cogitatio,  cogitatum;  propositiim,  consilmm;  notio,  vis  u.  a. 

Concernere  ist  Sp.  L.  in  der  Bedeutung  vermischen,  aber  ganz 
N.  L.  in  der  Bedeutung  betreffen,  angehen,  verbunden  mit  dem 
Accus,  aliquid,  für  spectare,  atti7iere,  pertinere.  So  nennt  Heinr. 
Meibom  seine  opuscula  historica  —  concernentia  antiqiiitates  Ger- 
manorum. 

Concessus,  die  Erlaubnis,  Beivilligung ,  ist  Kl.  nur  im  Abi.  con- 
cessu  üblich,  wozu  zwar  ein  Genitiv,  aber  kein  Adjektiv  treten  kann; 
man  sage  z.  B.  nicht  communi  concessu  omniiim,  mit  der  gemein- 
schaftlichen Bewilliguyig  aller,  sondern  bloss  concessu  omnium;  vgl. 
Cic.  Cael.  28  und  Caes.  Call.  7,  20;  richtig  ist  jedoch  concessu  suo 
Cic.  leg.  2,  13.     Zur  Yervollständigung  dient  das  Kl.  concessio. 

Conciere,  aufregen;  vgl.  Concitus. 

Conciliare  wird  verbunden  sihi  (alicui)  aliquem  oder  se  conciliare 
alicui,  eineyi  mit  sich  veyMnden,  sich  einen  geneigt  machen,  jemanden 
geivinnen,  sich  zum  Freunde  machen  (Liv.  4,  48,  9),  alicui  cdiqnid 
ah  cdiquo  oder  cdicuius,  einem  etwas  (z.  B.  Liehe)  hei  jemanden  er- 
werhen,  verschaffen ;  cdiquos  inter  se,  einige  unter  einander  verbinden. 
Mit  Recht  ist  von  Reisig  seiner  Zeit  gerügt  worden,  dass  von  Neuern 
conciliare  aliquem  cum  aliquo  für  den  Dat.  gebraucht  und  dass 
namentlich  von  Görenz  conciliati  homines  cum  diis  in  die  Stelle  Cic.  leg. 

1,  23  hineingetragen  worden  sei;  es  ist  deshalb  a.  a.  0.  von  allen 
neuern  Herausgebern   das    richtige    consociati    aufgenommen. 

Concipere,  bei  Cicero  gewöhnlich  nur  mit  animo  oder  mente, 
sich   denken,   meinen,    glauben,    wird   im   b.  Afric.  73,  3,  von  Yell. 

2,  117,  3,  Cels.  praef.  12  D.,  wie  Cic.  Cat.  2,  7  ohne  diesen  Zu- 
satz gebraucht;  vgl.  Köhler  act.  Erl.  I  S.  456.  Unklass.  ist  darnach 
der  Inf.  oder  Acc.  c.  inf.,  z.  B.  Yell.  2,  117,  3  concepit  Germanos 
esse  homines,  qui  .  .  .;  Tac.  ann.  2,  39,  Tert.  pud.  18  si  et  hie respondere 
coyicipias  (hier  =  Entschluss  fassen).^  vgl.  Hoppe  Synt.  Tert.  S.  45. 
Ygl.  auch  Comprehendere.  Über  concipere  mit  ignis  oder  flamma 
verbunden  s.  AiTipere. 

Concitus,  Partie,  von  conciere,  aufregen,  einem  mehr  P.  Yerbum, 
ist  ebenfalls  mehr  P.  und  N.  Kl.,  selten  in  Prosa  für  das  Kl.  con- 
citatus.  Früher  stand  es  auch  bei  Cic.  Caecin.  14,  wo  aber  für 
conciti  ad  rixam  von  allen  neuen  Herausgebern  contriti  ad  Begiam 
aufgenommen  ist,  von  C.  F.  W.  Müller  ohne  jede  Bemerkung. 

Concivis,  der  Mitbürger,  ist  (wie  auch  contribulis  für  tribulis) 
erst  sehr  Sp.  L.  für  civis  oder  eiusdem  civitatis,  nach  ähnlichen, 
z.  B.  condiscipulus,  vielleicht  auch  unter  griechischem  Einfluss 
{(TüfjL7ro}.iT7jg)  gebildet.  Ygl.  Kubier  Archiv  YHI,  187  u.  Heraus 
Archiv  XII,  274.  Civis  steht  oft  =  Mitbürger  bei  Cicero,  z.  B. 
div.  2,  6  :  dctbunt  mihi  veniam  mei  cives  (meine  Mitbürger).     Siehe 


Conclamare  —     318     —  Concretus 

auch  Fabri  zu  Liv.  22,  50,  7;  Landgraf  zu  Cic.  S.  Rose.  S.  224, 
zu  Cic.  Süll.  Anh.  S.  69. 

Conclamare  mit  dem  blossen  Accus,  aliqiiid  ist  gut,  z.  B.  i)i- 
cendimn,  igneni  condama)^e  =  Feuer  7nifen,  ad  arma  c.  zu  den 
Waffen!  rufeyiy  wobei  ad  arma  als  ein  Begriff  zu  fassen  ist,  con- 
clamare latrones,  rufen  Räuber,  Rauher!!  Victoriam  conclamare  = 
Victoria.  Sieg  rufen,  ebenso  das  bekannte  vasa  conclamare  und  das 
impers.  Pass. :  conclamari  iussit,  conclamatum  est;  Belege  dazu  aus 
Caesar  gibt  Mensel  s.  v.  —  Conclamahis  im  bildlichen  Sinne  von  einer 
Stelle  oder  von  Worten  eines  Schriftstellers,  an  deren  Erklärung 
man  verzweifelt  hat,  also  ein  locus  conclamahis,  ist,  da  dieser  Aus- 
druck bei  den  Alten  nicht  vorkommt,  nur  etwa  dann  zulässig,  wenn 
qicasi  oder  itt  ahmt  hinzugesetzt  wird.  Dem  ähnlich  ist  das  Wort 
depositus,  was  mit  dem  vorgesetzten  prope  in  der  Bedeutung  ver- 
zweifelt,  in  verzweifelter  Lage  von  Cicero  der  Republik  beigelegt 
wird  (Yerr.  1,  5  prope  depositam  rei  publicae  partem  suscepi). 

Concliidere,  einschliessen.  Wir  sagen  ivo  und  tvoJiin.  und  so 
auch  lateinisch  2ibi  und  c^uo,  z.  B.  Cic.  Tim.  8  deus  animum  con- 
clusit  in  corpore  und  Cic.  Quinct.  67  in  hoc  singulare  iiidicium  causa 
omnis  concluditur.  D.  L.  ist  paceni  concludere,  einen  Frieden  schliessen, 
für  pacem  facere  u.  a. ;  ebenso  apud  se  oder  secum  concludere,  bei 
sich  beschliesseyi,  d.  h.  einen  Beschluss,  Plan  fassen,  für  constituere, 
apud  animum  statuere,  decernere  u.  a.  Sehr  spätlat.  ist  vitam  con- 
cludere =  sein  Leben  beschliessen,  Paul,  bei  August,  serm.  322. 

Concordantia,  die  Übereinstimmung,  ist  N.  L.,  concorditas  A. 
L.  bei  Pacuv.  tr.  188.  concordium  Sp.  L.  beim  Juristen  Papinian, 
vgl.  Kalb  Roms  Juristen  S.  114;  alle  sind  unnötig  wegen  concordia, 
consensus.  Concors  cdicui  statt  cum  cdiquo  ist  X.  Kl.  bei  Tacitus 
und  Seneca,  s.  Nipperdey  zu  Tac.  ann.  3,  33.  Das  Yerbum  con- 
cordare  hat  einmal  auch  Cic.  Tusc.  4,  30,  im  Sp.  L.  öfters  Am- 
mian,  vgl.  Novak  Amm.  S.  66,  Juristen  wie  Papinian,  dieser  wie 
Augustinus  und  Fulg.  auch  transitiv,  vgl.  Kalb  Roms  Juristen,  Zink 
S.  57,  Leipold  S.  48. 

Concredere  ist  ein  mehr  der  altern  Sprachperiode  (Plautus  hat 
es  an  17  Stellen)  angehöriges  und  nachklassisches,  bei  Colum.  praef. 
I  §  4  und  3,  1,  7  sich  findendes  Yerbum,  welches  nur  in  der  Be- 
deutung anvertrauen,  übergeben  vorkommt,  aber  so  selbst  klassisch  an- 
gewendet ist,  vgl.  Cic.  Quinct.  62  und  S.  Rose.  113;  Cicero  hat 
das  Wort,  welches  der  Umgangssprache  angehört,  frühe  schon  fallen 
lassen;  vgl.  Thielmann  Cornif.  10  ff.,  Landgraf  B.  Gymn.  1880  S. 
321,  S.  Rose.  S.  335;  Horaz  sagt  sat.  2,  6,  43  cui  concredere  nugas 
aiideas.  N.  L.  ist  es  in  der  Bedeutung  glauben,  etwas  für  wahr 
halten,  für  credere. 

Concretus  hat  bei  den  Alten  andere  Bedeutungen  als  die,  welche 
in  dem  philosophischen  Kunstworte  concretus  liegen,  was  wir  in 
unserer  Kunstsprache  konkret  nennen ;  dafür  kann  im  reinen  Latein 
definitus,  finitus,  certus  und  proprius  gebraucht  werden.    S.  Nagels- 


Conciibitio  —     319     —  Condemnare 

bach^  Stil.  S.  307.  Ein  konkreter  Begriff  ist  auch  notio  rei  singu- 
laris.  Für  unser  in  concreto  steht  in  einzelnen  Fällen  re,  z.  B. 
Cic.  Tusc.  4,  24  haec  re  copulata  sunt,  wo  es  dem  cogitatione,  d.  h. 
dem  in  abstracto  entgegengesetzt  ist,  vgl.  Meissner  z.  St.;  oder  de- 
finite,  z.  B.  Cic.  de  or.  2,  118,  wo  es  dem  sejKiratim,  d.  h.  ahstralä 
entgegensteht.     Ygl.  Seyffert-Müller  z.  Lael.  S.  534. 

Concubitio,  der  Beisclüaf,  ist  Nebenform  von  concidntiis^  kommt 
nur  einmal  N.  Kl.  (Hygin  astr.  2,  12)  vor  und  ist  unnötig. 

Concupiscentia,  das  Verlangen,  stammt  aus  dem  Kirchenlatein 
und  findet  sich  nur  Sjj.  L.,  vgl.  Thielmann  Apoll.  S.  11,  in 
Wölfflins  Archiv  VIII  S.  544  und  IX  S.  276,  Gölzer  Hieron.  S.  99, 
Rönsch  S.  49,  Bergmüller  Plane.  S.  25,  Regnier  S.  171. 

Concurrere,  zusammenlauf eyi,  wird  in  der  bessern  Prosa  nur 
verbunden  in  aliquem  locum;  in  cdiquo  loco  steht  wohl  nur  bei  Mela, 
1,  7,  6,  —  ad  aliquem,  nicht  apud  aliquem,  und  so  ähnliches  wie 
bei  Advenire ;  —  ebenso  das  Subst.  concursus;  vgl.  Caesar  civ.  3, 
106  concursum  ad  se  fieri.  Man  sagt  aber  von  zwei  Flüssen,  die  zu- 
sammenlaufen, nicht  concurrunt,  sondern  conflmtnt,  und  von  ziuei 
Wegen,  comjjetunt.  Im  militärischen  Sinne  wird  concurrere,  falls  es 
nicht  absolut  steht,  wie  Liv.  23,  44,  7,  gewöhnlich  mit  cum  ver- 
bunden, selten  mit  adver sus,  Liv.  35,  1,  6;  auch  geht  der  Dativ  an, 
s.  Fabri  zu  Liv.  24,  15,  7  (Madvig  u.  Riemann  occurrisseyit).  Con- 
currere ad  arma  ist  unser  unter  das  Geivehr  treten,  Caes.  Call.  5,  39,  3. 

Concussio  ist  in  der  Bedeutung  Ersclmtterung  nur  N.  Kl.  bei 
Seneca,  Colum.  und  dem  Jüngern  Plinius  für  conquassatio,  obwohl 
conquassatio  und  conc[uassare  sich  zu  concussio  und  concutere  eigent- 
lich verhält,  wie  unser  Erschüttermig  und  Zertrümmerung  (unrichtig 
Gölzer  Hieron.  80,  wonach  concussio  auch  bei  Cicero  stünde). 

Condecorare  ist  nur  A.  L.,  z.  B.  Ennius  A.  122  Müll.,  und  in 
Prosa  bei  Yitr.,  N.  Kl.  bei  Sen.  epp.  66,  8  und  Sp.  L.  bei  Greg. 
epp.  14,  16,  S.  1275:  ecclesiam  Dei  morum  probitate  condecorat; 
sorgfältige  Stilisten  werden  es  daher  meiden. 

Condemnare,  verdammen.  Zum  Tode  verdammen  heisst  Kl. 
cajntis  condemnare;  N.  Kl.  und  nicht  nachzuahmen  (bei  Tac.  ann. 
16,  21,  vgl.  Nipp.  z.  St.)  ad  mortem,  ebenso  bei  Lact.  6,  23,  20 
(vgl.  übrigens  Bünemann  z.  St.) ;  erst  bei  Suet.  Cal.  27  finden  wir 
condemnare  ad  metalla,  ad  bestias.  Morti  Timagoram  cojidemnaverant 
Athenienses  ist  nicht  unlat.,  sondern  entweder  nach  Hieron.  in  Galat. 
II  ad  3,  20  condemnaverunt  lesum  morti  (vgl.  Gölzer  Hieron.  S. 
315  f.)  oder  poetisch  ausgedrückt  nach  Lucrez  6,  1232,  der  jedoch 
ähnlich  auch  6,  1144  morti  dabantur  sagt.  Gut  hingegen  ist:  ali- 
quem infamia  condemnare;  vgl.  Cic.  prov.  25:  qui  Gahinii  litteras 
insigni  quadam  nota  atque  ignominia  condemnastis.  Aussergewöhnlich 
sagt  Cael.  bei  Cic.  fam.  8,  1,  1  ne  meum  hoc  officium  arrogantiae 
condemnes,  vgl.  Burg  S.  66.  Bei  Juristen  steht  die  Geldstrafe,  zu 
der  einer  verurteilt  wird,  auch  im  Accus.,  z.  B.  pecuniam,  quam 
pater  condemnatus  fuerat,  vgl.  Leipold  S.  57. 


Condemnatio  —     320     —  Condictus 

Condenmatio^  die  Verdammimg ^  steht  nur  bei  Asconius,  den 
Juristen  und  Eccl.  für  damnatio;  vgl.  Grölzer  Hieron.  S.  65. 

Condensare  se,  sich  zusammendrängen;  —  ifo  oder  icoliin,  ge- 
wöhnlich nur  in  aliqitem  lociim  kommt  bei  Varro  und  Colum.,  sonst 
nirgends,  vor.  Das  Partiz.  condeyisahis ,  dicht  gedrängt  (von  einem 
Haufen),  ist  ungebräuchlich  für  confertus ;  also  sagt  man  nicht:  stant 
cMJidensati,  sondern  conferti;  gut  ist  aber:  himius  condensata,  Erde, 
Boden,  der  sich  gesetzt  hat:  humus  condensata  suhsidit,  Colum.  4,  1,  7 
und  ijam]}ini  condensati  camerae  modo,  ib.  4,  17,  8.  Über  con- 
densus,  condensare,  condensere  spricht  Köhler  act.  Erl.  I  S.  383  in 
interessanter  Weise. 

Condere,  aufheiuahreyi,  verbergen.  Der  Ort,  an  welchem  man 
etwas  aufbeivahrt,  wird  lateinisch  vorherrschend  durch  in  c.  Accus. 
ausgedrückt.  Indes  ist  auch  in  cum  Ablat.  so  wohl  beglaubigt,  dass 
es  nachgebraucht  werden  kann:  novissimo  die  dein  condunt  in  pliimheo 
vase,  Plin.  nat.  33,  109.  Hostis  in  silvis  armatimi  militem  condidit, 
Curt.  8,  1,  4  und:  silvestre  iter  aptiim  insidiis  tegendis  erat:  ihi 
Dallas  condidit,  ebendas.  7,  7,  32.  Aliquot  Numidarum  turmas  in 
saltu  condiderat,  Liv.  27,  26,  8  und  in  trop.  Bedeutung  =  ponere, 
collocare  auch  bei  Cicero :  qui  omne  honum  in  visceribus  medullisque 
condideris,  Tusc.  5,  27.  Nach  dem  Vorgang  der  Dichter  N.  Kl. 
auch  mit  dem  blossen  Ablativ:  uvae  vasis  conduntur,  Colum.  3,  2,  2 ; 
Ms  meyisihus  pisces  iacent  speluncis  conditi,  Plin.  nat.  9,  56  und: 
huic  sollertia  est  inanium  ostrearum  testis  se  condere,  ib.  9,  98. 
Lima  condita  teyiebris,  Tac.  ann.  1,  28.  Diesen  Abi.  ohne  in  hat 
Pirson  auch  auf  gallischen  Inscr.  entdeckt:  corpus  sarcophago  con- 
diderunt.  Auch  mit  der  Präpos.  suh  wird  condere  konstruiert:  condidit 
(libros  Syhillinos)  duolms  forulis  auratis  suh  Palatini  Apollinis  hasi, 
Suet.  Aug.  31.  Wie  aber  das  Partiz.  conditus  auch  mit  in  c.  Ablat.  ver- 
bunden wird:  cpias  in  aerario  sanctiore  conditas  habent,  Yerr.  4, 140,  so 
kann  es  andererseits  auch  die  Konstruktion  mit  in  c.  Accus,  beibe- 
halten: in  sacrarium  conditi.  Gell.  1,  19,  10.  In  aerarium  condita 
lege,  Suet.  Caes.  28  und:  conditam  (barbam)  in  cmream  pyxidem  lovi 
Capitolino  consecravit,  Ner.  20.  Noch  sei  bemerkt,  dass  condere  =  be- 
statten nur  mit  in  c.  Ablat.  oder  dem  blossen  Ablat.  vorzukommen 
scheint.  —  In  der  Bedeutung  erbauen  wird  es  nicht  von  einem 
einzelnen  Hause  gebraucht,  also  nicht  domum,  aedem,  sondern  von 
mehreren,  die  ein  verbundenes  Ganze  bilden,  z.  B. :  urbem,  coloniam, 
Georges  Yell.  S.  45.  Auch  sagt  man  klassisch  nicht  mundum  con- 
dere und  nicht  conditor  mundi,  was  nur  bei  Sen.  Phoen.  655  vor- 
kommt, sondern  procreator,  aedificator,  effector  mundi;  aber  im 
Kirchenlatein  sind  conditor  und  conditio  in  diesem  Sinne  allgemein 
üblich;  vgl.  Gölzer  Hieron.  S.  228,  Koffmane  S.  67. 

Condictus  dies,  ein  bestimmter,  anberaumter  Tag ;  condicta  hora, 
eine  angesagte,  bestimmte  Stunde,  ist  in  guter  Prosa  nicht  gebräuchlich 
und  findet  sich  nur  bei  Plaut.,  Sen.,  Justin,  für  dictus,  constitutus 
dies;  dicta,  constituta  hora. 


Condiirnus  —     321     —  Condolere 


'ö 


Condigmis  und  condigne^  ivürdig,  ist  A.  und  ^S^.  L.  für  dignus; 
Plautus  gebraucht  es  nur  im  schlimmen  Sinne,  das  8p.  L.  auch  in 
gutem;  vgl.  Langen  Beitr.  209,  Rönsch  Ital.  S.  230,  Coli.  phil. 
S.  167.  Condigmis  wird  wie  digmis  konstruiert,  also  im  Spt.  L. 
auch  mit  Dativ,  vgl.  s.  v.  Dignus. 

Condiscipidiis  ist  klass.,  aber  selten  bei  Cic,  z.  B.  Tusc.  1,  41, 
Süll.  18,  vgl.  dazu  Landgraf,  sowie  Landgraf  zu  Cic.  S.  Rose. 
S.  224.  Die  Wörter  mit  con-^  wie  condecurio,  gehören  besonders  der 
Soldatensprache  an,  vgl.  Heraus  Progr.  Ojffenbach  1899  S.  8,  und 
finden  sich  in  klass.  Sprache  höchst  selten.  Condiscipidatus  als 
Subst.  hat  Nep.  Att.  5,  3. 

Conditio  und  conditus  sind  in  der  Bedeutung  Gründung,  Er- 
bauung Sp.  L. ;  man  brauche  dafür  condere  oder  gebe  es  durch 
aedificatio,  exstructio.  Ferner  findet  sich  bei  Cicero,  obgleich  er 
sagt  condere  urbem,  eine  Stadt  gründen,  doch  nie  conditor  urbis, 
wie  es  bei  andern  vorkommt,  sondern  creator  urbis,  wie  Balb.  31, 
wo  er  den  Romulus  so  nennt,  von  dem  er  Cat.  3,  2  sagt  iirbem 
condidit,  oder  parens  urbis,  divin.  1,  3.  Indes  liest  man  conditor 
urbis  nicht  bloss  bei  Sen.,  Tacit.  und  Quintil.,  sondern  auch  bei 
Sali.  Jug.  89,  4  und  bei  Livius  5,  53,  8;  10,  23,  12;  34,  39,  5 
und  40,  4,  9.  Mithin  ist  conditor  urbis  ohne  Bedenken  zu  ge- 
brauchen. Conditor  carminum  ist  nachkl.,  aber  poema  condere  schon 
bei  Cic.  Att.  1,  16,  15,  Carmen  condere,  Tusc.  4,  4, 

Conditionalis  (oder  richtiger  condicionalis,  vgl.  Georges  Lex. 
Lat.  Wortformen  s.  v.  condicio)  bedingend,  unter  Bedingung,  ist 
Sp.  L.  und  werde,  wo  es  nicht  notwendigerweise  als  Kunstwort  an- 
gewandt werden  muss,  durch  condicio  ersetzt;  —  ebenso  das  Adv. 
condicionaliter,  welches  nur  bei  Juristen  vorkommt,  bedingungsweise 
für  ea  oder  aliqua  condicione  und  ähnliche,  vgl.  Leipold  S.  15. 

Conditura  und  conditus,  das  Einmachen,  Würzen  sind  N.  Kl. 
Formen  bei  Columella  u.  a.   für  die  Kl.  conditio,    Cic.  nat.  2,  146. 

Condocere,  lehrefi,  üben,  ist  höchst  selten  und  findet  sich  nur 
A.  L.  bei  Plautus  und  Sp.  L.  bei  Augustin.  Bei  dem  Verfasser 
des  bell.  Afr.  19,  3    liest  man  jetzt  condocefecerat,  vgl.  Wölfflin  z.  St. 

Condolere  (ohne  ein  Per  f.,  da  condolui  zu  condolescere  gehört) 
ist  ungebräuchlich  in  der  Bedeutung  sehr  leiden  (Cic.  Att.  15,  4,  1 
a2)s  condoleo  verderbt).  Gut  lat.  aber  ist  condolescere  (mit  dem  Perf. 
condolui)  in  der  Bedeutung  sehr  7vehe  tun  und  heßige  Schmerzen 
empfiyiden ;  vgl.  Cic.  de  or.  3,  6;  Tusc.  2,  52.  —  Bedeutet  kondolieren 
so  viel  als  an  den  Leiden  und  Schmerzen  des  andern  teil  nehmen, 
den  fremden  Schmerz  im  eigenen  Herzen  miÜeiden,  so  ist  nur 
Sp.  L.  condolere,  animo  condolere  oder  condolere  alicui,  z.  B.  August, 
in  Job.  c.  19,  13:  qui  non  condolent  proximis  suis,  sed  potius 
eos  irrident,  vgl.  Rönsch  Ital.  S.  185,  Paucker  Hier.  S.  105  u.  165, 
Bergmüller  Jord.  S.  13;  ebenso  Sp.  L.  ist  condolere  aliquid,  z.  B. 
propinciui  exitum,  oder  alicui  rei,  z.  B.  regina  condolens  doloribus 
meis,    vgl..  Bonnet  Greg.  S.  534.       Kl.    aber  ist  pari   dolore  affici, 

Krebs-Scbnialz,   Antibarbarus  1,  21 


Condonare  —     322     —  Confabulari 

proin  aeque  dolere,  aliainis  doJorihus  congruere,  Cic.  Tusc.  5,  3. 
Bedeutet  aber  kondolieren  jemanden  seine  Teilnahme,  sein  Mitleiden 
äusserlich  hezeigen,  zu  erkennen  gehen,  an  den  Tag  legen,  wofür 
condolere  aliciii  ohne  antike  Autorität  gesagt  wird  —  so  ist  dies 
lat.  durch  suiwi  dolorem  aliciii  declarare  (wie  Ser.  Sulpicius  bei  Cic. 
fam.  4,  5,  1  schreibt),  de  alterius  dolore  situm  dolorem  testari  u.  dgl. 
auszudrücken.      Ebenso    ist    N,   L.    condolentia    für    commiseratio. 

Condonare  steht  in  der  Bedeutung  schenken,  beschenken,  cdicui 
aliqitid  condonare  nicht  nur  A.  L.,  sondern  auch  bei  Cic.  Phil.  2, 
67  und  5,  6  und  RuU.  2,  15,  sowie  bei  Hirt.  Gall.  8,  4,  1 ;  Alex. 
77,  2;  auch  sagt  man  alicui  aliquid  condon.^  um  jemandes  rvillen, 
nach  jem.  Wiinsclie  etwas  aufgehen,  davon  ahlassen,  z.  B.  supplicium 
condonare  cdicui  und  ebenso  cdicui  aliqiiem,  aliquid,  um  jem.  willen 
einem  verzeihen;  vgl.  Caes.  Gall.   1,  20,  5;  Cic.  fam.  13,  73,  2. 

Condormire  ist  N.  L.  in  der  Bedeutung  ziisammensclüafen,  für 
una  dormire  oder  conciimhere ;  es  heisst  völlig  einsc^dafen,  ist  aber 
vulgär  gerade  wie  condormiscere. 

Conducere,  mieten,  pachten;  von  jemanden,  ah  cdiquo  bei  Sen. 
de  benef.  7,  5,  2.  Mit  de  alicpio  aliquid  ist  conducere  verbunden  von 
Cic.  Caecina  94  und  divin.  2,  47,  sowie  Att.   1,  17,  9. 

Conducihilis,  nützlich,  ist  wahrscheinlich  nur  ein  gemeines  A.  L. 
Wort  bei  Plautus,  das  aber  im  Sp.  L.  wieder  aufgegriffen  wurde, 
für  utilis,  ähnlich  dem  A.  L.  utihilis.  Vgl.  Rönsch  Ital.  S.  114, 
Coli.  phil.  S.  41.  Der  Komparat.  conducihilius  bei  rhet.  Her.  2,  21; 
vgl.  Thielmann  Cornif.  S.  51  und  98. 

Conduplicare,  verdoppeln,  und  conduplicatio,  die  Verdoppelung, 
sind  A.  L.,  für  duplicare,  geminatio.  Gut  aber  ist  conduplicatio  als 
R-edefigur;  vgl.  Thielmann  Cornif.  S.  95. 

Conectere,  verhinden,  wird  klass.  mit  cum  verbunden,  N.  Kl. 
nicht  selten,  besonders  bei  Tacitus,  mit  dem  Dativ.  Die  für  den 
Dativ  zitierte  Stelle:  persequere  conexos  his  funerihus  dies,  Cic.  Pis.  11 
ist  unsicher,  da  dort  v.  Halm,  Baiter-Kayser  u.  C.  F.  W.  Müller 
coidinentes  für  conexos  gelesen  wird.  Über  die  Schreibung  conectere 
(nicht  connectere)  vgl.  Ritschi  opusc.  II  S.  448,  Fleckeisen  Fünfzig 
Artikel  S.  14. 

Conexio  findet  sich  in  guter  Prosa  nur  bei  Cic.  de  fato  fragm.  2 
bei  C.  F.  W.  Müller  fatum  est  conexio  7^erum  etc.,  dann  bei  Quint. 
und  hier  nur  in  der  Bedeutung  die  logische  Schlussfolge,  nie  aber 
im  allgemeinen  in  der  Bedeutung  Verhindung,  der  Zusammenhang, 
wie  es  im  N.  L.  gebraucht  wird.  Wenn  man  hier  von  einer  co- 
nexio  sententiarum  oder  verhorum  spricht,  so  kann  man  sich  nur  auf 
das  Sp.  L.  berufen,  wo  z.  B.  die  Paneg,  X,  218,  13  conexio  inter 
se  apta  virtutum  sagen.  Ebenso  wenig  ist  zu  empfehlen  conexus, 
was  zwar  die  Verhindung  bedeutet,  aber  nur  P.  L.  u.  V.  L.  ist  und 
nur  bei  Lucrez  u.  Yitruv  gelesen  wird.     Ygl.    mehr    unter  Nexus. 

Confahulari,  zusammoi  plaudern,  sich  unterreden,  cdiquid  cum 
aliquo  oder  de  cdiqua  re,   ist  ein  Wort  der  Volkssprache,  wie  unser 


Confectrix  —     323     —  Conferre 

schwatzen,  von  niedrigen  Dingen,  wo  es  daher  auch  anwendbar  ist, 
nicht  von  höhern,  wo  man  colloqiii  sagt.  Davon  abgeleitet  sind  coii- 
fahidatio  und  confahidatus,  sehr  Sp.  L.  in  gleichem  Sinne  für  sermo 
und  colloqimmi\  vgl.  Gölzer  Hieron.  S.  65  und  S.  46,  Schulze 
Symmach.  S.  23,  Liesenberg  I  S.  11;  confahulatus  scheint  aTzaq 
Xeyofievov  bei  Sidon.  ep.  9,  11,  vgl.  Kretschmann  Sidon.  II  S.  8. 

Coyifectrix,  die  weibliche  Form  von  dem  Kl.  cojifector  =  Zer- 
störerin,  kommt  zwar  nur  einmal  und  8p.  L.  bei  Lactanz  7,  11,  5: 
confectrix  omnium  reram  vetustas  =  der  alles  zerstörende  Zahn  der 
Zeit  vor,  ist  aber  ebensowenig  zu  verwerfen  wie  das  Kl.  efj'ectrix; 
vgl.  Bünemann  z.  St. 

Conferentia  ist  kein  lat.  Wort;  aber  man  sagte  conferre  cum 
aliqito  im  S}).  L.  für  konferieren,  sich  Geraten  mit,  vgl.  Bonnet 
Greg.  S.  295. 

Conferre  wird  nach  den  verschiedenen  Bedeutungen  verschieden 
verbunden.  Einem  etwas  beilegen,  zuschreihe^i,  erweisen,  etiuas  auf 
einen  venvenden  heisst  conferre  aliquid  in  aliqiiem;  auch  ettuas  auf 
ettvas  ve7'ivenden,  aliquid  ad  aliquid,  z.  B.  curam  ad  philosophiam  ; 
sehr  selten,  wenn  auch  klassisch,  ist  henevolentiam  conferre  erga 
aliquem  für  in  aliquem  bei  Cic.  fam.  10,  5,  1 ;  ebenso  Mühe  und 
ähnliches  auf  etiuas  veriuenden,  operam  conf.  ad  oder  in  aliquam 
rem,  nicht  in  aliqua  re  (was  zwar  die  Yulg.  ist  bei  Plin.  Pan.  23,  5, 
Keil  und  C.  F.  W.  Müller  lesen  aber  jetzt  a.  a.  0. :  in  unius  salutem 
collata  omnium  vota)'^  C.  F.  W.  Müller  sagt  zu  Cic.  off.  1,  45,  dass 
cojiferre  ad  (oder  in)  von  zu  erreichenden  Zwecken,  von  vorhandenen 
Dingen  und  Menschen  aber  nur  in  c.  Acc.  gesagt  werde;  (sich)  einander 
ettvas  mitteilen,  aliquid  inter  se  conferre ;  etwas  mit  einem  oder  etiuas 
vergleichen,  aliquid  cum  aliquo  oder  cum  aliqua  re,  oder  (seltener, 
aber  Kl.)  alicui  conf.;  sich  an  einen  Ort  begehen,  se  in  aliquem 
locum  conf,  und  daher  sich  auf  die  Flucht  begeben,  se  in  fugam 
conf.;  etwas  irgendwo  oder  wohin  zusammenbringen,  aliquid  conf. 
in  aliquem  locum,  nicht  in  aliquo  loco  ausser  bei  Front,  strateg. 
3,  4,  6.  Seltene  Verbindungen  sind  D.  Brut,  bei  Cic.  fam.  11, 
13a,  3  in  posterum  diem  iter  suum  contulit,  er  verschob  seinen  Marsch 
auf  .  .,  b.  Afr.  68,  2  castra  ex  caiyipis  in  collem  conferre,  verlegen; 
vgl.  dazu  Wölfflin,  ferner  Gebhard  S.  14.  —  Man  merke  auch: 
nichts,  viel,  mehr,  am  meisten  zu  etiuas  beitragen,  dienlich  sein 
heisst  plurimum  u.  s.  w.  cojif.  ad  aliquid  (nicht  maxime).,  z.  B. 
Quint.  1,  8,  7  comoediae,  quae  plurimum  ad  eloquentiam  coyiferre  potest, 
so  oft  bei  Quint.,  vgl.  Bonneil  s.  v.,  auch  sonst  im  silbernen  Latein, 
nicht  Kl.  N.  L.  wird  aber  conferre  für  das  einfache  mitbringen  ge- 
braucht, wenn  man  etwas  von  einem  Orte  mitgenommen  hat,  z.  B. 
ich  bringe  Bücher  mit  nach  Hause,  nicht  libros  domum  confero, 
sondern  mecum  fero,  una  fero  oder  una  affero  u.  dgl.  —  Capita 
conferre,  für  welches  Kühnast  Liv.  Synt.  S.  378  unten  keine 
ältere  Autorität  kennt  als  Livius,  findet  sich  schon  bei  Cic. 
Yerr.  3,  31,  sermonem  conferre,  inv.  2,  14. 


Confessum  —     324     —  Confidentia 

Confessum  als  Subst.  findet  sich  N.  Kl.  bei  Seneca,  den  beiden 
Plinius,  Tacit.  dial.  25  und  27,  Yell.  2,  85,  5  und  Quintilian 
einigemal  in  besonderen  Redensarten  mit  in  und  ex;  diese  Sub- 
stantivierung des  Part.  perf.  pass.  in  Verbindung  mit  Präpos.  kommt 
bei  Cicero  sehr  selten  und  in  wenig  auffälligen  Verbindungen  vor, 
bürgert  sich  aber  mit  Livius  und  besonders  im  silb.  Latein  immer 
mehr  ein;  vgl.  Nägelsbach-Müller^  S.  132.  Wenn  man  nun  die 
fragliche  Wendung  anerkennt,  so  ist  in  Betracht  zu  ziehen,  ob  man 
gleich  gut  sage  aliqidd  in,  ex  confesso  oder  in  confessis  est,  in  der 
Bedeutung  allgemein  zugestanden,  d.  h.  gewiss,  ausgemacht,  unhe- 
ziueifelt  sein.  So  weit  unsere  Beobachtungen  reichen,  ist  nur  der 
Singular  zu  wählen,  auch  wenn  confess.  sich  auf  einen  Plural  bezieht 
wie  z.  B.  Horum  in  confesso  merita  simt,  Sen.  de  benef.  3,  11,  2, 
de  brev.  v.  2,  3.  Dagegen  können  Senecas  Worte:  ciuid  in  con- 
fessis est?  (n.  q.  2,  21,  1)  nichts  beweisen.  Denn  der  Plural  steht 
hier  nur  als  Anaphora  des  unmittelbar  vorangegangenen  substantivisch 
gebrauchten :  Ä  confessis  transeamus  ad  dubia.  Noch  weniger  aber 
kennen  wir  irgend  eine  Stelle  für  in  confessis,  wo  es  das  Adverbium 
vertritt,  z.  B. :  Si  quis  ex  confesso  honus  sit,  Sen.  ep.  76,  12; 
quorum  ingens  in  confesso  potentia  est,  Sen.  n.  q.  2,  22,  2.  Vituperare 
quae  ex  confesso  sint  turpia,  Quintil.  3,  5,  3;  vita  cervis  in  confesso 
longa  est,  Plin.  nat.  8,  191.  Tutissimum  ratiis  inimicum  se  ex  con- 
fesso monstrare,  Amm.  21,  1,  3.  —  Wenn  in  der  christlichen 
Kirchengeschichte  und  Dogmatik  Confessio  Augustana  vorkommt, 
worunter  man  das  Glaithenshekenntnis  de?-  Protestanten  versteht, 
welches  in  Augsburg  übergeben  und  vorgelegt  wurde,  so  ist  zwar 
diese  Benennung  nicht  eben  Kl.  lateinisch,  kann  aber  doch  als 
traditionelle  Bezeichnung  nicht  abgeändert  werden,  wie  denn  confessio 
fidei  wenigstens  Sp.  L.  bei  Greg.  M.  epp.  7,  5  steht,  und  nach 
Gölzer  Hieron.  S.  234  confessio  in  der  Bedeutung  ^^professio^i 
publique  de  la  foi  clwetieyine^''  schon  bei  Hieron.  sehr  häufig  vor- 
kommt. 

Conficere.  Extremum  diem  morte  confecit,  was  vom  f  Krebs 
als  neu  und  gekünstelt  verworfen  wurde,  hat  die  beste  Autorität: 
ut  tum  denique  iudicetur,  heatusne  fuerit,  cum  extremum  vitae  diem 
morte  confecey^t,  Cic.  fin.  3,  76. 

Confideyitia  ist  in  der  guten  Bedeutung  Vertrauen  auf  sich  wohl 
nur  A.  L.  für  fiducia,  da  jenes  in  besserer  Prosa  Vermessenheit, 
Keckheit,  Dreistigkeit  bedeutete,  und  ebenso  das  Partiz.  confidens, 
vermessen,  dreist,  nicht  voll  Vertrauen  im  guten  Sinne,  was  fidens 
heisst.  Ygl.  darüber  Cic.  Tusc.  3,  14,  der  freilich  die  böse  Be- 
deutung missbiUigt,  jedoch  dem  Sprachgebrauche  folgt;  nur  einmal 
scheint  er  in  absichtlich  altertümelnder  Sprache  rep.  3,  42  M.  duas 
sihi  res  .  .  confidentiam  et  vocem  defuisse  das  Wort  im  guten  Sinne 
gebraucht  zu  haben;  vgl.  ferner  Seyffert-Müller  zu  Lael.  S.  217, 
Spengel  zu  Ter.  Andr.  855,  Fritzsche  zu  Hör.  sat.  1,  7,  7,  Burg 
S.  46. 


Confidere  —  325  —  Coufidere 

Confidere,  vertrauen.  Es  ist  richtig,  dass  confidere  und  sein 
Stammwort  fidere,  wenn  sie  nicht  absolut  stehen,  mit  dem  Dativ 
oder  Ablativ  des  Objektes  verbunden  werden.  Nun  gibt  es  aber 
gewisse  Fälle,  in  welchen  der  Dativ  so  vorschlägt,  dass  er  als  das 
regelmässige  angesehen  werden  muss.  Dies  trifft  zu,  wenn  das  Ob- 
jekt des  Vertrauens  eine  Person  ist:  cur  ad  maiora  tibi  fidamus  f 
Liv.  24,  8,  13;  7ieutri  parti  viriiim  satis  fidens,  ib.  23,  26,  2  und 
fidere  exercitiii,  ib.  23,  36,  8;  ut  rex  brevi  non  eqititi  magis  fideret 
quam  pediti,  Liv.  24,  48,  12  und  10,  18,  6;  suo  militi  parum  fide- 
hat, ib.  32,  14,  1  und  33,  38,  2.  Nee  cuiquam  satis  fido,  Plin.  epp. 
6,  22,  7;  Getae  praefecto  Jiaud  satis  fidebat,  Tac.  ann.  11,  33; 
ebenso  bei  confidere,  z.  B.:  cui  (peditum  parti)  maxime  confidebat, 
Caes.  civ.  2,  40,  1;  cui  (equitatiii)  maxime  confidebat,  ib.  3,  94,  5 
und  b.  Afric.  60,  4;  huic  legioni  maxime  confidebat,  Caes.  Grall.  1, 
40,  15  und  42,  5;  ebenso  bei  Cic. :  won  confido  aetati  =  ich  habe 
liein  Vertrauen  auf  einen  Menschen  dieses  Alters.  Deswegen  heisst 
auch  auf  sich  selbst  vertrauen  regelmässig  sibi  confidere :  neque  Uli 
sibi  confisi  ex  porta  prodire  sunt  ausi,  Caes.  civ.  3,  7,  2  und  dum 
sibi  uterque  confideret,  ib.  3,  10,  7  und  Brut,  bei  Cic.  epp.  ad  Brut. 
1,  16,  6,  Cic.  Flacc.  5,  Cluent.  63,  har.  resp.  35,  acad.  2,  36, 
fin.  3,  29,  Lael.  17  und  30,  rep.  3,  23,  b.  Afr.  19,  3,  Sen.  de 
tranq.  a.  14,  2  und  epp.  72,  2  und  so  auch  fidens  sibi  bei  Liv.  4, 
18,  1.  Die  Stelle  des  Livius  24,  4,  4:  neque  milites  alio  duce  plus 
confidere  aut  andere  gehört  nicht  hierher,  denn  confidere  und  andere 
sind  hier  absolut  gebraucht  und  alio  duce  heisst  lediglich  unter 
keinem,  anderyi  Anführer  hatten  die  Soldaten  mehr  Vertrauen  auf 
ihr  Glück.  So  bleibt  also  für  den  Ablat.  bei  Cic.  nur  Att.  8,  13,  2 
übrig :  illum,  quo  (=  quoi  ?)  antea  confidebant,  metuunt,  und  Livius 
hat  fidere  so  auch  nur  an  zwei  Stellen :  Gracchus  exercitu  se  egregio 
fidentem  .  .  venisse  respondit,  40,  47,  7  und :  pedestri  Marte  fidens 
=  peditibus,  24,  48,  6.  An  anderen  Stellen,  wie  z.  B.  Sali.  Jug. 
112,  2  ist  nicht  mit  Sicherheit  zu  entscheiden,  ob  Dativ  oder  Abi. 
anzunehmen  sei,  wiewohl  die  oben  angegebenen  Darlegungen 
über  das  Vorherrschen  des  Dativs  dafür  sprechen,  dass  wir  diesen 
Kasus  auch  an  solchen  Stellen  anzuerkennen  haben.  —  Ist  bei  con- 
fidere das  Objekt  eine  Sache,  so  ist  der  Dativ  wieder  der  allerge- 
wöhnlichste  Kasus  (nach  Kühner  II  S.  294  nur  bei  Dichtern;  in 
Prosa  stehe  der  Dativ  nur  bei  Sachsubstantiven,  die  eine  persönliche 
Auffassung  zulassen):  Cassius  fi.dei  magis  quam  virtuti  legionum  con- 
fidebat, b.  Alex.  61,  1.  Nee  suae  virtuti  confisi  sunt,  Liv.  3,  67,  5 
und  21,  57,  12  und:  ne  quis  fidei  Romanorum  confidat,  ib.  21,  19, 
10,  ebenso  Liv.  22,  18,  8;  29,  12,  1  und  40,  12,  15.  Ebenso 
bei  Cicero:  confidere  divinationi,  fam.  6,  6,  4;  nisi  vestrae  virtuti 
constantiaeque  confiderem,  Phil.  5,  1,  und  Att.  6,  16,  A,  5;  arcae 
nostrae  confidito,  Att.  1,  9,  2;  non  mehercule  facio,  quo  parum  con- 
fidam  aut  liberalitati  tuae,  aut  .  .  Cic.  Att.  16,  16,  E,  15.  Felici- 
tati  regis  sui  confisus,  Curt.  3,  14,  4;  satis  conflsus  Graecorum  erga 


Cont'ieri  —     326     —  Confiuis 

se  henevolentiae  ac  fldei,  ibid.  4,  10,  16 ;  rex  iussum  felicitati  sitae 
confidere  reniisit.  ib.  7,  7,  28,  ebenso  ist  es  Curt.  7,  9,  1;  9,  2,  25; 
7,  11,  27.  Confidere  gratiae  und  fidere  amicitiae  constantiaeque 
cdicnius  bei  Tac.  ann.  1,  81  und  4,  59,  confidere  virtuti,  ann.  14,  36. 
Noli  huic  tranquiUitati  confidere,  Sen.  epp.  4,  7.  Xidli  (studiorum 
generi)  satis  confisiis,  Plin.  epp.  6,  22^  7  und  unseres  Wissens 
immer  caiisae  confidere.  S.  darüber  Cic.  inv.  1,  22,  Verr.  2,  69, 
Sest.  135,  Mil.  61,  Rose.  Com.  11,  Ciuent.  10,  fin.  1,  31,  Att.  8, 
9,  2  u.  Liv.  38,  48,  13.  Diesen  Stellen  gegenüber  stehen  die 
Autoritäten  für  den  Ablat.  in  merkwürdiger  Minderzahl:  Fostquam 
animadvertebat,  adver sarios  iion  virtute  eoriim  confidere,  b.  Afr.  79,  1 ; 
equitatu,  c[ua  maxime  parte  exercitus  confidebant,  pulsi  sunt,  Caes. 
Gall.  7,  68,  2;  midtum  natura  loci  confidebant,  ib.  3,  9,  3;  neque 
militum  voluntate  satis  confido,  Pomp,  bei  Cic.  Att.  8,  12,  D,  1; 
qua  arte  maxime  confideret,  Cic.  Tusc.  5,  8  ;  qui  poterit  aut  corporis 
firmitate  aut  fortunae  stabilitate  confidere"^  Tusc.  5,  40;  confidere 
videbatur  invidia  iam  inveterata  iudicii  luniani,  Ciuent.  1  und  affl- 
nitate  alicuius  confidere,  Caes.  qiv.  3,  83,  1.  Hingegen  bei  dem 
Part.  Perf.  confisiis  ist  der  Ablativ  der  vorherrschende  Kasus:  neque 
Caesar  opus  intermittit  confisus  praesidio  legionum  trium  et  munitione 
fossae,  civ.  1,  42,  3  und  so  ib.  1,  75,  3;  3,  106,  3  und  1,  75,  3; 
Gall.  3,  27,  2  und  Hirt.  Gall.  8,  3,  3  und  c.  15,  1;  b.  Alex.  10,  5  und 
13,  5  und  43,  1 ;  b.  Afr.  49,  2.  Tarn  potenti  duce  confisus,  Liv. 
24,  5,  12  und  28,  42,  12;  copia  et  facultate  caiisae  confisus,  Cic. 
Rose.  Com.  2;  mdla  alia  confisus  urbe  Laodiceam  se  contidit,  fara. 
12,  14,  4  und  Lentul.  bei  Cic.  fam.  12,  15,3;  principes  purum 
confisi  patientia  nostra,  Plin.  pan.  68,  2 ;  sunt  qui  putent  confisum 
eum  novissimo  illo  senatus  consulto  et  iure  iurando  etiam  custodias 
Hispanorum  removisse,  Suet.  Caes.  86.  Yerbindungen  wie  confisus 
tui,  confisus  in  alicßta  re  sind  nicht  zu  empfehlen,  vgl.  Landgraf  zu 
Reisig-Haase  N  564,  Appel  Coripp  S.  53.  —  Zu  warnen  ist  vor 
confidere  alicui  cdiquid,  z.  B.  collum  tonsori;  richtig  ist  committere, 
vgl.  Cic.  Tusc.  5,  58. 

Confieri  für  confici  gebraucht  Sulpicius  (in  Cic.  fam.  4,  5,  1), 
und  so  finden  sich  anderwärts  noch  andere  dazu  gehörige  Formen, 
wie  confit,  confiat,  confieret  u.  dgl.;  einmal  vielleicht  schreibt  auch 
Cicero  in  der  Erstlingsschrift  de  inv.  2,  169  confieri.  Man  halte 
sich  vorzugsweise  an  confici  und  seine  Formen.  Näheres  hierüber 
in  Z.  f.  G.  W.  1881  S.  96  ;  0.  E.  Schmidt  Handschr.  Überlief. 
S.  305,  Hellmuth  Baibus  S.  35,  Neue-Wagener^  III  S.  631,  Land- 
graf Bayr.  G.  Bl.  XVI  S.  276;  bei  Caesar  Gall.  7,  58,  2  lesen  Mensel, 
Kleist,  Herzog,  Schmalz,  Fries  u.  a.  jetzt  fieri  (mit  cod.  Ashburnh). 

Confinis,  benachbart,  findet  sich  in  klass.  Zeit  nur  selten, 
so  bei  Caes.  Gall.  6,  3,  5,  Nep.  Dat.  4,  1,  Sali.  Jug.  41,  3,  und  zwar 
entweder  absolut  oder  mit  Dativ,  der  Gen.  steht  nur  bei  Gell.  1, 
2,  4;  häufiger  kommt  es  im  X.  Kl.  vor;  es  ist  nicht  zu  verwerfen; 
vgl.  Haustein  S.  74. 


Confiscare  —     327     —  Conformis 

Coyifiscare,  in  fiscum  redigere  oder  fisco  inferre,  konfiszieren, 
einzielien,  sind  erst  N.  Kl.  und  nur  dann  braucliljar,  wenn  das  Ein- 
gezogene in  den  Schatz  des  Regenten  kommt,  aber  nicht,  wenn  es 
in  die  Staatskasse  fliesst,  wo  man  'publicare,  in  aerariiim  redigere, 
in  publicum  addicere,  in  publicum  redigere  (Liv.  2,  5,  1)  sagt.  Das 
Wort  coyifiscare  ist  erst  in  der  Zeit  des  Augustus  entstanden  und 
findet  sich  vorzugsweise  in  den  Kaisergeschichten  des  Sueton;  vgl. 
Bagge  S.  13.  Bücher  konfiszierten  ist  durch  libros  publice  conqiiirere 
zu  übersetzen  nach  Liv.  39,  16,  8. 

Conflagrare,  im  bessern  Latein  nur  neutral,  also  ohne  Objekt, 
verbrennen,  in  Flammen  aufgehen,  vom  Feuer  verzehrt  luerden;  erst 
Sp).  L.  wird  es  aktiv  mit  dem  Acc.  verbunden,  z.  B.  urbem,  eine 
Stadt  verbrenneyi,  durch  Feuer  verzehren,  für  incendere,  concremare; 
vgl.  Tschiassny  S.  13,  Dietze  S.  12,  Bonnet  Greg.  S.  535.  Nur  con- 
flagratus  =  in  Brand  aufgegangen  findet  sich  medial  schon  bei 
rhet.  Her.  4,  12;  vgl.  Thielmann  Cornif.  S.  30. 

Conflictus,  das  Aneinander  schlagen,  ist  Kl .  nur  im  Abi.  üblich, 
z.  B.  Cic.  Caec.  43  hyipulsu  scutorum  et  conflictu  corporum;  ausser- 
dem ist  es  Sp.  L.  in  der  Bedeutung  Streit,  Kampf,  für  das  klass. 
conflictio,  vgl.  Wölfflin  Sitzungsber.  1891  S.  478  und  Archiv  XIII 
S.  174,  Chruzander  S.  16.  Meist  (s.  jedoch  Quintil.  3,  8,  29)  ist  auch 
conflictatio  Sp.  L.  für  conflictio,  Cic.  part.  102  conflictio  cum  adversario. 

Confluere,  zusammen fliessen,  zusammenströmen;  —  ivo  oder 
ivohin,  in  aliquem  locum,  in  unum  (Cic.  leg.  2,  6;  Liv.  21,  31,  4), 
nicht  in  aliquo  loco.  Weiteres  darüber  s.  unter  Advenire.  Ein  Fluss 
vereinigt  sich  mit  einem  andern  ist:  flumen  cum  flumine  confluit,  Plin. 
nat.  4,  83. 

Confluvium,  der  Zusammenfluss,  ist  A.  u.  P.  L.  für  confluens 
oder  meistens  confluentes;  bei  andern  Dingen  (ausser  bei  Flüssen) 
concursus,  colluvies. 

Confoederare^  durch  ein  Bündnis  vereinigen,  verbünden,  ist  sehr 
Sj).  L.  für  foedere  iungere,  adiungere,  coniungere ;  ebenso  ist  Sp.  L. 
confoederatus  für  das  Kl.  foederatus,  foedere  iunctus  oder  socius, 
und  confoederatio  für  foedus,  societas,  consociatio ;  vgl.  Gfölzer  Hieron. 
S.  66  u.  181. 

Conformare  animum,  mores  u.  s.  w.,  die  Seele,  den  Charakter 
bilden,  wird  klass.  nur  mit  Ablativen,  z.  B.  artibus,  disciplina, 
praeceptis,  cogitatioyie  hominum  excelleyitium,  philosophia  verbunden 
gebraucht,  sonst  sagt  man  ayiimum  colere.  Ohne  Ablat.  ist  con- 
formare in  dieser  Bedeutung  nachklass.,  s.  Tac.  ann.  4,  8  und 
die  Stellen,  welche  dort  von  Walther  aus  dem  Jüngern  Plinius  an- 
geführt werden.  Als  Subst.  aber  kommt  conformatio  ayiimi  nur  in 
dem  Sinn:  die  Vorstelluyig,  luelche  sich  die  Seele  voyi  etivas  yyiacht, 
der  Begriff  vor,  bedeutet  aber  nicht  Ausbilduyig  der  Seele,  was 
aniiyii  cultiis  heisst. 

Conformis,  gleichförmig .,  ilbereiyistimmeyid,  gehört  der  Vulg.  und 
den  Eccl.    an,    z.  B.  Hieron.  Ambros.,    vgl.  Gölzer  Hieron.   S.   160, 


Cont'ortare  —     328     —  Congerere 

für  congrueyis,  conveniens  u.  a.;  N.  L.  ist  conformitas,  die  Gleich- 
förmigheit,  für  consensus,  congruentiay  convenientia. 

Confortare,  süirlien,  hehräftigen,  ist  Si^.  L.  für  coyToborare,  con- 
firmare  u.  a.,  ebenso  confortatio^  vgl.  Gölzer  Hieron.  S.  66  u.  S.  181, 
Paucker  Hier.  S.  108  u.  S.  165,  Rönsch  It.  S.  185,  Coli.  phil.  S. 
123,  Bergmüller  Jord.  S.  13. 

Conf rater,  der  Mitbruder,  ist  N.  L.  und  ganz  unnötig  im  eigent- 
lichen Sinne  für  frater,  in  dem  Sinne  Amtshruder  für  collega. 

Confrontare,  gegeniiberstellen,  Tionfrontieren,  ist  N.  L.  für  reum 
cum  indice  oder  socio  componere,  reum  et  delatorem  componere  u.  dgl. 

Confiigium,   die  Zuflucld^  ist  P.  L.   u.  Sio.  L.   für   perfiigium. 

—  P.  L.  ist  auch  coyifugere  =  descendere  =  sich  zu  etivas  ver- 
steheyi,  z.  B.  Ovid  fast.  1,  571   ad  picdrias  artes,  vgl.  s.  v.  Descendere. 

Confundere  ist  in  der  Bedeutung  verivirren,  eine?!  in  der  Rede 

—  (aliquem  dicentem)  wohl  richtig,  aber  se  cojif.^  sich  verivirren, 
d.  h.  veriuirrt  iverden,  sagt  man  lateinisch  nicht;  dafür  confuse 
loqui,  verha  coyifundere ;  —  daher  auch  oratio  confusa.  —  Mit  dem 
Acc.  proelium,  in  der  Bedeutung  einen  Kampf  anfangeyi,  ist  es  nur 
P.  L.  für  committere  proelium,  congredi  cum  aliquo.  —  Confundi 
in  der  Bedeutung  sich  schämen  ist  Sp.  L.  für  pudore  affici  oder 
pudore  confundi^  denn  letzteres  findet  sich  auch  schon  bei  klass. 
Dichtern  wie  z.  B.  bei  Ov.  carmina  pudore  confusa  u.  bei  Curt.  7,  7,  23; 
confusus  gebraucht  man  von  jeder  innerlichen  oder  äusserlich  hervor- 
tretenden Bestürzung,  Verwirrung,  und  so  ist  es  sehr  gewöhnlich  in 
Ausdrücken  wie  animo,  vultu,  ore  confusus;  vgl.  Drakenborch  zu 
Liv.  6,  6,  7.  Das  aktive  confundere  heschümen  kommt  erst  bei  den 
Eccl.  vor,  vgl.  Rönsch  Ital.  S.  354,  Sem.  HI  S.  18  u.  Gölzer  Hieron. 
S.  254.  Ob  Tert.  sagt  confundi  aliquem  oder  alicuius,  sich  jemandes 
schämeyi,  ist  bis  jetzt  nicht  sicher  festzustellen,  vgl.  Hoppe  Synt. 
Tert.  S.  25.    Ganz  vereinzelt  ist  Hist.  Apoll.  14  introire  confunditur, 

Congaudere,  sich  mitfreuen,  ist  sehr  Sp.  L.  für  una  cum  aliquo 
gaudere;  vgl.  Rönsch  It.  S.  186,  Coli.  phil.  S.  246,  Gölzer  Hieron. 
S.   181  u.  316,  Bergmüller  Jord.  S.  13. 

Congeminare,  verdoppeln,  ist  A.  u.  P.  L.  für  geminare. 

Congenitiis,  zugleich  geboren,  angeboren,  ist  nur  N.  Kl.  und  findet 
sich  bei  dem  altern  Plinius  (wohl  ein  Wort  der  Volkssprache);  in 
besserer  Prosa  ist  es  unbrauchbar;  man  sage  dafür  ingenitus,  insitus, 
ingeneratus,  innatus. 

Congerere,  zusammentragen,  zusammenhäufen.  Mit  Rücksicht 
auf  die  Lokalität,  in  welche  gewisse  Dinge  oder  Teile  von  Dingen 
zusammengebracht  werden,  steht  bei  diesem  Yerbum  nur  aliquo  oder 
in  aliquem  locum  aliquid  congerere.  Wird  das  Wort  in  diesem 
natürlichen  Sinn  von  Personen  gebraucht,  denen  zu  liebe  oder  zu 
leide  gewisse  Dinge  zusammengehäuft  werden,  so  kann  man  sagen 
congerere  alicid  aliqiiid,  so  im  schlimmen  Sinn  bei  Liv.  1,  11,  8: 
scuta  Uli  congcsta  =  die  Schilde  seien  auf  sie  geworfen  worden; 
vgl.  hiezu  M.  Müller  und  Archiv  X  S.  54.     Ebenso    wird  in    dieser 


Congeries  —     329     —  Congregabilis 

Beziehung  auch  congerere  (z.  B.  tela)  in  aliqiiem  gebraucht,  s.  Curt. 

8,  14,  38.  Werden  Person  und  Sache  neben  einander  genannt, 
so  sagt  man  entweder  congerere  aliquid  in  c.  acc.  (z.  B.  ccqmt) 
cdicuiiis^  s.  Sen.  Oed.  892  und  Cic.  divin.  2,  66,  oder  es  wird 
die  betreffende  Person  im  Dativ  aufgeführt:  Midae  Uli  Fhrygi  dor- 
mienti  formicae  in  os  tritici  grana  coyigesserunt,  ib.  1,  78.  In  den 
verschiedenen  Schattierungen  der  ülertragenen  Bedeutung  sagt  die 
klassische  Sprache  wohl  immer  congerere  aliqiiid  in  aliqtiam  7^em. 
Ist  die  Person  mitgenannt,  auf  ivelche  geiuisse  Dinge  aiifgehäuft 
werden  und  zwar  sowohl  im  gideyi  als  im  hösen  Sinn,  so  heisst  dies 
klass.  congerere  aliquid  ad  oder  iyi  aliquem;  im  guten  Sinne:  omnia 
ornamenta  ad  aliquem  congerere^  Cic.  Dejot.  12;  heneficia  in  aliquem 
congerere,  Liv.  42,  11,  2  und  in  malam  partem:  maledicta  i7i  aliquem 
congerere,  Cic.  Phil.  3,  15  u.  Mil.  64.  Nachklass.  wird  auch  der 
Dativ  der  Person  und  zwar  gleichfalls  im  guten  und  schlimmen  Sinne 
des  Wortes  gebraucht,  wie  congerere  alicui  consulatus,  Tac.  ann.  1, 
4,  fausta  omnia  alicui  congerere,  Suet.  Aug.  98  init.  u.  Caüg.  15; 
über  mala  alicui  congerere  aber  vgl.  Sen.  contr.  1,  7,  2. 

Congeries,  der  Haufe,  die  Masse,  ist  ein  poetisches  Wort,  das 
mit  Livius  in  die  Prosa  eindringt,  sich  N.  Kl.  erhält  u.  Sp.  L. 
sogar  im  Plural  vorkommt;  öfter  hat  es  Amm.  Für  Livius,  der  es 
31,  39,  8  verwendet,  mag  Ennius  ann.  241  Yahl.  Yorbild  gewesen 
sein  (freilich  liest  L.  Müller  ann.  inpartit  cumulum,  Hertz-Hosius 
bei  Gellius  12,  4,  4  comiter  impertit,  wo  Yahlen  congei^iem  partit 
schreibt).     Jedenfalls  meide  man  das  Wort. 

Conglohare,  zusammendrängen,  wird  meist  verbunden  in  aliquem 
locum,  nicht  i7i  aliquo  loco.  Doch  s.  Tac.  ann.  14,  32:  templum,  in 
quo  miles  se  conglohaverat  u.  Liv.  25,  15,  15:  ihi  proditores  conglo- 
hati  cum  popularium  agmen  patentihus  portis  accepissent.  Hier  kann 
die  Konstruktion  nicht  auffallen;  Georges  übersetzt  richtig  „in  wel- 
chem die  (schon  darin  befindlichen)  Soldaten  sich  etc.*' 

Congredi,  zusammenkommen.  Der  Oi^t,  luo  mayi  zusammen- 
kommt, zusammentrifft,  wird  mit  in  c.  ahlat.,  dem  hlosseii  Ählat., 
hei  Städtenamen  nach  Umständen  init  dem  Lokat.  oder  Ahlat.  ver- 
bunden, z.  B. :  qui  cum  Caesare  in  itinere  congressi  magnopere  .  . 
orahant,  Caes.  Gall.  4,  11,  1.  In  eo  loco  ut  congrederentur  con- 
venit,  Liv.  32,  39,  6  ;  convenit,  ut  consul  regesque  eo  loco  postero 
die  congredererdur ,  ib.  38,  25,  6  ;  Apameae  co7igressis  disceptatio 
eadem  ferme  fuit,  ib.  35,  15,  2.  Also  auch  mit  Adverbien  der 
Kühe:  ihi  congressuros  se  cum  Lentulis  constituunt,  ib.  42,  37,  5  u. 
locus  uhi  congressi  sunt,  Cic.  Mil.  53,  Cael.  53.  Bei  Dichtern  und 
in  N.  Kl.  Prosa  wird  die  Person,  mit  welcher  man  zusammen- 
kommt,   durch   den  Dativ  ausgedrückt.     S.  Plin.   nat.  5,  45,  Curt. 

9,  7,  20. 

Congregahilis,  gesellig,  zur  Gesellschaft  gemacht,  findet  sich  bei 
Cic.  off.  1,  157  und  in  ^Nachahmung  dieser  Stelle  bei  Ambros.  de 
off.  1,  27,  128.     Wenn  es  auch  nicht  gerade  verwerflich  ist,  so  weist 


Congregare  —     330     —  Congruere 

doch  C.  F.  W.  Müller  mit  Recht  darauf  hin,  dass  das  unmittelbar 
nachher  folgende  congregatus  die  gleichen  Dienste  leistet  wie  con- 
gregahilis. 

Congregare,  versammeln,  vereinigen.  Der  Ort^  das  Wo  wird  mit 
in  mit  Accus,  ausgedrückt,  wie:  dispersos  homines  iinum  in  lociim 
congregare,  Cic.  de  or.  1,  33,  Sest.  91.  Bei  se  congregare  oder  dem 
medialen  congregari  kann  das  Wo  durch  in  mit  Ahlat.  oder  Accus. 
bezeichnet  werden:  imini  cives  iinum  se  in  locum  congregahant,  Cic. 
Phil.  14,  5  und  unum  in  locum  congregantur,  Catil.  1,  32.  Hin- 
gegen :  ciconiae  ahiturae  congregantur  in  certo  loco,  Plin.  nat.  10,  61 ; 
in  fano  congregantur  commentandi  causa,  Cic.  divin.  1,  90  und: 
ifi  Academia  congregati,  acad.  1,34.  Bei  Tac.  bist.  3,82:  in  urhe 
congregahantur  war  der  Accus,  (iirbem)  nicht  möglich,  weil  der 
Sinn  der  ist:  die  Soldaten  hätten,  in  die  Stadt  zurückgeworfen,  sich 
in  derselben  tvieder  gesammelt;  vgl.  oben  unter  Conglohare.  Bei 
Liv.  steht  auch  der  blosse  Ablat. :  armati  locis  patentihus  congre- 
gantur, 24,  21,  9.  Sich  um  jemanden  schalten  ist  congregare  ad 
aliquem  nach  Liv.  1,  10,  1.  Der  Ort,  hei  dem,  in  dessen  Nähe 
man  sich  versammelt,  wird  gleichfalls  durch  ad  ausgedrückt,  z.  B. 
ad  curiam,  s.  Cic.  Phil.  14,  15.  Cuncti  deinde  ad  portmn  congre- 
gantur. Just.  19,  2,  10.  Einen  mit  eiiiem  vereinigen  ist  natürlich 
congregare  alußtem  cum  aliquo,  ebenso  se  congregare,  congregari  cum 
aliquo,  s.  Cic.  fin.  5,  42  u.  Cato  7.  Für  congregare  aliquem  cum 
aliquo  stebt  nachklass.  auch  der  Dat.  alicui,  s.  Sen.  epp.  62,  2. 
Später  verallgemeinert  sich  die  Bedeutung  von  congregare,  indem 
damit  auch  unbedenklich  Sachobjekte  jeder  Art  verbunden  werden, 
z.  B.  friimentum  in  horrea  congregaverunt,  vgl.  Gölzer  Hieron.  S.  274. 

Congregatim,  in  Haufen  vereint,  ist  Sp.  L,  für  congregati  oder 
coniimctim. 

Congressio  steht  klass.  nur  für  das  freundliche,  friedliche  Zu- 
sammenkommen. Yom  feindlichen  Zusammentre/fen  zu  Kampf  und 
Streit  wird  es  nicht  nur  von  Lact.  3,  12,  4:  in  congressionem  cer- 
tamencpie  venire  und  certamini  congressionicqne  se  committere,  6,  6, 
15  u.  oft  von  Just.  (2,  14,  8;  6,  4,  12;  12,  8,  4;  22,  3,  9  und 
sonst)  und  den  Paneg.,  sowie  Amm.,  sondern  auch  schon  von 
Quadrigarius,  einem  Zeitgenossen  von  Sulla,  gebraucht:  metii  magno 
ea  confjressio  in  ipso  ponti  ntroque  exercitu  iyispectante  facta  est,  bei 
Gell.  9,  13,  15.     Congressus  bedeutet  klass.  beides. 

Congruere,  zusammenstimmen,  angemessen  sein,  wird  gleich  gut 
mit  cum  und  mit  dem  Dativ  der  Person  und  Sache  verbunden, 
vgl.  Cic.  Verr.  2,  129  Siculi  suos  dies  moisesque  congruere  volunt 
cum  solis  lunaeque  ratione,  de  or.  3,  210  non  omni  causae  congruit 
orationis  unum  genus ;  unter  einander,  inter  se,  z.  B. :  sermo  inter 
omnes  congruebat,  Liv.  9,  2,  4  =  lautete  übereinstimmend;  hinsicht- 
lich welcher  Sache  die  Übereinstimmung  stattfindet,  wird  mit  in  (de) 
und  dem  Abi.  ausgedrückt,  oder  auch  mit  dem  blossen  Abi.,  vgl. 
Cic.  acad.  1,  17  qui  rebus  congruentes  nominibus  differebant,  leg.  1,  53 


Congruentia  —     331     —  Coniunctus 

de  ceteris  coyigrimnt,  Liv.  8,  6,  15  lingua  morihus  congruentes.  Livi- 
aiiisch  aber  ist  con^ntere  in  alußtid:  in  rnorem  cdiqaem  congriiere  = 
auf  eme  Sitte  eingehen^  s.  Wborn  zu  Liv.  29,  6,  2  und  in  umtm 
congruerimt  sententiae,  stimmten  mit  einander  üherein,  ib.  25,  32,  2 
und  mit  ad:    tempiis    ad    id    ipsitm  congruere,  Liv.  1,  5,  5. 

Congruentia,  die  tlherehisthmnung,  ist  N.  Kl.  bei  Suet.,  vgl. 
Bagge  S.  13  f.,  und  dem  Jüngern  Plin.  und  selten  für  consensus, 
consensio,  convenieyitia,   aber  notwendig  in   der  Mathematik  als  t.  t. 

Congruus  und  congrae,  üh  er  einstimmend,  passend,  sind  A.  und 
Sp.  L.  und  selten;  man  sage  dafür  congruens,  concinnus,  congruenter, 
concinne  u.  a.,  vgl.  Gölzer  Hieron.  S.  193  und  Westhoff  S.  50,  sowie 
besonders  Leipold  S.  31  u.  Liesenberg  I  S.  26.  Nur  bei  Symm. 
scheint  die  merkwürdige  Zusammensetzung  excongruus  vorzukommen, 
vgl.  Schulze  Symm.  S.   100. 

Coniedanea,  ein  Plural,  kommt  nur  als  Titel  von  Schriften 
mancherlei  Inhalts  vor,  z.  B.  Gell,  praef.  9,  aber  nicht,  wie  im 
N.  L.,  z.  B.  auch  bei  Stowasser  im  Archiv  I  S.  292  u.  441,  in 
der  Bedeutung    Vermutungen,    wofür   coniecturae   das  Kl.  Wort  ist. 

Coniectatio,  die  Vermutung,  steht  N.  Kl.  nur  bei  dem  altern 
PHnius  für  coniectio  oder  noch  gewöhnlicher  coniectura.  Sp.  L.  auch 
bei  Gell.  14,  1,  33  (aber  14,  3,  1  liest  Hertz  argumenta  quaedam 
coniedaria)  und  den  Paneg.  XII,  275,  25  u.  299,  19. 

Coniedator,  der  Zeidiendeuter,  der  Vermutmigen  angibt,  ist 
Sp.  L.  für  coniedor. 

Coniediirare,  vermuten,  eine  Vermutung  aufstellen,  kommt  im 
N.  L.  bei  Kritikern  vor,  ist  aber  jetzt  ohne  alle  Autorität,  seitdem 
es  in  Sen.  (n.  q.  7,  29)  durch  Lipsius  aus  Handschr.  in  coniedura 
ire  verändert  und  aus  allen  neuern  Ausgaben  verschwunden  ist. 
Man  brauche  conicere,  conieduram  facere,  coniedura  aliquid  asseqid, 
ex  aliqua  re  alicuius  rei  conieduram  capere,  Cic.  Verr.  3,   111. 

Coniugatio  und  coniugare  von  Yerben  in  dem  Sinne  unserer 
Grammatik  ist  zwar  erst  Kunstwort  der  spätem  Grammatiker  für 
declinatio  oder  declinatus  und  declinare,  welche  bei  Varro  und  den 
folgenden  dafür  gebraucht  werden,  aber  heutzutage  müssen  jene 
Wörter  den  letztern  als  verständlichere  und  allein  gangbare  vorge- 
zogen werden. 

Coniundio.  D.  L.  ist  in  coniunctione  alicuius  oder  cum  aliquo 
esse,  mit  jemanden  in  Verbindung  stellen,  für  cum  aliquo  oder  alicui 
iimgi,  coniunctum  esse;  in  der  engsten  Vei'hindung  stehen,  coniunc- 
tissimum  esse  u.  a.  Die  Verhiyidung  mit  einem  ist  coniunctio  ali- 
cuius wie:  nihil  pyxietermisi  .  .  quin  Fompeium  a  Caesaris  coniunc- 
tione avocarem,  Cic.  Phil.  2,  23. 

Coniunctus  wird,  wie  das  Verbum,  verbunden  alicui  oder  cum 
aliquo.  Beim  Verb  coyiiungere  hat  Caesar  im  Gall.  nur  cum  c.  abl., 
im  civ.  aber  auch  c.  dat.;  Cicero  hat  fast  überall  cum  c.  abl.,  Aus- 
nahme z.  B.  fam.  15,  11,  2  cui  me  studia  conitmxerant.  Beim 
Partizip  coniunctus  hat  Caes.   auch   im  Gall.  7,  33,  1   den  Dativ  == 


Coniurare  —     332     —  Conqueri 

befreundet  mit;  im  civ.  bedeutet  es  ^.Zusammenhang encl  mit'''-  und 
hat  hier  immer  den  Dativ.  Bei  Cicero  und  Sali,  wird  coniundus  oft 
mit  Dativ  konstruiert,  vgl.  Landgraf  Progr.  München  1899  S.  17, 
Frese  S.  38  f.,  auch  von  Plane,  in  Cic.  epp.,  vgl.  Bergmüller  Plane. 
S.  29.  —  Mit  dem  blossen  Ahlat.  findet  sich  coniunctus  bei  Cic. 
Cluent.  12;  aber  leg.  1,  6  liest  C.  F.  W.  Müller  mit  Lambin 
jetzt  aetati  coniimcta.  Allein  es  gibt  noch  mehr  Stellen  bei  Cicero, 
wo  coniunctus  oder  iunctus  mit  Abi.  verbunden  erscheinen,  z.  B. 
Phil.  5,  20  huius  mendicitas  aviditate  coniuncta  in  fortunas  nostras 
immifiehat;  Clu.  35;  der  Ablativ  ist  instrumental  zu  fassen  und  er- 
klärt sich  wie  in  fluvium  ponte  iungere. 

Coniurare,  sich  verschivören,  verbinden  etiuas  zu  tun,  wird  Kl. 
nur  de  aliqua  re  facienda,  z.  B.  Cic.  Mil.  65  servos  de  interficiendo 
Pomimo  coniurasse  konstruiert.  Nicht  nachzuahmen  ist  Sali.  Cat.  52, 
24  coniuravere  iirbem  incendere,  während  consentire  mit  Inf.  klass. 
bei  Cic.  fam.  6,  18,  2  ist,  ebenso  wenig  coniurare  mit  ut,  was  sich 
zuerst  im  b.  Hisp.,  vgl.  Köhler  act.  Erl.  I  S.  444,  findet;  Liv.  sagt 
39,  16,  3  neben  coniurare  mit  ut  auch  coyiiiirare  in  facinora  und 
Curt.  7,  1,  6  coniurare  ifi  caedem  cdiciiius.  Gegen  jemanden  sich 
verschwören  ist  contra  aliq.,  vgl.  Caes.  Gall.  2,  3,  2;  Cic.  Süll.  70. 

Coniurator  ist  nur  aus  Fest.  (Paul,  ex  F.  59,  7)  nachgewiesen; 
der  Verschivoreyie  ist  coniuratus.  Kein  Wunder,  wenn  Schüler  aus 
Cic.  Cat.  4,  20  quanta  manus  est  coniuratorum  auf  einen  Nominativ 
coniurator  schliessen,  da  dies  selbst  einem  Nizolius  begegnete! 

Coniventia,  die  Nachsicht,  ist  Sp.  L.  für  indulgentia,  venia, 
oder  mit  dem  Verbum  conivere  selbst;  vgl.  Rönsch  Ital.  S.  311, 
Paucker  Scrut.  S.  37,  Gölzer  Hieron.  S.  99.  Conivere  trop.  wie 
unser :  ein  Auge  zu  etwas  zudrücken  wird  verbunden  mit  in  und 
Äblat.:  conivere  in  scelere  alicuius,  Cic.  Cael.  59,  har.  resp.  52  und 
Suet.  Caes.  67. 

Connumerare,  mit-  oder  unter  etiuas  zählen,  ist  sehr  aS^j.  L.  für 
una  niimerare,  in  eundem  numerum  referre,  ad  aliquorum  numerum 
adscribere,  aliqiiibus  annumerare;  vgl.  Rönsch  Ital.  S.  186,  Coli, 
phil.  S.  103,  Gölzer  Hieron.  S.  181. 

Conque7i  steht  nirgends  iii  passiver  Bedeutung  und  nur  einmal 
impersoyuü  bei  Suet.  Caes.  20,  vgl.  Bagge  S.  14:  poste?v  die  in 
senattt  conquestum  est,  aber  nicht  mit  dem  Beisatz  a  quo  =  von 
wem,  wie  es  N.  L.  vorkommt.  Cojiqueri  cum  aliquo  de  ist  klass., 
vgl.  Cic.  fam.  5,  2,  6,  aber  apud  aliquem  de  aliqua  re  steht  nur 
bei  August,  epp.  53,  5 :  declaraverat  .  .  imjjerator  eos  apud  se  de 
collegarum  suoymm  iudicio  fuisse  conquestos  und:  Tiberio  de  eadem 
re  .  .  .  apud  se  per  epistulam  conquerenti  ita  rescHpsit,  Suet.  Aug. 
51  extr.  Livius  drückt  das  Objekt  der  Klage  durch  den  Accus,  aus: 
cum  maxime  coriquereretur  apud  patres  vim  atque  iniuriam  dictatoris, 
8,  33,  4;  den  Acc.  bei  conqueri  hat  Cic.  auch,  z.  B.  Yerr.  4,  111, 
aber  er  hat  nicht  conqueri  aliquid  apud  aliquem.  Hingegen  qucri 
de  aliqua  re  apud  aliquem  ist  häufiger;    aS^;.  L.  bei  August,   contra 


Conrector  —     333     —  Conscendere 

Cresc.  Donat.  lib.  4  §  9  (opp.  T.  12) :  ajmd  quem  postea  de  iudici- 
hiis  ejnscoins  .  .  .  tanquam  7ion  rede  iiidicanühus  questi  sunt  und: 
exstant  litterae  Cari,  quihus  ajmd  praefedum  suum  de  Carini  mori- 
hus  queritur,  Fl.  Yop.  v.  Cari  c.  8;  ebenso  N.  Kl.  bei  Tacitus: 
Domitius  Corbido  de  L.  Sidla  nohili  iuvene  questus  est  apud  sena- 
tum, ann.  3,  31  u.  beim  Jüngern  PL:  soleo  nonnimqiiam  de  Ms 
occupationihus  apud  Euphratem  queriy  epp.  1,  10,  10,  endlich  selbst 
bei  Cicero :  Homericus  Äiax  apud  Acliillem  querens  de  ferodtate 
Troianorum  nesdo  quid  hoc  modo  nuntiat,  divin.  2,  82.  Hin- 
gegen queri  oder  conqiieri  alicui  mit  folgendem  Accus,  c.  infin.  oder 
quia  ist  poet.  und  sehr  spätlat.  bei  Greg.  M.  epp.  8,  34  (bis),  11, 
24  u.  12,  43  init. ;  conqueri  ohne  Dativ  mit  folgendem  Acc.  c.  inf. 
hat  Suet.  u.  Sp.  L.  die  Paneg. 

Conredor  (scholae),  ein  Konredor,  ist  ein  in  Form  und  Be- 
deutung ganz  neues  Wort ;  der  Form  nach  müsste  es  nach  dem 
Gesetze  der  Assimilation  der  Buchstaben  Corredor  heissen,  aber  die 
Bedeutung  v^eicht  ganz  von  denen  des  Wortes  Corredor  ab;  da  es 
aber  als  neuer  Amtstitel  nur  durch  weitläufige  Paraphrasen  zu  er- 
setzen wäre,  so  muss  es  heutzutage,  wie  alle  neuen  Namen,  beibe- 
halten werden. 

Consangidnitas,  Blutsverivandtsdiaft,  kommt  in  Prosa  nicht 
vor  Liv.  vor.  Consanguhieus  und  cognatus  unterscheiden  sich  be- 
kanntlich so,  dass  mit  cognati  hlutsveriuandte  Familienglieder,  con- 
sanguinei  stammveriuandte  Nationen  bezeichnet  werden.  Im  letztern 
Sinn  kann  nun  auch  consangidnitas  gebraucht  werden,  wenn  man 
es  nicht  lieber  durch  coniundio  oder  commimio  sangidnis  aus- 
drücken will. 

Consarcinare,  zusammenflicken,  zusammennäJieji,  ist  Sp).  L.  und 
selten  für  colligere,  congerere,  comportare.  Ohne  Autorität  aber  ist 
coyisarciyiator. 

Consauciare,  sta^'k  verivunden,  ist  gebraucht  von  rhet.  Her.  4, 
26,  sodann  N.  Kl.  bei  Sueton,  dann  erst  wieder  Sp.  L.;  es  ist  ge- 
rade wie  convidnerare  ein  vulgäres  Wort,  das  nicht  zur  Nachahmung 
zu  empfehlen  ist;  vgl.  Thielmann  Cornif.  S.  11,  Köhler  act.  Erl.  I, 
S.  382,  Bagge  S.  14,  Schulze  Symm.  S.  95. 

Conscendere,  hesteigen,  steht  bei  Cicero  absolut  oder  es  wird  mit 
dem  Objekt  navem  verbunden  und  zwar  immer  in  der  Wortfolge  navem 
consceyidere ;  zwischen  navem  und  conscendere  kann  höchstens  ein 
homogenes  Wort  treten.  Diese  Konstruktion  ist  in  klass.  Zeit  über- 
haupt die  gebräuchhche,  vgl.  Caes.  Gall.  4,  23,  1;  civ.  1,  27,  5.  Tritt 
aber  das  Yerbum  voran,  so  sagt  Cicero  conscendere  in  navem,  z. 
B.  fam.  14,  7,  2,  conscendere  in  phaselum  Att.  14,  16,  1;  es  wird 
dementsprechend  auch  bei  Caes.  Gall.  5,  7,  4  conscendere  in  naves 
nicht  ohne  weiteres  abzulehnen  sein  und  so  erklärt  sich  auch  Cic. 
div.  1,  68  conscensio  in  naves.  Näheres  siehe  Köhler  Lent. 
S.  24  f.,  wo  mehr  Stellen  und  auch  die  wenigen  Ausnahmen  (Cic. 
acad.  2,  100,    div.    1,  69)    verzeichnet    sind.      Caesar,   Livius    und 


Conscensus  —     334     —  Conscire 

das  N.  Kl.  Latein  verbinden  conscendere  auch  mit  andern  Objekten 
und  zwar  mit  oder  ohne  i)L  Wo  man  einsteigt,  denken  die  Lateiner 
als  ivolier,  z.  B.  zu  Ostia,  nicht  Ostiae,  sondern  Ostia,  oder  ah 
Ostia;  nicht  Brundisii,  sondern  Brundisio  oder  a  Brund.  Vgl. 
Cic.  Att.  9,  14,  3,  Phil.  1,  7,  wo  ah  eo  loco  unser  dort  ist;  Att. 
14,  16,  1  ah  hortis  Cluviayiis,  in  den  Cluv.  Gärten;  ib.  6,  8,  4 
Eplieso.  Daher  heisst  ico  nicht  uhi,  sondern  unde,  a  quo  loco;  dort, 
inde,  ah  eo  loco.  Ygl.  Cic.  Phil.  1,  7.  Doch  siehe  Liv.  44,  23,  9: 
legati  Thessalonicae  conscendere  iussi,  und:  ihi  classem  cum  ea  copia 
conscendit,  b.  Afric.  10,  1,  Spracherscheinungen,  die  beachtet,  aber 
nicht  nachgeahmt  zu  werden  verdienen. 

Conscensus,  das  Besteigen,  ist  erst  S]).  L.  bei  Sulp.  Sev.  epp. 
2,  S.  17  ed.  Halm:  negato  in  astra  conscensu  für  conscensio,  was 
auffällt,  da  von  adscendere  gesagt  wird  adscensio  und  adscensus,  und 
die  letztere  Form  häufiger  vorkommt.  Hinsichtlich  des  Wortes  con- 
scensio merke  man,  dass  Cicero,  der  es  vor  Hieronymus  allein  und 
nur  einmal  braucht,  div.  1,  68,  nicht  den  Genitiv  navium  hinzusetzt, 
sondern    in  naves,    vgl.  Köhler  Lent,  S.  25    und  s.  v.   Conscendere. 

Conscientia,  teils  mit  den  Genitiven  anhni  oder  mentis  (Cicero 
Cluent.  159),  teils  ohne  dieselben,  hat  in  der  Bedeutung  Bewusst- 
sein,  Gefühl  des  Rechts  und  Unrechts,  Geivissen,  oft  ein  bestimmendes 
Adjektiv  für  unser  gut  und  höse  bei  sich,  z.  B.  hona,  recta,  'prae- 
clara,  optima,  mala,  z.  B.  im  Gegensatz:  hona  conscientia  turham 
advocat,  mala  etiam  in  solitudine  anxia  atque  sollicita  est,  Sen.  epp. 
43,  5.  Aber  im  Zusammenhange  hat  das  Subst.  auch  ohne  ein 
Adjektiv  die  Bedeutung  gutes  oder  höses  Geivissen.  Wenn  wir 
aber  sagen:  ich  tue  das  mit  gutem  Gewissen,  so  heisst  dies  hoc 
salvo  officio  facio,  oder  salva  fide,  Cic.  off.  3,  44  und  salva  religi- 
one,  Liv.  9,  9,  1.  Doch  ist  salva  conscientia  nicht  schlechthin  unlat., 
denn  bei  Sen.  epp.  117,  1  bedeutet  salva  consc.  offenbar:  unheschadet 
meiner  TJherzeugung,  meines  Beiuusstseins.  Im  moralischen  Sinn 
steht  salva  hona  conscientia  bei  Sen.  n.  q.  praef.  1.  4  §  15:  mdlmn 
vey'hum,  quod  non  salva  hona  conscientia  procederet,  mihi  excussum 
est.  Lactant.  5,  19,  32  und  Front,  strat.  1,  9,  3  haben  dafür  integra 
conscientia.  —  D.  L.  ist  conscienticun  mihi  facio,  ich  mache  mir  ein 
Geivissen  (daraus),  für  mihi  religio  est,  in  religionem  traho,  haheo 
rem  religioni,  haheo  ?e%ios?fm  aliquid  facere  u.a.;  verneinend  mihi 
non  est  religio  mit  folgendem  quo  minus.  Sein  Gewissen  salvieren 
ist  liherare  atque  exonerare  conscientiam  suam,  Liv.  42,  13  extr.  u. 
purgare  consc.  Just.  31,  4,  3.  —  Über  den  Plural  conscientiae 
=  Regimg en  des  Schuldhewusstseins ,  vgl.  Landgraf  S.  Rose.  S.  261 
und  Nägelsb.-MüUer^  S.  189.  Im  Si^.  L.  erweitert  conscientia  seine 
Bedeutung  sehr;  vgl.  hierüber  Watson  S.  283. 

Conscire  sihi,  sich  heivusst  sein,  kommt  nur  ein  einzigesmal  bei 
Horaz  vor;  ?iil  conscire  sihi,  sich  nichts  hewusst  sein,  ep.  1,  1,  61, 
dann  erst  Sp.  L.  bei  EccL,  und  kann  nicht  angewandt  werden ;  man 
sage  sihi  conscium  esse  alicuius  rei.     S.  unter  Conscius. 


Consciscere  —     335     —  Conscribillare 

Consciscere,  zuziehen^  annehmen^  ergreifen,  mit  dem  Acaisativ 
eines  Objektes,  hat  oft  noch  ein  reflexives  mihi,  tibi,  sibi  bei  sich, 
was  jedoch  gleich  gut  auch  fehlen  kann ;  bei  Livius  ist  auch  einmal 
aliquid  in  aliqiie'm  verbunden :  in  se  ac  sitos  facimis  foeduni  ac  ferum 
conscisami  (28,  22,  5).  N.  L.  ist  consciscere  =  bescJiliessen  mit 
Inf.,  z.  B.  i7i  patriam  redire  conscivit. 

Conscius,  mitwissend,  an  etwas  beteiligt,  steht  zunächst  ganz 
absolut,  z.  B. :  Ejmnenes  consciorum  nomina  exponit,  Curt.  8,  6,  24. 
Der  Gegenstand,  um  den  man  iveiss,  steht  sowohl  im  Genit.  als  im 
Dativ^  also  sowohl  facinoris  als  facinori  conscium  esse.  Der  Genit. 
ist  häufiger,  aber  auch  der  Dat.  hat  hinlängliche  Autorität:  Jiuic 
facinori  tanto  tua  mens  liberalis  .  .  .  conscia  esse  non  debitit,  Cic. 
Cael.  52  ;  Fabricium,  quem  .  .  .  conscium  Uli  facinori  fuisse  arbitra- 
batur,  reimt  statim  fecit,  Cluent.  56  ;  ut  tot  viros  primarios  velim 
.  .  .  esse  temeritati  et  mendacio  meo  conscios,  Yerr.  4,  124.  Mit 
jemanden  um  etivas  luissen  ist  conscium  esse  alicui  cdicuius  rei,  wobei 
der  Dativ  gewöhnlich  ein  Pron.  pers.  ist,  vgl.  Dietsch  zu  Sali.  Cat.  22,  2, 
Nipperdey  zu  Tac.  ann.  1,  43.  Für  conscium  esse  alicui  rei  oder 
alicuius  rei  kann  man  bekanntlich  auch  die  Wendung  mit  den  Prä- 
pos, in  mit  Abi.  oder  de  gebrauchen:  qui  mihi  in  privatis  omnibus 
rebus  conscius  esse  soles,  Cic.  Att.  1,  18,  1.  Addit  ad  extremum, 
se  audisse  a  Curione  his  de  rebus  conscium  esse  Pisonem,  ib.  2,  24,  3. 
Sodann  wird  conscius  auch  von  dem  gesagt,  dessen  jemand  nicht 
mit  einem  andern,  sondern  für  sich  selbst  allein  bewusst  ist.  Natür- 
lich kann  es  auch  in  diesem  Sinne  absolut  gebraucht  oder  mit  dem 
reflexiven  Dativ  sibi  alicuius  rei  conscium  esse  verbunden  werden, 
z.  B.:  sermonis  adver sus  maiestatem  tuam  habiti  nidlius  conscii 
sumus  nobis,  Curt.  7,  1,  21,  wofür  poetisch  auch  alicui  rei  oder 
in  aliqua  re  sibi  conscium  esse  gesagt  wird.  —  Als  bekannt  setzen 
wir  voraus,  dass  nach  conscius  mild  sum  das  Obj.  auch  durch 
einen  ganzeyi  im  Accus,  c.  infin.  stehenden  Satz  ctusgedrückt  iverden 
hayin  wie:  conscius  mihi  sum  yiihil  me  scientem  deliquisse.  —  Wenn 
endlich  Seyffert  Progymn.  S.  114  sagt,  der  Superlativ  davon  sei 
maxime,  nicht  optime,  so  ist  dies  ganz  richtig,  wenn  es  sich  darum 
handelt,  den  Grad  der  Klarheit  des  Beivusstseins  als  den  höchsten 
zu  bezeichnen.  Wenn  aber  midieres  male  sibi  consciae  bei  Just.  2, 
5,  7  die  Art  des  Beivusstseins :  das  böse  Geivissen  bezeichnet,  so  ist 
klar,  dass,  um  den  Superlat.  der  Art:  des  guten  oder  bösen  Ge- 
wissens auszudrücken,  auch  midieres  sibi  optime  oder  pessime  con- 
sciae gesagt  werden  müsste.  Mehr  Stellen  für  mcäe  conscius  und 
bene  conscius  bringt  Engelbrecht  Claud.  Mam.  aus  8p.  L.  bei, 
vgl.  S.  45  (oder  465),  ebenso  Mohr  im  Progr.  Bremerhaven 
1886  S.  1. 

Conscribillare  ist  höchst  selten ;  Yarro  Men.  280  B.  braucht  es 
vom  Schreiben  nichtsivürdiger  Dinge;  in  diesem  engeren  Sinn  ist 
das  Wort  ganz  passend  und  zum  Gebrauch  zu  empfehlen.  S.  E^ägels- 
bach-MüUer«  S.  46, 


Conscriptus  —     336     —  Consentire 

Conscriptus.  Dass  paires  conscripti  am  häufigsten  im  Vokativ 
auftritt,  ist  naturgemäss  ;  aber  auch  der  Nominativ  ist  bei  Cicero 
nicht  selten,  sogar  der  Nom.  sing,  findet  sich  einmal,  ebenso  be- 
gegnen andre  Kasus,  vgl.  hierüber  R.  Klussmann  Z.  f.  G.  1880 
S.  324. 

Coyisecrare;  auf  Inscr.  findet  sich  auch  consacrare,  vgl.  Wölfflin 
Epigr.  Beitr.  II  S.  164.  Wenn  Wüstemann  die  Phrase  virtuühis 
se  consecrare  immortalitati  als  neulatein.  verwirft,  so  ist  er  damit 
sicherlich  ganz  in  seinem  Recht,  denn  se  consecrare  immortalitati 
ist  deutsch  gedacht:  sich  verewig en  und.  hat  keine  antike  Autorität; 
gut  aber  kann  für  jemandeyi^  sich  vereivigen  neben  andern  Phrasen 
gesagt  werden  ingeyiium,  ingenii  magnitudinem,,  res  gestas  u.  s.  w. 
memoria  et  litter is  (==  durch  niedergeschriebene  Erinneriiyigen)  con- 
secrare, wie  dies  bei  Cic.  Tusc.  5,  11  von  Socrates  so  gesagt  wird; 
für  das  zu  verwerfende  se  consecrare  aber  kann  man  wählen:  am- 
Ijlissimis  monumeniis  consecrare  memoriam  nominis  sui  nach  Cicero 
Q.  fr.  1,  1,  44. 

Consectaneus,  folgerecht,  ist  Sp.  L.  für  conseqiiens  oder  consec- 
tariiis;  als  Subst.,  der  Anhänger,  ist  es  ebenfalls  Sp.  L.  für  assec- 
tator.     Vgl.  dieses  Wort. 

Consectarius,  a,  um,  folgerecht,  wird  nur  von  Cicero  als  philo- 
sophisches Kunstwort  gebraucht,  auch  substant.  consectaria,  oriim, 
s.  Cic.  fin.  3,  26,  sonst  von  niemanden.  Mehr  im  Gebrauche  ist 
consequens  mit  dem  Subst.  consequentia. 

Consecutio  ist  in  der  Bedeutung  das  Erlangen,  Erreicheyi  sehr 
Sp.  L.  und  nicht  anzuwenden;  dafür  das  Verbum  coyisequi  und  das 
Subst.  adeptio.  Bei  Cicero  (fin.  1,  37)  bedeutet  es  teils  die  Folge 
(hoc  consecutionem  affert  voluptatis,  dieses  hat  Vergyiügeyi  zur  Folge), 
teils  die  Anordmmg  und  Verhindung  der  Wörter.  Als  Plural,  die 
Folgeyi,  kommt  es  nur  in  der  philosophischen  Sprache  vor:  causae 
reriim  et  coyisecidioyies ,  Cic.  fin.  2,  45.     Vgl.   Coyisequeyitia. 

Conseyisio  und  coyisensiis,  die  ühereiyistimmimg,  sind  beide  Kl. 
und  gleich  häufig;  aber  der  blosse  Ablativ  consensu  in  der  Bedeut. 
einstimmig  ist  erst  seit  Livius  bei  den  Historikern  üblich  für  uyio, 
oynyiium,  oder  commimi  coyiseyisu,  uno  ore,  ima  voce,  ima  meyite. 

Consentanee,  Adv.,  geyyiäss,  i'tbereiyistimmend,  ist  Sp.  L.  für  coU' 
venienter,  coyigritenter ;  vgl.  Gölzer  Hieron.  S.  193. 

Coyiseyitaneus,  gemäss,  passend  u.  dgl.  wird  meistens  mit  dem 
Dativ  verbunden,  seltener  mit  cum.  Das  neutrale  conseyitaneum  est 
hat  bei  einem  folgenden  Satze  vorklass.  bei  Plaut.  Bacch.  139  ff. 
und  einmal  auch  bei  Cic.  fin.  3,  68  (vgl.  Dahl  S.  250)  ut;  die  ge- 
wöhnliche Konstruktion,  die  sich  auch  schon  bei  Plaut.  Cure.  165 
findet,  aber  erst  mit  Cic.  häufiger  wird  (vgl.  Dräger  H.  Synt.  II 
S.  423)  ist  der  Accus,  c.  iyifin.,  z.  B.  dass  dieses  geschehe,  hoc 
fieri,  nicht  ut  hoc  fiat,  consentaneuyn  est,  z.  B.  Cic.  nat.  2,  42. 

Conseyitire,  ühereinstimyyien,  wird  verbunden  mit  dem  Dativ 
alicui  oder  cum  aliqiio,  und  mit   dem  Iyifin.    in   der  Bedeutung  ge- 


Consequentia  —     337     —  Consequentia 

meinscliaftlicJi  hesclüiessen,  etwas  zu  tun;  vgl.  oben  s.  v.  Coyiiurare. 
—  Consentire  in  aliqiiid  ist  nicht  =  ivider,  gegen  etivcis  üherein- 
stimmen^  was  latein.  heisst  consent  adver sus  aliquid,  vgl.  Front, 
strateg.  1,  9,  2,  Yal.  Max.  9,  11,  3  ext.,  Sen.  de  benef.  3,  6,  2  u. 
Liv.  4,  26,  7 ;  so  auch  das  Subst.  consensus  ßliorum  adve?^sus  imtres, 
Sen.  controv.  2,  9,  22.  Consentire  in  aliquid,  welches  jedoch  der 
klassisch.  Sprache,  die  nur  consentire  cum,  de  und  ad  kennt,  fremd  ist, 
bedeutet  vielmehr  sich  au f  odev  für  etwas  einigen,  wie  ähnlich  congruere 
und  dergl.  Verba  gebraucht  werden.  Vgl.  ausser  den  Stellen,  die  Be- 
necke aus  Just.  u.  Liv.  S.  219  seiner  Ausgabe  von  Just,  gesammelt  hat, 
und  ausser  Lactant.  5,  13,  2  noch  folgende  weitere  Zeugnisse:  Liv.  2, 
32,  9,  Quintil.  5, 10,  12,  Sen.  de  benef.  4,  4,  2,  Tac.  ann.  15,  61,  Flor.  2, 
16,  15  u.  4,  2,  93.  So  gebraucht  Tacitus  auch  das  Subst.  consensus, 
ann.  14,  5,  was  um  so  unbedenklicher  ist,  als  sich  dies  auch  bei 
Cicero  findet :  optimus  in  rempuhlicam  consensus,  Phil.  5,  46.  Noch 
gewöhnlicher  ist  in  diesem  prägnanten  Sinn  von  communi,  omnium 
consensu  ad  aliquid  inclinare,  consjnrare  die  Verbindung  von  ad  ali- 
quid consentire.  S.  Cic.  Tuscul,  3,  3,  nat.  2,  60  u.  119,  Phil.  4,  10, 
Att.  5,  18,  2,  Catil.  4,  15  u.  18,  Liv.  40,  27,  14  u.  39,  50,  6,  Nep. 
Datam.  5,  3,  Sen.  de  const.  16,  2,  Suet.  Calig.  5.  Ebenso  gebraucht 
Cicero  auch  das  Subst.  consensus  mit  der  Präposition  ad,  Phil  3,  7, 
vgl.  auch  Tac.  bist.  1,  54  Ende.  —  Coyisentire  aliquid,  wie  bellum, 
contionem  findet  sich  nach  Weissenborn  nur  Liv.  24,  37,  11;  1, 
32,  12  u.  8,  6,  8.  Bei  Cicero  steht  der  blosse  Accusativ  nur  bei 
dem  Neutr.  eines  Fron.,  z.  B.  id  consentiunt 

Consequentia  findet  sich  als  Subst.,  die  Folge,  das  Aufeinander- 
folgen, nur  einmal  bei  Cicero  div.  1,  128,  consequentia  eventorum, 
die  Folge  der  Ereignisse,  und  2')er  consequentiam  =  durch  das, 
ivas  Folge  von  etwas  ist,  rhet.  Her.  4,  67,  sonst  nirgends  ausser 
bei  Gell.  Frontin.  Arnob.  u.  spätem  Juristen,  wo  auch  erst  ein 
Plural  consequentiae,  die  Folgen,  vorkommt,  wofür  Kl.  gesagt  wird 
quae  sequuntur,  oder  consequuntur,  oder  consecutiones  neben  causae 
als  philosophisches  Kunstwort,  s.  darüber  unter  Consecutio ;  vgl. 
Thielmann  Cornif.  S.  42.  Der  Begriff  von  Folge  kann  auch  durch 
das  Part.  Praes.  ausgedrückt  werden :  Consequentibus  vestris  sublatis 
prhna  tolluntur,  Cic.  fin.  4,  55.  Assentior  eoruni,  quae  posuisti,  alte- 
rum  alteri  consequens  esse,  Cic.  Tusc.  5,  21  u.  5,  18;  Sjh  L.,  z. 
B.  bei  Hieron.  häufig,  ist  in  consecßtentibus,  vgl.  Gölzer  Hieron.  S. 
120.  Über  den  klass.  Brauch  vgl.  Seyff.-Müll.  zu  Lael.  S.  222. 
Überhaupt  liegt  in  den  Verba  sequi  und  consequi  der  Begriff  der 
Folge;  z.  B.  die  Strafe,  ivelche  die  Folge  jenes  Verbrechens  luar, 
poena,  quae  sequebatur  (consequebatur)  illud  scelus.  —  Das  philo- 
sophische Wort  Konsequenz  oder  Folgerichtigkeit  heisst  constantia ; 
folgerichtig  oder  konsequent,  constans  oder  consentajieus  (Cic.  Tusc.  5, 
25),  und  das  Adv.  constanter ;  als  Verbum  gebrauche  man  constare. 
Vgl.  Cic.  Tusc.  2,  5  constantiae  causa,  um  der  Konsequenz  ivillen. 
Die  Konsequenz  im  Systeme  oder  die  systematische  Konsequenz  heisst 

Krebs-Schmalz,  Antibatbarns  I.  22 


Consequi  —     338     —  Consideratus 

loerijetuitas  et  constantia  (Cic.  Tusc.  5,  31).  Über  conseqiienier 
,/olgerecht^^ ^  welches  seit  Apul.  im  S})-  L.  sich  findet,  vgl.  Engel- 
brecht Claud.  S.  24. 

Conseqid  ist  mehr  erfolgen,  als  Folge  eintreten,  Folge  von  etwas 
sein,  aber  seqid,  hegleitend  folgen,  nachfolgen  ;  dies  ist  gut  entwickelt 
von  Seyffert-MüUer  z.  Lael.  S.  222,  vgl.  auch  Kühner  und  Meissner 
zu  Cic.  Tusc.  1,  36,  sowie  Werth  S.  307.  Die  Bedeutung  erlangen, 
erreichen  hat  es  nur,  wenn  Mühe  und  Arbeit  damit  verbunden  ist, 
labore,  opera,  studio.  Ygl.  Adipisci.  Wenn  bei  Cicero  (fam.  1,  5, 
a,  1  afficior  summo  dolore  eiusmodi  tenipora  j^ost  tuam  profectionem 
consecnta  esse)  vor  dem  Accus,  die  Präpos.  2^ost  steht,  so  glaube 
man  nicht,  dass  consequi  auch  mit  post  und  dem  Accus,  statt  des 
einfachen  Accus,  verbunden  werde;  vielmehr  sind  jene  Worte  für 
sich  in  der  Bedeutung  in  der  Zeit  nacli  deiner  Ahreise  zu  nehmen, 
so  dass  consecnta  esse  ganz  absolut  steht.  Auch  hierüber  verbreitet 
sich  Seyffert-MüUer  z.  Lael.  S.  398;  er  führt  noch  mehr  Stellen 
an,  in  denen  nach  secpii  der  Acc.  mit  post  folgt,  z.  B.  Sali.  Jug. 
55,  3  post  gloriam  invidia  sequitur  ,Jntiter  dem  Ruhme  folgt  der 
Neid^^.  Die  Darlegung  C.  F.  W.  Müllers  1.  1.  verdient  nachgelesen 
zu  werden;  vgl.  noch  Keisig-Haase  S.  741,  Werth  S.  343,  Paucker 
Subr.  add.  S.  16. 

Conserere  mit  dem  Objekt  sermonem  verbunden  ist  von  sermo- 
nem  conferre  zu  unterscheiden.  Dieses  bedeutet  init  jemanden  ein 
Gespräch,  eine  Unterhaltung  führeil,  jenes :  das  Gespräch,  die  Unter- 
hcdtung  ankympfen,  heginnen.  Wenn  mau  nun  für  sermonem  conserere 
bloss  die  Autorität  von  Curtius  u.  Fronte  anführen  kann,  so  ist  daraus 
zu  ersehen,  dass  die  Phrase  nicht  urban  war  und  von  Cicero,  der  sermo 
in  den  verschiedenartigsten  Verbindungen  braucht,  absichtlich  gemieden 
wurde.  Auch  sermonem  serere  findet  sich  nicht  bei  Cic.  u.  Caes., 
sondern  nur  bei  Plaut.  Mil.  692,  vgl.  Lorenz  z.  St.,  bei  Caecil.  in 
Gell.  2,  23,  10,  bei  Liv.  3,  17,  10;  28,  24,  7  und  sonst,  N.  Kl. 
bei  Plin.  epp.  9,  10,  2;  näheres  hierüber  hat  Landgraf  in  Act. 
Erlang.  II  S.  18;  21;  510.  —  Wird  conserere  im  militärischen  Sinn 
mit  manus  verbunden,  so  sagt  man  sowohl  mamim  als  maniis  con- 
serere, s.  Fabri  zu  Liv.  21,  39,  3. 

Consideranter,  hedächtig,  ist  N.  Kl.  bei  Val.  Max.  8,  1  Am- 
bustae  2  u.  Spt.  L.  für  corisiderate,  Cic.  off.  1,  94. 

Considerantia,  die  tjherlegtheii,  Besonnenheit,  Bedachtsamkeit, 
ist  N.  Kl.  und  findet  sich  nur  bei  Yitruv  6,  1,  10,  daher  ist  es 
auch  kaum  nachzubrauchen,  wiewohl  es  durch  inconsiderantia  ge- 
schützt wird.  Sonst  wähle  man  consideratio ,  circumspectio,  prudentia, 
caiitio  oder  umschreibe  durch  considerate  agere,  was  klassisch  ist. 

Considerare,  hetrachten,  ilherlegen,  etwas  nach  etwas  heurteilen, 
wird  verbunden  aliquid  ex  aliqua  re  (Cic.  inv.  2,  176). 

Consideratus,  üherlegt,  üherdacht,  hat  als  Adjektiv  schon  in  der 
Kl.  Prosa  aJdiven  Sinn  angenommen,  hedaclitsam,  hehutsam,  und 
wird  Persoyieyi  beigelegt,  z.  B.  Cic.  rep.  5,  10.    Granz  so  verhält  es 


Considere  —     339     —  Consilium 

sich  auch  mit  considerate  oft  bei  Cicero,  z.  B.  off.  1,  94  u.  auch 
bei  Livius:  hellum  ittinam  qiii  ajypetunt  considerathis  eoncordinsciuey 
quam  cupiunt,  gerayit,  Liv.  4,  45,  8.  Dieser  Gebrauch  wurde  über- 
eilt verworfen.     Vgl.  Inconsideratiis. 

Considere,  sich  niedersetzen  u.  dgl. ;  ivo,  tuohin,  wird  gewöhnlich 
durch  in  c.  ciblat.,  nicht  durch  in  c.  accus,  gegeben ;  darnach 
richten  sich  andere  Ortsbestimmungen.  Wohin  heisst  uhi,  nicht  quo ; 
dort,  ihi,  nicht  eo  u.  a.  Doch  heisst  es  bei  Curt.  7,  3,  23:  YII 
milihiis  .  .  .  Macedomim  ijermissum  in  novam  urhem  considere,  weil, 
wie  Mützell  zu  Curt.  3,  1,  4  bemerkt,  hervorzuheben  war,  dass  die 
Soldaten  in  die  Stadt  hiyieingesetzt,  hineingeschickt  wurden. 

Consiliator,  der  Ratgeber,  ist  N.  Kl.  und  selten  und  steht  beim 
Jüngern  Plinius  für  das  Kl.  consiliarius. 

Consilium.  Manche  Yerbindungen  mit  Adjektiven  könnten  als 
Germanismen  erscheinen,  sind  aber  vollkommen  gut,  weil  bei  diesem 
Wort  die  Eigenschaft  der  Person  auf  die  Sache  selbst  übertragen 
wird,  z.  B.  consilium  amentissimum,  Cicero  Attic.  7,  10;  consilium 
audax,  Liv.  25,  38,  18  u.  35,  32,  13 ;  fortissima  consilia,  ib.  25, 
38,  18;  consilium  fidele,  Cic.  agr.  2,  5  u.  Curt.  6,  4,  8;  providens 
consilium,  Gell.  3,  7,  8  und  malmn  consilium,  ib.  4,  5,  5;  temerarium 
consilium,  Yell.  2,  120,  2;  consilium  incautum,  Cic.  Att.  8,  9,  3; 
praeceps  consilium,  Suet.  Aug.  8;  lene  consilium,  Hör.  carm.  3, 
4,  41;  vgl.  hierzu  besonders  Nägelsb. -Müller®  S.  266  und  Seyffert- 
Müller  z.  Lael.  S.  329.  —  Wenn  Reisig,  Yorlesungen  etc.  S.  773,  ge- 
sagt hat^  dass  bei  consilium  capere  der  Sprachgebrauch  immer  den 
Infin.  erfordere,  so  ist  dies  entschieden  falsch.  Allerdings  steht  nach 
consilium  capere  und  consilium  inire,  wenn  sie  nicht  mit  einer  attri- 
butiven Bestimmung  verbunden  sind,  oft  der  Infinit.,  oft  aber  auch 
der  Genit.  des  Gerundiums  oder  Gerundivums.  So  weit  unsere 
Beobachtungen  reichen,  steht  bei  consilium  capere  u.  consilium  inire 
bei  Klassikern  und  Nachklassikern  die  Konstruktion  mit  dem  Gerun- 
dium oder  Gerundiv  immer,  wenn  consilium  capere  oder  inire  am 
Ende  des  Satzes  oder  Satzteiles  erscheint,  auf  dessen  (bereits  ge- 
nanntes) Obj.  consilium  capere  oder  inire  sich  bezieht:  iuvenem  per- 
pulit,  ut  occidendi  regem  consilium  secum  iniret,  Curt.  8,  6,  8  u.  8, 
7,  1.  Moriendi  consilium  cepit,  Tac.  ann.  6,  26.  Opprimendae  rei 
puhlicae  consilium  cepit.,  Sali.  Cat.  16,  4.  Occidendi  sui  consilhim 
inisse  me  videri  vidt,  Livius  40,  12,  13,  necandi  aut  tradendi  eins 
in  potestatem  consilium  cepit,  39,  51,  3  u.  43,  3,  7  und  regyii  oc- 
cupandi  consilia  inire,  2,  8,  2  u.  6,  17,  7,  ius  gentium,  cuius  vio- 
landi  consilium  initum  erat,  38,  25,  8  und  classis  eos  magnae  pa- 
randae  consilium  cepisse,  43,  3,  7.  Ut  subito  Galli  belli  renovandi 
.  .  .  consilium  ccqoerent,  Caes.  Gall.  3,  2,  2  u.  5,  29,  2  und  sceleris 
conandi  consilia  inierat,  Yell.  2,  35,  5  u.  2,  80,  6.  Hingegen  die 
späte  Latinität  bindet  sich  nicht  mehr  an  diese  Regel:  pellere  ipsum 
regem  consilium  ceperat.  Just.  35,  1,  3.  Tritt  consilium  capere,  inire 
seinem  Objekt  voran,    so  steht    sehr  häufig   der  Infinitiv:    consilium 


Consiliura  —     340     —  Consiliiim 

cejnt  iter  in  urhem  imtefacere,  Liv.  44,  11,  7.  Postero  die  consilium 
ceperunt  ex  opindo  ijrofugerey  Caes.  Gall.  7,  26,  1  und  c.  71,  1. 
Heradius  cctpit  consilium  .  .  .  non  adesse  ad  iiididumy  Cic.  Yerr. 
2,  41  und:  ut  hoc  tibi  esset  .  .  confitendum,  eadem  te  liora  consilium 
cepisse  hominis  propiyiqui  fortunas  fimditus  evertere,  Cic.  Quinct.  53 
und:  iyiiit  consilia  reges  Lacedaemoniorum  tollere^  Nep.  Lys.  3,  1. 
Das  Gerundium  oder  Gerundiv  wird  aber  in  diesem  Falle  bei  den 
Spätem  ebenso  wie  der  Infinit,  angewendet:  consilium  cepeynmt  eli- 
gendi  imperaioris,  Suet.  Vesp.  6.  Graeci  consiliitm  ineunt  inter- 
rumpendi  pontis,  Just.  2,  13,  5.  Caint  consilium  Jupiter  Sonmi 
procreandij  Front,  de  fer.  Ais.  ad  Ant.  Aug.  3  S.  229  (N.).  Consi- 
lium capit  interficiendi  Nicomedis  filii,  Just.  34,  4,  1.  Cicero  schliesst 
in  diesem  Falle  den  Objektsatz  auch  mit  ut  an:  consilium  cepi,  ut 
exirem,  Attic.  7,  10;  consilium  capiunt,  ut  ad  servos  M.  Tullii  ve- 
niant,  Cic.  Tüll.  34,  vgl.  Boot  zu  Cic.  Att.  7,  10.  In  der  passiven 
Koyistruktion  hingegen  wäre  der  Infinitiv  falsch ;  es  ist  dafür  der 
Genit.  des  Gerund,  oder  Gerundivs  zu  wählen,  sei  es,  dass  consilium 
cap^ere  seinem  Objekt  vorangehe  oder  nachtrete:  inita  sunt  consilia 
urhis  delendae,  Cic.  Mur.  80  u.  81.  Inihantur  consilia  .  .  adimendae 
Campayiis  Capuae,  Liv.  7,  38,  5  und:  iudicii  resciyuleyidi  coyisilium 
initimi,  ebendas.  4,  11,  4.  Ebenso  sagt  man  auch  coyisilium  capere, 
iyiire  de  aliqua  re :  de  hello  coyisilia  inire  iyicipiuyit,  Caes.  Gall.  7, 
1,  3  und:  cum  de  recuperanda  commuyii  libertate  consiliion  initum 
videretury  5,  27,  6.  De  Spurio  Cassio  .  .  propter  coyisilia  iyiita  de 
regyio  supplicium  sumptuyyi,  Liv.  4,  15,  4.  Hat  coyisilium  capere 
oder  inire  eine  attributive  Nebeyihestimynung  bei  sich,  so  folgt  darauf 
entweder  das  Gerityidium  oder  Geruyidivum  oder  ein  Satz  mit  ut: 
coyisilium  iyiiit  yiefandae  atrocitatis  legiones  coyitrucidayidi,  Suet.  Calig. 
48.  Coyisiliuyn  immodicum  ceperuyit  Demetriadem  .  .  occupayidi, 
Liv.  35,  34,  4.  Cum  adimendae  Etruscis  Capuae  clayidestiyium  coyi- 
silium cepisseyit,  Liv.  10,  38,  6.  Hingegen  mit  ut :  coyisilium  ce- 
peruyit pleyium  scelei^isy  ut  nomeyi  huius  deferrent,  Cic.  S.  Rose. 
28;  capiunt  coyisilium  yiecessarium,  ut  suscipiant  ipsi  negotium,  Yerr. 
1,  140.  Scipio  temerarium  capit  coyisilium,  ut  nocte  Lidebili  obviayn 
iret,  Liv.  25,  34,  7.  Atrox  consilium  iniit,  ut  .  .  .  Tac.  bist.  3,  41, 
vgl.  Heraus  z.  St.  Dieselbe  Konstruktion  findet  auch  statt  bei  der 
attributiven  Beifügung  des  Pron.  hie:  hoc  consilium,  hoc  coyisilii 
capere,  ut  ...  —  Was  die  Verbindung  von  coyisilium  est  (mit  und 
ohne  Dativ,  Genitiv  selten)  betrifft,  so  wird  es  mit  deyyi  Infiyiit.  und 
mit  ut  konstruiert,  doch  so,  dass  der  hifinit  bei  lueitem  iXberwiegt, 
8.  Fabri  zu  Liv.  21,  63,  2,  mit  ut  bei  Ter.  Phorm.  934  und  Sali. 
Jug.  85,  8,  vgl.  Kritz  und  Fabri  z.  St.  Klass.  ist  auch  consiliuyn 
est  mit  Gen.  Ger.,  z.  B.  Cic.  fam.  5,  20,  4  Volusii  liberayidi  meimi 
fuit  coyisiliuyn;  Liv.  30,  20;  33,  6,  vgl.  Hildebrand  1854  S.  15.  — 
Consilium  perficere,  das  noch  in  4.  Auflage  des  Antibarbarus  für 
falsch  erklärt  ist,  hat  Autorität:  duo  consilium  communicaverimt 
perfeceruntque,  Suet.  Calig.  56;    gewöhnlicher  wäre  dafür  coyisilium 


Consitura  —     341     —  Consolari 

exseqid,  ad  effedum  additcere  u.  dgl.  —  Nach  consilmm  ahicere,  oniit- 
tere,  referre  (wieder  aufnehmen)  steht  nur  das  Gerund.,  weil  hier 
Substant.  und  Verbum  nicht  als  einen  Begriff  ausmachend  gedacht 
werden:   Memmius  aedificandi  consilium  ahiecerat,    Cic.  Att.  5,  11, 

6,  Liv.  33,  41,  5  und  Tac,  ann.  4,  4.  Für  consilmm  ahicere  kann 
ebenso  gut  auch  das  vom  f  Krebs  als  N.  L.  bezeichnete  consilium 
deponere  gesetzt  werden,  s.  Caes.  civ.  3,  103,  1.  Ebenso  steht  im 
b.  Alex.  12,  3  cogitationem  depojiere.  Cicero  drückt  fam.  13,  1, 
§  3  u.  §  5  denselben  Gedanken  (den  Bauplan  aufgehen)  das  eine- 
mal durch  ahicere,  das  anderemal  durch  deponere  aedificationem  aus. 
Ygl.  auch  Plin.  epp.  1,  22,  10. 

Consitura,  die  Bepflanzung,  steht  nur  bei  Cic.  rep.  1,  29  mit 
dem  Genit.  agri,  was  auffallend  ist,  und  ebenso  consitio,  das  Be- 
säen, Bepflanzen,  bei  Cic.  Cato  54  (aber  öfter  bei  Colum.)  für  das 
gewöhnhche  satio. 

Consitus  und  conserere  in  der  Bedeut.  gepflanzt,  pflanzen  (von 
einem  Baume,  einer  Pflanze)  ist,  wenn  auch  nicht  klassisch,  so  doch 
nicht  selten,  ja  bei  den  Autoren  der  Landwirtschaft  der  stehende 
Ausdruck  für  unser  (ein  Gewächs)  pflanzen,  säen.  Man  vergl.  die 
Stellen,  welche  Klotz  (und  Drakenborch  zu  Liv.  10,  24,  5)  darüber 
aus  Cato,  Columella,  Yarro,  Palladius,  Plinius  dem  altern  gesammelt 
haben.     Nimmt  man  dazu  noch  Liv.  10,  24,  5,  Curt.  6,  5,  14  und 

7,  2,  22,  so  wird  man  anerkennen  müssen,  dass  conserere  und  con- 
situs sowohl  vom  Orte,  der  bepflanzt  (so  bei  Cicero,  Cato  59),  als  dem 
Gegenstande,  der  gepflaozt  wird,  lateinisch  gebraucht   werden  kann. 

"^  Consociatus.  Nicht  zu  bezweifeln  ist  die  Superlativform  con- 
sociatissimus,  innigst  verhunden,  in  Cic.  fam.  3,  3,  1,  wie  ja  Cicero 
in  der  Komparation  der  Partiz.  anerkanntermassen  nicht  besonders 
skrupulös  ist.  Consociare,  consociatus  und  consociatio  sind  kl.,  aber 
consocius  gehört  dem  SiJ.  L.  an,  vgl.  Wölfflin  Freising.  Ital.  S.  9, 
Rönsch  Coli.  phil.  S.  65,  Archiv  XII  S.  274. 

Consolahilis    vom   Schmerze    gesagt,    ist    klass.,    vgl.  Cic.  fam. 

4,  3,  2  est  omnino  vix  consolahilis  dolor;  doch  findet  sich  consola- 
hilis abgesehen  von  dieser  Stelle  nur  8p.  L. 

Consolari,  trösten.  Dieses  Yerbum  ist  klass.  nur  Deponens; 
über  den  passiven  Gebrauch  von  consolari  vgl.  Schmalz  Pollio^  S. 
13,  Gebhard  S.  18,   Neue-Wagener^  III   S.  90,   Hoppe  Synt.  Tert. 

5.  62.  Was  die  Yerbindungen  dieses  Zeitwortes  angeht,  so  sagt 
man  entweder  consolari  aliqiiem  oder  consolari  aliqiiem  de  aliqua 
re,  wofür  man  latein.  bekanntlich  auch  sagen  kann:  co7isolari  aliquid 
aliciiius^  z.  B.  dolorem  aliciiius  =  einen  in  seinem  Schmerz  trösten, 
den  Schmerz  jemandes  lindern,  Cic.  Tusc.  3,  1 ;  ebenso  geläufig  wie 
der  deutschen  Sprache  ist  es  auch  im  Lateinischen:  se  consolari 
aliqua  re  =  sich  mit  etivas  trösten;  gleichfalls  gut  ferner:  aliquid 
(z.  B.  spes,  conscientia)  aliquem  consolatur.  Endlich  wird  consolari 
=  etwas  durch  Trost  lindern,  mildern  und  zwar  cdiquid  aliqua  re, 
nicht  nur  von  Seneca,  Quintilian  u.  Livius,    sondern    oft    auch   von 


Consolidare  —     342     —  Consortium 

Cicero  gebraucht :  hrevitatem  vitae  poste7itatis  memoria  consolari, 
Cic.  Mil.  97.  S.  auch  Meissner  zu  Cic.  Tusc.  5,  88  u.  Nipperdey 
zu  Tac.  ann.  3,  24;  Nägelsb.-Müll.«  S.  418  u.  479. 

Consolidare  stand  sonst  in  der  Partizipialform  consolidatiis  in 
Cic.  fam.  5,  20,  2  von  Rechnungen  gebraucht,  welche  verglichen 
oder  heglaiibigt  waren;  der  Med.  liest  jedoch  confedas  consolatas; 
daraus  hat  Orelli,  dem  sich  die  neueren  edd.  anschliessen,  confedas 
collatas  hergestellt;  man  sage  also  rationes  conficere  et  conferre.  In 
der  eigentlichen  Bedeutung  dicht  machen  braucht  es  der  Architekt 
Yitruv  von  einer  Mauer  oder  Wand,  wahrscheinlich  als  Kunstwort; 
anders  kommt  es  nicht  vor.  Ähnlich  auch  Aug.  serm.  84,  1 :  templa, 
saxa,  marmora  ferro  plitmboque  consolidata  ruunt  =  gefestet  durch 
u.  s.  w.  Bei  Hieron.  ist  es  synonym  mit  confortare^  vgl.  Gölzer 
Hieron.  S.  151. 

Consonantia,  Harmonie,  Einklang,  ist  vielleicht  ein  gewöhnliches 
Wort,  N.  Kl.  nur  bei  Yitruv,  sonst  nicht,  Sp.  L.  öfter  für  concentus 
(Cic.  off.  1,  145),  cojisensus,  consjnratio  u.  a.;  vgl.  Gölzer  Hieron. 
S.  250. 

Consonare  steht  Kl.  bei  Varro  von  Bienen,  die  zusammen  sum- 
men, und  bei  Livius  consoyums  clamor,  einstimmiges  Geschrei,  öfter 
N.  Kl.  bei  Quintilian  und  nicht  zu  verwerfen;  sonst  sagt  man  dafür 
Kl.  concinere,  assentiri,  consentire  u.  a. 

Consortium  ist  unklassisch;  es  findet  sich  jedoch  schon  bei 
LiviuS;  doch  nur  4,  5,  5;  schon  6,  40,  18  kehrte  er  zur  klass. 
Form  consortio  zurück,  vgl.  Archiv  X  S.  58  ;  dann  bei  Sen.  phil. 
Quint.  Tac.  Plin.  min.  Mor.,  ebenso  ist  auch  Lact,  als  Gewährsmann 
zu  nennen:  excßmxtmus  haheantne  inter  se  aliquod  consortium  an  .  . 
inst.  4,  27,  11  und:  alios  in  consortium  mali  siii  rajniint,  ib.  5, 
19,  4,  ferner:  solus  in  consortium  summae  x>otestatis  adscitus  est, 
ib.  epit.  42,  3  und:  quid  me  ad  consortium  mali  rajns?  53,  11, 
sowie  Paneg.  XI,  260,  1.  Ygl.  noch  Colum.  9,  9,  1  tibi  evolandi 
vires  adepti  sunt,  dedignatur  consortia  vetustiorum,  sowie  Amm.  22, 
9,  8  alii  querentes  se  consortiis  curiarum  addidos  iniuste ;  hiernach 
ist  Dräger,  welcher  zu  Tac.  ann.  3,  34  diesen  Plur.  als  aTra^  elp,  be- 
zeichnet hatte,  von  Becher  berichtigt.  Zahlreich  sind  die  Stellen  mit 
consortium  bei  Sen.  phil.,  so  z.  B.  iyiter  homines  consortium,  epp.  90, 3;  ex 
consortio  ad  rapinam  discurrere,  ib.  30  und:  me  in  consortium  admisit, 
de  benef.  6, 13,  1.  Die  Juristen  haben  oft  consortium,  nur  Papinian  das 
klass.  consortio.,  vgl.  Leipold  S.  14.  Merkwürdigerweise  halten 
sich  auch  Yell.  u.  Yal.  Max.  an  das  klass.  consortio,  vgl.  Morawski 
Eos  II  S.  4,  der  aber  unrichtig  über  das  Yorkommen  des  Wortes 
urteilt.  Im  bibl.  Latein  ist  consortium  oft  =  EJie,  ebenso  sonst  im 
Sp.  L.,  vgl.  Arch.  YIII,  188.  Einen  auffälligen  Bedeutungswechsel 
konstatiert  Gölzer  Hierou.  S.  251,  indem  bei  Hieron.  consortium 
vocahulorum  =  Homonymie  ist.  —  Klassisch  ist,  wie  erwähnt,  con- 
sortio, Cic.  off.  3,  26  oder  noch  besser  societas,  vgl.  Bagge  S.  14, 
Anm.  3. 


Conspectus  —     343     —  Constare 

Consjyechis  ist  in  der  Bedeutung  Übersicht^  Entwurf  einer 
schriftlichen  Arbeit  8p.  L.  und  findet  sich  nur  bei  Gellius  nach 
dem  griechischen  aüvo'^cg;  im  N.  L.  ist  es  sehr  gewöhnlich  für  ad- 
umhratio,  auch  wohl  summariitm. 

Consjncere,  vgl.  Aspicere. 

Conspirare.  Die  Yerbindung  von:  omnes  Codices  in  lianc  lec- 
tionem  conspirant  ist  zu  verwerfen,  weil  Codices  conspirant  für  den 
nüchternen  Charakter  der  lateinischen  Prosa  eine  etwas  kühne  Über- 
tragung ist,  sodann  deswegen,  weil  conspirare  in  aliquid  latein.  nie 
bedeutet :  ehvas  gemeinschaftlich,  einstimmig  enthalten,  bieten,  sondern 
vielmehr  ausdrückt:  ziisammemuirken,  um  etwas  (Gutes  oder  Schlimmes) 
auszuführen,  wie  Sueton  auch  sagt:  in  cdiquem  conspirare  =  sich 
wider  jemand  verschivören.  Ist  der  abhängige  Satz  positiv,  so 
steht  ut  oder  der  (weniger  gute)  Infinit.,  dies  z.  B.  bei  Suet. 
Claud.  37  ;  ist  er  negativ,  so  wird  er  mit  ne  angefügt:  conspirasse 
inde  reliquas  corporis  partes,  ne  manus  ad  os  cibum  ferrent  .  . 
Liv.  2,  32,  10.  —  Dass  conspirare  bei  Cicero  nur  im  guten  Sinne 
gebraucht  werde,  lehrte  Zumpt  de  leg.  agr.  S.  22,  erst  N.  Kl.  komme 
die  schhmme  Bedeutung  auf.  Dies  ist  nicht  richtig;  auch  Cicero 
gebraucht  gerade  wie  Caes.  Call.  3,  10,  3  conspirare  und  ferner 
conspiratio  in  schlimmem  Sinne,  z.  B.  Scaur.  20  7ion  agam  igitur 
cum  ista  Sardorum  conspiratione  u.  Deiot.  11  nihil  de  conspiratione 
audiebat  certorum  hominum  contra  dignitatem  tuam,  ebenso  sieine 
Zeitgenossen  Yatinius  und  D.  Brutus,  vgl.  Progr.  Mannheim  1881, 
S.  41,  Gebhard  S.  26.  Im  N.  Kl.  überwiegt  freilich  die  schlimme 
Bedeutung,  vgl.  Yal.  Max.  4,  7,  2,  Tac.  ann.  3,  16,  vgl.  Wein- 
kauf S.  151,  Bagge  S.  14;  Suet.  gebraucht  conspirati  gerade  wie 
coniurati,  z.  B.  Caes.  82,  vgl.  Freund  S.  56  und  fürs  Partizip  Neue- 
Wagener^  III  S.  113. 

Coyispurcare.,  beflecken,  besudeln,  ist  P.  und  N.  Kl.  und  steht 
nur  bei  Lucrez,  Columella  und  Suet.  (Ner.  35);  es  ist  höchstens  bei 
ganz  gemeinen  Dingen  zu  gebrauchen;  vgl.  Bagge  S.   14. 

Constabilire,  befestigen,  ist  nur  Ä.  L.  und  findet  sich  Plaut. 
Capt.  453  und  Ter.  Ad.  771  und  sonst  bei  den  Komikern;  in  Prosa 
ist  es  erst  ganz  Sp.  L.  für  stabilire,  fundare. 

Constare.  Die  neutrale  Redensart  omnibus  oder  i7iter  omnes 
constat  bedeutet  nicht:  es  ist  allen  bekannt,  sondern  allen  oder  bei 
allen  ist  gewiss,  unter  allen  steht  fest,  bei  edlen  ist  ausgemacht,  alle 
sind  darin  einverstanden;  daher  auch  mihi  constat,  ich  bin  darüber 
im  klaren,  es  steht  yyiir  etivas  fest,  z.  B.  quid  agam^  ivas  ich  tun 
solle.  Ygl.  Cic.  Tusc.  4,  35,  Caes.  Gall.  3,  14,  3.  —  Obgleich  con- 
stare mit  einem  Genitiv  oder  Ablativ  pretii  kosten  heisst,  so  wird 
doch :  Was  kostet  es  für  Mühe  2  nicht  mit  constare  übersetzt,  sondern 
quanti  est  lahoris  f  quantae  est  molis  f  quid  est  negotii  f  —  Constare 
nihilo  ist  nicht  E2.,  dafür  ist  zu  sagen  gratis  stare,  Cic.  YeiT.  5,  48. 
Hingegen  findet  sich  gratis  constare  N.  Kl.  bei  Sen.  epp.  104,  34 
und  Sp.  L.  bei  Aug.  serm.  385,  6. 


Constellätio  —     344     —  Constitutio 

Constellatio,  der  Stand  der  Gestirne,  die  Konstellation,  mit  dem 
Nebensinne  des  Einflusses  auf  den  Menschen,  ist  Sp.  L.,  z.  B.  Amm. 
20,  11,  32  qiiasi  fatali  constellatione  regente  eventus  für  aff'ectio 
caeli,  affectio  astrornm,  staiiis  caeli   et  stellarum,   Cic.  divin.  2,  92. 

Consternare.  Dieses  Yerbum  findet  sich  bei  Cicero  noch  nicht, 
ist  aber  bei  den  Historikern  von  Caesar  und  Livius  an  in  häufigem 
Gebrauch.  Es  bedeutet  eigentlich  das  Scheiünachen  von  Tieren,  wie 
bei  Liv.  37,  41,  10  und  38,  17,  6,  sodann  auf  Menschen  über- 
tragen ist  es  =  ausser  Fassung  gebracht,  in  Aufregung  versetzt,  in 
den  Sinnen  verioirrt  iverden.  Insbesondere  gebraucht  es  Livius  öfter 
von  Aufruhr  und  Meuterei  der  Soldaten.  Bemerkenswert  ist  die 
besondere  Kraft,  die  in  dem  prägnanten  iyi  fugani  consternari,  in 
luilde  Flucht  gejagt,  foeda  fuga  consternari,  iyi  schimpflicher  Flucht 
fortgetriehen  luerden,  ad  arma  consternari,  in  tvilder  Eile  und  Hitze 
zu  den  Waffen  eilen  u.  dgl.,  offenbar  sehr  zum  Vorteil  oder  Vorzug 
des  latein.  Idiomes  enthalten  ist;  vgl.  Wölfflin  zu  Liv.  21,  11,  13 
und  M.  Müller  zu  Liv.  2,  40,  5,  wo  viele  Stellen  aus  Livius  ge- 
sammelt sind. 

Constituere  hat,  in  welcher  Bedeutung  es  sei,  zum  Ausdruck 
von  Wo  nur  in  mit  dem  Ahlat.  bei  sich,  nicht  in  mit  dem  Accus., 
z.  B.  in  urhihus,  in  civitate,  in  acie  u.  dgl.  In  der  Bedeutung  he- 
schliessen  etwas  zu  tun,  wird  es  bei  gleichem  Subjekt  KL  fast  nur 
mit  dem  Infin.  des  folgenden  Verbums  verbunden,  selten  mit  ut 
(Cic.  fin.  5,  1,  Att.  16,  10,  mehr  Stellen,  auch  aus  Caesar,  siehe 
Ibei  Dahl  S.  273).  Aber  bei  ungleichem  Subjekt  steht  Acc.  c.  gerund, 
oder  ut.  —  Constituere  alußiem  in  regno,  in  imperio,  in  magistratu 
oder  in  Imperium  soll  von  uns  keineswegs  empfohlen  werden,  ob- 
gleich es  nicht  D.  L.,  sondern  bloss  spät  im  Gebrauch  erscheint: 
iyi  potestate  alkpiem  constituere  steht  bei  Lact.  epit.  55,  6  und  : 
constitmintur  in  honorihus,  cum  magistratus  creantur,  August,  c. 
advers.  leg.  et  Proph.  1  §  45.  In  imperio  constituere  hat  Leo  der 
Grosse  epp.  128  und:  in  regnum  aliquem  constituere,  August,  de 
corrupt.  et  grat.  §  45.  Gewöhnlich  sagt  man  dafür  constituere  im- 
peratorem,  regem,  cdicui  magistratum  dare,  mandare,  committere,  oder 
im  passiven  Sinne  obtinere,  consequi  imperium,  magistratum.  Richtig 
aber  wäre  das  mit  dem  Deutschen  wörtlich  übereinstimmende  aVußtem 
in  regnum  impoyiey^e,  Liv.  37,  25,  9. 

Constitutio  ist  in  der  Bedeutung  Anordnung,  Einrichtimg  nicht 
zu  verwerfen,  da  es  bei  Cic.  (leg.  2,  23)  mit  dem  Objektsgenitiv 
religioyium  und  bei  Livius  (39,  53,  10)  mit  dem  Subjektsgenitiv 
seyiatus  so  vorkommt,  wiewohl  es  ohne  einen  solchen  Genit.  lieber 
mit  institutum,  decretum,  zumal  im  Plur.,  zu  vertauschen  ist.  Was 
wir  Konstitution,  d.  h.  Verfassuyig,  Staatsverfassung  nennen,  liegt 
an  und  für  sich  nicht  darin,  aber  alles  wird  in  Ordnung  sein,  wenn 
man  zu  dem  generellen  constitutio  noch  den  Genitiv  rei  puhlkae  als 
Artbegriff  hinzufügt,  vgl.  darüber  Cic.  rep.  2,  37.  Nach  SeyfFert 
zwar  (Progymn.  S.   137)  bedeutet  constitutio   nur  die  Handlung  des 


Constructio  —     345     —  Consuescere 

Einriclitens ,  welche  Ansicht  sowohl  durch  den  sonstigen  Gebrauch, 
wie  z.  B.  corporis  constüutio,  als  auch  durch  Cic.  rep.  1,  69  und 
2,  53  widerlegt  wird;  in  den  beiden  letztgenannten  Stellen  ist  der 
Genitiv  rei  p.  aus  dem  Zusammenhang  zu  ergänzen ;  ausserdem 
sage  man  mstituta  et  ler/es  (Caes.  Gall.  1,  1)  oder  descriptio  civitatis 
a  maioribus  constituta  (Cic.  Sest.  137);  ein  Staat,  der  eine  gute 
Verfassung  hat,  ist  civitas  hene  constituta,  s.  Cic.  rep.  5,  7.  —  Neben 
constitutio  corporis,  die  Leiheshesdiaffenheit,  körperliche  Konstitution, 
sagt  man  auch  corporis  affectio  (Cic.  Tusc.  5,  27)  und  corporis 
hahitus  (Cels.  3,  22).  Wenig  zu  empfehlen  ist  bona  corporis  const., 
weil  Cicero  nicht  honus,  sondern  fiymus  braucht;  vgl.  Cic.  ofF.  3, 
117;  Tusc.  5,  27;  denn  aus  Cic.  fin.  2,  92  corpus  hene  constitutimi 
auf  die  Zulässigkeit  von  hona  constitutio  schliessen  zu  wollen,  wäre 
fast  so  gewagt,  als  aus  villa  hene  aedificata  bei  Cic.  off.  3,  55  hona 
aedificatio  herzuleiten. 

Constructio  verhonim,  die  Konstruktion  der  Wörter,  ist  in  dem 
doppelten  grammatischen  Sinne  erst  Sp.  L.,  da  es  in  der  bessern 
Prosa  nur  die  passende,  schickliche,  numeröse  Verhindung  und  Zu- 
sammenstellung der  Wörter  bedeutet.  Als  Kunstwort  kann  es  kaum 
entbehrt  werden.  Wo  es  zu  vermeiden  ist,  brauche  man  dafür 
im  Sinne  der  logischen  Folge  der  Wörter,  consecutio  verhorum  (nach 
Cic.  partit.  18),  ordo  verhorum^  und  im  Sinne  der  Verhindung  eines 
Wortes  mit  dem  andern,  conformatio  verhorum  (nach  de  or.  1,  151). 
Das  Yerbum  construere  aber  ist  im  grammatischen  Sinne  ebenso 
8p.  L.,  z'.  B.:  lioc  verhum  construitur  cum  ahlativo  und  ähnliche, 
für  iungititr,  coniungitur  cum  ahl.,  wie  auch  selbst  die  spätem  Gram- 
matiker meistens  sagen.  —  In  der  Kl.  Bedeutung  aufhäufen,  zu- 
sammenhringeyi  wird  das  Wohin  ausgedrückt  durch  in  mit  dem 
Ahl.,  nicht  durch  in  mit  dem  Accus.;  z.  B.  Cic.  de  or.  1,  162 
copia  ornamentorum  imo  in  loco  constructa,  oder  durch  apud, 
z.  B.  Cic.  Phil.  2,  97  tanti  acervi  nimimorum  apud  istum  con- 
struuntur. 

Consuasor,  der  Ratgeher,  kommt  nur  einmal  vor,  und  zwar  bei 
Cicero  Quinct.  18,  für  das  sonst  beständige  suasor.  Gleich  selten 
und  nur  A.  L.  ist  das  Yerbum  cojisuadere  für  suadere ;  vgl.  Hell- 
muth act.  Erl.  I  S.  126,  Thielmann  Cornif.  S.  12,  wo  consuadere 
durch  5  Stellen  aus  Plaut,  belegt  ist.  Die  Zusammensetzung  ist 
vulgär  und  daher  später  von  Cicero  gemieden. 

CoHsuefieri,  geiuohnt  tuerden,  sich  gewöhnen,  ist  sehr  Sp.  L.  für 
consuescere,  in  consuetudinem  venh^e;  ebenso  ist  N.  L.  consuetum 
fieri.  Auch  consuefacere  meide  man,  dafür  ist  assuefacere  besser, 
vgl.  Köhler  act.  Erl.  I  S.  383. 

Consuescere  hat  in  klass.  Zeit  den  Inf.  nach  sich,  nie  jedoch 
einen  Kasus;  N.  Kl.  wird  der  Dat.  oder  Abi.,  S]).  L.  auch  der 
Accus,  damit  verbunden,  vgl.  C.  F.  W.  Müller  in  N.  Jahrb.  1890 
S.  719.  —  Zu  vermeiden  ist  consuetus  sum  =  ich  hin  geiuohnt,  ich 
pflege,  für  consuevi.   Sehr  selten  ist  das  Impersonale  consuevit,  z.  B.  bei 


Consulere  —  346  —  Consulere 

Sali.  Cat.  22,  2:  siciit  fleri  consiievit,  vgl.  Dietscli  z.  St.  Das  Part. 
consuetus  mit  dem  Dat..  Ahlat  oder  mit  folgendem  Infinitivsatz  ist 
zu  meiden;  es  widerstreitet  dem  Sprachgebrauch  der  besten  Pro- 
saiker (vgl.  Dräger  H.  Synt.  II,  335,  Köhler  act.  Erl.  I  S.  444)  und 
findet  sich  ausser  im  Ä.  L.  nur  im  b.  Hisp.  25,  2,  dann  im  b.  Afric. 
73,  2:  coinas  liahehatin  Gallia  hellare  cönsiietas  locis  cani2)est7'ilms  u.  bei 
Colum.  1,  8,  2  :  genus  manciinorum  otiis,  circo,  theatris,  aleae,  poinnae 
consiietnm  und:  qnihus  consueti  erant  itterque  agrestibus  ferramentis, 
Liv.  1,  40,  5.  Auch  ^S^;.  L.  konstruiert  sich  consuetus  mit  folgendem 
Infin.  und  zwar  bei  Gellius  10,  24,  8,  vgl.  Gorges  S.  46,  bei  Sulp.  Sev. 
dial.  2,  10,  1  (H.):  inscem  Pascliae  diehus  edere  consuetus,  so  wie  sich 
in  der  Yulgata  auch  consuetus  numerus,  consueta  hominwn  mors, 
consuetus  concursus  findet,  s.  Exod.  5,  18,  Num.  16,  29,  II.  Mak- 
kab.  14,  30.  Überhaupt  wird  es  sich  empfehlen,  für  consuetus,  das 
Caesar  nie,  Cicero  nur  rep.  3,  8  hat,  assuetus  oder  assuefactus  zu 
gebrauchen;  vgl.  Köhler  act.  Erl.  I  S.  384.  Neulat.  aber  ist  con- 
sueto  more  =  nach  gewohnter  Weise,  Sitte  für  das  häufige,  aber 
unkl.  solito  more.  Das  letztere  steht  bei  Hier.  adv.  Jovin.  2,  28 
extr.,  August,  serm.  296,  12,  Jul.  Capit.  in  Max.  duo  c.  3,  Greg. 
M.  dial.  1,  3  und  2,  8  u.  sonst,  Apul.  met.  9,  3  g.  E.,  Front,  epp. 
2,  12,  Sen.  Oedip.  374,  Troad.  96,  Yal.  Max.  5,  10,  extr.  1,  Sen. 
epp.  99,  1  und  Curt.  5,  12,  6  ;  7,  1,  15  und  8,  14,  39  und  Suet. 
Caes.  41.  Solito  de  more  findet  sich  nicht  nur  bei  Arnob.  nat. 
5,  1,  S.  174,  2,  sondern  auch  Yerg.  Aen.  7,  357.  Nach  Sitte  heisst 
in  Kl.  Sprache  more,  consuetudine  oder  ut  fit,  ut  qiiis  consu£vit;  vgl. 
Heumann  Progr.  1871  S.   13. 

Consulere  wird  in  der  Bedeutung  einen  um  Rat  fragen,  befragen, 
zu  Rate  ziehen  verbunden  aliquem  consulere;  wegen  einer  Sache,  de 
aliqua  re;  in  der  Bedeutung  für  einen,  für  etwas  sorgen,  bedacht 
sein,  alicui  (rei)  consulere ;  fürs  cdlgemeine  Beste,  in  medium,  in 
commune;  in  Rücksiclit  auf  jemanden  oder  gegen  jemanden  etwas  be- 
schliessen  oder  gegen  ihn  verfah^-en,  de  aliquo  oder  in  aliquem  con- 
sidere.  Das  etiuas  oder  tuie  verfahren  wird,  wird  durch  ein  Adv. 
ausgedrückt,  z.  B.  graviter,  crudeliter ;  dass  eine  solche  adverbiale 
Nebenbestimmung  nie  bei  Cicero  vorkomme,  ist  unrichtig :  aliter  mihi 
de  Ulis  ac  de  me  iiiso  consulendum  est,  Cic.  Att.  7,  13,  3  u.  ebenso 
Cael.  bei  Cic.  fam.  8,  16,  1:  per  fortunas  tuas,  Cicero,  per  liberos 
te  oro  et  obsecro,  ne  quid  gravius  de  salute  et  incolumitate  tim  con- 
sulas ;  oft  kommt  dies  aber  bei  Livius  und  einmal  auch  bei  Sallust 
vor,  8.  Jug.  95,  3.  —  Die  Phrase  boni  consulo,  w^elche  Dräger  II. 
Synt.  I  S.  460  und  Kraut  Plin.  S.  13  unter  dem  Gen.  possess.  be- 
handeln, findet  sich  schon  bei  Plaut.  Truc.  429,  bei  Yarro  ling.  lat. 
7,  4,  bei  Cato  nach  Gell.  10,  3,  17,  bei  Ovid  und  ist  von  da  in 
die  silberne  Latinität  aufgenommen  worden.  Daselbst  lesen  wir  es 
bei  Quint.  1,  6,  32,  prooem.  6,  16,  bei  Plin.  nat.  8,  44,  bei  Colum. 
10,  praef.  5:  quidquid  est  istud,  quod  elucubravimus,  adeo  j^ropriam 
laudeni  sibi  non  vindicat,  ut  boni  consulat,  si  .  . ;  auch  beim  Jüngern 


Consulere  —  347  —  Consulore 

Plinius:  quod  si  feceris,  honi  consulam,  epp.  7,  12,  3.  Oft  aber 
finden  wir  diese  Phrase  bei  Seneca:  thsimi  fructwn  eins  (fratris), 
qiiamvis  hrevior  voto  tuo  fiierit,  honi  consule,  cons.  ad  Polyb.  10, 
6;  quidquid  acddit,  honi  consulant,  de  prov.  2,  4;  hoc  muniis  rogo, 
qitalecimqite  est,  honi  consule,  de  benef.  1,  1,  8;  honi  considamus 
et  animiim  eins  grate  excipiendo  evocemiis,  ib.  2,  28,  2;  honi 
consides,  quidquid  sn/perest,  ib.  7,  1,  1;  quam  (Epiciiri  vocem) 
honi  consiäe,  epp.  9,  20 ;  si  exiguimi  erit  et  angustum,  quo  possit  vita 
produci,  id  honi  consulet,  epp.  17,  9;  si  ita  competit,  ut  ideni  ille, 
qui  sanare  potest,  compte  de  iis,  quae  facienda  sunt,  disserat,  honi 
consulet;  si  quid  remittitur,  honi  consulo,  epp.  88,  17;  si  placuerunt 
versus,  honi  consulo,  epp.  107,  10;  lianc  pistoris  moram.honi  consulo, 
epp.  123,  1.  Endlich  ist  honi  consulere  auch  vom  Kaiser  Augustus  bei 
Suet.  V.  Horat.  gebraucht:  quem  (Uhellum)  ego  honi  consido.  Da 
honi  consulere  transitiv  gebraucht  v^ird,  kann  es  auch  ein  persön- 
liches Passiv  haben;  so  liest  denn  Hosius  bei  Gell.  10,  3,  17  eane 
fieri  honis,  hono  genere  gnatis,  honi  consultis  (nicht  consulitis). 
Während  nur  hoyii  consulere  als  Ausdruck  der  familiären  Sprache 
vollkommen  gut  und  richtig  ist,  muss  als  unlat.  gelten  mali  con- 
sulere, vras  keine  antike  Autorität  hat.  —  N.  L.  ist  ferner  alicui  con- 
sidere  in  der  Bedeutung  einem  raten,  einen  Rat  gehen,  für  cdicui 
suader e,  cdicui  auctorem  esse,  consilium  dare.  Nicht  N.  L.,  aber 
N.  Kl.  und  8p.  L.  ist  considere  =  interrogare,  z.  B.  Suet.  Aug.  18 
consultus,  num  et  Ptolemaeum  inspicere  vellet,  vgl.  Freund  S.  56.  — 
Was  consultare  betrifft,  so  ist  die  bei  considere  so  häufig  vorkom- 
mende Bedeutung :  jemand  hefragen,  um  Rat  fragen,  bei  consultare 
sehr  selten :  quid  me  consultas,  quid  agas,  Plaut.  Mil.  1097;  eben  so 
consultare  aves,  Plin.  Pan.  76,  7  und :  principem  consultare  in  den 
Digg.  Eben  so  selten  ist  consultare  aliquid  =  inhetreff  einer  Sache, 
üher  etwas  sich  heratschlagen :  ad  haec  consultanda  procurandaque 
multitudine  omni  conversa,  Liv.  1,  21,  1  und  c.  55,  6:  quos  ad 
eam  rem  consuUandam  ex  Etruria  acciverant  und:  haec  Uli  consid- 
tahant,  ib.  28,  26,  1 ;  matronae  coetihus  ad  eam  rem  consultandam 
Jiahitis  .  .  auruni  .  .  in  aerarium  detulerunt,  ib.  5,  25,  8;  partim 
ipsae  propter  se  consultandae  sunt,  rhet.  Her.  3,  2;  am  seltensten 
aber  ist  coyisultare  cdicui  =  consulere  alicui,  wofür  nur  Sali.  Catil. 
6,  6  und  Aur.  Vict.  Caes.  15,  6  angeführt  werden.  Hingegen  in 
der  Bedeutung  sich  üher  etwas  heratschlagen  ist  consultare  entweder 
absol.  oder  mit  de,  super  cdiquo,  aliqua  re,  oder  mit  indirektem 
Fragesatz  lange  nicht  so  selten,  als  es  nach  unseren  Wörterbüchern 
scheinen  könnte.  Bei  Caesar  z.  B.  steht  considere  in  diesem  Sinne 
nur  zweimal:  de  se  ter  soi^tihus  consultimi,  Caes.  Gall.  1,  53,  7  und: 
Gcdli  quid  agant  consulunt,  7,  83,  1 ;  dagegen  de  exitu  fortunarum 
suarum  consultahant,  7,  77,  1  und:  de  hello,  de  reliquis  rehus  coji- 
sultahant,  5,  53,  4  und  civ.  1,  73,  1.  Bei  Sali,  steht  considere  so 
Cat.  1,  6  (bis)  und  51,  21  ganz  absolut,  dagegen  de  rehus  duhiis 
considtare,    Cat.  51,    1    und   mit   Fragesatz:    res    monet   cavere   ah 


Consultare  —     348     —  Consultus 

Ulis  magis  quam,  quid  in  iJIos  sfatuamus,  consultare,  ib.  52,3  und: 
in  medium  consultare,  Sali.  hist.  4,  37  M.  Der  rhet.  Her.  hat  3,  2 
ut  si  Hannihal  consultet,  an  in  Itcdia  remaneat,  doch  nirgends  con- 
sulere.  Auch  bei  Cic.  finden  wir  dies  consultare:  Octavius  con- 
sultahat,  utrum  Eomani  irroficisceretur,  an  .  .  Att.  16,  8,  2  und: 
in  quihus  deliherare  Jiomines  et  consultare  de  officio  solent,  off.  3,  7 
und  1,  9.  Bei  Liv.  steht  consulere  =  sich  üher  etwas  beraten, 
allerdings  gar  nicht  selten,  aber  consultare  ist  bei  ihm  doch  bei 
weitem  vorherrschend,  denn  wenn  Fabri  zu  Liv.  21,  16,  2  für  den 
(absoluten)  Gebrauch  von  consulere  noch  sieben  weitere  Stellen  dieses 
Autors  zitiert,  so  kann  dagegen  für  das  absolut  gesetzte  consultare 
verwiesen  werden  auf  Liv.  2,  4,  3;  2,  57,  2;  9,  3,  1;  24,  22,  10; 
21,  7,  1;  23,  25,  3;  25,  38,  4;  30,  16,  13;  33,  12,  12;  34.  19,  7; 
34,33,  5;  35,46,  2;  36,  6,  7;  39,  30,  10;  39.  49,  12  u.  50,6;  42,  62, 
11;  44,  31,  10.  Sehr  häufig  sind  bei  Livius  auch  die  Stellen  für 
consultare  de  cdiquo,  de  cUicßia  re,  z.  B.  de  hello,  de  summa  rerum 
consult.  10,  25,  1  und  22,  53,  4;  de  Poeno  hoste  consult.  23, 
25,  4;   de  summa  7-epuhlica,  de  summa  belli  consult.  26,  10,  2;  28, 

5,  13;  36,  14,  6;  consultatiim  de  Tliessalorum  gente  est,  36,  7,  8; 
de  pace  JRomana,  de  sua  salute,  de  belli  gerendi  ratione,  36,  29,  11; 
38,  57,  7  und  44,  35,  6;  oft  wird  bei  Livius  das  Objekt  der  Be- 
ratung in  der  Form  eines  indirekten  Fragesatzes  eingeführt:  de- 
cemviri  Consultant,  quid  opus  facto  sit,  Liv.  3,  38,  4;  4,  31,  8; 
9,  9,  12  u.  32,  3;  quid  agerent  consultabant,  24,  30,  5;  29,  4,  1; 
31,  25,  4  u.  33,  3,  7.  Consultare  cum  Aetolis  rex,  quid  deinde 
fieret,  35,  47,  2;  36,  10,  6;  37,  28,  3;  38,  3,  9;  40,  21,  7  und  58,  7; 
41,  24,  13  und  42,  57,  4.  —  Bekanntlich  wird  oraculum,  deum^  vates 
consulere  richtig  gesagt,  vgl.  Cic.  leg.  2,  40  cum  consulerent  Äthe- 
nienses  Apollinem.  Davon  kommt  offenbar  das  moderne :  Homerum, 
Platonem  etc.  consulere  ^=  aufschlagen,  nachlesen,  ein  Gebrauch^ 
welcher  einer  antiken  Grundlage  gänzlich  ermangelt,  denn  v^ou  dem 
Nachlesen,  dem  Aufschlagen  der  sibyllinischen  Bücher  sagten  die 
Alten  einfach  inspicere,  was  für  uns  allein  richtig  ist. 

Consultare,  s.  Consulere. 

Considtator,  der  um  Bat  fragt,   findet    sich    einmal    bei  Quint. 

6,  3,  87  und  einmal  bei  den  Juristen,  vgl.  Dirksen  s.  v.  u.  Paucker 
Vorarbeiten  II  S.  11;  Kl.  ist  consultor,  Cic.  Mur.  22. 

Consulte,  vorsätzlich,  absichtlich,  vermeide  man  als  seltene  und 
unklassische  Form  für  das  Kl.  consulto. 

Consultus  als  Subst.,  die  Einsicht,  der  Beschluss,  ist  sehr 
späte  Form  für  consultum.  Die  Stellen  des  Sali.,  PHn.  (des  altern) 
und  Liv.,  welche  früher  als  Autoritäten  galten,  sind  jetzt  hand- 
schriftUch  korrigiert,  vgl.  Georges  s.  v.  —  Consultus  Adjektiv 
:=  beraten,  erfahren,  z.  B.  iuris  ist  klass.  ;  die  Verbindung 
iure  consultus,  die  gleichfalls  klass.  ist,  z.  B.  Cic.  Phil.  2,  96,  erklärt 
Skutsch  durch  Abstumpfung  des  iuris  in  iure  entstanden,  vgl. 
Archiv  XII  S.  199. 


Consumere  —     349     —  Contemporaneus 

Consumere.  Man  schreibe  im  Perf.  consumpsi  für  coyisiimsi,  und 
im  Supinum  consumptiim  für  consumtiim.  Ehuas  auf  etwas  oder 
auf  eineyi  verwenden  heisst  consumere  aliquid  in  aliqua  re,  so  be- 
sonders, wenn  das  Objekt  ein  Zeitbegriff  ist,  z.  B.  in  his  rebus  dies 
X  consumit,  Caes.  Gall.  5,  11,  6  und:  in  eo  studio  aetatem  con- 
sumere, Cic.  off.  1,  2  und:  tota  nox  in  exinanienda  nave  consumitur, 
Verr.  5,  64  und  Caes.  civ.  2,  23,  1;  im  KL  ist  in  diesem  Falle 
der  Abi.  ohne  iii  nach  Madvig  zu  de  fin.  S.  699  nicht  zulässig.  Da- 
gegen bezeichnet  der  Abi.  die  Weise,  wie,  oder  die  Beschäftigung, 
mit  welcher  man  eine  Zeit  hinbringt,  so  z.  B.  Caes.  Gall.  5,  31,  4 
und  civ.  2,  23,  1,  Cic.  Yerr.  2,  96,  fam.  1,  2,  1,  ib.  11,  27,  5, 
und  7,  1,  1  (reliquas  vero  ixirtes  diei  tu  consumebas  iis  delecta- 
tionihus,  quas  .  .).  Consumere  aliquid  in  aliquid  ist  zwar  selten 
und  unkl.,  aber  nach  der  Analogie  von  conferre,  conicere  aliquid 
in  aliquam  rem,  ganz  richtig  gebildet.  S.  Liv.  39,  5,  9,  Val.  Max. 
3,  1,   1  extr.,  Sen.  n.  q.  3,  11,  3,  Quint.  3,  11,  13. 

Consummay^e,  zum  höchsten  Gipfel,  Grade  oder  zur  Vollendung 
bringen,  vollenden,  ist  erst  seit  Livius  im  Gebrauche,  findet  sich 
ausserdem  bei  Yitruv,  Vell.,  Yall.  Max.,  Sen.  rhet.,  Sen.  phil.,  Plin. 
mai.  u.  min.,  bei  Tac.  nur  hist.  3,  84,  Quint.  u.  a.  Gründlich 
handelt  hierüber  Wölfflin  Cass.  Fei.  S.  419  f.  u.  Archiv  II  S.  354  f., 
sowie  Thielmann  Arch.  YIII  S.  256  u.  XI  S.  6,  Watson  S.  285. 
Da  auch  Livius  nach  Wölfflins  Darlegung  nur  einen  sehr  einge- 
schränkten Gebrauch  von  dem  Worte  macht,  ebenso  Tac,  möchten 
wir  es  nicht  eben  empfehlen. 

Consurgere,  aufstehen,  wird  nicht  allein  von  mehrern,  sondern 
auch  von  einem  gebraucht;  so  wenigstens  bei  Livius,  abgesehen  von 
früheren  Dichtern,  z.  B.  bei  Lucrez.  —  Hand  (Lehrbuch  3.  Aufl. 
S.  164),  und  nach  ihm  Berger  (Lat.  Stil.  8.  Aufl.  von  Dr.  E.  Lud- 
wig S.  148)  fiuden  etwas  Feierliches  und  Förmliches  darin;  indes 
spricht  das  Verblassen  der  Bedeutung  der  Präpos.  mehr  für  den 
Gebrauch  der  Yolkssprache,  vgl.  Lorenz  zu  Plaut.  Pseud.  S.  37 
Anm.  37.  Sy.  L.  ist  consmyere  alicui,  vgl.  Rönsch  Coli.  phil. 
S.  246;  Kl.  ist  assurgere  alicui,  Cic.  Pis.  26. 

Contages,  die  Berührung,  Ansteckung,  ist  nur  P.  L.  für  con- 
tagio;  contagium  dagegen  findet  sich  zuerst  bei  Livius,  vgl.  Hilde- 
brand Progr.  1868  S.  4  und  Kühnast  S.  394,  dann  bei  Sen.  epp. 
13,  6,  wiederholt  beim  altern  Plinius,  bei  Plin.  ep.  4,  11,  9  im 
Texte  von  C.  F.  W.  Müller  und  bei  Gell.  12,  1,  18,  sowie  Florus 
1,  15,  1  (aber  cod.  N  liest  contagione).  Im  Sp.  L.  überwiegt  con- 
tagium über  contagio,  z.  B.  beim  Papste  Gelasius,  vgl.  Archiv  XII 
S.  4;  bei  Lact,  tritt  es  zurück.  Cyprian  wechselt  mit  beiden 
Formen  je  nach  dem  rhythmischen  Bedürfnis;  doch  überwiegt  con- 
tagium.    Man  halte  sich  an  contagio,  das  Cic.  oft  hat, 

Contemporaneus,  der  Zeitgenosse,  ist  Sp.  L.  bei  Gell.  19,  14 
im  lemma.  Dafür  und  für  das  Sp.  L.  contemporalis  (bei  Tertull. 
und  Hieron.,  vgl.  Gölzer  Hieron.  S.  144)  sagt  man  aequalis  temporum 


Contemptibilis  —     350      —  Contendere 

illorum  (Cic.  div.  1,  39)  oder  mit  Livius  aeqiialis  temporilm^  oder 
hämo  emsdem  temijoris^  eiusdem  aetatis.  Unsere  Zeitgenossen  dagegen 
sind  lat.  nicht  nostri  liomines,  was  unsere  Landsleute  bedeutet,  sondern 
aeqiicdes  nostri. 

Coyitemptibilis,  verächtlich,  ist  Si).  L. ;  es  gehört  der  Sprache 
der  Juristen  u.  Eccl.  an,  vgl.  Dirksen  s.  v.  u.  Göizer  Hieron.  S.  135, 
sowie  Rönsch  Ital.  S.  110.  Das  Part.  perf.  pass.  von  contemnere 
wird  latein.  nie  im  Sinn  eines  Part,  praes.  substantiviert,  die  Ver- 
achteten sind  also  lat.  nur  qiii  contemniintur ;  das  Part.  fut.  pass. 
dagegen  wird,  wie  bei  andern  Verben,  so  auch  bei  contemnendus 
und  zwar  gewöhnlich  in  negativen  Sätzen  non  contemnendus  statt 
eines  Adj.  auf  hilis  als  Ersatz  für  das  spätlat.  contemptibilis  ge- 
braucht, also  non  cont.  =  nicht  zu  verachten,  heachtensivert ;  vgl. 
Caes.  civ.  3,  110;  Cic.  Tusc.  2,  49,  am  häufigsten  bei  Liv.  u.  Amm., 
Weyman  Litotes  S.  541;  non  contemptibilis  hat  Ulpian  dig.  21,  2, 
37,  2,  non  contemptus,  Sen.  nat.  6,  23,  2.  —  Ferner  gehört  contemptus 
zu  denjenigen  Part.  perf.  pass.,  welche  die  Bedeutung  eines  Adj. 
verbale  auf  ilis  haben,  vgl.  Seyfifert-MüUer  zum  Laelius  S.  228, 
Nägelsb. -Müller '^  S.  270.  Ebenso  ist  zu  merken,  dass  contemnere 
öfters  nicht  bloss  bedeutet:  geringschätzig  von  jemand  denken,  sondern 
auch  eiyieyi  durch  Worte  herabsetzen,  verkleinern,  wie  nicht  nur 
Hör.  sat.  1,  1,  65,  sondern  auch  Cic.  sagt:  contempsisti  L.  Mure- 
nae  genus,  extulisti  tuimi,  de  or.  1,  75  u.  3,  59.  Etwas  im  Ver- 
gleich mit  etwas  anderem  gerifigschätzen,  wird  von  Cic.  ausgedrückt 
durch  cdiquid  prae  cdiqiia  re  contemnere,  agr.  2,  96.  —  Endlich  ist 
beachtenswert,  dass  contemptus  als  Adj.  auch  Kompar.  u.  Superl. 
bildet  und  zwar  in  der  klass.  Sprache,  vgl.  vox  contemptior  cpuam, 
Cic.  Cato  27  und:  contemptissimorum  consulum  levitas,  Sest.  36  und 
contemptius,  Phil.  3,  16  und  divin.  2,  117.  —  Ein  Adverb  contempte 
gibt  es  nicht,  wohl  aber  hat  Sen.  brev.  vit.  11  adverbiales  contemptius, 
vgl.  Funck  Archiv  VHI  S.  92.  —  Dass  contemnere  sich  mit  unserem 
jjVefxichten^^  nicht  deckt,  vielmehr  nur  bedeutet  ,ynch  nichts  aus 
etiuas  machen''^,  zeigt  Seyffert-Müller  zum  Lael.  S.  448;  vgl.  auch 
Tegge  S.  360;  verachten  ist  despicere. 

Contemptus,  die  Verachtung,  findet  sich  nicht  bei  Cicero,  bei 
Caesar  steht  einmal  contemptui  esse  (Gall.  2,  30,  4),  im  b.  Alex. 
74,  3  contemptii,  KL  ist  coyitemptio.  Contemptui  habere  sagt  Suet. 
Aug.  93,  Treb.  Poll.  trig.  tyr.  1,  1,  Aur.  Vict.  Caes.  3,  vgl.  Nie- 
länder 1874  S.  16  Anm.  2;  1877  S.  11;  1894  S.  5.  Mit  Livius, 
der  es  wie  früher  schon  Lukrez  auch  im  Plural  braucht  (Riemann 
S.  58),  bürgert  es  sich  in  Prosa  ein  und  erhält  sich  bei  Yell.  Quint. 
Tac.  Suet.  und  Sp,  L.     Vgl.  Georges  Vell.  S.   18. 

Conteyidere  ist  als  Transit.  =  anspanyieyi,  cuistrengeyi,  z.  B.  nervös 
coyiteyidere  iyi  aliqita  re  =  Kraft  auf  etiuas  verwenden;  ebenso  ist 
gut  coyiteyidere  cdiquid  cum  aliqua  re  =  mit  etwas  vergleicheyi.  Als 
V.  Neutr.  bedeutet  es  sich  ayistrengeyi,  etwas  zu  tun,  nach  etiuas 
eifrig  strebeyi,    daher  in  posit.  Sätzen  mit  ut,    in  negativen    mit  ne, 


Contenebrascere  —     351     —  Contentus 

wie  contendere  dehes  ut  vincas;  mit  ne  bei  Caesar  Gall.  1,  31,  2; 
aber  auch  der  Inf.  ist  zulässig,  wie  Caes.  Gall.  5,  6,  3  ille  omnihus 
primo  precibus  petere  contendit,  ut  in  Gallia  relimiueretiir.  In  dem 
8inne  von  etwas  behaupten  lässt  es  nur  Neutra  von  Fron. :  hoc,  id, 
illud,  nie  aber  den  Accus,  eines  Subst.  zu,  also  nie  sententiam  con- 
tendere =  eine  M.  verfechten^  behaupten,  w^ofür  man  entweder  de- 
fendere^  tiieri  seyitentiam  sagt,  oder  contendo  mit  dem  Acc.  c.  Infin. 
verbindet:  contendo  sententiam  veram  esse,  Cic.  Sest.  107,  Arch.  15. 
Sätze  wie :  ut  Asclepiades  contendit,  sind  mit  Unrecht  als  unlat.  ver- 
worfen worden,  denn  so  sagt  Gels.  Med.  lib.  I,  praef.  S.  3  D. ; 
aber  zur  Nachahmung  sind  sie  nicht  zu  empfehlen.  —  In  je- 
manden dringen  ist  contendere  ah  aliquo,  s.  Cic.  fam.  2,  6,  1, 
S.  Rose.  4,  vgl.  Seyffert-Müller  z.  Lael.  S.  279;  contendere  cum 
aliquo  ist  =  mit  jemanden  ringen,  streiten,  z.  B.  armis  de  princi- 
patu  contendere;  contende^'e  ad  aliquid,  nach,  um  etiuas  ringen, 
z.  B. :  ad  summam  gloriam  laudemque  contendere,  animo  ad  idtimum 
contendere  =  sich  das  höchste  Ziel  setzen,  und  rein  lokal:  ad  hostes, 
ad  oppidum,  ad  Rhenum,  in  Italiam  und  (bei  Städtenamen)  mit 
dem  blossen  Accus.,  wie  Romam  cont.  =  angestrengt  marschieren, 
eilen. 

Contenebrascere  (contenebrescere),  finster  iverden,  kommt  bei  Varro 
r.  r.  2,  2,  11  vor  in  der  Form  contenebravit^  dann  erst  Sp).  L.  für 
obscurari  oder  (es  ivird  finster)  tenebrae  oboriuntur  (nach  Cic.  Lig.  6). 
Vgl.  Gölzer  Hieron.  S.  181,  Sittl  in  Wölfflins  Archiv  I  S.  488  u. 
497  (Yulg.  EccL). 

Contente  ist  als  Adv.  von  conteyitus  A.  u.  iS^.  L.  in  der  Be- 
deutung ^.^eingezogen,  knapp^^,  gewöhnlich  mit  2Mrce  oder  arte  ver- 
bunden, z.  B.  Paneg.  XII,  283,  10  imperatorem  parce  contenteque 
viventem,  vgl.  Chruzander  S.  18;  aber  er  lebt  zufrieden  ist  nicht 
contente.,  sondern  contentus  vivit  oder  est;  vgl.  Hör.  sat.  1,  1,  3  u. 
Heerdegen  bei  Reisig-Haase  S.   116  Anm. 

Contentio  (von  contine^^e)  ist  in  der  Bedeutung  Zufriedenheit  mit 
und  ohne  den  Genit.  ayiimi  iV.  L.  für  animns  contentus  oder  aequus, 
animi  aequitas. 

Contentiosus,  streitsüchtig,  ist  N.  Kl.,  kommt  aber  nur  einmal 
bei  Plin.  vor  (ep.  2,  19,  5):  pugnax  et  quasi  contentiosa  oratio, 
sonst  ist  es  nur  ^S^;.  L.  für  pugnax,  perpugnax,  contentionis  amans 
oder  cupidus,  rixae  oder  iurgii  amans,  litigiosus;  das  Adv.  C07i- 
tentiose  ist  nur  Sp.  L.  bei  Eccl.  Quint.  deck;  vgl.  Paucker  Yor- 
arbeiten  I  S.  76,  Gölzer  Ilieron.  S.  194. 

Contentus,  zufrieden,  genügsam,  wird  richtig  angewandt  von 
dem,  der  nicht  mehr  verlangt,  als  was  da  ist,  was  er  hat,  und  sich 
damit  begnügt.  Klass.  steht  contentus  nicht  absolut,  es  erfordert  eine 
Ergänzung:  rehis  suis,  fortuna  sua  u.  ä.  —  Unser  Adjekt.  zufrieden 
dehnt  sich  in  seinem  Begriffe  weiter  aus,  und  oft  passt  dafür  contentus 
nicht.  So  ist  es  z.  B.  D.  L.  zu  sagen:  hoc  discipulo  contentus  sum, 
für:  hunc  discipulum  proZ^o;  und  in  diesem  Sinne  steht  oft  probabilis. 


Conterere  —     352     —  Conterere 

Ygl.  Cic.  de  or.  1,  129.  Ebenso:  ich  hin  mit  deiner  Rede  zufriede)i, 
orationem  tiiam  proho,  oratio  tua  mihi  non  disjMcet  u.  a.,  nicht  mit 
contenhis.  So  heisst  unser  deutsclies  sei  zufrieden  oder  gib  dich  zu- 
frieden (wenn  man  einen  beruhigt),  hono  sis  animo,  oder,  wo  es  er- 
forderlich ist,  ciuiesce,  tace.  Ferner:  ich  hin  mit  mir  zufrieden^  im- 
zufrieden  mihi  lüaceo,  displiceo  und  so  mit  etwas  zufrieden  sein,  de- 
lectari  aliqua  re  oder  in  aliqua  re;  ich  hin  es  luolil  zufrieden,  facile 
patior,  non  moJeste  fero,  me  non  paenitet;  ich  hin  nicht  zufrieden, 
oft  moleste  fero.  —  Franz.  L.  ist  male  contentus,  missvergnügt,  sehr 
ttnzufrieden,  für  indignahundus.  Missvergnitgt  sein,  besonders  mit 
politischen  Verhältnissen,  Zuständen  missvergnügt  sein,  ist  lat.  paeni- 
tet,  taedet  aliquem  a.  rei  wie:  ne  einem  novi  status  paeniteret,  Suet. 
Aug.  28  und:  Bargusios  taedehat  imperii  Punici,  Liv.  21,  19,  7; 
ferner:  erant  tarnen  qui  himc  felicissimum  statum  odissent,  Yell.  2, 
91,2  und :  an  credi  posse,  idlum  populmn  aiit  hominem  denique  in 
ea  condicione,  cuiiis  emn  paeniteat,  diiitius  quam  necesse  sit  mansu- 
rum?  Liv.  8,  21,  6.  Mutationis  rerum  impaiiens  —  missvergnügt 
üher  die  politische  Veränderimg,  Tac.  hist.  3,  47.  Das  Missver- 
gnügen mit  der  (augenhlicklichen)  Lage  ist  odium  praesentiwn  (rerum), 
nach  Tac.  hist.  2,  8  extr.  u.  ann.  3,  44.  Es  herrscht  Missver- 
gnügen =  aegri  sunt  animi,  Liv.  2,  3,  5  u.  ebendas.  43,  5;  vgl. 
s.  V.  Aeger.  Ne  populus  quidem  praesenti  statu  laetus  est,  s.  Suet. 
Caes.  80.  —  Contentus  mit  einem  Infinitiv  verbunden,  ist  nicht  Sp).  L., 
wie  behauptet  worden  ist,  sondern  bei  den  Nachklassikern  häufig, 
wie  denn  Vogel,  Symb.  I  S.  1 1  dafür  eine  Menge  von  Belegen  aus 
Seneca,  Yell.,  Plin.  dem  altern  und  dem  Jüngern,  Quint.,  Florus,  Suet. 
zitiert;  offenbar  hat  Ovid,  der  als  novator  bekannt  ist,  die  Kon- 
struktion in  die  Literatur  eingeführt,  die  dann  von  den  Autoren 
des  silb.  Lat.  gerne  übernommen  wurde;  vgl.  Dräger  H.  Synt.  II 
S.  379,  Menna  S.  55.  Im  Sp.  L.  hat  sie  sich  als  bequeme  Fügung 
erhalten,  so  noch  bei  Paneg.,  vgl.  Chruzander  S.  98.  Klass.  sagt 
man  dafür  satis  habere,  aliquid  prohare,  alicui  satisfacere  aliqua  re. 
Ygl.  Caes.  Gall.  1,  15,  4,  Cic.  S.  Rose.  150,  fam.  13,  20  u.  a.  Dem 
satis  habere  entspricht  bei  Sali.  Liv.  Yell.  negativ  purum  habere, 
vgl.  Sali.  Jug.  31,  9  haec  talia  facinora  impune  suscepisse  purum 
hahuere.  —  Einen  ganz  zufrieden  stellen  heisst  alicui  cumulate,  cu- 
midatissime  satisfacere.  —  Noch  sei  erwähnt  non  paenitere  ivohl 
zufrieden  sein  mit  einem  Fragesatz,  eine  echt  klass.  Konstruktion, 
z.  B.  Cic.  Att.  1,  20,  3  a  senatu  quanti  fiam  minime  me  paenitet, 
yjich  kami  mit  der  Achtung,  die  der  Senat  mir  bezeigt,  loohl  zufrieden 
sein^^ ;  vgl.  Nägelsb.-MüUer^  S.  169  und  419. 

Conterere,  zerreiben,  zerbröckeln,  wird  im  Latein,  gebraucht  für 
unser  deutsches  etwas  durch  emsigen,  fleissigen  Oehrauch  abnützen, 
also  emsig  und  anhaltend  sich  mit  etwas  befassen,  wie  in  dem  be- 
kannten Tiacoeiav  Küpou  contriveram  legendo,  Cic.  fam.  9,  25,  1  und 
Quintil.  2,  4,  29.  In  diesem  Sinne  sagt  man  auch  conteri  oder  se 
conterere,  aber  ja  nicht  cum  aliqua,  sondern  in  aliqua  re,  wie :  cum 


Conterminus  —     353     —  Conticescere 

m  caiisis  et  in  neyotm  et  in  foro  conteramiir,  Cic.  de  or.  1,  249. 
Tempus,  otiiim  etc.  conterere  aliqua  oder  hi  aliqua  re  wird  sowohl 
in  bonam  partem  =  vertuenden,  als  in  malam  partem  =  vergeuden 
gebraucht,  z.  B.:  omne  otiosum  temims  in  studiis  conterere  =  ver- 
hrcmchen,  veriuenden,  Cic.  Lael.  104  und:  honitm  otiuni  socordia 
atqiie  desidia  conterere,  Salh  Cat.  4,  1  =  vergeuden,  totschlagen, 
vgl.  dazu  Kritz  u.  Seyffert-Müller  z.  Lael.  B.  555. 

Conterminus,  angrenzend,  henaclihart,  ist  erst  N.  KL  und  findet 
sich  bei  weniger  guten  Schriftstellern,  wie  Mela,  Plin.  mai.  für  fijii- 
timiis,  confinis,  continens  cum  aliquo  loco  (Cic.  fam.  15,  2,  2)  oder 
alicui  loco  (Cic.  Caec.  15),  attingens  locum  (Cic.  fam.  15,  4,  4). 
Conterminare  alicui,  angrenzen  an  ist  Sp.  L.,  z.  B.  Amm.  14,  8,  5 
Saraceyiis  conterminans  ge?itihus,  vgl.  Rönsch  Coli.  phil.  S.  45.  Man 
meide  Adj.  u.  Yerbum. 

Conterraneus,  der  Landsmann,  findet  sich  nur  ein  einzigesmal 
bei  dem  altern  Plinius  und  dann  in  Gloss.  Labb.;  es  stammt  aus 
der  Soldatensprache,  vgl.  Archiv  XII,  257.  Man  sage  dafür  civis, 
popularis,  eiusdem  terrae,  civitatis  oder  tirhis.  Unser  Landsmann 
heisst  bei  Cicero  noster  liomo  oder  nostras,  im  Plural  nostrates,  i?i- 
cola  noster  (Cic.  Cato  78). 

Contestari  ist  ohne  einen  Accusativ  dessen,  den  man  zum  Zeu- 
gen bei  seiner  Yersicherung  aufruft,  in  der  Bedeut.  laut  versicJiern 
Sp.  L.  bei  Ict.  und  Eccl.,  so  z.  B.  bei  Cyprian;  mit  Acc.  c.  inf. 
ist  es  biblisches  Latein,  z.  B.  Yulg.  1  Pet.  5,  12,  oft  hat  es  so 
auch  Cypr. ;  auch  contestari  aliquid  ist  Sp.  L.,  z.  B.  Cypr.  692,  10 
me^ita  contestans,  vgl.  Watson  S.  307  ;  dagegen  ist  contestari  deos, 
liomines  etc.  klassisch.  Man  merke  noch,  dass  contestatiis  auch  im 
passiven  Sinne,  beglaubigt,  bei  Cic.  Place.  25  vorkommt,  ebenso 
Sp.  L.  Paneg.  IV,'  117,  25. 

Contexere,  zusamniemvehen,  ve^'wehen,  wird  klass.  verbunden  cum 
aliqua  re,  mit  ettvas.  Nachklass.  mit  dem  Dativ:  optime  epilogum 
defensioni  contexet,  Sen.  contr.  7  (3),  20,  7  und  scelerihus  scelera 
contexens,  Sen.  de  ira  1,  16,  3. 

Conticescere,  zu  sprechen  aufhören,  verstummen.  Einzig  ist  daher 
wohl  Livius  30,  30,  2,  wo  conticescere  =  schiveigen  gebraucht  ist. 
Das  Obj.  wird  von  Cicero  durch  de  aliqua  re  angereiht.  Bei  Quint. 
6,  1,  42  mit  ad  aliquid:  aut  conticescunt  ad  hos  casus  aut  frequen- 
tissime  falsa  dicunt,  wo  ad  ausdrückt :  in  solchen  Fälleyi,  solclien 
Fallen  gegenüber;  transitiv  wurde  conticesco  nie  gebraucht,  auch 
nicht  im  Sp.  L.,  wo  z.  B.  Grregor  M.  ep.  1,  25  ab  increpatione 
vocis  conticescunt  schreibt,  vgl.  Sittl  bei  Wölffiin  Archiv  I  S.  512. 
Endlich  ist  zu  beachten,  dass  conticescere  selbst  klass.  auch  mit 
säcMichen  Subjekten,  wenn  sie  menschliche  Tätigkeiten  oder  Zustände 
ausdrücken,  verbunden  wird,  wie  Studium  conticescit,  litter ae,  actiones 
tribuniciae  conticuerunt,  favor,  tumultus,  furor  conticescit.  —  Das  Yerb 
conticeo  ist  nicht  klass.,  die  Formen  des  Perfektstammes  wie  cmi- 
ticui,  conticuissem  u.  ä.  gehören  zu  conticesco.    Doch  im  Sj:).  L.  gibt 

Krebs-Schmalz,  Antibarbarus  1.  23 


Contiguus  —     354     —  Continere 

es  wohl    auch    ein    conticiii   zu  conticeo,   vgl.   Wölfflin  Archiv  YIII 
S.  10. 

Contiguus,  angrenzend,  ist  F.,  N.  Kl.  u.  Sp.  L.  und  findet  sich 
nur  selten  und  nur  bei  weniger  guten  Schriftstellern,  oft  bei  Amm., 
für  finitimns  u.  a.     Ygl.   Contermimis. 

Coyiünens  als  Adj.,  zusammenhängend,  nahe,  wird  verbunden 
mit  cum  oder  mit  dem  Dativ.  Als  Subst.  ohne  terra  (was  häufiger 
ist,  als  mit  terra).,  das  Festland,  ist  es  in  der  Regel  Femininum, 
auch  Curt.  4,  2,  1  u.  Flor.  2,  2,  2,  wo  man  früher  das  Masc.  an- 
nahm. Sp.  L.  bei  Jur.,  vgl.  Dirksen  s.  v.,  u.  Justin  ist  ex  oder  in 
continenti  von  der  Zeit,  soglekJi,  sofort,  alshald,  für  confestim,  e  vesti- 
gio^  nulla  interposita  mora. 

Continere.  Einen  auf  eine  Räumliclikeit  beschränken,  in  der- 
selben zurückhalten,  wird  von  den  Historikern  zunächst  mit  in  c. 
abl.  ausgedrückt,  z.  B.:  milites  in  castris  continere,  Caes.  Gall.  4, 
34,  4  u.  6,  36,  1;  civ.  1,  66,  2  u.  3,  30,  5;  b.  Afric.  1,  3  u.  7, 
4;  Liv.  36,  17,  9.  Ebenso  steht  in  diesem  Falle  der  blosse  Ablat. 
wie:  exercitum  castris  continere,  Caes.  Gall.  1,  48,  4  u.  2,  11,  2 
und  Liv.  31,  26,  6;  28,  9,  14.  Drittens  kann  für  in  auch  die 
Präpos.  ijitra  gesetzt  werden :  (milites)  suos  intra  munitionem  conti- 
nere, Caes.  Gall.  5,  57,  4  u.  58,  1  und :  milites  intra  castrorum 
Valium  continuit,  civ.  3,  76,  1  und:  intra  vallum  continere,  Liv.  31, 
34,  9  und :  adversarios  intra  munitiones  continere,  b.  Afr.  24,  2, 
continere  intra  castra  militem,  Tac.  bist.  4,  19.  —  Sich  irgendwo  zu- 
rückhalten ist  regelmässig  se  tenere  oder  continere  aliquo  loco,  z.  B. 
castris  se  tenere  oder  continere,  Caes.  Gall.  3,  24,  4  u.  5,  57,  1 ; 
civ.  3,  37,  4  und  1,  69,  2,  Hirt,  bei  Caes.  Gall.  8,  11,  1,  Liv. 
24,  17,  8;  32,  31,  1;  33,  36,  7  und  39,  2,  3;  ebenso  vallo, 
oppido,  munimentis,  moenihus  se  continere  und  tenere  wie:  Caes. 
Gall.  5,  44,  5  u.  2,  30,  2;  Liv.  23,  44,  6;  39,  17,  4  u.  42, 
7,  4;  endlich  Asiae  finibus,  agrorum  suorum  terminis,  suo  se  loco. 
Ms  sedibus,  regno,  suis  locis^  colle  se  continere,  s.  Caes.  Gall.  4,  34, 
2;  5,  50,  1;  6,  24,  3;  7,  19,  2,  civ.  3,  41,  2,  Liv.  34,  58,  3  u. 
38,  40,  2.  Für  se  continere  in  aliquo  loco  kennen  wir  nur  Caes. 
Gall.  2,  18,  3  intra  eas  silvas  in  occulto  sese  continebant  und  Liv. 
3,  6,  7  in  Hernico,  vgl.  M.  Müller  z.  Liv.  2,  S.  156.  Dagegen  hat 
continere  tropisch:  einen  in  etwas,  z.  B.  im  Gehorsam  erhalten  stets 
in  bei  sich:  continere  aliquem  in  officio,  Caes.  Gall.  5,  3,  6  und 
öfters,  vgl.  Mensel  s.  v.  —  Jemanden,  sich  von  einer  Sache  abhalten 
heisst  aliquem,  se  continere  ab  cdiqua  re,  z.  B.  contineo  me  ab  ex- 
emjüis  (Cic.  fin.  2,  62)  u.  a  loroelio  cdiquem  continere  (Caes.  Gall. 
1,  15,  4);  eingeschlossen  sein  von  etwas  (örtlich):  contineri  (passiv) 
aliqua  re,  nicht  contentum  esse;  ebenso  in  etwas  enthalten  sein,  ja 
nicht  contentum  esse  in  aliqua  re,  sondern  contineri  oder  complexum 
esse  (Cic.  S.  Rose.  37)  aliqua  re.  —  In  der  Bedeutung  enthalten, 
ivorin  bestehen  werde  aber  nach  dem  bessern  Gebrauche  mehr  das 
Fassivum  als   das  Activum  verwendet.     Contineri  aliqua  re  ist  an- 


Contingere  —     355     —  Continuare 

zuwenden,  wenn  entlialteyi  sein  =  ist  luorin  hestehen,  das  Weseyi 
emer  Sache  ausmaclieyi.  S.  Cic.  de  or.  1,  92,  Cic.  fin.  2,  48.  Soll 
mehr  das  Eingeschlossensein  in  den  Umfang  eines  anderen  Gegen- 
standes im  eigentlichen  oder  uneigentlichen  Sinn  bezeichnet  werden, 
so  tritt  die  Präpos.  in  hinzu.  Steht  dagegen  der  Inhalt  in  keiner 
engeren  Beziehung  zum  umfassenden  Gegenstande,  sondern  ist  die 
Verbindung  der  Gegenstände  nur  eine  äussere  und  zufällige,  so  tritt 
die  aktive  Konstruktion  ein:  z.  B.  Tales  res,  quales  hie  Über  con- 
tinet,  Cic.  or.  148,  Plin.  epp.  5,  9,  1;  vgl.  Seyffert-Müller  zu  Lael. 
S.  132  u.  150.  —  Continere  =  lauten,  des  hihaltes  sein  ist  aS^.  L., 
z.  B.  Yict.  Vit.  pers.  2,  3  edidum  in  hunc  continens  modum,  vgl. 
Rönsch  Sem.  III  S.  21. 

Contingere  in  der  Bedeutung  etivas  herühren,  angehen,  erreichen 
und  örtlich  an  etivas  angrenzen  wird  Kl.  nur  verbunden  aliquid, 
nicht  aliciii  oder  ad  aliqnid;  aber  in  der  Bedeutung  einem  tuider- 
fahren,  zu  Teil  iverden,  glücken  hat  es  den  Dativ  alicui,  selten  den 
Äccusativ  bei  sich,  der  nicht  zu  brauchen  ist;  vgl.  Georges  Yell. 
S.  37.  Contingit  mit  Inf.  ist  P.,  N.  Kl.  u.  Sp.  L.,  z.  B.  Tert. 
nat.  2,  5  ita  credere  contifigit,  vgl.  Hoppe  Synt.  Tert.  S.  48,  Chru- 
zander  S.  98;  bei  Cic.  Arch.  4  liest  man  jetzt  ayitecellere  coepit 
(statt  contigit).  Die  Redensart  miJii  contigit  esse  tarn  felici,  itt  lässt 
sich  allerdings  durch  die  Analogie  von  licet  stützen.  Doch  während 
z.  B.  Cicero  unbedenklich  sagt  licet  mihi  esse  felici  u.  dgl.,  findet 
sich  bei  ihm  für  den  Gebrauch  des  Dativs  nach  contingit  kein  Bei- 
spiel, ja  selbst  N.  Kl.  ist  diese  Ausdrucksweise  nicht  allgemein  ge- 
worden. Da  wir  dafür  in  Prosa  nur  zwei  Stellen  kennen,  Yell.  2, 
124,  4  und  Yal.  Max.  5,  4,  ext.  2,  so  hat  die  angegebene  Ver- 
bindung nicht  hinlängliche  Autorität,  um  zur  Nachahmung  empfohlen 
werden  zu  können;  vgl.  Dräger  H.  Synt.  I  S.  436,  Auch  hat  das 
Yerbum  meistens  die  Bedeutung  zu  etwas  das  Glück  hahen.  In 
malam  partem  steht  es  Cic.  nat.  1,  27,  fam.  5,  16,  5,  Tusc.  5,  15, 
Cato  71  und  Phil.  14,  24;  vgl.  Seyffert-Müller  zu  Lael.  S.  40  u.  340. 

Continuare,  continuatio,  continuus,  continens.  Für  unser 
fortsetzen,  Fortsetzung  und  fortgesetzt  wählt  man  lat.  oft  die  ge- 
nannten Wörter  in  durchaus  unrichtiger  Anwendung.  Sie  werden 
nämlich  richtig  nur  von  dem  gebraucht,  was  von  seinem  Anfang  an 
in  Raum  oder  Zeit  bis  zu  seinem  Ziel-  oder  Endpunkt  in  einem  Zug, 
ohne  Unterbrechung  fortgeht.  Auch  hierfür  gebrauchen  wir  im 
Deutschen  oft  einfach  fortsetzen  statt:  ununterbrochen  forts.  Hier 
nun  ist  contin.  an  seinem  Platz:  Cassius  die  ac  nocte  continuato  iti- 
nere  ad  eum  (Favonium)  pervenit  =  erreichte  ihn  nach  einem  Tag 
und  Nacht  fortgesetzten  Marsche,  Caes.  civ.  3,  36,  8;  3,  11,  1, 
Liv.  26,  9,  6  ;  vgl.  die  interessante  Darlegung  von  Nägelsb. -Müller^ 
S.  417,  wo  continuare  als  ein  stilistisch  sehr  ergiebiges  Wort  nach- 
gewiesen wird.  Ebenso  continens  die  ac  nocte  proelium  bei  Liv.  4, 
22,  5.  Continuatio  imhrium  =  fortdauernde,  ununterhrocliene  Regen- 
güsse,    Caes.  Gall.  3,  29,  2.      In   lokaler  Beziehung:    Assignavit  et 


Continue  —     356     —  Contionator 

agros,  sed  non  contimws  =  aber  nicht  in  einem  Stück,  nicht  in 
einem  geschlossenen  Güterkomplex.  Wo  aber  das  deutsche  fortsetzen 
=  ist  etwas  nach  vorausgegangener  Unterbrechung  von  neuem  auf- 
nehmen, also  z.  B.  nach  zweitägiger  Rast  eine  Reise  fortsetzen,  da 
kann  es  nicht  heissen  ite)'  continuare,  sondern  pergere,  Her  conficere  ; 
einen  (unterbrochenen)  Krieg  fortsetzen,  nicht  bellum  continuare, 
sondern  hellum  loerseqid,  renovare,  instaiirare;  seine  Studien  fort- 
setzen^ artes  oder  studia  ijersequi,  und  so  bei  ähnlichen  Fällen.  Im 
tropischen  Sinn  von  geistigen  Erzeugnissen,  z.  B.  ein  Buch  fortsetzen, 
kann  coiitexere  gebraucht  werden  nach  Hirt,  bei  Caes.  Grall.  8, 
Prooem.  §  2.  Wenn  also  in  Überschriften  von  abgebrochenen  und 
nachher  fortgesetzten  Aufsätzen  verschiedener  Art  von  uns  gewöhn- 
lich das  Wort  continuatio ^^  gebraucht  wird,  so  ist  dies  X.  L.  und 
verwerflich.  Die  kürzesten  Überschriften  sind  dafür  imrs  oder  parti- 
cida  altera,  tertia  u.  s.  w.;  andere  brauchen  iwrro  oder  amplius 
tractatur  eadem  res  oder  de  eadem  re,  was  aber  zu  schwerfällig  ist 
und  zu  modern  scheint.  Unpassend  ist  auch  pars  sequens.  —  Unklass. 
ist  conthmari  aliquem  =  einholen,  z.  B.  Sis.  125  P.  ad  Aenariam 
snos  continuatur,  dann  Sp.  L.  bei  Apul.  Paneg.,  nur  Sp.  L.  con- 
tinuare alicui  aliquid,  z.  B.  Paneg.  XII,  326,  21  spatio  unius 
lucis  lllyrico  continuavit  Aquileiam  =■  kam  er  von  I.  nach  A.,  vgl. 
Chruzander  S.  19,  Rönsch  Sem.  III  S.  21. 

Continue  steht  bei  Yarro  1.  lat.  5,  27  in  räumlicher  Bedeutung, 
gewöhnlich  heisst  das  Adv.  continuo,  welches  letztere  N.  Kl.  bei 
Quintilian  in  der  Bedeutung  in  einem  fort,  beständig  vorkommt, 
wofür  XL  continenter  oder  assidue  zusetzen  ist;  vgl.  Seyffert-Müller 
zu  Lael.  S.  56.  Gut  und  Kl.  ist  continuo  =  immittelbar  darauf, 
oder  zur  logischen  Folgerung  in  negativen  Sätzen  oder  in  Fragen, 
die  die  Negation  voraussetzen,  v>^o  ^iv  sagen  nicht  gleich,  nicht  .sofort, 
nicht  ohne  weiteres.  Ygl.  Landgraf  z.  Cic.  Rose.  Am.  94,  Nägels- 
bach-Müller« S.  697,  Wiehert  Stillehre  S.  186  f.,  für  Yarro  Stünkel 
S.  57,  für  Caesar  Meusel  s.  v. 

Contionator.  Nach  Form  und  Etymologie  {contio  von  co-ventio, 
daher  mit  t  zu  schreiben)  bedeutet  es  denjenigen  qui  contionatur,  d.  h. 
der  öffentlicli  vor  der  versammelten  Volksmenge  (contio)  spricht. 
Merkwürdigerweise  aber  kommt  dieses  Wort  nur  einmal  und  zwar 
bei  Cic.  Catil.  4,  9  vor:  Intellectum  est,  (quid  interesset  inter  levi- 
tatem  contionatoruni  et  ayiimum  vere  populärem.  Sieht  man  diese 
Stelle  unbefangen  an,  so  kann  man  nicht  leugnen,  dass  contionator 
sich  von  der  bösen  Nebenbedeutung  des  Wühlers  oder  Yolksauf- 
wieglers  nicht  rein  waschen  lässt.  So  steht  bei  Liv.  3,  72,  4  auch 
contionalis  senex  =  ein  alter  Marldschreier,  der  durch  sein  Gerede 
das  Volk  aufhetzt.  Aber  wie  viele  andere  Wörter  hat  auch  conti- 
onator einen  Bedeutungswandel  durchgemacht ;  die  Sprache  der 
Eccl.  nahm  ihm  seine  schlimme  Nebenbedeutung,  und  so  kann 
es  imbedenkHch  im  Sinne  von  y,Prediger^  gebraucht  werden.  Ygl. 
Koffmane  Geschichte    des    Kirchenlateins  S.  74,    wo    es    mit  Bei- 


Contra  —     357     —  Contra 

spielen  aus  Hieron.  und  Yenant.  Fortun.  belegt  ist.  Immerhin  ist 
zu  beachten,  dass  es  in  den  ersten  Jahrhunderten  nach  Christus  noch 
selten  sich  findet  und  erst  allmählich  sich  einbürgerte,  wie  auch 
contio7iari.  Von  contio  behauptet  Kraus  in  der  Keal-Encyclopädie 
der  christlichen  Altertümer  S.  635,  dass  die  lateinischen  Väter  es 
niemals  für  ^^Predigt^''  gebraucht  hätten.  Den  Geistlichen  im  allge- 
meinen kann  man  durch  sacrorum  antistes,  qui  rebus  divinis  (sacrae 
conüoni  wäre  zu  enge!)  praeest  geben.  Mehr  hierüber  gibt  Teipel 
in:  Neue  Jahrb.  für  Philologie  und  Pädagogik,  18.  Supplementband, 
S.  423  u.  424. 

Contra  als  Präposition,  gegen,  wird  fast  nur  in  feindlichem  Sinne 
gebraucht,  da  im  freundlichen  Sinne  in  oder  erga  üblich  ist.  In  der 
medizinischen  Sprache  findet  sich  contra  von  Heilmitteln  nur  bei 
dem  altern  Plinius  und  bei  Spätem,  aber  nicht  bei  dem  Kl.  Celsus, 
der  adver sus  braucht,  während  Cicero  einigemal  ad  anwendet.  —  Gegen 
den  Strom  oder  Strom  aufivärts  heisst  meistens  adverso  flumine, 
sowie  Strom  cthtvärts,  secimdo  flumine;  nur  der  ältere  Plinius,  der 
überhaupt  im  Gebrauche  dieser  Präpos.  einen  eigentümlichen  Ge- 
schmack zeigt,  vgl.  Dräger  H.  Synt.  I  S.  596  f.,  sagt  contra  aquas 
fluitare,  und  ebenso  Seneca  (ep.  122,  19):  contra  aquam  remi- 
gantibus.  —  Mit  Unrecht  hat  man  contra  spem,  exsiiectationem, 
opinionem  u.  ahnl.  für  selten  ausgegeben.  Vgl.  aus  kl.  Zeit  Caes. 
Gall.  3,  9,  6,  civ.  1,  82,  2,  Hirt,  bei  Caes.  Gall.  8,  50,  1,  Cato 
bei  Cic.  fam.  15,  5,  3,  Sali.  Jug.  75,  9  und  sonst,  ferner  Liv.  an 
vielen  Stellen  (Schmidt  1892  S.  19),  Plin.  nat.  10,  211,  Tac.  bist. 
4,  76,  Plin.  ep.  7,  4,  5  u.  a.  (beide  Sen.  Suet.  scr,  bist.  Aug.). 
Eine  Übersicht  über  den  Gebrauch  von  praeter,  contra  u.  adversus 
in  solchen  Verbindungen  bei  Liv.  mit  Vergleichung  anderer  Autoren 
gibt  Schmidt  1.  1.  S.  19.  Man  vgl.  über  praeter  spem,  opinionem, 
consuetudinem,  Caes.  civ.  1,  59,  3,  Cic.  Plane.  49,  Catil.  3,  11, 
Phil.  5,  43,  Attic.  1,  16,  1,  Liv.  21,  55,  10  u.  38,  16,  14.  Noch 
häufiger  ist  in  dieser  Verbindung  das  angeblich  seltene  contra,  Caes. 
Gall.  6,  30,  1  u.  7,  56,  3,  Hirt,  bei  Caes.  Gall.  8,  40,  1,  b.  Alex. 
13,  4,  Cic.  Parad.,  Prooem.  4,  Verr.  3,  142,  Quinct.  9;  Liv.  2,  56, 
2  u.  sonst,  Sen.  epp.  114,  7;  Curt.  8,  14,  45,  Tac.  bist.  1,  71.  Merk- 
würdig ist  ferner,  dass  der  Lateiner  in  Ausdrücken  wie :  gegen  alle 
Erwartung,  Hoffnung  u.  dgl.  das  Adjektiv  nicht  wie  die  deutsche 
Sprache  auf  das  die  betreffende  Geistes-  oder  Gemütsstimmung  be- 
zeichnende Substantiv,  sondern  auf  das  logische  Subjekt  —  die  Person 
bezieht  und  regelmässig  durch  den  Genitiv  omnium  ausdrückt.  Dem- 
gemäss  werden  auch  die  Ausdrücke :  üher,  luider  alle  Ertvartnng, 
Hoffnung  gross,  schnell  u.  dgl.  lat.  durch  omniiim  spe  citius  u.  ähnl. 
gegeben.  S.  Cic.  Brut.  1,  b.  Alex.  51,  4;  72,  1,  Liv.  2,  3,  1; 
21,  6,  5  u.  22,  61,  6  u.  sonst  noch  öfter,  auch  hei  Caes.  Gall. 
2,  3,  1  lese  ich  celerius  omnium  opinione,  vgl.  noch  Schmalz, 
PoUio^  S.  19.  ■ —  Das  adverbiale  contra  ea,  dagegen  (wie  praeterea, 
interea)   braucht    zwar  Cicero    nicht  —  denn  er  sagt  Att.  10,  8,  2 


Contractus  —     358     —  Contradictio 

id  ego  contra  imto  u.  fam.  10,  20,  1  modo  quae  vellemus,  modo 
contra  mintiahantur ,  vgl.  Nägelsb. -Müller^  S.  460  —  aber  Caesar, 
Sali,  (wo  jedoch  Jug.  57,  5  anders  zu  erklären  ist,  vgl.  meine  Anm. 
zur  St.  und  Constans  S.  132  f.)  und  oft  Corn.  Nepos,  Livius  und 
andere;  vgl.  Schmidt  1892  S.  19,  Fabri  zu  Sali.  Jug.  85,  l.  Aber 
Sp.  L.  ist  e  contra,  dagegen,  für  contra,  e  contrario,  oft  bei  Hierou., 
vgl.    Gölzer  Hieron.   S.  203,    Rönsch  Coli.  phil.  S.   190. 

Contractus  kommt  als  Subst.,  der  Kontrakt,  abgeschlossene' Ver- 
trag, nur  bei  den  Juristen,  vgl.  Dirksen  s.  v.,  dem  Kirchenvater 
Ambros.  (maior  est  contractus  fidel  ciuam  pecuniae,  opp.  T.  2  ed. 
Migne  S.  1803  oben),  bei  Salvian,  vgl.  Pauly  im  Index  s.  v.,  vor 
für  res  contracta,  z.  B.  rerum  contractarum  fides  (Cic.  off.  1,  15), 
das  Halten  der  Kontrakte,  oder  mit  dem  Yerbum  contraliere,  z.  B. 
hei  jedem  Kontrakte,  heim  Kauf,  in  omni  re  contrahenda,  in  emendo 
(Cic.  off.  2,  64) ;  und  so  contraliere  negotium,  einen  Kontrakt  wegen 
eines  Geschäftes  ahschliessen,  z.  B.  in  contraliendis  negotiis  (Cic.  off. 
2,  40)  u.  a.  Bei  Cic.  Tusc.  5,  105  steht  niliil  contraliere  cum  ali- 
qiio  in  dem  allgemeinen  Sinn:  sicli  mit  jemand  nicht  einlassen,  nicht 
verkehren,  umgehen.     Ygl.  Seyffert-Müller  z.  Lael.  S.  124. 

Contradicere  mit  einem  Dativ,  einem  ivider sprechen,  ist  erst 
N.  Kl.  etwa  seit  Quintilian,  für  contra  aliquem  dicere,  cdicui  ad- 
versari.  Yorher  sagte  man  nur  ohne  Objekt  contra  dicere,  entgegen, 
dagegen  sprechen,  so  bei  Cicero,  Caesar,  Livius  und  anderen.  Ygl. 
Cic.Att.  1,  17,  9;  Yerr.  2,  59;  3,  18;  S.  Rose.  93;  inv.  1,  25. 
Bei  Liv.  erscheint  c.  d.  zuerst  als  ein  Wort  gebraucht;  Adolf  M. 
A.  Schmidt  glaubt  jedoch  annehmen  zu  dürfen,  dass  es  so  schon 
in  der  philosophischen  Sprache  des  Cic.  vorkomme,  jedenfalls  müsse 
man  für  Liv.  einen  allgemeinen  Gebrauch  des  Kompositums  con- 
tradicere anerkennen  und  dürfe  dies  nicht  auf  Liv.  8,  2,  2  be- 
schränken. Ygl.  Schmidt  1892  S.  7  Anm.  u.  Landgraf  zu  Reisig- 
Haase  S.  598.  Man  halte  sich  an  den  Kl.  Sprachgebrauch.  Auch 
gebraucht  man  contra  dicere  nie  von  Sachen,  die  einander  wider- 
sprechen, dafür  repiignare.  Sp.  L.  ist  es  =  resistere,  z.  B.  scr. 
h.  Aug.,  Hier.,   vgl.  Paucker  Scrut.  S.  38,   Gölzer  Hieron.  S.  275. 

Contradictio  findet  sich  erst  N.  Kl.,  besonders  bei  Quintilian 
und  Sen.  provid.  1,  1,  1  und  nat.  1,  5,  11,  aber  in  der  Bedeutung 
die  Gegenrede  eines  andern,  nicht  was  wir  Widerspruch  nennen,  wo 
etwas  Gesagtes  mit  etwas  anderem,  von  ebendemselben  Gesagten 
im  Widerspruche  steht,  demselben  widerspricht.  In  dieser  Be- 
deutung ist  contradictio  wohl  N.  L. ;  z.  B.  das  stellt  mit  jenem  im 
Widerspfruch,  hoc  Uli  repugnat,  liaec  inter  se  repugnant;  in  diesen 
Worten  ist  ein  W.,  liaec  verha  inter  se  repugnant,  non  coliaerent; 
dieses  ist  in  völligem  W.,  ist  ganz  ivider  sprechend,  illud  vehementer 
repugnat.  Und  so  heisst  der  W.  in  Sachen  reritm  repiignantia  (Cic. 
Phil.  2,  19)  und  ähnliches.  —  Sp.  L.  ist  cont^xidictor,  sowie  con- 
tradictorius ;  man  meide  beide  Wörter  und  setze  für  contradictoria, 
was  N.  L.  ist,  quae  inter  se  repugnant. 


Contrahere  —     359     —  Contraversus 

Conirahere,  ziisammeyiziehen,  zusammenbriyigen,  versammeln. 
Auf  die  Frage  ivo  oder  luohm  wird  es  nur  verbunden  in  aliquem 
lociim,  nicht  in  aliqiio  loco.  Vgl.  weiteres  darüber  unter  Advenire. 
Familiaritateni  cum  aliqito  contrahere  lässt  sich  zwar  nicht  direkt 
belegen  (Cic.  off.  1,  53  ist  nicht  beweisend);  allein  da  amicitiam 
contrahere  klass.  ist  (s.  Cic.  Lael.  48),  so  wird  dadurch  wohl  auch 
die  andere  Phrase  hinlänglich  gedeckt.  Will  man  dies  nicht  gelten 
lassen,  so  dient  zum  Ersatz  amicitiam  facere,  iungere,  conciliare  cum 
aliquo  und  ähnliche  oder  recipe^^e  aliquem  in  familiaritatem  u.  a.;  vgl. 
Seyffert-MüUer  z.  Lael.  S.   124. 

Contraire  mit  dem  Dativ  alicui,  jemanden  entgegentreten^  sich 
ihm  entgegen  stellen  y  ist  Sj).  L.  bei  Eccl.,  wo  es  sich  sehr  häufig 
findet,  vgl.  Gölzer  Hieron.  S.  181;  früher  sagte  man  getrennt:  contra 
ire  c.  Dat.,  z.  B.  sententiae  alicuius,  Tac.  ann.  14,  45. 

Contrarietas,  der  Gegensatz,  ist  Sp.  L.  für  oppositio;  in  der 
Rhetorik  findet  man  disparatum  oder  das  griechische  antithesis  oder 
N.  Kl.  bei  Quintil.  contra  p)ositiim.  Ygl.  Paucker  Scrut.  S.  21  und 
Gölzer  Hieron.  S.  102. 

Contrario  als  Adverb,  dagegen,  im  Gegenteil,  wird  bezweifelt 
für  ex  oder  e  contrario  oder  contrarie,  contra;  Neue-Wagener^  be- 
legen es  aus  Mart.  Cap.  8,  864,  es  ist  somit  sehr  Sj).  L.  Vgl. 
noch  Hand  Tursellin.  II  S.  631  und  Haase  in  ed.  Sen.  phil.  2, 
praef.  S.  6. 

Contrarium  als  Subst.  mit  dem  Genit.  in  der  Bedeutung  das 
Gegenteil  von  einer  Sache  ist  lateinisch  sehr  selten :  fidentiae  contra- 
7ium  est  diffidentia  .  .  audacia  non  contrarium,  sed  appositum  ac 
propinquiim,  Cic.  inv.  2,  165;  vgl.  noch  fin.  4,  67,  rhet.  Her.  4,  38, 
Thielmann  Cornif.  S.  67.  Gewöhnlich  wird  in  diesem  Fall  contrar. 
als  Adjekt.  behandelt,  also  im  Genus  auf  sein  Substant.  bezogen ; 
somit  sagt  man  statt  contjxiriiim  voluptatis  est  dolor,  gewöhnlich : 
contrarius  voluptati  est  dolor,  denn  mit  dem  Genitiv  wird  contrarius 
—  s.  Tischer  zu  Cic.  Tusc.  4,  34  —  gewöhnlich  nur  als  Neutrum 
verbunden  und  zwar  sowohl  im  Sing,  als  im  Plurcd;  vgl.  über  den 
letzteren  Numerus :  ne  vitia  quidem  crescere  possimt,  quae  sunt  vir- 
tiitum  contraria,  Cic.  fin.  4,  67  und :  quorum  contrcma  in  diversum 
valent,  Quint.  5,  10,  49;  vgl.  Haustein  S.  62,  der  ausserdem  fest- 
stellt, dass  in  Ciceros  Reden  sich  nirgends  contrarius  c.  genet.  findet. 
Auch  ist  contrarium  facere  quam  — _,  etwas  anderes  tun,  als  — ,  das 
Gegenteil  tun  von  dem,  luas  man  sonst  tut,  Sp.  L.  i^v  contra  facere , 
ac;  dagegen  sagt  Cic.  Verr.  1,  120  alias  contrarium  decernehat  ac 
paullo  ante  decreverat.  —  Auch  kann .  in  einer  Alternativ-  oder  ent- 
gegengesetzten Frage,  wo  wir  anstatt  oder  nicht  auch  sagen  oder 
das  Gegenteil,  nicht  gesagt  werden  an  contrarium,  sondern  nur  an 
contra,  z.  B.  iitrum  felix  sit,  an  contra.  Vgl.  Cic.  inv.  1,  35;  2, 
70,  de  or.  2,  330.     Über    contra  s.   vorzüglich   Hand   Tursellin.  II. 

Contraversus,  a,  um,  gegenilherliegend,  ist  sehr  Sp).  L.  für  ad- 
versus,  contrarius. 


Contribuere  —     360     —  Conveniens 

Coyitribnere,  ziiieilen,  verteilen  (konstruiert  mit  alicui  illiquid, 
aliquid  cum  cdiquo,  oder  mit  m  oder  ad  cum  accus.)  findet  sich 
bei  Cicero  nie,  bei  Caesar  nur  einmal  das  Partiz.  contrihutus,  civ. 
1,  60,  1  (von  Kraffert  bestritten,  vgl.  Meusel  s.  v.);  es  ist  erst  seit 
Livius,  aber  auch  ausserdem  bei  guten  Nachklassikern,  vgl.  Bagge 
S.  15,  im  Gebrauche.  Das  Subst.  contrihutio  aber,  welches  erst 
*S^.  L.  bei  Juristen  vorkommt,  findet  sich  in  der  Bedeutung  Kon- 
tribution nirgends  für  tjihitiim,  Stipendium,  i^ecuniae  imijeratae,  iJe- 
cuniae  exactae  (die  beiden  letztern  als  Plural). 

Contristare,  hetrühen,  steht  in  klassischer  Prosa  nur  bei  Caelius 
(in  Cic.  fam.  8,  9,  5),  vgl.  Burg  S.  52,  sonst  in  Prosa  nur  N.  Kl. 
beim  altern  Plinius,  bei  Columella,  Seneca  und  Rutil.  Lup.  2,  13; 
Landgraf  Bayr.  Gymn.  XYI  S.  278  nennt  es  ein  Lieblingswort  der 
Yulgata;  bei  Eccl.  findet  sich  auch  contristatio,  vgl.  Gölzer  Hieron. 
S.  66,  Paucker  Mel.  lex.  alt.  S.  9. 

Controversari,  konstruiert  de  aliqua  re:  über  eine  Streitfrage  das 
2)ro  und  contra  unter  eiyiander  erörtern,  kommt  nur  einmal  bei  Cicero 
in  einem  Fragm.  vor,  sonst  nirgends,  ausser  sehr  Sp.  L,  bei  Sidon. 
(Kretschmann  S.  14  erwähnt  es  nicht,  dagegen  ein  bei  Georges  nicht 
zu  findendes  contrastare). 

Controvertere,  streitig  sein,  ist  N.  L.,  obgleich  controversus  und 
contj'oversia  Kl.  sind  und  häufig  vorkommen. 

Contuhernalis,  der  Gefährte,  wird  verbunden  teils  mit  dem  Genit, 
ivessen  Gefährte  jemand  ist,  teils  mit  dem  Dativ,  tvem  er  zugeteilt 
worden  ist,  nach  gewöhnlicher  römischer  Manier.  Über  das  Wort 
selbst  vgl.  Archiv  XII  S.  276. 

Convalescere,  stark  iverden.  Wodurch  jemand  stark  wird,  aus- 
gedrückt durch  aliqua  re,  aber  ivieder  gesund  iverden  von  etwas, 
ex  aliqua  re.  Für  die  Präp.  a,  z.  B.  cum  convaluisset  a  periculoso 
morbo,  ist  kein  Beispiel  vorhanden.  —  /9/;.  L.  bei  Symmachus,  der 
nach  Schulze  S.  42  das  nur  hier  vorkommende  Wort  wohl  selbst 
gebildet  hat,  ist  das  Subst.  convalescentia,  die  Wiedergenesung ,  für 
valetudo  confirmata.,  recuperata,  sanitas  restituta,  oder  mit  dem 
Verbum  selbst. 

Convellere,  weg-  oder  losreissen,  hat  im  Perf.  gewöhnlich  convelli, 
nicht  convulsi,  was  Sen.  n.  q.  2,  6^  4  bildet,  vgl.  Neue-Wagener^ 
III  S.  419.  Es  wird  verbunden  mit  ex  (oder  dem  blossen  Ablat., 
s.  Plin.  epp.  7,  19,  8  und  Cic.  Pis.  52)  und  selten  mit  de,  aus, 
von  etwas  lueg.     Vgl.  Cic.  Yerr.  5,  187,   leg.   1,  54,  Att.  8,  15,  2. 

Conveniens,  übereinstimmend  mit  etwas.,  imssend  zu  ettvas,  wird 
verbunden  mit  dem  Dativ  oder  selten  mit  ad,  am  häufigsten  mit 
cum,  z.  B.  convenienter  C2im  natura  (Cic.  Tusc.  5,  82),  sonst  naturae. 
Zu  convenienter  ad  (Liv.  23,  5,  4)  bemerkt  Kühnast  L.  Synt.  S.  131 
irrig,  dass  das  Adjekt.  conveniens  bei  Livius  nur  einmal  mit  in,  bei 
Cicero  auch  mit  dem  Dat.,  mit  ad  von  Ov.  verbunden  werde;  denn 
die  Verbindung  mit  ad  hat  schon  Cicero:  nüiil  est  tarn  naturae 
aptuni,  tarn  conveniens  ad  res  vel  secundas  vel  adver sas,  Cic.  Lael.  17. 


Convenire  —     361     —  Convenire 

Über    die    Bedeutung    von    conveniens  =   (TO/Kpipcüv    vgl.    Seyffert- 
Müller  z.  Lael.  S.  106. 

Convenire.  1)  a.  In  der  Bedeutung  zusammenkommen  wird  das 
Wo  oder  Wohin  fast  immer  durch  in  und  den  Accnsativ,  selten  durch 
in  und  den  Ablativ  ausgedrückt;  bei  Cicero  lesen  wir  jedoch  in  der 
ed.  C.  F.  W.  Müller  Yerr.  2,  160  illic  und  div.  2,  52  uno  in 
loco;  bei  Cic.  Att.  14,  17,  A,  1  =  fam.  9,  14,  1  wird  durch  richtige 
Interpunktion  in  Ms  locis  mit  sutit  verbunden  (doch  liest  C.  F.  W. 
Müller  jetzt  ganz  anders,  vgl.  auch  Lehmann  Quaest.  S.  58  f.  und 
unten  b.) ;  die  Stellen  aus  dem  Sj).  L.  beweisen  nichts,  da  dort  in 
c.  abl.  oft  statt  iyi  c.  acc.  und  umgekehrt  gesetzt  wird,  vgl.  z.  B.  Fürt- 
ner  im  Progr.  von  Landshut  1885  S.  20  und  die  vielen  Stellen,  welche 
Petschenig  im  Index  zu  Yictor  Yit.  S.  159  zusammengestellt  hat.  In 
gleicher  Weise  sagt  man  auch  ad  aliquem,  nicht  apud  ahquem.  Ygl. 
weiteres  über  diese  Yerbindung  unter  Advenire.  Man  sagt  also  in 
senatum  (nicht  in  senatu)  convenimus  (Cic.  Att.  1,  16,  9);  in  imum 
locmn  (nicht  in  uno  loco)  conveniunt  (Cic.  Yerr.  3,  48);  legati  ad 
(nicht  apiid)  Caesarem  gratulatum  convenerunt  (Caes.  Gall.  1,  30,  1) 
und  so  viele  andere.  Wenn  jedoch  der  Name  einer  Stadt  zugleich 
mit  der  innerhalb  derselben  befindlichen  Lokalität,  in  welcher  eine 
Yerhandlung  stattfindet,  genannt  wird,  so  wird  der  Stadtname  mit 
dem  Lokativ,  unter  Umständen  mit  in  c.  ablat.,  der  Name  der 
kleinern  Lokalität  aber  mit  in  c.  accus,  oder  auch  bei  Tacitus  mit 
apud  verbunden:  In  colonia  Agripimiensi  in  domum  privatam  con- 
veniunt^ Tac.  bist.  4,  55  und  Cyrri  apud  hiherna  decumae  legionis 
convenere,  ann.  2,  57.  b.  Ebenso  heisst  jemanden  irgendivo  besuchen, 
mit  jemanden  irgendwo  zusammentreffen,  aliquem  conve7iire  aliquo 
loco,  z.  B. :  Bruti  jnieri  Laodiceae  (nicht  Laodiceam)  me  convenerunt, 
Cic.  fam.  3,  7,  1 ;  darnach  könnte  auch  Cic.  fam.  9,  14,  1  in  his  locis 
unbedenklich  mit  neminem  conveni  verbunden  werden.  —  2)  Co7i- 
venire  =  einig  sein  und  sich  vereinbaren;  a.  =  einig  sein  wird  a.  als 
Impers.  gebraucht  und  wenn  das  Objekt  ein  Substantiv,  ein  dekli- 
niertes Zahlwort  oder  ein  auf  ein  Substantiv  sich  zurückbeziehendes 
Pronomen  ist,  regelmässig  mit  de  verbunden;  vgl.  Cic.  inv.  1,  11, 
fin.  4,  72,  Liv.  2,  33,  2  und  sonst  oft,  Sen.  de  dem.  2,  7,  4, 
Sen.  contr.  1,  5,  4,  Colum.  2,  9  Anfang,  Quintil.  1,  4,  17,  Gell.  2, 
22,  2.  Ist  der  Gegenstand  der  Übereinstimmung  deutsch  durch  das 
Adverb  des  demonstrativen,  relativen  darin,  tvorin  bezeichnet,  so 
wird  auch  in  diesem  Fall  das  Pronomen  mit  der  Präposit.  de  ver- 
bunden, z.  B.:  Quamquam  de  hoc  paritni  conveyiit,  Quint.  5,  10,  2. 
Da  aber  dadurch  leicht  Zweideutigkeit  und  Unbestimmtheit  bezüg- 
lich des  Genus  entstehen  könnte,  so  ist  dieser  Gebrauch  der  seltenste, 
aber  dann  ganz  zulässig,  wenn  das  Genus  aus  dem  Zusammenhang 
unzweifelhaft  erhellt,  z.  B.  Quaedam  sunt,  de  qiiibus  inter  omnes 
convenit,  quaedam,  in  quibus  diversae  sententiae  sunt,  Sen.  nat. 
2,  12,  2 ;  vgl.  noch  Cic.  nat.  3,  9,  Quint.  4,  5,  28  und  Plin.  pan. 
29,  5.    ß.  Oder  es  wird  das  Neutrum  des  betreffenden  Pronomens 


Coavenire  —     362     —  Convenire 

Singul.  oder  Plural,  als  Subjekt  mit  convenire  verbunden,    was  ins-  , 

besondere  dann  geschieht,  wenn  der  Begriff  von  hierin^  darin,  worin  \ 

nachdrücklich,  wie  z.  B.  in  Verbindung  mit  einem  Zahlwort,  hervor- 
gehoben werden  soll,  z.  B.  Illucl  unum  inter  nos  non  convenit .  .  .  Cic.  | 
fin.  5,  87,  Liv.  2,  39,  8,  Sen.  nat.  1,  6,  3,  Quint.  3,  6,  91  und  | 
sonst.  Quae  C07ive7iiimt  f  Quint.  7,  1,  30.  Haec  fratri  meciim  non  j 
conveniuni,  Ter.  Ad.  60.  Oder  es  wird  y.  convenit  impersonal, 
ohne  Pronomen  und  Präposition  gebraucht,  z.  B.  omnia  scqnentis 
esse  inter  duos  convenit,  Sen.  benef.  7,  4,  5,  de  brev.  v.  7,  3,  Cic. 
S.  Rose.  79.  b.  Wie  aber  convenire  =  ist  eijiir/  sein,  so  bedeutet  es 
auch  sich  mit  jemanden  über  etwas  vereinbaren,  verständigen. 
a.  Hier  ist  nun  vor  allem  darauf  aufmerksam  zu  machen,  dass  die 
persönliche  Konstruktion:  convenimus  de  cdiqiia  re  zwar  vorkommt, 
aber  bei  keinem  Autor  der  guten  Latinität,  s.  lust.  15,  4,  23  und 
einige  weitere  Belege  bei  Georges  im  Handwörterbuch"^  S.  1554 
unter  convenire.  ß.  In  diesem  Fall  ist  der  impersonale  Gebrauch  von 
convenit  mit  de  verhältnismässig  seltener  und  gehört  fast  ausschliess- 
lich der  nachklassischen  und  der  spätem  Latinität  an,  z.  B. :  Uhi  de  pace 
yion  convenit,  signa  cecinere;  vgl.  noch  Liv.  42,  25,  11,  Quintil.  4,  2, 41, 
Sen.  benef.  6,  15,  4,  Plin.  pan.  29,  5,  Flor.  2,  6,  59,  GelHus  3,  8 
und  lust.  21,  2,  6.  y.  Viel  gewöhnlicher  ist  es,  das  Objekt  der  Ver- 
ständigung oder  Yereinbarung,  wenn  dasselbe  durch  ein  Subst.  oder 
Pronomen  oder  das  substantivierte  Neutrum  Plur.  eines  Adjektivs 
bezeichnet  ist,  zum  Subjekt  von  convenire  zu  machen,  z.  B.  Cetera 
iam  convenisse,  Liv.  4,  13,  9,  index  inter  eos  convenit  Atilius  Ccda- 
tinus,  Yal.  Max.  2,  8,  2.  Ebenso  bekanntlich  bei  Ausdrücken  wie 
res  convenit,  tempns  oder  te^npus  et  ratio  convenit,  condiciones  pacis 
conveniimt,  Signum  convenit,  s.  Caes.  civ.  3,  10,  8,  Cic.  Quinct.  21, 
Phil.  1,  8,  Ätt.  9,  6,  2  und  16,  7,  1,  Liv.  1,  24,  2  und  sonst,  ' 
Curt.  7,  11,  19,  Suet.  Otho  6.  o.  Sich  dahin,  darilher  verständigen, 
einigen,  dass  wird  einfach  durch  das  impersonale  convenit  oder  nach- 
drücklicher durch  ita  convenit  oder  durch  das  Pronomen  hoc,  illud, 
quod  convenit,  haec  conveniiint  iit  oder  ne  gegeben  :  Ita  sihi  con- 
venisse cum  Dolabella,  iit  .  .  .  Cic.  Phil.  13,  37,  Liv.  5,  17,  5 ; 
27,  6,  9;  28,  5,  19  u.  38,  25,  6;  Yal.  Max.  1,  7,  3,  Curt.  10, 
9,  9,  Sen.  dem.  1,  9,  9.  Aber  der  Acc.  c.  inf.  folgt  auf  con- 
venit erst  seit  Livius,  z.  B.  Plin.  ep.  4,  10,  2,  Suet.  Caes.  9,  vgl. 
Menna  S.  36,  Freund  S.  59.  3)  Endlich  heisst  sich  für  einen 
schicken,  j'^assoi,  gelegen  sein  convenire  cdicui  oder  in  oder  ad  ali- 
quem.  Also  nur:  Hoc  convenit  ei  oder  eins  aetati,  ja  nicht:  convenit 
ei  ad  eins  aetatem  u.  dgl.  Nach  convenit,  es  passt  sich,  schickt 
sich  ist  der  Inf.  oder  Acc.  c.  inf.  Regel;  ein  Satz  mit  ut  gehört  zu 
den  seltenen  Ausnahmen,  vgl.  Nipp. -Lupus  zu  Nep.  Eum.  11,  3  u. 
steht  in  Prosa  wohl  nur  nach  hoc  convenit.  —  Sp.  L.  ist  convenire 
aliciii,  mit  jemanden  zusammenkommen,  für  cdiquem  conv.  Auch 
passt  das  Yerbum  nicht  immer,  wo  wir  zusammenkommen  brauchen, 
z.   B.    zwei  Flusse    kommen    da    zusammen,    eo    confiuunt ;    Briefe 


Conventare  —     363     —  Convertere 

kommen  zusammen,  concurrunt;  TJnglücksfliUe  kommen  zusammen,  eben- 
falls concurrunt;  daher  auch  concursus  calamitatum  (Cic.  fam.  5, 13,2). 

Conventare^  ziisammenkommeyi,  ist  Sp.  L.  für  convenire. 

Conventio  in  der  Bedeutung  Verahredimg,  Vertrag,  nicht  bei 
Cicero,  der  dafür  conventum,  einmal  (Caec.  22)  auch  conventus  ge- 
braucht, aber  nicht  durchaus  zu  verwerfen,  da  Belege  dafür  aus 
Livius,  dem  Jüngern  Plinius  und  Tacitus  vorhegen;  vgl.  Hey  Semas. 
Stud.  S.  153,  sowie  Fritsche  S.  60  ff.  u.  Archiv  YI  S.  289  (fürs 
Juristenlatein). 

Conversari,  sich  aufhalten,  mit  jem.  zusammeyilehen,  umgehen, 
ist  erst  N.  Kl.  bei  beiden  Sen.,  Plinius  nat.,  Columella  u.  Curtius, 
für  morari,  versari,  vivere  cum  aliquo,  uti  aliquo  u.  a. ;  mit  Dativ 
=  sich  unterreden  mit  hat  es  erst  Commod.  Aip.  372,  vgl.  Land- 
graf Progr.  1899  S.  26.  Jedoch  ist  es,  wie  auch  das  Subst.  con- 
versatio,  welches  ebenfalls  erst  N.  Kl.  ist,  aber  von  mehrern,  selbst 
von  Quintilian  gebraucht  wird,  nicht  verwerflich,  wiewohl  dafür  Kl. 
gesagt  wird  usus,  consuetudo,  convictus,  societas  vitae,  familiaritas. 
Im  Sp.  L.  nimmt  conversatio,  das  so  recht  eigentlich  ein  Wort  der 
sinkenden  Latinität  ist,  die  Bedeutung  von  ^^Lehen,  Betragen^^  an, 
vgl.  Rönsch  Itala  S.  310,  Gölzer  Hieron.  S.  270,  Bergmüller  Jord. 
S.  15,  Watson  S.  278;  selten  ist  conversari  in  diesem  Sinne.  An 
Redensarten  aber,  wie  lexicon  conversationis,  das  Konversations- 
lexikon, Umgang sw'örterlmch,  muss  man  sich  in  unserm  N.  L.,  wenn 
von  dergleichen  die  Rede  ist,  gewöhnen,  da  Umschreibungen  schwer- 
fällig und  meist  unverständlich  sind.  Es  fordert  aber  einen  Zusatz, 
wenn  man  es  brauchen  will. 

Conversio  kommt  nirgends  in  der  Bedeutung  Übersetzung  (näm- 
lich aus  einer  Sprache  in  die  andere)  vor,  da  QuintiHan  in  der 
einzigen  Stelle,  welche  man  dafür  aus  seinen  inst.  10,  5,  4  als 
Beweis  angeführt  hat,  unter  sed  et  illa  ex  Latinis  conversio  Über- 
tragung (Umwandlung)  aus  einer  Redegattung  in  die  andere  ver- 
steht, indem  er  von  der  nützlichen  Übung  der  Verwandlung  eines 
poetischen  Stückes  m  prosaische  ^q^lq  spricht;  vgl.  meine  Darlegung 
in  Z.  f.  G.  W.  1881  S.  91  f.  Man  bleibe  also  zunächst  bei  inter- 
pretatio.  —  Über  conversio  =  Bekehrung  s.  convertere. 

Convertere  ist  in  der  Bedeutung  übersetzeyi  eben  so  gut  u.  Kl.., 
wie  vertere;  vgl.  Cic.  off.  2,  87  quem  librum  e  Graeco  in  Latinum 
convertimus ;  was  sonst  dabei  zu  merken  ist,  darüber  vgl.  Vertere. 
Etivas  nach,  auf  oder  zu  etwas  ivenden  wird  mit  in  oder  ad  cdiquid 
ausgedrückt.  Ist  bekehren  =  zur  Annahme  des  wahren  Gottes 
bringen,  so  wird  man  es  ganz  gut  lateinisch  ausdrücken  können  nach 
Hieron.  in  Philem.  5,  10  und  11:  ad  fidem  Christi  cdiquem  con- 
vertere, wie  das  Subst.  Bekehrung  mit  Aug.  Hilar.  Hier,  sich  geben 
lässt  durch  ad  verum  deum  conversio ;  vgl.  Gölzer  Hier.  S.  238.  Im 
moralischen  Sinn  kann  man  neben  andern  Ausdrücken  auch  sagen 
cul  Sanitätern,  ad  bonam  frugem  redire,  in  melius  mutare  mores, 
August,  de  fide  et  operibus  §  1. 


Conviciari  —     364     —  Convivere 

Conviciari  alicni,  auf  einen  schmähen,  schimpfen^  ist  unklass.  ; 
es  kommt  nur  einigemal  N.  Kl.  bei  Quintilian  und  späten  Autoren 
vor,  für  aliquem  conviciis  insectari,  contiimeliis  insequi;  sonst  be- 
deutete es  nur  Yoi^wmfe  machen,  schimjjfen,  ohne  einen  Kasus,  so 
bei  Yarro,  Livius. 

Convictio  in  der  Bedeutung  Überführung/  ist  N.  L.,  wiewohl 
convincere,  womit  es  ausgedrückt  werden  muss.  Kl.  und  gewöhnlich 
ist;  in  der  Bedeutung  Beweis,  Darler/umj  ist  es  sehr  Sj).  L.  und 
nicht  anzuwenden,  vgl.  Gölzer  Hieron.  S.  66 ;  sonst  kommt  es  gar 
nicht  vor,  ausser  noch  in  der  Bedeutung  Umgang,  gesellscliaftlirJies 
Leben  in  einer  zweifelhaften  Stelle  bei  Cicero  Qu.  fr.  1,  1,  12  (wo 
Med.  coniunctionibus  liest),  und  sicher  bei  Cicero  dem  Sohne  (fam. 
16^  21,  4)  für  das  Kl.  gewöhnliche  convictus. 

Convictor  unterscheidet  sich  von  conviva  so,  dass  jenes  der 
tueitere  Begriff  ist,  nicht  nur  wie  dieses  den  Tiscligenossen,  sondern 
auch  den  täglichen  Gesellschafter,  Hausfreund  bezeichnet.  Was  den 
Gebrauch  von  convictor  betrifft,  so  steht  es  nicht  nur  N.  Kl.  bei 
Seneca,  Plinius  (epp.  2,  6,  4),  Sueton,  sondern  auch  klass.  bei 
Cicero  dem  Sohne  in  Cic.  fam.  16,  21,  5,  zweimal  bei  Horaz  (sat. 
1,  4,  96;  6,  47)  und  einmal  auch  vom  Kaiser  Augustus  gebraucht, 
in  der  vita  Horatii,  welche  man  gewöhnlich  Sueton  zuschreibt. 

Convictus  (Substant.)  =  Zusammenleben,  geselliger  Umgang  ist 
klassisch;  hingegen  in  der  Bedeutung  das  Gastmahl  kommt  es  nur 
einigemal  X.  Kl.  vor  und  ist  unnötig  wegen  conviviimi;  vgl.  Georges 
Yell.  S.  12. 

Convincere,  üher führen,  üherzeugen  von  etwas  Gutem  und  Wah- 
rem ist  N.  L.  für  persuadere.  Über  die  Konstruktion  s.  Landgraf 
zu  Cic.  Sulla  83  (convinci  in  aliqua  re),  Dräger  zu  Tac.  ann.  13, 
44,  18  und  Nipperdey  zu  ann.  13,  23  (convictus  est  fecisse),  Gorges 
Gell.  S.  49. 

Convmcire,  mit  einander  verbinden,  und  davon  besonders  con- 
vinctiis^  verbunden,  sind  Formen,  die  auf  falschen  Lesarten  für  con- 
iunctus  beruhen;  es  gibt  im  frühern  Lat.  kein  Verb  convincire  und 
kein  Partizip  convinctus,  vgl.  auch  Hey  Semas.  Stud.  S.  155.  Erst 
S2h  L.  bei  Aug.  adn.  Job  36  (S.  588^  19  Zy)  steht  convincientur 
longis  consuetudinibiis  delectationum,  vgl.  Archiv  XI  S.  129.  — Con- 
vinctio,  als  wörtliche  Übersetzung  des  griechischen  a^jvozcrfiog,  (bei 
Quint.  1,  4,  18),  kann  als  grammatisches  Kunstwort  gelten,  ist  aber 
dem  gewöhnlichen  coniunctio  nicht  vorzuziehen. 

Convivere  alicui  oder  cum  aliquo  (bei  Fabretti  Inscr.),  mit  je- 
manden zusammenleben,  kommt  erst  N.  Kl.  bei  Seneca  vor,  sonst 
sehr  selten  für  das  Kl.  vivere  cum  cdiquo,  was  auch  Seneca  neben 
dem  andern  abwechselnd  braucht  (ep.  104,  20).  Ebenso  ist  es 
auch  erst  N.  Kl.  in  der  Bedeutung  gemeinschaftlich  speisen,  für 
convivari;  es  steht  so  bei  Quintilian,  z.  B.  5,  9,  14  convivere  cum 
adulescentibus ;  absolut  ist  es  von  demselben  gebraucht,  1,  6,  44 
u.  7,  3,  31. 


Convulnerare  —     365     —  Copula 

Convidnerarey  stark,  tief  verwunden,  steht  neunmal  schon  im 
b.  Afric,  vgl.  Wölfflin  zu  5,  1,  und  später  nicht  selten  beim  Rhetor 
Seneca,  dem  Jüngern  Plinius  und  andern  Autoren  des  silbernen  Zeit- 
alters. S.  die  Belege  bei  Köhler  act.  Erl.  I  S.  382;  es  ist  ein  vul- 
gäres Wort. 

Cooperari,  mitarheiten,  ist  Sp.  L.  S.  Yulg.  ep.  S.  Pauli  ad 
Rom.  8,  28,  in  Marc.  16,  20,  in  ep.  Jac.  2,  22,  für  ima  operari 
u.  a.  Das  gleiche  gilt  von  cooperatio,  cooperator  u.  cooperarius  in 
Ital.  2  Cor.  1,  11  und  24  und  sonst,  so  z.  B.  bei  Aug.  c.  D.  4,  10 
u.  ib.  16,  5  Ende,  u.  serm.  49,  2,  sowie  bei  andern  EccL,  vgl. 
Wölfflin  Freising  Ital.  S.  10,  Rönsch  Ital.  S.  56  u.  S.  186,  Coli, 
phil.  S.  64,  Gölzer  Hieron.  S.  47  u.  S.  181. 

Coordinare,  neben  einander  ordnen,  ist  N.  L.  für  in  ordinem 
cogere  oder  redigere,  oft  auch  bloss  adiimgere,  annectere. 

Copia  hat  nur  die  Bedeutungen  Menge,  Reichtum,  Vermögen 
und  Gelegeyilieit.  Im  N.  L.  gibt  man  ihm  die  Bedeutung  Abschrift 
von  etwas,  woher  unser  Wort  Kopie.  Kl.  steht  dafür  exemplum 
oder  exemplar,  w^ie  bei  Cicero  sehr  oft.  Über  beide  ist  zu  ver- 
gleichen Schmalz  PoUio^  S.  36  und  Böckel  A.  E.  zu  Cic.  epp. 
S.  55.  —  Ebenso  N.  L.  ist  das  Yerbum  copiare,  eine  Abschrift 
machen,  ko^neren,  für  describere,  exscribere;  von  einem  Bilde  bei 
Plin.  (ep.  4,  28,  1)  imaginem  exscribere  et  pingere.  —  N.  L.  ist 
(in)  copia,  (in)  magna,  ingeMi  copia  esse  oder  aliquid  habere,  i?i 
Menge,  gj^osser  Menge  da  sein,  etwas  haben  u.  dgl.,  wie:  Pecuniam 
ei  dedit  magna  copia,  er  gab  ihm  Geld  in  grosser  Menge,  oder 
Aurum,  quod  iyigenti  copia  Hispana  classis  ab  India  avexit;  jenes 
müsste  vielmehr  heissen:  ei  magnas  oder  immensas  pecunias  dedit, 
und  dieses :  aurum,  cuius  iyigentem  vim  oder  copiam  Hisp.  u.  s.  w\, 
da  copia  immer  eines  Genitivs  bedarf.  Daher  heisst:  das  Heer 
hatte  alles  in  grossem  Überflüsse,  exercitus  omnium  rerum  abundalmt 
copia  (Caes.  civ.  1,  49,  1,  Liv.  29,  25,  12).  —  N.  L.  sind  auch 
Zahladjektive  bei  copia  und  copiae,  Truppen  für  Heer;  also  nicht 
midtae,  plures,  plimnae,  paucae,  quot,  tot  copiae,  sondern  magnae, 
maiores,  maximae,  exiguae,  quantae,  tantae  copiae;  das  ganze  Heer, 
nicht  totae  copiae,  sondern  omnes  copiae  (aber  Caes.  civ.  3,  44,  6 
totis  copiis,  ebenso  b.  Hisp.  16,  2  und  b.  Alex.  76,  1;  diese  Bei- 
spiele, offenbar  im  Anschluss  an  die  Soldatensprache  gebildet,  sind 
ganz  vereinzelt  und  nicht  nachzuahmen,  vgl.  meine  Stilist.^  §  28, 
Frese  S.  58,  Köhler  act.  Erl.  I  S.  398  u.  Wölfflin  Archiv  III 
S.  470).  Daher  auch  nicht  midtitudo  copiarum,  Menge  der  Truppen, 
sondern  magnitudo  cop.,  entgegengesetzt  der  exiguitas  cop.,  der 
Meinen  Zahl,  der  Wenigkeit  der  Tr.  Ygl.  Paucus.  Eben  so  wenig 
nachzuahmen  ist  der  Singular  coptia  =  Truppen;  klass.  ist  nur 
copiae  oder  manus,  während  Pompeius  in  epp.  an  Cic.  und  Caesars 
Fortsetzer  copia  gebrauchen. 

Copida,  Band,  Verbindung,  ist  ein  Wort,  welches  Kl.  bei  Nepos 
in  der  Bedeut.  Strick  (Dat.  3,  2)  u.  ^=  einigendes  Band  der  Freund- 


Coquere  —     366     —  Cor 

schüft,  (Att.  5,  14)  vorkommt.  Bei  Caes.  Gall.  3,  13,  8  ist 
es  zweifelhaft;  vgl.  Meusel  s.  v.  In  der  Bedeutung  Wortver- 
hiyidimg  steht  es  auch  bei  Quintilian,  sonst  nur  P.  u.  Sp.  L.,  wie- 
wohl copiilare  und  copidatio  klassisch  sind  und  häufig  vorkommen.  Über 
die  Konstruktion  von  cojnilare,  das  klass.  mit  cum  c.  abl.  und  nur 
im  Passiv  auch  mit  Dativ  verbunden  wird,  z.  B.  Cic.  div.  2, 
143,  vgl.  Landgraf  Progr.  1899  S.  19.  Aber  copulare  amicitiam 
für  conciliare,  contrahere  u.  a.  ist  w^ohl  nicht  gesagt  worden,  wenn 
auch  Livius  4,  43,  11  copulare  concordiam  zulässt,  Kühnast  S.  379. 

Coqiie7^e,  kochen,  kommt  erst  ^S^;.  L.  als  Intr.  vor  ;  also  cena 
coquitur  ist  klass.,  aber  ins  coquit  Sp.  L.,  vgl.  Rönsch  Sem.  III 
S.  21. 

Cor,  das  Herz,  geht  in  der  bessern  Prosa  wenig  über  die  Be- 
deutung Herz  als  Teil  des  menschlichen  Körpers  hinaus.  Nur  alicui 
cordi  esse  =  unserem  einem  am  Herzen  liegen  ist  klassisch,  während 
cordi  aliqiiid  habere  erst  Sp.  L.  bei  Gell,  gefunden  wird  und  cu7^ae 
cordiqite  esse  nirgends  vorkommt,  jedoch  durch  cordi  et  memoriae 
versus  habere,  Gell.  2,  29,  20  und:  haec  duo  Epicteti  verha  qui  cordi 
haheateaqite  ciiret,  ebendas.  17, 19,  6  sich  einigermassen  stützen  Hesse; 
vgl.  Nieländer  1877  S.  5,  1893  S.  6,  SeyfFert-MüUer  z.  Lael.  S.  90, 
Frese  S.  41,  der  in  cordi  einen  Lokativ  erkennen  will.  Statt  cordi 
esse,  das  immerhin  sehr  selten  klassisch  vorkommt  (Cic.  Quinct. 
93,  Yerr.  1,  112,  Att.  5,  3,  3,  Lael.  15,  or.  53,  Caes.  Gall.  6, 
19,  4),  sagt  man  besser  carum  esse,  auch  curae  esse,  vgl.  Hellmuth 
act.  Erl.  I  S.  143.  In  der  Yolkssprache  der  Komiker  sagte  man 
co7^de  amare  =  von  Herzen  liehen;  der  spätere  klassische  Ausdruck 
dafür  ist  ex  animo  amare.  Bei  den  alten  Dichtern  hat  cor  doppelte  Be- 
deutung: 1.  Einsicht,  Verstand;  2.  Gefühl;  vgl.  Lorenz  zu  Plaut. 
Mil.  779;  so  erklären  sich  corde  sapere,  corde  cognoscere  (Lucr.  4, 
47)  und  cor  sit  sohriiim  neben  corde  amare,  ex  corde  im  Sp.  L. 
(Thielmann  Arch.  YIII  S.  511),  vgl.  noch  Rebling^  S.  20  u.  Sittl 
in  Wölfflins  Archiv  II  S.  611,  sowie  Flemisch  S.  9,  der  corde 
noscere  aus  Gran.  Lic.  10  B.  4^  belegt.  Ganz  Sp.  L.  aber  ist  toto 
corde  aliquid  complecti  von  Leo  M.  epp.  114,  1  u.  119,  2  gebraucht.  — 
Wo  wir  Herz  tropisch  nehmen,  ist  lat.  dafür  in  der  klass.  Sprache 
meistens  animus  zu  verwenden,  z.  B.  ein  gutes,  böses  Herz  ist  ani- 
mus  benignus,  benevolus,  malus,  improbus;  unser  von  Herzen  ist 
ayiimo,  ex  animo  (Gegensatz  simulate,  vgl.  Cic.  nat.  deor.  2,  168 
sive  ex  ayiimo  id  fit  sive  simulate).,  ex  animi  sententia;  in  seinem 
Herzen  denken  cogitare  cum  animo,  in  animo  secum  aliquid  versare; 
es  liegt  mir  etwas  auf  dem  Herzen,  aliquid  animum  meum  pungit, 
sollicitum  habet;  einem  ins  Herz  sehen,  animum  alicuius  inspicere; 
ivie  ist  dir  ums  Herz?  quo  es  animo  u.  dgl.  Doch  hat  Bergmüller 
Plane.  S.  43  die  Bemerkung  gemacht,  dass  z.  B.  ex  animo  sich 
selten  findet,  in  Cic.  Reden  nur  Phil.  11,  34.  Manchmal  helfen 
andere  Ausdrücke,  z.  B. :  einen  im  Herzen  tragen,  aliquem  in  oculis 
(weder  in   animo   noch  in   corde)  ferre;    es    sagt  mir  mein   eigenes 


Corbis  —     367     —  Corona 

Herz,  mens  me  sensus  admonet ;  ein  Kind  unter  dem  Herzen  tragen, 
in  alvo  partum  continere;  aus  dem  Herzen  Italiens  herausreissen, 
e  sinu,  e  gremio  Haliae  eripere. 

Corhis,  der  Korb,  ist  bei  den  Bessern,  wie  bei  Cicero  (Sest.  82 
corhis  messoria)  Femininum,  bei  Yarro,  dem  auct.  b.  Hisp.,  Sueton 
und  Columella  (6,  3,  5;  11,  2,  99)  aber  Masc;  vgl.  Neue-Wagener^ 
I  S.  1001,  Köhler  act.  Erl.  I  S.  389.  —  Dergleichen  Abweichungen 
sind  bei  Wörtern,  welche  den  Haushalt   betreffen,   nicht   auffallend. 

Cordatus,  verständig,  kommt  ausser  bei  Ennius  nur  einmal 
N.  Kl.  bei  Seneca  u.  Sp.  L.  bei  Eccl.  nach  dem  Vorgang  der  Yulg. 
vor.  In  dieser  Bedeutung  kann  es  kaum  mehr  angewandt  werden, 
ausser  mit  dem  Zusätze  ut  Enniano  verho  utar.  Wenn  Muret  es 
von  leblosen  Dingen  braucht :  gravem  et  cordatam  orationem,  so  hat 
er  damit  Fronto  S.  87  N.  nachgeahmt,  der  sagt  sed  et  fratris 
oratio  me  delectavit;  nam  et  ornata  fuit  et  cordata;  Ruhnken  bat 
daher  Unrecht,  wenn  er  dazu  bemerkt :  cordata  oratio,  vereor,  ut 
latine  dicatur.  Man  meide  übrigens  cordatus  in  diesem  Sinne  und 
ebenso  in  der  Bedeutung  edel,  aufrichtig  gesinnt  u.  dgl.,  wofür 
Candidas,  sincerus  gut  sind;  das  Adv.  cordate  synonym  mit  docte 
kommt  wiederholt  bei  Plaut,  vor,  vgl.  Lorenz  zu  Plaut.  Mil.  1079. 

Cordolium,  eig.  cordidolium,  vgl.  Commodian  2,  31,  1  dolium 
cordis,  vgl.  Rebling  Lat.  und  Rom.  S.  95  =  Herzeleid,  ist  ein  Wort 
der  Yolkssprache  bei  Plaut.,  welches  nachher  Sp.  L.  von  x4.pul. 
met.  9,  21  gebraucht  wurde  und  sich  auch  in  neuern  Büchern 
findet,  für  animi  dolor,  maeror,  angor  u.  a. 

Corintliiacus,  Korinthisch,  zu  Korintli  gehörig,  ist  seltenere  Form 
als  Corinthius;  noch  seltener  ist  Corinthiensis,  vgl.  Saalfeld  im 
tensaurus  s.  v.   Corinthus ;  klass.  ist  nur  Corinthius. 

Cornucopia,  das  Fi'dlhorn,  kommt  Sp.  L.  bei  Ammian  vor,  der 
viel  Neues  und  Seltenes  hat,  für  coryiu  Copiae,  Plaut.  Pseud.  671; 
weniger  gut  ist  es  in  einem  Worte  geschrieben,  cornucopiae.  Ammian 
braucht  zweimal  jene  Form:  22,  9,  1  cornucopiam  und  25,  2,  3 
im  Ablat.  cornucopia. 

Corollarium  ist  allerdings  ein  altes  Wort,  auch  Cic.  hat  es,  z. 
5-  Yerr.  4,  49  ne  sine  corollario  de  convivio  discederet,  aber  Sp.  L. 
bei  Boethius  ist  es  in  der  Bedeutung  Zusatz,  angehängter  Folgesatz. 

Corona,  der  Kranz,  die  Krone,  kommt  selten  im  bildlichen 
Sinne  vor.  Krone  in  der  Bedeutung  der  erste,  vorzüglicJiste  ist  etwa 
durch  decus  et  lumen,  oder  decus  atque  ornamentum,  oder  palma, 
principatus,  splendor,  decus,  honos  mit  einem  Genitiv  auszudrücken; 
—  Corona  passt  dafür  nicht.  Ebenso  wenig  in  der  bildlichen  Redens- 
art einer  Sache  die  Krone  aufsetzen,  was  etwa  mit  alicui  rei  aliquid 
tanquam  fastigium,  imponere  zu  geben  ist  (vgl.  Fastigium).,  oder  mit 
maximo  oder  supremo  cumido  aliquid  augere,  oder  mit  der  Redensart 
maximus  (supremus)  cumidus  accedit  ad  aliquid,  oder  hoc  alicui  rei 
tanquam  ornamentum  accedit,  accedit  aliquid  in  cumulum ;  meiner 
Freude  wird  die  Krone  dadurch  aufgesetzt,  dass  .  .  cumulor  maximo 


Coronare  —     368     —  Corporatus 

gaudio,  quod  .  .  u.  dgl.  So  kann  auch  bei  Plinius  (ep.  2,  1,  6) 
hie  siqoremns  felicitati  eius  cumulus  accessif  übersetzt  werden : 
dieses  setzte  endlich  seinem  Glücke  noch  die  Krone  auf.  Und  ebenso 
braucht  Cicero  sehr  häufig  magmis  cumulus  accedit  in  diesem  Sinne. 
Ygl.  Cic.  agr.  2,  62,  fam.  12,26,  2;  13,  62;  Cic.  fih  fam.  16,  21,  1 
(cumulum  gaudii  attulerunt),  Att.  16,  3,  3.  —  Endlich  heisst  die 
königliche  Krone  bei  den  Alten  gewöhnlich  nur  diadema,  insigne 
regium  (Cic.  Sest.  58).  Doch  kommt  bei  Yergil.  Aen.  8,  505  und 
506  vor:  l2)se  oratores  ad  nie  regnique  coroyiam  cum  scejjtro  misit. 
Beides  zusammen  —  sceptrum  und  Corona  —  bezeichnet  dort  die 
(etruskischen)  insignia  regni  und  kann  unseres  Erachtens,  sofern  der 
Nachdruck  eben  auf  die  äusseren  Zeichen  der  Herrschergewalt  ge- 
legt wird,  für  unser  modernes  eben  so  genommenes  Scepter  und  Krone 
füglich  gesetzt  werden. 

Coronare,  kränzen ,  krönen,  kommt  im  KL  nur  im  Part.  perf. 
pass.  vor,  z.  B.  Cic.  Phil.  2,  85  =  mit  einem  Kranze  geschmückt. 
Es  wird  in  dem  bildlichen  Sinne  nicht  gebraucht,  wie  wir  z.  B. 
sagen  mit  glücklichem  Erfolge  krönen,  felici  successu  coronare;  dies 
wäre  D.  L.,  und  man  sage  dafür  bloss  felicem  successum,  exitum 
habere  oder  etwas  der  Art,  z.  B.:  setze  deinem  Verdienst  die  Krone 
auf  =  ahsolve  heneficium  tuum,  Liv.  2,  2,  7 ;  vgl.  dazu  M.  Müller, 
der  noch  Liv.  45,  24,  7  henefactormn  iiostrorum  cumulus  zitiert. 
Unser  modernlateinisches  finis  coroiiat  opus  wird  am  besten  durch 
exitus  acta  prohat,  Ovid.  Heroid.  2,  85  gegeben. 

Coronis,  was  bei  den  Alten  den  krummen  Federzug  bedeutet, 
den  manche  Schriftsteller  am  Ende  einer  Schrift  zu  ziehen  pflegten, 
im  bildlichen  Sinne  in  der  Bedeutung  das  Ende,  für  finis,  zu  brau- 
chen, hat  nur  eine  Stelle  bei  Martial  10,  1,  1  für  sich,  so  dass  es 
heutzutage  nicht  wohl  mehr  zulässig  ist  zu  sagen:  lihro  coronidem 
imponere,  für  finem  facere. 

Corpo7^alis,  körperlich,  den  Leih  hetreffend,  kommt  erst  N.  Kl. 
bei  Seneca  vor  und  ist  nur  philosophisches  Kunstwort  mit  dem 
Gegensatze  incorporalis ;  später  aber  wurde  es  sehr  häufig  gebraucht. 
Kl.  kann  dafür  nur  der  Grenit.  corporis  gesetzt  werden,  z.  B.  hona, 
vires  corporis.  —  Davon  abgeleitet  ist  das  zuerst  bei  Petron^  dann 
oft  bei  Eccl.  sich  findende  Adv.  corporaliter ,  sowie  das  Sp.  L.  cor- 
poralitas. 

Corporatus,  verkörpert,  körperlich,  abgeleitet  von  dem  N.  Kl. 
Verbum  corporare,  welches  der  ältere  Plinius  braucht  (sonst  nur 
Sp.  L.)^  kommt  auch  in  dem  von  Cicero  übersetzten  Timaeus  4 
vor.  Daneben  besteht  auch  corporeus  =  ^vas  einen  Leih  hat,  im 
Leihe  ist  und  aus  Fleisch  bestellt ;  es  findet  sich  bei  Cicero  (Tim.  4, 
fin.  3,  45,  vgl.  Madvig  z.  St.,  und  nat.  2,  41),  dem  altern  Plinius, 
bei  Dichtern  und  im  Sp.  L.,  z.  B.  bei  Hieronymus,  vgl.  Gölzer 
Hieron.  S.  272.  Wo  jedoch  unser  leihlicJi  oder  körperlich  nur  be- 
deutet den  Leib  angeliend,  sinnlicJi,  da  wird  von  allen  Bessern  nur 
der  Genitiv  corporis    gebraucht,    z.  B.    corporis    commoda,    leihliclie 


Corpulentus  —     369     —  Correcte 

Vorteile;  corporis  voluptas,  leihliches  Vergnügen,  nicht  corporea  vo- 
luptas ;  ebenso  heisst  die  leihlichen  Bande,  corpo7^is  vincula,  nicht 
corporea  vincula;  leihliche,  körj^erliche  Schnelligkeit,  corporis  (auch 
corporum)  celeritas,  wie  bei  Cic.  (Cato  17):  non  celeritate  corporum 
res  magnae  geruntur.  So  ist  nun  dieser  Genitiv  fast  das  beständige 
Wort  für  unser  leihlich,  körperlich,  wie  es  denn  in  Cic.  off.  2,  88 
öfter  unser  leihlich  ausdrückt.  Bisweilen  passt  auch  dieses  nicht; 
z.  B.  das  leihliche  Lehen  heisst  nach  Cic.  (Marc.  28)  vita,  quae 
corpore  et  spiritii  conti) letiir ;  die  leihlichen  Bedürfnisse,  usus  vitae 
necessarii,  res  ad  vivendum  necessariae. 

Corpulentus  war,  wie  es  scheint,  schon  bei  Plautus,  z.  B.  Epid. 
10  das  gewöhnliche  Wort  für  unser  wohlheleiht,  korpident,  und  ist, 
obgleich  unldassisch  und  selten  im  Gebrauche,  nicht  zu  verwerfen; 
weniger  zu  empfehlen  ist  das  erst  mit  Plin.  mai.  aufkommende  und 
dann  nur  Sp.  L.  corindentia. 

Corpus.  Im  tropischen  Gebrauche  bedeutet  corpus  schon  bei 
den  alten  Römern  ein  aus  Teilen  hestehendes  Ganzes,  eine  Masse. 
Hierher  gehört  corpus  navis  =  der  Körper,  das  Gerippe  eines  Schiffes 
bei  Caes.  civ.  1,  54,  2  und:  totum  corpus  rei  puhlicae,  Cic.  off. 
1,  85;  besonders  corpus  imperii,  z.  B.  Tac.  hist.  1,  16,  Vell.  2, 
109,  1  und  dazu  Ellis.  Insbesondere  steht  corpus  so  von  Menschen, 
die  zu  einem  Gemeinivesen  mit  einander  verbunden  sind,  unum 
corpus  Macedoniae,  Liv.  26,  16^  9,  lust.  7,  1,  12  und:  in  unius 
popidi  corpus  coalescere,  Liv.  1,  8,  1 ;  ebenso  wird  corpus  auch  gut 
in  dem  Sinn  von  Stamm,  Innung,  Zimft,  Kaste  gebraucht,  z.  B.: 
oriundi  a  Sahinis  sui  corporis  regem  creari  volehant,  Liv.  1,  17,  2 
und  corpus  mercatorum  u.  ähnl.  =  die  Gilde  der  Kaufleute,  Ambros. 
epp.  20,  6  (M.),  also  auch  corpus  militum.,  fahrorum,  und  demge- 
mäss  könnte  man  auch  corpus  senatorum  sagen,  aber  senatus  in 
corpore  =  der  ganze,  vollzählige  Senat  für  senatus  frequens,  omnes 
senatores  ist  ganz  unlat.  —  Sofern  ein  Buch  ein  Kunstwerk,  ein 
organisches  Ganzes  ist,  kann  corpus  auch  hierfür  stehen:  a  piin- 
cipio  coniurationis  usque  ad  reditum  nostrum  videtur  mihi  modicum 
quoddam  corpus  confici  posse,  Cic.  fam.  5,  12,  4  und:  utros  eins 
hahueris  lihros,  duo  enim  sunt  corpora  (=  zwei  besondere  Werke), 
an  utrosque  nescio,  Q.  fr.  2,  13,  4;  Cicero  hat  das  Wort  in  diesem 
Sinne  in  die  Literatur  eingeführt,  entsprechend  dem  OMfia  der 
Griechen,  vgl.  Cic.  Att.  2,  1,  3  hoc  totum  acTjfia  curaho  ut  haheas. 
Ein  solches  Werk  kann  auch  aus  mehreren  einzelnen  Teilen,  Ah- 
schnitten  bestehen,  welche  dann  volumina,  lihri,  tomi,  partes  heissen, 
s.  Yitruv  S.  284,  22  R.  totum  corpus  in  decem  voluminihus,  Sen. 
tranq.  9 ,  6  ;  vgl.  hierüber  besonders  Landwehr  in  Wölfflins 
Archiv  YI  S.  248.  —  Endlich  kann  unsere  Redensart  sich  einem  mit 
Leih  und  Seele  ergehen  auch  durch  animus  et  corpus  ausgedrückt 
werden,  nach  Petr.  117,  5:  alicui  corpus  animamque  addicere,  oder 
man  sage  se  alicui  peyiitus  totumque  tradere   (nach  Cic.  Tusc.  5,  5). 

Correcte,  korrekt,  ist  N.  L.  für  emendate,  pure. 

Krebs-Schmalz,  Antibarbanis  I.  24 


Corrector  —     370     —  Corripere 

Corredor  ist  nicht  zu  verwerfen,  wenn  es  denjenigen  bezeich- 
nen soll;  welcher  Druckfehler  verbessert  (qid  menda  typographica 
corrigit). 

Correctiira  ist  in  der  Bedeutung  das  Verhessern  von  Druck- 
fehlern, wie  überhaupt  in  der  Bedeutung  Verbessern,  N.  L.  für 
corredio,  emendatio,  und  N.  L.  ist  es,  von  einer  corredura  und  von 
einer  molestia  corredurae  zu  sprechen;  dafür  molestia  emendandi 
oder  corrigendi. 

Correlatmn,  meistens  im  Plur.  correlatct,  ist  N.  L.  grammatisches 
Kunstwort;  nach  Nolten:  quae  se  mutuo  respidunt,  qiiae  suh  eandem 
rationem  caditnt. 

Correspondere  ist,  in  welchem  Sinne  es  auch  sei,  N.  L.;  in  der 
Bedeutung  passen  gebrauche  man  dafür  convenire,  congruere,  auch 
bloss  respondere ;  in  der  Bedeutung  Briefe  luediseln,  colloqiii  cum 
aliquo  per  litferas.  Und  so  heisst  die  Korrespondenz  (von  Briefen) 
commercium  epistidarimi.     Ygl.   Commercium. 

Corrigere.  An  der  moralischen  Bedeut.  von  se  oder  hominem 
corrigere,  sich,  einen  Menschen  hessern,  d.  h.  seine,  eines  Menschen 
Siyinesart  ändern,  zweifeln  einige,  weil  der  Genius  der  latein.  Sprache 
meistenteils  ein  spezielleres  Objekt  verlange  als  das  allgemeinere  der 
Person.  Dies  ist  bekannt  und  richtig.  Aber  gleichwohl  ist  auch 
jenes  nicht  wider  den  Sprachgebrauch,  indem  Cic.  (Catil.  1,  22) 
sagt:  tu  ut  umquam  te  corrigas  f  für  tuos  mores,  tuum  animum,  und 
Tusc.  4,  65:  alia  ratione  malevolus  (für  malevoli  animus),  alia  amator 
u.  s.  w.  corrigendus,  und  Muren.  60  ut  (tu)  corrigendus  potius  — 
esse  videare.  So  auch  Sen.  (ep.  27,  1):  lam  enim  te  ipse  monuisti, 
iam  correxisti?  Ferner  Sosigenes,  quamquam  diligentior  ceteris,  non 
cessavit  tarnen  adduhitare  ipse  semet  co7Tigendo,  Plio.  nat.  18,  212. 
Und  so  sagt  Cic.  (leg.  3,  30) :  tota  civitas  (i.  e.  cives)  emendari  et 
corrigi  solet  continentia.  Ygl.  auch  Plaut.  Trin.  653,  Lact.  inst. 
5,  1,  7,  de  ira  20,  12.  Diese  Stellen  beweisen  vollständig  die 
Zulässigkeit  eines  Personalobjektes.  Das  gleiche  gilt  auch  von 
emendare  aliquem,  statt  mo7^es  cdicuius.  Kommt  dies  wohl  bei  Cicero 
nie  vor,  so  Hegt  ähnhches  doch  in  dem  Ciceronischen  emendator 
civitatis,  corrector  emendatorque  civitatis,  wozu  kommt,  dass  dieser 
Gebrauch  von  emendare  sich  auch  ganz  direkt  nachweisen  lässt;  s. 
über  emendare  patrem,  filiam  Sen.  contr.  2,  14,  10  u.  11.  Alioquin 
qiios  emendari  volumus,  fugamus  a  nohis  et  avertimus,  Sen.  epp. 
5,  3,  de  benef.  5,  22,  3  und :  conscius  mihi  sum  .  .  .  corrigi  me 
et  emendari  .  .  .  posse,  Liv.  42,  42,  8.  Allerdings  aber  ist  die 
konkretere  Auffassung:  mores,  vitia,  animum  hominis  emendare  ge- 
wöhnlicher als  hominem  emendare,  und  man  halte  sich  nur  an 
ersteres.  —  Die  reflexive  Bedeutung  von  corrigere  u.  emendare  ist 
Sp.  L.  seit  Tert.,  vgl.  Archiv  X  S.  8  und  III  S.  442. 

Corripere  in  der  Bedeutung  tadeln,  schelteyi,  ist,  wiewohl  es  bei 
Cicero  nicht  vorkommt,  doch  nicht  zu  verwerfen,  da  es  sonst  gute 
Autorität    (Caesar   civ.    1,  2,  5,    Cael.    bei    Cic.    fam.    8,  2,   1,    vgl. 


Corrugare  —     371     —  Cras 


sus 


Burg  S.  52,  Livius,  Quintil.,  Suet.,  vgl.  Freund  S.  29)  hat.  Über 
corripere  igjiem,  flammam  vgl.  Ärripere.  Gut  ist  corripere  auch 
von  Krankheiten,  die  einen  hefallen,  singulär  dagegen  ist  corripere 
bei  Tacitus  =  als  Anldäger  über  jemanden  herfallen;  corripere  viam 
=  schleunig  zuriicldegen,  ist  zunächst  poet.,  dann  bei  Plin.  epp.  u. 
Yal.  Max.,  s.  Lagergren  S.  131. 

Corrugare,  runzeln,  in  Runzeln  ziehen,  z.  B.  frontem,  sagt  nur 
Hör.  ep.  1,  5,  23;  klass.  ist  contrahere  frontem  (Cic.  Cluent.  72),  N.  Kl. 
bei  Seneca   und  Quintilian  adducere,   adstriyigere,  attraJiere  frontem. 

Corruptela  moriim  in  der  Bedeutung  verdorbene  Sitten  ist  wohl 
mit  Raschig  (Progr.  S.  26)  zu  bezweifeln  für  mores  corruptela  de- 
pravati  (Cic.  leg.  2,  38),  da  unter  corruptela  nur  das  verstanden 
wird,  was  zum  Verderben  beiträgt,  was  verderblich  ist,  oder  das 
Verderben  als  Handlung,  z.  B.  luven tutis  (passiv)  oder  metonymisch 
auch  der  Verführer  bei  Ter.  Ad.  793.  —  Corriiptelae  aliquem  ah- 
solvere  oder  damnare  ist  wohl  kaum  erweislich  für  crimine  corrup- 
toruni  sacerdotum  ahsolvere  oder  damnare,  qiiod  .  .  corrupisset. 

Coryphaeus,  der  erste^  vorzüglichste^  steht  nur  ein  einzigesmal 
bei  Cic.  nat.  1,  59,  wo  es  gar  nicht  auffallend  ist,  dass  er  im  Munde 
des  Griechen  Philo  ein  griechisches  Wort  anwendet.  Rein  lateinisch 
wird  es  durch  princeps  bezeichnet. 

Cosmicos  oder  Cosmicus,  der  Weltbürger,  hat  Martial  7,  41  un- 
verändert aus  dem  Griechischen  genommen;  Cic.  (Tusc.  5,  108)  sagt 
dafür  miindaniis  und  setzt  von  Socrates  erklärend  hinzu:  qui  totius 
mundi  se  incolam  et  civem  arbitrabatur.  Eben  dieses  mundanus 
ist  daher  auch  das  latein.  Wort  für  unser  Kosmopolit,  wofür  kein 
Alter  cosmopolita  gebraucht  hat. 

Cothurnus  braucht  Cicero  nur  von  den  hohen  griechischen 
Schuhen,  nie  aber  im  bildlichen  Sinne  von  dem  erhabenen  Stile, 
wie  es  ausser  Dichtern  zuerst  Quintilian  10,  1,  68,  jedoch  nur  von 
dem  erhabenen  tragischen  Stile,  nicht  im  allgemeinen  Sinne  ver- 
wendet ;  vgl.  Saalfeld  im  tensaurus  s.  v. 

Crassitas  und  crassities,  die  Dicke,  sind  Sp).  L.  Formen  für  das 
Kl.  crassitudo  (Cic.  div.  1,  93). 

Crassus,  dick,  ist  in  der  bildlichen  Bedeutung  gross  D.  L. ;  man 
sage  also  z.  B.  nicht  crassum  Vitium,  ein  dicker,  grober,  a^r/er  Fehler, 
sondern  magnum,  insigne,  turpe ;  ein  dickes  Werk  (Geistesiverk), 
grande,  spissum  opus  (Cic.  Q.  fr.  2,  14,  1).  Es  kommt  zwar  bei 
Horaz  crassa  Minerva,  wie  bei  Cicero  pingui,  ut  aiiint,  Minerva 
sprichwörtlich  für  indoctus,  ungelehrt,  vor,  und  auf  ähnliche  Weise 
crassiore,  ut  vocant,  Miisa  bei  Quint.  1,  10,  28  als  Erweiterung 
des  vorausgehenden  imperitiores ,  also :  die  noch  ungebildeter,  unge- 
lehrter siyid,  aber  nirgends,  was  sich  im  iV,  L.  findet,  crassiore 
Minerva;  —  es  ist  als  aller  Autorität  ermangelnd  nicht  zu  gebrauchen; 
vgl.  Seyffert-Müller  z.  Lael.  S.  112  f.  —  Bei  crassus  steht  nie  ein 
Acc.  der  Ausdehnung ;  eiyieyi  Daumen  dick  ist  bei  Caes.  Gall.  3, 
13,  4  digiti  pollicis  crassitudine. 


Crastino  —     372     —  Crebescere 

Crasüno,  morgen,  kommt  Sp.  L.,  aber  ganz  analog  mit  coti- 
diano  u.  a.  bei  Gellius  u.  a.  für  das  Kl.  cras  vor;  vgl.  Rönsch 
Coli.  phil.  S.  121.  Überall  ist  tempore  zu  ergänzen,  z,  B.  matutino 
sc.  tempore  bei  Plin.  mai.  und  im  Sp.  L.,  hiherno  für  hienie  und 
ähnliche,  vgl.  Wölfflin  Cass.  Felix  S.  395  ff.,  Köhler  act.  Erl.  I 
S.  459. 

Creare  mit  zwei  Accus,  von  Personennamen  wird  nur  von 
dem  die  Wahl  zu  Ämtern  und  Würden  leitenden  Magistrat  gesagt, 
Schömann  zu  Cic.  nat.  deor.  2,  10,  niemals  aber  steht  es  im  allge- 
meinen Sinn  von  luählen  überhaupt,  also  ja  nicht  creare  aliquem 
amicum  für  deligere,  ad  alicuiiis  amicitiam  se  conferre  und  ebenso 
wenig  creare  aliquem  defensoremj  patroyium  sui  iuris  für  adoptare, 
oder  creare  aliquem  gener  um  ==  einen  zum  Schwiegersohn  luäJilen 
für  deligere.  So  w^enig  man  aber  das  deutsche  jemanden  zum  Konsul 
u.  dgl.  wählen  durch  ad  consulem  ausdrückt,  so  wenig  ist  dies  auch 
der  Fall,  wenn  der  Accus,  der  Person  und  Sache  mit  einander  ver- 
hunden  sind;  also  wäre  es  ganz  deutschlateinisch  zu  sagen  aliqttem 
ad  considatum  creare;  dies  heisst  entweder  creare  aliquem  consulem, 
Cic.  leg.  3,  9,  oder  deferre,  mandare  alicui  considatum.  —  Hingegen 
in  der  Bedeutung:  durch  physische  oder  geistige  Kraft  etiuas  ver- 
ursachen, herheiführen,  schaffen,  ist  creare  gut:  Cic.  nat.  2,  57, 
artis  maxime  proprium  est  creare  et  gigner e ;  ebenso  dolorem,  ad- 
ver sam  valetudinem,  molestiam  creare  und  ähnliche,  z.  B. :  Cic. 
div.  2,  55  nonnumciuam  etiam  errorem  creat  similitudo,  S.  Rose.  75 
in  urhe  luxuries  creatur;  creatur  mihi  pericidum,  ib.  85;  in  dieser 
letztgenannten  Yerbindung,  wo  es  =  inferre  gebraucht  wird,  scheint 
es  der  alten  Sprache  anzugehören;  vgl.  Landgraf  S.  Rose.  85.  —  Hin- 
gegen ein  Kind  erzeugen  heisst  l3ei  Cicero  nur  p'ocreare,  bei  Livius 
aber  schon  creare,  z.  B.  Cic.  Tusc.  5,  109  Tarquinius  ihi  fortunas 
suas  constitidt  et  liheros  procreavit;  Liv.  1,  3,  6  is  Aeneam  Silviam 
creat;  indes  hat  Cic.  doch  schon  creatus  illorum  sanguine,  agr.  2,  l. 
Noch  weniger  sagt  Cicero  creare  mundum,  sondern  procreare  und 
noch  Öfter  aedificare,  efficere,  fabricari.,  und  so  ist  der  Weltschöpfer 
bei  ihm  nicht  creator  mündig  sondern  procreator,  aedificator,  effector, 
fahricator,  denn  creator  ist  fast  nur  P.  und  Sp.  L.  (vgl.  Gölzer 
Hieron.  228)  und  da  nicht  allgemein  übHch,  vgl.  Watson  S.  245. 
Daher  wird  bei  Cicero  Romulus  nur  einmal,  p.  Balb.  13,  creator 
huius  urhis,  sonst  gewöhnlich  parens  genannt. 

Creatura,  das  Geschöpf,  die  Kreatur,  ist  sehr  Sp.  L.  (Gölzer 
Hieron.  S.  229,  Rönsch  Ital.  S.  41)  und  dennoch  im  i\^.  L.  sehr  häufig 
für  res  creata,  anhncd^  auch  oft  bloss  res. 

Crebescere  oder  richtiger  crebrescere,  sich  vermehren,  sich  ver- 
breiten, kommt  zuerst  bei  Yergil  vor,  dann  bei  Quint.  11,  3,  111 
etiam  gestus  cum  ipsa  orationis  celeritate  crebrescet,  dem  Jüngern 
Plinius:  tum  crebrescere  fragor  (epp.  7,  27,  8)  und  Tac,  z.  B.  ann. 
2,  39 ;  3,  60,  für  das  klassische  ijicrehrescere  (Cic.  or.  23,  fam.  7, 
20,  3  und  öfter). 


Crebro  —     373     —  Credibilis 

Creh^o  heisst  das  Adv.  zu  creber ;  crehre  steht  nur  bei  Vitr.  in 
der  Bedeutung  didit,  crehriter  bei  Yitr.  und  Apul.,  vgl.  Neue- 
Wagener»  II  S.  622,  Hey  Semas.  Stud.  S.  146. 

Credere.  Mit  Unrecbt  wurde  im  Antibarbarus  früher  credey^e 
in  Deimi  als  unlateinisch  verworfen  und  dafür  Deuni  credere^  putare 
(Deum  esse  credere)  verlangt.  Yielmehr  ist  credere  in  Deiim  die 
wörtliche^  in  der  lateinischen  Bibelübersetzung,  der  Yulgata,  häufige 
Übertragung  des  im  griechischen  Original  des  neuen  Testamentes  so 
oft  vorkommenden  ncazsöetv  eh  ulbv  §eoijj  aozöv  und  ähnl.  Der 
Ausdruck  ist  aber  ebenso  prägnant  als  glücklich,  um  die  gänzliche 
Hingabe  des  ganzen  Menschen  an  Christus  seinen  Herrn  und  Heiland 
zu  bezeichnen,  wie  denn  z.  B.  August,  enarr.  in  Ps.  77,  n.  8  sagt : 
lioc  est  ergo  credere  in  Deum,  credendo  adhaerere  ad  hene  cooperandum 
bona  operanti  Deo  und  an  einer  andern  Stelle:  qui  fidem  habet  sine 
spe  ac  dilectione,  Christum  esse  credit,  non  in  Christum  credit,  serm. 
144,  2.  Also  muss  das  auch  bei  den  übrigen  Yätern  der  altlat. 
Kirche  so  oft  vorkommende  credere  in  Deum,  Christum,  wofür  sich 
entsprechend  dem  griechischen  ncazeüecv  iv  Xpcarw  auch  credere  in 
Christo  findet,  durchaus  anerkannt  werden;  vgl.  Göizer  Hieron.  349, 
Hoppe  Synt.  Tert.  S.  40,  Harteis  Judex  zu  Cypr.  u.  Watson  S.  277.  — 
Über  crede  mihi  und  mihi  crede  habe  ich  in  Z.  f.  G.  W.  1881 
S.  115  eine  eingehende  Untersuchung  angestellt;  als  Resultat  ergab 
sich,  dass  crede  mihi  die  Wendung  war,  welche  im  gemeinen  Leben 
vorkam,  während  mihi  crede  die  feinere  Ausdrucksweise  war  und 
blieb.  In  Ciceros  Reden,  philosophischen  Schriften  und  epp.  ad 
fam.  finden  wir  ausschliesslich  mihi  crede  (fam.  10,  6,  2  crede 
igitur  mihi  ist  die  Stellung  durch  die  Einschiebung  von  igitur  be- 
dingt, wie  bei  Yerr.  4,  133  credite  hoc  mihi  durch  das  eingefügte 
hoc)'^  crede  mihi  steht  einigemal  in  den  epp.  ad  Att.,  in  den  Briefen 
an  Cicero,  bei  Lucil.  28,  797  M.,  Catull  77,  1,  oft  bei  Ovid  und 
Martial,  stets  bei  Sen.  rhet.  und  Petron;  Horaz  kennt  nur  mihi 
crede,  was  bei  den  spätem  Epistolographen  sich  erhalten  hat.  Ygl. 
auch  Klotz  zu  Cic.  Tusc.  S.  100,  Mahne  Mise.  Lat.  I  S.  41  ff., 
Landgraf  S.  Rose.  S.  307,  Georges  in  Phil.  Rundschau  1881  S.  1306, 
Scholl  Bayr.  Gymn.  1884  S.  15,  Hellmuth  Balb.  S.  55,  Archiv  III 
S.  583,  Burg.  S.  64,  Gebhard  S.  39. 

Credibilis,  glaublich.  Älicui  aliquid  credibile  facere,  einem  etwas 
glaublich  machen,  einen  von  etivas  überzeugen,  wurde  früher  im 
Antib.  als  N.  L.  verworfen.  Wenn  aber  aliquid  credibile  facere 
nicht  nur  bei  lust.  5,  5,  7,  sondern  auch  bei  Quintil.  4,  2,  47  und 
§  110  und  9,  1,  19  steht,  so  würde  alicui  aliquid  credibile  facere 
schon  dadurch  gestützt.  Allein  es  fehlt  auch  nicht  an  einem  direkten 
Zeugnis  bei  Liv.  24_,  5,  13:  maxime  animo  tgranni  credibile  indi- 
cium  Thraso  nominatus  fecit.  Obgleich  Cic.  sagt  ita  credibile  fit 
deorum  et  hominum  causa  factum  esse  mundum,  so  möchte  ich  doch 
credibile  facio  mit  folgendem  Acc.  c.  inf.  nicht  empfehlen;  hier  ist 
nur  richtig   das  überhaupt    vorzuziehende    klassische    alicui    aliquid 


Creditum  —     374     —  Crescere 

p'ohare ;  vgl.  Cic.  de  or.  1,  80  probas  mihi  ista,  quae  dicis,  Flacc. 
93  tantum  te  crimen  probaturum  putasti^  Yerr.  1,  10  Ms  ego  iu- 
dicihus  non  p^ohcibo   Verrem  contra  leges  pecitnias  cepisse? 

Creditum,  das  Darlehen,  das  Anvertraute,  findet  sich  bei  Sali. 
Cat.  25,  4  und  bei  Liv.  6,  15,  5;  6,  27,  3  und  8,  28,  3,  sonst 
N.  Kl.  bei  Quintilian  und  Seneca ;  klassisch  ist  nur  pecnnia  oder 
res  credita,  Cic.  ofF.  2,  84  solutio  renim  creditanim,  prov.  7  ins 
dicere  de  pecuniis  creditis. 

Crementum,  der  Zniuachs,  steht  A.  L.  bei  Yarro  (Stünkel  S.  38) 
und  dem  altern  Plinius,  sowie  bei  Isidorus  or.  9,  5,  5  für  das  klass. 
incrementiim  (Cic.  fin.  2,  88;  Cato  52). 

Cremare  und  comhnrere  sind  nicht  wesentlich  verschieden,  und 
mit  dem  „feinen  Unterschiede  Ciceros",  dass  cremxire  bei  ihm  nur 
als  vocabulum  solenne  vom  Verbrennen  der  Leichname  auf  dem 
Scheiterhaufen,  comhnrere  dagegen  von  der  Verhrennung  eines  Le- 
bendigen zur  Strafe  gesagt  werde,  ist  es  nichts,  da  bei  ihm  auch 
comburere  von  dem  Verbrennen  der  Toten  angewendet  ist:  ille  etiam 
in  foro  comhustus  laudatusque  miserabiUter,  Cic.  Att.  14,  10,  1  und: 
jnter  ante  noctem  mortuus  et  postridie,  antequam  luceret,  combustus 
est,  Ciuent.  27.  So  wird  comburere  auch  von  andern  Autoren  ge- 
braucht: ibi  (in  nobilissimo  orbi  terrarum  Academiae  gymnasio) 
eum  combussimus,  Ser.  Sulp,  bei  Cic.  fam.  4,  12,  3;  sutor  ille 
quem  quaeris  elatiis,  combustus  est,  Sen.  benef.  7,  21,  1;  Pom- 
pei  cmjms  concisae  scaphae  lignis  conburebatur,  Val.  Max.  1,  8,  9; 
umgekehrt  drückt  derselbe  Autor  das  Verbrennen  eines  Lebendigen 
zur  Strafe  durch  cremare  aus:  omnes  collegas  suos  vivos  cremavit, 
6,  3,  2,  womit  auch  Curt.  übereinstimmt:  vivum  Samaritae  crema- 
verant,  4,  8,  9,  ebenso  Suet. :  Atellanae  poetam  igni  cremavit^  Calig. 
27  ext.,  ja  selbst  Caesar:  damnatum  poenam  sequi  oportebat,  ut  igni 
cremaretur,  Call.  1,  4,  1.  Auch  Livius,  welcher  sonst  comburere 
von  dem  Yerbrennen  Lebendiger  zur  Strafe  hat,  z.  B.  24,  45,  14, 
gebraucht  concremare  im  gleichen  Sinn:  vivos  igni  concrematuros 
minabantur,  3,  53,  5  und  ganz  ebenso  9,  12,  8,  und  wenn  es  bei 
Cicero  heisst:  Calanus  sua  voluntate  vivus  combustus  est,  Tusc.  2, 
52,  so  sagt  dagegen  Curt.:  vivos  se  cremari  iuhent,  8,  9,  32  und 
5.  6,  7. 

Cremor  ist  in  der  Bedeutung  die  obere  Fettigkeit  der  Milch,  die 
Saline,  der  Bahn,  Schmant  N.  L.  für  spuma  lactis;  in  der  Be- 
deutung ^Schleim""  findet  es  sich  bei  Plaut.  Cato  und  besonders  bei 
Celsus. 

Crepare,  knarren,  rauschen  u.  dgl.,  ist  P.  L.  und  N.  Kl.  sehr 
selten  für  concrepare,  increpare,  welche  beide  bei  Cicero  üblich  sind. 

Crescere,  ivachsen,  zunehmen.  Man  beachte,  dass  unser 
ivachsen  (von  irgend  einer  Frucht,  eiyiem  Naturprodukt)  in  dem 
Sinn :  hervorgebracht,  erzeugt  iverden,  vorkommen,  nicht  durch  cres- 
cere, sondern  durch  gigni  und  noch  gewöhnlicher  durch  nasci  aus- 
zudrücken ist,  wie:  illa  Arabia,  ubi  tus  gignitur,  Plaut.  Trin.  934. 


Cresius  —     375     —  Crimen 

Visus  ei  dicitiir  draco  .  .  .  radicidam  ore  ferre  et  simid  dicere,  quo 
illa  loci  nasceretur,  Cic.  divin.  2,  135.  So  auch  inlus,  dens 
nascitu7^,  jnli  nascuntur  bei  Geis.  7,  12,  1  extr.,  ibid.  6,  4  Ende; 
sbnimae  nascuntur  maxime  in  cervice,  ib.  5,  28,  7.  Nascititr  ihi 
phimhimi  alhum,  Caes.  Gall.  5,  12,  5.  Onycliem  in  Arabiae  tantum 
moyitihus  nee  nsquam  aliichi  nasci  putavere  nostri  vetey^es,  Plin.  nat. 
36,  59.  Ut  frumenta  natu  sunt,  ita  decumae  veneunt,  Cic.  Verr. 
3,  147.  —  Man  hat  bezweifelt  animus  crescit,  der  Mut  luächst;  aber 
Cicero  sagt  (Pomp.  45):  hostium  opes  anhnique  creverunt;  Livius 
(5,  46,  4),  non  anhni  tantum,  sed  etiam  vires  crescehant]  Quint. 
(1,  2,  3) :  animus  laude  crescit.  Dies  ist  im  Lateinischen  über- 
haupt nicht  selten  und  zwar  so,  dass  bei  einem  im  Plur.  stehenden 
Personalnomen  oder  bei  einem  kollektiven  Singular  sowohl  animus 
crescit  als  animi  crescunt  und  zwar  sowohl  alicui  als  alicuius  ge- 
funden wird.  S.  Cic.  Pomp.  45,  oft  bei  Livius,  z.  B.  2,  27,  2, 
Curt.  4,  6,  13,  lust.  19,  1,  8.  Ist  das  Personalnomen  ein  Indivi- 
duum, ein  singularer  Begriff,  so  steht  wohl  nur  der  Singular,  wie 
Liv.  44,  11,  1:  Animus  crevit  jn^aetori.  —  Gut  ist  auch  harha  crescit, 
der  Ba7t  ivächst,  so  Lucrez  6,  945 ;  aber  den  Bart  ivachsen  lassen 
heisst  alere  oder  pascere  harham  (Hör.  sat.  2,  3,  35,  Plin.  nat.  24, 
140),  bei  Livius  prornittere,  ebenso  bei  Nepos,  z.  B.  Liv.  6,  16,  4, 
Nep.  Dat.  3. 

Cresius  und  Cretaeus,  kretensisch,  zu  Kreta  gehörig,  sind  P. 
Formen.  Als  Subst.  der  Kretenser  ist  Kl.  Cres,  Plur.  Cretes,  vgl. 
Cic.  Mur.  74,  divin.  1,  34;  bei  andern,  Nepos  und  Livius,  gleich 
gut  Cretenses;  als  Adj.  am  besten  Cretensis.,  weniger  gut  Creticus, 
was  nur  als  Beiname  von  Personen  Kl.  ist,  vgl.  Q.  Metellus 
Creticus. 

Crimen  ist  bei  Cicero  immer  nur  die  AnscJmldigung ,  Beschul- 
digung oder  der  Yorivurf  eines  Yerbrechens,  wie  man  aus  den 
Redensarten  crimini  dare,  zum  Vorivurf  machen,  voriverfen,  in  cri- 
mine  esse,  heschiddigt  lu erden,  und  crimini  esse,  ein  Vorivurf  sein, 
ersieht.  Ihm  ist  gleich  an  Bedeutung  criminatio.  Eben  daher  tritt 
zu  crimen  das  angeschuldigte  Vergehen  im  Genitiv,  nicht  im  gleichen 
Kasus  hinzu.  Man  sagt  wohl  z.  B.  crimen  parricidii  summum  erat, 
aber  weder  summum  crimen  erat  parricidium,  noch  auch  summum 
erat  crimen  parricidium;  richtig  ist  scelus  maximum  erat  parricidium. 
Die  einzige  Stelle,  welche  bei  Cicero  dagegen  zu  sprechen  scheint, 
Sest.  80 :  Uli  est  crimen  f  quid  reprehenditis  ?  wird  ohne  Grund  an- 
geführt. Crimen  ist  auch  hier  —  s.  Halm  zu  der  St.  —  =  res 
criminosa.  Man  übersetze :  Wo  ist  ein  Beschiddigungsgrund  ?  ilher 
ivas  ivollet  ihr  euch  heschivereyi?  Auch  bei  Cicero  Cael.  61  und 
71  ist  crimen  nicht  mehr  als  Anschuldigung.  Hingegen  einigemal 
schon  bei  Livius  (s.  Weissenborn  zu  40,  12,  10)  und  in  der  silbernen 
Latinität  und  poetisch  bedeutet  es  das  Verhrechen  seihst;  vgl.  Land- 
graf S.  Rose.  S.  290  und  Sulla  S.  69.  Nunmehr  heisst  auch  crimini 
esse  als  Verbrechen  gelten,    z.  B.  Yell.  2,  116,  5  yieque  enim  iustus 


Criminalis  —     376     —  Criticus 

sine  mendado  candor  cqmd  bonos  crimini  est  =  gilt  nicht  ah  Yer- 
hrechen;  vgl.  Nieländer  1893  S.  7. 

Criminalis,  kriminell,  eine  Strafe,  wohl  gar  den  Tod  verdienend, 
kommt  sehr  Sp.  L.  nur  bei  den  Juristen  vor ;  in  guter  Prosa  steht 
dafür  meistens  capitalis,  z.  B.  ein  KriminalverhrecJien,  res  capitalis, 
nicht  criminalis;  einen  wegen  eines  Kriminalverbrecliens  (wegen  Kri- 
minaiv erbrechen)  anklagen  oder  verdammen,  aliciuem  rei  cajntalis 
(rerinn  caintaliiim)  reum  facere,  accusare,  damnare  oder  condemnare, 
vgl.  Cic.  Yerr.  2,  95,  Caec.  25,  Cato  42  u.  ö.  Ygl.  Capitalis.  Ein 
Krimmalprozess  ist  cai^itis  üidiciiim  oder  dimicatio.  Nach  Klotz 
kann  man  sich,  wenigstens  in  echt  römischen  Yerhältnissen,  mit 
iiidicium  pmhlicum  und  quaestio  im  engern  Sinne  öfters  helfen. 

Criminari  wird  regelmässig  als  Deponens,  ansclnddigen  u.  dgl. 
gebraucht,  nicht  als  Passivum.  Was  man  aus  Cicero  dafür  ange- 
führt hat  (agr.  3,  13  Sidlanas  res  defendere  criminor),  ist  nicht 
sicher.  S.  daselbst  A.  W.  Zumpt,  welcher  liest:  eum  Sidlanas  res 
defendere  criminor.  Der  neueste  Herausgeber  C.  F.  W.  MüUer  ist 
jedoch  für  passive  Auffassung,  denn  er  verweist  auf  agr.  2,  57  qui 
publicus  esse  fateatur  und  Yerr.  5,  106  cum  ipse  pjraedonmn  socius 
ai'bitraretur,  wo  fateri  und  arbitrari  als  Passiva  gebraucht  werden. 
Stellen  aus  dem  aS^;.  L.  für  passives  criminari  hat  Georges  Wort- 
formen s.  V.;  vgl.  auch  Neue-Wagener^  III  S.  35. 

Criminosus  ist  Sp.  L.  in  der  Bedeutung  verbrecherisch^  voll 
Vergehen,  vgl.  Gölzer  Hierou.  115,  da  es  vielmehr,  entsprechend  der 
klassischen  Bedeutung  von  crimen,  verleumderisch,  vorwurfsvoll  be- 
deutet; jenes  heisst  sceleratus,  facinorosus  u.  a.  Der  Superlativ 
wird  sich  wohl  nur  Suet.  Caes.  75,  Tib.  53  finden,  vgl.  Freund  S.  49. 

Crisinms,  bedenklich,  entscheidend,  kritisch,  wurde  erst  Sp.  L. 
von  Ärzten,  z.  B.  Cael.  Aur.  acut.  1,  14,  108,  neben  criticus  ge- 
braucht. Celsus  nennt  solche  kritische  Tage  dies  graves,  potentes, 
quibiis  de  aegris  indicatur,  und  führt  das  griechische  Wort  xpiaciioc, 
nur  gelegentlich  als  Kunstwort  an,  ohne  es  zu  brauchen;  vgl.  Saal- 
feld im  tensaurus  S.  357. 

Crisis  findet  sich  als  medizinisches  Kunstwort  von  der  ent- 
scheidenden Wendung  im  Zustande  eines  Kranken  noch  nicht  bei 
Celsus,  sondern  erst  bei  Sen.  ep.  83,  4;  die  Krisis  der  Krankheit 
ist  Sp.  L.  auch  critica  morbi  accessio  oder  dies  crisimus.  Ausserdem 
kommt  crisis  in  der  jetzt  ganz  gewöhnlichen  Bedeutung  Kritik,  Be- 
urteilung einer  Lesart  nirgends  bei  einem  Alten  vor  und  kann  neben 
ars  critica  recht  wohl  entbehrt  werden ;  ja  oft  ist  iiidicium  dafür 
hinreichend  (dies  ist  auch  Sen.  ep.  83,  4  nach  Hense  in  Y  super 
additum).  Jedenfalls  vermeide  man  bei  dem  Gebrauche  desselben 
den  Genitiv  criseos  für  o'isis.  Ebenso  Y".  L.  ist  crisis  in  politischem 
Sinne,  der  bedenkliche  Zustand,  für  discrimen  (Cic.  de  or.  1,  3,  S. 
Rose.  16). 

Criticus  kommt  in  der  Bedeutung  Kunstrichter  als  Subst.  schon 
bei  Cic.  fam.  9,  10,  1  vor  (tamquam  criticus   antiqimsj,   doch   ver- 


Crotoniates  —     377     —  Crudelis 

dient  der  reinlateinische  Ausdruck  existimator  den  Vorzug,  vgl.  Cic. 
Brut.  200,  or.  122 ;  immerhin  mag  es  gebraucht  werden,  da  es  ohne- 
hin, wie  ars  critica^  als  neues  Kunstwort  giltig  ist,  wenn  es  auch 
als  Adjektiv  erst  Sp.  L.  von  den  Ärzten  für  das  oben  erwähnte 
crisimus  gebraucht  wurde.  Aber  für  critice  corredits^  kritisch  he- 
richtigt,  sage  man  nach  F.  A.  Wolf  ad  criticam  rationem  emendatus. 
Lächerlich  ist  es  aber,  das  Adj.  criticus  in  der  allgemeinen  Be- 
deutung bedenklich,  gefährlich  zu  brauchen,  und  kritische  Zeiten 
auszudrücken  durch  tempora  critica  für  pericidosa. 

Crotoniates,  Plur.  Crotoniatae,  der  Krotoniate,  als  Subst.  ist 
KL;  dagegen  das  Adj.  Crotoniensis  lesen  wir  erst  bei  Sali,  und  bei 
Livius ;  iV^.  Kl.  ist  es  auch  Subst.,  so  schon  bei  Livius. 

Cruciabilis,  martervoll,  ist  Sp.  L.  für  miser,  miserahilis,  vgl. 
Paucker  Vorarbeiten  I,  50 ;  hingegen  cruciahiliter  kommt  schon 
A.  L.  bei  Plautus  vor,  der  auch  cruciahilitas  braucht;  vgl.  Lorenz 
zu  Plaut.  Pseud.  933 ;  dann  b.  Afric.  46,  2,  vgl.  Köhler  act.  Erl.  I 
S.  377;  ausserdem  ist  es  Sp.  L.,  vgl.  Rönsch  Ital.  S.  114,  Coli, 
phil.  S.  119. 

Cruciamen.,  die  Marter,  Qual,  ist  Sp.  und  P.  L.  für  criiciamentiim, 
Cic.  Phil.  11,  8  oder  das  gewöhnliche  criiciatus,  welches  im  Plur. 
auch  Folteriuerkzeuge  bedeutet,  s.  Cic.  Verr.  5,  163. 

Cruciare,  kreuzigen^  ist  Sp.  L.  Vgl.  Bünemann  zu  Lact. 
mort.  2,  1. 

Criicifigere  oder  getrennt  cruci  figere,  ans  Kreuz  schlagen,  steht 
erst  N.  Kl.  bei  dem  altern  Plinius,  Quintilian  und  Sueton.  Klassi- 
sche Ausdrücke  für  kreuzigen  sind:  in  crucem  tollere,  Cic.  Verr.  1,  7; 
in  crucem  agere,  Cic.  fin.  5,  92;  cruce  afficere,  Verr.  1,  9;  cruci 
suffigere,  Cic.  Pis.  42.  Cruci  affigere  sagt  Cic.  nicht,  vgl.  s.  v. 
Affigere,  wo  noch  Dietze  S.  15  zu  zitieren  ist.  Nicht  bloss  aS^.  L. 
ist  in  cruce  suffigere.  Es  findet  sich  schon  Hör.  serm.  1,  3,  80 — 82, 
ebenso  b.  Afric.  66,  4,  Catull  99,  4;  vgl.  Köhler  act.  Erl.  I  S.  439  f. 

Crudelis,  Grausam  in  irgend  einer  Angelegenheit  wird  lateinisch 
durch  in  c.  ahl.  ausgedrückt:  civeni  in  hominis  considaris  calamitate 
er iidelem  def ender e,  Cic.  de  or.  2,  198  und:  cui  nimis  videtur  senatus 
in  conservayida  patria  fuisse  crudelis,  Pis.  17.  Bei  Personen  kann, 
wie  bei  andern,  irgend  eine  Stimmung  des  Gemiltes  ausdruckenden 
Adjekt.  sowohl  der  Accus.,  als  der  Ablat.  mit  in  gewählt  werden. 
Wird  der  erstere  Kasus  genommen,  so  ist  damit  die  betreffende 
Person  als  das  unmittelbare  Ziel  einer  Tätigkeit  betrachtet;  so  ist 
es  bei  Cic.  Phil.  5,  22,  fin.  1,  34,  Att.  9,  14,  2  und  10,  11,  3  und 
(wegen  der  Personifikation)  crudelem  esse  in  patriam,  Catil.  4,  13, 
Liv.  2,  56,  7.  Indes  kann  auch  bei  Personen  in  c.  abl.  stehen, 
sofern  die  Person  als  der  Gegenstand  gedacht  wird,  an  welchem 
sich  eine  Tätigkeit  oder  Eigenschaft  äussert,  s.  Fabri  zu  Sali.  Cat. 
9,  2.  Und  so  ist  es  auch  mit  crudelitas.  Wie  gesagt  wird :  isla 
in  nostros  homines  crudelitas,  Verr.  5,  150,  off.  2,  27,  rep.  1,  5, 
so  sagt  man   anderseits   auch:   crudelitatem   in   aliquo   exercere,   ex- 


Cruor  —     378     —  Cubiculum 

'promere,  Cic.  Mil.  33,  Phil.  11,  8.  Crudelis  wird  auch  von  Sachen 
gebraucht:  o  rem  cum  auditu  mnidelem,  tum  visu  nefariam,  Cic. 
Plane.  99,  iioena  in  cives  crudelis,  Cic.  Phil.  11,  1;  unser  in  eine 
so  fjrausame  Notivendigkeit  geraten  heisst  lateinisch:  in  tarn  crudelem 
necessitatem  incidere,  Cic.  Tusc.  3,  60. 

Cruor.  An  cruor  =  das  vergossene  Blut,  Blutspuren,  Blut- 
fleclieyi,  ist  nicht  der  mindeste  Anstand  zu  nehmen.  Es  findet  sich 
bei  Cicero  nicht  nur  S.  Rose.  19  und  Tüll.  24,  sondern  auch  sonst 
öfter.  S.  Cic.  Caec.  76,  Phil.  13,  8,  Mil.  86,  inv.  1,  48.  ,,Sanguis 
ist  die  Bedingung  des  physischen  Lebens,  cruor  das  Symbol  des 
Mordes."  Döderlein,  Handbuch  der  lat.  Synonymik,  S.  205;  vgl. 
auch  Landgraf  S.  Rose.  S.  167. 

Crustulum,  das  Backiuerk,  Zucker plätzclien.  Der  Plur.  crustula 
wird  heutzutage  zu  einer  lächerlichen  Benennung  von  Büchern  ge- 
braucht, welche  Sprüche  und  allerlei  interessante  Erzählungen  für 
die  ersten  Anfänger  im  Lateinischen  zum  Lesen  und  Übersetzen 
enthalten.     Bei   den   Alten  findet   sich   nirgends    eine  Spur    davon. 

Crustmnerinus  ist  nur  Adj.,  nicht  Subst.  =  der  Einicohner 
von  Crustumeria;  dieser  heisst  Criistuminus,  was  eine  Form  Cn*- 
stumium  (Sil.  Ital.  8,  367)  voraussetzt  und  zugleich  das  bessere 
Adjekt.  ist;  vgl.  H.  J.  Müller  zu  Liv.  1,  9,  8. 

Crux  kommt  nur  in  der  Yolkssprache  (daher  oft  bei  den  Ko- 
mikern und  im  Sp.  L.  bei  Eccl.,  vgl.  Gölzer  Hieron.  S.  251)  in  der 
Bedeutung  Ungemach,  Pein,  Qucd  vor,  nie  in  der  edlern  Schrift- 
sprache, wo  viele  andere  Wörter,  wie  malum,  miseria,  cruciatus, 
molestia,  calamitas  u.  a.  seine  Stelle  vertreten.  Im  N.  L.  wird  es 
dagegen  oft  von  einer  schwierigen,  schiver  zu  verstehenden  und  zu 
erklärenden  Stelle  gebraucht,  was  höchstens  mit  dem  Zusätze  von 
quasi  oder  quaedam  zulässig  ist,  z.  B.  hie  locus  qiuisi  (mala)  quae- 
dam  crux  interpretum  fuit.  Noch  lächerlicher  aber  ist  es  zu 
sagen:  non  poterant,  c[uin  sibi  crucem  flgerent,  von  Auslegern, 
die  eine  nicht  schwere  Stelle  schiver  finden.  Über  cruci  figere  vgl. 
Criicifigere. 

Cuhare,  liegen.  Die  lächerliche  Redensart,  welche  sich  seit 
Graevius  und  Burmanns  Zeiten  so  oft  bei  den  Kritikern,  auf  fehler- 
hafte Stellen  angewendet,  findet,  in  mendo,  in  niendis,  in  vitio  civ- 
hare  für  mendosum,  vitiosum  esse,  kommt  wohl  von  cuhare  = 
aegrotare^  vgl.  Hör.  sat.  1,  9,  18,  Plaut.  Cas.  prol.  37  in  morho 
cubare.  Sogar  der  ernste  Ruhnken  sagt  (zu  Yell.  2,  66):  ego  verbum- 
mmciari  in  mendo  cuhare  puto,  und  selbst  der  Antibarbarist  Nolten: 
in  vitio  cuhare. 

Cuhicidarius,  zum  Schlafzimmer  gehörig,  ist  als  Adj.  schlechtere 
Form  im  Sj).  L.  für  cuhicularis ;  gut  aber  ist  es  als  Subst.,  der 
Kammerdiener  (Cic.  Yerr.  3,  8),  im  Sp.  L.  =  Kammerherr,  z.  B. 
Amm.   16,  6,  3. 

Cuhicidum  ist  nicht  jedes  Zimmer,  was  conclave  heisst,  sondern 
wohl  nur  das  Schlaf-  und  Buhezimmer. 


Cucurbita  —     379     —  Culpa 

Cuciirhita  steht  in  der  Bedeutung  Schröjjfkopf  Juven.  sat.  14, 
58,  Scribon.  46  u.  67  (der  unter  Tiberius  lebte)  und  Cucurbitae  me- 
dicinales  auch  bei  Plin.  nat.  32,  123,  während  cucurhitula  bei 
Celsus  in  diesem  Sinne  gebraucht  wird.  Übrigens  unterscheiden 
sich  beide  Wörter  so,  dass  cuciirhita  ein  grosser,  cucm^tula  ein 
kleiner  Schröpfkopf  ist. 

Cudere,  schlagen,  stossen,  etivas  aus  Metall  arbeiten,  bedeutet 
nie  etivas  Geistiges  ausarbeiten;  dafür  ist  der  Ausdruck    nicht   edel 

Cuicuimodi.  So  lautet  der  regelmässige  Genitiv,  denn  ein  cuius- 
cuiusmodi  existiert  nicht,  nur  ein  q^aoiusmodi,  z.  B.  Plaut.  Men.  575, 
vgl.  Bücheler-Windekilde  S.  76,  Kühner  I  S.  404  f.,  Neue- Wagener 
II  S.  513,  Kühner  zu  Cic.  Tusc.  3,  83,  Landgraf  S.  Rose.  S.  310. 
Übrigens  kommt  ciiicui  klass.  nur  in  Verbindung  mit  modi  und 
cuicuimodi  nur  mit  esse  vor,  z.  B.  cuicuimodi  est,  so  Cic.  or.  3,  94, 
Tusc.  3,  83,  Att.  3,  22,  4;  vgl.  Boot  z.  St.,  Yerr.  5,  107  u.  dazu 
Thomas;  für  Plaut,  vgl.  jedoch  Bacch.  400  malus,  bonus  quoiquoi- 
modi.  Dies  cuicuimodi  hat,  wenn  nicht  der  Konjunktiv  durch  andere 
Umstände  erfordert  wird,  den  Indikativ  bei  sich,  wie  es  auch  jetzt 
die  Grammatiker  lehren.  Die  Neulateiner  setzen  oft  unnötig,  den 
neueren  Sprachen  gemäss,  den  Konjunktiv.  Bezüglich  der  hand- 
schriftlichen Überlieferung  von  cuicuimodi  vgl.  Zumpt  zu  Yerr.  5, 
107,  Madvig  fin.  S.  394,  sowie  Hertz  zu  Gell.  9,  2,  6  und  Gorges 
S.  11. 

Culinaris,  zur  Küche  gehörig.  Die  neuen  Redensarten:  latinitas 
culinaria  oder  iyi  culina  nata,  Küchenlatein,  und  poesis  culinaria, 
Küchenpoesie,  bezeichnen  neue  Ideen  und  sind  insofern  nicht  zu  ver- 
werfen. Daher  ist  es  denn  auch  nicht  wohl  unpassend  zu  sagen: 
lati?iitas  culinam  redolet,  die  Latinität  (das  Latein)  riecht  (schmeckt) 
nach  der  Küche,  wie  Cic.  (Brut.  82) :  orationes  eins  redolent  magis 
antiquitatem. 

Culmen  kommt  bei  Cicero  nur  im  Yerse  von  der  Himmelskuppel 
vor  und  bei  Caesar  nur  von  den  Gipfeln  oder  Spitzen  der  Alpen. 
Cicero  nennt  dergleichen  Berggipfel  vertices  (Yerr.  4,  106  ex  Aetnae 
vertice),  Livius  u.  a.  iugum.  Ygl.  Cacumen.  Bildlich  nennt  schon 
Livius  45,  9,  7  den  höchsten  Gipfel  des  Glückes  summum  culmen 
fortunae,  so  auch  summum  stellae  cidmen  =^  der  Kulminationspunkt, 
Sen.  nat.  1,  Prol.  §  12.  Im  Sp.  L.  finden  wir  ähnlich  honoris  und 
auctoritatis  cidmen.  Aber  zu  gewagt  ist  02)tice  ud  quantum  culmen 
fuit  a  Graecis  provecta  !  wo  fastigium  oder  summus  gradus  passender 
gewesen  wäre. 

Cidpa,  Schidd.  D.  L.  ist  ego  sum  culpa  und  ähnliche  Aus- 
drücke, ich  bin  Schidd,  für  sum  in  cidpa  (Cic.  fam.  15,  2,  7,  Att. 
8,  6,  3,  Plane.  10),  oder  in  me  est  culpa  (Cic.  fam.  1,  9,  13,  Liv. 
3,  66,  4),  oder  mea  est  culpa  (Cic.  fam.  3,  8,  6,  tua  summa  culpa 
est,  du  bist  am  meisten  Schuld).  Daher:  haec  mea  cidpa  est,  daran 
bin  ich  Schuld  (Cic.  Brut.  133);  illorum  hanc  esse  culpam  credidi. 


Culpare  —     380     —  Cultus 

Ter.  Hec.  535;  tuet  tarnen  7ionnulla  culjxi  est,  jedoch  bist  du  etivas 
Schuld  oder  j'^ejies  cdiquem  culjm  cdicuius  rei  est,  Ter.  Hec.  536, 
Liv.  5,  36,  10  u.  35,  33,  3,  Sen.  benef.  7,  18,  2,  Plin.  ep.  10, 
30,  2.  Jemand  ist  ausser  Schuld  heisst  nicht  nur  cidpa  ahest  ah 
aliquo^  Quint.  11,  1,  64,  sondern  auch  mit  dem  Deutschen  wörtlich 
übereinstimmend:  extra  cidpam  cdicuius  rei  esse,  Liv.  8,  19,  10. 
Auch  heisst  Schidd  sein,  culpam  sustinere,  in  se  admitte7^e  u.  a.  — 
Für  cidpam  imponere  in  aliquo  oder  in  alirpiem,  die  Schuld  auf 
jemanden  schieben  oder  iverfen,  was  bei  Plaut,  vorkommt,  sagt  man 
klass.  culpam  coyiferrCy  conicere,  vertere  in  cdiquem  u.  a.  Transferre 
cidpam  hl  alicßiem  steht  bei  Nep.  Ep.  8,  1,  Cic.  Att.  15,  28  und 
Font.  18.  Es  ist  aber  nicht  =  culpam  conferre  in  aliquem,  sondern 
bedeutet:  die  Schuld  von  sich  oder  eiyiem  andern  auf  andere,  oder 
auf  sich  seihst  schiebeyi.  —  Cidpae  esse  cdicui  kommt  nur  bei  Colum. 
5,  1,  2,  sonst  nirgends  vor;  cidpae  tribuere  dagegen  lesen  wir  bei 
Nep.  Ale.  7,  2,  cidpae  dare  bei  Cic.  S.  Rose.  48,  Apul.  mag.  3,  386, 
culpae  adsignare  bei  Cic.  Yerr.  5,  131;  vgl.  Nieländer  1874  S.  24; 
1877  S.  15;   1893  S.  7. 

