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Full text of "Antike Schlachtfelder; Bausteine zu einer antiken Kriegsgeschichte"

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ANTIKE  SCHLACHTFELDER 


IN  GRIECHENLAND. 


BAUSTEINE  Zu  EINER  ANTIKEN  KRIEGSGESCHICHTE. 


VON 


JOHANNES  KROMAYER. 

in 

\j,   2. 
ZWEITER  BAND. 

DIE  HELLENISTISCH-RÖMISCHE  PERIODE:  VON  KYNOSKEPHALAE 

BIS  PHAESALOS. 


MIT  12  LITHOGRAPHISCHEN  KARTEN,    11  BEIKARTEN,   2  SKIZZEN  IM 
TEXT  UND  EINER  TAFEL  IN  LICHTDRÜCK. 


0^ 


BERLIN  $ 


WEIDMANNSCHE   BUCHHANDLUNG  ^       A 


1907.  tfi 


SEINER  EXCELLENZ 


HERRN  Dr.  RITTER  VON  HARTEL 

K.  K.  MINISTER  FÜR  KULTUS  UND  UNTERRICHT  A.  D. 
VICEPRÄSIDENT  DER  KAIS.  AKADEMIE  DER  WISSENSCHAFTEN 

IN  WIEN 


IN  DANKBARER  VEREHRUNG 


ZUGEEIGNET. 


Vorwort. 

Motto : 

ogtig  8s  &avfidastai  av&'  otov  im 
toGoTads  <;vyyQacpsv<n  xcu  ipoi  im  vovv 
rjl&sv  t]8s  r\  ^vyyQCKpijj  td  ts  ixsivmv 
Tzdvra  tig  dvals^dfisvog  neu  roTads  toig 
qpetSQOig  ivTv%mv  ovreo  -d-avfia^stco. 
Arrian  Anabasis  prooemium. 

Der  hier  vorliegende  zweite  Band,  mit  welchem  das  Werk  über 
die  Antiken  Schlachtfelder  in  Griechenland  abgeschlossen  ist,  umfafst 
die  hauptsächlichsten  kriegerischen  Ereignisse  des  zweiten  und  ersten 
Jahrhunderts  v.  Chr.,  soweit  sie  sich  in  Griechenland  und  Kleinasien 
abgespielt  haben;  er  verfolgt  also  die  Entwicklung  von  dem  Kriege 
Roms  gegen  Philipp  von  Makedonien  und  der  Schlacht  von  Kynos- 
kephalä  bis  auf  die  Schlacht  von  Pharsalos.  Der  Feldzug  und  die 
Schlacht  von  Philippi  (42  v.  Chr.),  die  ursprünglich  mit  in  den  Kreis 
der  Betrachtung  gezogen  werden  sollten,  sind  fortgeblieben,  weil  ich 
mich  an  Ort  und  Stelle  überzeugt  habe,  dafs  hier  nach  L.  Heuzeys 
Untersuchungen1)  nichts  wesentlich  Neues  mehr  zu  sagen  war.  Ebenso 
ist  der  Feldzug  und  die  Entscheidung  zwischen  Oktavian  und  Antonius 
bei  Aktium  hier  nicht  wieder  mit  behandelt  worden,  weil  ich  die 
Darstellung  dieser  Vorgänge  schon  an  anderem  Orte  gegeben  habe2). 

Je  mehr  die  Geschicke  der  hellenistisch-römischen  Welt  in  dem 
bezeichneten  Zeitraum  in  Griechenland  und  Kleinasien    entschieden 


x)  Mission  archeologique  de  Macedoine  par  L.  Heuzey  et  H.  Daumet.    Paris 
1876.     S.  97  ff. 

2)  Hermes  Bd.  34  S.  lff. 


VI  Vorwort. 

worden  sind,  um  so  mehr  nähern  sich  die  hier  vorliegenden  Unter- 
suchungen der  Darstellung  einer  geschlossenen  Kriegsgeschichte  dieser 
ganzen  Zeit,  soweit  wir  eine  solche  heutzutage  überhaupt  noch  zu 
geben  imstande  sind.  Denn  —  abgesehen  von  den  Feldzügen  Cäsars  — 
steht  nur  für  die  hier  behandelten  Ereignissse  eine  so  gute, 
hauptsächlich  auf  Polybios  fufsende,  kriegsgeschichtliche  Überlieferung 
zu  Gebote,  dafs  eine  Rekonstruktion  in  militär-wissenschaftlichem 
Sinne  überhaupt  möglich  erscheint.  Was  wir  von  den  gleichzeitigen 
Kriegen  in  Spanien  und  Gallien,  in  Italien  und  Afrika,  in  Ägypten 
und  dem  Seleukidenreiche  wissen,  ist  teils  so  lückenhaft  überliefert, 
teils  so  rhetorisch  verfärbt,  dafs  es  für  eine  militärische  Rekon- 
struktion überhaupt  kaum  noch  zu  brauchen  ist. 

Um  so  mehr  war  es  Pflicht,  da  wo  noch  guter  Überlieferungs- 
stoff vorhanden  wrar,  alles  zusammenzufassen,  was  das  Gelände  einer- 
seits und  die  militärische  Theorie  anderseits  bieten  konnten,  um  aus 
der  auch  hier  stark  zertrümmerten  Überlieferung  zu  gewinnen,  was 
noch  zu  gewinnen  war.  Ich  habe  deshalb  versucht,  um  nicht  von 
vornherein  nur  Stückwerk  zu  geben,  die  einzelnen  Schlachten,  von 
denen  meine  Forschung  ausgegangen  ist  und  auf  deren  lokale 
Fixierung  sich  die  Bemühungen  unserer  Expedition  in  erster  Linie 
gerichtet  haben  —  s.  darüber  das  Vorwort  zu  Bd.  I  — ,  aus  ihrer 
Vereinzelung  herauszuheben,  mich  nicht  nur  auf  eine  Feststellung  der 
Stätten  und  eine  Darstellung  des  Herganges  in  den  Schlachten  selbst 
zu  beschränken,  sondern  noch  mehr,  als  ich  dies  schon  im  ersten 
Bande  getan  habe,  den  ganzen  Gang  der  Feldzüge  und  die  ganze 
strategisch-politische  Situation  mit  in  den  Kreis  der  Betrachtung 
hineinzuziehen. 

Nur  so  konnte  einerseits  ein  volles  Verständnis  der  Schlachten 
selber,  anderseits  eine  zusammenhängende  Darstellung  der  Kriegs- 
geschichte der  Zeit  angestrebt  werden. 

Das  Werk  ist  damit  freilich  über  seinen  ursprünglichen  Plan 
wreit  hinausgewachsen:  eine  Anzahl  von  Operationen  und  Feldzügen, 
deren  Örtlichkeiten  ich  nicht  selbst  besucht  habe,  wie  z.  B.  alle  die 
Kämpfe  in  Obermakedonien  und  Epiros,  mufsten  infolgedessen  mit  in 
den  Rahmen  des  Werkes  hineingenommen  werden,  und  mir  selbst  er- 
wuchs damit  die  Aufgabe,  mich  durch  eine  sehr  starke  Reiseliteratur 
durchzuarbeiten,  um  ein  anschauliches  Bild  auch  von  denjenigen 
Gegenden  zu  gewinnen,  die  ich  nicht  selbst  gesehen  hatte.    Aber  ich 


Vorwort.  VII 

glaube,  diese  Arbeit  ist  dem  Ganzen  zugute  gekommen,  und  wenn 
auch  der  Name  „Antike  Schlachtfelder"  den  Inhalt  des  Buches  jetzt 
nur  zum  kleinen  Teil  wiedergibt,  so  hat  dafür  dieser  Inhalt  an  Zu- 
sammenhang und  Einheitlichkeit  wesentlich  gewonnen. 

Man  könnte  vielleicht  geneigt  sein,  die  Frage  aufzuwerfen,  was 
doch  bei  einer  solchen  Allgemeindarstellung  der  ganzen  Kriege 
hier  Neues  geboten  werden  könne,  da  ja  bisher  unbekanntes  Quellen- 
material für  so  weite  Gebiete  durch  unsere  Expedition  nicht  er- 
schlossen sei,  und  diese  Kriege  auf  Grund  des  bekannten  Materials 
bisher  wiederholte  Darstellungen  von  berufener  Seite  gefunden  hätten. 

Wer  diese  sehr  berechtigte  Frage  stellt,  dürfte  am  besten  tun, 
das  vorliegende  Buch  selber  zu  lesen  und  sich  von  dem,  was  neu 
darin  ist,  zu  überzeugen.  Denn  es  im  einzelnen  hier  aufführen, 
würde  heifsen,  die  Darstellung  selbst  vorwegnehmen  wollen. 

Wohl  aber  kann  mit  zwei  kurzen  Worten  angedeutet  wrerden, 
aus  welchen  Quellen  auch  für  die  Darstellung  der  ganzen  Kriege  hier 
Neues  fliefsen  konnte. 

Nämlich  erstens  aus  der  konsequenten  Heranziehung  alles  des 
Materials,  welches  die  moderne  Erschliefsung  und  Durchforschung 
derXänder,  in  denen  die  Kriege  sich  abspielten,  durch  Karten, 
Reise-  und  Länderbeschreibungen  geliefert  haben,  und  welches  für 
diese  Periode  der  Kriegsgeschichte  bisher  noch  nicht  in  dem  genü- 
genden Umfange  herangezogen  war. 

Zweitens  aber  aus  dem  Versuche,  diesen  neuen  und  den  schon 
früher  von  der  antiquarisch-historischen  Forschung  zurechtgelegten 
Stoff  nach  ausschliefslich  militärischen  Gesichtspunkten  durchzuarbeiten 
und  die  ganze  Folge  der  Begebenheiten  von  diesen  Gesichtspunkten 
aus  darzustellen,  eine  Arbeit,  die  für  diese  Periode  gleichfalls  noch 
nicht  geleistet  worden  ist  und  bei  der  sich  ganz  von  selber  ergab, 
dafs  die  einzelnen  Nachrichten  vielfach  anders  eingeschätzt  werden 
mufsten,  als  bisher  geschehen  war.  Daraus  ging  dann  weiter  her- 
vor, dafs  auch  die  Verknüpfung  der  einzelnen  Tatsachen  nach  Grund 
und  Folge  vielfach  eine  andere  wurde,  dafs  sich  die  Ansichten  über 
die  Kriegspläne  und  Kriegsabsichten  der  beiderseitigen  Parteien  im 
grofsen  zum  Teil  anders  gestalteten,  und  dafs  endlich  auch  das  Urteil 
über  die  Berechtigung  der  einzelnen  militärischen  Mafsregeln  und 
Entwürfe    sich    veränderte,    kurz,    dafs   die   Kritik  des  ganzen  Ver- 


VIII  Vorwort. 

haltens  der  Parteien  von  diesem  Standpunkte  aus  vielfach  zu  anderen 
Resultaten  gelangte,  als  man  sie  bisher  für  richtig  gehalten  hatte. 

Diese  zum  Teil  veränderte  Auffassung  und  Beurteilung  der 
militärischen  Verhältnisse  hat  dann  natürlich  ihrerseits  wiederum  auf 
die  Beurteilung  der  politischen  Lage  eingewirkt,  wie  das  ja  bei  dem 
engen  Zusammenhang  zwischen  Krieg  und  Politik  selbstverständlich  ist. 

So  glaube  ich,  um  in  dieser  Richtung  nur  eines  hier  anzudeuten, 
dafs  eine  unparteiischere  und  dem  Besiegten  gerechter  werdende  Be- 
urteilung der  hellenistischen  Kriegführung  dieser  Zeit  auch  eine 
mildere  Beurteilung  der  Politik  der  hellenistischen  und  hellenischen 
Staaten  im  Gefolge  haben  mufs,  als  wir  sie,  geblendet  durch  Mommsens 
glanzvolle,  aber  mehr  der  römischen  Sache  geneigte  Auffassung  dem 
unterlegenen  Gegner  heutzutage  gewöhnlich  zuzubilligen  geneigt  sind. 

Ob  unter  diesen  Umständen  meine  Ansicht  gerechtfertigt  ist, 
dafs  eine  eigene,  vollständigere  Darstellung  der  Kriege  dieser  Zeit 
notwendig  war,  um  das  vorgetragene  Neue  in  genügender  Weise  zum 
Ausdruck  zu  bringen,  das  mufs  ich  natürlich  dem  Urteile  der  Kenner 
im  Kreise  der  historischen  und  militärischen  Fachmänner  überlassen. 

Was  die  Form  der  Darstellung  betrifft,  so  habe  ich  Polemik  in 
diesem  Bande  grundsätzlich  vermieden.  Durch  dialektische  Wort- 
gefechte wird  ja  im  Grunde  doch  nichts  entschieden;  ein  jeder  bleibt 
auf  seiner  Ansicht  bestehen,  und  man  verliert  sich  nur  zu  oft  in 
Nebensächlichkeiten.  Die  positive  Leistung  ist  es  allein,  die  hier  wie 
überall  entscheiden  mufs. 

Wo  ich  daher  auch  immer,  sei  es  in  theoretischen  Ansichten, 
wie  bei  der  Auffassung  über  Ermüdungs-  und  Niederwerfungsstrategie 
(S.  4  A  2),  sei  es  in  der  kritischen  Wertung  unserer  Quellen  und  dem- 
zufolge in  der  Darstellung  der  Ereignisse,  wie  z.  B.  bei  der  Schlacht 
von  Magnesia  (S.  213 ff),  in  den  Feldzügen  des  Sulla  (S.  352  f.)  und  bei 
Parsalos  (S.  401  ff  u.  426ff),  zu  den  den  neuesten  Forschern  vielfach 
entgegengesetzten  Ansichten  gelangt  bin,  habe  ich  das  rein  sachlich 
und  mit  so  wenig  „Lebhaftigkeit",  wie  mein  Naturell  es  mir  nur  ir- 
gend gestattet,  zum  Ausdruck  zu  bringen  gesucht. 

Nachdem  ich  so  dem  Bedürfnis  genügt  habe,  über  Inhalt,  Ziele 
und  Form  der  Darstellung  in  kurzen  Worten  zu  orientieren,  habe 
ich  zum  Schlüsse  nur  noch  die  angenehme  Pflicht,  allen  denen  meinen 


Vorwort.  IX 

Dank  auszusprechen,  die  mich  bei  der  Abfassung  dieses  Bandes  unter- 
stützt haben.  Zunächst  und  vor  allem  der  Königlichen  Akademie  der 
Wissenschaften  zu  Berlin  und  Sr.  Exzellenz  dem  früheren  öster- 
reichischen Minister  für  Kultus  und  Unterricht  Herrn  Dr.  von  Hartel. 
Die  Königliche  Akademie  hat  mir  auch  für  diesen  Band  wiederum 
eine  reichliche  Subvention  für  die  Herstellung  der  zahlreichen,  un- 
umgänglich notwendigen  Karten  zukommen  lassen,  und  der  Herr 
Minister  von  Hartel  hat  durch  sein  verständnisvolles  Eingehen  auf 
meine  Wünsche  die  Bedingungen  geschaffen,  unter  denen  mir  dauernd 
mehr  Mufse  für  ein  ruhiges,  wissenschaftliches  Arbeiten  gewährleistet 
worden  ist,  als  es  unter  anderen  Verhältnissen  möglich  gewesen  wäre. 

Für  Beihilfe  bei  Beschaffung  des  sehr  zerstreuten,  zum  Teil 
nicht  publizierten  Kartenmaterials  bin  ich  ferner  dem  Leiter  des 
K.  u.  K.  Militärgeographischen  Instituts,  Herrn  General  Frank,  und 
dem  Chef  der  Kartographischen  Abteilung  dieses  Instituts,  Herrn 
K.  u.  K.  Vorstand  I.  Klasse  Haardt  von  Hartenturn  zu  lebhaftem  Danke 
verpflichtet;  ebenso  Herrn  Dr.  Oehler,  Professor  an  der  Kadetten- 
anstalt in  Grofs-Lichterfelde,  der  mir  durch  Überlassung  von  schwer 
erhältlichen  oder  nicht  veröffentlichten  Kartenaufnahmen  hilfreiche 
Hand  geboten  hat. 

Bei  der  Zeichnung  der  Karten,  besonders  bei  der  schwierigen 
Ausgleichsarbeit,  die  zur  Herstellung  der  Thermopylenkarte  notwendig 
war,  hat  mich  Herr  Dr.  J.  Dell,  jetzt  an  der  Technischen  Schule  in 
Brunn,  mit  gröfstem  Verständnisse  und  aufopfernder  Tätigkeit  unter- 
stützt, und  Herr  Dr.  Groag  in  Wien  hat  die  Liebenswürdigkeit  ge- 
habt, den  Lorscher  Liviuskodex  in  Wien  für  mich  an  einigen  Stellen 
neu  einzusehen.  Auch  diesen  beiden  Herren  spreche  ich  hier  meinen 
besten  Dank  aus. 

Czernowitz,  im  November  1906. 


Inhalt. 


Seite 

Vorwort    .  .  .  .  • V 

I.  Der  zweite  Makedonische  Krieg  (200—197  v.  Chr.). 

Vorbemerkung:  Die  strategisch-politische  Lage.     Die  Aufgabe  ...        3 

1.  Der  Feldzug  in  Obermakedonien  (199  v.  Chr.).     Philipps   er- 
folgreiche Defensivstrategie 9 

2.  Der   Feldzug   in   Epiros    und   Thessalien   (198  v.  Chr.).    Die 
Schlacht  am  Aoos     33 

3.  Der  Feldzug  vom  Jahre  197.    Die  Schlacht  von  Kynoskephalä. 

1.  Überblick  und  Kriegsabsichten 57 

2.  Beginn  des  Feldzuges  und  Bestimmung  des  Schlachtfeldes  60 

3.  Die  Schlacht 78 

Anhang  I:  Übersetzung  des  Schlachtberichtes  von  den  Aoospässen  .  86 

Anhang  II:  Übersetzung  des  Schlachtberichtes  von  Kynoskephalä    ,  88 
Beilage  I:  Heeresstärken  der  Makedonier  und  Römer  im  2.  Makedoni- 
schen Kriege. 

1.  Die  Feldzüge  von  199  und  198 95 

2.  Der  Feldzug  197 102 

Beilage  II:  Zur  Chronologie  des  2.  Makedonischen  Krieges. 

1.  Der  Feldzug  199 106 

2.  Der  Feldzug  198 107 

3.  Der  Feldzug  197 109 

Beilage  III:  Die  Pelopidasschlacht  bei  Kynoskephalä  (364  v.  Chr.).  .  116 

Anhang:  Übersetzung  des  Berichtes  der  Pelopidasschlacht  .    .    .    123 

II.  Der  Syrisch-römische  Krieg  (192—189  v.  Chr.). 

Vorbemerkung:  Die  strategisch-politische  Lage 127 

1.  Thermopylä. 

1.  Der  Feldzug  bis  zur  Schlacht  und  die  Bestimmung  des 
Schlachtfeldes 134 

2.  Schlachtfeld  und  Schlacht ; 149 

2.  Magnesia. 

1.  Der   Feldzug   bis    zum  Übergang   der  Römer   über   den 
Hellespont 154 

2.  Der  Feldzug  in  Asien  und  die  Bestimmung  des  Schlacht- 
feldes   163 

3.  Die  Schlacht 179 


XII  Inhalt. 

Anhang  I:  Übersetzung  der  Schlachtberichte  von  Thermopylä   ...  196 
Anhang  II:  Übersetzung  der  Schlachtberichte  von  Magnesia. 

1.  Livius  39, 39,  7  bis  43, 8 198 

2.  Appian  Syriaka,  Kap.  31— 36,  5 202 

Beilage  II:  Heeresstärken. 

1.  Römer 206 

2.  Antiochos 208 

Beilage  II:  Die  Schlachtberichte  und  ihre  Kritik 213 

Beilage  III:  Zur  Chronologie  des  Römisch-syrischen  Krieges     .    .    .  220 

III.  Der  Krieg  gegen  Perseus  (171 — 168  v.  Chr.). 

Vorbemerkung:  Die  strategisch-politische  Lage 231 

1.  Der  Feldzug  vom  Jahre  171 236 

2.  Der  Feldzug  vom  Jahre  170.     Fortschritte  von  Perseus'  De- 
fensivstrategie   255 

3.  Der  Feldzug  vom  Jahre  169.    Der  Olympübergang  und  dessen 
Folgen 267 

4.  Der  Feldzug  vom  Jahre  168. 

1.  Bis  zur  Schlacht  von  Pydna 294 

2.  Bestimmung  des  Schlachtfeldes 310 

3.  Die  Schlacht 316 

Anhang:  Übersetzung  der  Schlachtberichte  von  Pydna. 

1.  Livius,  Buch  44,40,4  bis  42, 8     .    .    . 329 

2.  Plutarch,  Aemilius  Paulus  18—22 331 

3.  Frontin  II  3,  20 333 

Beilage :  Heeresstärken. 

1.  Makedonier 335 

2.  Römer 340 

IV.  Die  Feldzüge  Sullas  in  Griechenland  (87—86  v.  Chr.). 

Vorbemerkung 352 

1.  Die   militärisch-politische    Lage    und   die  Ereignisse   bis    zur 
Schlacht  von  Chäronea 353 

2.  Schlachtfeld  und  Schlacht 370 

Anhang:  Übersetzung  von  Plutarchs  Schlachtbericht  von  Chäronea  .  384 

Beilage  I:  Heeresstärken 388 

Beilage  II:  Die  Quellen  und  ihre  Kritik 394 

V.  Pharsalos  (48  v.  Chr.). 

1.  Die  militärische  Lage  und  die  modernen  Hypothesen  über  das 
Schlachtfeld 401 

2.  Schlachtfeld  und  Schlacht 416 

Beilage:  Heeresstärken 426 

Verzeichnis  der  Karten  und  Skizzen  von  Band  II  und  Bemer- 
kung über  ihre  Herstellung 444 

Verzeichnis    der   in  Band  II   öfters   und  abgekürzt  genannten 

Werke 449 


I. 


Der  zweite  Makedonische  Krieg 
(200—197  v.  Chr.). 


Kromayer,    Antike  Schlachtfelder.     II. 


Vorbemerkung*. 


1.  Die  strategisch-politische  Lage.     Die  Aufgabe. 

Die  strategisch-politische  Lage  im  zweiten  Kriege  zwischen  Philipp 
von  Makedonien  und  Rom  ist  derjenigen  im  Siebenjährigen  Kriege 
in  mehreren  Beziehungen  aufserordentlich  ähnlich. 

In  beiden  Fällen  steht  ein  Staat  mit  verhältnismäfsig  beschränk- 
ten Mitteln  und  kleinem  Landgebiete  einer  weit  überlegenen  Koalition 
von  gröfseren  und  kleineren  Staaten  gegenüber,  die  ihn  von  mehreren 
Seiten  her  umstellen  und  ihm  zum  Teil  schon  einzeln  gewachsen  oder 
gar  überlegen  sind.  Rom  mit  den  Kräften  seiner  Legionen  droht 
von  Westen  her,  Griechenland,  im  Anfange  schwankend,  aber  bald 
auf  die  römische  Seite  geneigt,  hat  sein  Zentrum  im  Süden  und  ist 
von  Thessalien  aus  abzuwehren,  die  Flotten  von  Pergamon,  Rhodos 
und  Rom,  die  sich  im  Ägäischen  Meere  vereinigen,  blockieren  und 
plündern  die  südöstliche  Seite  des  Landes,  und  endlich  sind  die  stets 
beutelustigen  Bergvölker,  die  Illyrier  und  Dardaner,  im  heutigen 
Albanien  und  Serbien  immer  bereit,  von  Norden  her  die  makedoni- 
schen Lande  anzufallen. 

Schon  durch  den  Krieg,  den  Philipp  zwei  Jahre  lang,  ehe 
die  Römer  eingriffen,  gegen  Pergamon,  Rhodos  und  das  damals 
ganz  ohnmächtige  Ägypten  geführt  hatte,  war  der  Beweis  erbracht 
worden,  dafs  der  König  diese  Staaten  nicht  ohne  weiteres  nieder- 
zuwerfen die  Kraft  besafs1).  So  war  es  denn  eine  völlig  ausgemachte 
Sache,  dafs  nach  dem  Eintreten  Roms  in  die  Koalition  die  Möglich- 


x)  Mommsen,  Rom.  Gesch.  I  6,  693  ff. 

1* 


4  Der  zweite  Makedonische  Krieg. 

keit  für  Philipp  gänzlich  geschwunden  war,  eine  Strategie  zu  be- 
folgen, welche  sich  die  Niederwerfung  seiner  Gegner  zum  Ziele 
nahm.  Das  Zentrum  der  feindlichen  Macht  Italien  und  Rom  lag  ihm 
unerreichbar  fern,  ferner  als  Friedrich  dem  Grofsen  Wien  oder  Peters- 
burg. Auch  nur  der  erste  Schritt  zu  einer  ernstlichen  Offensive 
gegen  Italien  hätte  ihm  sein  Königreich  gekostet,  das  dann  den 
kleineren  Gegnern  wehrlos  überlassen  gewesen  wäre1). 

Es  liegt  hier  also  für  Makedonien  einer  jener  „konkreten  Fälle" 
vor,  von  denen  Clausewitz  (Vom  Kriege  12  Scherff,  S.  21)  so  treffend 
sagt,  dafs  bei  ihnen  der  Gedanke,  durch  das  Niederwerfen  des  Gegners 
den  Krieg  beenden  zu  wollen,  „ein  unnützes  Spiel  der  Vorstellungen 
sein  würde". 

Welche  Mittel  standen  also  bei  dieser  Lage  dem  Könige  zu 
Gebote,  um  den  Gegnern  seinen  Willen  doch  aufzuzwingen,  d.  h.  um 
die  Herrschaft  in  Griechenland  und  die  Integrität  seines  Reiches 
aufrecht  zu  erhalten,  und  wenn  das  nicht  durchführbar  war,  wenig- 
stens, ohne  gänzlich  niedergeworfen  zu  sein,  mit  möglichst  geringen 
Verlusten  zu  einem  ehrenvollen  Frieden  zu  gelangen? 

Am  nächsten  lag  es,  zu  der  strategischen  Defensive,  zu  der 
ihn  die  allgemeine  Lage  zwang,  die  taktische  hinzuzufügen  und  so, 
indem  er  den  Gegner  durch  die  Dauer  des  Kampfes  ermüdete,  den 
Weg  einzuschlagen,  der  die  „grofse  Zahl  von  Fällen  unter  sich  be- 
greift, wo  der  Schwache  dem  Mächtigen  widerstehen  will"2).     Denn 


J)  Die  von  dem  römischen  Legaten  Aurelius  geäufserte  Besorgnis  einer 
Landung  Philipps  in  Italien  (Liv.  31,  3,  6)  und  die  denselben  Gedanken  weiter 
ausführende  Rede  des  Konsuls  Sulpicius  (ib.  7,  12)  sind  daher,  wie  Mommsen  mit 
Recht  betont  hat,  nur  Gründe  fürs  Volk  gewesen,  die  Rede  ist  sogar  mit  Nissen 
(Krit.  Unters.  S.  92)  nur  als  rhetorisches  Elaborat  des  Livius  zu  betrachten. 

2)  Clausewitz,  Vom  Kriege  I  2  (Scherff  S.  24).  —  Ich  brauche  hier  und  im 
folgenden  den  Ausdruck  „Ermüden"  in  dem  Clausewitzschen  Sinne,  nicht  in  dem 
Sinne  Delbrücks,  der  bekanntlich  mit  seiner  Ermüdungs  oder  Ermattungsstrategie 
einen  viel  weitergehenden  Begriff  verbindet.  Ich  halte  die  Delbrück  sehe 
Terminologie  mit  Koser  (Hist.  Ztschr.  Bd.  93,  S.  74)  für  irreführend,  da  sie  uns 
nötigt,  einen  so  aggressiven  Feldherrn  wie  Friedrich  den  Grofsen  zu  den  Er- 
müdungsstrategen zu  werfen  und  selbst  einen  Theoretiker  wie  Clausewitz  eben- 
dahin zu  stellen,  insofern  auch  er,  gerade  so  wie  Friedrich  der  Grofse,  in  seinem 
Kriegsplan  gegen  Frankreich  vom  Jahre  1830/31  den  Angriff  „mit  beschränktem 
Ziel"  vertreten  und  sich  mit  der  Eroberung  Belgiens  zu  begnügen  empfohlen 
hat.  (Cämmerer,  Entwickelung  der  strateg.  Wissenschaft  im  19.  Jahrb.  S.  93  f.). 
Anderseits   würde   wiederum,   wenn   man   nur   auf  das  Ziel  sieht,    Daun  zu  den 


Die  strategisch-politische  Lage.  5 

die  Herbeiführung    einer    grofsen    taktischen   Entscheidung  war  bei 
der    damaligen    militärischen  Lage  noch  mehr  als  sonst  ein  Sprung 


Niederwerfungsstrategen  zu  stellen  sein,  da  ja  Österreich  im  Siebenjährigen  Krieg 
auf  völlige  Niederwerfung  Preufsens  ausging.  Diese  Umwertung  aller  Werte  hat 
wenig  für  sich.  —  Die  von  Delbrück  (Hist.  Zeitsch.  93,  450)  aufgeworfene  Frage, 
wie  wir  denn  sagen  sollen,  wenn  wir  die  von  ihm  vorgeschlagene  Terminologie 
verwerfen,  da  wir  irgend  einen  Namen  für  „einen  in  der  Weltgeschichte  so  wich- 
tigen Begriff*'  doch  haben  müfsten,  ist  m.  E.  dahin  zu  beantworten,  dafs  bei  der 
heterogenen  Natur  der  von  Delbrück  unter  diesen  Namen  subsumierten  Ver- 
fahrungsarten  eine  gemeinsame  Bezeichnung  überhaupt  dafür  nicht  angebracht 
ist.  Denn  -wenn  wir  uns  klar  machen,  was  Delbrück  alles  unter  Ermattungs- 
strategie begreift,  so  sind  es  folgende  4  Verfahrungsarten:  1.  strategische  De- 
fensive plus  taktischer  Defensive;  2.  strategische  Defensive  plus  taktischer  Offen- 
sive; 3.  beschränkte  strategische  Offensive  plus  taktischer  Defensive;  4.  be- 
schränkte strategische  Offensive  plus  taktischer  Offensive.  Das  sind  aber  so 
verschiedenartige  Dinge,  dafs  sie  nicht  mehr  in  dasselbe  Gefäfs  passen. 

Nun  hat  Delbrück  allerdings  seine  Einteilung  der  Strategie  auch  noch  auf 
die  Verschiedenheit  der  Operationsmittel  gestützt  und  statuiert,  dafs  die  Nieder- 
werfungsstrategie stets  nach  der  Schlacht  strebe,  während  die  Ermüdungsstrategie 
Schlacht  und  Manöver  als  gleichwertige  Mittel  zur  Auswahl  habe.  Aber  diese 
Einteilung  in  einpolige  und  doppelpolige  Strategie,  wie  er  es  nennt,  deckt  sich 
weder  mit  der  Einteilung  nach  dem  Ziel  noch  scheint  sie  mir  überhaupt  gerecht- 
fertigt zu  sein.  Die  ausgesprochensten  Niederwerfungsstrategen  wie  Cäsar  und 
Napoleon  haben  auf  Schritt  und  Tritt  das  Manöver  angewandt,  so  dafs  man  oft 
zweifeln  kann,  ob  sie  der  Schlacht  oder  dem  Manöver  ihre  gröfsten  Erfolge  ver- 
danken. Man  denke  z.  B.  an  die  Katastrophe  von  Mack  bei  Ulm  und  den  Po- 
übergang  bei  Piacenza  1796,  wo  Napoleon  durch  Erregung  von  „Jalousie"  die  ganze 
Lombardei  ohne  Schwertschlag  bis  zur  Adda  eroberte  (York  I  38,  182  f.).  Cäsar 
hat  sogar  wiederholt  die  ihm  nicht  unter  genügend  günstigen  Bedingungen  an- 
gebotene Schlacht  vermieden  und  zu  dem  Manöver  gegriffen;  so  im  belgischen 
Feldzuge  (b.  Gall.  II  8),  vor  Avaricum  (VII  18),  vor  Dyrrhachion  (b.  civ.  III  41,  2.  56) 
und  vor  Pharsalos  (III  85)  Sein  Auspruch,  er  siege  lieber  durch  den  Hunger 
als  das  Schwert  besagt  dasselbe  (Frontin  IV  7,  1).  «Die  grundsätzliche  Bevor- 
zugung der  Schlacht"  heifst  es  sehr  richtig  in  den  gewifs  auf  dem  Boden  der 
Niederwerfungsstrategie  stehenden  Einzelschriften  des  Grofsen  Generalstabes  Heft  27, 
S.  296  ist  eben  jederzeit  nur  dann  das  Richtige  gewesen,  wenn  man  des  Erfolges 
sicher  zu  sein  glaubte."  Wer  weiter  geht  siegt  nicht,  sondern  rennt  sich  den 
Kopf  ein.  Auch  der  Niederwerfungsstratege  hat  sich  daher  in  jedem  einzelnen 
Falle  zu  überlegen,  ob'  Schlacht  oder  Manöver  am  Platze  ist.  Auch  er  wählt  die 
Schlacht  nur,  wenn  sie  gröfseren  Erfolg  verspricht  als  das  Manöver.  Nicht  mehr 
haben  Cäsar  und  Napoleon  getan,  nicht  weniger  Friedrich  der  Grofse.  Aber  aller- 
dings haben  diese  Heroen  der  Feldherrnkunst  auch  das  Manöver,  wo  es  irgend 
möglich  war,  in  den  Dienst  der  Vernichtungsidee  gestellt  und  es  daher,  wie  alles 
was  sie  anfassten,  zu  einem  Akt  höchster  Energie  und  Kühnheit  gestempelt.    Und 


6  Der  zweite  Makedonische  Krieg. 

ins  Dunkle.  Noch  nie  hatte  sich  die  Phalanxtaktik  der  Makedonier 
mit  der  in  dem  zweiten  Punischen  Kriege  ausgebildeten  Manipular- 
taktik  gemessen,  und  kein  Mensch  konnte  sagen,  wie  der  Versuch 
ausfallen  würde.  Für  Philipp  aber  war  eine  grofse  Niederlage  seines 
einzigen  Heeres  gleichbedeutend  mit  seiner  Niederwerfung  überhaupt, 
während  ein  Sieg  ihm  nicht  Entsprechendes  einbringen  konnte,  da 
Kom  über  mehr  als  eine  konsularische  Armee  verfügte.  Anderseits 
konnte  er  sein  nur  auf  Verteidigung  gerichtetes  Ziel  fast  ebensogut 
ohne  das  Wagnis  einer  offenen  Feldschlacht  zu  erreichen  hoffen. 

Wie  ein  Festungskommandant,  der  zu  schwach  ist  sich  im  freien 
Felde  zu  stellen,  durch  zähe  Verteidigung  seiner  Wälle,  durch  un- 
ausgesetzte Wachsamkeit,  kleine  Ausfälle  und  Überfälle  dem  Gegner 
nach  und  nach  die  Hoffnung  auf  Eroberung  des  Platzes  benehmen 
und  ihn  zum  Abzüge  veranlassen  kann,  so  mufste  Philipp  auf  dem 
Gebiete  der  Strategie  seine  Festung  Makedonien  verteidigen.  Wenn 
er  durch  Besetzung  wohlgewählter  fester  Stellungen  dem  Feinde  ein 
weiteres  Vordringen  ebenso  wie  einen  direkten  taktischen  Angriff 
unmöglich  zu  machen  versuchte,  so  konnte  er  dabei  die  glückliche 
Gestaltung  seines  Landes,  welches  von  allen  in  Betracht  kommenden 


damit  komme  ich  zu  dem  Punkte,  der  m.  E.  den  Hauptcharakter  der  Niederwerfungs- 
strategie ausmacht;  das  ist  die  moralische  Macht  der  aufs  höchste  angespannten 
Energie,  die  mit  einem  unerschütterlichen  Willen  und  einer  vor  keinem  Wagnis, 
wenn  es  nur  Aussicht  auf  Erfolg  verspricht,  zurückschreckenden  Kühnheit  auf  die 
Vernichtung  des  Gegners  losgeht,  solange  die  eigene  Kraft  nur  irgend  die  Mög- 
lichkeit dazu  gewährt.  Ob  es  sich  dabei  nur  um  die  Vernichtung  des  gegenüber- 
stehenden Heeres  oder  die  Niederwerfung  des  ganzen  Staates  handelt,  kommt 
nicht  in  Betracht,  ebensowenig,  ob  das  zur  Vernichtung  anzuwendende  Mittel 
im  einzelnen  Falle  das  Manöver  oder  die  Schlacht  ist.  So  gefafst  stellt  die 
Theorie  Friedrich  den  Grofsen  dahin,  wohin  er  gehört:  unter  die  Niederwerfungs- 
strategen. 

Insofern  das  Prinzip  der  Vernichtung  mit  dem  der  Offensive,  das  der  Er- 
haltung durch  Ermüdung  des  Gegners  mit  dem  der  Defensive  zusammenfällt, 
stimmt  die  Teilung  in  Niederwerfungs-  und  Ermüdungsstrategie  mit  der  Teilung 
in  Offensive  und  Defensive  im  wesentlichen  überein.  Am  klarsten  kommt  daher 
die  Niederwerfungsstrategie  zum  Ausdruck,  wo  taktische  und  strategische  Offensive 
zugleich  angewandt  werden.  Diese  Fassung  des  Begriffes  pafst  auch  insofern 
vollkommen  zu  Clausewitz'  Ansicht,  als  er  bei  seiner  Erörterung  über  das  „Mittel, 
den  Gegner  in  der  Dauer  des  Kampfes  zu  überbieten,  das  ist:  ihn  zu  ermüden" 
ausdrücklich  hinzufügt,  dafs  „hier  der  Ursprung  des  das  ganze  Gebiet  des  Krieges 
beherrschenden  Unterschiedes  von  Angriff  und  Verteidigung  liege".  (Vom  Krieg, 
I  2.    Scherff.  S.  25). 


Die  strategisch-politische  Lage.  7 

Seiten  her  vermöge  seiner  schwer  passierbaren  und  dünn  bevölkerten 
Grenzgebirgslandschaften  schwer  angreifbar  war,  voll  in  die  Wag- 
schale werfen.  Durch  kleine  Überfälle  seiner  leichten  Truppen,  Aus- 
nutzung oder  Herbeiführung  von  Verpflegungsschwierigkeiten,  durch 
alle  die  einzelnen  Mittel  des  Widerstandes,  die  der  Verteidigung  in 
bekanntem  oder  befreundetem  Lande  zu  Gebote  stehen,  konnte  er 
die  Verluste  des  Feindes  häufen  und  ihn  durch  eine  Reihe  von  er- 
gebnislosen Feldzügen  vielleicht  dahin  bringen,  dafs  ihm  die  Wahr- 
scheinlichkeit eines  endgiltigen  Erfolges  in  immer  weitere  Ferne 
rückte  oder  der  Kraftaufwand,  der  zur  Niederwerfung  nötig  wurde, 
schliefslich  gröfser  erschien,  als  der  politische  Zweck  des  ganzen 
Krieges  es  rechtfertigte. 

Jeder  resultatlose  Feldzug  der  Römer  war  bei  diesem  System, 
bei  dem  der  König,  um  wieder  mit  Clausewitz  zu  sprechen,  durch 
eine  weise  Ökonomie  der  Kräfte  den  Gegner  zu  ermüden  suchte, 
einem  Siege  des  makedonischen  Königs  gleichzuachten. 

Und  gerade  für  Philipp  mufste  das  Mittel,  durch  Erschöpfung 
der  Kraft  oder  des  Willens  der  Gegner  zu  einem  leidlichen  Kompro- 
mifs  zu  kommen  nach  seiner  militärischen  Vergangenheit  ganz  be- 
sonders nahe  liegen.  In  den  letzten  Kriegen  der  Griechen  war  es 
fast  ausschliefslich  zur  Anwendung  gekommen.  Besonders  der  ganze 
erste  Makedonische  Krieg  war  nichts  weiter  gewesen  als  eine  end- 
lose Reihe  von  gegenseitigen  Plünderungszügen,  Überfällen  und  kleinen 
Gefechten,  bei  denen  nichts  weiter  herauskam,  als  dafs  die  beider- 
seitigen Kräfte  sich  mehr  und  mehr  erschöpften,  Widerwille  und 
Unlust  gegen  die  ewigen  Plackereien  sich  mehr  und  mehr  steigerten, 
bis  schliefslich  beiden  Parteien  vor  Ermüdung  das  Schwert  aus  der 
Hand  gesunken  war1). 

Philipp  hatte  in  diesem  Kriege  seine  Schule  gemacht  und  sich 
als  Meister  in  dieser  Art  der  Kriegführung  bewiesen.  Seine  Weise 
wird  schon  von  den  Zeitgenossen  in  scharfen  Gegensatz  gebracht  zu 
der  Niederwerfungsstrategie  seines  grofsen  Vorgängers  Alexander  auf 
dem  makedonischen  Königsthron  und  der  grofsen  Diadochen2).    Dazu 


1)  Man  vergleiche  die  ausführliche  Behandlung  dieser  Kriege  in  Freemanns 
geistreicher  History  of  federal  government,  cap.  VIII.  —  Am  Ende  des  Krieges 
heifst  es  sehr  bezeichnend:  taedio  diutini  belli  .  .  legatos  de  pace  communi 
ad  Philippum  misere  (Liv.  29,  12,  8). 

2)  Polyb.  XVIII  3,3   (==XVII  3)   sagt    der  Ätoler  Alexander    von  Philipp 


g  Der  zweite  Makedonische  Krieg1. 

kam,  dafs  Philipp  auch  in  seinem  ersten  Kriege  mit  Rom  ohne  ein 
grofses  Abmessen  der  Kräfte  mit  den  Legionen  selber  zu  glücklichen 
Resultaten  gelangt  war  und  im  Frieden  von  Phönike  unter  Benutzung 
der  günstigen  politischen  Konstellation  und  unterstützt  durch  das 
Ruhebedürfnis  nach  langjährigen  Kriegsmühen  nicht  unbeträchtliche 
Erwerbungen  gemacht  hatte  (S.  10). 

Auch  damals  liefs  die  allgemeine  politische  Lage  ein  Verfahren, 
welches  in  der  Dauer  des  Widerstandes  seine  Hauptstärke  suchte, 
ganz  besonders  aussichtsvoll  erscheinen.  Noch  lauerte  in  Karthago 
Hannibal,  beschäftigt  mit  der  Reorganisation  der  finanziellen  und 
kriegerischen  Kräfte  seiner  Vaterstadt  und  ohne  Zweifel  bereit,  wenn 
sich  die  Entscheidung  hinauszog  und  sich  Aussicht  auf  Erfolg  zeigte,  in 
den  Kampf  einzugreifen.  Nicht  minder  liefs  sich  vielleicht  in  Griechen- 
land bei  günstigem  Verlaufe  der  Verteidigung  ein  völliger  Sieg  der 
nicht  zu  unterschätzenden  makedonischen  Partei,  ein  Wiederaufflammen 
jener  panhellenischen  Gesinnung  erhoffen,  die  vor  wenig  Jahren  bei 
den  Friedenskongressen  von  217  und  208  so  stark  hervorgetreten 
war1).  Noch  stand  auch  Antiochos  von  Syrien  im  Bunde  mit  Make- 
donien; eine  einzige  Unvorsichtigkeit  der  Römer  konnte  den  latenten 
Gegensatz  in  offenen  Zwist  verwandeln2),  und  selbst  Ägypten,  Roms 
Schützling,  sah,  ebenso  wie  die  kleinen  Mächte  Rhodos  und  Achaja, 
Roms  Einmischung  mit  Unlust  und  Besorgnis3).  Je  länger  die 
stammfremden  Römer  auf  hellenischem  Boden  weilten,  desto  mehr 
mufste  die  Solidarität  der  Interessen  des  hellenistischen  Staaten- 
systems den  einzelnen  wieder  zum  Bewufstsein  kommen.  Kurz,  in 
dem  an  jähen  Umschwüngen  so  überreichen  Gebiete  der  hellenistischen 
Staatenwelt  wuchs  die  Wahrscheinlichkeit  einer  Veränderung  der  mili- 


ctqivKi  tov  xctra  iiQÖouinov  anavxav  zoig  noks/uioig  ^svyovra  rag  nökeig  t/Ltni7iQavai 
y.al  dictQTia&iv  .  .  .  xkLtoi  ys  rovg  nQotSQoy  Maxtdovcov  ßsßaoiXsvzörag  ov  lamvjv 
la/rjxivai  jr\v  noo&fGw,  aXXa  zrjv  Ivavjiciv  {xcc%sc&<xi,  /uiy  yaq  Tiobg  aXkrtXovg  öWi^wg 
tv  roig  vnaid-goig,  rag  dt  nöltig  anaviiag  uvouqhv.  Folgen  Beispiele  von  Alexander, 
Antigonos,  Pyrrhos. 

1)  Polyb.  V  104    in  der  Rede   des  Agelades  und  ib.  XI  6  (7)    in  der  Rede 
des  rhodischen  Gesandten. 

2)  Deshalb  sucht  auch  Flamininus  nach  Kynoskephalä  schnell    mit  Philipp 
zu  einem  Abkommen  zu  gelangen.     Pol.  XVIII  39,  3. 

3)  Mommsen,  Rom.  Gesch.  16,  701  f.    Nissen,  Krit.  Untersuch.  S.  124.  Niese, 
Gesch.  d.  gr.  u.  mak.  Staaten,    II  598  f.    v.  Gelder,  Gesch.  d.  alten  Rhodier,  S.  127. 


1.    Der  Feldzug  in  Obermakedonien  (199  v.  Chr.).  9 

tarischen  und  politischen  Lage  mit  jedem  Jahre  eines  erfolgreichen 
Widerstandes. 

In  umgekehrter  Lage  befand  sich  natürlich  Rom. 

Alle  Gründe,  welche  für  Philipp  eine  Verzögerung  der  Ent- 
scheidung wünschenswert  machten,  waren  für  die  Römer  bestimmend, 
auf  schnelle  Entscheidung  zu  drängen.  Die  diametral  entgegen- 
gesetzte Strategie  lag  also  in  ihrem  Interesse.  Wie  in  den  meisten 
ihrer  Kriege  mufsten  sie  durch  rücksichtslose  strategische  und  takti- 
sche Offensive  ihren  Gegner  niederzuwerfen  suchen. 

So  ergibt  sich  uns  für  die  Betrachtung  dieses  Krieges  ein  inter- 
essantes Gegenspiel  zweier  widerstreitender  Kriegführungsprinzipien. 

Es  wird  die  Aufgabe  der  folgenden  Darstellung  sein,  an  der 
Hand  der  Tatsachen  zu  untersuchen,  wie  dasselbe  in  den  einzelnen 
Feldzügen  und  Aktionen  zutage  tritt,  wie  es  im  besonderen  mit 
Philipps  Ermüdungsstrategie  vereinbar  ist,  dafs  die  schliefsliche 
Katastrophe  bei  Kynoskephalä  in  offener  Feldschlacht  und  aufserhalb 
Makedoniens  in  der  Ebene  von  Thessalien  stattgefunden  hat. 

Dafs  für  ein  solches  innerliches  Verständnis  die  einfache  Nacher- 
zählung von  Polybios'  und  Livius1  Berichten,  mit  denen  man  sich  bisher 
begnügen  mnfste,  nicht  genügt,  sondern  dafs  eine  die  Natur  des 
ganzen  Kriegsschauplatzes  in  die  Betrachtung  hineinziehende  und  zur 
Erklärung  der  Tatsachen  verwertende  Betrachtung  an  deren  Stelle 
treten  mufs,  bedarf  ja  keiner  weiteren  Ausführung.  Die  Feststellung 
des  Tatsächlichen  in  diesem  Sinne  wird  daher  unsere  nächste  Aufgabe 
sein.  Der  Zusammenhang  der  Ereignisse,  Grund  und  Folge  der  ein- 
zelnen Vorgänge,  wird  sich  daraus  ergeben,  die  Wiedergabe  der  das 
Ganze  durchziehenden  operativen  Gedanken  und  die  Prüfung  sowohl 
ihrer  Berechtigung  als  auch  ihrer  Durchführung  wird  endlich  das 
letzte  Resultat  der  Untersuchung  bilden  müssen. 


1.  Der  Feldzug  in  Oberniakedonien  (199  v.  Chr.) 
Philipps  erfolgreiche  Defensivstrategie. 

Die  Landung  des  Konsuls  Sulpicius  Galba  in  Illyrien  mit  einer  Hicnu  Kart? 
Armee  von  zwei  starken  Legionen  und  dem  entsprechenden  Zubehör, 
also  etwa  23000  Mann  zu  Fufs  und  etwa  2000  Reitern  (s.  Beilage  I), 
war  so  spät  im  Sommer  200  v.  Chr.  erfolgt,  dafs  an  gröfsere  Unter- 


Nr.  i. 


10  Der  zweite  Makedonische  Krieg. 

nehmungen  in  diesem  Jahre  nicht  mehr  gedacht  werden  konnte1). 
Das  Heer  bezog  daher  ein  festes  Lager  zwischen  Apollonia  und 
Dyrrhachion  am  unteren  Apsosflufse,  dem  jetzigen  Semeni  in  der 
Mussakijaebene,  und  richtete  sich  hier  für  den  Winter  ein2).  Nur 
noch  ein  Streifzug  wurde,  da  der  Konsul  krank  war  (Zon.  IX  15, 
P.  I  144),  unter  dem  Legaten  Apustius  in  die  Hügellandschaften  des 
mittleren  Albaniens,  wohl  die  Gegenden  von  Berat,  unternommen. 
Denn  seit  dem  Frieden  von  Phönike  (205  v.  Chr.)  gehörte  das  ganze 
Binnenland  bis  an  das  Gebiet  der  Parthiner  und  in  die  unmittelbare 
Nachbarschaft  von  Apollonia  und  Dyrrhachion  anerkanntermafsen  zu 
Makedonien3).  Eine  Anzahl  gröfserer  und  kleinerer  Ortschaften,  be- 
sonders Antipatrea,  das  heutige  Berat,  wurden  erobert.  Weiter  ins 
Innere  wagte  man  sich  nicht  vor;  ja  der  makedonische  Kommandant 
der  dortigen  Gegend  machte  auf  dem  Rückzuge  sogar  einen  nicht 
unglücklichen  Überfall  auf  das  Heer4).  Immerhin  hatte  der  Zug 
das  Resultat,  dafs  durch  diese  Rührigkeit  der  Römer  Verbindungen 
mit  den  Gaufürsten  der  benachbarten  Gegenden  angebahnt  wurden, 
deren  altererbte  Feindschaft  gegen  Makedonien  beim  ersten  Lebens- 
zeichen einer  Tätigkeit  von  Seiten  der  Römer  wieder  erwachte. 
Illyrische  und  dardanische  Fürsten  im  Norden,  in  den  Landen  um 
den  Schar  sitzend,  der  athamanische  König  Amynander  im  Süden,  in 


x)  Liv.  31,  22,  4:   cum  auctumno  fere  exacto  in  provinciam  verrisset. 

2)  Liv.  31,22,4:  circa  Apolloniam  und  genauer  27,1:  inter  Apolloniam  et 
Dyrrhachium  ad  Apsum  flumen.  Semeni,  Osum,  Ljumi,  Beratit,  Baratino  ist  alles 
derselbe  Flufs,  der  Apsus  der  Alten. 

3j  Liv.  29,  12,  13.  Zippel  S.  72  f.  —  Dafs  auch  die  Parthiner  damals  unter 
Philipps  Herrschaft  gekommen  seien,  wie  Niese  II  502  A.  3  für  wahrscheinlich 
hält,  glaube  ich  nicht.  Ich  halte  Zippeis  Ausführungen  S.  77  f.  für  zuttreffend. 
Man  vergleiche  unten  die  Verhältnisse  bei  Perseus1  Winterfeldzug  170/169. 

4)  Der  Bericht  bei  Livius  31,  27,  2  ff .  nennt  an  eroberten  Ortschaften  die 
Kastelle  Korragos,  Gerunion,  Orgessos,  die  Stadt  Antipatrea  und  die  Orte  Kodrio 
und  Knidos.  Von  ihnen  allen  ist  nur  Antipatrea  mit  einiger  Sicherheit  zu  identi- 
fizieren. Es  ist  nach  Leake  (I  361),  dem  sich  Kiepert  und  Niese  mit  Recht  an- 
schlielsen,  wohl  ohne  Zweifel  gleich  Berat.  Von  den  anderen  kleinen  Orten  werden 
sonst  nur  noch  Orgessos  und  Gerunion  (Pol.  V  108)  genannt  und  dadurch  ihre 
Lage  in  der  Nähe  von  Antipatrea  bestätigt.  Bei  aller  Unsicherheit  steht  doch 
das  fest,  dafs  der  Zug  bis  in  das  Gebirgsland  (Antipatream,  in  faucibus  angustis 
sitam  urbem)  und  doch  wieder  nicht  sehr  tief  hinein  (extrema  Macedoniae  popu- 
latus)  gegangen  ist.     Es  handelt  sich  also  um  die  Vorberge  Mittelalbaniens. 


1.    Der  Feldzug  in  Obermakedonieri  (199  v.  Chr.).  11 

Epiros,  der  das  Alpental  der  oberen  Aspropotamos  beherrschte,  boten 
ihre  Dienste  für  den  Feldzug  des  kommenden  Jahres  an  (Liv.  31,  28,  1). 

So  konnte  für  den  Frühling  (199)  eine  grofse  kombinierte 
Offensivoperation  auf  Makedonien  in  Aussicht  genommen  werden. 

Das  römische  Heer  selber  sollte  von  der  Küste  Mittelalbaniens 
ins  Innere  vordringen.  Eine  Nebenexpedition  im  Norden  sollte  die 
Dardaner  und  Illyrier  durch  ihre  gewohnten  Einfallspforten,  durch 
die  Wardarengen1),  nach  dem  makedonischen  Tieflande  führen,  eine 
zweite  im  Süden  von  Epiros  aus,  womöglich  unter  Beihilfe  der  Ätoler, 
Thessalien  heimsuchen.  Die  Flotte  sollte  von  der  Seeseite  her  diese 
Bewegungen  unterstützen.  (Liv.  31,  28,  3 f.)  Wenn  es  den  einzelnen 
Heeren  gelang,  sich  im  Herzen  Makedoniens,  in  der  Ebene  des  unteren 
Wardar  und  des  Karasu  (Wistritza),  des  Haliakmon  der  Alten,  zu 
vereinigen,  so  mochte  für  Philipp  die  letzte  Stunde  geschlagen  haben. 

Makedonien  ist  auf  allen  drei  bedrohten  Seiten  von  schwer 
zu  passierenden  Gebirgen,  wie  von  Wällen,  umgeben.  Im  Norden 
sind  es  die  Gebirgszüge  zwischen  Schar  und  Rilo-Dag2),  im  Süden 
die  Olympgruppe  und  die  an  sie  anschliefsenden  Bergketten,  im 
Westen  endlich  ein  Gebirgsland  von  fast  200  Kilometer  Breite, 
welches  die  Ebenen  des  mittleren  Albaniens,  des  Standortes  der  Römer, 
von  den  Küstenebenen  am  Busen  von  Saloniki  scheidet. 

Dies  letztere  ausgedehnte  Gebirgsland  war  es,  welches  die 
römische  Armee,  der  natürlich  die  Hauptaktion  zufiel,  zu  überwinden 
hatte.  Sein  Zentrum  bildet  einerseits  die  Gruppe  der  umfangreichen, 
von  hohen  Gebirgsketten  eingeschlossenen  dassaretischen  Seen,  die 
zusammen  eine  Fläche  bedeutend  gröfser  als  der  Bodensee  einnehmen3), 
und  anderseits  das  grofse,  tief  eingelagerte,  fruchtbare  Becken  von 
Monastir,  die  Lynkestis  der  Alten,  an  welches  sich  dann  südöstlich 
das  Becken  von  Ostrowo  und  Kailar,  die  alte  Landschaft  Eordäa, 
anschliefst.  Auch  diese  Einsenkungen  des  Gebirgslandes  sind  durch 
hohe  Bergstöcke,  die  alle  über  2000  m  erreichen  und  also  über 
Rigi-  und    Pilatushöhen    hinausgehen,    umschlossen,    so    dafs    der  in 


*)  Über  die  topographische  Lage  s.  unten  S.  28  A.  1. 

2)  In  der  nördlichen  Fortsetzung  unserer  Karte  No.  1  nördlich  von  Uskana 
und  Köprülü. 

3)  Es  sind  vier  Seen,  der  Ochrida-,  Presba-,  Malik-  und  Vertroksee.  Der 
Ochrida  ist  allein  genau  halb  so  grofs  wie  der  Bodensee  (Oestreich  S.  43),  der 
Presba  wohl  noch  etwas  gröfser  als  der  Ochrida     Die  anderen  sind  kleiner. 


12  Der  zweite  Makedonische  Krieg. 

westöstlicher  Richtung  das  Land  durchquerende  Wanderer  nicht 
weniger  als  fünf  Pässe  zu  überschreiten  genötigt  ist1),  um  von  der 
Ebene  Albaniens  in  das  Tiefland  von  Niedermakedonien  zu  gelangen. 
Nur  auf  zwei  Strafsen  ist  dieses  Gebirgsland  für  eine  Armee 
zu  passieren.  Die  nördliche  führt  von  Elbasan  durch  die  tiefe  Senke 
des  Skumbitales  hinauf,  dann  nördlich  an  den  Seen  vorbei  in  die 
Ebene  von  Monastir  und  mündet  endlich  bei  Wodena,  dem  alten 
Edessa,  in  die  makedonische  Tiefebene.  Die  südliche  geht  von  Berat- 
Antipatrea  direkt  östlich  am  Dewol  entlang  nach  Koritza,  dann  süd- 
lich an  den  Seen  vorbei  über  den  Tschangonpafs  und  erreicht,  im 
allgemeinen  der  Wistritza  folgend,  über  Kastoria  und  Kosiani  die 
Campagna  von  Saloniki  bei  Werria  oder  Karaferia,  dem  alten 
Berröa2). 


x)  Diese  Bergstöcke,  die  alle  in  mehr  oder  weniger  nord-südlicher  Richtung 
ziehen,  sind  von  Westen  nach  Osten  aufgezählt  folgende:  1.  das  Jablonitzagebirge 
(2282  Meter)  und  seine  südliche  Fortsetzung,  die  Bagora,  westlich  vom  Ochridasee. 
2.  Die  Galtschitza  (2043  Meter)  zwischen  Ochrida-  und  Presbasee.  3.  Die 
Neretschkakette  (2359  Meter,  nach  Oestreich  sogar  2549  Meter)  zwischen  Presbasee 
und  Ebene  von  Monastir.  4.  Die  Nidschekette  (2517  Meter)  und  ihr  südliches 
Vorland,  das  Hügelland  von  Banitza,  zwischen  der  Ebene  von  Monastir  und  dem 
Ostrowobecken.  5.  Das  Agostogebirge  (1900  Meter)  zwischen  dem  Ostrowobecken 
und  der  makedonischen  Tiefebene. 

2)  Ami  Boue,  wohl  der  beste  Kenner  der  europäischen  Türkei,  zählt  in 
seinen  Werken  (Recueil  d'Itineraires  dans  la  Turquie  d'Europe  I  260  und  La  Turquie 
d'Europe  Bd.  IV"  S.  44  vier  Strafsen  auf,  die  Makedonien  mit  Albanien  und  Epirus 
verbinden;  es  sind  von  Nord  nach  Süd  die  folgenden: 

1.  Von  Üsküb  über  Prizren  nach  Skutari  (le  col  entre  la  vallee  superieure 
du  Vardar  et  le  Drin).     Sie  ist  impraticable  pour  des  charrois. 

2.  Über  Monastir  und  Ochrida,  par  laquelle  il  est  le  plus  aise  d'arriver 
avec  un  corps  d'armee  muni  de  son  artillerie  depuis  la  Turquie 
centrale  jusque  sur  FAdriatique.  Das  ist  die  im  Text  erwähnte 
Strafse  nördlich  der  Seen. 

3.  Die  Strafse  am  Karasu  und  Dewol  entlang  über  Koritza  und  Kastoria. 
Das  ist  die  im  Text  erwähnte  Strafse  südlich  der  Seen. 

4.  Der  Z}'gospafs  oder  die  Strafse  von  Metzowo,  die  von  Nordthessalien 
oder  Südmakedonien  nach  Epiros  (Jannina)  führt. 

Tuma  (Griechenland,  Makedonien  und  Südalbanien  militär-geographisch  dar- 
gestellt S.  147)  fügt  dazu  noch  eine  fünfte,  die  zwischen  den  beiden  letztgenannten 
einzuschieben  wäre,  nämlich: 

5.  Die  Strafse  über  den  Furkapafs  (1500  Meter),  welche  von  3  bei 
Lapsista  abzweigend  ins  Tal  der  Wiossa  (Aoos)  und  somit  ins  nörd- 
liche Epiros  führt. 


1,   Der  Feldzug  in  Obermakedonien  (199  v.  Chr.).  13 

Es  ist  eine  notwendige  Vorbedingung  für  das  Verständnis  des 
Feldzuges,  zu  wissen,  welche  von  diesen  beiden  von  der  Natur  vor- 
gezeichneten Strafsen  das  römische  Heer  eingeschlagen  hat. 

Zum  Glück  kann  ein  Zweifel  darüber  nicht  bestehen. 

Die  Notiz  bei  Livius,  dafs  der  Konsul  sein  erstes  Standlager 
„ad  Lyncum"  gehabt  habe,  entscheidet  für  den  nördlichen  Weg  als 
Anmarschstrafse.  Denn  Lynkos  ist  eben  die  Ebene  von  Monastir,  die 
alte  Landschaft  Lynkestis1),  und  in  sie  konnte  man  nur  auf  dem 
nördlichen  Wege  gelangen2). 

Mit  derselben  Sicherheit  führt  uns  eine  zweite  Angabe  des  Livius 
auf  die  südliche  Strafse  als  Rückzugsrichtung  der  Römer  nach 
dem  Scheitern  ihres  Angriffes.  Denn  die  dabei  berührte  Stadt  Keletros 
läfst  sich  wegen  ihrer  Lage  auf  einer  Halbinsel  in  einem  See  mit 
völliger  Sicherheit  mit  der  eben  erwähnten  Stadt  Kastoria  iden- 
tifizieren3). 

So  steht  Hin-  und  Rückweg  fest. 

Die  Verbindung  zwischen  beiden  Strafsen  fand  nun  das  römische 


6.  und    7.  endlich    könnte    man   noch    die    S.  37  erwähnten  Wege   über 

den  Pafs  von  Milia  und  die  Mala  Radonisi  anfügen.     Aber  das  sind 

Bergpfade. 

Von   diesen   fünf  Strafsen  kommt  die  erste  als  zu  nördlich  und  die  beiden 

letzten  als  zu  südlich  gelegeD,  für  ein  Heer,  das  vom  Semeni  aus  aufbricht,  nicht 

in  Betracht,  es  bleiben  also  nur  2.  und  3,  die  im  Text  aufgezählt  sind. 

')  Liv.  31,33,5:  ad  Lyncum  stativa  posuit  prope  flumen  Bevum.  „Avyxogu 
an  Stelle  der  uns  geläufigeren  Bezeichnung  „Lynkestis"  ist  die  gewöhnlich  bei 
den  Alten  gebrauchte  Namensform  für  diese  Landschaft.  Man  vergl.  besonders 
Liv.  26,  25,  4  und  Thukyd.  IV  83.  124  und  sonst.  Lynkestis  bei  Schriftstellern  nur 
bei  Ptolemäos  s.  Heuzey,  Mission  S.  302.     Leake,  N.  Gr.  III  311. 

2)  Vergl.  S.  28  A.  1  Ende.  —  Natürlich  gibt  es  Verbindungswege  zwischen 
der  nördlichen  und  südlichen  Strafse.  So  führt  von  Koritza  ein  Weg  nördlich  am 
Ostufer  des  Ochridasees  entlang  nach  Ochrida  und  ebenso  am  Westufer  des 
Presbasees  entlang  nach  Resnja  und  von  Kastoria  ein  dritter  bei  Pisoderi  über  die 
Neretschkakette  nach  Florina  und  Monastir.  Aber  einerseits  haben  diese  Wege 
nicht  unbedeutende  Terrainhindernisse  zu  überwältigen:  Pafs  am  Presbasee 
1210  Meter  (Oestreich  S.  54),  Pafs  über  die  Neretschka  gar  gegen  1500  Meter  und 
schwierig,  „descente  fort  courte  et  rapide"  (Boue,  Recueil  I  272,  ebenso  Viquesnel 
S.  245).  Und  anderseits  verläfst  eine  Armee  natürlich  nicht  ohne  besondere 
Gründe  die  einmal  eingeschlagene  Route. 

3)  Liv.  31,40,  1 :  in  paeninsula  situm.  Statt  vieler  Zitate  aus  den  modernen 
Reisewerken  nur  Boue,  Recueil  I  273  f. 


14  Der  zweite  Makedonische  Krieg. 

Heer  auf  dem  Wege  durch  die  alte  Landschaft  Eordäa1),  d.  h.  durch 
das  jetzige  Becken  von  Ostrowo  und  Kailar,  und  somit  ist  die  ganze 
Route  des  Heeres  in  allen  Hauptstrecken  topographisch  zu  fixieren: 

Die  Armee  marschierte  also  im  Kreise,  erst  über  Elbasan  und 
Ochrida  nach  Monastir,  von  da  über  das  Hügelland  von  Banitza  nach 
Kailar  und  kehrte  über  Kosiani2),  Kastoria  und  Koritza  nach  Berat 
und  an  die  Küste  zurück. 

Es  hatte  seine  guten  Gründe,  dafs  der  Konsul  nicht  die  süd- 
liche Route  als  Anmarschstrafse  wählte.  Sie  war  beschwerlicher,  bot 
dem  Feinde  eine  grofse  Zahl  Verteidigungsstellungen  und  ging  vor 
allem  durch  ärmere  Gegenden 3),  während  die  nördliche  nicht  nur  die 
kleineren  Ebenen  von  Ochrida  und  Resnja  durchzog,  sondern  vor  allem 
in  das  äufserst  fruchtbare,  weite  Becken  von  Monastir  führte,  welches 
bei  einer  Längenausdehnung  von  etwa  66  und  einer  Breite  von  durch- 


!)  Liv.  31,40, 1. 

2)  Aus  der  Ebene  von  Kailar  gibt  es  auch  einen  direkten  Weg  nach  Kastoria, 
nämlich  über  Wlahoklissura  (geritten  und  beschrieben  von  Viquesnel  S.  249  und 
Boue,  Recueil  I  211).  An  ihn  ist  aber  nicht  zu  denken,  weil  Galba  Elimiotis, 
d.  h.  das  untere  Karasubecken  berührt  hat  (Liv.  31,40,  1). 

3J  Schon  der  Weg  von  Berat  nach  Koritza  ist  „ein  beschwerlicher  Saum- 
pfad über  die  südlichen  Begleitungshöhen  des  meist  defileeartigen  Dewoltales" 
(Tuma  S.  146);  dann  bietet  der  Engpafs  des  Dewol,  der  Tschangonpafs,  ein  be- 
trächtliches Hindernis  „wo  der  Flufs  sich  in  einer  Talenge,  die  er  ganz  ausfüllt, 
einen  Weg  zum  Becken  von  Koritza  bahnt"  (Fischer  S.  135),  der  Übergang  über 
die  Höhe  des  Gebirges  nach  Kastoria  hat  dann  zwar  keine  besonderen  Schwierig- 
keiten, aber  von  Kastoria  an  häufen  sie  sich  wieder.  Der  direkteste  Weg  über 
Wlahoklissura  „remonte  ä  la  pente  d'une  gorge  . .  et  conduit  ä  un  col  de  3309 
pieds,  peu  inferieur  ä  l'altitude  generale  de  la  chaine".  Dann  folgt  eine  descente 
escarpee  (Viquesnel  S.  250).  Der  südliche  Weg  an  den  Hängen  des  Karasutales 
entlang  hat  den  unbequemen  Pafs  von  Schiatista  (900  Meter)  zu  überwinden  (Boue, 
Recueil  II  89),  und  endlich  ist  auch  am  Ausgange  des  Karusa  in  die  makedonische 
Ebene  wieder  „die  Schlucht  so  eng,  dafs  neben  dem  Wasser  kein  Raum  für  die 
Strafse  bleibt,  welche  daher  die  seitlichen  Höhen  —  bis  zu  1269  Meter  (Tuma  146)  — 
heraufsteigen  mufs"  (von  der  Goltz,  Ausflug  S.  79,  Boue  a.  a.  O.  85).  Boue  sagt 
Turquie  IV  44  zusammenfassend:  de  ces  trois  voies  militaires  (die  Nummern  1—3 
in  A.  2  von  S.  12)  la  moins  difficile  est  celle  de  Koritza  ä  Kastoria;  mais  arrive 
a  cette  derniere  ville,  l'ennemi  se  trouverait  comme  dans  un  cul-de-sac,  car  on  lui 
fermerait  aisement  de  col  du  NeretschkaPlanina  (Weg  nach  Monastir  s.  S.  13  A.  2), 
on  pourrait  essayer  de  defendre  celui  de  Vlacho-Klisoura,  tandis  qu'au  Sud  il  ne 
manquerait  pas  de  positions  sur  l'une  ou  Fautre  rive  de  l'Indge  Karasu  pour  faire 
coüter  eher  ä  l'ennemi  l'occupation  de  ce  bassin. 


1.   Der  Feldzug  in  Obermakedonien  (199  v.  Chr.).  15 

schnittlich  12  Kilometern  dem  römischen  Heere  für  einige  Zeit  ge- 
nügende Verpflegung  bieten  konnte1). 

Wegen  dieser  Annehmlichkeiten  hat  man  dann  auch  später 
diesen  Weg  zum  Ausbau  der  Kunststrafse,  der  via  Egnatia,  gewählt, 
und  er  ist  bis  auf  den  heutigen  Tag  die  Hauptverkehrsader  zwischen 
Albanien  und  Makedonien  geblieben3). 

Aber  auch  er  hatte  seine  nicht  unbeträchtlichen  Schwierigkeiten. 

Nach  dem  verhältnismäfsig  leichten  Marsche  durch  das  weite 
und  fruchtbare  Skumbital3)  war  der  Querriegel  der  Bagora-  bzw. 
Jablonitzakette  in  einer  Höhe  von  1096  Metern  in  allerdings  nicht 
sehr  steilem  Anstiege  zu  ersteigen,  dann  senkte  sich  die  Strafse 
wieder  bis  auf  700  Meter  ins  Becken  von  Ochrida  herab,  hob  sich 
ein  zweites  Mal  um  fast  500  Meter  bis  zur  Höhe  des  Sattels  von 
Bukowa  (1180  Meter),  sank  wieder  bis  zum  Presbasee  (auf  900  Meter) 
und  überwand,  sich  zum  dritten  Male  hebend,  mit  einer  Steigung  von 


x)  Die  modernen  Eeisenden  stimmen  überein  in  dem  Lobe  der  Fruchtbarkeit 
und  des  Reichtums  dieser  Ebene:  Mais,  Korn  und  Wein  gedeiht  in  reicher  Fülle 
(Boue,  Recueil  I  256.  270);  besonders  in  dem  südlichen  Teile  „sieht  man  Ortschaft 
an  Ortschaft  gereiht  längs  des  Flusses  und  auf  den  unteren  Hängen  des  Peristeri" 
und  „so  weit  das  Auge  reicht  breiten  sich,  bis  an  den  Kranz  der  fernen  Gebirge, 
die  reichen,  durch  zahlreiche  Dörfer  geschmückten  Getreidefluren  aus"  (Grisebach, 
Reise  II  175.  177.  210).  Bis  500',  ja  bis  1000'  über  die  Ebene  erhebt  sich  die 
angebaute  und  kultivierte  Zone  (ib.  187.  209),  die  z.  B.  das  ganze  westlich  an- 
stofsende  Hügelland  des  Dragortales  mitumfafst  (ib.  195).  Ähnlich  lautet  die  fast 
enthusiastische  Schildernng  von  von  der  Goltz,  Ausflug  S.  931'.:  „Ein  liebliches 
Landschaftsbild  umgibt  uns,  'Nature  has  done  much  for  the  happiness  of  man 
in  this  lovely  country'  sagt  Spencer  mit  Recht  von  dieser  schönen  Ebene.  Wir 
ritten  zwischen  wogenden  Roggen-  und  Gerstenfeldern .  .  zahlreiche  Dörfer  füllen 
die  Ebene  namentlich  am  Bergrande  entlang . .  Allein  auf  der  Westseite  zählt 
man  auf  der  Strecke  von  Floriani  bis  Monastir  hin  an  40  Dörfer,  Weiler  und 
Landgüter." 

2)  Daher  noch  heute  die  grofse  militärische  Wichtigkeit  von  Monastir,  auf 
dessen  Bedeutung  in  den  Kriegen  von  1830  Grisebach  II  182  mit  Recht  aufmerk- 
sam macht.  —  „Von  Philipps  erstem  Kriegszuge  gegen  die  Pelagonier  bis  zur 
türkischen  Eroberung  sind  alle  Heere,  die  vom  Abendlande  nach  Osten  oder  in 
umgekehrter  Richtung  marschierten,  durch  diesen  Engpafs  (von  Wodena,  den  Aus- 
gang dieser  Strafse)  in  die  Ebene  am  Wardar  hinabgestiegen  oder  aus  dieser  in 
die  Gebirge  vorgedrungen",  von  der  Goltz,  Ausflug  82.  Man  vergl.  auch  Tozers 
Appendix  on  the  Egnatian  way  Bd.  II  S.  363. 

3)  An  dies  Tal  denkt  wohl  Mommsen,  wenn  er  von  einem  Marsch  „durch 
die  fruchtbare  dassaretische  Ebene"  spricht.  Eine  solche  gibt  es  sonst  nicht. 
Denn  die  Ebenen  am  Ochrida-  und  Presbasee  sind  ganz  unbedeutend. 


Iß  Der  zweite  Makedonische  Krieg. 

etwa  250  Metern  den  Pafs  von  Dzcwat  (1177  Meter),  der  dann  end- 
lich in  die  Ebene  von  Monastir  hinabführte1). 

Obgleich  diese  drei  Bergpässe  bei  ihrer  relativen  Niedrigkeit  und 
ihrem  allmählichen  Anstieg  lange  nicht  so  ausgiebige  Gelegenheit  ge- 
währen konnten,  einem  eindringenden  Feinde  entgegenzutreten,  wie 
die  Pässe  des  südlichen  Weges2),  so  ist  es  doch  eigentümlich,  dafs 
Philipp,  von  dessen  Truppen  ja,  wie  sich  schon  im  vorigen  Herbste 
gezeigt  hatte  (S.  10),  Abteilungen  in  Mittelalbanien  standen,  den  Feind 
ungehindert  so  tief  in  sein  Land  hat  eindringen  lassen. 

Aber  die  Tatsache,  dafs  die  Römer  vor  dem  ersten  Zusammen- 
stofs  mit  den  Makedoniern  bis  zur  Lynkestischen  Ebene  vorgedrungen 
sind,  steht  fest5);  und  wenn  auch  neuerdings  von  kundiger  Seite  die 
Ansicht  geäufsert  ist,  König  Philipp  habe  schon  auf  der  Höhe  des 
Dzewatpasses  den  Römern  den  Weg  verlegt  und  sei  erst  durch  Um- 
gehung seiner  Position  in  die  Ebene  von  Monastir  zurückmanövriert 
worden4),  so  läfst  sich  doch  diese  Hypothese  nicht  halten.  Denn  sie 
verwickelt  uns  einerseits  in  unlösbare  Schwierigkeiten  mit  der  Über- 
lieferung und  der  Topographie5)  und  traut  anderseits  der  römischen 


!)  Tal  des  Skumbi,  gut  angebaut:  Feigen,  Oliven,  Granaten.  Aufstieg  zum 
Passe  leicht  (Boue,  Recueil  I  268).  Die  folgenden  Höhenzahlen  sind  nach  der 
neuesten  Berechnung  von  Oestreich  (S.  32.  52.  159  ff.)  gegeben.  Der  Übergang 
vom  Ochridasee  zum  Presbasee  als  steil  geschildert  bei  Beaujour,  Voyage  militaire 
dans  l'empire  Ottoman  T.  I  p.  204  (nach  Tafel  via  Egnatia  XCV):  on  descend  (von 
Osten  kommend)  par  un  escarpement  rapide,  ä  travers  im  terrain  . . .  profondement 
sillone  par  les  eaux. 

2)  Deshalb  sagt  auch  Boue,  Turquie  IV  44:  le  passage  de  l'Albanie  ä 
Monastir  est  un  point  d'attaque  assez  favorable  aux  aggresseurs. 

3)  Livius'  Worte  ad  Lyncum  stativa  posuit  (31,33,6)  lassen  schon  an  sich 
keine  andere  Erklärung  zu  (s.  oben  S.  13  A.  1),  selbst  wenn  man  Lynkos,  wie 
Heuzey  mit  Recht  hervorhebt,  als  Landschaftsnamen  und  nicht  als  Stadtnamen  für 
Heraklea  Lynkestis  fafst. 

4)  Heuzey,  Mission  en  Macedoine  S.  302  ss. 

5)  Livius'  ganzer  Bericht  von  cap.  33,  6  bis  39,  3  wird  von  Heuzey  auf  diese 
Position  bezogen.  Er  enthält  das  erste  Begegnungsscharmützel,  das  erste  Reiter- 
gefecht, bei  dem  der  König  einen  Hinterhalt  legt,  das  mehrmalige  Anbieten  offener 
Feldschlacht  durch  den  Konsul,  die  Zurückverlegimg  des  römischen  Lagers  um 
8  Mühen,  den  Überfall  der  römischen  Furageexpedition,  endlich  den  Rückzug  des 
Königs,  also  einen  sehr  detaillierten  Bericht,  aber  kein  Wort  über  Sperrung  eines 
Passes  und  Einnahme  desselben  durch  eine  Umgehung.  Es  heifst  im  Gegenteil 
ausdrücklich,  dafs  der  Konsul  über  den  Abzug  Philipps  getäuscht  wurde  und  noch 
mehrere  Tage  nach  demselben  in   seinem  Lager  stehen  blieb  (isdem  stativis 


1.  Der  Feldzug  in  Obermakedonien  (199  v.  Chr.).  17 

Kriegsleitung  eine  militärische  Ungeschicklichkeit  ersten  Ranges  zu. 
Der  römische  Oberfeldherr,  welcher  nach  unseren  Berichten  durch 
nichts  gehindert  war  weiter  vorzurücken,  da  er  mit  Philipp  noch 
gar  keine  Fühlung,  hatte1),  soll  nämlich  nur  einen  Marschtag  vor 
der  fruchtbaren  Ebene  von  Monastir,  in  dem  dürftigen  Gebirgslande 
ein  Standlager  (stativa)  —  nicht  etwa  blofs  ein  Marschlager, 
deren  er  seit  dem  Aufbruche  bereits  mehrere  bezogen  haben  mufste  — 
aufgeschlagen  und  sich  hier  aufs  Furagieren  verlegt  haben  (frumen- 
tatum  mittebat).  So  hätte  er  dem  Philipp  ohne  Not  alle  Mufse  ge- 
lassen, ihm  den  Zugang  zu  der  Ebene  zu  sperren,  die  sein  natürliches 
Marschziel  sein  mufste. 

Das  ist  nicht  möglich,  sondern  in  dem  reichen  Fruchtlande  von 
Monastir  selber  haben  die  Römer  selbstverständlich  ihren  ersten 
längeren  Halt  gemacht. 

Die  Erklärung  für  Philipps  Zögern  ist  übrigens  aus  den  all- 
gemeinen strategischen  Verhältnissen  noch  sehr  wohl  zu  erschliefsen. 


frumentando  dies  aliquot  consumsit  (39, 3),  d.  h.  nichts  weniger  als  eine  Um 
gehungsbewegung  machte.  —  Dazu  kommt,  dafs  wir  die  erzählten  Ereignisse  auch 
topographisch  an  dieser  Stelle  gar  nicht  unterbringen  können.  Die  Pafshöhe  von 
Dzewat  liegt  unmittelbar  über  der  Ebene  von  Resnja  (vergl.  die  Karte  1).  Wenn 
Philipp  hier  (Heuzey  meint,  etwa  12  Millien  westlich  von  Heraklea)  sein  Lager 
gehabt  hätte,  so  wäre  das  erste  römische  Lager,  welches  nur  1  Millie  von  ihm 
entfernt  war  (Liv.  34,  7),  unmittelbar  am  Fufse  des  ziemlich  steilen  Berghanges 
gewesen,  so  dafs  für  die  Gefechte  zwischen  beiden  Lagern  kein  passendes 
Gelände  bleibt,  und  das  zweite,  um  8  Millien  zurückverlegte  Lager,  das  der  Konsul 
bezog,  um  besser  furagieren  zu  können  (Liv.  36,  6),  wäre  schon  in  die  Vorberge 
des  Passes  von  Bukowa,  etwa  in  die  Gegend  von  Isbischte,  gefallen,  hätte  also 
gerade  die  Ebene  von  Resnja  dem  Gegner  preisgegeben.  Auch  die  fauces  Pelagoniae 
sind  fälschlich  hierhergezogen,  s.  unten  S.  28  A.  1.  Kurz,  Heuzeys  Fixierung  ist 
unannehmbar,  während  anderseits  das,  was  wir  von  dem  ersten  Begegnungsgefecht 
der  Römer  und  Makedonier  hören,  nur  auf  die  Ebene  von  Monastir  pafst  (S.  19). 
.')  Das  geht  daraus  hervor,  dafs  von  seinem  Standlager  „ad  Lvncum"  aus 
die  rekognoszierende  Reiterabteilung  vorgeschickt  wird,  und  erst  nachdem  diese 
ihr  Gefecht  bestanden  und  Philipp  seine  anderen  Truppen  aus  den  Pelagonischen 
Pässen  an  sich  gezogen  hat,  das  makedonische  Lager  bis  in  die  Nähe  des  römi- 
schen vorgerückt  wird  (s.  S.  19).  Während  dieser  ganzen  Zeit  also  mutet  Heuzey 
dem  römischen  Konsul  zu,  dicht  vor  der  fruchtbaren  Ebene  untätig  stillgelegen 
zu  haben,  ohne  sie  zu  betreten,  obgleich  er  dringend  aufs  Furagieren  und 
Requirieren  angewiesen  war.  Das  ist  ganz  unglaubhaft,  und  mit  Recht  haben 
deshalb  auch  schon  Leake  (III  310  ff.)  und  Barth  S.  152  den  ersten  Zusammenstofs 
in  die  Ebene  von  Monastir  verlegt. 

Kromayer,  Antike  Schlachtfelder.     II.  2 


1  8  Der  zweite  Makedonische  Krieg. 

Er  war  mit  den  Vorbereitungen  für  die  Verteidigung  seines  von  allen 
Seiten  bedrohten  Landes  noch  beschäftigt,  vor  allem  aber  vor  dem 
Aufbruche  der  Römer  aus  den  Winterquartieren  über  deren  Absichten 
im  unklaren.  Der  Gegner  konnte  die  direkte  Strafse  nach  Makedonien 
einschlagen,  wie  er  es  getan  hat,  er  brauchte  es  aber  nicht.  Es  war 
ebensogut  möglich,  dafs  er  sich  südlich  durch  Epiros  gegen  Thessalien 
wandte.  Solange  das  nicht  entschieden  war,  mufste  Philipp  in  einer 
Zentralstellung,  etwa  bei  Pella,  die  ihm  gestattete,  nach  beiden  Rich- 
tungen vorzugehen,  abwartend  stehen  bleiben,  weil  er  sonst  Gefahr 
lief,  den  Gegner  zu  verfehlen  und  ihm  die  Zugänge  zu  den  Kern- 
landschaften seiner  Monarchie  überhaupt  nicht  mehr  verwehren  zu 
können.  So  hängt  es  zusammen,  dafs  der  König  hinter  den  Römern 
zurückgeblieben  war1). 

Jetzt  aber,  nachdem  die  Angriffsrichtung  der  Gegner  sich  ent- 
schieden hatte,  war  es  höchste  Zeit,  dem  Vordringen  Einhalt  zu  tun 
und  die  letzten  beiden  Bergriegel,  welche  den  Feind  nur  noch  vom 
makedonischen  Tieflande  trennten,  vorweg  zu  besetzen. 

So  eilte  denn  der  König  das  Tal  von  Wodena  hinauf  und,  über 
das  Hügelland  von  Banitza,  die  südöstliche  Einfallspforte  in  die 
Ebene  von  Monastir,  gleichfalls  diesen  weiten  Gefilden  zu. 

Das  Ergebnis,  dafs  die  Operationen  dieses  Feldzuges  sich  von 
Anfang  an  in  der  Ebene  von  Monastir  abgespielt  haben,  setzt  uns 
in  die  Lage,  uns  trotz  einzelner  bestehen  bleibender  Unsicherheiten 
ein  annähernd  deutliches  Bild  der  Vorgänge  zu  verschaffen  und  gegen- 
über hyperkritischen  Behauptungen  unsere  aus  guter  Quelle  ent- 
stammenden Nachrichten  topographisch  wie  militärisch  verständlich 
zu  machen2). 

*)  Diesen  Tatbestand  deutet  Livius  auch  verständlich  genug  an,  wenn  er 
nach  Aufzählung  von  Philipps  Kriegsvorbereitungen  sagt:  ab  consule  non  para- 
batur,  sedgerebatur  iam  bellum  (Liv.  31,  33,  4),  und  wenn  später  von  der  grofsen 
Bestürzung  die  Rede  ist,  die  der  römische  Einfall  erzeugte  (consternata  quidem 
omnia  circa  pavoremque  ingentem  hominum  cernebat  (ib.  6). 

2)  Wenn  Ihne  III  25  A.  2  meint,  die  Darstellung  des  Feldzuges  sei  offenbar 
in  der  beliebten  Weise  der  römischen  Annalisten  gefärbt,  denen  es  geläufig  war, 
Siege  zu  erfinden,  welche  jenseits  der  blauen  Berge  erfochten  sein  sollten,  und 
dabei  von  Gefechtsbildern  absehen  will,  die  der  Phantasie  entlehnt  seien,  so  über- 
sieht er,  dafs  die  ganze  Livianische  Darstellung  dieses  Feldzuges  nach  Nissens 
striktem  Beweise  (Krit.  Unters.  128.  73.  104)  durchaus  auf  Polybios  beruht,  eine 
Tatsache,  die  genügt  den  Versuch  militärisch-topographischer  Rekonstruktion  zu 
rechtfertigen. 


].  Der  Feldzug  in  Obermakedonien  (199  v.  Chr.).  19 

Die  erste  Fühlung  müssen  die  beiden  Gegner  in  dem  südlichen 
Teile  der  Ebene,  zwischen  Monastir  und  dem  Hügelland  von  Banitza, 
gewonnen  haben.  Denn  das  ist  die  Richtung  nach  Niedermakedonien, 
und  nur  hier  war  es  möglich,  dafs  sich,  wie  Livius  ausdrücklich  be- 
richtet, die  von  beiden  Seiten  zur  Erkundung  vorausgesandten  Reiter- 
abteilungen gegenseitig  verfehlten  und  vergeblich  lange  suchten;  nur 
hier  durchziehen  nämlich  mehrere  Wege  nebeneinander  die  breite 
Ebene,  während  sonst  überall  die  Richtung  der  Anmarschstrafsen  durch 
die  Natur  genau  vorgezeichnet  ist1).  Philipp  gewann  dabei  aus  dem 
ersten  Zusammenstofse  dieser  Rekognoszierungstruppen  und  den  ein- 
gezogenen Erkundungen  die  Überzeugung,  dafs  seine  anwesenden 
Truppen  zu  schwach  seien,  in  der  Ebene  das  Feld  zu  halten,  und  er 
zog  deshalb,  ehe  er  mit  seiner  Hauptmacht  das  Hügelland  verliefs, 
die  Detachements  an  sich,  die  er  zur  Sperrung  der  Wardarpässe  vor- 
her abgesandt  gehabt  hatte2). 

Dann  rückte  er  mit  seiner  nunmehr  auf  20  000  Mann  zu  Fufs 
und  4000  Reiter  verstärkten  Armee  vor  und  schlug  auf  einem  Hügel 
in  der  Ebene,  nur  1  lj2  Kilometer  von  dem  römischen  Lager,  auch 
seinerseits  ein  verschanztes  Lager  auf3). 


1)  Liv.  31,33,  8:  hae  duae  alae  (die  beiden  zur  Erkundung  abgeschickten 
Abteilungen)  ex  diverso  cum  diu  incertis  itineribus  vagatae  per  Dassaretios  essent, 
tandem  in  unum  iter  convenerunt.  —  Von  Monastir  gehen  drei  Strafsen  nach  dem 
Hiigellande  von  Banitza:  die  östliche  über  Kanali,  der  jetzt  die  Eisenbahn  folgt, 
die  mittlere  über  Negotschan,  die  westliche  am  Fufse  des  Gebirges  entlang  über 
Florina.  Vergl.  auch  v.  d.  Goltz,  Ausflug  S.  92.  110.  Hier  war  also  ein  Verfehlen 
leicht  möglich.  Wenn  Livius  hier  und  kurz  vorher  §  5  die  Dassaretier  nennt,  so 
ist  das  eine  Ungenauigkeit,  welche  wohl  dadurch  veranlafst  ist,  dafs  der  Zug  des 
Heeres  bisher  durch  das  Gebiet  der  Dassaretier  gegangen  war.  Es  ist  fraglich, 
ob  die  Erwähnung,  die  übrigens  bei  der  geringen  Abgrenzbarkeit  solcher  Gebirgs- 
stämme  —  Lychnidos  wird  z.  B.  bald  zu  dem  Lande  gerechnet,  bald  nicht  —  kein 
grofser  Fehler  ist,  überhaupt  auf  Polybios  zurückgeht. 

2)  Liv.  31,  34,  6  und  über  die  Wardarpässe  S.  28  A.  1.  —  Weniger  das 
gräfsliche  Aussehen  der  Verwundungen  durch  das  spanische  Schwert  der  Römer, 
die  nach  Livius'  rhetorischem  Berichte  den  gröfsten  Eindruck  auf  die  Soldaten 
und  den  König  gemacht  haben  (Liv.  31.34),  als  die  genaueren  Erkundungen,  die 
der  König  von  der  Stärke  des  Feindes  einzog  (Liv.  31,33,  11)  werden  ihn  zu  dieser 
Mafsregel  veranlafst  haben,  wie  Nissen  das,  Krit.  U.  S.  128,  mit  Recht  hervor- 
gehoben hat. 

3)  paulo  plus  mille  passus  —  nicht  7000  Schritt,  wie  Niese  II  101  angibt  —  a 
castris  Romanis  tumulum  propinquum  Athaco  fossa  ac  vallo  communivit  (Liv. 
31,34,7).     Der  Name  Athacus    ist    unsicher   und   nicht    zu    identifizieren.     Mehr 

2* 


20  Der  zweite  Makedonische  Krieg. 

Doch  liefs  er  sich  auf  keine  Felclschlacht  ein,  sondern  lehnte 
alle  Herausforderungen  der  Römer  kaltblütig  ab,  setzte  ihnen  durch 
kleine  Gefechte,  Überfälle  und  Neckereien  seiner  leichten  Truppen 
zu  und  hinderte  sie  an  Furagierungen ').  Seine  Kriegführung  wurde 
dem  Gegner  mit' der  Zeit  so  lästig,  dafs  er  sein  Lager  12  Kilometer 
weiter  zurückverlegte,  um  ungestörter  in  der  reichen  Ebene  den 
Unterhalt  für  seine  Armee  gewinnen  zu  können2). 

Aber  auch  so  wufste  ihn  Philipp  zu  erreichen. 

Einige  Zeit  liefs  er  scheinbar  untätig  verstreichen;  dann  be- 
nutzte er  die  wachsende  Sorglosigkeit  der  Römer  zu  einem  kräftigen 
Schlage.  Es  gelang  ihm,  ein  bedeutendes  Korps  auf  einer  weiter  ins 
Land  ausgesandten  Furagierungsexpedition  vom  Lager  abzuschneiden. 
Es  wäre  vernichtet  worden,  wenn  nicht  der  Konsul  in  äufserster  Not 
mit  dem  ganzen  Heere  noch  zu  rechter  Zeit  herbeigeeilt  wäre  und 
den  anfänglichen  Erfolg  des  Königs  in  eine  tüchtige  Schlappe  ver- 
wandelt hätte3). 

Ort  und  Zeit  dieser  letzten  Kämpfe  läfst  sich  noch  ziemlich 
genau  bestimmen. 

Der  Ort  ist  in  der  Gegend  der  ausgedehnten  Tschernasümpfe 
zu  suchen4),  welche  den  Lauf  dieses  Hauptflusses  der  Ebene  in  seinem 
mittleren   Teile  begleiten5),    die  Zeit  geht  aus  der  Angabe  hervor, 


oder  minder  bedeutende  Bodenschwellungen,  die  nach  den  Bedingungen  der  alten 
Kriegskunst  schon  genügen,  um  ein  Lager  sturmfrei  zu  machen,  (vergl.  Band  I 
S.  335  f.  unsere  Betrachtungen  über  das  Relief  des  antiken  Schlachtfeldes)  gibt  es 
in  der  Ebene  selber  genug,  besonders  in  dem  Teile  zwischen  Florina  und  Monastir 
S.  von  der  Goltz,  Ausflug  nach  Mazed.  S.  92;  Heuzey,  Mission  S.  300  und  die 
Karte  Nr.  1. 

*)  Liv.  31,34,9  bis  36,4  gibt  die  detaillierte  Darstellung.  Sie  hier  nach- 
zuerzählen hat  keinen  Zweck.    Es  genügt,  den  Charakter  des  Krieges  zu  bezeichnen. 

2)  Liv.  31,  36,  6.  Der  dabei  genannte  Ort  Ottolobus  (Octolophos?)  ist  nicht  zu 
identifizieren.  Barth  denkt  vermutungsweise  (S.  152)  an  die  Gegend  von  Florina, 
wo  „das  Gebirge  mit  acht  oder  mehr  Bergspornen  in  lebendigster  Gliederung  in 
die  Ebene  vortrat".     Das  erscheint  zu  südlich. 

3)  Ausführliche  Schilderung  des  Gefechtes  und  Kritik  bei  Liv.  31,  36,7—38,  9. 

4)  Liv.  31,37,8:  nee  ferro  tantum  periere,  sed  in  paludes  quidam  coniecti 
profundo  Hmo  cum  ipsis  equis  hausti  sunt,  und  ib.  11:  rex  circumvectus  paludes 
per  vias  inviaque  . .  in  castra  . .  pervenit. 

5)  Noch  heute  werden  hier  z.  T.  die  Strafsen  auf  hohen  Dämmen  durch  die 
Ebene  geführt.  Th.  Fischer  bei  Kirchhoff  S.  116.  Die  Tscherna  ist  der  Erigon 
der  Alten. 


1.  Der  Feldzug  in  Obermakedonien  (199  v.  Chr.).  21 

dafs  das  Getreide  schon  reif  auf  den  Feldern  stand1).  Das  führt  bei 
dieser  hochgelegenen  Ebene  mit  mehr  nordischem  Vegetationscharakter 
auf  Anfang  bis  Mitte  Juli2)  und  liefert  den  Beweis,  dafs  in  Livius'  Er- 
zählung nur  einzelne  abgerissene  Ereignisse  aus  einem  längeren  Feld- 
zuge zur  Darstellung  gekommen  sind,  einem  Feldzuge,  in  welchem 
es  Philipp  gelungen  war,  durch  einen  hartnäckigen  Kleinkrieg  den 
Gegner  längere  Zeit  an  derselben  Stelle  festzuhalten3). 

Der  letzte  Mifserfolg  und  wohl  auch  die  allmählich  ausgesogene 
Gegend  bewogen  jetzt  aber  doch  den  König,  den  Kriegsschauplatz 
zu  wechseln4).  Er  ging  in  die  Berge,  sagt  lakonisch  unser  Bericht 5). 
Es  ist  aber  trotzdem  nicht  zweifelhaft,  wohin  der  Rückzug  gegangen 
ist.  Denn  er  konnte  nur  in  der  Richtung  nach  dem  inneren  Make- 
donien zu  erfolgen,  und  da  gibt  es  eben  nur  die  eine  Strafse  über 
das  Hügelland  von  Banitza  nach  Ostrowo  und  Wodena,  eben  jene, 
die  Philipp  gekommen  war.  Mit  dem  Einschlagen  irgend  einer  anderen 
Richtung  hätte  er  dem  Gegner  den  Weg  nach  Makedonien  freigegeben, 
nach  einer  Niederlage  ein  doppelt  gefährliches  Beginnen. 

Die  „Berge"  unserer  Überlieferung  sind  also  das  die  Ebene  von 
Monastir  im  Südosten  begrenzende  Hügelland  von  Banitza. 

Aber  der  Konsul  folgt  ihm  nicht  in  das  ausgesogene  Land  hin- 
ein0),   sondern  wendet  sich  nach  Norden,    nach  Stuberra,    bei  dem 


x)  dispersos  milites  per  agros  (Liv.  31,36, 5)  vagos  frumentatores  (ib.  9) 
frumentum  quod  in  agris  erat  (ib.  39,  4)  usw.,  während  im  ersten  Teile  des  Feld- 
zuges von  den  horrea  (31,  33,  5),  also  der  Ernte  des  Vorjahres  die  Rede  ist. 

2)  Grisebach  (Reise  II  171  und  221)  fand  am  28.  Juni  in  der  Ebene  von 
Monastir  erst  die  Heuernte  und  am  9.  Juli  in  dem  tiefer  gelegenen  Baburatal  die 
Kornernte  in  vollem  Gange. 

3)  So  auch  Dio  frg.  58  nach  Polybios:  v.ai  8iiiqi\\jav  avyvag  ^u^Qag  ig  /uh 
naQuial-tv  /urj  owiovreg,  uy.QoßoliöfAoTg  di  nai  xal  neiQccig  twv  ts  iptldiv  zccl  luv 
innibiv  ./Qojfj.ti'01. 

4)  Mommsen  glaubt,  dafs  die  Nebenangriffe  der  Dardaner  und  Ätoler  Philipp 
zum  Aufgeben  seiner  Stellung  veranlafst  und  die  Römer  aus  einer  gefährlichen 
Lage  befreit  hätten.  Das  ist  mit  der  Tatsache,  dafs  die  nächstfolgenden  Operationen 
noch  alle  in  der  Ebene  von  Monastir  spielen,  unvereinbar.  Die  Abwehr  Philipps 
gegen  die  Nebenangriffe  erfolgte  viel  später  (s.  S.  27),  und  in  einer  gefährlichen 
Lage  befanden  sich  die  Römer  nach  dem  Siege  an  den  Tschernasümpfen  über- 
haupt nicht. 

5)  Montes,  quam  viam  non  ingressurum  gravi  agmine  Romanum  sciebat, 
petit,     Liv.  31,39,  2. 

6)  Exhausto  circa  omni  agro  (Liv.  31,  38, 1). 


22  Der  zweite  Makedonische  Krieg. 

heutigen  Tsepikowo,  um  den  drückenden  Mangel,  der  in  seinem  Lager 
herrscht,  zu  beseitigen  und  sich  in  diesem  reichen  und  fruchtbaren 
Teile  der  Ebene  für  den  Weitermarsch  genügend  zu  verproviantieren1), 
und  zieht  von  da  aus  zu  gleichem  Zwecke  in  der  Osthälfte  der  Ebene 
hin  über  Pluinna  wieder  nach  Süden2). 

Da  die  Römer  nicht  nachrücken,  verläfst  auch  Philipp  wieder 
die  Hügelgegend  und  nimmt,  nachdem  der  Eindruck  der  Schlappe 
sich  bei  seinen  Truppen  wieder  verwischt  hat,  sein  altes  System  der 
plötzlichen  Überfälle  von  neuem  auf. 

Bei  Bryanion,  wohl  im  nördlichen  Teile  der  Ebene,  finden  wir 
plötzlich  sein  Lager3);  dann  erscheint  er  mit  einem  seiner  gewohnten 
Gewaltmärsche  bei  Pluinna,  überrascht  den  nichtsahnenden  Gegner 
und  bringt  ihm,  wie  es  scheint,  eine  schwere  Schlappe  bei4).  Darauf 
zieht  sich  der  Krieg  wieder  nach  dem  Süden.  Man  steht  sich  an 
der  Tscherna  und  am  Osphagos  in  der  Gegend,  wo  die  Tscherna  ihre 
Hauptzuflüsse  aus  dem  Neretschkagebirge  erhält,  in  festen  Lagern 
gegenüber5).     Und  jetzt  endlich,  nachdem  man  die  Runde  durch  das 


*)  Stuberram  deinde  petit  atque  ex  Pelagonia  frumentum,  quod  in  agris 
erat,  convexit  (Liv.  31,  39,4.  Dio  frg.  58).  —  Stuberra  war  eine  Stadt  der  Deuriopen 
und  lag,  wie  alle  Städte  dieses  Stammes,  am  Erigonos  (Tscherna),  Strabo  VII  7,  8 
C.  327:  Inl  i(a  'Egiyovi  naoav  al  tööv  ztevQioncov  nokeig .  .  (ov  to  Bqvkvlov  .  .  xccl 
ZTvßaoa.  Die  Sitze  der  Deuriopen  sind  nun  neuerdings  im  nördlichen  Teile  der 
Ebene  von  Monastir  nachgewiesen  durch  eine  bei  dem  Dorfe  Tsepikowo,  etwa 
24  Kilometer  nördlich  von  Monastir,  gefundene  Inschrift,  welche  diesen  Gau  nennt 
(Tozer  II  S.  358,  wo  die  Inschrift  abgedruckt  ist,  und  Heuzey,  Mission  en  Mac. 
S.  314,  wo  Literatur  und  nähere  Angaben).  Die  bei  Tsepikowo  auch  sonst  ge- 
fundenen Reste  lassen  es  als  unzweifelhaft  erscheinen,  dafs  hier  eine  der  Städte 
der  Deuriopen  gelegen  hat.  In  dieser  Gegend  ist  daher  auch  Stuberra  zu  suchen, 
worauf  auch  der  Umstand  hinweist,  dafs  es  im  Jahre  170  v.  Chr.  der  Ausgangs- 
punkt der  Expedition  ist,  welche  Perseus  gegen  Uscana  am  Schwarzen  Drin  in 
der  Gegend  von  Debra  macht  (s.  unten  Kap.  III  2  bei  dem  Feldzug  vom  Jahre  170). 
An  Prilip,  das  Kiepert  vorschlägt,  ist  für  Stuberra  nicht  zu  denken,  weil  Prilip 
nicht  an  der  Tscherna  liegt. 

2)  Pluinnam  est  progressus  (Liv.  31,  39,  4).  Lage  nicht  bezeugt,  aber  wohl 
mit  Kiepert  etwa  in  der  Gegend  von  Noschpol  anzusetzen. 

3)  Liv.  31,39,  5.     Bryanion  war  auch   eine   Stadt  der  Deuriopen    (s.  A.  1). 
4J  Liv.  a.  a.  0. :  profectus  inde  transversis  limitibus  terrorem  praebuit  sub- 

itum  hosti.   movere  itaque  ex  Pluinna  Romani.     Der  rasche  Aufbruch  der  Römer 
weist  auf  eine  Niederlage,  die  Livius'  Worte  nur  leicht  verschleiern. 

5)  Der  König  steht  am  Erigon,  die  Römer  an  seinem  Nebenflusse  Osphagos 


1.  Der  Feldzug  in  Obermakedonien  (199  v.  Chr.).  23 

Becken  von  Monastir  gemacht  hat,  erhebt  sich  der  Konsul  zu  dem 
ernstlichen  Versuch,  weiter  nach  dem  Inneren  Makedoniens  vorzu- 
dringen. Aber  Philipp  ist  wachsam.  Er  besetzt  die  Übergänge  über 
das  Hügelland  von  Banitza  und  sperrt  ihm  den  Weg1). 

Zwischen  dem  hohen,  bis  in  den  Hochsommer  hinein  mit  Schnee 
bedeckten   Kücken    des  Kaimaktschalan,    dem    höchsten  Punkte    der  _ 

1  Hierzu  die  Jiei- 

Nidschekette  (2517  Meter),  und  der  nur  wenig  niedrigeren  Bergkette  karte  vo^Karte 
der  Neretschka  mit  dem  Witschu  (2065  Meter)  liegt  tief  eingebettet 
das  genannte  Hügelland,  welches  den  Übergang  aus  dem  Becken  von 
Monastir  in  das  von  Ostrowo  und  Kailar,  das  alte  Eordäa,  ver- 
mittelt2). An  seiner  niedrigsten  Stelle  erhebt  es  sich  nur  etwa 
150  Meter  über  die  beiden  Ebenen  und  gestattet  im  Kirli-Derbend 
einen  verhältnismäfsig  bequemen  Übergang3).  Es  ist  der  Punkt,  wo 
seit  alters  die  Strafse  und  neuerdings  die  Eisenbahn  das  Bergland 
überschreitet. 

Etwas  vor  der  Pafshöhe,  etwa  bei  dem  Dorfe  Banitza,  beherrscht 
man  zu  gleicher  Zeit  den  Aufstieg  zu  dem  weit  höheren,  nach  Edessa 
führenden  Passe  von  Gornitschewo.  Hier  ist  der  gegebene  Punkt 
für  eine  Verteidigungsstellung,  und  hier  etwa  mufs  es  gewesen  sein, 
wo  Philipp  sich  zur  Verteidigung  gesetzt  hatte.  Mit  Palisadenwerken, 
Wällen  und  Gräben  ward  der  natürlichen  Stellung  nachgeholfen  und 
vielleicht  auch  noch  der  hier  kaum  2  Kilometer  entfernte  Aufstieg 


(Liv.  31, 39, 6).  Bedenkt  man,  dafs  jetzt  gleich  die  Kämpfe  im  Hügelland  von 
Banitza  folgen,  so  wird  man  nicht  anders  können,  als  diese  Stellung  in  die  Gegend 
des  Tschernaknies,  im  Süden  der  Ebene,  zu  verlegen,  wo  der  Flufs  auch  seine 
meisten  Zuflüsse  aus  dem  Gebirge  erhält  (s.  die  Karte). 

x)  Inde  satis  comperto  Eordaeam  petituros  Romanos,  ad  occupandas  angustias, 
ne  superare  hostes  artis  faucibus  inclusum  aditum  possent,  praecessit.  Polyb. 
XVIII  23,  3:    rag  lg  trjv  'EoQÖulav  vnEQßoXag. 

2)  von  der  Goltz,  Ausflug  nach  Maz.  S.  87. 

3)  Boue,  Recueil  I  278:  le  col  conduisant  par  le  Kirli-Derbend  et  Banja 
(Banitza)  ä  Florina,  n'a  quo  tout  au  plus  2076  pieds  et  forme  une  vaste  echancrure 
entre  ces  montagnes  (im  Norden) . .  et  celles  au  N.  de  Klisoura  (=  Wlahoklisura, 
also  im  Süden)  de  maniere  que . . .  ces  deux  cavites  (von  Monastir  und  Kailar)  ne 
sont  separees  que  par  une  paroi  tres-peu  elevee  et  franchissable  par  des  pentes 
peu  fortes.  —  Die  Pafshöhe  der  Bahn  ist  751  Meter  (v.  d.  Goltz  S.  110)  oder 
769  Meter  (österreichische  Karte).  Die  Ebenen  bei  Kailar  und  Florina  sind  rund 
600  Meter  hoch. 


24  Der  zweite  Makedonische  Krieg. 

zum  Passe  von  Orchowa,  der  gleichfalls  ins  Becken  von  Kailar  führt, 
mit  in  die  Verteidigungslinie  hineingezogen1). 

Vielleicht  wäre  es  möglich  gewesen,  wenn  nicht  im  Norden2), 
so  doch  im  Südwesten,  etwa  bei  Negowani,  die  Stellung  zu  umgehen 
und  in  das  Becken  von  Kailar  vorzudringen;  aber  die  Römer  wollten 
ja  schlagen,  wenn  es  nur  irgend  möglich  war,  und  ähnlich  wie  zwei 
Jahrhunderte  früher  dem  Brasidas,  so  gelang  es  auch  ihnen  die 
Stellung  zu  stürmen,  und  mit  beträchtlichem  Verluste  mufsten  sich 
die  Makedonier  zurückziehen 3).  Es  war  die  hauptsächlichste  Waffen- 
tat  in  diesem  Feldzuge4).  Der  Weg  in  das  Becken  von  Ostrowo 
und  Kailar,  das  alte  Eordäa,  war  frei,  und  selbst  die  Hauptstädte 
Makedoniens,  Edessa  und  Pella,  lagen  nur  noch  einen  bis  zwei  starke 
Tagemärsche  entfernt. 

Es  entsteht  daher  für  uns  die  öfters  aufgeworfene,  aber  nie 
recht  befriedigend  beantwortete  Frage5),  weshalb  Galba  seinen  Sieg 
nicht  dazu  benutzt  hat,  jetzt  in  das  Herz  des  feindlichen  Landes 
vorzudringen  und  so  die  fruchtbare  Ebene  Niedermakedoniens  zu  er- 
reichen, wodurch  er  doch  die  Verpflegungsschwierigkeiten  in  seinem 
Heere  —  wie  man  denken  sollte  —  hätte  beseitigen  können.  Eine 
genaue  Berücksichtigung  der  Örtlichkeit  und  der  Zeit  wird  auch  hier 
wieder  das  Beste  zur  Lösung  der  Frage  tun  müssen. 

Mit  der  Erstürmung  der  Höhen  von  Banitza  hatte  das  römische 


')  Alia  vallo,  alia  fossa,  alia  lapidum  congerie,  ut  pro  muro  essent,  alia 
arboribus  objectis,  ut  aut  locus  postulabat  aut  materia  suppeditabat,  propere 
permuniit,  atque  viam  . . .  objectis  per  omnes  transitus  operibus  inexpugnabilem 
facit  (Liv.  31,  39,  9).  —  Man  sieht,  es  hai  delt  sich  um  ausgedehnte  Verschanzungen 
und  mehrere  Übergänge. 

2)  Hier  steigt  die  zum  Kaimaktschalan  führende  Malkakette  schnell  bis  zu 
1500  Meter  an  und  fällt  jenseits  schroff  ab. 

3)  Detaillierte  Schilderung  bei  Livius  31,39,  10  —  15,  aus  der  aber  militärisch 
nichts  zu  lernen  ist. —  Über  Brasidas  berichtet  Thukydides  IV  127.  Es  wird  sich 
dabei  auch  um  diesen  Pafs  handeln  und  nicht,  wie  Tozer  II  361  meint,  um  den 
direkten  Aufstieg  von  der  Ebene  über  Tulbele  (Türbeli)  zu  dem  etwa  3  Kilometer 
nördlich  gelegenen  Passe  von  Gornitschewo. 

4)  Als  solche  hebt  sie  denn  auch  noch  Flamininus  in  der  Rede  vor  der 
Schlacht    von  Kynoskephalä   rühmend    hervor.     Pol.  XVIII  23,  3.     Liv.  32,  21,  19. 

5)  Ihne  meint  (R.  G.  III  25  A.),  Philipp  sei  gar  nicht  besiegt  worden,  sondern 
habe  die  Römer  geschlagen;  Nissen  (Krit.  Unters.  S.  129)  findet  das  Gefecht  un- 
klar dargestellt.  Man  sähe  nicht  recht,  ob  die  ganze  Armee  oder  nur  eine  zurück- 
gelassene Abteilung  hier  geschlagen  sei. 


1.  Der  Feldzug  in  Obermakedonien  (199  v.  Chr.).  25 

Heer  sich  allerdings  den  Weg  in  das  Becken  von  Ostrowo  gebahnt, 
aber  damit  noch  nicht  den  Weg  nach  Edessa  (Wodena).  Denn  jenseits 
der  in  Rede  stehenden  Pafshölien  sperrt  eine  400  Meter  hohe,  dicht 
an  das  Westufer  des  Sees  hinantretende  Kalkwand  den  Durchgang 
nach  Norden  so  vollständig,  dafs  die  Bahn  am  Ufer  des  Sees  in  den 
Felsen  hineingesprengt  ist  und  nur  oben  an  derselben  entlang  ein 
„schwindelnder  Reitpfad'4  hinführt1). 

Deshalb  zweigt  der  Weg  nach  Edessa  schon  vor  dem  Dorfe 
Banitza  links  von  den  Übergangswegen  in  das  Ostrowobecken  ab  und 
steigt  steiler  als  bisher  noch  200  Meter  höher  in  nordöstlicher  Rich- 
tung bis  zum  Passe  von  Gornitschewo  empor,  von  wo  er  sich  dann 
erst  an  das  Nordufer  des  Sees  herabsenkt2). 

Es  wäre  also  hier  ein  zweiter  und  schwierigerer  Sturm  auf  die 
Höhen  von  Gornitschewo  nötig  geworden,  und  ihn  hat  der  römische 
Heerführer  nicht  mehr  gewagt.  Er  begnügte  sich  damit,  dafs  er 
Philipp  aus  seiner  halben  Position  verdrängt  und  sich  den  Weg  nach 
Eordäa  geöffnet  hatte. 

Mit  dieser  Unterlassung  war  aber  das  Resultat  des  ganzen  Feld- 
zuges entschieden ;  ein  Vordringen  nach  der  makedonischen  Tiefebene 
hinein  war  im  Prinzip  aufgegeben  und  eine  Abschwenkung  nach  Süden 
begonnen,  die  nach  der  Natur  des  Geländes  im  weiteren  Verlaufe  mit 
Notwendigkeit  in  die  Rückzugslinie  übergehen  mufste. 

Denn  die  Übergänge  aus  der  Ebene  von  Kailar  und  Ostrowo 
über  das  Agostogebirge  in  die  makedonische  Tiefebene  sind  weit 
schwieriger  als  die  Übergänge  nach  Wodena  und  führen  zudem  nicht 
auf  die  Hauptstädte  des  Landes  los3).  ^Nachdem  man  nicht  die  Energie 


!)  Oestreich  S.  148.     von  der  Goltz,  Ausflug  S.  90. 

2)  von  der  Goltz  S.  110:  „Hinter  dem  Orte  (Banitza)  steigt  die  Strafse  leb- 
hafter zur  Pafshöhe  von  Gornitschewo  an,  die  inmitten  kahler  Bergmassen  auf 
948  Meter  Seehöhe  liegt".  Ebenso  geht  der  direkte  Weg  über  Tulbeli  nach 
Gornitschewo  über  steiniges  Geröll  (Tozer  I  164)  und  ist  gerade  in  seinen  oberen 
Partien  leichter  zu  verteidigen  als  in  den  unteren  (ib.  II  362). 

3)  Grisebach  sagt  II  103  darüber:  Der  „bequemste  und  gangbarste  Pafs 
über  die  Bermische  Pinduskette  —  so  nennt  er  das  Agostogebirge  —  ist  der  von 
Wodena  ...  Im  Süden  finden  sich  Übergangspunkte  bei  Niagosta  (Niausta) 
und  Werria.  Sie  sind  steiler,  höher  und  beschwerlicher,  als  die  Strafse  von 
Wodena,  und  sie  führen  .  .  nicht  in  die  Ebene  von  Bitolia  (Monastir)."  Das 
zwischen  der  Ebene  von  Kailar  und  Untermakedonien  liegende  Gebirge  von  Agosto 
steigt  im  Karatas  bis  zu  1900  Meter.    Der  einzige  auf  der  österr.  Karte  1 :  300000 


20  Der  zweite  Makedonische  Krieg-. 

gehabt  hatte,  bei  Gornitschewo  den  Durchbruch  zu  erzwingen,  er- 
schien es  ausgeschlossen,  dafs  man  später  unter  schwierigeren  Ver- 
hältnissen den  Versuch  wiederholen  würde.  Es  blieb  daher  den 
Römern  jetzt  nichts  anderes  übrig,  als  das  Becken  von  Ostrowo  und 
Kailar,  das  sie  sich  durch  den  Sturm  auf  Banitza  erobert  hatten,  zu 
durchziehen  und  dann  den  Rückweg  über  Kosiani  und  Schiatista 
anzutreten,  wie  sie  es  tatsächlich  getan  haben.  Der  Vorstofs  gegen 
die  Stellung  Philipps  bei  Banitza  und  Gornitschowo  ist  wegen  der 
nur  teilweisen  Durchführung  der  Aufgabe  im  Grunde  schon  als  das 
erste  Rückzugsgefecht  der  Römer  anzusehen. 

Der  römische  Feldherr  mag  sich  über  die  Tragweite  dieser  Ab- 
schwenkung  selbst  nicht  ganz  klar  gewesen  sein;  es  mag  auch  die 
vorgerückte  Jahreszeit  mitgewirkt  haben.  Denn  man  mufste  bereits 
Ende  August  oder  im  September  stehen x),  und  es  konnte  gewagt  er- 
scheinen, jetzt  noch  in  das  Tiefland  Makedoniens  hinabzusteigen, 
welches  keine  Furage  mehr  auf  dem  flachen  Lande,  sondern  be- 
festigte Städte  und  einen  jede  Hauptschlacht  ablehnenden  Gegner  in 
Aussicht  stellte-).  Philipp  dagegen  hat  die  Bedeutung  der  Ab- 
schwenkung  nach  Süden  sofort  erkannt. 

Wir  hören  von  diesem  Augenblicke  an  von  keinem  Gefechte 
mehr  zwischen  ihm  und  den  Römern,  obgleich  die  gröfsere  Hälfte 
des  Marsches  der  Römer  durch  Obermakedonien  jetzt  erst  beginnt 
und  in  der  Ebene  von  Kailar  so  gut  wie  in  der  von  Monastir  Ge- 
legenheit zu  Überfällen  und  Scharmützeln  sein  mufste. 

Der  Grund  für  diese  auffallende  Tatsache    kann  nur  darin  ge- 


über das  Gebirge  führende  Pafs  ist  1550  Meter  hoch.  Die  am  Tripolemos  vorbei- 
führende Strafse  (800  Meter  Pafshöhe),  welche  die  österr.  Karte  1 :  200  000  ver- 
zeichnet, scheint  ganz  neuen  Datums  zu  sein.  —  Auch  der  Übergang  von  dem 
Becken  von  Kailar  in  das  Karasutal  hat  einen  „hohen  Riegel"  (Fischer  bei  Kirch- 
hoff S.  119)  zu  überwinden  und  führt  auch  dann  noch  nicht  —  wie  man  bei 
oberflächlicher  Betrachtung  der  Karte  denken  könnte  —  in  die  makedonische 
Tiefebene,  da  das  Durchbruchstal  des  Karasu  kurz  vor  dem  Austritte  des  Flusses 
in  die  Ebene  eine  enge,  unpassierbare  Schlucht  bildet.  Boue,  Recueil  II  85 
von  der  Goltz  S.  79. 

')  Anderthalb  Monate  wird  man  für  die  Kreuz-  und  Querzüge  in  der  Ebene 
von  Monastir  nach  dem  Gefechte  an  der  Tscherna  (S.  22)  doch  wohl  mindestens 
ansetzen  müssen. 

2)  Diese  Gründe  werden  bei  späterer  Gelegenheit  als  Motive  für  den  Rück- 
zug nach  Apollonia  angegeben,  s.  S.  37  A.  2. 


1.  Der  Feldzug-  in  Obermakedonien  (199  v.Chr.).  27 

funden  werden,  dafs  der  König  den  gröfseren  Teil  seiner  Reiterei 
und  das  leichte  Fufsvolk  schon  damals,  direkt  von  Gornitschewo  aus, 
zum  Schutze  des  makedonischenTieflandes  gegen  die  Dardaner  detachiert 
hatte1).  So  gab  er  das  Becken  von  Ostrowo  und  Kailar  frei  und  mag 
sich  begnügt  haben,  die  Übergänge  über  das  Agostogebirge  nach 
Untermakedonien  für  alle  Eventualitäten  zu  decken. 

Bei  Kosiani,  wenn  nicht  schon  früher  (S.  14),  mufsten  die  Römer 
ganz  in  die  Rückzugsrichtung  einschwenken.  Denn  ein  Hinabsteigen 
bis  auf  den  Talboden  des  Karasutals  (Haliakmon)  verbot  sich  von 
selber.  Der  Weg  nach  Keletron  (Kastoria)  in  der  Orestis,  das  auf 
dem  Rückzuge  erstürmt  wurde  (Liv.  31,  40,  1,  S.  13),  geht  vielmehr 
an  den  Hängen  entlang  über  Schiatista  und  Lapsista  und  läfst  das 
mittlere  Karasutal  südlich  liegen,  welches  weit  nach  Süden  ausbiegt 
und  von  der  oberen  Talstufe  durch  ein  schwer  passierbares  Durch- 
bruchstal getrennt  ist2).  Von  Keletron  ging  es  dann  über  Pelion  in 
Dassaretien  beim  heutigen  Koritza,  das  gleichfalls  erobert  wurde, 
wieder  an  die  Küste  nach  Apollonia  zurück  (Liv.  31,  40,  4  f.). 

In  die  Berge  hinein  nach  Westen  ist  Philipp  nicht  mehr  ge- 
folgt. Hier  waren  keine  grofsen  Erfolge  mehr  zu  erzielen,  und  er 
hatte  Wichtigeres  zu  tun. 


Wir  haben  gesehen,  dafs  der  eben  geschilderte  Hauptangriff 
der  Römer  auf  Makedonien  durch  zwei  Flankenangriffe  unterstützt 
werden  sollte:  im  Norden  durch  die  Dardaner  und  Illyrier,  im  Süden 
durch  die  Ätoler. 

Beide  Angriffe  waren  zur  Ausführung  gekommen. 


V)  Adversus  Dardanos  iam  recipientes  ex  Macedonia  sese  Athenagoram  cum 
expeditis  peditibus  ac  majore  parte  equitatus  misit  (Liv.  31,  40,  8).  Den  Zeit- 
punkt dieser  Detachierung  gibt  Livius  nicht  genauer  an.  Aber  da  die  Dardaner 
schon  zur  Zeit  des  Treffens  an  den  Tschernasümpfen,  also  Anfang  bis  Mitte  Juli 
(s.  S.  20  f.),  in  Makedonien  eingefallen  waren  (Liv.  31,38,8),  so  können  wir  die 
Absendung  des  Athenagoras  kaum  später  ansetzen. 

2J  Darum  kann  man  doch  sagen,  dafs  die  Römer  die  Landschaft  Elimiotis 
durchzogen  hätten,  wie  Livius  31,  40,  1  berichtet.  Denn  zu  dieser  Landschaft 
gehören  natürlich  aufser  der  schmalen  Talsohle  selber  die  weiten  Berghänge  und 
Matten  rechts  und  links  von  dem  Flusse  bis  zu  den  talscheidenden  Kämmen  hin- 
auf, wie  sich  das  bei  solchen  Berglandschaften  von  selber  versteht. 


28  Der  zweite  Makedonische  Krieg. 

Nicht  die  Ebene  von  Monastir,  wo  diese  Scharen  nur  die  Ver- 
pflegungsschwierigkeiten vermehrt  hätten,  sondern  Niedermakedonien 
selber  war  als  Zielpunkt  der  nördlichen  Invasion  bestimmt  worden, 
und  so  hatte  denn  Philipp  schon  vor  Beginn  des  Feldzuges  die  Engen 
des  Wardartales,  die  gewöhnliche  Ein  fallstraf  se,  bei  Köprülü  oder 
etwas  weiter  südlich  durch  seinen  Sohn  Perseus  besetzen  lassen1). 
Aber  durch  die  Notwendigkeit,  ihn  später  zum  Hauptheere  zu  rufen 
(S.  19),  waren  die  Pässe  wieder  frei  geworden,  und  der  Strom  der 
Plünderer  hatte  sich  über  Makedonien  ergossen.  Dem  Detachement, 
welches  abgesandt  wurde,  sobald  man  der  Gefahr  von  den  Römern 
ledig  war  (S.  27),  gelang  es,  die  Feinde  auf  dem  Rückzuge  einzuholen 
und  ihnen  wenigstens  einen  Teil  der  Beute  wieder  abzujagen  (Liv. 
31,  43,  1). 

Ebenso  waren  von  Süden  her  die  Ätoler  und  Athamanen  ins  Land 
eingefallen.  Ganz  Thessalien  hatten  sie  plündernd  durchzogen  und 
waren  sogar  bis  in  den  äufsersten  nördlichen  Winkel,  in  das  reiche 
Xeriastal  (Europos),  vorgedrungen,  wohl  mit  der  Absicht,  bei  gutem 
Fortgange  der  römischen  Operationen  über  die  hier  am  leichtesten  zu 
überschreitenden  Gebirge  auch  ihrerseits  nach  Makedonien  vorzu- 
dringen2).   So  waren  sie  nicht  mehr  als  zwei  starke  Tagemärsche  von 


*)  Liv.  31,  28,  5:  ad  obsidendas  augustias,  quae  ad  Pelagoniam  sunt,  und 
31,  33,  3.  —  Man  hat  sich  durch  die  Worte  „ad  Pelagoniam"  täuschen  lassen 
und  an  die  Pässe  gedacht,  welche  in  die  Ebene  von  Monastir  führen  (Weifsenborn 
z.  St.  Niese,  II  600  A.  5  nach  Leake,  III  320  f.).  Aber  davon  kann  keine  Rede 
sein.  Denn  obwohl  die  Pässe  entblöfst  werden,  erscheinen  die  Dardaner  und  Illyrier 
später  nicht  bei  der  Hauptarmee,  sondern  in  Niedermakedonien  (s.  Text).  Übrigens 
wird  Pelagonien  auch  sonst  bis  zum  Wardar  ausgedehnt  und  gerade  Stobi  (nicht 
weit  von  Köprülü),  wo  die  Wardarengen  waren  (Strabo  VII,  frg.  4:  dia  .  .  ZroßöJv 
tyovöu  Tag  eioßolag  .  .  <JV  ä>v  6"At-iog  (>mv  u.  s.  w.)  zu  Pelagonien  gerechnet  (Ptolem. 
III  12,  31).  —  Der  Wardar  bildet  von  Üsküb  an  bis  zu  seinem  Austritt  in  die 
Tiefebene  verschiedene  leicht  zu  verteidigende  Engen,  so  die  Engen  von  Üsküb 
selber,  von  Köprülü,  von  Demir  Kapu  und  endlich  die  sog.  Zigeunerschlucht 
(Fischer  bei  Kirchhoff,  S.  117  ff.  von  der  Goltz,  S.  116  ff.).  Welche  hier  gemeint 
sind,  läfst  sich  natürlich  nicht  mehr  entscheiden.  Naturgetreue  und  anschauliche 
Bilder  dieser  z.  T.  grandiosen  Engen  bietet  die  Leipziger  Illustrierte  Zeitung  1903, 
No.  3142.  Leake  ist  zu  seinem  Irrtume  dadurch  gekommen,  dafs  er  glaubte,  es 
gäbe  aufser  dem  bei  Monastir  mündenden  Passe  über  das  Gebirge  noch  einen  bei 
Florina.  Das  ist  nicht  der  Fall,  wie  die  genaueren  neueren  Erkundungen  gelehrt 
haben;    s.  darüber  Tozer  II  Appendix  D,  On  the  Egnatian  way,   S.  368. 

2)  Ihr  Zug  ging  über  Kerkinion,  unbekannter  Lage,  erst  nordöstlich  bis  an 


1.  Der  Feldzug  in  Obermakedonien  (199  v.  Chr.).  29 

dem  südlichen  Teile  des  makedonisch-römischen  Kriegsschauplatzes  ent- 
fernt, und  Philipp  brauchte,  wenn  er  den  Römern  bis  Kosiani  gefolgt 
war,  nur  ins  Karasutal  hinabzusteigen,  den  gerade  gegenüberliegenden 
bequemen  Pafs  von  Portäs  (900  Meter)  bei  Servia  zu  überschreiten, 
und  er  befand  sich  im  Gebiete  des  Xerias,  einen  kleinen  Tagemarsch 
von  den  ätolischen  Streifscharen1).  Solche  Gelegenheiten,  pflegte  sich 
der  König  nicht  entgehen  zu  lassen,  Und  so  liegt  in  diesen  Ver- 
hältnissen also  die  Erklärung  für  die  sonst  auffällige  Tatsache,  dafs 
Philipp,  wie  erwähnt,  sich  plötzlich  von  den  Römern  abwandte  und 
sie  die  Landschaften  Orestis  und  Dassaretien  unbehelligt  durchziehen 
liefs2).  Zwar  fand  er  den  Feind  nicht  mehr  im  Xeriastal,  aber  er  setzte 
ihm  nach.  Ein  direkter  Marsch  durch  das  niedrige  Chassiagebirge, 
der  in  anderthalb  Tagen  zurückgelegt  sein  konnte,  brachte  ihn  in 
ihre  Nähe3).  Dicht  an  den  schützenden  Pindusketten  bei  Phäka 
und  Gomphi  brachte  er  ihnen  eine  schwere  Niederlage  bei  und  jagte 
sie  mit  Schimpf  und  Schande  aus  seinem  Gebiet. 

Nicht  viel  gröfser  als  bei  diesen  Plünderungszügen  zu  Lande  waren 
auch  die  Erfolge  bei  der  Flotte  gewesen:  sie  hatte  ein  paar  zu  Make- 
donien haltende  Kykladen  genommen,  Oreos  auf  Euböa  erobert,  an 
der  makedonischen  Küste  ohne  Bedeutenderes  auszurichten  Landungen 
und  Plünderungen  ins  Werk  gesetzt  und  war  im  Herbste  mit  Beute 
beladen  teils  nach  Kerkyra,  teils  nach  Pergamon  und  Rhodos  in  die 
Heimat  zurückgekehrt4). 

So  war  der  König  —  man  kann  fast  sagen  —  auf  allen  Punkten 


den  Karlasee  (Böbe),  dann  nordwestlich  nach  Kyretiae  (Liv.  31,41,  5),  dessen  Lage 
bei  Dömenik  im  Xeriastal  feststeht  (Bursian  I  56),  und  nach  Mallöa,  das  ganz  in 
der  Nähe  von  Kyretiae  gelegen  haben  mufs. 

1)  Beschreibung  des  Weges  bei  Boue,  Recueil  II  78  ff.  und  besonders  bei 
Barth  S.  171  ff.  Pafs  von  Portäs  oder  Demirkapu  von  Servia  oder  Serfidsche, 
im  Altertum  von  Volustana  (Liv.  44,  2,  10)  oder  über  die  Cambunii  montes  (Liv. 
44,  2,  6)  ist  alles  dasselbe.  Über  ihn  führt  die  Hauptstrafse,  welche  Thessalien 
mit  Obermakedonien  verbindet;    s.  auch  Philippson,  Ztschr.  d,  Ges.  f.  Erdk.  30,  454. 

2)  Philippum  averterant  Ätoli  et  Athamanes  sagt  Livius  31,  40,  7,  nur  kurz 
die  Tatsache  selbst  berichtend. 

3)  Vom  unteren  Xeriastal  bis  Gomphi  mögen  es  durchs  Chassiagebirge 
direkt  etwa  50  Kilometer  sein  —  (Philippson  brauchte  von  Trikkala  bis  Neo- 
Smolia  6£  Stunden.  Ztschr.  d.  Ges.  f.  Erdk.  30,  460)  —  und  am  Mittage  erreichte 
Philipp  den  Feind  (Liv.  31,  41,  11). 

4)  Liv.  31,44-47,4. 


30  Der  zweite  Makedonische  Krieg. 

Sieger  geblieben').  Denn  die  grofsen  Offensivoperationen  der  Gegner 
waren  gescheitert,  und  mit  seiner  zugleich  vorsichtigen  und  tatkräfti- 
gen Defensive  hatte  er  erreicht,  was  nach  Lage  der  Verhältnisse 
nur  irgend  zu  erreichen  gewesen  war:  er  hatte  den  Sommer  ohne 
die  Römer  zu  einem  Resultat  kommen  zu  lassen  hinausgezogen  und 
es  durchgesetzt,  dafs  —  wie  Mommsen  mit  Recht  sagt  —  die  römi- 
schen Truppen  nach  einem  äufserst  beschwerlichen  Feldzuge  im  Herbst 
genau  da  standen,  von  wo  sie  im  Frühling  aufgebrochen  waren.  Man 
kann  hinzufügen,  dafs  der  Nachfolger  des  Galba  dieselbe  Aufgabe 
statt  mit  einem  siegesgewissen  mit  einem  entmutigten  und  demorali- 
sierten Heere2)  von  vorn  zu  beginnen  hatte. 

Fragen  wir  nach  dem  Grunde  dieser  Erfolge,  so  fällt  in  erster 
Linie  die  ganz  verschiedene  Strategie  ins  Auge,  die  der  König  gegen 
seine  verschiedenen  Gegner  in  Anwendung  gebracht  hat. 

Gegenüber  Dardanern  und  Ätolern  ist  er  die  Tätigkeit  und 
Angriffslust  selber.  Ohne  zu  zögern  ist  er  mit  überraschender 
Schnelligkeit  am.  Orte,  greift  er  mit  rücksichtsloser  Energie  an  und 
schlägt  die  Feinde  zum  Lande  hinaus.  Auch  die  Phalanx  wird  dabei 
ohne  Zaudern  eingesetzt.  Er  fühlt  sich  hier  eben  überall  in  der 
taktischen  Überlegenheit  und  beutet  sie  aus. 

Ganz  anders  gegenüber  den  Römern.  Da  vermeidet  er  sorg- 
fältig jede  offene  Feldschlacht.  Gegenüber  den  wiederholten  Heraus- 
forderungen des  Konsuls  vor  dem  Treffen  an  den  Tschernasümpfen 
hält  er  sich  vorsichtig  im  Lager;  selbst  als  der  Gegner  bis  auf  den 
Abhang  des  Hügels  unmittelbar  vor  dem  Lager  vorgeht  —  die  un- 
günstigste Situation,  die  man  sich  bei  der  antiken  Schlacht  denken 
kann  — ,    bleibt  er  innerhalb   der  Schanzen3).     Dann   zieht   er  sich 


a)  Selbst  Livius,  der  den  Mifserfolg  der  Römer  in  diesem  Feldzuge  sonst  zu 
verschleiern  sucht,  sagt  31,  43,  4:  ita  damna  Romano  aeeepta  bello  duabus  per 
opportunas  expeditiones  coercitis  gentibus  restituerat  Philippus  ineepto  forti,  non 
prospero  solum  eventu. 

2)  Ein  Symptom  davon  ist  der  Veteranenaufstand,  welcher  bei  Beginn  von 
Villius'  Kommando  noch  im  Herbste  dieses  Jahres  . —  die  Winterquartiere  sind 
später  (Liv.  32,  6,  1)  —  ausgebrochen  ist.     Liv.  32,  3,  2. 

3)  Man  beachte  die  Steigerung  in  den  Provokationen  der  Römer,  welche 
durchaus  schlagen  wollen.  Liv.  31,34,9:  tertio  die  Romanus  omnis  in  aciem 
copias  eduxit,  rex  vero  .  .  equites  emisit.  Die  Römer  stehen  500  Schritte  vom 
makedonischen  Lager  (ib.  35,  2).    Nach  einigen  Tagen  dann,  Liv.  31,  3G,  4:   postero 


1.  Der  Feldzug-  in  Obermakedomen  (199  v.  Chr.).  31 

nach  der  Schlappe  an  den  Tschernasümpfen  für  eine  Zeit  ganz  aufser 
Fühlungsnähe  zurück,  und  als  wir  ihn  am  Osphagos  und  Erigon 
wieder  längere  Zeit  dem  Feinde  gegenüber  finden,  hat  er  von  neuem 
eine  durch  den  Erigon  in  der  Front  unangreifbare  Verteidigungs- 
stellung eingenommen ').  Endlich  bei  Banitza  schafft  er  sich  durch 
ausgedehnte  Verschanzungen  und  Verhaue  wiederum  eine  Defensiv- 
position, die  von  den  Quellen  als  sturmfrei  bezeichnet  wird  (S.  24  A.  1). 

Aber  dies  ist  nur  die  eine  Seite  seiner  Kriegführung.  Daneben- 
her gehen  kleine  Scharmützel,  Überfälle  mit  der  Reiterei  und  den 
leichten  Truppen,  Hinterhalte  und  Störungen  der  feindlichen  Fura- 
gierungen,  die  sich  wie  an  den  Tschernasümpfen  und  bei  Pluinna 
gelegentlich  zu  grofsen  Gefechten  entwickeln. 

Die  Anwendung  dieses  Kriegssystem  ist  zunächst  in  taktischen 
Verhältnissen  begründet,  indem  nämlich  Philipp  sich  mit  seiner 
Phalanx  den  Römern  gegenüber  nicht  sicher  fühlte  und  anderseits 
eine  sehr  bedeutende  Überlegenheit  an  Reiterei,  4000  gegen  etwa 
2000,  besafs. 

Dann  aber  ist  es  vor  allem  auch  geschickt  an  die  strategische 
Lage  angepafst.  Der  König  hatte  das  Wagnis  einer  Schlacht  unter 
so  zweifelhaften  Verhältnissen  nicht  nötig.  Er  konnte  hoffen,  bei  seinem 
System  auch  ohne  sie  nicht  nur  der  Offensive  der  Römer  Einhalt  zu 
tun,  sondern  ihr  Heer  zu  vernichten.  Die  Römer  waren  unvorsichtig, 
tief  in  das  Gebirgsland  eingedrungen,  ohne  sich  irgendwie  genügend 
zu  basieren.  Dafs  auf  der  Strafse,  die  sie  mindestens  200  Kilometer 
weit  durch  feindliches  Gebiet  bis  nach  ihrem  ersten  Standlager  in 
der  Ebene  von  Monastir  durchzogen  hatten,  ein  regelmäfsiger  Zufuhr- 
dienst nach  dem  etwa  260  Kilometer  entfernten  Adriatischen  Meere 
hin  organisiert  gewesen  sei,  daran  ist  nicht  zu  denken.  Von  einer 
auch  nur  ganz  oberflächlichen  Unterwerfung  des  makedonischen 
Illyriens  konnte  keine  Rede  sein.  Wir  hören  weder  von  Vertreibung 
makedonischer  Besatzungen,  die  doch  vorhanden  waren  (S.  10),  noch 
von  Einnahme    auch    nur  einer  einzigen  gröfseren  Ortschaft  an  der 


die  consul  omoibus  copiis  in  aciem  descendit  .  .  .  ubi  latentem  intra  vallum 
hostem  vidit,  in  tumulos  quoque  ac  sub  ipsum  vallum  exprobrans  metum 
successit,  postquam  ne  tum  quidem  potestas  pugnandi  dabatur,  verlegte  er  sein 
Lager  zurück. 

*)  Liv.  31,  39,  6:    rex  ...  et  ipse  vallo   super  ripam  amnis   ducto  —  Eri- 
gonum  incolae  vocant  —  consedit. 


32  Der  zweite  Makedonische  Krieg. 

Strafse  selber1).  Während  bei  dem  Streifzuge  des  vorigen  Herbstes 
so  unbedeutende  Orte  wie  Korragos,  Gerunion,  Orgessos,  Kodrio  u.  a. 
aufgezählt  und  später  beim  Rückzüge  der  Römer  wiederholt  Städte 
wie  Keletron  und  Pelion  als  Eroberungen  der  Römer  genannt  werden 
(S.  10.  27),  fehlt  für  den  Hinmarsch  selbst  die  Erwähnung  des  wich- 
tigen, unmittelbar  an  der  Anmarschstrafse  gelegenen  Lychnidos.  Es 
ist  klar,  dafs  man  diese  ganze  schwierige  Gebirgsgegend,  um  in  bessere 
Landschaften  zu  kommen,  so  schnell  wie  möglich  durcheilt  und 
sich  mit  Sicherung  der  Strafse  nicht  weiter  aufgehalten  hat.  Wenn 
überhaupt,  so  konnten  später  nur  grofse  Transporte  mit  sehr  starker 
Bedeckung  zur  Armee  durchkommen,  und  wir  hören  nichts  davon. 
Es  wird  im  Gegenteil  wiederholt  betont,  dafs  das  Heer  aufser  von 
seinem  mitgenommenen  Proviant,  der  höchstens  auf  einen  Monat 
reichen  konnte,  vom  Lande  leben  sollte2).  Man  steckte  also  ohne  Ver- 
bindung mit  der  Küste  mitten  in  einem  schlimmen  Gebirgslande,  in 
dem  es  mit  der  Verpflegung  übel  aussah.  Denn  ergiebiges  Land 
war  zunächst  eben  nur  das  Becken  von  Monastir,  welches  bei  seinem 
mäfsigen  Umfange  wohl  auch  kaum  für  länger  als  2  bis  3  Monate  Unter- 
halt gewähren  konnte  3).    Nach  Verlauf  dieser  Zeit  war  man  am  Anfang 


x)  Es  heifst  bei  Liv.  31,  33,  5  ganz  summarisch:  oppida  vicique  partim 
voluntate  partim  metu  se  tradebant,  quaedam  vi  expugnata,  quaedam  deserta  in 
montis  propinquos  refugientibus  barbaris  inveniebantur.  Es  handelt  sich  um 
unmittelbar  an  der  Anmarschstrafse  liegende  Flecken  und  Weiler  der  Bauern  und 
Hirten  in  dem  wenig  kultivierten  Berglande. 

2)  Liv.  31,  33,  4:  per  Dassaretiorum  fines  exercitum  ducebat  frumentum, 
quod  ex  hibernis  extulerat,  integrum  vehens,  quod  in  usum  militi  satis  esset 
praebentibus  agris.  Liv.  31,  38,  1:  hostes  (die  Römer)  exhausto  circa  omni  agro 
ad  ultimum  inopiae  venturos.  Furagierungen  wiederholt  erwähnt:  Liv.  31,  36  5  f. 
39,  4.     40,  1. 

3)  Man  kann  das  Becken  auf  rund  800  Quadratkilometer  ansetzen  (S.  14). 
Beloch  rechnet  für  Makedonien  im  ganzen  12,5  -16,6  Einwohner  auf  den  Quadrat- 
kilometer (Bevölk.  S.  212).  Ich  will  so  hoch  wie  eigentlich  unmöglich  ist  gehen  und 
40 — 50  Einwohner  auf  den  Quadratkilometer  rechnen.  Bei  solcher  Bevölkerung 
ist  es  nach  Clausewitz  (V.  Kriege  V  14,  S.  275  Scherff)  möglich,  eine  Truppe  von 
30  000  Mann  —  das  römische  Heer  war  mit  Zuhehör  Trofs  etc.  beträchtlich 
stärker  —  auf  einer  Fläche  von  vier  Quadratmeilen  (ca.  225  Quadratkilometer), 
ohne  Schwierigkeit  einige  Tage  zu  ernähren.  Bei  längerer  Inanspruchnahme 
müfste  dagegen  schon  „von  den  Ortsbehörden  besonders  Rat  geschafft  werden 
was  indes  für  das  Bedürfnis  von  einem  oder  ein  paar  Tagen  mehr  nicht 
schwerfällt".  —  Bringt  mau  hier  in  Anschlag,  dafs  die  Bewohner  natürlich  in  die 


2.  Der  Feldzug  in  Epiros  und  Thessalien  (198  v.  Chr.)  33 

des  Endes,  wenn  es  nicht  gelungen  war,  bis  dahin  eine  Entscheidung 
zu  erzwingen,  die  neue  Verpflegungsgebiete  eröffnete. 

Man  erkennt  also,  wie  richtig  Philipps  Kriegssystem  hier  ge- 
wesen ist,  welche  Bedeutung  die  im  einzelnen  kleinen  und  von  unserer 
Überlieferung  natürlich  nicht  überall  registrierten  Überfälle  bei 
Furagierungen  und  Requisitionen  gehabt  haben,  und  welche  Be- 
deutung besonders  der  Schlacht  von  Banitza  zukommt,  durch  die  den 
Römern  sozusagen  ein  neues  grofses  Proviantmagazin  geöffnet  wurde, 
nachdem  das  von  Monastir  erschöpft  war.  Aber  auch  so  wurde  es 
den  Römern  in  dem  unwirtlichen  Lande  bald  zu  eng.  Sie  traten 
den  Rückzug  an,  weil  sie  nur  so  einer  Katastrophe  entgehen  konnten1). 

Es  ging  ihnen  wie  Friedrich  dem  G-rofsen  in  Böhmen  im 
zweiten  Schlesischen  Kriege,  wo  auch  durch  hartnäckige  Verweigerung 
der  Schlacht  und  gleichzeitige  Unterbindung  der  Verpflegung  durch 
die  österreichischen  Husaren  der  König  von  Position  zu  Position 
zurückmanövriert  wurde,  bis  er  unter  den  beträchtlichsten  Verlusten 
das  Land  verlassen  mufste. 


2.    Der  Feldzug  in  Epiros  und  Thessalien  (198  v.Chr.). 
Die  Schlacht  am  Aoos. 

Ein  völlig  verändertes  Bild  zeigt  uns  der  Feldzug  198.  Hierzu  die 

Wie  auf  Verabredung  wechseln  beide  Parteien  den  Kriegschau- 
platz und  wenden  sich  nach  dem  Süden,  nach  Epiros.  Es  erscheint 
wie  Laune  und  Willkür  und  ist  um  so  eigentümlicher,  als  Philipp 
es  war,  der  zuerst  im  Felde  erschien  und  die  Römer  auf  das  von 
ihm  gewählte  Kriegstheater  hinüberzog,  so  dafs  hier  mit  Vertauschung 
der  Rollen  nicht  der  Angreifer,  sondern  der  Verteidiger  sich  die  Vor- 
hand im  Handeln  gewahrt  hat.  Noch  ehe  nämlich  die  Römer  aus 
den  Winterquartieren  aufgebrochen  waren,  hatte  Philipp  schon  seine 
gesamte  Streitmacht  an  den  Aoospässen  bei  Antigonea  im  nördlichen 


Berge  flüchteten  und  mitnahmen,  was  sie  konnten,  so  wird  man  die  Spannweite 
so  grofs  wie  man  will  ansetzen  können,  ohne  über  die  im  Texte  genannte  Zeit 
hinauszukommen. 

*)  Am  deutlichsten  wird  das  in  unserer  Überlieferung  ausgesprochen  bei 
den  Erwägungen,  die  Flamininus  abhielten,  den  Versuch,  durch  Obermakedonien 
vorzudringen,  zu  erneuern,     s.  unten  S.  37  A.  2. 

Kromayer,  Antike  Schlachtfelder.     II.  3 


34  Der  zweite  Makedonische  Krieg. 

Epiros  konzentriert,  und  der  Konsul  Villius  hatte  nichts  Eiligeres  zu 
tun  gehabt,  als  ihn  dort  sofort  aufzusuchen1). 

Wie  konnte  er  das  wagen?  Wie  konnten  die  Römer  ihm 
folgen?  Gab  doch  der  König  damit  dem  Gegner  die  Anmarsch- 
strafsen  ins  Herz  seiner  Monarchie  völlig  frei.  Denn  diese  Stellung 
lag  etwa  80  Kilometer  südöstlich  von  den  Winterquartieren  der 
Römer  am  unteren  Apsos  (S.  27),  während  die  Strafsen  von  dort 
nach  Makedonien  in  östlicher  oder  gar  nordöstlicher  Richtung  ins 
Gebirge  hineinführten.  Konnten  also  nicht  die  Römer  vor  Pella 
stehen,  ehe  er  zur  Verteidigung  herbeizueilen  in  der  Lage  war? 
Um  so  merkwürdiger  erscheint  das  Verfahren  des  Königs,  als  er  im 
vorigen  Jahre  ganz  anders  gehandelt  und  seine  Armee  selbst  auf 
die  Gefahr  hin,  den  Gegner  weit  ins  Innere  vordringen  zu  sehen,  in 
einer  Zentralstellung  zurückgehalten  hatte,  bis  er  über  die  Angriffs- 
richtung des  Feindes  im  klaren  war  (S.  18).  Noch  weniger  begreif- 
lich kommt  uns  aber  bei  dieser  Lage  das  Benehmen  der  Römer  vor, 
welche  diesen  Fehler  des  Königs  nicht  ausnutzten,  sondern  sich,  ob- 
gleich sie  die  Angreifer  waren,  verleiten  liefsen,  einen  Kriegsschau- 
platz aufzusuchen,  der  sie  von  ihrem  Hauptziele,  Makedonien, 
weit  mehr  entfernen  als  ihm  nahe  bringen  mufste.  Denn  das 
kann  ja  keinem  Zweifel  unterliegen,  dafs  mit  dieser  Änderung  der 
Angriffsrichtung  das  Kriegstheater  in  Nebenlandschaften  verlegt  wurde, 
deren  Eroberung  auf  eine  definitive  Entscheidung  viel  weniger  ein- 
wirken konnte,  als  eine  Einnahme  des  Stammlandes  selber.  Auf  die 
Durchführung  des  Krieges  in  einem  Feldzuge  war  damit  aller  Vor- 
aussicht nach  von  vorn  herein  verzichtet.  Man  konnte  selbst  bei 
glücklichstem  Fortgange  der  römischen  Waffen  höchstens  darauf 
rechnen,  im  folgenden  Jahre  von  Süden  her  in  das  eigentliche  Make- 
donien vorzudringen. 

Die  Erklärung  sowohl  für  das  Wagnis  des  Königs  als  auch  für 


l)  Liv.  32,5,9:  principio  veris  ...  omnia  externa  auxilia  quodque  levis 
arraaturae  erat .  .  ad  occupandas,  quae  ad  Antigoneam  fauces  sunt  —  stena  vocant 
Graeci  —  misir.  Ipse  post  paucis  diebus  graviore  secutus  agmine.  Erst  auf  die 
Nachricht  davon:  consul .  .  certior  factus,  quos  saltus  cum  exercitu  insedisset  rex, 
et  ipse  ...  ad  hostem  ducere  pergit.  —  Die  Pässe  liegen  oberhalb  des  heutigen 
Tepeleni,  wie  Leake,  I  390  überzeugend  nachgewiesen  hat.  Die  Lesart  bei  Plut. 
Flam.  3,  wo  mehrfach  statt  '!Awo<;  "Aipog  steht,  ist  ein  leichter  Schreibfehler.  An 
den  Apsos,  den  heutigen  Semeni,  ist  aus  sachlichen  Gründen  nicht  zu  denken. 


2.  Der  Feldzug  in  Epiros  und  Thessalien  (198  v.  Chr.)  35 

das  Verhalten  der  Römer  liegt  lediglich  in  den  Erfahrungen  des 
letzten  Feldzuges.  Was  im  Jahre  vorher  ein  schwerer  strategischer 
Fehler  Philipps  gewesen  wäre,  war  in  diesem  kluge  und  kühne  Berech- 
nung. Die  Verluste  der  Römer  in  Obermakedonien  waren  so  bedeutend 
gewesen,  die  Überzeugung,  hier  nicht  zum  Ziele  kommen  zu  können, 
mufs  bei  den  Römern  so  allgemein  gewesen  sein  (s.  S.  37  A.  2),  dafs 
Philipp  daraufhin  sein  hohes  Spiel  wagen  konnte,  Obermakedonien 
überhaupt  nicht  oder  nur  mit  ganz  geringen  Truppen  zu  decken 
und  alle  seine  Kräfte  zum  Schutze  seiner  südlichen  Provinzen  zu 
sammeln.  Und  gerade  die  kühne  Art,  in  der  er  bis  an  den  unteren  Aoos, 
also  bis  unmittelbar  an  die  Grenze  des  römischen  Gebietes  vorging, 
mufste  auf  die  Römer  mit  der  Anziehungskraft  eines  Magneten  ein- 
wirken. Sie  suchten  die  Schlacht,  und  hier  wurde  ihnen  als  bequemes 
Angriifsobjekt  die  ganze  feindliche  Armee  geboten1). 

Dazu  kam  ein  Zweites. 

Wenn  es  gelang,  die  Makedonier  aus  Epiros  zu  verdrängen,  so 
schob  man  sich  dadurch  zwischen  Makedonien  und  Griechenland  ein, 
nahm  so  der  immer  noch  starken  makedonischen  Partei  in  Griechen- 
land ihren  Halt  und  konnte  hoffen,  das  ganze  Land  auf  seine  Seite 
zu  ziehen.  So  gewann  man  eine  natürliche  Basis  zum  Vorgehen 
gegen  Makedonien  im  Lande  selber  und  hielt  sich  zugleich  in  gröfserer 
Nähe  der  Küste,  die  man  mit  der  Flotte  beherrschte  und  auf  die 
man  für  die  Verpflegung  in  erster  Linie  mit  angewiesen  war2).  End- 
lich war  nur  so  eine  wirksame  Unterstützung  durch  die  Streitkräfte 
Griechenlands  möglich,  da  dieselben  sonst  in  ihrer  Vereinzelung 
nichts  zu  bedeuten  hatten.  Für  einen  Diplomaten  wie  Flamininus, 
der  nach  dem  kurzen  und  tatenlosen  Kommando  des  Villius  schon 
im  Frühling  198    den  Oberbefehl    übernahm,    hatte    die    politische 


1)  Mommsen  hat  dies  weite  Vorgehen  Philipps  als  Offensive  aufgefafst. 
Das  ist  nicht  richtig.  Die  Stellung  Philipps  dient  nur  um  die  Strafse  nach 
Thessalien  über  den  Pafs  von  Metzowo  zu  decken  (s.  unten  S.  38  f.)  und  liegt  nicht 
aufserhalb  Philipps  unmittelbarem  Gebiet  (S.  36).  Schon  Niese  hat  das'  II  609 
richtig  bemerkt. 

2)  Die  aus  der  grofsen  Entfernung  vom  Meere  erwachsenden  Verpflegungs- 
schwierigkeiten werden  wiederholt  betont.  Liv.  32,  9,  10:  a  mari  longius.  Plut. 
Flam.  4.  Als  Flamininus  später  in  Thessalien  eingerückt  ist,  setzt  er  sich  sofort 
mit  seiner  Flotte  in  Ambrakia  in  Verbindung  und  läfst  von  da  Proviant  holen 
(Liv.  32,  15,  4).  Aus  demselben  Grunde  werden  die  Winterquartiere  in  dem  Hafen 
von  Antikyra  genommen  (Liv.  32,  18,  2). 

3* 


36  Her  zweite  Makedonische  Krieg. 

Seite  der  Aufgabe,  die  durch  diesen  Entwurf  gegenüber  der  rein 
militärischen  weit  mehr  in  den  Vordergrund  trat,  natürlich  noch  ihre 
ganz  besonderen  Reize.  Es  ist  ein  glänzender  Beweis  für  Philipps 
Scharfsinn  und  Kühnheit,  dafs  er  diese  für  eine  Verlegung  des  Kriegs- 
theaters sprechenden  Gründe  richtig  eingeschätzt,  und  ehe  er  von 
Bewegungen  der  Römer  Nachricht  haben  konnte,  seine  ganze  Armee 
auf  der  Strafse  nach  Epiros  und  Thessalien  statt  auf  der  nach  Make- 
donien konzentriert  hat. 

Für  den  König  selber  aber  traten  noch  zwei  Umstände  hinzu, 
welche  ihm  eine  Stellung  gerade  am  unteren  Aoos  besonders  vor- 
teilhaft erscheinen  lassen  mufsten. 

Im  Frieden  von  Phönike  war  das  Gebiet  der  Atintanen,  d.  h. 
gerade  das  Aoostal,  dem  Könige  zugesprochen  worden1).  Indem  er 
an  der  Nordgrenze  desselben  Stellung  nahm,  schützte  er  nicht  nur 
seine  Untertanen,  sondern  er  war  der  Hilfskräfte  seines  unmittel- 
baren Hinterlandes  auch  ganz  anders  Herr,  als  wenn  er  seine  Stellung 
in  dem  freien,  ihm  nur  verbündeten  Epiros  selber  gewählt  hätte. 
Und  zweitens  bot  ihm  gerade  diese  Gegend  eine  mehrfache  Verbindung 
rückwärts.  Das  sich  über  100  Kilometer  südöstlich  ins  Gebirge 
hineinziehende,  verhältnismäfsig  weite  und  bequeme  Tal  der  Wiossa 
führt  zuletzt  auf  das  Bergland  Zagorien,  die  Wasserscheide  der  nach 
allen  vier  Himmelsrichtungen  von  hier  aus  nach  Makedonien,  Thes- 
salien, Nord-  und  Südepiros  abfliefsenden  Gewässer,  von  der  aus 
auch  —  worauf  es  hier  ankommt  —  die  Pässe  sowohl  nach  Thessalien, 
wie  nach  Makedonien  hineingehen:  der  von  Metzovo  oder  Zygospafs, 
der  Lakmon  der  Alten  in  das  Tal  des  Peneos,  der  von  Milia  in  das 
des  Karasu  nach  Elimiotis 2).     Aber  aufserdem  gibt  es  vom  mittleren 


2)  Liv.  29,  12,  13.  Der  Vorbehalt,  dafs  der  Senat  die  Abtretung  von  Atin- 
tanien  noch  bestätigen  müsse,  ist  nur  eine  Formalität.  Vergl.  über  den  Frieden 
Zippel,  S.  72;   Niese  II  502.   —  Über  das  Gebiet  der  Atintanen  s.  Zippel    52.  95. 

2)  Der  Pafs  von  Milia,  1536  Meter  hoch,  führt  aus  dem  oberen  Tal  der 
Wiossa  nach  dem  Dörfchen  Milia  dann  am  Wenetikos  entlang  ins  Tal  des  Karasu, 
von  wo  man  über  Schiatista  und  Kosiani  nach  Kailar  gelangen  kann.  Tuma  140. 
Leake  1297.  Die  Pafshöhe  nach  der  neuen  österr.  Karte  (1:200000)  hier  be- 
richtigt. —  Über  den  Pafs  von  Metzowo  s.  jetzt  besonders  Philippson,  Reisen 
31,  201  ff.,  wo  auch  die  Literatur.  Pafshöhe  1650  (Philippson),  1551  (öst.  Karte). 
Das  Tal  der  Wiossa  selbst  ist  von  modernen  Reisenden  oft  durchzogen  und  be- 
schrieben Leake  I  390  ff.  Boue,  Recueil  II  34  ff.  Viquesnel  277  ff.  Der  Weg,  „ein 
bequemer  Reitweg"    (Tuma  147),  geht  fast  immer  an  der  Nordseite  des  Tales  hin 


2.  Der  Feldzug  in  Epiros  und  Thessalien  (198  v.  Chr.)  37 

Aoostale  aus  zwei  noch  direktere  Verbindungen  mit  Makedonien,  das 
ist  der  Furkapafs  (1566  Meter),  welcher  ins  Tal  der  Bocharina  und 
von  da  ins  Tal  des  Karasu  hinabführt,  und  die  Mala  Radonisi 
(1456  Meter),  welche  durch  das  Tal  der  Langaritza  über  Herseg  und 
Koritza  direkt  zu  den  dassaretischen  Seen  oder  nordöstlich  über  den 
Pafs  von  Pisoderi  in  das  Becken  von  Monastir  geleitet.  Diese  beiden 
letzten  Päfse  konnten  sogar,  wenn  alle  Berechnungen  trogen  und 
die  Römer  sich  doch  direkt  gegen  Makedonien  in  Marsch  setzten, 
allenfalls  noch  zu  dem  Versuche  benutzt  werden,  sich  ihnen  vorzu- 
schieben und  wie  im  Vorjahre  etwa  im  Hügellande  von  Banitza  oder 
am  Ostrowosee  dem  Gegner  den  Marsch  auf  Pella  zu  verlegen. 

Die  entwickelten  strategischen  Vorteile  für  eine  Stellung  am 
unteren  Aoos  waren  so  unzweifelhaft  und  einleuchtend,  dafs  wenn 
sich  hier  nur  irgendwo  ein  Gelände  finden  liefs,  welches  auch 
taktisch  für  eine  Verteidigungsposition  geeignet  war,  sich  alles  ver- 
einigte, was  man  nur  wünschen  konnte.  Eine  solche  Stellung 
boten  nun,  wie  der  Erfolg  gezeigt  hat,  in  der  Tat  die  erwähnten 
Engen  des  Aoos  bei  Antigonea,  oberhalb  des  heutigen  Tepeleni,  wo 
der  Flufs  bei  dem  Dörfchen  Klissura  das  eben  geschilderte  offene 
Längstal  verläfst  und  die  ihn  bisher  begleitende  Bergkette  in  einem 
etwa  17  Kilometer  langen,  engen,  z.  T.  schluchtigen  Quertale,  das 
ebenfalls  Klissura  heifst,  durchbricht.  Denn  nicht  nur  Villius,  der,  wie 
erwähnt,  auf  die  Kunde  von  der  Besetzung  dieser  Pässe  sofort  dahin 
aufgebrochen  war,  hat  vergebens  längere  Zeit  vor  denselben  gelegen, 
sondern  auch  sein  Nachfolger  Flamininus  hat  vierzig  Tage  lang  untätig 
vor  denselben  zugebracht1),  und  beiden  Feldherrn  schien  die  Position 
so  fest,  dafs  allen  Ernstes  erwogen  wurde,  ob  man  nicht  trotz  der 
schlechten  Erfahrungen  des  vorigen  Feldzuges  doch  den  Plan  wieder- 
aufnehmen sollte,  durch  Obermakedonien  direkt  gegen  die  Kernlande 
des  Königreiches  vorzugehen.  Nur  die  offenbare  Aussichtslosigkeit 
dieses  Operationsplanes  hat  schliefslich  davon  abgehalten 2). 


wo  die  niedrigere  Begleitkette  läuft  und  wiederholt  kleine  Ebenen  freiläfst,  während 
die  südliche  höhere  Kette  schroff  zum  Tale  abfällt  (Viquesnel  S.  280).  —  Über 
das  Bergland  Zagorien  s.  unten  S.  51  A.  1. 

i)  Liv.  32,  6,  4.  10, 1.     Plut.  Flam.  3. 

2)  Plut.  Flam.  4:  tjffav  fjev  ovv  ot  ibv  TUov  ccyeiv  xvxXw  dia  rrjg  zfaGGctQr}- 
Tidog  XttTa  Avxov  (Ebene  von  Monastir)  evtioqov  6<Sbv  xal  (jqdiuv  £7ii%eiQovvT£g. 
O  da  dsdoixwg  /urj  nöqqo)  Sctlänrig   IfjßaXcov    kavibv    dg    Tonovg    yliG%qovg    xcä 


38  ^er  zweite  Makedonische  Krieg. 

Es  taucht  unter  diesen  Umständen  die  Frage  auf,  ob  es  denn 
nicht  möglich  war,  südlich  an  der  Stellung  Philipps  vorbeizugehen, 
ohne  ihn  in  derselben  überhaupt  anzugreifen,  und  indem  man  ins 
Innere  vordrang  ihn  zum  Verlassen  seiner  Position  zu  nötigen.  In  der 
Tat  schien  dazu  die  Beschaffenheit  des  Landes  günstige  Gelegenheit 
zu  bieten.  Wer  nämlich  von  der  Küste  Mittelalbaniens  aus  wie  damals 
die  Römer  nach  Epiros  und  von  da  weiter  nach  Thessalien  vordringen 
will,  hat  der  Strafse  zu  folgen,  welche  zuerst  dem  unteren  Aoos, 
dann  dem  Drynos  aufwärts  entlang  zieht.  In  bequemem  Anstiege 
erreicht  man  durch  eine  der  offensten  und  fruchtbarsten  Talebenen 
von  Epiros  hin  die  Gegend  von  Jannina,  nicht  fern  von  dem  alten 
Dodona,  und  von  hier  geht  es  dann  weiter  in  das  eigentliche  Gebirgs- 
land  hinein  zum  Passe  von  Metzowo,  der  einzigen  einigermafsen  be- 
quemen Verbindung,  die  heute  wie  im  Altertum  aus  Epiros  nach 
Thessalien  hinüberleitet1). 

Dieser  Weg  nun  wurde  durch  Philipps  Stellung  an  den  Aoos- 
pässen  gar  nicht  verlegt.  Denn  wie  ein  Blick  auf  die  Karte  zeigt, 
bleiben  die  Pässe  links  seitwärts  liegen  und  lassen  die  Strafse  völlig 
frei2).     Der  König  sperrte  also  mit  seiner  Stellung  direkt  nur  den 


oneiQo/usvovs  novr]Q(og  tov  'Pikinnov  (fvyoju/ovi'Tog  anoQrjür)  Gitiiov  xcu  naXiv  anQa- 
ziog,  äonSQ  6  nob  avrov  aiQanjyög  (Galba),  ai'K^coQeiv  uvayxaöfrri  TTQog  ii]V 
öaXccöGctv,  syvw  .  .  ßiädaadai  %y\v  tkxqoöov.  Ebenso  Liv.  32,  9,  10,  beide  nach 
Polybios. 

1)  Der  Weg  ist  am  ausführlichsten  und  anschaulichsten  beschrieben  von 
Philippson  Reisen  31,  205—215  und  228—234,  wo  auch  die  ältere  Reiseliteratur. 
S.  195  sagt  er:  „Über  den  Zygos-Pafs,  den  Lakmon  der  Alten,  führt  der  zu  allen 
Zeiten  bedeutendste,  jetzt  der  einzige  wirkliche  Verkehrsweg  zwischen  Thessalien 
und  Epirus.  Die  Ursache  ist  die  orographische  Gestaltung  des  Pindusgebirges, 
die  auf  dieser  Linie  des  oberen  Peneios  und  des  Flusses  von  Metzovon ...  die 
Überschreitung  des  Gebirges  mit  nur  einem  . .  .  unschwierigen  Anstiege  erlaubt, 
während  weiter  südlich  das  zwischen  Thessalien  und  dem  Artatal  tief  ein 
geschnitttene  Tal  des  Aspros  einen  doppelten  An-  und  Abstieg  nötig  macht." 
Vergl.  auch  Bursian  S.  12. 

2)  Man  kann  also  nicht  mit  Niese  II  609  sagen,  dafs  der  Weg  von  lllyrien 
nach  Epiros  und  Thessalien  durch  die  Aoospässe  führe.  Wenn  im  Jahre  230  v.  Chr. 
die  Illyrier  durch  die  Pässe  von  Antigonea  gehen  (Polyb.  II  5,  6.  6,  6),  um  von 
lllyrien  aus  Epiros  zu  erreichen,  so  sind  sie  aus  dem  Inlande  von  Berat  her- 
gekommen und  haben  die  gewöhnliche  Strafse,  welche  auch  heute  noch  vielfach 
von  Reisenden  benutzt  wird,  über  den  niedrigen  Pafs  von  da  nach  Klissura  hin 
eingeschlagen  —  so  gingen   z.  B.  Boue  II  33  f.,  Viquesnel   270  ff.,  Leake  I  380  ff. 


2.  Der  Feldzug  in  Epiros  und  Thessalien  (198  v.  Chr.)  39 

Zugang  in  sein  eigenes  Gebiet,  das  Tal  des  Aoos,  liefs  aber  den 
Zugang  in  das  eigentliche  Epiros  frei.  Indessen  beeinträchtigte  das 
weder  militärisch  noch  politisch  die  Wirksamkeit  seiner  Position. 
Militärisch  betrachtet  nahm  er  zu  der  geschilderten  Anmarschstrafse 
der  Römer  eine  Flankenstellung  ein,  die  es  ihm  ermöglichte,  den 
Vormarsch  indirekt  zu  hindern.  Denn  wenn  die  Römer  es  wagten, 
an  ihm  vorbei  in  das  Innere  vorzurücken,  so  waren  damit  ihre  Ver- 
bindungen mit  dem  Meere  und  der  Flotte,  ihrer  Verpflegungsbasis, 
vollständig  abgeschnitten,  da  Philipp  von  den  Pässen  aus  das  ganze 
untere  Drynos-  und  Aoostal  beherrschte.  Politisch  wäre  die  Folge 
des  römischen  Einmarsches  ohne  Zweifel  gewesen,  dafs  die  Epiroten, 
welche  zu  Philipp  zwar  in  einem  Bundesverhältnis  standen,  bisher 
aber  noch  in  wohlwollender  Neutralität  dem  Kampfe  zusahen '),  durch 
eine  solche  Verletzung  ihres  Gebietes  den  Makedoniern  ganz  in  die 
Arme  getrieben  wären.  Die  Römer  wären  dann  in  dem  feindlichen 
Lande  wiederum  in  derselben  hilflosen  Lage  gewesen,  wie  im  vorigen 
Jahre  in  Obermakedonien,  und  zwar  um  so  mehr,  als  sie  gar  kein 
irgendwie  wertvolles  Operationsobjekt  in  der  Nähe  vor  sich  hatten. 
Einige  Städte  in  Epiros  hätten  sie  vielleicht  erobern  können.  Aber 
das  nützte  nicht  viel.  So  lange  Philipp  mit  seiner  intakten  Armee 
am  Aoos  stand,  würden  sich  die  Epiroten  wohl  gehütet  haben,  zu 
ihnen  überzugehen ;  und  über  den  Pafs  von  Metzowo  durch  das  schwierige 
Pindosbergland  nach  Thessalien  vorzurücken,  ohne  in  Epiros  eine  ge- 
gügende  Basis  zu  haben,  wäre  ein  tollkühnes  Wagnis  gewesen.  Man 
sieht,  wie  geschickt  auch  in  dieser  Beziehung  die  Stellung  gewählt 
war.  Philipp  dagegen  wäre  durch  einen  solchen  Vormarsch  der  Römer 
gar  nicht  bedroht  gewesen.  Denn  seine  Verbindungen  lagen  nicht  in 
seiner  Flanke,  sondern  in  seinem  Rücken.  Die  Pässe  von  Mala  Radonisi 
und  der  Furkapafs,  ja  selbst  der  Pafs  von  Milia  und  Metzowo  waren 
für  die  Römer  unerreichbar;  und  zwar  um  so  mehr,  als  die  bei  einem 
Vorbeimarsche  der  Römer  zunächst  bedrohte  strategische  Flanke  des 
Philipp  durch   die  hohe  Nimertschka-  und  Mitschikelikette  gedeckt 


u.  a.  — ,  oder  es  sind  in  diesem  Falle,  wie  Leake  I  71  vermutet,  unter  den  „Stena 
von  Antigonea"  hier  nicht    die  Aoospässe,    sondern   die  Drynosengen  südlich  von 
Tepeleni  gemeint,  welche  indessen  keinen  so  ausgeprägten  Charakter  tragen,  son- 
dern nur  ein  sich  etwas  verengendes  Tal  bilden. 
l)  Polyb.  IV  9,4.    Niese  II  325.  610. 


40  ^er  zweite  Makedonische  Krieg. 

war,   hinter  denen  sich   die  Zufuhr  aus  Thessalien  und  Makedonien 
in  aller  Ruhe  bewegen  konnte. 

Gerade  diese  Erwägungen  zeigen  die  glänzende  strategische 
Überlegenheit  der  Stellung  an  den  Aoospässen  in  hellstem  Lichte. 
Es  blieb  in  der  Tat  den  Römern,  wenn  sie  nicht  auf  alle  Fortschritte 
verzichten  wollten,  nichts  anderes  übrig,  als  den  König  mit  Gewalt 
aus  seiner  Stellung  hinauszuwerfen. 

Unter  welchen  Umständen  das  schliefslich  gelungen  ist,  werden 
wir  jetzt  zu  betrachten  haben. 

Durch  die  Berichte  des  Livius  und  Plutarch1)  ist  auch  bisher 
schon  allgemein  bekannt  gewesen,  dafs  die  Stellung  Philipps  sich 
auf  beiden  Ufern  des  Aoos,  an  den  Hängen  der  Berge  Asnaos  und 
Meropos  befunden  hat;  dafs  auf  dem  einen  Ufer  die  Hauptmacht 
unter  Philipp  selber,  auf  dem  anderen  nur  leichte  Truppen  unter 
Athenagoras  aufgestellt  waren,  dafs  diese  Stellung  je  nach  der  Zu- 
gänglichkeit des  Geländes  teils  nur  durch  kleine  Truppenabteilungen 
teils  durch  Verschanzungen  mit  Wällen,  Gräben,  ja  mit  Türmen  und 
Wurfmaschinen  befestigt  war2),  dafs  die  Römer  monatelang,  ohne 
einen  Versuch  zu  wagen,  vor  diesen  Befestigungen  gelegen  haben 
(S.  37),  dafs  der  endlich  versuchte  Frontalangriff  völlig  mifslungen  ist 
(Liv.  ib.  10,  9  —  12)  und  die  Entscheidung  erst  herbeigeführt  wurde 
durch  ein  Umgehungskorps  von  4000  Mann  und  300  Reitern,  welches 
nach  zweitägigem  Marsche3)  der  Verabredung  gemäfs  gerade  in  dem 
Augenblicke  im  Rücken  der  Makedonier  erschien,  als  ein  allgemeiner 
Angriff  des  römischen  Heeres  von  vorn  die  ganze  Kraft  der  Ver- 
teidiger in  Anspruch  nahm;  dafs  endlich  diese  Entscheidung  keines- 
wegs in  einer  völligen  Niederlage  Philipps  bestand,  sondern  dafs  es 


!)  Liv.  32,5,9-13.    9,6—13,1.  —  Plut.  Flam.  cap.  3—5. 

2)  Liv.  32,  5, 10  f.:  maxime  idoneum  ad  rauniendum  locum  credidit  esse  praeter 
amnem  Aoum.  is  inter  montes,  quorum  alterum  Meropum  alterum  Asnaum  incolae 
vocant  angusta  valle  fluit  .  .  .  Asnaum  Athenagoram  cum  levi  armatura  tenere  et 
communire  iubet;  ipse  in  Meropo  posuit  castra.  qua  abscisae  rupes  erant,  statio 
paucorum  armatorum  tenebat,  qua  minus  tuta  erant,  alia  fossis,  alia  vallo,  alia 
turribus  muniebat.  magna  tormentorum  etiam  vis  .  .  .  idoneis  locis  disposita  est. 
Ebenso  32,  10,  11. 

3)  Liv.  32,  12,  1:  die  tertio.  Plut.  Flam.  4:  rgnalov.  Ebenso  App. 
Mak.  5. 


2.  Der  Feldzug  in  Epiros  und  Thessalien  (198  v.  Chr.)  41 

ihm  geglückt  ist,    mit  einem  Verluste  von  2000  Mann1)  aus  seiner 
Stellung  den  Rückzug  anzutreten. 

Es  fragt  sich,  ob  es  nicht  möglich  ist,  über  diese  aus  Polybios 
geflossenen2)  und  daher  zwar  im  allgemeinen  verständlichen,  aber  doch 
im  einzelnen  zu  wenig  anschaulichen  Berichte  eine  deutliche  topographi- 
sche Vorstellung  zu  gewinnen,  insonderheit  genauer  zu  ermitteln,  wo  ieNo.  3" 
denn  eigentlich  in  dem  17  Kilometer  langen  Durchbruchstal  der 
Wiossa  die  Stellung  Philipps  gelegen  und  wie  sie  im  einzelnen 
ausgesehen  hat,  auf  welchem  Flufsufer  die  Hauptmacht,  auf  welchem 
die  leichten  Truppen  standen  und  wo  demzufolge  die  Berge  Meropos  und 
Asnaos  anzusetzen  sind,  wie  das  Gelände  bei  dem  mifsglückten  Frontal- 
angriffe der  Römer  beschaffen  war  und  von  welcher  Seite  her  endlich 
die  Umgehung  erfolgt  ist.  Diese  topographische  Fixierung  mufs  zu- 
gleich versuchen,  die  Schwierigkeiten  militärischer  Art,  welche  sich  für 
uns  in  den  Berichten  der  Quellen  noch  finden,  zu  beseitigen,  speziell 
die  Fragen  zu  beantworten,  warum  Philipp  eine  durch  einen  unpassier- 
baren 3)  Flufs  in  zwei  Teile  zerschnittene  Stellung  gewählt,  weshalb 
Flamininus  diesen  Nachteil  nicht  ausgenutzt  hat,  ,indem  er  alle  seine 
Kräfte  gegen  den  einen  Bruchteil  der  Gegner  konzentrierte;  weshalb 
keine  Umfassung  in  der  Schlacht  möglich  war,  sondern  eine  so  weit 
ausholende  Umgehung  nötig  wurde;  wie  es  endlich  zusammenhängt, 
dafs  Philipp  eine  Stellung  mit  einem  schluchtartigen  Engpafs  im 
Rücken,  eine  Stellung  fast  ohne  Rückzug,  gewählt  hat  und  dann  trotz 
der  gelungenen  Umgehung  sich  mit  einem  Verluste  von  nur  2000  Mann 
aus  dieser  Position  herausziehen  konnte,  obgleich  der  eine  Teil  seiner 
Armee  gar  keine  Rückzugsstrafse  hatte4)  und  für  den   anderen  sich 

!)  Liv.  32,  12,  9:  non  plus  duobus  milibus  hominum  amissis,  cetera  omnis 
raultitudo  .  .  .  frequenti  agmine  petunt  Thessaliam.  Ebenso  Plut.  5:  öto/dicov 
ov  nketovs. 

2)  Nissen,  S.  133  f.  290.  —  Daher  stimmen  die  beiden  Berichte  bis  in  die 
Einzelheiten  so  genau  zusammen,  dafs  sie  als  eine  Relation  zu  betrachten  sind. 
Es  ist  in  dem  Wenigen,  was  hier  oder  da  einer  von  beiden  mehr  hat,  nur  eine 
etwas  getreuere  Wiedergabe  des  Originals  zu  erblicken. 

3)  Nach  Leake  (I  396)  ist  die  Wiossa  zwei  Stunden  oberhalb  der  Klissura 
an  einer  Stelle  für  Esel  passierbar,  an  anderen  zu  tief  dazu.  Ebenso  ist  sie  unter- 
halb bei  Tepelini  bei  niedrigem  Wasserstande  an  einer  Stelle  durchschreitbar 
(I  52).     Also  doch  wohl  sonst  im  allgemeinen  nicht,  vergl.  jedoch  S.  46  A.  1. 

4)  Livius  spricht  32,5,  11  ausdrücklich  nur  von  einem  iter  exiguum  super 
ripam.  Auch  heute  gibt  es  nur  auf  der  einen  Seite  der  Ufer  einen  Weg.  Ebenso 
Plut.  Flam.  3:    GievrjV  nct^a  to  (jeldgov  anoliinoiv  axqunov. 


42  Uer  zweite  Makedonische  Krie 


CT 


die  Strafse  in  der  engen  Schlucht  bei  der  ersten  Verwirrung  sofort 
stopfen  mufste. 

Man  erkennt  ohne  weiteres,  dafs  die  Beantwortung  aller  dieser 
Fragen  von  der  topographischen  Fixierung  der  Verteidigungsposition 
Philipps  abhängt. 

Da  ist  nun  Leake  —  der  einzige  der  bisher  dieser  Frage  näher 
getreten  ist,  —  davon  ausgegangen,  dafs  das  Dörfchen  Klissura  am 
Ostausgange  der  Schlucht,  da  es  eine  gute  Defensivposition  bilde,  als 
der  Sammelpunkt  des  flüchtigen  makedonischen  Heeres  nach  der 
Schlacht  anzusehen  sei,  ein  Sammelpunkt,  der  nach  Livius'  Bericht 
5  Millien  von  der  makedonischen  Stellung  selber  entfernt  war1). 
Damit  würde  Leake  für  die  Stellung  der  Makedonier  in  die  Mitte  des 
ganzen  Engpasses  d.  h.  die  Gegend  des  kleinen,  von  Süden  her  in  den 
Aoos  einmündenden  Zagoriabaches  gelangen.  Mit  dieser  Ansetzung 
steht  aber  im  Widerspruche,  dafs  Leake  selber  Philipp  als  im  Besitze 
des  ganzen  Passes  ansieht,  das  römische  Lager,  welches  nach  Livius 
(32,  6,  2)  gleichfalls  5  Millien  von  der  Stellung  Philipps  entfernt  war, 
5  Millien  westlich  von  dem  Ausgange  des  Durchbruchstales  ansetzt 
und  als  Schauplatz  des  Frontalangriffes  der  Römer  auf  die  Schanzen 
die  Ebene  des  Drynos  und  der  Wiossa  zwischen  Kodra  und  Tepeleni 
bezeichnet  (I  388). 

Es  kann  bei  genauer  Prüfung  der  Örtlichkeiten  kein  Zweifel 
sein,  welche  von  Leakes  Ansetzungen  die  Wahrheit  trifft. 

Das  Durchbruchstal  der  Wiossa2)  bildet  in  seinem  ganzen  öst- 
lichen Teile  eine  förmliche  Klamm,  die,  links  und  rechts  von  ge- 
waltigen Felswänden  eingefafst,  am  Eingange  nur  etwa  100  Fufs  breit 
ist  und  sich  so  etwa  zwei  Stunden  weit  hinzieht.  Oft  ist  in  diesem 
Teile  zwischen  den  Felsen  nur  eben  Platz   für  den  Flufs  und   die 


1)  Leake  I  388.  —  Liv.  32,  12,8:  rex  primo  effuse  et  sine  respectu  fugit, 
dein  quinque  milium  spatium  progressus . .  substitit  in  tumulo  usw. 

2)  Ich  habe  die  Wiossadurchbrüche  nicht  selber  gesehen,  bin  aber  durch  das 
freundliche  Entgegenkommen  des  K.  u.  k.  Militär- geographischen  Instituts  in  Wien 
in  die  Lage  gesetzt,  Materialien  zu  benutzen,  die  noch  nicht  publiziert  sind,  und 
die  Frage  soweit  entscheiden,  wie  man  sie  ohne  Autopsie  entscheiden  kann.  Es 
stand  mir  hier  aufser  dem  Blatte  38/40  Korfa  der  vom  Militär-geographischen 
Institut  herausgegebenen  Karte  von  Mitteleuropa  in  1:200  000  die  Routenskizze 
des  Herrn  Oberleutnant  Bruch  in  1 :  72  000  zur  Verfügung,  auf  der  die  Karte  für 
die  Schlacht  an  diesen  Pässen  beruht. 


2.  Der  Feldzug  in  Epiros  und  Thessalien  (198  v.  Chr.)  43 

Strafse,  welche  sich  durch  das  ganze  Durchbruchstal  hin  stets  an  der 
Nordseite  des  Flusses  hält.  In  der  westlichen  Hälfte  verliert  das  Tal 
etwas  von  seinem  schluchtartigen  Charakter,  die  Felswände  verwandeln 
sich  in  Felshänge,  kleine  Seitentäler  öffnen  sich,  die  Talsohle  wird 
breiter.  Schliefslich  geht  das  Tal  in  die  weite  Ebene  des  Drynos- 
flusses  über  und  erreicht  zwischen  dem  Dorfe  Dragot  und  Tepeleni 
wo  der  Flufs  sich  in  mehrere  Arme  teilt,  eine  Breite  von  mehr  als 
2  Kilometern.  Schon  im  Altertum  hat  man  den  ganzen  Durchbruch 
mit  dem  des  Peneos  im  Tempetale  verglichen1). 