Culpare,  tadeln,  kommt  teils  P.  L.,  teils  N.  Kl.  nicht  nur  bei  Plin. 
mai.,  Tac,  Sen.,  Suet.,  sondern  einigemal  auch  bei  Quintil.  und  dem 
Jüngern  Ph  (epp.  1,  8,  15;  5,  8,  13;  7,  17,  4;  9,  19,  8  u.  9,  26,  10) 
vor.  Weil  jedoch  die  klass.  Zeit,  Livius  mit  einbegriffen,  es  durch- 
aus verschmäht  —  Yarro  1.  lat.  9,  5  liest  Andr.  Spengel  cum  vitu- 
perandus  non  sit  medicus,  ebenso  auch  Müller  — ,  so  halte  man 
sich  lieber  an  repreliendere  und  vituperare. 

Culter,  das  Messer,  bedeutet  nicht  das  der  Arzte,  welches 
meistens  scalper  (nur  bei  Celsus),  sonst  scaliwum  oder  scalpellum 
heisst. 

Cultio,  die  Bebauung,  ist  nur  in  Verbindung  mit  agri  üblich. 
Vgl.  Agricultio.  Erst  ^S^;.  L.  bei  Eccl.  ist  es  in  der  Bedeutung  Ver- 
ehrung, für  cultus. 

Cultura  ist  in  der  Bedeutung  Verehymng  nur  P.  L.  bei  Horaz 
ep.  1,  18,  86  für  cultus.  Überhaupt  bezeichnet  es  aktiv  nur  das 
Bilden  und  Bearbeiten  ländlicher  Gegenstände  und  ist  daher  mit  dem 
Genitiv  agri  ganz  gewöhnlich,  mit  welchem  es  gleichsam  ein  Wort 
bildet.  Und  so  verbindet  Cicero  (Tusc.  2,  13)  in  der  Vergleichung 
der  Äcker  mit  der  Seele  und  ihrer  beiderseitigen  Bebauung,  Pflege 
und  Bildung  cultura  sogar  mit  animi :  cultura  animi  philosophia  est 
■=  der  Anbau,  das  Bildungsmittel  der  Seele  ist  die  Philosophie.  Es 
bedeutet  aber  nie  Bildung  und  Ausbildung,  als  Resultat  der  Bildungs- 
arbeit, was  wir  Kultur  nennen. 

Cultus  kann  ohne  den  die  Bedeutung  näher  bestimmenden  Ge- 
nitiv animi  nicht  (geistige)  Bildung  oder  Ausbildung  heissen,  da  es 
für  sich  allein  nur  Pflege,  Wartung,  Bearbeitung  bedeutet  und  durch 
Genitive  nähere  Beziehung  und  Bedeutung  erhält.  Ganz  allgemein 
ist  humanus  cidtus  (Cic.  de  or.  1,  33),  eingeschränkter  animorum 
corporumque  cultus,  z.  B.  bei  Liv.  39,  8,  3:  multas   artes   ad    ani- 


Cum  —     381     —  Cum   primis 

morwn  coriooriimqiie  cultwn  nobis  eruditissima  omnium  gens  invexit. 
Bildung  im  Lieben  und  in  den  Sitten  ist  humanitas,  und  echt 
städtische,  ii7'hanitas ;  wissenschaftliche  Bildung,  eruditio,  doctrinct, 
animi  cultus,  litterae  (Cic.  Tusc.  1,2);  Kultur  eines  Volkes,  cnltus 
atque  hiimanitas,  und  meistens  bloss  mores.  —  Ebenso  bedeutet  das 
V SLY t iz.  cidtus  nicht  gebildet,  wofür  excultus,  eruditus,  politus  gesagt 
wird;  daher  bei  Cic.  (fam.  13,  1,  5):  est  omni  Uherali  doctrina  poli- 
tissimus,  er  ist  ein  allseitig  gebildeter  Mann. 

Cum.  Diese  Präposition  drückt  oft  die  begleitenden  Nebenum- 
stände  einer  Sache  ans,  z.  B.  der  Zeit:  cum  prima  luce  =  mit  der 
erste?!  Morgenfrühe,  cum  ortu  solis  proficisci,  dann  aber  auch  andere 
Nebenumstände  wie  otium  cum  dignitate,  fletiis  cum  singidtu,  morbus 
cum  imbecillitate,  cum  clamore  in  forum  curritur,  cum  curru  urbem 
intrare,  multis  cum  lacrimis  Caesarem  complexus  obsecrare  coepit, 
daher  auch  von  Dingen,  welche  jemand  bei  oder  an  sich  hat:  cum 
telo  esse,  cum  gladiis  curiam  obsidere,  auch  von  der  Kleidung,  die 
man  am  Leibe  trägt,  wie  cum  tunica,  cum  toga  sedere  u.  dgl.;  eben- 
dahin gehört  auch  equideus  cum  V  pedibus  natits,  agnus  natus  cum 
capite  suillo,  cum  febri  domiim  redire,  ebenso  esse  cum  imperio,  cum 
potestate;  hierher  gehört  auch  das  prägnant  gebrauchte  cum  in 
Verbindungen  wie  vidi  argenteum  Cupidiyiem  cum  lampade,  Cic. 
Yerr.  2,  115  und:  simulacrum  Cereris  cum  facibus,  ib.  4,  109, 
während  cum  lampade,  cum  facibus  in  manu  deutschlatein.  wäre, 
richtig  aber  lampadem,  faces  manu  tenens.  Nicht  N.  L.,  aber 
N.  Kl.  und  Sp.  L.  ist  cum  in  Wendungen  wie  tempus  consumere 
cum  lectione,  ungere  cum  oleo,  sidciim  complere  cum  terra  u.  ä.,  vgL 
C.  F.  W.  Müller  in  N.  Jahrb.  1890  S.  717  ;  Kottmann  S.  25.  Kann 
man  wohl  auch  sagen :  ut  cum  Mureto  loquar  =  um  mit  Muret  zu 
reden,  mich  der  Worte  Murets  zu  bedieneyi  .^  Man  hat  es  durch 
das  bekannte  errare  malo  cum  Piatone  .  .  Cic.  Tusc.  1,  39  ver- 
teidigt, allein  loqui  cum  aliquo  hat  bei  den  Alten  immer  nur  den 
Sinn  von:  sich  mit  jemanden  unterhalten,  zu  jemanden  sprechen,  vgl. 
Seyffert-Müller  zu  Lael.  S.  48,  wie  z.  B.  Macr.  sat.  1,  5:  quasi  cum 
Evandri  matre  loquare  =  gerade  so,  als  ivenn  du  dich  mit  Evanders 
Mutter  unterhieltest,  während  die  ihm  in  der  modernen  Latinität 
untergeschobene  Bedeutung  antik  durch  ut  verbis  alicuius  utar,  ut 
alt  aliquis  u.  ähnl.  ausgedrückt  wird.  —  Unser  mit  Gott,  d.  h.  mit 
Gottes  Hilfe,  heisst  nicht  cum  Deo,  sondern  cum  Deo  volente,  cum 
Deo  iuvante,  oder  (und  dies  ist  gewöhnlicher,  s.  Fabri  zu  Liv.  21, 
48,  7  und  Dräger  H.  Synt.  II  S.  788,  wo  jedoch  Liv.  21,  43  zu 
streichen  u.  Gell.  18,  10,  7  beizufügen  ist)  ohne  cum^  Deo  iuvante, 
Deo  volente,  bene  volente,  iuvante,  Deo  auspice.  —  Über  cum  bei 
idem  vgl.  Idem,  und  über  cum  tempore,  mit  der  Zeit,  d.  h.  in  der  Folge, 
vgl.  Tempus.  Über  die  Konjunktion  cum  vgl.  Quum.  Sehr  vollständig 
handelt  von  cum  Hand  im  Tursellin.  IL  —  Zu  merken  ist  hier  noch : 

Cum  primis  als  eine  seltene  Yerbindung,  wie  ein  Adverb,  in 
der  Bedeutu-ng  vornehmlich,  vorzüglich,  für  inprimis,  auch  bei  Cicero, 


Cumaeus  —     382     —  Cunctari 

Ygl.  Yerr.  2,  68:  homo  domi  sitae  cum  primis  locuples  afque  ho- 
nestus,  ebenso  Brut.  224.  Bei  Cic.  divin.  1,  68  liest  C.  F.  W. 
Müller  cum  prime.  Näheres  hierüber  findet  man  bei  Wölfflin  Komp. 
S.  17  u.  25,  Hellmuth  act.  Erl.  I  S.  115  (wonach  Cicero  es  abge- 
sehen von  Brut.  224  nur  in  den  ErstUngsschriften  und  auch  hier 
nur  in  Verbindung  mit  Adj.  verwendet),  Thielmann  Cornif.  S.  43, 
Wölfflin  Archiv  I,  97. 

Cumaeus,  zu  Cumae  geli'örlg,  ist  P.  Form  für  Cumanus,  was 
teils  Adjekt.,  teils  Subst.  ist;  vgl.  Cic.  agr.  2,  65;  Liv.  8,  14,  11. 

Cumulare,  häufen,  aufhäufen.  In  tropischer  Bedeutung:  eineyi 
mit  Loh,  Schimpfredoi  u.  dgl.  üherhäufen  wird  klassisch  ganz  dem 
deutschen  entsprechend  ausgedrückt  durch  laudibus,  contumelüs, 
maledictis  aliquem  cumulare,  während  honores  etc.  in  aliquem  cumu- 
lare nur  bei  Tac.  steht,  s.  Nipperdey  zu  ann.  14,  53;  ebenso  sagt 
man  gut  cumidare  alicßcid,  z.  B.  gaudium,  vitae  officia,  eloquentiam 
=  vollenden,  krönen,  und  so  auch  cumidare  cdiquid  aliqua  re,  z.  B. : 
hellicam  gloriam  eloquentia  c;  gut  ist  auch  arma  in  ingentem  acer- 
vum  cumulare  bei  Liv.,  und  dann  tropisch  von  Curt.  genommen  : 
2oropemodum  saeculi  7'es  in  unum  illum  diem  fortuna  cumulavit,  Curt. 
4,  16,  10;  vgl.  auch  Corona.  Gut  ist  auch  onera  cumulare;  für 
oneribus  aliquem  cumidare  ist  ohruere  das  gewöhnliche;  wenn  wir 
aber  bei  Ov.  lesen:  meque  tot  adversis  cumulant.  Trist.  4,  1,  55, 
so  kann  man  oneribus  aliquem  cumidare  jedenfalls  nicht  unlat. 
heissen. 

Cumulatim,  in  Haufen,  steht  nur  einmal  bei  Yarro  r.  r.  3,  15, 
2,  aber  auch  da  nicht  sicher,  vgl.  Keil  z.  St.,  und  ausserdem  Sp.  L. ; 
vgl.  Stünkel  S.  59  und  Paucker  Vorarbeiten  I,  131  u.  141.  Man 
sage  dafür  cumulate,  was  Kl.  ist,  oder  drücke  es  durch  das  Subst. 
cumulus  oder  das  Yerbum  cumulare  aus.     Ygl.  Archiv  YII  S.  498. 

Cumulus.  D.  L.  ist  pecuniam  (und  andere)  in  cumulo  colli- 
gere,  Geld  in  Haufen  sammeln,  für  pecunias  coacervare,  nummorum 
acervos  construere  oder  pecunias  construere.  Was  wir  mit  einem 
kühnen  Tropus  Leichenhilgel  der  in  einem  Treffen  Gefallenen  nennen, 
ist  lat.  acervi,  cumuli  caesorum,  Tac.  bist.  3,  19  u.  Liv.  10^  29,  19. 

Cunabulum  bedeutet  ^^ Stütze^  (woran  das  Kind  laufen  lernt), 
cimabula  die  Wiege.,  ebenso  cunae.  Die  bildliche  Bedeutung  nimmt 
cunabula  erst  im  Sp.  L.  an.  Über  den  Zusammenhang  von  cunae 
mit  conari,  über  den  Gebrauch  des  Sing,  cunahidum  und  die  Her- 
leitung der  Bedeutung  des  Plur.  aus  der  des  Sing.  vgl.  Fr.  Yogel 
in  Wölfflins  Archiv  II  S.  321  ff.  Redensarten  mit  cunabulci  und  in- 
cunabula  stehen  Arch.  IX,  59. 

Cunctari.  Liter  metum  et  iram  cunctari,  unentschlossen  schivan- 
ken  zwischen  etc.,  steht  bei  Tac.  ann.  2,  66  und  inter  pudorem  et 
iram  cunctari,  Tac.  ann.  14,  49.  Gewöhnlicher  wäre  dafür  trepidare 
inter,  was  Tac.  bist.  3,  39  in  Übereinstimmung  mit  Liv.  (1,  14,  8) 
hat;  M.  Müller  zitiert  aus  Liv.  auch  noch  inter  spem  metumque  sus- 
pensus  u.  fluctuans.     Cunctari  ad  aliquid  findet  sich   nur  bei  Gell. 


Cunctus  —     383      —  Cupere 

2,  29,  12  u.  Tac.  ann.  12,  46;  ganz  gut  wird  ferner  cunctari  mit 
dem  Infin.  verbunden:  ne  cundaretur  Agrip^am  morte  adficere, 
quandocimqiie  .  .  .  Tac.  ann.  1,  6.  Utrisqiie  cunctantibiis  pericuhim 
summae  rerum  facere,  Liv.  25,  39,  18  u.  31,  7,  5.  Wenn  aber 
Kühnast,  Liv.  Syntax  S.  252  sagt,  dass  sich  dieser  Gebrauch  bei 
Caes.  u.  Cic.  nicht  finde,  so  ist  er  bezügUch  des  letzteren  im  Irr- 
tum: yion  est  cundandum  proflteri  hiinc  mimdum  animal  esse,  Tim. 
3  extr. ;  ebenso  bei  Sali. :  ne  cuyictetur  ipse  jjropius  accedere,  Sali. 
Cat.  44,  6,  Jug.  13,  6;  vgl.  Dräger  H.  Synt.  II  S.  339.  Aber  cimctari 
an  ist  N.  Kl.  und  nicht  nachzuahmen,  vgl.  Suet.  Caes.  81  cimctatus, 
an  se  conüneret,  jedoch  yion  cunctari  qiim  sagt  Caes.  Call.  3,  23,  7. 

Cunctus.  JNach  Analogie  von  totus  ist  gebildet  Cic.  Pomp.  12 
cuncta  Äsia,  vielleicht  auch  cunctis  gentibus  bei  Cic.  Flacc.  17  non 
solum  in  G-raecia,  sed  prope  cunctis  gentibus;  vgl.  Kunze  Sali.  3,  2 
S.  244.  Der  Singular  des  Wortes  ist  selten,  z.  B.  bei  Liv.  nur 
zweimal  in  der  ersten  Dekade,  vgl.  Novak  Stud.  Liv.  1894  S.  211  f. 
Ob  cuncti  von  coniuncti  kommt  oder  von  convincti  (welche  Form 
sich  nirgends  nachweisen  lässt),  ist  nicht  zu  entscheiden,  vgl.  Hey 
Semas.  Stud.  S.  155. 

Cupere  hat  nie  in  klassischer  Prosa  ut  nach  sich,  sondern  nur 
den  Infin.  oder  Acc.  c.  infin.;  das  gleiche  gilt  fürs  A.  L.,  wie 
Langen,  Beitr.  207  nachgewiesen  hat ;  bei  Plaut.  Capt.  102  schiebt 
Scholl  fieri  ein  (Langen  hält  die  Yerse  102  ff.  für  interpoliert) ;  ut 
steht  jedoch  nachklass.  bei  Plin.  epp.  10,  47  (56),  vgl.  Dahl  S.  273; 
ebenso  bei  demselben  5,  17,  6  ne,  weil  der  abhängige  Satz  negativ 
ist,  und  bei  Ov.  her.  6,  5  ff. ;  der  blosse  Konj.  steht  bei  Plin.  epp. 
5,  15,  9.  —  Man  sagt  zwar  alicui  cupere,  einem  geivogen  sein,  alles 
Gute  wünschen,  aber  N.  L.  ist  cup).  alicui  aliquid,  z.  B.  omnia 
bona,  divitias,  honores  u.  dgl.  cupere,  für  alicui  aliquid  exoptare, 
optare,  ut  cid  quid  contiyigat,  auch  alicuius  causa  omyiia  cupere ; 
N.  L.  ist  alicui  hene  cupere,  weil  cupio  alicui,  oder  alicuius  causa 
omnia  cupio  schon  für  sich  allein  bedeutet:  jemanden  gewogeyi  sein. 
Dass  aber  bei  cupere  Adverb,  des  Grades  :  ynaxiyne  alicui,  vehemeyiter 
alicuius  causa  cupere  zulässig  sind,  versteht  sich  von  selbst.  Was 
velle  betrifft,  so  kann  es  in  der  Bedeutung  günstig  sein  entweder 
die  Adverbien  heyie,  male  zu  sich  nehmen,  so  vorklass.  bei  Plaut. 
Trin.  438  ff.  und  sonst,  Ter.  Heaut.  959  u.  Eun.  655  und  dann 
wieder  spätlat.  bei  Lact.  epit.  64,  11  (ed.  Brandt  S.  743,  16).  Klass. 
aber  bedeutet  velle  alicuius  causa,  nolle,  malle  alicui  ohne  adver- 
bialen Beisatz,  günstig,  imgüyistig,  günstiger  sein:  cui  qui  nolunt, 
iidem  tibi  non  suyit  amici,  Cic.  fam.  1,  1,  3  und:  in  hac  re  rnalo 
universae  Asiae  et  negotiatoribus,  Att.  2,  16,  4,  und  noch  häufiger 
ist  alicuius  causa  velle,  wie :  credo  tua  causa  velle  Lentuluyn.,  qui 
erit  consul,  Qu.  fr.  1,  4,  5,  oft  in  Verbindung  mit  oynnia,  z.  B. :  Varro 
magyiojyere  eins  causa  vult  omnia,  s.  Halm  zu  Cic.  div.  in  Caecil. 
21,  Boot  zu  Cic.  Att.  2,  16,  4,  Hofmann  zu  Cic.  Att.  2,  16,  4, 
Böckel  zu  Cic.  epp.  S.  164,  Landgraf  S.  Rose.  S.  395;  alle  erwähnten 


Cupidus  —     384     —  Cura 

Phrasen  gehören  der  feinern  Umgangssprache  an.  Über  den  Unter- 
schied zwischen  cupe^'e  und  velle  vgl.  Velle. 

Ciqndus,  begierig,  hat  in  Verbindung  mit  einem  Yerbum  in 
Prosa  nur  den  Genitiv  des  Gerundiums,  nicht  aber  nt,  noch  auch 
den  Infinitiv  bei  sich,  der  P.  L.  u.  aS^;.  L.  ist.  Man  sage  nicht 
omnes  ciipidi  sunt,  ut  te  aiidiant  oder  te  aiidire,  sondern  te  oder 
tili  audiendi.  Wenn  cupidus  absolut  steht,  bezeichnet  es  einen,  der 
nur  seinem  Vorteil  nachjagt  oder  dem,  was  er  in  seiner  Leidenschaft 
für  seinen  Vorteil  hält,  also :  parteiisch,  genussüchtig,  habgierig. 
Dies  hat  sehr  schön  dargelegt  Hofmann-Andresen  z.  Cic.  epp.  II  S.  5. 

Cuprum^  Kupfer,  ist  Sp.  L.  für  aes  Cyprium;  vgl.  Saalfeld  im 
tensaurus  s.  v.   Cuprum  und  Cyprius. 

Cur  f  tvarum  ?  fragt  nach  der  Ursache,  warum  oder  iveshalb 
etwas  geschieht,  und  verlangt  eine  Antwort  mit  tveil ;  dagegen  fragt 
quare,  luarum?  nach  der  Absicht,  wesivegen  etwas  geschieht,  und 
verlangt  eine  Antwort  mit  damit.  Man  kann  daher  z.  B.  bei  der 
Frage  nach  dem  physischen  Grunde  nicht  sagen:  quare  ningit?  quare 
hiemat?  sondern  cur  ningit?  cur  hiemat  ?  Im  spätem  Latein  aber 
werden  beide  Adverbien  verwechselt.  Vgl.  Döderleins  Synonym. 
Th.  VI,  S.  93.  —  N.  L.  ist  es  wohl,  cur  in  der  verwundernden 
Frage  mit  dem  Infinitiv  statt  des  Konjunktivs  zu  setzen,  z.  B. : 
Cur  ego  yiunc  poetas  tantis  in  caelum  laudibus  tollere  ?  warum  sollte 
ich  —  erheben  f  Am  anstössigsten  ist  dabei  der  Nominativ,  weniger 
anstössig  der  Infinitiv.  —  Wenn  ivarimi  nichts  nur  rhetorische  oder 
formelle,  keine  eigentliche  Frage  ist,  auf  die  man  eine  Antwort  er- 
wartet, so  heisst  es  quidni  mit  dem  Konj.,  nicht  cur  non;  z.  B. 
quidni  possim,  ivarum  sollte  ich  nicht  können  f  Ferner  heisst  in 
Aufmunterungen  warum  nicht  vielmehr?  (ausser  aller  Frage)  nicht 
cur  non  potius,  sondern  quin  potius. 

Cura.  Die  Sorge  um  oder  für  etwas  wird  nicht  bloss  durch 
den  objektiven  Genit,  sondern  nicht  selten  und  klass.  auch  durch 
de  bezeichnet,  z.  B.:  omnis  ciira  de  republica,  Cic.  Brut.  10;  quo- 
ciim  mild  coniuncta  cura  de  publica  re  et  privata  fuit,  Lael.  15; 
si  qua  de  Pompeio  nostro  tuendo  .  .  .  cura  te  attingit,  Att.  9,  11, 
A.  2;  gratissima  est  mihi  tiia  cura  de  illo  meo  primo  et  maximo 
mandato,  Att.  o,  4,  1.  So  auch  bei  dem  impersonalen  mihi  curae 
est,  z.  B. :  sie  recipiunt,  Caesari  non  modo  de  conservanda,  sed  etiam 
de  augenda  mea  dignitate  curae  fore,  Att.  11,  6,  3;  mihi  maximae 
curae  est  no7i  de  mea  quidem  vita,  cui  satisfeci,  Cic.  fam.  10,  1,  1, 
Cael.  bei  Cic.  fam.  8,  11,  4,  vgl.  Burg  S.  21;  Plane,  bei  Cic.  fam. 
10,  24,  2,  Lentulus  ib.  12,  14,  4.  De  ceteris  senatui  curae  fore, 
Sali.  Jug.  26,  1.  So  sagt  der  Lateiner  auch  nicht  nur  curam 
habere,  agere  alicuius  rei  (Ov.  Trist.  5,  7,  36,  Sen.  epp.  14,  2), 
sondern  auch  de  aliqua  re :  de  vita  communi  omnium  curam  habere, 
Vitr.  1,  2  init.  Romemi  tamquam  de  Samnitibus,  non  de  se  cmxim 
agerent  .  .  .  Liv.  8,  3,  8.  Den  Unterschied  von  cura  de  republica 
und  cura  rei  publicae  hat  C.  F.  W.  Müller  zu  Lael.  S.  88  treffend 


Cura  —     385     —  Cura 

entwickelt.  Wie  er  fam.  2,  7,  3  hier  ausschliesst,  habe  ich  das  von 
Krebs-Allgayer  zitierte  Beispiel  de  mmidatis,  quod  tibi  ciwae  fuit, 
est  mihi  gratumj  Cic.  fil.  fam.  16,  21,  8  gleichfalls  weggelassen, 
weil  offenbar  auch  dort  das  in  Übergängen  zu  neuen  Gegenständen 
in  Briefen  übliche  de  anzunehmen  ist.  Mendelssohn  hat  sich  in 
seiner  Ausgabe  dieser  Auffassung  angeschlossen,  während  Bergmüller 
Plane.  S.  51  Bedenken  trägt.  Nieländer  1874  S.  10  meint  gar,  dass 
de  beim  impersonellen  cur ae  est,  wie  es  sich  nur  in  Cic.  Briefen 
finde,  ausschliesslich  den  Übergang  zu  einem  neuen  Thema  ver- 
mittle; dies  geht  zu  weit.  Für  de  wird  in  diesem  Falle  bisweilen 
pro  gewählt;  so  poet. :  curam  pro  nohis  liospitis  uxor  agas,  Ov. 
Heroid.  16,  302,  ebenso  curam  gerere  pro  aliquo,  Yerg.  Aen.  12, 
48  und  curam  liahere  pro  aliqiw,  Veget.  2,  20,  wie  endlich  pro  nach 
esse  auch  bei  Livius  vorkommt:  omniiim  non  tarn  pro  Aetolis  cura  erat, 
quam  ne  .  .  .  Liv.  27,  30,  5,  vgl.  Friedersdorff  z.  St.  —  Nach  mihi  cura 
oder  curae  est,  curae  haheo,  folgt  bekanntlich  ut  oder  7ie,  je  nachdem 
der  abhängige  Satz  positiv  oder  negativ  ist,  s.  Cic.  Verr.  4,  73, 
fam.  15,  2,  8,  Sen.  benef.  1,  8,  2,  Hör.  sat.  2,  5,  56.  Curae  sihi 
habere,  curae  esse  mit  folgendem  Infln.  kommt  in  klass.  Prosa  nur 
bei  Nep.  Att.  20,  4  vor,  sonst  gehört  diese  Konstruktion  den  Dichtern 
und  der  nachklass.  Prosa  seit  Livius  an ;  die  Stellen  sehe  man  bei 
Nieländer  1893  S.  8;  beizufügen  sind  cura  comere  capillum  fuit, 
Sen.  nat.  1,  17,  7  und:  praeverti  ad  Armenios  instantior  cura  fuit, 
Tac.  ann.  2,  56,  1  und:  mihi  erit  curae  explorare  provinciae  volun- 
tatem,  Plin.  epp.  7,  10,  2.  Über  die  durch  Kontamination  aus  mihi  curae 
est  und  curae  habeo  entstandene  Phrase  mihi  curae  habeo  vgl. 
Thielmann  im  Archiv  II  S.  65  und  379,  sowie  Burg  S.  21,  Sitzler 
S.  12,  Krumbiegel  S.  38  ;  sie  ist  so  wenig  Kl.  als  curae  habeo.  —  In 
der  Bedeutung  Kur,  Heilimg  ist  es  N.  Kl.  und  sehr  selten  für  curatio, 
da  cura,  von  Kranken  gebraucht,  fast  nur  Pflege  und  Wartung  be- 
deutet. Daher  sagt  man  auch  nicht  curam  adhibere,  eine  Kur  bixiuchen, 
sondern  curationem  oder  medicinam  aegro  oder  morbo  adhibere  oder 
admovere  oder  facere,  s.  Brix  zu  Plaut.  Men.  99.  Dagegen  bedeutet 
curare  nicht  nur  pflegen,  ivarten,  besorgen,  sondern  auch,  besonders 
in  der  Verbindung  mit  corpus,  morbus,  vulnus  —  heilen.  Ygl.  Cic. 
Cluent.  40,  Tusc.  3,  5,  Cato  67,  Sulpic.  bei  Cic.  fam.  4,  5,  5,  Liv.  2, 
17,  4,  Curt.  5,  9,  3  u.  7,  1,  22;  und  so  immer  bei  Celsus.  Ein 
Adjektiv  curabilis  aber,  in  der  Bedeutung  heilbar,  findet  sich  bei 
Juvenal  und  SjJ.  L.,  ist  jedoch  unnötig  wegen  sanabilis  und  medica- 
bilis.  —  Man  beachte  noch  folgende,  mit  dem  Deutschen  wörtlich  über- 
einstimmende Phrasen :  sine  cura  esse,  ohne  Sorge,  imbesorgt  sein, 
Cic.  Att.  12,  6,  4  u.  15,  12,  2;  mit  aller  (ungeteilter,  höchster) 
Sorgfalt  erforschen  =  omni  cura  vestigare,  Curt.  4,  6,  5 ;  etwas  mit 
Sorgfalt  verfolgen  =  aliquid  cum  cura  exsequi,  Liv.  39,  41,  6;  sich 
mit  aller  Sorgfalt  auf  etwas  verlegen  =  omni  cura  in  aliquid  in- 
cumbere,  Cic.  fam.  12,  24,  2  und  :  omnem  curam  in  siderum  cogni- 
tione  ponere,  Cic.  divin.  1,  93.  —   Cmrt  endlich  =  Buch,  Schrift,  ist 

Krebs-Schmalz,  Antibarbarus  I.  25 


Curare  —     386     —  Curia 

nur  poetisch  und  bei  Tac. :  lüures  ad  ciiras  vitam  iwoducere,  ann.  3, 
24  u.  4,  11;    N.  Kl.   ist   curae  Regierungsgescliäfte,   vgl.  Tac.  ann. 

1, 11. 

Cura7^e,  sorgen^  sich  um  etwas  oder  einen  hekümmern  wird  ver- 
bunden entweder  mit  dem  Accus,  aliquem,  aliquid,  ebenso  mit  de 
(Cic.  Att.  13,  21,  3),  A.  und  S}).  L.  alicui;  vgl.  hierüber  Brix- 
iSTiemeyer  zu  Plaut.  Trin.  1057  u.  Hoppe  Synt.  Tert.  S.  28.  Wenn 
curare  =  ist  sich  ehvas  angelegen  sein  lassen,  sich  um  etwas 
kümmern,  so  steht  nach  ihm  der  Infin.,  auch  wohl  der  Acc.  c.  infin., 
aber  meistens  nur  in  negativen  Sätzen,  nicht  bloss  N.  Kl.,  sondern 
oft  genug  bei  Cicero  selbst,  um  nachgebraucht  werden  zu  können. 
S.  Cic.  acad.  1,  4,  Att.  15,  5,  2,  fin.  3,  62,  Tusc.  5,  87,  de  or. 
1,  91,  fam.  1,  9,  16;  3,  8,  7  u.  9,  10,  1,  Q.  fr.  1,  1,  15,  Att.  7, 
15,  2  u.  11,  24,  4;  vgl.  auch  rhet.  Her.  4,  66  vos  liheri  esse  sine 
liericulo  non  curatis  ?  Wenn  hingegen  curare  bedeutet  (faktische) 
Vorsorge,  Ä7istalten  treffen,  dass  etwas  geschehe,  so  wird  es  mit  dem 
Gerundivum  verbunden,  um  den  Zustand  zu  bezeichnen,  in  w^elchen 
das  Objekt  der  durch  curare  bezeichneten  Tätigkeit  versetzt  werden 
soll.  Dafür  wird  auch  tit  oder  verneinend  ne,  auch  wohl  der  blosse 
Konjunktiv  gebraucht.  Man  sage  also  nicht  cura  epistulam  descrihi, 
sorge,  dass  der  Brief  abgeschrieben  iverde,  sondern  cura  einstulam 
describendam,  oder  nt  epistula  describatur.  Ygl.  Eeisigs  Yorles. 
S.  787  und  Berl.  Phil.  Woch.  1886  S.  915.  —  m^v  curare  m  der 
Bedeutung  heilen  vgl.  Cura.  —  N.  L.  ist  die  Redensart  curare 
morborum  scientiam,  sich  um  die  Pathologie  bekümmern. 

Curatela,  die  Vormundschaft  u.  a.,  ist  N.  L.  und  findet  sich 
nirgends  bei  den  Alten  für  tutela,  munus  tutoris.  Curatio  aber  und 
curator  kommen,  ersteres  bei  Juristen,  letzteres  schon  in  der  aug. 
und  N.  Kl.  Zeit  vor,  um  die  Yormundschaft  über  Mündige,  z.  B. 
Wahnsinnige,  Yerschwender  u.  ähnl.  zu  bezeichnen.  Klassisch  je- 
doch sind  die  Wörter  nur  in  der  allgemeinen  Bedeutung  Besorgung 
und  Besorger,  Aufseher  u.  s.  w. 

Curatus  =  acciiratus  ist  erst  N.  Kl.  und  Sp.  L. :  donec  Ha- 
terius  curatissimis  eins  precibus  protegeretur,  Tac.  ann,  1,  13  extr. ; 
so  steht  sermo  curatus  auch  Plin.  epp.  9,  13,  10,  vox  cnrata  bei 
Quintil.  11,  3,  26;  der  Komparativ  des  Adverbs  ist  gleichfalls  K. 
Kl.  gebraucht :  curatius  disserere,  curatius  legere,  curatiiis  scribere, 
ludos  curatius  edere,  s.  Tac.  ann.  2,  27;  14,  21  und  16,  22,  Plin. 
epp.  1,  1,  1;  Amm.  17,  1,  7;  19,  1,  10;  23,  2,  7;  vgl.  Novak 
Amm.  S.  77. 

Curetes  sind  nicht  die  Eimvohner  der  Sabinischen  Stadt  Cures, 
diese  heissen  Curenses;  nur  Prop.  4,  4,  9  hat  Cures,  Curetis  statt 
Curensis. 

Curia  ist  in  der  Bedeutung  Hof  regierender  Herren,  besonders 
geistlicher,  sehr  Sp.  L.  für  aida;  und  so  auch  das  Adj.  curialis, 
zum  Hofe  gehörig,  für  aulicus,  und  als  Subst.  der  Hofmann,  für 
aulicus  oder  purpuratus. 


Curriculum  —     387     —  Curvus 

Carriculiini  mit  vitae  oder  vivendi  verbuuden,  bedeutet  antik 
nur  den  Lebenslaufe  die  Lebensbahn^  die  Lebenszeit  nach  Länge  und 
Dauer,  daher  nimmt  es  nur  Adjektive  wie  longum,  breve,  exiguum, 
immensum  zu  sich,  und  seinen  Lebenslauf  gut  vollenden  ist  recte  et 
honeste  curricidum  vivendi  conficere  (dies  alles  bei  Cicero).  Ganz, 
falsch  wird  daher  curriculum  vitae  im  modernen  Latein  für  Lebens- 
beschreibung ,  Lebens«6rm  genommen  und  vollkommen  unlateinisch 
sagt  man  curriculum  vitae  fiarrare,  exponere,  referre  u.  dgl.  Die 
Lebensbeschreibung  heisst  lateinisch  vita  oder  vitae  alicuius  descriptio 
et  imago,  liber,  libri  de  vita  alicuius  scriptus,  scripti,  de  vita  et  rebus 
alicuius  scribere  u.  s.  w. 

Cursoriiis,  zum  Laufe  gehörig,  schnell,  ist  in  beiden  Bedeutungen 
sehr  Sp).  L. ;  nur  zu  gebrauchen  in  dem  bei  Sidon.  ep.  1,  5,  3 
verwendeten  Kunstworte  cursoria  (navis),  eine  Jaclit ;  vgl.  Wölfflin 
Archiv  IX  S.  291.  Im  N.  L.  spricht  man  von  einer  lectio  cursoria 
und  nennt  so  das  rasche  Lesen  eines  Buches,  wovon  die  Alten  nichts 
wissen;  dem  Sinne  nach  sagt  man  dafür  im  bessern  Latein  lectio 
ciirsim  instituta.  Ebenso  ist  i\^.  L.  cursorie,  z.  B.  legere,  für  cursim, 
festinanter. 

Cursus,  der  Lauf,  wird  zwar  vielfach  bildlich  gebraucht,  aber 
D.  L.  wäre  cursus  mundi  in  der  Bedeutung,  in  welcher  wir  sagen 
der  Weltlauf,  der  Lauf  der  Welt,  für  cursus  rerum,  Lauf  der  Dinge, 
wie  Cic.  fam.  4,  2,  3,  oder  natura  rerum  nach  Cic.  Tusc.  3,  34, 
oder  res  humanae,  s.  Dietsch  zu  Sali.  Cat.  2,  3,  da  mundus  nicht 
so  gebraucht  wird.  Ygl.  Mundus.  Richtig  aber  ist  cursus  vitae 
oder  vivendi,  der  Lauf  des  Lebens,  aber  auch  nur  in  der  Bedeutung, 
in  welcher  cmTiculum  vitae  bei  den  Alten  steht.  In  der  Redensart 
die  ganze  Lebenslaufbahn  sagt  man  gewöhnlich  nicht  totus  vitae 
cursus,  sondern  totius  vitae  cursus.  Doch  ist  totus  v.  cursus,  bei 
Hier.  opp.  T.  4^  S.  6,  K.  ed.  Pariss.  1546,  wohl  ganz  erträglich 
wegen  reliquus  vitae  cursus  bei  Cic.  Phil.  2,  47.  Ygl.  Cic.  off.  1, 
IL  So  auch  omnem  vitae  sitae  cursum  conficere,  Cic.  Cael.  39. 
In  omni  vitae  cursu  Optimum  visum  est,  ut  .  .  .  Macrob.  sat.  1,  2,  3 
und:  reliqua  vitae  tuae  curricula,  Apul.  met.  11,  6. 

Curvare  mit  dem  Accus,  arciim,  den  Bogen  spannen,  ist  nur 
P.  L.  für  arcum  tendere,  intendere. 

Curvitas,  die  Krümmung,  ist  Sp.  L.  für  die  frühern  und  etwas 
bessern  Formen  curvatura,  curvatio,  curvamen  oder  aduncitas  und 
mehr  A.  L.  bei  Yarro  curvor.     Alle  diese  Wörter  sind  zu  meiden. 

Curvus,  krumm,  hat  eine  eingehende  Behandlung  gefunden  von 
Adolf  Müller  in  Wölfflins  Archiv  III  S.  117  — 130  und  im  Programm 
von  Flensburg  1886.  Darnach  vermeidet  die  Prosa  des  goldenen 
und  silbernen  Zeitalters  curvus  durchweg  mit  einer  Ausnahme,  Sali, 
bist.  4,  26  M. ;  jedoch  in  den  Fachschriften  über  Landwirtschaft, 
Architektur,  Medizin  und  JS^aturgeschichte  findet  es  sich  allenthalben. 
Cicero  gebraucht  incurvus  z.  B.  div.  1,  30,  oder  incurvatus,  z.  B. 
fin.  2,  33. 


Cutis  —     388     —  Damnare 

Cutis  kann  nur  selten  in  unsern  vielen  bildlichen  Redensarten 
in  der  Bedeutung  Haut  gebraucht  werden;  so  z.  B.  cutem  curare, 
seine  Haut  pflegen,  Hör.  ep.  1,  2,  29. 

Cypris  für   Venus  kommt  nur  Sp.  L.  vor. 

Cythera,  Name  einer  Insel,  ist  nicht  Sing.,  sondern  Plur.,  Genit. 
Cytherorum.  Als  Adj.  brauche  man  davon  nur  Cythereus,  CytJie- 
reitis  oder  Cytheriacus,  welche  Formen  sämtlich  den  klass.  Dichtern 
angehören. 


D.  d. 


Daemon,  daemonmm  und  alle  dazu  gehörigen  Formen  sind 
Sp.  L.  in  der  Bedeutung  Geist  und  bei  christlichen  Schriftstellern 
höser  Geist,  Teufel;  sie  können  aber,  da  sie  neue  Begriffe  enthalten, 
nicht  durch  genius,  malus  genius  ersetzt  werden;  vgl.  Gölzer  Hieron. 
S.  208,  219.' 

Dahnatius  ist  eine  nur  aus  Inschriften  belegte  Form,  wofür 
Dahnaticus  üblicher  ist;   als  Subst.  brauche  man  nur  Dalmata. 

Damnahilis,  verdammungsiuürdig,  ist  Sp.  L.  bei  Treb.  Poll.  und 
Eccl.  für  damnatione  dignus,  damnandus,  dignus  qui  damnetur;  vgl. 
Gölzer  Hieron.  S.  136. 

Damnare,  verdammen,  verurteilen;  zum  Tode  verurteilen  heisst 
Kl.  capitis  oder  cainte  damn.,  bei  Liv.  einmal  (42,  43,  9)  capitalis 
poenae  damnare;  mofiis  damnare  wird  von  Kühnast,  Liv.  Synt.  S.  83, 
wohl  mit  Recht  für  ein  Unding  erklärt,  w^ährend  morti  damnare 
bezeugt  ist;  wir  lesen  dasselbe  bei  Lucrez  6,  1232  Br.  morti  dam- 
natiis  ut  esset.  Da  derselbe  Lucrez  6,  1144  Br.  auch  morti  dcduintur 
sagt,  ferner  in  der  Juristensprache  neben  in  metallum  dare  und  in 
opus  puhlicum  dare  auch  damnare  verwendet  wurde,  schliesslich 
morti  dare  aliquem  eine  gebräuchhche  Phrase  w^ar,  so  stehe  ich  nicht 
an,  entgegen  Allgayer  in  morti  den  Dativ  zu  erkennen.  Der  Ablativ 
morte,  z.  B.  omne  humanum  genus  morte  damnatum  est,  Sen.  ep. 
71,  15  gehört  der  .N.  Kl.  Latinität  an,  vgl.  Archiv  YII  S.  612, 
Appel  Coripp  S.  52.  Ebenso  N.  Kl.  und  nur  bei  Tac.  (ann.  16,  21) 
ist  ad  mortem  dainnahantur ;  ebenso  ad  extremum  supplicium  dam- 
nare, Tac.  ann.  6,  38  und  ad  hestias,  ad  opus  damnare,  Suet.  Calig. 
27,  Nero  31 ;  aber  auch  hier  finden  sich  schon  im  A.  L.  Analogien 
in  Verbindung  mit  dare,  z.  B.  ad  supplicium  dare,  ad  mortem  dare, 
vgl.  Thielmann  „Das  Yerbum  dare"  S.  120  ff.  Ygl.  Condemnare.  — 
Man  beachte  auch  den  bekannten  Ausdruck :  voti  damnari,  voti 
damnatus,  eigentlich  zur  Vollhringung  eines  gemacJiten  Gelübdes  ver- 
bunden  sein,    also    seinen    WunscJi    erreicht   haben.      Diese    Phrase 


Damnum  —     389     —  Dare 

findet  sich  nicht  bei  Cicero,  aber  bei  Nep.  Timol.  5,  3  und  öfter 
bei  Livius,  wie  7,  28,  4;  10,  37,  16  und  27,  45,  8;  Ä.  L.  bei 
Sisenna  100  P.  steht  voto  damnari.  —  Damnare  =  misshilligen,  ver- 
iverfen  im  Gegensatze  zu  prohare  sagen  die  Nachklassiker  nach 
dem  Vorgang  von  Ov.  u.  dem  ähnhchen  Gebrauche  bei  Liv.,  z.  B.  3, 
71,  8,  s.  Yogel-Weinhold  zu  Gurt.  3,  2,  1, 

Damnum  bedeutet  in  klass.  Zeit,  aber  auch  schon  bei  Plaut. 
Schaden  an  Geld  und  Vermögen ;  aber  einen  Schaden^  der  zur  Klage 
gekommen  ist,  schätzen  oder  taxiei^en  heisst  nicht  damnum,  sondern 
litem  aestimare,  worauf  die  poena  folgt.  Über  die  Herleitung  von 
damnum^  sein  Verhältnis  zu  malum  (körperlicher  Schaden)  und  zu 
noxia  vgl.  Hey  Semas.  Stud.  S.  207.  Über  damnum  allein  dare, 
jemanden  Schaden  zufügen,  vgl.  Dare;  über  damnum  facere,  Schaden 
tun,  vgl.  Facere,  und  über  damnum  pati,  Schaden  leiden  vgl.  Pati. 
Hier  will  ich  nur  bemerken,  dass  Cic.  einmal  (Tüll.  fr.  1  ed.  C.  F. 
W.  Müller)  sagt  damnum  passuni  esse  M.  Tullium  convenit  mihi 
cum  adversario.  —  Eine  reiche  Sammlung  von  Phrasen  mit  damnum 
hat  Nieländer  1877  S.  20  u.  34,  1893  S.  9;  damno  esse  ist  nicht 
kl.,  aber  der  Ablat.  damno  =  unter  Verlust,  vgl.  Caes.  Gall.  6, 
44,  1. 

Dapes,  Plur.  vom  veralteten  daps  ist  P.  und  N.  Kl.  (bei  Val. 
Max.  und  Tac);  Formen  des  Sing,  finden  sich  in  Prosa  bei  Cato, 
Livius,  Val.  Max.,  Plin.  nat.  ganz  vereinzelt;  näheres  sehe  man  bei 
Neue-Wagener^  I  S.  692.  Man  meide  das  Wort  und  halte  sich  an 
epidae,  cena,  convivium. 

Dare,  gehen.  Über  dies  Wort  besitzen  wir  eine  eingehende, 
sehr  reichhaltige  Abhandlung  von  Thielmann  „Das  Verbum  dare  im 
Lateinischen  als  Repräsentant  der  indo-europäischen  Wurzel  dha, 
Leipzig  1882".  Darnach  sind  im  Verbum  da^^e  zwei  Wurzeln  er- 
halten und  dare  hat  neben  einander  die  Bedeutung  von  gehen  und 
stellen  oder  machen.  Für  die  Praxis  des  Lateinschreibens  merke 
man  etwa  folgendes,  was  der  Sprachgebrauch  geschaffen  hat:  Dare 
poenam  heisst  eine  Strafe  festsetzen;  allein  diese  Bedeutung  ist  un- 
klassisch, sie  findet  sich  nur  bei  Juristen  und  Dichtern ;  bei  Cicero 
ist  poenam  dare  cdicuius  rei  =  Strafe  erleiden,  Missen  für.  —  Dare 
fabulam,  (seil,  popido,  nach  der  Analogie  von  dare  gladiatores)  ein 
Schauspiel  geheyi,  wird  nicht  vom  Schauspieler,  sondern  vom  Schau- 
spieldichter  gesagt,  insofern  er  es  zur  Aufführimg  hringt,  während 
die  Aufführung,  die  Darstellung  durch  die  Schauspieler  agere  fabulam 
heisst.  Lässt  es  der  Dichter  den  Schauspieler  einstudieren,  so  sagt 
man  docet  fabulam  und  von  dem  Schauspieler,  der  es  einstudiert, 
—  discit  fabulam,  von  dem  aber,  auf  dessen  Kosten  oder  Veran- 
staltung das  Stück  gegeben  und  aufgeführt  wird,  sagt  man  edit, 
seltener  dat  fabulam.  —  N.  L.  ist  dare  fidem  alicui,  eiyiem  Glauben 
schenken,  trauen,  glauben,  für  habere  fidem,  credere;  jenes  bedeutet 
einem  etivas  versprechen  oder  einer  Sache  Geivissheit  verschaffen  = 
sie  bestätigen;   letzteres  ist  freilich  nur  P.  und  N.  El.,  sowie  aS^.  L., 


Dare  —     390     —  Dare 

z.  B.  Apul.  met.  4,  9   res  ipsa   denique  fidem    sermoni    meo    dahit. 

—  K.  L.  ist  dcü'e  mulhim  alicidns  mdicio,  auf  jemandes  Urteil  viel 
gehen,  für  tribuere ;  aber  Tac.  ann.  1,  7  sagt  dahat  et  famae,  er 
gah  oder  hielt  darauf;  vgl.  Nipp.  z.  St.;  ebenso  N.  L.  ist  dare 
IjJagam,  einen  Schlag  gehen,  für  hnponere,  infligere,  inicere;  des- 
gleichen dare  ludos,  Sinele  gehen,  für  facere,  committere,  oder  JSf.  Kl. 
edere;  jedoch  nicht  N.  L.,  sondern  der  Juristensprache  entstammend 
ist  dare  sententiam,  seine  Meinung  gehen,  einen  Sjfruch  fällen;  frei- 
lich steht  dem  sententiam  dare  auch  bei  den  Juristen  zur  Seite 
sententiam  dicere,  was  klassisch  ist  neben  ferre  sententiam,  snffra- 
gium  ferre  oder  inire.  Ferner  ist  cenam  dare  mit  seinen  Synonymen 
vollkommen  gut  und  nachahmungswert.  Ygl.  über  epidum,  epulas 
dare,  Cic.  Mur.  75,  Yell.  2,  56,  1,  Yal.  Max.  7,  5,  1  und  8,  7, 
ext.  4,  Sen.  de  benef.  1,  14,  1,  Tac.  ann.  2,  57.  Prandium  dare 
steht  nicht  nur  bei  Yal.  Max.  3,  7,  1,  sondern  auch  bei  Cic.  Mur. 
67.  Für  cenam  dare  bieten  Belege  Ter.  Heaut.  455,  Cic.  fam.  9, 
20,  2,  Yerr.  4,  48,  Yell.  2,  77,  1,  Suet.  Otlio  3,  Yitell.  13;  oft  kommt 
cenam  dare  auch  bei  Plaut,  vor:  Capt.  493,  Stich.  512  und  Truc. 
127  u.  ö.  —  Dare  liier is  oder  pueris  magistrum,  den  Kindern  einen 
Lehrer  gehen,  für  constituere  lässt  sich  verteidigen,  da  paedagogum 
aliciti  dare  bei  Sen.  epp.  110,  1  vorkommt.  —  Yerwerflich  ist  aber 
wohl  da7'e  alicui  rem  tractandam,  einem  einen  Gegenstand  zu  he- 
arheiten  gehen,  für  ponere  oder  proponere  —  und  so  wohl  noch 
andere  mehr.  Aber  an  dare  alicui  potestatem,  einem  Erlciuhnis  gehen, 
ist  kein  Anstand  zu  nehmen.  S.  Nep.  Ages.  2,  2,  Cic.  inv.  2,  3 
u.  84,  divin.  in  Caecil.  63,  Yerr.  5,   173,  agr.  2,  23  und  sonst  oft. 

—  Dare  litteras  tahellario,  aber  dare  litteras  ad  amicum  =  schreihen 
an  verlangt  der  Sprachgebrauch.  Man  verwirft  dare  epistulam, 
litteras  von  dem  Boten  oder  Überbringer  und  verlangt  reddere^  weil 
der  Yerfasser  des  Briefes  ihn  gähe,  also  von  diesem  dare  gelte,  der 
Bote  aber  gähe  ihn  zurück,  wo  reddere  notwendig  sei.  So  findet  es 
sich  auch  meistens;  aber  selbst  Cicero  sagt  vom  Überbringer  bis- 
weilen dedit.  nicht  reddidit;  vgl.  Cic.  Att.  5,  4,  1  und  Cael.  bei 
Cic.  fam.  8,^  2,  2,  sowie  Nep.  Pelop.  3,  2,  vgl.  Burg  S.  65.  —  Gut 
ist  aliquid  (tempus,  locus,  fors)  se  dat,  s.  Liv.  1,  45,  3  und  das. 
Weissenborn  und  M.  Müller;  zu  unterscheiden  davon  ist  se  dare 
mit  Adverb_,  z.  B.  ut  se  initia  dederint,  Cic.  Att.  3,  23,  5 ;  vgl. 
Boot  z.  St.,  der  noch  Liv.  28,  5,  9  u.  Sen.  de  tranq.  3,  15  utcum- 
(lue  se  res  puhlica  dahit  zitiert  und  auf  Markland  zu  Stat.  silv.  1, 
4,  49  verweist.  Fronte  S.  75  N.  negotium  helle  se  dedit,  und  von 
Personen  Ter.  Eun.  230  mirum  ni  ego  me  turinter  hodie  hie  daho, 
vgl.  Thielmann  Dare  S.  97,  Burg  S.  62.  Über  se  dare  =  sich 
hingehen  vgl.  Dedere.  —  Den  Feinden  den  Sieg  leicht  machen 
ist  nicht  facere,  sondern  facilem  victoriam  hostihus  dare  nach 
lust.  2,  4,  22.  —  Dare  alicui  damnum,  einem  Schaden  zufügen 
gehört  zunächst  der  Juristensprache  an,  aus  welcher  es  schon 
sehr  frühe  in  die  Sprache    des    gewöhnlichen  Lebens    eingedrungen 


Dare  —     391     —  Dare 

ist;  es  bedeutet  wohl  ursprünglich  eine  drückeyide  Verbindlichkeit 
auferlegen^  vgl.  Plaut.  Cist.  106  quamquam  ishid  mihi  erit  molestum 
et  damnum  dahis,  faciani ;  so  finden  wir  es  schon  bei  den  Komikern, 
also  nicht  zuerst  bei  Cato  agr.  144,  wie  Hey  1.  1.  S.  207  Anm.  5 
meint,  vgl.  Thielmann  Dare  S.  67,  Landgraf  act.  Erl.  II  S.  17,  aber 
auch  bei  Cic.  Tüll.  34  und  39.  Neben  damnum  dare  und  oft  mit 
ihm  verbunden  erscheint  maliim  dare  =  Schaden,  Unheil  anricJiten 
bei  Cicero  und  andern,  s.  darüber  Cic.  nat.  1,  122  und  das.  Schö- 
mann,  Verr.  2,  27,  Varro  bei  Grell.  13,  4,  2  und:  victoria,  quae 
victorihus  plus  calamitatis  quam  honi  dederit,  rhet.  Her.  4,  36, 
Hör.  carm.  3,  6,  7.  —  Gut  ist  auch  dare  foras  lihrum,  ein  Buch 
herausgehen  (Cic.  Att.  13,  22,  3)  ausser  dem  gewöhnlichen  edere 
lihrum;  über  einem  zu  trinken  gehen  s.  unter  dem  Worte  Bihere. 
—  Viele  verwerfen  auch  dare  legem,  ein  Gesetz  gehen.  Madvig 
sagt  emend.  Liv.  S.  92  Anm. :  nullae  unquam  in  re  puhlica  Romana 
datae  leges  sunt  und  dantur  leges  victis  a  victorihus,  sociis  et  dedi- 
ticiis  a  senatu  et  imperatorihus,  qui  etiam  pacis  leges  dant:  daraus 
geht  hervor,  dass  legem  dare  in  einer  Republik  unmöglich  ist;  es 
deckt  sich  mit  legem  constituere,  ja  oft  mit  legem  impone?^e.  Im 
Freistaat  kann  man  nur  legem  ferre.     Dazu  stimmt,  dass  Cic.  Yerr. 

2,  122  sagt,  der  Senat  habe  beschlossen,  dass  C.  Claudius  den  Ha- 
laesinern  leges  conscriheret  und  C.  Claudius  adhihitis  omnihus 
Marceliis  de  eorum  sententia  leges  Halaesinis  dedit.  Ebenso  unter- 
scheidet sich  legis  dator  in  Yulg.  num.  21,  18  von  legis  lator  und 
legis  datio  bei  Cic.  agr.  2,  60  von  legis  latioy  Mur.  5;  architectus 
legis  (Cic.  agr.  1,  11)  ist  im  Spotte  gesagt.  Irrig  hiess  es  früher  in 
diesem  Buche  unter  dem  Worte  lex,  dass  die  bekannten  Römischen 
Decemviri  nicht  legum  latores  genannt  werden  konnten  und  dass  es 
von  ihnen  nicht  heisse  leges  ttderunt.  Auch  sie  konnten  die  Gesetze 
der  12  Tafeln  nur  entiuerfen,  Sache  der  Centuriatkomitien  aber  war 
es,  sie  zu  genehmigen  oder  zu  veriverfen.     Daher  heisst  es  bei  Liv. 

3,  31,  7  mit  Rücksicht  auf  die  beabsichtigte  Gesetzgebung:  si  ple- 
heiae  leges  displicerent,  at  Uli  communiter  legum  latores  et  ex  plebe 
et  ex  patrihus  sinerent  creari,  der  Decemvir  Appius  wird  ebendas. 
c.  58,  2  legum  lator  conditorque  Romani  iuris  genannt,  und  die 
Decemviri  zusammen  sind  ebendas.  c.  39,  8  als  legum  ferendarmn 
causa  creati  aufgeführt.  Dies  gilt  natürlich  nur  speziell  für  die 
römischen  Yerhältnisse  und  die  Sprache  des  goldenen  Zeitalters. 
Yon  Livius  an  aber  wird  legum  lator  bereits  als  eigoitlicher  Gesetz- 
geher  angesehen,  s.  Liv.  34,  81,  18,  wo  Lykurg  von  einem  Griechen 
noster  legum  lator  genannt  ist,  und  so  ist  es  nachklassisch  oft  bei 
Quintil.,  s.  3,  2,  4 ;  3,  7,  18;  7,  1,  52  und  7,  8,  7.  —  Ohne  Au- 
torität aber  hat  Hemsterhuis  (Oratt.  S.  166)  geschrieben:  ille  egre- 
gium  poetam  daturus  fuerat  (was  offenbar  bedeuten  soll:  er  luilrde 
einen  vortrefflichen  Dichter  gegehen  habeyi,  d.  h.  geiuorden  sein)^  was 
D.  L.  ist  für  ille  egregius  poeta  factus  esset.  —  Wenn  Ruhnken  die 
Worte  Murets  sperare  non  datur  tadelt,    so  ist   der  Tadel   insofern 


Dator  —     392     —  Datum 

begründet,  als  die  Autoren  der  klassischen  Periode  diesen  Gebrauch 
nicht  kennen;  wenn  aber  Ruhnken  sagt:  sie  jwetae  loquiintiir,  so  ist 
dabei  vergessen  oder  nicht  beachtet,  dass  diese  Ausdrucksweise 
auch  in  der  nachklassischen  Prosa  und  zwar  bei  den  besten  Ver- 
tretern derselben  nicht  selten  vorkommt.  Will  man  ganz  absehen 
von  Lact.:  mtni  ])erihit  virtus,  quid  hominihus  in  homines  saevbx 
non  dcibihir,  1,  18,  17;  1,  19,  7;  2,  9,  22  und  5,  20,  11,  so  findet 
sich  dieser  Gebrauch  öfter  schon  bei  Tac,  s.  ann.  3,  67,  9  und 
daselbst  Dräger  und  Andresen  zu  Tac.  dial.  c.  7;  ebenso  auch  beim 
altern  Plin.:  aliis  semel  in  vita  datur  gignere,  7,  57:  neque  Ulis  in 
quiete  qiicdia  ceteris  mortcdihiis  viser e  datur,  Mola  1,  43  (P.);  sid) 
ocidis  posita  negJegimits  ....  tamquam  saepe  visuri,  qiiod  datur 
videre,  quoties  velis  cernere,  Plin.  epp.  8,  20,  1 ;  datur  intueri  pul- 
cherrimas  aedes,  ib.  pan.  50,  4;  in  latera  et  in  terga  incurrej^e 
datur,  Quint.  9,  1,  20  und :  si  consequi  utrumque  non  dabitur, 
ib.  10,  7,  22.  In  allen  prosaischen  Beispielen  ausser  Yitruv 
180,  23  faex  yion  modo  atramenti,  sed  etiam  indici  colorem  dahit 
imitari  ist  jedoch  dare  im  Passiv  gebraucht;  vgl.  Thielmann  Dare 
S.  95  f.,  Dräger  H.  Synt.  II  S.  367  f.,  meine  Syntax^  §  145,  Praun 
S.  20,  Gölzer  Hieron.  S.  369,  Menna  S.  27.  —  Einem  etivas  an 
oder  hl  etivas  gehen  heisst  nicht  in  oder  cum  aliqua  re,  sondern 
dafür  steht  der  Accus. :  quam  aptas  quamque  muUarum  artium 
ministras  manus  (=  an  den  Händen)  natura  honiini  dedit,  Cic.  nat. 
2,  150.  —  N.  und  D.  L.  ist  aber  der  Gebrauch  des  passiven  dari 
für  esse  oder  inveniri  für  unser  deutsches  Impersonales  es  gibt,  welcher 
im  N.  L.  nicht  selten  ist,  z.  B.  dantur  sane  interdum  viri  eruditi, 
es  gibt  bisweilen,  für  sunt  oder  inveniiintür ;  cur  non  dantur,  ut  ait 
poeta,  Marones?  luarum  gibt  es  nicht  —  f  wo  gerade  Martial,  von 
dem  der  Gedanke  entlehnt  ist,  richtig  sagt:  desimt  für  7ion  dantur. 
Es  gab  einmal  eiyie  Zeit,  luo  =  fuit  antea  tempus  cum  .  .  .  Caes. 
Gall.  6,  24,  1.  Ebenso  N.  L.  ist  das  philosophische  tertium  non 
datur,  ein  Drittes  gibt  es  nicht,  für  non  oder  nihil  est  tertium  (Cic. 
fam.  9,  22,  1),  oder  tertium  nihil  inveniri  potest  (Cic.  Cato  66), 
oder  nego  quidquam  esse  medium,  (^mni.  6,  1,  45;  Liv.  9,  3,  10 
tertium  nidlum  consilium  esse.  —  Über  dare  mutuo  endlich  vergl. 
Miituus. 

Dator,  der  Geber,  ist  ein  Ä.  L.  Wort,  welches  einigemal  bei 
Plautus  und  einmal  bei  Yergil,  Sp.  L.  bei  Arnob.  und  Jul.  Firm, 
und  in  der  Yulg.  vorkommt,  5.  Num.  21,  18  und  II.  Cor.  9,  7: 
hilarem  datorem  diligit  deus;  nirgends  aber  lesen  wir  es  in  der  Prosa 
der  V.  Kl.,  Kl.  oder  N.  Kl.  Latinität.  Über  legis  dator,  der  Ge- 
setzgeber, vgl.  legem  dare  unter  Dare. 

Datum  kommt  als  Subst.  mit  dem  Genitiv  epistidae,  das  Datum 
eines  Briefes,  nicht  vor;  dafür  bloss  dies,  z.  B.  als  Datum  ivar  der 
erste  Januar  beigeschrieben,  dies  Calendarum  lanuariarum  adscripta 
erat;  der  andere  Brief  trug  kein  Datum,  in  altera  epistula  dies  non 
erat  sc.  adscripta;   vgl.   Cic.  fam.  3,  11,  1.     Ebenso   heisst   Briefe 


De  —     393     —  Deargentatus 

von  demselben  Datum,  einskdae  eodem  die  datae,  einen  Brief  datieren, 
adscrihere  diem,  Cic.  Att.  3,  23,  1. 

De.  De  die  heisst  nocli  hei  Tage,  am  hellen  Tage,  media  de 
liice,  mitten  am  hellen  Tage,  de  nocte,  noch  hei  Nacht,  vgl.  Keller 
Etym.  S.  31.  Ganz  unrichtig  hat  man  früher  über  die  Yerbindung 
de  die  in  diem  geurteilt;  wenn  sie  für  einen  durchaus  zu  verwerfenden 
Hebraismus  gehalten  worden  ist,  so  hat  man  nicht  beachtet,  dass 
Cato  Pragm.  S.  63  Jord.  in  diem  ex  die  sagt,  ferner  Cic.  Brut. 
2,  1,  1  in  diem  ex  die  dilata  sunt.  Die  Konstruktion  entspricht 
durchaus  dem  Gebrauche  der  klassischen  Sprachen,  v^ie  Herodot  9,  8 
i^  -fjfisprjc,  ig  i^fdprjv  ävaßaXXöfievoc  fürs  Griechische  zeigt.  Freilich 
bevorzugt  das  Sp.  L.  die  Phrase,  aber  dies  beweist  nur  ihre  Volks- 
tümlichkeit; vgl.  mit  der  Cicerostelle  Tertull.  de  paen.  10  de  die  in 
diem  differre;  vgl.  Langen  Münster  1869  Lektionskatalog  S.  11, 
Becher  Philol.  44,  S.  475.  Dass  in  der  Yulgärsprache  oft  de  für 
ex  eintritt,  daran  hat  Wölfflin  zu  Liv.  22,  3,  1,  Köhler  act.  Erl.  I 
S.  437  erinnert;  namentlich  ist  dies  bei  Yitruv  beobachtet.  So  heisst 
auch  von  Tage  zu  Tage  iv arten,  diem  ex  die  expectare  oder  diem 
de  die  p7'0spectare,  Liv.  5,  48,  6.  —  Über  de  verho  ad  verhiim,  von 
Wort  zu  Wort  vgl.  Verhum.  —  Von  Haus  zu  Haus  heisst  ostiatim; 
von  neuem,  nicht  de  novo,  sondern  denuo,  de  iyitegro;  von  Alters 
her,  nicht  de  (ah)  antiquo,  sondern  antiquitus.  Falsch  sind  auch 
die  Ausdrücke  de  proposito,  de  consulto,  vorsätzlich,  ahsichtlich,  für 
consulto,  oder  seltener  ex  considto,  data,  dedita  opera,  de  industria, 
Ygl.  Propositum.  —  Zu  merken  ist  ferner:  nach  Wunsch  heisst 
immer  ex  sententia,  ex  animo ;  nach  dem  Senatsheschlusse,  ex  sena- 
tusconsidto  (Cic.  Att.  1,  14,  5),  ex  senatus  auctoritate;  aber  ruich 
der  Meinung  aller  Kollegen,  aller  Trihuyien,  yiach  gemeinschaftlicher 
Meinung,  de  sententia  omnium  u.  s.  v^.,  nicht  ex  sententia.  Man 
sagt  wohl  facere  quidpiam  de  sententia,  de  coniectura  alicuius,  aber 
nicht  supplere  quidpiam  de  coniectura,  sondern  ex  coniectura,  so  dass 
die  verschiedenen  Yerba  auch  verschiedene  Verbindungen  forderten. 
Ygl.  auch  Hand  Tursell.  II  S.  216  u.  618. 

Deamhulacrum,  der  Spaziergang  (vom  Orte),  ist  gerade  wie 
deamhulatorium  Sp.  L.  für  amhulatio  oder  amhulacnmi;  vgl.  Rönsch 
Ital.  S.  38,  Coli.  phil.  S.  213,  Gölzer  Hieron.  S.  91  und  oben  Amhu- 
lacrum.  Deamhulatio  ist  Ä.  L.  und  Sp.  L.  (vgl.  Gölzer  Hieron. 
S.  260,  Regnier  S.  168)  für  amhidatio. 

Deamhidare  ist  das  der  Volkssprache  angehörige,  von  Cicero 
durch  das  Simplex  amhidare  ersetzte  Wort  für  spazieren  gehen. 
So  findet  sich  deamhidare  im  A.  L.,  N.  Kl.  bei  Sueton,  Sp.  L.  bei 
den  Archaisten,  in  der  Yulg.,  bei  den  Eccl.  und  der  von  ihnen  be- 
einflussten  Litteratur;  vgl.  Cic.  de  or.  2,  256,  Thielmann  ApoUon. 
S.  34  Anm.,  Bergmüller  Jord.  S.  33.  Transitiv  ist  es  bei  Hieron., 
vgl.  Gölzer  S.  307. 

Deargentatus,  ilhersilhert,  ist  sehr  Sp,L.  für  argentatus ;  vgl.Paucker 
Z.  f.  ö.  G.  1880  S.  881  f.,  de  lat.  Oros.  S.  31,  Gölzer  Hieron.  S.  182. 


Dearmare  —     394     —  Debere 

Dearmare,  entwaffnen^  kommt  nur  bei  Liv.  4,  10,  7  u.  Apul. 
met.  5,  30  vor  für  armis  sjjoliare,  armis  exuere^  N.  Kl.  exarmare; 
vgl.  Archiv  X  S.  62. 

Deaiirare,  vergolden,  ist  als  Yerb  sehr  Sp.  L.  für  inaurare ;  wir 
finden  es  in  der  Yulg.  Psalm  44,  bei  Tert.,  bei  Hieron.  u.  Augustin 
u.  im  cod.  Theod.,  vgl.  Gölzer  Hieron.  S.  182  ;  bei  Sen.  epp.  76, 
14  steht  jetzt  auratus  für  die  frühere  Lesart  deauratus. 

Debellare,  den  Krieg  zu  Ende  führen,  war  erst  seit  Livius  ge- 
bräuchlich, bei  welchem  es  nicht  nur  als  passives  Impersonale,  sondern 
oft  auch  aktiv  gebraucht  ist,  s.  Liv.  9,  16,  1  ;  22,  34,  7;  28,  2,  14; 
31,  38,  8  u.  38,  12,  3;  Vell.  2,  84,  1  cqnid  Adium  dehellatum  est, 
vgl.  Georges  Yell.  S.  46.  N.  Kl.  u.  P.  wird  es  mit  dem  Accus, 
verbunden  in  der  Bedeutung  gänzlich  besiegen,  für  devincere;  vgl. 
Bagge  S.  16.  N.  L.  steht  es  in  der  Bedeutung  bekriegen,  für  bellum 
infeire  alicui,  bellare  cum  cdiquo. 

Debere,  müssen,  sollen.  Bei  Plaut,  und  Ter.  wird  debere  noch  nicht 
mit  dem  Inf.  verbunden,  zuerst  vielleicht  von  Lucilius  (34  Marx).  Man 
gebrauche  debere  zunächst,  wo  müssen  den  Begriff  von  gebühren, 
schiddig,  Pflicht  sein  ausdrückt.  Doch  liegt  in  debere  zugleich  auch 
das  Müssen  aus  hitellektuellen.,  für  jemanden  verbindlichen  Gründen, 
wie  considerare  debes,  Cic.  fam.  6,  12,  5;  existimare  debetis,  Cic. 
Cat.  3,  16;  quo  minus  debes  mirari,  Att.  11,  15,  2  u.  fam.  16, 
16,  2.  Sodann  wird  debere  nicht  nur  von  der  Verbindlichkeit  der 
Menschen,  sondern  oft  auch  von  Sachen  gebraucht,  welche  geschehen, 
stattfinden,  gelten  müssen :  ratio  debet  distribui,  Cic.  off.  1,  10;  neque 
id  maius  quam  deheat,  tibi  onus  videri,  Serv.  Sulp,  bei  Cic.  fam. 
4,  5,  6 ;  tua  commendatio  apud  me,  ut  debet,  valet  plurimum,  fam. 
9,  24,  1.  Wenn  aber  in  müssen  nicht  dieser  Be^viE  der  moralischen 
oder  intellektuelleyi  Nötigung,  sondern  bloss  die  Vorstellung  von  dem 
liegt,  was  sich  unter  gegebenen  Verhältnissen,  Vorstellungen  erwarten 
lässt,  so  wäre  nicht  gut  lateinisch  debere  zu  gebrauchen.  Erst  im 
Sp.  L.  wird  debeo  eine  Art  Hilfszeitwort  und  fast  ganz  gleich 
unserm  ,^müssen^''  mit  aller  Freiheit  gebraucht,  z.  B.  Hieron.  ep. 
15,  5  simid  etiam,  cid  debeam  communicare,  significes  und  Gregor 
ep.  1,  44  praecipimiis  ut  debeant  accipi;  vgl.  Gölzer  Hieron.  S.  417 
f.;  Paucker  Scrut.  S.  39,  Watson  S.  239.  Kommt  die  Nötigung  zu 
etwas  von  aussen,  d.  h.  wird  sie  durch  einen  fremden  Willen  her- 
beigeführt, so  hilft  cogere  oder  cogi  aus,  z.  B. :  nach  der  Schlacht 
von  Leipzig  miisste  Kaiser  Napoleon  Deutschland  räumen  ist  lat. 
entweder  p^^oelio  (iis)  Lipsiejisi  (ibus)  coactus  est  ex  Germania  de- 
cedere oder  proelio  (iis)  Lipsiensi  (ibus)  coactus  ex  Germania  de- 
cessit.  Wenn  aber  müssen  rein  phraseologisch  ist,  um  lediglich  die 
Wirklichkeit  des  prädikativen  Verbalbegriffes  auszudrücken,  so  wird 
es  latein.  gar  nicht  gesetzt.  Hierüber  findet  man  interessantes  Detail 
bei  Nägelsbach -Müller«  S.  430,  Scyffert-Müller  zu  Lael.  S.  270, 
ferner  in  den  Programmen  von  Anton,  Naumburg  1878  S.  37  ff., 
und  Lattmann,  Clausthal  S.  34  ff. ;  so  ist  z.  B.  unser  ich  muss  mich 


Debitum  —     395     —  Decedere 

luimdern  =  miror,  aclmiror ;  ich  muss  nur  das  eine  bemerken  = 
unum.  illud  dico,  ich  muss  gestehen  =^  fateor,  confiteor ;  ich  muss 
hedauern  =  doleo  u.  ä.;  es  gilt  dies  bei  den  Yerben  namentlich, 
bei  welchen  die  Yorstellung  der  Freiwilligkeit  ausgeschlossen  ist. 
Die  Übersetzung  von  ^müssen^   durch  ein  v.  putandi,  z.  B.  Cic.  fin. 

5,  90  quem  aiiorem  studii  censetis  fuisse  in  Archimede,  y,2velches 
begeisterte  Streben  muss  den  A.  beseelt  haben''^,  bespricht  Seyffert- 
Müller  zu  Lael.  S.  82  u.  171.  Oft  wird  unser  ,^muss'-^  durch  den 
lat.  uns  unnachahmbaren  Satzbau  gegeben,  z.  B.  Cic.  de  or.  1,  126 
esse  permidta,  quae  orator  nisi  a  natura  non  haberet,  non  midtum 
a  magistro  adiuvaretnr,  ^^ivas  der  Redner  haben  muss,  widrigenfalls'-^  ; 
vgl.  Nägelsb.-Müller^  S.  672  f. 

Debitum  kommt  als  Subst.,  die  Schuldigkeit,  Pflicht,  nicht  bloss 
Sp.  L.  vor  für  officium  oder  quod  debeo,  quod  meum  est,  sondern 
=  Schidd,  moralische  Yerpflichtuyig  steht  es  Curt.  10,  5,  3:  velut 
omni  vitae  debito  liberatus;  in  der  Bedeutung  des  der  Natur  schul- 
digen Tributs  (des  Todes)  bei  Nep.  reg.  1,  5,  aber  nicht  bei  Cic. 
Phil.  14,  31,  0  fortunata  mors,  quae  Jiaturae  debita  pro  patria 
est  potissimum  reddita.  Kl.  ist  dehitio,  das  Schuldigsein,  z.  B.  pe- 
cuniae,  von  Geld,  wiewohl  es  sich  nur  bei  Cicero  zweimal  findet 
Plane.  68  u.  Att.  14,  13,  5,  sonst  nur  noch  bei  Ambrosius;  öfters 
steht  dafür  das  Yerbum  debere,  wie  denn  auch  debitum  als  Subst. 
vorkommt  in  der  Bedeutung  die  Geldsumme,  die  man  schuldig  ist, 
besonders  mit  dem  Verbum  solvere,  z.  B.:  debitum  cdicui  solvere, 
Cic.  Qu.  fr.  1,  2,  10  und:  fraudari  tamquam  debito,  or.  178.  Meistens 
aber  heisst  die  Geldschidd  aes  cdienum  oder  debita  pecunia,  so  wae 
pecunia  credita,  pecuniae  creditae  aktive  ScJiuldposten  sind.  Eine 
Schidd  abschwören  heisst  klass.  nicht  debitum  abiurare,  sondern  cre- 
ditum  abiurare,  und  eine  Schuld  von  jemanden  fordern,  nicht  debi- 
tum ab  cdiquo  petere  oder  postidare,  sondern  debitorem  admonere  oder 
aliquem  de  pecunia  debita  (quam  quis  debet)  appellare.  I^achklass. 
steht  dafür  auch  debitum,  wie  debitum  suum  ab  cdiquo  exigere,  Sen. 
Polyb.  10,  5  und  so  auch  trop.:  solvere  cdiquem  debito  =  einen  von 
der  (moralischen)  Sclmld  der  Dankbarkeit  entbindeyi,  Sen.  de  benef. 

6,  4,  1-,  in  eigentlicher  Bedeutung  in:  recipere  debitum,  Suet.  Tib. 
57  und:  acerbius  debitum  reposcere,  Yit.  7,  ebenso  debitum  flagitare 
cdiquem,  ib.  14  init.  und:  debitum  exigere  auch  bei  Sen.  Phoen.  171. 
Im  Zusammenhang  kann  mau  auch  flagitare  pecuniam  gebrauchen, 
s.  Gell.  17,  6,  1  und  daselbst  die  Bemerkung  von  Thysi :  Proprius 
eins  verbi  usus,  quando  ab  obaeratis  pecunia  credita  reposcitur  (und 
zwar  laid,  mit  Geschrei,  s.  Taubmann  zu  Plaut.  Cure.  378).  — 
Schidden  eintreiben  heisst  klass.  nomina  exigere,  Cic.  Yerr.  1,  28, 
yiachlassen,  remitiere  quod  debetur,  Cic.  Att.   13,  23,  3. 

Decedere,  iveggehen.  Von  jemand  sich  entfernen,  iveggehen,  ist 
natürlich  decedere  ab  cdiquo,  s.  Cic.  fam.  3,  10,  3.  In  örtlicher  Be- 
ziehung wird  decedere  von  Cic.  mit  ex,  de  und  dem  blossen  Ablat. 
verbunden,   auch  Caesar   hat  gewöhnlich  de   in    dieser    lokalen  Be- 


Decem  —     396     —  Deceniviri 

Ziehung  und  nur  einmal,  civ.  3,  112,  3:  suo  cursit  decedere;  Livius 
sagt  bei  lokalen  Yerhältnissen  selten  decedere  de  aliqua  re,  wie  de- 
cedere de  p7'ovincia,  viel  öfter  ist  bei  ihm  die  Präpos.  ex,  z.  B.  de- 
cedere ex  provincia,  am  allerhäufigsten  aber  der  hlosse  Ahlaf.  So 
ist  es  auch  bei  andern  Autoren,  z.  B.  provincia  decedere,  Suet.  Calig. 
48,  Tit.  5,  Yal.  Max.  2,  7,  3,  Tac.  ann.  2,  70  extr.  und  sonst 
oft;  Armenia  Capimdociaque  decedere,  bell.  Alex.  34,  2  u.  35,  1, 
Ponto  decedere,  ib.  70,  7,  Sicilia  decedere,  Nep.  Ham.  1,  5,  Africa 
decedere.  Sali.  Jug.  20,  1  u.  23,  1,  Italia,  Nnmidia  decedere,  28,2; 
35,  10  u.  38,  9,  loatria  decedere,  Vell,  1,  1,  4,  loco  super iore 
decedere,  Hirt,  bei  Caes.  Gall.  8,  9,  1  und:  militari  via  decedere, 
Curt.  5,  13,  23  und  Asia  decedere,  ib.  5,  9,  4.  Im  trop.  Ge- 
brauch wird  von  Cicero  regelmässig  decedere  mit  de  verbunden, 
z.  B.:  de  hypothecis  decedere,  fam.  13,  56,  2;  de  suis  honis  dece- 
dei'C,  Yerr.  2,  43;  decedere  de  possessione,  agr.  2,  68;  de  causa  de- 
cedere,  Cluent.  167;  de  suo  more  decedere,  Yerr.  2,  155;  de  officio 
decedere,  Yerr.  1,  28  und  de  iure  decedere,  off.  2,  64,  Att.  2,  1,  1, 
S.  Rose.  73,  Brut,  in  Cic.  fam.  11,  3,  3;  de  sententia  decedere,  fin. 

4,  52,  Mur.  63,  Balb.  11,  fam.  3,  8,  9,  Att.  7,  5,  6.  Bei  Livius 
steht  in  diesem  Fall  regelmässig  der  blosse  Ablat. :  officio  decedere, 
Liv.  27,  10,  1  u.  36,  22,  2,   fide   decedere,  34,  11,  7;  31,  5,  8  u. 

45,  19,  8,    deceder^e    instituto,  37,  54,  9   und   decedere  iure  suo,  3, 

46,  3.  —  Stey^hen  ist  de  vita  decedere,  Cic.  Rab.  perd.  30,  auch 
decedere  allein,  besonders  in  den  Formen  des  Perfektstammes  (so 
ausschliesslich  Celsus,  Yell.  Pat.  und  Quint.),  vgl.  Kalb  Roms  Ju- 
risten S.  13  ff.,  Bonnet  Greg.  Tur.  S.  287  (hier  oft  rpio  decedente 
=  ciuo  mortuo),  N.  Jahrb.  1891  S.  219.  Über  Cic.  Att.  1,  6,  2 
vgl.  Boot  und  Tyrrell  z.  St.  Vita  decedere  scheint  sich  nur  bei 
Papinian  zu  finden,  vgl.  Kalb  1.  1.  S.  109,  und  bei  Gellius  17,  21, 
33,  vgl.  Leipold  S.  52. 

Decem  et  septem,  siehenzehn,  hält  Muret  (zu  Cic.  Phil.  5,  19) 
für  unlateinisch  (latine  dici  non  puto)  für  septemdecim,  was  auch 
dort  aufgenommen  ist.  Aber  die  Untersuchungen  von  Richter  im 
Programm  von  Oldenburg  1880  S.  2  haben  für  Livius  wenigstens 
ergeben,  dass  hier  decem  et  septem  sich  mehrfach  findet,  wie  auch 
decem  septem,  decem  sex,  decem  qiiattuor,  decem  tria  vor  inilia.  Auch 
decem  et  octo  lesen  wir,  sowie  decem  et  novem  wiederholt  bei  Livius; 
demnach  ist  auch  decem  yiovem  bei  Caes.  Gall.  1,  8,  1  u.  Tac.  bist.  2,  58 
nicht  zu  beanstanden,  wie  es  denn  auch  in  den  neuen  edd.  gleichmässig 
beibehalten  wird.  Ygl.  darüber  Neue-Wagener^  II  S.  287  ff.,  Kühn- 
ast S.  36  f.,  Landgraf  S.  Rose.  S.  168,  welcher  letztere  aus  Cic.  decein 
et  tres  und  tres  et  decem  nachweist,  Mensel  Z.  f.  Gymn.  Jahresber.  1886 

5.  276  u.  285,  Gröber  in  Wölfflins  Archiv  II  S.  100,  wonach  die 
lat.  Komposita  nur  bis  16  in  den  romanischen  Sprachen  erhalten 
blieben,  also  decem  et  septem  und  die  folgenden  vulgär  waren. 

Decemviri  hatte  als  Name  eines  Kollegiums  oder  einer  Kommis- 
sion von  zehn  Männern  nach  alter  Weise  als  Genit.  Plur.  decemvirum, 


Decennalis  —     397     —  Decessor 

nicht  decemvirorum,  dagegen  decem  viri,  zehn  nicht  gemeinsam  ver- 
hmdene  Männer,  decem  virorum. 

Decennalis,  zehnjährig,  ist  S20.  L.  für  das  Kl.  decem  annorum 
oder  das  N.  Kl.  decennis;  vgl.  Gölzer  Hierou.  S.  144,  Schulze  Symm. 
S.  59,  Paucker  JSTachtr.  z.  Beitr.  S.  7. 

Decennium,  ein  Raum  von  zehn  Jahren,  ist  zwar  erst  S}!.  L. 
bei  Apuleius  u.  Paneg.,  aber  wie  biennium,  triennium,  quinquenni- 
iim,  welche  Kl.  sind,  nicht  zu  verwerfen. 

Deceptio,  die  Täuschung ,  der  Betrug,  ist,  seitdem  es  in  Yitruv 
2,  8  durch  eine  andere  Lesart  verdrängt  worden  ist,  xS^;.  L.  in  Yulg., 
bei  Eccl.  u.  a.  für  fraudatio,  fallacia,  circumscriptio,  frans;  vgl. 
Rönsch  Ital.  S.  71,  Gölzer  Hieron.  S.  66,  Paucker  Hieron.  S.  6  Anm. 
39.  Ebenso  kommt  deceptor  nur  P.  L.  und  S2).  L.  in  der  Bedeut. 
der  Betrüger  vor  für  homo  fraudulentus ,  fraudator,  ciyxumscriptor ; 
vgl.    Gölzer  Hieron.  S.  47,  Paucker   Beitr.  S.  464,    id.  Yorarbeiten 

n  s.  11. 

Decere,  sich  schicken,  gehi'üiren,  geziemen,  ist  mit  dem  Dativ 
alicui  für  cdiquem  nur  A.  L.  bei  den  Komikern;  Seyffert  stellt  B. 
Phil.  Woch.  1904  Sp.  141  den  Satz  auf:  der  Acc.  bei  decet  ist 
auch  im  A.  L.  die  Regel,  daneben  findet  sich  vereinzelt  der  Dat. 
u.  der  Ablat. ;  an  einer  Anzahl  von  Stellen  lässt  sich  nicht  ent- 
scheiden, ob  Dat.  oder  Abi.  vorliegt.  Ferner  findet  sich  decet  mit 
Dat.  im  *S^;.  L.  bei  den  Archaisten;  in  klass.  Zeit  hat  nur  Sali.  hist. 
1,  140  M.  locum  editiorem  quam  victoribus  decehat  capit,  vgl.  Con- 
stans  S.  103;  man  sage  also  nicht  inihi  decet,  es  geziemt  sich  für 
mich,  sondern  me  decet.  Letzteres  wird  Kl.  unpersönlich  gebraucht; 
Stellen  wie  Cic.  prov.  41  illa  ornamenta  decere  me  non  putaham; 
frg.  or.  13,  22  M.  quem  decet  muliebris  ornatus  sind  vereinzelt  (vgl. 
Stegmann  N.  Jahrb.  1887  S.  254);  P.  und  N.  Kl.  ist  persönlich 
konstruiertes  decere  ganz  gewöhnlich. 

Decerpere,  ahijftücken,  ivegnehmen,  wird  verbunden  cdiquid  ex 
aliqua  re,  selten  de  a.  re,  s,  Cato  r.  r.  112,  3,  etiuas  von  etivas 
himvegnehmen,  und  so  auch  tropisch  sihi  cdiquid  ex  aliqua  re,  sich 
etivas  von  etwas  zueignen,  anmassen,  z.  B.  ex  alicuius  laude,  Cic. 
Marc.  7 ;  decerpere  cdiquid  de  oder  ex  cdiqua  re,  einer  Sache  etwas 
nehme?!,  sie  in  etivas  verminde7ii,  z.  B.  mit  de  Cic.  de  or.  2,  229, 
mit  ex  Plin.  epp.  8,  24,  3. 

Decerta?^,  streiten,  kämpfen,  wird  verbunden  cum  aliquo,  P.  L. 
alicui,  mit  jemanden.  Es  ist  ein  Lieblingswort  Caesars  und  kommt 
bei  ihm  öfter  vor  als  certare. 

Decessor,  der  Vorgänger,  aber  nur  im  Amte,  und  bei  Cic.  Scaur. 
33  (welche  Stelle  man  früher  nicht  kannte)  nur  in  Bezug  auf  seinen 
Abgang  (decessus)  aus  der  Provinz,  passt  daher  nicht  wohl  zu  dem 
Begriffe,  der  in  unserem  Worte  Vorgänger  liegt.  Ähnlich  wie  Cicero 
braucht  Tac.  Agr.  7  das  Wort,  vgl.  Dräger  z.  St.;  erst  im  Sp.  L. 
wird  es  häufiger  und  verallgemeinert  nun  auch  seine  Bedeutung, 
vgl.  Schulze  Symm.  S.  9.     Wir    werden    uns    wie  Cicero   mit  Um- 


Decies  —     398     —  Decimus 

Schreibungen  helfen,  z.  B.  fam.  3,  3,  1  lä  omnes  intellegant  nee  me 
henevolenfiori  cuiquam  succedere  yotuisse,  ,,dass  ich  keine?!  wohl- 
ivoUenderen  Vorgänger  hätte  haben  können'-^ ;  vgl.  auch  s.  v.  Ante- 
cessor. 

Decies,  zehnmal,  bedeutet  beim  Gelde  der  Alten  mit  dem  dazu 
gedachten  cenfena  milia  —  eine  Million,  wird  aber  nicht  als  Plu- 
ralis,  sondern  als  Singularis  betrachtet,  und  zwar  als  Neutrum,  wo- 
her decies  solidum  (Hör.  sat.  2,  3,  240),  eine  ganze,  volle  Million 
und  decies  numeratum,  eine  bar  ausgezahlte  Million  bedeutet.  Es 
hat  daher  auch  das  Yerbum  im  Singular  bei  sich,  z.  B.  ubi  est 
decies  sestertiiim  ?  tuo  sind  die  zehnmal  hundert  tausend  Sesterze  ? 
wo  ist  die  Million  Sesterze  ?  (nach  Cic.  Phil.  2,  93 :  ubi  est  septies 
millies  sestertium.  cßiod  est  in  tabulis,  quae  sunt  ad  Opis?).  Diese 
Konstruktion  ist  bei  Geldsummen  überhaupt  üblich,  wie  ich  in  Anm. 
336  zu  Reisig-Haase  aus  Cicero  (vgl.  du  Mesnil  zu  Cic.  p.  Flacco 
S.  113)  und  Livius  (vgl.  Richter  im  Progr.  Oldenburg  1880  S.  40), 
sowie  Hygin.  gromat.  nachgewiesen  ;  z.  B.  Liv.  45,  43,  8  sestertium 
diLcentiens  redactum  esse  und  Cic.  Yerr.  2,  20  sestertium  dcciens 
numeratum  esse.  Zu  decies  solidum  vgl.  noch  Martial  4,  37,  4  /n- 
cieyis  solidum,  was  Fritzsche  zu  Hör.  sat.  2,  3,  240  zitiert. 

Decima.  Der  Plural  kommt  von  decima  häufiger  vor  als  der 
Singular.  Es  liegt  dies  in  der  Natur  der  Sache.  Es  ist  nämlich 
jener  jS^umerus  zu  gebrauchen,  wenn  von  einer  Mehrheit  von  Zehnt- 
gebenden (Cic.  Yerr.  3,  100)  oder  einer  ganzen  (in  viele  zehnt- 
pflichtige Grundstücke  zerfallenden)  Feldmark  die  Rede  ist.  S.  Cic. 
Yerr.  3,  67;  75;  90;  110  u.  117.  Dies  ist  auch  der  Fall,  wo 
von  dem  Zehnten  der  verschiedenen  Fruchtgattungen  die  Rede  ist, 
S.  Cic.  a.  a.  0.  147;  ja  selbst  wo  das  (von  mehrern  Ackerbauern 
zu  entrichtende)  Zehnterträgnis  einer  einzelnen  Fruchtart  erwähnt  wird, 
ist  der  Plural  bei  Cic.  das  gewöhnliche,  vgl.  Cic.  a.  a.  0.  73,  76, 
78  u.  84.  Handelt  es  sich  dagegen  schlechthin  um  den  Zehnten 
als  Abgabe  im  Gegensatz  zu  dem  ganzen  Ernteertrag  des  einzelnen 
Ackerbauers,  so  ist  der  Singular  ganz  an  seinem  Platze.  S.  Cic. 
a.  a.  0.  20,  25,  36,  54  u.  114.  Ergibt  sich  schon  hieraus,  dass 
decimae  (decumae)  kein  Flurale  tantum  ist,  so  lässt  sich  weiter  noch 
ausdrücklich  durch  Stellen  nachweisen,  dass  die  Annahme,  es  werde 
nur  mit  Partitivzahlwörtern  verbunden,  durchaus  falsch  ist.  Prae- 
tori  mandatnm.  ut  duas  decimias  frumenti  exigeret,  Liv.  36,  2,  12 
u.  37,  50,  9,  Cic.  Yerr.  3,  42  u.   114. 

Decimus  und  Decius  werden  bei  Namen  oft  verwechselt.  De- 
cimus ist  Yorname  mehrerer  Römer,  z.  B.  Decimus  lunius  Brutus, 
Decius  aber  Gentilname,  der  Decier.  —  Während  undecimus  und 
duodecimus  allein  statthaft  sind,  ist  decimus  tertius  bis  decimus 
septimus  in  dieser  Wortstellung  gegen  den  streng  klass.  Gebrauch 
für  tertius  decimus  u.  s.  w.  So  steht  jetzt  überall  in  Ciceros, 
Caesars  und  auch  Livius'  Schriften.  Anders  gestellte  Formen, 
wie    eben    decimus   tertius,    tertius   et   decimus,    tertius    decimusque^ 


Declamare  —     399     —  Declarare 

sind  erst  N.  Kl.  u.  Sj).  L.  S.  Mahne  Miscell.  laf.  I  S.  55  ff. 
Octavus  decimus  und  nonus  decimus  kommen  zwar  vor,  s.  Tac. 
ann.  13,  6,  dial.  34,  s.  f.  (Neue  zitiert  für  octavus  decimus  auch 
Tac.  hist.  1,  27)  sind  aber  zu  vermeiden.  Die  klass.  Stellung, 
tertius  decimus  u.  s.  w. ,  beweisen  auch  Formen  wie  tertia- 
decumayii,  quartadecumani  u.  s.  w.,  die  Soldaten  der  dreizehnten, 
vierzehnten  Legion.  Wichtig  ist  hier  besonders,  dass  Livius  bei  aller 
Mannigfaltigkeit  in  Stellung  der  Zahlen  sich  durchweg  vor  decimus 
tertius  etc.  gehütet  und  überhaupt  —  nach  Richter  Progr.  Olden- 
burg 1880  S.  2  —  im  Grebrauche  der  Ordinaha  ohne  Ausnahme  sich 
an  die  Regel  gehalten  hat. 

Declamare  und  declamitare  bedeuten  im  N.  L.  eine  öffentliche 
Rede  halten,  für  orationem  habere,  und  vor  dem  Volke  und  den 
Soldaten  coJitionari.  Die  eigentliche  Bedeutung  jener  Yerba  ist  nur 
sich  in  der  Beredsamkeit  üben,  im  Redehalten  tUmngen  anstellen. 
Solche  Übungen,  wie  sie  in  den  Schulen  über  ein  gegebenes  Thema 
gehalten  w^urden,  hiessen  declamationes.  Und  so  unterscheidet  sich 
auch  declamator  von  orator. 

Declarare  mit  dem  Accus,  bellum,  einen  Krieg  anhündigen, 
kommt  nirgends  vor  für  bellum  indicere,  und  ebenso  indictio  belli, 
die  Kriegsankündigung,  nicht  declaratio  belli,  weil  der  Krieg  nicht 
öffentlich  ausgerufen  wurde,  was  in  declarare  liegt.  Wiewohl  es 
auch  von  geistigen  Dingen  in  der  Bedeutung  klar,  deutlich  anzeigen, 
offenbaren,  ausd7ilcken,  was  ihr  Sinn  und  ihre  Bedeutung  sei,  oft  bei 
den  Alten  vorkommt,  so  ist  es  doch  falsch,  zu  sagen:  scriptorem 
oder  scriptoris  locum  declarare,  einen  Schriftsteller,  eine  Stelle  er- 
klären,  wiewohl  nicht  unlateinisch  ist:  declarat,  quae  loci  sententia 
sit,  quid  scriptor  sentiat,  oder  wie  Quint.  (8,  3,  83)  sagt:  verba 
ipsa  per  se  declarant  intellectum  (loci)  zeigen  den  Sinn  einer  Stelle. 
S.  darüber  Schulz,  Synonymik,  n.  54.  —  Hatte  der  Antibarbarus 
früher  behauptet,  dass  in  Verbindungen  wie  das  beweist,  bezeugt,  zum 
Beweise  dafür  dient  nicht  hoc  declarat,  sondern  bloss  (das  an  die 
Spitze  des  Satzes  gestellte)  declarat  gebraucht  werde,  so  war  dies 
nicht  ganz  richtig.  Denn  einmal  steht  so  das  Pron.  relat.  in  Ver- 
tretung von  hie  oder  is,  wie:  cum  minime  videbamur,  tum  maxime 
philosophabamur ;  quod  et  orationes  declarant,  refertae  philosophorum 
sententiis  et  .  .  Cic.  nat.  deor.  1,  6.  Quae  autem  possint  vel  soleant  ac- 
cidere  in  utroque  sexu  .  .  quis  non  intellegit,  quis  ignorat  f  quod  vel 
unius  Oedipodis  exemplum  declarat,  duplici  scelere  confusum,  Lact, 
inst.  6,  20,  23.  Sodann  ist  das  demonstrative  is  selbst  nicht  ohne 
Autorität :  in  eo  fit  plerumque  tanta  contentio,  td  difficillimiim  sit 
sanctam  servare  societatem.  Declaravit  id  modo  temeritas  C.  Caesa- 
ris,  Cic.  off.  1,  26;  ebenso  ist  es  bei  dem  synonymen  indicare : 
nullum  vincidum  ad  adstringendam  fidem  iure  iurando  artius  esse 
voluerunt.  Id  indicant  leges  in  XII  tabidis,  ib.  3,  111.  —  Für  de- 
claratio, die  Erklärung,  halte  man  sich  an  explicatio,  interpretatio  ; 
Cicero  gebraucht  das  Wort  nur  fam.  10,  5,  2  declaratio  animi  tuij 


Declinare  —     400     —  Dedecens 

u.  15,  21,  2  dedaratio  amoris,  also  in  anderem  Sinne.  Das  Adj. 
declarativus  und  das  Adv.  dedarative.  welche  im  N.  L.  gebraucht 
werden,  sind  erst  Sp.  L.  und  müssen  vermieden  werden;  vgl.  Paucker 
Yorarbeiten  I  S.  116. 

Dedinare.  Irrig  hiess  es  früher  im  Antibarbarus,  dass  der 
Gegenstand,  von  welchem  abgewichen  werde,  lat.  als  der  redite  an- 
genommen iverde;  er  kann  beides  sein,  denn  de  oder  a  malo  dedinare 
steht  nicht  nur  spätlat.  bei  August,  de  perf.  iustit.  §  11,  ib.  §  27 
und  de  gratia  Christi  1,  §  3,  sondern  auch  bei  Cicero:  tit  hoyia  na- 
tura ajrpetimus.  sie  a  maus  natura  dedinamiis.  Cic.  Tusc.  4,  13  und 
ofF.  1,  145.  Was  speziell  die  Phrase  de  (a)  via  dedinare  betrifft, 
so  wird  via  hier  allerdings  eifjentlidi  oder  tropisdi  als  der  redite 
Weg  und  die  Abweichung  von  ihm  als  Fehler  und  Verirrung  an- 
genommen. Also  wäre  in  viam  dedina^'e  für  den  Lateiner  unmög- 
lich; es  muss  vielmehr  in  viam  redire  gesagt  werden,  s.  Cic.  Phil. 
12,  7. 

Decollare.  enthaupten,  köpfen,  ist  N.  Kl.  u.  Sjh  L.;  es  findet 
sich  bei  Fenest.,  Petron,  bei  Seneca  (dem  Yater  und  Sohn) 
und  Sueton,  den  scr.  h.  Aug.  u.  a.  Es  ist  am  rechten  Orte,  um 
z.  B.  den  Meister  in  der  rohen  Kunst  des  Kopfahsdilagens  zu  be- 
zeichnen, bestimmt  gut  zu  gebrauchen,  wie  es  Suet.  Calig.  32  so 
anwendet:  railes  decollandi  artifex;  als  vulgäres  Wort  =  occidere 
haben  es  Rebling  S.  18  und  Köhler  act.  Erl.  I  S.  466  erwiesen  und 
mit  Recht  neben  das  im  b.  Hisp.  häufige  iugnlare  gestellt;  vgl.  auch 
Bagge  S.  16.  Ganz  ^S^;.  L.  und  nur  einmal  findet  sich  decollator, 
vgl.  Rönsch  Coli.  phil.  S.  141.  2Iit  dem  Sdnverte  riditen  aber  als 
Akt  der  Justiz  ist  securi  percutere  oder  ferire,  caput  cervicibus  ah- 
scidere ;  vgl.  Wölfflin  Archiv  XI  S.  5.     Ygl.   Caput. 

Decrementinn,  die  Ähnahme,  ist  Sj).  L.  für  deminutio,  defedio; 
es  ist  vorzugsweise  den  Archaisten  eigen,  vgl.  Kretschmann  Apul. 
S.  41,  findet  sich  aber  auch  bei  Eccl.,  vgl.  Gölzer  Hieron.  S.  60. 
Auch  ist  decrescentia  (nur  bei  Yitruv  9,  2,  4)  zu  vermeiden,  wie- 
wohl decrescere,  abnehmen,  Kl.  ist. 

Decumbere  ist  in  der  Bedeutung  sterben  N.  L.  für  occumhere; 
vielleicht  beruht  dieser  Gebrauch  von  decumbere  auf  der  Sj).  L.  Be- 
deutung des  Wortes  =  krank  darniederliegen.,  vgl.  Rönsch  Sem.  III 
S.  23;  es  bedeutet  klass.  bloss  zji  Boden  fallen  und  wird  von  dem 
besiegt  hinsinkenden  Gladiator  (Cic.  Tusc.  2,  41)  gesagt;  N.  Kl.  er- 
scheint es  in  mehreren  Bedeutungen,  namentlich  auch  als  vocahulum 
convivale  ■=  discumbere,  wie  schon  bei  Plaut,  u.  Terenz. 

Decurrere,  her  ablaufen ;  von  einem  Orte  herablaufen,  de.,  a  oder 
ex  aliquo  loco  decurrere. 

Dedecens,  luumständig ,  ist  N.  L.  ohne  Autorität  (wiewohl  decens 
N.  Kl.  häufig  vorkommt),  für  quod  dedecet,  inhonestus,  indecorus, 
tiirpis,  foedus,  indigmis.  Sp).  L.  ist  dedecorosus,  vgl.  Gölzer  Hieron. 
S.  284  u.  Hartel  im  Index  zu  Cyprian.  Y.  Kl.  (und  nur  bei  Tac.) 
dedecorus,-  diese  Formen  sind  ebenso  verwerflich. 


Dedere  —     401     —  Dedio-aari 


Ö 


Dedere  se  ist  der  stärkere  Ausdruck  für  sich  hinge'ben  = 
sich  völlig  hhigehen,  manchmal  gesteigert  durch  penitus  oder 
totam,  also  Htteris  se  dedere,  ernstliche  Studien  treiben,  vgl.  Cic. 
ofF.  1,  71  ;  ebenso  angorilms  se  dedere,  Cic.  off.  2,  2,  dem  Trüb- 
sinn sich  hingeben ;  doch  viele  Stellen ,  wo  wir  dedere  er- 
warten, bieten  dare,  z.  B.  Cic.  de  or.  1,  10,  Sali.  Jug.  32,  5, 
vgl.  Fabri  z.  St.,  Cic.  div.  Caec.  4,  vgl.  dazu  C.  F.  W.  Müller 
u.  Iwan  Müller  Jahresber.  1877  S.  237;  vgl.  Heerdegen  zu  Reisig- 
Haase  S.  14. 

Dedicare,  weihen,  findet  sich  ebenso  häufig  mit  teynplum,  aedem 
dei  als  deo  konstruiert;  dasselbe  gilt  für  die  synonymen  Yerba  sa- 
crare,  consecrare,  locare,  ponere  u.  ä. ;  z.  B.  Caes.  civ.  3,  105,  5 
id)i  Caesaris  statuam  consecraverant,  vgl.  C.  F.  W.  Müller  N.  Jahrb. 
1890  S.  720.  —  Dedicare  und  in  derselben  Bedeutung  dicare  wurden 
zunächst  nur  bei  Gegenständen  angewendet,  die  einer  Gottheit 
oder  einem  heiligen  Zivecke  geweiht  waren;  erst  N.  KL,  aber  doch 
von  Quintilian  wurden  sie  auch  von  Büchern  gebraucht,  die  aus 
Achtung  eijtier  Person  gewidmet  werden.  Quintil.  sagt  (inst.  1 
prooem.  6):  quod  opus,  Marcelle  Victori,  tibi  dicamus,  und  ib.  4, 
prooem.  §  1 :  Perfecto  operis  tibi  dedicati  tertio  libro.  So  brauchen 
auch  Phaedr.  und  der  ältere  Phnius  das  Yerb  dedicare,  der  letztere 
auch  dicare.  Auf  solche  Autorität  stützt  sich  der  heutzutage  all- 
tägliche Gebrauch  dieser  Yerben,  und  beide  sind  nicht  durchaus  zu 
verwerfen.  Dagegen  drücken  sich  Yarro  und  Cicero  mit  einem 
andern  Yerbum,  nämlich  mittere  alicui  oder  ad  aliquem,  in  ähnlichem 
Sinne  aus.  Sie  reden  nämlich  bisweilen  im  Anfang  ihrer  Bücher 
Freunde  oder  achtungswerte  Personen  an,  und  weil  sie  diesen  die 
vollendeten  Bücher  zuschickten,  passt  dann  auch  mittere  ganz  gut. 
So  sagt  Yarro  1.  lat.  5,  1  libros,  quos  Septimio  misi,  was  wir  über- 
setzen, ivelche  ich  dem  Septimius  gewidmet  (dediziert)  liabe.  Ygl. 
auch  Cic.  Att.  8,  11,  7;  14,  21,  3,  Brut.  132,  divin.  2,  3,  wo  Giese 
noch  mehrere  Stellen  anführt.  An  besondere  Dedikationsblätter, 
Briefe  und  Schreiben  ist  aber  bei  den  Alten  nicht  zu  denken.  Ge- 
wöhnlich stand  nach  dem  Titel  des  Buches  noch  z.  B.  ad  M.  Bru- 
tum,  ad  Q.  fratrem,  ad  Atticum,  ad  Septimium  u.  dgl.  —  Andere 
wählen  für  die  Yerba  mittere,  dicare  und  dedicare  die  Yerbindung 
inscribere  alicui  librum.  —  Das  Subst.  dedicatio  kommt  nicht  so  vor, 
ist  also  als  N.  L.  verwerflich. 

Dedignari,  für  iimvürdig  erkennen,  veriverfen,  verschmähen,  ist 
nicht  bloss  P.  L.,  denn  es  kommt  auch  in  nachklass.  Prosa  nicht 
nur  bei  Tac.  u.  Curt.,  sondern  auch  bei  Plin.  epp.  6,  17,  5;  8,  6, 
16  u.  Pan.  63,  4  vor,  ebenso  bei  Colum.  r.  r.  praefat.  1  §  12,  spät- 
lat.  lust.  43,  3,  2,  Ambros.  de  virgg.  1,  1,  12  und  de  spirit.  s. 
prol.  1.  n.  15.  Mit  dem  Infin.  ist  es  verbunden  Colum.  12,  4,  2, 
Curt.  10,  5,  33,  Sen.  const.  13,  2,  lust.  7,  3,  8  und  Paneg.  XII,  291, 
21  u.  307,  11.  Es  kann  daher  neben  indignum  iudicare,  spernere, 
aspernari,  contemnere  immerhin  geduldet  werden. 

Krebs-Schmalz,  Antibarbarus  I.  26 


Deducere  —     402     —  Deducere 

Dediicere,  luegführen,  ahhringen.  Im  eigentlichen  Siune  wird 
dieses  Yerbum  von  Cicero  am  gewöhnlichsten  mit  ex  verbunden  = 
aus  dem  Umfang,  dem  Bereich  einer  Ortlichkeit  icegführen,  z.  B. : 
ex  opj)idis^  ex  eo  loco,  ex  ora  maritima  ded..  Cic.  Yerr.  5,  68,  ib. 
87  und  Cass.  bei  Cic.  fam.  12,  13,  3  und  so  auch  Catil.  3,  14,  Mil. 
26,  Phil.  13,  27;  seltener  ist  die  Verbindung  mit  de,  wie:  de  oppi- 
dis  deducere,  Cic.  Att.  7,  14,  1  und  Yerr.  2,  123,  de  fando  deducere, 
Caec.  20.  Im  ühertragejien  Sinne  konstruiert  es  Cicero  nur  mit  ah 
oder  de  aliqita  re,  z.  B.:  ah  eo,  cßiod  concessit,  deducendus,  inv.  1, 
54  und:  a  fera  vita  deducere,  de  or.  1,  33,  ah  errore  deducere,  ib. 
202,  Q.  fr.  1,  1,  8  und  nat.  deor.  2,  148  und  sonst;  mit  de  ist  es 
verbunden:  de  lenitate  deducere,  Cat.  2,  28,  de  fiele,  de  sententia 
deducere,  Yerr.  1,  25,  Tusc.  2,  60,  Att.  2,  5,  1  und  Cat.  2,  18. 
Bei  Caesar  steht  deducere  lokal:  aus  etwas  herausfuhren,  meist  mit 
ex,  wie :  exercitum  ex  his  regionihus,  suos  ex  agris,  ex  praesidiis, 
ex  castellis  ded.,  s.  Call.  1,  44,  11  ;  4,  30,  2,  Hirt,  bei  Caes. 
Gall.  8,  54,  3,  Gall.  7,  81,  6  und  c.  87,  5,  civ.  1,  12,  3;  mit  de 
zweimal:  de  vallo,  de  rostris  deducere,  Gall.  5,  51,  2  und  civ.  3, 
21,  3  ;  mit  dem  blossen  Ablat.  bei  Städtenamen:  Meloduno,  Orico 
ded.,  Caes.  Gall.  7,  60,  1  und  civ.  3,  34,  1.  Jemand  von  einer 
Arheit  hiniuegziehen  ist  bei  Caes.  civ.  3,  26,  3  und  c.  69,  1 :  ah 
opere  cdiquem  deducere.  Livius  verwendet  im  lokalen  Sinne  de,  ex 
und  a,  und  bei  Ländernamen  auch  den  hlossen  Ahlat.,  Phocide  ac 
Locride,  lonia  deducere  praesidia,  Liv.  32,  36,  9  und  37,  35,  9; 
am  häufigsten  ist  die  Konstruktion  mit  ex,  s.  Liv.  8,  36,  12  und 
sonst,  auch  mit  a  und  noch  öfter  mit  de  und  mit  dem  blossen  Abi., 
finihus,  civitatihus  deducere,  10,  12,  2  ;  32,  27,  1  und  34,  35,  10 
und  ebenso  Sallust:  exercitus  Numidia  deductus,  Jug.  39,  4.  —  Oft 
berühren  sich  ducere  und  deducere  im  Gebrauch,  vgl.  Cic.  fin.  5, 
49  duci  maiorum  rerum  contemplatione  ad  cupiditatem  scientiae  mit 
5,  58  ad  quorum  et  cognitionem  et  usum  natura  ipsa  praeeunte  de- 
ducimur ;  mehr  Stellen  siehe  bei  Kunze  Sali.  III  2,  S.  68.  Deducere 
ifistituta,  leges,  arma,  vestitum,  cultum  u.  dgl.  scheint  nirgends  vor- 
zukommen für  ducere;  doch  darf  darauf  hingewiesen  werden,  dass 
schon  bei  Hör.  od.  4,  4,  19  mos  unde  deductus,  ferner  hinc  de- 
ductus mos,  ut  .  .  bei  Macr.  sat.  1,  6,  10  (Eyss.)  und:  ne  inter 
initia  quidem  ah  istis  quaestionihus  deductam  esse  medicinam,  sed  ah 
experimeyitis ,  bei  Cels.  prooem.  S.  6  (D)  gefunden  wird.  Jedenfalls 
ist  genus,  originem  ah  aliquo  oder  (ohne  ah)  deducere  unverwerflich: 
gemini,  genus  ah  Heraclidis  deducentes,  Ampel.  14  init.  Avo  darum 
Sole  deduxi  genus,  Sen.  Med.  211.  Ah  ea  deducentes  originem  im- 
peritant,  Plin.  nat.  6,  76.  Ah  Anchise  et  Venere  deducens  genus, 
Yell.  2,  41,  1.  Dies  findet  sich  auch  bei  Curt.,  denn  wenn  er  genus 
ducere  4,  2,  3  hat,  so  steht  dagegen  genus  deducere  ah  aliquo  bei 
ihm  unbestritten  4,  6,  29  und  8,  4,  26.  In  der  Bedeutung  Wörter 
oder  Namen  ahleiten,  hernelimen  ist  ducere,  sumere  allerdings  das 
gewöhnliche,  jedoch   auch  deducere  der  Latinität  nicht    ganz  fremd, 


Deductus  —     403     —  Defectio 

wie:  Christicüius  de  unctione  deducihir^  Tert.  apol.  3  p.  medd. 
Nomen  Christianorum  a  Christo  deducitur,  derselbe  adv.  Marc.  4, 
14  g.  E.  und  de  virg.  vel.  5  g.  E.  Diximus  nomen  religionis  a 
vinculo  inetatis  esse  dedudnm,  Lact.  inst.  4,  28,  12.  Sed  et  Phar- 
nacion  corpiominatitr  a  Pharnace  rege   dediictmn^   Plin.  nat.  25,  33. 

Deductus,  die  Ableitung,  Leitimg,  z.  B.  aquae,  aquarum,  beruht 
auf  falscher  Lesart  in  Cic.  off.  2,  14,  wo  für  at  deductus  aquarum 
jetzt  aus  den  Handschr.  gelesen  wird  adde  ductus  aq. 

Deerrare,  ahirren,  abiueichen,  wird  bei  Personen  nur  mit  cdj 
aliquo  verbunden,  z.  B.:  deerrare  a  loatre,  Plaut.  Men.  1113.  Cohors 
a  ceteris  deerravit.  Sali.  hist.  3,  8  M.  und  bei  der  personifizierten 
rerum  natura  bei  Sen.  de  v.  beata  3,  3,  bei  sachlichen  Begriffen 
eigentlich  und  bildlich  mit  a  oder  dem  blossen  Äblat.:  itinere  oder 
ab  itinere  deerrare  und  a  vero  und  recto  deerrare;  das  Wohin  der 
Yerirrung  wird  bei  Personen  mit  ad  und  bei  Sachen  mit  in  c.  acc. 
ausgedrückt,  z.  B. :  in  foveas,  in  tramitem  cdienum,  Plin.  nat.  11, 
176.  Caesar  und  Livius  brauchen  das  Wort  gar  nicht,  Cicero  hat 
es  nur  einmal  (in  einem  Fragm.),  wiederholt  der  rhet.  Her. 

Deesse.  N.  L.  ist  deesse  aliqua  re,  an  etwas  fehlen;  z.  B.:  mihi 
deest  oratione,  mir  fehlt  es  an  Pedestoff,  für  mihi  deest  oratio,  da 
deesse  ohne  Subjekt  wohl  nicht  vorkommt.  So  sagt  man  auch  mihi 
ipse  desum,  es  fehlt  an  mir  selbst;  tute  tibi  defuisse  videris,  es  scheint 
an  dir  selbst  gefehlt  zu  haben,  so  auch  bello,  convivio  deesse  =  keinen 
Teil  nehmen  an  — ,  officio,  muneri,  occasioni  temporis,  laudi  alicuius 
deesse  u.  dgl.  Ygl.  auch  Deßcere.  Bei  Tacitus  wird  non  deesse  in 
vierfacher  Konstruktion  gebraucht,  entweder  ganz  absolut,  wie  hist. 
1,  51,  oder  mit  dem  Dativ  augendae  famae  deesse,  hist.  3,  54,  ferner 
mit  dem  Infinit.,  wie  ibid.  1,  36  und  endlich  auch  mit  quominus. 
S.  darüber  Heraus  zu  hist.  1,  22.  —  Unser  das  hätte  gerade  noch 
gefehlt,  dass  ist  lat.  id  unum  deerat,  ut;  freilich  nicht  KL,  aber  N.  Kl. 
in  den  Rhetorenschulen  übUch,  vgl.  Morawski  Eos  II  S.  2.  Doch 
klass.  ist  Cic.  Yerr.  3,  198  haec  deerat  iniuria  u.  Att.  13,  13  id 
hercle  restabat. 

Defetisci,  müde,  abgemattet  iverden,  ist  als  Yerb.  fin.  nur  A.  L. 
für  defatigari  (defetiga^n)  bei  Ter.  Phormio  589;  defatisci  ist  Sp.  L. 
und  selten;  beide  Formen  sind  zu  meiden.  Im  bessern  Gebrauche, 
auch  bei  Cicero  und  Caesar,  ist  nur  das  Partiz.  defessus  üblich;  im 
übrigen  gebrauche  man  defatigo  oder  defetigo,  beide  Formen  sind 
gleich  gut,  vgl.  Georges  Lex.  Wortform.  s.  v. ;  konstruiert  werden 
sie  klass.  mit  Abi.,  z.  B.  Caes.  Gall.  7,  41,  2  assiduo  labore  defa- 
tigare;  im  b.  Afr.  32,  2  aber  lesen  wir  tirones  in  labore  def atigare, 
vgl.  Köhler  act.  Erl.  I  S.  440.  Über  Sp.  L.  fatigaberis  admirando 
statt  des  klass.  Infin.,  z.  B.  Lucc.  bei  Cic.  fam.  12,  14,  7  non  de- 
fetigahor  manere,  vgl.  meine  Syntax^  §  149  Anm. 

Defectio  und  defectus  sind  N.  L.  in  der  Bedeutung  Mangel, 
TJnvollkommenheit  von  Geist  und  Seele  und  irgend  einer  sonstigen 
Sache  zur  Bezeichnung  des  Schadhaften  und  Mangelhaften,  für  vitium; 


Defendere  —     404     —  Defendere 

nur  Hygin.  fab.  84  lesen  wir  das  Partiz.  defectus  in  der  Bedeutung 
mangelhaft,  unvollständig,  für  mancus,  vitiosus,  non  integer,  curtus 
u.  a.  Hingegen  mehrfach  belegt  ist  defectus  viribus  =  entkräftet, 
(s.  Sen.  Hippel.  373  und  Colum.  r.  r.  praefat.  I  §  12,  vgl.  auch 
Caes.  civ.  3,  64,  3  cum  a  viribus  deficeretur  und  noch  Sp.  L.  bei 
Salvianus  5,  35  defectae  iirbes  erschöpfte  Städte,  vgl.  Judex  von 
Pauly)  für  fractus,  afflictus,  debilitatus  u.  a. 

Defendere,  verteidigen.  Jenumden,  sich  gegen  einen  anderji,  gegeyi 
etwas  irgendwie  verteidigen,  heisst  gewöhnlich  aliquem,  se  defendere 
ab  alicßw,  ab  aliqua  re.  Statt  a  kann  indes,  unserem  deutschen 
gegen  entsprechend,  auch  contra  gewählt  werden,  z.  B.:  rusticanam 
atque  incultam  parsimoniam  contra  luxuriem  atque  licentiam  de- 
fendere, Cic.  Quinct.  92;  rem  publicam  contra  populi  temeritatem  de- 
fendere, Cic.  Sest.  141,  ebenso  Phil.  13,  25,  fam.  5,  2,  6.  So  auch 
defendere  aliquem  contra  cdiqiäd,  wie :  praesentem  aliquem  contra 
latrocinium  defendere,  Cic.  Pis.  25 ;  regem  contra  crimen  defendere, 
Deiot.  2  u.  Yerr.  2,  11;  auch  defendere  cdicßdd  contra  aliquem.  wie: 
rem  publicam  contra  improbos  cives  defendere,  Cic.  Sest.  51  und  111  und: 
siiam  auctoritatem  contra  omnes,  qui  dissentiunt,  defendere,  Cic.  Pomp. 
63;  endlich  auch  defendere  se,  cdiquem  contra  aliquem,  z.  B.:  senatum 
defendere  contra  Antonium,  Cic.  Phil.  5,  4  und  2,  45.  Statt  con- 
tra kann  auch  adversus  gebraucht  werden,  z.  B.:  sese  adversus 
populum  Romamim  defendere,  Cic.  Phil.  1,  13.  Quod  Yeientes 
(Accus.)  adversus  populum  Romanum  non  defeiidissent,  Liv.  5,  35, 
4 ;  (pwd  me  armis  adversus  Abrupolim  socium  j^opidi  Romani  de- 
fenderim  .  .  Liv.  42,  41,  10  und  aegre  se  adversus  finitimos  de- 
fendentes,  lust.  2,  4,  32;  regni  terminos  adversus  finitimos  defen- 
dere, ib.  30,  4,  12.  Masintham  defendere  adversus  Hiempsalem, 
Suet.  Caes.  71.  Notwendig  aber  wird  contra  oder  adversus,  wenn 
defendere  alicpiem  ab  aliquo  in  der  passiven  Form  erscheint  und 
eine  Zweideutigkeit  zu  befürchten  wäre,  wie:  ea  si  quando  audio 
tarn  defendo  quam  me  scio  a  te  contra  inimicos  meos  solere  defendi, 
Cic.  fam.  11,  27,  7;  hoc  sine  dubio  impotens  fortuna  captasti.,  ut 
ostenderes  neminem  coidra  te  ne  a  Caesar e  quidem  posse  defendi, 
Sen.  Polyb.  3,  5.  Wo  das  nicht  der  Fall  ist,  steht  auch  beim  Passiv 
ab,  z.  B.  Cic.  Mil.  91  ab  eo  spirante  forum  pntent  ijotuisse  defendi. 
—  Defensare  ist  A.  L.  und  meist  F.,  doch  in  Prosa  auch  bei  Sali. 
Jug.  26,  1;  60,  3  und  97,  5,  bei  Tac.  und  Gell.;  dagegen  defensitare 
=  icieder  und  wieder,  als  stehender  Verteidiger  für  etwas  auftreten, 
hat  die  Autorität  von  Cicero  an  mehreren  Stellen,  z.  B.  acad.  2, 
69,  Brut.  100.  —  Defendere  heisst  auch  zur  Verteidigung  sagen 
und  hat  dann  den  Acc.  c.  inf.  bei  sich,  z.  B.  Cic.  off.  3,  39  quasi 
vero  nie  aut  factum  id  esse  aut  fieri  potuisse  defendat,  vgl.  C.  F.  W. 
Müller  zu  Cic.  off.  3,  49,  Näg.-Müller^  S.  442,  Max  C.  P.  Schmidt 
N.  Jahrb.  1891  S.  193.  Defendere  ut  ist  =  dafür  eintreten,  dass, 
z.  B.  Cic.  S.  Rose.  136,  defendere  ne  =  dagegen  ankämpfen,  z.  B. 
Cic.  Verr.  5,  59. 


Defensio  —     405     —  Deficere 

Defeyisio,  die  Verteidigung,  Scimtzrede,  wird  N.  L.  mit  j^ro 
dliqiio  (pro  cdiqiia  re),  für  jemanden,  für  ehuas,  verbunden  statt  mit 
dem  Genitiv.  Man  sage  nicht  defensio  pro  lingiiae  latinae  utUitate, 
sondern  defensio  iitilitatis  linguae  latinae.  Auch  ist  nicht  richtig : 
quae  Uli  pro  huiiis  sanctae  sedis  defensione  pie  fortiterqiie  gesserunt, 
da  in  ^jro  schon  der  Begriff  defensio  liegt,  und  p)ro  hac  sanda  sede 
gesserunt  hingereicht  hätte;  etwas  anderes  wäre  pj^o  Jmiiis  sanctae 
sedis  gloria  oder  commodis.  Aber  gut  ist  defensio  contra  aliquid, 
vim  etc.,  Cic.  Mil.  14,  sowie  ad  aliquid,  Cic.  Cael.  9. 

Defensor,  der  Verteidiger,  wird  von  dem,  welcher  vor  Gericht 
eine  Yerteidigungsrede  für  einen  andern  hält,  ebenso  gut  gebraucht 
als  patronus.  So  ist  es  bei  Cic.  Yerr.  4,  82;  1,  74;  1,  20  und  2, 
149,  Mur.  10,  Flacc.  21,  Plane.  63,  Caec.  5,  Cluent.  3,  de  or.  2, 
132,  divin.  2,  26.  Bei  Quint.  5,  13,  3  steht  patronus  allerdings  im 
Gegensatze  zu  accusator,  wie  bei  Cic.  Att.  4,  16,  5.  Umgekehrt 
aber  hat  Quint.  a.  a.  0.  u.  7,  2,  31  auch  defensor  als  Gegenwort 
von  accusator.  —  Auch  defenstynx  ist  klass.  bei  Cicero  in  einem 
fragm.  Tim.  bei  Prise,  vgl.  Näg.-MüUer^  S.  227. 

Deferre,  einem  etiuas  bringen,  übertragen,  melden,  wird  ver- 
bunden alicui  oder  ad  aliquem  aliquid.  Defer^^e  aliquem  mit  Gen., 
z.  B. :  maiestatis,  ist  nachklassisch  für  das  klassische  nomen  cdicuius 
deferre  de  aliqua  re,  s.  Dräger  zu  Tac.  ann.  14,  48  und  Vogel  zu 
Curt.  7,  1,  6. 

Defervescere,  ausbrausen  (nicht  nur  eigentlich,  sondern  auch 
trop.  mit  cupiditates,  studia  verbunden  =  austoben  und  von  der  Rede 
sich  abklch^en).,  hat  im  Perf.  defervi  und  deferbuL  Neben  dem  Perf. 
defervi  (Ter.,  Cato,  Cicero,  Plin.  ep.)  kommt  seit  der  klassischen 
Zeit  auch  deferbui  auf,  z.  B.  Cic.  Cael.  43  u.  77  (wo  auch  efferbuisse 
steht);  vgl.  Koffmane  lex.  s.  v.  und  Neue -Wagener^  III  S.  389 
u.  421. 

Defetisci,  vgl.  Defatisci. 

Deficere  wird  in  der  Bedeutung  von  einem  abfallen,  einem  ab- 
trünnig oder  untreu  tuerden  verbunden  ab  aliquo,  und  deficere  ab 
aliquo  ad  aliquem;  in  der  Bedeutung  fehlen,  mangeln  an  etwas, 
nicht  aliqua  re,  sondern  aliqua  res,  als  Nomin.  und  Subjekt  zum 
Yerbum,  z.  B.  es  fehlt  an  Beispielen,  deficiunt  oder  desunt  exempla, 
nicht  deficit  exemplis,  und  so  dies,  spes,  tempus,  vires,  fides  deficit. 
Erst  Sp.  L.,  z.  B.  bei  Gramm.,  finden  wir  deficere  aliqua  re  =  Glicht 
haben,  enthehren,  z.  B.  Prise.  425,  9  infinitus  est,  qui  et  personis 
et  numeris  deficit.  Wem  etwas  fehlt  oder  luefi  etwas  verlässt,  werde 
nur  durch  den  Accusativ  ausgedrückt,  da  der  Dativ  nur  P.  L.  bei 
Silius  u.  Statius  ist,  vgl.  Dräger  H.  Synt.  I  S.  356.  —  Man  beachte 
endhch  auch,  dass  deficere  im  N.  Kl.  u.  Sp.  L.  =  mori  ist,  zunächst 
=  hinsterben,  z.  B.  Sen.  ep.  77,  9  paulatim  defecit,  dann  überhaupt 
=  sterben,  vgl.  Hey  Archiv  XI  S.  523.  Das  deutsche:  Es  stirbt 
ein  Geschlecht,  ein  Haus  mit  jemanden  aus,  kann  lateinisch  nur 
durch  in  (ja  nicht  cum)  aliquo  deficere  oder  exstingui  gegeben  werden. 


Defigere  —     406     —  Defraudatio 

Man  vgl.  darüber:  Progenies  Caesarum  in  Nerone  clefecit,  Suet. 
Galb.  1 .  Cy^edunt  liac  superstitione  exstinctam  in  Alexandro  stirjjem, 
lust.  7,  2,  4,  Sen.  suas.  2,  22.  Wird  hingegen  angegeben,  dass 
jemand  (ehuas)  mit  einem  (ehvas)  anderen  zugleich  erloschen  sei, 
so  ist  cum  natürlich  richtig:  TJt  appareret ,  patriae  gloriam  et  natam 
et  exstiyictam  cum  eo  fuisse,  lust.  6,  8,  3.  Xec  cum  filia  sua  libi- 
dinem  Appii  Claudii  exstiyictam  esse^  Liv.  3,  50,  7  ;  25,  38,  9  und 
28,  28,  11. 

Defigere^  auf  etiuas  heften^  stossen.  sclilagen,  wird  in  guter  Prosa 
eigentlich  und  tropisch  gewöhnlich  durch  aliquid  in  c.  abl.,  P. 
auch  durch  den  Dativ  ausgedrückt,  also  cultrum  in  corde  defigere, 
Liv.  1,  45,  4;  asseres  in  terra,  Caes.  civ.  2,  2,  2 ;  sicam  in  corpore 
considis  defigere,  Cic.  Cat.  1,  16  und  de  or.  1,  31;  mit  dem  blossen 
Abi.:  gladiiim  iiigido  defigere,  Liv.  1,  25,  12  (so  nur  hier  bei  Liv., 
vgl.  M.  Müller  z.  St.).  Anderer  Art  sind  die  Abi.  silentio,  pavore, 
admiraiione,  so  besonders  bei  defixus  =  ivie  festgeivurzelt,  aber 
auch  beim  Verb,  fin.,  vgl.  Liv.  3,  47,  6  Stupor  omnes  admiratione 
rei  tam  atrocis  defixit,  vgl.  Archiv  X  S.  47.  Defigere  mit  iji  c.  acc. 
steht  in  klassischer  Sprache  nur  bei  Cic.  Phil.  11,  10  in  cuius  pos- 
sessiones  oculos  impudentissimos  (eum)  defigere  censetis  ?  wo  der  Zu- 
sammenhang auf  den  lüsternen  und  gierigen  Blick  hinweist ;  aber 
N.  Kl.  kommt  defigere  auch  in  dem  allgemeinen  Sinne  der  Rich- 
tung irgendwohin  c.  accus,  vor:  in  terram  ora  defixerunt,  Curt.  9, 
3,   1  und  oculos  defigere  in  terram,  Quint.  11,  3,  158. 

Deflectere,  ahhiegen,  tihheugen,  wird  entweder  transitiv  oder  re- 
flexiv gebraucht,  cdiquem,  aliquid,  se  deflectere  ah  alicpio,  z.  B. :  oculos 
deflectere  ah  aliquo  und  cursum  deflectere  ad  cdicpiem,  se  de  curricido 
petitionis  deflectere,  navem  a  cursu  deflectere,  omnem  acerhitatem  in 
senatum  deflectere,  perniciosa  consilia  fortuna  deflexit  in  melius  (Sen. 
de  benef.  6,  8,  1),  de  via  cdiquem  deflectere,  Cic.  rep.  1,  68,  endlich 
auch  vultum  a  puhlica  religione  ad  privatum  dolorem  deflectere  (Yal. 
Max.  5,  10,  1).  Gewöhnlich  aber  wird  deflectere  intransitiv  ge- 
braucht, z.  B.:  a  patris  virtute,  a  veritate,  a  prop>osito  deflectere,  oder 
wenn  das  Bild  von  einem  räumlichen  Woiie  entlehnt  ist,  de  via, 
de  recta  regione,  de  spatio  curricidoque  maiorum  deflectere.  Daher 
heisst  wo  nicht  uhi,  sondern  unde,  Cic.  Tusc.  5,  80  oratio  redeat 
illuc,  unde  deflexit.  Das  davon  abgeleitete  Subst.  deflexio,  das  Äh- 
heugen,  Ahlenken,  ist  Sp.  L.,  deflexus  N.  Kl.  bei  Yal.  Max.  und 
Sp.  L.  bei  Ambrosius  und  Paneg. 

Deflorare  ist  als  transitives  Wort  in  eigentlicher  und  übertragener 
Bedeutung  Sp.  L.,  vgl.  Gölzer  Hieron.  S.  182  und  Schulze  Symm. 
S.  82,  jedoch  in  dem  Sinne  von  verhli'ihen  N.  L.  für  deflorescere. 
Deflorere  kommt  einmal  bei  Columella  (defloret)  vor  und  einmal  auf 
einer  Inscr. 

Defraudatio,  Betrügerei,  Verminderung  ist  sehr  Sp.  L.  für 
fraudatio,  deminutio ;  hingegen  defraudator,  der  Betrüger,  für  fraii- 
dator  findet  sich  schon  bei  Gaius,  inst.  4,  64,   und   defraudare  (de- 


Defunctorius  —     407     —  Degener 

frudare),  letrügen,  iibervorteüen,  ist  A.  L.  bei  Plautus,  Tereiiz  und 
Cato,  und  Icommt  bei  Cicero  nur  zweimal,  erat.  221  und  fam.  7,  10,  2, 
in  einer  alten  sprichwörtlichen  Redensart,  für  das  Kl.  häufige 
frandare,  bei  Caesar,  Sallust,  Livius,  im  iY.  Kl.,  abgesehen  vom 
vulgären  Petron,  nicht  vor,  aber  Sp.  L.  wieder  bei  Apul.  met.  4, 
25  und  9,  28,  de  mag.  82  extr.,  Vulg.  Sir.  7,  23,  August,  in  Ps. 
105,  15  extr. 

Defunctorius^  oberflciclilkh,  flüchtig,  leicht^  ist  N.  Kl.  und  ebenso 
defuyictorie,  für  neglegens,  neglegenter,  levis,  leviter ;  beide  sind  vul- 
gäre Wörter  (Sen.  rhet.  und  Petron)  und  zu  meiden.  Bei  Papinian 
treffen  wir  die  Litotes  non  defunctorie,  vgl.  Leipold  S.  60  u.  S.  72. 
Ygl.  auch  Heraus  Progr.  Offenbach  1899  S.  27. 

Defungi,  beenden,  vollenden,  bestehen,  wird  mit  vielerlei  Ablat. 
verbunden,  aber  meistens  nur  mit  solchen,  die  etwas  Unerfreuliches, 
Lästiges  und  Drückendes  bezeichnen,  was  man  beendet  und  über- 
steht. Caesar  braucht  es  nie,  Cicero  nur  einigemal,  oft  ist  es  bei 
Livius  zu  finden.  F.  und  N.  Kl.  (bei  Curt.  5,  5,  13)  sagt  man  auch 
vita  defungi  vom  Ende  des  Lebens,  wofür  sich  bei  Suet.  und  Curt. 
tnorte  defungi  findet,  jedoch  nur  in  Verbindung  mit  einem  Attribut: 
Sita  morte  defungi,  Suet.  Caes.  89  und:  egregia  morte  defnncti.,  Curt. 
3,  11,  9  und:  honesta  morte  defungi,  Curt.  5,  8,  11,  ne  simplici  quidem 
morte  defunctus  est,  ib.  8,  7,  5.  Das  Part.  Perf.  defunctus  aber 
findet  sich  absolut  =  mortims  nicht  bloss  bei  Quintil.,  Suet.  und 
dem  Jüngern  Plinius,  sondern  ist  der  nachklassischen  Latinität  über- 
haupt eigen.  Eine  ganze  Reihe  von  Beispielen  aus  N.  Kl.  Autoren 
bieten  Lagergren  S.  132,  Törnebladh  S.  17,  Bagge  S.  17.  Ebenso 
nicht  selten  bei  Sen. :  quae  mos  erat  praestare  defunctis,  ad  Marc. 
13,  2;  si  nidlus  defunctis  sefisus  suiperest,  Polyb.  9,  2  und  3;  si 
amicorum  defunctorum  memoria  iucunda  est,  epp.  63,  5  und  58,31. 
Defimcto  Marcello,  Tac.  ann.  1,  1;  defuncto  Augusto,  ib.  1,  7  und 
sonst.  Revocare  defunctos,  Plin.  nat.  2,  27  und  sonst  oft.  Viso 
corpore  defuncti,  lust.  11,  15,  14  und  15,  4,  24. 

Degener,  entartet,  ist  P.  L.  und  N.  Kl.  bei  Plin.  mai.  und 
Tac;  es  kommt  ausserdem  von  physischer  und  geistiger  Entartung 
auch  bei  Seneca  vor,  Marc.  12,  3,  epp.  90,  4;  92,  26  und  107,  3, 
de  dement.  1,  16,  3;  ebenso  bei  Curt.  4,  12,  11  und  7,  5,  29, 
Colum.  r.  r.  6,  37,  9.  Endlich  hat  auch  Livius  das  Wort  38,  17, 
9  und  c.  49,  4  und  25,  40,  12;  vergeblich  wird  man  es  jedoch  bei 
Cicero,  Caesar  und  Sallust  suchen ;  nach  Skutsch  bei  Kroll  Altertums- 
wissenschaft S.  337  ist  es  frühestens  varronisch.  —  Kl.  ist  degenerare 
ab  aliquo  und  ah  aliqua  re  (P.  L.  alicui),  von  einem  oder  von  etivas  aus- 
arten (und  zwar  hi  bonam  et  mcdam  partem,  s.  Heraus  zu  Tac.  bist. 
3,  28);  auch  findet  sich  Kl.  degenef^are  absolut,  z.  B.  Cic.  fin.  5,  13 
hör  um  posteri  ita  degener  ant  =  sind  so  aus  der  Art  geschlagen  (über 
das  Praes.  vgl.  Madvig  z.  St.).  Wenn  wir  bei  Tacitus  das  prägnante 
degenerare  ad  aliquid,  ann.  14,  21  und  bei  Curt.  und  Liv.  degenerare 
in  aliquid,  Curt.  8,  5,  14,  Liv.  9,  18,  3  und  38,  17,  11  finden,  so  ist 


Degeneratio  —     408     —  Deificare 

diese  N.  Kl.  Konstruktion  mit  dem  konsekutiven  in  und  ad  weniger 
empfehlenswert.  Degenerare  aliqiiid  trans.  =  etwas  verderben  ist 
eigentlich  poetisch,  s.  Haupt  zu  Ov.  met.  7,  543  u.  Vollmer  z.  Stat. 
silv.  3,  1,  158,  in  Prosa  sehr  selten,  schwerlich  bei  Plin.  nat.  25,8, 
wo  C.  F.  W.  Müller  (Progr.  Breslau  1888  S.  20)  also  liest:  mdtimi 
degenerat  transcrihentiimi  sollertia  und  degenerat  genau  wie  bei  Cic. 
fin.  5,  13  auffasst.  Aber  Colum.  sagt  7,  12,  11  degenerat  animos 
vemis,  vgl.  Kottmann  S.  19. 

Degeneratio,  welches  die  Lexika  nicht  kannten,  ist  jetzt  als  lat. 
erwiesen  aus  Aug.  b.  vit.  35  ppr.  und  ord.  2,  16  m.;  vgl.  Archiv 
XI  S.  129. 

Degere  vitam,  aetatem,  sein  Lehen,  sein  Alter  hinbringen,  ist 
Kl.  und  gut,  aber  nur  ohne  die  Pron.  meam,  tuam,   siiam  u.  s.  w. 

Dehinc,  sofort,  von  min  an,  ist  F.  und  N.  Kl.;  bei  Liv.  1, 
59,  1  schreibt  Madvig  und  ihm  folgend  H.  J.  Müller  denique,  da 
Livius  dehinc  sonst  nicht  kennt,  M.  Müller  aber  behält  es  bei  mit 
Hinweis,  dass  sonst  denique  in  diesem  Sinne  vorkomme  (30,  14,  9 
und  42,  50,  2). 

Dehiscere,  sich  spalten,  sich  öffnen,  ist  nicht  nur  P.  und  N.  Kl. 
bei  Seneca  und  PHnius  mal.,  sondern  es  findet  sich  auch  bei  Geis, 
med.  7,  29  p.  317,  9  und  8,  1,  g.  E.,  bei  Plin.  epp.  6,  20,  9:  nahes 
.  .  .  in  longas  flammarum  figuras  dehiscebat,  bei  Livius  zweimal: 
29,  2,  7 :  in  dehiscentem  intervallis  hostium  aciem  equites  emitiere 
und  Fragm.  1.  91  Anfang:  dehiscere  ingentibus  rimis,  bei  Yarro  in 
der,  wie  es  scheint,  üblichen  Verbindung  mit  terra,  nirgends  aber 
bei  Cicero,  Caesar,  Sallust.  JN^och  S^).  L.  treffen  wir  es  bei  Ps. 
Cyprian  3  S.  50,  Hartel.  —  Über  dehiasco  und  ähnliche  vgl.  Sittl  in 
Wölfflins  Archiv  I  S.  492. 

Dehonestamentum,  die  Entstellung,  Entehrung,  Bescliimpfung , 
steht  Kl.  bei  Sallust,  sonst  nur  bei  Seneca,  Tacitus,  Gell.,  lust.  (23,  4, 
6  und  28,  2,  9)  und  scr.  h.  xiug.,  sowie  Symm.,  vgl.  Schulze  S.  47, 
und  Amm.  26,  6,  16  für  das  gewöhnlichere  dedecus,  ignominia.  Sehr 
Sj).  L.  und  nur  bei  Tertull.  findet  sich  dehonestatio.  Gleich  schlecht 
ist  auch  dehonestus  (Fronte  bei  Gell.  19,  10,  10)  unanständig,  für  in- 
honestus,  indecorus  u.  a.     Vgl.  Dedecens. 

Dehonestare,  entehren,  beschimpfen,  findet  sich  Kl.  nirgends, 
zuerst  einmal  bei  Livius,  sonst  nur  N.  Kl.  bei  Sueton,  Seneca  (de 
benef.  1,  6,  2,  c.  ad  Marc.  22,  2);  ebenso  bei  lust.  7,  3,  4,  Tac. 
und  scr.  h.  Aug.  Ich  rechne  es  wie  infestare  und  ähnl.  unter  die 
mit  dem  Sinken  der  Latinität  aufkommenden  und  daher  nicht  zu 
empfehlenden  Wörter. 

Dehortatio,  die  Abmahnung,  das  Abraten,  ist  sehr  Sp.  L.  für 
dissuasio,  avocatio   oder  mit  den  Verba    dehortari,   dissuadere  u.  a. 

Deificare,  von  dem  Sp).  L.,  aber  bei  bessern  EccL,  wie  z.  B. 
Cyprian,  sich  selten  findenden  deificus  abgeleitet,  zu  einem  Gotte 
machen,  ist  Sp.  seit  Tert.  für  in  deoruni  numerum  referre,  conse- 
crare;  N.  Kl.  deum  facere. 


Deierare  —     409     —  Deindc 

Deierare  oder  (bei  Gellius)  (leiiirare,  scliwöi^en,  ist  A.  u.  Sp.  L, 
für  iurare'^  an  der  Grenze  der  vorklass.  und  klass.  Periode  braucht 
es  rhet.  Her.  4,  62  clamat  et  deierat  (aber  Marx  liest  delerat  =  de- 
lirat)  und  Yarro  1.  lat.  5,  66;  ausführlich  besprochen  von  Thielmann 
Cornif.  S.  13  und  bezüglich  der  Etymologie  von  Brugmann  Indog. 
Forschg.  XII,  396  ff.;  darnach  ist  deierare  von  iurare  loszumachen 
und  zur  Wurzel  jes  =  fervere  zu  stellen. 

Deicey^e,  herahiüej^fen,  vertreiben.  In  räumlichen  Beziehungen 
wird  es  am  gewöhnlichsten  mit  den  Präp.  de  oder  ex  verbunden,  wie 
de  ponte,  de  porticu,  de  fimdo,  de  saxo,  de  praesidio  und  ex  fimdo, 
ex  aedibus,  e  vestihido,  ex  fossessione^  ex  rupe,  ex  castellis  deicere; 
bei  Caesar  mit  ex^  wie:  ex  utraque  munitione  deicere^  civ.  3,  63,  8, 
ex  saltu  deicere,  ib.  1,  37,  3;  mit  de:  de  muro  se  deiecerunt 
=  sprangen  über  die  Malier  hinab,  ib.  1,  18,  3,  endlich  auch 
mit  dem  blossen  Ablat. :  nostri  .  .  .  deiedi  sunt  loco^  Gall.  7,  51,  1 ; 
ebenso  7,  28,  1:  liostes  muro  tunibusque  deiedi,  wohl  auch  Gall. 
4,  12,  5,  wo  jedoch  equo  vidnerato  Abi.  abs.  sein  kann.  Im  tro- 
pischen Sinn  sagt  Cicero  gern  aliquid,  aliquem  deicere  ab  oder 
de  aliquo,  de  aliqua  re,  z.  B. :  iugum  servile  a  cervicibus  deicey^e, 
ocidos  ab  isto  nusq^iam  deicere,  cruciatum  a  corpore,  aliquem  deicere 
de  sententia,  ähnl.  Liv.  de  possessione  imperii  aliquem  deicere  (45, 
22,  7).  Der  blosse  Ablativ  steht  bei  Liv.  u.  Caes.,  wenn  de- 
iectus  (==  privatiis)  beraubt,  um  etwas  gekommen,  in  etwas  ge- 
täuscht ausdrückt,  so  spe  deiectus,  Liv.  44,  28,  1,  Caes.  Gall.  1,  8, 
4  u.  5,  48,  1  und:  Haedui  magno  dolore  ferunt  se  deiectos  princi- 
patu,  Gall.  7,  63,  8  (d.  h.,  dass  sie  die  Hegemonie,  den  Rang  als 
Vormacht  verlörest  hatten).  So  wird  deicere  aber  nicht  nur  vom  luirk- 
lichen  Besitze,  sondern  auch  vo7i  der  Aussicht,  der  Hoffnung  auf 
etwas,  besonders  ein  Ehrenamt,  z.  B.:  considatu  (Liv.  40,  46,  14), 
praetura  (Cic.  Mur.  76),  aedilitate  (Cic.  Yerr.  1,  23),  honore  (Liv. 
39,  41,  1)  deicere  gesagt,  wofür  Cicero  einmal  gegen  den  sonstigen 
Gebrauch  aus  Rücksicht  auf  Konzinnität  mit  dem  vorausgehenden  de 
fide  deducere  auch  de  honore  deicere  hat,  Yerr.  1,  25.  Absolut  ge- 
brauchtes deicere  in  diesem  Sinne  hat  Cic.  nicht,  wohl  aber  Cael. 
bei  Cic.  fam.  8,  4,  3  u.  Liv.  38,  35,  1,  vgl.  Burg  S.  52. 

Deinceps  bedeutet  N.  Kl.  oft  nur  nachher,  für  deinde,  postea, 
so  z.  B.  bei  Colum.,  vgl.  Kottraann  S.  9;  dieser  Gebrauch  ist  zur 
Nachahmung  nicht  zu  empfehlen.  Kl.  heisst  es  nur  in  der  Reihe 
iveg,  nach  der  Reihe,  in  einem  fort,  und  von  Personen  einer  nach 
dem  andern;  daher  lesen  wir  z.  B.  Cic.  leg.  3,  4  deinde  deinceps, 
vgl.  Feldhügel  z.  St.,  ferner  tum  deinceps  und  inde  deinceps,  wo 
,^Zeit-  lind  Reihenfolge'^  zugleich  angegeben  werden  soll,  vgl.  H.  J. 
Müller  zu  Liv.  1,  44,  3.  Oft  steht  es  adjektivisch,  s.  Kraner  zu 
Caes.  Gall.  3,  29,  1 :  reliquis  deinceps  diebus,  und  Wölfflin  zu  Liv. 
22,  7,  11  u.  21,  8,  5,  und  zwar  ebenso  gut  lokal  wie  temporal. 

Deinde.  KL  sind  deinde  postea,  darauf  nachher,  vgl.  Halm  zu 
Cic.  Mil.  65,   Meissner   zu  Tusc.  4,  2,  Boot  zu  Cic.  Att.  2,  23,  2; 


Deitas  —     410     —  Delator 

deinde  iiosiremo  (Cic.  inv.  1,  43)  und  deinde  ad  exiremum  (Cic.  Pis. 
78),  darauf  eyidlicli^  darauf  zuletzt-^  an  allen  diesen  Stellen  hat  deinde 
seine  besondere  Bedeutung  und  es  darf  somit  nicht  an  eine  Abun- 
danz  des  Ausdruckes  gedacht  werden.  Anders  ist  es  mit  post  deinde 
bei  Ter.  Andr.  483  und  bei  GeUius,  mit  tum  deinde  bei  den  Ar- 
chaisten:  hier  haben  wir  zu  meidende  Pleonasmen  anzunehmen. 
Auch  kann  deinde  nach  ijvimum  oder  i^rimo  zwei-,  dreimal,  ja  noch 
öfter  folgen,  wo  dann  bei  dem  letzten  steht  postremo,  wie  wir 
dies  aus  Cic.  inv.  1,  43  ersehen;  statt  deinde  tritt  auch  dein  ein, 
z.  B.  Cic.  de  or.  3,  62  ac  primo  .  .  .  deinde  .  .  .  dein  .  .  .  ium; 
über  deiji  vgl.  Stangl  Tulliana  S.  30;  über  dein  bei  Sali.  Kunze 
Sali.  III,  1  S.  8,  bei  Liv.,  der  es  nie  vor  Yokalen  oder  h  und  ge- 
wöhnlich an  erster  Stelle,  ganz  selten  an  zweiter  hat,  Novak  Stud. 
Liv.  1894  S.  183  ff.  Aber  deinde  rursus  ist  *S^).  L.  bei  Lactanz, 
und  ebenso  sind  zu  bezweifeln  deinde  auiem,  deinde  vero.  Zu  Curt. 
5,  8,  17:  experiamini,  cpndquid  deinde  fors  tulerit  bemerkt  Vogel, 
deinde  =  von  jetzt  ab,  in  die  Zukunft  gehend,  schon  bei  Cic.  bis- 
weilen (Qu.  fr.  3,  8,  2  und  de  or.  2,  280,  Yerr.  3,  41).  Über  deinde 
überhaupt  s.  Vogel,  Symb.  I  S.  13.  —  Nicht  N.  L.  ist  midto,  paulo, 
hrevi,  mox  u.  dgl.  deinde,  lange,  kurz  nachher;  Vogel- Weinhold 
Übersicht  §  60  zitieren  für  mox  deinde  Curt.  10,  3,  12  und  ver- 
weisen noch  auf  Tib.  1,  5,  73,  Colum.  praef.  15;  hrevi  deinde  oder 
vielmehr  deinde  hrevi  hat  Liv.  8,  27,  11;  vorzuziehen  ist  jedoch 
paido,  multo  post.  N.  L.  ist  es,  w^enn  Görenz  sagt:  paulo  post 
deinde,  kurz  darauf,  oder  gar  paucis  verhis  deinde,  ivenige  Worte 
nachher. 

Deitas,  die  Gottheit  oder  Göttlichkeit,  ist  Sp.  L.,  z.  B.  bei  Aug. 
Salvian  Victor  Vit.  Hieronymus  u.  a.  Eccl.  für  deus,  numen  divinum, 
divifiitas ;  vgl.  Paucker  Spicil.  S.  305,  Gölzer  Hier.  S.  102,  Regnier 
S.  172;  Cyprian  hat  das  Wort  noch  nicht,  vgl.  Watson  S.  244;  es 
ist  erst  nach  ihm  aufgekommen ;  Arnobius  scheint  es  gebildet  zu 
haben,  vgl.  Wölfflin  Archiv  V,  497. 

Delahi,  lierahsinken,  herahfjleiten  von  etwas,  wird  verbunden  de 
oder  auch  ex  aliqua  re,  letzteres  ausser  1,  16,  6  ausschliesslich  bei 
Livius,  P.  L.  alicui,  z.  B.  capiti,  für  de  capite.  Mit  a  bei  Cic.  nur 
trop.,  s.  Lael.  76:  iam  a  sapientium  familiaritatihiis  ad  vidgares 
amicitias  oratio  nostra  delahitur^  vgl.  Seyffert-Müller  z.  St.;  ebenso 
Cael.  15,  de  or.  3,  216,  part.  or.  42.  Mit  blossem  Abi.  rhet.  Her. 
4,  68  (doch  Marx  delihans)  u.  Liv.  1,  16,  6,  vgl.  dazu  H.  J.  Müller. 

Delassare,  ermüden,  ist  nur  P.  L.  für  defatigare  (defetigare). 
—  N.  L.  ist  das  Subst.  delassatio^  die  Ermüdung,  für  defa(e)tigatio, 
lassitndo. 

Delator,  der  Angeher,  ist  zwar  erst  N.  Kl.  aus  den  Zeiten  der 
Kaiser,  aber  das  eigentliche  Wort  zur  Bezeichnung  desjenigen, 
welcher  aus  unlautern  Motiven,  besonders  heimlich,  denunziert,  wo- 
gegen index  der  öffentliche  Angeber  ist,  der  es  mehr  auf  rechtliche 
Weise  tut.      Dasselbe   gilt   von    delatio,  nur    dass    dies  Wort    auch 


Delectabilis  —     411     —  Deletio 

schon  bei  Cicero  vorkommt,  z.  B.  delatio  nominis  =  Anklage,  z.  B. 
div.  Caec.  64.  —  Das  Subst.  delatura,  die  Angabe,  Anldage,  ist  S]).  L. 

Delectabilis,  ergötzlich,  angeyielim,  steht  N.  Kl.  bei  Tac,  den 
Archaisten  Gell,  und  Apul.,  Lact.  inst.  6,  4,  3  u.  7,  7,  13  und 
Augustin,  für  mcimdiis,  suavis,  amoenus,  oder  durch  das  Yerb  de- 
lectare  und  das  Subst.  delectatio  zu  geben,  z.  B.  das  ist  sehr  ergötz- 
lich =  hoc  habet  magnam  delectationem,  rhet.  Her.  4,  24. 

Delectare  und  delectari,  ergötzen  und  ergötzt  luerdefi  oder  se 
delectare,  sich  ergötzen,  werden  verbunden  cdiqua  re,  mit,  durch,  an 
etivas.  Absolutes  delectare  ist  klass.,  vgl.  C.  F.  W.  Müller  or.  III 
S.  78,  z.  B.  Cic.  Att.  1,  11,  3  etiam  cogitatio  delectat  Delectare 
mit  in  c.  abl.  findet  sich  bei  Cic.  nicht  nur  Att.  16,  5,  2,  sondern 
auch  fin.  1,  39:  delectari  in  rogatiimcula  und  in  inani  iwudentiae 
laude  delectari,  fam.  6,  4,  4  und  sonst;  es  kann  übrigens  nur  da 
stehen,  wo  die  Bedeutung  „sic/i  in  etwas  gefallen'-''  verlangt  wird, 
vgl.  Seyffert-Müller  zu  Lael.  S.  536,  oder  wo  der  Gegenstand  des 
Wohlgefallens  bestimmt  fixiert  werden  soll,  z.  B.  Cic.  leg.  2,  17  in  hoc 
admodum  delector,  qiwd  in  aliis  rebus  versaris  atque  ille;  vgl.  noch 
Madvig  de  fin.  S.  82,  Seyff.  Pal.  S.  145.  —  Delector  aliqiio  endlich 
heisst:  ich  finde  an  jemand  Gefallen,  delector  ab  aliqiio  =  ich  luerde 
von  ihm  in  heitere,  fröhliche  Stimmung  versetzt.  Bei  abhängigem 
Yerbum  wird  das  persönliche  delector  mit  dem  Abi.  des  Gerundiums, 
nicht  mit  dem  Infin.,  der  P.  L.  ist,  z.  B.  (bei  Phaedrus  5,  3,  9)  delec- 
taris  bibere  humanum  sanguiyiem,  für  bibendo  humano  sanguine,  kon- 
struiert. Doch  der  Acc.  c.  inf.,  z.  B.  Cic.  ad  Brut.  1,  2,  4  in  quo 
delector  me  ante  providisse,  ist  klass.  —  Das  unpersönliche  delectat 
mit  Infin.  hat  Ovid  aufgebracht;  von  ihm  hat  es  Plin.  ep.  1,  24,  2  ita 
enim  delectabit  emisse  übernommen  (von  Menna  S.  36  übersehen), 
ebenso  Quint.  1,  1,  29,  dann  findet  es  sich  noch  Si).  L.  Mit  Acc. 
der  Person  ist  es  sogar  klassisch,  Cic.  Tusc.  3,  26  quos  loqui  de- 
lectet;  vgl.  Dräger  H.  Synt.  II  S.  351. 

Delectns  findet  sich  als  Partizip,  der  Eriuählte,  Ausgewählte, 
substantivisch  mit  dem  Genit.  partit.  unter,  zuerst  bei  Li vius:  delecti 
Aetolorum,  delecti  patrum,  aus  oder  unter  den  Aetolern,  unter  den 
Vätern;  delecti  peditum  equitumque  u.  a.  S.  Weissenborn  zu  Liv. 
32,  35,  6. 

Delegare  in  der  Bedeutung  auf  einen  eine  Schidd,  überhaupt 
etiuas  Böses  schieben,  wird  verbunden  alicui  cdiquid,  Cic.  Font.  18 
quid  si  hoc  crimen  optimis  nominibus  delegare  possumusf  einem  etwas 
im  guten  Sinn  —  als  Ter  dienst  zuschieben  heisst  bei  Liv.  10,  19,  3 
decus  alicuius  rei  ad  aliqitem  delegare,  ebenso  21,  46,  10;  ei7ien  auf 
ein  Buch  veriueisen  ist  cdiquem  delegare  ad  librum,  Nep.  Cat.  3,  5. 

Deletio,  die  Vertilgung,  Vernichtung,  findet  sich  nur  einmal 
A.  L.  vom  Heere  gesagt,  für  internecio,  occidio,  Lucil.  823  Marx 
deletionem  nostri  ad  unum  exercitus;  sonst  steht  dafür  eversio,  caedere 
und  delere,  und  das  Auslöschen  und  Ausstreichen  der  Buchstaben  und 
Wörter  heisst  meistens  litura. 


Delibare  —     412     —  Delinimen 

Dellbare,  ehvas  von  eficas  luegnelimen,  wird  verbunden  aliquid 
de  aliqiia  re.  Meistens  enthält  es  den  Begriff  des  Yerminderns,  Ver- 
kleinerns,  sehr  selten  ist  es  in  der  Bedeutung  hernehmen,  entlehnen, 
für  dejyromere,  wie  bei  Cic.  Cato  78,  vgl.  Meissner  z.  St.  und  be- 
sonders Nägelsbach-Müller^  S.  584.    Man  wird  mit  Bergmüller  Plane. 

5.  20  f.  annehmen  dürfen,  dass  delibare  eine  vulgäre  Bildung  von  libare 
ist,  gerade  wie  degusiare  Yon  gustare ;  da  libare  die  gleichen  Funktionen 
hat  wie  delibare,  so  wird  man  letzteres  nicht  gerade  als  gutklassisches 
Wort  empfehlen  können;  für  libare  vgl.  Cic.  inv.  2,  4;  de  or.  1,  159; 
Tusc.  5,  82  u.  a.  bei  Bergmüller  S.  22  aufgeführte  Stellen.  Dass 
Cic.  für  delibare  später  gewöhnlich  detrahere  sagt,  z.  B.  Cluent.  140, 
lehrt  Bergmüller  1.  1.  S.  56. 

Deliberatns  ist  N.  L.  in  der  Verbindung  deliberato  animo,  mit 
Vorsatz,  mit  Bedacht;  vgl.  darüber  Proi^ositimi. 

Delicia  (Sing.),  delicies  und  deliciwn,  die  Lust,  Ergötzlichkeit 
u.  dgl.  sind  nur  archaische,  N.  Kl.  u.  archaistische,  sowie  P.  Formen 
für  das  klassische  dcliciae ;  vgl.  Georges  Wortformen  s.  v. 

Deliciis,  Delisch,  von  oder  aus  Delos,  ist  N.  L.  für  Deliacus 
und  Delius  (beide  klassisch). 

Deligere,  auswählen  aus  einer  Anzahl  von  Personen  oder  Sachen, 
wird  verbunden  ex  cdiquo  numero.  Der  Zweck  des  Auswühlens  wird 
durch  den  Dat.  ausgedrückt:  locuni  castris,  colloquio,  domicilio  deli- 
gere, oder  wo  es  sich  um  einen  zu  erzielenden  Akt  handelt,  mit  ad, 
wie:  diem  ad  ojjprimendos  inimicos  deligere,  ebenso  aliquem  ad  suam 
spem  de  civitate  deligere,  Cic.  Plane.  39,  endlich  auch  mit  in :  in 
consilium  ex  senatu  deligere. 

Delineatio  ist  im  N.  L.  häufig  in  der  Bedeutung  Abriss,  Ent- 
wurf, Zeichnung,  kurze  Darstellung,  und  dennoch  ist  es  erst  aS^;.  L. 
bei  Tert.  adv.  Yal.  27  und  Hieron.  nom.  hebr.  col.  123,  vgl.  Gölzer 
Hieron.  S.  67  und  Paucker  Hier.  S.  6,  für  formci,  z.  B.  Cic.  Qu.  fr.  2, 

6,  2,  wo  es  den  Baiiriss  bedeutet,  u.  rep.  1,  29  geometricae  formae, 
geometrische  Zeichnungen ;  dafür  kann  man  auch  descriptio  gebrauchen, 
Cic.  Tusc.  1,  38,  ferner  designatio,  Cic.  nat.  1,  20  oder  deformatio, 
Riss,  Zeichnung,  bei  Yitruv  1,  1,  1,  oder  adumbratio  in  derselben 
Bedeutung  bei  ebendemselben  1,  2,  3  und  im  bildlichen  Sinne  bei 
Cicero  orat.  103.  In  andern  Yerbindungen,  ohne  Bezug  auf  Zeichnung, 
sage  man  brevis  expositio,  enarratio,  summa  cdicuius  rei  u.  s.  w.  — 
Auch  das  Yerb  delineare  kommt  nur  N.  Kl.  einmal  beim  altern 
Plinius  vor  35,  89:  imaginem  delineare,  ein  Bild  zeichnen  (sonst 
lineis  describere).     Sp.  L.  steht  es  bei  Tertull.,  Apul.,  Augustin. 

Delinimen  oder  delenimen  ist  N.  L.  Form  für  delenimentum, 
was  Sali.,  Livius  und  Spätere,  aber  weder  Cicero  noch  Caesar  brau- 
chen. Nur  bei  Symmachus  3,  11,  2  schreibt  Seeck  delinimenta, 
sonst  lesen  wir  überall  delenimenta ;  vgl.  Schulze  Symm.  S.  48. 
Ebenso  N.  L.  ist  delenitio  oder  delinitio,  man  sagt  dafür  blanditiae, 
ülecebrae,  oder  in  anderem  Sinne  levamentum.  Gut  aber  ist  delenitor, 
der  Besänftiger,  s.  Cic.  Brut.  246. 


Deliquium  —     413     —  Demerere 

Deliquiiim  ist  herzuleiten  von  delinquere  in  seiner  Grundbe- 
deutung =  deficere ;  es  kommt  A.  L.  bei  Plaut.  (Capt.  626,  wo 
jedoch  deliqiiio  nach  Analogie  von  contagio  vorgezogen  wird,  vgl. 
Brix  z.  St.)  nur  in  der  Bedeutung  Verlust^  und  beim  Annalisten 
Cn.  Gellius  33  P.,  sowie  N.  Kl.  bei  Plin.  nat.  2,  54  u.  Späteren 
mit  dem  Genit.  solis  in  der  Bedeutung  Verfinsterung  der  Sonne  für 
die  bessern  gewöhnlichen  Ausdrücke  defedio  oder  defectus  solis  vor. 
Ygl.  Heerdegen  zu  Reisig-Haase  S.  130  f.,  Langen  Beitr.  S.  221.  — 
N.  L.  ist  deliquium  animi,  die  Ohnmacht,  für  defedio  cmhni,  ani- 
mae.  —  B.  L.  ist  pati  deliquium  animi,  in  Ohnmacht  fallen,  was 
man  durch  animas  alic[uem  relimiait,  anima  deficit,  aninio  relinquor 
oder  deficior  ausdrückt.  —  Die  neuern  Kunstwörter  sind  nur  grie- 
chische, die  nirgends  bei  Celsus  und  überhaupt  nicht  bei  den  Alten 
vorkommen,  lipothymia,  syncope,  aposphyxia  nach  Yerschiedenheit 
des  Grades,  daher  z.  B.  lipothymia  affici,  in  Olmmacht  fallen,  ohn- 
mächtig werden,  wie  im  N.  L.  gesagt  wird. 

Deliramentuyn,  alherjies  Zeug,  cdhernes  Geschwätz  u.  dgl.,  ist  ein 
A.  L.  Wort,  z.  B.  deliramenta  loqui  =  dummes  Zeug  schwatzen, 
irre  reden,  Plaut.  Capt.  596,  vgl.  Brix  z.  St.  —  und  findet  sich 
N.  Kl.  beim  altern  Plin.,  sehr  oft  aber  bei  Spätem,  z.  B.  Lact. 
Augustin.  Sulp.  Sev.  Heges.  Hier.  Ambros.  Symmachus,  vgl.  Rönsch 
It.  S.  23,  Coli.  phil.  S.  59,  Gölzer  Hieron.  S.  60,  Schulze  Symm. 
S.  48,  Regnier  S.  166,  für  nugac,  ineptiae  oder  auch  deliratio. 

Delitescere,  sich  verstecken,  eigentlich  und  bildlich,  wird  ver- 
bunden in  aliquo  loco,  in  aliqua  re,  z.  B.  Caes.  Gall.  4,  32,  4  in 
silvis  hostes  delituerant  u.  Cic.  acad.  2,  15  qui  in  eorum  audoritate 
delitesceret;  mit  Abi.  ist  es  seit  Liv.  üblich,  z.  B.  Liv.  38,  49  ne- 
cuhi  Jiotis  sihi  latehris  latrones  TJi?xices  delitescerent. 

Delphin,  der  Delphin,  ist  P.  L.  für  das  pros.  delphinus,  mag 
es  nun  das  Tier  oder  das  Gestirn  bezeichnen;   vgl.  Saalfeld  tens.  s.  v. 

Delusio,  die  Täuschung,  Verspottung,  ist  8p.  L.  bei  Arnob.  142, 
12  R.  für  illusio,  irrisio. 

Demagogus,  der  Demagog,  Volksanfiihrer  und  Volksaufwiegler, 
ist  erst  im  N.  L.  aus  dem  Griechischen  aufgenommen,  für  populi 
oder  plebis  dux  oder  signifer,  turhator  plehis,  vidgi,  Liv.  4,  2,  7, 
turhulentus  civis,  Cic.  Brut.  28,  civis  rerum  novarum  cupidus  und 
im  Zusammenhang  auch  bloss  homo  popidaris,  und  als  Redner  con- 
tionator  popularis,  qui  populi  gratiam  affectat  oder  captat.  Es  ist 
ganz  unnötig,  da  genügend  geeignete  Wörter  für  den  Begriff  zur 
Verfügung  stehen.  Demagogisch  verfahren  heisst  pop)ula7iter  agere 
(Cic.  Yerr.  1,  151). 

Dementare  und  dementire,  ivahnsinnig  sein,  sind  A.  u.  ^iS^.  L. 
und  ganz  unnötig  für  dementem  esse,  insanire,  deseri  a  mente,  exire 
ex  oder  de  p)otestate.  TrsLUsüiv es  dementare  zitiert  Rönsch  Coli.  phil. 
S.  103  aus  Apostelgesch.  8,  9  (aus  dem  Gigas  Holmiensis). 

Demerere  ist  in  der  Bedeutung  etiuas  verdienen  nur  ^4.  u.  Sp.  L. 
für  merere,  vgl.  Lorenz  zu  Plaut.  Pseud.  1169,  der  noch  Gell.  1,  8,  3 


Demetari  —     414     —  Demittere 

grandem  pecuniam  demerebat  zitiert;  auch  wird  es  nur  von  Vorteil 
und  Gewinn  gebraucht.  —  N.  L.  ist  demerere  j9oe/2am,  Strafe  ver- 
dienen^ für  commerere  poenam  oder  dignum  esse  poena.  Öfter  kommt 
das  Yerbum  erst  seit  Livius  (und  da  nur  im  Gerund.,  was  ebenso 
wohl  von  demereo  als  von  demereor  sich  herleiten  kann)  und  N.  Kl. 
bei  Yell.  Quintilian,  Plin.  min.,  Sueton  (Otho  4  extr.  und  Yitell.  2) 
vor;  vgl.  Georges  Vell.  S.  46,  Bagge  S.  17,  Gierig  zu  Plin.  epp.  4, 
2,  4:  demereri  aliquem  oder  aliqidd,  sich  um  einen,  um  etwas  ver- 
dient machen,  wofür  klassisch  mereri  de  gebraucht  wird. 

Demetari  und  demetatus,  vgl.  Dimetari. 

Demetere  entspricht  in  eigentlicher  Bedeutung  unserm  ahnähen, 
wie  hordeum,  frumentum  (ta)  demetere.  Ob  es  in  trop.  Bedeutung 
nicht  bloss  poet.,  sondern  auch  prosaisch  vorkomme,  ist  mehr  als 
zweifelhaft,  denn  bei  Q.  Cic.  de  petit.  cons.  2,  9  ist  demeteljant  blosse 
Konjektur  von  Gessner,  welche  bis  jetzt  nur  Wesenberg  aufgenommen 
hat;  C.  F.  W.  Müller  liest  demebant. 

Demigrare,  wandern,  iveg-  oder  fortwandern;  von  einem  Orte 
wegiuandern,  de,  ex  oder  ah  aliq.  loco,  homine,  und  ad  cdiquem,  in 
aliquem  locimi,  hei  Städtenamen  mit  dem  hlossen  Accus,  (alles  klass.). 
Über  demigrare  als  Euphemismus  für  ste7'hen  vgl.  Keller  Gramm. 
Aufs.  S.  162,  Hey  Archiv  XI  S.  522;  mit  spezieller  Beziehung  auf 
den  Selbstmord  steht  es  Cic.  Tusc.   1,  74. 

Demirari,  sich  verwuyidern,  ist  ein  vulgäres,  in  der  Sprache  der 
Komiker  besonders  beliebtes  Kompositum,  vgl.  Plaut.  Pseud.  S.  39 
Anm.  Lorenz;  es  hat  im  mustergiltigen  Latein  nur  den  Acc.  neutr. 
des  Kelativs  bei  sich  :  quod  demiror,  Cic.  Att.  14,  14,  1,  sonst  nur 
den  Accus,  c.  infin.,  z.  B.  Cic.  fam.  7,  18,  4  nihil  te  ad  me  loostea 
scrii^sisse  demiror,  oder  einen  Fragesatz,  vgl.  Cic.  Phil.  2,  49  in 
cßio  demiror,  cur  .  .  dicas.  Ygl.  Landgraf  Bayr.  Gymn.  XYI  S.  321, 
Süpfle-Böckel  zu  Cic.  epp.  S.  192;  P.  Meyer  1887  S.  45,  Hauschild 
S.  30.  Spät  findet  sich  ÖTzzrArj  facit  multa  demiranda.  Gell.  16, 
18,  3,  was  uns  ganz  erträglich  scheint,  da  auch  adminmdus  adjekt. 
=  hewujidertingsivürdig  vorkommt. 

Demissus  ist  in  der  Bedeutung  untertänig  N.  L.  für  addictus, 
ohservcms  u.  a.,  da  es  nur  bescheiden,  demütig,  niedergeschlagen  be- 
deutet. 

Demittere,  herablassen  u.  dgl.,  wird  verbunden  mit  in  aliquem 
locum,  wie  in  inferiorem  carcerem  cdiquem  demittere,  Liv.  34,  44,  8 
u.  ähnl.,  z.  B. :  ecßitim  in  flumen,  aliquem  in  metallum,  se  in  specus 
demittei'e.  Einen  an  oder  mit  etwas,  z.  B.:  mit  Seilen  die  Mauer 
herablassen  ist  =  funibus  per  miirum  aliquem  demittere,  Liv.  34, 
25,  12,  oder  de  muro  per  manus  demittere,  Caes.  Gall.  7,  46,  6. 
Einen  in  einem  Korbe  die  Mauer  herablassen  =  cdiquem  in  sporta 
per  murum  demittere,  nach  Yulg.  2  Cor.  11,  33  oder  e  muro  sporta 
demittere.  Sali.  bist.  2,  106  M.  —  Gut  ist  ferner  die  Verbindung  von 
cdiquid  ad  cdiquid  demittere,  wie  cajnit  ad  fornicem,  Cic.  de  or.  2,  267 
und  trop.  aures  siuis  ad  iweces  alicuius  demittere  und  se  demittere  in 


Democratia  —     415     —  Demori 

preces,  Sen.  controv.  1,  7,  14  (B.).  Gut  ist  auch  caimt  iyi  terram  de- 
mittere,  Curt.  9,  2,  3,  vidtum  demittey^e  ■■=  niederschlage?!^  Yal.  Max. 
8,  14,  5  und  deniittere  in  terram  vultum,  Curt.  6,  9,  1,  cajmt  demittere^ 
Caes.  Gall.  1,  32,  2  und  demittere  in  terram  oculos,  Liv.  9,  38,  13. 
Ebenso  ist  gut  aninumi  und  animo  se  demittere,  Cic.  Tusc.  4,  14, 
Caes.  Gall.  7,  29,  1  =  den  Mut  sinken  lassen.  In  res  tiirhulentissimas 
se  demittere  =  sich  einlassen,  Cic.  fam.  9,  1,  2  und  so  eo  se  de- 
mittere, imde  etc.,  Cael.  bei  Cic.  fam.  8,  16,  5.  Montium  iugum  se 
demittit  ad  planiora,  bei  Curt.  5,  4,  23,  scheint  ein  Anklang  an 
das  Yirgilsche  molli  clivo  iugum  demittere  zu  sein.  Ygl.  auch  Plin. 
nat.  6,  78.  Für  unser :  das  Gewehr  strecken  wäre  arma  demittere 
ganz  falsch,  denn  im  b.  Afric.  85,  6  bedeutet  es:  die  Waffen  zum 
militärischen  Grusse  senken,  während  unser:  das  Gewehr  strecken 
unter  anderem  gut  auch  durch  arma  siibmittere  gegeben  werden 
kann,  s.  Lips.  zu  Sen.  de  prov.  3,  3.  —  Wenn  übrigens  bei  einigen 
Y!Lateinern  demittere  inidorem  gebraucht  wird,  so  beruht  dies  auf  der 
alltäglichen  Verwechslung  von  demittere  und  dimittere,  indem  man 
dimittere  pudorem  sagt.  Auch  sagt  man  nicht  demittere  ex  car- 
cere,  e  custodia,  aus  dem  Gefängnis  lassen,  sondern  emittere  oder 
carcere  dimittere,  lust.  21,  1,  5  und  dimittere  ex  custodia,  Liv.  23, 

3,  14. 

Democratia,  die  Demokratie,  Volksherrschaft,  und  democraticus, 
demokratisch,  sind  aus  dem  Griechischen  genommen,  kommen  aber 
nur  S}).  L.  und  ganz  vereinzelt  vor,  z.  B.  Heges.  2,  13,  1  usque 
ad  hoc  tempus  democratia  tenuit,  Serv.  Yerg.  Aen.  1,  21,  vgl.  Rönsch 
Coli.  phil.  S.  38.  Cicero  nennt  die  Demokratie  civitas  popularis 
(rep.  1,  42),  res  publica  popularis  (ib.  3,  48),  ratio  popularis  (ib.), 
potestas  popularis,  imperium  popidare,  imperimn  populi;  Nepos: 
])opuli  potentia,  und  Quintilian  :  civitas  popidi.  —  Ein  Demokrat 
heisst  meistens  homo  popularis,  vgl.  Cic.  Sest.  96. 

Demorari  ist  klass.  bei  Caes.  Cic.  und  bei  Lent.  in  Cic.  fam. 
12,  15,  5  transitives  Yerb  =  morari,  vgl.  Caes.  Gall.  3,  6,  5,  Cic. 
de  or.  2,  235,  ebenso  im  A.  L.,  z.  B.  Plaut.  Merc.  874 ;  in  der 
Bedeutung  sich  aufhalten  ist  es  N.  Kl.  u.  Sp).  L.  bei  Tac.  Gell. 
Eccl.  Jur.  für  morari;  vgl.  Schulze  Symm.  S.  100,  Gorges  S.  9, 
Rönsch  It.  S.  357,  Bergmüller  Jord.  S.  16,  Langen  Beitr.  180.  Das 
intransitive  demoror  ging  in  die  romanischen  Sprachen  über,  z.  B. 
demeurer,  war  also  offenbar  vulgär. 

Demordere,  ahbeissen,  kommt,  wiewohl  es  gut  und  passend 
scheint,  nur  N.  Kl.  beim  altern  Plinius  vor,    für  mordicus   auferre. 

Demori.  Will  man  einfach  sterben  bezeichnen,  so  ist  dies  7nori, 
nicht  demori,  denn  durch  letzteres  wird  das  Ab-  oder  Wegsterben 
von  einem  Dosten,  aus  einem  Kreise  bestimmter  Personen,  aus  einem 
Kollegium  (s.  Fabri  z.  Liv.  23,  21,  7)  bezeichnet,  wie  bei  Cic.  Yerr. 

4,  124.  Daher  bekanntHch  auch  die  stehende  Wendung:  in  de- 
mortui  locum  entere,  sufßcere  bei  Cic.  Yerr.  4,  9  u.  Liv.  5,  31,  7. 
Wenn  aber  auch  der  bestimmte  Kreis,    aus  dem  jemand    ivegstirbtj 


Demovere  —     416     —  Demiim 

nicht  ausdrücklich  bezeichnet  wird,  so  bleibt  doch  die  ursprüngUche 
Bedeutung,  wie  bei  Cic.  Att.  16,  11,  7  yiostri  fere  familiäres  de- 
mortid,  d.  h.  aus  dem  Kreise  unserer  vertrauten  Freunde.  Die  all- 
gemeine Bedeutung  ,^iueg sterben^''  hat  jedoch  demori  schon  bei  Plaut., 
dann  bei  Jur.,  vgl.  Dirksen  s.  v.,  und  bei  Gellius  15,  10,  2,  vielleicht 
auch  ib.  9,  2,  11,  wo  jedoch  Gorges  S.  9  ex  ordine  quodam  depe- 
rire  darin  finden  zu  dürfen  glaubt.  Immerhin  ist  bemerkenswert, 
dass  Cic.  das  Wort  nur  in  den  Erstlingsreden  (Hellmuth  act.  Erl.  I 
S.  127)  u.  in  epp.  ad  Att.  gebraucht  und  dass  es  noch  Sj).  L.  bei 
Symmachus,  vgl.  Schulze  S.  97,  und  Salv.  angetroffen  wird;  das 
nähere  siehe  bei  Thielmann  Cornif.  S.  14.  —  Da  nur  das 
Partie,  perf.  pass.  an  allen  Stellen  vorkommt  und  demorlantur 
bei  Jur.  für  emoriantnr  (vgl.  Dirksen  s.  v.)  unsicher  ist,  so  halte 
man  sich  ausschliesslich  an  die  mit  demortuus  zusammengesetzten 
Zeiten. 

Demovere,  von  etivas  entfernen,  wird  meistens  verbunden  mit  de, 
seltener  mit  ex,  bei  Cic.  parad.  15:  ex  sua  sede  demovere  und  agr. 
2,  81.     Mit  dem  blossen  ALI.  einmal,  Cic.  Plane.  53,  nicht  Caes.  civ. 

2,  32,  2,  wo  praeiudicio  der  Instrumentalis  ist,  aber  Liv.  9,  29,  10 
u.  6,  32,  8 ;  es  waren  dies,  z.  B.  loco,  gradu,  statu  demovere,  aus 
der  Palästra  entnommene  Ausdrücke,  vgl.  Köpke  zu  Cic.  Plane.  53, 
Weissenborn  zu  Liv.  6,  32,  8.  Bei  Cic.  Cluent.  44  liest  C.  F.  W. 
Müller  liunc  a  causa  Martialium  removeri  und  weist  S.  40  der 
Praefatio  nach,  dass  oft  in  den  codd.  die  Komposita  mit  de  an 
Stelle  der  mit  re  zusammengesetzten  erscheinen.  Ebenso  häufig  ist 
die  Verwechslung  von  demovere  u.  dimovere,  vgl.  Zumpt  zu  Cic. 
Mur.  82,  Schütz  zu  Hör.  od.  1,  1,  13;  auf  die  codd.  kann  man  sich 
in  solchen  Dingen  nicht  verlassen. 

Demulcere  aliquem  ist  in  der  Bedeut.  einen  besänftigen  Sj).  L. 
bei  Gell.  3,  13,  5  u.  18,  2  für  dellinre  alicuius  animum,  mitigare, 
placare  aliquem  u.  a.  Das  Yerbum  ist  überhaupt  nur  selten  und 
nicht  bei  Cic,  Caes.,  Sali,  zu  finden. 

Demum,  über  dessen  Bedeut.  und  Gebrauch  vorzüglich  Hands 
Tursell.    (II   S.  260),    Zumpt    zu    Curt.  6,  39,  25,   Mützell  zu  Curt. 

3,  7,  8  ;  3,  22,  26  u.  4,  1,  3,  Görenz  zu  Cic.  leg.  2,  10,  Novak 
Paneg.  S.  64,  nachzulesen  ist,  wird  klass.  gewöhnlich  nur  mit  De- 
monstrativen, mit  ita,  tum,  tunc,  nunc  verbunden;  es  hat,  wie  Kühner 
zu  Cic.  l'usc.  5,  107  sagt,  vim  determinativam.  N.  Kl.  wird  es  in 
der  Bedeutung  nur  (für  tantum)  mehreremale  von  Quintilian,  Colum. 
und  anderen  gebraucht,  ebenso  auch  im  Si?.  L.,  vgl.  Archiv  XI 
S.  243.  —  N.  L.  ist  es  in  der  Bedeutung  nachher,  für  deinde,  und 
bei  Aufzählungen  zur  Angabe  des  endlicJi,  zuletzt,  für  denique,  sowie 
auch  zur  Verstärkung  von  Wörtern,  wie  quantuluscumque,  quicum- 
que,  qualiscumque,  quisquis,  zu  welchen  es  nicht  zu  treten  pflegt. 
Man  sage  nicht :  fama  quantulacumque  demum  sit,  für  fama  quan- 
tulacumque  est,  nicht  quicumque  demum  arte  iyisignes  sunt,  sondern 
ohne  demum. 


Demutatio  —     417     —  Denotare 

Demufatio  findet  sich  zuerst  bei  Cic.  rep.  2,  7 :  corrupfela  aique 
demutatio  mormn,  dann  erst  wieder  bei  den  Eccl.  Tert.  Hilar.  Hieron., 
vgl.  Gölzer  Hieron.  S.  81. 

Denarrare,  erzählen,  hererzählen,  ein  Wort  der  Umgangssprache, 
findet  sich  sehr  selten,  nur  P.  u.  Sp.  L.  für  narrare,  enarrare  (Ter. 
Phorm.  944,  Hör.  sat.  2,  3,  315,  Gell.). 

Denasci,  sterben,  ist  in  den  beiden  Stellen,  wo  es  vorkommt,  bei 
Yarro  1.  lat.  5,  70  omne  qaod  nascitur  ignescit,  qiii  denascitur  ignem 
amittit  ac  frigescit  u.  Cass.  Hemina  fr.  24  P.  qttae  nata  sunt,  ea 
omnia  denasci  aiunt,  mit  Absicht  als  dem  nasci  entgegenstehendes 
Wort  gebildet.  Es  ist  durchaus  zu  verwerfen,  wie  denn  auch  de- 
natiis,  gestorben,  nirgends  bei  einem  Lateiner  vorkommt;  im  manie- 
rierten N.  L.  aber  wird  es  für  schöner  und  besser  als  mortmis  ge- 
halten ;  so  findet  es  sich  auch  in  der  Grabschrift  des  Königs 
Ludwig  n.  von  Bayern. 

Denegare  ist  in  der  Bedeut.  etwas  völlig,  gänzlich,  entschieden 
in  Abrede  ziehen,  leugnen  seltener,  doch  durch  vor-  und  nachklass. 
Beispiele  hinlänglich  beglaubigt.  Die  Stelle  Cic.  Att.  1,  1,  1  kann 
freilich  nicht  hiehergezogen  werden,  denn  dort  erklärt  Boot:  rogatus 
lU  iieteret  considatum  illud  se  facturum  recusavit,  also  ,yScJihtg  es 
aV".  Dies  bedeutet  es  gewöhnlich,  ferner  durchaus,  entschieden  er- 
klären, dass  nicht ;  s.  Caes.  Gall.  1,  42,  2,  Cic.  fam.  5,  12,  2,  Liv. 
44,  22,  13,  Curt.  8,  12,  3,  Tac.  dial.  15,  Plin.  epp.  1,  10,  12  u. 
5,  7,  3,  Suet.  Ner.  15.  Die  Konstruktion  mit  quo  minus  hat  nur 
Cael.  bei  Cic.  fam.  8,  5,  1,  vgl.  Burg  S.  32. 

Denique  steht  N.  L.  in  Sätzen  der  Yerwunderung  (unser  end- 
lich in  aller  Welt,  ivohl)  für  tandeni,  z.  B.  qui  denique  finis  con- 
tentiofiis  eritf  luelches  ivird  denn  tuohl  das  Ende  des  Streites  seinf 
für  qui  tandem  — .  Sp.  L.  ist  denique  postremum,  ebenso  denique 
in  der  Bedeut.  von  itaque,  z.  B.  Sedul.  C  IH,  167  ego  denique  pastor 
sum  für  ego  igitur  p.  s.  —  Über  et  denique  vgl.  Et.  Den  Wunsch 
nach  einer  erschöpfenden  Abhandlung  über  denique  habe  ich  in  N. 
Jahrb.  1891  S.  219  ausgesprochen,  bis  jetzt  ohne  Erfolg.  Litteratur 
dazu  1.  1.;  füge  bei  Watson  S.  316. 

Denominare,  benennen,  findet  sich  rhet.  Her.  4,  43,  Hör. 
carm.  3,  17,  3  und  N.  Kl.  bei  Quintilian  und  Sp.  L.  bei  Gell.  2, 
26,  6  u.  3,  19,  5  für  nominare,  meistens  wo  von  abgeleiteten  Namen 
die  Rede  ist,  z.  B.  iacidari  von  iaculimi.  Cicero  brauchte  aber 
auch  da  nominare,  da  gewöhnlich  dabei  steht,  ivovon  (ex  qua  re) 
der  Name  genommen  ist,  z.  B.  etwas  von  der  Mehrzahl  benennen, 
aliquid  ex  maiore  parte  nominare  (Cic.  Tusc.  5,  22).  Näheres  siehe 
bei  Thielmann  Cornif.  S.  40. 

Denotare  ist  in  der  Bedeutung  bedeuten,  die  Bedeutung  haben 
N.  L.  für  designare,  significare,  z.  B.  hoc  vocabidum  denotat,  für 
significat.  Die  Yerbindung  von  denotare  mit  Gerundiv,  die  bis  jetzt 
nur  durch  Cicero  Pomp.  7  cives  Romanos  necandos  trucidandosque 
denotavit  belegt  war,  ist  durch  Nohl  in  Hermes  XXI  S.  194  beseitigt; 

K  rebs-Sclimalz,  Antibarbarus  1.  27 


Dens  —     418     —  Bependere 

Nohl  liest  cAiravit,  welches  die  codd.  EYT  bieten,  und  sieht  in  de- 
notavit  eine  an  Stelle  des  ausgefallenen  curavit  getretene  Konjektur, 
C.  F.  W.  Müller  jedoch  behält  denotavlt  bei.  —  In  der  Bedeutung 
^^hescJtimj^fen''^  ist  es  aus  der  Juristensprache  zunächst  von  Suet.  Cal. 
56,  dann  von  Tert.  Cyprian.  Hieron.  übernommen  worden,  vgl. 
Ohler  zu  Tert.  apol.  3,  Harteis  Index  zu  Cypr.,  Gölzer  Hieron. 
S.  275;  nach  Analogie  der  Y.  iudicialia  wird  es  von  Hieron.  mit 
Genitiv  verbunden,  Joann.  23  taue  nos  ccdumniae  deyiotahis,  Gölzer 
Hieron.  S.  320. 

Dens  wird  selten  von  den  Zähnen  eines  Kammes  gebraucht, 
dafür  meistens  radius.  Im  trop.  Sinn,  von  dem  ZaJm  der  Zeit,  ist 
es  P.  Doch  heisst:  dem  alles  benagenden  Zahn  des  Neides,  de?' 
Missgunst  entgehen  malignitatis  dentes  vitare  bei  Yal.  Max.  4,  7, 
extr.  2,  was  durch  das  ciceronische  maledico  dente  aliquid  car- 
XJere,  Balb.  57,  geschützt  ist  und  sich  noch  S'p.  L.  bei  Augustin. 
ep.  73,  3,  sowie  bei  Jord.  Get.  106  findet,  vgl.  Bergmüller  Jord. 
S.  20;  vgl.  auch  Schillers  „des  Zweifels  gifrger  Zahn''. 

Denuntiare,  einem  etwas  an-  oder  verldlndigen,  wird  wie  im 
Deutschen  mit  dem  Dativ  verbunden,  alicui  aliquid,  z.  B.  tunorem, 
inimicitias,  servitutem,  alles  bei  Cicero,  vgl.  Böckel  zu  Cic.  epp.  S.  91, 
und  so  auch  in  der  Bedeutung  von  einem  etivas  fordern,  z.B.  alicui 
testimonium  denuntiare ;  vgl.  hierüber  Landgraf  zu  S.  Rose.  S.  333. 
Aber  denuntiare  =  fordern  mit  Inf.  ist  N.  Kl.  und  Sp.  L.,  z.  B. 
Tac.  ann.  11,  37,  dann  bei  Apul.  Tert.,  vgl.  Hoppe  Synt.  Tert.  S.  46. 

Deorsus,  ahivärts,  ist  weniger  beglaubigte  Form  als  deorsum, 
steht  aber  z.  B.  Cic.  nat.  deor.  1,  69  C.  F.  \Y.  Müller. 

Depellere,  einen  oder  etiuas  von  oder  aus  etwas  vertreiben,  ver- 
drclngeyi,  entfernen,  wird  verbunden  aliquem  (aliquid)  de,  a  oder  ex 
aliquo  loco  (aliqua  re),  auch  mit  dem  blossen  Abi.,  z.  B.  loco,  terra, 
vallo,  sententia  neben  de  sent.  Ob  man  auch  sagen  dürfe  a  sjye  de- 
pellere,  scheint  sehr  zweifelhaft ;  wir  kennen  nur  de  spe  depulsus, 
Cic.  Cat.  2,  14.  Dasselbe  gilt  wohl  von  a  sententia  depellere,  denn 
wenn  Hildebrand  dafür  Cic.  fam.  1,  7,  7  zitiert,  so  wird  dort  un- 
bestritten de  sententia  depulsos  gelesen.  Aber  der  blosse  Abi.  steht 
Liv.  23,  8,  3.  Nicht  nur  P.  L.  wird  es  mit  dem  Dativ  alicui  ver- 
bunden, sondern  auch  in  der  gewiss  echten  Rede  Ciceros  p.  red.  in 
senatu  19  timorem  Iniic  ordini,  servitutem  dejndit  civitati  gebraucht 
und  kommt  Tusc.  3,  77  wenigstens  in  der  Yerbindung  mit  tradere, 
nämlich  ut  sibi  virtutem  traderet  turiritudinemque  deioelleret,  vor. 
Auch  bemerkt  Klotz  zu  Cic.  Tusc.  S.  149  über  Cic.  fam.  5,  20,  4 
mit  Recht,  dass  dort  deijelleretur,  wenn  man  es  nicht  mit  den  voran- 
gehenden Dativen  verbinde,  zu  isoliert  stehen  würde.  Also  braucht 
diese  Konstruktion  nicht  ängstlich  gemieden  zu  werden. 

Dejjendere,  von  etiuas  herabhangen,  wird  verbunden  ex  oder  ah 
aliqua  re,  an  etwas  mit  dem  Abi.  —  Kl.  kommt  es  gar  nicht,  dann 
einmal  bei  Livius  vor  :  dependentem  laqueo,  sonst  nur  N.  Kl.  und 
selten  für  pender e ;  Bagge  S.  17  sagt:  haec  vox  post  Augusti  aetatem 


Deperdere  —     419     —  Deponere 

ia  solutam  orationem  immigravit.  N.  KL  bei  Seneca  ist  dependere 
in  der  bildlichen  Bedeutung  abhängen,  abhängig  sein  von  einem,  von 
etivas,  für  pendere  ex  aliquo,  z.  B.  hoc  interest  inter  decreta  philo- 
sophiae  et  praecepta,  qiiod  inter  elementa  et  mernbra  :  haec  ex  Ulis 
dependent,  illa  et  horum  causae  sunt  et  oimiiiim,  epp.  95,  12,  de 
consol.  ad  Marc.   18,  3,  de  tranq.  a.  12,  7. 

Deperdere  ist  mehr  als  perdere,  es  bedeutet  ganz  und  gar  ver- 
lieren; und  so  ist  liher  deperditas,  ein  ganz  und  gar  verlornes  Buch, 
von  dem  gar  nichts  mehr  übrig  ist.  Da  aber  von  den  meisten  so- 
genannten verlornen  Büchern  der  Alten  wenigstens  noch  einige  Bruch- 
stücke vorhanden  sind,  so  können  diese  auch  nicht  deperditi  libri 
genannt  werden,  wie  es  oft  heutzutage  geschieht,  sondern  bloss  per- 
diti.  Auch  ist  deperditus  in  der  Bedeut.  moralisch  verderbt  8p.  L. 
bei  Gell.  5,  1,  3  für  perditus,  corruptiis,  depravatus,  oder  homo, 
adolescens  —  moribiis  corruptis  ac  depravatis. 

Depingere  aliqiiem,  einen  abmale?!,  schildern,  darstellen  (nach 
seinem  Charakter),  kommt  für  sich  allein  nicht  vor,  wohl  aber  in 
der  Verbindung  cdicuiits  vitain  depingere,  z.  B.  Cic.  S.  Rose.  74, 
oder  imagijiem  consuetudinis  atque  vitae  alicuius  exprimere. 

Deplorare,  bejammern.  Dieses  Verb  wird  nicht  bloss  als 
Transitivum  deplorare  aliquid,  sondern  auch  intrans.,  wie  unser 
deutsches  laut  jammern  über  etiuas,  gebraucht :  totiens  apud  patronos 
de  suis  miseriis  deplorarunt,  Cic.  Verr.  2,  10  und:  ut  homines  quid- 
vis  perpeti  quam  non  de  istius  improbitate  deplorare  et  conqiieri  mal- 
lent,  ib.  3,  45.  In  der  Bedeutung  verloren  gehen  kommt  es  mit 
einer  von  der  Leichenbestattung  entlehnten  Metapher  seit  Livius  vor: 
deploratur  iyi  perpetuum  libertas,  3,  28,  2  und  das.  Weissenborn, 
ebenso  Liv.  26,  12,  4:  spem  Gapuae  retinendae  deploratam  apud 
Poenos  esse;  vgl.  Friedersdorff  zur  St.  Deploratus  a  medicis  =  auf- 
gegeben von  den  Ärzten  bei  Plin.  nat.  7,  166. 

Deponere  aliquid,  etwas  niederlegen ;  tvo,  ivohin  wird  Kl.  nur 
durch  in  aliquo  loco,  nicht  in  aliquem  locum  ausgedrückt,  z.  B.  Caes. 
Gall.  4,  19,  2  ut  liberos,  uxores  suaque  omnia  in  silvis  deponerent 
und  Caes.  civ.  1,  23,  4  in  publico  deposuerat.  In  gleicher  Weise 
lesen  die  besten  edd.  bei  Liv.  24,  18,  14  in  publica  fide,  nicht  in 
publicam  fldem.  Ebenso  wenig  spricht  der  sonstige  Gebrauch  für 
den  Accus.,  statt  dessen  er  durchaus  den  Ablat.  erfordert.  Vgl. 
Caes.  Gall.  6,  41,  1,  Cic.  Phil.  13,  24,  leg.  2,  41,  Nep.  Hann.  9,  3, 
Liv.  44,  25,  10,  Curt.  5,  2,  17,  Sen.  epp.  86,  9.  So  werden  auch 
die  Namen  der  Städte,  wo  etwas  niedergelegt  ivird,  in  den  Lokativ 
gesetzt,  z.  B.  Cic.  lam.  2,  17,  3  eas  nos  Äjmmeae  deponere  cogita- 
bamus,  Liv.  28,  46,  10  Savone  praeda  deposita.  Wird  ein  Ort  durch 
ein  Adverb:  hier,  dort  und  dgl.  bezeichnet,  so  werden  lar.  gleichfalls 
nur  die  die  Ruhe,  das  Beharren  an  einem  Orte  ausdrückenden  Adverbien 
gebraucht,  s.  Cic.  Att.  6,  1,  25,  Liv.  42,  5,  12 ;  45,  29,  1  u.  44,  6,  2, 
Curt.  4,  9,  9,  Sen.  consol.  ad  Helv.  7,  3.  Ist  endlich  von  den  Personen 
die  Rede,  bei  denen  ettuas  niedei^gelegt  ivird,    so    wird    lat.   auch  in 


Depopulare  —      420     —  Deportare 

diesem  Fall  nur  cqjiid  gebraucht,  s.  Caes.  Gall.  7,  63,  3,  Cic.  fam. 
5,  20,  2  u.  §  9,  Q.  fr.  2,  15,  4,  Att.  4,  15,  7,  Yerr.  4,  29  u.  36, 
Liv.  38,  19,  2,  Sen.  de  benef.  7,  26,  4,  epp.  72,  1  u.  74,  18,  Tac. 
bist.  1,  13,  Quintil.  9,  2,  92,  Suet.  Aug.  101.  Diesen  Zeugnissen 
gegenüber  stehen  Stellen  wie  Liv.  1,  10,  5  ad  qiiercum  dei).,  Suet. 
Domit.  7  ad  signa  dep.  vereinzelt  da;  bei  Liv.  23,  11,  6  liest  man 
jetzt  in  ara  deposuisse,  vgl.  Frigells  Proleg.  S.  15.  —  Animam  de- 
ponere,  defi  Geist  aufgehen,  sterben,  kann  für  inori  u.  a.  nicht  ge- 
radezu gebraucht  werden;  Nep.,  der  es  (Bann.  1)  tut,  braucht  es 
mehr  in  Beziehung  auf  odium,  als  auf  animam,  da  deponere  odiiim, 
invidiam,  simnltates  u.  a.  ähnliche  gewöhnhch  waren,  dagegen  vitam, 
animam  deponere  für  sich  allein  sonst  nirgends  vorkommt.  —  Auch 
sagt  man  zwar  deponere  Imperium,  dominationem,  magistratum,  die 
Herrschaft,  ein  Amt  yiiederlegen,  aber  aliquem  deponere,  einen  ab- 
setzen, seines  Amtes  entsetzen,  ist  Sp.  L.,  vgl.  August,  de  gestis  cum 
Emerito,  §  9,  Greg.  epp.  11,  47  und  12,  31,  Leo  epp.  98,  2,  Cyp- 
rian  472,  6,  wozu  Hartel  bemerkt  deponere  aliquem  =  adimere 
gradum,  Hieron.  adv.  Lucif.  19  depositis  veteribiis  episcopis,  vgl. 
Paucker  add.  lex.  lat.  19  f.,  Gölzer  Hieron.  S.  246,  Watson  S.  262 
u.  298,  Dressel  S.  20,  z.  B.  Firm.  Mat.  3,  6,  20  cum  summo  dede- 
core  a  potestate  deponi;  ebenso  verhält  es  sich  mit  depositio  =  Ab- 
setzung, Greg.  epp.  11,  47  und  12,  31,  Hieron.  Firm.  Fulg.,  vgl. 
Gölzer  Hieron.  S.  247.  —  Mit  sachlichem  Objekt  ist  deponere  Sp.  L. 
=  destruere,  z.  B.  domum,  vgl.  Rönsch  Ital.  S.  358,  Coli.  phil.  S.  128. 
Über  consilium  deponere  vgl.  Consilium.  —  Sehr  beachtenswert  ist 
die  Darlegung  von  Seyffert-MüUer  zu  Lael.  S.  244  über  den  Unter- 
schied von  ponere,  deponere  und  repoyiere;  darnach  ist  ponere  y^nicht 
mehr  halten""  =  y^ablegen^,  z.  B.  Kleider,  Bart  u.  ä.;  depojiere 
sagt  man  von  dem  qui  resumpturus  non  est,  reponere  aber  qiii  contra. 

Depopidare,  vencilsten,  ist  A.  u.  Sp.  L.  für  depopulari  als  De- 
ponens; in  der  Zeit  der  klass.  Autoren  steht  vereinzelt  b.  Hisp.  42, 
6  depopidavit,  gewiss  eine  schlechte  Empfehlung  für  den  aktiven 
Gebrauch  des  Wortes  ;  vgl.  Köhler  act.  Erl.  I  S.  392.  Jedoch  kommt 
depopulatns  oft  als  Adjektiv  passivisch  vor,  z.  B.  depopulati  agri 
bei  Caesar  und  Livius  ;  die  Stellen  siehe  bei  Neue -Wagener  ^  HI 
S.  80. 

Deportare.  Man  beachte,  dass  dieses  Yerbum  das  stehende 
Wort  ist,  welches  vom  Feldherrn  gebraucht  wird,  der  sein  Heer  aus 
der  Provinz  nach  Hause  bringt.  Allein  in  allen  bekannten  Beispielen, 
die  besonders  bei  Livius  zahlreich  sind,  ist  dabei  stets  an  eine  Fahrt 
über  das  Meer,  oder  an  eine  Zurückbeförderung  zu  Schiff  zu  denken, 
so  ganz  richtig  Mützell  zu  Gurt.  10,  9,  16.  Das  Woher  wird  bei 
Städtenamen  durch  den  blossen  Abi.,  sonst  mit  ex,  de  ausgedrückt, 
ex  Graecia,  ex  Sicilia,  de  pjvovincia  deportare;  vgl.  Halm  zu  Cic. 
Caecil.  28,  SeyfFert  Prog.  109,  Richter  zu  Cic.  Verr.  4,  59.  —  De- 
portare  im  Sinne  von  deportieren  ist  nicht  klass.,  aber  bei  Liv.  finden 
wir  die  ersten  Anfänge    dieses  Gebrauches,    vgl.  Liv.  26,  2,  14  ex- 


Deposcere  —     421      —  Deprehendere 

ercitnm,  qnod  in  acie  fiigerU,  in  Siciliam  deportatimi;  öfters  bei  Tac. 
u.  im  SiJ.  L. 

Dejjoscere.  Richtig  und  gut  ist  wohl  der  Dativ  in  der  Ver- 
bindung sihi  aliquid  dejioscerc ;  aber  aliquem  dejwscere  morti,  für  ad 
mortem,  ad  siqyiilimmi,  kommt  nur  bei  Tacitus,  ann.  1,  23  vor,  vgl. 
Nipp.  z.  St.,  und  ist  sonst  nur  P. 

Deposihis  kann  in  der  Bedeutung  verziueifelt  nicht  überall  für 
desjoeratus  gebraucht  werden,  da  man  es  nur  von  einem  Kranken 
sagt,  der  seinem  Ende  nahe,  oder  gar  schon  gestorben  ist,  so  schon 
Caecil.  s.  Ribb.  com.  lat.  rei.  Y.  121  u.  Acc,  s.  Ribb.  trag.  lat. 
Y.  74  u.  638.  Cicero  wendet  es  (Yerr.  1,  5)  bildlich  sehr  passend 
auf  den  zerrütteten  Staat  an:  maxime  aegram  ac  prope  depositam 
reipiibl.  partem.  Nur  in  diesem  Bilde  und  mit  einem  Zusätze,  wie 
projje,  quasi,  ist  es  anzuwenden.  Interessant  ist  aus  dem  Sp.  L.  eine 
Stelle  des  Hieron.  in  Jerem.  2  ad  6,  12  ergo  senectiis  non  est  aetas 
idtima,  sed  eorum  qui  pleni  sunt  dieriim,  quos  nostro  sermone 
appellamus  depositos  sive  decrepitos ;  vgl.  Gölzer  Hier.  S.  267; 
vgl.  auch  deploratus. 

Depraedari,  transitiv  depraedari  aliquid,  ausplündern,  auch  de- 
praedare,  ist  Sp.  L.  für  praedari,  praedam  agere,  depopulari,  depe- 
culari,  spoliare  u.  a.  Ebenso  sind  Sp.  L.  depraedatio  und  deprae- 
dator;  vgl.  Rönsch  It.  S.  297,  Gölzer  Hier.  S.  182,  Bergmüller  Jord. 
S.  13,  Chruzander  S.  21. 

Depraedicare,  preisen,  rühmen,  scheint  N.  L.,  wie  man  sagt, 
von  Desid.  Erasmus  gebildet,  dem  es  sogar  Muretus  einigemal  nach- 
gebraucht hat;  doch  vermutet  Rönsch,  dass  in  einem  Palimpsest 
der  Ambros.  in  Luc.  evang.  depraedicavit  statt  depraecavit  zu  lesen 
ist.  Coli.  phil.  S.  168. 

Deprehendere  ist  in  der  Bedeutung  finden  in  der  klass.  Prosa 
ungebräuchlich.  Yon  diesem  Standpunkt  aus  bemerkt  daher  Ruhnken 
über  Murets  deprehensi  sunt  mit  Recht:  minus  proprie  pro  reperti 
sunt.  Deprehendere  heisst  nämlich  klass.  (und  oft  auch  nachklass.) : 
nee  opinantem  aliquem  opprimere  et  corripere  =  einen  iiber  etivas 
Bösem,  Unrechtem  ertappen,  überraschen;  vgl.  Cic.  Att.  1,  12,  3  P. 
Clodium  credo  te  audisse  cum  veste  midiehri  deprehensum  domi  C. 
Caesaris;  so  namentlich  auch  bei  Horaz,  vgl.  sat.  1,  2,  134;  1,  4, 
114.  Indes  hat  deprehendere  doch  in  der  N.  Kl.  Prosa  zwei  Be- 
deutungen, in  denen  es  bei  den  Klassikern  nicht  gefunden  wird. 
Es  bezeichnet  nachklass.  erstens  nicht  selten  etivas  mit  dem  Verstände 
fassen,  ergreifen,  also  einfach  erkennen :  quam  naturam  eius  Pytha- 
goras  Samius  primus  deprehendit,  Plin.  nat.  2,  37  und  ganz  ebenso 
2,  43.  Praeiacentihus  testis  cuhile  eorum  deprehenditur  =  tuird  er- 
kannt, ib.  9,  86  u.  19,  39.  Eeperimitur,  in  quihus  nullum  dis- 
crimen  deprehendi  vel  hoc  vel  illo  modo  possit,  d.  h.  7na7i  findet  keinen 
Unterschied  heraus,  oh  man  die  Augenkranken  im  Lichte  oder  im 
Dunkeln  halte,  Cels.  med.  3,  18  S.  99,  7  D.  und:  sicut  in  oculis  quoque 
deprehendi  potest,  Cels.  7,  Praef.  S.  262,  13  D.  =  eine  Wahrnehmung, 


Deproeliari  —     422     —  Deputare 

die  man  auch  hei  den  Augen  machen  kann.  Id  in  iure  facile  deprehen- 
ditur  =  lässt  sich  unschwer  erkennen^  einsehen,  Quintil.  5,  13,  23  und 
so  auch  facile  est  deprehendei^e,  ib.  9,  2,  44.  Cernitar  id  palam  et 
cum  multa  voluptate  deiyrelienditur  =  tvird  mit  lehliaftem  Interesse 
ivahr genommen,  Plin.  epp.  4,  30,  3.  Ganz  ebenso  braucht  es  auch 
Sueton,  vgl.  Bagge  S.  17.  Zweitens  h^^Qui^i  deprehendere  N.  Kl. 
auch  fmden,  nur  darf  man  dabei  nicht  an  das  rein  äusserliche,  zu- 
fällige Finden  einer  Sache,  die  sich  dem  Auge  unmittelbar  darhietet, 
denken,  wie  wir  z.  B.  sagen :  einen  Geldbeutel  finden,  sondern  es 
ist  das  geistige  Finden  des  nach  Erkenntnis  und  Wissenschaft  rin- 
genden Geistes:  extra  Carmen  non  deprehendas,  d.  h.  die  Verkürzung 
einer  langen  Silhe  ist  ausser  bei  Dichtern  nicht  leicht  zu  findest, 
Quintil.  1,  5,  18.  Quod  (die  Endung  von  heri  für  liere)  in  episiulis 
Augusti  depreheyiditur ,  ib.  1,  7,  22;  exquisitam  figuram  huius 
rei  (hgperboles)  deprehendisse  apud  principem  Lyricorum  Pindarum 
videor,  ib.  8,  6,  71  und:  apud  Ciceronem  mira  figurarum  mixtura 
deprehenditur,  ib.  9,  3,  40.  Im  Sp.  L.  ist  beliebt  passives  depre- 
hendere  mit  Nom.  c.  inf.,  vgl.  Landgraf-AYeyman  im  Archiv  XI 
S.  245,  z.  B.  Novat.  trin.  16  minor  ceteris  hominibus  Christus  esse 
deprehenditur. 

Deproeliari,  streiten,  kämpfen,  muss,  wiewohl  deproelians  bei 
Horaz  (aber  sonst  nirgends)  vorkommt,  vermieden  werden,  da  es 
ohne  alle  Autorität  ist.     Üblich  aber  ist  proeliari. 

Depromere,  hernehmen ;  ivoher  wird  Kl.  bei  Personen  mit  a  und 
bei  Sachen  mit  ex  oder  de,  nicht  mit  a  verbunden,  z.  B.  ex  arca, 
de  libris,  a  peritis.  Jedoch  in  der  Verbindung  mit  domus  steht  der 
blosse  Ablat.  depromere  domo  (Cic.  Yerr.  3,  155).  Ebenso  wird  es 
P.  L.  und  bei  Tac.  (s.  Nipperdey  zu  ann.  6,  40)  mit  dem  blossen 
Ablat.  verbunden.  Depromere  =  veröffentlichen  ist  Sp.  L.  u.  selten, 
vgl.  Watson  S.  311. 

Deputare  aliquem  oder  aliquid,  einen  oder  etiuas  entschieden  für 
etwas  halten,  entweder  mit  doppeltem  Accus,  oder  mit  dem  Accus, 
mit  dem  Infin.  ist  nur  A.  L.  aus  der  Yolkssprache  bei  Plautus, 
Terenz  und  anderen  alten  Dichtern,  z.  B.  Caecil.  bei  Cic.  Cato  25, 
genommen,  und  findet  sich  nirgends  in  Prosa  (Sen.  de  dem.  1,  19, 
5,  ist  für  sibi  quoque  evenire  deputet  zu  lesen  sibi  quoqiie  vivere  de- 
beat).  Es  ist  eines  der  vulgären  Komposita  mit  de,  wie  z.  B.  de- 
ambulare  =  ambulare,  delibare  =  libare  und  wegen  putare  ganz  un- 
nötig. Verführt  durch  Cic.  Tusc.  3,  65  (wo  Cic.  lediglich  ein  dichte- 
risches Wort  wiederholt,  während  er  sonst  deputare  nie  gebraucht, 
s.  Madvig  opusc.  II  S.  11),  haben  es  manche  wie  ein  ciceronisches 
Wort  angesehen  und  angewendet.  —  Sp.  L.  ist  es  mit  dem  Dativ  = 
tradere,  z.  B.  ignibus  deputare,  corpus  suppliciis  depuiavit  bei  Sedulius 
u.  Vict.  Vit.,  ferner  =  ascribere,  assignare,  z.  B.  non  divinae  severi- 
tati,  sed  Afrorum  sceleri  deputandum  est  bei  Salvian  u.  a.,  vgl. 
Rönsch  It.  S.  358,  Paucker  Hier.  S.  141  u.  166,  Oros.  S.  8,  Berg- 
müller Jord.  S.  16;  ebenso  Sp.  L.  ist  deputari  inter  facinorosos  bei 


Derelinquere  —     423     —  Derivare 

Cyprian  402,  Id  =  adnumerari  in,  N.  L.  jedoch  in  der  Bedeutung 
aisenden,  tu  eg  sei  liehen,  für  legare:  und  so  deimtatus,  der  Dejmtierte, 
der  Abgesandte,  für  legatus  (nicht  delegatus).  Was  wir  aber  Deputat, 
d.  h.  ettuas  Ausgesetztes,  z.  ß.  von  Wein  u.  dgl.,  nennen,  heisst 
nicht  deputatum,  sondern  demensiim,  und  ist  es  Jahrgeld,  Jalirge- 
halt,  so  nennt  es  Plinius  (ep.  10,  43,  2)  auch  bloss  annuum.  Yon 
der  Arbeit  sagt  man  pensmn. 

Derelinquere  ist  in  der  Bedeutung  zurücklassen,  hinterlassen, 
Nr  Kl.  bei  Curt.  9,  14,  8  und  Sp.  L.  für  relinquere,  da  es  ge- 
wöhnlich nur  verlassest,  im  Stiche  lassen.,  vernachlässigen  bedeutet. 
Die  letztere  Bedeutung  passt  auch  Sali.  Jug.  5,  7,  wo  der  Zusatz 
privatum  dies  noch  besonders  ausdrückt.  Sallust  will  sagen,  dass 
Massinissa  den  Jugurtha  ^zurückgesetzt^''  hatte.  Übrigens  heisst 
noch  bei  Gell.  4,  12,  1  derelictui  habere  vernachlässigen.  Man  hüte 
sich  also  Cicero  multas  orationes  dereliquit  zu  schreiben  für  einfaches 
reliqiiit.     Ygl.  SeyfFert-Müller  zu  Lael.  S.  263. 

Derepente  ist  von  Cato  orig.  S.  23  Jord.  bis  Suet.  Tib.  23  und 
Yesp.  23,  vgl.  Bagge  S.  17,  in  Prosa  nicht  zu  finden;  A.  L.  treffen 
wir  es  bei  Plaut,  u.  Ter.,  und  ihnen  haben  es  Apul.  u.  Gell,  wieder 
nachgebraucht,  ebenso  auch  Gran.  Licin.,  vgl.  Flemisch  S.  9.  Jeden- 
falls steht  es  nicht  Cic.  Lig.  14  (Madvig  op.  I,  198),  Liv.  21,  41,  6 
u.  Tac.  bist.  1,  63,  vgl.  Heraus  z.  St. 

Deridere,  verlachen  u.  a.,  wird,  wie  im  Deutschen,  mit  dem 
Accus,  verbunden,  aliquem  (aliqiiid). 

Deridiculus,  höchst  lächerlich,  ist  ein  seltenes  altlat.  Adjekt.  bei 
Varro,  Plaut,  u.  Ter.,  welches  bei  Cic.  u.  Caes.  nie  vorkommt,  nur 
einmal  bei  Liv.  (39,  26,  4,  aber  bestritten)  und  einmal  bei  Quintil. 
und  Sj),  L.  bei  Gell.  u.  Apul.  Flor.  3  S.  4,  4  Kr.  auch  substanti- 
viert, z.  B.  deridicido  esse,  haheri  u.  ä.,  vgl.  Nieländer  1877  S.  10, 
Dräger  zu  Tac.  ann.  3,  57. 

Derisio,  die  Verspottung ,  ist  Sp.  L.  für  irrisio,  illusio.  Da- 
gegen kann  derisus  (nach  Decl.  lY),  das  bei  Sen.,  Quintil.,  Suet.  u. 
Tac.  vorkommt,  gebraucht  werden,  wenn  man  nicht  eine  Umschreibung 
mittels  des  klass.  deridere  vorzieht. 

Derivare,  ableiten,  ist  in  der  eigentlichen  und  bildlichen  Be- 
deutung El.,  aber  in  der  Bedeutung  ^Y'örter  ahleiten,  aus  einem 
Worte  ein  anderes  bilden  ist  es  erst  N.  KL,  doch  häufig  bei  Quint., 
für  ducere,  declinare,  appellare  u.  a.  —  Cicero  sagt  z.  B.  nomen 
(lani)  ab  eundo  ductitm  est;  Yarro:  proprio  yiomine  dicitur  facere 
a  fade.  So  kann  nun  auch  derivare  recht  wohl  gebraucht  werden, 
nämlich  von  Wortbildner )i,  welche  aus  vorhandenen  Wörtern  neue 
bilden  und  hernehmen.  Eine  Yerwechslung  mit  dieser  Bedeutung 
des  Wortes  ableiten  und  des  4at.  derivare,  ducere  findet  im  N.  L. 
statt,  wenn  man  jene  Wörter  auch  in  der  subjektiven  Bedeutung 
von  annehmen,  glauben,  aussprechen,  dass  ein  Wort  von  diesem  oder 
jenem  Stammivort  abzideiten  sei,  gebraucht.  Wenn  ich  z.  B.  sage : 
ich  leite  amicitia  von  amare  ab,  so  heisst  dieses  nicht:  duco^  derivo 


Deroo:are  —     424     —  Descendere 


ö 


amicitiam  ah  amando,  sondern  amicitiam  ah  amamlo  diictam,  fictam, 
ai^iiellaiam,  didam  u.  dgl.  esse  puto.  Wörter  ableiten  heisst  in  dieser 
Bedeutung  auch  origines  verhorum  ex  aliis  repetere  oder  ducere, 
enodare  verha;  z.  B.:  woher  leitest  du  Neptun  ah?  iinde  Neptunwn 
dudum,  didum,  appeUatum,  fidiim  esse  putasf  imde  huüis  nominis 
orif/inem  repetis  oder  duds  ?  —  und  so  auf  ähnliche  Weise,  aber 
nicht:  unde  Keptunum  duds  oder  derivas?  —  K.  L.  ist  daher: 
Verhuni  religio  derivamus  vel  a  relegere,  vel  a  religare  für  religio 
derivata^  duda,  dida  —  est  vel  a  relegendo,  vel  a  religando,  öder 
religionem  diidam  —  puto  a  rel.  —  Über  derivare  flumen  beachte 
man  folgendes :  Dieses  Verbum  bedeutet  in  dieser  Verbindung  rivi 
more  aquani  dedncere  alioque  defledere.  S.  darüber  Plaut.  Truc.  563 
und  Liv.  5,  15,  12  u.  ib.  c.  16,  9.  Die  Ableitung  geht  also  in 
der  Weise  vor  sich,  dass  ein  flumen  entweder  in  mehrere  Bäche, 
Kanäle  aufgelöst  oder  zerteilt  wird,  oder  dass  aus  demselben  einzelne 
Teile  zu  irgend  einem  ökonomischen  Zwecke  abgezweigt  und  irgend- 
wohin geleitet  werden.  So  sind  bei  Sen,  nat.  1  prol.  7  die 
derivata  in  domos  flumina  kleine,  in  Häuser  geleitete  Kanäle  von 
Flüssen.  Ygl.  ib.  4,  2,  8.  Ebenso  verhält  es  sich  mit  Ciceros 
derivationes  flumimim,  off.  2,  14.  Hingegen  einem  Fluss  statt  des 
bisherigen  Bettes  ganz  oder  teilweise  eine  neue  Riditung,  ein  neues 
Rinnsal  gehen,  ist  regelmässig  flumen  avertere.  S.  darüber  Caes. 
civ.  1,  61,  1  u.  c.  62,  1  u.  3,  49,  4,  Cic.  nat.  deor.  2,  152,  Liv.  41,  11,  3, 
Sen.  cons.  ad  Marc.  26,  6,  nat.  3,  11,  3,  Plin.  epp.  10,  69,  3, 
Amm.  21,  12.  Dafür  auch  cursum  fluminis  avertere  bei  Plin.  nat. 
2,  193. 

Derogare,  einem  oder  von  einem  etwas  ivegnehmen,  entziehen, 
wird  bei  Cicero  verbunden  alicui  aliquid  oder  de  aliqiui  re  alicuius 
aliquid,  bei  Personen  nur  mit  dem  Dativ,  vgl.  Cic.  S.  Rose.  89 
non  enim  tantum  mihi  derogo,  tametsi  nihil  arrogo. 

Desaevire,  starh,  heftig  ivilten,  rasen,  tohen,  ist  P.  u.  N.  KL, 
vgl.  Bagge  S.  17,  und  selten  für  saevire,  ebenso  selten  in  der  Be- 
deutung aufliören  zu  wüten,  wofür  exsaevire  bei  Liv.  30,  39,  2  steht. 

Descendere.  Zur  Bezeichnung  des  Ortes,  von  iveldiem  herah- 
gestiegen  ivird,  dient  bei  Cic.  und  Liv.  meist  die  Präpos.  de,  z.  B. : 
de  rostris,  de  castellis,  de  templo,  de  Capitolio,  de  trihuiiali  descen- 
dere, während  Caesar  ex  loco  sujjeriore  descendere  sagt  und  ex  equo 
descendere  bei  Cic.  u.  Liv.  stehend  ist;  Sali,  dagegen  sagt  nur  ecquo, 
monte  descendere,  Jug.  50,  2  u.  bist.  5,  20  M.  Livius  hat  auch  die  Präp. 
a,  aber  nur  in  der  Redensart:  ah  Alpihus  descendere,  21,  32,  2; 
27,  38,  6  u.  28,  42,  20  (Liv.  40,  48,  3  ist  wegen  Unsicherheit  der 
Lesart  nicht  zu  rechnen).  —  Inbetreff  des  tropischen  Gebrauches  ist 
es  neulat.  zu  sagen:  haec  vox  descendit  a  statt  duda  est.  Dagegen 
ist  descendere  =  herstammeyi  von  Personen  gesagt,  bei  den  Ict. 
üblich,  so  besonders  descendentes,  welches  dann  auch  ein  ascen- 
dentes  =  Verwandte  in  auf  steigender  Linie  nach  sich  gezogen  hat. 
Vgl.    Hey    Archiv  XHI  S.  220.    —    Wenn    Döring   zu    Plin.    epp. 


Describere  —     425     —  Desertor 

10,  40  behauptet,  dass  descendere  in  der  nachklass.  Zeit  gerne  von 
Entschlüssen  gehraucJd  iverde,  zu  denen  man  sich  ungerne  bequeme 
oder  mir  dann,  ivenn  ein  anderes  Mittel  sich  nickt  mehr  darlnete, 
daher  oft  =  sich  zum  ausser sten  entscliliessen,  so  wird  damit 
dieser  Gebrauch  der  klass.  Periode  direkt  abgesprochen,  aber  mit 
Unrecht.  Vgl.  ff.  Stellen:  Ad  extremum  auxilimn  descenderunt,  ser- 
vosque  omnes  iniberes  liheraverunt,  Caes.  civ.  3,  9,  3;  ad  novissiyna 
aiixilia  descendemns,  D.  Brutus  bei  Cic.  fam.  11,  1,3;  descendit  ad 
accusandiim,  Cic.  Sest,  89  und  dazu  die  Bemerkung  von  Orelli  zu 
Cic.  Cael.  §  2:  hanc  formulam  significare  vel  invitum  vel  p'ope 
contra  inopriain  digyiitatem  cwcusatoris  partes  suscipere,  und  ebenso 
bei  Cic.  div.  in  Caec.  1;  ad  ultimum  prope  desperatae  rei  puhlicac 
auxilium  descendit,  Liv.  23,  14,  3.  Weitere  Stellen  aus  Livius, 
Caesar  und  Cicero  bietet  Gebhard  S.  16,  Fabri  zu  Liv.  23,  14,  3; 
vgl.  ausserdem  Seyffert-Müller  z.  Lael.  S.  414  u.  Nägelsb. -Müller^ 
S.  580.  —  Yon  einem  Kleide  gesagt  =  hinab  reichen  für  demitti, 
pertinere  ist  es  P.  u.  N.  Kl.,  s.  Vogel  zu  Curt.  6,  5,  27  und  ebenso 
P.  u.  N.  Kl.  von  Gehirqen,  Gewässern  und  andern  leblosen  Dingen, 
Vogel  zu  Curt.  9,  9,  10. 

Describere  kommt  in  der  Bedeutung  beschreiben,  durch  Worte 
darstellen  allerdings  mit  mannigfachen  Accusativen  vor,  z.  B.  regionem, 
pugnam  (Cic.  or.  66),  aber  ausser  describere  auch  andere  Verba, 
z.  B.  die  Taten  jemandes  beschreiben,  res  alicuius  perseq_ui  (Cic.  div. 

1,  49);  das  Leben  jemandes  beschreiben,  vitam  explicare  (Cic.  Caecil. 
27),  vitam  alicuius  depingere  (Cic.  S.  Rose.  74),  de  vita  cdicuiiis 
exponere,  imaginem  vitae  alicuius  exprimere;  ettcas  schildern,  be- 
schreiben, aliqiiid  adumbrare  (Cic.  de  or.  3,  16);  jemanden  beschrei- 
ben, schildern,  exprimere  aliquem,  scribere  de  cdiquo;  jemanden  hirz 
beschreiben,  cdiquem  informare  (Cic.  Att.  7,  3,  2);  ein  Land  mcder- 
isch  beschreiben,  terram  pingere  (Cic.  Q.  fr.  2,  15,  2).  Bemerkens- 
wert ist  describere  =  ^^anspielen''^ ,  vgl.  oben  unter  Alludere. 

Descriptor.  Wiewohl  describere  librum,  ein  Buch  cdschreiben. 
Kl.  ist,  z.  B.  Cic.  fam.  12,  17,  2,  so  ist  descriptor  dennoch  in  der 
Bedeutung  Abschreiber  N.  L.   für   librarius.      Aber    bei  Cic.   Verr. 

2,  190  ist  descriptio  imagoque  tabularum  unzweifelhaft  =  getreue 
Kopie,  Abschrift. 

Deserey^e,  verlassen.  Ob  man  sagen  darf:  morbus  cum  deserit, 
die  Krankheit  verlässt  ihn,  für  discedit  oder  abit  cd)  eo,  darüber  s. 
unter  dem  Worte  Febris.  In  der  Bedeutung  ^.^desertieren'"''  hat  es 
selbst  Cicero  Verr.  5,  110,  vgl.  Lupus  S.  217,  wenn  man  nicht  mit 
E.  Thomas  zu  deseruercd  richtiger  classem  ergänzt;  sicher  hat  es 
Nep.  18,  5,  1,  vgl.  Nipp.-Lup.  z.  St. ;  Stellen  aus  Liv.  u.  N.  Kl, 
sowie  Sp.  L.  bieten  C.  F.  W.  Müller  in  N.  Jahrb.  1890  S.  719, 
Heraus  Progr.  Hanau  1889  S.  2. 

Desertor,  der  Ausreisser,  Überläufer,  Deserteur,  ist  nicht  Franz. 
L.,  sondern  Kl.  bei  Caes.  Gall.  6,  23,  8,  dann  bei  Liv.  23,  18,  16 
u.  3,  69,  7. 


Desertum  —     426     —  Desilire 

Desertum  als  Subst.,  die  Wüsie,  Einöde,  ist  ^S^;.  L.  für  solitudo, 
locus  desertus,  regio  deserta.  —  P.  L.  und  N.  Kl.  ist  deseiia  für 
loca  deserta,  loca  iyiculta. 

Desiderare  wird  in  der  Bedeutung  etwas  hei  jemanden  vermissen 
verbunden  aliquid  in  aliquo  (in  aliqua  re)  oder  al)  aliquo;  in  der 
Bedeutung  von  jemanden  etiuas  verlangen  ist  desiderare  (schwächer 
als  2^oscere  und  postulare)  aliquid  ah  aliquo  ganz  richtig.  S.  Liv. 
42,  39,  7,  Caes.  Gall.  7,  52,  4  (vgl.  jedoch  Meusel  s.  v.,  der  de- 
siderare in  milite  virtutem  vorzuziehen  scheint),  Cic.  fin.  5,  13,  Cael. 
bei  Cic.  fam.  8,  5,  1  und  Cic.  fam.  12,  1,  2,  Lael.  82.  Über  die 
Bedeutung  von  desiderare,  ,^Bedürfnis  fühlen^'',  vgl.  Seyffert-Müller 
z.  Lael.  S.  186.  —  N.  L.  ist  extrema  imrs  huius  orationis  deside- 
ratur  =  ist  verloren,  lässt  sich  aber  durch  den  Sprachgebrauch 
Caes.,  z.  B.  civ.  2,  32,  12  7iulla  omnino  nave  desiderata,  vgl.  auch 
Cic.  Yerr.  4,  96,  rechtfertigen.  —  Das  Partiz.  desiderantissimus, 
sogar  in  der  passiven  Bedeutung  der  Ersehnteste,  findet  sich  be- 
sonders auf  Inscr.  und  ist  Sj).  L.  bei  Fronto  u.  a.  Ebenso  ist  zu 
vermeiden  desideratissimiis  in  derselben  Bedeutung  beim  altern 
PUnius  u.  auf  Inschriften  für  exoptatus,  exoptatissimus.  Ygl.  zu 
desiderantissimus  Usener  N.  Jahrb.  1878  S.  51  ff.,  Hartel  in 
Wölffllins  Archiv  III  S.  13,  sowie  im  Index  zu  Cyprian,  Neue- 
Wagener^  II  S.  215,  C.  F.  W.  Müller  in  N.  Jahrb.  1892  S.  654, 
Watson  S.  272,  Bücheier  in  Melanges  Boissier,  meine  Syntax^ 
S.  309. 

Desiderium  ist  klassisch  nur  ein  Verlangen,  eine  Sehnsucht  nach 
etwas,  was  man  schon  gehabt,  genossen,  besessen  hat,  also  nach 
einer  Person  oder  einer  Sache,  die  jetzt  abw^esend  ist,  die  man  jetzt 
nicht  hat  und  zurückwünscht;  vgl.  Cic.  Tusc.  4,  21,  Brut.  2.  Daher 
gibt  es  z.  B.  kein  desiderium  hahendi  divitias  und  ähnliche,  für 
amor,  cupiditas  hahendi,  wohl  aber  desiderium  urhis  Heimiueh  nach 
Rom,  Cic.  fam.  2,  11,  1,  wie  auch  desiderare  =  Heimweh  hohen 
ist,  z.  B.  Cic.  fam.  4,  9,  4  duri  est  non  desiderare  patriam.  Doch 
N.  Kl.  ist  desiderium  nicht  selten  fast  gleich  postidatum,  z.  B.  bei 
Plin.  mai.  u.  min.,  bei  Quintil.,  Tac.  und  Suet.,  s.  Lagergren  S.  53, 
Bagge  S.  17  und  oben  S.  24. 

Desilire,  herahspringen  von  etiuas,  wird  klassisch  mit  de  oder 
ex  verbunden,  z.  B.  de  reda  desilire,  Cic.  Mil.  39  und  de  navihus 
desilire,  Caes.  Gall.  4,  24,  2,  ex  essedis  desilire,  ib.  5,  17,  4 
und  ex  equis  desilire,  ib.  4,  2,  3.  Bei  Livius  ist  ex  equo  (equis)  de- 
silire stehender  Ausdruck,  z.  B.  2,  20,  10;  6,  8,  1 ;  22,  48,  2;  35, 
34,  10  und  sonst;  auch  N.  Kl.  wird  desilire  mit  de  und  e,  ex  ver- 
bunden, wie :  desilire  e  trihunali,  Curt.  9,  3,  18,  desilire  de  muro,  Suet. 
Ner.  23  und:  e  trihunali  desiluit  auch  bei  dem  späten  lust.  12,  11, 
8.  Die  Prosa  der  späteren  Zeit  liebt  es,  dieses  Verbum  auch  ohne 
Präpos.  zu  gebrauchen,  wie  equo  desiluit,  Curt.  5,  6,  14  und  6,  5, 
26,  Tac.  ann.  15,  28,  lust.  15,  3,  13  und  1,  10,  9;  P.  L.  aber 
scheint  desilire  ah. 


Desinere  —     427     —  Desistere 

Desinere,  transitiv  wie  desinere  artem  ist  nicht  häufig,  aber  gut 
beglaubigt;  bei  Cicero  steht  es  fam.  7,  1,  4,  bei  Sali.  bist.  1,  28  M.,  bei 
Suet.  Tib.  36,  bei  Fronte  S.  165  N.,  bei  Gell.  2,  12,  3  ad  desinen- 
dam  seditionem  und  schon  bei  Ter.  Haut.  305,  vgl.  Süpfle-Böckel 
zu  Cic.  epp.  S.  150,  Bagge  S.  17.  In  der  Bedeutung  ablassen  von 
eticas,  aufhören  mit  ehvas,  wird  es  meistens  mit  dem  Infin.  eines 
Yerbs  verbunden,  z.  B.  desino  lahorare,  ich  höre  mit  der  Arheit  auf, 
lasse  von  der  A.  al),  F.  L.  (nach  griech.  Art)  mit  dem  Genitiv, 
z.  B.  desine  admirationis,  wie  bei  Lipsius,  der  den  Horaz  nachahmt, 
welcher  sagt:  desine  querelarum.  Das  ciceronische  desine  quaeso 
commiinihus  locis  (acad.  2,  80)  heisst  bei  Hieron.  a  comm.  locis, 
wie  überhaupt  desinere  ah  Sp.  L.  ist;  vgl.  Gölzer  Hieron.  S.  334, 
Novak  Paneg.  S.  58.  In  der  Verbindung  aufhören,  endigen  mit 
etivas  wird  das,  ivomit  man  endigt,  durch  m  aliqua  re  ausgedrückt, 
z.  B.  a  praeceptis  incipio,  desino  in  exemplis,  Seü.  ad  Marc.  2,  1. 
Doch  ist  desinere  in  aliquid  gut  und  richtig,  cum  res  exeunt  in 
aliam  formam  aut  transferuntttr  in  aliam  condicionem,  s.  Hand  Turs. 
III,  323.  Hierher  gehört  bei  Amm.  25,  4  die  harha  in  acutum  de- 
sinens  und  desinere  in  tenuitatem  bei  Plin.  nat.  8,  121,  Quintil. 
11,  3,  109,  Sen.  epp.  66,  43.  Aestas  in  autiimnum  desinit=  schlägt 
in  den  Herbst  um,  Sen.  epp.  24,  26.  Desinit  in  piscem  midier  for- 
mosa  superne.  Hör.  a.  p.  4  und  Sen.  epp.  92,  10.  Wo  aber  de- 
sinere in  rein  temporaler  oder  räumlicher  (Plin.  nat.  6,  194)  Be- 
deutung mit  oder  bei  etivas  endigen,  aufhören  bezeichnet,  da  ist 
nur  der  Ablativ  mit  in,  der  blosse  Ablativ  oder  ein  dafür  stellver- 
tretendes Adverb  der  Ruhe  und  des  Beharrens  üblich.  S.  Liv.  31, 
29,  16,  Quintil.  9,  2,  19,  ib.  c.  3,  30,  Sen.  epp.  16,  9,  ib.  77,  4 
u.  §  20,  de  dement.  1,  1,  7,  de  benef.  5,  18,  2,  nat.  1,  3,  4,  de 
V.  b.  7,  4,  Plin.  epp.  9,  4,  2,  pan.  54,  6.  —  Zweifelhaft  ist:  morbus 
desinit,  eine  Krankheit  hört  auf,  für  abit,  discedit  (Cic.  fam.  14,  1, 
3  abiit  pestilentia,  die  Seuche  hat  aufgehört)^  wiewohl  absolutes  de- 
sinere  gut  lateinisch  ist,  z.  B.  Cic.  off.  1,  135  ut  incipiendi  ratio 
fuerit,  ita  sit  desinendi  modus,  vgl.  Novak  Paneg.  S.  58,  Berl.  Phil. 
Woch.  1905  Sp.  862.  —  Bei  einem  passiven  Infinitiv  steht  Kl.  für 
die  aktive  Form  desii,  desiit  ebenfalls  die  passive  desitus  sum,  de- 
situs  est,  wie  beim  Yerbum  Coepi;  fieri,  moveri  u.  ä.  gelten  als 
Media,  daher  Cic.  Tusc.  1,  23  ne  moveri  quidem  desinit;  vgl.  meine 
Syntax^  §  221.  Anders  steht  es  bei  Livius,  der  nur  zweimal  5,  17,  5 
und  34,  41,  5  desitum  sc.  est  hat,  sonst  aber  immer  das  Aktiv 
braucht,  z.  B.  32,  7,  6:  ex  eo  bello,  quod  iam  timeri  desierat,  vgl. 
Wölfflin  Liv.  Kritik  S.  21,  Novak  Stud.  Liv.  1894  S.  62.  Celsus 
setzt  nach  Brolen  S.  14  zu  dem  Infin.  pass.  desinere  immer  in  der 
Form  des  Aktivs,  Curt.  hat  desitus  est  nicht,  Novak  Curt.  S.  4. 

Desistere  wird  ohne  Unterschied  der  Bedeutung  mit  a,  de  und 
am  häufigsten  mit  dem  blossen  Ablat.  verbunden.  Es  findet  sich  mit 
Abi.  bei  Caesar  immer  mit  Ausnahme  von  Gall.  7,  12,  1  ab  oppug- 
natione  und  civ.  2,  12,  3  ab  defensione  desistere,  und  so  ist  es  nahezu 


Desolare  —     428     —  Desperare 

auch  bei  Livius :  incepto  desistere,  Liv.  7,  5,  6;  25,  2,  7;  38,  3,  5; 
38,  30,  5  und  36,  8;  mit  a  nur  38,  28,  9;  Yell.  1,  10,  1,  Yal. 
Max.  9,  5,  1 ;  6,  5  ext.  2  und  8,  2,  3  ;  Curt.  7,  1,  15  und  8,  11,  19; 
so  auch  i)ertmacia,  senteiiüa,  opimgnatione ,  consilio,  conahi,  fuga, 
negotio,  hello,  petiiione,  actione,  causa.  Die  Stellen  für  desistere 
c.  abl.  aus  Caesar  siehe  bei  Meusel  s.  v.,  aus  Cicero  kommt 
dazu  ofF.  3,  113,  acad.  2,  63,  fin.  1,  63;  ferner  rhet.  Her.  4,  68. 
Dem  gegenüber  sind  die  Verbindungen  mit  a  und  de  verhältnis- 
mässig selten:  ah  incepto,  a  defe^isione,  ah  oppugnatione,  ah  acca- 
satione,  a  petitione,  Liv.  38,  28,  9,  Sali.  Jug,  25,  11,  Asc.  Ped.  in 
Corn.  S.  63  (0.)  und  or.  in  toga  cand.  S.  90.  Für  die  Verbindung 
desistere  de  haben  wir  folgende  Beispiele:  de petitione  desistere,  Nep. 
Timoth.  2,  2,  de  sententia  desistere,  Cic.  Tusc.  2,  28,  de  mente  de- 
sistere, Cic.  fam.  5,  2,  8,  Liv.  37,  58^  1  de  diutina  contentione  de- 
sistere. Somit  findet  sich  desistere  ah  nicht  bei  Cicero,  desistere  de 
nicht  bei  Caesar,  Livius  aber  hat  alle  drei  Konstruktionen.  —  De- 
sistere mit  Inf.  ist  klass.,  kann  aber  nur  von  Personen  gesagt  werden, 
z.  B.  destiti  hortari,  orare  u.  ä.;  Sp.  L.  ist  urhes  terrae  motu  esse 
destiterunt,  vgl.  C.  F.  W.  Müller  in  N.  Jahrb.   1890  S.  717. 

Desolare,  veröden,  verlassen,  ist  meistens  P.  L.  für  deserere,  de- 
stituere,  vastare,  vacuefacere,  evertere  u.  a.  Doch  ging  unter  dem 
Einflüsse  des  Vergil  (Aen.  11,  367  u.  870)  das  Partiz.  perf.  pass. 
in  die  nachklassische  Prosa  bei  Tacitus,  Plinius  mai.  (nat.  10,  34) 
und  Plin.  min.,  Sueton,  lust.  1,  7,  3,  Front,  strateg.  1,  8,  4  u.  3,  6,  6 
über,  und  braucht  also  nicht  gerade  ängstlich  vermieden  zu  werden. 
Näheres  siehe  bei  Nipp,  zu  Tac.  ann.  1,  30,  Bagge  S.  18,  Harteis 
Index  zu  Cyprian,  Paulys  Index  zu  Salvian.  *S';;.  L.  ist  desolatio, 
die  Verödung,  für  vastitas,  vastatio,  dejwjndatio  u.  a.,  vgl.  Röusch 
Ital.  S.  72,  Gölzer  Hieron.  S.  67. 

Despectus,  die  Verachtung,  ist  unklassisch;  bei  rhet.  Her.  4,  51 
steht  ludihrio  et  despectui  oppositi  erunt,  bei  Tac.  bist.  4,  57^  Suet. 
Galb.  7  u.  Aur.  Yict.  Caes.  40,  13  despectui  esse,  ib.  14,  9  despectui 
haheri,  vgl.  Nieländer  1893  S.  11.  Klassisch  ist  despicientia,  z.  B. 
Cic.  off".  1,  66. 

Desperare  aliquem  kommt  aktiv  und  passiv  (mit  Ausnahme  der 
Partiz.  desperandus  und  desperatus)  nur  äusserst  selten  vor,  wie  bei 
Cic.  fam.  12,  14,  3,  Q.  fr.  1,  3,  7,  und  Sen.  epp.  29,  3.  Für  de- 
sperare aliquem  ist  im  Aktiv  der  Dativ  gewöhnlicher :  sihi  de- 
sperans,  Caes.  Gall.  7,  50,  4,  wozu  Kraner  bemerkt:  so  braucht 
Caesar  despej^are  mit  Dativ  nur  noch  3,  12,  4:  suis  fortunis  de- 
sperare. Auch  Cicero  beschränkt  mit  wenigen  Ausnahmen  diese 
Konstruktion  auf  dieselbe  Wendung:  siln,  Mur.  21,  rebus  suis, 
Pis.  36,  saluti  suae,  Cluent.  25,  oppido,  Pis.  34.  So  weit 
Kraner.  Also  dürfte  man  genauer  sagen,  dass  desperare  mit 
dem  Dativ  lateinisch  nur  dann  gewöhnlich  sei,  wenn  das  Subjekt 
zugleich  Objekt,  oder  wenn  von  den  engsten  Beziehungen  und  Ver- 
hältnissen des  Subjekts,  wie  Lehen,  Besitz  und  Eigentum  die  Rede 


Desperatio  —     429     —  üesponsatus 

ist.  Kann  aber  auch  in  diesem  Fall  defiperare  mit  der  Präposition 
de  verbunden  werden,  s.  Caes.  civ.  2,  41,  8,  Plane,  bei  Cic.  fam. 
10,  21,  3,  Lact.  inst.  6,  24,  1,  so  ist  dagegen  die  Konstruktion  mit 
de  (nicht  mit  dem  Dativ)  ausschliesslich  gebräuchlich,  wenn  Subjekt 
und  Objekt  verschiedene  Persönlichkeiten  sind.  Man  vgl.  Cic.  Yerr. 
1,  22,  Liv.  7,  13,  6,  Quintil.  7,  2,  17,  Sen.  epp.  29,  4,  Lact.  5, 
20,  4.  Ist  das  Objekt  ein  sächliches,  so  sagt  man  lateinisch  be- 
kanntlich gleich  gut  desperare  aliquid  und  de  cdiqua  re.  Ygl.  über 
letzteres  Caes.  Call.  1,  18,  9;  7,  36,  1  und  civ.  3,  42,  3,  Nep. 
Eumen.  9,  2,  Liv.  22,  61,  10  und  §  14;  25,  6,  7;  26,  18,  6  und 
c.  41,  9,  Sen.  de  tranq.  an.  5,  2,  lul.  Capit.  v.  M.  Ant.  phil.  c. 
24;  über  das  erstere  s.  Cic.  fin.  1,  61,  nat.  deor.  1,  60,  Mur.  43, 
Mil.  56,  fam.  7,  3,  2  und  9,  15,  5,  Liv.  2,  46,  1  und  23,  14,  6, 
Curt.  5,  5,  17,  Quintil.  12,  11,  26,  Sen.  epp.  104,  12,  Suet.  Caes. 
20  extr.  —  Nach  despey^o  folgt  wie  nach  spey^o  der  Acc.  c.  inf.  fut, 
z.  B.  Cic.  Att.  9,  8,  3  volo  circuni  vilhdas  nostras  errare,  quas 
visurimi  me  postea  desperavi.  Natürlich  kann  auch  der  Inf.  praes. 
mit  posse  stehen,  aber  auch  —  wie  nach  s^jero  —  der  Inf.  praes., 
z.  B.  Cic.  div.  2,  48  non  plane  despero  ista  esse  vera,  vgl.  auch 
Stangl  Tulliana  S.  29. 

Desperatio,  die  Verziueiflimg.  Über  extrema  despe^xitio,  s.  unter 
dem  Worte  Ultimus.  Über  die  Yerbindung  von  rerum  mit  despe- 
ratio vgl.  Nägelsb.-Müller^  S.  96. 

Desperatus,  verziveifelt,  ist  in  der  Bedeutung  gefahrvoll,  toll- 
kühn, z.  B.  ein  verzweifeltes  Unternehmen,  D.  L.  für  pe^nculosus, 
discriminis  pleniis,  temerarius  u.  a.  Gut  ist  aber  desperatiis  ■=  auf- 
gegeben, hoffnungslos,  verzweifelt  von  Personen  und  Sachen,  z.  B. 
senes  desperati,  aegrota  ac  xmene  desperata  res  publica  und  desperati 
=  aufgegebene  Krajike,  Cic.  Att.  16,  15,  5  und  Caes.  Call.  7,  3,  1  : 
Ca7'niites  Cotuato  et  Conconyietodumno  ducibus,  desperatis  hominibus, 
Cenabiim  concurriint;  vgl.  noch  Lact.  1,  426,  11  Br. 

Despicari,  verachten,  ist  Sp.  L.,  ebenso  despicabilis,  vgl.  Rönsch 
Coli.  phil.  S.  63,  Liesenberg  1  S.  25.  Aber  despicatiis  im  Superl. 
despicatissimus  steht  bei  Cic.  Yerr.  3,  98,  Sest.  36.  Das  Substantiv 
despicatiis  finden  wir  bei  Cic.  Place.  65  si  quis  despicatui  ducitur 
(Plaut.  Men.  693  despicatui  habere)^  despicatio  Cic.  fin.  1,  67  sogar 
im  Plural;  vgl.  noch  Nieländer  1874  S.  16. 

Desponsatus,  verlobt,  steht  N.  Kl.  selten  bei  Sueton  für  de- 
sponsiis,  vgl.  Bagge  S.  18,  Drakenb.  zu  Liv.  1,  26,  2;  26,  50,  2,  dann 
Sp.  L.  bei  Eccl.  Sp.  L.  ist  auch  desponsare  für  despondere,  vgl. 
Rönsch  Coli.  phil.  S.  70.  Übrigens  wird  desjjondere  nur  vom  Mäd- 
chen gesagt,  welches  verlobt  wird,  also  nicht  despondere  aliquem, 
sondern  nur  despondej^e  aliqiiam  alicui  =  mit  ehiem  verloben.  Der  Yer- 
lobende  war  in  der  Regel  der  Vater,  seltener  der  Bräutigam  seihst. 
Sich  mit  einem  Mädchen  verloben  heisst  also  lateinisch  nicht  se  despoji- 
dere  cum  cdiqua,  sondern  aliqids  sibi  cdiquam  despondet;  vgl.  Cael.  bei 
Cic.  fam.  8,  7,  2  Cornificius  adulescens  Orestillae  filiam  sibi  despondit. 


Destinare  —     430     —  Desuetudo 

Destinare,  lesümmen,  hescliliessen,  findet  sich  in  klass.  Zeit  nur 
bei  Caes.  civ.  1,  33,  4  mit  Infinitiv,  häufiger  seit  Livius,  vgl.  Rie- 
mann  zu  Liv.  23,  29,  7,  Menna  S.  46,  Frese  S.  51.  Destinare  mit 
Dativ  der  Bestimmung  ist  nicht  Kl.,  wir  finden  es  bei  Colum.,  Tac, 
vgl.  Nieländer  1877  S.  26. 

Destituere,  trop.  ist  =  hlosstellen,  verlassen,  im  Stich  lassen, 
täuschen,  hintergehen,  z.  B. :  inermem,  yiudiim  aliqiiem  (bei  Cicero 
und  Caesar),  sjjem,  conata  aliciiiiis  (N.  Kl.  bei  Yell.  u.  a.)  destituere. 
Es  wird  N.  Kl.  auch  mit  sächlichen  Subjekten  verbunden:  poiolites 
destitiiehant  mgredientem,  Suet.  Claud.  30;  hasta  femina  perfossa 
destituere  piignantem,  Curt.  6,  1,  4;  so  auch  aestiis,  ventus  navem 
destituit  bei  Livius  und  memoria,  mens  aliquem,  fortuna  spem  de- 
stituit  bei  Curtius.  Absolut  gebrauchtes  destituere  hat  Liv.  1,  41,  1 
si  destittiat  spes,  vielleicht  eine  Analogiebildung  von  spes  fallit,  vgl. 
Archiv  X  S.  54.  Im  Passiv  sagt  man  bei  Personen  natürlich  de- 
stitiitiis  ah  aliquo,  während  bei  Sachen  gewöhnlich  der  blosse  Ahlat., 
doch  auch  die  Präpos.  a  gefunden  wird,  also  z.  B.  a  re  familiari 
destitutus,  Suet.  Nero  10,  und  besonders  bei  sj^es,  wo  a  spe  desti- 
tutus  noch  häufiger  als  der  blosse  Ahlat.  gefunden  wird.  Ygl.  über 
das  erstere  Liv.  22,  15,  2;  25,  27,  13;  31,  24,  3  und  36,  33,  3; 
Curt.  4,  3,  20,  über  letzteres  Liv.  29,  24,  2,  Curt.  8,  6,  20.  Dies 
a  bei  spe  wird  als  limitierendes  ah  zu  betrachten  sein,  vgl.  meine 
Syntax^  §  124;  doch  vgl.  Cic.  Cat.  1,  25  ex  perditis  atque  ab  omni 
non  modo  fortuna,  verum  etiam  spe  derelictis;  hier  sehen  wir  auch, 
dass  man  klass.  a  spe  derelictus  sagte.  Das  in  der  Kl.  Sprache 
noch  seltene  und  auf  wenige  Konstruktionen  beschränkte  Wort  er- 
weitert seinen  Kreis  in  der  silb.  Latinität  ganz  bedeutend,  um  dann 
später  wieder  zurückzutreten. 

Destriiere,  umstossen,  ver7iic]iten.  Für  dieses  in  Prosa  erst  seit 
Livius  in  übertragener  Bedeutung  vorkommende  Wort  beachte  man, 
dass  es  nicht  nur  mit  sachlichen  Objekten,  sondern  wie  unser  deutsches 
stürzen,  vernichten,  auch  mit  persönlichen  verbunden  wird.  Wenn 
aber  Dräger  zu  Tac.  ann.  2,  63  sagt,  dass  destruere  aliquem  nur  bei 
Tacitus  und  dem  Jüngern  Plinius  vorkomme,  so  ist  hinzuzufügen, 
dass  es  N.  Kl.  auch  bei  Quintil.  gefunden  wird :  destruere  testem 
infamia  criminum,  5,  7,  26  und  auch  bei  Yell.  2,  48,  3 :  Pompeius 
si  decessisset  in  Campaniam,  defuisset  fortunae  destruendi  eins  locus; 
vgl.  Georges  Yell.  S.  37. 

Desuhito,  auf  einmal,  plötzlich,  ist  ein  der  alten  Sprache  eigen- 
tümliches Wort,  z.  B.  Enn.  Sc.  375  Y^.,  welches  sich  Kl.  nur  Cic. 
rep.  6,  2   findet.      Man  halte  sich  an  subito. 

Desuescere,  entwöJinen,  entwöhnt  werden,  ist  als  Yerb.  fin.  nur 
P.  L. ;  aber  das  Partiz.  desuetus  findet  sich,  auch  bei  Liv.  8,  38, 
10;  vgl.  Archiv  X  S.  62. 

Desuetudo,  die  Entiuöhnung,  ist  sehr  selten,  kommt  aber  bei 
Ov.  und  Liv.  1,  19,  2  vor.  Die  Redensart  in  desuetudinem 
ahire,    ausser     Gewohnheit    kommen,    abkommen,    ist    aS^.    L.    bei 


Desultare  —     431     —  Determinare 

einem  Juristen,  für  desiiefieri^  obsolescere,  exolescere;  vgl.  Archiv  X 
S.  62. 

Desultare,  henibspringeny  ist  Sp.  L.  für  desilire. 

Desidtorias,  lierahspringend,  kommt  Kl.  und  N.  Kl.  nur  von 
Pferden  vor,  die  dem  wettrennenden  Reiter  zum  Auf-  und  Abspringen 
dienen  und  wird  auch  bildlich  auf  andere  Gegenstände  angewandt. 
Sehr  Sp.  L.  ist  es  in  dem  Sinne  ahschiveifend,  unbeständig,  wie  es 
denn  als  ein  ganz  bildliches  Wort  ohne  quasi  und  quidam  von  fremd- 
artigen Sachen  nicht  gebraucht  werden  kann.  So  spricht  Mahne 
(Crito  S.  293)  von  einer  lectio  desultoria,  welche  wahrscheinlich  der 
bedächtigen  und  grimdliclien  oder  geregelten  Lektüre  entgegengesetzt 
sein  soll,  wo  er  doch  wenigstens  quasi  hätte  hinzusetzen  sollen.  Bei 
dem  Substant.  lectio  ist  es  aber  kaum  anwendbar,  und  man  sage 
dafür  vaga,  instabilis,  temer aria,  improvida  ac  caeca,  volatica  lectio. 

Desimiere  ist  kein  klass.  Wort ;  in  der  Bedeutung  ivälilen,  aiis- 
erselien,  z.  B.  jemanden  sich  zum  Feinde  ivählen,  hostem  sibi  cdiqitem 
desiimere  findet  es  sich  bei  Liv.  38,  45,  8.  Bei  Plin.  epp.  8,  20, 
7  :  saepe  inter  se  maiores  niinoresque  quasi  cursum  certamenque  de- 
siimunt  ist  desiimere  =  sumere^  suscipere  =  sie  unternehmen  gleich- 
sam einen  Wettlauf  mit  einander ;  die  gleiche  Bedeutung  hat  es  bei 
Sueton,  vgl.  Bagge  S.  18.  Aber  in  der  Bedeutung  einen  Oedankeyi, 
eine  Notiz,  einen  Vers  u.  ähnl.  aus  einem  Schriftsteller  entlehne?!, 
hernehmen  ist  es  ohne  alle  Autorität  für  depromere,  repetere,  wird 
aber  heutzutage  viel  gebraucht,  z.  B.  hanc  sententiam  ex  Homero, 
Aeschylo,  Piatone  desumpsit;  omnia  haec  ex  Timaeo  Ruhnkenii  de- 
sumpta  sunt;  versus  ex  antiquo  poeta  desumti,  —  für  deprompsit, 
deprompta,  deprompti. 

Deterere  ist  kein  klass.  Wort;  in  der  bildlichen  Bedeutung 
schwäcJien,  vermindern  steht  es  P.  L.  und  N.  Kl.,  und  Sp.  L.  bei 
Tacitus,  Plinius  epp.,  Quintil.,  Symmachus,  vgl.  Schulze  Symm. 
S.  98,  für  das  klassische  imminuere,  corrumpere,  detractare  u.  a.; 
und  für  deterere  laudem,  famam  alicuius  sage  man  in  Prosa  de- 
trahere  de  laude,  de  fama. 

Deterior,  deterius  bedeutet  wie  dasgriech.  Xscpcov  lueniger  gut, 
an  Wert  geringer,  schivächer,  nicht  gerade  schlechter.  Davon  ist  das 
Sp.  L.  deterior are  in  der  Bedeutung  verschlechteym  abgeleitet,  für 
deteriorem  facere  oder  in  deterius  mutare,  etiuas  verschlechtern,  was 
vorher  erträglich  oder  gut  war,  während  peiorem  facere,  in  peius 
mutare.^  vertere  heisst:  etivas  Schlimmes,  Böses  noch  mehr  verschlim- 
mern; in  der  Bedeutung  verringern,  schmälern  ist  dafür  deterius 
facere  zu  setzen  (Caes.  Gall.  1,  36,  4,  Cic.  nat.  deor.  2,  87).  Über  de- 
teriorare,  welches  wie  alle  Yerba  decomparativa  der  Zeit  nach  Ha- 
drian  angehört  und  daher  unbedingt  zu  meiden  ist,  vgl.  Wölfflin 
Cass.  Felix  S.  418,  Rönsch  It.  S.  171,  Schulze  Symm.  S.  82,  Berg- 
müller Jord.  S.  12. 

Determinare,  bestimmen,  z.  B.  diem,  einen  Termin  setzen,  ist 
N.  L.  für  constituere,  dicere  u.  a.  —  ebenso  in   der  Bedeutung  be- 


Deterrere  —     432     —  Detrectare 

stimmen,  erMären,  iüv  definire.  Nicht  gut  sagt  z.  B.  Bremi:  generale 
detenninare  i)er  fipeciale,  für  generale  definire  proprio.  Klass.  ist  es 
in  der  Bedeutung  begrenzen,  z.  B.  Cic.  de  or.  3,  175  id  qiiod  dicit 
spiritii,  non  arte  determinat. 

Deterrere,  einen  von  etwas  abschrecken,  wird  am  gewöhnlichsten 
verbunden  aliquem  ab  aliqim  re,  selten  de,  bei  Cicero  nur  an  einer 
Stelle  div.  2,  81  Stoici  de  sententia  deterrentur,  ebenso  D.  Brut, 
bei  Cic.  fam.  11,  11,  2  quod  me  de  statu  meo  nuUis  contiimeliis  de- 
terrere possunt;  der  Unterschied  von  deterrere  ab  und  de  ist  klar: 
ab  cdiqiia  re,  die  man  erst  erstrebt,  z.  B.  a  scribendo,  ab  oratione, 
dagegen  de  aliqua  re,  die  man  hat;  vgl.  Gebhard  S.  32;  P.  L.  findet 
sich  deterrere,  ebenso  auch  bei  Sali.  Jug.  98,  5  und  bei  Sueton  Tib. 
47,  vgl.  Bagge  S.  18,  mit  blossem  Ablativ.  Man  beachte  auch,  dass 
deterrere  ausser  den  Yerbindungen  mit  ne,  quo  minus  und  quin 
im  Pass.  von  Cicero  auch  Yerr.  1,  14  und  24  mit  dem  Infin.  kon- 
struiert wird.  Dieser  Gebrauch  ist  bestimmt  nicht  zu  beanstanden, 
weil  deterreri  in  beiden  Stellen  fast  ganz  in  die  Bedeut.  von  prohiberi 
übergegangen,  nach   diesem  aber  der  Infin.    nicht   ungewöhnlich  ist. 

Detractor  sui  =  Verkleinerer  seiner  selbst,  steht  nur  bei  Tac. 
ann.  11,  11  extr. ;  Liv.  34,  15,  9  sagt  dafür  detrectator  laudum 
suarum.  Sjj.  L.  ist  detractor  =  El  trab  sc!  meider,  Verleumder,  vgl. 
Landgraf  Archiv  XII,  457;  ebenso  detractatio  =  Verleumdung ;  dies 
scheint  sehr  selten  zu  sein,  vgl.  Watson  S.  301. 

Detrahere  =  ab-  oder  entziehen,  ivegnehmen,  wird  im  eigent- 
lichen und  tropischen  Sinn  wie  im  Deutschen  verbunden :  alicui 
aliqidd  detrahere,  z.  B.  torquem,  amiculuni,  spolia  hostium  templis 
detrahere  und  ebenso  bildlich  dehitum  honoi'em,  dignitatem  alicui  de- 
trahere; detrahere  de  aliquo  (nur  Nep.  Eum.  1,  2  alicui)  absolut  ist 
^Jemanden  rerkleuiern'-^ ,  vgl.  Seyffert-Müller  zu  Lael.  S.  380.  —  Mit 
Rücksicht  auf  den  Ort,  von  dem  man  einem  etwas  hiniveg nimmt, 
sagt  mau  alicui  aliquid  detrahere  ex,  de  aliqua  re:  z.  B.  anulum 
cdicui  de  digito  oder  alicuiiis  e  manu,  ex  aure  detrahere.  Mit  Rück- 
sicht auf  den  Ort,  von  dem  man  jenmnd  ab-,  herabzieht  oder  reisst, 
sagt  man  gleichfalls  detrahere  aliquem  de  loco,  z.  B.  de  curru,  de 
tribunali  aliquem  detrahere  und  im  trop.  Sinn  mit  ex:  den  Hannibal 
aus  Italien,  den  Feind  aus  Gallien  verdrängen  Hanyiibcdem  ex 
Italia,  inimicum  ex  Gallia  detrahere.  —  Etwas  von  etwas  wegnehmen, 
abziehen  endlich  ist  aliquid  ex  summa  oder  de  summa  detrahere, 
vgl.  Cic.  Att.  10,  5,  3.  Bezweifelt  wird  se  detrahere  curis,  sich  den 
Sorgen  entziehen  für  aiiimum  abducere  a  curis,  a  molestiis,  ab  ango- 
ribus,  a  sollicitudine  u.  a. 

Detrectare.  Dies  Wort  kommt  bei  Caes.  nur  Gall.  7,  14,  9  ad 
detrectandani  militiam  vor,  bei  Cic.  nur  fr.  A  I  cpiod  non  detrectare 
militiam,  sed  defendere  j^t^ovinciam  indicata  est.  Detrectare  obsequium 
=  den  Gehorsam  verweigern,  wird  mit  Recht  als  N.  L.  verworfen. 
Man  sagt  dafür  N.  Kl.  ausser  Imperium  alicuius  detrectare  auch 
obsequium  in  aliquem  exuere,  Tac.  ann.  13,  13,   oder  iussa  alicuius 


Detrimentiim  —     433     —  Deversari 

dbnuere,  ib.  14,  37  oder  imperium  ahmere,  Liv.  3,  66,  3  oder  ob- 
sequium  abnuere,  Tac.  hist.  4,  19,  auch  iiissa  exiiere,  iussa  aliciims 
detrectare,  Tac.  aim.  11,  19  u.  3,  17;  impermm  alicuiiis  spe^iiere, 
aspernari,  Liv.  41,  10,  9  u.  6,  4,  5.  Die  Veriueigerung  des  Ge- 
horsams kann  substantivisch  durch  dedignatio  imrendi  gegeben  werden 
nach  PUn.  pan.  18,  1.  —  Detrectare  mit  Inf.,  z.  ß.  Lact.  op.  3,  21 
ist  Sp.  L.;  es  gehört  dies  zu  den  Ausdrücken,  vy^elche,  wie  fitgere 
u.  ä.  für  nolle^  durch  die  Dichter  empfohlen  im  N.  Kl.  u.  Sj).  L. 
auch  in  Prosa  Eingang  fanden. 

Detrimentum,  Verlust,  Schaden.  Detrimentiim  pati  in  der  Be- 
deutung Schaden,  Verlust  haben  oder  erleiden  ist  D.  L.  für  detrimen- 
tum  facere,  capere  {capere  immer  in  der  bekannten  Formel:  videant 
consules,  ne  quid  detrimenti  res  publica  capiat),  da  pati  detrimentiim 
nur  Verlust  ertragen,  aushalten  heissen  kann.  Gut  ist  auch  detri- 
mentum  accipere.,  sowohl  im  allgemeinen  Sinne,  z.  B.  Brut,  bei  Cic. 
fam.  11,  9,  1,  als  in  der  Bedeutung,  einen  Verlust,  eine  Schlappe 
im  Krieg  erleiden,  s.  Caes.  Gall.  5,  22,  3  u.  ib.  53,  6  u.  6,  1,  3. 
Ygl.  Pati.  Klass.  ist  auch  detrimento  esse,  z.  B.  Caes.  Gall.  1, 
44,  5,  Cic.  div.  Caec.  15,  ebenso  N.  Kl.  bei  Sen.  ben.  4,  36,  2. 
—  Das  von  detrimentum  abgeleitete  detrimentosus,  sehr  schädlich, 
verderblicli,  kommt  einmal  bei  Caes.  Gall.  7,  33,  1  vor  und  kann 
neben  perniciosus  und  pestifer  gebraucht  werden. 

Detrudere,  herabstossen,  ivegstossen,  verdrängen  von  oder  aus 
etwas,  wird  verbunden  ex,  de  oder  ab  aliquo  loco ;  bildlich  ist  aber 
wohl  immer  de  sententia  detrudere. 

Detm'bare  wird,  in  welcher  Bedeutung  es  sei,  mit  de  und  ex 
aliqua  re,  auch  bloss  mit  aliqua  re  verbunden ;  daher  z.  B.  de  vallo 
und  ex  vallo,  ex  magna  spe  und  bloss  spe,  tabula  (Cic.  rep.  3,  30), 
possessione  (Cic.  fam.  12,  25,  2). 

Deturpare,  entstellen,  verunstalten,  ist  N.  Kl.  bei  Suet.  und  Plin. 
mai.  je  einmal,  ferner  Sp.  L.  bei  Hieron.,  vgl.  Paucker  Hier.  S.  131, 
zu  finden;  besser  sagt  man  deformare,  macidare,  polluere,  inquinare  u.  a. 

Dens.  Cicero  gebraucht  nirgends  den  Ausruf  o  di,  er  setzt  zu 
di  immer  ein  Attribut,  z.  B.  boni,  immortales,  vgl.  P.  Meyer  Progr. 
Hof  1900  S.  27. 

Devenire.  Nicht  unlat.  ist  quid  pecunia  devenit  =  was  ist  aus 
dem  Geld  geivorden  f  So  sagt  Greg.  Tur.  mart.  105,  vgl.  Bonnet 
S.  292.  Dies  pecunia  ist  als  Nominativ  anzusehen,  war  aber  wohl 
ursprünglich  Abi. 

Devergentia,  die  Abneigung,  ist  Sp.  L.  bei  Gell.  14,  1,  8  für 
declinatio. 

Deversari  (nicht  diversari)  darf  nicht  mit  dem  folgenden  dever- 
tere  verwechselt  werden;  es  bedeutet  nicht  eiyikehren,  sondern  ein- 
gekellert sein,  sich  irgendivo  aufhalten  (als  Gast  oder  Fremder),  und 
wird  verbunden  apud  aliquem  (Cic.  Tusc.  5,  22,  Liv.  23,  8,  9), 
in  aliquo  loco,  in  domo  oder  domi  alicuius  (Cic.  Yerr.  4,  70 :  domi 
sitae  deversatum  esse  Antiochum).     Anders  ist  es  mit 

Krebs-Schmalz,  Antibarbarns  I.  28 


Devertere  —     434     —  Devorare 

Devertere,  einkehren.  Cic.  kennt  devertere  nur  in  den  Perfekt- 
formen; bei  ihm  verhält  sich  devertor  wie  revertor ;  doch  kommen 
die  deponentialen  Formen  nur  Verr.  3,  75  u.  Font.  19  vor.  Sie  sind 
überhaupt  mehr  A.  L.,  dann  bei  Livius  und  nachklass.  üblich.  Wir 
fragen  ivo  und  ivoliin  ?,  der  mustergiltige  Lateiner  bei  der  aktiven 
Form  devertere  immer  quo  =  wohin,  niemals  iihi,  also  ad  aliqiiem 
oder  in  aliquem  locmUy  an  irgend  einem  Orte;  ad  aliquem  hei  je- 
manden, z.  B.  ad  hospitem,  hei  einem  Gastfreunde,  nicht  apiidJiosj).; 
ad  oder  in  cauponam,  in  einem  Wirtshause,  nicht  in  caupona ;  do- 
mum  oder  in  domum  alicuius,  in  dem  Hause  jemandes,  nicht  in 
domo  oder  domi;  ad  villam,  in  der  Villa  (Cic.  fam.  7,  18,  3). 
Daher  wird  ivo  durch  quo,  nicht  durch  uhi  ausgedrückt,  do7't  durch 
eo,  nicht  durch  ihi  und  ähnl.  Man  sage  nicht:  Callias,  apud  quem 
Gorgias  deverterat,  sondern  ad  quem;  nicht:  devertebam  apud  (für 
ad)  comicum  quendam  poetam;  nicht:  eo  die  Francofurti  apud 
iilum,  sondern  Francofurtum  (oder  auch  Francofurti  nach  Yarro  r. 
r.  3,  3,  9  ad  hospitem  Casini  devertit)  ad  illum  u.  dgl.  Dies  findet 
sich  erst  Sp.  L.  bei  Apul.  met.  4,  1  init. :  in  pago  quodam  apud 
notos  ac  familiäres  latronihus  senes  devertimus  und:  nee  in  stahido, 
sed  in  domo  cuiusdam  decurionis  devertimus,  ib.  10,  1  Ende.  Was 
die  mediale  Form  deverti  betrifft,  so  wird  sie  einerseits  geradeso 
behandelt,  wie  die  aktive.  Andererseits  aber  kommt  deverti  (frei- 
lich nicht  bei  Cic.)  auch  in  dem  Sinn  vor:  als  Gast  irgendivo,  hei 
jemanden  sein  Quartier,  seine  Einkehr  haben  =  deversari.  In 
diesem  Falle  nimmt  es  uhi  und  aptud  ganz  richtig  an,  so  Plaut. 
Mil.  134,  Liv.  42,  1,  7  und  ib.  §  10  u.  Tac.  bist.  3,  11.  Deverti 
ist  dann   =   deverticulum   hahere,  s.  Heraus  zu   der  Stelle. 

Deviare,  vom  Wege  ahgehen,  ahirren^  ist  Sp.  L.  für  de  oder  a 
via  deflectere,  declinare,  devertere,  wiewohl  das  Adj.  devius,  vom 
Wege  ahliegend,  vom  Wege  entfernt.  Kl.  ist,  z.  B.:  oppidum  devium, 
Cic.  Pis.  89,  und  auch  bildlich  gebraucht  wird.  Ein  iter  devium 
ist  ein  Seiten-  oder  Nebenweg  (Cic.  Att.  4,  3,  4 ;  14,  10,  1),  ebenso 
findet  sich  iter  avium,  Suet.  Oct.  96,  Tac.  ann.  12,  20,  Sali.  Jug. 
54,  9,  Yell.  2,  75,  3,    auch  via  devia  kommt  bei  Lact.  3,  11,  4  u. 

4,  30,  3  vor.  Indes  ist  via  devia  nicht  identisch  mit  iter  devium 
oder  avium,  sondern  es  bedeutet  bei  Lact.  a.  a.  0.  trop.  den  in- 
tellektuellen oder  sittlichen  Irrweg.    Über  deviare  vgl.  Gölzer  Hieron. 

5.  172  und  Schulze  Symm.  S.  83,  sowie  Rönsch  Ital.  S.  170  u.  Sem. 
III  S.  29. 

Devorare,  verschlingen,  ist  in  trop.  Bedeutung  lihrum  devorare, 
ein  Buch  verschlingen,  d.  h.  eifrig,  hegierig  lesen,  echt  klass. :  quid  tibi 
faciam,  qui  illos  lihros  devoi^asti?  Cic.  Att.  7,  3,  2;  vgl.  noch  Plaut. 
Asin.  649  mea  dicta  devorate.  Unser  deutsches:  ich  glaube  etwas  schon 
in  der  Tasche  zu  Jiahen,  kann  lat.  gleichfalls  durch  das  trop.  ge- 
brauchte devorare  ausgedrückt  werden :  spe,  spe  et  opinione  aliquid  de- 
vorare nach  Cic.  Flacc.  57,  Att.  1,  16,  10  u.  Yerr.  1,  135;  vgl.  Nägelsb.- 
Müller^  S.  566.    So  steht  auch  oculis  aliquid  devorare  bei  lust.  21,  5,  6: 


Devotare  —     435     —  Dexteritas 

qiiod  emere  non  poterat  oculis  devorare  und  bei  Curt.  8,  6,  18:  S2)es^ 
quam  hiimanae  mentes  devoravenint.  Endlich  wie  wir  im  Deutschen 
sagen:  ehvas  (Wideriv  artig  es)  versclüiicken,  liinabscl ducken,  d.  h. 
geduldig  ertragen,  so  auch  der  Lateiner:  paucorum  dierum  molestiam 
devoyxire,  Cic.  Phil.  6, 17  und  Cic.  Att.  4,  5,  1  dudum  enim  circum- 
rodo,  qiwd  devorandum  est,  vgl.  Nägelsb. -Müller^  S.  549. 

Devotare,  zum  Tode  iveihen,  ist  A.  L.  und  Sp.  L.  für  devovere. 
Bei  Cic.  parad.  12  liest  man  jetzt  devota  vita  immisit  (früher  de- 
votavit,  immisit)^  vgl.  Rönsch  It.  S.  213  und  Sem.  III  S.  29,  Berg- 
müller Jord.  S.  13. 

Devove7^e,  geloheii.  In  der  Bedeut.  feieyiicli  gelogen,  v er sijr ecken, 
dass  man  etivas  tun  ivolle,  mit  folgendem  Infin.  kann  es  nicht  ge- 
billigt werden.  Es  ist  zwar  nicht  unlat.,  hat  aber  doch  nur  ganz 
späte  Autoritäten:  qui  se  devoverunt  nee  manducare  nee  hibere,  donec 
.  .  Yulg.  acta  App.  23,  21  und:  totam  vitam  suam  serviturum  se 
esse  devovit,  Aug.  serm.  286,  4  und  Grreg.  M.,  Homil.  1,  19,  7. 
Gut  ist  aber  dafür  vovere  mit  Acc.  c.  infin.:  dictator  ludos  magnos 
ex  senatus  considto  vovit  Veis  captis  se  factiirum,  Liv.  5,  19,  6  u. 
ib.  31,  9,  10;  42,  28,  9  u.  Caes.  Gall.  6,  16,  2.  Devovere  aber 
verlangt  die  Konstruktion  von  se,  aliquid  alicui  devovere  =  sich  oder 
etivas  einem  zum  Opfer  und  Eigentum  iveihen.  Wie  wir  ferner 
sagen:  sich  oder  etivas  für  einen  aufopfern,  so  auch  der  Lateiner 
wörtlich:  devovere  se  pro  patria  Quiritihusque  Romanis,  Livius  5, 
41,  3  und:  caput  pro  saliite  aliciäus  devovere,  Yal.  Max.  ß,  2  ext.  2. 
—  Das  Subst.  devotio  in  der  Bedeutung  die  Andacht,  und  devotus  in 
der  Bedeut.  andächtig,  sind  beide  erst  Sp.  L.  und  kommen  bei 
christlichen  Schriftstellern  und  bei  den  scr.  h.  Aug.,  Amm.  Yeg. 
vor  für  pietas,  religio,  reverentia  Dei;  pius,  religiosus,  Deum  verens, 
reverens,  und  als  Adv.  religiöse,  reverenter  deum  colere,  Gott  an- 
dächtig verehren;  vgl.  Gölzer  Hieron.  S.  234.  Das  Adj.  devotus  ist 
in  der  Bedeutung  ergeben,  anhänglich,  N.  Kl.  u.  *S^.  L.  u.  kommt 
bei  Seneca,  Sueton,  Cyprian  vor  für  deditus,  z.  B.  Cypr.  503,  16 
fidelissimus  ac  devotissimiis  frater,  vgl.  Watson  S.  276;  doch  ist  es 
nicht  zu  verwerfen,  zumal  da  es  bei  Caes.  Call.  3,  22,  1  in  substan- 
tivischer Bedeutung,  der  Getreue,  Ergebene,  sich  findet.  Im  schlimmen 
Sinne  wie  unser  Fremdwort  devot  scheint  devotus  nicht  vorzukommen. 

Dextans,  zehn  Zivolftel,  wiewohl  von  Yarro  gebraucht,  wird 
doch  von  Cicero  durch  pars  dimidia  et  tertia  ersetzt  (Cic.  fam.  13, 
29,  4).  Bei  Cic.  Sest.  55  wird  jetzt  anders  gelesen,  s.  Halm  zu 
der  Stelle. 

Dextella,  die  kleine  rechte  Hand,  ist  scherzhaft  und  vielleicht 
zum  Spotte  von  Cic.  Att.  14,  20,  5  gebildet;  vgl.  Boot  z.  St., 
der  Quinti  filius  Antonii  est  dextella  erklärt:  ciiius  opera  Antonius 
multum  utitur.  Wir  sagen  ja  auch  von  einem  tüchtigen  Gehilfen 
jfßr  ist  des  Mannes  rechte  Hand^^. 

Dexteritas  ist  nur  Gewandtheit  mit  Menschen  umzugehen,  und 
überhaupt  die  Anstelligkeit  und  das  angeborne  Talent,  sich  in  alles 


Dextrorsus  —     436      —  Diarium 

leicht  zu  finden^  aber  nur  ganz  selten  die  angelernte,  erworhene  Oe- 
scliickUcJikeit  in  gelehrten  Dingen,  wie  es  im  N.  L.  nicht  selten, 
antik  aber  vielleicht  nur  bei  Ov.  im  Adjektiv  dexte)'  vorkommt:  et 
scripti  Marms  dexter  in  omne  genus,  epp.  ex  Ponto  4,  16,  24,  d.  h. 
geiuandt,  tüchtig,  geüht  in  jeder  Art  voyi  schriftlicher  Darstellung. 
Ihm  entgegen  steht  sinisteritas,  wie  wir  sagen  das  linkische  Wesen, 
die  angehorne  Ungeschicklichkeit,  die  alles  verkehrt  angreift  und 
sich  nirgends  geschickt  zu  benehmen  weiss,  dergleichen  man  auch 
gelehrten  Männern  bisweilen  nachrühmt.  Hiernach  wird  der  Gebrauch 
des  Wortes  dexteritas  und  des  Adjekt.  dexter,  geschickt,  gewandt 
(Liv.  8,  36,  7)  beurteilt  werden  können.  Vgl.  Liv.  28,  18,  6:  tanta 
inerat  comitas  Scipioni  atque  ad   omnia  naturalis    ingenii    dexteritas. 

Dextrorsus,  rechtshin,  nach  der  Hechten  hin,  lesen  wir  im  b. 
Afr.  75,  6  und  Liv.  6,  31,  5;  in  der  Form  dextrorsum  ist  es 
A.  L.  u.  S]).  L.  und  bei  Horaz  sat.  2,  3,  50  aus  der  Volkssprache 
entnommen;  A.  L.  u.  Si).  L.  ist  das  ursprüngliche  dextroversum; 
vgl.  Köhler  act.  Erl.  I  S.  381,  Neue-Wagener^  II  S.  745,  Wölfflin 
Archiv  YI  S.  92. 

Diadema,  das  Diadem,  der  königliche  Koijf schmuck.  Cicero 
braucht  dieses  von  den  Römern  aus  dem  Griechischen  aufgenommene 
Wort  sogar  in  Reden,  z.  B.  Phil.  2,  85,  wiewohl  er  auch  lat.  dafür 
sagt  insigne  regium  (Sest.  58).  Ygl.  darüber  jedoch  Corona. 
Die  Form  diadema,  diademae  gehört  dem  *S};.  L.  an,  vgl.  Archiv 
IX  S.  137  u.  X  S.  441,  Neue-Wagener^  I  S.  502. 

Dialectica  ist  als  Subst.  der  Decl.  I.  eben  so  üblich,  wie  der 
Plur.  dialectica,  orum.  Zumpt  (zu  Cic.  off.  1,  19)  hält  die  erstere 
Form  mit  Unrecht  für  nicht  gebräuchlich;  Saalfeld  im  tens.  s.  v. 
zitiert  eine  ganze  Reihe  von  Stellen  aus  Cicero;  auch  Lact,  hat  sie 
inst.  3,  13,  4;  vgl.  Neue-Wagener^  I  S.  66.  Rein  lat.  heisst  die 
Dialektik  disserendi  ratio  et  scientia,  dialektische  Schärfe,  Richtig- 
keit disserendi  suhtilitas,  elegantia. 

Dialogns,  der  Dialog,  das  Gespräch,  ist  ins  Lat.  aufgenommen 
und  wird  von  Cicero  öfters  wie  sermo  gebraucht;  aber  für  das  Ge- 
spräch im  Schauspiele  war  das  Kunstwort  diverhium. 

Diameter  oder  diametrus  (wofür  rein  lat.  dimetiens  gebraucht 
wird)  ist  nur  der  mathematische  Kunstausdruck  für  unser  Durch- 
messer. Im  N.  L.  findet  man  e  (ex)  diametro  in  der  Bedeutung 
dagegen,  hingegen,  für  contra,  e  contrario,  und  ebenso  toto  diametro 
ab  aliquo  discrepare  oder  dissentire,  für  prorsus  u.  a.  Aber  Sp.  L. 
ist  ex  diametro  contrarius  =  diametrcd  entgegengesetzt,  vgl.  Migne 
74,  217  nisi  prius  oderit  virtuti  ex  diametro  contrariam  malitiam  ; 
vgl.  Archiv  XI  S.  426. 

Diarium,  das  Tagehurh,  kommt  zwar  in  dieser  Bedeutung  von 
historischeu  Dingen  nur  in  einem  Fragmente  des  Geschichtschreibers 
Asellio  bei  Gellius  5,  18,  8  vor,  kann  aber  neben  dem  griechischen 
ephemeris,  welches  Cicero  einmal,  Quinct.  57,  gebraucht  hat,  und 
neben  dem  lat.  diurni  commentarii  recht  wohl    angewandt    werden. 


Diatriba  —     437     —  Dicere 

Diatriba  oder  diatrihe  ist  in  der  Bedeut.  Ahhamllung ,  Unter- 
siicMmg  erst  von  neuern  Lateinern  aus  dem  Griechischen  herüber- 
genommen, jedoch  wegen  der  lat.  Wörter  commentaiio,  dispiitatio, 
libellns  u.  a.  ganz  unnötig,  zumal  wenn  die  diatrihe  nicht  gerade 
etwas  Gelehrtes  enthält. 

Dica,  ein  Prozess,  haben  die  Römer  frühzeitig  in  ihre  Sprache 
aus  dem  Griechischen  d'txrj  herübergenommen,  aber  —  wie  Klotz 
lat.  Stilist.  S.  154  f.  schön  ausführt  —  ausschliesslich  da  verwendet, 
wo  von  griechischen  Zuständen  und  Verhältnissen  die  Rede  ist, 
z.  B.  Ter.  Phorm.  329,  Cic.  Verr.  2,  37.  Üblich  sind  übrigens  nur 
Acc.  Sing,  und  Plural  dicam  und  dicas,  vgl.  Neue- Wagener ^  I  S.  736. 

Dicere.  Im  Folgenden  ist  behandelt :  Dicere  ad  aliquid,  ali- 
quem,  —  ohne  folgendes  esse,  —  mit  abhängigem  negativem  Satz,  — 
im  Dialog,  bei  Citaten,  —  dicendo,  dicens,  —  „t(;ie  gesagt''''  in  histo- 
rischem und  abhandelndem  Stil ;  —  dixerimus  Potent.  Perf.  act. 
plur. ;  —  bei  Sprichwörtern,  in  verwundernden  Fragen;  —  ^unter  uns 
gesagt^^,  ^^nichts  zu  sagen  hahen^^ ;  —  itt  .  72on  dicam,  ne  dicam;  — 
jysage  ich''''  bei  Wiederaufnahme  der  Rede,  in  Fragen  mit  berichti- 
gender Wiederholung;  —  ,^ich  sage'^,  „nämlich"  hei  Appositioyi,  hei 
erklär eyuler  WiederJwlung ;  —  ,^Unsäglich^^ ,  dici  vix  ijotest;  — 
dixerim  in  Präsensbedeutung;  —  vel  dicam  berichtigend.  — 
Richtig  ist  zwar  dicere  ad  aliquid,  in  Bezug  auf  etwas  sagen, 
d.  h.  antworten,  z.  B.  Cic.  rep.  1,  30:  non  audeo  ad  ista  dicere; 
Tusc.  3,  78:  ad  Eincuri  consolationem  satis  est  dictum;  ebenso 
richtig  ist  dicere  ad  cdiquem  =  aimd  aliquem,  luenn  jemand  vor 
einer  Behörde,  vor  Gericht  u.  s.  w.  spricht,  z.  B.  ad  censores  di- 
cere, dicere  ad  ijopulum,  vgl.  Cic.  opt.  10,  Yerr.  2,  72,  Liv.  3, 
41,  1  (aber  gewöhnlich  bloss  dicere  in  senatu).  So  steht  auch  loqui 
ad  ijojyidum  bei  Cic.  Yerr.  1,  68;  vgl.  Kühner  zu  Cic.  Tusc.  3,  51, 
mein  Programm  Mannheim  1881  S.  47.  Hingegen  in  der  Bedeutung 
mit,  zu  jemand  sprechen,  sagen,  lediglich  zur  Mitteilung  oder  zum 
Austausch  von  Gedanken  ist  dicere  ad  cdiquem  zu  vermeiden.  Zwar 
werden  hierher  die  Worte:  ut  illa  ad  cdios  dicta  et  iwaecepta  exci- 
dant  bei  Cic.  Tusc.  3,  71  zu  ziehen  sein;  allein  da  diese  Worte  in 
einem  Yerse  stehen,  so  können  sie  um  so  weniger  etwas  beweisen, 
als  dicere  ad  cdiquem  =^  zu  jemcmden  sagen,  zwar  nicht  N.  L., 
sondern  in  der  Yulg.  (z.  B.  Luc.  2,  34)  und  bei  kirchlichen  Autoren 
dem  griechischen  elrcelv  npo^  rcva  sklavisch  nachgebildet  ist,  statt 
des  echt  lat.  dicere  aliciii ;  vgl.  Gölzer  Hieron.  S.  329.  —  Falsch  wäre 
auch,  esse  in  Wendungen  zu  gebrauchen  wie :  audeo,  non  duhito 
te  sainentem  esse  dicere,  wo  esse  wegbleiben  muss.  Ygl.  Cic.  Brut. 
35  und  Wunder  zu  Cic.  Plane.  S.  182.  —  Statt  dicere  sagt  man, 
wenn  der  abhängige  Satz  negativ  ist,  bekanntlich  in  der  Regel  ne- 
gare.  Indes  weicht  Liv.  wie  Cicero  von  diesem  Gebrauch  auch  ab, 
wie  z.  B.  Cic.  Süll.  43  dico  locum  esse  nidlum,  Liv.  21,  9,  3  und 
30,  12,  6.  Besonders  entschuldigt  wird  aber  —  s.  Fabri  zu  Liv. 
21,  9,  3  —  dieser  Gebrauch   dann,    wenn    die  Negation   vorangeht 


Dicere  —     438     —  Dicere 

und  dicere  zu  Ende  eines  Satzteiles  oder  des  ganzen  Satzes  steht, 
wie  Cic.  fin.  1,  64  7iihil  ijosse  percipi  diciint ;  vgl.  noch  Liv.  23, 
10,  13  u.  ib.  c.  13,  1;  30,  22,  5;  32,  10,  6  u.  44,  19,  1.  —  N.  L. 
ist  es,  im  Gespräche  mehrerer  zur  Angabe  der  sprechenden  oder 
vielmehr  der  antwortenden  Person  dixi,  resijondi,  dixit,  respondit 
zu  brauchen,  für  inqiiam  und  inquit  Davon  liefern  die  Dialoge 
bei  Cicero  Beweise;  vgl.  Cic.  Att.  1,  16,  10  und  namentlich  Ciceros 
eigene  Worte  Lael.  3  quasi  enim  ipsos  indnxi  loquentes,  ne  inqiiam 
et  inquit  saepins  interponeretur.  —  N.  L.  wird  es  ferner  nach 
deutscher  Manier  in  die  Worte  eines  Sprechenden  eingeschoben, 
z.  B.  animus  aeger,  dicit  Flato,  errat,  für  inqiiit  Plato  oder  ut  att 
Plato]  richtig  ist  es  aber,  wenn  die  Worte  nachfolgen,  also  Plato 
dixit:  Animus  aeger  errat.  Dagegen  richtig  kann  dicere  gebraucht 
werden,  wenn  die  Worte  eines  Sprechenden  unverändert  vorangehen : 
Cum  qiiidam  .  .  .  visne  Romam  ire  Inno  f  dixisset,  Liv.  5,  22,  5.  — 
Nach  einem  Verbum  dicendi  noch  dicendo  hinzuzusetzen,  dadurch 
dass,  indem,  ivenn  er  sagt,  für  cum  dicit,  cpwd  dicit  oder  für  unser: 
und  sagte  cum  diceret,  z.  B.  Liv.  8,  21,  8;  37,  32,  12  u.  39,33,  7, 
Cels.  S.  80  D.,  Yal.  Max.  5,  2,  8  und  8,  9,  3,  Quintil.  8,  4,  25, 
Lact.  inst.  6,  24,  13,  ist  ausschliesslich  N.  Kl.  und  zu  meiden;  vgl. 
Ott  Gerund.  S.  33.  Ebenso  scheint  uns  sehr  wenig  empfehlenswert, 
dicens  in  Verbindung  mit  locutus  est,  clamavit  u.  ä.  zu  gebrauchen; 
dies  gehört  vorzugsweise  der  Yulg.  und  überhaupt  dann  dem  Sp.  L. 
an,  vgl.  Kaulen  S.  246,  Thielmann  Apoll.  S.  18,  Stowasser  Xenia 
Austriaca  1893  S.  146  (sehr  häufig  bei  Porphyrie).  Mit  Recht 
widerrät  Seyffert  Progymn.  S.  82  überhaupt  dicens  statt  cum  diceret 
zu  sagen ;  er  hält  dies  dicens  z.  B.  repudiavit  donum  oblatum  dicens 
wenig  dem  Geiste  der  lat.  Sprache  angemessen.  —  Unser  ivie  gesagt 
in  Beziehung  auf  etwas  Yorhergesagtes  wird  durch  ut  (ante,  supra) 
dictum  est  oder  durch  ante,  antea,  supra  dixi  oder  diximus  nach 
Umständen  ausgedrückt.  Niemals  aber  wird  iam  beigefügt,  wozu 
das  Deutsche  ivie  ivir  sclion  oben  gesagt  haben,  luie  schon  oben  be- 
merkt ist,  verführen  könnte.  Es  ist  aber  bei  der  persönlichen  Kon- 
struktion zwischen  dem  Singular  und  Plural  wohl  zu  unterscheiden. 
Der  Gebrauch  des  ersten  Numerus  lässt  den  Sprechenden  mehr  in 
den  Vordergrund  treten,  während  der  Plural  gebraucht  wird,  wenn 
man  nicht  eben  seine  Persönlichkeit  hervorheben  will.  Deswegen 
ist  es  dem  historischen  Stil,  bei  dem  der  objektive  Inhalt  der  Er- 
zählung die  Hauptsache  ausmacht,  eigentümlich,  für  unser  ivie  gesagt 
regelmässig  entweder  den  Plural  oder  die  impersonale  Konstruktion 
zu  gebrauchen.  So  hat  selbst  Amm.  nur  zweimal  ut  dixi.,  16,  18 
und  19,  2,  dagegen  elfmal  den  impersonalen  Ausdruck  und  oft 
(z.  B.  14,  10;  17,  14;  19,  5;  25,  4  und  28,  3)  den  personalen 
Plural.  Bei  Florus  findet  sich  in  der  einzigen  einschlägigen  Stelle: 
ut  diximus,  3,  12,  2.  Justin  hat  nur  die  impersonale  Fügung,  s. 
2,  5,  9;  23,  3,  2;  38,  9,  2  und  41,  5,  8.  Fast  das  Gleiche  gilt 
von  Ctirtius.    Während  er  den  kommunikativen  Plural  nur  zweimal 


Dicere  —     439     —  Dicere 

anwendet,  7,  1,  6  und  9,  5,  9,  bedient  er  sich  sonst  durchaus  der 
impersonalen  Verbindung,  z.  B.  3,  7,  7;  4,  3,  16;  5,  1,  11;  6,  4, 
19;  8,  6,  2  und  9,  10,  24.  Nejws  hat  siciit  ante  dictum  est, 
Dion.  9,  5,  sonst  dagegen  nur  den  Plural,  welcher  auch  bei  Vell. 
Fat.  einzig  und  allein  vorkommt.  Was  Liviits  betrifft,  so  findet 
sich  bei  ihm  konstant  nur  der  Impersonale  Ausdruck.  S.  darüber 
Allgayers  Zusätze  und  Berichtigungen  zum  Antibarbarus  S.  43.  Bei 
Caesar  wechselt  der  kommunikative  Plural  mit  der  impersonalen 
Yerbindung.  Sallust  hat  den  Singular  nur  Catil.  55,  1,  den  Plural 
dagegen  ib.  16,  1  u.  Jug.  84,  1  und  ut  supra  dictum  est,  ib.  96,  1. 
Bei  Tac.  tritt  der  Singular  erst  in  den  Annalen  in  Vordergrund, 
woraus  Wölfflin  Phil.  XXV  S.  97  f.  ein  wichtiges  Moment  für  die 
Beurteilung  der  genetischen  Entwicklung  des  taciteischen  Stiles  her- 
leitet. Für  den  abhandelnden,  didaktischen  Stil  muss  die 
persönliche  Verbindung,  und  zwar  im  Singular,  aus  einem  leicht  ein- 
zusehenden Grunde  als  das  Gewöhnliche  und  Regelmässige  betrachtet 
werden.  Bei  Sen.  steht  nur  nat.  2,  30,  4,  bei  Quintil.  nur  2,  17, 
3  u.  6,  2,  2  der  Plural,  bei  Lact.  inst,  nur  4,  25,  5  u.  6,  18,  30 
ut  supra  dictum  est,  sonst  haben  alle  diese  Autoren  immer  ut  dixi 
u.  dgl.  Cicero  endlich  weist  in  seinen  Reden  auf  etwas  Vorher- 
gesagtes selbstverständlich  nur  durch  den  Singular  zurück.  Vgl. 
Sulla  53,  Cluent.  147,  Mil.  45,  Verr.  2,  71  u.  3,  1.  In  den  di- 
daktischen Schriften  hat  er  beide  Arten  des  Ausdrucks,  die  Imper- 
sonale und  noch  öfter  die  personale  des  Singulars.  S.  Allgayers 
Zusätze  etc.  S.  44.  —  Hier  will  ich  auch  den  Potentialis  Perf.  act. 
plur.  erwähnen,  z.  B.  dixerimus  bei  Cic.  Tusc.  3,  7  und  nat.  deor. 
1,  52;  diese  KI.  und  N.  Kl.  seltene  Konstruktion  findet  sich  häufig 
erst  im  S}).  L. ;  vgl.  meine  Abhandlung  in  Wölfflins  Archiv  I 
S.  347  f.  —  Bei  Sprichwörtern  heisst  ivie  man  sagt  nicht  ut  dicunt, 
sondern  itt  aiunt  oder  ttt  dicitur,  auch  quod  aiunt;  z.  B.  Cic.  Sest. 
59  vivus,  ut  aiunt,  et  videns,  vgl.  Landgraf  Bayr.  Gymn.  XVI 
S.  318  und  besonders  für  die  Stellung  des  id  aiunt  Seyffert-MüUer 
zu  Lael.  S.  113  u.  535.  —  In  der  verwundernden  Frage  ivas  sagst 
du  ?  heisst  es  quid  ais  ?  nicht  quid  dicis  f  —  Unsere  Redensart  das 
sei  unter  uns  gesagt  oder  bloss  unter  uns  gesagt  heisst  nicht  hoc 
inter  nos  sit  dictum,  sondern  hoc  (quod)  inter  nos  liceat  dicere  (Cic. 
Att.  2,  4,  1)  oder  hoc  inter  nos  sit;  nichts  zu  sagen  (zu  befehlen) 
haben  heisst  nicht  nihil  dicendum  habere,  sondern  niliil  potestatis 
habere;  z.  B.  hierbei  haben  ivir  nichts  zu  sagen  (zu  befehlen),  nihil 
nos  in  eo  potestatis  habemus  (Cic.  Verr.  4,  75).  —  Ut  omittam,  prae- 
teream,  ut  plura  non  dicam  u.  dgl.  wird  gebraucht,  um  anzudeuten, 
man  erwähne  etwas  so,  dass  man  etwas  anderes  lueniger  zur  Sache 
Gehöriges  übergehe,  während  ne  dicam  nur  besagt,  dass  man  etwas 
Stärkeres  sagen  könnte,  aber  nicht  sagen  wolle,  weil  man  fürchtet, 
zu  viel  zu  sagen.  S.  Seyffert  seh.  lat.  I  S.  87,  Halm  zu  Cic.  Sest. 
1.  —  Endlich,  wenn  eine  unterbrochene  Rede  von  uns  durch  sage 
ich  wieder  aufgenommen  und  fortgesetzt  wird,  braucht  man  lat.  nicht 


Dicere  —     440     —  Dicere 

dico,  sondern  inqiiam,  z.  B.  gerade  an  jenern  Tage,  sage  ich  — ; 
illo  inquam  (nicht  dico)  ipso  die.  Wenn  man  dagegen  ein  Wort  in  der 
Frage  der  Epanorthose  wiederholt,  um  es  als  unstatthaft  zu  verwerfen 
und  dafür  etwas  mehr  Sagendes,  Bedeutenderes  zu  suhstituieren,  so  luird 
die  Wiederholung  durch  dico  eingeführt :  meae  quidem  aures  perfecta 
completoque  verhorum  amhitii  gaudent.  Quid  dico  meas?  contiones 
saepe  exclamare  vidi,  cum  .  .  .  Cic.  orat.  168.  Me  res  familiaris 
movet.  Rem  dico?  immo  vero  existimatio,  Att.  16,  15,  5.  Liter 
honos  viros  ac  deos  amicitia  est ;  amicitiam  dico  ?  immo  etiam  necessi- 
tudo  et  similitudo,  Sen.  de  prov.  1,  5.  S.  ausserdem  Cic.  Phil.  2, 
48;  2,  67  u.  5,  5,  Quintil.  8,  6,  70.  Wenn  wir  ferner  im  Deutschen 
die  Apposition  durch  lülmlich,  ich  sage  anschliessen,  wird  diese  Bei- 
fügung im  Lat.  gleichfalls  durch  dico  vermittelt,  und  zwar  so,  dass 
die  Apposition  ihrer  Natur  gemäss  unabhängig  von  dico  in  dem 
Kasus  des  vorangegangenen  Nomens  steht:  quid  est  dulcius  otio 
litterato?  iis  dico  litteris,  quibus  .  .  .  Cic.  Tusc.  5,  105.  Utinam 
C.  Caesari,  patri,  dico,  adidescenti  contigisset,  ut  .  .  .  Cic.  Phil. 
5,  49,  ferner  hominem  nonnidlis  rebus  inferiorem  quam  te,  genere 
dico  et  nomine,  supejnorem  aliis  .  .  .  aedilem  factum  esse  miraris  ? 
Plane.  30,  Cic.  Cael.  32  nisi  intejxederent  mihi  inimicitiae  cum  istius 
midieris  viro,  fratre  volui  dicere.  Sed  nobis,  declamatoinbus ,  dico, 
quid  proderit  hoc  intellexisse  ?  Quintil.  9,  2,  83.  Nur  wenn  die  Appo- 
sition zu  einem  Nomin.  gehört,  wird  sie  klass.  bei  c^ico  in  der  Regel 
durch  den  Accus,  beigefügt:  illae  pestes  non  minus  graves  sunt, 
pestem  dico  et  praecordioi'um  suppurationes  et  febrem  viscera  ipsa 
torrentem,  Sen.  epp.  14,  6.  Haec  duo  iucunda  sibi  censent,  verba 
dico  et  sententiasy  Cic.  orat.  197  u.  Tusc.  4,  36.  Superioj^es  magis  ad 
omne  genus  apti,  Crassum  dico  et  Antonium,  ib.  106.  Veteres  Uli, 
Herodotum  dico  et  Thucgdidem,  ib.  219.  Haec  qui  prospexerunt, 
maiores  nostros  dico,  agr.  2,  95  und  so  auch  bei  Sen.  d.  v.  beat. 
15,  6:  cßiae  accidunt  tum  bonis  quam  mcdis,  morbos  dico.  Doch  steht 
N.  Kl.  auch  der  Nominativ:  affert  in  his  momentum  et  aetas  et 
sexus  et  pignora,  liberi  dico  et  parentes  et  propinqui,  Quintil.  1,  6, 
24.  Wird  endhch  ein  Nomen  nicht  als  Apposition  zu  einem  andern 
angefügt,  sondern  wird  dasselbe  Substantiv  oder  ein  stellvertretendes 
Pronomen  wiederholt  oder  erklärt,  so  steht  die  Wiederholung  gleich- 
falls im  Kasus  des  vorangegangenen  Nomens:  ille  miJii  praesidium 
dederat;  cum  dico  ,^mihi^^,  senatui  dico  populoque  Romano,  Cic.  Phil. 
11,  20.  Nee  ignoro  varias  fuisse  philosophorum  sententias,  eorum 
dico,  qui  summum  bonum  in  cmimo  ponerent.  De  illa  C.  Caesaris 
caede,  illius  dico,  qui  superato  Pompeio  rem  publicum  tenuit,  tam 
creditum  est  Tillio  Cimbro  quam  .  .  .  Sen.  epp.  83,  12.  Verania 
Pisonis  graviter  iacebat,  huius  dico  Pisonis,  quem  Galha  adoptavit, 
Plin.  epp.  2,  20,  2  u.  3,  5,  14.  Nur  wenn  das  zu  wiederholende 
oder  zu  erklärende  Wort  im  Nominativ  steht,  wird  bei  dico  in  der 
Wiederholung  klassisch  der  Accus,  gesetzt:  nullus  in  imperio  meo 
sumptus  factus  est,  nulluni  cum  dico,   non   loquor  bTiepßoAcxcüi,  Cic. 


Diclo  —     441     —  Dictamen 

Att.  6,  2,  4  u.  Phil.  14,  22.  Nachklass.  kann  hingegen  statt  des 
Accus,  auch  der  Nomin.  gewählt  werden:  Arrianus  Maturius  Alti- 
natitmi  est  pfinceps.  Cum  dico  pnnceps,  non  de  facidtatihus  loqaor, 
quae  Uli  large  sitpersuni.,  Plin.  epp.  3,  2,  2.  Dass  dies  überhaupt 
P.  u.  N.  KL  ist,  den  I^lominativ  absolut  hinzustellen,  statt  ihn  in 
die  Konstruktion  hineinzubeziehen,  habe  ich  Syntax^  §  43  gezeigt. 
—  Für  unser  unsäglich.,  unhegreiflicJi,  unaussprechlich  kann  ferner 
dicere  gut  verwendet  werden  in  der  bekannten  Phrase  noyi  dici  j)otest 
und  dici  vix  potest,  quam  .  .  z.  B.  ich  habe  ein  unsägliches  Heim- 
weh nach  Rom  =  non  dici  potest,  quam  flagrem  desiderio  ufhis, 
Cic.  Att.  5,  11,  1  und  ganz  ebenso  5,  17,  5.  Und  über  dici  vix 
(klass.  nicht  vix  dici!)  potest:  Quorum  (sonormn)  dici  vix  potest., 
quanta  sit  vis  in  iitramqiie  partem,  leg.  2,  38  u.  Verr.  4,  127,  orat. 
55,  Quinct.  54,  post  red.  ad  Quir.  4;  wir  empfehlen  dies  besonders 
in  Yerbindung  mit  dem  Relativ,  z.  B.  qui  dici  vix  potest  quam 
fiierit  eloquens.  So  drückt  sich  auch  N.  Kl.  Colum.  11,  1,  16  aus, 
während  in  der  silbernen  Latinität  sonst  vix  dici  potest,  qu.ot,  quan- 
tum  gefunden  wird,  s.  Quint.  2,  2,  8  u.  11,  3,  85.  —  Der  Konj. 
des  Perf.  dixerim  wird  in  der  Präsensbedeutung  klass.  nur  absolut 
gebraucht,  im  silbernen  Zeitalter  aber  ist  ut,  sie,  ut  ita  dixerim 
häufig;  vgl.  Nipperdey  zu  Tac.  ann.  14,  53  u.  Lagergren  S.  168. 
Das  Gleiche  gilt  fürs  Sp.  L.,  vgl.  ut  verius  dixerim,  ut  plenius 
dixerim  u.  ä.  im  Index  zu  Cyprian  von  Hartel.  —  Endlich  beachte  man 
auch  noch  das  berichtigende,  oder  einen  angemesseneren  Ausdruck 
bringende  vel  dicam,  z.  B.  quando  enim  nohis  vel  dicam  aut  oratoribus 
bonis  aut  po'etis  .  .  .  tdlus  orationis  .  .  ornatus  defintf  Cic.  fin.  1, 
10,  wo  Böckel  auch  noch  auf  Cic.  Brut.  207  u.  Phil.  2,  30  hinweist. 

Dicio,  die  Macht,  Geivalt,  Oberherrlichkeit,  Botmässigkeit.  N. 
L.  wurde  früher  dieses  Wort  in  der  Bedeutung  Land,  Landbesitz 
u.  dgl.  falsch  gebraucht.  Ebenso  falsch  sagt  Hemsterhuis  (oratt. 
S.  7)  ut  suis  adiungeret  dicionibiis  für  ut  in  suam  redigeret  potestatem, 
was  doppelt  irrig  ist,  da  bei  diesem  Worte  vom  Plural  nichts  vor- 
kommt. Vom  Singular  findet  sich  nur  der  Genit.,  Dat.,  Accus,  und 
Ablat.;  der  Nominativ  ist  bis  jetzt  nur  aus  Gloss.  nachgewiesen. 

Dicis  causa  dient  dazu,  um  zu  sagen,  dass  eine  Handlung  nur 
den  Schein  des  Rechtes  oder  des  recJUlichen,  gesetzmässigen  Ver- 
fahrens an  sich  hat;  also  unser:  zum  Scheine  (legaler  Handlung) 
um  einen  Groschen  verkauft  luerden,  heisst  dicis  causa  numo  uno 
venire  bei  Gai.  inst.  2,  252;  vgl.  Boot  zu  Cic.  Att.  1,  18,  5  und 
Thomas  zu  Cic.  Yerr.  4,  53.  Aus  der  gerichtlichen  Sprache  über- 
tragen bedeutet  es  sodann  als  religiöser  t.  t.  bei  dem  altern  Plinius 
und  Arnobius  der  Form,  des  Herkommens,  des  herkömmlichen  Ge- 
h^auches  luegen.  Nach  Wölfflin  Archiv  I  S.  172  wird  nur  bei  Ju- 
risten wie  Gaius  das  ältere  dicis  causa  durch  dicis  gratia  abgelöst; 
vgl.  noch  Neue-Wagener^  I  S.  731. 

Dictamen,  Spruch,  Vorschrift,  ist  N.  L.  für  dictum,  praescriptum, 
praeceptum. 


Dictare  —     442     —  Dictus 

Didare  bedeutet  wohl  nicht  gerade  sagen,  ausser  bei  Spätem, 
sondern  nur  vorsagen,  diktieren,  z.  B,  didare  ejnshdmn,  Cic.  Att. 
10,  3a,  1 ;  dagegen  heisst  sagen  auch  ausser  dicere  noch  diditare. 
Richtig  und  gut  ist  daher  didata  (aber  nur  als  Plur.),  das  Diktierte, 
die  Diktate,  z.  B.  meani  in  illiun  (orationem)  pueri  omnes  tamquam 
didata  perdiscu7it,  Cic.  Q.  fr.  3,  1,  11.  Über  didare  in  calamiim 
oder  in  pennam  s.  Calamus. 

Dideriüm  ist  N.  L.  in  der  Bedeutung  Schimpf-  oder  Schmäh- 
rede, für  maledidum,  conviciimi;  im  altern  Latein  bedeutet  es  Witz- 
wort^  für  dictum  oder  lepide,  facete,  acute  dictum,  wofür  es  nach 
Cicero  (bei  Macrob.  sat.  2,  1,  14)  der  gelehrte,  eigentliche  Kunst- 
ausdruck war;  da  er  sich  nach  Döderlein  (Synonym.  IV  S.  29,  30) 
auf  die  Sprache  der  Gelehrten  und  Gebildeten  beschränkte,  so  kann 
das  Wort  noch  heutzutage  trotz  seiner  Seltenheit  in  dieser  Bedeutung 
angewandt  werden. 

Dictio  ist  bei  den  Alten  das  aktive  Beden  und  Sprechen,  der 
Vortrag,  die  Redensart,  der  Ausdruck,  das  Gespräch,  die  Unter- 
haltung. Im  iSl.  L  hat  es  (nach  den  schon  bei  altlat.  Grammatikern 
u.  Metrikern  wie  Prise.  2  S.  51,  10  (H.):  in  peregrinis  dictionibus 
u.  ib.  15,  16,  18  und  3,  c.  14  de  dictione,  sowie  Terentian  1317 
vorkommenden  Stellen)  die  Bedeutung  das  Wort,  für  verhum,  voca- 
hulum.     Ygl.  Werth  S.  311.     Man  meide  es  in  letzterem  Sinne. 

Dictionarium  oder  dictionarius  (seil,  liber)^  das  Wöi^terhuch,  ist 
N.  L.  und  falsch.  Ein  Unding  ist  vollends:  Dictionarium  edi- 
tioyium,  weil  hier  nicht  einmal  Wörter,  sondern  Ausgaben  aufgeführt 
werden.  Ebenso  missbraucht  wird  das  Wort  lexicon.  Ygl.  Lexi- 
con.  —  Für  dictionarium  ist  das  Wort  lexicon  noch  immer  das 
passendste;  denn  es  ist  teils  die  griechische  Benennung,  teils  liegt 
nichts  Falsches  darin.  Perpinian  sagt  (or.  S.  467)  collectio  verborum, 
wofür  —  s.  collectio  —  index  verborum  jedenfalls  besser  wäre. 