Es  ist  keine  Frage,  dafs  die  Verteidigungsstellung  Philipps 
nicht  in  dem  östlichen,  schluchtartigen  Teile  des  ganzen  Engpasses  ge- 
legen haben  kann,  weil  sich  hier  nirgends  der  Raum  findet  für  eine 
Position  mit  Wällen,  Gräben,  Türmen,  Wurfmaschinen,  wie  Livius  sie 
beschreibt  und  wie  eine  Armee  von  20000  Mann  sie  braucht,  hier 
auch  nirgends  eine  Ebene  vor  den  Verschanzungen  zu  finden  ist, 
auf  der  auch  nur  gröfsere  Teile  der  Armeen  miteinander  kämpfen 
konnten2). 

Speziell  die  Stellung  am  Zagoriabache  ist  nicht  zu  den  Berichten 
passend.  Da  die  einzige,  die  Schlucht  durchlaufende  Strafse  sich, 
wie  erwähnt,  stets  auf  dem  Nordufer  des  Flusses  hält,  so  mufs  auf 
dieser  Seite  die  Hauptmacht  Philipps  gestanden  haben,  oder  sein 
glücklicher  Rückzug  wird  zur  Unmöglichkeit 3).  An  dieser  Stelle  der 
Schlucht  ist  aber  das  Nordufer  so  eng  und  felsig,  dafs  die  Ver- 
legung der  Aufstellung  hierher  zur  Absurdität  wird.   Dazu  kommt,  dafs 


x)  Plut.  Flam.  3,  dessen  Beschreibung  besonders  den  östlichen,  schlucht- 
artigen Teil  berücksichtigt.  Von  modernen  Reisebeschreibungen  zitiere  ich  nur 
die  wichtigsten.  Boue  a.  a.  0.  S.  35:  les  massives  montagnes  bordant  cette  fente 
ont  environ  2000  p.  sur  le  fond  de  la  vallee  .  .  les  couches  calcaires  y  sont  coupees 
comme  avec  un  couteau  . .  et  la  crevasse  est  si  etroite  qu'il  y  a  ä  peine  la  place 
pour  le  torrent  et  le  sentier.  Cette  curieuse  gaine  continue  pendant  plus  que 
2  Heues,  car  on  compte  3  Heues  de  Klisoura  ä  Tepedelen  qui  est  dejä  situe  dans 
une  assez  large  vallee.  —  Viquesnel  S.  277:  cette  fracture  a  environ  cent  pieds 
de  large  ä  son  origine  (bei  dem  Han  von  Klissura).    Ähnlich  Leake  131  und  384 

2)  Livius  spricht  32,  10,  9  von  „multa  levia  commissa  proelia"  vor  den  Ver- 
schanzungen „in  planitie  satis  ad  id  patenti"  im  Gegensatz  zu  den  „arta  et  con- 
fragosa  loca"  unmittelbar  vor  den  Schanzen,  in  die  sich  die  Makedonier  zurück- 
ziehen. 

3)  Auch  Leake  hat  I  388  schon  darauf  hingewiesen,  dafs  wegen  des  Laufes 
der  Strafse  auf  dem  Nordufer  hier  die  Hauptmacht  Philipps  gestanden  haben  müsse. 


.j4  Der  zweite  Makedonische  Krieg. 

das  Gelände  auf  dem  Südufer  längs  des  Zagoriabaches  für  die  Leichten 
zu  ausgedehnt  ist  und  keine  Flankenanlehnung  hat. 

Wir  müssen  daher  in  Übereinstimmung  mit  Leakes  zweiter  An- 
sicht die  Verteidigungsstellung  am  westlichen  Ausgange  des  Durch- 
bruchstales suchen,  wo  allein  die  Bedingungen  dafür  zu  finden  sind'). 

In  der  Tat  zeigt  sich  hier  ein  Gelände  bei  dem  Dorfe  Dragot, 
das  allen  Anforderungen  entspricht.  Die  Abhänge  des  Berges  Trebeszina 
am  Nordufer  des  Flusses  sind  hier  bis  zu  den  im  Norden  abschliefsenden 
Felspartien  2-3  Kilometer  breit  und  in  der  Front  auf  eine  weite 
Strecke  hin  durch  einen  tiefeingerissenen  Flufslauf  gedeckt.  Auf  dem 
südlichen  Ufer  bei  dem  Kloster  (Monastir)  hat  die  unmittelbar  am 
Flufsufer  liegende  Höhe  schon  in  einer  Entfernung  von  weniger  als 
1  Kilometer  eine  gute  Flankendeckung  durch  das  zwischen  Monastir 
und  dem  Dorfe  Kodra  eingeschnittene  Flufstälchen  und  bildet  so  eine 
von  dem  südlichen  Gebirgsstocke  abgetrennte  und  verteidigungsfähige 
Bergnase.  Auch  die  Rückendeckung  ist  auf  beiden  Ufern  eine  gute. 
Sie  wird  auf  dem  nördlichen  durch  schroffe  Felspartien  und  ein- 
gerissene Bachläufe,  auf  dem  südlichen  wieder  durch  ein  steilwandiges 
Flufstal  gebildet. 

Haben  wir  mit  dieser  Ansetzung  von  Philipps  Stellung  das 
Richtige  getroffen,  so  erklären  sich  alle  Schwierigkeiten  des  Liviani- 
schen  Berichtes  und  alle  topographischen  Unklarheiten  in  durchaus 
befriedigender  Weise. 

Entsprechend    der  räumlichen  Ausdehnung    und  der  Form   des 

!)  Da  das  römische  Lager  5  Millien  von  der  makedonischen  Stellung  ent- 
fernt gewesen  ist  (S.  42)  so  mufs  es  jenseits  des  Aoos  unterhalb  Tepeleni  ge- 
legen haben.  Dadurch  wird  eine  bisher  mifsverstandene  Stelle  des  Livius  erklärt. 
Den  Ort  der  Zusammenkunft  zwischen  Philipp  und  Flamininus  hat  man  sich  bis- 
her in  der  Schlucht  des  Aoos  gedacht;  so  Leake  I  386:  in  the  narrowest  part  of 
the  pass,  recht  romantisch  zwischen  hohen  Felsen,  obgleich  man  nicht  versteht, 
weshalb  da  die  Parteien  den  Flufs  zwischen  sich  nehmen,  da  beide  auf  dem  Nord- 
ufer stehen  und  das  Südufer,  wie  erwähnt,  ganz  ungangbar  ist.  In  Wirklichkeit 
steht  auch  bei  Livius  32,10,2  nichts  von  der  Schlucht,  sondern  nur  von  einer 
engen  Stelle  des  Flufslaufes  „ubi  in  artissimas  ripas  Aous  cogitur  amnis".  Das 
Gespräch  wird  bei  Tepeleni  stattgefunden  haben,  wo  der  Flufs  tatsächlich  zwischen 
den  beiderseitigen  Stellungen  fliefst.  —  Dafs  die  Stadt  Antigonea  (=  Tepeleni, 
Leake  I  72)  in  unseren  Berichten  überhaupt  nicht  erwähnt  wird,  erklärt  sich 
daraus,  dafs  es  eine  Stadt  der  Epiroten  war  (Polyb.  II  5,  6:  nctQuifvXcci-oTTccg  ttjv 
"Aviiyivuav  schicken  die  Epiroten  im  Jahre  230  dahin),  deren  Neutralität  (S.  39) 
eben  von  beiden  Seiten  respektiert  wurde. 


2.  Der  Feldzug  in  Epiros  und  Thessalien  (198  v.  Chr.)  45 

Geländes  stand  dann  Philipp  persönlich  auf  dem  Nordufer  mit  der 
Phalanx  und  den  Söldnern,  sowie  mit  einem  Teile  der  Leichten.  Es 
war  der  bei  weitem  gröfsere  Teil  des  ganzen  Heeres1).  Hier  befand 
sich  auch  die  Rückzugsstrafse.  Die  Verschanzungen  liefen  dem  Bach- 
tale von  Dragot  entlang  vom  Aoosflufs  bis  zu  den  Felsen.  Berg 
Trebeszina  ist  also  der  Meropos  der  Alten.  Athenagoras  mit  den 
übrigen  leichten  Truppen  stand  auf  dem  nach  Westen  hin  steiler 
abfallenden  Südufer.  Die  Truppenzahl,  über  welche  er  verfügte, 
kann  nach  den  Berichten  wie  nach  der  Örtlichkeit  nur  gering  ge- 
wesen sein.  Die  ganze  Position  auf  diesem  Ufer  ist  mehr  nur  eine 
Flankendeckung  für  die  Armee,  die  man  mitbesetzte  um  eine  Um- 
gehung auf  diesem  Ufer  zu  verhindern.  Man  kann  also  von  einer 
Teilung  der  Armee  in  zwei  Hälften  nicht  sprechen.  Um  so  verlocken- 
der hätte  es  für  die  Römer  sein  können,  den  kleineren  Teil  auf  dem 
Südufer  zuerst  allein  zu  beseitigen.  Wenn  man  indessen  die  Stellung 
auf  der  Karte  genau  betrachtet,  sieht  man,  dafs  das  doch  nicht  so 
leicht  geschehen  konnte.  Schwere  Truppen  waren  hier  kaum  zu  ver- 
wenden. Der  nach  allen  Seiten,  aufser  an  dem  schmalen  Sattel  nach 
Süden  hin  steil  abfallende  Berg  mochte  verschanzt,  wie  er  war2), 
eine  unerstürmbare  Position  bieten.  Dafs  er  durch  eine  Brücke  bei 
Monastir  mit  der  Hauptarmee  verbunden  war,  dürfen  wir  wohl  auch 
ohne  ausdrückliche  Nachricht  annehmen.  Bei  dem  Hauptangriffe  der 
Römer  am  Tage  der  Entscheidung  hat  man  auch  diese  Position  an- 
gegriffen3),   aber   wohl    kaum    sehr  ernsthaft.     Die  Leichten,    denen 


x)  s.  oben  S.  40  A.  2.  Dazu  die  schon  von  Niese  II  611,2  herangezogene 
Erwähnung  in  einer  späteren  Rede  Philipps  bei  Liv.  33,  4,  3 :  illic  (ad  Aoum) . . 
primam  culpam  fuisse  eorum,  qui  neglegenter  custodias  servassent,  secundam  in 
ipso  certamine  levis  armaturae  mercenariorumque  militum.  Macedonum 
vero  phalangem  et  tunc  stetisse.  Da  die  Umgehung  der  Römer  die  rechte  Flanke 
des  makedonischen  Heeres  traf  (s.  unten  S.  46),  so  haben  die  Truppen,  die  zuerst 
flohen,  also  auf  dem  rechten  Flügel  gestanden.  Das  pafst  auch  zu  dem  Gelände. 
Die  Phalanx  steht  in  der  Mitte  auf  den  lehneren  Hängen  des  Gebirges  und  im 
Tale  selbst.  Dafs  auf  dem  rechten  Ufer  zahlreiche  Leichte  waren,  geht  auch  aus 
der  Schilderung  der  Kämpfe  hervor;  Liv.  32, 5,  12:  tormentorum  vis;  10,9  ex-- 
cursiones  ab  stationibus  —  multa  levia  commissa  proelia. 

2J  Liv.  32,5,  11:  Asnaum  Athenagoram  cum  levi  armatura  tenere  et  com- 
munire  iubet. 

3)  Das  folgt  daraus,  dafs  die  mittlere  Kolonne  der  Angriffsarmee  „media 
valle"  „naQcc  x6  qsT&qov'-'  auf  der  Strafse  von  Tepeleni  nach  Dragot  vorging  (s.  A.  2 
folg.  S).     Die  rechte  Kolonne  mufs  also  auf  dem  anderen  Ufer  gewesen  sein. 


46  Der  zweite  Makedonische  Krieg. 

die  Aufgabe  zufiel,  müssen  über  den  unterhalb  Monastir  in  eine  An- 
zahl von  Arme  getrennten,  im  Sommer  —  die  Schlacht  fand  am 
25.  Juni  statt  —  hier  wohl  überschreitbaren  Flufs  gegangen  sein1). 
Den  Rückzug  der  dortigen  leichten  Truppen,  müssen  wir  uns,  nach- 
dem jenseits  die  Entscheidung  gefallen  war,  über  die  Berge  nach 
Pesztan  gerichtet  denken,  da  die  Strafse  im  Tal  durch  den  Abmarsch 
der  Phalanx  in  Anspruch  genommen  war. 

Auf  dem  nördlichen  Ufer  waren  die  Hügel  von  Bekist  und  die 
anstofsende  Ebene  an  der  Wiossa  der  Schauplatz  der  verschiedenen 
Kämpfe  vor  den  Verschanzungen  und  zuletzt  des  grofsen  Angriffes 
am  Tage  der  Entscheidung,  bei  welchem  die  Legionen  auf  der  Strafse 
von  Tepeleni  nach  Dragot  vorgingen,  rechts  und  links  von  den 
Kolonnen  der  Leichten  begleitet2).  Die  Umgehung,  welche  wie  er- 
wähnt zwei  Marschtage  in  Anspruch  nahm,  mufs  erfolgt  sein  auf  dem 
etwa  35  Kilometer  langen  Wege  über  Damazi,  Arza  und  Medzatgoriani 
um  den  Nordfufs  der  1713  Meter  hohen  Alpe  Trebeszina  herum3). 
Das  Flankendetachement  erschien  im  Rücken  der  makedonischen 
Hauptmacht  auf  den  Felspartien  zwischen  Medzatgoriani  und  Dragot4). 

Dafs  eine  Umfassung  der  Stellung  Philipps  auf  näherem  Wege 
als  dem  eingeschlagenen  kaum  möglich  war,  lehrt  ein  Blick  auf  die 
Karte,  da  bei  einigermafsen  sorgfältiger  Beobachtung  von  der  Alpe 
Trebeszina  aus  jede  Annäherung  von  vorne  oder  der  Seite  her  be- 
merkt werden  mufste  und  durch  sofort  getroffene  Gegenmafsregeln 
unwirksam  gemacht  werden  konnte. 

Auch  die  Ungunst  der  Stellung  inbezug  auf  den  Rückzug  wird  bei 
der  Annahme  dieser  Position  gemildert,  so  dafs  das  Wagnis,  eine  Stel- 


')  Leake  131:  The  Viosa  .  . .  joining  the  Dryno  spreads  over  a  space  of 
near  half  a  mile;  where  the  river  is  divided  by  sand-banks  into  several  strearas 
now  deep  (im  Dezember)  and  broad,  but  some  of  which  have  no  existence  in 
summer.  —  Datum  der  Schlacht  s.  Beilage  II. 

2)  Liv.  32,  12,  1:  trifariam  divisis  copiis  consul  valle  media  cum  militum 
robore  succedit,  cornua  dextra  laevaque  admovet  castris.  Ebenso  Plut.  Flam.  4: 
JQlXy  vtifjLcig  ttjv  öivafiiv  avjog  /utv  elg  10  OTSMoTctiov  nccQoc  to  (J8i&qov  oQdiccg 
ävrjyt  rag  GnsiQag. 

3)  Daher  Liv.  32,  11,  3:  non  iniquo  nee  perdifficili  aditu.  Die  Luftlinie 
des  Weges  über  die  genannten  Orte  beträgt  nur  22  Kilometer;  es  ist  aber  stark 
gebirgiges  Gelände. 

4)  Daher  Liv.  32,  11,  3  f.:  super  caput  —  clamor  a  tergo  auditus.  Ebenso 
Plut.  Flam.  4:  xcctu  vcotov  —  etno  twv  iexoeor. 


2.  Der  Feldzug  in  Epiros  und  Thessalien  (198  v.  Chr.)  47 

lung  mit  einer  Schlucht  im  Rücken  zu  besetzen,  und  der  dennoch 
geglückte  Rückzug  begreiflich  werden.  Denn  gerade  der  westliche  Teil 
des  Durchbruchstales  ist  ja  bedeutend  offener,  und  es  konnte  daher, 
wie  schon  oben  angenommen,  nicht  nur  das  Südufer  des  Flusses  für 
den  Rückzug  mit  verwertet  werden,  sondern  leichte  Truppen  wenigstens 
könnten  auch  wohl  in  der  auf  der  Karte  angedeuteten  Richtung  an 
der  Nordseite  des  Tales  an  den  Hängen  hin  durchgekommen  sein, 
so  dafs  man  bis  zu  dem  Sammelpunkt  des  Heeres  fünf  Millien 
hinter  der  Stellung  (S.  42  A.  1)  drei  Linien  zur  Verfügung  hatte. 
Nimmt  man  dazu,  dafs  das  Umgehungsdetachement  der  Römer  ja  nur 
vcrhältnismäfsig  klein  war  und  das  schroffe  Flufstälchen  von  Dragot  den 
von  der  Front  her  andrängenden  Legionen  auch  ohne  Verteidigung 
Hindernis  und  Zeitverlust  bringen  mufste1),  so  versteht  man,  wie 
selbst  aus  dieser  gefährlichen  Position  ein  Rückzug  ohne  gröfsere 
Verluste  doch  noch  hat  durchgeführt  werden  können. 

Allerdings  war  die  Vorbedingung  dazu,  dafs  das  Gefecht  zu 
rechter  Zeit  abgebrochen  und  der  Abmarsch  von  der  rechten  Flanke 
her  abteilungsweise  allmählich  angetreten  wurde,  damit  sich  nicht 
bei  einreifsender  Verwirrung  und  Überstürzung  die  an  sich  enge 
Strafse  im  Tale  ganz  verstopfe.  Beides  hat  Philipp  offenbar  ins 
Werk  zu  setzen  verstanden,  wie,  aufser  der  Tatsache  seiner  geringen 
Verluste,  die  Nachricht  beweist,  dafs  trotz  der  Bestürzung  bei  dem 
Erscheinen  der  Feinde  auf  dem  Flügel  die  Phalanx  im  Zentrum  noch 
eine  Zeit  lang  kaltblütig  den  Römern  standgehalten  hat2). 

x)  Daher  sagt  Livius  32,  12,  10  ganz  richtig:  castra  regia,  etiam  sine 
defensoribus  difficili  aditu. 

2)  Macedonum  vero  phalangem  et  tunc  stetisse  (s.  S.  45  A.  1);  dazu  die 
auch  in  dem  Schlachtbericht  selbst  erwähnte  Notiz  (Liv.  32,  12,  5 f.):  pars  in 
fugam  effusi  sunt,  pars,  quia  magis  locus  fugae  deerat,  quam  quod  animi  satis 
esset  ad  pugnam,  cum  substitissent,  .  . .  circumventi  sunt.  Wir  halten  die  Tatsache 
des  Standhaltens  fest  und  lassen  die  Erklärung,  die  der  römische  Rhetoriker  dafür 
gibt,  ebenso  wie  das  Umzingeltwerden  auf  sich  beruhen.  Auch  die  gleich  folgenden 
Bemerkungen  „deleri  potuit  totus  exercitus,  si  fugientes  persecuti  victores  essent" 
und  „rex  primo  effuse  et  sine  respectu  fugit"  sind  Prunkstücke  aus  der  Requi- 
sitenkammer derselben  Fabrik.  —  Dafs  das  schwierige  Terrain  die  Verfolgung 
hinderte,  wie  beide  Berichte  übereinstimmend  melden  (Liv.  ib.  §  7,  Plut.  Flam.  5), 
ist  richtig,  aber  zuerst  mufsten  doch  die  Makedonier  selbst  durch  die  Hindernisse 
durch,  und  das  ging  nur  bei  leidlicher  Ordnung.  Engwege,  Übergänge  über 
Hindernisse  auf  dem  Rückzuge  bieten  eben,  wie  Meckel  (Allgem.  Lehre  v.  d. 
Truppenführung  S.  268)  mit  Recht  bemerkt,  zuerst  Gefahr  und  erst  nachher  Schutz. 


43  l^er  zweite  Makedonische  Krieg. 

Überblick  über  die  Lage,  kaltes  Blut  und  schnelle  Entschlufs- 
fassung  können  wir  Philipp  in  dieser  gefahrlichen  Situation  nicht 
absprechen. 

So  zog  er  sein  Heer  ohne  allzugrofse  Einbufse  an  Truppen 
bis  in  die  Gegend  des  Zagoriabaches  am  Eingange  in  die 
Schlucht  zurück,  sammelte  hier  die  von  allen  Seiten  anlangenden 
Kolonnen  und  Versprengten1)  und  setzte  dann,  nachdem  er  sich 
überzeugt  hatte,  dafs  die  Römer  nicht  gefolgt  waren,  sondern  ihre 
Zeit  mit  Plünderung  der  kostbaren  Beute  im  Lager  des  Königs  ver- 
loren hatten,  in  Eile  aber  Ordnung  den  Rückzug  bis  Klissura  und 
weiter  das  Aoostal  hinauf  fort. 

Dem  aufmerksamen  Leser  wird  es  nicht  entgangen  sein,  dafs 
durch  unsere  Lokalisierung  der  Schlacht  die  Ansicht,  welche  man 
sich  nach  unseren  Quellenberichten,  besonders  nach  der  Schilderung 
Plutarchs,  von  der  militärischen  Verwendung  der  Aoospässe  und  ihrer 
Bedeutung  für  die  Verteidigung  machen  mufste,  in  ihr  Gegenteil  verkehrt 
worden  ist.  Wenn  in  unseren  Berichten  die  Enge  des  Passes,  die  hohen 
und  steil  abfallenden  Felswände  und  die  daraus  folgende  Unpassierbar- 
keit als  hauptsächliche  militärische  Hindernisse  hervorgehoben  wurden2) 
und  man  daraufhin  ganz  natürlicherweise  den  östlichen  .Teil  des 
Durchbruchtales  mit  seiner  grofsartigen  Felsenschlucht  als  die  Stärke 
der  ganzen  Stellung  ansehen  mufste 3),  so  hat  sich  uns  im  Gegenteile 
herausgestellt,  dafs  die  Verteidigung  von  dem  König  an  den  verhältnis- 
mäfsig  offenen  Westausgang  des  Tales  verlegt  worden  ist  und  die 
Schlucht,  weit  entfernt  die  Stärke  der  Position  zu  bilden,  vielmehr 
eine  mit  in  den  Kauf  zu  nehmende,  aber  unangenehme  Zugabe  war, 
die  nur  die  Wirkung  hatte,  einen  etwa  nötig  werdenden  Rückzug  zu  ge- 


*)  Liv.  it.  §  8:  dimisit  suos  per  omnia  iuga  callesque,  qui  palatos  in  unum 
colligerent. 

2)  Plut.  Flam.  3:  oocZv  <$£  ^isyaXüiv  xal  viprjlcov  ixarfncoOev  sis  /uiav  ipanayya 
[ityiairiv  /.cd  ßct&Hav  ovucffQOjutvcov  duxninTcov  u  "Axpog  .  .  .  rr\v  ptv  äXXrjv  änaaav 
i(7ioy.QV7iT(ov  vnwQSinv,  txiofxrjv  de  xorj/uvwdr]  xal  arevtiV  nana  to  QHftoov  änoXeinoiv 
ujoanov,  ovöl  icXktog  (>qd  Cav  giq  aravfAai  i  diekd  tlv,  el  <?£  xul  (pvlecTToiro, 
navTtXwq  anoQov.  Vergl.  auch  oben  S.  43  A.  1  die  modernen  Beschreibungen 
der  Schlucht. 

3)  So  sagt  z.  B.  Niese  II  609:  „Philipp  wählte  seine  Stellung  bei  dem 
heutigen  Klissura,  dort  wo  der  Aoos  zwischen  den  Bergen  Meropus  und  Asnaus 
eine  enge  Schlucht  durchströmt." 


2.  Der  Feldzug  in  Epiros  und  Thessalien  (198  v.  Chr.)  49 

fährden.  Es  wäre  für  Philipp  weit  günstiger  gewesen,  wenn  die  Schlucht 
überhaupt  nicht  vorhanden  gewesen  wäre,  vorausgesetzt  natürlich, 
dafs  dadurch  sonst  nichts  an  der  Stellung,  speziell  an  der  Flanken- 
anlehnung geändert  worden  wäre. 

Man  ist  vielleicht  geneigt,  bei  dieser  paradox  scheinenden 
Konsequenz  unserer  Feststellungen  die  Frage  aufzuwerfen,  weshalb 
Philipp  nicht  die  Schlucht  selber  gesperrt  habe,  was  doch  offenbar 
noch  leichter  gewesen  sein  mufs,  als  das  Tal  an  seinem  Westende 
zu  verschliefsen. 

Die  Antwort  lautet,  dafs  für  die  Sperrung  dieser  Schlucht  eine 
Armee  von  20000  Mann  nicht  nötig  und  also  überflüssig  gewesen  wäre, 
dafs  man  dafür  aber  auf  wesentliche  andere  Vorteile  hätte  verzichten 
müssen.  Denn  zu  einer  wirksamen  Verteidigung  nicht  nur  des  Passes, 
sondern  des  ganzen  Landes  gehörte  in  erster  Linie  mit,  dafs  man 
den  ganzen  Pafs  und  besonders  seinen  Westausgang  mit  beherrschte. 
Darauf  beruhte  die  Bedeutung  dieser  Pafssperre  als  Flankenstellung 
gegenüber  einem  Vormarsche  der  Römer  durch  Epiros  und  nach  Metzowo. 
Philipp  wäre  sonst  Gefahr  gelaufen,  dafs  die  Römer  ihm  mit  einem  Teile 
ihrer  Armee  den  Westausgang  des  Passes  verstopft  und  ihn  im  übrigen 
ruhig  stehen  gelassen  hätten.  Dann  hätte  Flamininus,  um  nur  eine 
Möglichkeit  anzudeuten,  das  Drynostal  hinaufgehen,  Epiros  erobern, 
sich  hier  eine  Basis  schaffen,  die  Flottenstation  nach  Ambrakia  ver- 
legen und  ohne  sich  weiter  um  Philipp  zu  kümmern  nach  Thessalien 
vorgehen  können.  Kurz  es  wäre  über  einer  zweifelhaften  taktischen 
Verbesserung  der  ganze  strategische  Vorteil  der  Stellung  wieder 
verloren  gegangen.  — 

Mit  der  Erkenntnis,  dafs  wir  es  hier  mit  einer  ausgedehnten, 
fast  4  Kilometer  langen  künstlichen  Verteidigungsstellung  und  nicht 
mit  der  einfachen  Verlegung  eines  von  Natur  unbezwinglichen  Felsen- 
tores zu  tun  haben,  rückt  nun  die  Verteidigung  dieser  Pässe  in  die 
Reihe  der  Defensivschlachten  mit  Benutzung  des  Geländes  und  der 
Verschanzungskunst,  wie  es  die  Schlachten  von  Sellasia,  Mantinea 
(207),  Banitza  und  Thermopylä  (191)  gewesen  sind,  und  wird  somit 
ein  Gegenstand  erhöhten  Interesses  für  die  Fragen  der  antiken 
Schlachtentaktik  überhaupt. 

Es  genügt  indessen  hier,  der  Schlacht  diese  ihre  Stellung  in 
der  Geschichte  der  antiken  Kriegskunst  angewiesen  zu  haben.  Den 
gemeinsamen  taktischen  Charakter  dieser  Art  von  Gefechten  zu  kenn- 

Kromayer,  Antike  Schlachtfelder.    II.  4 


50  Der  zweite  Makedonische  Krieg. 

zeichnen  und  im  besonderen  die  Rolle  zu  erwägen,  welche  bei  solchen 
stellenden  Gefechten,  bei  denen  die  Wucht  der  Massen  so  gut  wie 
gar  nicht  zur  Wirkung  kommen  konnte,  der  makedonischen  Phalanx 
zugefallen  sei,  dazu  ist  hier  noch  nicht  der  Ort. 

Wir  wenden  uns  vielmehr  dazu,  den  Fortgang  des  Feldzuges 
weiter  zu  verfolgen: 

Die  Folgen  des  Sieges  am  Aoos  waren  sehr  bedeutend:  Epiros 
und  Thessalien  wurden  dadurch  den  Römern  geöffnet,  die  Vereinigung 
mit  den  verbündeten  Ätolern  hergestellt  und  der  Anschlufs  des 
ganzen  übrigen  Griechenland  durch  das  Erscheinen  der  Römer  im 
Lande  selbst  herbeigeführt. 

Philipp  führte  seine  gesammelten  Scharen  noch  an  demselben 
Tage  bis  in  die  Gegend  von  Ostanitza,  über  50  Kilometer  vom 
Schlachtfelde  zurück1),  eine  Marschleistung,  aus  der  man  erkennt, 
dafs  das  Gefecht  selber  nicht  allzu  lange  Zeit  gedauert  haben  kann. 

An  einen  Widerstand  in  Epiros  war  ferner  nicht  zu  denken. 

Nicht  nur  deckten  zweitausend  Mann  das  Schlachtfeld,  sondern 
der  gröfste  Teil  des  Gepäckes  und  die  Geschütze  mufsten  verloren 
sein,  und  was  schlimmer  war,  der  unvermutete  Umschlag  und  die  Ver- 
treibung aus  einer  für  sturmfrei  gehaltenen  Position  hatten  das  Heer  er- 
schüttert2). Unaufhaltsam  ging  es  deshalb  am  folgenden  Tage  das  Tal 
der  Wiossa  weiter  aufwärts,  der  Hochlandschaft  Zagorien  zu.  Erst  in 
ihren  Hochtälern,  Wäldern  und  Matten  glaubte  man  sich  nach  einem 


J)  So  Leake  (I  396),  der  hier  die  castra  Pyrrhi  ansetzt,  welche  Philipp 
am  ersten  Tage  erreichte  (Liv.  32,  13,  2).  The  position  —  sagt  er  —  was  exactly 
suited  to  his  circumstances,  being  a  strong  height,  well  defended  in  the  di- 
rection  of  the  enemy  by  the  narrow  gorge,  through  which  the  river  passes 
immediately  below  Ostanitza.  Da  Philipp  am  zweiten  Tage  das  Wasserscheide- 
gebiet  von  Epiros,  Thessalien  und  Makedonien  erreichte,  welches  noch  über 
50  Kilometer  von  Ostanitza  entfernt  ist  (s.  folg.  S.  A.  1),  so  kann  man  in  der  Tat  das 
erste  Lager  kaum  anders  ansetzen,  als  in  die  Gegend  von  Ostanitza.  Philipp 
hatte  dann  vom  Schlachtfelde  über  50  Kilometer  zurückgelegt,  eine  ganz  aufser« 
ordentliche  Leistung.  Terrainschwierigkeiten  sind  nicht  vorhanden.  Viquesnel 
(S.  278)  machte  den  Weg  von  Klissura  bis  Ostanitza  in  zehn,  Leake  (I,  S.  394  f.) 
in  neun  Stunden  fünfzig  Minuten. 

2)  Liv.  32,  13,  2:  metu  urgente.  —  Verlust  des  Gepäckes  bei  Plut.  Flam.  5: 
yQYifxc<Ta  öl  y.cä  Gxrjvag  y.al  &tQ<x7iovias  ol  'Pio/xiuoi  dtccQnaGaVTtg  Ixqktovv  twv  arivwv. 


2.  Der  Feldzug  in  Epiros  und  Thessalien  (198  v.  Chr.)  51 

Gewaltmarsche  von  über  50  Kilometern  Länge  einigermafsen  geborgen1). 
Da  die  Römer  keine  Miene  machten,  so  schnell  zu  folgen,  gönnte 
Philipp  seinen  erschöpften  Truppen  hier  einige  Tage  Ruhe,  ehe  er 
sie  nach  Thessalien  hinüberführte2). 

Er  soll  hier  auf  der  Wegscheide  von  Makedonien  und  Thessalien 
Rat  gepflogen  haben,  ob  man  nicht  lieber  sofort  den  Rückzug  nord- 
östlich nach  Makedonien  antreten  wolle.  Im  Ernste  konnten  solche 
Erwägungen  kaum  Platz  greifen.  Man  hätte  mit  einem  Marsche 
über  den  Pafs  von  Milia  in  das  Karasutal  die  starken  Verteidigungs- 
positionen, welche  Makedonien  im  Süden  decken,  den  Olymp  und 
das  Gebirgsland,  welches  den  Olymp  mit  dem  Pindos  verbindet, 
ohne  Not  aufgegeben.  Die  nächste  Defensivstellung  war  vielmehr 
durch  diese  Gebirgslinie  selbst  von  Natur  gegeben,  und  in  ihr  hat 
deshalb  Philipp  denn  auch  im  Tale  Tempe  sofort  Stellung  genommen  3). 

Damit  war  zwar  das  flache  Land  von  Thessalien  zunächst  auf- 
gegeben, aber  keineswegs  die  Städte,  die  der  König  vielmehr  durchaus 
festhielt.  Gleich  an  der  Grenze  des  Landes  gegen  Westen  hin  wurde 
Phaloria  mit  einer  aufsergewöhnlich  starken  Besatzung  von  zwei- 
tausend Mazedoniern  belegt.  Es  sollte  mit  Äginion  zusammen 
die  Einmarschstrafse   von  Metzowo   her    decken4).     Die   südlichsten 

*)  Ich  rechne,  indem  ich  die  Gegend  bei  Wowussa  als  Marschziel  annehme. 
Sie  entspricht  der  von  Leake  (I  399)  Imperatoria  genannten  Hochebene.  Die 
Beschreibung,  welche  Livius  (32,  13,  3)  von  diesem  Gebiete  gibt  —  montes  Epiri  sunt, 
interiecti  Macedoniae  Thessaliaeque ;  latus  quod  vergit  in  Thessaliam  oriens 
spectat,  septentrio  a  Macedonia  obicitur.  vestiti  frequentibus  silvis  sunt,  iuga 
summa,  campos  patentes  aquasque  perennis  habent  — ,  pafst  so  unverkennbar  auf 
das  östliche  Zagorien  und  das  Quellgebiet  der  Wiossa,  des  Salambria,  Karasu  und 
Aspropotamos,  dafs  unter  den  Besuchern  der  Gegend  nie  ein  Zweifel  über  die 
Identität  gewesen  ist.  Man  vergl.  Bursian  I  12.  —  Der  Marsch  wird  von  Livius 
als  ingens  iter  agmini  bezeichnet;  in  der  Tat  eine  gewaltige,  aber  unter  den 
verliegenden  Verhältnissen  nicht  unmögliche  Leistung.  Man  vergl.  Bd.  1  die 
Marschleistungen  des  Epaminondas  und  andere  Bd.  I  38  u.  45  zusammengestellten 
Beispiele.  Die  Ansicht  von  Heuzey  (Mission  298),  es  handle  sich  hier  um  das 
Chassiagebirge  in  Thessalien,  ist  unhaltbar.  Die  Marschleistung  des  Philipp  wäre 
eine  Unmöglichkeit. 

2)  Liv.  32,  13,  4:    stativis  per  aliquot  dies  habitis. 

3)  Liv.  32,  15,  9:    intra  Tempe  stativis  positis. 

4)  Nicht  als  ob  dadurch  der  Einmarsch  der  Römer  hätte  gehindert  werden 

können,    aber    ein   fester  Punkt   mit  so   starker  Besatzung  im  Rücken   gelassen, 

hätte  die  Verbindung  mit  Epiros  unterbrochen  oder  wenigstens  sehr  erschwert.  — 

Über  die  Lage  s.  S.  55  A.  2.  —  Die  Stärke  der  Besatzung  Liv.  32,  15,  1. 

4* 


*)•_)  Der  zweite  Makodünische  Krieg1. 

Besitzungen  der  Makedonier  in  Thessalien,  wie  Echinos,  Larissa 
Kremaste  und  Theben,  finden  wir  im  Winter  198/197  noch  in  Philipps 
Hand1),  und  so  kann  auch  keine  Rede  davon  sein,  dafs  der  König 
die  anderen  Städte  des  Landes  aufgegeben  hätte2).  Sein  Raub-  und 
Plünderungszug  auf  dem  Rückzuge,  der  nur  das  Enipeustal  hinauf- 
ging und  dann  über  Pherä  nach  Tempe  führte3),  hat  militärisch 
überhaupt  keine  Bedeutung.  Es  handelte  sich  dabei  nicht  um  eine 
systematische  Verwüstung  des  Landes,  um  dem  Feinde  den  Vormarsch 
zu  erschweren  —  das  war  in  einem  mit  Städten  so  dicht  besäten 
Lande  wie  Thessalien  überhaupt  unmöglich  — ,  sondern  darum,  nach 
den  Verlusten  am  Aoos  die  leeren  Taschen  wieder  zu  füllen  und 
vermutlich  zugleich  einen  Racheakt  an  den  Ätolern  auszuüben,  denen 
man  die  von  ihnen  beanspruchten  oder  mit  ihnen  sympathisierenden 
Städte  nicht  unbeschädigt  in  die  Hände  fallen  lassen  wollte 4).  Ander- 
seits waren  die  Ätoler  und  Athamanen  sofort  bei  der  Hand,  Ver- 
geltung zu  üben  und  ihrerseits  in  Thessalien  zu  plündern  und  an 
sich  zu  reifsen  was  sie  konnten  (Liv.  32,  13,  10 f.).  Nicht  so  schnell 
folgten  die  Römer.  Zwar  die  Nachricht  des  Livius,  Flamininus  sei 
durch  die  Aoospässe  nach  Epiros  gegangen  und  habe  dann  nach 
vier  Tagemärschen  den  Übergang  nach  Thessalien  vom  Kerketios- 
berge    aus  in  Angriff  genommen5),    könnte  zu  der  Auffassung  ver- 

i)  Polyb.  XVIII  3,  12.     8,  9, 

2)  Sie  ergaben  sich  erst  nach  der  Schlacht  von  Kynoskephalai.  Niese  II 
632  A.  2. 

3)  Liv.  32,  13,  5  ff.  Plut.  Flam.  5.  Die  Richtung  des  Plünderungszuges 
ergibt  sich  aus  den  von  Livius  32,  13,  9  erwähnten  Städten.  Philipp  ging  von 
Trikka  am  oberen  Peneos  aus  und  berührte  Paläpharsalos,  Eretria  (=  Tschangli, 
s.  unten  S.  65  A.  3),  Pherä,  deren  Lage  feststeht.  Die  der  anderen  kleinen  Orte  ist 
nicht  zu  identifizieren,  aber  es  widerspricht  nichts  der  angenommenen  Richtung. 
Auch  nicht  Phakion,  das  trotzdem  es  von  Brasidas  auf  seinem  Zuge  berührt 
wurde  (Thuk.  IV  78,  5,  vergl.  Bursian  I.  53),  sehr  wohl  so  weit  westlich  gelegen 
haben  kann. 

4)  Darauf  weisen  die  beweglichen  Klagen  der  Ätoler  gerade  über  dies 
Verfahren  Philipps  hin  (Polyb.  XVIII  3,  3  ff.)  und  ihr  Verlangen,  ihnen  die  noch 
vorenthaltenen  Städte  aßkaßäs  zu  überliefern  (ib.  2,  6).  Über  die  Ansprüche  der 
Ätoler  auf  einen  Teil  gerade  dieser  Städte  s.  Niese  II  503  A.  1. 

5)  Liv.  32,  13,  1:  postero  die  (nach  der  Schlacht)  consul  per  ipsas  angustias, 
quas  inter  valle  se  flumen  insinuat,  hostem  sequitur,  und  14,  4:  consul  faucibus, 
quas  fuga  hostium  aperuerat,  in  regionem  Epiri  transgressus  .  .  animos  .  .  conciliat. 
deinde  .  .  progressus  modicis  itineribus  quarto  die  in  monte  Cercetio  posuit 
castra  usw. 


2.  Der  Feldzug  in  Epiros  und  Thessalien  (198  v.  Chr.)  53 

führen,  dafs  der  Konsul  den  Makedoniern  das  Wiossatal  aufwärts 
gefolgt  sei  und  unmittelbar  nach  der  Schlacht  den  Marsch  über  das 
Gebirge  angetreten  habe.  Aber  sowohl  in  bezug  auf  die  Zeit  als 
den  Weg  ist  diese  Auffassung  falsch. 

Die  Tatsache,  dafs  ein  Korps  römischer  Soldaten  mit  Amynander 
durch  Athamanien  vorgeschickt  wurde,  Phaeka,  Gomphi  und  andere 
Orte  in  Thessalien  einnahm1)  und  sich  vor  dem  Übergange  des 
Konsuls  nach  Thessalien  wieder  beim  Hauptheere  einfand2),  beweist, 
dafs  Flamininus  mindestens  einen  Monat  im  Lande  geblieben  ist3). 
Das  entscheidet  auch  über  den  Weg.  Denn  sich  längere  Zeit  in 
dem  einsamen  Alpentale  des  Aoos  aufzuhalten,  das  nicht  durch  Epirus 
hindurch,  sondern  daran  vorbeiführt,  hatte  gar  keinen  Zweck.  Der 
Konsul  hat  also  den  König  nur  ein  kleines  Stück  durch  die  Pässe 
hindurch  verfolgt  und  ist  dann  umgekehrt,  um  seinen  Aufenthalt 
weiter  südlich  zu  nehmen,  indem  er  die  Aoospässe,  deren  Besitz  ja, 
wie  wir  sahen,  zum  Marsche  nach  Epiros  und  Thessalien  gar  nicht 
nötig  ist,  ruhig  links  liegen  liefs  und  in  der  fruchtbaren  Ebene  des 
Drynos  und  den  benachbarten  Zentrallandschaften  von  Epiros  ver- 
weilte4). Es  gelang  ihm  bei  mildem  Auftreten  die  Landschaft  auf 
seine  Seite  herüberzuziehen,  sich  aus  ihr  zu  verproviantieren  und  ein 
Hilfskorps  von  Freiwilligen  zusammenzubringen,  das  ihn  auf  seinem 
Zuge  nach  Thessalien  begleiten  sollte5).  Das  alles  liefs  sich  nicht 
in  ein  paar  Tagen  abmachen,  und  so  konnte  mit  der  Ordnung  der 
epirotischen  Verhältnisse  gut  ein  Monat  vergangen  sein,  als  der 
Konsul  aufbrach   und  in  vier  kleinen  Tagemärschen  den  Kerketios- 


1)  Liv.  32,  14,  1:   petito  a  consule  modico  praesidio. 

2)  Liv.  32,  14,  8 :  eodem  (nach  dem  mons  Cercetius)  Anrynandro  cum  suis 
auxiliis   accito. 

3J  So  lange  beansprucht  der  athamanische  Plünderungszug  mit  Hin-  und 
Rückmarsch,  s.  Beilage  II  S.  108. 

4)  Das  sagt  Zonaras  IX  16  P.  I  445  B  auch  geradezu:  6  vnaxog  ixnvov  fxlv 
ovx  iöiwtjs,  rag  tfh  ^HntCqo)  noltis  neQtenot^aaro.  Und  auch  aus  Livius'  Worten: 
in  regionem  Epiri  transgressus  (32,  14,  5),  geht  es  indirekt  hervor.  So  auch  richtig 
Niese  II  612.  Livius'  Irrtum  stammt  daher,  dafs  er  glaubte,  die  Aoospässe  führten 
nach  dem  eigentlichen  Epiros  hinein.  Daher  hat  er  den  kurzen  Vorstofs  des 
Konsuls  auf  der  Verfolgung  mit  dem  Weitermarsche  verwechselt. 

5)  Liv.  32,  14,  6:  (Epirotas)  ab  satisfaciendi  cura  imperata  enixe  facere 
videt  .  .    §  8:    plerique  Epirotarum  voluntarii  inter  auxilia  accepti. 


urtc  von  Karte 
IS'o.   2. 


54  Der  zweite  Makedonische  Krieg. 

borg    erreichte,    welcher   zum    Sammelplatz    sämtlicher    Kontingente 
bestimmt  war1). 

Auf  der  Marschroute,  die  durch  die  Ebene  von  Jannina  in  das 
Tal  des  Arachthos,  des  Flusses  von  Arta,  und  von  da  am  Flusse  von 
11  die  Bei-  Metzowo  aufwärts  zum  Zygospasse  führte,  liegt  zwischen  der  Ebene 
von  Jannina  und  den  genannten  Flufstälern  der  langgestreckte  ein- 
förmige Rücken  der  Kyrä.  Er  bildet  den  Scheidepunkt  von  Ebene 
und  Bergwanderung,  und  von  ihm  erblickt  man  zum  letzten  Male 
die  weiten  Talebenen  und  Bergzüge  von  Epiros  zu  seinen  Füfsen, 
dann  senkt  sich  der  Weg  in  die  engen  Bergtäler  des  Pindos  hinab3). 
Von  Nord-  und  Südepiros  fast  ebensoweit  entfernt  wie  von  Atha- 
manien3),  ist  dieser  Ort  am  Eingang  ins  eigentliche  Gebirge  wie  kein 
anderer  geeignet  zum  Sammelpunkt  und  vom  Drynostal,  wo  sich 
Flamininus  ja  aufgehalten  hatte,  rund  90  Kilometer,  also  gerade  vier 
mäfsige  Tagemärsche,  entfernt.  Da  ein  ausgeprägter  Bergrücken  sich 
sonst  auf  der  ganzen  Route  nach  Thessalien  nicht  findet,  welche 
vielmehr  an  den  Abhängen  des  Flusses  von  Metzowo  gleichförmig 
zum  Zygospasse  ansteigt,  so  werden  wir  diese  einzige  Pafshöhe  auf 


J)  Liv.  a.  a.  0.:  progressus  modicis  itineribus  quarto  die  in  monte  Cercetio 
posuit  castra,  eodem  Amynandro  .  .  accito  und  ut  duces  in  Thessaliam  haberer, 
die  Epiroten. 

2)  Man  vergleiche  die  Schilderung  dieser  ganzen  Route  bei  Philippson 
oben  S.  38  A.  1.  Er  hat  den  Weg  umgekehrt  gemacht  und  sagt  über  die  Kyrä 
S.  212:  „Nie  werde  ich  den  überraschenden  Anblick  des  Sees  von  Jannina  vergessen 
dessen  grüner  Spiegel  plötzlich  vor  mir  erscheint .  .  .  Zur  Rechten  haben  wir  in 
unmittelbarer  Nähe  die  kahlen,  weifsen  Kalkhänge  des  hohen  Mitschikeli,  der 
nach  Westen  steil  in  den  See  fällt.  Im  Westen  und  Süden  des  Sees  und  der 
grünen  Ebene,  die  ihn  umgibt,  überblicken  wir  eine  ganze  Zahl  von  parallelen 
Kalkrücken,  die  wie  ein  System  langgezogener  Wellen  ganz  Epirus  überziehen. 
Aus  diesen  niedrigen  Wellenzügen  erheben  sich  inselartig  drei  scharf  umrissene 
Kalkgebirge  zu  grofsen  Höhen  usw."  An  dem  Eingange  in  die  Gebirgswelt  pflegt 
man  sich  die  Führer  zu  bestellen:    „ut  duces  in  Thessaliam  haberet."     s.  A.  1. 

3)  Von  der  Kyrä  sind  nach  Argyrokastro,  dem  Mittelpunkte  des  Drynos- 
tales,  gegen  90,  nach  dem  Ambrakischen  Busen  75,  nach  dem  südlichen  Teile 
von  Athamanien  ca.  50 — 60  Kilometer  Luftlinie.  Während  aber  die  beiden  ersten 
Wege  ohne  wesentliche  Terrainschwierigkeiten  sind,  hat  man  auf  dem  dritten 
nicht  unbedeutende  Höhen  zu  überschreiten.  Man  konnte  den  Sammelplatz  ent- 
weder auf  dem  Wege  über  Theodosiana,  Prämanta,  Kontowrachi  (Philippson  31, 
442.  438.  259  f.)  oder  über  Dragowisti,  Kotori  und  den  Chodscha-Mandra-Pafs 
(Phil.  31,  209.  430)    erreichen.     In   beiden   Fällen   mit   beträchtlichen  Umwegen. 


2.  Der  Feldzng  in  Epiros  und  Thessalien  (198  v.  Chr.)  55 

dem  Wege  unbedenklich  mit  dem  Kerketiosberge  des  Livius  identi- 
fizieren dürfen1). 

Erst  nach  Sammlung  aller  Kontingente  hat  der  Konsul  von  hier 
aus  den  Marsch  durchs  Gebirge  angetreten  und  ist  über  den  Zygos- 
pafs  nach  Thessalien  hinabgestiegen2).  Anfang  August  (s.  Bei- 
lage II  S.  109.)  mag  er  die  thessalische  Ebene  betreten  haben.  Der 
epirotische  Feldzug  hatte  etwa  vier  Monate  in  Anspruch  genommen. 

Das  wichtige  Phaloria  mit  seiner  starken  Besatzung  war  das 
erste  Angriffsziel  des  Konsuls.  Sowohl  wegen  seiner  Bedeutung  an 
der  Pafsstrafse  wie  wegen  des  moralischen  Eindruckes,  den  Fla- 
mininus  sich  auf  Thessalien  von  der  Eroberung  versprach,  scheute  er 
keine  Mühe,  durch  Tag  und  Nacht  fortgesetzte  Stürme  das  Ziel  zu 
erreichen.  Nach  dem  Falle  der  Stadt  war  das  zweite  Sperrfort 
Äginion  mit  seiner  kleinen  Besatzung  nicht  mehr  imstande,  die 
Verbindung  ernstlich  zu  gefährden,  und  es  wurde  wegen  seiner  festen 
Lage  kein  Sturm  darauf  versucht  (Liv.  32,  15).  Wichtiger  noch  war 
die  Herstellung  der  Verbindung  mit  Südepiros  und  der  nach  Ambrakia 


J)  Man  versteht  unter  dem  Kerketischen  Berg  jetzt  gewöhnlich  den  öst- 
lichsten Höhenrücken  des  Pindos,  welcher  die  thessalische  Ebene  zwischen  Äginion 
und  Gomphi  begrenzt,  das  jetzige  Koziakasgebirge.  Bursian  I.  13.  48.  Lolling 
S.  146.  Das  ist  mit  dem  Marsche  des  Flamininus  ebenso  unvereinbar,  wie  die 
Beziehung  des  Namens  auf  das  Chassiagebirge  (Bursian  a.  a.  0.).  Entweder 
handelt  es  sich  bei  den  Nachrichten,  welche  ein  Kerketisches  Gebirge  in 
Thessalien  nennen  (Plin.  n.  h.  II  8  (15)  30;  Steph.  Byz.  niateia)  um  ein  anderes 
gleichnamiges  Gebirge,  oder  die  Nachrichten  sind  ungenau.  —  Auch  keine  der 
vielen  anderen  Berggruppen  des  uns  seit  Philippsons  eindringenden  Forschungen 
genauer  bekannten,  zerklüfteten  Pindosberglandes  können  wir  mit  dem  Kerketios 
identifizieren,  weil  sie  alle  viel  zu  hoch  und  vom  Wege  abgelegen  sind,  um  als 
Sammelpunkt  eines  Heeres  zu  dienen. 

2)  Einen  anderen  Weg  gibt  es,  wie  schon  oben  (S.  38)  erwähnt,  von  Epiros 
aus  nicht.  In  unserem  Falle  ist  er  noch  durch  die  Erwähnung  von  Äginion 
speziell  festgestellt,  welches  mit  Phaloria  zusammen  die  erste  von  Flamininus 
berührte  thessalische  Stadt  war  (Liv.  32,  15,  1.  4).  Äginions  Lage  auf  dem  Platze 
des  heutigen  Kalabakka  (Stagi)  steht  fest  (Bursian  I  14,  1).  Phaloria  ist  mit 
Philippson  unmittelbar  gegenüber  auf  der  anderen  Talseite,  nicht  wie  Bursian 
(I  49)  annimmt,  zwei  Stunden  südlich  zu  suchen.  Sonst  würde  sich  nicht  erklären, 
dafs  Flamininus  es  zuerst  bestürmt.  Leakes  Annahme,  dafs  die  Römer  durch 
Zagorien  nach  Greveno,  also  über  den  Pafs  von  Milia  nach  Makedonien  und  von 
da  zurück  nach  Thessalien  marschiert  seien  (IV  528),  ist  vollkommen  unmöglich. 
Den  Weg  hat  schon  richtig  angegeben  Niese  II  613,  2,  aber  ihn  dabei  ohne  Grund 
als  nicht  sicher  bezeichnet, 


56  Der  zweite  Makedonische  Krieg. 

beorderten  Getreideflotte.  Sie  wurde  erreicht,  indem  der  Konsul 
von  der  Stadt  Gomphi  quer  durch  den  südlichen  Pindos  über  den 
Fafs  von  Musaki  und  Knisowo  Detachements  nach  Ambrakia  ent- 
sandte, welche  die  Proviantkolonnen  nach  Thessalien  zu  geleiten 
hatten.  Nach  etwa  halbmonatlicher  Abwesenheit  vom  Lager  konnten 
die  Kolonnen  zurück  sein1),  und  nun  brach  der  Konsul  ungesäumt 
in  der  Richtung  nach  Larissa  und  dem  Tempetale  hin  auf  (Liv.  32, 15,8). 

Die  erste  Stadt,  welche  ihm  hier  energischen  Widerstand  ent- 
gegensetzte, war  die  Stadt  Atrax.  Fünfzehn  Kilometer  oberhalb 
Larissa  an  der  Pafsenge  Kalamaki  gelegen2),  beherrschte  sie  einen 
der  Zugänge,  welche  von  Thessalien  aus  nach  Perrhäbien  und  von 
da  über  den  Pafs  von  Portäs  nach  Makedonien  hineinführen.  Da 
sie  mit  starker  Besatzung  versehen  war,  mochte  ihr  Besitz  dem 
römischen  Feldherrn  eine  unumgängliche  Vorbedingung  für  weitere 
Fortschritte  bedünken,  sei  es,  dafs  er  zur  Belagerung  von  Larissa 
schreiten,  sei  es,  dafs  er  die  Expedition  ins  eigentliche  Makedonien 
hinein  vorbereiten  wollte. 

Aber  hier  ist  seinen  Fortschritten  für  diesen  Sommer  Halt 
geboten  worden.  Die  Stadt  wehrte  sich  so  zäh,  die  Makedonier 
verstanden  es,  selbst  nachdem  Bresche  gelegt  war,  sich  mit  ihrer 
Phalanx  so  glücklich  in  derselben  zu  verteidigen,  dafs  Flamininus 
bei  der  vorgerückten  Jahreszeit  —  man  mochte  schon  im  Oktober  stehen 
(Beilage  II  S.  109)  —  die  Belagerung  aufgab  und  sich  nach  Griechen- 
land zurückzog,  wo  er  die  Landschaft  Phokis,  die  noch  zu  Philipp 
hielt,  unterwarf  und  hier  in  unmittelbarer  Nähe  seiner  nach  Antikyra 
verlegten  Proviantflottenstation  die  Winterquartiere  bezog3). 

Wie  es  ihm  gelungen  ist,  in  diplomatischer  Arbeit  während 
dieser  Zeit  fast  ganz  Griechenland  auf  seine  Seite  zu  ziehen,  das 
zu    erzählen,   ist   hier   nicht   der  Ort.     Genug,    dafs    von   nennens- 


1)  Die  Beschreibung  des  Livius  (32,  15,  5):  est  iter  a  Gomphis  Ambraciam 
sicut  impeditum  ac  difficile,  ita  spatio  perbrevi  trifft  vollkommen  zu.  Seine 
Angabe,  dafs  „intra  paueos  dies  .  .  repleta  omni  rerum  copia  sunt  castra"  ist  so 
wie  es  im  Text  geschehen  ist  zu  präzisieren  nach  Beilage  II  S.  109  A.  1. 

2)  Liv.  32,  15,  8:  decem  ferme  milia  ab  Larissa  abest .  .  sita  est  urbs  super 
Peneum  amnem.  Diese  Bestimmung  läfst  keine  andere  Lage  als  die  an  der 
Kalamakienge  bei  Gunitza  zu,  wie  Leake  sie  richtig  bestimmt  hat  (III  368).  Warum 
Lolling  den  Ort  (bei  Müller  Hdb.  III1  S.  149)  bei  Alifaka  13  Kilometer  weiter  süd- 
westlich angesetzt  hat,  weifs  ich  nicht. 

3)  Liv.  32,  15,  8  f.    17,  4 ff.    18,  1—9. 


3.  Der  Feldzug  vom  Jahre  197.  57 

werten  Plätzen  einzig  die  Städte  Korinth  und  Chalkis  mit  ihren 
starken  makedonischen  Besatzungen  sich  noch  hielten,  als  er  im 
Frühling  des  Jahres  197  mit  sicherer  Rückendeckung  und  verstärkt 
durch  die  Hilfstruppen  Griechenlands  zum  entscheidenden  Feldzuge 
aufbrach '). 

3.    Der  Feldzug  vom  Jahre  197. 
Die  Schlacht  von  Kynoskephalä. 

1.    Überblick  und  Kriegsabsichten. 

Wenn  wir  an  diesem  Wendepunkte  einen  Augenblick  innehalten, 
um  den  bisherigen  Gang  der  Dinge  zu  überblicken,  so  nehmen  wir 
wahr,  clafs  Philipp  sowohl  wie  die  Römer  bisher  ihrem  Kriegsprinzip 
durchaus  treu  geblieben  waren. 

Hatten  letztere  durch  ihr  direktes  Vorgehen  gegen  das  Zentrum 
von  Philipps  Landbesitz  im  ersten  Jahre  und  durch  ihren  ebenso 
direkten  Angriff  auf  Philipps  Hauptmacht  am  Aoos  im  zweiten  einer 
möglichst  raschen  Niederwerfung  des  Gegners  zugestrebt,  so  hatte 
umgekehrt  jener  sein  Verfahren,  der  Entscheidung  auszuweichen  und 
den  Gegner  zu  ermüden,  konsequent  festgehalten.  Nirgends  hatte 
er  sich  in  offenem  Felde  gestellt,  wohlgewählte  Verteidigungsstellungen 
waren  in  der  Ebene  von  Monastir  und  bei  Banitza  so  gut  wie  an 
der  Wiossa  und  im  Tempetal  für  sein  Verhalten  bestimmend  gewesen, 
und  nur  gelegentliche  kleine  Aus-  und  Überfälle  hatten  seiner 
Defensive  jene  Aktivität  gegeben,  die  zur  guten  Verteidigung  gehört 
ohne  ihr  den  Charakter  der  Defensive  zu  nehmen.  Wichtige 
Provinzen  wie  Lynkestis  und  Eordäa,  Epiros  und  Thessalien  hatte 
der  König  zeitweilig  oder  dauernd  in  die  Hand  des  Gegners  fallen 
lassen,  um  nur  seiner  Operationsweise  treu  bleiben  zu  können. 

Mit  um  so  gröfserem  Erstaunen  nehmen  wir  im  Frühling  197 
wahr,  dafs  Philipp  die  schützenden  Pässe  am  Olymp  verläfst  und  mit 
seiner  ganzen  Kriegsmacht  in  Thessalien  einrückt.  Thessalien,  das 
er  als  Operationsgebiet  im  vorigen  Jahre  bereits  aufgegeben,  und  um 
die  Beute  den  Feinden  zu  schmälern,  selbst  zum  Teil  ausgeplündert 
hatte,  Thessalien,  das  Land  der  weiten  Ebenen  und  des  reichsten 
Ackerbodens,  auf  dem  seine  bisherige  Kriegsweise  keinerlei  Unter- 
stützung  durch  Geländehindernisse  und  Verpflegungsschwierigkeiten 


*)  Vergl.  über  diese  Ereignisse  Nieses  Darstellung  II  615f. 


5g  Der  zweite  Makedonische  Krieg. 

finden  konnte,  wird  der  freiwillig  gewählte  Schauplatz  seiner  Operationen. 
Er  will  jetzt  selbst  eine  Entscheidungsschlacht  herbeiführen.  Das 
sagt  sein  Verhalten  so  deutlich,  dafs  es  der  ausdrücklichen  Versicherung 
unserer  Quellen  kaum  noch  bedurft  hätte1). 

Es  fragt  sich,  ob  der  Widerspruch,  der  hier  vorzuliegen  scheint2), 
in  Wirklichkeit  vorhanden,  ob  Philipp  seiner  bisherigen  Strategie 
mit  diesem  neuen  Verfahren  untreu  geworden  ist. 

Was  hatte  doch  Philipp  mit  seiner  Defensive  im  letzten  Jahre 
eigentlich  erreicht?  Aus  seiner  Stellung  am  Aoos  war  er  mit  Verlust 
hinausgeworfen,  Epiros  und  Thessalien  hatte  er,  wie  es  schien,  dauernd 
verloren;  das  ganze  stolze  Gebäude  der  hellenisch-makedonischen 
Symmachie,  welches  sein  Vorgänger  Antigonos  mit  so  viel  Kunst  und 
Ausdauer  aufgeführt  hatte,  war  über  Nacht  zusammengestürzt.  Was 
Philipp  in  Griechenland  und  Kleinasien  noch  besafs,  glich  den  Resten 
meerumspülten  Landes,  die  der  nächste  Sturm  wegreifsen  mufste. 
Philipp  war  jetzt  fast  völlig  eingekreist,  die  Hälfte  seines  Macht- 
gebietes verloren,  er  konnte  kaum  noch  frei  atmen.  Und  auch  seine 
Mittel  in  Makedonien  selbst  gingen  auf  die  Neige3).  Man  war  auf 
dem  Punkte  angekommen,  wo  eine  strikte  Fortführung  des  bisherigen 
Systems  zur  Unmöglichkeit  wurde. 

Die  dauernde  Räumung  Thessaliens  insonderheit  hätte  dem 
Könige  eine  seiner  wirkungsvollsten  Waffen,  die  thessalische  Reiterei, 
gekostet.  Er  mufste  einen  energischen  Schlag  wagen,  um  sein  altes 
Machtgebiet  wiederzugewinnen,  Thessalien  zu  halten,  Korinth  und 
Chalkis  zu  retten,  seine  Partei  in  Griechenland  wieder  ans  Ruder  zu 
bringen,  neue  Menschen  und  Geldmittel  in  die  Hand  zu  bekommen. 
Er  konnte  das  Gebiet,  aus  dem  er  einen  grofsen  Teil  seiner 
Ressourcen  zog,  nicht  dauernd  zu  sehr  zusammenschrumpfen  lassen. 
Wie  Friedrich  der  Grofse  die  Schlachten  von  Leuthen,  Rofsbach, 
Zorndorf  und  andere  in  der  zweiten  Hälfte  des  grofsen  Krieges  um 
den  Besitz  von   Schlesien,   Sachsen,  Brandenburg  im  Rahmen   eines 


J)  Liv.  33,  6,  3:  defungi  quam  primum  et  ipse  certamine  cupiens.  Ebenso 
Polybios,  wenn  auch  nicht  so  prägnant.     Vergl.  unten  S.  63  A.  1. 

2)  Man  vergleiche,  was  darüber  S.  5  ff.  ausgeführt  ist. 

3)  Pol.  XVIII  11,  10:  xcem  yfjv  tiXzigtwv  ainoTg  (den  Makedoniern)  ^oQrjyiojv 
lyJtdcc7ir]/uEV(ov.  Nach  den  Verlusten  der  letzten  Kriegsjahre  mufste  Philipp  im 
Frühling  197  die  ältesten  und  jüngsten  Jahrgänge  bis  zum  sechzehnten  Jahre 
hinab  einstellen.     Liv.  33,  3,  2  f. 


3.  Der  Feldzug  vom  Jahre  197,  59 

defensiven  Kriegssystems  offensiv  geführt  hat,  so  ist  auch  Philipp 
hier  zu  einem  energischen  Offensivstofse  übergegangen,  in  der  Absicht 
dem  Hinschwinden  seiner  Kräfte  Einhalt  zu  tun,  ehe  es  zu  spät  war1). 

Mit  dieser  Zweckbestimmung  ist  sowohl  nach  der  negativen 
wie  nach  der  positiven  Seite  hin  ausgedrückt,  wie  Philipps  Verhalten 
bei  Kynoskephalä  aufzufassen  ist: 

In  taktischer  Beziehung  haben  wir  allerdings  einen  Übergang 
von  der  Defensive  zur  Offensive  vor  uns,  in  strategischer  aber 
durchaus  ein  Festhalten  an  der  Defensive.  Denn  die  Feldschlacht, 
zu  der  sich  Philipp  entschlossen  hatte,  sollte  und  konnte,  selbst 
wenn  sie  siegreich  ausfiel,  nicht  der  Anfang  zu  einer  Niederwerfungs- 
strategie  gegen  Kom  werden,  sondern  sie  konnte  besten  Falles 
den  Zustand  zu  Beginn  des  Krieges  wieder  herstellen  und  die 
Römer  vor  die  Frage  stellen,  ob  sie  den  Stein  des  Sisyphos  zum 
dritten  Male  den  Berg  hinaufzurollen  beabsichtigten  oder  ob  sie 
einen  ehrenvollen  Frieden  gewähren  wollten,  in  der  Überzeugung, 
dafs  die  gänzliche  Niederwerfung  Makedoniens  zu  bedeutende  Opfer 
erfordere,  und  das  damit  verbundene  Hinausziehen  des  Krieges  zu 
grofse  Gefahren  politischer  Art  in  sich  berge. 

Aber  der  Stofs  ist  dem  Könige  nicht  geglückt.  Die  Blöfse,  welche 
er  sich  geben  mufste,  ihn  dem  Gegner  zu  versetzen,  ist  ihm  selber  töd- 
lich geworden.  Der  Höhepunkt  und  das  jähe  Ende  einer  offensiven 
Kriegsepisode  mitten  im  defensiven  Kriegssystem,  das  ist  der  Charakter 
der  Schlacht  von  Kynoskephalä. 

So  löst  sich  nicht  nur  der  scheinbare  Widerspruch  zwischen 
dem  Verfahren  des  Königs  in  den  beiden  ersten  und  dem  dritten 
Kriegsjahre,  sondern  nachdem  sich  uns  die  taktische  Offensive  des 
Königs  als  berechtigte  Ausführungsform  in  sein  strategisches  Defensiv- 
system eingeordnet  hat,  sind  zugleich  alle  etwa  auftauchende  Zweifel 
an  der  Existenz  dieser  taktischen  Offensive  selber  beseitigt,  und  wir 
haben  bei  der  Untersuchung  über  den  Feldzug  von  197  von  der 
feststehenden  Tatsache  auszugehen,  dafs  hier  zwei  Offensiven  auf- 
einander gestofsen  sind,   eine  Tatsache,  die,  wie  sich  gleich  zeigen 

*)  Wenn  Mommsen  die  Offensive  des  Königs  damit  motiviert,  dafs  er 
Rom.  Gesch.  I  711  sagt:  „Philippos,  ungeduldig  und  zuversichtlich  wie  er  war, 
konnte  es  nicht  aushalten,  den  Feind  an  der  makedonischen  Grenze  zu  erwarten", 
so  ist  damit  das  persönliche  Moment,  das  natürlich  auch  mitspielte,  gegenüber 
den  sachlichen  Erwägungen  doch  viel  zu  sehr  in  den  Vordergrund  gerückt. 


60  Ucr  zweite  Makedonische  Krieg. 

wird,   für  das  Verständnis  der  Einzelheiten  des  Feldzuges,  sowie  im 
besonderen  für  die  Bestimmung  des  Schlachtfeldes  selber  unerläfslich  ist. 


2.    Beginn   des  Feldzuges  und   Bestimmung   des 

Schlachtfeldes. 

Gegen  Ende  März  brach  Flamininus  von  Elatea  in  Phokis  nach 

Hierzu  Carte 

no.  2.  I hessahen  auf.  Er  durchzog  die  Thermopylen,  überschritt  den 
Furkapafs  und  lagerte  nördlich  desselben  bei  Xyniä  (am  See  von 
Daukli)  längere  Zeit,  um  den  Zuzug  der  ihm  von  den  Ätolern  und 
anderen  griechischen  Bundesgenossen  versprochenen  Hilfstruppen  zu  er- 
warten1). Sein  Heer  bestand  nach  deren  Eintreffen  aus  den  zwei  römi- 
schen Legionen  und  den  zugehörigen  zwei  Alen  von  rund  22000  Mann 
und  etwa  2600  Mann  griechischer  Hilfstruppen  zuFufs,  ferner  aus  etwa 
2400  Reitern,  im  ganzen  also  aus  24 — 25  000  Mann  zu  Fufs  und 
2400  Reitern.     (Beilage  I  S.  104.) 

Von  Xyniä  aus  rückte  der  Prokonsul  indessen  nicht,  wie  man 
erwarten  sollte,  direkt  nach  Norden  auf  der  natürlichen  Fortsetzung 
seiner  bisherigen  Marschrichtung  über  Domoko  in  die  südthessalische 
Ebene  ein,  sondern  er  wandte  sich  nordöstlich,  überstieg  das  niedrige 
Vorland  der  Othrys  und  marschierte  auf  das  Phthiotische  Theben 
am  Golfe  von  Volo,  das  noch  zu  Philipp  hielt2). 

Der  Anschlag,  die  Stadt  durch  Verrat  zu  nehmen,  mifsglückte 
indes,  und  ohne  sich  mit  der  Belagerung  aufzuhalten  liefs  Flamininus 
die  letzten  Vorbereitungen  für  die  feldmarschmäfsige  Ausrüstung  der 
kartrzTouieKaiete  Legionen  treffen,  indem  er  Schanzpfähle  für  die  Umwallung  des  Lagers 
herstellen  und  unter  die  Mannschaften  verteilen  liefs:  er  hatte 
Nachricht,   dafs  die  Gegner  gleichfalls  in  Thessalien  eingerückt  und 


1)  Liv.  33,  3,  7 f.:  ab  Elatea  profectus  .  .  ad  Thermopylas  pervenit  .  .  Xynias 
praegressus.  Damit  ist  die  Route  über  den  Furkapafs  festgelegt,  an  dessen  Nord- 
fufse  Xyniä,  am  See  von  Daukli  lag  (Bursian  S.  85).  Beloch  irrt,  wenn  er  die 
Römer  am  Meere  entlang  marschieren  läfst.  Griech.  Gesch.  I  487,  1.  Die  östliche 
Othrys  ist  für  Heere  unwegsam.  „Alle  gröfseren  Truppenbewegungen  sind  hier 
ausgeschlossen."  v.  d.  Goltz,  Thessal.  Krieg,  S.  209.  —  Über  die  Zeitbestimmungen 
s.  Beilagen  S.  110. 

2)  Liv.  33,  3,  10.  5,  1.  —  Der  Übergang  erfordert  nur  rund  250  Meter 
Steigung.  Der  See  von  Dankli  liegt  463,  der  höchste  Punkt  auf  dem  Wege  über 
Gientziki  711  Meter.  Es  gibt  auch  noch  andere  ebenso  bequeme  Übergänge, 
s.  Ussing,   Reisen.    S.  114  f. 


3.  Der  Feldzug  vom  Jahre  197.  Q\ 

im  Anmarsch  seien1).  Dann  ging  er  eine  kleine  Strecke  nördlich 
von  Theben  vor  und  schlug  50  Stadien  südlich  von  Pherä  sein  erstes 
kriegsmäfsiges  Lager  in  diesem  Feldzuge  auf2).  Die  Örtlichkeit  läfst 
sich  nach  der  Angabe  des  Polybios  genau  bestimmen.  Zwei  Höhen- 
züge ziehen  sich  hier  in  westöstlicher  Richtung  hin,  der  südliche  ein 
Ausläufer  des  Kassidiarigebirges,  die  sogenannte  Ziriagiotische  Höhe, 
der  nördliche  ein  Ausläufer  des  Karadagh.  Zwischen  beiden  bleibt 
eine  kleine  Talebene  frei,  in  welcher  das  kleine  Dörfchen  Persuphli 
liegt.  Hier  am  Nordhange  des  Ziragiotischen  Zuges,  8  bis  9  Kilometer 
südlich  von  Welestino,  ist  das  Lager  anzusetzen3).  Man  hatte,  wie 
das  die  römische  Lagerkunst  liebte,  die  Höhe  hinter  sich,  Ebene 
und  Wasser  vor  sich.  Zwischen  dem  Heere  und  der  Ebene  von 
Welestino  lag  nur  noch  der  eine  der  beiden  Hügelrücken. 

Die  Nachrichten  vom  Feinde  waren  zutreffend  gewesen.  In  der 
Tat  war  Philipp  gleich  auf  die  erste  Kunde  vom  Einmärsche  der 
Römer  in  Thessalien  von  der  Stadt  Dion  aus,  wo  er  seine  Armee 
gesammelt  und  seine  Rekruten  einexerziert  hatte,  durch  den  Tempe- 
pafs  nach  Larissa  vorgegangen.     (Liv.  33,  3,  6.    6,  3.) 

Er  hatte  16000  Mann  Phalangiten,  Peltasten,  Thrakier  und  Illyrier 
je  2000  Mann,  1500  Mann  andere  Söldner  und  2000  Reiter,  im 
ganzen  also  23500  Mann  zu  Fufs  und  2000  Reiter  (Beilage  I  S.  102). 
Die  beiden  operierenden  Armeen  waren  einander  also  fast  vollständig 
gleich.  Auf  die  weitere  Nachricht,  dafs  die  Römer  bei  Theben  ständen, 
hatte  der  König  sofort  den  Vormarsch  auf  Pherä   angetreten4)  und 


!)  Polyb.  XVIII  18  (1):  Gaqwg  tldwg  oiv  nccQSiötv  lg  ©nrcdiav.  Liv.  33,  5  — 
6,  2.  —  Von  hier  ab  ist  die  Übersetzung  des  vollständigen  Polybianischen  Be- 
richtes im  Anhange  S.  88  ff.  gegeben,  den  man  überall  da  vergleichen  möge, 
wo  der  griechische  Text  nicht  in  d.  A.  beigefügt  ist. 

2)  Pol.  XVIII  19,  1:  anoa/cov  Jf  7i£QL  ntviy]7.ovxa  Gradia  rrjg  iiov  <t3£Qcti(av 
nöhcog.     Liv.  33,  6,  2  entsprechend  sex  ferme  milia. 

3J  Welestino  liegt  genau  auf  der  Stelle  des  alten  Pherä  (Bursian  I  69. 
Lolling,  Baedecker  S.  225).  Von  hier  bis  zum  südlichen  Talrande  der  Ebene  von 
Persuphli  sind  7  Kilometer  Luftlinie,  was  bei  der  zu  überwindenden  Steigung 
von  etwa  145  Meter  einer  Wegelänge  von  8 — 9  Kilometern  (50  Stadien  =  8,87  Kilo- 
meter) entspricht.     So  schon  richtig  Leake  IV  452. 

4)  Polyb.  XVIII  19,  3:  nvvdavöutvog  rovg  Pitifiafovs  öTQcaonefeveiv  7isqI  ic<g 
Grjßag  Igdoccg  uno  rrjg  AaQiGOr\g.  Livius  übersetzt  das  ungenau  und  fehlerhaft: 
circa  Larissam  erat  rex.  certior  iam  factus  Romanum  ab  Thebis  Pheras 
movisse  ...    ducere    ad    hostem    pergit.     Natürlich   konnte  Philipp   nicht  vom 


62  l^el"  zweite  Makedonische  Krieg. 

nach  einem  Wege  von  etwa  30  Kilometern  30  Stadien  von  Pherä, 
d.  h.  5l  Kilometer  nordöstlich  von  Welcstino,  etwa  in  der  Gegend  des 
Dorfes  Teltiktschi  Halt  gemacht1). 

Das  war  an  demselben  Tage  geschehen,  an  welchem  Flamininus 
bis  Persuphli  vorgegangen  war2);  die  Armeen  standen  nur  noch  drei 
Stunden  Wegs  auseinander.  Am  folgenden  Morgen  setzte  Philipp 
seinen  Marsch  fort,  bis  seine  Vorhut  auf  der  Pafshöhe  der  er- 
wähnten Hügelkette  (etwa  225  Meter  üb.  Meer)  auf  eine  Erkundungs- 
truppe des  Gegners  stiefs.  Man  machte  beiderseits  Halt  und  schickte 
Meldung  an  die  Vorgesetzten.  Auf  diese  Nachricht  hin  stellte  der 
König  seinen  Vormarsch  ein  und  ging  wie  es  scheint  in  sein  altes 
Lager  zurück3).     Die  Entscheidung  schien  unmittelbar  bevorzustehen. 

Indessen  zeigte  das  Aufklärungsgefecht  von  Reitern  und  Leicht- 
bewaffneten, welche  sich  am  folgenden  Tage  nordwestlich  von  Pherä 
trafen4),  dafs  das  Gelände  hier  für  eine  offene  Feldschlacht  nicht  ge- 

Aufbruch  des  Flamininus  gegen  Pherä  in  Larissa  Nachricht  erhalten  haben  und 
doch  zu  gleicher  Zeit  mit  ihm  bei  Pherä  eintreffen.  Livius  hat  nicht  überlegt, 
dafs  die  Überbringung  der  Nachricht,  der  Aufbruch  des  makedonischen  Heeres 
und  der  Marsch  mindestens  zwei  Tage  in  Anspruch  nahmen.  An  solchen  kleinen 
Zügen  erkennt  man  den  grofsen  Unterschied  in  der  Darstellung  des  Livius 
und  des  Polybios.  An  eine  selbständige  Quelle  des  Livius  ist  natürlich  nicht 
zu  denken. 

1)  Pol.  XVIII  19  4:  unoöxwv  7zsqI  TQuixovTct  orudta.  Entsprechend  Livius 
33,  G,  4:  IV  milia  fere. 

2)  Das  folgt  daraus,  dafs  das  von  Flamininus  am  ersten  Tage  nach  der 
Ankunft  bei  Persuphli  {y.aia  dt  ttjv  Iniovoav  Pol. XVIII  19,  2  abgeschickte  Rekognos- 
zierungskorps auf  der  Pafshöhe  mit  Philipps  am  Tage  nach  der  Ankunft  bei 
Teltiktschi  {pno  %r\v  ico&iv^v  ib.  5)  vorgehenden  Spitze  zusammentraf. 

3)  Diese  Bewegung,  von  der  vielleicht  in  der  Lücke  Pol.  XVIII  19,  8  die  Rede 
gewesen  ist,  mufs  man  deshalb  annehmen,  weil  das  Reitergefecht  des  folgenden 
Tages  nordwestlich  von  Pherä  stattgefunden  hat  (s.  folg.  A.).  —  Dafs  die  Stadt 
Pherä  bei  diesen  Bewegungen  gar  keine  Rolle  spielt,  ist  auffallend.  Die  Stadt, 
welche  im  Vorjahre  Philipp  die  Tore  geschlossen  hatte,  scheint  sich  auch  damals 
neutral  gehalten  zu  haben.  Da  sie  offenbar  beiseite  liegen  geblieben  ist,  habe 
ich  nicht  mit  Leake  (N.  G.  IV  441)  das  Lager  des  Philipp  bei  Rhisomylo  nördlich, 
sondern  bei  Teltiktschi  nordwestlich  von  Welestino  angenommen.  Die  vntQßoXai 
des  Polybios  (XVIII 19,  6)  wären  dann  auch  nicht  südlich  oder  südöstlich  von  Pherä, 
zu  suchen,  wo  heutzutage  Bahn  und  Strafse  die  Höhen  überschreiten,  sondern 
südwestlich  oder  westlich  auf  dem  Gefechtsfelde  der  Schlacht  von  Welestino  im 
Jahre  1897. 

4)  Pol.  XVIII  19,  10:  inl  Tade  twv  ^tgcov  cog  tiqos  ytccQtoaav.  Vergl  die 
Bemerkung  von  Büttner- Wobst  zu  der  betr.  Stelle  im  Anhange.     S.  89  A.  2. 


3.  Der  Feldzug  vom  Jahre  197.  63 

eignet  sei.  Der  starke  Anbau  in  der  Nähe  der  grofsen  Stadt,  Hecken 
und  Gärten  machten  es  für  freie  Entfaltung  der  Truppen  untauglich, 
und  so  beschlofs  Philipp,  der  sich  auch  hier  wiederum  durchaus  die 
Vorhand  wahrte,  die  Gegend  zu  verlassen  und  ein  offenes  Gelände 
zu  suchen.  Die  Römer  folgten.  Am  dritten  Marschtage  kam  es  zur 
Entscheidungsschlacht  bei  Kynoskephalä. 

Wo  lag  diese  Örtlichkeit?  Das  ist  die  Frage,  deren  Beant- 
wortung uns  zunächst  zu  beschäftigen  haben  wird.  Denn  so  leicht 
und  sicher  wie  bisher  die  Lokalisierung  der  Operationen  gewesen 
ist,  so  schwierig  und  unsicher  scheint  sie  sich  für  die  folgenden  Er- 
eignisse zu  gestalten. 

Philipp  —  so  berichtet  uns  Polybios  —  rückte  in  der  Richtung 
auf  Skotussa  vor,  um  in  dem  fruchtbaren  Kornlande  dieser  Stadt  sein 
Heer  ungestört  zu  verproviantieren  und  dann  vor  Ankunft  der  Gegner 
ein  günstiges  Schlachtfeld  für  seine  Armee  zu  suchen1).  Er  erreichte 
am  ersten  Tage  den  Flufs  Onchestos,  am  zweiten  das  nach  Lage  und 
Charakter  unbekannte  Melambion  im  Gebiete  von  Skotussa  (vfjg  Ixo- 
Tovooalag).  Flamininus  anderseits  durchschaute  die  Absicht  des  Königs 
und  brach,  um  seine  Furagierungen  zu  hindern,  gleichfalls  ungesäumt 
ins  Gebiet  von  Skotussa  auf2).  Er  kam  am  ersten  Tage  bis  Eretria 
und  machte  am  zweiten  in  der  Gegend  des  Thetideons,  im  Gebiete 
von  Pharsalos  (vfjg  <PaQOaXiag),  Halt.  Zwischen  beiden  Heeren  lagen 
während  dieses  zweitägigen  Marsches  bedeutende  Erhebungen3), 
so  dafs  sie  keine  Fühlung  miteinander  hatten.  Am  dritten  Tage 
entspann  sich  aus  einem  Begegnungsgefecht  auf  dieser  Hügelkette 
die  Schlacht  von  Kynoskephalä4). 

Voraussetzung  für  die  Bestimmung  des  Schlachtfeldes  ist  es 
natürlich,  festzustellen,  wie  dieser  berühmte  und  von  Polybios  so  an- 
schaulich geschilderte  Parallelmarsch  in  seinen  einzelnen  Etappen  zu 
lokalisieren  sei. 

Dafs  dieser  Marsch  beider  Heere  im  allgemeinen  nach  Westen 


*)  Pol.  XVIII  20,  2:  i/ioKfto  ttjv  noQtlav  utg  ln\  rqv  2xoTovaoav  antvöcov  ix 
Tavirjs  Tr\g  noXewg  lyoö'tdGUG&cu,  justcc  dt  reevra  ytvopevog  €VTQ8ni]g  fotßtiv  jonovg 
ttQ/ui6£ovTug  TctTg  kvtov  övvd/usGiv. 

2)  vnoTiTEvGccg  zö  fxelXov  h.ivu  ttjv  övvctfiiv  apee  rw  <f>ikin7io)  Gnzvdwv  tiqo- 
y.uTuifSiiQcu  toj>  Iv  irj  JSxoiovGGcttcc  gltov. 

5)  o%9cov  viprjlwv. 

4)  s.  den  ganzen  Bericht  im  Anhang  S.  89  f. 


04  Der  zweite  Makedonische  Krieg-, 

gerichtet  war,  ist  ohne  weiteres  deutlich.  Liegt  doch  sowohl  Sko- 
tussa,  das  von  Leake  richtig  am  Westabhange  des  Karadagh  eine 
halbe  Stunde  von  Supli  angesetzt  ist1),  als  auch  Pharsalos  westlich 
von  Pherä2). 

Aber  im  einzelnen  ist  alles  unklar,  da  von  Pherä  westlich 
nicht,  wie  man  nach  Polybios'  Worten  vermuten  könnte,  eine  einzelne 
Hügelkette  sich  hinzieht3),  sondern  hier  ein  ganzes,  kompliziertes 
Hügel-  oder  vielmehr  Bergland  liegt.  Das  ist  der  sogenannte  Kara- 
dagh, der  höchste  Teil  jener  langgestreckten  breiten  und  keineswegs 
unbedeutenden  Bodenerhebung,  welche  in  verschiedenen  einzelnen, 
mehr  oder  weniger  zusammenhängenden  Berggruppen  vom  Busen  von 
Volo  an  bis  zum  mittleren  Peneos  hin  ganz  Thessalien  in  nordwest- 
licher Richtung  durchquert  und  es  in  die  beiden  grofsen  Ebenen  von 
Larissa  einerseit  und  Pharsalos,  Karditza,  Trikkala  anderseits  zer- 
legt.    Dieser  Karadagh   hat    nun    bei    einer  annähernd  kreisrunden 


*)  N.  Gr.  IV  454  ff.  —  Einzelne  Tore  und  der  Mauerzug  sind  auf  weite 
Strecken  erkennbar.  Das  Halbrund  ferner  des  Theaters  am  Südabhange  und 
eine  andere  längliche  Mulde,  die  ein  Stadion  gewesen  sein  könnte,  sind  noch 
deutlich  zu  sehen.  —  Übrigens  liegt  die  Stadt  nicht  am  Nordabhange  des  Kara- 
dagh, wie  Bursian  I  70  angibt,  sondern  am  Westabhange,  und  nicht  eine  halbe 
Stunde  südlich,  sondern  westlich  vom  Dorfe  Supli. 

2J  Damit  erledigt  sich  ohne  weiteres  Pouquevilles  Ansicht,  der  die  Schlacht 
(IH  68  ff.)  am  Westabhang  des  Pelion  suchte,  und  ebenso  die  von  Dodwell  (Übers. 
v.  Sickler  II  1,  211)  der  an  die  Gegend  von  Domoko  dachte.  Richtiger  urteilen 
Holland,  Gell  (S.  285),  Vaudoncourt  (Memoires  S.  154.  390.  464),  welche  die 
Schlacht  ohne  nähere  Bestimmung  östlich  von  der  Strafse  Pharsalos— Larissa  ver- 
mutet haben. 

3)  So  fafst  Ihne  (Rom.  Gesch.  III  43)  in  der  Tat  die  Sache  auf,  wenn  er 
sagt:  „Eine  niedere  Hügelkette,  die  ,Hundsköpfe'  (Kynoskephalä)  genannt,  zog 
sich  in  der  Richtung  von  Pherä  nach  Skotussa,  und  durch  diese  Hügel  vonein- 
ander getrennt,  marschierten  die  Makedonier  und  Römer  zwei  Tage  lang  hart 
nebeneinander  her,  ohne  sich  zu  sehen  und  eine  Ahnung  zu  haben,  dafs  ein  Zu- 
sammenstofs  fafst  unvermeidlich  war.  Hätte  hier  ein  Hannibal  den  Römern 
entgegengestanden,  so  wäre  ihnen  schwerlich  das  Schicksal  des  unglücklichen 
Flaminius  am  Trasimenischen  See  erspart  worden.  Allein  Philipp  wufste 
weder  das  Terrain  noch  die  Fahrlässigkeit  des  römischen  Feldherrn  zu  benutzen, 
der  trotz  seiner  zahlreichen  vortrefflichen  und  des  Landes  kundigen  Reiterei  die 
Fühlung  mit  dem  Feinde  ganz  verloren  hatte  und  wie  ein  Blinder  umhertappte." 
Die  Unkenntnis  des  Geländes  hat  hier  zu  einer  völlig  verfehlten  Kritik  beider 
Heerführer  verleitet. 


3.  Der  Feldzug  vom  Jahre  197.  65 

Grundfläche  eine  Breite  und  Länge  von  rund  20 — 25  Kilometer1) 
und  bildet  ein  welliges,  zum  Teil  felsiges  Bergland  mit  einer  Anzahl 
von  unregelmäfsig  nach  verschiedenen  Richtungen  verlaufenden  Tälern 
und  Bergzügen,  deren  höchste  Spitzen  bis  zu  525,  600,  ja  bis  zu 
850  Metern  aufragen. 

In  ihm  ist  bisher  stets  das  Schlachtfeld  von  Kynoskephalä  an- 
gesetzt worden.  Der  Urheber  dieser  Ansicht  ist  Leake  (IV  473  ff. 
auch  459  f.)  dem,  soweit  ich  sehe,  alle  Neueren  gefolgt  sind2). 

Philipp  —  so  führt  dieser  scharfe  Beobachter  aus  —  hatte 
die  Absicht,  nördlich  um  den  Karadagh  herumzumarschieren.  Er 
zog  daher  von  seinem  Lager  bei  Pherä  nach  Nordwesten  in  der  Rich- 
tung auf  Larissa  ab  und  erreichte  am  ersten  Tage  die  Gegend  von 
Ghereli,  welches  ungefähr  11  Kilometer  von  Welestino  an  einem 
kleinen,  dem  Karlasee  zuströmenden  Flüfschen  liegt.  Dies  Flüfschen 
ist  ihm  daher  der  Onchestos  des  Polybios.  Am  zweiten  Tage  gelangt 
der  König  bis  Dedejani  etwa  6  Kilometer  von  Ghereli,  und  hier  liegt 
demzufolge  das  Melambion  des  Polybios.  Den  Weitermarsch  um  den 
Karadagh  hindert  am  dritten  Tage  der  Nebel,  und  deshalb  sendet 
der  König  seine  Vorhut  direkt  in  der  Richtung  Skotussa  auf  die 
Höhen  zwischen  Supli  und  Gheremi,  wo  sich  die  Schlacht  entspinnt. 
Denn  Flamininus  ist  nach  einem  zweitägigen  Marsche  merkwürdiger- 
weise auch  gerade  in  diese  Gegend  des  nördlichen  Karadagh  ge- 
kommen. Er  hat  zwar  seinen  Marsch  am  Südfufse  dieses  Gebirges 
entlang  genommen  und  am  ersten  Tage  das  Dorf  Tschangli  erreicht, 
in  dessen  Nähe  sich  bedeutende  Ruinen  einer  antiken  Stadt  befinden, 
welche  von  Leake,  ohne  Zweifel  mit  Recht,  für  die  Reste  des  alten 
Eretria  erklärt  worden  sind3);     er   ist  dann   am  zweiten  bis  Orman 


!)  Man  kann  als  Südgrenze  des  Gebirges  die  Einsenkung  betrachten,  welcher 
die  Bahnlinie  Welestino — Pharsalos  folgt,  also  die  Linie  Eretria — Persuphli;  als 
Nordende  etwa  die  Gegend  von  ßektsiler  und  Hadschi  Obasi.  Im  Osten  gehen 
die  Ausläufer  bis  in  die  Nähe  von  Welestino,  im  Westen  ist  die  Grenze  des 
eigentlichen  Gebirges,  welches  sich  hier  als  Hügelland  weiter  fortsetzt,  etwa  in 
einer  Linie  anzusetzen,  die  westlich  von  Skotussa  über  Arnautli  und  Alkani  von 
Norden  nach  Süden  streicht. 

2)  Mommsen,  R.  G.  1711.  Ihne,  R.  G.  III  43.  Niese,  Gesch.  d.  gr.  u.  m. 
Staaten  II  629.  Bursian,  Geogr.  v.  Gr.  171.  Lolling  bei  Müller,  Hdb.  III  und 
bei  Baedeker  S.  231.     Kiepert,  Atlas.     Heuzey,  Operations  S.  126  f. 

3)  a.  a.  0.  S.466.  So  auch  0.  Kern,  Neue  Jahrb.  f.  klass.  Altert.  Bd.  13,  S.  17 
(1904)  und  Georgiades  S.  217.   Beschreibung  bei  Leake,  Ussirig  (S.  93),  Georgiades. 

Kromayer,  Antike  Schlachtfelder.     H.  5 


Cyß  Der  zweite  Makedonische  Krieg. 

Magula  gekommen,  wo  das  Thetideon  von  Leake  vermutet  wird, 
aber  er  ist  trotzdem  am  dritten  quer  durch  den  Karadagh  fast  in 
der  entgegengesetzten  Marschrichtung  zwölf  Kilometer  weit  über  Berg 
und  Tal  marschiert,  nur,  wie  es  scheint,  um  in  dem  felsigsten  und 
ungeeignetsten  Teile  des  ganzen  Gebirges  mit  Philipp  zum  Schlagen 
zu  kommen. 

Es  ist  kaum  nötig,  an  dieser  Ansetzung  Leakes  noch  eingehende 
Kritik  zu  üben  und  ausdrücklich  zu  bemerken,  dafs  die  Hypothese 
vom  Marsche  um  den  Karadagh  sich  auf  eine  falsche  Lesart  des 
Polybios  stützt1),  und  dafs  so  winzige  Märsche  von  6  bis  7  Kilometern, 
wie  Leake  sie  für  Philipp  ansetzt2),  mit  dem  Vorhaben  des  Königs, 
sich  dem  Gegner  zu  entziehen  und  ungestört  zu  furagieren,  in  Wider- 
spruch stehen,  dafs  ferner  Flamininus  die  Absicht  Philipps,  auf  Sko- 
tussa  zu  marschieren,  unmöglich  hätte  erraten  können,  wenn  der 
König  die  Route  nach  Larissa  eingeschlagen  und  am  ersten  Tage 
sein  Lager  bei  Ghereli  in  der  Ebene  des  Karlasees  genommen  hätte. 

Der  gewissenhafte  Forscher  sagt  uns  selber,  wie  er  zu  allen 
diesen  Wunderlichkeiten  gekommen  ist: 

„Der  felsige  Kamm  des  Karadagh  an  beiden  Seiten  von  Gheremi 
und  bis  zu  den  Höhen  oberhalb  Supli  scheint  der  Kampfplatz  ge- 
wesen zu  sein;  denn  hier  allein"  —  so  meint  er  —  „sind  einige 
solche  felsige  Partien  zu  finden,  welche  nach  Polybios  die  Aufstellung 
der  Phalanx  hinderten,  während  der  ganze  Rücken,  welcher  das 
Tal  von  Pharsalos  von  den  Ebenen  von  Krannon  und  Skotussa  trennt, 
einen  allmählich  ansteigenden,  sanften  und  glatten  Abhang  bildet." 
(IV  464). 

Die  topographische  Tatsache,  dafs  felsige  Partien  sich  nur  im 
Karadagh  finden,  ist  richtig,  aber  gerade  deshalb  Leakes  Schlufs, 
dafs  hier  die  Schlacht  stattgefunden  haben  müsse,  unzutreffend. 
Denn  Polybios  spricht  von  felsigem  Gelände  bei  der  Schlacht  von 
Kynoskephalä    überhaupt    nicht,    sondern    nur   von  Hügeln,    welche 


*)  Leake  las  Polyb.  XVIII  20  (3)  8:  nagtet.  Schon  Reiske  hat  hier  das 
richtige  tiqo^i  hergestellt,  und  die  neueren  Herausgeber  sind  ihm  gefolgt. 

2)  Auch  wenn  man  Philipps  Lager  mit  Leake  bei  Risomylo  ansetzt,  er- 
geben sich  für  den  ersten  Tag  nur  etwa  9  Kilometer.  Dazu  kommt  die  Unbe- 
greiflichkeit, dafs  Philipp  am  ersten  in  nordwestlicher  Richtung  auf  Ghereli  und 
am  zweiten  im  rechten  Winkel  zurück  nach  Dedejani  marschiert  sein  soll.  In- 
dessen trifft  dafür  Leake  keine  Schuld:  seine  Karte  zeigt,  dafs  er  von  der  Lage 
von  Dedejani  eine  falsche  Vorstellung  hatte. 


3.  Der  Feldzug  vom  Jahre  197.  67 

in  Anbetracht  der  Schwerfälligkeit  der  makedonischen  Phalanx  rauh, 
uneben  und  hinlänglich  hoch  gewesen  seien,  um  eine  Schlacht  auf 
solchem  Gelände  zwar  unerwünscht,  doch  nicht  unmöglich  erscheinen 
zu  lassen1).  Was  für  eine  Art  von  Gelände  wir  uns  aber  vorzu- 
stellen haben,  wenn  auf  ihm  die  Phalanx  überhaupt  noch  operations- 
fähig sein  soll,  das  ist  ja  früher  ausführlich  erörtert  worden  (Bd.  I, 
S.  325),  und  so  brauche  ich  hier  denn  nur  zu  konstatieren,  dafs  nicht 
nur  die  Felspartien  bei  Supli  und  Gheremi  ungeeignet  sind,  sondern 
überhaupt  das  ganze  eigentliche  Gebirgsland  des  Karadagh  iür 
eine  Phalanxschlacht  überhaupt  nicht  in  Betracht  kommen  kann2). 
Damit  fällt  Leakes  Hypothese.  Wir  müssen  eine  andere  Ansetzung 
suchen. 

Auch  für  uns  müssen  natürlich  die  Stellungen  der  Heere  bei 
Welestino  den  Ausgangspunkt  bilden.  Von  hier  aus  wollten  beide, 
wie  erwähnt,  in  das  Korn  1  and  von  Skotussa.  Wo  ist  das  zu 
suchen?  Im  Karadagh  nicht.  Denn  abgesehen  von  dessen  höherer 
Lage  ist  hier  der  Boden  fast  überall  steinig,  sandig  und  mager 
Er  ist  jetzt  mit  spärlichem  Gestrüpp,  Wald  und  Wiesen  bedeckt  und 
kann  nie  ein  gutes  Kornland  gewesen  sein  °). 


2)  Pol.  XVIII  22  (5),  9:  ol  .  .  Xoifoi  xaXovvrai  fikv  Kwbg  Ketfalai,  tqcc%hs  <T 
alalv  xcu  7TSQiy.£xlttGU£vcti  xai  nqbg  vipog  Ixavbv  avarsivorreg.  Daher  findet  Philipp 
zwar  die  Örtlichkeit  nicht  gerade  günstig  (ovx  evdoxov/jfvog  rotg  ronoig)  und 
sieht  Schwierigkeiten  für  die  Phalanx  voraus  (nQooQw/utyog  ir\v  ^ua^Q^aTiav  idv 
lönuiv),  aber  er  schätzt  diese  Hindernisse  nicht  so  hoch  ein,  dafs  sie  die  Tätigkeit 
der  Phalanx  unmöglich  machten,  und  sie  waren  es  in  der  Tat  nicht,  wie  ja  der 
Verlauf  der  Schlacht  zeigt.  Speziell  das  Wort  neQixexlctGjLitvog,  welches  vielleicht 
die  Idee  eines  felsigen  Geländes  erwecken  könnte,  wird  von  Polybios  einfach  für 
„uneben"  gebraucht.  So  heifst  es  z.  B.  IX  26,  7  (21,  7),  dafs  Städte  die 
ßouiojöeig  und  neQixexXao/usvai  seien,  nicht  mehr  Häuser  fassen  könnten,  als  Ini- 
nidai  derselben  Gröfse,  wo  nur  an  „welliges"  Terrain  im  Gegensatz  zu  ebenem 
gedacht  werden  kann,  weil  „zerifsenes"  Gelände  in  diesem  Zusammenhang  ohne 
Sinn  wäre.  Ähnlich  ist  III  104,  4  bei  den  Kämpfen  von  Gerunium  die  Rede  von  Hügeln, 
welche  nolkctg  nfQixkdaeig  xal  xoiloirjTccg  haben  und  daher  für  einen  Hinterhalt 
von  mehreren  tausend  Mann  geeignet  sind.  Auch  hier  handelt  es  sich  um  Boden- 
faltungen, nicht  um  schroffe  Abstürze. 

2)  Wohl  im  Gefühle  dieser  Ungereimtheit  spricht  deshalb  Mommsen  von 
einem    „Plateau    des    Karadagh"    als    Sshlachtfeld   (R.  G.   I  711).     Das    gibt    es 

aber  nicht. 

3)  So  auch  schon  Leake,   N.  Gr.  IV  454   und  464.     Er   ritt  von   Skotussa 

südöstlich  nach  Duvlatan.     Ich  bin  von  Alkani  am  Westfufse  des  Karadagh  quer 
durch  das  Gebirge  über  Supli  nach  Welestino  geritten. 

5* 


(jg  Der  zweite  Makedonische  Krieg. 

Ganz  anders  aber  wird  die  Gegend  westlich  von  Skotussa.  In 
prächtig  sicherer  Lage  auf  einem  kleinen  Plateau,  das  wie  eine 
Halbinsel  auf  drei  Seiten  von  zwei  sich  vereinigenden  Tälern  umfafst 
wird,  liegt  diese  Stadt  am  Westabhange  des  Gebirges  gerade  da,  wo 
sich  die  steileren  Berge  zum  flacheren  Hügelland  absenken.  Ihr 
Gebiet  mufs  von  dieser  Waldgrenze  an  weit  nach  Westen  in  das 
Hügelland  hineingereicht  haben.  Denn  die  nächste  Nachbarin  Krannon 
lag  28  Kilometer  entfernt.  Und  hier  ist  es  eben,  wo  sich  der  fetteste 
und  fruchtbarste  Boden  auszubreiten  beginnt.  Die  Gegend  westlich 
vom  Karadagh  also  war  das  nächste  Marschziel  beider  Heere.  Zu 
ihr  führen  nun  von  Welestino  aus  zwei  Wege. 

Der  eine  geht  am  Südabhange  des  Gebirges  hin  und  folgt  der 
breiten  und  bequemen  Senkung,  die  jetzt  von  der  Eisenbahn  benutzt 
wird  und  in  die  Ebene  des  Kutschuk-Tschanarli,  des  alten  Enipeus, 
mündet.  Das  war  der  gegebene  Weg  für  Flamininus,  der  ja  sein 
Lager  bereits  in  dieser  selben  Senke  aufgeschlagen  hatte  (S.  61). 

Der  andere  führt  mitten  durch  den  Karadagh.  Denn  auch  hier 
zieht  sich,  nordwestlich  von  Welestino  beginnend  eine  starke  Boden- 
senkung gerade  auf  Skotussa  zu,  die  das  ganze  Gebirge  in  eine  nörd- 
liche und  südliche  Hälfte  teilt.  Sie  war  der  natürliche  Weg  für  ein 
Heer,  das  von  Pherä  nach  Skotussa  wollte,  und  bietet  so  gut  wie  keine 
militärischen  Schwierigkeiten.  Die  Karten  geben  diese  Senke  mangelhaft 
an.  Der  Weg  führt  bei  dem  kleinen  Dorfe  Taktalasman  ins  Gebirge 
hinein,  geht  am  Kawaki  entlang,  einem  Flufsbette,  das  ich  selbst  im 
April,  als  ich  den  Weg  ritt,  vollkommen  trocken  fand,  hebt  sich 
ganz  allmählich  steigend  in  einem  fast  durchgängig  200  Meter  breiten 
Wiesental  und  erreicht  in  31  bis  4  Stunden  von  Welestino  aus  eine 
Pafshöhe,  die  nur  309  Meter  über  der  Ebene  gelegen1)  und  noch 
eine  kleine  Stunde  von  Skotussa  entfernt  ist2).  Dann  senkt  sich  der 
Weg  wieder  und  erreicht,  das  Dorf  Supli  rechts  lassend,  das  einzige 
Gewässer  in  dieser  Gegend,  welches  auf  den  Namen  eines  Flusses 
allenfalls  Anspruch  machen  kann.     Es  ist  das  der  kleine  Bach,  welcher 


1)  Nach  meiner  Barometerbeobachtung.  Da  die  Höhe  der  Ebene  bei 
Welestino  nach  der  österr.  Karte  80  Meter  beträgt,  würde  sich  eine  absolute  Höhe 
von  389  Meter  ergeben. 

2)  Man  kann  auch  etwas  südlicher  über  Gheremi  oder  nördlicher  über 
Dedejani  in  anderen  Tälchen  reiten.  Alle  Wege  treffen  aber  auf  der  Pafshöhe  kurz 
vor  Supli  zusammen. 


3.  Der  Feldzug  vom  Jahre  197,  69 

bei  Supli  entspringend,  in  westlicher  Richtung  abfliefst  und  nördlich  von 
Skotussa  die  tief  eingerissene  Schlucht  bildet,  welche  das  Stadtplateau 
begrenzt.  Durch  mehrere  kleine  Rinnsale  verstärkt,  wird  er  dann 
unterhalb  der  Stadt  zu  einem  kleinen  Flüfschen,  dessen  Ufer  von 
Reihen  knorriger  alter  Platanen  begleitet  sind.  Bei  Kusbasan  ist  er 
stark  genug,  einige  Mühlen  zu  treiben  (Leake  IV  454),  und  in  nord- 
östlichem Laufe  erreicht  er  endlich  von  hier  aus  den  Karlasee. 

Dies  mufs  der  Onchestosflufs  des  Polybios  sein.  Es  findet  sich 
hier  kein  anderes  Wasser,  welches  diesen  Namen  getragen  haben 
könnte,  und  hier  in  der  Gegend  nördlich  oder  nordwestlich  von 
Skotussa  selber  ist  daher  das  zweite  Lager  des  Königs  Philipp  anzu- 
setzen. Vom  Lager  der  Makedonier  bei  Pherä  bis  hierher  sind  etwa 
20  Kilometer,  also  für  eine  Armee  von  gegen  30000  Mann  und  durch 
doch  immerhin  gebirgiges  Gelände  eine  normale  Tagesleistung1). 

Damit  hatte  der  König  in  einem  Marsch  die  Grenze  desjenigen 
Gebietes  erreicht,  in  welchem  er  ungestört  furagieren  wollte.  Ein 
Halt  im  Gebirge  hätte  nicht  den  geringsten  Zweck  gehabt. 

Mit  dieser  Feststellung  haben  wir  zugleich  die  östliche  Grenze 
für  das  Gebiet  gefunden,  in  dem  das  Schlachtfeld  gelegen  haben 
mufs,  eine  Linie,  welche  westlich  an  Skotussa  vorbei  von  Norden 
nach  Süden  etwa  über  die  Flecken  Arnautli  und  Alkani  läuft.  Denn 
der  Marsch  des  folgenden  Tages  mufste  natürlich  den  König  noch 
weiter  westlich  in  das  Getreideland  hineinführen.  Wie  weit,  ist  zu- 
nächst schwer  zu  sagen,  da  über  die  Lage  des  Melambions,  des 
Marschzieles  des  zweiten  Tages,  nichts  bekannt  ist. 

Indessen  führt  uns  eine  genaue  geographisch-militärische  Be- 
trachtung hier  vielleicht  doch  auch  zum  gewünschten  Ziele. 

Wer  von  den  Bergen  bei  Skotussa  in  die  Hügellandschaft  hinab- 
steigt, dem  bietet  sich  ein  Anblick,  wie  man  ihn  in  Griechenland  nicht 
häufig  findet.  Wie  ein  flachgewölbter  Sattel  von  durchschnittlich  8  Kilo- 
meter Breite  und  etwa  15  Kilometer  Länge  zieht  sich  von  den  Höhen  des 
Karadagh  im  Osten  zu  den  steinigen  Bergen  des  Mavrovuni  (568  Meter) 
und  des  südwestlich  anstofsenden  Doghandschi  (651  Meter)  im  Westen 
hinüber  ein  flaches  Hügelland,  erst  langsam  sinkend  bis  zum  tiefsten 


')  15  bis  20  Kilometer  gelten  bei  den  meisten  europäischen  Staaten  als 
Normalleistung  für  ein  Armeekorps,  s.  m.  Partherzug  des  Antonius,  Hermes  31 
S.  97,  wo  die  bezüglichen  Angaben  zusammengestellt  sind. 


7()  Der  zweite  Makedonische  Krieg. 

Tunkte  in  der  Mitte,  dann  sich  wieder  hebend,  nach  Norden  all- 
mählich in  die  Ebene  von  Larissa,  nach  Süden  in  die  von  Pharsalos 
übergehend.  Keine  schroffe  Felsmasse  hält  hier  den  Blick  auf,  der 
an  den  langen  Linien  mit  Wohlgefallen  hingleiten  kann,  wenn  er, 
ermüdet  von  Griechenlands  krausen  Felsgebirgen,  einmal  ausruhen 
möchte  auf  hemmnislosen  Flächen. 

Man  könnte  sich  hier  in  das  lothringische  Hügelland  versetzt 
glauben:  wie  dort  wogende  Ährenfelder,  die  aus  schwerem  Lehm- 
boden ihre  Nahrung  ziehen,  wie  dort  sanft  gewellte,  einförmige 
Rücken  ohne  stark  ausgeprägte  Hauptrichtung,  nur  durchzogen 
von  leichten  Talfurchen,  die  sich  nach  allen  Seiten  hin  zwischen  den 
breiten,  geneigten  Flächen  hinschlängeln,  meist  aber  eine  nördliche 
oder  südliche  Richtung  haben,  je  nachdem  sie  zur  Ebene  von  Larissa 
oder  Pharsalos  hinabführen.  Diese  Erosionstälchen,  welche  sich  ali- 
mählich bis  an  den  Kamm  zurückgefressen  haben,  sind  schuld  daran, 
dafs  der  letztere  nicht  wie  eine  gerade  fortlaufende  Linie  erscheint, 
sondern  dafs  einzelne  stehengebliebene  Kuppen  und  Rücken  über  ihn 
hinausragen.  Die  ganze  so  geschilderte  Einsattelung  mit  Ein- 
schlufs  der  begrenzenden  Gebirge  des  Karadagh  und  der  Mavrovunia 
waren  die  Kynoskephalä  der  Alten.  Im  Sattellande  selbst  aber  haben 
wir  das  Schlachtfeld  zu  suchen.  Nicht  nur  pafst  es  seinem  all- 
gemeinen Charakter  nach  durchaus  zu  den  erzählten  Vorgängen  ]),  son- 
dern auch  die  Westgrenze  für  die  Bestimmung  desselben  kann  nicht 
darüber  hinausgerückt  werden.  Die  Schlacht  wurde  noch  auf  dem 
Stadtgebiet  von  Skotussa  geschlagen2),  und  die  Mavrovunigruppe  liegt 
nur  noch  6  Kilometer  von  Krannon,  der  mächtigeren  Nachbarin 
Skotussas,  entfernt,  während   sie  von  Skotussa  selbst  einen  Abstand 


')  Sehr  richtig  hat  schon  Beaujour  (Voyage  militaire  dans  Pempire  Othoman 
1829  I  173)  dies  Hügelland  charakterisiert,  wenn  er  sagt:  nulle  part  on  ne  voit 
pas  des  plis  de  terrain  plus  faciles  ni  plus  doux,  und  dann  hinzufügt:  deux  armees 
qui  s'observent  peuvent  y  cacher  tous  leurs  mouvements  et  la  nature  n'a  dans 
aueun  autre  lieu  du  monde  dispose  un  champ  de  bataille  avec  plus  d'art.  Diese 
Natur  der  Gegend  kam  eben  bei  den  Märschen  der  beiden  Heere  vor  der  Schlacht 
zur  vollen  Einwirkung. 

2)  Strabo  IX  5,  20.  C.  441 :  eöti  J5  h  rrj  Zxorovaay  /(oqiov  ti  Kvvog  xafaltu 
y.aXüv/usvov,  neol  o  ol  'Ptojucuot  .  .  .  Ivixcov.  Plut.  Flam.  7:  nfQt  rrv  Zy.oTovoauiav  .  . 
diay.ivSvvtvHV  tfizXkov.  Polyb.  XVIII  20(3)  6:  tu  MeXäfxßiuv  .  .  rrjg  ZxoTovaaatag. 
Von  da  war  das  Schlachtfeld  nur  ßoa^w  totiov  (§  9)  entfernt. 


3.  Der  Feldzug  vom  Jahre  197.  71 

von  18  Kilometern  hatte.  Sie  bildet  daher  die  äufserste  zulässige 
Westgrenze  für  das  Gebiet  dieser  Stadt1). 

So  engt  sich  uns  der  Raum,  in  welchem  wir  das  Schlachtfeld 
zu  suchen  haben,  beträchtlich  ein.  Er  liegt  auf  dem  Kamm  der 
Hügelkette,  zwischen  den  Hängen  des  Karadagh  westlich  von  Skotussa 
einerseits  und  Östlich  der  Mavrovunia  anderseits,  d.  h.  auf  einer  Linie 
von  15—20  Kilometer  west-östlicher  Erstreckung2). 

Aber  die  Ausdehnung  dieser  Linie  kann  noch  weiter  verkürzt 
werden.  Wir  haben  vorhin  (S.  63)  gesehen,  dafs  der  König  die 
Absicht  hatte,  passendes  Gelände  für  eine  offene  Feldschlacht  zu 
suchen,  d.h.  dafs  er  eine  Ebene  erreichen  wollte,  die  nicht  nur  für 
seine  Phalanx,  sondern  ebensosehr  für  seine  mit  dem  Choc  angreifende 
thessalisch-makedonische  Reiterei  die  einzig  günstige  Terrainformation 
war.  Er  strebte  also  danach,  so  schnell  wie  möglich  das  Hügel- 
land von  Skotussa  zu  verlassen  und  in  die  Ebene  von  Pharsalos 
hinabzugehen 3). 

Der  Weg  dahin  führt  nun  über  den  niedrigsten  Punkt  des  ge- 
schilderten Sattellandes,  wo  die  Strafse  von  Larissa  nach  Pharsalos 
die  Bodenschwellung  zwischen  den  Dörfern  Kara-Demirdschi  im  Norden 
und  Bairakli  im  Süden  überwindet.  Westlich  über  diesen  Punkt 
hinauszugehen,  hatte  für  Philipp  keinen  Sinn.  Besonders  da  sich 
unmittelbar  jenseits  desselben  das  Hügelland  sehr  bedeutend  hebt  und 
in  dem  sogenannten  „Hügel  des  Scheich  bei  Tekke"  die  hervor- 
ragendste Kuppe  des  ganzen  Sattellandes  erreicht;  somit  verkürzt 
sich  also  für  uns  die  Linie,  auf  der  wir  das  Schlachtfeld  zu  suchen 
haben,  bis  auf  etwa  8  Kilometer. 

Aber  hier  könnte  ein  Einwand  gemacht  werden.  Wenn  das 
Marschziel,  welches  Philipp  am  ersten  Tage  erreichte,  nur  etwa  8  Kilo- 
meter vom  Übergangspunkt  nach  Pharsalos  entfernt  war,  wo  bleibt 
dann  der  Raum  für  den  zweiten  und  dritten  Marschtag?  — 


1)  Leake  (£V  464)  setzt  die  Grenze  zwischen  beiden  Städten  wahrscheinlich 
mit  Recht  sehr  viel  weiter  östlich  an,  nämlich  an  der  Strafse  Pharsalos — Larissa. 
Beweisen  läfst  sich  das  leider  nicht. 

2)  Über  die  Bestätigung  dieses  Resultates  durch  die  Pelopidasschlacht  von 
Kynoskephalä  s.  Anhang  III. 

3)  Pol.  XVIII  20  (3)  8:  xaravioai  Gnsvöwv  Znl  io  TTQoxti/ueiov  ävat-evtjccg 
7igoriu.  Vom  Hügellande  heifst  es  22  (5)  10:  7iQooQ(o/uevog  .  .  tt\v  ^va/cogiav  .  . 
ov6afj.tug  rjQjuo&io  TiQog  aydiva. 


72  Der  zweite  Makedonische  Krieg. 

Am  zweiten  Tage  wurde  furagiert:  das  war  ja  der  Zweck,  um 
dessenwillen«  Philipp  in  das  Gebiet  von  Skotussa  gegangen  war 
(S.  63).  Damit  ging  der  Tag  hin.  Das  dritte  Lager  von  Pherä  aus 
kann  also  nur  ganz  wenig  von  dem  zweiten  entfernt  gewesen  sein; 
am  dritten  Tage  sollte  der  Übergang  stattfinden,  aber  Nebel  hinderte 
den  Weitermarsch,  und  so  wurde  das  vierte  Lager  wieder  ganz  in 
der  Nähe  des  dritten  aufgeschlagen1).  Der  Raum  von  etwa  8  Kilo- 
metern reicht  also  unter  diesen  Umständen  aus,  er  ist  aber  ander- 
seits doch  so  klein,  dafs  wir  annehmen  müssen,  Philipp  sei  am  Ende 
dieser  beiden  Märsche  bis  unmittelbar  an  den  Übergangspunkt 
Larissa— Pharsalos  herangekommen  gewesen.  Wir  haben  daher  sein 
drittes  Lager  etwas  östlich  von  dem  Dorfe  Hadschibey2),  sein  letztes 
vor  der  Schlacht,  etwa  zwischen  Hadschibey  und  Karademirdschi 
anzusetzen. 

Daraus  ergibt  sich,  dafs  das  Schlachtfeld  auf  den  Höhen  un- 
mittelbar südlich  von  Hadschibey,  in  nächster  Nähe  der  Strafse 
Larissa — Pharsalos  zu  suchen  ist.  — 

Es  ist  nun  noch  die  Probe  auf  das  Exempel  zu  machen  und 
zu  fragen,  ob  die  Marschroute  des  Flamininus  sich  mit  unserem 
Resultate  vereinigen  läfst,  und  ob  das  Gelände  bei  der  Strafse  Phar- 
salos—Larissa  sich  für  die  Schlacht  eignet. 

Flamininus  war  (S.  68)  von  Persuphli  aus  in  der  Bodensenke 
südlich  vom  Karadagh  nach  Westen  marschiert  und  hatte  am  ersten 
Tage  nach  Polybios'  Angabe  die  Gegend  von  Eretria  in  der  Nähe 
des  heutigen  Tschangli  erreicht  (S.  63.  65).  Das  sind  allerdings 
nur  etwa  15  Kilometer,  aber  es  ist  auch  ganz  in  der  Ordnung,  dafs 
die  Römer  an  diesem  Tage  keinen  gröfseren  Marsch  gemacht  haben. 


*)  Pol.  XVIII  20  (3)  9:  ßga^hv  tottov  diavvffaq.  ib.  22(5)  1:  aipeixws  hv/e 
xal  nkeiovg  inl  /oQiokoyiav. 

2)  Hier  wäre  also  das  rätselhafte  Melambion  des  Polybios  (S.  63)  zu  suchen. 
Nun  findet  sich  20  Minuten  südöstlich  von  Hadschibey  ein  Tumulus,  von  den  Ein- 
wohnern Kukurialo  genannt  (s.  die  Schlachtkarte),  der  einzige  soweit  ich  gesehen 
habe,  auf  der  Nordseite  der  Hügelkette;  und  von  einem  Tumulus  am  Tage  vor 
der  Schlacht  berichtet  Plutarch  Flam.  7,  dafs  er  dicht  bei  dem  Lager  gelegen  habe 
—  rjv  yÜQ  ri  nokvavdQiov  viprjlbv  f|w  roi)  /aQaxog  —  und  Philipp  von  ihm  aus 
eine  Rede  an  die  Soldaten  gehalten  habe.  Vielleicht  haben  wir  daher  in  dem 
Tumulus  Kukurialo  den  Tumulus  des  Plutarch  und  zugleich  das  Melambion  des 
Polybios  zu  erblicken.  Dann  wäre  der  Platz  von  Philipps  drittem  Lager  genau 
lokalisiert. 


3.  Der  Feldzug  vom  Jahre  197.  73 

Denn  Flamininus  brach  erst  auf,  nachdem  er  erkundet  hatte,  dafs 
Philipp  auf  Skotussa  marschiere  (S.  63  A.  3),  und  das  konnte  man 
erst  vermuten,  nachdem  man  die  Kolonnen  der  Makedonier  im  Kara- 
dagh  hatte  verschwinden  sehen.  Der  Aufbruch  kann  daher  erst 
gegen  Mittag  erfolgt  sein ,  und  wir  haben  in  dem  Marsch  bis 
Tschangli  eine  ganz  entsprechende  Leistung  vor  uns. 

Der  zweite  Marschtag  führte  dann  die  Römer  in  die  Gegend 
des  Thetideons  (jzgqI  tö  Ssviöeiov). 

Es  scheint  sehr  wahrscheinlich,  dafs  die  von  Heuzey  zwischen 
Alkani  und  Bekides  am  Südwestabhange  des  Karadagh  aufgefundenen 
Reste  einer  bedeutenden  Tempelanlage  die  Trümmer  des  Thetideons 
sind1).  Aber  damit  ist  nicht  gesagt,  dafs  wir  das  dritte  Lager  der 
Römer  auch  genau  an  dieser  Stelle  ansetzen  müssen.  Der  Tempel, 
welcher  nach  den  gefundenen  Säulentrommeln  zu  urteilen  eine  sehr 
beträchtliche  Höhe  hatte  und  an  beherrschender  Stelle  stand,  mufste 
weithin  in  der  Gegend  sichtbar  sein.  In  Ermangelung  von  Städten, 
die  hier  in  unmittelbarer  Nähe  nicht  lagen,  war  er  zur  Orientierung 
und  Bezeichnung  seiner  ganzen  Umgebung  am  besten  geeignet. 

Es  ist  daher  kein  Widerspruch  mit  Polybios,  wenn  wir  das 
dritte  Lager  eine  kleine  Stunde  westlich  vom  Thetideon  annehmen, 
in  der  Nähe  der  Strafse  Larissa— Pharsalos,  bis  an  die  man  heran- 
gegangen sein  mochte2),   weil  der  Gegner  auf  ihr  zu  erwarten  war. 


1)  Mission  archeol.  en  Macedoine  S.  411.  —  Ein  Bedenken  gegen  Heuzeys 
Identifizierung  könnte  man  darin  finden,  dafs  nach  Polybios  XVIII  20(3)  6  das 
Thetideon  zum  Gebiete  von  Pharsalos  gehörte  (t^?  <PaQaaUag)  und  nach  Strabo 
1X5,6  (C.  431)  auch  nahe  (nkrjOiov)  bei  Pharsalos  lag,  während  der  von  Heuzey 
gefundene  Tempelbezirk  nur  5  Kilometer  von  Skotussa  und  etwa  13  von  Pharsalos 
entfernt  ist.  Aber  eine  so  weite  Erstreckung  des  Stadtgebietes  von  Pharsalos  ist 
immerhin  möglich,  da  der  Höhenrücken  der  Kynoskephalä,  an  deren  Südhange 
der  Tempelbezirk  noch  liegt,  ganz  wohl  die  Grenzscheide  gewesen  sein  kann,  und 
was  den  Ausdruck  Strabos  betrifft,  so  ist  er  relativ  richtig,  da  er  mit  Rücksicht 
auf  das  noch  viel  entferntere  Theben  gebraucht  ist.  Entscheidend  für  Heuzeys 
Ansicht  scheint  mir  aber  die  Situation  bei  der  Schlacht  zwischen  Pelopidas  und 
Alexander  von  Pherä.  Daraus  geht  nämlich  hervor,  dafs  dieses  Schlachtfeld,  welches 
auf  der  Südseite  der  Kynoskephalä,  in  der  Gegend  von  Lasar  Buga  anzusetzen  ist, 
zwischen  Pharsalos  und  dem  Thetideon  gelegen  hat,  s.  Beilage  III. 

2)  Der  Ausdruck  vneQßoXai,  welchen  Polybios  dabei  für  die  Römer  ge- 
braucht: nQoccyovreg  wg  Inl  tüq  im^qßolä?  (XVIII  21,  2)  ist  auch  sprachlich  am 
natürlichsten  in  dem  Sinne  von  „Übergangstelle,  Pafs"  zu  fassen,  wie  Polybios  den 
Ausdruck  fast  durchgehends  braucht,  z.  B.:  III  39,  10;  50,  5;  IV  11,  5  und  sonst. 


74 


Der  zweite  Makedonische  Krieg. 


Ilicr/.u  die 
Karte  Ko.  4. 


Die  Marschleistung  hatte  dann  die  angemessene  Gröfse  von 
gegen  20  Kilometer,  und  die  Koinzidenz  mit  dem  Marsche  der  Make- 
donier  ist  hergestellt:  auf  dem  Höhenrücken  südlich  von  Hadschibey 
und  Karademirdschi  mufsten  die  beiden  Armeen  zusammenstofsen. 

Es  fragt  sich  also  zum  Schlüsse  nur  noch,  ob  das  Gelände 
hier  für  eine  Schlacht  zwischen  50000  Mann  geeignet  ist  und  ob 
es  die  nach  Polybios'  Schlachtbeschreibung  erforderlichen  Eigen- 
schaften besitzt. 

Wenn  man  auf  der  Strafse  von  Hadschibey  eine  halbe  Stunde 
lang  in  südwestlicher  Richtung  vorgeht,  so  erreicht  man  in  langsamer 
Steigung  den  Kamm  der  Kynoskephalä  an  einer  Stelle,  wo  fünf 
Wege  zusammentreffen:  zwei  von  ihnen  ziehen  sich  den  Nordhang 
der  Hügelkette  hinab  nach  Larissa  zu,  drei  folgen  dem  Südabhange 
und  erreichen  über  Bairakli,  Lasar  Buga  und  westlich  von  Bekides 
die  Ebene  von  Pharsalos. 

In  dieser  Wegscheide,  die  uns  durch  ihre  fünffache  Spaltung 
schon  die  Wichtigkeit  des  Punktes  vor  Augen  führt,  haben  wir  den 
niedrigsten  Übergang  über  die  Kammhöhe  vor  uns  (Punkt  429  der 
Karte1)).  Eine  Umschau  von  den  Hügeln,  die  sich  seitwärts  von  ihm 
erheben,  orientiert  am  schnellsten  über  das  Gelände  und  belehrt  uns, 
dafs  die  Formation  der  beträchtlich  höher  ansteigenden  Kuppen  west- 
lich der  Strafse  nicht  die  Bedingungen  für  die  in  Rede  stehende 
Feldschlacht  bietet,  welche,  wie  aus  dem  Berichte  des  Polybios  hervor- 
geht, auf  einem  nach  allen  Seiten  hin  übersichtlichen  Gelände  aus- 
gefochten  ist. 

Ganz  anders  dagegen  steht  es  in  dieser  Beziehung  mit  der 
Gegend  unmittelbar  östlich  der  Strafse. 

Wir  bemerken,  wie  sich  die  Hügelkuppe  unmittelbar  östlich 
des  Passes  über  eine  flache  Senkung  hin  nach  Osten  zu  in  einem 
langen  Rücken  von  fast  gleichmäfsiger  Höhe  fortsetzt  (bei  Punkt 
439  der  Karte),  der  nach  einer  Erstreckung  von  etwa  2  Kilometern 
allmählich  in  ein  kleines,    bei  dem  Tumulus  Kukurialo  beginnendes 


*)  Es  gibt  aufser  diesem  noch  zwei  andere  von  Larissa  nach  Pharsalos 
führende  Übergänge,  welche  1|  und  3|  Kilometer  weiter  westlich  liegen.  Ihre 
Pafshöhe  beträgt  450  bezw.  455  Meter,  ist  also  höher.  Für  ein  von  Osten 
kommendes  Heer  lag  kein  Grund  vor  diese  entfernteren  und  unbequemeren  Über- 
gänge zu  benutzen. 


3.  Der  Feldzug  vom  Jahre  197.  75 

und  von  Nordost  her  tief  einscb neidendes  Tälchen  abfällt.  Der 
ganze  südliche  Abhang  dieses  Hügelrückens  —  der  Kynoskephalä 
im  engeren  Sinne,  wie  man  sagen  könnte  —  bildet  eine  einzige 
ganz  langsam  sinkende  Abdachung,  welche  bei  einer  Breite 
von  6-  bis  800  Metern  nur  etwa  30  Meter  Fall  aufweist.  Auch  die 
Längenstreckung  dieser  Abdachung  von  West  nach  Ost  bleibt  voll- 
kommen übersichtlich.  Denn  trotz  ihrer  grofsen  Ausdehnung  hat  sie 
doch  nur  eine  einzige  kleine  Terrainfalte,  die  zu  unbedeutend  ist, 
um  auch  nur  im  geringsten  den  Überblick  zu  hindern1). 

Diese  Abdachung  geht  nun  nach  Süden  unmerklich  über  in 
einen  Talboden,  der  die  obere  Fortsetzung  jenes  eben  erwähnten 
Tälchens  von  Kukurialo  bildet  und  sich  ohne  merklich  zu  steigen 
in  ostwestlicher  Richtung  an  dem  ganzen  Fufse  der  Kynoskephalä 
etwa  2|  Kilometer  lang  bis  an  die  Strafse  nach  Lasar  Buga  hinzieht. 

Den  südlichen  Rand  dieser  etwa  3-  bis  400  Meter  breiten  Ebene 
bildet  eine  Terrainerhebung,  welche  in  drei  deutlich  hervortretenden 
Kuppen  (die  Punkte  426,  429,  427  der  Karte)  aus  dem  nach  Süden 
immer  mehr  sich  zur  Ebene  von  Pharsalos  hin  verflachenden  Hügel- 
lande hervortritt.  Die  östlichste  von  ihnen,  die  für  das  Auge  am 
stärksten  hervortritt  und  vielleicht  künstlich  noch  etwas  erhöht  ist, 
führt  den  Namen  Mesil-Magula2).  Von  dieser  Hügelreihe  ist  der 
mit  ihr  parallel  laufende  Kamm  der  Kynoskephalä  1|  bis  2  Kilometer 
entfernt. 

So  stellt  sich  uns  das  ganze  betrachtete  Gelände  dar  als  eine 
grofse  flache  Mulde  von  2 — 3  Kilometer  Länge  und  gegen  2  Kilo- 
meter Breite,  im  Norden  überragt  und  beherrscht  von  dem  zusammen- 
hängenden Kamm  der  Kynoskephalä,  dessen  Abhang  zugleich  etwa 
die  Hälfte  des  ganzen  Gebietes  einnimmt,  im  Süden  begleitet  von 
einer  niedrigeren,  unzusammenhängenden  Hügelreihe,  die  wenig  über 
den  die  Mitte  des  Ganzen  einnehmenden  ebenen  Talboden  hinausragt. 

Es  leuchtet  ein,  dafs  diese  ganze  Geländeformation  nicht  nur 
den  allgemeinen  Erfordernissen  für  eine  antike  Schlacht  von 
50000  Mann,  was  Gröfse  und  Bodengestaltung  angeht,  aufs  beste 
entspricht   (Bd.  I  S.  317  ff.),    sondern   dafs  die  Bedingungen,    welche 


')  Auf  der  Karte  die  Falte,  in  der  sich  ein  von  Karademirdschi  kommender 
Nebenweg  hinzieht. 

2)  Ob  wir  in  ihm  das  von  Antiochos  errichtete  Massengrab  (Liv.  36,  8,  5) 
vor  uns  haben,  könnte  nur  eine  Nachgrabung  entscheiden. 


7(5  Der  zweite  Makedonische  Krieg. 

der  Schlacbtbericht  des  Polybios  speziell  für  Kynoskephalä  erfordert, 
hier  vollkommen  gegeben  sind.  Der  Höhenrücken  der  Kynoskephalä 
ist  derjenige,  auf  welchem  sich  der  makedonische  Aufmarsch  voll- 
zogen hat.  Er  besitzt  die  erforderliche  Länge  für  eine  Armee  Von 
26000  Mann  und  die  erforderliche  ostwestliche  Richtung  für  eine 
mit  der  Front  nach  Süden  stehende  Armee.  Von  seinem  Kamm 
konnte  man  das  römische  Lager,  welches  auf  der  Südseite  des  Tal- 
bodens anzusetzen  ist,  und  die  dicht  davor  stattfindende  Reiterschlacht 
überblicken,  wie  das  nach  Polybios  der  Fall  sein  mufs1). 

Der  Südabhang  ferner  der  Kynoskephalä  bietet  mit  seinen 
6-  bis  800  Metern  Breite  einerseits  einen  genügenden  Raum,  um  das 
von  Polybios  so  anschaulich  geschilderte  Hin-  und  Herwogen  der 
Reiterschlacht  zu  ermöglichen2)  und  später  der  römischen  Legion, 
welche  durch  den  Stofs  der  Phalanx  von  der  Spitze  des  Kammes 
weiter  und  weiter  talab  gedrängt  wird,  genügenden  Raum  zum 
Weichen  zu  geben3),  und  anderseits  ist  er  doch  wiederum  nicht 
ausgedehnter  als  der  Schlachtbericht  es  verlangt,  so  dafs  es  sich 
vollkommen  erklärt,  wie  bei  Philipps  Eintreffen  auf  der  Höhe  das 
Gefecht  der  Leichten  und  Reiter  am  Fufse  des  Berges  dicht  beim 
römischen  Lager  spielen  konnte  (s.  A.  1)  und  doch,  ehe  der 
König  den  Aufmarsch  seines  nur  10000  Mann  starken  Phalanxflügels 
beendet  hatte,  wiederum  bis  an  den  Kamm  der  Höhen  zurückgerollt 
war4).     Dabei  ist   die  Neigung  des  Hanges  eine  so  gelinde,   dafs  es 


*)  Pol.  XVIII  24  (7)  6:  6  d«  ßctüiteug  iv  fitv  raTg  ccQ^alg  ots  7zctQ6yev£To  (auf 
die  Höhe)  detootiv  ov  {tax  gär  rifc  tcov  nokt/LiLcav  nage/u  ßoXijg  OvV60tcotc(  tov 
tcov  evCcövcov  xivSvvov. 

2)  Die  Römer  werden  erst  von  den  Höhen  verdrängt,  dann  heifst  es,  die  Make- 
donier  ngoaecpvyov  ngbg  ruug  üxgovg  (XVIII  21  (4)  10),  dann  wieder  (ib.  22  (5)  3: 
rovg  P(o/uaiovg  r\lavvov  Ix  {.leinßolrjg  ceno  tcov  cixgcov,  wobei  die  Römer  nicht  auf 
einmal  den  ganzen  Hang  hinuntergetrieben  werden,  sondern  infolge  des  wieder 
und  wieder  erfolgten  Frontmachens  der  ätolischen  Reiter  nur  langsam  weichen 
(ovxzti  ovvrjlciod-rjGav  ecog  tig  rovg  Imnedovg  xönovg,  ßgct%v  i?  c\noö%6vTsg  ix  [ASTct- 
ßolrjg  €OTt]Oav.)  All  das  setzt  einen  Raum  von  mehreren  hundert  Metern  Breite 
voraus;  weshalb  denn  auch  von  den  Makedonen  bemerkt  wird,  dafs  sie  die  Römer 
nolv  .  .  inl  &üt£qu  /utgr]  tcov  Xocfcov  zurückgedrängt  hätten  (24,  3). 

3)  inl  noda  noiov/uevovg  xr\v  ö.vaycögr\aiv  (25,  4). 

4)  €T0     tf*      7TC(08jUßcxlX0VT0g    CCVTOV    TCC    dstjltt     fiSQT]     TT]g      OTQCtTL(7g     7lttQr]CUV      Ol 

[Mofroqogoi  ntsCov/nevoc  xcctcc  xgdrog  vnb  tcov  noXsuicov  (XVIFI  24,  4)    und  ferner: 
ytvofAevcvv  öl  tovtcov  xctl  twv   noXt/m'cov  iv  yjoolv  ovtcov  (24,  9).   —  Es  wurde  hier 


3.  Der  Feldzug  vom  Jahre  197.  77 

begreiflich  wird,  wie  sich  auf  ihm  die  Reiterei  tummeln,  wie  Flamininus 
den  Sturm  wagen  konnte,  obgleich  die  feindliche  Phalanx  drohend 
die  Höhe  besetzt  hielt1),  wie  er  dazu  kam,  diesen  Kampf  sogar  als 
einen  Kampf  auf  gleichem  Felde  zu  bezeichnen2).  Endlich  besitzt 
der  ganze  Abhang  in  seiner  Längenausdehnung  von  West  nach  Ost 
die  Übersichtlichkeit,  welche  in  dem  Schlachtbericht  vorausgesetzt 
wird,  wenn  es  heifst,  dafs  ein  Tribun  auf  dem  rechten  Flügel  von 
halber  Höhe  des  Abhanges  aus  die  Not  des  linken  erkannte3),  und 
dafs  anderseits  Philipp  von  der  entgegengesetzten  Seite  her  gleichfalls 
das  ganze  Schlachtfeld  überschauen  und  die  Niederlage  seiner  Truppen 
auf  der  östlichen  Seite  des  Gefechtsfeldes  erkennen  konnte4).  — 
Zu  all  diesen  Übereinstimmungen  kommt  aber  als  markanteste 
Koinzidenz  von  Bericht  und  Gelände  die  Existenz  des  Talbodens 
südlich  vom  Hange  der  Kynoskephalä  und  die  Hebung  des  Geländes 
jenseits  von  ihm.  Denn  gerade  diese  beiden  Formationen  erwähnt 
die  Schilderung  des  Polybios  teils  ausdrücklich,  teils  setzt  sie  sie 
voraus:  Die  römische  Reiterei  wird  den  Hang  hinab  fast  bis  in  das 
ebene  Gelände    —  so    heifst  es  ausdrücklich5)   —    zurückgedrängt, 


nur  die  Hälfte  der  Phalanx  formiert  (to  daSibv  psnog  oder  xigag,  vergl.  Älian- 
Arrian  IX  9),  die  Philipp  gesammelt  vom  Lager  mitgenommeil  hatte  (24,  1.4). 
Also  8000  Manu,  dazu  die  2000  Peltasten,  s.  Beilage  I  S.  102. 

1)  Der  Steigungswinkel  beträgt  noch  nicht  ganz  3°.  Wie  grofse  Schwierig- 
keiten im  Altertum  einem  Angriff  bergauf  entgegenstanden,  und  wie  enge 
Grenzen  einem  solchen  daher  gesteckt  sind,  ist  Band  I  S.  335  bei  der  Erörterung 
über  das  Relief  des  antiken  Schlachtfeldes  auseinandergesetzt. 

2)  Pol.  XVIII  23,  5  bezeichnet  Flamininus  die  Römer  als  /uülovrag  ig  Xoov 
noLeiodat,  rov  xivdwov,  im  Gegensatze  zu  den  Kämpfen  von  Eordäa  und  am  Aoos, 
wo  die  Gegner  schwer  ersteigliche  Höhenstellungen  innegehabt  hätten. 

3j  Pol.  XVUI  26  (3):  dt(OQ(üV  yctQ  zovg  neol  ibv  tpikmnov  IttI  noXv 
n Qon  tniujy.oi ag  twv  äXXcov  xal  nit&vvrccg  ..  to  a^Htoov  £v(ävv(,iov,  anoltTuhv 
Toug  Inl  rov  dtl-iov  vixdiviag  rjörj.  —  Die  Schwenkung  geschieht,  ehe  man  auf  der 
Höhe  angekommen  ist,  denn  erst,  als  die  Schwenkenden  die  makedonische  Phalanx 
in  Verwirrung  gebracht  haben,  sind  die  anderen  Römer  des  rechten  Flügels  der 
Höhe  nahegekommen  {roTg  äxooig  rjör}  nQoGTcsXäioving  (ib.  26,  8). 

4)  ib.  26,  7:  ßoec/v  ytvo/uevog  Ix  rov  xivöüvov  .  .  ouvsOeüosi  rä  bXa.  xcnavor\Gag 
Je  Tovg  cPcotuaiovg  xuiu  16  öiajy^ia  rov  laiov  xfywg  roig  axQOig  r\d)]  TinoantXü- 
Coviag  usw. 

5)  ib.  22,  6:  ovxstl  ovvrjXaoffrjöav,  r£(og  dg  rovg  inine'dovg  xönovg.  —  An  die 
Ebene  von  Pharsalos  kann  hier  natürlich  nicht  gedacht  werden.  Sie  liegt  vom 
Kamm  des  Hügellandes  überall  viel  zu  weit  entfernt.  So  wird  die  kleine  Ebene 
im  Hügellande  ein  Hauptkennzeichen  mit  für  das  Schlachtfeld.     Denn  an  keinem 


78  Der  zweite  Makedonische  Krieg. 

welches  am  Fufse  des  Hügels  liegt,  und  von  dem  römischen  Lager 
aus  beobachtet  das  ganze  Heer  mit  gespanntester  Aufmerksamkeit 
den  Gang  des  Treffens1).  Man  kann  also  den  Abhang  des  Berges 
und  den  Talboden  übersehen,  ein  Umstand,  der  sich  nur  dann  erklärt, 
wenn  man  einen  etwas  erhöhten  Standpunkt  einnahm,  wie  ihn  eben 
der  gehobene  Südrand  des  Talbodens  in  den  hier  liegenden  kleinen 
Kuppen  darbot. 

Das  Zusammentreffen  aller  dieser  Einzelheiten  mit  der  Schilderung 
des  Polybios  gerade  an  der  Stelle,  wo  nach  den  allgemeinen  militärischen 
Erwägungen  das  Schlachtfeld  zu  suchen  ist,  läfst,  glaube  ich,  keinen 
Zweifel  mehr  übrig,  und  so  wende  ich  mich,  auf  dieser  Lokalisierung 
fufsend,  zur  Schilderung  der  Schlacht  selber,  indem  ich  ihr  durch 
die  gewonnene  Bodenständigkeit  eine  gröfsere  Anschaulichkeit  zu 
geben  versuche,  als  der  vom  Gelände  losgelöste  Bericht  des  Polybios 
sie  bisher  gewähren  konnte. 

3.    Die   Schlacht2). 

Von  seinem  Lager  südöstlich  von  Hadschibey  war  der  König 
trotz  des  dichten  Nebels,  der  die  Gegend  verhüllte,  am  Morgen  des 
Schlachttages  aufgebrochen.  Denn  es  drängte  ihn,  aus  dem  für  eine 
Schlacht  ungünstigen  Hügellande  fortzukommen  und  die  Ebene  von 
Pharsalos  zu  erreichen  (S.  71). 

Aber  nur  wenige  Kilometer  weit  konnte  er  seinen  Marsch  fort- 
setzen (S.  72).  Der  Nebel  liefs  kaum  Hand  vor  Augen  sehen,  und 
es  war  gefährlich,  bei  solchem  Tappen  im  Dunkeln  die  Kynoskephalä 
zu  überschreiten,  wobei  man  jeden  Augenblick  auf  den  Feind  stofsen 
konnte.  So  machte  der  König  denn  am  Nordfufse  derselben,  etwa  in 
dem  Wiesentälchen  zwischen  Hadschibei  und  Karademirdschi  Halt, 
kaum  2  Kilometer  von  der  fünffachen  Wegscheide  entfernt,  welche 
hier  auf  dem  Übergangspunkte  der  Strafse  Larissa— Pharsalos  über 


anderen  Punkte  des  ganzen  in  Betracht  kommenden  und  von  mir  sorgfältig  ab- 
gesuchten Gebietes  findet  sich  diese  Übereinstimmung  mit  dem  Polybianischen 
Bericht  so  wie  hier  in  der  erforderlichen  Weise. 

M  ib.  22,  7:  6  dt  Tixog  ^fwowj'  ov  fxörov  rovg  euCüvovg  xctl  tovg  innsag 
iyxtxXixoiag,  aXXä  dm  roiTovg  xul  rrjv   olrjv   dvvctfjiiv   Im or\^i  ivr\v. 

2j  Polyb.  XVIII  20—26.  Die  Übersetzung  der  wichtigsten  Teile  im  Anhang. 
Der  Parallelbericht  des  Livius  braucht  nicht  berücksichtigt  zu  werden,  da  er  nur 
eine  Übersetzung  und  Überarbeitung  des  Polybios  ist.  Auch  Plutarchs  Bericht 
Flam.  8  f.  stammt  in  allem  Wesentlichen  daher.     Nissen  141.  290. 


3.  Der  Feldzug  vom  Jahre  197.  79 

die  Hügelkette  liegt  (S.  74).  Eine  starke  Vorhut  von  mehreren 
hundert  Reitern  und  gegen  1500  Mann  zu  Fufs1)  wurde  auf  die  Höhe 
vorangeschickt,  den  Wegscheidepafs  zu  besetzen  und  nach  Süden  hin 
zu  beobachten. 

Indessen  hatte  Flamininus  die  Nacht  vor  dem  Schlachttage  in 
einem  Lager  auf  oder  bei  Mesil-Magula  zugebracht  (S.  76).  Die  Gegner 
waren  kaum  3  Kilometer  voneinander  entfernt.  Da  er  am  Morgen 
wegen  des  starken  Nebels  den  Marsch  nicht  fortsetzen  wollte,  hatte 
auch  er  nur  eine  Truppe  von  etwa  250  Reitern  und  1000  Leichten 
auf  der  Strafse  nach  dem  Wegscheidpasse  zur  Erkundung  voraus- 
geschickt2). Auf  der  Höhe  traf  sie  mit  dem  makedonischen  Beobach- 
tungskorps zusammen  und  wurde,  da  sie  weit  schwächer  war,  ge- 
worfen. Fünfhundert  Reiter,  meist  Ätoler,  und  2000  Mann  leichte 
Fufstruppen  kamen  ihnen  indessen  aus  dem  nahen  römischen  Lager  un- 
verzüglich zu  Hilfe,  und  mit  diesem  Zuwachs  bis  auf  3000  Mann  zu 
Fufs  und  etwa  700—800  Reiter  verstärkt,  trieben  sie  nun  ihrerseits 
die  schwächeren  Gegner  bis  auf  die  Höhen  und  brachten  sie  in 
ernste  Gefahr3). 

Philipp  hatte  an  diesem  Tage  auf  keine  Schlacht  mehr  gerechnet 
und  deshalb  einen  grofsen  Teil  seiner  Truppen  wieder  auf 
Furagierungen  ausgeschickt  (S.  72  A.  1).  Aber  jetzt  traf  er  mit  der 
ihm  eigenen  Energie  sofort  alle  für  den  schlimmsten  Fall  nötigen 
Mafsregeln.  Die  ausgesandten  Truppen  wurden  zurückbeordert  und 
alles  im  Lager  in  Bereitschaft  gesetzt4).  Was  an  leichten  Truppen 
zur  Verfügung  war,  wurde  sofort  zur  Unterstützung  auf  die  Höhen 
geschickt  —  es  war  die  ganze  thessalische  und  makedonische  Reiterei 


')  Die  Zahlen  sind  nicht  überliefert,  ergeben  sich  aber  ungefähr  daraus,  dafs 
diese  Truppe  den  250  römischen  Reitern  und  1000  Mann  Leichten  weit  überlegen, 
den  auf  7—800  Mann  Reiterei  und  3000  Mann  Leichten  der  Verstärkung  dagegen 
nicht  gewachsen  war. 

2)  Pol.  a.  a.  O.  21,  1:  dixa  .  .  ovXafuovg  v.cd  icov  eu£(6v(ov  tlg  %iXiovg.  Zehn 
Türmen  sind  die  Legionsreiterei  einer  Legion,  also  nach  Beilage  I  S.  104  wohl 
auf  etwa  250  Mann  anzusetzen. 

3)  Pol.  a.  a.  O.  2!,  5:  xotg  neql  ibvlioyjdctfjov  y.al  töv  EunoXepov  AhojXovg 
Xal  iSvo  twv  .  .  xtlictQ/eov  i&ns/uiijE  justk  nEVTcty.oGiiav  Innsojv  y.cu  dto/iXtcov  neCcov. 
Da  die  ganze  ätolische  Reiterei  nur  400  Mann  betrug  (Beilage  I  S.  102),  so  können 
die  500  nicht  lauter  Ätoler  gewesen  sein. 

4)  Diese  Befehle  müssen  schon  damals  gegeben  sein,  sonst  hätte  nicht  nach- 
her das  ganze  Heer  zum  Abmarsch  bereit  sein  können.     Pol.  a.  a.  O.  24,  1. 


ftQ  Der  zweite  Makedonische  Krieg. 

und  sämtliche  Söldner  aufser  den  Thrakiern  — ,  sodafs  jetzt  von 
makedonischer  Seite  mindestens  etwa  3500  Mann  zu  Fufs  und 
1400  Reiter  im  Gefechte  waren1). 

Schon  hatte  sich  der  Nebel  gelichtet,  als  die  Verstärkung  die 
Höhen  erreichte,  und  nun  erst  konnte  man,  zugleich  mit  dem  neu 
entbrennenden  Kampfe  vom  römischen  Lager  bei  Mesil-Magula  aus, 
das  ganze  Vorterrain  überblicken.  Man  übersah  den  H— 2  Kilometer 
entfernten  Hügelkamm  der  Kynoskephalä,  die  sanft  fallende  Abdachung, 
den  ebenen  Talboden  am  Fufse  derselben.  Jede  Einzelheit  des  Ge- 
fechtes war  von  so  vortrefflichem  Standorte  aus  mit  vollkommener 
Deutlichkeit  zu  erkennen:  die  Abteilungen  der  Verstärkung,  wie  sie  eine 
nach  der  anderen  über  dem  Kamme  sichtbar  wurden,  das  allmähliche 
Weichen  der  eigenen  Truppen,  die  verzweifelte  Tapferkeit  der 
ätolischen  Reiter,  die  hier  so  recht  in  ihrem  Element,  der  Übermacht 
des  Gegners  und  der  Ungunst  des  Geländes  zum  Trotze,  sich  immer 
wieder  den  Feinden  entgegenwarfen,  den  weichenden  Truppen  für 
den  Augenblick  Luft  schafften  und  doch  nicht  hindern  konnten,  dafs 
sich  der  Kampf  näher  und    näher    ans  Lager  heranzog  (S.  76  A.  2). 

Wir  empfinden  mit,  wie  das  Heer  bei  diesem  Anblicke  in  mehr 
und  mehr  wachsende  Erregung  geraten  mufste,  und  begreifen,  dafs 
der  Konsul,  als  das  Gefecht  fast  schon  im  Talboden  angekommen 
war,  seine  gesamte  Macht  hinanzuführen  beschlofs  (S.  78). 

Rechts  und  links  vor  dem  Lager  breiteten  sich  die  langen 
Linien  der  beiden  Legionen,  der  italischen  Bundesgenossen  und  der 
griechischen  Hilfsvölker  aus  und  besetzten  den  ganzen  Südraud  des 
Tales,  welches  sich  in  einer  Länge  von  21  Kilometern  von  Westen 
nach  Osten  ohne  merkliche  Senkung  hinzieht  (S.  75)  und  somit 
Platz  genug  für  die  Entfaltung  der  ganzen  Streitmacht  darbot.  Der 
Konsul    selber    begab    sich    auf   den  linken  Flügel,    wohin   sich  der 


')  Pol.  a.  a.  0.  22,  2:  'HQaxXeCSriv  .  .  dg  r\yuzo  rrjg  Qsoocdtxfjg  i/itiov,  xai 
Aiovia  ibv  icov  Mcc/.söovcov  InnaQ/riv  ^enf/jne,  auv  de  rovioig  .  .  ndvTug  rovg 
[AioüoyoQovg  nVr\v  jutv  Qgqxcav.  Da  Philipp  im  ganzen  2000  Reiter  hatte  (s.  Bei- 
lage I  S.  102),  von  denen  die  Makedonier  und  Thessalier  den  Kern  bildeten,  so  wird 
man  die  hier  abgeschickte  Reiterverstärkung  kaum  geringer  ansetzen  dürfen,  selbst 
-wenn  man  berücksichtigt,  dafs  einzelne  Abteilungen  bei  den  Furagierungen  beteiligt 
gewesen  sein  müssen.  Für  den  linken  Flügel  bleiben  somit  nur  etwa  600  Reiter 
übrig.  An  Söldnern  hatte  Philipp  aufser  2000  Thrakiern  2000  Tllyrier  und  1500 
andere  Söldner  (Beil.  f  S.  102)  also  3500  Mann. 


3.  Der  Feldzug  vom  Jahre  197.  -81 

Reiterkampf  besonders  gezogen  hatte  und  wo  seine  leichten  Truppen, 
die  unterdes  noch  mehr  zurückgedrängt  waren,  in  Gefahr  schwebten, 
über  den  Südrand  des  Talbodens  herüber  in  das  nach  Süden  hin 
steiler  abfallende  Tal  von  Lasar  Buga  hinabgesprengt  zu  werden. 

Der  rechteFlügel  mit  noch  etwas  ebenerem  Gelände  vor  sich,  erhielt 
die  Elefanten.  Er  sollte  zunächst  als  Reserve  zurückbleiben.  Der  linke 
genügte  ja  über  und  über,  die  Feinde  zurückzuwerfen.  Ja,  es  erscheint 
wie  eine  Kraftverschwendung,  dafs  der  Konsul  gegen  etwa  5000  Mann 
leichte  Truppen  und  Reiter  seine  ganze  Armee  von  26000  Mann  in  die 
Schlacht  führte.  Aber  Flamininus  mochte  vermuten,  bei  seinem  Vorstofs 
jenseits  der  Höhen  neue  Gegner,  vielleicht  die  ganze  feindliche  Macht  zu 
finden,  und  wollte  die  üble  Erfahrung,  die  er  soeben  durch  Einsetzen 
zu  weniger  Truppen  gemacht  hatte,  nicht  ein  zweites  Mal  mit  schlim- 
merem Erfolge  wiederholen.  Er  handelte  nach  richtigem  militäri- 
schen Grundsatz  und  in  richtiger  Voraussicht. 

Denn  in  der  Tat  war  von  jenseits  das  ganze  feindliche  Heer 
im  Anmarsch,  und  während  in  der  Nähe  des  römischen  Lagers  die 
Reiterschlacht  tobte,  erschien  oben  auf  den  Höhen  östlich  des  Weg- 
scheidepasses plötzlich  die  Spitze  der  makedonischen  Phalanx  (S.  76). 

Der  König  hatte  bei  den  glücklichen  Erfolgen  seiner  Truppen 
seine  Bedenken  gegen  eine  Schlacht  in  dieser  Gegend  überwunden 
und  führte  selber  den  rechten  Flügel  seiner  Phalanx,  8000  Mann 
stark,  dazu  2000  Peltasten  in  eiligem  Marsch  auf  die  Höhen  (S.  76 
A.  4).  Der  linke  Flügel  hatte  Befehl,  sobald  er  gesammelt  war,  zu 
folgen.  So  baute  sich  denn  oben  vor  den  Augen  der  Römer  weiter 
und  weiter  nach  rechts  sich  ausdehnend  eine  Menschenmauer 
auf,  die  allmählich  bis  zu  500  Metern  Länge  und  darüber  hinaus  an- 
wuchs. Denn  eine  jede  Abteilung,  wie  sie  die  Höhe  erreichte,  mar- 
schierte links  auf,  dublierte  dann  ein,  so  dafs  eine  Tiefe  von  16  Mann 
hergestellt  wurde,  und  schlofs  sich  rechts  an  die  schon  stehenden 
Abteilungen  an1). 

Aber  die  Schlacht  im  Tale  schritt  während  dessen  eiligen 
Ganges  vorwärts.   Eine  ganze  römische  Legion  mit  ihrer  zugeordneten 


])  Fol.  ib.  24,  3  u.  8:  dinlaGiaCtiv  to  ßdü-og  y.cu  nvxvovv  inl  tc  de'&ov.  — 
Die  Marschtiefe  ist  8  Mann,  die  Schlachttiefe  16  Mann.  Wenn  sie  einmal  er- 
höht wird  auf  32  Mann,  wie  bei  Sellasia  und  Magnesia,  so  wird  das  besonders 
vermerkt. 

Kromayer,  Antike  Schlachtfelder.     II.  6 


82 


Der  zweite  Makedonische  Krieg. 


Ala  und  anderen  Auxilien  hatte  in  den  Kampf  eingegriffen1)  und  vor 
dieser  gewaltigen  Übermacht  von  13000  Mann  zu  Fufs  und  etwa 
1400  Reitern2)  mufsten  die  makedonischen  Truppen  den  Berghang 
hinauf  zurückweichen  (S.  76). 

Philipp  jedoch,  der  von  der  Höhe  aus  den  Gang  des  Gefechtes 
überblickte  und  beobachten  konnte,  wie  es  sich  näher  und  näher 
an  ihn  heranzog,  wartete  nur  auf  den  richtigen  Augenblick,  um  einzu- 
greifen, In  seiner  linken  Flanke  vollzog  sich  noch  immer  sein  Aufmarsch; 
in  seiner  rechten  war,  wie  es  scheint,  die  Hügelkuppe  unmittelbar 
östlich  von  der  Pafshöhe  noch  unbesetzt  und  somit  zwischen  ihm 
und  dem  Einschnitt,  den  die  Strafse  Larissa— Pharsalos  bildet,  noch 
eine  Lücke  geblieben.  Sie  zu  füllen  und  zugleich  die  aufmarschier- 
ten Truppen  vor  jeder  Störung  zu  wahren,  warf  er  die  einzelnen 
Abteilungen,  wie  sie  flüchtig  zurückfluteten,  Reiter-  und  Fufstruppen 
ohne  Unterschied  auf  den  genannten  Hügel  und  liefs  sie  sich  hier 
sammeln 8). 


x)  Pol.  ib.  23,  7:  tw  incovv/ua)  fxtra  raiv  6v£m>(üv  tTzrjei  ooßaQwg.  Damit 
scheinen  sämtliche  griechische  Hilfstruppen  gemeint  zu  sein,  aufser  den  600  Ätolern 
zu  Fufs,  die  auf  dem  andern  Flügel  standen,  S.  84  A.  1. 

2)  Eine  Legion  und  Ala  sind  hier  rund  11  000  Mann  zu  Fufs  und  1000  Reiter 
(Beilage  I  S.  102).  Mit  den  3000  Mann  zu  Fufs  und  7—800  Reitern,  die  schon  im 
Gefechte  standen  (S.  79)  und  den  Auxilien,  die  folgten  (s.  vor.  A.),  wäre  das  sogar 
eine  Masse  von  über  15000  Mann  gewesen.  Die  Truppen,  welche  das  Reitergefecht 
geführt  hatten,  werden  aber  wohl  zum  grofsen  Teil  aus  dem  Verbände  dieser 
Legion  entnommen  gewesen  sein.  Bei  den  Reitern  kommen  die  400  Ätoler  dazu 
(S.  79  A.  1). 

3)  Pol.  XVIII  24,  8:  ijdQoi£e  näviag  kn\  to  dt%iöv  xeQctg  xai  rovg  ne£ovg  xa\ 
rovg  Inniag.  Ich  setze  der  Übersichtlichkeit  wegen  die  ganze  Schlachtordnung 
zusammengefafst  her,  so  wie  sie  nun  zum  Schlagen  kam: 

Schlachtordnung  des  Philipp. 


Rechter  Flügel. 
Reiterei    Leichte     Peltasten     Phalanx 
1400         3500  2000  8000 


(S.  SO,  1) 


(S.  76,  4) 


1400  Reiter,  13500  zu  Fufs. 


Linker  Flügel. 
Phalanx  Thraker  Reiterei 

8000  2000  600 


(S.  84,  2) 


"V 


10000  zu  Fufs,  600  Reiter. 


Linker  Flügel. 
Reiterei  und  Leichte     Ala  und  Legion 

1400  3000  10000 

« Y 

( (S.  82,  2) 

1400  Reitei7^1?000  zu  Fufs."" 


Schlachtordnung  der  Römer. 


Rechter  Flügel. 

Legion  und  Ala  Atolerz.F.  Elef.u.Reit. 

11000  600  1000 

(S.84, 1) 

' v ' 

11  600  zu  Fufs,     1000  Reiter. 


3.  Der  Feldzug  vom  Jahre  197.  83 

Indessen  nahte  schon  die  römische  Legion ;  die  Signale  riefen  die 
letzten  noch  im  Rückzuge  kämpfenden  leichten  Truppen  von  der  Front 
zurück.  Um  die  Flügel  der  Phalanx,  rechts  und  links,  zogen  sie  sich 
bei  den  Makedoniern,  durch  die  Lücken  der  Manipeln  bei  den 
Römern'),  und  kaum  waren  sie  verschwunden,  so  prallten  beide 
Schlachtreihen  in  furchtbarem  Choc  aufeinander2).  Keine  Über- 
flügelung  fand  statt.  Die  gleichlangen  Linien  mafsen  sich  in  einem 
einzigen  gewaltigen  Frontalstofs. 

Aber  dem  Anprall  des  Lanzenwalles  von  oben  hielt  der  Römer 
nicht  stand.  Dafs  die  Reihen  nicht  gleich  ganz  geworfen  wurden, 
mag  man  ihrer  doppelten  Reserve  zuschreiben,  die  die  Weichenden 
aufzunehmen,  ihnen  neue  Widerstandskraft  einzuhauchen  wufste,  mag 
man  aus  ihrer  Gewohnheit  erklären,  überhaupt  im  Kampfe  anfangs 
ein  wenig  zu  weichen  und  den  schon  siegesfroh  vordringenden  Gegner 
durch  die  Zähigkeit  des  Widerstandes  erst  zu  enttäuschen,  dann  zu 
ermatten  und  endlich  zu  überwältigen3).  Doch  hier  verfing  diese 
Taktik  nicht  gegenüber  der  unaufhaltsam  vordringenden  makedonischen 
Phalanx.  Das  Vertrauen,  halten  zu  können,  wenn  man  wollte,  schwand; 
schon  wankten  die  Reihen  ernstlich,  schon  waren  sie  hier  und  da 
zerrissen,  da  verzweifelte  Flamininus  am  Siege  dieses  Flügels.  Er 
eilte  auf  die  andere  Seite  der  Schlacht,  um  hier,  wenn  möglich,  noch 
das  Geschick  des  Tages  zu  wenden. 

Und  hier  war  in  der  Tat  nicht  nur  das  numerische  Übergewicht 
auf  Seiten  der  Römer,  sondern  auch  der  taktische  Vorteil.  Der 
vollständig  formierte  rechte  Flügel  des  Flamininus  mit  seiner  Legion, 
seiner  Ala,   mit  der  Legionsreiterei,  den  Ätolern  zu  Fufs,    den  Ele- 


1)  Pol.  a.  a.  0.  24,  9  heilst  es  für  die  Makedonier  M6&t]  naQayyslfia  .  .  roTg 
€v£a)Voig  xsqkv]  für  die  Römer:  xura  de  tov  ambv  xeciobv  xal  Tiioq  degd/utvog  dg 
t«  diccGTrjjuaTa  twv  Gr]/u<xi(ov  rovg  nQoxivdwavoviag.  Dieser  Unterschied  in  der 
Ausführung  desselben  Manövers  ist  sehr  charakteristisch  für  die  Aufstellungsarfc 
beider  Heere.  Man  vergl.  die  vortrefflichen  Bemerkungen  über  die  Treffen-  und 
Intervalltaktik  der  Römer  in  G.  Veith's  Geschichte  der  Feldzüge  Cäsars,  Wien 
1906  S.  483. 

2)  Schilderung  bei  Polyb.  XVlil  25,  lff.,  s.  die  Übersetzung  im  Anhange  S.  92  f. 

3)  So  schildert  Polybius  II  33,  7  die  Kampfweise  der  Römer  in  einer  für 
ihre  Taktik  äufserst  wichtigen  Bemerkung.  Flaminius  —  sagt  er  —  habe  in  einer 
Gallierschlacht  durch  eine  Aufstellung,  die  kein  Zurückweichen  zuliefs,  die  den 
Römern  eigentümliche  Kampfart  unmöglich  gemacht:  diiqdsioe  to  jfjg  'Pcojuaixrjg 
uüy)]q  i'diov,  ov%  vnoleinofxevog  xönov  nqog  ir\v  ln\  nodu  zeug  aneiQaug  avci%a)Qr)öLV. 

6* 


84  Der  zweite  Makedonische  Krieg. 

fanten,  eine  Masse  von  etwa  1000  Pferden  und  über  11000  Fufs- 
soldaten1),  konnte  hier  zum  Angriffe  geführt  werden  gegen  8000  Pha- 
langiten ,  etwa  600  Reiter  und  bestenfalls  2000  leichtbewaffnete 
Thraker2),  die  noch  dazu  im  Aufmarsche  begriffen  waren  und  durch 
das  sich  hier  nach  Osten  zu  absenkende  Gelände  an  festem  Anein- 
anderschliefsen,  wie  es  die  Phalanx  verlangt,  behindert  wurden3). 
Die  einzelnen  Abteilungen  gerieten  schon  durch  den  Stofs  der  Ele- 
fanten in  Verwirrung,  und  was  überhaupt  bereits  den  Kamm  der 
Hügel  überschritten  hatte4),  wich  zurück,  erst  die  Hänge  hinan  und 
dann  mit  den  anderen  erst  anrückenden  Truppen  zusammen  dem 
Lager  zu.  Ganze  Abteilungen  ergaben  sich  oder  wurden  zusammen- 
gehauen. 

Aber  dadurch  war  der  Sieg  mitnichten  entschieden.  Wie  so  oft  bei 
antiken  Schlachten  schien  der  entgegengesetzte  Ausfall  des  Kampfes 
auf  den  Flügeln  eine  dritte  endgültige  Entscheidung  nötig  zu  machen. 
Flamininus  hat  sie  weder  vorbereitet  noch  geleitet.  Ein  gütiges  Ge- 
schick hat  dem  Feldherrn  den  Sieg  in  den  Schofs  geworfen,  der  sich 
von  Siegesgefühlen  zu  nichts  entscheidender  Verfolgung  hinreifsen 
liefs.  Der  Kriegstribun,  welcher  an  diesem  Tage  die  rechte  römische 
Legion  kommandierte6),  ist  es  gewesen,  der  durch  eine  Schwenkung 


*)  Dafs  die  zweite  Legion  mit  ihrer  Ala  und  Reiterei  hier  stand,  versteht 
sich  von  selber;  die  Elefanten  Pol.  XVIII  23,  7.  25,  5.  Die  Ätoler  zu  Fufs  müssen 
auf  diesem  Flügel  gestanden  haben,  weil  sie  zuerst  in  das  makedonische  Lager 
einbrachen  (Pol.  a.  a.  0.  27,  4.  Plut.  Flam.  8).  Legion  und  Ala  sind  (nach  Beilage  I 
S.  103)  11000  Mann,  die  Ätoler  600,  die  Legionsreiter  und  Alenreiter  1000.  Das 
ergibt  11600  Mann  zu  Fufs  und  1000  Reiter. 

2)  Da  die  Thraker  bei  dem  Reitergefecht  auf  dem  rechten  Flügel  nicht 
anwesend  waren  (S.  80,  A.  1)  und  auch  später  hier  nicht  genannt  werden,  müssen 
sie  auf  dem  linken  Flügel  gestanden  haben  oder  als  Lagerwache  im  Lager  zurück- 
geblieben sein.  Die  Zahl  der  Reiter  ergibt  sich  aus  derselben  Anmerkung,  die 
Zahl  der  Phalangiten  aus  S.  76,  A.  4. 

3)  Das  meint  Polybios  (a.  a.  O.  25,  6)  wohl,  wenn  er  sagt  oiiie  ovorrj- 
vcci  dvvctfievoi  ovte  kaßav  to  trjg  (päkayyog  löiov  a/rj^a  diu  rag  tcSv  roniav 
övO%£Qttag. 

4)  Dafs  das  einzelne  Abteilungen  schon  getan  hatten,  folgt  aus  Pol.  a.  a.  O. 
26,  8:  xcttavorjGctg  rovg  'PojfAuiovg  xaric  rb  ditoy/ua  .  .  lols  azQotg  ijdi]  7iQooneX«Cov- 
rag,  und  a.  a.  O.  25,  6. 

5)  Pol.  a.  a.  0.  26,  9  f. 

6)  Vergl.  Marquardt,  V2364.  —  In  unserer  Stelle  liegt  wohl  eine  Bestäti- 
gung der  dort  aufgestellten  Ansicht,  dafs  die  ganze  Legion  jeweils  unter  einem 
einheitlichen    Oberbefehle    gestanden    hat.     Wenn    ein  Tribun    20    Manipeln    zur 


3.  Der  Feldzug  vom  Jahre  197.  85 

seiner  Abteilungen  die  Geschicke  der  römisch-hellenistischen  Welt  auf 
Jahrhunderte  entschieden  hat. 

Auf  dem  gröfsten  Teile  der  Osthälfte  des  Abhanges  und  schon 
lange,  ehe  man  den  Kamm  ganz  erstiegen  hat,  kann  man  mit  rück- 
wärts gewandtem  Blick  die  ganze  Abdachung  bis  zur  Pafsstrafse 
hin  und  den  ganzen  Talboden  am  Fufse  derselben  übersehen.  (Vergl. 
S.  75.)  Von  hier  aus  also  erkannte  der  Offizier,  dessen  Namen  eine 
neidische  Fügung  verschweigt,  die  furchtbare  Gefahr  des  linken 
Flügels,  und  ohne  sein  erstes  Treffen,  das  in  Kampf  und  Verfolgung 
zu  stark  verwickelt  war,  zurückzubeordern,  nimmt  er  das  zweite  und 
dritte,  die  Principes  und  Triarier  seiner  Legion  zusammen l)  und 
links  sich  ziehend  und  einschwenkend  bricht  er  unvermutet  die  Höhen 
herab  der  Phalanx  des  Philipp  in  den  Rücken  (S.  77  A.  3).  Der 
Angriff  seiner  3000  Mann2)  kam  völlig  überraschend.  Nicht  kehrt 
zu  machen,  nicht  ein  Karree  zu  formieren,  wie  es  sonst  in  ähnlicher 
Lage  die  Phalanx  wohl  getan  hat 3),  blieb  Zeit  und  Überlegung.  Die 
Römer  waren  der  Phalanx  schon  zu  nahe  auf  dem  Leibe,  und  ihr 
kurzes  Schwert  konnte  die  Blutarbeit  beginnen. 

Der  Sieg  war  auch  auf  diesem  Flügel  entschieden. 


Verfügung  hatte,    werden   ihm    auch   noch  die   10   übrigen   unterstanden   haben. 

Denn  eine  Teilung  in  20  und  10  Manipeln  zwischen  zwei  ranggleichen  Offizieren 

ist  nicht  sehr  wahrscheinlich. 

J)  Es  heifst  bei  Pol.  a.  a.  0.  26,  1  nur:  orj/uaia$  fywv  ov  nlsiovg  el'xooi.    Die 

im  Text  gegebene  Deutung,  auf  welche  schon  Delbrück  hingewiesen  hat  (Kriegsk. 

I  367),  ist  die  wahrscheinlichste. 

2)  So    viel    betragen    die    Principes    und    Triarier    in    einer    Legion    von 
5200  Mann,  wie  Flamininus  sie  hatte,    s.  Beilage  I  S.  103. 

3)  z.  B.  bei  Magnesia,  s.  unten. 


Anhang  I. 


Übersetzung  des  Schlachtberichtes  von  den  Aoospässen. 

Liv.  32,  5,  9:  Im  Anfange  des  Frühlings  schickte  er  (Philipp) 
alle  angeworbenen  Söldner  und  leichten  Truppen  unter  Athenagoras 
durch  Epiros  nach  Chaonien,  um  die  Engpässe  bei  Antigonea  — 
Stena  nennen  sie  die  Griechen  —  zu  besetzen.  (10)  Er  selbst  folgte 
wenige  Tage  später  mit  den  schweren  Truppen  und  nach  einer  ein- 
gehenden Erkundung  der  Örtlichkeit  hielt  er  die  Stellung  am  Aoos 
für  die  geeignetste  zur  Verschanzung.  (11)  Dieser  Flufs  fliefst 
zwischen  zwei  Bergen,  mit  Namen  Meropos  und  Asnaos,  in  engem 
Tale  hin  und  läfst  nur  eine  schmale  Strafse  oberhalb  des  Ufers  frei  .  . 
Den  Asnaos  läfst  er  Athenagoras  mit  den  leichten  Truppen  besetzen 
und  befestigen;  er  selbst  schlägt  auf  dem  Meropos  sein  Lager  auf. 
(12)  Wo  die  Felsen  steil  waren,  wurden  nur  kleine  Posten  auf- 
gestellt; wo  die  Stellung  weniger  sturmfrei  war,  liefs  er  durch  Gräben, 
Wälle,  Türme  befestigen.  (13)  Auch  wurde  eine  grofse  Menge  von 
Wurfmaschinen,  um  den  Feind  fern  zu  halten,  an  geeigneten  Orten 
aufgestellt.  Das  königliche  Zelt  wurde  vorn  an  dem  Walle  auf  dem 
am  meisten  sichtbaren  Hügel  aufgeschlagen,  um  den  Feinden  Schrecken, 
den  eigenen  Leuten  Vertrauen  einzuflöfsen  .  .  .  [Nach  Erzählung  der 
Verhandlungen  mit  Flamininus]: 

32,  10,  9 :  Am  folgenden  Tage  wurden  zuerst  in  Ausfällen  von 
den  einzelnen  Kastellen  aus  in  der  dazu  genügend  breiten  Ebene 
viele  kleine  Scharmützel  geliefert,  dann  als  die  königlichen  Truppen 
sich  in  enges  und  steiles  Gelände  zurückzogen,  folgten  die  Römer  in 
der  Hitze  des  Gefechts  nach.  (11)  Für  sie  war  die  Ordnung,  die 
Disziplin,  die  besser  deckende  Bewaffnung,  für  den  Feind  die  Örtlich- 


Anhang  I.     Übersetzung  des  Schlachtberichtes  von  den  Aoospässen.        87 

keit,  die  fast  überall  auf  den  Felsen  wie  auf  einer  Mauer  aufgestellten 
Wurfmaschinen  günstig.  (12)  Nach  starkem  beiderseitigen  Verlust 
machte  die  Nacht  dem  Treffen  ein  Ende. 

[Folgt  Erzählung  von  der  Entdeckung  des  Umgehungspfades 
und  einem  zweitägigen  Marsche  des  Umgehungskorps;  dann]: 

12,  1:  Als  die  Römer  am  dritten  Tage  Feuerzeichen  gaben, 
dafs  sie  den  gewünschten  Berggipfel  besetzt  hatten,  liefs  der  Konsul 
in  dreifacher  Kolonne  ausrücken.  In  der  Mitte  des  Tales  ging  er 
mit  dem  Kerne  der  Truppen  vor;  den  rechten  und  linken  Flügel 
läfst  er  gleichfalls  gegen  die  Verschanzungen  vorgehen.  (2)  Mit  der- 
selben Energie  kommen  die  Feinde  entgegen.  Und  solange  sie, 
durch  ihren  Kampfeseifer  fortgerissen,  aufserhalb  der  Schanzen 
kämpfen,  sind  die  Römer  durch  ihre  Tapferkeit,  Kriegserfahrung  und 
ihre  Bewaffnung  überlegen;  nachdem  die  königlichen  Truppen  sich 
in  die  Schanzen  und  die  von  Natur  festen  Punkte  zurückgezogen 
hatten,  wandte  sich  die  Gefahr  gegen  die  Römer,  welche  sich  tollkühn 
in  ungünstiges  Gelände  und  für  den  Rückzug  schwierige  Engen  vor- 
gewagt hatten.  (4)  Und  sie  hätten  sich  nicht  ungestraft  zurückziehen 
können,  wenn  nicht  Geschrei  vom  Rücken  her  und  gleich  darauf 
der  Angriff  die  königlichen  Truppen  kopflos  vor  Schreck  gemacht 
hätte.  (5)  Ein  Teil  von  ihnen  floh,  ein  Teil  hielt  stand,  mehr  weil 
kein  Platz  zur  Flucht  war  als  aus  Mut,  und  wurde  nun  von  vorne 
und  vom  Rücken  bedrängt.  (6)  Das  ganze  Heer  hätte  vernichtet 
werden    können,    wenn    die    Sieger    die  Fliehenden    verfolgt  hätten. 

(7)  Aber  die  Reiterei  wurde  durch  die  Enge  und  Steilheit  des  Ge- 
ländes,   der  Fufssoldat    durch  seine   schwere  Bewaffnung    gehindert. 

(8)  Der  König  floh  zuerst  ohne  Ordnung  und  ohne  umzuschauen. 
Nach  5  Millien  machte  er  auf  einem  Hügel  Halt,  da  er  nach  dem 
schwierigen  Gelände  vermutete,  dafs  der  Feind  —  wie  es  tatsächlich 
auch  war  —  nicht  so  schnell  folgen  könne.  Von  hier  aus  schickte 
er  über  alle  Berge  und  Täler  Leute,  um  die  Zerstreuten  zu  sammeln. 

(9)  Mit  Verlust  von  nicht  mehr  als  2000  Mann  wurde  das  übrige 
Heer  vereinigt  und  setzte  seinen  Rückzug  nach  Thessalien  fort. 


Anhang  IL 


Übersetzung  des  Sclilachtberichtes  von  Kynoskephalä1). 

Polybios  XVIII  18,  1:  Da  Titus  (Flamininus)  nicht  in  Erfahrung 
bringen  konnte,  wo  der  Gegner  lagere,  von  seinem  Einrücken  in 
Thessalien  aber  zuverlässige  Nachricht  hatte,  so  liefs  er  alle  Mann- 
schaften Schanzpfähle  hauen  .  . 

[Folgt  2  —  18,  Vergleich  des  griechischen  und  römischen  Lagers.] 
19:  Nachdem  er  dies,  dem  Bedürfnisse  der  Lage  entsprechend, 
hatte  in  Bereitschaft  setzen  lassen,  ging  er  mit  dem  ganzen  Heere 
langsam  vor,  und  als  er  etwa  50  Stadien  von  Pherä  entfernt  war, 
schlug  er  das  Lager  (2).  Am  Morgen  des  folgenden  Tages  schickte 
er  ein  Erkundungskorps  ab  mit  dem  Auftrage,  Stellung  und  Mafs- 
regeln  des  Feindes  in  Erfahrung  zu  bringen.  (3)  Philipp,  der  um 
dieselbe  Zeit  Nachricht  erhalten  hatte,  dafs  die  Römer  bei  Theben 
lagerten,  brach  mit  dem  ganzen  Heere  von  Larissa,  in  der  Richtung 
auf  Pherä  zu,  auf.  (4)  Etwa  30  Stadien  davon  entfernt,  schlug  er 
ein  Lager  und  erteilte  allen  den  Befehl,  rechtzeitig  für  die  Pflege 
des  Körpers  zu  sorgen;  (5)  am  anderen  Morgen  liefs  er  früh  antreten, 
schickte  die  gewohnte  Vorhut  voran  mit  dem  Befehle,  die  Hügel 
oberhalb  Pherä  zu  überschreiten,  und  brach  selber  mit  dem  Heere 
bei  Tagesanbruch  aus  dem  Lager  auf.  (6)  Fast  wären  nun  die  beider- 
seits vorgeschickten  Korps  in  der  Gegend  der  Pafshöhe  zum  Hand- 
gemenge gekommen.  (7)  Denn  wegen  der  Dunkelheit  wurden  sie 
sich  erst  aus  nächster  Nähe  gewahr,  machten  Halt,  schickten  sofort 
Meldung   an    die  Heerführer  und  baten  um  Verhaltungsmafsregeln. 


J)  Von    der  Übersetzung  des    Livianischen   Berichtes   ist   abgesehen,  weil 
er  selbst  nichts  als  eine  flüchtige  Übersetzung  des  Polybianischen  ist. 


Anhang  II.    Übersetzung  des  Schlachtberichtes  von  Kynoskephalä.        89 

[Lücke.  Sinn  etwa:  Diese  beschlossen  stehen  zu  bleiben]1)  in 
den  gegenwärtigen  Stellungen  und  auch  die  Vortruppen  zurückzu- 
rufen. (9)  Am  anderen  Tage  schickten  beide  gegen  300  Reiter  und 
300  Leichte  auf  Erkundung  aus,  unter  ihnen  schickte  Titus  zwei 
Abteilungen  ätolischer  Reiter  wegen  ihrer  Geländebekanntschaft  mit. 
(10)  Die  stiefsen  diesseits  von  Pherä  in  der  Richtung  nach  Larissa 
zu  in  heftigem  Gefechte  zusammen2).  (11)  Da  aber  die  Abteilungen 
des  Ätolers  Eupolemos  tüchtig  draufgingen  und  auch  die  Italiker  mit 
in  den  Kampf  fortrissen,  kamen  die  Makedonier  ins  Gedränge.  (12) 
Und  an  diesem  Tage  zogen  sich  beide  Teile  nach  einem  langen  Ge- 
plänkel in  ihre  Lager  zurück. 

20:  Am  folgenden  Tage  aber  brachen  beide  Heere  auf,  da  ihnen 
das  Gelände  bei  Pherä  nicht  behagte,  weil  es  mit  Bäumen  bepflanzt 
und  voll  von  Hecken  und  Gärten  war.  (2)  Philipp  marschierte  in 
der  Richtung  auf  Skotussa,  in  der  Absicht,  sich  aus  dieser  Stadt  zu 
verproviantieren  und  so,  wohl  versehen,  ein  für  seine  Truppen  ge- 
eignetes Schlachtfeld  zu  suchen. 

(3)  Titus  aber  ahnte  seine  Absicht  und  brach  deshalb  zugleich 
mit  Philipp  auf,  um  ihm  zuvorzukommen  und  das  Getreide  im  Ge- 
biete von  Skotussa  zu  vernichten.  (4)  Da  aber  zwischen  dem  Marsch 
beider  hohe  Hügel  lagen,  erhielten  weder  die  Römer  von  der  Marsch- 
route der  Makedonier  Kenntnis,    noch   umgekehrt  jene  von  der  der 


*)  Philipp  scheint  in  sein  altes  Lager  nördlich  von  Pherä  zurückmarschiert 
zu  sein.  Vergl.  S.  62  A.  3.  Livius  33,6,6  übersetzt  nur:  et  illo  quidem  die 
nulio  inito  certamine  in  castra  revocati  sunt. 

2)  Zu  dieser  Übersetzung  der  handschriftlichen  Worte:  ol  y.ul  auju/AigavTeg 
inl  t«  t(ov  4>iQ(JZv  (bg  nqbg  AccQioaetv  GvveßaD.ov  ix&v/uojg  hat  Herr  Büttner-Wobst 
die  Freundlichkeit  gehabt,  mir  folgendes  mitzuteilen: 

Eine  andere  Deutung  läfst  der  Text  nicht  zu:  es  mufs  also  nach  dem 
Wortlaute  das  Vorpostengfecht  nordwestlich  von  Pherä  gewesen  sein.  Allerdings 
geben  die  Handschriften  nicht  inl  rade,  sondern  nur  inl  rä;  Ursinus  schlug  inl 
i(ov  <£>£Q(Sv  vor;  Reiske  schreibt  S.  609 :  't«  videtur  delendum.  inl  tuv  4>£q(ov 
coram  Pheris,  in  oculis  oppidi,  ant  alias  leg.  inl  roTg  tcjv  <P€qcöv  seil,  psgeoc  roTg 
tfiqovaiv  (og  ngbg  ActQiaaav';  Schweighäuser  korrigierte  inl  t«J«  twv  <p£Q(Ji>v  und 
dies  ist  seitdem  allgemein  angenommen  worden.  Aber  selbst  wenn  wir  alle  diese 
Verbesserungen  verwerfen  würden,  der  Zusatz  w?  nQog  AaQiooav  weist  mit  unab- 
weisbarer Deutlichkeit  darauf  hin,  dafs  zwischen  Pherä  und  Larissa  d.  h.  nord- 
westlich von  Pherä  das  Gefecht  gewesen  ist.  Dafs  aber  tu?  nQog  A.  heifsen  mufs 
„in  der  Richtung  nach  Larissa"  geht  aus  dem  hervor,  was  ich  in  Fleckeis.  Jahrb. 
1889,  149  ff.  ausführlich  entwickelt  habe. 


90  l)er  zweite  Makedonische  Krieg. 