Dictus,  gesagt,  genannt,  mit  sie,  ita,  infra,  modo  verbunden, 
ist  durchaus  zu  vermeiden;  dafür  sagt  man :  quem  dicunt,  vocant, 
qui  dicitur,  vocatur,  und  zwar  so,  dass  sie  dem  Substantiv,  zu 
welchem  sie  gehören,  nachgestellt  werden.  Besser  beglaubigt  ist 
dagegen  suiwa  dictus.  Es  findet  sich  nicht  nur  Sp.  L.  bei  Lact.: 
idem  Cicero  in  tertio  supra  didi  operis  libro  ostendit,  6,  5,  5  und: 
in  quarto  supra  didi  operis  libro,  de  ira  D.  2,  6,  sondern  auch 
beim  altern  Plinius:  regio  in  qua  supra  didi  desinunt  montes, 
5,  78 ;  Arabia  supra  dida  habet  oppida  Edessam  etc.,  ib.  86 
und :  haec  parva  sed  p)aria  supra  didis,  ib.  6,  8 ;  endlich  selbst 
bei  Quintil.:  totidem  vitia,  quae  sunt  supra  didis  contraria,  b,  1,  1; 
quod  est  unum  ex  supra  didis,  ib.  6,  1,  13  und  molliora  supra 
dictis  Myron  fecit,  ib.  12,  10,  7.  Besonders  beliebt  scheinen  supra 
dictus  und  supra  scrijHus  im  Kanzleistil  gewesen  zu  sein,  vgl.  N. 
Jahrb.  1891  S.  218.  Klass.  ist  cquem  supra  diximus,  z.  B.  Caes. 
Gall.  4,  4,  1  Tenderi,  quos  supra  diximus.  —  Unser  sogenannt  kann 
aber  auch  durch  das  seinem  Beziehungswort  in  Parenthese  nachgesetzte 


Didactrum  —     443     —  Dies 

ita  vocant  ausgedrückt  werden,  z.  B.  die  sogenannte  Schidpforte 
wäre  Portensis  ita  vocant  scJiola  nach  Livius  30,  8,  3  und  35,  34, 
2,  oder  ita  erscheint  im  verbundenen  Relativsatz :  ad  castra  Pyrrhi 
pervenit ;  locus ^  quem  ita  vocant^  est  in  Triphylia,  Liv.  32,  13,  2. 
Omnes  contemnite,  qui  se  liorum,  qui  nunc  ita  appellantur,  rJietorum 
praeceptis  omnem  oratorum  vini  complexos  esse  arhitrantur,  Cic.  de 
or.  3,  54.  —  Nicht  N.  L.  ist  dictum  factum  gesagt  getan,  vgl.  Ter. 
Haut.  904;  es  findet  sich  auch  dictum  ac  factimiy  Ter.  Andr.  381; 
vgl.  von  Wyss  S.  65,  Sjögren  S.  4.  Sp.  L.  bei  Hieron.  ep.  78,  9 
steht  necdum  dictum  iam  factum. 

Didactrum,  das  Lehr-  oder  Schidgeld,  Honorar  für  Unterricht, 
ist  das  griechische  Wort,  welches  aber  von  keinem  Lateiner  ge- 
braucht wurde.  Nur  das  Wort  merces  war  in  diesem  Sinne  üblich ; 
vgl.  Honorarium. 

Dies,  Tag,  kommt  als  Feminin,  nur  im  Sing,  in  der  Bedeutung 
Termin^  Zeitpunkt  vor  und  ist  bei  Cicero,  Caesar,  Livius  u.  a.  mit 
den  Beiwörtern  certa,  statu,  statuta,  constituta,  praestituta  (Liv.  6, 
4,  5)  verbunden,  sowie  in  den  präpositionalen  Wendungen  ante,  ad, 
post  eam  diem,  ex  ea  die,  besonders  üblich,  wiewohl  auch  da  oft 
das  Masc.  steht,  wie  im  Plur.  immer;  vgl.  Mützell  zu  Curt.  3,  1,  8, 
Kühnast  S.  33,  Sirker  S.  21,  Schmalz  Pollio^  S.  9.  P.  L.  und  N. 
Kl.  ist  orto  die,  Tac.  ann.  1,  20  und  1,  68,  bist.  2,  21,  für  orta 
luce;  vor  Tagesanbruch  heisst  ebenso  klassisch  ante  lucem  (nicht  a. 
diem)'.,  lange  vor  Tag  ist  hene  ante  lucem,  Cic.  de  or.  2,  259;  es 
ist  Tag  =  lucet  {dies  est  nur  Hör.  epp.  1,  2,  35);  es  ivar  noch 
nicht  Tag  geivorden,  nondum  lucehat  (Cic.  S.  Rose.  97);  ehe  es  Tag 
war,  antequam  luceret  (Cic.  Cluent.  27);  es  ivird  Tag,  lucescit,  nicht 
dies  fit  (was  erst  Sp.  L.  in  der  Yulg.  bei  Luc.  22,  66  gefunden 
wird);  es  ist  Tag  geivorden,  luxit  oder  mit  dies  —  dies  illuxit. 
Substantivisch  aber  ist  Tagesanbruch  ganz  gut  durch  ortus  lucis 
ausgedrückt,  was  sich  nicht  nur  in  der  Vulgata,  üb.  Sapient.  16,  28, 
sondern  auch  Curt.  5,  3,  7  findet,  und  ib.  lucis  exortus,  5,  10,  12. 
—  Stiftungs'  oder  Gründungstag  einer  Stadt  heisst  dies  natcdis  urbis 
(Cic.  div.  2,  98),  und  so  der  Stiftungstag  einer  Schule,  dies  natalis 
scholae  oder  ludi  litterarii.  —  Selten  und  mehr  F.  L.  ist  diesque 
noctesque  oder  noctesque  diesque  bei  Tag  und  Nacht,  für  dies  noctes- 
que,  dies  et  noctes,  et  dies  et  noctes,  noctes  et  oder  ac  dies,  oder  nocte 
ac  die,  die  ac  nocte  continuato  itinere,  Caes.  civ.  3,  11,  1  und  36,  8. 
Näheres  hierüber  siehe  bei  Landgraf  S.  Rose.  S.  142  und  H. 
J.  Müller  in  Z.  f.  G.  W.  1881  S.  683,  Ellis  zu  Yell.  2,  41,  3,  der 
darauf  hinweist,  dass  die  Reihenfolge  dies  et  noctes  den  Yorzug  ver- 
dient vor  noctes  et  dies  (aber  Caes.  sagt  auch  nocte  ac  die  civ.  3, 
11,  1,  was  Ellis  entgangen  ist).  —  Über  die  Redensart  von  Tage  zu 
Tage.,  de  die  in  diem,  vgl.  De.  —  Gut  aber  ist  in  diem  vivere,  in 
den  Tag  hinein  leben,  d.  h.  ganz  unbesorgt  um  die  Zukunft  leben, 
gleichsam  nur  für  den  einen  Tag  (Cic.  de  or.  2,  169).  Gut  ist  auch 
in  diem  vivere,  von  dem  leben,   was  der   tägliche  Eriverb   bringt,  s. 


Diescere  —     444     —  Differre 

Halm  zu  Cic.  Phil.  2,  87;  bei  Liv.  22,  39,  11:  in  cliem  rapto  vivere 
ist  in  diem  mit  rcqjfo  zu  verbinden  und  zu  übersetzen:  von  dem 
leben,  ivas  man  je  auf  einen  Tag  rauht.  Noch  mehrere  Belege 
dafür  bietet  Wölfflin,  Liv.  Kritik  S.  23.  —  In  diehus  nostris,  in 
lüuern  Tagen,  d.  h.  jetzt,  für  hoc  tempore^  Jiis  temporibus,  nostra 
tnemoria  ist  sehr  spätlat.  bei  Greg.  dial.  3,  19,  init.  und  Leo,  serm. 
47,  2  und  91,  2;  vgl.  meine  Syntax^  §  95  Anm.  2.  —  Bei  den 
Namen  der  Feste,  luelche  aus  mehreren  Tagen  Gestehen,  steht  im 
Lat.  für  primus  etc.  dies  Saturnalium  meist  verkürzt  und  mit  dem 
Namen  des  Festes  selbst  verbunden  :  prima,  secunda^  tertia  Satur- 
nalia^  so  bei  Cic.  Att.  13,  52,  1  :  secundis  Saturnalibus  und  nach- 
her tertiis  Saturnalibus  =  am  2.,  am  S.  Tag  der  S.;  ebenso  Cael. 
bei  Cic.  fam.  8,  12,  3  summis  Circensibus  ludis,  was  Manutius  mit 
exti^emis  diebus  Circensium  ludorum  Qv^Y^^xt.  Also  kann  man  auch 
bei  christlichen  Festen,  z.  B. :  am  ersten  Ostertag,  primis  Pascha- 
libus  sagen.  Doch  finden  sich  davon  wenigstens  bei  ludis  auch  Ab- 
weichungen^ z.  B.  ludorum  Romanorum  secundo  die,  Liv.  45,  1,  6. 
Nescis  heri  (piartum  in  circo  diem  ludorum  Romanorum  fuisse,  Cic. 
Phil.  2,  110.  Ut  Romam  rediit  extremo  ludorum  scaenicorum  die, 
de  or.  3,  2  und:  summo  ludorum  die,  Asin.  Poll.  bei  Cic.  fam.  10, 
32,  2 ;  dass  summus  in  dieser  Verbindung  =  extremus  und  nicht- 
ciceronisch  ist,  habe  ich  Pollio^  S.  36  zu  erweisen  gesucht.  —  Bei- 
zubehalten sind  die  z.  T.  neuen  Namen  der  Wochentage  dies  Solis, 
Lunae,  Martis,  Mercurii,  lovis,  Veneris,  Saturni;  letzteres  —  Sa- 
turni  Sacra  dies  —  hat  Tib.  1,  3,  18,  vgl.  Gundermann,  Die 
Namen  der  Wochentage  bei  den  Römern,  in  Kluge's  Zeitschrift  für 
deutsche  Wortforschung  I  S.  175  —  186.  —  Über  diem  suum  obire, 
vgl.  Obire,  und  über  die  und  diu,  bei  Tage,  vgl.  Diu;  über  in  dies 
beim  Komparativ  vgl.   Quotidie. 

Diescere,   Tag  iverden,  ist  i\^.  L.  für  lucescere,  dilucescere. 

Diff'amare.  Dieses  Yerbum  scheint  vor  Tacitus  in  Prosa  nicht 
vorzukommen;  Tacitus  selbst  hat  es  offenbar  dem  Ovid  entlehnt,  der 
dasselbe  wie  viele  andere  in  die  Litteratur  einführte,  vgl.  met.  4, 
236 ;  es  ist  dies  gewiss  ein  sehr  glücklich  gebildetes  Wort,  welches 
seiner  Bedeutung  nach  nicht  mit  infamare  zusammenfällt.  Zunächst 
bedeutet  es  etwas  (Böses,  Schlimmes)  verbreiten,  wie  prava  diff'amare 
=  üble  Gerüchte  verbreiten,  bei  Tac.  ann.  14,  22;  im  guten  Sinne 
hat  es  erst  die  späte  Latinität  so  gebraucht,  z.  B.  Vict.  Yit.  prol. 
2  gloriam  elationis  suae  longe  lateque  gestiebant  laudabiliter  diffa- 
mari;  ebenso  August,  civ.  dei  3,  10.  Diffamare  cdiquem  aber  ist 
=  jemanden  verscJireien,  ins  Gerede  bringen,  wie  bei  Tac.  ann.  1, 
72  und  15,  49.  —  Davon  abgeleitet  ist  diffamatorius,  welches  N.  L. 
in  der  Bedeutung  verunehrend,  eJirenrührig,  vorkommt,  für  probro- 
sus,  maledicus,  ignominiosus,  famosus ;  man  meide  es  als  N.  L. 
durchaus. 

Differre,  als  Transitivum  =  unterscheiden,  '\^t  N.  L.  fäv  inter- 
noscere,  discernere.     Transitiv  drückt  es  zunächst  aus:  räundich  aus- 


Difficile  —     445     —  Diffidere 

einandertr eigen,  verhreiten :  casae  venu  magnitudine  ignem  in  omnem 
locum  castrorum  distulerimt,  Caes.  Gall.  5,  43,  2,  sodann  durch  die 
Rede  verbreite)),  wie  famcmiy  riimores,  aliquid  sermonibiis,  ja,  was 
unserm  Deutschen  jemand  in  übehi  Huf  bringen  am  nächsten  steht, 
selbst  di/ferre  cdiquem,  z.  B. :  variis  riimoribiis  differre  aliqueni  = 
ins  Geschrei  hingen,  wenigstens  vor-  und  nachklassisch  und  Sp.  L., 
wie  aus  Petschenigs  Index  zu  Yict.  Yit.,  vgl.  auch  Rönsch  Sem.  III 
S.  29,  hervorgeht;  vgl.  noch  Lucil.  1015.  Doch  ist  hievon  wohl  zu 
unterscheiden  differre  cdiquem,  ein  Ausdruck,  der  viel  mehr  besagt 
als  obiurgare^  vgl.  Lorenz  zu  Plaut.  Pseud.  347,  Spengel  zu  Ter. 
Andr.  407 ;  dies  differre  ist  =  scharf  mitnehmen,  ijlagen^  quäle^i, 
z.  B.  amore  differri,  Plaut.  Mil.  1163,  cnjndine,  Poen.  156.  Hin- 
gegen in  dem  Sinne  von  hinaus  schieben,  vertrösten,  ist  differre  cdi- 
quem  nicht  bloss  N.  Kl.  bei  Tac,  z.  B.  hist.  2,  71  und  3,  51, 
sondern  auch  bei  Liv.  26,  51,  10  und  41,  8,  5  und  selbst  bei  Cic. 
fam.  5,  12^  10,  vgl.  Böckel  z.  St.  Den  Termin,  auf  welchen  etwas 
verschoben  wird,  drückt  man  durch  i)i  c.  acc.  aus,  z.  B. :  in 
posterum  diem,  in  septimnm  diem  differre;  etivas  verschieben  bis  nach 
dem  Kriege  ist  differre  cdiquid  post  bellum,  Liv.  4,  6,  4.  Ganz  gut 
ist  auch  iudicium  differre,  die  Gerichtsverhayidhmg  hinausschiebe?); 
über  diem  de  die  differre  s.  Qitotidie.  —  Intransitiv  ist  diffeire  -^sich 
unterscheiden  ab  aliquo,  ab  aliqua  re,  inter  se,  in  der  Jugendschrift 
de  inv.  wiederholt  von  Cicero  cum  aliqua  re  konstruiert,  vgl.  Thiel- 
mann Cornif.  S.  66;  der  Dat.  alicni  ist  P.  und  N.  Kl.  — Bekannt- 
lich wird  differt  auch  impersonal  gebraucht,  und  dieser  Gebrauch 
ist  bei  Cicero  nicht  selten :  vide,  quid  differat  inter  meam  opinionem 
et  ttiam,  Cic.  div.  in  Caecil.  61.  Kst  quod  differat  hiter  iustitiam  et 
verecundiam,  Cic.  off.  1,  99.  Si  nihil  inter  deum  et  deum  differt, 
nat.  deor.  1,  80.  Dicit  differre  inter  honestum  et  tiuye  nimium 
quantum,  fin.  4,  70. 

Difficile  kommt  als  Adv.  Kl.  nirgends  vor;  Cicero  sagt  regel- 
mässig )2on  oder  liaud  facile  ausser  an  drei  Stellen  der  acad.,  wo 
dicht  hintereinander  difficiliter  dreimal  gebraucht  ist.  Bei  Caesar, 
Yarro,  Sallust,  Livius  ist  difficulter  üblich,  erst  mit  Yelleius  kommt 
difficile  als  Adverb  auf;  vgl.  Reisig-Haase-Hagen  S.  297,  Georges 
Yell.  S.  52,  Dräger  H.  Synt.  I,  106,  C.  F.  W.  Müller  zu  Cic.  off. 
S.  110,  Neue-Wagener^  II  S.  586,  Rönsch  Coli.  phil.  S.  25,  Georges 
Lex.  lat.  Wortf.,  Schmidt  Liv.  1889  S.  21. 

Diffidere  heisst  misstrauen,  Älisstrauen  in  jemand  setzen,  also 
nicht  =  keinen  Glauben  schenken,  was  Jion  credere,  fidem  non  habere 
bezeichnet.  Es  wird  regelmässig  mit  dem  Dativ  cdicui  oder  aliciii 
rei  verbunden,  wie:  sibi  patriaeque  diffidere,  Sali.  Cat.  31,  2;  veteri 
exercit'ui  diffidere,  Jug.  43,  3;  virtuti  militum  diffidere,  Jug.  52,  6; 
vitae  diffidere,  Cat.  45,  4.  So  ist  es  auch  bei  Caesar,  für  welchen 
Autor  Meusel  s.  v.  nur  diffidere  c.  dat.  gelten  lässt.  Auch  bei 
Cicero  und  seinen  Zeitgenossen  ist  der  Dativ  allein  gebräuchlich, 
z.  B.:  causae  diffidere,  inv.  2,  61;  memoriae  alicuius  diffidere,  part. 


k 


Diffluere  —     446     —  Diffuiidere 

59;  iwudentiae  alicuiits  diffidere,  Sulp,  bei  Cic.  fam.  4,  5,  6;  rei- 
piihlicae  penihis  diffidere,  fam.  5,  13,  3  und  diffidens  rogationi 
meae,  ib.  15,  4,  16;  sihi  ipsi  diffidit,  Phil.  9,  2;  voluntati  alicuius 
diffidere,  fam.  7,  10,  3;  causae  diffidere,  Cael.  bei  Cic.  fam.  8, 
17,  1;  urhi  et  otio  diffidere  urhano,  ib.  12,  1,  1;  sihi  diffidere, 
Cluent.  63;  diffidere  pe^jjetuiiati  honotmm  suoriim,  fin.  2,  86;  hiiic 
incipio  sententiae  diffidere,  Tusc.  5,  3;  mihi  ipse,  Siciliae  diffidens, 
div.  2,  8  und  Att.  10,  7,  3.  Was  Cic.  Att.  12,  43,  2  betrifft: 
de  Othone  diffido,  fortasse  qida  cupio,  so  steht  de  Otlione  für 
einen  ganzen  Satz  und  diffido  ist  absolut  gebraucht :  Inhetreff 
OtJios  hin  ich  misstrauisch.  Auch  N.  Kl.  wird  diffidere  fast  aus- 
nahmslos mit  dem  Dativ  verbunden:  diffidere  secitritati,  Sen.  epp. 
97,  14;  fidei  popularimn  diffisus,  Tac.  ann.  2,  1  extr.;  defensioni 
diffisus,  ib.  15,  35  extr.;  legioni  dassicae  diffidehatur,  Tac.  bist.  1, 
31;  memoriae  indicum  diffidere,  Quintil.  6,  1,  2;  tunc  maxime  tihi 
ipse  diffidis,  Plin.  epp.  7,  17,  9;  für  Curtius  sieht  Kräh  Progr. 
Insterburg  1886  S.  10  nur  den  Dativ  als  zulässig  an.  Mmmt  man 
noch  dazu,  dass  auch  bei  Tac.  bist.  2,  23  jetzt  wieder  diffisus  paii- 
citati  cohortiimi  gelesen  wird,  so  dürfte  für  den  A  b  1  a  t.  aus  der  sil- 
bernen Latinität  nur  Suet.  Caes.  3  übrig  bleiben:  cum  ingenio  eius 
diffisus  tum  occasione,  quam  minorem  opinione  offenderat,  vgl.  Bagge 
S.  18.  —  Gut  ist  diffidere  mit  folgendem  Accus,  c.  inf. :  ut  incendio 
conficerent,  quem  manu  super ay^i  posse  diffiderent,  Nep.  Alcib.  10,  4. 

Diffluere,  auseinanderfliessen,  im  eigentlichen  Sinne  ist  gut,  z.  B. 
in  der  bekannten  Stelle :  Rhenus  in  plures  diffluit  partes,  Caes.  Gall. 
4,  10,  4,  aber  in  alia  omnia  diffluere,  in  geistigen  Arheiten  sich 
gänzlich  zersti^euen,  vielerlei  treihen,  hat  keine  Autorität.  Antik  ist 
diffluere  alicj^ua  re  tropisch  nur  =  vergehen,  dahinschwinden,  z.  B. 
otio  diffluere,  Cic.  de  or.  3,  131,  luxuria  diffluere,  Cic.  off.  1,  106; 
vgl.  hiezu  besonders  Seyffert-Müller  z.  Lael.  S.  354,  und  so  auch 
von  lehlosen  Dingen,  welche  eigentlich  oder  tropisch  in  nichts  ver- 
schwinden, vgl.  Sali.  Jug.  1,  4  lihi  per  socordiam  vires  tempus  in- 
genium  diffluxere,  wo  diffluxere  =  ,^da]iin  sind^^,   vgl.  meine  Anm.  z.  St. 

Diffundere,  ausgiessen  ist  im  eigentlichen  Sinne,  z.  B.  ?;o/i  dem 
Ahziehen  des  Weines  aus  dem  Fasse  in  kleinere  Gefässe,  das  richtige 
Wort,  s.  Krüger  z.  Horat.  epp.  1,  5,  4.  Se  diffundere  und  das 
mediale  diffundi  bedeuten  trop.  sich  aushreiten,  verhreiten,  mit  in  c. 
accus,  oder  per  =  ilher,  durch  etwas,  wie  :  sanguis  in  omne  corpus 
diffunditur,  Cic.  nat.  deor.  2,  138.  Diese  mediale  Form  ist  gewöhnhcher 
als  das  reflexive  se  diffundere  sowohl  im  eigentlichen,  als  im  figür- 
lichen Sinne:  medicamentum  se  diffudit  in  venas^  Curt.  3,  6,  16. 
lüde  doctrina  se  diffudit  per  ceteras  Graeciae  partes,  August,  serm. 
150,  2  und:  nisi  eadem  (aqua)  se  admixto  calore  liquefacta  et  di- 
lapsa  diff linderet,  Cic.  nat.  deor.  2, 26 ;  überwiegend  hingegen  diffundim 
verschiedenen  Wendungen,  wie  radices  angustius,  rami  late  diffun- 
duntur,  tnde  diffusus  fons,  lux  diffusa  toto  caelo,  error  longe  late- 
que  diffusus,  Pompei  laus  ita  late  longeque  diffusa,  ut  .  .  . 


Digamma  —     447     —  Dignari 

Digamma  (Gen.  aus,  auch  bei  Cicero)  oder  auch  digammon  als 
Neutr.  N.  KL  u.  Sp.  L.,  das  Doppelgamma,  sind  beide  wohl  gute 
Formen,  aber  selten  kommt  digamnms  bei  Gramm,  als  Femin.  vor; 
also  nicht  digammus  aeolica,  sondern  digamma  oder  digammon  aeo- 
licum. 

Digeries,  das  Ordnen,  die  Einteilung  u.  a.,  ist  Sp.  L.  für  di- 
gestio,  descriptio. 

Digitus,  Finger.  D.  L.  ist  per  digitos  videre,  unser  bildliches 
durch  die  Finger  sehen,  für  indulgere,  conivere;  Kl.  aber  ist  digito 
tangere  auch  nur  mit  einem  Finger  anrühren,  z.  B.  Cic.  Tusc.  5,  55, 
dom.  50;  ne  digitnm  quidem porrigere  alicuius  7^ei  causa,  keinen  Finger 
krumm  machen  (von  gleichgültigen  Dingen),  Cic.  fin.  3,  57;  ebenso  gut 
braucht  man  digitus  in  dem  Sprichworte  keinen  Finger  breit  ab- 
gehen, digitnm  niisqiiam  discedere  oder  non  transversum  digitum 
discedere,  vgl.  Cic.  Att.  7,  3,  11,  Verr.  4,  33,  acad.  2,  58  ;  daneben 
ist  transversum  unguem  gleichfalls  üblich,  vgl.  Cic.  Att.  13,  20,  9, 
auch  pedem,  z.  B.  Cic.  Deiot.  42.  Man  merke:  etiuas  an  den  Fingern 
herzählen,  angehen,  in  digitis  suis  aliquid  constituere  (Cic.  Caecil. 
45),  oder  ifi  digitos  aliquid  digerere  (Quintil.  11,  3,  114);  mit  dem 
Fiiiger  auf  etivas  hiniveisen,  nicht  digito  intendere  in  oder  ad  cdi- 
quid,  sondern  digitum  intendere  ad  —  oder  digito  monstrare  und 
gewöhnlicher  demonstrare  digito.  Über  digito  monstrare  vgl.  man 
Apul.  met.  8,  21,  Hör.  carm.  4,  3,  22,  Pers.  1,  28,  hingegen  de- 
monstrare digito  steht  Cic.  rep.  6,  24,  de  or.  2,  266,  Nep.  Datam. 
11,  5,  Quintil.  6,  3,  38,  Tac.  dial.  7,  Suet.  Octav.  45,  Apul.  met. 
2,  30  init.  u.  9,  7  extr..  Gell.  19,  10.  Eine  besondere  Abhand- 
lung von  Echtermayer  über  Namen  und  symbolische  Bedeutung  der 
Pinger,  Halle  1835,  behandelt  diesen  Gegenstand;  vgl.  auch  Nägelsb.- 
Müller^  S.  546  und  599,  Archiv  YI  S.  325  ff. 

Dignari,  die  passive  Form  des  A.  L.  dignare,  ivürdigen,  kommt 
Kl.  nur  als  Passiv  vor,  geivilrdigt  iverden,  und  so  einigemal  bei 
Cicero,  sonst  selten,  bei  Caesar  und  Livius  nie;  vgl.  Thielmann 
Cornif.  S.  52.  Dagegen  als  Deponens,  dignari  aliquem  aliqua  re, 
einen  einer  Sache  ivürdigen,  kam  es  durch  Dichter  in  die  N.  Kl. 
Prosa,  bei  Columella,  Curtius,  Tacitus,  Sueton  u.  Gellius;  vgl.  Bagge 
S.  19,  Gorges  S.  47.  Yon  dignari  ist  N.  Kl.  nicht  selten  ein  Inf. 
abhängig:  qaos  eximia  specie  donare  natura  dignata  est,  Curt.  6,  5, 
29.  Qai  ad  sanos  nepotes  numquam  digyiatus  esset  decedere.,  Sen. 
contr.  4  (9),  28,  9.  Vilicum  mensae  sitae  die  festo  dignetur  adhi- 
here,  Colum.  1,  8,  5  und  öfters  in  den  Briefen  des  Jüngern  PHnius 
an  Trajan,  s.  Lagergren  S.  54,  Menna  S.  46.  Auch  dignatio  kommt 
bei  Cicero  nur  einmal  vor,  Att.  10,  9,  2,  vgl.  Boot  zur  St.,  ist  aber 
seit  Livius  bei  den  Historikern  in  der  Bedeutung  Arischen,  Würde, 
Wertschätzung  in  häufigem  Gebrauche.  Bei  Sueton  hat  es  aktive 
und  passive  Bedeutung,  vgl.  Bagge  S.  19.  Über  principis  dignatio 
Tac.  Germ.  11  vgl.  Müllenhoff  S.  259  ff.  Im  christl.  Latein  ist  es 
sehr  beliebt,  bei  Cypr.  =  Gunst,    so    besonders    dei    dignatio,   vgl. 


Dignoscere  —     448     —  Dignus 

Watson  S.  247.  Es  liegt  nach  allem  kein  Grund  vor,  das  Wort  von 
unserm  Gebrauche  auszuschliessen. 

Dlf/iioscere  aliquid,  etwas  unterscheiden,  ist  P.  L.  u.  oft  N.  KL, 
z.  B.  bei  Quint.  Tac,  vgl.  Bagge  S.  19,  also  wohl  nachzubrauchen 
neben  discernere,  internoscere. 

Dignus,  ivürdig,  wird  verbunden  mit  dem  Ähl  dessen,  wessen 
jemand  ivürdig  ist,  P.,  sowie  Sj).  L.,  vgl.  Huemers  Ind.  zu  Sedulius 
und  Harteis  Ind.  zu  Cyprian,  mit  dem  Genit.,  wie  in  Kl.  Zeit  nur 
Baibus  (Cic.  Att.  8,  15,  A  1):  dignus  tuae  virtutis  sagt,  was  nicht 
nachzuahmen  ist.  Liv.  21,  48,  6  ist  der  Genit.  morae  mit  pretio 
zu  verbinden,  während  dort  digno  absolut  zu  nehmen  und  dabei 
mora  zu  ergänzen  ist;  vgl.  Wölfflin  Rh.  Mus.  1882  S.  114,  Land- 
graf zu  Keisig-Haase  525a,  Hellmuth  Balb.  S.  38,  meine  Syntax^ 
§  86  Anm.,  Rönsch  It.  S.  413,  Keller  Etym.  S.  38;  Sp.  X/findet 
sich  auch  dignus  mit  Dativ,  vgl.  meine  Synt.  1.  1.  — Bei  einem  dazu 
gehörigen  Satze  mit  dass  oder  einem  blossen  Infin.  wird  gewöhnlich 
(bei  Cicero  immer)  qui,  viel  seltener  ut  mit  dem  Konjunktiv  gesetzt 
(bei  Plaut,  und  zweimal  auch  bei  Liv.  23,  42,  13  und  24,  16,  19; 
vgl.  Riemann  ed.  remarque  177);  P.  L.,  bei  Livius  nur  einmal  und 
auch  N.  Kl.  selten  der  Infin.,  der  als  jN^achahmung  der  Konstruktion 
des  griech.  dhoi  vermieden  werden  muss,  obgleich  sich  derselbe 
bei  Apul.  met.  1,  8  init..  Gell.  6,  17,  3,  Sen.  de  benef.  1,  1,  9, 
Plin.  nat.  22,  59,  Plin.  pan.  7,  Quintil.  10,  1,  96  und  noch  im 
Sp.  L.,  vgl.  Gölzer  Hieron.  S.  366  und  Harteis  Index  zu  Cyprian, 
findet.  Wenn  aber  dignum,  indigmun  est  impersonal,  wie  fas,  nefas 
u.  dgl.  gebraucht  werden  ohne  Beziehung  auf  ein  Subjekt,  so  dass 
der  folgende  Satz  eine  Anknüpfung  mit  dem  Relativ  gar  nicht  zu- 
lässt,  so  ist  darnach  der  Infin.  oder  der  Accus,  c.  infin.  ganz  gut.  S. 
Liv.  8,  26,  6:  cum  auctorihus  hoc  dedi,  quihus  dignius  est  credi, 
Cic.  S.  Rose.  8:  nonne  hoc  indignissimum  est  vos  idoneos  hahitos, 
per  cptorimi  sententias  id  assequantur,  und:  mihi  concedas  necesse 
est  multo  esse  indignius  in  ea  civitate.,  quae  legibus  contineatur,  dis- 
cedi  a  legibus,  Cic.  Cluent.  146.  —  Wir  brauchen  aber  unser  Wort 
tvürdig  auch  ohne  einen  Genitiv  in  der  Bedeutung  acht ung sie ürdig, 
z.  B.  ein  luürdiger  und  verständiger  Mann,  oder  in  der  Bedeutung 
höchst  passend,  z.  B.  ein  würdiger  Gegenstand ;  aber  der  Lateiner 
setzt  dignus  nur  dann  für  sich  allem  ohne  einen  Ablativ,  wenn  ein 
solcher  aus  dem  Zusammenhange  leicht  hinzuzudenken  ist ;  vgl. 
Seyffert-MüUer  zu  Lael.  S.  379  u.  478.  Daher  muss  dignus  oft 
durch  einen  Ablat.  oder  einen  Satz  mit  cpä  vervollständigt,  oder  es 
muss  dafür  gravis,  honestus  u.  dgl.  gebraucht  werden.  —  Selten,  aber 
gut  bezeugt  ist  dignus  pro  aliqua  re  =  zutreffend  im  Verliältnis 
zu  etwas  anderem :  si  digna  poena  pro  fcictis  eorum  reperitur,  Sali. 
Cat.  51,  8.  Quidnam  pro  offensione  hominum  et  exspectatione  om- 
nium  et  magnitudine  rerum  dignum  eloqui  possim?  Cic.  Caecil.  42 
u.  Hör.  epp.  1,  7,  24.  In  dieser  Bedeutung  steht  es  auch  mit  dem 
Dativ  bei  rhet.  Her.  4,   12.    —    Nicht    bei  Cic,   Caes.,  Sali.,    aber 


Diiudicare  —     449     —  Dilatatus 

bei  Liv.  und  im  N.  Kl.  treffen  wir  die  Yerbindungen  mit  soge- 
nannten Supinen  auf  ic,  z.  B.:  dignus  scitu,  cognitu,  memoratu, 
notatu  u.  a.  S.  darüber  Sjöstrand  Sup.  II  S.  19;  die  Konstruktion 
kommt  41mal  vor,  z.  B.  dignus  dicht  u.  memoratu  bei  Liv.,  digna 
atqiie  indigna  relatu  bei  Yerg.  u.  s.  w.  Aber  Wölfflin  Arch.  XIII 
S.  191  weist  darauf  hin,  dass  dignus  memoria  die  klass.  Ausdrucks- 
weise ist  u.  dignus  memoratu  sich  erstmals  Liv.  4,  43,  1  nachweisen 
lasse;  man  halte  sich  daher  an  ersteres.  — Auch  heisst  die  gewöhn- 
liche Redensart:  es  ist  der  Mähe  ivert^  ich  halte  es  der  Mühe  luert, 
nicht  est  oder  duco  opera  digmim,  sondern  operae  pretium  est  mit 
folgendem  Infin.  —  Ob  verus  amicus  aitri  pretio  aequat  =  ist 
Ooldes  ivert,  irgend  antike  Autorität  habe,  ist  uns  ziveifelhaft 
und  wegen  aiiri  pretio  statt  aurum  pretio  oder  pretium  auri 
verdächtig. 

Diiudicare  findet  sich  im  N.  L.  auch  in  der  Bedeut.  heurteilen, 
ohne  dass  von  zivei  Personen  oder  Sachen  und  ihrer  gegenseitigen 
Beschaffenheit  geurteilt  wird,  für  iiidicare.  Falsch  ist  z.  B.  Horatii 
Ingenium,  diiudicare,.  über  Hör.  Geist  urteilen,  oder  Hör.  Geist  beur- 
teilen, aber  richtig  controversiam,  vera  et  falsa,  inter  duas  sententias 
u.  dgl.  diiudicare.     Vgl.  s.  v.  ludicare. 

Dilahi  =  zerfallen,  zerrinneyi,  vergehen,  von  Gebäuden  und 
andern  Menschenwerken  oder  Gebilden  der  Natur  ist  gut.  S.  über 
moenia  dilapsa  Dräger  u.  Nipperdey  zu  Tac.  ann.  4,  43  u.  Heraus 
zu  Tac.  bist.  4,  40,  8;  so  auch  nehula  dilabitur,  Liv.  41,  2,  4,  nix 
dilabitur,  Liv.  21,  36,  6;  vom  Zerfall  des  Staates  steht  es  Cic.  off. 
2,  80:  tot  praeclarissime  constituta  res  publica  dilaberetur.  Allbe- 
kannt aber  ist  das  Sallustische:  concordia  parvae  res  crescuyit,  dis- 
cordia  maxumae  dilabuntur,  Jug.  10,  6.  —  In  der  Bedeutung  tueg- 
gehen,  sich  von  etiuas  entfernen  wird  dilabi  mit  a  verbunden,  ab 
signis,  ab  ordinibus,  a  castris  dilabi,  mit  ex  ist  es  aus  ettuas  heraus- 
gehen, wie  ex  loco,  ex  stationibus  dilabi.  Das  wohin  bezeichnet 
natürlich  in  c.  accus.:  in  oppida  etc.;  den  Zweck  ad:  ad  praedam 
dilabi,  sich  zum  Zweck  des  Plünderns  zerstreuen,  wofür  selbstver- 
ständlich auch  praedatum  dilahi  gesagt  werden  kann.  Übrigens  sind 
alle  diese  Konstruktionen  nicht  bei  Cic.  und  Caes.  zu  finden;  der 
letztere  braucht  dilabi  gar  nicht,  bei  Cicero  kommt  weder  dilabi  a 
noch  ex  vor,  zweifelhaft  ist  Cic.  Phil.  13,  11:  sunt  alii  plures  for- 
tasse,  sed  de  mea  memoria  dilahuntur,  wo  Kayser  mit  Nauger  de  ein- 
gefügt hat.  Dagegen  ist  Liv  ins  sehr  reich  an  hieher  gehörigen 
Beispielen.  Yon  der  Zeit  steht  dilcd)i  nur  einmal  bei  Sali.  Jug.  36, 
4:  dilapso  tempore. 

Dilaceratio,  das  Zerreissen,  ist  erst  sehr  Sp.  L.  für  laceratio ;  vgl. 
Gölzer  Hieron.  S.  67,  Rönsch  It.  S.  72.  Hingegen  dilacerare  findet 
sich  nicht  nur  P.  u.  N.  Kl.,  sondern  schon  bei  Cic.  Mil.  24  u.  Sali. 
Jug.  41,  5,  also  ohne  allen  Anstand  zu  gebrauchen. 

Dilatatus  in  der  Bedeutung  tveit  entfernt,  wird,  da  es  nur  tueit 
ausgebreitet  bedeutet,  verworfen  für  disiunctus,  remotus. 

Krebs-Schmalz,   Antibarbarus  I.  29 


Dilaudarc  —     450     —  Diliicidare 

Dilaudare,  in  jeder  Hinsicht,  nach  edlen  Seiten  lohen,  findet  sich 
nur  bei  Cic.  Att.  6,  2,  9  u.  6,  3,  3. 

Dilectus  als  Adjekt.  geliebt^  ivertgeschätzt,  ist  P.  u.  Sj).  L.,  da- 
bei höchst  selten,  z.  B.  Aug.  serm.  357,  1  nt  ergo  imx  dilecta  nostra 
et  amica,  vgl.  Regnier  S.  186.  Es  kommt  im  N.  L.  in  Briefen  und 
Reden  als  Anrede  an  die  Zuhörer  sehr  häufig  vor,  z.  B.  adidescen- 
tes  (iiivenes)  dilectissimi.  Dies  ist  nicht  unlat.,  Cyprian  hat  oft  di- 
lectissimi  neben  carissimi  in  seinen  Briefen,  besonders  in  der  Anrede 
an  Laien,  vgl.  ^Yölfflin  Archiv  YIII  S.  19,  Watson  S.  272.  Aber 
zu  empfehlen  ist  nur  cariis,  siiavis,  beide  auch  im  Superlativ ;  ausser 
der  Anrede  kann  man  es  auch  mit  cßii  und  diligere,  ohservare  u.  a. 
umschreiben,  wie  dies  z.  B.  Senec.  Marc.  19,  1  movet  lugentem  de- 
siderium  eins,  quem  dilexit  tut.  Ygl.  Äestimatus  und  Amatiis. 
Vgl.  auch  SeyfPert-MüUer  zu  Cic.  Lael.  S.  391  u.  Nägelsbach-MüUer^ 
S.  142. 

Diligens  und  diligentia  sind  nicht  gleichbedeutend  mit  Fleiss 
und  fleissig.  Wir  verbinden  damit  die  Begriffe  anhaltende  Be- 
mühung, Anstrengung  und  Tätigkeit,  welche  weniger  in  jenen  Wör- 
tern, als  in  assiduitas,  industria,  lahor,  opera  und  den  dazu  ge- 
hörigen Adjektiven  liegen.  Diligentia  und  diligens  sind  vielmehr 
innere  Eigenschaften  dessen,  der  etwas  mit  Sorgfalt,  Pünktlichkeit 
und  Genauigkeit  im  Unterscheiden  und  Auswählen  betreibt  und 
ausführt.  Ein  fieissiger  Schüler  ist  nicht  disciindiis  diligens,  sondern 
indnstrius,  lahoriosus,  assidiius,  gnavus,  studiosus,  und  sein  Fleiss 
ist  nicht  diligentia,  sondern  industria,  assiduitas,  studium,  lahor;  er 
lernt  fleissig  heisst  studiose  discit;  was  aber  jemand  fleissig  ausge- 
arbeitet hat,  das  ist  diligenter  scriptum,  elucubratum,  elaboratum. 
Wenn  einer  von  einem  geschickten  Lehrer  sorgfältig  unterrichtet 
wird,  so  heisst  dies  docetur  diligenter  (Cic.  Q.  fr.  3,  3,  1);  Be- 
lohnungen des  Fleisses  sind  nicht  praemia  diligentiae,  sondern  in- 
dustriae,  lahoris,  assiduitatis.  Es  mit  etwas  genau  nehmen,  punkt- 
uell, geivissenhaft  sein  in  etwas,  ist  meist  diligentem  esse  in  aliqiia 
re  wie:  in  compositione  adeo  diligens,  ut  .  .  Quintil.  10,  1,  79,  wo- 
für derselbe  Autor  auch  diligens  conipositionis  sagt,  9,  4,  77,  was 
auch  gut  ist,  da  es  nicht  nur  bei  Sen.  vorkommt:  aliarum  rerum 
quae  vitam  iyistruunt  diligens,  de  v.  beata  3,  3,  sondern  diligens 
i'eritatis  sich  auch  bei  Nepos  Epam.  3,  2  findet  und  omnis  offlcii 
diligentissimus  auch  bei  Cic.  Cael.  73  steht.  Sorgfcdt,  Pünktlichkeit 
auf  etiuas  verwenden,  heisst  diligentiam  adhihere  ad  rem,  Cic.  fam. 
16,  9,  3  und  in  rem,  ib.  16,  6,  1  u.  16,  9,  4  und  conferre  in  rem, 
ib.  16,  4,  4.  —  Das  Adv.  diligenter,  welches  nur  mit  Sorgfalt  be- 
deutet, wird  im  N.  L.,  wie  unser  mit  Fleiss,  in  der  Bedeutung 
vorsätzlich  gebraucht,  was  aber  de  industria  heisst.  Ygl.  noch  Pro- 
positum. 

Dilucidare,  klar,  verständlich  machen,  aufklären,  werde,  wiewohl 
dilucidus  und  dilucide  gut  ist  und  nicht  selten  vorkommt,  doch  ver- 
mieden, da  es  nur  Sj).  L.,  vgl.  Gölzer  Hieron.  S.  172,  Watson  S.  308, 


Diluculare  —     451      —  Dimidius 

sich  findet  und  bei  rhet.  Her.  3,  8  von  Marx  aufgegeben  ist;  dafür 
sage  dilucidum  reddere  u.  a.  Im  N.  L.  lesen  wir  Phrasen  ohne 
alle  Autorität,  z.  B.  dihicidare  scriptorem,  lihmm,  locimi  alicuius 
scriptoris  u.  dgl.,  für  enodare,  explica7^e,  interpretari  u.  a.  N.  L. 
ist   das   Subst.   dilucidatio  =  Erklm^ung,  Erläuterung. 

Diluculare,  dämmern,  ist  Sp.  L.  für  dilucescere. 

Diluvies,  die  Überschivemmung,  ist  fast  nur  P.  L.  und  diluvio 
Sp.  L. ;  dagegen  scheinen  diluvium  (bei  Seneca  und  dem  Jüngern 
Plinius)  und  inundatio  die  für  grosse  Fluten  eigentümlichen  Wörter 
gewesen  zu  sein.  Beweise  dafür  liefert  die  Schilderung  solcher 
grossen  Fluten  bei  Seneca  (nat.  3,  27  u.  29),  wo  die  Wörter 
diluvium  und  inundatio  mit  einander  abwechseln.  Für  die  Sündflut 
der  heil.  Schrift  ist  diluvium  der  stehende  Ausdruck^  wie  jede  Kon- 
kordanz über  die  Vulgata  zeigt.  Kleinere  ÜberscJmvemmimgen  hiessen 
alluvies  oder  eluvio,  oder  umschrieben  mit  diffunduntur  aquae.  In 
übertragenem  Gebrauche  wird  diluvium  von  Dichtern,  sowie  aS^.  L. 
gebraucht,  aber  noch  Sp.  L  mit  entschuldigendem  velut  qiddam, 
vgl.  Paneg.  XII,  273,  8  harharis  nationihus  Romano  nomini  velut 
quodam  diluvio  superfusis ;  Cic.  genügt  in fundi,  z.  B.  fam.  9,  15,  2 
in  urhem  nostram  infusa  est  peregrinatio  =  es  brach  die  Hochflut 
des  Fremdentums  herein. 

Dimensus  als  Part,  vom  Depon.  dimetiri  kommt  Kl.  auch  in 
passiver  Bedeutung,  abgemessen,  vor,  z.  B.  Cic.  Att.  1,  6,  1,  Caes. 
Gall.  2,  19,  5  u.  4,  17,  3.  Sp.  L.  bei  Grom.  227,  6  u.  252,  16 
finden  wir  dimetitus,  das  auch  in  fehlerhaften  Stellen  für  dimetatus, 
z.  B.  Cic.  nat.  deor.  2,  155  stand,  vgl.  Neue-Wagener^  III  S.  566, 
Rönsch  Coli.  phil.  S.  231.  Auch  im  N.  L.  findet  es  sich  für  di- 
mensus. —  Dimensio  =  Ausdehnung  ist  nur  Sp.  L.,  z.  B.  bei  Amm. 

Dimetare,  cd)stecken,  abgrenzen,  ist  ein  seltenes,  aber  Kl.  Ver- 
bum,  wovon  bei  Livius  der  Infin.  dimetari  und  bei  Cic.  nat.  deor. 
2,  155  dimetatus  als  Part.  perf.  Depon.  vorkommt.  Ob  dieses  Yerbum 
in  der  Form  dimetandam  nach  Theod.  Bergk  in  Cic.  Arch.  29  für 
dimittendam  zu  setzen  sei,  was  auch  Stürenburg  u.  Klotz  (2.  A.) 
getan  hat,  ist  zweifelhaft;  C.  F.  W.  Müller  hält  an  dimittendam 
fest,  ebenso  die  anderen  neueren  Edd. 

Dimicare,  streiten,  kämpfen;  für  etwas,  pro  aliqua  re ;  um 
etioas,  de  aliqua  re;  zu  Pferde,  nicht  in  equo,  sondern  ex  equo;  zu 
oder  auf  dem  Wagen,  ex  curru;  zu  Fasse,  nicht  pedibus,  sondern 
mit  dem  Personalsubstant.  pedes,  als  Fussgänger  (doch  pedibus  proe- 
liari  findet  sich  Caes.  Gall.  4,  2,  2  u.  4,  33,  1). 

Dimidius,  halb,  kommt  Kl.  erstens  mit  dem  Subst.  pars  ver- 
bunden vor,  sodann  ausser  dimidia  pars  auch  noch  das  Neutr.  di- 
midium,  die  Hälfte,  mit  einem  Genit.,  z.  B.  die  halbe  Erde,  dimidia 
pars  oder  dimidium  terrae.  N.  Kl.  kommt  es  nach  dem  Vorgänge  des 
Lucil.,  der  571  horae  dimidio  sagt,  auch  mit  anderen  Subst.,  wie 
z.  B.  luna,  mensis,  p^retium,  altitudo  u.  dgl.  vor,  ein  Gebrauch, 
den  wir  nicht   zu    verwerfen  vermögen.      Auch    beachte  man,  dass 


Dimissio  —     452     —  Directus 

in  dimidms  wie  in  duplex  und  midtijylex  ein  komparativer  Begriff 
der  Quantität  liegt,  weshalb  sie  einen  Vergleichungssatz  mit  quam 
zulassen.  Vix  dimidium  militiim  quam  quod  acceperat  successo7i 
iradidit,  Liv.  35,  1,  2  und  45,  18,  7.  —  Halb  mit  einem  Subst. 
wird  zuweilen  auch  mit  semi  und  einem  damit  zusammengesetzten 
Subst.  übersetzt^  z.  B.  eine  halbe  Stunde,  semihora ;  ein  halber  Fuss, 
semipes.  Daher  drittehalb  Fuss,  diio  (bini)  pedes  et  semipes,  Sp.  L. 
diio  (bini)  pedes  et  dimidiiis ;  ein  Halbjahr,  sex  menses  oder  mit  dem 
Adj.  semestris;  z.  B.  dies  dauert  ein  Halbjahr,  hoc  semestre  est  (Cic. 
Att.  10,  8,  17);  anderthalb  Jahr,  anniis  et  sex  menses,  Sp.  L.  ajinus 
et  dimidius. 

Dimissio,  die  Verabschiedung,  Dienstentlassung,  ist  so  gut  (s. 
Cic.  Verr.  5,  86)  als  missio.  Ebenso  wird  das  Verbum  dimittere 
gebraucht  in  der  Bedeutung  verabschieden,  aus  dem  Dienste  ent- 
lassen =  mitter  e,  missum  facere,  nicht  nur  von  mehr  er  n,  z.  B.  einem 
Heere,  welches  man  entlässt,  wie  bei  Caes.  civ.  1,  32,  4,  sondern 
auch  von  einzelnen,  s.  Cic.  Yerr.  5,  102  u.  112,  b.  Af'ric.  54,  4, 
Liv.  42,  34,  12.  Über  missio  und  mittere  vgl.  Cic.  Phil.  5,  53, 
Caes.  in  Cic.  Att.  9,  7,  c.  2.  —  Aliquem  dimittere  carcere,  custodia^ 
einen  aus  dem  Gefängnisse  entlassen,  für  emittere,  findet  sich  selten, 
z.  B.  Liv.  23,  3,  14,  lust.  21,  1,  4,  und  D.  L.  ist  aliquid  ex  oculis 
dimittere,  etwas  aus  den  Augen  lassen.  Die  gewöhnliche  Verbindung 
von  dimittei'e  ist  mit  ab  oder  ex,  vgl.  Kühnast  S.  168,  weniger  zu 
empfehlen  ist  das  von  Vitruv  gebrauchte  de,  z.  B.  5,  3,  5  cum  po- 
pidus  dimittatur  de  sjjectaculis,  vgl.  Köhler  act.  Erl.  I  S.  437. 

Diploma,  die  Urkunde,  ein  Diplom,  kommt  schon  bei  Cicero 
fam.  6,  12,  3  und  nachher  auch  N.  Kl.  bei  Seneca  u.  Sueton  vor, 
ist  also  wohl  anwendbar,  mögen  auch  andere  Wörter,  z.  B.  tabula 
publica,  auch  wohl  monumentum,  für  das  Wort  Urkunde  oft  besser 
sein.  Als  Kunstwort  ist  es,  wie  der  Name  der  Wissenschaft,  diplo- 
matica,  kaum  entbehrlich.  Über  die  Deklination  diploma,  diplomae 
vgl.  Archiv  XI,  418  (nur  auf  einer  Inscr.). 

Directim,  gerade  aus,  ist  Sp.  L.  für  directe;  vgl.  Paucker  Vor- 
arbeiten I  S.  131  u.  141. 

Director  ist  ein  Sp.  L.  Wort,  welches  uns  nur  aus  Intpr.  Iren.  4, 
21,  3  necesse  est  cognoscere  directorem  suum  bekannt  ist.  Man  kann 
es  als  Titel  gebrauchen  neben  rector,  praefectus,  moderator. 

Directus.  Das  davon  abgeleitete  Adv.  directe  oder  directo 
(jetzt  gewöhnlich  derecto  geschrieben,  vgl.  H.  J.  Müller  zu  Liv.  1, 
11,  9,  ebenso  derecto  Cic.  div.  2,  127  u.  Liv.  21,  19,  1  derecta,  vgl. 
noch  s.  V.  Dirigere)  in  bildlicher  Bedeutung,  geradezu,  z.  B.  aliquid 
petere,  steht  sogar  bei  Liv.  (1,  11,  9  eam  directo  arma  petisse 
dicunt) ;  sonst  aperte,  nulla  circuitione,  und  als  Gegensatz,  indirekt, 
per  ambages,  circuitione  quadam.  Vgl.  Ter.  Andr.  202  ita  aperte 
ipsam  rem  modo  locutus,  nil  circuitione  usus  es.  Cic.  div.  2,  40 
circuitione  quadam  (indirekt)  deos  tollit.  Ebenso  auch  das  Adj.  di- 
rectus   bei  Liv.  21,  19,  1    directa  percunctatio   et    denuntiatio    belli. 


Dirigere  —     453     —  Discedere 

Dirigere.  In  den  codd.  wechselt  einigere  mit  derigere,  vgl. 
Georges  Lat.  Wortformen  s.  v.  u.  Meusel  lex.  Caes.  s.  v.  Über  den 
reflexiven  Gebrauch  des  Wortes,  der  auch  bei  Liv.  —  doch  nirgends 
klass.  —  sich  findet,  vgl.  Archiv  X  S.  3.  —  Yerv^^orfen  wird  ocu- 
lum  (ocidos)  ad  aliquid  dirigere,  das  Auge  auf  ehvas  richten,  für 
oculos  alicui  oder  ad  aliquid  adicere  oder  conicere  in  aliquid.  Doch 
sagt  schon  der  auct.  b.  Afric.  26,  4  dies  noctesque  oculos  mentemque 
ad  mare  dis'imsitos  directosque  haheret  (vgl.  Köhler  act.  Erl.  I  S.  453 
und  Thielmann  in  Wölfflins  Archiv  II  S.  411  u.  S.  415)  und  Sen. 
contr.  1,  8,  6:  cquotienscwncque  tumidtus  alicquis  exortus  est,  iyi  me 
civium  diriguyitur  oculi,  nieas  spectatit  manus  und:  yiemo  in  domum 
nostram  ocidos  dirigehat,  ib.  7,  21,  19.  —  Dirigere  =  irgendivoliin 
dirigieren,  d.  h.  schicken  ist  SiJ.  L.;  viele  Beispiele  hat  Rönsch 
Coli.  phil.  S.  52  und  Sem.  III  S.  29;  Wölfflin  Archiv  lY  S.  100 
(dirigere  litteras),  Watson  S.  311,  Bonnet  Greg.  S.  293. 

Dirimere  se,  sich  scheiden,  trennen  (ehelich),  ist  iV.  L.  für  di- 
vortium  facere  cum  aliquo  (aliqua). 

Discedere,  iveggehen,  sich  entfernen,  trennen,  wird  hei  Personen 
natürlich  nur  mit  der  Präpos.  a  konstruiert :  a  quihus  (Helvetiis)  dis' 
cedere  nolelat,  Caes.  Gall.  1,  16,  3  u.  1,  23,  3  und  so  ah  agmine, 
ah  exercitu,  ah  hoste  discedere,  Caes.  Gall.  5,  19,  3;  7,  9,  1  u.  7, 
33,  1.  So  kann  auch  bei  der  Angabe  lokaler  Dinge,  von  welchen, 
aus  deren  Nahe  man  sich  entfernt,  nur  cd)  aliqua  re  discedere  ge- 
braucht werden,  z.  B.:  a  mari  discedere,  a  Bheno  discedere,  et  fori- 
Jms,  a  litore  discedere,  wo,  wie  man  sieht,  ex  unmöglich  wäre. 
Hiernach  ist  denn  auch  discedere  im  mihtärischen  Sinne  von  ivo  ah- 
gehen,  z.  B. :  ah  iirhe,  et  stationihits  ein  lat.  sehr  häufig  vorkommen- 
der Ausdruck.  Ebenso  steht  eliscedere  cth  aliqua  re  auch  im  über- 
tragenen (iyitellektuellen  oder  ethischen)  Sinyie  wie:  a  sua  senteyitia, 
ah  officio,  a  natura,  a  constetntia  etc.  S.  Caes.  civ.  1,  2,  5,  Gall. 
1,  40,  2,  Cic.  fin.  4,  41,  Tusc.  4,  11,  daher  auch  discedo  parumper 
a  somyiiis,  Cic.  div.  1,  47.  —  Mit  ex  hingegen  wird  discedere  bei  An- 
gabe lokeder  Dinge  verbunden,  wenn  hervorgehoben  werden  soll, 
dass  man  sich  etus  ihrem  Bereiche,  ihrem  Umfayige  entferne.  Wie 
man  daher  einerseits  sagt  discedere  ah  hihernis  =  vom  Winterlager 
iveggehen,  es  verlassen,  so  auch  ex  hihernis  discedere  =  aus  elem- 
seihen  heretusgeheyi,  es  verlasseyi,  iweisgehen,  Caes.  Gall.  4,  30,  2  u. 
5,  28,  3 ;  certior  factus  est  ex  ea  loarte  vici,  quam  Gallis  coyicessej^at, 
omnes  noctit  discessisse,  ib.  3,  2,  1,  so  denn  auch  e  curia  discedere, 
Cic.  Yerr.  4,  145;  ex  aeele  discedere,  ib.  1,  132;  ex  iudicio,  ex 
coyitione,  ex  loroelio  und  ex  conspectu  alicuius  discedere,  Q.  Cic. 
de  pet.  cons.  3,  10  u.  Cic.  S.  Rose.  8,  Caes.  civ.  2,  33,  2,  Lepid. 
bei  Cic.  fam.  10,  34,  1  u.  Caes.  civ.  3,  75,  2.  So  steht  discedere 
mit  ex  natürlich  auch  immer  bei  den  Namen  der  Länder,  aus  denen 
man  sich  entfernt,  wie:  e  Gedlia,  e  Cetppadocia,  e  regno,  ex  Italict 
discedere.  —  Seltener  ist  die  Yerbindung  mit  de,  z.  B. :  de  loraediis,  de 
coyivivio,  de  foro,  de  colloquio   discedere,   s.  Cic.  S.  Rose.  79,  Yerr. 


Disceptare  —     454     —  Discordiosus 

4,  49,  ib.  4,  147,  Liv.  32,  40,  4.  —  Bei  den  Namen  von  Städten, 
aus  denen  man  weggeht,  steht  der  blosse  Ahl.  z.  B. :  Tarracone  dis- 
cedit,  Caes.  civ.  2,  21,  5,  Brimdisio  discessit,  Cic.  fam.  14,  4,  6. 
Hingegen  discedere  a  Gergovia,  Caes.  Gall.  7,  43,  5  und  59,  1  ist 
gesagt,  weil  von  dem  Weggehen  ans  der  Umgegend  von  G.  (von  dem 
von  Htm  belagerten  G.)  die  Rede  ist.  So  auch  Libo  discessit  a  Brim- 
disio =  aus  dem  Hafen  von  B.,  civ.  3,  24,  4.  S.  Kraner  zu  Caes. 
Gall.  7,  43,  5. 

Disceptare  hat  im  N.  L.  die  Bedeutung  streiten,  streitig  sein 
mit  jemanden,  für  cum  aliqiio  dissentire,  controversiam  habere,  in 
controversia  esse,  contendere,  da  jenes  die  Gründe  hin  und  her  er- 
tuclgen,  über  etivas  urteilen,  entscheiden  bedeutet.  Vom  Schiedsrichter, 
der  über  eine  Sache  entscheidet,  sagt  man  regelmässig  disceptare 
aliquid,  z.  B.  controversiam,  Cic.  Tusc.  4,  6  oder  disceptare  inter 
aliquos  absolut.  Yon  den  streitenden  Parteien  selbst,  die  über  eine 
Sache  verhandeln,  sie  zur  Entscheidung  bringen,  ist,  wo  nicht  der 
absolute  Gebrauch  vorkommt,  disceptare  de  aliqua  re  das  gewöhn- 
liche, seltener  ist  ob  aliquam  rem  cum  aliquo  disceptare.  Und  so 
bedeutet  disceptator  nicht  einen  Zänker,  Streiter,  sondern  einen 
Schiedsrichter,   Vermittler,  z.  B.  Cic.  Flacc.  97. 

Discere,  mit  dem  Adv.  memoriter,  auswendig  lernen,  ist  N.  L. 
für  ediscere,  memoriae  mandare ;  denn  memoriter  heisst  nur  „mit 
gutem  Gedächtnisse",  vgl.  Madvig  zu  Cic.  fin.   1,  34,  Seyffert  Pal.^ 

5.  203  und  SeyfFert-Müller  z.  Lael.  S.  7.  Discere  ist  auch  unser 
etwas  studieren,  in  etwas  Studien  machen,  s.  Piderit  zu  Cic.  orat. 
146.  Somit  heisst  griechisch  studieren  litteras  graecas  discere,  Cic. 
Cato  26,  Tusc.  1,  29,  Jurisprudenz  studiere?! :  ins  civile  discere, 
Cic.  Mur.  19  und  23,  bei  jemanden  als  Schiller  ein  Fach  hören  = 
discere  aliquid  ab  aliquo,  Cic.  acad.  2,  98  und :  apnid  aliquem  litteras 
discere,  fam.  9,  10,  2.  —  Das  Perf.  heisst  klass.  nur  didici ;  über 
die  Form  dedici  vgl.  Keller  Etym.  S.  39  f. 

Discernere,  von  einander  trennen,  unterscheiden,  wird  verbunden 
aliquid  ah  aliqua  re,  z.  B.  lus  ah  iniuria,  und  mit  zwei  Accusativen, 
ius  et  iniuriam,  aurum  et  argentum,  beides  bei  Cicero. 

Discidium  wird  von  Madvig  zu  Cic.  fin.^  S.  799  ff.  als  allein 
richtiges  Wort  für  ,^Tremitmg'^  nachgewiesen,  ein  dissidiiim, 
welches  vielfach  neben  discidium  angenommen  wurde,  existiert  in 
der  lateinischen  Sprache  nicht.  Ygl.  auch  Seyffert-Müller  z.  Lael. 
S.  161  und  163.  Darnach  ist  der  ganze  Artikel  dissidium  bei  Ni- 
zolius  zu  streichen  ;  Merguet  lex.  Cic.  hat  nur  discidium. 

Discordantia,  Zwietracht,  Uneinigkeit,  ist  Y.  L.  für  discordia, 
disc7'epantia. 

Discordiosus.  Dieses  Adjektiv  kommt  nur  einmal  bei  Sallust 
Jug.  66,  2  und  sonst  nur  Sp.  L.  bei  Cyprian,  vgl.  Harteis  Index, 
und  bei  Sidonius  (jedoch  nicht  erwähnt  von  Kretschmann  Sidon. 
S.  11)  vor.  Man  meide  es  als  ein  vulgäres  Wort.  Wenn  auch  dis- 
cors  nicht  dafür  eintreten  kann,  so  gibt  es  passende  Umschreibungen, 


Discrepatio  —     455      —  Discupere 

z.  B.  Cic.  de  or.  1,  107  contentionis  ciqndus;  Schön werth-Weynian 
weisen  im  Archiv  Y  S.  212  auch  auf  Cic.  Phil.  7,  25  lüeniis  dis- 
cordiariini  hin.  Über  den  vulgären  Charakter  des  Wortes  discor- 
diosits  vgl.  Kraut  im  Progr.  Blaubeuren  1881  S.  4. 

Discrepatio,  die  Uneinigkeit,  Disharmonie,  kommt  selten  vor, 
nicht  bei  Cicero  und  Caesar,  bei  Livius  nur  einmal,  10,  18,  7,  öfters 
im  Sj).  L.  bei  Eccl.  für  discrepantia,  discordia. 

Discrepare,  verschieden  sein,  Glicht  über  einstimmen,  wird  verbunden 
mit  ah,  cum  aliqita  re,  oder  inter  se  discrepare;  auch  mit  de  =inhetreff 
einer  Sache,  s.  Cic.  Tusc.  4,  68.  Bezüglich  der  etwas  auffälligen, 
aber  Kl,  Yerbindung  discrejiare  cum,  z.  B.  Cic.  fin.  2,  96  iit  intel- 
legas  facta  eins  cum  dictis  discreimre,  vgl.  Ziemer  Indogerm.  Kom- 
par.  S.  41,  Thielmann  Corfiif.  S.  66,  sowie  Landgraf  zu  Reisig- 
Haase  N.  574.  P.  L.  ist  die  Verbindung  mit  dem  Dativ  alicui  rei  ; 
doch  bei  der  Rückbeziehung  auf  das  Subjekt  braucht  selbst  Cicero 
den  Dativ  sibi  discrepare,  s.  de  or.  3,  196  und  Tusc.  4,  29  adfectio 
discrepans  sibi  ipsa;  dies  kann  selbstverständlich  unbedenklich  nach- 
gebraucht werden;  vgl.  Landgraf  Progr.  1899  S.  24.  Endlich  ist 
besonders  bei  Livius  das  impersonale  discrepat  =  man  ist  uneins, 
stimmt  nicht  zusammen,  oft  im  Gebrauch.  Es  wird  verbunden  dis- 
crepat de  aliqua  re,  discrepat  inter  cdiquos.  Ist  von  non,  haud  dis- 
crepat u.  dgl.  ein  Satz  abhängig,  so  steht  derselbe  entweder  im  Acc. 
c.  infin.,  wie  bei  Liv.  22,  36,  5,  oder  es  folgt  darauf  (s.  Weissen- 
born  zu  Liv.  2,  1,  3)  wie  nach  non  ambigitur,  non  dubito,  nihil 
controversiae  est,  quin  mit  dem  Konj.,  z.  B.  Liv.  8,  40,  1  und  25, 
28,  3,  oder  ein  indirekter  Fragesatz,  wie  bei  Liv.  29,  25,  1 ;  Suet. 
Claud.  44. 

Discretio  ist  ein  Sp.  L.  Wort,  welches  in  der  Yulg.,  bei  Eccl. 
Amm.  Macrob.  u.  a.  vorkommt,  vgl.  Paucker  Spicil.  S.  269,  Rönsch 
Ital.  S.  73,  Gölzer  Hieron.  S.  67  f.,  Werth  S.  311,  Archiv  XII 
S.  573,  Liesenberg  I  S.  12.  Jedenfalls  meide  man  durchaus  die 
Phrasen  siiie  discretione  und  absque  discretione  ^oJme  Unterschied^^ 
sine  ulla  discretione  und  nulla  discretione  ohne  allen  Unterschied. 
Geradezu  N.  L.  ist  discretio  in  der  Bedeutung,  welche  das  französische 
discretion  hat,  nämlich  ^^Unterscheidung  des  Schicklichen  vom  Un- 
schicklichen''^ ;  dafür  brauche  man  iudicium,  elegantia  u.  ä.  Das 
deutsch-französische  sich  auf  Diskretion  ergeben  heisst  se  iyi  fldem 
victoris,  oder  in  fldem  atque  potestatem  victoris  permittere,  se  fidei 
oder  libero  arbitrio  victoris  committere,  permittere,  armis  positis  ad 
victoris  fidem  confugere. 

Discupere,  herzlich,  sehnlich  tuünschen,  ist  ein  seltenes  Wort, 
welches  im  A.  L.  bei  Plaut.  Trin.  932,  bei  Catull.  106,  2  und  nur 
einmal  Kl.  bei  Caelius  (Cic.  fam.  8,  15,  2)  vorkommt,  der  im  Aus- 
druck eben  nicht  elegant  ist.  Man  vermeide  es  in  dem  höheren 
Stil  durchaus  und  sage  dafür  vehementer  cupere;  im  familiären  Tone 
der  Umgangssprache,  also  auch  in  Briefen,  ist  es  zulässig.  Ygl. 
ausser   Hauschild  S.  31,    Schulze   Symm.  S.  106,  Lorenz   zu  Plaut. 


Discurrcre  —     -156     —  Dispalari 

Pseud.  1201,  Schmalz  Yatin.  S.  43,  Landgraf  Bayr.  Gymn.  XVI, 
S.  227  und  321,  Burg  S.  45,  Neumami  S.  7  u.  27,  besonders  Riese 
zu  Cat.  106,  2,  wonach  dis  in  diesen  vulgären  Zusammensetzungen 
den  Sinn  von  ^^zwiefaclt^^j  also  ^^stark''  hat  und  discwpere  =  ^^dringend 
lüünschen''''  ist. 

DisciüTere  in  der  Bedeutung  von  etwas  reden  ist  sehr  S}).  L. 
für  sermocinari,  disserere,  disimtare,  coUoqui;  man  findet  es  so  bei 
Ammian  und  vielleicht  auch  bei  Cyprian  ep.  14,  3  imirrobe  et  inso- 
lenter discurrere;  ebenso  Sp.  L.  ist  das  Subst.  discursus,  die  ünter- 
redimg,  Unterhcdtung ,  das  Gesjmlcli  (woher  das  französische  discoiirs)^ 
für  sermo,  colloquium,  dispiitatio,  dialogiis. 

Discussio  und  discutere  sind  in  der  geistigen  Bedeutung  Unter- 
suchung, unte7^suclien,  über  etwas  sijreclien  sehr  Sp.  L.  (bei  Macrob. 
somn.  Scip.  1,  5,  1,  TertulL,  Hieron.,  August.,  vgl.  Grölzer  Hieron. 
S.  255)  und  durchaus  zu  verwerfen  für  disjnctatio,  quaestio,  cognitio ; 
disserere,  cognoscere  u.  a. 

Disertus,  beredt,  einer  der  klar  und  bestimmt  spricht,  diserte  = 
beredt,  z.  B.  Cic.  de  or.  1,  44  diserte  dicere.  Aber  nicht  erst  bei 
Livius  bedeutet  das  Adv.  diserte  und  disertissime  klar,  deutlich, 
bestimmt,  ausdrücklich  (s.  Liv.  42,  25,  4  und  die  Stellen,  welche 
Fabri  dafür  beibringt  zu  Liv.  21,  19,  3)  gleich  aperte,  plane  u.  a., 
sondern  schon  Plaut.  Amph.  578  sagt  satin  hoc  plane,  satin  diserte 
und  selbst  Cic.  Verr.  3,  126  lioc  eum  diserte  scribere;  es  ist  also 
diserte  =  ausdrücklicJi  klass.  N.  L.  ist  es,  dafür  disertis  verbis  zu 
brauchen;  Nägelsbach-Müller^  S.  365  meint,  dass  man  davor  nicht 
genug  warnen  kann  und  stellt  deshalb  die  Adv.  zusammen,  welche 
das  klassische  Latein  neben  diserte  für  ,^ausdrücklicJi^^  darbietet. 
Es  sind  diligenter,  definite,  nominatim,  dilucide,  aperte,  plane;  für 
liquido  und  expresse  weiss  Iwan  von  Müller  keine  Autoritäten. 
Ausdriicklich  lässt  sich  auch  durch  ein  Hendiadyoin  geben,  z.  B. 
Cic.  Phil.  3,  33  appetere  atque  deposcere  =  ausdrücklich  verlangen, 
vgl.  Nägelsb.-Müller^  1.  1.  S.  342.  Ygl.  noch  Reisig-Haase-Hagen 
S.  303,  u.  s.  V.  Expressus. 

Disharmonia,  die  Disharmonie,  ist  N.  L.  für  discrepantia,  dis- 
cordia,  disiunctio,  dissensio  u.  a. 

Diiungere  oder  disiungere,  scheiden,  abtrennen,  wird  verbunden 
cdiquem  ab  aliquo,  ab  aliqua  re  und  aliquid  ab  aliqua  re,  z.  B.  Cic. 
Phil.  2,  23  Caesar  Pompeium  a  mea  familiaritate  disiunxit  und  Cic. 
nat.  deor.  1,  16  qui  honesta  a  commodis  non  nomine,  sed  genere  toto 
disiungerent. 

Dispalari,  überall  herumschiveifen,  ist  mir  nur  aus  Sisenna  (Peter 
S.  180,  27  und  S.  188,  25),  Nep.  Lys.  1,  2  und  Hann.  5,2,  sowie 
Pseudo-Sall.  de  rep.  2,  5,  6,  Gell.  1,  11,  4  und  Ammian  bekannt; 
auch  dispalato  foedo  terrore  bei  Amm.  16,  12,  1  kann  hieher  ge- 
rechnet werden.  Wenn  aber  Lupus  S.  217  sich  auch  auf  Yarro 
als  Gewährsmann  beruft,  so  steht  mir  aus  diesem  Autor  keine  Stelle 
zu  Gebote.     Da  selbst  Livius  das  Wort  nicht  aufnahm  —  22,  17,  4 


Disparere  —     457     —  Displicenter 

genügt  ihm  palatos  für  das  von  Nepos  gebrauchte  düpalatus  —  und 
erst  Ammian  wieder  auf  dasselbe  zurückgrifF,  werden  wir  gut  tun, 
es  zu  meiden. 

Disparere,  verscJnvinden,  ist  sehr  Sp.  L.  und  nicht  nachzuahmen 
für  evanesco  u.  ä.,  vgl.  Bergmüller  Jord.  S.  13. 

Dispendium,  der  Aufwand,  Unkosten,  findet  sich  nur  ^'A.  L., 
N.  Kl.  u.  Sp.  L.  für  sumptus,  detrimentum,  dammim;  vgl.  Rönsch 
It.  S.  30,  Gölzer  Hieron.  S.  57,  Bergmüller  Jord.  S.  11,  Nieländer 
1893  S.  12. 

Dispensator,  der  Vertvalter,  und  dispensare,  verivalten,  werden 
bildlich  auch  von  der  Staatsverwaltung  gebraucht,  bei  Cicero  (de 
rep.  5,  5),  aber  in  der  Vergleichung  mit  dem  Hausverwalter,  und 
mit  dem  beigesetzten  quasi  für  das  gewöhnliche  adniinistrare.  So, 
wie  es  bei  Cicero  gebraucht  ist,  kann  es  nachgeahmt  werden.  Das 
Yerbum  dispensare  aber  in  der  Bedeutung  unseres  dispensieren,  d. 
h.  amtlicJi  freisprechen  von  etwas,  und  das  Subst.  dispensatio  = 
Enthindimg  von  etwas,  ist  N.  L.  für  aliquem  lege  oder  legibus  sol- 
vere,  d.  h.  einen  von  einem  Gesetze  (von  den  Gesetzen)  losmachen, 
befreien,  und  veniam  aliciiius  rei  dare,  gratiam  cdicuius  rei  facere, 
aliciii  vacationem  alicuius  rei  oder  ab  aliqua  re  dare  u.  ähnl.,  und 
so  Dispense  bekommen,  gratiam  alicuius  rei  impetrare  und  vacationem 
rei  oder  ab  cdiqua  re  accipere. 

Disperditio,  die  Zerstörung,  das  Zugrunderichten,  steht  in  der 
einzigen  Stelle,  wo  es  vorkommt  (in  Cic.  Phil.  3,  30),  sehr  zweifel- 
haft, da  die  beste  Handschrift  dlspersio  liest.  Dafür  hat  Lambin 
dij^eytio  aufgenommen,  obgleich  dem  Zusammenhange  nach  das  frei- 
lich ebenfalls  im  bessern  Latein  ungebräuchliche,  erst  Sp.  L.  vor- 
kommende dispertitio,  die  Verteilung ,  passender  scheint ;  das  letztere 
haben  Klotz,  Kayser  und  C.  F.  W.  Müller  in  den  Text  gesetzt  und 
Hauschild  weist  S.  17  nach,  dass  der  Sinn  des  „  Ferfei/en.«?"  vor- 
züglich zur  Stelle  passt.  Mit  Recht  streicht  Georges  das  Substantiv 
disperditio  aus  dem  lateinischen  Lexikon.  Man  vermeide  es.  —  Das 
Yerbum  disperdere  steht  für  Cicero  agr.  1,  2  fest;  ebenso  braucht 
es  Yatinius  in  Cic.  fam.  5,  10,  1.  Aber  disperire  ist  unklassisch; 
vgl.  Progr.  Mannheim  1881  S.  43;  C.  F.  W.  Müller  hat  es  freilich 
Cic.  agr.  2,  80  aufgenommen,    vgl.   jedoch  Zumpt   leg.  agr.  S.  121. 

Dispergere  ist  ein  klass.  Wort,  vgl.  Cic.  nat.  deor.  3,  67  puerum 
obtruncat,  dispergit  corpus;  ac.  2,  120  cur  deus  tarn  multa  mortifera 
terra  marique  disperserit.  Yerworfen  wird  aliquid  inter  homines  dis- 
pergere, (eine  Nachricht)  unter  die  Leute  bringen,  für  aliquid  ser- 
monibits  divulgare.  Streicht  man  aber  die  Worte  inter  homines,  so 
ist  dispergere  oder  dispergere  aliquid,  z.  B.  rumorem,  nachklass. 
Latinität,  s.  Dräger  zu  Tac.  ann.  14,  38.  Über  die  Yerwechslung 
der  Formen  von  disperdo  und  dispergo  im  Sp.  L.  vgl.  Thiel  mann 
im  Archiv  YI  S.  166. 

Displicenter,  ungern,  schwierig,  ist  N.  L.  für  gravate,  moleste, 
aegre  u.  a. 


Displicentia  —     458     —  Disputare 

Displkentia,  das  Missfallen,  findet  sich  nur  N.  Kl.  bei  Seneca 
(tranq.  an.  2,  8)  und  Sio.  L.  als  medic.  t.  t.  =  körperliches  Miss- 
behagen.  Vorbereitet  ist  die  letztere  Bedeutung  durch  das  Kl.  dis- 
plicere,  z.  B.  Cic.  Phil.  1,  12  cum  e  via  languerem  et  miJiimet  dis- 
plicerem  ^^mich  unwohl  fühlte"''.  Displicentia  in  beiden  Bedeutungen 
werde  ersetzt  durch  taedium,  hnprobatio,  offensio  u.  a.,  sowie  durch 
das  Yerbum  displicere. 

Disponere,  etiuas  verteilen,  stellen,  legen;  tco  oder  ivohin,  aliqaid 
in  aliquo  loco;  längs  oder  an  einem  Orte  hin,  ad  oder  per  aliqiiem 
locum ;  ringsum  in  Gegenden,  circum  loca. 

Dispositus  kann  nicht  von  einem  Menschen  in  Rücksicht  auf 
seine  Seelenstimmung  gebraucht  werden,  also  nicht  hene  oder  male 
dispositus,  wie  wir  sagen  gul  oder  übel  disponiert,  sondern  hene,  male 
affectus;  das  letztere  wird  auch  durch  mihi  displiceo,  Cic.  Att.  2, 
18,  3  gegeben. 

Dispudere,  sich  sehr  schämen,  kommt  A.  L.  einigemal  bei 
Plautus  und  Terenz,  sowie  ^S^;.  L.  bei  Apul.  und  Claudian.  Mam. 
vor  und  ist  nicht  wohl  nachzubrauchen ;  vgl.  Sittl  lok.  Yerschieden- 
heiten  S.  121,  Engelbrecht  Claud.  S.  25  und  72,  Lorenz  zu  Plaut. 
Pseud.   1201. 

Disputahilis  ist  a;ra?  elp.  bei  Sen.  epp.  88,  43,  welcher  aber 
dort  den  Sinn  des  Wortes  auch  umschreibend  ausdrückt:  de  omni 
re  in  iitramque  partem  disputari  posse;  man  halte  sich  nur  an  die 
Umschreibung. 

Dispmtare  enthält  an  und  für  sich  nicht  den  Begriff  des  Streitens 
über  etwas  mit  Worten  mit  einem  oder  mehrern,  sondern  nur  den 
Begriff  erwägen,  untersuchen,  allein  oder  mit  andern,  wobei  Gründe 
und  Gegengründe  erwogen  oder  vorgebracht  werden;  dies  liegt  in 
der  Grundljedeutung  des  Wortes,  vgl.  Tegge  S.  39  u.  117  {putare 
ins  Reine  bringen,  dis-  durch  Entwicklung  des  für  und  wider). 
So  kommt  es,  dass  wir  nirgends  disputare  cum  =  mit  jemanden  dis- 
putieren finden;  disputare  ist  =  zusammenhängend  vortragen,  eine 
wissenschaftliche  Streitfrage,  besonders  eine  philosophische,  erörtern; 
cum  cdiquo  disputare  oder  disserere,  vgl.  Cic.  de  or.  2,  13  und  acad.  2, 
17,  ist  gemeinschaftlich  mit  andern  oder  auch  in  ihrer  Anwesenheit 
erörtern.  Ist  der  Gegenstand  ein  Subst.,  so  wird  nur  de  aliqua  re  dispu- 
tare gesagt,  nicht  aliquam  rem,,  wovon  nur  neutrale  Pronomina  wie  id 
(Cic.  fam.  3,  8,  3),  ]iaec  (ib.),  Jioc  (Tusc.  1,  83),  quae,  multa  u.  dgl.  oder 
die  Rücksicht  auf  Gleichförmigkeit  des  Ausdruckes:  re  quaesita  et 
multum  disputata,  Cic.  de  or.  1,  22,  eine  Ausnahme  machen.  Dies  ist 
der  Kl.  Brauch.  Aber  schon  Gellius  (vgl.  Gorges  S.  27)  weicht 
davon  ab,  wenn  er  17,  12,  1  im  Lemma  sagt  de  materiis  infamihus 
a  Favorino  exercendi  gratia  disputatis.  Erklärlich  ist  es  darnach, 
wenn  Muret  (Exphc.  Cic.  Catil.  1,  1)  schreibt:  Miror,  qua  ratione 
motus  Ramus  dixerit,  disputari  hoc  loco  caput  deliberationis,  für  de 
capite.  Und  so  bemerkt  Reisig  (Vorles.  S.  645  ed.  Schmalz  u.  Land- 
graf) richtig,  man  könne  gut  lateinisch  nicht  sagen  disputo  philoso- 


Disquirere  —     459     —  Di«öoiitire 

l)liiam,  dogmaticam,  sondern  nur  de  ijhüosophia.  —  Man  merke  noch 
die  Redensarten:  disjmtare  in  eam  sententiam,  in  dem  Sinne  sprechen; 
in  yiullam  partem,  für  keine  Partei;  in  utramqiie  imrtem  oder  in 
contrarias  'partes,  für  leide  Payieien,  oder,  wie  wir  sagen,  für  und 
ivider  sprechen,  wofür  B.  im  N.  L.  gesagt  wird  pro  et  contra  dis- 
putare,  dicere  u.  dgl.     Ygl.  noch  s.  v.  Dissertatio. 

Disquirere,  unter suclien,  kommt  im  N.  L.  oft  vor,  während  es 
doch  nur  höchst  selten  gebraucht  wurde  und  für  uns  nur  aus  Horat. 
sat.  2,  2,  7  und  Autoren  der  spätem  Latinität  erweislich  ist ;  —  es 
werde  also  vermieden.  Selbst  das  Subst.  disquisitio  ist  in  der  Be- 
deutung gerichtliche  und  nicJit  gerichtliche  Untersuchimg  selten,  steht 
jedoch  bei  Cicero,  z.  B.  Sulla  79  iyi  magnis  disqnisitionihus  (doch 
will  es  hier  Madvig  in  disceptatio  ändern),  har.  resp.  13,  auch  rhet. 
Her.  2,  41,  ferner  bei  Liv.  8,  23,  14  und  26,  31,  1;  an  den  beiden 
letzten  Stellen  erscheint  es  in  der  Phrase  in  disquisitionem  venit. 
Die  ivissenschaftliche  Untersuchung  aber  ist  nicht  disquisitio,  sondern 
quaestio,  disputatio. 

Dissecare,  zerschneiden,  steht  N.  Kl.  nur  beim  altern  Plinius 
und  Sueton,  Sp.  L.  bei  Gell,  und  Apul.,  und  ist  selten  für  secare. 
—  N.  L.  ist  das  Subst.  dissectio  in  der  Bedeutung  Treyiming  für 
disiunctio.  —  Zerschneidung  eines  Körpers  heisst  bei  Celsus  laceratio 
mortuorum,  incidere  corpora,  und  bei  Cicero  aperire  corpora;  bei 
ihnen  findet  sich  weder  secare  noch  Sectio,  noch  das  N.  L.  dissectio. 
Ygl.  oben  s.  v.  Änatomus. 

Disseminatio,  die  Verbreitung,  ist  sehr  Sp.  L.,  wiewohl  dis- 
Seminare  Kl.  ist;  es  steht  bei  Apul.  Tert.  Hieron.,  vgl.  Gölzer 
Hieron.  S.  68.  Man  sage  daher  nicht  dissemiyiatio  oder  dissemina- 
tiones  sermonum,  Ausstreuung,  Aussprengung  von  Reden,  für  sparsi 
rumores,  disseminati  sermones;  vgl.  Cic.  Plane.  46  ne  disseminato 
dispersoque  sermoni  fortunas  innocentium  suhiciendas  putetis. 

Dissensus,  Uneinigkeit,  ist  P.  und  Sp.  L.  sehr  selten  für  dis- 
sensio,  obgleich  consensus  und  consensio  Kl.  ist. 

Dissentire,  imeins  sein  mit  jemanden,  wird  verbunden  ab  aliquo 
und  cum  aliquo,  vgl.  Thielmann  Cornif.  S.  66,  N.  Kl.  und  P.  mit 
dem  Dativ,  vgl.  Landgraf  Progr.  1899  S.  24.  Doch  sibi  ipsum  dis- 
sentire in  cdiqim  re,  was  bei  rhet.  Her.  2,  42  vorkommt,  scheint 
uns  ebenso  gut  wie  discreyare  sibi;  vgl.  oben  unter  Discrepare  uod 
Thielmann  B.  Gymn.  XVI  S.  352.  Aber  unter  einander  ist  =  inter 
se,  z.  B.  iyiter  nos  dissentimus,  ivir  sind  unter  einander  uneins  (Cic. 
fin.  2,  19).  Dissentire  mit  einem  sachlichen  Subjekt  verbunden  in 
dem  Sinne  von  abhorrere  ist  selten,  findet  sich  aber  immerhin  schon 
bei  rhet.  Her.  1,  19  cum  videtur  scriptoris  voluntas  cum  scripto  ipso 
dissentire,  dann  bei  Cic.  Phil.  1,  5  und  fin.  5,  79  quid  ipsum  a  se 
dissentiat,  öfters  jedoch  N.  KL,  z.  B.  bei  Curt.  6,  1,  17:  nee  falle- 
bat Antipatrum  dissentire  ab  animis  g^^atidantium  vultus.  —  Das  Subst. 
dissensio  wird  ebenfalls  mit  a  und  cum  verbunden:  dissensio  Zenonis 
a  superioribiis,   Cic.  acad.   1,  42.      Numqiiam    de    bono   oratore  aut 


Dissepire  —     460     —  Dissimulare 

non  hono  doctis  hominihiis  cum  ijopulo  dissensio  fuit,  Brut.  185; 
auch  mit  inter :  inter  2Iarcelliim  et  Apputm  dissensio,  Cic.  leg.  2,  32. 

Dissepire  (dissaepire),  trennen,  scheiden,  ist  Kl.  bei  Cic.  (rep. 
4,  4),  und  in  derselben  bildlichen  Wendung,  in  welcher  es  Cic.  ge- 
braucht: tenui  sane  muro  dissaepiunt  id  qitod  excipiunt,  auch  für 
uns  nicht  zu  beanstanden.  Sonst  findet  es  sich  ausschliesslich  bei 
Dichtern. 

Dissertatio  wird  N.  L.  sehr  häufig  missbraucht.  Das  überhaupt 
erst  Sp.  L.  Wort,  welches  ausser  bei  Gellius  1,  2,  6;  14,  3,  5  u. 
17,  13,  11  gar  nicht  vorkommt  (Plin.  nat.  10,  190  liest  man  jetzt 
e^^isserfafio),  bedeutet  nur  die  mündliclie  Erörterung;  dies  beweist 
besonders  Cell.  14,  3,  5  negat  Socraten  de  caeli  atque  naturae  causis 
iinquam  disputavisse  idcircoqiie  turpiter  eos  mentiri  dicit,  qui  disser- 
tatio7ies  istiusmodi  Socrati  attrihuerent.  Mit  Unrecht  überträgt  man 
es  auf  wissenschaftliche  Abhandlungen,  die  scliriftlicli  niedergelegt 
sind  und  vielmehr  das  Resultat  stiller  Betrachtung  als  mündlicher 
Erörterung  enthalten.  Solche  ^Dissertationen^'  heissen  richtiger  dis- 
piitatio,  commentatio,  liheTlus,  opiisculum.  —  Für  disserere  merke 
man,  dass  der  transitive  Gebrauch  mit  substantivischem  Objekt,  z. 
B.  disserere  lihertatis  honet  durchaus  unklassisch  ist;  er  findet  sich 
N.  KL  bei  Tac.  und  .S};.  L.  noch  bei  Hieron.,  vgl.  Gölzer  S.  308. 
Die  Abgrenzung  der  Bedeutungssphäre  von  disserere  und  dispntare 
gibt  Seyffert-Müller  z.  Lael.  S.  61  u.  S.  241. 

Dissidere,  in  Gesinnunfj  oder  Neigung  mit  jemanden  uneinig 
sein,  wird  sowohl  durch  cum  aliquo,  als  auch  durch  (das  häufigere) 
ah  aliquo  dissidere  verbunden.  Über  tvas  man  uneinig  ist.  wird 
durch  in  c.  ahl.  oder  de  ausgedrückt:  de  qua  (definitione  summi 
honi)  qui  dissident,  de  omni  vitae  ratione  dissident,  Cic.  acad.  2,  132 
und:  milii  praeter  ceteros  non  rectum  me  in  tantis  rehus  a  Pompeio 
dissidere,  Cic.  Attic.  7,  6,  2.  Der  Gegenstand,  hinsichtlich  dessen 
eine  Uneinigkeit  stattfindet,  steht  im  Ablativ,  z.  B.  ex  quo  facile 
intellectu  est,  .  .  .  verhis  eos,  non  re  dissidere,  Cic.  fat.  44 ;  aus- 
einander gehen  beide  Sprachen  in  ihrer  Anschauung  in  Fällen,  wie 
capitali  odio  ah  aliquo  dissidere,  wo  wir  sagen  his  zu  tötlichem  Hasse 
mit  einem  zerfallen  sein,  Cic.  Lael.  2  ;  dass  capitali  odio  hier  Abi. 
modi  ist,  lehrt  Seyffert-Müller  z.  St.  Für  den  Widerspruch,  in 
welchem  eine  Sache  mit  einer  andern  steht,  ist  neben  der  Konstruk- 
tion mit  a,  z.  B.  scriptum  a  sententia  dissidet,  auch  die  mit  cum 
zulässig:  cum  voluntas  scriptoris  cum  scripto  dissidere  videtur,  rhet. 
Her.  2,  13  und  ebenso  bei  Cicero:  vet'ha  ipsa  videntur  cum  sen- 
tentia scriptoris  dissidere,  inv.  1,  17.  Selbstverständlich  aber  ist 
cum  causa  dissidere  bei  Cic.  Phil.  11,  15  lediglich  der  Konzinnität 
wegen  gesagt.     Verderbt  ist  Cic.  Font.  6,  vgl.  C.  F.  W.  Müller  z.  St. 

Dissidium;  vgl.  Discidium. 

Dissimulare,  sielt  stellen,  als  oh  oder  dass  — ,  gewöhnlich  mit 
einem  Objekt,  das  sich  auf  ein  Gefühl  oder  überhaupt  auf  einen 
geistigen  oder  körperlichen  Zustand  des  Subjekts   (dolorem,  metum. 


Dissipare  —     461     —  Dissolvere 

irani^  vulnus)  bezieht  —  s.  Mützell  zu  Curt.  S.  382  — ,  wird  ge- 
braucht, wenn  im  Deutschen  eine  Veniemuyuj  folgt,  dagegen  shnu- 
lare,  sich  stellen,  als  oh  — ,  wenn  eine  Bejahung  folgt ;  z.  B.  er  stellt 
stell,  als  lüäre  er  nicht  krank,  dissimulat  se  esse  aecjrum,  wo  im 
Yerbum  die  Verfieimmg  liegt ;  aber  er  stellt  sich,  als  tväre  er  krank, 
simulat  se  esse  aecp^imi,  oder  bloss  simulat  aegrum  ohne  se  und  esse 
(letzteres  nicht  Kl.,  aber  bei  Liv.  zu  finden).  Der  Unterschied  der 
Bedeutung  dieser  Yerben  wird  kurz  und  gut  auch  in  dem  bekannten 
Hexameter  gegeben:  Quae  non  simt  simiilo,  qiiae  sunt  ea  dissimu- 
lantiir.  Ygl.  noch  s.  v.  Simidare.  —  Im  Sp.  L.  ist  dissimidare 
sehr  beliebt ;  die  Entwicklung  der  Bedeutung  führte  schliesslich  auf 
den  Gebrauch,  wonach  dissimidare  synonym  mit  cunctari,  neglegere, 
non  curare  wird,  z.  B.  dissimulat  venire;  vgl.  hierüber  Dederich  zu 
Dar.  Phryg.  28,  Rönsch  Sem.  III  S.  30 ;  das  gleiche  gilt  für  dis- 
simulatio,  Ng\.  Cyprian  358,  23,  wo  dissimidatio  neben  cunctatio 
steht:  vgl.  Watson  S.  301. 

Dissipare,  zerstreuen,  verbreiten,  zerstören,  vergeuden.  Im  eigent- 
lichen Sinne  sagt  man  sowohl  dissipare  in  loco  als  in  locum.  Merk- 
würdig ist  das  militärische,  mit  dem  deutschen  Ausdruck  nicht  über- 
einstimmende in  f'ugam  dissipati  sunt  =  sie  ivurden  in  regellose, 
aufgelöste  Flucht  zerspreyigt,  Liv.  8,  39,  8  und :  collectis  ex  dissipato 
cursu  militihiis,  Liv.  2,  59,  9  und:  Panici  exercitus  ex  dissipata 
passim  fuga  reliquiae,  Liv.  28,  20,  8.  Dissipare  animi  partes  ist 
gut,  s.  Cic.  Tusc.  4,  87,  wo  dissipatas  animi  partes  rursum  in  suum 
locum  cogere  ein  offenbar  der  militärischen  Sprache  entnommener 
Tropus  ist:  die  (durch  den  Zorn)  gleichsam  zersprengten  Geistes- 
kräfte —  meiis,  consilium  —  tvieder  in  ihre  normale,  dominierende 
Stellung  zurückführen.  Nach  meiner  Erfahrung  wird  das  Wort  dis- 
sipare viel  zu  wenig  gebraucht,  trotzdem  es  in  manchen  Wendungen 
ganz  vorzüglich  ist,  z.  B.  dissipare  rempuhlicam,  was  Seyffert-MüUer 
z.  Lael.  S.  260  trefflich  erklärt,  dann  Cic.  Att.  15,  11,  3  prorsus 
dissolutum  offendi  navigium  vel  potius  dissipatum  „ganz  ausser  Hand 
und  Band^^ ;  Cic.  Brut.  216  Curio  cum  tardus  in  cogitando  tum  in 
instruendo  dissipatus  fait  j^^ohne  Zusammenhang^''  u.  ä.  —  Sich  zer- 
streueyi""  heisst  Kl.  auch  animum  a  sollicitudine  abducere,  vgl.  Cic. 
fam.  4,  3,  4. 

Dissitus,  aus  einander  liegend,  entlegen,  entfernt,  ist  Sp).  L.  bei 
Apul.  u.  Arnob.  für  diversus,  remotus,  longinquiis,  disiuncttis,  z.  B. 
Arnob.  37,  14  gentes  regionibus  dissitae ;  vgl.  Kretschmann  Apul. 
S.  49. 

Dissolvere.  Geld  auszahlen  heisst  vom  schuldigen  Gelde  solvere, 
vgl.  z.  B.  Cic.  Att.  16,  16,  A,  4  ut  pecuniam  reliquam  Buthrotii 
ad  diem  solverent,  Att.  7,  8,  5  solvendi  sunt  nummi  Caesari  u.  ä., 
jedoch  nirgends  aes  alienum  solvere,  während  aes  alienum  dissolvere 
Kl.  ist,  vgl.  Cic.  Süll.  56  aes  alienum  eiusdem  est  dissolutum.  Es 
findet  sich  aes  alienum  solvere  zuerst  bei  Sali.  Cat.  35,  3,  dann 
N.  Kl.  bei  Liv.  31,  13,  5,    Yal.  Max.  6,  2,  11,  Sen.  exe.  controv. 


Dissonantia  —     462     —  Distrahere 

6,  1.  1,  lust.  12,  11,  1,  Sen.  epp.  23,  9  ii.  36,  5.  Solutio  cmis 
alieni  hat  Liv.  7,  21,  5  u.  c.  22,  6,  ebenso  iiisti  crediti  solutio  42, 
5,  9.  Wenn  nun  auch  bei  Cicero  in  Yerbindung  mit  pecunia  dehita, 
credita,  pecunia  quae  dehetur,  res  creditae  nicht  nur  dissolvere, 
sondern  auch  solvere  sehr  oft  gefunden  wird,  ygh  Cic.  Pis.  86,  off. 
2,  84,  Fiacc.  54,  leg.  2,  49,  so  folgt  daraus  noch  nicht,  dass  aes 
alieuum  solvere  oder  aeris  cdieni  solutio  von  ihm  gesagt  wurde;  im 
Gegenteil,  er  scheint  es  sichtlich  gemieden  zu  haben.  Caesar  kennt 
weder  solvere  noch  dissolvere  aes  alieuum.  —  Das  Partizip  dissolutus 
merke  man  als  ein  Synonym  von  dissipatus ;  es  bezeichnet  eiyien 
in  hohem  Grade  zerfahrenen  und  leichtsinnigen  Menschen;  vgl.  auch 
Landgraf  S.  Rose.  S.  197.  So  sagt  noch  Pseudo-Cyprian  A  9,  13 
H.  vir  idtra  muliehrem  mollitiem  dissolutus.  —  Dass  das  von  Halm 
als  Kl.  bezweifelte  severitatem  dissolvere  gut  ciceronisch  ist,  hat 
Landgraf  zu  Cic.  Mur.  68  erwiesen. 

Dissonantia^  die  Disharmonie,  ist  sehr  Sp.  L.  für  discrepantia, 
discordia ;  näheres  bei  Gölzer  Hieron.  S.  100,  Paucker  Nachtrag  z. 
Beitr.  S.  20. 

Dissuadere  alicui  cdiquid,  einem  etwas  oder  von  etwas  abraten, 
findet  sich  erst  bei  Ovid,  dissuadere  ah  gar  erst  Sp.  L.  bei  Tert., 
indes  Kl.  nur  dissuadere  cdiquid  oder  de  aliqua  re,  z.  B.  Cic.  off.  3, 
110  cum  praeserthn  de  captivis  dissuasurus  esset,  gesagt  wird.  Durch 
Konzinnität  bedingt  ist  Cic.  off.  3,  101  qui  non  modo  non  censuerit 
captivos  remittendos,  verum  etiam  dissuaserit.  Wenig  empfehlens- 
wert ist  dissuadere  mit  Inf.,  z.  B.  rhet.  Her.  3,  5  nimium  pro- 
(jredi  dissuadehimus ;  vgl.  Thielmann  Cornif.  S.  83.  Dissuadere  ne 
ist  klass.  nicht  zu  erweisen;  aber  es  steht  bei  C.  Gracchus  (Gell. 
11,  10,  4)  cpii  prodeunt  dissuasuri,  ne  hanc  legem  accipiatis:  klass. 
genügt  legem  dissuadere,  vgl.  Cic.  agr.  2,  101.  —  B.  L.  ist  db>- 
suadere  aliquem  ah  aliqua  re. 

Dissyllahus,  zweisilbig,  ist  falsche  Form  für  disgllabus. 

Distantia.  die  Distanz,  Entfernung  (vom  Orte)  kommt  nur 
N.  Kl.  bei  Yitruv  vor  (6,  1,  7),  der  auch  abstantia  braucht,  und 
bei  Plin.  mal.,  sowie  Sp.  L.,  z.  ß.  öfters  bei  Claudian,  Mam.,  Enno- 
dius,  Arnob.  u.  a.,  selbst  im  Plural.  —  Es  wird  ersetzt  durch 
intervallum  oder  spjatium;  vgl.  Liv.  8,  8,  5  distantes  inter  se  mo- 
dicum  spatium.  —  Distantia  =  Unterscliied  hat  Cic.  nur  Lael.  74 
niorum  studiorumque  distantia,  vgl.  Seyffert-MüUer  z.  St.,  dann  nur 
Quint.  u.  Amm.,  vgl.  Liesenberg  I  S.  22. 

Distinguere  bedeutet  zwar  auszeichnen,  aber  se  distinguere  ist 
in  der  gewöhnlichen  Bedeutung  sich  auszeu'hnen ,  d.  h.  hervortun, 
Y'.  L.  für  excellere,  superare,  praestare  u.  a.  Ebenso  ist  X.  L.  se 
distinguere  oder  bloss  distinguere  in  der  Bedeutung  sich  unterscheiden 
für  diffei're. 

Distrahere  kommt  in  der  Bedeut.  einzeln  verkaufen  erst  N.  Kl. 
bei  Sueton  u.  Tacitus  (ann.  6,  17)  und  den  spätem  Juristen  und 
Eccl.  vor,  für  das  Kl.    divendere;   ganz  Sp.  L.    wird  es  von  einem 


Distribuere  —     463     —  Districtus 

einzelnen  Gegenstand  gebraucht,  Hist.  Apoll.  58,  17  qiwd  a  piratis 
ahducta  et  distrada  faissef,  vgl.  Thielmann  Apoll.  S.  14,  Rönscli  It. 
S.  360,  Mohr  im  Progr.  von  Bremerhaven  1886  S.  8,  Grupe  im 
Progr.  von  Zabern  1892  S.  3  und  dazu  meine  eingehende  Erörterung 
des  ganzen  Gebrauchs  in  Berl.  Phil.  Woch.  1893  Sp.  1090.  Ebenso 
8p.  L.  ist  das  Subst.  distractio  =  Verkauf.  In  der  Bedeutung 
trennen,  losreissen  v^ird  es  verbunden  mit  dem  Ablat.  und  der  Prä- 
position a;  distrahi  cum  aliquo  ist  ^zerfalleji  mit  einem"' .,  z.  B.  Cic. 
Deiot.  15  cum  coniuge,  cum  filio  distractus  esset. 

Distribuere  in  der  Bedeutung  in  etivas  einteilen,  -wird  verbunden 
aliquid  in  aliquid,  z.  B.  populum  in  partes  duas;  N.  Kl.  bei  Yell. 
finden  wir  auch  in  c.  abl.,  z.  B.  2,  20,  2  Cinna  in  omnihus  tri- 
huhus  se  eos  distrihutiirum  pollicitus  est;  vgl.  Georges  Yell.  S.  37  f.  — 
Etwas  unter  eine  als  Ganzes  gedachte  MeJirheit  von  Leuten  zum  Ge- 
brauche oder  als  Geschenk,  aber  auch  als  Last  und  Abgabe  verteilen 
heisst  bei  distribuere  und  seinen  Synonymen  den  besten  Autoren  zu- 
folge gewöhnlich  alicui  aliquid  distribuere,  dividere,  s.  Caes.  Gall. 
4,  22,  4  u.  7,  65,  5,  Cic.  Phil.  5,  53,  Verr.  1,  39,  Rull.  3,  3  und 
sonst,  ünklassisch  ist  inter  aliquos  aliquid  distribuere,  dividere, 
partiri.  Bei  Cic.  lesen  wir  nur  Phil.  14,  15  partiuntur  inter  se, 
qui  urbis,  qui  Capitolii  portas  occupent,  also  ohne  substantivisches 
Objekt.  Bei  dem  Verhältnisse  der  Gegenseitigkeit  setzen  ^N^ep. 
Thrasyb.  1,  5,  Liv.  23,  32,  1,  lust.  2,  14,  6  inter  se,  z.  B.  diviso 
inter  se  auro,  mit  Subst.  als  Objekt.  Ohne  dass  ein  Gegenseitig- 
keitsverhältnis vorwaltet,  hat  schon  Plaut,  inter  verwendet,  z.  B. 
Plaut.  Mil.  700  bo?ia  inter  eos  partiam,  in  Prosa  wohl  zuerst  Liv., 
z.  B.  21,  17,  5;  23,  19,  9;  42,  61,  5,  dann  Sen.  Plin.  Quint.  Flor. 
Man  wird  diesen  vor-  und  nach-Kl.  Gebrauch  wohl  nur  da  an- 
wenden dürfen,  wo  durch  Setzung  des  Dativs  Undeutlichkeit  ent- 
stünde, z.  B.  opibus  inter  liberos  distributis  und  nicht  opibus  liberis 
distributis.  Der  Accus,  mit  in  aber  ist  in  klassischer  Prosa  nur  dann  zu- 
lässig, wenn,  wie  Hand  (Tursell.  III,  329)  bemerkt,  ausgedrückt  werden 
soll,  quibus  singidis  aliquid  sive  aliqua  pars  tribuatur;  vgl.  Cic.  Phil.  5, 
53,  Cluent.  74,  Liv.  34,  46,  3.  Wenn  Hand  a.  a.  0.  sagt :  omittitur 
interdum  yiomen  singulus,  so  ändert  das  nichts  an  der  Sache,  indem 
dann  für  singidi  stellvertretend  viritim,  in  viros,  in  capita  oder  Distri- 
butivzahlen, wie  Liv.  34,  52,  11  und  35,  9,  8  stehen. 

Districtus,  gebunden,  verhindert,  wird  verbunden  aliqua  re  und 
ab  aliqua  7^e,  z.  B.  Cic.  Q.  fr.  2,  15,  1  numquam  me  a  causis  et 
iiidiciis  districtiorem  fuisse;  den  Superlativ  districtissimus  hat  Yell. 
2,  114,  1,  vgl.  Ellis  z.  St.,  sowie  Neue-Wagener^  II  S.  227  (oft 
wird  in  codd.  districtus  mit  destrictus  u.  distractus  verwechselt). 
Bei  Plin.  ep.  9,  21,  4  steht  destricte  =  streng,  nachdrücklich,  eig. 
scharf;  die  Metapher  ist  nach  Nipp,  zu  Tac.  ann.  4,  36  vom  ge- 
zückten Schwert  hergenommen,  diese  Bedeutung  hat  districtus  nie. 

Districtus  als  Subst.,  ein  Distrikt,  ein  Bezirk,  steht  nur  I^ovell. 
42,  3   zur  Bezeichnung   des  Territoriums  einer  Stadt,  ist  aber  sonst 


Ditare  —     464     —  Divagari 

N.  L.  für  arjer^  tradus,  regio,  territorium,  und  in  Yerwaltungs- 
und  Kirchensachen  dioecesis. 

Ditare,  hereicliern,  reich  machen,  kommt  bei  Hör.  und  pros. 
zuerst  bei  rhet.  Her.  4,  66,  dann  bei  Liv.,  z.  B.  1,  57,  1;  9,  31, 
11;  21,  60,  9;  37,  54,  13  u.  41,  20,  3,  Yal.  Max.  4,  3,  5,  Colum. 
3,  9,  1,  Plin.  nat.  35,  200,  Tac.  ann.  15,  71,  Suet.  Nero  6,  Galb. 
5,  lust.  9,  2,  7,  auch  im  Sp.  L.,  z.  B.  bei  Ennodius,  Orosius  u.  a., 
aber  nicht  bei  Cicero  und  Caesar  vor,  vgl.  Thielmann  Cornif.  S.  37. 
Ditescere,  reich  icerden,  ist  selten  und  nur  P.  L.  und  Sp.  L.  und 
daher  nicht  zu  empfehlen  für  divitem  fieri,  divitiis  ornari,  locupletari, 
rem  auger e  u.  a. 

Ditio  s.  unter  dicio. 

Dill  (Ablat.),  von  dius,  der  alten  Nebenform  von  dies,  bei  Tage, 
kommt  nirgends  allein  vor,  sondern  nur  in  Verbindung  mit  noctu, 
also  noctu  diuque.  noctu  et  diu,  diu  noctuque  im  ^4.  L.  und  daher 
auch  bei  Sali.  Jug.  38,  3  u.  44,  5  u.  hist.  2,  89;  4,  34  M.,  vgl. 
Fabri  zu  Jug.  38,  3  und  Nitzschner  S.  13,  sowie  Schnitze  de  arch. 
Sali.  S.  60,  ferner  Fronto  ad  Anton.  2,  6,  S.  110  N.  und  nach  Sali. 
Yorgange  auch  bei  Tac.  ann.  15,  12  u.  hist.  2,  5,  vgl.  Nipperdey 
zu  ann.  15,  12 ;  für  Plaut.,  der  noctu  et  diu  nicht  kennt,  vgl. 
Sjögren  S.  3.  —  Gewöhnlicher  ist  die  und  in  Yerbindung  mit  nox, 
die  et  (ac)  nocte,  nocte  et  die,  noctihus  atque  diebus  (Sen.  Polyb.  12, 
4);  auch  in  derselben  Bedeutung  im  Accus,  diem,  und  ebenso  diem 
nodenique,  diem  ac  noctem,  und  im  Plur.  dies  noctesque,  noctes  dies- 
que,  noctes  atque  (et)  dies;  doch  noctesque  diesque  ist  P.  L.,  vgl. 
Plaut.  Amph.  168,  bei  Cic.  flu.  1,  51  ist  es  dichterische  Reminis- 
zenz, vgl.  meine  Syntax^  §  235.     Ygl.  Interdiu. 

Diu,  Adv.,  lange,  ist,  den  Präpositionen  ante  und  post  vorge- 
setzt, in  der  Bedeutung  hinge  vorher,  hinge  nachlier,  Sp.  L.  für 
multo  ante,  multo  post.  S.  darüber  Gell.  7  (6),  4,  3  u.  17,  21,  11 
u.  Amm.  17,  3,  5  u.  21,  12,  3.  Gut  sind  jedoch  nimis  oder  nimium 
diu,  satis  oder  sat  diu,  parum  diu  (Cic.  Tusc.  1,  109),  minus  diu 
qiiam,  s.  über  letzteres  Cic.  Att.  7,  3,  1.  Sp.  L.  ist  diu  diucque 
für  das  einfache  diu.  Über  diu  est,  cum  oder  cpiod  — ,  es  ist  lange, 
lange  Zeit  her,  dass  —  vgl.  lamdiu,  und  über  diu  adhuc,  nocJi 
lange,  vgl.  Adhuc.  —  N.  L.  sind  Redensarten,  wie  diutiiis  est  cquam 
octo  dies,  es  ist  länger  als  aclit  Tage,   für   amplias    sunt   octo   dies. 

Diurnus,  täglich,  bedeutet  einen  Tag  dauernd,  z.  B.  diurnum 
spatium,  Cic.  inv.  1,  39,  oder  was  am  Tage  geschieht,  z.  B.  diurni 
nocturnique  labores,  Cic.  sen.  82.  ^Yenn  der  Begriff  alle  Tage,  tag- 
täglich darin  liegt,  braucht  man  cottidianus.  Erst  Sp.  L.  wird  diur- 
nus im  Sinne  von  cottidianus  gebraucht,  wie  z.  B.  Cyprian  382,  16 
H  passeribus  alimenta  diurna  praestantur  schreibt.  Tagebücher, 
Journale  sind  commentarii  diurni  bei   Suet.  Aug.  64. 

Divagari,  überall  umher  sei iiveifen,  kommt  Sp.  L.  nur  bei  Jur. 
und  Lactanz  vor.  Durchaus  verwerflich  ist  es  in  der  gekünstelten 
Phrase,   welche  Ruhnken    (Opusc.  I  S.  89)    braucht:    mentis    errore 


Divellere  —     465     —  Diversus 

divagcm  in  der  Bedeut.  i7Te7i^  sich  täuschen,   getäuscht  tverden,   für 
deciin,  labi  u.  a. 

Divellere,  aus  einander-  oder  ahreissen,  trenneyi,  wird  verbunden 
ab  aliqua  re,  ab  aliquo,  P.  L.  ohne  a. 

Diversicolor,  verschiedenfarbig,  ist  sehr  Sp.  L.  bei  Mart.  Cap. 
für  discolor. 

Diversim,  ganz  verschieden,  hat  durchaus  keine  Autorität  für 
sich,  es  steht  N.  L.  vielleicht  nur  bei  Görenz  (Cic.  fin.  praef.  S.  4): 
Codices  in  alia  omnia  diversim  abeunt^  für  diversi,  diverse  oder  iyi 
diver sum.  Näheres  über  das  bei  Cicero  nur  inv.  1,  90  gebrauchte 
und  von  da  ab  verschmähte  diverse  siehe  bei  Köhler  act.  Erl.  I 
S.  380,  Uri  S.  90,  Archiv  YI  S.  93. 

Diversimode,  auf  verschiedene  Weise,  lesen  wir  nur  Aug.  serm. 
132,  1,  nirgends  aber  diversimodus ,  verschiedenartig ;  beide  werden 
mit  Unrecht  im  N.  L.  gebraucht  für  diverse,  diverso  modo,  diversis 
modis,  varie  u.  a. 

Diver sitas,  die  Verschiedenheit,  ist  unklassisch;  es  steht  nirgends 
bei  Cic.  Caes.  Sali.  Liv.,  sondern  kommt  erst  N.  Kl.  bei  Quintilian 
und  dem  Jüngern  Plinius  vor;  Kl.  ist  dissimilitudo  oder  das  in  dieser 
Bedeutung  einmal  bei  Cicero  stehende  distantia,  vgl.  Seyffert-MüUer 
zu  Lael.  8.  457.  Es  wird  aber  diversitas  meistens  nur  von  der 
Verschiedenheit  mehrerer  unter  einander  in  Charakter,  Meinungen, 
Lebensweise,  Wort  und  Tat  gebraucht,  _  wogegen  varietas  fast  nur 
Mannigfcdtigkeit  und  Älnuechselimg  im  Äussern  bei  sonstiger  Ähnlich- 
keit der  Naturen  und  bei  einzelnen  Personen  auch  Unbeständigkeit 
im  eigenen  Charakter  bedeutet. 

Diversus.  Wie  diversitas  und  varietas  unterscheiden  sich  auch 
und  zwar  schon  in  Kl.  Sprache  meistens  die  Adjektiva  diversus  und  va- 
riiis.  Bestimmt  gedachte  Menschen,  deren  Charakter  in  Grundsätzen 
und  Ansichten  einander  fast  entgegen  und  feindlich  ist,  heissen  di- 
versi.  Meinungen  (oinniones)  sind  diversae,  wenn  sie  einander  ent- 
gegengesetzt sind,  wie  die  meisten  der  Stoiker  und  Epikuräer  (Cic. 
acad.  2,  101);  aber  variae  (Cic.  fam.  1,  9,  25)  sind  sie,  wenn  sie 
im  Grunde  gleich,  aber  in  Kleinigkeiten  verschieden  sind,  wie  die 
der  verschiedenen  Akademiker.  Beliebt  bei  Cic.  ist  die  Zusammen- 
stellung von  varius  und  diversus,  vgl.  Cic.  de  or.  1,  262  qiiae  colle- 
gisti  ex  variis  et  diversis  studiis  et  artibus.  Verschiedene  Lesarten 
sind  diversae,  wenn  sie  entgegengesetzten  Sinn  geben:  dagegen  sind 
die  Lesarten  in  den  Hemdschriften  meistens  nur  variae,  und  eine 
Sammlung  solcher  Lesarten  ist  nur  collectio  vai^iarum  lectionum,  nicht 
diversarum.  Man  spreche  also  lieber  von  einer  varietas  lectionum, 
als  von  einer  diversitas.  Aber  im  Verlaufe  der  Zeit  hat  diversus 
seine  eigentliche  Bedeutung  eingebüsst,  der  Unterschied  gegenüber 
varius  verschwindet,  und  diversus  ist  schliesslich  vollständig  =  varius, 
ja  geradezu  diversi  =  complures,  so  bei  scr.  h.  Aug.,  Eccl.  und 
andern  Sp.  L.;  vgl.  Paucker  lat.  scr.  h.  Aug.  S.  151,  Gölzer  Hier. 
S.  266,  Bonnet  Greg.  Tur.  S.  289.     So  erklärt   sich    auch    die  Be- 

Krebs- Sch  m  a  Iz,  Äntibarbams  1,  30 


Dives  —     466     —  Dives 

nennung  der  Briefe  Ciceros  au  seine  Freunde,  einshdae  ad  diversos, 
die  offenbar  nach  Sp.  L.  Mustern  gemacht  wurde,  wie  denn  Hieron. 
V.  ill.  54  epistulae  post  persecutionem  ad  diversos  missae  u.  Ale. 
Avit.  drei  Bücher  ejnshdariim  ad  diversos  schrieb.  Eher  hätten  sie 
ad  varios  heissen  können,  wie  auch  J.  Mich.  Heusinger  meinte,  wie- 
wohl ad  familiäres  die  beste  Benennung  zu  sein  scheint,  wenn 
anders  Cicero  oder  sein  Freigelassener  Tiro  der  Sammlung  einen 
Namen  gegeben  hat;  vgl.  indes  Süpfle-Böckel  Einleitung  zu  Cic. 
epp.  S.  45.  —  In  einigen  Redensarten,  in  welchen  wir  verschieden 
brauchen,  passt  nicht  wohl  eines  von  jenen  beiden,  z.  B.  Verschie- 
deyie  sind  der  Meinung,  ent\yeder  sunt  qui  cejiseanf,  oder  complures, 
nonnidli,  multi  censent  —  Übrigens  wird  diversus,  verschieden,  ab- 
xveichend  von  jemanden,  Ed.  verbunden  mit  ah  aliquo,  z.  B.  Cic. 
Brut.  307  etsi  videntur  a  proposita  ratione  diversa;  nur  Caes.  civ. 
3,  20,  2  lesen  wir  diversa  sibi  consilia  capiunt,  aber  N.  Kl.  wird 
der  Dativ  häufiger,  vgl.  Landgraf  Progr.  1899  S.  25;  N.  Kl.  ist 
ferner  auch  diversus  quam.  —  Endlich  findet  sich  N.  Kl.  bei  Sueton 
e  (ex)  diverso  in  der  Bedeutung  dagegen,  im  Gegenteil,  für  contra, 
e  contrario,  während  es  bei  Yell.  Fat.  2,  102,  1  ex  diverso  stare, 
Quintilian  u.  a.  auf  der  entgegengesetzten  Seite,  auch  auf  der  geg- 
nerischen, feindlichen  Seite,  vgl.  Hirt.  S.  7,  bedeutet,  wie  ja  diversus 
N.  Kl.  u.  Sp.  L.  die  Bedeut.  gegnerisch,  feindlich  annimmt,  vgl. 
Dräger  zu  Tac.  ann.  13,  9,  Heraus  zu  Tac.  bist.  3,  5,  Kalb  Roms 
Juristen  S.  94,  Neue  Jahrb.  1891  S.  224,  Hartel  Patrist.  Stud.  HI 
S.  36.  —  Eine  Komparativ  form  findet  sich  zwar  nicht  in  der  K. 
Sprache,  aber  bei  Lucr.  Plin.  mai.  Gell.,  vom  Adv.  diverse  auch  bei 
Sali.  Cat.  61,  3,  vgl.  Uri  S.  90;  im  Superl.  aber  ist  diversissimiis 
von  Hirtius  b.  G.  8,  24,  2,  b.  Alex.  27,  1 ;  42,  4;  Sali.  Jug.  85,  2  u.  a. 
gebraucht,  aber  Cic.  sagt  Yerr.  3,  192  u.  leg.  agr.  2,  87,  somn.  Scip.  6 
maxime  diversus  und  Phil.  5,  49  longissime  diversus;  vgl.  Neue- 
Wagener^  H  S.  227,  Freund  S.  50. 

Dives.  Bei  Cicero  finden  sich  nur  divitior  und  divitissimus, 
wie  dieser  Superl.  auch  bei  Nep.  Phoc.  1,  2,  Sen.  contr.  2,  9,  7, 
und  auch  bei  Curt.  4,  1,  24  u.  10,  2,  11  gelesen  wird.  Allein 
ditior  und  ditissimus  treffen  wir  bei  Caes.  Gall.  1,  2,  1,  der  einzigen 
Stelle,  wo  Caesar  eine  Form  von  dives  überhaupt  braucht:  ajmd 
Helvetios  longe  nohilissimus  et  ditissimus  fuit  Orgetorix  (vgl.  Land- 
graf zu  Cic.  S.  Rose.  S.  178),  und:  omnium  Graeca  lingua  loquen- 
tium  ditissimus,  Nep.  Alcib.  2,  1  ;  von  Livius  aber  werden  nur  die 
Formen  ditior  und  ditissimus  gebraucht,  ditior  bei  Liv.  1,  praef. 
§  11,  ditissimus  9,  31,  4;  10,  46,  6  und  36,  17,  14  und  ditiores 
39,  3,  3.  Mithin  wird  ditior,  ditissimus  als  gleichberechtigt  mit 
divitior,  divitissimus  gebraucht  werden  können.  Näheres  siehe 
bei  Neue-Wagener^  II  S.  185.  —  Im  trop.  Gebrauch  stimmt  die 
latein.  Prosa  mit  der  deutschen  nicht  immer  überein,  z.  B.  reicher 
Genuss  ist  lat.  nur  fructus  uher  (nicht  dives)  .^  reicher  Stoff  zu  etwas 
nicht  dives,  sondern  larga  materia  alicuius  rei,  s.  Sen.  Polyb.  4  (23), 


Dividere  —     467     —  Dividere 

2,  ebenso  bei  Plin.  epp.  2,  13,  2  u.  pan.  38,  1,  während  dives 
copia  flendi  nur  bei  Ov.  trist.  3,  1,  102  und  lingua  ditior  erst  bei 
Macr.  sat.  5,  3,  2  vorkommt,  klass.  aber  wird  dafür  lingua  cojnosa 
oder  locuples  gesagt,  s.  Cic.  fin.  3,  51  u.  ib.  1,  10  im  Gegensatze 
zu  inojys.  Ebenso  ist  reiche  Belohnung  nicht  dives  praeyyiium,  son- 
dern amplum,  amplissimitm^  magnum,  permagnum,  maximimi,  sum- 
niiim  oder  uherrima  vidoriae  pxiemia  bei  Curt.  6,  3,  5.  Reicher 
Stoff  zu  etwas  ist  auch  benigna  materia  aliciiius  rei,  s.  Liv.  42,  38, 
6  und  Sen.  de  const.  18,  1 :  ipse  materia  risus  henignissima.  Rei- 
cherer Stoff  ist  materia  uherior,  Quintil.  3,  7,  13  u.  Tac.  bist.  1, 
1  g.  E.  Indes  findet  sich  lat.  nicht  selten  dives,  wo  man  geneigt 
sein  möchte,  einen  Germanismus  anzunehmen  und  zwar  von  Sachen 
gebraucht,  in  denen  Reichtum  zu  finden  ist,  wie  castra  ditia  (divi- 
tia  kommt  nicht  vor),   lust.  31,  6,  5,  dites  Fersarum   campi,   Curt. 

3,  10,  10,  dives  regio,  ib.  9,  10,  27,  dites  circum,  terrae,  Tac. 
ann.  4,  55,  Arhela  r^egia  supellectile  ditique  gaza  repleta,  Curt.  5,  2, 
10,  ditissima  regna,  Liv.  36,  17,  14  in  diti  domo,  ib.  42,  34,  3; 
allein  opulentus,  über,  opmus  finden  sich  doch  noch  häufiger  und 
empfehlen  sich  eher  zur  Nachahmung.  Wie  daher  beide  Adjektive 
neben  einander  gestellt  sind  in:  opulenta  ac  ditia  stipendia,  Ij\y.  21, 
43,  9,  so  steht  opidentus  (und  seine  Synonyma)  allein  in  castra  opu- 
lenta, Liv.  2,  14,  3,  campus  opidentus  omni  copia  reritm,  Liv.  22, 
3,  3,  opulenta  Etruriae  arva,  ib.  9,  36,  11,  opulenta  praedia,  ib. 
10,  39,  4,  ager  opulentus,  ib.  37,  19,  7,  m^hs  opulenta,  Curt.  8,  10, 
22,  über  es  aquarum  venae,  Sen.  n.  q.  3,  7,  3,  praeda  uberior,  tust. 
22,  5,  8,  in  uberi  agro,  campi  uberes,  Liv.  29,  25,  12  u.  30,  33,  9, 
uberes  crines,  Apul.  met.  2,  9  extr.,  praeda  tam  opima,  Liv.  45, 
39,  4,  lust.  24^  6,  1,  Curt.  5,  1,  4,  campi  Thesscdiae  opimi,  reg- 
num  opimum,  Liv.  31,  41,  7  u.  38,  8,  8.  Der  reiche  Jahressegen 
endlich  ist  anni  ubertas  bei  Sen.  epp.  81,  1.  —  Divitem,  ditem  esse 
aliqua  re  ist  zunächst  poet.,  wird  aber  seit  Livius  auch  bisweilen  in 
der  Prosa  gefunden:  nulla  umquam  res  publica  bonis  exemplis  ditior 
fuit,  Liv.  1,  praef.  §  11.  Dives  regio  habebatur  non  auro  modo, 
sed  gemmis  quoque  margaritiscpie,  Curt.  8,  5,  3.  Regio  auro  di- 
tissima,   lust.  44,  3,  5  und:  amnes  plerique  etiam  divites  auro,   ib. 

Dividere  wird  in  der  Bedeutung  teilen,  in  Stücke  zerteilen  mit 
in  und  dem  Accus,  verbunden,  z.  B.  in  partes;  in  der  Bedeutung 
von  etivas  trennen,  ab  cdiqua  re  (Caes.  Gall.  1,  1,  2,  Cic.  Att.  5, 
20,  3).  Über  dividere  in  der  Bedeutung  verteilen,  z.  B.  unter  Leute, 
vgl.  oben  s.  v.  Distribuere.  A.  L.,  F.  und  N.  Kl.  (s.  lustin,  6, 
9,  5,  Sen.  epp.  88,  11  und  epp.  95,  51,  Curt.  5,  12,  16,  Sen. 
controv.  9,  26,  1  und  Quintil.  7,  1,  45)  ist  dividere  aliquid  cum 
aliquo,  aber  mehr,  wo  gemeinschaftliche  Teilung  stattfindet.  Selten 
wird  es  von  der  rhetorischen  Eiyiteilung  einer  Rede  gebraucht, 
dafür  mehr  disponere,  und  die  Einteilung  dispositio.  Zweifel- 
haft ist  lignum  dividere,  Holz  teilen,  spalten,  für  findere. 


Divinator  —     468     —  Docere 

Divinator  und  divinatrix,  Weissager  (-in),  Wahrsager  (-in), 
ist  sehr  Sp.  L.  für  vates,  augiir,  Jiomo  fatiloquus,  mulier  fatiloqua; 
vgl.  Schmidt  Tertull.  S.  28. 

Divisihilis,  teilbar,  ist  Sjy.  L.  für  dividnus,  qui,  qitae,  quod  di- 
vidi  jmtest;  vgl.  Paucker  Melet.  lex.  II  S.  10,  Gölzer  Hier.  S.  136. 

Divisim,  geteilt,  getrenjit,  ist  Sj).  L.  bei  Hieron.  epp.  100,  14, 
Salv.  ecci.  3,  1,  1  u.  Cassiodor  M.  70,  230  B.  für  seimrate  oder 
iit  dividatur,  seimretur,  vgl.  Gölzer  Hieron.  S.  201,  Rönsch  Ital. 
S.  148,  Funck  im  Archiv  YII  S.  498. 

Divitiae,  der  Reichtum,  wird  gewöhnlich  nicht  von  der  Bede 
gebraucht,  divitiae  orationis,  dafür  cojna,  tihertas  orationis,  fecunditas 
(Cic.  de  or.  2,  88).  Cicero  sagt  ausdrücklich  (fam.  4,  4,  1),  Ser- 
vius  Sulpicius  lege  ihm  per  iocum  (scherzweise)  divitias  orationis 
bei;  es  war  also  ungewöhnlicher  Ausdruck,  den  man  ausser  im 
Scherz  nicht  wohl  brauchen  kann.  Gut  ist  aber  ingenii  divitiae 
(Cic.  de  or.   1,  161)  und  verhorum  divitiae  et   ubertas   (Quintil.  10, 

Divortium,  die  Trennung;  verbunden  mit  facere,  sich  scheiden 
(ehelich)  von  einem,  von  einer,  nicht  ah  aliquo^  ah  aliqua,  sondern 
cum,  Cic.  Phil.  2,  69;  das  Subst.  aber  allein  wird  mit  dem  Geni- 
tiv dessen,  von  dem  man  sich  trennt,  verbunden,  z.  B.  divortium 
uxoris,  Trennung  von  der  Frau,  wie  Suet.  Nero  35  divortium  Octa- 
viae  sagt  (aber  nicht  Cicero). 

Divus  ist  als  Adj.  in  der  Bedeutung  göttlich  A.  L.  und  P.  für 
divijius,  und  ebenso  sind  divus  und  diva  als  Subst.  P.  für  deus  und 
dea.  Später,  seit  JuHus  Caesar,  ist  divus  Beiwort  der  unter  die 
Oötter  erhobenen  römischen  Kaiser,  und  passt  bei  uns  durchaus  nicht 
von  den  Verstorbenen,  selbst  nicht  von  den  Aposteln,  z.  B.  divus 
Petrus,  divus  Paulus  u.  s.  w.  Wir  können  bei  den  Aposteln  und 
den  Heiligen  der  christlichen  Kirche  überhaupt  nur  das  ehrwürdige 
Beiwort  sanctus,  sanctissimus  gebrauchen. 

Docere,  mit  dem  Accus,  fabulam  bedeutet  nur  ein  Scluiuspiel, 
ein  Stück  (mit  den  Schauspielern)  einilhen,  zur  Aufführung  bringen, 
was  der  Schauspieldichter  tat,  aber  nicht  ein  Stück  aufführen,  was 
Sache  der  Schauspieler  war  und  agere  heisst.  Ygl.  unter  Dare.  — 
Man  sagt  zwar  docere  aliquem  cdiquid,  einen  in  etwas  unterrichten, 
auch  wohl  miisicam,  in  der  Musik,  z.  B.  Nep.  praef.  1,  aber  bei 
einzelnen  Instrumenten  wird  der  Abi.  gesetzt,  cdiqua  re,  weil  canere 
dabei  gedacht  und  erst  spätlat.  bei  Gell.  15,  17,  1  hinzugefügt 
wird,  z.  B.  Socratem  docuit  fidibus  (Cic.  fam.  9,  22,  3).  Jemanden 
im  Lateinischen  unterrichten  kann  auch  ausgedrückt  werden  durch 
docere  aliquem  latine,  Plin.  epp.  7,  4,  9,  wie  nachklass.  auch  latine 
doctus  bei  Suet.  Gramm.  7  vorkommt.  Einen  über  etwas  belehren  heisst 
docere  cäiquem  cdiquid  oder  de  aliqua  re.  S.  Caes.  Gall.  7,  10,  3,  Cic. 
Cluent.  198.  Einen  von  etivas  henachriclitigen  ist  docere  aliquem  de 
aliqua  re,  z.  B.  Cic.  S.  Rose.  26  ut  mori  mallet  quam  de  his  7'ehus 
Sullam  doceri.     Aber  etwas  mitteilen   ist  klass.  auch   docere  aliquid, 


Docilis  —     469     —  Doctus 

z.  B.  Caes.  civ.  3,  79,  6  adventum  Pompei  docuerunt;  mir  ivird 
etivas  mitgeteilt  =  doceor  aliquid,  z.  B.  Caes.  Gall.  5,  42,  2  haec  et 
a  nobis  cognoverant  et,  qiios  hahehant  captivos,  ab  iis  docebantur ; 
vgl.  Köhler  Lent.  S.  24.  —  Statt  doceor  mit  folgendem  Infinit,  sagt 
man  gewöhnlich  discere.  Doch  hat  auch  die  erstgenannte  Art  des 
Ausdruckes  Autorität,  Sen.  epp.  95,  13 :  docemiir  disputare,  non 
vivere;  ebenso  auch  bei  Nepos :  citharizare  doctus  est  a  Dioyiysio, 
Epam.  2,  1;  vgl.  Lupus  S.  57.  Equi  variare  gyros  docentiir,  Tac. 
Germ.  6;  ferner:  at  illa  multo  optuma  rei  piihlicae  doctus  sum, 
hostem  ferire  .  .  Sali.  Jug.  85,  33,  auch  bei  Livius:  ego  istum  iu- 
venem  domi  tenendum,  sab  legibus,  sub  magistratibus  docendum 
vivere  .  .  censeo,  21,  3,  6;  endlich  selbst  bei  Cicero:  docemur  .  . 
auctoritate  nutuque  legiim  domitas  habere  libidineSj  de  or.  1,  194  u. 
244  u.  fin.  2,  15. 

Docilis  ist  in  der  Bedeutung  lehrfähig,  der  lehren  kann,  N.  L. 
für  aptus  ad  docendum  (Cic.  Att.  8,  4,  1),  da  jenes  nur  gelehrig 
bedeutet.  Eine  Superlativform  kommt  nicht  vor  (Charisius  182,  18 
erwähnt  docilissimus,  ohne  jedoch  einen  Beleg  dafür  zu  geben) ;  sehr 
8p.  L.  bei  Yirg.  Gramm.  107,  6  ist  docillimus.  Gelehrig  in,  für, 
zu  etwas  ist  latein.  docilis  ad  aliquid,  Cic.  fam.  7,  20^  3,  Suet.  Cal. 
54,  Curt.  8,  9,  16;  ebenso  docilitas  ad  aliquid,  Suet.  Tit.  3.  8p.  L. 
ist  docibilis,  z.  B.  bei  EccL,  vgl.  Harteis  Index  zu  Cyprian. 

Doctor  ist  in  unserem  neuern  Sinne  der  Arzt  N.  L.  für  medicus. 

Doctoralis,  einen  Doktor  betreffend,  ist  N.  L.^  z.  B.  doctoralis 
laurea  von  der  Doktorwürde,  dem  Doktorhiite,  für  doctoris  honores 
oder  dignitas.  Ebenso  ist  N.  L.  doctoratus,  die  Doktortvürde,  für 
doctoris  muniis,  honores,  dignitas.  Doktor  tverden  (in  unserm  neu- 
ern Sinne)  heisst  summum,  amplissimum   doctoris  gradum    adipisci. 

Doctrina  ist  ursprünglich  der  Unterricht,  die  TJnteriv eisung  (Cic. 
oflP.  1,  155),  woher  auch  doctrina  puerilis,  der  Knabenuyiterricht 
(Cic.  de  or.  3,  125),  dem  Naturell  (natura)  entgegengesetzt  ist  (vgl. 
Cic.  Arch.  15).  Dann  aber  bezeichnet  es  die  theoretische  Bildung, 
vgl.  Seyffert-Müller  zu  Lael.  S.  9,  besonders  die  philosophische 
Bildung,  vgl.  Nägelsb. -Müller^  S.  40,  und  auch  überhaupt  die  durch 
Unterweisung  und  Lehre  erworbenen  Kenntnisse,  z.  B.  Nep.  Ep. 
2,  2  in  doctrinis  tanto  antecessit  condiscipidos  u.  Cic.  fam.  4,  3,  3 
te  omnium  doctrinarum  summe  studiosum  fuisse.  Somit  ist  auch 
doctrina  =  ^Gelehrsamkeit""  nicht  zu  verwerfen. 

Doctus  wird  teils  als  Participium  oder  Adjektiv,  teils  als  Sub- 
stantiv gebraucht,  jedoch  als  Substantiv  nicht  im  Singular,  wo  vir 
oder  homo  dazu  treten  muss,  sondern  nur  im  Plur.,  wo  jedoch  auch 
noch  homines  aus  stilistischen  Gründen  nicht  selten  hinzutritt.  Ygl. 
darüber  Seyffert-Müller  zu  Cic.  Lael.  S.  100.  —  Als  Partiz.  oder 
Adjekt.  tritt  es  wegen  seiner  Bedeutung  gelehrt,  unterrichtet,  einer 
Sache  kundig,  eigentlich  nur  zu  persönlichen,  nicht  zu  sachlichen 
8ubstantiven,  ausser  wo  die  Beziehung  auf  eine  Person  sehr  nahe 
liegt  und  von  ihr  auf  das  sachliche  Substantiv  übertragen  ist,  z.  B. 


Documentum  —     470     —  Dolere 

dodissimae  voces  Pythagoreorum  (Cic.  Tusc.  4,  2),  pliirimi  libri  et 
doctissimi^  Quint.  10,  1,  95,  doctissinms  sermo.  Plin.  epp.  7,  25,  3, 
dochts  liher  und  dodnm  ijedus  (beide  bei  Martial),  doda  carmina 
(bei  TibuU);  kühner  ist  dodarum  nodium,  Paneg.  12,  311,  18. 
Dichter  benutzen  dies  überhaupt  häufiger,  als  die  Prosa.  —  Im  Deut- 
schen aber  hat  das  Wort  gelehrt  einen  ausgedehnteren  Begriff,  in- 
dem es  allem  beigelegt  wird,  was  auf  Gelehrsamkeit  oder  auf  ge- 
lehrte Sachen,  wie  wir  sagen,  Bezug  hat,  wo  im  Lat.  nicht  dodus 
steht,  sondern  eher  eriiditiis  und  litteratiis.  Wir  sagen  z.  B.  rje- 
lehrte  Besdiliftigungen,  der  Lateiner  nicht  doda  studia,  sondern  ent- 
weder bloss  studia,  (wenn  es  der  Zusammenhang  begünstigt)  oder 
studia  himianitatis  (Cic.  Mur.  61),  oder  dodrinae  studia  (Cic.  fin. 
5,  53);  eine  gelehrte  (Gelehrten-)  Sp'adie  etwa  veterum  Ungua ;  ein 
gelehrtes  Lehen,  vita  litter  ata;  eine  gelehrte  Müsse,  otium  litter  at  um 
(Cic.  Tusc.  5,  105),  nicht  litterarium ;  eine  gelehrte  Sdiule,  gymna- 
sium  oder  lyceum;  gelehrte  Zeiten,  erudita  temiJ07Xt  (Cic.  Tusc.  4,  4); 
eine  gelehrte  Rede,  oratio  erudita  (der  popidaris  entgegengesetzt); 
gele]i7ie  Unter sudiungen,  eruditissimae  disputationes  (Cic.  orat.  117); 
für  gelehrte  Welt  ist  F.  A.  Wolfs  dvitas  litteraria  durchaus  ver- 
werflich, man  sage  einfach  homines  dodi,  Utterati;  gelehrte  Bildung 
ist  liheralis  eruditio;  daher:  er  hat  gelehrte  Bildung  erhalten,  lihera- 
liter  est  eruditiis;  das  gelehrte  Altertitm,  antiquae  litterae,  gewiss 
nicht  doda  antiqiiitas,  und  so  noch  viele  ähnliche  Verbindungen. 
—  Über  doda  dvitas,  der  gelehrte  (Gelehrten-)  Staat  vgl.  Eruditus. 
Endlich  heisst  kein  Gelehrter^  nemo  dodus  (Cic.  Att.  16,  7,  3). 

Documentum  ist  in  der  Bedeutung  die  Urkunde,  das  Dokument 
N.  L.  für  diiüoma,  tahiäae  pulÄicae  (Cic.  Yerr.  3,  83,  partit.  14), 
auch  wohl  monumentum.  —  Die  Phrase  dommento  esse  ist  klass. 
nur  Caes.  Gall.  7,  4,  10  und  documento  hahere  nur  Cic.  agr.  1,  27 
zu  finden,  öfters  im  N.  Kl,  vgl.  Nieländer  1893  S.  12. 

Dogma,  die  Lehre,  der  Lehr-  oder  Grundsatz,  aber  nur  der 
pJiilosopJiisdie,  ist  als  neutrales  Subst.  von  Cicero  ohne  Entschuldi- 
gung der  Fremdheit  aus  dem  Griechischen  aufgenommen  und  neben 
decretum  gesagt  worden,  so  dass  es  unbedenklich  nachgebraucht 
werden  kann;  vgl.  Cic.  fin.  2,  105  iit  proverhia  nonmdla  veriora 
sint  quam  vestra  dogmata.  Häufig  ist  es  bei  den  Eccl.  im  theo- 
logischen Sinne,  was  natürlich  in  theologischen  Abhandlungen  durch- 
aus zulässig  zur  Nachahmung  erscheint.  Das  femin.  dogma,  dogmae 
hat  zuerst  Lab.  com.;  dogmatis  tuae  sagt  regelmässig  Lucifer;  vgl. 
Saalfeld  tens.  s.  v.,  Appel  S.  66,  Hartel  in  Wölfflins  Archiv  III, 
S.  35. 

Dolentia,  der  Sdimerz,  ist  A.  L.  für  dolor  (Laevius  bei  Gell. 
19,  7,  9). 

Dolere,  luehe  tun,  Sdimerzen  empfinden,  wird  verbunden  ent- 
weder aliquid  (meistens  etwas  K'örperlidies)  mihi  dolet,  ettcas  madit 
mir  Sdimerzen,  tut  mir  wehe,  z.  B.  nihil  cuiqnam  doluit,  Cic.  de 
or.  1,  230,  besonders  pes  dolet,  oculi,  gcnua    —    mihi    dolent,    vgl. 


Dolorificus  —     471     —  Dominari 

Ter.  Phorm.  1053,  Cael.  bei  Cic.  fam.  8,  14,  1,  vgl.  Burg  S.  21  ; 
ausschliesslich  von  geistigen  Dingen  wird  in  Kl.  Sprache  gesagt  ego 
doleo  aliquid  oder  aliqua  re,  z.  B.  Cic.  Yat.  31  qiiis  non  doluit 
rei})'  casum?  und  Cic.  fam.  5,  8,  2  quaedam  pestes  Jiomimim  laude 
aliena  dolentium;  bezüglich  des  Accus,  vgl.  Seyffert-Müller  z.  Lael. 
S.  83;  selten,  aber  bei  Cic.  Att.  12,  1,  2  u.  6,  6,  2,  Caes.  Gall.  1, 
14,  5  de  oder  ex  aliqua  re,  ich  hetriihe  mich  über  etwas,  mich 
schmerzt  etwas ;  jedoch  dolere  py^opter  aliquid,  tuegen  etiuas  betrübt 
sein,  findet  sich  zur  besondern  Hervorhebung  der  Quelle  des  Schmerz- 
gefühls bei  Cic.  Tusc.  3,  74.  —  82^.  L.  aber  ist  doleo  oculos,  pe- 
dem,  genua,  Front.  182,  13  N.:  graviter  oculos  dolui,  und:  dolidsse 
te  inguina  cognosco,  M.  Aurel.  epp.  ad  M.  Caes.  81,  25  N.,  Vopisc. 
Num.  2  cum  nimio  fletu  ocidos  dolere  coepisset,  vgl.  Ebert  act.  Erl. 
II  S.  316.     Hoc  me  dolet  ist  P.  L.  für  Kl.  hoc  doleo. 

Dolorificus,  Schmerz  erregend,  ist  N.  L.  für  dolore  afflciens, 
dolorem  afferens  oder  inurens. 

Dolor osus,  Schmey^z  empfindend,  trauernd,  ist  sehr  8p.  L.,  be- 
kannt durch  den  herrHchen  Hymnus  des  Jacoponus:  Stabat  mater 
dolorosa,  für  maerens,  maestus. 

Dolosus,  betrügerisch,  hat  schon  Plaut,  und  Lucil.  1097,  dann 
auch  Cic.  Rab.  Post.  4  pulsus  Ptolemaeus  dolosis  consiliis,  jedoch 
mit  dem  Zusätze  ut  dixit  Sibylla,  als  Adv.  Cic.  off.  3,  61;  im  üb- 
rigen ist  es  P.  u.  Sp.  L.  für  fallax,  insidiosus;  in  der  Bedeut.  listig 
ist  es  N.  L.  für  callidus,  astutus. 

Domare,  zähmen,  hat  in  der  bessern  Prosa  im  Perf.  domui, 
nicht  domavi,  und  im  Supinum  domitum,  nicht  domatum,  so  auch 
als  Subst.  domitor,  nicht  domator;  vgl.  Koffmane  lex.  s.  v. 

Domatim,  von  Hause  zu  Hause,  ist  N.  L.  für  ostiatim. 

Domina,  vgl.  Dominus. 

Dominari,  herrschen,  den  Herrn  spielen ;  dominari  alicui  ist  P. 
und  Sp.  L.,  Kl.  dagegen  dominari  in  aliquo  (Cic.  fam.  4,  12  und 
Liv.  8,  31,  7)  und  in  cdiquem  (Cic.  Cato  37  u.  Liv.  3,  53,  7)  ohne 
wesentlichen  Unterschied,  wie  unser  deutsches:  seine  Tyrcmnei  an 
einem  oder  gegen  einen  auslassen.  Gut  ist  auch  dominari  in  aliqua 
re,  z.  B.  in  iudiciis,  vgl.  Cic.  Yerr.  1,  24.  Dies  kann  auch  bei 
sächlichen  Subjekten,  sofern  sie  Eigenschaften  von  Personen  sind, 
stattfinden,  wie:  tibi  libido  dominatur,  innocentiae  leve  praesidium 
est,  Citat  bei  Cic.  or.  219  und  Cato  41.  Ist  aber  herrschen  =  all- 
gemein vorhanden,  verbreitet  sein,  so  wäre  dominari  falsch,  z.  B. 
es  herrschte  die  Meinung,  dass:  res  iyi  ea  erat  opinione,  ut  .  . 
Cic.  Att.  2,  24,  3,  so  auch  nach  fama,  mos,  opinio  est,  metus 
erat  und  una  et  consentiens  vox  erat  =  darüber  herrschte  nur  eine 
Stimme;  fames  est  =  es  herrscht  Hungersnot.  Nicht  nachzu- 
ahmen ist  dominari  in  passiver  Bedeutung,  vgl.  C.  F.  W.  Müller 
zu  Cic.  off.  1,  139,  oder  dominari  mit  Genitiv,  was  Sp.  L. 
ist,  vergl.  Gölzer  Hieron.  S.  322,  Kretschmann  Apul.  S  127,  meine 
Synt.3  §  69. 


Dominicas  —     472     —  Dominus 

Dominicits,  was  des  Herrn  ist,  ist  A.  L.  schon  bei  Afran.  Ribb. 
Comic.  283,  findet  sich  aber  nicht  in  der  besten  Zeit  der  Sprache, 
wo  der  Genit.  domini  seine  Stelle  vertritt,  wohl  aber  bei  Yitr.  7, 
5,  7  dominiciis  sumptus ;  man  sage  also  nicht  oratio  dominica,  das 
Gehet  des  Herrn,  das  Vater  unser,  sondern  ijrecatio  domini.  Will 
man  jedoch  für  unsern  Sonntag  einen  dem  Heidentume  fremden 
Ausdruck  wählen,  so  kann  dies  dominica  als  wörtliche  Übersetzung 
von  Yj  x'jpcaxT]  -/jfjJpa,  Yulg.  in  Apoc.  Joann.  1,  10,  keinem  Anstand 
unterliegen.  TertuUian,  Cyprian,  Hieron.  u.  a.  haben  dies  auch  ge- 
braucht; vgl.  Gundermann  Z.  f.  deutsche  Wortforschung  I,  181  f., 
184  f.  Überhaupt  ist  bei  Eccl.  dominiciis  sehr  verbreitet,  wie 
z.  B.  Harteis  Index  zu  Cyprian  und  Gölzer  Hieron.  S.  153,  sowie 
Watson  S.  244,  266  u.  273  zeigen. 

Dominium  kommt  bei  Lucil.  438  Marx  und  bei  Cic.  Verr.  3,  9 
=  ^Gastmald"'  vor;  doch  bedeutet  es  nicht  jedes  Gastmahl,  sondern 
nur  epalae  soUemnes  liominum  nohlUum  (Marx).  In  der  Bedeutung 
,.,Herrsc]iaft^^  ist  es  N.  Kl.  höchst  selten  für  dominatio,  dominatus ; 
in  der  Bedeutung  Eigentumsrecht  ist  es  nicht  nur  Sp.  L.  bei  den 
Juristen,  sondern  nachklass.  bei  Vell.  2,  80,  4:  vita  rerumque  suarum 
dominium  concessa  ei  sunt;  vgl.  Georges  Vell.  S.  13.  Dominium 
et  ins  (^=  Eigentumsrecht)  eorum  qui  dederint  esse,  Liv.  45,  13,  15 
u.  Yal.  Max.  4,  4  Prooem.;  aber  in  der  Bedeutung  Gebiet,  Grund- 
stück, wo  andere  domanium  sagen,  ist  es  B.  L.  (daher  das  franz. 
domaine).,  für  terra,  ager,  fundus,  possessio  u.  a.  Man  sage  nicht: 
Quaecunque  vides,  meum  est  dominium,  für  mea  sunt. 

Dominus  bedeutet  lat.  zunächst  Herr,  Eigentümer,  Besitzer  von 
ettuas,  wie :  aedificii,  imvis  dominus,  ebenso  ist  dominus  und  domina 
schon  klass.  =  Hausherr,  Hausfrau  im  Gegensatz  gegen  die  Sklaven  ; 
weil  aber  der  Hausherr  absoluter  Herr  und  Gebieter  in  seinem  Hause 
war,  so  bedeutet  domhius  auch  schon  klass.  den  absoluten  (tyranni- 
schen) Herrn  und  Gebieter  überhaupt:  rex  populi  Romani  dominusque 
omnium  gentium,  Cic.  off.  3,  83.  —  Herr  kommt  als  ehrender  Titel 
eines  Mannes  erst  in  den  Zeiten  der  Kaiser  vor,  wo  man  nicht  nur 
die  Kaiser,  sondern  jeden,  den  man  dem  Namen  nach  nicht  kannte, 
dominum  zu  nennen  pflegte  und  ebenso  die  Kaiserin  und  jede,  die 
man  nicht  kannte,  dominam.  Vgl.  Sen.  ep.  3,  1  obvios^  si  nomen 
non  succurrit.,  dominos  salutamus.  Sodann  wurde  in  der  Kaiserzeit 
dominus  auch  als  Begrussungswort  gebraucht,  wie  unser  mein  Herr. 
Dieser  Gebrauch  erweitert  sich  im  Sp.  L.  immer  mehr ;  z.  B.  im 
Apolloniusroman  „redet  die  Amme  ihre  Gebieterin,  der  Sklave  seine 
Herrin,  ja  sogar  der  Vater  seine  Tochter  und  der  Gatte  seine  Gattin 
mit  domina  an";  vgl.  Thiölmann  Apoll.  31.  Hier  findet  sich  auch 
die  erste  Spur  der  Anrede  senior,  aus  welcher  die  romanischen 
Sprachen  ihre  Wörter  signore,  senior,  seigneur  etc.  gebildet  haben. 
In  Kl.  Zeit  bediente  man  sich  in  öffentlicher  Rede  oft  des  Aus- 
druckes vir  amplissimus,  clarissimus  u.  a.,  und  bei  einer  Frau  nicht 
domina,  sondern  femina  spectatissima  u.  a.     Vgl.  Cic.  Mur.  88.  — 


Domisedus  —     473     —  Domus 

Unser  Herr  von  —  (bei  Adeligen)  kann,  wiewohl  Herr  hier  oft 
so  viel  als  Besitzer  des  dabei  stehenden  Zusatzes  (also  dommiis) 
bedeutet,  dennoch  nicht  mit  dominus  de  oder  a  übersetzt  werden, 
da  dies  unlat.  ist.  Ygl.  darüber  oben  s.  v.  Präpos.  Ä.  —  N.  L. 
ist  dominus  auch  in  der  Redensart:  ich  hin  mein  eigener  Herr,  was 
s^im  mei  iuris  oder  in  mea  suni  ■potestate,  Nep.  Att.  6,  1   heisst. 

Domisedus,  zu  Hause  sitzend,  findet  sich  nur  auf  späten  In- 
schriften von  einer  stillen,  zurückgezogen  lebenden  Frau  gebraucht, 
casta,  domiseda  matrofia.  Darnach  nennt  man  ganz  gut  eine  Frau 
feminam  modestam  ac  domisedam.  Unrichtig  aber  braucht  man  es 
vom  sitzenden  Lehen,  domisedam  vitam,  da  es  doch  nur  von  einer 
Person,  nicht  vom  Lehen  gesagt  wird.  Dies  ist  eben  so  seltsam, 
wie  unser  Gebrauch  des  Wortes  sitzend.  Besser  ist  das  A.  u.  S}).  L. 
sedentarius  oder  die  Wörter  sellularius  und  iimhraticus. 

Domuitio,  das  Heim-  oder  NacMiausegelmi,  ist  A.  und  Sp.  L. 
und  wird  als  falsche  Form  bei  Cic.  divin.  1,  68  verworfen  für 
domum  itio.  Es  verhält  sich  damit  ganz  wie  mit  circumitio  und 
circuitio;  die  vollen  Formen  sind  jetzt  auch  bei  rhet.  Her.  3,  34 
u.  4,  43  hergestellt  und  sind  allein  zu  gebrauchen. 

Domus.  Nach  R.  Klotz  (zu  Cic.  Tusc.  1,  51)  ist  für  do7ni,  zu 
Hause,  bei  Cicero  wohl  fast  überall  nach  den  besten  Handschriften 
domui  als  alte  Form  zu  schreiben;  C.  F.  W.  Müller  sagt  zu  Cic. 
off.  3,  99  ,^doniui  öfter  verbürgte  Form  für  domi^^  und  schreibt 
Tusc.  1,  51,  off.  3,  99  domui,  aber  in  den  Reden,  z.  B.  Cat.  1,  32 
u.  2,  13,  Mil.  16,  Deiot.  15,  Phil.  2,  6  u.  2,  11  domi;  Caesar  kennt 
nach  Meusel  nur  den  Lokativ  domi.  Wir  können  selbstverständlich 
beide  Formen  verwenden.  Vgl.  noch  meine  Anm.  zu  Sali.  Cat. 
28,  1,  wo  ich  nach  der  Spur  von  P.  gegen  Jordan  domui  lese,  so- 
wie Neue-Wagener^  I  S.  773.  —  Ln  meinem  Hause,  im  Hause 
Cäsars  heisst  regelmässig  domi  meae,  domi  Caesaris,  ebenso  sagt 
man  domum  meam,  domum  Caesaris  ohne  Präposition;  die  Stellen 
mit  der  Präpos.  bei  Cic.  und  Caes.  hat  Stegmann  (N.  Jahrb.  1887 
S.  255)  einer  genauen  Prüfung  unterzogen  und  gefunden,  dass  die 
Setzung  der  Präpos.  überall  auf  besondern  Gründen  beruht.  L71 
domo  mea  u.  s.  w.  ist  bei  Cic.  u.  Caes.  überhaupt  nicht  nachweisbar, 
aber  Nep.  7,  3,  6  in  domo  sua;  am  häufigsten  ist  in  mit  Acc.  — 
N.  L.  ist  de  domo  ad  domum,  von  Haus  zu  Haus,  z.  B.  gehen, 
für  ostiatim.  Daher  heisst  vo)i  Haus  zu  Haus  betteln,  stipem  osti- 
atim  cogere,  vgl.  Cic.  Yerr.  4,  53  qui  ostiatim  totum  o])pidum  com- 
pilaverit.  Zweifelhaft  ist  res  belli  domique,  res  domi  militiaeque, 
sofern  diese  Genitive  lediglich  in  attributivem  Sinne  stehen  für  res 
domesticae,  hellicae;  gehören  sie  aber  zu  einem  Yerbum,  so  sind  sie 
bekannthch  ganz  gut.  S.  Madvig  lat.  Gramm.  §  296,  b  u.  Seyffert- 
Müller  z.  Lael.  S.  353.  —  Die  Redensart  domum  ad  aliquem, 
welche  bei  Caes.  civ.  1,  53,  2  beanstandet  wurde,  ist  klass.,  vgl. 
C.  F.  W.  Müller  Festschrift  für  Friedländer  S.  543,  Frese  S.  37; 
sie  ist  selbst  da  angewendet  worden,  wo  sie,  buchstäblich  angewendet, 


Donare  —     474     —  Dos 

sinnlos  ist,  vgl.  Cic.  Att.  4,  14,  1  velim  domum  ad  te  scrihas,  wozu 
Boot  =  domum  tuam. 

Donare,  sclienken,  hesclienken,  wird,  wie  im  Deutschen,  verbunden 
alicni  aliriuid,  oder  aliquem  aliqua  re.  —  X.  L.  und  gekünstelt 
sind  Ausdrücke  wie:  lociim  luce  oder  loco  lucem  donare,  eine  Stelle 
aufklären,  für  locum  explanare,  explicare,  enodare  u.  a. ;  lihrum  la- 
tinitate  donare,  ein  Buch  lateinisch  übersetzen  (wie  oft  gesclirieben 
wird),  für  lihrum  in  latinum  vertere;  alicui  fidem  donare,  einem 
Glauben  schenken,  für  habere  cdicui  fidem  (Cic.  Att.  8,  3,  2).  Hier- 
her gehört  auch  vitam  alicui  donare  =  einem  Verbrecher  das  Leben 
schenken,  für  vitam  alicui  dare,  z.  B.  Cic.  Phil.  2,  5,  concede7'e, 
aliquem  conservare,  salvum  esse  velle,  u.  dgl.  Solche  Phrasen  wie 
vitam  donare  sind  vielleicht  herbeigeführt  durch  Sj).  L.  "Wendungen, 
wo  wir  z.  B.  Signum  donare  statt  signum  dare  finden,  vgl.  Rönsch 
Sem.  III  S.  32. 

Donum,  das  Geschenk,  die  Gabe.  Die  Geistesgabe,  d.  h.  die 
Geistesfähigkeit,  heisst  nie  animi  oder  ingenii  donum,  sondern  animi 
facultas,  animi  virtus,  auch  bloss  ingenium,  animus  oder  indoles. 
Dasselbe  liegt  auch  in  dem  allgemeinen  naturae  muniis,  naturae 
munera  oder  naturae  dona.  Cic.  de  or.  1,  114.  —  Dono  dare  ist  nicht 
klass.,  wohl  aber  hat  es  in  Kl  Zeit  Sali,  wiederholt,  oft  im  A.  L. 
Plaut,  u.  Ter.,  sehr  oft  Liv.,  dann  auch  im  N.  Kl.  und  S2).  L.  In 
der  Phrase  dono  accipere,  die  Sali.  Jug.  85,  38,  Tac.  ann.  15,  27 
u.  a.  haben,  ist  dono  wohl  Abi.  =  geschenkweise.  Ygl.  Nieländer 
1877  S.  28,  1893  S.  12  und  für  den  Sprachgebrauch  der  Inschriften 
Diehl  De  21.  finali  ejngrapliica,  N.  Jahrb.  Suppl.  XXY  S.  317 
(dictio  frequentatur  dono(m)  dat  reipublicae  aetate,  eadem  vox  im- 
peratorum  temporibus  casus  est  dativus)\  vgl.  dazu  Vollmöllers 
Jahresber.  YI,  I  S.  84. 

Dorsum,  der  Rücken,  wird  in  der  bessern  Prosa  nur  bei  Last- 
tieren gebraucht,  {ea  animalia,  quae  collo  dorsove  domari  solent, 
Gaius  2,  14  Ergänzung),  dagegen  tergum  bei  2Ienschen  und  Tieren; 
daher  heisst  im  Rücken  oder  von  hinten  (bei  Menschen)  nur  a  tergo. 
Ygl.  Tergum.  Dorsum  wird,  auch  von  Bergabhängen  gebraucht 
und  zwar  schon  bei  Caes.  Gall.  7,  44,  3. 

Dos.  Klass.  sind  doli  dicere  =  als  Mitgift  zusichern,  Cic. 
Place.  86,  dotis  nomine  accipo^e,  Caes.  Gall.  6,  19,  1;  aber  doli 
dare,  offerre  in  dotem  u.  ä.  ist  N.  KL,  vgl.  Nieländer  1877  S.  35, 
1893  S.  13.  —  Dos  wird  (aber  nicht  in  der  Kl.  Sprache)  ausser 
seiner  eigenthchen  Bedeutung:  Yom  Heiratsgut,  Mitgift,  Ausstattung 
bei  der  Yerehelichung  auch  trop.  von  äussern  oder  innern  idecden 
Eigenschaften  gesagt,  z.  B.  von  Ovid :  infelix  perii  dotibus  ipse  meis, 
Pont.  2,  7,  48.  Aber  auch  in  nachklass.  Prosa  steht  nach  dem 
Yorgange  der  augusteischen  Dichter  dos  oft  in  dem  allgemeinen 
Sinne  von  donum,  munus,  virtus,  bonuni,  z.  B.:  magnis  dotibus  tres 
Ajiianae  (vites)  commendantur,  Colum.  3,  2,  17.  Über  dotes  cor- 
poris vgl.  Sen.  de  v.  beata8,  3;  ebenso  bei  Plin.:  praediolum  istud, 


Drama  —     475     —  Dubitarc 

(liiod  commendakir  his  dotibas,  epp.  1,  24,  4;  tot  tantlsque  dotibus 
villulae  nostrae  maxima  commendatio  ex  tiio  contiibernio  accedat,  ib. 
2,  17,  29;  adest  adalescenti  cum  ceteris  naturae  fortanaeque  dotibus 
eximia  cor])orls  pulchritudo,  ib.  3,  3,  4 :  Phocion  Ins  dotibus,  quae 
ad  imriendum  homirium  amorem  potentissimae  iudicantur  .  .  .  instruc- 
tissimus,  Yal.  Max  5,  3,  extr.  3.  Belli  ac  togae  dotes,  Yell.  1,  12, 
3  und  corjwris  animique  dotes,  Suet.  Tit.  3,  endlich  ingenii  dotes, 
Curt.  3,  6,  20  und  dazu  Yogei- Weinhold.  Ygl.  Grasberger  S.  69 
Anm.  2. 

Drama,  das  Schauspiel,  kommt  wiederholt  Sp.  L.,  z.  B.  bei 
Ausonius  ep.  18,  15  vor:  dramata  fabellarum,  für  das  Kl.  fabula 
oder  für  die  einzelnen  Wörter  tragoedia  und  comoedia ;  nur  bei 
den  Grammatikern  aber  findet  sich  das  Adj.  dramaticus  für  das  Kl. 
scaenicus ;  vgl.  Saalfeld  tens.  s.  v.  In  der  Kunst-Terminologie  kön- 
nen beide  bisweilen  kaum  entbehrt  werden.  Im  trop.  Sinne  ist  z.  B. 
das  Drama  des  Lebens,  fabula  vitae  bei  Cic.  Cato  64  und :  mimiim 
vitae  transigere,  Suet.  Octav.  99. 

Dubietas,  der  Ziueifel,  ist  Sp.  L.  für  dubitatio,  ambiguitas,  oder 
mit  dem  Adj.  dubius  und  dem  Yerbum  dubitare.  Im  N.  L.  hat 
man  auch  gewagt  zu  sagen  duhiolum,  der  Meine  Ziueifel. 

Dubiosus,  zweifelhaft,  ist  Sp.  L.  bei  Gellius  3,  3,  3  u.  5,  10, 
15  aus  der  gemeinen  Sprache  genommen  für  dubius. 

Dubitabilis,  zweifelhaft,  ist  P.  L.  u.  Sp.  L.  für  dubius. 

Didiitare  wird  1.  in  der  Bedeutung  Bedenken  tragen,  Anstand 
nehmen,  zögeyii  in  negativen  Sätzen  gewöhnlich,  in  positiven  sehr 
selten  mit  dem  Infinit,  verbunden,  z.  B.  quod  ea  Uli  nubere  dubi- 
tabat,  Sali.  Cat.  15,  2.  Accusat  fratrem  suum,  quod  dubitet  omnia, 
quae  ad  beatam  vitam  pertiyieayit,  ventre  metiri,  Cic.  nat.  1,  113. 
Doch  wird  auch  non  dubitare  =  kein  Bedenken  tragen  von  Cicero 
bisweilen  mit  quin  verbunden,  vgl.  darüber:  arbitrabantur  non  du- 
bitaturum  fortem  vir  um,  quin  cederet  aequo  animo  legibus,  Cic.  Mil. 
63;  nolite  dubitare,  quin  huic  uni  credatis  omnia,  Pomp.  68;  et 
vos  non  duhitatis,  quin  vectigalia  vestra  vendatis,  agr.  2,  69.  So 
auch  in  der  die  Negation  in  sich  schliessenden  Frage :  dubitatis, 
Quirites,  quin  hoc  tantum  bo7ii  in  'rem  publicum  conferatis?  Pomp. 
49.  Endhch  auch  noch  yion  dubium  est,  quin  etc.  =  ich  bin  fest 
entsclilossen,  z.  B.  Cic.  Att.  10,  8,  5  ut  dubium  non  sit,  quin  cum 
pericido  fugiamus,  quod  fuger emus  etiam  cum  salute.  Besonders  be- 
liebt ist  quin,  wenn  dubitare  im  Pass.,  oder  wenn  es  im  Gerund, 
steht:  Domitius  sibi  ditbitandum  non  putavit,  qimi  proelio  decer- 
taret,  Caes.  civ.  3,  37,  2  und  daselbst  Kraner-Hofmann  und  ebenso 
Gall.  2,  2,  5  u.  3,  23,  7.  Doch  findet  sich  auch  hier  der  Infinitiv, 
z.  B.  Cic.  Pomp.  19  videte,  ne  non  dubitandum  vobis  sit  omni  studio 
ad  id  bellum  incumbere.  —  2.  In  der  Bedeutung  ziueifelhaft  sein, 
ziveifeln  unterscheide  man,  ob  es  mit  oder  ohne  non  stehe,  a)  Dubi- 
tare ohne  non  hat  den  Objektsatz  nicht  mit  quin  nach  sich,  sondern 
fragend  mit  utrum  —  an,  ne  —  an,  oder  mit  an  oder   dem   ange- 


Dubitare  —     476     —  Dubitare 

hängten  iie ;  vgl.  Cic.  Att.  4,  15;  off.  1,  9;  1,  30;  Att.  10,  8,  3; 
fam.  9,  7,  2;  Att.  15,  9,  2;  fin.  5,  85.  Duhito  num  ver- 
werfe ich  (JS'eue  Jahrb.  1880  S.  301)  entschieden  als  unklassisch; 
denn  Cic.  Sulla  68  hat  auch  C.  F.  W.  Müller  an  statt  Jiiim  auf- 
genommen und  fam.  7,  32  steht  adchihitavi  num ;  vgl.  auch  Leit- 
schuh im  Progr.  Münnerstadt  1861.  Aber  N.  Kl.  bei  PUn.  nat. 
24,  65,  Quintil.  6,  1,  3,  Plin.  epp.  6,  27,  1,  vgl.  Lagergren  S.  179, 
ist  dubitare  num  nicht  zu  beanstanden.  Bei  Tacitus  bedeutet 
duhito  num  oh  niclit,  vielleicht  nach  dem  Vorgänge  von  Sali.  bist. 
3,  48,  8  an  duhiiim  hahetis,  num  offlcere  quid  vohis  2>ossit,  während 
er  den  wirklichen  Zweifel  durch  an  ausdrückt,  s.  Heraus  zu  Tac. 
bist.  2,  37.  Selten  und  mehr  Sj).  L.  aber  hat  duhitare  =:  zweifeln 
den  Acc.  c.  inf.  bei  sich ;  die  wenigen,  dazu  zum  Teil  noch  zweifel- 
haften Stellen  hat  Dräger  H.  Synt.  II,  391  erwähnt,  b)  Aber  non 
duhitare  und  ebenso  non  diihium  esse  und  die  ebenfalls  negativen 
Ausdrücke  cave  duhites^  cur  oder  quid  duhitas,  quid  est  quod  duhites, 
d.  h.  du  hraiichst  nicht  daran  zu  ziueifeln,  an  duhitamus,  duhita 
si  looteSy  quasi  vero  duhiiim  sity  si  quis  duhitare  adliuc  potuit  (Cic. 
Phil.  13,  22)  haben  bei  Cicero  und  Caesar  nur  ciuin  nach  sich,  in  der 
gewöhnlichen  Sprache  aber,  welche  schon  Yarro,  Nepos,  Cicero  der 
Sohn,  Trebonius  (in  Cic.  fam.  12,  16,  2),  Asinius  Pollio,  Hirtius  und  Li- 
vius  beachteten,  den  Accus,  c.  in  fin.,  welcher  N.  Kl.  ganz  gewöhnlich 
wurde,  z.  B.  bisweilen  bei  Curtius,  oft  beim  jungem  Plinius,  s.  Lager- 
gren S.  163,  regelmässig  beim  Juristen  Papinian,  vgl.  Leipold  S.  7,u.  bei 
Tert.,  vgl.  Hoppe  Synt.  Tert.  S.  51.  Auffällig  ist  der  Acc.  c.  inf,  nach 
positivem  duhitare,  z.  B.  bei  Tert.  Marc.  4,  18  hoc  erat  Joannis 
scandalum,  cßiod  duhitahat  ipsum  venisse,  quem  exspectahant ;  die 
Beispiele  aus  früherer  Zeit  sind  zweifelhaft  oder  anders  zu  erklären, 
vgl.  Draeger  II,  391.  Bei  Lact.  6,  3,  5  quia  ignorahant  aut  duhita- 
hant  animas  hominum  immortcdes  esse  wirkt  die  Konstruktion  von 
ignorahant  nach.  Hierüber  habe  ich  ausführlich  gehandelt  in  Pollio'^ 
S.  25;  vgl.  noch  Riemann  etudes  S.  284,  Keppel  in  Bayr.  Grymn. 
XVI  S.  30  f.,  Kj-umbiegel  S.  31.  —  Über  den  bejahenden  Sinn, 
den  duhito  an.  duhium  est  an,  nescio  an  bei  den  besten  Autoren 
haben,  vgl.  Seyffert -Müller  z.  Lael.  S.  129  f.  und  Reisig-Haase  N. 
441;  darnach  folgt  nemo,  nihil,  z.  B.  duhito  an  nihil  sit  melius  ^^ich 
zweifle  oh  etivas  .  ."  —  Nachträglich  ist  noch  zu  bemerken,  dass 
duhitare  bei  einem  folgenden  Subst.  mit  de  cdiqua  re  verbunden 
wird,  z.  B.  de  tua  erga  me  voluntate,  und  nur  bei  Pronom.  im 
Neutrum  oder  einem  zählenden  Adj.  (iinuni,  multa)  mit  dem  Accus., 
z.  B.  hoc  (haec)  dubitant  philosophi,  dariiher  sind  die  Philosophen 
in  Ungewissheit.  Allein  im  Passiv  finden  wir  doch  auch  bei  Cicero 
persönlich  konstruiertes  duhitare,  z.  B.  fin.  2,  55  minime  duhitanda 
indicia  natiirae,  Cael.  55  res  minime  diihitanda,  off.  3,  9  alterum 
did)itari  non  potest,  vgl.  Lebreton  Etudes  S.  175.  Vereinzelt  sagt 
Tac.  ann.  14,  7:  ne  auctor  duhitaretur.  s.  Nipp,  zu  Tac.  ann.  14,  7, 
und  Sp.  L.  Sedulius  4,  280  H.     Christum  duhitatis. 


Dubitatio  —     477     —  Dubius 

Duhitaüo  heisst  1.  Zweifel^  Ungeivissheit^  ScJiwankefi  in  Mei- 
nung oder  Ansicht,  daher  sine  ulla  duhitatione  =  unstreitig,  un- 
hestreitbar ,  imzioeifelhaft,  ganz  entschieden ;  z.  B. :  ut  sine  ulla  duhi- 
tatione insanire  omnihus  videretur^  Cic.  Yerr.  4,  39;  ut  ii^  qui  in 
custodiam  dati  suyit,  sine  idia  duhitatione  damnati  esse  videantur, 
Catil.  4,  5;  ut  animi  sine  idla  duhitatione  sanentur,  Tusc.  3,  5; 
illud  vero  sine  idla  duhitatione  maxime  nostrum  fimdavit  im- 
perium,  quod  .  .  .y  Balb.  31.  Dafür  kann  auch  mit  einem  etwas 
schwächern  Ausdrucke  des  Gedankens  sine  controversia  genommen 
werden :  Panaetius  sine  controversia  accuratissime  disputavit  de  offi- 
ciis  =  P.  hat  unstreitig  u.  s.  w.,  Cic.  ofF.  3,  7 ;  himc  sine  contro- 
versia vicimus,  Catil.  2,  1 ;  sine  controversia  S.  Galha  eloquentia 
praestitity  Brut.  82.  Denselben  Dienst  tut  auch  sine  duhio :  Helvetii 
sine  duhio  sunt  in  armis,  Att.  1,  19,  2;  homo  sine  duhio  versutus 
et  calliduSy  Cic.  nat.  deor.  3,  25  —  ein  unstreitig  geriehener  und  schlauer 
M.;  endUch  kann  man  dafür  (aber  nicht  Ed.!)  auch  haud  duhie 
sagen:  consid  haud  duhie  iani  victor,  Sali.  Jug.  102,  1;  haud  dtchie 
ad  vhn  spectare  res  coepit,  Liv.  1,  9,  6  und  sonst  oft.  Liherator 
haud  duhie  Gerynaniae,  Tac.  ann.  2,  88.  Über  sine  duhio,  ahsque 
duhioy  haud  duhie,  procid  duhio  u.  ä.  vgl.  Wölfflin  Rhein.  Mus.  37 
S.  98  und  Mohr  im  Progr.  von  Bremerhaven  1886  S.  7.  2.  be- 
deutet sine  duhitatione,  sine  ulla  duhitatione,  auf  den  Willen  des 
Subj.  bezogen,  auch  unhedenklich,  ungescheut,  ohne  edle  ün- 
schlilssigkeit :  idem  victoriolas  aureas  sine  duhitatione  tollehat,  Cic. 
nat.  deor.  3,  84;  si  coloniarmn  sine  idla  duhitatione  hostis  est  =  unge- 
scheut, ganz  entschieden,  Phil.  14,  10.  Für  in  duhitationem  vocare 
=  in  Zweifel  ziehen  findet  sich  kein  Beispiel,  man  sagt  in  duhium 
vocare. 

Duhitativus,  ziueifelhaft,  ist  sehr  Sp.  L.  für  duhius,  kann  aber 
als  grammatisches  und  logisches  Kunstwort  oft  kaum  entbehrt  werden. 

Duhius.  Duhius  sum,  ich  hin  im  Ziueifel,  von  Personen  ge- 
sagt, ist  unklassisch ;  es  findet  sich  so  in  Prosa  zuerst  bei  Sali.,  z.  B. 
Jug.  49,  5;  dann  bei  Liv.  4,  40,  2  und  dann  im  silb.  Latein;  dar- 
nach ist  zu  korrigieren  Fritzsche  zu  Hör.  sat.  1,  9,  40.  —  Adverbiales 
duhium  wird  wie  incertum  mit  nachfolgender  Doppelfrage  N.  Kl. 
und  P.  L.  gebraucht,  vgl.  Ovid  trist.  4,  4,  69  duhium  pius  an 
sceleratus,  Orestes  u.  Suet.  Jul.  58  duhium  cautior  an  audentior,  vgl. 
YoUmer  zu  Stat.  silv.  4,  4,  21.  —  Das  Neutr.  duhium  wird  als  Subst. 
gebraucht,  aber  nur  in  Redensarten  wie:  in  duhio  esse,  in  duhium 
vocare,  veyiire,  devocare,  in  duhio  ponere,  sine  duhio,  procul  duhio 
(dies  nicht  KL,  aber  bei  Liv.),  wo  wir  duhium  durch  Zweifel  über- 
setzen. Aber  dennoch  tritt  weder  ein  Adj.,  noch  ein  Pronomen 
hinzu ;  man  sagt  also  nicht  hoc,  illud,  omne,  idlum,  nidlum,  quod- 
vis,  minimum,  magnum  did)ium  u.  a.  Diese  und  ähnUche  findet 
man  heutzutage  damit  verbunden,  obgleich  nur  vereinzelte  Belege 
und  nur  aus  der  spätesten  Latinität  vorliegen;  cum  nullum  sit  du- 
hium, quin  .  .  .  Leo  M.  epp.  101,  4.  —  N.  L.  ist  duhio  locus  non 


Ducentum  —     478     —  Ducere 

est,  es  findet  kein  Zweifel  statt.  Auch  bedeutet  clnhius  ohne  liomo 
ebenso  wenig  den  Zweifler;  dafür  dient  entweder  das  spätlateiuische, 
aber  gutgebildete  dubitator  (nur  bei  Tert.,  vgl.  Schmidt  Tert.  S.  15), 
oder  die  Umschreibung:  ciui  de  cdiqua  re  diihitat. 

Ducentum,  indecl.,  zweihundert,  kommt  bei  Lucil.  1053,  bei 
Yarro  vit.  pop.  Rom.  3  fr.  2  K.  und  bei  Colum.  5,  3,  7  vor,  vgh 
Georges  Jahresbericht  1884  S.  88  f.  und  Marx  zu  Lucil.  555,  sowie 
Neue-Wagener^  II  S.  296.     Man  halte  sich  an  ducenti. 

Ducere  ist  in  der  Bedeutung  ableiten,  herleiten,  die  Abstammung 
eines  Wortes  von  einem  andern  angeben,  N.  L.,  indem  es  nur  von 
den  Wortbildnern  selbst  gebraucht  wird,  z.  B.  ab  amando  nomen 
ductum  est  (von  dem,  der  das  neue  Wort  daraus  bildete)  amicitiae 
(Cic.  fin.  2,  78);  falsch  aber  wäre  ab  amando  nomen  duco  amicitiae, 
und  auctor  (das  Wort  auctor)  ducendum  est  a  verbo  augere,  für: 
origo  vocabuli  auctoris  repetenda  est  ab  augendo.  Ygl.  darüber 
mehr  unter  Derivare.  —  Via  ducit  alicßio  =  fert,  was  von  einigen 
für  poetisch  erklärt  wurde,  hat  gute  pros.  wenn  auch  nur  N.  Kl. 
Autorität,  s.  Liv.  5,  40,  8;  2,  50,  10  u.  28,  6,  2;  Gurt.  3,  28,  19, 
Sen.  de  prov.  6,  7  u.  de  v.  beata  1,  Plin.  nat.  18,  111,  Quintil. 
5,  9,  14.  —  In  der  Bedeutung  glauben,  verbunden  mit  einem  Acc. 
u.  dem  Infin.,  z.  B.  haec  tolerabilia  esse  duco,  verwarf  es  J.  A. 
Ernesti  als  unlateinisch,  denn  der  Infin.,  meint  er,  müsse  fehlen. 
Es  ist  aber  durchaus  KL,  vgl.  Gic.  Pomp.  17  vectigalia  nervös  esse  rei 
puhlicae  semjjer  duximus,  Sali.  Jug.  93,  5,  Liv.  22,  14,  6  u.  59,  5  ; 
24,  2,  3  u.  44,  39,  2.  —  In  der  Bedeutung  halten  für  ist  das  Passiv 
selten,  ductus  sum  klass.  nicht  nachzuweisen,  vgl.  s.  v.  Habere  und 
Brinker  Progr.  Schwerin  1895  S.  9,  Kunze  Sali.  III,  2,  S.  69, 
Schmalz  Erläuterungen'-^  Anm.  48,  namenthch  aber  auch  Novak 
Stud.  Liv.  1894  S.  187,  der  für  Liv.  passives  ducere  in  diesem  Sinne 
leugnet;  Liv.  bevorzugt  Juiberi.  Ygl.  noch  Kalb  Roms  Juristen 
S.  119,  Weyman-Landgraf  im  Archiv  XI  S.  248.  —  N.  L.  ist 
ducere  cdicui  cdicßiid  honorem,  einem  ettuas  cds  Ehre  anrechnen  für 
honori.  Falsch  ist:  heroibus  honor  ducebatur;  richtig  nach  Sali.  Jug. 
11,  3  honori  d.  —  Yerworfen  wird  sibi  aliquid  religioni  ducere, 
sich  aus  etivas  ein  Geiuissen  machoi.  Ygl.  Conscientia.  —  Etwas 
unter  etivas  rechnen  heisst  ducere  aliquid  (aliquem)  in  aliquibus  oder 
in  numero  cdiciuorum.,  selten,  aber  nicht  zu  bezweifeln  numero  ali- 
ciuorum  (Gaes.  Gall.  6,  21,  1  und  Sali.  Jug.  14,  1);  vgl.  über 
luihere  aliquem  in.  loco,  in  numero  und  numero,  loco,  Schmalz  Pollio^ 
S.  21  und  die  dort  verzeichnete  Litteratur,  sowie  Kunze  Sali.  III, 
2  S.  68.  Gut  ist  auch  aliquid  pro  nihilo  ducere,  Gic.  Tusc.  5,  90. 
—  P.  L.  ist  bellum  ducere,  einen  Krieg  führen,  für  bellum  gerere, 
da  jenes  in  Prosa  heisst  einen  Krieg  in  die  Länge  ziehen.  —  N.  L. 
ist  ducere  magistratum,  ein  Amt  führen,  beJdeiden,  für  gerere.  —  Sp.  L. 
(und  einmal  A.  L.  bei  Lucil.  661,  sowie  N.  Kl.  bei  Sen.  epp.  45,  10)  ist 
ducere  vitam  in  der  gewöhnlichen  Bedeutung  das  Leben  hinbringen, 
leben,  für  vitam  agcre  oder  degere,  ausser  wenn  der  Begriff  des  Kummer- 


Ductare  —     479     —  Dulcitudo 

liclieyiy  Traurigen  oder  der  Verllmgerimg  darin  liegen  soll,  wo  Zu- 
sätze meistens  das  Wie  angeben.  Dagegen  spricht  nicht  Cic.  Pomp. 
33  quibus  intam  et  spiritum  diicitis,  indem  hier  zeugmatiscli  ge- 
sprochen ist,  für  vitam  agitis  et  f^piritum  diiciti^.  Jedoch  sagt  er 
(fin.  5,  50) :  aetatem  in  litte^^is  ditcere,  wofür  er  sonst  traducere 
braucht.  —  Seiji  Alter  hringeyi  bis  auf  heisst  aber  aetatem  per- 
ducere  ad  —  (Cic.  Cato  60).  —  Ehie  Kolonie  irgendivohin  führeyi 
heisst  selten  ducere,  regelmässig  dediicere  aliqno  coloniam;  und  so 
überhaupt  mehr  dediicere,  wo  die  Rede  ist  vom  Führen  von  einem 
Orte  zum  andern.  Ygl.  Cic.  de  or.  1,  33.  —  Im  Spotte  sagt 
Asinius  Pollio  (Cic.  fam.  10,  32,  1)  nach  der  Sprache  der  Komiker: 
Baibus  dnxit  se  a  Gadibus,  B.  hat  sich  von  G.  tueggeschohen  ; 
näheres  hierüber  s.  Schmalz  Pollio^  S.  47,  Rönsch  Sem.  III  S.  32  und 
s.  V.  Educere. 

Ductare,  führen,  anführen,  kommt  bei  Sallust  aus  dem  A.  L. 
entnommen,  vgl.  Fabri  zu  Cat.  11,  5,  und  später  nur  bei  Quintil., 
Tac.  bist.  2,  100,  vgl.  Heraus  z.  St.,  und  Ammian,  sowie  bei  Jor- 
danes  vor,  für  ducere;  —  ebenso  ist  nur  A.  L.  und  Sp.  L.  diicti- 
tare;  vgl.  Jonas  Progr.  Posen  1879  S.  11,  Bergmüller  Jord.  S.  38, 
sowie  Quint.  8,  3,  44  ductare  exercitus  .  .  apud  Sallustium  dictum 
sancte  et  antiqite  deridetur  a  nohis. 

Ductio,  Leitung,  Führimg,  bei  Yitruv  u.  a.  und  sehr  selten 
für  ductiis.  Auch  ductor  findet  sich  in  Prosa  selten,  ist  aber  gut 
beglaubigt;  Nägelsbach-Müller ^  S.  61  empfiehlt  es  für  unser  deutsches 
,/)fflzier^''  unter  Berufung  auf  Livius  7,  41,  4. 

Ductus,  die  Leitung.  Yerbunden  mit  dem  Gen.  Sing,  aqiiae 
bedeutet  es  nur  eine  Wasserleitung,  dagegen  heissen  mehrere  Wasser- 
leitungen meistens  aquarum  ductus,  z.  B.  Cic.  ofP.  2,  14;  leg.  2,  2, 
selten  aquae  ductus,  wie  einigemal  bei  Vitruv,  der  übrigens  auch 
aquarum  ductiones  öfter  braucht,  und  bei  Amm.  21,  12,  7  aquae 
ductihus  intersectis. 

Dudum  in  der  Bedeutung  längst,  schon  längst  ist  zu  bezweifeln, 
wenigstens  in  der  bessern  Prosa,  für  iampridem  oder  iam  diulam; 
vgl.  jedoch  zu  letzterem  Seyffert-MüUer  z.  Lael.  S.  420. 

Duellum  ist  bei  den  Alten  nur  die  alte  Form  für  bellum,  Krieg 
im  allgemeinen  zwischen  zwei  Yölkern,  und  ist  als  alte  Form  bei 
Dichtern  dafür  geblieben;  nirgends  aber  bedeutet  es  einen  Kampf 
zwischen  ziuei  Einzelnen,  einen  Zweikampf,  ein  Duell  und  muss  in 
dieser  Bedeutung  durchaus  vermieden  werden.  Es  ist  zu  sagen  pugna 
singidaris,  certamen  siyigulare;  im  Zusammenhange  mit  provocare, 
decernere  u.  dgl.,  wenn  gesagt  ist,  dass  einer  einen  herausgefordert, 
mit  ihm  sich  gemessen  habe,  genügt  certamen  allein,  z.  B.  bei  Liv. 
(24,  8,  5),  wo  indes  die  Beziehung  der  Worte  cul  certamen  unsicher 
ist.     S.  Drakenborch,  Weissenborn  und  Riemann  zu  der  Stelle. 

Dulcitas,  die  Süssigheit,  ist  A.  und  Sp.  L.  für  dulcedo. 

Didcitudo,  die  Süssigheit,  lesen  wir  bei  Cic.  de  or.  3,  99  u.  3, 
161,  sonst  findet  es  sich  nur  noch  Sp.  L.,  z.  B.  Ennodius  116,  15 


Dum  —     480     —  Duntaxat 

H  und  auf  laschriften.  Üblicher  ist  bei  Cic.  dulcedo,  Caes.  hat 
keines  von  beiden. 

Dum  in  der  Bedeutung  ^^ivlÜirend^'-  kann  nur  mit  Praes.  Indik. 
oder  Imperf.  Konj.  verbunden  werden.  Der  erstere  Gebrauch  ist 
Kl.;  er  findet  sich  aber  ausser  bei  Cicero  u.  Caesar  auch  bei  Sali. 
Tac.  Florus;  Liv.,  Yal.  Max.,  lusr.,  sowie  die  Dichter  halten  sich 
an  beide  Konstruktionen.  Der  Konj.  Imperf.  nach  dum  ..während'^ 
wurde  im  Sp.  L..  z.  B.  bei  Ammian,  dann  bei  Eccl.  überwiegend, 
und  so  erklärt  sich  leicht,  dass  viele  Neuere  ihn  nachgebraucht 
haben.  Der  Indikativ  des  Imperfekts  in  dieser  Konstruktion  be- 
schränkt sich  auf  wenige,  zudem  nicht  durchaus  zuverlässige  Stellen, 
die  Hoffmann  Zeitpartikeln  S.  170  Anm.  130  behandelt  hat;  nach 
HofFmann  ist  dum  hier  fast  =  quamdiu.  Näheres  bei  Hoffmann 
1.  1.  und  bei  Landgraf  S.  341  in  unserer  Neubearbeitung  von  Reisig- 
Haase;  vgl.  auch  meine  Syntax^  §  306,  2.  Über  dum  ,^ivä]irend'^ 
mit  Indik.  Perf.  handelt  Dräger  H.  Synt.  II  S.  607.  Er  findet  im 
Nebensatz  neben  der  temporalen  noch  eine  kausale  oder  adversative 
Nebenbedeutung,  z.  B.  Cic.  Mur.  55  dum  conatus  est,  venu  in  peri- 
culum  etc.  Bei  Cicero  steht  in  diesem  Falle  das  Perf.  im  Haupt- 
und  Nebensatz.  Übrigens  schreibt  Landgraf  mit  Campe  in  Cic. 
Mur.  55  dum  conatur.  —  In  der  Bedeutung  indem,  da  oder 
dadurch  dass  wird  meist  nicht  dum,  sondern  cum  mit  dem  Indik. 
gebraucht,  z.  B.  Cic.  fin.  1,  3  delectamiir.,  cum  scrilnmus,  Flacc. 
83  quid  emehat.  cum  te  emehat?  Doch  geht  auch  dum  bisweilen  in 
die  Bedeutung  des  explikativen  cum  über,  wie :  urgentibus  etiam 
matliematicis,  dum  novos  niotus  et  darum  Othoni  annum  ohservatione 
siderum  affirmant,  Tac.  hist.  1,  22  und  sonst.  S.  dort  Heraus  und 
ausserdem  Gossrau,  Sprachl.  §  415,  A.  4,  Madvig  (Opusc.  1,  S.  35: 
Notissimus  est  usus  particulae  dum  ita  cum  praesenti  tempore  posi- 
tae,  quo  plerumque  significatur  actio  non  solura  tempore  coniuncta, 
sed  occasionem  rei  in  primaria  sententia,  cui  altera  proxime  semper 
adnectitur,  dictae  praebens,  ut  hoc  loco  (Juvenal.  sat.  1,  59  und 
50)  caret,  i.  e.  perdidit  dum  pervolat).  —  Unrichtig  wird  es  da 
angewendet,  wo  unser  während  für  ßher  steht,  und  wo  autem,  vero, 
contra  vero  dafür  zu  setzen  ist.  —  Über  dunimodo  ne  und  dummodo 
71071,  ivenn  nur  nicht,  vgl.  meine  Syntax^  §  306,  5;  man  halte  sich 
ausschliesslich  an  dummodo  ne,  da  dummodo  non  der  sinkenden  La- 
tinität  angehört. 

Duntaxat  (dum  taxat),  nur,  wurde  ursprünglich  getrennt  ge- 
braucht dum  .  .  .  taxat  \  dies  taxat  gehört  zum  Yerb  taxare,  also 
diüu  .  .  taxat  =  ivälirend  er  (die  Sache)  abschätzt;  über  die  Er- 
klärung durch  Breal  =  Konj.  des  Aor.  zu  tanr/o,  vgl.  Brugmann 
Grundriss  S.  1292  Anm.  Es  steht  gewöhnlich  bei  Mass  und  Zahl- 
bestimmungen in  der  Bedeutung  melir  nicht,  und  zwar  bezeichnet  es 
bei  der  Yerpflichtung  das  Minimum,  bei  der  Berechtigung 
das  Maximum.  Das  letztere  ist  juristischer  Sprachgebrauch,  vgl. 
Kalb  Progr.  Nürnberg  1886  S.  16  f.      Sonst    braucht   man   es,  um 


Duo  —     481     —  Duo 

anzudeuten  nur  dieses,  aber  nichts  anderes,  lediglicli,  in  Bezug  auf 
einzelne  Wörter.  Es  wird  nicht  mit  ganzen  Sätzen  verbunden,  daher 
man  nicht  sagt:  Persium  dnntaxat  legit,  non  intellexit.  —  Sehr  selten 
(s.  Liv.  37,  53,  9  u.  Paul.  dig.  26,  7,  12,  3)  sagt  man  auch  non 
dunfaxat  mit  folgendem  sed  (verum)  etimn,  für  non  soliim.  Ganz 
vereinzelt  bei  Terentian  2074  steht  dumtaxat  ut  ^=  diimmodo,  auf 
einer  Inschrift  dumtaxat  cum,  vgl.  Werth  S.  360.  Näheres  über 
dumtaxat  bei  Richardson  Dum  S.  92 — 95,  Wölfflin  Archiv  lY 
S.  325,  YI  S.  93  (nicht  bei  Caes.  Hirt.),  Madvig  fin.^  S.  177,  Wiehert 
Stil.  S.  322,  Kühuast  S.  349,  M.  Müller  zu  Liv.  2  S.  159,  SeyfFert- 
Müller  z.  Lael.  S.  359,  Thielmann  Philol.  42,  348,  Kalb  1.  1.  S.  16  fF. 
Duo,  zivei.  Im  Accus,  sind  die  Formen  duos  und  diw  gleich 
gut,  vgl.  Neue -Wagener  ^  II  S.  280.  —  Unser  zivei  und  zwei 
u.  dgl.  gelten  mit,  nehen  einander  hat  distributiven  Sinn,  also 
wäre  es  falsch,  lat.  dafür  zu  sagen  duo  et  duo  incedunt  für  hini  in- 
cedimt.  Ferner  ist  zu  beachten,  dass  die  Fluralia  tantiim  nur  Distri- 
butivzalilen  zu  sich  nehmen,  falsch  wäre  also  dnae  TJiehae  für  binae, 
duo  castra  für  hina.  Dasselbe  gilt  auch  von  Subst.,  welche  im 
Plur.  eine  andere  Bedeutung  als  im  Sing,  haben,  wie  z.  B.  littera, 
der  BucJistahe,  diese  Bedeutung  auch  im  Plur.  hat;  also  sind  zivei 
Buchstahen  auch  lat.  duae  Utterae,  sofern  aber  litterae  einen  Brief 
ausdrückt,  heissen  ziuei  Briefe  nur  binae  litterae.  So  ist  es  auch, 
wenn  von  zivei  zusammengehörigen,  mit  einander  ein  Ganzes  bildeyi- 
den  Personen  oder  SacJien  die  Rede  ist,  wo  wir  im  Deutschen 
sagen  ein  Paar,  wie  bini  boves,  bini  scgplii,  bini  tabellarii;  \^x. 
Halm  zu  Cic.  Yerr.  4,  32.  —  Ebenso  ist  unser  einer  oder  zwei  müssen 
bestraft  werden,  nicht  unus  aiit  duo  (was  erst  Sp.  L.  bei  S.  Ambros. 
Apol.  proph.  Dav.  c.  2  Ende  vorkommt),  sondern  unus  alterve  oder 
unus  aut  alter,  Liv.  4,  35,  9 ;  einen  oder  Iwclistens  zwei  ausge- 
nommen, nicht :  excepto  uno  aut  summum  duobus,  sondern  aut 
summum  altero  (Cic.  fam.  5,  21,  1).  —  Über  den  lat.  Ausdruck  von  : 
Wähle  von  den  zweien,  ivas  (tuen)  da  willst  s.  Alter uter.  —  Ein 
Tag,  zivei,  mehrere  (z.  B.  verfliessen),  nicht  dies  unus,  duo,  plures, 
sondern  unus,  alter,  plures  (Cic.  Yerr.  4,  66).  —  In  Bezug  auf 
zivei  vorhergenannte  Personen  oder  Dinge  schieben  wir  oft  über- 
flüssig im  Beisatze  oder  in  der  Apposition  das  Zahlwort  zwei  oder 
ein  Paar  ein,  wo  der  Lateiner  duo  weglässt.  Wir  sagen  z.  B.  De- 
mosthenes  und  Cicero  sind  die  zwei  grössten  Redner;  mit  sehiem 
Leben  will  ich  das  des  Plato  und  Archytas,  zweier  gelehrten  und 
weisen  Männer,  vergleichen;  das  eine  Bild  tvar  das  der  Ceres,  das 
andere  das  des  Triptolemns,  zwei  (ein  Paar)  herrliche  und  kostbare 
Stücke;  die  Aufmerksamkeit  aller  zogen  Scipio  und  Hannibcd  auf 
sich,  (ein  Paar)  zwei  Feldherren,  die  sich  gleichsam  zum  letzten 
Kampfe  gerüstet  hatten;  —  in  diesen  und  ähnlichen  Beispielen  findet 
sich  im  Latein,  duo  nicht  ausgedrückt,  also :  sunt  summi  oratores ; 
doctorum  hominum  et  plane  sapientium;  indcherrima  (signa)  ac  per- 
ampla ;  velut  ad  supremum  certamen    comparati    duces,    vgl.    meine 

Kr  ebs- S  chma  1k,  Antibarbarus  I.  31 


Duodecimus  —     482     —  Durare 

Anm.  zu  Sali.  Jug.  7,  5.  Anders  ist  es  mit  den  Fällen,  wo  duo 
als  bedeutend  beigefügt  wird,  z.  B.  Liv.  21,  11,  13  qui  duo  j^opiill 
—  omiseriint  mota  arma,  diese  beiden  Volke?'  — ;  ebenso  8,  17,  9, 
Cic.  Pomp.  8.  —  Dass  endlich  dtio  bei  den  besten  Autoren  oft  ge- 
braucht wird,  wo  man  amho  oder  uterqiie  erwarten  möchte,  ist  von 
Yogel  Symbolae  S.  15  u.  16  nachgewiesen  ;  vgl.  auch  Spreer  in  N. 
Jahrb.  1883  S.  12. , 

Duodecimus.  Über  die  Redensart  in  duodecimo  von  dem  Format 
der  Bücher,  in  Duodez^  vgl.  Folimn. 

DuplicfAtio^  die  Verdoirpelung,  findet  sich  N.  Kl.  nur  bei  Se- 
neca  für  das  gebräuchlichere  geminatio,  wiewohl  dujylicare  und  du- 
plicatus  Kl.  und  häufig  vorkommen. 

Durahilis,  dauerhaft,  steht  N.  Kl.  bei  Columella  und  Quintil. 
11,  3,  23,  ib.  40:  vox  durahilis  und  spiritus  durahilis,  ib.  32.  Dies 
werden  wir  wohl  nachgebrauchen  dürfen;  aber  als  fehlerhaft  erschiene 
uns  allerdings  durahilis  lionor.  Denn  hier  würde  es  sich  um  die 
rein  äusserliche  Beziehung  der  Zeitdauer  handeln,  während  durch 
durahilis  dasjenige  bezeichnet  wird,  was  seiner  Natur  und  Beschaffen- 
heit nach  fest  und  dauerhaft,  halthar  ist.  Jedenfalls  zu  vermeiden 
ist  das  Sp.  L.  durahilitas. 

Durare.  Dies  bei  Cicero  und  Sallust  gar  nicht  und  bei  Caesar 
nur  Gall.  6,  28,  3  vorkommende  Wort  bedeutet  1.  transitiv  härten. 
z.  B.  ferrum  durare  (bei  Plinius  mai.),  daher  denn  auch  trop.  se 
durare  lahore  =  durch  Mühe  und  Anstrengimg  sich  ahhärten  bei 
Caes.  Gall.  6,  28,  3,  und  suhacti  atque  durati  hellis,  Liv.  42,  52, 
10  sind  durch  Kriege  gesclmlte  und  ahgehärtete  Leute.  2.  Am  gewöhn- 
lichsten aber  ist  diü^are  intransitiv  =  a)  ausdauern,  aushalten,  sielt 
halten.  Dies  findet  sich  in  Prosa  zuerst  bei  Cato  agr.  58:  uti  quam 
diutissime  durent  oleae  und  hoc  vinum  durdbit  tibi  usque  ad  solsti- 
tiuni,  ib.  104  und  bei  Yarro  r.  r.  1,  59,  3  abwechselnd  mit  manere; 
etwas  später  bei  Livius  in  der  Bedeut.  ertragen,  aushalten:  vix 
durare  quisquam  intus  poterat ,  38,  7,  13  und:  in  opere  et  lahore  suhpel- 
libus  durare,  5,  2,  7 ;  b)  in  der  Zeitbedeutung  dauern,  währen,  wie  ein- 
mal schon  bei  Livius:  hominis  aetatem  duratura  magnitudo  erat,  1,  9,  1 
und  nach  ihm  in  der  silbernen  Latinität  häufig  bei  Quintil.,  Plin.  mai. 
und  min.,  bei  Yell.,  Tac,  Curt.,  den  beiden  Sen.  und  Col. ;  vgl.  be- 
sonders Kühnast  S.  344,  Riemann  etudes  S.  20.  So  findet  sich 
denn  auch  neben  manente  hello  (Suet.  Yesp.  12  u.  Tac.  hist.  3,  35) 
durante  hello  bei  Tac.  ann.  14,  39.  —  Klassisch  sagt  man  für  unser 
dauern  gewöhnlich  esse.,  manere,  permanere,  vigere,  teuere,  obtinere, 
wie  die  Klassiker  auch  zur  Bestimmung  des  Zeitpunktes,  bis  zu 
welchem  etwas  dauert,  ausser  permanere  auch  provehi,  manare  ad 
anwenden,  s.  Cic.  Cato  27,  Tusc.  5,  8.  So  lange  als  etivas  anderes 
dauern  ist  aequare,  aequale  esse,  Cic.  Cato  23 ;  lange,  länger  dauern, 
manere  diu,  diutius;  diuturnum,  diutinum  esse,  perdiuturnum  esse; 
auch  longum,  longiorem  (longius)  esse,  z.  B.  opinio  mortis  longior 
fuit,  dauerte  länger  (Cic.  Sest.  82).  S.  auch  Nägelsbach-Müller'^  S.  476, 


Duratio  —     483     —  Duunivir 

welcher  mit  Recht  in  der  Verwendung  des  Wortes  durare  für  dauern 
einen  der  späteren  Sprache  eigenen  Missbrauch  erkennt.  —  Wo  wir 
sagen:  Es  dauerte  tvenige  Tage,  so  starb  er,  sagt  man  lat.  intra 
2XIIIC0S  dies  mortuus  est,  und  so  ähnliche. 

Duratio,  die  Dauer,  z.  B.  belli,  ist  N.  L.  Für  Dauer  sagt 
man  lat.  temjms  oder  spatium,  z.  B.:  Per  omne  regni  temims,  Liv. 
1,  21,  5;  7,  29,  1  ;  24,  45,  8  u.  s.  w.  Die  lange  Dauer  einer 
Sache  ist  loyiginquitas,  diuturnitas,  wie  Liv.  5,  15,  5  per  longin- 
quitatem  belli,  wegen  der  langen  Datier  des  Krieges;  die  Dauer  des 
Alters,  longinquitas  aetatis  bei  Ter.  Hec.  595,  wo  Ruhnken  zu  ver- 
gleichen ist  5  Caes.  Gall.  3,  4,  3  diuturnitas  (die  lange  Dauer)  pugyute. 

Duriter,  hart,  als  Adv.  von  durus,  ist  unklassisch;  Cic.  Phil. 
12,  25  sagt  dure.  Duriter  gehört  zu  den  Adv.  auf  ter  von  Adj. 
der  II.  Dekl.,  welche  sich  aus  der  alten  Latinität  in  der  Volks- 
sprache erhielten.  Daher  lesen  wir  es  bei  rhet.  Her.  4,  15,  bei 
Vitruv,  Gellius,  Vulg.,  Ennod.  u.  a.  Vgl.  Thielmann  Cornif.  S.  55 
u.  Archiv  VIII  S.  243,  Köhler  act.  Erl.  I  S.  378,  Rebling  S.  24, 
Rönsch  Sem.  III  S.  33,  Koffmane  lex.  s.  v.,  Vahlen  zu  Enn.  Sc.  306. 
Noch  mehr  Litteratur  hat  Schulze  Symm.  S.  71.  —  Duriusculus,  etiuas 
rauh,  hart,  streng,  ist  sehr  selten  bei  dem  altern  und  Jüngern  Plinius, 
ohne  Autorität  aber  ist  duriuscule,  was  im  N.  L.  bisweilen  vorkommt. 

Duritudo  ist  A.  L. ;  wir  wissen  aus  Gell.  17,  2,  20,  dass  Cato 
es  in  einer  Rede  gebraucht  hat.  Klass.  sind  duritia,  vgl.  Caes. 
Gall.  6,  21,  3,  Cic.  Tusc.  5,  74,  und  duritas;  dies  scheint  nur  Cic. 
or.  53  vorzukommen,  sonst  überhaupt  nirgends. 

Duunivir  und  triumvir  begreift  man  in  ihrer  Bildung  nur, 
wenn  man  sieht,  dass  ursprünglich  der  Gen.  trium  virüm  appo- 
sitioneil zu  Eigennamen  im  Sing,  gestellt  wurde,  vgl.  Bücheier  Rh.- 
Mus.  11,  Skutsch  bei  Kroll  Die  Altertumswissenschaft  S.  336.  In 
den  besten  Handschriften  und  Inschriften  finden  wir  gewöhnlich 
Ilvir,  Ilviri,  Illvir,  lllviri,  aber  doch  treffen  wir  die  Zahl  auch 
durch  Worte  gegeben,  vgl.  Mensel  s.  v.  für  Caesar,  dann  Spart. 
Hadr.  19,  1,  öfters  bei  Livius  duunivir,  vgl.  noch  Prise,  de  accent. 
§  24;  gerade  so  verhält  es  sich  mit  tresviri,  triumviri,  triumvir. 
Bezeichnet  wird  mit  duoviri  (duumviri)  und  tresvi7^i  (dies  wohl  bes- 
ser als  triumviri)  ein  durch  gleiche  Funktionen  zur  Besorgung  eines 
und  desselben  Geschäftes  verbundenes  Kollegium.  Wenn  aber  ztvei, 
drei,  zehn,  fünfzehn  Männer  nicht  so  zu  gleichem  Zwecke  verbunden 
waren,  hiessen  sie  duo,  tres,  decem,  quindecim  viri,  und  jeder  ein- 
zelne hiess  nur  vir,  nicht  aber,  wie  die  obigen,  duunivir,  triumvir, 
decemvir,  quindecimvir.  Im  N.  L.  missbraucht  man  jene  Amtsnamen 
und  nennt  im  vornehmen  Stile  zivei  Männer,  die  in  keiner  Ver- 
bindung zur  Besorgung  eines  und  desselben  Geschäftes  stehen  und 
gestanden  haben,  die  w^ohl  gar  nicht  zu  derselben  Zeit  an  einem 
und  demselben  Orte  gewesen  sind,  dennoch  duumviri,  was  doppelt 
falsch  ist.  So  hat  ein  Buch  den  Titel:  Vitae  summorum  duum- 
virorum  Hemsterhusii  et  Ruhnkenii,  oder  man  spricht  von  duumviri 


E  _     484     —  E 

Hey)i'tus  et  Wolfius^  duumviri  Hermannus  et  Boeckliius ;  apud  du- 
umviros  Saxiimi  et  Wyttenhacliiiim,  und  so  viele  andere,  wo  meis- 
tens nicht  einmal  diio  viri  lateinisch  ist;    vgl.    darüber    unter  Duo. 


E.  e. 


E  oder  ex^  cms.  Zunächst  merke  man  bezüglich  der  Form, 
dass  ex  vor  Yokalen  und  Konsonanten,  e  nur  vor  Konsonanten 
steht  und  dass  in  öfters  wiederkehrenden  bestimmten  Ausdrücken 
immer  nur  eine  dieser  Formen  gebräuchlich  war,  wie  z.  B.  e  üb- 
lich ist  in  den  Phrasen  e  vestigio,  e  re  piihlica,  e  regione,  dagegen 
ex  bei  ex  tempore,  ex  parte  (Hirt.  S.  7  Anm.);  vgl.  noch  Härder 
N.  Jahrb.  1890  S.  771,  Kunze  Sali.  I  S.  20  u.  IH,  2  S.74_;  Neue- 
Wagener^  II  S.  875.  —  Die  Präposition  ex  wird  im  Lateinischen 
vielfach  gebraucht,  wo  man  nach  dem  Deutschen  a,  ab,  in  erwarten 
könnte ;  sagen  wir  z.  B.  zur  Bezeichnung  des  Stoffes :  ein  Bildwerk 
von  Gold,  so  heisst  das  lat.  nur  Signum  ex  (nicht  ah)  auro ;  ebenso 
zum  Ausdruck  des  Ortes :  vom  Kahn  aus,  im  Kahne  sprechen  = 
loqui  e  Untre,  Cic.  Brut.  216,  vom  Pferde  sinken  =  ex  equo  lahi,  zu 
Pferde  fechten  =  ex  equo  pug^mre;  ferner  zur  Angabe  der  Quelle, 
der  Ursache  von  etwas,  z.  B.  vom  Marsch  ermüdet,  fessus  ex  via 
(Liv.  44,  40,  2),  an  den  Füssen  leiden  =  lahorare  ex  pedibus,  von 
einer  Wunde  geheilt  iverden,  ex  vulnere  coyivalescere  (lust.  9,  4,  4), 
an  eiyier  Wunde,  an  den  Folgen  einer  Wunde  sterben,  ex  vulnere 
perire,  mori  (Liv.  30,  19,  5  u.  As.  Poll.  bei  Cic.  fam.  10,  33,  4). 
Indes  könnte  in  diesem  Falle  auch  a  stehen,  z.  B.  Cic.  acad.  1,  29 
niJiil  enim  valentius  esse,  a  quo  intereat,  vgl.  Nipperdey-Lupus  zu 
Corn.  Nep.  reg.  3,  3.  Vo)i,  durcJi  Strapazen  einen  Fieberanfall 
bekommen  ^=  ex  labore  in  febriculam  incidere,  Plane,  bei  Cic.  fam. 
10,  21,  7.  Infolge  der  Ermattung  in  tiefem  Schlafe  liegen  =  ex  lassi- 
tudine  artiiis  dormire  (Cic.  inv.  2,  14).  Es  dient  ferner  ex  auch  = 
pro  zur  Angabe  der  Norm:  honorem  volo  a  te  ex  tiia  maiorumque 
tuorum  dignitate  administrari,  Cic.  fam.  15,  12,  1,  ebenso  zur  Be- 
zeichnung der  verivandtschaftliclien  Abstammung  von  jemand,  z.  B. : 
der  Enkel  des  Pompeius  von  Seiten  seiner  Tochter  ist  Pompei  ex 
filia  nepos,  Cic.  Brut.  263  und  ganz  so  bei  Yell.  1,  1,  2.  Volum- 
nia  duos  pai^vulos  ex  Marcio  ferens  filios,  Liv.  2,  40,  2.  Urenkel 
von  jemand  erleben  ist  videre  ex  aliquo  pronepotes,  Plin.  epp.  8,  10, 
1 ;  ferner  zur  Angabe  der  Heimat :  Vettius  Mescius  ex  Volscis,  wo 
ex  V.  attributiv  steht  =  der  aus  dem  Volskerlande  gebürtige  V.  M., 
Liv.  4,  28,  3  u.  das.  Weissenborn.  Etiuas  nach  jemand,  nach  einer 
Sache  benennen  ist  latein.  nicht  nur  ah,  sondern  auch  ex  aliquo,  ex 
aliqua  re  nominare,  tvie  den  Namen  bekommen  von  —  durch  nomen 
capere  ab  oder  ex  aliqua  re  ausgedrückt  wird.  Vocare  de  =  be- 
nennen nach  zitiert  Werth  S.  338   aus  Terentian  2546.   —    Soll  je- 


E  _     485     —  Ea 

mand  aus  einer  geschlossenen  Anzahl  hervorgehoben  werden,  so  ge- 
schieht dies  durch  ex  (de)^  z.  B.  Cetherjus  tmiis  ex  conmraüs,  Aidits 
Aufidius  itnus  ex  meis  inümis,  acerrimus  ex  omnihus  nostris  sensi- 
bles est  se7isiis  videndi.  Notwendig  aber  wird  die  Umschreibung  mit 
ex  oder  de^  wenn  das  Ganze  entweder  bloss  ein  Zahlwort,  oder  ein 
von  einem  Zahlwort  begleitetes  Subst.  ist,  wie:  de  trihus  hoc  ex- 
trenmm  est,  Cic.  Phil.  7,  21  u. :  ne  medius  ex  trihus  lugurtlia  foret^ 
Sali.  Jug.  11,  3  u.:  Gracclio  miyiorem  ex  diiabus  filiis  yiiqotam 
fuisse,  Liv.  38,  57,  2  u.:  ex  ditodecim  centuriis  eqititiim  octo,  Liv. 
43,  16,  14.  —  Selten  ist  klass.  auch  ex  Jiac  re,  ex  liac  causa,  ex 
midtis  caitsis.  Ms  ex  causis  u.  dgl.,  daher,  aus  dieser  Veranlassimg, 
aus  welcher  etwas  entstanden  ist,  —  wofür  man  klass.  gewöhnlich 
hac  de  re,  hac  de  causa,  midtis  de  causis,  complurihus  aliis  de 
causis  findet,  z.  B.  Cicero  (rep.  2,  13):  qua  ex  causa  cum  hellum 
Romanis  Sahini  intulissent ;  oft  aber  nachklass.  Plinius  (ep.  1,  8,  7) : 
ex  pliirihus  causis;  5,  8,  11:  his  ex  causis  non  adducor;  6,  6,  8: 
quihus  ex  causis  exigo,  ut  venias;  Seneca  (ep.  29,  1):  nulla  alia  ex 
causa,  quam  quod,  oft  bei  Quintil.,  s.  5,  4,  2;  12,  1,  5  u.  12,  7,  7, 
und  im  aS^l  L.,  z.  B.  bei  Tert.,  vgl.  Hoppe  Synt.  Tert.  S.  33.  Man 
halte  jedoch  fest,  dass  de  die  eigentlich  klassische  und  darum  vor- 
zugsweise zu  empfehlende  Art  des  Ausdrucks  ist ;  vgl.  oben  s.  v. 
Causa.  —  Ex  consuetudine,  ex  legihus  u.  a.  ist  bei  Cicero  und 
Caesar  üblich;  unklassisch  aber  ist  neben  more  auch  ex  more;  vgl. 
Hand  Turs.  H  S.  652,  wo  dafür  Belege  aus  Terenz,  Plinius  dem 
Jüngern,  Sallust,  Sueton,  Ovid  u.  Virgil  angeführt  werden.  Ygl.  ausser- 
dem Flor.  4,  2,  79,  Quintil.  11,  3,  129,  Nep.  Con.  3,  2.  —  8p.  L. 
ist  e  contra,  im  Gegenteil,  dagegen,  für  contra,  contrarie,  e  (ex)  con- 
trario, contra  ea ;  wir  finden  dasselbe  in  der  biblischen  Sprache  u. 
bei  Eccl. ;  vgl.  Rönsch  It.  S.  233,  Hartel  in  Wölfflins  Archiv  HI 
S.  19,  Gölzer  Hieron.  S.  203,  Thielmann  Philol.  42  S.  334.  —  Erst 
seit  Livius  kommt  ex  quo  als  eine  Partikel  in  der  Bedeutung  seit- 
dem, seitdem  dass  vor,  für  ex  quo  tempore  oder  ex  eo,  cum,  und  so 
auch  bei  ihm  nach  vorausgegangener  Zeitbestimmung,  z.  B.  nach 
per  omnes  dies  (27,  50,  4),  nach  per  aliquot  aetates  (34,  26,  13), 
wo  für  ex  quo  bei  Cic.  (z.  B.  off.  2,  75)  cum  zu  folgen  pflegt. 
Man  wird  daher  nur  sagen  annus  est,  cum  und  das  livianische  annus 
est,  ex  quo  oder  gar  das  A^.  Kl.  u.  Sp.  L.  cmnus  est,  quod  ledig- 
lich zur  Kenntnis  nehmen;  vgl.  meine  Syntax^  §  291,  Gölzer  Hier. 
S.  382,  Riemann  etudes  S.  100,  M.  Müller  zu  Liv.  1,  35,  4,  Hand 
Turs.  n,  648,  wo  für  ex  quo  Stellen  aus  Liv.,  Tac,  Sen.,  Hör., 
Sil.  It.  u.  a.  Sp.  angegeben  sind. 

Ea  propter,  desiuegen,  ist  P.  L.  für  propterea ;  vgl.  Wölfflin 
im  Archiv  I  S.  167,  Reissinger  1897  S.  76  (eapropter  nur  bei  Ter. 
Andr.  959;  Pompon.  82  Ribb.;  Lucr.  4,  313);  ob  eapropter  auch  N.  El. 
sich  findet,  bezweifle  ich,  Reissinger  1900  S.  60  erwähnt  es  nicht; 
wohl  aber  treffen  wir  es  wieder  im  Sp.  L.;  ea  =  propterea  ist 
Sj).  L.  bei  Claud.  Mam.  167,  9  E. 


Eblanditus  —     486     —  Ecclesia 

Ebland'üus,  erscJimeiclielt,  durch  Schmeicheleien  hervor gelocM, 
steht  bei  Cicero  und  andern  in  diesem  ijassiven  Sinne,  obgleich  es 
von  dem  Deponens  ehlandiri  kommt;  vgl.  Cic.  Plane.  10  ehlandita 
illa,  non  enitcleata  esse  siiffragia.  Ebenso  Plin.  pan.  70,  9,  Sp.  L. 
bei  Gell.  11,  13,  5,  vgl.  Gorges  S.  20  und  Paneg.  7,  173,  11,  vgl. 
Chruzander  S.  23. 

Ehoreus,  aus  Elfenbein,  ist  N.  Kl.  für  das  Kl.  ehurneus. 

Ebjxieus,  ebraicus;  vgl.  Hehraeiis. 

Ehriare,-  trunken  machen,  berauschen,  ist  S}-).  L.  für  ehrium 
facere  oder  das  N.  Kl.  inebriare. 

Ecce,  siehe,  finden  wir  jetzt  interessant  behandelt  von  A.  Köhler 
in  Wölfflins  Archiv  Y  S.  16-32  u.  Till  S.  221  ff.  Es  wird  nicht 
gebraucht  von  Caesar  und  seinen  Fortsetzern,  von  Val.  Max.,  Tac, 
Sueton.,  sehr  selten  von  Sali.,  Liv.  und  den  andern  Historikern. 
Dagegen  war  es  beliebt  bei  den  Dichtern  und  in  der  Volkssprache. 
Es  wird  im  Ä.  L.  nur  mit  dem  Accus,  verbunden,  z.  B.  ecce  me, 
Kl.  nur  mit  dem  Nominativ,  wenn  der  Gegenstand,  auf  den  ecce 
hinweist,  durch  ein  Subst.  ausgedrückt  ist,  z.  B.  Cic.  prov.  cons. 
43  ecce  illa  tempestas;  das  Neue,  welches  durch  ecce  eingeführt 
wird,  kann  aber  auch  in  einem  vollständigen  Satze  ausgedrückt 
sein.  S.  Seyffert  seh.  lat.  S.  52  ff.  und  meine  Syntax^  §  55,  sowie 
Koppel  S.  11.  Der  von  Yergil  bucol.  5,  65  wieder  aufgenommene 
Accusativ  wird  mit  dem  III  saec.  nach  Christus  wieder  häufiger  und 
geht  in  die  romanischen  Sprachen  über.  —  Nirgends  findet  sich  ecce 
vero,  siehe  da  aber,  für  das  beliebte  ecce  autem  oder  für  sed  ecce. 
TJt  ecce  =  z.  B.  ist  *S^;.  L.  bei  Juristen  seit  Gaius  üblich,  vgl. 
Kalb  Roms  Juristen  S.  85.  —  Häufig  steht  bei  ecce  ein  ethischer 
Dativ,  z.  ß.  Cic.  Att.  14,  19,  1  ecce  tibi  et  Bruti  et  tuae  litterae, 
vgl.  Süpfle-Böckel  zu  Cic.  epp.  S.  272.  Die  Verbindung  von  ecce 
mit  Pronom.,  z.  B.  eccum,  cccillam,  eccistam  gehört  der  Sprache  des 
Volkes  an;  bekanntlich  sind  daraus  die  romanischen  Formen,  z.  B. 
cette,  Celle  u.  a.  entstanden.  Vgl.  Thiel  mann  Cornif.  S..  81  u.  Apoll. 
28.  —  Die  Stellung  von  ecce  ist  an  der  Spitze  des  Satzes  oder  nach 
et,  atque,  nam,  sed;  erst  die  nachklass.  Prosa  ist  hievon  abgewichen, 
nach  dem  Vorgange  der  Dichter,  besonders  des  Vergil. 

Ecclesia  kommt  bei  den  Kirchenlateinern  häufig  in  der  Bedeut. 
Idrchliche  Versammlung  vor,  wofür  contio  sacra  gebraucht  werden 
kann,  und  in  der  Bedeutung  cliristliche  Kirche,  d.  h.  die  Christen, 
ecclesia  christia}Ui,  was  kaum  zu  entbehren  ist,  denn  die  Umschreibung 
durch  res  imblica  oder  civitas  christiana,  civitas  Dei  ist  nicht  ver- 
ständlich genug.  Auch  catholica  ecclesia  findet  sich  schon  frühe ; 
aus  einem  Briefe  an  Cyprian  (II,  611,  8  H)  ersehen  wir,  dass  zu 
jener  Zeit  der  Ausdruck  sanctissima  catholica  ecclesia  allgemein  üb- 
lich war.  Endlich  ist  ecclesia  in  der  Bedeutung  Kirche,  als  Ver- 
sammlungsort und  Gebäude  Sp.  L.  bei  Eccl. ;  man  versuchte  dafür 
ein  reinlat.  Wort  in  dominicum  einzuführen;  auch  Umschreibungen 
finden    sich,    z.  B.    bei  Cyprian    domus   dei  =  unserm   Gotteshaus, 


Eccur  —     487     —  Ediscere 

domits  födei  u.  ä.,  aber  ecclesia  erhielt  sich,  vgl.  KofFmane  Kirchen- 
latein S.  29  f.,  Gölzer  Hieron.  S.  209,  Watson  S.  255.  Wir  ge- 
brauchen am  besten  aedes  sacra  oder  templuni.  Bei  den  Neulateinern 
aber  steht  oft  ecclesia  S.  Mariae,  S.  Nazarii,  S.  Pauli,  S.  Ignatii  u.  a. 

Eccur,  warum,  ist  N.  L.  für  cur. 

Echo,  Gen.  echus,  das  Echo,  der  Wiederhall,  findet  sich  wohl 
bei  Dichtern,  aber  selten  in  Prosa,  jedenfalls  nicht  bei  Cicero,  Caesar, 
Sallust,  Livius,  Nepos  für  vocis  imago  oder  umschrieben  durch  re- 
sonare  und  voci  respondere;  vgl.  Saalfeld  in  tens.  s.  v. 

Eclipsis,  das  astronomische  Kunstwort  für  Verfinsterung  der 
Sonne  und  des  Mondes,  steht,  abgesehen  von  rhet.  Her.  3,  36  solis 
eclipsis  magis  mirantur  quam  lunae  (vgl.  Thielmann  Bayr.  Gymn. 
XVI  S.  211)  nur  N.  Kl.  und  selten  für  die  Kl.  Ausdrücke  defectio 
und  defectus.  Ygl.  Cic.  div.  2,  17,  rep.  1,  22.  Eclipsis  ist  nur  in 
der  Astronomie  anwendbar. 

Econtra,  vgl.  unter  E. 

Ecquando  in  der  Bedeutung  ivann  f  und  ecquis  ?  luer  ?  sind 
N.  L.,  da  sie  nicht  bestimmt,  sondern  unhestimmt  fragen.  Falsch 
ist:  sed  ecquis  est,  qui  ista  narraverit?  in  dem  Sinne:  aber  wer  hat 
dieses  erzählt?  für  sed  quis  est,  cqui  ista  narravit?  —  Ecquis  est 
bedeutet  vielmehr :  ist  tuohl  irgend  jemand,  der  —  f  Falsch  ist : 
ecquando  ad  nos  redibis?  in  der  Bedeutung  luann  luirst  du  zu  uns 
zurückkehren?  da  es  heisst:  luirst  du  luohl  jemals  zu  uns  zurück- 
kehren? Ygl.  Morris  Sentence-Question  S.  53  (ecquis  is  a  colorless 
interrogative  —  indefinite). 

Edere,  essen,  ist  das  allgemeine  Wort  des  Verzehrens  von  allem 
und  zu  jeder  Zeit.  Damit  nicht  zu  verwechseln  ist  cenare,  was  zu 
Mittag  essen  oder  die  Hauptmahlzeit  halten  bedeutet,  und  daran 
denken  wir  auch  in  Redensarten  wie:  draussen,  ausserhalb  des 
Hauses  essen,  was  foj^is  cenare  heisst;  zum  Essen  einladen,  ad  cenam 
invitare,  vocare;  Einladungeji  zum  Essen  annehmen  ad  cenas  itare, 
Cic.  fam.  9,  24;  ich  schreibe  dieses  unter  dem  Essen,  inter  cenam, 
inter  cenandum  oder  nachklassisch  super  cenam.  Es  ist  bekannt, 
dass  edere  im  Sp.  L.  immer  mehr  gegenüber  comedere  und  manducare 
zurücktritt;  in  die  romanischen  Sprachen  ist  es  nicht  übergegangen. 
Vgl.  die  Darlegung  von  Thielmann  Apollon.  S.  33. 

Edere,  herausgeben,  ist  sehr  gebräuchlich;  vitam  edere  in  der 
Bedeutung  sterben  steht  niclit  bloss  poet.  bei  Lucret.  u.  Ov.,  sondern 
auch  bei  Cic.  fin.  5,  4,  Plane.  90  und  animam  edere,  Sest.  83;  ex- 
tremum  vitae  spiritum  edere,  Phil.   12,  32. 

Ediscere  bedeutet  zunächst  auswendig  lernen,  z.  B.  Cic.  de  or. 
1,  157  exercenda  est  etiam  memoria  ediscendis  ad  verbum  cpiam  plu- 
rimis  et  nostris  scriptis  et  alienis;  wörtlich  ist  dabei  =  ad  verbum. 
Dann  heisst  es  aber  auch  etwas  so  lernen,  dass  man  es  versteht, 
z.  B.  Cic.  de  or.  1,  246  qui  istam  artem  facillimam  non  ediscant 
und  Val.  Max.  8,  7  ext.  16  Mithridates  duarum  et  viginti  gentium 
linguas  ediscendo  .  .  . 


Editio  —     488     —  Educere 

Editio  von  Büchern,  in  der  gewöhnlichen  Bedeutung  Ausgabe, 
also  konkret,  ein  besonderes  Exemplar,  nicht  aktiv,  das  Herausgehen, 
wurde  bezweifelt,  weil  es  nur  die  Handlung  des  Herausgehens,  nicht 
das  Herausgegehene  selbst  bedeute.  Da  aber  weder  Varro,  noch 
Cicero,  noch  sonst  ein  Klassiker  von  verschiedenen  abweichenden 
Exemplaren  eines  Schriftstellers  spricht,  die  wir  Ausgahen  nennen, 
und  sich  also  bei  ihnen  kein  Wort  für  diesen  Begriff  findet,  so 
muss  man  sich  an  den  Schriftsteller  halten,  welcher  zuerst  dergleichen 
erwähnt,  nämlich  an  Quintilian.  Er  sagt  (5,  11,  40):  Homeri 
versus,  qui  tarnen  ipse  non  in  omni  editione  reperitur,  'welcher  Vers 
seihst  aher  sich  nicht  in  allen  Ausgahen  findet.  Hier  kann  editio 
nicht  anders  verstanden  werden,  als  von  dem,  was  wir  Ausgahe 
nennen,  damals  nur  Abschrift  oder  Exemplar,  dergleichen  es  von 
Homer  verschiedene  und  sehr  abweichende  gab.  So  bleibt  also 
editio  für  uns  dennoch  das  KL  Wort,  und  es  entspricht  ganz  dem 
griech.  i/MoacQ,  welches  die  griechischen  Grammatiker  in  diesem  Sinne 
brauchten,  die  z.  B.  von  Homer  mehrere  i/.dofTcc^  (Ausgaben)  an- 
führten. Übrigens  folgte  Quintihan,  wenn  er  es  zuerst  so  brauchte, 
der  Analogie  der  Wörter  auf  io,  von  denen  viele  nicht  bloss  die 
Handlung,  sondern  auch  das  durch  die  Handlung  Hervorgebrachte 
und  Beiülrkte  bedeuten.  Vgl.  Anm.  zu  Reisigs  Yorles.  S.  99,  C.  F. 
W.  Müller  zu  Cic.  off.  S.  9,  8  und  meine  Stilist.  §  2,  a.  Sp.  L. 
hielten  sich  Solin.,  Claud.  Mam.,  Hieron.,  Orosius  u.  a.  an  den  Ge- 
brauch des  Quintil.  und  sagten  unbedenklich  editio  für  Ausgabe. 
Ygl.  Paucker  Hieron.  S.  21  und  Georges  Jahresbericht  1884  S.  89. 
Warum  aber  Reisig,  welcher  editio  m  jener  Bedeutung  verteidigt, 
den  Plur.  editiones  dennoch  barbarisch  nennt,  weiss  ich  nicht. 
Übrigens  brauchen  andere,  welche  editio  in  dieser  Bedeutung  ver- 
werfen, dafür  codex  impressus,  exemplar,  über,  liber  editus  oder 
emendatas  ab  (aliquo),  und  nennen  z.  B.  die  Aldinischen  Ausgaben 
(die  Ausgaben,  welche  Aldus  Manutius  verbessert  hatte,)  libros  Al- 
dinos.  —  Das  Personal-Subst.  editor,  der  Herausgeber,  ist,  wenn  es 
auch  bei  den  Alten  nie  in  dieser  Bedeutung  vorkommt,  gewiss  nicht 
zu  verwerfen.  —  Kl.  ist  übrigens  edere  librum,  z.  B.  Cic.  Brut.  19, 
ut  illos  de  re  j^Mica  libros  edidisti,  ohne  den  Zusatz  in  lucem;  aber 
lächerlich  ist  lihrum  edere  in  (dias)  luminis  aiiras,  wie  sich  einige 
ausdrücken;  vgl.  noch  s.  v.  Ora. 

Editus,  erhoben,  hoch,  ist  zu  stark  für  die  Höhe  einer  Redner- 
bilhne;  anstatt  ex  hoc  illustri  atque  edito  loco  ist  besser  ex  hoc  su- 
periore  et  illustri  loco. 

Edomitus,  gänzlich  gezähmt,  für  domitus,  braucht  auch  Cicero 
einmal,  fat.  10,  vitiosam  enim  naturam  ah  eo  sie  edomitam  et  com- 
pressam  esse  doctrina  ut  .  .  . ;  sonst  ist  es  mehr  P.  L.  und  N.  KL, 
sowie  i9j9.  L. 

Educere  und  educare  unterscheidet  man  gewöhnlich  wie  ,^auf- 
zieJien^^  und  ^^er ziehen"^ .  Aber  diese  Unterscheidung  sehen  wir 
nirgends  konsequent  durchgeführt;  schon  bei  Plaut,  und  Ter.  finden 


Effari  —     489     —  Effectus 

wir  ediicere  =  erziehen,  vgl.  Lorenz  zu  Plaut.  Most.  186,  SeyfFert 
in  B.  Phil.  Woch.  1904  Sp.  140,  Rönsch  Sem.  III,  33,  Spengel  zu 
Andr.  274,  auch  bei  Cic.  de  or.  2,  124,  dann  bei  Livius,  vgl. 
Wölfflin  und  Luterbacher  zu  21,  43,  15  und  H.  J.  Müller  zu  1, 
39,  6.  Umgekehrt  wird  auch  ediicare  vom  rein  physischen  Auf- 
ziehen des  Menschen,  sogar  der  Tiere  gebraucht,  vgl.  Cic.  fin. 
2,  109  si  etiam  hestiae  niulta  faciunty  ut  in  gignendo,  in  educando 
perfacile  cqjpareat  etc.  und  Yogel  zu  Curt.  8,  1,  21  und  besonders 
Novak  Stud.  Liv.  1894  S.  58.  —  N.  L.  aber  wird  es  von  Waren 
gebraucht  in  der  Bedeutung  ausführen,  ediicere  merces,  aiirum,- fru- 
mentum  u.  dgi.,  für  exportare.  Auch  gebrauche  man  nicht  in  diesem 
Sinne  eductio  für  exportatio.  Vgl.  Inducere.  —  A.  L.  bei  den  Komikern 
und  der  gewöhnlichen  Umgangssprache  angehörend  ist  se  ediicere, 
sich  iveghegehen,  lueggehen,  ähnlich  dem  se  ducere,  wovon  unter  Dncere 
die  Rede  war.  —  Ediicey^e,  herausziehen,  wird  bei  Cic.  mit  ex,  bei 
rhet.  Her.  und  Sjh  L.  bei  Dictys  mit  blossem  Abi.  konstruiert ;  vgl. 
Cic.  inv.  2,  15  gladitim  e  vagina  educit  mit  Dict.  2,  49  gladiam 
vagina  educit ;  vgl.  Thiehiiann  Bayr.  Gymn.  16  S.  353. 

Effari,  aussprechen,  sagen,  kommt  fast  nur  P.  L.,  z.  B.  sehr 
oft  bei  Verg.  und  in  heiligem  Sinne  vor,  für  elocßti,  fari,  z.  B.  Cic. 
div.  1,  81  tum  ferunt  ex  oraculo  ecfatam  esse  Pgthiam;  aus  diesem 
Grunde  hat  der  hl.  Hieronymus  das  Wort  auch  in  seiner  Bibelüber- 
setzung verwendet,  vgl.  Thielmann  Philol.  42,  341.  Gut  ist  es  jedoch 
in  der  philosophischen  Sprache  in  der  Bedeutung  etiuas  kurz  als  Satz 
behaupten,  wovon  auch  e/fatum,  der  Satz,  Orakelspruch,  beides  bei 
Cicero,  z.  B.  acad.  2,  97  und  2,  95. 

Effectivus,  ausübend,  tätig,  praktisch,  kommt  N.  Kl.  bei  Quin- 
tilian  als  philosophisches  Beiwort  einer  Art  der  Kunst  (ars)  der  Be- 
redsamkeit vor,  für  das  alltägliche  efficiens;_  sonst  ist  es  Sj).  L. 

Effectus.  Das  Subst.  bedeutet  zunächst  unser  Ausführung,  Ver- 
luirklichung ;  diese  Bedeutung  hat  es  bei  Cic.  fin.  3,  32  sine  effectu, 
bei  Plane,  in  Cic.  epp.  10,  8,  4  ut  ad  effectum  horum  consiliorum  p)er- 
venirem,  dann  auch  bei  Liv.,  z.  B.  21,  7,  6;  33,  33  und  N.  KL, 
z.  B.  effectum  consilii  morata  tempestas  est,  Curt.  8,  13,  22,  vgl. 
Bergmüller  Plane.  S.  54,  Landgraf  Untersuch.  S.  67.  Sodann 
aber  drückt  effectus  bei  Cicero  auch  das  Ziel,  die  Absicht,  die 
Tendenz  aus,  wie:  effectus  eloqiientiae  est  audientium  approbatio, 
Cic.  Tusc.  2,  3;  auch  diese  Bedeutung  findet  sich  sonst,  besonders 
N.  Kl.,  vgl.  Petron  140  cum  res  ad  effectum  spectaret.  —  Unser 
,^Effekt^^  muss  lateinisch  anders  gegeben  werden,  z.  B.  das  Hasche)! 
nach  Effekt  ist  delectationis  aucupium,  Cic.  erat.  197  und  das. 
Piderit.  —  Die  Verbindung  des  Partie,  perf.  pass.  effectus,  a,  um 
mit  reddere,  dare,  also  aliquid  effectum  dare,  reddere  =  verivirk- 
lichen  ist  wie  die  Verbindung  der  Partizipien  des  Perf.  pass.  mit 
dare,  reddere,  facere,  curare  altlat.  Abgesehen  von  dem  klassischen 
missum  facere,  über  welches  Hellmuth  act.  Erl.  I  S.  141,  Thielmann 
Cornif.  S.  28,  Landgraf  B.  Gymn.  1880  S.  326  f.  u.  S.  Rose.  S.  277 


Effeminatio  —     490     —  Efficacia 

gehandelt  haben,  lassen  sich  die  Verbindungen  von  facere  u.  redde^-e 
nicht  über  die  archaische  Zeit  hinaus  nachweisen;  dagegen  hat  dare 
mit  Part.  perf.  pass.  sich  erhalten  bei  den  ep.  Dichtern,  z.  B.  Yerg., 
Stat.  u.  a.,  aber  auch  bei  archaisierenden  Prosaikern  ^vie  Sali.  Jug. 
59,  3,  ebenso  in  feierlichen  Wendungen  wie  Liv.  4,  19,  3 :  iani 
ego  hanc  madatam  victimam  .  .  .  legatorum  manibus  dabo,  ebenso 
Liv.  8,  6,  6  und :  memoria  in  omnia  te  saecula  sacratiim  dabit,  Sen. 
suas.  6,  5.  Ygl.  hierüber  Thielmann  „Das  Verbuin  dare"-  S.  42  ff., 
wo  die  übrige  Litteratur  verzeichnet  ist. 

Effeminatio,  die  Verweichlichung ,  ist  zu  Sp.  L.,  als  dass  es  nachge- 
braucht werden  könnte;  vgl.  Gölzer  Hieron.  S.  68;  man  setze  das 
klass.  Yerbum  effeminare  oder  mores  effeminati,  vita  effeminata,  mollis, 
enervata,  delicata.  Ebenso  gibt  es  auch  von  mollire  und  emollire  keine 
Substantiva   (z.  B.   mollitio    und    emollitio)^    die    aushelfen    könnten. 

Efferitas,  die  Wildheit,  kommt  nicht  bloss  bei  Lactanz  mort. 
pers.  9,  2,  sondern  auch  bei  Cic.  Tusc.  2,  20  in  einer  poet.  Stelle 
vor  und  bedeutet  den  Zustand  gänzlicher  Rohheit,  ist  also  stärker 
als  feritas.  Bei  Cic.  Sest.  91  hat  es  in  den  neuen  edd.  keine  Auf- 
nahme mehr  gefunden. 

Efferre.  Dieses  Wort  ist  der  eigentliche  Ausdruck  von  den 
Produkten,  welche  Boden  und  Klima  hervorbringen ;  z.  B.  Cic.  Brut. 
16  ager,  cum  multos  annos  quievit,  itheriores  efferre  fruges  solet. 
Ist  hingegen  hervorbringen  trop.  genommen,  z.  B.:  eine  Stadt  hat 
viele  ausgezeichnete  Männer  hervorgebracht,  so  heisst  dies:  urbs  mul- 
tos et  praeclaros  viros  tulit,  wobei  jedoch  zu  bemerken  ist,  dass 
ferre  auch  (selten)  im  eigentlichen  Sinne  gebraucht  ist,  z.  B.  ferre 
oleam,  fruges,  s.  Cic.  rep.  3,  15.  Im  übertragenen  Sinne  bedeutet 
efferri  alicßia  re  wie  dolore,  laetitia,  hingerissen  iverden  von  — ,  se 
efferre  oder  efferri  aliqua  re,  z.  B.  scelere  atque  superbia  sese  efferens 
=  sich  überheben,  übermütig  werden  und  so  auch  victoria  se  efferre, 
Cic.  fam.  9,  2,  2,  vgl.  Seyffert-MüUer  z.  Lael.  S.  365,  se  efferre 
in  potestate  =  in  seiner  amtlicJien  Eigenschaft,  Stellung  sich  über- 
heben, übermütig  werden,  Cic.  de  or.  2,  342;  schon  Ter.  sagt  Haut. 
709  hie  me  magnifice  ecfero ;  vgl.  über  die  Entwicklung  des  meta- 
phorischen efferre  im  .4.  L.  Langen  N.  Jahrb.  1882  S.  689.  Sagt 
man  deutsch  auch  sich  bis  zu  etwas  erheben,  versteigen,  so  kann  der 
Lateiner  denselben  Ausdruck  gebrauchen:  elatus  ad  iustam  fiduciam, 
Liv.  27,  8,  7;  elatus  ad  vanam  fiduciam,  Curt.  3,  8,  10;  eo  inso- 
lentiae  elatus  est,  ut  .  .  .  Flor.  1,  24,  2. 

Efferus,  ivild,  venvildert,  ist  F.  L.  und  N.  Kl.  bei  Sen. 
dement.  1,  13,  4,  Flor.  4,  12,  12  und  4,  12,  18,  sowie  Sp.  L.  bei 
Cyprian,  Ammian  u.  a.  für  ferus,  efferatus. 

Efficacia,  Wirksamkeit,  Tätigkeit,  kommt  sehr  selten,  nur  N.  Kl. 
beim  altern  Plinius,  Sp.  L.  bei  Lact,  ira  d.  10,  37  und  Cyprian 
u.  a.  vor  für  efflcacitas,  efficientia,  industria,  agendi  alacritas ;  oft 
kann  es  auch  durch  vis.,  valere  u.  a.  ausgedrückt  werden,  je  nach 
dem  Sinne.     Vgl.  Activitas. 


Efficaciter  —     491     —  Efficere 

Efficaciter ,  ivwksam,  auf  luirksame  Weise^  ist  zwar  erst  iY.  Kl. 
bei  Livius,  Seneca,  Plinius  ep.  und  Sj).  L.  bei  Cyprian,  Ennod. 
u.  a.,  aber  häufiger  als  das  Kl.  und  seltene  efficientey^  (letzteres  nur 
Cic.  tat.  34). 

Efficax  kommt  bei  Cicero  und  Caesar  nirgends,  bei  ersterem 
nur  efficacitas,  Tusc.  4,  31,  vor,  aber  es  findet  sich  schon  bei  Cael. 
in  Cic.  fam.  8,  10,  3,  vgl.  Burg  S.  43.  N.  Kl.  wird  es  häufig  bei 
Livius  und  in  der  silbernen  Latinität;  man  vgl.  folgende  Stellen  : 
certamen  ad  excitandam  corporis  aiiimique  virtutem  efflcacissimum, 
Vell.  1,  8,  1  und:  Jiihil  illa  .  .  .  Ciceronis  fahula  efßcaciiis  ad  peri- 
cula  epilogorum,  Quintil.  6,  1,  41 ;  ferner:  quae  tarn  efficacia  ex- 
jjertus  es,  Sen.  epp.  6,  4;  hreve  et  efficax  iter  est  per  exempla,  ib. 
§  5 ;  esse  illas  (salidares  admonitiones)  efficaces  in  meis  ulcerihus  ex- 
IjerttiSy  epp.  8,  2,  wobei  der  Kürze  wegen  bemerkt  wird,  dass  wir, 
abgesehen  von  andern  Schriften  Senecas,  efficax  allein  aus  seinen 
epp.  noch  elfmal  notiert  haben.  Nee  minus  efficax  idtor  contemptae 
religionis,  Yal.  Max.  1,  1,  19;  efficax  et  illa  qiiietis  imago,  ib.  1,  7, 
ext.  4;  Uiimanae  imbecilUtatis  efficacissimitm  ditramentum  est  necessi- 
tas,  ib.  2,  7,  10,  wobei  wieder  bemerkt  werden  kann,  dass  wir  aus 
diesem  Autor  noch  weitere  14  Stellen  beibringen  könnten.  Concili- 
andae  homimim  gratiae  et  promerendi  amoris  mir  um  et  efficax  Stu- 
dium, Suet.  CaUg.  3  init.  Satis  efficax  ad  concordiam  fahula,  Flor. 
1,  23,  2,  ib.  2,  6,  47.  Gut,  tuirksam  sein  für  etwas,  für  jemand, 
wird  mit  ad  oder  in  c.  accus,  oder  auch  mit  dem  Dativ,  tuirksam 
sein  gegen  etiuas  durch  adver sus  oder  contra  c.  accus.,  in  etivas, 
hei  etiuas  tuirksam  sein  ist  effic.  esse  in  aliqua  re,  z.  B.  in  veterihus 
malis  und  efficacissimitm  est  mit  folgendem  Inf.  als  Subjekt.  Effi- 
cax gehört  zu  den  vulgären  Adjektiven  auf  ax,  welche  von  der 
klassischen  Sprache  verschmäht  wurden,  aber  mit  Livius  und  den 
nachklass.  Autoren  in  die  Litterärsprache  eindrangen ;  vgl.  Süpfle- 
Böckel  zu  Cic.  epp.  S.  273,  Landgraf  B.  Gymn.  XYI  S.  277,  Georges 
Yell.  S.  29. 

Efficere  aliquem  mit  einem  Prädikat,  z.  B.  consulem,  dictatorem 
=  facere,  creare,  kann  gut  lat.  nicht  gesagt  werden.  Man  könnte 
sich  zwar  dafür  auf  Cic.  Att.  15,  21,  1  und  Lael.  73  berufen 
wollen,  aber  mit  Unrecht.  Efficere  wird  nämlich  von  edlem  dem 
gesagt,  an  dessen  Entstellung  langsam,  aber  konsequent,  natürlich  oft 
mit  Mühe,  oft  aber  auch  ohne  Mühe  gearbeitet  luird,  z.  B.:  fortuna 
non  ipsa  solum  caeca  est,  sed  eos  etiam  plerumque  efficit  caecos,  quos 
complexa  est,  Cic.  Lael.  54.  Und  so  liegt  auch  in  den  beiden 
Stellen  Ciceros,  Lael.  73  und  Att.  15,  21,  1  wesentlich  das  Moment 
der  Schwierigkeit  der  Sache  und  der  AllmäJiliclikeit,  in  welcher  sie 
sich  vollzieht.  Ygl.  die  schöne  Auseinandersetzung  von  Anton, 
Studien  I,  70  u.  71  und  Seyfeert-Müller  z.  Lael.  S.  290,  364  und 
451.  Wenn  hiernach  Murets  Worte:  repente  dives  effectus  zu  be- 
urteilen sind,  so  ist  effectus  falsch  gewählt  für  factus,  da,  was  re- 
pente geschieht,  nicht  efficitur,  sondern  bloss  fit.    Würde  also  repente 


Efflare  —     492     —  Effrenus 

fehlen,  so  wäre  an  divitem  aliquem  efflcere  nichts  auszusetzen.  — 
Wo  man  sagt  Grcmsamkeit,  Milde  u.  dgl.  gegen  einen  oder  an  einem 
ans-  oder  verüben,  sagt  man  Kl.  wohl  nur  efficere  aliqnid  in  aliquo, 
nicht  in  aliquem.  Vgl.  Cic.  Phil.  14,  9,  Lael.  41,  wo  in  P.  Scijnone  ge- 
lesen wird;  vgl.  Seyffert-Müller  z.  Lael.  S.  290.  Efflcere  ne,  was 
beanstandet  worden  und  wofür  id  ne  verlangt  worden  ist,  unterliegt 
keinem  Anstände:  efflcio,  ne  cid  molesti  sint  piiblicani,  Cic.  Att.  6, 
1,  16.  Qiiae  res  efflcit,  ne  necesse  sit  iisdeni  de  rehus  senqjer  quasi 
didata  decaniare,  fin.  4,  10,  ebenso  bei  Liv.  8,  7,  6.  —  Im  Sp.  L. 
wird  das  Yerb  efflicere  im  Yergleich  mit  facere  immer  häufiger  ge- 
braucht, vgl.  Archiv  III  S.  19  f.,  XII  S.  453,  Leipold  S.  10.  Hier 
findet  es  sich  auch  nach  dem  Vorgange  des  Vitr.  mit  Acc.  c.  inf., 
vgl.  Hoppe  Synt.  Tert.  S.  51. 

Efflare,  aushauchen,  wh-d  von  Cic.  Tusc.  1,  19  und  Mil.  49 
mit  animam  (Lehenshauch)  und  von  August,  conf.  9,  12  mit  ex- 
tremum  spiritum  verbunden;  letzteres  scheint  schon  dichterische 
Phrase,  da  bei  Cic.  Tusc.  2,  22  ein  Dichter  extremum  halitum  efflare 
sagt,  jedenfalls  ist  es  das  aus  keinem  Prosaiker  nachzuweisende 
vitam  efflare.  Sp.  L.  habe  ich  bei  Oros.  3,  17,  6  invenit  exti^ema 
vitae  per  vulnera  efflantem  gefunden.     Vgl.  Exhalare. 

Effligere,  zu  Boden  schlagen,  töten,  steht  bei  Cic.  Att.  9,  19,  2 
ad  effligendmn  Pompeium,  vgl.  Boot  z.  St.,  sonst  nur  ^4.  L.  und 
N.  Kl.  bei  Seneca,  sowie  Sp.  L.  bei  den  Archaisten  Apul.  und 
Gellius.  Pareus  sagt  im  lex.  Plautinum:  Effligere  et  Afßigere  diffe- 
runt,  ut  Efflicere  et  Afflicere,  alterum  immitiens  exitium  significat, 
alterum  praesens. 

Efßorere,  aufblühen,  ist  sehr  Sp).  L.  und  selten  für  efflorescere. 

Effluere,  verfliessen,  wird  von  der  Zeit  Kl.  nur  dann  gebraucht, 
wenn  sie  ungenutzt,  resultatlos  und  schnell  verflossen  ist,  und  passt 
daher  bei  dem  nicht,  der  in  Mühe  und  Arbeit  die  Zeit  hinbringt; 
diesem  _29mefereiiu^  dies  et  anni,  nicht  effluunt;  vgl.  Cic.  Att.  12,  43,2 
considerabis  etiam  de  Tusculano,  ne  aestas  effluat  ^^nicht  unbenutzt 
verlauf e^^.  Anders  ist  es  im  Sp.  L.,  z.  B.  bei  Sedulius,  Eugipp. 
u.  a.,  wo  effluere  einfach  =  verfliessen  ist.  Für  unser :  von  einem 
vergessen  tuerden  beachte  man  den  schönen  Tropus:  ex  animo  ali- 
cuius  effluere,  Cic.  fam.  7,  14,  1.  —  Für  das  Perf.  effluxit  kommt  im 
N.  L.  auch  B.  effluxum  est  vor. 

Efflocare,  ersticken,  kommt  nur  N.  Kl.  einmal  (und  noch  dazu 
zweifelhaft)  bei  Sen.  brev.  vit.  2,  4  vor,  für  das  Kl.  sufflocare,  fauces 
elidere. 

Efflormare  ist  ein  N.  L.  Verbum,  mag  es  nun  bilden,  ausbilden 
bedeuten,  für  erudire,  excolere,  oder  abbilden,  für  alicuius  formam 
exxrrimere  oder  effllngere. 

Efflrenus.  Zügellos  im  natürlichen  Sinne  des  Wortes,  d.  h. 
dasjenige,  was  keinen  Zügel,  wie  herrenlos  dasjenige  ist,  was  keinen 
Herrn  hat,  ist  lat.  nicht  efflrenus  oder  efflrenatus,  sondern  infrenus 
und  infrenatus,  vgl.  darüber  Verg.  Aen.  4,  41   und  Liv.  21,  44,  1. 


Effringere  —     493     —  Effundere 

Eqmis  effrenus  aber  (Liv.  4,  33,  7)  ist  nicht  dcifi  zügellose  Pferd 
überhaupt,  sondern  dasjenige,  welchem  der  Zaum  ahgeyiommen  ivorden 
ist^  wofür  allerdings  öfter  effrenatus  steht  als  Gegenwort  von  in- 
frenatus,  das  in  seiner  andern  Bedeutung  als  Part.  perf.  pass.  von 
iyifrenare  =  aufgezäumt  ist.  S.  über  effrenatus  =  abgezäumt,  Liv. 
37,  41,  10  und  40,  40  §  6  und  7.  Ygl.  Wölfflin  und  H.  J.  Müller 
zu  Liv.  21,  44,  1.  Übertragen  wird  effrenus  oder  auch  effrenis  in 
Prosa  ganz  selten  N.  Kl.  und  Sp.  L.  gebraucht,  so  z.  B.  bei  Paneg. 

Effringere  in  der  Bedeutung  brechen,  zerbrechen,  z.  B.  mit  dem 
Accus,  crus  (das  Bein)  ist  jetzt  in  Suet.  (Octav.  43  und  67)  getilgt 
und  dafür  längst  das  gewöhnliche  frangere  nach  bester  handschrift- 
Hcher  Autorität  hergestellt.  Georges  zitiert  effringere  crus  Sali,  und 
manns  criiraque  Flor.,  was  ich  nicht  finden  kann. 

Effugere  wird  im  eigentlichen  Sinne,  entfliehen,  entkommen  aus 
etivas,  verbunden  ex,  de,  ab  aliqua  re;  ganz  singulär  ist  in  aliqua 
re  b.  Hisp.  6,  5,  vgl.  Köhler  act.  Erl.  I  S.  440.  Im  bildlichen 
Sinne,  einem  ausiveiclien,  etivas  (einen)  vermeiden,  konstruiert  es  sich 
mit  dem  Accus,  aliquid  (aliquem),  nicht  alicui.  Wider  den  Sprach- 
gebrauch ist  auch  effugit  nie  statt  fugit  me  =  es  entgeht  mir,  wo- 
vor man  erfahrungsgemäss  in  der  Schule  nicht  oft  genug  warnen 
kann.  S.  Seyfifert  Pal.^  S.  93,  53.  Bei  Cic.  de  or.  2,  147  7iihil  te 
effugiet  ist  ntJiil  Subjekt.  Nur  bei  Colum.  8,  11,  12  lesen  wir  effu- 
git mit  Inf.:  custodis  curam  non  effugiat  observare,  vgl.  Kottmann 
S.  27. 

Effundere.  Unser  sich  ergiessen  in  ...  (von  der  Mündung 
eines  Flusses)  hat  auch  im  Lat.  ganz  denselben  Ausdruck :  Sanga- 
rius  flumen  in  Propontidem  se  effundit,  Liv.  38,  18,  18.  Den  Groll, 
Zorn  gegen  einen  ausschütten,  auslassen  heisst  auch  lateinisch  iram, 
furorem  in  cdiquem  effundere,  s.  Liv.  39,  34,  1  und  Cic.  fam.  12, 
25,  4;  ebenso  heisst  den  Staatsschatz,  sein  väterliches  Vermögen  ver- 
geuden, verschivenden :  aerarium,  Patrimonium  effundere,  s.  Cic. 
Tusc.  3,  48,  Ascon.  in  Mil.  §  3  und  omnes  fortunas  effundere,  Tac. 
ann.  14,  31  und  das.  Dräger.  —  Nicht  bei  Cicero  und  Caesar,  wohl 
aber  bei  Livius  und  den  folgenden,  findet  sich  1.  se  effundere  von  der 
äusserlichen  Betvegung,  die  man  nach  irgend  einer  Richtung,  einem 
Orte,  über  ein  Land,  eine  Provinz  hin  macltt,  kurz  oft  in  dem  Sinne 
unseres  sich  über  etiuas  ergiessen,  daher  mit  in  c.  accus,  oder  einem 
Adverb  der  Bewegung  verbunden,  z.  B.:  in  Graeciam  se  effundere, 
Liv.  33,  12,  10;  se  in  pid)licum  effujulere,  Liv.  34,  8,  1;  sese  effayi- 
dere  in  nostras  provincias,  Val.  Max.  7,  6,  6 ;  qui  se  in  Pontum  et 
Thraciam  effuderant,  Suet.  Caes.  43;  eo  multitudo  Magnetum  cum 
se  effudisset,  Liv.  35,  39,  5.  Dafür  steht  auch  das  mediale  effundi, 
z.  B.  Celtiberi  omnes  in  fugam  effunduntur,  Liv.  40,  40,  10.  —  2.  Bei 
der  innern,  gemütlichen,  leidenschaftlichen  Beiuegung,  Neigung, 
Richtimg  steht  in  der  Regel  das  mediale  effundi  in  cdiquid,  eine 
besonders  N.  Kl.  sehr  beliebte  Ausdrucksweise,  z.  B.  in  licentiam 
socordiamque    effusos    (esse),  ut  .  ,   .,   Liv.  25,  20,  6;  totus  in  lae- 


Egenus  —     494     —  Ego 

ütiam  effasus  est,  lust.  12,  3,  7;  in  amorem  virgimculae  ita  effusus 
est,  ut  .  .  ._,  Curt.  8,  4,  25  und  Tac.  ann.  1,  54;  in  vinum,  in 
venerem  effusum  esse,  Curt.  5,  1,  37,  Liv.  29,  23,  4;  effusus  in 
lacrimas,  Tac.  ann.  4,  8  und  bist.  2,  45;  in  qitestiis,  lac7imas,  vota 
effundi,  ann.  1,  11;  selten  ist  in  diesem  Falle  se  effundere:  se  in 
omnes  lihidines  effudit,  Tac.  ann.  14,  13  extr.  Ebenso  selten  ist 
der  Gebrauch  der  Präpos.  ad  für  in:  ad  'preces  lacrimasque  effusus, 
Liv.  44,  31,  13.  Über  die  ganze  Tropik  von  effundere  vgl.  die  ein- 
gehende Darstellung  bei  Nägelsbach-MüUer^  S.  570  f.  Noch  beachte 
man,  dass  effusus  auf  eine  Person  bezogen,  verschiuenderiscli,  auf 
eine  Sache  angewendet  übermässig,  ühertriehen,  und  zwar  beides  bei 
Cicero,  bedeutet.  —  P.  L.  und  spät  bei  Macr.  somn.  Scip.  1,  1, 
9  ist  vitam  effundere;  und  so  könnte  animani  effundere,  was  Yergil 
braucht,  auch  für  P.  gelten,  wird  aber  wegen  effundere  sjnritwn 
(Tac.  ann.  2,  70)  und  effundere  extremum  sjnritum  bei  Cicero  (Phil. 
14,  32)  auch  wohl  in  Prosa  nicht  zu  verwerfen  sein.  Spätlat.  findet 
es  sich  bei  Macr.  somn.  Scip.   1,  11,  25. 

Egenus,  dürftig,  kommt  zwar  einmal  bei  Livius,  9,  6,  4,  bei 
Columella,  Seneca  nat.  qu.  7,  31,  Tacitus  und  Sj).  L.  wiederholt  bei 
Orosius  und  Ennodius  vor,  ist  aber  sonst  meistens  P.  L.  für  egens. 
Über  die  Bedeutung  von  egenus  (egens)  und  egesias  vgl.  man  Land- 
graf zu  Cic.  E.OSC.  S.  177.  —  Die  Konstruktion  von  egenus  und 
egens  ist  die  mit  dem  Gen.,  vgl.  Liv.  9,  6,  4:  22,  31,  3;  22,  61, 
2;  32,  14,  8;  das  gleiche  gilt  für  indigens,  vgl.  29,  35,  9;  45,  30,  2. 

Egere.  Bei  Cicero  wird  egere  immer  mit  dem  Abi.  verbunden; 
die  beiden  Stellen  Att.  7,  22,  2  egeo  consili  u.  fam.  9,  3,  2  gravitas 
morhi  facit,  iit  medicinae  egeamus  sind  fragmenta  incertorum  poeta- 
rum  nach  P.  Meyer  Progr.  Hof  1900  S.  2,  was  jedoch  C.  F.  W. 
Müller  bestreitet.  Ygl.  noch  Stegmann  N.  Jahrb.  1885  S.  235, 
Kunze  Sali.  III,  1,  S.  14;  für  Livius  Novak  Stud.  1894  S.  73  (will 
3,  28,  10  und  3,  52^  9  den  Gen.  nicht  gelten  lassen,  er  stehe  nur 
bei  egens  ==  egenus). 

Ego,  ich.  Wir  brauchen  ego  auch  als  Subst.,  das  Ich,  aber 
nicht  nur  in  Beziehung  auf  die  erste,  sondern  auch  auf  die  zweite 
und  dritte  Person,  mein  Ich,  dein  Ich,  sein  Ich,  mein,  dein,  sein 
anderes  Ich.  Im  Lat.  findet  sich  aber  ego  nur  bei  mein;  bei  dein 
steht  tu,  bei  sein  (ihr)  reflexiv  iiise  und  in  den  obliquen  Kasus  sui, 
sihi,  se,  demonstrativ  aber  idem.  Wo  wir  eigen  hinzusetzen,  tritt 
ipse  noch  hinzu,  und  jenes  anderes  heisst  alter,  nicht  alias  oder  se- 
cundus,  vgl.  auch  Aristot.  magn.  mor.  2,  15  iazc  y(J-p^  wg  (pafisv^  ö 
(fcXog  sTspog  ifoj:  z.  B.  ich  klage  dich  an,  gleichsam  mein  anderes 
Ich,  cputsi  me  alternm  (Cic.  Att.  3,  15,  4);  dein  Ring  sei  gleichsam 
dein  eigenes  Ich,  tamquam  ipse  tu  (Cic.  Q-  fi'-  1,  1,  4,  13);  Pom- 
pejus  sagte,  ich  würde  in  allem  sein  anderes  Ich  sein,  me  alterum 
se  fore  (Cic.  Att.  4,  1,  7);  ein  Freund  ist  gleichsam  ein  anderes  Ich, 
tamquam  alter  idem  (Cic.  Lael.  80).  Ygl.  noch  Cic.  fam.  2,  15,  4; 
7j  5,  1.     Man  drückt  es  auch  mit  tamquam  exemplar  mei,   tui,  sui 


Egredi  —     495     —  Egredi 

—  aus,  z.  B.  luer  einen  Freund  hat,  sieht  in  ihm  geivissermassen 
sein  ziueites  (anderes)  Ich,  is  tamquam  exemplar  aliqiwd  intuetur  siii 
(Cic.  Lael.  23). 

Egredi  wird  1.  in  Klass.  Latinität  von  Cicero,  abgesehen  von  den 
Städtenamen,  wohl  nur  mit  ex  und  dem  Abi.,  mit  extra  und  Acc,  selten 
mit  ah  und  Abi.,  von  Caesar  und  Livius  entweder  mit  den  Präpos.  a,  ex, 
extra,  oder  dem  blossen  Ählat.  und  Accus,  verbunden,  z.  B. :  castris 
egredi,  Liv.  8,  38,  5,  e  castris  egredi,  ib.  10,  20,  7  und  Caes.  Gall.  1,  27, 
4,  Cic.  off.  1,  40;  so  auch  ex  yuivi  oder  7iavi,  navihus  er/redi,  Liv.  28, 
37,  9,  Caes.  Gall.  4,  26,  2,  Cic.  Yerr.  2,  19;  urhe  egredi,  Liv.  21, 
12,  5  und  ex  urhe,  ex  oppido  egredi,  Cic.  Catil.  1,  10,  Caes.  Gall. 
7,  11,  7;  flnihiis  egredi,  Liv.  9,  29,  5  und  35,  4,  4  und  ex  finihits 
egredi,  Caes.  Gall.  6,  31,  5.  Mit  et  oder  dem  blossen  Ablat.  steht 
es  bei  Livius  ab  oppido,  ab  Äquilonia,  ab  tirbe,  a  Tarento,  ab  Tar- 
racone  egredi,  s.  Liv.  10,  43,  13;  10,  44,  4;  27,  16,  5  und  ib.  c. 
17,  8,  während  Cicero  in  diesem  Falle  den  blossen  Ablat.  anwendet, 
wie  Roma,  Mutina  egredi,  s.  Quint.  25,  Phil.  14,  1  u.  Lig.  4  und 
Roma  egredi  auch  bei  Sali.  Jug.  35,  10;  bei  Caesar  findet  sich 
gleichfalls  der  blosse  Ablat. :  castris,  navi  egredi,  s.  Gall.  4,  21,  9 
und  4,  24,  1.  Mit  extra  wird  egredi  von  Caesar  (extra  portam, 
munimenta,  vallum,  muros  egr.),  mit  dem  blossen  Accus,  von  Sali. 
Jug.  110,  7  konstruiert.  Der  blosse  Accus,  ist  in  der  klassischen 
Periode  noch  selten;  nie  kommt  derselbe  bei  Cicero  vor,  bei  Caesar 
nur  in  munitiones  nostras  egressi,  civ.  3,  52,  2  (aber  Dinter  schiebt 
extra  ein  und  Eymer  liest  ingressi)  und  Galliae  provinciae  fines 
egredi,  Gall.  1,  44,  7  (aber  Nipperdey  liest  dort  wie  Held  finihis 
egressum,  vgl.  Mensel  s.  v.,  der  auch  finibus  bevorzugt),  bei  Livius 
nur  in  egredi  iii'bem,  22,  55,  8  und  sonst,  s.  Frey  zu  Liv.  1,  29,  6. 
Frigell  behauptet  in  den  proleg.  zu  Livius  1  S.  46,  mit  Riemanns 
Zustimmung,  dass  egredi  und  excedere  im  Sinne  von  ^JierausgeJien^^ 
nie  mit  dem  Accus,  verbunden  worden  seien,  nur  im  Sinne  von 
überschreiten  finde  sich  egredi  mit  Accus,  bei  Caesar,  Sallust,  Livius, 
excedere  bei  Sallust  und  Livius;  vgl.  Riemann  etudes  S.  264.  2.  Was 
die  nachklassische  Latinität  anlangt,  so  herrscht  in  derselben  keine 
Gleichmässigkeit  des  Gebrauches.  Die  einen  Autoren  verbinden  es 
regelmässig  mit  dem  blossen  Ablat.,  s.  Curt. :  egredi  convivio,  8,  5, 
9  und  8,  6,  13,  tabernaculo,  3,  12,  27,  porta,  4,  6,  13 ;  so  hält  es 
auch  Suet. :  egressus  triclimo,  Calig.  36,  Tit.  6,  spectaculo,  theatro, 
domo,  Villa,  Calig.  56,  Claud.  13,  Tib.  50  und  ib.  65;  nido  egredi 
hat  ferner  Quintil.  2,  6,  7,  und  auch  bei  Plin.  epp.  7,  27,  3  ist 
nave  egredi  die  bestbeglaubigte  Lesart.  Dagegen  findet  sich  auch 
der  Accus.:  egressi  tecta  consistimus,  Plin.  epp.  6,  20,  8;  portmn 
egredi,  Quintil.  4,  1,  61  {dühQv  e  portu  egredi  10,  7,  23),  Urnen  egredi, 
ib.  11,  2,  13,  oft  im  Sp.  L.,  vgl.  Stangl  Cassiod.  S.  569.  Wenn  aber 
egredi  in  trop.  Bedeutung  von  Cicero  mit  extra:  extra  fines  termi- 
noscpie  egredi,  Quint.  35,  von  Livius  dagegen  auch  mit  dem  blossen 
Accus,  modum  egredi  (Liv.  2,  61,  4)   verbunden  ist,   so   treten   die 


Egregius  —     496     —  Elabi 

Nachklassiker  wie  so  oft  wieder  ganz  in  die  Fusstapfen  des  letzteren, 
s.  über  modmn  egredi  Quintil.  8,  6, 16 ;  iuvejies  nondinn  scliolam  egressi, 
ib.  5,  10,  96  =  die  der  Schule  noch  nicht  enticachsen  sind;  egredi 
solitum  hahitum,  Sen.  de  ira  1,  1,  5;  hierher  gehört  auch  das 
nachklass.  annum  egredi  (mit  einer  Kardinal-  oder  Ordinalzahl)  = 
ein  Lehensjahr  üher schreiten,  zurücklegen,  statt  des  klass.  excedere, 
explere.  Während  klass.  ist  exeunte  anno,  vgl.  Cic.  div.  1,  53,  findet 
man  nur  im  Sp.  L.,  z.  B.  Greg.  Tur.  stell.  28  mense  Iiinio  egredi- 
ente,  vgl.  Bonnet  Greg.  S.  297. 

Egregius  bezeichnet  seiner  Etymologie  nach  aus  einer  Herde 
auserlesen,  daher  dann  =  vor  andern  ausgezeichnet,  in  seiner  Art 
vortreffUcJi.  Wenn  daher  Hand  egregia  vestigia  getadelt  hat  (Lehrb. 
284),  so  war  er  damit  w^ohl  in  seinem  Rechte,  aber  richtig  wäre 
iwaeclara  vestigia,  herrliche  Spuren.  In  der  Kl.  Latinität  bezeichnet 
egregius  nur  denjenigen,  welcher  im  guten  Sinne  hervorragt;  dagegen 
in  der  Umgangssprache  kann  es  von  jedem,  der  sich  vor  anderen 
hervortut,  gebraucht  werden,  vgl.  Ter.  Heaut.  420  ego  profecto  in- 
genio  egregio  ad  miserias  natus  sum.  Wie  praeclarus  lässt  sich 
auch  egregius  ironisch  verwenden,  dann  steht  es  nach  Dräger  zu 
Tac.  ann.  1,  42  seinem  Substantiv  voran.  —  Das  Adv.  egregie  ge- 
hört zu  denjenigen  Adverbien,  welche  zur  Steigerung  von  Adj,  u. 
Adv.  sich  beiziehen  lassen  (aber  nirgends  bei  Liv.,  vgl.  Novak  Stud, 
1894  S.  199).  Zunächst  nun  werden  nur  gute  Eigenschaften  mittels 
egregie  gesteigert,  z.  B.  egregie  carus,  egregie  fortis  u.  ä.,  dann  wird 
egregie  allmählich  farblos,  es  verbindet  sich  mit  magnus  und  multus 
und  schliesshch  sogar  mit  turpis  und  improhus.  Näheres  hierüber 
findet  man  bei  Thielmann  Cornif.  S.  74  f.,  Landgraf  zu  Reisig- 
Haase  S.  177,  Anm.  402  b,  Dräger  H.  Synt.  I  §  77.  —  Obgleich 
aber  das  Adv.  egregie  in  spöttischem  Sinne  vorkommt,  so  ist  doch 
keine  Autorität  vorhanden  für  egregie  errare,  egregie  falli,  sich  sehr 
irren,  für  vehementer,  valde  errare;  ferner  egregie  ignorare,  für  vehe- 
menter ignorare.  Im  launigen  Gespräche  kann  man  i^rohe  errare 
sagen,  wie  die  Komiker. 

Eicere,  herausiverfen,  wird  verbunden  mit  ex  oder  de,  selten 
mit  dem  blossen  Abi.,  ausser  bei  domo,  porta  oder  portis  se  eicere, 
Capua  eicere,  Cic.  Sest.  9  und  fortimis  eicere,  ib.  Mil.  78;  nur  Lucil. 
858  Marx  hat  eicere  istum  ahs  te  amorem.  Nach  R.  Schneider  in 
W.  f.  kl.  Philol.  1886  S.  723  ist  bei  Caes.  Gall.  3,  26,  5  und  civ. 
3,  96,  3  eicere  für  deicere  zu  lesen,  also  se  per  munitiones  eicere  und 
se  ex  castris  eicere.  Bemerkenswert  ist  auch  die  Bedeutung  „fms- 
pfeifen''^,  vgl.  Cic.  Cluent.  86  (piod  tum  explosum  atque  eiectum  est; 
vgl.  Seyffert-Müller  zu  Lael.  S.  170. 

Elahi,  entgehen,  entwiscJioi,  verschwinden,  wird  verbunden  mit 
ex,  de  oder  dem  blossen  Abi.,  lauter  Kl.  Konstruktionen,  vgl.  Hell- 
muth act.  Erl.  I  S.  145;  N.  Kl.  aber,  jedoch  nur  bei  Tacitus,  findet 
sich  auch  der  Acc,  z.  B.  Tac.  ann.  1,  61  pugnam  aut  vincula  elapsi; 
der  Dativ  steht  bei  Tacitus,  Plinius  min.,  Flor.,  vgl.  Nipp,  zu  Tac. 


I 


Elaborare  —     497     —  Elaborare 

ann.  1,  61,  der  Abi.  mit  ah  bei  Oros.  6,  11,  19  ab  hoc  hello  elap- 
sum.  —  Auch  dieses  Yerbum  wird  im  N.  L.,  wie  lahi  und  die 
übrigen  Komposita,  von  der  Zeit  gebraucht,  wovon  sich  nirgends  bei 
einem  mustergiltigen  Lateiner  eine  Spur  findet ;  also  sage  man  nicht 
hora,  dies,  mensis,  annus,  tempus  elahitiir,  was  im  N.  L.  so  oft 
vorkommt,  z.  B.  annus  elapsus  est,  das  Jahr  ist  verflossen.  Dies 
{findet  sich  erst  ganz  Sp.  L.  bei  Greg,  homil.  1,  19,  7  :  meyise  Iidio 
\niiper  elapso  pestileyitiae  clade  percussus  est.  Es  sind  dafür  zu  ge- 
[brauchen  die  Yerba  praeterire  (Cic.  rep.  2,  30),  confici,  intercedere, 
interponi,  i^eragi  (Liv.  1,  32,  9),  circiimagi,  se  circiimagere,  consumi, 
leffliiere  (vgl.  aber  dieses  Verbum),  transire  u.  a.,  z.  B.  vix  annus 
\intercesserat  (war  verflossen)  ab  hoc  sermone  (Cic.  de  or.  2,  89); 
dies  nondum  decem  iyitercesserant  (Id.  Cluent.  28);  biennio  iam  con- 
"ecto,  nachdem  schon  —  verflossen  ivaren  (Id.  Quinct.  40);  duae 
torae  in  eo  silentio  consumptae  sunt,  sind  verflossen  (Id.  de  or.  3, 
17);  —  im  verflossenen  Jahre,  anyio  superiore,  exacto,  transacto, 
circumacto,  proximo  superiore  anno  (Cic.  fam.  1,  9,  20:  proximis 
supeyiorihus  diehus,  wo  superiorihus  nicht  gestrichen  werden  darf, 
wie  Nipp,  zu  Tac.  ann.  1,  77  und  Iwan  Müller  bei  Bursian  zu  Cic.  epp. 
1879/80  S.  12  zeigen)  u.  a.  —  Nicht  verwerflich  ist  elahi  mit 
Zeitbegriffen  verbunden  nur  dann,  wenn  ein  unnützes,  frucht- 
loses Yerschwinden  angedeutet  wird,  wie  bei  Sen.  (ep.  1,  1): 
magna  vitae  pars  elahitur  male  agentihus.  Vgl.  Effluere.  —  Es 
entrinnt,  entschlüpft  mir  etivas  ist  lat.  aliquid  mihi  elahitur,  s.  Cic. 
de  or.  2,  202,  aber  es  entrinnt  jemand  aus  defi  Häyiden  eines 
andern  heisst  nach  Cic.  de  or.  2,  202  und  Att.  10,  4,  3  aliquis 
e  manihus  alicuiiis  elahitur  oder  de  manihus,  was  bei  Cicero  und 
Livius  besonders  beliebt  ist,  vgl.  Hildebrand  im  Progr.  Dortmund 
1859  S.  13. 

Elaborare,  Klassisch  wird  dieses  Yerbum  bekanntlich  am  ge- 
wöhnlichsten konstruiert  mit  in  c.  abl.;  elaborare  in  aliqua  re,  ,^etiuas 
leisten''^,  jedoch  nicht  mit  Bezug  auf  den  erreichten,  sondern  nur  auf 
den  erstrebten  Erfolg;  vgl.  Cic.  de  or.  1,  19  ex  iis  rebus  imiversis 
eloquentia  constat,  in  quibus  singidis  elaborare  permagnum  est  und 
C.  F.  W.  Müller  zu  Cic.  off.  1,  3.  Sonst  findet  man  es  absolut, 
oder  es  hat  einen  Satz  mit  ut  oder  (nachkl.)  auch  den  Infi^i.  nach 
sich.  Der  transitive  Gebrauch  des  Yerbs  in  seinen  aktiven  Formen 
ist  nicht  Kl.;  Cicero  sagt  wohl  ad  Brut.  1,  14,  1  quod  ego  Ciceronis 
causa  elaboravi,  aber  nirgends  elaboro  rem ;  dies  ist  P.  und  N.  Kl. 
Durchaus  nachahmenswert  aber  ist  elaboratus  und  zwar  ebenso  wohl 
in  Verbindung  mit  andern  passiven  Formen  transitiver  Yerba,  als 
auch  für  sich  allein;  vgl.  Cic.  orat.  36  ornati  elaboratique  versus 
u.  ib.  84  elahorata  conciyinitas ;  andere  Stellen  sind  Cic.  fam.  9,  16, 
2,  Cael.  45,  Phil.  7,  7,  Brut.  26,  Tac.  dial.  6,  Plin.  epp.  6,  31, 
15,  Quintil.  10,  4,  4  und  10,  7,  32.  Ygl.  auch  Frotscher  zu  Quint. 
10,  4,  4  und  Anton,  Programm  S.  61.  Etwas  neu  ausarbeiten,  um- 
arbeiteyi  heisst  retractare,  nicht  denuo  elaborare. 

Krebs-Schmalz,  Antibarbarus  I.  32 


Elaboratio  —      498     —  Elegans 

Elahoratio  kommt  bei  rhet.  Her.  4,  32  und  Firm.  math.  5,  1, 

2,  sonst  nirgends  vor,  und  zwar  nur  in  der  Bedeutung  Mi'üie  und 
Sorgfalt  der  Behandlung,  Bearheitung,  vgl.  Thielmann  Cornif.  S.  90; 
aber  iV.  L.  ist  es  in  der  Bedeutung  Aufsatz,  den  wir  auch  Aus- 
arheitung  nennen,  für  libellus,  commentatio,  disjndatio,  opusculum.  — 
B.  ist  elahorationem  tuam  summa  cum  voluptate  legi. 

Elapsus,  vergangen,  verflossen;  vgl.  Elahi. 

Elargiri,  verschivenden,  ist  ein  sehr   seltenes,    nur  durch  Pers. 

3,  71  und  Firm.  math.  3,  10  bezeugtes  Wort. 

Electio.  Jemanden  die  WaJil  lassen,  heisst  Kl.  optionem  dare 
oder  deferre,  z.  B.  Cic.  Caec.  64  si  mihi  non  copioso  homini  ad 
dicendmn  optio  detiir,  utrum  .  .  .  Erst  bei  Livius  finden  wir  electio 
in  solchen  Wendungen,  z.  B.  34,  19,  3  eledionem  ferre  und  38, 
8,5  relinquere  electionem.  Mit  Yell.  kommt  auch  electionem  dare 
auf,  z.  B.  2,  72,  5;  dies  hat  auch  Seneca,  z.  B.  prov.  3,  10,  epp. 
70,  21;  92,  13  und  Plin.  ep.  1,  20,  22  übernommen  und  der  letz- 
tere mit  el.  permittere  ep.  2,  3,  2  variiert.  Näher  dem  Kl.  Brauche 
hielt  sich  auch  hier  Quintilian,  der  5,  10,  69  eligendi  ex  duohus 
2)otestatem  facere  sagt,  was  an  Cic.  fin.  1,  33  cum  soluta  nohis  est 
eligendi  optio  erinnert.  Ygl.  Georges  Yell.  S.  13.  Nach  eigener 
Wahl  heisst  bei  Orosius  1,  16,  3  ex  sua  electione. 

Elegans.  Cicero  nennt  zwar  alle  Künste  und  Wissenschaften, 
durch  die  der  Mensch  gebildet  wird,  artes  elegantes  (fin.  3,  4),  aber 
nie  erwähnt  er  artes  elegantiores,  da  ein  Komparativ  ohne  allen 
Gegensatz  nicht  denkbar  ist.  Denn  wenn  Cicero  (Tusc.  1,  62)  sagt: 
a  necessariis  artificiis  ad  elegantiora  defluximus,  so  Hegt  in  artificia 
der  einfache  Begriff  von  elegans,  der  aber,  weil  höhere  Künste  und 
Wissenschaften  im  Gegensatze  angedeutet  werden  sollen,  durch  den 
Komparativ  erhöht  wird,  indem  sich  Cicero  den  Begriff  Kunst,  Ge- 
schmack und  Feinlieit  in  höherem  Grade  denkt.  Auch  Cic.  fin.  4, 
24  quae  adhuc  protulisti,  popularia  sunt,  ego  autem  a  te  elegantiora 
desidero  zeigt  den  gleichen  Gegensatz ;  man  kann  also  wohl  sagen,  dass 
elegantiora  oder  artes  elegantiores  ohne  Gegensatz  und  Yergleichung 
nicht  üblich  war;  vgl.  s.v.  Liher.  Ebenso  wenig  wird  auch  artes  liherali' 
ores  und  artes  magis  ingenuae  gesagt,  für  artes  liberales  et  ingeniuie, 
worunter  die  Künste  und  Wissenschaften  verstanden  werden,  welche 
jedes  freigeborenen  Menschen  würdig  sind.  N.  L.  ist  daher  auch 
der  Ausdruck  litterae  elegantiores  von  der  Altertumswissenschaft; 
vgl.  mehr  darüber  unter  Humanus.  Ebenso  falsch  ist  iurispruden- 
tia  elegantior,  und  zu  bezweifeln  ist  selbst  doctrina  elegans  und  iiiris- 
prudentia  elegans,  wenn  auch  elegantia  doctrinae  bei  Cic.  de  or. 
1,  5  feststeht.  —  Nirgends  findet  sich  ferner  litterae  elegantes,  indem 
zu  diesem  Subst.  ausser  interiores,  reconditiores,  exquisitae  kaum 
irgend  ein  anderes  Attribut  hinzutritt.  Endlich  wird  elegantia  nicht 
in  der  Bedeutung  Schönheit,  gesuchte,  erkünstelte  Form  der  Rede 
(in  dem  Sinne  unseres  elegant)  gebraucht,  sondern  nur  von  der 
Rede,   in  welcher   sich   die   Sprache    des   feingebildeten  Städters  in 


I 


Elementarius  —     499     —  Elementarius 

sorgfältiger  Auswahl  von  Worten  und  Ausdrücken  findet.  Dies  hat 
Wölfflin  Archiv  YIII  S.  142  besonders  hinsichtlich  der  an  Caesar 
gerühmten  elegantia  (Quint.  10,  1,  114  exornat  haec  oninia  mint 
sermonis,  cuius  proprie  studiosiis  fidt,  elegantia)  hübsch  dargelegt; 
gemeint  ist  die  grosse  Sorgfalt,  die  er  dem  delectus  verborum  v^id- 
met;  vgl.  noch  Wölfflin  Epigr.  Beitr.  II  S.  162.  —  NamentHch  aber 
dient  elegans  zur  Bezeichnung  des  Wissenschaftlichen,  Philosophisch- 
Spekulativen  dem  Gemeinverständlichen,  Nicht -Philosophischen 
gegenüber,  z.  B.  Cic.  fin.  2,  27  contemnit  disserendi  elegantiam,  er 
liiät  nichts  auf  wissenschaftliche  Ordnung,  Schliesslich  bemerke 
man,  dass  elegans  auch  vom  Charakter  gebraucht  wird,  z.  B. 
Cic.  Süll.  79  qni  cum  summa  elegantia  atque  integritate  vixistis  und 
Cic.  Cato  13  imre  atque  eleganter  actae  aetatis,  vgl.  Landgraf  zu 
Cic.  Süll.  79,  Nägelsbach-MüUer^  S.  40  f.  —  Ein  Plural,  elegantiae, 
die  Schönheiten  der  Bede,  schöne  Arten  des  Ausdrucks,  ist  erst  Sp.  L. 
bei  Gellius  zu  finden,  vgl.  1,  4,  1;  2,  9,  5;  19,  4,  1,  Grorges  Gell. 
S.  13;  von  ihm  haben  Neuere  den  Ausdruck  entlehnt.  Vgl.  Pulcher. 
Elementarius,  a,  um,  einer,  der  sich  mit  den  Elementen  (des 
Unterrichts)  beschäftigt,  kommt  N.  Kl.  bei  Seneca  ep.  36,  4  von 
einem  Alten  (senex)  vor,  der,  anstatt  weiter  in  Kenntnissen  fortzu- 
schreiten, noch  bei  den  Elementen,  dem  Alphabet  oder  den  Anfangs- 
gründen verweilt.  Dann  steht  es  in  einem  Sp.  L.  Sprichwort,  vgl. 
Arnob.  69,  13  R.  ex  docta,  ut  dicitur,  elementar iam  fieri,  ,^eine  Abc- 
schützin''^.  Ausserdem  findet  es  sich  noch  mit  littejxie  verbunden 
Sp.  L.  bei  Capit.  Pert.  1,  4  puer  litteris  elementariis  et  calculo  im- 
butus  in  der  Bedeutung  Elementarkenntnisse,  und  voces  elementariae 
bei  Chalcid.  Tim.  44.  Im  N.  L.  braucht  man  elementaria  institutio 
oder  disciplina  vom  Elementarunterrichte;  dies  lässt  sich  zwar  durch 
die  aus  den  script.  h.  Aug.  zitierte  Stelle  rechtfertigen.  Man  beachte 
jedoch,  dass  Cicero  nur  von  jnierorum  elementa  (de  or.  1,  163)  und 
von  litterae  doctrinaque  puerilis,  der  erste  Sprachantenicht  (ib.  3,  38 
und  48),  oder  von  prima  puerilis  institutio  (ib.  2,  1)  redet.  Es 
kann  der  Begriff  ,^ Elementar unterricld"'  auch  durch  incunabula  ge- 
geben werden,  z.  B.  doctrinae  puerilis  incunabula,  Cic.  de  or.  1,  23, 
ausserdem  mit  hinzugesetztem  quasi  wie :  oratoris  quasi  incimahida, 
or.  42.  Auch  QuintiUan,  der  viel  vom  ersten  Unterricht  spricht, 
braucht  nur  docere  elementa,  tradere  prima  litterarum  elementa.  Ygl. 
Puerilis.  Die  Alten  nannten  ihn  auch  mit  Umschreibung  prima 
litteratura,  per  quam  pueris  elementa  traduntur  (nach  Sen.  ep.  88, 
20).  —  Die  vier  Elemente,  Urstoffe  aller  Dinge  sind  quattuor  rerum 
elementa  nach  Sen.  n.  q.^  3,  12,  3  oder  quatiwr  genera  principiorum, 
Cic.  Tusc.  1,  22.  —  Über  Herleitung  des  Wortes  Elementum  vgl. 
Diels  Elementum,  Leipzig  1899  (von  elepantum,  von  Skutsch  N.  Jahrb. 
Suppl.  XXVII  S.  84  Anm.  1  wohl  mit  Recht  als  verfehlt  be- 
zeichnet), S.  Reiter  Zur  Etymologie  von  elementum,  Progr.  Wein- 
berge 1900  u.  Noch  einmal  elementum,  Prag  1903,  vgl.  dazu  Schlitten- 
bauer Berl.  Phil.  W.  1904  Sp.  1258,  der  es  mit  VaniQck  smUdere 


Elenchus  —     500     —  Elevare 

zurückführen  will ;  Keller  Etym.  S.  42  fF.  (wo  auch  die  Ansichten 
von  Greenough  und  Havet  wiedergegeben  sind),  Schmalz  Südwestd. 
Schulbl.  1899  S.  291  (ich  leite  es  ab  von  el,  em,  en,  tum;  l,  n,  m 
waren  wohl  die  ersten  Buchstaben,  welche  die  römischen  Knaben 
lernten;  vgl.  Tert.  Marc.  5,  4  elementa  apucl  Romanos  quoque  etiam 
iwimae  literae  solent  clici). 

Elenchus  in  der  Bedeutung  Übersicht^  Register,  Inhaltsanzeige, 
ist  aus  einem  Alten  kaum  erweislich,  da  der  elenchus  scriptorum  am 
Ende  des  ersten  Buches  von  Plinius'  Naturgeschichte  gewiss  nicht 
von  ihm  und  die  Überschrift  neu  ist.  Ob  es  bei  Suet.  Gramm.  8 
y^Inhaltsverzeichyiis^^  bedeute,  wie  Georges  und  Saalfeld  annehmen, 
weiss  ich  nicht.     Man  brauche  dafür  index. 

Eleiihas  und  Elephantus  sind  nicht  gleichwertige  Formen;  nur 
das  letztere  ist  Kl.,  z.  B.  Cic.  nat.  deor.  1,  98  elejyhanto  leluarum 
mala  priidentior,  auch  Cic.  Cato  27  ist  jetzt  elephayiti  allgemein  für 
eleijhantis  aufgenommen.  Elephantus  erhielt  sich  auch  später,  wie 
z.  B.  die  Vulgata  nach  Thielmann  Philol.  42  S.  371  nur  die  Formen 
von  elepJiantus  aufweist.  Näheres  sehe  man  bei  Neue-Wagener^  I 
S.  493. 

Elevare.  Elevare  ocidos  =  die  Augen  erheben  ist  nicht  neu-, 
sondern  spätlat.  in  der  Yulgata  des  alten  und  neuen  Testamentes, 
z.  B.  Genes.  13,  10,  ib.  22,  4,  ev.  Luc.  6,  20  und  16,  23;  ebenso 
findet  es  sich  bei  Hieron.,  z.  B.  v.  Hilar.  32  elevatis  in  caeluni 
oculis,  vgl.  Gölzer  Hieron.  S.  247.  Auch  elevatio  ocidorum  lesen  wir 
bei  Hieron.  in  Dan.  10,  5  neben  elevatio  maniis.  Dagegen  levare 
ocidos  ad  capita  proscriptorum  hat  schon  die  gute  Autorität  des 
altern  Seneca,  s.  suas.  6,  7,  ebenso  allevare:  introrsus  conditos 
ocidos  vix  allevans,  contr.  1,  1,  8,  ebenso  wird  allevare  ocidos  = 
die  Augen  aufschlagen  von  einem  Schiuerverivundeten  gesagt,  s.  Gurt. 
8,  14,  51,  und  vom  kranken  Alexander  heisst  es :  allevabat  rex 
ocidos  et  imullatim  redeunte  animo  circwnstantes  amicos  agnoverat, 
ib.  3,  5,  9.  Den  gleichen  Dienst  tut  auch  erigere  ocidos:  cadentes  iam 
ocidos  ad  nomen  meum  erexit,  Sen.  contr.  2,  12,  3  und  bei  Curtius 
erigere  vultum,  5,  5,  23  und  so  oft  auch  attollere  ocidos  im  eigent- 
lichen und  trop.  Sinne:  attoUerent  tantam  ocidos  et  inania  legionum 
nomina  ne  pavescerent,  Tac.  bist.  4,  44  und:  non  attollere  ocidos, 
non  hiscere  audebat,  Cuvt.  6,  9,  32,  und  so  auch  Liv.  9,  6,  8  und 
Sen.  suas.  6,  17.  Über  den  trop.  Gebrauch  vgl.  man:  contra  for- 
tunam  attollere  ocidos,  Sen.  epp.  72,  34  und  attollere  ocidos  in  dis- 
pectum  veri,  Sen.  de  br.  v.  2,  3,  de  benef.  1,  3,  1,  de  tranq.  a. 
1,  9.  Weiter  ist  zu  beachten,  dass  elevare  trop.  niemals  wie  unser 
erheben  in  dem  Sinne  des  Erhöliens,  Rühmens  und  Preisens  ge- 
braucht wird,  sondern  umgekehrt  herabsetzen,  verkleinern  ausdrückt, 
z.  B.  verbis  aliqiiem  elevare ;  in  dieser  Bedeutung  ist  es  besonders 
von  Livius  gebraucht,  aber  vorbereitet  durch  das  Kl.  Cic.  inv.  1,  78 
adversariorum  confirmatio  elevatur,  vgl.  noch  Lucc.  bei  Cic.  fam.  5, 
14,  2  sollicitudines  elevare.     Daher  hat  auch  die  Figur  der  Elevatio 


Elicere  —     501     —  Elucescere 

ihren  Namen,  vgl.  Seyffert-Müller  z.  Lael.  S.  479;  das  Gegenteil 
davon  aber  liegt  in  verhis^  Imidihts  aliquem  extollere.  S2).  L.  ist 
elevari  =  sich  ey^heben,  stolz,  übermütig  werden,  z.  B.  Hieron.  c.  Pelag. 
2,  29  Jiaeretici  qiii  elevaiitur  per  superhiam,  und  elevari  =  augeri, 
vgl.  Ennodius  446,  18  H. 

Elicere,  hervorlocken,  wird  verbunden  mit  ex  und  bei  Personen 
mit  ex  und  a,  z.  B.  Cic.  Att.  9,  2  alias  abs  te  litteras  eliciam. 
Das  Wozu  v^ird  klass.  (Caes.  civ.  3,  38,  1  und  3,  85,  2)  durch  ad 
ausgedrückt:  adproelium,  nachklass.  bei  Tacitus  in proeliimi.  Die  Ver- 
bindung von  elicere  alicui  aliquid  =  einem  etwas  ablocke?}  ist  Plautinisch 
und  wird  in  Kl.  Zeit  vom  rhet.  Her.  und  nachklass.  wiederholt  von 
Plin.  epp.  5,  11  (10),  2  gebraucht.  Es  wird  zwar  mit  mancherlei 
Objekten  und  mancherlei  Ortern  (auf  die  Frage  woraus  ?)  verbunden ; 
ob  aber  passend  sei,  was  Ruhnken  (Op.  I  S.  85)  sagt :  Graecos 
multas  disciplinas  elicuisse  ex   tenebris,    wird   mit  Recht  bezweifelt. 

Elimare,  ausfeilen,  ausarbeiten  (von  etwas  Wissenschaftlichem), 
ist  höchst  selten,  steht  jedoch  bei  Atticus  in  Cic.  epp.  ad  Attic.  16, 
7,  3  und  bei  Quintilian  2,  7,  5,  und  ist  neben  expolire  recht  wohl 
zu  brauchen. 

Eliminare,  einen  aus  dem  Hause  stossen,  ist  A.  L.  und  kommt 
später  nur  bei  Dichtern  und  Macrob.  somn.  Scip.  1,  2,  8  und  1, 
22,  6,  öfters  bei  Ennodius  u.  Ps.  Cyprian  vor,  für  domo  expellere,  ex- 
ternmiare,  proicere. 

Ellipsis,  die  Ellipse,  ein  bekanntes  gramm.  Kunstwort,  ist  nicht 
zu  vermeiden,  wiewohl  detractio  bei  Quintilian  dasselbe  bedeutHt. 
Für  das  moderne  elli2)ticiis  und  elliptice  kann  per  ellipsin  oder  p)rae- 
cisus,  praecise  gesagt  werden,  wenn  nur  die  Kürze  der  Rede  ange- 
deutet werden  soll.     Vgl.  Cic.  nat.  deor.  2,  73. 

Elogium  war  bei  den  Alten  eine  Auf-  oder  Inschrift  auf  Sta- 
tuen, Ahnenbildern,  Votivtafeln,  eine  kurze  Angabe  im  Testameyit, 
oder  über  Namen  und  Vergeheyi  eines  Verbrechers,  besonders  aber 
auf  G^^absteinen,  nie  aber  bedeutet  es  Lobrede.  So  ist  es  iV^.  L. 
wahrscheinlich  von  einem  Franzosen  zuerst  gebraucht  (nach  dem 
franz.  eloge).  Wenn  daher  Ruhnken,  dem  unter  mehreren  J.  A. 
Ernesti  vorangegangen  war,  statt  laudatio  Hemsterhusii  sagte  elogium 
H.,  so  entschuldigt  er  als  Kenner  der  Latinität  den  Gebrauch  des 
Wortes  in  dieser  Bedeutung,  indem  er  sagt :  sed  temporum  nostrorum 
coyisuetudini  aliquid  dandum  fuit.  Man  ahme  es  durchaus  nicht 
nach,  da  laudatio  bei  den  Alten  das  beständige  Wort  dafür  ist.  — 
Näheres  über  elogium,  auch  über  seine  Beziehungen  zu  eloquium 
siehe  bei  Hey  Semas.  Stud.  S.  138,  sowie  Pauly-Wissowa  Real- 
encycl.  V  S.  2440  ff  (A.  v.  Premerstein).  Über  die  juristische  Be- 
deutung des  Wortes  vgl.  auch  Krüger  im  Archiv  X  S.  251. 

Elucere,  hervorleuchten,  wird  verbunden  mit  ex  oder  in^  z.  B. 
in  puero  scintilla  ingenii  elucebat  (Cic.  rep.  2,  32). 

Elucescere  ist  N.  L.  in  der  Bedeutung  Tag  luerden,  für  lucescere; 
denn  in  der  Vulgata  liest  der  Amiatinus  sowohl  1  regg.  9,  26,  als 


Elucidare  —     502     —  Emendare 

auch  Tob.  8,  20  und  2  Petr.  1,  19  anders  (düudsceret,  lucesceret, 
lucescai);  vgl.  Thielmann  Phil.  42  S.  373  f.  Im  Sp.  L.  kommt  es 
bei  August.,  Pseudo-Cyprian  und  Ennodius,  aber  nicht  bei  Lactanz 
(vgl.  Cellarius  und  Bünemann  zu  inst.  div.  7,  14,  6)  in  der  Be- 
deutung liervorleucliten,  für  elucere  vor. 

Elucidare^  ,^in  helles  Licht  setzen'-'-,  findet  sich  nur  in  der  Itala 
und  zwar  Eccli.  24,  31,  einem  Buche,  das  an  sprachlichen  Eigen- 
tümlichkeiten überaus  reich  ist,  vgl.  Thielmann  Philol.  42  S.  323  f. 
und  Sittl  Lokale  Verschiedenheiten  S.  150.  In  der  Bedeutung  auf- 
klären, aufhellen,  ist  es  i\".  L.  für  illustrare,  collustrare,  illuminare; 
—  ebenso  die  Substantiva  elucidariiis  und  elucidarium,  von  kleinen 
Wörterbüchern,  für  das  gewöhnliche  lexicon.  Das  Adj.  ehicidits 
steht  bei  Cyprian  598,  3  H.  elucida  prohatio,  vgl.  jedoch  die  krit. 
Anm.  z.  St. ;  sonst  sagt  auch  Cyprian  dafür  diliicidus. 

Eluminare,  Menden,  des  Gesichts  berauhen,  ist  nur  bei  Sidon. 
ep.  8,  11  zu  finden,  vgl.  Kretschmann  Sidon.  S.  14,  und  zwar  in 
der  Form  eluminatus.  Dafür  sagt  man  richtiger  excaecare  (excoecare), 
visu  privare,  oculos  effodere  u.  a.  nach  der  Verschiedenheit  des 
Sinnes. 

Elitvies,  die  Überschivemmimg,  ist  (mit  Ausnahme  von  Cic.  dom. 
53)  N.  Kl.  für  eluvio,  alluvies.     Vgl.  Diluvies. 

Elysium  und  das  Adj.  Elysins,  verbunden  mit  campi,  agri, 
domus,  sedes,  kommen  nur  bei  Dichtern  vor,  die  Stellen  siehe  bei 
Saalfeld  s.  v. ;  elysium  ist  daher  in  Prosa  für  unser  Himmel,  als  Sitz 
der  Seligen,  nicht  anwendbar. 

Emaculare,  reinigen,  kommt  N.  Kl.  im  eigentlichen  Sinne  nur 
bei  dem  altern  Plinius  vor,  Sp.  L.  wiederholt  bei  Apul.,  Gell., 
Macrob.,  Ammian;  nie  aber  findet  es  sich  übertragen,  um  so  weniger 
haben  es  die  Alten  von  ivissenschaftlicher  Verbesserung  gebraucht, 
wie  man  modern  auf  Büchertiteln  lesen  kann:  liber  multis  locis 
emaculatus,  für  das  Kl.  emendatus. 

Emanare,  ausfliessen,  sich  verbreiten,  wird  örtlich  verbunden 
mit  ex  und  bei  Personen  mit  a,  z.  B.  a  domesticis  auctoribus  (Q. 
Cic.  petit.  17),  unter  den  grossen  Haufen,  in  vulgus.,  nicht  inter 
vidgus,  vgl.  Cic.  S.  E,osc.  3.  Etwas  anderes  ist  bei  Oros.  4,  5,  13 
emanare  inter  laudes,  cds  löbliclie  Taten  sich  verbreiten.  —  Der  Abi. 
ohne  Präp.  steht  *S^.  L.  bei  Claud.  Mam.  19,  E. 

Emblema  hat  im  Dativ  und  Abi.  Plur.  Kl.  emblematis,  nicht 
emblematibus,  im  Genitiv  aber  sowohl  emblematum  als  emblematoram; 
vgl.  Neue-V^agener^  I  S.  430  u.  440. 

Emendare,  verbessern.  Man  bezweifelt  die  Kichtigkeit  der  Ver- 
bindung emendare  hominem  für  hominis  mores.  Mag  dies  auch  bei 
Cicero  nie  vorkommen,  so  ist  es  doch  nicht  zu  beanstanden,  teils  weil 
etw^as  Ähnliches  in  dem  Ciceronischen  emendator  civitatis  und  in 
corrector  emendatorcpie  civitatis  liegt,  teils  weil  dieser  Gebrauch  von 
emend.  sich  auch  direkt  nachweisen  lässt.  Vgl.  darüber  Sen.  contr. 
2,  14,  10;  ib.  §  11;  Sen.  de  benef.  5,  22,  3;  epp.  5,  3,  Plin.  epp. 


Emendatiuncula  —     503     —  Eminentia 

3,  3,  5  und  vorher  schon  Liv.  42,  42,  8:  Conscms  mihi  snm  .  .  .  . 
corrigi  me  et  emendmn  .  .  .  i^osse;  freilich  kann  nicht  geleugnet  wer- 
den, dass  die  konkrete  Auffassung  mit  mores  oder  viiia  oder  animiis 
Jiominis  im  Lat.  gewöhnlicher  ist  als  die  Verbindung  mit  dem  all- 
gemeinen liomo.     Ygl.  darüber  Corrigere. 

Emendatiimcula,  eine  kleine  leichte  Verlesserung  einer  Stelle  in 
einer  Schrift  ist  aus  keinem  lat.  Autor  zu  erweisen. 

Emercari,  erlmiifen,  kommt  N.  Kl.  nur  einigemal  bei  Tacitus 
(aber  auch  hier  nur  in  den  Annalen)  für  mercari  und  zwar  in  malam 
jKirtem  vor,  wie  sonst  oft  recUmere  so  gebraucht  wird.  Als  Passiv 
findet  sich  emercari  erst  ganz  spät  bei  Ammian. 

Emere  heisst  ursprünglich  nehmen,  daher  adim£re,  exime?^e  u.  ä., 
vgl.  Skutsch  Philo).  59,  498  u.  Archiv  XII  S.  207  und  die  hier 
zitierte  Literatur;  hieraus  erst  entwickelte  sich  die  Bedeutung  kaufen; 
—  von  jemcmden,  ah  und  de  aliqiio,  beides  Kl.  und  gleich  häufig 
nach  Landgraf  zu  Cic.  S.  Rose.  S.  22  und  S.  139,  während  Hilde- 
brand Progr.  Dortmund  1859  S.  15  ah  bevorzugt  findet.  Wohlfeil, 
teuer  kaufen  ist  hene,  male  emere.  Emere  =  dingen  ist  nachklass.  : 
percussorem  in  me  emere  voliiisti,  Curt.  4,  1,  12  für  das  klass.  con- 
ducere ;  für  jemanden,  aliciii,  um  ivas,  ivomit,  mit  dem  Abi.,  z.  B. 
auro,  decem  sestertiis;  für  einen  Tag,  für  ein  Jahr  und  ähnliche, 
iyi  diem,  in  annum.  —  EmiMare  findet  sich  ausser  Cat.  fr.  (Jordan 
S.  69,  vgl.  jedoch  die  kritische  Anmerkung)  und  Colum.  auch  Tac. 
ann.  14,  41  (Auszug  aus  einem  Senatsbeschluss),  Plin.  epp.  6,  19, 
5  und  Plin.  nat.  33,  7. 

Emerere  und  emereri  sind  A.  L.,  P.  und  N.  Kl.;  Kl.  ist  emer. 
nur  in  der  Bedeutung  ausdieneyi  (von  Soldaten)  im  Partie.  Perf.  in 
den  bekannten  Ausdrücken,  Cic.  Cato  49  emeritis  stijjendiis  (trop.). 
Sali.  Jug.  84,  3  ebenso,  Caelius  bei  Cic.  fam.  8,  8,  3  qui  stipendia 
emerita  haheant,  Cic.  Att.  6,  5,  3  annuum  tempus  j^roj^e  iam  emeri- 
tum  hahehamus.  N.  Kl.,  aber  nicht  absolut  verwerflich,  ist  milites 
stipendia  emeriti,  spes  emerendi  stipendia,  Liv.  25,  6,  16.  Bemerkt 
zu  werden  verdient,  dass  Caesar  das  Wort  emereo  gar  nicht  kennt. 

Emigrare,  ausivandern,  hat  meistens  einen  Beisatz,  welcher  das 
Woher  oder  Wohin  bezeichnet.  Doch  ist  dieser  Beisatz  nicht  absolut 
notwendig ;  er  kann  fehlen,  wenn  die  Beziehung  der  Richtung  schon 
aus  dem  Zusammenhange  klar  hervorgeht;  jedoch  steht  mir  ein 
Kl.  Beispiel  hiezu  nicht  zur  Verfügung.  Vgl.  folgende  A.  L.  und 
N.  Kl.  Stellen:  Plaut.  Most.  471,  Sen.  n.  q.  6,  1,  10,  lust.  5, 
10,  9.  Ebenso  kommt  auch  demigrare  absolut  vor,  Liv.  38,  23,  9 
u.  28,  8. 

Emigratio,  die  Ausiv ander ung ,  findet  sich  nur  einmal  bei  einem 
Juristen,  vgl.  Dirksen  s.  v.,  ist  also  Sp.  L.  für  migratio,  demigratio, 
domicilii  mutatio. 

Eminentia,  die  Hervorhebung.  Die  Redensart  _2^er  emiyientiam 
in  der  Bedeutung  vorzugsweise,  für  das  griech.  zar'  i^oyrjv^  kommt 
erst  Sp.  L.  bei  Ulpian  vor,  für  per  oder  propter  excelleyitiam,  oder 


Emissio  —     504     —  Emungere 

mit  iwoinius,  prhnarms,  oder  dem  Adv.  praeciime.  Jenes  findet 
sich  einigemal  bei  Neulateinern.  Vgl.  Excellentia.  Yon  Personen 
gesagt  =  vi?'  eminens  ist  es  Sj).  L.,  z.  B.  oft  bei  Ennodius,  in  der 
Anrede  197,  2  H  eminentiae  vestrae  =  Euer  Eminenz  (Dativ). 

Emissio  mit  dem  Genitiv  lihri  oder  einem  ähnlichen,  in  der 
Bedeutung  Herausgabe,  Belcanntmaclmng ,  ist  N.  L.  für  eclitio,  wie- 
wohl emittere  lihrum  nicht  nur  N.  Kl.  beim  Jüngern  Plinius,  Quintil. 
und  Suet.  (Claud.  33)  vorkommt,  sondern  selbst  Cic.  fam.  7,  33,  1 
si  quando  aliquid  dignum  nosiro  nomine  emishmis  sagt.  Emittere 
litteras  hat  vielleicht  Tribonian  geschrieben,  vgl.  Leipold  S.  10. 

EmoUescere,  weich  luerden,  stand  früher  in  einigen  Ausgaben 
von  Celsus,  5,  28,  14  g.  E.,  in  den  neuern  aber  ist  mollescit  auf- 
genommen. Es  findet  sich  jetzt  nur  noch  ^S^;.  L.  bei  Rufin.  und  in 
Gloss.  Labb. 

Emonere,  aufmuntern,  auffordern,  steht  nur  einmal  bei  Cicero 
(fam.  1,  7,  9).  Ansprechend  findet  Böckel  in  seiner  Ausgabe  S.  144 
die  Vermutung  Starkers  te  vero  oro  et  moneo;  vgl.  auch  Bücheier 
im  Rh.  Mus.  HS.  512.  Cratander  las  te  vero  moneo.  H.  A.  Koch 
verbessert  te  vero  ego  moneo;  andre  Vorschläge  sehe  man  in  Wesen- 
bergs Ausgabe.  Mendelssohn  behält  emoneo  bei,  C.  F.  W.  Müller 
aber  liest  te  vero  et  oro  et  moneo,  vgl.  seine  Anm.  z.  St. 

Emori.  Dies  Verb  ist  Kl.,  wohl  ein  stärkerer  Ausdruck  für 
mori,  vgl.  Kühner  zu  Cic.  Tusc.  1,  97.  Reisig  wollte  tote  Sprache 
mit  lingua  emortua  übersetzen,  andere  mit  lingua  intermortua. 
Beides  ist  natürlich  N.  L.,  da  dem  Altertum  der  ganze  Ausdruck 
fremd  ist.     Vgl.  Heerdegen  zu  Reisig-Haase  S.  19. 

Emovere,  entfernen,  kommt  seit  Livius  und  nach  ihm  bei  Sen., 
Plin.  epp.  und  Colum.  in  Prosa  vor,  hat  also  für  den  Gebrauch 
genügende  Autorität.  Es  wird  verbunden  mit  e  und  dem  blossen 
Äblat.  und  einmal  bei  Livius  6,  38,  8  mit  de  in  der  Phrase  de  medio 
emovere;  vgl.  Hildebrand  Progr.  Dortmund  1859  S.  16. 

Emphasis,  die  Emphase,  ein  griech.,  von  Quintilian  gebrauchtes 
Kunstwort,  welches  lat.  durch  pondus  oder  significatio  gegeben  wird. 
N.  L.  ist  aber  empliaticus  und  emphatice,  wofür  significans,  signi- 
ficanter,  gravis,  graviter,  cum  pondere  gesagt  werde. 

Emungere  und  davon  abgeleitet  emunctus.  Das  Verbum  findet 
sich  nirgends  in  dem  bildlichen  Sinne  verfeinern;  wohl  aber  kommt 
emunctus  neben  limatus,  gefeilt,  bei  Quintihan  von  Rednern  vor, 
limati  et  emuncti,  was  auch,  zumal  in  solcher  Verbindung,  nach- 
gebraucht werden  kann.  Dagegen  passt  die  gemeine  Volksredensart 
Jiomo  emunctae  nctris,  welche  Phaedrus  von  Aesop  und  Horaz  von 
dem  Satiriker  Lucilius  (in  der  Bedeutung  ein  fein  beobachtender, 
ivitziger  und  sp'öttisclier  Mensch)  brauchen,  nur  in  scherzhafter, 
launiger  Rede,  nicht  aber  für  den  ernsten  Stil.  Geradezu  abge- 
schmackt ist,  was  Näg.-Müller^  S.  13  aus  einem  Neulateiner  zitiert: 
quorum  unus  quoad  mores  et  litteras  ita  eminet,  ut  ei  Musae  ipsae 
nares  emunxisse  videantur. 