Kömer.  (5)  Am  Ende  dieses  Tages  lagerte  Titus  bei  dem  sogenannten 
Orte1)  Eretria  in  Phthiotis,  Philipp  am  Onchestosfiusse,  ohne  gegen- 
seitig von  ihren  Lagerplätzen  Kunde  zu  haben.  (6)  Am  folgenden 
marschierten  sie  weiter,  und  Philipp  lagerte  beim  sogenannten  Melam- 
bion  im  Gebiete  von  Skotussa,  Titus  beim  Thetideon  im  Gebiete 
von  Pharsalos,  ohne  das  geringste  von  einander  zu  wissen.  (7)  In- 
folge Regens  und  heftiger  Gewitter  senkte  sich  am  folgenden  Morgen 
ein  so  dichter  Nebel  aus  den  Wolken  auf  die  Erde  herab,  dafs  man 
wegen  der  herrschenden  Finsternis  nicht  einmal  die  Hand  vor  Augen 
sehen  konnte.  (8)  Trotzdem  brach  Philipp,  um  sein  Marschziel  mög- 
lichst schnell  zu  erreichen,  auf  und  marschierte  mit  dem  ganzen  Heere 
weiter.  (9)  Durch  den  Nebel  auf  dem  Marsche  belästigt,  legte  er 
aber  nur  eine  kurze  Strecke  zurück,  schlug  dann  ein  Lager  auf  und 
schickte  seine  Vorhut  ab  mit  dem  Befehle,  den  Kamm  der  zwischen- 
liegenden Hügel  zu  besetzen. 

21:  Titus,  der  in  seinem  Lager  beim  Thetideon  ohne  Nach- 
richt von  der  Stellung  des  Feindes  war,  schickte  10  Reiterabteilungen 
und  1000  Leichte  ab  mit  dem  Auftrage,  das  Land  vorsichtig  abzu- 
suchen. (2)  Auf  ihrem  Vormarsche  in  der  Richtung  der  Übergänge 
stiefsen  diese  Truppen  wegen  des  nebligen  Wetter  ohne  etwas  zu 
merken  auf  die  makedonische  Vorhut.  (3)  Im  Anfang  gerieten  beide 
Teile  einen  Augenblick  in  Verwirrung,  bald  darauf  aber  fingen  sie 
an  miteinander  zu  plänkeln  und  schickten  beiderseits  Meldung  an 
ihre  Heerführer.  Da  aber  die  Römer  im  Gefechte  von  der  makedonischen 
Vorhut  benachteiligt  wurden,  schickten  sie  in  ihr  Lager  und  baten 
um  Verstärkung.  (5)  Titus  schickte  ihnen  die  Ätoler  Archedamos 
und  Eupolemos  und  zwei  seiner  Militärtribunen  mit  500  Reitern  und 
2000  Fufssoldaten  zu.  (6)  Durch  diese  Verstärkung  erhielt  das  Ge- 
fecht sofort  das  entgegengesetzte  Aussehen.  Denn  die  Römer  griffen, 
durch  die  Verstärkung  ermutigt,  doppelt  kräftig  an,  die  Makedonier 
wehrten  sich  zwar  tapfer,  aber  gedrängt  und  sehr  benachteiligt  flohen 
sie  zu  der  Höhe  und  schickten  zum  Könige  um  Verstärkung. 

22:  Philipp,  der  aus  den  vorerwähnten  Ursachen  an  diesem 
Tage  keine  Entscheidungsschlacht  mehr  erwartet  hatte,  hatte  einen 
ziemlich    grofsen    Teil  seines  Heeres    auf  Furagierung   ausgeschickt. 


!)  Nach  Büttner  -Wobsts    brieflicher  Mitteilung   sind    die  Worte    „dem  so- 
genannten Orte"  wohl  besser  zu  tilgen. 


Anhang  II.    Übersetzung  des  Schlachtberichtes  von  Kynoskephalä.         91 

(2)  Auf  die  Meldungen  hin  jedoch,  und  da  der  Nebel  sich  bereits 
lichtete,  schickte  er  Herakleides  aus  Gyrton,  den  Befehlshaber  der 
thessalischen,  und  Leon,  den  der  makedonischen  Reiterei,  ferner  den 
Athenagoras  mit  allen  Söldnern  aufser  den  Thrakiern  vor.  (3)  Als 
so  den  Makedoniern  eine  gewichtige  Schar  zu  Hilfe  kam.  gingen 
sie  zum  Angriffe  über  und  jagten  die  Römer  wieder  von  den  Höhen 
hinab.  (4)  Das  gröfste  Hindernis,  die  Feinde  völlig  in  die  Flucht 
zu  schlagen,  war  die  Tapferkeit  und  Verwegenheit  der  ätolischen 
Reiter;  denn  sie  kämpften  mit  gröfster  Kühnheit  und  Entschlossen- 
heit. (5)  Je  mehr  nämlich  die  Ätoler  den  anderen  Griechen  im 
Fufskampfe  und  in  rangierter  Schlacht  nachstehen,  sowohl  wegen 
ihrer  Bewaffnung  als  auch  wegen  ihrer  Aufstellungsart,  so  sehr  über- 
treffen sie  sie  in  dem  Reiterkampfe  in  kleinen  Abteilungen  und  Mann 
gegen  Mann.  (6)  Deshalb  wurden  auch  damals  die  Römer,  weil  jene 
den  Anprall  der  Feinde  aufhielten,  nicht  weiter  hinabgetrieben  bis  in 
das  ebene  Gelände,  sondern  nach  kurzem  Zurückweichen  machten  sie 
Front  und  hielten  wieder  stand.  (7)  Als  jedoch  Titus  sah,  dafs  nicht 
nur  Reiter  und  Leichte  gewichen  waren,  sondern  ihretwegen  die 
ganze  Streitmacht  in  völliger  Aufregung  war,  führte  er  das  gesamte 
Heer  heraus  und  stellte  es  am  Fufse  der  Hügel  in  Schlachtordnung. 

(8)  Zu  derselben  Zeit  kam  eiligst  Bote  auf  Bote  von  der  makedoni- 
schen Vorhut  zu  Philipp  mit  dem  Rufe:  „König,  es  fliehen  die  Feinde; 
lafs  den  günstigen  Augenblick  nicht  vorüber;  sie  halten  uns  nicht 
stand,    die  Barbaren;    dein    ist   jetzt    der    Tag,    dein    die    Stunde!" 

(9)  Daher  liefs  sich  der  König,  obwohl  das  Gelände  ihm  nicht  gefiel, 
doch  zum  Kampfe  bestimmen.  Denn  die  erwähnten  Hügel  —  die  Kynos- 
kephalä —  sind  rauh,  wrellig  und  ziemlich  hoch1).  (10)  Deshalb  war 
Philipp,  der  die  Schwierigkeiten  des  Geländes  voraussah,  anfangs 
auch  durchaus  nicht  zum  Kampfe  geneigt.  Jetzt  aber  befahl  er  doch, 
durch  die  Hoffnungsfreudigkeit  der  Boten  bewogen,  die  Armee  aus 
dem  Lager  zu  führen. 

23 :  Durch  die  Aufstellung  seiner  gesamten  Streitmacht  gab  Titus 
den  schon  im  Gefechte  stehenden  Truppen  einen  Rückhalt  und  sprach 
zugleich  sein  Heer  an  der  Front  entlang  reitend  an.  Seine  Ansprache 
war  kurz,  aber  klar  und  deutlich.  Denn  indem  er  mit  dem  Finger 
auf   die    leibhaftig  vor    ihnen    stehenden  Feinde    wies,    sagte  er  zu 


i)  Vergl.  S.  67  A.  1. 


<>•_>  Der  zweite  Makedonische  Krieg. 

seinen  Soldaten  (3  bis  6  Rede  des  Flamininus).  (7)  Nach  solcher 
Ansprache  befahl  er,  dafs  der  rechte  Flügel  mit  den  davor  aufge- 
stellten Elefanten  an  Ort  und  Stelle  bleiben  solle;  mit  dem  linken 
und  den  Leichten  rückte  er  stolz  gegen  den  Feind  vor.  (8)  Die  römi- 
schen Truppen  im  Gefecht  aber  griffen  mit  dieser  Stütze  im  Rücken 
den  Feind  wieder  an. 

24 :  Zu  gleicher  Zeit  war  auch  vor  Philipps  Lager  der  gröfsere 
Teil  des  Heeres  aufmarschiert,  und  der  König  führte  deshalb  die 
Peltasten  und  den  rechten  Flügel  der  Phalanx  selbst  in  eiligem1) 
Marsche  die  Höhen  hinan.  (2)  Dem  Nikanor  mit  dem  Beinamen 
„Elefant"  gab  er  Befehl,  mit  dem  Rest  womöglich  auf  dem  Fufse  zu 
folgen.  (3)  Auf  der  Höhe  angekommen,  liefs  er  sofort  links  auf- 
marschieren und  besetzte  den  Kamm.  Denn  da  seine  Vortruppen 
die  Römer  weit  auf  die  andere  Seite  der  Hügel  gedrängt  hatten, 
fand  er  den  Kamm  unbesetzt.  Wärend  er  aber  noch  so  seinen  rechten 
Flügel  aufmarschieren  liefs,  waren  die  Söldner  schon  da,  mit  Macht 
zurückgedrängt  von  den  Feinden.  (5)  Denn  da  das  schwere  Fufsvolk 
den  Leichten  der  Römer,  wie  gesagt,  zu  Hilfe  gekommen  war  und 
ihnen  beistand,  griffen  jene  von  diesem  Schwergewicht  sozusagen  ge- 
hoben die  Gegner  energisch  an  und  brachten  ihnen  starke  Verluste 
bei.  (6)  Im  Anfang  als  der  König  gekommen  war,  hatte  er  zu  seiner 
Freude  den  Kampf  der  Leichten  dicht  beim  feindlichen  Lager  spielen 
sehen.  (7)  Als  er  dann  aber  wieder  umgekehrt  seine  Leute  weichen 
und  unterstützungsbedürftig  sah,  fühlte  er  sich  gezwungen,  Hilfe  zu 
leisten  und,  wie  die  Dinge  einmal  lagen,  eine  Entscheidungsschlacht 
zu  schlagen,  obgleich  der  gröfste  Teil  seiner  Phalanx  noch  im  An- 
märsche auf  die  Hügel  war.  (8)  Er  nahm  also  die  fechtenden  Truppen 
auf,  sammelte  sie  alle,  Fufstruppen  und  Reiter,  auf  den  rechten  Flügel 
und  gab  seinen  Peltasten  und  Phalangiten  Befehl,  nach  der  Tiefe 
einzudublieren  und  rechts  heranzugehen.  (9)  Als  das  geschehen  war 
und  die  Feinde  heranwaren,  wurde  den  Phalangiten  Befehl  gegeben, 
die  Lanzen  zu  fällen  und  draufzugehen,  den  Leichten,  sich  von 
der  Front  an  die  Flügel  zurückzuziehen.  (10)  In  demselben  Augen- 
blick nahm  auch  Titus  die  Leichten  in  die  Lücken  der  Manipeln  auf 
und  griff  an. 

25 :  Der  Zusammenprall  geschah  mit  Macht  und  gewaltigem  Ge- 


!)  avviovov  nach  Büttner-Wobst  zur  Stelle.    Hultsch  schreibt  ovviopog. 


Anhang  II.     Übersetzung  des  Schlachtberichtes  von  Kynoskephalä.  93 

schrei  von  beiden  Seiten.  Denn  beide  Teile  erhoben  zugleich  den 
Kriegsruf,  und  aufserdem  schrien  auch  die  an  der  Schlacht  Un- 
beteiligten noch  mit,  so  dafs  es  ein  geradezu  fürchterliches  und  sinn- 
betörendes Kampfgetöse  war.  (2)  Der  rechte  Flügel  Philipps  schnitt 
nun  vorzüglich  im  Kampfe  ab,  da  er  von  oben  her  angriff  und  durch 
seine  dichte  Aufstellung  und  seine  für  diese  Art  Kampf  vorzüglichere 
Bewaffnung  im  Übergewicht  war.  (3)  Von  dem  andern  Teilen  seines 
Heeres  dagegen  blieben  die  unmittelbar  neben  den  Kämpfenden 
stehenden  Truppen  entfernt  vom  Feinde,  die  aber  auf  dem  linken 
Flügel  hatten  eben  erst  die  Höhen  erstiegen  und  erschienen  auf  dem 
Kamm.  (4)  Als  nun  Titus  bemerkte,  dafs  seine  Leute  den  Anprall 
der  Phalanx  nicht  aushalten  konnten  und  dafs  die  Leute  des  linken 
Flügels  aus  ihrer  Stellung  gedrängt  wurden  und  teils  schon  gefallen 
waren,  teils  langsam  zurückwichen,  dafs  dagegen  auf  dem  rechten 
Flügel  die  Siegeshoffnung  beruhe,  ritt  er  schnell  hinüber.  Und  als  er 
hier  sah,  dafs  die  an  das  Gefecht  anschliefsenden  feindlichen  Truppen 
[Lücke.  Etwa:  untätig  standen,]  andere  erst  eben  von  den  Hügeln 
hinabstiegen,  dritte  noch  oben  auf  dem  Kamm  standen,  da  liefs  er  die 
Manipeln  mit  den  Elefanten  vor  sich  zum  Angriff  vorgehen.  (6)  Die 
Makedonier  aber,  welche  weder  einen  einheitlichen  Oberbefehl  hatten, 
noch  sich  gut  in  Phalanxformation  rangieren  konnten  wegen  des 
schwierigen  Geländes  und  weil  sie,  im  Aufmarsche  begriffen,  nicht  in 
Schlacht-  sondern  noch  in  Marschformation  waren,  (7)  warteten  nicht 
einmal  den  Angriff  ab,  sondern  schon  durch  die  Elefanten  in  Auf- 
regung und  Unordnung  gebracht,  flohen  sie. 

26:  Die  meisten  Römer  verfolgten  und  metzelten  sie  nieder;  (2) 
ein  Militärtribun  aber,  der  nur  20  Manipeln  befehligte  und  im  ent- 
scheidenden Augenblicke  sah,  was  not  tat,  trug  viel  zur  günstigen 
Entscheidung  des  ganzen  Kampfes  bei.  (3)  Denn  da  er  bemerkte, 
dafs  der  Flügel  Philipps  weit  vorgedrungen  war  und  ihren  linken 
durch  die  Wucht  seines  Angriffes  bedrängte,  verliefs  er  den  schon 
im  entschiedenen  Vorteile  begriffenen  rechten  Flügel,  schwenkte  ein 
und  fiel  den  siegreichen  Makedoniern  in  den  Rücken.  (4)  Da  aber 
die  Phalanx  untauglich  ist,  im  Kehrt-  und  im  Einzelkampfe  zu  streiten, 
so  töteten  die  Römer  alle  auf  die  sie  trafen,  ohne  dafs  diese  sich 
gegenseitig  beistehen  konnten,  (5)  bis  die  Makedonier  die  Waffen 
fortwarfen  und  flohen,  da  jetzt  auch  die  Römer  die  in  der  Front  ge- 
wichen waren,  wieder  kehrt  machten  und  angriffen.     (6)  Anfangs  war 


94  Der  zweite  Makedonische  Krieg. 

Philipp,  wie  erwähnt,  wegen  des  Erfolges  seines  Flügels 'der  Über- 
zeugung gewesen,  er  sei  überhaupt  Sieger.  (7)  Jetzt  aber,  als  er  sah, 
dafs  die  Makedonier  plötzlich  die  Waffen  wegwarfen  und  die  Feinde 
von  hinten  her  angegriffen  hatten,  verliefs  er  einen  Augenblick  das 
Kampfgetümmel  mit  wenigen  Reitern  und  Fufssoldaten  und  über- 
blickte das  ganze  Schlachtfeld.  (8)  Als  er  nun  sah,  dafs  die  Römer 
auf  der  Verfolgung  des  linken  Flügels  sich  schon  dem  Kamme 
näherten,  wandte  er  sich  [Lücke.  Etwa:  zur  Flucht,  dabei  soviel]  Thraker 
und  Makedonier,  wie  er  nach  Lage  der  Dinge  konnte,  sammelnd. 
(9)  Als  Titus  auf  der  Verfolgung  auf  die  äufsersten  Regimenter  des 
linken  Flügels  der  Makedonier  stiefs,  welche  eben  erst  auf  dem  Kamme 
anlangten,  und  sah,  wie  sie  ihre  Sarissen  aufgerichtet  hatten,  was  sie 
zu  tun  pflegen,  wenn  sie  sich  ergeben  oder  zum  Feinde  übergehen  wollen, 
machte  er  [Lücke.  Etwa:  erst  unklar,  was  das  bedeute]  Halt.  (II)  Dann 
als  er  erfahren  hatte,  warum  die  Makedonier  dies  täten,  wollte  er 
seine  Truppen  zurückhalten  und  die  Entmutigten  schonen.  Während 
er  das  noch  erwog,  fielen  aber  einige  der  Vordersten  von  oben  her 
über  die  Gegner  her  und  töteten  die  meisten,  so  dafs  nur  wenige, 
nachdem  sie  die  Waffen  fortgeworfen  hatten,  entkamen. 

27:    Als  so  überall  der  Kampf  mit  dem  Siege  der  Römer   ein 
Ende  genommen  hatte,  richtete  Philipp  seinen  Rückzug  auf  Tempe  usw. 


Beilage  I. 


Heeresstärken  der  Makedonier  und  Römer  im 
2.  Makedonischen  Kriege. 

1.  Die  Feldzüge  von  199  und  198. 

1.  Für  die  Makedonier  haben  wir  die  summarische  Angabe,  dafs 
Philipp  im  Sommer  199  denRömern  in  Obermakedonien  mit  20000  Mann 
zu  Fufs  und  2000  Reitern  gegenübergestanden  habe  (Liv.  31,  34,  7)1). 
Das  entspricht  der  genauer  bekannten  Stärke  seines  Heeres  bei  Kynos- 
kephalä,  welches  aus  23500  Mann  zu  Fufs  und  2000  Reitern  bestand 
(s.  S.  102),  und  den  sonstigen  Verhältnissen,  und  ist  daher  nicht  zu 
beanstanden. 

2.  Für   die  Römer   sind    bezeugt    zwei  Legionen    mit    den   zu- 
gehörigen Bundesgenossen. 

Die  Stärke  dieser  Legionen  wird  man  nach  dem  gewöhnlichen 
Legionsbestande  dieser  Zeit  in  gröfseren  Kriegen  auf  stark  5000  Mann 
ansetzen  müssen2),  was  auch  ihrem  Bestände  im  Jahre  197,  über  den 
wir  genauer  unterrichtet  sind  (S.  103),  entspricht.  Die  zugehörige 
Zahl  der  latinischen  Bundesgenossen  würde  dann  stark  12000  Mann 
betragen3).     Die  Reiterei  ist  auf  etwa  1000  Mann  italischer  Truppen 


x)  Einzelne  Truppenteile,  wie  400  Illyrier,  300  Kreter,  Liv.  31,  35,  1,  ge- 
legentlich im  Laufe  des  Feldzuges  genannt. 

2)  Steinwender,  Über  die  Stärke  der  röm.  Legion,  Progr.  Marienburg  1877, 
S.  71,  Marquardt-Domaszewski  Hdb.  V2  334. 

3J  Nach  Polybios,  VI  26,7.  30,2,  s.  auch  Marquardt-Domaszewski  Hdb. 
V  391.  Die  von  Steinwender,  „Über  das  Verhältnis  zwischen  cives  und  socii", 
Progr.  Marienburg  1879,  S.  6  ff.,  mit  grofser  Sorgfalt  aus  Livius  zusammengestellten 
Zahlen,  die  davon  im  einzelnen  nach  oben  und  unten  abweichen,  haben  nur  einen 
sehr  bedingten  Wert,  da  sie  durchgängig  aus  der  Annalistik  stammen. 


96  D©*  zweite  Makedonische  Krieg. 

anzunehmen,  zu  denen  für  den  Makedonischen  Krieg  nach  Livius 
31,  19,4  (Annalcn)  noch  1000  numidische  Reiter  hinzukamen1). 

Wir  erhalten  damit  im  ganzen  rund  23000  Mann  zu  Fufs  und 
2000  Reiter. 

Zu  dieser  Armee  sollen  nun  nach  den  Annalen  unter  dem 
Konsul  Villius  (Herbst  199)  Ersatztruppen  in  nicht  bekannter  Stärke2), 
dann  unter  Flamininus  im  Frühjahre  198  8000  Fufssoldaten  und 
800  Reiter3)  und  endlich  im  Jahre  197  noch  einmal  6000  Mann  Fufs- 
soldaten und  500  Reiter4)  hinzugekommen  sein,  so  dafs  die  Ersatz- 
truppen nach  zwei  Feldzügen  mehr  als  14  000  Mann  zu  Fufs  und 
1300  Reiter  betragen  hätten,  d.  h.  fast  zwei  Drittel  der  ursprüng- 
lichen Armee. 

Wären  diese  Nachrichten  in  ihrer  Gesamtheit  richtig,  so  wäre 
entweder  die  Armee  sehr  bedeutend  über  ihren  Anfangsstand  er- 
höht worden,  oder  man  müfste  annehmen,  dafs  sie  durch  Verluste  im 
Felde  und  gleichzeitige  Entlassungen  ganz  enorme  Einbufsen  erlitten 
hätte,  welche  auf  diese  Weise  wieder  ausgeglichen  seien. 

Beide  Annahmen  sind  abzuweisen.  Denn  im  Jahre  197,  über 
welches  wir  aus  Polybios  zuverlässig  unterrichtet  sind  (s.  S.  102), 
betrug  der  Bestand  der  römischen  Armee  mit  Einschlufs  der  griechi- 
schen Kontigente  und  der  Reiterei  auch  nur  rund  27000  Mann 
(S.  104),  und  von  gröfseren  Verlusten  könnte  nur  allenfalls  im  ersten 
Feldzuge  199  die  Rede  sein,    wo  aber  auch  an  Einbussen  in  diesem 


!)  Im  Jahre  197  betrug  die  Reiterei  etwas  über  2000  Pferde,  S.  102.  Wenn 
(Liv.  31,  35,  2)  zwei  Alen  Reiterei  auf  etwa  700  Mann  berechnet  werden,  so  läfst 
sich  daraus  kein  Schlufs  ziehen  auf  die  Gesamtstärke  der  römisch-latinischen 
Reiterei  Ala  ist  ein  ganz  allgemeiner  Ausdruck.  Vergl.  Marquardt-Domaszewski 
Hdb.  V2  400. 

2)  Liv.  32,  1,  3:  in  supplementum  eius,  quantum  videretur,  ut  scriberet,  ipsi 
permissum. 

3)  Liv.  32,  8,  2  (Annalen):  in  supplementum  legionum  tria  milia  militum 
Romanorum  scriberet  et  trecentos  equites,  item  sociorum  et  Latini  nominis  quinque 
milia  peditum,  quingentos  equites.  ib.  9,6  nach  Polybios:  (Flamininus),  Corcyram 
tenuit  cum  octo  milibus  peditum  equitibus  octingentis.  Nach  Plut.  Flam.  3,  darunter 
3000  Veteranen.  Auch  Ennius  X  4  (336):  insigneita  fere  tum  milia  militum 
octo  duxit,  kann  doch  wohl  trotz  Nieses  Zweifel  (II  610,  1)  nur  hierher  gezogen 
werden. 

4)  Liv.  32,  28,  10:  6000  Mann,  300  Reiter,  ib.  27,  2:  200  Reiter.  Beides 
aus  den  Annalen. 


Beilage  I.    Heeresstärken  d.  Makedonier  u.  Römer  i.  2.  Makedonischen  Kriege.        97 

Mafsstabe  kaum  zu  denken  ist,  da  die  Römer  durch  Gefechte  fast 
gar  nicht,  sondern  nur  durch  Mangel  an  Verpflegung  gelitten  haben 
(S.  30).  Die  Entlassungen  endlich,  wenn  solche  überhaupt  statt- 
gefunden haben,  überstiegen  nicht  2000  Mann1). 

Die  angeführten  Nachschübe  haben  daher  nicht  in  diesem  Um- 
fange stattgefunden.  Gut,  d.  h.  nicht  nur  durch  die  Annalistik,  son- 
dern auch  durch  andere  Quellen  bezeugt  ist  von  ihnen  auch  nur 
der  vom  Jahre  198  mit  dem  Konsul  Flamininus  angekommene  von 
8800  Mann.  Er  wird  daher  als  der  einzige  wirklich  erfolgte  an- 
zusehen sein  und  reichte  hin,  die  Armee  wieder  auf  den  anfänglichen 
Stand,  vielleicht  etwas  darüber  hinaus  zu  bringen,  so  dafs  sich  das 
römische  Heer  durch  den  ganzen  Krieg  hindurch  ungefähr  auf  der 
gleichen  Stärke  gehalten  hat. 

Dies  Resultat  der  Unzuverlässigkeit  der  durch  die  Annalen 
bezeugten  Heereszahlen  stimmt  so  gut  zu  der  bekannten  Unglaub- 
würdigkeit  der  durch  die  Annalistik  überlieferten  Zahlen  überhaupt, 
dafs  es  kaum  nötig  erscheint,  hier  noch  eine  besondere  Begründung 
dafür  zu  geben. 

Indessen  liegt  die  Sache  doch  gerade  für  Ersatzzahlen  nicht 
so  einfach.  Denn  hier  kann  die  Phantasie  nicht  wie  etwa  bei  Ver- 
lustzahlen in  der  Schlacht  oder  der  Angabe  feindlicher  Streitkräfte 
ins  ungemessene  gehen,  sondern  es  lag  hier  eine  Kontrolle  in  dem 
sich  bei  jedem  Kriege  wiederholenden  erfahrungsmäfsigen  Bedarf,  in 
Senatsbeschlüssen  und  amtlichen  Listen  vor.  Auch  hat  sich  ja  bereits 
gezeigt,    dafs    einzelne    annalistische    Angaben   Vertrauen   verdienen. 


l)  Bei  dem  Heere  des  Jahres  200  befand  sich  eine  Anzahl  von  Veteranen 
aus  dem  zweiten  Punischen  Kriege  (Liv.  31,8,  5  f.  14,2),  die  nach  dem  Feld- 
zuge 199  revoltierten  und  Entlassung  forderten.  Ihre  Zahl  betrug  damals  uach 
Livius  32,  3,  3  (Annalen)  noch  2000  Mann.  Der  Konsul  sagte  ihnen  zu,  dafs  er 
ihre  Entlassung  beim  Senat  beantragen  wolle,  wenn  die  Revolte  eingestellt  würde, 
üb  sie  wirklich  entlassen  sind,  erfahren  wir  nicht.  —  Th.  Steinwender  hat  in 
einer  scharfsinnig  geführten  Untersuchung  über  „die  Altersklassen  und  reguläre 
Dienstzeit  des  Legionars"  (Philol.  n.  F.  II,  2  S.  285  ff.)  zu  erweisen  gesucht,  dafs 
die  Dienstzeit  des  Legionars  damals  6  Jahre  betragen  habe  und  dementsprechend 
durchschnittlich  jedes  Jahr  850 — 900  Rekruten  bei  der  Legion  neu  eingestellt  seien. 
Das  würde  für  ein  konsularisches  Heer  jährlich  gegen  4000  Mann  ergeben. 
Selbst  wenn  dieser  Rekrutierungsmodus  erwiesen  wäre,  was  m.  E.  nicht  der  Fall 
ist,  so  würde  sich  daraus  die  Höhe  der  hier  und  besonders  für  die  Kriege 
gegen  Antiochos  und  Perseus  berichteten  Nachschübe  (S.  100)  nicht  genügend 
erklären. 

Kromayer,    Antike  Schlachtfelder.     II.  7 


Der  zweite  Makedonische  Krieg-. 

Es  ist  daher  die  Frage  nach  der  Unzuverlässigkeit  dieser  Art  von 
Zahlen  besonders  zu  stellen  und  an  einer  Mehrzahl  von  Fällen  zu 
prüfen.  Ich  wähle  dazu  die  beiden  in  diesem  Bande  noch  zu  be- 
handelnden Kriege  gegen  Antiochos  bezw.  gegen  die  Ätoler  und  gegen 
Perseus.  Das  übereinstimmende  Ergebnis  wird  unser  vorläufiges 
Resultat  ganz  sicher  stellen  und  uns  zugleich  der  Notwendigkeit 
erneuter  Prüfung  derselben  Fragen  bei  den  späteren  Feldzügen  über- 
heben. 

Im  Kriege  gegen  Antiochos  wird  nach  der  annalistischen  Über- 
lieferung schon  im  Herbst  192  eine  Armee  von  zwei  Legionen  und 
15000  Mann  latinischer  Bundesgenossen  mit  500  Reitern  ausgehoben 
und  nach  Griechenland  vorausgeschickt1).  Ihr  folgt  dann  im  Frühling 
191  eine  weitere  Armee  von  10000  Mann  und  2000  Pferden  unter 
dem  Konsul  selber2).  Das  ergibt  bei  Ansetzung  der  Legion  zu  rund 
5000  Mann  zusammen 

35000  zu  Fufs,    und  etwa 
2000  Reiter3). 

Schon  im  nächsten  Jahre  stöfst  zu  dieser  Armee  ein  Nachschub 
von  8000  Soldaten  zu  Fufs  und  300  Reitern  und  5000  freiwilligen 
Veteranen,    also  im  ganzen  13000  Mann  zu  Fufs  und  300  Reitern4). 


x)  Liv.  35,  20,  11:  duae  legiones  decretae  .  .  et  ut  sociis  .  .  milia  peditum 
quindecim  imperarentur  et  quingenti  equites.  Liv.  35,  24,  7:  Der  Praetor  cum 
omnibus  eopiis  transire  in  Epirum  est  iussus. 

2J  Liv.  36,14,  1 :  cum  decem  milibus  peditum,  duobus  milibus  equitum. 
Diese  Notiz  steht  zwar  in  einer  aus  Polybios  geschöpften  Partie,  aber  sie  stimmt 
zu  der  annalistischen  Überlieferung,  nach  welcher  der  Nachschub  aus  4000  cives 
und  6000  socii  zu  Fufs  mit  700  Reitern  bestand  (Liv.  35,  41,  4.  36,  1,  6).  Hier 
liegt  offenbar  eine  Korrektur  von  seiten  des  Livius  selbst  vor.  Polybios  hatte 
die  Armee  des  Konsuls  —  wohl  bemerkt,  die  ganze  —  auf  20000  Mann  angegeben 
(s.  folg.  S.).  Das  konnte  Livius  mit  der  annalistischen  Tradition  nicht  vereinigen. 
Er  veränderte  deshalb  die  Zahl  auf  10000  und  bezog  sie  auf  den  von  den  Annalen 
berichteten  Nachschub.  Die  Diskrepanz  bei  der  Zahl  der  Reiterei  wagte  er  nicht 
zu  beseitigen.  So  ist  sie  stehen  geblieben.  Nissen  (S.  180)  will  bei  Livius  „20000" 
lesen,  was  mir  nicht  gerechtfertigt  erscheint. 

3)  Nämlich  500  bundesgenössische  bei  dem  ersten  Transport,  700  als  Nach- 
schub (s.  vor.  A.)  500  von  Massinissa  (Liv.  36,  4,  8)  und  noch  eine  nicht  ange- 
gebene Zahl  von  römischen  Legionsreitern  bei  den  zwei  Legionen. 

4)  Liv.  37,  2,  2:  peditum  civium  Romanorum  tria  milia  equites  centum 
et  socium  Latini  nominis  quinque  milia  equites  ducenti.  ib.  4,3:  ad  quinque 
milia  voluntariorum.     Beides  nach  den  Annalen. 


Beilage  I.    Heeresstärken  d.  Makedonier  u.  Römer  i.  2.  Makedonischen  Kriege.        99 

Und    wieder    ein   Jahr    später    werden    12000  Mann    zu    Fufs    und 
600  Reiter  als  Ersatz  vom  Senate  beschlossen  (Liv.  37,  50,  1). 
Nimmt  man  alles  das  zusammen,  so  ergibt  sich 

35  000  Mann  zu  Fufs,         3000  Reiter 

13000  „  300—500       „ 

12000 „ 600       » 

60000  ;  ca.  4000 

Also  auch  hier  betrüge  der  Ersatz  etwa  zwei  Drittel  der  ur- 
sprünglichen Armee,  was  um  so  auffallender  wäre,  als  die  Legionen, 
aus  denen  das  Heer  gebildet  war,  die  erst  im  Jahre  193  neu  auf- 
gestellten zwei  Legiones  urbanae  gewesen  sind  (Liv.  35,  20,  11. 
34,  56,  5). 

Nun  lauten  aber  die  Polybianischen  Zahlen  wieder  sehr  viel 
anders. 

Die  römische  Armee  im  Jahre  191  wird  auf  nur  20000  Mann 
in  runder  Summe  angesetzt  und  die  bei  Magnesia  auf  21600  zu  Fufs 
mit  etwa  2000  Reitern1).  Die  Ergänzung  des  Jahres  190,  welche 
mit  Scipio  anlangt,  wird  hingegen  auch  bei  ihm  auf  13000  Mann 
und  500  Reiter  veranschlagt2).  Das  hält  sich  gegenüber  der 
annalitischen  Überlieferung  in  wahrscheinlicheren  Grenzen  trotz  des 
abnorm  grofsen  Ersatzes  vom  Jahre  190.  Denn  die  Verluste  des 
Feldzuges  191,  die  Marschverluste  auf  dem  ungewöhnlich  bedeutenden, 
etwa  1677  Kilometer  betragenden  Marsche  von  Naupaktos  bezw. 
Apollonia  bis  Magnesia,  ferner  Abkommandierungen,  um  die  Etappen- 
strafse  zu  decken,  das  alles  kann  allenfalls  zusammen  so  viel 
ausgemacht  haben,  dafs  die  Armee  in  der  Schlacht  bei  Magnesia 
selber  trotz  des  grofsen  Nachschubes  von  über  13  000  Mann  doch 
nur  wenig  stärker  war  als  zwei  Jahre  vorher  beim  Ausrücken. 

Danach  haben  wir  hier  wieder  ein  ganz  ähnliches  Verhältnis 
wie  beim  zweiten  Makedonischen  Kriege.  Die  erste  und  dritte 
Zahl  der  Annalen    sind    zu  verwerfen.     Die  zweite,   der   Ersatz   der 


1)  s.  unten  syrisch-römischer  Krieg,  Beilage  I. 

2)  Liv.  37,  6,  2;  cum  tredecim  milibus  peditum  et  quingentis  equitibus 
consul  veniebat.  Nach  Polybios.  Die  kleine  Differenz  in  der  Zahl  der  Reiterei 
gegenüber  der  annalistischen  Überlieferung  scheint  zu  beweisen,  dafs  Livius  nicht 
einfach  die  annalistischen  Zahlen  addiert  und  die  Summe  hier  in  die  aus  Polybios 
entnommene  Erzählung  eingesetzt,  sondern  dafs  er  diese  Zahlen  tatsächlich  bei 
Polybios  vorgefunden  hat. 

7* 


100  Der  /weite  Makedonische  Krieg. 

13000  Mann  mit  Scipio,  ist  hier  ganz  so  wie  dort  der  der  8800  Mann, 
welche  mit  Flaminmus  kamen  (S.  97),  von  den  Annalen  richtig  ge- 
geben worden. 

Für  den  Krieg  gegen  die  Ätoler  geben  die  Annalen  die  Bil- 
dung eines  Heeres  von  zwei  Legionen  und  20000  Mann  italischer 
Bundesgenossen  zu  Fufs,  800  zu  Pferd  an;  also  eine  Armee  von 
rund  30000  Mann  und  mit  der  Legionsreiterei  etwa  1200  Pferden1). 
Für  diese  schon  recht  ansehnliche  Armee  soll  dann,  ein  Jahr  nach- 
dem sie  nach  Griechenland  übergesetzt  und  ohne  dafs  sie  überhaupt 
zum  Schlagen  gekommen  war,  ein  Ersatz  von  12  000  Mann  zu  Fufs 
und  600  Reitern  beschlossen  worden  sein  (Liv.  37,  50,  4).  Eine  von 
diesen  beiden  Mafsregeln  mufs  unrichtig  überliefert  oder  unausgeführt 
geblieben  sein. 

Auch  bei  dem  Kriege  gegen  Perseus  liegen  die  Verhältnisse 
ähnlich.  Der  Bestand  des  Heeres  ist  am  Ende  des  ganzen  Kampfes 
im  wesentlichen  derselbe  wie  im  Anfange,  nämlich  zwei  vollzählige 
Legionen  mit  Zubehör  (s.  unten  dritter  Maked.  Krieg,  Beilage).  Dazu 
stimmen  wiederum  die  grofsen,  nur  durch  die  Annalen  beglaubigten 
Nachschübe  nicht,  welche  im  Jahre  169  12000  Mann  zu  Fufs  und 
500  Reiter  (Liv.  43,  12,  3)  und  im  Jahre  darauf  gar  14000  Mann  und 
1200  Reiter  (Liv.  44,  21,  6  f.)  ausgemacht  haben  sollen,  während  für 
das  Jahr  170  wenigstens  ein  Nachschub  von  1200  numidischen  Reitern 
und  12  Elefanten  gebucht  wird  (43,  6,  131). 

Wir  kommen  nach  alledem  zu  dem  Resultate,  dafs  die  Zahlen- 
angaben der  Annalen  über  Heeresergänzung  zwar  in  ihrer  Gesamt- 
heit sachlich  unmöglich  richtig  sein  können,  dafs  aber  darum  nicht 
alle  einzelnen  verworfen  zu  werden  brauchen,  da  sich  herausstellt, 
dafs  sie  gelegentlich  mit  Polybios'  Angaben  übereinstimmen.  Das 
Verhältnis  scheint  daher  das  zu  sein,  dafs  neben  den  wirklich  statt- 
gehabten Ergänzungen  einzelner  Jahre,  frei  nach  deren  Muster  er- 
fundene für  die  anderen  Jahre  hinzugedichtet  sind,  ohne  dafs  wir, 
wenn  Kontrollnachrichten  des  Polybios  fehlen,  im  stände  wären, 
Dichtung  und  Wahrheit  zu  unterscheiden.     Ob  freilich  Polybios  selber 


l)  Liv.  35,  41,  7:  duas  legiones  civium  Romaiiorum  novas  eonscriberet  et 
socium  ac  Latini  Hominis  viginti  milia  peditum  et  octingentos  equites.  Diese 
Armee  erhält  der  Prätor  A.  Cornelius  Mamula  (Liv.  36,  2,  6),  und  im  Jahre  190 
geht  sie,  beim  Abmarsch  der  Scipionen  nach  Asien,  nach  Griechenland  über. 
Liv.  37,  2,  7. 


Beilage  I.    Heeresstärken  d.  Makedonier  u.  Kömer  i.  2.  Makedonischen  Kriege.      101 

in  diesen  Dingen  ein  absolut  sicherer  Führer  ist,  ist  wieder  eine 
andere  Frage.  Er  war  natürlich  auch  von  seinem  Quellenmaterial 
abhängig,  und  es  ist  nicht  ausgeschlossen,  dafs  er  in  ähnlicher  Weise 
wie  wir  die  Unmöglichkeit  so  zahlreicher  und  starker  Nachschübe 
erkannt  und  mit  rationalistischer  Kritik  einen  Teil  davon  einfach 
weggeschnitten,  einen  anderen  behalten  hat. 

In  diesem  Falle  wäre  die  Lösung  vielleicht  in  der  Richtung  zu 
suchen,  dafs  keine  Ergänzungen  von  den  Annalisten  hinzugedichtet, 
sondern  nur  für  die  einzelnen  zu  hohe  Zahlen  gegeben  wären.  Es 
würde  dabei  stark  ins  Gewicht  fallen,  dafs  durchgängig  in  den 
annalistischen  Partien  des  Livius  die  Ergänzungen  nicht  als  erfolgt, 
sondern  nur  als  durch  den  Senat  beschlossen  resp.  erlaubt  aufgeführt 
sind  und  wir  es  danach  gar  nicht  mit  Effektiv-  sondern  mit  Soll- 
stärken oder  gar  mit  Maximalzahlen  für  die  Befugnis  der  Beamten 
zu  tun  hätten,  hinter  denen  die  Wirklichkeit  überall  sehr  bedeutend 
zurückgeblieben  sein  könnte1). 

Aber  mag  die  Sache  liegen  wie  sie  will;  das  Resultat,  dafs 
die  Ergänzungen  in  allen  diesen  Kriegen  die  anfängliche  Zahl  nicht 
wesentlich  erhöht,  sondern,  wie  das  ja  der  Zweck  von  Ergänzungen 
ist,  sie  nur  auf  der  alten  Höhe  erhalten  haben,  dieses  Resultat 
geht  aus  der  Zusammenstellung  der  Nachrichten  mit  Deutlichkeit  her- 
vor.    Und  das  ist  für  uns  die  Hauptsache. 


x)  So  heifst  es  z.B.  Liv.  35,20,4  zum  Jahre  192:  consuli  permissum, 
ut  so  und  so  viel  scriberet.  Ebenso  37,  50,  4:  permissum.  37,  2,  8:  in  supple- 
mentum  scribere,  .  .  si  v  eil  et  peditum  duo  milia  etc.  Es  hing  also  von  dem 
Ermessen  des  Beamten  ab,  ob  und  in  welchem  Umfange  er  von  der  Befugnis 
Gebrauch  machen  wollte.  Aber  selbst  wenn  er  es  im  vollen  Umfange  tat,  ist  es 
fraglich,  ob  damit  wirklich  die  Aufstellung  so  grofser  Kontingente  auch  nur  be- 
absichtigt wurde,  wie  die  Beschlufszahlen  angaben.  Wir  erfahren  aus  einer  Nach- 
richt des  Liv.  (34,  56,  5),  dafs  bei  Ausschreibung  einer  Gesamtzahl  von  sagen  wir 
15  000  Mann,  so  verfahren  wurde,  dafs  nach  einem,  nach  der  Kopfzahl  der  dienst- 
pflichtigen Mannschaften,  wie  es  scheint  ein  für  allemal  festgestellten  Satze  (pro 
numero  cuiusque  iuniorum)  die  Quote  für  die  einzelnen  Staaten  bestimmt  wurde. 
Es  ist  aber  ein  Erfahrungssatz,  dafs  bei  derartigem  Verfahren  die  Summe  nie 
stimmt.  So  ist  es  sehr  wohl  möglich,  dafs,  wenn  die  Absicht  war,  eine  bestimmte 
Zahl  wirklich  zusammenzubringen,  von  vorn  herein  eine  beträchtlich  höhere  Zahl 
zur  Ausschreibung  angesetzt  wurde,  und  sich  daraus  die  übertriebenen  Zahlen 
unserer  Überlieferung  ungezwungen  erklären.  Dafs  dann  die  Schriftsteller  ge- 
legentlich auch  diese  Zahlen  für  Effektivzahlen  genommen  hätten,  wäre  nicht 
wunderbar. 


]Q2  Der  zweite  Makedonische  Krieg. 

Der  Feldzug  197. 

Für  die  Berechnung  der  Stärke  der  beiden  Armeen  und  ihrer 
einzelnen  Teile  während  des  Feldzuges  197  bildet  die  Grundlage  der 
Bericht  des  Livius  (XXXIII  4,  4  f.). 

Danach  ergibt  sich  für  die  Makedonier: 

Phalanx  16000 
Peltasten  2000 
Thraker  2000 
Illyrier  2000 
gemischte  Söldner        1500 

Keiter 2000 

zu  Fufs  23  500  zu  Pferd  2000 '). 

Für  die  Römer  besitzen  wir  zwei  Gesamtangaben,  welche  ohne 
Zweifel  beide  auf  Polybios  zurückgehen  (Nissen  S.  18.  140)  und 
daher  sowohl  untereinander  als  mit  den  Verhältnissen  überhaupt 
gut  stimmen.  Die  erste  bei  Plutärch  (Flam.  cap.  7)  gibt  die  Gesamtzahl 
auf  mehr  als  26000  Mann  mit  Einschlufs  der  Reiterei  an  (vjvsq  e^amo- 
xdiovg  xai  diaftvglovg  sxcov  argaudoTag);  die  zweite  eben  die 
schon  erwähnte  des  Livius,  setzt  die  Römer  auf  etwa  ebenso  stark 
wie  die  Makedonier  an,  nur  die  Reiterei  um  etwas  stärker.  (Romanis 
ferme  par  numerus  erat;  equitum  copiis  tantum,  quod  Aetoli  accesse- 
rant,  superabant.)  Die  gleiche  Stärke  beider  Heere  wird  auch  von 
Plutärch  berichtet  (Flam.  7:  rjv  Ös  xai  rov  <PiXmjiov  tö  ovQävev^a  tco 
3iXrj$ei  jvaQaTchrjöiov). 

Daraus  geht  hervor,  dafs  wir  das  römische  auf  rund  24000  Mann 
zu  Fufs  und  etwa  2400  Reiter  ---  die  Thessaler  stellten  400  (Liv. 
ib.  §  9)  —  anzusetzen  haben2).  Diese  Summe  umfafst  die  ganze 
Armee.  Sonst  hätte  der  Vergleich  mit  Philipps  Heer  bei  beiden 
Schriftstellern  keinen  Sinn.  Dazu  kommt,  dafs  die  Operationen 
der  beiden  Heere  vor  und  in  der  Schlacht  keine  numerische  Über- 
legenheit der  Römer  erkennen  lassen.  Wir  haben  also  keinen 
Grund,  die  angeführten  Zahlen  mit  Ihne  (Rom.  Gesch.  III  42)  nur 
auf  die  Italiker  unter  Ausschlufs  der  auxilia  zu  beziehen. 


x)  Einzelne  der  hier  genannten  Truppenteile  auch  sonst  erwähnt,  aber  ohne 
Zahlenangaben,  z.  B.  Poljb.  XVIII  22,  2.  —  Böotische  Krieger,  ib.  43. 

2)  Nieses  Ansetzung  (II  628,  A.  4)  „über  28000"  Mann  ist  wohl,  ebenso 
wie  die  ebenda  gegebene  Zahl  8400  für  die  Ätoler,  nur  ein  Druckfehler. 


Beilage  I.    Heevesstärken  d,  Makedonier  u.  Römer  i.  2.  Makedonischen  Kriege.      103 

Es  ffagt  sich  daher  nur,  wie  sich  die  einzelnen  Kontingente  in 
diesen  Rahmen  hineinfügen.  Die  Legionen  des  Flamininus  hielten 
5000  oder  5200  Mann,  da  die  Hastati  einer  Legion  2000  Mann 
betrugen1).  Die  beiden  Legionen  waren  daher  rund  10000, 
die  socii  rund  12000  Mann.  Die  griechischen  Hilfstruppen  zu  Fufs 
können  also  nicht  viel  mehr  als  stark  2000  Mann  betragen  haben. 
Dazu  stimmt  in  der  Tat,  was  uns  Livius  (33,  3,  9  f.)  berichtet. 
Es  trafen  bei  der  Armee  ein: 

Kreter  500 2) 

Apolloniaten    300 2) 

Athamanen     1 200 

Ätoler  600 

2600 
Man  erkennt  aus  diesen  Verhältnissen  sofort,  dafs  nicht  6000 
Ätoler  zu  Fufs  bei  der  Armee_  gewesen  sein  können,  sondern  dafs 
die  bezügliche  Nachricht  des  Plutarch  (Flam.  7)  ein  Irrtum  Plutarchs 
oder  vielleicht  nur  eine  handschriftliche  Korruptel  an  Stelle  der  von 
Livius  richtig  gegebenen  Zahl  600  sein  mufs3). 

1)  Liv.  33,  1,  2:  legionis  hastatis  — ea  duo  milia  militum  erant.  Bei  der 
Normallegion  des  Polybios  von  4200  Mann  beträgt  die  Zahl  der  Hastati  mit  Ein- 
schlufs  der  ihnen  zugeteilten  400  Velites  1600  Mann  (Pol.  VI  21,  9.  24,  4).  Bei 
2000  Mann  Hastati  sind  also  400  hinzugekommen,  und  zwar  nach  dem  ursprüng- 
lichen Verhältnis  300  Schwere  und  100  Leichte.  Ebenso  hat  man  bei  den  Prin- 
cipes  verfahren,  während  die  Triarier  stets  auf  600  blieben  (Pol.  VI  21,  10). 
2000  Mann  Hastati  führen  also  nicht,  wie  Nissen  S.  140  annimmt,  auf  eine  Legion 
von  6000  Mann,  die  Polybios  nebenbei  bemerkt  überhaupt  noch  nicht  kennt 
(s.  unten  3.  Mak.  Krieg,  Beilage),  sondern  genau  genommen  auf  5100  Mann,  nämlich: 

Hastati:  schwere  1500,  leichte  500 
Principes:  „  1500,  „  500 
Triarii:  „  600,         „        500 

3600      +       1500  -=5100. 
Da  die  2000  Hastati  offenbar  eine  runde  Summe  sind,  so  kommen  wir  auf 
die    verstärkte  Legion    des    Polybios    von    5000    bezw.    5200  Mann.      Marquardt- 
Domaszewski  Hdb.  V  334. 

2)  Die  600  Kreter,  welche  Nabis  dem  Flamininus  überlassen  hatte  (Liv. 
32,  40,  4)  waren,  wie  es  scheint,  nicht  bei  der  Feldarmee.  —  Die  Apolloniaten 
hält  Niese  II  627,  3  auch  für  Kreter.     Möglich. 

3)  Das  hat  schon  Nissen  S.  140  richtig  erkannt.  Ihnes  Gegenargument 
(III  42),  dafs  die  Prahlereien  der  Ätoler,  welche  sich  den  Hauptanteil  am  Siege 
zuschrieben,  bei  so  kleiner  Anzahl  unverständlich  seien,  hält  nicht  Stich.  Es 
waren    eben  Prahlereien.     Ebensowenig   verschlägt   es,   dafs    der  Achäische  Bund 


]()  1  Der  zweite  Makedonische  Krieg. 

Demnach    können   wir  die  Kontingente  der  römischen    Armee 
folgcndermafsen  ansetzen: 


Fufsvolk. 

Reiter. 

2  Legionen 

10000 

2  alae  sociorum 

12000 

Hilfsvölker: 

Kreter 

500 

Apolloniaten 

300 

Athamanen 

1200 

Ätoler 

600 

Reiterei: 

römische  und 

numidische  (vgl.  S. 

96) 

2000 

ätolische 

400 

ca.  24600  +  ca.  2400  ===  ca.  27000. 

Aufser  diesen  im  thessalischen  Feldzuge  selbst  beteiligten 
Truppen  hatten  beide  Parteien  auf  den  Nebenkriegsschauplätzen  und 
in  Garnisonen  sehr  bedeutende  Massen  aufgestellt. 

So  lag  makedonischerseits  in  Korinth  eine  Besatzung  von 
6000  Mann  (Liv.  33,  14,  5),  und  in  Kleinasien  stand  ein  Korps  von 
3000  Mann  (Liv.  33,  18,  14);  ferner  mufsten  in  Chalkis  und  Deme- 
trias  bedeutende  Besatzungen  stehen  und  ebenso  in  den  Städten,  der 
makedonischen  Küste  in  Thessalonike,  Kassandra  usw.,  ganz  ab- 
gesehen von  den  kleineren  Orten  mit  Besatzungen.  Ferner  waren 
die  neuesten  Eroberungen  des  Königs  an  der  thrakischen  und  helles- 
pontischen  Küste  und  auf  den  Kykladen  nicht  ohne  Besatzungen  zu 
halten.  Niese  zählt  (III  600)  20  Städte  mit  Besatzungen  auf  und 
berechnet  die  Zahl  der  erforderlichen  Mannschaften  kaum  zu  hoch 
auf  20—30000  Mann. 

Von  Seiten  der  Römer  und  ihrer  griechischen  Bundesgenossen 
kommen  vor   allem   die  Achäer  in  Betracht,   die   gegenüber  Korinth 


aufser  auswärts  dienenden  Söldnern  damals  im  Peloponnes  5300  Mann  gegen 
Korinth  aufgestellt  habe.  Das  war  ein  Aufgebot  in  der  Heimat  und  für  wenige 
Wochen,  während  es  sich  hier  um  einen  vermutlich  langen  Feldzug  in  fremdem 
Lande  handelte.  Eine  so  starke  Heranziehung  entspricht  weder  dem,  was  die 
anderen  griechischen  Staaten  damals  zur  Armee  stellten,  noch  den  Prinzipien  der 
Römer  überhaupt.  So  wurde  z.B.  dem  Konsul  Glabrio  im  Jahre  190  verboten 
überhaupt  mehr  als  5000  Mann  Auxilia  bei  der  Armee  zuzulassen   (Liv.  36,  1,  8) 


Beilage  I.    Heeresstärken  d.  Makedonier  u.  Römer  i.  2.  Makedonischen  Kriege.     105 

5300  Mann  zusammengebracht  hatten  (Liv.  33,  14,  12),  und  ferner 
ein  Korps  in  Kleinasien  von  3600  Mann  und  100  Reitern  (Liv. 
33,  18,  2.  5),  dazu  gleichfalls  ohne  Zweifel  eine  Anzahl  von  Besat- 
zungen an  unzuverlässigen  Plätzen,  vor  allen  aber  die  Flottenmann- 
schaften für  eine  Flotte  von  100  Deck-  und  80  leichten  Schiffen  (Liv. 
32,  21,  26).  Eine  ungefähre  Vorstellung  von  diesen  Truppen  gibt 
die  Nachricht,  dafs  im  Jahre  195  die  gegen  Nabis  zusammengezogene 
Land-  und  Seearmee  gegen  50000  Mann  betragen  hat  (Liv.  34,  38,  3). 


Beilage  IL 


Zur  Chronologie  des  zweiten  Makedonischen  Krieges. 

Die  Verteilung  der  einzelnen  kriegerischen  Ereignisse  auf  die 
3  Feldzüge  ist  gegeben.  Es  kann  sich  also  hier  nur  darum  handeln, 
innerhalb  dieser  Grenzen  zu  genaueren  Ansätzen  zu  kommen. 

Wenn  es  bei  dem  fast  gänzlichen  Mangel  unserer  Quellen  an 
genau  datierten  Angaben  natürlich  auch  nicht  möglich  ist,  bis  auf 
Tage  hinab  gesicherte  Datierungen  zu  erschliefsen,  so  läfst  sich  doch 
unter  Berücksichtigung  aller  in  Betracht  kommenden  Faktoren  ein 
annähernd  richtiges  Bild  gewinnen,  und  das  ist  für  das  Verständnis 
der  militärischen  Aktionen  auch  schon  wertvoll  genug,  ja  in  den 
meisten  Fällen  ausreichend. 

1.  Der  Feldzug  199. 

Die  Ankunft  des  Konsuls  Sulpicius  in  Illyrien  erfolgte  Ende 
Herbst  200  v.  Chr.  (autumno  fere  exacto,  Liv.  31,  22,  4),  und  deshalb 
wurde  auch  in  diesem  Jahre  nur  noch  ein  kleiner  Streifzug  in  Mittel- 
albanien unternommen  (oben  S.  10). 

Von  dem  Beginne  des  Feldzuges  im  Frühling  199  läfst  sich 
nur  sagen,  dafs  die  Römer  früher  als  Philipp  aufgebrochen  sein 
müssen,  da  sie  trotz  eines  beträchtlich  längeren  (von  dem  unteren 
Apsos  bis  Monastir  sind  über  200,  von  Pella  bis  ebendahin  noch 
nicht  100  Kilometer)  und  schwierigen  Marsches  die  Ebene  von  Mo- 
nastir vor  dem  Könige  erreicht  haben  (S.  16).  In  Anbetracht  der 
rauhen  Gebirgslandschaften,  die  zu  durchqueren  waren,  werden  wir 
den  Beginn  des  Feldzuges  nicht  vor  den  Anfang  Mai  setzen  dürfen, 


Beilage  II.     Zur  Chronologie  des  zweiten  Makedonischen  Krieges.        107 

wahrscheinlich  aber  noch  etwas  später.  Denn  sonst  hätten  sich 
die  beiden  Armeen  in  der  Ebene  von  Monastir  doch  zu  lange 
gegenüber  gestanden  und  den  geschilderten  Positionskrieg  geführt,  da 
es  erst  im  Anfang  Juli  zu  der  Schlacht  an  den  Tschernasümpfen  ge- 
kommen ist  (S.  21).  Zu  derselben  Zeit  fallen  die  Dardaner  in  die 
makedonische  Ebene  ein  (Liv.  31,  38,  8).  Der  Rückzug  des  Königs 
in  das  Hügelland  von  Banitza,  die  Kreuz-  und  Querzüge  der  Römer 
im  Norden  und  Osten  der  Ebene  von  Monastir,  der  Überfall  bei 
Pluinna,  die  Standlager  am  Erigon,  alles  das  mufs  wieder  längere 
Zeit  in  Anspruch  genommen  haben,  so  dafs  wir  mit  dem  Gefechte  von 
Banitza  an  das  Ende  August  oder  Anfang  September  zu  gehen  ge- 
nötigt sind  (S.  26),  und  der  Rückzug  der  Römer,  sowie  die  Züge 
gegen  die  Dardaner  und  Ätoler  etwa  in  den  September  bis  Oktober 
fallen  würden.  Dafs  die  Ätoler  nicht  früher  eingefallen  sind,  er- 
klärt sich  daraus,  dafs  sie  sich  erst  auf  die  Nachricht  von 
dem  Siege  an  den  Tschernasümpfen  zum  Aufbruche  entschlossen 
hatten  (Liv.  31,  40,  9).  Anderseits  läfst  sich  ihr  Einfall  auch  nicht 
später  ansetzen,  weil  Philipp  nach  demselben  im  Herbste  noch  die 
.Belagerung  von  Thaumakoi  begann,  die  er  erst  bei  Beginn  des  Winters 
aufgab  (hiems  iam  instabat,  Liv.  32,  4,  7). 

2.  Der  Feldzug  198. 

Das  erste  Ereignis  dieses  Feldzuges  ist  die  Besetzung  der 
Aoospässe  durch  Philipp.     Es  erfolgte  principio  veris  (Liv.  32,  5,  9). 

Wenn  man  in  Betracht  zieht,  dafs  zur  Besetzung  dieser  Engen 
die  Überschreitung  der  Pindospässe  nötig  war,  welche  1500  Meter 
und  darüber  hoch  sind1),  so  wird  man  den  Beginn  dieser  Operation 
nicht  vor  den  Anfang  des  Monats  April  setzen  dürfen.  Anderseits 
aber  auch  nicht  sehr  viel  später,  da  Philipp  daran  lag,  vor  Aufbruch 
der  Römer  aus  dem  Winterlager  zur  Stelle  zu  sein,  und  ihm  dies 
auch  tatsächlich  gelungen  ist  (Liv.  32,  6,  1). 


l)  s.  S.  36. .  Auf  dem  .Passe  von  Metzowo  fand  Philippson  noch  am 
30.  April  Schnee,  dessen  Mächtigkeit  ein  solche  war,  dafs  er  mit  seinem  Stocke 
ihn  nicht  zu  durchstechen  vermochte  (31,  203).  Allerdings  war  das  ein  besonders 
ungünstiges  Jahr  (s.  ib.  S.  2051  —  Auch  der  Beginn  des  Feldzuges  197  läfst 
diesen  Termin  als  den  frühest  annehmbaren  erscheinen.  Damals  zog  Philipp  seine 
Armee  erst  zur  Zeit  des  Frühjahrsäquinoktiums  in  Dion  selber,  also  in  der 
Heimat  zusammen  und  exerzierte  die  neuen  Rekruten  ein  (s.  S.  110). 


]<)-;  Der  zweite  Makedonische  Krieg. 

Vfllius  zieht  nun  vor  die  Stellung  und  liegt  vor  ihr  ,.per  multos 
dies"  (Liv.  32,  6,  4);  dann  langt  Flamininus  an1),  von  dessen  An- 
kunft bis  zur  Entscheidung  etwa  fünfzig  Tage  vergangen  sind  2). 

Man  kommt  damit  für  die  Schlacht  bei  den  Pässen  frühestens 
auf  Anfang  bis  Mitte  Juni.  Nun  fand  aber  die  Umgehung  vor  der 
Schlacht  bei  einem  Vollmonde  statt  (Liv.  32,  11,  9),  und  da  damals 
der  Vollmond  im  Juni  auf  den  24.  fiel,  so  ist,  wie  schon  Matzat, 
Rom.  Zeitrechnung,  S.  179  richtig  gesehen  hat,  der  25.  Juni  der  Tag 
der  Schlacht  gewesen. 

Die  nach  dem  Siege  abgeschickte  Expedition  des  Athamanen- 
königs  Amyn ander  nach  Thessalien,  welche  noch  vor  Ablauf  von  Flami- 
ninus' Aufenthalt  in  Epiros  beendigt  war,  da  sich  Amynander  mit 
seinen  Truppen  auf  dem  Kerketiosberge,  der  Kyrä,  einfand,  um  den 
Konsul  nach  Thessalien  zu  geleiten  (S.  53),  hat  nun  mindestens 
etwa  einen  Monat  gedauert.  Denn  erst  auf  die  Kunde  von  dem  Siege 
der  Römer  hatte  sich  Amynander  im  Hauptquartiere  eingefunden, 
(post  famam  prosperae  pugnae.  Liv.  32,  13,  5),  d.  h.  bei  der  Ent- 
fernung seines  Landes  frühestens  nach  8—10  Tagen.  Der  Marsch 
vom  Hauptquartier  nach  Thessalien  und  wieder  zurück  zum  Sammel- 
punkt auf  der  Kyra  nahm  wieder  etwa  10  Tage  in  Anspruch 3),  und 
den  Einfall  nach  Thessalien  selber  mufs  man  gleichfalls  auf  mindestens 
ebensolange  Zeit  ansetzen,  da  die  Belagerung  von  Gomphi  selber 
mehrere  Tage  dauerte  (aliquot  dies)  und  aufserdem  noch  eine  Reihe 


*)  Dafs  Flamininus  nach  seinem  Amtsantritt,  dem  15.  März,  noch  längere 
Zeit  durch  Prodigien  und  andere  Geschäfte  in  Rom  zurückgehalten  wurde  (Liv. 
32,  9,  1),  läfst  sich  chronologisch  hier  nicht  verwerten,  da  der  März  damals  in  den 
Spätherbst  fiel,  s.  S.  112. 

2)  40  Tage  liegt  er,  sine  ullo  conatu,  vor  den  Pässen  (Liv.  32,  10,  1); 
dann  folgt  die  Verhandlung  mit  Philipp,  dann  postero  die  (§  9)  ein  vergeblicher 
Sturm,  dann  das  Anerbieten  der  Umgehung  und  die  dreitägige  Umgehung 
selber  (12,  1). 

3)  Uer  Marsch  vom  Drynostal  bis  Gomphi  beansprucht  7  Tage.  Denn 
Hierzu  die  Bei-  von  Tepeleni  bis  Jannina  sind  125  Kilometer  —  also  etwa  3—4  Tage  —  von 
karte  v.  Karte  2.  Jannina  durchs  Gebirge  mindestens  wieder  3—4  Tage.  Denn  auf  dem  kürzesten 
Wege,  d.  h.  über  Kontowrachi  Pramanta,  Melissurgi,  Theodoriana,  Greveho  sind 
im  Anschlufs  an  Philippsons  Angaben  (31,  228.  260.  436  ff.)  21|  Stunden  —  also 
2-3  Tage  —  und  von  da  über  Vitsista,  Porta  Pazari  bis  Gomphi  noch  etwa 
45  Kilometer,  also  ein  starker  Tagemarsch.  Der  Rückmarsch  von  Gomphi  durchs 
Gebirge  bis  auf  die  Strafse  Jannina  — Metzowo  wird  auch  nicht  unter  3  Tagen  zu 
machen    sein.     Über    den  Weg  und    die  Lage    des  Kerketios    s.  oben  S.  55  A.  1. 


Beilage  II.     Zur  Chronologie  des  zweiten  Makedonischen  Krieges.       109 

von  anderen  kleinen  Ortschaften,  wie  Phaeca,  Argenta,  Pherinion, 
Timaron,  Ligynae,  Stimo,  Lampson  genommen  wurden  (Liv.  32,  14,  3.) 

So  mufs  der  Aufenthalt  des  Flaminiaus  in  Epiros  mindestens 
bis  Ende  Juli  gedauert  haben,  und  sein  Übergang  über  den  Pindos 
kann  also  frühestens  in  den  Anfang  August  gefallen  sein. 

Die  Bestürmung  von  Phaloria,  der  ersten  thessalischen  Stadt, 
die  man  traf,  dauert  dann  mindestens  einige  Tage  (oppugnatio  con- 
tinua  non  nocte  non  die  intermissa,  Liv.  32,  15,  2),  der  Marsch  nach 
Gomphi,  die  Herstellung  der  Verbindung  mit  der  Flotte  in  Ambrakia 
bis  zum  Aufbruche  nach  Atrax  haben  über  einen  halben  Monat  in 
Anspruch  genommen1).  So  erhalten  wir  für  den  Beginn  der  Belage- 
rung dieser  Stadt  etwa  Ende  August;  für  ihre  Dauer  können  wir 
wohl  gut  ein  bis  zwei  Monate  ansetzen  (consul  omnium  spe 
longiorem  .  .  oppugnationem  habuit,  Liv.  32,  17,  4).  Die  Nieder- 
werfung der  Mauer  durch  den  Widder,  die  Kämpfe  in  der  Bresche, 
die  Konstruktion  eines  grofsen  Belagerungsturmes,  dafs  alles  mufs 
Zeit  in  Anspruch  genommen  haben.  Die  Eroberung  der  kleinen 
Städte  in  Phokis  vor  Bezug  der  Winterquartiere  in  Antikyra  würde 
dann  Ende  Oktober  bis  Anlang  November  zu  setzen  sein  (Liv.  32,  18). 

Der  Feldzug  197. 

Die  chronologische  Anordnung  der  Ereignisse  des  Feldzuges  197 
bietet  in  einem  Punkte  eine  nicht  unerhebliche  Schwierigkeit. 

Die  Schlacht  bei  Kynoskephalä  ist  nach  einer  Äufserung  des 
Polybios  in  die  Zeit  der  Getreidereife  gefallen  (XVIII  20,  3 :  ojzsvöcqv 
jZQOxaicKpfielQat  vöv  ev  vfj  2xovovooaia  olvov.  Trotzdem  ist 
nach  der,  wie  es  scheint,  übereinstimmenden  Darstellung  des  Livius 
und  Polybios  die  Nachricht  von  dem  Siege  erst  gegen  den  Ausgang 
des  Amtsjahres  (exitu  ferme  anni,  Liv.  33,  24,  3)  nach  Rom  gelangt, 
die  Verhandlung  über  den  Frieden  erst  nach  der  Designation  der 
neuen  Konsuln  geführt2)  und  der  Abschlufs  gar  erst  nach  ihrem 
Antritte  erreicht  worden  (Liv.  33,  25,  43  inito  consulatu). 


1)  Der  Weg  mufs  der  über  Musaki,  Liaskowo,  Knisowo,  Kalentini  Dach  Arta 
gewesen  sein.     Philippson  (31,  390  ff.)  machte  ihn  in  5  Tagen  bei  durchschnittlich 
6|  stündigem  Ritte.      Unter  Anrechnung    eines  Ruhetages   und   eines  Tages  zum 
Empfang  des  Getreides  erhält  man  12  Tage  hin  und  zurück.     Das   ist  das  Mini-    IIierzu  Karte 
mum  für  eine  Transportkolonne. 

2)  Nach   Polybios  XVIII  42  (25)    sind   die    Gesandtschaften  aus  Griechen- 
land  sogar   erst   im   Anfang    des  Amtsjahres   19G    nach  Rom    gekommen   ort  bi\ 


11()  Der  zweite  Makedonische  Krieg. 

Das  erscheint  bei  dem  damaligen  Antrittstermin  der  Konsuln 
am  15.  März  mit  der  Nachricht  über  die  Zeit  der  Schlacht  unver- 
einbar, und  es  fragt  sich  daher,  ob  nicht  eine  dieser  Nachrichten 
zu  verwerfen  ist,  und  welche. 

Wir  betrachten  zunächst  die  militärischen  Vorgänge. 

Am  Anfange  des  Frühlings  197  (primo  vere  Liv.  33,  3,  1),  also 
etwa  im  Beginn  des  März,  hielt  Philipp  in  seinem  ganzen  Reiche 
neue  Aushebungen.  Dann  zog  er  seine  Truppen  bei  Dion  zusammen, 
und  zwar  um  die  Zeit  der  Tag-  und  Nachtgleiche  (a.  a.  0.  6:  seeun- 
dum  vernum  aequinoctium)  also  um  den  24.  März,  auf  welches  Datum 
damals  diese  Erscheinung  fiel  (nach  Ideler  S.  58  berechnet).  In 
Dion  exerzierte  er  die  neu  eingestellten  Rekruten  ein  und  erwartete 
die  Eröffnung  des  Feldzuges  durch  die  Römer. 

Ebenso  unternahm  Flamininus  bei  dem  ersten  Herannahen  des 
Frühlings  (initio  veris  a.  a.  0.  1,1)  einen  Zug  gegen  das  böotische 
Theben,  brachte  es  auf  seine  Seite  und  brach  dann  um  die  Zeit  der 
Tag-  und  Nachtgleiche  (per  eosdem  ferme  dies,  wie  Philipp  a.  a.  0. 
3,  6)  von  Elatea  nach  Thessalien  auf.  Von  Elatea  nach  Heraklea 
bei  den  Thermopylen,  wo  er  sich  3  Tage  aufhielt  (tertio  die  ab 
Heraclea  Xynias  praegressus)  sind  etwa  40,  von  da  nach  Xyniae 
am  See  von  Daukli  über  den  Furkapafs  etwa  35  Kilometer  —  also 
zwei  bis  drei  Tagemärsche  — ,  so  dafs  er  in  letzterer  Stadt  in  den 
letzten  Tagen  des  März  angekommen  ist.  Hier  mufs  ein  längerer 
Aufenthalt  genommen  worden  sein.  Denn  man  erwartete  hier  den 
eben  erst  in  Heraklea  beschlossenen  Zuzug  der  Ätoler1)  (Liv.  a.  a.  0. 
3,  8).  Wir  werden  dafür  mindestens  einen  halben  Monat  ansetzen 
müssen;  aber  auch  nicht  sehr  viel  mehr  rechnen  dürfen.  Denn 
Livius  berichtet  ausdrücklich,  dafs  die  Ätoler  nicht  lange  auf  sich 
hätten  warten  lassen  (nihil  morati  Aetoli  sunt)  und   dafs  Flamininus 


MaQXEXlov  Kkavöiov  vtiutov  naQtilriyöios  irv  vnaTov  (XQ/qv.  Wenn  es  nun  auch 
aus  sprachlichen  Gründen  unmöglich  ist,  diese  Worte  dem  Polybios  zuzuschreiben, 
wie  mir  Herr  Büttner -Wobst  brieflich  bestätigt  (s.  auch  Meischke  Symbolae  ad 
Eumenis  II  Pergamenorum  regis  historiam,  Leipzig  1892,  S.  21),  so  geht  doch 
aus  dem  ganzen  Fragmente  unzweifelhaft  hervor,  dafs  Marcellus  schon  designierter 
Konsul  war,  als  man  über  den  Frieden  verhandelte.  Sonst  hätte  er  an  der  Hinter- 
treibung desselben  kein  Interesse  gehabt,  Vergl.  auch  Nissen  S.  143.  Die 
Designationen  fielen  damals  etwa  in  den  Januar.     Mommsen,  Staatsr.  I3  583. 

l)  Darauf  macht  schon  mit  Recht  aufmerksam  Meischke,  dessen  Resultaten 
für  die  Bestimmung  der  Schlacht  ich  mich  durchaus  anschliefse,  S.  15—21. 


Beilage  II.     Zur  Chronologie  des  zweiten  Makedonischen  Krieges.        ]  1 1 

sofort  nach  deren  Eintreffen  aufgebrochen  sei  (confestim  movit  castra). 
Dafs  hier  in  der  Tat  keine  ungebührlich  lange  Verzögerung  ein- 
getreten ist,  bestätigt  ferner  die  Tatsache,  dafs  andere  griechische 
Hilfskontingente,  wie  die  Kreter,  Apolloniaten,  Athamanen  sogar  erst 
nach  den  Ätolern  beim  Heere  eintrafen  (a,  a.  0.  3,  10). 

Es  ist  daher  als  ein  Äufserstes  von  Erstreckung  anzusehen, 
wenn  wir  den  Aufenthalt  in  Xyniae  bis  auf  einen  ganzen  Monat  aus- 
dehnen und  damit  den  Weitermarsch  auf  Ende  April  oder  Anfang 
Mai  zurückschieben. 

Die  erste  feindliche  Stadt,  welche  man  zu  gewinnen  hoffte,  war 
das  phthiotische  Theben.  Der  Marsch  dahin  beträgt  nur  etwa  50  Kilo- 
meter, es  war  also  in  zwei  Tagen  bequem  zu  erreichen.  Und 
wenn  wir  auch  zugeben  wollten,  dafs  auf  denselben  noch  einige  Tage 
Aufenthalt  gefallen  sein  können,  in  denen  der  Konsul  die  anderen 
soeben  erwähnten  Hilfstruppen  an  sich  gezogen  habe  (transgresso  in 
in  Phthioticum  agrum  .  .  Gortynii  .  .  et  Apolloniatae  .  .  se  coniunxere, 
nee  ita  multo  post  Amynander  Liv.  ib.  3,  10),  so  wird  dadurch 
nicht  eben  viel  geändert. 

Von  jetzt  an  aber  entwickeln  sich  die  Verhältnisse  äufserst  rasch. 

Nachdem  der  Versuch,  das  phthiotische  Theben  durch  Verrat 
zu  gewinnen,  mifsglückt  war  (Liv.  a.  a.  0.  5,  2),  gab  der  Prokonsul 
weitere  Unternehmungen  gegen  die  Stadt  auf  (urbis  amplius  temp- 
tandae  .  .  conatu  abstitit)  und  brach  postero  die  (6,  1)  nach  Persuphli 
auf  (S.  61).  Am  3.  Tage  war  das  erste  Zusammentreffen  mit  Philipps 
Vortruppen  (Pol.  XVIII 19,  2:  xavä  zr]v  smovoav),  am  vierten  das  erste 
Gefecht  (Polyb.  a.  a.  0.  9 :  vfj  d'  ejzavQtov),  am  fünften  und  sechsten 
Marschtage  (a.  a.  0.  20,  1.  6)  und  am  siebenten  die  Schlacht. 

Somit  erhalten  wir  bei  der  weitesten  nur  irgend  erlaubten  Er- 
streckung des  Termines  als  späteste  Ansetzung  für  die  Schlacht  die 
Zeit  von  Ende  Mai  bis  Anfang  Juni. 

Dieser  Termin  ist  aber  auch  zugleich  der  früheste,  den  wir 
ansetzen  dürfen  wegen  der  Nachricht  des  Polybios  über  die  Reife  des 
Kornes.  Denn  die  Kornernte  fällt  heutzutage  in  Thessalien  um  die  Mitte 
des  Juni1)    und  die  Zeit  dieses  Geschäftes  hat  sich  seit  dem  Alter- 


*)  Meischke  a.  a.  0.  S.  16,  A.  1  nach  brieflicher  Mitteilung  von  Th.  von  Held- 
reich. —  Es  ist  daher  unmöglich,  die  Schlacht  mit  Matzat  (Rom.  Zeitr.  S.  184) 
bis  in  den  Juli  oder  gar  mit  Fischer  bis  in  den  Herbst  zurückzuschieben,  wie 
schon  Meischke  überzeugend  ausgeführt  hat. 


IJ2  Der  zweite  Makedonische  Krieg. 

tum  in  Griechenland  kaum  verschoben1).  Wir  müssen  daher  auch 
für  die  damalige  Zeit  die  Ernte  auf  Mitte  bis  Ende  Juni  ansetzen, 
und  da  die  Erzählung  des  Polybios  voraussetzt,  dafs  das  Korn  zur 
Zeit  der  Schlacht  noch  auf  den  Feldern  stand2),  vom  Beginne  der 
Ernte  aber  nichts  gesagt  wird,  so  können  wir  die  Schlacht  noch  etwas 
früher  ansetzen  und  kommen  damit  gleichfalls  auf  Ende  Mai  bis 
Anfang  Juni.  Die  Chronologie  der  militärischen  Vorgänge  ist  also 
unter  sich  in  Übereinstimmung. 

Wie  steht  es  in  dieser  Beziehung  mit  der  zweiten  Nachrichten- 
gruppe, den  Vorgängen  in  Rom? 

Hier  herrschte  bekanntlich  bei  Beginn  des  zweiten  Jahrhunderts 
vor  Chr.  eine  ähnliche  Kalenderverwirrung  wie  zu  Caesars  Zeit.  Das 
römische  Jahr  war  damals  um  etwa  vier  Monate  dem  natürlichen 
vorausgeeilt.  Diese  Tatsache  kann  angesichts-  des  durch  astronomische 
Beobachtung  festgestellten  Zusammenfallen  des  11.  Quinctilis  mit 
unserem  14.  März  für  das  Jahr  190,  sowie  der  weiteren,  damit  gut 
zusammenstimmenden  Tatsachen  doch  wohl  kaum  ernstlich  bezweifelt 
werden3).  Damit  fällt  der  Antrittstermin  der  römischen  Konsuln  in 
Wirklichkeit  in  den  November/Dezember  und  wir  erhalten  zwischen 
der  Schlacht  von  Kynoskephalä  und  dem  römischen  Jahranfang  eine 
Zeitspanne  von  etwa  sechs  Monaten. 

Sehen  wir    uns  also   bei  dieser  Sachlage  die  Nachrichten  über 


1)  Hesiod  bringt  die  Erntezeit  ausdrücklich  mit  dem  Frühaufgang  der 
Pleiaden  in  Verbindung,  der  nach  Busolts  Berechnung  (Hermes  35  S.  575)  damals 
Ende  Mai  fiel.  Das  ist  gegenüber  den  modernen  Beobachtungen  über  Mittel- 
griechenland (Wilamowitz,  Hermes  26,  220,  Ed.  Meyer,  Forsch,  z.  gr.  G.  II  306) 
eine  unbedeutende  Verschiebung.  Busolt  selbst  rechnet  etwa  12  Tage.  Über 
Italien  siehe  Nissen,  Ital.  Landesk.    I  399  ff. 

2)  Sonst  hat  das  nQoxaracpd-ii'Qm  keinen  Sinn.  Das  hat  mit  Recht  Meischke 
a.  a.  0.  S.  15  gegen  Unger  betont. 

3)  Holzapfel,  Rom.  Chronologie  (1885)  S.  302.  309.  Unger  bei  Müller 
Hdb.  I  636.  Matzat,  Rom.  Zeitrechnung  S.  200.  Soltau,  Rom.  Chronol.  (1889) 
S.  212.  —  Niese  spricht  S.  721,4  und  738,3  Zweifel  an  einer  so  weitgehenden 
Kalenderverschiebung  aus,  aber  ohne  triftige  Gründe  vorzubringen.  Denn  eine 
Versammlung  der  Truppen  auf  den  18.  März  in  Brundisium  im  Jahre  190,  wie 
man  sie  bei  dieser  Verschiebung  ansetzen  mufs,  ist  kein  abnorm  früher  Termin, 
da  z.  B.  auch  in  den  Jahren  198  und  197  so  frühe  Eröffnung  der  Feldzüge  vor- 
kommt, um  nur  zwei  in  dieselbe  Zeit  fallende  Daten  zu  nennen  (S.  107.  109). 
Und  um  eine  Verschiebung  um  ein  halbes  Jahr  handelt  es  sich  wenigstens  für 
die  hier  in  Rede  stehenden  Daten  nicht,  sondern  nur  um  4  Monate. 


Beilage  IL    Zur  Chronologie  des  zweiten  Makedonischen  Krieges.      H3 

die  Vorgänge  in  Rom  noch  einmal  genauer  an.  Sie  zerfallen  in  zwei 
Gruppen.  Die  erste  spricht  nur  von  der  Ankunft  der  Siegesnachricht 
in  Rom  und  der  infolgedessen  angeordneten  Mafsregeln  (Liv.  33,  24,  3: 
exitu  ferme  anni  litterae  a  T.  Quinctio  venerunt  etc.  hae  litterae 
prius  in  senatu  a  Sergio  praetore  deinde  .  .  in  contione  sunt  recitatae 
et  ob  res  prospere  gestas  .  .  supplicationes  .  .  decretae).  Ihr  Ver- 
treter ist  nur  Livius,  und  zwar  in  einem  den  Annalen  entnommenen 
Stücke  (Nissen  S.  142  f.).  Die  zweite  Gruppe  dagegen  behandelt  die 
Ankunft  der  Gesandtschaften  des  Philipp,  des  Flamininus  und  der 
griechischen  Staaten,  ihre  Verhandlungen  mit  dem  Senate,  die  In- 
trigen des  neugewählten  Konsuls  Marcellus,  die  endliche  Bestätigung 
des  Senatsbeschlusses  durch  das  Volk,  die  Wahl  einer  Kommission 
von  10  Gesandten  für  die  Regelung  der  griechischen  Verhältnisse. 
Der  Vertreter  dieser  Gruppe  ist  neben  Livius  auch  Polybios.  (Liv. 
33,  24,  5  ff.    25,  4  ff.     Polyb.  XXIII  42). 

Dafs  die  Siegesbotschaft  erst  gegen  Ende  des  Amtsjahres,  also 
im  Oktober  oder  November  197  in  Rom  eingetroffen  sei,  ist  natür- 
lich unmöglich,  wie  schon  Nissen,  Krit.  Untersuch.  S.  143  mit  Recht 
betont  hat.  Denn  von  Kynoskephalä  konnte  ein  Eilbote  bequem  in 
einem  halben  Monat  nach  Rom  kommen1),  und  dafs  der  Prokonsul 
sogleich  an  den  Senat  Nachricht  geschickt  hat,  versteht  sich  von 
selber.  Man  konnte  also  schon  von  Mitte  Juni  an  von  der  Schlacht 
unterrichtet  sein,  und  ist  es  auch  gewesen,  wie  uns  Livius  an  zwei 
anderen  Stellen  seiner  Annalen  andeutet,  ohne  den  Widerspruch  zu 
seiner  Erzählung  zu  bemerken.  Er  berichtet  nämlich  einerseits,  dafs 
die  Siegesnachricht  über  Kynoskephalä  von  Sergius,  dem  damaligen 
Prätor  urbanus  (Liv.  32,  31,  6)  im  Senate  vorgelegt  sei,  ein  Eintreten 
des  Prätors  für  die  Konsuln,  welches,  wie  Matzat  scharfsinnig  ge- 
sehen hat  (Rom.  Zeitr.  S.  184),  nur  daraus  erklärlich  ist,  dafs  damals 
die  Konsuln  noch  in  Gallia  cisalpina  auf  ihrem  diesjährigen  Feldzuge 
abwesend  waren.  Zweitens  aber  erzählt  er,  dafs  die  Nachricht  von 
Kynoskephalä2)    z.  Z.   der  römischen  Spiele  in  der  Hauptstadt  schon 

!)  Von  Kynoskephalä  bis  Ambrakia  sind  ca.  135  Kilometer  Luftlinie;  bei 
dem  zu  überwindenden  Pindusübergang  3 — 4  Tage.  Von  Ambrakia  nach  Brun- 
disium  sind  240  Kilometer,  d.  h.  etwa  3  Tage  bei  günstiger  Fahrt  (vergl.  meine 
Zusammenstellung,  Hermes  34  S.  12  A.  1).  Von  Brundisium  bis  Rom  reiste  Cato 
mit  der  Siegesbotschaft  von  Thermopylä  5  Tage  (Plut.  Cato  14.  Liv.  36,  21,  6). 
Summe:    12  Tage. 

2)  Dafs  es  sich  bei  der  Notiz  über  die  ludi  Komani  nur  um  die  Nachricht 

Kromayer,  Antike  Schlachtfelder.     II.  8 


114  ^er  zweite  Makedonische  Krieg. 

bekannt  gewesen  sei  (a.  a.  0.  25,  1 :  ludi  Romani  .  .  et  magnificentius 
quam  alias  facti  et  laetius  propter  res  bello  bene  gestas  spectati), 
d.  h.  also  spätestens  im  Juni.  Denn  die  römischen  Spiele  fallen  nach 
dem  Kalender  auf  den  4. — 19.  September  (Wissowa,  Religion  u.  Kultus 
d.  Rom.  bei  Müller  V  4,  509),  d.  h.  auf  Mitte  Juni,  wenn  wir  für  das 
Jahr  197  eine  dreimonatliche  Kalenderverschiebung  annehmen. 

Wir  haben  daher  keinen  Grund,  diese  Nachricht  des  Livius 
mit  Matzat  (a.  a.  0.  S.  184  A.  5)  als  einen  Irrtum  des  Chronisten  zu 
verwerfen,  sondern  sie  bestätigt  vielmehr  unsern  Ansatz,  dafs  die 
Schlacht  von  Kynoskephalä  Ende  Mai  oder  Anfang  Juni  geschlagen  ist1). 

Ganz  anders  steht  es  dagegen  mit  der  Nachrichtengruppe  über 
die  Friedensgesandtschaften  und  Friedensverhandlungen. 

Die  Absendung  der  einzelnen  Gesandtschaften  aus  Griechen- 
land und  Makedonien  braucht  keinenfalls  so  schnell  vor  sich  gegangen 
zu  sein.  Zunächst  war  Philipp  nach  Kynoskephalä  ein  lötägiger  Waffen- 
stillstand gewährt  worden  (Pol.  XVIII  34,  5.  Liv.  33,  12,  1).  Die  im 
Laufe  desselben  angeknüpften  Verhandlungen  führten  zu  einem  vier- 
monatlichen Waffenstillstand,  während  dessen  die  Gesandtschaften 
aller  Beteiligten  nach  Rom  gehen  sollten.  (Pol.  XVIII  39,  5.  Liv. 
33,  13,  14).  Schon  bei  der  Absendung  mögen  mannigfache  Gründe, 
die  in  den  verwickelten  und  ungeordneten  Verhältnissen  der  einzelnen 
Kleinstaaten  Griechenlands  ihre  Ursache  hatten,  verzögernd  gewirkt 
haben.  Die  Reise  der  Gesandtschaften  selber  war  natürlich  auch 
keine  Eilbotenfahrt. 

So  mag  es  bis  in  den  August  oder  noch  länger  gedauert  haben, 
ehe  die  Gesandtschaften  alle  da  waren2);  und  ehe  man  sich  im 
Senat    über    die  vielen  Wünsche,  die  von   verschiedenen  Seiten  vor- 


von  dem  Siege  von  Kynoskephalä  und  nicht  um  eventuelle  gallische  Siege  handeln 
kann,  betonen  mit  Recht  Kissen,  Krit.  Stud.  a.  a.  0.,  Meischke  S.  21,  Matzat 
S.  184  A.  5. 

!)  Holzapfel  hat  Philol.  48  (N.  F.  2,  1889  S.  369)  nachzuweisen  gesucht, 
dafs  die  Abhaltung  der  ludi  im  Anfange  des  zweiten  Jahrhunderts  noch  nicht 
kalendarisch  fixiert  gewesen  sei,  und  sich  dabei  auf  die  hier  in  Rede  stehende 
Nachricht  gestützt.  Ich  glaube  dafs  man  dies  Argument  —  und  es  ist  für  das 
zweite  Jahrhundert  das  einzige  —  nach  dem  Gesagten  nicht  mehr  für  die  Hypo- 
these verwerten  kann. 

2)  Pol.  XVIII  39,  7:  nävieg  eTie/unov  etg  ir\v  'PafirjV,  ol  (Atv  awtQyovvjeg^  ol 
«T  ch>Ti7iQc<TT0VT£;  t rj  duxkioet.  Gesandtschaften  der  Achäer,  Atoler,  Messeni^r, 
Eleer  werden  namentlich  erwähnt.     Pol.  a.  a.  0.  42,  6  ff. 


Beilage  II.     Zur  Chronologie  des  zweiten  Makedonischen  Krieges.      H5 

gebracht  wurden,  genügend  orientiert  hatte,  ehe  man  sich  über  die  ver- 
schiedenen Strömungen  im  klaren  war,  die  sich  im  Senate  selbst  über  die 
einzuschlagende  Politik  alsbald  bemerklich  machten  (Pol.  XVIII  45,  2 ff.), 
mochte  der  Jahresschlufs  herangekommen  sein,  so  dafs  der  Komitial- 
beschlufs  über  den  Frieden  und  die  Ernennung  der  Gesandten,  sowie 
die  Feststellung  von  deren  detaillierter  Instruktion  (Pol.  XVIII  44,  1  ff.) 
erst  in  das  neue  Beamtenjahr  gefallen  sind1). 

Das  wird  auch  dadurch  bestätigt,  dafs  die  Zehnmänner- 
kommission, welche  nach  Griechenland  geschickt  wurde,  erst  spät  im 
Winter  bei  Flamininus  in  Elatea  eintraf2)  und  dafs  dem  Philipp  für 
die  Räumung  Griechenlands  selber  vom  Senate  ein  so  später  Termin 
gesetzt  wurde  wie  die  isthmischen  Spiele  (jtaQadovvat,  ePco^aloig  jvqö 
vrjg  tcbv  'loßfjLicov  jvavrjyvQecog  Pol.  a.  a.  0.  44,  3.  Liv.  31,  1),  welche 
erst  in  den  Anfang  des  folgenden  Sommers  fielen  (Unger,  Piniol. 
37,  3  ff .  bestätigt  und  ergänzt  von  Christ  Sitzungsber.  d.  Bayr. 
Akad.  1889  S.  29  ff.). 

So  löst  sich  die  Schwierigkeit  leicht  und  einfach. 

Livius  hat  zwischen  der  Ankunft  der  Siegesnachricht  und  den 
Friedensverhandlungen  nicht  genügend  geschieden,  ein  Versehen, 
welches  verzeihlich  ist,  da  er  nach  der  Erzählung  der  kriegerischen 
Ereignisse  in  Griechenland  und  Italien  alles,  was  inzwischen  in 
Rom  selbst  geschehen  war,  am  Schlüsse  seines  Jahresberichtes  zu- 
sammenfafste. 


J)  Matzat  (S.  184  A.  3,  4)  glaubt,  dafs  der  Friedensschlufs  innerhalb  des 
viermonatlichen  Waffenstillstandes  erfolgt  sein  müsse,  welcher  Philipp  nach 
Kynoskephalä  gewährt  sei.  Man  sieht  nicht  ein,  warum  der  Waffenstillstand  nicht 
verlängert  werden  konnte,  wenn  sich  die  Verhandlungen  in  Rom  hinzogen. 

2)  Die  Ankunft  der  Gesandten  (Pol.  XVIII  44,  1,  Liv.  33,  30,  1)  fällt  nach 
den  Verwickelungen  mit  Theben,  die  erst  ihren  Anfang  nahmen,  als  Flamininus 
schon  in  Elatea  die  Winterquartiere  bezogen  hatte  (naga^eifuccCovrog  tv'EXaTttci. 
Pol.  a.  a.  0.  43,  1  =  Liv.  27,  5)  und  mit  ihren  verschiedenen  Gesandtschaften, 
Wahlen,  Ermordungen  römischer  Soldaten,  Aufbietung  der  römischen  Armee  etc. 
(Polyb,,  Liv.  a.  a.  0.)  längere  Zeit  in  Ansprach  genommen  haben  müssen. 


8* 


Beilage  III. 

Die  Pelopidasschlacht  bei  Kynoskephalä  (364  v.  Chr.) '). 

Pelopidas    und  Alexander  von  Pherä  schlugen   die  Schlacht,  in 
Hierzu  die  Karte  wkh       der    erstere    den    Heldentod    starb,    bei    denselben    Kynos- 

„Schlacht  von  '  J 

Kynoskephaiä  kepbalä,  auf  denen  Philipp  und  Flamininus  kämpften,  und  Alexander 
36^"(ßei^ar'ev-  brachte    die  Nacht   vor    dem  Treffen    ebenso    wie  die  Römer  in  der 

Karte   INo.  4). 

Nähe  des  Thetideons  zu2). 

Es  kann  also  kein  Zweifel  sein,  dafs  es  sich  bei  beiden  Er- 
eignissen um  zwei  ganz  nahe  bei  einanderliegende  Schlachtfelder 
handeln  und  die  Bestimmung  des  einen  innerhalb  dieser  Grenze  auch 
für  das  andere  bindend  sein  mufs.  Wir  würden  also  dadurch  ohne 
weiteres  für  die  Schlacht  zwischen  Alexander  und  Pelopidas  auch  in  die 
Hügelzone  zwischen  dem  Karadagh  im  Osten  und  den  Bergen  von 
Dogandschi  und  den  Mavrovuni  im  Westen  geführt  werden  (S.  71). 
Wir  wollen  aber  von  diesem  Vorteil  vorläufig  keinen  Gebrauch 
machen,  sondern  versuchen,  die  Örtlichkeit  der  Pelopidasschlacht 
ganz  selbständig  aus  den  für  sie  überlieferten  Nachrichten  abzuleiten. 
Sollte  sich  daraus  ungesucht  dieselbe  Gegend  als  Schlachtfeld  heraus- 
stellen, so  würden  wir  damit  zugleich  eine  sehr  willkommene  Be- 
stätigung unserer  Untersuchung  über  die  Örtlichkeit  der  Römer- 
schlacht in  die  Hand  bekommen. 

Der  Punkt  von  welchem  Pelopidas  bei  seinem  Feldzuge  gegen 
Alexander  seinen  Ausgang  genommen  hat,  war  die  Stadt  Pharsalos.  Von 
hier  aus  rückte  er  gegen  Pherä  vor.    Der  Tyrann  zog  ihm  entgegen  3). 


1)  Das  Jahr  steht  durch  eine  Sonnenfinsternis  fest,  s.  Beloch,  Gr.  Gesch. 
II  282  A.  2.  Die  Übersetzung  des  Schlachtberichtes  findet  sich  im  Anhange  zu 
dieser  Beilage  S.  123  f. 

2)  Plut.  Pel.  32:  xarä  Tag  xakov^ivag  Kvrog  xetpaJiäs.  Über  das  Theti- 
deon  s.  folg.  A.  u.  S.  73. 

3)  Plut.  Pel.  32:  tu?  ovv  tfg  «/'a'pcr«Aor  tk&wv  qSQoioe  ttjv  dvvct/uiv,  tvdig 
tßcttiitev  ln\  iov  'AXcigaviffiov.     6  öt  .  .  Zmi\viv.  nQog  zu  Gtrideiov. 


Beilage  III.     Die  Pelopidasschlacht  bei  Kynoskephalä  (364  v.  Chr.).      H7 

Daraus  folgt  für  die  Ansetzung  des  Schlachtfeldes  zunächst  ganz  im 
allgemeinen,  dafs  es  irgendwo  zwischen  Pharsalos  und  Pherä  zu 
suchen  ist,  dafs  also  ebenso  wie  für  die  Römerschlacht  die  von 
Pharsalos  nach  Norden,  nach  Larissa  gehende  Strafse,  als  äufserste 
westliche  Grenze  angesehen  werden  mufs. 

Ferner  aber  hören  wir,  wie  erwähnt,  dafs  Alexander  bis  zum 
Thetideon,  das  schon  im  Gebiete  von  Pharsalos  lag  (S.  73  A.  1), 
dem  Feinde  entgegengerückt  war.  Er  hatte  also  bereits  den  Karadagh 
hinter  sich.  Und  da  ja  auch  Skotussa  am  Westhange  dieses  Gebirges 
sich  in  seiner  Macht  befand1),  so  erhalten  wir  als  äufserste  Ost- 
grenze für  die  Schlacht  tatsächlich  auch  hier  das  westliche  Vorland 
des  Karadagh.  In  demselben  Hügelland  zwischen  dem  Karadagh  und 
der  Strafse  Pharsalos —Larissa,  also  in  einem  Gebiet  von  etwa 
9  Kilometer  westöstlicher  Erstreckung,  haben  wir  mithin  auch  nach 
diesen  Nachrichten  die  Kynoskephalä  und  das  Schlachtfeld  der  Pelo- 
pidasschlacht zu  suchen2). 

Aber  weiter  als  bis  zu  diesem  allgemeinen  Resultate  geht  die 
Übereinstimmung  zwischen  beiden  Schlachtfeldern  nicht  Denn  der 
Kampfplatz  zwischen  den  griechischen  Heeren  kann  nicht  der  Kamm 
der  Kynoskephalä  gewesen  sein,  sondern  er  mufs  auf  der  Südseite 
der  Hügelkette  gelegen  haben,  da  beide  Heere  ihren  Ausgangspunkt 
im  Süden  derselben  hatten:  Pelopidas  von  Pharsalos,  Alexander  vom 
Thetideon  aus  aufbrachen3).  Da  ferner  die  Strafse,  auf  welcher  die 
Gegner  sich  entgegengingen  ostwestliche  Richtung  hat,  so  wird  die 
Front  der  Heere  auch  nach  Osten  bezw.  nach  Westen  gerichtet  ge- 
wesen sein,  nicht  wie  bei  dem  Römertreffen  nach  Norden  und  Süden. 
Das  liegt  in  der  Natur  der  Sache  und  folgt  zudem  aus  dem  Gange 
des  Gefechtes.  Alexanders  Reiterei  wird  nämlich  gleich  zu  Anfang 
der  Schlacht  durch  die  Gegner  von  den  Hügeln  in  die  Ebene4)  — 
natürlich  in  der  Richtung  nach  Pherä  zu  —  zurückgejagt. 


!)  Beloch,  a.  a.  0.  269.    Diodor  XV  75.     Plut.  Pel.  29. 

2)  Also  nicht  zwischen  Skotussa  und  Pherä,  wie  noch  neuerdings  Beloch  es 
im  Anschlufs  an  die  alte  Leakische  Lokalisierung  für  die  Römerschlacht  ansetzt, 
Griech.  Gesch.  II  282. 

3)  Dafs  das  Thetideon  auf  der  Südseite  der  Hügel  liegt,  folgt  daraus,  dafs 
Flamininus  dabei  lagerte;  s.  S.  73. 

4)  eig  tö  mdcov  Plut.  Pel.  32.  Vergl.  die  Stelle  im  Zusammenhange 
Anhang  S.  123. 


118  Der  zweite  Makedonische  Krieg. 

Bei  dem  heutigen  Lasar  Buga  treten  nun  die  Ausläufer  der 
Kynoskephalä  weiter  als  an  den  anderen  Stellen  nach  Süden  vor. 
Östlich  und  westlich  davon  ist  Ebene.  Hier  mufs  die  Reiterei  des 
Alexander  gestanden  haben,  wenn  sie  durch  einen  Angriff  von  vorne 
in  die  Ebene  zurückgeworfen  werden  sollte. 

Von  diesem  festen  Punkte  aus  ergibt  sich  daher  in  Übereinstim- 
mung mit  Plutarchs  Bericht  und  der  Bildung  des  ganzen  Geländes  fol- 
gender Gang  für  die  Anmärsche  zur  Schlacht  und  die  Schlacht  selber: 

Alexander  von  Pherä  ist  auf  demselben  Wege  wie  Flamininus 
von  Pherä  bis  zum  Thetideon  marschiert,  d.  h.  er  ist  der  Senke 
zwischen  dem  Karadagh  und  den  Ziragiotischen  Bergen  gefolgt,  die 
heutzutage  auch  die  Eisenbahn  benutzt.  Es  ist  das  der  bequemste 
und  kürzeste  Weg  von  Pherä  nach  Pharsalos.  Vom  Thetideon  aus 
rückt  er  dann  am  nächsten  Tage,  als  ihm  der  Anmarsch  des  Pelopidas 
gemeldet  wird,  noch  ein  Stück  weiter  nach  Pharsalos  zu  vor,  um 
den  westlich  von  seiner  Stellung  befindlichen  Höhenrücken  von 
Lasar  Buga  zu  besetzen,  der  von  den  Höhen  der  Kynoskephalä  herab- 
kommend zwischen  zwei  kleinen  Talfalten  in  südlicher  Pachtung  all- 
mählich bis  zur  Ebene  des  Kutschuk-Tschanarly,  des  alten  Enipeus, 
hinabsinkt. 

Indessen  ist  Pelopidas  seinerseits  von  Pharsalos  aus  zunächst 
nach  Norden  vorgerückt  und  hat  den  Enipeus  auf  der  Strafse 
Pharsalos— Larissa  überschritten.  Das  mag  etwa  bei  Pascha  Magula 
an  der  Stelle  gewesen  sein,  wo  auch  heute  dieser  Weg  den  FJufs 
kreuzt  und  die  einzige  Steinbrücke  liegt,  die  in  dieser  ganzen  Gegend 
den  Flufs  überschreitet.  Als  er  sich  dem  Höhenrücken  von  Lasar 
Buga  gegenüber  befindet,  läfst  er,  Front  nach  Osten,  aufmarschieren  und 
versucht  auch  seinerseits  den  Kamm  des  Hügelrückens  zu  gewinnen  x). 

Während  dieser  Bewegungen  der  beiden  Heere  hat  sich  auf 
ihren  südlichen  Flügeln,  wo  sich  dem  Gelände  zufolge  die  Reiterei 
am  besten  bewegen  konnte2),  das  Reitergefecht  bereits  be- 
gonnen.    Denn    hier    waren    die  Truppen    natürlich   zuerst  mit  dem 


')  Plut.  a.  a.  0.  32:  avaxavövKov  Sk  ngog  rb  [xsöov,  \xarct  Tag  y.ctXov[Ah>ag 
Kvvbg  x€(pccXag,  k6(f(ov  nfQixlivcov  xctl  vifjiiXwv,  w^^ffay  a  /u  (f  6t eqo  i  rovrovg  xcctu- 
XaßeTv  roig  nt^olg. 

2)  Darum  heifst  es  bei  Plutarch  auch  ausdrücklich  wQfurjOav  .  .  toi;?  Xoqovg 
xaxcdaßtlv  rolg  neColg.  Die  Reiter  bleiben  in  oder  bei  der  Ebene,  also  im 
Süden, 


Beilage  III.     Die  Pelopidasschlacht  bei  Kynoskephalä  (364  v.  Chr.).      119 

Aufmarsche  fertig,  da  sie  einen  kürzeren  Weg  hatten  und  mit  keinen 
Geländeschwierigkeiten  zu  kämpfen  brauchten.  So  ergab  sich  dieser 
Flügel  von  selber  als  Angriffsflügel.  Ging  Pelopidas  mit  ihm  vor, 
so  deckte  er  zugleich  den  Anmarsch  der  anderen  Truppen  und  be- 
nutzte seine  stärkste  Waffe T),  die  Reiterei,  zum  entscheidenden  Stofse. 
Sein  Entschlufs  war  daher  rasch  gefafst:  er  läfst  seine  Reiterei  auf 
die  gegnerische  anreiten  und  wirft  sie  aus  ihrer  Position  auf 
den  Ausläufern  des  Hügelrückens  heraus  in  die  Ebene  des  Enipeus 
zurück2). 

Inzwischen  aber  ist  es  dem  Alexander  gelungen,  dem  thebani- 
schen  Heere  in  der  Besetzung  des  Hügelrückens  zuvorzukommen. 
Er  hat  auf  demselben  Stellung  genommen  und  greift  von  hier  aus 
die  Gegner,  welche  noch  im  Anstieg  begriffen  sind,  an,  bringt  ihnen 
schwere  Verluste  bei  und  bedrängt  sie  so,  dafs  ihr  Widerstand  schon 
zu  erlahmen  beginnt3). 

Als  Pelopidas  das  bemerkt,  gibt  er  seiner  Reiterei  Befehl  ein- 
zuschwenken und  das  feindliche  Zentrum  anzugreifen.  Er  selber  eilt 
auf  seinen  linken  Flügel  zu  dem  Kampfplatz  an  dem  Hügelrücken, 
ergreift  selber  einen  Schild  und,  ohne  Zweifel  mit  einer  Sturmkolonne, 
die  er  nach  altböotischer  Gewohnheit  und  den  Erfahrungen  von 
Tegea  und  Leuktra  gebildet  hat,  stürmt  er  in  zwei-  und  dreimal 
wiederholtem  Angriff  gegen  die  Feinde  vor4).  Er  reifst  durch  sein 
Feuer  seine  Truppen  mit  sich  fort,  aber  seine  Angriffe  haben  nur 
das  Ergebnis,  das  Gefecht  wiederherzustellen,  nicht  es  zu  gewinnen. 
Erst  als  die  Reiterei  sich  gesammelt  und  eingeschwenkt  hat  und  den 
Gegner  von  der  Flanke  her  anpackt,    glaubt  letzterer  sich  dem  sich 


*)  Plut.  a.  a.  0.:  rovg  innüg  noXXovg  xuya&ovg  ovictg.  Dagegen  heifst 
es  von  Alexander  beim  Fufsvolke:  Qr\ßaiovg  fj.kv  6-XCyovg  twqItov  neXom'öav  boäv, 
avibg  o*k  nXeiovg  8%cüv  tj  ömlaaiovg  twv  Seaauldöv. 

2)  Plut.  a.  a.  0.:  rovg  innag  ...  £(prjxe  rolg  inntvai  iwv  noXtfxicov. 
(og  ($£  ovroi  fjitv  Ixqoctovv  xcu  övvsl-eneoov  t?g  to  ntölov  Tolg  tpsvyovotv. 

3)  Plut.  a.  a.  0.:  (bg  <5f  ovtql  (die  Reiter)  fjh  txoazow  ...  6  de  AXs^av- 
ÖQog  £(p&r)  Tovg  Xo(fovg  xaraXctßojv,  101g  onXiiaig  iwv  GiöaaXwv  varegov  insQ/o/Li^- 
voig  xcu  TTQog  ia/vgä  xal  futrt'coQct  %(ooia  ßt,a£o[i6Voig  IfxßaXwv,  sxitivs  tovg  noooTovg, 
ol  dt  äXXoi  nXr\yag  Xaßovisg  ovdlv  snoaTiov. 

4)  a.  a.  0.:  §  7  xauöcov  ovv  6  ntXonidag  Tovg  .  ,  inniig  avexaXeiTo  xal  7iobg 
to  avreattjxog  ziov  noXefticov  IXaivecv  txs'Xevsv.  avrbg  c$6  avi>£(xi'&  doo/uq)  Tolg 
ntql  tovg  Xoqovg  f^a/ofu^voig  und  später  §  10:  <og  eMev  Inl  toxi  del-iov 
(AXtjjavdoov). 


J  20  L>er  zweite  Makedonische  Krieg. 

neu  vorbereitenden  Angriffe  nicht  mehr  gewachsen  und  weicht  lang- 
sam aus  seiner  Position1). 

Nun  überschaut  Pelopidas  von  oben  das  Schlachtfeld2),  sieht 
wie  das  ganze  feindliche  Heer  in  Unruhe  und  Verwirrung  gerät,  wie 
Alexander  die  Unordnung  auf  seinem  rechten  Flügel 3)  persönlich  zu 
hemmen  sucht,  und  stürzt  sich  mit  der  ganzen  Wut  seiner  aufwallen- 
den Leidenschaft  auf  den  Tyrannen.  Den  Speeren  der  Leibwache 
erliegt  der  mutige  Freiheitsheld,  ehe  die  Thessaler  von  den  eroberten 
Hügeln  her4)  ihrem  grofsen  Führer  folgen  können. 

Aber  der  Sieg  ist  gewonnen;  von  Norden  her  durch  Pelopidas 
und  seine  Scharen,  von  Süden  durch  die  Reiter  bedrängt6)  und  ge- 
worfen, löst  sich  die  ganze  Phalanx  des  Alexander  auf  und  jagt  in  wilder 
Flucht  nach  Pherä  zu,  von  der  Reiterei  weithin  durch  die  Ebene 
verfolgt  (öicb^avteg  em  nXeiovov). 

Die  Anlage  und  der  Gang  dieser  Schlacht  kann,  nachdem  auf 
diese  Weise  ein  Bild  gewonnen  ist,  in  mehrfacher  Beziehung  auf  be- 
sonderes Interesse  Anspruch  erheben. 

Zunächst  ist  es  klar,  dafs  hier  dasselbe  Schlachtschema  vorliegt 
wie  bei  Leuktra  und  Mantinea,  indem  nämlich  auch  bei  Kynos- 
kephalä  zuerst  nur  der  eine  Flügel  ins  Gefecht  geführt  wird,  der 
durch  seinen  Stofs  den  Gegner  über  den  Haufen  rennt,  durch  Ein- 
schwenken das  Zentrum  von  der  Flanke  packt  und  die  Schlachtreihe 
aufrollt.  (Man  vergleiche  das  Kapitel  über  die  kriegsgeschichtliche 
Bedeutung  des  Epominondas.  Bd.  I  S.  76  ff.).  Aber  ein  doppelter 
Unterschied  macht  sich  hier  doch  alsbald  bemerkbar. 

Es  ist  diesmal  die  Reiterei,  welche  den  Stofs  zu  führen  hat, 
und  abweichend  von  den  beiden  genannten  Schlachten  ist  der  rechte 
Flügel  der  Angriffsflügel.  Beides  ist  später  in  den  Schlachten 
Alexanders  des  Grofsen  stehend  geworden,  und  so  erscheint  Kynos- 
kephalä  als  deren  unmittelbarer  Vorgänger. 


1)  §  8:  xcä  (fio  fj.tv  rj  TQslg  äntxoovauvro  npooßoXag,  bquivitg  6e  xctl  rovTovg 
imßutvovTttg  tvpwGTwg  aal  ttjv  Xnnov  ano  7%  dicji-tcog  ävaOTpetpovöccv,  ii^av 
ln\  axikog  noiov/uevoi  xr\v  (iva^ojgrjaiv. 

2)  ccnb  T(Sv  pxqcov  xaridaiv. 

8)  §  10:  Inl  rov  öe'iiov  naQa&ctQQvvovxa. 

4)  §  12:  ano  jäiv  Xo(p(ov. 

5)  oi  i€  inntig  ngooeXccOciVTsg. 


Beilage  III.     Die  PeJopidasschlaeht  bei  Kynoskephalä  (3G4  v.  Chr.).      121 

Diese  Schlachtanlage  hat  ihren  Grund  in  den  speziellen  Ver- 
hältnissen der  Lage.  Pelopidas  verfügte  über  eine  besonders  gute 
Reiterei,  während  er  an  Fufstruppen  schwächer  war  (S.  119,  A.  1). 
Das  wurde  ausgenutzt  und  das  thebanische  Prinzip  des  Stofses  hier 
zum  ersten  Male  auf  die  Reiterei  übertragen,  ein  Verfahren,  das 
Epaminondas  dann  bei  Mantinea  mit  Erfolg  nachgeahmt  hat  (Bd.  I S.  63). 
Dazu  kam,  dafs  die  geschilderte  Art  des  Anmarsches  es  nahelegte, 
zuerst  mit  dem  rechten  Flügel  in  das  Gefecht  einzutreten,  und  dafs 
hier  allein  nach  dem  Gelände  die  Reiterei  verwendbar  war.  So 
wirkte  alles  zu  dieser  Schlachtanlage  zusammen,  und  wir  finden  eine 
Bestätigung  der  schon  früher  (Bd.  I  S.  77  ff.)  erkannten  Wahrheit, 
dafs  in  der  thebanischen  Periode  keineswegs  der  linke  Flügel  immer 
der  Angriffsflügel  zu  sein  braucht,  sondern  dafs  je  nach  Gelände  und 
Umständen  auch  der  rechte  zu  dieser  Aufgabe  bestimmt  werden  kann. 

Aber  diese  Schlacht  hat  noch  eine  andere  Eigentümlichkeit. 

Wie  bei  Leuthen  stand  hier  der  eine  Flügel  des  Gegners  höher 
als  der  andere  in  einer  das  Ganze  beherrschenden  Stellung.  Man 
sollte  also  denken,  dafs,  wie  dort  Friedrich  der  Grofse  auf  Gewinnung 
dieser  Position  den  Hauptnachdruck  gelegt  hatte1),  so  auch  hier 
gegen  sie  der  Angriff  in  erster  Linie  gerichtet  worden  wäre,  weil 
mit  ihrer  Gewinnung  alles  gewonnen  war.  Aber  diese  an  sich  natür- 
lichste Schlachtanlage  machten  die  geschilderten  Umstände  hier  nicht 
ratsam,  und  so  mufste  Pelopidas  auf  andere  Weise  helfen.  Durch 
Einsetzen  seiner  Persönlichkeit  auf  dem  Defensivflügel  versucht  er 
hier  den  Kampf  so  lange  mit  höchster  Energie  aufrechtzuhalten, 
bis  seine  Reiterei  den  Gegnern  in  die  Flanke  gefallen  war.  Er  er- 
reichte sein  Ziel  durch  wiederholte  kräftige  Offensivstöfse.  Die  ganze 
Impetuosität  und  Leidenschaftlichkeit  des  Mannes  tritt  dabei  hervor, 
und  so  kommt  es,  dafs  man  bei  oberflächlicher  Lektüre  des  Schlacht- 
berichtes diesen  Flügel  geradezu  für  den  Angriffsflügel  des  ganzen 
Heeres  halten  könnte  und  zwar  um  so  mehr  als  unser  unmilitärischer 
und  nur  für  das  Persönliche  interessierter  Berichterstatter  die  Tätig- 
keit der  Reiterei  nur  nebenbei  behandelt,  das  persönliche  Eingreifen 
des  Feldherrn  dagegen  in  den  Mittelpunkt  seiner  Schilderung  ge- 
rückt hat.    Der  Kundige  wird  sich  dadurch  nicht  täuschen  lassen. 

Aber  auch  für  uns  ist  allerdings  die  rastlose,    leidenschaftlich 


x)  Man  vergleiche  den  Ausspruch  Friedrichs  d.  Gr.  darüber  (Bd.  I  S.  81  A.  1.) 


[22  l*er  zweite  Makedonische  Krieg. 

gehobene  und  doch  alles  klar  überschauende  Tätigkeit  des  grofsen 
Mannes  in  seinen  letzten  Stunden  noch  einen  Augenblick  der  Betrachtung 
wert.  Schmiegsam  über  Böoter  Art,  vveifs  er  sich  von  Anfang  an 
den  Erfordernissen  der  Lage  anzupassen,  und  ohne  einen  Augenblick 
zu  zaudern  entwirft  er  danach  den  geeigneten  Schlachtplan :  er  ordnet 
den  Stofs  der  Reiterei  auf  dem  rechten  Flügel  an,  es  gelingt  ihm 
die  Massen  zum  Einschwenken  zu  bringen,  als  der  Augenblick  dazu 
gekommen  ist,  während  er  persönlich  beim  Zentrum  den  Angriff 
leitet  Dann  eilt  er,  als  er  hier  den  Erfolg  einigermafsen  gesichert 
sieht,  sofort  auf  den  linken  Flügel  und  reifst  durch  den  Enthusias- 
mus, der  ihn  beseelt,  die  Massen  mit  sich  fort.  Er  umspannt  das 
Ganze  mit  seinem  Geiste  und  scheint  selbst  körperlich  überall  zu 
sein.  Sein  leidenschaftliches  Naturell,  das  sich  überall  mit  voller 
Energie  einsetzt,  ist  doch  von  dem  Verstände  beherrscht,  und  er 
weifs  abzubrechen  und  sich  zu  Wichtigerem  zu  wenden,  sobald  das 
zuerst  angestrebte  Ziel  erreicht  ist.  Nur  im  Augenblicke,  als  der 
Sieg  erkämpft  ist,  reifst  ihn  der  persönliche  Hafs  fort.  Das  Ganze 
ist  ja  geborgen,  und  seine  Person  ist  ihm  ein  Nichts.  So  erliegt  er, 
indem  er  sich  unbedacht  exponiert,  und  bringt  ebenso  wie  sein 
grofser  Freund  Epaminondas  bei  Mantinea  seine  Sache  um  den  Er- 
folg eines  Sieges,  der  nur  durch  sein  Weiterleben  nutzbar  werden 
konnte. 


Anhang. 


Übersetzung  des  Berichtes  der  Pelopidasschlacht. 

Plut.  Pelop.  32:  Nachdem  (Pelopidas)  nach  Pharsalos  gekom- 
men war  und  dort  sein  Heer  gesammelt  hatte,  brach  er  sofort  gegen 
Alexander  auf.  (2)  Der  aber  zog  ihm  bis  zum  Thetideon  entgegen, 
da  er  sah,  dafs  Pelopidas  nur  wenige  Thebaner  bei  sich  hatte  und 
er  selber  doppelt  so  viele  thessalische  Hopliten  als  jener  besafs  .... 
(4)  Da  nun  zwischen  beiden  bei  den  sogenannten  Kynoskephalä  ringsum 
abfallende  und  hohe  Hügel  sich  hinzogen,  strebten  beide  danach,  sie 
mit  ihren  Fufstruppen  zu  besetzen.  (5)  Seine  gute  und  zahlreiche 
Reiterei  sandte  Pelopidas  gegen  die  der  Feinde.  (6)  Sie  war  sieg- 
reich und  verfolgte  die  Flüchtigen  in  die  Ebene.  Aber  Alexander 
erreichte  die  Höhen  zuerst,  machte  auf  die  thessalischen  Hopliten, 
die  später  anrückten  und  zu  den  steilen  und  hochgelegenen  Stellungen 
anstiegen,  einen  Angriff  und  tötete  die  vordersten;  die  anderen 
aber  liefsen  auf  sich  losschlagen  und  taten  nichts  dagegen.  (7)  Als 
Pelopidas  das  sah,  liefs  er  die  Reiterei  zurückrufen  und  befahl  ihr, 
den  noch  standhaltenden  Teil  der  feindlichen  Macht  anzugreifen,  er 
selber  aber  eilte  im  Laufschritt  zu  denen,  welche  bei  den  Hügeln 
kämpften,  ergriff  sofort  einen  Schild,  drängte  sich  von  den  Hinter- 
sten bis  zu  den  Vordersten  durch  und  erfüllte  alle  mit  solchem  Mut 
und  Eifer,  dafs  sie  auch  den  Feinden  an  Körper  und  Seele  andere 
Menschen  geworden  zu  sein  schienen.  (8)  Zwei  oder  drei  Angriffe 
schlugen  sie  nur  noch  ab,  als  sie  dann  aber  sahen,  dafs  sowohl  ihre 
Gegner  wiederum  mutig  anstürmten  und  auch  die  Reiterei  von  der 
Verfolgung  umkehrte,  wichen  sie  Schritt  vor  Schritt  zurück.  (9)  Als 
nun  Pelopidas  von  den  Höhen  herab  sah,  wie  das  ganze  Heer  der 


124  ^er  zweite  Makedonische  Krieg. 

Feinde  sich  zwar  noch  nicht  zur  Flucht  wandte,  aber  doch  schon 
voll  Unruhe  und  Verwirrung  war,  machte  er  Halt  und  sah  sich  um, 
um  den  Alexander  zu  suchen.  (10)  Als  er  seiner  ansichtig  wurde, 
wie  er  die  Söldner  auf  dem  rechten  Flügel  ordnete  und  ermutigte, 
hielt  er  sich  nicht  länger  (sondern  stürmt  vor  und  wird  von  Wunden 
bedeckt  niedergestofsen).  (12)  .  .  bis  endlich,  als  er  schon  gefallen 
war,  die  Thessaler  voll  Wut  von  den  Hügeln  herab  ihm  im  Laufe 
zu  Hilfe  kamen  und  die  Reiter  durch  ihre  Angriffe  die  ganze 
Phalanx  in  die  Flucht  jagten  und  sie  weit  verfolgten,  wobei  sie  mehr 
als  3000  töteten. 


II. 


Der  Syrisch-römische  Krieg 
(192—189  v.  Chr.). 


Vorbemerkung. 


Die  strategisch-politische  Lage. 

Ein  ganz  anderes  Aussehen,  als  im  zweiten  Makedonischen 
Kriege  hat  die  strategisch-politische  Lage  im  Kriege  des  Antiochos 
von  Syrien  gegen  Rom. 

Während  dort  Offensive  auf  Defensive  traf,  stofsen  hier  offen- 
bar zwei  Offensiven  aufeinander,  und  es  scheint  sogar,  als  ob  beide 
Parteien  von  Anfang  an  bemüht  gewesen  seien,  mit  Aufgebot  aller 
ihrer  Kräfte  den  Gegner  niederzuwerfen  und  wehrlos  zumachen, 
als  ob  wir  hier  also  eine  doppelseitige  Niederwerfungsstrategie  vor 
uns  hätten. 

Für  die  Römer  ist  dieser  Charakter  der  Kriegführung  ohne 
weiteres  klar,  aber  auch  für  Antiochos  scheint  er  unverkennbar. 

Der  König  geht  aus  seinem  asiatischen  Reiche  über  das  Meer 
vor  nach  Griechenland  und  greift  damit  unzweifelhaft  in  die  Macht- 
sphäre Roms  ein,  wie  solche  durch  den  eben  beendeten  Krieg  mit 
Philipp  von  Makedonien  festgestellt  war.  Die  ganz  vor  kurzem  vor 
aller  Welt  als  frei  verkündeten  Griechenstädte,  aus  denen  die  make- 
donischen Besatzungen  auf  Roms  Befehl  hatten  weichen  müssen, 
werden  mit  syrischen  Truppen  belegt,  und  Festungen  wie  Chalkis 
und  Demetrias  nicht  weniger  als  die  thessalischen,  für  selbständig 
erklärten  Landstädte  erhalten  asiatische  Garnisonen.  Mit  Ätolien 
wird  ein  Bündnis  gegen  Rom  geschlossen  und  nach  Akarnanien  ein 
Einfall  gemacht.  Mit  dem  Achäischen  Bund,  Makedonien  und  Epiros, 
Roms  Bundesgenossen,  wird  Gesandtschaftsverkehr  unterhalten  und 
der  Versuch  unternommen,  sie  von  Rom  abzuziehen.  Ja,  es  besteht 
der  Plan,  die  Flotte  bis  zur  Westküste  Griechenlands  vorzuschieben 
und   je    nach    Umständen    eine    Invasion    nach   Italien    auszuführen. 


128  ^er  Syrisch-römische  Krieg. 

Hannibal,  der  sich  im  Lager  des  Königs  befindet,  hofft  mit  10000  Mann 
einen  neuen  Krieg  in  Italien  selber  entfachen,  seine  Vaterstadt  und 
den  ganzen  Westen  in  den  Wirbel  eines  Vernichtungskrieges  gegen 
Rom  hineinziehen  zu  können1). 

Wenn  diese  letzten  weitgehenden  Pläne  nicht  zur  Ausführung 
gekommen  sind,  so  erblickt  man  darin  nach  der  heutzutage  herrschen- 
den Auffassung  nicht  eine  grundsätzliche  Abweisung  des  Gedankens, 
Rom  mit  allen  Mitteln  der  Gewalt  niederzuwerfen,  sondern  nur  Mangel 
an  Energie,  kleinkrämerische  Halbheit  und  den  Einflufs  einer  neidi- 
schen Hofkamarilla,  welche  die  Eitelkeit  des  Königs  zu  überzeugen 
verstand,  dafs  er  sich  nicht  durch  Hannibal  verdunkeln  lassen  dürfe2). 
Die  Absicht  eines  Angriffes  auf  Rom  selbst  mit  dem  Zwecke,  diesen 
Staat  niederzuwerfen,  habe  —  so  meint  man  also  —  im  Prinzip  auch 
dem  Könige  vorgeschwebt;  „der  Sturm  gegen  Rom"  sei  „von  langer 
Hand  und  im  weitesten  Umfange  vorbereitet"  worden,  nur  die  kon- 
sequente und  energische  Durchführung  sei  ausgeblieben. 

Indessen  ist  die  tatsächliche  Lage  doch  eine  wesentlich  andere 
gewesen. 

Wir  müssen,  um  in  das  Verständnis  von  Antiochos'  Politik  und 
Strategie  einzudringen,  einen  kurzen  Rückblick  auf  seine  Vergangen- 
heit werfen.  In  der  tiefsten  Zerrüttung  hatte  dieser  Fürst  bei  seiner 
Thronbesteigung  im  Jahre  223  das  Reich  seiner  Ahnen  vorgefunden. 
Das  südliche  Syrien  war  an  Ägypten  verloren,  und  sogar  dicht  vor  den 
Toren  seiner  Hauptstadt  Antiochia  war  deren  Hafenstadt  Seleukea 
in  die  Gewalt  dieses  Gegners  geraten.  In  Kleinasien  hatte,  abgesehen 
von  den  zahlreichen  kleinen  Königen,  die  sich  seit  geraumer  Zeit 
selbständig  gemacht  hatten,  Achäos  alle  Macht  in  der  Hand,  ein  Mann, 
der  von  Anfang  an  ein  unzuverlässiger  Feldherr  gewesen  war  und  sich 
bald  als  offener  Empörer  die  Krone  aufs  Haupt  setzte.  Im  Osten  waren 
Baktrien  und  Parthien  schon  lange  verloren,  jetzt  regte  sich  auch  der 
Abfall  in  Medien  und  Persien,  ja  er  griff  auf  Susiana  und  Babylonien 
über,  und  die  Empörer  Molon  und  Alexander   beherrschten  bald  die 


1)  Ich  verweise  statt  einzelner  Belege  für  diese  und  die  im  folgenden  er- 
wähnten Tatsachen  ein  für  allemal  auf  die  Darstellungen  von  Mommsen,  R.  G.  I6, 
Kap.  IX  und  Niese,  Gesch.  d.  griech.  u.  mak.  Staaten  II,  S.  637  ff.,  hei  welch 
letzterem  auch  für  die  Einzelheiten  die  vollständigen  Quellenbelege  zu  linden  sind. 

2)  Mommsen  I«,  728. 


Vorbemerkung.  129 

Kernlande  der  Monarchie.  Im  Norden  endlich  hatte  sich  Armenien 
unter  eigenen  Fürsten  ganz  dem  Reichsverbande  entzogen. 

Aus  allen  diesen  Gefahren  hat  sich  Antiochos  mit  rastloser 
Energie  allmählich  emporgearbeitet:  Alexander  und  Molon  wurden 
in  blutiger  Feldschlacht  überwunden,  die  Könige  von  Parthien  und 
Baktrien  auf  einem  zweiten  Zuge  in  den  Osten  zu  einer  wenigstens 
nominellen  Anerkennung  der  Oberhoheit  des  Seleukidenreiches  ge- 
zwungen, Achaeos  in  Kleinasien  traf  in  seiner  Hauptstadt  Sardes  der 
Vernichtungsstreich,  Armenien  ward  durch  Gewalt  und  wohlberechnete 
Milde  wiedergewonnen,  und  nach  anfangs  vergeblichen  und  dann 
scheinbar  ganz  aufgegebenen  Versuchen  fiel  endlich  auch  Syrien  durch 
die  Schlacht  am  Panion  dem  Reiche  wieder  zu. 

Dafs  bei  diesen  verschiedenen,  in  allen  vier  Weltgegenden  ge- 
führten Kämpfen  eine  leitende  Idee  zugrunde  lag,  ist  trotz  des  ruhe- 
losen und  scheinbar  wenig  folgerichtigen  Hin-  und  Herjagens  nicht 
zu  verkennen.  Es  war  die  Idee  der  Wiederherstellung  der  Monarchie 
in  dem  Umfange,  wie  sie  einst  der  Vorfahr  des  Antiochos,  Seleukos 
Nikator,  in  den  Tagen  seiner  höchsten  Macht  besessen  hatte1).  Ein 
tatenreiches  Leben  voll  fortwährender  Kämpfe  hatte  der  König 
diesem  Streben  gewidmet  —  denn  über  30  Jahre  waren  in  diesen  immer 
wiederholten  Versuchen  dahingegangen  —  da  sollte  dem  Werke  der 
Schlufsstein  hinzugefügt  und  auch  die  Städte  an  der  Westküste  Klein- 
asiens sowie  das  Thrakische  Reich,  das  einst  Seleukos  dem  Lysi- 
machos  abgenommen  hatte,  dem  Staate  hinzugefügt  werden.  Schon 
hatte  der  König  Lysimachea  am  Hellespont  neu  auferbaut  und  als 
Hauptstadt  der  neuen  Satrapie  Thrakien  bestimmt,  als  ihm  von  Rom 
her  das  Verlangen  entgegentrat,  entweder  diesen  Besitz  wieder  auf- 
zugeben oder  auf  die  kleinasiatischen  Städte  zu  verzichten2). 


1)  Ausgesprochen  ■wird  das  gelegentlich  bei  den  Verhandlungen  über 
Thrakien;  Liv.  33,  40,  4:  qua  Lysimachi  quondam  regnum  fuerit,  quo  victo  omnia, 
quae  illius  fuissent,  iure  belli  Seleuci  facta  sint,  existimare  suae  dicionis  esse.  Es 
geht  aber  deutlicher  als  aus  jeder  einzelnen  Nachricht  aus  dem  Zusammenhang 
der  ganzen  Bestrebungen  des  Antiochos  hervor  und  wird  auch  von  den  modernen 
Darstellungen,  denen  Antiochos  mit  seiner  ganzen  Tätigkeit- im  Mittelpunkte  ihrer 
Betrachtung  steht,  übereinstimmend  anerkannt.  Niese  S.  396,  Flathe  II  S.  309. 
305.  314  u.  f.  Es  ist  eine  von  den  historischen  Tatsachen,  die,  nach  Droysens 
treffendem  Wort,  besser  durch  den  grofsen  Zusammenhang  beglaubigt  sind,  als 
sie  je  durch  einzelne  Zeugnisse  beglaubigt  werden  können. 

2)  Liv.  34,  58.  59.    Niese  II  676. 

Kromayer,  Antike  Schlachtfelder.    II.  9 


]30  Der  Syrisch-römische  Krieg. 

Es  ist  scharf  zu  betonen,  tlafs  dies  und  dies  allein  das  Streit- 
objekt war,  an  welchem  sich  der  Kampf  zwischen  Rom  und  Antiochos 
entzündet  hat.  Man  erkennt  deutlich,  wie  sehr  die  Bestrebungen  des 
Königs  mit  der  Politik  seines  Lebens  in  Verbindung  stehen  und  wie  viel 
ihm  daher  an  der  Festhaltung  dieser  Position  gelegen  war.  Man 
erkennt  aber  ebenso  deutlich,  dafs  er  gemäfs  dieser  seiner  Lebenspolitik 
keine  Veranlassung  hatte,  in  einen  Kampf  auf  Tod  und  Leben  mit 
Rom  einzutreten.  Mochten  die  beiden  Grofsmächte  im  Osten  und 
Westen  ruhig  nebeneinander  bestehen,  an  der  Erschütterung  von 
Roms  Grofsmachtstellung  oder  gar  seiner  Vernichtung  hatte  Antiochos 
gar  kein  Interesse,  sondern  nur  an  dem  Verzicht  der  römischen  Ver- 
fügungsansprüche auf  Thrakien  und  Ionien. 

Denn  eine  Niederwerfung  Roms  hätte  den  König  in  unabseh- 
bare Verwickelungen  im  Westen  verstrickt,  den  Schwerpunkt  seines 
Reiches  völlig  verschoben,  wenn  er  die  Erbschaft  im  Ernste  hätte 
antreten  wollen,  und  ihn  vor  Aufgaben  gestellt,  die  seine  Kräfte 
ebensoweit  überstiegen,  wie  sie  aufserhalb  der  Ziele  seiner  Politik 
lagen.  Eine  Welteroberungspolitik  im  Sinne  der  ersten  Diadochen 
gab  es  seit  Demetrios'  Untergang  nicht  mehr:  sie  hatte  sich  als  Un- 
möglichkeit erwiesen.  Ein  System  von  Staaten  hatte  sich  durch  die 
Erfahrung,  selbst  in  dem  engeren  Rahmen  der  hellenistischen  Welt, 
als  die  einzig  mögliche  Daseinsform  herausgestellt.  In  diesem  Ge- 
dankenkreise lebte  Antiochos,  in  diesem  Rahmen  hatten  sich  von  je- 
her seine  ganzen  Bestrebungen  bewegt.  In  diesem  Sinne  hatte  er 
sich  im  Osten  mit  einer  blofs  nominellen  Abhängigkeit  von  Baktrien 
und  Parthien  begnügt,  hatte  er  die  kleinen  Königreiche  Kleinasiens 
unangetastet  gelassen  und  durch  Bande  der  Verschwägerung  an  sich 
gefesselt,  hatte  er  mit  Ägypten,  ohne  dessen  Existenz  ernstlich  zu  be- 
drohen, Friede  und  Freundschaft  geschlossen,  hatte  er  sich  bereit  er- 
klärt, den  kleinasiatischen  Städten  ihre  Freiheiten  und  Rechte  zu  garan- 
tieren.   Wie  sollte  er  dazu  kommen  Rom  niederwerfen  zu  wollen? 

Der  Streit  um  Thrakien  ist  also  nicht  etwa  nur  die  äufsere 
Veranlassung  für  den  Ausbruch  eines  innerlichen  unversöhnlichen 
Gegensatzes,  sondern  im  Sinne  des  Antiochos,  der  wiederholt  den 
Wunsch  ausgesprochen  hat,  in  Frieden  und  Bündnis  mit  Rom  zu 
leben1),  neben  dem  Anlafs  zugleich  der  Grund  des  Krieges  gewesen. 


l)  Niese  II  G70.  675. 


Vorbemerkung.  131 

Man  kann  sich  daher  kaum  einen  schärferen  Gegensatz  der 
Anschauungen  denken  als  den  zwischen  der  Politik  des  Antiochos 
und  des  Hannibal.  Hier  der  Mann,  welcher  mit  seinen  Anschauungen 
ganz  im  Westen  wurzelt,  den  er  kennt  und  mit  dem  Blicke  umspannt 
wie  kein  anderer,  der  grimmige  Römerfeind,  der  den  italischen  Staat 
vernichten  will  und  die  Mittel  des  Ostens  ins  Schlepptau  seiner  Ver- 
nichtungspolitik nehmen  möchte,  dort  der  König,  welcher  ein  Menschen- 
alter hindurch  voll  Krieg  und  Mühsal  sich  allein  im  Osten  ge- 
tummelt hat,  mit  den  Interessen  seines  weiten,  nach  Norden,  Süden 
und  Osten  hin  nicht  weniger  als  nach  Westen  hin  gravitierenden 
Reiches  festverwachsen  ist  und  keine  Neigung  spüren  kann,  zu  der 
ihn  im  Osten  schon  fast  erdrückenden  Arbeitslast  noch  die  des 
Westens  dazu  auf  seine  Schultern  zu  nehmen. 

Es  ist  selbstverständlich,  dafs  ein  solcher  Gegensatz  der  politi- 
schen Ziele  auch  auf  die  zu  verfolgende  Strategie  von  dem  nach- 
haltigsten Einflüsse  sein  mufste. 

Vom  Standpunkte  der  syrischen  Grofsmacht,  die  ihren  Schwer- 
punkt in  Antiochia  und  am  Tigris  hatte,  war  ein  in  Italien  geführter 
Niederwerfungsfeldzug  gegen  Rom  eine  weit  gröfsere  Verkehrtheit, 
als  die  gewaltsame  Eroberung  von  Ägypten  es  gewesen  wäre  oder 
ein  Versuch,  die  unbedingte  Unterwerfung  Parthiens  und  Baktriens  zu 
erreichen.  Und  doch  hatte  man  sowohl  nach  Panion  als  auch  bei  dem 
grofsen  Zuge  in  den  Osten  von  der  Erreichung  so  weitgehender  Gedanken 
abgesehen.  Zum  mindesten  mufste  bei  den  viel  niedriger  gesteckten 
Zielen  des  Antiochos  ein  Feldzugsplan  im  Sinne  Hannibals  als  eine 
unnötige  Kraftverschwendung  erscheinen,  und  wenn  der  König  den 
darauf  hinarbeitenden  Ratschlägen  Hannibals  überhaupt  jemals  ernst- 
lich Gehör  geschenkt  hat,  so  ist  er  doch  sehr  bald  wieder  davon 
zurückgekommen '). 

Eine  jede  Offensive  schwächt  sich  im  Vorgehen  und  verliert 
mit  der  gröfser  werdenden  Entfernung  von  den  natürlichen  Hilfs- 
quellen an  Kraft;    umgekehrt  gewinnt  der  Verteidiger  an  Stärke  mit 


*)  Livius  sagt  zwar  nach  Entwicklung  von  Hannibals  Kriegeplan  (34,  61,  1):  in 
hanc  sententiam  cum  adduxisset  regem  usw.,  und  ähnlich  äufsern  sich  die  anderen 
Quellen  (App.  Syr.  7.  Justin  31,  4,  1).  Indessen  handelt  es  sich  bei  alledem  zu- 
nächst nur  um  Einleitung  vorbereitender  Schritte,  wie  die  Anknüpfung  von  Ver- 
handlungen mit  Karthago.  Soweit  war  der  Weg  des  Hannibal  und  Antiochos  der 
gleiche. 

9* 


132  Der  Syrisch-römische  Krieg. 

der  Nähe  seiner  Landesmittel.  Das  ist  eine  bekannte  Erfahrungs- 
tatsache der  Kriegsgeschichte  und  eine  der  festesten  Sätze  der 
Kriegstheorie1).  Ganz  besonders  ist  es  so,  wenn  nicht  Soldheere  die 
N  Kriegsmittel  bilden,  die  man  auch  im  feindlichen  Lande  leichter  er- 
gänzen kann,  sondern  wenn  lebendige  Volkskraft  in  den  Kampf  ge- 
führt wird,  wie  das  bei  Rom  der  Fall  war.  Wenn  man  also  den 
Gegner  nicht  vernichten,  sondern  nur  nötigen  wollte,  den  Anspruch 
auf  ein  Streitobjekt  aufzugeben,  das  man  in  der  Hand  hielt,  so  war 
es  weit  leichter  und  erfolgverheifsender,  ihn  stehenden  Fufses  zu  er- 
warten oder  nur  so  weit  in  seine  Machtsphäre  einzugreifen,  dafs  man 
ein  ihm  wertvolles  Besitztum  in  Beschlag  nehmen  und  ihn  durch 
dessen  erfolgreiche  Verteidigung  geneigt  machen  konnte,  auf  seine 
Ansprüche  zu  verzichten.  Traf  es  sich  dabei  günstig,  dafs  durch  ein 
solches  Vorgehen  dem  Feinde  Bundesgenossen  entzogen  und  die 
eigenen  Kräfte  erhöht  wurden,  so  lag  darin  ein  Grund  mehr,  aus  der 
reinen  Defensive  zu  einer  beschränkten  Offensive  überzugehen2). 

Diese  Strategie,  welche  nicht  erst  von  der  vollen  Kampf- 
unfähigkeit des  Gegners,  sondern  schon  von  dessen  relativer  Schwächung 
ihre  Erfolge  erwartet,  mufste  dem  Antiochos  um  so  mehr  naheliegen, 
als  er  ihr  einen  guten,  wenn  nicht  den  besten  Teil  seiner  bisherigen 
Erfolge  verdankte.  Die  meisten  seiner  Gegner  waren  den  Er- 
wägungen, welche  der  jedesmalige  Stand  der  Kriegslage  nahelegte, 
den  Wahrscheinlichkeitsrechnungen  des  Erfolges  und  den  Rücksichten 
auf  die  Gröfse  der  zu  bringenden  Opfer  ebenso  wie  er  selbst  zu- 
gänglich gewesen,  und  so  war  man  weder  in  Ägypten  noch  in 
Armenien,  weder  in  Baktrien  noch  in  Parthien  zum  Äufsersten  ge- 
schritten: ein  Kompromifs  auf  Grund  der  augenblicklichen  Lage  hatte 
hier  überall  den  Streit  geendet. 

Von  diesen  Erfahrungen  seiner  bisherigen  Tätigkeit  mufste  der 
König  ausgehen,   und  danach  ist  die  Besetzung  Griechenlands  zu  be- 


*)  Clausewitz  Bd.  I,  Nachricht  S.  XI. 

2)  Es  handelt  sich  hier  also  um  diejenige  Art  der  Kriegführung,  wo, 
wie  Clausewitz  in  der  „Nachricht"  (Scherff,  S.  XI)  sagt,  der  Zweck  nicht  das 
Niederwerfen  des  Gegners  ist,  sondern  „wo  man  blofs  an  den  Grenzen  seines 
Reiches  einige  Eroberungen  machen  will".  Also  um  eine  „Offensive  mit  be- 
schränktem Ziel",  die  darum  noch  keine  Ermüdungsstrategie  zu  sein  braucht, 
sondern  in  Anwendung  der  Operationsmittel  auf  dem  beschränkten  Kriegsschau- 
platz volle  Freiheit  hat.      Man  vergleiche  Cämmerer    S.  91  f.  und  oben  S.  4  A.  2. 


Vorbemerkung.  133 

urteilen.  Im  Sinne  Hannibalischer  Niederwerfungsstrategie  war  sie 
eine  Halbheit  und  darum  eine  Torheit,  im  Sinne  der  beschränkten 
Offensive  des  Antiochos  war  es  der  kühnste  Schritt  nach  vorwärts, 
den  man  überhaupt  machen  durfte;  zu  kühn  sogar  —  weil  zur  Erreichung 
des  Zieles  nicht  unbedingt  nötig  — ,  wenn  er  nicht  sehr  gut  vorbereitet 
und  basiert  wurde.  So  ist  von  einem  „von  langer  Hand  vorbereiteten 
Sturme  auf  Rom"  überall  nichts  zu  spüren.  Nicht  einmal  Makedonien 
mochte  Antiochos  durch  Abtretung  Thrakiens,  um  das  es  wahrschein- 
lich zu  haben  gewesen  wäre,  gewinnen1).  Kein  Wunder,  Denn 
um  Thrakien  ging  ja  dem  Könige  der  ganze  Krieg.  Dafs  man  mit 
Karthago  Fühlung  nahm,  war  auch  vom  Standpunkte  des  Königs 
natürlich  durchaus  gerechtfertigt.  Eine  Diversion  im  Westen  wäre  für 
ihn  eine  willkommene  Entlastung  des  Hauptkriegsschauplatzes  und  ein 
wirksames  Mittel  gewesen,  den  Gegner  seinen  Absichten  gefügiger  zu 
machen. 

In  Rom  freilich,  wo  man  Feinde  ringsum  sah,  wo  man  Hannibal 
bei  Antiochos,  Karthago  schwankend,  Spanien  noch  im  Aufstande, 
Oberitalien  in  Unruhe  gewahrte,  mochte  man  die  schlimmsten 
Befürchtungen  hegen,  in  allem  einen  einheitlichen,  auf  Roms 
Untergang  gerichteten  Plan  erkennen  wollen  und  danach  die  ener- 
gischsten Mittel  der  Abwehr  und  des  Angriffes  treffen.  So  zu  handeln 
war  Pflicht  und  Recht  umsichtiger  Staatslenker. 

Wir  Nachfahren  aber  müssen  uns  entwöhnen,  die  damaligen  Ver- 
hältnisse nur  mit  römischen  Augen  zu  sehen,  so  sehr  uns  auch  die 
überwiegend  in  römischer  Anschauung  stehende  Überlieferung  diesen 
Standpunkt  nahelegt.  Die  hellenistische  Welt  hatte  eben  ihr  eigenes 
Leben,  ihre  eigenen  politischen  Erfahrungen  und  Anschauungen  und 
will  nach  ihnen  beurteilt  sein,  wenn  man  sie  recht  verstehen  will. 

Wenn  wir  im  vorstehenden  den  Versuch  gemacht  haben,  die 
Handlungsweise  des  Antiochos  aus  seiner  Vergangenheit  und  den  staat- 
lichen Verhältnissen,  in  denen  er  erwachsen  war,  zu  erklären  und  zu 
begreifen,  so  soll  damit  kein  Urteil  darüber  abgegeben  sein,  ob  die 
Übertragung  dieser  hellenistischen  Verhältnisse  auf  die  Welt  des 
Westens  ein  richtiger  Kalkül  gewesen  ist  oder  nicht. 

Bei  jeder  politisch-strategischen  Berechnung  ist  die  Individualität 


l)  So  nach  Nissens  sehr  wahrscheinlicher  Vermutung  Krit.  Unters.  S.  179  A. 


134  £>er  Syrisch-römische  Krieg. 

des  Gegners  einer  der  wichtigsten  Faktoren.  Mit  seiner  zutreffenden 
Einschätzung  steht  und  fällt  die  Richtigkeit  des  Ganzen. 

Durfte  Antiochos  bei  dem  Volk  der  Kannäkämpfer  jene  diplo- 
matische Nachgiebigkeit,  bei  jener  Aristokratie  aus  Bauernblut,  die 
den  Staat  leitete,  jene  Geschmeidigkeit  der  hellenistisch-orientalischen 
Monarchien  und  Kabinette  voraussetzen?  Durfte  er  annehmen,  dafs 
es  nur  die  harte  Notwendigkeit  des  Kampfes  ums  politische  Dasein 
gewesen  war,  welche  diese  Römer  im  Hannibalischen  Kriege  zu  so 
beispiellosem  Harren  und  Dulden  befähigt  hatte?  Oder  mufste  man 
nicht  vielmehr  erwarten,  hier  auf  eine  Gesinnung  zu  stofsen,  die  sich 
in  ihrer  Hartnäckigkeit  bereit  machte,  die  ganze  Existenz  an  die  Fest- 
haltung  der  politischen  Hegemonie  in  Griechenland  zu  setzen  und 
lieber  unterzugehen,  als  hier  auch  nur  einen  Schritt  zurückzuweichen? 
Dann  allerdings  wäre  die  Eroberung  Thrakiens  und  ein  Anteil  an  der 
Herrschaft  über  Griechenland  nur  auf  dem  Umwege  über  die  Ver- 
nichtung Roms  zu  erreichen  gewesen. 

Die  Vergangenheit  Roms,  der  Pyrrhoskrieg  und  der  Kampf  um 
Sizilien  sprachen  nicht  dafür,  dafs  Antiochos  seine  Gegner  richtig  ein- 
geschätzt hatte.  Aber  eine  direkte  Antwort  hat  uns  die  Geschichte 
versagt.  Rom  wurde  solcher  Erwägungen  überhoben.  Schon  der  erste 
Waffengang  entschied  endgültig  zu  seinen  Gunsten, 

1.  Therm opylä. 

1.    Der  Feldzug  bis   zur  Schlacht  und  die  Bestimmung  des 

Schlachtfeldes. 

Gegen  Ende  Oktober  192  landete  Antiochos  mit  10  000  Mann, 
500  Reitern  und  6  Elefanten  bei  Pteleon  im  Pagasäischen  Meerbusen 1). 
(ükartc)hts"  Es  ist  selbstverständlich,  dafs  diese  unbedeutende  Armee,  welche  kaum 
genügt  hätte  Griechenland  zu  besetzen,  selbst  wenn  es  ohne  Römer- 
schutz gewesen  wäre,  nur  als  die  Vorhut  des  Hauptheeres  zu  be- 
trachten ist  und  nur  den  Zweck  haben  konnte,  das  vor  zwei  Jahren 
von  den  Römern  geräumte  Land  mit  Beschlag  zu  belegen  und  durch 
Besetzung  fester  Punkte,  durch  Verbindung  mit  Ätolien  und  anderen 
Staaten   für  den  Feldzug  des  Hauptheeres  den  Boden  vorzubereiten. 


Hier/u  Karte 
Kr.  1. 


l)  Liv.  35,  43,  4  ff .    Über  die  Zahl  der  Truppen  s.  Beilage  I,  über  die  Zeit- 
bestimmungen hier  und  im  folgenden  Beilage  III. 


1.   Thermopylä.  135 

Diesen  Zweck  hat  die  Expedition  im  ganzen  erfüllt:  die  Festungen 
Chalkis  und  Demetrias  kamen  in  Antiochos'  Hand,  ganz  Mittelgriechen- 
land aufser  Attika  und  Akarnanien  fiel  ihm  zu,  der  gröfste  Teil  von 
Thessalien  wurde  in  einem  Feldzuge  gewonnen,  der  um  die  Mitte  des 
Winters  eröffnet  wurde  und  etwa  nach  Monatsfrist  beendet  sein  mochte. 
Nicht  vor  Ende  Januar  ging  der  König  für  den  kurzen  Best  des  Winters 
nach  Chalkis  in  die  Winterquartiere,  aber  schon  zu  Anfang  des  Früh- 
lings im  März  war  er  wieder  mit  einem  Einfalle  nach  Akarnanien  be- 
schäftigt. Der  Vorwurf  üppiger  und  träger  Winterruhe,  den  unsere  auf 
Polybios'  etwas  philiströse  Anschauung  zurückgehende  Überlieferung 
dem  Antiochos  macht,    wird  durch  diese  Zeitbestimmung  hinfällig1). 

Was  bei  so  geringen  Truppen  weiter  hätte  geschehen  können, 
ist  nicht  zu  ersehen,  da  die  beiden  mächtigsten  Staaten  des  Landes, 
Makedonien  und  der  achäische  Bund,  die  zu  gewinnen  nicht  gelungen 
war,  bei  weiterem  Vorgehen  die  Flanken  bedrohten.  Eine  Stellung 
an  der  Adria,  wie  Hannibal  sie  wollte,  ging  von  der  Voraussetzung 
aus,  dafs  die  ganze  Armee  des  Königs  nach  Griechenland  überge- 
gangen, dafs  Makedonien  gewonnen  oder  wenigstens  durch  eine  zweite 
Invasionsarmee  gelähmt  sei2)  und  stand  zudem  im  Widerspruch  mit 
Antiochos  Strategie.  Schon  aus  Rücksicht  auf  die  Verpflegung  durfte 
man  die  Verbindung  mit  Asien  nicht  durch  weiteres  Vorschieben  der 
Stellung  gefährden. 

Es  sollte  sich  bald  zeigen,  dafs  man  sich  schon  zu  weit  vor- 
gewagt hatte. 

Die  Römer  ihrerseits  begannen  den  Krieg  mit  einem  Angriff 
auf  Thessalien  noch  während  der  König  in  Akarnanien  abwesend  war. 
Seine  Besatzungen  in  Thessalien  waren  schutzlos  dem  römischen 
Vorstofse  preisgegeben.  Die  festen  Punkte  wurden  mit  leichter 
Mühe  einer  nach  dem  anderen  bewältigt  und  mehr  als  5000  Mann 
—  darunter  3000  von  dem  asiatischen  Heere  —  dabei  gefangen 
(Beilage  I  S.  208),  ein  doppelt  empfindlicher  Verlust  bei  des  Königs 
schwachen  Kräften.  Diese  auffallende  Überraschung  war  nur  dadurch 
möglich  geworden,    dafs    die  Römer  den  Feldzug  ganz  ungewöhnlich 


1)  Über  die  chronologischen  Bestimmungen  s.  Beilage  III  S.  221  f.  Für  die  Er- 
zählung selbst  ist  Hauptquelle  Livius  35,  43  bis  Schlufs  des  Buches  und  36,  5,  1 
bis  Kap.  12.  Man  vergleiche  für  die  Einzelheiten  dieser  bekannten  Ereignisse 
Mommsen  I,  730  und  Niese  II,  693  ff.;  698  f. 

2)  Hannibals  Rede  im  Kriegsrat  Liv,  36,  7,  13.    App.  Syr.  14,  22. 


136  Do*  Syrisch-römische  Krieg. 

früh  eröffnet  hatten  und  dafs  sie  die  Unterstützung  Philipps  von  Make- 
donien besafsen.  Schon  auf  den  26.  Januar  hatte  der  Konsul  Acilius 
Glabrio  den  Versammlungstag  des  Heeres  in  Brundisium  angesagt.  Es 
ist  danach  anzunehmen,  dafs  er  bereits  im  Februar  mit  der  Haupt- 
macht über  das  Meer  gegangen  ist  und  im  März  in  Thessalien  gestanden 
hat  (Beilage  III  S.  223).  Aber  schon  vorher  hatte  die  römische  Vor- 
hut unter  dem  Prätor  Bäbius  den  Kampf  eröffnet  und  bereits  vor  der 
Ankunft  des  Konsuls  eine  Reihe  von  Städten  in  Thessalien  erobert1). 
Das  war  bei  der  geringen  Truppenzahl  des  Bäbius  (s.  Beilage  I  S.  206) 
nur  durch  die  Beihilfe  eines  makedonischen  Hilfskorps  und  ferner  nur 
daudreh  ermöglicht  worden,  dafs  Philipp  den  Durchgang  durch  sein 
Land  gewährt  hatte.  Denn  über  den  Pafs  von  Portaes2)  und  nicht 
über  den  Zygospafs  ist  die  römische  Vorhut  in  Thessalien  eingerückt. 
Statt  durch  das  unzuverlässige  Epiros  vorzugehen,  wo  die  Anmarsch- 
route  dem  Gegner  nicht  hätte  verborgen  bleiben  können 3),  hatte  man 
Makedonien  mit  seinen  weit  reicheren  Hilfsquellen  als  Operationsbasis 
gewählt  und  so  die  beiden  Vorteile  eines  gesicherten  und  verdeckten 
Anmarsches  mit  einer  materiellen  Truppenunterstützung  durch  die 
Makedonier  vereinigt.  Auf  diese  Weise  war  es  möglich  geworden, 
Antiochos  so  unvorbereitet  zu  überfallen.  Der  Anmarsch  des  Konsuls 
durch  Epiros  vollendete  dann  das  begonnene  Werk. 

Diese  frühe  Eröffnung  des  Feldzuges  durch  die  Römer  macht  es 
auch  begreiflich,  dafs  das  Hauptheer  des  Königs  aus  Asien  noch  nicht 
eingetroffen  war,  als  die  Entscheidung  in  Griechenland  fiel.  Denn  die 
Ereignisse  entwickelten  sich  jetzt  schnell,  und  schon  im  April  (viel- 
leicht am  24.)  mufs  die  Schlacht  bei  den  Thermopylen  geschlagen 
sein.     (Beilage  III  S.  223.  226.) 

Die  Römer  waren  mit  einer  starken  Übermacht  in  Griechenland 
erschienen.  Zu  ihrer  konsularischen  Armee  von  etwa  25  000  Mann 
(s.  Beilage  I  S.  206)  kam  noch  das  Hilfskontingent,  welches  Philipp  von 

J)  Belege  bei  Niese  II  702. 

2)  Das  folgt  daraus,  dafs  Makedonier  und  Römer  coniunetis  copiis  zuerst 
mit  den  Städten  in  Perrhäbien  am  Europos  und  unteren  Peneos  in  Berührung 
kommen,  wie  Mallöa,  Phakion,  Kyretiä,  Erition,  Atrax,  und  sich  erst  dann  gegen 
den  Westen  Thessaliens  nach  Äginion,  Gomphi,  Trikka  usw.  wenden  (Liv.  36,  13). 
Das  war  der  Weg,  wenn  man  über  den  Pafs  von  Portaes  kam;  beim  Einfall  über 
den  Zygospafs  hätte  die  Reihenfolge  die  umgekehrte  sein  müssen.  Über  die  Pässe 
s.  oben  S.  29  A.  1,  38  A.  1  und  54  sowie  Karte  1. 

3)  Über  das  Verhältnis  von  Epiros  zu  Antiochos  s,  Niese  II  697. 


1.  Thermopylä.  137 

Makedonien  stellte  und  das,  da  es  selbständig  operierte  und  dabei 
bedeutende  Erfolge  errang,  nicht  ganz  unbedeutend  gewesen  sein  kann. 
Diesen  Truppen  konnte  Antiochos  mit  dem  Nachschübe,  der  aus  Asien 
eingetroffen  war,  trotz  seiner  Verluste  in  Thessalien  doch  immer  noch 
10  000  Mann  und  500  Reiter  an  eigenen  Truppen  entgegenstellen 
(s.  Beilage  I).  Außerdem  hoffte  er  auf  die  Ätoler,  deren  Gesamtauf- 
gebot zwar  auf  15000  Mann  vielleicht  noch  höher  anzuschlagen  war,  die 
aber  damals  nur  mit  der  kleinen  Schar  von  4000  Mann  zu  ihm  stiefsen1). 

Eine  offene  Feldschlacht  konnte  er  mit  diesen  Truppen  natürlich 
nicht  wagen  und  so  beschlofs  er  eine  Verteidigungsstellung  einzunehmen, 
die  ihm  gestattete,  die  Römer  so  lange  aufzuhalten,  bis  seine  asiati- 
sche Hauptarmee  angekommen  wäre2). 

Er  wählte  die  Thermopylen.  Mit  der  Einnahme  dieser  Stellung 
gab  er  zwar  Thessalien  und  Demetrias  auf,  schützte  aber  Ätolien,  Mittel- 
griechenland und  Chalkis.  Er  deckte  genug  Hinterland,  um  Landung  und 
Aufmarsch  seiner  Armee  ungestört  vollziehen  zu  lassen,  und  hielt  zu- 
gleich die  Verbindung  mit  seinem  wichtigsten  Bundesgenossen  Ätolien 
aufrecht.  Denn  die  Stellung  von  Thermopylä  deckte  nicht  nur  die 
einzige  Militärstrafse  von  Nord-  nach  Mittelgriechenland  selbst,  sondern 
bei  der  Ausdehnung,  die  Antiochos  ihr  gab,  wie  sich  gleich  zeigen  wird, 
den  Einmarsch  nach  Mittelgriechenland  überhaupt.  Jeder  Versuch,  sie 
strategisch  zu  umgehen,  führte  nicht  mehr  über  die  schmale  und  ver- 
hältnismäfsig  leicht  zu  übersteigende  Ötakette  in  die  Ebenen  von  Doris 
und  Phokis  hinab,  sondern  nötigte  in  das  äufserst  schwierige  ätolische 
Gebirgsland  einzudringen  und  sich  hier  in  einen,  Position  hinter 
Position  gewährenden  Gebirgskrieg  mit  einer  entschlossenen  Be- 
völkerung einzulassen3).  Das  zu  tun  konnte  den  Römern  nur  in  den 
Sinn  kommen,  wenn  kein  anderes  Mittel  durchzukommen  mehr  vor- 
handen war.   Das  Nächste  mufste  für  sie  immer  sein,  auf  der  einzigen 


i).  Liv.  36,  16,  3.  —  Über  die  Wehrkraft  der  Ätoler  s.  Belocb,  Bevölk.  S.  187, 
zu  dessen  Zusammenstellungen  noch  hinzugefügt  werden  kann,  dafs  bei  Philipps 
Einfall  nach  Ätolien  (Pol.  V  13,  3.  14,  1)  7000  Ätoler  bei  Thermon  und  Stratos 
standen  und  zugleich  das  halbe  Aufgebot  in  Thessalien  war  (ib.  V  5,  1). 

2)  Dies  sagt  am  deutlichsten  Appian  Syr.  17:  cog  rrjV  öv^coqiccv  nonßaXov- 
fxtvog  ToTg  nolt/Liioig  y.ai  xbv  OTQcabv  rs.  T?jg  *AaLag  ch'c^usrcor.  Es  versteht  sich 
übrigens  bei  der  Sachlage  von  selber. 

3)  Der  nächste  überhaupt  mögliche  Weg  für  eine  strategische  Umgehung  wäre 
gewesen  über  Hypata,  dann  im  Tale  des  Baches  von  Liaskowo  über  H.  Nikolaos 
südlich    nach  Kastriotissa  und  Mavro  Lithari  (1176  Meter)    und  von    hier  östlich 


Hierzu  Karte 

No.  5. 

Beikarto. 


138  Der  »lyrisch-römische  Krieg. 

„militaris  via",  die  es  hier  gab,  vorzudringen1).  Solange  sie  ge- 
schlossen war,  mufste  der  Vormarsch  nach  Mittelgriechenland  über- 
haupt als  geschlossen  gelten. 

Zudem  war  die  Stellung  am  Öta  überhaupt  nur  ein  Punkt  von 
Antiochos  strategischer  Verteidigungslinie. 

Man  hat  die  geringe  Zahl  der  beim  Könige  in  Heraklea  am  Öta 
und  Hypata  erschienenen  Ätoler  auf  politische  Gründe  zurückgeführt2). 
Gewifs  nicht  ganz  mit  Unrecht.  Aber  daneben  haben  sicher  auch  rein 
militärische  eine  Rolle  gespielt,  die  sofort  hervortreten,  wenn  wir  unsern 
Blick  auf  die  ganze  Verteidigungslinie  richten.  Während  Antiochos 
mit  seiner  eigenen  Armee  und  dem  Hilfskorps  von  4000  Ätolern 
die  praktikabeln  Gebirgspässe  am  Ostende  der  Gebirgsbarriere  bei 
den  Thermopylen  verlegte,  stand  das  Volksaufgebot  der  Ätoler 
offenbar  an  der  Westhälfte  der  Verteidigungslinie,  um  hier  die 
Landesgrenzen  selber  gegen  Philipp  zu  decken,  der  in  denselben 
Tagen,  in  welchen  die  Römer  gegen  die  Thermopylenstellung  vorgingen, 
Athamanien  eroberte,  den  König  Amynander  verjagte  und  das  Tal 
des  Acheloos,  welches  Athamanien  und  Ätolien  verbindet,  hinabrückend 
dies  Land  selbst  unmittelbar  bedrohte3).    Über  die  Vorgänge  in  der 


über  Dremisa  und  Kukuwista  in  die  dorische  Ebene,  ein  Saumpfad,  der  fortwährend 
bergab  und  bergaufgeht.  Diese  Schwierigkeit  der  Durchquerung  und  die  strategische 
Wichtigkeit  des  Gebirges  ist  der  Grund,  weshalb  Polybios  bei  der  Erzählung  der 
Thermopylenkämpfe  eine  geographische  Beschreibung  des  ganzen  Gebirgslandes  in 
sein  Werk  eingelegt  hat,  von  der  Reste  bei  Livius  36,  15,  6  ff.  und  Appian  Syr.  17 
vorhanden  sind.  Über  das  Quellenverhältnis  s.  Nissen  S.  180.  Dabei  heifst  es: 
Liv.  36,  15,  9:  iugum  ab  Leucate  et  mari  ad  occidentem  verso  (Ionisches  Meer) 
...  ad  alterum  mare  orienti  obiectum  (Ägäisches  Meer)  tendens  ea  aspreta 
rupesque  interiectas  habet,  ut  non  modo  exercitus,  sed  ne  expediti 
quidem  facile  ullas  ad  transitum  calles  inveniant.  Ebenso  36, 17,  4.  —  Man 
vergleiche  die  schöne  Schilderung  dieser  Gebirgswelt  bei  Neumann-Partsch  S.  169. 
')  Liv.  36,  15,  11:  haec  (die  Strafse  durch  die  Thermopylen)  una  militaris 
via  est,  qua  traduci  exercitus,  si  non  prohibeantur,  possint. 

2)  Niese  II  704. 

3)  Nach  der  Einnahme  Nordthessaliens  durch  die  Römer  wird  Kriegsrat  in 
Larissa  gehalten,  dann  heifst  es:  Philippus  . .  exercitum  eo  (in  Athamaniam)  duxit . . . 
consul  Crannonem  est  progressus.  Proernam  inde  recepit . .  ducere  tum  porro  in  sinum 
Maliacum  coepit.  Liv.  36,  14.  Man  sieht,  beides  ist  gleichzeitig.  —  Erst  später 
trifft  Philipp  wieder  mit  dem  Konsul  zusammen.  Wenn  er  sich  dabei  entschuldigt, 
quod  morbo  impeditus  bello  non  interfuisset  (Liv.  36,  25,  1),  so  ist  das  kein 
Widerspruch.  Es  liegt  nämlich  nicht  nur  die  Schlacht  von  Thermopylä,  sondern 
die  ganze  Expedition  des  Glabrjo  nach  Phokis,  Böotien,  Euböa  dazwischen. 


1.  Thermopylä.  139 

Westhälfte  dieser  Verteidigungslinie  schweigen  unsere  Quellen:  wir 
erfahren  weder,  ob  noch  wo  sich  das  ätolische  Landaufgebot  gesammelt 
hat,  und  können  daraus  wohl  mit  Recht  schliefsen,  dafs  es  hier  zu 
einem  Zusammenstofse  nicht  gekommen  ist,  sondern  Philipp  sich  mit 
der  Demonstration  begnügt  hat,  die  in  der  Eroberung  von  Athamanien 
lag.  Durch  die  Bedrohung  der  ätolischen  Grenze  war  ja  ihr  Zweck, 
den  gröfseren  Teil  der  Streitkräfte  im  Lande  festzuhalten,  vollkommen 
erreicht. 

Desto  härter  wurde  an  dem  Ostende  der  Stellung  bei  den  Therino- 
pylen  gestritten. 

Auch  hier  handelte  es  sich,  wie  schon  erwähnt,  nicht  nur  um 
die  Verteidigung  des  einen  Strandpasses  von  Thermopylä,  denn  der- 
selbe deckt  nur  die  Übergänge  über  den  äufs ersten  westlichen  Teil 
des  Gebirges,  d.  h.  die  Wege,  welche  bei  Dernitza,  Turkochori  und 
Elatea  die  phokische  Ebene  erreichen.  Sondern  man  mufste  zugleich 
den  Schutz  des  Gebirges  unmittelbar  westlich  von  den  Thermopylen 
ins  Auge  fassen,  da  dasselbe  hier  eine  nicht  unbeträchtliche  Senkung 
aufweist1)  und  statt  der  Höhe  von  etwa  1300  —  1400  Metern,  die  es 
südlich  von  Thermopylä  hat,  hier  im  Durchschnitt  nur  noch  900  Meter 
hoch  ist2).  Ja,  an  einem  Punkte  senkt  es  sich  sogar  bis  auf  400  Meter. 
Das  ist  etwa  10  Kilometer  westlich  der  Thermopylen,  nahe  an  der 
Stelle,  wo  jetzt  die  Kunststrafse  angelegt  ist  und  auch  die  Eisenbahn 
das  Gebirge  überschreiten  wird.  Ein  lebhafter  Maultierverkehr  geht 
hier  seit  alters  über  die  Höhe.  Denn  dieser  Weg  stellt  zugleich  die 
nächste  Verbindung  Südthessaliens  mit  Mittelgriechenland  dar  und 
folgt  fast  der  geraden  Linie  von  Lamia  nach  Delphi.  Von  dem  alten 
Heraklea,  das  am  Nordausgang  dieses  Passes  gelegen  hat,  geht  der 
Weg  direkt  südlich  in  der  engen  Schlucht  des  Asopos  hin,  welche 
zum  grofsen  Teil  nur  3—4  Meter  breit  ist  und  sich  5-6  Kilometer 


J)  Vergl.  auch  Strabo  IX  4,  12  (C.  428):  Ohr]  (/ufQog)  vijjrjXoTccTov  *«t«  rag 
QtQuonvXctg. 

2)  Für  die  folgenden  topographischen  Angaben  kann  ich  mich  nur  zum  Teil 
auf  Autopsie  stützen,  da  wir  nicht  alles  selbst  begehen  konnten.  Man  vergleiche 
über  unsere  Begehung  die  Beschreibung  von  Janke  „Die  Thermopylen"  im  Jahres- 
bericht des  Vereins  für  Erdkunde  von  Metz  1901.  Ich  bin  daher  hier  genötigt, 
die  Beobachtungen  anderer  zu  Hilfe  zu  nehmen.  Es  trifft  sich  glücklich,  dafs 
gerade  über  die  Thermopylen  die  vorzüglichen  und  genauen  Arbeiten  Grundys  in 
seinem  Werke  The  great  Persian  War  vorliegen,  die  die  ältere  Literatur  grössten- 
teils überflüssig  machen. 


140  Der  »Syrisch-römische  Krieg. 

lang  mit  ganz  geringer  Steigung  zwischen  Felsen  von  2  —  300  Meter 
Höhe  hinzieht.  Hat  man  deren  Ende  erreicht,  so  kommt  man  in  ein 
sich  weit  ausbreitendes  Hochtal,  das  allmählich  zu  der  kaum  400 
Meter  hohen  Pafshöhe  hinaufsteigt1).  Von  da  geht  der  Weg  ins 
Ländchen  Doris,  also  in  das  Tal  des  oberen  Kephissos  hinab,  welchem 
man  in  der  breiter  und  breiter  werdenden  Ebene  nur  zu  folgen  braucht, 
um  nach  Phokis  und  von  da  nach  Böotien  in  den  Rücken  der  Thermo- 
pylenstellung  zu  kommen.  Es  war  also  durchaus  nötig,  diesen  Pafs 
zu  sperren,  und  das  geschah  durch  eine  starke  Besatzung  in  der 
Festung  Heraklea,  welche  die  Schlucht  des  Asopos  am  Eingange  des 
ganzen  Bergweges  beherrscht2).  Die  4000  Mann  ätolischer  Hilfs- 
truppen wurden  zu  diesem  Zwecke  nach  Heraklea  bestimmt.  Das 
Gebirge  noch  weiter  westlich  von  diesem  Passe  zu  decken,  war  nicht 
nötig.  Denn  es  steigt  mit  von  Norden  her  unersteiglich  steilen  Fels- 
wänden in  dem  Gebirgsstocke  der  Pyra,  der  heutigen  Katavothra,  bis 
zu  der  Höhe  von  2158  Metern  an,  und  die  westlich  um  diese  24  Kilo- 
meter breite  Gruppe  herumführenden  Pfade  gingen  schon  durch  das 
ätolische  Gebirgsland.  Zu  ihrer  Deckung  stand  daher  nur  ganz  zu 
Anfang  eine  Abteilung  von  2000  Mann  bei  Hypata.  Später  als  sich 
die  konsularische  Armee  näher  an  die  Thermopylen  herangeschoben 
hatte,  wurde  auch  sie  nach  Heraklea  hingezogen  und  dann 
sogar  auf  dem  Gebirge  östlich  davon  postiert  (Liv.  36,  16,  4  —  6). 
Denn  hier  zwischen  Heraklea  und  dem  Strandpasse  von  Thermopylä 
bedurfte  es  allerdings  einer  verschärften  Aufmerksamkeit,  da  ein  der 
Gegend  einigermafsen  kundiger  Feind  gerade  in  diesem  Teile  des 
Gebirges  ohne  allzu  grofse  Schwierigkeit,  auf  der  halben  Höhe  des 
Nordhanges  hingehend,  der  Stellung  von  Thermopylä  in  den  Rücken 
kommen  konnte. 

Das    Gebirge    erhebt    sich    hier    nämlich   in  zwei   deutlich    zu 
unterscheidenden  Stufen  von  der  Ebene  bis  zum  höchsten  Kamm  empor. 
niPKo.  f?H°  Die   nördliche  niedrige  Stufe   enthält  von  Westen  nach   Osten 

(Hauptkarte). 


!)  Beschreibung  nach  Grundy  S.  261  u.  302.  Über  die  Pafshöhe  sagt  er: 
it  would,  J  reckon,  be  possible  for  a  traveller  to  go  from  one  piain  (Spercheos) 
to  the  other  (Doris)  by  this  route  without  attaining  a  height  much  over  a  thousend  feet. 
Anschauliche  Abbildungen  der  Schlucht  bei  Grundy.  —  Über  die  Lage  von  Heraklea 
s.  Bursian  I  94.  Dieser  Weg  durch  die  Asoposschlucht  ist  der  JY«  Tyct/Tvog  tüodog 
lg  tt]v  'EXXdöa,  der  nur  £  Plethron  breit  ist,  bei  Herodot  VII  176,  1. 

2)  Grundy  S.  262  f. 


1.  Thermopylä.  141 

drei  Abschnitte:  1.  die  Steilhänge  bei  Heraklea,  die  sogen,  trachini- 
schen  Felsen,  2.  die  weit  allmählicher  abfallenden  Abdachungen  bei 
Neu-Damasta,  welche  bis  zur  grofsen  Schlucht  von  Anthela  reichen, 
und  3.  endlich  die  schroffen  Felspartien,  welche  sich  unmittelbar 
über  dem  Strandpasse  von  Thermopylä  selbst  erheben. 

Die  obere  Stufe  beginnt  im  Westen  am  Südende  der  Asopos- 
schlucht,  bei  dem  Dörfchen  Eleftorokhori  und  erreicht,  in  östlicher 
Richtung  streichend,  nach  schwachen  4  Kilometern  die  imposante 
Höhe  Lithitza1).  Dann  biegt  sie  nach  Südosten  um,  läuft  so  wieder 
etwa  4  Kilometer  und  fällt  schliefslieh  von  neuem  in  die  östliche 
Richtung  zurück.  Unter  dem  Namen  Saromata,  bei  den  Alten  Kalli- 
dromon2),  zieht  sie  so  bis  zu  der  tiefen  Einsenkung  von  Mendenitza, 
einer  Einsenkung,  welche  schon  östlich  des  Thermopylenpasses  liegt 
und  also  durch  diesen  selbst  mitgedeckt  war.  Diese  zweite  Gebirgs- 
stufe  hebt  sich  überall  mit  steilen,  meist  sogar  mit  unersteiglich 
schroffen  Felsabstürzen  über  die  untere  empor  und  erreicht  in  ihren 
höchsten  Punkten  eine  Erhebung  von  etwa  13—1400  Metern,  während 
die  untere  Stufe  im  Durchschnitt  nur  5  —  600  Meter  aufsteigt.  An 
einer  Stelle  allerdings,  und  zwar  gerade  südlich  vom  Strandpasse  von 
Thermopylä,  hebt  sich  auch  die  untere  Stufe  in  einer  imposanten 
felsigen  Bergmasse  bis  zu  der  fast  dem  Hauptkamme  gleichkommen- 
den Höhe  von  1048  Metern  empor.  Sie  führt  heutzutage  den  Namen 
Sastani  und  ragt  wie  eine  Insel  über  ihre  Umgebung  hinaus,  da  sie 
im  Norden,  Osten  und  Westen  von  grandiosen  und  unersteiglichen 
Felswänden  begrenzt  ist,  welche  zum  Meere  und  den  Schluchten  von 
Anthela  und  Alpenoi  abfallen.  Nur  im  Süden  hängt  sie,  östlich  von 
dem  Dorfe  Alt-Drakospilia,  durch  einen  Sattel,  der  kaum  100  Meter 
an  Höhe  hinter  den  höchsten  Spitzen  der  Masse  zurückbleibt3),  mit 
dem  Hauptkamme  des  Gebirges,  der  Saromatakette,  zusammen. 

Man  kann  nun  die  untere  Bergstufe  westlich  von  den  Thermo- 
pylen  an  verschiedenen  Punkten    mit  verhältnismäfsig  leichter  Mühe 


')  Dieser  Name  wie  die  anderen,  hier  neu  erscheinenden  Ortsnamen  durch 
uns  von  den  Bewohnern  erfragt.  Die  Lithitza  ist  dieselbe  Bergmasse,  welche 
Grundy  „the  great  Gable"  nennt. 

2)  Strabo  IX  4,  13  (C.  428):  tijv  .  .  naQodov  FTüXctg  xulovoi  .  .  ib  iT  vneo- 
xiiuivov  oqoq  KaXXiÖQofiov.  Liv.  36,  15,  10:  quod  altissimum  est  Callidromon 
appellatur.     Der  höchste  Stock  ist  eben  der  Saromata. 

3)  Grundy  schätzt  ihn  auf  3200—3500  Fufs,  rund  also  1000  Meter. 


142  Der  Syrisch-römische  Krieg. 

ersteigen.  Entweder  kann  man  die  Schlucht  des  Asopos  benutzen, 
und  nachdem  man  ihr  etwa  2£  Kilometer  gefolgt  ist,  in  östlicher 
Richtung  durch  ein  Nebentälchen  und  über  die  Gebirgshänge  hin 
zum  Kloster  Panagia  gelangen.  Von  hier  steigt  der  Weg  dann  steil 
an  dem  Nordabhange  der  Lithitza  empor,  bis  man  an  dem  Rande 
der  gewaltigen  Schlucht  von  Anthela  steht,  welche  von  dem  Strand- 
passe von  Thermopylä  aus  in  südlicher  Richtung  etwa  5  Kilometer 
tief  in  das  Gebirge  einschneidet  und  mit  ihren  schroffen  Abstürzen  die 
Westgrenze  der  oben  geschilderten  Bergmasse  Sastani  bildet.  Der 
Abstieg  in  die  Schlucht  und  der  Anstieg  auf  der  anderen  Seite  führt 
schliefslich  auf  die  Sattelhöhe  bei  Alt-Drakospilia  und  von  da  an  der 
Schlucht  von  Alpenoi  hin  an  das  Ostende  des  Thermopylenpasses 
hinab. 

Dies  war  der  Weg  des  Ephialtes  und  der  Perser  im  Jahre 
480  v.  Chr.  gewesen;  auf  der  Sattelhöhe  bei  Alt-Drakospilia  hatten 
die  Phokier  gestanden1). 

Aber  man  brauchte  oder  braucht  wenigstens  .heutzutage  mit 
der  Umgehung  gar  nicht  so  weit  westlich  auszuholen.  Man  kann 
vielmehr  von  der  Alamannabrücke  aus,  kurz  vor  dem  Westeingange 
in  den  Thermopylenpafs  in  südlicher  Richtung  ansteigend,  ohne 
grofse  Beschwerde  über  die  jetzt  kahlen  Hänge  Alt-Damasta  erreichen 
und  von  da  entweder  zum  Panagiakloster  gelangen  oder,  an  dem 
Fufse  der  Lithitza  hingehend,  in  südöstlicher  Richtung  denselben 
Übergangspunkt  über  die  Schlucht  von  Anthela  gewinnen2). 

Endlich  kann  man  drittens  sogar  direkt  von  den  Thermopylen  aus 
den  Übergangspunkt  über  die  Schlucht  von  Anthela  erreichen,  wenn 
man  von  der  türkischen  Gendarmeriekaserne  aus  rechts  oder,  links 
an  der  auf  beträchtlicher  Höhe  liegenden  griechischen  Kapelle  vorbei 
in  südlicher  Richtung  ansteigt 3). 


J)  Vergl.  Grundy  S.  301  ff. 

2j  Wir  sind  in  wenig  mehr  als  einer  Stunde  vom  Kloster  Panagia  zur 
Alamannabrücke  auf  verliältnismäfsig  bequemem  Fufspfade  herabgestiegen.  Wenn 
der  Wald  im  Jahre  192  v.  Chr.  schon  gerodet  oder  wenigstens  zugänglich  ge- 
macht war,  bot  dieser  Anstieg  auch  damals  keine  grofsen  Schwierigkeiten.  Dafs 
Ephialtes  den  weiten  Umweg  durch  die  Asoposschlucht  wählte,  kann  seinen  Grund 
nur  darin  haben,  dafs  an  diesen  Berglehnen  damals  noch  undurchdringlicher 
Urwald  gestanden  hat. 

3J  Man  vergleiche  die  Karte  und  Leake,  N.  Gr.  II  35:  the  ordinary  path 
from    the    pass   (der  Thermopylen)   to  Drakospilia   (NB.  Alt-Drakospilia,   das  zu 


1.  Thermopylä.  143 

Welchen  Weg  man  aber  auch  einschlägt,  immer  kommt  man 
an  derselben  Stelle  über  die  sonst  unpassierbare  Schlucht  von  Anthela 
und  immer  über  den  Sattel  des  Berges  bei  Alt-Drakospilia. 

Es  ist  also  klar,  dafs  alle  diese  Zugänge  am  wirksamsten  ge- 
schlossen wurden,  wenn  man  auf  der  Sattelhöhe  von  Alt-Drakospilia 
ein  Kastell  anlegte.  Reste  eines  solchen  sind  nun  hier  tatsächlich 
gefunden1),  und  es  kann  daher  kein  Zweifel  sein,  dafs  eines  der  drei 
Kastelle  Kallidromon,  Teichius  und  Rhoduntia,  welche  zu  Antiochos' 
Zeit  den  Umgehungspfad  sperrten  und  von  2000  Ätolern  besetzt 
waren2),  hier  oben  anzusetzen  ist.  Es  kann  ferner  kein  Zweifel  sein, 
dafs  dies  das  Kastell  Kallidromon  sein  mufs,  nicht  nur  wegen  seines 
Namens  unmittelbar  am  Fufse  des  Kallidromon  (Saromata),  sondern, 
weil  es  das  einzige  unter  den  dreien  ist,  an  welchem  man  unbedingt 
vorbeimufste  und  an  dem  Cato  auch  in  der  Tat  allein  vorbeigekommen 
ist  (S.  144). 

Die  Lage  der  beiden  anderen  ist  nicht  mit  solcher  Sicherheit, 
aber  doch  mit  grofser  Wahrscheinlichkeit  zu  bestimmen.  Am 
Ephialtespfad  können  sie  nicht  wohl  gelegen  haben.  Denn  der  war 
den  Römern  durch  Heraklea  gesperrt,  an  dem  Pfade  über  Alt-Damasta- 
Panagia  auch  nicht;  denn  den  mufs  Cato  mit  seiner  Kolonne  ge- 
gangen sein  und  hat  sie  nicht  berührt.  Also  lagen  sie  an  dem 
direkten  Pfade,  der  von  den  Thermopylen  selbst  ansteigt.  Das  ist 
auch  von  vorn  herein  das  Wahrscheinlichste.  Denn  es  ist  der 
kürzeste  und  dem  Blicke  von  Thermopylä  aus  am  offensten  liegende 
Umgehungsweg.  Man  wird  also  den  beherrschenden  Hügel  westlich 
von  der  Schlucht  von  Anthela,  auf  welchem  sich  gleichfalls  Mauer- 
reste,   wie  es  scheint,    aus    griechischer  Zeit  gefunden   haben3),  für 


L.s  Zeiten  allein  existierte)  leading  by  a  church  wich  is  situated  on  the  hights 
above  the  western  cliffs,  to  which  is  an  ascent  by  the  bed  of  the  torrent  of 
Anthela. 

')  Grundy  S.  305:  half  a  mile  away  to  the  north  i.  e.  towards  the  summit 
above  the  pass,  is  an  old  (jqovqwv,  which  evidently  guarded  the  path  in  former 
days  ...  it  is  at  the  true  the  summit  of  the  path  a  height  of  certainly  three 
thousand  two  huudred  and  probably  of  three  thousand  fife  hundred  feet. 

2)  Liv.  36,  16,  11:  Callidromum  et  Rhoduntiam  et  Tichiunta  —  haec  nomina 
cacuminibus  sunt  —  occupavere.  ib.  17,  1:  c  aste  IIa  Aetolorum,  ebenso  19,  1: 
castella.  Appian  nennt  Syr.  17  aus  Flüchtigkeit  nur  zwei  Namen.  Weiteres 
Bursiau  S.  95. 

3)  Auf   der  Carte    de   la  Grece    als  „pyrgos"    und    „mur  hellenique",   auf 


144  ^er  Syrisch-römische  Krieg. 

das  eine,  etwa  Teichius,  den  Hügel  mit  der  griechischen  Kapelle 
für  das  andere  Kastell,  etwa  Rhoduntia,  in  Anspruch  nehmen  dürfen. 

Die  doppelte  Umgehungsbewegung,  welche  die  Römer  unter 
Flaccus  und  Cato  mit  je  2000  Mann  gegen  die  Hauptmacht  des 
Antiochos  in  den  Thermopylen  unternommen  haben1),  ist  daher  fol- 
gendermafsen  zu  denken: 

Die  Kolonne  des  Flaccus  ist  direkt  westlich  der  Schlucht  von 
Athela  emporgestiegen,  aber  durch  die  hier  liegenden  Kastelle  Teichius 
und  Rhoduntia  aufgehalten,  nicht  einmal  bis  auf  die  Höhe  von  Alt- 
Drakospilia  gekommen. 