Eniutatio  —     505     —  Encyclopaedia 

Emiäaüo,  die  Veränderung^  kommt  N.  Kl.  nur  bei  Quintilian 
8,  6,  51  und  emutare  nur  ib.  8,  2,  19  und  Manil.  5,  149  vor; 
beide  sind  unnötig  wegen  mutare,  mutaiio,  immutare,  immutatio, 
commutare,  commiitatio. 

En  oder  em  —  beide  Formen  finden  sich  bei  Cicero  —  wird 
im  A.  L.,  wie  auch  in  klass.  Zeit  durchaus  mit  dem  Accus,  ver- 
bunden, bei  Cic.  immer  im  ironischen  Sinne,  so  Yerr.  1,  93:  en  ciii 
tiios  Liberos  cormnittas,  en  memoriam  mortui  sodalis,  en  metwn  vi- 
voriim  existimationis ,  Deiot.  17  en  crimen,  en  causam,  Phil.  5, 
15:  en  causam  cur  lex  tarn  egregia  .  .  .  maximo  imhri  feratur.  Der 
Nominativ  nach  en  wird  von  Ribbeck  in  Prosa  zuerst  bei  Sali.  Cat. 
20,  14  angenommen,  von  A.  Köhler  aber  erst  bei  Tac.  ann.  1,  65 
en  Va?ms/  An  ziueiter  Stelle  findet  sich  en  nicht  bei  Cicero,  wohl 
aber  bei  Sallust  und  Livius  zur  Yerstärkung  des  voran  gestellten  Be- 
griffs, z.  B.  Sali.  hist.  2,  47,  10  M.  adsum  en  C.  Cotta  und  Liv. 
22,  6,  3  consul  en,  inqiiit,  hie  est.  Näheres  über  en  (em)  und 
seinen  Gebrauch  siehe  bei  A.  Köhler  im  Archiv  YI  S.  25 — 45  und 
YIII  S.  221—234,  aber  auch  XII  S.  414.  —  Das  fragende  en,  bei 
Plaut,  nur  in  Yerbinduug  mit  tinqimm,  ist  nicht  klass.,  vgl.  Morris 
Sentence-Question  S.  56;  in  Prosa  hat  es  zuerst  Liv.  und  zwar  wie 
Plaut,  mit  unquam,  aber  auch  an  der  Spitze  eines  indirekten  Frage- 
satzes; vgl.  Köhler  1.  1.  S.  26,  Novak  Studia  S.  57. 

Enarrare  kann  neben  explicare,  expkmare  und  inteyjiretari  nach 
dem  Yorgange  des  Quintilian  auch  von  nicht  geschichtlichen  Sachen, 
in  der  Bedeutung  darlegen,  auseinandersetzen,  erMären,  gebraucht 
werden,  ebenso  enarratio ;  in  gleichem  Sinne  steht  bei  Gellius  enar- 
rator.  Man  hält  sich  jedoch  besser  an  den  Kl.  Brauch,  wo  enarrare 
die  genaue  Erzählung  bezeichnet,  vgl.  Cic.  inv.  1,  28,  und  verwendet 
sonst  explicare,  interijretari  u.  ä. 

Enasci,  aus  etiuas  herausivachsen,  findet  sich  schon  Kl.  bei 
Caes.  Gall.  2,  17,  4  und  Livius,  Sj).  L.  noch  bei  Orosius,  aber  nur 
in  eigentlichem,  nicht  in  bildlichem  Sinne.  Bei  Florus  2,  15,  14 
steht  es,  durch  quasi  entschuldigt,  übertragen:  inde  quasi  enata 
suhito  classis ;  vgl.  noch  Curt.  8,  8,  30  ad  insulam  medio  fere  alveo 
enatam.     In  übertragener  Bedeutung  brauche  man  oriri. 

Encomium,  das  Loh,  die  Lohrede,  ist  bei  Quintil.  7,  2,  33  von 
Halm  durch  encenia  ersetzt,  somit  aus  dem  lat.  Wörterbuch  zu 
streichen.  Das  davon  abgeleitete  encomiogjxiphus,  der  Lohredner, 
steht  nur  bei  M.  Aurel.  ep.  ad  M.  Caes.  im  Fronto  S.  31,  5  N. 

Encyclopaedia  ist  in  dieser  Form  weder  griech.,  noch  lat.  und 
beruht  auf  der  altern  falschen  Lesart  bei  Quintil.  1,  10,  1,  wo  vor 
J.  M.  Gessner  ifxoxXoTzacdeiav  stand,  von  seiner  Zeit  an  aber  aus 
den  bessern  Handschriften  entweder  iyxoxXov  oder  exxuxXiov  Ttmoeiav 
aufgenommen  ist,  sowie  auf  Plin.  nat.  1  praef.  14.  Yitruv  (arch.  1, 
1)  sagt  dafür  halb  griech.,  halb  lat.  encyclios  discipliym;  6,  praef. 
encyclios  doctrinarum  omnium  disciplina,  und  Quintil.  (1.  c.) :  orhis 
nie  doctrinae,    quam  Oraeci  lyxuxXov  (so  Zumpt;  Spalding,  Gessner 


Enecare  —     506     —  Enormis 

und  Halm  iyy.'jxÄ:ov)  Tcudziav  vocant.  Man  vermeide  encyclojKiedia 
oder  iyx>r/.Ä07:acdsca.  obgleich  encydojjciedia  allgemeines  Kunstwort 
ist,  und  halte  sich  an  Quintilians  Umschreibung;  vgl.  auch  noch 
Ciceros  Worte  de  or.  3,  127:  artes,  quibus  liberales  doctrinae  atqiie 
ingemiae  contmentiir ,  geometria,  miisica,  litterarum  cognitio  et  poe- 
tarum. 

Enecare,  töten,  ist  in  der  bessern  Prosa  nur  im  Partiz.  enectus 
(nicht  enecatus,  was  erst  Plin.  nat.  18,  127;  30,  108  u.  dann  Oros. 
7,  5,  10  hat)  üblich,  während  necare  vollständig  im  Gebrauche  ist  und 
davon  das  Partiz.  nur  necatus  heisst.  Nirgends  bezieht  sich  enectus 
auf  einen  hhttigen  Tod,  dafür  hat  man  necatus,  vielfach  ist  es  wie 
Cic.  Att.  6,  1,  2,  Liv.  21,  40,  9  =  elend,  her lüiter gekommen.  Übri- 
gens ist  enecare  ein  den  Komikern  besonders  eigentümliches  Wort, 
welches  Cicero  nur  Attic.  6,  1,  2  und  in  der  von  den  Quellen 
vielfach  beeinflussten  Schrift  div.  1,  61;  2,  73,  sonst  nirgends 
braucht  (Tusc.  1,  10  u.  divin.  2,  142  sind  Zitate).  N.  Kl.  steht 
es  bei  Liv.  21,  40,  9,  Tac.  ann.  14,  64  und  Suet.  gramm.  3,  so- 
wie öfters  bei  Plin.  mai.,  vgl.  Köhler  act.  Erl.  I  S.  386,  Sp.  L.  bei 
Orosius.  Ygl.  noch  Neue-Wagener^  III  S.  530,  Hey  Semas.  Stud. 
S.  159. 

Enervis,  kraftlos,  kommt  im  Zeitalter  Cic.  und  des  Kaisers 
Augustus  nicht  vor;  auch  N.  Kl.  ist  es  selten,  aber  bei  Quintihan, 
Sen.  rhet.,  Petron.,  Phnius  min.  u.  Tac.  Zuerst  hat  es  Yal.  Max.  6, 
4,  2  und  8,  8  init.  und  9,  1,  ext.  6  für  das  Kl.  enervatiis.  Vgl. 
Archiv  XIII  S.  438,  wo  jedoch  die  Zitate  aus  Val.  Max.  nicht 
genau  sind. 

Enixe.  Dieses  Adv.  kommt  bei  Cicero  nur  Sest.  38  meam 
causam  proiwie  enixeque  siisceiKrimt  und  bei  Caes.  nur  civ.  3,  35,  2 
Caesarem  enixe  mvahat  vor.  Häufiger  findet  es  sich  bei  Livius,  aber 
erst  seit  Sen.  phil.  mit  Yerben  des  Bittens  verbunden,  vgl.  Sen.  ep. 
95,  2  enixe  ijetimus,  luir  bitten  inständig.  Yorbereitet  ist  die  Phrase 
durch  Yal.  Max.  8,  15  ext.  1  enixo  studio  ab  aliquo  petere,  fortge- 
führt wird  sie  von  Suet.  Caes.  26  precibus  enitens  ut.  Im  Kirchen- 
latein ist  enixe  orare,  exorare,  deprecari  üblich,  vgl.  auch  enixis 
precibus  bei  Cyprian  495,  12  H.  —  Statt  enixe  wird  nachklass.  auch 
inipense  mit  den  Yerben  des  Bittens  verbunden,  wie  impense  rogare, 
Plin.  epp.  10,  9,  impensius  orare,  Liv.  36,  35,  2  und  impensius 
p)recari,  Tac.  ann.  3,  16  und  tanto  impensius  petere  se,  ut  .  .  ., 
Suet.  Claud.  11,  g.  E.  und  die  inständigsten  Bitten  sind  impensissi- 
mae  preces  bei  Suet.  Tib.  13.  —  Man  wird  also  gut  tun,  enixe  nicht 
mit  den  Yerben  des  Bittens,  sondern  denen  der  Tätigkeit  wie  iuvare, 
suscipere,  operam  dare,  navare  u.  a.  zu  verbinden.  Die  Form  de- 
nixe,  die  Brix-Niemeyer  Trin.  652  nach  Placidusglossen  S.  452  auf- 
genommen, verdient  für  das  Lateinschreiben  keine  Beachtung. 

Enormis,  was  über  die  Norm,  Vorschrift  und  das  Mass  geht, 
kommt  erst  N.  Kl.,  aber  bei  den  Bessern  vor  und  ist  neben  den 
Kl.  immensus,  immodicus,  summus,  maximus,    effusus  u.  a.  immer- 


Ens  —     507     —  Eo 

hin  zu  brauchen.  —  Auch  das  Adv.  enormifer,  aiisserordenÜich,  ist 

N.  Kl.  für  maxime,  vehementer  u.  a.,  findet  sich  aber  oft  bei  Seneca. 

Die  Stellen  siehe  bei  Saalfeld  im  tens.  s.  v.     Das  Substantiv   enor- 

miias  hat  Quint.  9,  4,  27,  sonst  ist  es  S]j.  L.,  vgl.  Paul  Lejay  Melangcs 

Boissier  S.  346,  der  in  ahnormis  und  abnormitas  des  variantes  tar- 

dives  de  enormis  et  enormitas  sieht  und  ahnonnis  bei  Hör.  sat.  2,  2,  3 

nicht  als  Wort  anerkennt,  sondern  ah  normis  =  idtra  normam  auffasst. 

Ens,  ein  Ding,  ein  (einzelnes)   Wesen,  wörtlich   übersetzt   nach 

dem  Griechischen   ro  6v,  wovon  im  Plar.  entia    für  zä  övza^    blieb 

nur  ein  philosophisches  Wort,  wurde  aber  wenig  gebraucht,   da  7''es 

hinreichte.     Vgl.  auch  Essentia. 

*  Nach  Priscian  (18,  8,  75)  brauchte  Caesar  zuerst  ens,  ob  im  gewöhn- 
lichen Sinne  auch  als  Masc,  oder  im  philosophischen  als  Neutrum,  weiss  man 
nicht;  Caesar,  sagt  er,  non  incongrue  protulit  ens  a  verbo  sum,  es,  quomodo  a 
verho  possum,  potes,  potens.  Von  ens,  als  einem  philosophischeo  Worte,  wusste 
aber  wenigstens  Seneca  (ep.  58,  5)  noch  nichts,  indem  er  sagt,  es  sei  für  lo  bi^ 
kein  lateinisches  Wort  vorhanden,  weshalb  dieses  durch  quod  est  umschrieben 
werden  müsste.  Nach  Quintil.  (8,  5,  33)  bildete  zuerst  der  Rhetor  Sergius 
Flavius  die  beiden  Wörter  ens  und  essentia. 

Ensis,  das  Scliivert,  findet  sich  nicht  bei  Cic.  und  Caes.,  auch 
nicht  bei  Nep.  und  Sali,  und  nur  einmal  bei  Cato  15,  10  Jord. 
und  dann  erst  wieder  bei  Liv.  7,  10,  9.  Es  ist  P.  u.  N.  Kl.,  man 
brauche  dafür  das  gewöhnliche  gladius. 

Enthusiasmus,  die  Begeisterimg,  ist  nirgends  im  Gebrauche ; 
Cicero  braucht  es  in  griechischer  Form  (Q.  fr.  3,  4,  4),  sagt  aber 
in  demselben  Sinne  anderwärts  inffammatio  animi  (animorum),  mentis 
divifia  incitatio,  ardor  animi  oder  meyitis,  animi  alacritas  (Cic.  Q. 
fr.  3,  6,  4);  jugendlicher  Enthusiasmus  heisst  ardor  iuvenilis. 

Enudare,  ,^erklären^' ,  wird  von  Yahlen  in  der  ed.  II  1883  bei 
Cic.  leg.  1,  26  noch  festgehalten,  C.  F.  W.  Müller  liest  incohavit, 
was  allgemein  aufgenommen  ist;  näheres  s.  bei  Vahlen  S.  27  Anm. 
Sonst  kommt  das  Wort  nur  Sp.  L.  bei  Cassiodor  in  der  Bedeutung 
j^enthlössen^^  vor. 

Enuntiatmn,  Satz,  findet  sich  oft  im  N.  L. ;  es  lässt  sich 
schützen  durch  Cic.  fat.  9  u.  28,  besonders  aber  durch  Sen.  ep. 
117,  13. 

Eo  (Ablat.  von  is)  in  der  Bedeutung  do7^t,  an  dem  Orte,  für 
eo  loco,  ist  sehr  zu  bezweifeln;  es  bedeutet  (als  Dativ  der  Richtung) 
dorthin,  an  den  Ort,  wie  quo,  ivohin.  In  der  Bedeutung  his  dahin, 
bis  zu  dem  Grade,  mit  dem  Genit.  verbunden,  z.  B.  eo  magnitudinis, 
eo  furoris,  insaniae,  sapientiae  u.  a.  ist  es  weder  bei  Cicero,  noch 
bei  Caesar  zu  finden,  welche  dafür  ad  eum  gradiim  magnitudinis, 
auch  bloss  ad  eam,  ad  tantam  magnitudinem  sagen.  Jene  Kon- 
struktion lesen  wir  zuerst  bei  Sali.  Jug.  1,  5;  5,  2;  14,  3,  Öfter  bei 
Livius,  Tac,  im  silbernen  und  späten  Latein;  vgl.  meine  Syntax^ 
§  62,  Dräger  H.  Synt.  I,  450  f.,  Kühnast  S.  84,  der  aber  nicht  alle 
Stellen  aus  Liv.  angibt,  z.  B.  nicht  28,  27,  12;  32,  18,  8,  Dräger 
Synt.  Tac.^  S.  29.  —  iV.  L.  aber  ist  eo  mit   in   und   einem  Subst. 


Ephesiacus  —     508     —  Epitomare 

(eo  in  aliqua  re),  z.  B.  eo  in  furore,    so   weit   in   der  Raserei,    für 
ad  eum,  tanium  furorem. 

Ephesiacus  imd  Ephesimis  sind  nicht  zu  belegende  Formen  für 
Ephesiits. 

Epilogus,  ScJiluss  der  Rede,  ist  Kl.  und  gut  neben  peroratio 
und  conclusio;   bei  Cicero  kommt  es  mehrmals  vor,  z.  B.  Plane.  83. 

Epirensis,  aus  Epinis,  ist  ein  seltenes  Adj.,  welches  nur  bei 
Liv.  vorkommt  8,  17,  9  und  8,  24,  18  für  das  Kl.  Einroticus. 
Subst.  ist  Epirotes,  Plur.  Epirotae. 

Epistula  ad  aliqiiem  ohne  ein  stützendes  Wort,  z.  B.  scripta, 
ist  nicht  zu  verwerfen,  da  es  Kl.  ist;  vgl.  Cic.  off.  2,  48  exsiant 
epistidae  Philipin  ad  Alexandrum  etc.  und  C.  F.  W.  Müller  zu 
Cic.  off.  1,  40.  Mit  vollerem  Ausdruck  sagt  man  z.  B.  Ciceronis 
einstula  ad  Lucceiiun  scripta,  missa,  data,  oder  qiiae  a  Cicerone  ad 
L.  scripta  est,  oder  ciuam  Cic.  ad  L.  scripsit.  Einen  Brief  an  jeman- 
den adressieren  heisst  epistidam  alicui  inscrihere,  vgl.  Cic.  Att.  8,  5,  2. 
—  Epistidae  im  Plur.,  von  einem  Briefe,  ist  Analogiebildung  nach 
litter ae,  kommt  nur  N.  Kl.  und  Sp.  L.  bei  Tac,  PHn.  min.,  lust., 
Sidon.  Apoll,  vor,  vgl.  Nipp,  zu  Tac.  ann.  1,  30  und  Mohr  Progr. 
Bremerhaven  1886  S.  4.  —  Das  Dimin.  epistolium,  das  Brief chen, 
findet  sich  bei  CatuU  u.  Apul.  —  Man  beachte  auch  noch,  dass  litterae 
einen  viel  weitern  Begriff  hat  als  epistula  und  sowohl  von  offiziellen  als 
von  Privathriefen  vorkommt,  während  ep)istula  (ae)  nur  von  letztern 
gesagt  wird,  s.  Hofmann  zu  Cic.  fam.  5,  7,  1  u.  Süpfle-Böckel  zu 
Cic.  epp.  S.  154. 

Epistolic2is,  hrieflicli,  was  in  Briefen  verfasst  ist,  findet  sich 
nach  dem  Zeugnisse  des  Gellius  bei  Cato  und  bei  Varro,  sonst  nur 
noch  Hieron.  ep.  32,  1  epistolicae  confahulationis,  vgl.  Gölzer  Hier. 
S.  152.  Gegen  die  Bedeutung  ist  aber,  was  man  im  N.  L.  findet, 
thesaiirus  epistolicus,  commercium  epistolicum,  für  den  Genit  epistii- 
larum  oder  litterarum.     Ygl.   Commercium. 

Epitaphium  ist  in  der  Bedeutung  Grahschrift  auf  Inschriften  zu 
finden,  dann  ^S^;.  L.  bei  Hegesipp  1,  45,  10,  vielleicht  hier  =  Be- 
stattung (so  Rönsch  Coli.  phil.  S.  38),  vgl.  Georges  Jahresbericht  1884 
S.  127.  Bei  Cic.  (Tusc.  5,  36)  ist  unter  Epiiaphius  der  Platonische 
Dialog  Menexenus  zu  verstehen,  in  welchem  eine  Leichenrede  auf 
die  gefallenen  Athener  vorkommt,  die  im  Griechischen  iTTcrdcpiog 
{Xöyog)  heisst.  Grahschrift  aber  ist  richtiger  carmen  in  sejndcro  in- 
cisum. 

Epitheton  ist  Kunstwort  in  der  Rhetorik,  welches  auch  bei 
Quintilian  und  im  Sp.  L.  vorkommt;  lat.  findet  sich  dafür  appositum. 

Epitomare,  in  Auszug  hringen,  ist  Sp.  L.  für  excerpere  cogni- 
tione  dignissima  (vgl.  auch  Ahbreviare) :,  ausserdem  wird  es  auch 
mit  dem  Subst.  epitome  oder  summarium  gegeben.  Daher  spätlat., 
aber  ganz  gut:  librum  in  epitomen  cogere,  Auson.  ep.  19  S.  267 
Peiper.  Übrigens  sind  ISJ.  L.  epitomarius  und  epitomator,  die  sich 
hin  und  wieder  gebraucht  finden. 


Epocha  —     509     —  Equidem 

EpocJia,  die  Eijoche,  ist  ein  griecb.,  von  keinem  Lateiner  ge- 
brauchtes Kunstwort  in  der  Chronologie,  welches  kaum  zu  vermeiden 
ist,  da  als  latein.  Ausdruck  dieses  Begriffs  aera  erst  SiJ.  L.  vor- 
kommt, denn  tempus,  aetas  und  saecalum  erschöpfen  den  Begriff 
nicht. 

Epos,  das  Heldengedicht,  ist  nur  P.  L.  für  Carmen  epicum  oder 
heroum. 

Epula  (im  Sing.),  das  Oastmahl,  steht  vielleicht  bei  Lucil.  13, 
10  Müll.  (Marx  444  epulae)^  sicher  im  Itin.  Alex.  c.  14  S.  9,  5 
Volkm.,  sowie  Itala  3  Esdr.  3,  1  Darius  facit  epidam  grandem, 
vgl.  Rönsch  Coli.  phil.  S.  30.  Kl.  ist  epulae  und  epidum.  Das 
letztere  findet  sich  meist  nur  in  der  Bedeutung  Festmahl,  epidae  aber 
dient  zur  Bezeichnung  eines  gewöhnlichen  Mahles,  gleich  convivium, 
bei    welchem  Gäste  eingeladen  sind. 

Epulo  ist  in  der  Bedeutung  Schmauser,  Zechbruder  nicht  nur 
Sp.  L.  für  conviva,  sondern  schon  bei  Cic.  Att.  2,  7,  3,  vgl.  Boot 
z.  St.  und  Fisch  S.  6.  Sonst  bedeutet  es  einen  Priester,  der  ein 
Festmahl  hesorgt;  doch  scheint  hier  der  ursprüngliche  Titel  epolomis 
und  epidonus  gewesen  zu  sein,  was  zu  Cic.  Zeit  bereits  verschollen 
war,  vgl.  Fisch  S.  4  ff.  Wenn  zu  diesem  Zwecke  drei  bestellt  sind, 
so  heisst  jeder  triumvir  epulo,  Liv.  40,  42,  7,  wie  alle  zusammen: 
tres  viri  oder  triumviri  epulones,  Liv.  33,  42,  1,  wie  man  auch 
sagt  septemvir  epido  und  septem  viri  epidones.  Doch  ist  auch  der 
Genit.  zulässig:  Septemvir  epidoyium,  vgl.  Plin.  epp.  2,  11,  12. 
Als  Eigenname  erscheint  Epulo  vielleicht  bei  Ennius,  vgl.  Luc.  Müller 
Q.  Ennius  S.  179;  doch  siehe  Yahlen  zu  ann.  421. 

Equester,  ritterlich.  Neben  dieser  männlichen  Form  hat  Livius 
zuerst  auch  equestris,  was  Sp.  L.,  z.  B.  bei  Ammian  und  Tertull. 
sich  wiederfindet.  Die  Früheren  brauchen  nur  jene  Form  und  sagen 
nur  ordo  equester,  nicht  equestris.  Vgl.  Liv.  27,  1,  11,  Kühnast 
S.  34. 

Equidem  ist  aus  quidem  und  dem  Praefix  e  entstanden.  Diese 
.„empfindlichste  und  individuellste  aller  Partikeln''''  ist  Gegenstand 
einer  eingehenden  Untersuchung  geworden  in  Jordans  krit.  Beiträgen 
S.  314  ff.  Jordan  hat  mit  Berücksichtigung  der  bisher  über  equidem 
vorgetragenen  Ansichten  (Bentley,  Hand,  Ribbeck,  Heusinger, 
Zumpt,  Madvig,  Bake  u.  a.)  die  einzelnen  Schriftsteller  noch  einmal 
durchgangen  und  für  den  ciceronischen  Gebrauch  zunächst  die 
Heusingersche  Regel  bestätigt,  dass  Cicero  equidem  ausschliesslich 
mit  der  ersten  Person  verbunden  hat;  ausserdem  hat  er  festgestellt, 
dass  das  eigentliche  Gebiet  des  Wortes  das  Gespräch  ist,  dass 
Cicero  die  Partikel  in  der  strengen  wissenschaftlichen  Darstellung 
vermieden,  dass  er  sie  am  häufigsten  in  den  Briefen  ad  Atticum  ver- 
wendet, dass  somit  da,  wo  Ciceros  Eigentümlichkeit  am  reinsten 
zum  Ausdruck  kommt,  equidem  sich  am  häufigsten  findet.  Caesar 
und  Sallust  brauchen  equidem  nur  in  Reden,  ebenso  rhet.  Her. 
Sallust  weicht  von  seinen  Zeitgenossen   darin    ab,    dass  er  equidem 


Eradicare  —     510     —  Ergo 

zuerst  noch  in  der  älteren  "Weise,  d.  h.  ohne  Beziehung  auf  die 
erste  Person,  verwendet;  später  in  den  hist.  ist  dies  freilich  anders. 
Näheres  sehe  man  in  dem  höchst  interessanten  Aufsatze  selbst  ein; 
vgl.  ferner  Kunze  Sali.  III,  1  S.  48,  Schmalz  PoUio^  S.  45,  Burg 
S.  56. 

Eradicare,  enhüurzelny  ist  fast  nur  A.  L.  und  kommt  in  der 
Form  exradicare  einmal  bei  Yarro  rust.  1,  27,  2  vor,  für  radicitus 
evellere,  dann  nur  noch  trop.  Sp.  L.  im  biblischen  Latein,  z.  B.  Sap. 
4,  4,  vgl.  Thielmann  Arch.  YIII  S.  243,  auch  bei  Cyprian  486,  23 
H.  u.  bei  Lampr.  Alex.  Sev.  6,  4  di  illum  eradicaruyit,  di  te  ser- 
varunt.  Das  Subst.  eradkatio  ist  vorzugsweise  der  Yulg.  (an  zwei 
Stellen)  und  den  Eccl.  eigen,  vgl.  Gölzer  Hieron.  S.  69,  eradicator 
hat  Augustin,  vgl.  Regnier  S.  163. 

Eremita,  der  Bewoliner  einer  Wüste,  und  eremus,  a,  um  = 
wüst,  öde,  daher  subst.  =  die  Wüste,  sind  zwar  *S^.  L.,  aber  all- 
gemein angenommene  Bezeichnungen  für  Menschen  und  Gegenden, 
in  welche  sich  Christen  zur  Zeit  der  Yerfolgung  oder  aus  sittlich 
religiösen  Gründen  zurückzogen.  Für  solche  Einsiedler  und  Ein- 
siedeleien können  daher  die  genannten  Ausdrücke  als  klass.  gelten. 
Ygl.  Rönsch  Ital.  S.  242,  Gölzer  Hieron.  S.  209,  Regnier  S.  176. 
Im  allgemeinen  Sinne  aber,  d.  h.  wenn  nicht  dieses  spezifische  Mo- 
tiv ins  Spiel  kommt,  gebrauche  man  nur  liomo  solitariiis  von  jedem, 
der  einsam  für  sich  lebt. 

Errja,  gegen,  kommt  bei  Cic,  Caes.,  Sali,  nur  in  luohlwollendem, 
nicht  in  feindlichem  Sinne  vor;  in  letzterem  setzt  man  contra,  in 
oder  adver sus.  Ygl.  meine  Syntax^  §  122;  für  Plaut,  und  Ter., 
wo  die  Bedeutungen  noch  nicht  geschieden  sind,  vgl.  Langen  Bei- 
träge S.  156. 

Ergo  ist  =  e  rego  ,^aas  der  Richtung'-^,  also  kein  Gräzismus 
=  ipX(^,  wie  Hand  Turs.  2,  441  und  Kühnast  S.  84  lehren.  Es 
findet  sich  schon  in  den  XII  tabb.,  scheint  namentlich  in  Beschlüssen 
über  Auszeichnungen  und  Belohnungen  üblich  gewesen  zu  sein, 
z.  B.  Sisenna  fr.  120  Pet.  virtiitis  ergo  civitate  donati  und  kommt 
bei  Caes.  gar  nicht,  bei  Cic.  nur  in  Formeln  vor  (z.  B.  opt.  gen. 
die.  19,  Att.  3,  23,  2).  Näheres  hierüber  siehe  bei  Wölfflin  Arch.  I  S. 
175,  Ebrard  S.  598,  Friedersdorff  zu  Liv.  28,  39,  15  im  Anhang. 

Ergo,  dalier.  Diese  Partikel  wird  in  klass.  Sprache  selten  an 
den  Anfang  des  Satzes  gestellt;  Liv.  hat  in  den  ersten  Dekaden 
dem  Sprachgebrauche  der  Dichter  folgend  diese  Stellung  begünstigt, 
kam  aber  immer  mehr  auf  den  klass.  Brauch  zurück;  vgl.  Noväk 
Prag  1894  S.  238,  Stacey  Archiv  X  S.  70.  Bei  Cic.  steht  ergo 
nur  in  der  argumentatio  e  contrario  gewöhnlich  an  erster  Stelle, 
vgl.  Seyfi'ert  Schol.  lat.  I  S.  130.  —  Die  Yerbindung  ergo  igitur 
gehört  dem  A.  L.  und  dem  Sp.  L.,  hier  besonders  dem  Apuleius 
an.  Mit  Unrecht  hat  man  auch  bei  Cicero  diese  Abundanz  des 
Ausdrucks  angenommen;  ergo  idcirco  bei  Cic.  S.  Rose.  112  gehört 
nicht  zusammen,  wie  Landgraf  S.  335  gegen  Koziol  Apul.  145  und 


Erigere  —     511     —  Eripere 

Kretschmann  Apul.  S.  102  mit  Recht  erinnert,  vielmehr  zieht  dort 
ergo  aus  dem  Vorhergehenden  den  Schluss  und  idcirco  korrespondiert 
mit  dem  folgenden  quod.  Dagegen  bei  Liv.  1,  25,  2  ist  eine  Fülle 
des  Ausdrucks  anzunehmen.  Näheres  über  ergo  igitur,  itaque  ergo 
u.  ä.  findet  man  bei  Holtze  II  S.  365,  Preuss  S.  67,  Wölffiin  Cass. 
Fei.  S.  427.  Stürenburg  (zu  Cic.  Arch.  6,  13,  lat.  Ausg.)  verwirft 
als  B.  ergo  etiam  in  der  Bedeutung  des  schlussfolgernden  folglich 
auch,  was  durch  atqiie  adeo  ausgedrückt  werden  müsse.  Aber  ergo 
etiam  findet  sich  nicht  selten  bei  Cicero,  z.  B.  nat.  deor.  3,  43  ergo 
etiam  Orcus;  ib.  47,  ergo  etiam  Spes;  ib.  51  quodsi  Luna  dea  est, 
ergo  etiam  Lucifer  u.  a.  m.  —  Verschieden  davon  ist  jenes  atque 
adeo,  welches  in  den  angeführten  Stellen  falsch  gewesen  wäre. 
Folglich  auch  nocli  heisst  ergo  adeo,  z.  B.  Cic.  (leg.  2,  23):  ergo 
adeo  exspectate  leges. 

Erigere  heisst  in  eigentlicher  und  trop.  Bedeutung  aufrichten,  er- 
heben,  in  die  Höhe  heben,  z.  B.  erigere  os  bei  Tac.  bist.  3,  85;  vgl.  auch 
s.  V.  Elevare.  Im  übertragenen  Sinne  bedeutet  erigere  aciem  in  collem, 
Tac.  bist.  4,  71,  die  Linie  den  Hügel  hinaufrücken  lassen.  Und  so  heisst 
denn  auch  cmimum  oder  bei  einer  Mehrzahl  animos,  den  (gesunkenen) 
Mut  ivieder  aufrichten,  luieder  Mut  fassen.,  Cic.  Att.  1,  16,  9  und  eri- 
gere spem  oder  S2)es,  Tac.  bist.  4,  71  und  erigere  ex  tarn  gravi  casii 
rem  publicam,  Liv.  6,  2,  1  und  ebenso  se  erigere :  Marcelli  ad  No- 
lam  proelio  popidus  se  Romanus  crexit,  Cic.  Brut.  12  u.  Deiot.  38, 
iniusta  Servitute  oppressi  ad  spem  se  libertatis  erigebant,  lust.  11, 
1,  2  und  i?i  spem  legis  se  erexerant,  Liv.  3,  1,  2.  Für  se  erigere 
kann  natürlich  auch  das  mediale  erigi,  z.  B.  in  oder  ad  spem  ge- 
wählt werden;  vgl.  erigi  in  oder  ad  spem,  Tac.  bist.  2,  74,  extr., 
ann.  2,  71  u.  lust.  6,  4,  4.  So  wird  erectus  auch  als  Adj.  ge- 
nommen, und  zwar  entweder  =  gespannt  u.  s.  w. :  erecta  quae  ad- 
stabat  midtitudine,  Tac.  bist.  4,  81  =  eriuaiiiüigsvoll  oder  =  im- 
gebeugt :  alacri  animo  et  erecto  =  freudigen  und  ungebeugteil  Mutes, 
Cic.  Cato  75,  wie  erectis  animis  bei  Tac.  ann.  3,  7  auch  von  dem 
Aufrichten.^  der  Erlielnmg  zu  einem  energischen  Willen  und  Vorsatze 
gesagt  ist.  S.'  dort  Nipp.  Die  erecta  in  Othonem  studia  bei  Tac. 
bist.  2,  11  sind  ebenso  die  lebhaften  Sympathien  für  OtJio.  Nirgends 
aber  kommt  vor  erigere  collegium,  academiam;  gymnasium  erigere 
ist  N.  u.  B.  L.  für  instituere.  Ebenso  wenig  sagt  man  foedus, 
amicitiam  —  cum  aliquo  erigere,  sondern  facere,  lungere. 

Erinys  ist  nur  P.  L.  für  Furia. 

Eripere.  Einem  etwas  nehmen,  entreissen  heisst  auch  lat.  mit 
dem  Deutschen  wörtlich  übereinstimmend  eripere  alicui  aliquid,  z.  B. 
eripere  alicui  pudicitiam,  Quintil.  5,  11,  15,  aurum  cdicui  eripere, 
Gurt.  3,  10,  10,  lucem  rebus,  Cic.  nat.  deor.  1,  6,  ve^^eor,  ne  nobis  eripi- 
atiir  regia  causa,  Cic.  fam.  1,  5,  3  u.  s.  w.,  oft  noch  mit  dem  Bei- 
satze aliquid  alicui  oder  aUcuius  e  oder  de  manibus  eripere:  mihi 
praeda  de  manibus  eripitur,  Cic.  Yerr.  1,  142  u.  Cat.  2,  2  u.  ex 
ma7iibus  alicuius  eripere,  Cass.   bei   Cic.  fam.   12,   13,  1    und  Yerr, 


Erogare  —     512     —  Errare 

1,  9;  eripere  manibus  ohne  ex  oder  de  scheint  unlat.  zu  sein;  vgl. 
Fabri  zu  Sali.  Jug.  24,  10.  Selten,  aber  echt  lat.  ist  auch  die 
Fügung  eripere  aliqiiid  alicums,  s.  Tischer  zu  Cic.  Tusc.  3,  54; 
wir  treffen  sie  noch  bei  Arnob.  44,  17  R  eripere  matronarimi  pii- 
dorem.  Merkwürdig  und  vom  Deutschen  abweichend  ist  es,  dass 
erijjere  alicui  aliqind  auch  in  bonam  partem  gebraucht  wird  =  de- 
mere  cdicui  aliqitid  =  einem  etivas  cd)nehmen,  einen  von  etwas  be- 
freiet! :  erip)e  mild  hiinc  dolorem,  Cic.  Att.  9,  6,  5  und  erij)e  mihi 
hiinc  errorem,  ib.  10,  4,  6  u.  lust.  6,  3,  12.  Wie  man  ferner 
auferre  aliqiiid  alicui  und  ah  aliqtio  sagt,  so  auch  eripere  aliquid 
ab  aliquo  statt  alicui.  Dies  findet  sich  schon  bei  Terenz  Eun.  752 
u.  Ad.  328  und  kommt  nachher  auch  klass.  vor:  ereptis  ab  eo  du- 
abus  legionibiis,  Caes.  civ.  1,  2,  3  und:  a  Tissensibns  nonne  plus 
lucri  nomine  eripitur  quam  .  .  .,  Yerr.  3,  86  und  so  noch  öfters  in  Cic. 
Reden,  vgl.  Hellmuth  act.  Erl.  I  S.  145.  —  Eripere  alicpLiem,  se,  aliqiiid 
ist  =  einen,  sich,  ehvas  herausreissen,  retten,  und  zwar  Mass,  gewöhn- 
lich eripere  ex  aliqiia  re,  z.  B.:  istum  foriuna  ex  illo  periculo  eripuit, 
Cic.  Yerr.  1,  71;  ex  vinculis  alicpiem  eripere,  Curt.  4,  14,  22,  ex 
severitate  alicuius  aliquem  eripere,  Cic.  Yerr.  3,  83  und  ex  suffragiis 
populi  Bomani  eripere,  ib.  1,  14;  ex  pugna  se  eripere,  se  eripere 
ex  infamia,  Cic.  Mur.  34,  Cic.  Yerr.  3,  140;  ex  complexu  alicuius 
=  sich  losreissen,  Cic.  Sest.  53;  selten  ist  die  Yerbindung  mit  a: 
se  eripere  a  miseria,  Cic.  fam.  9,  13,  1,  ebenso  selten  der  blosse 
Ablat.:  is  se  tum  erijniit  flamma  =  luie  einen  Feuerbrand  aus  der 
Glut,  Cic.  Brut.  90  und:  cqui  eripuit  fratrem  carcere,  Sen.  Polyb. 
14,  4.  Dafür  wählt  die  nachJdass.  Latinität  gern  den  Dat.  eripere 
aliquem  alicui  rei,  z.  B. :  eripe  me  huic  tormento,  Plin.  epp.  6,  1, 
2  und  ebenso  ib.  1,  16,  8;  se  eripere  fortunae,  Sen.  epp.  70,  13;  se 
eripere  servituti,  ib.  80,  4;  7^ebus  humanis  calamitatibus  se  eripere, 
ib.  de  prov.  2,  10  u.  epp.  92,  13;  se  hosti  fuga  eripere,  Curt.  5,  13, 
15  und  praesenti  periculo  ereptus,  ib.  9,  7,  7.  Scelestos  poenis  eri- 
pere, Quintil.  2,  16,  2. 

Erogare,  etwas  für  oder  auf  jemanden  etivas  verwenden,  gehen., 
wird  verbunden  aliquid  in  aliquem,  cdiquam  rem.,  nicht  alicui  rei, 
z.  B.  für,  auf  Spiele,  in  ludos,  nicht  ludis.  In  Tiridatem  .  .  .  ero- 
gavit,  Suet.  Ner.  30.  Das  Woher?  wird  immer  mit  ex  c.  abl.  ge- 
geben, z.  B.  Cic.  Yat.  29  erogaris  ex  aerario. 

Errare,  irren  oder  sich  irren  (denn  se  errare  ist  ganz  falsch) 
in  etwas,  wird  entweder  verbunden  cdiqua  re  oder  hi  aliqua  re;  nur 
bei  neutralen  Pronominen  mit  dem  Accus,  hoc,  id,  illud,  quid.  Er- 
rare errorem,  einen  Irrtum  begehen,  welches  weder  Landgraf  act. 
Erl.  II,  noch  Georges  zitieren  und  das  Forcellini  vergeblich  gesucht 
zu  haben  bekennt,  steht  bei  Gellius  10,  16,  1  Lemma  quos  errores 
lulius  Hyginus  in  sexto  Vergilii  animadverterit,  in  Romana  historia 
erratos ;  vgl.  Gorges  Gell.  S.  66.  Über  toto  caelo  errare  vgl.  Cae- 
lum.  Bemerkenswert  ist  noch  procid  errare,  sich  irren,  wofür  man 
Kl.  vehementer  errare  sagt,  bei  Sali.  Jug.  85,  38  und  tota  via  erras 


Erro  —     513     —  Error 

bei  Ter.  Eun.  245.  —  A.  L.  ist  si  quid  erro,  iveiin  ich  (micli)  in 
etwas  irre,  für  si  quid  nie  fallit  (Cic.  fam.  3,  5,  4).  Nirgends -findet 
sich  yiisi  erro,  ivenn  (luofern)  ich  nicht  irre,  für  nisi  me  fallo  (Cic. 
Phil.  12,  21),  impersonal  nisi  me  fallit  (Cic.  Att.  14,  12,  2,  fam. 
12,  5,  2,  Sest.  106),  nisi  fallor  (Cic.  Att.  4,  17,  1;  16,  6,  2,  Sen. 
ep.  14,  3,  Lact.  2,  19,  1)  und  nisi  (me)  omnia  fallimt,  ivenn  ich 
nicht  in  allem  irre  (Cic.  Att.  8,  7,  1).  —  P.  L.,   z.  B.  Ovid.  fast. 

4,  623,  u.  Sih  L.  bei  Aug.  serm.  345,  5  u.  c.  acad.  2,  24  u.  sonst, 
Ambros.  epp.  80,  4  extr.,  Macrob.  sat.  1,  15,  2  u.  2,  1,  18  und 
sonst,  Mart.  Cap.  3,  326  (Eyss.)  u.  ib.  6,  576  ist  yii  fallor. 

Erro  als  Subst.  u.  Adj.,  herumirrend,  -ziehend,  -streifend,  war 
ein  vulgäres  Wort,  mit  dem  sich  ursprünglich  wohl  Sklaven  aus- 
schimpfen mochten.  Es  findet  sich  bei  Hör.  sat.  2,  7,  113  im 
Sinne  unseres  ^^ Stromer'-^ ,  dann  N.  Kl.  bei  Plin.  ep.  2,  10,  3; 
nirgends  aber  kommt  es  in  Kl.  Zeit  vor;  jedoch  berichtet  Gell.  3, 
10,  2  u.  14,  1,  11,  dass  Nigidius  Figulus  die  Planeten  errones 
nannte.  Ygl.  Landgraf  Bayr.  Gymn.  XYI,  S.  319  und  besonders 
Fisch  S.  8  ff. 

Erronens  ist  in  der  Bedeutung  irrig  N.  L.,  z.  B.  eine  irrige 
Meinimg,  Vorstellung,  nicht  erronea  opinio,  sondern  opinionis  e^Tor 
(Cic.  off.  1,  26)  oder  quae  est  magno  in  errore  sententia  nach  Cic. 
nat.  deor.  1,  37.  Ferner  heisst  irrig  ijlenus  erroris,  oder  es  kann  durch 
andere  Phrasen  mit  error  gegeben  werden,  z.  B.  Cic.  Tusc.  3,  4 
cursus  errore  fallimtur,  durch  i7TtümlicJie  Richtung ;  vgl.  Nägelsb.- 
Müller^  S.  282  u.  303.  —  Irrig  sein  heisst  oft  in  errore  esse,  versari, 
sogar  bildlich  von  Meinungen.  —  Erroneus  in  der  Bedeutung  hernm- 
schweifend  kommt  bei  Columella  (7,  12,  5),  bei  Sen.  ben.  6,  11, 
2,  wo  aber  Gertz  erro  liest,  vgl.  Georges  Jahresbericht  1884  S.  85, 
liieron.  wiederholt,  Cassiodor,  Lucifer  und  bei  Apul.  vor;  vgl.  Gölzer 
Hieron.  S.  150. 

Error  ist  in  der  Bedeutung  das  Umherirren  P.  L. ;  an  dich- 
terische Diktion  erinnern  die  beiden  Stellen  bei  Cic.  rep.  2,  7  und 
Yerr.  4,  108,  wo  error  diese  Bedeutung  hat,   vgl.  Köhler   act.  Erl.  I 

5.  394.  Error  =  Irrtum  ist  von  erratum,  Vitium,  peccatum  wohl 
zu  unterscheiden.  Error  ist  subjektiv  und  bezeichnet  den  Irrtum 
als  Handlimg,  Tätigkeit,  geistigen  Zustand,  daher  oft  =  Missver- 
ständnis, Versehen,  Mangelhaftigkeit  oder  unrichtige  Auffassmig  des 
denkenden  oder  fühlenden  Elementes.  Erratum,  peccatum,  Vitium 
hingegen  ist  die  aus  dem  error  hervorgegangene  einzelne,  konkrete 
äussere  Handlung.  Pliernach  richten  sich  also  die  Sphären  des  Ge- 
brauches, der  das  einemal  nur  error,  das  anderemal  erratum  u.  s.  w. 
zulässt,  wie  Geistesstörung  nur  error  mentis,  einen  zum  Irrtum  ver- 
leiten nur  hl  errorem  inducere,  einen  aus  Missverständnis  zum  König 
ausrufen  nur  per  errorem  aliquem  regem  reyiimtiare,  einen  irre  führen 
errorem  cdicui  facere  gesagt  wird.  Sage  ich  umgekehrt :  das  ist  ein 
Versehen  (==  hTige  Handlung,  nicht  irrige  Ansicht)  voji  mir,  so  ist 
das   =  hoc  erratum   est  meum  nach   Cic.   Att.  13,   44,  3.     Cuius 

K  rebs- Sch  ina  Iz,   Antibarbaras  i.  33 


Erubescere  —     514     —  Erubescere 

errato  nulla  venia,  rede  facto  exigua  laus  est,  leg.  agr.  2,  5,  Cic.  fil. 
fam.  16,  21,  2,  nat.  deor.  2,  11,  Att.  7,  3,  10,  Tusc.  3,  47.  Doch 
ist  error  =  erratum  und  seinen  Synonymen  bisweilen  auch  vom 
faktischen  Felder  und  21issgriff  gebraucht,  und  zwar  sowohl  im  all- 
gemeinen als  insbesondere  von  Sprachfehlern  und  morahschen  Yer- 
irrungen.  Demgemäss  würde  man  auch  über  errores  typographici 
nicht  geradezu  den  Stab  brechen  dürfen.  Nach  error e  duci,  hren, 
im  Irr  turne  befangen  sein,  wie  überhaupt  nach  error  und  den  mit 
ihm  gebildeten  Phrasen  folgt  der  Inhaltssatz  nicht  unmittelbar  im 
Acc.  c.  inf.,  sondern  es  ist  in  Kl.  Sprache  ein  Bindeglied  erforder- 
lich, z.  B.  Cic.  off.  1,  148  nee  quemquam  hoc  errore  duci  oportet,  ut 
idem  sibi  arhitretur  Heere,  nienuind  soll  sich  vom  Wahne  leiten 
lassen,  ebendasselbe  sei  ihm  e^iaubt. 

Erubescere,  über  etivas  erröten,  sich  einer  Sache  schämen,  wird 
nur  von  Hieron.  mit  dem  Gen.  konstruiert,  z.  B.  ep.  22,  7  non  eru- 
besco  infelicitatis  meae,  einer  offenbaren  Analogie  von  pudet  me; 
mit  dem  Dat.  findet  es  sich  öfter  bei  Eccl.,  mit  dem  Dativ  der 
Person  in  der  Bedeutung  ,^vor  jemand  erröten'"''  bei  Tert.,  vgl. 
Hoppe  Synt.  Tert.  S.  14,  mit  dem  Abi.  bei  Ovid,  Livius  und 
Tac. ;  mit  in  c.  abl.  ist  es  Kl.,  vgl.  Cic.  leg.  1,  41  o  rem  dignam, 
in  cßia  non  modo  docti,  sed  etiam  agrestes  erubescant,  doch  sagt 
auch  noch  Hieron.  in  ler.  2,  6,  15  numquid  erubuerunt  in  scelerilms 
suis?  Mit  de  c.  abl.  ist  es  Sp.  L.,  z.  B.  bei  Tert.  Der  Acc.  bei 
erubescere  findet  sich  bei  Dichtern,  z.  B.  Yerg.  Aen.  2,  542  iura 
fidemque  erubuit,  in  Prosa  bei  Pseudo-Cic.  in  Sali.  5,  15,  dann  Sp. 
L.  bei  den  christlichen  Schriftstellern,  bei  welchen  erubesco  Lieb- 
hngswort  ist.  Das  Gerundiv  eruhescendus  gehört  den  aug.  Dichtern 
und  den  Prosaikern  der  silb.  Latinität,  z.  B.  Yal.  Max.,  Yell.,  Sen., 
auch  Flor.,  dann  den  Eccl.  an.  Näheres  sehe  man  bei  Neue- 
Wagener^  III  S.  10  und  in  Wölfflins  Arch.  I  S.  508  ff.,  wo  Sittl 
auf  Grund  des  Zettelmaterials  zum  Thes.  lat.  eine  erschöpfende 
Behandlung  der  Rection  von  erubesco  gibt.  —  Erubescere  wird  sowohl 
in  positiven  als  in  negativen  Sätzen  auch  mit  dem  Infin.  verbunden, 
und  zwar  nicht  bloss  von  Curtius,  welcher  es  nach  Yogel  zu  6,  5, 
5  eilfmal  hat,  sondern  auch  von  Sen.  controv.  1,  8,  3:  erubescit  res 
publica  tam  cicatricoso  milite  uti  und  ebenso  bei  Quintil.  1,  10,  13: 
Socrates  iam  senior  institui  lyra  non  erubescebat,  bei  Plin.  epp.  9, 
27,  2:  quae  audire  erubescunt,  bei  Tac.  ann.  6,  23  und  anderen 
Autoren  des  silb.  Latein,  vgl.  Georges  Jahresber.  1880  S.  428, 
Menna  S.  50.  Zuerst  wohl  in  Prosa  hat  Liv.  erubesco  so  konstruiert, 
vgl.  Noli  erubescere  .  .  .  collegam  habere,  10,  8,  5  und:  Paulum, 
cui  ipsi  quociue  se  comparare  erubuissent,  obtrectatio  carpsit,  45,  35, 
5.  Bei  Cic,  Caes.,  Nep.,  Sali,  wird  man  diese  Konstruktion  vergeb- 
lich suchen;  vgl.  Yahlen  zu  Cic.  leg.  1,  50  gegen  Heydenreich  Act. 
Lips.  II  S.  486.  —  Nur  Sp.  L.  und  ein  offenbarer  Gräzismus  ist 
erubescere  mit  Partie,  z.  B.  Tert.  Marc.  4,  21  homo  non  ertibuerat 
lapidem  adorans,  vgl.  Hoppe  Synt.  Tert.  S.  58. 


IErudire  —     515     —  Erumpere 

Erudire,  verbunden  mit  dem  blossen  Abi.,  aliqiia  re,  beisst 
einen  durch  etiuas  bilden,  aushilden,  z.  B.  artihiis,  discqMnis,  litter is 
(graecis,  latinis),  institutis,  praecejjtis  u.  a.,  aber  verbunden  mit  in 
aliqua  re,  in  etiuas y  in  einer  einzelnen  Kunst  oder  Wissenschaft  unter- 
richten, darin  belehren,  z.  B.  in  iure  civili,  in  re  militari,  in  arte 
medica  u.  a. ;  de  aliqua  re,  über  etiuas  belehren,  in  Kenntnis  setzen, 
ist  nur  durch  Cic.  fam.  2,  12,  1  belegt.  Die  Konstruktion  erudiri 
aliquid  lesen  wir  bei  Sulp.  Sev.  Ep.  1,  7  H. 

Eruditio  in  der  objektiven  Bedeutung  der  Unterricht,  die  Unter- 
lueisung  in  etiuas,  ist  zwar  Kl.,  aber  selten  (z.  B.  Cic.  Q.  fr.  3, 
1,  14  und  Quintil.  2,  3,  10);  gewöhnlicher  steht  dafür  disciplina, 
institutio,  doctrina. 

Eruditus,  gebildet,  entgegengesetzt  dem  rudis  oder  rusticus,  ist, 
wie  doctus,  ein  natürliches  Beiwort  von  Personen,  wird  aber  bildlich 
auch  Sachen  beigelegt,  wenn  sie  mit  Personen  verbunden  oder  auf 
Personen  bezüglich  gedacht  werden  und  von  ihnen  und  durch  sie 
gleichsam  Bildung  und  Feinheit  erhalten  haben.  Wir  sprechen  von 
einem  musikalischen,  feineyi  Gehöre,  der  Lateiner  von  aures  eruditae 
Cic.  orat.  119;  Zeiten  und  Jahrhunderte,  in  welchen  Kultur  und 
Bildung  unter  den  Menschen  herrschte,  werden  saecula,  tempora 
erudita  genannt,  und  so  heisst  Fidle  griechischer  Gelehrsamkeit  eru- 
dita  Graecorum  copia  (Cic.  leg.  1,  7).     Ygl.  oben  Doctus. 

Entere,  hervo7^holen,  kommt  zwar  bildlich  mit  argumenta,  veri- 
tatem,  causam  rerum  u.  dergl.  verbunden  vor,  aber  eruere  sensum 
alicuius  loci  ist  unerweislich  und  daher  zu  vermeiden,  dafür  locum 
explicare,  enodare,  declarare  u.  a. 

Erumpere.  Man  sagt  zwar  Kl.  vox,  risus,  furor,  sermo  alicuius 
u.  a.  erumpit,  und  mit  Beziehung  auf  die  Person  oder  Sache  (Cic. 
Mur.  81  u.  Catil.  1,  31)  in  aliquem,  gegen  jemanden,  gegen,  wider 
etiuas;  aber  erumpo  ad  oder  in  cdiquid,  z.  B.  in  vocem,  in  risum, 
in  furoi^em,  in  stomachum,  ist  Sprachgebrauch  der  nachklass.  und 
späten  Latinität,  s.  Quintil.  8,  3,  4  u.  11,  3,  51,  Tac.  ann.  11,  35, 
Suet.  Tib.  61,  Calig.  6,  lust.  10,  2,  5.  Richtiger  wird  man  dafür 
sagen  edere,  mittere,  emittere  vocem,  verba,  edere  oder  tollere  risum, 
cachinnum,  cachinnare  (nicht  cachimiari).  —  Se  erumpere  foras, 
ad  bellum  ist  im  ganzen  selten;  die  Stellen  hat  Burg  S.  53;  vgl. 
auch  Kraner  zu  Caes.  civ.  2,  14,  1,  ferner  Mensel  s.  v.,  wonach 
nur  die  deteriores  erumpunt  lesen,  dann  auch  Holder,  der  se  in 
Klammern  setzt.  —  Transitives  erumpere  mit  Objekten  wie  iram,  gau- 
dium,  stomachum  und  zwar  in  aliquem  oder  in  aliquid,  findet  sich 
Cic.  Att.  16,  3,  1,  vielleicht  auch  Caes.  civ.  3,  8,  3,  Liv.  36,  7,  13; 
vgl.  auch  Neue-Wagener^  III  S.  124.  —  Zweifelhaft  ist:  bellum 
erumpit,  der  Krieg  bricht  aus,  für  bellum  exoritur,  exardescit  oder 
belli  flamma  exardescit.  Und  so  setzt  man  exardescere  auch  bei 
ira,  odium  u.  a.  Aber  seditio  erupit  hat  Liv.  28,  24,  12,  Tac. 
bist.  1,  26.  S.  auch  Seyffert  Prog.  S.  88.  Stürme  brechen  aus 
heisst    bei    Hirtius    in    Caes.    Gall.    8,    5,  2    tempestates    erumpunt, 


Escendere  —     516     —  Escendere 

während  Caesar  selbst  dafür  cooriuntur  temp.  gebraucht,  civ.  1, 
48,  1.  Ebenso  unbedenklich  kann  man  sagen  lacrimae  erumjmnt, 
Tranen  brechen  hervor,  für  oboriuntur.  So  Quintil.  11,  3,  75: 
Lacrimae  aiit  erunqmnt  dolore  aut  laetitia  manant.  Hier  steht 
erumpere  in  einer  so  schönen  und  passenden  Parallele,  dass  es 
sicherlich  niemand  mit  ohoriri  wird  vertauschen  wollen.  Ähnlich 
verhält  es  sich  mit  Plin.  epp.  3,  16,  5:  Deinde  cum  diu  cohihitae 
lacrimae  vincerent  prorumperentciue. 

Escendere.  Dieses  Yerbum  ist  in  den  Handschriften  oft  mit 
ascendere  verwechselt  und  letzteres  gesetzt  worden,  wo  das  erstere 
diplomatisch  gut  beglaubigt  war.  Ygl.  M.  Müller  in  Fleckeisen  Jahrb. 
1869  S.  350,  C.  F.  W.  Müller  zu  Cic.  Verr.  S.  385,  5,  Fabri  zu 
Sali.  Jug.  93,  4;  Bayr.  Gymn.  1882,  S.  278.  Sodann  aber  ist  zu 
beachten,  dass  ascendere  und  escendere  nicht  schlechthin  kongruente 
Begriffe  sind,  sondern  dass  bei  escendere  an  eine  bedeutendere 
Höhe  und  die  Mühe  des  Ersteigens  gedacht  wird  —  sursum 
niti  scandendo  — ;  bei  ascendere  hingegen  dieser  Nebenbegriff  hin- 
wegfällt. Dies  wird  wohl  am  besten  durch  die  Übersetzung  aus- 
gedrückt, welche  mir  C.  F.  W.  Müller  brieflich  vorgeschlagen  hat: 
ascendere  =  steigen  —  auf,  escendere  =  emijor steigen,  erklimmen. 
Es  ist  daher  natürlich,  dass  bei  Substantiven,  wie  navem,  classem, 
triremem  u.  dergl.,  regelmässig  ascendere  mit  in  oder  dem  blossen 
Acc.  verbunden  wird.  Selbst  da,  wo  der  eine  Schriftsteller  dem 
Begriffe  des  mühevollen  Ersteigens  seinen  eigentlichen  Ausdruck 
gab,  hat  der  andere  sich  mit  ascendere  begnügt.  Während  wir 
daher  escendere  equiim  bei  Sali.  Jug.  97,  5,  vgl.  dazu  Wirz,  bei 
Liv.  23,  14,  2  und  escendere  in  equum  bei  Livius  30,  18,  5,  bei 
Tacitus  escendere  suggestum  finden,  hat  Caesar  unseres  Wissens 
selbst  bei  mar  um,  montem,  iiigum  montis  u.  dgl.  immer  ascendere 
gebraucht.  Was  Cicero  betrifft,  so  ist  seine  Ausdrucksweise 
in  diesem  Falle  mit  Caesar  im  ganzen  übereinstimmend  und  selbst, 
wo  bei  ihm  escendere  in  c.  acc.  vorkommt,  wie  in  rostra  escendere, 
off.  3,  80,  in  rotam  escendere,  Tusc.  5,  24,  in  caelum  escendere, 
Tusc.  1,  71,  in  contionem  escendere,  p.  red.  in  sen.  12,  steht 
dabei  die  Variante  ascendere,  welches  Verbum  von  ihm  sowohl  bei 
solchen  Wörtern  als  bei  den  Begriffen  eigentlicher  Höhen  in  der 
Regel  mit  in  c.  acc.  verbunden  ist.  IS^iemals  aber  hat  Cicero  unseres 
Wissens  escendere  trop.  verwendet.  Bei  Livius  ist  nichts  gewöhn- 
licher als  Ausdrücke  wie  in  contionem,  in  trihanal,  in  rostra  escen- 
dere. S.  Liv.  2,  7,  7;  2,  28,  6;  5,  50,  8;  8,  33,  9;  23,  23,  1; 
28,  26,  13;  30,  15,  11;  34,  56,  3  u.  39,  15,  1,  Tac.  ann.  13,  5 
und  15,  59.  Ist  endlich  von  hohen  Mauern  einer  (belagerten  und 
verteidigten)  Stadt  die  Rede,  s.  Liv.  28,  19,  6  u.  26,  48,  5  u.  ibid. 
§13,  redet  Sallust  von  dem  Erklimmen  eines  steilen  Berges,  Jug. 
94,  2,  erhält  nach  Liv.  30,  25,  1 1  ein  Mann  den  Befehl,  die  Spitze 
des  Mastes  (unsern  Mastkorh)  zu  erklettern,  so  wird  in  allen  diesen 
Fällen  escendere  mit  Recht  gebraucht.     Für  Yarro,  der  allein  escendere 


Esquilius  —     517     —  Esse 

=  siipra  certum  modum  ascendere  gebraucht,  vgl.  Keil  zu  r.  r.  S.  295. 

—  Das  Subst.  escensio  steht  nicht  bei  Cic.  u.  Caesar,  aber  öfter  bei 
Livius,  wo  escensionem  facere  besonders  beliebt  ist.  Escensus  hat 
bei  Tac.  ann.  13,  39  Nipperdey  für  ascensiis  hergestellt. 

Esquilius,  Esquilisch,  ist  P.  Form  für  Esquilimis;  über  die 
mir  sehr  wahrscheinliche  Herleitung  des  Wortes  Esquiliae  von  aes- 
culus vgl.  Keller  Etym.  S.  49. 

Esse.     Inhalt:    Esse  =  haben,   angehören,   —   est   mit   Infin., 

—  est  meum,    stitlti,    —   hoc   laudi  est  mit  näheren  Bestimmungen, 

—  ,^vo7i  guten  Eltern  sein'-^,  —  in  eo  esse,  ut .  .  .,  res  in  eo,  iwope 
est,    ut,    —    esse   ausgelassen,   —   esse  =  ,^vergehen'-' ,   —   esse  mit 
Adverb.,    —    ,^es   sei,  ivie  es  tuolle^^,   —    esse  cum,  —  longum  est. 
Ist    esse   =    haben,    so    steht    der   Besitzer    des    Gegenstandes    im 
Dativ,    wenn    das,    was    man    besitzt,    sich    als    Eigentum    denken 
lässt,  z.  B. :   Homini  cum  Deo  similitudo  est,   Cic.  leg.  1,  8,  Terent. 
Heaut.  534.      Lässt    sich    aber    etwas,    das    man    besitzt,   nicht    als 
wirkliches    Eigentum ,    sondern    nur    als    augenblicklicher    Zustand 
denken,   so   ist  der  Dativ  zu  vermeiden,   also   nicht   zu   sagen   mild 
timor  est  u.  ähnl.     Bei   geistigen  Eigenschaften   hat   zuerst  Sallust, 
der    überhaupt   eine  Yorliebe   für   Dativkonstruktionen    besitzt,    den 
Dativ  gebraucht  und  dann  Curtius,  vgl.  Sali.  Cat.  52,  2  longe  mihi  alia 
mens  est  und  Curtius  3,  2,  17  erat  Dar  eo  mite  ac  tractahile  ingenium. 
Dagegen   in  KL   Sprache   steht   esse   mit  in  c.   ahlat.   oder  in  ver- 
änderter Redeweise  der  Eigenschafts-Oenitiv  oder  -Ablativ,  und  im 
erstem  Falle  wird  mehr  inesse  als  esse  gebraucht.     Man  sage  nicht: 
Fratri   meo   magna  est   comitas    (mollis  animus,    morum  suavitas), 
sondern  in  fratre  meo  est  oder  biest  — .  Jemayid  steht  (ist)  mit  einem 
in  Freundschaft,    auf  vertraulichem  Fusse,   nicht  in  amicitia,  in  fa- 
miliaritate,    sondern  alicui  est    (intercedit)   familiaritas   cum    aliquo 
(Cic.   Att.  8,   3,   2)  u.  a.    —    Wenn   esse  =  ist   angehören,    eigen, 
unteriuorfen  sein,  einer  Partei  angehören,  so  hat  es  regelmässig  den 
Genitiv  bei  sich.     S.  Nep.  Att.  6,  1,  Liv.  8,  12,  13;  35,  51,  7  und 
37,    55,    5.    —    Zuerst    bei    Livius    (aber    nur    42,    41,    2),    auch 
nachkl.    nicht    bei    Vell.,    Curt.,    Plin.    dem    Jüngern    und    Quintil., 
wohl    aber    bei  Yal.  Max.  2,  6,  8  und   Tac.  ann.  16,  34,  Germ,  5 
und   oft   bei    dem   altern   Plinius   und   bei   Gell,    steht   est  mit  dem 
Infiyi.,  man  kann,    darf,  soll,    z.  B.  est  videre,  audire,  deprehendere, 
man  hann  sehen,  hören,  wahrnehmen.     Es  ist    dies  ein  Graecismus^ 
der  sich  bei  den  besten  Neulateinern  nicht  selten  findet;   eingehend 
handelt  darüber  Wölfflin  im  Archiv  II  S.  135  f.,   vgl.  auch  Kaulen 
Yulg.  153,  Thielmann  Philol.  42,  336,  welcher  letztere  eine  vulgäre 
Struktur    darin    erblicken    zu    dürfen    glaubt;    dafür   spricht   ausser 
Petron.  67  auch  Orosius  6,  15,  25  videre  ibi  et  gemere  erat.     Aber 
der  Einfluss   des  griechischen  idrcv  oder  e^eanv   mit  Infin.  ist  doch 
nicht   zu   verkennen.     Diese   Ansicht   hat   auch   Hoppe    Synt.   Tert. 
S.  47  aus   der  Untersuchung   des    Sprachgebrauchs  Tert.   gewonnen. 
Wenn   in   dem   deutschen    sein   mit   dem   Infinit,    das   Müssen   und 


Esse  —     518     —  Esse 

Dürfen,  das  Wert-,  Würdigsein  (Liv.  6,  4,  12)  liegt,  so  braucht 
man  das  Gerundivum,  z.  B.  videndus,  aiidiendus,  depreliendendiis 
u.  dgl. ;  wenn  das  Könneji  darin  liegt^  das  Yerbum  posse,  oder  man 
ändert  den  Satz  um,  z.  B.  das  ist  nicht  zu  finden,  hoc  non  reperitur, 
reperiri  non  potest.  —  Man  verwechsle  dieses  est  mit  dem  Infinit. 
nicht  mit  Redensarten,  wie:  facile  est  haec  cernere^  in  primis  puero- 
rum  Cümis,  was  einen  ganz  andern  Sinn  hat.  —  Äusserst  selten  ist: 
est  meum,  tuimi  (oder  ein  entsprechender  Genitiv)  mit  folgendem 
itt,  da  klass.  nur  der  Infinit,  darauf  folgen  kann;  ich  kenne  als 
Beleg  nur  Quint.  6,  1,  8  insidicintis  fortuncie  erat,  ut  .  .  .  Mit 
Unrecht  verwerfen  einige  Redensarten,  wie:  stidti,  prudentis,  sapientis 
est,  und  wollen  nur  den  Plural  stidtormn  —  —  est,  da  doch  beides 
gleich  Kl.  ist;  ja  der  Sing,  ist  noch  üblicher,  sogar  bei  den  Pari- 
syllaba  der  III.  Dekl.,  z.  B.  Cic.  Att.  15,  1  non  levis,  sed  liheralis 
hahehatiir,  der  Plural  ist  nur  da  meist  zu  finden,  wo  noch  virorum 
oder  hominum  dabei  steht;  vgl.  Nägel. -Müller^  S.  132  f.  —  N.  L. 
ist:  lioc  meae  est  laudi,  das  dient  zu  meinem  Lohe ;  patris  est  honori, 
dient  zur  Ehre  des  Vaters;  ornamento  urhis,  zur  Zierde  der  Stadt, 
—  für  hoc  mihi  est  laudi,  patri  est  honori,  u.rhi  est  ornamento;  — 
kurz,  zu  solchen  Dativen,  wie  laudi  u.  dgl.,  tritt  kein  Genitiv  und 
kein  Possessivpronomen,  sondern  nur  ein  zweiter  Dativ  der  Person. 
Wird  der  Dativ  laudi,  curae  u.  a.  durch  ein  Adverb  im  Positiv 
oder  Komparativ  (ebenso,  mehr  oder  lueniger)  näher  bestimmt,  so 
steht  dafür  lat.  sowohl  das  Adverb  als  das  Adjektiv,  also  neben 
quantae  curae  sit,  Plin.  pan.  25,  3  auch  quam  sit  mihi  curae,  id. 
epp.  6,  8,  2,  neben  eidem  curae  auch  aeque,  perinde  curae  esse, 
Liv.  4,  7,  6,  Plin.  epp.  6,  8,  9,  neben  maiori,  minori  curae  esse 
auch  minus,  magis  curae  esse,  s.  Plin.  epp.  9,  26,  12,  Liv.  4,  21,  5 
und  35,  23,  1,  Terenz  Ad.  680;  bei  Cicero  überwiegt  bei  weitem 
das  Adjektiv,  wie  aus  den  von  Nieländer  Progr.  1874  gesammelten 
Beispielen  hervorgeht.  —  Unser  von  guten  Eltern,  aus  guter  Familie 
sein  heisst  natum  esse  honis  parentihus,  honesto  loco,  nicht  a  honis 
esse  pareyitibus,  ex  bona  esse  familia,  wiewohl  richtig  ist  familia  esse 
consula7'i  oder  familiae  esse  consularis.  —  Die  Redensart  in  eo  esse, 
ut  — ,  an  dem,  daran,  im  Begriff"  sein,  etwas  zu  tun,  ist,  worauf 
man  erst  bei  der  Reinigung  und  Kürzung  unserer  Schulgrammatiken 
gekommen  ist,  bei  Cicero  und  Caesar  nicht  zu  finden;  sie  gehört 
vorzugsweise  Livius  an  und  ist  hier  nicht  persojial,  sondern  imper- 
sonal,  z.  B. :  als  die  Soldaten  schon  daran  (im  Begriffe)  iva7^en,  die 
Mauern  zu  ersteigen,  nicht  cu7n  milites  iam  in  eo  essent,  ut  in  muros 
evaderent,  sondern  cum  iam  in  eo  esset,  ut  milites  hi  muros  evad., 
vgl.  Dahl  S.  244  und  Dräger  H.  Synt.  II  S.  268,  welcher  letztere 
anderer  Ansicht  ist  und  nur  Liv.  2,  17,  5  unzweifelhaft  unpersön- 
liche Konstruktion  annimmt.  Moritz  Müller  schliesst  sich  ihm  an 
zu  Liv.  2,  17,  5,  aber  aus  Cicero,  auf  den  er  sich  beruft,  ein 
unpersönliches  in  eo  est  ut  beizubringen,  dürfte  ihm  schwer  werden. 
Das   bei  Livius   noch   übliche   res   in  eo  est  ut  kann  bei  der  nahen 


Essentia  —     519     —  Esuries 

Verwandtschaft  des  Subst.  res  mit  dem  Neutrum  auch  hieher  ge- 
rechnet werden.  Ob  Nep.  1,  7,  3  und  Hygin.  fab.  261  persönliche 
Konstruktion  anzunehmen  sei,  lässt  sich  bestreiten.  Proiie  est  ut 
wird  unpersönlich  ebenfalls  nirgends  Kl.  gefunden,  es  gehört  aus- 
schliesslich Livius  an;  die  Stellen  hat  M.  Müller  im  Anhang  zu 
Liv.  II  S.  152,  gesammelt.  —  Ausgelassen  wird  esse  vor  dem 
Infinit,  von  dico :  non  dtihito  te  sapie^item  dicere,  ebenso  in  skizzierten 
Schilderungen  ujid  CharaJderistiken,  in  Einphonemen,  rhetorischeyi 
Fragen,  im  bündigen,  didaktischen  Vortrage  und  in  Formeln  der 
Umgangssprache,  s.  Meissner  zu  Cato  11,  meine  Synt.^  §  10,  oben 
s.  V.  Dicere,  Näg.-Müller^  S.  733  ff.  —  Wenn  vergeheyi  den  allge- 
meinen Sinn  von  es  gibt  keinen  Tag  hat,  z.  B.:  es  vergeht  kein 
Tag,  ohne  dass  etc.,  so  wird  dies  ganz  gut  durch  esse  bezeichnet: 
diem  scito  nulliim  esse,  quo  .  .  Cic.  Q.  fr.  3,  3,  1.  —  Weiter  ist 
zu  beachten,  dass  esse  im  Lat.  nicht  bloss  Formivort  ist,  sondern 
als  volles  Begriffsivort  auch  ein  Adverb  zu  sich  nehmen  kann,  wie 
sie  vita  homimim  est  =  so  verhält  es  sich,  so  ist  es  beschaffen 
mit  dem  menschlicheyi  Leben;  quod  est  longe  aliter  =  es  ve^iiält 
sich  ganz  anders;  rectissime  apiid  te  simt  omnia,  es  steht  bei  dir 
alles  ausgezeichnet ;  fuit  periucunde  =  er  befand  sich  in  der  besten 
Laune.  So  besonders  häufig  bei  Sallust  und  in  Ciceros  Briefen: 
satis,  contra,  ahunde,  impune  esse,  und  so  in  den  Redensarten  des 
gewöhnlichen  Lebens  ita,  recte,  bene,  male  est,  vgl.  Kraut  Progr. 
Blaubeuren  1881,  S.  9,  Hofmann  zu  Cic.  fam.  5,  1,  1  und  be- 
sonders Landgraf  zu  Reisig-Haase  S.  156.  —  N.  L.  ist  sit,  ut  oder 
quomodocumqiie  velit,  es  sei,  ivie  es  wolle,  für  quoquo  modo  res  se 
habet.  —  Esse  cum  cdiquo  bedeutet  nur  bei  jemanden  sein,  mit 
ihm  leben,  nicht  es  mit  jemanderi  hcdten,  was  stare  cum  oder  ab 
aliqito  heisst.  —  Endlich  über  Redensarten  wie:  esset  longum,  es 
iväre  zu  tueitläufig,  für  est  longum,  vgl.  das  Wort  Longus. 

Essentia,  das  Wesen,  die  Wesenheit,  Beschaffenheit,  soll  nach 
Seneca  (ep.  58,  6)  von  Cicero  wörtUch  für  oöata  übersetzt  sein, 
was  man  aber  nirgends  bei  ihm  findet.  Nach  Seneca  brauchte  es 
auch  ein  gewisser  Fabian,  und  er  selbst  wandte  es  als  Lückenbüsser 
in  seiner  philosophischen  Sprache  an.  Auch  Quintilian  erwähnt  das 
Wort  einigemal,  legt  es  einem  Servius  Flavius  (bei  Zumpt  und  Halm 
Plautus)  2,  14,  2;  3,  6,  23;  8,  3,  33  bei  und  nennt  es  hart, 
aber  notw^endig,  ohne  es  weiter  zu  brauchen.  Im  Sj).  L.  finden  wir 
es  öfter,  z.  B.  bei  Arnobius,  Claudianus  Mam.  Man  bediene  sich 
dafür  der  Worte  vis,  natura,  proprietas. 

Esuries,  der  Hunger,  kommt  selten  und  nur  Sp.  L.  vor,  für 
fames,  inedia,  vielleicht  aus  der  Yolkssprache  entnommen.  Es  steht 
auch  noch  in  OreUis  Cic.  (2.  A.)  bei  Cael.  (Cic.  fam.  8,  1,  4),  allein 
dort  ist  esurire  zu  lesen,  was  sich  jetzt  in  allen  edd.  findet.  Thiel- 
mann Bayr.  Gymn.  XYI  S.  281  macht  darauf  aufmerksam,  dass  Wörter 
wie^.  esuries  (lib.  de  orig.  gent.  Rom.  11,  6)  bis  jetzt  nur  noch  bei 
Eccl.   nachgewiesen  sind.     Neue- Wagener ^  erwähnen   esuries  nicht. 


Et  —     520     —  Et 

Et.     Inhalt:    Et    ^^aucli'^,    et   (vero)   etiam,    —    ^,TJnd   dcüier'-^, 

—  et  deinde    (post,   deniqiie),   —    "Verbindung  mehrerer  Substantiv., 

—  et  ecce,  —  ^^teils  —  teils'''' y  —  „Z7>2cZ  das  tust  du  aiicli''^,  —  ^^TJnd 
noch  dazu  der''^,  —  7ieCy  nee  quisqiiam  u.  ähnlich.,  —  ^.^und  nicht^^ 
=  ve,  aut,  —  „fe;  tind  du  ivir st  finden'-^ ,  —  ,jUnd^^  bei  bestimmter 
Angabe  nach  vorausgehender  unbestimmter.  —  Ob  et  in  der  Be- 
deutung auch  gebraucht  werden  könne,  darüber  hat  Anton  in 
seinen  Studien  I  S.  26 — 69  eine  sehr  gründliche  Untersuchung 
angestellt,  deren  Ergebnisse  darin  bestehen  (S.  63  u.  fF.),  1.  dass 
bei  Cicero  et  als  sogenannte  Particula  pendens  anerkannt  ist, 
d.  h.  dass  bei  Cicero  die  Konstruktion,  in  welcher  es  steht, 
anders  fortfährt,  als  nach  dem  Anfange  zu  erwarten  war,  mithin  ein 
Anakoluth  stattfindet  und  zwar  mit  der  Stellung  von  et  in  der  Mitte 
des  Satzes;  2.  dass  es  öfter  nach  den  besten  Handschriften  oder  den 
meisten  unter  den  besten  aus  dem  Texte  entfernt  oder  geändert, 
3.  dass  es  nach  Konjektur  geändert  ist;  4.  dass  et  =  etiam  aner- 
kannt oder  anzuerkennen  ist  in  der  Yerbindung  mit  Pron.,  z.  B. : 
et  illa,  simul  et  ilhid  u.  s.  w.,  und  mit  Partikeln,  z.  B. :  quin  et, 
sie  et,  et  hi  his  etiam  =  auch  noch,  verum  et  cdii  multi,  sed  et  alii, 
nam  et,  age  et.  Bei  nam  et  findet  C.  F.  W.  Müller  zu  Cic.  off.  1,  142 
nicht  die  Bedeutung  ,^auch^^,  sondern  er  meint,  Cicero  habe  in  ge- 
wohnter Weise,  statt  nach  nam  et  mit  et  fortzufahren,  dafür  autem 
gesetzt.  Überhaupt  billigt  er  nicht  (zu  Cic.  off.  1,  133),  dass  man 
sage,  et  stehe  für  etiam;  man  könne  wohl  et  =  auch  fassen  in  un- 
mittelbarer Yerbindung  mit  einer  Adversativkonjunktion,  z.  B.  Cic. 
S.  Rose.  94  fateor  me  sectorem  esse,  verum  et  alii  multi  oder  im 
Personenwechsel,  z.  B.  Rose.  Com.  32  at  enim  tu  tuum  negotium 
gessisti  hene.  Oere  et  tu  tuum  hene,  aber  niemals  behaupten,  et  stehe 
bei  Cicero  für  etiam;  vgl.  auch  Landgraf  in  unserer  Bearbeitung  von 
Reisig-Haase  Anm.  419,  sowie  Hellmuth  act.  Erl.  I  S.  149.  Über 
simid  et  bei  Sali,  verweist  Anton  mit  Recht  auf  die  Anmerkung 
Labris  über  simid  et,  Jug.  20,  1,  dessen  Behauptung  indes,  dass  et 
ursprünglich  auch  in  dieser  Verbindung  seine  gewöhnliche  Bedeutung 
hatte  und  simul  sich  auf  das  Vorhergehende  bezog,  von  Dietsch  zu 
der  angeführten  Stelle  Sallusts  mit  guten  Gründen  bestritten  worden 
ist.  Weiter  konstatiert  Anton,  dass  et  =  etiam  bei  Livius  (nach 
Fabri  —  Heerwagen  zu  Liv.  21,  5,  13)  häufig  vorkomme,  und 
z.  B.  41,  24  §  10  idem  et,  §  12  quamquam  et  illud  und  §,,15: 
valeant  et  nunc  in  einem  Kapitel  neben  einander  stehen.  Über 
Tacitus  aber  sagt  Wölfflin  im  Philol.  1867,  S.  109,  vgl.  Anton 
S.  67 :  Häufig  (ist  et  =  etiam)  bei  Tacitus  sowohl  vor  i2)se,  alias, 
dann  quin  et  in  den  bist,  und  ann.,  7ion  modo,  sed  et  in  Germ.  15, 
35  und  ann.  14,  39;  iam  et,  nam  et  und  auch  im  Anfange  des 
Satzes  sed  et,  nie  etiam.  —  Nicht  zu  verwerfen  ist  et  etiam,  wofür 
man  überall  atque  etiam  lesen  will;  denn  et  ist  bei  vorher- 
gegangenem et  notwendig,  und  wenn  etiam  zur  Hervorhebung  eines 
einzelnen  Begriffes,  wie  z.  B.   oft  beim  Komparativ,  dient,  verstärkt 


Et  —     521     —  Et 

es  diesen  (=  lüid  dazu  noch)  und  hat  mit  et  keine  "Verbindung,  vgl. 
Cic.  fam.  9,  25,  3  auctoriiate  Uta  nohis  ojnis  est  et  consiUo  et  etiam 
gratia,  ,^imd  dazu  deine  Gefcülicßeit^^ ,  Seyffert-MüUer  z.  Lael.  S.  206. 
Vgl.  ausserdem  Reiter  S.  8,  Heidrich  S.  62,  Keil  zu  Varro  r.  r.  2, 
11,  3,   wonach   et  etiam  sich  bei  Varro  r.  r.  öfters,   nicht  jedoch  in 

I.  lat.  findet,  Cic.  fam.  12,  18,  1,  und  13,  7,  3,  Cael.  14,  divin.  1, 
132,  Att.  2,  1,  3  und  16,  16,  9,  Petron.  an  vielen  Stellen,  die 
Segebade  S.  24  zitiert,  Sueton.  Caes.  76,  Aug.  19,  vgl.  Freund  S.  66, 
und  Hand  Tursell.  II  S.  522.  —  Die  Verbindung  et  vero  etiam 
ist  KL,  vgl.  Cic.  Mur.  45  qiä  et  inr  se  et  per  siios  et  vero  etiam 
per  alienos  defendatur  ,^iind  sogar  aiich''^ ;  vgl.  Landgraf  z.  St.  und 
C.  F.  W.  Müller  zu  Cic.  ofF.  1,  147,  der  noch  mehr  Stellen  angibt.  — 
A^.  L.  ist  et  itaque,  et  qiiare,  et  quapropter,  wo  et  wegbleiben  muss; 
aber  et  igitur,  et  ergo  (durch  andere  Wörter  getrennt)  können  stehen, 
wenn  ein  Gegenstand  oder  Satz  mit  der  Schlussfolge  angereiht  wird; 
jedoch  kommen  dann  öfter  et  ideo,  et  idcirco  vor.  In  der  einfachen 
Schlussfolge  aber  sagt  man  nur  igitiir  und  ergo,  nicht  mit  et.  Vgl. 
Hands  Lehrb.  S.  232.  —  Sp.  L.  ist  bei  Aufzählungen  et  deinde,  et 
post,  et  denique;  mit  Recht  haben  C.  F.  W.  Müller  und  Landgraf 
S.  Rose.  38  et  vor  denique  eingeklammert,  diese  Anknüpfung  ist 
nicht  ciceronisch,  vgl.  Landgrafs  Ausführungen  S.  210  f.,  und  Kalb 
Roms  Juristen  S.  84  f.  Dass  es  mit  postremo  sich  gerade  so  verhält 
und  gut  lateinisch  davor  keine  Kopulativpartikel  treten  kann,  zeigt 
Seyffert-Müller  z.  Lael.  S.  503;  ef  muss  somit  hier  wegbleiben.  Man 
sage  nicht,  wie  Ruhnken  (Opusc.  I  S.  39):  et  caedem  denique,  und 
endlich  die  Ermordung,  für  denique  caedem.  Wo  aber  deinde,  post 
und  denique  die  Zeit  anzeigen,  da  kann  auch  et  oder  ac  davor 
stehen.  —  Wenn  Cicero  drei  oder  mehrere  Substantiva  an  einander 
reiht,  so  werden  entweder  alle  unverbunden  neben  einander  gestellt, 
oder  die  Konjunktion  wird  bei  jedem  Gliede  wiederholt  oder  beim 
letzten  allein  gesetzt  und  zwar  zumeist  das  anreihende  que.  Wenn 
Cicero  et  zum  letzten  Gliede  setzt,  so  erhält  dies  immer  dadurch 
eine  spezielle  Bedeutung,  z.  B.  Folge,  Resultat,  vgl.  Dräger  H.  Synt. 

II,  3,  Landgraf  p.  S.  Rose.  S.  143.  Über  scheinbare  Ausnahmen 
von  dieser  Regel  s.  Halm  zu  Cic.  Süll.  42.  —  Nicht  Kl.  ist  et  ecce, 
und  siehe!  für  ecce!  ohne  et;  zuerst  hat  es  Varro,  vereinzelt  Verg. 
und  Ov.,  dann  Sen.  Petron.  und  besonders  ApuL,  vgl.  Köhler  im 
Archiv  V  S.  27  f.  Et  —  que  =^  teils  —  teils  kommt  für  et  —  et 
schon  bei  Cic.  Brut.  302  und  fin.  5,  64,  nicht  selten  aber  seit 
Livius  vor.  S.  darüber  Landgraf  zu  Cic.  S.  Rose.  S.  229,  Madvig 
fin.  S.  718,  für  Sali.  Kunze  Sali.  III,  1  S.  44  und  für  Livius  Fabri 
zu  Liv.  21,  49,  8  und  22,  37,  9.  Umgekehrt  werden  koordinierte 
Begriffe  bisweilen  auch  durch  cßte  —  et  näher  verbunden.  S.  Weissen- 
born  zu  Liv.  1,  43,  2.  Bei  dieser  Verbindung,  die  eine  engere  ist, 
als  die  durch  ei  —  et,  erscheint  der  zweite  Begriff  gewöhnlich  als 
der  gewichtvollere.  S.  Fabri  zu  Liv.  21,  30,  2.  Que  —  que  kommt 
pros.  zuerst  bei  Sallust  vor,  jedoch  nur  so,  dass  mindestens  ein  Glied 


Et  —     522     —  Et 

aus  einem  Pronomen  besteht,  vgl.  Kunze  Sali.  III,  1,  S.  45,  dann 
bei  Livius,  hier  aber  nur  in  dem  Falle,  wenn  die  Konjunktion  sich 
an  das  Pron.  relat.  hängt.  Das  gleiche  gilt  für  die  Autoren  der 
silbernen  Latinität.  Cicero  hat  que  —  cßie  nur  fin.  1,  51,  dies- 
qtie  noctesque  als  dichterische  Reminiszenz,  vgl.  Hoppe  Progr.  1875 
S.  6,  bei  Tac.  findet  es  sich  erst  in  den  Annalen.  —  Auch  sage 
man  nicht  et  —  et  vero,  wie  wir  teils  —  teils  aber,  sondern  ent- 
weder bloss  et  —  et,  oder  non  solum  —  sed  etiam.  —  Wo  wir  als 
Beisatz  zu  etwas  Erwähntem  sagen:  und  das  tust  du  (auch),  und 
das  tut  ilir  (auch),  sagt  man  nicht  et  hoc  facis  (etiam),  et  hoc  facitis 
(etiam),  sondern  ut  facis,  iit  facitis  oder  cßiod  facis,  quod  facitis, 
ohne  et  und  etiam.  Vgl.  Cic.  fam.  6,  2,  3;  13,  19,  1;  Q.  fr. 
1,  16,  45,  Cato  59.  —  Unser  inid  noch  dazu  der,  das,  und  noch 
obendrein  der,  um  den  Begriff  des  Vorhergehenden  zu  erklären  und 
zu  erläutern  oder  zu  steigern,  heisst  nicht  et  ad  hoc  is,  et  insujyer 
is,  sondern  et  is,  et  hie,  isque,  neqiie  is,  nee  is,  et  id,  idque,  et  is 
quidem,  atque  is,  atque  hie,  et  hie  cßiidem,  atque  id.  Dafür  kann 
aber  auch  atque,  ac,  et,  que  allein  gebraucht  werden.  S.  Anton, 
Studien  etc.  I  S.  13 — 26;  z.  B. :  vergiss  nicht,  dass  du  Cicero  seist 
und  noch  dazu  der,   weldier  — ,   et  cum,   qui  —  (Sulpic.  Cic.  fam. 

4,  5,  5).  Es  ist  gewöhnlich,  dass  für  e^  ?2on;  wenn  der  ganze  Satz  ver- 
neint werden  soll  (nicht  ein  einzelnes  Wort  des  Satzes),  nee  oder  neque 
gesagt  wird,  ebenso  nee  unquani  für  et  numquam;  nee  quisquam  für 
et  nemo,  et  yiidlus ;  nee  usquam  für  etnusquam;  necduni,  neque  dum 
für  et  nondum  u.  a.  Indes  sind  auch  die  Anknüpfungen  et  nemo, 
et  nihil  u.  a.  nicht  zu  verwerfen,  besonders  wenn  nemo,  nihil  betont 
werden  soll;  vgl.  Nipp,  zu  Tac.  ann.  1,  38  und  meine  Syntax^  §  224, 
ferner    Harre   Jahresber.   in  Z.   f.  G.  W.    1877,   S.  399,   Segebade, 

5.  22.  —  Falsch  ist:  quaeritur,  quid  faciendum  et  non  faciendum 
sit,  u'as  zu  tun  und  nicht  zu  tun  sei,  für  quid  faciendum,  non 
faeiendumve  sit  (Cic.  fin.  1,  47),  oder  cßiid  faciendum  sit,  aut  non 
faciendum  (ib.  4,  46).  Vgl.  unter  Aut.  —  In  Sätzen  wie:  lies  das 
Buch,  und  du  luirst  finden,  schiebt  man  klass.  nicht  et  ein,  sondern 
sagt:  lege  librum,  iam  intelleges.  Aber  schon  A.  L.  finden  wir, 
freilich  sehr  vereinzelt,  die  Einfügung  einer  Konjunktion,  so  bei 
Plaut.  Bacch.  695  jjeiye  ac  facile  eefeceris,  in  klass.  Zeit  nur  rhet. 
Her.  4,  39  dicite^  atque  obtemperabo,  dann  besonders  im  N.  Kl., 
z.  B.:  recognosee  et  intelleges,  Sen.  epp.  4,  6  und  13,  15, 
vgl.  epp.  16,  6  und  20,  6,  de  benef.  4,  18,  3,  und  meine  Syntax^ 
§  226,  wo  ich  nachgewiesen,  dass  auch  Seneca  das  Asyndeton  neben 
der  Anknüpfung  mit  et  verwendet.  Wegener,  Grundfragen,  S.  102, 
erklärt  das  Asyndeton  der  KL  Sprache  daraus,  dass  der  erste  Haupt- 
satz zwar  der  Form  nach  als  solcher  erscheint,  aber  in  seiner  Funk- 
tion ganz  der  der  Nebensätze  mit  si  entspricht.  Die  Richtigkeit 
dieser  Auffassung  zeigt  auch  Petron  44  serva  me:  serväbo  te,  was 
auch  an  ein  bekanntes  deutsches  Witz  wort  erinnert.  Vgl.  noch 
Madvig  fin.  2,  30,  opusc.  2,  161  ff.  Segebade  S.  23,  Sjögren  S.  102, 


Et  quidem  —     523     —  Et  quidem 

Näg.-MüUer^  S.  797.  —  Wenn  zu  der  unhestimmfe?!  Angabe  eines 
Tages,  z.  B.:  den  Tag  vorhe?'  (nachher)^  noch  der  Tag  bestimmt 
beigesetzt  wird,  z.  B.  nämlich  oder  und  das  lua?^  den  (am)  ersten 
Januar^  so  sagt  man  id  est  Kalendis  lanuariis  oder  qui  fuit  dies 
Kalendarum  lanuariarum.  —  Über  et  oder  ac  shmd,  welche  oft 
für  idem  stehen,  vgl.  Shmd. 

Et  quidem,  und  zivar,  wird  I.  gar  nicht  übersetzt,  wenn  zuerst 
das  Ganze  und  dann  irgend  ein  einzelner  Teil  desselben  genannt 
wird,  z.  B. :  im  zuzeiten  Buch  der  Ilias  Homers  und  ziuar  im  zehnten 
Verse  heisst  nicht:  Iliadis  Homeri  libro  secundo  et  quidem  versu  decimo, 
sondern  bloss  versu  decimo.  Bei  zwei  Yorhergenannten  heisst  im 
näher  bestimmenden  Zusätze  und  ziuar  der  eine,  nicht  et  cdter  quidem, 
sondern  bloss  alter  cßddem,  z.  B. :  P.  Crassum  et  P.  Scaevolam  aiunt 
Ti.  Graccho  auctores  legum  fuisse,  cdterum  quidem  palam  (und  ziuar 
der  eine),  alterum  obscurius  (Cic.  acad.  2,  13).  Oft  genügt  für  unser 
imd  zwar  et  allein,  durch  welches  Parenthesen  zur  Erläuterung  oder  Be- 
kräftigung einer  Angabe  eingeführt  werden:  Numidas  ijartim  in  in- 
sidiis  (et  pleraeque  cavae  sunt  viae  sinusque  occulti)  quacunque  apte 
poterat  disposuit,  Liv.  23,  1,  6,  wozu  Fabri  bemerkt,  der  Gedanke 
sei  der :  et  quidem  potuit  hoc  facere,  i.  e.  in  insidiis  disponere,  cum  .  . 
vgl.  meine  Syntax^  §  223.  Das  gleiche  ist  der  Fall,  wenn  ein 
Wort  mit  einem  die  Bedeutung  desselben  steigernden  Eigennamen 
wiederholt  wird,  z.  B.:  mein  Schiviegersohn  und  zwar  mei^i  Schivieger- 
sohn  Piso:  gener  mens  et  Piso  gener,  Cic.  Sest.  54,  ebenso  a  tribimo 
plehis  et  a  Curione  trihuno,  Cic.  fam.  2,  7,  4  und:  lex  erat  lata  et 
ea  lex  =  und  ziuar  die  Bill,  Sest.  53,  ebenso  fam.  2,  18,  2,  nat. 
deor.  1,  39.  IL  Doch  kann  et  quidem  auch  in  diesem  Falle  angewendet 
werden,  wenn  das  wiederholte  Wort  ein  das  Tonwort  bildendes 
Adverb  bei  sich  hat:  cupit  regnum  et  quidem  scelerate  ciipit,  Liv. 
40,  11,  7;  dasselbe  gilt,  wenn  das  vorausgegangene  Yerbum  durch 
ein  Adverb  oder  einen  adverbialen  Zusatz  näher  bestimmt  wird: 
ego  cum  illo  locutus  sum  et  saepius  quidem,  Cic.  Att.  16,  16,  5 
und:  veniet  tempus  et  celeriter  quidem,  Cic.  Tusc.  1,  76,  ebenso  nat. 
deor.  1,  89;  re  mihi  non  aeque  satisfacit  et  quidem  plwihus  locis,  Cic. 
fin.  1,  15.  Dies  bezieht  sich  aber  nicht  bloss  auf  das  Yerbum, 
sondern  kann  bei  jedem  Subst.  zutreffen,  welches  näher  erklärt  oder 
bestimmt  w^erden  soll;  z.  B. :  Yarro  r.  r.  2,  1,  12  itct  flunt  omnium 
partes  minimum  octoginta  et  una,  et  quidem  necessariae  nee  pfcirvae, 
vgl.  Eeiter  S.  17;  ex  hac  stirpe  genus  trahit  et  quidem  utrumque, 
Suet.  Tib.  3,  init.  Apros  tres  et  quidem  pidcherrimos  cepi,  PL  epp. 
1,  6,  1.  Sunt  autem  et  alii  philosophi  et  ii  quidem  magni  et  yiohiles 
qui  .  .  Cic.  nat.  deor.  1,  4;  cdia  quoque  ex  ratione  et  quidem  physica 
magjui  fluxit  multitudo  deorum,  2,  63  u.  64  und  1,  17;  iii  Itcdia 
bellum  fuit.  Fateor,  et  magnum  quidem  ac  vehemens,  Yerr.  5,  5, 
ebenso  Phil.  2,  43.  Minahatur  Theodoro  philosopho  tyrannus  mortem 
et  quidem  insepultam,  Sen.  de  tranq.  a.  14,  3;  ebenso  steht  für 
unser  und  zwar  et  quidem,  sofern  es  sich  auf  einen  ganzen  Satz  bezieht : 


Etenim  —     524     —  Ethnicus 

qiioiisque  anhno  hio  etiam  per  supiilicia  et  quidem  externi  moris 
ohsequeris?  Curt.  10,  4,  1,  und  das.  Yogel.  Zenonem  cum  Aihenis 
essem  audieham  frequenter  et  quidem  ipso  auctore  Philone,  Cic.  nat. 
deor.  1,  59;  mecum  erat  senatus  et  quidem  veste  mutata,  Cic.  Plane.  87 
und  Att.  14,  11,  2;  vgl.  SeyfFert-MüUer  z.  Lael.  S.  14.  Endlich 
hat  et  quidem  auch  steigernden  Sinn  =  und  noch  dazu:  liaec  mala 
ipse  tibi  addidisti  et  quidem  inveterato  malo,  Cic.  Tusc.  3,  26  und 
das.  Meissner  und  Tischer,  und:  _2;afi  potenuit  oculi  me  cum  Gahinio 
sententiam  dicere  et  quidem  illum  rogciri  pirius  ?  Cic.  Att.  10,  8,  3; 
vgl.  Cic.  fam.  12,  15,  4,  Qr.  fr.  3,  1,  8,  Plauens  bei  Cic.  fam.  10, 
23,  1  und  dazu  Hofmann-Andresen.  Bei  et  maxime  =  und  zwar 
ganz  hesonders,  und  namentlich  kann  quidem  stehen  oder  weggelassen 
werden:  me  ipse  consolor  et  maxime  illo  solacio,  Cic.  Lael.  10  und 
ebenso  Curt.  6,  9,  9,  dagegen:  talihus  exempUs  .  .  historiae  refertae 
sunt  et  quidem  maxime  nostrae,  Cic.  fin.  5,  64  und  Att.  7,  26,  1 ; 
vgl.  Seyffert-MüUer  zu  Lael.  S.  50.  —  Et  quidem  wird  auch  in 
der  Erwiderung  gebraucht,  um  den  Ausspruch  des  andern  zuzu- 
geben, zugleich  aber  zu  begründen  oder  zu  modifizieren,  vgl.  Cic. 
fin.  2,  9  aliud  irjitur  censet  (Epicurus)  gaudere,  aliud  non  dolere. 
Et  quidem,  inquit  (Toyrquatus),  vehementer  errat,  ^^allerdings  glaubt 
ers,  aber  er  irrt  gewaltig'-^.  Ygl.  Seyffert-Müller  z.  Lael.  S.  479, 
namentlich  aber  Stamm  Progr.  von  Rössel  1885.  —  Manche  Autoren 
haben  eine  Liebhaberei  für  et  quidem,  z.  B.  Lucifer,  vgl.  Harte! 
in  Wölfflins  Archiv  III  S.  19,  Petron,  vgl.  Segebade  27.  Über  den 
N,  Kl.  Gebrauch  vgl.  Ludewig,  Prag  1891. 

Etenim  ist  nicht  gleichbedeutend  mit  jiam  und  enim;  es  ist 
ganz  =  et  -{■  enim,  wie  Woltjer  Mnemos.  1901  S.  16  ausführt,  und 
besagt,  was  unser  ,Ja,  doch,  nämlich^''.  Es  steht  in  Kl.  Prosa  an 
erster  Stelle;  wohl  zuerst  bei  Plinius  nat.  17,  193  finden  wir  es  in 
Prosa  nachgestellt,  von  da  an  aber  ist  postpositives  etenim  üblich 
und  nicht  so  im  Gebrauche  beschränkt,  wie  Dräger  H.  Synt.  II 
S.  171  meint;  Usener  in  Wölfflins  Archiv  II  S.  316  zitiert  Stellen 
aus  Kirchenvätern,  vgl.  auch  Hartel  im  Archiv  III  S.  20,  Leipold 
S.  56,  Kalb  Juristenlatein  S.  79;  Reisig-Haase  S.  286.  Über  post- 
positives etenim  vor  Horaz,  der  es  nicht  zuerst  hat,  wie  Dräger  1. 
1.  besagt,  hat  Clement  im  American  Journal  of  Philology  1886, 
Nr.  25,  gehandelt;    vgl.  noch  Holtze  Synt.  Lucr.  S.  190. 

Ethnicus.  Wenn  man  unter  Heiden  diejenigen  versteht,  welche 
im  Gegensatz  zu  den  Monotheisten  dem  Polytheismus  ergeben  sind, 
und  wenn  Monotheist  lat.  ganz  gut  durch  iinius  Dei  cultor  ausge- 
drückt wird,  s.  Hier,  in  Jesaj.  12,  44,  6  und  7,  so  wäre  Fohjtheist 
oder  Heide  gerade  so  gut  multorum  deorum  cultor,  als  Polytheismus 
multorum  deorum  cultns  ist  bei  Hieronymus  in  Daniel.  2,  30.  Will 
man  das  Heidentum  schon  durch  den  Ausdruck  als  falsche  Religion 
bezeichnen,  so  kann  man  Heiden  durch  idololatrae,  falsorum  deorum 
cultores,  homines,  iiojmli  cultui  idolorum  dediti  wiedergeben.  Ausser- 
dem kommt  für  den  Begriff  Heide  auch  ethnicus  als  Subst.  und  Adj., 


Etiam  —     525     —  Etiam 

ferner  gentes  und  gentües  vor.  Forcellini  sagt  darüber  kurz  und  gut: 
a  christianis  scriptoribus  dicitur  de  iis,  qui  extra  Ecclesiam  vel  syna- 
gogam  sunt,  ex  eo  ducta  appellatione,  quod  Hebraei  gentes  appella- 
bant  eos,  qui  verum  unius  dei  cultum  nesciebant  fictosque  ac  plures 
deos  venerabantur.  Qua  appellatione  etiam  apostoli  usi  sunt,  ut  patet 
AA.  13,  46.  Hac  ratione  ethnici  intellegendi  sunt  apud  TertuU. 
pudic.  9,  Hier.,  August,  etc.  Sic  historici  ethnici  apud  Sulp.  Sev. 
bist.  1,  1.  Wenn  man  für  Heide  auch  sagen  will  homo  profanus, 
homo  non  christianus,  sacroriim  christianontm  experSy  divini  cultiis 
expers,  so  sind  diese  Ausdrücke  schon  deswegen  nicht  mehr  an- 
wendbar, weil  nicht  alle  Nichtchristen  auch  notwendig  Heiden  sind 
(Juden  und  Mohamedaner).  Wie  wenig  übrigens  die  ersten  christl. 
Schriftsteller  im  Gebrauche  der  Wörter  für  Heiden  (etJinici^  gentiles, 
nationes,  allophyli^  extraiiei)  übereinstimmen,  zeigt  Watson  S.  289. 
Etiam.     Inhalt:    Stellung  von  etiam,  —  ,^atich^^  =  idem,   item, 

—  „Z7n(i  das  tust  du  auch'''-  —  ^^nocli  auch''''  neque  (etiam),  —  ,^aiich 
niclit^^  quoqiie  non,  non  quoque,  etiam  non,  neque  etiam  (etiam 
nihil),  —  tantiim  —  7ion  etiam,  midtum  etiam,  —  „wo  auch"",  „luie 
sehr  aucli'-^,  —  „noch  viel  mehr''^  u.  ähnlich.,  —  „auch  nichts  luenn.  ."^ 
„luenn  auch  (nichty^,  —  „so  auch'-^  in  Yergleichungssätzen,  —  „auch 
nicht'"''  bei  Superlativen  u.  Yergleichungen,  —  „ahe7'  auch  nichf"^,  — 
etiam  quoque.  —  Etiam,  auch,  muss  unmittelbar  vor  das  Wort 
gestellt  werden,  zu  dem  es  gehört.  Doch  finden  sich  hievon  schon 
frühe  auch  in  Prosa  Abweichungen,  z.  B.  Varro  r.  r.  3,  16,  23 
quam  rem  etiam  nomine  eodem  mediei  utuntur  in  emplastris  (statt 
etiam  mediei).,  vgl.  Heidrich  S.  17.  Namentlich  im  N.  Kl.  wird  etiam 
nachgestellt,  besonders  wenn  es  der  Bedeutung  von  quoque  sich  nähert, 
z.  B.  Suet.  Caes.  20  antiquum  etiam  rettidit  morem,  vgl.  Freund 
S.  65.  Es  kann  oft  ebenso  wenig  wie  quoque  da  gebraucht  werden, 
wo  wir  auch  zu  setzen  pflegen,  indem  beide  fast  nur  dann  stehen, 
wenn  nach  etwas  vorhin  Erwähntem  eine  neue  Person  oder  eine 
yieue  Sache  angegeben  wird.  Wenn  aber  von  ebenderselben  Person 
oder  Sache  die  Rede  ist  und  derselben  zwei  Prädikate  beigelegt 
werden,  wo  wir  er  auch,  auch  er,  auch  dieser  sagen,  ist  is  etiam, 
etiam  is,  is  quoque  N.  L.  für  idem;  z.  B.  musici,  qui  iidem  (ivelche 
auch)  quondam  erant  poetae;  Libera,  quam  eandem  (welche  man 
auch)  Proserpinam  vocant;  ibi  mihi  Tullia  mea  fuit  praesto  natali 
suo  ipso  die,  qui  casu  idem  (ivelcher  zufällig  auch)  natalis  erat  et 
Brundisinae  coloniae  (Cic.  Att.  4,  1,  4).  —  Wenn  aber  in  auch 
mehr  das  adverbiale  ebenfalls  liegt,  so  heisst  es  item.  —  N.  L.  ist 
et  hoc    etiam  facis   u.  dgl.,   und    das  tust  du  auch;  vgl.  unter  Et. 

—  Unser  Jioch  auch  nach  iveder  heisst  bloss  neque,  nicht  neque  etiam, 
z.  B.  neque  hos  novi,  neque  illos  (noch  auch  jene);  etiam  wird  nur 
in  dem  Falle  beigefügt,  wenn  nach  vorausgegangenem  nee  im  zweiten 
oder  dritten  Ghede  der  Disjunktion  eine  Steigerung  ausgedrückt 
werden  soll  =  noch  auch  nur,  seihst  nicht  einmal,  vgl.  nee  docendi 
Caesaris  propinquis  eins  spfaiium  datur,  nee  tribunis  pilebis  siii  peri- 


Etiam  —     526     —  Etiam 

culi  deprecandi  neqiie  etiam  extremi  iuris  intercessione  retinendi, 
Caes.  civ.  1,  5,  1  und:  anhnadvertis,  Cn.  Pomimum  nee  nominis 
siii  nee  o'eritm  gestarwn  gloria  neqiie  etiam  regum  et  nationum  clien- 
telis  esse  tutiim,  Cic.  fam.  9,  9,  2.  Neqice  idla  harum  assidit  in 
loco  inquinato  aut  eo  qid  male  ölet  neqiie  etiam  in  eo,  qui  bona  ölet 
iinguenta,  Yarro  r.  r.  3,  16,  6,  vgl.  dazu  noch  Kunze  Sali.  III,  1, 
S.  49.  Ob  et  etiam  non  =  und  auch  nicht,  und  sed  etiam  non  = 
aber  auch  nicht  vorkomme,  darüber  haben  wir  keine  Autoritäten, 
aber  quoque  non,  non  Cjuoque  und  etiam  non  findet  sich  öfter,  um 
stärker  zu  verneinen,  als  ne  quidem;  vgl.  über  das  erstere:  Cic.  inv. 
2,  59  ea  poena  si  affici  reum  noyi  oi^orteat,  damnari  quoque  non 
oportere;  ferner  Caes.  civ.  3,  37,  2  Doniitius  tum  quoque  sibi 
dubitandum  non  imtavit;  Liv.  22,  42,  8,  dann  Tac.  ann.  3,  54: 
credite,  patres  coyiscripti,  me  quoque  yion  esse  offensionum  avidmn, 
wo  Nipperdey  für  die  gleiche  Verbindung  noch  ann.  6,  30;  14,  21; 
15,  57  u.  c.  66,  bist.  3,  4  und  c.  63  zitiert;  Gellius  1,  9,  12. 
Über  etiam  non  vgl.:  non  parcunt  etiam  innocentibus,  Lact.  6,  20, 
14;  etiam  Gai  Caesaris  turbata  mens  vim  dicendi  non  co^rupit,  Tac.  ann. 
13,  3;  finis  vitae  eins  .  .  .  extraneis  etiam  igyiotisque  non  sine  cura 
fuit,  Tac.  Agr.  43;  etiam  horiim  possessio  non  abhorret  a  cura  boni 
rustici,  Colum.  8,  8,  1  und:  etiam  Philo  yioster  ferre  non  poterat, 
Cic.  nat.  deor.  1, 113.  So  findet  sich  auch  neque  etiam  =  ne  quidem: 
longius  prosequi  veritus  qiiod  silvae  paludesque  iyitercedebayit,  yieque 
etiam  pa7'vulo  detrimeyito  illorum  locum  reliyiqui  videbat,   Caes.  Gall. 

5,  52,  1,  civ.  1,  5,  1,  ferner  etiayyi  yiihil,  z.  B.:  in  se  etiam  aetatis 
excusationem  yiihil  valere,  civ.  1,  85,  9;  vgl.  dazu  meine  Ab- 
handlung in  Z.  f.  G.  W.  1881,  S.  136,  woraus  hervorgeht,  dass 
die  besprochenen  Konstruktionen  zwar  Kl.  vorkommen,  aber  der 
Kl.  Sprache  wenig  zusagen.  Auch  ist  zu  beachten,  dass  tantum  — 
non  etiam  das  umgekehrte  noyi  modo  —  sed  etiam  gute  Autoritäten 
hat :  si  vultiim  tantum,  noyi  etiam  aniynum  accommodavimus,  Quintil. 

6,  2,  26  und:  periculum  tantum,  non  etiam  offensa  vitatur,  id. 
9,  2,  67;  7,  4,  35;  8,  3,  5  u.  12,  7,  4.  Quasi  vero  oratio  rhetorum 
solum,  yion  etiam  philosophorum  sit,  Cic.  fin.  2,  17.  Bemerkens- 
wert ist  auch  multum  etiam,  sed  saepius  =  saepius,  sed  etiam 
midtum  bei  Cic.  Brut.  310  commentabar  declamitayis  idqiie  faciebam 
multum  etiam  Latine,  sed  Graece  saepius,  vgl.  Stangl  Tulliana  S.  31. 
—  In  den  relativen  Verbindungen  ivo  auch,  luie  sehr  auch,  wieviel 
auch,  iver  (ivelcher)  auch,  luenn  auch  (oft  mit  dem  Adverb  nur) 
tritt  weder  etiam,  noch  tantum  hinzu;  man  sagt  also  bloss  ubicunque, 
quamvis,  cpiamvis  multus,  quicunque  oder  quisquis,  quandocunque ; 
z.  B.:  quayyivis  multa  (luie  vieles  auch)  docti  dicant;  quoquo  tempore 
(zu  ivelcher  Zeit  auch)  fiet  (Cic.  Att.  9,  10,  9).  Falsch  ist:  quid- 
quid  etiam  Halm  ins  opposuerit,  für  quidciuid  opposuit  (denn  auch 
der  Konjuyiktiv  ist  falsch).  —  In  den  Redensarten:  noch  viel  mehr, 
noch  viel  grösser  u.  dgl.  sagt  man  in  der  Regel  multo  etiam  magis, 
multo  etiam  maior;   etiam    multo  magis  findet  sich  aber  doch  Cic. 


Etiamdum  —     527     —  Etiamdum 

de  or.  2,  197  und  nat.  deor.  3,  45.  Doch  ist  zu  beachten,  dass  etiam 
fast  nie  vor  dem  Komparativ  gebraucht  wird,  wenn  dieser  mit  seinem 
eigenen  Positiv  oder  Superlativ  verglichen  ist.  Für  eiiam  lassen 
sich  für  diesen  Fall  nur  anführen  Cic.  Catil.  2,  18,  Caes.  civ.  3,  47, 

6,  Cic.  Tusc.  1,  2,  Catil.  4,  14.  Hingegen  werden  für  Fälle, 
wo  etiam  fehlt,  z.  B.:  0  misenim  me,  si  haec  intellegis,  miseriorem, 
si  .  .  .  Cic.  Phil.  2,  54,  eine  überwiegende  Menge  von  Beispielen  in 
dem  inhaltsreichen  Programme  von  Heumann :  Vereinzelte  Beiträge 
u.  s.  w.  München  1860  angeführt,  und  zwar  aus  Livius,  Cicero  und 
Sallust.  —  Unser  auch  yiicht  mit  dem  Zusätze  luenn  das  wäre  heisst 
non  si  id  sit,    aber  nicht   etiam  non  oder  nee  si  id  sit,  z.  B.:  Liv. 

7,  10,  2  iniussu  tuo  numquam  pugnaverim,  non  si  (auch  nicht 
wenn)  certam  victoriam  videam.  Ferner  heisst  luenn  auch,  für  auch 
wenn,  ohschon,  nicht  si  etiam,  sondern  etiam  si;  luenn  auch  nicht, 
etiam  si  non,  und  tuenn  auch  sogar  nicht  oder  sogar  auch  luenn 
nicht,  ne  si  —  quidem.  —  Unser  so  auch  in  Vergleichungssätzen  nach 
luie  (ut,  quemadmodum)  übersetzt  man  nicht  bloss  durch  ita,  sie, 
item  oder  simillime,  sondern  auch  durch  ut  —  sie  etiam  oder  ita 
etiam,  s.  Cic.  Phil.  1,  33,  Att.  10,  4,  2,  Cato  20  und  76,  Brut. 
116,  erat.  85,  top.  59,  leg.  2,  62,  Lael.  19,  Liv.  5,  13,  2,  Quint. 
10,  3,  1,  Plin.  epp.  1,  6,  3  und  3,  9,  29  und  sonst,  Sen.  epp.  24, 
25.  —  Man  sagt  schliesslich :  Nemo  yie  minimum  quidem  maleficium 
(auch  Glicht  das  kleinste  Verbrechen)  sine  causa  admittit  (Cic.  S.  Rose. 
73);  nulla  yie  minima  quidem  aura  (kein  Lüftchen,  auch  nicht 
das  kleinste)  fluctus  agitat  (Cic.  Tusc.  5,  6);  aber  kiass.  ist  auch 
Cic.  de  or.  2,  76  qui  numquam  minimam  partem  ullius  muneris 
pithlici  attigisset,  fam.  1,  9,  21  mdlum  meum  minimum  dictum,  vgl. 
Stangl  TuUiana  S.  37;  ferner  sagt  man:  Demosthenes  nemini,  ne 
Ciceroni  quidem  (auch  nicht  dem  Cicero)  cedit;  ne  postea  quidem, 
auch  sogar  nachher  Glicht;  'ne  semel  quidem,  auch  Glicht  ein  einziges- 
mal.  —  N.  L.  ist  nee  vero  etiam,  cdjer  auch  nicht,  für  jiec  vero  oder 
bloss  nee  oder  verstärkt  ne  quidem.  Falsch  ist  nee  vero  magis  etiam 
illud  arridet;  nee  vero  etiam  quemquam  fugit;  nee  vero  eto/i  maioris 
momenti  altera  est  ratio.  A.  L.  und  N.  Kl.  ist  etiam  quoque  und 
quoque  etiam,  vgl.  meine  Synt.^  §  262,  meine  Anm.  613b  zu 
Reisig-Haase,  Heidrich  S.  62,  Stangl  TulUana  S.  22,  Sjögren  S.  55, 
Krumbiegel  S.  59. 

Etiamdum,  auch  noch,  gehört  dem  A.  L.  an;  aber  auch  hier 
ist  es  nur  einmal  mit  enklitischem  dum  zu  finden,  sonst  überall  ist 
dum  betont;  es  steht  nur  in  negativen  Sätzen,  manchmal  unsicher, 
z.  B.  Ter.  Eun.  570,  wo  Bentley  etiam  tum  lesen  wollte;  über  den 
Unterschied  zwischen  etiam  dum  und  etiam  tum  und  etiam  num 
handelt  Hand  Turs.  II  S.  323,  Richardson  S.  9.  Bei  Cicero  steht 
etiamdum  nur  noch  Att.  13,  31,  1,  vgl.  Boot  z.  St.,  jedoch  C.  F.  W. 
Müller  hat  etiamnum  aufgenommen.  —  Dass  etiam  tum  oder  etiam 
tunc  nur  von  vergangenen  Dingen  gesagt  werden  kann,  bedarf 
keines    besondern    Nachweises.     Anders    aber    verhält    es  sich   mit 


Euboeus  —     528     —  Evadere 

etiamniim  und  etiamnunc,  welche  nebeneinander  gebraucht  werden, 
vgl.  Keil  zu  Yarro  r.  r.  S.  93.  Beziehen  sich  nämlich  diese 
Adverbien  zunächst  und  vorzugsweise  auf  die  Gegeniuart  des 
Sprechenden  oder  Sclireihenden^  so  kann  etiamnunc  doch  auch 
zu  einem  Präteritum  gesetzt  werden,  indem  etiamnunc  dann  das 
Yergangene  in  lebhafter  historischer  Schilderung  als  gegenwärtig 
aufführt:  Incerto  nunc  etiam  exitu  victoriae  .  .  imst  tergum  Jiostium 
legionem  (trihuni)  ostenderunt  signaque  intiderunt,  Caes.  Gall.  7,  62, 
6  und  ebenso  ibid.  6,  40,  6,  yg\.  dazu  Kraner  und  Cic.  Lael.  11; 
so  steht  auch  in  der  obliquen  Rede  etiam  nmic,  welches  in  oratione 
recta  nach  dem  eigentlichen  Perfekt  stehen  würde :  niliil  etiam  nunc 
decrevisse,  sed  illo  die  responsurum,  Sali.  Jug.  109,  3  u.  das.  Dietsch. 
Dixisti  imidlum  tibi  esse  etiam  nunc  morae,  quod  ego  viverem,  Cic. 
Cat.  1,  9;  ebenso  ist  es  im  Briefstile,  wo  die  Präterita  nur  formell  sind, 
s.  Seyffert-MüUer  zu  Cic.  Lael.  S.  62.  —  Aber  etiamnum  in  der 
Bedeutung  ausserdem,  wie  wir  dafür  auch  sagen  aucJi  noch,  ist  N. 
Kl.  für  praeterea,  ebenso  etiamnunc  =  noch  beim  Komparativ,  vgl. 
Hoppe  1877  S.  11    und  Haase  praef.  zu  Sen.  phil.  S.  5. 

Euboeus,  Euhöisch,  ist  P.  L.  für  Euboicus,  welch'  letzteres  in 
Prosa  z.  B.  Curtius  4,  12,  11  steht.  Über  solche  kurze,  von  den 
Dichtern  der  metrischen  Bequemlichkeit  wegen  gebildete  Formen 
vgl.  YoUmer  zu  Stat.  silv.  1,  4,  129. 

Euergetes,  der  Wohltäter,  werde  als  fremdes  (griech.)  Wort 
nicht  falsch  gebraucht;  man  setze  es  nur  da,  wo  es  als  Benennung 
nötig  ist,  sonst  aber  vir  oder  homo  beneficus,  de  aliquo  bene  meritus. 

Eupliemisticus  ist  N.  L.  und  weder  griech.,  noch  lat. ;  es  werde 
ganz  vermieden  durch  tristitiam  rei  lenitate  verbi  mitigans. 

Europaeicus,  Europäisch,  ist  N.  L.  Form  für  Europaeus.  Sp.  L. 
bei  Yopiscus  ist  Europensis,  was  aber  (wie  Hispaniensis)  gut  ist  in 
der  Bedeutung:  in  Europm  sich  aufhaltend:  exercitus  Europenses  = 
die  in  Europa  stehenden  Heere  (Yop.  Prob.  13,  4). 

Evacuare,  ausleeren,  kommt  N.  Kl.  beim  altern  Plinius  und 
Sp.  L.  z.  B.  bei  Orosius,  Ennodius,  Cyprian  u.  a.  vor,  ist  aber 
unnötig  wegen  vacuum  facere,  vacuefacere,  exhaurire  u.  a.  Im 
Sp.  L.  nimmt  es  auch  die  Bedeutung  von  inflrmare,  irritum  facere 
an,  vgl.  Rönsch  Sem.  III  S.  35,  in  welchem  Sinne  es  gleichfalls  zu 
meiden  ist. 

Evadere  in  der  bildlichen  Bedeutung  entgehen,  z.  B.  einer  Ge- 
fahr,  wird  verbunden  mit  ex,  also  e  perictdo,  e  morbo  (Cic.  divin.  2, 
13),  bei  Personen  auch  mit  a:  cum  ab  iis  (iudicibus)  evaseris,  Cic. 
Tusc.  1,  97;  eine  andere  Stelle  für  evadere  ab  ist  mir  aus  Cicero, 
Caesar,  Livius  nicht  bekannt.  Der  Ablativ  ohne  Präp.  findet  sich 
bei  Cicero  nicht,  wohl  aber  bei  Liv.  8,  26,  4;  31,  33,  5;  33,  28,  4 
und  Curt.  8,  6,  26.  Mit  dem  Accus,  verbindet  es  Livius  öfters; 
die  Stellen  zitiert  M.  Müller  zu  lib.  II,  Anh.  S.  160;  ebenso  Colum., 
Tac,  Suet.  und  ^S^;.  L.  In  der  Bedeutung  aufsteigen  auf  einen 
Ort  wird  es  konstruiert  in  locum  (Cic.  nat.  deor.  2,  95).  —  Es  bedeutet 


Evagari  —     529     —  Evectio 

[  nur  dann  icerden,  wenn  darin  der  Begriff  sicJi  hervorheben,  sich 
zeigen  liegt  oder  wenn  das  Ausgehen  (luohin),  das  Auslaufen  mit 
iverden  fast  zusammenfällt;  z.  B.  tue?in  irgend  ein  Traum  luahr 
geiuorden  ist,  si  somnium  verum  evasit  aliquod  (Cic.  divin.  2,  146) 
—  und  so  Cic.  leg.  2,  43,  Brut.  131,  Verr.  3,  162,  Phil.  2,  18, 
rep.  1,  67,  de  or.  1,  126  (totes  non  ijossunt  oratores  evadere,  aus 
solchen  köyinen  keine  Redner  iverden).  In  diesem  Sinne,  wo  evadere 
=  ist  exire,  eventum  aliquem  habere,  sagt  man  auch,  aber  nicht  bei 
Cicero  und  Caesar,  evadere  in  aliquid.  S.  Dietsch  zu  Sali.  Jug.  14, 
9,  in  morbos  longos  evadere,  Liv.  27,  33,  6;  Kl.  sind  nur  die 
Yerbindungen  mit  Ortsadverbien,  z.  B.  Cic.  Att.  14,  19,  6  ista  quo 
evasura  sint  videro. 

Evagari,  ausschweifen,  auf  fremde  Dinge  kommeyi.  Es  ist 
zweifelhaft,  ob  es  klass.  von  der  Rede  gesagt  werde,  z.  B.  oratio 
longius  evagatur.,  für  vagatur,  excurrit,  digreditur,  abit,  labitur, 
prolabitur.  Vgl.  Cic.  divin.  2,  79  labor  longius;  leg.  1,  52  labebar 
longius;  Caecin.  101  prolabi  longius ;  de  orat.  3,  190  oratio 
excurrit  longius.  Doch  N.  Kl.  hat  evagari  in  diesem  Sinne  die 
gute  Autorität  von  Quintilian  für  sich,  2,  4,  32;  3,  6,  3  u.  3, 
11,  25. 

Evaginare,  aus  der  Scheide  ziehen,  ist  Sp.  L.,  z.  B.  Yulg.  Hieron. 
lustin.  lord.,  vgl.  Gölzer  Hieron.  S.  183,  Bergmüller  Jord.  S.  13, 
Rönsch  It.  S.  190,  Paucker  Hier.  S.  132,  für  e  vagina  educere,  va- 
gina  nudare,  und  bei  gladium  bloss  stringere,  distringere. 

Evalescere,  stark,  kräftig  iverden,  erstarken,  ist  poet.  bei  Verg., 
Hör.  u.  Luc,  und  nach  ihnen  in  Prosa  N.  Kl.  bei  Plin.  dem  altern, 
bei  Sen.  (epp.  94,  31),  Tacitus  und  Quintilian,  für  firmari,  confir- 
mari,  invalescere  u.  a.     Ygl.  Sittl  in  Wölfflins  Archiv  I,  473. 

Evangelium  ist  nur  in  der  kirchlichen  Sprache  für  die  Evange- 
lien des  N.  Testamentes  beizubehalten,  aber  nicht  in  der  Bedeutung 
frohe  Botschaft,  in  der  es  Cicero  (Att.  2,  3,  1),  aber  griech.,  braucht ; 
dafür  sage  man  bonus,  laetus  —  ?mntius.  Wenn  aber  Muret.  (Expl. 
Cic.  Cat.  2,  1,  1)  sagt:  ii  qui  suavem  (für  bonum,  optatum,  exoptatum, 
laetum)  aliquem  nuntium  afferunt,  ita  grati  solent  esse,  ut  eos  plerum- 
^  que  evangeliis  prosequamur,  so  nimmt  er  es  in  der  Bedeutung  Dank- 
sagung oder  Botenlohn;  diese  Bedeutung  ist  jetzt  als  Sp.  L.  er- 
wiesen: proiciens  se  puella  ad  pedes  eins  evangelia  rogabat  cum,  Tita 
S.  Basil.  8  (Migne  73,  304),  vgl.  Archiv  XI  S.  426. 

Evanidus,  vergehend,  vergänglich,  ist  P.  und  N.  Kl.  selten  für 
fragilis,  caducus. 

Evastare,  von  Grund  aus  verwüsten,  ist  unkl.,  es  steht  oft  bei 
Livius.     S.  Drakenborch  zu  Liv.  28,  44,  14  u.  32,  33,  14. 

Evectio,  die  Ausfuhr  (von  Waren)   ist  Sp.  L.,  z.  B.  Paneg.  8, 

^  186,    3   parvarum   frugum  evectio,  vgl.   Chruzander  S.   24;    evectus 

kommt  zwar   bei   dem   altern   Plinius   vor,   ist   aber  unnötig   wegen 

exportatio  Cic.  off.  2,  13  (bei  Yarro  r.  r.  1,  16,  2  findet  sich  evectus 

nicht  mehr,  wohl  aber  sagt  Yarro  fructus  evehuntur). 

Krebs-Schmalz,  Antibarbarus  I.  34 


Evellere  —     530     —  Eventum 

Evellere^  ausreissen;  das  Perf.  heisst  Kl.  nur  evelJi,  nicht  evuhi, 
vgl.  Rönsch  Coli.  phil.  S.  229  u.  :N'eue-WageQer^  III  S.  419.  Einem 
etwas  entreissen  heisst,  wie  im  Deutschen,  alicui  aliquid  evellere^  wo- 
für indes  auch  der  Genit.  gewählt   werden  kann  nach  Cic.  de  orat. 

1,  230;   ausreisseil  aus  ist  Kl.  evellere  ex,  z.  B.  Cic.  S.  Rose.  6  u. 
öfters. 

Evenire  ist  in  der  Bedeutung  herauskommen,  hervorgehen  selten 
und  fast  nur  P.  L.  für  egredi,  ])rovenire,  i^rodire.  Ein  Los  kommt 
heraus,  sors  excidit,  exit,  nicht  evenit.  —  Evenire  usu  in  der  Bedeut. 
begegnen,  sich  ereignen  ist  Sp.  L.,  z.  B.  Claud.  Mam.  33,  157  non 
saepe  usu  evenit;  man  meide  es;  klass.  sagt  man  dafür  usu  venire. 
—  Eine   bemerkenswerte  Konstruktion   von   evenire   steht  Cic.  fam. 

2,  10,  1  vereor,    ne  idem  eveniat  in  meas  litteras,    ich  fürchte,    das 
nämliche  trifft  meinen  Brief,  oder  2^(i-sst  auf  meinen  Brief. 

Eventum,  das  Ereignis,  der  Erfolg.,  kommt  im  Sing,  selten  für 
eventus,  im  Flur,  dagegen  sehr  häufig  vor.  S.  Gell.  14,  1,  23,  Tac.  ann. 
4,  33,  rhet.  Her.  4,  13,  Sj).  L.  Arnobius  9,  16  eventa  naturae 
=  Naturereignisse.  Besonders  oft  aber  steht  der  Plur.  von  eventum 
bei  Cicero,  denn  während  er  den  Sing,  wohl  nur  Att.  3,  8,  4  u. 
partt.  orat.  110  hat  (jedenfalls  nicht  fam.  1,  7,  5,  wo  ex  eventu, 
nicht  ex  evento  zu  lesen  ist,  vgl.  Boot  zu  Cic.  Att.  3,  8,  4  u.  Streicher 
comm.  Jen.  III  S.  132),  braucht  er  den  Plur.  sehr  oft  in  allen  Stil- 
arten. S.  fam.  1,  7,  9  u.  5,  12,  6,  Att.  9,  5,  2,  top.  67,  Rabir.  Post. 
1,  Pis.  98,  divin.  1,  5,  Tusc.  5,  36,  rep.  3,  14.  Eventum  ist 
konkret  und  objektiv,  eventus  abstrakt  und  subjektiv;  es  sind  daher 
yiavium  eventa  das  Resultat  einer  Seescldacht,  navium  eventus  das 
Los  der  Schiffe  seihst.  Dieses  Los  kann  ein  gutes  oder  böses  sein, 
wie  ja  bekanntlich  auch  das  Verbum  evenire  so  in  utramque  partem 
gebraucht  wird.  S.  Liv.  8,  33,  15:  foedissimo  cum  eventu  u.  10,  35, 
2  und  9,  17,  2.  Indes  lässt  sich  nicht  leugnen,  dass  eventus  nach- 
klass.  auch  =  glücklicher,  erivilnschter  Erfolg  vorkomme.  Diese 
Bedeutung  des  alleinstehenden  Subst.  kann  entweder  schon  aus  dem 
Gegensatze  klar  genug  erhellen,  wie  bei  Tac.  ann.  2,  26:  satis 
eventuum  satis  casuum,  oder  es  kann  der  ganze  Zusammenhang  den 
eventus  als  einen  glücklichen  unzweifelhaft  darstellen,  wie  Tac.  Agric. 
27.  So  sagt  darum  auch  Plin.  epp.  5,  20,  2:  Egi  ego  p7'0  Vareno 
non  sine  eventu,  wozu  Gierig  bemerkt:  eventus  etiam  absolute  poni- 
tur  de  prospero  eventu.  Vgl.  über  eventus  und  eventum  Seytfert- 
MüUer  zum  Lael.  S.  83.  —  Etwas  anderes  ist  an  und  für  sich 
effectus ;  es  bezieht  sich,  während  eventus  zunächst  die  Art  und 
Weise,  wie  eine  Sache  abläuft,  ausdrückt,  auf  das  Subjekt  und 
bezeichnet  die  von  demselben  beabsichtigte  oder  herbeigeführte 
Wirkung.  Daher  ganz  gut  Phädrus:  Stultum  consilium  effectu 
caret,  1,  20,  1,  und  effcctum  hahere  sagen  nicht  nur  kirchUche  Schrift- 
steller, wie  Cyprian,  Hieronymus  und  Ambrosius,  sondern  es  heisst 
auch  bei  Sen.  de  const.  7,  4 :  omnia  scelera  etiam  ante  effectum  operis 
perfecta  sunt,  und:    voluntatem  effectus  sequitur,   Lact.  3,  1,  7,   und 


Evidenter  —     531     —  Exadversus 

bei  Liv.  34,  26,  1 :  si  .  .  .  non  sine  effectu  futurum  eum  motum 
fuisse  und  40,  22,  15:  Fliüipims  omni  genere  laboris  sine  idlo  effectu 
fatigatis  militihus  =  ohne  das  Geringste  ausgerichtet  zu  haben,  und : 
effectus  eloquentiae  =  die  beabsichtigte  Wirkung,  die  Tendenz  der 
Beredsamkeit,  Cic.  Tusc.  2,  3. 

Evidenter,  augenscheinlich,  findet  sich  zwar  erst  bei  Livius,  ist 
aber  gut,  da  evidens  Kl.  ist;  aber  evidenter  videre,  deutlich  sehen, 
ist  ohne  Beispiel,  man  sage  dafür  ijilcme,  aperte,  penitus,  perspicue 
videre.  Der  Superlativ  evidentissime  steht  Suet.  Tib.  45,  vgl.  Freund 
S.  50. 

Evincere  ist  in  der  Bedeutung  überführen  N.  L.,  für  convincere; 
ebenso  evictiis,  überführt,  für  convictus.  Evincere  kommt  erst  bei 
Livius  vor,  sagt  aber  mehr  als  vincere,  nämlich:  gänzlich  besiegen; 
absolut  gebraucht  ist  es  =  durchsetzen  bei  Liv.  2,  4,  3  u.  38,  9, 
7 ;  dann  folgt  ut  darnach,  aber  auch  erst  seit  Liv.,  vgl.  Müller  zu 
Liv.  2  Anh.  S.  145.  Man  beachte  auch  das  Taciteische  ad  misera- 
tionem  evicta,  in  gaudiimi  evicta,  Tac.  bist.  2,  64  und  dort  Heraus 
u.  ann.  11,  37.  —  Das  Subst.  evictio  kommt  wohl  nicht  von  evin- 
cere, sondern  ist  =  evindicatio ;  es  gehört  ausschliesslich  dem  Juristen- 
latein an,  vgl.  Keller  Etym.  S.  51. 

Evolare,  herausfliegen,  entgehen,  wird,  wenn  es  nicht  absolut 
steht  (eigentlich  oder  trop.  wie  apes  evolant  =  schiuärmen  bei  Yarro, 
und:  eos  dolent  evolasse  =  dass  sie  sich  emporgeschivungen,  Cic.  de 
erat.  2,  209,  altius  evolare  Cic.  fam.  1,  7,  8),  nur  verbunden  ex 
aliqua  re.  So  auch  trop. :  rus  ex  urbe  evolare  =  einen  Ausflug 
aufs  Land  machen,  Cic.  de  orat.  2,  22 ;  über  exciirrere  in  dieser 
Bedeutung  vgl.  s.  v.  Erst  Sp.  L.  bei  Hieron.  ep.  47,  3  finden  wir 
evolare  de,  vgl.  Gölzer,  Hieron.  S.  239  u.  evolare  ab,  vgl.  Arnob. 
168,  29  K 

Ex;  vgl.  E. 

Exacerbare,  erbittern,  erzilryien,  kommt  erst  bei  Livius  vor, 
vielleicht  ist  es  eine  Neubildung  von  ihm ;  doch  gebraucht  er  sie, 
abgesehen  von  28,  6,  17,  nur  in  der  ersten  Dekade;  immerhin 
mag  man  das  Wort  neben  irritare,  extdcerare,  exagitare,  ira  incen- 
dere  gebrauchen;  vgl.  Stacey  im  Archiv  X  S.  78;  im  ^S^;.  L.  haben 
es  noch  die  Paneg.,  vorher  Plin.  nat.  u.  Suet.  —  Sp.  L.  aber  ist  exa- 
cerbatio,  die  Erbitterimg,  für  irritatio,  oder  mit  dem  Yerbum;  vgl. 
Gölzer  Hieron.  S.  69. 

Exactus,  genau,  vollkommen.  Dieses  Adjektiv  kommt  Kl.  nicht, 
aber  N.  Kl.  bei  Liv.,  Sen.  rhet.,  Sen.  phil.,  Plin.  min.,  Quint.,  Suet., 
überhaupt  oft  im  silb.  Latein  vor;  hieher  ist  es,  wie  es  scheint,  aus 
der  Sprache  der  aug.  Dichter  eingedrungen.  Sp.  L.  dagegen  ist  das 
Adv.  exacte  für  diligenter,  accurate,  und   daher  ganz  zu  vermeiden. 

Exculversus  oder  exadversum  ist  wohl  die  einzige,  mehrfach 
zusammengesetzte  Präp.  bei  Cicero;  wir  lesen  es  div.  1,  101 
exculversus  eum  locum.  Häufiger  findet  sich  das  Wort  bei  den 
Kom.,   aber  nur  als  Adv.,    dann  als  Präp.  bei  Nep.  Them.  3,  4  u. 


Exaequare  —     532     —  Exantlare 

Thras.  2,  7,  bei  PÜn.  mai.  und  im  Sjy.  L.;  vgl.  Lupus  S.  86.  Es 
wird  nur  mit  dem  Accus,  konstruiert,  denn  Ter.  Phorm.  88  liest 
Dziatzko  exadversum  (Adv.)  ilico  ,^gleich  daneben^^ ,  nicht  ei  loco. 

Exaequare,  einen  einem  andern  gleichstellen,  gleichmachen,  wird 
verbunden  aliquem  cum  alicßio  oder  cdicui.  S.  Cic.  Lael.  71  u.  Liv. 
23,  35,  7.  Den  Unterschied  bestimmt  SeyfFert-MüUer  z.  Lael.  S.  444 
dahin,  dass  exaequare  se  alicui  ==:=  ,^sich  einem  völlig  gleich 
machen^^  dagegen  cum  aliquo  =  „sich  zu  jemanden  iti  das  Ver- 
hältnis völliger  Gleichheit  setzen""  bedeutet  und  beruft  sich  auf  Caes. 
civ.  1,  4,  4,  wo  Fompeins  neminem  secimi  dignitate  exaequari  volehat 
=  „er  wollte,  dass  keiner  sich  mit  ihm  messen  sollte^''  sei.  Im 
übrigen  ist  exaecßiare  in  eigentlicher  Bedeutung  ein  vulgäres  Wort, 
vgl.  Köhler  act.  Erl.  T  S.  386,  aber  auch  Wölfflin  Archiv  XII  S.  167. 
Cicero  hat  in  der  Zeit  der  vollendeten  Diktion  dasselbe  sorgfältig 
gemieden;  vielleicht  hat  er  es  später  in  Cic.  Phil.  2,  98  noch  einmal 
gebraucht;  hier  ist  es  Konjektur  von  H.  Weber. 

Exaltare  ist  in  der  Bedeutung  erheben,  ey^höheji  höchst  selten; 
bei  Sen.  qu.  nat.  3,  praef.  9  liest  man  jetzt  exstruit,  und  so  kann 
es  weder  aus  der  Kl.  noch  aus  der  N.  Kl.  Zeit  belegt  werden.  Es 
ist  SiJ.  L.  besonders  in  der  Vulg.  und  bei  den  Eccl.  vertreten,  z.  B. 
Hieron.  aiwstoli  humiliantur,  ut  exaltentur ;  vgl.  Gölzer  Hieron.  S.  183, 
Kubier  Archiv  YIII  S.  190.  Das  gleiche  gilt  für  exaltatio,  ib. 
S.  69.  In  der  Bedeutung  ausgraben,  für  effodere,  kommt  es  nur  bei 
Columella  vor. 

Examen  ist  in  der  Bedeut.  Prüfung,  Untersuchimg  P.  u.  Sp.  L., 
vgl.  Schulze  Symm.  S.  47.  Auch  sagt  man  nicht  examen  habere, 
eine  Prüfuyig  halten,  sondern  examinare,  explorare,  exquirere,  quid 
sciant,  quid  didicerint  disciimli;  auch  cognitio  discipulorum. 

Examussim,  genau,  vollkommen,  ist  Ä.  u.  Gem.  L.  und  wurde 
später  von  Apuleius  wieder  hervorgesucht;  man  setze  dafür  accurate, 
diligeyiter  u.  a.,  wie  es  der  Sinn  fordert.  Vgl.  Lorenz  zu  Plaut.  Most. 
102  und  Funck  Archiv  YIII  S.  80,  mit  dem  ich  in  der  Erklärung 
von  examussim  (Anlehnung  an  adamussim,  Yarr.  r.  r.  2,  1,  26)  über- 
einstimme; über  die  Verbreitung  des  Wortes  im  S^).  L.  vgl.  Archiv 
YII  S.  499. 

Exantlare  ist  ein  griechisches  Lehnwort  aus  i^avzXelv;  daraus 
wurde  zunächst  exantlare  gebildet,  dieses  dann  aber  nach  dem 
Muster  des  lateinischen  Yerbs  cmclare  (vgl.  Stowasser  in  Wölfflins 
Archiv  II  S.  319  über  anclator  =^  mijiister,  denn  anculo,  as  = 
administro)  umgeprägt  und  damit  vermengt.  Ygl.  Corssen  ital.  Beitr. 
S.  20,  Saalfeld  tens  s.  v.,  u.  Walde  Lat.  Etym.  Wörterbuch  s.  v.  anclo 
und  anculus.  Exanclare  findet  sich  aber  noch  bei  Cicero  nicht 
nur  in  Yersen,  sondern  auch  in  Prosa  (acad.  2,  108;  Tusc.  1,  118), 
jedoch  nur  mit  dem  Accus,  von  labor  verbunden,  exanclare  laborem, 
grosse  Mühseligkeit  bestellen;  dies  erklärt  sich  aus  der  Yermengung 
mit  ancido,  denn  die  labores  sind  das  Los  der  anculatores.  Schon 
50  Jahre  nach  Cicero  war  es,  wie  Quint.  1,  6,  40  sagt,  veraltet  und 


Exanimis  —     533     —  Exardere 

ausser  Gebrauch.  Die  Archaisten  holten  es  wieder  hervor,  so  ApuL, 
auch  die  Paneg.,  vgl.  Chruzander  S.  25.  Gegen  den  prosaischen 
Gebrauch  ist  aber:  post  exanclatos  in  hoc  studio  binos  (für  duos) 
annos,  indem  annwn,  diem  u.  a.  exanclare  nur  P.  L.  ist. 

Exanimis  oder  exanimus  finden  sich  bei  Cic,  Caes.,  überhaupt 
in  der  Prosa  vor  Livius  nicht;  auch  in  der  älteren  Poesie  sind  sie 
selten;  die  Stellen  sehe  man  bei  Neue -Wagener'^  II  S.  153.  Yon 
Liv.  ab  trifft  man  sie  allenthalben  und  zwar  so,  dass  in  Prosa  beide 
Formen  in  dem  Sinne  von  tot^  entseelt  neben  einander  vorkommen. 
In  trop.  Bedeutung  =  atemlos,  vor  Schreck  ausser  sich,  steht  exa- 
nimis nicht  bloss  bei  Verg.  u.  Hör.,  sondern  auch  bei  Livius:  exa- 
nimes  vice  iiniiis,  quem  .  .  1,  25,  6.  Richtig  ist  die  Behauptung 
von  Georges,  dass  von  exanimis  im  Plur.  nur  der  Nomin.  und  Accus. 
vorkomme,  alle  andern  Kasus  aber  ungebräuchlich  seien.  —  In  der 
Kl.  Sprache  steht  in  beiden  Bedeutungen  nur  exanimatus,  vgl.  Caes. 
Gall.  7,  25,  2  scorinone  traiectus  exanimatusqiie  concidit  und  Cic.  Cat. 
4,  3  neqtie  meam  mentem  non  domiim  saepe  revocat  excmimata  uxor. 

Exarare  in  der  Bedeutung  schreiben,  aufzeichnen,  lässt  sich  von 
dem  Griffel  der  Alten  nicht  wohl  auf  die  Feder  übertragen;  ebenso 
unzulässig  ist,  es  vom  Drucken  zu  gebrauchen,  typis  exarare,  für 
typis  descrihere,  teils  weil  dem  Bilde  geradezu  Gewalt  angetan 
würde,  wenn  exarare,  d.  h.  das  vertiefte  Schreiben  auf  wächserne 
Tafeln  auf  unser  Schreiben  oder  Drucken  angewendet  werden  wollte, 
teils  weil  exarare  nur  von  dem  fliichtig  gemachten  Entivurfe  gesagt 
wird,  keineswegs  aber  mit  der  stilistisch  vollendeteyi  Darstellung 
von  etivas  identisch  ist;  vgl.  Cic.  Att.  13,  38,  1  ante  lucem  cum 
scriherem  contra  Epicureos,  de  eodem  oleo  et  opera  exaravi 
nescio  quid  ad  te. 

Exardere  ist  Sj:).  L.  Form;  sie  findet  sich  nur  in  dem  Ecclesia- 
sticus,  einem  an  sprachlichen  Eigentümlichkeiten  reichen  Buche. 
Ausserdem  zitiert  es  Gölzer  Hieron.  S.  308  aus  einem  dem  hl.  Hie- 
ronymus  zugeschriebenen  Buche  Brev.  in  psalm.  105  als  Transitiv: 
nunc  eos  deyorat  et  exardet  ignis.  Häufig  dagegen  und  Kl.  ist 
exardesco.  Über  den  trop.  Gebrauch  von  exardescere  ist  zu  bemer- 
ken, dass  es  wie  unser  deutsches  von  etiuas  entbrennen,  erglühen  mit 
dem  blossen  Ahlat.  des  betreffenden  Affektes  verbunden  (ira,  dolore, 
iracundia  ac  stomacho,  indignatione  u.  s.  w.)  sehr  häufig  ist.  Ist 
die  Richtung,  das  Ziel  angegeben,  welchem  die  Glut  der  Empfin- 
dungen zustrebt,  so  wird  dies  durch  ad  bezeichnet,  z.  B. :  ad  bellum 
exardescere,  Liv.  41,  27,  3,  ebenso:  ad  cupiditatem  libertatis  recupe- 
randae  exai^descere,  Cic.  Phil.  11,  3.  In  aliquid  exardescere  ist 
nicht  Kl.,  aber  in  iram  exardescere  findet  sich  nicht  nur  Sp.  L. 
bei  Sulp.  Sev.  chron.  1,  47,  4,  sondern  auch  bei  Tac. :  prope  in 
proelium  exarsere,  bist.  1,  64,  und:  in  perniciosam  seditionem  exar- 
descere steht  Liv.  40,  35,  7.  Ferner  ist  zu  beachten,  dass  exar- 
descere in  diesem  trop.  Sinne  auch  sächliche  Subjekte  annimmt,  wie: 
ira,  dolor,  cupiditas,  bellum,  proelium  exardescit;    vgl.  dazu  Nagels- 


Exarmare  —     534     —  Excedere 

bach-Müller^  S.  614  und  ganz  besonders  Seyffert-MüUer  zu  Lael. 
S.  208,  welch  letzterer  lehrt,  dass  der  Tropus  des  exardescere  von 
der  Gewalt  eines  hervorbrechenden  Affektes  auch  Cicero  schon  ge- 
läufig ist.  Die  Person,  gegen  welche  der  Zorn  losbricht,  wird  mit 
in  c.  accus,  gegeben:  exarserat  in  eiim  iracundia  exercihis,  Tac.  hist. 
1,  58. 

Exarmare,  entwaffnen,  ist  N.  Kl.  u.  ^S^;.  L.  und  findet  sich  bei 
Seneca,  Sueton,  Columella,  Tacitus,  Paneg.  u.  a.  für  armis  spoViare 
oder  exuere,  arma  alkui  adimere,  Liv.  34,  17,  5.  In  der  Bedeutung 
.^entkräftend''  steht  es  zuerst  wohl  bei  Vell.,  dann  auch  bei  Plin.  ep. 
Flor.  u.  a.,  vgl.  Greorges  "Vell.  S.  35. 

Exasciare  ist  N.  L.  in  der  Bedeutung  ausglätten,  vollkommen 
machen;  es  ist  gebildet  aus  dem  A.  L.  exasciatus  bei  Plautus  Asin. 
360;  man  gebrauche  dafür  perficere,  ahsolvere.  Es  gehört  zum  ma- 
nierierten Latein  der  Neuern  und  ist  so  schön,  wie  unser  aiishoheln, 
von  einem  Geisteswerke  gesagt,  sein  würde.  Lächerlich  ist  doctrina 
oder  discij^Una  exasciata,  linr/ua  exasciata. 

Exasperare,  erbittern,  aufreizen  u.  a.,  kommt  erst  seit  Livius 
vor,  hat  sich  aber  herab  bis  ins  späteste  Latein  erhalten,  vgl.  Schulze 
Symm.  S.  99,  Chruzander  S.  25;  es  ist,  wie  exacerhare,  nicht  durch- 
aus zu  verwerfen;  indes  exasperatio  ist  erst  ^S^^;.  L.  und  findet  sich 
besonders  bei  Eccl.,  vgl.  Gölzer  Hieron.  S.  251. 

Exaudire  bedeutet  in  der  El.  Prosa  nur  vernehmlicli  hören, 
z.  B.  Cic.  Süll.  34  tit  idem  omnes  exandiant,  clarissima  voce  dicam; 
in  der  Bedeutung  j^erliören^^  hat  es  zuerst  Liv.  40,  5,  1,  dann  Sen. 
rhet.  Plin.  und  besonders  die  Eccl.,  z.  B.  Lact.  7,  16,  12  tunc  ora- 
hunt  Deum,  et  non  exaudiet.  Aber  in  der  Kl.  Sprache  heisst  „er- 
hören^^  preces  audire,  z.  B.  Cic.  Q.  fr.  1,  3,  9  deos  precarer,  nisi 
meas  preces  audire  desissent,  und  ^^niclit  erhören'''  preces  repudiare, 
z.  B.  Cic.  dom.  26  totius  Italiae  precihus  repudiatis.  Aus  Liv.  31, 
5,  7  kann  für  ,^erhören'^  noch  admittere  precationem  notiert  werden. 
Vgl.  noch  Halm  zu  Cic.  Süll.  30  und  Seyffert-Müller  z.  Lael.  S.  458  f. 

Excedere  wird  in  Verbindung  mit  lokalen  Wörtern  a)  am  häufigsten 
mit  dem  blossen  Ahlat.  konstruiert,  z.  B. :  urhe,  Gallia,  agro,  theatro, 
tahcrnaculo,  curia,  castris,  finihiis,  Italia,  oppido,  Ariniino,  provinciis, 
Fonto,  Hispania,  Africa,  Aegypto,  C^'otone,  Syracusis  excedere,  s. 
darüber  Cic.  ad  Brut.  1,  15,  5,  Caes.  Gall.  7,  66,  4,  Liv.  23,  15,  1; 
37,  1,  3;  Suet.  Nero  23,  Curt.  4,  11,  10,  Tac.  hist.  4,  41  u.  43  u. 
sonst,  b)  Doch  ist  auch  die  Konstruktion  mit  ex  nicht  ungewöhnlich, 
wenn  auch  seltener:  ex  Italia,  ex  urhe,  ex  pugna,  proelio,  acie 
excedere,  s.  Cic.  Phil.  12,  14,  Brut,  bei  Cic.  fam.  11,  20,  4,  Cic.  Phil. 
13,  27  u.  Caes.  Gall.  4,  33,  2  u.  3,  4,  3,  Liv.  2,  19,  5  und  sonst. 
Bei  dem  Worte  locus  sagen  Caesar  und  Livius  stets  loco  excedere 
(nicht  ex  loco  oder  locum).  S.  Caes.  civ.  1,  31,  3  u.  c.  44,  2  u.  c. 
61,  2  u.  3,  45,  4  u.  c.  66,  6,  Liv.  36,  10,  15  und  locis.  Jus  locis 
excedere,  Liv.  38,  27,  9  u.  27,  1,  5.  c)  Was  den  Accus,  betrifft,  so 
findet  er  sich  weder  bei  Caesar,   noch  bei  Cicero,   hingegen  kommt 


Excellentia  —     535     —  Excellentia 

er  von  Livius  an  sowohl  im  eigentlichen,  als  trojnschen  Sinne  vor, 
wie  urbeni  excedere,  Liv.  2,  37,  8 ;  1,  29,  6 ;  3,  57,  10  u.  22, 
55,  8  und  sonst,  tropisch  aber  in  modum  excedere  und  ähnlichen 
Verbindungen  wie  terminimi,  mensiiram,  sitmmcmi,  ordinem,  fidem 
excedere,  während  Cicero  für  modum  excedere  sagt  modum  transire, 
finem  et  modum  transire,  extra  modum  prodire,  s.  Tusc.  4,  40,  ofF. 
1,  102  u.  140.  Doch  die  Konsequenz  fürs  Passiv  haben,  so 
viel  ich  sehe,  nur  Tert.  u.  Hieron.  gezogen,  z.  B.  Hier.  ep.  48,  18 
id)i  unus  maritus  exceditur  .  .  .  desinit  esse  monogama ;  vgl.  Gölzer 
Hieron.  S.  308.  —  Für  sterben  kann  sowohl  vita,  als  e,  ex  vita  exce- 
dere gesagt  werden.  Letzteres  ist  bei  Cicero,  wie  schon  Hildebrand 
und  nach  ihm  Piderit  mit  Recht  gesagt  haben,  allerdings  das  geivöhn- 
lichere;  indes  kann  auch  vita  excedere  gebraucht  werden,  s.  darüber 
Val.  Max.  2,  6,  8  u.  §  11  u.  3,  2  ext.  6  u.  3,  8  ext.  5  u.  5,  5,  3,  Curt. 
3,  1,  21  u.  9,  6,  6,  Sen.  de  v.  beata  19,  1,  Tac.  bist.  4,  75,  Serv. 
Sulp,  bei  Cic.  fam.  4,  5,  5,  endlich  bei  Cic.  selbst,  Brut.  262,  Tusc. 
1,  29,  nat.  deor.  3,  41  u.  Phil.  2,  12;  hingegen  ist  e  corpore  ex- 
cedere bei  Cicero  wieder  das  aller geivöhnlichste,  s.  Tusc.  1,  24,  eben- 
das.  40  u.  78  u.  72,  div.  1,  53,  Lael.  13,  Sest.  47,  während  cor- 
pore excedere  bei  Cicero  sich  nur  div.  1,  63  findet.  Excedere 
allein  =  sterben  ist  unklass. ;  es  kommt  so  zuerst  bei  Tac,  be- 
sonders oft  aber  bei  Sueton,  z.  B.  aliqitanto  post  quam  excessit, 
Octav.  5  init.,  Claud.  45,  Nero  6,  init.,  Yespas.  2,  init.,  Tit.  11,  init., 
vgl.  Bagge  S.  21,  aber  auch  sonst  im  N.  Kl.  Latein  vor,  z.  B.  bei 
Curt.  10,  5,  2,  Sen.  epp.  77,  10  u.  c.  ad  Marc.  20,  4.  —  Der  Tod 
heisst  excessus  vitae  (Yal.  Max.  7,  2  ext.  1,  Cic.  Tusc.  1,  27)  und 
excessus  e  vita  (Yal.  Max.  1,  8  ext.  10,  Sen.  epp.  26,  4,  Yal.  Max. 
9,  13,  Prooem.,  Cic.  fin.  3,  60).  Excessus  allein  (ohne  allen  Beisatz) 
=  Tod  gehört  vorzugsweise  der  yiachhlass.  Periode  an,  s.  Suet.  Tib. 
70  Ende,  Nero  5  extr.,  Yal.  Max.  3,  2,  14  u.  4,  3,  3  und  sonst 
(aber  nicht  Yell.  1,  15,  1,  wo  post  excessum  Hannibalis  nach  dem 
Abzug  des  Hannibal  heisst,  vgl.  Georges  Yell.  S.  13),  und  einmal 
selbst  bei  Cicero  leg.  1,3;  dies  ist  auffällig,  da  Cic.  excedere  =  sterben, 
wie  wir  gesehen,  nicht  kennt.  —  Mit  Zahlivörtern  verbunden  =  so 
und  so  viele  Jahre  überschreiten,  nimmt  excedere  sowohl  die  Kardinal-, 
als  die  Ordinalzahlen  zu  sich:  excedere  annum  aetatis  centesimum, 
Plin.  nat.  25,  9  u.  22,  114.  lamque  aetas  eins  hominis  quadragesi- 
miim  annum  excessit,  Cels.  2,  8,  S.  50  D.  In  corpore  quod  iam  novem 
annos,  nondum  quattuordecim  excessit,  ibid.  7,  26,  S.  307  D.  Annum 
tertium  et  octogesimum  excessit,  Plin.  epp.  2,  1,  4;  2,  3,  5  u.  3,  7, 
9.  Cum  excesserint  annos  decem,  Colum.  6,  21.  Qui  fere  annos 
quattuordecim  excesserat,  lust.  15,  2,  3:  klassisch  sind  aber  diese 
Phrasen  nicht. 

Excellentia  \%i  die  Vorzüglichkeit,  der  Vorzug,  aber  nur  als  Zu- 
stand gefasst;  der  einzelne  konkrete  Yorzug  ist  Kl.  virtus  oder 
laus,  vgl.  Seyffert-MüUer  z.  Lael.  S.  435.  Unser  vorzugsweise  (xaz^ 
i^oj^ijv)    übersetzt  man  oft  mit   Sen.  ep.  58,    17    per  excellentiam ; 


Excellere  —     536     —  Exceptus 

besser  wohl  mit  Cic.  (topic.  55)  iiropier  exceUe)itiam.  Ausserdem 
passt  auch  oft  iiroprie  (Cic.  1.  c),  xiraecqme,  exiniio  nomine,  z.  B.  ali- 
quem  oder  aliqiiid  nominare  u.  dgl.  Ygl.  Eminenüa.  —  Die  Anrede 
^Eiier  ExceUenz'-^  findet  sich  bei  Symmachus,  z.  B.  4,  9  suhlimis 
excellentia  tua,  vgl.  Schulze  Symm.  S.  44,  und  bei  Juristen,  vgl. 
Dirksen  s.  v. 

Excellere^  sich  auszeichnen.  Nur  bei  Geliius  14,  3,  7,  Aug. 
civ.  D.  1,  15;  8,  4  und  Schob  Bob.  zu  Cic.  Arch.  findet  sich  die 
Perfektform  excellui,  vgl.  Gorges  Gell.  S.  19;  dafür  florui,  vi{jui, 
eminuiy  lyraestiü  u.  a.  Jene  Form  werde  vermieden.  Formen  der 
2.  Konj.  wie  excelleat,  excellent  werden  in  den  Codd.  sogar  von  Cic. 
Reden  überliefert,  vgl.  C.  F.  W.  Müller  Cic.  oratt.  II  S.  85,  haben  aber 
nur  teilweise  Aufnahme  gefunden,  vgl.  C.  F.  W.  Müller  zu  Cic.  off. 
S.  43,  aber  auch  Lorenz  zu  Plaut.  Pseud.  659,  Yogel  zu  Curt.  9,  1,  24 ; 
Bayr.  Gymn.  1882  S.  249.  —  Sich  auszeichnen  in  etwas,  was  man 
tut  oder  treibt,  also  in  einer  Leistung,  heisst  excellere  in  aliqua  re ; 
durch  eticasy  was  man  hat,  also  durch  eine  Eigenschaft,  Gabe,  aliqua 
re;  unter  einigen,  inter  aliquos,  und  vor  einigen  meistens  mit  dem 
Dativ,  aliquihus  (Cic.  fin.  3,  8  vir  omnibus  excellens,  der  sich  vor 
allen  auszeichnet)^  ebenso  inv.  2,  1,  de  erat.  2,  216,  Pomp.  39  u.  41, 
nat.  deor.  1,  76  u.  Quintil.  2,  20,  9;  vielleicht  nimmt  man  statt  des  Dativs 
richtiger  den  Abi.  an,  vgl.  Wölfflin  Archiv  lY  S.  154;  ferner  findet 
man  präpositionale  Wendungen  mit  p-aeter  und  bei  Liv.  38,  43,  4 
mit  sujyer,  nirgends  aber  mit  ijrae.  Wo  jjrae  ceteris  sich  früher  in 
dem  Sinne  von  'praeter  ceteros  fand,  ist  es  jetzt  auf  Grund  der  Hand- 
schriften überall  getilgt.  Für  praeter  ceteros  sagt  die  Latinität  von 
Livius  an  auch  ante  alios.  S.  Seyffert-MüUer  zu  Cic.  Lael.  S.  21 
u.  Seyffert  Progymn.  S.  105.  Sich  als  Dichter,  Redyier,  Feldherr 
u.  s.  IC.  auszeichnen,  wird  lat.  nicht,  wie  im  Deutschen,  durch  ein 
appositives  Nomen  bezeichnet,  sondern  inter  poetas.,  in  poesi  excellere, 
dicendi  vi,  eloquentia  excellere,  imperatoria  laude  florere;  vgl.  SeyfFert- 
Müller  z.  Lael.  S.  23. 

Exceptus,  ausgenommen,  kommt  häufig  mit  dem  Ablativ  eines 
substantivischen  Wortes  vor,  z.  B.  me,  illo,  patre  exceptio;  nobis, 
Ulis,  patribus  exceptis.  Richtig  ist  auch  duobus  exceptis,  zwei  aus- 
genommen, aber  eitlen  oder  höchstens  zwei  ausgenommen  heisst  ex- 
cepto  uno  aut  summum  cdtero,  nicht  duobus.  Ganz  Sp.  L.  ist  ex- 
cepto  his,  excepto  filialnis,  auch  excepto  hos,  vgl.  Bonnet  Greg.  518, 
Wölfflin  Archiv  IX  S.  518,  nach  Analogie  von  excepto  quod,  was  schon 
Hör.  ep.  1,  10,  50  hat.  Ferner  alle,  keinen  ausgenommen  heisst  om- 
nes  ad  iinum,  nicht  omnes  sine  exceptione.  Gut  ist  zwar  sine  idla 
exceptione,  aber  nicht  bei  Zahlbegriffen,  um  auszudrücken,  dass  von 
einer  Ziffer,  einer  Mehrheit  nichts  abzuziehen  sei,  sondern,  um  den 
Modus  des  ausgesprochenen  Satzes  näher  zu  bestimmen:  dass  etwas 
schlechthin,  unbedingt,  ohne  allen  Vorbehalt,  alle  Beschränkung  gelte 
oder  gelten  soll;  vgl.  Cic.  Lael.  61  tum  sit  inter  eos  omnium  rerum 
sine   idla   exceptione  communitas.  —  Ausgenommen   dass  oder  wenn 


Excerpere  —     537     —  Excludere 

lieisst  KL  nid  quod^  praeterquam  qiiod,  si  modo,  modo,  dum,  nisi, 
je  nachdem  das  eine  oder  das  andere  passt;  erst  N.  Kl.  ist  excepto 
quod  bei  Plin.  min.  (vgl.  Lagergren  S.  178,  nicht  bei  Georges)  und 
Quintilian,  vorbereitet  durch  Hör.  ep.  1,  10,  50,  sonst  Sp.  L.,  ferner 
excepto  si  bei  Pers.  5,  90.  In  Jurist.  Formeln  steht,  wenn  exceptio 
vorangegangen  ist,  auch  extra  quam  si  —  mehrmals  bei  Cicero, 
vgl.  Hand  Turs.  H  S.  681  und  Boot  zu  Cic.  Att.  6,  1,  15.  Bemerke 
ferner  extra  quam  bei  Cic.  inv.  2,  59  u.  extra  quam  qui  =  ,^aiis- 
genommen  diejenigen,   ivelche^^    bei  Liv.  26,  34,  6;  vgl.  s.  v.  Extra. 

Excerpere,  herausziel len,  herausnehmen.  Ein  Buch,  einen  Aufsatz 
excerpieren  heisst  latein.  mit  dem  eigentlichen  und  vollen  Ausdruck: 
aliquid,  multa  u.  dgl.  ex  lihro  aliquo  excerpere.  S.  Quintil.  9,  1,  24 
u.  10,  2,  13,  Suet.  Octav.  86.  Sodann  steht  excerpere  mit  folgendem 
Relativsatz  wie  bei  Cic.  inv.  2,  4 :  quod  commodissime  quisque  dixerat, 
excerpsimus.  Auch  wird  excerpere  ganz  absolut  gebraucht,  s.  Phn. 
epp.  3,  5,  10.  Endlich  kommt  excerpere  auch  ganz  wie  unser 
deutsches:  einen  Brief  excerpieren,  Apul.  Mag.  c.  83,  ein  Bucli  ex- 
cerpieren vor,  s.  Plin.  epp.  3,  5,  10  u.  6,  20,  5.  —  Ein  Excerptenhuch 
ist  bei  Plin.  epp.  3,  5,  17  electoriim  commentarius.  Dafür  steht  bei 
Gell.  17,  21,  1  auch  excerptiones,  oder  man  kann  dafür  das  substan- 
tivische Neutr.  Plur.  gebrauchen.  S.  Sen.  epp.  33,  3,  Quintil.  2,  15,  24: 
Pauca  ex  Gorgia  Piatonis  imperite  excerpta.  Im  Sp.  L.  verdrängt  das 
"Wort  excerpta  das  Fremdwort  epitome,  vgl.  Wölfflin  Archiv  XII,  338. 

Excessus,  der  Ausgang ;  —  aus  etivas,  s.  unter  dem  Worte  ex- 
cedere.  In  der  Bedeutung  das  Vergehen,  die  Aus  sc! iiv  ei  fang,  der 
Excess  steht  es  bei  Val.  Max.  8,  2,  4  tam  minuti  a  pudore  excessus 
puniebantur  und  Sp.  L.  oft  bei  Ennodius,  z.  B.  92,  7  excessus  de- 
hita  reprehensione  corripere.  N.  Kl.  u.  Sp.  L.  ist  excessus  =  die 
(rednerische)  Digression.     Über  excessus  Tod  vgl.  s.  v.  Excedere. 

Excipere;  vgl.  Exceptus. 

Excitare  wird  oft  im  N.  L.  ohne  Autorität  in  der  Bedeutung 
anführen,  erivähnen  gebraucht,  nicht  allein  verbunden  mit  scriptores, 
sondern  sogar  mit  locus,  testimonia  u.  a.  Aber  ganz  gut  ist  excitare 
testes  im  aussergerichthchen  Sinne.  S.  Madvig  zu  Cic.  fin.  2,  67  u. 
Cic.  Rab.  Postum.  47. 

Excludere,  ausschliessen ;  —  einen  von  etivas,  aliquem  ah  aliqua 
re  oder  ohne  ah  mit  dem  Abi.;  aber  Junge  aus  deyi  Eiern  aushriiten, 
excludere  pidlos  ex  ovis  oder  bloss  excludere  Cic.  nat.  deor.  3,  81; 
Stangl  findet  in  excludere  pdlos  neben  excudere  ein  volkstüm- 
liches Missverständnis,  vgl.  Philol.  45  S.  669.  Die  übertragene  Be- 
deutung dieses  excludere  =  purere,  gigner e  ist  Sp.  L.,  vgl.  Pseudo- 
Cypr.  S.  301,  305  H.  tunc  avidus  7^apidos  excludit  tartarus  ignes. 
Sehr  häufig  ist  excludere  Sp.  L.  =  vertreiben  (ixßdXXecv),  vgl.  Rönsch 
Coli.  phil.  S.  28,  52  u,  291,  Sem.  III  S.  35.  —  Man  beachte  auch, 
dass  dieses  Wort  der  stehende  Ausdruck  ist  für  Besuche,  die  nicht 
angenommen  iverden,  s.  Nägelsbach-Müller^  S.  451,  Fritzsche  zu  Hör. 
sat.  2,  3,  260. 


Exclusio  —     538     —  Excudere 

Exclusio,  die  Ausscliliessimg ,  ist  selten  und  kommt  nur  A.  L. 
u.  N.  Kl.  bei  Yitruv  und  Ulpian  vor;  es  werde  durch  die  Yerba 
exchidere,  eximere,  seiimgere  u.  a.  vermieden. 

Exclusiviis  und  das  Adv.  excliisiue  sind  N.  L.  für  hoc  (eo)  ex- 
duso,  excepio,  ita  id  hoc  (id)  excliidatur,  exiniatur  u.  dgl. 

Excommunicare,  in  den  Bann  tun,  von  der  Kirche  ausschliessen, 
und  excommiinicatio,  der  Kirchenhann,  sind  Sp.  L.  Wörter  kirch- 
licher Schriftsteller,  die  aber  den  ältesten  christlichen  Autoren  selbst 
noch  nicht  geläufig  sind.  Vergeblich  werden  wir  bei  Cyprian  ex- 
commünicare  suchen;  in  dieser  ersten  Periode  der  Entwicklung  des 
kirchlichen  Lateins  sind  ahstiiiere  und  ahicere  die  üblichen  Bezeich- 
nungen für  das  Entfernen  aus  der  christlichen  Gemeinschaft,  z.  B. 
Cyprian  ep.  3,  3  (S.  472  H.)  fiingeris  contra  eum  potestatem.  Jionoris 
tili,  ut  eimi  vel  deponas  vel  ahstineas.  Erst  allmählich  kommt  ex- 
communicare auf  und  wird  dann  immer  üblicher.  Ygl.  Koffmane 
Kirchenlatein  S.  28,  Gölzer  Hieron.  S.  183.  Man  hat  für  exkommu- 
nizieren vorgeschlagen  sacris  oder  reljus  divinis  interdicere  alicui, 
was  KL  ist;  allein  man  wird  auch  excommunicare  brauchen  können 
und  so  sich  am  deutlichsten  ausdrücken.  Im  poUtischen  Sinne,  in 
die  Acht  erklären,  brauche  man  lieber  p)roscribere,  und  für  Achts- 
erkläritng  proscriptio. 

Excrescere,  auf-  oder  emporivachsen,  kommt  A.  L.  bei  Cato  15, 
10  J.  und  K.  Kl.  beim  altern  Plinius,  bei  Columella,  Sueton,  Ta- 
citus  und  Quintilian  vor.  Ob  es  von  einer  Person  gesagt  werden 
kann,  ist  nicht  zu  bezweifeln,  denn  abgesehen  davon,  dass  in  iuvenem, 
in  perfectum  virum  excrescere  sich  bei  Hieron.  u.  Aug.  serm.  216, 
7  :  in  virum  perfectum  excrescere,  ferner  gentes  ad  vastandam  eccle- 
siam  excreverunt  bei  Ps.  Cyprian  S.  56  H.  findet,  hat  es  ja  Tacitus 
in  der  bekannten  Stelle  Germ.  20:  in  hos  artus,  in  haec  corpora, 
cpate  miramur,  excrescunt. 

Excuhare  verbunden  mit  ova,  Eier  aushrüten.^  was  ehedem  bei 
Columella  einigemal  stand,  ist  in  den  neueren  Ausgaben  verworfen, 
und  man  hat  dafür  excliulere  gesetzt. 

Excudere  lihrnm,  mit  und  ohne  tijpis.,  in  der  Bedeut.  drucken, 
verwirft  mit  Recht  F.  A.  Wolf  (Analect.  I  S.  490);  es  stimmt  mit 
dem  Gebrauche  des  Yerbums  nicht  überein,  indem  weder  in  Wachs, 
noch  in  Metall  geprägt  und  gedruckt  wird.  Gut  aber  ist  neben 
excludere  pullos  auch  excudere  pullos;  so  liest  C.  F.  W.  Müller  bei 
Cic.  nat.  deor.  2,  129  e  quihus  (ovis)  pidlos  cum  excuderunt,  ita 
tuentur  (aber  nat.  deor.  2,  124  schreibt  er  a  quihus  exclusi  fotique 
sunt,  Baiter  jedoch  excusi)^  und  über  excudere  ova,  pullos  s.  Yarro 
r.  r.  3,  9,  2  u.  §  10  u.  §  13,  sowie  Keil  zu  Yarro  3,  6,  4,  der  darauf 
hinweist,  dass  auch  bei  Colum.  lib.  8  der  Sangerm.  oft  excudere  bietet, 
wo  die  edd.  excludere  lesen.  Dass  man  auch  excudere  lihrum  = 
zu  Wege  bringen,  sagen  darf,  geht  daraus  hervor,  dass  excudere  mit 
effingere  verbunden  sich  so  bei  Plin.  epp.  1,  3,  4,  ja  klass.  schon  bei 
Cic.  Attic.  15,  27,  2  excudam  aliquid  llpaxAecdelov  findet,    vgl.  noch 


Excurrere  —     539     —  Excurrere 

Tac.  dial.  9  u.  dazu  Gudeman.    Boot  zu  Cic.  Att.  15,  27,  2  vergleicht 
damit  izroTtouv  bei  Piaton  Timaeus  S.  50  D. 

Excurrere.  Sehr  Sp.  L.  z.  B.  bei  Oros.  7,  2,  12  ist  die,  selbst 
von  Ruhnken  und  Wyttenbach  gebrauchte  Redensart  et  quod  excurrit, 
und  luas  darüher  ist,  und  darüber  (bei  Zeitangaben),  z.  B.:  aclit  Jahre 
und  drüher,  odo  anni  et  quod  excurrit,  für  odo  anni  et  amplhis 
oder  anni  odo  amijliiis  oder  amplius  odo  anni  oder  mit  odo  anni, 
aut  plus,  vel  eo  amplius.  S.  Terenz  Hecyr.  421 :  Dies  triginta  aut 
plus  eo  in  navi  fui.  Lact.  4,  15,  30:  Yoces  iwophetarum  cum  per 
annos  mille  quingentos  et  eo  amplius  ledae  fuissent  ....  Ter. 
Heaut.  62.  Annos  sexaginta  natus  es  aut  plus  eo,  Yarr.  r.  r.  1,  18, 
8.  Nee  si  Ms  tanto  ampllorem  funduni  aut  eo  plus  colas,  ideo  duo 
vilici  aut  tres  habendi  fere.  Das  richtige  Verständnis  dieses  eo  amplius 
und  eo  plus  erhalten  wir  durch  Vergleich  mit  C.  Gracchus  bei  Gell. 
15,  2,  3  ut  nemo  posset  vere  dicere  assem  aut  plus  eo  in  munerihus 
me  accepisse  und  Ammian  28,  1,  1  ayino  sexto  decimo  et  eo  diutius 
saeviens  per  urhem  aeternam  urehat  cuncta  Bellona;  es  ist  somit  eo 
Abi.  comparationis  und  zv^ar  der  Ablativ  des  Neutrums,  luelcher  die 
betreffende  Zahl  samt  ihrer  Benemnmg  ivieder  aufnimmt.  Zur  Be- 
gründung dieser  Ansicht  verweise  ich  auf  Anm.  325^  und  335 
unserer  Neubearbeitung  von  Reisig-Haase.  Dort  habe  ich  durch 
viele  Stellen  nachzuweisen  gesucht,  dass  sogar  in  der  KL  Sprache 
das  Neutr.  eines  Pron.  demonstr.  unmittelbar  vorausgegangene  Sub- 
stantiva  andern  Geschlechts  wieder  aufnimmt;  namentlich  gilt  dies 
für  Zahlbegriffe,  insbesondere  für  Geldsummen,  z.  B.  Plaut.  Asin.  89: 
viginti  iam  usustfilio  argenti  minis:  face  id  ut  paratum  iam  sit;  ebenso 
Trio.  402:  minas  quadraginta  accepisti,  quid  fadumst  eo  f  Ygl.  Brix- 
Niemeyer  z.  St.,  ferner  auch  Cic.  Place.  34,  wo  ich  gegen  C.  F.  W. 
Müller  mit  du  Mesnil  dixit  publice  datum  drachmarum  CCVI  lese; 
hier  ist  sogar  das  Prädikat  ebendesselben  Satzes  bei  der  Zahlangabe 
ins  Neutrum  gesetzt;  vgl.  ferner  Tac.  ann.  6,  8  u.  Caes.  Gall.  1,  44, 
5,  wo  amicitia  durch  id  wieder  aufgenommen  wird  (doch  Mensel 
streicht  id).,  Nepos  Phoc.  1,  1,  wo  ex  quo  sich  auf  integritas  vitae 
bezieht:  vgl.  ferner  besonders  noch  Gell.  1,  8,  5:  Lais  fiuoiac,  dpay^fiä?, 
poposcit.^  hoc  facit  nummi  nostratis  denarium  decem  milia.  Ebenso 
drückt  bei  Livius  öfter  der  neutrale  Genitiv  eius  die  Beziehung  auf 
vorangegangene  Zahlenangaben  aus:  ad  tria  milia  caesa  erant,  dimi- 
dium  fere  eius  captum,  und :  ab  neutra  parte  sescentis  plus  peditibus 
et  dimidium  eius  equitum  cecidit.  S.  Liv.  10,  18,  8  u.  21,  59,  8  u. 
das.  Fabri  und  Wölfflin;  vgl.  ausserdem  Richter  Progr.  Oldenburg, 
1880  S.  40;  du  Mesnil  zu  Cic.  p.  Flacco  S.  113,  Lange  zu  Hygin. 
gromat.  S.  178  und  die  andre  zu  Reisig-Haase  1.  1.  zitierte  Lite- 
ratur. Bezüglich  Sali.  Jug.  80,  6  teile  ich  Allgayers  Ansicht 
nicht:  denas  uxores  alii,  alii  plures  habent,  sed  reges  eo  amplius 
heisst:  „fe  Könige  als  Könige  {eo  =  ideo  quod  sunt  reges 
övTsg  ßacrdrjg)  haben  um  so  mehr''^ ;  an  einen  Abi.  comp,  ist  hier 
nicht  zu  denken. 


Excursio  —     540     —  Excutere 

Excitrsio  ist  ganz  gut  für  unser  Ausflug,  Ideine  Reise  auf  das 
Land.     Es  ist  dies  zwar  erst  nachklass.  beim  jungem  Plin.  epp.  1, 

3,  2,  allein  schon  Cicero  hat  so  excurrere  gebraucht:  excurre?^e  in 
Pomimanum,  Attic.  10,  15,  4,  und  von  einer  eigentlichen,  grossem 
Heise:  excurrere  in  Graeciam,  14,   16,  3. 

Excursns  in  der  Bedeutung  iveiÜäufigere  Erörterung  eines  Gegen- 
standes auf  Veranlassung  einer  Stelle  eines  Schriftstellers,  sollte 
weniger,  als  es  seit  Heyne  geschieht,  gebraucht  werden,  da  es  in 
dieser  Bedeutung  ohne  Autorität  ist,  und  die  Abschweifung  in  der 
Rede  excursio,  digressio,  egressio  nur  dann  heisst,  wenn  ein  Zurück- 
kommen auf  das  Thema  gedacht  wird.  Sonst  braucht  man  quaestiones, 
disputationes,  additamenta. 

Excusare,  entschuldigen,  mit  persönlichen  oder  sachlichen  Ob- 
jekten, jemanden,  sich,  etivas  entschuldig eyi,  sich  mit  etwas  entschid- 
digen,  oder  ^^etwas  zur  Entschiddigung  anfidiren''^,  (Nägelsb.-Müller^ 
S.  440),  nicht  se  excusare  cdiqua  re,  sondern  alicuius  rei  causa  oder 
cdiquamrem;  z.B.:  iclt  entschiddige  midi  mit  Kranhheit,  me  excuso 
oder  excusor  morhi  causa  oder  excuso  morhuni;  etivas  entschiddige7i 
heisst  teils  excusare  cdiquid,  teils  se  de  aliqua  re  excusare;  einen  oder 
etivas  hei  jemanden  entschuldigen,  cdiquem  (aliquid)  alicui,  gut  auch 
apiid  aliquem  excusare,  s.  Cic.  Attic.  12,  14,  1  und  12,  15,  1  und  12, 
17,  Suet.  Tib.  68,  Tac.  hist.  2,  85,  Curt.  5,  10,  8,  Liv.  6,  39,  4; 
sich  wegen  einer  Sache  mit  etivas  entschuldigen,  se  excusare  de 
aliqua  re,  mit  der  Konjunktion  quod  und  dem  Konjunktiv,  so  Caes. 
Gall.  4,  22,  1 ;  alle  genannten  Konstruktionen  können  aus  Cicero 
und  Caesar  belegt  werden.  Aber  excusari  cdicui  rei  bei  Tac.  ann. 
1,  12:  cui  in  Universum  excusari  mallet  =  dem  er  sich  lieber  ganz 
entziehen  möchte,  ist  N.  Kl.,  denn  bei  den  Klassikern  kommt  nur 
der  Dativ  der  Person  vor,  und  excusare  ah  cdiqua  re,  z.  B.  a  coepta 
tutela  =  befreien  von  ist  Sp.  L.,  vgl.  Hoppe  Synt.  Tert.  S.  35.  Ent- 
schiddigung mit  etivas  heisst  excuscUio  cdicuius  rei,  z.  B.  mit  dem 
Älter,  aetatis.  Ferner  kann  ein  Infinitiv  stehen,  Cic.  Phil.  5,  14 
habent  legitimam  excusationem  exilii  causa  solum  vertisse  nee  esse 
postea  restitutos,   auch  ein  Satz  mit  quod,  Plauens  bei  Cic.  fam.  10, 

4,  1  jjraeteriti  temporis  excusationem  adfero,  quod  te  profectum  audie- 
ram;  hier  ist  excusationem  affero  eine  gerade  so  umständliche  Um- 
schreibung für  excuso  wie  excusationem  uhique  rei  dat  tuae  vitae 
consuetudo  bei  Caecina  in  Cic.  fam.  6,  7,  6.  Ygl.  Seyffert-Müller  z. 
Lael.  S.  303,  Hofmann-Andresen  zu  Cic.  epp.  H  S.  40  und  Bergmüller 
Plane.  S.  48. 

Excutere  ist  nach  der  Erklärung  des  Donat  zu  Ter.  Heaut.  177 
=  commovendo  aliquid  eicere,  z.  B.  excutere  palliwn,  auch  se  oder 
hominem  excutere,  vgl.  Ter.  Phorm.  586  und  dazu  Dziatzko.  Über- 
tragen heisst  es  =  sorgfältig  imter suchen,  z.  B.  Cic.  Cael.  67 
quam  ob  rem  excutiemus  omnes  istorum  delicias,  omnes  ineptias,  si 
prodierint.  N.  Kl.  und  Sp.  L.  verbreitet  sich  dieser  Gebrauch,  und 
so  lesen  wir  z.  B.  bei  Hieron.   cunctas  scripturas  excutere  und  bei 


Exegesis  —     541     —  Exemplum 

Cyprian  S.  826,  17  excatiamus  i^otius  id,  de  quo  citmmaxima  qitaestio 
e^t.  Ob  aber  quaestionem  exciitere  lateinisch  ist,  darf  nicht  mehr 
bezweifelt  werden;  Claud.  Mam.  67,  1  E.  sagt:  ac  iirimum  ilhtd 
excutiendae  quaestionis  huiiis  2Jotissimitmque  sit  nobü,  ut  .  .;  Hieron. 
jedoch  quaestioyiem  ventilare.  Auch  sonst  ist  der  metaphorische  Ge- 
brauch von  exciitere  stilistisch  bemerkenswert;  vgl.  z.  ß.  excutere 
severitaiem,  ojnnionem  austreiben,  mit  Stumpf  und  Stil  ausrotteyi, 
ferner  Cic.  Phil.  12,  16  omnem  iitventiUem  ex  tota  Italia  excussimus 
j^auf  die  Beine  gebracht''^ ;  es  empfiehlt  sich  also  excutere ^  wo  man 
das  Bedürfnis  nach  einem  starken  Ausdruck  hat.  Ygl.  Nägelsb.- 
MüUer»  S.  553  u.  569. 

Exegesis,  die  Erklärung,  welches  nirgends  bei  einem  Lateiner 
vorkommt,  wird  unnötig  für  exj^lcmatio,  exxMcatio  u.  a.  gebraucht. 
Ygl.  Expositio. 

Exemplar,  Muster,  Vorbild.  Über  den  Unterschied  von  exemiilum 
und  exemplar  polemisiert  Laur.  Yalla  eleg.  6,  34  gegen  Festus  (Müller, 
S.  82).  In  Ciceros  Briefen  steht  exemplar  nur  Att.  4,  5,  1,  in  den 
Briefen  an  Cic.  10,  21,  3  und  10,  31,  6;  vgl.  Schmalz  PoUio^  S.  36, 
Bergmüller  Plane.  S.  27.  —  Man  sage  nicht  exemiilar  ducere,  zum 
Muster,  zum  Vorbilde  nehmen,  wie  Ruhnken  im  Elog.  Hemsterh. 
offenbar  veranlasst  durch  Cic.  or.  9  contemplabatur  aliquem,  e  quo 
similitudinem  duceret  schrieb,  sondern  exemplum  capere^  sumere  oder 
petere,  vgl.  Exemplum. 

Exemplaris,  exemplarisch,  musterhaft,  ist  sehr  Sp.  L.  und  nicht 
zu  brauchen;  von  einer  Person  sagt  man  dafür  sayictus,  vir  exempli 
recti,  vir  singularis  exempli,  exemplum  innocentiae.  Nirgends  kommt 
als  Adv.  exemplariter  vor,  für  unser  exemplarisch.  Einen  exemplarisch 
bestrafen  heisst  in  aliquem  iyisigne  documentum  dare  (Liv.  1,  28,  6); 
exemplum  severitatis  in  aliquo  ede?^e  (Cic.  Q.  fr.  1,  2,  5) ;  poena  ali- 
quem afficere,  ut  exemplum  statuatur  oder  ut  aliis  documento  sit; 
überhaupt  bedeutet  documentum  oft  absch^^eckendes  Beispiel,  vgl.  Liv. 
24,  45,  3  transfugis  documento  esse.  Dahin  gehört  auch,  was  Hirt, 
bei  Caes.  (Gall.  8,  44,  1)  sagt:  exemplo  supplicii  (durch  exemplarische 
Bestrafung)  reliquos  deterrere.     Ygl.  auch  Statuere. 

Exemplum,  das  Beispiel.  Inhalt:  Exeynplum  edere,  dare  und 
andere  Phrasen  mit  exempl.;  —  verhi  causa,  exempli  causa,  ut, 
velut;  —  ad  exemplum,  ex.  =  Praezedeyizfcdl ;  —  ex.  =  ynodus;  — 
exempl.  im  Briefstil.  —  Selten  und  nicht  aus  Cicero  und  Caesar 
zu  erweisen  ist  exemplum  severitatis  u.  dgl.  dare,  ein  Beispiel  —  geben, 
sondern  exempylum  severitatis  edere,  Cic.  Q.  fr.  1,  2,  5,  Liv.  29,  27,  4, 
Tac.  ann.  3,  36;  vgl.  noch  Caes.  Gall.  1,  31,  12  in  eos  onmia  exempla 
C7ntciatuscßie  edere.  Bei  Tacitus  ist  auch  exemplum  dare  =  eiyi  Muster, 
Beispiel  nicht  zur  Abschreckung,  sondern  zur  Nachahmimg  liefern 
nicht  selten.  S.  ann.  1,  74  u.  c.  78  und  4,  50  und  15,  32.  Als 
Beispiel  dienen  ist  klass.  exeynplo  est  cdiquid;  vgl.  Seyffert-MüUer  z. 
Lael.  S.  483,  Nieländer  1877  S.  30;  1874  S.  37;  1893  S.  14.  Im 
gleichen  Sinne  exemplum  praebere  bei  Yal.  Max.  3,  6,  5,  Tac.  bist.  2,  85 


Exemplura  —     542     —  Exemplum 

u.  4,  52.  A7i  jemanden  ein  Beispiel  (Muster,  Vorhilcl  zur  Nachahmung) 
nelimeyi  heisst  exemplum  (sibi)  petere  ex  oder  ah  aliquo,  Cic.  off.  3, 
16,  Liv.  7,  32,  12;  exemplum  capere  de  und  ah  aliquo  oder  sumere 
ah  aliquo,  wozu  noch  sihi  treten  kann;  vgl.  Cic.  Pomp.  44  und  Liv. 
1,  49,  2.  Über  aliquem  in  exemplum  sumere,  s.  Froponere.  Ein 
h'öses  Beispiel  (andern)  gehen  heisst  periculosam  exempli  imitationem 
(ahis,  reliquis)  prodere  (Cic.  Flacc.  24).  Ein  gutes,  höses  Beispiel 
heisst  honum,  malum  exemplum  nur  im  moraUschen  Sinne;  falsch 
wäre  also:  quam  rem  si  demonstrare  volumus,  haud  facile  melius 
exemplum  inveniamus,  quam  Alcihiadis  vitam  für  clarius,  illustrius 
exemplum;  ein  Beispiel,  einen  Beleg  für  etivas  von  jemanden  entlehnen, 
hernehmen,  ist  neben  andern  Ausdrücken  auch  exemplum  petere,  re- 
petere,  sumere,  ponere,  proferre  ah  aliquo,  wie:  uniuscuiusque  generis 
ah  oratore  hono  aut  poeta  p^rohato  sumptum  ponere  exemplum,  rhet. 
Her.  4,  1  und  ib.  5.  Exempla  proferunt  ah  iis  plerumqiie,  qui  .  . 
ib.  4,  6  u.  s.  w.  Beispiele  häufen  ist  exempla  midta  in  unum,  exem- 
pla copiose  colligere.  Noch  viele  Phrasen  mit  exemplum  aus  N.  Kl. 
und  Sp.  L.,  darunter  manche  empfehlenswerte  wie  nullo  exemplo 
facere,  peiore  exemplo  agere,  pessimo  exemplo  condemnare  u.  a.  hat 
Nieländer  1893  S.  14.  —  Man  hüte  sich  verhi  causa  (gratia) 
mit  exempli  causa  zu  verwechseln.  Wenn  zur  Yeranschaulichung 
eines  allgemeinen  Falles  ein  willkürlich  gewähltes  einzelnes  Beispiel 
gesetzt  wird,  luir  wollen  sagen,  dann  steht  im  Lateinischen  nur  verhi 
causa  oder  gratia,  wie:  M.  Quid  dicis  igitur?  Ä.  Miserum  esse 
verhi  causa  M.  Crassum,  Cic.  Tusc.  1,  12;  Mil.  60:  Age  vero  quae 
erat  aut  qualis  quaestio  ?  Heus  tu,  Rufio,  verhi  causa,  cave  sis 
mentiare.  Dieses  einzeln  gewählte  Beispiel  muss  aber  nicht  bloss 
aus  einem  Worte,  es  kann  auch  aus  einem  ganzen,  eine  unter  den 
möglichen  Annahmen  darstellenden  Satz  bestehen,  wie  bei  rhet.  Her. 

4,  60  :  qui  verhi  causa  post  mortem  amici  liheros  eius  custodiunt. 
Einmal  bei  Cicero  findet  man  dafür  auch  exempli  gratia,  Cic.  off. 
3,  50,  dann  noch  bei  Nep.  Lysand.  2,  1  und  dem  altern  Phnius, 
vgl.  C.  F.  W.  Müller  zu  Cic.  off.  S.  161.  Exempli  causa  dagegen 
findet  sich  in  der  klass.  Latinität  nur  in  vollständigen  Sätzen  neben 
Prädikaten  wie  afferre,  proferre,  ponere,  nominare,  so:  exempli  causa 
paucos  nominavi,  Cic.  Phil.  13,  2.  Exempli  causa  ponatur  aliquid, 
quod  pateat  latius,  Cic.  off.  3,  19.  S.  Seyffert  Palästra  S.  211  u. 
8ch.  Lat.  I,  181  und  182  und  zu  Cic.  Lälius  S.  276,  Landgraf  p.  S.  Rose. 

5.  187.  Auch  verwechsle  man  verhi  causa  und  exempli  causa  nicht 
mit  ut,  velut.  Wenn  nämlich  durch  zum  Beispiel  oder  luie  zum 
Beispiel  nur  einzelne  Gegenstände,  Namen,  Wörter,  Redensarten  u. 
dgl.  als  Erklärung  und  Erläuterung  beigefügt  werden,  wo  denn  oft 
nichts  weiter  darin  liegt,  als  unser  nänüicJi,  sagt  man  bloss  ut  oder 
velut,  welche  mit  keinem  besondern  Yerbum  in  Verbindung  zu  stehen 
brauchen.  Wenn  Cicero  (inv.  1,  32)  sagt:  Gattung  ist,  luas  mehrere 
Teile  in  sicli  fasst,  zum  Beispiel  Tier,  so  heisst  dies  :  ut  animal ; 
oder:    auf  ähnliche   Weise  ivird   erklärt  der   Weiher  Hass,   luie  zum 


I 


Exemptus  —     543     —  Exercere 

Beispiel  der  des  Hippolytus,  und  rier  Menschen  Hass,  zum  Beispiel 
der  des  Timon,  —  ut  Hipioolyti,  ut  Timonis,  vgl.  Cic.  Tusc.  4,  27.  Und 
so  heisst  ivie  zum  Beispiel  in  dem  Sinne  des  einfachen  tvie  nur  ut 
Indes  kann  ut  wie  velut  in  diesem  Sinne  auch  einen  Satz  einleiten, 
vgl.  Cic.  Tusc.  5,  34  und  4,  79;  nat.  deor.  2,  73;  u.  Seyifert  schol. 
Lat.  I  S.  185.  Dass  übrigens  Citate  ohne  ut  oder  andere  sie  ankündi- 
gende Wörter  oder  Formeln  angefügt  werden,  hat  Stangl  Tulliana 
S.  39  an  vielen  Beispielen  aus  Cic.  Quint.  u.  a.  gezeigt.  —  Be- 
achtung verdient  auch  ad  exemplum,  vgl.  Cic.  fam.  9,  14,  8  liberasti 
urhem  neque  solum  ad  tempus  maximam  utilitatem  adtidisti^  sed 
etiam  ad  exemplum.  Und  so  findet  sich  ad  exemplum  oft  =  ,^imi 
als  Beispiel  zu  dienen'-^,  z.  B.  Cic.  rep.  1,  70  exposita  ad  exemplum 
yiostra  re  publica,  vgl.  C.  F.  W.  Müller  zu  Cic.  off.  S.  105.  Damit 
hängt  zusammen  exemplum  =  Präzedenzfall,  z.  B.  Cic.  fam.  4,  3,  1 
quod  exemplo  fit,  id  etiam  iure  fieri  putant,  u.  Tac.  ann.  11,  24  quod 
hodie  exemplis  tuemur,  inter  exempla  erit.  —  Über  exemplum  =  modus, 
also  quod  ad  exemplum  =  quem  ad  modum  bei  Plaut.,  aber  nicht 
mehr  bei  Ter.  vgl.  Ladyzynski  S.  24  ff.  —  Exemplum  litter arum 
ist  entweder  das  Konzept  eines  Briefes :  accuhueram  liora  yiona,  cum 
ad  te  harum  exemplum  litterarum  in  codicillis  exaravi,  Cic.  fam.  9, 
26,  3  oder  eine  Abschrift:  earum  litterarum  exemplum  infra  scrip- 
tum est,  fam.  6,  8,  3.  Litterae  hoc  exemplo  allatae  sunt  heisst  Briefe 
von  folgendem  Wo7ilaut,  binae  litterae  eodem  exemplo,  zwei  Briefe 
desselben  Inhalts,  s.  Cic.  Attic.  9,  6,  3,  fam.  4,  4,  1  und  10,  5,  1 ; 
vgl.  Hofmann  zu  Cic.  epp.  I  S.  197  und  218,  Süpfle-Böckel  zu  Cic. 
epp.  S.  44,  S.  191  und  öfter. 

Exemptus;  vgl.  Eximere. 

Exercere.  Man  sagt  se  exerce^^e  oder  exerce^i  aliqua  re  oder  in 
aliqua  re,  sich  in  etwas  üben,  sich  mit  etivas  beschäftig eyi,  auch  z.  B. 
in  lahoribus,  in  casibus,  sich  mit  etivas  quälen,  plagen;  wozu  man 
sich  übt,  wird  mit  ad  gegeben,  z.  B.  Cic.  fam.  1,  7,  9  huc  te  pares, 
haec  cogiies,  ad  haec  te  exerceas.  Bei  Übungen  des  Körpers  wird 
für  die  Person,  die  sich  übt,  mehr  corpus  gebraucht,  z.  B.  für  iuvenes 
exercentur  sagt  man  lieber  corpora  iuvenum  exercentur.  In  den  Redens- 
arten: Grausamkeit,  Milde  u.  dgl.  ausilben  gegen  jemanden^  an  je- 
manden,  wird  Kl.  gesagt  iyi  cdiquo,  z.B.  Cic.  Phil.  11,  8  ut  suam 
insatiabilem  crudelitatem  exercuerit  non  solum  in  vivo,  sed  etiam  in 
mortuo;  bei  Brutus  in  Cic.  ep.  Brut.  1,  2,  5,  dann  bei  Sallust,  z.  B. 
Jug.  16,  2,  bei  Livius  und  im  silb.  Latein  treffen  wir  auch  in 
aliquem,  vgl.  Fabri  zu  Sali.  Jug.  16,  2.  Ygl.  auch  Efficere  und  Ex- 
promer e.  Exercere  legem  findet  sich  bei  Liv.  4,  51,  4,  Tac.  ann.  1, 
72,  Suet.  Caes.  43,  Tib.  58.  Gut  ist  auch  victoriam  exercere  =  verfolgen. 
Sali.  Cat.  38,  4,  Liv.  2,  55,  9,  victoriam  exercere  in  aliquem.  Sali. 
Jug.  16,  2,  Liv.  29,  11,  13,  dagegen  in  aliquo,  Liv.  6,  22,  4.  Exer- 
centes  ist  nicht  allein  =  ii  qui  exercent,  sondern  auch  =  ii  c[ui  exer- 
centur, und  dies  sogar  bei  Cicero,  vgl.  Sorof  zu  Cic.  de  or.  2,  287 ; 
auch  bei  Sueton  Caes.  26,  vgl.  Bagge  S.  21,  überhaupt  vgl.  Nägelsb.- 


Exercitamentum  —     54-i     —  Exhibere 

Müller«  S.  411,  meine  Stil.^  §  34,  Madvig  de  fin.  S.  129,  Riemann 
etudes  S.  201,  Elter  Rhein.  Mus.  1886  S.  517  fiP.  —  Das  Partiz. 
Perf.  exercitus  bedeutet  klass.  nur  angestrengt,  geplagt,  und  so  auch 
nachklass.  Suet.  Tib.  6:  infantiam  imeritiamfine  Jiahuit  lahoriosam 
et  exercitam,  und  exercitae  aestates  bei  Tac.  ann.  1,  17  sind  eben 
auch  Sommer  voller  Mühen  und  Strapazen.  Indes  kommt  exercitus 
nachklass.  doch  auch  =  exercitatus  =  geübt,  gesclmlt  vor ;  besonders 
oft  findet  sich  dies  bei  Tacitus,  s.  Nipperdey  zu  ann.  3,  67  und 
Heraeus  zu  Tac.  bist.  4,  4.  Aber  geübte,  d.  h.  feine  Ohren  (um 
etwas  zu  unterscheiden)  heisst  weder  exercitae,  noch  exercitatae 
aures,  sondern  tritae,  Cic.  fam.  9,  16,  4;  eruditae  aures  (Cic.  orat. 
119),  teretes  aiires,  Cic.  opt.  g.  11. 

Exercitamentum,  die   Übung,  ist  Sp.  L.  für  exercitatio. 

Exercitatio,  Übung;  —  iyi  einer  Sache  heisst  entweder  in  cdiqua 
re  oder  alicuius  rei,  z.  B.:  Cic.  fin.  3,  41  in  dicdecticis,  öfters  dicendi, 
scribendi  u.  a.  Das  Wort  passt  daher  allerdings  wohl  bei  den  Schul- 
übungen in  diesem  und  jenem  Fache.  Für  unser:  eine  Übung  vor- 
nehmen ist  habere,  facere  exercitationem,  uti  exercitatione  nicht  zu 
brauchen;  richtiger  sagt  man  se,  aliquem  exercere  in  aliqua  re.  Für 
scJiriftliche  Übung  kann  exercitatio  habita,  facta  jedenfalls  deswegen 
nicht  gesagt  werden,  weil  in  diesen  beiden  Partizipien  das  Moment 
des  Schriftlichen  an  und  für  sich  gar  nicht  liegt,  besser  wäre  daher 
dafür  exercitatio  alicuius  rei  litteris  consignata.  Tugendübung  ist 
exercitatio  virtutis,  und  so  auch  der  Plural:  exercitatio nes  virtutum, 
Cic.  Mil.  34;  Cato  9;  lust.  20,  4,  1. 

Exercitium,  die  Übung,  findet  sich  nirgends  im  A.  L.  oder 
Kl.  L.,  auch  nicht  bei  Sali.,  wie  Chruzander  S.  25  angibt,  sondern 
zuerst  bei  Yell. ;  es  ist  als  N.  Kl.  und  *S^;.  L.  zu  meiden ;  dafür 
sage  man  exercitatio,  meditatio. 

Exerere;  vgl.  Exserere. 

Exhalare,  (exalare)  aushauchen,  kommt  bei  Cicero  nur  mit 
vinum  und  crapulam,  Verr.  3,  28  und  Phil.  2,  30,  verbunden  vor; 
P.  L.  und  bei  Sen.  epp.  101,  14  auch  mit  animam  und  vitam  in 
der  Bedeutung  sterben,  wie  es  denn  auch  in  unserm  neuern  gezierten 
Latein  oft  vorkommt.  Man  brauche  ausser  dem  gewöhnlichen  mori  u. 
dgl.  efßare  animam  (Cic.  Mil.  48),  agere  animam  (Cic.  Tusc.  1,  19), 
edere  animam  (Cic.  Sest.  83),  extremum  S2nritum  edere  (Cic.  Phil.  12, 
22)  u.  a. 

Exhaurire  =  erschöpfend  behandeln  ist  N.  L.,  klass.  ist  com- 
prehendere,  complecti,  persequi;  vgl.  Cic.  de  or.  1,  64;  acad.  1,  12; 
Flacc.  66  (Sonny  brieflich). 

Exhaustus,  erschöpft,  kommt  in  der  bildlichen  Bedeutung  ausser 
Atem  wohl  nirgends  vor  für  exanimatus  (Caes.  Grall.  3,  19,  1). 

Exhereditare,  enterben,  ist  sehr  Sp.  L.  für  exheredare. 

Exhibere  wird  in  einigen  Verbindungen  verworfen,  z.  B. :  alicui 
honorem  (Sp.  L.  bei  Aug.  serm.  46,  7),  reverentiam  exhibere,  einem 
Ehre  erweisen.,  für  habere,  tribuere,  honore  aliquem  afficere  u.  a.,  aber 


Exhibitor  —     545     —  Exigere 


■  N.  Kl.  wird  gesagt  fidem,  henevolentiam,  liheralitatem,  caritatem, 
W  gratum  animum  aliciii  exhihere,  und  S'p.  L.  lesen  wir  bei  Gregor. 
Turon.  honoris  graiiam,  reverentiam  u.  ä.  exhihere,  vgl.  Bonnet  Greg. 
S.  294,  Rönsch  It.  S.  364,  weshalb  es  nicht  als  unlat.  zu  verwerfen 
ist.  —  Exliibere  sese  mit  einem  Prädikatsaccus.,  z.  B.:  se  advocatum 
alicui  exhihere   ist   wohl  nur  N.  Kl.    bei  Val.  Max.   und   Plin.  epp. 

1,  23,  4;  Cic.  Sest.  107  liest  man  jetzt  mit  Madvig  praehidt  aa  Stelle 
des  von  den  früheren  edd.  gebotenen  exJiihuit;  vgl.  C.  F.  W.  Müller 
z.  St.,  der  dem  von  Weidner  Progr.  Dortmund  1885  vorgeschlagenen 
iwofessus  est  mehr  zuneigt.  —  Falsch  ist  aliquid  exhihere  hi  specimen 
alicuiiis  reij  ettvas  als  Prohe  von  ehuas  zeigest,  z.  B.  als  Frohe  einer 

I  neuen  Ausgahe,  novae  editionis,  da  sich  für  diese  Verbindung  mit 
in  kein  Beispiel  findet,  für  specimen  aliquod  novae  editionis  dare 
nach  Cic.  div.  in  Caecil.  27;  eine  entfernte  Analogie  bietet  Greg.  Tur. 
Mart.  2,  32  S.  620,  31  mnltos  in  testimonium  exhihere. 
ExJiihitor^  der  ehuas  ühergiht,  einhändigt,  z.  B.  litterar  um,  einen 
Brief,  für  tahellarius,  qiii  litteras  reddit,  weiss  ich  nicht  zu  belegen. 
Exhilarare,  erheitern,  ist  mehr  N.  Kl.  (bei  Cicero  nur  einmal 
das  Part,  exhilaratus,  fam.  9,  26,  1);  aber  exhilaratio,  die  Auf- 
heiterung ist  Sp.  L.  für  hilaritas,  remissio  u.  a.;  vgl.  Saalfeld 
tens.  s.  v. 

IExhinc,  daraitf  nachher,  ist  Sp.  L.  für  deinde,  postea;  es  steht 
bei  Apul.  met.  11,  34  und  Dracont.  8,  337,  vgl.  Westhoff  S.  49. 
Exhortari,  aufmuntern,  ist  N.  Kl.  bei  Col.,  Yal.  Max.,  Sen.,  Tac, 
Plin.  nat.,  Plin.  ep.,  Suet.  Caes.  33,  Sp.  L.  bei  Symmachus,  vgl. 
Schulze  Symm.  S.  99  f.,  bei  Juristen  u.  a.,  Lact.  7,  27,  1;  nicht  je- 
doch bei  Cicero,  Caesar,  Sallust,  Livius,  welche  sagen  adhortari 
oder  cohortari.  Passives  exhortari  gehört  besonders  dem  Kirchen- 
latein an,  exhortavit  hat  Petron  76,  10.  —  Exhortatio  kommt  für  co- 
hortatio  Kl.  nur  bei  Plancus  (Cic.  fam.  10,  7,  1)  vor,  nirgends  bei 
Cicero,  oft  im  N.  Kl.  und  im  Sp.  L.,  besonders  im  Kirchenlatein, 
vgl.  Bergmüller  Plane.  S.  16.  Exhortator  gehört  der  Sprache  der 
Eccl.  an,  vgl.  Gölzer  Hieron.  S.  48.  —  Exhortari  =  trösten,  exhor- 
tatio =  Trost  ist  Sp.  L.,  vgl.  Rönsch  Coli.  phil.  S.  104  u.  S.  99. 
Exigentia,  das  Erfordernis,  ist  Sp.  L. ;  man   sage  dafür  neces- 

»sitas,  postulatum  oder  ersetze  es  mittels  der  Yerba  exigere,  postu- 
lare  u.  a. 
Exigere.  Exigere  aetatem  (gewöhnlich  cum  aliquo,  aliqua)  findet 
sich  öfter  bei  Plaut.,  wie  Trin.  953,  Capt.  720,  Mil.  1038  u.  1275; 
^  auch  mit  adjektivischer  oder  adverhialer  Nebenbestimmung:  2tt  te 
dignam  mala  malam  aetatem  exigas,  Aulul.  43,  Cat.  erat.  ine.  15, 
S.  73  Jordan:  taetre  aetatem  exigit.  Nachklass.  hat  es  Plin.  nat.  7, 
139,  auch  Seneca.  Terenz  sagt  dafür  vitam  exigere,  z.  B.  Heaut. 
280  und  sonst;  ebenso  Sali.  Jug.  14,  15  und  85,  49,  und  gar  nicht 
selten  nachkl.  bei  Yitr.  2,  1,  1,  Val.  Max.  9,  12,  Praef.  und  3,  5, 
4  und  4,  1  ext.  4  und  vitae  tempus  exigere,  3,  3,  ext.  6,  Sen.  epp. 

2,  2.     Auch  wird  exigere  noch   mit  andern  Zeitbegrifi:en  verbunden, 

Krebs-Schmalz,  Äntibarbarus  I.  35 


Eximere  —     546     —  Eximere 

wie  noctem,  diem  supreminn^  liiemem,  senedam  u.  dgl.,  jedoch  nicht 
bei  Cicero  und  Caesar,  aber  noch  bei  Sulp.  Sev.,  wozu  Fürtner 
Progr.  Landshut  1885  S.  20  die  Beispiele  gesammelt  hat.  Exadus 
aber  =  ad  finem  loerdudus  ist  gut  klass.,  s.  Cic.  Yerr.  2,  1,  48, 
Catil.  3,  6,  Caes.  Gall.  6,  1,  4.  Rationem  exigere  in  der  Bedeutung 
von  rationem  inire  =  Berechnung  anstellen  hat  Liv.  26,  43,  3,  vgl. 
FriedersdorfF  z.  St.,  der  noch  mehr  Beispiele  aus  Liv.  für  exigere 
=  heredmen,  p'üfen  gibt;  aber  =  Rediensdiaft  fordern  ist  es  N. 
Kl.  und  aS^;.  L.  S.  Sen.  controv.  2,  11,  7,  S.  141  B.,  Sen.  epp. 
94,  28,  Yal.  Max.  3,  1  ext.  1  und  7,  2,  6,  Suet.  Octav.  101  extr., 
Plin.  epp.  2,  19,  9  und  10,  81  (85),  1,  lust.  19,  2,  5.  Auch 
Murets  für  N.  L.  erklärten  Worte:  rationem  se  i^ostea  exigendos, 
sind  nicht  ohne  antikes  Fundament.  Diese  Konstruktion  setzt  näm- 
lich ein  exigor  aliquam  rem  voraus,  wovon  uns  Gell.  15,  14  zwei 
Beispiele  überliefert  hat,  das  eine  aus  Q.  Metellus  Numidicus:  sese 
loecunias  exados  esse,  das  andere  aus  Cäcilius:  ego  illiid  minus  nikilo 
exigor  portorium.  Merkwürdigerweise  taucht  diese  Konstruktion  im 
Si^.  L.  wieder  bei  Hieron.  auf,  adv.  Jovin.  1,  12  angelor^im  vitam 
non  exigimiir,  vgl.  Gölzer  Hieron.  S.  310  f.;  Hieron.  hat  sie  auch 
in  der  Bibelübersetzung,  Job  11,  6,  ebenso  Cassiodor  h.  eccl.  6,  45. 
—  Exigere  ist  bekanntlich  der  stehende  Ausdruck  vom  Eintreiben 
sdmldiger  Gelder,  und  wird  davon  auch  auf  andere  Forderungen 
übertragen:  der  exigens  fordert  also  etwas  als  Sdiiddigkeit.  Daher 
sagt  die  silberne  Latinität  exigere  poenas,  siipj^Udum  de  aliquo,  für 
repetere  ah  aliquo.  S.  Seyflfert  zu  Cic.  Lael.  224  f.  Über  exigere 
cum  =  verhandeln  mit  vgl.  Bergmüller  Plane.  S.  38;  es  ist  nicht  kl., 
zuerst  hat  es  Plane,  in  Cic.  fam.  10,  24,  7,  dann  erst  wieder  Plin. 
6,  12,  3.  Über  exigere,  das  anstelle  des  zurücktretenden  poscere 
oder  postulare   gebraucht   wird,   vgl.  Wölfflin  Aufgab,  der   lat.  Lex. 

5.  105,  Kalb  lioms  Juristen  S.  53,  Novak  Hist.  Aug.  S.  6,  Berg- 
müller Jord.  S.  32,  Archiv  YII,  612;  es  ist  nicht  klass. 

Eximere,  ausnehmen,  herausnehmeyi  im  eigentlidien  Sinne,  wird 
verbunden  alicui  aliquid,  z.  B.:  dentem  exime^'e,  einen  Zahn  ausziehen 
(nicht  bei  Cicero  [Caesar  braucht  eximere  nicht],  aber  bei  Celsus  und 
Sueton);  etiuas  von  etwas  hinivegnehmen  ist  eximere  aliquid  de  oder  ex 
aliqua  re,  N.  Kl.  und  Sp.  L.  auch  mit  dem  blossen  Ählat.:  anulum 
digito  eximere.  Auch  in  trop.  Bedeutung  heisst  einem  etwas  benehmen 
alicui  aliquid  eximere,  z.  B.  dubitationem  alicui  eximere,  Liv.  34, 
37,  6,  scrupidum,  Phn.  epp.  3,  17,  2  und  6,  8,  7.  Etivas  aus 
etivas  hinivegnehmen  ist  klass.  aliquid  eximere  ex  aliqua  re,  z.  B. 
ex  rerum  natura;  jemanden  von  etwas  hinwegnehmen,  d.  h.  befreien, 
losmachen,  ist  klass.  eximere  cdiquem  de,  ex  aliqua  re,  seit  Livius 
auch  mit  dem  blossen  Abi.,  z.  B.  de  proscriptorum  numero  eximere, 
Nep.  Att.  10,  4,  ex  culpa  eximere,  Cic.  inv.  2,  24,  ex  Servitute 
regia  eximere,  Liv.  37,  56,  7,  eximendus  animus  ex  Servitute,  Sen. 
epp.   104,  16  und  crimine,  obsidione,  Servitute  aliquem  eximere,   Liv. 

6,  24,  8;    31,    14,  4;    27,  22,   3;    33,    23,   2;  Colum.   1,  8,   16  und 


Exim  —     547     —  Exire 

Plin.  epp.  4,  24,  3.  Die  N.  Kl.  Latinität  sagt  dafür  gern  eximere 
aliqueni  alicui  rei,  entsprechend  dem  Deutschen:  einen  einer  SacJie 
entzieheyi,  z.  B.  der  Strafe.  So  immer  bei  Tacitus,  s.  Nipperdey  zu 
ann.  14,  64;  vgl.  noch  eximere  aliquem  qiierelae,  Sen.  de  benef.  0, 
9,  1  und  aliquem  crimini  eximere,  Curt.  7,  1,6,  und  servitio  eximere, 
ib.  6,  3,  3;  so  einmal  selbst  bei  Livius:  non  noxae  eximitur  Q. 
Fäbiiis,  8,  35,  5.  —  N.  L.  wird  gesagt  eximitur  aliquis  a  miseriis, 
ab  oneribiis  für  e  m.,  ex  o.,  offenbar  infolge  falscher  Lesarten,  wie 
z.  B.  Nizolius  noch  Cic.  inv.  2,  24  eximere  a  culjKi  zitiert. 

Exim,  exin  und  exinde  in  der  Bedeutung  darauf,  nachher  im 
Sinne  lokaler  oder  zeitlicher  Reihenfolge,  steht  nicht  bei  Caesar, 
selten  bei  Cic.  für  dein  und  deinde,  z.  B.  Att.  4,  3,  3  exin  se- 
natus  postridie  Idus ;  Liv.  hat  selten  exinde,  die  Form  exim  nur  27, 
5,  6;  vgl.  Novak  Stud.  Liv.  1894  S.  185.  —  N.  Kl.  und  Si).  L., 
s.  Yogel,  Symb.  S.  18,  kommen  sie  in  der  Bedeutung  von  da  an, 
seitdem  vor,  für  ex  illo  tempore;  N.  L.  in  der  Bedeutung  dadurch, 
desiuegen,  wenn  auch  bei  Plautus,  vgl.  Lorenz  z.  Most.  227,  und 
bei  Tacitus  manche  Stellen  auf  kausale  Bedeutung  hinweisen,  die 
mit  dem  alten  Satze  j^ost  lioc,  ergo  propter  hoc  sich  erklären  lässt, 
und  in  der  örtlichen  Bedeutung  von  daher,  für  inde,  oder  daraus, 
aus  diesem.  Falsch  ist  exinde  sequitur,  daraus  folgt,  für  das  einfache 
sequitur.  Ygl.  Secßii.  —  Über  die  Form  exin  vgl.  Lachmann  zu 
Lucr.  3,  159,  Bitschl  Opusc.  II  S.  455  u.  459,  Novak  Amm.  S.  86, 
Bonnet  Greg.  S.  155. 

Exire,  ausgehen,  ausziehen,  wird,  wenn  es  nicht  absolut  steht 
(z.  B.  Caes.  civ.  2,  39,  1),  sowohl  eigentlich  als  tropisch  a)  mit  den 
Präpositionen  de  und  e  ohne  Unterschied  des  Sinnes,  dann  auch  mit  ah, 
verbunden,  wie:  exire  de  finihus  und  e  finihus,  Caes.  Gall.  1,  2,  1  und 
ib.  5,  1,  exire  ex  navi  und  de  navi,  Nep.  Them.  8,  7,  Cic.  Att.  2,  7,  4; 
wo  man  landet,  wird  entweder  mit  in  c.  acc,  z.  B.  Cic.  Att.  6, 
9,  1  in  Firaeea  cum  exissem,  oder  auch  mit  dem  Lokativ  gegeben, 
z.  B.  Cic.  fam.  9,  6  Ostiae  videri  commodius  eitm  exire  posse,  vgl. 
Hofmann-Andresen  zu  Cic.  epp.  II  S.  11.  Ebenso  sagt  man  exire 
ex  urle,  mit  einer  Modification  des  Sinnes  auch  ab  urbe  im  mili- 
tärischen Sinne:  von  einer  Stadt,  aus  ihrer  Nähe,  Umgebung  auf- 
brechen, s.  darüber  Liv.  21,  13,  7;  10,  37,  6j  23,  18,  14;  25,  22 
Ende;  41,  10  extr.  und  44,  43,  8.  —  b)  Mit  dem  blossen  Ablat. 
steht  es  einmal  bei  Caesar:  castris  exeundum,  civ.  1,  69,  3,  und 
öfter  in  dem  bekannten  domo  exire.  Mit  a  wird  es  wohl  zuerst 
von  Livius  verbunden,  vgl.  21,  13,  7  ab  Sagunto  exire,  23,  18,  14 
a  Capua  exiret,  25,  22,  11  (vgl.  Weissenborn  zu  10,  37,  6  und  Fabri 
zu  21,  13,  7),  dann  von  Quint.  6,  3,  49  und  Sen.  benef.  3,  38,  2.  c)  Mit 
dem  blossen  Accus,  ist  es  P.,  in  Prosa  nur  bei  Tacitus,  vgl.  Nipperdey 
zu  ann.  6,  49  extr.,  und  Hieron.  ep.  22,  25  7ie  domum  exeas  und 
Apul.  Da  exire  ein  Verbum  der  Bewegung  ist,  so  kann  es  natür- 
lich nicht  mit  Adverbien  wie  iibi  verbunden  werden,  also  nicht 
nescio,  ubi  exeam,  sondern  unde.  —  Auch  trop.  wird  bei  exire  sowohl 


Existere  —     548     —  Exitium 

de  als  ex  gesagt,  also  de  vita  uad  ex  vita  exire,  s.  Seyffert-MüUer 
zu  Cic.  Lael.  15  und  Cic.  fin.  1,  49,  de  und  ex  potestate  exire, 
Cic.  Tusc.  3,  11  und  4,  73  in  der  Bedeutung  ,yseines  Verstandes 
nicht  mehr  mächtig  sein^^y  wo  mentis  allerdings  in  Gedanken  ergänzt, 
niemals  aber  ausgedrückt  wird,  ebenso  e  imiriciis  exire  =  aus  dem 
Stand  der  P.  austreten  und  ex  ore,  ans  dem  M.  kommen,  Nep.  Timol.  4 
und  e  liido  Cic.  de  orat.  2,  94.  Was  exire  mit  dem  blossen  Ablat.  be- 
trifft, so  ist  Cic.  Phil.  11,13  dafür  sehr  zweifelhaft,  denn  C.F.W.  Müller 
liest  emergere  ex  aere  alieno,  vgl.  praef.  S.  CXXI,  hingegen  vita  exire 
steht  fest  bei  Yal.  Max.  9,  12,  ext.  1  und  memoria  exire  bei  Liv. 
6,  37,  5.  —  Absolut  steht  exire  trop.  =  bekannt  werden,  sich  ver- 
breiten wie  fama,  opinio  exiit,  namentlich  aber  epistula  exit,  vgl. 
Süpfle-Böckel  zu  Cic.  epp.^  S.  48,  Landgraf  p.  S.  Rose.  S.  135; 
ebenso  Kl.  ist  exire  =  ex  urbe  exire,  vgl.  Hofmann  zu  Cic.  epp.  1 
S.  201,  Süpfle-Böckel  zu  Cic.  epp.  S.  123,  also  :=  unserm  ,^verreisen^^ ; 
demnach  ,^iüann  wirst  du  verreisen'"''  qiiando  exibis?  Ebenso  richtig 
ist  exi^'e  in  dem  Sinne  von  ablaufen,  zu  Ende  gehen:  anno  exeunte, 
indutiariim  dies  exiit.  —  N.  L.  ist  es  in  der  Bedeutung  ausgehen  auf 
etiuas  (um  es  auszuführen),  für  alicpiid  agere  mit  folgendem  tit;  z. 
B. :  sie  gingen  auf  nichts  anderes  aus,  nihil  aliud  egerunt,  nisi  ut 
—  (Cic.  fam.  9,  24,  1);  —  ebenso  sind  bene  exire,  male  exire, 
gut,  schlecht  ausgehen,  guten,  scJdecliten  Ausgang  oder  Erfolg  haben, 
N.  L.  für  evenire,  evadere,  wiewohl  das  Subst.  exitus,  Ausgang, 
Erfolg,  Ende  heisst;  vgl.  s.  v.  Exitus.  Yon  dem  Ausgehen,  d.  h.  sicJi 
endigen  der  Sätze  einer  Rede  sagt  man  eculere,  z.  B.:  cadunt  nume- 
rose,  sie  haben  einen  ivohlkling enden  Ausgang  (Cic.  orat.  175). 

Existere;  vgl.  Exsistere. 

Existimare  mit  einem  Genitiv  des  Wertes,  magni,  pa7^vi, 
pluris,  minoris,  in  der  Bedeutung  schätzen,  achten,  ist  unklass.  für 
aestimare;  es  findet  sich  bei  Plaut.  Capt.  678,  Most.  76,  Sulp,  bei 
Cic.  fam.  4,  5,  2,  Nep.  Cat.  1,  2  und  4,  Suet.  Oct.  40,  aber  nicht 
bei  Cicero,  wo  Mur.  34,  Att.  1,  20,  2,  agr.  2,  40  aestimare  gelesen 
wird.  Eingehend  habe  ich  hierüber  in  Z.  f.  G.  W.  1881  S.  99 
gehandelt,  wo  auch  die  Litteratur  zur  Frage  verzeichnet  ist.  In 
der  Bedeutung  rechnen,  zälilen  unter  —  sagt  man  existimare  in 
numero  mit  dem  Genitiv,  z.  B.  unter  die  Feinde,  in  hostium  numero, 
Cic.  Verr.  act.  I,  13. 

Exitium  ist  in  der  Bedeutung  Schaden  für  damnum,  detrimentum, 
calamitas,  trotz  Pareus  lex.  Plaut,  s.  v.  ohne  Beispiel,  da  es  viel- 
mehr Tod  und  Verderben  bedeutet.  Bei  Sali.  Cat.  55,  6  ist  exitium 
vitae  =  exitus  vitae  durch  das  Zeugnis  des  Festus  geschützt.  Ver- 
dächtigt wird  es  mit  Gründen  von  Yogel  act.  sem.  Erl.  I  S.  361, 
ohne  solche  von  Prammer  in  seiner  Ed.  Sali.  Einl.  S.  III;  auch 
Wirz,  Frazer  und  Sclieindler  haben  es  durch  exitum  ersetzt.  Ich 
halte  mit  Jordan,  Fabri,  Thomas,  Cook,  Opitz  an  exitium  fest,  um 
so  mehr  als  exitium  vitae  auch  durch  Arnobius  59,  14  R  vitae  ab  exitio 
liberari  (Gegensatz  interire)  belegt  ist;  vgl.  Watson  S.  300,   wo  noch 


Exitus  —     549     —  Exortus 

Sp.  L.  Stollen  beigebracht  sind  für  exitium  =  exihis.  —  Exitio  esse 
hat  Cic.  an  zwei  Stellen  —  Mur.  56,  Q.  fr.  1,  4,  4  — ,  auch  Matius 
bei  Cic.  fam.  11,  28,  8,  ebenso  hat  es  Liv.  und  die  N.  Kl.  und 
Sj).  Latinität,  vgl.  Nieländer  1893  S.  15. 

Exitus,  der  Ausgang.  Man  hüte  sich,  wie  bei  exire,  ivo  durch 
ubi  und  iiberall  durch  iihique  oder  itsqiieqiiaqiie  zu  übersetzen,  da 
vielmehr  wo  unde  heisst,  und  iiberall  undiqiie;  z.  B.  diese  Insel 
hat  überall  Ausgänge  ins  (aufs)  Meer,  undique  exitus  maritimes 
habet  (Cic.  Yerr.  2,  185).  Trop.  bedeutet  exitus  bei  Klassikern 
und  Nachklassikern  das  Ende:  exitus  fuit  orationis,  Caes.  Gall.  4, 
8,  1,  ebenso  das  Lebensende  bei  Cic.  nat.  deor.  3,  89,  ebenso  das 
Ziel,  das  Ergebnis:  in  itnum  exitum  spectare,  Cic.  de  erat.  1,  92 
und  =  Ergebnis,  fin.  2,  3,  und  ad  exitum  venire,  Tusc.  5,  18;  ad 
exitum  perducere,  exitum  rei  imjjonere,  Liv.  40,  19,  10  und  37,  19, 
1,  und:  paene  ad  exitum  additcta  quaestio  est  =  fast  zum  Abschluss 
gebracht.  Ad  exitum  spei  pervejiire  =  das  Ziel  seiner  Wünsche 
erreichen,  Liv.  5,  12,  4  und  siyie  exitu  esse  =  ohne  Resultat  sein, 
Liv.  32,  40,  3  und  quamvis  serae  spei  exitum  exspectare,  Liv.  5,  6,  2. 

Exoptabilis,  ivünschensiuerty  erivünscht,  ist  nur  A.  und  P.  L.  ; 
klass.  jedoch  ist  exoptatus  bei  Cic.  S.  Rose.  19  (mit  Kompar.  und 
Superlativ).  Vgl.  auch  Laugen  Beitr.  S.  137  (optatus  u.  exoptatus 
=  sehnlichst  erivartet). 

Exordiri,  anfangen;  —  mit  etwas,  ab  aliqua  re,  nicht  cum  aliqua 
re;  ebenso  exordium,  initium,  py^incipium,  primordiiim  ducere,  ebenso 
gut  capere,  sumere  ab  aliqua  re.  Ygl.  über  initium,  princiipium, 
exordium  sumere  Hellmuth  act.  Erl.  I  S.  142,  Thielmann  Bayr. 
Gymn.   XVI   S.   207;    es    steht    8p.   L.   und    N.   Kl.    bei   Quintil. 

1,  12,  19;  8,  6,  50  und  9,  4,  63,  Plin.  nat.  18,  26,  Lactant.  1,  5, 
8,   Ammian.  26,    1,   9;   aber  auch   in  Kl.  Zeit  bei  rhet.  Her.  1,  6; 

2,  47;  3,  11  und  4,  19,  Cic.  inv.  1,  28,  rep.  2,  1;  über  capere 
exordium,  principium  u.  dgl.  s.  Tac.  ann.  12,  6,  Quintil.  2,  11,  1; 
10,  1,  46  und  12,  Prooem.  §  2,  Val.  Max.  2,  6,  5,  Colum.  6, 
Praef.,  Ende,  Varro  r.  r.  3,  1,  10;  Caes.  Gall.  1,  1,  1,  Cic.  fin.  5, 
23,  Phil.  5,  35,  rep.  1,  56.  Exordior  mit  Inf.  ist  klass.,  z.  B.  Cic. 
div.  2,  101  sum  exorsus  dicere.  Das  Partiz.  exorsus  kommt  sogar  bei 
Cicero  passivisch  vor,  Cic.  de  or.  2,  158,  aber  nur  vom  Gewebe, 
für  dessen  Beginn  exordiri  der  regelmässige  Ausdruck  war,  vgl. 
Sorof.  zu  Cic.  de  or.  2,  145.  —  Merkwürdig  ist  das  Subst.  exorsus, 
der  Anfang,  Eingang,  für  exordium  bei  Cic.  Pomp.  11. 

Exortus,  der  Aufgang,  das  Hervorkommen,  steht  bei  Cic.  div. 
2,  17  qui  exortus  quoque  die  signi  alicuiiis  aut  qui  occasus  futurus 
sit,  ebenso  beim  rhet.  Her.  3,  26,  dann  N.  Kl.  öfter  beim  altern 
Phnius,  Front,  (strat.  2,  12,  1:  ad  lucis  exortiim).,  ebenso  bei  Plin. 
pan.  19,  1  und  Suet.  Octav.  5;  8p.  L.  steht  es  bei  Gellius,  vgl. 
Gorges  S.  7,  und  bei  Symmachus,  vgl.  Schulze  Symm.  S.  100. 
Ebenso  ist  Liv.  21,  30,  4  unzweifelhaft  exortus  zu  lesen,  vgl.  Wölfflin 
und  H.  J.  Müller  z,  St.;   wiederholt  hat  es  Varro  in  r,  r,,  z.  B,  2, 


Exosculari  —     550     —  Expedire 

5,  12  secundum  astri  exortiim;  aber  r.  r.  1,  12,  1  schreibt  Keil 
jetzt  quae  posita  est  ad  exortos  aequinoctiales,  u.  2,  3,  6  ad  liibeiiios 
exortos  si  spectat.  Man  wird  gut  tun,  das  seltene  Kompositum  zu 
meiden  und  sich  an  das  Simplex  zu  halten.  Ygl.  Thielmann  Bayr. 
Gymn.  XYI  S.  205. 

Exosculari  ist  mehr  als  oscidari  und  für  den  Begriff  liefthj 
küssen,  abküssen,  mit  Küssen  bedecken,  von  der  nachklass.  Latinität 
offenbar  sehr  glücklich  gebildet.  Es  findet  sich  bei  Tac.  ann.  1,  34, 
bist.  1,  45;  2,  49  u.  namentlich  häufig  bei  Sueton,  vgl.  Bagge  S.  22, 
so  Calig.  7,  Otho  12,  Claud.  28,  Yitell.  7,  Calig.  33,  Nero  13,  u. 
c.  34,  dann  bei  Plinius  epp.  5,  17,  4.  In  dem  Sp.  L.  wird  das 
Kompos.  ,  ganz  W'ie  das  Simplex  gebraucht,  so  z.  B.  bei  Cyprian  719, 
15  H.  Übertragen  z.  B.  sententiam,  fidem  exosculari  steht  es  bei 
Sen.  controv.  1,  2,  17  und  Gell.  1,  23,  13  und  2,  26,  20,  das  Subst. 
exosculatio  findet  sich  nur  beim  altern  Plinius. 

Exosus,  gänzlicli,  gründlich  hassend,  ist  P.,  z.  B.  bei  Yerg.,  und 
N.  Kl.,  mit  dem  Accus,  jedoch  noch  nicht  bei  Liv.,  der  perosus  in 
diesem  Sinne  gebraucht,  sondern  in  Prosa  zuerst  bei  Sen.  ad  Marc. 
2,  5,  Gurt.  8,  7,  12,  Flor.  4,  11,  1.  Sp.  L.  dagegen  ist  das 
Wort  mit  dem  Genitiv  verbunden :  vitae  hiiius  exosa,  Boeth.  de 
cons.  philos.  2,  4  und  ebenso  *Sj;.  L.  =  verhasst,  für  invisus,  odiosus. 
Exosum  habere  ist  *S^;.  L.  bei  Lucifer  und  Greg.  Turon.  periphras- 
tische  Form  zu  odi,  vgl.  Bonnet  Greg.  S.  690,  Anm.  1. 

Exoticus,  ausländisch,  ist  A.  L.,  z.  B.  Plaut.  Most.  42  unguenta 
exotica  u.  Sp.  L.  bei  Apul.  Gell.  Schob  luv.,  vgl.  Rönsch  Coli.  phil. 
S.  145. 

Expectorare  ist  ein  A.  L.  ^Yort,  welches  zwar  bei  Ennius  u.  a.  in 
der  Bedeutung  aus  dem  Herzen,  aus  der  Brust  verdrängen,  vorkommt, 
sonst  aber  nirgends;  Quint.  8,  3,  31  erblickt  eine  kühne  "Wortbildung 
in  exiw.ctorare,  w^enn  er  sagt:  at  veteres  ne  ^^expectorat'^  quidem  timu- 
erunt;  vgl.  L.  Müller  zu  Enn.  fab.  S.  113,  der  noch  Non.  16,  7 
expectorare  est  extra  pectus  eicere  zitiert.  —  B.  L.  ist  se  expectorare, 
sich  expectorieren,  seine  Herzensmeinung  sagen,  sein  Herz  ausschütten, 
für  sensus  suos  aperire,  se  totum  cdicui  patefacere,  sensa  mentis  ex- 
plicare  u.  a.  Ygl.  auch  effudi  vobis  oninia,  quae  sentiebam,  Cic.  de 
orat.   1,  159. 

Expedire  wird  in  der  Bedeutung  von  etwas  losmachen,  befreien 
verbunden  ab  oder  ex  cdiqua  re,  selten  und  nicht  in  klass.  Prosa  bloss 
aliqua  re;  expedire  =  erzählen,  berichten  ist  pros.  sehr  selten,  s.  Dräger 
zu  Tac.  ann.  14,  55;  jedenfalls  ist  es  nicht  sicher  für  Cicero  erwiesen; 
es  steht  nur  Cic.  ad  Brut.  1,  15,  1  und  spielt  in  der  Echtheitsfrage 
der  Brutusbriefe  eine  Rolle;  vgl.  Paul  Meyer  S.  127,  Ruete  S.  112, 
Becher  im  Rhein.  Mus.  37  S.  579  ff.,  id.  Piniol.  44  S.  475,  id. 
Philol.  Anz.  14  S.  321.  Es  ist  expedire  in  dieser  Bedeutung  ar- 
chaisch und  vulgär,  steht  sicher  bei  Sali.  Jug.  5,  3,  Asin.  PoUio  ad 
fam.  10,  33,  5  und  Tacitus,  vgl.  Heraus  zu  bist.  4,  12.  Näheres 
siehe  Schmalz  Pollio"  S.  42.  —  Expedire  =  erledigen,   vollenden,  ist 


Expellere  —     551     —  Experientia 

Sp.  L.,  so  z.  B.  iter,  auch  ecclesiam  =  fertig  hauen,  vgl.  Bonnet 
Greg.  S.  294.  —  Bei  Livius  findet  man  se  expedire  ad  aliqiiid,  z.  B. 
ad  proeliimi;  dies  ist  unkl.,  bei  Caesar  genügt  schon  se  expedire,  vgl. 
Caes.  civ.  1,  51,  4;  bei  Cicero  habe  ich  nichts  Ähnhches  gefunden. 
Reflexives  expedire  ist  N.  Kl.,  z.  B.  bei  Tac,  vgl.  Archiv  X  S.  3; 
wo  Liv.  sagt  se  ad  proelium  expedire,  hat  Tac.  hist.  2,  99  Va- 
lentem  expedire  ad  hellimi  iiibet.  —  Das  impersonale  expedit,  es 
ist  gut,  wird  gewöhnlich  mit  dem  Accus,  c.  infiyi.,  selten  mit  ut 
verbunden;  nach  Dahl  S.  250  steht  ut  nur  Tac.  ann.  3,  69  und 
lust.  34,  1,  7.  —  Expedit  aliqiiid  heisst  ,^etivas  ist  förderlich''^,  z.  B. 
Cic.  off.  3,  53  qttamvis  hoc  turpe  sit,  tarnen,  quoniam  expedit,  faciani; 
vgl.  Seyffert-Müller  z.  Lael.  S.  242. 

Expellere,  aus-  oder  vertreiben,  wird  von  Cicero  und  Caesar 
mit  Abi.  z.  B.  Cic.  Att.  10,  4,  1  nisi  me  civitate  expulissent,  oder 
ex  c.  abl.,  auch  mit  de  c.  abl.,  z.  B.  Cic.  Att.  4,  3,  2  expidsi  sunt  fcüwi 
de  area  yiostra,  verbunden,  von  Liv.  41,  3  auch  mit  ah.  Kühner 
zitiert  noch  Cic.  Sest.  30  a  patria  expelle7^e,  aber  dort  steht  jetzt 
ex  patria  exp. 

Expensa  und  im  Plural  expensae,  Unkosten,  Aufwand,  ist  erst 
Sp.  L.,  zuerst  vielleicht  beim  Juristen  Scaevola,  vgl.  Kalb  ßoms 
Juristen  S.  99,  dann  erst  in  Vulg.,  bei  Claud.  Hieron.  u.a.;  vgl.  Gölzer 
Hieron.  S.  111,  Rönsch  in  Hilgenfelds  Zeitschrift  1876  S.  298  f., 
für  impensa,  sumptus;  in  Rechnungssachen  indes  waren  expensum  und 
acceptum  die  gewöhnlichen  Wörter  für  unser  Ausgabe  oder  Einnahme 
und  die  dazu  nötigen  Bücher  hiessen  tabidae  oder  codex  accepti  et 
expensi.  Das  Yerbum  expensare  in  diesem  Sinne  hat  nur  Scaevola, 
Kalb  ib.  S.  99. 

Expergefacere,  erivecken,  aufiuecken,  kommt  a)  in  seinem 
eigentlichen  Sinne  nur  bei  Sueton  und  zwar  ausschliesslich  in  der 
Form  des  Partiz.  Perf.  Pass.  vor,  vgl.  Octav.  94,  Calig.  6,  Claud. 
8  und  Otho  11,  und  Sp.  L.  im  Apolloniusromane  48  Apollonius 
expergef actus  indicat  genero  etc.,  vgl.  Thielmann,  Bayr.  Gymn. 
XYI,  S.  206,  sowie  Ital.  Act.  16,  27  im  Gig.  exjjerge  aiitem  factus 
est  custos  carceris,  vgl.  Rönsch  Coli.  phil.  S.  112.  Gewöhnlich  sagt 
man  hiefür  somno,  e  somno  excitare  oder  auch  bloss  exsuscitare 
(Cic.  Mur.  22).  b)  Hingegen  im  trop.  Gebrauch :  aus  der  Buhe,  dem 
Taumel  eriveclien,  findet  es  sich  schon  bei  rhet.  Her.  4,  45  und  Cic. 
Yerr.  5,  38.  Immerhin  ist  das  Wort  in  der  Kl.  Sprache  nur  ge- 
duldet, wie  Wölfflin  Cass.  Fei.  S.  423  Anm.  ausführt.  —  Unbeanstandet 
ist  expergisci  =  ivach  iverden,  eriuaclien  im  eigentlichen  und  tropi- 
schen Sinne  öfter  in  klassischer  Prosa. 

Experientia  hat  a)  im  klassische?!  Latein  nur  die  Bedeutung  Probe, 
Versuch,  nicht  was  wir  Erfahrung,  d.  h.  durch  Versuche  und  Zeit 
erivorbene  Kenntnis  nennen.  Erfahrung  heisst  klass.  usus,  res,  rerum 
usus.  Daher  heisst  z.  B.  aus  Erfahrung,  durch  Erfahrung  belehrt, 
nicht  experientia  doctus  oder  edoctus,  noch  viel  weniger  ex  experientia, 
sondern  re  doctus  (Cic.  fam.  13,  15,  1),  usu  oder  exitu  doctus,  expertus 


Experimentum  —     552     —  Experiri 

(deponeutial)  u.  a.;  au^  eigener  Er falirung,  expertus,  bisweilen  mit  dem 
Zusätze  in  me  u.  dgl.,  wie  Cicero  (fam.  13,  9,  3)  sagt:  illud  tibi 
expertus  promitto,  ich  verspreche  dir  das  ans  eigener  Erfahrimg ; 
omnia,  quae  dico,  dico  experhis  in  nohis.  —  ans  eigener  Erfahrung 
(Cic.  Plane.  22);  experti  hoc  scire  debemus,  das  müssen  ivir  aus 
eigener  Erfahrung  tuissen  (Cic.  Milo  69).  Die  Erfahrung  lehrt  = 
res  docet;  die  tägliche  Erfahrung  ist  auch  =  vita  cotidiana,  Cic. 
Caec.  14.  Utriusqae  fortunae  documenta,  Tac.  bist.  4,  74,  sind  Belege, 
d.  h.  Erfahrungen  von  Glück  und  Unglück,  b)  Doch  in  nachklass. 
Latinität  bedeutet  experientia  auch  die  durch  Versuche  gewonnene 
Übung,  Kenntnis,  kurz  unser  Erfahrung.  Dies  ist  insbesondere  bei 
Tacitus  öfter  der  Fall.  S.  ann.  1,  4  und  ann.  1,  46:  yrinceps  longa 
experientia  u.  ibid.  13,  6:  multarum  verum  experientia  cognitus  == 
durch  vielseitige  Erfahrung  erprobt.  Ygl.  ausserdem  ann.  13,  8  und 
14,  36  und  bist.  2,  76,  Colum.  r.  r.  10,  338  und  Cels.  Praef.  p. 
8,  24  D.:  Ad  ipsam  curandi  rationem  nihil  plus  confert  quam  experientia. 
—  B.  L.  wird  dafür  gesagt  ex  propria  experientia.  Überhaupt  ist 
im  N.  L.,  auch  bei  den  Bessern,  z.  B.  Muretus,  der  Gebrauch  des 
Wortes  häufig,  und  allbekannt  ist  experientia  docet,  dociät,  docebit, 
für  tempus  oder  usus  reruni  docet. 

Experimentum  ist  in  bester  Zeit  auffällig  selten;  Caes.  hat 
es  gar  nicht,  Sali,  nur  Jug.  46,  3,  Cic.  nur  Tusc.  3,  74,  Liv. 
nur  42,  17,  8,  öfters  kommt  es  im  K.  Kl.  vor.  Es  ist  nicht 
bloss  =  Versuch,  sondern  auch  Erfahrung,  Probe,  Probestück.  Richtig 
bemerkt  Dietsch  zu  Sali.  Jug.  46,  3:  experimentum  omnino  esse  argu- 
mentum ex  rerum  usu  petitum  =  Erfahr ungsbew eis.  Also  ist  bei 
Liv.  42,  17,  8  veritus  ne  primus  ipse  veneni  experimentum  esset  = 
dass  an  ihm  zuerst  das  Gift  erprobt  werde;  Yal.  Max.  3,  7,  6  ist 
longo  experimento  testata  gloria  der  durch  eine  lange  Erfahrung  be- 
zeugte Ruhm.  Vgl.  noch  Yellei.  2,  116,  1,  Sen.  de  benef.  1,  1,  10, 
Quintil.  3,  7,  14,  Tac.  ann.  15,  24,  Plin.  paneg.  69,  1,  lust.  15,  3,  1; 
daher  auch  experimentum  siti  dare,  lust.  22,  1,  11,  experimentum 
edere,  Yellei.  2,  94,  4  und  experimentis  alicpiid  testatum  est,  2,  116,  3. 

Experiri  Ijedeutet  versuchen,  Versuche  machen,  und  durch  Ver- 
suche, durch  die  damit  getvomiene  Erfahrung  erprobeyi,  aber  nicht, 
wie  es  oft  im  N.  L.  vorkommt,  etivas,  ein  Ereignis  von  einem  er- 
fahren, hören,  für  comperire,  audire,  accipere,  cognoscere.  Sehr  selten 
(nur  in  Plin.  epp.)  ist  se  experiri  alicpia  re,  sich,  d.  h.  seine  Kräfte 
in  etivas  versuchen,  erproben,  für  vires  in  aliqiui  re  periclitari  oder 
periclitari,  quid  possis;  in  variis  studiorum  generibus  se  experiri, 
Plin.  (ep.  9,  29,  1  und  7,  4,  3:  expertus  sum  me  aliquando  et  in 
heroo).  Seine  Kräfte  gegen  jemanden  versuchen  =  vires  suas  cum 
alicpio  experiri,  Liv.  34,  14,  4;  etwas  an  jemand,  ayi  sich  versuchen, 
probiereyi  =  aliquid  in  aliquo,  in  se  ipso  experiri,  Cic.  Cael.  58 
und  de  orat.  1,  121.  —  Experiri  aliqueni  ist  =  mit  jemanden  einen 
Versuch  machen,  ihn  erproben,  vgl.  Cic.  fam.  6,  4,  1  alteros  prope- 
modum  sumus   experti;   ein  Prädikativ  finden  wir   dabei  Suet,  Aug. 


Expers  —     553     —  Expiscari 

72  qiiamvis  pariim  saluhrem  valitudini  sitae  urhem  h lerne  experiretiir. 
—  Experiri  mit  Inf.  ist  A.  L.  und  N.  Kl.,  vgl.  Lucil.  1027  Marx 
experiar  rescrihere,  aber  mit  Acc.  c.  inf.  ist  es  klass.,  die  Stellen  hat 
Max  C.  P.  Schmidt  im  N.  Jahrb.  1890  S.  860,  z.  B.  Cic.  fam.  13,  16, 

3,  Caes.  civ.  2,  9,  4.  Häufiger  ist  experiri  mit  indir.  Frage,  seltener 
mit  ut,  z.  B.  Cic.  Att.  9,  10,  3;  11,  23,  3,  de  or.  1,  121;  mit  itt 
ne  bei  Cic.  de  or.  2,  16.  —  Das  Part.  perf.  expertus  ist  in 
passiver  Bedeutung  unklass.,  denn  bei  Cic.  Balb.  16  ist  es  lediglich 
bereits  wieder  aufgegebene  Konjektur.  Dagegen  haben  es  Plauens 
und  Pollio  in  Kl.  Zeit,  dann  Livius,  Yell,  Tac,  lust.,  vgl.  meine 
Ausführung  Asinius  Pollio  S.  13^,  Bergmüller  Plane.  S.  6,  Georges 
Yell.  S.  17;  somit  ist  z.  B.  vii^tus  experta  die  erprohte  Tagend  nicht 
klassisch,  ebenso  wenig  die  Phrase  experhim  habere,  wie  z.  B.  Plauens 
bei  Cic.  fam.  10,  24,  3  nimiiim  saepe  expertum  hahemiis  sagt.  Mit 
dem  Genitiv,  z.  B.  helli  expertus  steht  es  nur  bei  Tacitus  nach  Yergil, 
ebenso  hello  expertus  und  inexpertiis  gleichfalls  nur  bei  Tacitus.  — 
Ebenso  bedeutet  das  Part,  experiens  nicht  den  Erfalirenen  (welcher 
expertus  heisst,  vgl.  s.  v.  Experientia),  sondern  den  Versuchenden, 
Tätigen,  Unternehmenden;  ein  vir  experiens  ist  nicht  em  Mann  von 
Erfahrung,  sondern  eiyi  tätiger,  unternehmender  Mann,  wie  dies 
deuthch  aus  Cic.  Cluent.  23  und  Horaz  ep.  1,  17,  42  hervorgeht. 

Expers,  nicht  teilnehmend,  wird  Kl.  nur  mit  dem  Genitiv  ver- 
bunden, z.B.  humanitatis,  pericidorum;  A.  L.  mit  dem  Abi.,  was  Sallust 
Cat.  33^  1  nachahmt.  Die  Konjekturen  von  Eussner  und  Weinhold, 
sowie  Frazer  und  Noväk  zu  dieser  Stelle  sind  überflüssig.  Sali,  variiert 
plerique  patriae,  sed  omnes  fama  atqiie  fortunis  expertes  sumus.  Bei 
Cic.  Tim.  36  motihus  orhiim  eum  voluit  esse  et  expertem  ist  motihus 
durch  orhum  bedingt. 

Expertio,  der  Versuch,  steht  wahrscheinlich  Gem.  L.  nur  bei 
Yitruv  8,  4,  1  für  experientia,  expeidmentum. 

Expetere  mit  dem  Objekt  poenam  u.  ähnl.,  Rache,  Strafe  nehmen 
an  einem,  wird  verbunden  von  Cicero,  z.  B.  Flacc.  95  ah  aliqito, 
ebenso  von  Livius,  z.  B.  5,  33,  3;  9,  3,  13  u.  ö.,  nur  1,  23,  4 
konstruiert  er  in  aliquem;  dagegen  durch  keine  Autorität  zu  erweisen 
ist  expetere  poenas  in  aliqito.  In  der  Bedeutung  verlangen  nimmt 
es  auch  den  Infin.  zu  sich,  vgl.  Dräger,  H.  Synt.  II  S.  307,  z.  B.  Curt. 

4,  10,  32;  9,  3,  8  und  6,  6,  3,  Cic.  Phil.  12,  9  und  mit  Accus,  c. 
Infin.  Cic.  Q.  fr.  1,  1,  2,  Liv.  40,  10,  5,   Dräger  H.  Synt.  II  S.  408. 

Expiscari  (nicht  expiscare,  wie  bei  Aug.  Mains  Praef.  edit. 
fragm.  Cic.  oratt.  p.  LXI  steht)  werde  in  der  bildlichen  Bedeutung 
ausforschen  nur  im  Scherz,  in  Briefen  oder  auch  im  Spott  gebraucht, 
vgl.  Ter.  Phorm.  382  und  Cic.  Att.  2,  17,  3  velim  ex  Theophane 
expiscere,  qiionam  in  me  animo  sit  Araharches ;  über  derartige  von 
Jagd,  Fischfang,  Yogelfang  etc.  übertragene  Ausdrücke,  die  sich  auf 
das  Üherlisten  beziehen,  vgl.  Lorenz  zu  Plaut.  Pseud.  S.  49,  Anm.  43. 
Aber  verkehrt  wird  es  angewandt  in  dem  gelehrten  Sinne  von  er- 
raten,  das  Rechte  und  Wahre  finden,   für  divinare.     So  findet  man 


Explantare  —     554     —  Exponere 

im  N.  L.,  (ßdd  hoc  significet.  expiscari  nequeo,  oder  non  nisi  ignota 
mihi  expiscari  solebam  u.  dgl. 

Explantare  kommt  nur  bei  Columelia  in  der  Bedeutung  Pflanzen 
ausreissen  vor;  es  heisst  aber  nicht  allgemein  ausrotten,  vertilgen, 
wofür  delere,  exscindere  u.  a.  zu  brauchen  sind. 

Explere.  Ganz  gewöhnlich  wird  dieses  Verbum  wie  unser 
befriedigen,  sättigen,  von  den  Meinungen,  Empfindungen,  Wünschen 
und  Leidenschaften  der  Menschen  gebraucht,  wie  explere  animum  Lucil. 
205,  explere  desiderium  alicuius,  Liv.  1,  9,  15;  explere  exspectationem 
desideril  alicuius,  Cic.  de  orat.  1,  205;  explere  spem,  Liv.  35,  44,  4, 
Suet.  Octav.  75  extr.;  explere  famem  vete^^em,  Cic.  Yatin.  32;  explere 
odiuni,  Liv.  4,  32,  12,  Tac.  ann.  15,  52;  explere  avaritiam,  Tac.  bist. 
2,  13  und  avaritiam  alicuius  pecunia  explere,  Cic.  S.  Rose.  150; 
exple7'e  cupiditatem  (es),  lihidinem,  cupidinem,  Liv.  7,  30,  14,  Cic.  partt. 
orat.  96,  fin.  1,  45  u.  53,  Sali.  Jug.  6,  3,  rhet.  Her.  2,  3;  explere 
iram,  Liv.  7,  30,  15;  explere  criidelitatem  alicuius,  Cic.  de  orat.  1,  225; 
sanguine  inimici  explere  odium  suum,  Mil.  63;  ebenso  sagt  man  auch 
explere  aliquem  alicpia  re,  z.  B.  munerihus.  Sali.  Jug.  20,  1  und  Cic. 
Phil.  2,  50:  ihi  cum  te  et  illius  largitionihus  et  tuis  rapinis  exple- 
visses,  Cic.  fam.  2,  1,  1  iion  enini  vereor,  ne  non  scrihendo  te  expleani, 
und  explere  anhmim  gaudio,  Ter.  Andr.  339;  endlich  auch  von  der 
Zeit:  explebat  annum  trigesimum,  Tac.  hist.  1,  48.  —  Mit  dem  Objekt 
officium,  die  Pflicht  erfiillen,  kommt  es  sehr  selten  vor,  vielleicht 
nur  bei  Cicero  dem  Sohne  (fam.  16,  25),  für  exseqiii,  fungi,  servare, 
tueri,  officio  satisfacere  u.  a. ;  mumis  explere  im  gleichen  Sinne  steht 
bei  Cic.  Lael.  67.  Zwe'delhsih  ist  p)roniissum  explere,  ein  Versprechen 
erfüllen,  für  promisso  stare,  satisfacere,  promissum  solvere,  exsolvere, 
persolvere;  vollkommen  erfüllen,  accurate  praestare. 

Explicativus,  erldäreyid,  ist  N.  L.  und  werde  umschrieben. 

Explorare.  Die  Phrase  exploratum  haheo  =  ich  iceiss  sicher 
hat  Cicero  zuerst  und  am  häufigsten,  aber  nur  in  philos.  und  epp., 
vgl.  Thielmann  Archiv  II  S.  529,  Hellmuth  Balb.  S.  54,  Gebhard 
S.  38.  —  In  der  Bedeutung  erforschen  wird  es  im  N.  L.  von  gelehrten 
Sachen  gebraucht,  bei  w^elchen  es  aber  die  Lateiner  nie  anwenden; 
dafür  exquirere,  indagare,  investigare  u.  a.  Dagegen  findet  sich  ex- 
ploratio  und  explorator  Sp.  L.  in  diesem  Sinne,  z.  B.  Apul.  flor. 
18  Thaies  naturae  rerum  clarissimus  explorator,  und  Cyprian  628, 
23  H.  disciplinae  nostrae  exploratio. 

Exponere.  Inhalt:  exponere  in  loco,  ad;  =■  „ans  Land  setzen'"'' 
absolut  od.  in  loco  u.  in  locum;  —  exp.  praemium;  —  expositum 
esse  rei,  exposit.  =  „preisgegehen''' ,  expos.  ad,  in  cdiquid;  —  expon. 
,.,milndlich,  schriftlich  darstellen'''  u.  d.  entsprechenden  Substant.  — 
Exponere  hat  in  der  allgemeinen  Bedeutung  aussetzen  den  Ort, 
ivo  es  geschieht,  bei  Colum.  und  Plin.  mai.,  (aus  andern  Autoren 
stehen  mir  keine  Beispiele  zur  Verfügung),  mit  m  aliquo  loco  bei  sich, 
z.  B.  herljam  in  sole  exponere,  munera  in  pidjlico  u.  dgl.  In  über- 
tragener Bedeutung  sagt  Cic.  div.  Caec.  27  vitam  in  oculis  atque  in 


Exponere  —     555     —  Exponero 

coyispectu  oninium  exponere.  Eben  dieser  Konstruktion  folgt  exponere 
auch  =  ein  Kind  (ad  necem)  aussetzen.  S.  Liv.  1,  4,  5  und  1,  6,  3. 
Wenn  dafür  bei  Suet.  Claud.  27  steht:  ad  iamiam  matris  exponere, 
so  bedeutet  ad  auch  hier  =  apiid  den  Ort,  wo  die  Aussetzung  vor 
sich  gehen  sollte,  und  Suet.  Claud.  25  aegra  mancipia  in  insidam 
Aesculapii  exponiere  hat  das  Yerbum  die  Bedeutung  ,^ans  Land  setzen'-^. 
In  dieser  Bedeutung  ist  es  geradezu  terminus  technicus  der  nautischen 
Sprache  geworden;  es  steht  entweder  ganz  absolut  und  prägnant: 
expositis  omnihus  copiis,  Caes.  civ.  3,  29,  2,  s.  Held  zu  Caes.  civ. 
3,  23,  2,  oder  mau  sagt  milites  exponere  in  aliqito  loco  und  in  (oder 
ad)  aliqiiem  locum;  die  letztere  Konstruktion  wurde  von  Caesar  aus- 
schliesslich verwendet,  Cicero  hat  die  Phrase  nicht.  Von  Livius  an 
finden  wir  beide  Wendungen.  Wird  die  erstere  Konstruktion  gewählt, 
so  hat  exponere  den  vollen  Sinn  von  landen,  ans  Land  setzen,  so 
dass  der  Abi.  mit  in  lediglich  deyi  Ort,  den  Punkt  bezeichnet,  an 
dem  die  Landung  erfolgt.  Dies  tritt  klar  hervor  in  Stellen  wie:  dum 
expono  exercitum  in  Africa,  Liv.  28,  44,  10.  Lbi  (Ephesi)  Tliemi- 
stodem  exponit,  Nep.  Them.  8,  7.  Expositus  in  littore,  Suet.  Caes.  4, 
Yellei.  2,  24,  3  und  Sen.  epp.  53,  2  und  Liv.  2,  22,  3;  26,  17,  2; 
37,  6,  1  u.  ibid.  c.  18,  10.  Am  deuthchsten  sieht  man  dies 
aus  Stellen  wie  lust.  18,  1,  3:  exercitum  in  portu  Tarentino  exposuit, 
wo  die  Yorstellung  des  Ortes,  tvo,  an  dem  etc.  die  einzig  mögHche 
ist.  Bei  der  zweiten  Konstruktion  nimmt  exponere  noch  zur  vollen 
Ausprägung  des  Begriffes  das  die  Richtung,  welche  die  Landenden 
verfolgen,  bezeichnende  in  mit  Accus,  zu  sich.  S.  Caes.  civ.  1,  31, 
3:  neque  adfectum  valetudine  filium  exponere  in  terram  patitur  und 
Liv.  24,  36,  4  und  3,  23,  2,  wo  die  besten  Codd.  für  den  Accus, 
stimmen,  und  Liv.  24,  40,  9  expositis  in  terram  militihus  und  37, 
28,  8;  vgl.  ferner  das  oben  zitierte  Suet.  Claud.  25  in  insidam  ex- 
ponere. Merkwürdig  ist  Liv.  34,  8,  7,  wo  beide  Momente,  das  Wo 
und  Wohin  zugleich  ausgedrückt  sind:  IM  copiae  omnes  .  .  .  in 
terram  expositae.  Mit  ad  endlich  wird  exponere  von  Caesar  konstruiert : 
ad  eum  locum,  qui  ajjpellahatur  Paleste,  .  .  .  milites  exposuit,  civ. 
3,  6,  3.  —  Selten,  aber  gut  klass.  (s.  Cic.  de  erat.  1,  15,  u.  Quinct. 
74)  sagt  man  exponere  praemium,  gewöhnlich  propoyiere  (oder  seltener 
praemium  ponere,  Liv.  41,  23,  11  und  3,  24,  2,  Sali.  Cat.  20,  14). 
—  Durchaus  unklass.  und  auch  im  N.  Kl.  selten  ist  expositus 
casibus,  liosti,  fortunae;  nicht  zu  belegen  weiss  ich  pericido  exponi 
oder  expositus ;  dafür  sagt  man  Kl.  se  offerre,  se  ohicere,  se  committere 
periculo;  adire,  ohire,  suhire  pericidum,  inferre  se  in  pericidum  u.  a. 
So  heisst  dem  Schicksal  ausgesetzt,  ohiectus  fortunae  (Cic.  Tusc.  1, 
111);  omnihus  telis  fortunae  proposita  est  vita  nostra  (Cic.  fam.  5, 
16,  2);  virtiis  suhiecta  siih  varios  incertosque  casus  (Cic.  Tusc.  5,  2); 
mare  ventis  suhiectum  (ib.  4,  57);  qui  se  opponit  periculis  (Cic. 
Balb.  26);  ad  omne  pericidum  —  oppoyiitur  (Cic.  Mur.  87);  mannig- 
fachem Tadel  ausgesetzt  sein,  in  varias  reprehensiones  incurrere  (Cic. 
fin.  1,  1),  und  so  vieles  ähnliche.     Sonst  freilich  findet  sich  im  N.  Kl. 


Expresse  —     556     —  Expresse 

und  S}-).  L.  oft  exjjositum  esse  aliciii  rei:  cum  et  ceteris  aninialihiis 
exposita  esset  imheciUitas  hominum.  Lact.  3,  23,  10.  Vemis  deoriim 
et  hominum  lihidinihus  exposita,  ibid.  Epit.  9,  1.  Thesauri  omniiim 
insidiis  et  cupiditatihus  expositi,  Yal.  Max.  7,  1  ext.  2.  Sic  immotum 
animal  medentis  arhitrio  est  expositum,  Colum.  6,  19,  3.  Belua, 
cui  dicebatur  fuisse  exposita  Ayidromeda,  Plin.  nat.  9,  11  und: 
humiliora  iuga  gracili  et  arido  et  aestuoso  ventisque  exposito  (agro) 
conveniunt,  ibid.  17,  187.  Si  sine  viribus  (ira)  est,  nmgis  exposita 
contemptui  est,  Sen.  de  ira  2,  11,  1.  Vinctuni  liceat  accipias  et  ad 
arhitrium  tiium  omni  patientiae  expositum,  ibid.  3,  28,  3.  Ego  sum 
nohilihus  adolescentidis  expositum  capitt,  in  quod  mucrones  acuant, 
ibid.  de  dem.  1,  9,  5.  Et  avida  felicitas  est  et  alienae  aviditati 
exposita,  Sen.  epp.  19,  7.  Corpus  morhis  ohnoxium,  casibus  expositum, 
Sen.  suas.  6,  6.  Gravioribus  pericidis  is  locus  expositus  est,  Cels. 
8,  9  init.  Quibus  periculis  etiam  magis  id  expositum,  quod  .  .  . 
ibid.  8,  10,  7.  Expositos  se  tanto  jjauciores  integris  hostium  vijnbiis 
querebantur,  Tac.  bist.  2,  30.  Vidgata  dicentium  gaudia  et  imjwri- 
torum  quoque  oculis  exposita  percenseo,  dial.  6.  In  der  Bedeutung 
preisgegeben  finden  wir  expositus  selbst  klass.,  z.  B.:  conquerenda 
condicio  communis  periculi,  si  ingeniis  hominum  criminosojnim  sit 
exjjosita  vita  innocentium,  Cic.  partt.  orat.  44.  Domus  exposita 
cupiditati  et  voluptatihis,  Quinct.  93.  Cum  tibi  exposita  esset  ad 
praedandum  Pamphylia,  Cic.  Yerr.  1,  93.  Ad  cdirpiid  expositum  esse, 
z.  B.  ad  invidiam,  ad  iniurias  kommt  seit  Livius  vor  und  findet 
sich  hier  5,  54,  4;  9,  36,  6  u.  ö.;  dann  bei  Sen.  phil.,  Tac.  hist.  2,  53, 
Suet.  Caes.  49,  Curt.  8,  14,  31;  9,  5,  9.  Endlich  in  cdiquid  expo- 
situm esse  hat  nicht  nur  Hieron.  in  Jesai.  13,  46,  1,  sondern  auch 
Sen.  de  cons.  ad  Pol.  9,  3.  —  Während  exponere  ,^mündUc]i  oder 
schriftlich  darstellen,  mitteilen'-'-  IQ.  ist,  vgl.  Seyffert-Müller  z.  Lael. 
S.  17,  ist  es  Sp.  L.  in  der  Bedeutung  erklären,  wie  es  so  oft 
heutzutage  vorkommt,  für  explanare,  enodare,  interpretari,  enu- 
cleare,  explicare;  vgl.  Gölzer  Hieron.  S.  268.  Dasselbe  gilt  von 
expositio,  die  Erldärung,  für  explanatio,  interpretatio,  enucleatio, 
explicatio,  enarratio,  und  expositor,  der  Erklärer,  was  sich  auf 
alten  Titeln  findet,  für  explanator,  interpres,  explicator,  auch  wohl 
enarrator. 

Expresse  in  der  Bedeutung  ausdrücklich,  mit  ausdrücklichen 
Worten,  z.  B.  ivollen,  verlangen,  sagen  für  diserte,  ist  sehr  Sp.  L. 
bei  dem  Kirchenvater  August.,  z.  B.:  tarn  expresse  =  so  ausdrücklich, 
so  bestimmt,  de  dono  persev.  §  55,  und  expresse  confirmare  exemplo, 
ibid.  de  unico  bapt.  §  18;  vgl.  noch  Arnobius  263,  3  R.  ut  dicatur 
expressius.  Früher  kommt  expresse  dicere  wohl  vor,  bedeutet  aber 
treffend,  ganz  wahr.  Ygl.  Plin.  ep.  2,  14,  2.  Ygl.  Disertus.  — 
Etwas  ausdrücklich  tun,  d.  h.  mit  Fleiss,  cd)sicJitlich,  heisst  dedita 
opera,  sciens  u.  a.:  vgl.  Propositum.  Übrigens  bedeutet  expressus 
oft  bildlich  klar  ausgeprägt,  deutlich  dargestellt,  z.  B.  expressa  effigies, 
ein   u'olil  getroffenes  Bild.     Ygl.    Cic.   Plane.  53,    und  Landgraf  zu 


Expressio  —     557     —  Exprimcre 

Cic.  S.  Rose.  S.  225,  sowie  Madvig  de  fin.  S.  712.     Eine  Superlativ- 
form expressisshmts  gibt  es  nicht. 

Expressio  ist  in  der  Bedeutung  Ausdruck,  Hervorhehimg ,  scliär- 
fere  Andeutung  Sp.  L.  und  selten.  Man  meide  es  jedenfalls.  Soll 
es  Nachdruck,  Hervorhebunr/  bedeuten,  so  wähle  man  vis,  signi- 
ficatio,  soll  es  das  Wort,  bedeuten,  so  brauche  man  vocahuhim,  vox, 
verhum,  yiomen. 

Exprime7^e  kann  vielfach  angewandt  werden,  wo  wir  ausdrücken 
sagen.  Das  Objekt  ist  aber  fast  nur  eine  Sache,  nicht  eine  Person, 
ausser  wo  exprimere  bedeutet  darstellen,  abbilden,  schildern,  z.  B. 
oratorem  imitando  effingere  atque  exprimere  (Cic.  de  orat.  2,  90); 
moderatorem  rei  publicae  —  quem  nostris  libris  satis  diligenter  ex- 
pressimus  (Cic.  Att.  8,  11,  1).  Sp.  L,  sagt  SeduUus  287,  14  H. 
yie  puro  regni  nomine  designato  gejieraliter  eum  regem  videretur  ex- 
primere  ,^als  König  darstellen''^ .  Aber  sicli  ausd^^ücken,  d.  h.  seine 
Meinung,  Gedanken  mit  Worten  angeben  heisst  nicht  se  exprimere, 
sondern  entweder  exprimere  ohne  se,  wie:  Exprimere  non  pjossum, 
quanto  sim  gaudio  adfectus  et  ipsius  et  meo  nomine,  Plin.  epp.  5, 
15,  2,  oder  (aber  stets  mit  dem  Nebenbegriff  der  sinnlichen  Klar- 
heit, der  deutlichen  Umrisse  und  Ausführung  der  Schilderung  oder 
Beschreibung)  sensa  (mentis)  dicendo  exprimere  (Cic.  de  orat.  1,  32), 
oder  verbis  exprimere,  quid  cßiis  sentiat,  Plin.  epp.  5,  16,  7,  oder 
sensus  suos  explicare  (Cels.  5,  26,  31);  oft  auch  bloss  dicere,  wenn 
es  sich  auf  den  Wortlaut  bezieht;  z.  B.  denn  so  hast  du  dich  aiisged^mckt, 
sie  enim  dixisti  (Cic.  Sest.  96).  S.  darüber  Seyffert  Pal.'^  S.  45.  — 
N.  L.  ist  daher:  vir  doctus  hoc  loco  paulo  obscurius  se  exijressit; 
non  possum  me  latine  exprimere,  für  latine  loqui  oder  scribere;  is  se 
in  idraque  lingua  aeque  bene  exprimere  potest,  er  kann  sich  —  gleich 
gut  ausdrücken,  für  par  est  in  utriusque  orationis  facultate  (Cic.  off. 
1,  1);  scriptorem  vertendo  plane  exprimere,  für  mentem  oder  sensa 
scriptoris  in  alium  sermoyiem  vertendo  exprimere;  scriptorem  ex 
alicuius  recensione  exprimere,  für  scriptoris  verba  ex  alicuius  recen- 
sione  describenda  curare,  und  so  andere  ähnhche.  (Ob  indes 
auch  scriptorem  vertendo  [convertendo]  plane  expiimere  schlecht- 
hin un-  oder  neidat.  wäre,  steht  doch  sehr  dahin,  wenn  man  Suet. 
V.  Ter.  e.  5  beachten  will:  conversus  expressusque  latino  sermone 
Menander.)  —  Richtig  ist  rem  aliquam  versibus  exprimere,  einen  Gegen- 
stand  in  Versen  ausdrücken,  darstellen  (Cic.  div.  1,  79);  etwas  Wort 
für  Wort  ausdrücken  (übersetzen),  verbum  e  verbo  exprimere  (Cic. 
fin.  3,  15);  aus  dem  Griechischen  luörtlich  übersetzen,  ad  verbum 
de  graecis  exprime^^e  (ib.  1,  4);  etiuas  lai.  ausdrücken,  aliquid  latine 
exprimere  (Cic.  de  rep.  1,  48);  Hieron.  in  ecel.  392  TzspcaTzacffiov, 
quod  in  distentionem  latinus  interpres  expressit.  —  Da  aber  exprimere 
nur  da  passt,  wo  der  Tropus  des  Abdrückens  von  einem  Original 
oder  Yorbilde  zu  Grunde  liegt,  so  ist  da,  wo  er  in  unserm  deutschen 
ausdrücken  nicht  liegt,  ein  anderes  Yerbum  zu  setzen.  So  ist  nicht 
gut  lateinisch:    sententiam   aliquam   oder  aliquid  ita  oder  his  verbis 


Expromere  —     558     —  Exsecutio 

exijrimere,  für  notare  (Cic.  fin.  3,  14,  Tusc.  3,  10),  oder  verhis 
eff'erre  (Cic.  orat.  72).  Und  so  sagt  Cic.  ofiP.  1,  126  res  difflcilis  ad 
eloqiienclum  ,^schiver  auszudrucken^'' ,  fin.  2,  20:  hreviter  comprehensae 
gravissimae  sententiae,  kurz  ausgedrückte  Gedanken,  für  expressae, 
und  (ib.)  hreviter  enuntiatae  sententiae.  Sp.  L.  freilich  hat  exprimere 
auch  die  in  unserm  ,^ausdrikken'''  liegende  allgemeine  Bedeutung 
angenommen;  vgl.  Oros.  1,  5,  3  cum  hoc  loco  nihil  de  incensis  propter 
peccata  liominum  civitatibus  expresserit  „er  drückte  sich  nicht  aus, 
äusserte  nichts  üher^^.  —  JV.  L.  ist  es  daher  wohl,  wenn  gesagt 
wird:  moriturus  est  futurum,  ergo  praesens  exprimere  non  potest,  für 
notare,  significare,  oder  in  eo  praesentis  vis  esse  non  potest;  und 
multa  scriptis  expressa  sunt,  für  tradita,  iwoposita,  mandata. 

Expromere,  etwas  gegen  einen  zeigen,  an  den  Tag  legen,  wird 
bald  mit  in  aliquem  (Cic.  Yerr.  5,  189  iji  cives  Romanos)^  bald 
mit  in  aliquo  (Cic.  Mil.  33)  verbunden;  worin  oder  wodurch  man 
eine  Eigenschaft  an  den  Tag  legt,  wird  durch  den  Abi.  ausgedrückt; 
vgl.  Cic.  fam.  13,  6,  4.     Ygl.  Exercere. 

Expungere  bedeutet  zwar  ausstechen,  aber  dennoch  findet  sich 
nirgends  oculos  expungere  für  effodere  oder  eruere. 

Exquirere,  einen  über  etivas  ausfragen,  ausforschen,  wird  ver- 
bunden de,  ex  oder  ah  cdiquo  alicpiid.  In  der  Bedeutung  aus  mehrern 
aussuclien,  heraussuchen,  wenn  das  Aussuchen  Studium  und  Nach- 
denken erfordert,  kann  ganz  gut  gesagt  werden  nach  Cic.  Phil.  4, 
5:  singularis  alicui  exquirere  honores.  Wo  dieses  Moment  nicht 
stattfindet,  ist  eligere  zu  gebrauchen.  —  Das  Partiz.  exquisitus  = 
scharfsinnig  ist  KL,  es  wird  gern  mit  accuratus  verbunden,  z.  B. 
Cic.  Brut.  283  accuratius  et  exquisitius  dicendi  genus. 

Exquisitio,  die  Erforschung,  ist  erst  Sp.  L.  für  investigatio. 

Exscindere,  zerstören,  zu  Grunde  richten,  gleich  delere,  vastare, 
mit  sächlichem  Objekte,  z.  B.  urhem,  kommt  bei  Cicero  mehrmals 
vor;  vgl.  Cic.  Mil.  90,  somn.  Scip.  11,  Plane.  97;  ebenso  bei  Liv. 
28,  44,  2  und  44,  27,  5;  dagegen  steht  es  bei  Dichtern,  z.  B.  Verg. 
Aen.  9,  137,  bei  Sali.  bist.  4,  69,  17,  M.  und  bei  Tac.  ann.  2,  25 
auch  mit  einem  persönlichen  Objekt;  vgl.  Nipp,  zu  Tac.  ann.  2,  25. 
Die  Verwirrung  in  den  codd.  hinsichtlich  exscindo  und  excido  ist 
ähnlich  wie  bei  ahscido  und  ahscindo;  vgl.  Heraus  zu  Tac.  bist.  2, 
38,  4  und  Fabri  zu  Sali.  ep.  Mithrid.  17. 

Exsecare,  aussei  meiden,  hat  im  Perf.  Kl.  nur  exsecui  und  im 
Supin.  exsectum,  nicht  exsecavi,  exsecatum. 

Exsecutio  findet  sich  nicht  vor  Sen.  rhet.,  öfters  aber  von  da 
im  silbernen  Latein.  Es  bedeutet  bei  Tac.  ann.  3,  31:  exsecutionem 
eins  negotii  libens  suscepit  nicht  im  allgemeinen  Sinne  Ausführung, 
Vollziehung,  sondern,  wie  Nipperdey  zu  Tac.  ann.  15,  25  mit  Recht 
sagt,  die  Gerichtsharkeit  in  dieser  Sache.  Bei  demselben  Autor  steht 
exsecutio  Syriae  ann.  15,  25  als  ara|  elp.  in  dem  Sinne  die  Ver- 
waltung von  Syrien,  die  vollziehende  Gewalt,  d.  h.  die  Jurisdiktion 
und   Verwaltung  von  Syrien.     In  der  Rhetorik    bezeichnet  exsecutio 


Exserere  —     559     —  Exsistere 

die  ausführliche  Behandlang,  z.  B.  loci  alicuius  exsecutio  bei  Quiiitil. 

5,  13,  27  und  differam  hoc  in  praesentia,  desiderat  eriim  proiwiarn 
et  loyigam  exsecutionem,  Sen.  epp.  52,  15  und  Plin.  epp.  8,  14,  6. 
Hingegen  in  der  Bedeutung  Bestrafung ,  Strafvollziehung,  Hinrichtung 
ist  es  erst  Sj:).  L.;  man  umschreibe  es  durch  poenam  oder  supplicium 
de  aliquo  sumere.  Mit  Livius  (3,  25,  8)  i^ann  man  sagen  iura 
violata  exsequi  in  der  Bedeutung  die  Rechtsverletzung  ahnden^  nie 
aber  poenam  exseqiii  in  aliquo^  weil  exsequi  in  dieser  Verbindung 
nur  ahnden,  bestrafen  heisst,  also  zu  Substantiven  wie  iniuria, 
delictum,  aber  nicht  zu  poena  passt  (nur  sententiam  exsequi  ein 
Urteil  vollstrecken  findet  sich  bei  Juristen).  —  Exsecutor  ist  N.  Kl. 
und  Sp.  L.,  zuerst  hat  es  wohl  Vell.;  es  werde  umschrieben  durch 
is  qui  supplicium  sumit  u.  a. 

Exserere  in  der  trop.  Bedeutung  üben,  betätigen,  an  den  Tag 
legen  findet  sich  nicht  vor  Quint.,  dann  in  Plin.  epp.  8,  7,  2  ex- 
seram  in  librum  tuum  ius,  quod  dedisti,  für  exercebo;  principem  ex- 
seruit,  Suet.  Tib.  33;  öfters  im  8y.  L.,  z.  B.  Pseudo-Cyprian  S.  191, 
11  H.  ut  per  omnia  exserat  dominatum.  Man  brauche  es  daher 
nicht  so  willkürlich,  wie  es  im  N.  L.  geschieht,  wo  man  sagt  vim 
exserere,  Kraft  zeigen,  beiueisen,  für  vim  exercere,  proferre,  afferre, 
adhibere,  praebere  u.  a. ;  humanitatem  exserere  in  alicpiem,  für  de- 
clarare  u.  a. 

Exsilium.  In  exsilium  mitter e  aliquem  gehört  zu  den  Phrasen, 
vor  welchen  in  den  stilistischen  Lehrbüchern  gewarnt  wird.  Es 
findet  sich  nicht  bei  Cicero,  zuerst  wohl  Liv.  7,  13,  9,  ausserdem 
bei  Yal.  Max.  3,    7,    6;   5,   3,    2   und    5,   3,   ext.  3,   Sen.   contr.  9, 

6,  13  und  bei  Seneca  dem  jüngeren  de  tranq.  a.  11,  12,  epp. 
24,  3,  de  provid.  6,  2,  de  ira  1,  16,  2,  de  benef.  5,  17,  2;  %  L. 
ist  ad  exsilium  mittere  Yict.  Yit.  3,  50.  Kl.  sagt  man  in  exilium 
eicere  oder  pellere  und  expellere,  auch  ex  civitate  exigere,  z.  B.  Cic. 
de  or.  2,  199;  vgl.  Seyffert-MüUer  z.  Lael.  S.  303.  —  Einen  aus  der 
Verbannung  zurückrufen  heisst  spätlat.  und  nachklass.  aliquem  ab 
exsilio  revocare,  reducere,  retraliere,  s.  darüber  Tac.  bist.  1,  90,  ann. 

4,  28,  Quint.  5,  11,  9,  lust.  13,  5,  11;  revocare  de  exsilio,  bei  Liv. 

5,  46,  10  und  27,  34,  14;  de  exsilio  reducere  bei  Cic.  Phil.  2,  9 
und  Att.  9,  14,  2.  Für  unser  aus  der  Verbannung  kommen,  zurück- 
kehren sagen  die  Nachklassiker  wieder  venire,  reverti,  redire,  regredi 
ab  exsilio,  s:  Plin.  epp.  1,  5,  10  und  9,  13,  5,  Sen.  contr.  3,  (7), 
21,  15,  Tac.  bist.  1,  77  und  2,.  92,  ann.  14,  12.  Wie  die  Klassiker 
dies  ausdrückten,  wissen  wir  nicht,  zweifeln  aber  kaum,  dass  sie 
auch  in  dieser  Phrase  de  exsilio  redire  gesagt  haben  werden,  wie 
es  so  schon  vorklassisch  vorkommt:  iam  redii  de  exsilio,  Plaut. 
Merc.  947. 

Exsistere  findet  sich  im  N.  L.  oft  für  das  gewöhnliche  esse, 
da  es  doch  nur  dann  für  esse  steht,  wenn  in  sein  ein  tätiges, 
'öffentliches  Auftreten,  Entstehen,  sich  Erheben,  Hervorheben,  Zeigen, 
Erscheinen  liegt,    und   wenn  es  gleich  exoriri  ist,    so  wie  in  exstare 


Exspectare  —     560     —  Exspectare 

das  dauernde  Sein,  Da-  oder  Vorhandensein.  —  B.  L.  ist  exsistens 
für  das  fehlende  Partiz.  von  esse.  Aber  exsistentia,  das  Dasein^  die 
Existenz,  ist  Sj).  L.,  z.  B.  Claud.  Mam.  178,  13  E.  exsistentia  7^erum; 
man  halte  sich  an  die  Alten,  welche  bloss  esse  brauchen;  z.  B.  sie 
leugnen  das  Dasein  Gottes,  negant  esse  Deiim.  Ygl.  Atheismus.  —  Das 
Yerbum  exsistere  in  der  Bedeutung  sich  erheben  hat  de  oder  ex  bei 
sich,  z.  B.  de  terra,  ex  arvis,  auch  ah  z.  B.  Cic.  div.  2,  65  anguem 
ah  ara  exstitisse,  sogar  den  Abi.  ohne  Präp.,  z.  B.  Cic.  Verr.  4,  107 
2)rope  est  spehmca,  qua  Diteni  imtrem  ferunt  exstitisse. 

Exspectare,  erioarten,  lässt  den  Accus,  der  Person  oder  Sache  zu ; 
exs2')ectare  aliquem,  aliquid,  wie  adventum  alicuius;  etivas  von  jemand 
erivarten  ist  exspectare  aliquid  ah  aliquo,  s.  Caes.  Gall.  7,  34,  1  u.  Liv. 
39,  41,  2,  oder  bei  einem  Sach werte  mit  ex:  omnia  ex  sua  amicitia 
exspectarent,  Caes.  civ.  3,  60,  1.  —  Warten,  his  oder  dass  heisst  gewöhn- 
lich exspectare,  dum,  z.  B.  Cic.  Att.  1,  1,  1  de  Aufidio  te  puto  non  ex- 
spectare, dum  scriham;  soll  jedoch  der  Begriff  des  Wunsches  vor- 
wiegen, so  steht  ut,  z.  B.  Cic.  S.  Rose.  82  nisi  forte  exspectatis,  ut 
illa  diluam  cpiae  .  .;  vgl.  hiezu  Becher  im  Philol.  44,  S.  481,  Land- 
graf zu  Cic.  S.  Rose.  S.  287,  Reisig-Haase  mit  meiner  Anm.  483; 
die  Beispiele  mit  ut  stehen  bei  Dahl  S.  273;  bei  Cicero  nur  S.  Rose. 
82,  Catil.  2,  27  (an  letzterer  Stelle  aber  ist  der  Satz  mit  ut 
erklärend  zum  vorausgehenden  /ioc),  bei  Liv.  23,  31,  7,  vgl.  dazu 
Fabri,  bei  Caes.  civ.  1,  6,  6.  —  Warten,  oh  etivas  geschehe,  ist  nicht 
mit  exspectare,  an  oder  einem  anderen  Frageworte,  sondern  durch  si 
mit  folgendem  Konj.  auszudrücken,  entsprechend  unserm  oh,  oh  nicht, 
s.  Caes.  civ.  1,  5,  5  und  Gall.  2,  9,  1.  Warten,  ivie  hald  etwas  ein- 
treten werde,  ist  auch  lat.  dem  Deutschen  ganz  entsprechend  exspec- 
tare, quammox,  s.  darüber  Eno.  ann.  84  u.  dazuYahlen,  dann  Cic.  Rose. 
Com.  44,  inv.  2,  85,  Livius:  exspectahant,  quam  mox  . .  .  comitia  . .  . 
edicerentur,  3,  37,  5  und  34,  11,4.  —  Ebenso  nimmt  exspectare  einen  in- 
direkten Fragesatz  zu  sich,  z.  B.:  exspecto,  quid  ad  ista,  Tusc.  4,  46; 
summa  erat  omnium  exspectatio,  quidnam  sententiae  feiTcnt  .  .  . 
iudices,  Cluent.  75;  dum  exspectat,  quidnam  sihi  certi  afferatur, 
Yerr.  2,  92  und  sonst.  Jemanden  durch,  mit  ettoas  in  gespannter 
Erwartmig  halten  ist  exspectationem  alicuius  aliqua  re  suspensam 
tenere,  Cic.  Cluent.  8.  —  Wenn  endlich  Döderlein  und  Reisig  behauptet 
haben,  dass  exspectare  nie  mit  dem  Accus,  c.  infin.  verbunden  werde, 
so  war  dies  nicht  richtig;  denn  abgesehen  von  den  Stellen,  wo  es 
neben  spero,  Ter.  Phorm.  1025,  und  neben  cupio,  Cic.  Yerr.  3,  151, 
steht,  hat  es  für  sich  allein  den  Acc.  c.  inf.  nach  sich  bei  Yarro 
1.  lat.  10,  40,  sat.  Men.  421  Buch.,  Liv.  43,  22,  2  cum  exspectaret 
effusos  omnihus  portis  Aetolos  in  fldem  suam  venturos,  Sedul.  ep.  25,  3 
exspecto  cum  magno  faenore  vitia  reditura,  bei  Aug.  conf.  5,  6:  nimis 
extento  desiderio  venturum  exspectaham  istum  und  sonst  bei  Augustin. 
Endlich  ist  exspectare  auch  nach  der  Analogie  der  Yerba  des 
\Yünschens  mit  dem  Infin.  verbunden  von  Fronte  ad  Yer.  imp.  2,  6 
S.  133  N.  et  nunc  exspecto   cognoscere  ex  tuis  litteris   (vgl.  Seyffert- 


Exspirare  —     561     —  Exsultabundus 

Müller  z.  Lael.  S.  308,  der  an  letzter  Stelle  expeto  korrigiert),  dann 
von  August,  u.  Dict.  Cret.  —  Über  die  Yerwechslung  von  exspecto 
und  expeto  in  den  Codd.  vgl.  Fabri  zu  Sali.  Jug.  14,  7. 

Exsinrare.  In  der  Bedeutung  ^^sterhen'-^  wird  exs^nrare  animam 
von  Yerg.,  dem  auct.  b.  Afr.  88,  4,  dann  erst  von  Gellius  3,  15,  1 
und  5,  2,  4,  vgl.  Gorges  S.  70,  gebraucht;  exspiratio  animae  sagt 
Hieron.  ep.  108,  28,  vgl.  Gölzer  Hier.  S.  81.  In  der  Eegel  kommt 
exspirare  =  sterben  nur  intransitiv  vor,  aber  auch  nicht  in  klassischer 
Sprache;  zuerst  wohl  hat  es  Sali.  bist.  1,  44  M.  per  singulos  artus 
exspirare,  dann  Liv.  2,  20,  9  inter  primam  ciirationem  exspiravit, 
und  28,  19,  12,  hierauf  Yell.  wiederholt,  ebenso  Yal.  Max.  und  die 
andern  Yertreter  des  silb.  Latein,  vgl.  Georges  Yell.  S.  47,  Bagge 
S.  23,  schliesslich  das  Sp.  L.  wie  Gell.  Endlich  wird  exspirare  auch 
trop.  gebraucht,  und  zwar  nicht  bloss  von  Yal.  Max.:  ne  res  publica 
exspiraret,  effecit,  3,  2,  18,  sondern  auch  vom  Jüngern  Plinius:  ex- 
spirante  iam  libertate,  pan.  57  und  selbst  von  Livius:  quidf  si  ego 
moy^erer,  mecum  exspiratura  res  publica  erat?  28,  28,  11. 

Uxspuere  findet  sich  in  der  allgemeinen  Bedeutung  etivas  von 
sich  geben  teils  nur  in  scherzhafter,  teils  in  gekünstelter  Rede,  z.  B. 
exspuere  lacrimas,  was  man  dem  Plautus  nachgeahmt  hat.  Der 
unedle  Nebenbegriff,  der  dem  Worte  anhaftet,  schwindet  übrigens 
schon  bei  Lucrez  2,  1041,  noch  mehr  im  silb.  Latein,  wo  es  in 
Prosa  von  Plin.  mai.  gebraucht  wird.  Ygl.  Lorenz  zu  Plaut.  Pseud.  75. 

Exsternatus,  iyi  Schrecken  gesetzt,  ist  P.  L.  und  Sp.  L.  bei 
Apul.  und  Paneg.  für  co72sternatiis,  perturbatus.  Ygl.  die  eingehende 
Darlegung  von  Meltzer  im  Archiv  lY  S.  542,  wonach  exsternare 
nicht  von  consternare  zu  trennen  ist,  und  oben  s.  v.   Gonstey^nare. 

Exstimidare,  heftig  anreizen,  aufstacheln,  ist  P.  L.  u.  N.  Kl. 
und  kommt  selten  vor,  für  stimulare,  excitare,  incendere,  Inflam' 
mare  u.  a. 

Exstriiere  wird  zwar  bildlich  angewendet,  wie  mensae  p)iscibus, 
conquisitissiniis  ep)idis  exstructae,  auch  mensae  exstructae  allein  = 
reichbesetzte  Tafeln,  s.  Cic.  Tusc.  5,  62  u.  Cato  44;  aber  Muret 
missbraucht  und  übertreibt  die  trop.  Anwendung  des  Wortes,  indem 
er  sagt:  exstruere  immortalitatem,  TJfisterblichkeit  bereiten,  gründen, 
für  immortalitati  tradere,  mandare,  commendare,  ad  immortcditatis 
memoriam  conservare. 

Exsulare  bedeutet  vom  Vaterland  entfernt,  im  Auslande  leben. 
Daher  auch  trop.:  Quousque  iji  regno  exsulabo,  Gurt.  5,  8,  11  =^ 
wie  lange  soll  ich  Fremdling,  Verbannter  im  eigenen  Lande  sein? 
Cum  omnes  meo  discessu  exsulasse  rem  piiblicam  piutent,  Cic.  parad. 
30  =  ]icd)e  keine  Heimat  mehr  gehabt.  Kühner  sagt  Plaut.  Pers. 
555:  Perfidia  ex  urbe  et  avaritia  si  exsulant,  wonach  zu  beurteilen 
ist  Mahne  (Crito  S.  238):  virtutes  ex  hominum  societate  celerrime 
exsidant,  für  exsidatum  abeunt,  societatem  relinquunt  u.  a. 

Exsidtahundus,  jauchzend,  ist  Spt.  L.  für  exsultans;  es  steht  in 
dieser  Bedeutung  nur  bei  lustin  18,  7,  10,  vgl.  Winckler  S.  3. 

Krebs-Schmalz,  Antibarbarns  I.  36 


Exsuperantia  —     562     —  Extendere 

Exsiiperantia  ist  klass.  bei  Cic.  Tusc.  5,  105  =  Hervormgen  ; 
aber  in  der  gewöhnlichen  Bedeutung  Übermass,  ohne  den  Begriff 
der  Yortrefflichkeit,  ist  es  ohne  Autorität  für  abimdantia.,  redundantia ; 
denn  Luc.  21,  4  (fragm.  Ambros.,  vgl.  Rönsch  Coli.  phil.  S.  185)  ist 
wahrscheinlich  exiiperantia  =  exiiherantia ;  letzteres  findet  sich  so 
öfters  Sj).  L. 

Extemimralis,  ivas  aus  dem  Stegreif  geschieht,  z.  B.  oratio  ex- 
temporalis,  kommt  zwar  nicht  bei  Cicero  vor,  der  sie  subita  et  for- 
tuita  oratio  (de  orat.  1,  150)  nennt,  aber  oft  bei  Quintilian,  bei  Tac. 
dial.  6  u.  Plinius  (epp.  1,  20,  10),  und  ist  als  Kunstausdruck  nicht 
zu  verwerfen.  —  N.  Kl.  nannte  Suet,  Tit.  3  w^ohl  mit  einem  ärza^ 
le'f6p.Bvov  die  Fertigkeit  zu  extemi^orieren  extemjwralitas ;  Aug.  84 
gebraucht  er  wie  Sen.  contr.  7  pr.  2  extemi^oralis  facultas,  für 
facultas  ex  tempore  dicendi,  wie  auch  Quintil.  10,  7,  1  sich  ausdrückt. 
—  Sj).  L  ist  aber  das  Adv.  extemporaliter  (bei  Sidonius  arza^ 
XzYofievov,  vgl.  Kretschmann  Sidon.  S.  13),  aus  dem  Stegreif,  für 
subito  (Cic.  de  orat.  1,  150)  oder  ex  tempore.  —  N.  L.  ist  das  Adj. 
extemporaneus  in  dieser  Bedeutung. 

Extendere,  ausstrecken.  Wohl  nie  wurde  gesagt  linguam  ex- 
tendere, die  Zunge  (zur  Verspottung)  ausstrecken,  sondern  eicere  (Cic. 
de  orat.  2,  266),  exserere  linguam  (Liv.  7,  10,  5).  Auch  kommt 
in  dieser  Bedeutung  gewöhnlich  nur  digitus  extentus  (extensus), 
manus  extenta,  brachium  extentum  vor,  selten  das  Verbum  extendere 
selbst,  z.  B.  Quintil.  11,  3,  19  und  manus  sine  ratione  extendwitur, 
Cels.  7,  23  extr.;  dafür  wird  gew^öhnlicher  gesagt  porrigere,  tendere, 
intendere,  proicere  und  als  Subst.  nur  proiectio,  z.  B.  brachii  (Cic. 
orat.  59),  oder  porrectio.  Hierbei  ist  auch  zu  beachten,  dass  die 
Hände  zum  Himmel  als  Schutzflehender  ausstrecken  lat.  meist  heisst: 
manus  ad  caelum  etc.  tendere  oder  extollere  (Sen.  n.  q.  3,  Praef. 
§  14).  S.  Cic.  Catil.  4,  18,  Liv.  3,  50,  5;  25,  37,  9  u.  35,  31, 
13,  Curt.  4,  10,  34  u.  6,  7,  28.  Auch  fällt  meistens  die  Bezeichnung 
mein,  dein,  sein,  {ihr)  weg,  wenn  die  gleiche  Person  im  Yerbum 
liegt ;  darauf  hat  man,  wie  Rothfuchs  Beiträge  S.  9  f . .  mit  Recht 
aufmerksam  macht,  schon  die  Sextaner  zu  verweisen.  Indes  hätte 
Rothfuchs  1.  1.  das  unklass.  und  seltene  extendere  durch  das  Kl. 
tendere  ersetzen  sollen.  —  P.  L.  und  pros.  nur  bei  Val.  Max.  1,  1, 
15  ist  luctum  und  se  (i.  e.  vitam)  extendere  ad  centesimum  annum 
ibid.  5,  2,  ext.  4  g.  E.  sein  Leben  hinbringen  bis  zu  — ,  für  producere 
vitam  ad  —  mit  einer  Ordinal-,  nicht  Kardinalzahl;  man  sage  also 
z.  B.  nicht  ad  octoginta  annos,  sondern  ad  octogesimum  annum.  — 
Ferner  sagt  man  Kl.  von  einem  Lande,  einem  Felde,  einer  Fläche 
nicht  se  extendit,  sondern  patet,  welches  Yerbum  (patere)  fast  von 
allem  gebraucht  wird,  was  einen  Umfang,  eine  Ausbreitung  und 
Ausdehnung  hat,  sich  weit  erstreckt  und  verbreitet.  So  sagt  man 
von  einem  Worte,  dessen  Bedeutung  weit  ausgedehnt  ist,  late  patet 
(Cic.  Tusc.  3,  11).  Ygl.  ArußLstus.  Bei  dem  Geographen  Mola 
freilich  und  Sp.  L.  noch  bei  Orosius,  z.  B.  1,  2,  76  Britaiinia  Oceani 


Extente  —     563     —  Extollere 

insida  j;er  longum  in  hoream  extenditur,  findet  sich  extendl  und  se 
extendere  als  geogr.  Terminus.  Wie  sonst  „.sic/i  ausdehnen"'  meta- 
phorisch gegeben  wird,  z.  B.  mit  fandi,  manare,  serijere,  darüber 
sehe  man  Nägelsbach-Müller^  S.  558  f.  nach.  —  Eine  Bede  üher  die 
Geh'dhr  ausdehnen  heisst  orationem  ultra  quam  satis  est  2>'^'oducere 
(Cic.  inv.  1,  26),  wiewohl  schon  der  jüngere  Plinius  sagt  ejnstulam 
extendere,  einen  Brief  verlängern  (Plin.  epp.  3,  5,  20  u.  5,  15,  7) 
und  Liv.  (28,  43,  6) :  cupiditas  gloriae  extendUur.  —  Das  trop. :  siqrra 
vires  se  extendere  ==  sich  (im  Aufiuande)  üher  seine  Kräfte,  sein 
Vermögeyi  anstrengen  steht  bei  Livius  34,  4. 

Extente  und  im  Komp.  extentius  sind  Sp.  L.  und  kommen  nur 
in  eigentlicher  Bedeutung,  ausgedehyit,  vor,  nicht  in  der  Bedeutung 
weitläuftig,  umständlich,  für  copiose,  copiosius  oder  iiherius.  —  Das 
Subst.  extentio  oder  extensio,  die  Ausdehnuyig,  hat  zuerst  Yitruv, 
sonst  ist  es  nur  Sp.  L.,  vgl.  Gölzer  Hieron.  S.  70  und  Georges 
Jahresbericht  1884  S.  130. 

Exterminare,  austreiben,  vertreiben;  —  aus,  von  etivas,  ex  oder 
de  aliquo  loco  oder  mit  dem  blossen  Ablat.  S.  Cic.  nat.  deor.  1,  63, 
bei  Personen  mit  ab  aliquo  exterminare,  s.  Cic.  Sest.  30. 

Externus,  äusserlich,  bedeutet  nur,  was  von  aussen  ist  und 
kommt,  daher  res  externae  =  Dinge  der  Ausseniuelt,  bona  externa, 
die  (sinnlichen,  sichtbcuTu)  Güter  der  Welt,  pulsu  externo  agitari, 
von  aussen  her  in  Beivegimg  gesetzt  iverdeyi,  externi  populi,  fremde 
Völker,  externi  mores,  fremde  Sitten.  Wo  aber  kein  Gre gensatz  zu 
domesticus,  interior,  intestinus  stattfindet,  wird  unser  äusserlich  lat. 
gar  nicht  ausgedrückt,  z.  B.  äusserer  Schein  ist  nur  species,  nicht 
externa  species,  der  äussere  Glanz  nur  splendor,  äusserer  Wohlstand 
forttma  (florens  fortuna,  res  florentes),  äussere  Umrisse  lineamenta 
u.  dgl.;  vgl.  Nägelsb.-MüUer^  S.  313  f.,  auch  jede  Schulstilistik 
handelt  hierüber.  Gut  aber  ist  nach  dem  Gesagten  hostis  externus 
und  bellum  externum,  ja  selbst  res  externae  in  dem  Sinne  von  res 
foris  gestae,  s.  Richter  zu  Cic.  Phil.  2,  69. 

Extimus,  der  letzte,  ist  alte  feierliche  Form  für  die  gewöhnliche 
extremus,  auch  bei  Cic.  rep.  6,  17;  vgl.  Meissner  zur  St.,  wonach 
extimus  zu  den  in  dieser  Schrift  häufigen  an  das  Poetische  streifen- 
den Ausdrücken  gehört.  Oft  findet  es  sich  im  Sp.  L.;  vgl.  Neue- 
Wagener  ^  II  S.  192. 

Extollere,  erlieben  (ohne  Perfekt-  und  Supinform,  welche  von 
efferre  entlehnt  werden).  Was  den  Ausdruck  die  Stimme  erlieben 
=  das  Wort  nehmen,  zu  sptrechen  beginnen  u.  dgl.  betrifft,  so  ist 
dafür  voceni  extollere  allerdings  spätlatein.  und  keineswegs  zu  em- 
pfehlen, wenn  es  so  im  N.  T.  Yulg.  Luc.  11,  27  vorkommt;  dafür 
sage  man  orditur  oder  exorditur  alicpiis  loqui,  dicere,  oder  ve7'ba 
facere  coepit,  infit  cdicpiis,  s.  Liv.  1,  28,  4.  Ist  die  Stimme  erheben 
so  viel  als  die  Stimme  höher  erhebe^i,  steigern,  so  ist  dies  bei  Sen. 
ep.  15,  7  vocem  attoUere,  bei  Cic.  or.  59  sonum  intendere,  oppos. 
suhmittere,   remitiere.     So   gebraucht   man  auch  attollere  manum  im 


Extorquere  —     564     — ^  Extra 

Gegensätze  von  suhmittere,  s.  Quiutil.  11,  3,  115.  —  Gut  ist  extollere 
aliquem  =  lohend  erheben^  Liv.  3,  45,  4  und  Hannihalis  virtutem, 
hosteni  verhis  extollere,  Liv.  23,  43,  10  u.  22,  25,  12  und  meritum 
aliciiiiis  verlis  extollere,  Cic.  Plane.  95.  Ygl.  auch  Sali.  Jug.  15,  2 
und  s.  V.  Tollere.  —  Nachklass.  ist  animos  iuvenmn  ad  superhiam 
extollere  =  reizen  bei  Tac.  ann.  4,  17.  Animos  extollere  =  den 
Mut  erhöheyi,    steigern,    ist  nicht  bloss  *S^;.  L.  u.  N.  Kl.  bei  lust.  1, 

4,  4  u.  Sen.  de  ira  1,  7,  sondern  steht  auch  bei  Liv.  7,  8,  4  (Gegen- 
satz minuere).  Hingegen  extollere  hortos  =  verschönern,  findet 
sich  nur  bei  Tacitus,  s.  Dräger  zu  ann.  11,  1.  Einen  zu  Ehren- 
steilen  erheben  (wo  unser  zu  das  Ziel  bezeichnet),  kann  latein.  unter 
anderem  gegeben  werden  durch  honoribus  aliquem  extollere,  wo 
honoribus  der  Ablat.  instrum.  ist,  vgl.  Sali.  Jug.  49,  4,  Tac.  ann.  1, 
2.  Einen  über  andere  erheben  kann  man  ganz  richtig  nach  Tacitus 
geben:  extollere  aliquem  supra  ceteros,  ann.  6,  8,  und  se  efferre  (super 
alios),  elatius  se  gerere,  se  praeferre  aliis.  —  Man  sage  nicht 
animum  ad  Deum  extollere,  den  Geist  zu  Gott  erheben,  für  animum 
convertere  ad  cogitationem  Dei.  Zu  empfehlen  ist  auch  nicht  extollere 
in  equum  oder  in  currum,  da  Cic.  nur  tollere  in  equum,  currum 
u.  ä.  sagt,  vgl.  Deiot.  28,  off.  3,  94;  Yarro  freilich  schreibt  r.  r.  2, 
10,  3  onera  extollere  in  iumenta,  vgl.  Krumbiegel  S.  87,  und  schon 
Enn.  Sc.  299  Y.  in  gremium  extollas  Uberoriim  ex  te  genus. 

Extorquere,  entwinden,  entreissen,  wird  bei  der  Yorstellung  einer 
Waffe  mit  de  oder  ex  manibus  und  zwar  alicui,  Cic.  Cat.  1,  16  u. 
2,  2,  Curt.  8,  2,  4  und  alicuius,  Cic.  Plane.  98  u.  Pis.  5  verbunden, 
bei  Personen  aber  mit  dem  Dativ,  wenn  von  etwas  Geistigem  die 
Rede  ist,  z.  B.  errorem,  opinionem,  veritatem,  oder  wenn  es  Sub- 
stantiva  sind,  wie  regnum;  jedoch  auch  ab  aliquo,  wenn  es  Dinge 
zum  Fortbringen  sind,  z.  B.  frumentum,  talenta,  pecuniam;  aber  nicht 
extorquere  sicam,  gladium,  arma  ab  aliquo.    Ygl.  Wolf  zu  Cic.  Marc. 

5.  66,  Ellendt  zu  Cic.  Brut.  7. 

Extra.  Ygl.  hiezu  die  hübsche  Auseinandersetzung  von  Schmidt 
Beitr.  1903  S.  8  ff.  Man  merke,  dass  ausgenommen  oder  ausser 
ivenn  im  Kanzleistil  bei  juristischen  Formeln,  wo  von  einer  exceptio 
(Ausnahme)  die  Ptede  ist,  extra  quam  si  heisst;  vgl.  Cic.  Att.  6,  1, 
15;  Liv.  38,  38,  9  u.  39,  18,  7  ;  sonst  sagt  man  nisi  oder  nisi  quod, 
praeterquam  si.  Ygl.  Exceptus  u.  Schmidt  Beitr.  1903  S.  12;  sowie 
meine  Darlegung  über  nisi  cpiod  und  nisi  cptia  in  Berl.  Phil.  Woch.  1905 
Sp.  556  f.  —  Extra  aliquid  esse  ist  gut,  jedoch  nur  in  dem  Sinne  an 
etivas  keinen  Anteil  haben,  wie  extra  coniurationem  esse;  es  steht  so 
nicht  allein  bei  Sali.  Cat.  39,  5,  sondern  auch  bei  Cic.  Sulla  39,  Yerr.  5, 
134;  aber  B.  L.  ist  extra  se  (prae)  gaudio  oder  laetitia  esse,  vor  Freude 
ausser  sich  sein,  für  elatum  esse  gcmdio  oder  laetitia;  ebenso  extra 
animam  oder  spiritum  esse,  ausser  Atem  sein,  für  exanimaturn  esse. 
Aber  ausser  Gefahr  sein  heisst  extra  periculum  esse,  z.  B.  Liv.  34,  11,7. 
—  Draussen  oder  auswärts,  z.  B.  speisen,  heisst  nicht  extra,  sondern 
foris  cenare,  vgl.  Cic.  fam.  7,  16,  2.  —  In  der  Bedeutung  von  praeter 


i 


Extractum  —     565     —  Extremus 

gehört  es  dem  sermo  familiaris  an  und  findet  sich  ausser  bei  Enn. 
Plaut.  Ter.  auch  Cic.  fam.  7,  3,  2  extra  ducem  iimicosquc  praeterea 
reliqui  in  ipso  hello  rapaces,  Liv.  8,  32,  8;  26,  34,  3;  vgl.  Landgraf 
zu  Reisig-Haase  Anm.  573  d. 

Extractum  und  extractus  als  Subst.,  der  Auszug,  sind  N.  L. 
für  ejntome,  summarium,  hreviarium. 

Extrahere,  ausziehen,  kommt  nirgends  mit  einem  Accus.,  z.  B. 
lihrum,  verbunden  vor,  in  der  Bedeutung  Auszüge  aus  einem  Buche 
machen,  es  ins  kurze  ziehen;  dafür  excerpere  e  lihro,  lihrum  in 
angustum  deducere,  in  hreve  cogere  u.  a.  S.  Excerpere.  —  Extrahere 
dentem,  einen  Zahn  ausziehen  durch  ein  medizinisches  Mittel,  findet 
sich  bei  Plin.  nat.  32,  79 ;  tut  es  der  Chirurg,  so  heisst  es  evellere 
dentem,  dann  auch  evulsio  dentis.  Vom  Blut  saugenden  Schröpf- 
kopfe wird  ganz  gut  sanguinem  extrahere  gesagt,  s.  Cels.  2,  1 1 ;  hin- 
gegen zur  Ader  lassen  ist  sanguinem  mittere ;  der,  tu  elcher  es  tut,  in- 
cidit  oder  secat  venam ;  vgl.  Cic.  Att.  1,  16,  11  und  dazu  Süpfle- 
Böckel,  ferner  Att.  6,  1,  2. 

Extranatur alis,  ausser-,  iibernatürlich,  ist  sehr  Sp.  L.  für  qui 
(qitae,  quod)  natui^ae  ordinem  oder  vires  superat,  auch  supra  natu- 
ram,  extra  ordinem  naiurae.  Ähnliche  N.  L.  Wörter  sind  Praeter- 
naturalis und  Supernaturalis.     Vgl.  beide. 

Extraneus  ist  klass.  selten,  z.  B.  Cic.  de  or.  2,  46  res  extraneae, 
vgl.  noch  Cic.  inv.  1,  32,  aber  oft  finden  wir  es  im  Sj^.  L.,  hier  auch 
mit  Gen.,  z.  B.  extraneus  fidei,  oder  mit  Abi.  und  ah  konstruiert, 
vgl.  Hoppe  Synt.  Tert.  S.  22. 

Extraordinarius,  ausserordentlich,  ist  in  der  Bedeutung  vorzüg- 
lich, einzig  in  seiner  Art  N.  L.  für  singularis,  insignis,  eximius  u.  a. 
Richtig  ist  es  in  der  Bedeutung  ivas  ausser  der  geivöhnlichen  Ord- 
nung oder  Beihe  ist,  was  allerdings  die  Bedeutung  ^^vorzüglich^^ 
streift,  z.  B.  Liv.  26,  18,  3  qui  in  locum  duorum  succederet,  extra- 
ordinayia  cura  deligendum  esse;  vgl.  Friedersdorff  z.  St.  —  N.  L. 
ist  das  Adv.  extraordinarie  für  extra  ordinem,  und  (zur  Ver- 
stärkung) perquam,  valde,  maxime,  mire  (Liv.  1,  45,  7  und  45, 
44,   18). 

Extreme  ist  als  Adv.  bei  senex  =  steinalt  nicht  N.  L.  Es  ist  viel- 
mehr Sp.  L.;  denn  Georges  zitiert  Jahresbericht  1884  S.89  für  extreme 
Priscian  15,  26,  S.  80,  8  H.  Als  Adv.  wird  jedoch  besser  ad  ex- 
tremum,  extremum  und  extremo  gesagt  werden ;  davon  nimmt  cul 
extremum  allerdings  die  Bedeutung  ,/iusserst^''  in  Verbindung  mit 
Adj.  und  Partiz.  an,  vgl.  Liv.  23,  2,  4  hnprohus  homo,  sed  non  ad 
extremum  perditus ;  sonst  bedeuten  die  Adv.  zuletzt,  am  Ende,  end- 
lich., zum  letztenmale.  Richtig  ist  auch  ad  extremum,  wie  wir  sagen 
am  Ende,  zuletzt,  für  endlich  bei  Aufzählungen,  sogar  deinde  oder 
tum  ad  extremum,  darauf,  dami,  nachher  zuletzt.  Vgl.  Cic.  de 
orat.  2,  79. 