Cato  ist  vom  Lager  des  Konsuls,  welches  sich  beim  Mitteltore 
der  Thermopylen  befand  (s.  unten),  durch  das  Westtor  zurück- 
marschiert und  hat  über  Damasta  und  Panagia  den  Ephialtespfad 
erreicht.  Nach  mancherlei  Irrungen,  die  ihn  an  dem  Steilhange  der 
Lithitza  zu  weit  hinauf  und  zu  weit  südöstlich  führten,  ist  er  endlich 
mit  vollständiger  Umgehung  der  Schlucht  von  Anthela  von  Süden 
her  auf  die  Sattelhöhe  von  Alt-Drakospilia  gelangt,  hat  den  dortigen 
Posten  aufgehoben  und  die  Umgehung  vollzogen,  welche  für  die  Ent- 
scheidung im  Tale  unten  ausschlaggebend  wurde3). 


unserer  Karte  vermutungsweise  als  Teichius  bezeichnet.  Leake  beschreibt  sie 
N.  G.  II  63  als:  hellenic  forteress  on  the  westernmost  of  the  rocky  heights  which 
include  the  ravine  of  the  torrent  of  Anthele.  Ob  er  mit  der  zweiten  von  ihm 
hier  genannten  Befestigung  bei  Damasta  den  Kapellenhügel  meint,  bleibt  unsicher. 
Seine  dritte  Befestigung  ist  in  Wirklichkeit  die  Pafssperre  des  Antiochos  am 
Osttor  von  Thermopylä,  s.  S.   150,  A.  1. 

*)  Liv.  36,  17,  1:  cum  binis  milibus  delectorum  peditum  .  .  Flaccum  in 
Rhoduntiam  et  Tichiunta,  Catonem  in  Callidromum  mittit. 

2)  Catos  eigener  Bericht  über  diese  Umgehung  ist  bei  Plutarch  Cato  13 
erhalten  (Nissen,  Kr.  Unt.  S.  1S1).  Es  heifst  daselbst:  die  Umgehungskolonne 
sei  durch  Schuld  der  Führer  vom  rechten  Wege  abgekommen,  Cato  habe  daher 
Halt  machen  lassen  und  sei  in  Begleitung  nur  eines  guten  Bergsteigers  allein 
an  den  Felsen  weitergeklettert,  bis  er  zu  einem  anscheinend  abwärts  führenden 
Pfade  gekommen  sei;  hier  habe  er  bei  einigen  über  die  Felsmasse  des  Kalli- 
dromon  hervorragenden  Erhebungen  (nQog  rwag  evaxonovg  xsoatag)  Merkzeichen 
zurückgelassen,  sei  zurückgekehrt  und  habe  die  Truppe  nachgeführt;  der  Pfad 
habe  dana  aber  plötzlich  nach  kurzer  Zeit  an  einer  Schlucht  geendet.  Bei  Tages- 
anbruch aber  habe  man  bemerkt,  dafs  man  dicht  am  Feinde  sei,  man  habe  ein 
hellenisches  Kastell  (/('(Qccy.a)  und  unter  sich  am  Fufse  des  Felshanges  {vnb  tu 
y.Q?luvuJdtg)  die  feindlichen  Vorposten  gesehen.  Das  alles  pafst  vortefflich,  wenn 
man  annimmt,  dafs  Cato  bis  ans  Südende  der  grofsen  Schlucht  gekommen  ist, 
auf  einer  der  Erhebungen  südöstlich  von  Alt-Drakospilia  seine  Merkzeichen  gelassen 


1.  Thermopylä.  145 

Denn  hier  unten  hatte  der  König  an  der  einzigen  militärisch  brauch- 
baren Strafse,  die  Nord-  und  Mittelgriechenland  verbindet,  mit  seiner 
Hauptmacht  Stellung  genommen,  in  dem  berühmten  Strandpasse  von 
Thermopylä,  dessen  charakteristische  Eigentümlichkeiten,  soweit  sie 
hier  für  uns  in  Betracht  kommen,  nunmehr  ins  Auge  zu  fassen  sind1). 

Die  von  Süden  her  bis  hart  an  das  Meer  vorspringenden  Berge 
bildeten  hier  einen  7  Kilometer  langen  Engpafs  von  ungleicher  Breite. 
Man  unterscheidet  in  ihm  deutlich  drei  ausgeprägte  Engen,  von 
denen  die  erste  ganz  am  Anfange  im  Westen,  die  zweite  etwas  hinter 
der  Mitte,  die  dritte  am  Ostende  liegt.  Wenn  wir  diese  drei  Engen 
als  Tore  bezeichnen,  so  lag  am  Westtor  das  Städtchen  Anthela,  am 
Mitteltor  die  heifsen  Quellen,  am  Osttor  das  Dorf  Alpenoi2).  Zwischen 
den  drei  Toren  lagen  zwei  kleine  Ebenen  von  rund  2  Kilometer 
Länge  und  etwa  |  bis  1  Kilometer  Breite  an  den  breitesten  Stellen. 
Da  diese  Ebenen  gröfstenteils  durch  die  Ablagerungen  der  kleinen 
Sturzbäche  entstanden  sind,  welche  dem  Gebirge  entströmen,  so 
schoben  sie  sich  halbkreisförmig  ins  Meer  vor,  während  an  den  drei 
Toren  Meer  und  Fels  unmittelbar  zusammenstiefsen  3).  Es  fragte  sich 
daher,  welches  der  drei  Tore  zur  Verteidigung  gewählt  werden  sollte. 
Zu  Herodots  Zeiten    betrug    die  Breite    des    Passes    am  West-   und 


hat,    und   im    Grunde    der   kleinen  Seitenschlucht  von  Alt-Drakospilia  selbst  die 
Vorposten  erblickt  hat. 

r)  Auch  für  das  Folgende  habe  ich  mich  neben  meinen  eigenen  Beobach- 
tungen besonders  wieder  auf  Grundy  gestützt  (S.  277  ff.),  dem  wir  auch  die  einzige 
völlig  zuverlässige  Karte  des  Passes  selber  verdanken,  da  die  Aufnahme,  welche 
die  Herren  von  Maree  und  von  Plessen  gemacht  haben,  verloren  gegangen  ist. 
Vergl.  Janke,  Auf  Alexanders  des  Grofsen  Pfaden,  Berlin,  Weidmann  1901,  S.  186. 
Leider  umfafst  dieselbe  nur  den  Pafs  und  die  Hänge  bis  300  Fufs  Höhe  in  ge- 
nauer Ausführung.  Für  die  Bergpartien  weiter  südlich  ist  daher  auf  unserer 
Schlachtkarte  das  Original  der  Carte  de  la  Grece  (1:50000)  zugrunde  gelegt  und 
mit  Grundys  Karte  kombiniert  worden.  Der  Plan  von  Janke  in  seinem  S.  139  A.  2 
angeführten  Aufsatze  ist  eine  Vergröfserung  des  Originals  der  Carte  de  la  Grece 
mit  einzelnen  auf  Autopsie  beruhenden  Nachtragungen. 

2)  Begründung  bei  Grundy  S.  284.  290. 

3)  Dafs  die  Gegend  jetzt  durch  die  Ablagerungen  des  Spercheios  total  ver- 
ändert ist  und,  wo  früher  Meer  war,  sich  jetzt  ein  weites  Sumpf land  ausbreitet, 
darf  wohl  als  bekannt  vorausgesetzt  werden.  Grundy  nimmt  (S.  287)  die  Meeres- 
küste zur  Zeit  der  Perserkriege  als  etwa  gleichlaufend  an  mit  der  Fünfyardlinie, 
die  er  durch  Nivellierung  festgestellt  hat.  Das  wird  im  grofsen  Ganzen  stimmen. 
Ich  habe  im  Anschlufs  daran  die  vermutliche  Küste  von  192  v.  Chr.  —  natürlich 
ein  wenig  hinausgerückt  —  eingezeichnet. 

Kromayer,   Antike  Schlachtfelder.     II.  10 


146  Der  Syrisch-römische  Krieg. 

Osttor  nur  gerade  so  viel,  wie  die  Fahrstrafse  selbst  Raum  brauchte, 
während  das  breitere  Mitteltor  an  der  engsten  Stelle  durch  eine 
Mauer  geschlossen  war1).  Dazu  kam  beim  Westtor,  dafs  diese  Enge 
nicht  weniger  als  1500  Meter  Länge  hatte  und  fast  in  dieser  ganzen 
Ausdehnung  von  beinahe  senkrechten  Felsen  begleitet  wird2). 

Trotzdem  ist  das  Westtor  unseres  Wissens  nie  verteidigt  worden. 
Der  Grund  liegt  auf  der  Hand.  So  widerstandsfähig  es  gegen 
einen  Frontangriff  war,  so  leicht  war  es  zu  umgehen.  Die  Felsen 
welche  es  begrenzen,  sind  nur  100  —  200  Meter  hoch  und  bilden  oben 
eine  breite  ebene  Fläche,  welche  leicht  zu  ersteigen  ist  und  mit- 
besetzt werden  mufste,  wenn  man  nicht  dem  Gegner  die  Möglichkeit 
freilassen  wollte,  über  dies  Plateau  dem  Verteidiger  bei  Anthela  in 
den  Rücken  zu  kommen3). 

Weit  günstiger  stand  es  in  dieser  Beziehung  am  Mitteltor. 
Denn  hier  steigt  unmittelbar  südlich  der  Enge  eine  Felswand  von 
imposanter  Schroffheit  auf,  welche  eine  Höhe  von  400  Metern  erreichen 
mag  und  dann  in  weiterer  starker  Steigung  felsig  und  rauh  mit  der 
grofsen  Gebirgsmasse  des  Öta  zusammenhängt.  Da  sie  von  Westen 
her  durch  die  tiefe  Schlucht  von  Anthela  begrenzt  wird,  welche 
zwischen  West-  und  Mitteltor  mündet,  so  mufs  man,  wenn  man  sie 
umgehen  will,  den  oben  beschriebenen  Pfad  über  Alt-Drakospilia  be- 
nutzen. Am  Mitteltor  haben  sich  deshalb  die  Kämpfe  des  Leonidas 
gegen  die  Perser  und  der  vereinigten  Griechen  gegen  die  Gallier  im 
Jahre  279  abgespielt. 

Aber  für  die  Entwickelung  einigermafsen  bedeuteutender  Truppen* 
massen  und  eine  im  gröfseren  Umfange  zu  führende  Verteidigung 
war  die  Stellung  nicht  günstig.  Der  Weg  ist  hier  fast  einen  Kilometer 
weit  zwischen  Fels  und  Meer  eingeklemmt  gewesen,  und  an  der  Fels- 
seite geht  es  nach  kurzem,  noch  eben  ersteiglichen  Anstieg  bald  so  schroff 


x)  Herodot  VII  176:  r  dt  av  dia  Toci/Tvog  saiodog  ig  ir\v  lE\läSa  iail  xy 
otaivoicitri  riiuinke&Qov  (Weg  durch  die  Asoposschlucht  s.  oben  S.  140,  A.  1).  ob 
[xivjoi  y.caa  tovto  y'  loil  to  axuvöiaxov  rrjg  X&QVS  T*}S  ccXXrjg,  äkk*  efxnqoods  ts 
&EQ/uo7iuXs(ov  y.ai  onio&f,  xaiä  ts  IdXnrivovg  oTiiGfte  loviccg,  ioüca  a jucct-irög  poiivr}, 
y.ccl  fjuriQoo&s  xutu  <Poivixa  noTttjubv  .  .  .  ay/ov  *Av§r\\r\g  noXiog,  d/ua^nbg  aXXri  /uovvrj. 

2)  Grundy  S.  184. 

3)  Genaueres  bei  Grundy  S.  285.  Ebenso  urteilen  Leake,  N.  Gr.  II  6.  34.  51. 
Vischer  S.  639  u.  a.  Anschauliche  Abbildung,  die  den  Unterschied  von  West-  und 
Mitteltor  gut  wiedergibt,  bei  Grundy,  S«  290. 


1.  Thermopylä.  147 

aufwärts,  dafs  hier  an  eine  Besetzung  durch  Truppen  nicht  mehr  zu 
denken  war1).  Eine  Entfaltung  des  Heeres  vor  der  Enge  hätte  das- 
selbe aber  im  Falle  einer  unglücklichen  Entscheidung,  dem  Tode  im  Meere 
überliefert2).  So  vorteilhaft  die  Lokalität  also  war,  wenn  man  sich 
auf  eine  strickte  Verteidigung  mit  kleinen  Ausfällen  beschränken 
wollte,  so  ungünstig  lagen  die  Verhältnisse,  wenn  man,  wie  Antiochos, 
durch  Entfaltung  seiner  Truppenmacht  in  guter  Verteidigungsstellung 
die  Kräfte  der  Feinde  an  den  Ort  zu  fesseln  und  dadurch  aufzuhalten 
gesonnen  war. 

Anders  am  Osttor. 

Hier  war  zwar  zur  Zeit  Herodots,  wie  erwähnt,  der  Pafs  nur 
so  breit  wie  die  Strafse,  aber  im  zweiten  Jahrhundert  vor  Chr.  scheint 
das  Land  schon  bis  zur  Breite  von  etwa  90  Metern  angeschwemmt 
gewesen  zu  sein3),  und  die  Enge  selbst  war  nur  kurz,  so  dafs  die 
Truppenablösung  geringere  Schwierigkeiten  machte.  Was  aber  die 
Hauptsache  war:  hier  ragt  keine  so  unersteiglich  schroffe  Felswand 
auf  wie  am  Mittel-  und  Westtor,  sondern  die  Berglehnen  gehen, 
wenn  auch  noch  steil  genug,  so  doch  weit  allmählicher  bergan,  und 
zwar  in  einer  Richtung,  die  es  möglich  macht,  durch  einen  nach 
Südwesten  vorgebogenen  Flügel,  das  Gelände  in  der  wirksamsten 
Weise  gegen  einen  nach  der  Enge  zu  vorrückenden  Feind  auszu- 
nutzen. Denn  besetzte  man  diesen  ganzen,  fast  1  Kilometer  langen 
Hang  mit  leichten  Truppen  und  Schleudermaschinen,  wie  solche  in 
der  Zeit  des  Antiochos  in  technisch  vorgeschrittener  Weise  gebaut 
wurden,  so  konnte  man  die  Flanken  des  Gegners  von  oben  und  von 


1)  Der  sogenannte  phokische  Wall  ist  nur  etwa  60—70  Meter  südlich  des 
Leonidashügels  zu  verfolgen  Grundy  S.  288  und  kann  sehr  viel  weiter  überhaupt 
nicht  gegangen  sein,  da  der  Fels  hier  ansetzt;  s.  das  Bild  bei  Grundy  S.  311. 

2)  Man  hätte  nach  Grundys  Ansetzung  der  Küstenlinie  fast  in  der  ganzen 
Erstreckung  der  Schlachtreihe  das  Meer  im  Rücken  gehabt  und  aufserdem  an- 
steigendes Terrain  vor  sich.     Eine  ganz  unmögliche  Stellung. 

3)  Liv.  36,  15,  10:  extremos  ad  orientem  montis  Oetam  vocant,  quoram 
quod  altissimum  est  Callidromon  appellatur,  in  cuius  valle  ad  Maliacum  sinum 
vergente  iter  est  non  latius  quam  sexaginta  passus  (=  88,8  Meter).  Die 
Stelle  ergibt  für  sich  allein  genommen  nicht,  welche  Enge  der  Thermopylen  ge- 
meint ist.  Aber  da  diese  Schilderung  der  Lokalität  bei  Gelegenheit  der  Anti- 
ochosschlacht  und  zur  Einführung  in  deren  Verständnis  geschrieben  ist,  so  liegt 
es  am  nächsten,  die  Angabe  auf  das  Osttor  zu  beziehen,  wo  wir  aus  anderen 
Gründen  (s.  unten)  die  Schlacht  anzusetzen  haben. 

10* 


148  Der  Syrisch-römische  Krieg. 

der  unbeschildeten  rechten  Seite  her  bestreichen,  und  das  mufste  bei 
der  tiefen  Aufstellung,  zu  der  die  Schmalheit  der  Ebene  den  Gegner 
zwang,  noch  von  ganz  besonderer  Wirkung  sein.  So  brauchte  man 
sich  hier  nicht  innerhalb  der  Enge  selber  zu  halten,  sondern  konnte 
vor  derselben  in  guter  Verteidigungsstellung  die  Truppen  zu  einer 
Defensivschlacht  entwickeln,  die  bei  günstigem  Ausgange  das  sofortige 
Überspringen  zur  Offensive  und  damit  eine  Verfolgung  der  gewonnenen 
Vorteile  ermöglichte. 

Ebenso  deutlich  sprechen  für  die  Stellung  am  Osttor  die  bisher 
nicht  genügend  beachteten  Quellenzeugnisse. 

Nicht  an  der  Stelle,  wo  Leonidas  gekämpft  hat  —  so  heifst  es 
in  unserer  Überlieferung,  —  sondern  „innerhalb  der  Tore"  hat 
Antiochos  sein  Lager  aufgeschlagen,  mit  Schanzen  hat  er  die  Berg- 
hänge gedeckt  und  mit  doppeltem  Wall  und  Graben,  z.  T.  auch  mit 
einer  Steinmauer,  alles  befestigt1).  —  In  der  Schlacht  selber  hat  er  dann 
die  leichten  Truppen  auf  Hügeln  am  Bergfufse  aufgestellt  und  durch 
sie  von  der  Flanke  aus  den  Gegner  beschiefsen,  sein  Heer  aber 
wirklich  vor  den  Befestigungen  in  Schlachtreihe  aufmarschieren  lassen. 
(S.  151).  All  das  hat  nur  Sinn,   wenn  es  sich  um  das  Osttor  handelt. 

Ferner  wird  von  den  Römern  gesagt,  dafs  ihr  Lager  „in  dem 
Engpasse  selbst  dicht  bei  den  heifsen  Quellen"  gelegen  habe2).  Sie 
standen  also  am  Mitteltore,  und  zwischen  beiden  Heeren  lag  die 
Ebene,  welche  sich  zwischen  Mittel-  und  Osttor  ausbreitet.  Sie  war 
das  Schlachtfeld.   Wollten  wir  das  Römerlager  an  die  heifsen  Quellen 


J)  Liv.  36,  16,  1:  intra  portas  loci  eius  castris  positis  munitionibus 
insu  per  saltum  impediebat  et,  cum  duplici  vallo  fossaque  et  muro  etiam, 
qua  res  postalabat,  ex  multa  copia  passim  iacentium  lapidum  permunisset  omnia  . . 
Was  Livius  gemeint  hat,  tritt  dann  besonders  deutlich  in  der  Rede  des  Konsuls 
17,  11  hervor,  welche  er  vor  dem  Ausrücken  der  Heere  am  Abend  vor  der  Schlacht 
gehalten  denkt:  ne  ante  fauces  quidem  saltus,  ut  quondam  Lacedaemonios  fama 
est,  sed  intra  penitus  retractis  castris.  So  liegt  dem  „intra  portas",  das  Nissen 
als  ,.ganz  unverständlich"  bezeichnet  (Krit.  Unt.  S.  75),  doch  eine  richtige  Vor- 
stellung zugrunde.  Das  Lager  des  Antiochos  lag  hinter  dem  letzten  Tore. 
Ähnlich  sagt  Livius  36,  15,  8  :  intra  fauces  (Thermopylarum)  ad  meridien  vergunt 
Aetoliae  pars  maior,  Acarnania  etc.  .  .  .  Attica  und  ib.  6:  intra  saltum  Thermopy- 
lorum  se  recepit. 

2)  Liv.  36,  16,  5:  consul  ...  in  ipsis  faucibus  prope  fontes  calidarum  aqua- 
rum  adversus  regem  posuit  castra. 


1.  Thermopylä.  149 

und  das  syrische  doch  an  das  Mitteltor  setzen,  so  wäre  kein  Platz 
für  die  Schlacht  vorhanden. 

Endlich  —  so  heifst  es  weiter  in  unseren  Berichten  —  beob- 
achtete man  vom  Lager  des  Antiochos  hinter  den  zur  Schlacht  aufge- 
stellten Truppen  den  Anmarsch  Catos,  welcher  von  Drakospilia  herunter- 
kommend auf  den  Hügeln  über  dem  Lager  sichtbar  wurde.  Man 
konnte  die  anrückenden  Feinde  schon  aus  so  grofser  Ferne  sehen, 
dafs  man  sie  anfangs  für  Ätoler  hielt l).  Auch  das  ist,  wie  ich  mich 
durch  Augenschein  überzeugt  habe,  nur  möglich,  wenn  das  Lager 
hinter  dem  Osttore  lag.  Hier  führt  der  Weg  von  Drakospilia 
herunter,  und  nur  hier  kann  man  ihn  eine  beträchtliche  Strecke  ins 
Gebirge  hinein  mit  dem  Blicke  verfolgen2). 

Die  Lokalfrage  ist  damit  gelöst.  Antiochos  hatte  seine  Ver- 
teidigungsstellung am  Osttore,  die  Schlacht  wurde  zwischen  Mittel- 
und  Osttor  geschlagen. 

2.  Schlachtfeld  und  Schlacht3). 
Auf  dem  von  uns  festgestellten  Schlachtfelde  sind  verschiedene 
Reste  von  alten  Befestigungen  aufgefunden  worden.  So  zieht  sich  vCrgi.  Karte  t 
unmittelbar  vom  Osttore  selbst  eine  Mauer  aus  mittelgrofsen,  mit 
Mörtel  verbundenen  Steinen  von  8  —  10  Fufs  Dicke  in  südwestlicher 
Richtung  gegen  800  Meter  weit  den  Abhang  hinan.  Sie  beherrscht 
den  nordwestlich  von  ihr  liegenden  Fufs  und  die  Ebene  vollständig 
und  läuft  mithin  genau  in  der  Richtung  hin,  welche  wir  für  die  Be- 


*)  Liv.  36,  18,  8:  ni  M.  Porcius  Cato  ab  iugo  Callidromi  .  .  super 
imminentem  castris  collem  apparuisset  ..  19,2:  Macedones  quique  alii  in 
castris  regiis  erant  primo,  dum  procul  nihil  aliud  quam  turba  et  agmen  apparebat, 
Aetolos  credere  .  .  venire. 

2)  Ein  zweiter  Pfad  führt  jetzt  allerdings  von  Oberdrakospilia  in  die  Ebene 
zwischen  Mittel-  und  Osttor  hinab.  Er  verdankt  indessen  aller  Wahrscheinlichkeit 
nach  seine  Existenz  erst  dem  in  den  letzten  Jahrzehnten  entstandenen  Dörfchen 
Oberdrakospilia,  dessen  direkte  Verbindung  mit  Lamia  er  herstellt.  Er  ist  sehr 
steil,  schmal  und  leicht  zu  verteidigen,  während  der  andere  das  alles  nicht  ist. 
Vergl.  Grundy,  S.  305. 

3)  Über  die  Schlacht  haben  wir  die  beiden  Berichte  von  Livius  und  Appian, 
die  man  in  der  Übersetzung  im  Anhange  I  vergleichen  möge,  Beide  sind  un- 
genau und  lückenhaft,  aber  beide  gehen  auf  denselben  guten  Schlachtbericht  des 
Polybios  zurück  (vergl.  Nissen,  Krit.  Unters.  S.  180).  Daraus  folgt,  dafs  wir  be- 
rechtigt sind,  die  Lücken  und  Ungenauigkeiten  des  einen  durch  vollständigere  und 
bessere  Überlieferung  des  anderen  zu  ergänzen  und  zu  rektifizieren. 


150  Der  Syrisch-römische  Krieg. 

festigungen  des  Antiochos  voraussetzen  müssen.  Dann  biegt  sie  nach 
Süden  um  und  ist,  immer  mit  dem  Abhänge  eines  kleinen  Flufstales 
vor  sich,  wohl  bis  zu  den  hohen  Felsklippen  gelaufen,  welche  hier 
den  Abschlufs  des  ganzen  zugänglichen  Terrainabschnittes  bezeichnen. 
So  bildete  sie  in  ihrem  letzten  Teile  eine  zurückgebogene,  gegen  Um- 
gehung auf  dieser  Seite  sichernde  Defensivflanke.  Das  ganze  Werk 
ist  eine  notwendige  Ergänzung  zur  Verteidigung  des  Osttores,  und 
da  mit  Recht  betont  worden  ist,  dafs  es  nicht  wohl  aus  dem  Mittel- 
alter stammen  kann,  so  werden  wir  kaum  fehlgeben,  wenn  wir  in  ihm 
jene  Steinmauer  erblicken,  welche  Antiochos  hier  nach  unserer  Über- 
lieferung angelegt  und  mit  Belagerungsmaschinen  besetzt  hatte1). 

Aber  aufser  der  Steinmauer  baute  Antiochos  noch  einen  doppelten 
Erdwall,  von  dem  keine  Spuren  mehr  übrig  zu  sein  scheinen2).  Wie 
die  Mauer  auf  den  felsigen  Höhen  nur  aus  dem  dort  zur  Verfügung 
stehenden  Steinmaterial  errichtet  werden  konnte,  so  die  Erdwälle  nur 
in  der  Ebene,  wo  der  angeschwemmte  Boden  keine  Steinmauer  er- 
trug. Dieser  Wall  ist  in  der  Hauptsache  ohne  Zweifel  als  direkte 
Fortsetzung  der  Mauer  anzusehen  und  dürfte  als  solche  kaum  weiter 
als  höchstens  etwa  100  Meter  vom  Fufs  der  Berge  nach  Norden  ge- 
reicht haben3). 


')  Liv.  36,  16,  1;  s.  S.  148  A.  1.  App.  Syr.  18:  tsT/oq  .  .  dmXovv  .  .  or/.oöo- 
furöaro  y.cu  rag  fxti/avccg  Inl  to  xuyog  l7ie&r]y.€v.  Die  doppelte  Mauer  Appians 
ist  eine  Flüchtigkeit  statt  des  doppelten  Walles  (s.  Liv.  a.a.O.).  Die  Be- 
schreibung der  erhaltenen  Mauer  nach  Grundy  S.  291.  Den  Zusammenhang  dieser 
Mauer  mit  der  Verteidigungsstellung  des  Antiochos  hat  Grundy  nicht  erkannt;  er 
sagt:  „I  cannot  find  in  history  any  trace  or  hint  of  its  origin".  Mit  Recht  be- 
merkt er  aber,  dafs  es  sich  nicht  wohl  um  ein  mittelalterliches  Werk  handeln 
könne,  weil  damals  die  See  schon  viel  weiter  zurückgetreten  sein  müsse.  Offenbar 
identisch  mit  dieser  Mauer  sind  die  von  Leake  N.  G.  II  38  erwähnten  foundations 
of  an  Hellenic  wall,  traceable  for  a  considerable  distance  in  an  oblique  direction 
towards  the  cliffs. 

2)  S.  148  A.  1.  Leake  a.  a.  0.  sah  nördlich  der  Strafse  auf  einer  Höhe  (height) 
„nearly  opposite"  von  der  Mauer  „a  tumulus  and  the  foundations  of  a  circular  monu- 
ment,  just  above  a  deep  marsh  near  the  right  bank  of  the  Spercheios".  Er  vermutet, 
dafs  die  Mauer  sich  bis  zu  diesem  Punkte  hingezogen  habe.  Es  handelt  sich  ohne 
Zweifel  bei  der  „Höhe"  um  den  Hügel  von  Alpenoi,  nördlich  von  der  Strafse. 

3)  Entsprechend  der  Angabe,  dafs  die  Pafsenge  60  passus,  d.  h.  88,8  Meter 
breit  gewesen  sei,  s.  S.  147  A.  3.  Jenseits  des  gangbaren  Terrains  haben  wir  uns 
dann  bis  zum  Beginn  des  Meeres  einen  ungangbaren  Sumpfboden  zu  denken:  ad 
ipsum  munimentorum  finem,  qua  loca  usque  ad  mare  invia  palustri  limo  et  vora- 


1.  Thermopylä.  J51 

Welche  Bedeutung  der  zweite  Wall  hatte,  ist  nicht  ohne 
weiteres  klar,  geht  aber  doch  aus  dem  Schlachtberichte  mit  Wahr- 
scheinlichkeit hervor.  Es  heifst  hier  nämlich,  dafs  die  makedonische 
Phalanx  des  Antiochos  auf  dem  Walle  Stellung  genommen  und  von 
da  aus  mit  ihren  langen  Lanzen  aus  der  so  geschaffenen  höheren 
Kampfstellung  die  Kömer  abgewehrt  hätte.  So  niedrig  sei  der  Wall 
gewesen1). 

Danach  haben  wir  uns  das  Verhältnis  wohl  so  zu  denken,  dafs 
dieser  zweite  Wall  nur  eine  vor  der  eigentlichen  Hauptlinie  vorliegende 
niedrige  Feldverschanzung  war,  die  lediglich  dazu  diente,  der  schlacht- 
mäfsig  aufgestellten  Phalanx  einen  günstigeren  Standort  zu  schaffen, 
da  das  natürliche,  etwas  abfallende  Terrain  an  sich  ungünstig  war2). 
Der  hinter  dieser  Feldschanze  hinlaufende,  mehr  festungsartig  an- 
gelegte, höhere  Wall  hätte  dann  die  eigentliche  Fortsetzung  der 
Mauer  gebildet.  Der  niedrige  Wall  mag  so  weit  nach  Süden  gereicht 
haben,  als  die  Phalangiten  Stellung  nehmen  sollten.  Das  Lager  des 
Antiochos  haben  wir  uns  ein  Stück  hinter  der  ganzen  Pafssperre  zu 
denken3). 

Vor  diesen  Verschanzungen4)  stellte  nun  Antiochos  seine  Truppen 
in  zwei  Treffen  folgendermafsen  auf: 

Den  linken  vorgeschobenen  Flügel  des  ersten  Treffens  auf  den 
Abhängen  des  Gebirges  vor  der  Mauer  bildeten  Schützen,  welche  die 
Aufgabe  hatten,  die  Römer,  welche  in  der  Ebene  gegen  das  Osttor 
vorgingen,  von  der  Flanke  aus  zu  beschiefsen5).    Als  Soutien  mochten 


ginibus    claudunt   (Liv.  36, 18,  4).    Gerade  so  wie  er  heutzutage  in  der  Nähe  der 
Küste  vorhanden  ist. 

!)  Liv.  36,  18,  6:  intra  munimenta  .  .  concesserunt;  inde  ex  vallo  prope 
alterum  Valium  hastis  prae  se  obiectis  fecerunt  et  ita  modica  altitudo  valli  erat, 
ut  et  locum  superiorem  suis  ad  pugnandum  praeberet  et  propter  longitudinem 
hastarum  subiectum  haberet  hostem. 

2)  Das  Gelände  fällt,  wie  die  Niveaulinien  der  Karte  deutlich  zeigen,  heut- 
zutage nach  dem  Osttore  zu  ein  wenig  ab.  Das  ist  die  Folge  der  hier  durch 
mehrere  kleine  Gebirgsbäche  entstandenen  Ablagerungen  und  dürfte  auch  im  Alter- 
tum schon  ähnlich  gewesen  sein. 

3)  Folgt  aus  Liv.  36,  16, 1;  s.  S.  148  A.  1. 

4)  Daher  Frontin  II  4,  4:  pro  angustiis  Thermopylarum. 

5)  Liv.  36,  18,3:  ab  sinistro  cornu  iaculatorum  sagittariorumque  et  fundi- 
torum  manum  sub  ipsis  radicibus  montis  posuit,  ut  ex  altiore  loco  nuda  latera 
hostium  incesserent.  Ebenso  Appian  Syr.  18,  der  aber  hier  und  im  folgenden  in 
bekannter  Flüchtigkeit  rechts  und  links  vertauscht  hat. 


152  ^er  Syrisch-römische  Krieg. 

ihnen  Wurfmaschinen  auf  der  Mauer  dienen  (S.  147),  unter  deren 
Schutz  sie  ihre  Stellungen  voll  ausnutzen  konnten.  Das  Zentrum 
bildeten  im  ersten  Treffen  gleichfalls  leichte  Truppen,  Speerwerfer 
und  Peltasten,  die  nach  makedonischer  Art  bewaffnet  waren;  im 
zweiten  stand  die  Phalanx  auf  dem  vorderen  Walle1). 

Den  rechten  Flügel  nahmen  im  ersten  Treffen  die  Elefanten  und 
Heiter  ein,  im  zweiten  standen  andere,  nicht  genau  bezeichnete  Truppen. 
Das  Intervall  zwischen  den  beiden  Treffen  war  gering2). 

Die  ganze  Länge  der  Aufstellung  dürfte  1200  Meter  nicht  über- 
schritten haben,  eine  Länge,  welche  für  eine  Armee  von  10000  Mann 
mit  Elefanten  in  einer  hügeligen  Stellung  durchaus  angemessen  er- 
scheint (vergl.  Bd.  I  S.  320). 

Wenn  wir  dabei  in  Betracht  ziehen,  dafs  die  leichten  Truppen 
des  linken  Flügels  in  ihrer  dominierenden  Flankenstellung  gewifs 
über  den  Durchschnitt  lose  aufgestellt  wraren  und  doch  nach  der  Ge- 
ländeformation einen  verhältnismäfsig  bedeutenden  Teil  der  Front  ein- 
genommen haben  müssen,  so  erkennen  wir,  dafs  die  zum  Nahkampfe 
bestimmten  Teile,  das  Zentrum  und  der  rechte  Flügel,  notwendiger- 
weise verhältnismäfsig  tief  gestanden  haben  müssen. 

Die  Idee  der  ganzen  Verteidigungsschlacht  ist  danach  völlig 
klar.  Durch  das  auf  beiden  Flanken  durch  Fels  und  Meer  völlig  un- 
gangbare Gelände  sollte  eine  Überflügelung  unmöglich  gemacht  und 
so  der  Gegner  an  der  wirksamsten  Verwendung  seiner  Übermacht 
gehindert  werden,  während  anderseits  der  gewählte  Terrainabschnitt 
gerade  hinreichte,  die  eigenen  Truppen  voll  ins  Gefecht  zu  bringen. 
Durch  die  Anlehnung  an  die  Verschanzungen  im  Rücken  sollte  ferner 


x)  Liv.  a.  a.  0.:  levis  armaturae  partem  ante  vallum  in  primo  locavit,  tum 
Macedonum  robur,  quos  sarissophoros  appellabant,  velut  firmamentum  circa  ipsas 
munitiones  constituit.  Ebenso  Appian  Syr.  18:  rovg  /uh  \pi\ovg  xal  niXTaotug  tiqo- 
(XttytaQai  irjg  (fälayyog  lyMevötv,  ccvttjv  (T  eoj)]öe  tiqo  tov  aTQuionedov.  Darüber, 
dafs  die  Stellung  der  Phalanx  von  Anfang  an  auf  dem  Walle  gewesen  ist,  s.  S.  153 
A.  2.  Dafs  auch  im  ersten  Treffen  nach  makedonischer  Art  gerüstete  Krieger 
stehen,  deutet  Livius  dadurch  an,  dafs  er  die  Phalanx  Macedonum  robur  nennt, 
und  Appian  macht  es  durch  die  Bezeichnung  des  ersten  Treffens  als  ntlxaGtai 
noch  deutlicher.  Denn  die  niliaoxai  sind  ebenso  wie  die  Sarissophoren  Make- 
donien 

2)  Liv.  a.  a.  0.:  ab  dextro  Macedonibus  ad  ipsum  munimentorum  finem  .  .  . 
elephantos  cum  adsueto  praesidio  posuit,  post  eos  equites,  tum  modico  intervallo 
relicto  ceteras  copias  in  seeunda  acie.    Entsprechend  App.  a.  a.  0, 


1.  Thermopylä.  153 

einerseits  der  moralische  Halt  der  Truppen  gestärkt  und  anderseits 
durch  die  positive  Unterstützung  von  Fernwaffen,  die  von  der  Mauer 
und  dem  Walle  aus  über  die  Köpfe  der  eigenen  Soldaten  hin  wirken 
konnten,  deren  Verteidigung  im  freien  Felde  erleichtert  werden.  Die 
Flankierung  endlich  mufste  den  Angriff  des  Gegners  von  Anfang  an 
hemmen  und  konnte  nach  Abweisung  des  Angritfes  bei  der  Verfolgung 
die  wesentlichsten  Dienste  leisten. 

Der  Disposition  entsprach  zunächst  auch  der  Verlauf  voll- 
ständig. 

Der  erste  Angriff  der  Römer  auf  die  Peltasten  des  Zentrums 
wurde  mit  Hilfe  der  Flankierungstruppen  abgeschlagen,  und  erst  ein 
zweiter  Vorstofs  der  mit  schmaler  Front  und  grofser  Tiefe  aufgestellten 
Manipeln  zwang  das  erste  Treffen,  sich  in  die  Verschanzung  hinter 
die  Phalanx  zurückzuziehen  ').  Diese  letztere  nahm  nunmehr  den  An- 
griff der  Römer  auf  ihrem  niedrigen  Erdwalle  stehend  an2),  natürlich 
auch  ihrerseits  von  den  leichten  Truppen  der  Flanke  und  der  Be- 
satzung der  Mauer  und  des  Walles  hinter  sich  unterstützt.    Sie  liefs 


')  App.  Syr.  19:  tu  fxhv  nocHia  tov  Maviov  ol  xpiXol  navtuyödtv  IniTQS- 
%ov7£g  iXvnovv  Infi  dt  autoiig  (fi  Ion  ovo)  g  öf/o/Liti'og  xal  KVa%o)QO)V  xal  ctvOig 
inicjv  froeiparo,  roig  /utv  xpiXohg  fj  (falayi;  ij  jwv  Mcc/.e66ro)V  .  .  Höti-aro.  Ent- 
sprechend, aber  unter  ausdrücklicher  Erwähnung  der  Flankentruppen  Liv.  36, 18,  5: 
Macedones  pro  vallo  locati  primo  facile  sustiaebant  Romanos  .  .  .  multum  adiu- 
vantibus,  qui  ex  loco  superiore  fundis  velut  nimburn  glandis  et  sagittas  simul 
ac  iacula  ingerebant. 

2)  Dafs  die  Phalanx  von  Anfang  an  auf  dem  ersten  Walle  gestanden  hat, 
ist  nirgends  ausdrücklich  bezeugt.  Die  Ausdrücke  des  Livius  circa  ipsas  muni- 
tiones  und  des  Appian  tiqo  tov  aTncaontdov  (s.  S.  152  A.  1)  sind,  der  militärischen 
Ungenauigkeit  dieser  Schriftsteller  entsprechend,  zu  allgemein.  Ja,  es  scheint  nach 
dem  Berichte  des  Livius  „(Macedones)  pulsi  loco  intra  munitiones  .  .  concesserunt" 
sogar,  als  ob  von  einem  Zurückweichen  der  Phalanx  die  Rede  wäre.  Indessen 
wirft  Livius  in  seinem  summarischen  Bericht  den  Kampf  des  ersten  Treffens,  der 
makedonischen  (s.  S.  152  A.  1)  Peltasten  mit  dem  des  zweiten  zusammen.  Nach 
dem  hier  genaueren  Appian  bezieht  sich  die  Rückzugsbewegung  nur  auf  das  erste 
Treffen,  die  Phalanx  dagegen  läfst  die  leichten  Truppen  durch  und  hält  ihren 
Standort  fest:  rovg  /utv  xpiXovg  r\  (fcckayi;  Idti-aio  xal  Gvvtldovöct  l/.akvxpe.  xcu  zag 
aaoiooag  iv  la'^et  nv/.iug  nQovßälovio.  Es  ist  in  dieser  genauen  Beschreibung 
einer  taktischen  Detailbewegung  die  Vorlage  des  in  solchen  Dingen  bekanntlich 
pedantisch  genauen  Polybios  nicht  zu  verkennen.  Der  Standort  der  Phalanx  ist 
aber  nach  Livius  eben  der  Wall.  Über  die  Berechtigung,  die  zwei  Schlachtberichte 
in  dieser  Weise  auseinander  zu  ergänzen,  s.  S.  149  A.  3. 


154  Der  Syrisch-römische  Krieg. 

den  Sturm  der  Römer  in  fester  Haltung  und  unter  grofsem  Verlust 
der  Gegner  an  sich  abprallen1). 

Ein  Ausgang  war  nicht  abzusehen,  als  das  Erscheinen  Catos  im 
Rücken  der  ganzen  Verteidigungsstellung  die  Katastrophe  herbei- 
führte. Cato  hatte  die  Ätoler  auf  Kallidromon  überrascht  und  über- 
wältigt und  kam  den  Anopäapfad  hinunter.  Eine  wilde  Panik  brach 
über  das  Heer  des  Königs  herein.  Nur  ein  geringer  Teil  soll  nach 
Chalkis  entkommen  sein. 

2.  Magnesia. 

1.    Der  Feldzug  bis  zum  Übergang  der  Römer  über  den 

Hellespont. 

Nach  der  Schlacht  von  Thermopylä  finden  wir  den  Krieg  nach 
Asien  verlegt,  und  die  endgültige  Entscheidung  fällt  bei  Magnesia 
am  Sipylos. 

Die  dazwischenliegenden  Ereignisse  sind  oft  und  gut  erzählt2), 
und  so  ist  es  hier  nur  nötig,  unter  Berichtigung  einzelner  militärisch 
irrtümlicher  Auffassungen,  das  strategisch  und  taktisch  Charakteristi- 
sche der  ganzen  Lage  und  der  einzelnen  Operationen  hervorzuheben. 

Der  Rückzug  des  Antiochos  war  nach  der  Seefestung  Chalkis, 
seinem  Hauptstützpunkt  in  Griechenland,  gegangen,  und  hier  hatte  er 
sich  unbelästigt  durch  die  Römer  einschiffen  können.  Das  römische 
Landheer  war  nicht  schnell  genug  gefolgt,  und  die  Flotte,  welche 
kurz  vorher  einen  Lebensmitteltransport  abgefangen  hatte,  mit  dessen 
Bergung  in  Athen  beschäftigt,  übrigens  auch  zu  schwach  —  sie  be- 
stand aus  nur  25  Deckschiffen3)  —  um  etwas  Ernstliches  zu  unter- 
nehmen. 

Ganz  Mittelgriechenland  unterwarf  sich  nach  dem  Siege  den 
Römern  bis  auf  die  Ätoler,  deren  Bekämpfung  den  Rest  des  Sommers 
191  und  noch  den  Anfang  des  folgenden  Frühlings  in  Anspruch  nahm. 


x)  Liv.  36,  18,  8 :  multi  temere  subeuntes  vallum  transfixi  sunt,  et  aut  in- 
cepto  irrito  recessissent  aut  plures  cecidissent,  ni  M.  Porcius  etc.  Ebenso  Frontin 
II  4,  4:  iniquitatibus  loci  non  invitus  tantum  sed  cum  iactura  quoque  repulsus 
esset,  nisi  .  .  Cato  usw. 

2)  Mommsen,  Rom.  Gesch.  I  732  f. ;  Niese  II  2,  707  ff. 

8)  Liv.  36,  42,  7.  An  einer  früheren  Stelle  (Liv.  35,  37,  3)  ist  sie  auf 
24  Quinqueremen  angegeben.  Die  neue  Flotte  unter  C.  Livius  stand  noch  bei 
Kerkyra.     Liv.  ib.  §  4. 


2.  Magnesia.  155 

Dann  kam  ein  Waffenstillstand  auf  6  Monate  zustande,  welcher  es 
dem  neuen  Oberbefehlshaber  L.  Scipio  und  seinem  Bruder,  dem  Sieger 
von  Zama,  ermöglichte,  den  Marsch  durch  Thessalien,  Makedonien 
und  Thrakien  nach  dem  Hellespont  anzutreten.  Über  den  Beginn 
dieses  Marsches  und  seine  Durchführung  im  einzelnen  ist  nichts  Ge- 
naueres bekannt.  Er  endete  um  den  12.  November  190,  um  welche 
Zeit  man  in  Sestos  am  Hellespont  anlangte1). 

Die  Länge  dieses  Marsches  beträgt  von  Amphissa  bis  Sestos 
etwa  798  Kilometer.  Rechnet  man  hinzu,  dafs  ein  Teil  der  römischen 
Truppen  in  demselben  Sommer  schon  den  Marsch  von  Apollonia  nach 
Amphissa  mit  490  Kilometern  zurückgelegt  hatte,  und  dafs  die  ganze 
Armee  bis  auf  das  Schlachtfeld  von  Magnesia  in  Kleinasien  vom 
Hellespont  aus  noch  weitere  389  Kilometer  zu  marschieren  hatte,  so 
ergeben  sich  für  diesen  Feldzug  1677  Kilometer,  ein  Resultat,  welches 
sich  den  Marschleistungen  in  den  meisten  Feldzügen  Alexanders  des 
Grofsen  würdig  an  die  Seite  stellen  kann2). 

Indessen  war  aber  der  Krieg  zur  See  schon  im  Jahre  191  nach 
Asien  hinübergetragen  worden. 

Der  neue  Flottenkommandant  Livius  war  mit  einer  sehr  be- 
trächtlichen Verstärkung  von  56  Deckschiffen  und  einer  Anzahl 
kleinerer  Fahrzeuge  in  Athen  angekommen  und  hatte  sich  nach  Über- 


1)  Nach  dem  Übergang  über  den  Hellespont  hatte  das  Heer  „aliquamdiu 
stativa  ad  Hellespontum,  quia  dies  forte,  quibus  ancilia  moventur,  religiosi  ad  iter 
inciderant"  (Liv.  37,  33,  6).  Scipio  war  schon  diesseits  des  Hellespontes  zurück- 
geblieben, weil  er  als  Salier  „propiore  etiam  religione"  gehalten  wurde.  Diese 
Tatsachen  hat  Matzat  S.  204  in  scharfsinniger  Weise  so  gedeutet,  dafs  Scipio  schon 
seit  dem  Feste  des  regifugium  zurückgeblieben  sei,  d.  h.  fünf  Tage  vor  dem  1.  März, 
während  das  Heer  selbst  erst  vom  1.  März  an  den  Marsch  eingestellt  habe.  Da- 
nach wäre  der  Übergang  über  den  Hellespont  zwischen  dem  24.  des  Intercalaris 
und  1.  März,  d.  h.  nach  unserem  Kalender  zwischen  12.  und  16.  November,  erfolgt 
(s.  oben  S.  112).  Denn  dies  Jahr  war  ein  Schaltjahr,  weil  das  vorige,  das  Konsulats- 
jahr des  Glabrio,  keines  war  (s.  Beilage  III  S.  222  A.  2).  —  Über  Nieses  Widerspruch 
vergleiche  man  oben  S.  112;  seine  Berufung  auf  Wissowa  (Marquardt-Wissowa, 
Hdb.  der  römischen  Altertümer,  Staatsverw.  Bd.  III  437  A.  1)  ist  deshalb  ohne  Be- 
weiskraft, weil  Wissowas  Vermutung,  dafs  auch  die  Oktoberzeit  für  religiosum  ad 
iter  gegolten  habe,  sich  nur  auf  unseren  Fall  stützt. 

2)  Entfernungen  auf  der  österr.  Karte  von  Mitteleuropa  1  :  300000  gemessen. 
—  Die  Marschleistungen  in  den  Feldzügen  Alexanders  schwanken  (nach  York  von 
Wartenburg,  Übersicht  d.  Feldzüge  Alexanders  d.  Gr.  1897)  in  den  einzelnen  Jahren 
zwischen  1420  und  2180  Kilometern. 


156  ^er  Syrisch-römische  Krieg. 

nähme  des  alten  Geschwaders  von  dort  aus  an  der  Spitze  der  achtung- 
gebietenden Seemacht  von  81  Deckschiffen  und  etwa  25  kleineren 
Fahrzeugen  über  Delos  nach  Asien  in  Bewegung  gesetzt1).  Die  Sache 
dieser  Flotte  konnte  es  nicht  sein,  selber  die  Entscheidung  in  einem 
Kriege  zu  geben,  in  welchem  beide  kriegführende  Mächte  im  wesent- 
lichen Landmächte  waren.  Aber  sie  hatte  die  Aufgabe,  die  Möglich- 
keit dieser  Entscheidung  herbeizuführen.  Denn  ohne  Beherrschung 
des  Meeres  war  es  für  die  Römer  unausführbar,  über  den  Hellespont 
zu  kommen,  und  ohne  das  nicht  möglich,  den  König  niederzuwerfen. 
Da  die  römische  Flotte  für  sich  allein  der  des  Gegners  numerisch 
kaum  gewachsen  und  an  Seetüchtigkeit  und  Lokalkenntnis  unterlegen 
war,  so  bestand,  wenn  man  die  See  beherrschen  wollte,  in  der  Ver- 
einigung mit  den  seekräftigen  Verbündeten  Roms  in  Kleinasien  die 
erste  Vorbedingung  für  den  Erfolg.  Aber  darin  lag  eine  grofse 
Schwierigkeit. 

Das  Hauptquartier  der  syrischen  Flotte,  wo  beim  Herannahen 
der  Römer  die  ganze  Seemacht  zusammengezogen  wurde2),  war 
Ephesos,  fast  in  der  Mitte  der  kleinasiatischen  Westküste  gelegen. 
Auf  den  entgegengesetzten  Seiten  dieses  Standquartieres  lagen 
die  Rom  verbündeten  Seestaaten,  im  Norden  Pergamon,  im  Süden 
Rhodos.  Jeder  dieser  beiden  Staaten  verfügte  über  eine  ansehnliche 
Marine  von  30  und  mehr  Deckschiffen  und  über  das,  was  den  Römern 
besonders  abging:  Kenntnis  des  griechischen  Seewesens  und  der 
asiatischen  Gewässer3).     Mit   ihnen   vereint   konnten  die  Römer  des 


*)  Liv.  36,  42  nach  Polybios.  Seine  Flotte  bestand  aus  50  römischen  und 
6  karthagischen  Deckschiffen  (§  1  —  2),  dazu  kamen  die  25  der  alten  Flotte  (§  7) 
in  Athen,  so  dafs  er  una  et  octoginta  constratis  navibus  nach  Delos  (§  8.  App. 
Syr.  22)  fährt.  Unter  ihuen  haben  wir  zum  grofsen  Teil  grofse  Schlachtschiffe,  zum 
Teil  Trieren  zu  verstehen,  wie  z.  B.  die  beiden  Liv.  37,  13,  11  erwähnten  Schiffe 
italischer  Bundesgenossen  solche  waren.  Die  Zahl  der  offenen  Schiffe  ergibt  S.  157 
A.  4.  Wenn  es  von  der  Flotte  heifst,  dafs  multae  minores  dabei  gewesen,  so  ist 
das  vollkommen  richtig.  Für  eine  römische  Flotte,  die  überwiegend  aus  Quinque- 
remen  zu  bestehen  pflegte  (vergl.  Liv.  35.  20,  12;  21,  1;  24,  8;  37,  4,  5  u.  sonst), 
sind  fast  |  kleine  Schiffe  viel. 

2)  Liv.  36,  43,  3:  (rex)  omissis,  quae  in  Hellesponto  agebat,  cum  rostratis 
navibus  .  .  .  Ephesum  redit. 

3)  Über  die  Marine  von  Pergamon  s.  S.  157  A.  4,  über  die  von  Rhodos 
S.  157  A.  3  und  S.  159.  Liv.  37,  43,  5:  se  —  die  Syrer  —  omnibus  superiores 
et    celeritate   navium    et   varietate   auxiliorum:   nam  Romanas  naves  ,  .  .  inscite 


2.  Magnesia»  ]57 

Sieges  gewifs  sein.  Um  so  mehr  mufste  Antiochos  versuchen,  die 
Flotten  einzeln  zu  schlagen. 

Danach  handelte  sein  Admiral  Polyxenidas,  wenn  er  den  von 
Delos  heransegelnden  Römern  auflauerte1).  Aber  es  glückte  der  römi- 
schen Flotte  —  es  ist  nicht  ganz  aufgeklärt  wie  —  die  Insel  Chios 
zu  erreichen  und,  durch  den  Kanal  zwischen  ihr  und  dem  Festlande 
nordwärts  steuernd,  ihre  Vereinigung  mit  der  pergamenischen  Flotte 
bei  Phokäa  zu  bewerkstelligen2). 

Nun  richteten  die  vereinigten  Geschwader  ihren  Kurs  wieder 
nach  Süden,  um  auch  die  Verbindung  mit  den  Rhodiern,  welche  von 
der  Ankunft  der  Römer  unterrichtet  und  schon  mit  27  Schiffen3)  im 
Anzüge  waren,  zu  verwirklichen.  Aber  jetzt  stellte  sich  Polyxenidas 
ihnen  an  der  Küste  der  Erythräischen  Halbinsel  bei  Kissus  in  den  Weg. 
Er  war  den  Gegnern  jetzt  noch  gerade  gewachsen.  Den  105  Deck- 
schiffen der  Römer  und  Pergamener  und  ihren  50  kleineren  Fahr- 
zeugen hatte  er  zwar  nur  70  Deck-,  aber  dafür  über  100  offene 
Schiffe  entgegenzustellen4).    Er  erlag  in  der  Schlacht  und  mufste  sich 


factas  immobiles  esse  .  .  .  multum  etiam  adiuturam  iiotitiam  maris  terrarumque  et 
ventorum. 

1)  Liv.  ib.  4:  utique  prius  confligendum  quam  classis  Eumenis  et  Rhodiae 
naves  comungerentur  Romanis. 

2)  Liv.  36,  43,  1 1  f.  Polyxenidas  lag  nach  Livius  bei  Kissus,  dessen  Lage 
auf  der  Erythräischen  Halbinsel  (portum  Erythraeorum  nennt  es  Livius)  feststeht, 
aber  sonst  nicht  genauer  bekannt  ist.  Die  Ansetzung  Kieperts  (formae  orbis  IX) 
gegenüber  Chios  ist  deshalb  unwahrscheinlich,  weil  man  nicht  begreift,  wie  die 
römische  Flotte,  welche  von  Süden  her  in  den  Kanal  einfuhr  (Phanas  .  .  petunt, 
inde  ad  urbem  circumegere)  in  dem  dort  nur  etwa  10  Kilometer  breiten  Sunde 
unbelästigt  an  der  syrischen  Flotte  vorbeikommen  konnte. 

3)  So  Appian  Syr.  22.     Livius  gibt  36,45,5:  25  tectae  au. 

4)  Die  Zahl  der  römischen  Schiffe  gibt  Livius  36,  43,  13.  Der  Zuwachs 
stammt  von  den  Pergamenero,  welche  nach  Livius  (ib.  12)  mit  24  Deckschiffen 
und  apertis  paulo  pluribus,  nach  Appian  (Syr.  22)  mit  50  Schiffen,  von  denen  die 
Hälfte  Deckschiffe  sind,  zu  den  Römern  stofsen.  Die  Nachrichten  stützen  sich 
gerade  bei  der  Verschiedenheit  ihrer  Form  und  inhaltlichen  Übereinstimmung 
gegenseitig.  Daraus  ergibt  sich  denn  auch,  dafs  die  römische  Flotte  allein  etwa 
25  offene  Schiffe  gehabt  hatte.  Die  Stärke  der  syrischen  Flotte  wird  von  Livius 
36,  43,  3  auf  100  Schiffe  mit  Einschlufs  von  70  tectae,  von  Appian  (Syr.  22)  im 
ganzen  auf  200,  xovtporsQai  tcüv  nokt/uicüv  naQa  nolv,  angegeben.  Man  folgt  ge- 
wöhnlich Livius  (Nissen  187,  Niese  719);  ohne  Zweifel  mit  Unrecht:  mit  70  Deck- 
und  30  offenen  Schiffen  kann  man  nicht  „occasione  pugnandi  laetus"  105  Deck- 
und  50  offenen  Schiffen  entgegentreten.    Die  geringere  Zahl  der  Deckschiffe  mufste 


158  Der  Syrisch-römische  Krieg. 

mit  Verlust  von  23  Schiffen  in  den  Hafen  von  Ephesos  zurückziehen. 
(September  191  s.  Beilage  III  S.  227). 

Der  Vereinigung  mit  den  Rhodiern  stand  jetzt  nichts  mehr  im 
Wege;  vor  dem  Hafen  von  Ephesos,  boten  die  vereinigten  Flotten 
noch  einmal  demonstrativ  die  Schlacht  an  und  bewiesen  durch  die 
Weigerung  der  Gegner  ihre  offenkundige  Beherrschung  der  See. 

Die  Aufgabe  der  Flotte  schien  gelöst:  Die  Zusammenziehung 
der  syrischen  Seekräfte  bei  Ephesos  hatte,  vom  ersten  Erscheinen  der 
Römer  an,  die  hellespontischen  Gewässer  freigemacht,  jetzt  lag  das 
einzige  Geschwader,  über  welches  der  König  verfügte,  hier  im  Hafen, 
unfähig,  selbst  den  unmittelbar  anstofsenclen  Meerbusen  zu  beherrschen. 
Aber  das  Festhalten  des  Gewonnenen  war  auch  hier  schwerer  als  das 
Gewinnen  selber. 

Als  mit  dem  Eintritt  der  schlechten  Jahreszeit  die  vereinigten 
Flotten  sich  getrennt  hatten  und  in  die  Winterquartiere  gegangen 
waren,  rüstete  Antiochos  nicht  nur  in  Ephesos  mit  aller  Macht,  so 
dafs  er  seine  Seemacht  daselbst  trotz  der  Verluste  bei  Kissus  auf 
90  Deckschiffe  z.  T.  gröfsten  Kalibers  brachte1),  sondern  er  liefs  auch 
in  Syrien  ein  neues  Geschwader  zusammenziehen,  welches  im  Früh- 
linge unter  Hannibals  Führung,  37  grofse  Schiffe  und  10  Trieren 
stark2),  von  Süden  her  zu  der  Flotte  in  Ephesos  stofsen  sollte. 

So  ergab  sich  für  die  Verbündeten  eine  dreifache  Aufgabe. 
Man  mufste  die  Blockade  der  königlichen  Flotte  in  Ephesos  aufrecht 
erhalten,  man  mufste  der  Entsatzflotte  Hannibals  entgegentreten,  und 


durch  eine  beträchtlich  höhere  der  kleinen  Schiffe  aufgewogen  werden,  wenn  über- 
haupt eine  Chance  des  Sieges  vorhanden  sein  sollte.  Dazu  kommt,  dafs  der  Cha- 
rakter der  Flotte  als  aus  überwiegend  leichten  Schiffen  bestehend  nicht  nur  an 
der  angeführten  Stelle,  sondern  auch  sonst  von  Appian  (Syr.  22  Ende)  und  Livius 
(36,  45,  3;  ferner  43,  6:  Romanas  naves  inscite  factas  immobiles  esse.  43,  8:  sind 
die  syrischen  Schiffe  minoris  omnes  formae)  übereinstimmend  hervorgehoben 
wird.  Endlich  ist  eine  Zahl  von  30  leichten  Schiffen  für  die  ganze  bei  Ephesos 
konzentrierte  Seemacht  des  Königs  überhaupt  viel  zu  klein.  Bei  seiner  Landung 
in  Griechenland  im  Jahre  192,  wo  nur  ein  Teil  der  Flotte  —  40  naves  tectae  — 
zugegen  war,  hatte  der  König  allein  60  apertae  bei  sich  (Liv.  35,  43,  3).  Es  ist 
daher  wohl  nach  Sigonius'  Vermutung  statt  C  bei  Livius  CC  zu  schreiben. 

J)  Antiochos  hatte  in  der  Schlacht  bei  Myonnesos  90  (Liv.  37,  30,  1)  oder 
89  (App.  Syr.  27)  Deckschiffe,  darunter  5  gröfsten  Kalibers,  Hexeren  und  Hepteren. 
Die  Erfahrungen  von  Kissus  werden  diesen  Systemwechsel  hervorgebracht  haben. 

2)  Liv.  37,  23,  5.    Auch  bei  dieser  Flotte  waren  3  Hepteren  und  4  Hexeren. 


2.  Magnesia.  159 

man  mufste  drittens  die  nötigen  Schiffe  erübrigen,  um  die  römische 
Armee  über  den  Hellespont  zu  setzen. 

Allen  diesen  Anforderungen  gerecht  zu  werden  ist  besonders 
durch  die  aufopfernde  Tätigkeit  der  Rhodier  gelungen1). 

Obgleich  fast  ihr  ganzes  Hilfsgeschwader  von  36  Schiffen  im 
Frühling  190  noch  vor  seiner  Vereinigung  mit  der  römisch-perga- 
menischen  Flotte  auf  Samos  überfallen  und  vernichtet  wurde2),  er- 
setzten sie  nicht  nur  augenblicklich  diesen  Verlust  so  gut  es  ging 
und  erschienen  mit  einem  Ersatz  von  23  Schiffen  wieder  im  Felde3), 
sondern  sie  übernahmen  auch  wenige  Monate  später  allein  die  Ab- 
wehr der  Entsatzflotte  Hannibals,  indem  sie  derselben  unter  Auf- 
bietung aller  ihrer  Kräfte  mit  36  ihrer  eigenen  und  mehreren  bundes- 
genössischen  Schiffen4)  an  der  Südküste  Kleinasiens  weit  nach  Osten 
bis  zum  Eurymedonflusse  entgegenfuhren  und  sie  in  harter  Schlacht 
schlugen  (Mittsommer  190,  Liv.  37,  23,  2  f.). 

Man  mufs  diese  Schlacht  und  nicht  die  weit  mehr  gefeierte 
spätere    von    Myonnesos    als    den    Wendepunkt    des    ganzen    See- 


x)  s.  auch  v.  Gelder,  Gesch.  d.  alten  Rhodier  S.  134  ff. 

2)  Die  Gröfse  der  Flotte  bei  Livius  37,  9,  5.  Es  retten  sich  nur  7  Schiffe 
(Liv.  37,  11,  13;  App.  Syr.  24).  Dafs  nach  Appian  ib.  nur  20  von  den  Syrern 
erbeutet  werden,  widerspricht  natürlich  der  Gesamtzahl,  wie  sie  Livius  gibt,  nicht. 
Die  übrigen  waren  eben  im  Kampfe  vernichtet:  ol  /uh  ikriip&rjöav,  ot  d"  ancolovro. 
Van  Gelder  (S.  136  A.  2)  verwirft  daher  ohne  Grund  die  Livianische  Angabe. 

3)  Zwanzig  stofsen  zur  Hauptflotte  (Liv.  37,  12,  9;  App.  Syr.  25).  Drei  be- 
teiligen sich  noch  aufserdem  an  einer  Nebenexpedition  nach  Lykien  (Liv.  37,  16,  3). 

4)  Liv.  37,  23,  4.  Es  waren  32  Quadriremen  und  4  Triremen,  eine  wertvolle 
Notiz,  welche  zeigt,  dafs  die  Rhodier  im  wesentlichen  mittelgrofse  Schiffe  bauten. 
Diese  36  Schiffe  waren  lauter  rhodische  und  bestanden  aus  einem  Geschwader  von 
17  Schiffen,  mit  dem  Pamphilidas  von  Rhodos  aus  in  See  gestochen  war  (Liv. 
37,22,3),  aus  13  Schiffen  des  Eudamos,  die  von  der  römischen  Flotte  detachiert 
waren  (ib.  22,  2),  und  6  apertae,  die  man  ihm  in  Rhodos  noch  dazu  gegeben  hatte 
(ib.  5).  In  derselben  Zeit  waren  nur  noch  3  rhodische  Schiffe  bei  der  römischen 
Flotte,  da  von  den  20  ursprünglich  dorthin  geschickten  Schiffen  (vor.  A.)  erst  4 
(Liv.  37,  16,  1.  13)  und  dann  die  13  mit  Eudamos  detachiert  worden  waren.  Die 
Gesamtsumme  der  Schiffe,  welche  die  Rhodier  damals  in  See  hatten,  betrug  also  39. 
Damit  waren  sie  aber  auch  an  der  Grenze  ihrer  Leistungsfähigkeit  angekommen. 
Das  zeigt  der  Umstand,  dafs  unter  ihren  36  Quadriremen  und  Trieren  6  apertae 
waren.  Auch  sonst  hat  Rhodos  in  äufserster  Not  nicht  mehr  Schiffe  aufzubringen 
vermocht  (vergl.  meine  Entwickl.  d.  röm.  Flotte,  Philol.  LVI  S.  479).  —  Die  im 
Gefolge  der  Rhodier  kämpfenden  kleinen  Kontingente,  wie  die  zwei  Quinqueremen 
von  Kos  und  Knidos  (Liv.  37,  22,  2),  sind  im  Schlachtbericht  übergangen. 


160  Der  Syrisch-römische  Krieg. 

krieges  betrachten.  Denn  mit  der  Vereitelung  der  Konzentration 
der  syrischen  Seekräfte  waren  die  Versuche  des  Königs,  eine  den 
Gegnern  ebenbürtige  Macht  in  See  zu  stellen,  im  Grunde  schon 
gescheitert.  Allerdings  mufste  auch  noch  nach  dem  Siege  am 
Eurymedon  ein  beträchtlicher  Teil  der  rhodischen  Flotte  zur  Beob- 
achtung Hannibals  detachiert  bleiben,  und  so  war  es  möglich,  dafs 
der  König  noch  einen  letzten  Versuch  machte,  die  Blockade  von 
Ephesos  zu  sprengen. 

Als  nämlich  gegen  Herbst  des  Jahres  das  pergamenische  und 
ein  Teil  des  römischen  Geschwaders  nach  dem  Hellespont  abgegangen 
waren,  um  den  Übergang  der  Scipionen  vorzubereiten,  und  daher  die 
Römer  mit  einem  Teile  der  Rhodier,  nur  noch  etwa  80  Deckschiffe 
stark,  im  Busen  von  Ephesos  kreuzten,  versuchte  Polyxenidas  sie  mit 
seiner  jetzt  sogar  etwas  stärkeren  Flotte  von  90  Deckschiffen  bei 
Teos  zu  überfallen1).  Sein  geschickt  angelegter  Plan  wurde  durch 
einen  Zufall  verraten,  die  Römer  gewannen  noch  rechtzeitig  die  hohe 
See,  und  das  Schlachtenglück  entschied  beim  Vorgebirge  Myonnesos 
nach  heftigem  Ringen  zum  dritten  Male  für  die  römische  Sache.  Mit 
Verlust  von  42  Schiffen,  fast  der  halben  Flotte,  rettete  sich  Poly- 
xenidas in  den  Hafen  von  Ephesos. 

Dem  Übergang  über  den  Hellespont,  der  an  und  für  sich  keine 
militärische  Schwierigkeit  bietet,  stand  jetzt  überhaupt  kein  Hindernis 
mehr  im  Wege. 

Antiochos  zog  sofort  die  Konsequenz  aus  dieser  neuen  Lage. 
Hatte  er  bisher  noch  in  Europa  festen  Fufs  behalten,  namentlich 
seine  Neugründung  Lysimachea,  welche  den  Zugang  zum  Chersonnes 
und  damit  zum  Hellespont  deckte,  behauptet,  so  zog  er  jetzt  diesen 
nutzlos  gewordenenen  Vorposten  ein,  um  alle  Kräfte  zur  Entscheidung 


')  Die  römische  Flotte  wird  von  Livius  (37,  30,  1)  auf  80  Schiffe  mit  Ein- 
schlufs  von  22  rhodischen,  von  Appian  um  3  Schiffe  höher  angegeben.  Da  die 
Römer  im  Vorjahre  allein  81  Deckschiffe  gehabt  hatten  und  mit  dem  neuen 
Flottenkommandanten  Ämilius  noch  zwei  dazu  gekommen  waren  (Liv.  37,  14,  2), 
so  mufs  jetzt  ein  Teil  ihrer  Flotte  detachiert  gewesen  sein,  wahrscheinlich,  wie 
im  Text  vermutet,  in  den  Hellespont.  Dafür  scheint  man  von  den  24  Schiffen, 
welche  bei  Patara  zur  Beobachtung  Hannibals  zurückgelassen  waren  (Liv.  37,  24, 12; 
25,  3),  einige  zur  Hauptflotte  gezogen  zu  haben.  Die  Schiffe  von  Mytilene,  Erythräa. 
Smyrna,  Kos,  Knidos,  welche  gelegentlich  (Liv.  37,  12,  5;  13,14;  16,1;  11,12; 
22,  1)  erwähnt  werden,  sind  wohl  bei  den  22  rhodischen  einbegriffen.  —  Über  die 
syrische  Flotte  s.  S.  158  A.  1. 


2.  Magnesia.  1Q\ 

in  Asien  zusammenzuhalten.  Man  hat  diese  Mafsregel  bisher  durch- 
gehends  als  eine  arge  Verkehrtheit  getadelt1)  und  gemeint,  Antiochos 
habe  die  Römer  vor  der  Stadt  bis  in  das  nächste  Jahr  hinein  hin- 
ziehen können,  sie  daher  halten  und  zugleich  die  Hellespontlinie  ver- 
teidigen müssen. 

Das  Verfahren  des  Königs  hat  man  im  Altertum  nicht 
anders  als  durch  göttliche  Verblendung2),  in  unserer  Zeit  durch 
„Scipios  wunderbares  Glück"  erklären  zu  müssen  geglaubt,  welches 
„alle  Schwierigkeiten  vor  ihm  aus  dem  Wege  geräumt  habe"3). 

Militärisch  betrachtet  sieht  die  Sache  ganz  anders  aus.  Für 
einen  seemächtigen  Gegner  war  Lysimachea  überhaupt  kein  ernst- 
liches Hindernis.  Man  konnte  daran  vorbeigehen.  Es  liegt  mehrere 
Kilometer  vom  Golf  von  Xeros  und  vom  Hellespont  entfernt,  eine 
Entfernung,  welche  bei  den  antiken  Verhältnissen  nur  durch  eine 
Verteidigungsstellung  einer  Feldarmee  gesperrt  werden  konnte4). 
Aber  selbst  wenn  das  nicht  möglich  gewesen  sein  sollte,  so  konnte 
man  es  rechts  liegen  lassen  und  es  zur  See  umgehen.  Die  perga- 
menische,  rhodische  und  der  gröfste  Teil  der  römischen  Flotte  standen 
zur  Überführung  von  Tiristasis  nach  Parion  ebensogut  wie  von  Sestos 
nach  Lampsakos  in  Bereitschaft.     Die  Festung  im  Rücken  zu  lassen, 


1)  Niese  a.  a.  0.  737:  Man  hat  es  stets  und  mit  Recht  als  eine  der  gröfsten 
Torheiten  betrachtet,  dafs  er  diesen  wichtigen  Waffenplatz  .  .  räumte  und  so  ohne 
Schwertstreich  den  Römern  die  Strafse  nach  Asien  öffnete. 

2)  App.  Syr.  28:  £xTaQaoo6/j.ev6g  T€  y.al  &tov  ßXariTovTog  fjd/7  roug  koyiatuovg. 
In  dieser  Verblendung  soll  er  erst  Lysimachea  geräumt  und  alles  Heil  nur  in 
derJVerteidigung  des  Hellespontüberganges  gesehen  haben  (ttjv  komr\v  hi  tkniöa 
rov  7ioke[xov  Tiuaav  £v  rovico  Tifrtusvog);  dann  soll  er  aber  in  einer  zweiten  Ver- 
blendung auch  den  nicht  verteidigt,  sondern  sich  ins  Innere  zurückgezogen  haben 
(oiTS  ibv  öiänlovv  ItpvXagEV  vnb  d-toßkaßsiag  usw.).  Ähnlich  ist  das  Urteil  auch: 
App.  Syr.  37  und,  wenn  auch  nicht  so  prononziert,  bei  Livius  37,  31,  2. 

3)  So  Mommsen,  der,  Rom.  Gesch.  I,  im  Anschlufs  daran  hinzufügt:  Auf 
die  Kunde  von  der  Schlacht  von  Myonnesos  verlor  Antiochos  so  vollständig  den 
Kopf,  dafs  er  in  Europa  die  stark  besetzte  und  verproviantierte  Festung  Lysi- 
macheia  .  .  .  räumen  liefs  .  .  am  asiatischen  Ufer  aber  der  Landung  der  Römer 
nicht  den  geringsten  Widerstand  entgegensetzte,  sondern  während  derselben  sich 
in  Sardes  damit  die  Zeit  vertrieb  auf  das  Schicksal  zu  schelten  usw. 

4)  Nach  der  Kiepertschen  Karte  von  Kleinasien  ist  die  Ruinenstätte  von 
Lysimachea  bei  Hexamili  etwa  5  Kilometer  von  beiden  Meeren  entfernt.  Ohne 
lange  Mauern  war  das  nicht  zu  beherrschen  und  mit  langen  Mauern  nur  bei 
einer  sehr  grofsen  Besatzung. 

Kromayer,  Antike  Schlachtfelder.    II. 


162  Der  Syrisch-römische  Krieg. 

hatte  gleichfalls  keine  Bedenklichkeit.  Denn  auf  die  Verbindung  mit 
Thrakien  und  mit  dem  eben  zurückgelegten  Wege  als  Etappenstrafse 
war  die  römische  Armee  bei  ihren  Operationen  in  Kleinasien  über- 
haupt nicht  angewiesen.  Hatten  doch  die  Hilfsquellen  Thrakiens  und 
die  mangelhafte  Zufuhr  die  Armee  im  Lande  selber  beim  Durchmarsch 
kaum  vor  dem  Verhungern  geschützt1).  Für  die  Operationen  in  Klein- 
asien war  vielmehr  das  Reich  Pergamon  und  die  Westküste  die  natür- 
liche Basis,  und  die  Verbindung  ging  über  das  Meer  nach  Griechen- 
land.    Alles  das  war  von  dem  Besitze  Lysimacheas  unabhängig. 

Die  Verteidigung  endlich  einer  mehr  als  100  Kilometer  langen 
Wasserstrafse,  wie  der  Hellespont  es  war,  ist  für  ein  Landheer 
ohne  Flotte  gegenüber  einem  seemächtigen  Gegner  überhaupt 
nicht  möglich.  Man  hätte  nicht  alle  Punkte  der  Küste  besetzt 
halten  und  den  Bewegungen  der  Flotte  zu  Lande  nicht  schnell  genug 
folgen  können.  Ein  Tag  oder  ein  halber  genügten,  um  ein  sturm- 
freies Lager  und  damit  einen  Landungsplatz  zu  gewinnen,  ganz  ab- 
gesehen davon,  dafs  die  Römer  bereits  feste  Plätze  auf  der  asiati- 
schen Küste  wie  Lampsakos  (Liv.  35,  42,  2),  Dardanos  und  Rhöteon 
in  ihrem  Besitze  hatten  (Liv.  37,  9,  7).  Dann  wäre  dem  Könige  nichts 
übrig  geblieben,  als  in  dem  gebirgigen  Küstenlande,  welches  seiner 
Hauptwaffe,  seiner  überlegenen  Reiterei,  keine  Entwickelung  bot,  zu 
schlagen  oder  sich,  den  Feind  auf  den  Fersen,  ins  Innere  zurück- 
zuziehen. Es  war  klüger,  lieber  gleich  im  Inneren  zu  bleiben  und 
ein  günstiges  Schlachtfeld  in  Ruhe  auszuwählen2). 

Aber  selbst  wenn  die  Römer  sich  auf  eine  Belagerung  von 
Lysimachea  eingelassen  hätten,  was  hätte  der  Verzug  genützt?  Die 
Stadt,  ohne  Möglichkeit  des  Entsatzes,  war  jedenfalls  verloren  und 
mit  ihr  die  Besatzung,   die  in  der  Schlacht  besser  zu  brauchen  war. 


1)  Liv.  37,  33,  1  -3. 

2)  Aus  Scipios  Bonmot,  dafs  durch  den  Hellespontübergang  dem  Pferde  der 
Zügel  angelegt  und  der  Reiter  aufgesessen  sei  (Pol.  XXI  15,  9),  auf  die  Wichtigkeit 
der  Hellespontverteidigung  zu  schliefsen,  ist  nicht  gerechtfertigt.  Der  Ausspruch 
beweist  nur  das  diplomatische  Bestreben  des  Scipio,  die  schon  gewonnenen  Vor- 
teile als  ausschlaggebend,  die  in  Wahrheit  noch  ausstehende  Entscheidung  mit 
zur  Schau  getragener  Siegesgewifsheit  als  unzweifelhaft  hinzustellen.  Der  Aus- 
spruch zeigt  also  bestenfalls,  wie  Scipio  die  Lage  aufgefafst  zu  sehen  wünschte, 
nicht  wie  sie  war.  Politische,  auf  den  Effekt  berechnete  Äufserurigen  sind  eine 
schlechte  Grundlage  für  militärische  Schlufsfolgerungen. 


2.  Magnesia.  163 

Antiochos  war  mit  seinen  Rüstungen  fertig  und  zum  Schlagen 
bereit.  Schon  im  Laufe  des  Sommers  hatte  er  Zeit  gefunden,  kleine 
Unternehmungen  mit  seiner  Gesamtarmee  gegen  Pergamon  und  Äolis 
zu  machen,  Unternehmungen,  welche  nichts  entscheiden  und  den  Geist 
seiner  Truppen  nicht  heben  konnten1).  Eine  längere  Untätigkeit 
konnte  seinem  Heere  bei  dessen  zusammengewürfeltem  Charakter 
erst  recht  nicht  günstig  sein,  und  weiterer  Zuzug  war  auch  nicht 
zu  erwarten.  Die  östlichen  Provinzen  hatten  ihre  Kontingente  ge- 
schickt, Ariarathes  von  Kappadokien  und  die  Gallier  in  Kleinasien 
waren  gewonnen  und  anwesend,  und  Prusias  von  Bithynien  hatte 
sich  versagt. 

So  mochten  denn  die  Würfel  der  Entscheidung  noch  in  diesem 
Jahre  fallen. 

2.  Der  Feldzug  in  Asien  und  die  Bestimmung  des 

Schlachtfeldes. 

Nach  dem  ohne  alle  Schwierigkeit  bewerkstelligten  Übergang 
über  den  Hellespont  (Liv.  37,  33,  4)  hielt  sich  das  römische  Heer 
fast  noch  einen  Monat  lang,  bis  etwa  zum  13.  Dezember  ruhig  an 
Ort  und  Stelle.  Religiöse  Superstition  war  die  Ursache  dieses  bei 
der  vorgerückten  Jahreszeit  sehr  unzweckmäfsigen  Aufenthaltes2)- 

Endlich  wurde  der  Marsch  angetreten.  Livius  nennt  die  Städte 
Dardanos,  Rhöteon  und  Ilion  als  Orte,  welche  berührt  wurden,  und 
gibt  an,  dafs  man  von  letzterem  Punkte  aus  in  6  Marschtagen  an 
den  Kaikos  gelangte3). 


!)  Belege  bei  Niese  II  731  f. 

2)  Man  vergleiche  darüber  Matzats  eingehende  und  überzeugende  Ausein- 
andersetzung S.  204  und  oben  S.  155  A.  1.  Die  Schlacht  von  Magnesia  fällt  da- 
nach Mitte  Januar  189.  Eine  so  lange  Erstreckung  der  Operationen  in  den  Winter 
hinein  ist  bei  dein  Klima  Westkleinasiens  nicht  unmöglich.  Von  Diest  sagt  da- 
rüber (bei  Petermann,  Ergänzungsheft  94,  1889  S.  1):  „Bis  Ende  Oktober  kann 
man  in  Kleinasien  auf  dauerndes,  trocknes  Wetter  rechnen  mit  einer  Sicherheit, 
die  bei  uns  in  Westeuropa  unbekannt  ist.  Auch  die  Monate  November,  Dezember, 
Januar  eignen  sich  zum  wissenschaftlichen  Reisen  noch  besser  als  Februar,  März, 
April  ...  die  Wege  sind  dann  .  .  zwar  schon  gründlich  durchweicht,  aber  nicht 
so  schwierig  wie  zur  Zeit  der  Schneeschmelze,  wo  Haupt-Landesverbindungen 
tagelang  unterbrochen  sind  wegen  einer  fortgerissenen  Brücke  und  wo  Nebenwege 
oft  selbst  mit  Saumtieren  vollständig  unbegehbar  sind." 

3)  Liv.  37,  37,  1  f.  Dardanum  primum,  deinde  Rhoeteum  .  .  .  venit.  inde 
Ilium  processit  .  .  inde  sextis  castris  ad  caput  Ca'ici  amnis  pervenerunt. 

11* 


164 


Der  Syrisch-römische  Krieg. 


Hierzu  dio 

Karte  No.  6. 

(Beikarte). 


Diese  Angaben,  so  mangelhaft  sie  sind,  genügen,  die  Marsch- 
route festzulegen.  Das  Heer  zog  an  der  Küste  entlang  nach  Süd- 
westen; dann  von  Ilion  aus  an  die  Südküste  der  Troas  und  an  ihr 
hin  bis  Adramyttion.  Endlich  von  da  aus  auf  der  grofsen  Heerstrafse 
wiederum  an  der  Küste  entlang  nach  Süden  bis  an  die  Mündung  des 
Kalikos  bei  Eläa,  dem  Hafenorte  von  Pergamon1). 

Man  hat  dies  letztere  Marschziel  bezweifelt  und  geglaubt,  die 
Römer  seien  direkt  an  die  Quellen  des  Kaikos  nach  dem  heutigen 
Kirkagatsch  marschiert.  Aber  das  ist  aus  geographischen  wie  mili- 
tärischen Gründen  unmöglich.  Die  Quelle  des  Ka'ikos  liegt  nur 
34  Kilometer  von  Thyatira  entfernt,  und  doch  braucht  das  Heer  vom 
caput  Caici  bis  dahin  5  Marschtage2);  und  anderseits  hatten  die 
Römer  keinen  Grund,  gleich  von  Adramyttion  aus  querfeldein  ohne 
eine  grofse  Strafse  ins  Innere  einzubiegen.  Der  König  war  in  Sardes 
zu  vermuten3),  und  man  mufste  so  lange  wie  möglich  die  Verbindung 
mit  dem  Meere  aufrechterhalten.  Aufserdem  war  das  befreundete 
Pergamenische  Reich  mit  seiner  Kernlandschaft,  der  weiten  und 
fruchtbaren  unteren  Kaikosebene  das  natürliche,  erste  Marschziel. 

Der  Küstenstrafse  folgend,  befand  sich  die  Armee  also  auf  dem 


!)  Von  Ilion  aus  konnte  man  entweder  den  Skamander  aufwärts  nach  Ezine 
und  dann  über  Aiwadjyk  bei  der  Skala  Tschibne,  nahe  dem  alten  Gargara  (Judeich, 
Jahresh.  d.  öst.  arch.  Inst.  IV  111  ff.,  1901)  an  die  Südküste  gelangen  oder  über 
Assos  ebendahin  marschieren.  Beide  Wege  sind  unzweifelhaft  im  Altertum  be- 
kannt und  begangen  gewesen  (Tab.  Peut.  IX  2,  3  nennt  Assos ;  It.  Ant.  334  f. 
wie  es  scheint  den  anderen  Weg).  Der  Unterschied  ist  nicht  grofs.  Von  Adra- 
myttion aus  ging  es  dann  auf  dem  Wege,  den  schon  Xerxes  eingeschlagen  hatte, 
an  der  Küste  entlang  ad  caput  Caici  (Liv.  37,  37,  1),  s.  die  folg.  A. 

2)  Man  verstand  unter  den  Worten  des  Livius  (s.  vor.  S.  A.  3)  ad  caput  Calci 
amnis  die  „Quelle  des  Ka'ikos"  (Weifsenborn,  zur  Stelle;  Matzat  S.  205  A.  11). 
Caput  eines  Flusses  bedeutet  aber  auch  oft  die  Mündung  z.  B.  Liv.  33,  41,  7. 
Auch  37,  18,  6  ist  es  trotz  Meischkes  S.  86  und  Nieses  S.  731  Widerspruch  so  zu 
fassen.  Über  den  fünftägigen  Marsch  der  Römer,  s.  S.  166  A.  1.  Die  Quelle  des  Kaikos 
lag  nach  der  Auffassung  der  Alten  in  der  Ebene,  h  ntöCto  (Strabo  XIII  1,  70 
C.  616),  ist  also,  wie  von  Diest  (bei  Petermann  Ergänzungsheft  94.  1889,  S.  18) 
zutreffend  ausführt,  der  Aksu  bei  Kirkagatsch  gewesen,  34  Kilometer  von 
Thyatira.  Aber  auch  wenn  man  die  Quelle  des  Kaikos  bei  Tashbunar  suchen 
wollte,  was  an  sich  ja  möglich  ist  (v.  Diest  a.  a.  0.),  so  wird  das  Resultat  da- 
durch nicht  wesentlich  geändert,  da  Tashbunar  auch  nur  etwas  über  40  Kilometer 
von  Thyatira  abliegt. 

3)  Liv.  37,  37,  3 :  rex  .  .  .  Sardis  reeepit  se,  nach  der  Schlacht  von  Myonnesos. 


2.  Magnesia.  165 

uralten  Heerwege,  welchen  schon  Xerxes  gezogen  war  (Herod.  VII 42). 
Der  Weg  von  Ilion  bis  Eläa  (etwa  210  Kilometer)  wurde  in  sechs  Marsch- 
tagen, d.h.  in  Märschen  von  durchschnittlich  34|  Kilometer  zurückgelegt. 
Das  Herannahen  der  schlechten  Jahreszeit  sowie  Verpflegungsschwierig- 
keiten in  diesem,  seit  letztem  Sommer  von  Antiochos  gründlich  ver- 
wüsteten Landstriche  mögen  die  Ursachen  dieser  Eile  gewesen  sein1) 
Bei  Eläa  wurde  einige  Tage  gerastet.  Die  Verbindung  mit  der 
Flotte  sollte  hier  wieder  hergestellt  werden;  sie  wurde  aber  durch 
Winterstürme  vereitelt,  und  Eumenes,  der  bei  ihr  zurückgeblieben  war, 
mufste  zu  Lande  über  Pergamon  den  Anschlufs  wiedergewinnen2).  In 
Eläa  erfuhr  man  endlich,  dafs  der  Gegner  nicht  bei  Sardes,  sondern 
weiter  nördlich  bei  Thyatira  stehe,  änderte  die  Marschrichtung  und 
zog  von  da  östlich,  das  Kaükostal  hinauf,  endlich  ins  Innere  des  Landes 
hinein3). 

Der  nächste  Weg  nach  Thyatira  geht  über  Kinik  und  Sindeli  in 
einem  Nebentale  des  Kaikos  zwischen  dem  Tschamlidja-dagh  und 
dem  Sari-tepe  über  das  Gebirge  in  die  Ebene  von  Akhissar,  dem 
alten  Thyatira,  hinab.  Auch  im  Altertum  führte  hier  eine  Kunststrafse 
von  Pergamon  an  Apollonis  vorbei  nach  Sardes4).  Ein  etwas  weiterer 
aber  bequemerer  Weg  geht  im  Kaikostale  aufwärts  über  Soma  nach 
Kirkagatsch  und  von  dort  südlich  nach  Thyatira.  Welchen  die  Armee 
eingeschlagen  hat,  läfst  sich  nicht  entscheiden,  der  Unterschied  ist 
nicht  beträchtlich. 

Das  Heer  erreichte  die  Gegend  von  Thyatira  am  fünften  Marsch- 


J)  Liv.  37,  37,  3:  inde  (von  Ilion)  sextis  castris  ad  caput  Caici  amnis  per- 
venerunt.  Die  Entfernungen  auf  der  Kiepertschen  Karte  von  Kleinasien  1  :  250000 
gemessen.    Verwüstungen  des  Antiochos,  Liv.  37,  19,  7.  21,  4. 

2)  Liv.  37,  37,  4.  5.  Der  Weg  des  Eumenes  von  Adramyttion  nach  Eläa 
giog  über  den  Kosak  und  Pergamon  (qua  proximum  fuit;  —  ex  castris  Pergamum 
remissus),  ein  Gebirgsweg,  den  er  mit  seiner  kleinen  Begleitschar  —  cum  parva 
manu  —  füglich  gut  wählen  konnte. 

3)  Liv.  37,  37,  6:  regia  castra  circa  Thyatiram  erant;  ebenso  App.  Syr.  30. 
Über  die  Absicht  der  Römer,  ihn  aufzusuchen,  Liv.  37,  38,  1. 

4)  Strabo  XIII  4,  4.  C.  625:  Inl  6k  tov  votov  (von  Pergamon)  oqsivt)  (jetzig 
(der  Jund-dagh  und  zugehörige  Berge)  ijv  vntqßcioi  v.ai  ßadC^ovcfi  Inl  Zkqömov 
nohg  lailv  lv  aQiorfQa  QvareiQa  .  .  lv  6e^ia  <P  AnolX(ovig,  dte%ovOc(  ITtQyccfxov 
Toiay.ooiovg  araöCovg  (=  53  Kilometer).  Wiedergefunden  beim  Dorfe  Palamut. 
Fontrier  juovoeiov  rrjg  EvayyeL  c/oA^?  Smyrna  1885/86  S.  61.  Schuchardt,  Mit- 
teil, d.  athen.  Instituts  XIII  2  f. 


Ißß  Der  Syrisch-römische  Krieg. 

tage,  es  hatte  also,  da  die  Entfernung  etwa  100  Kilometer  beträgt, 
20  —  25  Kilometer  am  Tage  ohne  Ruhetag  dazwischen  zurückgelegt, 
eine  normale,  beträchtlich  hinter  den  letzten  Märschen  zurück- 
bleibende Leistung1).  Denn  man  durfte  die  Soldaten  nicht  abgehetzt 
an  den  Feind  bringen.  — 

Thyatira  liegt  am  Nordende  der  grofsen  Hyrkanischen  Ebene, 
einer  jener  ausgedehnten,  zwischen  die  trennenden  Gebirgsketten  ein- 
gelagerten Tieflandsflächen,  welche  den  Charakter  des  westlichen 
Kleinasien  so  wesentlich  mit  bestimmen.  Sie  wird  im  Süden  durch 
die  schroffen  Felsmauern  der  bis  über  2000  Meter  aufragenden 
Sipylos-  (1600)  und  Tmolosgebirge  (2050  Meter)  begrenzt,  im  Nord- 
westen durch  das  allmählicher  ansteigende  und  mehr  plateauartig 
gestaltete  Gebirge  des  Jund-dagh  abgeschlossen,  der  zwar  nur  im 
Karakusch  bis  zu  1650  Meter  ansteigt,  aber  doch  auch  sonst  zahl- 
reiche Erhebungen  über  1000  Meter  aufweist2).  Endlich  wird  die 
Ostseite  durch  die  weniger  einheitlichen  Gebirge  gebildet,  welche 
nördlich  vom  Mermere  Göll  gleichfalls  in  einer  Höhe  bis  zu  etwa 
1800  Metern  hinziehen3).  Das  zwischen  diesen  Erhebungen  liegende 
Dreieck  bildet  nun  zwar  nicht  eine  einzige  Ebene,  aber  die  es  in 
mehrere  Teile  scheidenden,  niedrigeren  Berggruppen  stören  doch  den 
einheitlichen  Charakter  nicht  sehr,  so  dafs  es  wohl  verständlich  ist, 
wenn  dies  ganze  Gebiet  im  Altertum  einen  und  denselben  Namen 
getragen  hat4). 


f)  Liv.  37,  38,  1:  consul  ...  continuis  itineribus  quinto  die  ad  Hyrca- 
nicum  campum  descendit.  —  Die  Wasserscheide  zwischen  den  Kaikosquellen 
und  der  Ebene  von  Thyatira  ist  ganz  niedrig.  Schuchardt  a.  a.  0.  S.  7  spricht 
von  der  „bequemen  nur  wenig  ansteigenden  Wasserscheide  gegen  die  Kaikos- 
quellen hin",  und  von  Diest  a.  a.  0.  S.  19  drückt  sich  ähnlich  aus.  Daher  würde 
der  Ausdruck  „descendit"  besser  zu  dem  Marsche  über  Kinik  und  Sindeli  passen. 

2)  So  ist  z.  B.  die  Wasserscheide  bei  Kara-Alan  nach  Schuchardt  (Sb.  d. 
preufs.  Ak.  1887,  S.  1212)  über  1000  Meter  hoch;  ebenso  nach  v.  Diests  Karte 
der  Jaila-dagh  ca.  1000,  der  Darkala-dagh  1143. 

3)  Nach  von  Diest.    Petermann  a.  a.  0.  S.  23. 