Extremus,  der  letzte,  ist  in  der  Bedeutung  der  zuletzt,  zunächst 
geschrieben,  gehalten,  geführt  u.  s.  w,  worden  ist,  gegen  den  bessern 


Extrinsecus  —     5GG     —  Exuberantia 

Gebrauch,  nach  welchem  es  das  angibt,  was  unter  mehrerem  Ge- 
nannten das  letzte  ist.  Wo  es  also  gleich  der  nächste  ist,  da  heisst 
es  nicht  extremus,  sondern  iwoximuSy  sitperior,  auch  proximiis  siqje- 
rior,  z.  B.  in  Bezug  auf  den  Sprechenden  nicht  Utterae  extremae, 
oratio  extrema,  helliim  extremum  u.  dgl.  So  heisst  im  letzten^  zu- 
nächst verflossenen  Jahre,  anno  superiore,  in  der  letzten  Nacht,  nocte 
siq)erio7^e.  Dem  widerspricht  nicht  Cic.  Lael.  20,  wo  extremum  das 
zuletzt  Genannte,  d.  h.  nicht  das  zunächst  Genannte,  sondern  das 
in  der  Aufzählung  zuletzt  Genannte  bedeutet.  Wenn  man  sagt  i)i 
litteris  extremis,  so  bedeutet  dies  am  Ende  des  Briefes,  sowie  am 
Ende  heisst  hi  extremo,  aber  ohne  einen  Genitiv.  Ygl.  Cic.  Att.  6, 
9,  1,  quod  erat  in  extremo,  und  fam.  7,  16,  1.  Unpassend  ist  ex- 
tremus auch  in  Sätzen  wie :  So  war  das  letzte  Hindernis  heseitigt  = 
quod  unum  relinquebatur.  Darnach  sind  auch  ,^der  letzte  Mohikaner, 
der  letzte  seines  Stammes^''  u.  ä.  zu  geben.  —  Extremum  aber  als  Sahst. 
mit  einem  Genit.  steht  bei  Caes.  (Gall.  1,  10,  5),  Sallust,  Livius  und 
andern  Historikern,  wie  Tac.  bist.  5,  18,  ann.  4,  74  u.  4,  67,  Flor. 
3,  3,  1  u.  3,  20,  12,  die  es  für  finis,  das  Ende,  der  äusserste  Punkt 
oder  Ort,  brauchen.  Auch  für  Cicero  steht  es  fest,  div.  2,  91: 
quod  ext7^emum  atque  idtimum  mundi  est,  (aber  Deiot.  35  nach 
C.  F.  W.  Müller  cul  extremam  causae  partem,  nicht  ad  extremum 
causae;  vgl.  Nägelsbach-Müller^  S.  116  und  Seyffert-Müller  z.  Lael. 
S.  79),  während  sonst  der  letzte  Teil  des  Lebens  bei  Cicero  entweder 
heisst  extrema  vitae  imrs  oder  extrema  vita,  oder  extremum  tempus 
aetatis  (Cic.  Tusc.  5,  56).  —  Wiewohl  schon  Liv.  (2,  47,  8)  sagt: 
ad  extrema  venire,  zum  ausser sten  kommen;  Sallust:  fortunae  in 
extremo  sitae  sunt  und  resjmblica  in  extremo  sita;  (imperium)  tujic 
in  extremo  stahat,  Sen.  de  ira  1,  11,  5,  und  Cicero:  ad  extrema  des- 
cendere  oder  decurrere,  so  kommt  doch  nirgends  vor  in  extremis  esse 
oder  iacere,  aber  in  idtimis  esse  =  in  den  letzten  Zügen  liegen 
(Sen.  contr.  2,  12,  4  u.Petron.  101),  animam  agere,  spiritum  extremum 
ducere.  Dagegen  braucht  Quintil.  (6,  Praef.  11)  in  supremis,  im 
Stef^hen,  hei  seinem  Sterben.     Ygl.  s.  v.  Ultimus. 

Extrinsecus,  äusserlich,  ist  nur  Adv.,  nicht  Adj.,  wie  es  im 
N.  L.  bisweilen  vorkommt;  Cic.  hat  es  öfters,  doch  nirgends  in  den 
Eeden,  vgl.  Neue-Wagener^II,  679.  Nur  Tert.  de  pall.  1  u.  andre  aS^j.L. 
gebrauchen  es  attributiv,  z.  B.  Chalcid.  Tim.  24  frigoris  calorisve 
extrinsecus  accessio;  dass  dagegen  nicht  viel  einzuwenden  ist,  zeigt 
Nägelsbach-MüUer^  §  75.   —    B.  L.   ist   ein  neues   Adv.  extrinsece. 

Exturbare,  mit  Ungestüm  heraus-,  ivegtreiben,  wird  teils  mit 
ex,  teils  mit  dem  blossen  Ablat.  verbunden,  also  fortunis,  domo,  e 
possessionibus,  e  navi  u.  ä. 

Exid)erantia,  das  Übermass,  ist  Sp.  L.  bei  GelHus,  vgl.  Yogel 
Progr.  Zwickau  S.  4,  dann  bei  Salvian  6,  50  P.,  viermal  bei  Cassian 
u.  sonst,  vgl.  Rönsch  Coli.  phil.  S.  185,  für  abundantia  oder  um- 
schrieben mit  dem  Yerbum  redundare.  Das  Yerbum  exuherare  ist 
im  Sp.  L.  sehr  beliebt;  Georges  zitiert  nur  Lact.  u.  TerL,  es  findet 


Exundare  —     567     —  Fabulari 

sich    aber   auch   bei  Ennodius,    Cyprian,   Lucifer,   Symmachus  u.  a. ; 
vgl.  oben  s.  v.  Exsiiperayitia. 

Exundare,  üherfliessen,  üher strömen,  ist  P.  L.  u.  N.  Kl.  für 
redundare,  imtndare,  effundi;  ebenso  ist  eximdatio,  das  Üherfliessen, 
N.  Kl.  und  kommt  nur  beim  altern  Plinius  19,  37  u.  bei  Sen.  ben. 
4,  5,  3  vor,  für  inundatio,  effusio. 


F.  f. 


Faher,  der  Schmied,  scheint  abgesehen  von  luven.  14,  116  nur 
in  der  sprichwörtlichen  Redensart  suae  quisqiie  fortimae  est  faber, 
jeder  ist  seines  Glückes  Schmied,  Pseudo-Sall.  de  rep.  1,  1,  2  bild- 
lich gebraucht  worden  zu  sein ;  sonst  wird  bildlich  von  dem,  der 
etwas  schmiedet,  aussinnt  und  schafft,  architectus  gebraucht,  z.  B. 
verhorum,  scelej^is,  simulationis  u.  a.  Für  jenes  Sprichwort  sagt  man 
auch  sui  cuiqiie  mores  fingimt  fortunam,  Nep.  Att.  11,  6  oder:  suis 
fortuna  cuiqiie  fingitiir  morihiis,  Cic.  parad.  34. 

Fahrefacere,  künstlich  arbeiten,  hat  spätlat.  Autorität  bei  Aur. 
Yict.  de  viris  illustr.  38,  1  (wo  indes  schon  Arntzen  und  jetzt  Keil 
fahricavit  liest)  und  bei  Claud.  Mam.  65,  16,  E.  ad  aliquid  scri- 
hendiim  vel  fahrefaciendum;  nur  fahrefactus  kommt  einigemal  bei 
Livius  vor,  z.  B.  26,  21,  8,  sonst  selten,  und  fabrefieri  ist  trop.  = 
unserm  schmiedet!  schon  von  Plautus  gebraucht  Cas.  861,  sonst  Sp.  L. 
—  Man  sage  scite,  venuste,  summo  artificio,  summa  arte  —  facere 
oder  perficere.  —  Das  Adv.  fcdjre  wird  auch  mit  andern  Yerben  als 
mit  /"acerß  verbunden,  z.  B.  Oros.  1,  20,  3  fahre  ianuam  e  latere  com- 
posuit;  andre  Beispiele  s.  bei  Georges. 

Fabricare,  besser  fabricari,  sind  trop.  =  bilden  nur  dann  zu- 
lässig, wenn  das  zu  Bildende,  wie  bei  verba,  hominem  fabricari,  als 
ettuas  Sin nenf einiges,  Ausserliclies  betrachtet  werden  kann,  s.  Cic. 
acad.  pr.  2,  17  u.  2,  86;  hingegen  in  der  Bedeutung  des  rein  geistigen 
Bildens,  Uyiterrichtens  sind  sie  als  geziert  zu  vermeiden.  ^  Gemildert 
sagt  Seneca  fo7inare  et  fabricare  aniraum,  ep.  16,  3.  Übrigens  ist 
Kl.  nur  das  Deponens  fabricari  üblich,  während  fabricatus  auch 
passivisch  steht  (aber  nicht  bei  Cicero,  Caes.  hat  das  Wort  nicht), 
vgl.  Seck  I  S.  19  u.  Neue-Wagener^  III  S.  39.  —  Über  fabricator 
mundi  vgl.  s.  v.  Creare. 

Fabidari  ist  wohl  nur  als  Deponens  gebraucht  worden,  vgl. 
Neue -Wagener^  III  S.  40  u.  Langen  Beitr.  61  (doch  Mil.  443  fabu- 
lem,  aber  371  fabider  h^i  Scholl);  es  bedeutet  altlatein.  eine  Sprache 
reden:  qui  Obsce  et  Volsce  fabulantur,  Titin.,  Ribb.  com.  lat.  rel.  V. 
104,  sodann  schwatzen,  und  kommt  erst  seit  Livius  in  Prosa  vor, 
aber  selten,  für  ganire;   vgl.  Kühnast  S.  386.     Das  nachkl.  Subst. 


Fabulista  —     568     —  Facere 

fahnlator  bedeutet  nur  eineu  muntern  Erzähler  wahrer  und  falscher 
Dinge,  einen  Änekdotenkr ebner,  aber  nicht  einen  FcibeUlkhter,  welcher 
fahularum  scriiitor  heisst,  und  erst  .S^;.  L.  wird  der  Fabeldichter 
Aesop  von  Gellius  fahulaior  genannt;  vgl.  Bagge  S.  23. 

Fahidista,  der  Faheldicliter,  ist  ein  ganz  neues  dem  Französischen 
entlehntes  Wort  für  fahularum  scriptor. 

Facere.  Inhalt:  facere  ex  oder  Abi.  bei  Angabe  des  Stoffes;  — 
fac.  fagam;  —  f.  hellum,  dammim,  detrimentum ;  —  f  (alicui)  curam  u. 
ähnl.;  —  f.  mumis,  condiciones,  factum,  aliquid ^jro  aVuiuare,  negotium; 
—  Einem  Mi'üie  machen;  Gefahr  bereiten;  Gelächter  erregen;  Schulden, 
Geld  machen;  fac.  =  verdienen;  Geschrei  machen;  —  fac.  mit  (Acc. 
c.)  Infin.  —  „f?üi  als  o¥^  u.  andere  Ausdrücke,  bei  denen  fac. 
unlatein.  ist;  — fac.  alic[uem  mit  Partie,  bezw.  Inf.  .^darstellen,  ein- 
führen^''; —  locum  fac;  —  Mit  dem  deutsch,  übereinstimmende 
Wendungen;  —  ijroelium,  promissum,  orationem  fac;  —  Vulgäre 
u.  spätlat.  Yerbindungen  u.  Umschreibungen  mit  fac;  —  „s^c/i  aus- 
gehen'^;  —  quid  facis?  quid  agis?  heue,  rede  facis,  iniuste  fac  u. 
agis;  —  facere  ut  als  Umschreibung  des  Yerbums,  faciend.  (visuni) 
est  ut;  —  hoc  facit  ad  aliquid,  a  me,  f actus  ad;  —  facit  frigus;  —  sihi 
hene  fac,  se  facere.  —  Der  Stoff,  woraus  etwas  gemacht  wird,  steht 
gewöhnlich  im  Abi.  mit  ex,  z.  B.  Cic.  Yerr.  2,  50  sfatua  ex  aere  facta. 
Aber  man  findet  auch  Stellen  mit  Abi.  allein,  z.  B.  Cato  r.  r.  14,  1 
faher  faciat  pcmetes  calce,  vgl.  Cic.  Tusc.  1,  42  corpora  nostra 
terreno  ijrincipiorwn  genere  confecta;  näheres  bei  C.  F.  W.  Müller 
Progr.  Breslau  1888  S.  8.  —  Seneca  bemerkt  (ep.  114,  17),  dass 
Ärruntius,  Geschichtschreiber  der  Punischen  Kriege,  nach  Sallusts 
Manier  das  Yerbum  falsch  gebraucht  habe;  er  habe  nämlich 
gesagt  facere  exercitum  argento  (s.  darüber  s.  v.  Argentum).,  facere 
fugam.  Was  fugam  facere  betrifft,  so  ist  es  nur  ungewöhnlich 
in  der  Bedeutung  ,^fliehen^^.  So  steht  es  zuerst  bei  Ter.  Eun. 
787,  in  Prosa  bei  Sali.  Jug.  53,  3,  Liv.  8,  9,  12,  sonst  Sp.  L., 
auch  Y.  Kl.  (vgl.  Sen.  ep.  114,  17),  und  zwar  bei  Nachahmern 
des  Sallust,  vgl.  Brünnert  Progr.  Erfurt  1883,  S.  11.  Häufiger 
ist  das  Passiv  fugam  fieri,  zuerst  bei  Sali.  Jug.  58,  4,  Liv.  9,  43, 
16  ;  27,  42,  5  u.  41,  23,  3,  bei  Sen.  rhet.  u.  a.  Das  letztere  führt 
auf  fugam  facere  =  Flucht  heivirken;  diese  Phrase  lesen  wir  bei 
Cic.  dom.  67  quas  fugas  fecerit  vidistis,  oft  bei  Livius,  vgl.  Weissen- 
born  u.  Wölffiin  zu  Liv.  21,  5,  16;  anders  geartet  ist  fugam  facere 
bei  Cic.  Caec.  43,  wo  es  weder  =  fugere,  noch  =  fugare  ist,  sondern 
bedeutet  ah  aliis  fugam  effectam  esse,  vgl.  Hellmuth  act.  Erl.  I 
S.  142.  Näheres  hierüber  sehe  man  bei  Thielmann,  das  Yerbum 
dare  S.  28  u.  S.  63.  —  Facere  hellum  ist  zunächst  ;t6/s//,ov  7:o:-cv, 
Krieg  anstiften,  z.  B.  Caes.  Call.  3,  29,  3,  dann  aber  auch  =  he- 
kriegen,  z.  B.  Cic.  Süll.  58  eum  hellum  pfopulo  Romano  facere  voluisse, 
Caes.  Gall.  4,  22,  1;  5,  28,  1;  eine  Yergleichung  der  drei  letzten 
Stellen  lehrt,  dass  hellum  populo  Romano  facere  eine  offizielle  Phrase 
war.    Yerworfeu  werden:  facere  damnum^  detrimentum  und  ähnliche  in 


Facere  —     509     —  Facere 

der  Bedentnug  Schaden  tun,  Schaden  verursachen,  da  sie  Scliaden  leiden, 
erleiden  bedeuten  (nur  eine  Stelle  bei  einem  Juristen,  Paul.  dig.  9,  2, 
30,  §  3,  ausgenommen),  für  afferre,  inferre  damnitm,  detrimentmn, 
dare  damnum  (Ter.  Andr.  143),  a/flcere  incommodo  u.  a.  Vgl.  PatL 
—  Mit  Unrecht  hat  man  bezweifelt  facere  alicui  curam,  einem 
Sorge  maclien,  für  ciira  aliquem  afficere,  curam  alicui  afferre  oder 
dare;  curam  facere  (ohne  Dativ)  findet  sich  bei  Tac.  ann.  3,  52  und 
ist  durch  die  analogen  Ausdrücke  siiem  facere,  Cic.  Attic.  3, 
16,  metum  oder  timorem  facere,  Plauens  bei  Cic.  fam.  10,  18,  2  (vgl. 
Bergmüller  Plane.  S.  49,  Landgraf  Bayr.  Gymn.  XYI  S.  327),  Gels. 
Med.  3,  5,  Liv.  6,  28,  8  u.  10,  33,  5  gedeckt.  Ja,  da  die  genannten 
Phrasen  auch  den  Dativ  der  Person  zulassen,  s.  Liv.  10,  25,  8  und 
9,  41,  11,  so  könnte  man  bestimmt  auch  curam  alicui  facere  sagen, 
um  so  mehr,  als  das  ähnhche  facere  alicui  dolorem  die  beste  Autori- 
tät hat,  s.  Gic.  Attic.  11,  8,  2.  —  Verworfen  wird  facere  munus^  sein 
Amt  veriualten,  für  fungi  munere,  aber  Gellius  sagt  munus  equitis 
facere;  facere  condiciones,  Bedingungen  machen,  Vorschläge  tun,  für 
ferre  condiciones;  facere  factum,  eine  Tat  tun,  für  rem  gerere,  aber 
Landgraf  zitiert  für  facta  facere  wenigstens  dichterische  Stellen 
aus  Plaut.  Prep.  Ovid,  vgl.  act.  Erl.  II  S.  19  (wohl  auch  Enn.  ann.  314 
dictum  factumque  facit  frux  nach  Vahlens  Verweisung  auf  Herodot  3, 
135,  1);  facere  aliquid  pro  valetudine,  facere  negotium  in  der  Bedeutung 
eiti  Geschäft  verrichten,  für  conficere  negotium.  —  Einem  Mühe  machen 
heisst  gewöhnlich  negotium  alicui  exhihere,  facessere  (doch  steht  ne- 
gotium facere  nicht  nur  lust.  21,  4,  4,  sondern  auch  Quintil.  5,  12, 
13).  Für  periculum  facere  =  einem  Gefahr  bereiten,  ist  gewöhnlich 
pericidum  facessere  (Gic.  Gaecil.  45)  oder  noch  besser  periculum  creare, 
vgl.  Hellmuth  act.  Erl.  I  S.  173;  doch  kommt  auch  das  erstere  vor 
bei  Sali.  Gat.  33,  1,  Tac.  ann.  13,  33  und  16,  19.  Unser  Gelächter 
machen,  erregen  heisst  sowohl  movere,  excitare  risum  als  risum  facere, 
s.  über  letzteres  Quintil.  6,  1,  40  u.  §  48  u.  Gael.  bei  Gic.  fam.  8,  9, 
1,  vgl.  dazu  Burg  S.  60.  Für  Schulden  machen  sagt  man  lat.  am 
gewöhnlichsten  contrahere,  suscipere  aes  alienum,  nomina  facere. 
Doch  ist  auch  aes  alienum  facere  ganz  richtig,  s.  darüber  Gic.  Attic. 
13,  46,  4,  Liv.  2,  23,  5,  Sen.  epp.  119,  1.  Geld  machen  ist  p/^cu- 
niam  facere,  Gic.  div.  1 ,  111;  ähnlich  rem  facere,  es  zu  etivas  bringen 
Ter.  Ad.  221,  aber  facere  ist  auch  für  sich  verdienen.^  so  besonders 
im  Passiv,  z.  B.  Gic.  fam.  7,  18,  2  nihil  fleri  =  es  ivird  nichts  ver- 
dient, Plaut.  Pseud.  302  ducentae  possunt  fleri  praesentes  minae,  vgl. 
Böckel  Gic.  epp.  S.  202,  Heraus  Progr.  OfPenbach  1899  S.  36.  Clamorem 
facere,  Geschrei  machen,  steht  bei  Plaut.,  im  b.  Afr.  und  Hisp.,  vgl. 
Köhler  act.  Erl.  I  S.  460  und  Bayr.  Gymn.  XVI  S.  327.  —  Meist  P.  u. 
Sp.  L.  ist  facere  mit  folg.  Accus,  c.  Inf  in.,  z.  B.  ridere,  flere  etc.  ali- 
quem facere;  aus  Kl.  Zeit  kennen  wir  nur  C:!ic.  Brut.  142  tales  oratores 
videri  facit,  qucdes  ipsi  se  videri  volunt;  Varro  r.  r.  3,  5,  3;  im  silb. 
Latein  ist  die  Konstruktion  nicht  zu  finden,  nur  Petron.  sagt  51  reporri- 
gerefecit  Caesarem,  häufig  aber  wird  sie  im  Spi.  L.,  vgl.  Dräger  H.  Synt. 


Facere  —     570     —  Facere 

II  S.  416,  Gölzer  Plieron.  S.  373,  Landgraf  Bayr.  Gymn.  XYI  S.  327, 
Bonnet  Greg.  S.  673.  Ich  zweifle  nicht,  dass  facere  mit  Infinitiv  vul- 
gär ist;  vgl.  ausser  Petron.  sat.  51  Dict.  Cret.  1,  4  navem  ascendere 
facit  und  Dares  4  miliinm  midtihidinem  ihi  esse  fecit;  vgl.  Z.  f.  G. 
W.  1881  S.  124  zu  Serv.  Sulp,  bei  Cic.  fam.  4,  12,  1.  —  D.  L.  ist 
facere  cßiasi  oder  2it  si  — ,  hin  als  oh,  als  wenn  — _,  d.  h.  sich  stellen, 
für  simulare  oder  dissimidare ;  z.  B.  er  tat,  als  wenn  er  zürne,  simu- 
lavit  se  irasci;  aliciii  cdiquid  facere  crimini,  einem  etwas  zum  Ver- 
hreclien  machen,  für  dare  crimini;  is  laudatorem  eins  rei  facit,  er 
macht  den  Lohredner  dieser  Sache,  für  agit  laudatorem,  und  so  noch 
andere.  —  In  der  bekannten  Redensart  dicentem,  dispiäantem,  collo- 
quentem  etc.  cdiqitem  facere  =  einen  sprechen  lassen,  in  der 
Darstellung  sprechend,  disputierend  einführen,  auftreten  lassen,  ist 
das  Part,  dicentem  etc.  facere  allerdings  das  gewöhnliche,  doch 
kommt  für  dasselbe  auch  der  Infin.  vor,  und  zwar  nicht  bloss  spät- 
lat.  bei  Gellius  17,  5,  1  extr.,  sondern  selbst  klassisch,  und  nicht 
bloss  an  zweiter  Stelle,  sondern  auch  ohne  diese  Beschränkung: 
Polyphemum  Homerus  cum  ariete  etiam  colloquentem  facit  ciusque 
laudare  fortunas,  Cic.  Tusc.  5,  115  und:  poetae  impende^^e  apud  in- 
feros  saxum  Tantalo  faciiint,  Cic.  Tusc.  4,  35,  vgl.  Meissner  z.  St. 
j^otwendig  aber  ist  der  Infin.  als  Ersatz  für  das  fehlende  Part. 
Praes.  Pass.:  quem  Homerns  cipud  in  feros  conveniri  facit  ah  ülixe, 
Cic.  nat.  deor.  3,  41,  de  opt.  g.  17  und  Brut.  142,  und  für  das  gleich- 
falls fehlende  Part.  Perf.  Activ,  vgl.  Ter.  Heaut.  Prol.  31  ff.:  qui 
nuper  fecit  servo  currenti  in  via  decesse  populum,  und  Kl.  bei  Cic. 
Verr.  2,  100  quod  plus  fecit  Dolahella  Verrem  accepisse.  Die  Ent- 
wicklung dieses  Gebrauches  hat  Thielmann  in  einem  äusserst  inter- 
essanten Aufsatze  nachgewiesen  in  Wölfflins  Archiv  III  S.  177  ff.; 
ich  bemerke  nur  noch,  dass  das  Subjekt  zu  facere  meist  Schrift- 
steller sind  und  dass  sich  facere  so  besonders  gern  mit  v.  v.  dicendi 
verbindet.  —  Die  Phrase  locum  facere  scheint  ihre  Existenz  dem 
Novator  verborum  et  locutionum  Ovid  zu  verdanken ;  nachher  findet 
sie  sich  oft  im  iV.  Kl.  u.  im  Sp.  L. ;  vgl.  folgende  Stellen:  medicinae 
locum  facere  bei  Cels.  2,  14  extr.  u.  3,  21,  g.  E.  und  alteri  periculo 
locum  facere,  ib.  7,  4,  3;  nimicte  opes  magnae  iacturae  locum  faciunt, 
Curt.  4,  11,  8;  saepe  maiori  fortunae  locum  fecit  iniuria,  Sen.  epp. 
91,  13;  cqiiae  (munera)  etiam  apud  divitem  siti  locum  faciunt  = 
freundliche  Aufnahme  hereiten,  verschaffen,  Sen.  ben.  1,  12,  4;  o  pau- 
pertas  felix,  quae  tanto  titulo  locum  fecit,  ib.  nat.  1,  17,  9;  facie- 
hant  illis  locum  etiam,  uhi  inutiles  ac  nefariae  essent,  Quintil.  9,  2, 
79;  id)i  negotia  fecissent  locum  otio,  Yell.  2,  105,  1;  ut  atomis  suis 
locum  faceret,  Lact.  op.  6,  2.  —  Man  merke  noch  mehrere  mit  dem 
Deutschen  übereinstimmende  Verbindungen,  z. B.  rem  facei^e,  sich 
Vermögen  machen ;  pecuniam  (pecunias)  sihi  ex  aliqua  re  facere,  (Cic. 
Verr.  2,  17);  praedam  oder  praedas  facere  Plaut.  Poen.  803;  Caes.  Gall. 
4,  34,  5,  Cic.  Verr.  1,  156  u.  3,  119,  Liv.  4,  55,  8;  10,  20,  1;  32, 
14,  4  u.  40,  49,  4.     Beute  machen    auf  Unkosten  von  jemand  ist 


Facere  —     571     —  Facere 

jrraedas  facere  ah  aliqaOy  s.  Nep.  Chabr.  2,  3;  facere  Her,  initium, 
pacem,  laetitiam;  verha  (multa)  facere  (was  nicht  immer  verächtlich 
ist),  auch  verhwn  facere  in  der  Bedeutung  ein  Wort  machen,  d.  h. 
Mldeiij  erfinden  (Cic.  fin.  3,  51);  foediis^  inicem,  amicitiam  facere  cum 
aliquo ;  ne  longiim  faciam,  damit  ich  es  nicht  (zu)  lang  mache;  non 
faciam  longius,  ich  ivill  es  nicht  allzu  lang  macJien  (Cic.  leg.  1,  22) 
u.  a.  m.  —  Gut  ist  auch  proelium  facere,  ein  Treffen  liefern  (Liv. 
21,  12,  2,  vgl.  committere)]  iiromissimi  facere,  solvere,  iiraestare,  sein 
Versiwechen  erfüllen;  dagegen  ist  iwomissionem  facere  gleich  dare 
jjromissnm  oder  jwomittere,  versp'echen  nur  S]).  L.  bei  Hier,  in  epp. 
S.  Pauli  ad  Gal.  3,  29.  S.  auch  Promissio.  Zu  verwerfen  ist  auch 
nicht  orationem  facere  (wie  Sanctius  Minerva  III,  2,  S.  394  ed. 
Bauer  tut),  da  Cic.  sen.  22  sagt:  So^^hocles  tragoedias  fecit  und  ora- 
tionem facere  direkt  bei  Cicero  vorkommt,  s.  de  orat.  1,  63;  Brut. 
30  u.  orat.  172.  —  Das  Spätlatein  hat  ausserdem  eine  Menge  von 
Phrasen  geschaffen  oder  richtiger  wohl  aus  der  Volkssprache  in  die 
Literatur  aufgenommen,  die  ähnlich  wie  promissioneni  facere  aus 
früherer  Zeit  sich  nicht  belegen  lassen;  so  sagt  z.  B.  Hieronymus 
differentiam  facere,  sermonem  facere,  voluntatem  facere,  quaestionem 
facere  u.  a.  m. ;  damit  ist  bestätigt,  was  von  Hellmuth  S.  140  und  Köhler 
S.  460  der  act.  Erl.  I  gezeigt  worden,  dass  diese  Phrasen  mit  facere 
grösstenteils  vulgär  sind;  vgl.  auch  Näg.-MüUer^  S.  454  Anm.  Nament- 
lich will  ich  noch  auf  die  Umschreibungen  einfacher  Verba  mittels 
facere  und  dem  Subst.  verbale  hinweisen,  z.  B.  escensionem  facere  bei 
Livius,  taxationem,  redemptioneni,  interitionem,  occisionem  u.  ä.  facere; 
diese  Phrasen  kommen  in  Kl.  Sprache  bei  Cicero  zumeist  nur  im  Passiv 
vor,  daher  gratulatione  facta,  occisionem  factam  esse  u.  ä.  unbeanstandet 
sind,  während  gratidationem  facio  statt  gratulor  zu  sagen  unnötige 
Wortfülle  zeigt.  Ygl.  Z.  f.  G.  W.  1881  S.  130,  wo  ich  mehr  Lite- 
ratur angegeben  habe.  Ferner  gehören  hieher  facere  mit  Adj.  z.  B. 
saitcimn  facere  =  sauclare,  dividuum  facere  =■  dividere,  planum 
facere  =  explanare,  lauter  vulgäre  und  fast  nur  aus  Plaut.,  b.  Afr. 
u.  Sp.  L.  zu  erweisende  Wendungen.  Selten  trifft  man  solche  bei 
Cic.  und  nur  in  epp.  und  den  Erstlingsschriften  an,  vgl.  Hellmuth 
act.  Erl.  I  S.  140,  Landgraf  Bayr.  Gymn.  XYI,  326,  Wölfflin  Cass. 
Felix  S.  421.  —  Gut  ist  se  (aliquem)  locupletem  (divitem)  facere  (ver- 
bis),  sich  (einen)  7'eich  machen,  d.  h.  für  reich  ausgeben.  Ygl.  Cic. 
Flacc.  46 :  cum  verhis  se  locupletem  faceret.  Dagegen  ist  weniger  nach- 
ahmenswert Spartian  Carac.  6,  1  diicem  hellicum,  qui  suis  competebat 
morihus,  fecit  u.  Treb.  Poll.  30  tyr.  28  potuisse  quin  etiam  sum.- 
miim  Latinorum  rhetorem  facere,  wo  facere  =  vorstellen,  spielen, 
ähnlich  wie  in  den  romanischen  Sprachen,  bedeutet;  vgl.  Rebling 
Lat.  u.  Roman.  S.  93.  —  Die  Frage  quid  facis  f  luas  machst  du? 
findet  hauptsächlich  nur  bei  Yerwunderung  und  Tadel  statt;  dagegen 
bei  höflicher  Frage  nach  dem,  was  einer  tue  oder  wie  er  sich  be- 
finde, sagt  man  quid  agis  ?  Auch  merke  man,  dass  bene  facis  Dank- 
formel, dagegen  rede  facis  Ausdruck   des  Lobes  ist;   vgl.  rhet.  Her. 


Facetia  —     572     —  Facies 

4,  63  heue  f actus,  qiiod  venitis;  sed  redms  fecissetis,  si  ad  me  do- 
mimi  reda  ahissetis  ,^ic]i  danke  euch^^  etc.;  vgl.  Thielmanu  B.  Gymn. 
XVI  S.  358.  Ausserdem  vgl.  bezüglich  des  Unterschiedes  von  iniuste 
fads  und  i.  agis  Seyffert-Müller  z.  Lael.  S.  42;  das  erste  bezieht 
sich  auf  ein  einzelnes  bestimmtes  Faktum  und  hat  einen  Satz  mit 
quod  oder  cum  nach  sich,  das  letzte  gibt  dem  Gedanken  eine  all- 
gemeine Wendung  und  hat  einen  Relativsatz  nach  sich,  z.  B.  iniuste 
agis,  qui  censes.  Weniger  fein  als  facis  iniuste  ist  facis  iniuriam, 
doch  findet  sich  dies  auch  bei  Cicero;  vgl.  Landgraf  zu  Cic.  S.  Rose. 

5.  392.  —  Kl.  ist  facere,  oft  mit  hinzutretendem  libenter,  invitus,  ut  — 
zur  hervorhebenden  Umschreibung  des  folgenden  Yerbums,  besonders 
bei  Cicero;  vgl.  ohne  Adverb  Cic.  Att.  11,  23,  2,  Cic.  fam.  10,  17, 
3  Lejndus,  quod  ego  desideraham,  fecit,  ut  Apellam  ad  me  mitteret ; 
offiziell  war  faciendum  Visum  est  ut,  wie  ich  Z.  f.  G.  W.  1881  S.  124 
durch  Cic.  fam.  2,  19,  2,  Suet.  rhet.  1,  Gell.  15,  11,  2  nachgewiesen; 
doch  findet  sich  faciendum  est  ut  auch  ausser  dem  amtlichen  Stile,  z.  B. 
Cic.  fam.  3,  8,  1 ;  vgl.  Näg.-Müller^  S.  749  f.  Aber  selten  ist  non  facere, 
ut  — _,  wofür  non  committere,  ut  —  das  gewöhnliche  ist.  Näheres  hierüber 
s.  bei  Seyffert-Müller  z.  Lael.  S.  19  f.,  w^onach  jede  der  hier  einschlagen- 
den Stellen  bezüglich  ihrer  Übersetzung  besondere  Betrachtung  erfordert. 

—  Die  Redensart :  Iwc  facit  ad  aliquid  oder  alicui  rei.  dieses  dient, 
luirkt  auf  oder  gegen  etwas,  schickt  sich  zu  etwas,  ist  P.  L.  u.  N.  Kl., 
aber  besonders  im  medizinischen  Sinne  von  Arzneimitteln,  vgl.  Reb- 
ling  Progr.  Kiel  1873  S.  19,  Kottmann  S.  23,  Bagge  S.  23.  —  Kl. 
hingegen  ist  hoc  facit  a  me  und  mecum,  das  ist  mir  günstig,  ist 
auf  meiner  Seite,  spricht  für  mich;  ebenso  gut  ist  factum  esse  ad 
aliquid  (alicuius):  Jtomo  fadus  ad  istius  lihidines,  Cic.  Yerr.  1,  64. 

—  Nur  Sp.  L.  ist  nurnquam  fecit  tale  frigus,  numquam  fecit  tales 
aestus  {=  es  macht  kalt,  heiss  u.  ä.),  vgl.  Aug.  serm.  25,  3,  Rönsch 
Sem.  III  S.  40.  —  Zulässig  ist  auch  wohl  sihi  hene  facere,  sich  güt- 
lich tun,  bei  Plaut.  Asin.  945,  ebenso  sihi  suaviter  facere  bei  Petron. 
71,  vgl.  Heraus  Progr.  Offenbach  1899  S.  36.  —  An  se  ducere  erinnert 
se  facere,  z.  B.  intra  Ihnen  se  facit,  vgl.  Rebling  1.  1.  S.  17  u.  Heraus 

1.  1.  S.  35.  Über  facere  non  possum  quin  vgl.  Posse.  —  Über  dictum 
factum  vgl.  s.  v.  Dictus.    Ygl.  auch  s.  v.  Fadus. 

Facetia,  die  Artigkeit,  ist  in  der  Singularform  nur  Ä.  u.  Sp.  L., 
in  der  guten  Prosa  kommt  nur  der  Plur.  facetiae  vor;  vgl.  Gorges 
Gell.  S.  12,  Neue-Wagener^  I  S.  694. 

Facies,  Gesicht,  ist  im  Vergleich  mit  vultus  der  weitere  Begriff 
und  bedeutet  (besonders  nachklass.)  das  Ausseheyi,  das  äussere  An- 
sehen, welches  irgend  eine  Sache,  also  auch  das  menschliche  Gesicht, 
gewährt,  während  vultus  das  Gesicht  in  Beziehung  auf  Mienen  und 
Geberden  darstellt;  verbunden  kommen  beide  Wörter  schon  bei  Lucil., 
z.  B.  43  Marx  quae  facies,  qui  vultus  viro  ?  und  in  Prosa  bei  Sali. 
Cat.  15,  5  in  facie  voltuque  vecordia  inerat  vor.  Die  allgemeine  Be- 
deutung von  facies  erhellt  am  besten  aus  Sali.  bist.  1,  88  (bei  GeUius 

2,  272)  quae  (facta)  vivos  facie  sua  ostentabat  aliquot  advorsis  cicatri- 


Faciliter  —     573     —  Factum 

cihis  et  effosso  oculo.  Bei  Sallust  ist  dieser  Gebrauch  häufig,  man 
sehe  die  Stellen  bei  Fabri  zu  Sali.  Cat.  15,  5,  z.  B.  facies  iirhis,  Sali. 
Cat.  31,  1,  vgl.  meine  Anm.  z.  St.;  nach  ihm  schreibt /"«des  loci  Tac. 
ann.  4,  67;  nee  idla  facies  mali  deerat,  Curt.  3,  11,  22,  und  so  auch 
prima  fade  =  dem  klass.  prima  specie,  s.  Sen.  epp.  87,  1 :  quorum 
(paradoxoriim  Stoicorum)  nidlmn  esse  falsum  nee  tarn  mirabih,  quam 
prima  facie  videtur,  ferner:  dicehat  quosdam  esse  colores,  p^ima  facie 
duros,  Sen.  contr.  10,  15,  S.  466  K.,  vineae  tinam  faciem  conieximt, 
Plin.  epp.  5,  6,  9.  —  Kl.  ist  de  facie  aliquem  nosse^  z.  B.  Cic.  Pis.  81 
virtus,  quam  tu  ne  de  facie  quidem  nosti;  vgl.  noch  Dräger  zu  Tac. 
ann.  1,  49;  von  Angesicht  zu  Angesicht  scJmuen  heisst  facie  ad  faciem 
videre  bei  Lucifer  165,  24  H,  Sulp.  Sev.  D.  3,  11,  l'H.  Über 
aliquem  in  faciem  laudare,  einen  ins  Gesicht  lohen ^  vgl.  Os.  —  Das 
Gesicht,  d.  h.  die  Sehkraft  verlieren,  heisst  adspectum  amittere  (Cic. 
Tusc.  1,  73). 

Faciliter,  leicht,  war  als  Adv.  für  facile  vielleicht  im  Yolks- 
latein  üblich;  es  findet  sich  bei  Yitruv,  vgl.  Köhler  act.  Erl.  I  S.  379, 
Sp,  L.  bei  Claudianus  Mamertus  u.  a.  und  wird  von  Quintil.  1,  6, 
17  wie  audaciter  für  audacter,  verworfen.  Noch  älter  war  facid, 
faculter  \mdi pjerfacul,  persefacul ;  vgl.  Neue-Wagener ^11,  585.  —  Facile 
princeps  =  ohne  Anstand,  unstreitig  der  erste,  Cic.  somn.  Scip.  8, 
ebenso  bei  Sali.  Jug.  63,  6  facile  notus  tuohl  bekannt;  vgl.  meine 
Anm.  z.  St.  Sonst  wird  facile  in  Kl.  Sprache  bei  Adjektiven  fast  nur 
mit  Superlativen  verbunden,  vgl.  Wölfüin  Komp.  S.  41.  Mit  Yerben 
wie  superare,  vincere  u.  ä.  bedeutet  es  lueitaus,  z.  B.  Cic.  de  or.  1, 
150,  otF.  2,  65,  vgl.  Wölfflin  Scipionenelog.  S.  196. 

Factiosus  bedeutet  nur  den,  der  einen  grossen  Anhang  hat, 
mächtig  ist,  gleich  potens,  pfraepotens.  Es  findet  sich  bei  Sallust, 
bei  Cic.  off.  1,  64;  1,  45,  rhet.  Her.  2,  40,  (bei  Friedrich  u.  bei 
Marx  in  Klammern),  bei  Nepos  und  dem  Jüngern  PHnius.  Ebenso 
bedeutet  es  parteisüchtig  für  partium  studiosus,  factionis  parandae 
cupidus.  S.  über  beide  Bedeutungen  Dietsch  zu  Sali.  Jug.  31,  15, 
aber  auch  Fabri  zu  Sali.  Cat.  18,  4. 

Factor,  der  Täter,  der  etiuas  macht,  Schöpfer,  ist  A.  L.  und 
veraltet;  erst  Spi.  L.  findet  es  sich  wieder  im  Gebrauch  bei  Juristen 
und  den  kirchlichen  Schriftstellern  für  auctor,  actor,  jjrocreator  u.  a. 
Ygl.  Creare.  Im  Kirchenlatein  kommt  vor:  Dens,  factor  caeli  et 
terrae  —  rerum  omnimn.  Dem  entsprechend  findet  sich  auch 
factura  hominum,  Erschaffung  der  Menschen,  bei  Ennodius  416, 
4  H  und  factura  dei,  das  Werk  Gottes,  bei  Cyprian  198,  7  H. ; 
vgl.  hierüber  Gölzer  Hieron.  228,  wonach  auch  sonst  bei  Eccl.  dies 
üblich  ist. 

Factum  ist  auch  lat.,  wie  unser  Tat,  eigentliches  und  volles 
Subst.:-  tuis  factis  saevis  Lucil.  1014  Marx,  memn  factum prohari  ahs  te 
triumpho  gaudio,  Caes.  bei  Cic.  Attic.  9,  16,  2;  ebenso  Atheniensium 
facta.  Sali.  Cat.  8,  3;  Dolahellae  factum,  Cic.  Attic.  14,  19,  2;  7ieque  est 
idlum  huius  in  re  militari  illustre  factum,  Nep.  Arist.  2,  2;  facta  illustria 


Factus  —     574     —  Facultas 

et  gloriosa,  Cic.  fin.  1,  37;  egregium  factum,  fam.  10,  16,  2;  illu.d  meum 
factum  lauclahile,  dorn.  97;  oh  alic[aod  factum  honestum,  Quiutil.  6,  1, 
22;  factum  loer  se  imj^rohahile,  7,  4,  7.  Was  aber  honum,  malimi,  pra- 
vum  factum  betrifft,  so  ist  es  nur  vor-  und  nacJiklass. :  maiorum 
hona  facta,  Tac.  ann.  3,  40  und  dazu  Becher  und  prava  dicta 
factaqiie,  ib.  3,  65,  Sj).  L.  vworum  fortium  laiules  et  facta  felicia, 
Orosius  3,  14,  8  Z.  Hingegen  wird  factum  in  dieser  Verbindung 
klassisch  regelmässig  als  Partiz.  angesehen  und  nimmt  daher  statt 
eines  Adj.  die  Adverhien  heue,  male,  recte,  nequiter,  audacius, 
rectius  zu  sich.  So  lesen  wir  nequiter  factum,  bei  Cato  39,  1  J., 
öfters  heue  und  male  factum,  ebenso  siehe  bei  seinem  Nachahmer 
heyie  facta  Sali.  Cat.  8,  5,  Jug.  85,  5  und:  suis  recte  factis 
gratiam  exsolvere,  Liv.  28,  25,  6  und:  veterihus  henefactis  nova  pen- 
santes  maleficia,  Liv.  37,  1,  2  u.  25,  31,  4;  heyie  facta  male  locatu 
male  facta  arhitror,  Ennius  bei  Cic.  off.  2,  62;  omnia  hene  facta  in 
luce  se  collocari  volunt,  Tusc.  2,  64;  multorum  hene  factorum  recor- 
datio  iucundissima  est,  Cato  9;  recte  facto  exigua  laus  proponitur, 
agr.  2,  5;  qui  philosophiam  compjlexus  esset  matrem  omnium  hene 
factorum  heneque  dictorum,  Cic.  Brut.  322;  Cic.  div.  Caec.  60  cum 
vero  nidlum  illius  in  vita  rectius  factum  sit  u.  Sulla  72  ecquod 
huins  est  factum  non  dicam  audacius;  schliesslich  hene  facta  siia 
verhis  adornare,  Plin.  epp.  1,  8,  15,  Quintil.  3,  7,  13.  Im  Superlativ 
aber  wurden  gewöhnlich  die  Adjektiva,  selten  die  Adverbia,  ver- 
wendet, also  Plaut.  Most.  1171  E,  pro  suis  factis  pessumis,  aber 
Cic.  Q.  fr.  1,  3,  9  omnis  dolor  est,  quod  optime  factis  poena  maxima 
est  constituta,  bei  Cic.  Phil.  13,  36  tritt  dafür  rectissimum  facinus 
ein;  darnach  ist  zu  berichtigen  Landgraf  in  unserer  Bearbeitung  von 
Eeisig-Haase  Anm.  391a  u.  p.  Sulla  Anh.  S.  72,  vgl.  Hilberg  in  Z.  f. 
ö.  Gr.  1889  S.  719.  —  Andrer  Art  aber  ist  honum  factum,  was  man  honi 
ominis  causa  als  Einleitungsformel  bei  Befehlen  und  Edikten  voraus- 
zuschicken pflegte,  z.  B.:  honum  factum,  ne  quis  senatori  novo 
curiam  monstrare  velit,  Suet.  Caes.  80  und:  honum  factum,  ne  Vi- 
tellius  Germanicus  intra  eundem  Kalendarum  diem  nsquam  esset, 
d.  h.  Heil  und  Segen/  die  Clialdäer  machen  hekannt,  dass,  Suet. 
Yitell.  14. 

Factus,  gemacht.  Über  factum  esse  =  gemacht,  geschaffen 
für,  zu  etiuas  sein,  s.  v.  Facere,  ebenso  bei  Cic.  off.  1,  103:  ad 
ludum  et  iocuni  facti  esse  videntur;  und  wo  wir  sagen:  er  ist 
ganz  aus  Lug  und  Trug  gemacht  oder  zusammengesetzt,  sagt  man 
auch:  totus  ex  fraude  et  mendacio  factus  (Cic.  Cluent.  72)  oder  con- 
cretus  (Cic.  Pis.  9,  wo  indes  der  Turiner  Palimpsest  conceptus  hat), 
nicht  aber  compositus.     S.  Componere  und  Näg.-MüUer®  S.  585. 

Facultas  finden  wir  zuerst  bei  Ter.  Andr.  232;  es  kommt  von 
facul  u.  bedeutet  Tunlichkeit,  Leichtigkeit,  Kraft;  es  geht  im  Ge- 
brauche nicht  weit  über  die  I3edeutungen  leichte  Fähigkeit,  etwas  zu 
tun  (daher  facultatem  alicuius  rei  sihi  comparare,  Quintil.  11,  2,  49), 
und  MöglicJikeit,  Gelegenheit,  etivas  zu  tun;  und  wenngleich  Cicero 


Facundus  —     575     —  Fallere 

ingenii  facidtates  erwähnt,  d.  h.  die  entwickelten  Gaben  und  Fertig- 
keiten des  Geistes,  so  werden  doch  die  blossen  Anlagen  des  Geistes, 
das  Urteils-^  Denk-,  Erkenntnis-  und  Gefühlsvermögen,  von  ihm  nie 
so  genannt,  sondern  sind  jKirtes  animi,  rep.  1,  60.  Im  philosophischen 
Neulatein  sind  facidtates  iudicandi,  cogitandi,  cognoscendi,  sentiendi 
ganz  gewöhnlich,  Cicero  aber  braucht  dafür  meistens  bloss  die  Yerben 
iudicare,  cogitare,  cognoscere,  sentire,  sowie  er  nie  facultas  videndi, 
das  Sehvermögen,  und  facultas  audiendi,  das  Vermögen  zu  hören, 
braucht  für  visus,  auditus.  —  Erst  seit  dem  12.  Jahrhundert  üblich 
ist  der  Universitätsausdruck  facidtas  theologorum,  iuris  consultorum, 
medicorum,  philosophorum,  die  Fakultät  der  Theologen  oder  die 
theologische  Fakultät  u.  s.  w.,  zur  Bezeichnung  des  Kollegiums  der 
Lehrer  der  einzelnen  Fächer;  entweder  brauche  man  dafür  colle- 
gium  oder  ordo.  —  Für  den  Genit.  des  Gerundiums  wird  nach  facid- 
tas Kl.  auch  ad  gesetzt,  Cic.  Font.  22.  Der  Unterschied  zwischen 
beiden  Fügungen  ist  der,  dass  die  Präpos.  ad  mit  dem  Yerbal- 
begriffe  zur  Bezeichnung  des  Zweckes  zusammenhängt,  während  das 
Gerundium  zu  facultas  als  Ergänzung  zu  rechnen  wäre.  Cic.  Cael. 
50  schreibt  C.  F.  W.  Müller  impudentia  ad  htinc  defendendum  facul- 
tatem  dahit;  damit  wäre  auch  hier  ein  Beleg  für  facultas  ad  wieder- 
hergestellt. Allein  Madvig  op.  I  S.  400  liest  ei  sui  defenderuli,  und 
Fritz  Scholl  in  Rhein.  Mus.  1880  S.  562  f.  „secando  sanat  locum", 
wie  C.  F.  W.  Müller  sagt.  Ygl.  auch  noch  C.  F.  W.  Müller  zu  Cic. 
Pomp,  praef.  S.  79,  15.  —  Über  facilitas  im  Sinne  von  facultas,  was 
N.  Kl.  vorkommt,  —  bei  Cic.  wird  facilitas  nur  in  ethischem  Sinne 
gebraucht  —  vgl.  Hey  Semas.  Stud.  S.  158. 

Facundus,  beredt,  das  Adv.  facunde  und  das  Subst.  facundia, 
die  Beredsamkeit,  kommen  bei  Caesar  und  Cicero,  obgleich  sie 
häufig  Anlass  hatten,  von  Beredsamkeit  zu  sprechen,  nie  vor,  selten 
auch  bei  Livius  (das  Subst.  facundia  vielleicht  nie) ;  und  doch 
waren  sie  vorher  im  Gebrauche,  schon  bei  Ennius  ann.  245^  Y., 
dann  in  Prosa  bei  Yarro  und  Sallust  und  N.  Kl.  nicht  selten;  vgl. 
Georges  Yell.  S.  19  und  29.  —  Kl.  sind  nur  disertus,  eloquens  und 
elocßientia.  Yerwerfiich  sind  jene  Wörter  aber  nicht,  zumal  wenn 
man  Geiuandtheit  und  Leichtigkeit  damit  bezeichnen  will.  Immerhin 
mag  aber  Kraut  Recht  haben,  wenn  er  im  Progr.  Blaubeuren  1881 
S.  3  behauptet,  dass  das  wieder  bei  Gellius  und  Fronto  sich  breit 
machende  facundia  mehr  dem  sermo  cottidianus  angehöre.  Nett- 
leship  weist  Journal  of  Philology  XY  S.  25  darauf  hin,  dass  fa- 
cundia auch  für  den  Stil,  also  für  das  geschriebene  Wort  gelte;  er 
zitiert  Quint.  8,  1,  3  Livio  mirae  facundiae  viro  und  Dichterstellen 
aus  N.  Kl.  Zeit. 

Fallere,  täuschen.  Transitiv  genommen:  jemanden  in  seiner 
Hoffnung,  Eriuartung  täuschen  heisst  lat.  niemals  cdiquem  hi  spe, 
oinnione  sua  fcdlere,  sondern  fcdlere  spem,  ojnnionem  cdicuius,  z.  B. 
quam  spem  (popidorum)  nequaquam  fefellit,  Liv.  2,  39,  2;  alius 
spem  nostram  fefellit,   alius  distidit^  alius  intercepit,    Sen.  de   ira  3^ 


Fallibilis  —     576     —  Falsare 

6,  4.  Wenn  ich  mich  nicht  täusche^  heisst  lat.  entweder  nisi  me 
fallit  animus,  vgl.  Landgraf  zu  Cic.  S.  Rose.  S.  228,  oder  imper- 
sonal nisi  me  fallit^  oder  auch  7iisi  fallor,  z.  B.  Cic.  Att.  16,  6,  2 
(ni  fallor  ist  P.  u.  N.  Kl.),  vgl.  oben  s.  v.  Errare;  ferner  nisi  me 
fallo;  letzteres  ist  insbesondere  dann  am  Platze,  wenn  sicli  täuschen 
nicht  reflexiv,  sondern  im  Gregensatze  transitiv  gebraucht  ist,  z.  B.: 
certe  hercle  nunc  hie  se  ipsus  fallit,  non  ego,  Ter.  Andr.  495;  tam 
lihenter  se  fallimt,  quam  si  nna  fata  decijnant,  Sen.  de  brev.  v.  11,  1. 
Ebenso  wird  se  decipere  gebraucht  von  Sen.  epp.  50,  4:  cum  alios  faller  et, 
se  ipsiim  tarnen  yion  fefellit,  Lact.  1,  22,  5;  vgl.  noch  oben  s.  v.  Erra7T. 
und  Näg.-Müller^  S.  208.  Aber  so  wenig  man  sagt  aliquem  in  spe,  opi- 
nioyie  sua  fallere  und  ähnliche,  so  wenig  wird  auch  gesagt  se  in  ophiione, 
spe  etc.  fallere,  sondern  dies  heisst  entweder  aliquid,  spes,  opinio  etc. 
me  fallit,  z.  B.  ich  täusche  mich  in  nichts  =  nihil  me  fallit;  ich 
täusche  mich  in  diesem  Falle  =  ea  res  me  fcdlit;  ich  täusche  mich 
in  allem  =  omnia  me  fallunt  und  spes  aliquem  fallit.  Aber  sjjem 
fallo  kann  nicht  gesagt  werden,  denn  bei  Caes.  Gall.  2,  10,  4  ist 
spfem  der  Accus,  des  Subj.,  se  hingegen  der  Accus,  des  Obj.  Handelt 
es  sich  aber  nicht  um  das  Subj.  des  Hoffens,  Erwartens,  des  Meinens, 
sondern  um  das  eigentliche  Obj.,  hinsichtlich  dessen  jemand  einen 
andern  oder  sich  selbst  täuscht,  so  ist  fallere  aliquem  und  falli  in 
aliqua  re  ganz  richtig,  z.  B.  in  rebus  minimis  socium  fallere  tur- 
pissimum  est,  Cic.  S.  R-osc.  116,  divin.  1,  124,  ebenso  sich  in 
nichts  täuschen,  nidla  in  re  falli.  Eine  Verbindung  des  obj.  und 
subj.  Momentes  findet  in  Stellen  statt,  wie:  Si  in  hominibus  eligendis 
spes  amicitiae  nos  fefellerit,  Cic.  Yerr.  2,  28 ;  in  cquo  cum  eum  opinio 
fefellisset,  Nep.  Agesil.  3,  5.  Wie  nisi  me  fallit  wird  unpersönlich 
gebraucht  nee  eum  fefellit  Cic.  off.  2,  25 ;  quantum  nos  fefellerit  fam. 

4,  2,  3  (wenn  hier  nicht  aus  dem  folgenden  res  zu  ergänzen  ist), 
num  igitur  me  fefellit?  Cic.  Phil.  2,  92,  iieque  me  fallit  Sali.  Jug.  85, 
3  und  zwar  in  der  Bedeutung  „^c/^  täusche  mich  nicht  darüber,  es 
entgeht  mir  nichf"^,  vgl.  Fabri  z.  St.  —  Fallere  =  verborgen 
bleiben,  mit  einem  Partiz.  Praes.  oder  Perf.  ist  ein  bei  Cicero, 
Caesar  und  Sallust  nirgends  sich  findender  Gräzismus,  aber  von 
Livius  an  kommt  derselbe  nicht  selten  vor,  z.  B:  nee  fefellit 
veniens  Tuscidanum  ducem,  2,  19,  7;  nee  barbaros  fefellit  subductus 
ex  acie  rex,  Curt.  7,  6,  4;  non  fefellere  hostes  in  occulta  valle  instructi, 
Liv.  10,    14,  6   und   sonst  öfter;    vgl.   M.    Müller  zu   Liv.  II,   Anh. 

5.  151.  Ganz  absolut,  d.  h.  ohne  Verbindung  mit  einem  Partiz., 
steht  es  zuerst  beim  Jüngern  Piin.  (epp.  4,  15,  2)  und  bei  Tacitus, 
8.  darüber  Heraus  zu  Tac.  bist.  2,  98,  Weissenborn  zu  Liv.  10,  14, 
6  und  31,  33,  9,  Yogel  zu  Curt.  a.  a.  0.  und  Symb.  S.  19. 

Fallibilis,  fehlbar,  der  irren  kann,  ist  Franz.  L.  für  qui  errare, 
lahi,  falli  potest,  auch  bisweilen  fallax. 

Falsare,  verfälschen,  ist  Sp.  L.  für  adulterare,  depravare,  cir- 
cumscribere,  frauda?^e,  cormimpere,  u.  a. ;  ebenso  falsatio,  die  Ver- 
fähcliung,  für  depravatio,  adulteratio,  fraudatio,   circumscriptio  u.  a. 


False  —     577     —  Fama 

Die  Juristen  nannten  es  falsiim;  daher  crimen  falsi;  vgl.  auch  Tac. 
ann.  2,  55  Tlieopliilmn  qiiendam  falsi  damnatiim.  —  Ebenso  Sjy.  L. 
z.  B.  bei  Hieron.  und  Augustin.  ist  das  mit  Unrecht  für  N.  L.  aus- 
gegebene falsator,  der  Verfälscher,  Betrüger,  für  falsarius,  fraiidator, 
circnmscriptor,  conniptor,  subiector  cilicuius  rei  u.  a. 

False,  falsch,  ist  ungewöhnliche  Form  für  falso;  sie  steht  aber 
bei  Sisenna,  Charis.  199,  30,  wohl  nicht  bei  Cic.  (die  von  Wagener 
für  false  zitierte  Stelle  inv.  2,  36  bietet  jetzt  facile)  und  kommt  erst 
Sp.  L.  wieder  auf.  Ygl.  Thielmann  Cornif.  S.  53  f.  Neue-Wagener^ 
II  S.  623. 

Falsiloquium,  die  Lüge,  ist  Sp.  L.  z.  B.  bei  Claudian.  Mam.  132, 
10  E.,  der  auch  das  A.  L.  falsiloquus  braucht,  für  meyidacium. 

Falsitas,  die  Falschheit,  Unwahrheit,  im  Plural  falsitates,  TJn- 
ivahrheiten,  Lügen,  z.  B.  wiederholt  bei  Arnobius,  ist  Sp.  L.  für 
mendaciiim,  vanitas  oder  das  substantivierte  falsum,  wie  falsum  re- 
spondere,  dicere,  iudicare,  scrihere,  sentire,  videre,  s.  Yogel  Symb. 
S.  19,  Regnier  S.  172,  Liesenberg  I  S.  19  und  Gölzer  Hieron.  S.  102. 
In  altern  Wörterbüchern  steht  es  als  Kl.,  mit  Yerweisung  auf  Cic. 
Cluent.  5,  wo  aber  jetzt  für  fcdsitas  gerade  das  entgegengesetzte  Wort, 
nämlich  veritas,  dem  Sinne  gemäss  steht. 

Falso,  falsch,  als  Adv.  in  der  Bedeutung  fehlerhaft,  z.  B.  schrei- 
ben, ist  wohl  nicht  zu  erweisen  für  mendose. 

Falsus.  Zunächst  merke,  dass  fcdsus  auch  aktiver  neben  der 
passiven  Bedeutung  fähig  ist,  vgl.  Cic.  div.  2,  27  testihus  uti,  qiii  aut 
casu  veri  aut  malitia  falsi  fictique  esse  possunt,  vgl.  Fabri  zu  Sali. 
Cat.  10,  5.  Medial  ist  falsus  sum  =  ich  hin  im  Lrtum,  vgl.  Ter. 
Andr.  647  {falsus  es  =  du  hast  dich  getäuscht);  Sali.  Jug.  85,  20  ne 
Uli  falsi  sunt.  Wo  falsch  so  viel  als  nachgemacht,  z.  B.  falsches  Geld, 
falsches  Siegel,  falscher  Schlüssel,  ist  es  Sj).  L.  (s.  über  falsa  moneta 
=  Falschmünzerei  Cod.  Theod.  9,  21,  9)  zu  sagen  falsus  numnius, 
falsum  Signum,  falsa  clavis  für  das  Adj.  adidterinus. 

Fama.  Es  ist  zunächst  hinsichtlich  der  Form  zu  beachten,  dass 
fama  nur  im  Sing,  gebräuchlich  war,  weswegen  auch  Seneca  (ep.  114, 
19)  den  Plur.,  welchen  Sallust  brauchte  {aequi  bonique  famas  p)etith'ist. 
1,  90  M.),  für  seltsam  erklärte  und  es  lächerlich  fand,  dass  L.  Arrun- 
tius,  ein  Historiker  und  Sallusts  sklavischer  IS'achahmer,  auf  gleiche 
Weise  famae  ingentes  de  Regulo  gesagt  habe.  Immerhin  aber  ist  nicht 
zu  übersehen,  dass  auch  Plaut.  Trin.  186  (Persa  186  unrichtig  Ge- 
orges) schon  maledicas  famas  ferre  und  noch  Arnob.  246,  15  famas 
inhonestas  adiungere  diis  sagt,  somit  Sallust  den  Plural  der  Volks- 
sprache entnommen  hat.  Seine  Bedeutung  anlangend,  ist  fama  das, 
ivas  im  Munde  des  Volkes  geht.  Dies  kann  natürlich  etwas  Gegen- 
lüärtiges  oder  Vergajigeyies  sein,  z.  B.:  ad  Lahienum  de  victoriis 
Caesaris  fama  perfertur,  Caes.  Gall.  5,  51,  1  =  die  von  Mund  zu 
Mund  gegangene  Kunde,  Nachricht,  daher  dann  die  bekannten  Aus- 
drücke fama  est  =  es  geht  die  Sage  (nicht  it;  bei  Sali.  hist.  1,  107 
M.  ist  famae   ibant  Ergänzung    von  Keil),  fama  venit,  percrebrescit^ 

K  rebs-Scli  ma  Iz,   Äntibarbaras  1.  37 


Paraelicus  —     578     —  Famelicus 

nuntiat^  manat,  discurrif,  pervadit.  Geht  es  auf  etwas  der  dunklen 
Vergangenheit  angehörendes,  so  ist  fama  das,  was  wir  Sage,  Tradition, 
SagengescMclite  nennen,  z.  B. :  duplex  inde  fama  est  =  darüber  gibt 
es,  darüber  herrscht  eine  doppelte  Tradition,  Sage,  s.  Liv.  1,  1,  6. 
Aber  es  bezeichnet  auch  die  geschichtliche  Tradition,  vgl.  Wölfflin 
zu  Liv.  21,  1,  4.  Das  aber,  von  dem  man  spricht,  ivas  von  Mund 
zu  Mund  geht,  kann  begreiflich  sich  nicht  nur  auf  etwas  Gewisses 
und  Feststehendes,  sondern  auch  auf  Unsicheres,  auf  keine  gute  Quelle 
Zurückzuführendes  beziehen;  richtig  ist  daher /"co/i«  incerta  =  unsichere, 
2inverbürgte  Sage.  Denn  wenn  wir  auch  von  so  späten  Autoritäten 
wie  Aug.  epp.  179,  7  u.  c.  Litt.  Petill.  lib.  II,  §  205,  Leo  M.  serm. 
16,  4  ganz  absehen  wollen,  so  steht  ja  incertae  famae  auram  captare 
bei  Gurt.  4,  5,  12  und  ebenso  bei  Livius:  Censoribus  cpioque  eguit 
annus  maxime  propter  incertam  famam  aeris  cdieni,  6,  27,  3,  ferner: 
tarn  sollicitae  civitati  fama  incerta  primo  accidit,  27,  50,  6.  Aller- 
dings aber  ist  dafür  rumor  gewöhnlicher,  da  es  die  im  Stillen  und 
Gelieimen  betriebene  mündliche  Verbreitung  einer  ivirkliclien  oder 
angeblichen  Begebenheit  (der  Gegenwart  oder  Vergangenheit)  (es 
geht,  es  ging  das  Gerücht)  ausdrückt:  (ex  Asia)  nihil  perfertur  ad 
nos  praeter  rumor  es  de  oppresso  Dolahella,  Gic.  fam.  12,  9,  1.  Crebri 
ad  eum  rumor  es  afferebantur,  Gaes.  Gall.  2,  1,  1  und  7,  69,  1. 
Quorum  (consiliorum)  eos  in  vestigio  paenitere  necesse  est,  cum 
incertis  rumoribus  serviant,  ib.  4,  5,  3.  S.  auch  Kraner  zu  Caes. 
Gall.  6,  20,  1,  wo/"amaund  rumor  neben  einander  vorkommen.  — 
Fama  ist  ferner  auch  das,  luas  die  Leute  über  jemanden  urteilen, 
also  der  Leumund,  der  gute  oder  böse  Ruf,  in  welchem  einer  steht. 
Nun  kann  oft  schon  der  Zusammenhang  darüber  entscheiden,  ob  der 
gute  oder  schlechte  Ruf  gemeint  sei,  so  dass  alsdann  der  Zusatz  von 
bonus  und  mcdus  unnötig  wird,  wie  bei  famae  consulere,  servire, 
famam  alicuius  defendere,  famae  parcere,  fama  fiagitii,  fama  sui  frui 
Tac.  ann.  2,  13.  Trifft  aber  dieser  Fall  nicht  zu,  so  kann  fama 
bona  und  fama  mcda  nicht  verworfen  werden  und  ist  gar  nicht  selten. 
S.  Plaut.  Mosteil.  228,  Sali.  Gat.  7,  6,  Jug.  35,  4,  Gic.  Sest.  139 
und  Att.  7,  26,  1,  Liv.  6,  11,  7  u.  27,  8,  5;  doch  kann  existimatio 
für  das  erstere  und  infamia  für  das  letztere  gebraucht  werden.  In 
bösem  Rufe  stehen  lässt  sich  unter  anderm  auch  durch  invidia  lahorare 
ausdrücken.  Das  hohe  Ansehen,  in  dem  jemand  steht,  ist  magna 
fama,  wie:  aliquid  magnam  cdicui  famam  affert,  Liv.  27,  25,  11; 
magnam  sui  famam  relinquere^  Nep.  Lys.  1,  1  und  habere  magnam 
famam,  Plin.  nat.  36,  149. 

Famelicus,  hungrig,  hungerleidend,  ein  gemeines  seltenes  Wort, 
von  einer  magern,  trocknen,  saft-  und  kraftlosen  Rede  ist  unlat.  für 
languidus,  exilis,  incultus,  ieiunus,  Hindus,  rudis  u.  a.  Gut  ist  jedoch 
Gic.  Tusc.  2,  3  ieiunitas  et  fames,  wo  fames  =  armselig,  vgl.  Meissner 
z.  St.  Als  Adj.  =  Imngerig  im  eigentlichen  Sinne  kann  auch 
esuriens  gebraucht  werden.  S.  Plaut.  Capt.  912  quasi  lupus  esu- 
7'iens. 


Farnes  —     579     —  Familiaris 

Farnes^  Htmger,  ist  in  der  Bedeutung  grosse  Begierde  vorherr- 
schend P.  L.  für  sitis  und  sitire,  welche  in  Prosa  mehr  gebraucht 
wurden,  vgl.  Cic.  Plane.  13  sitiejitem  virtutis  tuae^  Att.  2,  14,  1 
cmres  sitientes.  Doch  finden  sich  im  N.  Kl.  auch  in  Prosa  mehrere 
Stellen,  z.  B.  das  wohl  dem  Yergil  nachgeahmte  aiui  fames  bei 
PHn.  nat.  33,  72,  Curt.  5,  1,  6:  ex  longa  fame  satiaret  se  auro, 
8p.  L.  Sedul.  228,  11  H.  fames  auri  und  inexplehilis  lionorum  fames 
bei  Flor.  3,  21,  6.  Der  Plural  von  fames  ist  nur  Sp.  L.,  vgl.  Neue- 
Wagener^  I  S.  635;  füge  bei  Filastrius  107,  4. 

Famiger  war  früher  falsche  Lesart  für  famigerahilis,  im  Rufe 
stellend,  herühmt,  herüclitigt,  bei  Yarro  1.  lat.  6,  55,  vgl.  Spengel 
z.  St.  Davon  abgeleitet  findet  sich  N.  Kl.  famigeraüis  (was  auch 
im  Sj).  L.  wieder  vorkommt),  bei  Plautus  famigeratio  (Trin.  692 
liest  Brix  famiferatio,  Scholl  mit  Nonius  aber  famigeratio).,  famigerator, 
—  welche  alle  in  der  bessern  Prosa  nirgends  zu  treffen  und  daher 
zu  meiden  sind. 

Familia  kommt  nirgends  bei  einem  Alten  in  dem  beschränkten 
Sinne  unseres  Wortes  Familie,  d.  h.  Fraii  und  Kinder,  vor,  was 
nur  in  dem  Worte  domus  liegt  (wie  in  unserem  Worte  Haus).,  oder 
durch  mei,  tui,  sui  ausgedrückt  wird.  Richtig  ist  es  dagegen  im 
allgemeinen  Sinne  des  Wortes  gleich  gens,  stirps,  locus,  also  in  der 
Bedeutung  Geschlecht,  Geschlechtsveriuandte.  Nicht  anwendbar  ist 
aber  auch  das  Wort  in  dem  Sinne  unseres  Gesinde,  Knechte  und 
Mägde,  weil  die  familia  der  alten  Römer  stets  aus  Sklaven  bestand, 
während  unsere  Dienerschaft  aus  freien  Menschen  zusammengesetzt 
ist.  Doch  s.  das  Wort  Heriis.  Bemerkenswert  sind  die  Verbindungen 
pater,  mater,  filiiis  familias;  der  altertümliche  Genitiv  hat  sich  von 
Terenz  bis  in  die  spätesten  Zeiten  erhalten.  Aber  feiner  scheint  doch 
2)ater  familiae,  wie  Caesar,  Livius,  Tacitus  sagen,  gewesen  zu  sein. 
Mit  dem  Plural  patres  verband  man  auch  den  Plural  familiarum, 
so  Sallust  nach  Sisennas  Vorgang,  auch  Cic.  Att.  7,  14,  2  u.  Tac, 
vgl.  Reisig -Haase- Hagen  Anm.  141.  Monströs  und  mit  Recht 
verworfen  ist  patrihus  familiis  bei  Cic.  S.  Rose.  48  und  Verr. 
3,  183;  vgl.  Schmalz  Vatin.  S.  32  f.,  Landgraf  p.  S.  Rose.  S.  226  f., 
Hildebrand  1865  S.  21,  Wagener  Phil.  Rundschau  I  S.  198  und  be- 
sonders Neue-Wagener^  I  S.  11  iff. 

Familiär escere,  vertraut  luerden,  ist  Sp.  L.  für  familiärem 
fieri  u.  a. 

Familiaris.  Dieses  Wort  bezeichnet  ursprünglich  zur  familia 
(im  weiteren  Sinne)  gehörig;  aus  Plaut.  Truc.  664  cpii  es  familiaris 
du  gehörst  ja  zur  Familie  ersehen  wir  den  Übergang  zur  Bedeutung 
vertraut,  hefreimdet,  die  bei  Plaut,  sich  nur  Trin.  89  findet.  Bei 
Ter.  ist  die  Metapher  bereits  völlig  ausgebildet,  daher  wird  familiaris 
auch  im  Komparativ  gebraucht.  Indes  wird  familiaris  nicht  bloss 
adjektivisch,  sondern  auch  als  Subst.  verwendet;  gut  ist  also  meus 
es  familiaris  oder  familiarissimus,  Cic.  fam.  13,  13.  Als  Adj.  ist 
es  in  der  Bedeutung    freundlich,   vertraulich  wohl  anwendbar,  z.  B. 


Famostis  —     580     —  Pari 

vidhts  famüiaris,  freundliche  Miene ^  Cic.  Att.  1,  11,  1  und  sermo 
familiaris,  Cic.  off.  2,  39,  fam.  15,  15,  1  und  Att.  1,  9,  1;  collo- 
qidum  amiciim  ac  familiäre^  Liv.  25,  18,  5;  ejnstulci  familiaris,  Leo 
M.  epp.  15,  17;  litter ae  familiäres,  Suet.  Tib.  62;  henigna  et  familiaris 
voliintaSy  Sen.  de  benef.  6,  16,  1.  —  In  der  Bedeutung  alicui  aliquid 
familiäre  est  =  es  ist  etivas  hei  einem  lieimiscli,  geic'ölmlich,  Sitte 
oder  Brauch,  ist  es  zwar  erst  N.  Kl.,  hat  aber  gute  Autoritäten, 
z.  B.  adeo  familiäre  est  hominibus,  omnia  sihi  ignoscere,  nihil  aliis 
remitiere,  Yell.  2,  30,  3;  f lasse  autem  statuariam  artem  familiärem 
Italiae  quoqiie  indicant  .  .,  Piin.  nat.  34,  33  u.  ib.  35,  49;  mihi 
familiäre  est  omnes  cogitationes  meas  tecum  communicare,  Plin. 
epp.  4,  24,  7,  ib.  2,  5,  10 ;  ebenso  ist  familiaris  gut  in  der  Be- 
deutung passend,  geeignet,  z.  B.:  quae  ijeregrina  ex  diversa  regione 
semina  transferuntur ,  minus  sunt  famüiaria  nostro  solo,  quam 
vernacida,  Colum.  3,  4,  1;  familiarissimum  hoc  platanis,  Piin. 
nat.  16,  131 ;  hii^poselinum  sahidosis  familiarissimum,  ibid.  19, 
163.  —  Eine  poindäre  Erklärung  eines  Schriftstellers,  welche  weder 
zu  triviale,  noch  allzu  gelehrte  und  tief  eingehende  Erörterungen 
enthält,  ist  nicht  interpretatio  familiaris  —  was  wohl  nirgends  nach- 
zuweisen ist  — ,  vielmehr  enthält  popidaris  jenen  Begriff  so  ziemlich. 
—  Das  Wort  familiaritas,  vertraute  Freujidschaft,  hat  Ter.  zuerst, 
es  ist  auch  klass.,  z.  B.  Cic.  Deiot.  39  consuetudo  famdiaritatem 
attulit.  Ygl.  noch  Langen  in  N.  Jahrb.  1882  S.  755,  der  auch 
darauf  hinweist,  dass  familiaris  seit  Ter.  sich  im  eig.  Sinne  nicht 
mehr  findet,  vgl.  Sen.  epp.  47,  12. 

Famosus  wird  von  Cicero  und  allen  altern  Schriftstellern,  von 
Lucil.  419  formosus  homo  fuit  et  famosus,  und  auch  noch  von 
Liv.  (39,  43,  2),  nur  in  dem  Sinne  ühelherüchtigt,  in  üblem  Rufe, 
ehrenrührig  gebraucht.  Hingegen  N.  Kl.  wird  es  oft  ohne  die 
Nebenbedeutung  des  Anstössigen  in  dem  Sinne  von  auffallend,  Auf- 
sehen erregend,  viel  besprochen  genommen,  z.  B.:  quoniam  famosae 
urbis  extremum  diem  tradituri  sumus,  Tac.  hist.  5,  2  init. ;  vir 
secundis  adversisque  iuxta  famosus  =  der  im  Glück  und  Unglück 
gleich  viel  von  sich  reden  machte,  ibid.  1,  10  und  so  auch  mors 
famosa,  3,  38;  agam  causam  pulchram  et  famosam,  Plin.  epp.  6,  23, 
1  und:  accipe,  quod  per  hos  dies  actum  est,  persmiae  claritate  famo- 
sum,  2,  11,  1;  equi  famosi,  Suet.  Cal.  19;  7iec  quidquam  amijlius 
de  tarn  famosa  victoria  cpaam  cognomen  Creticum  reportavit,  Flor.  3, 
7,  6.  Die  ^Y.  Kl.  Autoren  haben  auch  hier  den  Sprachgebrauch 
der  Dichter  befolgt,  denn  famosus  in  gutem  Sinne  steht  zuerst  bei 
Horaz  ars  469  ponet  famosae  mortis  amorem.  S.  Lagergren  S.  98, 
und  Heraus  zu  Tac.  hist.  1,  10,  2,  Bagge  S.  24. 

Fari,  sagen,  sprechen,  ist  fast  nur  P.  L.  für  dicere,  loqui,  und 
bei  Cicero  kommt  nur  fando  audire,  durch  die  Sage  hören,  durchs 
Gerücht  vernehmen,  Quinct.  71,  nat.  deor.  1,  82,  sowie  fatur  Tim. 
40  (al.  fatetur)  vor.  Es  werde  daher  auch  nur  in  der  Redensart 
fando  audire  gebraucht.     Ebenso   ist  fandus  =  recht  poet.;    nur  in 


Farina  —     581     —  Fastigium 

Verbindung  mit  nefandus  steht  es  auch  bei  Liv.  10,  41,  3,  mit 
infandiis  bei  Cyprian  630,  70  H.  fanda  atque  infanda.  Erst  im 
Sp.  L.  hat  Hieronymus  das  längst  verschollene  fari  wieder  hervor- 
gesucht, offenbar,  wie  Thielmann  Philol.  42  S.  340  meint,  weil  ihm 
das  feierliche  Ethos  des  Wortes  für  den  Ton  der  hl.  Schriften  be- 
sonders angemessen   schien;    vgl.   auch   Neue-Wagener^  III   S.  636. 

Farina.  Ausser  der  gewöhnlichen  Bedeutung  kommt  es  in  der 
Redensart  liomo  eins  (eiiisdem,  nostrae  — )  farinae  vor,  aber  doch 
nur  einmal  bei  Persius  5,  115:  cum  fueris  nostrae  farinae,  in  dem 
Sinne  da  du  unseres  Schlages  gewesen  bist;  vgl.  auch  materna  tibi 
farina  ex  crudissimo  Ariciae  pistrino,  Cass.  Parm.  bei  Suet.  Aug.  4; 
darnach  scheint  farina  in  der  niedern  Umgangssprache  übertragen 
üblich  gewesen  zu  sein.  Es  kann  die  Redensart  nur  bei  Spott  und 
Verachtung  gebraucht  werden,  sonst  sage  man  dafür  nur  eins  generis, 
eiusmodi;  vielleicht  auch  ex  eadem  nota,  Plin.  epp.  9,  26,  9;  dass 
das  Wort  yiota  in  solchen  Redensarten,  z.  B.  de  meliore  iiota,  se- 
verioris  notae  homines,  pessimae  notae  mancipia  ,^aller schlimmsten 
Schlags^'',  freilich  nicht  in  Kl.  Sprache,  aber  N.  Kl.  bei  Sen.  phil., 
Plinius,  Petron.,  in  Kl.  Zeit  von  Curius  ad  fam.  7,  29,  1,  gebraucht 
worden  ist,  habe  ich  Z.  f.  G.  W.  1881  S.  139  nachgewiesen.  Vgl. 
s.  V.  Nota. 

Farrago  ist  fast  nur  ein  der  Sprache  der  Landwirtschaft  ange- 
höriges Wort  =  gemengtes  Viehfutter;  ausserdem  kommt  es  N.  Kl. 
und  nur  bei  Dichtern  vor  von  einem  Mischmasch.  In  gelehrter  Be- 
ziehung ist  es  kaum  zu  brauchen,  obwohl  man  im  N.  L.  offenbar 
in  Nachahmung  von  luven.  1,  86  quidquid  agunt  homines  nostri 
farrago  libelli  est,^^  dergleichen  farragines  als  Titel  mancher  guten 
Bücher  findet.  Über  die  Nebenform  ferrago  vgl.  Keil  zu  Varro  r. 
r.  1,  31,  5. 

Fastigium  bedeutet  in  der  Baukunst  sowohl  das  ganze  Giebel- 
oder  Satteldach,  als  insbesondere  den  mit  einem  Giebelfelde  ausge- 
schmückten Vordergiebel  mit  seinen  drei  Giebelzinnen,  auf  welche  man 
Bildsmden  stellte,  s.  darüber  Liv.  40,  2,  2.  Sodann  ist  fastigium 
der  stehende  Ausdruck  für  die  schräge  Richtung  oder  Neigung  eines 
Berges,  eines  Balkejis  oder  für  die  schräge  Senkung  einer  Grübe,  einer 
Ebene;  vgl.  Keil  zu  Varro  r.  r.  1,  6,  3.  So  ist  bei  Caes.  Gall.  7,  85,  4: 
iniquum  loci  ad  declivitatem  fastigium  =  die  ungünstige  Neigimg  der 
Örtlichkeit  zur  Abschüssigkeit  und  civ.  1,  45,  5:  declivis  locus  tenuifas- 
tigio  =  das  allmählich,  sanft  sich  abdachende  Gelände;  has  inter  se  ca- 
preolis  molli  fastigio  coyiiungunt,  2,  10,  3  =  verbinden  sie  miteinander 
durch  Balken  von  sanfter  Neigimg,  d.  h.  in  stumpfem  Winkel; 
iugum  .  .  .  praeruptiim  atque  asperum,  sed  tamen  paidlo  leniore 
fastigio  ab  ea  parte,  qiiae  ad  TJticam  vergit,  2,  24,  3  =  ein  Berg- 
rücken, der  auf  der  Seite,  wo  Utica  liegt,  etwas  scmfter  abfällt; 
tiimidus  excelsiore  imdique  fastigio,  B.  Alex.  72,  1  =  mit  ziemlich 
steiler  Neigung ;  scrobes  fodiebantiir  paullatiyn  angustiore  ad  infimum 
fastigio,  Gall  7,  73,  5  =  Gruben,  die  nach  imten  zu  allmählich  sich 


Fastus  —     582     —  Fatum 

verengerten.  Für  den  Ablat.  modi  (fastigio)  kann  auch  das  Partiz. 
fastigatus  angewendet  werden:  collis  leniter  fastigatus  bei  Caes.  Gall. 
2,  8,  3  ist  em  sanft  in  die  Ebene  sich  abdachender  Hügel;  fastigatam, 
sicut  tecta  aedificioriun  sunt,  testudinem  faciebant  =  schräg  ablaufend, 
Liv.  44,  9,  6  und:  collis  in  acutum  cacumen  a  fundo  satis  lato  fasti- 
gatus, Liv.  37,  27,  7:  in  einen  sintzen  Gi])fel  aufsteigend.  Zu  be- 
achten ist  weiter,  dass  fastigium  nicht  die  Höhe  als  Spitze,  sondern 
als  hohe  Fläche  in  ihrer  horizontalen  Richtung,  somit  als  Oberfläche 
bezeichnet,  wie  fastigium  aquae  bei  Curt.  4,  2,  19  und  summi  operis 
fastigium,  4,  2,  8;  fontis  fastigium,  Hirt,  bei  Caes.  Gall.  8,  41,  5 
=  die  Höhe,  auf  der  unter  den  Mauern  der  Stadt  die  Quelle  her- 
vorkam; colles  pari  altitudinis  fastigio  urbem  cingebant,  Caes.  Gall, 
7^  69,  i  =  Hügel,  deren  Erhebung  das  gleiche  Niveau  hatte.  Bild- 
lich braucht  schon  Cicero  fastigium  von  dem,  was  er  zu  Ende  seines 
Buches  off.  3,  33  als  das  wichtigste,  wie  eine  Zierat,  beisetzen  wollte: 
02)eri  tanquam  fastigium  imponimus.  Seit  Livius  aber  wird  es  bildlich 
öfter  von  jedem  hohen,  angesehenen  Standpunkte  gesagt,  so  dass 
Quintil,  (12,  1,  20)  von  Cicero  sagen  konnte:  stetisse  ipsum  in 
fastigio  eloquentiae  fateor.  Und  so  kommt  es  auf  das  hinaus,  was 
wir  in  einer  Kunst  und  Wissenschaft  und  sonst  in  etwas  den  Gipfel 
nennen,  so  dass  Euhnken  (Flog,  Hemst,)  recht  wohl  sagen  konnte: 
in  ea  arte  omnis  doctrinae  fastigium  est.  Übrigens  kann  etivas  bis 
zum  höchsten  Gipfel  bringen  auch  durch  aliquid  ad,  in  summum 
perducere  ausgedrückt  werden  (Cic.  Brut.  161,  Quintil.  12,  11,  28); 
sowie  man  bildUch  auch  sagt  ad  summum  venire  (Cic.  Tusc.  2,  5) 
oder  ad  perfectionem  absolutionemque  pervenire. 

Fastus,  Stolz,  ist  vorherrschend  P.  L.,  findet  sich  aber  auch 
häufig  im  X.  Kl.  und  Sp.  L.  in  Prosa  für  arrogantia,  insolentia 
und  Spiritus,  besonders  im  Plural,  womit  auch  animi  (im  Plur.)  als 
synonym  meistens  verbunden  wird. 

Fatalis  hält  sich  im  Gebrauche  durchaus  nur  an  den  Begriff 
unseres  vom  Schicksale  bestimmt  oder  verhängt,  und  enthält  somit 
oft  den  Sinn  unseres  unglücklich;  aber  nie  bedeutet  es  unglücklich  im 
gewöhnlichen  Sinne,  was  nur  infelix,  tristis,  miser,  pestifer  u.  a.  heisst, 

Fatalitas,  das  Verhängnis,  ist  Sp.  L.  für  fatum,  und  wenn  es 
Unglücksfall  bedeutet,  für  casus  mit  und  ohne  adversus. 

Fatifer,  tötlich,  ist  nur  P.  L.   für  mortifer. 

Fatigatio,  die  Ermüdung,  wurde  seit  Livius  oft  gebraucht  für 
defatigatio;  vgl.  Novak  Stud.  Liv.  1894  S.  114;  Sp.  L.  nimmt  es 
auch  die  Bedeutung  Krankheit  an,  vgl.  Drossel  S.  5. 

Fatum  in  der  Bedeutung  Tod  ist  nicht  nur  P.  L.,  sondern 
auch  in  Prosa  angewandt.  S.  darüber  nicht  nur  Gell.  10,  18,  3 
und  Yal.  Max.  1,  8,  5,  ext.  und  2,  10,  3  und  sonst,  sondern  auch 
Suet.  Calig.  6,  Tac.  ann.  14,  12  und  Quintil.  3,  7,  10,  und  über 
fato  fungi,  perfungi  Yal.  Max.  5,  1,  1,  Tac.  ann.  14,  14  und  selbst 
Liv.  9,  1,  6.  Ygl.  auch  Cic.  Phil.  9,  9  ornen  fati  =  significatio 
mortis  ^., Ahnung  des  Todes''.     Ygl.  Seyffert-Müller   zu  Lael.  S.  259. 


Faustitas  —     583     —  Febris 

Femstitas,  das  Glück,  ist  P.  L.  und  kommt  nur  einmal  bei 
Horaz  carm.  4,  5,  18  vor,  für  felicitas. 

Faiix,  Schhmd^  ist  im  Sing,  nur  im  Acc.  faucem  und  im  Ablat. 
faiice  und  nur  bei  Dichtern  und  S}}.  L.  üblich;  den  Genitiv  faucis 
kenne  ich  nur  aus  Seduhus  259,  10  H  a  faucis  ohsidione,  bei  dem  auch 
C.  II,  19;  198,  7  der  Abi.  faiice  steht;  in  Prosa  nur  im  Flur.;  vgl. 
Neue-Wagener^  I  S.  674.  Daher  sagt  man  faiices  hominis,  portus, 
Ciliciae  — ,  nicht  faux;  der  EngiKiss,  fauces  angustae,  und  so  fauces 
portus  =  der  Eingang  zum  Hafen,  fauces  IstJimi  und  fauces  Helles- 
ponti  =  die  Landenge  des  I.,  die  Meerenge  des  H. 

Favilla  bedeutet  nicht  Funken,  welcher  scintilla  heisst,  sondern 
glimmende  Asche.  Im  Bilde  entspricht  jedoch  favilla  unserm  Funken, 
z.  B.  Prop.  1,  9,  18  liaec  est  ventim  prima  favilla  mali,  der  erste 
Funke,  ivoraus  der  Brand  entsteht.  Oft  ist  das  Wort  im  Sp.  L. 
zu  finden. 

Favor  wird  lat.  gewöhnlich  nur  von  Menschen  gebraucht, 
welche  begünstigen  oder  begünstigt  werden,  daher  heisst  z.  B. 
die  Gimst  der  Zeit  nicht  favor  oder  gratia  temporis  (rum),  son- 
dern occasio  et  heneficium,  wie  bei  Caes.  civ.  1,  40,  7 :  occasione 
et  heneficio  fortunae  uti;  oder  oportunitas  temporis,  2,  34,  4;  occasio 
temporis  oder  occasio  allein  gebrauchen  Caes.  civ.  3,  79,  1,  Liv.  25, 
38,  12.  Die  Gunst  des  Glückes  ist  fortunae  indulgentia  bei  Vell.  2, 
1,  4,  Sen.  de  v.  beata  16,  3,  die  Gunstbezeiguyigen  des  Glückes 
sind  ohsequia  fortunae  bei  Curt.  8,  4,  24  und  die  Gunst  des  Glückes 
misshrauchen  heisst  indulgentia  fortunae  abuti  nach  Liv.  39,  26,  7. 
Doch  kommt  bei  Seneca  favor  caeli  neben  ubertas  terrae  vor  = 
Fruchtbarkeit  des  Bodens  —  Gunst  der  Witterung.  Noch  weniger 
auffallend  ist  fortunae  favor,  Sen.  epp.  42,  4  und  72,  4,  wie 
fortunae  malignitas  so  auch  bei  PL  epp.  10,  94,  2  vorkommt. 

Favorabilis  findet  sich  erst  N.  Kl.  und  zwar  zuerst  bei  YelL, 
dann  bei  Sen.,  Quint.,  PHn.  min.,  Tac,  Amm.  u.  a.,  es  wird  haupt- 
sächlich in  der  passiveji  Bedeutung  begünstigt,  in  Gunst  stehend, 
beliebt,  synonym  dem  gratiosus,  gebraucht,  während  die  aktive  Be- 
deutung Gunst  verschaffend,  geivinnend  selten  ist,  s.  Plin.  epp.  5,  14, 
3  u.  Quintil.  12,  10,  74.  Ygl.  Opitz  Progr.  Naumburg  1852  S.  6 
und  Georges   Yell.  S.  24  und  s.  v.  Gratiosus. 

Fax  ist  in  der  gewöhnlichen  Bedeutung  Licht  nur  P.  L.  Zu 
gewagt  ist  es  daher,  wenn  im  N.  L.  sogar  bildlich  gesagt  wird: 
huic  loco  facem  accendam,  wo  die  Lateiner  nicht  einmal  lux  noch 
lumen  anwenden.  Vgl.  Lumen.  Noch  fremdartiger  ist  alicui  loco 
facem  praeferre,  für  locum  explanare,  explicare.  Gut  aber  ist 
acerrimam  bello  facem  praetulit  =  acerrimus  instinctor  belli  fuit, 
Tac.  bist.  2,  86  und  dort  Heraus;  ebenso  wird  fax  in  N.  Kl. 
Sprache,  z.  B.  von  Yell.,  Plin.  min.,  trop.  auch  von  Personen  gesagt, 
wie  fax  belli,  accusationis  =  der  Anstifter  zu  .  .  . 

Febris,  Fieber.  Man  merke:  ein  Fieber  bekommen  ist  in  febrim 
incidere,  Cic.  fam.  14,  8,  durch   Strapazen   sich  zuziehen  ex  labore 


Febrilis  —     584     —  Feracitas 

iyi  febrimlam  incidere,  Plane,  bei  Cic.  fam.  10,  21,  7;  mit  einem  Fieber 
nach  Hanse  kommen,  cum  febri  domiim  redire,  Cic.  de  orat.  3,  6.  Fieber 
haben  ist  febrim  habere  Yarro  r.  r.  2,  1,  22;  fieberfrei  sein  sine  febri 
esse  ib.  2,  3,  5.  Gut  ist  auch  febri  corripi,  s.  Püd.  nat.  7,  172;  das 
Fieber  hat  einen  verlassen  heisst  nicht  nur  P.  und  SiJ.  L.  febris 
aliquem  reliqnit  oder  deseruit,  vgl.  Yulg.  in  evang.  Joann.  4,  52  und 
Ael.  Spart,  v.  Hadr.  25,  4,  sondern  auch  Hör.  sat.  2,  3,  290; 
ja  bei  Cic.  Att.  8,  6,  3  steht  bald  nach  den  Worten  audivi  cßiar- 
tanam  a  te  discessisse  weiter:  Tlrqnem  nostrum  ab  altera  (febricula) 
relictum  audio.  Das  Diminutiv  haben  in  der  Literatur  zuerst  Cic. 
Att.  6,  9,  1;  7,  8,  2;  12,  1,  2  und  Plauens;  es  besagt  dasselbe  wie 
febris  bei  Cicero.  Bei  Sjh  L.  Ärzten  ist  ein  durchgreifender  Unter- 
schied zwischen  febris  und  febricula  ebensowenig  festzustellen,  als 
zwischen  tussis  und  tussicula,  vgl.  Wölfflin  Cass.  Fei.  S.  409,  Berg- 
müller Plane.  S.  15. 

Febjnlis,  fieberhafty  ist  N.  L.  für  den  Genit.  febris,  z.  B.  ein 
fieberhafter  Ayifall,  tentatio  febris,  nicht  febrilis. 

Felicitare,  beglilcken,  nur  Donat.  vita  Yergil.  4  für  fortunare, 
beare,  felicem  reddere. 

Felicitas  ist  in  der  Wunschformel  Glück  zu!  Glück  auf!  nicht 
üblich;  man  sagte  —  nie  aber  Cicero,  Caesar,  Sallust,  Livius,  Ta- 
citus  —  nur  feliciter!  mit  dem  Dat.  der  Person,  der  man  Glück 
wünschte;  oft  auch  ohne  einen  Dat. 

Femineus,  tveiblich,  kommt  bei  Yarro  r.  r.  1,  41,  4  projjter 
femineam  mollitiem  (doch  vgl.  Keil),  aber  bei  Caesar,  Sallust,  Livius 
gar  nicht,  bei  Cic.  Tusc.  2,  20  in  einer  poetischen  Partie,  dann  aber 
im  N.  Kl.  und  Sj).  L.  oft  vor,  und  zwar  ist  darin  durchweg  An- 
lehnung an  den  Sprachgebrauch  der  Dichter  zu  erkennen.  Auch 
femininus  ist  kein  Kl.  Wort;  es  steht  bei  Yarro  r.  r.  3,  5,  6  nomine 
feminino  mares  sunt,  nicht  bei  Cicero,  Caesar,  Livius.  Am  besten 
ist  nach  Cicero  und  der  Schriftsprache  der  übrigen  muliebris,  welches 
Yarro  1.  lat.  9,  40  ff.  vom  lueiblichen  Geschlechte  der  Wörter, 
genus  midiebre,  allein  braucht;  jedoch  schon  N.  Kl.  ist  nur  genus 
femininum  üblich,  z.  B.  bei  Quint.,  was  man  denn  auch  als  Kunst- 
wort beibehalte.  Bei  Tieren  wird  aber  tveiblich  fast  nur  durch 
femina,  sowie  männlich  durch  mas  ausgedrückt,  z.  B.  femina  anguis, 
eine   tvcibliche   Schlange;  vgl.  Krumbiegel  Lex.  Yarron.  s.  v.  femina. 

Feneratus  (foeneratiis).  N.  L.  sagt  man  fenerato  alicui  cdiquid 
dare,  fenerato  aliquid  accipere,  sumere,  collocare,  für  pecuniam  dare 
fenori  oder  fenore,  sowie  Geld  gegen  Zinsen  ausleihen,  anlegen  heisst 
pecuniam  fenore  occupare,  collocare,  ponere,  Geld  gegen  Zinsen  auf- 
nehmen =  pecuniam  fenore  accii^ere.  Fenerato  kommt  nur  bei  Plaut., 
z.  B.  Men.  623  Brix  (604  Scholl),  vor  und  bedeutet  ^mit  Wucher, 
so  dass  es  einen  teuer  zu  stehen  kommt^. 

Feracitas,  die  Fruchtbarkeit,  ist  sehr  selten  und  kommt  nur  bei 
Columella  und  Sp.  L.  vor,  für  ubertas,  fertilitas,  fecunditas,  während 
fcrax  neben  andern  synonymen  Adjektiven  gut  und  Kl.  ist. 


Feralis  —     585     —  Ferocire 

Feralis,  die  Toten  betreffend^  ist  teils  das  stehende  Wort  für 
Leichenfeste  (fercdia),  Leicheyimonate  (menses  fercdes),  Leichentage 
(dies  ferales),  teils  wird  es  P.  (und  auch  bei  Tacitus)  für  alles  andere 
gebraucht,  was  dazu  gehört,  wo  in  Prosa  fimebris  üblich  ist;  P.  L. 
und  Sp.  L.  hat  es  auch  die  Bedeutung  verderblich^  z.  B.  Paneg.  10, 
239,  11  dominatio  feralis,  vgl.  Landgraf- Weyman  Archiv  XII 
S.  574,  Berl.  Phil.  Woch.  1902  Sp.  1083,  Chruzander  S.  27. 

Fere  steht  in  Verbindung  mit  negativen  Wörtern  gewöhnlich 
nur  nach  denselben,  nicht  vor  ihnen,  daher  noyi  fere,  nihil  fere, 
nemo  fere,  nidlus  fere,  numqiiam  fere  u.  a.,  und  so  auch  meistens 
bei  allen  Zahlwörtern,  bestimmten  und  unbestimmten,  z.  B.  decem 
fere  homines,  tertia  fere  hora,  omnes  fere  cives,  eodeni  fere  tempore, 
und  so  noch  in  vielen  andern  Fällen,  z.  B.  eadem  fere,  hisce  fere 
verbis.  Selten  steht  es  anders,  wie  z.  B.  bei  Cic.  de  orat.  1,  116: 
Ädest  enim  fere  nemo,  quin  .  .  und:  Quam  fere  omnium  constans 
ratio  vitae,  Cluent.  46;  vgl.  Anton  Studien  II  S.  121  f.  u.  SeyfFert- 
MüUer  z.  Lael.  S.  448,  Landgraf  p.  Sex.  Rose.  S.  213.  Über  die 
Bedeutung:  geiü'öhnlich,  fast  immer,  fast  über cdl,  in  der  Regel  u.  dgl. 
s.  Seyffert-Müller  zu  Lael.  S.  13  und  147  und  Keil  zu  Yarro  r.  r. 
2.  2,  4.  _ 

Feriari,  Feiertage  haben,  ist  Ä.  und  Sp.  L.  für  ferias  habere 
oder  agere;  dagegen  ist  feriatus  in  der  Bedeut.  feiernd,  geschäftslos 
(von  Menschen)  Kl.,  aber  neben  otiosus  selten.  —  Mcde  feriatus  (was 
bei  Horaz  carm.  4,  6,  14  zur  Unzeit  müssig  bedeutet)  in  der  Be- 
deutung ungelehrt,  einfaltig,  wie  es  neuere  Lateiner  brauchen,  ist 
wohl  zurückzuführen  auf  Grell.  10,  22,  24:  in  qua  (puerili  medita- 
tioyie  argutiarum)  id  genus  homines  consenescunt  male  feriati,  quos 
'philosophos  esse  vidgus  putat.  Nachklass.  bei  Plinius  steht  auch  dies 
feriatus,  d.  h.  der  Tag,  an  dem  Ferien  gehcdten  iverden,  epp.  3,  14, 
6  und  toga  feriata,  die  Toga,  ivelche  feiert,  seit  lange  flicht  im  Ge- 
brauch ist,  s.  Lagergren  S.  102. 

Ferire.  Für  die  Suppletivformen  dieses  Verbums  hat  Wagener 
in  Phil.  Rundsch.  1904  S.  529—533  (Beiträge  I  S.  23  ff.)  festgestellt: 
securi  ferio,  percussi,  percussum,  ferire,  dagegen  foedus  ferio,  ici, 
ictum,  ferire;  alle  andern  Wendungen  sind  nicht  klass.,  z.  B.  foedus 
perciissit,  foedus  icere  u.  ä. 

Ferme,  fast,  ist  der  Superlativ  zu  fere;  doch  im  Gebrauche  bei- 
der Wörter  wird  dies  nicht  mehr  gefühlt.  Ferme  ist  Lieblingswort 
des  Livius,  auch  Tac.  bevorzugt  es  in  den  Annalen,  selten  findet 
man  es  bei  Cicero,  nirgends  bei  Caesar  und  Horaz.  Namentlich 
gebrauchte  man  es  gerne  nach  Negationen,  z.  B.  nihil  ferme,  non 
ferme,  beides  bei  Cicero.  Ygl.  Ribbeck  Partikeln  S.  7,  Hey  Semas. 
Stud.  S.  134  Anm.  3. 

Ferocire,  mutig,  ivild,  trotzig  sein,  ist  A.  L.  bei  Cato  87, 
14  J.  und  Sp.  L.  und  selten  für  ferocem  esse,  ferociter  se  gerere. 
Sp.  L.  findet  es  sich  bei  Apul.  Gell.  Paneg.  Ferox  und  ferocia 
sind  Kl. 


Ferre  —     586     —  Ferre 

Ferre,  trcujen,  hringen.  —  N.  L.  ist  culixun  ferre,  die  Schuld 
tragen,  d.  h.  Schuld  sein,  Schidd  haben  für  culpam  sustinere,  in 
culiKi  esse.  Ygl.  Culpa.  —  D.  L.  ist  natura  secum  fert,  die  Natur 
hriyigt  es  so  mit  sich,  luill  es,  fordert  es,  für  natura  (ita)  fert 
ohne  secum,  —  und  ebenso  z.  B.  mos,  tempus,  ratio  —  secum  fert. 
Ygl.  Cic.  Muren.  4,  somn.  18,  fam.  5,  2,  3.  —  Dem  deutschen: 
die  Waffen  gegen  jemanden  tragen  ganz  entsprechend  ist:  arma  ferre 
contra  aliquem,  Cic.  Ligar.  16,  Phil.  2,  72.  Was  fer^'e  triumphum 
(vicioriam)  de,  ex  oder  ah  aliquo,  einen  Triumph  über  jemanden 
davoyitragen,  betrifft,  so  ist  uns  dafür  ein  Beleg  nicht  bekannt.  Da- 
gegen ist  victoriam  ferre  ex  aliquo  wohlbeglaubigt,  vgl.  Liv.  2,  50, 
2;  8,  8,  18  u.  39,  51,  10.  Victoriam  referre  de  aliquo  hat 
August,  c.  Farmen.  1,  4,  8  (Opp.  T.  12)  u.  Tust.  (31,  3,  9).  Be- 
ferre  triumphum  ex  aliquo  findet  sich  bei  Ambros.  expos.  in  Ps.  118,  Y. 
43,  und  schon  bei  Yal.  Max.  3,  6,  4.  —  Da  nur  eine  Magistrats- 
person,  die  ein  Gesetz  beim  Yolke  in  Yorschlag  bringt,  legem  fert, 
nicht  das  Volk,  welches  legem  iuhet,  so  ist  unrichtig  populus  leges 
ferehat,  für  iuhebat.  —  Richtig  ist  zwar  ferre  ad  populum,  aber 
nicht  ferre  ad  senatum,  für  referre,  dem  Senate  etivas  vortragen. 
Über  referre  ad  popidum  vgl.  Referre.  Ebenso  ist  zwar  richtig 
sententiam  oder  suffragiimi  ferre,  wobei  sententiam  ferre  heisst  luie 
ein  Richter  stimmen  und  daher  auch  wohl  von  den  Senatoren  gesagt 
werden  kann,  obwohl  diese  zumeist  sententiam  dicunt,  vgl.  Seyffert- 
Müller  z.  Lael.  S.  375;  aber  iudicium  ferre,  ein  U^ieil  fällen  oder 
sprechen,  kommt  selten  vor  für  iudicium  facere  oder  dicere.  Wenn 
es  aber  gleichwohl  bei  Cic.  (orat.  in  toga  cand.  S.  266,  21  ed.  C.  F. 
W.  Müller)  heisst:  quare  praeclara  dicentur  iudicia  tidisse,  nicht 
fecisse  oder  dixisse,  so  steht  hier  iudicia  für  sententias,  weil  die 
damaligen  Richter  ihr  Urteil  oder  ihre  Meinung  über  eine  Person 
auf  Stimmtäfelchen  ahgegehen  (tulisse)  haben.  Wo  aber  dergleichen 
nicht  stattfindet,  soll  man  durchaus  nur  iudicium  dicere  oder  facere 
sagen,  nicht  ferre;  vgl.  Klotz  Stilist.  S.  202.  Sp.  L.  hat  es  indes  auch 
Claud.  Mam.  139,  20  fer  iudicium.  —  Zweifelhaft  ist  wohl  curam 
ferre,  Sorge  tragen;  Cicero  sagt  mihi  curae  est  und  zwar  gebraucht 
er  diese  Phrase  mit  sichtlicher  Yorliebe,  Caelius  bei  Cic.  fam.  8,  8, 
10  schreibt  sibi  curae  habere,  was  auch  Nep.  Att.  20,  4  hat;  öfters 
lesen  wir  auch  curae  habere  ohne  sibi  oder  curam  habere,  doch 
nirgends  klass.;  vgl.  Nieländer  Progr.  1874  S.  9  u.  1877  S.  4 
und  für  die  zweifelhafte  Stelle  bei  Yarro  r.  r.  1,  1,  2  Krumbiegel 
S.  38.  —  Ferre  mit  agere  verbunden,  in  der  Bedeutung  rauhen, 
plündern,  kommt  erst  bei  Livius  vor,  für  agere,  rapere  (so  bei  Cic. 
rep.  3,  45);  asyndetisch  steht  ferre  agere  nur  Liv.  3,  37,  7.  Die 
regelmässige  Wortfolge  ferj'e  atque  agere  erklärt  Preuss  S.  94  aus 
der  höhern  Wertschätzung  von  Gold  und  Silber  bei  den  Römern 
zur  Zeit  der  Entstehung  der  Phrase;  bei  den  Griechen  herrscht  be- 
kanntlich die  umgekehrte  Wortfolge  äysiv  xal  (pipscv.  Im  N.  Kl., 
z.  B.  bei  Curtius,   hat   sich  die  Phrase  ferre  et   agere    erhalten.  — 


Ferrum  —     587     —  Festinare 

Selten  und  N.  Kl.  bei  Sen.  epp.  78,  3,  Yal.  Max.  2,  7,  ext.  2, 
wiederholt  bei  Plin.  nat.  ist  accejjtum  aliquid  ferre ,  etiuas  als 
emjjfangen  eintragen^  etivas  erhalten  haben,  oder  wie  die  Juristen 
sich  ausdrückten  accepto  ferre  =  quittieren,  für  acc.  aliq.  referre, 
was  fast  stehende  Redensart  ist;  vgl.  Vollmer  zu  Stat.  silv.  2  praef. 
19,  Thielmann  Archiv  II  S.  388,  Rönsch  Ital.  S.  346.  —  Etwas 
unter  die  Leute  hringen  heisst  nicht  aliquid  ferre  inter  homines,  in 
vulgus,  sondern  efferre  in  vulgus,  famam  alicuius  rei  divulgare  u.  a. ; 
eine  Leiche  zu  Grabe  tragen,  nicht  funus  ferre,  sondern  efferre.  — 
Über  ferre  optiofiem,  die  Wald  lassen,  vgl.  02:)tio.  —  Man  missbraucht 
im  N.  L.  prae  se  ferre  aliquid  in  der  gewöhnlichen  Bedeutung 
ettuas  haben,  für  habere;  in  der  Tat  aber  bedeutet  prae  se  ferre 
keifi  Hehl  machen  aus,  offen  anerkennen  oder  zeigen,  z.  B.  Cic.  Phil. 
1,  11;  2,  5  illud  ipsum,  quod  commemoras,  semper  prae  me  tidi,  ,^habe 
ich  immer  offen  anerkannt'''' ;  unrichtig  also  ist  z.  B.  hoc  verbum  hanc 
prae  se  fert  significationem,  für  hcd)et.  —  L>er  grösste  aller  Verbrecher, 
luelche  die  Erde  trägt,  i.  e.  hegt  (luie  eine  Last  zu  tragen  hat),  ist 
homo  omnium,  quos  terra  sustinet,  (nicht  fert  =  hervorbringt)  scelera- 
tissimus.  Sali.  Jug.  14,  2  u.  Plaut.  Poenul.  Prol.  90,  Colum.  3,  8  extr. 

Ferrum.  Man  sagt  hauptsächlich  ferro  ignique,  ferro  atque 
igni,  ferro  flammaque  (Liv.  30,  6,  9),  so  namentlich  in  der  sprich- 
wörtlichen Redensart  ferro  igni,  quacumque  vi  possum,  (Liv.  1,  59, 
1  und  2,  10,  4),  ferro  et  igni  Lact.  1,  424,  15  u.  757,  8,  doch  nicht 
selten  auch  in  umgekehrter  Ordnung,  wie  bei  Cic.  Phil.  13,  47  u. 
Liv.  35,  21,  10:  igni  ferroque,  igni  atque  ferro,  Tac.  ann.  14,  38; 
ex  fiamma  ferroque  servare  Verr.  4,  78;  Flor.  2,  17,  15,  Suet.  Claud. 
21,  Lact.  1,  368,  8  Br.  igni  ferroque;  Sen.  de  const.  2,  2  flammis 
ferroque  und  Flor.  3,  18,  14;  vgl.  Preuss  S.  35.  Über  ferrum  et  vis 
vgl.  Burg  S.  67. 

Ferus,  ivild,  von  Früchten,  ist  mehr  P.  L.  für  silvestris.  Es 
hat  aber  keine  Gradformen;  Komparativ  und  Superlativ  werden  von 
ferox  entlehnt,  so  dass  gentes  ferne  und  ferocissimae  (Sali.  Cat.  10, 
Yell.  2,  98,  2)  zusammengehören  wie  tollo  und  sustidi;  vgl.  Wölfflin 
Komp.  S.  32.  Gut  ist  es  von  Tieren  wie  ferus  aper,  fera  bestia, 
Suet.  Octav.  67,  Nep.  Dat.  3,  2  u.  Gurt.  5,  4,  19  und  sonst.  Fera 
=  Wildpret  findet  sich  besonders  bei  medizinischen  Autoren,  vgl. 
Wölfflin  Cass.  Fei.   S.  399. 

Fervens,  glühend,  heiss.  —  iV.  L.  ist  es,  von  Bitten  zu  sagen 
preces  ferventes  oder  ardentes.  Ygl.  Ardens.  Auch  brauche  man 
fervere,  was  fast  nur  von  heftigen  Leidenschaften  und  hitzigen  Din- 
gen gesagt  wird,  nicht  bei  Gegenständen,  wo  die  Wärme  oder  Glut 
als  normal  erscheint,  z.  B.  bei  amor  oder  Studium  litterarum;  dafür 
gebrauche  man  vigere.     Vgl.  Burg  S.  48. 

Festinantia,  die  Eile,  ist  Sp.  L.  oder  B.  L.  für  festinatio,  cele- 
ritas,  velocitas. 

Festinare  wird  von  Tacitus  wie  properare  oft  nach  dem  Vor- 
gange der   Dichter   und   des   Prosaisten  Sallust  transitiv   gebraucht; 


Festinate  —     588     —  Fictio 

vgl.  Fabri  zu  Sali.  Jug.  64,  6  u.  Nipperdey  zu  Tac.  ann.  13,  17; 
dasselbe  ist  der  Fall  bei  dem  Jüngern  Plinius,  vgl.  Lagergren  S. 
154  und  bei  Suet.  u.  Spätem,  vgl.  Bagge  S.  24,  Sp.  L.  bei  Cyprian 
u.  a.  Hingegen  ist  festinare  mit  folgendem  Infi7i.  klass.  Vgl.  die 
von  mir  Pollio^  S.  27  verzeichnete  Litteratur. 

Festinate,  eilig,  festino  und  festine  sind  Sp.  L.,  ersteres  steht 
nur  Plac.  gloss.  47,  13,  festino  Capit.  Clod.  Alb.  6,  6,  festine  Cassiodor. 
var.  3,  40;  festinato  ist  N.  Kl.  u.  Sp.  L.,  festinatius  Sp.  L.  bei 
Amm.  Marc.  24,  6,  11  und  N.  Kl.  bei  Suet.  Aug.  29.  Kl.  ist 
festinanter,  z.  B.  Cic.  fin.  5,  77  ilhtd  mihi  a  te  nimium  festinanter 
dictum  videtur,  Scaur.  37  (aber  Cic.  Att.  3,  8,  1,  was  Nizolius  zitiert, 
ist  festinanter  nicht  zu  finden). 

Festivitas  und  festivus,  welche  heitere  Laune,  Heiterheit,  artig, 
gefällig,  tvitzig  u.  dgl.  bedeuten,  haben  erst  Sp.  L.  die  Begriffe 
Festlichkeit,  Feierlichkeit,  Festivität,  welche  durch  sollemnis,  festus, 
celehratio,  celebritas,  pompa  auszudrücken  sind;  vgl.  Gölzer  Hieron. 
S.  260  u.  284,  wo  auch  für  festive  nunmehr  aus  Hieron.  ep.  31,  2 
der  Komparativ  festiviiis  nachgewiesen  ist,  sowie  Bonnet  Greg. 
S.  242. 

Festiim,  das  Fest,  ist  als  neutrales  Subst.  nicht  nur  P.  L.  für 
dies  festus  oder  sollemnis,  welche  beide  oft  verbunden  werden,  son- 
dern auch  N.  Kl.  und  Sp.  L.  bei  Plin.  mai.  und  Gell,  zu  finden, 
ebenso  bei  Lactanz,  vgl.  cum  dii  omnes  ad  festum  magnae  matris 
coyivenissent,  inst.  1,  21,  25,  und  der  Plur.  sehr  spät  bei  Greg.  M. 
Homil.  in  evang.  2,  26,  10:  quid  prodest  Interesse  festis  hominum, 
si  deesse  coyitingat  festis  angelo7'iim,  ebenso  bei  Lact.:  jiominis  sui 
gratia  ritus  anriuos  et  festa  celehrahant,  inst.  1,  22,  24.  Das  Fest 
heisst  aber  klass.  dies  festus;  ein  Fest  zu  Ehren  von  jemand  feiern 
ist  also  diem  festum  agere  nomine  cdicuius  oder  diem  festum  agere 
c.  genit.  wie  adventus  mei,  Cic.  Yerr.  4,  151,  Sest.  131  und 
Pis.  5 1 ;  auch  nt  diem  eins  natalem  festum  haheret  tota  Sicilia,  Nepos 
Tim.  5,  1,  vgl.  Thielmann  in  Wölfflins  Archiv  H  S.  387.  Einzelne 
Feste  haben  auch  ihre  eigenen  Namen,  z.  B.:  das  Hochzeitsfest, 
nuptiae;  das  Verlobung sf est,  sponsalia;  das  Dankfest,  supplicatio, 
nicht  festum  oder  dies  festus  gratiarum  actionis. 

Fetifer  (foetifer)  und  fetificus,  befruchtend,  kommen  nur  N.  Kl. 
beim  altern  Plinius  vor,  für  fecundus,  fertilis;  ebenso  fetificare, 
hecken,  brüten,  befruchten,  fruchtbar  machen,  bei  Plinius  für  laeti- 
ficare,  fertilem  efficere. 

Fetus  (foetus),  Geburt,  Frucht,  wird  in  Prosa  nur  von  Tieren 
und  Feldfrüchten  gebraucht,  nur  Sp.  L.  von  Menschen,  wo  partus 
üblich  ist.  Da  aber  fetus  schon  etwas  wirklich  Yorhandenes  ist,  so 
ist  fetum  concipere,  was  im  N.  L.  vorkommt,  lächerlich. 

Fictio,  die  Dichtung,  im  passiven  Sinne  von  etwas  einzelnem, 
Erdichtetem,  gleich  Fabel,  fcü)elhafte  Erzählung,  ist  Sp.  L.  für  fahida, 
res  ficta,  commentum,  fabida  ficta  et  commenticia;  bisweilen  auch 
opinio  ementita.     Ebenso  ist  figmentum  Sp.  L.;  vgl.  dieses  Wort. 


Ficticius  —     589     —  Fides 

Fidicius  steht  wiederholt  beim  altern  Plinius  in  der  Bedeutung 
nachgemacht^  z.  B.  14,  98  vinum,  aber  =  erdichtet  ist  es  nur  Sp.  L., 
vgl.  Wölfflin  Archiv  Y  S.  431. 

Ficus,  der  Feigenbaimiy  hat  im  Dat.  und  Ablat.  Plur.  nur  ficisy 
nicht  ficiibiis;  das  letztere  wird  von  Neue- Wagener ^  I  S.  766  ent- 
schieden verworfen. 

Fideiuhere,  gut  sagen,  Bürge  seiriy  kommt  Sp.  L.  bei  den  Ju- 
risten vor,  für  spondere,  praestare,  sponsionem  facere;  ebenso  fideius- 
sor  öfter  im  Sp.  L.  bei  Juristen  und  bei  Pseudo-Cypr.  186,  12  H, 
sowie  bei  Greg.  Turon.  für  Sponsor,  praes,  vas;  vgl.  Bonnet  Greg. 
S.  481. 

Fidelis,  treu,  ist  der,  auf  den  man  sich  bei  Übergabe  eines 
Dienstes  oder  Auftrags,  einer  Verrichtung  verlassen  kann,  und  so 
ist  ein  treuer,  d.  h.  geiuissenhafter  Lehrer  magister  fidelis,  nicht 
diligens;  diligentia  ist  Gründlichkeit,  Genauigkeit  im  einzelnen,  oft 
=  Pedanterie,  vgl.  Näg.-MüUer«  S.  57  u.  Cic.  de  or.  2,  147  ff.  So 
erklärt  sich  auch,  dass  fideliter,  treidich,  in  Yerbindung  mit  servire 
valetudini  (sitae),  was  Ciceros  Freigelassener,  Tiro,  in  einem  Briefe 
gesagt  hatte,  von  Cicero  (fam.  16,  17)  getadelt  wird;  fidelis  werde 
nur  in  Betreff  eines  officium,  der  Treue  und  Ergebenheit  gegen 
andere,  nicht  gegen  sich  selbst,  gebraucht;  Cicero  sagt  dafür  diligenter, 
diligentissime.  _ 

Fides.  Über  den  Gebrauch  dieses  Wortes  bei  Cicero  haben 
wir  eine  besondere  Abhandlung  von  Heerdegen  de  fide  Tulliana  h. 
e.  de  vocabuli  fidei  apud  Ciceronem  notione  et  usu.  Erlangen  1876; 
sehr  sorgfältig  handelt  ferner  darüber  Nägelsbach-Müller ^  S.  249  ff.; 
vgl.  noch  Heerdegen  zu  Reisig-Haase  S.  96  ff.,  Hey  Semas.  Stud. 
S.  106.  Darnach  kann  fides  in  subjektiver  und  objektiver  Beziehung 
und  in  jeder  dieser  Beziehungen  wieder  in  aktivem,  neutralem  und 
passivem  Sinne  genommen  werden.  Im  einzelnen  bemerke  man: 
a)  fidem  habere  in  der  Bedeutung  treu  sein,  Treue  beweisen  ist  (s.  Sen. 
epp.  81,  12,  Cic.  Att.  4,  5,  1)  sehr  selten  für  fidem  praestare,  fidum 
oder  fidelem  esse,  in  aliquo  fidem  inesse  u.  a.,  da  fidem  alicui  habere 
bedeutet  jemanden  glauben,  trauen,  Glauben  beimessen,  im  Gegensatz 
zu  fidem  abrogare  alicui,  PI.  Trin.  1048  u.  Liv.  8,  27,  10,  mit 
einem  Genitiv,  alicuius  rei,  einem  etwas  anvertrauen  (Cic.  Yerr.  2, 
131),  und  ohne  einen  Dativ  Glaubest  finden,^ Glaubwürdigkeit  haben, 
geglaubt  luerdeyi  (Cic.  fam.  6,  6,  7);  b)  ist  N.  L.  fidem  facere, 
ein  Versprechen  machen,  etiuas  versprechen,  für  fidem  dare,  da  fidem 
facere  alicui  rei,  cdicuius  rei  alicui  heisst  etiuas,  einem  etwas  glaub- 
lich, glaid)würdig  machen,  fest  versichern  (Cic.  Q.  fr.  2,  5,  3),  vgl. 
Tischer  zu  Cic.  Tusc.  3,  54,  Kraner  zu  Caes.  Gall.  6,  41,  2,  Reisig 
in  unserer  Bearbeitung  S.  538.  Nie  tritt  daher  auch  ein  Adj.  hinzu, 
und  verwerflich  ist  deswegen  eximiam  (u.  dgl.)  fidem  facere,  was 
N.  L.  ist.  Für  fidem  facere  kommt  auch,  wenn  schon  sehr  selten, 
fidem  dare  vor.  S.  Apul.  met.  4,  9:  res  ipsa  fidem  serm.oni  meo 
dabit,  eine  Stelle,  welche  nach  Munro  auf  Nachahmung  des  Lucrez 


Fides  —     590     —  Fie 


ri 


5,  104  didis  dahit  ipsa  fidem  res  beruht,  lust.  24,  4,  4,  Plin.  paneg. 

74,  3.  Ganz  selten  ist  fidem  addere,  vgl.  Livius  2,  24,  6,  Petron. 
89,  Thielmann  das  Yerbum  dare  S.  55  f.  —  c)  Über  fidem  adhihere 
vgl.  Adhihere.  Jemanden  die  Treue,  das  Wort,  die  eidliche  Zusage 
halten,  kann  latein.  mehrfach  ausgedrückt  werden.  A.  L.  heisst  es 
fidem  servare  cum  aliqiio,  s.  Brix  zu  Plaut.  Capt.  334,  was  auch  Kl. 
noch  gebraucht  wird:  fides  iuris  iurandi  saepe  cum  hoste  servanda, 
Cic.  off.  3,  107;  vgl.  dazu  C.  F.  W.  Müller,  der  ausdrücklich  darauf 
hinweist,  dass  cum  von  der  ganzen  Phrase  abhängt  und  =  gegenüher 
bedeutet.  Ebenso  sagt  man  die  militärische  Treue,  den  Fahneneid 
dem  Kommandierenden  halten,  fidem  erga  imperatorem  servare,  con- 
servare,  s.  Caes.  civ.  1,  84,  3;  Liv.  24,  4,  5  und  Tac.  hist.  1,  71; 
für  erga  wird  von  Curt.  in  c.  accus,  gewählt:  in  regem  suum  ad 
ultimum  fides  conservata,  6,  5,  2.  Dafür  kann  auch  gesagt  werden 
fidem  alicui  praestare,  Cic.  Att.  5,  21,  11  ut  ei  fidem  meam  praestarem, 
imperavi;  div.  2,  79  dum  praestetur  fides;  vgl.  noch  Liv.  28,  39, 
2  u.  30,  15,  5,  Curt.  6,  4,  9,  Sen.  de  benef.  5,  21,  1.  Ebenso  gut  ist 
aber  auch  fidem  servare,  conservare  alicui,  z.  B.  fidei  poenas  etiam 
hostibus  servatae  pendentem,  Sen.  epp.  71,  17  und  ganz  ebenso  Liv. 
24,  1,  10,  und  auch  bei  Cic:  id  fidem  hosti  datam  conservaret,  Cato 

75.  d)  Fidem  solvere  sagt  Plane,  bei  Cic.  fam.  10,  21,  3  nach  dem 
Vorgang  des  Ter.,  vgl.  Andr.  643,  Liv.  auch  persolvere  und  exsolvere, 
vgl.  Liv.  2,  31,  10  und  Bergmüller  Plane.  S.  56,  Näg.»  S.  250. 
—  e)  N.  Kl.  ist  omnem  fidem  excedit,  quod  .  .  .  Suet.  Claud.  29.  — 
Nicht  nur  im  neuern  theol.  Latein,  sondern  schon  bei  späten  Juristen 
und  den  Kirchenvätern  hat  fides  die  Bedeutung  unseres  Wortes 
Glaube,  z.  B.  fides  christiana,  der  christliche  Glaube,  worunter  aber 
mehr  verstanden  wird,  als  unter  doctrina,  was  man  dafür  vorge- 
schlagen hat;  denn  doctrina  würde  nur  die  Lehre  Christi  bedeuten. 
Man  behalte  daher  lieber  fides  bei.  Oft  passt  auch  religio,  und  für 
den  Glauben  fanatischer,  abergläubischer  Völker  superstitio.  —  Aber 
fides  Dei  in  der  Bedeut.  der  Glaube  an  Gott,  ist  B.  L.  und  kann 
nach  Cic.  (Tusc.  1,  30)  durch  opinio  Dei  ausgedrückt  werden,  wenn 
man  es  nicht  mit  dem  Verb,  credere  oder  putare  geben  will.  Vgl. 
Credere. 

Fides  in  der  Bedeut.  Leier  ist  im  Sing,  nur  P.;  in  Prosa  kommt 
es  nur  im  Plural,  nach  Decl.  III.  vor,  z.  B.  die  Leier  spielen,  fidibus 
canere.  Ist  aber  das  Gestirn,  welches  die  Leier  genannt  wird,  ge- 
meint, so  wird  nur  der  Sing,  von  fides  gebraucht. 

Fidissime  als  Adv.  im  Superl.  von  fldus  steht  Cic.  fam.  2,  16, 
4  fest.     Ausserdem  hat  es  Gell.  12,  8,  6. 

Fieri,  iverden,  geschehen.  Es  wird  meistens  vermieden,  wenn 
von  dem  damit  verbundenen  Subst.  oder  Adj.  ein  Verbum  incohati- 
vum  gebräuchlich  ist;  einige  brauchen  dann  fieri  gar  nicht,  z.  B. 
Tag  werden,  luciscere  (lucescere),  nicht  lucem  oder  diem  fieri;  Abend 
iverden,  advesperascere  (A.  L.  vesperascere)  oder  invesperascere  (Cic. 
Verr.  5,   91    u.  Livius),   nicht   vesperum  fieri.     Früher  hiess  es   im 


Pigere  —     591     —  Figlinus 

Antibarb.,  die  Redensart  es  ist  nicht  anders  möglich  als  dass,  heisse 
Kl.  bloss  fieri  non  potest  quin,  N.  Kl.  fieri  non  potest  aliter  quam 
nt.  Vor  allem  ist  hinzuzufügen,  dass  für  quin  in  diesem  Falle  auch  ut 
non  stehen  kann:  /?m  no7i  potest^  ut  eum  tu  in  tua  provincia  non  cogno- 
veriSy  Cic.  Yerr.  2, 190.  Sodann  findet  sich  —  indes  nirgends  klassisch  — 
non  aliter  fieri  potest  quam  ut .  .  .  nicht  nur  bei  Quintil.  3,  6,  34,  son- 
dern aliter  fieri  non  potest  quam  ut  hat  auch  Livius:  id  aliter  fieri 
non  posse,  quam  ut  eis  Taurum  montem  possessione  Äsiae  Äntiochus 
cedat,  37,  35,  10.  Für  quam  ut  kann  aber  auch  das  bedingende 
nisi  gesetzt  werden:  quod  aliter  non  potest  fieri,  nisi  spatium  hahuero, 
Lentul.  bei  Cic.  fam.  12,  14,  5.  Non  aliter  salvi  .  .  .  eritis,  nisi 
Vettius  Picens  et  scriha  Cornelius  aliena  hene  parta  prodegerint,  Sali, 
bist.  1,  55,  17  M.  und  so  auch  ib.  §  24.  Tyrannus  negare  aliter 
urhem  eam  se  accepturiim,  nisi  .  .  .  Liv.  32,  38,  4.  Noch  gewöhn- 
licher aber  ist  es  nach  non  aliter,  aliter  non  statt  quam  ut,  nisi  im 
folgenden  quam  si  zu  sagen:  non  aliter  posituros  arma  equites,  quam 
si  rex  discordiae  auctores  dedidisset,  Curt.  10,  8,  15.  Aliter  non 
potuisse  pacari  rem  pnihlicam,  quam  si  ille  turhator  otii  e  repuhlica 
suhlatus  esset,  Sen.  controv.  3,  (7),  17,  13.  Neque  aliter  succurri 
potest,  quam  si  .  .  Gels.  6,  18,  6  extr.  Corpora  nostra  non  aliter 
tremunt,  quam  si  .  .  Sen.  n.  q.  6,  18  g.  E.  und:  heata  vita  non 
aliter  contingit  quam  si,  de  v.  beata  3,  3  u.  epp.  40  g.  E.  Dies 
findet  sich  nicht  selten  auch  bei  Liv.:  Uli  negahant  se  aliter  ituros, 
quam  si  decemviri  deponerent  insignia  magistratus,  Liv.  3,  51,  12; 
7ieque  aliter  id  fieri  posse,  quam  si  ipse  in  Africam  exercitum  trans- 
portaret,  28,  40,  2;  Tiherio  rescripsit  non  aliter  se  daturum  civitatem, 
qimm  si  praesens  sihi  persuasisset ,  quam  iustas  petendi  causas 
haberet,  Suet.  Octav.  40.  Neque  se  aliter  tutum  putet,  quam  si 
peior  atque  intestahilior  metu  vostro  fuerit.  Sali.  bist.  1,  55,  1  M.  — 
Übrigens  heisst:  es  ivar  nicht  anders  möglich,  ohne  einen  Zusatz  mit 
als  entweder  aliter  fieri  non  potuit,  oder  fieri  jion  potuit  aliter, 
nicht  non  aliter  fieri  potuit.  Ygl.  Cic.  Att.  6,  6,  3.  —  Über  factus 
vgl.  dieses  Wort. 

Figere,  heften,  stossen,  wird  in  der  Kl.  Sprache  nur  mit  in  c. 
abl.  konstruiert,  z.  B.  Cic.  Phil.  14,  6  mucrones  in  cive,  in  hoste 
figuntur,  N.  Kl.  steht  auch  in  c.  acc,  z.  B.  fixos  in  terram  ocidos 
Livius  9,  7,  3  u.  fixis  in  terram  pilis  2,  65,  3  —  an  beiden  Stellen 
von  Novak  Stud.  Liv.  1894  S.  66  wohl  mit  Recht  angezweifelt  — ; 
anders  steht  es  mit  fixus  in  silentium  bei  Tac.  ann.  6,  50  =  in 
(düsteres)  Sclnueigen  versunken .  —  N.Kl,  ist  cdiquem  figere  cruci, 
für  cruci  affigere,  crucem  alicui  figere,  Cic.  Yerr.  5,  12  u.  a.  Ygl. 
Crucifigere.  —  P.  u.  Sp.  L.  sind  die  Redensarten  figere  sedem  und 
domicilium  in  aliquo  loco,  sich  irgendtvo  yiiederlassen,  seinen  Sitz 
aufschlagen,  für  das  gewöhnliche  considere  in  aliquo  loco. 

Figlinus,  irden,  tönern,  ist  das  Adj.  zu  figulus  und  bezeichnet 
das,  was  der  Töpfer  tut,  worin  er  arbeitet.  Töpferton  also  ist  nur 
creta  figlina  Yarro  r.  r.  3,  9,  3  und  Töpfergewerhe  (ars)  figlina,  (figilinaj 


Figmentum  —     592     —  Filius 

s.  Yarro  r.  r.  1,  2,  23  und  dazu  Keil.  Ob  dafür  auch  ars  fictilis  gebraucht 
werden  könne,  lassen  wir  aus  Mangel  an  Belegen  und  weil  es  unserem 
Sjyrachgefülil  widerstrebt,  dahingestellt.  Fictilis  bedeutet  nämlich 
passiv  das  (ans  Ton)  Gebildete,  wie  fidile  (seil,  vas)  oder  vasa  fictilia 
Yarro  r.  r.  1,  64.  Allerdings  kommt  nachklass.  figlinus  vor,  wo  im 
goldenen  Zeitalter  dafür  wohl  fictilis  gesagt  worden  wäre,  wie  ojyera 
figlina,  Yitr.  5,  10,  3  u.  Plin.  nat.  35,  66,  u.  36,  189;  aber  opera 
figlina  besagt  strenggenommen  doch  nicht  dasselbe  wie  fictilia. 

Figmentum,  Diclitung,  Erdichtung,  Bild,  ist  Sp.  L.  für  res  ficta, 
commenticia  u.  a.  Ygl.  Fictio.  —  Im  N.  L.  kommt  es  oft  vor,  z.  B. 
nil  nisi  scribarum  (für  librariorum)  figmenta,  für  commenta.  Soviel 
ich  sehe,  ist  das  Wort  dem  afrikanischen  Latein  besonders  sympathisch; 
vgl.  die  von  Gölzer  Hieron.  S.  60  u.  Regnier  S.  166,  sowie  Watson 
S.  288  zitierten  Autoren  (Tert.,  Cypr.,  Lact.,  Gell.  u.  a.);  es  findet 
sich  aber  auch  bei  Paneg.,  vgl.  Chruzander  S.  27,  bei  Amm.  u.  a., 
vgl.  Thielmann  Arch.  YlII  S.  238. 

Figura  wird  klassisch  nicht  von  den  Figuren  in  der  Zeichnen- 
kunst gebraucht,  bedeutet  also  nicht  Riss,  Baiiriss,  dafür  steht 
forma,  z.  B.  nicht  figurae  geometricae,  statt  formae  geom.  (Cic.  rep. 
1,  29).  Ygl.  de  orat.  1,  187  in  geometria  lineamenta,  formae  etc., 
nicht  figurae.  Daher  heisst  bei  Cic.  (Q.  fr.  2,  6,  2)  em  Bauriss 
forma,  nicht  figura.  Erst  N.  Kl.  und  Sp.  L.  ist  figura  triquetra 
und  quadrangida  bei  Plin.  mai.  und  figurarum  quae  a-^rjfiaza  geometrae 
vocant.  Gell.  1,  20,  1 ;  x'jßog  est  figura  ex  omni  latere  quad^^ata, 
ibid.  §  4  und  trigona,  i.  e.  triquetrae  figurae,  ibid.  2,  21,  10. 

Figuraliter  und  figurate,  figürlich,  sind  sehr  Sp.  L.  für  tecte, 
per  figuram,  per  translationem,  oder  nach  dem  Griech.  tropice  oder 
metaphorice ;  vgl.  Gölzer  Hieron.  S.  198. 

Filius,  der  Sohn.  Unser  Erdensohn  steht  entweder  im  eigent- 
lichen Wortverstand  und  ist  dann  =  terra  editus  oder  ortus,  spät 
bei  Ambros.  epp.  30,  4  quasi  terrae  filius,  oder  es  stellt  tropisch  den 
Menschen  als  schwaches,  gebrechliches,  irdisches  Wesen  vor,  oft  mit 
dem  ISTebenbegrifF  gemütlicher  Teilnahme  an  seinem  Lose,  wie  in 
dem  bekannten:  Was  unten  tief  dem  Erdensohne  u.  s.  w.  In  diesem 
Sinne  ist  es  latein.  mortalis  oder  homunculus,  nos  hunii  strati,  Cic. 
de  orat.  3,  22.  Etwas  ganz  anderes  ist  terrae  filius  bei  Cic.  (Att. 
1,  13,  14):  huic  terrae  filio  nescio  cui,  fam.  7,  9,  3,  Petron.  43 
nescio  cui  terrae  filio,  Pers.  6,  56.  Darüber  sagt  Minuc.  Fei.  Oct. 
22  inopinato  visos  caelo  missos,  ignohiles  et  ignotos  terrae  filios 
nominamus  und  Tertull.  apol.  10  terrae  filios  vulgus  vocat,  quorum 
gemis  incertum  est.  Der  vulgäre  Ausdruck  terrae  filius  steht  in 
diesem  Sinne  noch  bei  Symmachus  ep.  1,  3,  3  Seeck  Bais  remotis 
arhitris  otiahar;  eo  postquam  rumor  adlatus  est  terrae  filios  con- 
venire  .  .  Ygl.  Landgraf  Bayr.  Gymn.  XYI  S.  325.  —  Filii  =  liheri 
steht  schon  bei  Tac.  ann.  11,  38,  aber  nirgends  KL,  vgl.  Nipp,  zu 
Tac.  ann.  11,  38,  Drossel  S.  3,  Fürtner  Progr.  Landshut  1885  S.  14, 
Bonnet  Greg.  S.  216,  ganz  besonders  aber  Funck  Archiv  YII  S.  93 


Filum  —     593     —  Finire 

und  dazu  Kubier  Archiv  YIII  S.  190.  —  IJ her  filius  naturae,  ein  Solm 
der  Natur,  vgl.  Natura.  —  Im  N.  L.  wird  oft  von  den  Ärzten  gesagt 
filii  medicorwn  für  medici;  allein  dies  beruht  auf  keiner  antiken  Au- 
torität. 

Filum  mit  dem  Gen.  orationis,  in  der  Bedeutung  der  Fadeyi  der 
Rede,  d.  h.  die  fortlaufende  Rede,  der  Zusammenhang,  ist  N.  L.  für 
cursus  oder  series  orationis;  ebenso  fihtm  orationis  ahrumiJere,  den 
Faden  der  Rede  abbrechen,  für  incidere  orationem.  Den  Faden  ver- 
lieren =  longius^^  labi,  den  Faden  wieder  aufnehmen  ■=  ad  propo- 
situm  reverti.  Über  die  Bedeutung  von  filiün  spricht  sich  Seyffert- 
Müller  z.  Lael.  S.  175  näher  aus;  darnach  bezeichnet  es  Kl.  Form, 
Stil,  Behandlungsart,  z.  B.  Cic.  Lael.  25  sed  aliud  quoddam 
filum  orationis  tuae  deine  Behandlungsart  ist  eine  ganz  andere.  F. 
L.  u.  N  KL  steht  filum  auch  für  die  äussern  Umrisse  der  Dinge, 
z.  B.  Plautus  Merc.  755  satis  scitum  filum  mulieris. 

Finalis,  endlich,  schliesslich,  das  Ende  betreffend,  ist  ^S^).  L.  für 
idtimus,  extremus,  yiovissimus.  Nirgends  kommt  es  in  der  Bedeutung 
die  Absicht,  den  Ziveck  anzeigend  vor,  wie  es  jetzt  als  philosophi- 
sches Kunstwort  gebräuchlich  ist,  für  consilium,  projyositum  signi- 
ficans  u.  a.  Erst  ganz  Sio.  L.  findet  sich  auch  das  Adv.  fincditer, 
am  Ende,  endlich  für  ad  extremum,  deniqiie,  tandem,  novissime 
(Plauens  bei  Cic.  fam.  10,  24,  2,  Plin.  ep.  2,  14,  11).  Ygl.  Schulze 
Symm.  S.  59. 

Fiyigere.  Nirgends  kommt  im  guten  Latein  vor  fingere  litteras 
in  der  Bedeutung  Buchstaben  schreiben,  von  einem  Kinde,  dafür  nur 
scribere.  —  Über  die  Anfänge  des  metaphorischen  Gebrauches  von 
fingere  im  A.  L.  vgl.  Langen  in  N.  Jahrb.  1882  S.  756,  Heerdegen 
zu  Reisig-Haase  S.  69  f.  (Plautus  kennt  fingere  =  erheucheln,  lügen 
noch  nicht);  absolut  gebrauchtes  fingere  =  sich  verästelten  ist  erst 
Sp.  L.  —  Finge  ^=  stelle  dir  vor,  z.  B.  Cic.  Cato  41  fingere  animo 
iubebat  incitatum  aliquem  voluptate  corporis  hat  in  der  klass.  Sprache 
gewöhnlich  keinen  Dativ  bei  sich. 

Finire,  endigen,  schliessen.  Nur  selten  brauchen  Cicero  und 
Caesar  finire  aliquid  in  der  Bedeutung  etwas  endigen,  beendigen, 
mehr  in  der  Bedeutung  bestimmen,  begrenzen,  einschränken;  Cicero 
sagt  in  jener  Bedeutung  lieber  finem  alicuius  rei  facere  oder  afferre, 
aliquid  conficere,  terminare,  concludere  u.  a.,  z.  B.  finem  facere  scri- 
bendi,  einen  Brief,  ein  Schreiben  endigen,  zu  schreiben  aufhören; 
epistidam  concludere,  einen  Brief  endigen,  schliessen;  imperium  ter- 
minare, eine  Herrschaft  endigen;  cursum  vitae  conficere,  den  Lebens- 
lauf endigen;  carmen  absolvere,  ein  Gedicht  endigen;  verbum  cadit 
in  —  syllabam,  das  Wort  endigt  auf  eine  —  Silbe;  der  Schhiss 
endigt  sich,  clausula  te7ininatur  oder  concluditur.  —  Ygl.  über  cadere 
Cic.  orat.  194  und  über  similiter  cadere  und  desinere  rhet.  Her.  4, 
28,  Cic.  de  orat.  3,  206.  —  Über  bellum  finire  und  ähnl.  ist  bereits 
unter  dem  Worte  bellum  gesprochen  worden.  —  Übrigens  ist  seit 
Livius  finire  häufig  im  Gebrauche.     Da  es  aber  eine  Grenze  stecken, 

Krebs-Schmalz,  Antibarbarus  I.  38 


Finis  —     594     —  Finis 

ein  Ende  machen  bedeutet,  kann  es  ohne  Objekt  nicht  wohl  gebraucht 
werden  in  der  Bedeutung  ein  Ende  haben  oder  sicli  endigen,  was 
fijiem  habere,  finiri,  terminari,  condudi  heisst;  daher  hat  Novak 
Amm.  S.  47  auch  Cornelissens  Konjektur  zu  Amm.  24,  4,  20  cum 
anceps  piigna  finita  esset  (für  finisset)  gebilligt.  Hingegen  in  der 
Bedeutung  mit  etwas  endigen,  etwas  abschliessen,  wird  finire  auch 
ganz  absolut  gebraucht,  z.  B.  ut  semel  finiam  =  um  endlich  zu 
schliessen,  s.  Quintil.  1,  12,  6;  3,  33,  55;  9,  4,  138  u.  11,  3,  59; 
so  besonders  mit  leichter  Ellipse  wie  Tac.  ann.  6,  50  sie  Tiberius 
finivit  sc.  vitam  (vgl.  unten),  dial.  14  vixdum  finierat  Matermis  sc. 
orationem,  vgl.  Nipp.-Andresen  zu  Tac.  ann.  6,  50.  —  Finiri  = 
stei'ben  kommt  nicht  nur  im  Sp.  L.,  sondern  auch  bei  Yal.  Max. 
9,  12,  ext.  4,  Pliu.  epp.  1,  12,  2,  Tac.  bist.  1,  16,  ja  in  der 
Übersetzung  einer  dichterischen  Stelle  selbst  bei  Cic.  Tusc.  1,  115 
vor.  Ygl.  auch  Ruhnken  zu  Yell.  Pat.  2,  123  und  Rönsch  Sem. 
III,  42.  Dies  kann  also  wohl  nachgebraucht  werden.  Was 
vitam  finire  betrifft,  so  steht  es  wie  gewöhnlich  auch  finiri  in  der 
Regel  nicht  vom  natürlichen  Tode,  sondern  es  heisst  sterben  durch 
eigene  oder  fremde  Geivalt.  Doch  bisweilen  kommt  es  auch  vom 
natürlichen  Tode  vor,  z.  B.  postea  vero  quam  imperator  Yalerianus 
in  illo  dedecore  (in  der  Gefangenschaft)  imdendam  vitam  finivit,  Lact, 
mort.  5,  6.  Aus  dem  Leben  des  eben  verstorbenen  Kaisers  Augustus 
hob  das  gemeine  Yolk  als  besonders  merkwürdig  hervor:  quod  Nolae 
in  domo  et  cubicido,  in  quo  pater  eius,  vitam  finivisset^  Tac.  ann.  1, 
9  und  mors  habet  enndem  in  omnibus  modum,  finisse  vitam,  Sen. 
epp.  66,  43,  vgl.  auch  Hey  Archiv  XI  S.  523. 

Finis  hat  im  Sing,  ein  doppeltes  Genus,  mascul.  und  femin.; 
als  Femininum  halten  es  die  meisten  für  dichterisch,  wiewohl  in 
Prosa  einigemal  bei  Cicero  (fam.  12,  1,  1  finem  nullam  facio,  dann 
Asin.  Poll.  bei  Cic.  fam.  10,  32,  4,  Att.  in  Cic.  epp.  ad  Att.  9,  10, 
4)  und  Livius  (s.  Weissenborn  zu  Liv.  4,  2,  4)  das  Femininum 
sicher  steht;  vgl.  meine  eingehende  Darstellung  in  PoUio^  S.  9, 
wonach  finis  als  femin.  vorzugsw^eise  altertümlich  und  dichterisch 
ist;  die  Literatur  habe  ich  ebendort  verzeichnet.  Im  Plural 
aber  ist  es  nur  ganz  selten  Femininum,  vgl.  die  Stellen  bei 
Neue- Wagener 3  I  S.  1002.  —  P.  und  N.  Kl,  steht  es  bei  Yal. 
Max.  3,  3,  4  ext.,  bei  Yellejus  2,  123,  3  und  Tac.  ann.  15,  63, 
Sen.  epp.  30,  3  ohne  vitae  in  der  Bedeutung  das  Lebensende, 
der  Tod,  für  vitae  finis,  exitus,  extremum  vitae  temjms,  z.  B.  bei 
seinem  Ende,  am  Ende  des  Lebens,  extremo  vitae  tempore  (Caes. 
civ.  2,  41,  8).  —  Durch  das  Adj.  extremus,  statt  durch  finis, 
wird  Kl,  unser  Ende  ausgedrückt,  z.  B.  am  Ende  des  Briefes,  des 
Buches,  iji  extrema  epistula,  in  extremis  litteris,  in  extremo  libro, 
und  bei  vorausgehendem  Subst.  heisst  am  Ende  bloss  in  extremo,  in 
extrema  parte,  cul  extremum;  am  Ende  der  Rede,  ad  extremam 
orationem  (Caes.  Gall.  7,  53,  1).  —  Seltener  kommt  in  fine,  in  fine 
sententiae   adicere,   dicere,  polliceri   N.  KL   so   vor  bei  Plin.  epp.  2, 


Firmamen  —     595     —  Firmamen 

11,  19;  5,  14,  7;  9,  13,  23  u.  28,  4.  Am  Ende  des  Jahres  heisst 
zwar  bei  Tacitus  fine  anni,  aber  Kl.  gewöhnlich  anno  vertente]  am 
Ende  des  Monats,  mense  vertente.  Dafür  kann  auch  gesagt  werden 
anno  exeunte,  Cic.  divin.  1,  53  oder  extremo  anno,  Liv.  7,  21,  1. 
Sehr  häufig  ist  endUch  bei  Liv.  exitu,  suh  exitii  anni,  aestatis  etc., 
s.  Liv.  6,  4,  7;  9,  21,  1;  23,  30,  13;  33,  24,  3;  42,  28,  1  u.  sonst. 

—  Fi7iis  bedeutet  Kl.  niemals  Zweck  in  subjektiver  Bedeutung 
=  Plan,  Absicht,  die  jemand  im  Auge  hat  oder  verfolgt,  sondern  finis 
bezeichnet  nur  den  letzten,  höchsten  Zweck  einer  Sache  objektiv, 
z.  B.  domus  finis  est  usus  Cic.  off.  1,  138.  Ygl.  auch  Cic.  inv.  1, 
6,  partt.  erat.  11,  de  erat.  1,  188  und  2,  145.  Zweck  im  subjek- 
tiven Sinne  ist  =  jproiiositum,  consilium,  animus,  mens,  voluntas, 
auch  ein  ganzer  Satz  id  quod  sihi  iwoioosuerat,  quod  voluit,  qiiod 
expetimt,  quod  conantitr  u.  ä.,  vgl.  Seyffert  Pal.'^  S.  96.  —  Eiyie  gute 
Absicht  heisst  daher  nicht  bonus  finis,  sondern  bonum  consilium;  in 
dieser  Absicht,  hoc  consilio,  hac  mente.  Man  sage  daher  nicht  mit 
Tac.  ann.  14,  64  in  oder  ad  eum  finem  in  der  Bedeutung  zu  dem 
Ende,  in  der  Absicht,  desivegen,  für  ad  eam  rem  (Cic.  Yerr.  4,  33; 
Liv.  23,  34,  15,  oder  ad  id,  ad  id  ipsum  creatus,  Liv.  5,  24,  4  und 
2,  42,  5),  id  spectans,  und  nicht  ad  quem  finem,  in  ivelcher  Absicht, 
für  ad  quam  rem,  quid  spectans  in  Bezug  auf  ein  Subjekt  (Cic.  Tusc. 
1,  31),  quorsum  hoc  (haec),  quorsum  haec  spectant;  denn  (iisque) 
ad  eum  finem,  worauf  dum  (bis)  folgt,  bedeutet  bis  sotueit,  bis  dahin, 
und  ad  quem  finem,  bis  ivie  lange,  bis  ivie  iveit,  bis  auf  iv eichen  Punkt, 
gleich  quousque.  Ygl.  vor  allen  Seyffert-Müller  zu  Cic.  Lael.  S.  147, 
Piderit  zu  Cic.  de  erat.  1,  154.  —  Übrigens  hat  finem  facey^e,  ein 
Ende,  Ziel  setzen,  das  Objekt  teils  im  Genitiv,  teils  im  Dativ  bei 
sich,  nur  bei  dem  Grerund.  ist  der  Gebrauch  des  Genitivs  Regel,  der 
Dativ  höchst  selten,  wie  bei  Liv.  1,  44,  2:  is  censendo  finis  factus 
est.  Einem  dare  gehört  dem  P.  L.  an,  erst  Florus  und  dann  Eutrop 
haben  es  auch  in  Prosa  verwendet,  z.  B.  Eutrop  2,  11,  (6)  sed  nox 
p)roelio  finem  dedit;  vgl.  Thielmann  das  Yerbum  dare  S.  59.  Eben- 
dort  sind  noch  andere  P.  L.  Phrasen  mit  finis  aufgeführt,  von  denen 
sich  imponere  finem  auch  erst  bei  Florus  in  Prosa  findet.  Gut  ist 
jedoch  finem  hiveni^^e  Liv.  26,  17,  11;  res  ad  finem  venit  S^  13,  11. 

—  Die  Phrase  siyie  fine  steht  nirgends  in  Kl.  Prosa,  zuerst  wohl  ab- 
gesehen von  den  Dichtern  bei  Liv.  9,  26,  9,  häufig  im  silb.  Latein, 
vgl.  Wölfflin  im  Archiv  I  S.  364.  Über  die  Präposition  fine  oder 
fini,  welche  sich  nirgends  bei  Cic.  Caes.,  aber  bei  Cato,  Sali,  bist., 
Liv.  und  Sp.  L.  findet,  vgl.  Wölfflin  Archiv  I,  424,  Köhler  act. 
Erl.  I  S.  441,  meine  Synt.«  §  134,  Kalb  Roms  Juristen  S.  111, 
Leipold  S.  37,  Kunze  Sali.  III,  2,  S.  63,  Landgraf  Untersuchungen 
S.  42,  Wölfflin  Archiv  XII  S.  192. 

Fhmamen,  die  Stütze,  Befestigung,  kommt  nur  bei  Ovid  met. 
10,  491  vor,  für  fijinamentum,  welches  nur  diese  Bedeutung  hat, 
aber  nicht,  wie  im  Kirchenlat.,  die  Bedeutung  Himmel  (woher  unsere 
Benennung  Firmament).     Kl.  ist  firmamento  esse,  zur  Stütze  dienen^ 


Firmiter  —     596     —  Flagitium 

vgl.  Caes.  civ.  2,  15,  2,  scheint  sich  aber  sonst  nirgends  zu  finden, 
vgl.  Nieländer  1877  S.  25. 

Firmiter^  fest,  ist  ebenso  gut  wie  firme;  beide  kommen  bei 
Cicero  vor  (das  erstere  aber  nur  in  der  archaisch  gefärbten  Schrift 
rep.  1,  69;  6,  2)  und  bei  Caesar  Call.  4,  26,  1;  vgl.  Landgraf  B. 
Gymn.  XYI  S.  320,  Rebling  Kiel.  Progr.  1873  S.  14,  Köhler  act. 
Erl.  I  S.  379,  Neue-Wagener^  II,  727. 

FirmihalOy  die  Fesüglxeit,  ist  Kl.  wie  firmitas;  bei  Cicero  kommt 
es  öfters  vor,  freilich  nur  in  epp.  und  Erstlingsschriften,  viel  häufiger 
ist  firmitas;  Caes.  hat  firniitudo  nur  civ.  3,  28,  4;  vgl.  Thielmann 
Cornif.  S.  43. 

Firmiis,  fest,  starTi,  wird  nicht  bloss  von  Sachen,  sondern  auch 
\on  Personen  gesagt:  cum  neqiie  mar/nas  cojnas,  necine  firmas  haheret, 
Nep.  Eum.  3,  3,  Caes.  Gall.  1,  3,  8,  Sali.  Jug.  56,  2;  es  bezeichnet 
dann  den,  welcher  sich  vor  nichts  fürchtet,  der  sich  nicht  so  leicht 
aus  seiner  Stellung  bringen  lässt,  vgl.  Seyffert-Müller  z.  Lael.  S.  406. 
Die  Richtung,  Beziehung  wird  durch  ad  ausgedrückt:  CJirgsipin 
(consolatio)  ad  veritatem  firmissima  est,  Cic.  Tusc.  3,  79  und: 
cohortes  minus  firmae  ad  dimicandiim,  Caes.  Gall.  7,  60,  2  und 
Sali.  bist.  4,  69,  16  M.  Einem  Feinde  gegenüber  tüchtig,  fest  sein 
heisst  bei  Sali.  Jug.  80,  1  firmum  esse  contra  cdiquem,  und  firmus 
adversiis  militarem  largitionem  hat  Tac.  bist.  2,  82  und  ebenso  firmior 
adversus  fortuita  ibid.  4,  5  und  Suet.  Tib.  28.  Bei  Liv.  steht  auch 
der  Dativ:  area  firma  temjylis  ac  porticihis  sustinendis ,  2,  5, 
4  (vgl.  M.  Müller  z.  St.)  und  so  auch  Tac.  Agric.  35  firmus  adversis; 
das  feste  Land  im  Gegensatze  zum  Wasser  heisst  nicht  terra  firma, 
sondern  terra  continens;  fester  Schlaf,  nicht  firmus,  sondern  artus 
(artior)  somniis;  feste,  stete,  sichere  Hand  eines  Chirurgen,  nicht 
manus  firma,  sondern  strenua,  stahilis,  welche  beide  Celsus  263,  7 
D.  zusammen  braucht. 

Fiscus  wird  N.  XI.  von  der  Kasse  des  Fürsten,  aber  aerarium 
von  der  des  Staates  gebraucht.  Demnach  ist  Staatskasse  auch  für 
uns  aerarium  oder  aerarium  commune;  vgl.  oben  Aerarium.  Dass 
seit  Hadrian  fiscus  und  aerarium  verschmolzen  sind,  zeigt  Brinz 
Münch.  Sitzgsber.  1886,  S.  471. 

Fixe,  fest,  starr,  ist  iS'^;.  L.  und  kann  nicht  gebraucht  werden 
beim  Sehen,  dafür  sage  man  acriter,  acri  oder  intento  animo;  einen 
starr  ansehen,  aliquem  intentis  oculis  [acerrime]  contemplciri  (Cic. 
Flacc.  26  ed.  C.  F.  W.  Müller),  oder  acrius  contueri  aliquem  (Suet. 
Octav.  79). 

Fixus,  bestimmt,  fest,  wird  N.  L.  von  dem  Gehalte  oder  dem 
Einkommen  gebraucht,  für  reditus  stati,  fixer  Gehalt  (nach  Plin.  ep. 
3,  19,  5). 

Flagitium  ist  nach  Lambin.  (ep.  15  ad  Muret.)  auf  das  be- 
schränkt, was  entehrt,  schändet  und  beschimpft,  was  aber  nicht 
zur  Anklage  kommt  und  nicht  bestraft  wird,  z.  B.  Wollust,  Träg- 
heit,  Unmässigkeit,   Yergesslichkeit  u.  dgl.,   und   so  auch  fiagitiosus 


Flagrare  —     597     —  Flectere 

und  flagitiose;  dagegen  was  die  Hand  gewaltsam  tut  und  was 
bestraft  wird,  ist  facinus,  scelus,  und  der,  welcher  es  tut,  facmorosus, 
sceleratus,  scelestus;  ebenso  die  Adverbia.  Ygl.  Seyffert-Müller  zu 
Lael.  S.  329. 

Flagrare.  Wie  ardere,  so  wird  auch  flagrare,  von  etwas  er- 
glühen, von  ehuas  hrennen  und  zwar  sowohl  in  bonam  als  in  mal  am 
partem  gebraucht,  wie  studio  alicuiiis,  cujnditate  piigyiandi,  amore, 
stiidioriim  amore,  odio,  ira,  ciipiditate  gloriae,  caritate  alicuius,  s.  Cic. 
Att.  15,  11,  2,   Sest.  134,  de  or.  2,  190,  Nep.  Milt.  5,  1,  Curt.  8, 

3,  2;  3,  6,  17,  Plin.  epp.  5,  9,  5,  Sen.  de  ira,  3,  4,  3  und 
Suet.  Nero  22.  Wie  indes  bei  ardere  die  betreffenden  Eigenschaften 
Kl.  bisweilen  selbst  als  hrennend,  glühend  dargestellt  werden,  z.  B. 
ardentes  amores  sui  excitare,  Cic.  fin.  2,  52  und:  habere  studia 
siioriim  ardentia,  Cic.  Plane.  20,  und :  ardent  odia  civium  in  aliquem, 
Cic.  Mil.  39,  so  ist  es  auch  bei  flagrare,  wie:  ingenio peracri  et  studio 
flagranti  (orator  vestrae  quasi  succrescit  aetati),  Cic.  de  orat.  3,  230; 
mmqiiam  in  suis  studiis  tantos  p7'ogressus  siyie  flagrayiti  cupiditate 
facere  potuisseyit,  Cic.  Tusc.  4,  44.  TJt  cuiiisque  Studium  aetate 
flagrahat,  Sali.  Cat.  14,  6.  Viel  Öfter  findet  sich  dieser  Gebrauch 
in  der  N.  Kl.  Latinität,  z.  B.:  iuvenis  flagrantissima  cupiditas,  Yal. 
Max.  8,  14,  ext.  3;  flagrantissimus  amor,  Plin.  epp.  6,  8,  2;  be- 
sonders oft  bei  Tacitus:  flagrantia  plehis  studia,  ann.  2,  41  Ende, 
und:  flagrantibus  militimi  animis  faces  addere,  bist.  1,  24;  flagran- 
tissimae  libidiyies,  ib.  2,  31;   flagrantissimus  amor  in  aliquem,  ibid. 

4,  39  und  sonst.  —  Hingegen  invidia  flagrare  und  ähnl.  hat  gewöhn- 
lich passiven  Sinn  =  laborare,  vexari,  premi  invidia,  s.  Cic.  Sest. 
140,  Cluent.  136,   Mil.  75,   Yerr.  1,  157,  Liv.  24,  26,  3   u.   40,  15, 

5,  Plin.  epp.  9,  13,  21,  Tac.  ann.  13,  4,  Suet.  Octav.  27.  So  ist 
es  auch  bei  flagrare  infamia  Cic.  Att.  4,  18,  2,  Suet.  Tib.  44  init.  und 
stupris  flagitiisque  flagrare,  Cic.  Yerr.  4,  71;  adulteriorum  flagrare 
infamia,  Suet.  Caes.  52,  vgl.  auch  Cic.  Yerr.  act.  1,  43;  so  auch 
conflagrare:  furtorum  ac  flagitiorum  invidia  conflagrare,  Yerr.  1, 
41,  und  daher  kühn  bei  Tacitus  flagrantissima  flagitia,  ann.  14,  51 
u.  das.  Dräger.  Ygl.  Nägelsbach-Müller^  S.  588,  wonach  flagrare 
als  Passiv  zu  urey^e  angesehen  werden  kann.  Seltener  ist  in  diesem 
passiven  Sinne  ardere  invidia  (Cic.  de  orat.  3,  8,  Liv.  5,  11,  4), 
was  gewöhnlich  bedeutet  von  Hass  erglühen. 

Flamen,  der  Wind,  ist  nur  P.  L.  für  ventus,   z.  B.  Lucil.  870. 

Flammare,  eyitzünden,  entflammen,  kommt  ausser  bei  Tacitus 
nur  F.  L.  und  spätlat.  bei  Oros.  6,  10,  4  Z.,  Eugipp.  28,  13,  Kn., 
Cl.  Mamert.  pan.  in  lul.  23  medd.  Paneg.  XI,  263,  9  und  Apul. 
vor,  für  inflammare,  incendere  u.  a. 

Flavedo,  die  blonde  Farbe,  ist  N.  L.  für  flavus  color. 

Flectere,  beugen  eigentl.  z.  B.  membra  flectere,  Cic.  div.  1,  120, 
artus  flectere,  Liv.  21,  58,  9,  flectere  caput  =  sich  verneigen,  Lampr. 
Alex.  Sev.  c.  18.  Sehr  mannigfaltig  ist  der  tropische  Gebrauch 
desselben,  z.  B.  animum,  meyites  hominum,    Liv.  2,  39,  12  u.  c.  32, 


Flere  —     598     —  Florere 

12  und  ffedere  cdkßiem  oratione  =  umstimmen,  Cic.  Phil.  1,  35  und 
daher  auch  für,  zu  etwas  stimmen,  geneigt  machen:  ad  deditionem 
2)rimos  flectere,  Liv.  5,  43,  1.  Das  Gegenteil  davon  ist  ah  aliqita 
re  aliquem,  animum  flectere  =  von  ettuas  abbringen,  Quintil.  4,  2, 
80,  Liv.  Praef.  1.  I,  §  5;  vgl.  ferner  flectere  =  mildern,  ermässigen: 
sicut  Augustus  ([uaedam  ex  liorrida  illa  antiquitate  ad  praesentem 
iisiim  flexisset,  Tac.  ann.  4,  16;  flectere  in  alicßiem  iram  =  hin- 
leiten, lenken,  Liv.  4,  44,  6;  flectere  fatiim  =  das  drohende 
Verhängnis  (des  Untergangs)  ahnenden,  Cic.  Catil.  3,  19.  Etwas 
dem  Deutschen  Fremdes  ist  flectere  viam ,  vom  Wege  ahhiegen, 
Liv.  1,  60,  1,  und  um  ein  Vorgehirge  herumsegeln,  es  umschiffen 
ist  ebenso  merkwürdig,  z.  B.  flectere  Leucatam ,  Cic.  Att.  5,  9, 
1  und  in  flectendis  p'omiinturiis ,  Cic.  de  divin.  2,  94.  Hin- 
gegen dem  Deutschen  ganz  entsprechend  ist  se  flectere;  der  Wald 
u.  s.  w.  wendet  sich  z.  B.  zur  LinTcen  bei  Caes.  Gall.  6,  25,  3. 
Endlich  wird  flectere  oft  auch  intrans.  gebraucht:  in  Prosa  wohl 
zuerst  bei  Liv.,  z.  B.  27,  43,  12  flectit  in  Picenum ;  a  veneratione 
Äugusti  orsus  flexit  ad  victorias  triumphosque  Tiherii,  Tac.  ann. 
1,  34  und  endlich  auch  medial  in  dem  Partiz.  flexus:  flexo  in 
vesperam  die,  Tac.  ann.  1,  16  und  flexi  in  misericordiam,  Amm. 
Marc.  12,  27. 

Flere,  weinen,  wird  meist  als  Yerbum  intrans.  mit  de  cdiqua 
re  =  üher  etwas  iveinen  gebraucht.  Als  Transit,  wie  unser  einen, 
etwas  heiveinen,  tritt  es  jedoch  nicht  bloss  bei  Dichtern,  sondern  bis- 
weilen auch  in  Prosa  auf.  So  Sj).  L.  bei  lust. :  nulla  amissum 
coniugem  flevit,  28,  4,  4;  N.  Kl.  nicht  bloss  bei  Tac.  ann.  6,  10 
init.  und  ib.  2,  71;  auch  bei  Curt.:  illa  suam,  illa  neptium  vicem 
flehat,  10,  5,  21,  und  ib.:  flehat  simul  mortuos  vivosque ;  ebenso  auch 
bei  Sen.  rhet.,  z.B.  non  vis  patreni  meum  fleamf  10,  1,  5  Müller; 
adlatum  ad  se  Caesar  Pompei  caput  flevit,  ibid.  10,  3,  1,  und 
einmal  selbst  bei  Cicero:  iis  Pisonem  verhis  flens  meum  et  rei  puhlicae 
casum  vexavit,  ut .  .  .  Cic.  Sest.  60.  Man  beachte  auch,  dass  flere 
nur  von  Schmerz  und  Leid,|  lacrimare  dagegen  von  Freude  und 
Leid  gesagt  wird. 

Flexilis,  beugsam,  steht  P.  u.  N.  Kl.  für  flexibilis. 

Florere,  blühen,  drückt  sehr  oft  unser  tropisch  gebrauchtes 
glänzen  aus :  tria  sunt  omnino  genera  dicendi,  quihus  in  singulis 
quidam  floruerunt,  Cic.  orat.  20 ;  familici  quae  postea  viris  fortissimis 
floruit,  Phil.  9,  4;  gloria  generis  alicuius  floret,  Cic.  Flacc.  25  und 
so  auch  vitae  flos  =  Glanz  des  Lehens,  de  or.  3,  12,  noch  weitere 
Belege  bei  Nägelsbach  Stil.®  S.  553  f.  Ist  hingegen  blühen  = 
im  Schwange,  in  fleissiger  TJhung  sein,  so  heisst  dies  aliquid  viget, 
ars  viget,  artium  studia  vigent,  vgl.  Nägelsbach-Müller^  S.  474.  — 
Florens,  blühend,  ist  zwar  bei  Cicero  ein  Beiwort  des  Alters, 
z.  B.  (Cato  20)  florentis  aetatis,  um  die  frische  Jugend,  die  besten 
Jahre  zu  bezeichnen,  wie  die  eines  Vierzigers  (nach  Cic.  fam.  2, 
13,  2),   aber   man   sagt    nicht   aliquem  florenti  (florente)  aetate  esse, 


Flos  —     599     —  Fiuere 

sondern  fiorentem  cietate  esse,  aber  doch:  florentissima  eins  erat 
aetas,  Liv.  30,  12,  17.  —  Ferner  nennt  Cicero  Brut.  285  den 
Demetrius  Phalereus  fioridior,  blühender,  aber  mit  dem  Zusätze 
itt  ita  dicam;  dieser  Zusatz  aber  fehlt  bei  Quintil.  2,  5,  18: 
floridiiis  geniis  (scriptonim)  und:  fioridior  erat  aliquanto  in 
dedamayido  quam  in  ageyido,  Sen.  exe.  contr.  1.  lY.  Praef.  §  3. 
Cicero  erwähnt  auch  oft  flores  verhoriim  et  sententiarum,  flosculos 
orationis  u.  dgl.,  auch  gebraucht  er  florens  von  der  Rede,  s.  erat. 
96,  und  vom  Redner:  Alii  oratores  .  .  .  florentes  etiam  et  leviter 
ornati,   orat.  20. 

Flos,  Bhtme,  Blüte,  wird  zwar  in  KL  Sprache  von  dem  besten, 
ausgezeichnetsten  Teile  eines  aus  mehrern  Teilen  bestehenden  Ganzen 
gebraucht,  z.  B.  flos  iuventidis,  iiivenmn,  aetatis,  Italiae,  aber  nicht 
von  einem  einzelnen  Menschen,  obgleich  Ennius  als  Dichter  den 
Cethegus  florem  ijopidi  (Cic.  Brut.  58,  Enn.  ann.  308  Y.)  nennen 
konnte.  In  ipso  Graeciae  flore,  Cic.  nat.  deor.  3,  82  ist  =  in  der 
Blütezeit  Griechenlands;  nach  dieser  Analogie  kann  man  wohl  auch 
von  flos  artiimi,  der  Blütezeit  der  Künste,  sprechen.  Ygl.  auch  s.  v. 
Florere. 

Fliidiiare.  Ursprünglich  war  in  eigentlicher  und  tropischer 
Bedeutung  nur  diese  aktive  Form  gebräuchlich,  z.  B.  fluctuat  mare 
und  fluctuare  video  vehementer  mare,  Plaut.  Rud.  303  und  903  und: 
quid  si  animus  fluctuat,  Merc.  890;  fluctuat  aer,  Lucr.  6,  367  und 
mens  fluctimt,  Catull.  65,  4  und  so  durchgängig  bei  Yirg.,  eigentlich 
georg.  2,  281:  late  fluctuat  omnis  aere  renidenti  telliis  und  trop. : 
amor,  ira  fluctuat,  Aen.  4,  532  u.  12,  527;  aestu  curarum  nunc 
huc,  nunc  illuc  fluctuare,  ibid.  10,  680.  Cicero  bedient  sich  der 
aktiven  Form,  Att.  2,  12,  3,  unsicher  ac.  2,  29.  Die  aktive  Form 
steht  auch  beim  altern  Plinius:  flucttutnt  insulae,  2,  209;  fluc- 
tuat seges  bei  Sen.  Herc.  für.  699  und  fluctuamus  inter  varia 
consilia,  Sen.  epp.  52,  1  und  epp.  111,  4,  sowie  noch  Sp.  L.  bei 
Paneg.,  vgl.  Chruzander  S.  28.  Mit  Livius  kommt  auch  das 
mediale  fluctuor  im  eigentlichen,  besonders  aber  in  tropischem  Sinne 
vor:  (in  Empfindungen,  im  Entschluss)  hin-  und  herschivayiken, 
neben  der  aktiven  Form,  wie  Drakenborch  und  Fabri  zu  Livius  23, 
33,  3  und  Drakenb.  und  Weissenborn  zu  Liv.  36,  10,  4  nachweisen. 
So  sagt  unter  anderen  Kaiser  Augustus  in  einem  Brief  an  Livia 
(bei  Suet.  Claud.  4):  ne  semper  inter  spem  et  metum  fluctuemur. 
Curtius,   der  Nachahmer    des  Livius,    hat  ebenfalls  fluctuari   animo, 

4,  12,  21  und  ebenso  Yal.  Max.  8,  1,  Amb.  2.  Über  den  Gebrauch 
überhaupt  s.  Quintil.  9,  3,  7  und  Neue-Wagener^  III  S.  43  (wo 
aber  ungenau  Suet.  Claud.  4  fürs  Aktiv  zitiert  ist). 

Fiuere,  von  der  Rede  gebraucht,  entspricht  nicht  unserm 
fliessend  sprechen,  dies  ist  currit  oratio  Cic.  fin.  5,  84;  fluere  be- 
zeichnet eine  fehlerhafte  Eigenschaft  des  Stiles,  vgl.  Nägelsb. -Müller^ 

5.  562,  Anm.;  erst  N.  Kl,  z.  B.  Plin.  ep.  5,  17,  2  ist  fluens 
fliessend.     Yon  der  Zeit,  verfliessen,  vergehen,  ist  fluere  vorherrschend 


Flumen  —     600     —  Foederare 

poet.  wie:  tarda  fliiimt  tein'pora  u.  dgl.,  wofür  in  Prosa  eflluere  ge- 
wöhnlich gesagt  wird.  Indes  ist  doch  auch  fluere  nicht  ohne  pros. 
Belege:  fluxisse  annos  (luindecim,  Lact.  mort.  18,  3.  Quadriennium 
ita  in  urhe  fluxii,  iit  .  .  Eutrop.  2,  3  und  fluunt  dies  et  irreparalilis 
Vita  decurrit,  Sen.  epp.  123,  10;  dies  ex  sententia  fliixit,  Ennodius 
107,  8;  117,  24  H.  Dazu  kommt,  dass  dieser  Gebrauch  sich  sogar 
bei  Cicero  findet,  vgl.  orat.  10  cetera  iiasci  occidere,  fluere  lahi  und 
fin.  2,  106  fiuit  volu'ptas  corporis,  wozu  Nizohus  bemerkt  lahitur  et 
praeterit.  Fixiere  luxii  ist  P.  L.,  z.  B.  Tib.  2,  3,  51,  aber  auch  Liv. 
hat  es  gebraucht:  Camimni  fluentes  luxu;  klass.  ist  diffluere,  z.  B. 
Cic.  off.  1,  106  (luam  sit  turpe  diffluere  luxuria;  vgl.  Archiv  X  S.  55. 

Flumen  und  fluvius,  Strom,  Fluss.  Da  man  bei  fluvius  nur 
an  Fluss  denkt  (=  der  Rinner),  ohne  die  Nebenidee  des  Fliessens 
und  Strömens,  so  wird  es  auch  nicht  bildlich  angewendet,  so  dass 
nicht  einmal  fliivio  secundo,  Strom  ahivärts,  und  fluvio  adverso, 
Strom  aufwärts  gesagt  wird,  wogegen  flumine  richtig  ist,  weil  in 
flumen  auch  der  Begriff  Fliessen  liegt  (==  das  Rinnende).  Dieses 
Wort  wird  dem  entsprechend  in  nahe  liegender  Metapher  auch 
bildlich  gebraucht,  z.  B.  flumen  orationis,  verlj07'um  u.  a.,  vgl.  Nägelsb.- 
MüUer^  S.  547,  ja  flumen  ingenii  bei  Cic.  Marc.  4  ist  trotz  Fr.  A. 
Wolf  heute  unbeanstandet.  Jedoch  nirgends  kommt  Kl.  vor  flumen 
lacrimarum  profundere,  wie  wir  sagen:  einen  Strom  von  Tränen 
vergiessen,  für  vim  lacrimarum  profundxre  (Cic.  somn.  Scip.  3). 
Aber  imher  lacrimarum  findet  sich  Sp).  L.  bei  Hieron.  epp.  22,  30 
u.  Aug.  enarr.  in  Ps.  6  §  10  init.  und  rivis  lacrimarum  cdtaria 
eluere  bei  Greg.  lib.  sacram.  S.  154,  uherihus  oculorum  fluminihus 
demonstrahat  bei  Ennodius  307,  7  H.  —  Über  flumen  und  fluvius 
—  dies  hat  Caes.  gar  nicht  —  vgl.  Hey  Semas.  Stud.  S.  117, 
Archiv  YH  S.  588  (wo  Wölfflin  jeden  semasiologischen  Unter- 
schied abweist,  weil  Caes.  nur  das  eine  gebrauche),  Wölfflin  Epigr. 
Beitr.  H  S.  167. 

Focus,  Herd.  Unsere  Physiker  nennen  so  den  Brennpunkt; 
doch  kommt  es  bei  den  Alten  in  dieser  Bedeutung  nicht  vor  und 
muss  also,  wenn  es  in  derselben  angewendet  wird,  durch  einen  Zu- 
satz gemildert  und  verständlicht  werden,  z.  B.:  Strahlen  in  einen 
Bj^ennpunkt  sammehi,  radios  tanquam  in  focum  quendam  colligere. 
In  der  Redensart  arae  et  foci  steht  focus  ausschliesslich  im  Plural, 
wie  überhaupt  Cic.  den  Plural  foci  in  der  Bedeutung  ,^Haus^^  be- 
vorzugt und  in  den  Reden  ausschliesslich  braucht,  vgl.  Riemann 
etudes  S.  51  Anm.  2.  Erst  Sp.  L.  seit  den  scr.  h.  Aug.  ist  focus 
=  feu,  z.  B.  focum  facere;  vgl.  Gölzer  Hieron.  S.  263,  Rönsch  Ital. 
S.  313  u.  Coli.  phil.  S.  146. 

Foederare,  verbinden,  ist  erst  Sp.  L.  und  nicht  zu  brauchen; 
vgl.  Gölzer  Hieron.  S.  171.  Sich  mit  einem  verbinden  heisst  sihi 
aliquem  foedere  iungere,  adiungere,  coniungere  u.  a.  Üblich  ist  nur 
foederatus,  verbündet,  was  zuerst  im  sen.  cons.  de  Bac.  und  dann 
oft  bei  Cic.  sich  findet;  Plur.  =  die  Verhündeten,  Cic.  Balb.  20. 


Foeneratus  —     601     —  Föns 

Foeneratus;  vgl.  Feneratus. 

Foetor,  der  üble  Geruch^  Gestank^  ist  nicht  bloss  N.  Kl.  bei 
Columella  und  dem  altern  Plinius  für  foeditas  odoris,  sondern  Kl. 
bei  Cic.  Pis.  22,  bei  Suet.  Octav.  86  gebraucht  von  Kaiser  Augustus. 
Für  das  Verbum  foetere,  stinken,  setzt  man  lieber  mcde  olere,  obgleich 
das  Adj.  foeüdMS,  stinkend,  mit  os  verbunden,  bei  Cicero  Pis.  13 
vorkommt.  Über  die  Schreibung  faeteo  oder  feteo  vgl.  Keller  Etym. 
S.  56;  die  neusten  und  besten  Texte  halten  an  foetor,  foeteo  fest. 

Folium,  das  Blatt.  Vom  Fajner  gebraucht,  kommt  es  vielleicht 
in  der  früheren  Zeit  nirgends  vor,  da  in  der  einzigen  Stelle  des 
altern  Plinius  (37,  29,  s.  v.  Jans  Ausgabe,  Script,  discrep.  S.  87) 
jetzt  diartarum  fila  gelesen  wird.  Aber  Sp.  L.  findet  es  sich  Macr. 
sat.  5,  4,  1 :  ille  manu  retractis  in  calcem  foliis  sie  exorsus  est.  Das 
KL  "Wort  dafür  ist  plagida  oder  Charta.,  und  ein  einzelnes  Stück 
Papier  hiess  schedida.  Die  plagida,  charta  oder  ein  Stück  Papier 
hatte  zwei  Seiten,  welche  paginae  hiessen,  die  eine  pagiyia  prior, 
die  andere  pagina  altera.  —  Über  unsere  Redensart  vo7n  Blatte  ab- 
lesen vgl.  Charta.  —  N.  L.  ist  von  Büchern  die  Redensart  in  Folio, 
welche  ohne  den  Zusatz  iit  dicitur,  ut  nos  dicimus  nicht  anwendbar 
ist.  Die  natürlichste  Bezeichnung  dafür  ist  forma  binaria,  und 
ebenso  für  in  Quarto,  forma  quaternaria;  für  in  Octavo,  forma 
octonaria,  und  für  in  Duodecimo,  forma  diiodenaria.  Nur  diese 
Zahlwörter  sind  zu  brauchen.  —  Das  trop.:  das  Blatt  hat  sich  geiuendet 
ist  fortuna  vertit  oder  versa  est,  s.  Tac.  bist.  3,  16,  conversa  subito 
fortuna  est,  Nep.  Att.  10,  1. 

Fomentare,  bähen,  und  fomentatio,  die  Bähimg,  sind  erst 
Sp.  L.  für  fovere  und  fomentum.  Das  letztere  kommt  im  Kl. 
u.  N.  Kl.  nur  im  Plural  vor,  der  Sing,  ist  Sp.  L.,  vgl.  Gölzer 
Hieron.  296.  Es  wird  bei  Cicero  auch  trop.  verwendet:  fomenta 
dolorum  sind  Linderungsmittel,  Balsam  auf  die  Wunden,  Cic.  Tusc. 
2,  59. 

Fofis.  Der  Ursprung  eines  Flusses  ist  fons  oder  fontes,  sofern 
sich  mehrere  Quellen  zu  einem  Fluss  vereinigen,  z.  B. :  Nilus  qui 
fontium  celat  originem.  Hör.  carm.  4,  14,  45,  ebenso  fontes  Alandri, 
Liv.  38,  15,  15.  Padi  fons  mediis  diebiis  aestivis  semper  aret,  Plin. 
nat.  2,  229.  Bisweilen  wird  fontes  auch  von  Heilquellen,  mineralischen 
Quellen  gebraucht,  indem  Celsus  (4,  5)  frigidos  medicatosque  fontes 
erwähnt,  und  Horaz  (epist.  1,  15,  8)  die  kalten  Schwefelquellen  zu 
Clusium  und  Gabii  —  fontes  Clusinos  Gabinosque  nennt  und  Plin. 
nat.  5,  72 :  fons  calidus  medicae  sahibritatis  und  medicatorum  fontium 
vis,  2,  207.  Kl.  jedoch  ist  aquae  das  fast  stehende  Wort  für  heil- 
bringende Gewässer;  und  so  sage  man  also  lieber  aquae  Spadanae, 
die  Heilquellen  und  Bäder  von  Spaa,  als  fontes  Spadani;  aquae 
Mattiacae,  Badenses,  Pyrmontenses  u.  a.  lieber,  als  fontes  Mattiaci 
u.  s.  w.  Ygl.  unter  Aqua.  —  Oft  wird  fons  auch  trop.  gebraucht: 
fons  iuris,  mali,  philosophiae  u.  dgl.,  und  dann  gerne  mit  capiit 
verbunden,  z.  B.  Cic.   de    orat.    1,  195   legum  fontes   et  capita,   vgl. 


Foraminare  —     602     —  Formare 

Landgraf  p.  Rose.  Am.  S.  275;  Cic.  Piso  97  ex  illo  fönte  et  semina- 
rio  u.  ä. 

Foraminare^  durchbohren,  ist  N.  L.,  wiewohl  foiximinatiis  Sp. 
L.  bei  Sidon.  ep.  2,  2  vorkommt,  für  perforare,  perterehrare. 

Foras,  hinaus,  nicht  draussen,  ausserhalb,  was  foris  heisst; 
Gegensätze  sind  foris  und  intus,  Lucil.  298,  Yarro  r.  r.  2,  2,  7, 
sowie  foras  und  intro,  Yarro  3,  16,  32.  Man  verwechsle  beide 
nicht,  wie  dies  häufi*  im  Sp.  L.  geschieht,  vgl.  Rönsch  Coli.  phil. 
S.  102,  127,  Bonnet  Greg.  579;  z.  B.:  draussen,  auswärts  oder  zu 
Gaste  essen  heisst  foris,  nicht  foras  cenare;  dies  ist  vulgär,  wie 
Petron.  30  zeigt.  Foris  ist  aber  auch  von  aussen  her,  von  auswärts, 
z.  B.  foris  petere  consilium,  Cic.  Phil.  2,  26  und  foris  adsumuntur 
ea,  de  erat.  2,  173  und  auxilium  non  petendmn  est  foris,  Cic.  Tusc. 
3,  6.  Hingegen  für  unser  ein  Buch  herausgeben  sagt  man  gut 
libriim  foras  dare,  Cic.  Att.  13,  22,  3,  neben  librwn  edere,  proferre, 
efferre.  —  Als  Präposition,  z.  B.  foras portam,  wird  es  wohl  nur  im 
Kirchenlatein  vorkommen,  vgl.  Gölzer  Hieron.  S.  334;  ebenso  ist 
foris  als  Präpos.  mit  Abi.  nur  EccI.,  vgl.  Hartel  in  \Yölfflins  Archiv 
ni  S.  21;  aber  foris  mit  Accus.,  z.  B.  fojns  urbem,  hat  auch  ApuL, 
es  ist  übrigens  sehr  selten,  vgl.  Archiv  X  S.  386.  Sp).  L.  ist  a 
foris  oder  de  foris,  vgl.  Hamp  im  Archiv  Y  S.  344  und  Bücheier 
Rhein.  Mus.  LXI  S.  143,  sowie  Bonnet  Greg.  S.  483. 

Foris,  als  Subst.  Sing.,  bedeutet  Kl.  eine  einfache  Türe,  for^es 
als  Plural  aber  eine  Flügeltüre.  Unser  vor  der  Türe  sein  ist  ante 
fores  esse,  vgl.  Lucil.  1107,  aber  tropisch,  d.  h.  ymhe  sein,  heisst  es 
nicht  ante  fores  esse,  sondern  instare,  prope  adesse.  Man  merke  das 
trop.  durch  cpiasi  gemilderte  qua  commendatione  quasi  amicitiae  fores 
aperiuntur,  Cic.  fam.  13,  10,  4. 

Forma.  D.  L.  ist  unser  ^wo  forma  in  der  Bedeutung  zum  Schein, 
für  simulans,  specie,  consuetudinis,  simulandi  causa,  s.  Nägelsbach- 
MüUer^  S.  68;  hier  ist  ausführlich  über  die  Art  gehandelt,  wie  man 
das  deutsche  ,^Form^'  lateinisch  gibt.  Ygl.  Praetextum.  Ebenso 
ist  D.  L.  in  forma,  in  der  Form,  d.  h.  für,  gleich,  ähnlich,  für 
pro,  z.  B.  pro  testimonio  (Cic.  S.  Rose.  101),  in  der  Form  eines 
Zeugnisses.  ^Yas  wir  Form,  d.  h.  Ausdruck,  Darstellung  einer  Schrift 
nennen,  ist  meist  nur  oratio,  nicht  forma. 

Formare  wird,  wie  conformare  und  informare,  oft  mit  dem 
Abi.  eines  geistigen  Mittels,  z.  B.  artibus  (vgl.  Conformare)^  aber 
nirgends  bei  Cic.  Caes.  Sali,  in  der  Bedeutung  (geistig)  bilden,  aus- 
bilden  gebraucht,  für  erudire;  sich  nach  dein  Charakter  eines  andern 
bilden  ist  =  in  mores  cdicuius  se  formare,  s.  Liv.  1,  21,  2.  Oft 
steht  formare  nach  dem  Yorgange  von  Hör.  carm.  1,  10,  3  und  3, 
24,  54  bei  den  besten  Nachklassikern  in  diesem  Sinne  ganz  absolut, 
s.  Plin.  epp.  1,  14,  3:  ita  a  me  formari  et  itistittti  cupit,  ut  .  .  ., 
ebenso  Paneg.  47,  1,  u.  88,  3;  oft  bei  Quintil.  Aber  ein  gebildeter 
Mann  ist  liomo  eruditus,  nicht  formatus.  Ebenso  ist  fonnatio  nicht 
Bildung  in  geistigem  Sinne,  für  eruditio  (vgl.  auch  Informatio)^  wie- 


Formidabilis  —     603     —  Forsitan 

wohl  es  mit  Genitiv,  z.  B.  cmimi,  morum,  ingenio?mm  N.  Kl. 
verbunden  wird.  So  stellt  auch  formator  morum  bei  Plin.  epp.  8, 
23,  2  und  ebenso  bei  Colum.  u.  Quintil.  Man  meide  formare  und 
seine  Derivata  in  der  angegebenen  Bedeutung,  da  wir  Kl.  Wörter 
für  den  Begriff  besitzen  und  der  N.  Kl.  Brauch  offenbar  poeti- 
sierend  ist. 

Formidabilis,  furchthar,  ist  nur  P.  und  in  Prosa  N.  Kl.  bei 
Sen.  (epp.  123,,  15)  und  Sp.  L.  für  formidolosus ,  terribilis  u.  a. 

Formidare  oder  formulariimi,  ein  Formular ,  ist  N.  L.  für  /br- 
mida,  exemplum,  verha  quae  quis  edidit.  Formida  =  Formel,  Redens- 
art ist  N.  L.,  aber  =  juristische  Formel  ist  es  klass.,  vgl.  Cic.  fam. 
7,  12,  2  u.  18,  2. 

Fürs,  fors  sit  und  forsit  als  Adverb.,  in  der  Bedeut.  vielleicht, 
sind  nur  P.  L.  für  fortasse. 

Forsan,  vielleicht,  hat  zuerst  Ter.;  es  ist  indes  nicht  nur  P.  L., 
sondern    kommt   in    Prosa   bei    Livius    zweimal   vor    (3,  47,  5    und 

10,  39,  14),  später  freilich  gebraucht  Liv.  nur  die  Form  forsitan, 
vgl.  Archiv  X  S.  59 ;  im  b.  Afr.  45,  2  liest  Wölfflin  forsitan  statt 
forsan;  N.  Kl.  findet  es  sich  zweimal  bei  Quintil.  1,  5,  6  und  12, 
1,  31  (1,  5,  16    steht  nach  Halm  jetzt  fo^^sitan).,  Colum.  r.  r.  3,  9, 

1.  Spätere  Autoren  zitiert  Sjöstrand  S.  30  ff.,  wo  der  Gebrauch  von 
forsan  eingehend  behandelt  ist.  Bei  Curtius  ist  nach  Zumpt  zu 
Gurt.  3,  5,  11  überall  forsitan  zu  korrigieren.  Nicht  zu  empfehlen 
ist  nisi  forsan  für  nisi  forte;  8p.  L.  bei  Claud.  Mam.,  der  über- 
haupt forsan  häufig  verwendet,  steht  zwar  si  forsan  und  an  forsan, 
allein  dies  sind  keine  nachahmenswerten  Quellen. 

Forsitan,  vielleicht,  findet  sich  zuerst  bei  Ter.  Eun.  197  und 
Phorm.  717  und  zwar  seinem  Etymon  gemäss  nur  mit  dem 
KonjunMiv  des  Präsens;  das  gleiche  gilt  für  Cicero;  Lig.  38 
liest  C.  F.  W.  Müller  posttdet,  Yerr.  1,  98  hahendi  sint.  Doch 
finden  wir  bei   Cic.  auch  den  Konj.  Imperf.  u.  Plusq.,  z.  B.  de  or. 

2,  189  u.  ofe.  1,  112.  Als  Adv.  hat  es  Cic.  nur  Phil.  3,  29  alii  spe 
forsitan  y^ecuperandae  lihertatis.  Livius  stimmt  mit  dem  Ciceroni- 
schen Gebrauch  insofern  überein,  dass  auch  er  forsitan  oft  als  eine, 
den  Konjunktiv  regierende  Partikel  behandelt,  z.  B.:  et  forsitan 
dicatis,  31,  31,  19;  matrem  insimidare  forsitan  fas  non  sit,  39,  10, 
4;  forsitan  inter  tumultnm  exui  castris  rex  potuerit,  31,  38,  4;  nee 
ambigere  unquam  de  eo  (regno)  forsitan  debeam,  40,  15,  4;  ne  illud 
quidem,  qiiod  ([uosdam  forsitan  moveat,  refert  ...  9,  9,  7;  ebenso 
verum  haec  apiid   eos  forsitan   quaerantur,   qui  .  .  .  Quintil.  2,  16, 

11.  Indes  wird  forsitan  von  Livius  oft  völlig  als  Adverb  genommen 
und  ist  somit  ohne  Einfluss  auf  den  Modus  des  Zeitwortes,  z.  B.: 
quei^elae  ne  tum  quidem  gratae  futurae,  cum  forsitan  necessariae 
erunt,  I,  Praef.  §  12,  wo  der  Indikativ  erunt  nicht  von  forsitan, 
sondern  von  der  Modalität  des  Gedankens  veranlasst  ist;  ebenso 
kann  forsitan  auch  in  einem  Infinitivsatz  oder  in  erat,  obliqua 
stehen:   Pro  se  quisque  credere,    Carnis  forsitan   aut  Histris  bellum 


Fortasse  —     604     —  Fortasse 

inlatum,  Liv.  43,  1,  7;  foi^sitan  etiam  ardoris  aliquid  ad  bellum 
inventiirum,  Liv.  1,  53,  9  und  diem  temjnisque  forsitan  ipsiim  leni- 
tiinini  iras,  ibid.  2,  45,  2  u.  5,  15,  10.  So,  d.  h.  adverbial,  wird 
forsitan  denn  auch  von  Liv.  u.  a.  angewendet,  wenn  es  sieb  niebt 
auf  den  ganzen  Satz,  sondern  auf  ein  einzehies  Wort  beziebt,  z.  B.: 
forsitan  et  puMica,  siia  certe  liherata  ßde  in  castra  .  .  .  redierimt, 
Liv.  9,  11,  13  und  ganz  ebenso  22,  23,  5;  früber  scbon  sagt  Sali. 
Jug.  106,  3  incertae  ac  forsitan  imidlo  post  morho  interitiirae  vitae 
imrcere.  Bei  Cur  t ins  stebt  aber  forsitan  immer  völlig  adverbial, 
daber  es  aucb  in  allen  Modi,  welcbe  die  Bescbaffenbeit  des  Ge- 
dankens erbeiscbt,  nacb  dem  Vorgang  von  Livius  erscheint,  z.  B.: 
qnodsi  saltem  'pacem  bona  fide  peteret,  deliberay^em  forsitan^  an  darem, 
Curt.  4,  11,  18,  wo  deliberarem  niebt  von  forsitan,  sondern  von  der 
Besonderheit  der  bypotbetiscben  Annabme  abbängt;  ebenso  neben 
dem  Indik.  Fut. :  iyicipies  forsitan  iiistns  esse  rex,  ibid.  7,  4,  17  und 
dem  Indik.  Praes.:  forsitan  non  jiericidosius  est  tacere  quam  dicere, 
7,  1,  37  und  beim  Indik.  Perf. :  forsitan  ita  dii  fata  ordinavenmt, 

4,  14,  20  (docb  Stangl  und  Vogel- Weinbold  §  108  Anm.  lesen 
ordinaverint).  Ebenso  ist  es  im  Sp>.  L.,  z.  B.  bei  Hieronymus, 
Sulp.  Sev.,  Min.  Fei.,  Firm.  Mat.  u.  vielen  andern;  vgl.  z.  B. 
Bonnet  Greg.  S.  307.  Aucb  mag  nocb  beacbtet  w^erden,  dass 
forsitan  meistens  nur  in  Hauptsätzen,  seltener,  jedocb  bei  guten 
Autoren,  aucb  in  Konjunktionssätzen  gebraucht  wird.  Zwar  si 
forsitan  etc.  bei  Curt.  7,  5,  42  ist  jetzt  getilgt,  sieber  dagegen  sind 
folgende  Stellen:  minime  consentajieum  est,  cum  hello  tuo  forsitan 
vix  sufficias,  liuc  te  ad  opem  ferendam  aliis  gloriari  venisse,  Liv.  10, 
18,  13;  decrevi  hrevi  ad  te  perscrihere,  non  quo  ea  te  fugere  existimem, 
sed  quod  forsitan  dolore  impeditus  minus  ea  perspicias,  Serv.  bei 
Cic.  fam.  4,  5,  1;  neque  id  facio,  ut  quihusdam  forsitaii  videar, 
simidatione,  Cic.  fam.  1,  8,  2,  Verr.  2,  11;  im  Sp.  L.  z.  B.  bei 
Hieron.  erscheint  forsitan  auch  nach  si,  nisi,  ne,  z.  B.  consideremus, 
ne  forsitan  idcirco  sit  dictum,  vgl.  Gölzer  Hieron.  S.  433;  auch 
Oros.  4,  23,  11  hat  ne  forsitan,  Claud.  Mam.  "wiedevhoU  an  forsitan. 
Näheres  sehe  man  bei  Sjöstrand  S.  18  ff. 

Fortasse,  fortasse  an  und  fortassis.  Die  zweite  Form  kommt 
in  Prosa  ausser  bei  Varro  (vgl.  darüber  Reiter  S.  105)  nur  Sp.  L. 
bei  Gellius,  vgl.  Gorges  Gell.  S.  7,  vor,  P.  nur  bei  Acc.  trag.  121 
R. ;  sie  ist  nicht  zu  brauchen.  Rücksichtlich  der  dritten,  fortassis, 
wurde  scbon  von  Manutius  (zu  Cic.  fam.  2,  13,  2)  bezweifelt,  ob 
sie  gut  prosaisch  sei;  dieselbe  ist  bei  Cicero  in  vielen  Stellen,  wo 
sie  sonst  stand,  durch  fortasse  ersetzt;  z.  B.  Sest.  121.  Aucb  Cic. 
Cluent.  144  schreibt  C.  F.  W.  Müller  fortasse,  ib.  201  aber  fortassis, 
allein  hier  mit  der  Anmerkung:  si  mell.  codicihus  uteremur,  ne  hie 
quideni,  ut  opinor,  scrihi  oporteret;  damit  ist  ausgesprochen,  dass 
der  gewiegte  Cicerokenner  fortassis  für  nicht  cic.  hält.  Auch 
dem  altern  Seneca  ist  fortassis  wohl  abzusprechen,  vgl.  Sander  1880 

5.  19.     Dagegen    bei  ]?lin.  nat.   und   in  Quint.  decl.,   ferner  im  Sp. 


Forte  —     605     —  Fortis 

L.  z.  B.  bei  Hieronymus,  Rufinus  u.  andern  ist  fortassis  nicht  gerade 
selten,  vgl.  Gölzer  Hieron.  S.  433  f.;  auch  hat  es  Orosius  5,  22,  9, 
Lucifer  an  10  Stellen,  nie  fortasse,  vgl.  Hartel  in  Wölfflins  Archiv 
III  S.  21,  oft  Claud.  Mam.,  sogar  si  fm^tasds,  einmal  Ennodius  350, 
13  H.,  zweimal  Cyprian  475,  8;  558,  7  H.,  auch  Ulpian  u.  andere 
Juristen,  vgl.  Kalb  Roms  Juristen  S.  131,  Ulpian  über  20  mal, 
öfters  Greg.  Turon.,  vgl.  Bonnet  S.  307,  u.  a.  —  Die  beste  Form 
ist  fortasse,  aber  weder  in  Fragen  üblich,  noch  bei  si,  sin  (Cic. 
Tusc.  5,  117),  7iisi  (jii)  und  ne,  wo  dafür  forte  stehen  muss.  Nur 
einmal  steht  nisi  fortasse  für  nisi  forte  in  den  Briefen  Cic.  ad  Brut. 
1,  15,  3;  dies  erklärt  Paul  Meyer  S.  128  als  eine  Korruptel,  ent- 
standen durch  das  vorhergehende  fortasse;  auch  im  A.  L.  ist  bei 
den  Komikern  dergleichen  zu  finden.  Bei  Plin.  epp.  1,  2,  5 :  si 
modo  tu  fortasse  errori  nostro  alhum  calcidum  adieceris  gehört 
fortasse  nicht  zum  ganzen  Satze,  sondern  zu  tu,  und  wird  dadurch 
entschuldigt.  —  Forte  ayi  und  fortan  sind  nicht  lat.,  vgl.  darüber 
sowie  über  alle  hier  genannten  Formen  Hand  Tursellin.  T.  II, 
S.  710—742,  sowie  Sjöstrand  S.  18—42. 

Forte,  von  ungefähr,  zufällig,  hat  auch  die  Bedeutung  etiva^ 
vielleicht,  aber  nur  bei  si,  sin,  nisi  (ni)  und  ne,  wovon  unter  For- 
tasse die  Rede  war.  Nur  bei  Dichtern  und  einigen  Nachklassikern, 
z.  B.  bei  Yitruv,  auch  im  Sp.  L.,  z.  B.  bei  Sulp.  Sev.  D.  2,  13,  4  H, 
nirgends  aber  in  Kl.  Sprache,  hat  es  ausser  den  genannten  Be- 
deutungen auch  die  von  vielleicht;  also  ist  es  inkorrekt,  wenn  forte 
im  N.  L.  in  dieser  Bedeutung  gebraucht  wird,  wo  nur  fortasse 
oder  forsitan  Kl.  und  gut  sind.  —  So  findet  man  oft:  ita  forte 
legendum,  scribendum  est;  ita  forte  hie  locus  explicandus  est;  forte 
huc  pertinet  glossa  Timaei;  nee  fo7ie  iniuria.  Umgekehrt  hat  Greg. 
Turon.  fortassis  u.  forsitan,  wo  forte  am  Platze  wäre,  vgl.  Bonnet 
S.  306.     Vgl.  noch  Hand  Tursell.  T.  II  S.  735—741. 

Fortis,  stark,  fest.  Man  hüte  sich,  fortis  valetudo  zu  sagen  für 
firma ;  erst  im  Sp.  L.  bezeichnet  fortitudo  die  GesundJieit,  vgl. 
Bonnet  Greg.  Tur.  S.  289;  ebenso  wenig  geht  an  forte  ve7-hmn  für 
firmum  (grave).  Fortis  ist  nämlich  im  Lat.  meist  Beiwort  von 
Menschen  und  damit  auch  ihrer  Eigenschaften  und  Taten;  vgl. 
Nägelsbach-MüUer^  S.  281,  Hey  Semas.  Stud.  S.  114.  Gut  ist  also 
z.  B.  fortia  consilia  Cic.  Sest.  51,  Liv.  9,  11,  4  u.  25,  31,  6,  Tac. 
bist.  3,  67 ;  ebenso  ist  gut  fortis  opera  =  tapfere  Dienste,  Liv.  40, 
36,  11  und  oft  fortia  facta,  Sali.  Cat.  59,  6,  Jug.  53,  8,  Liv.  26, 
39,  3,  Plin.  pan.  15,  5,  Curt.  7,  2,  38  und  forte  factum,  Cic.  Att. 
8,  14,  2,  nidlmn  fo7iins  factum,  Caes.  Gall.  3,  14,  9,  und  häufig  ist 
bei  Cicero  fortis  oratio,  forte  dicendi  genus  u.  dgl.  Gut  ist  ferner 
fortiora  solacia,  Tac.  ann.  4,  8.  Ja  fortis  wird  auch  von  starken, 
kräftigen  Tieren  gesagt,  s.  Lact.  6,  10,  13  und  Colum:  fortes  ad 
opera  hoves.  Ist  aber  die  Ableitung  von  fero  richtig,  so  wird,  um 
die  Tragkraft,  die  Widerstandsfähigkeit  zu  bezeichnen,  ganz  gut 
gesagt:   fortissima   munimenta,    August,    c.    litt.   Petill.  lib.  3,    §  47 


Fortuitu  —     606     —  Fortuna 

(Opp.  T.  11),  denn  forüssima  castra  findet  sich  vielleicht  sogar  bei 
Cic.  divin.  1,  72  (aber  C.  F.  W.  Müller  liest  florentissumä),  ligna 
forüssima  hat  nicht  nur  Veget.  1,  24  exrr.,  sondern  auch  Caes. 
civ.  2,  2,  4,  und  j^ons  fortior  steht  im  b.  Alex.  19,  2;  also  gut 
auch  forüssima  araira,  Plin.  epp.  5,  6,  10  und  fortiora  remedia, 
Tac.  ann.  1,  29  g.  E.  ^tark  sein  zu  etwas  ist  fortem  esse  ad  aliquid, 
Liv.  7,  40,  2;  stark  sein  gegen  etwas,  fortem  esse  contra  aliqiäd, 
Cic.  Tusc.  2,  41. 

Fortuitu,  von  ungefähr,  gleich  fortuito  und  forte,  ist  wohl  überall, 
wo  es  vorkommt,  zweifelhaft,  da  fortuito  Nebenlesart  ist  (sogar  in 
der  Sp.  L.  vita  Cypriani  8  ist  neben  dem  von  Hartel  aufgenom- 
menen fortuitu  durch  v  fortuito  überliefert).  Hand  (Tursell.  T.  II 
S.  743)  verwirft  diese  Form  als  eine  Sp.  L.,  die  sich  eingedrängt 
habe.  Ygl.  auch  Madvig  zu  Cic.  fin.  5,  33.  Man  brauche  nur 
fortuito.  Ygl.  Ellendt  zu  Cic.  de  orat.  1,  111,  der  es  nicht  verwirft, 
Wölfflin  Archiv  YI,  93,  der  es  b.  Afr.  3,  5  gerade  weil  es  die 
seltenere  Form  ist,  nicht  beanstandet,  Gölzer  Hieron.  S.  443,  der 
auch  auf  Bünemann  zu  Lact.  1,  2,  1  und  5,  20,  14  verweist. 

Fortuna,  fortunare.  Wiewohl  es  im  Sing,  und  im  Plur.  Glück 
und  Unglück^  glücklichen  und  unglücklichen  Zustand  (je  nach  dem 
Zusammenhange)  bedeuten  kann,  so  steht  doch  meistens  bestimmter 
dafür  fortuna  secunda  oder  prospera,  und  fortunae  secundae  oder 
l^rosperae,  sowie  fortuna  adversa  oder  affficta,  und  fortunae  adversae 
oder  afflictae.  Gut  ist  fortunam  habere  =  Erfolg  haben,  glücken, 
8.  Liv.  24,  34,  1,  und  fortunam  sibi  facere  =  sein  Glück  (durch 
eigene  freie  Tätigkeit)  machen  oder  begründen,  39,  40,  4.  Nirgends 
aber  kommt  wohl  vor:  fortunam  dare.  Glück  geben,  beglücken, 
segnen,  sondern  fortunare,  sospitare,  fortunam  sequi  =  das  Glück 
verfolgen,  ausnützen,  Tac.  bist.  4,  78.  Forte  fortuna  ist  =  zum 
guten  Glück,  zur  guten  Stunde;  vgl.  darüber  Preuss  S.  75,  der  auch 
eine  Kl.  Stelle,  Cic.  div.  2,  18  ([uid  est  quod  casu  fieri  aut  forte 
fortuna putemus^  zitiert.  —  Obgleich ahevfo7'tunatus,  glücklich, beglückt 
klass.  ist,  so  kennen  wir  doch  kein  Beispiel  für  fortunare  aliquem, 
wofür  man  entweder  sagt  alicui  aliquid  fortimare,  wie  bei  Cic.  fam. 
2,  2  u.  15,  7,  Horat.  epp.  1,  11,  22,  oder:  Gott  segjie  euere  Ab- 
sichten heisst  auch  nach  Plaut.  Trin.  576:  Deus  fortunabit  vestra 
consilia.  Endlich  kann  dieser  Sinn  auch  durch  einen  Relativsatz 
ausgedrückt  werden.  Die  Götter  gesegnen  euer  Tun  ist  bei  Liv.  6, 
41,  12:  quod  faxitis,  deos  velim  fortunare.  —  Unser  doch  das  wollen 
tvir  dem  Schicksal  überlassen  heisst  latein.  sed  hoc  (haec)  fortuna 
oder  fors  viderit.  Ygl.  Cic.  Att.  14,  11,  1;  4,  10,  1.  —  Der  Plur. 
fortunae  bedeutet  seit  klass.  Zeit  gewöhnlich  Glücksgüter;  bei  Plaut, 
aber  ist  fortunae  nur  =  Schicksal,  vgl.  Langen  Beitr.  S.  293,  z.  B. 
Stich.  300  secundas  fortunas  decent  superbiae,  Mil.  125  conqueritur 
fortunas  suas;  diese  Bedeutung  hat  es  auch  im  klass.  Lat.,  z.  B. 
mit  und  ohne  secundae  oder  adversae,  Cic.  Tusc.  5,  115,  Süll.  66, 
vgl.  dazu  Landgraf,  Caes.  Gall.  5,  3,  5  u.  6,  7,  4;  dafür  steht  jedoch 


Fovere  —     607     —  Prangere 

öfters  casus  secundi,  casus  adversi  und  das  allgemeine  fata  und 
casus.  —  Yon  dem  Plural  forUmae  in  der  Bedeutung  Vermögens- 
iimsUlnde  ist  das  Demin.  forüimdae,  die  kleinen  Vermögensumstände 
ohne  alle  Autorität. 

Fovere,  tvarm  halten,  heisst  trop.  sich  jemandes  mit  Wärme  an- 
nehmen, eifrig  für  ihn  Partei  ergreifen,  ist  also  stärker  als  favere, 
obwohl  foveo  und  faveo  ursprünglich  wohl  ein  Yerbum  waren, 
vgl.  Skutsch  bei  Kroll  Altertumswissenschaft  S.  332.  Für  foveo 
siehe  bei  Cicero:  indo  per  Pomponium  fovendum  tibi  esse  ipsiim 
Hortensiiim,  Q.  fr.  1,  3,  8;  inimicum  meum  fovehant,  fam.  1,  9,  10, 
Vettienum  et  Faherium  foveo,  Att.  15,  13,  3.  Pantomimos 
fovehat  effusius,  Plin.  epp.  7,  24,  4.  Callide  id  ignotum  fovehat, 
Tac.  bist.  1,  14.  Das  Objekt  kann  aber  auch  eine  Sache  sein,  z. 
B. :  fovere  voluntatem  alicuius  ==  unterstützen,  Liv.  3,  65,  1  und 
res  alicuius  fovere,  Liv.  24,  36,  9  u.  26,  38,  6;  fovere  partem  = 
begünstigen,  Liv.  42,  29,  11;  fovere  consilia  alicuius  =  fördern, 
Tac.  bist.  1,  46.  Gut  ist  ferner  spem  fovere  in  doppelter  Bedeutung, 
entweder  im  eigenen  Herzen  eine  Hoffnung  luarm,  d.  h.  aufrecht, 
lebendig  erhalten,  so  bei  Livius:  neqiiidquam  eos  perditam  spem  fovere, 
22,  53,  4  und:  caput  eins  Vitellianis  cohortibus  ostentatum,  ne  quam 
ultra  spem  foverent,  Tac.  bist.  3,  62.  Sodann  bedeutet  spem  alicuius 
(z.  B.  potentioyns,  Liv.  40,  5,  5)  fovere,  die  Hoffnungen,  die  Aus- 
sichten des  Mächtigeren  begünstigen,  und  inigyiantes  spe  fovehant, 
Liv.  38,  6,  5  ist:  sie  feuerten  an,  begeisterten  die  Kämpfenden 
durch  die  fast  sichere  Hoffnung,  dass  .  .  .  Aber  sententiam  fovere 
=  eine  Meinung  haben,  wie  es  sich  im  N.  L.  findet,  ist  ohne  alle 
Autorität. 

Fragmen,  Bruchstüch,  ist  P.  L.  und  N.  Kl.  (s.  Tac.  ann.  1, 
61,  Colum.  r.  r.  9,  15  extr.,  Suet.  Cland.  18,  Nero  26);  dafür  steht 
in  Kl.  Prosa  fragmentum,  z.  B.  Cic.  nat.  2,  82  fragmentum  lapidis, 
aber  nie  trop.  von  Resten  und  Überbleibseln  geistiger  Dinge,  von 
Worten,  Reden,  Briefen  und  Geisteswerken,  mag  es  auch  im 
physischen  Sinne  richtig  sein,  also  wohl  fragmenta  tahularum,  quibus 
fasti  (u.  dgl.)  continentur;  aber  nicht  orationis  alicuius,  huius  lihi 
u.  dgl.;  dafür  sagt  man  besser  reliquiae,  pars  (partes)  non  integra 
(integrae),  quae  restant  ex  libro  (libris),  qui  periit  (perierunt). 

Fragrare,  duften,  stark  riechen,  ist  ein  vorwiegend  poetisches 
Wort,  es  findet  sich  in  Prosa  nicht  vor  Suet.  Yesp.  8,  vgl.  Bagge, 
S.  25,  öfters  dann  im  Sp.  L.,  hier  auch  mit  dem  Accus. ;  während 
Suet.  Yesp.  8  schreibt  adulescentulum  fragrantem  unguento ,  sagt 
Hieron.  epp.  147,  2  unguenta  fragras.  Über  die  Formen  flagrare, 
fraglare,  fragare  vgl.  Bücheier  in  Fleckeisen  Jahrb.  1872  S.  111  f. 
und  Gröber  in  Wölfflins  Archiv  II  S.  424,  Engelbrecht  zu  Claud. 
Mam.  S.  92  und  dazu  berichtigend  Bonnet  Greg.  S.  175.  Blüten- 
duft ist  Kl.  =  odores,  qui  afßantur  e  floribus  Cic.  Cato  59. 

Prangere,  brechen,  zerbrechen,  wird  bei  den  Alten  oft  bildlich 
gebraucht.     Die   Wolken  brechen  sich  heisst  latein.  gewöhnlich  aller- 


Fratricidium  —     608     —  Frequens 

dings  nuhes  se  rumpunt,  riimjnintur.  So  sagt  man  für  unser  der 
Blitz  durchbricht  die  WolJien,  lat.  gleichfalls  fnhnen  nuhes  rumpit, 
Sen.  nat.  2,  58,  1  u.  54,  3:  spiritiis  rumint  nuhes.  Indes  wird 
von  demselben  Seneca  dafür  doch  auch  frangere  verwendet:  nuhes 
in  montem  actae  non  franguntar,  sed  circum  fanduntur,  2,  28,  2. 
Aber  gewöhnlich  ist  calor  se  frangit,  die  Hitze  hricht  sich,  lässt 
nach  (Cic.  de  or.  1,  265)  und  frigus  se  frangit,  die  Kälte  hricht 
sich  (Varr.  r.  r.  2,  2,  18),  fluctus  se  frangit  (Sen.  Med.  392),  glacies 
se  frangit  (Sen.  nat.  4,  5,  4);  frangere  fidem,  sein  Wort,  seine 
Zusage  hrechen  (Cic.  Rose.  Com.  16);  foedus  frangere,  das  Bündnis 
hrecheyi  (Cic.  Scaur.  42,  Pis.  28);  hrachium  frayigere,  den  Arm 
hreclten,  crus  frangere  u.  a.;  sogar  navem  frangit,  er  leidet  Schiff- 
brach  (Ter.  Andr.  222,  yiavem  is  fregit  apud  Andrum;  vgl.  rhet. 
Her.  4,  57).  Übrigens  hat  crura  frangere  bekanntlich  auch  transi- 
tive Bedeutung  und  zwar  sagt  man  frangere  crujxt  alicuius  und 
alicui,  s.  darüber  Cic.  Phil.  13,  27,  Yulg.  in  evang.  S.  loann.  19, 
31  u.  Suet.  Octav.  67,  Tib.  44,  so  auch  cervices  frangere  alicuius 
oder  alicui,  Cic.  Yatin.  26  u.  Yerr.  5,  147.  Ob  man  auch  sage 
testamentum  frangere,  ein  Testament  hrechen,  wagen  wir  nicht  zu 
entscheiden;  ein  Testament  aufheben,  für  ungültig  erklär eri,  ist 
testamentum  aholere  bei  Yell.  2,  58,  2,  und  rumpitur  testamentum 
agnascendo  (Cic.  de  orat.  1,  241)  ist  =  tvird  rechtlich  ungültig, 
kraftlos.  Frangere  aliquem  bedeutet  entweder  den  Sturz  jemandes 
herbeiführen,  ihn  demütigen,  niederbeugen,  oder  den  (harten)  Sinn 
eines  Mannes  hrechen.  Ygl.  Piderit  zu  Cic.  Brut.  95,  Yogel  zu 
Curt.  6,  1,  16.  —  Frayigere  =  sich  hrechen  ist  Sp.  L.,  vgl.  Archiv 
lY  S.  46,  Appel  Coripp.  S.  40. 

Frati'icidium,  der  Brudermord,  ist  sehr  *S^;.  L.  für  fratris  caedes, 
fraterna  nex,  parricidium  fi'aternum;  vgl.  Gölzer  Hieron.  S.  57. 

Fraudidosus,  betrügerisch,  ist  Sp.  L.  für  fraudulentus. 

FrenuSy  der  Zügel,  ist  zu  bezweifeln  statt  frenum;  vgl.  Neue- 
Wagener^  I  S.  817.  Yom  Plural  kommen  beide  Formen  freni  und 
frena  vor,  jedoch  so,  dass  freni  sowohl  bei  Dichtern  als  Prosaisten, 
frena  dagegen  nur  bei  den  ersteren  und  Sp.  L.  erst  in  Prosa  ge- 
funden wird.  Auch  bei  Cic.  top.  36,  was  der  Antibarb.  früher  für 
den  neutralen  Plural  zitiert  hat,  wird  freni  gelesen;  an  diese  Formen 
—  freni  und  frenos  —  halte  man  sich;  näheres  bei  Neue-AYagener 

I.  1.  —  Eine  Redensart  des  gewöhnlichen  Lebens  war  frenum  inordere, 
in  den  Zaum  knirschen,  die  Zähne  zeigen,  so  D.  Brut,  bei  Cic.  fam. 

II,  23  u.  Cic.  fam.  11,  24,  1;  vgl.  Hoppe  Progr.  Gumbinnen  1875 
S.  7,  Gebhard  S.  11.  Später  aber  fand  eine  Umprägung  des  Sinnes 
der  Phrase  statt  und  frenvm  mordere  ist  =  den  Zügel  annehmen, 
sich  fügen;  vgl.  Yollmer  zu  Stat.  silv.  1,  2,  27. 

Frequens  und  frequentes  wird  zwar  in  Bezug  auf  ein  Pe7\sonal' 
Subjekt  mit  dem  Yerbum  statt  der  Adverb,  frequenter,  saepe,  crebro 
verbunden,  aber  nicht  in  Bezug  auf  ein  Saclisubjekt.  Man  sagt 
zwar:  ille  frequens  est  nobiscura;  illi  fi^equentes  Antonii  domum  ven- 


Frequentare  —     609     —  Frons 

titant;  venio  in  senatum  frequens ;  freqiiens  aderat  in  senatu;  auch 
ithi  iKtbnlum  sit  frequens ;  ihi  frequentes  apparerit  turdi  (beides  bei 
Varro),  aber  nie  findet  sich  ähnliches  wie:  haec  sententia  veteribus 
frequens  commemoratur,  für  a  veteribus  saepe  (crehroj  commemoratur. 
Ausnahmen  gehören  Dichtern  an,  z.  B.  Terentian  1447  u.  1623, 
vgl.  Werth  S.  323.  —  Einige  verwerfen  frequens  sum  in  aliqua  re, 
ich  tue  ehvas  häufig;  aber  Cicero  sagt  (orat.  167):  nos  etiam  in 
hoc  genere  frequentes,  und  (ib.  202):  in  utroque  frequentiores  sunt 
poetae.  Ebenso  werden  Assidiius,  Creher  und  Multus  gebraucht, 
welche  Wörter  zu  vergleichen  sind.  Gut  aber  ist  frequens  ^=  bevölkert, 
belebt,  z.  B.:  nemus  agrestiiim  pavoniim  midtitudine  frequens,  Curt. 
9,  1,  13. 

Frequentare  ist  in  der  Bedeutung  häufig  brauchen,  oft  anwenden 
zwar  selten,  aber  doch  Kl.  bei  Cicero,  der  frequentatiis  de  or.  3, 
155  so  braucht  für  usitatus.  Haec  frequentat  Fhale^^eiis  maxime, 
Cic.  orat.  94  u.  85.  Also  kann  frequentare  neben  usurpare,  und 
frequentari  neben  in  usii  esse,  usurpa^^i  gebraucht  werden.  Aber 
frequeyitare  =  häufig  sein,  oft  vorkommen  ist  Sp.  L.,  z.  B.  bei 
medizinischen  Schrittstellern,  vgl.  Cael.  Aur.  Acut.  1,  2,  32  aiunt 
frequeyitare  hanc  passionem;  vgl.  Wölfflin  Cass.  Fei.  S.  417,  Rönsch 
Sem.  3,  42. 

Frons  kommt  in  früherer  Zeit  nie  in  der  bildlichen  Bedeutung 
Anfang  vor,  für  'principium,  initimn,  z.  B.:  in  prima  statim  fronte 
libri.  Diese  Yerwendung  von  frofis  ist  erst  iS^;.  L.,  z.  B.  bei 
Ennodius  66,  20  H  deo  gratias,  qiiod  in  fronte  epistidae  locandum 
fuit.  Beliebt  ist  fro7is  in  bildlichen  Ausdrücken,  wie  amicitiam  et 
inimicitiam  in  frontem  promptam  gero  Enn.  Sc.  12,  vgl.  Yahlen 
z.  St.;  fronte  occidtare  sententiam,  seine  Gedanken  hinter  der  Stirne 
verbergen,  Cic.  Lael.  65,  ferner  Cic.  Att.  4,  15,  7  utrum  fronte 
an  mente,  didntatur,  ob  es  yiur  äusserlich  oder  ob  es  ihm  tuirklich 
Ernst  ist,  darüber  herrscht  Ziveifel.  Ygl.  noch  Martial.  1,  24,  4 
nolito  fronti  credere  und  luv.  2,  8  frontis  nidla  fides;  dies  alles 
erklärt  sich  aus  Q.  Cic.  pet.  cons.  44  frons  est  animi  ianiia. 
Somit  bezeichnet  frons  ,^das  äussere  Ansehen'"'',  welches  jedoch 
bekanntlich  sehr  oft  täuscht.  Daher  kommt  auch  prima  fronte 
bei  Quint.  7,  1,  56  =  primo  adspectu.  —  Yon  der  Bedeutung 
^freche,  unverschämte  Stirne''''  finden  sich  schon  Spuren  bei  Cicero, 
z.  B.  Pis.  68  is  cum  istum  adidescentem  hac  dis  irata  fronte  vidisset, 
dann  bei  Horaz,  z.  B.  od.  2,  5,  16,  epp.  1,  9,  11,  dann  bei 
luvenal,  und  besonders  im  Si).  L.,  z.  B.  oft  bei  Ennodius,  vgl. 
Harteis  Index,  dann  bei  Aug.  c.  D.  3,  30  Anfang  und  frons 
impudens,  proterva,  Aug.  opp.  imperf.  c.  lul.  6,  21  (opp.  T.  14 
und  frons  impudeyitissima,  ibid.  27,  Hieron.  sagt  dafür  impudentia 
frontis,  adv.  Rufin.  1,  7).  In  der  früheren  Zeit  galt  jedoch 
mehr  als  fro7is  die  Mundpartie  os  als  der  physiognomische  Ausdruck 
von  dem,  was  wir  freche  Sthme  nennen,  z.  B.:  Quo  tandem  ore 
mentionem  corrupti  iudicii  facitisf  Cic.  Cluent.  65.     Quod  tandem,  os 

Krebs-Schmalz,  Antibaibarus  I.  39 


Frontispicium  —     610     —  F 


rui 


est  eins  loatroni,  qiii  ad  eas  caiisas  sine  uTla  scientia  iuris  audet 
decedere?  Cic.  de  orat.  1,  175.  Ygl.  Schmalz  Progr.  Mannheim  1881 
S.  16  und  Landgraf  p.  Sex.  Rose.  S.  296  f.,  P.  Meyer  Progr.  Hof 
1900  S.  3,  Otto  in  Wölfflins  Archiv  YI  S.  319. 

Frontisinciumy  der  Gielel,  ist  ein  K.  L.  Wort  für  frons,  fasti- 
gium. 

Fructificare,  Frucht,  Früchte  bringen,  -tragen,  ist  SiJ.  L.  für 
friictum  (fructus)  ferre. 

Fructiis  ist  die  Frucht,  der  Ertrag  und  trop.  der  Genuss,  der 
Lohn,  die  Befriedigung.  Was  diesen  Gewinn  im  eigentlichen  oder 
bildlichen  Sinne  gewährt,  steht  natürlich  im  Genitiv,  während  durch 
ex  nur  der  äusserliche  Grund,  die  äussere  Quelle  dieses  fructus  be- 
zeichnet wird.  L.  Fufius  ex  accusatione  21.  Aquillii  diligentiae  fruc- 
tum  cejjerat,  Cic.  Brut.  222.  Gui  fructum  inetatis  suae  neque  ex 
nie,  neque  a  iJOindo  Romano  ferre  licuit,  Cic.  Sest.  68.  Also  kann 
magnum  ex  tuis  litteris  fructum  cepi  nicht  bedeuten:  ich  habe  aus 
deinen  Briefen  grossen  Vorteil  gezogen,  sondern:  deine  Briefe  haben 
mir  eine  genussreiche  Lektüre  gewährt,  indem  bei  frucium  der 
Genitiv  lectionis  (wie  laborum  bei  Cic.  Plane.  92)  aus  dem  Zusammen- 
hange hinzuzudenken  ist.  S.  hierüber  Seyffert  zu  Cic.  Lael.  S.  442  f. 
—  Fructui  esse  ist  klass.,  vgl.  Cic.  fam.  10,  5,  2,  Pomp.  16,  auch 
Liv.  5,  4,  6  u.  34,  36,  3,  sonst  ganz  vereinzelt,  z.  B.  Suet.  gramm. 
24;  vgl.  Nieländer  1874  S.  26,  1877  S.  17  u.  35,    1893  S.  18. 

Frugalis,  sparsam,  kommt  in  der  Positivform  nur  bei  Sj).  L. 
vor,  ersetzt  v^ird  es  durch  frugi,  wie  schon  Quint.  1,  6,  17  lehrt; 
nur  der  Komp.  frugalior  ist  im  Gebrauche  bei  Terenz,  Plaut.  Trin. 
610  u.  Sen.  contr.  7,  6,  6;  7,  6,  20;  10,  2,  13;  dann  in  Ex- 
cerpta  contr.  6,  2  und  bei  Cicero  frugalis simus,  z.  B.  Yerr.  1, 
137  und  de  or.  2,  287.  Über  frugis  und  frugi  vgl.  Frux.  Das 
Adv.  frugaliter  hat  schon  Plaut.,  auch  ist  es  klass.,  z.  B.  Cic. 
fin.  2,  25. 

Frui.  Was  zunächst  die  Form  des  Perf.  betrifft,  so  ist  weder 
fructus  noch  fruitus  sum  aus  Cic.  u.  Caes.  zu  erweisen;  fruiturus 
steht  bei  Cic.  Tusc.  3,  38.  Man  meide  beide  Formen  und  halte  sich 
an  das  von  Seyffert  empfohlene  iisus  sum  oder  fructum  rei  cepi; 
beim  letzteren  ist  die  Quelle,  aus  welcher  der  Genuss  geschöpft  wird, 
mit  ex  und  dem  Abi.  zu  übersetzen.  Den  Nachweis  iviv  fructus  un^ 
fruitus  sum  sehe  man  bei  Neue-Wagener^  III,  542  und  587,  vgl. 
Gölzer  Hieron.  S.  290,  wo  jedoch,  wie  Sittl  im  Jahresbericht  über 
aS^;.  L.  richtig  tadelt,  „Cicero  solus"  auf  ein  Missverständnis  der 
Pauckerschen  Siglen  zurückzuführen  ist.  Yon  dem  A.  L.  und  Sp. 
L.  fruniscor  wurde  auch  das  Partizip  frunitus  zum  Ersatz  für  das 
ungebräuchliche  Partiz.  von  fruor  verwendet,  natürlich  nirgends  im 
Kl.  L.,  aber  bei  Petron.  41  quod  frunitus  est,  c[uamdiii  vixit,  dann 
auf  Inscr.,  im  Sp.  L.,  auch  schon  bei  Nov.,  vgl.  Gell.  17,  2,  8; 
näheres  bietet  Heraus  Progr.  Offenbach  1899  S.  7.  —  Die  Kon- 
struktion  aliquid  frui,   für    aliqua   re,   ist   nur   A.  L.    und   ^S};.  L., 


Frustra  —     611      —  Frux 

man  meide  sie.  —  Da  frid  immer  frohen  Gemiss  anzeigt,  wie  friii 
mimer e,  so  kann  es  nie  da  gebraucht  werden,  wo  es  bloss  haben 
bedeutet;  daher  sagt  man  nicht  fnd  vita  =  des  Lehens  sich  erfreuen, 
leben,  das  Lehen  haben;  ganz  gut  aber  ist  viia  frui  =  seines  Lebens 
froh  tverden^  sein  Leben  gemessen,  s.  darüber  Sali.  Cat.  1,  3,  Cic. 
Cat.  4,  7,  Sen.  epp.  61,  2,  Tac.  ann.  16,  17,  Macrob.  somn.  Scip.  1, 
10,  7.  So  sagt  man  auch  nicht  fl'ui  felicitate,  Glück  haben,  für  iiti 
felicitate  (Cic.  Brut.  4  perpetua  quadam  felicitate  usus  est)-^  nicht 
frui  valettidine  bona,  mala  — ,  sondern  uti.  Ygl.  Caes.  civ.  3,  49, 
6.  Vgl.  SeyfFert-Müller  z.  Laelius  S.  87.  Ich  füge  bei :  Cic.  prov. 
cons.  15  hac  consolatione  iituntur,  sie  trösten  sich  mit  dem  Ge- 
danken .  .,  ib.  §  16  sed  fruütur  sane  hoc  solacio,  er  labe  sich  immer- 
hin .  .;  vgl.  Landgraf  p.  Rose.  Am.  S.  366. 

Frustra,  vergeblich,  hängt  mit  fraus  zusammen  und  ist  eine 
Komparativbildung  (vgl.  dextera  und  dextra,  so  statt  fruster a  viel- 
mehr frustra)',  es  besagt,  dass  jemand  in  seinen  eigenen  Erw^artungen 
sich  täuscht  oder  getäuscht  wird.  Es  tritt  in  Prosa  nur  zu  Yerben ; 
die  Verbindung  mit  Adj.  ist  P.  L.,  z.  B.  Verg.  Aen.  2,  348  fortissima 
frustra  pectora.  Bemerkenswert  ist  frustra  esse,  welches  bei  Sali, 
und  seinen  Nachahmern  sehr  beliebt  war,  bei  Cic.  u.  Caes.  aber  sich 
nicht  findet;  aber  frustra  laborare,  conari,  telum  mittere  u.  ä.  sind 
KL  —  Schon  bei  Cicero  hat  frustra  die  Bedeutung  j^ohne  Grund^^ , 
z.  B.  fin.  2,  36  in  quo  frustra  iudices  solent  addere,  vgl.  Madvig 
z.  St.,  ebenso  wird  frustra  bei  Tac.  gebraucht,  vgl.  Nipp,  zu  Tac. 
ann.  1,  30.  —  Ein  wesentlicher  Bedeutungsunterschied  zwischen  frustra 
und  neqiiiquam  lässt  sich  nicht  durchführen;  das  letztere  wurde 
von  Cicero  sichtlich  gemieden  und  steht  auch  bei  Caesar  nur 
zweimal.  Vgl.  unter  Nequiquam.  Näheres  s.  bei  Wölfflin  im 
Archiv  II  S.  1  ff. 

Frustraneus,  vergeblich,  überflüssig,  ist  N.  L.  für  inutilis,  irri- 

tus,   supervacaneus.      Vey^gebliche  Arbeit  tun,   sich   vergebliche  Mühe 

geben,  heisst  operam  perdere,   operam  frustra  insumere,   auch  wohl 

acta,  ut  aiunt,   agere;   vgl.  darüber   Klotz  zu  Cic.  Lael.  S.  106.  — 

Vergebliche  Worte  reden  heisst  inanes  voces  fundere,  Cic.  Tusc.  3,  42. 

Frustrare,  täuschen,  soll  Caesar  in  einer  Rede  an  seine  Soldaten 
als  aktives  Verb  gebraucht  haben  (7ion  frustrabo  vos,  milites  Diomedes 
K.  I  S.  400).  Dies  hält  Frese  S.  66  für  wahrscheinlich.  Allein 
die  ganze  klass.  Zeit  kennt  kein  aktives  frustrare,  auch  Sali,  nicht 
(bist.  3,  48,  19  M.  ist  frustratur  Deponens);  erst  bei  Liv.  taucht  das 
aus  Plaut,  und  Pompon.  spärlich  belegte  Wort  wieder  auf,  aber 
auch  hier  —  Liv.  7,  38,  9  —  zweifelhaft.  Im  N.  Kl.  und  Sp.  L. 
ist  es  häufig,  vgl.  besonders  Neue-Wagener^  III  S.  45;  Gorges 
S.  20.  Über  die  Bedeutung  von  frustrari,  das  gegenüber  fallere 
eine  Färbung  ins  derbere  erkennen  lässt,  vgl.  Köhler  Lentulus  S.  39, 
über  frustratio  Bergmüller  Plane.  S.  17. 

Frux.  Der  Nomin.  findet  sich  (als  Adj.  u.  als  Subst.)  bei  Enn., 
vgl.  Vahlen  zu  Enn.  ann.  314,  u.  Auson.  monos.  de  cibis,  4,  S.  162 


Pucus  —     612     —  Fuofitare 


o 


Peiper.  Yom  Grenit.  friigis  finden  sich  nur  zicei  sichere  Belege  bei 
Hör.  a.  p.  341 :  experüa  frugis^  was  ohne  moralischen  j^utzen  ist,  und 
provisae  frugis  in  cmnum  copia^  epp.  1,  18,  109  und  dann  Sj:^. 
L.  bei  Gellius  7,  11,  2,  bei  Treb.  Pol).  30  tyr.  18,  5,  bei  Claud. 
Mam.  203,  6  E.,  immer  mit  honae  verbunden.  Der  Dativ  mit 
honae  verbunden  ist  vorzugsweise  plautinisch,  vgl.  Lorenz  z.  Pseud. 
448,  kommt  aber  auch  bei  Cic.  Att.  4,  8  b,  3  u.  ^S^;.  L.  bei  Gell. 
u.  Apul.  vor,  vgl.  Boot  zu  Cic.  Att.  4,  8  b,  3  u.  Landgraf  B.  Gymn. 
XYI  S.  338.  Der  Dativ  frugi  ist  sehr  gewöhnlich  als  Indeclinabile, 
wie  7ieqiiam,  und  zwar  adjektivisch  in  der  Bedeutung  brav,  hiede?' 
mit  andern  Adjektiven  als  Beiwort,  besonders  von  Menschen  niederen 
Standes,  Sklaven  u.  ä.,  verbunden,  z.  B.  esse  frugi,  brav,  ein  braver 
Mann,  ein  braves  Weib  sein.  Der  Accusativ  wird  in  einer  sprich- 
wörtlichen Redensart  auch  bei  Cic.  Cael.  28  ad  frugem  bonam,  id 
dicitiir,  se  recipere  gelesen;  sonst  kommt  er  in  vulgären  Phrasen  bei 
Plaut,  u.  Gell,  und  sonst  Sp.  L.,  z.  B.  bei  Sedulius,  vor.  —  Ob  wir 
in  bonae  frugi  nicht  einen  Dativ,  sondern  einen  Genitiv  zu  erkennen 
haben  und  somit  bonae  frugis  mit  bonae  frugi  sich  deckt  —  wie 
Georges,  Gorges  u.  a.  meinen  —  oder  nicht,  lasse  ich  dahingestellt. 
Ygl.  auch  Nieländer  1877  S.  17;  1893  S.  18,  Neue- Wagener»  I 
S.  738,  wo  auch  die  Formen  aufgeführt  sind,  in  denen  frux  =  Feld- 
frucht ist. 

Fucus,  die  Schminke.  Die  bildliche  Redensart  fucum  (alicni) 
facere,  einen  hintergehen,  täuschen,  einem  etwas  weiss  machen,  kann 
ohne  den  Zusatz  ut  dicitur  nicht  wohl  angewendet  werden,  wie  denn 
auch  Q.  Cicero  (petit.  cons.  35)  sagt:  si  eum  —  audieris  fucum, 
ut  dicitur,  facere  velle.  Ygl.  auch  siyie  fuco  ac  fallaciis  bei  Cic.  Att. 
1,   1,  1  u.  Landgraf  Bayr.  Gymn.  XYI,  325  u.  330. 

Fuga,  Flucht.  Wo  wir  sagen  auf  der  Flucht  —  sich  ivohin 
wenden,  sagt  der  Lateiner  ex  fuga,  nicht  in  fuga.  Ygl.  auch  s.  v.  Iter 
und  Fabri  zu  Liv.  22,  55,  4.  Der  Plural  findet  sich  bei  Cic.  Mil.  69, 
sonst  wohl  nur  in  P.  L.  u.  ^S^;.  L.,  z.  B.  Arnob.  23,  18  R.  —  Die 
Phrase  in  fugam  convertere  ist  klass.  bei  Caes.  Gall.  1,  52,  5,  vgl. 
Scholl  im  Archiv  YII  S.  441,  üblicher  ist  freilich  in  fugam  conicere. 

Fugaciter,  flüchtig,  ist  in  der  Bedeutung  schnell  ohne  Beispiel, 
wie  es  überhaupt  nicht  vorkommt,  für  cito,  celeriter,  ocius.  Der 
Komparativ  fugacius  bei  Livius  (28,  8,  3)  bedeutet  melir  durch 
die  Flucht,  mehr  fliehend,  sich  zurückziehend,  dem  audacius  ent- 
gegengesetzt. 

Fugere.  Der  Imperf.  fuge  mit  einem  Infin.,  z.  B.  fuge  quae- 
rere,  in  der  Bedeutung  forsche,  frage  nicht,  ist  nicht  nur  P.  L.  für 
noli  cpiaerere,  sondern  sogar  klass.,  z.  B.  Cic.  de  orat.  3,  153, 
Mur.  11,  Att.  10,  8,  5,  off.  3,  26,  vgl.  C.  F.  W.  Müller  z.  St., 
und  Gell.  3,  14,  11. 

Fugitare,  fliehen,  vermeiden,  ist  ein  A.  L.  Yerbum,  kommt 
jedoch  einmal  bei  Cicero  in  der  Jugendrede  pro  Rose.  Am.  für 
das    gewöhnliche    fugere    vor.      Ygl.   Landgraf  p.  S.  Rose.  S.  280, 


Fugitivus  —     613     —  Fulminare 

Thielmann  Cornif.  S.  102,  wo  viele  Belege  für  das  Yorkommen  des 
Wortes  aus  Plaut.,   Ter.,   Lucr.  und   dem  N.  Kl.   beigebracht  sind. 

Fugitivus.  Dieses  Wort  bedeutet  im  bessern  Latein  nur  ein 
entflohener,  fortgelaufener  Sklave,  nicht  allgemein  ein  Flüchtling, 
welcher  profugus  heisst.  Jedoch  ist  zu  bemerken,  dass  das  Wort 
trop.  in  mehrfachen  Wendungen  unbedenklich  nachgebraucht  werden 
kann.  So  nennt  Cic.  Yerr.  4,  112  den  Yerres,  an  die  eigentliche 
Bedeutung  des  Wortes  anknüpfend,  fugitivum  a  iure  et  legibus. 
Bei  Plin.  epp.  9,  28,  4  ist  fugitivus  rei  familiaris  launig  der- 
jenige genannt,  welcher  ahieda  rei  familiaris  cura  zu  kommen  ver- 
sprochen! habe.  Ganz  gut  kann  fugitivus  ferner  von  Tieren  gebraucht 
werden,  die  ihren  Herrn,  ihren  Aufenthaltsort  verlassen  haben.  Man 
s.  über  canis  fugitiva  Plaut.  Pseud.  319,  über  aj^es  fugitivae  Yarro 
r.  r.  3,  16,  21;  ein  prächtiger  Ausdruck  ist  ferner  bei  Ter.  Heaut. 
678:  illud  fugitivum  argentum,  Sp.  L.  bei  Ennodius  424,  \^  fugitiva 
gloria,  346,  19  /".  potestas.  —  Fugitivus  oculus,  ein  flüchtiges  Auge 
(z.  B.  in  unserer  Redensart  etwas  mit  flüchtigen  Augen  ayisehen)., 
ist  ohne  alle  Autorität;  eher  kann  man  velocibus  oculis  sagen  (nach 
Horaz,  welcher  sat.  2,  5,  55  veloci  oculo  percurre  sagt,  lies  es  mit 
flüchtigem  Auge  durch). 

Fulcimen,  die  Stütze,  ist  P.  L.,  und  fidcimentum  Sp.  L.  bei 
Apul.  Aug.  Macr.  für  admiyiicidum  und  N.  Kl.  fidcrum;  nie  bedeuten 
sie  Schutz;  dafür  hat  man  fiiinamentum  (Cic.  Att.  1,  18,  3, 
rep.  2,  17)  oder  firmum  subsidium  (Cic.  Sest.  20)  u.  a.  Auch 
fidcrum  kommt  in  dieser  Bedeutung  nicht  vor,  denn  es  hat  nur  die 
physische  Bedeutung  Stütze,  z.  B.  Suet.  Claud.  32. 

Fidcire,  stützen.  Die  Perfektform  ist  fidsi,  nicht  fidcivi,  und 
die  beste  Supinform  fidtum,  nicht  fidcitimi,  was  nur  einmal  Sp.  L. 
vorkommt;  vgl.  Neue-Wagener^  III  S.  546. 

Fulcrum;  vgl.  Fulcimen. 

Fulgetrum  (mit  e,  vgl.  Bücheier  Archiv  I  S.  111)  ist  nur  der 
leuchtende,  nicht  der  treffende,  zündende  Blitz,  welcher  fulmen  heisst; 
fulguratio  ist  nur  N.  Kl.  für  ftdgur,  während  fulgetrum  nicht  nur 
nachklass.,  sondern  schon  bei  Caecina  (nicht  Caecinna,  vgl.  Haase 
praef.  S.  15),  einem  Zeitgenossen  Ciceros,  vorkommt,  s.  Sen.  nat. 
2,  56,    1. 

Fulgidus,  blitzend,  leuchtend,  ist  P.  L.  u.  Sp.  L.  für  fulgens, 
z.  B.  fidgida  claritas  bei  Arnob.  94,  18  R.  Aber  fidgens  selbst  ist 
N.  Kl.  und  findet  sich  nur  im  Komp.  oder  noch  gewöhnlicher  im 
Superl.,  vgl.  Georges  Yell.  S.  24. 

Fulmen,  der  Blitz.  Wiewohl  fidmine  ictus  gesagt  wurde,  so 
brauchte  man  doch  häufiger  de  caelo  tactus,  oder  e  caelo  ictus,  Cic. 
divinat.  1,  10  oder  e  caelo  tactus,  Plin.  nat.  36,  10,  während  fidmine 
tactus  bei  Ov.  trist.  2,  144  steht;  überhaupt  de  caelo  tangi,  s.  Draken- 
borch  zu  Liv.  26,  23,  5. 

Fulminare,  blitzen,  leuchten,  ist  mehr  F.  L.  für  fidgere,  ful- 
gurare.     Ein  vom  Blitze  Getroffener  hiess  Gem.  L.  fulguritus  oder 


Functio  —     614     —  Fundamentum 

fuhninatus,  so  namentlich  N.  Kl.  u.  Sp.  L.,  vgl.  Gölzer  Hieron.  S. 
303,  für  fulmine  idus  oder  fuhnine  ikvcussus,  Cic.  nat.  deor.  3,  57 
e  caelo  idus,  Cic.  divin.  1,  16  de  caelo  tadus  oder  percussus. 

Fundio,  das  Verridüen,  die  Besorgung,  bedarf  als  Handlung 
eines  Genitivs,  z.  B.  muneris,  steht  aber  erst  Sp.  L.  in  der  Bedeutung 
Gesdiüft,  Amt,  wie  es  N.  L.  oft  vorkommt,  für  munus;  vgl.  Capit. 
Ant.  Pius  8,  4  magistratus  adiuvare  ad  fundiones  siias. 

Fundamen,  der  Grund,  ist  P.  L.  u.  Sj).  L.,  z.  B.  bei  Arnobius, 
Orosius,  für  fundamentum. 

Fu)idame}itaUs,  gründlidi,  anfänglich,  ist  N.  L.  Der  Grund- 
hegriff heisst  nicht  notio  fundamentalis.  sondern  prima  notio  oder 
notitia,  prindpium  (Cic.  leg.  1,  59),  intellegentia  quasi  fundamentum 
sdentiae  (Cic.  leg.  1,  26);  ein  Grundgesetz,  nicht  lex  fundamentalis, 
sondern  lex  prima  oder  fundamentum  rei,  s.  Cic.  off.  3,  101.  Fun- 
damentalis in  eigentlicher  Bedeutung  ist  erst  *S^.  L.,  z.  B.  lapis  f. 
bei  Hieron.  u.  a. 

Fundamentum.  Während  wir  sagen:  den  Grund  zu  etwas 
legen,  sagt  der  Lateiner  sehr  selten  fundamentum,  sondern  meist 
fundamenta,  selten  aber  fundamenta  ponere,  z.  B. :  non  praeterit  me, 
quam  magnarum  rerum  fundamenta  ponam  senex,  Sen.  nat.  3,  Praef. 
1,  de  benef.  7,  31,  5.  His  fundamentis  positis  consulatus,  Cic.  Pis. 
9.  Fundamenta  vitae  ponere  bei  Sen.  epp.  13,  16.  Cum  funda- 
mentum esset  pliilosopliiae  positum  in  finihus  bonorum  et  malorum, 
Cic.  divin.  2,  2.  Am  allergewöhnUchsten  ist  vielmehr  Kl.  u.  N.  Kl. 
fundamenta  iacere,  s.  Cic.  fam.  12,  25,  2,  nat.  deor.  3,  5,  Mur.  14, 
Place.  4,  Süll.  30,  acad.  2,  37,  Marc.  25,  Phil.  1,  1;  4,  1;  5,  30 
u.  6,  2,  fam.  1,  9,  12  u.  ib.  10,  29,  Liv.  1,  12,  4,  u.  1,  53,  5, 
Quintil.  1,  4,  5  u.  12,  6,  2,  Sen.  ad  Helv.  17,  4,  de  otio  5,  5,  epp. 
89,  21;  95,  35;  122,  8;  Curt.  5,  1,  29,  Plin.  epp.  4,  9,  4,  Tac. 
bist.  3,  72,  Lact.  7,  1,  1.  Wenn  Haase  bei  Sen.  epp.  89,  21 
fadetis  und  Weissenborn  bei  Liv.  1,  53,  5  fadendis  schreibt,  so 
beruht  dies  auf  handschriftlicher  Grundlage;  denn  Liv.  1,  53,  5 
ist  fadendis  die  alleinige  Überlieferung  und  iadejidis  erst  durch 
die  ed.  Yascosana  eingeführt  (so  Fügner  brieflich),  und  Sen.  epp. 
89,  21  überliefert  B  fadetis,  vgl.  Hense  z.  St.;  also  sagt  man 
auch  fu)ulamenta  facere.  —  Auch  wo  wir  sagen:  etwas  von 
Grund  aus  zerstören,  steht  im  Lat.  immer  aliquid  (z.  B. :  urhem, 
domum)  a  fundamentis  disicere  und  ähnl.  S.  darüber  Nep.  Hann. 
7,  7,  Liv.  26,  13,  16;  42,  63,  11  u.  c.  67,  9.  Wenn  auch  der 
Plural  vorherrscht  in  der  Phrase  ,^den  Grund  zu  etiuas  legen^^,  so 
erscheint  fundamentum  doch  auch  nicht  selten  im  Sing.,  so  nament- 
lich, wenn  es  die  Apposition  zu  einem  im  Sing,  stehenden  Subst. 
bildet:  effeduri  sumus,  ut  impulus  Romanus  paupertatem,  fundamen- 
tum et  causam  imperii  sui,  requirat,  Sen.  epp.  87,  41,  ebenso,  wenn 
fundamentum  prädikativ  bei  dem  Sing,  eines  Subst.  steht,  funda- 
mentum autem  est  iustitiae  fides,  Cic.  off.  1,  23.  Meo  iudicio  ptietas 
est  fundamentum   omnium   virtutum,    Cic.  Plane,  29.      Narratio   est 


Fundare  —     615     —  Fundere 

reritm  explkaüo  et  quaedam  quasi  sedes  ac  fundamentmn  consti- 
tuendae  fidei,  Cic.  partt.  orat.  31.  Hoc  quasi  fimdamentum  est,  ver- 
horum  usus  et  copia  bonorum,  Cic.  de  orat.  3,  151.  Qiiod  igitur  fimda- 
mentum  limus  quaestionis  est,  id  praedare  iactum  videtis,  Cic.  nat. 
deor.  1,  44.  Das  gleiche  ist  der  Fall,  wenn  fundamentum  das  nach  mo- 
derner Denkweise  abstrakt  gedachte  Subjekt  des  Satzes  ist,  wie : 
nullum  est  fundamentmn  liorum  criminum,  7iuUa  sedes,  Cic.  Cael.  30. 
Hierher  gehört  auch  die  schon  oben  angeführte  Stelle:  cum  funda- 
mentmn esset  philosopliiae  positum  in  finibus  b.  et  m.,  Cic.  div.  2,  2. 
Manchmal  steht  fmidamentum  je  nach  dem  Num.  des  unmittelbar 
vorangehenden  Subst.  der  Konzinnität  wegen  im  Sing,  oder  Plur.: 
memoria  tenetis  (me)  hoc  uti  initio  ac  fimdamento  defensionis,  Cic. 
Cluent.  30  verglichen  mit:  quibus  initiis  ac  fundamentis  hae  tantae 
laudes  excitatae  sint,  Cic.  Sest.  5. 

Fundare  ist  in  der  Bedeutung  anlegen,  stiften,  wo  wir  auch 
sagen  gründen,  ohne  an  einen  festen  Grund  und  Befestigung  zu  den- 
ken, poet.  (s.  Verg.  Aen.  7,  410),  in  Prosa  selten  (in  eorum  agro 
sedes  fundare  Bastarnis,  Liv.  40,  57,  5  und:  accurate  non  modo 
fundatam,  verum  etiam  exstructam  disciplinam,  Cic.  fin.  4,  1),  für 
condere,  instituere ;  man  sage  also  nicht  bibliothecam,  urbem,  scliolam, 
testamentum  u.  dgl.  fundare,  indem  es  fast  nur  befestigen,  fest  gründen 
(und  zwar  etwas  schon  Angelegtes  und  Gestiftetes)  bedeutet,  gleich 
firmare  und  stabilire.  Gloriam  fundare  in  der  Bedeutung  den 
schon  bestehenden  Ruhm  fest  gründen  ist  nicht  zu  tadeln,  mag  es 
auch  sonst  nicht  vorkommen ;  aber  es  bedeutet  nicht  den  Grund  zum 
Ruhme  legen.  —  Ebenso  bedeutet  auch  fundator  nur  P.  L.  und 
8p.  L.  den  Stifter,  Gründer  einer  Sache,  für  conditor,  creator,  auctor, 
institutor;  daher  nennt  man  weniger  gut  Romulus  fmidatorem 
urbis,  der  in  Prosa  conditor  oder  creator  heisst  (auf  Inschriften  je- 
doch liest  man  auch  fundator  imperii  Romani  und  8p.  L.  z.  B.  bei 
Claud.  Mam.  25,  20  E  fundatores  ecclesiae).  Und  so  übersetze  man 
Gründungs-  und  8tiftungstag  einer  8tadt,  einer  8chide  u.  dgl.  nicht 
durch  dies  fundationis,  sondern  nach  Cic.  (divin.  2,  99)  durch  dies 
natalis  urbis,  scholae. 

Fundere  wird  oft  bildlich  gebraucht,  vgl.  Näg.^  S.  569  u.  583; 
aber  manche  Ausdrucksweise  ist  nur  P.  L.,  z.  B. :  lac?imas  fundere, 
für  profundere  oder  e/fundere.  Allein  preces  fundere  ist  in  der 
patristischen  Literatur  sehr  gewöhnlich,  so  z.  B.  bei  Lucifer  Cal. 
oft,  bei  Eugipp,  Claud.  Mam.,  August,  enarr.  in  ps.  25,  10  u.  ps. 
113,  serm.  2,  5  u.  ps.  139,  2,  in  der  prof.  Latinität  spät  bei  Apul. 
met.  11,  3  init.,  und  nachklass.  diras  preces  fundere,  Tac.  ann.  14, 
30  =  Verivünschungs-  oder  Fluchgebete;  vgl.  auch  Bonnet  Greg. 
S.  51,  7.  —  N.  L.  sind  die  Redensarten  fundere  sensum,  nullum 
sensiim,  bonum  sensum,  einen  8inn,  keinen  8inn,  guten  8inn  geben, 
welche  ganz  anders  auszudrücken  sind,  z.  B.  durch  intellectum  facere 
(Quint.  1,  7,  2  eadem  littera  alium  atque  alium  intellectum  facit, 
gibt  verschiedeneyi  8inn). 


Funditare  —     616     —  Fungi 

Fundiiare,  ausgiessen,  von  sich  geben,  ist  A.  und  Sp,  L.  für 
f lindere,  und  kommt  nur  bei  Plautus,  Florus  und  Amm.  Marc,  vor; 
verha  funditare  =  ausschütten ,  was  minder  edel  ist  als  verha 
fundere. 

Funditus,  von  Grund  aus,  wird  gewöhnlich  nicht  mit  Yerben 
geistiger  Bedeutung,  wie  cognoscere,  perspicere  verbunden;  dafür 
penitus.  Doch  wendet  Cicero  funditus  auch  bei  solchen  Yerben  an, 
welche  im  eigentlichen  Sinne  Akte  äusserer,  realer  Tätigkeit  aus- 
drücken, in  der  philosophischen  Sprache  aber  in  die  tropische 
Bedeutung  von  leugnen,  verwerfen  (eicere,  tollere)  übergegangen  sind 
und  schhesslich  Yerba  wie  noscere  selbst;  vgl.  Cic.  Tusc.  1,  42  und 
5,  93,  nat.  deor.  1,  115  u.  118;  für  funditus  tollere  der  letztgenannten 
Stelle  findet  sich  §  119  das  synonyme  penitus  tollere;  nat.  deor.  1, 
88  quae  funditus  gens  vestra  non  novit. 

Fundus  bedeutet  Grund,  Boden,  aber  nie  Quelle,  aus  der  etwas 
genommen  ist,  oder  das,  ivorauf  sich  etwas  stützt;  dies  drücke  man 
aus  durch  fons,  unde  aliquid  petitum  est,  fundamentum,  quo  res 
aliqua  nitltur.  —  N.  L.  ist  fundmn  iacere,  für  fundamentum  iacere. 

Funera,  das  Klageweih  bei  Leichenbegängnissen,  beruht  auf 
der  falsch  verstandenen  Stelle  des  Ennius  in  Cic.  Tusc.  1,  117,  wo 
es  Acc.  Plur.  von  funus  ist.     Es  ist  unlat.  für  praefica. 

Funerare,  hegrahen,  gehörte  ursprünglich  dem  P.  L.  an,  viel- 
leicht hat  es  Hör.  od.  3,  8,  7  zuerst;  in  die  Prosa  hat  es  wohl  der 
Yerf.  der  Epitome  Livii  eingeführt;  dann  kommt  es  N.  Kl.  nicht 
nur  bei  Suet.  und  Plin.  mai.,  sondern  auch  bei  Seneca  (consol.  ad  Helv. 
2,  5  und  12,  5)  u.  Yal.  Max.  (1,  6,  6;  4,  4,  2  und  4,  6,  3)  vor; 
vgl.  Wölfflin  im  Archiv  XI  S.  514.  Man  meide  das  Wort  und  halte 
sich  an  efferre  (Nep.  Arist.  3,  2;  Cic.  de  or.  2,  225;  Liv.  2,  33,  11), 
sepelire,  humare,  funer e  efferre,  Cic.  Att.  14,  10,  1. 

Fungi  wird  gerade  wie  uti,  ahuti,  frui,  vesci,  potiri  im 
A.  L.  mit  dem  Accus,  verbunden.  Diese  Konstruktion  war  aber 
in  Ciceros  Zeitalter  bereits  veraltet  und  steht  hier  vielleicht 
einzig  bei  Nep.  Dat.  1,  2,  während  Nepos  auch  sonst  immer  die 
gewöhnliche  Yerbindung  hat.  Eine  Ausnahme  davon  macht  jedoch 
das  Gerundivum,  bei  welchem  aus  Gründen  der  Deutlichkeit  und 
der  Leichtigkeit  des  Redeflusses  die  Konstruktion  mit  dem  Accus, 
beibehalten  ist:  ad  suum  munus  fungendum,  Cic.  Tusc.  3,  15  und: 
quod  uiendum  acceperis,  ib.  36;  diligenter  teneyidus  est  modus  volup- 
tatis  fruendae,  Cic.  off.  1,  106;  suavitatis  nostrae  fruendae  causa,  Q. 
fr.  2,  15,  b,  3;  7ios  in  omni  munere  candidatorio  fungendo  summam 
adliibehimus  diligentiam,  Cic.  Att.  1,  1,  2;  oculus  conturhatus  non  est 
probe  adfectus  ad  suum  mAtnus  fungendum,  Cic.  Tusc.  3,  15.  Per 
speciem  alienae  fungendae  vicis,  Liv.  1,  41,  6.  Cejnis  vescendas  dare, 
Plin.  nat.  20,  41,  und  so  auch  als  Prädikat  mit  esse:  fruenda  etiam 
sapientia  est,  Cic.  fin.  1,  3.  Die  Yerbindung  mit  dem  Accus,  wurde 
von  Tacitus,  Sueton,  lustin  u.  a.  wieder  aus  der  vorklass.  Latinität 
hervorgesucht,    verdient   aber    (den   berührten    Fall  des   Gerundivs 


Furenter  —     617     —  Futurus 

ausgenommen)  keine  Beachtung,  ebensowenig  das  passive  fimctua, 
welches    nur    Sp.   L.    vorkommt,    vgl.    Neue- Wagener^  III   S.  45. 

—  Dichter  verbinden  fiüigi  mit  dcqnhus^  ein  Mahl  halten^  lacrimisy 
sejndchro,  einen  begraben;  ferner  wird  stet^ben  durch  vita  fmu/i 
ausser  Lact.  2,  1,  1,  Sulp.  Sev.,  der  indes  auch  fungi  diem  sagt, 
auch  bei  Gell.  20,  2,  3,  Papinian  u.  a.  Ict.,  7norte  fungi  hingegen 
bei  Vell.  2,  48,  6  gefunden,  vgl.  Georges  Yell.  S.  42.  Nach  obire 
suum  diem,  obire  diem  scheint  diem  suum  fungi  und  diem  fungi 
gebildet  zu  sein,  diese  Phrasen  finden  sich  bei  Juristen,  vgl.  Leipold 

5.  50  u.  S.  63.  Über  fato  fungi,  perfungi  s.  unter  fatum;  aevo 
fungi  aber  =  moy^i  ist  iV.  L.  Ygl.  überhaupt  meine  Syntax^  §  90 
Anm.  3,  Werth  S.  330,  Hoppe  Synt.  Tert.  S.  16. 

Furenter,  rasend,   kommt  selten,   aber  auch  Kl.  bei  Cic.  Attic. 

6,  1,  12  vor. 

Für  er  e,  rasen.  Das  Perf.  fiirui  hat  keine  gute  Autorität;  es 
ist  Sp.  L.  und  selten;  vgl.  Neue-Wagener^  III  S.  423. 

Furiare,  rasend  macJien,  ist  nur  P.  L.;  in  Prosa  hat  Lact.  4, 
27,  2,  Orosius  6,  15,  15  Z,  Cyprian  424,  11  H.  furiatus,  rasend, 
für  fiirens,  fiiribundus,  furiosus  u.  a. 

Fusim,  ausführlich,  ist  N.  L.  für  fitse;  der  Kompar.  fusius  ist 
gut,  er  steht  bei  Cic.  nat.  deor.  2,  20,  aber  der  Superl.  fusissime  kommt 
nirgends  vor. 

Fusus,  das  Giessen,  z.  B.  aquae,  steht  nur  bei  Varro  1.  lat.  5, 
123  für  das  bessere  fusio. 

Futurus.  Dieses  Partizipium  erscheint  bei  Cicero  in  Verbindung 
mit  res  und  vielen  andern  Substantiven,  welche  Hoppe  Progr. 
Gumbinnen  1875  S.ll  aufgezählt.  Darnach  ist  Kühnasts  Irrtum,  dass 
Cicero  futurus  nur  mit  7^es  verbinde,  widerlegt;  vgl.  auch  M.  Müller  zu 
Liv.  II,  Anh.  S.  150,  Georges  Yell.  29,  Landgraf  im  Ar  eh.  IX  S.  48. 

—  Futurum  fuerit  zur  Umschreibung  des  Irrealis  der  Vergangenheit, 
z.  B.  hoc  si  fecisses,  non  dubito,  quin  futurum  fuerit,  ut  midtareris 
ist  nicht  lateinisch;  es  muss  heissen  qimi  multatus  esses  nach 
Cic.  Sest.  62  quod  ille  si  re^mdiasset,  dubitatis,  quin  ei  vis  esset 
allata?  Damit  ist  jedoch  nicht  gesagt,  dass  futurum  fuerit  als 
periphrastischer  Ersatz  für  fuisset  (wie  laudaturus  fuerit  für  lauda- 
visset)  gleichfalls  zu  verwerfen  wäre,  vgl.  Cic.  fam.  13,  18,  1  quod 
tamen  dubiiim  nobis,  quin  ita  futurum  fuerit,  non  erat,  Att.  2,  16,  2 
quid  futurum  fuerit,  si  ßihidus  .  .  .  descendisset,  se  divinare  non 
potuisse.  Vgl.  hiezu  Sjöstrand  Loci  S.  20,  wo  auch  einige  Beispiele 
aufgeführt  sind,  in  denen  der  aktive  Irrealis  nicht  durch  die 
periphrastische  Form  ersetzt  wird,  z.  B.  Cic.  de  or.  1,  134  veritus  es, 
ne  perdidisses,  nisi  .  .  exaggerasses.  —  Die  Umschreibung  des  irrea- 
len Inf.  Pass.  der  Vergangenheit  mit  futurum  fuisse  ut  ist  höchst 
selten,  klass.  wohl  nur  Caes.  civ.  3,  101,  2  u.  Cic.  Tusc.  3,  69 ;  fürs 
Deponens  vgl.  Cic.  Lig.  34  futurum  fuisse  ut  sequerentur;  vgl.  Priem 
S.  335,  Sjöstrand  Loci  S.  21. 


Grabiensis  —     618     —  Gaudere 


G.  g. 

Gahiensis^  Gahisch,  Gabiniscli,  zur  Stadt  Gabii  gehörig,  ist 
seltenere  Form  beim  altern  Plinius  für  das  öftere  Gahinus  bei  Cicero 
und  Livius. 

Gadis  als  Sing.,  Name  der  spanischen  Stadt  Cadix,  ist  seltene 
Nebenform  für  das  sichere  Gades,  Gadiimi,  vgl.  Georges  Lex.  der 
Wortformen  s.  v. 

Gallicanus,  Galliis  und  Galliens  unterscheiden  sich  so:  Galliim 
dicimiis  hominem  in  Gcdlia  natum,  Galliciim,  quod  ex  Gallia  latiitn 
est,  Galliccmum  morem  dicimus  vel  negotium.  Doch  wie  dies  bei 
Africus  und  Africamis  der  Fall  war,  verwischten  sich  früh  die 
Unterschiede.  Ygl.  v.  Carolsfeld  in  Wölfflins  Archiv  I  S.  193.  Man 
merke  noch,  dass  Gallus  meist  P.  L.  als  Adj.  für  Galliens  gebraucht 
wird,  da  es  in  Prosa  nur  der  Gallier  heisst;  vgl.  jedoch  Liv.  epit. 
102  a  milite  Gallo;  bei  Sali.  bist.  4,  40  liest  M.  duae  Galliae  midi- 
eres^ Nipp.  Gallae  nach  einer  Konj.  des  Pius. 

Garritus,  das  Seluvatzen,  Geseliivätz,  ist  sehr  SiJ.  L.  für  niigae, 
fahidae,  ineptiae  u.  dgl. 

Garrulus,  gesehiuätzig,  findet  sich  nicht  bei  Klass.,  aber  schon 
rhet.  Her.  2,  16  garrula  disciiilina,  ibid.  3,  6  garrulam  scientiam, 
sodann  nicht  nur  P.,  sondern  auch  in  N.  Kl.  Prosa  bei  Yal.  Max. 
5,  3,  ext.  3,  Piin.  nat.  18,  362  u.  Sen.  de  ira  3,  24,  2,  im 
Sp.  L.,  z.  B.  Macrob.  sat.  2,  5,  1,  Vulg.  prov.  7,  10,  öfters  auch  im  M.A. 
Lat.,  vgl.  Miodonski  Phil.  Call.  S.  14;  vgl.  noch  Thielmann  Philol. 
42,  339  und  Bayr.  Gymn.  XVI,  208,  für  loquax.  -  Sehr  Sj).  L.  ist 
garrulare,  für  garri^^e,  gajTidum,  loqiiaeem  esse.  Garrulitas  findet 
sich  pros.  nicht  nur  bei  Plinius  in  der  n.  h.  und  bei  Sen.  phil., 
sondern  auch  bei  Sen.  contr.  2,  5,  2,  Quintil.  2,  4,  15,  Plin.  epp. 
9,  10,  2,  Suet.  Octav.  83. 

Gaudere  in  der  Bedeutung  haben,  ohne  den  Begriff  der  Freude 
über  das,  was  man  hat,  ist  N.  L.,  z.  B.  hoc  verbum  gaudet  signi- 
fieatione,  dieses  Wort  hat  die  Bedeutung,  wie  nicht  selten  gesagt 
wird.  Als  tolles  Latein  führt  man  aus  einer  medizinischen  Disser- 
tation an:  ille  seahie  gaudehat,  jener  hatte  die  Krätze.  Man  sagt 
aber  auch  nicht  bona  vcdetudine  gaudere,  sieh  einer  guten  Gesundheit 
erfreuen,  d.  h.  sie  haben,  für  bona  oder  integra  valetudine  esse  oder 
uti;  er  erfreute  sieh  bis  in  sein  höehstes  Alter  der  besten  Gesundheit, 
vixit  ad  smmnam  seneetutem  valetudine  optima.  —  Gut  ist  gaudere 
von  Geivächsen,  welche  diese  oder  jene  Bodenart  zuträglich 
finden:  (vites)  Amineae  imigui  arvo  maxime  gaudent,  Colum.  3,  2, 
16.  Gut  ist  es  von  heimlicher,  stiller  Freude  zu  sagen:  in  sinu 
gaudere,  Cic.  Tusc.  3,  51,  weniger  zu  empfehlen  ist  domi  gaudere 
oder  apud  se  gaudere,  vgl.  Heraus  Progr.  Offenbach  1899  S.  31.  — 
Gaudens  =  mit  Genugtuung  ist  klass.,  z.  B.  Cic.  Att.  14,  1,  1.  — 
Gaudere  mit  Accus.,  z.  B.  Cael.  bei  Cic.  fam.  8,  14,  1  nunc  furit 


Gaza  —     619     —  Genitor 

tarn  f/avisos  Jiomines  siinm  dolorem,  ist  unklass.,  aber  nicht  zu  be- 
anstanden, vgl.  Becher  S.  32  gegen  Madvig  adv.  crit.  III  S.  162;  die 
wenigen  sonst  vorkommenden  Stellen  hat  Burg  S.  20,  vgl.  auch 
Ebert  act.  Erl.  II  S.  316.  —  Gaudium  g andere  ist  nicht  KL,  es  findet 
sich  aber  in  Kl.  Zeit  bei  Cael.  ad  fam.  8,  2,  1,  vgl.  Landgraf  act. 
Erl.  II  S.20,  Burg  S.  19,  Becher  S.  32.  —  Gaudere  mit  dem  Lifin. 
findet  sich  nicht  in  Kl.  Sprache,  zuerst  bei  Dichtern,  dann  in  nach- 
klass.  Prosa,  z.  B.  bei  Tac.  bist.  3,  11,  bei  Plin.  min.,  vgl.  Menna 
S.  46,  und  Quintil.  1,  2,  30;  5,  12,  22;  9,  2,  78.  Weitere 
Stellen  aus  dem  altern  Plinius  bietet  Yogel  Symb.  S.  21,  aus  Paneg. 
Chruzander  S.  100.  Dagegen  ist  der  Acc.  c.  inf.  nach  gaudere  Kl., 
z.  B.  Cic.  Attic.  9,  7,  6  quae  adhiic  fecimits,  iwohari  valde  gaudeo. 

Gaza,  Schatz,  Reichtum,  beschränke  man  im  Gebrauche  auf 
den  Schatz  der  Köyiige;   vgl.  b.  Afr.  91,  2  cuncta  gaza  regia. 

Genealogia  ist  Sp.  L.,  aber  kann  als  Kunstwort  neben  dem  Kl. 
genealogiis,  Cic.  nat.  deor.  3,  44,  recht  wohl  bestehen ;  sonst  sagt  man 
dafür  origo  familiae  (familianim). 

Generalitas,  die  Allgemeinheit,  ist  Sp.  L.  für  iiniverdtas,  z.  B. 
Plin.  (ep.  9,  4,  2):  in  universitate  — -  —  in  partihiis;  vgl.  Schulze 
Symm.  S.  35. 

Generaliter,  im  allgemeinen,  kommt  bei  Cicero  nur  einmal  in 
der  Jugendschrift  de  invent.  (1,  39)  vor,  öfter  N.  Kl.  u.  Sp).  L., 
und  ist  nicht  zu  verwerfen;  vgl.  Bergmüller  Jord.  S.  12.  Das  Adj. 
generalis  findet  sich  ebenfalls  bei  Cic,  aber  höchst  selten,  nirgends 
in  den  Reden,  wohl  nur  inv.  1,  10;  1,  14;  2,  61;  off.  1,  96.  Als 
Adv.  steht  häufiger  und  zwar  Kl.  generatim,  entgegengesetzt  dem 
singillatim  oder  nominatim  z.  B.  Cic.  Verr.  5,  143  u.  Att.  11,  6,  2; 
ferner  commiiniter,  entgegengesetzt  dem  separatim  (Cic.  off.  2,  36). 
Ygl.  Stürenb.  Cic.  Arch.  S.  190.  Bei  Livius  findet  sich  in  Universum 
entgegengesetzt  dem  nominatim.  Ygl.  Universus.  —  Ein  Kompar. 
generaliits  ist  N.  L. 

Generatio,  die  Erzeugimg,  Gehurt,  kommt  N.  Kl.  nur  beim 
altern  Plinius  vor,  für  das  Kl.  proer eatio  und  ortus,  auch  partus. 
In  der  Bedeutung  Geschlecht,  Zeitalter  ist  es  Sp.  L.  Man  sagt  da- 
für saeculum,  nach  Liv.  3,  20,  5  ;  die  jetzige  Generation  ist  =  haec, 
praesens  aetas,  hiiius  aetatis  homines;  die  späteren  Generationen  sind 
yosteri^  posteritas,  s.  Lahmeyer  zu  Cic.  Cato  24. 

Genialis  wird  bei  Cicero  nur  mit  lectus  verbunden,  das  Braut- 
oder  Ehebett,  Cluent.  14;  Liv.  30,  12,  21  bietet  geniali,  wozu  von 
Weissenb.  toro,  von  Madvig  lecto  ergänzt  wird,  falls  nicht  genialis 
hier  wie  luven.  10,  334  als  Subst.  zu  nehmen  ist.  In  der  Be- 
deutung festlich,  fröhlich  u.  dgl.  findet  es  sich  bei  Dichtern  und  in  später 
Prosa  bei  Apuleius.  Auch  das  Subst.  genialitas  nimmt  die  Bedeutung 
^.^Fröhlichkeit'-'-  im  Sp.  L.  —  wo  es  überhaupt  allein  vorkommt  — 
an,  so  bei  Ammian  und  Symmachus,  vgl.  Schulze  Symm.  S.  35. 

Genitor  ist  in  der  gewöhnlichen  Bedeutung  Vater  zu  hoch  und 
mehr  P.  L.   für  pater,  parens,   da  Cicero   es   nur   bei   Göttern   an- 


Genitus  —     620     —  Gentilis 

wendet;  ebenso  genitores,  die  Eltern,  für  parentes,  procreatores  und 
genetrix,  die  Mutter,  für  mater. 

Genitus  zur  Bezeichnung  der  Abstammung  ist  nicht  Kl.,  es 
findet  sich  P.  L.,  z.  B.  dis  genitus  Verg.  Aen.  9,  642  u.  N.  Kl.  seit 
Liv.,  vgl.  s.  V.  Gigne7^e. 

Genius,  Schutzgeist,  Schutzgott.  Der  Vokativ  geni,  der  nur  bei 
Tibull  4,  5,  9  sich  findet,  ist  mit  Recht  endlich  aus  den  Schul- 
grammatiken entfernt  worden.  —  Was  Sokrates  seinen  ihm  inne- 
wohnenden genius  nannte,  nennt  Seneca  (ep.  41,  2)  sacrum  sinritum 

—  sacer  intra  nos  spiritus  sedet,  malorum  bonorunique  nostrorum 
observator  et  custos.  —  In  ganz  anderer,  neuer  Bedeutung  spricht 
man  im  N.  L.  von  einem  geniiis  saecali,  temporis,  orationis,  ser- 
nionis,  linguae,  und  von  dem  Genius  einzelner  Menschen,  wie  Schilleri, 
Goethii,  Klopstockii  — ,  worunter  man  aber  das  französische  genie 
und  das  deutsche  Geist  in  der  Bedeutung  Eigentümlichkeit,  eigen- 
tümliche Beschaffenheit  denkt.  Dies  ist  ganz  neu.  Nur  ähnlich  ist, 
was  man  Sp.  L.,  z.  B.  bei  Ennodius  findet,  der  das  Wort  sehr  oft 
braucht,  z.  B.  13,  25  linguarum  genio  terris  merita  trihuuntur  und 
genius  silvae,  393,  10.  Die  bessere  Übersetzung  ist  aber  nach 
Verschiedenheit  der  Verbindung  verschieden,  z.  B.  der  Zeitgeist, 
saecidum  (Tac.  Germ.  19),  Id  (Uli)  mores  (Cic.  Q.  fr.  1,  1,  11), 
7iatiira  saeculi  oder  temporis;  ratio  atque  inclinatio  temporis  (tem- 
porum)  bei  Cicero  (Verr.  5,  177,  Plane.  94);  bei  Rede  und  Sprache 

—  proprietas  oder  natura  sermonis,  orationis,  linguae;  bei  einzelnen 
Männern  —  ingenium,  natura,  proprietas.  Vgl.  Nägelsb.-Müller^ 
S.  271  f. 

Gens  kommt  in  der  allgemeinen  Bedeutung  Geschlecht,  z.  B. 
Menschengeschlecht,  gens  humana,  für  genus  humanum  nur  einmal 
und  zwar  bei  Cicero  (fin.  5,  65),  vgl.  Madvig  z.  St.,  vor.  Wenn  man 
aber  dort  den  Zusammenhang  der  Eede  nachsieht,  so  wird  man  den 
Gebrauch  nicht  nur  natürlich  finden,  sondern  auch  sagen  müssen, 
dass  wir  das  Wort  in  ähnlichem  Zusammenhange  ebenso  gebrauchen 
dürfen.  Gens  trop.  =  Sippscliaft  ist  gut:  tota  illa  gens  (Äcademi- 
corum),  Cic.  fin.  4,  51.  Der  Plural  gentes  =  Leute  ist  Sp.  L.,  vgl. 
Thielmann  Apollon.  S.  30,  ebenso  gentes  =  Heiden,  wie  oft  bei  den 
Eccl.;  vgl.  Archiv  VI,  344 — 376;  hier  findet  man  auch  gentes,  apiid 
quos  und  cdiorum  gentium,  vgl.  Bonnet  Greg.  S.  519. 

Genticus,  national,  einem  Volke  eigen,  kommt  zuerst  N.  Kl.  bei 
Tacitus  als  Beiwort  von  mos,  für  geyitis  proprius,  mos  patrius,  dann 
Sj).  L.  vor. 

Gentilis.  Im  goldenen  Zeitalter  der  lat.  Sprache  bedeutet  gentilis 
den  zu  einem  Geschlecht,  zu  einem  Familienstamme  Gehörigen,  z.  B. 
fuit  (er  lebte)  meo  regnante  gentili,  Cic.  Tusc.  1,  38,  gentile  domus 
nostrae  honum,  Tac.  ann.  2,  37.  Erst  N.  Kl.  u.  Sp.  L.  und  dazu 
selten  bezeichnet  es  auch  den  dem  gleichen  Volksstamm,  derselben 
Nation  Angehörigen,  z.  B. :  tiirbare  gentiles  (i.  e.  geyitis  suae)  nationes, 
Tac.  ann.  11,  1;  gentile  solum  ist  =  pat^ium,    3,    59   und  gentilis 


Genii  —     621     —  Genus 

levitas  (ib.  12,  14)  ist  =  levitas  liuic  genti  xjropria.  Sp.  L.  be- 
deutet es  den  Heiden  zum  Unterschiede  von  dem  Christen  und 
ist  für  diese  neue  Idee  Kl.  Vgl.  Ethnicus  und  Bonnet  Greg.  S.  236. 
Ebenso  gentüitas,  das  Heidentum. 

Genu,  das  Knie.  Wo  wir  sagen  vor  jemanden  auf  die  Knie 
fallen,  braucht  Cicero  nicht  genua,  sondern  pedes-  vgl.  oben  unter 
Ahicere;  ich  kenne  nur  eine  Kl.  Phrase  mit  genu,  bei  Cic.  p.  red. 
in  senatu  17  tu  adfinem  tuam  crudelissimis  verhis  a  genilms  tuis 
re^fpulisti;  bei  Caesar  kommt  gemi  überhaupt  nicht  vor.  Dagegen 
hat  b.  Afr.  89,  4  die  Phrase  se  ad  genua  proicere,  wie  schon  Enn. 
Sc.  375  ad  genua  accidit  und  ebenso  Ter.  Hecyr.  378  ad  genua 
accidit  misera  und  später  Livius  genibits  alicuius  accidere,  se  advolvere, 
oder  ad  genua  alicuius  procumhere  sagt.  Andere  drücken  es  anders 
aus,  z.  B.  ad  genua  alicuius  prociderey  Sen.  contr.  7,  17,  12,  ad 
genua  se  alicui  suhnittere,  Suet.  Tib.  20.  Ygl.  Accidere.  Das  Knie 
beugen  ist  genu  ponere,  Sen.  suas.  1,  2,  Curt.  4,  6,  28,  und  die  Knie 
vor  jemand  beugen  ist  genua  alicui  poyiere,  Curt.  8,  7,  13  und  genu 
flectere  alicui  bei  Hier,  comment.  in  ep.  St.  Pauli  ad  Ephes.  3,  14 
und  Ambros.  opp.  ed.  Migne,  T.  2,  S.  1398  und  1489.  So  auch 
inflexo  genu  adorare  aliquem,  Sen.  Herc.  für.  410.  Nixi  genibus 
a  senatu  petierunt,  i.  e.  kniefällig,  Liv.  43,  2,  2. 

Genuinus,  was  bei  Cicero  (rep.  2,  29)  eingeboren,  einheimisch 
bedeutet,  gleich  domesticus,  hat  Sp.  L.  bei  Gellius  3,  3,  7  die  Be- 
deutung echt,  tvahr,  von  echten  Schriften,  wofür  sonst  verus  (Cic. 
de  orat.  2,  224  tot  enim  sunt  veri  Bruti  libri;  gemmas  vitreas  pro 
veris  vendere,  Tr.  PoUio  duo  Gall.  12),  probus  (Liv.  32,  2,  2  argen- 
tum  probum,  echtes  Silber)  und  germanus  (Cic.  Yerr.  4,  147  verum 
et  germanum  Metellum;  Cic.  Brut.  296  haec  germana  ironia  est) 
bessere  Wörter  sind;  vgl.  auch  noch  Liv.  22,  14,  11  vir  ac  vere 
Romayius  ein  echter  Römer.  So  sagt  man  auch  nicht  genuini  nummi, 
echte  Münzen,  sondern  boni  nummi  (Cic.  off.  3,  91).  Das  Wort  sollte 
daher  weniger  gebraucht  werden,  als  es  im  N.  L.  vorkommt.  —  Ein 
N.  L.  Wort  ist  ferner  genuinitas,  die  Echtheit,  für  veritas,  probitas, 
auch  auctoritas  und  fides. 

Genus.  Inhalt:  ,^Ei7ie  Art  von'-'' ;  —  omnis  (cuiusque)  generis  als 
Beisatz  zu  einem  Subst. ;  —  omne,  hoc,  id  genus;  —  genus  =  gens;  — 
„i?/i  allgemeinen''' ;  —  ex  eo  genere  ==  e.  eorum  g.  —  Genus  ist  meistens 
unpassend  in  der  Redensart  eine  Art  von  — ,  mit  einem  Subst., 
wenn  es  für  geiuissermassen  steht,  wo  meist  quidam  zu  brauchen 
ist;  z.  B.  jenes  ivar  eine  Art  von  blinder  Sklaverei,  fuit  illa  caeca 
quaedam  servitus;  die  Miene  ist  eine  Art  von  stillem  Gespräche, 
vultus  sermo  quidam  tacitus  mentis  est;  es  ist  eine  Art  von  Würfel- 
spiel, alea  quaedam  est.  —  Omnis  generis  als  Beisatz  zu  einem  Subst. 
wie  sententiae  omnis  geyieris  =  Gedanken,  aller  Art  u.  ähnl.,  ebenso 
cuiusque  generis  findet  sich  schon  Kl.,  vgl.  Cic.  dom.  75  constat  enim 
nullis  umquam  comitiis  campum  Martium  tanto  splendo7^e  omnis  generis 
hominum,   aetatum,   ordinum  floruisse,   wo   omnis  generis   eher   von 


Genus  —     622     —  Genus 

hommimi  als  von  sjylendore  abhängig  sein  wird,  vgl.  AYölfflin  zu  Liv.  21, 
12,  8.  Für  cuiusqne  gener is  gibt  es  nach  C.  F.  W.  Müller  5  Beispiele 
bei  Cicero,  vgl.  auch  meine  Anm.  362  zu  Reisig-Haase,  Lebreton  Etüde 
S.  109;  ebenso  sagt  Q.  Cic.  pet.  cons.  5,  18  cuiiisque  generis  amici. 
Für  Caesar  gilt  wie  für  Cicero,  dass  hoc  gemis  rerum  gewöhnlicher 
ist  als  7-es  Imins  generis,  wie  C.  F.W.  Müller  zu  Cic.  off.  S.  72  sagt; 
so  finden  wir  bei  ihm  midtitudo  omnis  generis  telorum,  Gall.  7,  41, 
3  und  tormenta  ciiiusque  generis,  civ.  3,  63,  6;  vgl.  ferner  mac/iinae^ 
copiae  omniiini  generum  bei  Sali.  Jug.  21,  3  und  48,  2  und  munera 
ciäusque  generis  bei  Nep.  Ages.  8,  3.  Bei  Livius  ist  der  Genitiv 
omnis  generis  sehr  häufig,  dagegen  sehr  selten  omne  genus  aliciäus 
rei,  wie:  cum  omni  genere  commeatiis  accessit,  30,  36,  2  und  omni 
genere  friigum  fertilis,  38,  15,  9.  Ygl.  dagegen  omnis  generis  tor- 
menta, Liv.  32,  16,  10;  ager  copia  omnis  generis  fr ug um  ahundans, 
Liv.  22,  9,  3;  praeda  ingens  omnis  geneyns,  26,  46,  10;  cum  alia 
omnis  generis  praeda,  27,  5,  9 ;  omnis  generis  iniurias  in  se  com- 
memoravit,  27,  17,  12;  navihus  omnis  generis  contractis,  34,  8,  5; 
telorum  omnis  generis  vis,  38,  26,  4;  p)ecora  omnis  gene7^is,  42,  56, 
10;  eloquentia  sacrata  scriptis  omnis  generis,  39,  40,  7;  conciirsus 
omnis  generis  hominum  und  sonst  noch  oft.  Nachklass.  ist  der 
Genitiv  omnis  generis  nicht  selten,  z.  B.  midtitudo  omyiis  generis 
pecudum,    Suet.   Ner.  31;    animalia   omnis  generis,    Sen.    de   benef. 

4,  5,  2;  omnis  generis  aeneator um  tanta  turha,  Sen.  de  m.  Claud.  12, 
1  und  lectio  omnis  generis  voluminum,  epp.  2,  2;  armamentarium 
omnis  generis  telorum  copia  refertum,  Yal.  Max.  1,  7  ext.  4; 
conquisiti  omnis  generis  honores,  ib.  4,  6  ext.  1  und  omnis  generis 
hominum  licentiae  ludihrio  esse,  ib.  6,  2,  4.  Is  regi  cum  omnis 
generis  donis  occui'rit,  Curt.  10,  1,  24.  Tollit  verrucas  omnium  ge- 
nerum illita,  Flin.  nat.  24,  134;  idcera  omnium  generum  .  .  sucus 
mire  sanat,  146;  aves  cum  omnis  generis  circumvolare  coeperunt, 
lust.  11,  7,  5.  Yarro  liebte  in  solchen  Redensarten  den  Zusatz 
omne  genus  als  Accus.,  z.  B.  aves  omne  genus,  Vögel  aller  Art,  wie 
er  auch  hoc  und  id  genus  für  huius  und  eius  generis  gern  braucht, 
wozu  sich  bei  Cicero  nur  wenige  Beispiele  finden;  eingehend  handelt 
hierüber  Thielmann  Cornif.  S.  60  f.,  wonach  Cato  zuerst  hortum  omne 
genus,  cm'onamenta  omne  genus  geschrieben,  vgl.  auch  Lucil.  468 
nehulo  id  genus,  1076  alic[uae  id  genus  lierha;  aus  Cicero  wird  nur 
Att.  13,  12,  3  aliquid  id  genus  zitiert,  sowie  quod  genus  aus  Cic. 
inv. ;  Caesar  braucht  diese  AYendungen  nicht.  Besonders  beliebt 
sind  sie  im  Sp).  L.  z.  B.  bei  Gellius,  vgl.  Gorges  S.  28 ;  meine  Synt.* 
§  50  Anm.,  Wölfflin   Archiv  Y   S.  387—398,    Burg  S.  20,    Becher 

5.  32,  Ebert  act.  Erl.  II  S.  320,  Stacey  Archiv  X  S.  68.  —  Ebenso 
ist  genus  =  gens  bei  weitem  nicht  so  selten,  als  es  früher  im  Anti- 
barb.  hiess:  nee  imssuras  se,  ut  Scytharum  genus  per  feminas  inter- 
cidat,  lust.  2,  3,  16,  wo  Benecke  diese  Bedeutung  von  genus  ausser- 
dem aus  Livius,  Caesar,  Nepos  und  Curtius  erhärtet.  Ausserdem  aber 
verweisen  wir  noch  auf  folgende  Stellen:   quae  laetum  anttquitatihus 


Geometer  —     623     —  Gerere 

Graecorum  genus  incertae  vetiistati  affingü,  Tac.  hist.  2,  4  und  cid' 
dam  Aegypti  generis,  Suet.  Ner.  37.  Natimi  mendacio  genus  0er- 
manoriimj  Yell.  2,  118,  1.  Und  wenn  Benecke  nur  auf  Liv.  31, 
35,  1  hinweist,  so  fügen  wir  bei,  dass  dieser  Gebrauch  von  genus 
bei  ihm  nicht  sehen  ist:  contracto  iam  inter  Aetolos  et  Trcdlis  — 
lllyriorum  id  est  genus  —  certamine,  27,  32,  4  und  ibid.  §  1 : 
praemissis  equitihus,  qui  ohequitando  promptum  ad  excursiones  genus 
lacesserent  Aetolorum;  Ligiires,  durum  in  armis  genus ^  27,  48,  10, 
und  so  fügt  er  44,  11,  7  zu:  Ägrianes  et  duo  milia  Penestarum 
lllyriorum  als  Apposition  bei:  lellicosum  utrumque  genus ;  Macedonum 
genus  omyie  nomenque  exsecrari,  ib.  31,  44,  6;  quo  genere  (Sahinorum) 
nidlum  quondam  incon^uptius  fiiit,  Liv.  1,  18,  4  und  milites  Hispani, 
Italici  generis,  21,  21,  2;  22,  43,  3  und  42,  47,  12,  s.  auch 
Weissenborn  zu  Liv.  1,  5,  2  und  Kühnast  Liv.  Synt.  336.  Auch 
Caesar  hat  diesen  Gebrauch  nicht  nur  Gall.  4,  3,  3,  sondern  auch 
7,  22,  1:  ut  est  summae  gemts  (Oallormn)  sollertiae,  endUch  vielleicht 
selbst  Cicero:  lioc  dico  de  toto  genere  Graecorum^  Cic.  Flacc.  9  (wo  man 
jedoch  richtiger  genus  =  Menschenschlag  erklärt,  und  genus  = 
Volksstamm  darnach  der  Kl.  Sprache  des  Cicero  abspricht).  —  Endlich 
ist  wohl  N.  L.  iyi  genere  und  Sp.  L.  nur  bei  Gellius  in  genus  in 
der  Bedeutung  im  allgemeinen,  üherhaupt,  für  gener atim,  universe. 
Ygl.  Generaliter.  —  Bemerkenswert  ist  die  im  Lateinischen  fast  regel- 
mässige Verbindung  ex  eo  genere  u.  dgl.  statt  ex  eorum  geliere,  s. 
Madvig  zu  Cic.  fin.  3,  70. 

Geometer,  der  Geometer,  ist  N.  L.  Form  für  geometres  bei  Cicero 
u.  a.  —  Geometria  ist  nicht  =  unserer  Geometrie,  es  bedeutet  nur 
die  Feldmesskunst;  Geometrie  ist  linearis  ratio,  vgl.  Quint.  1,  10,  36. 

Gerere  wird  im  bessern  Latein  mit  manchen  Objekten  entweder 
nicht  oder  doch  nur  selten  verbunden,  z.  B.  vitam  gerere,  das  Lehen 
Mitbringen,  N.  Kl.  für  vitam  agere  oder  degere;  aetatem  gerere  nur 
bei  Sulpicius  (Cic.  fam.  4,  5,  3),  vgl.  Z.  f.  G.  W.  1881,  S.  126;  und 
ebenso  N.  Kl.  tempus  adolescentiae,  annum  aetatis  gerere,  für  agei^e. 
Man  sagt  ferner  nicht  sermonem  (sermones)  gerere,  für  conferre,  con- 
serere ;  über  nomen  gerere  s.  unter  Nomen;  nicht  gidjernaculum  ge- 
rere, für  teuere,  tractare.  Da  Cicero  zweimal  sagt:  personam  gerere, 
eine  Person  vorstellen,  eine  Rolle  spieleyi,  z.  B.  off.  1,  115,  für  tenere, 
sustinere,  ferre,  so  ist  diese  Ausdrucksweise  nicht  zu  beanstanden. 
8p.  L.  findet  sie  sich  auch  bei  Aug.  doctr.  christ.  4,  29  Anf.  u.  c. 
D.  1,  21  und  sonst.  Ohne  alle  Autorität  aber  ist  partes  gerere,  eine 
Rolle  spielen;  vgl.  unter  Agere.  Umgekehrt  ist  morem  gerere  klass. 
und  erst  Sp.  L.  schreibt  Sidon.  epist.  3,  7,  1  mos  agitur,  vgl.  Archiv 
XIII  S.  219.  —  N.  L.  ist  auch  aliquem  (aliquid)  hi  ore  gerere, 
einen  oder  etivas  im  Munde  führen,  für  habere,  esse,  versari.  Ygl. 
Os.  Nicht  nur  Spj.  L.  und  P.  ist  gerere  aliquem  (wie  man  agere 
aliquem  braucht)  in  der  Bedeutung  eineyi  vorstellen,  die  Rolle  eines 
spielen  luollen,  z.  B.  considem  gerere,  eineyi  Koyisid,  eiyies  Konsuls  Rolle 
spieleyi  wollen,  sondern   auch   N.  Kl.   bei  Yal.  Max.  9,  1,  9:    eodem 


Germanice  —     624     —  Gesticulari 

animo  civeni  gerens,  quo  ]}atrem  egerat;  falsch  ist  aber  se  gerere  ali- 
quem  in  dieser  Bedeutung  für  das  nachklass.  se  ferre  aliquem,  z.B.: 
coyisidem,  Tac.  ann.  1,  2  init.  oder  se  gerere  'pro  aliquo,  Liv.  32,  2,  6 
oder  p'o  cive  se  ferre,  Liv.  34,  42,  6  (bezüglich  Cic.  Arch.  1 1  vgl.  C.  F.  W. 
Müller,  S.  103,  aber  auch  Madvig  fin.  S.  158  f.);  vgl.  jetzt  auchWölfflin 
Archiv  XII  S.  453,  der  bei  Flor.  1,  1,3  mit  Recht  matrem  gessit  ver- 
langt. Wie  Livius  (2,  27,  3)  sagt:  se  medium  gerere,  sich  neutral  ver- 
halten, so  setzt  man  auch  den  Accus,  eines  andern  Adj.,  um  zu  be- 
zeichnen, it'ie  man  sirli  beträgt.  Doch  ist  dies  selten  und  steht  bei  keinem 
klass.  Prosaiker.  Gewöhnlich  ist  in  diesem  Falle  das  Adverb,  z.  B.  cru- 
deliter  se  gerere.  Selten  ist  ebenso  aliquid  inae  se  gerere  (statt 
/eire)  bei  Cic.  inv.  2,  30  u.  157  und  bell.  Afric.  10,  4  und  Sp.  L. 
bei  August,  de  libero  arbitr.  3,  21,  61  und  sonst;  vgl.  Thielmann 
Cornif.  IS.  41  und  Wölfflin  zu  b.  Afr.  10,  4,  der  hier  prae  se 
tilgt. 

Germanice^  deutsch,  kann,  wiewohl  es  nirgends  vorkommt,  doch 
von  uns  nicht  entbehrt  werden,  w^o  es  in  seiner  wahren  Bedeutung, 
nämlich  von  der  deuischen  Sprache,  vorkommt;  wenn  es  aber  be- 
deutet gerade  heraus,  derb,  freimütig.,  so  kann  wohl  auch  der  lat. 
redende  Deutsche  germanice  loqui  sagen,  da  die  alten  Römer  dafür 
latine  gebrauchten.  Ygl.  Cic.  Verr.  4,  2  und  dazu  Richter.  Auch 
sagten  sie  in  ebendemselben  Sinne  more  Romano  (Cic.  fam.  7,  5, 
3;  7,   18,  3). 

Germanitas  kommt  in  der  Bedeutung  Echtheit,  Wahrheit  nirgends 
vor.     Vgl.  mehr  darüber  unter  Genuinus. 

Germanus  als  Adj.  in  der  Bedeutung  deutsch,  ist  nicht  nur  P.  L. 
für  germanicus,  sondern  findet  sich  so  auch  bei  Yell.  2,  106,  2  Ger- 
mana  feritate  jferocior;  vgl.  Näg.-MüUer^  S.  296  Anm.;  oft  wird  es 
im  N.  L.  so  gebraucht,  z.  B.  germanus  sermo,  die  deutsche  Sprache, 
für  germanicus ;  mores  germani,  die  deutschen  Sitten,  für  germanici 
oder  Germanorum;  vgl.  Georges  Vell.  26. 

Gestare,  tragen,  ist  Kl.  selten  für  ferre,  p)ortare,  Jiahere,  gerere, 
während  es  N.  Kl.  bei  Sueton.  u.  a.,  und  früher  bei  Terenz  oft 
vorkommt,  vgl.  Bagge,  S.  25,  der  für  Suet.  auch  die  intr.  Bedeutung 
=  fahren  oder  sich  tragen  lassen  nachweist.  Man  verbindet  es  aber 
Kl.  mit  in  und  dem  Ab!.,  auf  etwas,  N.  Kl.  mit  dem  blossen  Abi., 
z.  B.  digito,  am  Finger;  aber  N.  L.  ist  ex  aliqua  re,  z.  B.  clavem 
ex  cingulo  gestare,  einen  Scldüssel  am  Gürtel  tragen,  wenn  nicht 
noch  der  Zusatz  suspensam  oder  pendentem  dabei  steht. 

Gesticulari,  Gebärdeyi  macheyi,  gestikulieren,  kommt  N.  Kl.  und 
selten  bei  Sueton  und  Petron.,  sowie  Sp.  L.  bei  Apul.,  Fronte  u.  a. 
vor,  für  gestum  agere  vom  Schauspieler  (Cic.  de  erat.  2,  233),  gestum 
faccre,  gestu  uti.  Ebenso  N.  Kl.  steht  bei  Sueton,  auch  bei 
Quint.,  Val.  Max.  und  Sp.  L.  bei  Apul.  und  Solin.  gesticulatio  für 
gestus  (im  Sing.),  z.  B.  gestus  eins  natura  ita  venustus  fuit,  .seine 
Gestikulation,  sein  Gebärdenspiel  war  —  (Cic.  Brut.  272);  vgl. 
Bagge  S.  26. 


Gestio  —     625     —  Gignero 

Gestio^  das  Verrichten,  Besorgen,  z.  B.  negotii,  eines  Geschäftes, 
findet  sich  zwar  bei  Cicero,  aber  in  seiner  Jugendschrif't  de  invent. 
(1,  38  und  2,  39);  man  setzt  dafür  häufiger  actio,  administratio, 
functio,  oder  drückt  es  durch  die  Yerba  gerere,  fungi,  adr/iinistrare 
u.  a.  aus. 

Gestire  mit  Infin.  hat  schon  Plaut.,  z.  B.  Mil.  8  gestit  stragem 
facere  ex  hostihiis;  es  ist  auch  klass.,  und  zwar  hat  es  Cic.  nicht 
nur  in  epp.,  sondern  selbst  in  den  Reden,  wo  es  Marc.  10  imrietes 
hiiius  curiae  tibi  gratias  agere  gestiunt  trotz  des  energischen  Protestes 
von  F.  Aug.  Wolf  heute  als  ciceronisch  gilt;  ebenso  findet  es  sich 
bei  P.  und  N.  Kl,  z.  B.  Yell.  2,  7,  1,  bei  PHn.  min.  u.  a. 

Gestitare,  tragen,  ist  Ä.  und  Sp.  L.  für  gestare. 

Gestum  als  Subst.,  die  Tat,  kommt  im  Sing,  nicht  vor,  der 
Plural  gesta  bei  Sisenna  (bei  Gell.  12,  15,  2),  l^epos  (Timoth.  4, 
6  u.  Hannib.  13,  3),  Liv.  6,  1,  3  und  8,  40,  5,  Yal.  Max.  I  praef., 
bei  Tac.  Agric.  8,  vgl.  Nipp,  zu  Nep.  13,  4,  6,  Sp.  L.  bei  Paneg. 
wiederholt,  vgl.  noch  Wölffliu  Rh.  M.  37,  90,  für  res  gestae  oder 
bloss  res.  Für  den  Sing,  sage  man  res  oder  res  gesta.  Deine  Taten 
sind  res  a  te  gestae;  doch  ist  auch  klass.  res  tuae  gestae,  Cic.  Marc. 
25,  tuae  res  gestae,  Deiot.  12,  res  gestae  tuae,  fam.  1,  5  a,  4;  vgl. 
noch  res  eins  gestae  Yerr.  5,  25,  res  gestae  Caesaris,  Caes.  civ.  2,  32, 
5 ;  vgl.  noch  Eberhard  zu  Cic.  Marc.  25. 

Gestus  als  Subst.,  die  Gehärden,  kommt  bei  einer  Person,  der 
sie  beigelegt  werden,  nur  im  Sing,  vor,  indem  der  Plural  nur  dann 
steht,  wenn  von  mehrern  Personen  die  Rede  ist,  wie  bei  Cic.  (off.  1, 
130):  histrionum  nonmdli  gestus  ineptiis  noti  vacant.  Es  kann 
also  der  Sing,  mit  unserm  Ausdrucke  Gestikulation  verglichen  werden. 

Gihbosus,  höckerig,  bucklig,  ist  Sp.  L.  üblich  neben  gibberosus, 
gibber  oder  gibbus.  Es  leitet  sich  her  von  gibbus,  wie  gibberosus 
von  gibber;  gibbus  und  gibber  sind  Adj.  und  Substantiva,  also  = 
buckelig  und  =  der  Buckel. 

Gignere.  Mit  einem  Weibe  Kinder  erzeugen  heisst  lat.  liberos 
gignere  ex  aliqua  (nie  cum  cdiqiia,  spät  de  aliqua)^  bei  Tac.  ann.  3, 
23  u.  4,  3,  Curt.  8,  2,  19  u.  8,  4,  29;  ebenso  steht  gignere  aliquem 
vom  Yater  bei  Sali.  Jug.  10,  1,  vgl.  meine  Anm.  z.  St.,  und  Sen. 
contr.  2,  9,  3.  Indes  findet  sich  gignere  auch  von  der  gebärenden 
Mutter,  und  zwar  nicht  bloss  bei  Dichtern  und  Spätlateinern  wie  Lactanz 
und  Apuleius,  sondern  auch  in  der  nachklass.  Latinität:  e  Septem 
liberis,  quos  ipsa  (mater  Darei)  genuisset,  unum  super  esse,  Curt.  10, 
5,  23.  Rectius  Lolliam  induci,  cpiando  nullos  liberos  genuisset,  Tac. 
ann.  12,  2.  Spernis,  quos  genuisti  =  peperisti,  Yal.  Max.  7,  7,  4, 
ebenso  Nep.  Iphicr.  3,  4  und  feminae,  quae  gignunt,  Cels.  1,  1  S.  30 
(Dar.),  und  auch  bei  Cicero:  idcirco  genueram,  ut  esset,  qui  .  .  Tusc. 
1,  102.  Und  so  auch  Kinder  von  einem  haben,  bekommen  =  liberos 
ex  aliquo  gignere,  Tac.  ann.  12,  3  und  Curt.  8,  3,  3.  —  Das  Part. 
Perf.  Pass.,  auf  Vater  oder  Mutter  oder  beide  Teile  bezogen,  steht 
gewöhnlich    mit    dem    blossen  Abi.:    love   genitus,    Curt.  8,    10,  1; 

Krebs-Schmalz,  Antibarbarus  I.  4Q 


Gloria  —     626     —  .  Gloria 

Fhilippo  genitus,  9,  8,  22 ;  iiivenes  eadeni  mafre  geniti,  6,  5,  4. 
Qiiacumqite  matre  genitus,  Liv.  1,  3,  3  und  Marte  genihis,  lust.  2, 
4,  13.  Äntonium  iiivenem  maiorem  de  duohiis  Fulvia  genitis  .  .  in- 
teremit,  Suet.  Octav.  17;  Agripinnam,  Agrippa  genitam  .  .  ibid.  Tib. 
7  und  Nero  5  extr. ;  Olymjnonice  patre  genita,  Val.  Max.  8,  15,  ext. 
4;  se  filio  eins  genitam,  Gurt.  6,  2,  7;  genitos  Agrippa,  Druso  genitus, 
Tac.  ann.  1,  3  u.  c.  33  u.  6,  46;  imperatore  genita,  ann.  12,  42; 
genitus  praeside  hellotmm  deo,  Quintil.  3,  7,  5.  Genitam  fratre  adop- 
taverat,  Plin.  epp.  8,  18,  2  und  consulari  patre  genitum  esse,  love 
genitus,  Plin.  pan.  9,  2  und  14,  5;  Paido  genitus,  Yell.  1,  12,  3; 
matre  Lucilia  genitus,  ib.  2,  29,  2  und  2,  59,  2;  Hasdruhalem  patre 
eodem  Hamilcare  genitum,  Liv.  27,  44,  6;  Atia  M.  Atio  Balbo  et 
lulia,  sorore  C.  Caesaris,  genita  est,  Suet.  Octav.  4;  genitus  Crasso 
et  Scribonia,  Tac.  bist.  1,  14  extr.  Hat  das  betreffende  Subst.  ein 
Pronomen  bei  sich,  so  wird  in  der  Regel  gleichfalls  der  blosse  Abi. 
gesetzt.  Die  Präpos.  ex  wird  nur  beigefügt,  wenn  die  betreffende 
Person  von  einer  andern  unterschieden  werden  soll:  puerum  ex  eo 
Ariarathe  genitum,  qui  .  .  lust.  38,  2,  5.  Wenn  dagegen  das 
Pron.  pers.  oder  demonstr.  eines  stützenden  Subst.  entbehrt,  wird 
die  Präpos.  in  der  Regel  beigesetzt:  filium  ah  eo  genitum  Alexandrum 
nominavit,  lust.  12,  7,  10,  tres  lileri  erant  ex  eo  geniti,  Gurt.  8,  3, 
3,  puero  ex  ea  utcumque  genito  Alexandro  fuit  yiomen,  8,  10,  36. 
Selten  ist  die  Yerbindung  mit  de  wie:  de  love  genitus.  Gell.  13,  4, 

3,  was  jedoch  durch  ptrocrea7'e  de  matre  familias  duos  filios  (Cic. 
rep.  2,  34)  geschützt  wird.  Wenn  wir  sagen:  eiyi  Land,  eine 
Stadt  hat  diesen  oder  jenen  Mann  liervorgehraclit,  so  kann  dafür 
lat.  neben  dem  klass.  ferre  auch  gignere  verwendet  werden:  orare 
pro  urhe,  quae  non   viros  tantum,  verum  et  deos  genuerit,   lust.  11, 

4,  4  und:  nemiyiem  Lycurgo  aut  maiorem  aut  utiliorem  virum 
Lacedaemon  genuit,  Yal.  Max.  5,  3,  ext.  2. 

Gloria,  RuJim.  Die  als  unlatein.  angezweifelten  Phrasen  gloria 
afficere  und  gloriam  trihiiere  finden  sich  schon  frühe,  vgl.  Plaut. 
Amph.  1140  te  immortali  afficiet  gloria ;  Cic.  Tusc.  1,  34  u.  Phaedr. 
1,  7,  3:  gloriam  fortuna  trihuit.  Ebenso  immortali  gloria  memoria- 
que  adfectus,  Lact.  1,  11,  45.  Homerus  gloriam  herbarum  Aegypto 
tribuit,  Plin.  nat.  25,  11.  —  Wenn  behauptet  wurde,  falsch  lege  man 
einem  litterarisch  berühmten  Manne  eine  litterarum  gloriam  bei,  die 
es  nicht  gebe,  wohl  aber  laus  und  fama,  da  gloria  durch  Yerdienste 
um  den  Staat  erworben  werde,  so  ist  dadurch  der  Begriff  von  (/?oria 
in  allzu  enge  Grenzen  eingeschlossen.  Yom  litterariscJien  oder  künstle- 
7isc]ien  Buhne  steht  gloria  bei  Cic.  ac.  2,  72,  Arch.  4  u.  10,  Nep. 
Epam.  2,  1,  Tac.  ann.  12,  28,  dial.  5,  Plin.  epp.  1,  16,  6  u.  2,  3,  8. 
Doch  ist  litterarum  gloria  für  unser  litterarisclie  Berühmtheit  wohl 
zu  unbestimmt  und  allgemein.  Besser  wäre  jedenfalls  gloria  monu- 
mentis  py^'^'l^f^  (ingeniij  litterarum.  Kann  man  dafür  auch  dodrinae 
fama  oder  laus  sagen,  so  ist  doch  auch  glo7na  zulässig,  wie  sich 
dies  nicht  nur  bei  Lact.    3,   20,   5  u.  Plin.  nat.  7,    107:    ingeniorum 


Gloriari  —     627     —  Glossarium 

gloria,  sondern  auch  bei  Cicero  findet;  vgl.  ofF.  1,  116:  ad  eani 
laudem  doctrinae  et  ingenii  gloriam  adiecit.  —  Der  Plural  gloriae  = 
res  praeclare  gestae  =  Ruhme s-Heldentaten  ist  selten,  einmal  bei 
Plaut.  Truc.  889,  aber  nicht  Cic.  Plane.  60,  wo  gloriae  =  Gen.  ab- 
hängig von  gradus  ist,  vgl.  Holden  z.  St.,  aber  rhet.  Her.  3,  10,  Sali. 
Jug.  41,  7,  Tac.  ann.  3,  45,  Gell.  2,  27  Ende.  Häufig  ist  er  Sp.  L.  bei 
Cyprian,  vgl.  Harteis  Index.  —  Gut  ist  endlich  gloria  auch  =  Ehrgeiz^ 
Rulimhegierde,  s.  Tischer-Sorof  zu  Cic.  Tusc.  2,  46  und  Heraus  zu  Tac. 
bist.  2,  21,  sowie  Nägelsb.-Müller^  S.  204  f.  —  ^S^;.  L.  ist  gloria  in 
der  Bedeutung  unseres  Glorie,  Glorienliclitj  z.  B.  vom  Glojnenlicht 
umflossen,  vgl.  Hier.  ep.  64,  1  Moyses  glorificato  vidtu  loqidtur  et 
popuhis  loqiientis  gloriam  ferre  non  sustinet.  —  Klass.  Phrasen  sind 
in  gloria  esse,  magna  gloria  esse,  qitae  tua  gloria  est  (=  hei  deinem 
Ehrgeiz),  gloriae  esse;  Phrasen  aus  Liv.  und  dem  N.  KL,  die  zum  Teil 
nicht  zu  verwerfen  sind,  sehe  man  bei  Nieländer  1893  S.  18  Anm.  3. 

Gloriari  wird  verbunden  mit  in  c.  abl.,  dem  blossen  Abi.  und 
dem  Accus,  des  Neutrums  eines  Pronomens  in  der  Bedeutung  seinen 
Ruhm  in  etiuas  suclien,  sher  mit  de  in  der  Bedeutung  sich  wegejt 
eitler  Sache  rühmen.  Über  gloria^^i  in  vgl.  Z.  f.  G.  W.  1881  S.  129. 
Wenn  Kühnast  S.  172  sagt,  dass  gloriari  bei  Livius  meistens  mit 
dem  Acc.  verbunden  werde  (Cic.  nur  mit  dem  Accus,  des  Pron.), 
so  scheint  dies  irrig;  denn  wohl  hat  Livius  (wie  Cicero)  auch  den 
Accus,  eines  Pron.,  s.  1,  12,  9:  in  cum  haec  gloriantem  impetum 
fecit,  allein  für  den  Accus,  eines  Subst.  könnte  man  sich  wohl  nur 
auf  Liv.  27,  17,  10  berufen,  wo  aber  eam  —  raptam  mit  Riemann 
durch  esse  zu  ergänzen  ist.  Dagegen  ist  gloriari  c.  accus,  im  Sy.  L. 
nicht  zu  bezweifeln.  Absolut  gebrauchtes  gloriari  (=  suis  rebus 
gloriari)  hat  Livius,  vgl.  22,  39,  17  u.  dazu  Novak  Stud.  1894 
S.  145.    Gloriari  mit  Accus,  c.  inf.  ist  klass.,  z.  B.  de  or.  2,  258. 

Gloriator,  der  Prahler,  ist  Sp).  L.  für  ostentator,  iactator,  ven- 
ditator,  homo  gloriosus,  grandiloqnus. 

Glossema  ist  Ä.  L.  bei  Yarro  und  N.  Kl.  im  Gebrauche  und 
zwar  in  der  Bedeut.  vox  minus  iisitata,  ein  iveniger  gehräuchliches 
Wort,  also  luas  einer  Erklärung  dedarf,  nicht  aber  die  ErkUbiing 
seihst,  wie  es  in  der  heutigen  Kritik  und  Hermeneutik  gebraucht 
wird,  wo  man  jedes  zur  Erklärung  beigeschriebene  Wort  und  über- 
haupt alles  zur  Erklärung  von  andern  Beigeschriebene  so  nennt.  So 
werden  aber  die  Bedeutungen  verdreht  und  die  Begriffe  verwirrt ; 
daher  sollte  man  in  der  letztern  neuen  Bedeut.  dafür  interpretatio 
aliena  sagen;  für  das  N.  L.  glossare  —  interpretari,  explanare  u.  a., 
und  für  glossator  —  interpres,  explanator  u.  a.  Vgl.  Exponere.  Hin- 
gegen ist  glossa  =  glossema  erst  spätlat. 

Glossarium  ist  nach  altem  Gebrauche  nicht  jedes  Wö7^terhuch, 
welches  alle,  auch  die  gewöhnlichsten  Wörter  enthält,  sondern  das, 
worin  die  seltenen  und  minder  üblichen  erklärt  werden;  vgl.  Gellius 
18,  7,  3.  Auf  diese  Bedeutung  beschränke  man  daher  den  Ge- 
brauch des  Wortes. 


Gnarus  —     628     —  Graecum 

Gnanis.  Die  angezweifelten  Komparationsformen  dieses  Ad- 
jektivs sind  aus  dem  Sp.  L.  nunmehr  belegt;  vgl.  Neue -Wagener^  II 
8.  359  gnarissimns  Solin.  51,  und  gnariores  lulian  bei  Aug.  op.  imperf. 
lul.  5,  11.  Im  mustergiltigen  Latein  ^ommi  gnarus  nur  aktiv  vor,  in  der 
Bedeutung  kundig,  der  etwas  kennt;  erst  K.  KI.  und  nur  bei  Tacitus 
imssiv,  in  der  Bedeutung  hekannt,  für  notus,  was  nicht  nachzuahmen 
ist;  vgl.  unten  s.  v.  Ignarus.  —  N.  L.  aber  findet  man  es  in  der  Be- 
deutung verständig,  umsiclitig,  z.  B.  g^iara  accurataque  cognitio;  gnara 
codicum  variae  aetatis  indagatio,  dergleichen  es  im  Latein  nicht  gibt. 

Gnatus,  der  Sohn;  vgl.  Xatus. 

Gradlitudo,  die  Schlankheit,  Magerkeit,  kommt  A,  L.  vor,  für 
gracilitas. 

Gradus,  die  Stufe,  wobei  an  Höhe  gedacht  wird,  lässt  nicht 
wohl  Wörter  zu,  in  welchen  keine  Erhebung  oder  das  Gelangen 
wohin  liegt;  daher  kann  man  wohl  sagen:  ad  gradum  adscendere, 
ad  gradum  venire,  perveyiire,  evehi,  gradum  assequi,  consequi  (Cic. 
Plane.  60,  Cluent.  150),  persequi,  adiinsci,  aber  nicht  sihi  comjmrare 
gradum,  sich  eine  Stufe  ericerhen.  nicht  accipere  gradum,  eine  Stufe 
erhalten,  auch  nicht  dare,  denn  Cic.  S.  Rose.  136  s}mm  cuirpie  hono- 
rem et  gradum  redditum  ist  zeugmatisch  (Landgraf  spricht  auffallender- 
weise  nicht  darüber),  aber  gradum  facere  ad  cdifpuid,  Liv.  27,  6,  17 
=  einen  Sprung  maclien,  vgl.  Priedersdorff  z.  St.  Als  Beiwörter 
passen  nicht  magnus,  parvus,  pjerfectus  u.  dgl.,  sondern  altus,  summus, 
infimus,  wiewohl  in  unserer  Redensart  im  hohen,  höchsten  Grade 
gewöhnlich  nur  summus  ohne  das  Subst.  gradus  gebraucht  wird; 
z.  B.  du  besitzest  diese  Gabe  im  höchsten  Grade,  ea  facultas  in  te  est 
summa  (Cic.  fam.  4,  13,  4);  dir  sind  diese  Eigenschaften  in  geringerem 
Grade  gegeben,  tibi  ea  minora  data  sunt  (nach  Cic.  de  orat.  1,  132).  — 
N,  L.  ist  iisque  ad  eum  gradum,  ut  — _,  bis  zu  dem  Grade,  dass  — , 
für  2isque  eo  oder  iiscpie  acleo  ut  — .  ebenso  ad  eum  gradum  avaritiae 
für  ad  tantam  avaritiam  oder  in  avaritia  tantum processit.  Auch  ist  es 
ungewöhnlich  zu  sagen:  hoc  omnes  habet  in  se  gradus  veritatis  (so 
erst  Sp.L.:  omnes  gradus  virtutis  implere,  Lact.  inst.  5,  14,  18), 
für  mimeros,  dieses  hat  alle  Grade  der  Wah'heit  (Cic.  div.  1,  23). 
Mit  Recht  wird  bezweifelt  gradus  perfectionis,  Grad  der  Vollkommen- 
heit^ da  die  perfectio  oder  absolutio  schon  an  sich  das  Höchste  in 
ihrer  Art  ist.  —  Grad  von  der  Yerwandtschaft  gebraucht  ist  klass. 
=  gradus,  vgl.  Archiv  XIII  S.  221.  —  Gradum  referre,  conferre 
u.  inferre  sind  livianische  Phrasen,  wofür  man  besser  pedem  referre 
u.  s.  w.  sagt,  vgl.  Caes.  Gall.  1,  25,  5;  4,  25,  2;  Cic.  Plane.  48  u. 
dazu  Holden,  Liv.  6,  13,  2;  Archiv  X  S.  24. 

Graecanicus  bedeutet  nicht  griechisch,  wie  gr accus,  sondern  nur 
griecliisch artig,  a?{s  dem  Griechischen  genommen,  den  Griechen  nacJi- 
gemacJit.  Das  ^Yort  ist  nicht  KL,  findet  sich  jedoch  bei  Yarro, 
N.  Kl.  bei  Plin.  mai.  und  Sp.  L. 

Gm^c//?«  als  Subst.,  das  Griechische,  in  der  Bedeutung  die  grie- 
chische Sprache,  oder  auch  wohl  in  noch  umfassenderer  Bedeutung, 


Graius  —     629     —  Grandis 

ist  nicht  deutscli-latein.;  zwar  ist  die  Substantivierung  keine  voll- 
ständige, wie  sich  denn  der  Nomin.  Graecum  nicht  nachweisen  lässt, 
auch  der  Abi.,  wie  z.  B.  Graeco  iiti  bei  Quintil.  5,  10,  1  wird  ganz 
selten  sein.  Aber  unbedenklich  kann  die  Substantivierung  der  accu- 
sativischen  und  ablativischen  Präpositional -Ausdrücke  e  graeco,  a 
graeco,  in  graeciim  nachgeahmt  werden,  denn  dies  findet  sich  öfter 
nicht  nur  bei  Quintilian,  sondern  auch  bei  Cic.  ofF.  2,  87:  Quem 
lihrtim  .  .  .  e  Graeco  in  Latinum  convertimiis.  S.  darüber  auch 
Nägelsbach,  Stil.  ^  S.  112.  Rein  substantivisch  sagt  man  lingua  graeca 
oder  sermo  graecus,  wenn  die  Siwache  gemeint  ist,  litterae  graecae, 
wenn  die  griechischen  Schriftsteller,  Schriften  und  ihr  Verständyiis 
gemeint  sind,  und  res  graecae,  wenn  allgemein  Griechenland  und 
seine  Geschichte  gedacht  wird ;  ausserdem  auch  der  Plural  Graeca, 
Latina  nach  Cic.  ofF.  1,  1 :  Cum  Graecis  Latina  coniunxi,  oder  graece 
verbunden  mit  doctus,  scire,  loqiii,  z.  B.  bewandert  im  Griechischen, 
graece  doctus;  er  versteht,  spricht  griechisch  oder  das  Griechische, 
graece  seit,  graece  loquitur. 

Graius,  der  Grieche,  auch  als  Adj.,  griechisch,  kommt  meistens 
bei  Dichtern  vor,  aber  doch  auch  mehrmals  bei  Cicero  (vgl.  de  rep. 
1,  58;  2,  9;  3,  15;  6,  16  u.  a.),  wie  es  scheint,  immer  mit  Lob 
und  mit  Rücksicht  auf  das  klass.  Heldenvolk  der  Vorzeit,  nicht 
aber  für  das  gewöhnhche  Graecus  in  geographischer  und  historischer 
Hinsicht.  Die  aus  Cic.  rep.  angeführten  Beispiele  haben  alle  den 
Plural  Graii  oder  Grai;  der  Sing,  findet  sich  Cic.  inv.  1,  35  u.  nat. 
deor.  2,  91. 

Grammaticcdis  ist  sehr  S2').  L.  für  grammaticiis  (bei  Sidon.). 

Grandaevtis,  hochhetagt,  hoclihejahrt,  kommt  fast  nur  P.  L.  vor, 
ausser  beim  altern  Plinius  und  Tacitus  und  Si).  L.,  oft  z.  B.  bei 
Ennodius,  für  grandis  natu ;  höchst  selten  von  Sachen,  so  Paneg.  XI, 
255,  10  grandaevum  imperimn,  vgl.  Chruzander  S.  29;  hochhetagt 
sterben  ist  exacta  aetate  mori,  s.  Cic.  Tusc.  1,  93  und  acta  aetate 
esse  =  hochbetagt  sein,  Cic.  Cato  60. 

Grandescere  =  wachsen,  poetisch  und  nachklassisch. 

Grandiloqims  bedeutet  allerdings  in  Cic.  Tusc.  5,  89  gross- 
sprecherisch  in  verächtlichem  Sinne,  und  erat.  20  den,  der  in  er- 
habenen Worten  spricht,  aber  mit  dem  Zusätze  iit  ita  dicam,  ohne 
denselben  Quintil.  10,  1,  66;  ein  Subst.  grandiloquentia  aber  ist 
N.  L.  Man  brauche  in  dem  Sinne  unseres  Grossprecherei  iactantia, 
ostentatio,  venditatio,  vaniloqiientia. 

Grandis  animus,  die  grosse  Seele,  und  granditas  animi,  die 
Grösse  der  Seele,  sind  ohne  Autorität  für  magnus  animus  und  magni- 
tudo  animi.  Grysar  (unter  Magnus)  sagt,  grandis  werde  von  Per- 
sonen in  der  Bedeutung  erhaben,  grossartig  nicht  gebraucht;  aber 
vgl.  Cic.  Brut.  29:  grandes  erant  verbis,  erat.  119:  quo  grandior  sit 
et  qitodammodo  excelsior  (orator)  u.  a.  Welche  Rolle  das  Wort 
grandis,  das  bekanntlich  in  die  romanischen  Sprachen  übergegangen 
ist,  in  der  Entwicklungsgeschichte  der  Sprache  spielt,    darüber  vgl. 


Granum  —     630     —  Grates 

Wölfflin  Cass.  Fei.  S.  403,  Köhler  act.  Erl.  I  S.  397,  Landgraf  p.  S. 
Rose.  S.  332,  Thielmann  Apoll.  S.  14  f.,  Philol.  42,  358  und  Bonnet 
Greg.  Tur.  S.  289.  —  Die  spanischen  Granden^  die  Grossen^  heissen 
principes,  proceres.  —  Das  Adv.  granditer  =  erhahen  hat  Ovid; 
aber  =  sehr  stark,  gewaltig,  ist  es  Sp.  L.  für  admodimi,  vaJde,  mag- 
jiopere;  vgl.  Eönsch  Ital.  S.  150,  Gölzer  Hier.  S.  198,  Watson  S.  314, 
Wölfflin  Archiv  I  S.  94  und  Mohr  S.  9. 

Gramim.  Die  Redensart  cum  grano  salis  kann  als  eine  sprich- 
wörtliche nur  mit  dem  Zusätze  itt  aiunt,  iit  dicitur  gebraucht  werden. 

Graplüce  kommt  in  der  Bedeutung  malei^isch,  nur  Sp.  L.  bei 
Gell.  10,  17,  2  u.  12,  4,  1  vor.  Statt  ille  formam  Constantii  satis 
graplüce  descripsit  sage  man  satis  j^i^^^ii  colorilms  orationis,  oder 
laeüs  verhorum  coloribus  satis  depinxit  nach  Gell.  14,  4,  1  und  Cic. 
Q.  fr.  2,  13,  2. 

Gratahüidiis,  Glück  iviinscliend,  war  falsche  Lesart  bei  Tac. 
bist.  1,  18,  wofür  längst  g7Xita  aiiditit  gelesen  wird.  Glückwünscliend 
ist  gratidans  oder  gratulahiindus. 

Gratari,  Glück  lunnschen,  danken,  ist  nicht  KL;  es  findet  sich 
seit  Livius,  wird  aber  meistens  (doch  s.  Tac.  ann.  6,  21  u.  14,  8  und 
dazu  Dräger  u.  bist.  2,  29)  von  dem  den  Göttern  scliiddigen  Dank 
gebraucht.  Es  wird,  wenn  es  nicht  absolut  steht,  wie  gratulari  mit 
dem  Dativ  der  Person  verbunden.  Das  Adv.  gratanter  ist  Sp.  L. 
=  freudig,  z.  B.  gratanter  accipere,  vgl.  Gölzer  Hieron.  S.  198. 

Grate,  dankbar,  ist  neben  grato  animo  nicht  zu  verwerfen ;  es 
steht  z.  B.  bei  Cic.  Plane.  98;  aber  bei  Cic.  fam.  7,  17,  2  ist  Streichers 
Verbesserungsvorschlag  et  grate  accepit  et  mihi  saepe  litteris  signifi- 
cavit  von  Mendelssohn  und  C.  F.W.  Müller  nicht  aufgenommen;  beide 
lesen  quod  ille  ita  et  accepit. 

Grates.  Unser  jemanden  Dank  sagen  wird  bei  gewöhnlichen 
Menschenkindern,  welchen  gedankt  wird,  bekanntlich  durch  gratias 
agere  ausgedrückt.  Grates  age7x  aber  ist  der  eigentliche  Ausdruck 
für  den  gegen  Gott  oder  liochsteliende,  hochverdiente  Menschen  aus- 
gesprodienen  Dank,  z.  B.:  Grates  tibi  ago,  summe  Sol,  Cic.  rep.  6, 
9  und  dazu  Meissner,  veta  in  tam  prosperis  rebus  grates  diis  immor- 
talibus  agi,  Liv.  23,  12,  7;  5,  23,  3;  10,  25,  5;  45,  39,  12  und  sonst; 
Tac.  ann.  13,  41.  Wie  aber  laudes  haberi  de  aliquo  schon  bei  Cicero  vor- 
kommt (Attic.  13,  38,  1),  so  wird  auch  oft  laudes  gratesque  agere  cdicui 
gesagt,  so  bei  Plaut.  Trin.  821,  sowie  Mil.  411  und:  dis  laudes  gratescpie 
agimt,  Liv.  7,  3(3,  7  u.  26,  48,  3,  vgl.  FriedersdorfiP  z.  St.  u.  27,  13, 
2.  Ebenso  wird  bisweilen  mit  grates  agere  auch  noch  habere  ver- 
bunden :  Vobis  (diis)  habeo  gjxites  atcpie  ago,  Plaut.  Pers.  756  und : 
verum  esse  grates  diis  immortalibus  agi  haberique,  Liv.  23,  11,  12. 
Vobis  quidem,  o  fidissimi  piissimique  civium,  grates  ago  habeoque, 
Curt.  9,  6,  17.  Wie  Plaut.  Trin.  820  Neptuno  grates  habeo,  so  sagt 
man  häufig  N.  Kl.  grates  oder  laudes  et  grates  cdicui  habere,  z.  B.: 
dexteram  eius  amplexi  grates  habebant  veliit  2^'>'ctesenti  deo,  Curt.  3, 
6,  17.    Tradit  C.  Flinius  .  .  stetisse  (Ägripjnnam)  apud  principium 


Gratia  —     631     —  Gratia 

2)ontis  laiides  et  grates  reversis  legionihus  hahentem^  Tac.  ann.  1,  69. 
Sj).  L.  bei  Sulp.  Sev.  1,  31,  5  steht  grates  referre,  aber  =  gratias 
agere.  S.  über  den  ganzen  Gebrauch  Weissenborn  zu  Liv.  23,  11, 
12,  Fabri  zu  Liv.  23,  12,  7  und  Dräger  u.  Nipperdey  zu  Tac.  ann. 
1,  69,  Lorenz  zu  Plaut.  Mil.  411;  Novak  Paneg.  S.  76. 

Gratia.  Inhalt:  Gratiae  Bedeut.;  — Konstruktion,  hoi  grat.  hahere 
u.  s.  w.;  —  Dank,  Gnade  finden;  helieht  sein;  —  Bedeut.  v.  grat. 
alicuiiis  rei  alicui  facere;  —  in  (alicuiiis)  gratiam,  gratia.  —  Man 
unterscheide  wohl:  gratiam  (nicht  gratias)  hahere,  Dank  ivissen; 
gratiam  (nicht  gratias)  referre,  dankbar  vergelten,  dankbar  sein; 
gratiam  (nicht  gratias)  debere,  Dank  scJmldig  sein  und  gratias 
(nicht  gratiam)  agere,  Dank  sagen.  Wenn  es  sich  indes  um  eine 
Mehrheit  von  Personen  handelt,  welche  Vergeltung  üben  oder  be- 
kommen sollen,  so  kann  man  auch  sagen:  gratias  referre  (vgl. 
Plaut.  Amphitr.  182,  wo  indes  Götz-SchöU  mit  Rein  gratiam  lesen 
und  Langen  Beitr.  S.  11  für  gratiam  eintritt),  ja  selbst  wenn  ein 
Einzelner  Vergeltung  leisten  soll.  Wenn  es  bei  Cicero  (Plane,  101) 
heisst:  Pollicebar  me,  si  essem  in  patriam  restitittiis,  praesentem  tibi 
gratias  relaturum,  so  ist  hier  der  Plural  (g — as)  ersichtlich  deswegen 
angewendet,  um  die  Beziehung  von  praesentem  vor  aller  Zweideutig- 
keit zu  bewahren.  Heisst  es  bei  Plaut.  Trin.  659:  Et  tibi  yiunc, 
proinde  iit  merere,  summas  liabeo  gratias,  so  ist  hier  wohl  —  nach 
Brix-Niemeyer  —  der  ungewöhnlich  potenzierte  Dank  sarkastisch  zu 
verstehen,  vgl.  auch  Langen  Beitr.  S.  12,  der  summas  ago  ego  gratias 
lesen  will.  Aber  ib.  824  ist  gratias  liabeo  durch  das  folgende  atque 
ago  und  Asin.  545  perfidiae  laudes  gratiasqite  habemus  merito  magnas 
ist  gratias  durch  den  Plural  laudes  veranlasst;  vgl.  Cic.  Phil.  3,  25 
maximas  vobis  gratias  omnes  et  agere  et  habere  debemus  u.  3,  39  ut 
honores  eis  habeantiir  gratiaeqiie  referantur ;  vgl.  noch  Marc.  33.  Für 
Liv.  24,  37,  7  fasst  Riemann  etudes  S.  59  gratias  habere  als  Analogie 
von  gratias  agere  und  wird  damit  Recht  haben.  Niemals  aber  kommt 
unseres  Wissens  gratiam  agere  vor  und  zwar  deswegen,  weil  durch 
den  Plural  von  gratia  Darikreden,  Dankivorte  ausgedrückt  werden 
und  diese  Bedeutung  in  dem  Sing,  nicht  liegt.  S.  darüber  Reisig- 
Haase-Hagen  S.  188  f.  Anm.  150  und  Neue-Wagener^  I  S.  698, 
Sjögren  Fut.  S.  232,  Leo  zu  Plaut.  Poen.  134.  Über  grates  agere 
vgl.  Grates.  Ebenso  heisst  die  Danksagimg  immer  bis  ins  Sp. 
L.  (vgl.  Thielmann  Philol.  42,  359)  gratiarmn  (nicht  gratiae) 
actio,  und  die  Danksagimgsformel,  gratiarmn  actionis  oder  gra- 
tiarum  agendarum  formida,  nicht  bloss  gratiarum  formida.  —  Nie 
aber  kommt  der  Plural  gratiae  in  der  Bedeutung  Dank,  dankbare 
Gesinyiiüig  vor,  welche  jemand  hegt,  und  unerhört  ist  es  zu  sagen: 
animiLs  alicitius  calet  gratiis,  die  Seele  eines  brennt  von  Dank.  Aber 
ganz  gut  wird  der  Plural  gratiae  von  der  freundlichen,  dankbaren 
Gesinmtng  gesagt,  welche  mehrere  andere  mir  bewahren:  Murenae 
provincia  midtas  bonas  gratias  cum  optima  existimatione  atttdit,  Cic. 
Mur.  42  u.  24  u.  Rull.  2,  7.  —  Wiewohl  man  sagt:  gratiam  referre 


Gratia  —     632     —  Gratia 

l)ro  aliqua  re,  so  sagt  man  doch  bei  den  übrigen  Phrasen  gewöhnlich 
oh  aliquam  rem,  in  aliqua  re  (Cic.  Att.  2,  24,  2),  oder  meistens  mit 
einem  Satze  mit  der  Konjunktion  quod  oder  cum,  s.  Cic.  fam.  13,  24, 
2 :  tibi  maximas  gratias  agimus,  cum  ianhmi  liüerae  nieae  ijotuerunt 
ut  .  .  Gratias  agcre  mit  Accus,  c.  Infin.  ist  A.  L.  u.  N.  Kl.  und 
selten,  s.  Ter.  Phormio  596  und  Tac.  bist.  4,  64.  Ebenso  steht  der 
Accus,  c.  Infin.  vorklass.  nach  gratiam  habere  bei  Ter.  Phorm.  54 
und  Andr.  42.  Das  Partizip  hat  Cicero  fin.  2,  57  cui  rede  facienü 
gratia  est  hahenda;  vgl.  meine  Synt.^  §  178  u.  Lebreton  S.  405. 
Wäre  also  gratias  agere,  gratiam  oder  grates  habere  iwo  aliqua 
re  unlat.?  Wir  glauben  nicht,  denn  nicht  nur,  dass  Verwandtes 
sich  in  gratiam  dare  iiro  .  .  Ter.  Hecyr.  390  und  gratiam  repetere 
pro  .  .  Liv.  1,  47,  7  findet,  sondern  es  steht  auch  geradezu  grates 
oder  gratias  agere  pro  .  .  bei  Plaut.  Amphitr.  181,  Cic.  Att.  16,  16, 
E.  16,  Liv.  23,  11,  12,  Tac.  ann.  13,  41,  Plin.  pan.  25,  1,  und 
gratiam  reddere  pro,  Tac.  bist.  2,  48  und  grates  persolvere  pro,  Yerg. 
Aen.  2,  535  und  gratiam  habere  pro  eo  quod  .  .  Gell.  9,  3,  5.  — 
Ferner  heisst  Dank  oder  Gnade  bei  jemandem  finden,  jemandes 
Dank  ernten,  sich  bei  jemanden  beliebt  machen,  gratiam  hm^e,  pare^-e 
ab  aliquo  oder  (bei  Livius)  apud  aliquem;  bei  jemanden  beliebt  sein, 
in  Gnade  stehen,  wu'd  durch  die  Redensart  cdicui  est  gratia  cum 
aliquo  (Cic.  fam.  1,  9,  20)  oder  aliquis  est  cum  aliquo  in  gratia 
(ib.  §  4)  ausgedrückt.  —  Gratiam  cdicui  cüicuius  rei  facere  heisst  im 
allgemeinen  jemanden  hinsichtlich  einer  Sache  eine  Gnade,  eine  Gunst- 
bezeigung  erweisen.  Hiernach  modifiziert  sich  dann  die  spezielle  Be- 
deutung nach  dem  Sinne  und  Zusammenhang  der  Gedanken.  So  ist 
a)  der  Sinn  von  gratia  dicendi  facta  bei  Liv.  3,  41,  4:  er  erhielt  die 
Erlaubnis  zu  sprechen,  ähnlich  bei  Suet.  Octav.  38:  equi  reddendi 
gratiam  fecit  eis,  qui  .  .  .  =  er  hatte  die  Gnade  zu  gestatten,  dass  etc., 
Sali.  Cat.  52,  8.  b)  Es  kann  auch  bedeuten:  jemanden  gnädig 
davon  entbinden,  etwas  zu  tun.  S.  Suet.  Octav.  17:  gratiam  fecit 
coniurandi  Bononiensibus.  Ebenso  ist  jemanden  von  einem  bereits 
geschivorenen  Eide,  einem  promidgieiien  Gesetz  oder  Befehl  (Suet. 
Dom.  14)  entbinden  =  gratiam  iuris  iurandi  alicui  facere,  s.  Suet. 
Tib.  35.  c)  Es  bedeutet  gratiam  alicuius  rei  alicui  facere  auch: 
jemanden  etivas  Strafbares  nachsehen,  Gnade  statt  des  Bechtes  ein- 
treten lassen.  S.  Sali.  Jug.  104,  5,  Liv.  3,  56,  4  u.  Suet.  Calig.  15. 
Alle  diese  Wendungen  sind  der  Sprache  Ciceros  fremd,  vgl.  Bagge 
S.  26,  Madvig  zu  Cic.  fin.  S.  253.  —  Man  sagt  zwar  in  alicuius  gratiam 
zuerst  bei  Livius  (für  alicuius  gratia).,  um  jemandes  ivillen,  zu  jemandes 
Gunsten,  28,  21,  4  u.  39,  12  u.  39,  26,  12,  ebenso  dann  bei  Sueton, 
vgl.  Bagge  S.  26,  bei  Trogus  bezw.  lustin,  vgl.  Seck  II  S.  9;  hin- 
gegen facere  cdiquid  cul  gratiam  et  libidinem  ist  =  nach  Gunst  und 
Manikür;  sich  etwas  als  Gnade  ausbitten  ist  cdirpäd  in  beneficii  et 
gratiae  loco  petere,  Cic.  Yerr.  3,  189;  aber  sonderbar  ist  in  gratiam 
Circae  lüacandae,  für  Circae  placandae  gratia.  Über  den  Gebrauch 
dieses   gratia    vgl.    Archiv  I,    169,    sowie   Novak   Stud.   Liv.   1894 


Gratificari  —     633     —  Gratulari 

S.  227;  Caes.  u.  Liv.  bevorzugen  causa  sehr  gegenüber  gratia, 
letzteres  wird  bei  ihnen  zumeist  nur  gebraucht,  wenn  ein  anderes 
causa  in  der  Nähe  steht,  z.  B.  Caes.  Gall.  7,  43,  2,  Liv.  34,  23,  5. 

—  Über  exempli  gratia,  zum  Beispiel,  vgl.  Exemphmi. 

Gratificari  p^o  aliqiio  (für  alicui)^  sich  für  einen  gefällig  heiueisen, 
ist  bei  Liv.  21,  9,  4  offenbar  aus  falscher  Abkürzung  (so  Riemann) 
hervorgegangen;  jetzt  lesen  Wölffiin,  Riemann,  Luterbacher  pojndo 
Romano  statt  pro  popido  Romano  oder  pro  Romanis.  Gratificari 
aliciii  aliqiiid  ist  =  einem  zu  Gefallen  hingehen,  aufopfern,  vgl.  Cic. 
rep.  1,  68  populo  gratificajis  et  alie?ia  et  siia,  Sali.  Jug.  3,  4;  KL 
findet  sich  in  diesem  Sinne  auch  gratificari  de,  z.  B.  Cic.  fin.  5,  42 
de  CO,  qiiod  ipsis  superat,  aliis  gratificari  volunt.  —  Nur  Sp.  L.  ist 
gratificari  =  gratidari,  gaudere,   vgl.   Stangl  Cassiodoriana    S.  545. 

Gratiosus  wird  in  der  Bedeutung  gütig,  gefällig  etwas  zu  tun, 
mit  m  cdiqiia  re  verbunden,  ist  aber  selten,  z.  B.  Cic.  Brut.  290 
volo  gratiosi  sint  scribae  in  dando  et  cedendo  loco.,  gefällig  Platz  zu 
machen,  den  Platz  zu  überlassen.  Mehr  wird  dafür  gebraucht 
humanus,  comis,  officiosus,  indem  gratiosus  apud  aliquem  (nicht 
aliciii)  meistens  bedeutet  heliebt  und  angesehen  hei  jemanden.  Vgl. 
Cic.  Flacc.  76,   Att.  15,  4,  3   und    Wunder   zu   Cic.  Plane.    S.  138. 

—  Ganz  entgegengesetzt  braucht  man  es  im  N.  L,  in  der  Be- 
deutung gnädig,  geneigt,  hochachtend,  für  clemens,  amicus,  hene- 
volus  u.  a.,  und  nennt  sich  selbst  in  Briefen  in  der  Unterschrift 
tuus  gratiosissimus  für  unser  Dein  Dir  hochgeneigter,  tuoJdgesinnter, 
oder  was  es  sonst  heissen  soll.  —  Das  Adv.  gratiose  ist  in  der 
Bedeutung  artig,  auf  gefällige  Art  Sp.  L.  für  eleganter,  humane, 
iucunde  u.  a.   —  Ygl.  auch  favorahilis. 

Gratitudo  ist  nicht  erweislich ,  da  es  auf  einer  falschen 
Überschrift  in  Yalerius  Max.  beruht;  im  N.  L.  aber  ist  es 
nicht  selten  in  der  Bedeutung  Dankharkeit  für  animus  gratus, 
heneficii  (heyieficiorum)  memor,  voluntas  grata,  welche  bei  Cicero 
und  Seneca  diesen  Begriff  allein  ausdrücken.  Das  Gefühl  der  Dank- 
barkeit liegt  in  j;iefas  und  heisst  nicht  sensus  grati  anhni.  Di  Dayik- 
bay^keit  ist  memori  mente,  cum  grata  recordatione ;  ein  dankbares 
Andenken  =  memoria  et  gratia,  vgl.  hiezu  Cic.  Plane.  80  und  81. 
Ygl.  auch  Ligraütudo. 

Gratuitum  als  Subst.,  das  Geldgeschenk,   ist  N.  L. 

Gratulari.  Man  beachte  vor  allem,  dass  gratidari  sich  immer 
nur  auf  ein  bereits  eingetretenes  Ereignis  bezieht,  niemals  aber  von 
der  Zukunft  gesagt  werden  kann.  Einem  also  Glück  wünschen  zu 
etwas,  was  ihm  zuteil  geworden,  heisst  1)  gratulari  alicui  de  aliqua 
re,  Cic.  fam.  1,  7,  7  u.  §  11  und  ibid.  3,  12,  1;  2)  sagt  man  aber 
auch  alicui  aliquid  (wie  recuperatam  libertatem)  gratidari,  Cic.  Phil. 
2,  28.  Athenienses  victoriam  gratulahantur,  Curt.  4,  8,  12  und 
gratulatio  victoriae,  ib.  4,  4,  5.  Seianum  oppressimi  gratulari,  Suet. 
Claud.  6.  Civitates,  quae  gratulatae  Uli  sihique  victoriam  fuerant, 
lust.  8,  3,  2.     Beide  Konstruktionen  hat  auch  Livius,   vgl.  Kühnast 


Gratulatio  —     634     —  Gratulatio 

S.  148;  3)  gratulari  alicui  in  aliqiia  re,  s.  Cic.  Plane.  91  und  fam.  6, 
11,  1;  vgl'  Z.  f.  G.  W.  1881  S.  129  f.  Ob  dafür  auch  der  Uosse 
Abi.  gesetzt  werden  dürfe,  ist  sehr  zweifelhaft.  So  lesen  jetzt  bei 
Cic.  Att.  5,  20,  1  alle  Ausgaben  übereinstimmend  grahdahis  es  mihi 
illiits  diei  celebriiatem,  und  bei  Cael.  in  Cic.  fam.  8,  13,  1  haben 
Mendelssohn  und  C.  F.  W.  Müller  zwar  afflnitate,  allein  beide 
neigen  doch  der  von  Lambinus  empfohlenen  Lesart  afflniiatem  zu, 
wie  ja  auch  Baiter-Kayser,  Wesenberg  und  Klotz  den  Accus,  bieten, 
letzterer  mit  der  Bemerkung  (Prooem.  S.  22):  afflnitate,  qaocl  est  in 
codice  Mediceo,  sie  dici  non  i^osse  rede  vidit  etiam  Wesenhergiiis ; 
vgl.  Boot  zu  Cic.  Att.  5,  20,  1,  Burg  S.  20,  Becher  S.  32,  der  mit 
Recht  auf  die  merkwürdige  Übereinstimmung  des  Med.  an  beiden 
Stellen  hinweist,  Schmalz  Z.  f.  Gymn.  1881  S.  130.  Sp.  L.  jedoch, 
wo  gratidari  =  gaudere  und  idi  ist,  vgl.  Rönsch  It.  S.  367  Sem.  I 
S.  35,  Watson  S.  304  u.  308,  steht  der  Abi.,  z.  B.  oft  bei  Ennodius. 
4)  Ich  gratuliere  dir  za  deinem  Siege  kann  lat.  auch  ausgedrückt 
werden  durch:  gratulor  victoriae  tiiae  nach  Cic.  fam.  4,  8,  1  und 
gratidor  felicitati  tiiae,  ibid.  9,  14,  7;  vgl.  dazu  Nägelsbach-Müller^ 
S.  514.  —  Sehr  oft  wird  das  Objekt  des  Glückwunsches  in  einem 
ganzen,  durch  die  Konjunktion  ciiiod  angefügten  Satze  aufgeführt, 
s.  Cic.  fam.  2,  5,  1 ;  4,  14,  1  u.  13,  73,  1,  Sest.  20,  Curt.  6,  7, 
15  und  8,  12,  17,  Tac.  bist.  4,  64.  Doch  kommt  statt  qiiod  nicht 
nur  cum  vor  (bei  Cic.  fam.  9,  14,  3),  sondern  auch  (vgl.  Cic.  Phil. 
2,  28)  der  Accus,  c.  Innn.:  vires  eins  sibi  accessisse  gratidahatiir, 
lust.  13,  5,  15  und  gratalemur  nohis  hunc  esse  tarn  iKirvum  .  .  Yal. 
Max.  3,  1,  2 ;  vgl.  noch  die  Stellen  aus  Paneg.  bei  Chruzander 
S.  100.  —  N.  L.  ist  also  nach  dem  Gesagten  gratulor  tibi  de  novo 
anno,  oder  wohl  gar  ad  novum  annitni,  ad  novi  anni  initium,  ich 
wünscJie  dir  zum  neuen  Jahre  Glück,  was  wenigstens  de  novo  anno 
inito  heissen  müsste.  Da  sich  aber  die  Neujahrswünsche  fast  nur 
auf  künftiges  Glück  beziehen,  so  passt  gratulari  gar  nicht,  sondern 
vielmehr  omnia  bona  dicere  Ter.  Andr.  96,  omnia  bona  alicui  precari 
Liv.  24,  16,  10,  fausta  omnia  precari,  ominibus  optimis  cdiquem 
prosecpii,  optare,  ominaricpte  in  proximum  anmim  (Plin.  ep.  4,  15, 
5).  Vgl.  auch  Tac.  ann.  4,  70,  Suet.  Octav.  58.  Am  besten  ist 
wohl  annum  novitni  faustum  tibi  precor  bei  Front,  epp.  ad  M.  Caes. 
5,  30,  S.  84  N. 

Gratulatio  für  sich  allein  und  verbunden  mit  dem  Yerbum 
facere  oder  seltener  habere,  bedeutet  Glückwunsch,  Bezeigung  der 
Freude  wegen  des  einem  andern  widerfahrenen  Glückes.  Man  meide 
jedoch  das  aktive  gratulationem  facere  und  gebrauche  dafür  gratu- 
lari; das  passive  gratulatione  facta  u.  ä.  ist  dagegen  durchaus  urban, 
vgl.  Z.  f.  G.  W.  i881  S.  130.  Das  Substantiv  gratulatio  wird  aber 
nicht  mit  den  Präpos.  de,  yro,  propter  verbunden,  sondern  mit  dem 
Genitiv,  z.  B.  gratulatio  victoriae,  laudis  nostrae  (Cic.  Att.  1,  17,  6, 
letzteres  heisst  ivann  ich  gelobt  luurde,  ivar  mir  dehi  Glückwunsch, 
dei7ie  freudige    Teilnahme  angenehm\  rei  publicae  conservatae  u.  a. 


Gratulator  —     635     —  Gravare 

Der  Gen.  kann  auch  ein  Gen.  subi.  sein,  z.  B.  Cic.  dorn.  62  consules 
in  coniiiratonmi  gratidatione  versahantiir  (Hessen  sich  von  den 
Verschiv.  graüdieren) ;  auch  sagt  man  non  iinius  diel  gratulationem 
(=  für  einen  Tag)^  Cic.  Pis.  7.  Sp.  L.  hat  grahdaüo  die  Be- 
deutung von  graüarimi  actio,  vgl.  Stangl  Cassiodor.  S.  586,  Rönsch 
Ital.  S.  367,  Eugipp  22,  11  Kn.  —  Die  Phrase  gratidationi  esse 
finden  wir  nur  Cic.  Mur.  12  parenti  suo  magno  adiiimento  in  pericidis, 
solacio  in  laboribus,  gratidationi  in  victoria  fuit;  sie  verdankt  ihr 
Dasein  wohl  nur  dem  Streben  nach  Konzinnität.  Klass.  ist  gratu- 
lationem habere  Cic.  Mil.  98. 

Gratulator,  der  Glück  luünscht,  kommt  nur  poet.  bei  Martial 
vor,  in  Prosa  stützte  es  sich  nur  auf  Cic.  fin.  2,  108,  wird  aber  von 
den  Neuern  (auch  von  Madvig  und  C.  F.  W.  Müller)  als  späterer 
Zusatz  verworfen. 

Gratus  wird  in  der  Bedeut.  angenehm  fast  nur  mit  dem  Dativ 
verbunden,  ausser  bei  vidgus,  wo  dem  Volke  heisst  in  vulgus;  aber 
in  der  Bedeutung  dcmkhar  vielleicht  nie  mit  dem  Dativ,  sondern 
mit  erga,  adver sus  oder  in  mit  dem  Abi.,  vgl.  Cic.  fam.  3,  8,  3 
grati  in  te  heyie  merito,  auch  in  mit  Acc,  vgl.  Cic.  Plane.  77  quam 
ego  siim  in  illum  gratus.  Bei  Cic.  Plane.  91:  si  hene  de  me 
meritis  gratum  me  praebeo,  ist  der  Dativ  nicht  sowohl  durch  gratus 
als  durch  se  praebere  alicui  herbeigeführt.  Dankbar  sein  für  etivas 
aber  ist  gratum  esse  pro  aliqua  re,  s.  Sali.  bist.  2,  47,  5  M.,  da  in 
den  Stellen,  welche  dieser  Ansicht  zu  widersprechen  scheinen,  der 
Dativ  zum  Verbum  gehört.     Vgl.  Hand  Turs.  III,  292. 

Gravamen,  Beschiuerde,  Klage,  Beschiuerlichkeit,  ist  ganz  Sp.  L. 
für  molestia,  difflcidtas,  querela  u.  a. 

Gravare,  beschiueren,  drücken  ist  kein  klass.  Wort.  Es  ist  als 
Verbum  finitum  auch  in  nachklass.  Prosa  selten,  wie:  Illo  modo  in 
id  ipsum,  quod  gravat,  evocari  (sanguinem) ,  Cels.  2,  10  S.  54  (Dar.). 
Hunc  (narcissum)  stomacho  inutilem  .  .  caput  gravantem  (in  usum 
medici  recipiunt),  Plin.  nat.  21,  128.  Minui,  quod  gravet  (corpus), 
quolibet  modo  utilius,  ib.  11,  284.  Quia  pondits  Ulis  (pueris)  abest 
nee  sese  ipsi  gravant,  Quintil.  1,  12,  10.  Fraefectum  castrorum 
dereptum  vehiculo  sayxinis  gravant^  Tac.  ann.  1,  20.  Ne  obsidio  ipsa 
multitudine  gravaretur,  lust.  14,  2,  3.  Cum  gravari  se  copiarum 
praebitione  et  iniuriis  militum  civitates  viderent,  ib.  38,  10,  8.  Oft 
aber  kommt  das  Fa7±  Perf.  Pass.  vor:  Cibo  gravatus,  Liv.  1,  7,  5. 
Vino  somnoque  gravatus,  ib.  25,  24,  6.  Gravatum  (bovis  febrici- 
tantis)  caput,  Colum.  6,  9,  2.  Gravatus  somno,  Plin.  nat.  10,  136; 
26,  6;  33,  27  u.  33,  155.  Quis  (telis)  gravatus  labi  ex  belua 
coepit,  Curt.  8,  14,  38.  Vino  gravatus,  ib.  6,  11,  28.  Gravatus 
ebrietate,  ib.  5,  7,  11.  —  Gewöhnlicher  ist  das  mediale  gravari 
=  sich  schwer  zu  etiuas  verstehen.  Umstände,  Schivierigkeiten 
machen.  Klass.  wird  es  entweder  absolut  gebraucht:  gravari  coepit, 
quod  aedilitatem  se  petere  .  .  .  dicebat,  Cic.  Cluent.  69  oder  mit 
dem  Infin.   verbunden:   ne  graveyitur  sua  quoque   ad   cum  postidata 


Gravescere  —     636     —  Gressus 

deferre,  Caes.  oiv.  1,  9,  1  und  Gall.  1,  35,  2,  Cic.  Mur.  69,  de 
orat.  1,  107,  Yal.  Max.  2,  10,  2  und  5,  7,  1,  Gurt.  9,  1,  8;  6,  8, 
12  und  6,  11,  25,  Suot.  Octav.  34.  Der  Acc.  c.  inf.  nach  gravari 
bei  Liv.  1,  56,  1  wird  beanstandet  von  Novak  Studia  1894  S.  242. 
—  Wie  aber  hedrücJd  werden  durch  etwas  (s.  oben  lust.  14,  2,  3 
und  38,  10,  8)  gravari  aliqiia  re  heisst,  so  ist  es  auch  bei  dem 
medialen  gravari  r=  sich  durch  ehuas  heschivert,  belästigt  fülilen: 
cßcos  et  iiise  gravari  militia  seyiserat,  Liv.  21,  23,  6;  nachklass.  aber 
sagt  man  nach  dem  Vorgange  der  Dichter  auch  gravari  aliquem, 
aliquid,  z.  B.:  sane  g?'avaretiir  aspectum  civium,  Tac.  ann.  3,  59. 
Si^em  ac  metum  iiixta  gravaius,  ibid.  5,  8.  Matrem  (jravahatur,  Suet. 
Aug.  72,   Nero  34,   Vitell.  12,  Quintil.  1,  1,  11  u.  "Sen.  de  dement. 

I,  13,  1;  vgl.  Bagge  S.  26. 

Gravescere,  lästiger,  drückender  werden,  steht  P.  L.  u.  iV.  Kl. 
bei  Tacitus  für  ingravescere. 

Gravidiis,  träcldig,  schivanger,  wird  fast  nur  von  Menschen  ge- 
braucht, nicht  von  Tieren;  doch  findet  es  sich  so  bei  Dichtern  und 
N.  Kl.  bei  Columella,  Plinius  u.  a.  —  Am  meisten  im  Gebrauche 
ist  das  allgemeine  praegrums  (von  Menschen  und  Tieren),  was  Yarro 
nur  allein  braucht,   nie  gravidus.     Aber  Celsus   hat  gravidiis  öfter. 

Gravis  und  gravitas,  in  der  Bedeutung  wichtig  und  Wichtigkeit, 
müssen  sehr  vorsichtig  gebraucht  werden,  da  oft  andere  Wörter 
besser  und  passender  sind,  besonders  magnus  —  magnitudo,  digni- 
tas,  auctoritas,  pondus  — ,  Interesse,  pertinere,  valere,  magni  momenti 
esse;  z.  B.  es  ist  ivichtig,  eiyie  wichtige  Sache,  res  est  magna;  ein 
wichtiger  Beweis,  argumentum  magmim;  das  ist  das  Wichtigste,  hoc 
maximum  est  (Cic.  Att.  2,  23,  3);  dieses  muss  dir  zur  Milderung 
des  Kummers  ivichtig  sein,  magna  esse  debent  (Cic.  fam.  4,  3,  2); 
die  Wichtigkeit  der  Sache  gab  uns  Krctft  zu  reden,  magnitudo  rei 
vim  quandam  nobis  dicendi  dedit  (Cic.  Att.  4,  2,  2;  vgl.  Plane.  74: 
oratio,  quae  propter  rei  magnitudinem  dicta  de  scripto  est);  wenn 
mein  Ansehen  von  einiger  Wichtigkeit  ist,  si  quid  ponderis  habet 
(Cic.  fam.  15,  1,  4);  dieses  ist  für  unser  Lob  sehr  ivichtig,  von 
grosser  Wichtigkeit,  hoc  —  multum  intey^est  (Cic.  fam.  5,  12,  2); 
das  ist  von  einiger  Wichtigkeit,  quiddam  interest  (ib.);  dieses  ist 
von  ausserordentlicher  Wichtigheit,  hoc  mirum  quiddam  valet  (Cic. 
de  orat.  2,  184);  das  ist  für  die  Geschichte  wichtig,  hoc  ad  histo- 
7nam  magni  est  momenti  —  und  so  in  ähnlichen  Sätzen.  Der  N. 
L.  Ausdruck  vis  gr civitatis,  die  Schiuerkixift,  ist  ohne  Autorität; 
Cicero  sagt,  beide  mit  einander  verbindend,  vis  et  gravitas  (nat. 
deor.  2,  93). 

Gres?nis,  der  Schritt,  das  Schreiten,  der  Gayig,  ist  P.  L.  und 
steht  in  nachklass.  Prosa  bei  Cels.,  Colum.,  Yal.  Max.  und  Plin.  nat. 
Wir  fügen  hinzu,  dass  gressus  Sp.  L.  auch  bei  Eugipp  22,  4;  47, 
9;  Arnob.  7,  22;  Amm.  und  Ennodius  oft,  Symmachus  u.  a.  (vgl. 
Schulze  Symm.  S.  17),   Nazar.  pan.  Const.  Aug.  22  extr.,  bei  Gell.  1, 

II,  6  und  11,  13,  10  vorkommt  für  grculus  oder  incessiis,  ingressus. 


Grex  —     637     —  Gusfus 

Grex  ist  im  A.  L.  bei  Dichtern  Femininum,  aber  in  Prosa 
nur  Mascidinimi,  so  dass  es  inkorrekt  ist,  midtae  ovium  greges,  für 
multi  zu  sagen. 

Guhernacnlum  ist  im  Sing,  in  der  bildl.  Bedeut.  Leitung,  Regierung 
sehr  selten,  s.  Yell.  2,  113,  2;  Lact.  1,  1,  14;  sonst  findet  es  sich 
nur  im  Plural  giiberyiacida,  z.  B.  rei  puUicae,  imperii,  civitatiiim; 
es  wird  nur  von  leUosen  Dingen  gebraucht.     Vgl.  Habena. 

Oubernare  hat  gewöhnlich  ein  sächliches  Objekt,  z.  B.  navem, 
mundiim,  rempiiblicam,   aber  doch  auch  aliquem,   vgl.  Cic.  ad  Brut. 

1,  10,  3  Caesarem  meis  consiliis  adhiic  guhernatum. 

Gubernator  ist  in  der  Bedeutung  Hofmeister  ohne  Autorität, 
kommt  aber  doch  KL  bildlich  vom  Lenker  und  Begierer,  z.  B.  eines 
Staates,  rei  imllicae,  vor  =  rector,  z.  B.  Cic.  C.  Rab.  26  ceteros 
custodes  guhernatoresque  reipiihlicae  quemadmodum  mortiios  defen- 
demus.  Auch  sagt  man  nicht  gubernator  provinciae,  sondern  rector, 
praeses. 

Gidositas,  die  LeckerJiaßigkeit,  ist  Sp.  L.;  es  steht  Ps.  Augustin. 
ad  frr.  erem.  serm.  31.  Man  sage  dafür  etwa  intemperantia  oder 
intemperies  gulae,  auch  bloss  gida  oder  ligurritio  oder  cuppedia. 

Gurgidio,  die  Gurgel,  Kehle,  findet  sich  ausser  bei  Yarro  rust. 

2,  3,  2  und  Spätem   auch   bei   Cic.  Tüll.  21  gurgidionihus  insectis, 
gleich  gida  und  giittur. 

Gustus,  der  Geschmack,  als  einer  der  fünf  Sinne,  ist  nur  Sj:). 
L.  für  gustatus  (Cic.  nat.  deor.  2,  158,  de  orat.  3,  99);  meistens  be- 
deutet es  1)  das  Kosten  von  etwas,  um  seinen  Geschmack  kemien 
zu  lernen,  z.B.:  gustii  explorare  cihum,  'potionem  alicuius;  2)  bis- 
weilen (=  sapor)  den  einer  Sache  anhaftenden  natürlicheyi  Geschmack 
von  etiuas,  wie  gustus  vini  austerior  und  dofiec  in  ore  gustus 
(i.  e.  sapor)  eius  suci  sentiatur,  Cels.  6,  8,  6  und  dann  so  auch 
trop.:  sermo  praefereyis  in  verhis  et  sono  et  usu  proprium  quemdam 
gustum  urhis,  Quintil.  6,  3,  17;  3)  trop.  auch  ProZ^e^  Vorgeschmack, 
so  gustum  alicui  da^^e  bei  Sen.  epp.  114,  18  und  ad  hunc  gustum  totum 
lihrum  repromitto,  Plin.  epp.  4,  27,  5;  aber  bei  Cic.  Phil.  2,  115  zeigt 
eine  sowohl  den  sonstigen  Gebrauch  Ciceros,  als  den  Zusammenhang  der 
Worte  als  endlich  das  Gewicht  des  Hauptcod.  würdigende  Betrachtung, 
dass  gustus  dort  zu  verwerfen  ist;  daher  dort  längst  gustatum  gelesen 
wird.  —  Auf  die  genannten  Bedeutungen  beschränkt  sich  meistens 
das  Wort  gustus;  dagegen  findet  es  sich  nirgends  in  dem  Sinne,  in 
welchem  wir  Geschmack  in  ästhetischer  Bedeutung  brauchen  und 
von  gutem,  feinem  Geschmacke,  d.  h.  Sinn  und  Gefühl  für  Schön- 
heit sprechen.  Erst  im  N.  L.  findet  sich  gustus  elegantiae  et  pul- 
chrhudmis^ gustus  incorruptus  veritatis,  wofür  sensus,  elegantia,  iudicium, 
venustas,  intelleg entia,  intellegens  iudicium,  teretes  aures,  stomachus 
anwendbarer  sind;  z.  B.  diese  Spiele  sind  nicht  nach  deinem  Ge- 
schmacke, non  sunt  tui  stomachi  (Cic.  fam.  7,  1,  2),  und  bei  sinn- 
lichen Dingen  der  Wollust  voluptas,  wie  bei  Yerg.  (Ecl.  2,  65) :  trahit 
sua  quemque  voluptas,  jeden  reisst  sein  Geschmack  fort.     Ygl.  auch 


Gymnasticus  —     638     —  Habere 

Quint.  8,  3,  44  verha  honesta  moribns  (=  infolge  des  Zeitgeschmackes) 
perdidimiis.  Auch  passen  oft  die  Adjektive  imlitus  und  elegans,  z.  B. 
ein  Mann  von  Geschmack,  homo  'politus;  ein  2Iann  vom  feinsten 
Geschmack  hei  allem  Urteile,  homo  in  omni  iudicio  elegantissimus 
(Cic.  fam.  7,  23,  1).  —  N.  L.  ist  ferner  die  Redensart  alicui  gustum 
rei  alicuius  instillare,  einem  Geschmack  an  etwas  beibringen,  für 
alicuiiis  rei  sensu  cdiquem  imbuere. 

Ggmnasticus,  gymnastisch,  kommt  A.  L.  bei  Plautus  u.  Sp.  L. 
bei  lul.  Val.  vor,  für  gymnicus;  man  sagt  also  nicht  ludi  gymnastici, 
gymnastische  Spiele,  sondern  gymnici. 


H.  h. 


Habena  im  Sing,  bedeutet  nur  einen  Riemen,  nicht  den  Zügel, 
der  (im  Phiral)  habenae  lieisst.  Doch  werden  damit  nur  die  beiden 
Kiemen  bezeichnet,  die  der  Reiter  in  der  Hand  hält,  denn  der  Zaum 
oder  das  Gebiss  im  Maule  des  Pferdes  heisst  freni  oder  frena.  Bild- 
lich wird  habenae  in  der  Bedeutung  Leitung,  Regierung  nicht  nur 
von  Dichtern,  sondern  auch  von  Cicero  gebraucht;  de  orat.  1,  226 
steht  es  mit  dem  mildernden  quasi:  cui  2^opulus  ipse  moderandi  et 
regendi  sui  potestatem,  quasi  cpiasdam  habenas,  tradidisset.  Über 
legum  habenae  vgl.  Cic.  de  orat.  3,  166,  und  über  laxissimas  habere 
habenas  amicitiae,  Lael.  45  u.  dazu  Seyffert-Müller.  —  Habenas  dare 
=  die  Züfjel  schiessen  lassen  ist  nicht  klass.,  aber  Yarro  hat  es 
Men.  177  B. 

Habentia  als  Sing.,  die  Habe,  das  Hab  und  Gut  ist  kein  lat. 
Wort;  es  stand  früher  im  Prologe  zum  Trucul.  des  Plautus  21, 
dafür  sage  man  02)es,  fortunae,  bona,  possessiones;  z.  B.  sein  Hab 
und  Gut  auf  etwas  vericenden,  rationes  et  copias  suas  in  aliquid 
conferre  (Cic.  Pomp.  17). 

Habere.  Inhalt:  Etw.  in  gross.  Menge  hab.;  —  an  ein.  etw. 
hah.;  —  Geicinn,  mit  ein.  zu  tun,  mit  ein.  Geduld  etc.,  ein.  gern 
hab.;  —  iudicium  hab.;  —  hab.  cdiq.  pro,  (in)  loco,  in,  (in)  numero; 

—  Kinder  von  ein.,  etwas  von  ein.  hab.  (^=  verdanken) ;  —  hab.  in 
Yerbiiidung  mit  Subst.  {fehrim,  flnem  etc.),  d.  Deutsch,  entsprech., 
häufig  in  d.  Umgangssprache,  sibi  haber.;  —  hab.  (in  se)  als  Eigen- 
schaft an  sich  h.;  —  hab.  anxium,  sollicit.  etc.;  —  Ein.  behandeln 
tractare,  hab.  mit  adv.;  —  hab.  =  hinnehmen;  —  Jmb.  (ducere) 
aliq.  ivofilr  hcdten;  —  habes,  haec  habui;  —  hab.  excusation.  u.  als 
Ersatz  für  d.  Passiva  d.  Deponent.;  —  Codices  habent;  hab.  mit  adv. 
sicJi  befinden;  —  Juib.  mit  lufin.,  non  hab.,  quid  (quod)  .  .  .,  mit 
Gerund.;    —   so  ist  es,   verhält  es  sich;    —    luib.  mit  Genet.  pretii. 

—  Habere  hat  zwar  oft  die  Bedeutung  haben,  ist  aber  auch  oft 
nicht  anzuwenden,  wo  wir  es  brauchen.  —  N.  L.  ist  habere  aliquid 
in  magna   copia,   für  alicuius  rei   magnani   copiam,    uti  alicuius  rei 


Habere  —     639     —  Habere 

(magna)  coina.  —  Nicht  D.  L.  aber  ist  in  aliquo  aliquem  oder 
aliquid  habere^  an  einem  einen  oder  ehuas  haben,  z.  B.  du  hast  an 
ihm  einen  ti^euen  Gefährten,  s.  Curt.  6,  9,  12  in  vohis  liberos,  imreyites, 
consanguineos  habeo  und  lust.  8,  6,  G;  besser  ist  jedoch  eum  fidelem 
habes  comitem,  amicum  u.  dgl.  Aber  bei  zwei  Sachnamen  wird 
derjenige,  mit  dem  man  etwas  hat,  nicht  mit  dem  Accus.,  sondern 
mit  in  c.  abl.  ausgedrückt,  z.  B.:  ea  si  fecissem,  in  vestra  amicitia 
exercitum,  divitias,  muninienta  regni  me  habiturum,  Sali.  Jug.  14, 
1;  vgl.  damit  in  una  urbe  universam  capere  Hispaniam,  Liv. 
26,  43,  3  und  aus  Cicero  fam.  10,  28,  3  magniim  damnitm  factum 
est  in  Servio,  (vgl.  Z.  f.  G.  W.  1881  S.  114)  und  fam.  2,  16,  5 
satis  amplum  Patrimonium  relinquam  in  memoria  nominis  mei,  wo 
Mendelssohn  und  Müller  die  Lesart  in  memoria  (statt  memoriam) 
wiederhergestellt  haben,  und  zwar  C.  F.  W.  Müller  unter  Berufung 
auf  Stellen  wie  Cic.  Att.  11,  1,  2  in  cistophoro  habeo  ad  HS, 
leg.  agr.  2,  38  midta  in  manicipiis  etc.  Ygl.  dagegen  Streicher 
S.  146  und  Lehmann  ep.  sei.  HI,  18,  welche  memoriam  lesen. 
Die  besprochene  Konstruktion  ist  vorzugsweise  nachklassisch  und 
wenig  zu  empfehlen.  Ygl.  Friedersdorff  zu  Liv.  26,  43,  3,  Vogel 
in  N.  Jahrb.  1878  S.  393,  Reisig-Haase  N.  573  a.  —  D.  L.  ist 
habere  quaestiim,  Geivinn  haben,  für  facere  quaestum;  nihil  tecum 
habeo  facere  (agere),  ich  habe  nichts  mit  dir  zu  tun  (schaffen), 
für  nihil  mihi  tecum  est  (also  auch:  ivas  habe  ich  mit  dir  zu  timf 
quid  mild  tecum?  quid  rei  mihi  tecum  est?)  vgl.  Schmalz  PoUio^ 
S.  46,  Tac.  dial.  18  7iunc  mihi  cum  universis  negotium  est  und 
ib.  10  tecum  mihi,  Materne,  res  est.  —  D.  L.  ist  ferner  habere 
patientiam  cum  aliquo,  Gedidd  mit  jemanden  haben,  für  aliquem 
patienter  ferre;  aber  in  aliquo  patientiam  habere  ist  Sprache  der 
Vulgata  bei  Matth.  18,  v.  26  und  29;  habere  bonum  ventum,  guten 
Wind  haben,  für  uti  secundo  vento  (secundis  ventis);  examen  Jiabere, 
eine  Prüfung  halten,  für  examinare  (vgl.  Examen)]  aliquem  (aliquid) 
libenter  habere,  einen  (etiuas)  gern  haben,  für  delectari  cdiquo  (aliqua 
re)  oder  carum  habere,  vgl.  Plancus  bei  Cic.  fam.  10,  23,  7  te  in 
dies  habeo  cariorem,  Cic.  Yerr.  3,  155,  Balb.  59,  Phil.  10,  4;  näheres 
über  diese  Phrase  siehe  bei  Thielmann  Archiv  H  S.  385,  Hellmuth 
Baibus  S.  54,  Köhler  act.  Erl.  I  S.  453,  Bergmüller  Plane.  S.  47, 
Landgraf  Bayr.  Gymn.  1880  S.  326.  —  Habe^^e  iudicium,  Gericht 
halten,  für  facere  oder  seltener  constituere  iudicium  ist  D.  L.; 
gut  aber  wäre  iudicium  habere  =  7^eum  fieri,  accusari.  S.  Cic. 
Yerr.  1,  139  u.  2,  71  (Nep.  Att.  6,  3  hat  ganz  andern  Sinn, 
s.  Nipperdey  zu  der  Stelle),  ebenso  ist  es  gut,  wenn  es  bedeutet 
Rüchsicht  nehmen  =  rationem  habere,  respicere.  —  Richtig  ist  zwar 
habere  cdiquem  oder  aliquid  pro  aliquo  (pro  aliqua  re);  aber  man 
sagt  auch  in  ähnlichem  Sinne  loco  oder  in  loco  alicuius  habere,  z. 
B.  aliquem  in  hostium  loco  habere,  einen  für  einen  Feind  halten 
(Caes.  civ.  2,  25,  6),  hostis  loco  (ib.  3,  21,  5).  So  heisst  auch 
eiyien  rechnen  unter  — ,   cdiquem  habere  in    —   mit  dem  Abi.  oder 


Habere  —     640     —  Habere 

mit  numero,  in  nimiero  und  dem  Genitiv,  z.  B.  in  suis,  in  numero 
sii07'um,  unter  die  Seinigen;  bei  Caes.  (civ.  3,  82,  3)  habere  servorum 
7iumero;  unter  die  schändlich ste7i  Dinge,  in  turpissimis  rebus.  Dass 
in  numero  und  mnncro  hcd^ere  gleich  gut  sind,  habe  ich  PoUio^ 
S.  21  erwiesen;  vgl.  Cic.  Att.  11,  6,  6  onines  enim,  qui  in  Italia 
manserant,  hostium  numero  hahehcmtur  und  Att.  14,  13,  2  qimncumque 
enim  Caesaris  morte  laetatum  imtcdjit,  hunc  in  hostium  numero 
hahehit;  gerade  so  verhält  es  sich  mit  loco  oder  in  loco  habere, 
ducere,  vgl.  noch  Kunze  Sali.  III,  2  S.  68  und  s.  v.  Locus  und 
Numerus.  Nachklass.  wird  dafür  auch  inter  gebraucht,  z.  B.  inter 
socios  habere,  Curt.  3,  7,  11.  —  Über  unser  Kinder  haben  von  einem, 
von  einer  s.  unter  Ex;  gut  ist  habere  cdiqaid  ab  aliquo,  in  dem 
Sinne  einem  etwas  verdanken,  z.  B.  Cic.  Att.  14,  17,  3  se  a  Caesare 
habuisse  omnia,  nihil  a  patre,  ^^elicpm  sperare  ab  Antonio,  mehr 
Stellen  siehe  bei  Seyffert-MüUer  zu  Lael.  S.  324.  Über  pro  vgl. 
unter  diesem  Worte.  —  Gut  sind  ausser  vielen  andern  Yerbindungen: 
habere  febrim,  Fieber  haben  (Cic.  fat.  15,  fam.  7,  26,  1);  habere 
finem,  ein  Ende  haben  (Cic.  somn.  27);  habere  homines  in  armis, 
Leute  in  oder  unter  den  Waffen,  d.  h.  bewaffnet  haben  (Liv.  21,  8,  3). 
Aes  alienum  habere  =  Schulden  haben,  ist  klass.,  s.  Cic.  Yerr.  4,  11 
u.  fam.  5,  6,  2,  ebenso  Sen.  contr.  excerpt.  6,  1;  vgl.  Landgraf  Bayr. 
Gymn.  XVI,  327.  Die  Umgangssprache  hatte  eine  Menge  von  Phrasen, 
die  man  bisher  vielfach  für  Germanismen  ansah,  z.  B.  Yitruv  sagt 
timorem,  scientiam,  abundantiam,  saporem,  utilitates  habere;  ferner 
finden  wir  metum  habere  bei  Cael.  bei  Cic.  fam.  8,  10,  1  und  Sali, 
hist.  1,  55,  10  M.,  vgl.  Burg  S.  60,  timorem  hcdjere  Cic.  Mil.  4, 
timorem  habere  in  aliquo,  Nep.  Ale.  3,  5 ;  näheres  siehe  bei  Kraut 
Progr.  Blaubeuren  1881  S.  11,  Köhler  act.  Erl.  I  S.  453,  Landgraf 
B.  Gymn.  XYI,  327,  Bergmüller  Plane.  S.  45,  Thielmann  Dare 
S.  36.  Schon  ans  Romanische  streift  das  Sp.  L.  consuetudinem 
habet,  habet  annos  quindecim  im  Apolloniusromane,  vgl.  Thielmann 
Apoll.  S.  42.  —  Ebenso  gut  sind  etivas  geheim  halfen  ==  occidtum 
habere  aliquid,  Quintil.  7,  1,  30;  niJiil  habere  =  kein  Vermögen,  nichts 
haben,  Ter.  Ad.  728;  secum  aliquid  habere  =  eticas  bei  sich  behalten, 
Cic.  Att.  4,  15,  6;  sibi  habere  in  der  Phrase  habeas  tibi  und  habeat 
sibi;  diese  gehen  bis  auf  Plaut,  zurück  u.  finden  sich  noch  in  der 
Yulg.,  vgl.  Landgraf  Archiv  YIII  S.  45;  poenam  habere  =  seine 
Strafe  haben,  Liv.  10,  40,  13  und  poenam  habere  ab  cdicpto,  Liv.  8, 
20,  11,  wo  a  =  üT:b  in  dzoüavslv  urzö  zcvog.  —  Gut  ist  ferner  habere 
=  etwas  cds  Eigensclmft,  Eigentümlichkeit  an  sich  haben :  habet  hoc 
sollicitudo,  quod  omnia  necessaria  putat,  Plin.  epp.  6,  9,  2  u.  pan. 
83,  1,  dagegen  mit  folgendem  ut  für  ciuod:  habet  1ms  vices  condicio 
mortalium,  ut  .  .  pan.  5,  9.  Cicero  hat  in  diesem  Falle  bloss  ut, 
s.  Phil.  2,  78  u.  Pis.  81.  Dafür  kann  auch  dem  Deutschen  ent- 
sprechend in  se  habere  gesagt  werden:  quod  si  illa  sollemnis  comi- 
tiorum  precatio  tantam  habet  in  se  vim  et  religionem,  quantam  .  .  ., 
Cic.  Mur.  1,  wo  Koch  auch  noch  auf  Cic.  Tusc.  1,  109  u.  Sali.  Jug. 


Habere  —     641     —  Habere 

4,  6  verweist;  vgl.  Näg.-Müller^  S.  470  Anm.  —  Habere  verbunden 
mit  einem  Adjekt.  oder  Part.  Perf.  Pass.  bezeichnet  einen  dauernden 
Zustand,  wie :  aliqiiem  (aliquid)  anxium,  laetum,  sollicitmn,  misermn,  sus- 
pecturn^  exploratiim  etc.  habere;  hierüber  besitzen  wir  eine  erschöpfende 
Abhandlung   von   Thielmann  in   Wölfflins  Archiv  H   S.  372  ff.  und 

5.  509  ff.,  wo  jede  einzelne  Verbindung  genau  besprochen  ist;  vgl. 
dazu  Bergmüller  Plane.  S.  47.  —  Jemanden  so  oder  so  behandeln, 
sich  gegen  ihn  so  oder  so  benehmen,  ist  Kl.  wohl  nur  tradare  aliqiiem, 
z.  ß.  Cic.  Q.  fr.  2,  4,  5  Marcellimis  eum  nimis  aspere  tractat;  dafür 
gebraucht  Caes.  im  b.  civ.  1,  63,  2  und  1,  81,  6  habere  und  zwar 
male  habe?'e  schlecht  behandeln.  Diese  Phrase  scheint  aus  der 
Soldatensprache  zu  stammen,  allein  Wendungen  mit  habere  bürgern 
sich  seit  Sali,  und  Nepos  immer  mehr  ein,  vgl.  Fabri  zu  Sali.  Cat. 

11,  5  und  Lupus  zu  Nep.  Eumen.  12,  1.  So  sagt  Sali.  Jug.  113, 
2  benigne  habere,  103,  5  accurate  ac  Uberaliter  habere,  Liv.  29,  8,  6 
snperbe  et  criideliter  habere  und  Uberaliter  et  benigne  habere,  ib.  37, 
34,  5  und  sonst,  molliter  aliquem  habere,  Plin.  epp.  5,  19,  1;  ebenso 
süperbe  habere  aliqiiem,  Curt.  8,  8,  11,  virgines  sancte  habere,  ib.  3, 

12,  21  und  caste  sancteqae  habere  aliquem,  ib.  4,  10,  33.  Ygl.  noch 
Frese  S.  67,  der  auch  auf  male  accipere  bei  Cic.  Yerr.  1,  140, 
Lentul.  bei  Cic.  fam.  12,  14,  4  u.  a.  hinweist.  —  Habere  aliquid 
mit  einem  Adverb  =  etivas  so  oder  so  auf-,  hinneJmmi  ist  gleich- 
falls gut,  wenn  auch  nicht  klass.:  qiiae  in  praesens  Tiberius  civiliter 
habiiit,  Tac.  ann.  4,  21.  Eas  graviiis  aequo  habiiere.  Sali.  Catil.  51, 
11  und  nee  ita  aegre  habuit,  Liv.  7,  5,  7.  —  Habere  aliquem  = 
jemanden  ivofür  halten,  für  etivas  ansehen,  wird  im  Lat.  hauptsäch- 
lich im  Passivum  gesagt,  z.  B.:  virtits  clara  aeternaque  habetur.  Sali. 
Cat.  1,  4;  vgl.  indes  meine  Anm.  z.  St.  Doch  geht  Heraus  zu  weit, 
wenn  er  zu  Tac.  bist.  4,  72  behauptet,  dass  habere  in  dieser  Be- 
deutung klassisch  nicht  aktiv  gebraucht  luerde:  id  habent  hoc  leve  et 
semper  habuerunt,  Cic.  Balb.  51  (vgl.  jedoch  C.  F.  W.  Müller  z.  St.). 
Natura  insculpsit  mentibus  nosb^is,  ut  deos  aete^iios  et  beatos  habei^emus, 
Cic.  nat.  deor.  1,  45.  Fidem,  fortunas,  pericula  vilia  habere.  Sali. 
Cat.  16,  2.  Hoc  velim  in  maximis  rebus  et  maxime  necessariis 
habeas,  Cic.  Att.  5,  5,  2;  vgl.  jedoch  Seyffert-Mülier  z.  Lael.  S.  454, 
der  Lael.  74  eos  habere  necessarios  =  behandehi  als,  ansehen  über- 
setzt und  halten  für  als  unrichtig  erklärt;  vgl.  Thielmann  Archiv 
n  S.  385,  der  ähnlich  urteilt  und  in  der  Phrase  mit  habere  nur  die 
Umschreibung  eines  einfachen  Begriffes  findet.  Dagegen  ist  bei 
ducere  =  für  etivas  halten,  das  Pass.  selten,  aber  klass. :  quae  magna 
et  laetabilia  ducuntur,  Cic.  Tusc.  4,  65.  Quae  (pars  hominis)  in 
nobis  divina  ducenda  est,  fin.  5,  57  und:  omnia  humana  tolerabilia 
dueeyida,  Cic.  Att.  12,  11.  —  Merkwürdig  ist  das  zum  Schlüsse 
einer  Erörterung  vorangestellte  habes,  habetis,  wie:  habes  meiim 
de  oratore  iudicium,  Cic.  orat.  237  und:  habetis  de  inveniendis  rebus 
quid  sentiam,  de  orat.  2,  350  =  da  hast  du,  damit  habet,  kennet 
ihr  u.  s.  w.      Ygl.  s.  v.  Hie.      Dem   ähnlich   ist  das   abschliessende 

Krebs-Schmalz,  Antibarbarns  I.  41 


Habere  —     642     —  Habere 

Jiaec  hahui  de  amicifia  quae  dicerem  und  haec  hahul  de  senectiite  quae 
dicerem  am  Ende  des  Laelius  und  des  Cato  maior.  Unser  es 
findet  eiivas  keine  Entschuldigung  heisst  nicht  exriisationem  non 
invenit,  sondern  non  liahet,  Cic.  de  orat.  1,  125;  dabei  ist  die  Um- 
schreibung des  Passivs  durch  habere  mit  Yerbalsubstantiv  als  klass. 
wohl  zu  beachten,  besonders  für  das  fehlende  Passiv  der  Yerba 
depon.,  z.  B.  Cic.  nat.  deor.  1,  45  habet  venerat ioneni  iustam  quicquid 
excellit,  vgl.  Näg.-Müller^  S.  408  f.  und  471,  Bergmüller  Plane.  S.  46, 
Thielmann  Archiv  VIII  S.  272.  —  Das  angefochtene  Codices,  edi- 
tiones,  annales  Jiahent  =  enthalten,  lesen  so  oder  so  ist  ganz  gut. 
Es  kommt  dies  nicht  nur  oft  bei  den  Kirchenvätern  Ambrosius, 
Hieronymus  und  Augustinus,  sondern  selbst  bei  Livius  vor:  C.  Sidpicio, 
Q.  Aemilio  —  Auliiim  qttidam  annales  liahent  —  considihus  ad 
defectionem  Samnitiwn  Aimlum  novinn  helhim  accessit,  8,  37,  3. 
Liitati  nomen  hand  diihiitm  est,  ijro  Annio  .  .  M.'  Acilinm  .  . 
hahent  qiddam  afinales,  21,  25,  4  u.  22,  27,  3.  —  Habere  mit  Adv. 
ohne  me,  te,  se  =  sich  befinden  ist  wenig  zu  empfehlen,  z.  B.  Dola- 
bella  bei  Cic.  fam.  9,  9,  1  Terentia  minus  belle  hahuit;  vgl.  Cic. 
Att.  5,  11,  7  cum  ego  me  non  belle  haberem;  Cic.  fam.  3,  5,  3  ea 
res  sie  se  habet,  auch  Plane,  bei  Cic.  fam.  10,  17,  2  graviter  se 
hahuit,  näheres  Z.  f.  G.  W.  1881  S.  134,  Bergmüller  Plane.  S.  47, 
Burg  S.  62,  Hoppe  Synt.  Tert.  S.  63,  Rönsch  Sem.  III,  44.  Bene 
Jicdjet  =  ^^gut!'-^  war  eine  vulgäre  Phrase;  sie  steht  bei  Cicero  Mur. 
14,  wiederholt  bei  Livius  in  Reden,  z.  B.  6,  35,  8;  8,  6,  4;  8,  9, 
1,  bei  Sen.  rhet.  u.  a.;  vgl.  Landgraf  B.  öymn.  XIY,  277  u.  zu 
Cic.  Mur.  14;  Stacey  im  Archiv  X  S.  67.  —  Noch  andere  aS^;.  L. 
Phrasen  mit  habere,  z.  B.  parate  habere  =  bereit  sein,  novissime 
habere  =  in  den  letzten  Zügen  liegen,  fate,  ficte,  fatue  h.  =  zum 
Narren  haboi  bespricht  Rönsch  Sem.  III,  44.  —  Haben  mit  einem 
Infin.,  z.  B.  etwas,  nichts  zu,  sdireiben  haben,  heisst  Kl.  habere  aliquid 
(nihil)  scribere,  N.  Kl.  scribendum,  N.  L.  ad  scribendum,  z.  B.  quid 
habes  dicere  (Cic.  S.  Rose.  100);  nihil  habeo  scribere  (Cic.  Att.  2,  22,  6). 
Auch  hierüber  besitzen  wir  aus  Thielmanns  Feder  eine  erschöpfende 
Abhandlung  in  Wölfflins  Archiv  II  S.  50  ff.  Ich  entnehme  daraus,  dass 
Cicero  über  habeo  dicere  nur  in  epp.,  wo  er  Att.  2,  22,  6  nihil  habeo  ad 
te  scribere  u.  fam.  1,  5  a,  3  de  Alexandrina  re  tantum  Jiabeo  iJolUceri 
sagt,  hinausgeht.  Aber  habeo  mit  Infinitiv  =  debeo  haben  in  Prosa 
zuerst  Min.  Felix  und  Tert.,  vgl.  Kalb  Roms  Juristen  S.  128;  über 
habeo  mit  Inf.  =  Futur  vgl.  meine  Synt.^  §  147,  Hoppe  Synt.  Tert. 
S.  44,  Bellanger  S.  104,  Juret  S.  116.  —  Die  Phrasen  non  habeo, 
quid  dicam  und  non  habeo,  cßiod  dicam  unterscheiden  sich  so,  dass 
ersteres  Zweifel  ausdrückt  =  dcc  weiss  ich  nicht,  ivas  ich  sagen  soll, 
das  letztere  Mangel  an  Stoff  =  ich  hcdje  nichts,  iveiss  nichts  zu 
sagen;  vgl.  Böckel  zu  Cic.  epp.  S.  109.  Ebenso  sagt  man:  quid 
habes  opponere'I  ivas  hast  du  einzuiuenden ?  und  voller:  qidd  habes, 
quod  opjjonas?  (Cic.  Phil.  2,  8).  Aber  das  Grerundium  ist  dann  klass., 
wenn   Jiabere   den  Verben  da?-e,    t realere,   locare  u.  a.  entspricht:   ibi 


Habilitare  —     643     —  Habitudo 

agrum  de  nostro  patre  colenditm  haheant,  Ter.  Phormio  365.  Aedem 
hahiiit  tuendam  de  L.  Sidla,  Cic.  Yerr.  1,  130.  Im  übrigen  vgl. 
über  haheo  c.  gerund,  meine  Synt.^  §  166,  2,  Hoppe  Synt.  Tert. 
S.  44,  der  diese  Konstruktion  für  Tert.  bestreitet.  —  Man  sagt  in 
den  allgemeinen  Redensarten:  so  ist  es,  steht  es,  verhält  es  sich,  sie 
(ita)  res  se  habet;  ebenso  ut  res  se  habet,  res  se  jpraedare  habet, 
aliter  se  res  habet,  non  ita  se  res  habet,  aber  nie  ohne  res  und  selten 
ohne  se  (vgl.  Z.  f.  G.  W.  1881  S.  134,  Riemann  etudes  S.  200, 
Streicher  S.  133),  falsch  auch  mit  einem  Zusätze  von  cum,  z.  B.  es 
verhält  sich  anders  mit  der  Geschichte  des  Regidus,  nicht  cum  Regidi 
historia,  sondern  aliter  se  habet  historia  Regidi,  oder  cdia  est  ratio 
historiae  Regidi.  —  Habere  mit  Gen.  pretii  findet  sich  in  klass.  Zeit 
nur  bei  Cic.  div.  1,  132  in  der  volkstümlichen  Wendung  non  habeo 
nanci;  haberi  aber  Caes.  Gall.  4,  21,  7:  Commii  aiictoritas  magni 
habebatur  und  bei  Cic.  Yerr.  4,  19  qiianti  aiictoritas  eins  haberetur, 
ignorabas  und  Phil.  6,  10  phiris  hcd)etur.  Ygl.  meine  Syntax^  §  66, 
Frese  S.  47,  Landgraf  Beiträge  1894  S.  3. 

Habilitare,  habilitatio  und  habilitudo  sind  JSf.  L.  Wörter,  die 
durch  andere  auszudrücken  sind,  je  nachdem  der  Sinn  es  fordert. 
Ygl.  Habitus. 

Habitaculum,  Wohnplatz,  Wohnung,  ist  aS^.  L.  für  habitatio, 
domicilium,  vgl.  Rönsch  It.  S.  37,  Paucker  Hier.  S.  168,  Gölzer 
Hieron.  S.  91,  Bergmüller  lord.  S.  11,  Chruzander  S.  29,  Liesen- 
berg I  S.  10. 

Habitare,  ivohnen,  mit  dem  Accus.,  ist  im  Aktiv  pros.  N.  Kl. 
und  sehr  selten,  z.  B.  habitare  locum,  Tac.  Agric.  11.  Es  ist  aber 
nicht  zu  beanstanden,  wenn  habitare  mit  einem  andern  den  Accus, 
regierenden  Yerbum  verbunden  wird,  wie  Liv.  5,  51,  3,  vgl.  jedoch 
JSTovak  Stud.  Liv.  1894  S.  96  (hält  habitaverint  für  ein  Glossem). 
Ebenso  wird  habitare  im  Passiv  als  Transitivum  konstruiert:  Liv.  40, 
3,  4  barbaris  tirbes  tradidit  habitandas ;  dann  vestigia  habitati 
qiiondam  soli,  Plin.  nat.  5,  13.  Applicata  colli  habitatur  colonia 
Corinthus,  ib.  4,  11;  5,  42  und  sonst.  Scythiae  coyifinis  est  regio 
habitaturqtie  pliiribiis  ac  freqitentibus  vicis,  Curt.  8,  2,  14.  Was 
Cic.  Yerr.  4,  119  coliturque  ea  pars  (urbis)  et  hcd)itatur  frequentissime 
anlangt,  so  ist  nur  die  Nachbarschaft  von  colere  an  dieser  Konstruktion 
von  habitare  schuld;  dies  hat  richtig  erkannt  Riemann  etudes  S.  198. 
Denn  Cicero  sagt  habitare  in,  z.  B.  acad.  2,  123  habitari  alt 
Xenöphanes  in  luna.  Auch  sagt  man  zwar  bildlich  habitare  in 
aliqiia  re,  sich  mit  etiuas  eifrig  beschäftigen  (vgl.  Cic.  de  orat.  2, 
160),  aber  unerweislich  ist  habitare  in  lingua  Latina  in  der  Bedeut. 
gründliche  Kenntnis  der  lateinische?!  Sprache  haben. 

Habitudo,  die  Beschaffenheit,  ist  A.  L.  und  kommt  später 
selten  vor  für  habitus.  In  Kl.  Zeit  steht  es  nur  bei  rhet.  Her.  4, 
15  corporis  bonam  habitiulinem.  Sehr  häufig  trifft  man  es  im  Sp.  L., 
vgl.  Rönsch  Ital.  S.  66,  namentlich  aber  den  genauen  Nachweis  von 
Thielmann  Cornif.  S.  93. 


Habitus  —     644     —  Hactenus 

Habitus  ist  in  geistiger  Bedeutung  die  Fertigkeit,  ohne  anhni 
oder  einen  ähnlichen  Zusatz  K.  L.  für  facultas,  firma  facilitas,  -und 
ist  sie  angeboren,  dexteritas,  indoles.     Ygl.  Idoneitas. 

Hac  sc.  pa?'te  oder  via  ist  nicht  klass.,  es  findet  sich  bei  Plaut. 
Die  Gegenüberstellung  hac  —  hac  ist  P.  u.  selten,  liac  —  illac  P. 
u.  N.  Kl.  (Petron.  Apul.),  hac  atqiie  illac  hat  Ter.,  hac  vel  illa  Plin. 
ep.  2,  17,  18,  vgl.  Archiv  XII  S.  248  u.  252. 

Hactenus,  hisher,  bis  hierher,  bis  so  weit  (von  der  Zeit)  ist  nicht 
Kl;  zuerst  hat  es  so  Vergil  Aen.  11,  823,  dann  Liv.  7,  26,  6,  vgl. 
jedoch  Weissenborn  z.  St.,  Kl.  sagt  man  adhiic;  vgl.  Wölfflin  im 
Archiv  I,  419  und  SeyfFert-Müller  z.  Lael.  S.  172.  Man  sage  nicht: 
hoc  nemo  hactenus  docuerat;  ea  omnia,  quae  hactenus  de  ea  re  dicta 
sunt;  hiems  hactenus  prohibuit,  quominus  ad  te  veniremus  u.  ähnl., 
wo  adhuc  korrekter  ist.  In  guter  Prosa  steht  es,  1)  wenn  man 
von  etwas  abbricht  und  zu  etwas  anderem  übergeht,  z.  B.  ergo 
haec  quoque  hactenus:  redeo  ad  urbana;  sed  haec  hüctenus:  nunc 
ad  ostenta  veniamus.  Seyffert  schob  lat.  I  S.  66  behauptet,  dass  in 
dieser  abbrechenden  Formel  haec  nicht  fehlen  dürfe;  ähnlicher  An- 
sicht waren  früher  Graevius  und  Ernesti,  dann  auch  Baiter,  Boot, 
Wesenberg;  daher  schieben  sie  an  folgenden  Cicerostellen  haec  ein, 
welches  nicht  überliefert  und  neuerdings  von  C.  F.  W.  Müller 
zurückgewiesen  ist:  Att.  13,  9,  1;  9,  7,  3;  14,  17,  2  u.  5,  13,  1; 
vgl.  noch  Plin.  nat.  36,  46.  Andere  Arten  sind  bei  Cicero  nunc, 
in  hunc  diem:  z.  B.  nunc  hactenus,  Cic.  divin.  2,  76,  und:  si  placet 
in  hunc  diem  hactenus,  rep.  2,  70.  N.  L.  lesen  wir  sed  haec  de 
hac  oratione  hactenus,  was  ohne  Zweifel  ganz  falsch  ist,  denn  haec 
wird  niemals  beigesetzt,  wenn  das  Objekt,  mit  welchem  abgebrochen 
wird,  durch  die  Präpos.  de  aufgeführt  ist:  de  cognitionis  quaestionibus 
hactenus,  Cic.  top.  85.  Sed  de  Graecis  hactenus,  Cic.  Brut.  52,  sed 
de  litteris  hactenus,  fam.  2,  1,  1;  3,  7,  3  u.  16,  24,  1,  Att.  6,  2,  1 
(vgl.  jedoch  Boot  z.  St.)  u.  15,  26,  1;  acad.  2,  36,  Tusc.  4,  65, 
Phil.  11,  20.  Hactenus  de  soloecismo,  Quintil.  1,  5,  54  u.  1,  12,  19. 
Hactenus  de  mundo  ipso  sideribuscßie,  Plin.  nat.  2,  102,  hactenus  de 
situ  et  miraculis  terrae,  3,  1,  hactenus  de  olea  et  oleo,  15,  34  und 
sonst  oft.  Hactenus  de  minore  peco7'e,  Colum.  7,  13  g.  E.  Sed  de 
nomine  hactenus,  Lampr.  v.  Heliog.  2,  4.     Hactenus  de  poetis,  Lact. 

I,  5,  15.  Sed  de  his  hactenus,  Macrob.  sat.  5,  18  init.  Hactenus 
de  prima  hominum  origine,  Cens.  de  die  n.  5,  1.  Hactenus  de 
vocalibus,  Mart.  Cap.  3,  §  329  und  sonst.  2)  bedeutet  es  z.  B. 
Cic.  de  orat.  2,  119  insofern,  worauf  ein  erklärender  Satz  folgt, 
so  wie  es  relativ  heisst  quatenus,  bis  wie  lueit  und  imviefern. 
—  Nach  den  angeführten  Worten  eines  Schriftstellers  heisst  so 
iveit  jener  — ,  klass.  nicht  hactenus  ille,  sondern  haec  ille,  wofür 
bei  Plin.  nat.  auch  hactenus  ille  vorkommt.  So  heisst  es  nach  der 
Anführung   einer  längern  Stelle  aus  Trogus:    hactenus   Trogus,   nat. 

II,  276,  und  ganz  ebenso:  hactenus  Varro,  14,  96.  —  Wenn 
endlich  auf  hactenus  ein  vergleichender  Satz  folgt,  wo  wir  als  voran- 


Hadria  —     645     —  -  Hariolari 

zustellen  pflegen,  so  wird  dies  nicht  durch  quam,  sondern  durch  qua 
oder  qnoad,  oder  durch  das  vollere  quatemis  ausgedrückt.  Ygl.  noch 
Hand  Tursellin.  III  S.  4  ff'.  —  Sp.  L.  ist  hadenus  =  in  folgender 
Weise,  z.  B.  bei  Ict.,  vgl.  Kalb  Roms  Jur.  S.  63,  bei  Firm.  Mat., 
vgl.  Dressel  S.  22;  F.,  N.  Kl.  und  Sj).  L.  =  niclit  mehr,  z.  B. 
Tert.  Marc.  1,  24  care^is  anhna  caro  liademis  ijeccat,  vgl.  Hoppe 
Synt.  Tert.  S.  111;  Sittl  Lok.  Yersch.  S.  136,  Rönsch  It.  S.  340, 
Hey  im  Archiv  XIII  S.  206. 

Hadiia  ist  in  der  Bedeutung  das  Hadriatisclie  Meer  fast  nur 
P.  L.  und  in  Prosa  nur  von  Plin.  und  Tac.  bist.  3,  42  aus  Dichtern 
entlehnt. 

Hadriacus,  Hadriatisch,  von  der  Stadt  Hadria  sowohl,  als  vom 
Meere,  ist  nur  F.  L.  für  Hadrianus,  was  Cicero  Pis.  38,  Att.  10, 
7,  1  u.  dann  Augustus  im  mon.  Ancyr.  braucht,  oder  für  Hadriaticiis, 
was  Caesar  civ.  1,  25,  3  (nicht  1,  12,  wie  Wölfflin  Epigr.  Beitr.  II 
S.  168  zitiert),  Livius  u.  a.  verwenden. 

Haedile,  der  Ziegenstall,  für  caprile,  beruht  auf  einer  unsichern 
Lesart  in  Horat.  carm.  1,  17,  9.  Ygl.  Schütz  und  Kiessling  z.  St., 
sow^ie  Wagener  Phil.  Rundschau  1899  ]Sro.  10  (=  Beiträge  I 
S.  35),  der  mit  Bücheier  haediliae  =  Zickleiyi  als  allein  richtige 
Überlieferung  bezeichnet. 

Haerere  verbunden  mit  in  andpiti,  in  der  Bedeutung  ga^iz  itn- 
gewiss,  hedefiklidi  sein,  scheint  ohne  alle  Autorität  und  werde  daher 
vermieden.  Haerere  mit  Dativ  ist  nicht  nur  P.  L.,  sondern  sogar 
KL,  vgl.  Cic.  Rose.  Com.  17  u.  Sest.  69,  aber  üblicher  ist  haerere 
in,  vgl.   Cic.    div.  1,   30;    näheres   bei    Landgraf  Progr.   1899  S.  20. 

Haeresis  in  der  Bedeutung  Sekte,  Sdiide,  Fartei  bei  Philosophen 
und  andern  Gelehrten  braucht  selbst  Cicero,  und  es  ist  neben  den 
übrigen  Synonymen,  wie  disdplina,  seda,  nicht  zu  verwerfen.  Bei 
christhchen  Schriftstellern,  welche  es  seit  Tert.  gebrauchen,  bedeutet 
es  Ketzerei,  in  welchem  Sinne  es,  wie  haereticus,  der  Ketzer,  als 
theologisches  Kunstwort  nicht  zu  entbehren  ist;  so  schrieb  Filastrius 
ein  Buch  diversarum  haereseon  über. 

Haesitanter,  zögernd  u.  dgl.  ist  Sp.  L.  bei  Aug.  serm.  117,  14 
für  cundayiter,  duhitanter;  haesitans,  haesitahiindus. 

Halitus,  Hauch,  Atem  (vom  Leben),  ist  F.  L.  für  anima,  Spi- 
ritus. Ygl.  Cic.  Tusc.  2,  22  in  der  Übersetzung  einer  Sophokleischen 
Stelle:  Frendens  efflavit  graviter  extremiim  halitum  und  dazu  das 
Ciceronische  Urteil :  sed  tarnen  raro  habet  etiam  ifi  oratione  poeticum 
aliquod  verhum  dignitatem.  Der  gewöhnliche  Ausdruck  ist  animam 
efflare,  vitam  p)rofimdere.  In  der  Bedeutung  Ausdünstung  ist  es 
N.  Kl.  und  Sp.  L. 

Haludnayi;  vgl.  Aludnari. 

Hariolari  ist  in  der  Bedeutung  sdiivatzen,  faseln,  in  den  Tag 
hinein  reden  nur  A.  L.  für  inepta,  ahsurda  loqui,  nugari,  delirare 
u.  a.  Bei  Cicero  Att.  8,  11,  3  heisst  es  ,.^iueissagen'-^ ;  vgl.  Boot  z.  St.; 
wie   nahe   die   Begriffe  iveissagen  und  faseln   sich    berühren,    sieht 


Hasta  -  —     646     —  Haurire 

man  aus  dem  Gebrauche  von  vaticinor,  z.  B.  Cic.  fam.  2,  16,  6  sed 
ego  fortasse  vaticinor  et  haec  omnia  meliores  hahebiint  exitus.  Daher 
kann  man  wohl  auch  Imriolor  =  faseln  brauchen. 

Hasta  kann  in  der  Bedeutung  Vej'kaiif,  Auktion  heutzutage 
nicht  wohl  angewendet  werden. 

Hastiludiimi,  das  Lanzenrennen y  ist  N.  L.,  aber  für  das  neue 
Spiel  ein  passendes  Wort. 

Hand,  nicht.  —  Über  liaud  besitzen  wir  drei  vortreffliche  Mo- 
nographien: 1)  M.  Müller  im  Progr.  Stendal  1877,  2)  Sigismund  in 
comm.  Jenenses  III  S.  217 — 262  und  3)  Planer,  Diss.  Jenensis  1886; 
einer  früheren  Zeit  gehört  an  die  Commentatio  de  particula  haut,  welche 
Stürenburg  seiner  Ausgabe  von  Cic.  off.  beigegeben  hat  (Leipzig  1834). 
Daraus  geht  hervor,  dass  haud  Begriffs negation  und  nicht 
Satznegation  ist,  dass  haud  in  Kl.  Zeit  nicht  mit  allen  Verben 
sich  verbindet,  sondern  vorwiegend  mit  scio,  dann  noch  mit  einigen 
verwandten  wie  duhito,  erro,  ignoro,  assentior,  amo,  nitor,  dass  es 
schliesslich  Kl.  mit  einer  Anzahl  von  Adj.  und  Adv.  (aber  nicht 
ita)  sich  konstruiert,  wobei  jedoch  das  subjektive  Moment  in  Vorder- 
grund tritt,  z.  B.  vgl.  Cic.  off.  2,  37  vitia,  quihiis  alii  non  facile 
possunt  ohsistere  und  3,  10  liaud  facile  quis  dixerit.  Man  merke 
ferner,  dass  Horaz  haud  nie  in  den  Oden  verwendet,  dass  rhet.  Her., 
Varro,  Vitruv,  Plin.  min.  u.  Sen.  rhet.  sich  ablehnend  gegen  haud 
verhalten  und  im  Sp.  L.  sein  Gebrauch  seltener  wird,  als  er  es 
früher  war;  so  hat  es  z:  B.  Cyprian  gar  nicht,  ebenso  wenig  Filastrius. 
Beliebt  ist  es  besonders  bei  Livius,  aber  auch  hier  lässt  sich  die 
Wahrnehmung  machen,  dass  liaud  nur  anfangs  mit  Verben  verbunden 
wird,  später  gar  nicht  mehr;  dann  bei  Curtius  u.  Tacitus.  Näheres 
siehe  besonders  bei  Planer,  dann  bei  Landgraf  in  Anm.  405  unserer 
Bearbeitung  von  Reisig-Haase  und  in  meiner  Stilist.  §  40,  Novak 
Amm.  S.  41,  Hist.  Aug.  S.  26,  Stud.  Liv.  1894  S.  139  ff.,  Weyman 
im  Archiv  IV  S.  158,  Götz  im  Archiv  II  S.  342  {liauchie  =  7ionne 
ist  zurückzuweisen).  Über  die  Formen  hau,  haud,  liaut  vgl.  ausser 
Landgraf  auch  Fritzsche  zu  Hör.  sat.  1,  1,  35  und  Planer  S.  2  f. 

Haurire,  schöpfen,  wird  meistens  verbunden  aliquid  ex  aliqua 
re,  aber  auch  de  und  ah  aliqua  re  und  bloss  aliqua  re;  für  den 
blossen  Abi.  vgl.  Cic.  fam.  6,  6,  9  eodem  fönte  se  haustiirum  intellegit 
laudes  suas,  so  Böckel,  Mendelssohn  und  C.  F.  W.  Müller  nach  dem 
Med.;  Lambin  jedoch  wollte  ex  eodem  fönte,  ßaiter  und  Wesenberg 
eodem  e  fönte;  bei  Cic.  de  or.  1,  12  liest  Stangl  ahditis  e  fontihus 
(Sorof  ohne  e)  haiiriuntiir.  Bildliche  Redensarten  beurteile  man 
also  nach  der  in  denselben  enthaltenen  Präposition.  Die  Adverb, 
sind  daher  inde,  unde,  undique,  mag  es  auch  deutsch  vielleicht 
darüher,  icorüher,  iiherall  heissen.  Wiewohl  haurire  bildlich  mit 
voluptatem,  luctum,  dolorem  u.  dgl.  verbunden  wird,  wo  wir  sagen 
Vergnügen  —  empfinden  über  etiuas,  u.  das  Spf.  L.  noch  mancherlei 
Phrasen  mit  haurire,  z.  B.  auch  haurire  mortem  (Lucifer)  gebildet 
hat,  so  soll  doch  nicht  vorkommen  haurire  fructum,  Vorteil,  Nutzen 


Hebdomada  —     647     —  Heracleus 

zielten,  für  capere,  percijjere  fnicUmi.  Aber  praecepta  alicuiiis  rei 
aliimde  Jumrire  würden  wir  in  Beibehaltung  des  von  der  Quelle 
entlehnten  Budes  unbedenklich  gebrauchen  nach  Hör.  sat.  2,  4,  95. 

Hebdomada  (nach  Decl.  I.  Sp.  L.)  und  hebdomas,  Genit.  heb- 
domadis  (bei  Yarro,  Cicero  u.  a.)  bedeuten  schon  eine  Reihe  von 
sieben  Tagen  und  sind  daher  nicht  unpassend  für  unsere  neue 
Monatsabteilung,  die  Woche,  wie  sie  denn  auch  im  N.  L.  angewandt 
werden.  Späier  L.  ist  septimana;  Gregor  Turon.  bediente  sich  beider 
Ausdrücke  wohl  ohne  Unterschied,  vgl.  Bonnet  Greg.  S.  220  Anm.  3, 
ferner  Gundermann  in  Kluges  Z.  f.  deutsche  Wortforschg.  I  S.  176. 
Man  meide  sie  und  ersetze  sie  lieber  durch  septem  dies.  — 
Wocheniveise,  tuöchentlich,  alle  Wochen  heisst  nicht  hebdomadatim, 
was  N.  L.  ist,  sondern  entweder  singidis  hebdomadibits  oder  sep- 
tenis  diebiis. 

Hebekido,  die  Stumpfheit,  ist  Sp,  L.  für  obtusa,  obtusior  oder 
hehes  acies  oder  hebetatio  bei  Plin.  mai.  und  Sen.  phil.;  vgl.  Gölzer 
Hieron.   S.  106. 

Hebraeus  ist  gewöhnlich  nur  Subst.,  Hebraicus  Adjektiv.  Doch 
kommt  hebi^aens  adjektivisch  nicht  nur  bei  dem  Dichter  Statins  silv. 
5,  1,  213,  sondern  auch  bei  Tac.  bist.  5,  2  vor  und  Hebraea  lingiia 
bei  Aug.  civ.  18,  c.  39  und  42.  Als  Adv.  kann  nur  Hebraice  ge- 
braucht werden,  vgl.  Gölzer  Hieron.  S.  194,  aber  auch  dies  ist 
nur  Sj).  L. 

Hei,  ach,  luehe,  hat  nur  den  Dativ  einer  Person  bei  sich,  nicht 
den  Nomin.  oder  Accus.,  z.  B.  hei  mihi  miserof  ach  ich  Unglück- 
licher! Es  findet  sich,  übrigens  nicht  im  Kl.  Lat.  und  wird  jetzt 
gewöhnlich  ei  geschrieben.     Ygl.  Neue-Wagener^  H  S.  981. 

Hellas  ist  in  der  allgemeinen  Bedeutung  Griechenland  nur  geo- 
graphisch als  alte  Benennung  richtig,  sonst  sagt  man  durchaus  nur 
Graecia.  Im  N.  L.  ziert  man  oft  die  Rede  mit  diesem  Worte. 
Ebenso  missbraucht  man  Hellenes  für  das  allgemeine  Graeci  (oder 
Grai  mit  der  Nebenbedeutung:  das  cdte  Heldenvolk  der  Vorzeit).,  da 
es  nur  von  den  alten  Hellenen   angewandt  werden  kann. 

Helveticus,  Helvetisch,  ist  gleich  gute  Form,  wie  Helvetius,  S. 
über  ersteres  Caes.  Gall.  7,  9,  6. 

Hera,  die  Herrin,  Frau  vom  Hause,  ist  nur  A.  und  P.  L.  für 
domina;  herus,  der  Herr,  als  Herr  des  Sklaven,  also  im  Gegensatze 
von  servus  kommt  einmal  bei  Cic.  off.  2,  24  vor.  Die  Schreibung 
eriis  findet  sich  in  den  besten  codd.,  vgl.  Ritschi  opusc.  II,  409.  — 
Hera  als  griechischer  Name  der  luno  ist  nur  von  Solin.  2,  §  10 
gebraucht  worden. 

Heracleus,  Herkulisch,  den  Herkides  betreffend,  ist  nur  P.  L. 
und  Sp.  Li.,  hingegen  Heraclius  findet  sich  zweimal  bei  dem  altern 
Plinius;  ebenso  kommt  Hercideus  prosaisch  vor:  Herculea  audacia, 
lust.  Praef.  §  2  und  sonst  Sjy.  L.  Auch  Herculanus  ist  nicht  ohne 
prosaische  Autorität,  s.  pes  Hercidanus  bei  Gell.  1,  1,  3;  endlich 
wird   Hercidaneus   nicht    nur   von  Capitol.,    Apul.   und   dem   altern 


Herba  —     648     —  Herus 

Plinius,  sondern  auch  von  Seneca  gebraucht:  Hercidaneus  nodus, 
epp.  87,  38.  Sonst  ersetzt  man  das  Adjektiv  durch  den  Genitiv 
von  Hercules. 

Herham  dare  oder  imrrigere  ist  in  der  Bedeutung  sich  für 
üheriviinden  erMären  eine  altertümliche  Redensart,  die  als  von 
unsern  Sitten  abweichend,  nicht  mehr  anwendbar  ist;  vgl.  Archiv 
YI  S.  398. 

Heredare,  erlen,  Erhe  sehi,  ist  N.  L.,  wiewohl  exJieredare, 
enterben,  gut  ist,  für  lieredem  esse  u.  a.;  z.  B.  icli  erbe,  mihi 
venit  (obvenit)  hereditas,  aliquid  mild  hereditate  venit  u.  dgl.; 
hereditäre  aber  findet  sich  oft  in  der  lat.  Bibelübersetzung  (Itala  und 
Vulg.)  und  dann  bei  xirnob.  Hieron.  Aug.,  vgl.  Regnier  S.  187;  fakti- 
tiv  in  Yulg.,  vgl.  Rönsch  Sem.  III,  44. 

Heredipeta,  der  Erbschleicher,  findet  sich  als  Ausdruck  der 
Yolkssprache  N.  Kl.  bei  Petron.  124,  2  und  ^S^^.  L.;  es  werde  durch 
testamentorum  caiAator  ersetzt. 

Heres,  der  Erbe.  —  Ein  TJniverscderbe  ist  heres  ex  asse  oder 
ex  libella  (Cic.  Att.  7,  2,  3),  N.  L.  heres  universalis ;  ein  Intestat- 
erbe, heres  ab  intestato  (oder  heres  intestati  bei  Quintil.  3,  6,  102  u. 
4,  2,  5);  heres  intestatus  ^'Avq  ein  E)-be,  der  kein  Testament  gemacht 
hat,  also  widersinnig.  Ygl.  Testamentum.  —  Wie  man  aber  ex  asse 
sagt,  so  steht  ex  auch  immer  bei  Angabe  des  Teiles,  z.  B.  heres  ex 
parte  sexta  (Phn.  epp.  6,  33,  6);  ex  dodrante  zu  712,  ex  quadrante 
zu  7»  (Suet.  Caes.  83),  ex  teruncio,  Cic.  Att.  7,  2,  3. 

Heroicus,  heroisch,  hat  nie  die  gewöhnliche  Bedeutung  sehr 
tapfer,  midvoll,  sondern  hält  den  griechischen  Begriff  eines  Heros 
der  Mythenzeit  fest.  Daher  sind  heroica  tempora  und  heroicae  aetates 
bei  Cicero  nicht,  was  wir  Heldenzeiten  nennen,  d.  h.  Zeiten,  in  welchen 
nur  Heldentaten  verrichtet  wurden,  sondern  Zeiten,  in  welchen  alle 
grossen  und  vorzüglichen  Männer  Heroen  hiessen,  die  Zeiten  der 
Vorwelt,  die  mythischen  Zeiten,  die  Zeiten  der  Sage.  —  Unser  Helden- 
tat heisst  nur  forte,  incredibile,  divinum  factum.  —  Auch  unser  ge- 
wöhnliches Held,  d.  h.  tapferer,  mutvoller  Mann,  heisst  nicht  lieros, 
sondern  vir  fortissimiis,  wdewohl  he7^os  einigemal  bildlich  von  aus- 
gezeichneten Männern,  wissenschaftlichen  und  politischen  Heroen, 
gebraucht  wird,  z.  B.  Plato  et  Aristoteles  —  heroes  (Cic.  rep.  3,  12); 
her  OS  ille  noster  Cato  (Cic.  Att.  1,  17,  9);  cum  heroibus  nostris  (ibid. 
14,  6,  1)  und  von  Milo  —  quantum  in  illo  he7'oe  esset  animi  (ibid. 
4,  3,  5).  —  Endlich  nennt  Cicero  die  heroischen  oder  dakti/lischen 
Hexameter  nicht  heroicos,  sondern  heroos,  ebenso  Quintil.  1,  5,  28 
und  die  Daktylen  pedes  heroos,  so  auch  Quintil.  9,  4,  88  und  89. 
—  Für  Heldengedicht  wird  Quintil.  1,  8,  5  nach  Halm  jetzt  Jieroum 
Carmen  gelesen,  wie  auch  bei  Plin.  epp.  7,  4,  3  expertus  siim  me 
aliquando  et  heroo  aufgenommen  ist.  Die  epischen  Dichter  hingegen 
heissen  klass.  poetae  epici,  s.  Cic.  opt.  1  und  Quindl.  10,  1,  51,  und 
das  Epos  ist  auch  Carmen  epicum  bei  Quintil.  10,  1,  62. 

Herus;  vgl.  Hera, 


Hesperia  —     649     —  Hie 

Hesperia  ist  in  der  allgemeinen  Bedeutung  Ahendlaiid  nur  P. 
L.  für  ocddentis  solis  partes,  ebenso  für  das  einzelne  Italla  und 
His2)a7iia. 

Hesperus  ist  in  der  Bedeutung  die  Ahendgegend  als  Land,  der 
Westen,  nicht  erweislich  für  occidens. 

Heu  hat  das  beigesetzte  Objekt  in  Prosa  im  Accus,  bei  sich, 
nicht,  wie  hei,  im  Dativ;  z.  B.  heu  me  miserum!  Dies  hat  bereits 
Laurentius  Yalla  gelehrt.  Er  musste  sich  aber  deshalb  Angriffe 
gefallen  lassen,  weil  in  der  Yulg.  Psalm  119  heu  mihi  sich  findet, 
vgl.  Reichling  Doctrinale  S.  80  Anm.  zu  Vers  1231.  Dagegen  hat 
heus  als  rufende  Interjekt.  den  Vocativ,  z.  B.  heus,  Syre;  allein  es 
kommt  auch  ohne  Voc.  vor,  so  bei  Plaut.,    vgl.  Langen  Beitr.  315. 

Hie,  als  Adv.,  hier,  da.  —  D.  L.  ist  Jiic  hahes,  hier,  da  hast 
du;  hie  hahetis,  hier,  da  halt  ihr,  d.  h.  jetzt  lueisst  du,  jetzt  tuisst 
ihr,  wenn  man  einem  etwas  erzählt,  gelehrt  oder  mitgeteilt  hat,  für 
hahes,  hahetis  ohne  Jiic;  z.  B.  liabes  res  Romanas,  liier  hast  du,  das 
sind  die  Sachen  aus  Rom;  hohes  reversionis  causas,  hier  hast  du 
die  Gründe  der  Rückkehr;  hahetis,  quid  sentiam,  hier  habt  ihr,  ivas  ich 
denke  (Cic.  de  or.  2,  350).  Vgl.  auch  Cic.  Att.  1,  14,  6;  5,  4,  4;  8,  11,  4; 
Tusc.  3,  38;  4,  33  u.  a.  m.;  Böckel  zu  Cic.  epp.  S.  65  u.  oben  s.  Y.Hahere. 
So  sagte  auch  der  Verkäufer  einer  Sache,  wenn  er  sie  dem  Käufer 
lassen  wollte,  hahe  tihi,  hier  (da)  hast  du  es,  mit  dem  Abi.  des 
Preises  (Plaut.  Pers.  662).  —  P.  L.  ist  hie  mit  folgendem  illic, 
wenn  jedes  seinen  Zusatz  hat,  also  hier  mit  folgendem  dort,  z.  B. 
Verg.  georg.  1,  54  hie  ser/etes,  illic  veniunt  felicius  uvae;  selten  in 
Prosa  ist  nee  hie  nee  illic  Liv.  8,  37,  6,  aut  hie  aut  illic  Varro  r.  r.  3, 
5,  6 ;  aber  beide  verbunden,  hie  illic  in  der  Bedeutung  einigemal 
oder  hin  und  ivieder,  an  mehrern  Ortern,  findet  sich  nur  bei  Ovid, 
vgl.  Preuss  S.  29,  Archiv  XII  S.  246,  für  aliquoties,  nonnumquam, 
interdum.  Man  sage  daher  nicht:  hie  illic  legitur;  hie  illic  myenies 
u.  dgl.,  was  im  N.  L.  nicht  selten  ist.  Davor  warnte  auch  Reisig 
(Vorl.  S.  801).  Nur  P.  und  selten  ist  hie  —  hie  =  hie  —  illic, 
alihi  —  alihi,  z.  B.  Sil.  3,  547,  vgl.  Archiv  XII  S.  251.  —  Gut 
und  richtig  aber  ist  hie,  wenn  hier  (oder  da)  im  Dialog  oder  in 
Erzählungen  steht  für  hei  dieser  Gelegenheit  oder  darauf  hei  solcher 
Sachlage,  s.  Richter  zu  Cic.  Pomp.  39,  wofür  auch  tum  oder  ihi 
gebraucht  wird,  z.  B.  liier  (da,  darauf)  sagte  Laelius,  hie  oder  tum 
Laelius;  vgl.  Cic.  rep.  1,  30;  4,  4;  fam.  1,  9,  10;  3,  8,  3;  5,  15, 
4;  —  ebenso,  wo  wir  sagen,  als  nun  hier  — ,  hie  cum.  Vgl.  Hand 
Tursellin.  III  S.  78  und  79.  Und  so  wird  auch  dann  hie  ge- 
setzt, wo  wir  aus  Spott  und  mit  Unwillen  hier  brauchen,  z.  B.  hier 
(oder  da)  eriuähnt  mir  einer  die  Vorteile  des  F?^iedens,  hie  mihi 
quisquam  pacis  commoda  commemorat;  vgl.  Cic.  fam.  7,  13;  Verr. 
5,  57;  2,  109;  Sali.  Cat.  52,  11  und  dazu  Fabri;  Böckel  zu  Cic. 
epp.  S.  383,  welcher  darauf  aufmerksam  macht,  dass  dann  immer 
der  Indikativ  des  Verbs  folgt.  — Endlich  ist  hicce  als  Adv.,  hier,  ohne 
alle  Autorität. 


Hie  —     650     —  Hie 

Hk,  als  Pron.,  dieser.  —  Über  hie,  u,  iste,  ille  habe  ich  ein- 
gehend gehandelt  in  unserer  Neubearbeitung  von  Reisig -Haase 
S.  84  fF. ;  jetzt  haben  wir  eine  gründliche  Abhandlung  zur  Geschichte 
der  lateinischen  Pronomina  demonstrativa  im  Archiv  XI,  369  fF. 
u.  Xn,  239  ff.,  ferner  eine  sprachvergleichende  Darstellung  von 
Karl  Brugmann  Die  Demonstrativpronomina  der  indogermanischen 
Sprachen,  Leipzig  Teubner  1904;  vgl.  über  hie  besonders  S.  46  ff. 
—  Über  den  bald  richtigen,  bald  falschen  Gebrauch  in  Redensarten, 
wie:  der  Brief  des  Sulpiciiis  ist  schöner,  als  der  des  Cicero,  also 
wann  quam  haec  Ciceronis,  und  wann  quam  Ciceronis  zu  sagen  sei, 
vgl.  unter  Is.  —  Richtig  ist  zwar  ante  sex  menses,  ante  tres  annos; 
aber  hie  damit  zu  verbinden,  z.  B.  ante  hos  sex  menses,  ante  hos 
tres  annos  hat  in  der  frühern  Prosa  nur  die  Autorität  des  altern 
Plinius:  Tiherio  Claudio  principe  ante  hos  annos  XL  institutum  iit .  . 
nat.  14,  143,  sonst  findet  es  sich  nur  bei  Phaedrus  (1,  1,  10),  der  ante 
hos  sex  menses  sagt.  Erst  spätlat.  kommt  diese  Redensart  wieder 
in  Prosa  vor:  Polemonem  ante  hoc  triduum  declamantem  audivimus, 
Front,  epp.  ad  M.  Caes.  2,  5  init.  S.  29  (N.).  Ante  hos  ferme  quin- 
qiie  annos,  Hier,  bei  Aug.  epp.  72,  1.  Ante  hos  decem  dies,  Aug. 
serm.  270,  3.  So  auch  bei  Greg.  M.  dial.  3,  26  init.  u.  epp.  5,  43, 
für  ante  paucos  dies  oder,  w^as  eben  so  gut  ist,  ahhinc  paiicis 
diebiis,  ahhinc  paucos  dies,  oder  his  inmcis  diebus  (Cic.  sen.  50). 
Es  tritt  hie  also  sehr  oft  zur  nähern  Bestimmung  der  jetzigen, 
gegemv artigen  Zeit  hinzu,  z.  B.  trihiis  his  proximis  annis,  in  diesen, 
den  letzten  drei  Jahren;  so  oft  bei  Cicero;  nur  bei  ante  mit  dem 
Accus,  ist  es  nicht  üblich.  —  Richtig  ist  hoc  et  illiid,  wie  wir  sagen 
dieses  und  jenes ;  Cic.  Yerr.  1,  53  non  dicam  illinc  hoc  signum  ab- 
latum  esse  et  illud,  dieses  und  jenes  Bild;  richtig  auch  hoc  et  hoc, 
dies  und  das,  z.  B.  hoc  et  hoc  demonstratum  est,  dies  und  das  ist 
gezeigt  luorden  (Cic.  inv.  1,  99);  vobis  Jioc  et  hoc  planum  factum  est 
(ib.);  vgl.  jedoch  hierüber  Thielmann  Cornif.  S.  69,  Landgraf  p.  S. 
Rose.  S.  247  und  namentlich  Wölfflin  Gemination  S.  434  Anm.; 
hier  ist  nachgewiesen,  dass  die  Kl.  Latinität  zur  Bezeichnung  ver- 
schiedener Personen  auch  verschiedene  Pronomina  anwendete,  somit 
hie  et  hie  Nachbildung  des  Konversationsstiles  ist;  vgl.  auch  Archiv 
xn,  249,  wo  angemerkt  ist,  dass  im  silb.  Latein  besonders  Quint. 
sich  diese  Redeweise  angeeignet  hat.  Üblich  ist  sie  seit  rhet.  Her. 
und  findet  sich  bei  Cicero  nur  de  inv.  So  ist  hie  aut  ille,  aut  hie 
aut  ille  von  Livius  nicht  selten  gebraucht,  wo  von  nur  zweien  die 
Rede  ist,  seien  es  Individuen  oder  Parteien.  S.  Fabri  zu  Liv.  24, 
3,  17.  —  Wenn  deutsch  auf  ein  genanntes  Nom.  propr.  zurück- 
gewiesen und  gesagt  wird:  dieser  Ma)in,  dieser  Dichter,  dieser  Ge- 
neral, wird  im  Lateinischen  regelmässig  hie  oder  ille,  ohne  den 
Beisatz  homo,  jjoeta,  imperator  gebraucht.  S.  Nep.  Paus.  2,  6,  Alcib. 
1,  1,  Epam.  10,  4.  Nur  wo  die  Beziehung  eine  nachdrucksvolle 
und  :=  ist  ein  solcher  Mann,  gebraucht  auch  der  Lateiner  hie  homo 
u.  älml.    S.  Liv.  6,  6,  7  und  6,  14,  3.    Vgl.  Nägelsb.-Müller^  S.  189. 


Hierosolyma  —     651     —  Hilaris 

Nur  vereinzelt  sind  Stellen  wie  Liv.  7,  39,  12:  Jiic  vir.  Dagegen 
wird  Jiomo  und  midier  oft  allein,  d.  h.  statt  eines  Fron,  demonstr. 
gebraucht,  um  auf  eine  bereits  genannte  Person  zurückzuweisen, 
z.  B.  dissimilitudo  meae  raiionis  off'endit  hominem  (Ajjpiuni);  Cic. 
Attic.  6,  1,  2,  S.  Rose.  33,  Verr.  2,  35,  Nep.  Dio  8,  5;  besonders 
oft  lesen  wir  dies  in  der  IV.  Yerrine,  vgl.  E.  Thomas  S.  134.  — 
Man  sagt  zwar  fragend  gewöhnlich  liicine,  liocine,  hacine,  Imcine, 
aber  auch  liicne,  liocne,  hacne,  liuicne,  was  F.  A.  Wolf  (zu  Cic.  Tusc. 
S.  390)  für  unrichtig  hielt;  vgl.  aber  Cic.  Tusc.  1,  62  ex  hacne  na- 
tura; Att.  9,  7,  3  cum  Jiocne;  fat.  5, ex  hocne  equo;  S.  Rose.  141 
Mcne  u.  a.  C.  F.  W.  Müller  hat  die  Überlieferung  in  seiner  Ausgabe 
des  Cicero  beachtet  und  schreibt  daher  hocne,  hacne  u.  ä.,  vgl.  jedoch 
seine  Anm.  zu  S.  Rose.  141,  wo  er  das  von  Landgraf  nach  Halm 
aufgenommene  Meine  als  probab.  bezeichnet.  Nohl  und  Clark  lesen 
S.  Rose.  141  auch  hicne.  Nach  Madvig  zu  fin.  S.  75  sind  diese 
Formen  ohne  i  zu  verwerfen;  ihm  folgten  z.  B.  Boot  und  Baiter  zu  Cic. 
Att.  9,  7,  3.  Vgl.  noch  Neue-Wagener^  II  S.  422  und  die  aus 
Sen.  trag,  und  Stat.  von  C.  F.  W.  Müller  1.  1.  zitierten  Stellen  ohne 
i,  bezw.  ci.  —  Endlich  wird  Jiice,  haece,  hoce  im  Nomin.  wohl  kaum 
lat.  sein,  vgl.  C.  F.W.  Müller  Nachtr.  Plaut.  Pros.  S.  130;  die  For- 
men hisce,  hasce,  hosce  u.  a.  sind  wohl  nur  dann  gebraucht,  wenn 
auf  etwas  stärker  hingewiesen  werden  soll,  da  es  dieser  da  bedeutet. 
So  hat  Cicero  namentlich  in  seinen  Erstlingsreden  die  Formen  von 
hice  bevorzugt,  wo  es  ihm  darauf  ankam,  möglichst  kräftige  und 
volltönende  Wörter  zu  gebrauchen,  vgl.  Landgraf  p.  S.  Rose.  S.  137, 
Neue-Wagener^  II  S.  413. 

Hierosolyma  ist  bei  Cicero  und  den  nachklass.  Autoren  regel- 
mässig das  neutr.  Plur.  der  zweiten  Deklination  H — a,  orum,  auch 
bei  Tac.  bist.  5,  2  und  Suet.  Octav.  93.  Erst  die  Vulgata  hat  Hiero- 
solyma, ae,  Matth.  16,  21,  Marc.  10,  32  und  33,  Luc.  18,  31  —  34, 
ebenso  Sulp.  Sev.  chronic.  1,  1,  3  und  Lact.  epit.  46,  7,  Sedulius 
266,  8;  287,  1  II  u.  a.  Vgl.  über  dieses  Wort  Reisig-Haase-Hagen 
S.  160,  Fürtner  Progr.  Landshut  1885  S.  19,  Ileiss  S.  11,  Kaulen 
Handb.  der  Vulg.  S.  104,  Bonnet  Greg.  S.  353,  Anm.  4,  Neue-Wa- 
gener^  I  S.  719.  Neben  dem  deklinierbaren  Hierosolyma  findet  sich 
auch  das  unveränderliche  Hierusalem  und  lerusalem. 

Hilaris  und  hilanis,  heiter,  sind  beide  Kl.  Formen,  vgl.  cum 
esset  vultu  hilari  atqtie  laeto,  Cic.  Tusc.  1,  100,  sowie  Cluent.  72  mit 
Clark  und  hilari  animo  esse,  Q.  fr.  2,  13,  1;  N.  Kl.  z.  B.  Val.  Max. 
4,  2  praef.  hilari  adspectu.  Ebenso  ist  hilarus  gar  nicht  ungewöhnlich, 
nicht  nur  bei  Ter.:  hodie  modo  hilaruni  te  face,  Ad.  842  und:  face 
nos  hilaros,  Plaut.  Stich.  739,  sondern  auch  wieder  bei  Cicero: 
hilara  vita,  fin.  5,  92,  hilara  sane  Saturnalia,  Attic.  5,  20,  5, 
hilaris  (Dat.  Plur.),  Attic.  16,  3,  1  und  N.  Kl.  hilaro  vidtii,  Plin. 
nat.  7,  79.  Bei  den  Dichtern  findet  sich,  wie  es  scheint,  hilarus 
selten,  vgl.  Vollmer  zu  Stat.  silv.  5,  2,  125.  Das  Adv.  hilariter  ist 
8p.  L. ;  bei  rhet.  Her.  3,  24  und  4,   68   lesen  Friedrich    und  Marx 


Hinc  —     652     —  Hinc 

hilare.  Kl.  htliilare,  was  sich  wiederholt  bei  Cicero  findet ;  näheres 
bei  Neue -AV agener ^  II  S.  149;  fürs  A.  L.  vgl.  Abraham  Stud. 
Plaut.  S.  222  u.  dagegen  Engelbrecht  Stud.  Ter.  S.  26,  Sjögren  S.  60 
(das  ^1.  L.  kenne  nur  hilarus,  nicht  hilaris,  was  mir  sehr  wahr- 
scheinlich ist). 

Hinc  von  der  Zeit,  in  der  Bedeutung  nachher,  dcircmf,  steht 
N.  Kl.  bei  Tacitus  und  Sueton,  sowie  Sxj.  L.  bei  Ennodius  für  deinde, 
liostea,  ijosthac.  Ob  hinc  im  Kl.  L.  als  Konhlusivpartikel  gebraucht 
werden  könne,  bezweifle  ich  mit  Haase  zu  Reisig  S.  468  Anm.  435 
(S.  296  unserer  Bearbeitung);  jedenfalls  sind  die  Stellen  aus  Cicero 
z.  B.  off.  3,  36,  Flacc.  54  und  die  andern  von  Dräger  H.  Synt.  II 
S.  185  erwähnten  anders  zu  erklären.  Ich  schliesse  mich  an  C.  F. 
W.  Müller  an,  welcher  (zu  Cic.  off.  S.  41  f.)  z.  B.  hinc  rhetorum 
canqms,  hinc  sicae  u.  a.  lokal  auffasst  =  dahin  gehört.  Wo  sonst 
hinc  konklusiv  gebraucht  erscheint,  liegt  die  lokale  Auffassung  nahe, 
z.  B.  Cic.  S.  Rose.  87,  wo  Jiinc  =  ex  eo.  Anders  verhält  es 
sich  mit  dem  Ä.  L.,  vgl.  Lucil.  94  hinc  hostis  mi  AVmcius,  und 
dem  Sp.  L.,  wo  hhic  sehr  oft  =  hanc  oh  rem,  z.  B.  bei  Tertull., 
Claud.  Mam.,  Sedulius,  Lucifer,  Filastrius;  vgl.  Hoppe  Tert.  S.  111, 
der  aus  Tert.  auch  hinc  —  cßiod  zitiert,  was  übrigens  schon  Varro 
r.  r.  1,  2,  21  hat,  Juret  S.  142.  Man  meide  also  hinc  =  daher, 
deshall).  —  In  der  Bedeutung  von  der  einen,  von  der  andern 
Seite,  Paiiei  ist  nachklass.  hinc  —  illinc  und  hinc  —  inde,  vgl. 
Curt.  6,  11,  16  hinc  ifjnis,  illinc  verhera  inr/erehaniur ;  acta  causa 
Jiinc  a  Polyaeno,  inde  a  Magno,  Plin.  epp.  7,  10,  1,  pan.  51,  3;  neu- 
lateinisch ist  hinc — hinc  =  hald — hald  für  modo — modo,  ebenso  ist 
es  mit  hinc — inde  in  der  Bedeutung  an  mehrern  Orten  =  compluri- 
hus  in  locis,  aliquoties,  während  es  in  dem  Sinne  von  leiden  Seiten, 
von  der  einen  und  andern  Seite  nachklass.  ist:  longiim  est  omnia, 
qiiae  tunc  liinc  inde  iacta  sunt,  recensere,  Plin.  epp.  9,  13,  8  und  9, 
33,  1 ;  bei  Sueton,  welcher  liinc  inde  gleichfalls  einigemale  in  dieser 
Bedeutung  hat,  steht  auch  liinc  et  inde:  tricenis  eqnitihiis  Jiinc  et 
inde  commissis;  das  gleiche  gilt  für  Sen.  phiL,  Plin.  min.  u.  a.  N.  Kl. 
und  Sj).  L.  —  Hii2c  atque  Jiinc  kommt  nur  bei  Dichtern,  z.  B.  Yerg., 
Ovid.,  Sil.  Ital.  vor;  gut  prosaisch  aber  ist  Jiinc— Jiinc,  nicht  nur  in 
der  silbernen  Latinität:  solnm  temjüi  Jiinc  flwnine,  Jiinc  via  cingitur, 
Plin.  epp.  9,  39,  5,  sondern  auch  schon  bei  Livius:  Jiinc  spes,  June 
desperatio  animos  irritat,  21,  8,  8,  wozu  Fabri  anmerkt,  dass  Livius 
diese  bei  frühern  Prosaikern  noch  nicht  vorkommende  Gegenüber- 
stellung liebt;  nach  Wölfflins  Ansicht  hat  er  sich  darin  an  Yergil 
angeschlossen;  vgl.  jetzt  auch  Archiv  XII  S.  252.  Auch  Jiinc  atque 
illinc  hat  Livius:  multi  per  eos  dies  impetus  Jiinc  atcpie  illinc  facti, 
3,  5,  1 ;  ebenso  die  N.  Kl.,  wie  Val.  Max.,  Sen.  phil.  u.  a.  Wer 
näheres  über  Jiinc  inde,  Jiinc — Jiinc,  Jiinc  atque  illinc  u.  ä.  erfahren 
will,  vgl.  Wölfflin  Gemination  S.  434  Anm.  und  Preuss  S.  28  ff., 
sowie  Nipp,  zu  Tac.  ann.  13,  38  und  meine  Rezension  von  Preuss 
in  Phil.  Rundschau  I   S.  1053  ff.,   ferner  Archiv   XII,   246  u.  252. 


Hispanius  —     653     —  Historicus 

Hispanius,  spanisch^  ist  ungewöhnliche,  aus  keinem  Autor  zu 
erweisende  Form  für  Hkpanus  oder  seltener  Hispanicus;  Hispaniensu 
dagegen  ist  =  in  Hispanien  sich  aufhaltend,  in  Hisjxmien  vo?ye- 
faUen,  nicht  eigentlich  daselbst  heimisch;  vgl.  hierüber  Wölfflin 
Archiv  XII  S.  159. 

Hispidiis,  rauh,  rauch,  ist  P.  L.  und  findet  sich  in  Prosa  N.  Kl. 
bei  Plinius,  oft  aber  im  Sp.  L.  für  hirsiihis,  hirtus,  horridus. 

Historia,  Oeschichte,  Erzählung  von  Tatsachen.  Es  ist  be- 
zweifelt worden,  ob  man  dazu  auch  Adjektive  wie :  Graeca,  Romana 
u.  dgl.  setzen  könne,  denn  bei  Cic.  div.  1,  49  sei  an  eme  griechisch 
geschriebene  Geschichte  zu  denken,  und  ebenso  verhalte  es  sich 
auch  mit  Cic.  Brut.  77,  Tusc.  5,  112;  es  sei  daher  dafür  rerum  Grae- 
carum  etc.  zu  sagen.  Doch  so  richtig  das  letztere  ist,  so  richtig 
kann  auch  historia  Graeca,  Romana  u.  s.  w.  gebraucht  werden.  So 
wird  Thucydides  von  Gellius  1,  11,  1  ganz  gut  und  richtig  als 
auctor  historiae  Graecae  gravissimiis  bezeichnet.  Ygl.  ibid.  auch  c. 
13  u.  6,  1,  1  u.  10,  17,  1  u.  Val.  Max.  1,  7,  6:  Caeliiis  certus  Romanae 
historiae  auctor,  endlich  Cicero  selbst:  Ohscura  est  historia  Ronuma, 
rep.  2,  33.  Ebenso  gut  kann  historia  auch  Adjektiva  wie  sacra 
und  profana  zu  sich  nehmen,  und  zwar  ist  dabei  ein  mildernder 
Zusatz,  wie  historia  quam  dicimus  profanam,  sacram  nicht  einmal 
notwendig.  Denn  wenn  auch  jene  Begriffe  und  Gegensätze  den 
Alten  unbekannt  waren,  tms  sind  sie  höchst  geläufig  und  lassen  sich 
durch  Analogie  von  historia  Augusta,  Graeca  u.  ä.  rechtfertigen.  — 
Erst  N.  Kl.  bedeutet  historia  eine  einzelne  GescJdchte,  eine  Erzählung, 
eine  Anekdote,  für  yiarratio,  yiarratiuncida,  res  gesta,  fahida,  wie- 
wohl der  Plural  historiae  Kl.  so  vorkommt.  Vgl.  Cic.  Brut.  42;  dar- 
über und  über  historia  =  Mythus  vgl.  Dombart  im  Archiv  III, 
230  ff.  —  Was  w^ir  Geschichte  nennen,  liegt  auch  im  Plural  res, 
z.  B.  mit  der  römischen  Geschichte  bekannt  sein,  memoriam  rerum 
Romanarum  tenere,  Cic.  Brut.  322.  —  Zu  bezweifeln  ist  historia 
narrat,  wiewohl  historiae  yiarrant  gesagt  wird;  vgl.  Näg.- Müller^ 
S.  613.  —  N.  L.  aber  sind  historiola  und  historiuncula,  lür  yiarra- 
tiuncida. 

Historicus,  als  Subst.,  bedeutet  sowohl  den  Kenner  der  Ge- 
schichte, den  Geschichtskundigen,  als  den  Geschichtsschreiber.  Ygl. 
für  die  letztere  Bedeutung  Cic.  top.  78,  de  erat.  2,  59,  Quintil.  4,  2,  2 
und  Koch  zu  Cic.  Mur.  16.  —  Als  Adj.,  historisch,  wird  es  nur 
sehr  beschränkt  gebraucht,  indem  geniis  historicum,  der  Geschichts- 
stil, z.  B.  bei  Cicero  nur  dem  Oratorium,  bei  Plin.  epp.  7,  9,  8  dem 
poeticum  entgegensteht.  So  wird  auch  sermo  historicus  dem  sermo 
cotidianus  entgegengesetzt,  Cic.  orat.  124  und  historica  lingua  bei 
Sen.  n.  q.  1,  13  extr.  Nirgends  aber  kommen  libri  historici,  ge- 
schichtliche Bücher,  Geschichtsbilcher  vor,  für  rerum  gestarum  monu- 
menta,  commentarii,  annales,  historiae  oder  historiarum  libri,  s. 
Seyffert,  Prog.  S.  57  u.  a. ;  ebensowenig  res  historicae,  historische 
Tatsachen  für  res  gestae  oder  auch  res  facta,  vgl.  Cic.  off.  3,  99.  — 


Historiograplius  —     654     —  Hodieque 

Endlich  heisst  die  historisclie  Treue,  Glauhwürdigkeit  ia  guter  Prosa 
nicht  y^fe  historica  (was  nur  Ovid  und  Sjy.  L.  August,  civ.  15,  9  und 
epp.  143,  12,  Yopisc.  Aurel.  35  brauchen,  vgl.  s^^nch.  fidelitas  hütorica 
bei  Treb.  Poll.  30  tyr.  11  extr.),  sondern  fides  hutoriae  (Cic.  Q.  fr. 
1,  1,  23);  Wölffiin  empfiehlt  Archiv  IV  S.  330  auch  rerimi  fides 
nach  Tac.  Agr.  10.  —  Die  historische  Zeit  heisst  historicorum  fide 
contestata  memoria,  die  Geschichte  hefragen  =  replicare  memoriam 
temporum,  cmncdiinn  u.  dgl. ;  auf  historischem  Boden  sich  bewegen 
ist  in  aliqua  historia  vestigiiim  ponere  nach  Cic.  fin.  5,  5. 

Historiograplius,  der  Geschichtsschreiber,  ist  sehr  aS^;.  L.,  die 
Stellen  s.  bei  Gölzer  Hieron.  S.  210,  für  historicics,  scriptor  rerum, 
und  ist  damit  der  Begriff  Gewährsmann  verbunden,  aiictor  rerum, 
auch  bloss  aiictor  (Cic.  Brut.  44). 

Histrio.  Tragicus  histrio  hat  antike  Autorität  an  Plin.  nat.  10, 
141 :  maxime  tarnen  insignis  est  .  .  Clodi  Aesopi  tragici  histrionis 
patina,  daneben  sagt  man  auch  actor  tragicus  oder  tragoediat'um 
parallel  mit  romoediarum  histrio  und  actor  comoediarum,  s.  Plin.  nat. 
7,  185,  Quintil.  3,  8,  51  und  11,  3,  178. 

Hoc  =  hiic  gehört  der  Umgangssprache  an,  Cic.  gebraucht  es 
so  wenig  als  Caesar,  aber  Korrespondenten  Ciceros  haben  es  wie 
Caesars  Fortsetzer;  vgl.  Wölffiin  Archiv  YII  S.  332,  Bücheier  Rh. 
Mus.  XI  S.  515,  Becher  S.  12;  Burg  S.  17,  Neue -Wagener  IP  S.  613, 
Hellmuth  Balb.  S.  515,  Süpfle-Böckel  S.  274,  Köhler  Lent.  S.  19, 
Stowasser  Xen.  Austr.  S.  157,  Vollmer  zu  Stat.  silv.  1,  1,  94;  Keil 
zu  Varro  r.  r.  2,  5,  1. 

Hodie,  heute.  Richtig  und  nicht  zu  verwerfen  sind :  hodie 
mane,  heute  früh  (Cic.  Att.  13,  9,  1),  hodierno  die  meine  (Cic. 
Catil.  3,  21),  und  Nonae  sunt  hodie  Sextiles,  heute  ist  der  —  (Cic. 
Yerr.  1,  31). 

Hodiedum  und  hodienum,  noch  heute, ^^  nocJi  heutzutage,  sind 
N.  L.  für  hodie  oder  hodie  cpioque.  —  Über  hodie  adhuc,  w^as 
andere  brauchen,  vgl.  Adhuc.  —  N.  L.  Form  ist  hodienus  für  ho- 
diernus. 

Hodieque  ist  Kl.  und  gut  in  der  kopulativen  Bedeutung  wul 
heute  noch,  und  auch,  noch  heute  (wie  Cic.  de  orat.  1,  103;  Rabir.  Post. 
43  u.  a.),  s.  darüber  Madvig  opusc.  I  S.  390  und  391,  Stangl  Tulliana 
S.  21;  aber  bezweifelt  wird  mit  allem  Recht,  ob  es  in  klass.  Prosa 
in  der  Bedeutung  nocli  bis  hellte,  noch  bis  Dato  vorkommt.  Was 
hodieque  =-  noch  heutzutage  betrifft,  so  ist  dasselbe  nicht  vor  Velle- 
jus  anzutreffen;  denn  Liv.  1,  17,  9  und  40,  12,  10  wird  hodie  quoqiie 
gelesen,  oder  hodieque  muss,  wie  bei  Liv.  5,  4,  14;  42,  34,  2,  Cic. 
Plane.  27  und  Flacc.  72,  kopulativ  =  und  noch  heutzutage,  gefasst 
werden.  Vellejus  braucht  hodieque  =  noch  heutzutage  an  folgenden 
Stellen:  1,  4,  2  und  3;  2,  8,  3;  2,  25,  4;  2,  27,  4;  ferner  hat  er 
folgende  Nachahmer  gefunden :  itaque  quod  hodiecpie  eximimn  capit 
adiciam,  Val.  Max.  8,  15,  1.  Non  hodieque  magna  Scytharum  pars 
tergis  vulpiuni  induitur/  Sen.  epp.  90,  16.    Non  cdiis  excogitata  ista 


Hodiernus  —     655     —  Hodiernus 

simt^  quam  qiiibiis  liodieque  curantur^  ibid.  §  25  und  33.  Liceat 
Uli  liodieque  decernere,  nat.  praef.  §  3.  Haec  (dementia)  liodieque 
Uli  praestat  famam,  clem.  1,  10,  2.  Sehr  häufig  findet  sich  dieser 
Gebrauch  beim  altern  Plinius:  Novaria  ex  Vertacomacoris  Vocon- 
tioriim  liodieque  pago  (orta  est),  nat.  3,  124.  In  quibus  liodieque 
non  victori  datur,  sed  .  .  .  15,  10.  Quin  et  liodieque  j^e?'  His- 
panias  glans  .  .  insei^itur,  16,  15.  Quae  laus  pecidiaris  liodieque 
Italico  (frumento)  est,  18,  65  und  sonst  öfter.  Aber  Quintil.  ist  er 
abzusprechen,  vgl.  Becher  Progr,  Aurich  1891  S.  10.  Dagegen 
lesen  wir  mehrere  Beispiele  bei  Sueton:  quae  constituta  liodie- 
que servantur,  Claud.  19.  Tanta  jmllorum  suholes  provenity  nt 
liodieque  ea  villa  ad  gallinas  vocetur,  Galb.  1.  Statua,  quae  cir- 
censi  pompa  liodieque  praefertur,  Tit.  2  extr.  Zweifelhaft  bei  Tac, 
vgl.  Quas  (orationes)  liodieque  cum  admiratione  legimits,  Tac.  dial. 
34  (aber  Joh.  Müller  liodie  quoque)^  vgl.  Gudeman  z.  St.;  Liicium 
Vestinum  familiarissime  diligo  et  liodieque  in  rebus  meis  detineo,  orat. 
Claud.  im  Append.  ad  Tac.  ann.  ed.  Nipperd.  Teil  2,  S.  315.  Aus 
der  letztgenannten  Stelle  und  aus  Plin.  nat.  8,  176:  praegrandes 
(hoves)  fuere  et  liodieque  reliquiae  stirpium  durant  erhellt  zugleich, 
dass  Krebs  dem  Holländer  Mahne  den  Gebrauch  von  et  liodieque  mit 
Unrecht  als  unlat.  vorgerückt  hat.  Klass.  heisst  unser  noch  heut- 
zutage nur  liodie  allein  (Cic.  de  orat.  2,  95,  rep.  2,  16  und  sonst 
noch  oft)  oder  liodie  quoque  (Cic.  S.  Rose.  70  u.  a.)  und  liodie  etiam, 
sogar  noch  heutzutage,  noch  bis  auf  den  heutigen  Tag  (Cic.  de  orat. 
3,  198),  nimc  quoque  Cic.  de  or.  1,  15;  etiam  nunc  ib.  2,  52;  nunc 
etiam  2,  91,  nunc  ib.  3,  107,  usque  adhuc  rep.  2,  36.  Ygl.  Stangl 
Tulliana  S.  20  f.,  Georges  Yell.  S.  53,  Landgraf  p.  S.  Rose.  S.  171, 
Bagge  S.  65,  Dräger  H.  Synt.  II  S.  43,  Paucker  Oros.  S.  32,  Hartel 
in  Wölfflins  Archiv  III  S.  23,  Cotta  S.  5;  darnach  hat  sich  liodieque 
ins  Spf.  L.  herein  erhalten;  von  allen  scr.  bist.  Aug.  sagt  z.  B.  nur 
Capitolin.  hodie  oder  Iwdie  cquoque;  dagegen  vgl.  Ant.  Phil.  12,  12 
uyide  liodieque  rete  praetenditur. 

Hodiernus,  heutig,  ist  nur  beschränkt  auf  die  Bedeutung  der 
heutige  Tag,  nirgends  aber  findet  es  sich  in  der  allgemeinen  Be- 
deutung jetzig,  jetzt  lebend,  für  hie,  haec,  hoc,  qui  nunc  est,  noster. 
Im  N.  L.  wird  es  oft  so  gem issbraucht,  z.  B.  hodierni  mores,  die 
heutigen,  jetzigen  Sitten,  für  lii  mores  (Cic.  Q.  fr.  1,  1,  11);  in  lio~ 
diernorum  scriptorum  vulgus,  für  qui  nunc,  qui  hodie  sunt  (vgl.  Cic. 
Brut.  71  und  72).  Wenn  Quintil.  (9,  3,  1)  sagt:  si  antiquum  ser- 
monem  iiostro  comparemus,  so  sagen  wir:  luenn  tvir  die  alte  Sprache 
mit  (unserer)  heutigen  vergleichen.  —  Heutiges  Tages,  in  der  Be- 
deutung jetzt  heisst  nicht  hodierno  die,  sondern  7iunc.  Bis  auf 
den  heutigen  Tag  ist  im  eigentlichen  Wortverstande  usque  in  oder 
ad  hodiernum  diem;  usque  ad  hunc  diem  kann  auch  bis  atif  die 
Gegenivart  bezeichnen,  wofür  man  ausserdem  usque  ad  hoc  tempus 
gebrauchen  kann.  Nachklass.  steht  dafür  bei  Plin.  nat.  33,  30  auch 
in   liodiernum,    was  sich    Sp.  L.   bei  Apul.  de  mag.  18  g.  E.,  Min. 


Hodoeporicon  —     656     —  Homo 

Fei.  21,  7  und  sonst  wiederholt.  Bei  Yitr.  3,  1,  8,  bei  August,  de 
consensu  evang.  3,  24,  69  u.  bei  Filastr.  111,  4  steht:  in  hodierniim 
diem  auch  =  bis  zur  Stunde^  bis  in  die  Gegeyiwart.  Aber  bei  Cic. 
leg.  1,  57:  te  exisümo  cum  'poimlis  tum  etiam  singidis  hodierno  ser- 
mone  leges  datwum  doch  wohl  in  der  heutigen  Besprechung,  in  der 
Besjyrechuiig  des  heutigen  Tages.  Wenn  man  für  hodierno  die  = 
heutzutage  sich  auf  Plin.  nat.  34,  140  berufen  hat,  so  ist  zu  bemer- 
ken, dass  V.  Jans  und  Detlefsens  Ausgabe  dort  jetzt  Jiodie  bietet. 

Hodoeporicon  oder  Jiodoeporicum,  die  Reiseheschreibung ^  sind 
Sp.  L.  für  descriptio  itineris;  vgl.  Gölzer  Hieron.  S.  210. 

Hoedile;  vgl.  Haedile. 

Homo.  Man  beachte,  dass  es  nicht  gut  lat.  ist,  homo  im  Sin- 
gular zu  gebrauchen,  wenn  ihm  generelle,  die  ganze  Gattung  be- 
treffende FrüdiJaite  beigelegt  werden,  z.  B. :  homo  immortalis  est, 
aber  erlaubt  ist  es,  wenn  homo  kein  Prädikat  bei  sich  hat:  qua  qui- 
dem  Jiaud  scio  an  excepta  sapientia  nihil  melius  homini  sit  a  dis 
immortalibus  datum,  Cic.  Lael.  20  und  11.  —  Bemerkenswert  ist, 
dass  das  im  Genitiv  oder  Ablativ  stehende  Attribut  einem  Nom.  propr. 
auch  ohne  Vermittlung  eines  vor ctfig eilenden  allgemeinen  Gattungs- 
namens (liomo,  vir  u.dgl.)  angefügt  werden  kann:  ipsum  esse  Dum- 
norigem  summa  aiidacia,  Caes.  Gall.  1,  18,  3,  ib.  28,  5,  civ.  3,  4, 
4.  Manlius  priscae  severitatis,  Liv.  22,  60,  5;  3,  27,  1;  30,  4,  1; 
35,  31,  14  und  sonst;  vgl.  Kühnast  S.  72.  Quis  L.  PMlippum 
summo  ingenio,  opera,  gratia,  nobilitate  a  M.  Herennio  superari 
posse  arbitratus  est?  Cic.  Mur.  36;  jedoch  ist  dies  in  Kl.  Sprache 
selten;  vgl.  meine  Syntax^  §  61,  Anm.  1  und  besonders  Lebreton 
Etudes  S.  84,  der  meine  Wahrnehmung,  dass  der  Abi.  quäl.  Kl. 
überwiegt,  bestätigt.  —  Nicht  selten  dient  homo  und  vir  als  Ersatz 
für  das  Pron.  is,  s.  Nep.  Dat.  10,  3,  Eum.  4,  4,  Sali.  Jug.  9,  3,  Cic.  fam. 
1,  2,  3 ;  7, 17,  2,  Att.  9,  18,  3,  Kraner  zu  Caes.  Gall.  5,  58,  6,  Thomas 
zu  Cic.  Yerr.  4,  S.  134,  Süpfle-Böckel  zu  Cic.  epp.  S.  189,  Fabri  zu 
Sali.  Jug.  70,  5.  N.  L.  ist  mei,  tui  —  homiyies,  meiyie  —  deine  Leute 
für  mei,,  tui  ohne  homines;  vgl.  Cic.  fam.  4,  8,2  me  tuuni  esse,  fore 
cum  tuis,  si  modo  erunt  tui;  deine  übrigen  Angehörigen  sind  reliqui  tui 
nach  Cic.  fam.  4,  7,  6:  a  tuis  reliquis  non  adhibemur.  —  Über  homo 
magnus,  ein  (körperlich)  grosser  Mann,  vgl.  Magnus.  Über  homo  und 
vir  vgl.  Landgraf  zu  Cic.  S.  Rose.  S.  233;  dort  wird  als  bestes  Beispiel 
für  den  Unterschied  von  homo  und  vir  Cic.  Sest.  89  cervices  tribunus 
pl.  privato,  praestantissimus  vir  profiigatissimo  homini  daret  ?  zitiert. 
—  Hie  homo  =  ego  ist  nur  A.  u.  F.  L.  S.  Fritzsche  zu  Hör.  sat. 
1,  9,  47.  —  Im  prägnanten  Gebrauch  kann  homo  den  Menschen  so- 
wohl nach  seinen  Gebrechen,  als  auch  nach  seinen  Vorzügen  be- 
zeichnen, z.  B.  Cic.  Att.  2,  2,  2  Herodes,  si  homo  esset,  eum  potius 
legeret  quam  iinam  litteram  scriberet,  wo  homo  ■=  ein  Mann  von 
Verstand.,  dann  Cic.  Att.  13,  52,  2  homines  visi  sumus,  wo  homo  ■= 
ein  Mann  von  Gesclimack  bezeichnet;  vgl.  noch  Cic.  Q.  fr.  2,  9,  3  sed 
cum  veneris,  virum  te  putaho,  si  Sallustii  Empedoclealegeris,  honii- 


Honor  —     657     —  Honor 

7iem  non  piäabo  ich  luerde  deine  Geduld ,  nicht  aher  deinen  Ge- 
schmack lohen.  Ygl.  Hofmann  -  Andresen  zu  Cic.  epp.  2,  S.  89, 
Süpfle-Böckel  zu  Cic.  epp.  S.  385,  Linderbauer  S.  18.  —  Einen  Mo7d 
begehen  heisst  hominem  occidere;  dabei  darf  hominem  nicht  fehlen; 
vgl.  Hör.  ep.  1,  16,  48  7ion  hominem  occidi  ==  ich  habe  keinen  Mord 
auf  dem  Geioissen;  vgl.  Landgraf  zu  Cic.  S.  Ros.  S.  282;  der 
Mörder  ist  demnach  homicida,  Cic.  Phil.  2,  31,  aber  homicidium  Mo7^d 
ist  erst  N.  Kl. 

Honor  oder  honos ;  letztere  Form  steht  bei  Caes.  Call.  6,  13, 
7  u.  ist  im  klass.  Latein  häufiger  als  honor,  vgl.  Wölfflin  Epigr. 
Beitr.  II  S.  165,  Neue -Wagener^  I  S.  263.  Wenn  man  gesagt  hat, 
dass  in  der  Phrase:  einem  die  letzte  Ehre  erweisen,  honorem  alicui 
tdtimiim  exhihere  oder  habere,  tribuere  nicht  üblich  gewesen  zu  sein 
scheine  für  supremo  in  aliqiiem  officio  fungi,  so  ist  dies  nicht  un- 
bedingt richtig:  siq)remimi  comitari  honorem  findet  sich  nicht  nur 
bei  Yergil.  Aen.  1],  61,  sondern  auch  die  nachklass.  Prosa  bietet 
ähnliches,  z.  B.  honorem  habere  alicui  (von  der  Bestattung) 
Curt.  3,  12,  13;  omnem  honorem  funeri  servare,  Curt.  4,  10, 
23;  communem  sepidturae  honorem  cdicid  tribuere,  Suet.  Octav. 
17.  Klass.  ist  iusta  solvere  oder  facere,  vgl.  Cic.  S.  Rose.  23 
und  dazu  Landgraf.  Dafür  finden  wir  Curt.  3,  12,  11  fungi 
suioremo  in  aliquem  officio,  Sen.  Troad.  760  supremum  officium 
reddere.  Der  Grund  der  Verwendung  von  officium  und  iusta  liegt 
darin,  dass,  was  wir  Erweisung  der  letzten  Ehre  nennen,  als  Pietäts- 
oder allgemein  als  Humanitätssache,  d.  h.  als  officium  u.  iustum  betrach- 
tet wurde.  Anders  aber  stellt  sich  die  Sache,  wenn  von  dem  Redenden 
oder  Schreibenden  lediglich  oder  doch  vorzugsweise  nicht  die  Person 
des  Bestattenden,  sondern  die  des  Bestatteten  ins  Auge  gefasst  wird. 
Was  für  jenen  officium,  das  ist  für  diesen  honor,  z.  B. :  Cuius  iyite- 
ritum  ne  crudelissimus  quidem  hostis  honore  seimlturae  carere  passus 
est,  Cic.  Cato  75.  Hostis  iudicatus  .  .  .  sepidturae  hoyiore  spoliatus, 
tamen  ...  Yal.  Max.  4,  7,  1  u.  ibid.  9,  8,  1,  ext.  Habitus  tamen 
supremis  honor,  Tac.  ann.  4,  44  extr.  So  kennt  auch  Amm.  Marc, 
geradezu  einen  supremitatis  honor,  31,  13,  17  u.  Yal.  Max.:  supre- 
mus  condicionis  humanae  honos  filiis  Gracchi  diu  defuit,  6,  3,  1. 
Ganz  ähnlich  Cicero:  A  feris  diu  vexatus  communi  quoque  honore 
in  morte  caruit,  inv.  1,  108.  —  Gut  ist  auch  aliquem  in  hoyiore  ha- 
bere, einen  in  Ehren  halten;  in  Ehren  gelialten  tverdeii  von  jemanden 
ist  in  honore  apud  cdiquem  esse,  Cic.  Tusc.  1,  5,  wobei  zu  beachten 
ist,  dass  bei  dem  ohyie  Attribut  gesetzten  honore  nie  in  fehlt.  Hat 
hoyior  ein  Attribut,  so  steht  bei  Cicero  in  auch  in  diesem  Falle 
regelmässig,  also  in  magyio,  summo  cdiquo  honore,  s.  Cic.  Brut.  30, 
de  erat.  1,  235,  off.  2,  65,  Tusc.  2,  4,  so  dass  in  nur  Yerr.  2,  87  und 
4,  129  weggelassen  ist;  hingegen  andere  sagen  (ohne  hi)  mdlo, 
magno,  maximo  hoyiore  habere,  esse:  Caes.  Gall.  5,  54,  4  und  6,  13,  4; 
Liv.  1,  40,  1;  Tac.  ann.  14,  6;  bist.  1,  64.  Dagegen  magyio  in  ho- 
nore habere,  Caes.  civ.  1,  77,  2;  3,  47,  7,  in   maximo   ho)iore   esse, 

Krets-Schmalz,  Antibarbarns  I.  42 


Honorabilis  —     658     —  Honorarium 

Liv.  42,  6,  12;  immerhin  überwiegt  die  Phrase  mit  in  auch  bei 
Liv.  u.  im  N.  Kl.  Ygl.  Landgraf  zu  Cic.  S.  Rose.  S.  279,  Nie- 
länder Progr.  1874  S.  16  Anm.  3  u.  1893  S.  19  Anm.  2,  Kraner 
zu  Caes,  Gall.  1,  26,  6.  Über  exhihere  honorem  vgl.  Exliibere.  — 
Wo  wir  sagen:  mit  Ehren  zu  melden,  um  ein  ^Yort  zu  entschuldigen, 
sagt  man  Kl.  honorem  iwaefariy  vgl.  Cic.  fam.  9,  22,  4  si  dicimus 
nie  patrem  strangulavit,  honorem  non  fraefamur,  sin  de  Äurelia  cdi- 
quid  aut  Lollia,  honos  lyraefandus  est,  vgl.  noch  fin.  2,  29;  N.  Kl. 
ist  cum   honoris  praefatione  (Phn.  nat.  praef.  1,  §  13).     Ygl.  Venia. 

—  Unser  Ehrgeiz,  Ehrsucht  ist  nicht  honoris  Studium,  welches  das 
nicM  fehlei'hafte  Streben  nach  Ehre  bedeutet,  sondern  ambitio.  — 
Ehrenhalber  im  gewöhnhchen  Sinne  heisst  offwii  causa,  nicht  honoris 
causa,  welches  wie  Enn.  Sc.  278  honoris  gratia  bedeutet  aus  Hoch- 
achtung, um  jemanden  zu  ehren;  ad  honorem  sagt  Liv.  9,  40,  7 
Romani  ad  honorem  deum  insignibus  armis  hostium  usi  sunt;  in 
honorem  ist  N.  Kl.  seit  Trogus,  z.  B.  qid  in  honorem  regis  sui 
Scamander  appellatas  est ;    vgl.  Seck  II   S.  9,  Nieländer  1893  S.  20. 

—  Ehre  wem  Ehre  gebührt  ist  lat.  dignos  digna  manent;  vgl.  Wevman 
im  Archiv  XIII  S.  255. 

Honorcdjilis  steht  Kl.  bei  Cic.  Cato  63;  im  übrigen  gehört  es 
dem  Sp.  L.  an;  vgl.  Schulze  Symm.  S.  57,  Liesenberg  I  S.  25. 

Honorare,  ehren.  Das  Partiz.  honoratus  steht  meistens  als  Adj., 
in  der  Bedeutung  der  in  Ehre  und  Achtung  steht;  bei  den  Römern 
ist  es  das  Beiwort  eines  jeden  Mannes  von  Rang  und  Stand,  der 
ein  Amt  bekleidet  oder  bekleidet  hat,  und  daher  ist  honoratissimus 
jeder  in  einem  holten  Amte  stehende  Mann.  Ebenso  werden  ornatus 
und  ornatissimus  gebraucht,  s.  Meissner  zu  Cic.  Tusc.  1,  85.  N.  Kl. 
ist  es  auch  von  Sachen  gebraucht:  honorata  ministeria,  Yogel  zu  Curt. 
7,  1,  11.  Man  brauche  daher  beide  Wörter  nicht  falsch  in  An- 
reden an  eine  sehr  gemischte  Yersammlung,  welche  selten  bloss  aus 
auditores  honoratissimi  besteht.     Vgl.  auch  das  folgende  Wort. 

Ho7iorarium  ist  bei  den  Alten  nur  ein  Ehrengeschenk  für  ge- 
habte Mühe,  wie  solche  die  Advokaten  oder  auch  andere  Beamten, 
z.  B.  Statthalter  von  Provinzen,  erhielten.  So  heisst  denn  auch  ein 
freitvilliges  Ehrengeschenk  bei  Cic.  (fam.  16,  9,  3)  lionos  —  lionos 
habendus  est  medico,  der  Arzt  muss  beschenkt,  belohnt,  honoriert 
werden;  ebenso  Curt.  9,  1,  6;  mehr  Stellen  hat  Landgraf  zu  Cic. 
S.  Rose.  S.  329.  X.  Kl.  seit  Livius  hat  honorare  diese  Bedeu- 
tung z.  B.  bei  YelL,  Suet.  u.  a.,  vgl.  Georges  Yell.  S.  47,  Schulze 
Symm.  S.  89.  So  passen  denn  beide  Wörter  wohl,  wenn  unter  Ho- 
norar ein  freiwilliges  Ehrengeschenk  zu  verstehen  ist.  Bedeutet  es 
aber  einen  vorher  bestimmten,  gleichsam  bedungenen  Lohn,  bei 
Lehrern  das  Lelirgeld,  so  möchten  jene  Wörter  unpassend,  dagegen 
merces,  pacta  merces,  und,  ist  es  auf  ein  Jahr,  annua  merces  passen- 
der sein.  Ygl.  über  merces  Cic.  Phil.  2,  8,  de  orat.  1,  126  und  oft  in 
Sueton  de  grammaticis  et  rhetoribus.  —  Man  missbrauche  daher 
das  Wort    honorarium    nicht.      In    der    Bedeutung    Lehrgeld    sagen 


Honorarius  —     659     —  Horoloj]rium 


ö 


andere   gut  p^etium   disciplinae.  —  Verschieden   aber  von  Honorar' 
ist  Gehalt  oder  Salair,  wovon  unter  Salarium. 

Honorarius  kommt  nie  mit  sedes  verbunden  vor,  wie  im  N.  L. 
honoraria  sedes,  für  sedes  honoris,  der  Ehrensitz. 

Hono7ificentia,  die  El irener Weisung,  und  honorificare,  ehren,  Ehre 
erweisen,  sind  S]).  L.  für  honos,  ohservantia,  honoris  signiflcatio 
u.  a.,  honorare,  in  honore  habere,  colere  u.  a. ;  vgl.  Rönsch  Ital. 
S.  50,  Grölzer   Hieron.   100,    Schulze  Symm.  S.  43,   Regnier  S.  171. 

Honorus,  ehrend,  ehrenvoll,  ist  P.  L.  und  findet  sich  dreimal 
pros.  bei  Tacitus  für  honorificus. 

Hora  oder  horae  sjmtium  (Caes.  civ.  3,  79,  6  u.  lust.  37,  2,  3) 
von  der  Stunde  als  Zeit  können  wir  wohl  auch  jetzt  brauchen, 
müssen  uns  aber  in  der  Stundenabteilung,  welche  von  der  der  Alten 
verschieden  ist,  der  unsrigeu  bedienen  und  sie  nach  unsern  Uhren 
angeben.  Aber  hora  als  Längenmass  geradezu  für  unser  Stunde  zu 
brauchen,  ist  unlat.,  da  die  Alten  die  Ortsentfernung  nicht  nach  der 
Zeit,  sondern  nur  nach  Schritten  bestimmten,  so  dass  quinque  milia 
passiium  nach  unserm  Masse  ei7ie  Meile  oder  zivei  Stunden  sind, 
eine  Stunde  aber  d2io  milia  quingenti  passus.  Eine  Stunde  bestim- 
men wird  nach  Analogie  von  die  co7istituta  bei  Caes.  Gall.  1,  4,  2 
und  diem  dicere  ib.  1,  6,  4  und  öfters  ebenso  gut  horam  coyistituere 
als  horam  dicere  heissen  können ;  ein  Beispiel  für  die  beiden  Phrasen 
steht  mir  aber  nicht  zu  Gebote.  Horam  dare  kann  aus  Hör.  sat. 
1,  4,  15  entnommen  werden,  sagt  ja  Nep.  Pelop.  2,  5  a  quo  et  tem- 
pus  et  dies  erat  datus;  vgl.  Thielmann  das  Yerbum  da?^  S.  124  f. 
—  Von  Stunde  zu  Stunde,  fast  gleich  stündlich,  heisst  in  horas,  in 
siyigulas  horas,  auch  in  singula  diei  tempora,  o^nnibus  horis,  vgl. 
M.  Müller  z.  Liv.  2,  12,  10,  Nägelsbach-Müller»  S.  369  f.,  Hellmuth 
act.  Erl.  I  S.  172;  vgl.  Dies.  Versteht  man  unter  Stunde  im  iveitern 
Sinne  einen  kleinen  Zeitabschnitt,  z.  B.  die  Stunden  der  Nacht  u. 
ähnl.,  so  ist  dafür  tempora  zu  gebrauchen,  z.  B.  nocturna  tempora. 
Vgl.  auch  Cic.  Arch.  13  und  fam.  7,  1,  1  tempora  matutina  lectiun- 
culis  consumere,  die  Morgenstunden  mit  angenehmer  Lektüre  ver- 
bringen; Sali.  Jug.  6,  1  pleraque  tempora  in  venando  agere,  hauchte 
manche  Stunde  auf  der  Jagd  zu.  —  Die  nach  Analogie  von  ad  tem- 
pus  gebildete  Phrase  ad  horam  ist  Sp.  L.,  sie  bedeutet  entweder 
tont  ä  Vheure  oder  paulo  ante,  vgl.  Gölzer  Hieron.  S.  426.  —  Die 
Ellipse  von  hora  ist  nicht  klass.,  doch  hat  sie  schon  Varro,  z.  B. 
r.  r.  2,  11,  9  id  faciunt  fere  a  qua^'ta  ad  decimam,  vgl.  Heidrich 
S.  43. 

Horizon,  der  Horizont,  ist  P.  L.,  N.  Kl.  bei  Sen.  phil.  und  Sp.  L.; 
Cic.  (div.  2,  92)  sagt  dafür  orbis  finiens  und  Seneca  flnitor. 

Hornus,  heurig,  von  diesem  Jahre,  ist  P.  L.  für  hornotinus. 

Horologium,  die  Uhr.  So  verschieden  die  Uhren  der  Alten 
von  den  unsrigen  waren,  so  können  wir  doch  dieses  Wort  und  das 
Sp.  L.  horarium  unbedenklich  von  unsern  Uhren  brauchen  (Cic.  fam. 
16,  18,  3),  zumal  da  die  Sonnenuhr  den  besondern  Namen  solarium 


Horrere  —     660     —  Hortamentum 

und  die  Wasseruhr  den  Namen  depsydra  hatte.  Auch  horae  ist  = 
Uhr  und  zwar  Kl.,  vgl.  Cic.  nat.  2,  97  u.  Brut.  200,  wo  mittere  ad 
horas  unserm  nach  der  Uhr  sehen  (als  Zeichen  der  Langeweile)  ent- 
spricht. 

Horrere  wird  bei  Cicero  nicht  selten  mit  dem  Accus,  verbunden 
=  vor  etivas  zurückschaudern,  z.  B.:  ingraü  animi  crimen  horrere 
bei  Cic.  Attic.  9,  2,  2  und  sonst;  oft  findet  sich  dieser  Sprachge- 
brauch auch  bei  Livius,  s.  Fabri  zu  21,  53,  2,  und  seinem  Nach- 
ahmer Curt.  7,  8,  4;  9,  2,  33.  Ganz  gut  wird  ferner  liorrere  mit 
dem  Infin.  verbunden,  und  zwar  nicht  bloss  poct.,  wie  in  dem  be- 
kannten, auch  vonPlin.ep.  6,  20, 1  ohne  Namensnennung  zitierten  quam- 
quam  animus  meminisse  horret,  sondern  auch  in  Prosa :  horreo  dicere, 
Liv.  7,  40,  9,  horret  animus  referre.  ib.  28,  29,  4;  vgL  auch  Lact. 
7,  15,  11;  6,  17,  7  u.  das.  Buenemann;  non  horreo  in  hunc  locum 
prog7^edi  posse,  Cic.  RuU.  2,  101;  allein  diese  Stelle  ist  kritisch  nicht 
unbeanstandet;  vgl.  C.F.W.  Müller  dazu.  Mit  folgendem  Fragesatz 
bei  Cic.  Att.  2,  21,  1  21t  quorsus  eriiptura  sit  horreamus.  —  In  seinem 
Innern,  im  Herzen  über  etivas  erschaudern  ist  animo,  cogitatione 
horrere,  s.  Cic.  dom.  140,  Curt.  9,  6,  12,  während  Liv.  u.  Curt.  horret 
animus  sagen ;  vgl.  Archiv  X  S.  52.  —  Horrescere  ist  nicht  nur  poet., 
es  kommt  sogar  bei  Cic.  har.  resp.  37  quod  nemo  vir  aspicere  non 
horruit  und  dann  Sp.  L.  z.  B.  bei  Ammian  vor;  transitiv  in  Prosa 
ist  es  nicht;  gut  aber  wird  perhorrescere  transitiv  gebraucht,  z.  B. 
memoriam  alicuius,  Cic.  Phil.  13,  31,  geniis  belli  perhorrescere,  Attic. 
9,  10,  2  und  sonst.  Unser  am  ganzen  Leibe  erschaudern  ist  auch 
lat.  toto  corpore  p)erhor7^escere,  Cic.  divin.  Caec.  41  und  in  Erinnerung 
an  euer  Konsulat  —  recordatione  consulatus  vest7i  perhorrescere,  Cic. 
Pis.  45.  Aber  perho7Tere  ist  P.  L.  und  Sp.  L.;  siehe  die  Auf- 
zählung der  Formen  aus  Ovid,  Ammian,  Ambros.,  lul.  Yal.  bei  Sittl 
in  Wölfflins  Archiv  I  S.  476  u.  s.  v.  Perhorrere.  —  Unpersönliches 
horret  ist  bei  Cypr.  781,  18  quod  aut  horret  aut  piidet  nosse  dem 
pudet  zu  verdanken,  sonst  kommt  es  nicht  vor,  vgl.  Watson  S.  313. 

Horrificare,  erschrecken,  in  Schrecken  setzen,  ist  nur  P.  L.  und 
Sp.  L.  für  terrere,  exterrere,  2^erterre7X  u.  a. 

Horsum,  hierher,  kommt  Ä.  L.  nur  bei  Plautus  und  Terenz 
vor,  vgl.  Lorenz  zu  Plaut.  Mil.  303.    Es  ist  also  kaum  zu  brauchen. 

Hortameyitum  und  hortamen,  die  E7i7mnterung ,  der  A7itrieb  zu 
etivas  sind  beide  unklass.  und  selten,  z.  B.  Liv.  hat  jedes  nur  einmal; 
doch  ist  hortamentum  durch  zahlreichere  Autoritäten  belegt;  es  steht 
nicht  nur  bei  lustin:  hortameyita,  virtutis,  3,  5,  9  und  bei  Gellius: 
hortamentum  acre  celeritatis,  13,  25  (24),  21,  ibid.  9,  3,  4  und 
Lactanz:  ratione  potius  et  Jiortamentis  aga7it,  5,  19,  9;  4,  1,  8,  und 
bei  Tacitus:  hortamenta  victoriae,  bist.  4,  18,  hortamenta  animi,  Liv. 
7,  11,  6,  sondern  schon  bei  Sallust:  inagno  hortamento  esse,  Jug. 
98,  7;  diese  letztere  Phrase  ist  ganz  singulär,  vgl.  Nieländer  Progr. 
1877  S.  23.  Über  hortamoitum  vgl.  ausserdem  Schulze  Symm.  S.  48, 
Gorges  Gell.  S.  6,  Paucker  de  lat.  scr.  bist.  Aug.  S.  102.  —  Seltener 


Hortari  —     661     —  Hospitari 

ist  liortamen,  für  welches  wir  in  Prosa  nur  inc/ens  horiamen  (Liv. 
10,  29,  5,  Schmidt  1888  S.  4)  und  hortamina  (Tac.  Germ.  7),  sowie 
Sp.  L.  Ennodius  403,  1  H  kennen.  Gewöhnlich  ist  dafür  Jiortatio, 
adliortatio,  coltortafio,  Stimulus,  incitamentum. 

Hortari  transitiv  ist  F.  L.,  vgl.  Trag.  ine.  63  R.  Jiortahm^  fitgam, 
N.  Kl.,  vgl.  Tac.  ann.  11,  3,  aber  auch  vielleicht  klass.,  z.  B.  Cic. 
Att.  7,  14,  3  equidem  pacem  Jiortari  non  desinam  (doch  liest  hier 
Baiter,  auch  Boot  u.  Müller  ad  pacem)\  Nep.  Dat.  8,  5  pacem  ami- 
(itiamque  hortatus  est;  vgl.  Landgraf  im  Archiv  XI  S.  104,  sowie 
Vollmer  zu  Stat.  silvae  3,  5,  21. 

Hortatorius,  aufmunternd,  ratend,  gehört,  wie  exhortato7'ius , 
der  patristischen  Latinität  an,  während  bei  Quintilian  liortativus  in 
diesem  Sinne  vorkommt.  Auch  wird  eine  aufmunternde  Rede  nach 
Cicero  lieber  suasio  genannt  werden. 

Hortatus,  die  Ermimterimg ,  kommt  im  Sing,  nur  im  Ablat, 
Jiortatu  vor;  im  Plural  ist  es  P.  L.,  jedoch  steht  auch  bei  Tacitus 
mutui  hortatus  für  mutuae  hortationes. 

Hortensis,  zum  Garten  gehörig,  wird  mit  Unrecht  von  einigen 
verworfen  für  das  häufigere  hortensius;   es  steht  nämlich  Col.  9,  4,  4. 

Hortidanus,  der  Gärtner,  ist  zwar  erst  Sp.  L.,  aber  in  dem 
allgemeinen  Sinne  des  Wortes  doch  neben  hortorum  cultor  das 
allein  Passende,  denn  sowohl  olitor  als  topiarius  sind  dafür 
zu  enge. 

Hortus  im  Sing,  bedeutet  den  Garten  überhaupt,  z.  B.  hortus 
Epiam  (Cic.  nat.  deor.  1,  93),  aber  (im  Plur.)  h.orti,  einen  Lustgarten, 
dergleichen  die  Alten  besondere  hatten,  wie  die  horti  Sallustiani, 
horti  Maecenatis,  horti  pensiles  (der  hängende  Garten)  Semiramidis, 
Lact.  1,  255,  1  u.  a.  Vgl.  Reisig-Haase-Hagen  S.  191,  SeyfFert-Müller 
zu  Lael.  S.  34,  Fritzsche  zu  Hör.  sat.  1,  8,  7. 

Hospes  ist  nur  der  Wirt^  der  einen  andern  gastlich  und  unent- 
geltlich aufnimmt,  hingegen  caupo  derjenige,  welcher  sich  die  Auf- 
nahme und  Bewirtung  bezahlen  lässt.  Ebenso  verschieden  sind 
hospitium  und  caupona.  Man  beachte  auch  den  Tropus:  hospitem 
esse  alicuius  rei  oder  versari  in  aliqiia  re,  in  ettvas  imerfahren,  mit 
etwas  unheliannt  sein,  s.  Cic.  de  orat.  2,  131,  Mil.  33,  Rab.  perd.  28, 
acad.  1,  9. 

Hospitalis,  gastfreundlich,  gegen  eiyien  =  hospitalis  in  aliquem 
ist  gut,  s.  Cic.  off.  2,  64.  Das  Neutrum  davon,  hospitale,  mit  und 
ohne  cuhicidii7n,  bedeutete  bei  den  Alten,  z.  B.  Vitruv  5,  7,  8 ;  6, 
10,  4  nur  Gastzimmer,  nie  aber,  wie  im  N.  L.,  Hospitcd  für  Kranke, 
was  durch  vcdetudinarium  oder  nach  dem  Griechischen  durch  das 
Sp.  L.  nosocomium  zu  geben  ist.  Das  Neutrum  plur.  hospitalia, 
der  Vorläufer  des  französischen  Vhöpital,  findet  sich  =  Herberge 
Sp.  L.  in  der  bist.  Apoll.  21,  13,  vgl.  Thielmann  S.  31. 

Hospitari,  Gast  sein,  einkehren,  findet  sich  N.  Kl.  nur  bei  Se- 
neca  und  dem  altern  Plinius,  aber  nur  tropisch  für  hospitem  esse, 
deverti;  nie   aber   bedeutet   es   gastlich  aufnehmen,   was  hospitaliter 


Hosticus  —     662     —  Hostis 

oder  Jiospitio  aliquem  accipere  oder  excipere  heisst.  In  eigentlicher 
Bedeutung  steht  es  bei  Petron.  77,  4  und  aS^;.  L. 

Hosticus  und  hostills.  Yor  allem  hüte  man  sich  davor,  beide 
Adjectiva  für  gleichbedeutend  anzusehen.  1)  Hosticus,  eine  altertüm- 
liche Form  wie  civicus,  findet  sich  in  Kl.  Zeit  nicht;  es  ist  A.  L., 
z.  B.  Plaut.  Mil.  449  =  pe7^egriniim  ausländisch,  fremd,  dann  P.  und 
N.  Kl.  und  heisst  hier  dem  Feinde  angeliörig,  wie  terra,  regio  u.  dgl. 
Es  kommt,  abgesehen  von  ager  hosticus,  wofür  übrigens  auch  Liv. 
regelmässig  ager  hostium  sagt,  meistens  nur  das  substantivierte  in, 
ex  hostico  =  in,  aus  Feindesland  vor,  z.  B.  Liv.  8,  38,  2  castra  in 
hostico  ijosita;  vgl.  Novak  Stud.  Liv.  1894  S.  220,  der  selbst  auch 
auf  Heraeus  Yindiciae  Livianae  II  (1892)  S.  13  verweist  u.  Heer- 
degen zu  Reisig-Haase  S.  141,  sowie  Fritzsche  zu  Hör.  sat.  1,  9,  31. 
Die  klassische  Prosa  gebraucht  wie  Liv.  in  diesem  Sinne  gewöhnhch 
den  Genitiv  hostium,  z.  B.  hostium  terra.  —  2)  Hostilis  hingegen  ist 
feindlich  dem  Gemilte,  der  Gesinnung  nach,  slIso  feindselig.  Cicero 
gebraucht  es  nur  höchst  selten  wie  inv.  1,  108:  terra  hostilis  und 
off.  3,  108:  pactiones  hostiles,  hostili  manu  interemptus,  Cic.  Tusc.  1, 
85;  doch  hat  hostilis  selbst  in  diesen  Stellen  nicht  ganz  die  Be- 
deutung von  hosticus,  sondern  lässt  zugleich  auch  den  Begriff  feind- 
lich gesinnt  durchschimmern.  Aber  bei  Livius  steht  liostilis  nicht 
selten  für  den  subj.  Genitiv  hostium.  Am  auffallendsten  ist  es  in 
spolia  hostilia,  29,  35,  5  (später  nachgeahmt  von  Suet.  Nero  38). 
Weniger  fällt  schon  auf  terra  hostilis  44,  3,  8,  clamor  hostilis  Liv. 
1,  29,  2,  turmae  hostiles  9,  22,  9,  hostilia  arma,  8,  30,  8;  bei  Liv. 
22,  39,  13:  Hannibal  in  cdiena,  in  liostili  est  terra,  inter  omnia 
inimica  infestaque  ist  hostilis  einerseits  durch  cdiena  veranlasst  und 
schildert  zugleich  die  erbitterte  Stimmung  des  feindlichen  Landes. 
Ygl.  ebenso  Yell.  2,  112,  2;  2,  101,  3  (Georges  Yell.  S.  29)  und 
Sen.  epp.  74,  3:  in  hostili  regione  versantihus.  Auch  Sallust  ge- 
braucht liostilis  =  hostium,  z.  B.  Catil.  61,  8:  hostilia  cadavera,  wo- 
für kurz  vorher  (61,  4)  hostium  cadavera;  vgl.  Fabri  z.  St.  Mehr 
darüber  s.  bei  Dietsch  zu  Sali.  Jug.  41,  2.  Tacitus  verwendet  hostilis 
ebensowohl  in  seiner  eigentlichen  Bedeutung  als  in  der  von  hosticus 
oder  hostium;  bei  ihm  findet  sich  ager  hostilis  ann.  15,  5  und  turma 
hostilis  15,  9,  und  anderseits  odium  hostile,  bist.  5,  5,  murmur  hostile, 
hist.  2,  42  und  hostilis  audacia,  ann.  14,  23. 

Hostis  bedeutet  ursprünglich  den  Fremdling :  dies  bezeugt  aus- 
drücklich Yarro  1.  lat.  5,  3,  vgl.  noch  C.  F.  W.  Müller  zu  Cic.  off. 
1,  37,  Mommsen  Rom.  Forschungen  I  S.  349  f.,  Hey  Semas.  Stud. 
S.  96,  Heerdegen  zu  Reisig-Haase  S.  139.  Daraus  entwickelt  sich 
die  Bedeutung  „jPemcZ".  Dieser  Entstehung  entsprechend  unter- 
scheidet es  sich  von  inimicus  so,  dass  es  denjenigen  bedeutet, 
welcher  geiualttätig  gegen  andere  verfährt,  wie  die  Kriegführenden, 
und  in  Rücksicht  auf  einzelne,  z.  B.  Clodius  gegen  Cicero  und  seine 
Anhänger  (Cic.  Sest.  129);  Verres  gegen  römische  Bürger  und  an- 
dere Leute  einer  Provinz;  Catilhia  gegen  das  Yaterland;  liegt  aber 


Huba  —     663     —  Hucusque 

dieser  Begriff  nicht  darin,  wie  bei  Privat-Feindscliaften,  z.  B.  Cati- 
lina  gegen  Cicero,  so  ist  inimiciis  zu  setzen;  vgl.  Fabri  zu  Sali.  Jug. 
10,  5,  Seyffert-Müller  zu  Lael.  S.  471.  Es  findet  sich  auch  die  Zu- 
sammenstellung von  liostis  und  inimicus,  in  Prosa  gewöhnlich  in  der 
Folge  inimicus  liostis^  vgl.  Cic.  fin.  5,  29  sihique  inimicus  esse  atque 
hostis  (=  ihm  spinnen feifid  sei),  im  P.  L.  umgekehrt,  Lucil.  1334 
Jiostem  esse  atque  inhnicum,  vgl.  Marx  zu  Lucil.  94  und  1334,  Soph. 
Phil.   1302  ävSpa  TroUficov  iy^dpovre» 

Hiiba,  die  Hufe  Landes,  ist  N.  L.  und  kann  wohl  als 
Kunstwort  für  das  bestimmte  Ackermass  gebraucht  werden,  doch 
muss  es  zur  Yerständlichkeit  einen  Zusatz,  ut  Germanico  verho  utar 
u.  dgl.  erhalten ;  aber  im  allgemeinen  Sinne  brauche  man  nur 
iiigeriim. 

Hiic  =  ad  eos,  zu  diesen  (von  Personen)^  von  Cicero  z.  B. 
Phil.  13,  3,  gesagt  dürfen  wir  um  so  eher  nachahmen,  als  die 
Beziehung  von  2ihi,  unde,  quo  u.  ä.  auf  Personen  Kl.  ist,  vgl. 
Seyffert-Müller  z.  Lael.  S.  65  und  Fabri  zu  Sali.  Cat.  3,  3.  — 
N.  L.  ist  liuc  unum,  alterum  illuc,  das  eine  dahin,  das  andere 
dorthin,  für  aliud  alio,  z.  B.  iacey^e,  luerfen,  dissipare,  zerstreuen  u. 
dgl.  —  Aber  etiuas  dahin,  dorthin  heivegen,  icenden  u.  dgl.  heisst  KL 
aliquid  huc  et  illuc  vertere,  rapere,  trahere  u.  s.  w.,  z.  B.:  quae  homi- 
neni  huc  et  illuc  rapit,  Cic.  off.  1,  101,  acad.  2,  116.  Huc  et  illuc 
tela  agitare,  Sali.  Jug.  60,  4.  Ita  lectus  huc  et  illuc  manu  impellen- 
dus,  Cels.  2,  14,  Cic.  Cael.  13.  Noch  öfter  sagt  man  dafür  huc  at- 
que illuc,  z.  B.  huc  ire  atque  illuc.  Sali.  bist.  3,  48,  26  und  Jiuc  at- 
que illuc  hitueri,  Cic.  de  orat.  1,  184  und  fin.  5,  86.  Huc  atque 
illuc  Signa  t7'ansferre,  Liv.  5,  8,  8;  6,  25,  9  u.  ib.  c.  34,  13,  Tac. 
Agric.  10.  Das  asyndetische  huc  illuc  ist  vorzugsweise  der  nachklass. 
Periode  eigen;  Livius  hat  es  nur  einmal  7,  34,  9  dum  huc  illuc 
signa  vertunt,  öfters  Tacitus,  z.  B.  huc  illuc  ferens  arma,  ann.  1, 
56,  huc  illuc  volitare,  ann.  12,  34,  bist.  3,  3  und  ibid.  c.  73.  Doch 
findet  es  sich  klass.  nicht  nur  bei  Dichtern,  wie  Yerg.  Aen.  5,  408, 
georg.  2,  297,  sondern  auch  einmal  bei  Cic.  Attic.  9,  9,  2 :  cursare 
huc  illuc  deterrima  via,  aber  nicht  bei  Sallust,  vgl.  Fabri  zu  Jug. 
60,  4.  Dass  diese  Adverbien  nachklass.  durch  aut,  vel,  ve,  que  ver- 
bunden werden  können  und  dass  huc  et  huc  ausschliesslich  der  poe- 
tischen Sprache  angehört,  zeigt  Hand  im  Tursell.  III  S.  106,  5  u.  6, 
ebenso  Preuss.  S.  23  f.,  welcher  das  Detail  erschöpfend  bietet,  ferner 
Archiv  XII  S.  247  u.  252.  —  Über  huc  mit  einem  Genitiv  verbunden, 
z.  B.  huc  arrogantiae,  zu  dem  Grade  von  Amnassung,  vgl.  Eo, 
und  Hands  Tursellin.  III  S.  107;  es  findet  sich  nur  bei  Curtius 
und  Tacitus. 

Huias  ist  N.  L.,  eine  verfehlte  Analogiebildung  von  cuias. 

Hucusque  findet  sich  erst  N.  Kl.  beim  altern  Plinius  und  dann  im 
Sp.  L.,  aber  nur  in  örtlicher  Bedeutung,  his  hierher,  bis  soiveit,  für 
usqiie  ad  hunc  locum,  usque  eo,  usque  ad  id;  in  der  Zeitbedeutung 
bisher  (für  adJiuc,  oder  usque  adhuc)^  in  welcher  es  oft  im  N.  L.  vor- 


Humane  —     664     —  Humanitas 

kommt,  z.  B.  hi  omnes  codd.  liucnsque  incogniti  fuerunt  findet  es 
sich  z.  B.  bei  Eugipp  und  den  Paneg.,  also  nur  in  der  ganz  späten 
Latinität,  s.  Hand  Turs.  HI,  108  u.  109  und  Gölzer  Hieron.  S.  425, 
sowie    Paucker  Scrutar.  S.  65,  Chruzander  S.  71. 

Humane  und  Jnunaniter  hat  Cicero  nicht  gleichmässig  und  auch 
nicht  in  völlig  gleicher  Bedeutung  gebraucht.  Hiimaniter  gehört, 
abgesehen  von  fam.  7,  27,  der  früheren  Stilperiode  an ;  humane  fin- 
det sich  ausschliesslich  in  späterer  Zeit  und  scheint  seine  Bevor- 
zugung den  philosophischen  Studien  Ciceros  zu  verdanken.  Beide 
Adverbien  verbinden  sich  nur  mit  Verben,  humanitefi^  drückt  die  Art 
und  Weise,  lamiane  öfter  eine  Stimmung  aus.  Die  Bedeutung  ist 
1)  der  menschlichen  Natur  entsprechend,  ivie  ein  Mensch,  2)  menschen- 
freundlich, rücksiclitsvoll,  verständig.  Beispiele  zu  1  sind:  Cic.  Tusc. 
2,  65  m^orhos  toleranter  atqiie  humane  ferunt;  Att.  1,  2,  1  shi  aliter 
acciderit,  humaniter  feremus;  zu  2:  Cic.  Att.  12,  44,  1  fecit  eyiim 
humane,  Q.  fr.  2,  1,  1  fecit  humaniter  Licinius,  quod  etc.;  ebenso 
schreibt  Antonius  bei  Cic.  Att.  14,  13,  A,  2  si  humaniter  in  me  cogitare 
vis.  Ausführlich  handelt  hierüber  Hoppe  Progr.  Gumbinnen  1875 
S.  7,  wo  jedoch  mit  Unrecht  fam.  8,  10  als  frühester  Beleg  für  hur 
mane  zitiert  ist;  denn  fam.  8,  10  stammt  aus  der  Feder  des  Caelius; 
vgl.  ferner  Köhler  act.  Erl.  I  S.  318,  Hellmuth  ib.  S.  115,  wo  alle 
Stellen  mit  humaniter,  humane,  perhumaniter,  inhumaniter  aufgezählt 
sind,  Spengel  zu  Ter.  Adolph.  145,  Meissner  zu  Cic.  Tusc.  2,  65.  — 
Den  Komparativ  belegt  Georges  nur  aus  Plin.  mai.;  er  steht  aber 
schon  bei  Cic.  Att.  12,  44,  1.  Wenn  Raschig  es  für  wunderlich 
hält  (Progr.  de  antib.  S.  23),  falls  jemand  von  sich  sagte:  humanis- 
sime  ab  eo  petii,  eum  invitavi  u.  dgl.,  so  ist  er  damit  im  Irrtum, 
denn  Cicero  sagt  ja :  dedi  operam,  iit  ei  quam  humanissime  scriherem, 
fam.  2,  17,  6  und:  credo  me  tibi  .  .  quam  humanissime  potuerim 
rescrijjsisse,  5,  20,  8. 

Humanista,  ein  Humanist,  Phüolog,  N.  L.  für  litterarum  anti- 
quarum  studiosus,  wenn  man  nicht  geradezu  das  neuere  Kunstwort 
philologus  für  diesen  Begriff  nehmen  will. 

Humanitas  ist  in  der  Bedeutung  die  Menschlieit,  d.  h.  die  Men- 
schen, Sp.  L.  bei  Hier.  epp.  55,  5:  humaniiatem  hoc  loco  dicimus  .  .  . 
omne  hominum  genus,  für  homines,  genus  humanum.  Ebenso  bei 
Min.  Fei.  8,  2,  früher  bei  Apuleius,  dann  bei  Arnob.,  Ennodius  und 
andern,  vgl.  Gölzer  Hieron.  S.  270.  Bei  Cic.  off.  3,  32  sie  ista  in 
figura  hominis  feritas  et  immanitas  beluae  a  communi  tamquam  hu- 
manitate  corporis  segreganda  est  hat  C.  F.  W.  Müller  die  Überlieferung 
humanitate  corporis  gegen  die  edd.  recc,  welche  humanitatis  cor- 
pore  lesen,  hergestellt  und  sagt  feritas  beluae  sei  =  fera  belua  und 
humanitas  corporis  mit  Notwendigkeit  für  humanum  corpus  gesagt. 
Auch  bedeutet  es  nach  Döderlein  nie  Menschlichkeit  mit  dem  Be- 
griffe menschlicher  Schwache,  waewohl  in  humanus  dieser  Begriff  bis- 
weilen liegt.  Da  humanitas  auch  Bildung,  feine  Lebensbildung  be- 
deutet,   so    versteht    Cic.  (de  orat.  2,  72)    unter  politior  humanitas 


Humanus  —     665     —  Humectare 

feinere  wissenschaftliche  Bildnng,  erworben  durch  Sprachkenntnis, 
Philosophie,  Geschichte  und  Bekanntschaft  mit  Poesie  und  Bered- 
samkeit; diese  waren  alle  in  shidia  humanitatis  begriffen,  während 
unsere  Philologie  nur  einen  einzelnen  Teil  bildete.  Unser  Humanität 
=  Billigkeitsgefühl  ist  Kl.  aeqnitas,  vgl.  Seyffert-Müller  z.  Lael.  S.  114. 

Humamis.  Vgl.  die  interessante  Herleitung  des  Adj.  humanus 
von  hie,  welche  Brugmann  Indog.  Forschg.  17,  S.  166  ff.  gegeben 
hat.  Darnach  sind  liaec  vita  und  vita  hnmana  synonyme  Ausdrücke: 
sie  bedeuten  das  irdische  Lehen  im  Gegensatze  zum  Jenseits,  dem 
Leben  der  Götter.  Daher  auch  bei  Cic.  Tusc.  1,  72  humana  vitia 
=  Fehler,  ivie  sie  hienieden  vorkommen,  luie  eben  Menschen  sie  haben. 
Im  Gegensatz  zum  Tierischen,  Rohen  bedeutet  dann  humanus  mensch- 
lich, menschenfreundlich.  Aus  der  Bedeutung  von  humanus  folgt,  dass 
es  sich  mit  ihm  ähnlich  verhält  wie  mit  hostilis;  man  sagt  Kl.  nicht  opüii- 
ones  humanae  menschliche  Ayisichten,  sondern  hominum,  nicht  mores  hu- 
mani,  sondern  hominum,  vgl.  Cic.  de  erat.  3, 127.  —  Bei  den  Alten  wird 
dieses  Adjektiv,  in  welchem  Grade  es  sei,  nirgends  der  doctrina,  den 
artes,  litterae,  stzidia  beigelegt,  und  so  werden  denn  die  seit  langer  Zeit 
üblichen  Ausdrücke  doctrina  humanior,  litterae  humaniores,  studia 
humaniora  und  humanior a  verdächtig,  zumal  da  der  Komimrativ 
in  dieser  Benennung  seltsam  und  ganz  unzulässig  ist,  und  die  Frage 
gestattet,  w^elche  litterae  —  humayiae,  und  welche  humanissimae  zu 
nennen  seien.  Freihch  brauchen  schon  Manutius,  Perpinian,  Muret 
und  Henricus  Stephanus  humaniores  litterae  und  humanior  doctrina. 
Durch  solche  Männer  erhielt  diese  Redensart  Autorität,  wurde  gang- 
bar und  ist  es  noch  jetzt.  Sie  ist  gleichsam  Kunstwort  für  unser 
Altertumsivissenschaft,  wofür  litterae  antiquae  oder  a^itiquitatis  studia 
die  passendsten  Ausdrücke  sind,  wenn  man  nicht  lieber  das  Wort 
j)hilologia  in  der  allgemeinen,  erweiterten  Bedeutung  der  gesamten 
Altertumswissenschaft  beibehalten  will,  so  dass  klassische  Philologie 
etwa  philologia  litterarum  graecarum  ac  latinarum  hiesse.  —  Andere 
wollen  nach  Cicero  (de  erat.  1,  187)  grammatica,  orum,  w^as  nach 
unserm  heutigen  Begriffe  von  Grammatik  zu  eng  und  kleinlich  ist; 
andere  litterarum  antiquarum  studia  (disciplina,  doctrina),  artes  ho- 
nae  (liberales,  ingenuae,  honestae),  studia  humanitatis  et  litterarum, 
doctrina  (disciplina)  humanitatis  u.  a.  —  Der  Euphemismus:  luenn 
mir  etwas  Menschliches  begegnen,  d.  h.  ivenn  ich  ums  Leben  kommen 
sollte,  heisst  latein.  entweder  kurz:  si  quid  accidat,  Cic.  Tusc.  1,  104 
oder  si  quid  mihi  humanitus  accidat,  Cic.  Phil.  1,  10;  Sallust  allein 
sagt  wohl  bist.  5,  24  M.  si  in  Pompeio  quid  humani  evenisset.  —  Be- 
achte noch  die  besonders  bei  Sallust  beliebte  Yerbindung  res  huma- 
nae, um  die  Wandelbarkeit  oder  Ungunst  der  irdischen  Yerhältnisse 
zu  bezeichnen;  vgl.  Fabri  zu  Sali.  Jug.  14,  23,  Seyffert-Müller  zu 
Laelius  S.  104.  Demnach  ist  Sp.  L.  humanis  rebus  excedere  oder 
eximi  =  sterben,  z.  B.  Sulp.  Sev.  M.  7,  2;  2,  29,  5  H. 

Humectare,  kommt  in  Prosa  transitiv  =  befeuchte^i,  benetzen, 
bei  Colum.,    intransitiv    aber   =    tränenfeuclit  sein  nur  beim  altern 


Humiditas  —     666     —  Hymnus 

Plinius  vor,  sonst  ist  das  Wort  P.  L.  für  irrigare,  Immore  perfun- 
dere,  hiimidiim  reddere  (efficere). 

Humiditas,  die  Nässe,  FeiichtigJxeit,  ist  N.  L.  für  Immor. 

Humilis,  medrig,  gemein,  gering,  ist  in  der  allgemeinen  Bedeu- 
tung demütig,  hescheiden,  ergehen,  witertänig,  für  modestus,  demissus, 
suhmissiis,  siihiectiis,  zu  vermeiden.  Daher  passt  Immillimus  als 
Unterschrift  in  Briefen  nicht  für  tibi  amicissimiis,  tui  anumtissimus, 
tibi  deditissbnus,  tui  studiosissimus  oder  observantissimus.  Ygl.  auch 
Addicere.  Und  so  brauche  man  als  Adv.  demisse,  suhmisse,  modeste. 
Caesar  (civ.  1,  84,  5)  drückt  etwas  untertäyiigst  vortragen  durch 
demississime  atque  suhiedissime  exponere  aus,  Seneca  sagt  dafür  suh- 
misse rogare,  de  benef.  2,  14,  2.  —  Ebenso  wenio^  kann  liumilitas 
gebraucht  werden  in  der  Bedeutung  Demut  als  Tugend,  für  mo- 
destia,  animi  submissio,  moderatio  u.  a. ;  erst  in  der  Sprache  der 
Eccl.  kommt  es  so  vor,  z.  B.  Sulp.  Sev.  M.  2,  7;  10,  2  H.,  Eu- 
gipp  wiederholt.  —  Verwerflich  ist  auch  de  aJiqua  re  Immiliter  sentire 
in  der  Bedeutung  von  etwas  verächtlkh  denken,  für  contemptim  loqui, 
da  die  Gedanken  durch  Worte  ausgedrückt  sind.  Humilis  ist  auch 
unpassend,  wo  wir  sagen:  die  Preise  sind  (stehen)  niedrig,  die  Dinge 
stehen  in  niedrigem  Preise;  also  nicht  humile  pretium,  sondern  pretia 
rernm  iacent,  magna  est  reritm  vilitas,  imrviim  est  verum  pretium.  — 
In  der  Kirchensprache  wird  humilis  auch  von  den  demütigen^  flehent- 
lichen Bitten  an  die  Gottheit  gesagt,  z.  B. :  Eugipp  49,  14  Kn.  ve- 
niam  a  Christi  famido  precabantur  humiliter;  liumülimis  precibus 
misericordiam  Dei  implorare  bei  Greg.  M.  lib.  sacram.  S.  212,  was 
uns  ganz  passend  erscheint,  da  humilis  in  diesem  Sinne  schon 
von  Dichtern  der  klass.  Zeit  gebraucht  und  humilis  mit  supplex 
verbunden  schon  bei  Cicero  die  demütige,  flehentliche  (an  die  Pichter 
gestellte)  Bitte  ausdrückt:  si  ])rece  et  obsecratione  humili  ac  sup2)lici 
utemur,  inv.  1,  22  und  ebenso  1,  109.  Doch  kann  man  dafür  mit  dem 
genannten  Kirchenvater  a.  a.  0.  S.  216  auch  Deum  suppliciter  exo- 
yxire  oder  suppliciter  deprecari,  ib.  S.  218  oder  supplex  deprecor  Deum 
sagen.  —  Sp.  L.  Verba  von  humilis  sind  hiimilare  in  der  Itala  2  Cor. 
12,  21  und  beim  Dichter  Corippus,  humiliare  in  der  Yulg.  u.  bei 
Eccl.  z.  B.  Filastr.,  auch  bei  Greg.  Tur.,  liumilitare  bei  Ammian  u. 
sonst,  vgl.  Wölfflin  Freising.  Ital.  S.  10,  id.  Cass.  Fei.  S.  415  ff.,  Rönsch 
Ital.  S.  164,  Coli.  phil.  S.  123  u.  146,  Bonnet  Greg.  S.  292,  Appel 
Coripp  S.  21. 

Hgmenaeus,  das  Hochzeitslied,  ist  nur  P.  L.  für  Carmen  nupticde. 

Hymnus  kommt  in  der  profanen  Latinität  selten  vor,  z.  B.  Sen. 
fr.  88,  Terentian  1883,  1886,  1934,  vgl.  Werth  S.  320,  und  wo  es 
sich  findet,  ist  es  nicht  =  Lied,  Lohgesang  überhaupt,  sondern, 
was  Augustin  bemerkt:  hgmnus  cantus  est  cum  laude  Dei,  enarr. 
in  ps.  148,  17,  gilt  auch  in  der  profanen  Latinität.  Oft  findet 
sich  hymnus  bei  den  Eccles.,  auch  in  der  Form  ymnus,  vgl. 
Bonnet  Greg.  S.  168.  Die  Sitte  nämlich,  Lieder  Gott  zu  Lob 
und    Ehreji    zu    singen,    ist    so    alt   als    das   Christentum.     Da   nun 


Hyperbolicus  —     667     —  Hypothesis 

die  ältesten  Dichter  solcher  Gesänge  der  griechüchen  Zunge  an- 
gehörten, so  wurden  diese  Lieder  ganz  entsprechend  durch  u/ülvo:  be- 
zeichnet. So  kam  das  griechische  Wort  wie  so  manche  andere  in 
der  frühern  Zeit  auch  in  die  lat.  Kirchensprache  und  wurde  der- 
selben so  geläufig,  dass  es  als  der  cdlgemeine  und  insofern  klass. 
Ausdruck  für  die  religiösen  Loh-,  Dank-  und  Preisgesänge  des 
Christentums  anzusehen  ist.  Es  ist  daher  auch  gar  nicht  notwendig, 
dafür  Carmen  oder  canticum  zu  sagen,  höchstens  können  diese 
Wörter  im  Zusammenhange  als  Synonyma  von  hgmnus  angewendet 
werden.  Ygl.  über  hgmnus  Ambros.  expos.  ps.  118,  Prol.  §  3, 
Hieron.  comm.  in  epp.  Pauli  ad  Eph.  5,  19,  Apol.  adv.  Ruff.  2, 
33,  Greg.  M.  dial.  1,  2  g.  E.  —  Oott  ein  Loblied  darbringen,  singen, 
heisst  entweder  ligmnum  Deo  dicere  bei  Ambros.  de  Elia  et  ieiun. 
§  55  und  expos.  in  ps.  43,  §  23,  Aug.  in  ps.  148,  §  17,  Greg,  in 
lob.  2,  32,  ib.  27,  29  u.  dial.  1,  9  medd.  oder  hymnum  canere, 
cantare  alicui,  was  sich  öfter  in  der  Yulgata  findet  und  dem 
Carmen  Christo  quasi  Deo  dicere  bei  Plin.  epp.  10,  96,  7  ganz  ent- 
spricht. 

Hyperbolicus,  übertrieben,  ist  Sp.  L.  bei  Sidon.  7,  2  für  quod 
veritatem  superat,  excedit;  hyperbolice  hat  z.  B.  Hieron.  öfter,  vgl. 
Gölzer  S.  194. 

Hypocaustum  ist  in  der  Bedeutung  Stube,  Wohnzimmer  N.  L., 
da  es  bei  den  Alten  ein  von  unten  durch  Röhren  geheiztes  Zimmer 
(um  Schweiss  hervorzubringen)  bedeutet,  vgl.  PHn.  ep.  2,  17,  11;  5, 
6,  25;  man  setze  dafür  cubicidum  oder  conclave. 

Hypocrisis,  Verstellung,  Scheinheiligkeit  und  hypocrita,  Heuchler, 
kommen  nur  in  der  kirchlichen  Latinität  vor  (z.  B.  hypocrisis  Yulg. 
Matth.  23,  28,  Luc.  12,  1  und  h^jpocrita  Matth.  7,  5,  Marc.  7,  6 
u.  Luc.  12,  56)  für  simidatio,  pietatis  simidatio,  vgl.  Gölzer  Hieron. 
S.  211;  zulässig  ist  es  aber  als  Kunstwort  in  der  Dramatik  von  der 
Nachahmung  der  Gebärden;  vgl.  Donat.  vita  Yerg.  S.  61,  5  R.  (Sen. 
rhet.  ed.  Müller  S.  584).  Gut  ist  auch  das  Wort  hypocrita  von 
einer  Person,  aber  nicht  in  der  Bedeutung  Heuchler,  was  simidator 
oder  dissimulator  (nach  der  Yerschiedenheit  der  Handlung)  heisst, 
sondern  der  Schauspieler  durch  Gebärden,  der  Mime;  vgl.  Quintil. 
2,  17,  12;   11,  3,  7;  Suet.  Nero  24. 

Hypothesis  ist  kein  lat.  Wort  und  bedeutet  griechisch  nur  das 
Thema,  die  Aufgcd)e  zu  einer  Rede  etc.,  wofür  lat.  propositio,  res 
proposita,  propositum,  daher  Ausdrücke  wie  a  proposito  aberrare,  ad 
propositum  redire,  reverti;  nirgends  aber  findet  es  sich  in  der  Be- 
deutung Bedingung,  für  condicio,  oder  in  der  Bedeutung  ein  ohne 
sichere  Gründe  angenommener  Satz,  eine  Hypothese.  Als  Kunst- 
wort ist  es  in  beiden  Bedeutungen  bisweilen  kaum  zu  entbehren; 
vgl.  z.  B.  novae  opiniones,   quas  hypothesium  nomiyie  celebrant. 


lacere  —     668     —  lam 

I.  i. 

lacere,  liegen,  von  einem  Lande  und  Orte,  kommt  nicht  selten 
vor.  Es  findet  sich  zwar  nie  bei  Cicero  und  Caesar,  aber  bei  Brutus 
(in  Cic.  fam.  11,  13,  2),  Nepos,  öfter  bei  Livius  (5,  48,  2;  6,  30, 
5;  9,  37,  1  u.  sonst)  und  spätem,  gleichbedeutend  mit  esse,  sitiim 
oder  posititm  esse;  z.  B.  Caes.  Gall.  1,  16,  2 :  Gallia  sub  septem- 
trionibus  j^osita  est,  und  3,  9,  10:  Britannia  contra  eas  regiones 
posita  est  (liegt  diesen  Gegenden  gegenüber).  Bei  Angabe  der  Welt- 
gegend sagt  man  auch  sioedare  in  — ,  z.  B.  in  meridiem.  Yon  einem 
Kranken  sagt  man:  aeger  iacet,  Yal.  Max.  3,  8,  ext.  6;  graviter 
iacet  =  er  liegt  schiver  darnieder;  sine  sjje  iacere  ■=  hoffnungslos 
da7'mederliegen,  Sen.  epp.  101,  3;  daneben  ist  auch  cuhare  üblich, 
vgl.  Ovid.  Her.  20,  164  liaec  ciibat,  ille  valet,  vgl.  Fritzsche  zu 
Hör.  sat.  2,  3,  289.  Ferner  sagt  man  iacet  =  sepultus  est,  so  z.  B. 
Ovid  in  seiner  bekannten  Grabschrift  hie  ego  qiii  iaceo,  oft  im  S}).  L., 
vgl.  Bellanger  Antonin.  S.  63.  —  Gut  ist  auch  iacere  ad  alicimis 
pedes,  Cic.  Quinct.  96,  Q.  fr.  2,  5,  2  oder  iacere  aliciii  ad  pedes, 
Yerr.  5,  129.  Das  Causativum  davon  ist  se  ahicere,  accidere  ad 
pedes  aliciiius.  —  Über  iacere  trop.  =  negleqi,  z.  B. :  pretia  praediormn 
iacent  (Cic.  Rose.  Com.  33)  u.  dgl.,  s.  Meissner  zu  Cic.  Tusc.  1, 
4;  Nägelsbach-Müller^  S.  542,  C.  F.  W.  Müller  zu  Cic.  off.  S.  159 
(,^iacet  id,  cuius  ratio  non  habetur''^). 

lacere.  N.  L.  ist  iacere  cidpam  in  aliquem,  die  Schuld  auf 
jemand  iverfeyi,  für  culpam  conferre,  conicere  in  aliquem,  cidpam 
alicui  attribuere.  Ebenso  ist  N.  L.  aliquem  iacere  oder  iactare  lapi- 
dilms  u.  dgl.,  einen  mit  Steinen  —  werfen,  für  iacere  oder  conicere 
lapides  —  in  aliquem,  lapidibus  aliquem  appetere.  Einem  etivas  ins 
Gesicht  iverfen,  cdiqiiid  in  faciem  alicuius  (nicht  cdicui)  iacere,  Suet. 
Claud.  15  Ende. 

lactantia,  das  Prahlen,  Grosstun,  kommt  zwar  erst  N.  Kl.,  aber 
bei  Quintilian  u.  Plin.  epp.  1,  8,  13,  pan.  38,  4  vor  und  ist  neben 
iactatio  und  ostentatio  nicht  zu  verwerfen.  Das  Prahlen  mit  Worten 
heisst  auch  magniloquentia. 

lam.  Die  im  Deutschen  bei  Zeitbestimmungen  notwendige  Er- 
gänzung drückt  man  lateinisch  oft  aus  1)  durch  die  blosse  Yoranstellung 
des  betreffenden  Wortes.  So  a)  des  Zeitwortes,  welches  die  bereits 
vollendete  Tatsache  ausdrückt,  z.  B.:  et  profectum  aliquid  Vibullii 
mandatis  existimabatur ,  Caes.  civ.  3,  15,  8  =  dass  schon  etwas  er- 
reicht, geivonnen  sei,  und  ebenso  2, 12,  3:  captam  suam  urhem  videre  = 
sie  sahen  ihre  Stadt  schon  erobert;  b)  beim  Adjekt. :  qui  magno  in  peri- 
culo  essem,  quod  iisdem  moenibus  contineremiir,  Cic.  Cat.  1,  19  =  der 
ich  schon  dadurch  in  grosser  Gefahr  bin,  dass;  c)  beim  Zahliv ort :  ii, 
quod  res  in  invidia  erat,  simul  et  ab  Numidis  obsecrati  triduo  navim 
ascendere,  Sali.  Jug.  25,  5  =  schon  nach  drei  Tagen,  ebenso  b.  Alex. 
74,  3;  d)  bei  Zahlbegriffen:  midti  enim  anni  sunt,  cum,  Cic.  fam. 
15,  14,  1  =  es  sind  schon  viele  Jahre  her,  dass  .  .;   e)   bei  saepe, 


lam  —     669     —  lam 

wie:  de  ceteris  rebus  alio  loco  et  dicemiis^  si  usus  faerity  et  saepe 
diximiis,  Cic.  Tusc.  4,  5  =  und  haben  schon  oft  darüber  gesprochen. 
Dies  insbesondere  dann,  wenn  saepe  mit  dem  Plusquamperf.  verbunden 
ist:  quos  saepe  vicerant,  Sali.  Jug.  105,  4  =  schon  oft  etc.  und  Cic. 
de  orat.  1,  35.  f)  Zu  diesen  Worten  gehören  auch  ante  und  antea, 
z.  B.  Bellovaci,  .  .  qid  ante  erant  per  se  infideles  (==  die  schon  früher 
feindlich  gesinnt  tuaren),  manus  cogere  coeperiint,  Caes.  Gall.  7,  59, 
2  und  so  auch,  wenn  ayde  im  Gregensatz  zu  nunc  steht,  z.  B.:  nisi 
ante  Roma  profectiis  esses  (=  nicht  schon  vorher),  nunc  eam  certe 
relinqueres,  Oic.  fam.  7,  11,  1,  ebenso  Tusc.  5,  5  und  mit  verstecktem 
Gegensatz  Sali.  Jug.  24,  9:  nam  ego  qiddem  vellem  etc.;  g)  endlich 
gehört  hierher  auch  cdiqitot:  aliquot  enim  sunt  anni,  cum  .  .  Cic. 
Att.  9,  11,  A,  2.  2)  Wie  in  allen  diesen  Beispielen  im  Lat.  das  Wort, 
bei  welchem  wir  schon  hinzusetzen,  zum  Ausdruck  davon,  dass  es 
den  Hauptton  des  ganzen  Satzes  enthält,  vorangestellt  erscheint,  so 
kann  es  auch  die  letzte  Stelle  im  Satze  einnehmen :  si  quis  hoc  forte 
dicet,  Catonem  ad  accusandmn  descensurum  7ion  fuisse,  nisi  pjmis 
de  causa  iudicasset^  Cic.  Mur.  60  =  wenn  er  sich  nicht  schon  vorher 
ein  Urteil  gebildet  hätte,  und :  nunquam  enim,  quäle  sit  illud,  de  quo 
disputabitur,  intellegi  poterit,  nisi,  quid  sit,  fuerit  intellectum  prius, 
rep.  1,  38  =  luemi  er  sich  nicht  schon  vorher  u.  s.  w.  3)  Ist  es  nun 
auch  nicht  notwendig,  dass  das  pathetische  oder  signifikante  Wort 
die  erste  oder  die  letzte  Stelle  im  Satze  einnehmen,  so  dürfte  sich 
doch  nach  Anton,  Studien  I,  95  behaupten  lassen,  dass  in  diesem 
Falle  Yerbum,  Adjektiv,  Zahlwort  und  Partizip  wenigstens  vor 
dem  betreffenden  Substantiv  stehen,  so  a)  das  Yerbum:  quod  si  hoc 
apparet  in  bestiis  .  .  quanto  id  magis  in  homine  fit  yiatura,  Cic.  Lael. 
81  =  ^venn  das  schoyi  bei  Tieren  .  .,  ebenso  bei  Caes.  Gall.  2,  34. 

b)  Das  Partizip :  quorum  si  quaestus  occlusis  tabernis  minui 
solet,     quid     tayidem     incensis     futurum     fuit?     Cic.    Cat.    4,    17; 

c)  Zahlwort  und  Zeitbegriffe :  Aeschines  in  Demosthenem  inve- 
hitur,  quod  is  septimo  die  (=  schon  am  7.  Tage)  post  flliae 
mortem  hostias  immolavisset,  Cic.  Tusc.  3,  63,  und:  tali  victoria 
toties  victor  Caesar  incredibili  est  laetitia  affectus  =  obschon  so  oft 
siegreich  etc.  b.  Alex.  77,  1.  4)  Endlich  tritt  auch  der  Fall  ein,  dass 
Wörter,  deren  Inhalt  durch  das  vorgesetzte  schon  in  irgend  einer 
Weise  modifiziert  wird,  ganz  an  der  Stelle  der  gewöhnlichen  Wort- 
folge stehen;  dies  geschieht  a)  wieder  beim  Yerbum:  in  alteram 
partem  cohortandi  causa  py^ofectus  pugnantibus  occurrit  =  fayid  sie 
schon  im  Kampf  begriffen,  Caes.  Gall.  2,  21,  4;  namentlich  in 
den  Fällen,  wo  auf  den  allgemeinen  Satz  der  spezielle  gleichen 
Inhaltes  folgt  und  zu  dem  ersteren  schon,  zu  dem  zweiten  vollends 
aber  ergänzt  werden  muss,  z.  B.:  oynnia  ista  nobis  studia  de  manibus 
excutiuntur,  simul  atque  aliqui  motus  novus  bellicum  canere  coepit  ==: 
alle  sie  werden  uns  schon  enttvuyiden,  sobcdd  etc.  .  .  vestrum  vero 
Studium  totum  iacet  =  euere  Wissenschaft  aber  liegt  vollends  dar- 
yiieder,    Cic.  Mur.  30;    b)   bei   Zeit-   und   Zahlbegriffen    zu:   eodem, 


lam  —     670     —  lam 

quo  venerat^  die  post  lioram  nonam  op^idum  altissimis  moenibiis 
oj/j^itgnare  aggressiis  ante  solis  occasum  expugnavit  =  sclion,  noch 
vor  Sonnenuntergang y  Caes.  civ.  3,  80,  6  und:  nam  consulem  factum 
ante  acceperat,  Sali.  Jug.  82,  2  =  hatte  er  schon  vorher  erfahren; 
ebenso  bei  antiquitus:  quod  ad  liuiusmodi  casus  antiquitus  paratmn 
in  publicum  contulerant  =  luas  sie  schon  von  altersher  etc.  Caes. 
civ.  2,  22,  1  und  bei  mature:  iique  mature  oppida  hahiiere^  Sali. 
Jug.  18,  9  =  scholl  frühzeitig;  Nep.  Att.  2,  1  piater  mature  deces- 
sit,  seift  Vater  starb  schon  früh ;  auch  bei  saepe :  ex  quo  inimi- 
citias  saepe  maximas  exstitisse  =  schon  oft.  Cic.  Lael.  34,  und  be- 
sonders in  Yerbindung  mit  Präteriten:  nuntios  ad  eum  saepe  miserat 
=  schon  oft,  Sali.  Jug.  88,  5  u.  88,  3,  Cic.  Catil.  4,  7;  ebenso  bei 
satis.,  s.  die  Formeln  der  transitio  bei  Seyffert,  seh.  lat.  I  S.  66; 
auch  bei  semper:  summam  suam  esse  ac  fuisse  semper  voluntatem  = 
und  sei  schon  von  jeher  gewesen,  Caes.  civ.  3,  16,  4  und  Cic.  Cat.  2, 
17;  ebenso  bei  supra:  ut  supra  diximus,  demonstravimus  (wo  iam 
nie  steht)  oder  im  Relativ satze :  quem  pecunia  corruptum  supra 
diximus,  Sali.  Jug.  34,  1;  ebenso  bei  aliquando:  non  auditum  aliquando 
aliquod  malum  rei  publicae  quaeritur,  Cic.  Mui*.  80  =  nicht  auf  ein 
schon  irgendeinmal  bekannt  gewordenes  Leiden  ist  es  abgesehen.  Vgl. 
auch  Horat.  epp.  2,  1,  206.  Wie  sehr  diese  Ergänzung  von  schon 
aus  dem  ganzen  Zusammenhange  zu  entnehmen  ist,  ergibt  sich  aus 
der  IS^ebeneinanderstellung  von  multus  und  saepe:  midti  bella  saepe 
quaesiverunt  propter  gloriae  cupiditatem,  Cic.  oif.  1,  74,  und  der  von 
saepe  und  ante  oder  antea:  saepe  antea  paucis  strenuis  advorsum 
multitudinem  bene  pugnatum  =  schon  oft  vorher,  Sali.  Jug.  107,  1; 
qui  et  nunc  et  saepe  antea  magno  praesidio  7'ei  publicae  fuerunt,  Cic. 
Att.  9,  1,  3.  —  Doch  ist  die  Auslassung  von  iam  kein  Sprachgesetz, 
da  es  oft  auch  beigefügt  wird :  noctis,  quae  iam  aderat.  Sali.  Jug.  53, 
3  u.  97,  3,  Tac.  Agr.  42;  über  iam  tum  und  iam  tum  cum  s.  Hand 
Turs.  in,  122;  auch  bei  annum  steht  iam:  annum  iam  audientem 
Cratippnim,  Cic.  ofF.  1,  1  und  iam  anni  quadringenti  sunt,  cum,  orat. 
171  u.  Liv.  38,  17,  6  und  mit  einer  Ordinalzahl,  wo  der  Wegfall 
von  iam  bei  Cicero  wenigstens,  vgl.  C.  F.  W.  Müller  Philol.  17 
S.  514  f.,  und  auch  bei  Livius,  vgl.  Richter  S.  10,  Ausnahme  wäre: 
tertium  iam  hunc  annum -regncüitem,  Caes.  Gall.  5,  25,  3,  Liv.  36, 
39,  7  und  so  bei  dies,  Caes.  civ.  1,  84,  1  und  so  bei  Zahlen  wie  bis 
iam,  s.  Liv.  4,  5,  3  und  8,  33,  4  und  bei  Zahlbegrifi'en :  tot  iam 
victoriis  darum,  Liv.  23,  7,  9,  und  so  multi  iam  anni,  Caes.  civ. 
1,  85,  5,  Cic.  Arch.  7,  und  bei  mensis:  midti  iam  menses  erant,  Caes. 
civ.  3,  25,  1,  bei  saecula,  Cic.  Brut.  66;  ebenso  sind  Beispiele  für 
iamdiu,  iam  ante,  iam  antea  oder  a)ite  iam,  antea  iam  ganz  gewöhn- 
lich; s.  Anton  a.  a.  0.  S.  99;  dasselbe  gilt  von  saepe  tarn  (seltener 
bei  persaepe,  Cic.  rep.  3,  4),  satis  iam,  satis  saepe  iam,  iam  a  prin- 
cipio,  iam  ab  initio  und  iain  inde  ab  initio,  namentlich  auch  von 
si  iam  =  luenn  schon,  wenn  ja,  wenn  denn,  vgl.  Cic.  SuU.  22  si 
iam  tibi  hoc  concedam,    vgl.  Stangl  TuUiana  S.  25.  —  Dass  non  oft 


lamdiu  —     671     —  Icon 

=  no7i  iam  nicht  mehr  ist,  hat  Yahlen  Berl.  Yoiies.  Sommer  1895 
S.  9,  Stangl  Tulliana  S.  37  gezeigt. 

lamdiu  (iamdudum,  iampridem)  est  mit  darauf  folgendem  ciun^ 
es  ist  schon  lange,  lange  Zeit,  dass  — ^  findet  sich  A.  L.  bei  Flautus, 
z.  B.  Amph.  302;  das  hier  nunmehr  beseitigte  qiiod  (vgl.  Lübbert 
Gramm,  ötud.  II  S.  50)  steht  noch  im  N.  Kl.  sowie  im  Sp.  L.  in 
Wendungen  wie  Phn.  epp.  4,  27,  1  und  Quintil.  10,  3,  14:  tertium 
iam  dieni  esse,  quod  .  .  .  vgl.  meine  Synt."^  §  291;  ßonnet  Greg. 
S.  326.  Die  Klassiker  ziehen  in  diesem  Falle  entweder  beide  Sätze 
in  einen  zusammen,  z.  B.  iamdiu  me  exspectas  =  es  ist  schon  lange 
her,  dass  .  .  oder  sie  lassen  die  beiden  Sätze  und  wählen  cum  für 
quod:  iam  sunt  sex  anni,  cum  me  exspectas.  —  Übrigens  bedeutet 
iamdudum  schon  seit  langer  Zeit,  iampridem  schon  vor  langer  Zeit, 
längst  und  iamdiu  schon  lange;  iamdudum  findet  sich  besonders  in 
der  Sprache  des  Ungeduldigen,  welchem  ein  Augenblick  schon  eine 
Ewigkeit  dünkt,  z.  B.  Yarr.  r.  r.  1,  56  iam  dudiim  in  villa  sedens 
exspecto,  dum  fructus  in  villam  referas;  vgl.  noch  Yerg.  Aen.  2, 
103  u.  g.  1,  113;  Ovid.  met.  11,  482  u.  sonst.  Falsch  ist  es  daher, 
zu  sagen:  mos  iamdudum  irivaluit,  schon  lange  ist  die  Sitte  eingerissen, 
für  iamdiu  oder  iampridem;  um  so  besser  passt  es  zum  Imperativ, 
vgl.  Yerg.  Aen.  2,  103  iam  dudum  sumite  poenas.  Ygl.  auch 
Hand  Tursell.  III  S.  158  ff.,  Seyffert  Progymn.  S.  155,  117,  Seyffert- 
Müller  z.  Lael.  S.  420;  für  die  Form  Keller  Etym.  S.  57  (nicht 
iandudum  sondern  iamdudum  als  spätere  Bildung),  für  Plaut.  Langen 
Beitr.  S.  33  und  41,  fürs  A.  L.  überhaupt  Richardson  Dum  S.  27, 
wo  die  Bedeutung  von  dudum  und  iam  dudum  aus  Plaut.  Amph. 
691  ff.  schön  dargelegt  ist. 

Ihi,  da,  von  der  Zeit,  in  der  Bedeutung  darauf,  für  tum,  ist 
nicht  nur  A.  L.,  sondern  findet  sich  auch  Kl.  und  bei  Livius  und  ist 
nicht  zu  verwerfen.  Ygl.  Drakenb.  Liv.  7,  23,  4.  Ebenso  in  der 
Bedeutung  hei  der  Gelegenheit,  wo  denn  bisweilen  tum  pleonastisch 
beigesetzt  ist.  Ygl.  Spengel  zu  Ter.  Andr.  106  und  Hellmuth  act. 
Erl.  I  S.  165  und  oben  Hie.  —  N.  Kl.  nur  beim  altern  PHnius 
und  selten  findet  sich  ihi  mit  dem  Genitiv  loci,  für  eo  loco  oder 
bloss  ihi.  —  N.  L.  aber  ist  es  in  Sätzen,  wie:  scho7i  oder  kaum 
ivar  das  geschehen,  da  verliessen  alle  den  Platz,  zu  sagen  —  ihi 
reiiquerunt,  für  cum  locum  —  reliquerunt.  Gem.  L.  jedoch  ist  ihi 
im  Hauptsatze  nach  quom,  uhi,  dum,  vgl.  Rebhng  S.  16  und  unten 
s.  V.  Ita.     Über  ihi  hahes  in  Sätzen,  wie:  da  hast  du,  vgl.  Hie. 

Ichnographia,  Grundriss,  findet  sich  nur  bei  Yitruv  1,  2,  2  und 
werde  als  fremdes  Wort  durch  forma  oder  adumhratio  ersetzt. 

Icon,  das  Bild,  steht  nur  Sp.  L.  bei  Apul.,  zweifelhaft  ist  Plin. 
nat.  8,  215,  für  imago,  simidacrum,  effigies;  ebenso  kommt  icun- 
cida,  ein  Bildchen,  nur  bei  Sueton  Nero  56,  aber  auch  hier  nicht 
unbestritten,  vor,  denn  Madvig  will  dafür  das  auch  Oct.  7  sich  fin- 
dende imaguncula  setzen.  Man  vermeide  sowohl  ico)i  als  icuncula. 
Nirgends  findet   sich  icon  in  der  Bedeutung  Ahhildung  einer  Münze 


Idea  —     672     —  Idem 

oder  sonstiger  Gegenstände;  dafür  figura^  imago  aere  excusa,  in 
lapide  desrj^ipta  u.  dgl. 

Idea^  die  Idee,  eine  gedachte  oder  geistige  Vorstellung,  ein  Be- 
griff von  einer  Sache,  ist  von  Seneca  ep.  58,  18  als  philosophisches 
Wort  gebraucht  worden;  ebenso  steht  es  Sp.  L.  bei  Claud.  Mam. 
112,  7  E  qiias  Plato  ideas  nominat;  Cicero  hat  nur  das  griechische 
Wort  wsa,  z.  B.  Tusc.  1,  58.  In  der  Bedeutung  Begriff  sagt  man 
dafür  oft  7iotio,  doch  kann  es  auch  auf  andere  Weise  ausgedrückt 
werden,  z.  B.  ich  kann  mir  davon  keine  Idee  machen,  eam  rem  non 
possiim  cogitatione  comprehendere ;  die  Idee  von  Göttern,  deorum  opinio 
(Cic.  Tusc.  1,  30);  in  der  Idee  unterscheiden  sich  diese,  cogitatione 
haec  inter  se  differiint  (Cic.  Tusc.  4,  24);  luir  haben  eine  Idee  davon, 
opinamur  (ib.  1,  36);  eine  Idee  fassen,  cogitatione  complecti  (Cic. 
orat.  1).  Auch  ist  Idee  bisweilen  quod  fingimus,  forma  oder  species 
menti  obiecta  (Cic.  divin.  1,  81).  Eine  richtige  Idee  von  etwas  be- 
kommen =  veram  speciem  alicuius  rei  capere,  Liv.  9,  17,  14  vergl. 
mit  9,  18,  8.  —  Für  unser  davon  abgeleitetes  Wort  Ideal  findet 
sich  im  Latein,  kein  einzelner,  immer  anwendbarer  Ausdruck;  die 
Übersetzung  macht  daher  oft  Schwierigkeit.  Es  wird  oft  durch 
sjjecies  optima,  eximia  ausgedrückt  (Cic.  orat.  2  und  9);  ein  Ideal 
der  Tugend  heisst  species  hojiesta  (Cic.  Tusc.  2,  52);  ein  Ideal  der 
Beredsamkeit  aufstellen,  excellentis  eloquentiae  speciem  et  formam 
adumbrare  (orat.  43);  ein  Ideal  einer  gerechten  Herrschaft,  effigies 
iusti  imperii  (Cic.  Q.  fr.  1,  1,  23);  ein  Ideal  des  Besten  angeben, 
formam  optimi  exponere  (orat.  36);  mein  Ideal,  id  quod  volumus  (ib. 
22);  das  Ideal  eines  vollkommenen  Redners,  imago  ijerfecti  oratoris 
(Quintil.  1,  10,  4).  Das  dem  Künstler  vorschivebende  Ideal  von 
Schönheit,  insidens  in  mente  artificis  species  pulchritudinis  eximia 
quaedam  (Cic.  orat.  9).  Nach  andern  wäre  der  Begriff  Ideal  auch 
durch  specimen  (Cic.  Tusc.  1,  32;  5,  55),  exemplar,  exemphtm, 
cogitata  species,  quod  cogitatione  tantum  et  mente  complectimur  u.  a. 
zu  bezeichnen.  —  Ein  Adj.  idecdis,  welches  ganz  Sj).  L.  ist,  fällt 
bloss  der  philosophischen  Sprache  anheim ,  die  es  nicht  wohl 
entbehren  kann;  bisweilen  kann  dafür  auch  optimus ,  perfectus, 
pulcherrimus,  commenticius,  wie  commenticia  illa  Piatonis  civitas 
=  jener  ideale  St.  Piatos,  Cic.  de  or.  1,  230,  u.  a.  gesagt  werden. 

Idem.  Es  ist  ganz  richtig,  dass  viele  übereilt  den  Gebrauch 
von  idem  cum  aliquo  verworfen  haben.  Daraus  folgt  aber  noch 
keineswegs,  dass  man  auch  sagen  dürfe:  Aptollo  idem  est  cum  Phoebo 
=  Apollo  ist  eine  und  dieselbe  Person,  luie  oder  mit  Ph.  Um  die 
Identität  der  Bedeutung  zweier  Wörter  zu  bezeichnen,  kann  man 
idem  qui  anwenden,  Cic.  or.  190  eosdem  esse  oratorios  numeros,  qui 
sint  ijoetici,  noch  Sp.  L.  I.  Capit.  in  v.  M.  et  Balbi  c.  16  Ende: 
ut  mihi  videatur  idem  esse  Pupienus,  qui  Maximus  dicitur  und  c. 
18,  init.:  haec  epistula  probat  Pupienum  eundem  esse,  qui  Maximus 
dicitur,  oder  man  kann  mit  Cicero  sagen:  Dianam  et  Lunam  eandem 
esse  2^utant,  nat.  deor.  2,  68.     Dagegen  ist   idem  cum  ganz   richtig, 


Idioma  —     673     —  Idiota 

wenn  angegeben  werden  soll,  dass  zwei  Subjekte  ein  und  dasselbe 
Prädikat  mit  einander  gemein  liaben.  So  ist  es  bei  Livius  30,  12, 
15:  Numidae  atqiie  in  eadem  mecmn  Africa  geniti  .  .  .  fidem  expe- 
riri  mallem.  Das  gemeinsame  von  meciim  und  Niimidae  ist  das 
Vaterland.  Vgl.  darüber  auch  Cic.  de  orat.  2,  144,  Yerr.  3,  187, 
Liv.  28,  28,  14,  Yal.  Max.  6,  5,  3,  Tac.  ann.  15,  2;  näheres 
hierüber  siehe  bei  Weissenborn  zu  Liv.  30,  12,  15,  namentlich  aber 
bei  Landgraf  zu  Reisig-Haase  Anm.  410,  wo  für  die  Cicerostellen 
Verr.  3,  187  und  de  or.  2,  144  nicht  ein  Vergleich,  sondern  eine 
Gemeinschaft  angenommen  wird.  —  Vorzugsweise  P.  L.  ist  idem 
mit  dem  Dativ y  vgl.  hierüber  Landgraf  Progr.  1899  S.  25.  Zuerst 
hat  die  Konstruktion  Lucrez,  in  Prosa  aber  erst  lustin  2,  4,  11 
und  dieser  scheint  es  allein  zu  gebrauchen:  virgines  in  eundem  ipsis 
morem  exercehant;  nicht  steht  jedoch  idem  mit  Dativ  bei  Sali.  Cat. 
20,  3,  vgl.  Fabri  z.  St.,  und  noch  weniger  bei  Cic.  fam.  9,  6,  3 
erant  enim  nohis  perirati,  quasi  qiiidquam  de  nostra  salute  decre- 
vissemuSy  qiiod  non  idem  Ulis  censuissemiis,  denn  hier  gehört  quod 
und  idem  zusammen,  und  Ulis  ist  Dativus  commodi;  vgl.  Landgraf 
zu  Reisig-Haase  S.  206  Anm.  410,  Haase  Vorlesungen  II  S.  145.  — 
Auch  lassen  wir  luie  folgen,  welches  lateinisch  nicht  ut  heisst,  wenn 
es  sich  auf  ein  vorangegangenes  Pron.  demonstr.  bezieht,  sondern 
qui ;  z.  B.  die  Behandhing  solcher  Wörter  ist  eheyiso  (ebendieselbe), 
tvie  die  der  obigen,  nicht  est  eadem,  ut  superiorum,  sondern  quae 
sup.  (Cic.  top.  48).  —  Die  Verbindung  idem  ipse  ist  für  die  Kl.  Zeit 
und  namentlich  für  Cicero  nicht  anzuerkennen,  alle  Stellen  sind  in 
den  neuen  edd.  darnach  geändert.  In  späterer  Zeit,  so  besonders 
im  afrikanischen  Latein,  das  die  Häufung  der  Pronomina  liebt,  ist 
idem  ipse  nicht  zu  beanstanden.  Ausführlich  habe  ich  hierüber  zu 
Reisig-Haase  Anm.  378  gehandelt.  —  Wann  idem  für  er  auch  stehe, 
s.  unter  Etiam.  —  N.  L.  ist  auch  idem  etiam,  idem  quoque,  wie 
wir  sagen  ebenderselbe  auch;  der  Lateiner  braucht  hier  bloss  idem. 
Falsch  ist  z.  B.  qui  fortis  est,  idem  est  etiam  fidens,  oder  fidens 
quoque,  wo  etiam  und  quoque  wegbleiben  müssen.  Wo  idem  etiam 
neben  einander  steht,  wie  bei  Cic.  off.  2,  87,  bedeutet  etiam  nicht 
aucli,  was  schon  in  idem  steckt,  sondern  ferner;  über  die  Stellung 
dieses  etiam  vgl.  C.  F.  W.  Müller  zu  Cic.  off.  2,  64. 

Idioma  ist  nach  dem  Griech.  wohl  die  Eigenheit,  Eigentümlich- 
heit, z.  B.  einer  Sprache,  aber  nicht  die  Sprache  selbst,  wie  man  es 
im  N.  L.  findet,  z.  B.  idioma  Graecum,  die  griechische  Sprache,  für 
lijigua  Graeca,  sermo  Graecus.  Dem  widerspricht  nicht  Hieron.  in 
Matth.  III  ad  22,  30  Latina  consuetudo  Graeco  idiomati  non  respon- 
det,  denn  hier  ist  idioma  Graecum  ^^Eigentümlichkeit  im  Ausdruck, 
tvie  sie  ein  Grieche  haf"^. 

Idiota  ist  nicht  jeder  Uniuissende  und  Unverständige  überhaupt, 
was  in  rudis,  indoctus,  imperitiis  u.  a.  liegt,  sondern  idiota  ist  nach 
Cicero  nur  der  Ignorant  in  ivissenschaftlichen  Dingen  und  in  Kunst- 
Sachen;    denn    Cicero    setzt   z.  B.    dem   vollkommenen    Weisen,    dem 

Krebs-Schmalz,    Antibarbarus  I.  43 


Idiotismus  —     674     —  Idoneus 

scqyiens,  den  idioia  entgegen,  welchen  die  Lateiner  sonst  stultus  nennen, 
und  so  den  Kunstkennern  den  idiota,  welchen  wir  einen  Laien  zu 
nennen  pflegen;  vgl.  Cic.  Sest.  110,  Yerr.  4,  4,  Pis.  62. 

Idiotismus  bedeutet  nur  Eigenheit  der  gemeinen,  7iied?ige7i  Volks- 
sprache, nicht  die  Eigenheit  oder  Eigentümlichkeit  der  gebildeten 
Schriftsprache;  dafür  setzt  in2in.  j^rroprietas  oder  das  griechische  icZio??ia. 
Falsch  nannte  daher  Fr.  Yiger  sein  bekanntes  Buch  i'iber  die  Eigen- 
heiten der  griech.  Sprache,  de  idiotismis  Graecae  dictionis.  Übrigens 
kommt  idiotismus  nur  bei  Sen.  rhet.  2,  3,  21    u.  7  praef.  5  vor. 

Idololatra  und  idololatres,  wofür  die  Überlieferung,  z.  B.  bei  Cy- 
prian  und  Lucifer  Cal.  zumteil  idolatres,  idolatra,  also  eine  synkopierte 
Form  bietet,  (vgl.  Hartel  in  Wölfflins  Arch.  III  S.  23,  Wölfflin  Ar- 
chiv Y  S.  496,  Miodonski  de  Aleat.  5,  3;  Archiv  YIII,  6  u.  Schepss 
Arch.  III,  327,  Juret  S.  16)  der  Götzendiener,  Heide,  ist  aus  den 
griechischen  Kirchenvätern  in  die  Sprache  der  lateinischen  über- 
gegangen; für  die  neue  Idee  ist  es  nicht  verwerflich  und  sogar 
bezeichnender  als  ethnicus  und  gentilis.  Davon  abgeleitet  ist  ido- 
lolat7na  (nach  TertuU.  auch  idolatria)  der  Götzendienst,  das  Heide}i- 
tum,  was  ebenfalls  die  Kirchenväter  brauchen.  —  Ebenso  kann  das 
Wort  idolum  in  der  Bedeutung  Götzenbild,  neben  signum,  simidacrum 
dei  ficti,  commenticii  gebraucht  werden;  vgl.  Hieron.  adv.  Yigil.  7 
qui  qiiondam  colebamtis  idola,  nunc  deum  colere  non  debemics?  Ygl. 
Gölzer  Hieron.  S.  211.  In  der  Bedeutung  Gespenst  oder  Erschei- 
nung braucht  der  jüngere  Plinius  7,  27,  5  idolum  für  spectrum.  — 
Der  Götzendiener  heisst  bei  Augustin.  de  fide  et  opp.  §  18  und 
enarr.  in  ps.  78,  3  auch  idolorum  cultor  wie  für  Götzendienerin  bei 
demselben  Autor  serm.  123,  3  sich  auch  idolorum  cultrix  findet; 
gut  ist  auch  deorum  falsormn  cidtor,  s.  August,  de  unico  bapt.  §  7  und 
für  idololatria  kann  auch  idolorum  cultus  gesagt  werden,  s.  Augustin. 
de  fide  et  opp.  §  18,  sowie  idolorum  servitus,  vgl.  Eugipp  16,  1  Kn. 
—  Ein  Adv.  idololatre  in  Yerbindung  mit  insanire  nimmt  Rönsch 
Coli.  phil.  S.  182  für  act.  St.  Timothei  12,  56  an. 

Idoneitas  (oder  idonitas,  vgl.  Petschenig  N.  Philol.  Rundsch.  1886 
S.  400),  Geschicklichkeit,  ist  Sp.  L.  für  animi  Imbitus,  indoles,  dexteritas. 

Idoneus  hat  in  der  bessern  Schriftsprache  keine  Komparativ- 
und  Superlativform;  über  Formen  wie  idonior,  idoneor  vgl.  Neue- 
AYagener^  II  S.  206,  Kalb  Roms  Juristen  S.  120,  Leipold  S.  17.  In 
der  Bedeutung  geschickt  beschränkt  es  sich  auf  solche  Leute,  welche 
von  Natur  oder  durch  ihre  Lage  und  Umstände  fähig  sind,  etwas 
zu  tun  oder  zu  empfangen,  bedeutet  aber  nicht  geistig  geschickt, 
gelehrt,  was  intellegens,  doctus,  eruditus,  peritus  u.  dgl.  heisst.  Yon 
gelehrten  und  geschickten  Kimstrichtern  möchte  es  daher  unpassend 
gebraucht  werden,  wo  intelligentes,  periti  oder  docti  am  Platze  ist.  — 
Schift steller,  Stilisten  (Gell.  10,  26,  5)  und  Zeugen  in  einer  Sache 
werden  auctores  oder  testes  idonei  genannt,  wenn  sie  voUgiltige 
Gewährsmänner  sind,  denen  man  glauben  kann,  indem  sie  Tatsachen 
berichten,    welche   sich   entweder   gleichzeitig   oder    kurz    vor   ihnen 


leiuiiare  —     675     —  Igitur 

ereigneten,  so  dass  die  Berichterstatter  gleichsam  als  Augenzeugen 
Glauben  verdienen.  —  Wenn  idoneiis  nicht  (was  selten  der  Fall 
ist)  absolut  gebraucht  wird,  steht  es  entweder  mit  dem  Dativ  wie 
locus  castris  idoneus,  gewöhnlich  aber  mit  ad;  mit  dem  Dativ. 
Gerund,  ist  es  wie  oportunns,  calUdiis^  iyihahilis^  aptiis  erst  N.  Kl. 
u.  Sp.  L.,  s.  Dräger  zu  Tac.  ann.  1,  23  extr.,  mit  dem  Gen.  Gerund. 
Sp.  L.  bei  Tert.,  vgl.  Hoppe  Synt.  Tert.  S.  22.  P.  L.  u.  N.  Kl. 
bei  Sen.  n.  q.  1,  15,  1,  ep.  102,  23,  sowie  Sp.  L.  bei  Tert.  wird 
es  mit  dem  Inftn.  verbunden,  für  qui,  z.  B.  du  hattest  vielleicht 
keinen  Tauglichen  dorthin  zu  senden,  tibi  fortasse  idoneus  fuit  yiemo, 
qui  illuc  legaretur  (mitteretur),  nicht  illuc  legare.  Ganz  singulär  ist 
idoneus  mit  Abi.  bei  rhet.  Her.  3,  5,  (vgl.  Fabri  zu  Sali.  Cat.  51, 
27),  wo  res  dignitate  non  idoneas  =  mit  der  Würde  nicht  vereinbar 
ist;  vgl.  Thielmann  Cornif.  S.  65;  ebenso  mit  Sup.  bei  Sali.  bist.  3, 
35  adnexu  idonea  (fehlt  bei  Sjöstrand).  Selten  ist  das  Adverb 
idonee,  aber  es  steht  auch  bei  Cic,  z.  B.  inv.  1,  20;  vgl.  Thielmann 
Cornif.  S.  55,  öfters  bei  Juristen  (ausser  Papinian),  vgl.  Leipold  S.  17. 

leiunare,  fasteyi,  sich  der  Speise  enthalten,  ist  erst  sehr  Sp.  L. 
für  ciho  (ac  potu)  cd)stine7^e,  aber  Kl.  für  den  Begriff  des  christlichen 
Fastens. 

leiimimn  ist  mehr  ein  bestimmter  Fasttag,  eine  heilige  Fasten- 
zeit, als  gewöhnliches  Fasten,  d.  h.  Nichtessen,  welches  inedia  heisst. 
Daher  die  vorgeschriebeyien  Fasten  halten  =  ieiunium  servare,  Suet. 
Octav.  76. 

lentaculum,  das  Frühstück,  ist  nach  Sueton  Vit.  13  das  erste 
Frühstück  gleich  nach  dem  Aufstehen;  das  ztveite,  spätere  war  pran- 
dium,   worauf  später  die  cena  folgte. 

Igitur,  daher,  ist,  wie  Wölfflin  Archiv  II  S.  618  gelegentlich 
der  Besprechung  meiner  Syntax  bemerkt,  eigentlich  =■  agitur  und 
hat  somit  seine  natürliche  Stelle  am  Anfange  des  Satzes.  Es  nimmt 
daher  im  Kl.  gewöhnlich  im  Satze  die  ztveite  oder  dritte  Stelle,  doch 
auch  die  erste,  nicht  nur  in  Schlussfolgerungen  und  beim  Anfange 
einer  Erklärung  oder  Erzählung,  wo  wir  also,  nun  brauchen,  son- 
dern auch  in  gewöhnlicher  Rede  Verbindung  ein.  Im  letztern  Falle 
hebt  igitur  den  ganzen  Satz  und  nicht  ein  einzelnes  Wort  desselben 
hervor.  Näheres  über  den  ciceronischen  Gebrauch  von  igitur  siehe 
bei  Seyffert-MüUer  z.  Lael.  S.  277,  Madvig  zu  Cic.  fin.  1,  61,  Neue- 
Wagener^  II  S.  975,  Landgraf  zu  Reisig-Haase  S.  294  f.  Über  die 
Stellung  von  igitur  bei  Livius,  der  es  anfangs  sehr  oft  an  erster 
Stelle  gebrauchte,  aber  schliesslich  ganz  zum  Sprachgebrauch  Cic. 
zurückkehrte,  vgl.  Novak  Prag  1894  S.  238;  über  den  Gebrauch 
des  Sallust,  der  es,  abgesehen  von  den  Briefen  und  Reden,  regel- 
mässig an  den  Anfang  setzt,  Fragesätze  ausgenommen,  vgl.  Constans 
S.  243,  Fighiera  S.  254  u.  Kunze  Sali.  III,  1,  S.  54  u.  55;  ob  Sallust 
hierin  Cato  nachgeahmt  hat,  wie  Brünnert  meint,  muss  dahin  gestellt 
bleiben.  Auch  Tac.  hat  igitur,  wie  vorher  Liv.  und  nachher  Curt., 
oft   an   erster  Stelle.     Dass   es    manche   Autoren  ganz   meiden,   hat 


Ignarus  —     676     —  Igneus 

schon  Quint.  1,  5,  39  angedeutet;  die  nähere  Ausführung  hiezu  siehe 
bei  Wölfflin  im  Archiv  III  S.  560;  umgekehrt  wird  es  von  manchen 
sehr  bevorzugt,  so  z.  B.  von  Boethius,  vgl.  Rand  in  N.  Jahrb.  XXYI, 
3  S.  432.  Vgl.  noch  Walde  Lat.  Et.  Wörterb.  s.  v.  —  Während  Skutsch 
Forsch.  I  S.  154  die  Erklärung  von  igitur  als  Enklisisform  von  arjitur 
biUigte,  wurde  von  anderer  Seite  Zweifel  erhoben.  Neuerdings  schlägt 
Brugmann  Indog.  Forsch.  16  S.  495  ff.  vor,  igitnr  mit  griech.  cxzap 
(vgl.  Hesiod  Theog.  691)  in  Zusammenhang  zu  bringen,  mir  wenig 
wahrscheinlich.  Näheres  siehe  bei  K.  Brugmann  1.  1.  —  Falsch  ist 
es  nach  einem  Relativum,  welches  sich  auf  das  Yorhergehende 
bezieht;  hier  muss  es  wegbleiben,  weshalb  denn  auch  qiiod  siigitiir, 
wenn  daher  nimj  falsch  ist  für  qiiodsi  ohne  igihir.  Falsch  gestellt 
ist  intei'ea  dum  igitur,  unterdes  also,  dass  — ,  für  interea  igitur,  dum. 
Auch  sage  man  nicht  igitur  ut,  ,^zu  dem  Zwecke,  dass'''',  was  ganz 
unlat.  ist,  vgl.  Laugen  Beitr.  S.  312;  ebenso  wenig  et  oder  atque 
igitur,  igiturque,  und  daher,  sondern  et  idcirco,  et  iwoinde,  et  ideo, 
ideoque,  auch  nicht  nee  (neque)  igitur,  sondern  nee  ideo,  nee  idcirco, 
wenn  dadurch  die  Schlussfolge  gebildet  werden  soll.  (Anderer  Natur 
ist:  et  vita  igitur  laudahilis  honi  viri  et  honesta  ergo,  Cic.  Tusc.  5, 
47,  s.  darüber  Hand  Tursell.  II,  506.) 

Ignarus  kommt  Kl.  mit  Ausnahme  dreier  Stellen  des  Sallust 
nur  in  aktiver  Bedeutung  vor,  der  nicht  kennt,  etwas  nicht  iveiss, 
mit  etivas  unbekannt  ist,  wo  es  denn  auch  oft  den  Genitiv  bei  sich 
hat.  Die  angegebene  Eigentümlichkeit  des  Sallust  hat  zunächst  nur 
an  Ovid,  dann  nachklass.  an  Tacitus  und  Sj:).  L.  an  Gellius,  sowie 
an  Orosius,  z.  B.  A.  8,  §  5  Z  ignarus  nohis  =  ignotus  nohis,  u. 
Dictys  2,  37  avidus  ignara  cognoscendi,  sowie  an  Greg.  Turon.  Nach- 
ahmer gefunden,  ermangelt  also  der  vollgiltigen  Autorität,  vgl.  Fabri 
zu  Sali.  Jug.  18,  6,  Nipp,  zu  Tac.  ann.  11,  32,  Gorges  Gell.  S.  22, 
Brünnert  Progr.  Erfurt  1883,  S.  12,  Bonnet  Greg.  S.  262. 

Ignaviter,  träge,  schlaff,  ist  unklass.  Form  neben  ignave,  was 
Cicero,  Tusc.  2,  55,  braucht:  jenes  steht  bei  Hirtius  (in  Cic.  Att.  15, 
6,  2)  und  bei  Lucil.  537  Marx;  vgl.  Köhler  act.  Erl.  I  S.  378, 
welcher  noch  mehrere  Stellen,  z.  B.  b.  Afr.  81,  1,  Quadrigarius, 
Gell.,  Apul.,  Ammian,  zitiert  und  ignaviter  mit  Recht  der  Volks- 
sprache zuweist. 

Igneus,  feurig,  und  ignis,  das  Feuer,  werden  ausser  bei  Dichtern 
selten  bildlich  gebraucht;  also  z.  B.  nicht  von  der  Rede  und  dem 
Redner,  wo  ardens,  fervidus,  incitatus,  acer,  vehemens  und  die  Subst. 
ardor,  fervor,  animi  impetus  gebraucht  werden.  Das  jugendliche 
Feuer  heisst  nicht  ignis,  sondern  calor  oder  ardor  iuvenilis;  das 
Feuer  des  Alters,  fervor  aetatis  (Cic.  Cato  45);  Feuer  des  Geistes, 
aestus  ingenii  (Cic.  de  orat.  3,  145);  Feuer,  Brand  des  Krieges,  in- 
cendium  belli  (Cic.  rep.  1,1);  ein  feuriger  Geist,  alacre  ingenium, 
aber  auch  quidam  divinus  ignis  ingenii  et  mentis,  Cic.  fr. ;  feurig 
ermuntern,  ardenter  cohortari.  —  Unser  sprichwörtliches:  einem,  für 
einen   durch   das  Feuer  gehen,    d.  h.  ihm   zulieb  jeder   Gefahr  sich 


Ignitus  —     677     —  Ignorantia 

missetzen,  könnte  man  lat.  wohl  durch  aliciiiiis  cmtsa  ijer  flammam 
(per  ignes)  ciirrere  ausdrücken,  nach  Cic.  Tusc.  2,  62. 

Ignitus^  feurig,  glühend,  ist  tropisch  Sp.  L.  für  igneiis,  ardens, 
fervens  u.  a. ;  bei  Cic.  dorn.  141  ist  es  längst  beseitigt;  vgl.  für  das  Yor- 
kommen  des  Wortes,  das  nach  Servius  auch  Cic.  gebraucht  haben 
soll,  Wölfflin  Arch.  YII,  475,  Appel  Coripp  24. 

Ignivomiis,  f euer  speiend,  kommt  sehr  Sp.  L.  bei  Coripp  YII,  323 
und  dessen  Nachahmer  Yen.  Fort.  3,  9,  3  vor,  für  ignem  vomens, 
auch  wohl  igni  ardens;  vgl.  Appel  Coripp  S.  21  und  30. 

Ignohilis  ist  =  von  niedriger  Abkunft,  nie  aber  =  von  niedriger 
Gesinnung,  was  animus  Jmmilis,  illibercdis,  ahiedus  ist;  ignohiliter 
aber  =  unherüJmit  ist  Sp.  L.  und  muss  durch  das  Adjektiv  aus- 
gedrückt werden. 

Ignominiose,  scliimpflicli,  ist  Sp.  L.,  aber  ignominiosus  klass. 
bei  Cic.  Phil.  3,  34;  igyiominiae  est  hat  Liv.  39,  19,  5  neu  quid  ei 
fraiidi  ignominiaeve  esset,  KL  jedoch  ist  dedecori  est;  vgl.  Nieländer 
I  S.  22;  III  S.20. 

Ignoi^ahilis,  ivas  mcm  Glicht  tuissen  kann,  unbekannt,  kommt 
ausser  einmal  in  Ciceros  Jugendschr.  de  invent.  (2,  99)  zwischen 
vier  andern  Adjektiven,  nur  Ä.  L.  bei  Plautus  (Pseud.  571  L.,  wo  aber 
cod.  A  die  jetzt  angenommene  Lesart  ignobilis  bietet)  und  Sp).  L. 
bei  Apuleius  und  Gellius  vor,  für  ignoratus,  ignotus,  oder  es  wird 
umschrieben. 

Ignoranter,  timvissend,  ist  Sp.  L.  in  Yulg.  und  bei  Eccl.  für 
inscienter,  oder  für  Umschreibungen  durch  die  Adjekt.  imprudens, 
insciens ;  vgl.  Rönsch  Ital.  151,  Coli.  phil.  S.  160,  Thielmann  Archiv 
YIII  S.  519,  Watson  S.  314. 

Ig7iorantia  und  ignoratio.  Ersteres  ist  jetzt  bei  Cicero  überall 
beseitigt,  ausser  acad.  1,  42  errorem  auteni  et  temer itatem  et  igno- 
rantiam  et  opinatioyiem  et  siispicionem ;  Cluent.  109,  wo  es  C.  F.  W. 
Müller  wiederhergestellt  hat,  liest  Clark  ignoratio;  nur  einmal  hat  es 
Caes.  civ.  3,  68,  2  ignorantia  loci.  Das  im  Kl.  Latein  übliche  ignoratio 
deckt  sich  nicht  mit  igyiorantia;  das  letztere  ist  nur  aktiv,  enthält  einen 
Tadel  und  bezeichnet  eine  habituelle  Eigenschaft,  während  ignoratio 
auch  passiv  sein  kann,  sich  auf  den  einzelnen  Fall  bezieht  und  nicht 
zu  tadeln  braucht.  Da  jedoch  Cicero,  wie  es  scheint,  ignoyxmtia  absicht- 
lich meidet,  so  greift  bei  ihm  auch  ignoratio  in  das  Gebiet  von  igno- 
rantia über.  Umgekehrt  scheint  im  N.  Kl.  und  Sp.  L.,  wo  ignorantia 
offenbar  über  ignoratio  überwiegt  (nur  bei  Lact,  finden  sich  beide  gleich- 
massig,  Priscillian  hat  nur  ignorayitia,  aber  Claud.  Mam.  nur  ignoratio, 
welches  auch  der  Jurist  Papinian  bevorzugt,  vgl.  Kalb  im  Arch.  YII, 
614),  ignorantia  auch  für  ignoratio  einzutreten.  Man  vergleiche  zur 
nähern  Erläuterung  des  Sprachgebrauchs  folgendes :  Der  Mangel 
an  Lokalkenntnis  heisst  bei  Cicero  ignoratio  locorum,  rep.  1,  29, 
während  dasselbe  von  Caes.  civ.  3,  68,  2  und  Suet.  Galba  20  durch 
ignorantia  locorum  ausgedrückt  ist.  So  heisst  es  auch  bei  Curt.  3, 
12,  17    von  Sisygambis,   sie  sei  Alexander  dem  Grossen  zu  Füssen 


Ignorare  —     678     —  Ignoscere 

gefallen,  ignorationem  nunqiiam  antea  visi  regis  excusans,  während 
es  von  einem  unter  Kaiser  Caligula  zwar  bekannt  gemachten,  aber 
nicht  öffentlich  angeschlagenen  fiskalischen  Gesetze  heisst:  cum  igno- 
rantia  scriptiirae  miäta  comrnissa  fierent,  tandem  iwoi^osuit  quidem 
legem,  sed  etc.,  s.  Suet.  Calig.  41.  Ganz  so  verhält  es  sich  mit  ig7io- 
rantiae  ledorum  mederi,  ignorantia  mutiia  fallere  bei  Nep.  Pelop.  1 
und  Tac.  bist.  1,  75,  wogegen  es  bei  Cicero  heisst:  paratus  veneram  .  . 
itt  ignoratione  hm  ad  homviis  miseri  salutem  ahuterer,  Lig.  1. 
Ausserdem  wird  ignorantia  bei  Cicero  durch  ignoratio  ersetzt  in 
folgenden  Stellen:  in  summo  errore  atqite  in  maximariim  rerum  igno- 
ratione versari,  nat.  deor.  1,  2;  vulgi  opinioyies  in  maxima  inconstantia, 
veritatis  ignoratione  versantiir,  ib.  1,  43;  ignoratio  dialecticae,  fin.  3, 
41.  Bei  Nep.  Ages.  8,  5  hingegen  soll  die  igyiorantia  honarnm  rerum 
=  die  TJnhekanntschaft  mit  den  feinem  Genüssen  der  Tafel,  als 
eine  im  Sinne  der  Ägypter  tadelnswerte  Eigenschaft,  als  Mangel  an 
Bildung  dargestellt  iverden ;  ebenso  bei  Quintilian :  hoc  est  maximum 
ignorantiae  malum,  quod  .  .  12,  3,  3  und  sonst  öfter;  ferner  auch 
bei  Plin.  min.:  vereor,  ne  in  alterutram  partem  ignorantia  lapsus 
aut  illicita  confirmem  aut  necessaria  impediam,  epp.  10,  45  und  10, 
97,  1.  Ygl.  auch  Plin.  epp.  10,  6,  2.  Ygl.  Seyffert-MüUer  z.  Lael. 
S.  440  und  folgendes  Wort  am  Schluss. 

Ignorare,  nicht  Luissen,  nicht  kennen.  In  der  Bedeutung  un- 
lüissend  sein  ohne  irgend  ein  Objekt  ist  es  selten;  aber  sogar  Cicero 
sagt  Mil.  32  an  vero  vos  soli  ignoratis;  Seneca  gebraucht  das 
Partiz.  igno7xms  absolut,  und  bei  Lact.  inst.  2,  5,  16  steht  ignorantes 
im  Gegensatze  zu  scientes  als  Substantiv.  —  Wiewohl  haiul  igyiorcü^e, 
lüissen,  sehr  gewöhnlich  ist,  so  kann  es  doch  in  der  fragenden  Redens- 
art: iver  iveiss  dieses  f  nicht  gebraucht  werden,  sondern  dafür  steht 
das  gewöhnliche  ([uis  hoc  seit?  —  Aliciuem  ignorare  heisst  zunächst  und 
hauptsächlich  den  Charakter  jemandes  nicht  kennen,  selten  bedeutet 
es  jemanden  von  Person  nicht  kennen;  näheres  siehe  bei  Nipp.-Lupus 
zu  Nep.  3,1,  4.  —  Unser  modernes  ignorieren  ist  lat.  meist  dissimidare: 
ut  adventus  eins  .  .  dissimidari  ah  Romanis  potuerit,  Liv.  33,  39,  7 
und  42,  16,  9,  Tac.  bist.  2,  71,  vgl.  Heraus  z.  St.  Aber  auch  igno- 
rare geht  an:  quorum  ego  nee  henevoleyitiam  erga  me  ignorare,  nee 
auctoritatem  aspernari  debebam,  Cic.  S.  Rose.  4  und  dazu  Landgraf. 
Übrigens  nimmt  auch  ignorantia  diese  Bedeutung  an,  vgl.  Dräger  zu 
Tac.  Agr.  1. 

Ignoscere,  verzeihen.  Die  Form  des  Part.  Perf.  Pass.  ignotus 
hat  man  wegen  der  Verwechslung  mit  ignotus  unbekannt  gemieden, 
doch  sagt  selbst  Cic.  inv.  2,  100  quibus  non  sit  ignotum,  vgl.  Wölff- 
lin  zu  b.  Afr.  31,  4.  Die  gewöhnliche  Form  des  Part.  Fut.  Act.  ist 
ignoturus,  während  ignosciturus  nur  Ä.  L.  von  Piso  und  Sj).  L.  von 
Ambros.  gebraucht  worden  ist,  vgl.  Neue-Wagener^  III  S.  587.  —  Ig- 
noscere mit  dem  Dativ  der  Person,  welcher  etwas,  und  dem  Accus, 
der  Sache,  welche  vergeben  wird,  verbunden,  ist  vorzugsweise  Sprache 
der  alten  Latinität,   wie  eis  delicta  ignoscas,    Plaut.  Bacch.  1186;    in 


Ignoscibilis  —     679     —  Ilicus 

der  spätem  Prosa  ist  es  sehr  selten,  wie  im  b,  Afr.  31,  4.  Bei  Cicero 
findet  sich  dies  nur  bei  den  Neutra  von  Pron.  und  Adj.:  sed  hoc 
ignoscant  dl  immortales  velim  et  popido  Romano  .  .  et  Imic  ordini, 
Cic.  Phil.  1,  13  und  ahs  te  iieto,  ut  mihi  hoc  igyioscas,  Attic.  1,  1, 
4;  omma  sihi  igyioscere  bei  Vell.  2,  30,  3  =  sich  alles  eiiauhen. 
Sonst  wird  gewöhnlich  der  Dativ  der  Person  oder  Sache  gesetzt : 
inscitiae  meae  et  stidtitiae  ignoscas,  Plaut.  Mil.  543;  velim  ignoscas 
hiiic  festinationi  meae,  Cic.  fam.  5,  12,  1,  oder  mihi  ignoscite,  velim 
mihi  ignoscas,  quod,  si  z.  B.:  mihi  ignoscite,  si  appello  talem  virum 
saepiiis  und  velim  mihi  ignoscas,  quod  ad  te  scribo  tarn  multa  totiens, 
Cic.  agr.  2,  49,  Attic.  7,  12,  3.  Verworfen  wird  mit  Recht  ignoscere 
licentiae  oder  audaciae  mit  folgendem  qaod,  einem  die  Freiheit,  die 
Kühnheit  verzeihen,  dass  — ,  iüv  ignoscere,  quod  hoc  mild  sumo. 
Vgl.  Cic.  fam.  7,  5,  1;  13,  50,  1.  —  Über  die  Herleitung  des  Wortes, 
die  ganz  abnorm  sei,  da  negatives  in  nicht  zur  Bildung  von  verba 
composita  verwendet  werde,  vgl.  Bergk  Philol.  28  S.  466  und  Jahrb. 
1873  S.  43;  darnach  ist  ignoscens  die  wohl  zunächst  gebildete  Form, 
die  dann  weiter  auf  ignosce  und  ignosco  führte.  Vgl.  Landgraf  zu 
Cic.  S.  Rose.  S.  136  f.  Dafür  spricht  auch,  dass  ignoscere  im  Sp.  L. 
=  nescire  ist,  so  z.  B.  bei  Anthimus  25,  und  in  Glossen  für  non 
noscere  steht,  Löwe  Prodr.  S.  409,  Rönsch  Coli.  phil.  S.  138  u.  294. 
Langen  Beitr.  183  erklärt  es  als  ^^vergebliches  Bemühen''''  ignoscere 
anders  erklären  zu  wollen  als  ,^einem  zulieb  etivas  nicht  kennen  lernen, 
ignorieren,  keine  Notiz  nehmen''^.  Dem  entgegen  wird  ignoscere  = 
ein  Einsehen  tun,  haben,  ähnlich  dem  griech.  auyjtyvöja'Aztv  erklärt; 
vgl.  Bücheier  Jahns  Jahrb.  105,  119;  Prantl  über  die  Sprachmittel 
der  Negation  und  Wölfflin  im  Archiv  I  S.  385,  der  auf  Heyses 
Wort  ^^alles  verstehn  heisst  alles  verzeihn^''  verweist,  Stolz  Hist. 
Gramm.  I  S.  395,  Walde  s.  v. 

Ignoscibilis,  verzeihlich,  ist  A.  L.  änaq  elp.^  vgl.  Gell.  13,  21,  1, 
für  venia  digyius  oder  cui  ignoscatur. 

Ignotus,  unheTcamit,  deyi  man  nicht  kennt  (passiv),  kommt  nur 
selten  Kl.  in  aktiver  Bedeutung  vor,  der  nicht  kennt,  für  ignarus. 
So  bei  Cicero  (fam.  5,  12,  7):  illi  simulacra  ignotis  nota  faciebant, 
Nep.  Ages.  8,  1,  Cic.  Verr.  1,  19;  5,  75,  rhei.  Her.  3,  12;  4,  63; 
vgl.  Thielmann  Cornif.  S.  31,  Lupus  S.  215;  N.  Kl.  und  8p.  L. 
kommt  es  öfters  so  vor,  vgl.  Tielmann  Arch.  VHI  S.  249,  Bonnet 
Greg.  S.  262.  —  Es  hat  sonst  den  Dativ  bei  sich,  z.  B.  mihi,  tibi, 
aber  man  sage  nicht  vulgo,  dem  Volke,  sondern  in  vulgus.  Auch  merke 
man:  unbekannt  von  Gesicht  heisst  de  facie,  selten  facie,  wie  nosse 
aliquem  de  facie  und  facie.     Vgl.  Facies. 

Ilicus,  ilisch,  ist  falsche  Form  für  Iliacus  oder  Ilius,  wiewohl 
beide,  abgesehen  von  tempora  Iliaca  bei  Vell.,  nur  bei  Dichtern  für 
Troianus  vorkommen;  Ilium  ist  prosaisch  Kl.  nur  bei  Cic.  diviu. 
1,  24,  N.  Kl.  bei  Petr.  50,  5  und  Sp.  L.  bei  Ammian  22,  8,  3, 
Ilienses  dagegen  öfter  (bei  Vitruv,  Plin.  mai.,  Sueton  und  Livius). 
Von  einem  Jüngern  Ilium  ist  die  Rede  bei  Liv.  35,  43,  3  u.  37,  9,  7. 


Illaborare  —     680     —  lUicitus 

lllahorare,  arbeiten,  kommt  nur  bei  Tacitus  (Germ.  46)  mit 
blossem  Ablativ  verbunden  vor :  illaborare  domibiis.  lllaboratus  da- 
gegen =  unbearbeitet  findet  sich  einigemal  bei  Quintilian  und  einmal 
bei  Seneca:  terra  illahorata,  epp.  90,  40,  ferner  Sp.  L.  bei  Paneg., 
vgl.  Chruzander  S.  30. 

Illacrimare  und  illacrimari,  lueiyien,  wird,  wenn  es  nicht  absolut 
steht  (Plin.  epp.  3,  7,  13),  Sp.  L.  mit  dem  Accus,  (s.  lust.  11,  12,  6), 
gewöhnlich  aber  mit  dem  Dativ  verbunden,  vgl.  Cic.  nat.  deor.  3,  82. 
Beide  Formen  sind  gut,  die  aktive  gebraucht  Nepos  und  Livius, 
Sueton,  Tacitus,  Curtius,  Orosius  u.  a.,  die  mediale  Cicero. 

Illaesibilis,  imverletzlich,  ist  Sp.  L.  und  werde  vermieden  durch 
inviolatiis,  qiii  laedi,  violari  non  potest. 

Illaetahilis ,  uyierfreulicli,  ist  nur  P.  und  Sp.  L.  bei  Ammian 
für  non  laetabilis,  tristis,  iniucimdus. 

lllatinus,  nicht  lateinisch,  unlateinisch,  kommt  im  N.  L.  vor,  ist 
aber  ohne  Autorität  für  non  latiniis. 

Ulaiidabilis,  nicht  lobenstcert,  ist  P.  und  Sp.  L.  für  laude  in- 
dignus  oder  7ion  dignus,  non  laudabilis.  Illaiulatns,  ungelobt,  ruhm- 
los, ist  sehr  selten  und  poet.,  in  Prosa  nur  einmal  bei  dem  Jüngern 
Plinius,  s.  epp.  9,  26,  4,  und  spätlat.  bei  Gell.  2,  6,  3,  wo  über  illau- 
datus  und  seine  Bedeutung  ausführlich  gesprochen  wird,  und  Sym- 
machus,  vgl.  Schulze  Symm.  S.  114,  ferner  Weyman  Litotes  S.  474 
u.  494. 

Illectamentum,  die  Anlockung,  Anreizung,  ist  aS^;.  L.  für  illecebra, 
incitamentimi ;  es  steht  nur  Apul.  apol.  98. 

lllectus,  ungelesen,  findet  sich  nur  bei  Ovid  und  Apulejus  für 
non  lectus.  In  der  Bedeutung  nicht  zusammengelesen  kommt  es  vor 
bei  Gaj.  in  dig.  50,  16,  30. 

Illegitimus,  ungesetzmässig,  für  Jion  legitimus  und  illegitime  steht 
nur  bei  Juristen  und  ist  sonst  ohne  Autorität,  da  in  der  einzigen 
Stelle  des  Yal.  Max.  jetzt  dafür  legitimus  gelesen  wird.  Bei  filius 
brauclit  man  notlius,  incerto  patre  yiatus.     Ygl.  Spurius. 

Illemet,  jener  selbst,  für  ille  ipse,  ist  nunmehr  gänzlich  auf- 
gegeben. Nach  Halms  krit.  Note  zu  Cic.  leg.  1,  8  scheint  nach 
illum  ein  Adjektiv  ausgefallen  zu  sein.  Yahlen  hat  daher  in  Be- 
rücksichtigung des  sonstigen  Sprachgebrauches  von  Cicero  divinum 
eingeschoben,  während  bei  Klotz  und  Baiter-Kaiser  incurrit  etiam 
in  illum  memorabilem  annum  suitm  und  bei  C.  F.  W.  Müller  in 
illum  .  .  .  et  memorabilem  annum  suum  gelesen  wird.  Der  Gram- 
matiker Diomedes  führt  allerdings  auch  illomet  und  illemet  ipse  an, 
allein  Belege  fehlen. 

IllicUus,  unerlaubt,  beruhte  früher  auf  der  Stelle  Cic.  Cluent. 
130:  midtitudinem  illicitum  est,  woher  es  auch  bei  den  Ciceronianern 
vorkommt;  aber  dort  steht  jetzt  nach  den  Turiner  Palimpsesten  multitu- 
dini;  nemini  licitum  est;  vgl.  auch  Clark  z.  St.  Es  ist  also  für  N.  Kl.  zu 
halten,  kommt  aber  beim  Jüngern  Plinius,  Tacitus  und  Seneca  (epp.  108, 
14,  Herc.  für.  599  und  Herc.  Oet.  360),  Lact.  6,  23,  5,   epit.  61,  2, 


Ilico  —     681     —  Illustrare 

Sulp.  Sev.  chron.  1,  6,  4  und  1,  47,  4,  Apul.  mef.  4,  30;  6,  7;  8, 
29  und  sonst;  Macr.  sat.  3,  11  init.,  Ael.  Lampr.  v.  Alex.  Sev.  c.  24, 
Paneg,  6,  156,  24  vor,  für  7io7i  oder  minirne  licitns,  non  concessus, 
nefas  oder  (mit  Quintilian)  inconcessus.  Noch  später  ist  das  Adv. 
illicite,  vgl.  Gölzer  Hieron.  S.  194,  Watson  S.  313. 

Ilico  ist,  wie  Langen  Beitr.  157  schön  entwickelt,  ursprünglich 
lokal  =  in  loco,  aber  die  lokale  Bedeutung  ist  selten,  viel  häufiger 
die  temporale.  Wie  simul  atque  und  simul  tit  wird  auch  ilico  atcpte 
und  ilico  itt,  gleich  sobald  als,  gebraucht,  aber  nur  Sp.  L.,  z.  B. 
bei  Orosius  6,  16,  1,  Lucifer  155,  2,  und  ilico  ubi  A.  L.,  worauf 
im  Hauptsatze  noch  ilico  folgen  kann.  Gut  ist  noyi  ilico  für  unser 
niclit  gleich  bei  darum  und  desivegen  oder  nicht  den  Aiigeiihlick; 
ebenso  non  continuo.  Wie  ilico  von  ilicet  abgelöst  worden,  zeigt 
Hey  Archiv  XHI  S.  210. 

Illimitatus,  imeingeschränkt,  ist  Sp.  L.  und  sehr  selten  für  in- 
finitus,  intra  millos  fines  u.  a. 

Illisio,  das  Ansiossen,  Anschlagen,  ist  Sp.  L.  für  agitatio,  im- 
pulsus,  piilsatio. 

Illitteratus  bedeutet  nicht  den  Eohen  und  Ungebildeten  über- 
haupt, sondern  nur  denjenigen,  welcher  entweder  der  elementaren 
oder  höhern  gelehrten  Bildung  ermangelt,  s.  Sen.  de  benef.  5,  13,  3; 
bei  Colum.  1,  8,  4  ist  der  viliciis  illitteratus  ein  solcher,  der  nicht 
einmal  lesen  und  schreiben  kann. 

Illucet,  es  ist  Tag,  ist  N.  L.  für  hicet,  dies  oder  sol  illuxit. 
Übrigens  hat  Cicero  illucescit  und  illuxit  nicht  für  sich  allein,  sondern 
verbunden  mit  dies  und  sol  gebraucht,  aber  liicet  und  liixit  sind  bei 
ihm  nur  impersoncd  angewendet,  ebenso  bei  Caesar,  s.  civ.  1,  23,  1, 
und  so  auch  liiciscere:  cum  Incisceret,  Cic.  fam.  15,  4,  8;  Att.  4, 
17,  4;  wogegen  schon  Livius  illitcescere  impersonal  brauchte. 

Illudere  wird  Kl.  konstruiert  mit  in  und  dem  Acc.  oder  dem 
Acc.  der  Person,  mit  dem  Acc.  einer  Sache  oder  mit  dem  Dativ 
der  Eigenschaft  einer  Person,  die  Stellen  siehe  bei  Schüssler  H  S.  17. 
Im  N.  Kl.  überwiegt  der  Dativ,  z.  B.  Tac.  ann.  15,  72  und  16,  1, 
für  Curtius  vgl.  Kräh  S.  12. 

Illuminare,  was  nur  erleuchten,  hell  machen  und  bildlich  ver- 
schönern heisst,  ist  in  der  Bedeutung  illuminieren  von  einer  Zeichnung, 
einer  tahula,  N.  L. ;  aber  illuminare  pictiiram,  tahidam  pictam  ist 
durch  den  Pleonasmus  wunderlich,  für  tahidam  oder  imaginem  pin- 
ge7^e,  tahidae  vivos  colores  inducere,  tahulam,  imaginem  —  colorihus 
distinguere. 

Illustrare  in  Verbindung  mit  comme?itariis,  z.  B.  orationes  Cice- 
ronis  —  wurde  mit  Recht  verworfen ;  denn  illustrare  ist  nicht  das- 
selbe, was  unser  erhlären,  sondern  =  bekannt,  zugänglich  machen, 
verschönern ;  vgl.  Cic.  de  or.  1,  177  patefacere  et  illustrare  ohscura, 
orat.  92  translata  ve^'ha  quasi  steUae  illustrant  orationem.  E7'klären 
ist  explanare,  z.  B.  Cic.  Brut.  152  explanare  rem  obscuram  inter- 
pretando. 


Illyria  —     682     —  Imbecillis 

Illyria  und  Illyris,  das  Land  lUyrien.  ist  poetisch  (nur  Mela 
hat  letzteres  in  Prosa),  Illyricum  aber  ist  der  in  klass.  und  nach- 
klass.  Prosa  stehende  Ausdruck,  dagegen  heisst  der  lllyrier  lllyrius, 
nicht  lllyricus,  das  Adj.  Illyrisch  aber  teils  Illyrkus,  teils  (jedoch 
nur  Cat.  orig.  5,  8,  S.  25  J.)  lllyrius.  Bei  Liv.  45,  43,  5  wird  für 
Illyrii  aryenti  jetzt  allgemein  Illyrici  arg.  gelesen. 

Imaginari  (aktive  Formen  hat  nur  das  S}).  L.  vereinzelt,  Neue- 
Wagener^  III  S.  48)  sicJi  etwas  einhüden,  im  Geiste,  in  der  Seele 
vorstellen,  kommt  erst  N.  Kl.  und  zwar,  wie  es  scheint,  zuerst  bei 
Sen.  ep.  102,  28,  vgl.  Hoppe  Progr.  1877  S.  13,  dann  bei  Plin.  mai.  und 
min.  (ep.  5,  5,  5),  vgl.  Lagergren  S.  120,  bei  Tac.  und  bei  Quintilian 
(9,  2,  41  und  12,  1,  21)  vor  für  animo  fingere  (Cic.  Milo  79),  imaginein 
cogitatione  fingere  (ib.),  cogitatione  deimigere  (Cic.  nat.  deor.  1,  39),  auch 
bloss  sihi  jjersuadere,  conicere,  cogitare  u.  a. ;  auch  wohl  somniare, 
wiewohl  imago  schon  bei  Cicero  ein  der  Seele  vorschwebendes  Bild 
ist.  Ebenso  N.  Kl.  beim  altern  Plinius  und  Tacitus  ist  imaginatio, 
die  Einbildung ,  Phantasie,  für  cogitatio  u.  a.  Vgl.  Phantasia  und 
Nägelsb. -Müller^  S.  56.  —  Ein  Bild  der  Einbildung  skr  aß  ist  forma 
oder  species  menti  ohiecta  (Cic.  divin.  1,  81).  Übrigens  sind  inuigi- 
natio  und  vis  imaginandi,  die  Einbildungskraft,  in  einem  philosophi- 
schen Lehrbuche  erträglich,  und  oft  verlangt  sie  die  Kürze  und 
Deutlichkeit.  Vgl.  jedoch  Quintil.  8,  3,  64.  —  Imaginari  aber  in 
der  Bedeutung  sich  etwas  einbilden  mit  dem  Begriffe  stolz  tun,  sich 
anmassen,  ist  B.  L.  für  trihuere  sibi  aliqtiid,  multum  sihi  arrogare, 
snmere,  adscribere,  und  als  Subst.  vana  sui  ojmiio  oder  existimatio, 
stulta  arrogantia  u.  a.  —  Das  Adjekt.  imaginarius,  eingebildet,  für 
simulatus,  fictus  ist  keineswegs  B.  L.,  sondern  hat  genügende  Autori- 
täten. S.  Liv.  3,  41,  1,  Sen.  epp.  20,  13  und  58,  27  und  de  const. 
3,  3,  Suet.  Claud.  25,  Flor.  2,  14,  4  und  4,  10,  2,  Hieron.  ep.  124, 
2,  Amm.  14,  9,  3;  vgl.  noch  das  schöne  Wortspiel  mit  dem  umbrati- 
ciis  et  imaginarius  lyraeceptor  bei  Lact.  1,  527,  10. 

Imago,  das  Bild.  Man  merke  nur:  Jemanden  im  Bilde  sehen, 
heisst  nicht  aliquem  in  imagine  videre,  sondern  alicuius  imaginem 
videre,  und  so  ähnliche  Redensarten,  z.  B.  das  Ebenbild  von  jemand 
(an  Geist  und  Körper)  imago  oder  imago  et  effigies  alicuius;  imago 
animi  vultiis  est  =  das  Gesicht  ist  der  Spiegel  der  Seele,  Cic.  de  or.  3, 
221;  ferner  vocis  imago  =  das  Echo  ist  nicht  nur  poet.,  sondern  steht 
auch  bei  Cicero,  Tusc.  3,  3,  vgl.  Meissner  z.  St.;  ebenso  imagine pacis 
etc.  aliquem  decipere  =  mit  dem  Phantom  des  Fr.  täuschen,  Tac. 
ann.  1,  10.  —  Sp.  L.  z.  B.  bei  Claud.  Mam.  21,  9  E.  ist  imagines  auch 
=  Ideen,  nämlich  imagines  corporearum  rerum,  ferner  =  somni 
Lact.  2,  58,  22. 

Imbecillis,  e  und  imbecillus,  a,  um.  Nur  die  letztere  Form  ist 
KL;  Cicero  hat,  abgesehen  von  einem  Fragmente  (Hortons,  fr.  72, 
ed.  C.  F.  W.  Müller)  immer  imbecillus  geschrieben,  vgl.  Seyffert-Müller 
z.  Lael.  S.  158,  ebenso  Sali.,  vgl.  Fabri  zu  Sali.  Jug.  1,  1.  Bei 
Caesar  kommt  weder  die  eine,   noch   die  andere  Form  des  Positivs 


Imberbis  —     683     —  Imitamen 

vor,  der  Komparativ  findet  sich  im  b.  Afr.  94,  1.  Der  Sprach- 
gebrauch des  Tacitus  richtet  sich  nach  dem  des  Sallust,  das  gleiche 
gilt  für  Yell. ;  aber  im  S^).  L.  scheint  hnhecillis  zu  überwiegen,  wenn 
auch  vereinzelt,  z.  B.  Claud.  Mam.  156,  2  E.  imhecilla  mens,  ebenso 
bei  Firm.  Mat.,  vgl.  Dressel  S.  5,  die  Form  auf  us  vorkommt.  Wie 
der  Positiv  doppelte  Formen  hat,  so  nahm  man  auch  den  Superlativ 
imbecillmms  neben  inibecillissinius  an.  Cicero  und  Caesar  kennen 
überhaupt  keinen  Superlativ  von  imhecillus  und  in  den  Stellen  bei 
Seneca,  wo  man  bisher  imheciUimiis  lesen  wollte,  ist  diese  Form  be- 
seitigt. Dagegen  treffen  wir  imhecillissimiis  bei  Celsus  und  Sen. 
phil.  Somit  heisst  der  Superlativ  nur  imhecillissimus.  Mehr  darüber 
siehe  bei  Reisig-Haase-Hagen  S.  225,  Madvig  zu  Cic.  fin.  5,  71,  Neue- 
Wagener»  II  S.  164  n.  200. 

Iniberhis,  e  und  imhefhis,  a,  um,  unhärtig,  waren  bei  den  Alten 
gleich  übliche  Formen,  von  denen  aber  die  erste  vielleicht  noch  ge- 
bräuchlicher war;  wenigstens  wird  sie  bei  Cic.  Cat,  2,  22  und  nat. 
deor.  1,  83,  sowie  3,  83  sicher  geboten,  während  imberhus  nur  dorn. 
37  und  agr.  1  fr.  1  ed.  C.  F.  W.  Müller  feststeht.  Vgl.  auch  Neue- 
Wagener^  II  S.  152,  Hoppe  1875  S.  1;  Rück  Progr.  München  1881 
S.  22. 

Imhuere  ist  eigentlich  =  benetzen,  tränken,  z.  B.  gladium  san- 
giiine  imbiiere.  Tropisch  wird  es  in  verschiedenen  Modifikationen 
seiner  Grundbedeutung  genommen  und  allergewöhnlichst  verbunden 
imbuere  aliquem,  aliquid  aliqua  re,  und  zwar  sowohl  in  bonam,  als 
in  malam  partem.  Vgl.  über  letzteres:  ita  variis  erroribus  imbuimur, 
ut  .  .  Cic.  Tusc.  8,  2  und  sonst.  Doch  kann  der  Ablativ  der  Sache, 
von  ivelcher  jemand  erfüllt,  ergriffen  luird,  auch  als  das  ergreifende 
Moment,  also  cds  Subjekt  betrachtet  und  in  den  Nominativ  gesetzt 
iverden :  qiiod  mala  geyis  tarn  fera  sit,  cuius  meutern  non  imbuerit 
deorum  opinio,  Cic.  Tusc.  1,  30.  Was  die  Yerbindung  mit  ad  aliquid 
imbut.  esse  betrifft,  so  kommt  sie  bei  Cicero  allerdings  vor,  aber  nicht 
selbständig,  vgl.  Mil.  10  und  animos  ad  sapientiam  concipiendam 
imbui  et  praepaixiri  decet  (Hertens.  23  M.) ;  vgl.  Greorges  Jahres- 
ber.  28,  S.  266  gegen  Schüssler  II  S.  10.  Dieselbe  findet  sich  erst 
einmal  bei  Tacitus  (welcher  sonst  der  gewöhnlichen  Konstruktion 
von  imbuere  folgt) :  stibsidium  adversus  rebelles  et  imbuendis  sociis 
ad  offlcia  legmn,  ann.  12,  32  u.  ^S^.  L.  bei  Apul.,  vgl.  Georges  1.  1., 
sowie  Paneg.  3,  107,  20  etiamsi  vos  idem  parens  eademque  mater 
ad  istam  Concor diam  naturae  legibus  imbidssent,  vgl.  Chruzander  S.  30. 
Aber  imbuere  alicui  aliquid,  Petr.  sat.  4,  hat  bei  Bücheier  der  Les- 
art eloquentiam  pueris  induunt  adhuc  nascentibus  weichen  müssen. 
Schliesslich  gilt  die  Redensart  ingenium  oder  meyitem  imbuere,  den 
Geist  bilden,  für  N.  L.  für  in  erudiendis,  excolendis  ingeniis.  Falsch 
ist  auch  nach  Hand  (Lehrb.  S.  249)  imbuere  voluntatem  in  der  Be- 
deutung den  Wunsch,   den  Willen  einflössen,   für   iyiicere  voluntatem. 

Imitamen,  die  Nacliahmung,  kommt  P.  L.  und  imitamentum 
N.  Kl.  bei  Sen.  rhet.,  Tacitus  und  Spätem  vor,  für  imitatio. 


Imitandus  —     684     —  Immergere 

Imitcmdiis  ist  in  der  Bedeutung  nachalun'bar,  was  nachgeahmt 
werden  kann,  zweifelhaft  für  imitahilis,  quem  (qiiod)  imitari  possumus ; 
es  bedeutet  der  nachr/eahmt  icerden  mnss,  der  de)-  Nachahmung 
würdig  ist.  So  unterscheidet  beide  Wörter  Plinius  (ep.  7,  20,  4): 
tu  (Tacitus)  mihi  maxime  imitahüis,  maxime  imitandus  videbaris. 

Imitari,  nachahmen.  Imitari  vestigia  alicuins  =  in  die  Fuss- 
tai^fen  von  jemayiden  treten,  hat  keine  antike  Autorität  für  premere, 
jjersequi  vestigia.  —  Das  Partizip  imitatus  ist  von  den  Alten  un- 
bestreitbar passiv  gebraucht  worden.  Abgesehen  von  Avian.  fab.  5, 
17  und  Ov.  metam.  9,  481  steht  es  nachklass.  bei  Quintil.  11,  3,  61, 
ja  selbst  bei  Cic.  Tim.  8  imitata  et  efflcta  simidacra.  Yielleicht  ist 
sogar  imitare  bei  Ser.  Sulpicius  Rufus  in  Cic.  fam.  4,  5,  5  noli  ohU- 
visci  necßie  imitare  als  Infinitiv  aufzufassen,  vgl.  Z.  f.  G.  W.  1881, 
S.  126,  Neue-Wagener»  III  S.  49. 

Immaculatiis,  unhefleckt,  kommt  P.  L.  nur  einmal  bei  Lucan., 
in  N.  Kl.  und  auch  in  Sp.  L.  Prosa  vor  bei  Amm.  Marc,  Lact., 
der  Yulgata  und  Sulp.  Sev.  chron.  1,  15,  sowie  Oros.  1,  3,  1,  Hieron. 
für  integer,  incorruptus,  inviolatus;  das  Yerbum  immaculare  ist  üb- 
rigens ganz  Sp.  L.  und  bedeutet  beflecken. 

Immanere,  hei  etwas  hleiben,  verharren,  ist  ganz  Sp.  L.  für 
mauere  in  aliqua  re,  perseverare,  permanere. 

Immarcescihilis,  unverivelklich,  ist  sehr  Sp.  L.  für  non  marces- 
cens;  vgl.  Rönsch  Ital.  S.  110,  Gölzer  Hieron.  S.  136;  noch  weniger 
ist  es  in  der  Form  imma^rihilis  zu  empfehlen,  vgl.  Archiv  YIII 
S.  194. 

Immediatus,  unmittelbar,  ist  nicht  N.  L.,  sondern  Sp.  L.  bei 
Boet.  Arist.  anal.  post.  1,  25  S.  543.  Es  ist  jedoch  zu  meiden;  der 
Begriff  muss  nach  dem  verschiedenen  Sinne  verschieden  ausgedrückt 
werden,  z.  B.  durch  ipse  (per  se),  proximus  oder  secundus  ah  aliquo, 
statim,  contimio  u.  dgl.,  sowie  mittelbar  durch  alio  interveniente ; 
unmittelbar  sich  an  etiuas  anschliessen  auch  =  alicui  rei  continuatum 
et  iunctum  esse,  s.  Nägelsb. -Müller^  Stil.  S.  345  ;  eine  unmittelbare  Ur- 
sache ist  causa  efficiens,  absoluta  et  perfecta  per  se,  proxima  u.  a. 
Auch  ipse  ist  zu  verwenden,  z.  B.  Sen.  ep.  56,  1  supra  ipsum  bal- 
neum  hdbito  unmittelbar  über  einem  Bade,  vgl.  Näg. -Müller^  S.  393. 
Als  Adv.,  z.  B.  unmittelbar  vorher,  gebrauche  man  j)roxime;  un- 
mittelbar als,  cum  primum,  simulac  _2^rimznn  u.  a. 

Immedicabilis,  unheilbar,  ist  nur  P.  L.  für  insanabilis,  inex- 
plicabilis. 

Imniensurahilis,  unermesslich,  ist  nicht  N.  L.  für  immensus, 
immodicus,  quem,  quam,  quod  metiri  non  possumus,  sondern  findet 
sich  öfters  im  Sp.  L.,  z.  B.  bei  Hieron.,  Claud.  Mam.,  Salvian,  vgl. 
Rönsch  Ital.  S.  115  u.  Coli.  phil.  S.  166,  Gölzer  Hieron.  S.  136,  Paucker 
add.  lex.  lat.  S.  37.     Nur    bei   Salvian  E.  1,  57  steht    immensuratus. 

Immergere,  eintauchen,  versenken,  wird  meistens  verbunden  in 
aliquam  rem.  Nur  selten  wird  es  bildlich  gebraucht,  wie  bei  Cicero 
einmal,    se    in   consuetudinem.   alicuius   immergere,    sich  in  jemandes 


Imminuere  —     685     —  Immiscere 

Umgang  emschleichen^  Cluent.  36;  vgl.  Schüssler  II  S.  8.  Gre- 
künstelt  ist  bei  Seneca  ad  Polyb.  37  se  studiis  immer gere,  sich  in 
die  Wissenschaften  vei^senken,  bei  Val.  Max.  4,  1,  ext.  1  se  iwaeceptis 
Pythagorae  penitns  ümnergere^  für  se  fotum  dedere,  bei  Ennodius 
274,  13  Roma  deluhris  immersa  und  279,  3  ferro  pectora  immergite 
=  sich  bewaffnen. 

Imminuere,  verldeinern,  findet  sich  mit  dem  Accus,  einer  Person, 
aliquem,  einen  verldeiyieyii,  nur  bei  Tac.  ann.  2,  34  u.  14,  57,  sonst 
immer  nur  vollständig  aliciiius  famam,  laudem,  existimationem  oder 
aliquid  de  alicuius  fama  imminuere,  oder  famam,  laudes,  maiestatem 
alicuius  ohterere,  Curt.  8,  1,  31;  8,  1,  23  und  Liv.  23,  43,  10.  Ygl. 
auch  noch  Cic.  div.  1,  29,  Nep.  Timol.  1,  5  und  Liv.  24,  15,  7.  — 
Imminuta  mens  als  stehende  Eigenschaft  =  geistesschiuach  bei  Tac. 
ann.  6,  46  ist  neu  für  imhecillitas  animi,  s.  dort  Dräger.  Anders  ist 
es  bei  Sali.  Jug.  65,  1,  v^o  mens  paididiim  imminuta  den  etiuas  herab- 
gekommenen  Zustand  der  Geisteskräfte  bezeichnet. 

Immiscere  kommt  bei  Cicero,  Caesar,  Sallust  gar  nicht  vor, 
es  findet  sich  in  Prosa  überhaupt  nicht  vor  Livius.  Dieser 
Schriftsteller  aber  gebraucht  es  sehr  häufig  und  zwar  mit  dem 
Dativ;  die  Konstruktion  mit  cum  bei  Liv.  45,  14,  3  ist  verworfen, 
denn  dort  steht  jetzt  miscuisset.  Nach  Livius  treffen  wir  immiscere 
allerdings  bei  einzelnen  Autoren  selten,  wo  nicht  einzig,  wie  bei 
Quintil.  7,  2,  26:  se  alienae  familiae  immiscere  und  bei  Sueton:  im- 
mixtis  interdum  frigidis  et  arcessitis  iocis,  Claud.  21,  bei  Vell.: 
immixtus  castris  hostium^  1,  2,  2,  und  bei  Curt.,  wo  ausser  10,  3, 
10:  vos  meorum  militum  corpori  immiscui  nur  noch  ein  weiterer 
Beleg  zu  verzeichnen  ist :  elephanti  per  modica  intervalla  militum  ag- 
mini  immixti,  8,  12,  7.  Sonst  aber  ist  immiscere  eigentlich  und 
tropisch  in  der  nachklass.  Latinität  nicht  selten,  z.  B.  im  eigentlichen 
Sinne  bei  Columella:  semina  .  .  ervi  moliti  farinae  immiscere,  11,  3, 
5;  12,  20,  3,  partem  aquae  marinae  pici  immiscere,  12,  24,  1 ; 
12,  38,  6  u.  7  u.  (absol.)  12,  48,  3.  Terrae  stercora  immiscere,  id. 
de  arb.  17,  2.  Auch  bei  Seneca  kommt  immiscere  mannigfach  tro- 
pisch vor:  caelestibus  immisceri,  ad  Helv.  8,  6  =  sich  mit  dem 
Himmel  (durch  Beobachtung  der  Gestirne)  in  Verbindung  setzen. 
Si  virtuti  se  voluptas  immiscuisset,  de  v.  beat.  7,  2.  Lucrum  illud 
non  est  adjjositum  sceleri,  sed  immixtum,  epp.  87,  27.  Veris  falsa 
immixta  sunt,  epp.  90,  29.  Sic  vitia  virtutibus  immixta  sunt,  ut .  . 
ibid.  114,  12.  Ygl.  ausserdem  de  brev.  v.  4,  5  und  epp.  102,  4.  Auch 
sonst  ist  immiscere,  se  immiscere  oder  das  mediale  immisceri  gar  nicht 
selten  1)  in  der  Bedeutung  mit  jemanden  sich  vo'binden,  sich  vereinigen 
und  dadurch  die  Menge,  Zahl  vergrössern,  sich  mit  jemanden  in  etiuas 
einlassen  u.  s.  w.:  z.  B.  cometas  stellis  immixtos  videmus  per  superiora 
labentes,  Sen.  nat.  q.  7,  8,  4;  öfter  so  bei  Tacitus:  turbae  servientium 
immixtus  est,  Agric.  40.  Ba^^bari  .  .  ne  quietas  provincias  immixti  tur- 
barent,  ann.  2,  63.  Immixtis  histrionibus  =  durch  den  Anschluss  von  — 
hist.  2,  71.   Turbae  sacricolarum  immixtus,  ib.  3,  74  u.  immixti  mani- 


Immisericordia  —     686     —  Immoderatio 

pidisy  Agric.  28  und  so  auch  bei  Livius :  feminas  metus  turhae 
virormn  immiscuerat,  Liv.  22,  60,  2.  Turhae  se  immiscuit,  23,  23,  8. 
Pedites  equiti  immiscere,  26,  4,  10.  Cur  immisceri  sibi  in  cavea 
IKitres  lüebem  noUent?  34,  54,  6.  Itct  se  immiscuit  mediis,  39,  31,  8. 
Se  hostihus  immiscuere,  9,  36,  4.  TJt  veterihus  militibus  immisceantur, 
40,  35,  11;  41,  23,  16.  Immisceri  iam  militibus  tribuni,  7,  12,  14 
und  immixti  turbae  militum,  Liv.  3,  50,  10;  8,  24,  15;  10,  28,  7;  29, 
28,  3  und  sonst;  2)  bei  den  sächlichen  Substantiven  =  mit  etwas  ver- 
bmiden,  in  etwas  verwickelt  luerden,  an  etwas  teilnelimen,  oder  wohl 
auch  divrch  Verbindung^  Vermischimg  störend^  hinderlichj  gefcÜirUch:  im- 
mixtos  mediae  paci  und  periculis  eins  immixta  =••  in  seine  Gefahren 
verwickelt.  Nives  caelo  prope  immixtae  =  fast  bis  an  den  H.  reichend. 
Deductos  inde  legibus  commodisque  suis  immiscuit^  Yal.  Max.  4,  6, 
ext.  3.  Foro  et  contionibus  et  comitiis  immisceri  =  Anteil  nehmen 
an  .  .  Liv.  34,  2,  11.  Ne  adfinitatibus,  7ie  propinquitatibus  immis- 
ceamur,  Liv.  4,  4,  6.  Hingegen  in  dem  Sinne  von  sich  tätig  in  eine 
öffentliche  Sache  einlassen,  einmischen,  scheint  se  immiscere  allerdings 
selten  zu  sein:  yie  Philippus  rebus  Graeciae  immisceretur ,  Liv.  27, 
30,  5  und  quod  Fidenati  bello  se  iam  antea  immiscuerant,  5,  8,  6, 
vgl.  auch  Oros.  2,  10,  3  inter  primos  duces  bello  immiscetur. 

Immisericordia,  die  TJnbarmherzigkeit,  ist  Sp.  L.  seit  Tert.,  vgl. 
Archiv  lY,  407,  für  inhumanitas,  crudelitas.  Vermieden  werde  auch 
als  selten  immisericors,  unba7'nihe?^zig,  da  es  nur  A.  L.  bei  Acc.  33  R, 
einmal  bei  Cic.  inv.  2,  108  und  Sp.  L.  (Gell.  14,  4,  3,  Yulg.  Je- 
rem.  50,  42,  öfters  bei  EccL,  z.  B.  TertulL,  Lucifer,  Salvian)  vor- 
kommt und  ebenso  immisericorditer,  was  nur  Terenz  einmal,  Adelph. 
663,  neben  duriter  und  dann  aS};.  L.  Augustinus  braucht;  man  wähle 
durus,  inhumanus,  crudelis  und  davon  wieder  die  Adverbien.  Ygl. 
Rönsch  Ital.  S.  221  und  Thielmann  Cornif.  S.  100. 

Immitis,  unsanft,  strenge,  grausam,  findet  sich  nicht  bei  Cicero^ 
Caesar,  Sallust,  aber  bei  Livius:  immitis  caedes  =  erbarmungsloses 
Gemetzel,  4,  59,  6,  und  auch  nicht  selten  in  nachliv.  Prosa.  S.  Sen. 
contr.  10,  32,  7,  S.  486  K.,  Gurt.  9,  10,  9,  Plin.  epp.  8,  17,  1,  Tac. 
ann.  14,  23;  15,  12  u.  27  und  bist.  1,  44;  2,  48,  Suet.  Nero  4,  Lact. 
1,  746,  18  und  von  Tieren  und  Gewächsen  öfter  bei  Plin.  nat. ; 
also  ist  es  nicht  durchaus  zu  verwerfen,  wenn  es  auch  vorzugsweise 
der  P.  und  der  poetisierenden  Sprache  eigen  ist. 

Immo;  vgl.  Imo. 

Immobilia,  unbewegliches  Hab  und  Gut,  liegende  Güter,  sagen 
nicht  einmal  die  spätem  Juristen,  sondern  res  immobiles,  wofür  auch 
gesagt  werden  kann  bona,  quae  moveri  non  possunt. 

Immoderatio,  die  Unmässigkeit,  TJnenthaltsamkeit,  kommt  zwar 
nur  einmal  bei  Cicero  (Süll.  30),  sonst  nur  Sp.  L.  bei  llieron.,  Am- 
bros.,  Aug.,  Heges.,  Salvian,  Arnob.,  vgl.  Gölzer  llieron.  S.  81, 
Rönsch  Coli.  phil.  S.  60,  vor,  ist  aber  nicht  zu  verwerfen.  Aber 
immoderantia,  das  erst  seit  Tert.  sich  findet,  vgl.  Archiv  lY  S.  404, 
verdient  keine  Nachahmung. 


Immodicus  —     687     —  Immotus 

ImmodicMSy  immässig,  kommt  zuerst  bei  Sallust:  immodicus 
animi,  bist.  1,  150  M.,  und  dann  bei  Livius  und  den  folgenden  vor, 
ist  also  nicht  zu  verwerten  neben  immoderatus ;  —  ebenso  das  von 
Livius  eingeführte  immodice  neben  immoderate,  zumal  da  modicua 
und  modice  Kl.  bei  Cicero  vorkommen. 

Immorari  aliciii  rei  oder  selten  in  aliqua  re,  hei  ekvas  ver- 
lueileUy  ist  erst  N.  Kl.  und  zwar  bei  Colum.  8,  15,  4;  9,  4,  3,  Yal. 
Max.  9,  11,  ext.  4,  Cels.  7,  20,  Sen.  ep.  2,  2,  vgl.  Hoppe  Progr. 
1877,  S.  13,  Plin.  min.  und  Quintilian,  sowie  Sp.  L.  z.  B.  Lact. 
2,  7,  23,  immorari  in  aliqua  re,  Ennodius  470,  19  immorari  in 
acciisaiione,  bei  Orosius,  Symmach.  u.  a.,  vgl.  Schulze  Symm.  8.  101, 
Chruzander  S.  31. 

Immori  alicui  rei,  hei  oder  in  ehvas  sterhen,  kommt  N.  Kl.  bei 
Sen.  contr.  10,  5,  6  tormentis  immori,  dann  bei  Quintil.  9,  3,  73  le- 
gationi  (Wortspiel  mit  immorari  und  immori)^  bei  Plin.  nat.  29,  73 
u.  128,  sowie  bei  lust.  44,  2,  3  vor;  sonst  ist  es  P.  L. 

Immortalis,  tmsterhlicliy  unvergänglich,  wird  ausser  den  Göttern 
nur  den  Seelen  und  andern  Gegenständen  als  unvergänglichen  und 
bleibenden  beigelegt,  z.  B.  gloria,  memoria,  opera  — ,  aber  nie  den 
Menschen  als  Ehrentitel,  z.  B.  vir  immortalis.  Bei  den  Alten  ist 
dieser  Ehrentitel  unerhört.  Das  höchste  Lob  war  bei  ihnen  vir  di- 
vinus,  vir  caelestis  (Quintil.  10,  2,  18)  oder  (wie  Plato  bei  Cic.  nat. 
deor.  2,  32  genannt  wird)  deus  idhilosophorum.  Im  Scherze  kann  man  es 
vom  ewigen  Juden  Ahasverus  und  jedem  andern  vivax  silicernium 
und  jeder  anicula,  die  ihrem  Ehemanne  zu  lange  lebt,  gebrauchen. 
—  Schon  in  Kl.  Zeit  kommt  immortalis,  z.  B.  bei  Plauens  bei  Cic.  fam. 
10,  11,  1  immortales  ago  tihi  gratias  und  Cic.  Q.  fr.  3,  1,  9  immor- 
taliter  gaudeo,  in  der  übertreibenden  Umgangssprache  vor,  vgl.  Süpfle- 
Böckel  zu  Cic.  epp.  S.  447;  dies  hat  sich  auch  in  der  Folgezeit  er- 
halten, wie  denn  noch  Oros.  7,  43,  14  tihi  vincimus  immortali  quaestu 
rei  publicae  tuae  schreibt. 

Immotus,  unheivegt,  unheiveglich,  treffen  wir  vor  Livius  in  Prosa 
nicht,  während  es  eigentlich  und  tropisch  genommen  in  der  nach- 
klass.  Prosa  häufig  vorkommt:  Adversus  inciiatas  tmmas  stetit  im- 
mota  Samnitium  acies,  Liv.  10,  14,  16;  21,  55,  10;  nihil  immotum, 
nihil  trayiquillum  relinciuehat,  Yell.  2,  6,  2.  Stat  immotum  mare,  Sen. 
suas.  1,1.  Praehenti  immotam  cervicem  caput  praecisum  est,  suas.  6, 
17  und  contr.  9,  25,  8,  S.  403  K.  Tenurum  pondus  sedet  im- 
motum, Sen.  de  prov.  1,  2.  Felicis  animi  immota  tranquillitas, 
ibid.  de  ira  2,  12,  6.  (Constantia)  lihera  est,  inviolahilis,  immota, 
inconcussa,  de  const.  5,  4.  Gaudium  grande  et  immotum,  de  v.  beat. 
4,  5.  Sors  immota  et  in  aeternmn  fixa,  ad  Marc.  6,  2.  Immotus  aer  et 
serenus,  Plin.  nat.  17,  222.  Sic  immotum  animal  medentis  arhitrio 
expositum  est,  Colum.  6,  19.  Immota  (apum)  examina  relinquere,  9, 
14,  19.  Sinapi  atque  coriandrum  .  .  sua  sede  immota  permanent 
=  ohne  versetzt  zu  iverdeyi,  11,  3,  29;  12,  44,  2.  Licredihilem  fe- 
hrium   ardorem   iynmotus   opertiisque  transmittit,   Plin.  epp.  1,  22,  7, 


Immundus  —     688     —  Impatiens 

Serenus  dies  et  immotiis,  2,  17,  16  und  pan.  82.  Ebenso  steht  es 
öfters  bei  Tacitus  und  Quintilian. 

Immundus,  unrein,  findet  sich  Kl.  nur  Cic.  Att.  9,  10,  2  und  fr. 
A.  YI,  1  (bei  Quint.  8,  3,  66),  nicht  bei  Caes.  und  Sali.,  sonst  A.  L.,  P., 
und  N.  Kl.  für  sordidas,  horridus,  incomiJtus  u.  a.  Besonders  häufig 
lesen  wir  es  bei  EccL,  wie  z.  B.  Novat.  nie  impurus  von  den  Gre- 
schöpfen  gebraucht,  vgl.  Archiv  XI  S.  241.  Ein  Substantiv  immmi- 
das  findet  sich  nur  bei  Tert.,  vgl.  Archiv  lY,  407. 

Immutatus  bedeutet  nicht  nur  verändert,  gleich  mutatus,  sondern 
auch  unverändert,  und  zwar  beides  bei  Cicero,  in  letzterer  Bedeutung 
freilich  nur  inv.  2,  162  und  Tim.  28. 

Imo  oder  imnio  ist  der  Etymologie  nach  =  ipsimo,  wie  Ribbeck 
lat.  Partikeln  S.  6  erklärt,  während  Haase  darin  inimo  =  im  innersten, 
in  der  Wahrheit  erblicken  wollte.  Aus  beiden  Ableitungen  geht 
hervor,  dass  es  nicht  unser  zusagendes  und  Beifall  gebendes  ja  ist, 
sondern  meistens  verwirft  man  damit  das  Yorhergesagte;  es  verneint 
vielmehr  und  besagt  nein,  im  Gegenteil,  bildet  aber  nie  für  sich  eine 
verneinende  Antwort,  wie  minime,  sondern  bedarf  in  der  Regel  eines 
näher  bestimmenden  Zusatzes,  welcher  dem  Yorhergesagten  entgegen- 
steht. Doch  wird  immo  vero  bisweilen  nicht  nur  korrigierend  (Cic. 
off.  3,  90),  sondern  auch  im  Sinne  steigernder  Bejahung  gebraucht, 
wie  bei  Plin.  nat.  8,  1;  vgl.  Reisig- Haase  S.  260  f.,  Landgraf  zu  Cic. 
S.  Rose.  S.  234,  Hand  Turs.  III  S.218— 234,  \Yalde  s.  v.  —  Nicht  iY.i.., 
sondern  Sp.  L.  ist  immo  potius,  z.  B.  Cyprian  759,  2  H,  illud  mi- 
randum  est,  immo  indignandum  potius  et  dolendum;  Filastr.  82,  2  irati 
immo  potius  praesumptione  ducti,  vgl.  Juret  S.  42;  dafür  sagt  man 
KL  irnmo  vero,  immo  vero  etiam^  und  seit  Livius  immo  contra,  aber 
sehr  selten,  vgl.  Kühnast  S.  394.  Ebenso  Sp.  L.  ist  sed  immo  =  sed 
potius  bei  Cypr.  219,  22.  —  Das  bejahend  steigernde  ja  vielmehr, 
ja  sogar,  heisst  quin,  quhi  etiam,  quin  contra,  quin  potius,  atque 
adeo  =  oder  vielmehr,  zur  Steigerung  und  Berichtigung  des  Yor- 
hergehenden,  Cic.  TuU.  31;  erst  N.  Kl.  bei  Piinius  und  Quintihan 
quin  immo;  denn  bei  Cic.  Attic.  1,  13,  3  liest  man  jetzt  qui  nunc 
statt  des  von  Med.  1  gebotenen  quiti  immo;  vgl.  Boot  z.  St.  —  Unser 
entiveder  ja  oder  nein  heisst  aut  etiam  aut  non  (Cic.  acad.  2,  104). 
Endlich  im  Laufe  eines  Beweises  heisst:  ja,  ivas  noch  mehr  ist,  es 
kann  nicht  geleugnet  werden,  quid?  quod  negari  non  potest,  nicht 
immo  negari  non  pjotest.  —  Kl.  hat  immo  seine  Stelle  meistens  am 
Allfange  des  Satzes;  doch  wird  dasselbe  nicht  nur  bei  Spätem,  son- 
dern auch  schon  bei  Livius  nachgestellt  gefunden.  S.  Liv.  35,  49, 
13;  38,  43,  6  und  39,  40,  7. 

Impartire  und  impartiri  sind  weniger  gebräuchliche  Formen, 
als  impertire  und  impertiri;  v^l.  Impertire. 

Impatiens,  der  nicht  ertragen  kann,  ungeduldig ,  findet  sich  in 
Prosa  nicht  vor  Yell.  Es  gehört  zu  denjenigen  Wörtern,  welche  durch 
Yerg.  und  Ovid  empfohlen  im  silb.  Latein  gerne  verwendet  wurden. 
Ausser  bei  Yell.  lesen   wir  es  noch  bei  Colum.,  Yal.  Max.  9,    2,  1, 


Impavidus  —     689     —  Impedire 

Curt.  3,  2,  17  und  9,  4,  11,  Plin.  nat.,  Plin.  paneg.  85,  3,  oft  bei  Se- 
neca,  z.  B.  de  const.  1,  3,  epp.  56,  8,  Quintil.  11,  1,  16,  Tac.  ann.  2, 
64  und  sonst,  Suet.  Tib.  59  und  sonst,  Flor.  2,  8,  5,  Lact.  epit.  7,  5, 
und  bei  Amm.  Marc.  28,  1,  9.  Vgl.  PJaustein  S.  55,  wo  alle 
Stellen,  in  denen  imjmfiens  mit  Genit.  verbunden  erscheint,  auf- 
gezählt werden,  sowie  Georges  Yell.  S.  26.  Bei  Liv.  5,  37,  4  ist 
impatiens  jetzt  durch  impotens  ersetzt.  —  Wie  impatiens  gehören 
auch  impaüenter  und  impatientia  der  N.  Kl.  Latinität,  sowie  dem 
Sp).  L.  an. 

Impavidus,  imersclirockeyi,  kommt  nicht  nur  poet.,  sondern  auch 
in  Prosa  vor,  und  zwar  zuerst  bei  Livius,  wie:  22,  5,  I5  37,  20, 
12;  39,  50,  8  und  42,  59,  2,  sodann  bei  Seneca,  Plin.  nat.  2,  196 
und  28,  258,  Curt.  9,  6,  24  und  Tac.  ann.  1,  57.  Auch  das  Adv. 
impavide  findet  sich  nicht  bloss  bei  Sen.  de  v.  beat.,  sondern  schon 
bei  Liv.  30,  15,  8  und  39,  50,  8.  Also  ist  es  nicht  unbedingt  zu 
verwerfen  neben  non  timidiis,  constans,  nullo  metu  perterritus,  ani- 
yiiosiis,  fortisy  sedatus,  praesenü  oder  am  animo,  intrepidus  und  in- 
temtus. 

Impedhnentum  im  Sing,  heisst  nur  das  Hindernis,  das  Gepäck 
aber  impedimenta  im  Plural;  übrigens  bedeutet  impedimenta  auch 
Hindernisse,  z.  B.  Liv.  44,  22,  10  haec  magna  impedimenta  res  ge- 
rentihiis  sunt  An  ehuas  liinderyi  heisst  impedimento  oder  auch  im- 
pedimentum  esse  ad  aliqiiid,  s.  Yogel -Weinhold  zu  Curt.  4,  2,  15, 
Nieländer  1874  S.  38,  1877  S.  31  ff.,  1893  S.  21,  Nägelsbach-Müller ^ 
§  123,  1,  Landgraf  S.  Rose.  S.  395. 

Impedire,  verhindern,  ahhalte?i,  wird  entweder  verbunden  ali- 
cuiiis  rem  oder  aliquem  ah  aliqua  re,  einen  in  oder  an  ehuas  ver- 
hindern, oder  in  aliqua  re,  ebenso  ad  aliquam  rem,  s.  Caes.  Gall.  7, 
26,  2.  Mit  dem  blossen  Abi.:  fuga  impedire  bei  Tac.  ann.  1,  39, 
aber  nicht  Cic.  Quinct.  1,  wo  C.  F.  W.  Müller  mit  pauci  codd.  ne 
me  in  dicendo  impediat  liest.  Nur  bei  Yarro  1.  1.  9,  §  14,  S.  200 
ed.  Speng.^,  wo  jedoch  Leonh.  Spengel  novitatem  vermutete  und 
offenbar  nur  durch  Schol.  luv.  14,  49  sich  bestimmen  Hess,  den  Dativ 
beizubehalten,  ist  es  mit  dem  Dativ  verbunden  in  der  Bedeutung 
im  Wege  stehen,  für  ohstare  —  novitati  non  impedit  vetus  consue- 
tudo  — ;  dies  ist  nicht  nachzuahmen.  —  Selten  steht  nach  impedire 
für  quoniinus  ein  Infinitiv  oder  ne;  bei  Cicero  kann  der  Infinitiv 
nur  folgen,  wenn  iynpedire  ein  sächliches  Subjekt  hat,  vgl.  C.  F.  W. 
Müller  zu  Cic.  off.  2,  8 ;  die  Zahl  der  Stellen  hiefür  bei  Cic.  ist  3 
(off.  2,  8;  de  or.  1,  163;  vielleicht  nat.  deor.  1,  87),  dazu  kommen 
Lucr.  3,  322;  4,  921  u.  Ovid  Pont.  1,  1,  22,  vgl.  Sjöstrand  Loci 
S.  10.  Nach  negiertem  impedh^e  kann  auch  quin  folgen,  freilich 
nicht  klass.,  aber  rhet.  Her.  3,  1  u.  Frontin  strat.  4,  1,  11.  —  Nach 
Madvig,  lat.  Gramm.  §  375,  A.  2,  wird  nach  impedh'e  der  Accus, 
der  Person,  wenn  darauf  ein  Satz  mit  ne  folgt,  in  der  Regel  nicht 
ausgedrückt,  also  statt  pudor  me  impedit,  ne  .  .  .  bloss  pudor  im- 
pedit, ne.  Schneider  möchte  diese  Yerbindung  auch  auf  die  Kon- 
Krebs- schmaiz ,  Antibarbaras  1.  44 


Impeditio  —     690     —  Impendium 

struktion  mit  qiiominus  unter  Berufung  auf  Cic.  Cato  60  und  fin.  1, 
33  ausdehnen.  Doch  steht,  wie  erwähnt,  me  piidor  impedit  mit 
folgendem  Infinitiv  bei  Cic.  de  erat.  1,  163;  sodann  findet  sich  der 
Accus,  der  Person  doch  öfter  vor  dem  mit  quomimts  angeschlossenen 
Satze:  forsitan  quaeratis^  quae  sit  tanta  formido,  qiiae  tot  ac  talis 
viros  impediat,  qiwmimis  .  .  .  Cic.  S.  Rose.  5;  ^;er  quas  (litterasj 
mecimi  agebas,  ne  eos  impedirem,  qiiomimis  ante  hiemem  aedificarent, 
Cic.  fam.  3,  7,  3;  neqiie  .  .  .  te  impedio,  qiwmimis  susceptum  nego- 
tinm  .  .  .  ge^^ere  possis,  ibid.  13,  5,  1;  tua  te  occupatio  yion  impedisset, 
quomiyius  cid  me,  quid  ageretiir,  .  .  .  perscriheres,  Cic.  Attic.  3,  22, 
1 ;  idem  te  impedirety  quominus  meciim  esses,  qiiod  nunc  etiam  im- 
pedit,  Attic.  12,  16  und  ebenso  Attic.  13,  25,  2.  —  Bezweifelt  wird 
mit  Unrecht  impeditus  tempore  und  temporihus,  durch  die  Zeit,  die 
Zeitlimstände  verhhidert,  für  exclusus  temp.,  vgl.  Cic.  Attic.  7,  1,  7: 
nisi  rei  puhlicae  tempora  impedient  und  Quintil.  12,  10,  55. 

Impeditio,  was  bei  Cicero  (divin.  1,  115)  die  Hcmdlnng  des 
Hinderns  bedeutet  und  ebenso  bei  Yitruv,  sowie  8p.  L.  bei  Arno- 
bius,  ist  nicht  zu  verwechseln  mit  impedimeniiim,  das  Hindernis. 

Impellere,  antreiben,  wird  verbunden  aliqiiem  in  oder  ad  aliqiiid, 
und  mit  ad  und  dem  Gerundium  oder  mit  ut;  vgl.  Schüssler  II  S.  12. 
Yergil  scheint  zuerst  impellere  mit  Infin.  konstruiert  zu  haben;  von 
ihm  hat  es  Livius  22,  6,  6  übernommen;  Tacitus  verwendete  die 
Konstruktion  schon  mehr  als  Livius  (ann.  6,  45;  13,  19;  14,  60; 
hist.  3,  4),  und  von  da  ab  hat  sie  sich  erhalten  und  bis  auf  lustin, 
Hieron.  u.  a.  vererbt,  vgl.  Gölzer  Hieron.  S.  365.  Diese  Autoren  also 
verbinden  impellere  mit  dem  hifin.,  wie  im  Deutschen,  z.  B.  du 
treibst  mich  an  zu  schreiben,  me  impellis  scribere,  für  ad  scribendum, 
ut  scribam. 

Impeyidere,  über  jemand,  etruas  hängen,  schweben,  werde  ver- 
bunden mit  dem  Dativ  alicui  (mihi,  nobis,  rei  puhlicae)  oder  (aber 
nur  im  trop.  Gebrauch)  in  aliquem  (in  me,  in  nos) ;  A.  L.  findet 
man  es  verbunden  super  aliquem  oder  bloss  aliquem-  letzteres  ist  auch 
Sp.  L.,  vgl.  Dziatzko  zu  Ter.  Phorm.  180,  Marx  zu  Lucil.  1227.  End- 
lich beachte  man  auch  impendere  ab  cdicpio  =  drohend  bevorstehen 
vonseiten  etc.,  z.  B.  Cic.  Attic.  6,  2,  6  magmim  bellum  impendet  a 
Parthis;  für  ah  wird  bei  Yell.  2,  35,  3  auch  impendere  ex  aliqua 
re  gefunden. 

Impendere,  vertuenden,  wird  Kl.  nur  verbunden  in  oder  ad 
aliqiiid,  auf  ettvas,  sowie  eo,  darauf,  vgl.  Cic.  Yerr.  3,  227  und  4, 
68,  sowie  Schüssler  II  S.  9,  N.  Kl.  cdicui  rei,  vgl.  die  Stellen  bei 
Ebert  S.  314,  Sp.  L.  in  aliqua  re.  Bezweifelt  wird  beneficium  im- 
pendere in  cdiqiiem,  einem  eine  Wohltat  eriveisen,  für  beneficium  con- 
ferre  in  aliquem,  ponere  oder  collocare  apud  aliquem  (aber  nicht  ponere 
in  aliquo). 

Impendium,  Äiifivand,  Unhosten,  kommt  in  dieser  Bedeutung 
Kl.  selten  und  zwar  zumeist  im  Plural  vor,  z.  B.  Cic.  rep.  2,  59;  Brut. 
16;  im  Singular  Att.  6,  1,  4,  Quinct.  12;  es  wird  gewöhnlich  durch 


Imperare  —     691     —  Imperfectus 

imjjensa  oder  sumiihis  ersetzt,  vgl.  Hellmuth  act.  Er].  I  S.  168.  Kosten 
veriifsachen  heisst  bei  Liv.  28,  45,  13  impensae  esse,  klass.  ist  siimphii 
esse,  vgl.  Cic.  Yerr.  1,  16,  Att.  5,  14,  2;  JSneländer  1874  S.  39,  1893 
S.  21.  —  Selten  und  mehr  ^.  und  8p.  L.,  jedoch  einmal  bei  Cicero 
(Attic.  10,  4,  9),  kommt  der  Abi.  impendio  in  der  Bedeutung  um 
vieles  für  multo,  bei  einem  Komparativ  vor;  vgl.  Wölfflin  Compar. 
S.  20,  Landgraf  B.  Gymn.  XVI  Ö.  322,  P.  Meyer  Progr.  Hof  1900 
S.  32. 

Imperare,  hefeJden,  regieren,  heherr sehen,  wird  verbunden  aliciii, 
nicht  aliquem,  und  von  einem  etwas  fordern,  heisst  alicui  aliquid 
imperare.  Daher  ist  bei  jenem  einfachen  Objekte,  alicui,  das  Yerbum 
im  Passiv  nur  impersonal,  also  mihi  imperatur,  nicht  ego  imperor, 
mir  ivird  befohlen,  ich  iverde  regiert,  beherrscht.  Durch  die  Analogie 
von  iiibeor   ist   hervorgerufen  Cicero  Yerr.  5,    68   und   Horaz  epist. 

1,  5,  21 :  haec  procurare  imperor,  für  mihi  imperatur.  Der  Zweck, 
wozu  etwas  gefordert  wird,  steht  mit  in  oder  ad  im  Acc,  z.  B.  Cic. 
Yerr.  2,  137  denarii  trecenti  ad  statuam  praetoris  imperati  sunt; 
vgl.  Schüssler  II  S.  12.  —  Bei  Cicero  und  Caesar  wird  imperare 
nur  dann  mit  dem  Accus,  c.  Infin.  konstruiert,  wenn  der  Infin.  ein 
passiver  oder  deponentialer  ist;  beim  Aktiv  dagegen  steht  nur  ut, 
also  niemals:  imperat  milites  pontem  facere.  S.  darüber  Kraner  zu 
Caes.  Gall.  5,  1,  3  und  civ.  1,  61,  4,  Hellmuth  act.  Erl.  I  S.  156, 
Frese  S.  52.     Hingegen   bei  Dichtern,  bei  Sali.  Cat.  16,  2,  Jug.  47, 

2,  bei  Hirt.  Call.  8,  27,  4  und  in  nachklass.  Prosa  bei  Curt.  10,  1,  19, 
Tac.  ann.  2,  25  und  Lact.  1,  333,  5  wird  imperare  auch  mit  dem 
Infin.  Act.  verbunden;  vgl.  Fabri  zu  Sali.  Cat.  16,  2,  Constans  S.  168, 
Reisig-Haase  Anm.  485,  Dräger  H.  Synt.  II  S.  326  und  410,  Köhler 
act.  Erl.  I  S.  443 ;  mit  ne  im  abhängigen  Satze  steht  es  bei  Ter.  Eun. 
578,  Caes.  Gall.  1,  46,  2  und  civ.  3,  89,  4. 

Imperator  war  Kl.  nur  ein  Feldherr,  Anführer  des  Heeres, 
gleich  d^ix,  aber  Ehrentitel;  ironisch  wird  so  auch  imperatrix  von 
Cic.  Cael.  67  gebraucht.  Caesar  führte  zuerst  die  Bezeichnung  im- 
perator  als  ständige  Titulatur,  und  Octavian  setzte  sie  nach  Ab- 
werfung seines  bisherigen  Yornamens  Gaius  an  dessen  Stelle,  das 
gleiche  tat  Nero,  vgl.  Schöner  act.  Erl.  II  S.  452  ff.  Es  wurde  aber 
imperator  auch  nach  dem  Namen,  regelmässig  freilich  vor  denselben 
gesetzt.  S.  über  die  Nachstellung  Suet.  Otho  2,  Phn.  nat.  5,  20, 
Plin.  epp.  3,  5,  9  und  4,  17,  8.  —  Man  gebe  jetzt  den  Heerführer 
mit  dux,  den  Oberanführer  mit  smmnus  dux,  und  imperator  behalte 
man  für  Kaiser.  Die  Kaiserin  aber  nenne  man  Augiista,  wenn 
man  das  in  dieser  Bedeutung  Sp.  L.  mj;erafr?^:c  vermeiden  will:  im- 
peratrix et  augusta  Pidcheria,  Leo  M.  epp.  101,  3,  und  wie  Augusfa 
im  Gegensatz  zu  imperator  bei  Leo  epp.  98,  3,  so  steht  bei  demselben 
in  einer  altern  Übersetzung  des  gleichen  Briefes  imperatrix  im  Gegen- 
satz zu  priyiceps. 

Imperfectus  1)  =  unvollendet,  kommt  nicht  erst  iV.  Kl.  bei  Quin- 
tilian    und  Suet.  Caes.  26,    und    besonders   bei   Dichtern   in  der  Be- 


Imperitia  —     692     —  Impetere 

deutung  unvollendet,  für  iyicoliatus,  non  loerfectus,  sondern  auch  bei 
Hirt.  Gall.  8,  Prooem.  §  2  und  Cic.  fam.  1,  9,  15  und  Tim.  11 
vor;  nur  bei  Seneca  in  geistiger  Bedeutung  unvollkommen,  mangel- 
haft, wofür  klass.  ebenfalls  incoliatus  (Cic.  oif.  1,  153),  non  iierfectus, 
vitiosus,  inquomidtadesiderantiü^,reqiärunturgehra.ucht  wird.  —  2)  Da- 
von zu  scheiden  ist  imperfectus  =  infectus ;  dies  steht  Caes.  Gall. 
6,  12,  5  (aber  ß  infeda  re  redierat),  Liv.  1,  54,  7  iit  re  imperfecta ; 
aber  sonst  hat  Liv.  wie  Caes.  überall  infectus,  vgl.  die  Stellen  bei 
Novak  Studia  1894  S.  51:  es  wird  daher  auch  Caes.  Gall.  6,  12,  5 
u.  Liv.  1,  54,  7  infectus  zu  lesen  sein.  Doch  Lact,  raort.  221,  14 
hat  imperfecta  (=  inutili)  legatione.  Ganz  iS^;.  L.  z.  B.  Ennod.  420, 
13  ist  imperfectio,  die  Unvollliommenheit,  für  imhecillitas,  vitiositas, 
conditio  vitiosa  oder  manca  u.  a. 

Imperitia,  die  Univissenheit,  TJnerfalirenheit,  findet  sich  Kl. 
nirgends  ausser  bei  Sallust,  wohl  aber  N.  Kl.  beim  altern  Plinius,  bei 
Tacitus,  Quintilian  (6,  1,  37),  Sen.  epp.  31,  6  und  94,  32,  Lact.  3, 
1,  1,  Amm.  22,  4,  8  u.  a.  Es  lässt  sich  gebrauchen  neben  inscitia 
oder  inscientia  und  ignoratio  (mit  einem  Genitiv).  Ygl.  Ignorantia. 
—  Kl.  ist  aber  das  Adv.  imperite,  imperitius,  imperitissime,  wie 
auch  das  Adject.  imjjeritus  teils  mit,  teils  ohne  Genitiv  Kl.  ist.  Ygl. 
auch  Peritia. 

Impermissus,  iinerlauht,  ist  P.  L.  und  kommt  wohl  nur  Hör. 
od.  3,  6,  27  vor,  für  non  licitus,  inconcessus.     Ygl.  lllicitus. 

Imperterritus,  u7ierschrocken,  ist  P.  L.  und  findet  sich  bei 
Yergil  u.  a. ;  über  die  Zusammensetzung  imgnantibus  inter  se  daahus 
praepositionihus  spricht  Quint.  1,  5,  65.  Ygl.  Impavidus.  Sehr  spätlat. 
ist  es  bei  Greg.  M.  in  lob.  lib.  6,  §  38  und  lib.  29,  §  32  und  sonst. 

Impertinens  ist  unlat.  in  dem  modernen  Sinne  von  grob,  unge- 
schliffen für  impolitns,  ebenso  in  der  Bedeutung  ungereimt  für  ab- 
surdus.  Sp.  L.  dagegen  bei  Mart.  Cap.  1,  43  in  der  Bedeutung 
nicht  dazu,  nicht  zur  Sache  gehörig ^  für  ad  rem  nihil  pertinens,  a 
re  alienum. 

Impertire  und  impertiri,  mitteilen.  Als  Deponens  kommt  es  Kl. 
nicht  vor  und  ist  in  den  Stellen  Ciceros,  wo  es  früher  nach  schlechtem 
Handschriften  stand,  nunmehr  ausgemerzt.  S.  Stürenburg  zu  Cic. 
Arch.  S.  68,  1  Ausg.,  Neue-Wagener^  III  S.  75,  Dziatzko  zu  Ter. 
Ad.  320.  Einem  etwas  mitteilen  heisst  impertire  alicui  aliquid;  Ä.  L. 
und  N.  Kl.,  sowie  *S^.  L.  bei  Fronte,  seltener  aliqiiem  aliqua  re, 
z.  B.  Nep.  Attic.  1,  2,  vgl.  dazu  Nipp.-Lupus,  Suet.  Octav.  25,  Claud. 
4,  Ner.  37;  vgl.  Lorenz  zu  Plaut.  Pseud.  41,  Marx  zu  Lucil.  688, 
Ebert  S.  317. 

Impertnrbatns,  ungestört,  ist  N.  Kl.  und  kommt  sehr  selten  bei 
Ovid,  Plinius  (epp.  9,  13,  8)  und  Seneca  vor,  für  non  perturbatus, 
non  conturbatus.  Imperturbatio  ist  Sp.  L.,  z.  B.  bei  Hieron.  ep. 
133,  3,  vgl.  Archiv  lY  S.  406. 

Impetere  aliqnem,  einen  anfallen,  ist  P.  L.  (bei  Yarro  de  r.  r. 
3,  16,  8  liest  Keil  jetzt  insectantes  statt  imp^etentes)^   sowie  aS^;.  L. 


Impetibilis  —     693     —  Impingere 

bei  Orosius,  z.  B.  4,  14,  1  imjyetihts  hello  u.  a.,  für  aliqitem  petere 
oder  appetere,  invadere  in  aliqitem,  impetum  facere  in  aliqitem,  auch 
accitsare,  so  besonders  bei  Ennodius;  vgl.  Rönsch  It.  S.  192,  Paucker 
Hier.  S.  121,  Oros.  S.  8,  Bonnet  Greg.  S.  74,  Bergmüller  Jord.  S.  13, 
Archiv  XII  S.  9  (Lieblingswort  des  Papstes  Gelasius). 

Impetibilis,  itnerträglich.  So  und  nicht  impatihilis  heisst  das 
Wort,  vgl.  Madvig  zu  Cic.  fin.  2,  57.  Es  findet  sich  nur  hier  bei  Cicero, 
dann  Plin.  nat.  20,  215:  propter  impetihiles  itvae  morbos,  und  ebenso 
20,  199:  CAtm  valetudo  impetibilis  odiitm  vitae  fecisset,  und  impetihiles 
quippe  critciatiis  exsistitnt,  25,  59.  Sp.  L.  steht  es  bei  Solin.  und 
Symmachus,  vgl.  Schulze  Symm.  S.  57,  und  in  aktiver  Bedeutung 
auch  bei  Lactanz  (wo  jedoch  Brandt  2,  8,  38  u.  7,  20,  8  impati- 
hilis schreibt).  Die  älteste  Stelle  für  impetibilis  ist  bei  Acc.  fr.  91  R. 

Impetrare,  erlangen,  erhalten,  beschränkt  sich  auf  Worte,  wenn 
man  mündlich  oder  schriftlich  um  etwas  anhält  und  es  erhält.  Ygl. 
Adipisci.  Im  abhängigen  Satze  steht  itt;  impetrare  mit  folgendem 
Infin.  oder  Acc.  c.  inf.  findet  sich  nur  Tac.  ann.  12,  27,  Tert.  ieiun. 
7  (vgl.  Hoppe  Synt.  Tert.  S.  46)  und  Ammian  14,  1,  3. 

Impetuosus,  stürmisch,  heftig,  stand  früher  in  einer  Interpolation 
beim  altern  Plinius,  nat.  35,  111,  für  viölentits,  vehemens;  jetzt  findet 
man  es  nur  Sp.  L.,  z.  B.  bei  Firm.  Mat.,  vgl.  Drossel  S.  22,  ebenso 
impetuose,  z.  ß.  Acren  zu  Hör.  od.  1,  29,  11;  vgl.  auch  Archiv  I 
S.  148,  Georges  Jahresber.  1884  S.  131;  im  Archiv  Y  S.  192—221 
ist  auffallenderweise  impetuosits  nicht  behandelt.  —  N.  L.  ist  impe- 
titositas,  ein  stürmischer  Anfall,  für  violentia,  viölentits  impetus. 

Impetus.  Die  Alten  reden  zwar  in  ihrer  Militärsprache  von 
einem  primus  impetus,  einem  ersten  stürmischen  Anlaufe,  z.  B.  prima 
impetii  (facto),  heim  ersten  Angriffe,  durch  welchen  der  Sieg  ent- 
schieden wird  — ,  daher  sehr  selten  von  einem  secundits,  tertius  u.  s.  w. 
Nee  primitm  impetum  barbaroj^um  Silanus,  nee  secundum  Manilius, 
nee  tertium  Caepjio  sustinere  potuerunt,  Flor.  3,  3,  4  und  Liv.  33, 
36,  11  (dafür  ganz  selten  uno  impetit  bei  Curt.  8,  14,  18  und  Lact. 
3,  26,  10  und  5,  4,  1,  der  das  uno  durch  semel  verstärkt,  also  uno 
semel  impetu).  —  Der  Genit.  Plural  und  der  Dativ  und  der  Abi. 
Plural  dieses  Subst.  kommen  nirgends  vor,  auch  nicht  der  Dativ 
Singul.  impetui,  wofür  impetu  gesagt  wird  von  Plane,  bei  Cic.  fam.  10, 
24,  3.  —  Synonym  mit  impetus  sind  signoritm  collatio  (Cic.  de  erat. 
1,  210),  congressus  (congressio),  excursio,  incursio,  incursus,petitio  u.a.; 
vgl.  Nägelsbach-Müller^  S.  230  und  Stürenburg  zu  Cic.  Arch.  S.  103. 

Impexus  kommt  in  der  Bedeutung  ungebildet  (von  der  Rede 
und  von  Schriftstellern)  nur  bei  Tacitus  dial.  20  vor,  für  incidtus, 
horridus,  incomptus. 

Impigritas,  die  Unverdrossenheit,  kommt  nur  einmal,  aber  bei 
Cicero  (rep.  3,  40)  vor  und  kann  deswegen  gebraucht  werden  neben 
alacritas,  animus  alacer  oder  promptus  u.  a. 

Impingere  in  der  Bedeutung  etivas  an  etivas  stossen,  schlagen 
ist  ganz  untadelhaft,  z.  B.  caput  parieti  impingere,  Plin.  epp.  3,  16, 


Impius  —     694     —  Implere 

12,  und  so  fitstem  aliciii'  iminngere,  Cael.  bei  Cic.  fam.  8,  8,  9,  und 
crassas  compedes  alicid  impingerey  Plaut.  Capt.  730  und  Pers.  573,  im- 
pingere  navem  =  auf-  oder  anfahren  mit  —  u.  dgl.,  Oros.  5,  10,  3 
virgam  in  ocidum  Thraecis  hnpegit.  Ähnlich  ist  Lact.  1,  494,  10 
iis  pliilosopliiam  in  ocidos  impingit.  —  In  trop.  Bedeutung  braucht  es 
Cicero:  Indc  calix  midsi  impingendus  est,  ut  plorare  desinat, 
Tusc.  3,  44.  Hier  ist  aber  impingendus  nicht,  wie  Tischer-Sorof 
will  =  dandiis,  sondern  entspricht,  wie  Kühner  richtiger  sagt,  un- 
sorm  aufdringen,  aufnötigen  oder  invito  alicui  aliqiiid  offerre  =  in 
die  Hand  drücken.  Ygl.  ferner  Cic.  Att.  6,  1,  6  atque  hoc  tempore 
ipso  impingit  mihi  epistidam  Scaptiiis  Bruti,  wo  Boot  anmerkt :  ad- 
haeret  huic  verbo  impudentiae  notio,  und  Sen.  ep.  95,  2  tibi  ingen- 
tem  epistidam  inipingam,  quam  tu  si  invitiis  leg  es,  dicito :  ,^ego  mihi 
hoc  contraxi'-''  vergleicht.  Es  ist  dies  imimigey^e  unser  ^^vor  die  Nase 
halten'"''.  Sp.  L.  ist  impingere  crimina,  vgl.  Hartel  im  Arch.  III  S.  24 
u.  Bonnet  Greg.  S.  254,  ebenso  intransitives  iminngere  bei  Lact.  1, 
103,  17  u.  Min.  Fei.  3,  1  in  lapides  iminngere.  Aber  N.  L.  ist  pedem 
impingere  in  aliquo  loco,  den  Fuss  irgendiuo  hinsetzen,  für  pedem 
ponere  in  aliquo  loco,  und  impingere  in  oder  contra  aliqiiid,  gegen 
etwas  Verstössen,  fehlen,  wie  z.  B.  impingere  in  vulgares  praeceptiones 
grammaticas,  gegeyi  geiuöhnliche  grammatische  Regeln  fehleyi,  für 
peccare  in  aliquam  rem  oder  in  aliqua  re. 

Impiiis.  Die  Superlativform  impiissimus  ist  Sp.  L.  für  maxime 
impius;  der  Komparativ  heisst  nur  magis  impius;  vgl.  Neue -Wagener  ^11 
S.  206,  Georges  Jahresber.  1880  S.  412  und  Gölzer  Hieron.  S.  286, 
wonach  impiissimus  von  Tertullian  geneuert  und  dann  von  Auson., 
Hieron.  u.  a.  nachgeahmt  wurde. 

Implacahilitas,  die  Unvers'öhnlichkeit,  ist  sehr  Sp.  L.  für  animus 
implacabilis.  Das  Adj.  implacahilis,  unversöhnlich,  wird  verbunden 
alicui  und  in  aliquem,  gegen  jemanden;  beide  Kl.  S.  über  den  Dativ 
der  Person  Cic.  Pis.  81  si  se  mihi  implacahilem  inexpiahilemque  prae- 
heret  und  Liv.  8,  35,  12  und  über  den  Accus,  mit  in,  ibid.  26,  29, 
3  und  Cic.  fam.  3,  10,  8.  Bei  Sachen  steht  der  Dativ:  veteri  odio, 
delictis,  Liv.  25,  16,  12  und  Ael.  Spart,  v.  Sev.  c.  18,  4. 

Implere,  erfüllen,  steht  bei  Cicero  gewöhnlich  mit  dem  Abi. 
aliqua  re  implere,  selten  mit  dem  Genit.  wie :  ollam  denariorum 
implere,  Cic.  fam.  9,  18,  4,  Verr.  1,  119,  vgl.  Hellmuth  act.  Erl.  I 
S.  144.  Nach  Kühnast  S.  77  und  Weissenborn  zu  Liv.  29,  14,  2 
ist  der  Genit.  bei  Livius  üblicher.  Dies  ist  unrichtig,  denn  für  den 
Genit.  haben  wir  uns  nur  folgende  Stellen  notiert,  an  denen  der 
Genit.  zumeist  ein  subst.  abstractum  im  Singular  ist:  Liv.  1,  46,  8; 
3,  63,  10;  5,  28,  4;  4,  41,  7;  7,  7,  5;  10,  14,  20;  25,  40,  7;  26,  19,  2; 
29,  14,  2;  35,  35,  6  und  36,  12,  10;  vgl.  auchNovak  Liv.  Prag  1894  S. 
242,  dagegen  für  den  Abi.  milites  praeda  implevit  undpraeda  impletiis, 
7,  16,  3  und  25,  20,  6;  terrore  omnia  implere,  9,  24,  8;  anxiis  curis 
implere,  1,  56,  4;  impletae  cihis  vinoque  venae,  26,  14,  5;  litteris  falsis 
urhem  implere,  26,  26,  8;  maria  terrasque  foeda  fiiga  implere,  26,  41, 


Implicare  —     695     —  Iinplicare 

19;  ijoimlares  laudihus  Scijyionis  implet,  26,  50,  13;  diicentis  navi- 
hiis  oninem  oram  Italiae  imitiere,  27,  22,  8  u.  ibid.  §  12:  7iaves  sociis 
navalihiis  implere;  etiam  hostes  fama  Romemi  auxilii  adventantis  im- 
plere,  34, 12,  8;  implere  exspeciaiione  midtitudinem,  36,  29,  3;  aliiis  ah 
alio  impleti  rumorihus,  22,  7,  8;  totam  urhem  Icmieyitis,  tiimidtu  implere, 
5,  39,  4  uüd  24,  26,  12;  omnia  terrore  ac  tumultu  impleverunt,  41,  5, 
2.  Sollte  uns  auch  die  eine  oder  andere  von  den  für  den  Genitiv 
zeugenden  Stellen  entgangen  sein,  soviel  geht  aus  diesen  An- 
führungen jedenfalls  mit  Sicherheit  hervor,  dass  die  Verbindung  mit 
dem  Abi.  schon  in  der  dritten  Dekade  überwog  und  immer  mehr 
von  Livius  bevorzugt  wurde.  —  Alle  übrigen  Komposita  von  plere 
werden  mit  Abi.  konstruiert,  weshalb  Novak  6,  25,  9  repletus  mit 
Gen.  beanstandet.  —  Die  Pflicht,  die  Pflichten  erfidlen,  heisst  klassisch 
gewöhnlich  officium  (et)  exsequi,  ohire,  satisfacere  officio;  jeder  Ver- 
such, Cicero  ein  implere  officium  oder  explere  offiicium  oder  etwas  Ahn- 
liches anzuhängen,  muss  zurückgewiesen  werden.  Bei  Cic.  Cluent.  51 
ist  implere  in  Klammern  gesetzt,  von  Clark  getilgt,  und  Cic.  fam.  16, 
25  stammt  aus  der  Feder  des  Cicero  filius,  ist  also  nicht  muster- 
giltig.  Während  nun  implere  legem  der  Vulgata  in  Paul.  ep.  ad 
Rom.  13,  8  und  legis  praeceptum  implere  dem  von  der  Yulg.  beein- 
flussten  Filastrius  57,  1  angehört,  ist  offiicium  implere  häufiger  in 
der  kirchlichen  und  in  der  profanen  Literatur,  z.  B.  religionis  offiicium 
implere  sagt  Sulp.  Sev.  chron.  2,  35,  3 ;  hominis  offiicium  implere, 
Lact.  opif.  D.  20,  9;  quasi  impleto  officio  discedere.  Sulp.  Sev.  dial.  1, 
14,  1;  id  (bonos  defendendi  offiicium)  suscipej^e  facile  est,  imple^^e 
difficile,  Lact.  6,  6,  15.  Ferner  finden  wir  exsequiarum  officium 
implere  bei  lust.  23,  2,  8;  parallel  mit  offiicio  fungi  steht  munia  sua 
imp)lere  bei  Tac.  ann.  3,  53  und  partes  officii  implere,  Plin.  epp.  10, 
57,  3  und  auch  gersidezu  offiicium  implere:  iit  simul  et  sumptus  leva- 
retur  et  impileretur  puhlicum  offiicium,  Plin.  epp.  10,  53,  2.  Zu  ver- 
meiden ist  ferner  implere  volimtatem,  einen  Wunsch,  Willen  eyfülleyi, 
für  ohsequi  voluntati  (Cic.  fam.  3,  5,  5)  u.  a. ;  implere  desideria  na- 
turae,  Curt.  6,  2,  3  hingegen  ist  weniger  anstössig.  Für  imiüe^^e 
aliquem  voluptate  sage  man  lieber  perfundere.  —  Richtig  aber  sind 
implere  promissum,  consilium,  wenigstens  N.  Kl.  Vgl.  Georges  Vell. 
S.  38. 

Implicare,  verflechten,  veriuickeln  u.  dgl.,  hat  in  der  bessern  Prosa 
im  Perf.  implicavi,  nicht  implicui.  Implicitus  ist  bei  Cicero  selbst, 
Pomp.  19,  jetzt  durch  implicata  est  ersetzt,  wonach  Reisig-Haase- 
Hagen  S.  369  zu  berichtigen  ist;  nur  das  Adverb  implicite  steht 
fest  bei  Cic.  inv.  2,  69,  während  ibid.  1,  97;  2,  62;  2,  89  und  2, 
110  die  Handschriften  durchaus  für  hnplicatus  sind;  die  Ausgabe 
von  Friedrich  liest  daher  an  allen  den  genannten  Stellen  implicatus. 
Es  ist  somit  für  Cicero  das  Partiz.  implicitus  nicht  zu  erweisen. 
Wohl  aber  steht  es  bei  Caes.  civ.  3,  18,  1  graviore  morho  implicitus. 
In  dieser  Verbindung  morl)o  implicitus  oder  in  morhiim  impl.  ist  im- 
2)licitus  besonders  üblich,  vgl.  Nep.  Cim.  3,  4,  Agesil,  8,  6,  Liv.  3,  2, 


Implorare  —     696     —  Iraponere 

1;  7,  23,  2;  23,  34,  11  und  26,  26,  4,  Plin.  epp.  7,  27,  3  und  9, 
13,  24;  vgl.  Kiah  Progr.  Insterburg  1870  S.  19,  Lupus  S.  131  f., 
Friedersdorff  zu  Liv.  26,  26,  4,  Seck  I  S.  18;  für  Tal.  Max.  1,  7, 
1  iit  ilhim  gravi  morho  wiplicitum  moneret  ist  daher  imiüicitus  zu 
halten,  mag  auch  Val.  Max.  sonst  nur  imiMcatus  gebrauchen;  dies 
gegen  Novak  Yal.  S.  23,  den  ich  noch  auf  den  Sprachgebrauch  des 
Lact,  verweise:  Lact,  hat  überall  imiüicahis^  nur  1,  128,  14  impli- 
citus,  weil  hier  morho  dabei  steht.  —  Es  wird  gewöhnlich  verbunden 
imiüicare  aliquem  oder  imjüicari  aliqua  re,  selten  in  rem  wie  bei 
morhitm;  mit  dem  Dativ,  z.  B.  Cic.  div.  1,79,  wird  es  nur  verbunden, 
wenn  es  gleich  ist  ijenitus  inserere,  vgl.  Seyffert-Müller  zu  Lael. 
S.  317.  —  N.  L.  ist  hnplicare  aliqidd  in  der  Bedeutung  etwas  ent- 
halten^ ohne  den  Begriff  des  Yerwickelten,  z.  B.  haec  narratio  im])licat 
errores,  für  in  liac  narratione  sunt  errores.  Ygl.  das  ähnliche  In- 
volvere. 

Implorare,  anflehen,  aliqidd,  wie  leges  implorare  =  flehentlich 
den  Schutz  der  Gesetze  anrufen  ist  selten,  aber  gut,  s.  Liv.  3,  56,  12; 
ferner  ist  ganz  vereinzelt  aliquem  aliquid  implorare,  wie:  Bomanos 
impfloratos  auxilium  adversus  Philippum  tulisse  opem,  Liv.  34,  23, 
3,  vgl.  Kühnast  S.  153,  Dräger  H.  Synt.  I  S.  373;  gewöhnlich  wird 
verbunden  implorare  ah  aliquo  aliquid,  so  Caes.  Gall.  1,  31,  7,  oder 
aliquid  alicuius,  regelmässig  bei  Cic.  und  noch  bei  Lact.,  einen  um 
etivas;  z.  B.  er  fleJite  den  Konsul  um  seinen  Schutz  an,  entweder 
a  conside  fidem,  oder  noch  gewöhnlicher  considis  fidem  imploravit ; 
er  flehte  mich  um  Hilfe  an,  a  me  auxilium  oder  meum  auxilium 
implojxivit.  Um  Hilfe  für  jemand,  etivas,  wird  durch  den  Dativ  aus- 
gedrückt: auxilium  prope  eversae  urhi  implorantes,  Liv.  4,  9,  1.  Aus 
Acc.  tr.  330  R.,  ine.  fab.  40  R.,  Asin.  PoUio  bei  Cic.  fam.  10,  32, 
3  ahi  nunc,  popidi  fidem  implo7Xt,  Sali.  Cat.  52,  29  nequiquam  deos 
implores,  52,  4  frustra  iudicia  implores,  Cic.  de  erat.  2,  144  auxilium 
frustra  implorari  glaube  ich  schliessen  zu  dürfen,  dass  implorare  in 
solchen  Phrasen,  namentlich  höhnischen  oder  auch  resignierenden 
Charakters,  besonders  üblich  war.  Ygl.  noch  AYölfflin  Archiv  II 
S.  7  und  S.  615,  woraus  hervorgeht,  dass  für  implorare  auch,  aber 
sehr  selten,  invocare  gebraucht  wurde,  z.  B.  Liv.  41,  25,  4  deosque 
testes  nequiquam  invocare. 

Imponere  in  der  Bedeutung  etwas  iji  etivas  hineinlegen,  wird  im 
eigentlichen  Sinne  verbunden  aliquid  in  aliquid,,  z.  B.  milites  in  naves ; 
in  übertragener  Bedeutung  aliquid  in  aliquid,  seltener  in  aliqua  re, 
auch  alicui  aliquid;  hierüber  habe  ich  ausführlich  mit  Angabe  der 
Literatur  gehandelt  Pollio^  S.  20,  vgl.  noch  Burg  S.  26.  Auch  sagt 
man  aliquem  imponere,  einen  anstellen  cds  etwas,  mit  einem  zweiten 
Accus,,  z.  B.  aliquem  vilicum  imponere,  so  z.  B.  Cic.  Plane.  62  si7i 
emimus,  quem  vilicum  imponeremus ;  ivo,  in  aliquo  loco,  z.  B.  in 
hortis;  worüher,  alicui  rei,  z.  B.  classi;  man  bemerke  jedoch,  dass 
ebensowohl  der  zweite  Acc,  als  der  Dativ  fehlen  kann,  vgl.  Sali. 
Cat.  51,    28    Lacedaemonii    devictis    AtJieniensihus    triginta    vires 


Importabilis  —     697     —  Iinpossibilis 

imjmsiiere  und  Ju^.  100,  3  niiUo  imijosito.  Vgl.  Fabri  zu  Sali. 
Jug.  100,  3.  —  N.  L.  ist  epistidarn  im'ponere,  einen  Brief  in 
einen  andern  eirüer/en  für  addere  oder  adiungere  (Cic.  fam.  3,  8, 
10).  Die  Redensart  mcuium  cdicui  imponere  =  feindlich  Hand  an 
jemand  legen,  hat  Sen.  epp.  90,  40;  manum  alicui  rei  imponere, 
die  Hand  ayi  ehvas  legen,  ist  ausser  bei  dem  altern  Plinius  fast  nur 
P.  L.;  aber  die  von  Kunstwerken,  denen  die  letzte  Vollendung  ge- 
geben wird,  entlehnte  Redensart  manum  extremam,  sa^nmam  oder 
sapremam  alicui  rei,   extremam   limam  operi  imponere  (Plin.  epp.  8, 

4,  7,  Ov.  trist.  1,  7,  28  u.  30)  kann,  da  auch  Cicero  Brut.  126 
ähnlich  sagt:  extrema  manus  eins  operihus  non  accessit,  um  so  mehr 
ohne  ein  milderndes  qiiasi  u.  dgl.  gebraucht  werden,  als  sie  sich 
N.  Kl.  nicht  bloss  bei  Plin.  nat.  36,  16,  sondern  auch  bei  Sen.  epp. 
12,  4,  bei  Vell.  2,  23,  1;  2,  87,  1;  88,  1;  117,  1  (vgl.  Georges 
Vell.  S.  36,  wonach  Vell.  nur  tdtimam  manum  imp.  sagt).  Gell.  17, 
10,  5,  Quintil.  1  Prooem.  §  4  findet. 

Importabilis,  unerträglich,  ist  Sp.  L.  für  iyitolerabilis,  vgl.  Gölzer 
Hieron.  S.  136,  Rönsch  Ital.  S.  111  u.  Coli.  phil.  S.  90. 

Importare  kommt  in  der  Bedeutung  verursachen  bildlich  nur  bei 
schlimmen  Dingen,  als  fremdartigen  und  nicht  einheimischen,  vor, 
z.Vf.  pestem,  incommodum,  aber  nicht  commodum,  laetitiam  u.dgl. 
importare;  vgl.  Pacuv.  tr.  178  R  cladem  familiae  importai^e,  Horaz 
ep.  1,  13,  4  ne  odium  lihellis  importes,  Cic.  fil.  ad  fam.  16,  21,  6 
suspicionem  importare,  Cic.  Tusc.  4,  34  aegritudines  anxias  impor- 
tare; mehr  Stellen  siehe  bei  Näg.-MüUer^  S.  459  f.  —  Französ.  L. 
ist  nihil  importat,  es  hingt  nichts  ein,  nützt  nichts,  auch  es  macht 
nichts,  für  nihil  conducit,  nihil  refert. 

Impos,  impos  animi  =  sehies  Verstandes  nicht  mächtig,  findet 
sich  A,  L.  oft  bei  Plaut,  z.  B.  Cas.  514,  Bacch.  614,  Trin.  131,  Men. 
110,  Truc.  828,  ebenso  bei  Apul.  met.  3,  12,  extr.  u.  ib.  5,  22. 
Wenn  aber  der  Antibarb.  früher  lehrte,  dass  es  nur  mit  animi  ver- 
bunden werde  und  nur  A.  u.  Sp.  L.  sei,  so  war  beides  irrig;  denn 
impos  wird  schon  Acc.  287  R.  impos  consili,  in  Prosa  seit  Seneca 
im  silb.  Latein  mit  noch  andern  Genitiven  ausser  animi  verbunden 
angetroffen;  vgl.  impos  sui,  Sen.  epp.  83,  10,  ferner  aus  Sueton: 
iuxta  cuhiculum  eius  lixa  quidam  .  .  deprehensus  est  cultro  venatorio 
cinctus,  imposne  mentis  an  simidata  dementia  incertum,  Octav.  19 
extr.;  ebenso  findet  sich  impos  sui  amore  caeco,  Sen.  Agam.  117. 
Mehr  Stellen  siehe  bei  Haustein  S.  37,  wo  jedoch  Apul.  met.  3,  12 
fehlt,  und  Fronto  genauer  nach  Ebert  S.  313  zu  zitieren  ist  (Fronte 

5.  165,  3  N).     Somit  ist  impos  mit  Gen.  A.  L.,  N.  Kl.  und  Sp.  L., 
in  Prosa  zuerst  bei  Seneca;  vgl.  meine  Syntax^  §  64. 

Impossihilis,  unmöglich,  und  possihilis,  möglich,  kommen  zuerst 
bei  juristischen  Schriftstellern  in  der  Zeit  Vespasians  vor,  dann  bei 
Quintilian  als  rhetorische  und  philosophische  Wörter  für  die  griech. 
öüvarög  und  ddüvarog;  er  sagt  davon  (3,  8,  25):  dovazov,  quod 
nostri  possihile  nominant ;   quae   ut   dura  videatur   appellatio,   tarnen 


Impostor  —     698     —  Impressio 

sola  est;  —  und  so  braucht  er  auch  beide  nur  als  Kunstwörter, 
nicht  um  das  gewöhnliche  möglich  oder  iinmöglicJi  auszudrücken,  wo- 
für nur  fieri  posse  und  fieri  non  jios^e  üblich  ist.  Ausser  bei  Quin- 
tilian  und  spätem  Lateinern  (vgl.  Schulze  Symm.  S.  57,  Leipold  S.  15, 
Regnier  S.  181  und  Thielmann  Philol.  42  S.  338)  kommen  beide 
Wörter  nicht  vor  und  müssen  daher,  abgesehen  von  der  philosophischen 
Sprache,  durchaus  vermieden  werden.  Ygl.  mehr  unter  Possihilis.  — 
Das  Subst.  impos^ihilitas  ist  durchaus  verwerflich,  es  findet  sich  erst 
seit  Apul.  u.  TertuU.,  vgl.  Gölzer  Hieron.  S.  102,  Rönsch  Coli.  phil. 
S.  33. 

Impostor,  der  Betrüger,  dazu  impostrix,  die  Betrügerin,  und 
impostiira,  die  Betrügerei,  sind  Spf.  L.  für  Jiomo  fraiididentus^  fcdlax, 
versidiis;  frans,  fraudatio.  Interessant  ist  die  Zusammenstellung  bei 
Hieron.  ep.  38,  5  impostor  et  graectis  est.  Vgl.Wölfflins  Arch.  HI,  252. 

ImpraemeditatiLs,  iinvorhereitet,  ohne  vorhergegangene  Überlegung, 
ist  SjJ.  L.  bei  Hieron.  für  imparatus,  non  praemeditatus. 

Impraeparatiis,  iinvorhereitet,  ist  gleichfalls  Sp.  L.  für  imparatus, 
non  praeparatus. 

Impraesentiarum,  unter  den  gegeniv artigen  Umständen,  ist  höchst 
selten  und  kommt,  ausser  bei  Cato  agr.  144,  4,  Fann.  S.  87  1  P., 
rhet.  Her.  2,  16,  Nep.  Hann.  6,  2,  Tac.  ann.  4,  59  nur  Sp.  L.  vor; 
die  Stellen  siehe  bei  Thielmann  Cornif.  S.  44.  —  Wahrscheinlich 
ist  es  ein  aus  in  praesentia  rerum  verdorbenes  Volkswort  und  durch 
pro  temporihus,  in  praesentia  (Cic.  fam.  14,  14,  1),  in  praesenti,  in 
praesens  oder  hodie  (Cic.  Att.  5,  21,  2)  zu  ersetzen.  Näheres  siehe 
ausser  bei  Thielmann  1.  1.  noch  bei  Wölfflin  Philol.  34  S.  147, 
Nägelsbach-Müller ^  S.  97  Anm.,  Studemund  bei  Klussmann  emend. 
Fronton.  S.  31  Anm.,  Landgraf  Bayr.  Gymn.  XYI,  328,  Hand  Turs. 
m,  235  f.,  Neue-Wagener^  H  S.  671,  Ebert  S.  331. 

Imprecari  bedeutet  im  bessern  pros.  Gebrauche  nur  Böses  ivün- 
sehen.  Unrichtig  ist,  dass  das  Wort  bloss  beim  altern  Plinius  und 
bei  Spätem  vorkomme.  Es  steht  auch  Sen.  contr.  7,  1,  5  (aber 
1,  3,  1  precer)  und  bei  Tac.  ann.  6,  24,  bist.  1,  84,  Suet.  Octav. 
65,  Calig.  28.  Ein  weiterer  Gewährsmann  ist  der  jüngere  Seneca, 
s.  epp.  110,  2  u.  de  benef.  6,  27,  1  u.  6,  35,  5  u.  de  ira  2,  36, 
5  u.  3,  22,  3.  —  Wenn  imprecari  von  Petr.  sat.  78  u.  Apul.  met. 
9,  25  in  ho)iam  partem  genommen  ist,  so  ist  dies  sehr  bemerkens- 
wert; denn  hier  zeigen  sich  die  ersten  Spuren  eines  Bedeutungs- 
wandels, der  im  christlichen  Latein,  wo  imprecari  und  imprecatio 
heten  und  Gehet  bezeichnen,  sich  vollständig  vollzogen  hat.  Vgl. 
Hieron.  adv.  Helv.  2  Dens  est  imprecandus  und  ep.  130,  2  ad  ponti- 
ficis  imprecationem.  Vgl.  Gölzer  Hieron.  S.  267.  —  N.  Kl.  bei  Se- 
neca und  dem  altern  Plinius  steht  auch  imprecatio  in  der  Bedeutung 
Verwünschung,  für  exsecratio,  detestatio ;  christlich  lat.  ist,  wie  eben 
gezeigt,  imprecatio  =  Gehet. 

Impressio  kommt  nirgends  in  bildlichem  Sinne,  Eindruck  auf 
das  Gemüt,  vor,  für  vis;  daher  heisst  Eindruck  machen,  vim  hahere, 


Imprime  —     699     —  Improbus 

auch  movere,  commovere,  ijeUere.  Für  unsere  neue  Idee,  Bücher 
drucken,  ist  librimi  imprimere  so  wenig  zu  empfehlen  als  lihrum  ex- 
cudere  oder  ti/pis  exender e,  vielmehr  lihrum  typis  exscrihere,  litter arum 
formis  desertiere ;  der  Buchdruck  als  Kirnst  ist  am  einfachsten  und 
kürzesten  ars  typographica,  als  Art  des  Druckes  modus  typorum, 
litterarnm  formae.  —  N.  L.  aber  ist  impressor,  in  welcher  Bedeutung 
es  sei,  unter  andern  in  der  Bedeutung  Drucker,  für  typographus, 
welches  das  älteste  und  deutlichste  Wort  dafür  ist  und  besser  als 
librariiis.     Ygl.  Typographus. 

Imprime  ist  N.  L.  Form ;  bei  Cic.  harusp.  resp.  36  hat  man  es 
früher  gelesen,  aber  jetzt  fallen  gelassen,  denn  „einer  Bildung  im- 
prime lässt  sich  kein  rechter  Sinn  abgewinnen",  sagt  Wölfflin  Komp. 
S.  25.  Nicht  zu  beanstanden  ist  dagegen,  wenn  auch  nicht  Kl., 
apprime,  aber  nur  bei  Adj. ;  z.  B.  apprime  doctus,  vgl.  oben  Ajj- 
prime.  —  Bei  Cicero  kommt  imprimis  zur  Vorherrschaft,  es  hat 
cipprime  gar  nicht  aufkommen  lassen  und  auch  das  in  den  Yerr.  noch 
übliche  cumprimis  verdrängt,  vgl.  Wölfflin  Komp.  S.  25  und  oben 
Cum  primis. 

Imprimere,  eindrücken.  Man  sagt  1)  imprimitiir  aliquid  =  es 
bekommt,  erhält  etivas  Eindrücke  wie  in  dem  bekannten:  an  im- 
primi  quasi  ceram  anhmim  putamusf  Cic.  Tusc.  1,  61,  2)  mit  dem 
Beisatz  aliqua  re:  illorum  flagitiorum  iste  vestigiis  totam  Italiam 
impressit,  Cic.  Phil.  2,  58;  vgl.  dazu  'N'ägelsbach-Müiler^  H.  609.  3)  Äli- 
quid  alicui  rei  imprimere:  monimenta  memoriae  humanae  saxis  im- 
pressa,  Tac.  ann.  11,  14,  Lact.  1,  516,  14  nomina  imprimere  rebus; 
4)  imprimere  aliquid  in  aliquam  rem  oder  in  aliqua  re:  cum  visa 
in  animos  imprimantur,  Cic.  acad.  2,  58,  und  in  omnium  animis 
deorum  notionem  impressit  natura,  nat.  deorl,  43;  vgl.  jedoch  C.  F.W. 
Müller  z.  St.  und  Schüssler  II  S.  20.  —  Man  braucht  es  im  N.  L. 
nicht  gut  (s.  impressio)  für  die  neue  Bezeichnung  Bücher  drucken, 
libros  imprimere,  mit  und  oh7ie  das  Wort  typ^is,  und  nennt  gedruckte 
Bücher  libros  impressos,  dagegen  geschriebene  scriptos.  Da  die  Alten 
den  Gegensatz  nicht  gekannt  haben,  so  ist  es  Aufgabe  der  modernen 
Latinität,  denselben  auszuprägen.  Besser  als  libri  impressi  und  scripti 
würde  jedenfalls  libri  typis  —  manu  scripti,  confecti  sein.  J.  A. 
Wolf  nennt  den  Druckbogen  ganz  entsprechend  plagida  typis  de- 
scripta. 

Improbus  =  sehr  gross,  hoch,  masslos,  unverschämt,  kommt 
nach  Non.  schon  bei  Sallust  vor :  improbo  patibulo  eminens  affigebatur. 
Sali.  hist.  3,  9,  doch  liest  M.  hier  improbe  (codd.  improbi)',  oft  jedoch 
wird  es  bei  den  Dichtern  der  Kl.  Periode  gebraucht,  z.  B.  in  dem 
bekannten  labor  improhis  omnia  viyicit,  Verg.  georg.  1,  145.  Yon 
ihnen  ist  es  denn  auch  in  die  N.  Kl.  Prosa  übergegangen,  wie: 
improbae  spes  hominum  =  masslose,  ühe?iriehe7ie,  ausschiueifende 
Hoffnungeyi  der  Menschen,  Plin.  epp.  8,  18,  3  u.  Quintil.  12,  1,  13, 
lust.  22,  7,  4  und  29,  2,  2;  non  est  quod  protinus  imbecillam  aciem 
committas   improbo  lumini,   Sen.  epp.  94,  20    =  einem  allzustarken 


Improsper  —     700     —  Impure 

Lichte  aussetzen;  genua  inqjroha  bei  Colum.  6,  1  extr.  sind  aUznlwhe 
Kniee;  aiistro  hnher  improbior  est  =  stch'lcer,  Sen.  n.  q.  4,  4  extr.  — 
Auch  das  Adv.  imjn'ohe  hat  die  Bedeutung  ühermässig  angenommen, 
vgl.  Suet.  Yesp.  23  de  quodam  procerae  staturae  inijwohiuscßie  nato; 
vgl.  Heraus  Progr.  Offenbach  1899  S.  38.  Es  gehören  somit  im- 
prohus  und  improhe  in  der  genannten  Bedeutung  der  poetisierenden 
Prosa  des  N.  Kl.  Lateins  an  und  werden  besser  gemieden. 

Imiwosjier,  wifßmMkli ,  ist  erst  K.  Kl.  und  kommt  nur  bei 
Tacitus,  Gellius  und  beim  Schol.  Bob.  vor;  doch  ist  es  nicht  durchaus 
zu  verwerfen  und  kann  neben  infeliXj  miser,  adversus  u.  a.  gebraucht 
werden.  —  Das  Adv.  improspere  ist  ebenfalls  N.  Kl.  und  kommt 
bei  Columella  (imprüspere  cedere),  Tacitus  und  Gellius  vor,  für  male, 
infeliciter. 

Impiüüte  ist  sehr  selten  für  imjnine,  jetzt  nur  bei  Matius  (Cic. 
fam.  11,  28,  3)  und  in  Cic.  fin.  2,  59,  wo  jetzt  bei  Baiter-Kayscr, 
Madvig  und  C.  F.  W.  Müller  impunite  statt  impune  gelesen  wird;  vgl. 
Comm.  Wölfflin.  S.  273.  Man  halte  sich  mehr  an  impune.  Dieses 
Adverb  wird,  wie  Dräger  zu  Tac.  ann.  12,  54:  iam  pridem  ludaeae 
impositus  et  cunctct  malefacta  sibi  impune  ratus  bemerkt,  von  Tacitus 
auch  im  Sinne  eines  prädikativen  Adj.  gebraucht,  ebenso  ann.  1,  72: 
facta  arguehaiitur,  dicta  impune  erant.  Bei  frühern  Autoren  ist  dies 
selten,  bei  Cicero  nur  in  den  Briefen,  wie  Attic.  1,  16,  13,  häufiger 
ist  die  Yerbindung  mit  transitiven  Yerben  wie  facere,  ferre,  occidere, 
hahere.  —  Straffrei  ausgehen,  ungestraft  lassen  kann  auch  durch  das 
Adj.  impunitus  ausgedrückt  werden:  impunitum  aliquem,  aliquid 
dimittere,  s.  Cic.  Verr.  5,  149,  Sali.  Cat.  51,  5,  rhet.  Her.  4,  51.  Si 
istius  haec  tanta  iniuria  hnpunita  discesserit,  Cic.  Yerr.  4,  68.  Mul- 
torum  hnpunita  scelera  ferre,  Cic.  off.  2,  28.  Qui  nullius  unquam 
impunitam  stultitiam  transire  2mssus  est,  Sen.  contr.  1,  2,  22. 
Impunitum  ptati  aliquem,  Tac.  bist.  4,  77.  Aliquid  alicui  impunitum 
est,  Liv.  26,  2,  15  u.  9,  26,  1.  —  Das  bis  jetzt  nur  aus  Apul.  met. 
3,  6  belegte  impunis  hat  durch  Nettleship  in  Journal  of  Philol.  XIY 
S.  30  eine  weitere  Beweisstelle  an  Hygin  8  S.  41  Schm.  erhalten 
(vgl.  jedoch  die  Überlieferung!). 

Impurare,  verunreinigen,  beflecken,  kommt  erst  sehr  spät  bei 
Isidor  vor;  bei  Sen.  ep.  87,  16  steht  jetzt  inspurcavit ;  dafür  sagt  man 
maculare,  inquinare,  poUuere  u.  a.  —  A.  u.  Sp.  L.  auch  impuratus, 
z.  B.  Plaut.  Rud.  543  impurata  belua,  Lucil.  66  homo  impuratus. 

Impure,  impurus  und  impuritas  haben  bei  den  Alten  nur  Be- 
ziehung auf  schändliche,  ivollüstige  Lebensweise.,  nirgends  aber  wer- 
den sie  mit  dicere^  loqui  und  sermo  so  verbunden,  dass  sie  falsche, 
gemischte,  barbarische  Rede  bedeuten;  vielmehr  ist  impure  loqui  so 
viel  als  obscene  loqui,  unzüchtig  reden.  Man  brauche  dafür  barbare, 
inquinate,  non  pure,  noji  caste ;  inquinatus  sermo,  inquinata  oratio, 
nulla  castitas  oder  sinceritas  orationis,  nihil  castitatis  scrmonis,  cor- 
rupta  sermonis  integritas,  sodass  wir  jene  Wörter  entbehren  können. 
—  Das  Subst.  impuritas  ist  sehr  selten,  aber  Kl.;  es  steht  an  zwei 


Imputare  —     701     —  In 

Stellen  bei  Cicero,  Phil.  5,  16  im  Singular,  ib.  2,  6  im  Plural;  sonst 
findet  es  sich  nur  Sp.  L.,  z.  B.  Capit.  Macr.  7,  8,  Yulg.  Lev.  5, 
3,  Ambros.  de  ofF.  1,  26,  136,  Salvian  gub.  dei  6,  5,  Priscillian 
22,  18.     Vgl.  Hauschild  S.  21. 

Iirqmtare  kommt  mit  Ausnahme  von  Ov.  heroid.  6,  102  u.  met. 
2,  400  im  goldenen  Zeitalter  der  lat.  Sprache  nicht  vor;  sonst  nur 
N.  Kl.,  ist  es  ein  der  kaufmännischen  Biichführimg  entlehnter 
Ausdruck  =  ekvas  in  An7^eclinnng  bringen.  Die  eigentliche  Be- 
deutung erhellt  aus  Colum.  1,  9  j^/i^s  impiitant  semhiis  iacti  quam 
qiiod  severint  und  aus  Sen.  ep.  8,  10  hoc  non  imputo  in  soliitum 
=  das  trag'  ich  nicht  unter  das  Haben  ein.  Bedeutet  es  aber  im 
übertragenen  Sinne  als  Verdienst  anrechnen,  in  Rechnung  bringen, 
sich  ein  Verdienst  aus  etwas  machen,  so  können  die  Taciteischen 
Worte  bist.  1,  38:  quis  mihi  phtrimtim  imputet  nicht  heissen  iver 
sich  mir  am  meisten  verpflichte,  sondern  umgekehrt,  luer  durch  seine 
Hingebung  mich  ihm  am  meisten,  am  stärksten  verpflichte,  oder  wie 
Heraus  übersetzt:  wer  bei  mir  am  meisten  zu  gute  haben  soll.  Richtig 
schon  Ernesti:  quis  pro  me  acrius  contendendo  efficiai,  id  ei  plus 
debeam.  Imputai^e  kommt  aber  nicht  bloss  bei  Columella,  Yellejus 
(vgl.  Georges  Yell.  42),  Tacitus,  Seneca,  Sueton,  Curtius,  sondern 
auch  beim  Jüngern  Plinius  und  Quintilian  trop.  in  bonam  et  malam 
partem:  einem,  sich  etiuas  cds  Verdienst  oder  cds  Schiäd,  Voriuurf 
anrechne?!,  sowie  iS^;.  L.,  z.  B.  bei  Symmachus,  vgl.  Schulze  Symm. 
S.  102,  ja  selbst  bei  Dichtern  vor,  vgl.  Vollmer  zu  Stat.  silv.  2 
praef.  22. 

In.  Diese  Präposition  steht  nicht  immer,  wo  wir  in  oder  auf 
brauchen.  Von  vielen  Fällen  führe  ich  nur  einige  an.  Sp.  L.  (oft 
z.  B.  bei  Cypr.  in  den  testim.  wie  3,  20:  in  Hieremia).,  ist  bei  Schrift- 
stellernamen  in  mit  dem  Abi.,  z.  B.  in  Cicerone,  in  Homero,  in  Livio 
u.  dgl.,  obgleich  man  nicht  an  die  Person,  sondern  nur  an  ihre 
Schriften  denkt;  klass.  ist  apud  Ciceronem,  apud  Homerum,  apud 
Livium,  wie  z.  B.  bei  Cicero:  apud  Ennium  (Tusc.  1,  107),  apud  So- 
phoclem  (Tusc.  2,  20),  apud  Homerum  (ib.  3,  18).  Dies  ist  auf- 
fallend, da  doch  die  Alten  sagen,  z.  B.  Flatonem  legere,  Piatos 
Schriften  lesen  (Cic.  Tusc.  2,  8).  Gut  ist  aber  in,  wenn  ein  einzelnes 
Buch  eines  Schriftstellers  einen  Personennamen  führt,  z.  B.  in  Oorgia, 
in  Menone,  in  Timaeo  —  Piatonis;  in  Laelio,  in  Horteyisio,  in  Ca- 
tone  Maiore  Ciceronis  u.  dgl.;  richtig  ist  auch  in,  wenn  nicht  eine 
einzelne  Schrift  damit  gemeint  ist,  sondern  wenn  von  eines  Schrift- 
stellers Eigenheit,  seiner  Schreibart,  seiner  Glaiibivürdigkeit  u.  dgl. 
die  Rede  ist.  Daher  sagt  Cic.  (erat.  234):  in  Thucydide  orbem  modo 
orationis  desidero,  und  Quintil.  (9,  4,  18):  in  Herodoto  omnia 
leniter  fluunt,  was  dem  obigen  falschen  Gebrauche  von  in  nicht 
gleich  ist,  und  unnötig  will  daher  Spalding  m  Herodoii,  seil,  libris 
lesen.  —  N.  L.  sind  Redensarten,  wie:  est  in  natura  rei,  es  liegt 
in  der  Natur  der  Sache,  für  ea  natura  rei  est  (Cic.  Attic.  2,  17,  1); 
aliquem  in  manibus  auferre,  jemanden  auf  den  Armen  davontragen, 


In  —     702     —  In 

für  i7ite7'  mamis  (Cic.  Yerr.  5,  28);  ire  in  agmine  quadrato,  im  Carre 
gehen,  für  ire  agmine  quadrato;  Pindarus  in  diiahus  rebus  (in  zwei 
Stücken)  Horatio  superior  est,  für  duahus  rebus;  de  ea  re  scripsit 
in  versibus,  in  Versen,  für  versihus  (Cic.  fara.  1,  9,  23,  Tusc.  1, 
107);  sententiae  in  optimis  verbis  (in  den  besten  W.J  explicatae,  für 
optimis  verbis;  est  in  verbis  expeditus,  in  W.  gewandt,  für  vet'bis 
(Cic.  Brut.  221);  aliquid  in  graeco  sermone  (in  griecliisclier  Sprache) 
tractare,  für  graeco  sermone,  graecis  litteris  tractare  oder  mandare 
(Cic.  fin.  1,  1);  iyi  verbis  ioeari,  laudare  aliquem  u.  dgl.,  für  verbis 
ohne  iyi,  aliquid  facere  in  spe  alicuius  rei,  iti  der  Hoffnung  auf  etwas, 
für  ad  oder  seit  Liv.  in  speni  (Cic.  rep.  2,  5:  urbem  ad  spem  diu- 
turnitatis  condere),  vgl.  I^ipp.  zu  Tac.  ann.  14,  63,  Reisig-Haase  N 
570  i;  creari  in  comitiis,  für  comitüs  (vgl.  Comitia)\  in  ludis  Cir- 
censibus,  bei  oder  iväJirend  der  Circ.  Spiele,  für  ludis  Circ.  u.  dgl. 
mehr.  — Was  Ausdrücke  wie:  in  der  Toga,  im  Unterkleid  u.  dgl.  da- 
sitzen, ersclieinen  u.  s.  w.  betrifft,  so  sagt  man  in  Ciceros  Zeitalter 
dafür  allerdings  nur:  cum  toga  etc.  sedere.  Doch  ist  auch  der  Ge- 
brauch von  in  toga  etc.  sedere  u.  dgl.  nicht  durchaus  zu  verwerfen. 
S.  darüber  Hand  Tursell.  III,  260,  19;  bei  Livius,  welcher  sonst  in 
dieser  Yerbindung  cum  gebraucht  (2,  23,  3;  24,  10,  10  und  26, 
29,  3),  steht  in  veste  Candida  45,  20,  5,  in  armis  24,  38,  2,  in  for- 
tunae  pristinae  insigyiibus  mori  5,  41,  2;  ebenso  N.Kl.:  venerunt 
in  tunicis  albis,  Plin.  epp.  7,  27,  13,  Persae  in  luguhri  veste  .  .  . 
regem  lugebant,  Curt.  10,  5,  17.  Auch  der  blosse  Abi.,  aber  mit 
Attribut,  ist  zulässig:  venisse  eo  muliebri  vestitu  virum,  Cic.  Attic.  1, 
13,  3:  ebenso  bei  Liv.  5,  22,  4;  21,  62,  5  u.  22,  46,  6;  oder  es 
wird  die  Präposition  durch  ein  Part.  Perf.  ersetzt,  wie  toga  vestitus, 
squalore  et  sordibus  obsitus  oder  dafür  einfach  auch  togatus,  palu- 
datus,  praetextatus,  purpuratus  gesagt,  endlich  auch  durch  den 
blossen  Abi.  absol.  ausgedrückt:  veste  sordida  sumpta,  Liv.  45,  20, 
10.  umgekehrt  wird  im  Lat.  hi  beigesetzt,  wo  man  dasselbe  nicht 
erwartete,  z.  B. :  non  solum  in  eodem  sensu,  sed  etiam  in  diverso 
eadem  verba  contra,  Quintil.  9,  3,  36,  aliter  voces  aut  eaedem  in  di- 
versa  significatione  ponuntur,  aut  .  .  .  ibid.  §  69.  Sallustius  in 
significatione  ista  non  superesse,  sed  superare  dicit.  Gell.  1,  22,  15. 
üt  stips  non  dicitur  in  significatione  trunci,  Charis.  1,  18,  39.  In 
duodecim  tabulis  .  .  nusquam  nominatur  villa,  semper  in  significatione 
ea  hortus,  Plin.  nat.  19,  50.  —  Über  in  cdiquo  habere  adversarium, 
an  einem  einen  Gegner  haben,  s.  Habere.  —  Über  huc  oder  eo  in 
impudentia  pervenire,  vgl.  Eo.  —  N.  L.  ist  auch  in  alicuius  nomine, 
in  jemandes  Namen,  z.  B.  einen  grüssen,  für  cdicuius  nomine  oder 
verbis;  also  meo  nomine,  meis  verbis.  Ygl.  Cic.  fam.  13,  21,  2,  Att. 
1,  16,  16.  Über  in  alicuius  persona,  in  jemandes  Person,  z.  B. 
etwas  sagen,  vgl.  Persona.  —  N.  Kl.  bei  Yell.  und  Sen.  rhet.  und 
häufig  bei  Tacitus  ist  in  mit  dem  Neutrum  einiger  Adjektive,  z.  B. 
in  quantum,  in  tantum  u.  dg\.^  für  quantum,  tantum;  vgl.  Georges 
Yell.  S.  69,  Ebert  S.  327,  Dräger  H.  Synt.  11  S.  628,  Dahl  S.  172. 


In  —     703     —  In 

—  Verworfen  werden:  in  alictiius  honorem,  laiidem,  gr atiam  d'icere^ 
facere,  scribere  u.  a.,  für  aliciiiiis  lioyioris,  laudis,  gratiae  causa 
(Cic.  fam.  13,  26,  2  u.  31,  1);  daher  gratiae  causa,  um  jemanden  zu 
geummen  (Cic.  de  orat.  2,  89).  Aber  geschützt  wird  facere  aliquid 
in,  ad  honorem,  in  gratiam  aUerius  durch  Beispiele  aus  der  N.  Kl. 
Literatur;  vgl.  Liv.  28,  21,  4  u.  dazu  Weissenborn  sowie  Frieders- 
dorff;  Sen.  epp.  20,  7;  79,  2  u.  92,  1;  de  benef.  5,  19,  8,  Yell.  2, 
41,  2,  Plin.  epp.  7,  24,  7,  paneg.  7,  4  u.  11,  2,  Quintil.  1,  1,  6  u. 
11,  2,  12.  Vgl.  Georges  Yell.  8.  69,  Seck  II  S.  9  Anm.  12.  Über 
in  alicuius  memoriam  vgl.  Memoria.  —  Yer werfen  wird  in  —  lihro, 
in  —  lihris,  wenn  sich  das  Buch  oder  die  Bücher  ganz  mit  dem 
genannten  Gegenstande  beschäftigen,  für  lihro,  lihris  ohne  in  (Cic. 
fin.  1,  2);  dagegen  steht  in  richtig  dabei,  wenn  etwas  nxxv  irgendwo 
in  dem  genannten  Buche  oder  in  den  genannten  Büchern  erwähnt 
wird,  z.  B.  Cic.  off.  3,  74  in  primo  lihro  (nämlich  nur  in  Cap.  7) ; 
Att.  8,  11,  1  quinto,  ut  opinor,  in  libro.  Daher  steht  es  auch  immer 
bei  hestimmter  Angabe  eines  Teils  eines  Buches,  Briefes  oder 
Schriftstückes,  z.  B.  Cic.  fam.  7,  5,  2,  quibus  in  extremis  (litteris), 
an  dessen  Ende.  Ygl.  Cic.  off.  2,  60  und  Heusinger  zu  Cic.  off.  2, 
13.  Kl.  ist  zwar  gratus  in  vidgus  (vgl.  Gratus),  aber  ohne  Autorität 
ist  wohl  iwohatus  ni  plures.  —  Wenn  unter  Berufung  auf  Caes. 
Gall.  5,  35,  6  behauptet  worden  ist,  man  sage  wohl  nicht  aliquem 
vtdnerare  in  fronte,  an  der  Stirne;  in  ore,  im  Gesichte,  sondern  in 
frontem,  in  os,  so  ist  dies  nicht  ganz  richtig.  Bei  lust.  1,  9,  8  hat 
Rühl  das  von  Jeep  verdrängte  in  femore  wiederhergestellt,  ebenso 
steht  der  Abi.  mit  in  fest  bei  lust.  9,  3,  2;  15,  3,  13  und  42,  2, 
2.  Ebenso  bei  Celsus:  qui  in  capite  vel  hrachiis  vulnerati  sunt,  5, 
26,  28  g.  E.  Quod  vulnus  secundo  loco  in  pectore  acceperat,  Suet. 
Caes.  82.  Dies  ist  sicherlich  empfehlenswerter,  als  das  vulgäre,  von 
Riemann  etudes  S.  262  richtig  charakterisierte  femur  perciissus,  und 
wird  sogar  durch  ähnliche  Ausdrücke  Ciceros  geschützt:  Vidnus, 
quod  nie  in  capite  ah  hostium  duce  acceperat,  Cic.  Yerr.  5,  3,  Serv. 
Sulpic.  bei  Cic.  fam.  4,  12,  2.  Aber  die  beste  Ausdrucksweise  für 
ich  hin  am  Scherikel  verivundet  ist  mihi  femur  est  traiectum  nach 
Caes.  Gall.  5,  35,  6.  —  Bei  Angabe  des  Masses  in  der  Höhe,  in 
der  Länge,  in  der  Breite  wird  nicht  in  mit  dem  Ahl.,  sondern  in 
mit  dem  Accus,  gesetzt,  also  iyi  altitudinem,  in  longitudinem,  i?i  la- 
titudinem,  wofür  auch  die  Genit.  altitudiyiis  u.  s.  w.  vorkommen, 
z.  B.  aggerem  in  altitudinem  pedum  octoginta  exstruit  (Caes.  civ.  2, 
1,  3),  vallus  quadraginta  pedes  altitudinis  habebat  (b.  Alex.  2,  4); 
doch  steht  in  der  lex  Julia  municipalis  ed.  Engelb.  Schneider  S.  82, 
39  quantum  quoiusque  ante  aedificium  viae  in  longitudine  et  in  lati- 
tudine  erit.  —  A.  L.  u.  N.  Kl.  ist  in  tempore,  zur  rechten  Zeit,  wo- 
für Kl.  bloss  tempore  (tempori)  vorkommt.  Über  in  beim  Abi.  der 
Zeit  vgl.  meine  Syntax^  §  95  Anm.  1  u.  2,  Praun  S.  93,  Cotta  S.  26; 
man  meide  hier  das  offenbar  vulgäre  in.  Richtig  aber  ist  in  pueritia, 
in    adulescentia;    ferner    zur   Angabe    des   ivie  oft  innerhalb    eines 


Inaccessus  —     704     —  Inaccessus 

Zeitabschnittes  bis,  ter  —  in  anno,  in  mense,  in  die,  in  hora, 
ziveimal  —  im  Jahre,  d.  h.  innerhalb,  im  Verlaufe  eines  Jahres,  wo 
jedoch  nicht  nur  bei  Dichtern,  sondern  auch  in  Prosa  nicht  selten 
in  fehlt;  vgl.  meine  Syntax^  §  95,  Anm.  1,  wo  noch  Livius  28,  6, 
10  septieufi  die  nachzutragen  ist,  Bagge  S.  71.  Falsch  ist  aber:  pe- 
riit  in  octavo  mense  anni,  für  octavo  mense.  —  D.  L.  ist:  periit  in 
suo  quadragesimo  anno,  in  seiyiem  vierzigsten  Jahre,  für  qiiadra- 
gesimo  anno  aetatis  ohne  in  und  ohne  siio,  aber  mit  aetatis,  oder 
auch  quadraginia  annos  natus.  —  Gut  sind:  in  catenis,  in  vinculis 
Romam  aliquem  mittere,  Liv.  29,  21,  12  u.  32,  1,  8;  lamentari  in 
vidnere,  in  morho,  Cic.  Tusc.  2,  49  und  65 ;  in  sole  ambulare,  in  der 
Sonjie  spazieren  gehen;  in  diem,  in  horam  —  vivere,  in  den  Tag 
hinein  leben;  centum  talenta  in  auro,  wie  wir  sagen:  hundert  Talente 
in  Gold  (Suet.  Galb.  8);  in  praesentia,  in  praesenti,  hi  der  Gegen- 
ivartj  für  jetzt  (Yg\.  Praesentia)]  in  orbem  consistere,  s^c/^  hi  einen 
Kreis  stellen  —  und  so  noch  vieles  dem  Deutschen  Ähnliche  oder 
davon  Abweichende.  —  Über  in  fuga,  auf  der  Flucht,  vgl.  Fuga, 
und  über  in  itinere,  auf  der  Reise,  vgl.  Iter.  —  Endlich  ist  Sp.  L. 
in  verbunden  mit  einer  Präposition  oder  einem  Adverb,  z.  B.  inante, 
incoram,  incircum,  was  entweder  Archaismen  oder  Neuerungen  sind; 
näheres  hierüber  findet  man  im  Archiv  Y  S.  321 — 368  u.  YII  S.  408. 
Ausgenommen  davon  ist  die  Ausdrucksweise  im  römischen  Kalender : 
iji  ante  diem  (in  a.  d.J,  wie  im  Deutschen  übermorgen,  auf  vor- 
gestern u.  a.,  sowie  Phrasen  wie  in  ante  f actis  u.  ä. ;  vgl.  meine  Syn- 
tax^ §  140,  4.  —  In  gratiam  habere,  in  potestatem  esse  oder  habere 
sind  viel  umstrittene  Phrasen;  Wirz  will  Progr.  Zürich  1897  S.  34 
nur  da  den  Accus,  gelten  lassen,  wo  z.  B.  habiii  =  ich  bekam  ist, 
wie  Sali.  Jug.  112,  3;  ich  sehe  in  der  Phrase  in  potestatem  esse  eine 
Kontamination  zweier  Strukturen  =  venire  in  potestatem  +  esse  in 
potestate;  Maurenbrecher  Sallustiana  S.  30  verweist  darauf,  dass 
Wirz  selbst  in  der  ed.  1894  die  Stelle  Jug.  111,  1  anders  be- 
handelt, da  habere  in  als  Ausdruck  der  Geschäftssprache  sei  = 
etwas  icohin,  ivozu  rechnen;  vgl.  noch  Kunze  Sali.  3,  1,  S. 
84  u.  3,  2  S.  72,  Reisig-Haase  S.  696  mit  Anm.  570  c,  Thomas  zu 
Cic.  Yerr.  5,  98  u.  Gellius  1,  7,  16  ff.  —  Reiche  Belehrung  über 
in  findet  sich  in  Hand  Tursellin.  III  und  in  Reisigs  Yorlesungen 
S.  707. 

Inaccessus,  unzugänglich,  ist  poet.  bei  Yerg.  Aen.  7,  11  u.  8, 
195,  sodann  N.  KL  bei  Tacitus,  Flor.  (3,  1,  14)  und  dem  Jüngern 
und  altern  Plinius,  s.  nat.  6,  144;  10,  34  u.  12,  52,  sowie  Sp.  L. 
z.  B.bei  Orosius  6, 8,  10,  Paneg.  wiederholt,  vgl.  Chruzander  S.  32.  Als 
kurzer  Ausdruck  ist  es  nicht  zu  verwerfen.  Aber  nur  Sp>.  L.  ist 
inaccessibilis  und  inadibilis;  dasselbe  findet  sich  oft  bei  den  Eccl., 
z.  ß.  bei  TertuU.,  Cypr.,  Lucifer,  Hieron.  u.  a.,  auch  bei  Paneg.  3, 
109,  18;  vgl.  Rönsch  It.  S.  110,  Coli.  phil.  S.  65,  Gölzer  Hier.  S.  136, 
Thielmann  Philol.  42,  S.  338,  Hartel  in  Wölfflins  Archiv  III  S.  23, 
Urba  S.  38,  Bergmüller  Jord.  S.  12. 


Inadsuetus   .  —     705     —  Inauditus 

Inadsiietiis ,  imgeivolinty  ist  nicht  nur  P.  L.  für  insolitus,  in- 
solens,  auch  der  Kaiser  Claudius  brauchte  es  in  seiner  Rede  über 
das  ins  bonorum  der  Gallier  bei  Tac.  ed.  Nipp.  S.  317  (gegen  Schluss), 
ebenso  Sp.  L.  Sulp.  Sev. 

Liaestimahilis.  Dieses  Adjektiv  wurde  ebenso  wie  aestimabilis 
von  Cicero  in  Prosa  eingeführt,  vgl.  Cic.  fin.  3,  20  aestimahüe  esse 
dicunt  (sie  enim,  ut  opino?^^  appellemus)  id,  quod  .  .  ._,  contraqiie 
inaestimabüe,  qiiod  .  .  Beide  Wörter  finden  sich  übrigens  nur  hier 
bei  Cicero;  sonst  ist  inaestimahilis  N.  Kl.  bei  Liv.,  Yal.  Max.,  Sen. 
und  Sp.  L.  bei  Amm.,  Lact.  u.  a.,  aesthnahilis  aber  ist  äna^  elprjfdvov. 
Für    inaestimabilis    merke    man    besonders    die   zwei  Bedeutungen: 

1)  ivas  sich  nidit  schätzen,   taxieren  lässt,   z.  B.  animi  multitudhiis ; 

2)  ist  inaestimabile  =  omne  pretiimi  excedens  =  unschätzbar,  un- 
vergleichlich dem  Werte  yiach,  vgl.  Kühnast  S.  386.  Über  inaesti- 
7nahilis  und  inaestimatus  bei  den  Juristen  vgl.  Leipold  S.  12. 

Liaffectatus ,  ungeziert,  ungekünstelt,  ist  zwar  erst  N.  Kl,  kommt 
aber  beim  Jüngern  Plinius  und  Quintilian  vor  und  ist  nicht  zu  ver- 
werfen.   Ygl.  Affectatus. 

Inamoemis,  unerfreidich,  unangenehm,  ist  selten  und  von  geisti- 
gen Dingen  gebraucht  meistens  P.;  daher  empfiehlt  sich  nicht  ina- 
moennm  Studium,  für  ingratum,  iniuciindum,  insuave.  Doch  sagt 
Piin.  (ep.  9,  10,  3):  id  genus  operis  inamahile,  inamoenum.  Ygl.  auch 
Amoeyius. 

Inanimatus,  unheseelt,  unheleht,  dem  animatus  entgegengesetzt, 
ist  fast  überall,  wenigstens  bei  Cicero  und  Seneca,  nach  den  bessern 
Handschriften  zu  verwerfen,  für  inanimus.  Ygl.  Madvig  zu  Cic.  fin. 
4,  36.  Jedoch  im  Sp.  L.  bei  Hieron.  und  Boeth.  ist  es  nicht  zu 
beanstanden.  —  N.  L.  aber  ist  es  in  der  Bedeutung  ermutigt, 
beseelt 

Inanis,  nichtig,  ivindig,  eitel,  stolz,  leichtfertig  (von  Personen), 
ist  nicht  nur  P.  L.  für  vanus,  levis,  sondern  hat  auch  gute  pros. 
Autorität.  Man  vgl.  über  homines  inanissimi  nicht  nur  Lact.  inst. 
2,  17,  8,  sondern  auch  Liv.  45,  23,  16:  Non  negaverim  totam  Asiae 
regionem  inaniora  pai^ere  ingenia  und  Sali.  Jug.  64,  5 :  Homo  inanis 
et  regiae  supe^'biae  und  Cic.  fam.  2,  17,  7:  llliid  vero  pusilli  animi 
et  .  .  .  inanis,  wo  animus  =  homo  und  zu  übersetzen  ist:  Als 
einen  kleinlichen  und  nichtigen  Menschen  zeigt  er  sich  dadurch, 
dass  .  .  .     Ygl.  auch  Boot  zu  Cic.  Att.  4,  2,  3. 

Inauditus  bedeutet  Kl.  bloss  unohört,  namentlich  in  Yerbin- 
dung  mit  novus,  vgl.  Landgraf  p.  S.  Rose.  S.  288,  N.  Kl.  unveHmi, 
z.  B.  aliquem  inauditum  punire,  damnare,  Tac.  ann.  4,  11  (nicht  2, 
11,  3,  wie  Georges  Phil.  Woch.  1886  S'.  1570  zitiert);  2,  77;  12, 
22;  bist.  1,  6  u.  2,  10;  auch  Sp.  L.,  z.  B.  Lact.  1,  399,  9  damnasse 
innocentiam  inauditam,  wiederholt  bei  Lucifer;  was  re  oder  causa 
inaudita,  unverhörter  Sache,  ohne  dass  die  Sache  untersucht  ist,  be- 
trifft, so  ist  diese  Yerbindung  nicht  N.  L.,  sondern  Sj).  L. :  yieque 
inaudita   causa   qitemquam   damnari  aequitatis  ratio  patitur,   s.  Dig. 

Krebs-Schmalz,   Antibarbaras  I.  45 


Inauguralis  —     706     —  Incedere 

48,  17,  1;  Kl.  sagt  man  dafür  indida,  incognita  causa;  re  inoraia 
(Cic.  S.  Rose.  26)  ist  etwas  anderes:  ohne  die  Sache  vorgetragen,  vor- 
gebracht zu  haben,  nach  der  alten  Bedeutung  von  orare  =  agere, 
dicere,  s.  Brix  zu  Plaut.  Trin.  1161,  Landgraf  p.  S.  Rose.  S.  185, 
Heerdegen  Semasiol.  Untersuch.  III  S.  29  u.  39.  Zwar  steht  bei  Cicero 
(Balb.  41)  re  inaudita.  aber  in  der  Bedeutung  als  man  gehört  hatte, 
von  inaudire,  über  dessen  Bedeutung  vgl.  Boot  zu  Cic.  Att.  6,  1,  20. 

Inauguralis  ist  ein  N.  L.,  sogar  akademisches  Wort  in  der  Be- 
deutung zur  Einiüeihung,  zum  Antritt  einer  Würde,  eines  Amtes 
gehörig,  z.  B.  oratio  inauguralis,  eine  Antrittsrede;  disjmtatio  inau- 
guralis. Ein  weit  besseres  Wort  ist  wohl  aditialis,  mag  es  auch 
nicht  mit  oratio  und  dis])utatio  verbunden  vorkommen.  Vgl. 
Aditialis. 

Inaugurare,  einiueihen,  einführten,  einsetzen,  wird  Kl.  nicht  bloss 
von  Örtern,  sondern  auch  von  Pr'iestern  gesagt  und  kann  daher 
recht  wohl  auch  von  der  Einweihung  und  Eijiführung  eines  Priesters 
oder  Pfarrers  gebraucht  werden,  da  seine  Einführung  eine  heilige, 
durch  einen  Priester  geschehende  Handlung  ist.  Ygl.  Cic.  Phil.  2, 
110,  Liv.  30,  26,  10;  41,  28,  7.  —  Ein  Subst.  aber,  inauguratio, 
die  Einweihung  oder  der  Antritt,  ist  Sjh  L.  für  dedicatio,  consecratio 
und  aditus  oder  principium,  oder  es  wird  umschrieben. 

Incalescere  ist  in  der  bildliehen  Bedeutung  gereizt,  ermuntert 
luerden,  aus  der  Sprache  der  Dichter  in  die  N.  Kl.  Prosa  über- 
gegangen und  findet  sieh  so,  aber  selten,  z.  B.  bei  Tac.  Germ.  c.  22 : 
ad  niagnas  cogitationes  incalescere  =  zur  Fassung  grossartiger  Ent- 
schlüsse sich  erivärmen,  erglühen.  Ygl.  fürs  Sil.  L.  Schulze  Symm. 
S.  80. 

Incantatio,  die  Zauberei.^  und  incaritator,  der  Zauberer,  sind 
sehr  SiJ.  L.,  incantamen  gar  är:.  ein.  bei  Jul.  Yal.  1,  1,  vgl.  Landgraf 
Z.  f.  ö.  G.  1883  S.  431,  für  fascinatio,  incantamentum ;  magus,  qui 
incantat,  cantioneni  oder  carmen  magicum  canit.  So  heisst  auch  der 
Zauber sp'ucli,  die  Bcumformel,  cantio,  carmen  magicum,  auch  bloss 
Carmen.     Ygl.  Gölzer  Hieron.  S.  48,  Urba  S.  38,  Regnier  S.  169. 

Incaiiabilis  und  incaimx,  unfähig,  sowie  incapacitas,  sind  sehr 
Sp.  L.  für  noji  aptus,  non  accommodatus,  auch  impar  alicui  rei;  vgl. 
Gölzer  Hieron.  S.  161. 

Incedere,  betreten,  wird  mit  dem  blossen  Accus,  bei  Taeitus  und 
lustin  verbunden:  incedunt  moestos  locos,  ann.  1,  61  und  daselbst 
Nipperdey.  Im  bildliehen  Sinne  von  Zuständen,  die  einen  befallen, 
angreife}},  steht  es  bei  Taeitus  mit  dem  blossen  Accus.:  adversa  vale- 
tiulo  aliquem  incedit,  ann.  3,  71,  wofür  Livius  in  c.  accus,  anwendet: 
vis  morbi,  pestilentia  incedit  in  castra,  in  Romayios  Foenosque,  29, 
10,  3  u.  28,  46,  15;  vgl.  Schüssler  11  S.  10.  Bei  den  menschlichen 
Affekten,  die  einen  ankommen,  amvandeln,  finden  wir  nur  Formen 
von  incessi  und  incesseram;  diese  werden  wohl  richtiger  vom  in- 
tensiven incessere  als  von  incedere  abgeleitet,  da  wie  gesagt  incedere 
yor  Tac.  nie  transitiv   gebraucht  wird  u.  das  intensive   incessere  für 


Incentor  —     707     —  Inccptio 

das  rasche  Eintreten  von  Affekten  besser  passt,  als  incedere  =  ge- 
mäclilicJi  einher  schreiten.  Die  Frage,  ob  incessit  zu  incedo  oder  zu  m- 
cesso  gehört,  haben  früher  schon  Constans  S.  94  Anm.  u.  Kühnast 
S.  115  angeschnitten,  dann  auch  Deecke  (Erläuterungen  zur  Lat. 
Schulgramm.  S.  214),  zuletzt  hat  sie  Wölfflin  Arch.  IX  S.  112 
eingehend  erörtert.  Bei  diesem  incessi  (incesseram)  steht  nun 
der  Dativ  bei  Caes.  civ.  2,  29,  1 :  magnus  omnium  incessit  timor 
animis  (vgl.  jedoch  Meusel  s.  v.  aniiniis  S.  266,  sowie  Holder  z.  St.) 
und :  exercitiii  omni  tantus  incessit  ex  mcommodo  dolor,  3,  74,  2 
(vgl.  Meusel  s.  v.  exercitiis  S.  1212)  und  ohne  Angabe  der  Person: 
tantus  eo  facto  timor  incessit,  3,  101,  3  und  b.  Alex.  7,  1.  Bei  Cicero 
findet  sich  dieser  Gebrauch  von  iyicessi  gar  nicht,  er  kennt  nur  in- 
cedere ad,  inv.  2,  45,  in  andrer  Bedeutung,  und  nur  einmal  ver- 
bindet er  das  synonyme  invadere  mit  dem  Dativ:  fu7'or  invaserat 
improhis,  fam.  16,  12,  2.  Bei  Livius  ist  der  Dativ  selten,  der  Accus. 
das  gewöhnliche,  wie  cura  patribus  incessit,  4,  57,  10;  über 
den  Accus,  aber  vgl.  folgende  Stellen:  Timor,  metus,  terror,  cura, 
indiqnatio.,  admiratio  miseratioque  aliquem,   alicuius  ayiimum  incedit, 

1,  17,  4;    2,  32,  1;    7,  39,  4;    28,  3,  10;    36,  16,  6;   37,   16,  10; 

2,  7,  1;  29,  3,  9;  2,  18,  8;  3,  59,  1;  4,  50,  7;  8,  29,  3;  27,  33, 
9;  3,  60,  8;  9,  8,  11  u.  24,  13,  5.  Bei  Curtius  kommen  nach 
Kräh  S.  8  beide  Kasus  gleichmässig  vor:  cupido  incessit  animo,  3,  1, 
16  u.  7,  11,  4,  dagegen  ingens  animos  militum  desperatio  incessit, 
4,  2,  16  und:  omnium  animos  formido  incesserat,  3,  8,  25;  vgl.  je- 
doch Yogel -Weinhold  S.  193  Anm.  3,  wonach  4,  2,  16  u.  3,  8,  25 
kritisch  unsicher  sind;  tatsächlich  liest  Stangl  4,  2,  16  animis,  3,  8, 
2b  occupavit  steitt  hicessit.  Tacitus  hat  den  Accus.:  legiones  seditio 
incessit,  ann.  1,  16;  Civilem  ciqndo  incessit,  bist.  5,  23,  und  bei  dem 
synonymen  invadere:  ciipido  Caesarem  invadit,  ann.  1,  61  init. ;  nicht 
hieher  gehört:  incedehat  deterrimo  ciiique  licentia,  ann.  3,  36  init.; 
vgl.  Nipp.  z.  St.  Bei  Sali,  ist  incessi  mit  dem  Dativ  verbunden: 
quihus  timor  belli  insolitus  incesserat,  Cat.  31,  1  und  bist.  2,  104  M., 
einmal  bist.  4,  69,  15  M.  inopia  riirsus  ambos  incessit  mit  dem 
Accusativ  gerade  wie  invadere :  repente  omnis  tristitia  invasit,  Cat. 
31,  1.  Mit  dem  Dativ  ist  incessi  auch  von  Val.  Max.  1,  8,  5,  mit 
dem  Accus,  dagegen  von  Justin  konstruiert:  Stupor  omnes  et  admi- 
ratio ince.ssit,  22,  6,  11.  Nach  diesen  Auseinandersetzungen  ist  Kl. 
bei  Caesar  incessere  c.  Dat.,  durch  Sali,  eingeführt  incessere  mit 
Accus.,  w^as  im  N.  Kl.  überwiegt  und  bei  Justin  bereits  das  allein 
übhche  ist,  vgl.  Seck  II  S.  17. 

Incentor,  der  Anstifter,  Auf-  oder  Aweizer,  ist  sehr  ^S^;.  L., 
z.  B.  bei  Orosius,  Ammian,  Hieron.  u.  a.  für  auctor,  concitator,  sti- 
midator ;  vgl.  Rönsch  Ital.  S.  57,  Gölzer  Hieron.  S.  48,  Liesenberg 
I  S.  5. 

Inceptio,  welches  Kl.  nur  das  Anfayigen  als  Handlung  be- 
deutet, ist  in  der  Bedeutung  das  Unternehmen  A.  L.  für  coeptum, 
inceptum. 


Incertitudo  —     708     —  Incidere 

Incertüudo ,  die  üngeiuisslieit,  ist  sehr  Sp.  L.,  z.  B.  bei  Greg., 
für  duhitatio^  error  (Caes.  Gall.  1,  14,  1,  vgl.  Fabri  zu  Liv.  22,  1, 
3),  incertiim,  incerta.  Nach  Heerdegen  de  fide  Tüll.  S.  25  kann 
klassisch  für  certitudo  und  incertitudo  entsprechend  fides  gebraucht 
werden. 

Incertus.  Über  incertiis  mit  dem  Genitiv  ist  bereits  unter  dem 
Worte  certtis  gesprochen.  Dazu  sei  bemerkt,  dass  incertus  auch 
passiv  gebraucht  ist,  d.  h.  denjenigen  bezeichnet,  von  ivelcJiem  man 
etwas  yiiclit  weiss,  z.  B.:  incerti,  socii  cm  hostes  essent,  Liv.  30,  35, 
9;  in  Sabinis  incertus  infans  yiatus,  masculus  an  feniina  esset,  ib.  31, 
12,  6;  incerti,  quidnam  esset.  Sali.  Jug.  49,  5;  vgl.  dazu  Fabri;  bei 
Tert.  nat.  2,  12  generis  incertos  terrae  filios  iactitamus  sind  generis 
incerti  die,  deren  Abstammung  man  nicht  kennt;  vgl.  Hoppe  Synt. 
Tert.  S.  22,  ferner  Köhler  act.  Erl.  I  S.  398.  Incertum  an  =  viel- 
leicht ist  schon  klass.,  z.  B.  Cic.  sen.  74  moriendum  est  et  incertum 
an  hoc  ipso  die  (darnach  ist  Flemisch  S.  7  zu  berichtigen,  der  es 
zum  erstenmale  bei  Curtius  5,  4,  19  annimmt).  Nicht  selten  wird 
incertum  parenthetisch  gebraucht:  clauserant  joortas  incertum  vi  an 
voluntate,  Liv.  31,  41,  2  u.  das.  Weissenb.,  ebenso  incertum  an, 
aber  nur  N.  KL,  öfters  bei  Tac,  z.  B.  bist.  1,  23,  vgl.  Heraus  z.  St. 
Incertum  mit  Doppelfrage  hat  auch  Suet.  Aug.  19  imposne  mentis  an 
simidata  dementia  incertum,  vgl.  Vollmer  zu  Stat.  silv.  4,  4,  21.  In- 
certum tritt  auch  als  Subst.  auf,  und  zwar  nicht  bloss  in  Phrasen, 
wie  in  incerto  esse,  habere,  in  incertum  revocare,  sondern  es  nimmt 
auch,  aber  nicht  in  Kl.  Sprache,  vgl.  Panhoff  S.  24,  einen  Genitiv 
zu  sich,  wie  incerta  belli  =  Wechselfälle  des  Krieges,  incerta  for- 
tunae  u.  dgl. 

Incessabilis,  unaufhörlich,  ist  sehr  Sp).  L.  z.  B.  bei  Orosius, 
Hieron.,  Cyprian,  Ambros.  u.  a.  für  perpetuus,  continuus,  non  inter- 
missus  u.  a.  Ebenso  /S^;.  L.  ist  incessahiliter  und  incessanter,  iinauf- 
hörlich,  für  continenter  u.  a.  Vgl.  Indesinenter.  Ygl.  Rönsch  Ital. 
S.  111,  Gölzer  Hieron.  S.  136. 

Incidere,  einhauen,  einschneide}!,  wird  verbunden  mit  in  rem, 
und  in  re,  letzteres  Kl.  nur  beim  Part.  Perf.  Pass.,  vgl.  Schüssler 
n  S.  14,  z.  B.:  quae  (acta  Caesaris)  ille  in  aes  incidit,  Cic.  Phil. 
1,  16,  in  aes  incidi  iubebitis  credo  illa  legitima,  1,  26;  quem  (in- 
dicem)  vellet  incidi  in  aeneis  tabulis,  Suet.  Octav.  101;  quae  vos  in- 
cidenda  in  aere  censuistis,  Plin.  pan.  75,  1 ;  tabida,  in  cpia  nomina 
civitate  donatorum  incisa  essent,  Cic.  fam.  13,  36,  1,  Plin.  epp.  8,  6, 
13;  acciderat,  ut  lege  iam  in  aes  hicisa  corrigeret  errorem,  Suet.  Caes. 
28;  leges  decemvi7'ales  .  .  in  aes  incisas  in  pid)lico  proposuerunt, 
Liv.  3,  57,  10.  P.  u.  N.  Kl.  wird  incidere  so  mit  dem  Dativ  kon- 
struiert, wie  fastos  marmoreo  p)arieti  incidere  bei  Suet.  gramm.  17. 
Dass  auch  der  Abi.  des  Materials  P.  L.  u.  Sp.  L.  vorkommt,  z.  B. 
Ovid  met.  15,  813  incisa  adamante  perenni  fata  hat  Wagener  Phil. 
Rundschau  1899  S.  26  gezeigt.  Besonders  bemerkenswert  ist  die 
Konstruktion  tabulam,    monumentum  incidere  aliqua  re,   so  vielleicht 


Incidere  —     709     —  Incidere 

schon  Cic.  dorn.  137,  jedenfalls  Liv.  6,  39,  9  talmla  his  litferis  incisa, 
vgl.  Nägelsb.-MüUer^  S.  609.  Den  trojnschen  Gehrauch  betreffend 
sagt  man  ganz  gut  sermonem^  deliheraüonem  incidere  =  hemmen, 
iinterhrechen,  s.  Liv.  32,  37,  5  und  Cic.  de  erat.  2,  336.  Hierher  ge- 
hört auch  (bei  Cic.  Attic.  4,  2,  5)  immas  cdicui  incidere  =  den  Auf- 
schivung  der  geistigen  Kraß  hemmen,  verringern,  und  spem  incidere: 
spe  omni  reditns  incisa,  Liv.  2,  15,  7  u.  35,  31,  7  und  spem  incidere 
mit  folgendem  Accus,  c.  Infin.,  Liv.  44,  13,  3. 

Incidere,  einfallen,  gerateji,  —  in  oder  auf  ehuas,  in  aliquid,  in 
aliquem.  Über  incidere  mit  Dativ  bei  Liv.  ist  Stacey  im  Archiv  X 
S.  69  ungenau;  incidere  vom  anstürmenden  Gegner  gesagt  hat  in  c. 
acc,  nur  28,  13,  9  idtimis  incidebat  Romaniis  den  Dativ  der  Per- 
son; aber  incidere  =  fliehend  ivohin  stib^zen  wird  mit  Dativ  der 
Sache  konstruiert;  dieser  Dativ  ist  aber  durchaus  nicht  auf  die 
erste  Dekade  beschränkt;  vgl.  FriedersdorfP  zu  Liv.  28,  13,  9;  nur 
Liv.  27,  13,  2  steht  bei  diesem  incidere  der  Acc.  mit  in.  —  Unter  Leute 
geraten  ist  inter  homines  (nicht  Kl.,  aber  bei  Liv.) ;  ebiem  ividerfahren, 
begegnen,  alicui  (Cic.  fam.  5,  17,  3,  Yerr.  2,  182,  de  orat.  1,  26), 
eiyien  hef allen,  z.  B.  Caes.  civ.  3,  13,  2  terror  incidit  exeixitiii.  Man 
sagt  nicht  sermo,  mentio  incidit  in  aliquem,  in  aliquid,  die  Rede  fällt 
auf  einen,  auf  etivas,  sondern  de  aliquo,  de  aliqiia  re  (Liv.  1,  57,  6 
u.  32,  20,  3  u.  Plin.  epp.  4,  1 7,  8  u.  4,  22,  5).  So  sagt  man  auch 
quaestio  oder  consultatio  incidit  de  alicßia  re,  vgl.  Liv.  30,  23,  2. 
Bei  mentio  incidit  ist  statt  der  Verbindung  mit  de  auch  der  Grenitiv 
zulässig,  s.  Sen.  de  const.  1,  3.  Alle  diese  Wendungen  sind  übrigens 
weder  bei  Cicero,  noch  bei  Caesar  zu  finden,  sie  gehören  dem  N.  Kl. 
Latein  an.  Entsprechend  ist  unser:  das  Gespräch  auf  etwas  bringen 
=  sermonem,  mentionem  de  aliquo,  de  aliqua  re  inferre,  s.  Liv.  4, 
44,  7  u.  47,  6;  39,  11,  6;  5,  50,  5  u.  31,  15,  6  (indes  wäre  auch 
in  diesem  Falle  der  Genitiv  zulässig:  ultro  Votieni  Montani  mentionem 
intidistis,  Sen.  contr.  9  praef.  1) ;  doch  hier  hat  die  Kl.  Sprache 
bereits  den  Weg  gebahnt,  vgl.  Cic.  de  or.  1,  29  Crassum  sermoyiem 
quendam  de  studio  dicendi  intidisse.  Gut  ist  für  unser:  auf  etiuas 
zu  sprechen  kommen  auch  in  me?itionem  alicuius,  alicuius  rei  inci- 
dere bei  Sen.  rhet.  17,  5  K.  in  mentionem  incidi  Fusci  und  Tac. 
bist.  4,  5,  oder:  in  aliquam  materiam  incido,  Plin.  epp.  9,  33,  1, 
und  ich  komme  darauf,  etivas  zu  tun,  incido  ad  aliquid  faciendum 
(Cic.  fam.  5,  8,  3);  Lact,  sagt  1,  208,  18  Seneca  imp)rudens  incidit, 
ut  fateretur.  Wie  incidere  in  oculos  eigentlich  =  ins  Auge,  in  die 
Augen  hinein  fallen,  Plin.  nat.  20,  187,  sich  von  selbst  versteht,  so 
ist  es  auch  im  trop.  Sinne  gut  und  findet  sich  wenigstens  N.  Kl. 
bei  Sen.  de  cons.  ad  Marc.  9,  2  aliquid  incidit  in  oculos,  etivas  fällt 
in  die  Augen,  für  suh  ocidos  cadit  (Cic.  orat.  9),  sub  oculos  venit 
(Quint.  5,  9,  14)  oder  in  oculos  incumt  bei  Cicero,  z.  B.  fam.  2, 
16,  2,  Quintil.  u.  a.  So  ist  hicidere  auch  ganz  richtig  für  unser:  das 
Auge  fällt  irgend  tvohin:  Ocidi  cßiocimque  inciderurü,  Quintil.  11,  3, 
50,  Plin.  epp.  5,  6,  13,  Cic.  Mil.  1;  falsch  aber  ist  apparet  in  aliqua 


Incipere  —     710     —  Incipere 

re,  es  fällt  bei  etivas  in  die  Augen;  vgl.  oben  s.  v.  Apimrere.  — 
N.  L.  ist  auch  mihi  incidit,  es  fällt  mir  ein^  kommt  mir  in  den 
Sinn,  für  incidit  oder  venit  in  menteni,  animo  occurrit;  cdiciii  incidere 
in  manus,  einem  in  die  Hände  fcdlen,  geraten,  für  in  cdicuius  manus 
incidere,  z.  B.  in  hostiiim  manus  incidey^e,  nicht  hostihus  in  manus, 
den  Feinden  in  die  Hände  fallen.  Was  incidere  in  sermonem  be- 
trifft, so  hat  es  bekanntlich  doppelte  Bedeutung:  1)  auf  einen  Gegen- 
stand zu  sjJrecJien  oder  zufällig  zu  dem  Ges])räcli  anderer  kommen, 
s.  Cic.  Lael.  2  und  de  erat.  1,  111;  2)  in  sermoyiem  hominum  venire 
=  ins  Oesjyräch,  ins  Gerede  der  Leute  kommen.  S.  Cic.  Attic.  16, 
2,  4,  fam.  9,  3,  1.  Endlich  ist  auch  incidit  aliquid  in  aliqiiid  = 
etiuas  trifft,  fällt  mit  etivas  anderm  der  Zeit  nach  zusammen,  ganz 
gut  und  richtig.  S.  Cic.  Yerr.  2,  139,  Pis.  8,  Attic.  6,  1,  26;  vgl. 
Schüssler  II  S.  16. 

Incipere,  anfangen;  absolut  z.  B.  Lact.  1,  150,  19  incipimus, 
cum  nascimur,  auch  klass.  z.  B.  fehricula  incipit  Cic.  Attic.  7,  8,  2, 
incijnendi  ratio  Cic.  off.  1,  135;  —  mit  etivas.  Kl.  ah  aliqua  re,  nicht 
aliqua  re  oder  cum  aliqua  re;  daher  womit  oder  wo,  imde,  z.  B.  wo 
fängt  der  Nachsatz  an  ?  unde  incipit  apodosis  f  Dies  gilt  nur  vom 
Kl.  Sprachgebrauch;  bei  den  Nachklassikern  hingegen  kommt  inci- 
pere auch  mit  dem  blossen  Abi.  (instrum.)  vor.  S.  Plin.  nat.  4,  1, 
Tac.  ann.  13,  10,  Quintil.  10,  7,  21;  also  auch  mit  tibi:  si  explo- 
randum  est,  uhi  controversia  i^icipiat,  Quintil.  7,  1,  8,  und  mit  cum: 
cum  hoc  (aequinoctio)  Corus  incipit,  PHn.  nat.  2,  124;  mehr  Stellen 
für  incipere  mit  Abi.  hat  C.  F.  W.  Müller  Progr.  Breslau  1888  S.  3 
u.  N.  Jahrb.  1890  S.  716  Anm.  Als  Transitivum  wird  es  A.  L.  von 
Plautus  und  von  Cato  (bei  Gell.  16,  14,  2)  cßii  multa  simid  incipit 
neque  perficit  gebraucht.  Kein  Wunder  also,  dass  es  sich  öfter  auch 
bei  Sallust  findet:  Quare  indigna  nohis  incipitis?  bist.  2,  47,  8  M.; 
pulcherrimum  facinus  incipere,  Cat.  20,  3;  so  namentlich  hellum  in- 
cipere, vgl.  Falbri  zu  Jug.  80,  3.  Bei  Cicero  wird  incipere  nie  tran- 
sitiv gebraucht,  bei  Caesar  nur  einmal:  si  inceptam  oppugnationem 
reliquissent,  Call.  7,  17,  6.  Hingegen  tritt  der  transitive  Gelrauch 
wieder  bei  Livius  auf:  dis  hene  iuvantihus  hellum  incipiamus,  26, 
37,  9  u.  42,  43,  3;  mandata  in  hunc  modum  incipiimt,  Tac.  ann.  4, 
46  u.  12,  10,  auspicia  helli  a  parricidio  incipientes,  Tust.  26,  2,  2. 
Selbstverständlich  ist  darnach  der  persönliche  Gebrauch  des  Passivs 
bei  den  Autoren,  welche  incipere  als  ein  transitives  Yerbum  ver- 
wenden; so  finden  wir  proelium  incipitur,  Sali.  Jug.  21,  2;  57,  3; 
74,  2;  saxis  glandihusque  proelium  incipitur,  Tac.  bist.  5,  17;  satis 
cito  incipi  victoriam,  ibid.  2,  25;  simul  hellum  maturius  incijn^  ann. 
2,  5  u.  a.  Am  häufigsten  jedoch  wird  incipere  mit  dem  Infinitiv 
verbunden  und  zwar  in  allen  Perioden  der  Sprache.  Im  Perfekt 
und  den  davon  abgeleiteten  Zeiten  wird  es  jedoch  im  Kl.  L.  durch 
die  entsprechenden  Formen  von  coepi  ersetzt;  hier  ist  incipere  nur 
öfters  zu  treffen,  wenn  es  im  Praes.  bist,  erscheint,  z.  B.  rem  frumen- 
tariam  expedire  incipit,   Caes.  civ.  1,  54,  4;    triplicem  aciem    ducere 


Incitamentum  —     711     —  loclinatio 

incijnt,  ib.  64,  7  u.  2,  30,  1;  3,  19,  5  u.  3,  33,  2;  Bessus  agere 
gratias  incipit,  Curt.  5,  12,  1.  Legionem  oiipiignare  indinunt,  Caes 
Gall.  5,  39,  3;  7,  1,  3;  7,  40,  7  und  civ.  1,"  20,  3;  1,  63,  3;  1 
73,  3  u.  1,  80,  3;  qiieri  cum  miiltis  mcipiuyit,  Cic.  Yerr.  2,  56;  2 
187,  vgl.  C.  F.  W.  Müller  z.  St.  Wenn  aber  der  Sprechende  oder  Schrei- 
bende kein  Interesse  daran  hat,  in  der  lebendigen  Darstellung  Yer 
gangenes  durch  das  Praes.  bist,  gleichsam  in  die  Gegenwart  herein 
zuziehen,  wenn  er  einfach  erzählen  und  nicht  zugleich  schildern  will 
so  ist  coepi  und  coeperam  das  gewöhnliche.  Incepi  und  iiiceperam 
gehören  dem  archaischen  und  archaisierenden  Latein  an,  vgl.  Plaut 
Rud.  462,  Asin.  125;  Ter.  Andr.  821,  Eun.  725;  Cato  agr.  48,  2 
rhet.  Her.  2,  2;  3,  17;  Varro  r.  r.  1,  30,  mehr  Stellen  hat  Thiel 
mann  Cornif.  S.  34  f.,  Krumbiegel  S.  85.  Sehr  beliebt  ist  mcipere 
im  Sp.  L.,  wo  es  das  Fut.  ersetzt  oder  der  Coniug.  periphrast.  ent 
spricht;  ausführlich  handelt  hierüber  Rönsch  Ital.  S.  369  u.  Sem 
III,  47;  Archiv  II,  85  u.  169. 

Incitamentum,  das  Anreizungsmittel,  kommt  Kl.  nur  einmal  bei 
Cicero  Arch.  23,   ebenso   nur   einmal  bei  Liv.,    21,  44,  9,  nicht  be 
Caes.  Nep.  Sali.  vor.     N.  Kl.  findet  es  sich  oft,  auch  8p.  L.,  z.  B 
bei  Orosius,  Cyprian,  Yeget.,  Lact.,  Symmachus;  vgl.  Schulze  Symm 
S.  48,  Nieländer  1877  S.  23,  1893  S.  21.     Vorzuziehen   sind  Wen- 
dungen mit  incitare. 

Incitiis,  rasch,  schnell,  ist  nur  P.  L.  in  der  Bedeutung  ange- 
reizt, für  incitat'us.  Von  incitus  =  imheivegt,  iinheiueglich  abzuleiten 
ist  die  alte,  nur  bei  Plautus  vorkommende  und  von  Spätem  wieder 
aufgenommene  Volksredensart:  aliquem  ad  incitas  (sc.  calces)  redigere, 
einen  aufs  ausser ste,  in  die  grösste  Verlegenheit  Iringen,  für  ad  ex- 
tremiim  redigere,  in  idtimum  discrimen  addiicere.  Vgl.  Brix-Niemeyer 
zu  Plaut.  Trin.  537. 

Incivilis,  unhöflich,  inciviUtas,  die  Unhöflichkeit,  sind  Sp.  L. 
für  inurhanus,  invemistus,  rusticus,  illiberalis;  rusticitas,  inhumani- 
tas,  illiberalitas  (hingegen  von  inciviliter  findet  sich  der  Komparativ 
incivilius  bei  Suet.  Tit.  6). 

Inclarescere,  herühmt  iverden,  ist  nur  N.  Kl.  und  kommt  beim 
Jüngern  Plinius,  Sueton  u.  a.  vor.    Vgl.  Clarescere. 

Inclementia,  Unharmherzigkeit,  Härte  u.  dgl.,  ist  abgesehen  von 
Tacitus,  lustin,  Paneg.,  Amm.  und  Ennodius  nur  F.  L.  und  =  in- 
hiimanitas,  crudelitas,  immanitas,  severitas,  saevitia.  Diese  und 
ähnliche  Wörter  braucht  Seneca  (in  seinem  Buche  de  dementia)  als 
Gegensatz  von  dementia,  nie  aber  inclementia,  wiewohl  inclemens 
und  inclementius  schon  bei  Livius  vorkommen. 

Inclinatio,  die  Zuneigung,  mit  dem  Begriffe  der  Liehe,  ist  durch 
den  Kl.  Brauch  schon  vorbereitet,  vgl.  Cic.  Mur.  53  u.  de  or.  2,  129 
itt  iyiclinatione  voluntatis  propendeat  in  nos,  findet  sich  aber  erst 
N.  Kl.  z.  B.  bei  Tac.  ann.  4,  20:  principum  inclinatio  in  hos,  offensio 
in  illos.  Dagegen  ist  inclinare  =  zugethan  sein  N.  Kl.  u.  Sj).  L.,  vgl. 
ad  idtimum  in   stirpem  regiam    inclinavere  studiis,   Curt.  10,  7,  12, 


Inclitus  —     712     —  Includere 

Lampr.  Hei.  10,  1  iji  Alexandrum  omnes  indinantes,  vgl.  Novak  Hist. 
Aug.  S.  24.  Kl.  wird  apiüicare  so  gebraucht.  Sich  zur  Milde  hin- 
neigen drückt  Cic.  (Q.  fr.  1,  1,  11)  durch  incumhere  ad  lenitatem 
aus;  dass  aber  auch  iyidinare  ad  oder  in  lenitatem  u.  dgl.  gesagt 
werden  könne,  steht  ausser  allem  Zweifel:  indinatis  ad  suspicionem 
mentibus,    Tac.  hist.  1,  81  u.  2,  1  u.  ibid.  c.  45.     Oft   bei   Livius,  s. 

1,  51,  7  ;  3,  65,  2;  8,  31,  8,  aber  auch  Kl,  vgl.  Schüssler  II  S.  12, 
z.  B.  Cic.  Cato  16  indina7^e  ad  pacem.  Geneigt  sein  etwas  zu  tun 
ist  nach  Cic.  Att.  12,  29,  2  ecquid  indinent  ad  hoc  meiim  consilium 
adiuvandum  mit  ad  und  Gerund,  zu  geben.  Bei  Liv.  folgt  ein 
Satz  mit  ut,  vgl.  M.  Müller  zu  Liv.  1,  24,  7,  nur  28,  25,  15  steht 
der  Acc.  c.  inf. 

Inclitus;  vgl.  Indutus. 

Includere,  einschliessen,  einsperren,  wird  Kl.  in  aliquid,  in  aliqua 
re,  aliqua  re,  je  einmal  alicui  rei  und  i^itra  aliquid  konstruiert.  Es 
bedeutet  includere  in  aliquid  einen  bestimmten  Teil  in  ein  Ganzes 
einfügen,  in  alicqua  re  den  wirklichen  dauernden  Verschluss,  was 
namentlich  beim  Part.  Perf.  Pass.  der  Fall  ist,  aliqua  re  das  Mittel 
behufs  Aufnahme  einer  Sache.  Diese  Regel  wird  bestätigt  durch 
folgende  Beispiele,  welche  noch  durch  Schüssler  II  S.  18  u.  Frigell 
Prol.  zu  Liv.  23  S.  6  vermehrt  werden,  vgl.  auch  Fabri  zu  Liv.  23, 

2,  9;  mit  in  u.  Accusativ:  eos  in  eam  fo7inam  yioji  poterat  includere, 
Cic.  orat.  19,  ebenso  paene  orationem  in  epistulam  indusimus,  Cic. 
Attic.  1,  16,  10  u.  Q.  fr.  3,  1,  24.  Mit  in  und  dem  Ablativ:  tyjws, 
quos  in  tectorio  atrioli  possim  includere,  Attic.  1,  10,  3  und  similem 
sui  speciem  indusit  in  clipeo  Minervae,  Tusc.  1,  34;  in  uno  cuhicido 
indusus,  Cic.  Yerr.  2,  133;  armatos  in  cella  concordiae  includere,  Cic. 
Phil.  3,  30,  inclus2im  in  curia  senatum  ohsidere,  Cic.  Attic.  6,  1,  6 
und  ganz  ebenso  6,  2,  8;  conside  in  carcere  incluso,  Attic.  2,  1,  8, 
während  Cic.  Verr.  5,  144  in  praedoyium  custodias  tantum  numerum 
civium  Romanorum  includere  steht;  iyitus  in  animis  indusae  cupidi- 
tates,  Cic.  fin.  1,  44;  cum  erit  indusus  in  corpoj^e,  rep.  6,  29;  ani- 
morum  salus  inclnsa  in  ipsis  est,  Tusc.  4,  58 ;  animus  in  corpore  in- 
dusus, ib.  1,  54;  suis  in  quoque  seminihus  indusis,  ib.  5,  37;  propter 
indusam  in  eo  calorem,  nat.  deor  2,  24  u.  26 ;  dum  sumus  inclusi  in 
his  compagihus  corporis,  Cato  77.  Mit  dem  blossen  Äblat.  steht  in- 
cludere bei  Livius  muris,  moenibus  urbis  se  includere,  36,  17,  11 
und  6,  8,  9;  oratio  exstat,  Originum  quinto  libro  ijiclusa,  45,  25, 
3;  carcere  includere  hostium  duces,  38,  60,  6;  bei  Cicero:  quam 
(vim)  terrae  cavernis  indudunt,  divin.  1,  79 ;  viriditas  herbescens 
vaglnis  iam  .  .  induditur,  Cato  51;    verba  versu  hidudere,  de  orat. 

3,  184;  odiitm  indusmn  nefariis  sensibus  impiorum,  Pis.  16.  Wohl 
einzig  ist  bei  Cicero  der  Dativ:  zono^saiav  quam  postulas,  inchidam 
orationi  meae,  Attic.  1,  13,  5;  für  int^n  zitiert  Schüssler  1.  1.  S.  19 
Fragm.  A.  XIV,  3  includendus  intra  parietes.  Sonst  ist  der  Dativ 
nur  N.  Kl.,  vgl.  z.  B.  quas  aureae  a?inillae  indusas  dextro  brachio 
gestavit  aliquamdiu,   Suet.  Nero  6;   cuius  (gloriae)   testandae  gratia 


Inclutus  —     713     —  Incommendatus 

caintü  effigies  aerea  jjortae,  qua  excesserat,  ificliisa  ed,  Yal.  Max.  5, 
6,  3 ;  imhlicae  cicstodiae  inclusi  ccqntali  adservahcmtiir  supiTHicio,  ib. 
4,  6,  ext.  3.  —  Ein  von  Gestaden  eingeschlossenes  Meer  heisst  nicht 
mare  indiisum,  sondern  condusum  (Caes.  Gall.  3,  9,  7.)  —  Einen 
Brief  einem  Pakete  heisdiliessen,  heifügen  heisst  nicht  epistidam  in 
fasdculo  inditdere,  sondern  ejnshdam  in  fascicidiim  conicere,  adiungere, 
(Cic.  fam.  3,  8,  10)  oder  addere.  —  Einen  Brief  dem  andern  beilegen 
heisst  ejnstidam  cum  alicßia  coniungere,  so  Cic.  (fam.  7,  30,  3): 
eamqiie  e])istidam  cum  liac  ejnstula  coniiinxi.  Ygl.  auch  Imponere.  — 
N.  L.  ist  wohl  aliqiiid  indudere  siih  aliquid,  z.  B.:  suh  qiiod  genus 
ifidiidendi  simt,  für  in  quod  genus  (in  quo  geliere)  inchideyidi  oder 
referendi  sunt.  —  Zu  bezweifeln  ist  aliquid  iyidudere  flnihtts  alicuius 
rei  in  dem  bildlichen  Sinne  etiuas  in  die  Grenzen  oder  Sdwanhen 
von  etwas  einsdüiesseyi,  für  cancellis  alicuius  rei  circumscrihere  (Cic. 
de  erat.  1,  52)  oder  finibus  aliqiiid  circiimdare  (Cic.  de  orat.  1,  264). 

Inclutus  oder  inditiis,  heriilimt,  ist  ein  altes  Wort,  welches  so- 
wohl von  sehr  herühmten  Sadien  als  von  Personen  gebraucht  wird; 
Cicero  und  Caesar  haben  dasselbe  vermieden,  trotzdem  der  Begriff 
,^heriihmt^^  bei  ihnen  oft  genug  vorkommt;  sie  halten  sich  an  darus, 
nohilis,  illustris  und  ähnliche  Wörter.  Zuerst  scheint  es  in  Prosa 
Cato  gebraucht  zu  haben,  dann  sein  Nachahmer  Sallust,  aber  nur  in 
den  bist.,  hierauf  Livius  und  die  N.  Kl.  und  Sp.  L.  Autoren;  vgl. 
Cato  19,  17  Jord.;  Sali.  bist.  1,  101;  2,  64;  2,  81  u.  4,  69,  19  M.; 
Liv.  1,  7,  12  {maxime  inditae,  während  Cato  1.  1.  hiditissimae  sagt), 
1,  36,  3;  21,  43,  11;  23,  8,  1;  Yal.  Max.  8,  2,  1;  Sen.  nat.  q.  3 
prooem.  3;  Curtius  4,  2,  20;  der  Jurist  Callistratus  cogn.  27,  1,  17, 
1 ;  Gellius  4,  20,  13  u.  sonst,  Ammian  14,  1,  7,  Treb.  Poll.  tr.  tyr. 
15,  7;  vgl.  Gorges  Gell.  S.  7,  Kalb  Roms  Juristen  S.  121.  Die 
Schreibweise  indgtus  wird  mit  Recht  von  Klotz  Stilist.  S.  151  be- 
kämpft; es  heisst  inclutus  im  A.  L.  und  später  iyicUtiis. 

Incenare,  speisen,  für  cenare,  steht  nur  bei  Suet.  (Tib.  39). 

Incogitanter ,  iinhedachtsam,  ohne  Überlegung,  ist  N.  L.  für  in- 
consulte,  incoyisiderate,  temere.  hicogitans  hat  nur  Ter.  Phorm.  155; 
auch  incogitantia,  die  JJyibedachtsamkeit,  steht  nur  Ä.  L.  bei  Plautus 
(Merc.  27)  für  temeritas,  iyiconsnlta  ratio,  incuria  oder  auch  incon- 
siderantia.  —  Für  jenes  iyicogitayis  bei  Ter.  setze  man  iyicoyisideratus, 
temerarius. 

Incognitus,  imgekayint.  —  N.  L.  ist  iyicogyiito  Her  facere  u.  dgl., 
für  dissimidato,  occidiato  yioiyiine  oder  mit  dem  Adj.  incogyiitus  u.  a. 

hicolere,  tvohyien,  beivohnen,  wird  verbunden  mit  dem  Accus., 
aliqiiem  locum,  z.  B.  iirbeyn,  arcem,  terras,  oder  mit  Ortspräpositionen, 
wie  eis,  trayis,  inter,  prope,  proxime  mit  dem  Accus.,  z.  B.  Rheyium 
u.  a.,  aber  nie  in  aliqno  loco.  Bei  Caes.  Gall.  4,  1,  7  yieqiie  longius 
anno  remayiere  iiyio  iyi  loco  incoleyidi  causa  licet  gehört  imo  in  loco 
zu  reynanere. 

lyicomyyiendatus,  imempfohleyi,  steht  P.  L.  nur  einmal  bei  Ovid 
met.  11,  434  für  yioyi  commeyidatus. 


Incommodare  —     714     —  Incompositus    ^ 

Incommodare,  mit  und  ohne  Dativ,  ist  nicht  zu  verwerfen,  da 
es  bei  Cicero  dreimal  vorkommt  (Quinct.  51,  fin.  5,  50,  Q.  fr.  1,  2, 
10),  wiewohl  in  der  letztgenannten  Stelle  nicht  sicher;  der  Med.  hat 
incommoda  laturum,  w^ozu  Lambin  bemerkt:  fort,  illaturum,  al.  da- 
turum;  Baiter  liest  cdlaturum  unter  Verweisung  auf  Caes.  civ.  2,  63, 
Wesenberg  jedoch  incommodaturum  nach  cod.  Cratandrinus ;  C.  F. 
W.  Müller  sagt  incommodaturum  fort.  vere.  —  Sonst  findet  es  sich 
nur  bei  Terenz  Andr.  162,  vgl.  Spengel  z.  St.,  und  späten  Lateinern, 
z.  B.  Gell.  1,  25,  15;  6,  17,  3,  vgl.  Gorges  Gell.  S.  9.  —  Incommo- 
dare cdiqiiem  =  einen  heiästigen,  hemmen,  ist  nicht  N.,  sondern 
*S^;.  L.,  z.  B.  incommodare  navigationem  Ulp.  dig.  43,  12,  1,  §  15, 
vgl.  auch  Sedul.  276,  17  H.  foedus  incommodare.  Ygl.  Madvig  zu 
Cic.  fin.  5,  50,  Hellmuth  act.  Erl.  I  S.  125. 

Incommodatio,  die  Bescliwej'liclikeit,  beruht  auf  einer  verdorbenen 
Stelle  in  Cic.  Att.  1,  17,  7,  wo  jetzt  incommoditate  steht,  was  schon 
Lambin  ohne  jede  Bemerkung  aufgenommen.  Auch  Livius  10,  11, 
3  sagt  incommoditas,  ebenso  schon  früher  rhet.  Her.  4,  10,  vgl. 
Thielmann  Cornif.  S.  92,  daher  es,  obwohl  sonst  nur  A.  u.  aS^.  L., 
ganz  wohl  gewählt  werden  kann  neben  incommodum,  molestia,  diffi- 
cultas  u.  a.;  doch  im  Sinne  von  Unwohlsein  gebrauche  man  nur 
valetudo  incommoda,  Cic.  Brut.  130,  incommoditas  wäre  hier  Sp.  L., 
vgl.  Archiv  X  S.  16.  Incommodatio  aber  ist  aus  dem  latein.  Wörter- 
buche zu  streichen. 

Incommodum.  Dies  Wort  bedeutet  „eine  Unannehmlichkeit''^, 
z.  B.  Cic.  Lael.  8  nee  ah  isto  officio  ahdiici  incommodo  meo  dehiti. 
Nur  einmal  findet  sich,  aber  Sp.  L.  und  an  nicht  einwandfreier 
Stelle  —  Aur.  Yict.  Caes.  3,  7  ciiiiis  (cuif)  vita  nullius  oneriaut in- 
commodo esset  —  die  Phrase  incommodo  esse,  die  man  wie  das 
ebenso  unlat.  commodo  esse  oft  in  Schularbeiten  findet;  sonst  kenne 
ich  nur  den  Ablativ  commodo  und  incommodo  in  Verbindung  mit 
facere  und  fieri,  z.  B.  Cic.  fam.  1,  1,  3  cßiod  commodo  rei  pfuhlicae 
facere  possis,  Cic.  fam.  3,  5,  4  ciuod  commodo  tuo  fieri  iwssit,  Cic. 
Att.  7,  8,  2  sed,  amaho  te,  nihil  incommodo  vcdetiidinis  feceris.  Zum 
Vorteil  (NaMeil)  gereichen  heisst  emolumento  esse,  z.  B.  Cic.  fam.  7, 
10,  4,  detrimento  esse  Cic.  inv.  2,  100,  Caes.  Gall.  1,  44,  5.  Vgl. 
SeyfiFert-Müller  z.  Lael.  S.  40,  Nieländer  Progr.  1874  S.  5  u.  26  und 
29,  1893  S.  21,  meine  Syntax^  §  79,  Anm.  1;  Landgraf  in  Phil. 
Rundschau  H,  412. 

Incommutahilis,  unveränderlich,  hat  jetzt  ausser  der  Autorität 
Varros  und  Späterer  auch  die  des  Cicero  (rep.  2,  57). 

Incompiarahilis,  nnvergleiclilich,  ist  N.  Kl.,  kommt  aber  bei 
Quintilian  1,  2,  11  vor,  der  einen  Lehrer  (magister)  incomi)arcd)ilis 
nennt.  Es  wird  besser  durch  homo  divinus,  nidli  comparandus,  und 
bei  Sachen  durch  singidaris,  summus,  incredihilis  gegeben.  Häufig 
ist  das  Wort  im  Sj).  L.,  vgl.  Gölzer  Hieron.  S.  161. 

Incomjwsitus  kommt  in  der  Bedeutung  ungeordnet  u.  dgl.  erst 
bei  Livius    und    nachher   bei    Curtius,    Tacitus,   Plin.  epp.  10,  39,  4 


Incomprehensibilis      —     715     —  Inconsideratus 

und  Quintilian  vor,  gleich  inconditiis;  in  der  Bedeutung  nicht  zu- 
sammengesetzt ist  es  Sp.  L.  bei  Ambros.  und  Boeth.,  z.  B. :  trinitas 
iyicompositae  naturae  corrumpi  non  potest,  quia  deus  iinum  et  simplex 
et  incompositum  est,  quidqiiid  est,  Ambros.  epp.  81,  8.  Vgl.  Com- 
ponere. 

Incomprehensilnlis  findet  sich  noch  nicht  bei  Cicero,  Caesar,  Li- 
vius,  selten  N.  Kl.,   aber  in  mehrfacher  Bedeutung.     Bei  Plin.  epp. 

1,  20,  6:  lit  est  in  disjmtcmdo  incomjorehensihilis  drückt  es  aus:  luie 
scliicer  ist  er  anziigy^eifen,  ivie  schiver  ist  ihm  heiziikommen,  mit  einem 
vom  Ringkampf  entnommenen  Bilde.  Sodann  bedeutet  es  (für  den 
Verstand)  unfasshar  bei  Quintil.  9,  1,  12,  bei  Lact,  ist  in  diesem 
Falle  me7ite  -beigefügt  oder  auch  zu  ergänzen;  vgl.  auch  Celsus  S.  6, 
2  D.,  während  S.  5,  21  quoniam  non  comprehensihilis  sit  (natura) 
gelesen  wird.  Drittens  ist  incompreliensihilis  auch  =  luibeschränkt, 
unendlich.    Öfter  findet  es  sich  im  8p.  L.,  vgl.  Gölzer  Hieron.  S.  166. 

Inconcinyie,  inconcinniter,  unschicklich,  und  inconcinnitas,  .  die 
Vnschicklichkeit,  sind  8p.  L.  und  gehören  dem  afrikanischen  Latein 
an,  während  inconcinnus  Kl.  ist,  vgl.  Cic.  de  or.  2,  17.  Man  brauche 
non  concinne,  non  congruenter,  non  convenienter  und  als  Substant. 
nulla  concinnitas,  nulla  convenientia  u.  a. 

Incongrims,  incongrue,  incongruenter,  unpassend,  imschicklich, 
und  hicongruentia,  Unpasslichkeit,  sind  8p.  L.  und  nicht  zu  brauchen; 
vgl.  Gölzer  Hieron.  S.  161  und  194,  Urba  S.  38,  Schulze  Symm. 
S.  113.  Für  das  Adj.  incongruus  steht  incongruens  beim  Jüngern 
Plinius  4,  9,  19,  sowie  8p.  L.  bei  Lact.  u.  Claud.  Mam.  30,  17  in- 
conqrueyis  patrocinium ;  das  Adv.  incongrueyiter  hatNovat.,  vgl.  Archiv 
XI  S.  241. 

Inconsiderans,  unhedachtsam,  unüherlegt,  ist  falsche  Lesart  in 
Cic.  divin.  2,  59,  wo  die  Neuern  aus  Handschriften  inconsiderati 
lesen.  Es  hat  sonst  nur  die  Autorität  von  Tertullian.  —  Sehr  8p.  L. 
ist  auch  das  Adv.  inconsider anter,  für  inconsiderate ;  vgl.  Gölzer 
Hieron.  S.  198. 

Inconsider antia,  die  Unbedachtsamkeit.,  ist  zwar  bei  Cic.  Q.  fr. 
3,  9,  2  nur  Vermutung  des  Manutius  für  das  ganz  unpassende  und 
in  allen,  auch  den  besten  Handschriften  stehende  considerantia,  wird 
aber  bestätigt  durch  Sueton  (Claud.  39):  ohlivionem  et  inconsideran- 
tiam,  und  ist  wohl  ebenso  gut,  als  das  zwar  Kl.,  aber  selten  ge- 
brauchte indiligentia.  Beide  inconsider  antia  und  indiligentia  gehören 
den  Briefen  ad  Q.  fr.  an,  in  welchen  Cicero  bekanntlich  eine  be- 
sondere Vorliebe  für  das  negative  in  zeigt,  vgl.  3,  2,  2  infrequentia, 

2,  1,  3  indiserte  u.  a.  Vgl.  Landgraf  Bayr.  Gymn.  16  S.  322. 
C.  F.  W.  Müller  vermutet  jedoch,  dass  inconsiderantia  eine  Glosse 
zu  einem  ausgefallenen  griechischen  Worte,  etwa  fierecoplav  sei. 
Sonst  sind  synonym  temeritas,  inconsulta  ratio,  incuria.  Dagegen  ist 
inconsideratio  nur  8p).  L.  bei  Salvian  gub.  Dei  1,  11. 

Inconsideratus  hat  zwar  als  Partiz.  passiven  Sinn,  aber  als  Adj. 
auch  aktiven  von  Personen,  die  unilherlegt  handeln,  wie  unser  deut- 


Inconsolabilis  —     716     —  Incorrigibilis 

sches  wiüherlerjt,  so  bei  Cic.  (divin.  2,  59):  leves  atque  inconside- 
rati  suraus,  bei  Nep.  Con.  5,  1 ;  quam  natura  muUeris  facit  inconsi- 
deraiam,  rhet.  Her.  4,  23  und  Jbei  Quintilian  (2,  15,  28):  Polus  iu- 
venili  calore  inconsideratior ;  öfters  hat  es  Lact.,  auch  in  mort.  pers. 
Das  gleiche  gilt  für  das  Adv.  inconsiderate,  vgl.  Cic.  off.  1,  103, 
Lact.  2,  10,  15  (wo  considerans  als  Gegensatz  zu  inconsiderate  er- 
scheint).    Ygl.  Consideratiis  und  Inconsultus. 

Inconsolahilis,  wür'östlicli,  steht  nur  P.  L.  bei  Ovid  von  einer 
Wunde  (vulnus),  die  durch  keinen  Trost  zu  heilen  ist;  ausserdem 
ist  es  Sp.  L.  bei  Ammiau,  Hieron.,  Heges.  u.  a.  Es  ist  zwar  kurzer 
Ausdruck,  der  aber  doch  lieber  umschrieben  werde  durch  quem, 
qiuim,  qiiod  consolari  non  iiossumus,  oder  auf  andere  Art. 

Inconsultus  hat,  wie  consideratus  und  inconsideratus,  nicht  nur 
imssiven,  sondern  auch  aktiven  Sinn,  unhedachtsam,  und  zwar  sogar 
bei  Cicero,  z.  B.  Deiot.  16  homo  inconsultus  et  temerarius.  Auch 
in  der  Bedeutung  nicht  hefragt,  nicht  zu  Rate  gezogen  ist  es  nicht 
ohne  gute  Autorität.  Ygl.  darüber  Liv.  36,  36,  2,  Suet.  Tib.  52, 
Amm.  17,  5,  12,  Symm.  5,  18;  6,  9  und  Schulze  Symm.  S.  115, 
Leo  M.  epp.  6,  4  und  epp.  11.  Als  Adv.  brauche  man  inconsulte, 
aber  nicht  inconsulto,  welches  mit  Ausnahme  von  rhet.  Her.  3,  8  nur 
Sp.  L.  ist. 

Incoyitentus  ist  in  der  Bedeutung  unzufrieden  N.  L.  für  non 
contentus;  =  nicht  gespannt  steht  es  nur  Cic.  fin.  4,  75. 

Incontroversus,  nnhestritten,  steht  nur  nach  Lambins  Vermutung 
in  Cic.  de  orat.  1,  241;  es  kommt  nirgends  vor,  und  man  brauche 
non  controversus,  wie  denn  auch  in  jener  Stelle  wahrscheinlich  iuiis 
non  controversi  zu  schreiben  ist  und  Stangl  geschrieben  hat. 

Inconvenienter,  unpasseyid,  nicht  schicklich,  ist  sehr  Sp.  L.  für 
non  convenienter,  non  congruenter,  non  accommodate,  absurde  u.  a. 
Das  Adjektiv  incoyiveniens  ist  bei  Cass.  in  Cic.  fam.  12,  13,  1  jetzt 
aufgegeben;  es  steht  zuerst  Quint.  1,  5,  51  u.  dann  erst  Sp.  L.,  aber 
wiederholt  auch  bei  Lact. 

Incorporalis,  was  keinen  Körper  hat,  unkörperlicli,  steht  N.  Kl. 
bei  Seneca  und  Quintilian  und  Sp.  L.  bei  Lact,  und  Hieron.  für 
corporis  expers,  sine  corpo7^e,  und  ist  nur  als  philosophisches  Kunst- 
wort zu  gebrauchen  (vgl.  Corporalis)'.,  ebenso  incorporeus,  was  zwar 
erst  Sp.  L.  bei  Gell.,  Hieron.,  Macrob.,  Claud.  Mam.,  Augustin  u.  a. 
vorkommt,   aber  von  Neuern  als  philosophisches  Wort  gewählt  wird. 

Incorporare,  einverleihen,  ist  ganz  Sp.  L.  z.  B.  bei  Claud.  Mam. 
für  adiungere,  innectere  u.  a.,  ebenso  auch  incorporatio,  die  Einver- 
leibung, für  adiectio,  additio,  coniunctio,  interpositio  u.  a.  Bei  christ- 
lichen Autoren  bedeutet  es  auch  die  Menscliiuerdung  Christi,  z.  B. 
Filastr.  107,  3  incorporatio  ivav§pco7:7]aeg  domini. 

Incorrectus,  unverhessert,  steht  nur  P.  L.  bei  Ovid  trist.  3,  14, 
23  für  non  correctus,  non  emendatus  u.  dgl. 

Incorrigibilis,  uyiverbesserlicli,  ist  N.  L.  für  insanahilis,  inemen- 
dabilis,  Sen.  de  ira  3,  41. 


Incorruptibilis  —     717     —  Inculcare 

Incomtptilnlis,  iinverderUich,  imvey^gänglich,  ist  aS^;.  L.  bei  Eccl. 
für  incorruptus^  aeternus,  immortalis  u.  dgl.  Bemerkenswert  ist, 
dass  Lact,  zwar  mcorriiptihilis  gebraucht,  aber  doch  mcorruptiis  vor- 
zieht. 

Incredihilitas  =  die  TJnglauhlichheit,  ist  Sp.  L.  bei  Ulp.  dig. 
48,  5,  29,  für  mala  oder  mala  fides;  ebenso  in  der  Bedeutung  TJn- 
glaiibe,  bei  Apul.  Ascl.  27,  für  diMtatio,  diffldeyiüa  u.  a. 

Incredidus,  imglcmhig,  kommt  zwar  erst  N.  KL  bei  Quintilian 
nach  dem  Yorgange  von  Horaz  ars  188  vor,  ist  aber  nicht  durch- 
aus zu  verwerfen  neben  den  Synonymen  diffldens,  diihitans.  Bei 
christl.  Autoren  findet  sich  oft  increduliis  und  incredtditas  =  Un- 
gläid)iger,  Unglaube,  vgl.  Watson  S.  255. 

Incriminaj^i,  heschiddigen,  voriuerfen,  ist  N.  L.  für  a^minari^ 
crimini  dare,  vitio  dare,  vitio  vertere,  obicere;  dagegen  ist  ^S^;.  L.  nur 
bei  Tert.  incriminatio,  die  Schuldlosigkeit^  Utisträflichkeit^  für  inno- 
centia,  integriias,  sanctitas  u.  a. 

Inculcare,  eigenthch  fest  eintreten,  einstampfen,  wird  trop.  unter 
anderm  ganz  gut  von  denen  gesagt,  welche  ihre  Muttersprache 
durch  affektiertes  Einmengen  von  fremden  Wörtern  verunzieren:  ne 
ut  quidam  Graeca  verha  inculcantes  iure  optimo  rideamur,  Cic.  off. 
1,  111.  Ferner  ist  das  Wort  vortrefflich  in  dem  Sinne  von:  sich 
jemanden  cds  luidenuärtigeyi  Schiuätzer  aufdrängen:  Graeci,  qiä  se 
incidcant  auribus  nostris,  Cic.  de  orat.  2,  19  und:  vos  non  modo 
oculis  imagines,  sed  etiam  anirnis  incidcatis :  tanta  est  impunitas 
garriendi,  Cic.  nat.  deor.  1, 108.  Indes  verliert  inculcare  schon  bei  Cicero 
bisweilen  diese  böse  Nebenbedeutung  und  geht  einfach  in  den  Sinn 
von  einem  etiuas  fest  einprägen,  etwas,  z.  B.  eine  Überzeugimg,  eine 
Lehre  etc.  gleichsam  aufnötigen,  über:  incidcatum  est  Metello  et 
Yolteio  te  aratores  evertisse,  Cic.  Verr.  3,  156,  d.  h.,  wie  schon 
Manutius  erklärt,  persuasum  quasi  per  vim.  So  bedeutet  auch  bei 
Seneca:  quibiisdam  non  dabo  .  .  quibiisdam  offeram,  quibusdam  etiam 
inculcabo  das  humane  Aufdrängen,  Aufnötigen  von  Gaben  an  solche 
Menschen,  welche  derselben  imrdig  sind,  de  v.  beata  24,  1 ;  Clearchus 
egregio  diclo  disciplinam  militiae  continebat,  identidem  exercitus  sui 
auribus  inculcayido  .  .  .  Yal.  Max.  2,  7,  ext.  2,  firmissima  quaeque 
memoriae  iudicis  incidcanda  sunt,  Quintil.  6,  4,  5  und:  quasi  singidis 
(iudicibus)  aliquid  incidcare  velimus,  Quintil.  11,  3,  130.  Der  Unter- 
schied von  tradere  und  incidcare  erhellt  aus  Cic.  de  orat.  1,  127: 
id  quod  tradatur  (vom  Lehrer)  vel  etiam  inculcetur,  si  qui  forte 
Sit  tardior,  posse  percipere  animo  et  memoria  custodi?^e;  denn  der 
Zusatz  si  qui  fo7ie  sit  tardior  lässt  bei  incidcare  auf  drastischere 
pädagogische  Mittel  schliessen,  und  so  auch:  nee  facile  incidcatas 
pueris  persuasiones  mutaveris,  Quintil.  3,  1,  6.  Praevaricatio  etiam, 
cursim  et  breviter  attingere,  quae  sint  inculcanda,  inßgenda,  repetenda, 
Plin.  epp.  1,  20,  2.  Wie  endlich  incidcare  =  fest  einprägen  u.  ähnl. 
die  böse  Nebenbedeutung  verliert,  so  auch  in  dem  Sinne  von  ein- 
schalten: de  firmissimis  alia  prima  ponet,  cdia  postrema  inculcabitque 


Inculpare  —     718     —  Incumbere 

leviora,  Cic.  orat.  50,  und  so  prägnant  bei  Cic.  Attic.  16,  3,  1,  wo 
dp-^sTöKov  crehris  locis  incidcatum  et  refectum  nach  Boot  z.  St.  nove 
dictum  et  inusitatum  ist  für  aiictum  oder  exornatum. 

Incidimre,  hesclmldigen,  als  Scliidd  vorwerfen,  ist  nicht  N.  L. 
wie  incriminari,  sondern  Sj).  L.  bei  Boeth.  und  Porphyrio,  vgl.  Urba 
S.  38,  also  jedenfalls  zu  meiden.  Das  gleiche  gilt  für  incidjKiri  = 
non  cidpari,  vgl.  Rönsch  It.  S.  205. 

Incidhis  ist  mehr  unhehaut  als  imheivohnt  (von  Menschen),  was 
vacmis  heisst  oder  mit  vacare  ausgedrückt  wird  (Caes.  Gall.  4,  3,  1). 
S}).  L.  scheint  jedoch  z.  B.  bei  Lact.  1,  152,  25  ne  orhis  terrae  de- 
sertus  atqiie  incidtiis  horreret,  sowie  Firm.  Mat.  4,  16,  ^0  imrtes,  qiias 
jmdas  incultasque  decani  ijenüus  reliquerint  das  Wort  auch  „?m- 
heioohnt^^  zu  bedeuten,  vgl.  Dressel  S.  23.  In  der  geistigen  Bedeutung 
ungebildet,  roh,  ist  es  nicht  allein  P.,  sondern  findet  sich  auch  bei 
Sali.  Jug.  85,  39  incidtis  mord)us  für  riidis,  himianitatis  exijers 
(Cic.  divin.  2,  80,  wo  die  Cilicier,  Pisidier  und  Phryger  so  genannt 
werden)  u.  a.;  sonst  wird  es  nur  von  äusserer  Rohheit,  Ungebildetheit 
und  Schmucklosigkeit  gebraucht,  gleich  horridus.    Ygl.  Cic.  Sest.  21. 

Incitmhere,  sich  auf  etwas  legen,  wird  von  Caesar  und  Cicero 
im  eigentlichen  und  im  figürlichen  Sinne  regelmässig  mit  in,  ad 
aliqnid  verbunden.  Nur  an  einer  Stelle,  wo  incumbere  so  viel  ist 
als  instare,  steht  bei  Cicero  der  Dativ:  iit  iam  inclinato  (iudici)  in- 
cunibat  oratio,  de  orat.  2,  324,  was  von  Quintil.  11,  3,  132  nach- 
geahmt ist:  incumbere  advocato.  Wenn  also  Cicero  nur  iji  gladium 
incumbere  sagt,  z.  B.  inv.  2,  154,  so  findet  sich  der  Dativ  gladio  in- 
cumbere doch  schon  bei  rhet.  Her.  1,  18,  vgl.  Thielmann  Cornif.  S. 
62,  und  so  im  eigentlichen  Sinne  auch  bei  Livius:  cumidatis  in  aqua 
sarcinis  insuper  incmnbehant,  22,  2,  8  und  so  auch  trop.:  id  prope 
unum  maxime  inclinatis  rebus  hicubuit  =  dieses  Übel  rvarf  sich  bei- 
nahe einzig  auf  den  gesunkenen  Staat,  lastete  ihm  fast  allein  schiver 
auf,  Liv.  3,  16,  5,  vgl.  Schüssler  II  S.  16.  Hingegen  nachklass.  findet 
sich  incumbere  (eigentlich  und  trop.)  nicht  selten  mit  dem  Dativ,  z.  B. : 
stricto  ferro  incidmit,  Yal.  Max.  4,  6,  3;  ut  durio7^i  materiae  fragilis 
incumberet,  Curt.  8,  10,  25;  incuhuerat  sagittariis,  Tac.  ann.  2,  17; 
gladio  incubuit,  ib.  5,  7;  novae  cogitationi  toto  pectore  incumbere, 
dial.  3,  3;  cui  (tuberi)  hicumbant,  Plin.  nat.  8,  67;  rursus  ceris 
et  stilo  incumbit,  Plin.  epp.  7,  27,  9;  certum  erat,  uni  spem  suc- 
cessionis  incumbere,  Suet.  Tib.  15;  bellum  Africae  incubuit,  Flor.  4, 

2,  6;  haurieyidis  voluptatibus  incumbere,  Lact.  2,  1,  3;  öfters  bei 
Cyprian,  z.  B.  488,  5  H,  incumbit  alicui  opus.  —  Ganz  selten  ist 
incumbere  aliquid,  z.  B.  Plaut.  Cas.  308  gladium  incumham.  Sali.  bist. 

3,  40  M.  arma  incumbere  und  Sj).  L.  bei  Tert.,  vgl.  Hoppe  Synt.  Tert. 
S.  14.  —  Incumbere  ut,  sich  Mühe  geben  ist  klass.,  vgl.  Cic.  fam.  10, 
19,  2  incumbe,  ut  belli  exirema  perficias,  vgl.  Burg  S.  31.  — •  Sp.  L. 
bei  den  Juristen  liest  man :  mihi  incumbit,  mir  Itegt  ob,  für  meum 
est,  und  so  steht  auf  dem  Titel  einer  Diss.:  de  obligatione,  quae 
nationi  Germanicae  hicumbit. 


Incunabula  —     719     —  Incurrere 

Inciüiabula  (der  Sing,  incimahidum  findet  sich  nirgends),  die 
Wiegenhänder,  bedeutet  nie  die  Wiege  im  eigentlichen  Sinne,  wohl 
aber  kommt  es  in  der  bildlichen  Bedeutung  dey^  erste  Anfang,  die 
ersten  Anfänge,  z.  B.  des  Lernens,  Yor,  doch  fast  nur  mit  den  mil- 
dernden Zusätzen  velut,  quasi,  ohne  einen  solchen  z.  B.  Cic.  de 
orat.  1,  23  repetam  non  ah  incimahtdis  nostrae  veteris  imerilisqiie 
doctrinae  qiiendam  ordinem  iwaece]ptorum.  Sp.  L.  finden  wir  ah 
incimahtdis,  ah  ipsis  oder  a  primis  inciinahidis  =  unserm  von  der 
Wiege  an.  Dass  es  aber  geradezu  für  initiitm  von  der  Zeit  gebraucht 
werde,  ist  unwahrscheinlich;  höchstens  könnte  man  ah  incimahidis 
mundi  bei  Zeno  Yer.  1,6,  3,  vgl.  Weyman  im  Archiv  YIII  S.  27, 
hieher  rechnen. 

Incunctanter ,  ohne  Zögerung,  ist  Sp.  L.  für  non  (Jiaud)  cunc- 
tanter,  sine  niora,  mdla  mora  iyiterposita.  Bünemann  sagt  zu  Lact, 
inst.  1,  15,  26  cotem  incunctanter  seciu^.-  elegantius  in  eadem  historia 
Livius  1,  36  haud  cunctanter.  Vgl.  noch  Schulze  Symm.  S.  113, 
Eönsch  Ital.  S.  153,  Gölzer  Hieron.  S.  199,  Chruzander  S.  33. 

Incurahilis,  unheilhar,  ist  nicht  N.  L.,  sondern  findet  sich  bei 
Sp.  L.  Ärzten  und  bei  Cassiodor,  für  inscmahilis. 

Incurius,  sorglos,  unhekimmiert  u.  dgl.,  ist  der  neulat.  Ausdruck 
für  incuriosus,  welches  schon  bei  Sali.  bist.  4,  36  M.  und  N.  Kl.  bei 
Plinius  min.,  Sueton  und  Tacitus  vorkommt.  Was  den  Kasus  an- 
geht, so  steht  es  in  der  Regel  mit  dem  Genitiv,  selten  mit  dem 
das  Ziel  bezeichnenden  Dativ  =  i7ihetreff,  s.  Nipperdey  zu  Tac. 
ann.  14,  38  und  meine  Syntax^  §  82.  Das  adverbiale  incuriose  und 
der  Kompar.  incuriosius  finden  sich  zuerst  bei  Sali.  bist.  2,  42  M. 
und  dann  bei  Livius,  z.  B.  29,  32,  2  incuriose  agere,  Plin.  nat.  13, 
81  und  16,  110. 

Incurrere  wird,  in  welcher  Bedeutung  es  sei,  klass.  und  später 
in  der  Regel  mit  in  c.  accus,  konstruiert.  Selten,  doch  nicht  ohne 
gute  Autoritäten  ist  der  Dativ:  natalem  smnn  pleheiis  incurrentem 
Circensihus  unius  higae  adiectione  honorari  passus  est,  Suet.  Tib.  26; 
ebenso  im  militärischen  Sinne:  ut  proeliantihus  Romanis  desuper  in- 
currerent,  Tac.  ann.  2,  16;  peditmn  signa  cornihus  incurrerunt,  Liv. 
28,  15,  3;  levi  quoque  armaturae  liostium  inciürere,  ibid.  22,  17,  6 
und  Mauris  hicurrit.  Sali.  Jug.  101,  8.  Der  blosse  Accus,  i^icurrere 
aliquem  kommt  bei  Sali.  bist.  2,  30  M.,  dann  bei  Liv.  28,  5,  7 
Maedos  proxima  Macedoniae  incursuros  und  bei  Tac.  ann.  1,  51;  2, 
17  vor;  üblicher  ist  incursare  aliquem  bei  Livius  u.  Tac,  z.B.  in- 
cursa7'e  agros,  Liv.  2,  48,  6  und  6,  36, 1  und  im  Pass.:  agmen  Romanum 
incursatum  ah  equitihus  liostium  fuerat  24,  41,  4  und  Tac.  ann.  15, 
1;  Lact.  1,  107,  10;  das  Deponens  incursari,  z.  B.  illam  gentem,  ist 
jetzt  bei  Wölfflin  Archiv  III,  253  aus  Jul.  Yal.  3,  16,  151  nach- 
gewiesen. Im  Sp.  L.  finden  w^ir  öfter  incurrere  mit  Acc,  z.  B.  bei 
Lucifer  u.  Ennodius,  z.  B.  cidpam,  errorem,  pericidum,  bei  Claud.  Mam., 
Eugipp.,  Hieron.,  Cyprian,  Paneg.  u.  a.;  vgl.  Hartel  in  Wölfflins  Archiv 
m,  41 ;    Watson  S.  312,    Bonnet  Greg.  S.  534.      Zu   bezweifeln   ist 


Incursitare  —     720     —  Inde 

aber  mcurrere  in  portum,  in  den  Hafen  einlaufen,  für  intrare  portum, 
capere  portiim  (Cic.  Sest.  99),  pervenire  oder  invehi  iyi  portiim  u.  a. 
Auch  Redensarten,  wie  commnnes  miseriae  in  memoriam  incurrunt 
sind  wohl  nicht  zu  billigen,  für  incurro  in  memoriam  communimn 
miseriariim  (Cic.  Brut.  251).  —  Verworfen  wird  incurrere  in  ocidos; 
aber  Quintil.  (10,  3,  16)  sagt:  pleraque  in  ocidos  incurrunt,  Cic. 
fam.  2,  16,  2  ebenso.  Über  die  mit  incurrere  gebildeten  Metaphern 
vgl.  Nägelsbach-Müller«  S.  562. 

Inciirsitare,  angreifen,  anstossen,  kommt  N.  Kl.  nur  bei  Seneca 
vor;  die  Stellen  siehe  bei  Ploppe  Progr.  Lauban  1877  S.  12. 

Incusare  aliquem,  einen  tadeln^  einem  Vorivürfe  ^machen,  steht 
wohl  nirgends  für  accusare,  wenn  dieses  bedeutet:  eineii  gerichtlich 
anklagen.  Ygl.  Liv.  8,  23,  3,  Caes.  Gall.  1,  40,  1;  2,  15,  5.  Da- 
gegen steht  accusare  in  beiden  Bedeutungen.  S.  Seyffert-Müller  z. 
Lael.  S.  256.  —  Die  Konstruktion  mit  Acc.  c.  inf.,  z.  B.  Tac.  ann.  4, 
17,  incusahat  Seiamis  diductam  civitatem  ist  N.  Kl.  bei  Liv.  und 
Tac,  ebenso  findet  man  incusari  mit  Nom.  und  Inf.  nicht  KL,  sondern 
bei   Tac.  und  Ammian;   vgl.  Georges  in   Phil.  Woch.  1886  S.  1570. 

Indagare,  verbunden  mit  locum  oder  locos,  eine  Stelle,  Stellen 
aufsjniren,  finden,  sei  unedel  und  ungewöhnlich,  was  es  aber  wohl 
für  den  Lateiner  nicht  war;  s.  intervalla  siderum  a  terra  indagare, 
Plin.  nat.  2,  83.  Saeptum  undiqiie  et  vestitum  veprihiis  et  dmnetis 
indagavi  sepidchrum  (Archimedis),  Cic.  Tusc.  5,  64;  daher  ist  es  ge- 
wiss nicht  zu  verwerfen. 

Indago  ist  ein  der  Kl.  Sprache  fremdes,  von  der  Jagd  entlehntes 
Wort  =^  die  Einschliessung,  Umzingelung,  Umstellung  des  Wildes, 
daher  denn  trop.:  Romae  testamenta  et  orhos  velut  indagine  eins 
capi,  Tac.  ann.  13,  42  und  indaginis  modo  silvas  j^ersidtare,  Agric. 
37;  velut  indagine  hunc  insidiis  locum  circmndederunt,  Hirt,  bei  Caes. 
Gall.  8,  18,  1;  cum  praemissus  eques  velut  indagine  dissipatos  Samnites 
ageret  =  ihm  die  zey'streuten  Samniten  ivie  eine  Kette  von  Jägern 
zutrieh,  Liv.  7,  37,  14,  vgl.  Weissenborn  z.  St.  und  Flor.  4, 12,  48.  Bei 
dem  Jüngern  Plinius  wird  es  von  den  Strafen  der  Delatoren  gesagt: 
quos  repressisti  in  illa  poenarum  indagine  inclusos,  pan.  35,  2.  In 
dem  allgemeinen  Sinne  von  Aufsuchung,  Erforschung  ist  das  Wort 
mit  Ausnahme  von  Plin.  nat.  9,  16  (wo  jedoch  Sillig  iyidignis  liest) 
erst  Sp.  L.,  z.  B.  ampliorem  indaginem  exposcere,  ebenso  wie  indages, 
z.  B.  Claud.  Mam.  101,  12  E.  dignum  tanta  indage  und  129,  18  in- 
dages causarum  sublimium;  so  können  wir  uns  auch  erklären,  woraus 
im  N.  L.  die  Redensart:  haec  est  res  aUioris  indaginis,  dieser  Gegen- 
stand fordert  tiefere  Forschung,  entstanden  ist.  Diese  Künstelei  isr 
unnötig,  da  derselbe  Gedanke  durch  lutec  res  diligentius  oder  accu- 
ratius  est  indaganda,  u.  a.  ausgedrückt  wird. 

Inde  et,  von  da  an,  bei  einer  Zeitangabe,  z.  B.  inde  a  principio, 
ist  ohne  vorgesetztes  iam  sehr  selten  (Plaut.  Trin.  305)  für  iam  inde 
a  princ;  es  wird  auch  bloss  iam  a  ohne  inde  gesagt,  z.  B.  iam  a 
principio,  iam  a  prima  adulescentia,  iam  ab  illo  tempore  u.  dgl.    S. 


Indebitus  —     721     —  Indefatigatus 

darüber  z.  B.  Liv.  5,  2,  13  und  36,  7,  16.  —  Vgl.  auch  Hand  Tur- 
seilin.  III  S.  119.  —  Falsch  ist  es  aber  auch  im  N.  L.,  wenn  inde 
in  die  Zeitbestimmung  eingeschoben  oder  ihr  nachgesetzt  wird,  da  es 
doch,  wie  abhinc,  nur  vor  derselben  stehen  darf,  z.  B.  ah  eo  inde 
tempore,  für  iam  inde  ab  eo  tempoj^e.  Darnach  beurteile  man:  a 
prima  inde  pueritia,  ab  antiquissimis  inde  temporibus,  ab  illo  inde 
tempore,  a  Cujacio  inde.  Ygl.  Reisigs  Vorlesung.  S.  871.  —  Nicht 
N.  L.  ist  inde  in  kausaler  Bedeutung  =  desivegen,  wohl  aber  N.  Kl., 
aber  auch  da  sehen ;  öfters  steht  es  nur  bei  Plin.  min.  Näheres  siehe 
bei  Landgraf  in  unserer  Neubearbeitung  von  Reisig-Haase  S.  296 
Anm.  435,  wo  noch  bemerkt  werden  kann,  dass  Sj).  L.  bei  Cyprian 
wiederholt  inde  =  ideo  gebraucht  ist;  vgl.  Cyprian  667,  20  H.,  wo 
neben  idcirco  —  qitia  ganz  gleichbedeutend  inde  —  quia  steht.  Auch 
Tert.  kennt  kausales  inde,  manchmal  ist  hier  inde  mehr  instrumental, 
z.  B.  inde  firmatur,  qiiod,  vgl.  Hoppe  Tert.  S.  111  Anm.  3,  ebenso 
bei  den  Paneg.,  wo  sich  die  Phrase  inde  est  quod,  die  schon  Plin. 
ep.  7,  5, 1  u.  pan.  15,  5  hat,  öfters  findet,  vgl.  Chruzander  S.  72,  ferner 
Filastrius,  vgl.  Juret  S.  141.  Für  inde  est  quod,  wofür  sich  Sp.  L. 
bei  Macrob.  auch  liinc  est  qiiod  findet,  vgl.  Novak  Hist.  Aug.  S.  37, 
liest  man  N.  L.  inde  venit,  ut  — ,  dalier  kommt  es,  dass  — ;  em- 
pfehlenswert ist  nur  hinc  fit,  ut  — ,  Jiaec  causa  est,  quod  oder  cur  — . 
A.  L.  ist  zwar  inde  loci,  z.  B.  Enn.  ann.  22,  aber  nirgends  findet 
sich  inde  loco.  —  N.  Kl.  ist  liinc^  —  inde  oder  inde  —  hinc,  für  hinc 
—  illinc;  vgl.  Preuss  S.  28.  —  Über  inde  sequitur,  daraus  folgt,  vgl. 
Sequi,  und  über  die  Partikel  Inde  selbst  vorzüglich  Hands  Tur- 
seUin.  III. 

Indehitus,  nicht  schuldig,  ungebühyiich,  kommt  P.  L.  und  in 
später  Prosa  vor,  für  noyi  dehitus,  z.  B.  poena  indebita  (bei  Val.  Max. 
6,  2,  ext.  2  liest  Halm  jetzt  non  dehitus).  Ebenso  Sj).  L.  ist  indehite 
für  immerito,  iniusfe,  z.  B.  Ennodius  211,  8  H. 

Indecere  in  negativer  Bedeutung,  ungeziemend  sein,  hat  Plin. 
min.  (epp.  3,  1,  2)  für  non  decere,  dedecere.  Offenbar  ist  indeceo  erst 
durch  indecens,  welches  Quint.,  Lact,  und  andere  für  non  decens 
u.  dgl.  brauchen,  hervorgerufen  worden.  Indecorare  bei  Hör.  od.  4,  4,  36 
ist  vielleicht  durch  das  richtig  abgeleitete  dedecorare  zu  ersetzen,  vgl. 
Nauck  z.  St.,  aber  es  steht  auch  Acc.  459  tr.  R.  Indecus  ist  jetzt 
aus  Serv.  Verg.  Aen.  11,  423  und  Coripp  Joh.  1,  92  belegt,  vgl.  Archiv 
III,  253.  —  Indecere  =  ivohl  ansteJmi  mit  Dativ  kommt  nur  bei 
Gell.  6,  12,  2,  vgl.  Gorges  Gell.  S.  29,  vor,  ist  aber  sehr  unsicher,  vgl. 
Hosius  z.  St. 

Indefatigatus  steht  N.  Kl.  bei  Seneca  und  indefessus,  unermüdet, 
N.  Kl.  bei  Tacitus  (ann.  1,  64  und  16,  22)  und  dem  Jüngern  Plinius, 
aber  immer  nur  auf  Personen,  nie  auf  Sachen  bezogen.  Erst  Sp.  L. 
z.  B.  bei  Ennodius  finden  wir  sudor  indefessus,  studia  indefessa  u.  ä., 
ebenso  bei  Claud.  Mam.  63,  15  E.  indefessa  agitatione  ptidmonum, 
Paneg.  10,  238,  27  indefessa  vis.  Vgl.  Reisigs  Vorlesung.  S.  398  ed. 
Hagen;  Chruzander  S.  33. 

Krebs-Schmalz,  Antibarbarus  I,  46 


Indere  —     722     —  Indi 


iciuni 


Indere,  gehen,  heilegen.  Mit  nomen,  cognomen  verbunden  ist 
dieses  Yerbum  (meist  im  Perf.  Pass.  gebraucht)  nicht  nur  A.  L.  und 
N.  KL,  wie  z.  B.  bei  Curt.  hoc  nomen  heluis  iis  inditiim  (est) 
a  Graecis,  Curt.  9,  1,  5,  sondern  steht  in  Prosa  schon  bei  Sallust, 
z.  B.  bist.  1,  55,  24  M.  und  öfters  bei  Livius,  z.  B.  veniaculis  arti- 
ficibiis  .  .  nomen  histrionihiis  inditum,  7,  2,  6;  wide  Äsjyero  etiam 
iyiditum  est  cognomen,  3,  65,  4;  ebenso  2,  13,  1;  4,  29,  6;  21,  31,  4 
und  29,  37,  4,  auch  bei  YelL,  vgl.  Georges  Vell.  S.  47  und  bei  Lact. 
Es  hat  eine  Person,  eine  Sache  ihre  Benennung,  einen  Namen  he- 
Iwmmen  yiach  jemand,  nach  einer  Eigenschaft,  heisst:  alicui,  aliciii 
rei  nomen  inditum  est  ah  aliquo,  ah  aliqua  re:  Ah  Erythro  rege 
(mari)  nomen  est  inditum,  Curt.  8,  9,  14;  a  celeritate  Tigri  noynen 
est  inditum,  ibid.  4,  9,  16;  ah  inopia  Egerio  inditum  nomen, 
Liv.  1,  34,  3  und  mit  ex:  ([uod  Uli  nomen  indiderant  ex  nomine 
urhis,  Tac.  ann.  2,  56;  quihus  nomen  ex  re  inditum.  Sali.  Jug.  78,  1, 
vgl.  Fabri  z.  St.  Über  den  Kasus  des  Eigennamens  nach  nomeyi  in- 
ditum est,  nomen  est,  s.  Brix  zu  Plaut.  Trin.  Prol.  8  und  Georges 
YeU.  S.  48.  Mit  andern  Substantiven  verbunden,  wie  castella  ruinhus 
indita,  inditi  ciistodes,  indita  vincida  u.  dgl.  ist  es  nur  A.  L..  z.  B. 
Lucil.  661  multltudinem  in  cdviim  indidit,  dann  N.  KL,  besonders 
bei  Tacitus  für  die  klass.  Ausdrücke  castella  loco  hnponere,  custodes 
(alicui)  ponere,  in  vincula  aliquem  conicere.  —  Das  von  Cicero  nur 
inv.  2,  149,  und  da  nicht  sicher  gebrauchte  Wort  indere,  das  ferner 
Caesar  sorgfältig  vermied,  kommt  bereits  in  der  Yulgata  nicht  mehr 
vor  und  hat  somit  ein  ziemhch  begrenztes  Gebiet.  Ygl.  Thielmann 
Philol.  42,  S.  357. 

Indesinens,  unaufhörlich,  ist  Sp.  L.  für  assidims,  continens, 
perpetuus,  continims;  z.  B.  lacrimae  assiduae,  unaufhörliche  Tränen 
(Cic.  fam.  4,  7,  6).  Das  Adv.  indesinenter  ist  gleichfalls  Sj).  L., 
z.  B.  bei  Ennodius,  Hierou.,  Cyprian  u.  a.,  vgl.  Rönsch  Ital.  S.  151, 
Gölzer  Hieron.  S.  199,  Watson  S.  314,  für  continenter,  semper,  _2;er- 
petuo,  sine  intermissione,  nullo  puncto  tempoyis  intermisso  u.  a.,  auch 
mit  non  desistere,  desinere  u.  d.  Infin. 

Indevictus,  unhesiegt,  ist  N.  L.  für  invictus;  vgl.  Reisig-Haase- 
Hagen  S.  398. 

Indicare,  ayikündigen,  ist  mit  einigen  Accus,  verbunden  N.  L., 
z.  B.  helluni  indicare,  für  indicere  oder  denuntiare  hellum;  mortem, 
inimicitias  indicare,  für  denuntiare.  —  N.  L.  ist  ferner  se  apud 
aliquem  indicare,  sich  hei  jemand  anzeigen,  melden,  für  nomen 
profiteri  ajrud  aliquem.  Bei  Cicero  (Arch.  28)  bedeutet  iam  me  vohis 
indicaho,  ich  ivill  mich  euch  offenharen,  meine  Gedanken  sagen.  Gut 
ist  auch  indicare  de  cdiqiui  re  =  hei  einer  Untey^suchung ,  einem 
Gericht  angehen,  z.  B.  Cic.  Place.  92  quis  de  epistulis  indicavit,  vgl. 
noch  Sali.  Cat.  30,  6  und  48,  4  und  Curt.  7,  1,  17. 

Indicium,  Anzeige,  ist  nur  eine  mündliche  von  etwas  Ge- 
schehenem, die  als  Handlung  significatio  heisst,  nicht  aber  eine 
Anzeige  oder  Verkündigung  von  etwas  Künftigem  in  der  Natur,  was 


Indictus  —     723     —  Indigere 

durch  Signum^  ostentum,  prodigium  oder  monstrum  gegeben  wird. 
Eine  Anzeige  machen  heisst  in  wörtlicher  Übereinstimmung  mit  dem 
deutschen  Ausdruck  auch  indiciam  facere,  bei  Plaut.  Mil.  306, 
Mosteil.  745,  bei  Ter.  Ad.  617,  Hec.  546;  bei  Yitruv  215,  6  R.,  vgl. 
Praun  S.  31,  sowie  ^S^;.  L.  bei  Claud.  Mam.  26,  2;  46,  3  E.;  Kl.  ist 
das  Passiv,  z.  B.  Cic.  div.  2,  46  eo  ipso  tempore,  quo  fieret  indiciimi 
coniiirationis  in  senatu,  und  das  Aktiv,  vgl.  Cic.  Verr.  1,  150;  ähn- 
liche Phrasen  sind  har.  resp.  24  sceleriim  indicia  ostendere,  fin.  5, 
48  clariora  indicia  dare;  ausserdem  merke  man  aus  Sallust  und 
Tacitus,  sowie  Curtius  u.  a.  indiciimi  proflteri  =  hekennen,  luas  man 
weiss,  ebenso  indiciimi  deferre,  vgl.  Fabri  zu  Sali.  Jug.  35,  6; 
schliesslich  indicium  postidare,  vgl.  Boot  zu  Cic.  Att.  2,  24,  4.  —  Indicio 
esse  ist  nicht  KL,  bei  Cic.  dom.  110  liest  C.  F.  W.  Müller  indicium; 
aber  es  findet  sich  bei  Nep.,  Varro,  Liv.,  dann  N.  Kl.  u.  Sp).  Z.,  vgl. 
Nieländer  1893  S.  21. 

Indictus  hat  in  der  Bedeutung  nicht  gesagt  gute  Autorität,  siehe 
nicht  nur  Gell.  1,  22,  11,  sondern  auch  Ter.  Phorm.  951  D.  und 
Liv.  5,  15,  10;  das  aktive  me  indicente  Ter.  Ad.  507,  Liv.  22,  39, 
2  ist  altertümlich,  in  Kl.  Sprache  nehmen  gewöhnlich  nur  die  Part. 
Perf.  Pass.  das  negierende  in  an;  so  sagt  demnach  Cic.  fin.  2,  10 
%it  etiam  non  dicente  te  intellego,  vgl.  Langen,  Beitr.  S.  183.  Die 
Phrase  indicta  causa  jedoch  steht  oft  bei  Cicero,  z.  B.  leg.  1,  42; 
fam.  5,  2,  8;  C.  Rab.  12  und  sonst.  Vgl.  Wölfflin  zu  Liv.  22,  39,  2, 
Spengel  zu  Ter.  Ad.  507. 

Indidem,  ehendaher,  wird  nur  bei  Ländern  und  Ortern  im  all- 
gemeinen mit  ex  verbunden,  nicht  bei  Städten,  wo  es  falsch  ist, 
z.  B.  indidem  ex  Ameria,  e  Delphis  u.  a.,  für  indidem  Ameria  u.  s.  w. 
ohne  ex.     Näheres  bei  Nipp.-Lupus  zu  Nep.  S.  123. 

Indigere,  bedürfen,  nötig  hahe7i  wird  klass.  allerdings  meistens 
mit  dem  Genitiv,  seltener,  wie  Cic.  Rose.  Com.  44,  C.  Cassius  bei 
Cic.  fam.  12,  11,  2,  Serv.  bei  Cic.  fam.  4,  5,  1,  Q.  fr.  1,  3,  2, 
mit  dem  Ahlat.  verbunden.  Allein  in  der  silbernen  und  späten 
Latinität  ist  dieser  Ablat.  sehr  häufig;  ich  habe  daher  schon  Z.  f. 
G.  "W.  1881  S.  119  ausgesprochen,  dass  mit  Livius  die  Yerbindung 
von  indigere  mit  Gen.  aus  der  Übung  gekommen  zu  sein  scheint. 
Livius  selbst  verbindet  indigere  nur  mit  Abi.,  z.  B.  2,  34,  3  longinquis 
coegerant indigere  auxiliis  (indigens  =  egenusmitGen..Ygl.s.Y. Egenus) ; 
aus  dem  N.  Kl.  vgl.  folgende  Stellen:  fruges  ceteraque  alimenta  ter- 
restria  indigehant  tecto,  Colum.  Praef.  libri  12,  §  3;  quid?  vos  hesterna 
cena  non  intellexistis  ea  (pecunia)  me  non  indigere,  Yal.  Max.  4,  3 
ext.  3,  und  nullo  usu  litterarum  indigens,  ibid.  5,  4,  ext.  5  Ende; 
nisi  cum  praesidio  earum  indigetur,  Plin.  nat.  10,  75;  oleo  utraeque 
cotes  indigeyites,  ib.  36,  164;  yieque  enim  maiore  praesidio  iyuligebat, 
Curt.  7,  10,  10;  qui  non  indigent  dementia  alicuius,  Plin.  epp.  8,  22, 
1;  cuwt  ope  earum  indigeret,  pan.  14,  5;  cum  plurimis  amicitiis 
fortima  priyicipum  indigeat,  ibid.  85,  6;  pax  et  quies  honis  artihus 
indigent,  Tac.  bist.  4,  1    extr.  und  4,  51;    cquae  multitudo  hominum 


Indigestio  —     724     —  Indignus 

viclehatur  etiam  terüo  (foro)  indigere^  Suet,  Octav.  29;  prout  qniqiie 
monitione  indigerent,  ibid.  c.  89;  auxilio  adversus  Romanos  indigere, 
lust.  18,  1,  1.  Quod  prius  posid  exempUs  non  indiget,  Gell.  9, 
12,  3;  aula  oleo  indiget^  ibid.  17,  8,  8;  discepiaüo  est  .  .  midia  et 
anxia  cura  et  cvrcumspicientia  indigens,  ibid.  14,  2,  13;  quo 
(sitbsidio)  communis  omniiim  vita  indiget.  ibid.  20,  1,  41;  vgl. 
Gorges  Gell.  S.  30.  Lact,  bat  nur  den  Abi.  (1,  575,  15  omniiim 
indigens  ist  Zitat).  —  In  der  Bedeutung  ermangeln^  an  etwas  Mangel 
leiden,  nicht  hahen,  regiert  indigere  den  Ablat.,  z.  B.  Caes.  civ.  2,  35, 
5  iis  rebus,  cßiae  ad  oppugnaiionem  castrorum  sunt  usui,  indigehant; 
ferner  aus  dem  N.  Kl.  Latein:  malo  virum  pecimia,  quam  pecuniam 
viro  indigentem,  Yal.  Max.  7,  2,  ext.  9  ;  Vitellianus  miles  neque  astu, 
necj[ue  constantia  inter  dubia  indigehat,  Tac.  bist.  3,  73;  4,  17,  vgl. 
Georges  in  Phil.  Woch.  1886  S.  1570;  salem,  quo  maxime  indigehant 
(ohsessi),  cupis  conditiim  .  .  intromisit,  Front,  strateg.  3,  14,  3;  militi 
vetuit,  simulatque  indigere  ciho  coepisset,  a  quoquam  opem  ferri,  Suet. 
Galb.  7  g.  E.  Näheres  s.  bei  Thielmann  B.  Gymn.  16,  353,  Köhler 
act.  Erl.  I  S.  425,  Z.  f.  G.  W.  1881  S.  119,  Lupus  S.  71. 

Indigestio  ist  in  der  Bedeutung  TJnverdaulichkeit  sehr  Sp.  L. 
für  cruditas,  vgl.  Regnier  S.  169,  und  in  der  Bedeutung  Unordnung 
N.  L.  für  confusio. 

Indigestus  ist  in  der  Bedeutung  unverdaut  Sp.  L.  für  crudus, 
und  in  der  Bedeutung  ungeordnet  P.  und  N.  Kl.  beim  altern 
Plinius  und  bei  Seneca:  ipsam  illam  midtitudinem  indigestam  et  gravem 
metuendam  esse  ducenti,  de  benef.  6,  31,  4  für  incompositus,  sowie 
Sp).  L.  bei  Gros.  3,  2,  9. 

Indigetare  oder  indigitare  ist  ein  A.  L.  heiliges  ^Yort  in  der 
Bedeutung  anrufen,  für  invocare,  und  Sp.  L.  in  der  Bedeutung  er- 
ivtÜmen,  angeben,  nennen,  für  commemorare,  nominare,  indicare.  Nicht 
gut  ist  daher:  auctoris  est  proverbia  trita  indigeta^^e  magis,  quam 
pleno  ponere. 

Indignari,  imivillig  sein,  wird  Kl.  mit  dem  Accus,  verbunden, 
aliquid,  über  etiuas,  auch  de  aliqiia  re,  was  Köhler  act.  Erl.  I  S.  438 
übersehen  hat,  der  für  indignari  de  nur  b.  Hisp.  18,  8  zitiert,  z.  B. 
Cic.  Rose.  Com.  5  indignari  de  tahulis;  nur  Sp.  L.  ist  der  Dativ  bei 
Tert.  pud.  7,  vgl.  Hoppe  Synt.  Tert.  S.  29,  und  adversus  aliquem 
bei  Lact.  2,  125,  5;  bei  folg.  dass  mit  dem  Accus,  c.  Inf.,  z.  B.  Caes. 
civ.  3,  108,  Cic.  inv.  2,  56,  Matius  bei  Cic.  fam.  11,  28,  2,  Sali.  Jug. 
31,  9,  vgl.  Dräger  H.  Synt.  II  S.  393,  mit  dem  Inf.  im  silb.  Latein 
bei  Yell.,  Yal.  Max.,  Sen.  rhet.,  vgl.  Georges  Jahresber.  1880  S.  402 
und  428,  mit  quod,  z.  B.  Caes.  Gall.  7,  19,  mit  si  bei  Serv.  Sulp,  in 
Cic.  fam.  4,  5,  Yal.  Max.  3,  8,  7,  Curt.  6,  5,  11,  vgl.  Z.  f.  G.  W. 
1881  S.  120,  mit  cum  bei  Yitruv,  vgl.  Praun  S.  29.  —  Indignans 
mit  Gen.  scheint  nur  Colum.  zu  haben  8,  17,  7  indignantissimum 
servitutis  genus,  vgl.  Kottmann  S.  16. 

Indignus  steht  auch  ohne  Kasus,  sofern  aus  dem  Zusammenhang 
selbst   die   Bedeutung   von   unschuldig,  innocens,  immeritus   deutlich 


Indigus  —     725     —  Indiscretus 

klar  erhellt,  z.  B. :  hominitm  indignornm  calamitates  siiblevare,  Cic. 
Tusc.  4,  46.  Indir/nus  wird  aber  absolut  auch  im  schlimmen  Sinne 
gesagt,  so  namentlich  in  dem  formelhaften  indigmtm  faciniiSy  „em- 
pörendf-^  vgl.  Meissner  zu  Ter.  Andr.  145,  M.  Müller  zu  Liv.  2,  29, 
3,  Friedersdorff  zu  Liv.  26,  2,  14;  vgl.  ferner  nonne  hoc  indignissi- 
mum  est,  vos  idoneos  habitos  .  .  Cic.  S.  Rose.  8  =  ist  das  nicht 
das  heilloseste,  das  empörendste,  ebenso  div.  in  Caecil.  38.  So  ist 
indignitas  rei  auch  das  Empör eyide  der  Sache,  vgl.  M.  Müller  zu 
Liv.  1,  34,  5,  das  schlechte  Benehmen,  die  iinium'dige  Behandlung  : 
rei  foedissimae  per  se  adiecta  indignitas  est,  Liv.  5,  48,  9 ;  der  daraus 
hervorgehende  Umuille,  die  Entrüstung  ist  eigentlich  indignatio, 
z.  B.  indignationem  movere,  Liv.  4,  50,  1  ;  und  iyidignationes  sind 
Äusseruyigen  des  Umvillens,  Liv.  25,  1,  9,  vgl.  Riemann  rem.  18; 
doch  kommt  auch  indignitas  =  indignatio  vor,  freilich  nicht  bei 
Cic.  Att.  10,  8,  3,  vv^o  indignitas  nach  Boot  z.  St.  =  dedecus  vel 
turpitudo  ist,  wohl  aber  bei  Liv.  5,  45,  6  primum  miseratio  sui,  deinde 
indignitas  atque  ex  ea  ira  animos  cepit;  umgekehrt  steht  bei  Lact, 
mort.  217,  6  indignatio  =  indignitas,  vgl.  Brandt  z.  St.,  ebenso 
Quint.  decl.  S.  6,  26  Ritter  hanc  praeteritorum  indignationem.  —  Für 
iyidignus  mit  Gen.  sind  in  Prosa  nur  Yal.  Max.  9,  2,  ext.  8  und  Cap. 
Max.  et  Balb.  15,  1  von  Haustein  S.  65  notiert;  vgl.  noch  Georges 
Jahresbericht  1880  S.  263  zu  Wölfflin  Rh.  Mus.  37,  83—123,  sowie 
Rönsch  Coli.  phil.  S.  108.  Indignus  c.  dat.  ist  nur  S}).  L.  Indignus 
ut  steht  schon  Lucil.  916  Marx,  in  Prosa  erst  bei  Liv.  22,  59,  17, 
mit  folgendem  Infinitiv  ist  es  nur  poetisch. 

Indigus,  hedilrftig,  ist  meist  P.  L.  und  kommt  N.  Kl.  nur  beim 
altern  Plinius,  bei  Tacitus,  Yal.  Max.  und  Sp).  L.  bei  ApuL,  Ennod. 
vor,  für  indigens.  Bei  Sali.  Jug.  110,  2  will  Wirz  (Progr.  Zürich 
1897  S.  11)  nidlius  indigus  lesen  und  so  indigus  „dem  Sprachschatz 
Sallusts  revindizieren";  vgl.  dagegen  Opitz  Woch.  klass.  Philol.  1899 
S.  492,  wonach  der  Gegensatz  indigui  verlange,  Maurenbrecher 
Jahresber.  1899  II  S.  248  stimmt  bei. 

Bidipisci,  erreichen,  einholen,  e^iangen,  ist  meist  A.,  P.  und 
Sp.  L.  für  conseqni,  adipisci;  jedoch  findet  es  sich  bei  Livius  zweimal 
(26,  39,  12,  vgl.  Friedersdorff  /.  St.  und  28,  30,  12)  mit  navem  und 
naves  verbunden,  vielleicht  als  Kunstwort. 

Indirectus,  nicht  geradezu,  was  früher  nachklass.  bei  Quintilian 
mit  actio  verbunden  gelesen  wurde,  ist  längst  aufgegeben,  so  dass 
Quintil.  5,  13,  2  jetzt  teils  dem  Sinne  gemäss,  teils  nach  Hand- 
schriften inde  recta  (in  zwei  Wörtern)  gelesen  wird.  Da  es  also 
ohne  Autorität  ist,  so  sage  man  non  directus,  noyi  rectus,  ohlicßius, 
und  für  indirecte  oder  j^er  indirectum,  was  unlat.,  und  für  iyidirecto, 
was  sehr  Sp.  L.  bei  Yen.  Fort,  ist,  auf  indirekte  Weise,  nicht  geradezu, 
nicht  frei  und  uyiverhohlen  —  circimiitione  qiiadam  (Cic.  divin.  2,  40) 
oder  per  amhages,  tecte  und  N.  Kl.  oblique.     Ygl.  Dh^ectus. 

Indiscretus  steht  in  der  Bedeutung  ungetrennt,  nicht  cdjgesondert 
schon   bei  Yarro  und  N.  Kl.  nicht   selten;    aber   bei  Cicero,  Caesar, 


Indispositus  —     726     —  Indolentia 

Sallust,  Livius  finden  wir  es  nicht.  Charakteristisch  ist  jedenfalls 
für  das  Wort,  dass  es  besonders  häufig  bei  Plin.  mai.  getroffen  wird, 
s.  7,  8;  ib.  53  und  215;  9,112;  10,  84;  11,  129  und  278 ;  ausserdem 
lesen  wir  es  bei  Quint.,  Seneca,  Tacitus  (vgl.  Georges  Phil.  Woch. 
1886  S.  1570),  wozu  noch  folgende  bemerkenswerte  Stellen  kommen: 
quidam  indiscretis  Ms  nominihiis  utimtur,  Cels.  4,  6  (3),  und:  iion 
erit  sanguinis  idla  distindio,  sed  sicut  in  gregihus  incudum  confusa 
et  indiscreta  omnia,  Lact.  epit.  38,  3;  dazu  kommen  aus  dem  Sp.  L. 
noch  Cyprian  und  Orosius  an  mehreren  Stellen,  der  auch  das  zuerst 
von  Plin.  nat.  11,  174  und  dann  nur  im  Sp.  L.  gebrauchte  Adverb 
indiscrete  7,  37,  8  aufweist,  ebenso  Symmachus,  der  indiscretus  und 
indiscrete  braucht,  vgl.  Schulze  Symm.  S.  113,  sowie  die  Paneg., 
welche  indiscretus  neben  inseimrabilis  steilen,  vgl.  Chruzander  S.  33. 
Jedoch  in  der  Bedeutung  luihescheiden,  indiskret  ist  es  N.  L.  für 
ineptus,  hnmodestus,  inliummius,  inurbanns,  temerariiis,  rusticus  u.  a. 
Ygl.  Discretus. 

Indispositus,  ungeordnet,  steht  N.  Kl.  nur  bei  Tacitus  und 
indisposite  N.  Kl.  bei  Seneca  und  Sp.  L.  bei  Oros.  5,  16,  15,  für 
tmnultuarius,  confusus,  incompositiis,  inordinatus,  und  davon  die 
Adverbien. 

Tndividuus  braucht  Cicero  nur  von  unteilbaren  Körpern,  als 
Übersetzung  der  griechischen  Atome,  vgl.  fin.  1,  17  atoma,  id  est 
individua  corpora;  N.  Kl.  und  Sp.  L,  dient  es  bei  Seneca  u.  a.  zur 
Bezeichnung  des  iDeständigen  Zusammenlebens  =  unzertrennlicli ,  vgl. 
Tac.  ann.  6,  10  apud  Capreas  individui,  Lact.  1,  392,  18  lingua  et 
manus  sunt  individiuie  corporis  portiones,  Hieron.  individuus  conies 
apostoli,  Georges  Jahresber.  1884  S.  121.  Was  wir  ein  Individuum 
nennen,  ist  meistens  unum,  also  kein  Individuum  =  nihil  unum, 
z.  B.  nihil  est  uni  unum  tarn  simile,  kein  Individuum  ist  dem  andern 
so  ähnlich,  Cic.  leg.  1,  29. 

Indivisus,  ungeteilt,  ist  zwar  selten,  findet  sich  aber  bei  Varro, 
Cato  u.  Just.  (43,  1,3)  u.  sonst  im  Sp.  L.j  z.  B.  bei  Eugipp.,  Cyprian, 
Paneg.,  Symmachus,  vgl.  Schulze-Symm.  S.  113;  jedoch  kommt  j;yo 
indiviso  in  der  Bedeutung  oline  Unterschied,  gemeinschaftlich  nur 
Cato  agr.  137  cetera  omnia  pro  indiviso  und  dann  wieder  N.  Kl.  nur 
beim  altern  Plinius  und  Seneca  vor,  für  promiscue,  sine  discrimine, 
oder  pariter,  aeque. 

Indolenter,  schmerzlos,  gefühllos,  ist  N.  L.  für  nullo  oder  sine 
doloris  sensu,  während  indolens  S}).  L.  bei  Plieron.  ist,  vgl.  Gölzer 
Hieron.  S.  162. 

Indolentia  ist  bei  Cicero,  wie  auch  bei  Seneca,  in  der  Bedeutung 
Schmer zlosigkeit  ein  Wort  der  philosophischen  Sprache,  sonst  sagt 
Cicero  dafür  meistens  non  dolere,  doloris  vacuitas,  dolore  vacare,  nihil 
sentire.  Er  braucht  es  aber  auch  Tusc.  3,  12  in  der  Bedeutung 
Gefühllosigkeit,  Unempfindlichkeit  für  körperlichen  oder  geistigen 
Schmerz.  Ygl.  Meissner  zu  Cic.  Tusc.  1,  102,  Madvig  zu  Cic.  fin. 
2,  11,   welcher    den   Cicero   ernstlich   gegen   das   von   Sidon.  Apoll. 


Indolere  —     727     —  Inducere 

ihm  angedichtete  indoloria  in  Schutz  nimmt.  Vgl.  jetzt  auch 
Wölfflin  Archiv  lY  S.  410.  Unser  modernes  Indolenz  =  Mangel  an 
Energie  ist  lateinisch  inertia^  ignavia,  segnitia,  socordia. 

Indolere,  ScJmierzen  empfinden,  ist  N.  L.  für  indolescere,  wozu 
auch  das  Perf.  indolui,  z.  B.  Cic.  Phil.  2,  61,  gehört. 

Indoles  ist  in  besserer  Prosa  nur  im  Smgidar  üblich,  wo  es 
die  natürliche  Anlage,  die  Eigenschaften,  und  vom  Geiste  die  Fähig- 
heiten und  Talente  bedeutet,  die  einer  Entwicklung  fähig  sind.  Im 
Plural  erscheint  es  erst  ^S^.  L.  bei  Gell.,  z.B.  19,  12,  5,  vgl.  Gorges 
S.  13.  Der  Geist  eines  Schriftstellers,  das  ausgebildete  Talent  ist 
niemals  indoles,  s.  Nägelsbach-Müller^  S.  272.  Ebenso  bedeutet 
indoles  nur  noch  die  physische  Beschaffenheit  wie  indoles  friigiim, 
arhorum,  aber  nicht  Eigenschaft,  BeschaffenJieit  üljerhaupt.  N.  L. 
also  wäre  z.  B.  indoles  carminis,  editionis  alicuius,  orationis  u.  dgl. 
Gleich  gut  sind  aber  indoles  virtutis  und  ad  virtutem,  Cic.  or.  41, 
off.  3,  16. 

Indomahilis,  iinbezalimbar ,  kommt  A.  L.  nur  bei  Plautus  und 
8p.  L.  wiederholt  vor,  für  indomitus,  effrenatus;  vgl.  Gölzer  Hieron. 
S.  165,  Urba  S.  38. 

Indonatus,  tinbeschenht,  ist  8p,  L.  bei  Lampr.  Hei.  28,  6,  En- 
nodius  277,  5;  350,  22  für  mdlo  miinere  affectus,  inhonoratus  u.  a. 

Induhitanter,  unhedeyiklich,  ist  8p.  L.  für  non  dtü)itanter,  fidenter, 
sine  ulla  didjitatione,  non  dubitans,  z.  B.  Cic.  fin.  5,  26. 

Induhitate,  imheziueifelt  u.  dgl.  ist  von  keinem  bessern  Schrift- 
steller gebraucht  und  beruhte  früher  nur  auf  falschen  Lesarten  Liv. 
33,  40,  6  —  und  bei  Voll.  2,  60,  4,  wo  jetzt  anders  gelesen  wird. 
Sicher  steht  induhitate,  sowie  der  Superlativ  induhitatissime  im  Sp.  L., 
z.  B.  bei  Tert.,  Oros.,  sowie  bei  den  Juristen,  welche  Kalb  Roms 
Juristen  S.  17  aufführt;  vgl.  noch  Leipold  S.  13.  —  Man  brauche 
sine  dubio,  certe,  non  duhitanter.  Dagegen  findet  sich  induhitatus, 
mibezweifelt,  N.  Kl.  bei  Quintil.  u.  a.,  ebenso  8p.  L.,  vgl.  Schulze 
Symm.  S.  60,  auch   bei  Lact,  und  ist  nicht  unbedingt  zu  verwerfen. 

Indidnus,  unziveifelhaft,  kommt  N.  Kl.  nur  bei  Tacitus  und 
Quintil.  5,  13,  24,  sowie  8p.  L.  bei  Heges.,  induhitahilis  N.  Kl.  bei 
Quint.  u.  8p).  L.,  z.  B.  bei  Amm.,  Arnob.,  Ict.  vor,  für  non  (haud) 
duMus,  certiis,  exploratus,  vgl.  Rönsch  Coli.  phil.  S.  43. 

Inducere.  Regmmi  inducere,  Königsherrschaft  einführen,  haben 
wir  bis  jetzt  nirgends  gefunden,  aber  etwas,  was  dasselbe  sagt,  findet 
sich  doch  bei  Lact.:  tum  suhlato  iudicum  nomine  potestas  regalis 
inducta  est,  inst.  4,  10,  15,  ja  selbst  bei  Cicero  agr.  3,  10  aliud 
quoddam  gemts  dominationis  inducit.  So  wird  übrigens  inducere 
auch  mit  disciplina  und  consuetudo  verbunden:  z.  B.  Cic.  Cael.  58, 
Rab.  Post.  8,  dann  vetus  disciplina  deserta,  nova  inducta,  Yell.  2,  1,  1 
und:  quia  nondum  haec  consuetudo  erat  inducta,  Sen.  contr.  10, 
Praef.  §  4  S.  461  K. ;  rem  perniciosissimam  in  civitatem  inducere, 
Cic.  off.  1,  85;  häufiger  und  damit  ganz  gut  ist  morem  inducere 
bei  Plaut.  Most.  115,  Lact.  mort.  38,  4,  Front,  epp.  1,  6,  S.  16  (N),  Plin. 


Indultus  —     728     —  Industria 

epp.  2,  14,  9  und  selbst  bei  Cicero:  quem  Jmnc  niorem  iudicioriim 
novorum  in  7'em  i^iiblicam  inducimus  f  Rab.  Post.  9 ;  auch  exemplam 
indiicere  ist  nicht  ohne  Autorität:  inductum  pessimum  exemplum,  ut 
Optimum  opponerehir ,  PHn.  pan.  6,  2.  Ganz  unlat.  aber  wäre  dolorem 
inducere,  für  facere,  afferre,  commovere ;  unlateinisch  ist  wohl  auch 
artes  inducere  =  Künste  einführen  für  importare  nach  Cicero  rep. 
2,  29,  dagegen  ist  verhum  inducere  (in  linguam)  beglaubigt  durch 
Cic.  Phil.  13,  43  (Merguet  ungenau!),  ebenso  deum  indncere  =  den 
Glauhen  an  Gott  aufbringen^  durch  Cic.  nat.  deor.  2,  2;  falsch  dagegen 
ist  merces  inducere,  Waren  einführen,  für  invehere,  importare,  inferre; 
und  so  auch  nicht  inductio  mercium,  Einführung  von  Waren,  für 
invectio.  Gut  ist  auch  inducere  aliquem  ad  aliquid  im  guten  und 
schlimmen  Sinne  zu  ettuas  anleiten,  verfühj^en,  wie:  inducere  ad 
maleficium,  rhet.  Her.  2,  3  und:  homines  iniinam  quamque  rem  inducere 
utilem  atcpie  honestam,  Cic.  inv.  1,  2  und  in  hanc  nostram  rationem 
co)isuetudinemque  (fillum)  inducemus,  Q.  fr.  3,  3,  4.  —  In  der  Redens- 
art animum  inducere  und  in  animum  inducere  sagt  Cicero  nach 
Madvig  in  seinen  Bemerkungen  zur  latein.  Sprachlehre  S.  11  mit 
Ausnahme  von  Sulla  83  stets  animum  inducere  (ohne  in).  Gerade 
umgekehrt  ist  es  bei  Livius,  welcher  an  allen  Stellen  konstant  in 
animum  inducere  gebraucht;  die  Stellen  hat  Fügner  Lex.  Liv.  1129 
wohl  geordnet  nach  den  von  iji  animum  inducere  abhängigen  Kon- 
struktionen. War  ihm  aber  damit  schon  Sali,  vorangegangen  (Cat. 
54,  4),  so  sind  die  späteren  Autoren  seinem  Beispiel  zum  grössten 
Teil  gefolgt,  s.  Yal.  Max.  4,  2,  5  u.  5,  9,  4  init.,  Plin.  epp.  9,  13, 
6  g.  E.,  Suet.  Cal.  3  g.  E.,  Gell.  14,  2,  25,  Apul.  Mag.  56  g.  E.  u.  87, 
init.  Mheres  siehe  bei  Funck  Neue  Jahrbb.  1883  S.  497  ff., 
Landgraf  S.  Rose.  S.  237,  Sulla  S.  72,  Brix  zu  Plaut.  Trin.  237.  — 
Übrigens  folgt  auf  animum  inducere  und  in  a.  inducere  entweder  der 
Infinitiv  oder  ut  von  dem,  wozu  man  sich  entschliesst.  Ein  Satz 
mit  ut  folgt  bei  Cicero  nur  S.  Rose.  53  und  Att.  3,  9,  1,  sonst  steht 
regelmässig  der  Infinitiv,  z.  B.  Cicero  Cluent.  45,  Tusc.  5,  30,  divin. 
1,  22;  2,  46;  der  Acc.  c.  inf.  bei  Cic.  Att.  14,  13,  6  induxit  animum 
sihi  licere,  quod  vellet;  vgl.  Schüssler  II  S.  19.  Über  den  Sprach- 
gebrauch des  Livius  vgl.  M.  Müller  zu  Liv.  2,  5,  7  Anh.,  sowie 
Fügner  1.  1.  Man  halte  sich  also  vorzugsweise  an  die  Konstruktion 
mit  dem  Infinitiv.  —  Wenn  Yogel  zu  Curt.  10,  9,  16:  minahatur 
omnes  turmas  cum  elephantis  inducturum  se  in  recusantes,  bemerkt, 
dass  schon  Livius  die  Phrase  habe  inducere  copias  in  hostes,  während 
bei  Caesar  sich  nur  Yerbindungen  finden,  wie  inducere  in  agros,  re- 
gionem  hostium,  so  ist  zu  bemerken,  dass  cohortem  praetoriam  in 
medios  hostes  inducit  schon  bei  Sali.  Cat.  60,  5  vorkommt. 

Indultus  als  Partizip,  gewährt,  zugestajulen,  ist  Sp.  L.,  z.  B. 
öfter  bei  Ennodius  für  concessus;  —  ebenso  als  Substantiv  die  Be- 
willigung, für  concessio,  facidtas,  venia  alicuius  rei. 

Industria.  Gut  und  Kl.  ist  de  industria,  mit  Fleiss,  vorsätz- 
lich (Cic.  de  orat.  3,  42,  fin.  4,  2,  inv.  1,  102  consulto  et  de  industria 


Industriosus  —     729     —  Inelegantia 

factum  est);  seit  Livius  auch  ex  indiistria  (s.  M.  Müller  z.  Liv.  1,  9, 

6,  Novak  Stud.  Liv.  S.  211  und  Mützell  zu  Gurt.  S.  541),  wofür  A.  L, 
ob  industriam  (öfters  bei  Plaut.,  aber  nicht  gleichbedeutend  mit  de 
indiistria,  wie  Cas.  276  ff.  zeigen;  vgl.  Reissinger  Progr.  Landau  1897 
S.  14  ff.)  und  N.  Kl.  vom  altern  Plinius  und  Front,  strateg.  1,  5,  16 
bloss  indiistria  gesagt  wird.  Die  Phrase  per  industriam,  welche  bis- 
her aus  Yulg.  exod.  21,  14  belegt  war,  ist  nach  Thielmann  Philol. 
42  S.  373  zu  beseitigen  und  dort  das  dem  Hieronymus  ganz  ge- 
läufige de  indiistria  herzustellen;  aber  bei  Gregor.  Turon.  findet  sich 
per  industriam  =  coinme  j^ä'i^'  sa  propre  action,  vgl.  Bonnet  S.  291 
Anm.  4. 

Industriosus,  tätig,  emsig,  stand  früher  N.  Kl.  bei  Seneca  de 
provid.  2,  2,  jetzt  wird  aber  daselbst  industrius  gelesen,  ebenso 
wird  bei  Val.  Max.  3,  4,  2  jetzt  von  Halm  indiistria  sua  für 
industriosum  hergestellt,  man  wähle  also  industrius,  gyiavus, 
sedulus  u.  a.  Vgl.  Activus.  Ebenso  sage  man  nicht  industriose, 
was  nur  A.  L.  und  Sp.  L.  ganz  selten  ist,  sondern  industrie,  gnaviter, 
sedido  u.  a. 

Indutiae  in  der  Bedeutung  Stillstand  werde  nicht  falsch  ge- 
braucht, da  es  nur  auf  Krieg  und  Rechtsstreit  Bezug  hat;  sonst 
braucht  man  nur  institio.  —  Während  des  Waffenstillstandes  heisst 
jjer  indutias,  doch  bedeutet  dies  auch  unter  dem  Vorwande  eines 
W.;  letztere  Auffassung  ist  vielleicht  auch  bei  Sali.  Cat.  51,  6  anzu- 
nehmen.     In   indutiis  esse   heisst   Waffenstillstand  haben,  z.  B.  Liv. 

7,  38,  1 ;  vgl.  Wulsch  S.  49,  Weissenborn  zu  Liv.  40,  25,  7,  Kunze 
Sali.  III,  2  S.  297. 

Inebriare,  trunken  machen  u.  dgl.  kommt  N.  Kl.  nur  beim  altern 
Plinius  und  bei  Sen.  epp.  83,  27,  sonst  nur  Sp.  L.  vor  für  ebriiim 
facere,  vino  obruere,  und  für  ineh^iatus  —  bene  potus,  ebrius,  viyio 
gravatus  u.  a. 

Ineffabilis,  unaussprechlich,  N.  Kl.  nur  beim  altern  Plinius 
wahrscheinlich  aus  alten  Dichtern  genommen,  für  inena7''7xd)ilis,  quem 
(quod)  nemo  verbis  complecti  potest  u.  a. ;  auch  in  der  Bedeutung 
erschrecklich,  für  infandus.  Oft  findet  es  sich  SfJ.  L.,  z.  B.  bei  Oro- 
sius,  Ennodius,  Claud.  Mam.,  Jord.  u.  a.,  vgl.  Gölzer  Hier.  S.  199, 
Bergmüller  Jord.  S.  12. 

Inefficax,  unwirksam,  kraftlos,  steht  N.  Kl.  nur  bei  Seneca  und 
dem  altern  Plinius  für  vanus,  irritus,  non  efficax,  effectu  carens,  vim 
efficiendi  non  Itabens.  —  Sp.  L.  auch  bei  Juristen,  bei  Apul.  met.  1, 
5  und  4,  34  u.  Macr.  sat.  7,  14,  20  und  sonst,  z.  B.  öfters  bei 
Ennodius,  Cyprian,  Symmachus,  Yeget.,  Ambros.  u.  a.,  vgl.  Schulze 
Symm.  S.  71,  Dressel  S.  21,  Weyman  Litotes  S.  513,  Leipold  S.  13. 

Inelegantia,  die  Geschmacklosigkeit,  kommt  nur  bei  dem  Juristen 
Gaius  vor  (inst.  1,  84),  ist  aber  nicht  zu  verwerfen,  da  Cicero  (Brut. 
282  u.  nat.  deor.  2,  64,  vgl.  Weyman  Litotes  S.  513)  non  inelegans  sagt 
und  die  Sprache  des  Gaius  auch  sonst  engen  Anschluss  an  Cicero 
zeigt,  vgl.  Kalb    in  Wölfflins  Archiv  I   S.  89.      Statt   inelegantia   ist 


Ineloquens  —     730     —  Inesse 

bei  Cicero  das  gewöhnliche  insulsitas  (Cic.  Brut.  284),  nulla  elegantia, 
iudicimn  corruiüum  u.  a. 

Ineloquens,  unheredt,  ist  SiJ.  L.  auch  bei  Lact,  für  indisertiis, 
infacundus. 

Ineliidahilis,  unvermeidlich,  unaiisiüeichlich,  kommt  erst  N.  KL 
nach  Yergil,  der  es  vom  Schicksal  braucht,  bei  Yell.  und  Sen.,  sowie 
Sp.  L.,  z.  B.  bei  Arnobius,  Cyprian  vor,  für  ciuod  evitari  non  potest 
oder  (luod  nemo  effugere  potest  u.  a.    Vgl.  Georges  Yell.  S.  26. 

Inemori  aliciii  rei,  hei  etwas  sterben,  findet  sich  nur  bei  Horaz, 
epod.  5,  3-1:,  und  ist  ihm  vielleicht  eigentümlich;  doch  ist  es  nicht 
anwendbar  für  mo7i  in  alicpia  re.    Ygl.  Bake  Mnemos.  1859  S.  197  ff. 

Inenarrahilis,  uyicmsspreclilich,  ist  nicht  zu  verwerfen,  denn  es 
steht  bei  Livius  44,  5,  1,  Quintilian  u.  a.,  oft  im  Sp.  L.;  aber  das 
Adv.  inenarjxibiliter  bei  Livius  (41,  15,  2)  beruht  auf  einer  falschen 
Lesart;  dort  liest  man  inenarrahili  tahe  statt  inena?Tahiliter ;  dies 
kommt  erst  sehr  Sp.  L.  vor. 

Inennis  und  inermus,  lüibeiuaffnety  sind  beide  Kl.  Formen. 
Inermiis  ist  jedoch  offenbar  die  alte  Form,  welche  daher  Sallust 
bevorzugt  (vgl.  Opitz  Neue  Jahrb.  1885  S.  267),  in  der  Zeit  des 
Augustus  und  nachher  überwiegt  inennis.  Näheres  s.  Schmalz  Poli.^ 
S.  10,  wo  die  Literatur  verzeichnet  ist. 

Inesse  mit  dem  Dativ  alicui  rei  ist  bei  Sali,  regelmässig:  lüde 
homini  vanitas  inerat,  Cat.  23,  2;  cpio  maior  aiidoritas  sermoni  in- 
esset, ibid.  40,  6;  quihus  maxima  necessifiido  et  plurummn  aiidaciae 
inerat,  ibid.  17,  2,  ebenso  Cat.  58,  2;  cui  tarnen  inerat  contemptor 
animus,  Jug.  64,  1 ;  midta  cura  summo  imperio  inest,  bist.  2,  47, 
14,  M.  Dagegen  nur  einmal  mit  in  c.  ablat. :  in  fade  vidtiique  ve- 
cordia  inerat,  Cat.  15,  5,  vgl.  Kunze  Sali.  III,  2  S.  148  (Kunze  meint, 
der  Dativ  von  vtdtiis  sei  in  klass.  Sprache  nicht  üblich  gewesen, 
daher  in  vidtn).  Bei  Livius  wird  inesse  nach  Kühnast,  Livian.  Synt. 
S.  137,  und  Friedersdorff  zu  26,  4,  4,  auch  wo  von  dem  Besitze 
geistiger  Eigensdiaften  die  Rede  ist,  mit  dem  Dativ  verbunden,  s. 
darüber  Liv.  2,  41,  2;  5,  6,  5;  26,  4,  4  u.  28,  18,  6.  So  ist 
es  auch  bei  Nepos  in  der  einzigen  Stelle,  wo  inesse  bei  ihm  gefunden 
wird:  Uli  genti  plus  inest  virium  quam  ingenii,  Epam.  5,  2.  Um- 
gekehrt ist  bei  Cicero  inesse  in  aliquo,  in  aliqiia  re  das  regelmässige. 
Nur  off.  1,  151  findet  sich  der  Dativ  und  ist  wohl  nicht  anzutasten, 
weil,  obgleich  Cicero  sonst  immer  inesse  mit  in  konstruiert,  die  Kon- 
zinnität  diese  Fügung  verlangte,  s.  C.  F.  W.  Müller,  welcher  z.  St. 
meint,  „vielleicht  hat  Cicero  schon  mit  Beziehung  auf  quaeritur  die 
Präpos.  weggelassen".  Klotz  Stilist.  S.  219  und  Kühner  zu  Cic.  Tusc. 
1,  44.  N.  Kl.  aber  ist  die  Yerbindung  von  inesse  mit  dem  Dativ 
gar  nicht  selten:  hamos  inesse  telo,  Curt.  9,  5,  23;  illorum  coronis 
inerat  et  ipsius  imago,  Suet.  Domit.  4;  Caesari  multos  Marios  inesse, 
Suet.  Caes.  1 ;  ziemlich  zahlreich  sind  die  Belege  für  den  Dativ  bei 
Tacitus,  ebenso  ist  es  bei  dem  Jüngern  Plinius,  dessen  hierher  ge- 
hörige  Stellen   von   Lagergren   S.  152   verzeichnet  sind.     Statt   des 


Inexcusabilis  —     731     —  Infans 

Perf.  hifid  wird  das  Simplex  fui  angewendet.  Damit  soll  jedoch 
nicht  gesagt  sein,  dass  messe  in  re  und  esse  m  re  sich  decken. 
Letzteres  heisst:  ^^zu  einer  Sache  gehören''^  (mehr  äusserlich),  während 
inesse  die  innere,  im  Wesen  der  Sache  begründete  Zugehörigkeit 
bezeichnet.  Ygl.  Seyffert- Müller  zu  Lael.  S.  493,  Kunze  1.  1. 
S.  212  A.  46. 

Inexcusdbilis,  nnverantiv örtlich,  sticht  zu  entschuldigen,  findet 
sich  nur  P.  L.  und  in  später  Prosa  für  qui  nihil  habet  excusationis 
oder  non  excnsandns. 

Inexhcmribilis,  nnersch'öpflich,  ist  N.  L.  für  inexhaitstus.  Aber 
auch  dieses  kommt  nur  bei  Yergil,  Tacitus  Germ.  20  u.  bist.  5,  7, 
sowie  Sj).  L.,  z.  B.  bei  Ennodius,  Claud.  Mam.  vor;  in  Cic.  fin.  3,  7 
wird  es  von  Madvig  für  ein  unpassendes  Beiwort  der  aviditas  legendi 
erklärt  und  verworfen;  C.  F.  W.  Müller  erwähnt  es  nicht  einmal. 
Man  brauche  qiii  exhauriri  non  potest. 

Inexperieyitia,  die  Unerfahrenheit,  ist  sehr  Sj).  L.  für  inscitia, 
inscientia.     Ygl.  Imperitia. 

Inexspectato,  als  Adverb,  imerwartet,  ist  N.  L.  für  praeter  ex- 
spectationem,  subito  oder  mit  inexspectatus ,  de  improviso  u.  a. 

Inexstinctiis  und  inexstinguibilis,  unauslöschlich;  jenes  ist  nur 
P.  L.,  dieses,  abgesehen  von  einem  Fragm.  des  Yarro,  Sj).  L.  für 
inexplebilis,  inexhaustus ;  bei  odium,  Hass,  setze  man  lieber  acerbis- 
simum^  acerrhnum,  infinitum,  implacabile;  vgl.  Rönsch  Ital.  S.  111, 
Coli.  phil.  S.  65. 

Inextricahilis ,  unauflöslich,  steht  teils  P.  L.,  teils  N.  Kl.  beim 
altern  Plinius  und  später,  z.  B.  bei  Lact,  für  inexplicabilis,  inenodahilis. 

Infabre,  Dies  Adverb  finden  wir  bei  Livius  36,  40,  12,  vasis 
Gallicis  non  infahre  f actis,  sonst  nirgends  in  Prosa;  es  gehörte  offen- 
bar der  Umgangssprache  an,  gerade  wie  adfabre  bei  Cic.  Yerr.  1,  14. 
Ygl.  Nonius  bei  Pacuv.  271  tr.  Ribb.  ,^infabre,  foede,  ut  adfabre 
pidchre^^.     Ygl.  auch  oben  Fabre  facio. 

Infacundia,  die  Unberedsanikeit,  kommt  nur  *S^^.  L.  bei  Gellius 
11,  16,  9  vor. 

InfaUibilis,  untrüglich,  der  sich  nicht  irren  kann,  ist  N.  L.  für 
qui  falli,  errare  non  potest. 

Infandus  ist^  in  welcher  Bedeutung  es  sei,  prosaisch  etwas  selten; 
bei  Cicero  kommt  es  vielleicht  nur  einmal,  aber  sehr  passend  vor 
(Sest.  55,  117  corpus  inf.).,  s.  Halm  zu  der  Stelle,  und  bei  Livius 
nicht  nur  epidae  irifaiidae,  sondern  auch  sonst  wie:  stiqjrum  infandum 
Lucretiae  1,  59,  8,  legatorum  infanda  caedes  4,  32,  12  u.  29,  8,  8; 
im  N.  Kl.  vgl.  noch  Plin.  nat.  28,  77,  u.  Sp.  L.  Lact.,  z.  B.  1,  635, 
14  infanda  dictu.  Mithin  kann  infandus  in  der  höhern  Rede  ohne 
Anstand  gebraucht  werden.  Früher  stand  auch  in  Cic.  de  erat.  2, 
322  res  infanda,  wo  jetzt  nach  den  besten  Handschriften  nefanda  steht. 

Infans  kommt  in  der  Bedeutung  Kind  nur  von  einem  solchen 
vor,  welches  noch  nicht  sprechen  kann,  ein  kleines  Kind,  bisweilen 
sogar  infans  puer,  wo  infans  wie   ein  Adjektiv   behandelt   ist,  z.  B. 


Infatigabilis  —     732     —  Inferi 

Cic.  S.  Rose.  153,  de  or.  2,  162,  vgl.  Landgraf  S.  Rose.  S.  400, 
Hellmuth  aet.  Erl.  I  S.  167,  Sjögren  S.  39,  Rassow  N.  Jahrb. 
Suppl.  12  S.  593,  wonach  infans  bei  Plaut,  noeh  nieht  substantivisch 
gebraucht  wird;  es  ist  also  verschieden  von  jmer,  und  im  Plural 
verschieden  von  pueri  und  liberi,  die  Kinder;  näheres  bietet  jetzt 
Funck  im  Archiv  VII  S.  97  ff. 

Infatigahilis,  unermüdlich,  kommt  N.  Kl.  bei  Seneca,  Plin.  mai. 
Valer.  Maximus,  auf  Inscript.,  dann  bei  Lact.  1,  672,  1,  Macrob.  sat. 
1,  21,  17  und  Claud.  Mam.  114,  17  und  203,  9  E.,  sowie  bei  Oros. 
4,  12,  11,  Lucifer  289,  18  H,  Hieron.  u.  den  Paneg.  vor,  für  qui 
defatigari  non  potest,  a  lahore  invidus  u.  a. 

Infavorahilis,  ungünstig,  unloblicli,  ist    Sp.  L.  für   improhahilis. 

Infecundus,  unfruchtbar  und  infecimditas  kommt  selten  vor, 
zwar  bei  Sallust  Jug.  17,  5,  bist.  3,  46  infecunditate  hienni  proximi, 
aber  sonst  nur  P.  L.  und  N.  Kl.  bei  Colum.,  Plinius  mai.,  Tae.,  sowie 
Sp.  L.  bei  Apul.,  Oros.  1,  2,  47,  Ennodius,  hier  190,  13  H  sogar 
infecundus  homo,  Claud.  Mam.,  Augustin.  für  steriUs,  non  fecundus, 
non  fertilis  u.  a. ;  vgl.  Regnier  S.  172,  Filastr.  praef.  2  infecimditatem 
cum  pcitiatur. 

Lifelicitare,  unglücklich  machen,  ist  nur  A.  L.  für  infelicem  red- 
dere,  perdere  u.  a. 

Infensus,  feindselig,  hat  nur  aktive  Bedeutung,  während  infestus 
zumeist  passiv  gebraucht  wird;  vgl.  Holden  zu  Cic.  Plane.  1,  Land- 
graf zu  S.  Rose.  30,  besonders  Gellius  9,  12,  1  u.  Reisig-Haase- 
Heerdegen  S.  120.  Die  Superlativform  findet  sich  nur  einmal  sehr 
Sp.  L.  bei  August,  c.  Jul.  Pelag.  lib.  6,  §  34:  infensissima  midtitudo. 
Dafür  dient  die  Umschreibung  maxime  infensus  bei  Tae.  ann.  1,  27 
und  für  den  Komparativ  magis  infensus  bei  Liv.  24,  12,  2  neben 
infensior  und  infensius,  Liv.  39,  6,  5;  34,  15,  5;  Tae.  ann.  1,  81 
u.  4,  48,  Suet.  Yitell.  14,  Vopisc.  Aurel.  36,  4.  Neben  infensum 
esse  alicui  steht  einmal  bei  Livius  auch  infensum  esse  in  aliquem: 
infensiorihus  in  se  quam  in  illum  iudicihus,  39,  6,  5. 

Inferi,  wobei  die  Alten  nicht  loci,  sondern  homines,  also  die 
manes,  die  Verstorheneyi  denken,  kann  mit  Untenvelt  übersetzt,  muss 
aber  dann  doch  vorsichtig  gebraucht  werden,  da  es  nicht  Ortsbe- 
zeichnung ist.  Daher  heisst  in  der  Untenvelt,  ap)ud  inferos,  nicht 
in  inferis;  aus  der  Unterwelt,  ah  iriferis,  nieht  ex  inferis;  in  die 
Unterwelt,  ad  inferos,  nicht  in  inferos;  nur  Lact.  1,  173,  2  sagt 
decidet  in  tenehra^  scilicet  et  inferos,  wo  tenehxts  et  inferos  == 
tenehras  inferorum  ist;  Tote  aus  der  Untenvelt  heraufrufen,  nieht 
excitare  mortuos  ex  inferis,  sondern  ah  inferis;  aus  der  Untenvelt 
hervorkommen,  ah  inferis  exsistere,  nicht  ex  inferis;  vgl.  Cic.  Yerr. 
1,  94;  Mil.  79;  Catil.  4,  8;  Phil.  14,  32;  Florus  sagt  2,  6,  23  quasi 
ah  inferis  emergere,  ebenso  Sulp.  Sev.  Mart.  26,  3  non  si  ipse,  ut 
aiunt,  Homerus  cd)  inferis  emergeret.  Hienach  ist  zu  berichtigen  Otto 
im  Archiv  III  S.  211 ;  vgl.  ib.  S.  385.  —  Was  wir  die  Hölle  nennen, 
nennt  Cicero  (Cluent.  171)  sceleratorum  sedes  atque  regio,  und  die  Strafeti 


Inferioritas  —     733     —  Inferre 

der  Hölle,  imjnoriim  suppliciciy  Lact.  1,  628,  11  in f er  na  sup- 
plicia. 

lyiferioritas,  der  untergeordnete,  niedere  Stand  ist  (wie  superio- 
ritas)  ]S\  L.  für  inferior  ordo,  slatiis,  condicio  u.  a. 

Inferms,  weiter  imten,  z.  B.  narrare,  dicere,  hat  Yitruv  in  Prosa 
wohl  zuerst  gebraucht,  dann  findet  es  sich  abgesehen  von  der  nach- 
august.  Inschrift  C.  I.  L.  I,  1055  superms  et  inferiiis  nur  8p.  L.  bei 
den  Juristen,  oft  bei  Gaius,  auch  bei  Lact.  1,  52,  13,  bei  Solin.  2 
für  infra,  worin  der  Begriff  des  Komparativs  schon  liegt,  weil  quam, 
als,  und  Wörter  wie  paido,  nmlto,  hinzutreten  können.  Ygl.  Wölfflin 
Comp.  S.  45  und  Archiv  lY  S.  262,  Köhler  act.  Erl.  I  S.  410,  Kalb 
Koms  Juristen  S.  75. 

Infernalis,  imterirdiscli,  ist  Sj).  L.  bei  Dichtern  und  in  Prosa 
für  inferus,  infermis,  vgl.  Regnier  S.  180;  man  sagt  also  nicht  di 
infernales,  die  unterirdisclien  Götter,  sondern  di  infe7mi,  inferi  oder 
inferorum;  vgl.  Friedersdorff  zu  Liv.  28,  22,  9.  —  hiferniis,  i,  masc. 
die  Unteriuelt,  die  Hölle,  gehört  der  Yulg.  und  manchen  Eccl.  an, 
z.  B.  Hieron.  ep.  124,  11  lä  quod  aliis  infernus  est,  aliis  caelum  sit, 
vgl.  Gölzer  Hieron.  S.  109,  Könsch  Coli.  phil.  S.  179;  dafür  wird 
N.  Kl.  u.  Sp.  L.  bei  manchen  Eccl.  das  Neutrum  Plur.  inferna 
gebraucht,  z.  B.  bei  Tac.  bist.  5,  5;  Sen.  Herc.  für.  423,  Lact.  1,  487, 
1 7  (Lact,  sagt  via  caeli  et  inferorum,  aber  auch  in  caelum  tollant  vel 
ad  inferna  praecipitent,  doch  nirgends  infernus,  i).  Ygl.  Inferi, 
welches  bei  Cyprian  das  übliche  Wort  für  Hölle  ist,  vgl.  Watson 
S.  286. 

Inferre  bedeutet  zunächst  ettvas  irgendiuoliin,  in  etivas  hinein- 
tragen, bringen  und  wird  N.  Kl.  gewöhnlich  mit  dem  Dativ  des 
Ortes  konstruiert,  wie  aerario,  halineo,  castris,  delid)ro,  provinciae, 
sepidcro,  tumido,  urhi.  S.  Plin.  epp.  2,  11,  19  u.  7,  1,  6,  paneg. 
3,  5,  Tac.  ann.  12,  69  und  13,  53,  Suet.  Octav.  101  und  100. 
Während  die  Konstruktion  mit  in  c.  accus,  in  dieser  Bedeutung 
N.  Kl.  selten  ist,  wie  bei  Curt.  4,  14,  24  und  Quintil.  5,  12,  8,  ist 
umgekehrt  Kl.  und  bei  Livius  der  Dativ  selten,  wie  z.  B.  Liv.  4, 
20,  5  u.  23,  24,  11,  regelmässig  dagegen  die  Verbindung  mit  in 
und  dem  Accus.,  z.  B.  coronam  in  ciiriam  inferre,  Liv.  44,  14,  3, 
aliquem  lecticida  ifi  aciem,  24,  42,  5,  aliquid  in  ignem,  28,  17,  15, 
vgl.  auch  26,  21,  6  und  10,  2,  13;  Caes.  Grall.  6,  19,  4  in  portum 
quinqueremes.  Vim  gladiorum  in  deversorium  hiferre,  Liv.  1,  52,  2. 
In  der  militärischen  Sprache  wird  der  Dativ  in  einzelnen  Ausdrücken 
entweder  ausschliesslich  oder  doch  vorherrschend  gebraucht.  Das 
erstere  ist  bekanntlich  der  Fall  bei  bellum  inferre,  wo  sowohl  im 
Kl.  als  N.  Kl.  Gebrauch  nur  der  Dativ  alicui  vorkommt.  Dasselbe 
gilt  in  der  Regel  auch  von  den  Namen  bekriegter  Länder  oder 
Gegenden,  z.  B.  bellum  inferre  Italiae,  Liv.  21,  20,  2;  patriae,  Yell. 
2,  20,  4.  So  sagt  man  auch  cladem  iyiferre  alicui,  s.  Yell.  2,  112,  4, 
Liv.  27,  40,  1  u.  29,  3,  8,  und  terrorem  alicui  inferre,  s.  Cic.  Mil. 
71,    Liv.  5,  13,   11;    6,   2,    9,    u.    ö.,    Caes.  Gall.  7,   8,  3;    ebenso 


Infestare  —     734     —  Infestare 

metiini;  iumultiim,  obsidionem  ijiferre  alicui  (liomini,  loco),  s.  Liv.  6, 
29,  4;  28,  44,  1  u.  31,  36,  11.  Auch  nach  vim,  arma  inferre  ist 
der  Dativ  der  Person  und  des  Ortes  das  Allergewöhnlichste.  Ygl. 
Liv.  2,  17,  4;  7,  27,  6;  9,  43,  24,  und  sonst,  Yal.  Max.  4,  1,  12, 
Tac.  ann.  15,  5.  Nur  wenn  das  Moment  der  lokalen  Richtung 
oder  Bewegung  nach  einem  Ziele  hin  entweder  schlechthin  oder  in 
Beziehung  mit  etwas  anderm  betont  werden  soll,  ist  auch  der  x^ccus. 
mit  in  ganz  richtig,  z.B.:  cum  liüerae  de  hello  a  Fartlns  in  inovin- 
ciam  Syriam  illato  afferrenhir,  Cic.  fam.  15,  2,  1.  Neqiie  in  eiim 
agrum,  qiii  ...  iwstilia  arma  ijiferrent,  Liv.  7,  31,  9;  aima  in 
Italiam  inf.,  Nep.  Hamilc.  4,  2  u.  das.  Nipp.-Lupus  und  Weissenborn 
zu  Liv.  9,  25,  1.  lam  in  castra  proelium  intulerat,  Liv.  4,  29,  3 
ist  mit  Eücksicht  auf  den  frühern  und  den  neuen  Schauplatz  des 
Kampfes  gesagt.  Vgl.  auch  Gurt.  9,  8,  7.  —  Singular  ist  Cic.  Phil. 
2,  53  belli  contra  imtriam  inferendi.  —  Nach  sigjia  inferre  steht 
bei  Personal-  und  Sachnamen  sowohl  der  Dativ  als  der  Accus,  mit 
m.  S.  über  den  Dativ  Gurt.  8,  14,  15,  Liv.  3,  18,  8  u.  8,  30,  7 
und  über  sig7ia  patriae^  urbi  inferre  Gic.  Place.  5  u.  Liv.  28,  3,  13 
und  34,  4,  4.  Noch  häufiger  ist  in  c.  accus. ^  vgl.  Liv.  6,  29,  2 
u.  9,  27,  12  u.  sonst  oft,  Gaes.  Gall.  2,  26,  1.  Doch  bei  jjorta  und 
nmnimenta  findet  sich  in  den  uns  bekannten  Stellen  nur  der  Dativ. 
S.  Liv.  2,  53,  1;  2,  59,  2;  10,  19,  21  und  27,  18,  3.  Nach  der 
Analogie  der  militärischen  Sprache  herrscht  der  Dativ  (incommodi) 
auch  in  andern  verwandten  Ausdrücken  vor,  z.  ß.  dolorem,  errorem 
alicui  inferre,  z.  B.  Lact.  1,  261,  20;  295,  11;  sibi  mortem  inferre 
ib.  545,  25;  ivAum  venis  ijiferre,  Tac.  ann.  5,  8;  infamiam  alicui 
inferre,  Gic.  Gael.  42;  necem  cdicui  inferre,  Suet.  Gaes.  20;  crimen 
])roditionis  alicui  inferre,  Gic.  Yerr.  5,  106;  faces,  ignes  castellis,  Liv. 

10,  12,  8  und  35,  11,  11,  Tac.  bist.  3,  30,  Cic.  Catil.  3,  22  u.  parad. 
28;  manus  alicui  inferre,  Suet.  Galig.  51,  Gic.  Catil.  1,  21;  manch- 
mal schwankt  die  Überlieferung  zwischen  manus  inferre  und  afferre, 
z.  B.  rhet.  Her.  4,  19;  pestilentiam  agris  lü'bifßie  inferre,  Liv.  5,  14, 
3;  ebenso  i}iiuriam  alicui  iyiferre,  Yal.  Max.  8,  1,  6,  Absol.,  Liv.  31, 

11,  10.  Yergleicht  man  damit:  iniuriis  in  socios  nostros  inferendis, 
Gic.  Sest.  58,  sowie  liominibus  iniui'ia  tili  stupri  illata  in  ipsos  dolori 
non  fuit,  har.  38,  so  springt  in  die  Augen,  dass  der  Wechsel  der 
Konstruktion  hier  lediglich  durch  die  Rücksicht  auf  Deutlichkeit  und 
Euphonie  bedingt  ist.  Endlich  se  inferre  und  das  mediale  inferri  = 
irgendicohin  (in  Hast,  Eile,  Feindseligkeit,  Unbesonnenheit)  eilen, geraten 
u.  dgl.  kann  mit  dem  Dativ  und  dem  Accus,  mit  in  verbunden  werden. 
S.  über  das  erstere  Liv.  2,  30,  13  (vgl.  dazu  M.  Müller);  22,  5,  5; 
28,  30,  9;  29,  27,  11;  33,  16,  8  und  35,  21,  5,  Gurt.  4,  12,  14; 
Tac.  bist.  4,  66;  Agr.  37;  über  das  letztere,  welches  allein  Kl.  ist, 
Gic.  Font.  43;  Balb.  25;    Liv.  4,  33,  7;  7,  17,  5  u.  23,  27,  6  u.  ö. 

Infestare,  feindlich  beluDuleln,  beunruhigen.  Dieses  Yerbum 
findet  sich  in  Prosa  zuerst  im  b.  Alex.  3,  1  nostras  munitiones  in- 
festabant,   dann    N.  Kl.   und    Sp).  L.   bei   Yell.,  Suet,  Orosius    und 


Inficetlae  — -     735     —  Infimus 

vielen  andern.  Yon  Dichtern  hat  es  Vergil  nicht,  wohl  aber  Ovid 
met.  13,  730.  Vgl.  Prammer  in  Z.  f.  Ö.  G.  1883  S.  429,  Georges  Yell. 
S.  48.  Kl.  ist  infeshmifacere,  infestimi  habere  u.  reddere,  vgl.  Thielmann 
in  Wölfflins  Archiv  II  378  u.  „Dare"  S.  40,  Nägelsbach-Müller^  S.  469, 
Georges  Jahresber.  1882  S.  256.  Stellen  für  infestare  aus  N.  Kl. 
Zeit  sind:  vidnera  et  nimiiis  calm'  et  nimium  frigus  infestant,  Gels. 
5,  26,  6  extr.  und  so  bei  ihm  oft;  ebenso  oft  steht  es  bei  Front, 
strat.,  aus  welchem  wir  kürzehalber  nur  auf  infestare  hostem,  2,  3,  16 
und  harlarorum"  sagittis  'mfestari,  2,  13,  7  aufmerksam  machen;  vgl. 
ferner  noch  Sen.  contr.  7,  18,  10:  qiiam  (animam)  totiens  exagitat 
imter  et  iiifestat;  auch  Sen.  phil.:  virtiitem  intellego  animosam  et  ex- 
celsam,  quam  incitat  qiddquid  infestat,  epp.  71,  18;  iter  infestari 
latrociniis  nuntiatur,  de  benef.  4,  35,  2  und  schliesslich  maria  in- 
festare auch  bei  Lact.  1,  736,  8  u.  mort.  183,  1  (hier  absolut  in- 
festantibus  Carpis). 

Inficetiae,  Possen,  Plattheiten,  kommt  nur  einmal  bei  Catull  36, 
19  vor,  für  nugae,  ineptiae  u.  a. ;  dieses  inficetiae  kommt  her  von 
inficetus  (gauche,  lourd  nach  BrealJ,  welches  von  Hey  Semas.  Stud. 
S.  143  genau  von  infacetus  (==  non  facetus)  geschieden  wird;  in- 
facetiis  findet  sich  auch  zweimal  bei  Cic.  off.  3,  58  7iec  infacetus  et 
satis  litteratus,  Cael.  69  non  infacetum  mendacium.  Doch  ist  die 
Überlieferung  nicht  überall  sicher,  vgl.  Georges  Wortformen  s.  v.  Man 
meide  inficetus  und  inficetiae. 

Infideliter,  imredlich,  treidos,  ist  (mit  Ausnahme  von  Cic.  epp. 
ad  Brut.  2,  1,  2)  sehr  Sp.  L.,  für  mcda  flde.  Zu  Cic.  ep.  Brut.  2, 
1  vgl.  Paul  Meyer  S.  110,  Ruete  S.  104;  darnach  ist  an  infideliter 
kein  Anstoss  zu  nehmen,  weil  Cicero  viele  Adverbien  hat,  die  ander- 
weit nicht  zu  belegen  sind. 

Infieri,  anfangen,  ist  nur  in  der  dritten  Person  üblich  und  wird 
nur  von  Personeyi  gebraucht,  infit,  er  fängt  an,  z.  B.  loqui,  nie  von 
Sachen,  z.  B.  epistida,  oratio  infit  u.  a.,  für  incipit;  übrigens  ist  es 
meist  Ä.  L.  und  P.  L.  und  kommt  in  Prosa  nur  einigemal  bei  Li- 
vius,  aber  nur  in  der  ersten  Dekade,  vgl.  M.  Müller  z.  Liv.  1,  23,  7, 
vor.  Sehr  Sp.  L.  ist :  inftunt  artes,  libelli,  s.  Mart.  Capella  2,  §  220. 
Näheres  bei  Neue -Wagener^  III  S.  632,  Archiv  X  S.  27. 

Infimus.  Die  Form  imus  gehört  mehr  der  Dichtersprache  an, 
sehr  oft  hat  sie  z.  B.  Ovid;  sie  findet  sich  bei  Cicero  nur  Rose. 
Com.  20  ah  imis  unguibus  uscpie  ad  verticem  smnmum,  einer  offen- 
bar sprichwörtlichen  Redensart;  denn  ep.  ad  Brut.  1,  6,  wo  §  4  ad 
imam  Candinaviam  gelesen  wird,  stammt  aus  der  Feder  des  M. 
Brutus,  nicht  der  des  Cicero,  und  Pis.  67  hat  C.  F.  W.  Müller  die 
von  Kayser  aufgenommene  Konjektur  de  imo  dolio  nicht  beibehalten. 
Somit  kann  man  sagen,  dass  imus  dem  Geschmack  Ciceros  nicht 
entsprach.  Öfters  haben  es  rhet.  Her.,  auch  Caesar,  z.  B.  Gall.  3, 
19,  1;  4,  17,  3.  —  Bemerkenswert  sind  die  Redensarten  ah  imo, 
z.  B.  Caes.  Gall.  3,  19,  1  neben  infimo  bei  Caes.  Gall.  7,  19,  1.  — 
Im   tropischen   Gebrauche   unterscheiden   sich   hnus  und  infimus  so, 


Infinitus  —     736     —  Infinitus 

dass  Kl.  nur  dieses  den  Gegensatz  zu  siwmiiis  bildet;  auch  hier 
zeigt  sich  Lact,  als  Nachahmer  Ciceros,  Im  N.  Kl.  Gebrauch  aber 
werden  sowohl  infimi  als  imi  den  summis  auch  in  tropischer  Be- 
deutung ohne  Unterschied  gegenübergestellt.  S.  Sen.  de  brev.  v.  2,  4 
und  de  dement.  1,  1,  9.  Wird  umgekehrt  in  der  eigentlichen  Be- 
deutung die  Anschauung  eines  Ganzen  in  seiner  Ausdehnung  von 
oben  nach  unten  oder  umgekehrt  dem  Blicke  vorgeführt,  so  wird 
man  stets  inms  im  Gegensatz  von  .sinnmits  finden.  S.  Cic.  Rose.  Com. 
20,  Horat.  epp.  1,  1,  54,  Liv.  24,  34,  9  u.  44,  9,  7,  Suet.  Octav.  79 
und  ibid.  Tib.  68,  Quintil.  2,  13,  9  u.  11,  3,  15,  Sen.  de  tranq.  a. 
12,  3.  Richtig  ist  endlich  für  den  Kl.  Gebrauch  die  Bemerkung 
Döderleins,  dass,  wo  die  natürliche  Lage,  Stellung  melirerer  Dinge 
gegen  einander  ausgedrückt  werden  soll,  das  Niedrigste  oder  Unterste 
durch  infimus  bezeichnet  werde,  s.  Cic.  nat.  deor.  1, 103  u.  2, 17.  Näheres 
über  imus  und  mftmus  siehe  bei  Neue- Wagener ^  II  S.  195,  Thiel- 
mann Cornif.  S.  51,  Hellmuth  act.  Erl.  I  S.  109  f.,  Seck  II  S.  4, 
Becher  Philol.  44  S.  477,  Schirmer  Progr.  Metz  1884  S.  12. 

hifinitiis  wird  nur  von  demjenigen  gesagt,  was  entweder  dem 
Raum  und  der  Zeit  oder  dem  Gedanken  nach  kein  Ende,  keine 
Grenze  hat,  nnendlich,  imhegrenzt,  schrankenlos  ist.  Eine  Höhle  z.  B. 
von  unendlicher  Tiefe  ist  spelmica  infinita  altitudine ;  eine  iimtm- 
schränkte  Gewalt  gleichfalls  infinita  potestas.  S.  Cic.  RuU.  2,  33  in- 
finita licentia,  Cic.  Yerr.  3,  220  infiyiitae  occupationes,  Nep.  Att.  20, 
2.  Im  Yerhältnis  zu  innumerahilis  gedacht,  ist  dies  ein  rein  arith- 
metischerj  jenes  ein  die  physische  oder  ideelle  Beschaffenheit  be- 
zeichnender Begriff.  Wo  daher  hloss  das  Yerhältnis  der  Zahl  in 
Berechnung  kommt,  da  ist  nur  hinumerahilis  zu  gebrauchen,  ob- 
gleich infinitus  schon  b.  Alex.  64  und  N.  Kl.  bisweilen  für  inmimera- 
hilis  steht,  wie  bei  Yitr.  2,  2,  2  u.  Plin.  nat.  7,  121  und  sich  dies  in 
der  späten  Latinität  noch  öfter  wiederholt.  S.  Spartian  v.  Hadr. 
20,  5,  Eutrop  1,  3 ;  3,  20;  4,  7;  9,  25,  1 ;  vgl.  hierüber  Köhler  act. 
Erl.  I  S.  464,  der  in  sorgfältiger  Abwägung  des  Kl.  Brauches  bei 
Caesar  mit  dem  des  Yitruv,  dessen  Lieblingswort  infinitus  ist,  vgl. 
Praun  S.  107,  und  des  auct.  b.  liisp.  und  b.  Afr.  den  mit  infinitus 
in  der  Yolkssprache  getriebenen  Missbrauch  nachweist.  Ygl.  ferner 
Landgraf  Bayr.  Gymn.  XYI  S.  279,  Schmalz  Pollio^  S.  51,  Morawski 
Z.  f.  Ost.  Gymn.  1881  S.  2.  Unklass.  ist  daher:  veluti  Corneliis,  Raciniis, 
Boilaviis  et  infinitis  aliis,  für  hinumerahilihus,  permidtis.  Ebenso 
findet  sich  im  N.  L.  oft  infinita  loca  und  infiniti  loci  von  Belegen 
aus  Schriftstellern,  für  innmnerahiles  loci,  infiniti  errores  und  viele 
ähnliche  Fehler.  Die  Bedeutungen  beider  Adjektive  berühren  sich 
nur  in  der  Yerbindung  mit  Zahlbcgriffen  wie  numerus  und  multitudo, 
denn  was  sich  nicht  zählen  lässt,  fällt  unter  den  Begriff  von  infinitus^ 
ist  in  seinem  Umfange  enthalten.  Daher  kann  infinitus  insoweit  für 
innumerahilis  gebraucht  werden  und  ist  im  Yergleich  zu  diesem  nur 
ein  noch  stärkerer  Ausdruck,  wie:  infinita  multitudo  lihrorum  bei 
Cic.  Tusc.  2,  6   unserm:    eine  grenzenlose  Menge  von  B.  entspricht, 


Infirmitas  —     737     —  Infitias 

so  auch  off.  1,  52:  Qiioniam  eorum,  qui  his  egecint,  infinita  est  rmdti- 
tiido  =  eine  unermessliclie  Menge,  dagegen:  in?iwnerahilis  multitudo 
liominum,  Cic.  red.  in  sen.  12,  und  ganz  ebenso  Caes.  Gall.  5,  12,  3 
und  legum  infinita  miäiitiulo,  Tac.  ann.  3,  25.  Richtig  werden  daher 
beide  Ausdrücke  als  Synonyma  mit  einander  verbunden:  infinitus 
prope  et  innimierahllis  numerus  cmnorum,  Gell.  14,  1,  18.  Auch  das 
Adv.  infinite,  unendlich,  wird  oft  falsch  gebraucht,  z.  B.  infinite 
maior,  unendlich  grosse}^,  für  omnihus  imrtihus  maior  (Cic.  fin.  2, 
108),  iyifinite  gaudere,  laetari  u.  a.,  für  insolenti  voluptate  efferri  u. 
dgl.  Aber  infinito,  z.  B.  infinito  magis  delectare  =  unendlich  mehr 
erfreuen  hat  Quintil.  11,  3,  4  und  ibid.  infinito  magis  fi,exa  sunt  und: 
infinito  ^jIus  cogitare,  8,  4,  25 ;  falsch  ist  infinite  auch  in  der  Be- 
deutung unbestimmt,  dunkel,  z.  B.  saepius  sie  infinite  loquitur  Cicero, 
für  ohscure,  non  satis  diserte  u.  a.  —  Die  Redensart  in  infinitum  ist 
N.  Kl.  und  Sj).  L.,  vgl.  z.  B.  Lact.  2,  123,  22  in  infinitum  procedere; 
Quint.,  Plin.  mai.  und  min.  bieten  auch  Beispiele,  vgl.  Lagergren 
S.  115. 

Infirmitas  bezeichnet  im  Kl.  nur  Unpässlichkeit,  nicht  wirkliche 
Krankheit,  und  erscheint  nur  in  Yerbindung  mit  corporis  oder  vale- 
tudinis,  vgl.  Cic.  fam.  7,  1,  1  und  off.  1,  121;  erst  im  N.  Kl.  bleibt 
dieser  Zusatz  weg,  z.  B.  proxima  infirmitas  mea  ohligavit  me  .  . 
medico,  Plin.  epp.  10,  6,  1.  In  languorem  incidit  .  .  Ac  ne  quam 
suspicionem  infirmitatis  daret  .  .  Suet.  Tib.  72;  Tac.  dial.  23  (aber 
vgl.  auch  cap.  20).  Bei  Plin.  epp.  10,  6  (11),  1  ist  infirmitas  schon 
ein  schiuereres  Unwohlsein,  und  im  Sp.  L.  wird  infirmitas  völlig  == 
morhus,  so  dass  bei  Anthimus  den  sani  die  infi^mi  gegenübergestellt 
werden.  Ygl.  Wölfflin  Cass.  Fei.  S.  390,  Schulze  Symm.  S.  39,  Thiel- 
mann Philol.  42,  S.  361  und  dazu  noch  Lucifer  45,  27  H,  ebenso 
Sedulius  255,  3;  260,  4  H.,  ferner  Sulp.  Sev.  M.  18,  5,  E.  2,  12, 
wo  infirmantes  =  aegri,  schliesslich  Cyprian,  wo  oft  infirmitas  = 
morhus  und  infirmari  =  aegrotare  ist;  vgl.  noch  Rönsch  Ital.  S.  370 
u.  Coli.  phil.  S.  105,  Sem.  itl  S.  49. 

Infitias  ire,  leugyien,  ist  A.  L.,  kommt  bei  Cicero  und  Caesar 
nie  vor,  aber  seit  Nep.  Epam.  10,  4,  vgl.  Lupus  S.  51,  und  Livius 
auch  bei  den  folgenden,  für  infitiari.  Infitias  ire  wird  in  prosaischer 
Rede  gewöhnlich  nur  in  negativen  Sätzen,  sogar  noch  im  Sp.  L. 
z.  B.  bei  Lact.  u.  Claud.  Mam.  gefunden.  Ohne  die  Negation,  nach 
altlateinischer  Weise  (s.  Ter.  Ad.  339  und  Plaut.  Most.  1023),  steht 
es  einmal  auch  bei  Liv.  10,  10,  8;  Liv.  gebraucht  es  indes  nur  in 
der  ersten  Dekade,  später  nur  noch  31,  33,  9,  vgl.  Stacey  Archiv  X 
S.  78.  Ein  anderer  Kasus  als  infitias  existiert  nicht,  vgl.  Neue- 
Wagener^  I,  734;  so  kam  denn  auch  Fay  in  Americ.  Journ.  of 
Philol.  XX  S.  149  —  168  auf  den  Gedanken,  infitias  als  Partizip  zu 
erklären.  Der  Erklärungsversuch  ist  mit  viel  Scharfsinn  und  Gelehr- 
samkeit durchgeführt,  wird  aber  wenig  Beifall  finden;  vgl.  Otto  im 
Archiv  XI  S.  594.  Dass  infitias  von  infiteri  herzuleiten  sei,  sagt 
Langen  Beitr.  S.  182,  vgl.  auch  Wölfflin  Arch.  lY  S.  409. 

Krebs- Schmalz  ,  Antibatbaras  I.  4:7 


Inflammare  —     738     —  Informare 

Inflammare,  anzünden;  —  etwas  an  ekuas^  aliqidd  aliqua  re. 
Bei  Cic.  Verr.  4,  106  dicihir  inflammasse  taedas  [ex]  iis  ignibiis, 
qui  .  .  hat  C.  P.  W.  Müller  ex  nicht  ganz  zu  tilgen  gewagt,  während 
Nohl  mit  Rücksicht  auf  die  Überlieferung  (nur  d  liest  ex  iis)  ex 
ganz  beseitigte.  Müllers  Bedenken  beruhen  offenbar  auf  der  Wahr- 
nehmung, dass  die  Wörter  des  Anzündens  sonst  immer  mit  ab,  ex, 
de  konstruiert  werden ;  aus  den  Stellen,  die  er  praef.  98  anführt, 
verdient  Val.  Max.  9,  1,  9  ex  rogo  eins  maritalem  facem  accendit 
neben  Cic.  fin.  5,  43  e  qnihns  (scintillis)  accendi  ^jldlosopM  ratio 
dehet  besonders  Beachtung.  Bei  Cic.  dom.  18  qni  semper  ex  rei 
puhlicae  malis  sceleris  siä  faces  inflammaret  ist  ex  unbeanstandet  von 
Kayser  und  C.  F.  W.  Müller  aufgenommen.  Ygl.  noch  Schüssler  II 
S.  12  f. 

Influere,  ein-  oder  hineinfliessen,  wird  Kl.  verbunden  mit  ad 
oder  in  und  dem  Accus.,  P.  und  aS^.  L.  mit  dem  Dativ.  Der  Acc. 
ohne  Praep.,  welchen  Georges  aus  Caesar  zitiert,  beruht  auf  der  un- 
sichern  Stelle  Gall.  1,  8,  1  a  lacu  Lemanno,  qni  in  flumen  Rho- 
daniim  inßuit,  wo  Georges  quem  flumen  Rliodanus  influit  liest;  ich 
halte  mit  Mensel  an  ciid  in  flumen  influit  fest.  —  N.  L.  ist  influere 
in  aliquem  in  der  Bedeutung  auf  jemanden  Einfluss  haben,  für  vim 
habere,  movere,  pe^^tinere,  afflci  ah  aliqua  re,  oder  wie  es  der  Zu- 
sammenhang fordert,  z.  B.  ein  Wort  hat  auf  das  andere  Einfluss, 
alterum  ab  altero  afßcitur.  Bei  Cicero  (off.  2,  31)  bedeutet  in  uni- 
versorum  animos  tamquam  influere  possumus,  ivir  können  Eingang 
in  die  Herzen  aller  finden,  wo  das  mildernde  tamquam  zu  merken 
ist,  welches  er  an  andern  Stellen  weglässt,  wenn  er  von  Sacheyi  spricht, 
z.  B.  de  erat.  3,  91  oratio  quam  maxime  iyi  sensus  eorum,  qui  au- 
diunt,  influat,  die  Rede  ergreife  so  sehr  als  möglich  die  Empfindungen 
und  Gefühle  der  Zuhörer.  Gut  ist  influere  auch  militärisch  =  ein- 
dringen: Gallorum  maximas  copias  in  Italiam  influentes,  Cic.  prov. 
32.  Gut  auch  von  den  Mündungen  von  Flüssen,  s.  Cic.  Tusc.  1,  94 
und  Caes.  Gall.  3,  9,  1. 

Influentia,  influxio,  infltixus,  der  Einfluss;  das  erste  ist  N.  L., 
die  beiden  andern  sind  Spf.  L.  und  nie  zu  brauchen.  —  Das  Ein- 
fliessen.  Einströmen  des  Wassers  heisst  illapsiis,  oder  man  gibt  es 
durch  das  Yerbum  iyifluere.  —  Einfluss  des  Mondes^  der  Sterne  — 
auf  irdische  Dinge  heisst  nach  Cicero  (divin.  2,  97)  tacttts  lunae, 
wo  man  früher  tractus  las.  Einfluss  des  Himmels  heisst  auch  vis 
caelestis  cul  aliqidd.  Eififluss  auf  Beurteilung  ist  auctoritas;  sonst 
gebraucht  man  auch  oft  vis  u.  a. 

Inf  ödere,  eingraben,  wird  nie  von  Metallen  gebraucht,  z.  B.  in  aes, 
in  aurum  u.  dgl.,  sondern  nur  incidere. 

Infoederatus,  nicht  verbünde^!,  ist  sehr  Sp.  L.  für  non  foederatus. 
Vgl.  Foederare. 

Informare  kommt  fast  nur  in  physischem  Sinne  vor,  bilden,  ab- 
bilden, entiverfen,  gleich  formare,  aber  in  geistigem  Sinne,  bilden, 
belehren,  urderrichten,   sehr   selten  und  bei  Cicero  nur  mit  dem  Zu- 


Infortunitas  —     739     —  Infriffidare 


ö 


Satze  acl  humanitatem,  z.  B.  Arch.  4,  Sulla  52,  ohne  welchen  es 
nicht  unser  informieren  bedeuten  kann;  dafür  sagt  man  erudire,  in- 
stituere.  S}).  L.  freilich,  z.  B.  bei  Eugipp,  deckt  es  sich  mit  erndire. 
—  Geistige  Bildung  ist  daher  nicht  Kl.y  sondern  erst  >S^;.  L.  in- 
formaüo,  dafür  brauche  man  eraditiOy  und  für  das  Sp.  L.  informator 
sage  man  ijraeceptor,  magister,  dodor. 

Infortunitas,  das  Unglück,  ist  aS^.  L.  bei  Gell.  7,  1,  5  (aber 
Lact.  1,  698,  16  zitiert  aus  Grell,  felicitas  et  importunitas)^  für  iyi- 
felicitas,  res  adversae,  fortuna  adversa  u.  a.  m.  Infortiminm  ist  ein 
Ä.  und  S}).  L.,  wie  Landgraf  Z.  f.  ö.  G.  1882,  S.  431  sich  ausdrückt, 
echt  vulgär  -  afrikanisches  Wort  (bei  Apul.  metam.  9,  23  extr.  u.  c. 
31,  init.  u.  10,  5  und  Macrob.  sat.  7,  2,  5  und  7,  3,  11,  ebenso  bei 
Ammian  und  Symmachus,  vgl.  Schulze  Symm.  S.  114),  welches  je- 
doch Livius  einmal  (1,  50,  9)  sehr  passend  einem  Römer  der  ersten 
Zeit  in  den  Mund  legt.  Der  Plural  infortunia  ist  nicht  ohne  Au- 
torität, s.  Hör.  ars  103,  Apul.  de  dogm.  Plat.  2,  10  Ende :  vitia  sunt 
et  infortunia  und:  2^ost  emensa  infortunia  Macr.  sat.  7,  2,  9;  homines 
hifelicitatiim  infortuniis  opprimuntur,  Firm.  Mat.  math.  2,  3,  5;  vgl. 
Archiv  X  S.  56  und  lY  S.  409. 

Infra,  verbunden  mit  scrihere,  ist  nicht  unser  unterschreiben, 
unterzeichnen,  was  suhscribere  heisst,  und  so  auch  subscriptio,  die 
TJyiter Zeichnung ,  Unterschrift,  und  subscriptor,  der  Unterzeichner. 
Jenes  bedeutet  nur  tveiter  unten,  nachher  von  etwas  schreiben,  als 
Gegensatz  von  supra,  z.  B.  Sali.  Cat.  34,  3  earum  exemplum  infra 
scriptum  est ;  ebenso  44,  4;  Cic.  fam.  6,  8,  3;  Att.  8,  6,  2;  Monum.  An- 
cyr.  init.  Auch  ist  infra  richtig  für  unser  unter,  wenn  einer  oder  etwas 
an  Grösse,  Würde,  Eigenschaft  oder  in  der  Zeit  einem  andern  nach- 
steht, später  als  ein  anderer  ist  oder  lebt.  Jedoch  wird  unter 
jemanden  stehen  (an  Rang  u.  dgl.)  mehr  komparativ  gedacht,  tiefer 
als  jemand  sein,   daher  inferiorem  esse  aliquo.     Ygl.  Cic.  Brut.  134. 

Inf r actus  hat  doppelte  Bedeutung:  gescJituächt  und  ungeschiu licht, 
aber  die  Bessern  brauchen  es  nur  in  der  Bedeutung  zerbrochen 
(z.  B.  Cic.  dom.  64,  Liv.  2,  59,  4,  vgl.  dazu  M.  Müller),  geschivächt, 
entkräftet,  niedergebeugt,  als  Partiz.  von  infringo,  so  auch  infractio 
ac  demissio  animi,  Cic.  Tusc.  3,  14  ;  erst  Sp.  L.  bedeutet  es  unge- 
schiuächt,  ungebeugt     Ygl.  Schulze  Symm.  S.  114. 

Infrenatus  ist  in  der  tropischen  Bedeutung  imgezügelt,  ungezähmt 
Sp.  L.  für  effrenatus,  indomitus;  Kl.  bei  Cic.  Pis.  44  ist  es  =  ge- 
hemmt, von  infrenare. 

Infrequentatus,  nicht  sehr  gebräuchlich,  ist  sehr  Sj).  L.  für  in- 
frequens,  yion  frequentatus. 

Infrequenter ,  nicht  häufig,  selten,  hat  keine  Autorität;  unlat.  ist 
daher :  locus  infrequenter  habitatus,  für  locus  aedificiis  infrequens,  locus 
non  celeber,  desertus  u.  a. 

hifrigidare,  abkühlen,  erfrischen,  ist  8p.  L.  für  refrigerare.  Es 
kommt  besonders  bei  medizinischen  Schriftstellern,  z.  B.  Cass.  Felix 
und  zwar  transitiv  wie  intransitiv  vor;  vgl.  Wölfflin  Cass.  Fei.  S.  421. 


infucatus  —     740     —  In 


genium 


Infucatus  hat  doppelte  Bedeutung:  gescliminkt  und  ungescliminld; 
im  bessern  Latein,  wie  bei  Cicero  de  orat.  3,  100,  vgl,  auch  noch 
Lact.  1,  18,  17  infucata  pravis  opiniojiihus  consuetudo,  bedeutet  es 
gescliminkt,  geschmückt,  ühertünclit ;  Sp.  L.  bei  Arnobius  85,  9  R. 
und  öfters  bei  Ennodius  und  Symmachus,  vgl.  Schulze  Symm.  S.  114, 
imgeschminkt,  gleich  noyi  fucatus. 

Infundatus,  ungegründet,  ist  N.  L.  für  non  fundatus,  nullo 
fundamento  nixus. 

Infundere,  eingiessen,  verhreiten  u.  dgl;  — in  etwas,  in  aliquid, 
N.  Kl.  cdicui  rei,  z.  B.  bei  Colum.,  vgl.  Kottmaun  S.  17,  ebenso 
Sp.  L.  z.  B.  bei  Paneg.,  vgl.  Chruzander  S.  34.  Aber  cdicui  aliquid  in- 
fundere  ist  gut,  s.  Cic.  Phil.  11,  13  und:  Äcpiilio  duci  capto  aurum 
in  OS  infudit,  Plin.  nat.  33,  48;  vgl.  Schüssler  II  S.  15,  Obermeier 
S.  37. 

Ingeminare,  verdoppeln,  luiederJiolefi,  ist  nur  P.  und  ^S^;.  L. 
für  iterare,  duplicare,  repetere. 

Ingenitus;  vgl.  Ingignere.  Aber  ingenitus  =  non  genitus  ist 
Sp.  L.,  z.  B.  bei  Arnobius. 76,  18  R.,  Filastr.  127,  6. 

Ingeyiium  ist  zunächst  und  vorzüglich  die  yiatürliclie  Beschaffen- 
heit von  Menschen,  doch  bei  Sallust  und  N.  Kl.  (s.  Nipperdey  zu  Tac. 
ann.  3,  26  und  Heraus  zu  bist.  1,  51)  sowie  Sp.  L.  auch  von  Tieren 
und  leblosen  Diyigen,  was  mehr  durch  natura  oder  ^^roj^rie/as  ausgedrückt 
wird,  ferner  bei  Dichtern  von  Ortlichkeiten,  so  schon  bei  Naev.  trag. 
24,  vgl.  Vollmer  zu  Stat.  silv.  1,  3,  14.  Man  sage  z.  B.  nicht  ingenium 
linguae,  orationis,  sermonis,  für  natura,  pi^oprietas,  nicht  ingenium 
saeculi,  der  Zeitgeist  (vgl.  Genius).^  nicht  ingenium  soli,  ingenium  ter- 
rarum  u.  ä.  —  Viel  Genie,  viel  Kopf  heisst  nicht  multum  ingenium, 
sondern  magyium  ingenium  oder  midtum  ingenii;  von  Menschen:  er 
ist  ein  grosses  Genie,  ein  guter  Kopf,  nicht  ille  magnum  est  ingenium, 
sondern  magnum  eius  est  ingenium;  er  ist  kein  Genie,  luie  du  heisst 
7ion  tale  eius  est  ingenium,  ([ucde  tuum.  So  sagt  Cicero  (fam.  6,  6, 
8) :  mirifice  ingeniis  excellentihus,  cpicde  est  tuum,  delectatur,  was 
wir  persönlich  übersetzen  können:  ausgezeichnete  Genies,  ivie  du,  er- 
freuen ihn  sehr.  Ferner  übersetze  man  grosse  Genies  nicht  nur 
durch  ingeniis  magnis  praediti  (Cic.  fin.  4,  10),  oder  Jiomines  excel- 
lentes  ingeniis  (Cic.  de  orat.  1,  106),  sondern  auch  durch  magna  in- 
genia.  S.  Sen.  suas.  6,  22:  candidissimus  omnium  magnorum  ingenio- 
rum  aesiimator  Livius.  Übrigens  kann  nicht  nur  der  Plural  ingenia 
persönlich  gebraucht  werden,  wo  mit  dem  Begriffe  Geist  zugleich 
die  Person  zu  denken  ist,  wie  bei  Cicero  (off.  1,  74):  id  in  magnis 
animis  ingeniisque  plerumque  contingit,  das  ereignet  sich  meistens  hei 
grossherzigen  und  geistvollen  Afännern ;  Cic.  fam.  4,  8,  2  sed,  mihi 
crede,  etiam  is,  qui  omnia  tenet,  favet  ingeniis;  Sali.  Cat.  8,  3  ibi 
provenere  scriptorum  magna  iyigenia,  grosse,  geistvolle  Schriftsteller ; 
Livius  (2,  43,  10):  adeo  excellentihus  ingeniis  citius  defuerit  ars, 
und :  forte  ita  inciderat,  ne  duo  violenta  ingenia  matrimonio  iunge- 
rentur,  Liv.  1,  46,  5;    45,  23,  16;    43,    22,    6;    Sueton    (Aug.  89): 


Ingenuus  —     741     —  Ingratiis 

ingenia  saeculi  sui  omnibus  modis  fovit  u.  a.,  sondern  auch  im  Sin- 
gular. S.  Cic.  Brutus  147:  Cein  voliqytatem^  tarn  ornatum  virum 
taniqiie  excellens  ingenimn  fttisse  in  nostra  re  xmhlica,  und  neq^te  ulliim 
ingenium  tantuni  cxstitisse  dicebat,  iit  .  .  rep.  2,  2,  Ter.  Heaut.  401, 
vgl.  Meissner  zu  Ter.  Andr.  93. 

Ingemuis,  frei,  als  Subst.  für  liomo  ingenuus  ist  unter  den 
Voraussetzungen,  welche  Nägelsb.- Müller^  §  25,  2 — 4  angibt, 
nicht  zu  tadeln;  sonst  aber  sage  man  wie  Cic.  fin.  3,  57  liomo 
ingenuus. 

Ingens,  gro>is.  Dies  Wort  ist  besonders  bei  Vergil  und  Livius 
beliebt;  es  hat  hier  jedoch  schon  abgeschwächte  Bedeutung  und  be- 
sagt kaum  mehr  als  magnus;  später  dient  es  als  Ersatz  für  dieses; 
vgl.  Wölfflin  Cass.  Fei.  S.  403.  Der  Komparativ  ingentior  ist  P.  L., 
aber  für  den  poetischen  Gebrauch  vortrefflich,  s.  Verg.  Aen.  11,  124, 
der  Superlativ  ingentissimus  sehr  Sjy.  L.  Ingens  animi  bei  Tac. 
ann.  1,  69  ist  nach  Sali.  bist.  3,  91  gesagt,  wie  denn  nimius  animi 
auch  bei  Liv.  6,  11,  3  steht.  Ygl.  über  diesen  Genitiv  überhaupt 
meine  Synt.^  §  64  Anm.  2  und  unten  s.  v.  Pendere.  Sp.  L.  bei  Oro- 
sius  aber  lesen  wir  6,  18,  33  ingens  animo. 

Ingerere,  eintragen,  eimverfen  u.  dgl.,  wird  N.  Kl.,  vgl.  Sander  II 
S.  8  u.  Si^).  L.,  vgl.  Chruzander  S.  34,  verbunden  in  aliquem  oder 
aliciii.  Bei  Cicero,  Att.  11,  6,  3,  sed  ingero  praeteriia  wird  das 
Verbum  von  Boot  beanstandet,  aber  von  C.  F.  W.  Müller  beibehalten; 
unbeanstandet  ist  Cic.  Yerr.  3,  69  ingerehat  iste  Artemidorum  ,^drängte 
aup^ ;  sonst  kommt  ingerere  bei  Cicero  nirgends,  bei  Cäsar  überhaupt 
nicht  vor. 

Ingigyiere,  einpflanzeji.  Es  kommen  davon  nur  die  Formen 
ingenuit  und  das  Partiz.  ingenitus  vor,  jenes  bei  Cicero  dreimal,  fin. 
2,  46,  nat.  deor.  2,  124  und  fin.  5,  59,  dann  ingenitus  nur  fin.  5,  66 
nach  den  besten  Handschr.  für  das  in  den  alten  Ausgaben  stehende  in- 
natus;  aber  seit  Livius  ist  es  bei  den  Folgenden  bis  ins  aS^).  L.,  vgl. 
Lact.  1,  511,  6;  517,  3;  Lucifer  304,  2  H.,  sowie  Paneg.  3,  104, 
19;  11,  265,  22  u.  12,  271,  18,  übhch  neben  iyigeneratus,  insiüis, 
innatus.     Die  fehlenden  Formen  nehme  man  von  ingenerare. 

Ingloriosus,  ruhmlos,  ist  nicht  Kl. ;  es  findet  sich  sehr  selten, 
zuerst  wohl  bei  Plin.  ep.  9,  26,  4,  wo  es  mit  inlaiidatus  zusammen- 
gestellt ist  (aber  C.  F.  W.  Müller  liest  inglorius). 

Ingratiis,  und  kontrahiert  ingratis  —  wie  ja  auch  gratis  aus 
gratiis  entstanden  ist,  vgl.  die  schöne  Darlegung  von  Stöcklein 
S.  15  —  ivider  Willen,  ungern,  ist  A.  L.,  findet  sich  jedoch  dreimal 
auch  bei  Cicero,  Quinct.  47,  Verr.  4,  19,  Tüll.  5.  Nach  Studemund 
(Wölfflins  Archiv  II  S.  89)  ist  bei  Plautus  überall  ingratiis  zu  schrei- 
ben, auch  bei  Cicero  hat  C.  F.  ^Y.  Müller  diese  Form  aufgenommen. 
Interessant  ist,  dass  ingratis  im  Sp.  L.  auch  die  Bedeutung  von 
frustra  annimmt;  dies  ist  natürlich  durchaus  zu  meiden;  vgl.  Wölfflin 
Archiv  II  S.  23.  Näheres  siehe  bei  Thielmann  Cornif.  S.  44,  Wölfflin 
im  Archiv  II  S.  23,   sowie  lY  S.  402,   Hellmuth   act.  Erl.  I  S.  115, 


Ingratitudo  —     742     —  Ingredi 

Lupus  S.  120,  Ebert  S.  330,  Landgraf  elocut.  S.  29.  Sonst  gebrauche 
man  invitus,  non  lihens  u.  a.  —  Ingraiia  =-  der  Undank  findet  sich 
zuerst  bei  Tert.,  vgl.  Wölfflin  Archiv  IV  S.  402. 

Ingratitudo,  die  UndankharJcelt,  steht  zuerst  bei  Sen.  phil.  fragm. 
III  S.  452  Haase  vetiis  et  nota  liaec  ingratitudo  est,  sonst  ist  es  sehr 
Sp.  L.,  z.  B.  bei  Ennodius  für  animiis  ingratus,  wofür  Cicero  (Attic. 
9,  7,  4)  auch  äiapcazia  brauchte,  was  in  einem  Briefe,  zumal  an 
Atticus,  zulässig  war,  vgl.  P.  Meyer  im  Progr.  Hof  1900  S.  5.  Vgl. 
Gratitiulo.  Undankhar  gegen  einen  ist  entweder  ingratus  in  aliquem, 
Liv.  38,  50,  7,  Sen.  controv.  9,  24,  2,  S.  392  K.,  Cic.  nat.  deor.  1,  93, 
oder  ingratus  adversus  aliquem,  s.  Yell.  2,  69,  1,  Yal.  Max.  5,  3, 
ext.  2;  auffällig  ist  Lact.  2,  10,  15  ingratus  suae  condicionis  (condi- 
cioni?)  vgl.  Bünemann  z.  St. 

Ingravare,  heschiveren,  belasten,  ist  P.  L.  und  kommt  N.  Kl. 
beim  altern  Plinius  und  Spätem  vor,  für  gravare;  ebenso  sagt  man 
für    ingravatus   besser  gravatus. 

Ingredi,  in  eine  Örtlichkeit  hineingehen,  sie  betreten,  wird  ent- 
weder mit  iyi  c.  accus,  verbunden,  z.  B.  ingredi  in  temiüum,  Cic. 
Piiil.  14,  12,  ingredi  in  navem,  Yerr.  5,  160,  ingredi  in  fundum, 
Cic.  Caec.  31,  dann  mit  int^xt  bei  Cic.  Caec.  22,  namentlich  aber  bei 
Caesar:  intra  fines,  intra  miinitiones  ingredi,  Gall.  2,  4,  2;  5,  9,  6, 
ebenso  mit  dem  blossen  Accus,  nicht  nur  nachklass.  bei  Tacitus, 
Sueton  und  Livius:  cmiam,  regiam  ingredi,  44,  19,  7;  40,  8,  1, 
sondern  schon  ingredi  pontem,  Cic.  Catil.  3,  6,  ingr.  urhem,  Phil.  13, 
19;  ingredi  niare.  Sali.  hist.  3,  52  M.  und  regnum  bist.  2,  75.  So 
denn  auch  trop.  vitam  ingredi  Cic.  acad.  pr.  2,  114  und  off.  3,  6, 
magistratum  ingredi  Sali.  Jug.  43,  2,  consulatum  ingredi  in  den  neu- 
gefundenen Sallustfragmenten,  vgl.  Hauler  in  Wölfflins  Archiv  III, 
539  u.  ib.  Wölfflin  305,  hist.  2,  42  M. ;  j)ericulum  ingredi  =  sich 
einlassen,  Cic.  Mur.  4.  Doch  in  der  Bedeutung  sich  an  etivas 
machen,  sich  auf  etwas  einlassen,  in  etivas  eintreten,  sagt  man  ge- 
wöhnlich ingredi  in  cdiquid,  so  bei  Cic.  rep.  1,  38  und  in  eani  ra- 
tioneni  ingredi,  de  orat.  2,  213,  ebenso  Divin.  Caec.  40,  in  causam 
ingredi,  Cic.  fam.  6,  1,  4  und  in  spem  lihertatis  ingredi,  ibid. 
12,  25,  2,  vgl.  Weinkauff  S.  182.  Speziell  in  der  Bedeutung 
etwas  anfangen  steht  iyigredi  sowohl  mit  iji,  als  dem  blossen 
Äcctts.,  z.  B.  cßiem  ingressum  in  sermonem  Pompeius  interjjellavit  = 
im  Beginne  seiner  Rede,  Caes.  civ.  3,  18,  3;  1,  2,  2  und  ingredi  in 
disputationem  ea  lege  qua  .  .  Cic.  rep.  1,  38.  Dagegen  in  demselben 
Sinne:  ([uam  orationem  cum  ingressus  essem,  Cassiiis  intervenit,  Cic. 
Attic.  15,  11,  1  und  ingredi  disimtationem,  Cic.  Caec.  79.  Ingredi 
hanc  partem,  Quintil.  4,  3,  1.  Bekanntlich  sagt  man  auch  ingredi 
ad  aliquid,  welches  nach  Ellendt  zu  Cic.  de  orat.  1,  147  so  viel  ist 
als  entschlossen  sein,  etivas  zu  tun,  zu  übernehme)!.  Ellendt  verweist 
darüber  auf  Cic.  fat.  4 :  ingredi  ad  genus  disputandi  und  ad  dicendum 
iyigredi,  de  orat.  1,  94;  1,  208;  vgl.  auch  Schüssler  II  S.  11.  Yon 
Livius    ist    ingredi   nur   im   eigentlichen  Sinne   gebraucht  und  zwar 


Ingruere  —     743     —  Inlionestare 

regelmässig  mit  dem  blossen  Accus.,  so  dass  Stellen  wie:  ingressos 
in  castra  ah  direjjüone  ahstrahere  non  looteraty  38,  27,  5  und  in- 
gredi  in  urheiiiy  templum,  9,  7,  10  und  10,  23,  5  äusserste  Selten- 
heiten sind.  Wie  aggredi  wird  auch  ingredi  mit  dem  Infinitiv  ver- 
bunden. S.  Cic.  Cato  49,  divin.  2,  3,  acad.  2,  17,  top.  1.  —  Ver- 
worfen wird  ingredi  societatem,  eine  Verbindung  eingehen,  für  i7iire 
oder  coire  societatem. 

Ingruere  ist  kein  klass.  Wort ;  es  findet  sich  in  Prosa  zuerst  bei 
Liv.,  z.  B.  7,  25,  9  si  qua  externa  vis  ingruat,  dann  bei  Curt.,  Tac, 
bei  letzterem  wohl  in  direkter  Entlehnung  aus  Verg.,  vgl.  Archiv  X 
S.  46. 

Inhahitare,  luohnen  und  heivolinen,  findet  sich  N.  Kl.  nur  beim 
Jüngern,  epp.  2,  17,  29,  und  altern  Plinius,  Sen.  epp.  102,  27  und 
Spätem,  z.  B.  Filastr.  123,  3  für  hahitare,  incolere,  wozu  noch  kommt, 
dass  der  jüngere  Plinius,  ep.  7,  27,  6  inhabitantes,  die  Beivolmer, 
für  incolae  sagt,  wofür  Sj^.  L.  inhabitatores  vorkommt;  vgl.  Gölzer 
Hieron.  S.  48,  Rönsch  Ital.  S.  57.  —  Kl.  ist  inhabitabilis,  unbe- 
luolinbar,  Cic.  nat.  deor.  1,  24;  über  den  Sp.  L.  Gebrauch  dieses  Adj. 
vgl.  Thielmann  in  Wölfflins  Archiv  I  S.  80;  Liesenberg  I  S.  25. 

Inhaerere,  liäyigen  an  etivas,  teils  alimi  rei,  teils  in  aliqiia  re, 
auch  ad  aliqiiam  rem,  Cic.  div.  1,  114  qui  corporibus  non  inhaerent, 
Tusc.  1,  33  inhaeret  in  mentihts,  nat.  deor.  2,  100  ad  saxa  inhaerere. 

Inhiare  ist  in  der  Bedeutung  nach  ehvas  trachten,  streben  nicht 
allein  P.  L.  für  captare,  appetere,  sitire,  sondern  findet  sich  prosaisch 
und  zwar  nicht  nur  bei  Tert.  apol.  9,  nat.  1,  15;  lust.  27,  3,  4; 
Flor.  3,  11,  2,  sondern  auch  bei  Tac.  ann.  4,  12;  11,  1;  12,  59  u. 
16,  17;  ebenso  lucro  inhiare,  Sen.  controv.  3  (7),  22,  11,  vgl.  ferner 
Val.  Max.  7,  2,  extr.  1  und  =  auflauern,  Colum.  9,  7,  6.  Mit  dem 
Accus,  wird  es,  abgesehen  vom  Sp.  L.  Censorin.  de  die  nat.  1,  1 
Hultsch,  ceteraqiie  hoc  genus  blandimenta  fortunae  inliiat  ille  nur  bei 
Dichtern  verbunden,  s.  Lorenz  zu  Plaut.  Mil.  707;  daher  weist  Novak 
Quaest.  Apul.  S.  55  bei  Apul.  met.  8,  19  quas  praedas  hiatis  wohl 
mit  Recht  zurück;  mit  ad  steht  es  wohl  nur  Sp.  L.,  z.  B.  bei  Oros. 
7,  41,  9,  Lact.  mort.  83,  8  Br. 

Inhibere  ist  ein  klass.  Wort,  vgl.  jedoch  darüber  Cic.  Att.  13, 
21,  3  inhibere  est  totum  verbum  nauticum;  es  wird  klass.  konstruiert 
aliquem,  z.B.  Cic.Yerr.  5,  163  si  te  illius vox miserabilis  non  iyihibebat, 
ist  also  synonym  mit  prohibere;  aber  inhibere  ne,  quominus,  dann 
7ion  inhibere  quin   u.  inhibere   mit  Inf.  sind   N.  Kl.   Konstruktionen. 

Inhojiestare,  entehren,  kommt  nur  bei  Ovid  vor,  vgl.  Rönsch 
Ital.  S.  170,  und  Sp.  L.  auch  inhonorare,  vgl.  Gölzer  Hieron.  S.  183, 
Rönsch  Ital.  S.  194,  für  dehonestare,  dedecorare,  infamare  u.  a.  Gut 
aber  ist  das  Adj.  inlionoratus,  nicht  geehrt,  gleich  non  honoratus 
bei  Cic.  Tusc.  3,  81  vita  inhoyiorata  et  ingloria;  ahei  gegen  inhoyio- 
rabilis,  was  Streicher  comm.  lenenses  III  S.  173  bei  Cic.  fam.  5,  21, 
5  herstellen  wollte,  ist  entschiedene  Verwahrung  einzulegen ;  dasselbe 
hat  erst  Tertullian  gewagt.     Vgl.  Bursian-Müller  1884,  II  S.  49. 


lühorrescere  —     744     —  Inicere 

Inhorrescere.  Dieses  Verbum  kommt  in  dem  physischen  Sinne 
von  empor  starren,  sich  sträiiben,  aufbrausen  etc.  nicht  nur  bei  Dichtern 
vor,  sondern  ist  auch  in  die  Prosa  des  siib.  Lateins  übergegangen. 
Auch  in  der  Bedeutung  vor  Schreck  zusammenfahren,  erheben  hat 
das  Wort  gute  Autorität.  S.  Tac.  ann.  11,  28,  bist.  3,  85,  Quintil. 
9,  4,  126.  EndUch  findet  sich  inhorrescere  auch  als  Transit,  bei 
Aur.  Vict.  de  Caes.  24,  4  und  vielleicht  nach  Sittls  Vermutung  ib. 
17,  7.  Aber  nichts  beweist  für  den  transitiven  Gebrauch  des  Wortes 
Cic.  rep.  4,  6  Horum  in  severitatem  clicitur  inhorruisse  civitas,  welche 
C.  F.  W.  Müller  mit  dem  Kreuz  versehen  hat.  Ygl.  Sittl  in  Wölff- 
lins  Archiv  I  S.  474  und  513. 

Inhospitaliter,  ungastlich,  ist  sehr  Sp.  L.  für  non  hospitaliter. 

Inhumare,  in  die  Erde  scharren,  kommt  N.  Kl.  nur  beim  altern 
Plinius  vor,  für  inf ödere  in  terram;  Kl.  aber  ist  das  Adj.  inhumatus, 
iinbegraben,  nicht  beerdigt,  z.  B.  bei  Cic.  Tusc.  1,  104,  Phil.  14,  34; 
vgl.  noch  Lact.  1,  529,  16. 

Inibi,  ein  altes  Ortsadverbium,  da,  dort,  gerade  da,  ist  selten; 
doch  lesen  wir  es  zweimal  bei  Cicero,  agr.  1,  20  (fehlt  bei  Merguet) 
und  Phil.  14,  5;  nirgends  aber  findet  sich  inibi  esse,  ut;  man  sagt 
also  nicht  cum  iam  inibi  essent,  ut  urbem  caperent,  sondern  cum  iam 
in  eo  esset,  ut  — .  Ygl.  unter  Esse.  Näheres  über  den  offenbar 
vulgären  Charakter  des  Wortes,  das  sich  am  häufigsten  wohl  bei 
Gellius  findet,  siehe  bei  Hellmuth  act.  Erl.  I  S.  112,  Köhler  act.  Erl. 
I  S.  389,  Fröhlich  S.  59,  Kebling  1.  Aufl.  S.  11,  Gorges  Gell.  S.  7, 
Ebert  S.  331,  Landgraf  elocut.  S.  34,  Wölfflin  zu  b.  Afr.  23,  1. 

Inidoneus,  iingescliickt,  kommt  N.  L.  oft  bei  Erasmus  vor,  viel- 
leicht von  ihm  gebildet,  für  non  idoneus  oder  ineptus. 

Inicere,  hineiniuerfen.  Bei  den  Begriffen  von  Sachen,  in  die 
eticas  hineingeivorfen  icird,  steht  und  zwar  Kl.  und  N.  Kl.  der 
Dativ,  wie:  Caintoli^iis  sedibus  ignem  inicere,  Cic.  div.  1,  19;  opus 
fiammis  inicere,  Quintil.  6,  Praef.  3;  focido  manum,  Liv.  2,  12,  13; 
vestem  flammae,  Suet.  Caes.  84;  sinum  humero,  Quintil.  11,  3,  140. 
Bei  personalen  Begriffen  ist  inicere  aliquid  in  cdiquem  =  etwas  nach 
jemanden  werfen,  um  ihn  zu  treffen,  ganz  richtig,  s.  über  tragulam 
in  aliquem  inicere,  Plaut.  Epid.  690,  wie  man  alt-  und  klassischlat. 
auch  nur  sagt  se  inicere  =  irgendwohin  eilen,  sich  luerfen,  wie  in 
medios  hostes,  Cic.  dorn.  64  und  Ter.  Andr.  140,  während  nachklass. 
auch  der  Dativ  gefunden  wird:  inicere  se  flammae  bei  Plin.  nat.  8, 
143;  der  Zweck  des  se  inicere  in  aliquid  wird  durch  ad  aliquid 
ausgedrückt,  vgl.  ad  perspicuam  mortem  Cic.  dom.  64.  In  der  Be- 
deutung an,  auf,  über  jemanden  etu'cis  iverfen  zu  einem  freundlichen 
oder  feindlichen  Zwecke  ist  bekanntlich  alictä  aliquid  iyiicere  das 
regelmässige  und  in  aliquem  bloss  vorklass.  S.  über  laneum  cdicui 
2)allium  inicere  Cic.  nat.  deor.  3,  83;  manicas  alicui,  Plaut.  Capt.  659; 
vincula  animo,  Cic.  fin.  3,  76;  spirxinti  pulvinum,  Suet.  Calig.  12; 
cey^vicibus  laqueum,  ibid.  Yitell.  17;  catenas  cdicui,  Cic.  Yerr.  5,  106; 
manum  cdicui,  Cic.  Q.  Eosc.  48,  Liv.  3,  44,  6 ;  erst  Sp.  L.  ist  manus 


Inimicare  —     745     —  Inimitabilis 

inicere  in  aliquem,  z.  B.  Filastr.  132,  5,  A.  L.  aber  niamim  te  iyiiciam 
Plaut.  Truc.  762  (daher  C.  T.  L.  IX,  782  mamim  iniedo  estod  =  mcmiim 
i7iiectus  esto,  vgl.  Brugmann  Zum  Haingesetz  von  Luceria,  Mise,  in 
hon.  Ascoli,  Turin  1903).  Bemerke  besonders  auch  die,  wie  es 
scheint,  sprichwörtlichen  Phrasen  plagam  oder  securim  inicere  alicui 
rei  bei  Cic.  Mur.  48.  Dass  in  der  tropischen  Bedeutung  von  ein- 
flössen, verursachen,  heibringen,  besonders  von  Gemütsheiuegwigen  wie 
curam,  metitm,  scriqmlnm,  spem,  admirationem  sui  (s.  Nep.  Iphicr.  3, 
1)  u.  s.  w.  in  der  prosaischen  Rede  nach  inicere  nur  der  Dativ  ge- 
braucht wird,  ist  bekannt.  —  Mentionem  inicere,  EriuäJmnng  tun, 
steht  vielleicht  nur  P.  L.  bei  Horaz  sat.  1,  4,  94,  für  facere  oder 
inferre.  Indes  kann  inicere  in  dieser  Bedeutung  auch  al3solut  nach 
Ciceros  Vorgang  füglich  gebraucht  werden,  vgl.  Quinct.  68  Hör- 
tensius  mq:ier  iniecit,  Cic.  Att.  16,  5,  3  Bruto  cum  saepe  iniecissem 
de  .  .,  Trebon.  in  Cic.  fam.  12,  16,  2  qid  cum  mihi  in  sermone 
iniecisset  ^^hatte  einfliessen  lassen''^,  vgl.  Nägelsbach-MüUer^  S.  428, 
Schüssler  II  S.  15.  Über  cnlpam  inicere  in  cdiquem  =  die  Schidd 
auf  jemanden  iverfen,  s.  unter  referre. 

Inimicare,  verfeinden,  entzweien,  ist  P.  X.  und  Sj).  L.  für  dis- 
cordes  reddere,  dissociare,  distrahere  aliquem  ah  aliquo,  alicui  aliquem 
infestum,  infensum  facere,  infestum  aliquem  habere;  vgl.  Urba  S.  29 
mit  der  Notiz  Porphyrios :  flctum  verhum  est.  Gegen  inimicatur,  das 
Ernesti  bei  Cic.  Att.  2,  19,  4  einschwärzen  wollte,  verwahrt  sich  mit 
Recht  Boot  z.  St.     Jetzt  lesen  alle  edd.  minitatur. 

Inimicitia  wurde  als  Singular  nach  Gellius  19,  8,  4  von  Caesar  ver- 
worfen; jedoch  findet  es  sich  so  im  A.  L.,  z.  B.  Ennius  Sc.  12,  viel- 
leicht auch  ann.  271,  kommt  auch  KL,  aber  nur  in  der  philosophischen 
Sprache  vor,  in  der  Bedeutung  Feiyidschaft,  feindselige  Geshinung, 
als  ein  Fehler  der  Seele  im  allgemeinen  (Cic.  Tusc.  4,  16  und  21), 
ebenso  da  wo  der  Begriff  personifiziert  wird,  z.  B.  Plaut.  Merc.  847; 
dagegen  steht  regelmässig  der  Plural  inimicitiae  in  der  Bedeutung 
die  Feindschaft  zweier  oder  mehrey^er  gegen  einander.  Daher  sagt 
man  inimicitius  exercere,  gerere  cum  aliquo,  suscipere  cum  aliquo, 
hahere,  deponere  u.  a. ;  inimicitiae  mihi  sunt,  intercedunt  u.  a.,  nicht 
im  Sing,  inimicitiam,  inimicitia.  Ygl.  Reisigs  Yorles.  ed.  Hagen 
S.  189,  Nipp.-Lupus  zu  Nepos  Pelop.  1,  3,  Landgraf  S.  Rose. 
S.  161,  Thielmann  Philol.  42,  S.  337,  Riemann  etudes  S.  59,  Klotz 
Stil.  S.  221,  Neue-Wagener^  I  S.  698,  Leipold  S.  2. 

Inimicus.  Davon  findet  sich  B.  L.  ein  Qo\w^..,inimicitior,  für  inimicior. 
Als  Adjektiv  steht  es  mit  dem  Genitiv  und  Dativ,  s.  Halm  zu  Cic.  Sest.  15. 
—  Die  schlimmsten  Feinde  heisst  auch  lat.  inimici  iKssimi,  vgl.  Caecil. 
bei  Gell.  15,  9,  1;    dies   deckt  sich  mit  inimicissimi  natürHch  nicht. 

Inimitabilis,  unnachahmlich,  kommt  zwar  erst  N.  Kl.  bei  Yell. 
2,  97,  2,  Quintilian  u.  a.  und  ^^S^).  L.  bei  Symmach.,  Ambros.  u.  a., 
vgl.  Schulze  Symm.  S.  57,  vor,  ist  aber  als  kurzer  Ausdruck  brauch- 
bar für  die  Umschreibung  quem  (quam,  quod)  imitari  non  possumus; 
vgl.  Georges  Yell.  S.  24. 


laire  —     746     —  Iniuriare 

Inire,  hineingehen ;  —  in  etiuas  mit  dem  blossen  Accus,  ohne 
in,  z.  B.  clomum,  conviviimiy  ciibile,  oder  (aber  nicht  bei  Cicero  und 
Caesar)  mit  in  und  dem  Acc,  z.  B.  in  tirhem  (vgl.  darüber  Liv.  24, 
9,  2  neben  31,  20,  5);  in  der  bildlichen  Bedeutung  anfangen,  an- 
treten wird  es  nur  mit  dem  Accus,  verbunden.  Bei  inire  gratiani, 
sich  beliebt  machen,  steht  bei  Cicero  und  Caesar  ah  aliquo,  hei 
jemanden,  bei  Livius  auch  ajnid  (2,  27,  3  und  36,  5,  3)  und  ad 
cdiquem  (33,  46,  7),  N.  L.  cum  aliquo,  was  früher  auch  bei  Cicero 
(Attic.  7,  9,  3)  stand,  wo  aber  jetzt  das  im  Med.  fehlende  a  gelesen 
wird.  — Verworfen  werden;  inire  condicioyiem,  eine  Bedingung  eingehen, 
für  accipere  cond.,  und  inire  hereditatem,  eine  Erhschaft  antreten,  für 
adire  oder  cernere  hered.  —  Was  iniens  aetas  heisse,  darüber  vgl.  unter 
Aetas.  Für  das  gewöhnliche  ineunte  aestate  =  heim  Anfange  des 
Sommers  sagt  Caesar  auch  inita  aestate,  was  sich  zu  jenem  verhält  wie 
unser:  hei  und  nacli  dem  Anfange  des  Sommers.  S^).  L.  ist  auch  inire 
foedus,  für  facere,  icere  foedui<,  vgl.  Thielmann  Philol.  42,  S.  356. 

Initiarc  ist  in  der  Bedeutung  anfangen  Sp.  L.  für  initium 
capere,  incipere,  z.  B.  oft  bei  Cyprian,  auch  bei  Tert.  u.  bei  Juristen,  vgl. 
Rönsch  Ital.  S.  387;  Kalb  Roms  Juristen  S.  145.  In  der  Bedeutung 
lueihen,  einweihen  wird  es  Kl.  nur  von  geheimem  Gottesdienste  ge- 
braucht; erst  Quintilian  und  der  jüngere  Plinius  übertragen  es  auf 
die  Wissenschaften,  litteris,  studiis,  jener  aber  nur  in  der  Verbindung 
mit  sacris:  neque  enim  est  sanctius  sacris  iisdem  quam  studiis 
initiari,  1,  2,  20.  Schon  Symmachus  4,  20,  2  sagte  in  Nach- 
ahmung dieser  Autoren  dum  filius  meus  Graecis  litteris  initiatur; 
um  so  weniger  kann  auffallen,  was  sich  im  N.  L.  findet:  cdiquem 
praeceptis  initiare,  einen  helehren,  für  cdiciuem  enidire,  docere,  und 
aliquem  litteris  initiare  für  cdiquem  litteris  imhuere.  —  Initiare 
einscojmm  kann  nach  Ennod.  341,  8;  449,  4  H  im  kirchhchen 
Latein  wohl  gesagt  werden. 

Initium,  Anfang.  Man  verwechsle  nicht  initio,  anfayigs,  dem 
nachher  entgegengesetzt,  mit  in  initio,  im  Anfange,  z.  B.  der  Rede, 
des  Buches,  wo  der  wirkliche  Anfang  oder  Eingang  gemeint  ist, 
während  z.  B.  initio  orationis  bedeutet  heim  Anfange  der  Rede,  als 
er  die  Rede  anfing,  w^o  in  initio  falsch  wäre.  Vgl.  Ellendt  zu  Cic. 
de  orat.  1,  121.  —  Man  sagt  sowohl  rem  ah  initio  exponere  (Cic. 
S.  Rose.  14),  als  repetere,  rhet.  Her.  1,  14;  vgl.  noch  Tac.  bist.  2, 
27  und  4,  48.  —  Über  ah  initio  mundi  vgl.  Mundus.  —  Den  An- 
fang mit  etiuas  machen  heisst  nicht  cum  aliqua  re  initium  facere, 
sumere,  ducere  u.  dgl.,  sondern  cd)  aliqua  re,  und  bei  diicere  auch  ex 
aliqua  re  (bei  Quiut.  1,  9,  3).  Der  Anfang  von  eticas  geht  aus  vo7i 
etc.  kann  auch  durch  alicuius  rei  initium  oritur  ah  cdiquo,  apud 
aliquem  oder  mit  dem  blossen  Abi.  loci  oder  temporis  ausgedrückt 
werden,  s.  Heraus  zu  Tac.  bist.  1,  39,  oder  wie  Cic.  Alt.  14,  17,  A, 
8  sagt  a  fpiihus  initium  lihertatis  profectum  est. 

Iniuriare,  oder  iniiiriari,  Unrecht  zufügen,  kommt  nur  Sp.  L. 
vor,  für  iniuria  aliqiiem  afficere,  iniuriam  alicui  inferre;  vgl.  Rönsch 


Iniurius  —     747     —  Innovatio 

Ital.  S.  156  und  298,  Coli.  phiJ.  S.  161,  Paucker  Siibind.  S.  427.  Bei 
Sen.  const.  9,  2  und  benef.  7,  31,  1  ist  es  beseitigt. 

Iniurms,  ungereclit,  ist  fast  nur  A.  L.  und  Sp.  L.,  z.  B.  bei 
Ennodius,  Symm.,  Auson.  für  inmriosus;  es  kommt  nur  einmal  bei 
Cicero,  off.  3,  89  und  einmal  bei  Livius  vor:  indicta  causa  damnari 
ahsentem  considarem  vinmi  miiirium  esse,  43,  5,  5.  C.  F.  W. 
Müller  sagt  zu  Cic.  off.  3,  89  iniurius  sei  ein  noch  selteneres  Wort 
als  das  wenigstens  noch  ein  paar  Mal  bei  Cicero  vorkommende  in- 
iiiriosiis.  Die  Phrase  hiiurmm  est  scheint  im  Volksmunde  üblich 
gewesen  zu  sein;  sie  findet  sich  öfter  bei  den  Kom.  und  noch  im 
Sp.  L.,  z.  B.  bei  Apul.  met.  11,  6  und  Symmachus.  Vgl.  Lorenz  zu 
Plaut.  Mil.  436,  ebenso  Brix,  ferner  Meissner  zu  Ter.  Andr.  377  und 
Schulze  Symm.  S.  114. 

Iniiissus,  iinhefohlen,  ungelieissen,  ist  nur  P.  L.  für  non  iussiis. 
—  N.  L.  aber  ist  es  in  aktiver  Bedeutung^  ohne  meinen  Befehl,  wie 
Jos.  Scaliger  sagte:  me  iniiisso  quidam  versus  claustra  refregerunt. 
Jedoch  Kl.  ist  iniussu  meo,  iniiissit  poirnli,  z.  B.  Cic.  Tusc.  1,  74 
und  inv.  1,  56;  erst  Sp.  L.  ist  sine  iussu  Amm.  15,  2,  8;  vgl. 
Wölfflin  Archiv  IV  S.  402. 

Innaturalis,  unnatürlich,  ist  N.  L.  für  qui,  qiiae,  qiiod  est  contra 
naturam,  non  naturalis,  portentosiis,  auch  arcessitiis,  imnianis,  wie 
es  der  Sinn  verlangt,  z.  B.  Cic.  Tusc.  2,  29,  und  ebenso  steht  contra 
naturam  adjekt.  ibid.  2,  17,  wofür  §  18  naturae  inhnicus  gesagt 
ist.  Unter  Umständen  passt  auch  inhumanus,  wie  inhumana  securitas, 
Tac.  bist.  3,  83. 

Tnnatus  =  dysyv'/jTog  von  Gott  gesagt  haben  nur  die  Eccl., 
z.  B.  Filastr.  32,  2,  aber  =  angeboren,  —  einem,  alicni  und  in 
aliquo,    ist  klass.,    vgl.  Cic.  fin.  2,  99 ;    5,  48,    Tusc.  3,  2,  Caes.  civ. 

3,  92,  3. 

Innecessarins,  nicht  notwendig,   ist  N.  L.  für   non   necessarius. 

hinocuus,  unschädlich,  ist  von  Verg.  eingeführt;  es  hatte  zunächst 
passive  Bedeutung,  doch  schon  Ovid  gebraucht  es  auch  aktiv,  ebenso 
Plinius  mai.  und  Suet.  Domit.  19  (aber  hier  als  Adverb),  sowie  Sp.  L. 
Ennod.  421,  18  H.,  Eugipp.  13,  13  Kn.;  besser  sind  innocens,  nihil 
nocens,  innoxius,  insons.     Vgl.  Hey  Semas.  Stud.  S.  198. 

Innominatus,  ungenayint,  ist  Sp.  L.  (aber  nicht  bei  Donat.  vit. 
Verg.  16,  wo  man  jetzt  Numitorius  statt  innominatus  liest),  für  non 
nominatiis,  z.  B.  Cic.  Tusc.  1,  41  'non  nominata  natura,  vgl.  Klotz 
Stil.  S.  174. 

Innotesce7^e,  hekannt  iverden,  kommt   schon   bei  Livius  (22,  61, 

4,  vgl.  dazu  Wölfflin),  und  N.  Kl.  bei  Sueton  u.  a.  vor,  vgl.  Klotz 
Stil.  S.  173,  ebenso  N.  Kl.  ist  enotescere,  vgl.  Weinkauff"  S.  183. 
Transitives  innotescere  ist  nur  Sj:).  L.  bei  EccL,  vgl.  Rönsch  Coli.  phil. 

5,  94,  Sem.  III  S.  50. 

Innovatio,  die  Erneiieruyig,  ist  sehr  Sp.  L.,  z.  B.  Lact.  1,  656, 
10;  Arnob.  117,  5  R.  u.  a.  EccL,  vgl.  Gölzer  Hieron.  S.  72,  für  in- 
staiiratio,  renovatio.     Auch  innovare  kommt  ausser  einmal  bei  Cicero, 


Innuere  —     748     —  Inopinus 

Pis.  89,  nur  Sp.  L.  vor;  vgl.  Wölfflin  Cass.  Fei.  421,  Archiv  YIII 
S.  194  und  S.  244;  Watson  S.  264. 

Innuere  ist  in  der  Bedeutung  zuwhiken  nicht  nur  P.  L.  bei 
Terenz,  sondern  es  kommt  auch  in  Prosa  vor,  so  rhet.  Her.  4,  36, 
dann  bei  Liv.  8,  4,  2;  digito  innuere  steht  ferner  bei  Plinius  min. 
7,  27,  9:  stahat  innuehatque  digito  similis  vocanti.  Nicht  X.  L.  ist 
es  in  der  Bedeutung  meinen,  andeuten,  auf  etwas  ansjnelen,  verstehen, 
für  significare,  censere  u.  a.;  denn  es  kommt  innuere  so  bei  Ael. 
Donat.  comment.  in  Ter.  Adelph.  2,  1,  46  vor. 

Innumerusy  unzählig,  ist  fast  nur  P.  L.  und  kommt  prosaisch 
nicht  bei  Cicero,  Caesar,  Sallust^  Livius,  sondern  erst  beim  altern 
Plinius,  Tac.  ann.  14,  53  und  Suet.  Caes.  68,  Calig.  26  und  Galba  6, 
sowie  Sj:).  L.,  z.  B.  bei  Just.  2,  9,  17,  Ennodius,  Paneg.  vor;  klass. 
ist  innumerahilis.  Ygl.  Reisig-Haase-Heerdegen  S.  23  (Cic.  de  or.  2, 
94  ist  meri  princijjes  und  nicht  innumeri  pr.  zu  lesen). 

Innupta  (von  einem  Mädchen),  unverheiratet,  ist  nur  P.  L.  und 
Sp.  Jb.,  z.  B.  bei  Arnob.  153,  19  R.  innuptarum  formae,  für  virgo, 
z.  B.  virgo  filia,  die  unverheiratete  Tochter,  (Cic.  rep.  2,  63).  Ygl. 
Süss  S.  25. 

Inohaudire  oder  inoboedire,  nicht  gehorchen,  ist  sehr  Sp.  L., 
ebenso  auch  inohoediens  und  inohoedientia,  ungehorsam,  der  Unge- 
horsam, für  non  ohoediens  dicto,  non  audiens,  contumax;  contumacia, 
dedignatio  parendi  (Plin.  paneg.  18)  u.  a.;  vgl.  Gölzer  Hieron.  S.  162 
und  131,  Rönschltal.  S.  217,  208  und  226;  Archiv  lY  S.  404. 

Inobscurare  ist  aus  dem  lat.  Wörterbuch  gestrichen;  denn  Cic. 
Phil.  9,  10  wird  jetzt  ohne  Bemerkung  ohscurahit  (und  nicht  mehr 
inohscurahit)  gelesen. 

Tnolservantia,  die  Nichtbeachtung,  hat  Madvig  bei  Cic.  Att.  4, 
1,  1,  wie  es  scheint  mit  Wölfflins  Zustimmung  hergestellt,  vgl.  Ar- 
chiv n  S.  144;  jedoch  C.  F.  W.  Müller  schreibt  pro  praeterita  mea 
in  te  observüntia ;  ausserdem  kommt  es  i\".  KL  bei  Sueton  (Aug.  76) 
und  vorher  schon  bei  Quintil.  4,  2,  107  vor. 

Inoccupatus,  unbeschäftigt,  ist  N.  L.  für  non  occupatiis,  nihil 
agens. 

Inopinus,  imvermutet,  unverhofft,  steht  meistens  P.  L.  Doch 
findet  es  &ich  in  Prosa  nicht  nur  bei  dem  späten  Amm.,  Oros.  und 
Ennod.,  sowie  Paneg.,  sondern  auch  bei  Tac.  ann.  1,  68  und  bei 
Plinius  (pan.  30,  2)  für  das  klass.  inopinatus,  insperatus,  nee  — 
opinatus,  nicht  non  opinatus  (vgl.  Ribbeck  Part.  S.  24  f.  und  Kalb 
Progr.  Nürnberg  1886,  S.  14  f.,  wonach  sich  in  diesen  Zusammen- 
setzungen, auch  in  neglego  und  negotium,  das  ursprüngliche  nee  = 
non  erhalten  hat).  Als  Adv.  gelten  necopinato,  ex  inopinato,  ex 
insperato,  N.  Kl.  inopinato,  inopinanter.  Über  inopinans  und  neco- 
pinans  vgl.  Wölfflin  Rhein.  Mus.  37  S.  101  f.,  Landgraf  zu  Cic.  Süll. 
S.  71,  Georges  Jahresber.  1882  S.  262,  Lupus  S.  215,  Stacey  in 
Archiv  X  S.  63;  über  den  Sprachgebrauch  des  Amm.,  der  nur  neco- 
pinans  und  inopinus  hat,  vgl.  Novak  Amm.  S.  34. 


Inopportunus  —     749     —  Inquam 

Inoiiportuniis  ist  ein  Wort  von  sehr  Sp.  L.  Autorität;  durch 
iinportunns  ist  es  ersetzt  bei  Cic.  de  orat.  3,  18  und  2,  20,  ebenso 
fin.  2,  85;  vgl.  Madvig  z.  St.  und  Weyman  Litotes  S.  515.  Für 
inopportune  kann  man  non  opportune,  wqwrtune  gebrauchen. 

Inordinate,  imordenÜich,  findet  sich  N.  Kl.  nur  bei  Celsus  für 
nidlo  ordine.  sine  ordine,  confiise,  tumidtuarie,  sowie  im  Sp.  L.  in 
Yulg.,  bei  Porphyr,  und  Pseudo-Cyprian ;  ausschliesslich  Sp.  L.  bei 
Amm.  Marc,  ist  inordinatim;  vgl.  Rönsch  Ital.  S.  149,  Urba  S.  38 
und  Z.  f.  G.  W.  1881,  S.  113.  Das  Adj.  inordinatus  hat  selbst  Cic. 
einmal  (Tim.  7  ex  inordinato  in  ordinem  adduxit)^  öfters  Liv.  und 
Sp.,  z.  B.  auch  Lact.  1,  14,  21. 

Inordinatio,  die  Unordmmg,  ist  sehr  Sp.  L.  für  co7ifasio,  ordinis 
perturbatio;  vgl.  Rönsch  Ital.  S.  218. 

Inquam  wird  erst  N.  Kl.  in  der  oratio  ohliqua  gebraucht,  wo 
Kl.  ait  steht.  Kl.  nur  in  der  oratio  recta.  Wenn  aber  Cic.  (Tusc.  5, 
108)  sagt:  Socrates  cum  rogaretur,  cuiatem  se  esse  diceret,  und  zu- 
setzt: Mundanum,  inquit,  so  ist  hier  nicht  oratio  obliqua,  indem  zu 
verstehen  ist:  me  mimdauum  esse  dico.  Inkorrekt  schreibt  man 
daher:  Epicurus  ob  eam  rem,  inquit,  amicitiam  colendam  esse,  für 
oh  eam  rem,  inquit  Epicurus,  amicitia  colenda  est,  oder  ait  für  jenes 
inquit.  Ebenso  unlateinisch  ist  inquit  mit  Infinitiv,  z.  B.  tum  ille 
prophetari  inquit;  dies  ist  nicht  einmal  dem  spätesten  Latein  zuzu- 
trauen, vgl.  Stangl  Yirg.  S.  73.  —  Dass  es  dem  ersten  oder  zweiten 
Worte  der  Rede  jemandes,  wie  unser  sagte  ich,  sagte  er,  nachge- 
setzt werde,  nie  aber  vor  den  Worten  des  Sprechenden  stehe,  lehren 
die  Grammatiken;  daran  muss  man  sich  strenge  halten.  Es  kann 
jedoch  vor  den  gesprochenen  Worten  noch  ein  verbum  dicendi  voraus- 
gehen, z.  B.  Liv.  7,  16,  5  exclamat  ,^aspice,  imperator,  inquit,  quem 
admodum  .  .  .";  vgl.  M.  Müller  zu  Liv.  1,  45,  6,  Krumbiegel  S.  61. 
—  Ferner  setzt  Cicero  das  Subjekt  seltener  vor  inquit,  sondern  ge- 
wöhnlich naclt  demselben,  wenn  er  es  nicht  etwa  ohne  das  Yerbum 
vor  die  Worte  des  Sprechenden  setzt,  was  in  der  Regel  dann  ge- 
schieht, wenn  das  Subjekt  mit  einer  Konjunktion,  einer  adverbialen 
Bestimmung  u.  s.  w.  verbunden  ist,  z.  B.  Cic.  de  orat.  1,  134  tum 
Crassus  arridens :  quid  censes,  inquit,  Cotia  ?  Daher  liest  man  so 
oft:  inquit  Crassus,  inquit  Ennius,  inquit  ille,  inquit  Flato.  Zwei 
der  bedeutendsten  Cicerokritiker  unserer  Zeit  verdächtigen  die  Stellen 
bei  Cicero,  wo  das  Subjekt  vor  inquit  steht,  nämlich  Madvig  zu 
Cic.  fin.  2,  11  und  C.  F.  W.  Müller  in  Philol.  1861  S.  510  ff.  Der 
letztere  macht  darauf  aufmerksam,  dass  an  allen  aus  Cicero  ange- 
führten Stellen,  abgesehen  von  de  orat.  2,  31,  wo  mit  Lg.  73  inquit 
Catulus  zu  lesen  sei,  der  Name  des  Subjekts  von  Abschreibern  her- 
rühre, da  derselbe,  wenn  er  sich  irgend  verstehen  lasse,  ganz  ge- 
wöhnlich weggelassen  werde.  Madvig  weist  auch  darauf  hin,  dass 
Livius  nur  an  einer  Stelle,  8,  7,  5,  Manliiis  inquit,  das  Subjekt 
vor  mgzüY  stelle;  vgl.  auch  Hildebrand  1865  S.  8  (wo  sehr  eingehend 
über    die    Stellung    von    ifiquit    bei    Livius    gesprochen    ist).      Aber 


Inquani  —     750     —  Inquam 

Krumbiegel  zitiert  aus  Yarro  r.  r.  1,  22,  3  Itaqae^  Stolo  inqidt^  u. 
3,  17,  8  Atque,  ille  inquit  .  .  .,  und  Stangl  liest  de  or.  2,  31 
Catidus  inquit;  ferner  macht  er  Tuliiana  S.  16  darauf  aufmerksam, 
dass  sehr  oft  inquit  ausgelassen  werde  und  der  Name  des  Redenden 
allein  stehe,  z.  B.  Cic.  rep.  3,  44,  ijraedare  quidem  dicis  Laelhis;  es 
kann  daher  auch  inquit  von  Abschreibern  fehlerhaft  hinter  dem 
Namen  eingefügt  worden  sein.  Besonders  interessant  ist  die  Stellung 
in  Fällen  wie  Caes.  Gall.  7,  20,  12,  „/iaec"  inquit,  „a  me'^  Yercingetorix, 
heneficia  hahetit;;  solche  Fälle  hat  Petschenig  Archiv  Y  S.  576  zu- 
sammengestellt, vgl.  noch  Stangl  Tuliiana  1.  1.  Auch  kommt  wohl 
nirgends  vor:  2it  inquit  Cicero  oder  ttt  Cicero  inquit  u.  dgl.,  für  iit 
ait  Cicero  oder  seltener  ut  Cicero  ait,  indem  bei  iit  nicht  inquit, 
sondern  ciit  üblich  ist.  —  Nie  steht  es  für  sich  allein,  ohne  dass 
jemandes  Worte  angeführt  werden,  z.  B.  nie  Plato  modo  inquit  hoc 
modo  illud,  wo  gewöhnlich  ait  gebraucht  wird.     Ygl.  Cic.  div.  1,  62. 

—  Selten  tritt  ein  Dativ  zu  inquam,  z.  B.  Cic.  Att.  5,  1,  3  tum 
Quintiis  „e?^^"  inquit  mihi:  haec  ego  patior  cotidie,  öfters  geht  er  der 
Rede  voraus,  z.  B.  Cic.  Plane.  65  hiiic  ego  iam  stomachans  fastidiose 
,^immo  ex  Sicilia''^  inquam;  vgl.  Max  C.  P.  Schmidt  in  N.  Jahrb.  1891 
S.  197.  —  Unser  sag'  ich,  was  wir  einschieben,  wenn  die  ersten 
Worte  eines  Satzes  durch  Nebenbemerkungen  unterbrochen  worden 
sind  und  der  Faden  der  Rede  wieder  aufgenommen  wird,  wird  nur 
dann  durch  inquam  übersetzt,  wenn  das  erste  Wort  hervorgehoben 
werden  soll,  namentlich  bei  der  rhetorischen  Gemination,  vgl.  Wölfflin 
Gemination  S.  432  ff.  und  Thielmann  Philol.  42,  S.  340,  z.  B.  Cicero 
(Milo  67):  sed  tuas,  Cn.  Pompei,  te  enim  appello  et  ea  voce,  ut 
me  exaudire  possis,  tuas,  inquam,  suspiciones;  Sest.  146  multo 
mihi,  midto,  inqtuim,  iudices,  praestat,  und  so  oft,  wo  die  Rede 
lebhaft  ist,  sowie  auch  dann,  wenn  alles  Yorhererwähnte  zusammen- 
gefasst  wird,  wo  denn  auch,  anstatt  ein  vorhergegangenes  Wort  zu 
wiederholen,  ein  anderes  stärkeres  gewählt  wird,  z.  B.  dum  haec, 
inqiuim,  de  Oppianico  constabunt  (Cic.  Cluent.  125);  condemnemus 
(vorher  gehen  andere  schwächere  Yerba),  inquam,  hos  aut  stultitiae 
u.  s.  w.  —  Wo  aber  dergleichen  nicht  der  Fall  ist,  geschieht  die 
Wiederholung  des  unterbrochenen  Anfanges  durch  sed,  ergo,  igitur. 

—  Ob  aber  je  bei  jenem  inquam  noch  sed  vor  das  wiederholte 
Wort  gesetzt  werde,  z.  B.  cui,  —  sed  cid,  inquam  — ,  ist  zu  be- 
zweifeln. —  Die  fehlenden  Formen  von  inquam  werden  durch  dicere 
ersetzt;  letzteres  tritt  sogar  für  das  seltenere  inquies  und  inquiet  ein, 
vgl.  namentlich  Kühner  Gr.  lat.  S.  1025,  SeyfFert  schol.  lat.  §  61.  Das 
Partiz.  inquiens  findet  sich  erst  Sp.  L.,  aber  da  bei  den  Eccl.  ziemlich 
häufig.  Ygl.  Gölzer  Hieron.  S.  289,  Paucker  Spicileg.  S.  85,  Neue- 
Wagener*^  III  S.  636.  Petschenig  in  Neue  Philol.  Rundschau  I  S.  400, 
Heiss  S.  19.  —  Sehr  oft  liest  man  inquit  ,^sagt  man^^,  z.  B.  Cic.  Yerr. 
5,  148;  Att.  14,  12,  2;  vgl.  dazu  Böckel  S.  396;  ausführlich  habe 
ich  darüber  in  Anm.  344  zu  Reisig-Haase  S.  40  gehandelt;  vgl.  noch 
Klotz  Stil.  S.  293,  meine  Syntax**  §  15  Anm.  2,  Juret  S.  58. 


Inquies  —     751     —  Insanitas 

Inqiiies,  unruhig,  ein  altes  Adj.,  findet  sich  nicht  bei  Cicero  und 
Caesar,  aber  öfters  bei  Sallust,  dem  es  Tacitus,  Yell.  2,  68,  2  u.  77, 
2,  Plin.  nat.  Praefat.  §  16,  Apul.  met.  2,  16  (vgl.  jedoch  Eyssenhardt 
z.  St.),  Justin  44,  2,  5,  vgl.  Seck  I  S.  12,  nachgebraucht  haben.  Noch 
häufiger  ist  inquietus  (von  Personen  und  Sachen  gebraucht),  ohne 
jedoch  aus  der  Kl.  Zeit  sich  nachweisen  zu  lassen.  Oft  findet  es 
sich  bei  Livius:  1,  46,  2;  3,  46,  2;  5,  42,  6;  10,  43,  12;  22,  21, 
2;  26,  2,  11;  30,  37,  7;  31,  28,  6;  34,  51,  5  und  sonst.  Auch 
die  von  Georges  aus  Seneca  angeführten  Stellen  Hessen  sich  um  noch 
mehr  als  die  Hälfte  vermehren.  Ganz  fehlt  aber  im  Hdwtb.  von 
Georges  auch  jetzt  noch  Tacitus:  inquieta  urhs  actionihus,  bist.  1, 
20;  inquieta  et  anxia  oratonmi  vita,  dial.  13,  init.  und  tufhida  atque 
inquieta  tempora,  ibid.  c.  37;  ebenso  ist  vergessen  Yellejus  :  Marius 
sempe?'  inquietus,  2,  11,  1,  Valerius  Maximus:  noctes  inquietas  exi- 
gere,  8,  14  extr.  1,  Sen.  suas.  1,  2:  littora  modo  saeviente  fludu  in- 
quieta, modo  fugiente  deserta,  2,  1  (nach  H.  J.  Müller)  inquietum 
omne,  quod  circumfluit  mare,  Plin.  nat.  28,  259 :  caprinum  finium 
inquietos  infantes  coliibet,  Orosius  3,  2,  1  inquieti  magis  quam  stre- 
nui;  vgl.  noch  Novak  Paneg.  S.  75. 

Inquietare,  beunruhigen,  kommt  erst  TV.  KL,  aber  beim  Jüngern 
Plinius  (ep.  1,  9,  5;  9,  15,  1),  oft  bei  Sen.  phil.,  Quintil.  11,  3,  80, 
Sueton,  Lact.  mort.  u.  a.,  bei  den  Juristen  aber  erst  nach  dem  Jahre 
200  n.  Chr.  vor,  vgl.  Bagge  S.  30,  Rönsch  Ital.  S.  165,  Coli.  phil. 
S.  103,  Kalb  Roms  Juristen  S.  26,  LeipoldS.  71;  Kl  ist  dafür 
quietem  turhare,  molestia  afßcere,  molestiam  afferre,  molestum  esse  u.a. 
—  Das  Subst.  inquietudo  ist  nur  Sp.  L.,  aber  hier  nicht  selten;  zu 
den  von  Schulze  Symm.  S.  41  u.  Rönsch  Coli.  phil.  S.  35  u.  141  zi- 
tierten Autoren  füge  bei  Ennodius  78,  25;  87,  3  H.,  Sulp.  Sev.  M. 
10,  3  H.  —  Das  Substantiv  inquies  ist  gleichfalls  erst  Sp.  L.  bei 
Gell.  u.  Tert.,  vgl.  Archiv  lY  S.  403. 

Inquirere,  nachforschen,  —  yiach  etivas,  hei  jemanden,  in  Bezug 
auf  etivas,  in  aliquem,  auch  N.  Kl.  z.  B.  bei  Quintil.  de  aliquo,  nicht 
in  aliquo.     Vgl.  Cic.  leg.  1,  4,  off.  2,  44. 

Inquisitio,  die  Untersuchung,  Erforschung,  ist  nicht  bloss  nach- 
klass.  z.  B.  inquisitio  opinionum,  Quintil.  3,  1,  2  und  nova  inqui- 
sitione  addiscere,  Plin.  nat.  2,  117,  sondern  auch  klass.  bei  Cic.  off. 
1,  13:  hiquisitio  veri,  vgl.  C.  F.  W.  Müller  z.  St.  Im  engern  Sinne 
ist  inquisitio  in  aliquem,  eine  gerichtliche  Untersuchung  gegen  jeman- 
den, nicht  erst  N.  Kl.  für  quaestio  in  aliquem  oder  de  aliquo,  sondern 
wird  als  1. 1.  schon  klass.  von  den  Anklägern  gesagt,  quia  ea  conquirunt, 
quae  ad  confirmandam  accusationem  pertinent,  s.  Cic.  Mur.  44,  vgl.  Land- 
graf z.  St.;   dann  Cic.  Place.  13,   vgl.  du  Mesnil  Einleitung  S.  30  ff. 

Insalutatus,  unhegritsst,  ist  nur  P.  L.  und  Sp.  L.  für  non  salu- 
tatus;  vgl.  Ennod.  174,  24  H.  ut  proficiscentes  insalutatum  me  velut 
incognitum  linqueretis. 

Insanitas  (bei  Cic.  Tusc.  3,  10)  scheint  nach  den  Beisätzen 
quasi  quaedam  ein  damals  neugebildetes  Wort  gewesen  zu  sein,  um 


Insanus  —     752     —  Inscientia 

jeden  krankhaften  Zustand  des  Leibes  und  der  Seele  zu  bezeichnen, 
da  insania  eine  schlimmere  Bedeutung,  nämlich  die  von  Raserei, 
angenommen  hatte.  Da  es  Cicero  nicht  zum  gemeinen  Gebrauch, 
sondern  als  philosophisches  Kunstwort  benutzte,  wurde  es  auch  nicht 
nachgebraucht,  weil  dafür  morbus  und  aerjrotatio  vorhanden  waren. 
Es  steht  sonst  nur  noch  Varro  sat.  Men.  133  Buch. 

Insanus,  körijerlich  ungesund,  ist  vielleicht  ohne  Autorität  für 
no7i  sanus,  aeger,  aegrotus,  infirmus  u.  a.,  da  es  nur  geistig  ungesund, 
unvernünftig,  rasend,  ühertrieben  gross  bedeutet.  Auch  wird  es  nicht 
physisch  von  der  Luft  und  von  Ortern  gebraucht,  also  nicht  aer  in- 
sanus, ungesunde  Luft,  für  aer  gravis,  caelum  grave,  gravitas  caeli; 
ungesunder  Herbst,  gravis  autumnus  (Caes.  civ.  3,  2,  3);  ein  unge- 
sunder Ort,  locus  non  salubris  oder  insalubris,  pestifer,  pestilens, 
gravis,  und  so  bei  ähnlichen,  wie  annus  pestilens,  ein  ungesundes 
Jahr;  aestas  gravis  pestilensqiie,  ein  ungesunder  Sommer. 

Inscendere,  einsteigen,  besteigen,  ist  A.  L.  und  steht  N.  Kl.  bei 
Sueton,  vgl.  Bagge  S.  30,  für  adscendere,  conscendere.  In  Kl.  Zeit 
finden  wir  nur  eine  Stelle  bei  Cic.  div.  1,  47  cum  inscenderet  in  ro- 
gum  ardentem. 

hiscientia.  Im  Yerhältnis  zu  inscitia  ist  inscientia  der  weitere 
Begriff  und  bedeutet  das  Nichtivissen ,  Nichtkeyinen  einer  Sache, 
gleichviel  ob  dieses  Nichtivissen  mit  oder  ohne  Schuld  des  betreffenden 
Subjekts  obwalte,  z.  B.  inscientia  locorum  bei  Caes.  Gall.  3,  9,  3, 
Cic.  acad.  1,  41;  inscitia  dagegen  wird  immer  im  tadelnden  Sinne 
gebraucht  und  damit  die  praktische  Uniuissenheit  bezeichnet,  die 
aus  dem  Mangel  an  Fähigkeit  oder  Bildung  resultiert;  daher  ist 
es  oft  weiter  nichts,  als  ein  höflicher  Ausdruck  für  Dummheit  (bei 
Plaut.  Mil.  541  mit  stultitia  und  ibid.  728  stultus  inscitusque  zu- 
sammengestellt), Unverstand,  Ungeschick,  Nichtver stehen  einer  Sache. 
Dieser  Unterschied  ist  für  Cicero  durchaus  festzuhalten:  mit  Recht 
liest  daher  C.  F.  W.  Müller  bei  Cic.  ofF.  3,  72  yieminem  id  agere,  ut 
ex  alterius  praedetur  inscitia,  während  andere  inscientia  vorziehen; 
denn  „(iem  Betrüge  gegenüber  ist  Dummheit  gefährlicher  als  Un- 
wissenheit^^. —  In  Prosa  wird  es  gewöhnlich  mit  einem  Gerun- 
dium, z.  B.  Cic.  prov.  cons.  11  negotii  gerendi  inscitia  (nicht  bei 
Merguet!),  selten  mit  dem  obj.  Genitiv  eines  Substantivs  verbunden, 
wie  Cic.  off.  1,  144:   inscitia   temporis;    inscitia   belli,  Nep.  Epam.  7, 

4,  Liv.  7,  34,  13,  vgl.  dazu  Weissenborn,  Tac.  bist.  1,  1  und  Quintil. 

5,  13,  38.  Daraus,  dass  inscientia  der  weitere  Begriff  ist,  muss  es 
auch  wohl  erklärt  werden,  dass  —  s.  Held  zu  Caes.  Gall.  3,  9,  3  — 
schon  Caesar  da,  wo  dem  Sinne  nach  htscitia  wohl  stehen  könnte, 
inscientia  vorzuziehen  scheint,  vgl.  Gall.  3,  19,  3  und  7,  43,  3. 
Häufig  wird  inscitia  für  inscientia  von  Horaz  gebraucht;  allmählich 
tritt  ein  Verwischen  des  Unterschiedes  ein;  so  sagt  einmal  Livius: 
2^er  temeritatem  et  inscientiam,  22,  25,  12,  während  er  sonst  temeritas 
et  inscitia,  22,  9,  7;  26,  2,  7;  8,  33,  17  und  6,  30,  6  verbindet; 
noch   mehr  zeigt  sich  dies  bei  Tacitus,  welcher   in   den  historischen 


Inscindere  —     753     —  Inserere 

Schriften  nur  inscitia  und  dies  auch  da  sagt,  wo  an  blosses  NicJit- 
ivissen  gedacht  wird,  wie  ann.  11,  25;  13,  20  und  15,  58,  hist.  1, 
54  u.  c.  90.  Hingegen  im  dial.  19,  28,  33  wechselt  inscitia  mit 
inscientia  ab,  wobei  dann  inscientia  den  Mangel  an  Bildung  im  all- 
gemeinen, inscitia  die  Unkenntni«  mit  Beziehung  auf  bestimmte 
Dinge  bezeichnet.  Lact,  hat  nur  inscitia  (2,  68,  17  bietet  B  in- 
scientia). S.  Heraus  zu  Tac.  hist.  1,  1,  Reisig-Haase-Hagen  S.  166, 
Wölfflin  zu  Liv.  22,  25,  12,  C.  F.  W.  Müller  zu  Cic.  off.  S.  73,  S.  85 
u.  S.  172,  Wölfflin  im  Archiv  HI  S.  565,  Hauschild  I  S.  22. 

Inscindey^e,  zerreissen,  ist  nicht  N.  L.  für  conscindere^  sondern 
findet  sich  Sj).  L.  bei  Apul.  met.  8,  17  cerneres  canes  quosdam 
iacentes  inscindere.  Doch  sagt  man  nicht  inscindere  epistulam;  Kl. 
ist  z.  B.  epistiüam  conscidi  innocentem,  Cic.  fam.  7,  18,  4. 

Inscrihere,  aufschreiben,  einzeicluien ;  —  auf  etivas,  in  aliqua  re, 
nicht  in  aliqiäd,  und  auch  mit  dem  Dativ,  s.  Lagergren  S.  152.  Ygl. 
Cic.  fam.  12,  3,  1;  Tusc.  5,  64;  har.  resp.  58.  Bei  Cic.  Arch.  26 
ist  in  iis  lihellis,  quos  de  contemnenda  gloria  scrihunt,  nomen  suum 
inscrihiint  zu  lesen.  —  Richtig  ist  librimi  inscrihere,  einem  Buche 
einen  Titel,  eine  Aufschrift  geben,  z.  B.  liber  qui  insc^ibitur,  qui 
inscriptus  est  Hortensius,  ivelches  Hortensius  betitelt  ist,  de?i  Titel 
Hort,  hat,  aber  ja  nicht  cui  inscribitur.  Ygl.  Titidus  und  Titulare, 
wo  auch  über  den  Gebrauch  des  Präsens  und  des  Partizips  einiges 
bemerkt  ist;  vgl.  Nägelsbach-Müller^  S.  443.  Nirgends  aber  findet 
sich  wohl  cdiqitid  in  libro  oder  in  librum  inscribere,  etwas  in  ein 
Buch  einschreiben,  eintragen,  also  nicht  in  quo  (libro)  omnia  —  in- 
scriberem,  für  in  quem  referrem,  in  quo  litteris  consignarem,  in  quo 
inducerem.  Ygl.  Cic.  fam.  3,  10,  6  in  quibiis  —  induxit,  ivoriyi  er 
(Rechnungen)  eingetragen  hat,  u.  a. 

Inscidpere,  eingraben,  wird  verbunden  in  aliqua  re,  nicht  in 
aliquid.  Ygl.  Cic.  nat.  deor.  1,  45  iyi  mentibus.  —  N.  Kl.  wird  es  mit 
dem  Dativ  alicui  verbunden,  vgl.  Plin.  ep.  8,  6,  14  incisa  et  insculpta 
simt  ind)licis  aeternisque  monumeiitis  ^waetoria  ornamenta  Fallantis; 
bei  Livius  (2,  33,  9)  nur  einmal  mit  dem  Abi.:  columna  aenea  in- 
scul])tum;  diese  Konstruktion  ist  sonst  noch  nirgends  nachgewiesen, 
vgl.  M.  Müller  z.  St.;  vgl.  dazu  s.  v.  Incidere. 

Insectatio  findet  sich  in  klass.  Zeit  nur  bei  D.  Brut,  bei  Cic.  fam. 
11,  1,  2,  dann  öfters  seit  Liv.  im  N.  KL,  vgl.  Gebhard  S.  6. 

Insensibilis,  unshmlich,  nicht  in  die  Sinne  fallend,  ist  SiJ.  L. 
für  quod  sensus  non  movet,  sensibus  non  j)erciintur  (accipitur),  sen- 
sibus  71071  suhiectum,  sub  sensum  non  cadens,  und  in  der  Bedeutung 
unempfindlich,  für  sensu  carens,  siyie  sensu,  stupidus  u.  a.  Ebenso 
insensibilitas,  die  TJnempfindlichkeit,  für  Stupor,  im7na7iitas,  torpor, 
oder  das  philosophische  indolentia,  wovon  oben  die  Rede  war. 

Inserere,  ei7ipflanze7i,  wird  verbunden  alicui  rei  oder  in  aliqua 
re,  vielleicht  auch  in  aliquam  re7n,  Yarro  r.  r.  1,  40,  5,  wo  jedoch 
Keil  inserueris  liest.  Das  Partizip  insitus  wird  in  tropischer  Be- 
deutung   in    der  Regel  mit   dem  Dativ  verbunden,   mit  in  c.  accus. 

Krebs-Schmalz,  Antibarbarns  1.  48 


Inservire  —     754     —  In 


sinuare 


nur  da,  wo  die  Yorstellung  des  natürlichen  Einjjflanzens  noch  nahe 
lag,  wie  bei  der  Aufnahme  in  eine  Familie  durch  Adoption,  vgl.  Cic. 
Brut.  213  und  Sest.  72.  Dass  insitus  selten  allein  steht,  sondern 
gewöhnlich  durch  ein  anderes  Partizip  oder  Adjekt.  ergänzt  wird, 
z.  B.  durch  innatus,  inustus,  adfixus  u.  ä.,  lehrt  Schüssler  II  S.  15. 

Inservire  alicui  rei  ist  in  der  Bedeutung  zu  etwas  dienen,  dien- 
lich, niltzlich  sein,  N.  L.  Es  bedeutet  vielmehr  für  ehvas  hemüht, 
jemanden  gefällig  sein.  Vgl.  Raschig  Progr.  S.  24.  Zic  etwas  dienen 
ist  lateinisch  servire  alicui  rei,  s.  SeyfF.  Progymn.  S.  142,  68,  oder 
consulere,  Tac.  bist.  3,  75:  paci  considtum,  und:  sin  rehus  eins  aliud 
conduceret,  ann.  2.  63.  —  Wenn  Heraus  zu  Tac.  bist.  2,  81  iyiserviens 
=  tmtertänig  erklärt,  so  hat  Novak  Anal.  Tac.  S.  12  dem  gegenüber 
betont,  dass  nur  servire,  nicht  inservire  bei  Tac.  u.  den  Autoren 
dieser  Zeit  am  Platze  ist.  —  Inservire  hat  klass.  immer  einen  Dativ 
bei  sich,  absolutes  inservire  gibt  es  wohl  kaum. 

Lisignire,  auszeichnen,  kenntlich  machen.  Kl.  findet  sich  davon 
nur  die  Form  insignitus  und  insignite,  das  letztere  zur  Steigerung 
von  Adjektiven,  z.  B.  Cic.  Quinct.  73  insignite  improhus  u.  Phil.  3,  10 
insignite  imjnidens,  vgl.  Hellmuth  act.  Erl.  I  S.  134,  Lorenz  zu  Plaut. 
Mil.  558,  Brix  zu  Plaut.  Men.  1010,  Thielmann  Cornif  S.  70,  Georges 
Jahresber.  1880  S.  416,  Landgraf  zu  Reisig-Haase  Anm.  402  a;  erst 
N.  KL,  z.  B.  bei  Sueton,  aber  auch  beim  Jüngern  Plinius  kommen 
andere  Formen  vor.  Bei  Livius,  Tacitus  u.  a.  steht  auch  ein  Kom- 
parativ insignitior;  ja  Liv.  gebraucht  es  überhaupt  nur  im  Kompa- 
rativ, aber  nur  in  der  ersten  Dekade,  vgl.  Stacey  im  Archiv  X  S.  77 
u.  Neue -Wagener^  II  S.  254.  —  Synonym  mit  insignire  sind  ornarCj 
notare,  distingnere,  insignenij  conspicuum  facere  u.  a. 

Insinuare  ==  in  den  Busen,  d.  h.  in  das  Innere  zu  kommen 
suchen,  sich  einnisten,  einschleichen,  wird  gebraucht:  entweder  se 
insinuare  oder,  was  vielfach  verkannt  worden,  z.  B.  von  Boot  und 
Wesenberg,  insinuare  allein,  oder  (was  am  seltensten  der  Fall  und 
jedenfalls  nicht  Kl.  ist)  insinuari  als  Medium;  über  insinuare  ohne 
se  vgl.  C.  F.  W.  Müller  zu  Cic.  Att.  2,  24,  2  und  Novak  Stud.  Liv. 
1894  S.  190,  der  es  für  Liv.  bestreitet.  Es  steht  zunächst  ganz  ab- 
solut: callidus  nie  ne  se  insinuet,  studiose  cavendum  est,  Cic.  Lael. 
99;  eadem,  qua  te  insinuaveris,  retro  via  repetenda  est,  Liv.  9,  2,  8; 
celeriter  dato  loco  cum  se  insinuasset,  bell.  Alex.  52,  2.  Ferner  sich 
bei  einer  Person  einschmeicheln,  dieselbe  für  sich  gewinnen,  heisst  se 
insinuare  alicui,  z.  B.  p^lebi  se  insinuare,  Liv.  3,  15,  2,  ctii  (praefecto 
regis)  se  celeriter  .  .  insinuavit,  lust.  5,  2,  5.  Bei  Cic.  de  or.  1,  90 
ist  insinuare  aus  dem  Texte  von  Sorof  und  von  Stangl  verschwun- 
den. Sich  in  etiuas  einschmeicheln,  in  etiuas  eindringen,  heisst  in- 
sinuare oder  se  insimuire  ad  (dies  nur  bei  rhet.  Her.,  nicht  bei 
Cicero,  vgl.  Schüssler  II  S.  17)  oder  besser  iyi  aliquid,  z.  B.:  eccui 
j)otestas  msinuandi  in  forum  fuit?  Cic.  Phil.  5,  8;  ut  se  insinuaret 
in  quam  maxime  familiärem  usum,  Liv.  40,  21,  11;  insinuare  ad 
causam,  ad  Her.  1,  10,  insinuare  in  causam  dagegen  Cic.  de  orat.  2, 


Insipidus  —     755     — •  Inspectio 

149;  ebenso  insiniiare  se  in  philosoj^hiamj  Cic.  Tusc.  5,  34.  Wird 
Person  und  Sache  zugleich  genannt,  z.  B.:  sich  in  die  Freundschaft 
etc.  von  jemanden  einschmeicheln j  so  ist  dies  lat.  immer  insimiare 
oder  se  in  familiaritatem  alicuius  insimiare,  s.  über  ersteres  Cic.  fam. 

4,  13,  6,  über  letzteres  Yerr.  3,  157,  vgl.  auch  Klotz  Stil.  S.  242 
und  namentlicb  Nägelsb.-Müller^  S.  495;  in  sermonem  alicnius  se 
insimiare,  agr.  2,  12.  Zivischen,  unter  etivas  eindringen,  ist  se  in- 
sinuare  inter  aliquid:  se  inshmare  inter  corpus  armaque,  Liv.  7,  10, 
10,  und:  se  inter  equitum  turmas  insimiare,  Caes.  Gall.  4,  33,  1. 
Das  bereits  als  nicht  Kl.  bezeichnete  insinuari  alicui  endlich  findet 
sich  bei  Suet.:  Augusto  insinuatus  est,  gramm.  21;  insimiatiis 
Macroni,  Calig.  12,  Neroni,  Otho  2;  vgl.  Bagge  S.  30.  —  Zur  Bedeu- 
tung von  insimiare  vgl.  Seyffert-MüUer  z.  Lael.  S.  529;  Sp.  L.  ist  es 
=  communicare,  tradere  oder  commendare;  vgl.  Gölzer  Hieron.  S.  276, 
Rönsch  Ital.  S.  387,  Coli.  phil.  S.  53,  Sem.  III,  51,  Dressel  S.  28. 
Insinuator  bei  Arnob.  44,  2  R.  ist  vielleicht  =  magister,  denn  in- 
sinuatio  bei  Augustin  serm.  341,  3  ist  =  enseigjiement. 

Insipidus,  abgeschmackt,  töricht,  einfältig,  ist  Sp.  L.  für  insipiens, 
insulsus,  stultus  u.  a.,  und  in  der  Bedeutung  geschmacklos,  für  nullius 
saporis,  sine  sapore,  sapore  carens.     Ygl.  Rönsch  Ital.  S.  229. 

In  solare,  so7inen,  der  Sonne  aussetzen,  kommt  N.  Kl.  nur  bei 
Columella  vor,  für  soli  exponere,  in  sole  oder  ad  solem  siccare,  sole 
oder  ad  solem  calefacere.  N.  L.  aber  ist  das  in  der  medizinischen 
Sprache  jetzt  viel  gebrauchte  Insolation  (=  insolatio). 

Insolescere,  stolz  iverden,  nahm  Sallust  (s.  Dietsch  zu  Cat.  6,  7) 
aus  dem  alten  Cato,  und  ihm  brauchten  es  Tacitus  und  später 
Justin,  sowie  Orosius,  Ammian,  Arnobius,  Ennodius,  Symmachus 
u.  a.,  vgl.  Schulze  Symm.  S.  80,  Rönsch  Ital.  S.  194,  nach,  für  inso- 
lentem  esse  oder  fieri,  se  insolenter  efferre  oder  gerere,  intiimescere 
(bei  Plinius)  u.  a.  Nur  Sp).  L.  sind  die  Perfektformen  insolevi,  in- 
soleverat  u.  a.,  vgl.  Landgraf  Archiv  XII  S.  469. 

Insolite,  s.  unter  insuetus. 

Insoluhilis  steht  N.  Kl.  bei  Seneca,  aber  in  der  Bedeutung 
unbezahlbar ;  Sp.  L.  findet  es  sich  in  der  Bedeutung  unauflöslich,  für 
inexplicabilis,  inenodabilis,  z.  B.  Lact.  1,  651,  9;  Hieron.  ep.  120,  10 
insolubilis  quaestio,  vgl.  Gölzer  Hieron.  S.  166. 

Insomnium  (meistens  im  Plural)  =  ivüirviov,  bedeutet  Traum, 
und  ist  mehr  P.  L.  (im  Singular  bei  Tac.  ann.  11,  4  ana^  ecp.^ 
sonst  nur  poet.  und  bei  spätem  Pros.  Der  Plural  steht  nicht  bloss 
bei  Sen.,  sondern  auch  Plin.  nat.  18,  118:  insomnia  facere)\  aber 
insomnia,  iae  als  Singular,  was  auch  im  Plural  vorkommt,  bedeutet 
die  Schlaflosigkeit,  schlaflose  Nacht;  vgl.  Cic.  Cato  44  caret  vimdentia 
et  cruditate  et  ifisomfiiis.  —  Sp.  L.  ist  insomnietas,  die  Schlaflosig- 
keit, vgl.  Rönsch  Ital.  S.  54. 

Inspectio   ist  ein   N.  Kl.  u.  Sp.  L.  Wort,  vgl.  Schulze   Symm. 

5.  25,  Kalb  Roms  Juristen  S.  123.  Über  inspectio  ocidaris  vgl. 
Ocidaris. 


Inspirare  —     756     —  Instaurare 

Inspirare,  einhauchen,  begeistern,  werde  als  N.  Kl.  und  mehr 
P.  L.  vermieden  durch  afflatu  et  instindu  concitare.  Und  so  sage 
man  für  ins^nratus,  begeistert,  was  Si).  L.  ist,  numhie  divino  oder 
sinritu  divino  afflatiis  oder  instincfus.  —  Sj).  L.  ist  auch  das  Subst. 
inspiratio,  die  Eingehung,  Begeisterung,  vgl.  Gölzer  Hieron.  S.  72,  für 
afßatus  oder  instirictus  divinus.  Durch  göttliche  Eingehung  heisst 
auch  divinitus  (Cic.  Sulla  43). 

Instahilis,  tmheständig,  veränderlich,  ist  klass.  bei  Caes.  Gall.  4, 
23,  5  qiiae  instahilem  motum  haherent;  bei  rhet.  Her.  4,  44  steht 
instahilis  fortima,  Cic.  hat  das  Wort  nicht;  in  übertragenem  Sinne 
von  der  Seele  gebraucht  ist  es  nur  P.  L.,  N.  KL  u.  Sp.  L.  für 
varius,  mutahilis,  comnmtahüis,  vagus,  vohihilis;  das  Substantiv  in- 
stahilitas  aber,  die  ünheständigkeit,  ist  N.  Kl.  beim  altern  Plinius, 
der  es  mit  mentis  verbindet,  für  hiconstantia,  mutahilitas  mentis 
(Cic.  Tusc.  4,  76),  levitas,  varia  natura  u.  a.  und  Sp.  L.  z.  B.  bei 
Arnobius,  Ambros.  u.  a.  Doch  ist  instahilitas  fortunae  nicht  als 
unlateinisch  zu  verwerfen,  da  die  fortuna  ja  auch  von  Pacuv.  tr. 
369  E..,  rhet.  Her.  4,  44  und  Tac.  bist.  4,  47  instahilis  genannt  wird. 

Instar.  Über  dieses  Wort  besitzen  wir  eine  eingehende  Unter- 
suchung von  Wölfflin  in  Archiv  H  S.  581  —  597;  zur  Ergänzung  vgl. 
Archiv  lY,  357  u.  IX,  9.  Dasselbe  kommt  im  A.  L.  nicht  vor, 
zuerst  wohl  bei  Cic.  Yerr.  5,  44,  und  zwar  in  der  Bedeutung  eines 
Quantitätsbegriffs  oder  einer  Massbestimmung.  So  findet  es  sich 
öfters  bei  Cicero,  auch  bei  Caes.  Gall.  2,  17,  civ.  3,  66,  mehrfach 
bei  Livius,  nicht  bei  Sali.,  Sen.  rhet.,  Quint.,  Plin.  epp.  u.  a.  Ad  instar 
hat  die  Bedeutung  ad  exemplum  alicuius  rei;  es  steht  aber  erst 
Sjh  L.,  z.  B.  bei  Gell.,  Apul.  —  Die  Ableitung  von  instar  wäre  nach 
Wölfflin  1.  1.  S.  597  vom  Infinitiv  instare  mit  abgeworfenem  e  und 
verkürztem  a;  die  Entwicklung  der  Bedeutung:  das  gleiche  Gewicht, 
die  gleiche  Grösse,  die  Ähnlichkeit  (Abbild,  Vorbild,  Bild).  Über 
instar  bei  den  Juristen  seit  Papinian  handelt  Kalb  Roms  Juristen 
S.  25;  alle  gebrauchen  histar  mit  der  gleichen  Beschränkung  wie 
die  Klassiker;  vgl.  noch  Leipold  S.  19. 

Instare,  eindringen,  zusetzen,  wird  bei  den  Bessern  nur  mit  dem 
Dativ  verbunden,  z.  B.  hostihiis;  nur  bei  Nepos  Epam.  9,  1  u.  Eum. 
4,  2  mit  dem  Acc.  hostes,  wo  jedoch  Halm,  Andresen  u.  a.  hostihus 
lesen;  vgl.  indes  Lupus  S.  42.  Doch  wird  instare  in  tropischer  Be- 
deutung mit  allgemeinem  Accus,  und  de  c.  ahlat.  auch  von  Caesar 
civ.  3,  17,  5  verbunden:  unum  instare  de  indutiis  .  .,  wo  instare  = 
urgere  ist,  also  =  auf  dem  einen  hinsichtlich  des  Waffenstillstandes 
bestehe  er  fest,  s.  Kraner  zu  der  Stelle.  Diese  Bedeutung  hat  sich 
auch  im  Sp.  L.  erhalten,  vgl.  Rönsch  Coli.  phil.  S.  105.  —  N.  L.  ist 
rebus  instantihus,  bei  solchen,  obwaltenden  Umständen,  für  cum  res 
ita  sint  oder  se  habeant. 

Instanrare  bedeutet  bei  den  Bessern  nur  erneuern,  iviederJiolen, 
mit  dem  Nebenbegriff  feierlicher  Wichtigkeit  und  hat  daher  be- 
schränkten Gebrauch,  z.  B.  sacrificium  (Cic.  Att.  1,  13,  3,  vgl.  Boot 


Instillare  • —     757     —  Instituere 

z.  St.),  ludos  (Cic.  div.  1,  55),  bellum  u.  a.,  aber  nicht  von  Gebäuden 
in  der  Bedeutung  iviederher stellen,  für  reficere,  renovare.  In  diesem 
Sinne  ist  instaurare  Sp.  L.  bei  Paneg.  4,  118,  26  cetera,  qitae  in- 
stcmrantiir  opera  ac  templa,  vgl.  Chruzander  S.  35.  —  Der  Unter- 
schied von  restituere  und  reficere  ist  wohl  zu  beachten,  jenes  heisst 
etivas  Zerstörtes,  Verlorengegangenes  neu  herstellen,  dieses  etiuas 
schadhaft  Oeiuordenes  ausbessern.  In  der  ersten  Bedeutung  sagt 
man  dafür  auch  integrare,  redintegrare.  —  N.  L.  ist  auch  instaurare 
religionem,  die  Religion  verbessern,  reformieren,  für  emendare.  Ygl. 
Reformare. 

Instillare  ist  in  bildlicher  Bedeutung  einflössen,  beibringen  P.  L. 
und  findet  sich  in  Prosa  nur  im  unmittelbaren  Anschluss  an  die 
eigentliche  Bedeutung  bei  Cic.  Cato  36:  Haec  quoqiie,  nisi  tanquam 
lumini  oleum  ijistilles,  exstinguuntur  senectute,  und  Attic.  9,  7, 
1,  wo  schon  Lambinus  am  Rande  seiner  Ausgabe  von  1580  quae 
mihi  quiddam  quasi  animulae  instillaynmt  (vgl.  Lambins  Anm.  S.  4061 
instillare  quiddam  animidae  alicui  est  eum  paene  exanimem  iam  et 
mortuum  ita  ad  vitam  7^evocare,  ut  tamen  non  ex  omni  parte  sit 
recreatus)  und  jetzt  ebenso  Wesenberg  u.  C.  F.  W.  Müller  lesen. 
N.  Kl.  finden  wir  es  bei  Seneca  für  dare,  imbuere,  tradere  u.  a. 
Vgl.  Funck  in  Wölfflins  Arch.  IV  S.  74. 

Listinctus  kommt  in  der  Bedeutung  geschmückt,  ausgerüstet,  N. 
L.:  mater  eximiis  naturae  morumque  dotibus  instincta,  für  praedita, 
ornata,  instructa  u.  a.,  vor;  dies  beruht  auf  keiner  Autorität,  denn 
instinctus  heisst  nur  angespornt,  z.  B.  Cic.  Verr.  5,  188,  Liv.  6,  14, 
8,  Lact.  1,  425,  10;  509,  11  und  sonst  oft.  —  histiyictus  als  Sub- 
stantiv ist  lateinisch  nie  das,  was  wir  Instinkt,  Naturtrieb  nennen, 
sondern  es  ist  die  von  jemand  bewirkte  Anreizung,  der  Antrieb. 
Also  ist  divino  instinctu  bei  Cicero  div.  1,  34  nicht  =  bestimmt 
durch  den  innewohnenden  göttlichen  Naturtrieb,  sondern  =^  durch 
göttliche  Anregung,  Begeisterung ;  vgl.  Schulze  Symm.  S.  17.  Ge- 
wöhnlich findet  sich  nur  der  Abi.  instinctu,  Beispiele  haben  Kubier 
Archiv  VIII,  195,  Landgraf- Weyman  im  Archiv  XII  S.  572;  doch 
schreibt  Lact.  1,  284,  22  instinctum,  1,  394,  12  histhictibus. 

Instituere  =  etivas  (durch  menschlichen  Fleiss)  einrichteii,  an- 
legen, ist  gut,  z.  B.  vineam  instituere,  Cic.  agr.  2,  67  und  so  pratum 
instituere,  Colum.  2,  18,  3.  Die  eigentliche  Bedeutung  von  instituere 
ist  nach  SeyfFert-Müller  zum  Lael.  S.  72  ,^etivas,  luas  vorher  nicht 
geiuesen  ist,  auf  materiellem  oder  geistigem  Gebiete  so  neu  oder 
luenigstens  originell  schaffen  oder  einer  Sache,  die  schon  existiert, 
nach  eigener  Methode  eine  solche  Richtung,  Form,  Verfassung  geben, 
dass  dculurcJi  etivas  mehr  oder  iveniger  Besonderes  hervorgeh^acht 
ivird.^  Darnach  ist  in  Cic.  fi.n.  4,  17  vete^^um  philosophorum  prae- 
ceptis  instituta  vita  gerade  durch  die  Wahl  des  Wortes  üistituta 
der  Einfluss  der  alten  Philosophen  auf  das  menschliche  Leben  be- 
sonders vorteilhaft  dargestellt.  So  ist  civitatem  instituere  bei  Cic.  de 
or.  1,  86  viel  mehr  als  civitatem  constitiiere  ib.  1,  36  u.  1,  85;  letz- 


Institutio  —     758     —  Instructio 

teres  spricht  nur  von  ^^Grünchmg''^ ,  ersteres  aber  von  ^^Organisierung'-'' 
des  Staates.  Auch  Cic.  Sulla  21  non  institutum  a  me  est  regmmi^ 
seil  reirressum  erhält  dadurch  seine  richtige  Beleuchtung,  ebenso 
Plaut.  Rud.  935  ihiqiie  mag)mni  regnum  instiiiiam:  in  beiden  Fällen 
ist  regnum  eine  den  gegebenen  Verhältnissen  ganz  absonderlich 
gegenüberstehende  Sache.  —  Die  Konstruktion  von  instituere  bei 
Cicero  bespricht  Schüssler  II  S.  20;  darnach  sagt  man  in  und  ad 
aliqiiem,  aliquicl  alicui,  alußiem  aliqiui  re;  für  letzteres  vgl.  Brut.  173 
Graecis  doctrinis  institutus. 

Institutio  bedeutet  bei  allen  Bessern  nur  aktiv  die  Einriclitung, 
Anordnung,  nicht  imssiv  eine  einzelne  (gemachte)  Einrichtung  oder 
Anordnung ,  welche  institutum  heisst,  und  so  steht  bei  Cicero  und 
andern  nur  instituta  maiorum,  nicht  institutiones,  die  Einrichtungen 
der  Vorfahren;  die  Bedeutung  von  institutum  ergibt  sich  nach  dem, 
was  oben  über  instituere  gesagt  ist  =  ,^Dinge,  die  ahiueicJiend  von 
etivaiger  friüieren  oder  gewohnten  Weise  neu  geschaffen  sind^ ;  vgl. 
Seyffert-Müller  z.  Lael.  S.  72.  —  Richtig  aber  ist  institutio  in  der 
Bedeutung  Unter lu eisung,  Belehrung,  Unterricht,  Art  der  Unter- 
lueisung  (Cic.  de  orat.  8,  35);  Jugendunterricht  (Schulunterricht) 
heisst  puerilis  institutio  (Cic.  de  orat.  2,  1)  oder  disciplina  jmerilis 
(Cic.  rep.  4,  3),  auch  disciiüina  und  doctrina,  z.  B.  dicendi  (Cic.  de 
orat.  2,  5);  ohne  Unterricht,  sine  doctrina  (Cic.  fin.  3,  11).  —  Man 
brauche  es  aber  nicht  objektiv  in  der  Bedeutung  Amueisung,  An- 
leitung zu  etwas;  eine  Anleitung  zum  Lateinischschreihen  ist  nicht 
institutio  latine  scrihendi,  sondern  etwa  praecepta  oder  ars  lat'tne 
scrihendi,  wie  bei  Livius  (25,  1,  12):  ars  sacrificandi  conscripta,  eine 
Anleitung  zum  Opfern.  Wohl  aber  sagte  man  institutio  oratoria  — 
so  Quintil.  prooem.  1  —  und  es  bildete  sich  nach  Vitruv  7,  1,  10 
novas  institutiones  imrare  audemus  auch  der  Plural  zum  Titel  aus 
=  Anleitungen,  Handbücher,  z.  B.  i)istitutiones  oratoriae.  Sp.  L. 
sagte  man  statt  institutiones  in  diesem  Sinne  auch  instituta,  vgl. 
Kalb  Arch.  I  S.  92,  Wölfflin  Bened.  v.  Nursia  S.  433.  —  Sehr  Sp.  L. 
ist  das  Substantiv  institutor,  der  Lehrer,  der  unterweist,  vgl.  Gölzer 
Hieron.  S.  49. 

Instructio  wird  in  der  Bedeutung  ^^Instruktion,  Befehl^''  für 
Quintihan  1,  7,  21  mit  Recht  zurückgewiesen  von  Becher  Quintil. 
S.  20.  Es  ist  ferner  in  der  Bedeutung  Unterweisung,  Unterricht 
sehr  Sp.  L.,  vgl.  Gölzer  Hieron.  S.  256,  Schulze  Symm.  S.  31,  für 
institutio,  doctrina,  disciplhia,  und  passiv  oder  objektiv  für  praecep- 
tmn,  praecepta.  —  Auch  hier  will  ich  dem  Irrtum  entgegentreten, 
als  ob  instruo  ein  verbum  docendi  sei.  Schon  Laur.  Yalla  sagt 
eleg.  S.  447:  Illud  quo  quidam  utuntur  instruo,  nohis  apud  idoneos 
autores  incompertum  est.  Dicimus  enim  instruo  classem,  aciem, 
causam,  militem,  non  autem  disciindum  aut  mentem  alicuius,  nisi  eo 
modo  quo  instruimus  ea  quae  dixi.  Die  letztern  Worte  Yallas  be- 
ziehen sich  auf  Stellen  wie  Cicero  Cato  29  ut  adulescentes  doceat, 
instituat,  ad    omne    officii   munus    instruat   (,^ausrüste''^J,  Att.  5,  6, 


Instrumentum  —     759     —  Insuetus 

1  instruar  etiam  consiliis  idoneis  ad  hoc  nostrum  negotium.  Bei 
Cic.  Cael.  72  wird  jetzt  iis  artihiis,  quibus  wstituimitr  ad  himc  usum 
forensem  gelesen.  Somit  lieisst  instruere  in  Kl.  Sprache  nie  ^^nnter- 
ricJiteji^^^  sondern  nur  ^^ausrüsten,  versehen  mit'^.  Dagegen  will  ich 
nicht  bestreiten,  dass  instnictus  =  ^^ausgestattet ,  ausgerüstet^^  absolut 
gesetzt  die  Bedeutung  ^^imterrichtet''^  annehmen  kann,  z.  B.  Cic.  acad. 
2,  115  qui  claros  viros  a  se  instructos  dicant  rem  puhlicam  saepe 
rexisse.  —  Aber  N.  L.  ist  instructor,  der  Lehrer^  für  niagister, 
j)raeceptor. 

Instrumentum  kommt  sehr  häufig  im  Sing,  vor,  wo  wir  nach 
dem  Deutschen  den  Plural  erwarten  möchten,  indem  es  zwar  (ein) 
Hilfsmittel  und  oft  ein  geistiges,  aber  kein  einzelnes  Werkzeug  be- 
deutet, sondern  nur  was  wir  Geräte  nennen;  daher  wird  es  auch 
gerne  mit  supellex  zusammengestellt,  z.  B.  Cic.  Verr.  4,  97  in  in- 
strumento  atque  in  supellectile  C.  Verris  nominahuntur  (Geschirr  und 
Hausrat);  vgl.  noch  instrumentum  castrorum  =  das  Lagergeräte, 
Caes.  Call.  5,  31,  4  und  instrumentum  hellicum,  Liv.  42,  53,  4, 
Suet.  Aug.  71  u.  73  instrumenti  eius  et  su2)ellectilis  parsimonia.  So 
findet  man  auch  instrumentum  rusticum,  venatorium,  villae  u.  dgl. 
als  Kollektivwort  von  der  ganzen  Einrichtung,  dem  vollen  Geräte, 
welches  zur  Landwirtschaft,  zur  Jagd,  zu  einer  villa  gehört.  Daher 
sagt  auch  Cicero  (Verr.  3,  57):  onme  instrumentum  diripuit,  nicht 
omnia  instrumenta;  fin.  2,  111  quid  tanto  opus  est  instrumento, 
lüozu  bedürfen  ivir  so  grosser  Zurüstung,  so  vieler  Hilfsmittel;  ib.  5, 
7  sine  eo  instrumento,  ohne  diese  Hilfsmittel.  —  Indes  brauchen 
auch  Cicero,  Livius  u.  a.  den  Plural,  z.  B.  Cic.  Fragm.  Xenoph. 
Oecon.  S.  309  Nr.  10  ed.  C.  F.  W.  Müller:  in  altera  parte  instru- 
menta, quibus  ad  lanificia  utuntur;  Catil.  2,  9:  instrumenta  virtutis; 
instrumenta  naturae,  Brut.  268;  instrumenta  ad  obtinendam  sapien- 
tiam,  leg.  1,  59;  instrumenta  luxuriae.  Sali.  Cat.  25,  2;  Liv.  21,  30, 
9  instrumenta  belli;  Quintil.  2,  15,  32  haec  tarn  perniciosa  nocen- 
tissimis  moribus  dare  instrumenta  —  und  so  noch  einige.  —  Aber 
N.  L.  ist  es  von  Personen  zu  brauchen,  welche  helfen  und  die  wir 
Werlizeuge  (etwas  zu  stände  zu  bringen)  nennen,  für  adiutor,  mhiister. 
—  Für  die  christliche  Latinität  merke  man,  dass  utrumque  instru- 
mentum,  vetus  und  novum  instrumentum  vom  alten  und  neuen 
Testamente  gesagt  werden,  zuerst  wohl  von  Tertull.,  doch  nicht  von 
Cyprian,  vgl.  Gölzer  Hieron.  S.  232,  Eönsch  Coli.  phil.  S.  169, 
Watson  S.  251. 

Insid)idus,  roh,  einfältig,  ist  Sp.  L.  für  rusticus,  stolidus,  in- 
sulsus;  vgl.  Schulze  Symm.  S.  115,  Rönsch  Ital.  S.  141. 

Insuetus  von  insuescere  =  gewohnt  ist  ganz  unkl.,  Liv.  hat  es 
nur  24,  48,  6  ita  se  a  pueris  insuetos,  nirgends  Cic.  Caes.  Sali.  Nep.; 
aber  insuetus  =  ungewohnt  findet  sich  auch  in  guter  Prosa  (doch 
nicht  bei  Cic.) ;  es  wird  wie  insolens  und  insolitus  sehr  oft  mit  dem 
Genitiv  konstruiert.  Wie  man  also  sagt  insolens  malarum  artium, 
multitiulo  insolens   belli,  hisolens  infamiae,  Sali.  Cat.  3,  4,  Caes.  civ. 


Insufficiens  —     760     —  Insuper 

2,  36,  1,  Cic.  Attic.  2,  21,  3  und  pars  iiisoUta  verum  bellicarum. 
Sali.  Jug.  39,  1  und  gemts  insolihtm  serviti,  bist.  2,  81  und  insolitos 
eins  tumidtus  eqiios  conterridty  Liv.  10,  28,  9,  so  auch  insuetos  Indus 
generis  imgnae,  Caes.  civ.  1,  44,  4;  insuetus  operum,  laboris,  navi- 
gandi,  male  audiendi,  moris,  Caes.  civ.  3,  49,  3  u.  Gall.  7,  30,  4; 
5,  6,  3,  Nep.  Dion  7,  3,  Liv.  6,  34,  6;  mehr  Beispiele  sehe  man 
für  insolens  und  insuetus  bei  Haustein  S.  51;  für  insolitus  mit  Gen., 
das  bei  Cic.  und  Caes.  nicht  so  vorkommt,  gibt  es  keine  weiteren 
Belege.  Mit  dem  Dativ  wird  insuetus  von  Caesar  nie,  von  Livius 
nur  einmal  verbunden:  harharum  insuetumque  morihus  Romanis,  28, 
18,  6  (Stellen  wie  Liv.  30,  37,  8:  quae  insueta  liherae  civitati  species 
cum  fremitum  poimli  movisset  und  ebenso  45,  29,  5  u.  38,  17,  5 
gehören  nicht  hierher,  s.  Anton,  Nachtrag  etc.  S.  179).  Ausserdem 
wird  insuetus  und  insolitus  auch  mit  ad  verbunden:  insuetum  ad 
stahilem  pugymm,  Liv.  31,  35,  6;  insuetorum  ad  tale  spectacidum, 
41,  20,  11  und:  corpora  insueta  ad  onera  portanda,  Caes.  civ.  1,  78, 
2  und:  insolitus  ad  lahorem,  3,  85,  2.  Endlich  nimmt  insuetus, 
aber  nicht  bei  Cic.  und  Caes.,  auch  den  Infinitiv  zu  sich:  civitas 
vinci  insueta,  Liv.  4,  31,  4  und  insuetus  vera  audire,  31,  18,  3. 
SiJ.  L.  aber  ist  das  Adv.  insolite  für  insolenter,  praeter,  contra  morem, 
consuetudinem. 

Insufficiens,  unzureichend,  ist  Sp.  L.  u.  sehr  selten  für  non 
sufficieyis,  exiguus,  qui  —  non  satis  est;  vgl.  Rönsch  Coli.  S.  120. 

Insultus,  die  Verspottung,  Verhölinung,  kommt  nur  bei  einem 
späten  Dichter  vor  (in  dem  carmen  de  pass.  Domiui  bei  Lactanz  33, 
bei  Brandt  II,  149,  33).  Mehr  zu  empfehlen  ist  insultcdio,  obwohl 
auch  dies  Wort  sich  erst  seit  Yal.  Max.  findet.  Am  besten  ist  eine 
Umschreibung  mit  insidtare,  das  Cic.  in  der  Bedeutung  höhnen  mit 
Dat.  oder  in  c.  acc.  konstruiert,   z.  B.  Cic.  Yerr.  5,  132;  Mil.  87. 

Insulida,  das  Liselchen,  beruhte  bloss  auf  Cic.  Yerr.  3,  85,  nach 
der  von  Graevius  fortgepflanzten  Lesart  Lambins,  für  insula  inculta, 
wie  nach  den  Handschriften  jetzt  gelesen  wird. 

Insuper  ist  als  Präposition  mit  accus,  in  Prosa  bei  Cato  agr. 
18,  5  insuper  arhores  stipitesque  zu  finden,  vielleicht  auch  beim 
Juristen  Scaevola  (nach  Mommsens  Interpunktion),  vgl.  Kalb  Roms 
Juristen  S.  105  Anm.,  als  Adverb  in  eigentlicher  Bedeutung  bei 
Cicero  nirgends,  aber  bei  Caesar  einigemal  und  bei  Livius  ==  oben 
darauf,  oben  drüber,  z.  B.  aliquid  insuper  inicere,  wofür  Cicero 
(divin.  1,  57)  supra  inicere  sagt.  Oft  findet  es  sich  bei  Livius,  nicht 
aber  bei  Caesar  und  Cicero,  in  der  Bedeutung  überdies,  noch  oben- 
drein, auch  insuper  etiam  (bei  Livius  21,  1,  5)  sehr  oft  bei  Tac; 
Cicero  sagt  dafür  etiam,  vgl.  Landgraf  S.  Rose.  S.  343  und  zu 
Reisig-Haase  S.  237  Anm.  419  b,  sowie  S.  891,  wo  noch  mehr  Bei- 
spiele für  insuper  und  insuper  etiam,  „das  immerhin  einen  vulgären 
Beigeschmack  hat",  verzeichnet  sind.  Ygl.  noch  Orosius  6,  4,  3  u. 
Filastr.  132,  5  insuper  etiam  et.  Aber  falsch  wäre  es  in  Redens- 
arten, wie:    einige  und  noch  obendrein  gelehrte  Männer,  wo  der  La- 


Insustentabilis  —     7G1     —  Integer 

teiner  sagt :  quidam  et  ii  qitidem  docti  hoiuiiics.  —  Sj).  L.  ist  insuper 
aliquem  oder  cdiqitid  heilere,  einen,  etiuas  verachten,  für  contemnere, 
despicere,  neglegere,  z.  B.  Fronto  S.  207  N.  sudorem  in  armis  ut  in 
ludicris  insiiper  hahere,  vgl.  Gorges  Gell.  S.  46,  Sittl  Lok.  A^ersch. 
S.  145,  Becker  Apul.  S.  33,  Rönsch  Sem.  III,  52,  Kalb  Roms  Juristen 
S.  112,  Leipold  S.  36. 

Insustentabilis,  unerträglich,  ist  Sp.  L.  für  intolerahilis,  non 
tolerandus,  intolerandiis. 

Intectus  hat  Doppelbedeutung  bedeckt  und  unbedeckt.  Über 
letztere,  bei  Cic.  und  Caes.  nicht  nachzuweisende  Bedeutung  vgl.  Tac. 
Germ.  17,  bist.  5,  22,  ann.  2,  59,  übertragen  ann.  4,  1,  vgl.  Dräger 
z.  St.,  und  Sali.  bist.  3,  104  M.  intectum  corpus,  2,  64  M.  intectae 
domiis  (aber  4,  62  liest  M.  in  nuda,  in  tecta  corpora)^  Sjj.  L.  z.  B. 
Paneg.  11,  254,  30  intectis  verticibus.  Ob  intectus  bei  Cic.  fam.  7, 
16,  1  in  ersterer  Bedeutung  von  Schott  richtig  hergestellt  wurde,  ist 
immerhin  noch  zweifelhaft,  vgl.  Böckel  z.  St. 

Integer  in  der  Bedeutung  schuldlos  verbindet  nur  Horaz  mit 
dem  Genitiv  vitae,  was  in  Prosa  durchaus  fehlt,  indem  man  ge- 
wöhnlich integrum  aliqua  re  esse  sagt,  z.  B.:  7ieqice  aetate  neque  cor- 
pore integer,  Suet.  Octav.  19,  copiis  integra,  Sali.  bist.  2,  33  und  fama 
et  fortunis  integer,  ibid.  2,  44,  5.  Richtig  bemerkt  Dräger  zu  den 
Worten  des  Tacitus:  qui  a  coniuratione  integri  essent,  ann.  15,  52, 
dass  integer  a  sehr  selten  sei.  Indes  hat  es  die  besten  Autoritäten: 
quibus  liberos  coniugesque  suas  integras  ah  istiiis  j)ßtidantia  conser- 
va7X  non  licitum  est,  Cic.  Yerr.  1,  14.  Diias  mihi  aliquis  contioyies 
faciat,  unam  militum  Macedonicorum,  puram  alteram  integrioris 
iudicii  a  favore  et  odio,  Liv.  45,  37,  8;  38,  14,  6.  Vir  a  midtis 
vitiis  integer,  Sen.  de  ira  1,  18,  3.  A  populi  suffragiis  integer  (bei 
Sali.  bist.  1,  86  M.)  ist  euphemistisch  ausgedrückt  für  qui  repidsam 
nondum  tulisset.  Bei  Caes.  Gall.  3,  26,  2  liest  man  jetzt  intritae  cd) 
Idbore,  wonach  Haustein  S.  41  und  Kühnast  S.  171  zu  berichtigen 
sind.  —  Präpositionale  Ausdrücke  mit  integer  sind:  in  integro,  was 
Kl.  ist,  z.  B.  Cic.  fam.  5,  20,  7,  de  or.  3,  14  u.  sonst,  Liv.  3,  10,  13 
dum  in  integro  res  sit;  dann  de  integro  öfters  bei  Cic.  in  den  Reden, 
z.  B.  Yerr.  2,  139,  Cluent.  28,  Phil.  5,  10  (unrichtig  also  Köhler 
act.  Erl.  I  S.  438,  der  es  nur  Cic.  epp.  zuweist),  dann  Cic.  fam.  12, 
30,  2,  Attic.  13,  27,  1,  Liv.  21,  6,  6;  21,  58,  7;  in  integrum 
Cic.  Place.  79  u.  sonst,  ex  integro  nicht  bei  Cic,  Caes.,  Liv.,  aber 
bei  Justin,  vgl.  Seck  II  S.  22,  Suet.,  Lact.,  u.  a.,  ab  integro  bei  Cic. 
Yerr.  1,  147.  Bemerkenswert  ist  die  Phrase  mihi  integrum  non  est 
Cic.  fam.  5,  2,  8,  die  Sache  ist  für  mich  entschiedeyi,  ich  habe  keine 
freie  Hand  mehr,  integrum  sibi  reservare  de  aliqua  re,  Cic.  fam.  1, 
9,  10,  sich  freie  Hand  tuahren,  ebenso  Cael.  fam.  8,  6,  5;  auch  omnia 
sibi  integra,  rem  oder  causam  integram  reservare  und  reVmquere, 
vgl.  Bergmüller  Plane.  S.  29;  vgl.  auch  Nägelsbach^  S.  106  und 
Süpfle-Böckel  zu  Cic.  epp.  S,  54,  Hofmann -Andresen  zu  Cic.  epp. 
II  S.  196.     Ygl.  über  integer  mit  Gen.  Haustein  S.  41,  über  in  in- 


Integritudo  —     762     —  latellegere 

tegro  Landgraf  zu  Reisig-Haase  S.  160  Anrn.  396.  —  Oft  wird 
integer  mit  intactiis  verbunden,  welches  letztere  auch  mit  ah  von 
Cael.  fam.  8,  2,  1  intactus  ah  sihilo  Hortens'ms  pervenerat  ad  senec- 
tuiem  konstruiert  wird,  vgl.  Landgraf  B.  Gymn.  XYI  S.  278,  Burg 
S.  25. 

Integritudo,  die  Reinheit,  Unversehrtheit  u.  a.  ist  Sp.  L.  für 
integritas;  vgl.  Rönsch  Ital.  S.  68. 

Intelledus  ist  kein  Kl.  Wort;  es  kommt  erst  N.  Kl.,  aber  oft 
bei  Quintilian  vor,  in  der  Bedeutung  Verstand,  Fassung  skr  aft,  Ver- 
mögen, den  Sinn  von  etwas  zu  fassen,  auch  den  Sinn  einer  Stelle 
und  von  Wörtern,  auch  die  Bedeutung,  synonym  dem  Kl.  intelle- 
gentia,  ratio,  cognitio,  vis,  significatio  u.  a.;  im  Sp.  L.  findet  es  sich 
oft,  so  noch  bei  Filastr.,  auch  im  Plur.  Es  ist  nicht  durchaus  zu 
verwerfen. 

Intellegere  beschränkt  sich  im  bessern  Latein  auf  die  Bedeutung 
den  Sinn  von  etwas  fassen,  etwas  hegreifen,  einsehen,  verstehen,  s. 
Schömann  zu  Cic.  nat.  deor.  3,  38.  Da  aber  unser  Wort  verstehen 
vielerlei  andere  Bedeutungen  hat,  so  wird  inteUegere  im  N.  L. 
sehr  oft  falsch  gebraucht.  Eine  Sprache  verstehen  in  dem  Sinne : 
ein  tvissenschaftliches  Verstcbidnis  oder  eine  gehörige  Geivandtheit  in 
der  Handhahung  derselhen  oder  beides  zugleich  besitzen,  derselben 
also  mächtig  sein,  heisst  gewöhnlich  allerdings  scire,  novisse  (und  für 
das  Gegenteil  nescire  linguam)^  linguae  peritum,  gnarum  esse.  Allein 
darum  ist  linguam  intellegere  nicht  überhaupt  zu  verwerfen.  Handelt 
es  sich  bei  dieser  Phrase  lediglich  darum,  dass  jemand  Sinn  und 
Inhalt  dessen  verstehe,  was  ein  anderer  spricht  oder  schreiht,  so  ist 
linguam  cdicuius  intellegere  ganz  richtig,  wie  denn  z.  B.  die  Sprache 
der  Tiere  verstehen  unbedenklich  ausgedrückt  werden  kann  dnrch 
linguas  hestiarum  inteUegere,  da  ja  Pacuv.  bei  Cic.  divin.  1,  131  sagt: 
isti  qiii  linguam  avium  intellegunt.  Dies  lässt  sich  aber  ebenso  gut 
auch  auf  jede  menschliche  Sprache  anwenden:  nostri  Graece  fere 
nesciunt  nee  Graeci  Latine.  Ergo  hi  in  illorum  et  Uli  in  horum 
sermone  surdi,  omnesque  nos  in  iis  Unguis,  quas  non  intelleg imus, 
quae  sunt  innumerahiles,  surdi  profecto  sumus,  Cic.  Tusc.  5,  116  und: 
Tanta  est  eloquentia  (Herodotus),  ut  me  quidem,  quantum  ego  Graece 
scripta  intellegere  possum,  magno  opere  delectet,  Cic.  de  orat.  2,  55. 
So  heisst  es  auch  bei  Sen.  apocol.  5,  2:  non  intellegere  se  linguam 
eius  und:  sicut  dicehant,  qui  linguam  illiits  intelleg ehant,  Petr.  sat. 
73.  Von  der  Kritik  versteht  er  nichts,  artis  criticae  imperitics  est; 
ich  verstehe,  d.  h.  ich  meine  den  andern  Teil,  alteram  partem  signi- 
fico,  dico,  volo;  ich  verstehe,  d.  h.  erTdäre  dieses  Wort  so  oder  von 
dem,  hoc  verbum  ita  interpretor  oder  accipio,  oder  mit  folgendem 
Acc.  c.  inf,  oder  mit  veränderter  Rede,  sowie  auch  mit  ztuei  Accusa- 
tiven.  Doch  intellegere  aliquem  =  das  Wesen,  den  Charakter  von 
jemanden  hegreifen.  Hin  verstehen,  ist  silberne  Latinität,  s.  Seyffert 
Palästra  S.  85  und  Döring  zu  Plin.  epp.  6,  27,  2,  sowie  Nägelsb/-* 
S.  206  u.  Seyffert-MüUer  z.  Lael.  S.  409.    —   Intellegere  alicpiid  suh 


Intellegibilis  —     763     —  Intellegibilis 

aliqua  re  oder  iier  aliqitid,  etivas  unter  etivas  verstellen,  ist  nicht 
N.  L.,  aber  sehr  selten:  Jiinc  est,  qiiod  arcii  et  sagittis  Apollinis  simu- 
lacra  decorantur,  iit  per  sagittas  intellegatiir  vis  emissa  radioriim, 
Macr.  sat.  1,  17,  12  (Eyss.)  u.  ibid.  c.  23,  5:  his  rebus  magnum  in 
caelo  ducem  solem  vidt  suh  appellatione  lovis  intellegi  und:  quamvis 
per  nemo  Jiomo  intellegatiir,  tarnen  addidit  homo,  Donat.  zu  Ter.  Eun. 
3,  5,  1;  intellego  suh  lioc  verho  multa,  Sen.  contr.  1,  2,  15;  Latro 
aiehat  sah  hoc  themate  intellegere  nos  non  hoc  Uli  dictum:  ,^nunc 
(non)  potes''^,  sed  ,^ex  toto  non  potes'-^,  ibid.  9,  28,  10  und  mit  in 
auch  Cicero:  illa  est  eozaqla^  in  qua  intellegitur  ordinis  conservatio, 
ofF.  1,  142;  über  dieses  in  =  ivenn  in  Frage  kommt,  vgl.  C.  F.  W. 
Müller  zu  Cic.  off.  1,  61.  Anders  aber  aufzufassen  ist  Cic.  Yerr.  4, 
94  tametsi  non  tam  multum  in  istis  rebus  intellego  quam  midta  vidi: 
hier  ist  intellegere  in  =  se  connaitre  ä,  etre  connaisseur  (Gaffiot). 
Gewöhnlich  sagt  man  für  erstere  Konstruktion  intellegere,  significare, 
dicere,  vocare,  ajjpellare,  interpretari  u.  a.  mit  zwei  Accusativen  oder 
einer  Abänderung  der  Rede;  z.  B.  luen  verstehen  wir  unter  einem 
Reichen  ?  quem  intellegimus  divitem  ?  unter  SÄNIverstehen  ivir  diejenigen^ 
sanos  intellegimus  eos;  darunter  ivill  ich  dieses  verstanden  luissen,  illud 
intellegi  hanc  rem  volo;  tuir  begreifen  nicht,  ivas  ihr  unter  Yergyiügen 
versteht,  —  quam  dicatis  voluptatem;  unter  törichten  Greisen  ver- 
stehe ich  leicJttgläubige,  stultos  senes  significo  credidos;  ich  iveiss 
nicht,  tuas  ich  unter  jenem  Gute  verstellen  soll,  non  habeo,  quod  in- 
tellegam  bonum  illud  (Cic.  Tusc.  3,  41);  es  ist  klar,  luas  ich  unter 
Gute7i  verstehe,  —  quos  dicam  bonos  (Cic.  Tusc.  5,  28).  Bisweilen 
drückt  man  sich  auch  voller  aus;  z.  B.  unter  diesem  Worte  BEATUS 
verstehe  man  — ,  huic  veyho,  cum  beatum  dicimus,  subiecta  notio  est 
(Cic.  Tusc.  5,  29) ;  luas  versteht  man  unter  diesem  Worte  f  quae  res 
huic  voci  sitbicitur?  (Cic.  fin.  2,  6).  Dass  intellegere  in  Kl.  Sprache 
oft  =  unserm  sich  denken,  sich  vorstellen,  auch  annehmen  ist,  er- 
hellt aus  Stellen  wie  Cic.  off.  1,  94  qualis  autem  differentia  sit 
honesti  et  decori,  facilius  intellegi  quam  explanari  potest,  ^^den 
Unterschied  kann  man  sich  leichter  denken  als  darlegen^',  vgl. 
Madvig  fin.  S.  40  und  C.  F.  W.  Müller  zu  Cic.  off.  S.  59.  —  Aus 
N.  Kl.  Zeit  merke  man  noch,  dass  man  bei  Wörtern,  wie  vox, 
vocabulum  u.  dgl.  auch  intellegere  aliquid  aliqua  re  sagen  kann: 
consuetudo  omnibus  his  nominibus  argesten  intellegi,  Plin.  nat.  2,  121. 
—  Schliesslich  sagt  man  nicht:  hoc  per  se  intellegitur,  das  versteht 
sich  von  selbst,  sondern  lioc  ex  se  intellegitur,  s.  Cic.  inv.  1,  70,  und 
ironisches  versteht  sich!  ist  oft  =  nempe,  nimirum,  videlicet,  scilicet, 
ernstgemeintes  versteht  sich!  =  scilicet,  videlicet,  vgl.  Nägelsbach- 
Müher^  S.  785. 

InteUegibilis,  denkbar,  verstehbar,  verständlich,  kommt  N.  Kl. 
als  philosophisches  Wort  bei  Seneca  epp.  124,  2  vor  für  qui  sub 
(in)  intelleg entiam  cadit,  intellegi  potest;  cdlgemein  verständlich,  com- 
muni  intelleg entiae  obvius;  oft  steht  es  im  Sp.  L.,  vgl.  Rönsch  Ital. 
S.  112.     Nur  Sp.  L.  ist  intellectibilis,  z.  B.  Filastr.  150,  2. 


Intentio  —     764     —  Inter 

Intentio  in  der  Bedeutung  Absicht^  Vorliahen  kommt  schon  bei 
Cic.  inv.  2,  125  intentio  adversariorum,  dann  bei  Plin.  pan.  78,  3 
haec  nemiie  intentio  tua,  ut  libertatem  revoces  (wo  freilich  intentio 
auch  =  Bemühung  sein  kann)  vor,  häufig  aber  erst  im  Sj).  L., 
z.  B.  bei  Augustin  intentio  huius  lihri  haec  est,  ut  .  .,  auch  bei 
Hieron.,  Eugipp.  23,  9  Kn.  und  bei  Ict.  u.  sonst,  vgl.  Gölzer  Hieron. 
S.  252,  Rönsch  Ital.  S.  315,  Leipold  S.  67  Anm.  3,  Paucker  Hier. 
S.  15,  Bergmüller  Jord.  S.  15;  Archiv  XHI  S,  175. 

Intepidus,  lau  (nach  altern  Lexica),  beruht  auf  falscher  Lesart 
in  vielen  Ausgaben  des  Celsus,  wo  (8,  4)  für  loco  intejndo  zu  lesen 
ist  loco  in  tepido;  ohnehin  müsste  das  Adjektiv  verneinenden  Sinn 
haben,  nicht  lau,  was  dem  Sinne  der  Stelle  bei  Celsus  widerstreitet. 

Inter.  Statt  eines  Gren.  partit.  kann  auch  inter  mit  dem  Acc. 
eintreten  und  zwar  von  Cicero  an  bis  ins  Sp.  L.  herab.  Verfolgen 
wir  den  Gebrauch  rückwärts  von  Macrobius  bis  Cicero,  so  finden 
wir,  dass  inter  beim  Supe^'lativ  überall  üblich  ist;  vgl.  folgende  Bei- 
spiele: Meininimus  viros  inter  omnes  nostra  aetate  longe  doctissimos 
promisisse,  Macrob.  sat.  6,  1,  1.  Vir  inter  optimos  clarissime  et  inter 
claros  optime,  Apul.  flor.  3,  16,  S.  175  (H.  kl.  A.).  Acerrimiis  inter 
7'ecusantes  Callisthenes  fidt,  lust.  12,  7,  2;  36,  2,  6  (darnach  ist 
Sock  n  S.  11  Anm.  zu  berichtigen);  inter  Orientis  populos  ohscu- 
rissimi  fuere,  41,  1,  3  ;  inter  hos  honestisshmis  erat,  Petr.  sat.  78. 
Zelter  cunctos  diligentissimus  artis  et  iniqmis  siii  iudex,  Plin.  nat.  34, 
81 ;  ijiter  Athenienses  genere  famaque  longe  clarissimi,  Curt.  3,  13, 
15;  4,  6,  3;  Parmenio  peritissimus  ijiter  duces  artium  belli,  4,  13, 
4;  nie  Croesus  inter  reges  oindentissimus,  Sen.  contr.  2,  9,  7;  erimus 
inter  hostes  fugacissimi,  Sen.  suas.  2,  7 ;  o  te  inter  omnes  debiles 
ante  hoc  iudicium  felicissimmn,  Sen.  contr.  10,  5  (33),  4;  venustis- 
simus  inter  rhetores  scurra,  suas.  2,  12;  maximum  imperium  inter 
finitimos  futurum,  Liv.  5,  3,  10;  plurimum  hiter  eos  Bellovacos  .  . 
valere,  Caes.  Gall.  2,  4,  4;  honestissimus  inter  suos  7iumerabatur ,  Cic. 
S.  Rose.  16.  So  auch  bei  Sachen:  Iris  amplissima  inter  omnes 
gustiupie  amarissima,  Plin.  nat.  21,  40;  13,  19;  18,  117  und  30, 
3;  pns  hiter  haec  Optimum  est,  Cels.  5,  26,  20  g.  E.  u.  lib.  7,  praef. 
init.  Für  inter  oder  den  Genitiv  wird  oft  auch  die  Präposition  ex 
gewählt:  tradit  nobilissimos  e  familia  Arsacidarum  .  .  Tac.  ann.  13, 
9;  cui  (exercitui)  ex  Britannis  fortissimos  addiderat,  Agric.  29;  idti- 
mus  est  fere  ex  Atticis,  qui  .  .  Quintil.  10,  1,  80;  ex  onmibus  Ta- 
rentinum  pecus  est  mollissimum,  Colum.  7,  4,1;  vir  magnus  aciustus 
fortissimum  quemque  ex  hostibus  suis  suspicit,  Sen.  de  ira  3,  28,  6 
u.  epp.  95,  9;  levissimi  ex  Graecis,  Liv.  9,  18,  6;  indignissimi  ex 
lüebeis  candidati,  4,  57,  11;  qui  vestram  amicitiam  diligenter  cole- 
rent,  ex  omnibus  maxime  tutos  esse.  Sali.  Jug.  14,  12;  acerrimiis  ex 
Omnibus  nostris  sensibus,  Cic.  de  orat.  2,  357  und :  quid  ergo  f  ego 
aiulacissimus  ex  omnibus  f  Cic.  S.  Rose.  2.  Wenn  somit  ijiter  beim 
Superlativ  sich  öfters  findet,  so  ist  es  beim  Positiv  seltener,  aber 
Kl,  vgl.  Cic.  Flacc.  52  inter  suos  nobiles,  Cluent.  11  adulescenti  inter 


Inter  —     765     —  '  Inter 

suos  et  honesto  et  nohili,  aber  intei^  beim  Komparativ  ist  erst  Sp.  L. 
Die  Wendung  inter  imucos  lesen  wir  wohl  zuerst  bei  Livius,  z.  B. 
22,  7,  1,  vgl.  Wölt'flin  z.  St.,  dann  im  silb.  Latein.  Sonst  ist  parti- 
tives  inter  überhaupt  erst  N.  Kl.,  z.  B.  Lucan  4,  513  amissis  inter 
tot  milia  paiicis;  vgl.  Obermeier  S.  49,  Becher  Quint.  S.  9.  —  Die 
Phrasen  reperire  oder  invenire  iyiter  sind  nicht  Kl.  bei  Cic.  u.  Caes.; 
doch  sagt  schon  Sali.  Cat.  61,  4  Catilina  inter  hostiimi  cadavera  re- 
pertus  est,  dann  Liv.  8,  10,  10  Decii  corints  postero  die  inventum 
inter  maximam  Jiostiiim  stragem,  vgl.  noch  Plin.  epp.  10,  4  (3),  1, 
Tac.  ann.  1,  60  u.  2,  18,  Quintil.  1,  4,  26,  Liv.  1,  8,  5;  22,  16,  7. 
Falsch  aber  ist  es,  zu  sagen:  ider  inter  nos,  luer  unter  uns  beiden, 
für  uter  nostriim  —  und  ähnliche  Ausdrucksweisen.  —  Inter  decem 
annos  bedeutet  luäJirend  zehn  (voller)  Jahre,  zehn  Jahre  hindurch, 
im  Verlauf  von  zehn  Jahreyi,  aber  intra  steht  von  der  Zeit,  sowohl 
in  ihrer  Dauer,  als  bevor  sie  zu  Ende  ging,  also  sowohl  =  ivährend, 
als  vor  dem  Ahlauf  eines  Zeitabschnittes.  S.  Hand  Turs.  III,  404  u. 
437,  Weissenborn  u.  M.  Müller  zu  Livius  1,  10,  7,  Richter  zu  Cicero 
Pomp.  68  und  Reisigs  Yorles.  S.  730;  dies  hat  sehr  schön  entwickelt 
Klotz  Stilist.  S.  170  f.  —  Bei  den  Redensarten  inter  nos,  vos,  se 
darf  das  Objekt  uns,  euch,  sich,  welches  im  Deutschen  zu  unter  ein- 
ander noch  hinzugefügt  wird,  nicht  ausgedrückt  werden;  durch  nos 
wird  nur  das  reflexive,  durch  inter  nos  aber  das  reziproke  Verhältnis 
bezeichnet,  nos  inter  nos  würde  eine  Verbindung  beider  enthalten, 
was  unlogisch  wäre.  Cicero  scheint  inter  in  dieser  Konstruktion  in 
seinen  spätem  Schriften  gemieden  zu  haben;  vgl.  Thielmann  B. 
Gymn.  XVI  S.  354.  Falsch  ist  also:  jios  (als  Accus.)  iyiter  yios  ama- 
mus,  vos  iyiter  vos  amatis,  se  iyiter  se  amant,  ivir  lieben  ims  imter 
einander  u.  s.  w.,  für  iyiter  yios  amamus  mit  Weglassung  des  ersten 
nos  —  und  so  in  allen  ähnlichen  Verbindungen,  z.  B.  inter  se  ad- 
spicere,  sich  unter  eiyiander  ayisehen  (Cic.  Cat.  3,  13),  inter  se  consa- 
lutare  (Cic.  de  or.  2,  13),  inter  se  aynare  (Cic.  Q.  fr.  3,  3,  1,  Att.  6, 
1,  12),  iyiter  se  colere  (Cic.  Lael.  82).  Schon  Laur.  Valla  (de  ele- 
gant. 3,  74)  machte  auf  diesen  Gebrauch  aufmerksam;  ihm  wider- 
sprach mit  Unrecht  Wilh.  Budaeus,  indem  er  sich  auf  Stellen  wie 
Ter.  Ad.  271,  Cic.  divin.  1,  58,  Att.  10,  4,  10,  nat.  deor.  1,  71 
u.  a.  berief,  wo  aber  beim  Accus,  c.  Infin.  yios,  vos  nicht  Objekt, 
sondern  Subjekt  zum  Verbum  ist;  vgl.  Dräger  H.  Synt.  I  S.  609 
u.  Nägelsbach-MüUer^  S.  378.  Das  obige  gilt  auch  in  Redensarten, 
wie:  ivir  sind  uns  eiyiander  cUmlich,  nicht  nobis  iyiter  nos  similes 
sumus,  oder  wohl  gar  yios  nobis  inter  yios  — ,  sondern  bloss  inter 
nos  similes  sumus.  Etwas  anderes  aber  ist  es,  wenn  Subjekt  und 
Objekt  verschieden  sind,  z.  B.  respublica  yios  inter  yios  conciliabit 
(Cic.  fam.  5,  7,  2).  Vgl.  Hand  Tursell.  III  S.  397,  meine  Stihst.^ 
§  16  u.  ganz  besonders  Thielmann  Archiv  VII  S.  343 — 388.  —  Unter 
ayiderem  heisst  klass.  cum  alia,  tuyn  hoc,  z.  B.  Cic.  Flacc.  94  cum. 
alia  ynulta  certi  hoyyiines  tuyn  hoc  vel  maxime  moliuntur;  N.  Kl.  ist 
iyiter  alia,  z.  B.  Plin.  ep.  3,  16,  10  Cum  Thrasea  inter  alia  dixisset, 


Intercalaris  —     766     —  Intercipere 

Intercalaris  und  intercalarius,  eingeschaltet^  sind  gleich  gut  und 
Kl,  vgl.  Neue -Wagener  3  II  S.  159. 

Intercedere.  Ganz  gewöhnlich  ist:  mihi  aliquid  (z.  B.  amicitia) 
cum  aliquo  intercedit,  ich  hin  jemandes  Freund;  z.  B.  ich  hin  dein 
Freund,  ich  und  du  sind  Freunde,  mihi  tecum  amicitia  intercedit; 
und  bei  zwei  genannten  Personen  inter  nos  amicitia  intercedit,  tvir 
sind  unter  einander  Freunde;  vgl.  z.  B.  Cic.  fam.  6,  12,  2;  13,  65,  2; 
Cael.  32  u.  a.,  sowie  Seyffert  -  Müller  z.  Lael.  S.  471,  wonach  inter- 
cedere das  gewöhnliche  Yerbum  vom  Bestehen  eines  Yerhältnisses 
zwischen  mehreren  ist.  —  Intercedere  wird  in  der  Bedeutung  gegen, 
ivider  ettvas  sein,  mit  dem  Dativ  verbunden,  cdicui  rei.  Gut  ist 
intercedere  fro  aliquo,  sich  für  jemanden  verhiirgen,  für  ihn  gut 
sprechen  (in  Geldsachen),  auch  mit  dem  Accus,  der  Geldsumme,  die 
man  verbürgt,  wie  Cic.  Att.  6,  1,  5,  Phil.  2,  45,  vgl.  Landgraf  zu 
Cic.  S.  Rose.  S.  332,  wo  auch  für  intercessor  Cic.  S.  Rose.  111  und 
intercessio  Cic.  parad.  46  die  gleiche  Bedeutung  (Bürge,  Bürg- 
schaft) angenommen  ist.  Aber  in  der  Bedeutung  rechtliche  Ver- 
wendung, Eiyisprache  zu  gunsten  von  jemanden  eintreten  lassen  ist 
es  erst  bei  Suet.  Caes.  30  gebraucht;  aus  dieser  Bedeutung  ist  dann 
auch  der  Gebrauch  in  der  patrist.  Latinität  hervorgegangen,  inte7'- 
cedere,  intercessio  und  intercessor  von  der  Fürhitte  der  triumphierenden 
Kiyxhe  für  die  streitende  und  leidende  zu  sagen.  Diese  Ausdrücke 
sind  durch  die  uralte  Tradition  so  eingebürgert  oder  geheiligt,  dass 
man  sie  in  der  Kirchensprache  unbedenklich  anwenden  kann.  Jedoch 
bietet  die  patristische  Literatur  auch  noch  andere  Bezeichnungen, 
z.  B.  suffragari,  s.  über  eo  suff'ragante  Greg.  M.  liber  sacram.  opp. 
III  S.  157  der  Yenetianer  Ausg.  von  1744;  Fürhitte  kann  eben- 
falls durch  supiülicatio  ausgedrückt  werden:  iwaesta,  cquaesumus,  iit 
eorum  (heatorum  apostolormn  tuorum)  supiüicationihits  muniamur, 
a.  a.  0.  S.  114  unten;  ebenso  ibid.  S.  131;  für  supplicatio  wird  auch 
ibid.  preces  genommen:  heati  Matthaei  ejMngelistue  Domine  precihus 
adiuvemur  und  ibid.  S.  111  oben;  dafür  dient  natürlich  auch  depre- 
catio,  s.  ibid.  S.  23,  N.  159;  ebenso  patrocinium,  ibid.  N.  157,  166, 
2,  N.  190;  für  intercessor  endlich  kann  man  ganz  gut  suffragator 
brauchen:  sicut  ecclesiae  tuae  scmctus  Andreas  exstitit  praedicator  et 
rector,  ita  sit  perpetuus  suffragator,  s.  Leo  lib.  sacram.  ed.  Migne, 
opp.  II  S.  146  oben.  —  Intercedere  ne  haben  Cic.  u.  Caes.  nicht, 
wohl  aber  rhet.  Her.  2,  45  intercesserat,  ne  exules  reducerentur ;  Hirt. 
Gall.  8,  52,  5,  was  Georges  zitiert,  ist  verderbt  überliefert,  jetzt 
liest  man  evicenint,  ne  fieret;  Lact,  hat  1,  398,  18  intercedere  ne; 
Liv.  non  intercedere  quomimis,  z.  B.  8,  2,  3,  aber  auch  28,  45,  6 
cum  consul  negaret  aeqiium  esse  trihunos  intercedere,  quo  minus  .  . 
diceret. 

Intercipere.  Intercipere  viam  =  vers])e7Ten  ist  ohne  genügenden 
Grund  verworfen  worden,  weil  Liv.  25,  39,  2:  inedio  itinere  inter- 
cepto  zweifelhaft  sei  und  inter septo  für  intercepto  gelesen  werde.  Aber 
hitersepto  ist   blosse   Konjektur   von  Oudendorp   und   ganz   und  gar 


Intercludere  —     767     —  Interdicere 

unnötig  (Ricmann  erwähnt  sie  nicht  einmal),  da  intercipere  in  dieser 
Bedeutung  auch  sonst  vorkommt.  S.  Liv.  9,  43,  3,  Curt.  4,  2,  9 
und  Tac.  ann.  15,  3.  In  der  Bedeutung  jemanden  ums  Lehen  hringen 
(eig.  mitten  aus  der  Laufbahn  heran sreissen)  ist  intercipere  nach- 
klass.,  s.  Tac.  ann.  2,  71:  scelere  Pisonis  et  Plancinae  intercejHus, 
Agric.  43:  veyieno  interceptus^  Plin.  epp.  6,  25,  4,  Suet.  Caes.  20, 
Octav.  14  und  sonst;  vgh  Bagge  S.  31. 

Interchidere.  Intercludere  alicui  aliquid  kommt  in  der  mili- 
tärischen Sprache  zunächst  dann  vor,  wenn  von  der  Sperrung  oder 
Verlegimg  eines  Weges  die  Rede  ist,  s.  Plaut.  Mil.  223,  Cic.  Attic.  8, 
11  D,  4,  vgl.  mit  §  2,  Liv.  22,  13,  5,  ibid.  c.  22,  10  und  lust.  2,  5, 
10.  Daher  wird  diese  Konstruktion  auch  (aber  selten)  auf  die  auf 
einem  Land-  oder  Seewege  einzubringende  Zufuhr  angewendet.  S. 
Liv.  26,  39,  10  und  44,  6,  12.  Sonst  aber  wird  in  der  mihtärischen 
Sprache  die  Verbindung  von  intercludere  aliquem,  aliquid  ab  aliquo, 
ah  aliqua  re  und  mit  dem  blossen  Ablat.  in  der  Weise  vorgezogen, 
dass  sie  als  das  gewöhnliche  und  regelmässige  betrachtet  werden 
muss.  Doch  ist  es  nicht  gleichgiltig,  ob  man  die  eine  oder  die  an- 
dere Konstruktion  (mit  oder  ohne  Präposition)  anwendet,  sondern 
die  Yerbindung  mit  ah  aliquo,  ab  aliqua  re  findet  regelmässig  bei 
Personen  und  Lokalitäten  statt,  deren  Zugänglichkeit  versperrt,  von 
denen  jemand  abgeschnitten  luird,  wie  urbs,  flumen,  may^e,  castra 
u.  dgl.  S.  Caes.  Gall.  7,  1,  6;  7,  59,  5;  civ.  1,  43,  2;  3,  41,  3,  Cael. 
bei  Cic.  fam.  8,  1,  4;  b.  Alex.  27,  4;  Liv.  1,  27,  10;  3,  70,  5; 
5,  42,  5;  26,  40,  4;  7,  34,  11;  4,  41,  4;  27,  42,  4;  31, '41,  14; 
34,  39,  12;  25,  4,  4  und  26,  5,  14,  Flor.  2,  13,  26,  vgl.  Bieligk 
S.  62.  Wenn  in  diesem  Falle  die  Präpos.  a  nur  ganz  selten  fehlt, 
wie  bei  Caes.  civ.  1,  68,  3,  so  heisst  dagegen  jemanden  die  Zufuhr, 
die  Fourage  u.  dgl.  abschneiden  gewöhnlich  intercludere  aliquem  ali- 
C[ua  re,  wie  dies  auch  bei  excludere  das  regelmässige  ist.  Über 
diesen  Gebrauch  von  intercludere  vgl.  man  Caes.  Gall.  1,  23,  3;  1, 
48,  1;  3,  23,  3  und  civ.  1,  61,  2;  1,  72,  1,  Cic.  Attic.  7,  9,  2; 
Flor.  2,  7,  11  u.  lust.  4,  4,  5.  Noch  kann  bemerkt  werden,  dass, 
wenn  Livius  (s.  oben)  iter,  aditum,  exitum  u.  dgl.  alicui  interchidere 
auch  im  militärischen  Sinne  gebraucht,  bei  Caesar  sich  der  Dativ 
dafür  niemals,  der  Genitiv  nur  an  einer  einzigen  Stelle,  Gall.  7,  11, 
8  findet,  während  er  sonst  intercludere  in  diesem  Falle  regelmässig 
mit  aliquem  cdiqua  re  verbindet,  s.  Gall.  4,  30,  2;  7,  44,  4;  7,  59, 
1  ;  civ.  2,  20,  1  und  b.  Alex.  20,  5.  Ausserhalb  der  militärischen 
Sprache  ist  aditum  alicui  intercludere  natürlich  ganz  gut,  s.  Cic.  S.  Rose. 
110,  bei  sächlichen  Begriffen  jedoch  klass.  nur  mit  dem  Genitiv,  wie 
aditum  voluptatis,  seditionis  intercludere.  S.  Cic.  fin.  2,  118  und 
Rab.  perd.  3,  mit  dem  Dativ  spätlat.:  intercludit  aditum  veritati, 
August,  de  mendac.  §  11. 

Literdicere,  untersagen ;  —  einem  etivas  ist  klass.  alicui  aliqua 
re,  N.  Kl.,  Sp.  L.  und  selten  cdicui  aliquid,  z.  B.  interdixit  etiam  ei 
convictum  hominum  .  .  Yal.  Max.  2,  7,  9;  jedoch  ist  die  Konstruktion 


Interdiu  —     768     —  Interesse 

durch  die  passive  Wendung  im  klass.  vorbereitet,  vgl.  Cic.  har.  resp. 
12  ut  Jmic  furiae  vox  interdiceretur,  vgl.  Dräger  H.  Synt.  I  S.  516, 
sov\^ie  fürs  Sp.  L.  Chruzander  S.  36.  Ganz  vereinzelt  ist  die  von 
Gell.  17,  2,  7  aus  einem  Briefe  des  Q.  Metellus  Numidicus  zitierte 
Konstruktion  interdichis  omni  iure  atqiie  houestate;  Cobet  will  daher 
interdictmn  lesen.  Stehend  ist  die  publizistische  Formel :  aliciii  aqua 
et  igni  interdicere;  diese  hat  noch  Lact.,  der  transitives  interdicere 
auch  nur  im  Passiv  verwendet  und  überhaupt  im  Gebrauche  des 
Wortes  streng  klass.  verfährt.  Statt  des  zweiten  Okjektes  folgt 
auch  ein  Satz  mit  ne  oder  ut  ne,  N.  KL  und  Sp.  L.  der  Infin.  oder 
der  Accus,  c.  infin. 

Interdiu,  hei  Tage,  kommt  zwar  nirgends  bei  Cicero,  aber  bei 
Caesar  einigemal  (Gall.  7,  69,  7,  civ.  1,  67,  5),  mit  und  ohne  noctu, 
hei  Nacht,  ebenso  einmal  bei  rhet.  Her.  2,  7,  vgl.  Thiel  mann  Cornif. 
S.  44,  vor;  bei  Livius  mehrmals  bald  mit  noctu,  bald  mit  nocte  ver- 
bunden, und  bald  vor,  bald  nach  dem  andern.  Sonst  sagt  man  da- 
für auch  die  und  diem,  aber  nicht  diu.  Ygl.  Diu.  —  Nicht  nach- 
zuahmen ist  die  Form  interdius ;  diese  ist  A.  L.  u.  Sj).  L.,  in  klass. 
Zeit  nur  bei  Yarro  r.  r.  2,  10,  5;  3,  12,  3;  vgl.  Neue -Wagener^  II 
S.  651  u.  Rönsch  Coli.  phil.  S.  14,  sowie  Lorenz  zu  Plaut.  Most.  444. 

Interdum,  hisweilen.  Diese  Bedeutung  hat  es  schon  im  A.  L.,  vgl. 
Richardson  Dum  S.  9,  bei  Sali.  u.  so  auch  bei  Tac.  ann.  1,  5  laetique 
interdum  mmtii  vulgahantur,  donec  .  . ;  es  ist  unnötig,  hier  eine  an- 
dere Bedeutung,  nämlich  eine  Zeit  lang,  anzunehmen.  Sp.  L.  aber 
ist  es  in  der  Bedeutung  unterdessen  für  interea,  wie  z.  B.  Apul.  in 
den  Metam.  nur  interdum  im  Sinne  von  interim  gebraucht.  Über- 
haupt scheinen  die  beiden  Wörter  interdum  und  interim  in  der  Volks- 
sprache und  daher  auch  im  ^S^;.  L.  nicht  genau  geschieden  worden 
zu  sein.  Ygl.  Becker  Stud.  Apul.  S.  50  f.,  Landgraf  S.  Rose. 
S.  282  f.,  Rönsch  Ital.  S.  345,  Kretschmann  Apul.  S.  105. 

Interea,  welches  im  bessern  Latein  zunächst  auf  die  Zeit  geht 
und  tmter dessen,  während  der  Zeit,  bedeutet,  wird  aber  doch  auch 
und  zwar  schon  in  Kl.  Zeit  in  konzessiv-adversativem  Sinne  gebraucht. 
Ygl.  Cic.  fam.  5,  12,  10,  Q.Met,  bei  Cic.  fam.  5,  1,  2,  Rohling  Kiel. 
Progr.  1873  S.  23,  Phil.  Rundschau  III,  Nr.  18,  S.  574,  Neue  Phil. 
Rundschau  1886  S.  4;  das  gleiche  gilt  für  interim,  vgl.  Landgraf 
Süll.  S.  69,  S.  Rose.  S.  282,  Riese  zu  CatuU  101,  7.  —  A.  L. 
bei  den  Komikern,  vgl.  Lorenz  zu  Plaut.  Pseud.  255,  ist  interea  loci 
und  N.  L.  interea  temyoris.  N.  L.  ist  auch  interea  quod,  unter- 
dessen dass  oder  his,    für  interea  mit  cum,   dum,   quoad  oder  donec. 

Interesse  wird  in  der  Bedeutung  hei  etwas  seiri,  wenn  es  nicht 
absolut  steht  wie  bei  Cato  62,  5  J.  uti  testes  non  Interessent  ver- 
bunden alicui  oder  in  aliqua  re,  z.  B.  pugnae,  in  pugna,  zwischen 
etwas  sein,  inter  aliquid;  vgl.  Landgraf  S.  Rose.  S.  213  und  Hell- 
muth act.  Erl.  I  S.  142.  —  Das  imperson.  inter  est  wird  in  der 
Bedeutung  es  ist  ein  Unterschied  mit  inter  verbunden,  z.  B.  tvir 
imterscheiden  uns,  inter  nos  interest;  ich  und  du  unterscheiden  unSj 


Interesse  —     769     —  Interesse 

i7ite7-  me  et  te  interest,  und  zwar  gewöhnlich  ohne  Wiederholung  der 
Präposition.  Die  Stellen  mit  iviederholtem  inter  hat  Kunze  Sali.  III, 
2  S.  156  aus  Cicero  zusammengestellt;  aus  den  Reden  lässt  sich 
kein  Beispiel  beibringen,  nur  6  aus  den  philos.  Schriften ;  die  Wieder- 
holung ist  bedingt  durch  das  Streben  nach  Deutlichkeit  oder  nach 
stärkerer  Hervorhebung  der  Gegensätze;  Yg\.  Seyffert-Müller  z.  Lael. 
S.  528;  Fritzsche  zu  Hör.  sat.  1,  7,  12.  Darin,  worin  u.  ähnl.  wer- 
den neutral  ausgedrückt:  hoc,  qiiod,  quid,  quantum,  nihil,  midtum 
(nie  magniim)^  non  midtum  (nicht  imrvum)^  mifiimum  u.  ähnl.  Selten 
ist  inter  esse  mit  der  Präposition  a  =  differre  a  =  sich  von  etwas 
unterscheiden,  z.  B.  bei  Cicero  (acad.  2,  27):  illa  visa  negant  quic- 
quam  a  falsis  interesse,  s.  auch  Cic.  fin.  3,  25  u.  a.  —  Auf  offen- 
barer Nachahmung  des  Terenz  Ad.  76  hoc  pater  ac  dominus  intei^est 
(vgl.  Spengel  z.  St.)  beruht  es,  wenn  Muret  das  Yerbum  in  dieser 
Bedeutung  personal  braucht  und  sagt:  quid  intersit  senatus  decre- 
tum  ac  senatus  consultum,  für  inter  senatus  decretum.  Weiter  geht 
schon  folgender  Satz:  ijlurimum  in  faciendo  interest  doctus  et  rudis 
homo,  heim  Tun  xmter scheiden  sich  ein  Geschickter  und  UngeschicJäer, 
für  inter  doctum  et  rüdem;  falsch  ist  nescit,  quid  intersit  inter  do- 
cendum  et  jjersuadendum,  für  inter  docere  et  ^jersuadere,  da  jenes 
bedeutet  während  des  Unterrichtes;  vgl.  Cic.  fin.  2,  43  und  Sen.  benef. 
5,  10,  2,  sowie  die  eingehende  Darstellung  von  Wölfflin  im  Archiv  III 
S.  71  f.  —  Das  andere  Impersonale  interesse,  von  Wichtigkeit,  von 
Interesse  sein  u.  dgl.,  wird  im  N.  L.  mit  den  Genitiven  mei,  tui, 
sui  u.  s.  w.  verbunden,  anstatt  mit  mea,  tua,  sua.  —  Wie  das  Wie- 
viel, d.  h.  der  Grad  des  Interesses,  auszudrücken  ist,  lehren  die 
Schulgrammatiken;  klass.  scheint  jedoch  der  Genitiv  eines  Kompa- 
rativs oder  Superlativs  nicht  zu  sein,  also  nicht  phiris,  maximi,  mi- 
nimi,  sondern  plus,  maxime,  minime  u.  ä.  —  Hat  mea  etc.  interest, 
refert  eine  Apposition  bei  sich,  z.B.:  es  liegt  mir  als  Konsul  viel 
daran,  so  wird  die  Apposition  nicht  im  Genitiv  beigefügt,  also  nicht 
mea  consulis  magni  interest,  sondern  durch  einen  Relativsatz  ver- 
bunden: mea,  qui  consul  sum,  magni  interest;  hiefür  steht  mir  übri- 
gens trotz  mannigfachen  Nachsuchens  kein  klass.  Beispiel  zu  Ge- 
bote; die  Regel  gründet  auf  dem  überall  zitierten  Satze  aus  Plin. 
ep.  4,  13,  4  vehementer  intererat  vestra,  qui  patres  estls,  .  .  .;  vgl. 
Cic.  Sulla  79.  Folgt  ein  Satz  nach,  so  wird  er  nicht  mit  quod, 
sondern  mit  dem  Accus,  c.  infin.  (Cic.  ofF.  3,  57)  oder  als  indirekter 
Fragesatz  ausgedrückt,  wie  es  gerade  am  natürlichsten  scheint,  selten 
mit  ut,  wie  bei  Suet.  Caes.  86,  Cic.  Attic.  11,  22,  2,  fam.  12, 18,  2.  Un- 
sicher ist  die  Lesart  bei  Cic.  fam.  3,  5,  4;  mit  folgendem  ne  IdcI  Tac. 
hist.  1,  30.  Auch  hier  tritt  ausser  jenen  neutralen  Wörtern  lioc,  id,  illud 
u.  s.  w.,  wie  oben,  in  der  Regel  kein  Nominativ  als  Subjekt  hinzu.  Un- 
gewöhnhch,  aber  doch  nach  Cic.  Attic.  3,  19,  1  u.  andern  Stellen,  die 
C.F.W. Müller  zu  Cic.  Att.  S.  29  besonders  aus  Plin.  nat.  zusammen- 
gestellt hat,  vgl.  auch  meine  Syntax*"^  §  70,  lat.  ist  daher:  at  vero  quanti 
intersit  ad  omnes  disciplinas  innocentia  morum  et  virtus,  für  quantam 

Krebs-Schmal/-,    Antibarbarus  I.  49 


Inter^atio  —     770     —  Interficere 

vim  haheat  ad  — .  Wofür  oder  luozu  etwas  wichtig  ist,  wird  mit  ad  bei- 
gesetzt, z.  B.  ad  hoyiorem  (Cic.  fam.  16,  1,  1);  ad  decus  et  ad  laudem 
civitatis  (Cic.  nat.  deor.  1,  7).  Doch  auch  mit  dem  Genitiv:  docet, 
qiuinto  ojyere  rei  pithlkae  comiminisque  sahdis  intersit,  mamis  Jiostimn 
distmeri,  Caes.  Gall.  2,  5,  2  u.  das.  Kraner  und  Cic.  fam.  4,  10,  2: 
midtum  interest  rei  familiaris  tiiae  te  venire.  Yon  diesen  Beispielen 
(Cic.  fam.  4,  10,  2,  Mur.  4)  glaubt  Fritz  Scholl  in  Wölfflins  Archiv 
II  S.  218  bei  der  Erklärung  der  Konstruktion  von  interest  ausgehen 
zu  müssen.  Wer  über  den  derzeitigen  Stand  dieses  j^alten  Prohlems^^ 
sich  unterrichten  will,  lese  Schölls  Darlegung  1.  1.  S.  213 — 218  nach; 
vgl.  auch  Landgraf  zu  Reisig-Haase  Anm.  528,  Landgraf  Beiträge 
Bamberg  1894,  Novak  Stud.  Liv.  S.  92  ff.  (der  Sprachgebrauch  des  Liv. 
stimmt  mit  dem  des  Cic.  überein,  interest  findet  sich  jedoch  häufiger 
als  refert).^  Kunze  Beitr.  I  u.  dazu  meinen  Bericht  in  Yollmöllers 
Roman.  Jahresber.  YI  (I  S.  95)  u.  meine  Syntax^  §  70. 

Interfatio,  das  Dazwischeyireden,  die  Unterh^ecJmng  einer  Rede, 
steht  jetzt  in  Cic.  Sest.  79  fest  für  interfectio,  was  ältere  Ausgaben 
haben.  Auch  Quint.  4,  2,  50  braucht  es,  und  das  Yerbum  interfari 
hat  Livius,  Yal.  Max.,  Plin.  ep.  u.  Sp.,  vgl.  Neue-Wagener^  III 
S.  640.     Es  ist  also  gut  neben  interpellatio. 

Interfectio,  die  Ermordung,  kommt  nur  einmal  bei  Asconius  und 
einmal  bei  M.  Brutus  in  Cic.  ep.  ad  Brut.  2,  3  init.  und  dann  *S^;.  L. 
vor,  für  caedeSy  occisio;  vgl.  Schirmer  Progr.  Metz  1884  S.  8,  Gölzer 
Hieron.  S.  81. 

Interfedor.  Der  Mörder  im  allgemeinen  ist  lat.  bekanntlich 
homicida.  Macht  er  aus  dem  Morden  Profession,  stösst  er  einen 
andern  im  Auftrage  eines  dritten  nieder,  so  heisst  er  nach  der  Waffe, 
welche  er  führt,  sicarius  =  Meuchelmörder,  Bandit  oder  mit  einem 
etwas  gelinderen  Ausdruck  auch  ijercussor.  Während  aber  das  letzt- 
genannte Wort  doch  auch  den  Morder  in  einem  einzelnen  Fall  be- 
zeichnen kann,  ist  dies  bei  interfedor  immer  der  Fall:  es  bezieht 
sich  stets  auf  eine  bestimmte  Person,  setzt  den  Genitiv  einer  be- 
sondern Person  voraus;  vgl.  Cic.  Mil.  72  quorum  interfedores,  Tac. 
ann.  1,  9  dum  interfectores  patris  iddsceretur.  Dieser  Genitiv  ist 
oft  aus  dem  Zusammenhange  zu  ergänzen;  vgl.  Cic.  Phil.  1,  35  und 
dazu  Hauschild  S.  24,  Liv.  24,  7,  7  und  44,  40,  9,  Tac.  ann.  2,  70. 
Jedoch  statt  j)atris,  matris,  fratris  interfedor  sagt  man  patridda, 
matridda,  fratridda.  —  Metaphorisch  hat  Cic.  interfedor  nur  red. 
sen.  4  interfectores  rei  imhlicae  gebraucht,  vgl.  jedoch  Näg.-Müller^ 
S.  601. 

Interficere  se,  sich  eimorden,  hat  in  Kl.  Zeit,  wo  der  Selbstmord 
noch  etwas  Auffallendes  war,  regelmässig  den  Zusatz  iijse,  z.  B.  Serv. 
Sulpic.  (Cic.  fam.  4,  12,  2):  se  ipsiim  iyiterfecisse;  noda  ad  imum 
omnes  desperata  salute  se  ipsi  interficiiint,  Caes.  Gall.  5,  37,  6;  Liv. 
31,  18,  7:  seqne  ipsi  —  interficiunt;  Tac.  ann.  6,  18:  se  ijm  inter- 
fecere,  Tac.  bist.  2,  50.  Dagegen  später,  als  Selbstmorde  häufiger 
und   infolgedessen  weniger  auffallend   wurden,  liess  man   ipse   weg, 


Interibi  —     771     —  Interlabi 

z.B.  Quintil.  11,  1,  36,  Curt.  6,  11,  20,  lust.  IG,  5,  4,  Lact.  epit.  39, 
9,  Eutr.  7,  15,  Augiistin.  civ.  dei  1,  17  extr.  Ncäheres  hierüber 
findet  man  bei  Krauer  zu  Caes.  Gall.  5,  37,  Z.  f.  G.W.  1881  S.  122, 
Meissner  Phraseol.^  S.  26  und  C.  F.  W.  Müller  zu  Cic.  off.  S.  68, 
wonach  Cicero  se  interimere,  aber  nicht  se  iKrimere,  mterficerey  occi- 
clere  sagt;  besonders  aber  bei  Nägelsbach-Müller^  S.  391,  wo  noch 
ausdrückKch  auf  Cic.  de  or.  3,  9  und  Yal.  Max.  9,  12,  4  hingewiesen 
wird:  von  ebendemselben  Q.  Catulus  sagt  Cicero  1.  1.  Catulum  esse 
coactnMy  ut  vita  se  ipse  iwivaret,  aber  Yal.  Max.:  cubiculo  incliisum 
se  peremit. 

Tnterihi,  2tnterdessen^  für  intereay  htA.L.  und  von  Spätem  aus 
der  gemeinen  Sprache  wiederholt;  vgl.  Rönsch  It.  S.  234,  Kretsch- 
mann  Apul.  S.  95;  Neue -Wagener"^  II  S.  658,  Stolz  Hist.  Gramm.  I 
S.  437. 

Interim^  indessen.  Dies  Wort  wird  jSTeue  Jahrbb.  1886  S.  705 
u.  Etym.  S.  61  f.  von  0.  Keller  als  ablativische  Wendung  =  „sit;i- 
schen  da,  inzivisclien''^  erklärt  mit  Verwerfung  von  Halsey's  Her- 
leitung  ,,interim  —  inte?-  and  old  acc.  of  is.'^  Schon  oben  unter 
Interdum  ist  darauf  hingewiesen,  wie  interim  und  interdum  vielfach 
nicht  scharf  geschieden  wurden;  so  finden  wir  es  N.  Kl.  z.  B.  bei 
Quint.,  Sen.  phil.  u.  a.  in  der  Bedeutung  ,.^'bisiueilen''^ .  Da  Quint.  mit 
Yorliebe  interim  für  inferdnm  setzte,  so  schuf  er  sich  auch  an  Stelle 
des  von  Cicero  eingeführten  und  noch  von  Lact.  1,  678,  22  nachge- 
brauchten interdum  —  interdum  (z.  B.  Cic.  fam.  7,  17,  1  Att.  12, 
14,  3)  die  Korresponsion  interim  —  interim ;  doch  fand  er  damit  in 
der  Folgezeit  wenig  Anklang.  Näheres  siehe  bei  Wölfflin  Archiv  II 
S.  250.  —  Wohl  nur  X  Kl.  u.  Sp.  L.  scheint  es  in  der  Bedeutung 
vorläufig,  einstweilen,  s.  Dräger  zu  Tac.  ann.  14,  41  u.  Döring  zu 
Plin.  epp.  10,  2,  7,  sowie  Sj).  L.  in  der  Bedeutung  ,,seither^^ ;  vgl. 
Hartel  in  Wölfflins  Archiv  III  S.  24,  Werth  S.  363,  Watson 
S.  313. 

Interitio,  Tod,  Untergang,  für  interitas,  findet  sich  einmal  in 
Ciceros  Erstlingsreden  in  der  vulgären  Phrase  interitionem  facere 
(jedoch  passiv,  vgl.  Thielmann  B.  Gymn.XYI  S.  206,  Z.  f.  G.W.  1881, 
S.  130)  Yerr.  3,  125;  sonst  sind  nur  der  auctor  b.  Hisp.,  Yitruv  und 
Arnob.  Gewährsmänner  für  das  Wort,  welches  also  besser  gemieden 
wird.  Ygl.  Köhler  act.  Erl.  I  S.  451,  Hellmuth  act.  Erl.  I  S.  125  und 
141,  Thielmann  Philol.  42,  S.  362. 

Tnteriungere,  mit  einander  verbinden,  ist  fast  nur  P.  L.,  da  bei 
Livius  nur  das  Partiz.  interiunctits  vorkommt,  22,  30,  6;  man  setze 
dafür  inter  se  iungere  oder  coniungere. 

Interlahi,  dazivisclien  fliessen  (vom  Wasser),  ist  nur  P.  L.  und 
ySp.  L.  für  interfluere ;  von  der  Zeit,  dazwischen  verfliessen,  ist  es  nicht 
N.  L.,  denn  Georges  bringt  jetzt  Claud.  b.  Gild.  346  tantis  inter- 
lahentibus  annis  bei,  somit  ist  nicht  unlat.:  interlapso  tempore,  für 
interiecto  oder  interposito  tempore  oder  spatio.  Sonst  steht  dafür 
intercedere    und    das   Partiz.   interpositus ;    z.  B.    tridui  mora   inter- 


Interlocutor  —     772     —  Internoctu 

posiia,  nachdem  drei  Tage  dazrvisclien  verflossen  waren  (Caes.  Gall. 
4,  11,  4),  was  mit  intercedere  nicht  so  kurz  ausgedrückt  werden 
kann.     Ygl.  noch  Schulze  Symm.  S.  107. 

Interlocutor  ist  ein  N.  L.  Wort,  mag  es  nun  bedeuten  der  da- 
ziuischen  spiclit,  der  Ziuischenrediier,  für  qui  inferloqnitur^  welches 
Yerbum  indes  von  Terenz  (Heaut.  691)  bis  Sen.  phil.  sich  nicht  findet 
und  überhaupt  sehr  selten  ist  (s.  Lagergren  S.  25  und  136),  oder 
der  Mitsprechende,  für  qui  cum  cdtero  (ceteris)  colloquitur,  sermo- 
cinatitr,  und  im  Plural  qui  inter  se  colloquuntnr,  sermociyiantur  u.  a. 
Gut  ist  interlocutio  =  die  Ziuischenrede  bei  Quintil.  5,  7,  26.  Der 
Plural  steht  bei  Gell.  14,  2,  17. 

hiterludium,  das  Zivischensjnel,  ist  N.  L.  für  emholium,  Indus 
interpositus,  iyiteiiectus. 

Interluniumy  der  Neumond,  kommt  N.  Kl.  nur  beim  altern 
Plinius  und  vorher  P.  L.  bei  Horaz  od.  1,  25,  11,  sowie  Sp.  L.  bei 
Yeget.  vor,  für  nova  Imia,  tempus  inter menstruum.   Ygl.  Novilunium. 

Interminate,  unbestimmt,  ist  N.  L.  bei  Muret.  Aber  das  Adj. 
interminatus  ist  Kl.  bei  Cic.  nat.  deor.  1,  54  immensa  et  interminaia 
magnitiido  und  interminahilis  Sp.  L.,  vgl.  Gölzer  Hieron.  S.  162, 
ebenso  interminus,  vgl.  Schulze  Symm.  S.  115. 

Intermittere  ist  in  der  Bedeutung  aufhören  N.  L.  für  desinere, 
omittere,  desistere;  es  bedeutet  nur  ein  Aufhören  auf  gewisse  Zeit, 
eine  zeitweilige  Unterbrechung  einer  später  fortzusetzenden  Arbeit 
==  aussetzen,  unterbrechen,  z.  B.:  paullisper  intermittere  proelium 
=  aussetzen,  \interhrechen,  ebenso  agriculturam  intermittere  u.  dgl.; 
vgl.  Seyffert-Müller  z.  Lael.  S.  41,  wo  noch  passend  auf  Cic.  fam.  3, 
1,  1  intermissa  nostra  consuetudine  verwiesen  werden  kann.  Bei 
Zeit-  und  Raumbegriffen  ist  intermittere  =  frei  lassen  von  etwas, 
was  lat.  aber  sowohl  intermittere  ab  aliqua  re,  als  intermittere  ad 
aliquid  ist:  7ie  quod  tempus  ab  opere  inter  mitter  etur,  Caes.  Gall.  7, 
24,  2  und  civ.  1,  32,  1  und:  nuUa  pars  noctmmi  temporis  ad  laho- 
rem  intermittitur,  Gall.  5,  40,  5  und  5,  11,  6,  und  so  sind  auch  die 
bekannten  Ausdrücke  j;ar,9  oppidi  intermissa  a  flumine,  Gall.  7,  17, 
1  und  per  intermissa  custodiis  loca,  Liv.  24,  35,  8  aufzufassen.  —  Gut 
ist  weiter  intermittere  mit  dem  Infiyi.  zu  verbinden:  obsides  dare 
intermiserayit,  Caes.  Gall.  4,  31,  1;  ne  quando  intermitterem  considere 
rei  puhlicae,  Cic.  divin.  2,  1  und  fam.  7,  12,  1.  —  Gut  ist  auch  inter- 
missio  alicuius  rei,  z.  B.  litterarum,  epistularum  =  Unterbrechunr/  des 
Briefivechsels,  ersteres  bei  Leo  M.,  dieses  bei  Cic.  fam.  7,  13,  1; 
aber  sine  intermissione  ,^ohne  Unterbrechung''^  ist  Sp.  L.,  z.  B.  bei 
Ennodius  u.  Filastrius;  ebenso  sine  ulla  intermissione  Lact.  1,  563, 
14;  614,  24.  —  Da  intermittere,  unterlassen,  einen  Accus,  oder 
einen  Infin.  fordert,  so  ist  es  N.  L.,  zu  sagen:  intermittere  non  pos- 
sum,  quin  tibi  litteras  mittam,  für  nullum  diem  (tempus)  intermittere 
possum. 

Internoctu,  bei  Naclit,  gebildet  nach  interdiu,  ist  N.  L.  für 
noctUj  welches  so  wie  nocte  den  Gegensatz  von  interdiu  bildet. 


Internus  —     773     —  Interpolare 

Internus.  Dieses  Adjektiv  kommt  sowohl  in  seiner  allgemeinen 
als  besondern  Bedeutung  fast  nur  N.  Kl.  bei  Seneca,  Plin.  mai.  und 
Tacitus,  sowie  Si).  L.  vor,  ist  aber  doch  nicht  ganz  zu  verwerfen. 
Werden  die  inneren  und  äusseren  Teile,  Seiten,  Partien  eines 
(körperlichen)  Ganzen  einander  gegenübergestellt,  so  geschieht  dies 
klass.  durch  interior,  im  Gegensatz  zu  exterior,  z.  B.  terra  interior, 
interiores  partes  corporis,  interior  pars  Africae,  interiora  alicuiits 
terrae.  Bezieht  sich  innerlich  auf  den  Gegensatz  des  durch  sich 
selbst  Erregten  und  Wirkenden  und  des  von  aussenher,  durch 
äussern  Anstoss  Hervorgebrachten,  so  kann  für  innerlich  abermals 
interior  gebraucht  werden,  z.  B.  vgl.  Cic.  Tusc.  1,  54,  wo  im  Gegen- 
satz zu  dem  quod  piilsu  agitatiir  externo  vom  animal  (und  speziell 
vom  animus)  gesagt  wird :  motu  cietur  interiore  et  suo,  oder  es  kann 
in  dieser  Bedeutung  auch  intestinus  gesagt  werden,  wie  bei  Cic. 
aead.  2,  48.  Ist  schlechthin  von  dem  Gegensatz  zwischen  dem  Ide- 
alen und  dem  Ausserlichen,  Materiellen  die  Rede,  so  wird  animus 
und  corpus  anzuwenden  sein;  z.  B.  innere  tmd  äussere  Güter,  bona 
animi,  bona  corporis;  die  innere  Ruhe  =  ayiimi  tranquillitas  u.  dgl.; 
oder  mores  —  forma  bei  Terenz  Heaut.  382.  Bezieht  sich  innerlich 
auf  das,  was  daheim,  im  Yaterlande  (Gegensatz  foris,  externus,  mi- 
litiae)  vorgeht,  so  ist  dies  lat.  intestinus  oder  domesticiis,  z.  B.  maliim 
intesfuuim,  bellum  intestinum  ac  domesticum.  Doch  wird  dafür  nicht 
nur  nachklass.  internus  von  Tacitus  gebraucht,  sondern  interna  mala 
hat  auch  schon  Sali.  bist.  4,  69,  13  M.  Ebenso  steht  intestinus  und 
domesticiis  auch  von  Ereignissen  im  Schoss  einer  Familie,  wie  luctus, 
dolor  intestinus,  domesticus.  Ist  innerlich  =  persönlich  im  Gegen- 
satz zum  Staat,  so  ist  es  bekanntlich  durch  pydvatus  —  oppos.  pu- 
blicus  —  auszudrücken.  Bezeichnet  man  endlich  im  Gegensatz  gegen 
das  Äusserliche,  Oberflächliche,  das  Tiefere,  nicht  jedem  Zugängliche, 
Geheime  u.  dgl.,  so  wird  lat.  dafür  interior  gebraucht,  z.  B.  amicitia 
interior,  litterae  interiores,  consilia  interiora  u.  a.  —  Das  adverbiale 
interius  ist  sehr  selten  und  durchaus  zu  meiden;  vgl.  Rönsch  Ital. 
S.  623,  Köhler  act.  Erl.  I  S.  411,  Wölfflin  Komp.  S.  45,  Westhoff  S.  49. 

Interpellare  heisst  jemanden,  der,  oder  etivas,  ivas  bereits  in 
Vorbereitung,  in  der  Entwicklung  begriffen  ist,  störend  unterbrechen, 
z.  B.  loquentem  interpellare,  victoriam  error  aliquis  vel  fortuna  inter- 
pellavit,  Caes.civ.  3,  73,  5;  sed  haec  tota  res  interpellata  bello  refrixerat, 
Cic.  Att.  1,  19,  4,  vgl.  Vogel  zu  Curt.  6,  2,  5.  —  Interpellare  quominus 
sagt  D.  Brutus  bei  Cic.  fam.  11,  10,  1  und  non  interpellare  quin 
Matius  bei  Cic.  fam.  11,  28,  7,  vgl.  Gebhard  S.  32  und  Schmalz  in 
Comm.  Wölfflin  S.  274.  Livius  dagegen  u.  Val.  Max.  lassen  ne  auf 
interpellare  folgen,  vgl.  Liv.  4,  43,  8;  Yal.  Max.  8,  7,  4;  bei  Cic. 
Verr.  4,  142  bedeutet  interpellare  ut  dazivischen  das  Verlangen 
stellen.  —  In  der  Bedeutung  aufmuntern,  ermunternd  anreden  ist  es 
N.  L.  für  appellare,  compellare,  adhortari  u.  a. 

Interimlare  wird  zunächst  gebraucht  von  dem  Wiederzurichten 
abgetragener  Kleider,  was  neben  dem  Waschen  Sache  des  fullo  war, 


Interpretamen  —     774     —  Interpretatio 

vgl.  Cic.  Q.  fr.  2,  10  (12),  3  quomimis  togam  praetextam  qiiokmnis 
interpolet.  Daraus  entwickelte  sich  die  Bedeutung  des  künstlichen 
lind  dabei  hetrilgerischen  Aiisstaffierens.  So  wird  von  schriftlichen 
Fälschungen  interpolare  absolut  schon  von  Cic.  Yerr.  1,  158  und  mit 
dem  Accus,  spätlat.  gebraucht:  interpolare  scripturas  divinas,  prio- 
rem  textum  litterarum,  veritatem,  daher  auch  veritatis  interpolator 
Lucifer  26,  13;  284,  4  H.,  sowie  veri  interpolatr ix  Vaneg.  10,  225, 
10;  vgl.  noch  Ambros.  de  fide  5,  16,  193.  Dafür  kann  man  auch 
sagen:  alienis  verhis,  demendo,  addendo  litteras,  lihrum^  tahidam 
adulterare,  corriunpere,  vitiare. 

Interpretamen,  die  Erklärung,  ist  N.  L.;  interpretamentum  ^ber 
ist  nicht  bloss  Sp.  L.,  sondern  schon  in  der  Bedeutung  Ühersetzung 
von  Tiro,  dem  sprachkundigen  Freigelassenen  Ciceros  gebraucht,  s. 
Gell.  13,  9,  4;    doch   gewöhnUcher  ist  interpretatio,  explanatio  u.a. 

Interpretari  wird  mit  de  aliqua  re  nur  in  der  Bedeutung  etwas 
erklären  gebraucht,  vgl.  Cic.  Att.  16,  16,  A,  7  me  de  tua  liheralitate 
ita  interpretaturum,  was  Boot  erklärt  ,^rne,  quod  attinet  ad  tuam  libe- 
ralitatem,  id  ita  accepturum^^ ;  ebenso  interpretari  aliquid  ex  aliqua 
re  =  den  Begriff  von  eticas  nach  einem  andern  bestimmen,  Cic.  Lael. 
21,  y^\.  dazu  Seyffert- Müller  S.  136.  Aber  N.  L.  ist  aliquid  de 
aliqua  re  interpreiari,  etwas  von  etivas  verstehen,  meinen,  dass  etwas 
davon  zu  versteheii  sei.  Daher  ist  quod  si  de  inimortalitate  animi 
interpretaremur,  ivenn  ivir  dieses  von  der  Unsterblichkeit  der  Seele 
verständen,  verstanden  luissen  tuollten,  zu  tadeln;  richtig  wäre  ad 
animi  immortalitatem  si  sententiam  pertinere  interpretaremur.  Aber 
interpretari  alicui  aliquid,  z.  B.  hoc  nos  interdum  diabolo  interpreta- 
niur  =  zuschreiben,  beilegen  ist  Sp.  L.,  vgl.  Hoppe  Synt.  Tert.  S.  29. 
Vgl.  auch  einiges  unter  Tntellegere,  namentlich  aber  Nägelsbach- 
Müller'-^  im  §  113,  welcher  ausschliesslich  von  interpretari  handelt, 
sowie  Georges  Voll.  S.  38,  wo  interpretari  pj^o  und  interpr.  ut  aus 
Vell.  2,  83,  2  und  2,  80,  2,  sowie  aus  Sulp.  Sev.  chron.  2,  40,  1 
quin  etiam  sgnodum  Nicaenam  pro  se  interpretantes  zitiert  ist.  — 
Man  merke  noch,  dass  interpretatus  auch  bei  Cicero  u.  a.  passive 
Bedeutung  hat,  Cic.  div.  1,  53  u.  118  und  leg.  2,  29;  in  der  Be- 
deutung ilher setzt  steht  es  bei  Lact.  1,  294,  13  quae  male  de  Hebrae- 
icis  interpretatae  sunt;  vgl.  Fabri  zu  Sali.  Jug.  17,  7;  Gölzer  Hieron. 
S.  352;  Neue -Wagener«  HI  S.  49,  Hoppe  Synt.  Tert.  S.  62. 

Interpretatio  wird  in  der  Bedeutung  Übersetzung  von  einigen 
als  unerweislich  bezweifelt,  aber  offenbar  braucht  es  so  selbst  Cicero 
(Balb.  14)  und  Quintilian  (2,  14,  2):  haec  interpretatio  verbi  rhe- 
toricae,  und  überdies  heisst  schon  EI.  interpres,  der  Übersetzer  (Cic. 
opt.  gen.  orat.  14  und  Cic.  fin.  3,  15)  und  interpretari,  übersetzen 
(Cic.  fin.  2,  20  und  Cic.  off.  1,  142),  vgl.  Seyffert-Müller  z.  Lael.  S..108. 
Im  Sp.  L.  z.  B.  bei  Filastr.  kommt  interpretatio  wiederholt  =  Über- 
setzung vor,  z.  B.  142,  1  von  der  Septuaginta.  —  Sehr  Sp.  L.  aber 
und  durchaus  verwerflich  ist  interpretator,  der  Ausleger,  was  sich 
im  N.  L.  findet. 


Interritus  —     775     —  Intimare 

hüeyritus,  unerschrochen,  ist  N.  Kl.,  kommt  aber  schon  bei 
Vell.  2,  70,  2  (vgl.  Georges  Yell.  S.  26),  dann  bei  Quintilian,  Plin. 
epp.  9,  13,  8  und  Paneg.  64,  2,  Seneca  und  Florus  (1,  10,  6),  öfter 
bei  Curtius  (z.  B.  6,  5,  29 ;  3,  6,  9  u.  sonst),  Tac.,  Lact.  (epit.  66, 
5)  vor.     Ygl.  Impavidiis. 

Interrogare.  Ob  man  in  amtlichen  Angelegenheiten  gleich  gut 
sage:  interrogare  aliquem  sententiam  oder  rogare  seyitenticmif  Wir 
glauben,  dass  das  letztere  durchaus  vorzuziehen  ist.  Fürs  erste  ist 
bemerkenswert,  dass  bei  Cicero  nur  rogare  sententiam  oder  rogare 
absolut  gebraucht  v^^ird.  Demselben  Sprachgebrauch  folgen  auch 
Sali.,  Tac.  und  Quintil.  beständig.  Selbst  der  späte  Amm.  hat  nur 
rogare  sententiam,  15,  2,  5,  vgl.  jedoch  Gardthausen  z.  St.  Ebenso 
ist  es  bei  Gell.  3,  18,  6;  7,  3,  6;  14,  7,  9  und  4,  10,  wo  das  ganze 
Kapitel  hindurch  von  dem  ordo  rogandi  sententias  die  Rede  ist. 
Alles  dies  ist  nicht  zufällig,  denn  rogare  oder  rogare  sententiam'  ge- 
hörte zur  Höflichkeit  der  amtlichen  Sprache  gegenüber  dem  suve- 
ränen  impidiis  Romanus.  Die  Phrase  rogare  sententiam  entstand 
ferner  zu  einer  Zeit,  wo  rogare  noch  nicht  so  sehr  die  Konkurrenz 
von  interrogare  fühlte;  später  aber  wurde  rogare  immer  mehr  aus 
dem  Gebiete  des  Fragens  hinausgedrängt  und  interrogare  trat  an 
seine  Stelle.  Wenn  daher  Livius,  dann  Yell.  (vgl.  Georges  Yell. 
S.  48),  Yal.  Max.,  Sen.  phil.,  Plin.  min.  und  Sueton  bald  rogare,  bald 
interrogare  sententiam  sagen,  so  ist  dies  ein  Beweis,  dass  sich  bei 
ihnen  die  feste  Tradition  lockerte  und  sogar  in  der  amtlichen  Phrase 
dem  Zeitgeiste,  der  für  interrogare  war,  nachgegeben  wurde.  Ygl. 
Heerdegen  zu  Reisig-Haase  S.  59,  Hey  Semas.  Stud.  S.  115  Anm.  2.  — 
Interrogare  aliquem  (mit  lege,  legibus)  ist  schon  klass.  =  reum  facere, 
anklagen,  s.  Cic.  dom.  77,  Sali.  Cat.  18,  2;  31,  4  und  Liv.  45,  37, 
3,  aber  mit  dem  Genit.  reijetundarum  ist  es  erst  nachklass. ;  vgl. 
Dräger  zu  Tac.  ann.  13,  14,  6;  ebenso  N.  Kl.  bei  Tac.  ist  die  Weg- 
lassung von  lege  oder  legibus,  vgl.  Fabri  zu  Sali.  Cat.  18,  2. 

Interscenium,   das  Zivisclienspiel,  ist  N.  L.     Ygl.  Interludium. 

Intersecare  von  einem  Flusse,  der  eine  Stadt  durchströmt  oder 
zwei  Orter  teilt  und  trennt,  ist  82^.  L.  für  interfiuere.  Ygl.  Schulze 
Symm.  S.  107. 

Interserere  ist  in  der  Bedeutung  einschiehen,  einschalten  nicht 
unerweislich  für  interponere,  intexere,  sondern  steht  rhet.  Her.  4,  32, 
öfters  Sp.  L.,  z.  B.  Salvian  E  3,  67  interserei^e  in  testamento;  vgl. 
Thielmann  Cornif.  S.  41,  Schulze  Symm.  S.  107. 

Interstitium,  der  Zivischenraum,  ist  Sp.  L.  für  intervallum. 

Intertexere,  ein-  oder  dazivischemveben.  In  der  Bedeutung  ehi- 
mischeyi  ist  es  ohne  Autorität,  und  man  sage  dafür  admiscere,  in- 
texere, interponere.     Ygl.  auch  Immiscere. 

Intestatus  heres;  vgl.  Heres. 

Intimare  ist,  wie  Wölfflin  sagt,  weitaus  das  gebräuchlichste  unter 
den  Yerba  desuperlativa.  Es  kommt  zuerst  bei  Apul.,  dann  bei 
TertulL,  Cypr.,   Arnob.,   Commodian  vor.     Seine  Bedeutung  ist  ,^zu 


Intime  —     776     —  Intrare 

Gemüte  fi'üiren,  zur  Beherzigitnr/  mitteilen^'';  dann  aber  wird  es  ein- 
faches Yerbum  dicendl.  Ausserdem  ist  das  Wort  bei  den  Script, 
bist.  Aug.,  bei  Amm.,  Symm.  und  andern  Sp.  L.  zu  finden.  Ein- 
gehend handelt  hierüber  Wölfflin  Archiv  II  S.  359  f.,  vgl.  dann 
Archiv  III  S.  108 — 116,  wo  sämtliche  Belege  von  intimare  ver- 
zeichnet sind;  vgl.  noch  Bergmüller  Jord.  S.  12,  Eönsch  Ital. 
S.  173,  Coli.  phil.  S'.  68  u.  123;  Archiv  XIII  S.  177. 

Intime,  herzlichst,  innigst,  kommt  zwar  nur  einmal  bei  Cicero 
vor  (Q.  fr.  1,  2,  4):  aliquem  alicui  i)itinie  commendare,  und  einmal 
bei  Nep.  Att.  5,  4  intime  uti  aliquo,  sonst  nur  Sp.  L. ;  doch  ist  es 
nicht  zu  verwerfen  neben  vehementer,  etiam  atqiie  etiam,  familiär 
rissime. 

Intimus.  Es  ist  wahr,  dass  intimus  substantivisch  gebraucht 
wird,  also  schon  für  sich  allein  innigster  Freund  bezeichnet.  Doch 
lässt  es  als  Zusatz  nicht  nur  familiaris  zu,  s.  Cic.  fam.  3,  1,  3,  und 
nicht  bloss  intimi  amicorum  (Tac.  bist.  3,  56),  sondern  auch  intimi 
amici  kann  ganz  richtig  gesagt  werden.  S.  Tac.  ann.  4,  29  und  16, 
17,  ibid.  c.  34  und  bist.  1,  71;  2,  63.  Einmal  hat  es  auch  Cicero, 
Mur.  45:  Eiusmodi  de  candidcito  rumore  amici  intimi  dehilitantur ; 
ebenso  steht  intima  amicitia  bei  Nep.  Alcib.  5,  3,  intima  familiaritas 
hat  Plin.  epp.  2,  13,  10.  —  Im  N.  L.  findet  sich  davon  ein  Kom- 
parat.,  intimior,  für  amicior,  familiarior  nach  Analogie  von  proximior 
bei  Sen.  ep.  108,  16. 

Intitidare,  hetiteln,  z.  B.  librum,  ist  Sj).  L.  bei  Ruf.  inv.  in  Hier. 
1,  8,  für  inscribere;  über  inscriptus  est,  das  Buch  ist  hetitelt. 

Intra,  innerhalb,  bei  Zeitangaben ;  vgl.  Liter. 

Intrare  =  in  etiuas  hineingehen,  wird  bei  Cicero  im  eigentlichen 
Sinne  mit  Acc.  und  in  c.  accus.,  im  bildlichen  nur  mit  in  und  dem 
Accus,  konstruiert,  vgl.  nat.  deor.  2, 11  pomoerium  intrare,  Q.  fr.  1,  1, 15 
in  familiär itatem,  Tusc.  1,  57  animus  antecpiani  in  corpus  intravisset. 
Wenn  Cic.  acad.  2,  122  schrieb  qiiae  penetrare  in  caeliim,  terram 
intrare  possit,  so  ist,  wie  Schüssler  Progr.  1881  S.  11  richtig  sagt, 
die  Präpos.  vor  terram  behufs  engeren  Zusammenschlusses  mit  dem 
korrespondierenden  in  caelum  ausgelassen  und  hieraus  zu  ergänzen. 
Für  den  Sprachgebrauch  anderer  Autoren  merke  man,  dass  Plaut, 
es  nur  Men.  416  intrare  intra  Ihnen  hat;  im  eigentlichen  Sinne,  wie 
dies  bei  Cicero  überwiegend  der  Fall  ist,  wird  es  sonst  gewöhnlich 
mit  dem  blossen  Accus,  verbunden;  vgl.  Caes.  civ.  3,  38,  3,  b.  Afr.  80, 
1,  b.  Alex.  15,  3,  Hirt.  b.  Gall.  8,  16,  2;  8,  32,  1;  Sali.  Jug.  110,  8; 
Nep.  Chabr.  4,  2,  Ages.  7,  4,  Dion.  9,  4,  Dat.  2,  1;  Liv.  1,  29,  2;  2, 
12,  5;  2,  20,  13;  3,  51,  10;  9,  36,  1;  10,  36,  8;  22,  42,  5;  26,  15, 
7;  34,  26,  9;  ebenso  Val.  Max.:  limen,  Larissam,  urbem,  curiam 
intrare,  s.  2,  2,  1 ;  4,  5,  5 ;  2,  8,  1  und  7,  3  ext.  7 ;  Vell. :  intrare 
Ärmeniam,  Germaniam,  nrbem,  Gallias,  moenia,  s.  2,  37,  2;  2,  105, 
1;  2,  59,  6;  2,  39,  1  und  2,  22,  1;  ebenso  Just.  18,  7,  10;  25,  2,  4; 
38,  7,  3;  43,  5,  6  und  32,  3,  14;  desgleichen  Suet.,  s.  Tib.  17;  30 
u.  70  und  Yesp.  7  und  bei  Tac.  ann.  2,  5;  11,  32  und  16,  25.    Diesen 


Intrepidus  —     777     —  Intricare 

Anführungen  gegenüber  befinden  sich  die  Stelleu,  an  denen  Intrare 
mit  in  im  eigentlichen  Sinne  vorkommt,  in  der  entschiedensten 
Minderzahl ;  so  sagt  beispielsweise  Curtius  iyi  tahernamdum,  in  urhem 
intrare  3,  12,  10  und  4,  2,  17,  während  er  intrare  im  eigentlichen 
Sinne  etliche  und  zwanzigmal  mit  dem  blossen  Accus,  verbindet.  Bei 
Caesar  liest  man  intrare  intra  xrraesidia  nur  einmal  Gall.  7,  8,  1.  Erst 
beim  altern  Plinius  findet  sich  der  Gebrauch  von  in  öfter:  in  flumen^ 
in  pontum,  in  aedem  intrare^  s.  nat.  32,  10;  9,  50;  10,  79  und  einmal 
bei  Seneca:  in  eum  intravirnits  nmndum  .  .  epp.  91,  15  und  bei 
Florus  2,  9,  13,  vgl.  Bieligk  S.  20.  Dem  Sprachgebrauche  Ciceros, 
in  übertragener  Bedeutung  in  c.  acc.  zu  setzen,  schliesst  sich  auch 
Quint.  an,  vgl.  niliil  intrare  potest  in  affedus,  9,  4,  10;  ebenso  Sen. 
phil.  in  id  (pectus)  nidlins  rei  timor  aiidehit  intrare,  Sen.  Helv.  13, 
2.  Doch  Livius  sagt  —  mit  Wahrung  der  sinnlichen  Vorstellung 
— :  donms,  quam  nee  honor  nee  gratia  intrare  p)osset,  Liv.  6,  34,  9. 
Bei  intrare  wird  endlich  nach  der  Analogie  von  inceclere  im  N.  Kl. 
Latein  der  blosse  Accu^,  von  den  Wünschen,  Begierden  und  Em- 
pfindimgen  gebraucht,  tuelche  in  das  Herz  eindringen:  pavidos  .  .  . 
intrat  metus,  Tac.  ann.  1,  39  und  43:  qiios  piidor  et  gloria  intrat, 
und:  intravit  animnm  militaris  gloriae  cupido,  Agric.  5  und  so  auch 
bei  Curtius:  id)i  intravit  animos  pavor,  4,  16,  17.  —  Diese  Menge 
geht  nicht  ins  Haus,  d.  h.  ist  für  das  Hans  zu  gross  (wo  also  gelten 
bildlich  gebraucht  ist),  heisst:  hanc  copiam  domus  non  cajjit,  N.  L. 
domum  non  intrat.     Ygl.  Cic.  Catil.  2,  10  agr.  2,  22. 

Intrepidus.  Dieses  Adjektiv  kommt  so  wenig  als  sein  Adverb 
intrepide  in  Kl.  Prosa  vor.  Man  findet  es  wohl  zuerst  bei  dem  als 
Neuerer  bekannten  Dichter  Ovid,  von  ihm  scheint  es  Livius  über- 
nommen zu  haben,  vgl.  30,  33,  14;  44,  6,  6,  und  für  intrepide  23, 
33,  6;  nach  Livius  erhielt  es  sich  im  N.  Kl.  Latein  und  ist  bei 
Sen.  phil.  geradezu  Lieblingswort  geworden.  Auch  das  8p.  L.  fand 
Gefallen  an  dem  Worte,  vgl.  venit  ad  eum  nova  nupta  secura  et 
intrepida,  Apul.  de  mag.  76;  quamvis  fortis  et  intrepidus,  metam.  4, 
18;  inter  ciistodientium  militum  manus  et  gladios  nudos  intrejnda, 
ibid.  7,  6;  respondebit  intrejndus  ac  paratus,  Lact.  1,  201,  4;  adven- 
tum  Gallorum  intrepidus  audivit,  lust.  24,  4,  8;  aus  Georges  ist 
nicht  zu  ersehen,  dass  intrepidus  auch  vorkommt  bei  Plin.  nat. 
praef.  6,  Cels.  7  praef.,  Colum.  6,  29^  1.  Schliesslich  will  ich  darauf 
hinweisen,  dass  sich  wohl  trepidus  seit  Verg.  und  Liv.  öfters  mit 
Gen.  findet,  z.  B.  rerum,  nie  aber  intrepidus.  —  Für  das  Adv. 
intrepide  vgl.  man  ausser  Liv.  23,  33,  6  Sen.  epp.  18,  13,  Plin.  nat. 
15,  136,  Gell.  9,  11,  6,  Apul.  de  deo  Socrat.  Prol.  p.  init.,  Sen.  Herc. 
für.  417. 

Intricare,  venvickeln,  und  intricatus,  veriuickelt,  veriuirrt,  sind 
Wörter  aus  der  Sprache  des  Volkes,  hergeleitet  von  tricae,  vgl. 
Lorenz  zu  Plaut.  Most.  S.  48  Anm.  42.  Sie  finden  sich  vorzugsweise 
im  A.  L.,  doch  sagt  auch  Cic.  fat.  fr.  1,  S.  270  ed.  C.  F.  W.  Müller 
Chrysippus  intricatur  hoc  modo.     Man  meide  das  Wort  so  gut  wie 


Intrinsecus  —     778     —  Introducere 

extricare,  worüber  ich  Progr.  Mannheim  1881  S.  42  gehandelt,  und 
setze  dafür  contortiDi,  confusus,  imi)eclitus,  involutus,  perdifflcilis, 
lieriüexus.     Im  N.  L.  findet  es  sich  oft,  z.  B.  locus  intricatus. 

Intrinsecus,  innerlich,  ist  ein  seltenes,  der  Kl.  Sprache,  Sallust, 
Livius,  Tacitus  fremdes  Adverb,  das  sich  nur  bei  Cato,  Yarro,  b. 
Afr.,  Columella,  Celsus,  Sueton  und  Sp.  L.  bei  Lact.,  Justin,  Orosius 
u.  a.  findet,  aber  intrinsecus,  a,  um,  als  Adj.,  z.  B.  venae  intrinsecae 
wird  von  Rönsch  Ital.  S.  229  aus  Veg.  mul.  3,  10  zitiert,  woraus 
folgt,  dass  es  als  Adj.  nicht  N.  L.  für  intesthius,  clomesticus  ist. 
Aber  N.  L.  ist  das  Adv.  intrinsece,  von  innen,  für  intrinsecus  oder 
das  gewöhnliche  intus.  S.  Brolen  S.  38,  Leipold  S.  40,  Bergmüller 
Jord.  S.  14. 

Intro  findet  sich  selten  bei  Cicero,  z.  B.  Verr.  1,  86;  es  ist  ein 
Wort  der  Umgangssprache,  vgl.  Hellmuth  act.  Erl.  I  S.  116.  Litro  in 
der  Bedeutung  darin,  in  einem  Orte  und  inttts  in  der  Bedeutung  hinein 
erklärte  schon  Lucilius  (1215  Marx)  und  nach  ihm  Quintilian(l,  5,  50) 
für  fehlerhaft,  wie  denn  diese  Wörter  im  Yolkslatein  verwechselt 
wurden ;  intro  bedeutet  vielmehr  hinein  und  intus  darin.  Quintilian 
sagt:  Intro  et  intus  sunt  loci  adverbia;  eo  (ich  gehe)  tamen  intus 
et  iyitro  sinn  soloecismi  sunt.  Dennoch  kommen  diese  Soloecismen 
bei  Alten,  jedoch  nirgends  bei  Cicero,  Caesar,  Sallust,  Livius  vor; 
die  Volkssprache  schied  nicht  scharf  zwischen  intro  und  intus,  daher 
ging  denn  auch  die  Vertauschung  in  die  Schriftsprache  über.  So 
sagt  Celsus  oft  intus  dare,  Cato  r.  r.  157,  15  si  ijolypus  in  naso  intro 
erit;  vgl.  Thielmann  dare  S.  109,  Rönsch  Ital.  S.  342,  Ebrard  S.  596, 
Werth  S.363.  Man  sage  nur:  eo  intro,  sum intus;  venit  inttv,  sedet intus. 

Introducere  bedeutet  eigentlich  in  einen  Ort  hineinfüliren,  hin- 
einbringen,  und  wird,  wenn  es  nicht  absolut  steht,  bei  einem  Orte 
mit  in  c.  accus.,  bei  einer  Person  mit  cul  aliquem  konstruiert  (letz- 
teres kommt  aber  bei  Cicero  und  Caesar  nicht  vor,  sondern  erst  bei 
Curt.);  die  Konstruktion  mit  dem  Dat.  ist  Si).  L.;  vgl.  Aur.  Yict. 
epit.  4,  5  acßta  Ckmdia  Romae  introducta  und  Hieron.  ep.  133,  3 
ecclesiae  introducere,  vgl.  Gölzer  Hieron.  S.  314.  Bildlich  steht  meistens 
dafür  inducere;  z.  B.  Homer  führt  den  Jupiter  Magend  ein,  stellt  ihn 
klagend  vor  Cic.  divin.  2,  25,  auch  Cael.  35  bei  Clark;  doch  vgl. 
Yal.  Max.  7,  2,  ext.  7.  So  heisst  auch  einführen  in  der  Bedeutung 
zuerst  anordnen  nicht  nur  instituere  oder  inducere,  sondern  auch  in- 
troducere. S.  Cic.  Yerr.  3,  189,  fam.  16,  21,  3,  Phil.  11,  19,  Caes. 
civ.  1,  7,  2,  Liv.  4,  16,  4,  Yal.  Max.  2,  6,  5;  9,  5,  1,  Sen.  controv.  1, 
5,  8,  Lact.  1,  22,  19.  Ebenso  =  behaupten,  anführen,  s.  Cic.  fat.  23, 
nat.  deor.  1,  20,  off.  3,  12,  Sen.  controv.  1,  7,  17,  Quintil.  4,  2,  19.  Über 
die  Übersetzungsweise  unseres  Waren  einfüliroi  vgl.  Inducere.  — 
Bezüglich  der  Phrase  in  ein  Amt  einsetzen  möchte  von  einem  Geist- 
lichen wohl  das  beste  Wort  inaugurare  sein,  da  dies  die  Alten  von 
Augurn  brauchen,  die  von  einem  altern  Augur  nach  ihrer  Wahl 
eingeiveiht,  d.  h.  eingesetzt  wurden.  Ygl.  Cic.  Brut.  1,  1  c^  inaugura- 
tum  ab  eodem,  und  von  ebendemselben  ins  Amt  eingeführt. 


Introductio  —     779     —  Intrudere 

Inirodudio  kommt  klass.  nur  einmal,  und  zwar  bei  Cicero,  mit 
dem  Genitiv  midiennn  atque  adulescenhdorum,  Cic.  Attic.  1,  16,  5, 
verbunden  vor  in  der  eigentlichen  Bedeutung  das  Hereinführen;  vgl. 
Boot  z.  St.  und  Sen.  ep.  97,  4,  wo  Ciceros  Worte  zitiert  sind,  dann 
8p.  L.,  z.  B.  Ennod.  244,  18  H.  Übertragen  kommt  es  Sp.  L.  in 
der  Yulg.  und  bei  Tert.  vor.  —  N.  L.  ist  es  daher,  die  Emleitung 
in  eine  Schrift  oder  in  ein  Buch  introductio  zu  nennen,  statt  prooe- 
mium  oder  iirincipium,  wenn  darunter  der  einleitende  Anfang  ver- 
standen wird,  oder  das  fremde  prolegomena,  wenn  sie  mehr  enthält, 
ein  einzelnes  Ganze  für  sich  bildet  und  den  Schriftsteller,  seine 
Schriften  oder  sonstiges  den  Gegenstand  der  Schrift  Betreffendes  er- 
läutert. Was  wir  Einleitung  nennen,  muss  oft  anders  ausgedrückt 
werden,  nur  nicht  mit  introductio. 

Introire  wird  bei  Personen  mit  ad  (nicht  bei  Cicero  und  Caesar, 
aber  bei  Sali.  Cat.  28,  1),  bei  sächlichen  Wörtern  regelmässig  mit 
i)i  verbunden;  so  schon  bei  Plaut.,  vgl.  Langen  Beitr.  S.  299.  Doch 
nicht  bloss  N.  KL,  sondern  auch  schon  bei  Plaut.  Men.  662  und  Cic. 
Phil.  2,  68  steht  domum  introire,  während  Plaut.  Mil.  1168  intro  ire 
hl  alienam  domum  u.  Cic.  Attic.  16,  11,  1  in  domum  introire  sagt; 
vgl.  noch  Cic.  de  or.  1,  181  in  senatum,  Att.  7,  7,  3  i?i  urhem,  fam. 
16,  9,  2  in  ojJindum  introire,  Nep.  Ale.  7,  4  in  Thraciam,  aber  Dion. 
5,  3  Syracusas  introire.  Im  N.  Kl.  Latein,  z.  B.  bei  Sueton,  steht 
vielleicht  nach  dem  Vorgänge  des  Sali.,  der  bist.  4,  10  ita  castra 
sine  volnere  introitmn  sagt,  nur  introire  aliquid;  aber  Sp.  L.  finden 
wir  wieder  introire  in,  z.  B.  bei  Filastr.  120,  6.  Ygl.  Köhler  act. 
Erl.  I  S.  440,  wo  jedoch  Cato  agr.  157  zu  streichen  ist,  vgl.  oben 
s.  V.  Intro,  dann  Lupus  S.  53,  Bagge  S.  31.  —  Das  Substantiv  in- 
troitus  =  der  Einzug,  wird  nur  mit  in  cum  accus,  verbunden:  in- 
troitiis  in  urhem,  Cic.  dom.  75;  ist  introitus  =  Eingang,  Zugang, 
Öffnung,  so  nimmt  es  den  Genitiv  des  betreffenden  Subst.  zu  sich, 
wie  introitus  portus,  der  Eingang  in  den  Hafen,  s.  Caes.  civ.  3,  39,  2, 
Cic.  Yerr.  5,  80;  ebenso  sagt  man  N.  Kl.  bei  Plin.  min.  und  Suet. 
übertragen  z.  B.  introitus  sacerdotii,  vgl.  Bagge  S.  31,  Lagergren 
S.  60  und  Burg  S.  53.  —  Introitus,  Eingang,  vom  Anfange  eines 
Buches,  einer  Rede,  ist  selten  und  steht  bei  Cicero  nur  Cael.  3 
introitus  defensionis  und  Att.  1,  18,  2  primus,  ut  opinor,  introitus 
fuit  in  causam  fahidae  Clodianae,  vgl.  Boot.  z.  St.;  man  brauche 
aber  lieber  principium,  exordium  (Cic.  de  or.  2,  315),  prooemium 
und  ingressio. 

Introspicere,  Imieinselien ;  —  in  etwas  gleich  gut  i7i  aliquid  und 
bloss  cdiquid,  z.  B.  casas  (Cic.  divin.  2,  105)  oder:  in  omnes  rei 
publicae  partes,  Cic.  Font.  43,  und  mit  blossem  Accus.  Sulla  76,  und 
domum  introspicere  alicuius,  Cic.  har.  resp.  33. 

Intrudere,  hineindrängen,  hineinstossen,  ist  jetzt  ohne  alle  Au- 
torität, seitdem  in  der  einzigen  Stelle  Cic.  (Caec.  13),  wo  es  stand, 
aus  Handschriften  intro  dahat  für  intrudeljat  aufgenommen  ist;  vgl. 
C.  F.  W.  Müller    z.  St.  und    Thielmann    dare,  S.  102,  sowie   Klotz 


Intueri  —     780     —  Intuitus 

Stilist.  S.  176.  —  Im  N.  L.  findet  es  sich  oft,  zumal  wenn  von  un- 
berechtigtem Einschwärzen  und  Einsetzen  von  Wörtern  in  den  Text 
die  Rede  ist,  wie  z.  B.  einer  schrieb :  Uli  eiusmodi  opiniones  in  — 
Aristotelis  sententias  intriiserunt. 

Intiieri.  In  eigentlicher  Bedeutung  steht  es  regelmässig  mit 
dem  blossen  Accus,  wie:  lasciviam  pisciiim  intueri,  Pacuv.  bei  Cic. 
div.  1,  24;  terram  intueri,  Cic.  Catil.  3,  13;  me  omnes  intueri, 
Cic.  ac.  2,  63;  deficientem  soleni  intueri,  Tusc.  1,  73;  intueri  aliquid 
oculis,  fam.  5,  17,  4;  07XL  omnium  atque  oculos  intueri,  Mil.  42; 
verum  amicuni  qui  intuetur  tamquam  exemplar  aliqiwd  intuetur  sui, 
Lael.  23.  Wenn  intueri  trop.  steht:  etiuas  geistig  anschauen,  he- 
trachten,  hewiindernd  anschauen,  lerücksichtigen,  heachten,  wiederholt 
und  sorgfältig  betrachten,  so  steht  es  bei  Cicero  mit  dem  blossen 
Accus.;  der  Accus,  mit  in  findet  sich  nur  in  der  Bedeutung  „^e/2 
Blick  richten  auf-^  und  dies  namentlich  beim  Partiz.  von  intueri, 
z.  B.  in  snmmos  homines  intuens,  Cic.  de  orat.  1,  6;  in  te  intuens, 
Brüte,  doleo,  Brut.  331;  tu  in  tua  intuens  te  continehis,  Tusc. 
2,  31;  intueri  in  cdiciuod  maius  maluni,  ibid.  3,  28  und  ebenso 
Tim.  34.  Hingegen  mit  dem  blossen  Accus.:  Sidpicius  dicitur  ita 
dicere  consuesse,  ut  tota  mente  Crassum  atque  omni  animo  intueretur, 
de  orat.  2,  89;  omnes  voluntatem  eorum  qui  audiunt  intuentur,  orat. 
24;  splendoreni  et  speciem  huius  vitae  intueri,  fam.  1,  9,  17; 
mens  sese  ipsa  intuetur,  Tusc.  1,  73;  intentis  oculis  omnes  rei  puhlicae 
partes  intueri,  agr.  2,  77;  cum  ea,  quae  praeterierunt,  acri  animo 
et  attento  intuemiir,  tum  .  .  fin.  1,  57;  quos  ego  tum  alios  animo 
intuehar?  Plane.  101;  rerum  natu7xmi  studiose  intueri,  Tusc.  5, 
9;  intuemmi  paidlisper  animis  iuventutem,  dom.  18,  47  u.  a. 
Vgl.  Schüssler  Progr.  1881,  S.  11.  Livius  hat  intueri  in  der  Regel 
ohne  Präpos.  angewendet,  so  dass  in  hostiam  intueri  nur  40,  13,  4 
steht,  imd  Liv.  3,  69,  3  nicht  sicher  ist.  Im  metaphorischen  Sinne 
wird  in  auch  von  Plin.  pan.  55,  8  weggelassen:  ac  mihi  intuenti 
sapientiam  tuam  minus  mirum  videtur.  Bei  Quintiiian  erscheint  in- 
tueri eigentlich  und  trop.  genommen  immer  mit  dem  blossen  Accus, 
verbunden:  vultum  praeceptoris  intueri,  2,  2,  11  und  tectum  intueri, 

2,  11,  4;   und  so   auch   trop.  rationem,  personam  intueri,  3,  6,  83; 

3,  8,  35  und  §  38  und  4,  1,  46.  —  Die  Form  intuor  war  in  Kl. 
Zeit  bereits  veraltet;  vgl.  Nipp. -Lupus  zu  Nep.  Chabr.  3,  3  und 
Neue-Wagener^  III  S.  278,  sowie  Rönsch  Ital.  S.  284;  passives  hi- 
tiieri  steht  wohl  nur  Amm.  23,  5,  13,  vgl.  Neue- Wagener ^  III  S.  96. 

Intuitus  ist  ein  Sp.  L.  Wort  (bei  Yarro  1.  lat.  7,  7  hat  man 
0.  Müllers  Konj.  ganz  aufgegeben)  in  verschiedener  Bedeutung, 
z.  B.  Anhlick,  Sehkraft  (so  bei  Salvian);  besonders  beliebt  bei  den 
scr.  h.  Aug.  in  der  Phrase  intuitu  alicuius  rei,  z.  B.  rehellionis,  Treb. 
Poll.  trig.  tyr.  5,  2;  dies  intuitu  c.  gen.  ist  =:  causa  bei  Eugipp.  22, 
15;  vgl.  auch  Ennod.  494,  23  H.,  Paucker  lat.  bist.  Aug.  S.  102, 
Schulze  Symm.  S.  17,  Rönsch  Coli.  phil.  S.  37  u.  125.  Man  meide 
es.     Geradezu  falsch  ist  imo  intuitu,  mit  eitlem  Blicke,  für  uno  ad- 


Intus  —     781     —  Invaletudo 

sjoechi  (Cic.  Sest.  1);  iwimo  intuitu,  für  immo  adspedu  (Cic.  Att.  7, 
3,  1).  Fonere  siib  uno  adspectu  (Q.  Cic.  petit.  cons.  1);  nihil  iwimo 
adspedu  contemptius  (Liv.  35,  11,  7). 

Intus,  hinein;  vgl.  Intro. 

Intutus,  unsicher  in  dem  Sinne  von  iinzuve?iüssig,  steht  nur  bei 
Plin.  mai.,  Tac.  u.  Amm.  für  7ion  tutus,  aber  in  der  Bedeutung  un- 
geschützt, nicht  vertuahrt  bei  Tacitus,  Livius  und  schon  bei  Sallust 
hist.  1,  77,  17  M,  gleich  no7i  tutus,  non  custoditus;  vgl.  Schulze  Symm. 
S.  115,  Wölfflin  im  Archiv  1  S.  96,  lY  S.  330. 

Inumhrare,  'beschatten,  ist  nicht  nur  P.  und  Sp.  L.  für  opacare, 
sondern  auch  N.  Kl  bei  Curt.  3,  4,  9,  Quintil.  12,  10,  60,  Plin. 
nat.  19,  24,  Plin.  epp.  5,  6,  20  und  8,  17,  3.  Ebenso  = 
Dunkelheit  machen,  dunkeln  bei  Tac.  hist.  3,  19:  inumhrante  iiespera; 
in  der  trop.  Bedeutung  verdunkeln  steht  es  N.  Kl.  beim  Jüngern 
Plinius  für  ohscurare,  s.  paneg.  19,  1,  vgl.  Lagergren  S.  122. 

hivadere,  in  welcher  Bedeutung  es  sei,  verband  Cicero  (bei 
Caesar  steht  es  nur  ohne  Objekt)  nur  mit  in  und  dem  Accus.,  z.  B. 
in  urheni,  in  hostes,  in  Collum  u.  a.,  nicht  ohne  in,  v^ie  andere  vor 
ihm  und  die  meisten  nach  ihm,  z.  B.  tirhem,  hostes.  Nur  einmal, 
fam.  16,  12,  2  mirus  invaserat  fitror  non  soliim  improhis,  sed  etiam 
iis,  (IUI  boni  habentur  steht  bei  unpersönlichem  Subjekt  das  persön- 
liche Objekt  im  Dativ.      Darnach   ist   Kottmann  zu  berichtigen,  der 

5.  19  lehrt:  Cicero  huic  verbo  dativum  solet  apponere.  Hirtius 
braucht  es  b.  Gall.  8,  27,  5  schon  ohne  in  —  invadunt  agmen,  ebenso 
Sallust,  auch  Jug.  32,  4,  vgl.  Wirz  z.  St.;  Liv.  hat  invadere  in  an 
zwei  Stellen:  2,47,6  u.  27,  42,  6  (denn  28,29,3  ist  invculere  in 
=  penetrare  ^n);  Novak  ist  Stud.  Liv.  1894  S.  65  geneigt,  beide 
Stellen  als  verderbt  anzusehen  u.  für  Liv.  nur  invadere  mit  Acc. 
gelten  zu  lassen.  Seit  Liv.  überwiegt  die  Konstruktion  mit  Acc. 
ohne  in;  sogar  der  Ciceronianer  Lact,  hat  nur  invadere  c.  acc.  und 
Filastrius  sagt  121,  9  doctrinam  ah  cdiis  raptam  atque  invasam 
habetis.  Ygl.  Riemann  etudes  S.  263,  Seck  II  S.  17  (Justin  24 
Acc.  ohne,  1  Acc.  mit  in)^  Bieligk  S.  18,  M.  Müller  zu  Liv.  2,  47, 

6.  —  Invadere  pugnam,  proelium  ist  nachklass.  und  poet.,  Vogel  zu 
Curt.  7,  6,  2  ^=  kühn  in  den  Kampf  gehen. 

hwaleyitia,  das  Unvermögen,  ist  Sp.  L.  bei  Gell.,  Apul.  für  im- 
becillitas,  infirmitas  u.  a. ;  vgl.  Archiv  IV  S.  403. 

Invcdetudo  oder  invalitudo,  was  viele,  selbst  Manutius  und 
Muret,  unbedenklich  in  der  Bedeutung  UnpcisslicJikeit,  Kränldicli- 
keit,  Krankheit  brauchen,  hat  z.  Zt.  nur  Sjy.  L.  Autorität,  PI.  Val. 
1,  14  (dazu  Thom.  thes.  S.  600,  1),  Rönsch  Ital.  S.  222  zitiert  noch 
Tert.  Valent.  21,  Jud.  13.  Bei  (Cicero,  wo  es  früher  Lael.  8,  Cato 
35,  Att.  7,  2,  2  und  7,  5,  1  stand,  wird  invaletudo  von  den  neuern 
Kritikern  durchaus  verworfen;  ob  dies  in  den  epp.  ad  Att.  nicht 
zu  voreilig  war,  fragt  mit  Recht  Wölfflin  Archiv  IV  S.  404;  hier 
lässt  es  sich  als  Wort  der  Volkssprache  wohl  verteidigen.  Vgl. 
Stinner  S.  17,  Anm.  3,  Boot  z.  Cic.  Att.  7,  2,  2,  Seyffert-Müller  zu 


Invalidus  —     782     —  Invenire 

Lael.  S.  36,  Klotz  Stilist.  S.  178,  Hagen  zu  Reisig-llaase  S.  402 
Anm.  304.  —  Da  valehido  allgemein  GesundheitsumsUinde  bedeutet, 
so  ergibt  oft  entweder  der  Zusammenhang  die  Beschaffenheit  der- 
selben, ob  an  Gesiindheit  oder  Krankheit  zu  denken  sei,  wie  servire 
vcdetudiniy  curare  valetudinem,  s.  Cic.  Q.  fr.  1,  1,  46,  fam.  14,  10, 
oder  Beiwörter  wie  adversa,  infirma,  sowie«  infirmitas  valehidinis, 
oder  Prädikate  wie  ierret,  angit,  perturhat  me  valetudo  tiia.  Ygl. 
Plin.  epp.  1,  22,  1;  7,  1,  1. 

Invalidus^  unvermögend,  schwach,  ist  erst  seit  Livius  im  Ge- 
brauche, aber  gut  neben  imhecillus  und  infirmiis;  in  der  Bedeutung 
ungültig  aber  ist  es  N.  L.  für  irritus. 

Invariahilis,  unveränderlich,  ist  N.  L.  für  immiäahilis. 

Invasio,  der  Einfall,  Anfall,  Angriffe  ist  sehr  Sj).  L.  z.  B. 
bei  Symm.  ep.  10,  28,  1  Seeck  (von  Schulze  merkwürdigerweise 
übersehen)  für  incursio,  aggressio  u.  a.,  vgl.  Klotz  Stil.  S.  174; 
ebenso  ist  Sp.  L.  invasor,  der  Angreifer,  für  qui  invadit  u.  a. 
Hand  (Lehrb.  S.  142)  nimmt  es  in  Schutz  durch  die  Analogie 
s2uisor;  dergleichen  Analogien  täuschen  aber  oft;  vgl.  Rönsch  Ital. 
S.  61. 

Invectivus,  losfahrend,  schmähend,  ist  Sp.  L.  und  zwar  von 
Reden  und  Büchern,  wie  denn  Amm.  21,  10,  7  von  einer  oratio 
acris  et  invectiva  spricht  und  die  Reden  gegen  Catilina  von  den 
spätem  Grammatikern  invectivae  genannt  werden.  Man  brauche 
dafür  gravis,  ardens,  contumeliosiis,  adversarius,  acer,  acerhior,  vehe- 
mens,  atrox,  furiosus,  aculeatus,  minax,  iwohrosiis,  wonach  auch  ein 
Schmiüigedicht  Carmen  prohrosum  heisst  (Tac.  ann.  4,  31). 

Invehere  oder  invehi  wird  in  der  Kl.  Sprache  in  eigentlicher 
Bedeutung  ein-  oder  hineinführen,  ein-  oder  hineinfaliren  verbunden 
in  aliqiiem  locum  und  (aber  dies  nur  bei  Städtenamen)  cdiquem  lociim 
ohne  in  und  (bei  Livius,  Lucan,  Curtius,  Sueton,  Paneg.)  auch  mit 
dem  Dativ.  S.  Kühnast  S.  137,  Obermeier  S.  38,  Sander  II  S.  8, 
Fabri  zu  Liv.  23,  47,  8;  bei  Cicero  steht  nur  der  Dativ  der  Person 
bei  der  aktiven  Form  des  Zeitwortes,  z.  B.  Tusc.  3,  26,  quae  (mala) 
tibi  casus  invexerat;  vgl.  Schüssler  Progr.  1881,  S.  20.  Jedoch 
findet  man  bei  invehi  (nicht  invehere)  in  der  Bedeutung  losziehen, 
anfahren^  schelten  nur  in  aliquem  (in  aliqidd);  vgl.  Cic.  Lael.  57; 
Sest.  14;  de  erat.  3,  2  und  sonst.  Das  Werkzeug,  mittels  dessen 
das  invehere  oder  invehi  geschieht,  steht  im  Abi.,  z.  B.  curru.  — 
N.  L.  aber  ist  invehere  oder  invehi  in  mare,  in  altum,  für  evehi 
oder  classem  evehere  in  altum,  wiewohl  richtig  ist  invehi  in  ijortum, 
in  ostium  portus  u.  a. 

Invenire  beschränkt  sich  meistens  auf  die  Bedeutung  finden, 
erfinden,  wogegen  unser  finden  vieldeutiger  ist.  Man  hüte  sich  vor 
allem,  se  invenire,  sich  finden,  in  der  Bedeutung  sein  zu  brauchen, 
für  inveniri;  aber  =  sich  zurecht  finden  ist  se  invenire  gebräuchlich, 
vgl.  Petron  47  nee  medici  se  inveniunt,  vgl.  Heraus  Progr.  Offenbach 
1899  S.  38.    —   D.  L.  ist   auch  wohl  receptum  invenire,  Aufnahme 


Inventio  —     783     —  Inventio 

finden,  für  receiJÜim  habere  (Caes.  Gall.  6,  9,  2);  Sj).  L.  als  wörtliche 
Übertragung  des  griech.  idpiv  eopelv  findet  sich  Yulgata  Luc.  1,  30 
gratiam  mvenire  apud  aliquem,  Gnade  hei  jemanden  findest,  für  inire 
gratiam  ah  aliqiio  oder  (bei  Liv.)  aj)ud  (ad)  aliqiiem,  alicuius  gratiam 
conciliare;  neulat.  ist  wohl  necesse,  necessarium,  oj)us  aliquid  invenire, 
etivas  nötig  finden,  für  o])us  esse  a^^hitrari;  quietem  invenire  in  aliqiio, 
in  aliqiia  re,  Ruhe  in  etivas  finden,  für  acquiescere,  conquiescere  in 
aliqiia  re\  Ebenso  sind  Germanismen  fidem,  ']^lausum,  assensionem 
invenire,  s.  Seyff.  Progymn.  63,  44,  auch  veniam  iyivenire,  denn  bei 
Justin  12,  8,  6  lesen  Jeep  und  Rühl  accepisset,  ebenso  anxiliimi 
invenire  für  auxilium  sihi  adiitngere  bei  Cic.  S.  Rose.  116,  solacium 
invenire  für  tiH,  D.  Brut,  bei  Cic.  fam.  11,  26,  oder  reportare  Yerr. 
5,  128.  Richtig  aber  ist  gloriam,  laudem  invenire,  s.  darüber  lust. 
3,  7,  10,  Ter.  Andr.  66,  Sali.  Jug.  70,  2  und  94,  6,  Halm  zu  Cic. 
Pomp.  40  und  gloriam  armis  hellt  repperi,  Ter.  Heaut.  112,  ferner  vitit- 
perationem  invenire  bei  rhet.  Her.  4,  48  dum  eam  vitatis  vituperationem, 
qnae  longe  a  vohis  erat  afiUura,  eam  ijivenistis  ut .  .,  ebenso  nomen, 
cognomen  invenire  in  der  Bedeutung  den  Namen  erhalten,  was  bei 
Cicero  oft  vorkommt,  z.  B.  fin.  1,  23,  Tusc.  4,  49,  wiewohl  auch 
nomen  reperire  ebenso  gebraucht  wird,  z.  B.  divin.  1,  16  Äristolochia 
nomeyi  ex  inventore  reperit.  Es  ist  selbstverständlich,  dass  yiomen 
invenire  und  yiomen  reperire  sich  nach  der  Grundbedeutung  beider 
Yerba  unterscheiden.  Dieselbe  ist  vortrefflich  von  Klotz  Stil.  S.  12  f. 
entwickelt.  Aber  derselbe  Klotz  macht  1.  1.  und  S.  197  auch  darauf 
aufmerksam,  dass  Cicero  oft  aus  stilistischen  Gründen  mit  inveyiire 
und  reperire  wechselt  und  dass  wir  deshalb  im  Gebrauche  beider 
Wörter  nicht  allzu  ängstlich  sein  sollen.  Man  sehe  z.  B.  Cic.  Tusc. 
1,  113  von  Cleobis  und  Biton  adidescentes  mane  inveyitos  esse  mor- 
tiios,  und  114  von  denselben  mortui  sunt  reperti,  und  Cic.  Tusc.  3, 
23  ut  medici  causa  mortis  inventa  curationem  esse  iyiveyitam  putant, 
sie  nos  causa  aegritudinis  reperta  medendi  facidtatem  reperiemus. 
Ahnlich  verhält  es  sich  mit  iyiveniimtur  qui  ^^hieten  sich  ungesucht 
fZar"  und  reperiuntur  qui  ^^ivenyi  mayi  daryiach  umschaut''^,  die  im 
Gebrauche  sich  kaum  scharf  scheiden.  Ygl.  Tegge  S.  18,  Seyffert- 
MüUer  z.  Lael.  S.  138  u.  303.  —  Beispiele  für  den  Acc.  c.  inf.  nach 
iyivenire  hat  Max  C.  P.  Schmidt  in  N.  Jahrb.  1890  S.  860  zusammen- 
gestellt, auch  aus  Cic.  und  Caes. 

Tnveyitio,  die  Erfindung,  ist  in  der  Regel  nur  subjektiv  die 
Handlung  des  Findens  oder  vielmehr  Auffmdens,  nicht  auch  das 
Gefundene,  Entdeckte,  was  wir  auch  Erfindung  nennen;  dieses  Ob- 
jektive heisst  inventum.  N.  Kl.  bei  Plin.  ep.  1,  20,  13,  Tac.  dial. 
23,  Sp.  L.  bei  Justin  und  Oros.  steht  auch  inventio  für  inventum, 
z.  B.  Oros.  1,  20,  4  Fhalaris  ipsum  opificem  sua  inventioyie  punivit. 
Ygl.  Klotz  Stil.  S.  203.  Also  wäre  hae  sunt  iyiventioyies  Kepleri, 
das  siyid  Erfindungen  Keplers  weniger  gut  für  haec  sunt  inventa 
Kepleri.  —  Mit  iyiveyitum  wird  aber  nicht  nur  ein  Adj.,  sondern 
auch    ein    Adv.   verbunden,    z.  B.  jeyyiandes    gute    Erfindung,    hene 


Inverecuudia  —     784     —  Invicem 

inventa  alicuius  (nach  Cic.  inv.  2,  4  und  Cluent.  84  cßd  alterius 
hene  inventis  ohtemjyeret)  oder  hona^  wie  Quintil.  (5,  12,  19)  sagt: 
oj)thna  inventa. 

Inverecimdia,  die  Unvei^scliämiheit,  ist  sehr  Sp.  L.  für  imjm- 
dentia,  wiewohl  inverecundus  Kl.  von  Cicero  inv.  1,  83  unbedenkUch 
einem  Dichter  nachgebraucht  wird  und  das  Adv.  invereciinde  N.  Kl. 
bei  Seneca  und  Quintilian  vorkommt. 

Inveterare,  medial  inveterari  und  inveterascere^  alt  werden. 
Davon  gebildet  ist  ein  klass.  Adj.,  inveteratitSy  alt,  eingeleht,  fest- 
r/eiuiirzelt ;  man  sagt  aber  nicht  impersonal  inveteratiim  est  mit 
folgendem  iit,  es  ist  verjährt,  ist  alte  Geicohnlieit,  dass  — ,  sondern 
iyiveteravit,  ut  — .  S.  Cic.  off.  2,  57.  N.  Kl.  ist  transitives  inveterare, 
z.  B.  Curt.  10,  3,  13,  vgl.  Kräh  S.  7,  Sp.  L.  ist  inveterare  =  aholere, 
auch  bei  Lact.,  vgl.  Gölzer  Hier.  S.  276. 

Invicem,  ahwecliselnd,  tcech sein: eise,  kommt  nirgends  bei  Cicero 
vor,  welcher  nur  vicissim  braucht;  mit  Recht  hat  daher  Hoppe 
Progr.  Gumbinnen  1875  S.  5  das  Fragm.  2  Cic.  fat.  dem  Cicero  ab- 
gesprochen und  C.  F.  W.  Müller  sagt:  Ve7'ha  ipsa  Ciceronis  non  esse 
apparet;  vgl.  auch  Teipel  in  Z.  f.  G.  W.  XV  8.  533  f.,  und  Seyffert- 
Müller  z.  Lael.  S.  188.  Aber  bei  Caesar  (Gall.  4,  1,  5;  7,  85,  5)  und 
Hirtius  (Gall.  8,  6,  4)  findet  es  sich,  jedoch  ausschhesslich  um  die 
Ablösung,  Abwechslung  zu  bezeichnen,  z.  B.  Caes.  Gall.  7,  85,  5  de- 
fatigatis  in  viceni  integri  succednnt.  Erst  mit  Livius  nimmt  invicem 
teil  an  der  reziproken  Bedeutung,  welche  im  Kl.  Latein  ausschliess- 
lich von  inter  se  vertreten  wurde;  aber  Livius  lässt  dies  selbst  nur 
eingeschränkt  zu,  z.  B.  bei  Substantiven,  z.  B.  6,  24,  7  adhortatio  invi- 
cem totam  alacri  clamore  pervasit  aciem  oder  in  Verbindung  mit  inter 
se,  z.  B.  9,  43,  17  copiae  invicem  inter  se  gratantes.  Aber  schon  die 
nächsten  Vertreter  des  silb.  Latein  lassen  diese  Scheu  fallen,  und  so 
sagt  bereits  Plin.  ep.  7,  20,  7  id  invicem  ardentins  diligamus;  von 
da  ab  kann  man  invicem  zum  Ausdruck  des  reziproken  Verhältnisses 
allenthalben  finden  bis  zu  den  scr.  h.  Aug.  herab,  bei  welchen  aber 
nach  Cotta  S.  6  in  gleicher  Bedeutung  das  Kl.  vicissim  wieder  auf- 
tritt. Mit  Tacitus  und  Plinius  min.  wird  dann  invicem  wieder  durch 
se  erweitert,  z.  B.  Plin.  ep.  3,  7,  15  cum  invicem  se  miituis  exlior- 
tationihus  amici  ad  amorem  immortalitatis  exacuunt.  Jetzt  waren 
auch  Phrasen  möglich,  wie  invicem  se  impugnare,  t7ncidare,  occidere, 
wie  man  sie  bei  Eutrop  1,  10,  lust.  11,  9,  13,  Chalcid.  in  Tim, 
S.  220  b  ed.  Mull,  liest.  Näheres  hierüber  siehe  bei  Nägelsb.-Müller^ 
S.  382  f.,  Riemann  etudes  S.  240  f.,  Ott  in  Neue  Jahrb.  1874  S.  863, 
Gölzer  Hieron.  S.  412,  meine  Stilist.^  §  16,  Hoppe  1.  1.  S.  5,  Ober- 
meier S.  14  f.,  ganz  besonders  aber  Thielmann  im  Archiv  VII 
S.  362  fP.  Falsch  ist  sihi  invicem  communicare,  sich  einander  mit- 
teilen für  inter  se  commnnicare.  Vgl.  noch  Vicissim  und  Hand 
Tursell.  III.  —  Sehr  Sp.  L.  sind  die  unnötigen  Zusammen- 
setzungen cd)  und  ad  sowie  in  invicem;  z.  B.  Hieron.  ep.  43,  2 
mo7\lentes  invicem,  consnmimnr  ah  invicem  u.  id.  mirari  ad  invicem 


Invidentia  —     785     —  Invidere 

u.  ä.;  vgl.  Rönsch  Ital.  S.  231,  Gölzer  Hieron.  S.  412  f.,  Bergmüller 
Jord.  S.  14;  ebenso  ctimd  invicem  Claud.  Mam.  98,  25  E. 

hwidenüa;  vgl.  Invidia. 

Invidere.  Jemanden  beneiden,  gegen  etwas  Neid  empfinden,  steht 
Kl.  wie  bekannt  mit  dem  Dativ  der  Person  oder  Sache,  wie  invidere 
parihus,  inferioribus,  non  solum  vivis,  sed  etiam  mortuis,  Cic.  de  orat. 
2,  209  und  acad.  2,  7,  ebenso  virtuti,  laiidi  invidere,  Cic.  Balb.  15, 
de  orat.  2,  208,  Liv.  5,  27,  12.  Einen  um  ettuas  beneiden  heisst 
invidere  alicui  rei  alicuius;  z.  B.:  invidetiir  commodis  liominum 
ipsorum,  Cic.  de  orat.  2,  207;  alteriiis  vh^tuti  invidere,  Philipp.  10, 
1;  mdliiis  eqiädem  invideo  honori,  Liv.  38,  47,  5.  Ist  die  Person, 
welche  man  um  etwas  beneidet,  durch  ein  Pron.  iiers.  ausgedrückt: 
man  beneidet  mich,  dich,  ihn,  ims,  euch,  sie,  so  werden  lat.  für  die 
Proyi.  pers.  der  ersten  und  zweiten  Person  die  entsprechenden  Pron. 
p)oss.  verwendet:  unum  illud  audeo  .  .  scribere  .  .  vehemeyiter  quos- 
dam  homines  invidisse  dignitaii  titae  =  haben  dich  beneidet  um  etc., 
Cic.  fam.  1,  7,  2;  qiii  honori  inviderunt  meo,  Cic.  agr.  2,  103;  si 
virtuti  vestrae  fortuna  inviderit.  Sali.  Cat.  58,  21;  invident  honori 
meo:  ergo  hivideant  labori,  innocentiae,  pericidis  etiam  meis,  Jug. 
85,  18.  Es  steht  wohl  ausser  Zweifel,  dass  invidere  ursprüng- 
lich geradeso  wie  videre  den  Acc.  regierte;  dies  geht  aus  der  von 
Cic.  Tusc.  3,  20  zitierten  Stelle  des  Accius:  quisnam  florem  liberum 
invidit  meum  und  den  nachfolgenden  Worten  des  Cicero:  ut  enim 
videre,  sie  invidere  florem  rectitis  quam  flori  hervor.  Die  Bedeutung 
von  invidere  als  eines  Yerb.  nocendi  aber  verschaffte  diesem  Yerbum 
zunächst  den  Dativ,  welchem  dann  von  den  Dichtern  Yerg.,  Hör., 
Ovid  wieder  der  ursprüngliche  Accus,  angefügt  wurde,  und  so 
entstand  die  Konstruktion  invidere  alicui  aliquid.  Der  Kl.  Prosa 
ist  diese  durchaus  fremd;  allein  bei  Liv.  44,  30,  4  fama  fuit 
Honuni  Dardanorum  p^nncipfis  filiam  Etutam  pacto  fratri  eum  in- 
vidisse scheint  sie  sich  erstmals  in  Prosa  zu  finden;  dann  zeigt  sie 
sich  bei  Yal.  Max.  4,  3,  ext.  1,  Curt.  9,  4,  21,  Plin.  nat.  15,  8; 
liomini  misero  non  invideo  medicinam,  Petr.  sat.  129;  detestans  eos, 
qui  hanc  sibi  voluptatem  inviderent,  Ael.  Spart,  v.  Hadr.  20,  1; 
Tert.  pud.  9  invidentes  nationihis  salutem,  ib.  8,  Lact.  1,  438,  22 
eam  (sapientiam)  nobis  invident.  Gesichert  ist  nunmehr  auch  Nep. 
Thras.  4,  2,  denn  an  der  schon  bei  Acc.  sich  findenden  Redensart 
(vgl.  Langen  Beitr.  S.  255)  quod  multi  invideant  wird  jetzt  niemand 
mehr  Anstoss  nehmen,  da  selbst  Cicero  ep.  9,  16,  5  quid  mihi  nunc 
invideri  potest  und  Mur.  88  qiiid  invidendum  Murenae  sit,  non  video 
sagt  und  ähnliche  Wendungen  mit  pronominalem  Accus,  oder  Nomin. 
oft  gelesen  werden.  —  Endlich  sagt  man  auch  noch  invidere  alicui 
aliqua  re;  zuerst  findet  sich  dies  wohl  bei  Liv.  2,  40,  11  7ion 
inviderunt  laude  siui  midierihts  viri  Pomani;  dies  wird  in  der 
nachklass.  Prosa  sehr  häufig,  s.  darüber  vor  allem  die  Erklärung 
von  Quintil.  9,  3,  1  und  die  Bemerkung  von  Nipperdey  zu  Tac. 
ann.  1,  22;  vgl.  noch  folgende  Stellen  aus  Seneca:  nee  invidebo  vobis 

Kreba-Schmalz,  Antibarbarus  I.  50 


invidia  —     786     —  Invidiosus 

hac  arte,  n.  qu.  4,  Praef.  §  7  und:  xit  tihi  raüonem  redclam,  qua 
nulli  mortalmm  invideo,  de  v.  beata  24,  5.  Es  ist  ferner  zu  be- 
achten, dass  bisweilen  auch  invidere  aliciii  in  aliqua  re  vorkommt: 
in  hoc  tibi,  Crasse,  paidwn  invideo,  Cic.  de  orat.  2,  228;  affers 
jmrjnirani  Tyriam,  in  qua  tibi  invideo,  quod  .  .  Fiacc.  70.  —  Das 
Pass.  von  invidere  lässt  sich  ersetzen  durch  invidiae  alicui  siim  oder 
invidiam  habere  ex  aliqua  re,  Cic.  de  orat.  2,  283  oder  in  invidia 
esse;  P.  L.  bei  Hör.  ars  poet.  56  steht  invideor  statt  mihi  invidetiir; 
indes  weist  auch  dies  invideor  auf  das  ursprüngliche  invidere  c.  acc. 
hin.  Das  Partizip  invidendus  kommt  zuerst  bei  Hör.  od.  2,  10,  7, 
3,  1,  45,  dann  auch  bei  Sen.  const.  sap.  13,  3  vor;  dafür  sagt  man 
besser  dir/niis,  cui  hivideatur.  —  Nicht  N.  L.  ist  ob  oder  propter 
aliqiiam  rem  invidere,  denn  Sen.  ira  1,  16,  6  schreibt  nam  si  bono 
viro  ob  mala  facinora  irasci  convenit,  et  ob  secundas  res  malorum 
hominum  invidere  conveniet.  —  Invideo  quod,  für  welches  ich  Pollio^ 
S.  24  nur  Asin.  Poll.  in  Cic.  fam.  10,  31,  6  und  Fronte  S.  5, 
12  N.,  sowie  Cic.  fam.  7,  33,  1  zitieren  konnte,  steht  auch  Cic. 
Flacc.  70  in  qua  tibi  invideo,  quod  unis  vestimentis  tarn  diu  lautus 
es.  —  Näheres  über  invidere  siehe  Anton  Stud.  I  S.  82  f.,  Reiffer- 
scheid  im  Breslauer  Winterlektionskatalog  1885  S.  3,  Nipp.  Excurs 
3  zu  Corn.  Nepos  (wo  viele  Stellen  für  invidere  alicui  aliquid)^ 
Lupus  S.  38,  M.  Müller  zu  Liv.  2,  40,  11,  Obermeier  S.  65,  meine 
Syntax^  §  73,  Anm.  1,  Landgraf  zu  Reisig-Haase  S.  603  f.,  Kj'aut 
S.  16,  Hoppe  Synt.  Tert.  S.  29. 

Invidia.  Zu  beachten  ist,  was  Cic.  (Tusc.  4,  16)  bemerkt, 
invidia  sei  aktiv  und  passiv,  das  Beneiden  und  das  Beneidetiverden, 
der  Neid,  welchen  man  hegt,  und  der  Hass,  in  welchem  man  steht, 
dagegen  sei  invidentia  bloss  der  aktive  Neid,  und  müsse,  wiewohl 
es  ein  verbum  minus  iisitatum  sei,  doch  in  genauer  bestimmter  Rede 
gebraucht  werden.  Vgl.  auch  ib.  3,  20.  —  Mit  Recht  verwirft 
Raschig  (Progr.  S.  27)  als  unerweislich  invidia  temporis  in  allge- 
meinem Sinne:  die  Ungunst  der  Zeit,  ungünstige  Zeit,  was  man  im 
N.  L.  findet,  für  tempus  noyi  oportimum,  non  idoneum,  grave,  alie- 
num,  inimicum,  infestum,  durum,  temporis  atrocitas,  temporis  ijiiuria 
u.  a.  YoUkommen  gut  aber  ist  es  in  der  engeren  Bedeutung,  in 
welcher  es  den  Hass,  die  Anfeindung,  die  TJnpopularität,  die  übele 
Stimmung  gegen,  die  Unzufriedenheit  mit  jemand  ausdrückt,  tvelche 
jemayul  zu  irgend  einer  Zeit  mit  Beeilt  oder  Unrecht  erfährt.  S.  Cic. 
fam.  3,  10,  10,  Rab.  Post.  10  u.  Cluent.  80.  —  Yiele  mit  invidia 
gebildete  Phrasen  hat  Nieländer  I  S.  15;  H  S.  9;  HI  S.  22  zu- 
sammengestellt; klass.  oder  doch  empfehlenswert  sind  invidiae  esse, 
in  invidia  esse,  invidiam  habere,  minore  invidia  esse. 

Invidiosus  ist  Kl.  =  voller  Hass,  Neid  und  Missgunst  sowohl 
im  aktiven  als  im  passiven  Sinne  des  Wortes ;  es  bildet  den  Gegen- 
satz  zu  gratiosus,  vgl.  die  schöne  Darlegung  von  Seyffert-Müller  z. 
Lael.  S.  110.  Da  es  somit  =  cpci  multum  invidiae  habet  bedeutet, 
so   ist   aliquem  invidiosum  facere    =    einen   verhasst  machen  neben 


Invigilare  —     787     —  Invisitatus 

cdiqiiem  in  invidiam  vocare  nicht  unlatein.,  vgl.  Cic.  de  or.  2,  304, 
dann  Sen.  de  tranq.  a.  10,  1 ;  über  die  doppelte  Bedeutung  der  in- 
vidia  sagt  Quintilian :  altera  (die  aktive)  invidiim,  altera  (die  passive) 
invidiosum  facit,  6,  2,  21.  Noch  häufiger  kommt,  aber  nirgends 
bei  Cic.  und  Caesar,  mvisuni  facere  (efficere,  r edder e)  vor.  S.  Liv. 
3,  9,  10;  27,  20,  11;  41,  24,  18  u.  42,  42,  5.  In  diesen  Stellen 
ist  invisus  mit  andern  Prädikaten  verbunden;  es  kommt  aber  auch  für 
sich  allein  vor,  vgl.  Hör.  ep.  1,  15,  4,  Liv.  29,  8,  8,  Val.  Max.  3,  8,  1 
ext.;  4,  7,  4;  5,  3,  3;  Curt.  8,  8,  9;  10,  1,  4  und  Quintil.  3,  7, 
19;  5,  13,  38;  6,  2,  14  und  iiber  invisum  reddere  Liv.  6,  20,  5.  — 
Die  Phrase  invisum  haheo  aliquem  findet  sich  vielleicht  schon  Plaut. 
Rud.700  ne  ^invisasy  haheas  (Scholl;  invisas  ist  Ergänzung  von  Ca.), 
auch  Cic.  sagt  (bei  Sen.  dial.  9,  11,  4)  gladiatores  invisos  hahemiis, 
si  omni  modo  vitam  impetrare  cuinuyit;  es  dient  offenbar  zum  Er- 
sätze für  das  fehlende  Perfekt  „ic7i  liahe  gehasst^'' ,  vgl.  Sen.  contr.  9, 
1  (24),  15,  Curt.  7,  2,  36,  Thielmann  in  Wölfflins  Archiv  II  S.  382. 

hivigilarey  ivadieji^  ist  nicht  nur  P.  L.,  sondern  hat  auch  gute 
pros.  Autorität.  Spät  und  gekünstelt  aber  ist  (s.  Macrob.  sat.  1,  Praef. 
§  2)  die  Redensart  invigilare  stiidiis,  für  operam  dare  stiidiis^  in- 
citmhere  in  (ad)  stiidia,  teneri  studiis,  exercere  stiidia;  aber  gut  ist 
invigilare  =  Sorge  tragen,  luaclien  ilher  etwas,  also  v^äre  invigilare 
saluti  pojnili  bestimmt  nicht  zu  verwerfen.  S.  über  invigilare  ini- 
hlicis  iitilitatihiis  Plin.  pan.  66,  2,  exercendis  invigilahat  metallis 
Paneg.  12,  296,  11,  custodiendis  domihits  invigilantJjSici.  1^  348,  13; 
und  mit  besonderer  Emphase  des  Ausdruckes  sagt  Cicero  von  sich 
selbst :  Memoria  tenent  nie  ex  Kalendis  lamiariis  ad  lianc  horam  in- 
vigilasse  rei  p^Micae,  Phil.  14,  20.  Ygl.  Schulze  Symm.  S.  102, 
Obermeier  S.  39,  Chruzander  S.  37.  Sehr  Sp.  L.  ist  invigilatio, 
wsis  noch  bei  Georges  fehlt,  aber  jetzt  in  Wölfflins  Archiv  III  S.  256 
aus  Formulae  Meroving.  S.  46,  24  nachgewiesen  ist. 

Invincihilis,  iinhesieghar,  ist  sehr  Sp).  L,  für  invictus  (Cic.  fin. 
3,  75),  qiii  Vinci  non  polest.  Ygl.  Zink  II  S.  41  und  Thielmann  in 
Wölfflins  Archiv  I  S.  73. 

Inviolahilis,  unverletzlich,  ist  P.  L.  u.  N.  Kl.  bei  Sen.  und  Tac. 
ann.  3,  62  u.  bist.  2,  61  u.  aS^;.  L.  auch  bei  Lact,  für  sanctus,  sanc- 
tissimiis,  sacrosanctiis,  inviolatus,  qiii  violari  non  potest.  Ebenso 
Sp.  L.  ist  inviolabiliter  für  inviolate;  vgl.  Pönsch  Coli.  phil.  S.  121. 
—  N.  L.  ist  inviolahilitas,  die  TJnveiietzliclikeit,  für  sanctitas. 

Invisihilis,  unsichtbar^  kommt  nur  einmal  N.  Kl.  bei  Celsus 
praef.  S.  3,  27  vor  von  einer  nicht  sichtbaren  Öffnung  (foramen), 
sonst  wird  es  nur  Sp.  L.  von  Gott  gebraucht,  für  qid  cerni  noyi 
potest,  qiii  sub  ocidos  (adspectum)  non  cadit,  non  adspectabilis,  oc- 
cidtus.  —  Nicht  N.  L.  ist  invisibilitas,  das  bei  Claud.  Mam.  44,  14 
E.  und  Tertull.  adv.  Prax.  14  sich  findet. 

Invisitatus,  ungesehen,  wird  jetzt  von  C.  F.  W.  Müller  bei 
Cic.  div.  1,  93  u.  2,  138,  Phil.  11,  2,  Rab.  perd.  13  gelesen,  steht 
somit  als  Kl.  Wort  fest.     Es  wurde  in  den  codd.  oft  mit  inusitatus 


invisor  —     788     —  loculariter 

verwechselt;  vgl.  C.  F.  ^Y.  Müller  zu  Cic.  div.  1,  93,  Marc.  1,  Rab. 
perd.  13;  Clark  zu  Cic.  Phil.  11,  2,  H.  J.  Müller  zu  Seu.  rhet.  S.  372, 
Hertz  zu  Gell.  3,  9,  3;   Is\  KI.  ist  es  häufig  bei  Liv.,  Tac,  Curt.,  Just. 

Invisor^  der  Neider^  ist  Sj).  L.  für  invidus,  qui  invidet,  auch 
invidens,  vgl.  Cic.  Tusc.  4,  16  quae  nihil  noceaut  invidenti  ^,dem 
Neider''^,  und  durch  das  analoge  suasor  nicht  zu  schützen;  vgl.  Rönsch 
Ital.  S.  61  und  oben  zu  invasor. 

Invite,  ungern,  steht  fest  bei  Cic.  de  or.  2,  364  im  Komparativ 
invitius,  der  sich  auch  noch  Sp.  L.  in  der  Phrase  invitius  liahere  = 
ärgerlich  sein  findet,  vgl.  Rönsch  Sem.  III,  44.  Es  ist  wohl  auch  im 
Positiv  invite  cein  Cajniam  bei  Cic.  Att.  8,  3,  4  nicht  zu  beanstanden, 
um  so  weniger  als  der  feine  Ciceronianer  Lambin  es  ohne  Bemerkung 
aufnahm  (C.  F.  W.  Müller  schreibt  mit  Orelli  lente,  vgl.  seine  Anm. 
z.  St.  u.  N.  Jahrb.  1897  S.  849);  die  Glossen  haben  auch  invite 
dxouaicoc..  Aber  bei  Cic.  fam.  3,  10,  3  steht  cum  a  nie  invitissimo 
(Ablat.)  decessisset.  Dass  invito  bei  Cic.  Quinct.  47  extorquendiim  est 
invito  Clique  ingrcitiis  als  Adjektiv  zu  nehmen  ist,  geht  aus  einer 
Vergleichung  mit  Plaut.  Cas.  315  vohis  invitis  atque  amhorum  in- 
gratiis  hervor,  vgl.  Landgraf  S.  Rose.  S.  352.  Für  Plaut,  wird  indes 
ein  Adverb  invito  angenommen  von  Charisius  S.  202,  30  K  (nach 
Julius  Romanus)  neque  eam  invito  a  me  umc[i(am  ahduces  (Scholl  fr. 
II,  35);  die  Richtigkeit  der  IJberlieferung  wurde  jedoch  vielfach  be- 
zweifelt. Man  meide  invite  und  invito  und  halte  sich  an  invitus, 
z.  B.  invitus  revertor,  Yell.  2,  102,  5. 

Involatus,  der  Flug,  beruht  nur  auf  Cic.  fam.  6,  6,  7;  sicher 
ist,  dass  in  den  Büchern  Ciceros  de  divinatione  von  den  Yögeln  nur 
volatus  und  volare  vorkommt,  und  auch  anderwärts  nicht  involatus. 
Aber  die  neuesten  edd.  haben  die  Lesart  des  Med.  beibehalten;  das 
Wort  involatus  ist  also  als  klass.  anzuerkennen. 

Involuntarius,  unfreiivillig ,  unwillig,  ungern,  ist  SiJ.  L.  und 
selten  für  non  voluntarius,  invitus;  vgl.  Rönsch  Ital.  S.  229. 

Involvere  wird  meistens  verbunden  cdufuid  aliqua  re,  etwas  in 
etivas  einJiüllen,  nicht  in  aliqua  re  oder  in  aliquid,  z.  B.  tenehris,  in 
Dunkelheit;  vestimentis,  nuhihus  — ,  nicht  in  tenehris.  —  Es  wird 
zwar  bildlich  gebraucht,  aber  N.  L.  ist  es  in  der  Bedeutung  in  sich 
scMiessen,  enthcdten,  ohne  den  Begriff  des  Verwickelten,  für  inesse 
in  aliciuci  re,  contineri  aliqua  re  u.  a.  —  Man  sage  nicht:  hoc  ver- 
bum  tautologiam  involvit  für:  in  hoc  verbo  inest  tautologia;  nicht: 
haec  verba  hunc  sensum  (hanc  sententiam)  involvunt  —  und  was 
man  der  Art  mehr  im  N.  L.  findet. 

Invulgare,  hekannt  machen,  hat  der  Fälscher  Bosius  bei  Cicero 
Att.  2,  1,  3  einschmuggeln  w^ollen,  vgl.  Boot  z.  St.;  es  ist  aber  für 
Cicero  entschieden  zu  verwerfen,  denn  es  findet  sich  nur  Sj).  L.  für 
vulgare. 

loculariter,  scherzhaft,  auf  lustige  Art,  kommt  N.  Kl.  beim 
altern  Plinius  und  Sueton  vor,  für  iocose,  per  iocum;  iocularis  aber 
ist  Kl,  vgl.  Cic.  leg.  1,  53,  fat.  15. 


locus  —     789     —  Ipse 

lociis^  der  Scherz,  hat  bei  Cicero  im  Plural  nur  ioca,  s.  Neue- 
Wagener^  I  S.  812,  daher  bei  ihm  auch  in  Verbindung  mit  seria : 
qiiicum  ioca  seria,  iit  dicitiir,  Cic.  fin.  2,  85  und  ebenso  bei  Sali. 
Jug.  96,  2:  ioca  atqiie  seria  cum  humillimis  agere.  Doch  Livius  hat 
den  schon  von  Cato  58,  13  J.  gebrauchten  Plural  iocl  wieder  auf- 
genommen und  braucht  ihn  sowohl  für  sich  allein  (5,  49,  7),  als  in 
Verbindung  niit  seria:  seria  ac  iocos  celebrare,  1,  4,  9,  und  so  dann 
auch  N.  KL:  cum  hoc  seria,  cum  hoc  iocos  miscui,  Plin.  epp.  2,  13, 
5;  cimi  ijley^qite  per  seria,  ijer  iocos  eundem  animum  laudihiis  fer- 
rent,  Tac.  ann.  2,  13.  Das  Asyndeton  seria  ioca  steht  nur  bei  Cic. 
fin.  2,  85,  die  übrigen  Verbindungsweisen  der  beiden  Wörter  be- 
spricht Preuss  S.  35.  —  Im  Scherze  sagen  ist  per  iocum  dicere  nach 
Cic.  fam.  4,  4,  1,  aber  ja  nicht  in  ioco  dicere,  wohl  aber  ioco  dicere 
bei  Plaut.  Poen.  572  (luod  dixi  ioco  und  bei  ihm  öfter  ioculo,  wie 
Stich.  23  und  ioco  dicere  auch  Front,  ad  Marc.  Caes.  1,  3  (aber  Naber 
liest  iocose)  und:  ut  ne  ioco  quidem  mentiretiir,  Nep.  Epam.  3,  1; 
ebenso  einem  im  Scherz  oder  Ernst  etiuas  vorhalten  =  ioco  seriove 
aliquid  cdicui  exprohrare,  Liv.  7,  41,  3;  neqite  qiiicqiiam  ioco  seriove 
egerit,  Suet.  Nero  25  u.  Octav.  53;  ioco  an  seyio  ille  haec  dicat  nescio, 
Ter.  Heaut.  541;  unser  Scherz  hei  Seite  ist  extra  iocum,  remoto  ioco 
bei  Cic.  (fam.  7,  16,  2  und  7,  11),  omissis  iocis  bei  Plin.  min.,  und 
selbst  sine  ioco  ist  nicht  ohne  Autorität,  s.  Front,  ad  Ver.  imper.  1, 
2,  S.  116  N.;  einem  etwas  im  Scherz  androhen  endlich  kann  auch 
heissen:  cdiquid  cdicui  inter  iocum  minari,  Suet.  Caes.  4. 

Ipse  kann  nicht  für  unser  selbst  gesetzt  werden,  wenn  es  stei- 
gernden Sinn  hat,  z.  B.  und  er  ivird  es  selbst  d.  h.  sogar  luimschen, 
etiam  cupiet ;  selbst  ein  einziger  Tag  luird  mir  nittzeyi,  vel  unus  dies 
mihi  erit  utilis  (Cic.  Att.  12,  50).  —  Vel  wird  auch  gesetzt,  wenn 
selbst  bei  einem  Superlativ  steht,  z.  B.  selbst  die  fehlerhaftesten  Red- 
ner, vel  vitiosissimi  oratores;  edles,  selbst  das  grösste  (kleinste),  om- 
nia  (vel)  maxima  (minima).  Indes  bezweifelt  Wölfflin  Komp.  S.  40 
wohl  mit  Recht,  oi)  vel  beim  Superlativ  mit  ,^sogar''^  übersetzt  wer- 
den darf;  vel  besagt,  dass  der  Sprechende  bei  seiner  Behauptung 
gern  verharre,  wenn  der  Angeredete  oder  ein  Dritter  keine  Einsprache 
erhebe;  dem  entspreche  unser  ,^tuohV^  oder  ,^vielleicht^^ .  Vel  kann 
übrigens  auch  zum  Komp.  treten,  z.  B.  Cic.  de  or.  1,  79  ingenium 
vel  niaiiis,  wo  ^^vielleicht''^  den  Gedanken  am  besten  trifft,  ebenso  zu 
Positiven  mit  der  Bedeutung  eines  Superlativs,  z.  B.  vel  praecijmus ; 
vgl.  noch  Landgraf  zu  S.  Rose.  §  6  und  Reisig-Haase  S.  183  Anm. 
403  e  u.  423  e.  —  Falsch  ist  ferner  ipse  in  negativen  Sätzen,  wo 
selbst  nicht  oft  so  viel  ist  als  nicht  einmal,  z.  B.  er  kennt  selbst  diese 
nicht,  iste  ne  hos  quidem  novit.  —  Über  den  Kasus  von  ipse  in  Ver- 
bindung mit  einem  andern  Pronomen  gleicher  Person,  z.  B.  ipse  me 
consolor  oder  ipsum  me  consolor  wurde  vielfach  gehandelt.  Als  Pro- 
nomen des  Gegensatzes  tritt  ipse  in  den  Kasus,  in  welchem  der 
Gegensatz  liegt,  also  ipse  me  consolor,  non  alius,  ferner  ipsum  me 
consolor,   non  alium.     Aber   es  lässt  sich  nicht  verkennen,  dass  die 


Ipsemet  —     790     —  Ipsemet 

Kl.  Latinität  eine  besondere  Vorliebe  für  den  Nominativ  ipse  in 
solchen  Verbindungen  hat.  Indes  hat  Lebreton  S.  146  f.  nachgewiesen, 
dass  se  ijysiim  doch  häufiger  ist  als  se  ipse,  ja  dass  es  sich  fast 
immer  findet,  wo  das  Pron.  pers.  die  Doppelform,  z.  B.  sese  oder  die 
Verstärkung  mit  met  hat.  Näheres  hierüber  siehe  bei  Näg.-Müller^ 
S.  390  ff.,  Seyffert-Müller  z.  Lael.  S.  448;  die  Literatur  siehe  ebenda, 
sowie  in  Anm.  370  zu  Reisig-Haase.  —  Ille  ipse  wird  angewendet, 
wenn  der  Nachdruck  auf  das  bereits  BeMnnte  und  Erwälinie  ge- 
legt, ipse  ille  „ut  aut  tanquam  praecipuus  aliquis  nominetur  et  de 
quo  maxime  agatur  aut  per  se  aliquid  fecisse  significetur",  Madvig 
opusc.  I  S.  130  und  131.  —  Unser  seihst  auch  wird  von  Cicero  nie 
durch  et  ipse,  sondern,  wenn  er  nicht  item  anwendet,  durch  ipse 
allein  oder  durch  ipse  qitoqiie,  mit  Steigerung  durch  ipse  etiam, 
negativ  ne  ipse  qiddem  ausgedrückt,  vgl.  Näg.-Müller^  S.  393,  Land- 
graf zu  Reisig -Haase  Anm.  419,  zu  Cic.  S.  Rose.  §  48.  Hingegen 
bei  Livius,  den  spätem  Historikern  und  den  Dichtern  ist  et  ipse 
ganz  gewöhnlich.  —  Was  die  Verbindung  des  Possessivs  mit  ipjse  an- 
belangt, so  steht  ipse  im  Nominativ,  wenn  die  Person  des  Subjekts 
mit  der  des  Possessivs  ein  und  dieselbe  ist,  z.  B.  Tac.  bist.  3,  16 
siiomet  ipsi  nietu  conflictahantur ;  wo  dies  nicht  der  Fall  ist,  tritt 
ipse  in  den  Genitiv,  z.  B.  Cic.  fam.  6,  16  contentiis  ero  nostra  ipso- 
mm  amicitia.  Die  silberne  Latinität,  z.  B.  Vell.  und  Val.  Max.  be- 
gnügen sich  mit  ipse  aUein  und  meiden  dessen  Zusammenstellung 
mit  dem  Pronomen  poss.  Vgl.  meine  Stilist.^  §  17.  —  Warnen 
will  ich  noch  vor  der  trotz  Kühnasts  Mahnung  S.  116  immer  noch 
nicht  verschwundenen  Irrlehre,  dass  ipse  in  or.  obl.  zm*  Vermeidung 
der  Zweideutigkeit  als  Bezeichnung  des  Hauptsubjekts  diene.  Aus 
Caes.  Call.  1,  40,  4  cur  de  siia  virtiite  aut  de  ipsius  diligentia  despe- 
rarent  geht  hervor,  dass  ipse  in  Bezug  auf  das  Hauptsubjekt  eben 
auch  den  Gegensatz  markiert,  somit  seine  eigentliche  Bedeutung  als 
Pronomen  der  Hervorhebung  und  des  Gegensatzes  auch  hier  zeigt. 
Erst  seit  Curtius  schwächt  sich  ipse  ab  und  wird  schliesslich  =  is 
und  ille,  vgl.  Lönnergren  S.  10,  Archiv  XI  S.  389,  VII  S.  580,  XII 
S.  364,  meine  Stilist.^  §  15,  5.  —  Die  Wortstellung  ipso  ah  spiritu 
bei  Cic.  nat.  deor.  2,  138  ist  selten,  einige  Beispiele  hat  Kunze  Sali. 
III,  2  S.  43  zusammengestellt;  tritt  jedoch  noch  ein  Pronomen  zu 
ilisCy  z.  B.  hoc  ipso  ex  loco  Cic.  Pomp.  42,  isto  ipso  injjenere  fam. 
7,  27,  2,  so  findet  sich  die  Voranstellung  häufiger.  —  Über  ipsissi- 
mus  vgl.  dieses  Wort.  —  Klass.  sind:  nunc  ipsimi,  seihst  jetzt,  und 
tum  ipsum,  seihst  damals;  vgl.  Cic.  Att.  7,  3,  2  u.  de  or.  1,  123. 

Ipsemet,  er  seihst,  ist  im  N.  L.  häufiger  als  bei  den  Alten.  Es 
findet  sich  nur:  ipsemet  profugiam,  Sen.  epp.  117,  21,  doch  vgl. 
Hense  z.  St.;  bei  Plaut.  (Amphitr.  prol.  102):  ipsemet  abiit  und  bei 
Cic.  (Verr.  3,  3):  ipsimet  nohis ;  Jul.  Val.  3,  4,  vgl.  Neue-Wagener^ 
II  S.  410.  Bei  Filastrius  10,  2  hat  Marx  ipsum  et  für  ipsum  met 
hergestellt  —  so  lasen  die  editt. ;  ob  mit  Recht,  scheint  mir  fraglich. 
Bei  Cicero  und  allen  übrigen  Schriftstellern  wird  met  sonst  nie  dem 


Ipsemet  —     791     —  Ipsemet 

ijjse  angehängt,  und  wenn  'qise  in  Verbindung  mit  einem  andern 
persönlichen  Pronomen  steht,  so  wird  met  im  Gegenteil  diesem  an- 
dern Pronomen,  gleichviel  ob  es  mit  ijjse  in  gleichem  oder  in  einem 
andern  Kasus  zusammengestellt  sei,  beigelügt,  z.  B.  egontet  ipse,  mi- 
himet  ipse,  meinet  ipse,  nosniet  ipsi,  nohismet  ipsi,  mihiniet  ipd,  no- 
hismet  ipsis;  ebenso  bei  tu  mit  Ausnahme  von  turnet,  dafür  tute  oder 
tutemet;  auch  der  Genit.  Plur.  nimmt  met  nicht  an,  so  wenig  als 
dasselbe  zu  einem  Pron.  demonstrat.  gesetzt  werden  kann;  das  von 
Diomedes  I  S.  332,  11  K.,  vgl.  Neue -Wagener^  II,  429,  erwähnte 
illemet  lässt  sich  nicht  belegen.  Wohl  aber  hängt  sich  met  an  die 
Pron.  poss.  an,  freilich  nicht  bei  Cic,  Caes.,  Nep.,  Curt.,  Quint.,  PI  in. 
min.,  auch  nicht  gleich  gerne  an  alle  Pron.  poss.  So  ist  z.  B.,  und 
zwar  zur  Verstärkung,  entsprechend  itnserm  deutschen  eigen,  die  An- 
hängung von  met  an  mens  selten,  wie  meamet  culpa,  Plaut.  Poen. 
446  und:  ciuin  tu  me  meismet  factis  revincis,  Apul.  de  mag.  79  und 
meamet  facta  mild  dicere  licet,  Sali.  Jug.  85,  24;  für  tuusmet  aber 
ist  uns  bis  jetzt  bloss  die  Autorität  von  Apulejus  bekannt:  nescisti, 
te  tuomet  testimonio  convictum  iri,  de  mag.  S.  75  (Bip.)  und:  qiä 
pudorem  tuum  tuismet  litteris  conatus  est  pidtlice  dedecorare,  ibid. 
S.  105.  Hingegen  wird  met  sehr  häufig  an  suus  angehängt:  suamet 
unius  opera,  lust.  38,  7,  9,  vgl.  Seck  I  S.  16;  quem  Deus  suamet 
ipsum  .  .  lege  prosequitur,  Lact.  epit.  65,  8;  öfter  bei  Tacitus:  suas- 
met  ipse  spes  anteire  parat,  ann.  3,  66;  suismet  vitiis  perire,  hist.  2, 
7;  ne  suismet  ipsi  caedihus  saevirent,  hist.  2,  44  und:  umhra  honoris 
et  suamet  vanitate  monstratus,  3,  73;  Gallias  suismet  viribus  conci- 
disse,  4,  17;  suismet  coriis  coopertos  trucidabant,  5,  22;  zweimal 
auch  beim  altern  Plinius:  suamet  vi,  10,  163  u.  17,  122;  einigemale 
auch  bei  Sallust:  suamet  ipse  scelera  occidtare,  Cat.  23,  2;  suamet 
ipsum  pecunia  praecipitem  casur um,  Jug.  8,  2;  suom,et  ipsi  more  prae- 
cipites  eunt,  31,  6;  ad  rem  puhlicam  sühnet  sanguinis  mercede  circum- 
veniundam,  hist.  1,  55,  25  M.  und  magna  pars  suismet  aut  pro- 
xumorum  telis  ohtruncahantur,  ibid.  4,  67  M.  Sehr  häufig  lesen 
wir  su'usmet  bei  Livius,  z.  B.  intra  suamet  ipsum  (hostem)  moenia 
compidere,  Liv.  6,  36,  4;  suamet  ipsae  fraude  omnes  interlerunt,  8, 
18,  9;  suismet  ipsorum  viribus,  10,  16,  4;  a  suismet  ipsi  praesidiis 
indigna  .  .  .  patiebantur,  8,  25,  6;  classem  .  .  .  impeditam  siiomet 
ipsam  .  .  instrumento  .  .  oppressit,  22,  14,  13;  suomet  ipsi  tumultu 
turbati,  22,  19,  11;  suamet  ipse  fraude  captus,  27,  28,  13  und  suo- 
met ipsi  agmine  in  arto  haerentes,  34,  15,  8.  —  Wenn  ip)se  und 
ein  durch  met  verstärktes  Pronomen  zusammentreten,  so  liebt  es 
Cicero,  ip)se  und  das  mit  met  behaftete  Pron.  pers.  im  gleichen 
Kasus  erscheinen  zu  lassen;  aber  ausschliesslich  ist  diese  Fügung 
doch  keineswegs.  Es  kommt  dabei  lediglich  darauf  an,  ob  Cicero 
einen  Gegensatz  gegen  ein  anderes  Subjekt  markieren  wollte.  Tut 
er  dies,  so  erscheint  auch  bei  ihm  ijjse  in  einem  andern  Kasus  als 
das  damit  verbundene  Pron.  pers.,  s.  darüber  folgende  Stellen :  quam 
personam  casus  aliqiii  aut  temjms  imponit-  quarta  etiam  adiungitur, 


Ipsissimus  —     792     —  Irasci 

quam  nobismet  i2)si  iudicio  nostro  accommodamusy  off.  1,  115,  wo, 
wie  in  die  Augen  springt,  der  Gegensatz  zu  casus  und  tempiis  den 
Nominat.  i2)si  notwendig  gemacht  hat.  Ebenso  ist  es  nat.  deor. 
3,  47:  omnia  qiiae  nohismet  ijysi  fingere  ijossumus,  weil  durch 
iljsi  hier  wieder  der  Gegensatz  zu  den  bereits  früher  von  andern 
aitfg  ehr  achten  Namen  von  Gottheiten  hervorgehoben  ivird.  So  ist  es 
auch  bei  Sali.  Cat.  20,  6:  nisi  yiosmet  ipsi  vindicamus  in  libertatem^ 
weil  der  (gedachte)  Gegensatz  dazu  ist:  wir  selbst,  kein  anderer  soll 
uns  die  Freiheit  errhigen,  und  gerade  so  ist  es  auch  Jug.  18,  7  : 
semet  ipsi  Nomadas  a2)])ellave7^e.  Wie  daher  Livius  des  Gegensatzes 
wegen  sagen  musste:  in  semet  ii^sum  religionem  recijnt,  10,  40,  11 
und  qui  vosrnet  ijjsos  et  rem  iniblicam  salvam  vultis,  so  wieder  ipse, 
wenn  der  Gegensatz  gegen  ein  anderes  Subjekt  vorschwebt:  ne  se- 
met ipse  ape7'iret  c^itis  esset,  2,  12,  7  und:  cum  sibimet  ipse praedam 
aestimasset  suam,  5,  23,  10;  plerique  semet  ipsi  (in  ignem)  praecipi- 
taverunt,  21,  14,  1 ;  altera  sibimet  ipsa  mortem  consciverat,  22,  57, 
2 ;  sibimet  ipsi  considere  iiissi  sunt,  23,  20,  5  und  ganz  so  29,  7, 
9  und  sonst.  So  ist  es  auch  bei  den  Spätem:  cum  in  mare  semet 
ipsi  immitterent,  Gurt.  4,  8,  4;  publico  et  communi  rogo  semet  ipsi 
superiecerunt,  Val.  Max.  6,  6,  ext.  1;  ipsa  semet  yarti  a  maioribus 
suis  imperii  sociam  ferebat,  Tac.  ann.  12,  37;  tamqiutm  sihimet  ipsi 
consuluissent,  bist.  4,  20  extr. ;  memet  ipse  non  deseram,  Gurt.  6,  10, 
4;  in  dubiis  rebus  semet  ipsae  legiones  adhortatae,  Yell.  2,  112,  6; 
iudicemus  illos  abesse  et  nosmet  ipsi  fallamus,  Sen.  ad  Marc.  19,  1; 
yie  more  Socraticorum  responsum  nobismet  ipsi  finxisse  videamur, 
Quintil.  12,  1,  10;  venena,  quae  sibimet  ipsi  homines  excogitant,  Phn. 
nat.  25,  127  und  29,  26;  haec  atque  alia  cum  audiret  a  Diogene 
Grates  alia  sibimet  ipse  suggereret,  Apul.  flor.  S.  127  (B.).  Näheres 
sehe  man  bei  Hellmuth  act.  Erl.  I  S.  110,  meine  Anm.  370  und 
Hagens  Anm.  230  b  zu  Reisig-Haase,  Fabri  zu  Sali.  Cat.  20,  6. 

Ipsissimus,  ganz  ich  (du,  er)  seihst,  kommt  bei  Plaut.  (Trin. 
988)  vor  und  ist  (wie  aozözazog,  bei  Aristoph.  Plut.  83)  in  komi- 
scher Laune  gewiss  von  ihm  selbst  gebildet,  also  persönlich  plauti- 
nische  Sprache,  wie  Langen  N.  Jahrb.  1882  S.  674  sich  treffend 
ausdrückt.  Es  kann  nur  im  Scherze  gebraucht  werden.  Über  den 
Superlativ  ipsimus  vgl.  Heraus  Progr.  Offenbach  1899  S.  15;  Bücheier 
hat  ihn  Petron  63  u.  69  hergestellt;  wie  ipse  für  sich  allein  schon, 
bezeichnet  ipsimus  den  Herrn,  ipsuma  die  Herrin,  vgl.  Reisig-Haase 
Anm.  369. 

Irasci  heisst  A.  L.  und  Kl.  sowohl  zornig  iverden,  als  zornig 
sein;  Sittl  sagt  in  Wölfflins  Archiv  I  S.  493:  verbi  irari  formas  in 
praesenti  tempore  Romani  antiquaverunt,  quod  irasci  non  diver sum 
videbatur ;  über  irari  vgl.  noch  Thielmann  Archiv  III  S.  542.  So 
kommt  es,  dass  es  mit  dem  synonymen  suscensere  verbunden  er- 
scheint: ex  perfidia  et  malitia  di  immortales  hominibus  irasci  et  su- 
scensere  consuerunt,  Cic.  Rose.  Com.  46.  Auf,  über  jemand  erzürnt  sein, 
heisst   deswegen    bei    Cicero    nicht    nur    iratum    esse    alicui,    Attic. 


Ire  —     793     —  Ire 

16,  3,  1,  sondern  auch  irascl  allcni,  z.  B.:  erjo  non  modo  tibi  non 
irascor,  sed  .  .  Sulla  50;  miror,  cur  Jmic  irascare,  Plane.  17;  ne 
tu  mihi  irascare,  Vatin.  21;  sensus  civium,  qiii  non  modo  improhitati 
irascmitur  cayididatorum,  sed  etiam  .  .  Mil.  42.  Auch  im  Imperf. 
werden  irahis  eram  und  irascebar  ganz  im  gleichen  Sinne  neben 
einander  gebraucht.  Hatte  nämlich  Krebs  in  Sen.  de  ira  1,  15,  3 
eine  Eigentümlichkeit  der  N.  Kl.  Sprache  gefunden  und  gesagt,  dass 
Cicero  dafür  iratiis  essem  gebrauche,  so  bemerken  wir,  dass  derselbe 
auch  irascebar  ganz  im  gleichen  Sinne  anwendet:  Jiis  irascchamur, 
hos  requirebamiis,  his  yiojinidli  etiam  minabamur,  Lig.  33;  quibus 
non  irascebamini,  Süll.  49.  Und  so  erscheint  irascerer  auch  =  iratiis 
essem  als  Konj.  potent,  der  Vergangenheit :  ego  tibi  irascerer:  tibi 
ego  possem  irasci'^  Q.  fr.  1,  3,  1.  Das  fehlende  Perf.  und  Plusquam- 
perf.  von  irasci  kann  aber  nicht  bloss  durch  suscensui,  sondern  auch 
durch  iratus  fui,  fueram  ersetzt  werden:  Caesar  ipse,  qiti  Ulis  fuerat 
iratissimiis,  cotidie  aliquid  iracundiae  remittehat,  Cic.  Phil.  8,  19. 
Ego  ne  To?^quatum  quidem  illum  .  .  iratum  existimo  Gallo  torquem 
detraxisse,  nee  Marcellum  apud  Clastidium  ideo  fortem  fuisse,  quia 
fuefit  iratuSj  Cic.  Tusc.  4,  49.  Aber  iratus  est  als  Perf.  zu  irascor 
ist  Sj).  L.,  vgl.  Thielmann  Apoll.  S.  13  und  Kaulen  Handbuch 
S.  192. 

Ire,  geheyi,  werde  vorsichtig  gebraucht,  da  unser  deutsches  Wort 
nicht  immer  gleiche  Bedeutung  mit  dem  latein.  hat.  —  Man  sagt  nicht: 
flumen  it  (geht)  per  agrum,  agros,  fines,  sondern  fertur  (Caes.  Gall. 
4,  10,  3);  nicht:  via  it  in  Indiam,  sondern  est  in  Indiam  (Cic.  fin. 
3,  45);  nicht  ad  finem  ire,  zu  Ende  gehen,  sondern  iyi  exitu  esse 
u.  a. ;  nicht  a  siio  iure  ire,  von  seinem  fechte  abgehen,  sondern 
decedere  oder  concedere  de  iure  siio;  nicht  ab  alicuius  latere  non  ire, 
flicht  von  jemandes  Seite  gehen,  sondern  non  discedere  ab  — ;  nicht 
ire  ad  alteram  partem,  zum  ziveiten  Teile  gehen,  übergehen,  sondern 
venire  ad  — ;  nicht  iter  it  aliquo,  die  Reise  geht  irgendivohin,  son- 
dern iter  est  aliquo  (Cic.  Attic.  8,  11,  5);  nicht  ire  in  annum,  in 
ein  Jahr  gehen,  sondern  inire  annum,  und  bei  Jahren  des  Lebens: 
annum  agere;  nicht  ire  in  aliquem  locum,  sondern  se  conferre,  se 
recipere  in  — ;  nicht  ire  in  plateam,  auf  die  Strasse  gehen,  sondern 
prodire  in  publicum;  nicht  ire  ad  convivium,  zu  Gaste  geheyi,  son- 
dern inire  convivium  (vgl.  jedoch  te  ad  cenas  itare  desisse  Cic.  fam. 
9,  24);  nicht  noyi  omnes  eimt  iyi  cdiquem  locum,  nicht  edle  gehen  in 
eineyi  Ort,  d.  h.  yiicht  alle  fasst  eiyi  Ort,  sondern  locus  non  omnes 
capit;  nicht  bene  it  cum  aliquo,  es  geht  gut  mit  jeynanden,  sondern 
bene,  rede  est  de  aliquo,  apud  aliquem  (Cic.  Attic.  1,  7  u.  8;  14, 
16,  4  u.  a.);  nicht  mihi  it  beyie  (lyiale),  mir  geht  es  gut  (schlecht, 
übel),  sondern  mihi  est  bene  (male),  z.  B.  numquam  tam  male  est 
(gellt  es)  Siculis  (Cic.  Yerr.  4,  95);  ebenso  mihi  est  (geht  es)  melius, 
quayyi  — .  Ygl.  Stinner  S.  29  f.,  wo  sehr  viele  Beispiele  aus  Cicero, 
namentlich  aus  den  epp.  desselben,  aufgezählt  sind.  —  Ebenso  sagt 
man  in  dem  Wunsche:   es  gehe  dir  luohl,  bene  sit  tibi,  vgl.  Cic.  Att. 


Ironia  —     794     —  Irouia 

13,  25,  3  male  mild  sit,  ib.  15,  15,  1  Antonio  male  sit!  Über  alicui 
ex  ocidis  ire  s.  OaduSy  ebenso  über  fama,  rumor  it  den  Artikel 
Fama.  —  Auch  sagt  man  nicht  eat,  er  oder  sie  mag  gehen,  wenn 
man  uuwilhg  spricht,  in  dem  Sinne  ich  mag  mit  ihm  (ihr)  nichts 
zu  tun  haben,  sondern  valeat;  dagegen  sie  eat,  qiiaecunqiie  Romana 
lugebit  hostem,  Liv.  1,  26,  4  „so  fahre  dahin'-^.  —  Gehen  in  Ver- 
bindung mit  aus  wird  fast  nur  durch  exire  ex,  nicht  durch  ire  ex 
ausgedrückt,  z.  B.  aus  dem  Munde  gehen,  exire  ex  ore  —  und 
so  noch  viele  andere.  —  Gut  ist  die  Redensart  ire  ad  hellum, 
Liv.  3,  41,  7 ;  auch  ire  ad  arma,  worüber  ich  Pollio^  S.  46  ge- 
handelt; res  melius  it,  res  melius  eunt,  die  Sache  geht  hesser  (vgl, 
Cic.  Att.  14,  15,  3:  incipit  res  melius  ire;  iit  res  ire  coepit,  Cic. 
Lael.  43);  sonst  auch  res  prospere  procedit  oder  res  prospere,  ad 
voliintatem  u.  dgl.  fluiint,  S.  SeyfFert-MüUer  zu  Cic.  Lael.  S.  306. 
Ebenso  sagt  man  auch  eant  res,  sicut  eunt,  es  mag  gehen,  luie  es 
gellt.  —  Visitare  scholam  —  eine  Schule  (als  Schüler)  besuchen,  ist 
ohne  Autorität.  Aber  neben  frequentare  kann  in  dieser  Bedeutung 
auch  convenire  in  scholam  gebraucht  werden.  S.  Gell.  15,  11,  2. 
Ire  in  scholam  aber  lässt  sich  stützen  durch  Hör.  serm.  1,  6,  72 
bis  75,  Sen.  epp.  76,  1  und  Aug.  conf.  4,  4;  in  ludum  ire,  Plaut.  Pers. 
173  und  in  ludum  litterarium  ire  oder  itare,  Plaut.  Merc.  303  u.  Plin. 
nat.  9,  24.  Jedenfalls  aber  ist  itare  in  scholam  ganz  unanfechtbar. 
S.  darüber  ein  altes  Senatskonsult  bei  Gell.  15,  11.  Gut  ist  auch 
valetudo  it  in  melius  =  mit  der  Krankheit  geht  es  zum  bessern,  bei 
Tac.  ann.  12,  68.  —  Für  das  obige  bene  it  cum  aliquo  oder  de  ali- 
quo  spricht  aber  scheinbar  die  Stelle  in  Cic.  Att.  12,  24,  3,  wo 
Bosius  aus  ovtime  id  ei  herstellt  de  Ättica  optime  it.  Aber  schon 
Lambin  liest  De  Attica  optime,  et  ei  salutem  dices  et  Piliae.  Dies 
entspricht  auch  der  im  vorhergehenden  Briefe  gebrauchten  Wendung 
de  Attica,  molestum,  sed  qiioniam  leviter,  rede  esse  confido,  vgl.  ferner 
Cic.  Att.  12,  45,  2;  13,  21,  6;  14,  16,4;  tatsächlich  liest  jetzt  auch 
C.  F.  W.  Müller  wie  Lambin.  —  Die  Schnelligkeit  einer  Reise,  eines 
Ganges  wird  durch  das  asyndetische  ire  redire  ausgedrückt,  vgl.  Cic. 
Phil.  2,  78  isti  redisti;  ire  redire  bezeichnet  aber  auch  das  Ge- 
schäftige, z.  B.  bei  Yerhandlungen,  vgl.  Cic.  Phil.  2,  89  cum  ceteri 
consulares  irent  redirent.    Ygl.  Preuss  S.  39. 

Ironia  hat  zwar  schon  Cicero  (Brut.  292  und  293)  aufgenommen, 
dafür  aber  auch  die  Übersetzung  dissimulatio  gewagt  (acad.  2,  15) 
u.  de  or.  2,  270  mit  ironia  noch  dissimidantia  verbunden.  Jenes  und 
die  beiden  lateinischen  sind  gleich  gut.  Das  Adv.  ironice  aber  ist 
Sp.  L.  bei  Scholiasten  für  per  ironiam,  per  irrisionem,  per  dissi- 
mulationem,  auch  wohl  dis simulanter.  Das  Adj.  ironicus  findet  sich 
nur  beim  Mythologen  Fulgcntius,  vgl.  Zink  II  S.  40;  man  umschreibe 
es  etwa  durch  die  Subst.  Simulator  und  dissimidator .  Vgl.  Quint. 
9,  2,  46,  C.  F.  W.  Müller  zu  Cic.  off.  S.  67,  Saalfeld  im  tens.  S.  597  f.. 
Klotz  Stihst.  S.  145,  Nägelsb.-MüUer^  S.  38,  Urba  S.  39,  Georges 
Jahresber.  1884,  S.  131  und  1886,  S.  43. 


Irrationabilis  —     795     —  Irritare 

Irraüonahilis,  unveryiünftig ,  ist  Si).  L.  Form  für  rationis  exinrs, 
irrationalis,  welches  letztere  für  irraüonahilis  bei  Seii.  epp.  118,  14, 
Celsus  uud  Quintiliau  jetzt  aufgenommen  ist.  Vgl.  Brolen  S.  17. 
Jedoch  ist  irrationalis  nur  ein  philosophisches  Wort,  dem  rationalis 
entgegengesetzt.  Ygl.  Sen.  ep.  71,  27.  Sonst  brauche  man  nur  ra- 
tionis expersy  a  ratione  aversus,  sine  ratione.  Vgl.  Cic.  Tusc.  4,  13 
und  Rationalis.  Vgl.  Rönsch  Ital.  S.  112  und  Coli.  phil.  S.  44 
u.  66. 

Irregularis,  gegen  die  Regel,  unordentlich,  ist  N.  L.  für  praeter 
oder  contra  regidam,  dedinans  ah  regiila,  a  norma,  N.  Kl.  enormis; 
auch  kann  man  dafür  soluttis,  dissolutus  u.  a.  setzen.  Aber  irregu- 
laritas  ist  jetzt  in  Wölfflins  Archiv  III  S.  256  aus  Ps.  Augustin 
Migne  40,  1249  nachgewiesen. 

Irreligiosus,  gottlos,  ist  erst  seit  Livius,  der  es  aber  auch  nur 
5,  40,  10  hat,  gebräuchlich,  sonst  imirius.  Sehr  Sio.  L.  ist  irreligio- 
sitas  für  impietas. 

hTeparahilis,  unersetzlich,  kommt  zuerst  bei  Vergil  von  der 
Zeit  vor  (tempus  irreparcihile)  und  auf  gleiche  Weise  N.  Kl.  bei 
Columella  und  Seneca.  Es  empfiehlt  sich  durch  seine  Kürze,  da  es 
sonst  umschrieben  werden  muss,  etwa  durch  qui  reparari,  compen- 
sari  non  potest.  Nicht  zu  empfehlen  ist  das  Sp.  L.  Adv.  i?repara- 
hiliter,  vgl.  Bergmüller  Jord.  S.  12. 

Irrepere,  einsclileiclien,  wird  Kl.  verbunden  in  aliquid,  vgl. 
Schüssler  II  S.  8,  N.  Kl.  bei  Sueton  ad  aliquem  (bei  Personen), 
auch  alicui,  und  mit  dem  blossen  Accus,  wohl  zuerst  bei  Tacitus, 
s.  Nipperdey  zu  Tac.  ann.  4,  2.  N.  L.  aber  i7i  cdiqua  re,  wie  in 
der  Praef.  edit.  Lugd.  Bat.  (1664)  des  Corpus  iuris:  Infinitos  (für 
innumerahiles)  cunctis  in  exemplarihus  (für  cuncta  in  exemplaria)  irre- 
psisse  errores. 

Irrevocahilis,  nicht  zurüchzurufen,  ist  in  Prosa  seit  Livius  42, 
62,  3  bei  den  Folgenden  üblich  und  seiner  Kürze  wegen  gut;  doch 
wird  man  besser  sagen:  qui  revocari  non  potest. 

Irridere,  verspotten,  verlachen,  wird  nur  mit  dem  Accus,  ver- 
bunden, aliquem,  aliquid,  N.  L.  mit  dem  Dativ. 

Irrigare,  heiuüssern,  hefeuchten,  ist  in  bildlichem  Sinne  nur  F.  L. 
und  einmal  bei  Petr.  sat.  4 :  ut  studiosi  iuvenes  lectione  severa  irri- 
garentur,  sowie  Sp.  L.  bei  Firm.  Mat.  de  err.  2,  5  ut  ex  ipsa  (dem 
Wasser  der  Taufe)  j^er  veteres  conscientiae  cicatrices  credentihus  ho- 
minihiis  salutcms  sanitas  irrigetur.  Aber  ohne  Beispiel  ist  pectus 
irrigant  praecepta. 

Irritamentum,  das  Reizmittel,  ist  nicht  Kl.;  es  findet  sich  nach 
Sali.  Jug.  89,  7  auch  bei  Liv.  30,  11,  7;  40,  27,  8,  sowie  N.  Kl. 
für  incitamentum,  invitamentum  (Cic.  rep.  2,  8,  fin.  5,  17,  Süll.  74) 
und  illecehra,  welche  Cicero  braucht;  vgl.  Schulze  Symm.  S.  48, 
Schmidt  1889  S.  5. 

Irritare  heisst  klass.  nur  reizen,  irritatus  =  gereizt,  vgl.  Cic. 
Mil.  84  u.  Phil.  7,  3.     In  der  Bedeutung  von  irritum  facere  —  nur 


Irrumpere  —     796     —  Is 

so   sagt    Cic,   z.  B.  Verr.  2,  63,   Phil.  5,  21    —    ist  es  Sj).  L.,    vgl. 
Röusch  Sem.  III  S.  54. 

Lrumjjere,  ehibrcchen,  eindringen,  wird  Kl.  mit  im  und  dem 
Accus,  verbunden,  doch  nicht  selten  auch  (aber  nicht  bei  Cicero,  der 
nach  Schüssler  II  S.  8  nur  irrumidere  in  kennt)  Kl.  (wie  bei  Caes. 
civ.  2,  13,  4  quin  oiiindum  irrumperent  u.  1,  27,  3;  3,  111,  1  do- 
nmm  eins  und  Sali.  Jug.  25,  9  u.  58,  1)  und  N.  Kl.  ohne  in  mit 
dem  blossen  Accus. ;  P.  L.  mit  dem  Dativ.  Für  Tacitus  stellt  Nipp, 
zu  ann.  2,  11  die  Regel  auf,  dass  irrumioere  in  =  gegen  etivas 
loshrechenj  ann.  6,  16,  immi2)ere  ad  =  zu  jemandem  ehibreclien,  ann. 
11,  17,  sei,  sonst  sage  Tac.  nur  irrumpere  aliquid.  Der  Dialogus 
vertritt  in  dem  einzigen  Beispiel,  das  er  aufweist,  cap.  11  qiiae  in 
domum  meam  inruperimt,  den  ciceronischen  Standpunkt,  vgl.  Gude- 
man  z.  St.,  Nipp.-Andreson  zu  Tac.  ann.  2,  11,  Wölfflin  Philol.  27, 
138,  Weinkauff  S.  184.     Für  Sallust  vgl.  Fabri  zu  Jug.  12,  5. 

.  Ih,  ea,  id.  Vor  allem  ist  vor  dem  Gebrauche  dieses  Pronomens 
in  Verbindung  mit  einem  Genitiv  und  dem  aus  der  vorhergehenden 
Rede  dazu  gedachten  Substantiv  zu  warnen,  da  er  D.  L.  ist,  z.  B. 
cum  ex  natura  universa,  tum  ex  ea  hominis  (teils  aus  der  des  Men- 
schen). Nur  da,  wo  nicht  einfach  auf  etwas  hingewiesen  ist,  sondern 
wo  die  Ilinweisung  sich  auf  ein  vorangegangenes  Subst.  bezieht,  wird 
auch  im  Lat.  liic  oder  ille,  nie  aber  is  gesetzt:  nidlam  virtus  cdiam 
mei'cedem  .  .  .  desiderat  iwaeter  lianc  laudis  et  gloriae  =  ausser  dem 
in  Rede  stellenden,  Cic.  Arch.  28.  Ist  der  Kasus  in  der  Wieder- 
holung  derselbe  wie  bei  dem  vorausgegangenen  Substantiv,  z.  B.: 
Ciceros  Briefe  gefallen  mir  hesser  cds  die  des  Plinius,  so  wird  für 
das  unlatein.  quam  eae  Flinii  in  der  Regel  hloss  der  Genitiv  gesetzt: 
quam  Plinii  (epp.),  und :  liaec  ejnshda  non  suasoris  est,  sed  rogatoris, 
Cic.  Attic.  16,  16,  B.  §  9;  P.  Considius,  qui  .  .  .  et  in  exercitu  L. 
Sullae  et  jwstea  in  M.  Orassi  fuerat,  Caes.  Gall.  1,  21,  4.  Wenn  im 
Deutschen  vor  dem  hinweisenden  Pronomen  noch  eine  Präposition 
mit  einem  andern  Kasus  als  dem  des  vorausgehenden  Subst.  steht, 
wie:  es  gibt  keine  Geschwindigkeit,  tuelche  mit  der  des  Geistes  ver- 
glichen  werden  könnte,  so  wird  entweder  das  vorangegangene  Subst. 
wiederholt:  mdla  est  celeritas,  quae  cum  animi  celeritate  comjmrari 
possit,  Cic.  Tusc.  1,  43  (es  ist  natürlich  ebenso,  wenn  die  Präposition 
bei  dem  vorausgehenden  Subst.  steht:  non  ego  cum  Julius  vita  Pia- 
tonis aut  Archgtae  vitam  comparaho,  Cic.  Tusc.  5,  64),  oder  es  kann 
auch  in  diesen  Fällen  das  durch  das  hinweisende  Pronomen  markierte 
Subst.  in  der  Wiederholung  ausgelassen  werden:  quis  est,  qui  non 
intellegat  .  .  ex  itnius  tua  vita  pendere  omnium  (vitam),  Cic.  Marc. 
22;  quis  est,  qui  possit  conferre  vitam  Trehonii  cum  Dolahellae,  Cic. 
Phil.  11,  9  und:  ut  non  confcram  vitam  neque  existimationem  tuam 
cum  illius,  Verr.  4,  45.  Auf  eine  andere  Ausdrucksweise  weist  Rie- 
mann  syntaxc  latine*  S.  15  remarque  1  besonders  nachdrücklich  hin: 
man  kann  hier  auch  die  comparatio  compendiaria  eintreten  lassen, 
z.  B.  Cic.  de  or.  1,  197  si  cum  Lycurgo  et  Dracone  et  Sohne  nostras 


Isce  —     797     —  Ita 

leges  coyiferre  volueritis,  wo  cum  Lycurgo  =  j^mit  denen  des  Lykurg'-'' 
ist.  Ygi.  auch  Nägelsb.-MüUer^  S.  387.  —  D,  L.  ist  is  de  officiu, 
das  über  die  FflicJiten^  für  is  qiii  est  de  ofßciis.  —  N.  L.  sind  ferner 
Redensarten  wie:  in  ea  timrum  ojxitioyiiim,  quam  mild  misisti,  in 
derjenigen  deiner  Reden,  luelclie  —  für  iyi  ea  tua  oratione.  —  Wenn 
zu  einer  allgemeinen  Behauptung  ein  Zusatz  mit  besonderer  Hervor- 
hebung einer  Person  oder  Sache  gemacht  wird,  z.  B.  es  wurden  viele 
hervorragende  Männer,  darunter  auch  der  Konsul  Octavius,  getötet, 
so  geschieht  dies  gewöhnlich  mit  inter  quos,  in  quihus,  ex  quihus 
oder  mit  der  demonstrativen  Wendung  in  iis,  z.  B.  Cic.  Att.  5,  21, 
11  (aber  Wesenberg  anders),  ib.  12,  7,  1,  Yell.  2,  22,  2,  häufiger  mit 
in  his,  z.  B.  Caes.  Gall.  2,  25,  1  u.  7,  3,  1  u.  civ.  1,  15,  5  u. 
46,  4;  3,  4,  5  u.  38,  4,  Plin.  ep.  8,  12,  4,  oder  mit  ex  his,  z.  B. 
Nep.  Milt.  7,  2,  Curt.  5,  7,  3,  Plin.  nat.  2,  143;  3,  24;  5,  101  und 
sonst  oft;  dafür  kann  man  aber  auch  ex  iis  sagen,  s.  Cic.  divinat. 
1,  46,  Yell.  1,  10,  3,  Plin.  nat.  4,  85,  Suet.  Calig.  24.  Für  inter 
eos,  eas,  inter  hos  merke  man:  inter  eos  steht  bei  Plin.  nat.  11,  207, 
Suet.  Caes.  32,  Tib.  61,  Curt.  8,  6,  27,  vgl.  jedoch  Yogel  im  krit. 
Anhange  S.  257,  Liv.  22,  49,  16;  28,  33,  17  u.  29,  34,  17;  inter 
hos,  has  findet  sich  Amm.  Marc.  24,  1,  10  u.  31,  2,  14,  Plin.  nat. 
36,  50,  Yopisc.  v.  Aurel.  33,  5,  Sen.  epp.  30,  10,  Curt.  3,  11,  10, 
Plin.  epp.  9,  33,  5.  —  Über  eo  mit  dem  Genitiv  vgl.  Eo.  —  Hoc 
est  und  id  est  =  das  heisst  dienen  beide  zur  Einführung  einer  Er- 
klärung; feiner  ist  id  est,  das  Cic.  in  den  oratorischen  Schriften 
ausschliesslich  verwendet  hat.     Ygl.  Archiv  XI  S.  379. 

Isce,  der  da,  ist  für  Cicero  nicht  erweislich,  denn  Caec.  99  wird 
jetzt  ohne  Bemerkung  hisce  statt  iisce  gelesen;  ebenso  wird  es  dem 
Sen.  q.  nat.  1,  3,  2  u.  1,  5,  14  abgesprochen.  Dagegen  schreibt 
Hosius  bei  Gellius  17,  19,  1  eiusce  modi,  was  Gorges  S.  10  auch 
Gell.  16,  8,  10  hergestellt  wünscht.  Nach  Gellius  finden  wir  oft  im 
Sp.  L.  eiusce  modi,  vgl.  Neue-Wagener^  II  S.  389. 

Ita,  so,  also.  Unser  also  zuerst,  wenn  nach  einem  Eingange 
der  Rede  einzelnes  aufgezählt  werden  soll,  heisst  nicht  ita  primum, 
sondern  iam  primum,  ac  primum  quidem;  sowie  nicht  ita  ut,  sondern 
bloss  ut  oder  sicut.  In  der  Antwort  ja  sagt  man  nicht  bloss  ita, 
sondern  meist  ita  est;  dies  ita  est  dient  auch,  so  namentlich  bei 
Sen.  phil.,  zur  Bekräftigung  der  eigenen  Worte,  vgl.  Haase  praef.  Y.; 
Wölfflin  zu  Liv.  22,  29,  1 ;  Kl.  scheint  ita,  auch  ita  vero  zu  genügen, 
vgl.  Nägelsbach-Müller^  S.  786  f.  So  zum  Beispiel  heisst  nicht  ita, 
sondern  ut  oder  velut,  z.  B.  Cic.  nat.  deor.  1,  2  velut  in  hac  quaestione 
plerique  dixerunt,  so  haben  zum  Beispiel  iii  — ;  inv.  2,  95  ut  apud 
quosdam  lex  erat,  so  war  zum  Beispiel  bei  — ;  Brut.  292  ut  apud 
Platonem  Socrates,  so  zum  Beispiel  bei  — ;  Tusc.  5,  35  velut  in 
Gorgia  Socrates  —  inquit,  so  sagte  zum  Beispiel.  Ygl.  Cic.  off.  1, 
15  velut  ex  ea  parte  — .  Unrichtig  ist  daher:  ita  unus  ex  recen- 
tioribus  —  sie  dicere  solebat.  —  Über  ut,  sicut,  quemadmodum  mit 
folgendem  ita  etiam,  sie  etiam  vgl.  Etiam,  wo  jedoch  nach  Landgraf 


Ita  —     798     —  Ita 

zu  Reisig-Haase  Anm.  415  c  ita  etictm  und  ita  quoque  als  N.  Kl.  zu 
bezeichnen  sind.  —  Im  verneinenden  Zusätze  eines  bejahenden  Satzes 
(ahe)')  nicht  so  —  der  und  der  —  sage  man  nicht  non  ita  oder  sed 
non  ita,  sondern  non  item,  z.  B.  Cic.  Tusc.  4,  31  corporum  ofFensio- 
nes  sine  culpa  accidere  possunt,  animoriim  non  item  (aher)  nicht  so 
die  der  Seelen.  Nur  im  nachlässigen  Stil  der  Umgangssprache  finden 
wir  7ion  am  Schlüsse,  z.  B.  Cic.  Att.  14,  12,  2  c^iiem  cßädem  siii 
Caesarem  salutahant,  relic[iä  non  und  ib.  16,  9  Varroni  quidem  dis- 
jylicet  consilium  imeri,  mihi  7ion.  Jedenfalls  halte  man  für  die  Schul- 
praxis fest,  dass  im  verneinenden  Zusatz  entweder  zu  non  das  Yerbum 
zu  wiederholen  ist,  z.  B,  Cic.  Att.  14,  14,  6  haec  armis  restitiä  for- 
tas.se  possunt,  cmctoritate  non  possunt,  oder  dass  item  angefügt  wird. 
Zu  den  Stellen  bei  Seyffert-MüUer  z.  Lael.  S.  122  notiere  noch  Cic. 
Phil.  9,  14;  10,  20;  fam.  11,  27,  2;  Att.  14,  14,  3.  —  Wo  wir 
sagen:  Ja,  so  ist  es,  tvie  du  sagst,  sagt  man  latein.  est  ita,  ut  dicis 
oder  bloss  est,  ut  dicis  (Cic.  fin.  3,  19),  auch  bloss  ita  ut  dicis,  oder 
auch  bloss  sunt  isla,  Cic.  Yerr.  4,  12.  In  den  Wendungen  mit  dem 
Pron.  relat.  oder  demonstr.,  z.  B.  quod  si  ita  esset,  quod  ni  ita  tene- 
himus,  neque  vero  hoc  ita  sentio  ist  in  Kl.  Sprache  die  Hinzufügung 
des  bestimmter  hinzeigenden  ita  üblich.  Eine  nicht  nachzuahmende 
Ausnahme  findet  sich  z.  B.  Cic.  Tusc.  5,  17  quod  si  est,  ,^iuenn  dem  so 
ist^^.  Näheres  hierüber  siehe  in  Anm.  366  d  zu  Reisig-Haase  S.  99 
unserer  Ausgabe,  bei  Seyff'ert-Müller  z.  Lael.  S.  81;  eine  Aufzählung 
der  mit  ita  gebildeten,  im  Briefstil  üblichen  Phrasen  bietet  Stinner 
S.  24  f.,  vgl.  auch  Landgraf  S.  Rose.  S.  293.  —  In  Redensarten  wie: 
tuenn  ich  gefragt  wilrde,  luer  ein  Philosoph  heisse,  so  ivürde  ich  den 
so  nennen,  heisst  dies  bloss  emn  dicerem  (Cic.  de  orat.  1,  212),  nicht 
emn  ita  oder  sie  dicerem.  —  N.  Kl.  und  gänzlich  zu  vermeiden 
sind  die  kurzen  Partizipialredensarten  ita  dictus,  ita  nominatus,  so 
genannt  u.  dgl.,  wofür  Kl.  nur  mit  Umschreibung  gesagt  wird:  qiii 
dicitur,  quem  dicimus.  Man  sage  z.  B.  nicht:  Graevius  receptus  est 
in  scholam  ita  dictcim  Fortensem,  in  die  sogenannte  Schulpforte,  für 
in  scliolam  Portensem  qiuim  dicunt,  in  Portensem  quae  dicitur.  Aber 
gut  wäre  in  Portensem  —  ita  vocant  —  scholam  nach  Liv.  30,  8,  3 
u.  35,  34,  2  und  in  einem  Relativsatz:  qui  ita  appellantur,  s.  Cic.  de 
orat.  3,  54  u.  Liv.  32,  13,  2,  oder  mit  einem  in  Parenthese  stehen- 
den Satz:  Cynossema  (ita  appellatiir  Heculae  tumulus)  statio  Äcluie- 
orum  et  turris,  Plin.  nat.  4,  49.  —  Ita  zur  Einleitung  des  Nach- 
satzes =  unserm  „so"  darf  man  nicht  als  N.  L.  verwerfen:  es  ist 
vielmehr  vulgärlateinisch.  So  sagt  der  auctor  b.  Afric.  17  alter nis 
conversis  cohortihus,  ut  una  post,  altera  ante  signa  tenderet,  ita  .  .  . 
dividit;  vgl.  Köhler  act.  Erl.  I  S.  446,  Degenhart  S.  9,  Becker  Apul. 
S.  16,  namentlich  aber  Rebling  Progr.  Kiel  1873  S.  16,  wo  für 
diesen  Gebrauch  von  ita,  sie,  ihi  noch  mehr  Beispiele  aus  Yitruv, 
Hygin  u.  a.  gegeben  sind.  So  lässt  sich  auch  erklären,  was  man 
bei  Neulateinern  liest,  z.  B.  bei  Wyttenbach,  z.  B.  Vita  Ruhnk.  S. 
127  (137):  ut  vidit,  ita  ad  Hemsterhusium  suum  volavit.  —  Ita  im 


Italicus  —     799     —  Item 

Epiphonem  ist  begründend  und  zwar  entweder  =^  itaqae,  so  Cic. 
Tusc.  5,  66;  Caes.  Gall.  6,  12,  8,  oder  auch  =  nam,  z.  B.  Yarro  2, 
2,  14,  vgl.  Schmalz  Pollio^  S.  45,  Krumbiegel  S.  26,  Langen  Beitr. 
S.  231;  letzteres  gehört  dem  A.  L.  an.  —  Ita  ut  =  so  dass  wird 
nicht  zusammengestellt;  ita  gehört  dem  Hauptsatze  an,  vor  dessen 
Yerbum  es  tritt;  vgl.  Wölfflin  Archiv  IV  S.  330. 

Italicus  und  Italus  geradezu  bloss  für  Latiniis  zu  brauchen,  ist 
erst  sehr  S}).  L.,  z.  B.  lingua  Italica  für  lingua  Latina;  vgl.  noch 
Sittl  Arch.  XI  Ö.  123. 

Itaqiie  stellt  Cicero  durchaus  nur  im  Satze  voran;  denn  part. 
erat.  23  est  itaqiie  id  genus  totum  situm  in  commiitatione  verhorum 
ist  kritisch  zweifelhaft,  Piderit  hat  itaqiie  geradezu  weggelassen.  Das 
Gleiche  gilt  für  Plauens  in  Cic.  fam.  10,  15,  2,  wo  jetzt  allgemein 
mit  Bake  Mnemos.  II  S.  422  iwofeci:  itaque  gelesen  wird;  ebenso  für 
Varro,  wo  Reiter  S.  97  alle  Stellen  mit  postpositivem  itaque  ändern  will. 
Sicher  steht  es  jedoch  noch  bei  rhet.  Her.  1,  18  coyistitutiones  itaque, 
ut  ante  diximus,  tres  sunt,  vgl.  Thielmann  Cornif.  S.  80  f.,  oft  auch 
bei  Livius,  der  es  jedoch  in  späteren  Dekaden  kaum  mehr  an 
zweiter  oder  dritter  Stelle  gebraucht,  während  er  z.  B.  in  der  ersten 
Dekade  38  Beispiele  dafür  aufweist,  vgl.  JSTovak  Prag  1894  S.  238, 
Stacey  Archiv  X  S.  70,  ebenso  N.  Kl.,  z.  B.  oft  bei  Sueton,  vgl. 
Freund  S.  68,  was  man  aber  weniger  nachahme,  als  es  im  N.  L. 
geschieht.  Näheres  findet  man  in  Landgrafs  Anm.  im  Texte 
unserer  Bearbeitung  von  Beisig-Haase  S.  294,  Bergmüller  Plane. 
S.  6L  —  Nach  einem  Relativ  ist  es  unlat.,  z.  B.  qiiod  itaque  und 
quo  itaque.  Ebenso  findet  sich  auch  nie  et  itaque  für  das  blosse 
itaque  oder  et  idcirco,  et  ideo,  et  proinde.  —  Nicht  unlat.  aber  ist 
und  findet  sich  mehrmals  bei  Livius  itaque  ergo,  z.  B.  1,  25,  2, 
vgl.  Kühnast  S.  318,  Stacey  Archiv  X  S.  76  und  oben  s.  v.  Ergo, 
=  daher  also,  wie  auch  schon  Yarro  itaque  ideo,  itaque  iwopterea 
und  ähnliches  hat;  nach  Heidrich  S.  63  vermittelt  itaque  in  solchen 
Stellen  nur  den  Anschluss,  aber  nicht  gut  gebraucht  man  es  in 
Schlussfolgen  für  unser  so  denn  nun,  für  igitur;  z.  B.  so  ist  denn 
nun  die  Sache  abgetan,  res  igitur  confecta  est,  nicht  itacßie  res  — . 
Schliesslich  sei  bemerkt,  dass  oft  ita  anstatt  itaque  zu  stehen  scheint, 
z.  B.  Sali.  Cat.  8,  4,  Cic.  off.  3,  61;  hierüber  habe  ich  ausführlich 
gehandelt  in  PoUio^  S.  45;  die  Literaturnachweise  ergänze  man 
durch  C.  F.  W.  Müller  zu  Cic.  off.  S.  166,  Seyffert-Müller  z.  Lael. 
S.  482,  wo  der  Unterschied  von  ita  und  itaque  dargelegt  ist,  Berg- 
müller Plane.  S.  61. 

Item,  eher} falls,  ebenso,  wird  gebraucht,  v^enn  dasselbe  Prädikat 
bei  verschiedenen  Subst.  oder  Obj.  wiederkehrt,  idem  aber,  wenn 
zwei  verschiedene  Prädikate  sich  in  einem  Subjekte  vereinen,  vgl. 
Sali.  Cat.  44,  1  ab  Lentido,  Cethego,  Statilio,  item  Cassio  ijosttdat 
und  Nep.  Arist.  2,  1  Aristides  interfuit  piignae  navali  apud  Sala- 
mina;  idem  praetor  fuit  AtJieniensium  apud  Plataeas  und  Seyffert- 
Müller  z.  Lael.  S.  33  f.      Daher  steht  item  wohl  in  Kl.  Sprache  nie 


Iter  —     800     —  Iterare 

in  Beziehung  auf  qui^  sondern  es  tritt  dafür  das  Pronomen  ideni  ein. 
Unklassisch  wäre:  Quid  est  enim,  quo  non  progrediatur  item  ira,  nt 
furor.  —  icohin  nicht  ebenfalls  de?'  Zorn  gerate^  ivie  die  Wut,  für 
quo  non  eodem  progrediatur  ira,  quo  furor  (Cic.  Tusc.  4,  77). 
Übrigens  ist  zu  bemerken,  dass  oft  item  und  idem  gleichmässig 
stehen  können,  z.  B.  Cic.  off.  1,  109,  quod  in  Catulo  itemque  (codd. 
idemque)  in  Q.  Mucio  vidimus,  vgl.  C.  F.  W.  Müller  z.  St.,  Kunze 
Sali.  III,  2,  204  ff.  —  Ebenso  mich  heisst  nicht  item  etiam,  sondern 
item  oder  sie  item.  Auch  sagt  man  nicht  luius  itemque  alter, 
sondern  itniis  et  cdter  oder  imus  alterve,  uniis  aut  alter. 

Iter,  die  Reise.  Die  Heise  nach  Rom  heisst  iter  Romam,  vgl. 
Cic.  Phil.  2,  48  iter  Alexandream.  Eine  Seereise,  eine  Reise  zu 
Wasser  heisst  nicht  iter  maris,  muri,  maritimum  (was  Georges  als 
Gegensatz  zu  iter  terrestre  anführt,  ohne  es  zu  belegen),  aqua,  aqua- 
rium,  sondern  navigatio,  cursus  maritimus,  wiewohl  richtig  ist  iter 
mari  petere,  facere,  ingredi  u.  a.  —  Eine  Landreise,  Reise  zu  Lande 
machen  =  iter  pedestre,  terrestre  facere  ist  nicht  KL,  doch  findet  es 
sich  N.  Kl.  und  Sp.  L.,  vgl.  inde  iter  terrestre  facturus.  Just.  12, 
10,  7  und  a  Massilia  Gesoriacum  uscpie  pedestri  itinere  confecto, 
Suet.  Claud.  17.  Ebenso  ist  iter  pedestre  oder  terrestre  im  Abi.  in- 
strum.  mit  einem  Yerbum  der  Richtung  u'ohi^i  oder  luoher  verbunden 
N.  Kl.  und  Sp.  L.,  z.  B.  impedimenta  .  .  .  Novaesium  missa,  21t  inde 
terrestri  itinere  frumentum  adveherent,  Tac.  hist.  4,  35;  vgl.  noch 
Liv.  30,  36,  3;  36,  21,  6;  37,  45,  2;  44,  1,  4  und  21,  21,  10;  Curt. 
9,  10,  2;  Ammian  31,  11,  6.  Also  kann  es  neben  iter  terra  petere, 
facere,  pedibus  iter  facere  angewendet  w^erden.  —  Was  den  Unter- 
schied von  ex  itinere  und  in  itinere  betrifft,  so  wird  das  erstere  = 
unmittelbar  vom  Wege,  von  der  Reise  aus  mit  solchen  Yerben  ver- 
bunden, welche  die  Richtung  irgendwoher,  irgendiuohin  bezeichnen 
—  siehe  Hands  Tursell.  II,  627  — ,  so  dass  iter  der  unmittelbare 
Ausgangspunkt  für  etwas  anderes  wird,  vgl.  Dietsch  zu  Sali.  Jug. 
54,  4.  Li  itinere  dagegen  ist  an  seinem  Platz,  wenn  angegeben 
werden  soll:  cdiquid,  dum  aliud  fit,  incidere,  siehe  Dietsch  a.  a.  0. 
Sagt  nun  Livius:  Eodem  die  et  iter  fecisti  et  in  aciem  ex  itinere 
duxisti,  so  haben  wir  damit  einen  Beleg  für  die  besprochene  Be- 
deutung von  ex  itinere  angegeben;  vgl.  ebenso  Caes.  Gall.  1,  25,  6. 
Anderseits  finden  wir  oft  Ausdrücke  wie:  confligere,  proelium  facere 
(u.  dgl.)  in  itinere,  z.  B.  lust.  11,  15,  4,  Liv.  29,  36,  4,  Nepos  Eum. 
8,  1,  Hirt.  Gall.  8,  27,  5,  wo  in  itinere  anzeigt,  dass  ein  Treffen 
nicht  unmittelbar  nach,  sondern  während  des  Marsches,  auf  dem 
Marsche  selbst  geliefert  worden  sei.  —  Zivei,  drei  —  Tagereisen 
heisst  nicht  itinera  oder  viae  duorum,  trium  dierum  oder  bidui.^  tridui, 
sondern  iter  duorum  u.  s.  w.    Ygl.  Units. 

Iterare,  wiederholen,  fehlt  bei  Caes.,  bei  Cic.  in  den  Reden  und 
phil.  Schriften,  auch  bei  Sali.  Dem  Cicero  war  es  aus  Pacuv.  202 
itera  dum  eadem  ista  mihi  (Att.  14,  14,  1,  Tusc.  2,  44)  geläufig  und 
doch  gebrauchte  er  es  sehr  selten.     Livius  hat  es  nur  in  der  ersten 


Iterum  —     801     —  luborc 

Dekade,  dann  Hess  er  es  ausser  39,  33,  2  fallen.  Es  ist  also  niclit 
besonders  zu  empfehlen.  Iterare  hat  immer  den  Begriff  der  Wieder- 
holung, nur  Pacuv.  scheint  es  =  dicere  zu  gebrauchen,  vgl.  Langen 
Beitr.  S.  283;  es  wird  übrigens  nicht  nur  dann  gebraucht,  wenn  etwas 
ziueimal  geschieht,  also  gleich  (ki])licare,  sondern  es  hat  auch  wie 
reijetere,  iviede^^liolen,  ganz  allgemeine  Bedeutung.  S.  darüber  Cic. 
part.  21  verha  saepms  iterata,  Liv.  1,45,2:  saepe  iterando  eadem 
perpidit  tandem,  ut  .  .  und:  clamor  segniiis  saepe  iteratus,  ib.  4,  37, 
9,  Suet.  Aug.  86.  Also  wird  auch  Quintilians  midta  iteratio  (viel- 
fältige Wieder] lolwig)  angehen.  Ygl.  noch  Vollmer  zu  Stat.  silv.  1, 
2,  84.  —  Das  Adv.  iterato  ist  Sp.  L.  für  iterum;  vgl.  K-önsch  Ital. 
S.  342,  Thielmann  Apoll.  S.  15,  Seck  I  S.  25,  Kalb  Roms  Juristen 
S.  141.  Ebenso  ist  nur  Sp.  L.  iteratim,  vgl.  Archiv  YII,  490.  — 
N.  L.  aber  ist  iterata  vice,  zu  iviederliolten  Malen,  zum  andern  Male, 
für  iterum. 

Iterum  bedeutet  nicht  nur  zum  ztueitenmal,  sondern  steht  in 
Verbindung  mit  andern  Zeit-  oder  Zahladverbien  auch  von  öfters 
wiederholten  Handlungen,  w^ie  z.  B.  semel  iterumque  (vej,  iterum  ac 
(et)  tertio  u.  dgl.  —  Im  N.  L.  findet  es  sich  auch  in  der  Bedeutung 
von  vicissim,  dagegen  luieder,  abivechselnd.  —  Falsch  ist:  ego  iterum 
tibi  gratificabor,  ich  iverde  dir  luieder  einen  Gefallen  tun,  für  vicis- 
sim;  si  tu  mihi  epistulam  scripseris,  ego  tibi  itentni  (für  vicissim) 
scribam.  —  Das  doppelte  iterum  iterumque  oder  iterum  atque  iterum 
ist  fast  nur  P.  L.  und  in  Prosa  höchst  selten  für  iterum  ac  tertio, 
iterum  et  (ac)  saepius,  auch  bisweilen  etiam  atque  etiam ;  näheres 
hierüber  bei  Wölfflin  Gemination  S.  466,  über  das  klass.  semel  atque 
iterum,  Caes.  Gall.  1,  31,  6,  semel  iterumque,  Cic.  div.  1,  54,  semel 
aut  iterum,  Cic.  Brut.  308  u.  a.  bei  Wölfflin  Allit.  S.  82.  —  Die  Ver- 
wechslung von  iterum  mit  bis  hat  schon  Nep.  Hann.  5,  3,  vgl. 
Nipp.-Lup.  z.  St.,  C.  F.  W.  Müller  N.  Jahrb.  1890  S.  714,  meine  Stil.^ 
§  32;  oft  findet  sie  sich  im  Sp.  L. 

Itinerare  ist  wohl  N.  L.;  hingegen  itinerari  im  Gloss.  Labb. 
und  itinerantes  findet  sich  bei  Ambros.,  Augustin  und  Salv.  1,  43. 
Also  ist  nicht  N.  L. :  eum  etiam  itinerantium  credebant  esse  numen 
tutelare,  für  iter  facientium  oder  viatorum.  —  N.  L.  ist  aber  itine- 
rator,  der  Reisende,  für  viator,  iter  faciens  u.  a. 

Itinerarius,  zu  einer  Reise  gehörig,  und  itinerarium,  eine 
Reisebeschreibung ,  sind  Sp.  L.  und  müssen  durch  iter  umschrieben 
werden;  z.  B.  eine  Reisebesclireibung ,  itineris  descriptio,  iter  de- 
scriptum. 

lubere.  Die  Kl.  Sprache  lässt  nach  aktivem  iubere  regelmässig 
den  Acc.  c.  inf.  folgen,  passives  iubere  erscheint  in  der  Konstruktion 
des  Nom.  c.  inf.,  sogar  mit  passivem  Inf.,  vgl.  Cic.  Phil.  2,  79  iussus 
es  remmtiari  consul.  Der  Subjektsaccusativ  fehlt  beim  aktiven  In- 
finitiv nach  iidjere  bei  Caesar  nie,  vgl.  Mensel  Jahresber.  1894  S. 
330  ff.,  Frese  S.  52,  bei  Cic.  nur,  wo  es  unmöglich  ist  ein  Subjekt 
anzugeben,   vgl.  off.  1,  48    maiore   mensura   iubet   reddere   Hesiodus, 

Krebs- Schmalz  ,  Antibarbarus  I.  51 


lubere  —     802     —  lubere 

sonst  aber  dann,  wenn  er  sich,  z.  B.  bei  Handlungen,  die  bestimmte 
Personen  vorzunehmen  pflegen,  von  selbst  versteht,  z.  B.  imperator 
iiibet  Signa  canere;  hier  ist  die  Ergänzung  des  Subjekts  ebenso  nahe- 
liegend, wie  bei  iodlr^cj^ev  (vgl.  zu  signa  canere  meine  Anm.  zu 
Sali.  Cat.  59,  1 ;  hier  kann  signa  auch  Subj.  und  canere  intransitiv 
sein).  labere  ut,  das  schon  Plaut,  hat,  z.  B.  Amph.  205  Telehois 
iuhet  sententiam  iit  dicant  saam,  vgl.  Durham  S.  15,  ist  nicht 
durchaus  unklassisch;  im  Gegenteil,  es  ist  geradezu  Regel  in  den 
Willensäusserungen  des  souveränen  populus  Romanus,  z.  B.  Cic. 
Pis.  72,  Yerr.  2,  161,  dom.  44  velitis  iuheatis,  iit  M.  Tullius  in 
civitate  ne  sit,  honacßie  ehts  ut  mea  sint?  Da  der  Statthalter  den 
populus  Romanus  vertritt,  so  ist  begreiflich,  dass  auch  von  ihm  iuhere 
ut  gesagt  wird,  vgl.  Cic.  Yerr.  4,  28  hie  tibi  in  mentem  non  venit 
iubere,  ut  haec  quoque  referret  ...  So  weit  geht  der  Kl.  Brauch. 
Eine  Fortbildung  der  eben  erwähnten  Konstruktion  von  iahere  ut 
ist,  dass  N.  Kl.  überhaupt  von  Befehlen  der  Obrigkeiten  nunmehr 
iubent  ut  gesagt  wird,  vgl.  Livius  28,  36,  1;  Curt.  5,  13,  19;  8,  1,  38; 
Suet.  Tib.  22.  Die  Scheu  der  lat.  Sprache,  einen  Dativ  zu  inhere 
zu  setzen,  hat  sich  über  die  klass.  Zeit  hinaus  erhalten;  mit  Unrecht 
führt  man  für  inbeo  alicui  facere  aliqaid  Cic.  Att.  9,  13,  2,  CatuU 
64,  139  und  Liv.  27,  16,  8  an;  man  sehe  die  Anm.  von  Boot  zu 
Cic.  Att.,  von  Riese  zu  Catull  und  die  krit.  Note  von  Luchs  zu  Liv. 
an:  alle  verwerfen  gleichmässig  iuheo  alicui  und  ändern  darnach  die 
Texte.  Freilich  nach  Livius  ist  der  Dativ  bei  iuhere  kaum  mehr 
zu  beanstanden  und  wird  im  »S^9.  L.  häufig;  zwar  bei  Curt.  5,  6,  8 
steht  jetzt  der  Acc.  neben  dem  Infinitiv,  bei  Apul.  flor.  23  der  Acc. 
neben  ut  (=  iubere  aliqnem  ut),  ebenso  bei  Gaius,  allein  bei  N.  Kl. 
Dichtern  und  im  Sj).  L.  in  Yulg.  und  sonst  treff'en  wir  Dativ  mit 
Infinitiv,  vgl.  Appel  Coripp  S.  52;  bei  Tac.  ann.  13,  40  lesen  wir  den 
Dativ  neben  2it  und  ib.  13,  15  iibi  Britannico  iussit  exsurgeret  neben 
dem  Konjunktiv  ohne  ut.  Diese  eben  erwähnte  Konstruktion  iiissit 
exsurgeret  ist  schon  Ä.  L.  bei  Plaut.,  z.  B.  Most.  930  iahe  veniat  in 
urbem,  vgl.  Lorenz  z.  St.;  sie  ist,  wie  ich  in  meiner  Synt.^  §  265  f. 
gezeigt,  die  Yorläuferin  von  iabeo  ut  und  von  Liv.,  Tac.  und  Suet. 
wohl  absichtlich  wieder  hervorgeholt;  vgl.  Liv.  24,  10,  4;  32,  16,  9; 
30,  19,  2;  Suet.  Yit.  14.  Ebenso  hat  Livius  die  schon  bei  Plautus 
anzutrefl'ende  Abwechslung  der  Konstruktionen  von  iuheo  wieder  auf- 
gefrischt; vgl.  Plaut.  Pseud.  1150  lioc  tibi  eras  rne  iussit  ferre  atque 
ut  mecum  mitteres  Phoenicium  und  Liv.  3,  27,  2  claudi  tahernas  tota 
urbe  iubet  .  .;  tum,  quicunicpie  aetate  militari  essent,  armati  cum 
cibaiiis  Martio  in  campo  adessent.  Im  *S^;.  L.  finden  wir  öfters 
iidjeo  mit  Dativ  und  ut,  z.  B.  auch  Jord.  Get.  85.  —  Der  Acc.  der 
Person,  welcher  ein  Befehl  erteilt  wird,  kann  auch  ohne  einen  In- 
finitiv stehen,  sogar  in  KL  Sprache,  z.  B.  Cic.  fam.  13,  26,  3  7ion 
quae  (litterae)  ie  aliquid  iuberoit,  ebenso  im  Pass.,  z.  B.  Caes.  Gall. 
3,  6,  1  quod  iussi  sunt,  faciunt.  Ferner  ist  zu  beachten,  dass  man 
auch  ganz  richtig  sagt:  iubere  aliquem  =  er  eure,  jemanden  zu  etwas 


lubilaeus  —     803     —  lubilare 

— ;  vgl.  Liv.  1,  22,  1  und  das.  Wcissenborn;  bei  Sali.  Jug.  85,  11 
lese  ich  mit  Jordan  quem  vos  imijerare  hissistis,  vgl.  jedoch  auch 
Dietsch  z.  St.  Noch  bekannter  ist  mhere  aliquid,  wie  legem,  pactio7iem, 
foedus  u.  dgl.  =  (jenehmigen,  anordnen,  einführen.  S.  Sali.  Jug.  40, 
8,  Cic.  Balb.  38,  Flacc.  15,  de  orat.  1,  60.  Endlich  sagt  man 
auch  mit  persönlichem  und  sächlichem  Objekte  zugleich  iuhere  alicui 
aliquid,  wie  ]}rovinciam  =  decernere,  s.  Sali.  Jug.  84,  1  und  das. 
Kritz;  es  kommt  dies  auch  bei  Tacitus,  aber  in  dem  Sinne  von  im- 
lierare,  im'ponere  =  als  Ahgahe  auflegen  ann.  14,  62  vor.  Hingegen 
der  imijersonale  Gebrauch  von  iiiheri  werde  vermieden,  da  der  per- 
sonale häufiger  ist,  und  ebenso  iuhere  mit  folgendem  ne;  dies  steht 
nicht  mehr  bei  Hirtius  Gall.  8,  52,  5,  wo  Mensel  qitod  ne  fieret 
co?isides  amiciqne  Fornpei  evicerunt  liest,  aber  wiederholt  im  Sp.  L.; 
daraus  erklärt  sich,  dass  iidtere  ne  sich  ebenfalls  bei  den  besten 
Neulateinern  findet;  ganz  vereinzelt  erscheint  ttt  non  bei  Lact.  1, 
554,  17  qui  iahet  ut  .  .  .  non  irascamur ;  richtig  ist  vetare  mit  dem 
Accus,  c.  infin.  —  Da  iuhere  nur  hefeJden,  ernstlicli  hitten  bedeutet, 
so  ist  es  N.  L.  zu  sagen:  iuheo  lihrum  in  liicem  exire,  ich  lasse  das 
Buch  öffentlich  erscheinen,  wo  nur  curare  passt.  Auch  kann  das 
Gerundivum  gutlat.  nicht  damit  verbunden  werden;  man  sage  nicht: 
cum  interficiendum  (esse)  iiissit,  für  eum  interfici  iiissit;  erst  Orosius 

4,  3,  5  hat  hoc  facinus  considi  inmienduni  iussum  est;  ebenso 
Filastrius  67,  2  cum  eum  adorandum  iusserit,  vgl.  Juret  S.  124.  — 
Die  Literatur  über  iid)ere  ist:  Holtze  I  S.  249  ff.,  S.  266,  II  S.  159 
u.  171,  Reisig-Haase  S.  444,  Dräger  H.  Synt.  II  S.  241,  Hellmuth 
act.  Erl.  I  S.  156,  Köhler  act.  Erl.  I  S.  443,  Thielmann  Apoll.  S.  16, 
Wesenberg  adnot.  zu  Cic.  epp.  S.  130,  Nipp,  zu  Tac.  ann.  4,  72, 
Westhoff  S.  31  (hat  viele  Stellen  für  iuhere  ne  aus  Sp.  Z.),  Gölzer 
Hieron.  S.  384,  Dahl  S.  275,  Sander  II  S.  12,  Hildebrand  1865  S. 
6,  Kaulen  Handb.  S.  227,  Rönsch  Ital.  S.  430,  Kalb   Roms  Juristen 

5.  79,  Wölfflin  Archiv  YI  S.  434,  Bergmüller  Jord.  S.  20,  Sjögren 
S.  124,  Hoppe   Synt.  Tert.  S.  29,  Landgraf  zu  Reisig-Haase  S.  600. 

luhilaeus,  a,  um,  ist  ein  Wort  der  Vulgata  und  findet  sich 
sonst  bei  Hieron.  in  Jesaj.  lib.  16,  c.  58,  v.  6  u.  7  und  dann  bei 
einem  christlichen  Dichter  des  6.  Jahrh.  n.  Chr.  Es  wird  teils  mit 
annus,  teils  mit  sacrum  verbunden  und  in  der  Vulg.  als  Subst.  ge- 
braucht (iid)ilaeum).  In  beiden  Fällen  passt,  sofern  ein  Jubiläum 
sich  auf  einen  Zeitraum  von  100  Jahren  bezieht,  saecularis;  also 
annus  saecidaris,  das  Juheljahr;  sacrum  saeculare,  solemnia  saecularia 
oder  Sacra  saecularia,  das  Juhelfest.  Daher  heisst  das  dritte  Jidjel- 
fest,  soUemnia  saecularia  tertia  oder  tertia  sacra  saecularia.  Die 
kirchlichen  Juhiläen  der  Katholiken  beziehen  sich  bekanntlich  auf 
einen  kürzeren  Zeitraum,  daher  von  ihnen  natürlich  nicht  saecidaris, 
sondern  einfach  annus  iuhilaeus  oder  nach  Umständen  sacrum  tempus 
iuhilaeum  zu  sagen  ist. 

luhilare,  jauchzen,  war  schon  A.  L.  nach  Varro  (1.  1.  6,  68), 
wurde   aber   nur    von  Bauern  gesagt,    die   laut   und    wild   um  Hilfe 


ludicare  —     80-i     —  ludiciosus 

rufen;  in  der  Bedeu.t\ing  jauchzen,  jodeln,  johlen  findet  es  sich  später. 
S.  M.  Aurel.  ad.  Front.  4,  6:  iivLs  metendis  oijeram  dedimus  et  iu- 
hllavimiis  (Naber  iuvilavimiis).  Oft  ist  es  in  der  Sprache  der  Vulgata, 
entweder  absolut  oder  mit  dem  Dativ,  z.  B. :  deo  iuhilare  und  ein- 
mal auch  mit  dem  Accus.:  Icmdem  iuhilare.  Das  von  iidjilare  ab- 
geleitete Subst.  iiihilatio,  das  Jauchzen,  ist  Sp.  L.  für  exsultatio, 
laetus  clamor,  laetae  voces,  laetitia;  vgl.  Rönsch  Ital.  S.  74.  Für 
yrofusam  looimli  iuhilationem  ist  darnach  richtiger  profusos  populi 
laetantis  clamor  es  u.  a. 

ludicare  wird  in  der  Bedeutung  etwas  nacJi  etivas  beurteilen 
verbunden  aliquid  ex  oder  de  allqua  re  (z.  B.  Cic.  Cat.  4,  11  ego 
enim  de  meo  sensu  iudico),  auch  bloss  aliqua  re,  nicht  ad  aliquam 
rem;  über  eitlen  urteilen,  de  aliquo.  Einzig  steht  da  bei  D.  Brut,  in 
Cic.  fam.  11,  10,  1  iudicare  a  vero  sensu  de  alicßio  =  vom  Stand- 
punld  aus,  vgl.  Gebhard  S.  9  f.  In  der  gerichtlichen  Bedeutung 
jemanden  richten,  ein  Urteil  über  jemanden  sprechen  sagte  man  in 
der  bessern  Prosa  nie  iudicare  cdiquem,  sondern  iudicare  de  aliquo, 
und  so  auch  iudicium  facere  oder  dicere  de  alicpio,  sententiam  pro- 
nuntiare  secunduni  (für,  zum  besten)  oder  contra  cdiquem.  —  N.  Kl. 
ist  es  in  der  Bedeutung  verurteilen,  für  damnare,  condemnare,  ent- 
weder absolut  oder  mit  dem  Genitiv  pecuniae.,  s.  Liv.  6,  14,  3,  ibid. 
§  10  u.  c.  34,  2  u.  Fabri  zu  Liv.  23,  14,  3;  caxntis  iudicare  steht 
Liv.  26,  3,  8,  sonst  ist  dafür  im  regelmässigen  Gebrauche  capitis 
damna?e.  Aber  bei  Cicero  und  Caesar  finden  wir  nirgends  iudicare 
aliquem  mit  Genit. ;  diese  Konstruktion  gehört  dem  Livius,  Tacitus 
und  Gellius  an;  vgl.  Gorges  Gell.  S.  31  und  dazu  Georges  Jahresber. 
1884,  S.  119,  Dräger  H.  Synt.  I  S.  487.  —  Zwei  einander  entgegen- 
stehende Dinge  beurteilen  möchte  besser  durch  diiudicare  als  durch 
iudicare  auszudrücken  sein;  z.  B.  ivahre  und  falsche  Liebe  beurteilen, 
Cic.  fam.  9,  16,  2  diiudicare  amorem  verum  et  fictum ;  aber  iudicare 
für  diiudicare  ist  doch  auch  klassisch,  z.  B.  Cic.  Phil.  11,  34  cmn 
contra  ac  Deiotarus  sensit  victoria  belli  iudicarit,  vgl.  dazu  C.  F.  W. 
Müller  u.  Burg  S.  54,  sowie  die  Literatur,  welche  C.  F.  W.  Müller  zu 
Cic.  fam.  8,  14,  4  gibt.  —  Über  iudicare  mit  Acc.  c.  inf.,  was  klass. 
ist,  z.  B.  Cic.  Brut.  216,  de  or.  1,  126  vgl.  Max  C.  P.  Schmidt  in  N. 
Jahrb.  1890  S.  865. 

ludicatio,  ein  vielleicht  von  Cicero  gebildetes  Wort,  bedeutet 
nur  die  Entsclieidunr/  subjectiv  als  actus  iudicandi,  nicht  das  Urteil 
oder  die  Beurteilung  objektiv,  welche  iudicium  oder  censura  heissen. 
Ebenso  selten  ist  iudicatus,  z.  B.  Cic.  Phil.  1,  20,  Gell.  14,  2,  25, 
vgl.  Hauschild  S.  23. 

ludicialis,  gerichtlich,  ist  zwar  Kl.,  aber  eine  via  iudicicdis 
kommt  nicht  vor,  wie  wir  sagen  der  gerichtliche  Weg.  Vgl.  darüber 
unter   Via. 

ludiciosus,  itrteilsfcÜdg  (von  einem  Manne),  ist  N.  L.  für  homo 
(vir)  acri  magyioque  iudicio,  qui  habet  intellegens  iudicium,  auch  bloss 
intellegens. 


ludicium  —     805     —  lunior 

Iitcliciiim.  Über  iiidiciiim  ferre  für  facere  oder  dicere  vgl.  unter 
Ferre.  —  Ein  Urteil  i'iber  etivas  füllen  heisst  entweder  iudicmm 
cdicuiiis  rei  oder  de  aliqiia  re  facere.  Ygl.  Cic.  Brut.  1  iudicmm 
dignitaiis  meae,  Hier  meine  Würdigkeit ;  Caes.  Gall.  1,  41,  2  quod 
de  se  Optimum  iudicium  fecisset;  Cic.  orat.  140,  Pomp.  43,  fam.  11, 
29,  2.  —  Gut  und  KL  ist  auch  iudicium  in  der  geistigen  Bedeutung 
Urteil,  Urteilskraft ;  daher  iudicium  habere,  wie  wir  sagen  Judicium 
liahen,  d.  h.  heurteilen  können,  urteilsfähig  sein ;  z.  B.  Cic.  fam.  9, 
16,  4  ipse  Caesar  hahet  peracre  nidiciitm,  aber  Cic.  divin.  2,  30  hest 
man  jetzt  cui  (Democrito)  certo  scio  liidnm  numquam  defuisse. 
Neben  iudicium  hahere  merke  man  aber  besonders  iudicare  posse, 
z.  B.  Cic.  Brut.  249  cum  ego  iudicare  iam  aliquid  posseni;  dies  iiuli- 
care  posse  drückt  die  U?ieils fähig keit  aus,  während  iiulicare  allein 
„ein  sachverständiges  Urteil  abgehen^''  bedeutet.  Ygl.  hierüber  Seyffert- 
Müller  z.  Lael.  S.  528.  —  Auch  iudicium  ,/reier  Entschluss'-^  gegen- 
über der  necessitas  oder  dem  casus  verdient  Beachtung,  z.  B.  Cic.  fam. 
2,  7,  2  iudicio  enim  tiio,  non  casu  in  ipsum  discrimen  rerum  contu- 
listi  trihunatum  tuum;  vgl.  Hofmann -Andresen  zu  Cic.  epp.  II 
S.  142. 

lugiter  ist  nur  Sp.  L.,  während  iugis  klass.  ist,  z.  B.  Cic.  div. 
2,  31  aqnae  iugis  colore;  lugiter  wird  geradezu  =  semper,  so  bei 
Cypr.,  Salvian,  Cass.  Fei.  u.  a.,  vgl.  Watson  S.  214,  Wölfflin  Cass. 
Fei.  S.  411,  Bonnet  Greg.  S.  469,  Appel  Coripp  S.  24. 

lugulatio,  die  Erdrosselung,  Ermordung,  kommt  im  bell.  Hisp. 
16,  5;  16,  6;  18,  8,  sonst  nach  Köhler  act.  Erl.  I  S.  451  nur  noch 
Tert.  de  anim.  25  vor,  für  caedes,  occisio  oder  mit  dem  Verbum  iu- 
gidare.  Das  Subst.  iugidator  belegt  Köhler  1.  1.  nur  aus  Salv.  und 
GIoss.  Philox.;  es  steht  aber  auch  bei  Hieron.  ep.  60,  5;  vgl.  Gölzer 
Hieron.  S.  49.  Über  iugidare,  seine  Bedeutung  und  seinen  Gebrauch 
vgl.  Landgraf  S.  Rose.  S.  152,  Süpfle-Böckel  zu  Cic.  epp.  S.  62. 

lunctura,  die  Verbindung,  Zusammen filgung ,  findet  sich  in  Kl. 
Zeit  nur  bei  Caes.  Gall.  4,  17,  6;  häufiger  treffen  wir  es  bei  den  aug. 
Dichtern  und  im  N.  Kl.,  wenn  von  genauer  Verbindung  zweier  Dinge 
neben  und  mit  einander  die  Rede  ist,  wie  z.  B.  Horaz  von  einer 
iiinctura  verhorum  spricht  und  Quintilian  von  einer  apta  iunctura 
der  Wörter  in  einer  Rede,  wofür  auch  commissura  oder  copidatio 
stehen  kann.  Die  grammatische  Verbindung  zweier  und  mehrerer 
Wörter  heisst  aber  nicht  iunctura,  sondern  conformatio  oder  conse- 
cutio  verhorum. 

lunior  und  iuniores  kommen  nicht  bei  Plaut.,  Kl.  bei  Cic.  nur 
Yerr.  5,  38;  rep.  2,  39;  Tim.  46  u.  bei  Caes.  Gall.  7,  1,  1,  dann 
erst  wieder  bei  Livius  vor  und  nur  als  Bezeichnung  einer  Abteilung 
der  Senatoren  und  der  im  Kriege  dienenden  Bürger,  sonst  aber  nicht, 
abgesehen  von  Cic.  Tim.  46  dis  ut  ita  dicam  iunioribus;  sie  sind 
daher  auch  geradezu  für  iuvenis,  iuvenes  oder  adidescens,  adules- 
centes  kaum  erweislich  und  müssen  als  N.  L.  angesehen  werden 
(S.  Liv.  3,  41,  1,    ibid.  §    7    und   6,    2,    6,   vgl.  Hey   Semas.  Stud. 


luppiter  —     806     —  Iuris   prudentia 

S.  180).  Jünger  heisst  im  allgemeinen  aetate  oder  annis  minor,  wie 
alter  durch  senior  zu  geben  ist,  s.  Cic.  off.  1,  122.  Daher  meide 
man  Redensarten  wie:  lumores  ledores,  jüngere  Leser  u.  ähnl.,  wo 
nur  adidescentes  angewendet  werden  kann.  Die  relative  Alters- 
bestimmung zweier  Menschen,  z.  B.  zweier  Bender,  von  denen  der 
eine  jünger  als  der  andere  ist,  kann  übrigens  schon  deswegen  klass. 
nicht  durch  iimior  ausgedrückt  werden,  weil  das  an  sich  bedeutet 
jünger  als  ein  andrer,  der  auch  jung  ist.  S.  darüber  unter  dem 
Worte  natus.  Indes  sagt  Apul.  doch  iimior  =  minor  natu,  ebenso 
ist  Sj).  L.  senior  ^=  maior  natu,  vgl.  Koziol  Apul.  S.  310  u.  Gölzer 
Hier.  S.  285. 

lupxjiter  (hqnter)  ist  in  der  Bedeutung  Himmel  nur  P.  L.  für 
caelum,  und  das  dichterische  suh  love,  unter  dem  freien  Himmel, 
heisst  in  Prosa  suh  caelo  oder  gewöhnlich  suh  divo. 

luramentum,  der  Eid,  ist  Sj).  L.  für  iusiurandum,  ebenso  iu7'a- 
tio.  Ein  Diensteid  aber^^  ist  sacramentum,  und  der  der  Soldaten, 
sacramentum  militare.  Über  niramentum  vgl.  Rönsch  It.  S.  23  f., 
Thielmann  Apoll.  S.  13,  Gölzer  Ilieron.  S.  60,  Kaulen  Handbuch 
S.  82,  Paucker  Hier.  S.  40,  Bergmüller  Jord.  S.  11,  Bonnet  Greg. 
S.  206,  Regnier  S.  169;  über  iusiuramentum  (Vermischung  von  iusiu- 
randum und  iuramentum)  vgl.  "Wölfflins  Archiv  III  S.  257. 

luratus,  a,  um,  bedeutet  bei  den  Bessern  teils  was  beschworen 
tuorden  ist,  teils  einer,  der  geschivoren  hat  (so  bei  rhet.  Her.,  Cic. 
inv.,  Liv.  32,  22,  7),  daher  auch  oft  bloss  auf  mein  Wort,  auf  meine 
eidliche  Versicherung.  Bemerkenswert  ist  iuratus  sum  =  iuravi 
(ein  iuror  gibt  es  nicht  als  Deponens)  bei  Plaut.,  rhet.  Her.,  Cic. 
inv.,  Gellius,  vgl.  Thielmann  Cornif.  S.  53,  Gorges  Gell.  S.  19.  — 
Sp.  L.  aber  ist  es  (s.  Dig.  2,  8,  16),  den  Abi.  iurato  als  Adv.  zu 
gebrauchen. 

lurgiosus,  zänkisch,  ist  Sj).  L.  bei  Gellius  1,  17,  1  und  19,  9, 
7  für  iurgii  amans  (cupidus),  litigiosiis,  contentionis  amans,  imgnax, 
imyugnax  und  N.  Kl.  contentiosus. 

Iuris  prudentia.  Die  Rechtsgelehrsamheit  ist  klass.  nicht  nur 
iuris  scientia  (Cic.  Brut.  152,  topic.  85),  sondern  auch  iuris  prudentia, 
s.  Nep.  Cim.  2,  1  Jiahehat  magnam  prudentiam  cum  iuris  civilis,  tum 
rei  militaris,  und  Cic.  de  orat.  1,  256  historiam  dico  et  prudentiam 
im'is  xndjlici ;  doch  sagt  man  nicht  iuris  prudens  (wiewohl 
prudens  in  iure  gebraucht  wurde  und  die  Rechtsgelehrten  schlecht- 
weg prudentes  hiessen),  sondern  iuris  consultus,  iure  consultus. 
Auf  das  Zeugnis  des  Charisius  hin  behauptet  Halm  zu  Cic.  Mur. 
27,  dass  iure  consultus  die  seltenere  Form  sei.  Dies  ist  ganz  richtig. 
Indes  kommt  auch  iure  consultus  so  oft  vor,  dass  es  unbedenklich 
nachgebraucht  werden  kann.  Denn  ausser  Cic.  Mur.  27  steht  iure 
consultus  auch  Cic.  fam.  3,  1,  3;  7,  8,  2;  7,  10,  1;  7,  11,  1  und 
§  2  und  Phil.  2,  96,  Gell.  11,  18,  16,  Lact.  mort.  pers.  22,  4; 
die  Stellen  für  iuris  consultus  siehe  bei  Haustein  S.  48;  die  Er- 
klärung   von    iure    consultus    siehe   s.  v.  Consultus.     Bezüglich    der 


i 


lus  —     807     —  lus 

Stellen  Mur.  25  u.  27  gehen  die  Kritiker  auseinander;  vgl.  C.  F.  W. 
Müller,  Landgraf  und  Clark  in  den  kr  it.  Noten.  K.  Kl.  ist  iuris 
scieyis,  und  K.  L.  iiirisfa. 

Ins,  das  Recht.  Im  Plural  kommt  es  selten  vor  und  fast  nur 
im  Nom.  und  Accus.,  mra,  da  der  Sing,  schon  die  Gesamtheit  der 
Rechte  jemandes  bezeichnet.  Daher  findet  sich  nirgends  de  iuribus 
suis,  sondern  de  iure  suo  cedere,  concedere,  decedere.  Das  Bürger- 
recht, d.  h.  die  Erlangimg  oder  der  Besitz  aller  dem  Bürger  zii- 
Iwmmenden  Rechte  ist  civitas,  daher  denn  civitate  cdiquem  donare, 
asciscere  cdiquem  in  civitatem  u.  dgl.  las  civitatis  ist  aber  etwas 
anderes,  es  ist  immer  das  RecJit,  die  Civität  zu  eiiangeii,  in  edle 
Gerechtsame  eines  Bürgers  einzuireteyi ;  das  gleiche  gilt  für  ins  liber- 
tatis  bei  Ennodius  862,  17,  was  Hartel  mit  liberoimm  civiiim  iura 
erklärt.  S.  Cic.  Arch.  11,  Caec.  98  und  102,  Yerr.  4,  26,  Balb.  29.  — 
Der  Abi.  iure,  mit  Recht,  kommt  allein  wohl  als  adverbiale  Be- 
stimmung =  öpdojq,  vor;  aber  als  beistimmender  Zusatz  zu  etwas  Yor- 
hergesagtem,  wie  wir  hinzusetzen  ^m^  jKec/i^;  findet  es  sich  nur  in  der 
Verbindung  idque  iure,  et  iure,  und  das  mit  Recht;  z.  B.  Cic.  Tusc. 
3,  26  6^  iure  fortasse.  —  N.  L.  ist  iure  merito,  mit  verdientem  Rechte^ 
was  nicht  mit  Plaut.  Most.  713  te  ipse  iure  optimo  meynto  incuses 
licet  entschuldigt  werden  kann ;  richtig  aber  ist  merito  ac  iure,  iure 
meritoque  oder  ac  merito.  Und  wenn  die  Lateiner  meo,  tuo,  suo  — 
iiire  in  einen  Satz  einschieben,  so  liegt  darin  meistens  der  Begriff 
mit  vollem,  vollkommenem  Rechte,  wo  N.  L.  perfecto,  magno  iure  ge- 
sagt, pleno  iure  dagegen  bei  Gai.  1,  5,  14  gefunden  wird.  —  Mit 
grösserem,  vollerem  Rechte  heisst  also  bloss  iustius  oder  rectius,  und 
mit  dem  vollsten,  vollkommensten,  grössten  Rechte  bloss  iustissime, 
nicht  aber  maximo,  perfectissimo  iure,  was  N.  L.  ist.  Jedoch  kommt 
bisweilen  optimo  iure  (Cic.  off.  1,  111)  vor,  was  zunächst  juristisch 
einen  Zustand  bedeutet,  der  durch  alle  Rechtstitel  geschützt  ist. 
Falsch  ist  es  aber,  in  diesem  Sinne  summo  iure  zu  brauchen,  da 
dieses  vielmehr  bedeutet  nach  strengem,  strengstem  Rechte,  wo  man 
also  die  Sache  auf  die  Spitze  stellt  und  die  Rücksicht  der  Bilhgkeit 
ganz  aus  den  Augen  setzt,  —  wie  denn  auch  summo  iure  agere  dem 
ex  aequo  et  hono  agere  entgegensteht.  S.  darüber  Cic.  Caec.  65.  — 
Unser  mit  vollem  Recht  heisst  auch  iusto  iure  (Liv.  21,  3,  4)  oder 
recfe  ac  merito  (Cic.  Yerr.  5,  172);  mit  ivie  viel  Recht,  quam  iuste 
oder  quam  iusto  iure,  nicht  quanto  oder  quam  magno  iiu^e.  —  N.  L. 
ist  aliquid,  z.  B.  librum,  pid)lici  iuris  facere,  etwas  öffentlich  bekannt 
machen,  herausgehen  (gebildet  nach  der  Redensart  aliquem  sui  iwns 
facere  oder  proxwii  iuris  facere  lustin  34,  1,  5,  vgl.  Seck  II  S.  14), 
für  edere,  vulgare,  foras  dare.  —  Die  oben  erwähnten  Ausdrücke 
meo,  tuo,  suo  —  iure  braucht  der  Lateiner  auch  da,  wo  wir  sagen : 
und  ich  habe  ein  Recht  dazu,  und  das  mit  Fug  und  Recht,  z.  B. 
postremo  meo  iure  a  te  peto,  endlich  bitte  ich  dich,  und  ich  habe 
ein  Recht  dazu,  und  ich  tue  das  mit  Recht ;  iocari  videtur,  et  for- 
tasse suo  iure,    und  vielleicht  mit  Fug  und  Recht,  und  er  hat  viel- 


lusiurandum  —     808     —  luvenis 

leicht  ein  Beeilt  dazu  (Cic.  fin.  5,  4);  daher  auch:  ich  hcibe  ein  Recht, 
dieses  zu  tun,  hoc  meo  iure  facere  possum;  dass  in  diesem  Falle 
immer  meo  iure  gestellt  wird,  lehrt  Seyffert-Müller  zu  Lael.  S.  235. 
Doch  kann  auch  iure  besagen  „es-  geschieht  mir  recht'^,  um  anzu- 
geben, dass  etwas  nicht  auffällig  sein  kann,  z.  B.  Sali.  Jug.  14,  10 
iure  omnict  saeva  iKitiehamur,  vgl.  Fabri  z.  St.  —  Den  Ausdruck 
corpus  iuris  finden  wir  bereits  bei  Liv.  3,  34,  7,  aber  hier  noch  = 
Libegriff  edles  Rechts.     Vgl.  Landwehr  Archiv  YI,  248. 

lusiurcindum  ist  nicht  nur  ein  Eid  im  bürgerlichen  Leben,  bei 
einer  Rechtssache,  sondern  auch  ein  Huldigung  seid :  provinciam 
omnem  in  sua  et  Pompei  verha  iusiurandum  cuUgehat,  Caes.  civ.  1, 
76,  3;  2,  18,  5.     Über  Diensteid  vgl.  luramentum. 

lussus,  der  Befehl,  kommt  ausser  im  Ablativ  iussu  bei  den 
Bessern  nicht  vor,  dafür  nur  iussmn,  aber  gewöhnlich  nur  im  Plural, 
s.  Nägelsbach-Müller^  S.  139;  ebendarum  nie  im  Ablativ  iusso,  wo 
nur  iussu  stattfindet.  Unerhört  aber  ist  iussibiis  für  iiissis.  Ein  Be- 
fehl in  Staatsangelegenheiten  ist  edictiim,  z.  B.  Caesar  (als  Feldhorr) 
edictum  praemittit,  nicht  iussum.  —  lussio  ist  Sp.  L.,  erstmals  bei 
Cyprian,  vgl.  Hartel  in  Wölfflins  Archiv  IIT  S.  24,  dann  bei  Juristen, 
vgl.  Kalb  Juristenlatein  S.  69  und  Roms  Juristen  S.  143,  auch  bei 
Augustin,  vgl.  Regnier  S.  169,  u.  bei  Lact.,  Hier.,  Salvian,  Coripp  u.  a. 

lustificare,  für  gerecht  erklären,  und  iustificatio  sind  Sp.  L., 
aber  unentbehrlich  gewordene  theologische  Wörter  für  cdic[uem  iustum 
declarare;  iustificare  ah  sagt  Filastr.  79,  8,  vgl.  Juret  S.  94;  vgl. 
Wölfflin  Cass.  Fei.  S.  425,  Regnier  S.  169,  Koffmane  Kirchenlat. 
S.  43. 

luvencdis,  jugendlich,  ist  seltene,  aber  bei  Liv.  1,  57,  11  und 
von  da  ab  im  silb.  Latein  und  Sp).  L.  vorkommende  Nebenform  von 
iuvenilis;  vgl.  Schulze  Symm.  S.  60,  dessen  Autorenverzeichnis  durch 
Ps.  Cypr.  291,  51  H.,  Sedulius  8,  7;  281,  2;  280,  14  H.  u.  Arnob. 
130,  9  R.  ergänzt  werden  kann. 

luvenescej^e  ist  nicht  klass.;  es  heisst  in  die  Jüngling sjahre  ti'eten, 
heranicachsen,  =  culolescere,  adidescentem,  iuvenem  fleri,  N.  El.  bei 
Plin.  nat.  21,  69  auch  wieder  jung  wer  den,  sich  verjüngen.  Ygl. 
Sittl  in  Wölfflins  Archiv  I  S.  485,  Hey  Semas.  Stud.  S.'l84. 

luvenis,  jung,  der  Jüngling,  und  iuventus,  die  Jugend,  bedeuten 
nach  strengem  Gebrauche  rüstige  Leute,  junge,  kräftige,  im  Kriege 
helfende  Männer,  welche  im  Alter  zwischen  den  adulescentes  und 
senior  es  stehen  und  so  dem  Alter  nach  auf  die  adulescentes  folgen. 
Bisweilen  werden  jedoch  adulescentes  und  iuvenes  fast  gleich  gebraucht 
und  jene  iuvenes  genannt,  indem  man  nicht  auf  das  Alter,  sondern 
auf  die  Jugendkraft  Rücksicht  nimmt,  und  so  bedeutet  denn  auch 
iuvenilis,  jugendlicJi,  so  viel  als  rasch,  rüstig.  Ygl.  Cic.  off.  2,  45, 
wo  iuvenis  gleich  adulescens  ist;  näheres  hierüber  siehe  bei  Hey 
Semas.  Stud.  S.  182.  Man  merke,  dass  iuventus  klass.  fast  nur  kol- 
lektiv gebraucht  wird;  im  übrigen  half  man  sich  mit  Umschreibungen 
wie  aetas  florens,  firma,  optima,  vgl.  oben  s.  v.  Aetcis.  —  Die  Jung- 


luventa  —     809     —  luxta 

linge  (Jugend)  auf  Schulen  heissen  besser  CKhcJcscentes  und  ihr  Alter 
adulescentia,  aber  die  auf  höbern  Gelehrtenschulen  und  im  tätigen 
Menschenleben  iuvenes  und  ihr  Alter  iuventus.  Doch  wird  man  bei 
luv.  7,  213  Sed  Ruf  um  atqite  cdios  caedit  sua  cßtemque  iuventus,  das 
letzte  Wort  =  Schuljugend  fassen  müssen,  vgl.  Hey  Senias.  Stud. 
S.  187  Anm.  4.  Ygl.  Vir.  —  D.  L.  ist  viri  iuvenes,  die  jungen 
Mämiey^  für  iuvenes  allein.  Auch  wird  es  nicht  gebraucht  in  Kedens- 
arten  wie:  der  junge  Cicero,  was  entweder  (in  Beziehung  auf  das 
Alter)  Cicero  adulescens,  oder  (zur  Unterscheidung  von  dem  Yater) 
Cicero  filius  heisst.  Derselbe  Fall  ist  es  bei  dem  weiblichen  Ge- 
schlechte, z.  B.  die  junge  Tullia,  entweder  Tullia  adidescens  oder 
Tullia  filia.  Unser  modernes  Senior,  Junior  zur  Unterscheidung 
von  Vater  und  Sohn  kommt  erst  Sp.  L.  so  vor.  S.  Ambros.  enarrat. 
in  Psalm.  45,  V.  31.  —  Weder  iuvenis  noch  iuvenilis  wird  gebraucht, 
wenn  wir  vom  Jugendunterrichte  sprechen,  welchen  die  Lateiner 
nur  mit  puerilis  institutio  oder  disciiüina  puerilis  ausdrücken ; 
z.  B.  Cic.  (de  erat.  2,  1):  quantum  prima  illa  puerili  institutione 
attingere  potuit;  rep.  4,  3  disciplinam  puerilem.  —  Über  den  Kom- 
parativ iunior  vgl.  dieses  Wort. 

luventa,  die  Jugend,  das  Jüngling  salter  j  ist  eigentlich  ein  Ad- 
jektiv und  findet  sich  als  solches  neben  aetas  auf  einer  Inschrift; 
literarisch  treffen  wir  es  zuerst  und  zwar  als  Substantiv  bei  Catull 
61,  230,  in  Prosa  aber  kommt  es  erst  seit  Livius  und  zwar  zur  Be- 
zeichnung der  Altersstufe  vor;  Liv.  scheidet  iuventus  =  iuvenes  u. 
itiventa  =  Jugendzeit ;  das  silberne  Latein  gebraucht  nebeneinander 
iuventus,  iuventus  u.  iuventa,  aber  in  der  angegebenen  Scheidung 
der  Bedeutung.  Später  trägt  jedoch  das  ursprüngUche  iuventus  den 
Sieg  über  alle  davon,  vgl.  Kühnast  S.  394  und  Friedersdorff  zu  Liv. 
26,  2,  15;  Novak  Studia  1894  S.  54;  Hey  1.  1.  S.  185  ff.  —  F.  L. 
sagt  man  für  iuventa  =  das  Jünglingsalter,  das  bereits  erwähnte 
iuventus ;  dieses  Wort  findet  sich  zuerst  bei  Cic.  und  zwar  im  Sinne 
von  Göttin  der  Jugend;  vgl.  Tusc.  1,  65;  Brut.  18;  bei  Dichtern  hat 
es,  z.  B.  Hör.  od.  1,  30,  7,  auch  diese  Bedeutung,  dann  aber  ist  es 
oft  gebraucht  für  die  Altersstufe.  Ygl.  Reisig-Haase-Hagen  S.  163 
und  Anm.  114,  Wölfflins  Archiv  I  S.  302,  ganz  besonders  aber  Hey 
Semas.  Stud.  S.  176—187. 

luxta  wird  von  Cicero  nirgends  als  Präpos.  in  der  Bedeutung 
daneben,  sondern  dafür  secundum,.  prope,  propter,  ad  und  apud  ge- 
braucht; bei  ihm  ist  wie  im  A.  L.  iuxta  ausschliesslich  Adverb  und 
zwar  in  übertragenem,  nie  in  örtlichem  Sinne.  Hingegen  bei  Caesar 
ist  der  Gebrauch  von  iuxta  =  hart  an,  dicht  an,  als  Präpos.  c. 
accus,  öfter,  aber  nur  im  b.  civ.,  z.  B.:  iuxta  murum  castra 
posuit,  1,  16,  4  und:  iuxta  eum  (Pompeium)  castra  posuit,  3, 
41,  1;  tribunal  suum  iuxta  .  .  praetoris  urhani  sellam  collocavit,  ib. 
c.  20,  1;  castra  secundum  mare  iuxta  Pompeium  munire  iussit,  ib. 
c.  65,  4;  vgl.  Frese  S.  70.  Auch  I^epos  verwendet  iuxta  in  diesem 
Sinne:   hahuit  provinciam  partem    Ciliciae  iuxta  Cappadociam,  Dat. 


luxta  —     810     —  luxta 

1,  1  und:  sepuUiis  est  mxta  viam  Apinam,  Attic.  22,  fin.  So  ist  es 
auch  nachklass.  bei  Quintil.  8,  4,  22,  Colum.  4,  8,  2  und  Tac.  Germ. 
17.  Als  Adverb  =  unmittelbar  daneben  findet  es  sich  bei  Caesar 
nur  einmal:  cum  seiitimam  legionem,  qiiae  iuxta  constiterat  (=^  die 
neben  der  12.  Legion  aufmarschiert  ivar),  urgeri  .  .  vidisset,  Gall.  2, 
26,  1  und  so  auch  bei  Sali.:  ^letenti,  more  regiim  ut  sellam  iuxta 
2')oneret,  Jug.  65,  2.  Verbunden  mit  Yerba  der  Bewegung  be- 
deutet es  dann  auch  mit  dem  Accus,  konstruiert  bis  zu  im  eigent- 
lichen und  übertragenen  Sinne:  aditum  iuxta  moenia  iirbis  Volsco 
militi  struxit,  Yal.  Max.  5,  4,  1 ;  gravitate  cumonae  iuxta  seditionem 
ventum,  Tac.  ann.  6,  13,  ebenso  ist  iuxta  esse  =  einer  Sache  nahe 
stehen^  ihr  fast  gleich  komme?!:  iuxjta  seditionem  erant,  Sali.  bist.  3, 
96  M. ;  popidi  imi^erium  iuxta  libertatem,  Tac.  ann.  6,  42;  velocitas 
iuxta  formidinem,  Germ.  30  extr. ;  sapor  iuxta  fontis  didcissumos, 
Sali.  bist.  4,  38  M.  Sodann  dient  iuxta  als  Präposition  seit  Livius 
und  Celsus  auch  zur  Bezeichnung  des  Ranges ^  der  Reihenfolge  = 
zunächst,  unmittelbar  nach  etwas:  homines,  cqnid  quos  iuxta  divinas 
7'eligiones  humana  fides  colitur,  Liv.  9,  9,  4;  iuxta  deos  in  tua  manu 
jjositum  est  imi)erium,  Tac.  bist.  2,  76.  Temporales  iuxta  hat  wohl  nur 
Tac.  dial.  22  iuxta  finem  vitae,  vgl.  Gudeman  z.  St.  —  Als  Adverbium 
in  der  Bedeutung  gerade  als  wenn,  luie  ivenn,  in  gleicher  Weise  steht 
es  bei  Cicero  nur  einmal  in  der  Rede  post  red.  in  sen.  20,  wofür  er 
sonst  sagt  non  secus  ac  si  oder  perinde  ac  si;  vgl.  Landgraf  zu 
Reisig-llaase  Anm.  409  a.  Doch  ist  iuxta  ac  si  nicht  zu  verwerfen, 
denn  es  findet  sich  ja  auch  bei  Sallust:  iuxta  ac  si  hostes  adessent, 
Jug.  45,  2  und  so  auch  bei  Livius  22,  31,  3:  iuxta  effusi  ac  si  in 
insulis  cultorum  egentibus  praedareyitur.  Hingegen  ist  iuxta  = 
imriter  bei  Livius  nicht  selten:  adiectique iioenae  ceteri  iuxta  insontes, 
Liv.  24,  5,  13;  die  ac  nocte  iuxta  intentus,  24,  20,   13;  23,  28,  3; 

9,  13,  9  und  24,  37,  4.  Und  wie  Livius  zur  Bezeichnung  der 
Gleichheit  zweier  Wörter  imriter  ac  sagt  (die  Beispiele  siehe  bei 
Novak  Stud.  Liv.  1894  S.  130),  so  ist  bei  ihm  auch  iuxta  ac,  atque 
gar  nicht  selten:  absentium  bona  iuxta  atque  interemiAorum  divisui 
fuere,  Liv.  1,  54,  9;   ifi   re  iuxta  manifesta  atque  atroci,  ibid.  3,  33, 

10,  s.  ausserdem  Liv.  24,  5,  13;  24,  20,  13;  23,  28,  4;  6,  6,  18;  21, 
33,  4;  5,  6,  5  und  37,  54,  16.  Hingegen  iuxta  quam  steht  nur  ein- 
mal bei  Liv.  10,  6,  9,  offenbar  aus  Rücksicht  auf  Euphonie.  Auch 
Sallust  sagt  i^ixta  rei  ])uhlicae  ac  sibi  consulere,  Cat.  37,  8  und  litteris 
Graecis  et  Latinis  iuxta  [ac  doctissume]  eruditus,  Jug.  95,  3.  Bei 
Plautus  erscheint  iuxta  immer  adverbial  mit  cum  verbunden  (s.  Brix- 
Niemeyer  zum  Trin.  197,  Ebrard  S.  595),  was  sich  in  Prosa  nur  bei 
Sali.  Cat.  58,  5  findet:  quo  loco  res  nostrae  sint,  iuxta  mecum  omnes 
intellegitis,  sowie  Fronto  S.  182  N.  Schon  bei  Livius  39,  9,  6  (vgl. 
Sittl  in  Bursian-MüUers  Jahresbericht  1877—83  S.  351  und  Land- 
graf zu  Reisig-Haase  S.  719,  aber  auch  Novak  Stud.  Liv.  1894  S. 
188,  der  für  Liv.  kausales  iuxta  leugnet),  namentlich  aber  im  Sp. 
L.  wird    es   mit   einem   Accusativ   verbunden  in  der  Bedeutung  zu- 


luxta  —     811     —  luxta 

nächst  iiacli,  zufolge,  gemäss,  für  secundum  oder  (bei  einem  Personen- 
namen) ex  sententia,  ut  cmctor  est,  ut  ait,  ut  placet,  iit  videtur  u.  dgl. 
Man  sage  daher  nicht  iiixta  Herodotum,  iuxta  Livium,  iiixta  Pliitar- 
chiim  u.  dgl.,  nach  der  Erzählung  Herodots  u.  s.  w.,  was  im  N.  L. 
vorkommt.  Mit  Recht  tadelt  daher  Ruhnken  den  Muret,  welcher 
schrieb:  iuxta  praeceptum  Hesiodi  — ;  er  sagt:  Imo  secundum; 
alterum  est  cadentis  latinitatis.  Ygl.  Hand  Tursellin.  III,  Hartel 
in  Wölfflins  Archiv  III  S.  24,  Paucker  Z.  f.  ö.  G.  1883  S.  328,  Cotta 
S.  15,  Lönnergren  S.  29,  Seck  I  S.  25,  Gölzer  Hieron.  S.  332,  Kaulen 
Handbuch  S.  206,  Hoppe  Synt.  Tert.  S.  37.  Ebenso  Sj:).  L.  ist  iuxta 
=  betreffend,  z.  B.  Faustus  Reiensis  ep.  S.  6  Engelbr.  quomodo  iuxta 
suhstantiam  Dei  iji  quadam  epistula  scriptum  sit,  worauf  Nettleship 
in  Journ.  of  philol.  XV  S.  25  aufmerksam  macht;  vgl.  dazu  noch 
Rönsch  Coli.  phil.  S.  188.  —  Über  angebliches  iuxta  mit  Dativ  vgl. 
Wölfflins  Archiv  II  S.  143,  gegen  Riemann  etudes  S.  275;  bei  Liv. 
24,  19,  6  ist  iuxta  nicht  Präpos.,  sondern  Adverb,  und  so  erklärt 
sich  der  Dativ  sehr  einfach  nach  der  Analogie  des  ihm  synonymen 
'pariter. 


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