4)  Die  Hyrkanische  Tiefebene  wird  gewöhnlich  nicht  so  weit  ausgedehnt, 
sondern  teils,  wie  z.  B.  von  Ramsay,  Asia  minor  S.  125,  nur  in  der  Ebene  des 
Gedis-Tschai  oder,  wie  von  v.  Diest  (Karte  I  bei  Petermann  a.  a.  0.)  nur  in  der 
Ebene  zwischen  dem  unteren  Kum-Tschai  und  dem  Jund-dagh  angesetzt.  Keine 
dieser  Beschränkungen  findet  in  der  Überlieferung  eine  ausreichende  Stütze.  Die 
Nachrichten  unserer  geographischen  Quellen  sind  zu  allgemein  gehalten,  um 
in  d  eser  Richtung  etwas  zu  ergeben,  und  die  zitierten  Worte  des  Livius  erstrecken 


2.  Magnesia.  167 

Hier  also  sollten  sich  die  Geschicke  des  syrischen  Reiches  ent- 
scheiden. 

Seine  Stellung  bei  Thyatira  allerdings  hatte  der  König  ver- 
lassen, als  die  Römer  herankamen,  und  sich  südlicher  in  die  Gegend 
von  Magnesia  gezogen.  Er  hatte  —  wie  Livius  berichtet  —  den 
Phrygiosflufs  überschritten  und  in  der  Ebene  hinter  demselben  mit 
Mauer,  Türmen,  Wall  und  Graben  ein  stark  befestigtes  Lager  be- 
zogen1). 

Es  fragt  sich,  ob  sich  aus  diesen  Angaben  unserer  Überlieferung 
unter  Zuhilfenahme  der  Terrainformationen  die  Stellung  des  Änti- 
ochos  im  Gelände  wird  nachweisen  lassen.  Davon  hängt  die 
Bestimmung  des  Schlachtfeldes  und  das  Verständnis  der  Schlacht 
selber  ab. 

In  der  Gegend  von  Magnesia,  an  die  wir  durch  den  Namen  der 
Schlacht  gebunden  sind,  gibt  es  drei  Flüsse,  den  Kum,  den  Gedis 
und  den  Nif.  An  den  Nif  als  Phrygios  kann  man  nicht  denken.  Er 
kommt  von  Süden,  also  der  Phrygien  entgegengesetzten  Seite  in  den 


ausdrücklich  den  Namen  auch  auf  das  Becken  von  Thyatira  mit.  Das  bestätigt 
sich  auch  noch  von  anderer  Seite.  Man  nimmt  mit  Recht  an,  dafs  der  Name 
,,hyrkanische"  Ebene  auf  eine  alte  Ansiedelung  hyrkanischer  Stammesangehöriger 
durch  die  Perser  zurückgeht,  und  wird  also  berechtigt  sein,  den  Namen  so  weit 
auszudehnen,  als  sich  Spuren  solcher  Ansiedelungen  finden.  Das  ist.  nun  aber 
nicht  nur  im  Süden  der  Fall,  wo  das  Dorf  /fagetov  xa>(iri  (jetzt  Derekioi)  solchen 
Ursprung  verrät  (B.  C.  H.  IX  3 18.  X  190),  sondern  der  Kultus  der  Artemis  neoöixi) 
hat  sich  fast  in  dem  ganzen  Umfang  dieses  Gebietes  gefunden.  So  in  Saritscham 
(B.  C.  H.  X  82  vergl.  auch  XI  391),  Papasly  (Frontier  Movcuov  tt}$  Evayycdtxijg 
axokrjg  Smyrna  1885/86  S.  19  =  B.  C.  H.  XI  91),  Mermere  (Fontrier  S.  51), 
Hierokäsarea  (Fontrier  S.  35  =  B.  C.  H.  XI  95  f.),  vielleicht  auch  sogar  Thyatira 
selbst.  Überblickt  man  dies  alles  und  hält  es  zusammen  mit  der  geographisch 
einheitlichen  Natur  des  ganzen  Gebietes,  so  wird  man  sich  dem  Schlüsse  nicht 
entziehen  können,  dafs  die  alte  persische  Kolonisation,  so  gut  wie  die  spätere 
seleukidische,  die  Schuchardt  (Mitt.  d.  Ath.  Inst.  XIII 1)  nachgewiesen  hat,  das  ganze 
Gebiet  mit  Einschlufs  des  nördlichen  Teiles  umfafst  hat  und  der  Name  „Hyrkani- 
sche  Ebene"  ebensoweit  auszudehnen  ist.  Auch  Schuchardt  fafst  den  Namen 
gelegentlich  in  dieser  Ausdehnung. 

x)  Liv.  37,  37,  9:  recepit  se  et  transgressus  Phrygium  amnem  circa  Magne- 
siam,  quae  ad  Sipylum  est,  posuit  castra,  et,  ne  si  extrahere  tempus  vellet,  muni- 
menta  Romani  temptarent,  fossam  sex  cubita  altam  (2,66  Meter),  duodecim  latam 
(5,32  Meter)  cum  duxisset,  extra  duplex  vallum  fossae  circumdedit,  interiore  labro 
murum  cum  turribus  crebris  obiecit,  unde  facile  arceri  transitu  fossae  hostis  posset. 
Appian  nur:    rslyog  XQartQov. 


Ißg  Der  Syrisch-römische  Krieg. 

Gedis  geflossen,  und  um  von  Thyatira  aus  hinter  ihn  zu  gelangen  hätte 
man  nicht  nur  ihn,  sondern  mindstens  noch  den  Gedis  (Hermos) 
überschreiten  müssen.  Dafs  Livius  vergessen  haben  sollte,  das  zu 
erwähnen,  währe  um  so  auffallender,  als  der  Gedis  ein  viel  be- 
deutenderer Flufs  ist  als  der  Nif1).  Mit  Recht  erkennt  man  im  Nif 
vielmehr  das  im  Altertum  unter  dem  Namen  Acheloos  bekannte 
Wasser2).  Dazu  kommt,  dafs  eine  Stellung  hinter  dem  Nif  dem  von 
Norden  oder  Nordwesten  anrückenden  Gegner  alle  Verbindungen  mit 
Sardes  und  dem  Hinterlande  freigegeben  hätte,  und  dafs  endlich 
hier  überhaupt  kein  genügender  Platz  für  die  Operationen  vor  der 
Schlacht  vorhanden  ist.  Die  Felsen  des  Sipylos  und  deren  hügeliges 
Vorland  treten  zu  nahe  an  den  Flufs  heran  und  haben  kein 
Wasser3). 

Auch  den  Gedis  kann  man  nicht  für  den  Phrygios  in  Anspruch 
nehmen.  Denn  sein  alter  Name  Hermos  steht  trotz  Leakes  Wider- 
spruch unerschütterlich  fest4).     So  bleibt  also  nur  die  Identifizierung 


1)  Der  Gedis  ist  nach  Tchihatcheff,  Asie  mineure  I  234,  bei  Magnesia 
30  Meter  breit  und  80  Zentimeter  tief,  bei  Sardes  90  — 100  Zentimeter  tief. 
Die  Eisenbahnbrücke  Manissa — Akhissar  ist  nach  meiner  Messung  168  Schritte, 
über  dem  Wasser  selbst  64  Schritte,  lang.  Der  Nif  hat  nicht  mehr  als  höchstens 
15  Meter  Breite. 

2)  So  Kiepert,  forma  orbis  IX. 

3)  Die  von  Diestsche  Karte,  von  der  ich  durch  freundliche  Vermittelung 
des  Herrn  Prof.  Oehler  für  diesen  Teil  des  Geländes  eine  photographische  Vergröfse- 
rung  der  Besichtigung  an  Ort  und  Stelle  zugrunde  legen  konnte,  ist  hier  nicht 
ganz  genau.  Der  Nif  fliefst  ein  gutes  Stück  weiter  südlich  und  ist  östlich  der 
Einbuchtung  von  Sadyk-Bey  nur  etwa  900  bis  1000  Meter  von  dem  gleich  ziemlich 
steil  ansteigenden  Abhängen  des  Sipylos  entfernt.  Die  Rinnsale,  welche  bei 
Akbunar  und  Sadyk-Bey  heruntergehen,  waren  im  Jahre  1900  schon  im  April 
ohne  einen  Tropfen  Wasser.  Aus  diesen  Gründen  kann  ich  der  mir  brieflich 
mitgeteilten,  scharfsinnig  begründeten  Vermutung  Oehlers,  dafs  die  Schlacht  hier 
stattgefunden  habe,  nicht  zustimmen. 

4)  Leake,  welcher  (Journal  of  a  tour  in  Asia  minor,  S.  267  f.)  die  Schlacht 
auf  dem  südlichen  Ufer  des  Gedis  unmittelbar  bei  Magnesia  ansetzt,  meint,  dafs 
Livius  den  Hauptstrom  statt  Hermos  Phrygios  nenne.  Zu  einer  solchen  Ver- 
wechselung liegt  indessen  kein  Anlafs  vor,  ja  sie  ist  ausgeschlossen,  da  die  Schlacht 
jetzt  ja  auch  inschriftlich  als  Schlacht  am  Phrygios  feststeht:  Fränkel,  Inschr.  v. 
Pergamon  I  No.  64  wo  es  heifst:  Iv  zw  avatavn  7iq6s  Avtio/ov  noli^Ka  .  .  .  avv- 
ctycavtoäfAevoi  ir\v  iv  jivS(a  nccgcc  rov  <pQvyiov  norafibr  /ud%r)v.  Dafs  der  jetzige 
Gedis  bei  den  Alten  immer  und  überall  Hermos  geheifsen  hat,  steht  durch  eine 
Anzahl  von  Zeugnissen  fest.     Herodot  I  80.     Strabo  XIII  4,  5  C.  626  u.  a. 


2.  Magnesia.  169 

von  Kum1)  und  Phrygios  übrig  und  das  ist  auch  von  vorn  herein  das 
natürlichste. 

Ein  Blick  auf  die  Karte  macht  uns  die  ganze  Situation  klar. 
Antiochos  stand  bei  Thyatira  offenbar  in  einer  ähnlichen  Verteidigungs- 
stellung hinter  dem  Lykosflusse2),  wie  er  sie  später  hinter  dem 
Phrygios  eingenommen  hat.  Um  nun  die  neue  Position  zu  beziehen, 
marschierte  er  südlich,  überschritt  den  Phrygios-Kum  etwa  bei  Hiero- 
käsarea8)  und  stellte  sich  in  dem  Terrainabschnitt  zwischen  Kum 
und  Gedis  irgendwo  mit  dem  Kum  vor  der  Front  auf. 

Aber  der  Umfang  dieses  Terrainabschnittes  ist  noch  immer 
ziemlich  grofs;  eine  genauere  Betrachtung  desselben  mufs  uns  den 
Raum  noch  weiter  einschränken  helfen.  Das  unregelmäfsige  Viereck, 
welches  im  Nordost  und  Nordwest  vom  Kum,  im  Süden  vom  Gedis 
und  im  Osten  von  der  Talsenke  beim  Mermere-Göll  begrenzt  wird, 
stellt  ein  isoliertes  mäfsig  hohes  Hügelland  dar.  Man  unterscheidet 
in  ihm  2  Hauptzüge,  den  Karadja-dagh  im  Norden  und  den  Tschal- 
dagh  im  Süden4).  Der  erstere  tritt  mit  seinen  nordwestlichen  Aus- 
läufern so  nahe  an  den  Kum  heran,  dafs  in  diesem  ganzen  nördlichen 
Teile  kein  passendes  Gelände  für  die  Schlacht  vorhanden  ist.     Der 


')  Ob  der  Kum  in  noch  älterer  Zeit,  wie  Strabo  a  a.  0.  behauptet,  Hyllos 
geheifsen  habe,  oder  ob  der  Hyllos  ein  anderer  Flufs  ist,  diese  viel  behandelte 
Frage  (Ramsay  122)  braucht  uns  hier  nicht  zu  beschäftigen,  da  der  Name  Hyllos 
in  unseren  Kriegsberichten  nicht  vorkommt.  Dagegen  mufs  ich  von  Diest  (Peter- 
mann S.  23)  widersprechen,  wenn  er  meint,  die  Angaben  unserer  Quellen  be- 
rechtigen den  Kum  weder  mit  dem  Namen  Hyllos  noch  dem  Namen  Phrygios  zu 
bezeichnen.  Er  hat  den  unzweideutigen  Bericht  des  Livius  nicht  mit  heran- 
gezogen. 

2)  Dieser  Name  steht  für  den  Flufs  von  Thyatira  aus  Plin.  V  29,  115  fest: 
Thyatira  adluitur  Lyco.  Das  ist  für  uns  insofern  wichtig,  als  damit  für  den 
anderen  Arm  des  Kum,  den  von  Hierokäsarea,  der  Name  Phrygios  gesichert  wird. 

3)  Diese  Bewegung  hat  schon  richtig  von  Prokesch-Osten  (Denkwürdigkeiten 
III  63)  beschrieben,  wenn  er  auch  dem  Kum  den  Namen  Oletschaksu  gibt,  nach  einer 
starken  aus  einem  Sumpfe  bei  dem  Dorfe  Selemköi  entspringenden  Quelle,  welche 
tatsächlich  im  Spätherbste  allein  das  Wasser  für  den  Kum  hergibt.  Sie  war 
70  Schritte  breit  und  2  bis  5  Fufs  tief  (S.  58),  während  das  Hauptbett  des  Kum 
weiter  oberhalb  damals  (es  war  Ende  November)  bei  4  Minuten  Breite  kein 
Wasser  hatte. 

4)  Die  Namen  nach  v.  Diests  Karte  des  nordwestlichen  Kleinasien.  In  der 
älteren  Diestchen  Karte  (bei  Petermann  a.  a.  0.)  und  in  der  Kiepertschen  Karte 
wird  der  südliche  Zug  Belen-dagh,  der  nördliche  Tschaly-dagh  oder  garnicht 
genannt. 


170  Der  Syrisch-römische  Krieg. 

Tschal-dagh  dagegen  flacht  sich  ganz  allmählich  ab  und  läfst  rechts 
und  links  von  seinen  westlichsten  Ausläufern  breite  Ebenen  frei, 
welche  den  erforderlichen  Gefechtsbedingungen  vollkommen  ent- 
sprechen. Für  die  südliche  der  beiden  Ebenen,  an  welche  im  Süd- 
westen der  Sipylos  mit  der  Stadt  Magnesia  angrenzt,  spricht,  dafs 
das  Lager  nach  Angabe  unserer  Quelle  bei  dieser  Stadt  und  in  der 
Nähe  dieses  Gebirges  gelegen  hat1).  Dazu  kommt,  dafs  die  nörd- 
liche Ebene  in  der  Mitte  gerade  dort,  wo  man  die  Schlacht  ansetzen 
müfste,  von  einem  grofsen  Sumpfe  erfüllt  wird,  durch  den  hindurch 
ein  starker  Bach  von  5  bis  10  Meter  Breite  und  1  bis  3  Meter  Tiefe 
hindurchfliefst.  Weder  der  Sumpf  noch  der  Bach  ist  in  unseren 
ausführlichen  Berichten  über  die  Operationen  vor  und  in  der  Schlacht 
irgendwo  erwähnt,  und  das  hätte  doch  geschehen  müssen,  besonders 
da  der  Bach  die  ganze  Ebene  durchquert,  und  in  einer  Entfernung 
von  2  —  3  Kilometern  mit  dem  Kum  parallel  fliefsend,  für  beide  Teile 
ein  nicht  unbeträchtliches  Annäherungshindernis  gebildet  hätte 2). 

x)  circa  Magnesiam  posuit  castra,  sagt  Livius  37,  37,  9:  *A[xif\  tö  oyog  ib 
Zlnvlov  Appian  Syr.  30.  —  Es  versteht  sich  von  selber,  dafs  solche  Ausdrücke 
nicht  zu  pressen  sind.  Es  ist  die  nächste  bekannte  Stadt  gemeint  und  das  nächste 
Gebirge,  das  wie  der  Sipylos  die  Gegend  beherrscht.  Indessen  wäre  bei  einer 
Stellung  in  der  Ebene  bei  Hyrkanis  (Papasly)  diese  Ortbezeichnung  doch  sonderbar, 
da  man  hier  genau  soweit  von  Magnesia  wie  von  Thyatira  entfernt  ist  und  eine 
Benennung  der  Schlacht  nach  Thyatira  um  so  näher  gelegen  hätte,  als  beide 
Armeen  diese  Gegend  berührt  hatten,  während  die  von  Magnesia  seitwärts  liegen 
geblieben  war. 

2)  Die  Kiepertsche  und  Diest'sche  Karte,  welche  in  dieser  Ebene  eiDen  das  Tal 
entlangfliefsenden  Nebenflufs  des  Kum  verzeichnen,  sind  hier  ungenau.  Der  Bach  — 
Göktsche-Tschai  heifst  er  —  entspringt  etwa  20  Minuten  nordöstlich  von  Burnurenki 
aus  mehreren  starken  Quellen,  die  sofart  ein  kleines  Bassin  bilden,  und  fliefst  von  hier 
in  südwestlicher  Richtung.  Er  ist  5  bis  8,  ja  an  einzelnen  Stellen  10  Meter  breit 
und  1  bis  3  Meter  tief  und  hat  im  Sommer  und  Winter  die  gleiche  Wassermasse. 
Er  erhält  nur  bei  Kossek  zwischen  Burnurenki  und  Arpali  einen  kleinen  Zuflufs, 
die  Quelle  Sarikiss.  Von  Beleni  und  Papasli  ziehen  zwei  Runsen  das  Tal  herab, 
welche  nur  nach  Regengüssen  Wasser  haben.  Die  Entfernung  des  Göktsche  vom 
Kum  beträgt  bei  Kossek  eine  halbe  Stunde,  bei  der  Mühle  von  Jeni  25  Minuten, 
bei  der  steinernen  Brücke  unterhalb  Jeni  15 — 20  Minuten;  bei  Müteweli  nähert 
er  sich  dem  Kum,  in  den  er  sich  ergiefst.  Der  Sumpf  ist  für  die  Bewohner  von 
Burnurenki  und  die  anderen  Anwohner  wegen  der  zahlreichen  Mücken  und  der 
Fieber  eine  grofse  Plage.  Diese  genaueren  Angaben  über  den  Lauf  und  die 
Gröfse  des  Göktsche  verdanke  ich  der  Liebenswürdigkeit  des  Herrn  Aristoteles 
Fontrier  in  Smyrna,  welcher  übrigens  schon  auf  seiner  Kartenskizze  im  (xovghov 
a.  a.  0.  den  Bach  vollkommen  richtig  gegeben  hatte. 


Hierzu  Karte 


2.  Magnesia.  171 

Damit  ist  die  Lokalfrage  zugunsten  der  Ebene  südlich  vom 
Tschal-dagh  entschieden.  Das  Lager  des  Antiochos  lag  also  in  dem 
Streifen  zwischen  Tchal-dagh  und  Gedis,  und  zwar  am  äufsersten 
Westende  desselben.  Denn  wie  wir  aus  den  sofort  zu  besprechenden 
Operationen  der  beiden  Heere  unmittelbar  vor  der  Schlacht  ersehen, 
war  es  weniger  als  6  und  mehr  als  3|  Kilometer  vom  Kum  entfernt, 
d.  h.  es  lag  in  der  Gegend  unmittelbar  nördlich  von  den  Dörfern 
Filio  und  Tschaus-Oglu1).  Front  hatte  es  natürlich  nach  Nordwesten 
nach  dem  Kum,  von  wo  die  Römer  zu  erwarten  waren.  Sardes  und 
die  Rückzugslinie  ins  Innere  lag  im  Rücken.  Die  Schlacht  hat  in 
dem  Räume  zwischen!  dem  Lager  und  dem  Kum  stattgefunden.  — 

Von  diesem  festen  Punkte  aus  die  Überlieferung  zu  erschliefsen 
und  ein  klares  Bild  der  Operationen  zu  gewinnen,  wird  jetzt  unsere 
Aufgabe  sein. 

°  ffo.  6. 

Als  die  Römer  —  so  sagt  unser  Bericht  )  —  den  Antiochos  (Hauptkarte). 
nicht  mehr  bei  Thyatira  fanden,  zogen  sie  ihm  nach  und  schlugen 
noch  diesseits  des  Phrygios  4  Millien  —  also  6  Kilometer  — 
von  ihm  entfernt  ein  Lager  auf3).  Ein  Beobachtungskorps  von 
1000  Reitern  suchte  sie  dabei  zu  stören,  indem  es  den  Flufs  eiligst 
überschritt  und  die  Vorposten  angriff.  Aber  durch  die  bald  ein- 
tretende Verstärkung  aus  dem  nahen  Lager  wurden  die  Reiter  zurück- 
geworfen und  erlitten  bei  dem  Rückzüge  über  das  Wasser  nicht  un- 
beträchtlichen Verlust4).    (Erster  Tag  des  Feldzuges  seit  der  Fühlung 

!)  In  dieser  Gegend  liegt  in  der  flachen  Ebene  ein  weithin  sichtbarer 
Tumulus.  Der  Aufstieg  zur  Spitze  beträgt  von  Südwesten  her  noch  104  Schritt, 
von  den  anderen  Seiten  her  sind  die  unteren  Teile  um  etwa  40  Schritte  ab- 
gepflügt, denn  er  liegt  in  Kornfeldern.  Seine  Höhe  beträgt  etwa  4  Meter.  Der 
Boden  südwestlich  davon  war  feucht  und  soll  es  stets  sein;  er  klingt  hier  hohl. 
Ob  der  Tumulus  in  einer  Beziehung  zur  Schlacht  steht,  ist  ohne  Nachgrabungen 
nicht  zu  ersehen.  Spatenarbeit  würde  hier  der  Mühe  lohnen.  Der  Name  des 
Tumulus  bei  den  Anwohnern  ist  Baigusch-Tepe. 

2)  Liv.  37,  38  bis  39,  7  ist  der  Hauptbericht.  Ergänzend  tritt  hinzu  Appian 
Syr.  30,  dessen  wie  immer  flüchtige  Erzählung  aber  doch  zu  berücksichtigen  ist, 
weil  sie  gleichfalls  aus  Polybios  stammt  und  in  allen  Hauptpunkten  mit  Livius 
übereinstimmt. 

3)  Liv.  37,38,2  (consul)  secutus  vestigia  citra  Phrygium  amnem,  quatuor 
milia  ab  hoste,  posuit  castra. 

4)  §  3:  mille  ferme  equites  tumultuose  amni  traiecto  in  stationes  impetum 
fecerunt  .  .  .  cum  .  .  .  Romanorum  ex  propinquis  castris  .  .  .  cresceret  numerus,  .  .  . 
recipere  se  conati  circa  ripam  amnis,  priusquam  flumen  ingrederentur  .  .  .  aliquot 
interfecti  sunt. 


172  ^er  Syrisch-römische  Krieg. 

mit  dem  Feinde.)  Dann  war  zwei  Tage  lang  Ruhe,  die  die  Römer 
nach  sechs  oder  sieben1)  Marschtagen  hintereinander  wohl  brauchen 
konnten  und  benutzt  haben  werden,  den  Flufsübergang  zu  erkunden. 
Am  folgenden  ging  die  ganze  römische  Armee,  ohne  vom  Feinde  nur 
im  geringsten  gehindert  zu  werden,  über,  und  man  schlug  jenseits 
2*  Millien  —  also  31  Kilometer  —  vom  Feinde  ein  zweites  Lager 
auf3).  Wieder  erfolgt  während  der  Schanzarbeiten  ein  Angriff  auf 
die  Vorposten,  diesmal  von  3000  Reitern  und  leichtem  Fufsvolk,  und 
auch  dieser  Angriff  wird  bei  der  geringen  Stärke  der  feindlichen 
Truppen  natürlich  wieder  abgewiesen.  (Vierter  Tag.)  In  den 
folgenden  vier  Tagen  stellen  nun  beide  Feldherren  ihre  Armeen  vor 
ihren  Lagern  in  Schlachtordnung  auf3).  Es  liegt  nur  flaches  Land 
ohne  irgendein  Hindernis  zwischen  den  Heeren,  die  nur  I  Stunde 
voneinander  entfernt  sind4).  Aber  trotzdem  kommt  es  nicht  zum 
Kampfe.  Beide  Teile  halten  sich  ängstlich  in  der  Nähe  ihrer  Lager. 
Antiochos  mit  seinen  hintersten  Mannschaften  knapp  300  Meter  vor 
dem  Walle 5).  Am  fünften  Tage  endlich  (dem  neunten  der  Operationen) 
gehen  die  Römer  ein  Stück  von  ihrem  Lager  in  das  Blachfeld  vor. 
Aber  auch  jetzt  rührt  sich  Antiochos  noch  nicht6).  Da  machen  auch 
die  Römer  Halt,  und  es  kommt  wieder  nicht  zur  Schlacht.  Sie  wollen 
offenbar  nicht  bis  an  die  Stellung  des  Königs  herangehen.  Der  Konsul 
beruft  nun  am  folgenden  (zehnten)  Tage  einen  Kriegsrat  und  läfst 
allen  Ernstes  die  Frage  erwägen,  ob  man  den  Angriff  aufgeben  und 


J)  fünf  von  Eläa  bis  Thyatira  (S.  165),  ein  oder  zwei  von  da  bis  ans 
Schlachtfeld. 

2)  §4:  biduum .  .  .  silentium  fait .  .  .  tertio  post  die  Romani  simul  omnes 
transgressi  sunt  et  duo  milia  fere  et  quingentos  passus  ab  hoste  posuerunt  castra. 
Entsprechend  Appian:  ötuöiovs  el'xoaiv. 

3)  §  8:  per  quadriduum  insequens  instructae  utrimque  acies  pro  vallo  stetere. 
Ebenso  Appian. 

4)  Von  den  3|  Kilometern  Entfernung  der  Lager  ist  noch  in  Abzug  zu 
bringen  der  beiderseitige  Raum  zwischen  dem  eigenen  Lager  und  der  Schlacht- 
linie und  die  Tiefe  der  beiden  Schlachtreihen.  Bei  Antiochos  betrug  der  Raum  knapp 
300  Meter,  was  als  sehr  gering  besonders  hervorgehoben  wird  (s.  folg.  A.).  Bei 
den  Römern  war  er  also  eher  gröfser.  Die  Tiefe  mag  man  auf  etwa  100  Meter 
berechnen,  so  bleibt  zwischen  den  Heeren  etwa  3  Kilometer  lichter  Raum. 

5)  §  9:  ut  extremi  minus  mille  pedes  a  vallo  abessent. 

G)  §  8:  quinto  die  Romani  processere  in  medium  campi;  Antiochus  nihil 
promovit  signa.  Bis  in  die  Mitte  wären  1| — 2  Kilometer.  Der  Ausdruck  wird 
aber  nicht  zu  pressen  sein.     Appian  sagt  nur  Syr.  30:  Intßaws  aoßuQwg. 


2.  Magnesia.  173 

Winterquartiere  beziehen  oder  im  Biwak  dem  Feinde  gegenüber  stehen 
bleiben  solle1).  Die  Bedingungen  für  eine  erfolgversprechende  Schlacht 
liegen  bei  der  jetzigen  Stellung  des  Gegners  nach  Ansicht  des  Konsuls 
offenbar  nicht  vor2).     Aber  der  Kriegsrat  ist  anderer  Ansicht. 

Es  wird  beschlossen,  das  römische  Lager  noch  eine  Strecke 
weiter  vorzuschieben  und  noch  einmal  die  Schlacht  in  freiem  Felde 
anzubieten.  Komme  der  Gegner  wieder  nicht  weiter  als  bisher  zum 
Kampfe  heraus,  so  solle  der  Konsul  doch  angreifen  und  die  Stimmung 
des  Heeres  benutzen,  welches  —  so  fügt  der  Berichterstatter  aus 
Eigenem  hinzu  —  bereit  war,  sogar  über  Wall  und  Graben  hinweg, 
das  feindliche  Lager  zu  stürmen 3).  Man  trifft  in  der  Tat  alle  Mafs- 
regeln:  das  Lager  wird  am  folgenden  (elften)  Tage  wiederum  vorge- 
schoben und  am  Abend  durch  Heroldsruf  bekannt  gegeben,  dafs  am 
nächsten  Tage,  auch  wider  Willen  des  Feindes,  geschlagen  werden 
würde4).  Das  Heer  rückt  denn  auch  bis  in  die  Mitte  des  kaum  noch 
2  Kilometer  breiten  Streifens  zwischen  den  Lagern  vor  und  ordnet 
sich    zur  Schlacht5).     Aber  jetzt  geht  plötzlich  auch  Antiochos  mit 


lJ  cap.  39,  1:  consul  ...posterodie...  consilium  advocavit  . . .  aut  sub 
pellibus  habendos  fore  railites,  aut,  si  concedere  in  hiberna  vellet,  differendum 
esse  in  aestatem  bellum. 

2j  §  2:  postquam  detrectari  certamen  vidit  .  .  si  Antiochus  pugnandi  copiam 
non  faceret. 

3)  §  3:  conclamatum  undique  est,  duceret  extemplo  et  uteretur  ardore  mili- 
tum,  qui  .  .  .  per  fossas  per  Valium  castra  invadere  parati  erant,  si  in  proelium 
hostis  non  exiret. 

4)  §5:  postero  die  propius  admoveri  castra  placuit.  Wie  weit  das  Lager 
vorgeschoben  ist,  wird  nicht  gesagt.  Das  ist  die  einzige  fehlende  Entfernungsangabe 
in  dem  ganzen  Berichte.  Wir  werden  aber  annehmen  dürfen,  dafs  man  mindestens 
2  Kilometer  vorgegangen  sein  wird.  Sonst  hat  die  ganze  Verlegung  keinen 
rechten  Sinn.  Viel  mehr  wird  man  aber  auch  nicht  annehmen  können.  Sonst 
kann  die  Angabe,  dafs  beide  Heere  in  freiem  Felde  und  nicht  unmittelbar  vor 
ihrem  Lager  gekämpft  hätten,  keinen  Bestand  haben.  —  Die  Nachricht  von  der 
Befehlsausgabe  mit  Schlachtankündigung  für  den  folgenden  Tag  hat  nur  Appian 
(Syr.  30)  aufbewahrt:  Ix/Jqvooov  ig  lny\y.oov  tcov  noXtfii'wv  (so  nahe  war  man  also) 
t$  avoiov  *AvTioyo)  v.u\  ay.oviv  7ioXf/nrjG€tv. 

5)  §5:  tertio  (die)  signa  in  medium  campi  prolata  et  instrui  acies  coepta 
est.  Ob  diese  Zeitbestimmung  oder  die  Angabe  des  Appian  a.  a.  0.;  dafs  noch 
ein  Tag  mehr  dazwischen  gelegen  habe,  richtig  ist,  läfst  sich  nicht  entscheiden, 
ist  auch  irrelevant. 


174  Der  Syrisch-römische  Krieg. 

seiner  Armee  entgegen,   und   es  kommt  schliefslich  doch   noch  zum 
Entscheidungskampfe  im  freien  Felde1), 

Es  wird  dem  aufmerksamen  Leser  nicht  entgangen  sein,  dafs 
dieser  Feldzugsbericht  die  einzelnen  tatsächlichen  Vorgänge  bei  aller 
Kürze  mit  auffälliger  Klarheit  und  Genauigkeit  wiedergibt.  Wir 
werden  über  die  Entfernungen,  die  Örtlichkeiten,  die  Zeiten,  die  Be- 
wegungen, die  Truppenzahlen  mit  aller  nur  wünschenswerten  Präzision 
unterrichtet.  Die  Darstellung  atmet  in  alledem  den  militärischen 
Geist  des  Polybianischen  Berichtes,  aus  dem  sie  geflossen  sind.  Aber 
in  bezug  auf  die  Motive  der  beiderseitigen  Heeresleitungen  und  die 
Bedeutung  der  einzelnen  Operationen  erfahren  wir  nichts.  Da  ist 
vielmehr  jedes  Wort  sozusagen  ein  Rätsel. 

Zwei  Dinge  vor  allem  sind  es,  die  zu  Zweifeln  Anlafs  geben. 
Weshalb  —  so  fragen  wir  erstens  —  benutzt  Antiochos  in  keiner 
Weise  den  Phrygios  als  Verteidigungslinie?  Weshalb  stellt  er  sich 
nicht  an  den  2—4  Meter  hohen  Steilrändern  des  Flusses  auf,  die  ja 
dem  Angriffe  der  Gegner  jedenfalls  ein  sehr  bedeutendes  Hindernis 
bieten  mufsten,  ähnlich  wie  es  die  Perser  am  Granikos  und  bei  Issos 
getan  hatten2)?  Und  wenn  er  das  aus  irgendwelchen  Gründen  nicht 
wollte,  weshalb  benutzte  er  dann  nicht  einmal  seine  Reiterei  und 
seine  leichten  Truppen,  um  den  sich  unter  seinen  Augen  vollziehen- 
den Übergang  des  feindlichen  Heeres  wenigstens  so  viel  wie  möglich 
zu  erschweren  und  bei  dieser  Gelegenheit  wenigstens  dem  Gegner  so 
viel  Abbruch  wie  möglich  zu  tun?  Und  weshalb  —  so  fragen  wir 
zweitens  —  halten  sich  nach  dem  Übergange  der  Römer  über  den 
Flufs  beide  Teile  so  lange  und  ängstlich  in  unmittelbarster  Nähe 
ihrer  Lager,  ohne  ins  freie  Feld  hinauszurücken?  Haben  sie  etwa 
beide  Angst  vor  der  Schlacht?  Oder  was  soll  das  Feilschen  um  die 
paar  hundert  Meter  in  dem  ganz  ebenen  Gelände  bedeuten?  Weshalb 
entschliefst  sich  einerseits  Antiochos  in  den  ersten  Tagen  zu  keinem 
Entgegengehen  und  tut  es  zuletzt  doch?    Weshalb  hält  anderseits  der 


1)  §  6:  nee  Antiochus  ultra  tergiversandum  ratus  ...  et  ipse  copias  eduxit, 
tantum  progressus  a  castris,  ut  dimicaturum  appareret.  Appian  30:  lg  /uaxyv 
nctQtTaoaiv.     Gegensatz:  övvrjdtlg  av  iüTctvai  /uövov  vnb  76  itT/og. 

2)  Die  Ufer  des  Kum  in  seinem  unteren  Laufe  sind  vielfach  steile,  2—4  Meter 
hohe  Lehmufer,  zwischen  denen  aber  auch  wieder  gröfsere  Strecken  mit  niedrigeren, 
stellenweise  ganz  flachen  Ufern  eingestreut  sind. 


2.  Magnesia.  175 

römische  Feldherr  einen  Angriff  auf  Antiochos'  Heer,  das  doch  etwa 
400  Meter  vor  dem  Lager  in  völlig  freiem  und  offenem  Gelände  steht, 
für  so  aussichtslos,  dafs  er  lieber  in  die  Winterquartiere  abziehen  und 
alle  Operationen  aufgeben  will?  Weshalb  schiebt  er,  als  er  sich 
schliefslich  zum  Angriffe  entschliefst,  so  ängstlich  das  Lager  noch 
weiter  vor,  obgleich  es  doch  schon  ohnedies  nicht  viel  mehr  als  eine 
gute  halbe  Stunde  von  dem  Gegner  entfernt  war? 

Wir  wollen  versuchen,  die  Antwort  auf  alle  diese  scheinbaren 
Unbegreiflichkeiten  aus  den  militärischen  Verhältnissen  der  beiden 
Heere  und  aus  dem  Gelände  heraus  zu  geben. 

Es  wäre  freilich  für  Antiochos  ein  leichtes  gewesen,  die  schon 
an  sich  starke  Verteidigungslinie  des  Phrygios  künstlich  noch  weiter 
so  zu  befestigen,  dafs  ein  Frontalangriff  darauf  unmöglich  gewesen 
wäre.  Aber  was  hätte  er  damit  erreicht?  Er  hätte  den  Gegner  ge- 
zwungen, ihn  zu  umgehen,  entweder  im  Norden  mit  Umgehung  des 
Göktschesumpfes  über  Hierokäsarea,  oder  im  Süden,  indem  er  direkt 
auf  Sardes  marschiert  wäre,  wobei  er  seine  Verbindungen  südlich  des 
Sipylos  mit  Basierung  auf  die  römerfreundliche  Stadt  Smyrna  nehmen 
konnte.  Das  hätte  also  überhaupt  nicht  zur  Schlacht  geführt,  die 
doch  auch  Antiochos  hier  wollte. 

Aber  selbst  wenn  der  König  die  Vorteile  seiner  Stellung  nicht 
so  sehr  überspannte,  sondern  dem  Gegner  den  Angriff  auf  die  Front 
ermöglichte,  so  hatte  er  doch  dabei  nichts  gewonnen.  Seine  Haupt- 
stärke lag  ja  in  seinem  numerischen  Übergewicht  und  besonders  in 
dem  Übergewicht  seiner  Reiterei,  von  12  000  gegen  3000  Mann.  Die 
war  in  einer  solchen  Defensivstellung  an  den  Steilufern  des  Kum  nicht 
zu  verwenden.  Gesetzt  der  Angriff  der  Gegner  wäre  abgeschlagen 
worden,  so  hätte  das  starke  Fronthindernis  jede  Ausnutzung  des 
Sieges  durch  die  Reiterei  unmöglich  gemacht  oder  wenigstens  sehr 
erschwert.  Die  Phrygioslinie  war  also  für  die  Zwecke  des  Antiochos 
als  direkte  Verteidigungslinie  überhaupt  nicht  zu  brauchen.  Was  der 
König  haben  mufste,  war  eine  grofse,  freie  Ebene,  in  der  er  seine 
Übermacht  entfalten  und  die  Gegner  überflügeln  konnte.  Seine  ganze 
Kunst  mufste  darin  bestehen,  den  Feind  auf  ein  solches  Schlachtfeld 
hinauszulocken,  und  das  war  wiederum  nur  dadurch  möglich,  dafs  er 
den  Mut  oder  Übermut  desselben  durch  ängstliches  Verhalten  und 
halbe  Mafsregeln  künstlich  erhöhte.  Die  ganz  ungenügenden  Truppen- 
sendungen von  1000  und  3000  Mann,    die  der  König  in  den  ersten 


176  Der  Syrisch -römische  Krieg. 

Tagen  der  Fühlung  mit  dem  Feinde  entsendete,  um  ihn  zu  beunruhigen, 
die  Freigebung  des  nicht  ganz  leichten  Überganges  über  den  Kum 
fast  im  Angesicht  seiner  ganzen  Armee  waren  Mafsregeln,  die  in 
diesem  Sinne  wirken  mufsten  und  gewirkt  haben1). 

Aber  weshalb  —  so  fragen  wir  zweitens  —  greift  der  König 
nicht  an,  als  er  nun  die  Römer  über  den  Flufs  aufsein  Schlachtfeld 
hinübergelockt  hat?  Weshalb  zögern  anderseits  die  Römer,  obgleich 
sie  doch  die  Ebene  jenseits  des  Kum  betreten  haben,  mit  weiterem 
Vorgehen? 

Um  diese  Frage  befriedigend  zu  beantworten,  müssen  wir  uns 
die  Lage  der  drei  römischen  Lager  im  Gelände  etwas  genauer  be- 
trachten, als  bisher  geschehen  ist.  Wir  sahen  schon  oben  (S.  171  f.), 
dafs  das  erste  noch  auf  dem  rechten  Ufer  war,  die  beiden  anderen  auf 
dem  linken  gelegen  haben.  Die  Römer  waren  also  aus  der  Gegend  von 
Thyatira,  ohne  den  Flufs  zu  tiberschreiten,  südwestlich  marschiert, 
natürlich  auf  der  Strafse  nach  Magnesia2).  Diese  Strafse  zieht  sich 
nun  heutzutage  in  der  Gegend  des  unteren  Kum,  3—4  Kilometer  ab- 
seits vom  Flusse  schnurstracks  hin  und  kann  auch  im  Altertum  nicht 
anders  gelaufen  sein.  Denn  ihre  Richtung  wird  durch  die  Natur  so 
bestimmt.  Wo  nämlich  der  Kum  bei  Hierokäsarea  durch  die  Aus- 
läufer des  Karadja-dagh  nach  Süden  durchbricht,  entsteht  ein  enges 
Tal,  dem  die  Verbindungswege  folgen  müssen,  wenn  sie  nicht  be- 
trächtliche Höhen  überschreiten  wollen.  Strafse  und  Eisenbahn  gehen 
daher  in  diesem  Tale,  und  auch  die  antike  Strafse  mufs  diese  natür- 
liche Öffnung  benutzt  haben.  Das  ist  der  feste,  natürliche  Punkt  im 
Norden.  Der  im  Süden  wird  dadurch  gegeben,  dafs  die  Strafse 
Magnesia  erreichen  mufs,  ohne  den  Nif  zu  überschreiten.  Sie  mufs 
also  westlich  an  der  Schlinge  des  Gedis  bei  Vezir  Oglu  vorbeigehen 
und   immer    so  gegangen   sein,    solange  Gedis  und  Nif  so   geflossen 


*)    Liv.  37,  39,  3:    nulluni    umquam    hostem   Romani  aeque  contempserunt. 

2)  Die  Existenz  einer  solchen  Strafse,  die  sich  übrigens  von  selber  versteht^ 
ist  durch  Tab.  Peutinger.  bezeugt;  dieselbe  gibt  eine  direkte  Verbindung  zwischen 
Smyrna  und  Thyatira,  welche  über  Magnesia  gegangen  sein  mufs.  Der  Name  ist 
ausgefallen,  die  Zahl  36,  welche  genau  der  Entfernung  Thyatira— Magnesia  ent- 
spricht, ist  vorhanden  (52  Kilometer  — 34|  Millien  ohne  die  kleineren  Krümmungen). 
Kamsay  S.  167  gibt  den  Strafsenzug  richtig  an,  hat  aber  eine  falsche  Zahl  für 
Magnesia  -Thyatira. 


2.  Magnesia.  177 

sind;  und  für  einen  Wechsel  der  Strombetten  liegt  in  diesem  Teile 
der  Ebene  kein  Anhalt  vor. 

Als  nun  die  Römer  auf  dieser  Strafse  in  der  Gegend  gegenüber 
von  Antiochos'  Stellung,  d.  h.  etwa  in  der  Höhe  der  heutigen  Dörfer 
Kadry-Bey  und  Karagatschli  angekommen  waren,  bogen  sie  links  ab 
und  schlugen  2  Kilometer  vom  Flusse  entfernt  ihr  erstes  Lager.  Weiter 
vom  Flusse  können  sie  nicht  abgeblieben  sein;  denn  ihr  zweites,  vom 
ersten  nur  ll  Million  entferntes  Lager  lag  ja  schon  jenseits  des- 
selben (S.  172).  Näher  können  sie  auch  nicht  herangegangen  sein; 
denn  zwischen  ihrem  Lager  und  dem  Flusse  fand  noch  das  erste  Vor- 
postengefecht mit  den  syrischen  Reitern  statt  (S.  171).  Wir  haben 
daher  das  erste  römische  Lager  in  unmittelbarer  Nähe  von  Kara- 
gatschli anzusetzen.  Daraus  folgt,  dafs  das  zweite  unmittelbar  am 
jenseitigen  Ufer  des  Phrygios  gelegen  haben  mufs,  eine  Annahme,  die 
auch  noch  dadurch  unterstützt  wird,  dafs  den  Römern  daran  gelegen 
sein  mufste,  nach  Überschreitung  des  Kum,  die  ja  im  Angesicht  der 
feindlichen  Armee  ein  grofses  Wagnis  war1),  möglichst  schnell  einen 
festen  Punkt  zu  erhalten,  der  sie  gegen  Angriffe  von  der  anderen 
Seite  sicherte,  ehe  sie  ihre  ganze  Armee  hinübergezogen  hatten. 

Richten  wir  nun  nach  Feststellung  dieses  zweiten  Lagers 
einen  Blick  auf  die  Schlachtkarte,  so  wird  uns  das  Zögern  der  beiden 
Heeresleitungen,  eine  Schlacht  zu  liefern,  ohne  weiteres  klar.  Die 
Ebene  zwischen  Kum  und  Gedis  ist  hier  in  ihrem  westlichsten  Winkel 
kaum  3  Kilometer  breit2).     Ein  Heer  von  fast  30  000  Mann  konnte 


x)  Daher  sagt  Appian  (Syr.  30)  tbv  norcejubv  Insga  fxaXa  dgccöscog.  Der 
Flufs  bietet  immerhin  einige  Schwierigkeit.  Er  ist  etwa  15 — 20  Meter  breit.  Die 
Furt  westlich  Müteweli  (Karte:  bei  F),  die  ich  durchritten  habe  und  die  auch  Fontrier 
(a.  a.  0.  S.  13)  erwähnt,  hatte  im  Mai  so  viel  Wasser,  dafs  es  uns  bis  zu  den 
Füfsen  reichte.  Weiter  unterhalb  soll  nach  der  Aussage  des  mich  begleitenden, 
der  Gegend  sehr  kundigen  türkischen  Unteroffiziers  keine  solche  Furt  mehr  exi- 
stieren. Der  Flufs  dürfte  hier  überall  mindestens  1  Meter  tief  sein,  stellenweise 
bedeutend  tiefer.    Über  die  Ufer  s.  S.  174  A.  2. 

2)  Die  bisherigen  Karten  sind  in  bezug  auf  den  unteren  Lauf  des  Kum 
sämtlich  ungenau.  Er  bildet  nicht  eine  annähernd  gerade  Linie,  sondern  fliefst 
von  Müteweli  an  etwa  4  Kilometer  weit  fast  direkt  westlich  und  biegt  dann  scharf 
nach  Süden  um.  Neben  dem  jetzigen  Flufslaufe  läfst  sich  deutlich  ein  älterer 
konstatieren,  der  noch  etwas  südlicher  ging  und  durch  die  noch  deutlichen  steil 
abgenagten  Lehmwände  von  2  —  3  Meter  Höhe  als  solcher  unverkennbar  ist.  Weiter 
südlich  in  der  Ebene  fand  ich  keine  Spuren  irgendwelcher  Veränderungen  des 
Bettes. 

Kromayer,  Antike  Schlachtfelder.     IL  12 


178  Der  Syrisch-römische  Krieg. 

daher  bei  etwas  loser  Aufstellung  hier  noch  an  beiden  Flüssen  An- 
lehnung finden  (vergl.  Bd.  I  S.  321).  Jeder  Schritt  jedoch  vorwärts 
in  die  schnell  sich  verbreiternde  Ebene  hinein  hätte  die  Flanken  ent- 
blöfst,  und  das  hatte  die  römische  Armee  zu  fürchten.  Sie  wäre  mit 
Leichtigkeit  umritten  und  von  der  Seite  und  dem  Rücken  angepackt 
worden.  Ebensowenig  wollte  natürlich  Antiochos  den  Hauptvorteil, 
welchen  ihm  das  Gelände  gab,  durch  Vorrücken  von  seinem  Lager 
aus  der  Hand  geben,  und  so  blieben  beide  Teile  in  vorsichtiger  Re- 
serve stehen.  Endlich  am  fünften  Tage  entschlofs  sich  der  römische 
Feldherr  etwas  vorzugehen:  in  medium  campi  —  sagt  der  Bericht  — 
ohne  eine  genauere  Angabe  hinzuzufügen  (S.  172  A.  6).  Es  wird  eben 
gerade  so  viel  gewesen  sein,  dafs  man  sich  nicht  zu  sehr  exponierte. 
Antiochos  findet  noch  nicht  seine  Rechnung  dabei:  er  bleibt  ruhig 
stehen. 

Nun  folgt  der  Kriegsrat:  man  beschliefst  noch  weiter  vorzu- 
rücken, aber,  um  im  Falle  der  Überflügelung  einen  festen  Stützpunkt 
zu  haben,  auch  das  Lager  so  weit  wie  möglich  vorzuschieben.  Noch 
eine  zweite  Mafsregel  ergreift  man:  man  hält  sich  mit  dem  linken 
Flügel  dicht  an  das  steile  Ufer  des  Phrygios,  dessen  gerade  hier  stark 
nach  Süden  ausgebogene  Krümmung  ein  solches  Verfahren  wesentlich 
erleichterte1).  So  hofft  man  eine  Überflügelung  an  dieser  Flanke  un- 
möglich zu  machen  und  gewinnt  dadurch  noch  den  weiteren  un- 
schätzbaren Vorteil,  fast  die  ganze  Reiterei  auf  dem  rechten,  der 
Umgehung  ausgesetzten  Flügel  zur  Disposition  zu  behalten  (s.  unten 
S.  180). 

Trotz  dieser  geschickten  Palliativmafsregeln  war  aber,  wie  nicht 
zu  verkennen  ist,  die  Gefahr  der  Überflügelung  jetzt  für  die  Römer 
weit  gröfser  als  vorher,  und  so  hatte  Antiochos  durch  sein  Zaudern 
die  Römer  doch  auf  das  Feld  gelockt,  auf  dem  er  sie  haben  wollte. 
Er  konnte  jetzt  seinerseits  einen  Schritt  entgegengehen,  und  er  tat 
es,  da  ja  auch  er  die  Entscheidung  wünschte  und  einen  Angriff  der 
Römer  auf  seine  Stellung  vor  dem  Lager  nach  Lage  der  Dinge  als 
ausgeschlossen  ansehen  mufste,  wie  er  denn  auch  tatsächlich  eine  Toll- 
kühnheit gewesen  wäre.  Denn  durch  eine  Stellung,  welche  nur  wenige 
hundert  Meter  von  Wall  und  Mauer  liegt,    wurde  den  Truppen  die 


x)  Liv.  37,  39,  11:  laevum  cornu  non  videbatur  egere  talibus  auxiliis,  quia 
flumen  ab  ea  parte  ripaeque  deruptae  claudebant.  Über  das  alte  Bett  des  Kura 
s.  vor.  S.  A.  2. 


2.  Magnesia.  179 

Möglichkeit  gegeben,  sich  jeden  Augenblick  und  ohne  Gefahr  durch 
eine  kleine  rückgängige  Bewegung  unter  den  Schutz  der  Katapulte 
und  Schützen  auf  den  Mauern,  also  in  einen  völlig  sturmsicheren 
Aufenthalt  zurückzuziehen,  da  keine  Überlegenheit  der  Tapferkeit  und 
Ausbildung  bei  einigermafsen  gleicher  Zahl  und  Bewaffnung  hinreichen 
konnte,  um  der  doppelten  Aufgabe  zu  genügen,  einen  Nahkampf  und 
eine  gleichzeitige  Beschiefsung  auszuhalten.  Dadurch  wurde  aber  bei 
der  so  gedeckten  Truppe  dem  Einreifsen  der  Panik  und  der  Auflösung 
der  taktischen  Ordnung  gewehrt,  die  allein  die  Niederlage  blutig 
machen  konnte.  Während  sich  also  die  Römer  hier  an  der  Lösung 
einer  unlösbaren  Aufgabe  abgemüht  hätten,  hätte  aber  die  Reiterei 
der  Syrer  die  ausgiebigste  Gelegenheit  gehabt,  von  beiden  Seiten  her 
Flanken  und  Rücken  der  Stürmenden  zu  bedrohen  und  sie  ganz  ein- 
zuwickeln. Rückzug  unter  den  gröfsten  Verlusten,  wenn  nicht  völlige 
Niederlage,  wäre  die  fast  unausbleibliche  Folge  gewesen.  So  wird  die 
Ansicht  des  Konsuls  Scipio,  ein  Angriff  auf  das  Heer  unter  den  Wällen 
sei  aussichtslos,  vollkommen  verständlich,  ja,  die  bisher  bewiesene 
Vorsicht  und  kühle  Erwägung  der  Kräfte  und  Umstände  von  Seiten 
der  römischen  Heeresleitung  schliefst  es  geradezu  aus  anzunehmen, 
dafs  man  im  Ernste  an  einen  solchen  Angriff  gedacht  hat.  Stürmisch 
aufwallende  Begeisterung  in  vielleicht  zahlreich  berufenem  Kriegsrate 
und  renommistische  Kraftüberschätzung  beim  gemeinen  Manne,  wie  sie 
in  unserem  Berichte  auftreten  (S.  173),  sind  noch  kein  Beweis  dafür, 
dafs  man  einer  besonnenen  Heeresleitung  eine  Tollheit  zutrauen  darf. 
Aber  sei  dem,  wie  ihm  wolle.  Zur  Tatsache  ist  ein  solcher  Angriff 
jedenfalls  nicht  geworden,  sondern  durch  beiderseitiges  Vorgehen 
schliefslich  doch  noch  die  offene  Feldschlacht  zustande  gekommen,  deren 
Schilderung  wir  uns  nunmehr  zuzuwenden  haben. 

3.    Die  Schlacht1). 
Schon  vor  Tagesgrauen  rückte  man  an  dem  kurzen  Wintertage 
beiderseits  zur  Schlacht  aus  den  Feldlagern  aus.   Der  neblige  Morgen 
erschwerte  auch  nach  dem  Tagwerden  die  Übersicht,    besonders  bei 


x)  Die  beiden  parallelen  Schlachtberichte,  die  wir  besitzen,  stehen  bei  Livius 
37,  39,  7  bis  44,  3  und  bei  Appian  Syr.  31  bis  36.  Man  vergleiche  ihre  Über- 
setzung im  Anhange  II  S.  198  f.  —  Über  ihren  Wert  und  die  Methode  ihrer  Be- 
nutzung s.  Beilage  II  S.  216  f. 

12* 


180  Der  Syrisch-römische  Krieg. 

der  weit  gedehnteren  Schlachtlinie  und  den  gröfseren  Massen  der 
Syrier1).     Denn  sie  stellten  mehr  als  das  Doppelte  ins  Feld. 

Während  die  Römer  alles  in  allem  27  600  Mann,  2800  Reiter 
und  16  Elefanten,  also  rund  30  000  Mann  hatten,  die  sie  bis  auf 
2000  Mann  Lagerwache  in  die  Schlacht  führten,  verfügte  der  König 
über  60  000  Mann  Fufstruppen,  12  000  Reiter  und  54  Elefanten,  die 
bis  auf  etwa  7000  Mann  Lagerwache  gleichfalls  vollzählig  ins  Gefecht 
gestellt  wurden2). 

Von  den  Schlachtordnungen  beider  Teile  müssen  wir  über  die 
leitenden  Gedanken  und  die  Absichten  der  Heerführungen  in  erster 
Linie  Aufklärung  erwarten,  sie  also  aufs  genaueste  analysieren,  wenn 
wir  in  den  Geist  jener  einzudringen  versuchen  wollen. 

Die  Römer  lehnten  sich,  wie  schon  eben  erwähnt,  mit  dem 
linken  Flügel  an  den  Phrygiosflufs,  der  mit  seinen  steilen  Ufern  gegen 
eine  Überflügelung  von  dieser  Seite  fürs  erste  ausreichenden  Schutz 
gewährte.  Ihr  rechter  Flügel  dagegen  stand  frei  in  die  nach  Süden 
hin  sich  noch  mehrere  Kilometer  weit  ausdehnende  Ebene  hinaus. 
Infolgedessen  hatten  sie  völlig  abweichend  von  dem  gewöhnlichen 
Schema  die  ganze  Reiterei,  fast  3000  Pferde,  und  alle  leichten  Hilfs- 
truppen, etwa  1000  Mann  Kreter  und  Trailer,  auf  diesem  Flügel  ver- 
einigt, den  Eumenes  von  Pergamon  führte3).  Die  4  Türmen  Reiter 
auf  dem  nördlichen  Flügel4),  100  bis  200  Mann,  kommen  gegenüber 
den  gewaltigen  Reitermassen  des  Antiochos,  welche  ihnen  entgegen- 
standen, taktisch  überhaupt  nicht  in  Betracht.  So  wurde  nicht  nur 
die  ganze  Mitte  der  Linie,  sondern  auch  der  linke  Flügel  von  dem 
Fufsvolke  der  Legionen  und  Alen  gebildet,  in  denen  die  Hauptstärke 
der  Römer  lag.  Ihre  Zahl  betrug  21  600  Mann.  Die  linke  Ala  und 
die  linke  Legion  wurden,  so  scheint  es,  von  Domitius,  die  rechte  Ala 


*)  Liv.  37,  41,  2  f.;  App.  31,  1;  33,  4.  —  Über  die  Jahreszeit  s.  S.  163  A.  2. 

2)  Die  Einzelposten  der  bei  Livius  mit  Namen  aufgeführten  Kontingente 
betragen,  wie  Niese  II  741  richtig  bemerkt,  nur  46  000  Mann  und  11  700  Reiter. 
Man  vergleiche  indessen  über  den  wirklichen  Sachverhalt  die  Zahlennachweise  Bei- 
lage I  S.  211  bes.  A.  2  u.  5  der  Tabelle.  —  Die  römische  Lagerwache  Liv.  37, 
39,  2:  duo  milia  mixtorum  Macedonum  Thracumque  .  .  praesidio  castris  relicti  sunt. 
Über  die  syrische  Lagerwache  Beilage  I  S.  211  A.  5. 

3)  Liv.  37,39,  9;  App.  31,4. 

4)  Liv.  37,  39,  11;  App.  36,  2.  Dafs  die  4  Türmen  bei  App.  31,  5  im  Gefolge 
des  Domitius  stehen,  ist  kein  Widerspruch;  s.  folg.  Seite  A.  1. 


2.  Magnesia.  131 

und  die  rechte  Legion  von  dem  Konsul  Scipio  kommandiert1).  Die 
3000  griechischen  Hopliten  und  Peltasten,  welche  von  Pergamon  und 
den  Achäern  gestellt  waren,  füllten  die  Lücke  zwischen  den  Legionen 
und  der  Reiterei  des  Eumenes.  Die  Veliten  bildeten,  wie  gewöhnlich, 
das  erste  Treffen.  Die  ganze  Linie  mag  etwa  2000—2500  Meter  lang 
gewesen  sein2). 

Ganz  anders  war  die  Schlachtlinie  des  Antiochos  geordnet3). 
Hier  nahmen  die  schwergerüsteten  Phalangiten  die  Mitte  ein.  Sie 
waren  16  000  Mann  stark  und  in  10  Regimenter  zu  je  1600  Mann 
gegliedert.  Die  Flanken  jedes  Regimentes  wurden  durch  2  Elefanten 
gedeckt,  denen,  wie  gewöhnlich,  eine  Anzahl  von  Leichtbewaffneten 
beigegeben  war4). 

Die  Tiefe  der  Phalanx  hatte  die  ungewöhnlich  grofse  Zahl  von 
32  Mann5),  so  dafs  die  einzelnen  Regimenter  Gewalthaufen  von  fast 
quadratischer  Gestalt,  nämlich  von  50  Mann  Front  und  32  Mann  Tiefe 
bildeten.  Wie  eine  undurchdringliche  Mauer  mit  ihren  Türmen  sah 
nach  dem  plastisch  anschaulichen  Vergleich  unserer  Quellen  diese 
Phalanx  und  ihre  Elefanten  aus6).  Rechts  und  links  an  diese 
phalangitische    Speermauer    schlössen    sich    die    anderen    schweren 


*)  So  nach  Appian  31,  6,  der  nur  wiederum,  wie  bei  den  Thermopylen  (S.  151 
A.  5),  rechts  und  links  verwechselt,  indem  er  dem  Eumenes  den  rechten,  Domitius 
den  linken  Flügel  zuteilt.  Da  Domitius  aufser  der  linken  Ala  auch  noch  die  linke 
Legion  befehligt  haben  mufs,  so  erklärt  sich  seine  Anwesenheit  beim  Kampfe  gegen 
die  Phalanx  (App.  35,  2;  36,1.),  an  dem  die  linke  Legion  eben  teilnahm. 

2)  Nach  unseren  Berechnungen  über  die  Frontlängen  (Bd.  I  S.  321)  nehmen 
10  000  Mann  gemischte  Truppen  durchschnittlich  etwa  800  Meter  in  Schlacht- 
ordnung ein.  Das  ergäbe  für  die  28 — 29  000  Mann  der  römischen  Linie  rund 
2200—2300  Meter. 

3)  Man  vergleiche  die  Übersicht  über  die  Truppen  des  Antiochos  auf  der 
Tabelle  in  Beilage  I  S.  209  f. 

4)  Sie  eröffneten  als  erstes  Treffen  den  Kampf  und  zogen  sich  dann  in  die 
Lücken  zwischen  den  Phalanxhaufen  zurück  (s.  S.  183  A.  2).  Über  ihre  Zahl,  die 
man  auf  etwa  GOOO  Mann  berechnen  mag,  s.  ebenda  Schlufs  der  A.  Dafs  man 
den  Elefanten  Leichte  beizugeben  pflegte,  sagt  Appian  Syr.  18:  Tovg  IXtcfccvrac  .  . 
xcil  to  axi(fog  o  pix  ccvtwv  ael  awerdaaero  =  Liv.  36,  18,  4:  cum  adsueto  praesidio. 
Man  vergl.  auch  Armandi  S.  197. 

5)  Die  gewöhnliche  Tiefe  der  Phalanx  war  16  Mann  (Bd.  I  S.  239  A.  1). 

6)  Liv.  37,  40,  1  f . ;  App.  32  beschreiben  diese  interessante  und  ungewöhn- 
liche Aufstellung  im  Anschlufs  an  Polybios  genau  und  übereinstimmend  (s.  An- 
hang II  S.  199.  202;  s.  auch  Beilage  II  S.  2 14  f.). 


182  Der  Syrisch-römische  Krieg. 

Truppen.  Rechts  nur  noch  1500  Gallier,  links  aufser  der  gleichen 
Zahl  Gallier  noch  4700  Mann  Kappadokier  und  verschiedene  andere 
Kontingente1).  Auch  sie  müssen  tiefer  als  gewöhnlich  gestanden 
haben.  Die  Analogie  mit  der  Phalanx,  die  gleich  zu  besprechende 
geringe  Frontausdehnung,  die  das  Zentrum  überhaupt  einnahm,  und 
ihre  Aufgabe  in  dem  ganzen  Schlachtplan  macht  diese  Annahme  not- 
wendig. So  bildete  eine  Anzahl  von  im  ganzen  25  700  Mann  schwerer 
Truppen  die  Mitte  der  Aufstellung. 

An  dieses  Zentrum  schlössen  sich  auf  beiden  Seiten  Reiter- 
massen an.  Zunächst  je  4000  Mann  Panzerreiter  und  königliche 
Garde,  dann  leichte  Reiterei.  Aber  letztere  war  ungleich  verteilt: 
während  nämlich  auf  dem  rechten  Flügel  nur  1200  dahische  Bogner 
zu  Pferde  standen,  war  die  grofse  Masse  der  leichten  Reiter,  etwa 
3000  Mann  Gallier  und  Tarentiner,  auf  dem  linken  Flügel  vereinigt 
geblieben2).  Endlich  folgten  auf  beiden  Flügeln  die  leichten  und 
leichtesten  Fufstruppen:  rechts  im  ganzen  9500  Mann  Kreter,  Trailer, 
Mysier,  Kyrtier,  Elymäer,  lauter  Bogner,  Schleuderer  und  Speer- 
werfer; links  12000  Mann  von  derselben  oder  ähnlicher  leichter  Be- 
waffnungsart, aufser  den  meisten  der  genannten  noch  besonders  Berg- 
völker aus  Südkleinasien:  Karer,  Lykier,  Pisidier,  Pamphylier 3). 

Man  erkennt  deutlich  das  Prinzip  dieser  Anordnung:  Die 
Schwere  der  Bewaffnung  stuft  sich  von  der  Mitte  nach  beiden 
Flügeln  hin  allmählich  ab.  Auf  die  Phalanx  folgen  die  anderen 
schweren  oder  halbschweren  Fufstruppen  des  Zentrums,  dann  die 
schweren,  darauf  die  leichten  und  leichtesten  Fufstruppen. 


')  Nach  Livius  37,  40,  5.  10.  Appian  falsch  (vergl.  S.  210  A.  1).  —  Dafs  es 
sich  um  schwere  oder  halbschwere  Truppen  handelt  folgt  aus  dieser  ihrer  Stellung 
in  der  Schlachtreihe,  wo  sie  ihren  Platz  gegenüber  der  rechten  Ala  der  Römer 
haben  (s.  S.  185). 

2)  Die  Schweren  waren  je  3000  Mann  Panzerreiter  und  je  1000  Mann  berittene 
Garde.  Liv.  37,  40,  5.  11.  Über  die  cohors  der  Argyraspiden,  die  neben  der  Garde 
zu  Pferde  auf  dem  rechten  Flügel  stand,  und  über  die  nicht  überlieferte  Zahl  der 
Tarentiner  s.  Beilage  I  die  Tabelle,  S.  210  A.  1  u.  S.  211  A.  2.  Appian  ist  auch  hier 
verwirrt  und  ungenau.  Übrigens  sollte  man  meinen,  dafs  Seleukos,  der  auf  dem  linken 
Flügel  kommandierte,  ebenso  wie  sein  Vater  aufser  der  berittenen  Garde  von 
1000  Mann  auch  eine  entsprechende  Garde  zn  Fufs  gehabt  hätte.  Vielleicht  hat 
Livius  diesen  Posten  vergessen. 

3)  Nach  Liv.  37,  40,  8  f.  1 3  f.  Appian  gibt  nichts  über  die  Stellung  dieser 
Truppen  an. 


2.  Magnesia. 


183 


Aber  die  Verteilung  ist  nicht  ganz  gleichmäfsig :  sowohl  an 
schweren  Fufstruppen,  wie  an  leichten  Reitern  und  leichten  Fufs- 
truppen  ist  die  Seite  links  von  der  Phalanx  mit  je  ein  paar  tausend 
Mann  stärker  angesetzt,  so  dafs  sie  im  ganzen  8  —  9000  Mann  mehr 
enthält1).  Die  dadurch  hervorgebrachte  Verschiebung  bewirkt,  dafs 
die  Phalanx  nicht  genau  in  der  Mitte,  sondern  dem  rechten  Flügel 
etwas  näher  steht. 

Endlich  war  vor  der  ganzen  Schlachtlinie,  mindestens  vor  dem 
Zentrum  und  der  Reiterei  eine  Kette  von  leichten  Truppen  ent- 
wickelt, welche  das  erste  Treffen  bildeten.  Der  konstante  Kriegs- 
brauch der  Zeit,  die  Notwendigkeit,  den  römischen  Velites  mit  gleicher 
Waffe  entgegenzutreten,  endlich  die  Andeutungen  unserer  Quellen 
erheben  das  über  jeden  Zweifel,  wenn  auch  nur  die  Kamelreiter 
und  Sichelwagen  bei  der  Schlachtaufstellung  ausdrücklich  erwähnt 
werden2). 


])  Um  den  Parallismus  vor  Augen  zu  führen,  setze  ich  die  ganze  Orde  de 
bataille  im  Überblick  her: 


Phalanx 

linker 
Flügel. 

linkes 
Zentrum. 

Phalanx. 
16000 

rechtes 
Zentrum. 

rechter 
Flügel. 

Gallier 

1500 

1500 

Kappadokier  etc. 
Panzerreiter 

3000 

4700 

— 

3000 

Gardereiter 

1000 

1000 

Garde  zu  Fufs 
Leichte  Reiterei 

? 
ca.  3000 

(1000?) 
1200 

Leichtes  Fufsvolk 

12000 

6000 

9500 

Summe: 

19000 

6200 

16000+6000 
2200Ö" 

1500 

15700 

25 

200 

17< 

200 

2)  Kamelreiter  und  Sichelwagen  Liv.  37,  40,  12  und  Appian  32,  12.  —  An- 
deutungen über  gröfsere  Ausdehnung  des  ersten  Treffens  bei  Appian  33,  1,  der 
am  Schlufs  seiner  flüchtigen  Beschreibung  zusammenfassend  hinzufügt:  oxpig  nv 
vjansQ  dvo  OToarcov  tov  fxhv  KQxofxivov  noks/ueZv  (erstes  Treffen),  tov  cT  {(psdoeovovTog 
(zweites  Treffen,  Haupttreffen)  ixccTSoog  6'  ccutcov  ig  xatauXri^iv  laxtvaaio  fornu? 
nXr\Su  te  xctl  xoa/ucp.  Ferner  spricht  er  33,  3  geradezu  von  den  nqo^axoi  der 
Phalanx  und  fügt  35, 1  hinzu,  dafs  die  Phalanx  die  tyilohg  rovg  inl  tov  ueromov 
0(fü)V  ht  n Q07t ole{iovvTctg  zurückgenommen  habe.  Auf  dieses  erste  Treffen 
sind  denn  auch  die  Stellen  zu  beziehen,  in  denen  es  heifst,  dafs  die  Verwirrung 
sich  von  den  Sichelwagen  auf  „olov  rb  perat/iMov"  ausgedehnt  habe  (33,  25),  und 
dafs  das  ^sTat/fxtov  an  der  Stelle,  wo  die  Sichelwagen  gestanden,  leer  geworden 
sei  (34,  1),  wobei  das  Wort  /Lteiai/^iov  einmal  als  „Zwischenraum"   zwischen  den 


134  Der  Syrisch-römische  Krieg. 

Die  ganze  Linie  mag    etwa   4  Kilometer  lang    gewesen  sein1). 

Den  Zweck  dieser  ganzen  Anordnung  lernen  wir  verstehen, 
wenn  wir  uns  klarmachen,  wie  die  einzelnen  Truppenteile  denen  des 
römischen  Heeres  gegenübergestanden  haben. 

Die  Quellen  geben  uns  dafür  willkommene  Anhältepunkte: 

In  der  Schlacht  führte  Eumenes  seinen  ersten  Angriff  mit  den 
leichten  Truppen  des  äufsersten  rechten  Flügels  auf  die  Sichelwagen 
aus  und  unterstützte  denselben  dann,  indem  er  sich  mit  seiner  ge- 
samten Reiterei  auf  die  Panzerreiter  des  Gegners  warf2).  Folglich 
stand  der  äufserste  rechte  Flügel  der  Römer  den  Sichelwagen 
und  Panzerreitern  des  linken  feindlichen  ungefähr  gegenüber. 

Ferner  wird  berichtet,  dafs,  als  der  römische  linke  Flügel  sich 
im  Laufe  der  Schlacht  von  dem  Flusse  entfernte,  Antiochos  sich  per- 
sönlich mit  seiner  Reiterei  in  die  entstehende  Lücke  geworfen  habe 


Haupttreffen,  das  andere  Mal  als  das  „in  diesem  Zwischenraum  stehende  Vortreffen" 
zu  fassen  ist.  —  Wenn  Mommsen  so  weit  geht,  auf  die  am  Beginn  dieser  Anm. 
angezogene  Äufserung  Appians  hin,  sämtliche  leichte  Truppen  dem  ersten  Treffen 
zuzuweisen,  das  zweite  nur  aus  der  schweren  Infanterie  und  Kavallerie  bestehen 
zu  lassen,  so  steht  das  in  ausdrücklichem  Widerspruch  zu  Livius  weit  exakterer 
und  innerlich  glaubwürdigerer  Relation.  Die  Zahl  der  dem  Zentrum  zugeteilten 
Leichten  wird  man  mit  Rücksicht  auf  die  Zahl  der  römischen  Velites  (s.  S.  185  A.  1) 
kaum  unter  6000  Mann  veranschlagen  dürfen,  vergl.  auch  Beil.  II,  S.  211  A.  5. 

a)  Nach  dem  Durchschnitt  (s.  S.  181)  müfsten  60— 70000  Mann  gemischter 
Truppen  5  bis  6  Kilometer  eingenommen  haben.  Aber  ein  so  weites  Überragen 
wäre  zwecklos  gewesen.  Es  hätte  bei  der  Umgehung  selbst  zu  ganz  unnötig 
weiten  Bogen  gezwungen.  Es  war  verständiger,  die  Flügel  tiefer  aufzustellen  und 
sie  sich  nach  der  Umgehung  entwickeln  zu  lassen.  Dazu  kommt,  dafs  nach  den 
erwähnten  Nachrichten  ja  auch  das  Zentrum  sehr  tief  stand.  Die  Front  der 
Phalanx  betrug  nur  500  Mann,  d.  h.  sie  war  nur  etwa  450  Meter  lang  (Bd.  I  S.  323). 
Dazu  mag  man  150 — 200  Meter  für  die  Elefanten  und  die  Leichten  ansetzen  und 
3  bis  400  Meter  für  die  anderen  schweren  Truppen  rechnen,  die  sie  bei  einer 
Tiefe  von  etwa  20  Mann  einnehmen  mufsten.  Damit  würden  sich  für  das  ganze 
Zentrum  von  23000  schweren  Kriegern  und  den  Zugeordneten,  etwa  6000  Leichten 
(S.  181  A.4),  nur  etwa  1000  Meter  Länge  ergeben.  Das  stimmt  aufs  beste  zu  der  gleich 
zu  besprechenden  Stellung,  welche  diese  Truppen  gegenüber  den  Römern  einnahmen. 

2)  Liv.  37,  41,  !):  Eumenes  .  .  Cretenses  sagittarios  .  .  .  (equis)  tela  in- 
gerere  iubet  (auf  die  Pferde  der  Sichelwagen);  App.  33,5:  Ev/u^vrjg  .  .  rr\v  ()<j[A7]v 
tu>v  h q [i  ai  qjv  r  tray [A£V(av  tif?  iavt  bv  /uuXigtcc,  öeidag  usw.  Die  Wagen  standen 
aber  eben  vor  den  Panzerreitern,  wie  Livius  37,  40,  12:  ante  hunc  equitatum 
falcatae  quadrigae  ausdrücklich  sagt  und  Appian  insofern  bestätigt,  als  nach  ihm 
von  den  Truppen  des  zweiten  Treffens  allein  die  Panzerreiter  durch  die  Flucht 
der  Sichelwagen  in  Verwirrung  geraten  (33,  8.  34,  2), 


2.  Magnesia.  185 

(S.  194).  Folglich  stand  die  Königliche  Garde  zu  Pferd  und  zu  Fufs 
ungefähr  dem  äufsersten  linken  Flügel  der  Römer  gegenüber. 

Nach  diesen  beiden  festen  Punkten  läfst  sich  alles  andere  be- 
stimmen: 

Die  Panzerreiter  des  rechten  Flügels  und  die  Gallier  standen 
also  der  linken  Ala  der  römischen  Bundesgenossen  gegenüber.  Die 
Phalanx,  deren  Länge  auf  etwa  600—650  Meter  zu  veranschlagen 
ist  (s.  vor.  S.  A.  1),  hatte  dann  als  Hauptgegner  die  beiden  römischen 
Legionen ;  und  der  rechten  Ala,  sowie  den  pergamenischen  und  achäi- 
schen  Fufstruppen  standen  endlich  die  schwergerüsteten  Gallier,  Kappa- 
dokier  und  die  anderen  Hilfsvölkern  des  linken  syrischen  Zentrums, 
vielleicht  auch  noch  ein  Teil  der  Panzerreiter  gegenüber.  Die  beiden 
Flügel  der  syrischen  Armee  mit  den  leichten  Fufstruppen  ragten 
beträchtlich  über  die  Enden  der  römischen  Schlachtlinie  hinaus. 

Aus  dieser  Aufstellung  ergibt  sich  der  Schlachtgedanke,  der 
den  Antiochos    leitete,    mit    voller  Klarheit. 

Sein  schwergerüstetes  Fufsvolk,  das  er  den  römischen  Legionen 
nicht  für  gewachsen  hielt,  hatte  der  König  im  Zentrum  so  tief  auf- 
gestellt, dafs  es  trotz  seiner  beträchtlichen  numerischen  Überlegen- 
heit1) nicht  einmal  die  gleiche  Front  einnahm,  wie  das  römische. 
Diese  Truppen  sollten  noch  dazu  nicht  einmal  angriffsweise  vor- 
gehen, sondern  sich  defensiv  verhalten 2).  Der  Zweck  dieser  tiefen 
Aufstellung  war  also  nur  der,  ein  Durchbrechen  der  Römer  an  diesem 
gefährdetsten  Teile  der   syrischen  Schlachtordnung    zu  verhindern 3). 


x)  Die  römischen  Alen  und  Legionen  waren  mit  Einschlufs  von  etwa 
6000  Velites  (etwa  1500  auf  jede  Legion  und  Ala,  s.  S.  103  A.  1)  nur  21600  Mann 
stark;  das  syrische  Zentrum  hatte  ohne  die  den  Römern  mindestens  gleichen 
leichten  Truppen  23700  Mann. 

2)  Dafs  die  Phalanx  nur  zur  Defensive  bestimmt  war,  wird  auch  sonst  be- 
merkt und  fand  vielfach  eine  abfällige  Kritik:  xcä  doxtl  jtjv  ilnCda  laßuv  iv  rotg 
uTTiavoiv  .  .  ttjv  J«  qdlayya  nvxvqv  ig  bliyov  avvctyaysTv  dnHQonoXsfiws,  rj  dy  y.al 
(AÜhüTu  Met  öaQoeiv  ndw  rjoxrj/uEvri  (App.  32,  9),  und  ebenso  heifst  es  37,  3  von 
Antiochos'  Hof:  (ol  (ptXoi)  xaT£[A.e'ju<povTO  <T  kvtov  xccl  rrjv  Televtaiav  dcfQoavvrjV  d^qelov 
iv  oztvip  tÖ  xqdxiGxov  tov  ötqcctov  nenoirjxoTos  xa\  itjv  IXnida  &(/li€vov  iv  nXrj&si 
avyxXvöm>  uvöqwv  ccqtitioU^cov  usw.  —  Die  geheimen  Hofkritiker  verlangten  also 
die  umgekehrte  Taktik :  Offensive  der  Phalanx  und  Defensive  der  anderen  Truppen 
Dafs  die  Phalanx  in  der  Schlacht  tatsächlich  nicht  angegriffen,  sondern  stehenden 
Fufses  den  Angriff  erwartet  hat,  zeigt  der  Schlachtbericht,  s.  S.  191. 

3)  Mommsen,  R.  G.  I3,  737  führt  die  tiefe  Aufstellung  auf  den  Umstand 
zurück,  dafs  die  Phalanx  „in  dem  engen  Raum  nicht  Platz  gefunden  habe".    Da- 


186  Der  Syrisch-römische  Krieg. 

Die  Kette  von  leichten  Truppen,  welche  vor  dieser  Phalanx  ent- 
wickelt war,  konnte  zunächst  den  Kampf  hinhalten;  wenn  sie  ge- 
worfen seien,  sollte  der  drohende  Anblick  des  tiefen,  festgewurzelt 
stehenden  Lanzenwalles  mit  seinen  Elefanten,  wie  eine  unerstürmbare 
Mauer  mit  ihren  Türmen,  womöglich  den  ernsthaften  Angriff  des 
Gegners  verzögern,  und  wenn  er  doch  erfolgte,  sollte  man  ihn  kalt- 
blütig so  lange  wie  möglich  aushalten.  Wenn  auch  kein  positiver 
Erfolg,  so  war  doch  eine  Niederlage  dabei  kaum  zu  erwarten.  Gröfsere 
Unordnung,  die  beim  Draufgehen  leicht  eintreten  konnte,  wurde  ver- 
mieden. Die  Erfahrungen  von  Atrax  und  Thermopylä  (S.  56.  153  f.) 
hatten  gezeigt,  dafs  eine  Phalanx  mit  geschützten  Flanken  im  Stehen 
jedem  Angriffe  der  römischen  Legionen  gewachsen  war,  während  der 
Mifserfolg  von  Kynoskephalä  wieder  lebendig  gemacht  hatte,  wie 
grofse  Gefahren  in  der  bei  solchen  Massen  schwer  zu  vermeidenden 
Ungleichmäfsigkeit  des  Vorgehens  verborgen  lagen.  Wie  richtig  der 
König  dabei  gerechnet  und  wie  zutreffend  er  die  grofse  passive 
Widerstandskraft  seiner  Phalangiten  und  Elefanten  eingeschätzt  hatte, 
zeigte  sich  später  in  der  Schlacht,  wo  die  Phalanx  trotzdem  sie  von 
allen  Seiten  eingeschlossen  und  beschossen  war,  doch  eine  geraume 
Zeit  lang  unerschüttert  standgehalten  hat,  und  die  römischen 
Legionen  tatsächlich  nicht  gewagt  haben,  mit  dem  Schwerte  anzu- 
greifen, selbst  nachdem  die  Phalanx  schon  angefangen  hatte,  den 
Kückzug  anzutreten  (S.  193). 

Während  die  Hauptkräfte  der  Römer  so  gebunden  waren,  sollten 
die  Flügel  wirken.  Reiterei  und  leichte  Truppen  konnten,  über- 
flügelnd wie  sie  standen,  zu  nichts  anderem  bestimmt  sein  als  zu 
umgehen  und  die  Gegner  von  beiden  Seiten  her  förmlich  einzu- 
wickeln. 

Die  beste  Gelegenheit  dazu  bot  natürlich  das  Gelände  auf  der 
Südseite,  und  deshalb  hatte  der  König,  wie  wir  jetzt  vollkommen  be- 
greiflich finden,  hier  die  gröfsten  Massen  seiner  leichten  Reiterei  und 
Fufstruppen  konzentriert. 

Aber  auch  auf  der  Nordseite  war  ein  solcher  Versuch  nicht  un- 
ausführbar: Wenn  die  Römer,  um  der  Umzingelung  von  Süden  her 
entgegenzuwirken,  sich  beim  Vorgehen,  wie  das  gewöhnlich  war  und 


von    kann   keine  Bede  sein,   wie  schon  Ed.  Meyer  Rh.  Mus.  36  S.  124  mit  Recht 
bemerkt  hat.    Auch  die  Aufstellung  der  Elefanten  ist  bei  ihm  unrichtig  angegeben. 


2.  Magnesia.  187 

auch  damals  tatsächlich  geschah,  nur  ein  wenig  nach  vorwärts  und 
rechts  zogen,  so  verloren  sie  ihre  Anlehnung  an  den  Flufs,  und  dann 
konnte  man  auch  von  hier  aus  ihnen  in  Flanke  und  Rücken  kommen. 
Das  war  die  Aufgabe,  welche  Antiochos  sich  persönlich  vorbehalten 
hatte  und  welche  er  auch,  was  seine  Person  betrifft,  vollkommen  ge- 
löst hat  (S.  194). 

Die  Absichten  des  Königs  waren  durch  seine  ganze  Schlacht- 
anlage, die  ohne  Zwweifel  schon  beim  Ausrücken  der  Heere  an  den 
früheren  Tagen  dieselbe  gewesen  war,  viel  zu  deutlich  vorgezeichnet, 
als  dafs  die  Römer  darüber  hätten  im  unklaren  sein  können. 

Es  war  daher  nur  die  Frage,  was  man  für  Gegenmafsregeln  zu 
treffen  imstande  war,  um  sie  unwirksam  zu  machen. 

Mit  einer  defensiven  Führung  war  es  offenbar  nicht  getan. 
Damit  konnte  man  die  Umgehung  des  linken,  aber  nicht  die  des 
rechten  Flügels  hindern.  Mit  einen  Angriff  der  Legionen  auf  der 
ganzen  Linie  kam  man  auch  nicht  zum  Ziele.  Dann  wären  ja  eben 
die  Umstände  eingetreten,  auf  die  Antiochos  rechnete. 

Hier  konnte  nur  ein  rascher  und  energischer  Angriff  mit  dem 
rechten  Flügel  helfen,  auf  dem  ebendeshalb  die  ganze  Reiterei  kon- 
zentriert war.  Ehe  der  Feind  zur  Umgehung  Zeit  hatte,  mufste  seine 
Linie  an  einer  Stelle  durch  einen  Chok  der  Kavallerie  zerrissen 
werden.  Bei  der  Unzuverlässigkeit  und  Unbeholfenheit  der  Flügel- 
truppen des  Feindes1)  war  zu  hoffen,  dafs  ein  solcher  Stofs  die 
gröfste  moralische  Wirkung  auf  sie  ausüben,  dafs  sie  ohne  Kampf 
weichen  würden  und  man  sich  nach  Durchstofsung  der  feindlichen 
Umklammerung,  mit  dem  Gros  einschwenkend,  sofort  auf  die  Flanke 
des  schweren  Fufsvolkes  werfen  könne.  Dann  mufste  der  Angriff 
energisch  von  vorne  durch  die  griechischen  Hopliten  und  die  Legionen 
unterstützt  und  das  Zentrum  mufste  von  der  Flanke,  von  vorn  und 
vom  Rücken  her  gepackt  und  aufgerollt  werden. 

Allerdings  konnte  bei  diesem  Vorgehen  die  Anlehnung  an  den 
Flufs  verloren  gehen.  Aber  man  durfte  hoffen,  dafs  man  mit  dem 
Zentrum  fertig  sein  würde,  ehe  sich  die  Folgen  dieses  Nachteiles 
geltend  machten.  Man  konnte  dabei  auf  die  moralische  Überlegenheit 
der  Truppen  rechnen;    schliefslich    war  auch  hier  noch  die  Reserve 


l)   Sie     werden    eine     nkrj&og     avyxlvdoov    <xv3qqüv    dgr^noUficov    genannt 
s.  S.  185  A.  2. 


188  Der  Syrisch-römische  Krieg. 

von  16  hinter  der  Front  zurückgehaltenen  Elefanten  zur  Verfügung 
und  das  Lager  mit  seiner  Besatzung  von  2000  tapferen  Makedonien! 
und  Thrakern  in  nächster  Nähe  (S.  194). 

So  zeigt  uns  die  ganze  Lage  einerseits,  wie  sehr  Sieg  und 
Niederlage  von  einer  kurzen  Spanne  Zeit,  vielleicht  dem  Gebrauch 
weniger  Minuten  abhingen,  wie  sehr  anderseits  beide  Heeresleitungen 
sich  der  Vorteile  bewufst  waren,  welche  die  Natur  des  Geländes  und 
die  spezifische  Art  ihres  Heeres  ihnen  gewährten. 

Aber  noch  zu  einer  anderen  kurzen  Betrachtung  fordert  uns 
die  geschilderte  Lage  auf.  Das  langsame  Hinhalten  des  Kampfes 
auf  der  einen  Seite,  verbunden  mit  dem  Versuche,  das  numerische 
Übergewicht  durch  doppelte  Umgehung  zur  vollen  Entfaltung  zu 
bringen  und  so  durch  Reiterei  und  leichte  Truppen  die  Entscheidung 
herbeizuführen;  der  stürmische  Angriff  auf  der  anderen  Seite,  welcher 
von  einer  kleinen  Minderzahl  mit  der  Reiterei  des  rechten  Flügels 
ausgeführt  wird  und  den  Zweck  verfolgt,  die  gegnerische  Linie  zu 
durchbrechen,  die  drohende  Umklammerung  zu  vereiteln  und  seiner- 
seits die  Schlachtreihe  des  Gegners  aufzurollen;  endlich  der  Schauplatz 
dieses  interessanten  Widerspieles  der  Kräfte  in  offenem,  ebenem  Blach- 
felde:  dies  alles  sind  ebensoviele  Ähnlichkeiten  mit  der  berühmtesten 
und  charakteristischsten  der  Alexanderschlachten,  der  Schlacht  von 
Arbela.  In  wenig  verändertem  Gewände  treten  also  dieselben  taktischen 
Gedanken  zweimal  in  die  Erscheinung,  und  indem  diese  Gleichheit  uns 
darauf  hinweist,  dafs  auch  in  der  Taktik  dieselben  Verhältnisse  mit 
einer  gewissen  Notwendigkeit  auf  dieselben  Lösungsversuche  führen, 
ist  sie  uns  zugleich  eine  Gewähr  dafür,  dafs  die  Schlachtschilderungen 
von  Magnesia  nicht,  wie  man  jüngst  gemeint  hat,  „Phantasien  eines 
Romanschreibers"  sind1),  sondern  dafs  wir  in  ihnen  den  Bericht  über 
einen  wohldurchdachten  und  gewissermafsen  naturnotwendigen  Schlacht- 
plan vor  uns  haben. 

Aber  die  gleiche  Scblachtanlage  bedingt  noch  nicht  denselben 
Verlauf.  Sowohl  im  ganzen  als  im  einzelnen  kann  das  freie  Spiel 
der  Kräfte  und  die  Imponderabilien  der  moralischen  Verfassung  natür- 
lich die  verschiedensten  Ergebnisse  herbeiführen. 


l)  So  Delbrück,  Kriegskunst,  I  368  über  dessen  Ansicht  man  die  Beilage  II 
S.  213  ff.  vergleichen  möge. 


2.  Magnesia.  189 

Betrachten  wir  also,  inwieweit  bei  Magnesia  der  Gang  der 
Schlacht  selber  die  Richtigkeit  der  beiderseitigen  Berechnungen  be- 
stätigt oder  widerlegt  hat. 

Kaum  hatten  die  vor  ihren  Lagern  wohlgeordneten  Heere  den 
zwischen  ihnen  liegenden  Raum  in  beiderseitigem  Anmärsche  zurück- 
gelegt und  in  mäfsiger  Entfernung  von  einander  Kampfstellung  ge- 
nommen, so  eröffnete  Eumenes  mit  seinen  leichten  Truppen  auch 
schon  den  Angriff1). 

Noch  ehe  die  Sichelwagen  des  ersten  feindlichen  Treffens  gegen 
ihn  losgelassen  werden  konnten,  hatte  er  sie  von  seinen  leichten 
Truppen  und  Schützen  umschwärmen  und  von  allen  Seiten  beschiefsen 
lassen.  Denn  die  wenigen  Minuten,  welche  ihm  blieben,  ehe  der 
Gegner  zur  Umfassung  vorgehen  konnte,  mufsten  schnell  und  ent- 
schlossen benutzt  werden,  wenn  nicht  alles  verloren  sein  sollte.  Er 
hatte  Befehl  gegeben,  nicht  auf  die  Lenker,  sondern  auf  die  Pferde 
zu  halten,  um  die  Tiere  scheu  und  so  die  Wagen  unbrauchbar,  ja 
gefährlich  für  die  eigenen  Truppen  des  Gegners  zu  machen.  Das 
Manöver  gelang  vollkommen,  und  die  teils  zurück-,  teils  hin  und  her 
gescheuchten  Wagen  verbreiteten  Verwirrung  und  Unruhe  in  den 
eigenen  Reihen2). 

Diesen  Moment  hatte  sich  Eumenes  ausersehen,  um  die  ganze 
Masse  seiner  Kavallerie  in  geschlossenen  Geschwadern  zur  Attacke 
gegen    die   feindlichen  Panzerreiter   anreiten  zu  lassen3).     Der  Ein- 


*)  Dafs  der  Aufmarsch  beider  Heere  unmittelbar  vor  dem  Lager  vorge- 
nommen wurde  und  man  dann  erst  mit  entwickelter  Front  in  die  Kampfesstellung 
einrückte,  ist  schon  an  sich  selbstverständlich;  hier  um  so  mehr,  weil  sonst  das 
doppelt  so  grofse  syrische  Heer,  das  natürlich  zu  seinem  Aufmarsche  längere  Zeit 
brauchte,  sich  sonst  einem  Angriffe  während  des  Aufmarsches,  also  in  ungünstigter 
Lage,  ausgesetzt  hätte. 

2)  Dafs  Eumenes  den  Angriff  begonnen  hat,  wird  ausdrücklich  gesagt: 
Liv.  37,41,  9:  quod  ubi  Eumenes  vidit  (die  Aufstellung  der  Sichelwagen)  .  . 
Cretenses  etc.  excurrere  iubet  et  .  .  tela  ingerere.  Ebenso  Appian  33,  5.  Über 
die  weitere  Schilderung  s.  die  Übersetzung  im  Anhang  II  S.  200  und  203. 

3)  App.  Syr.  34:  toi;?  Idiovg  nnziag  xcu  oooi  'Pco/ucticov  avzdü  zcä  'Ireckwv 
nancatTa/aro  Inijyev  Inl  rovg  avriy.Qv  rcdccTccg  is  xal  Kannadöxag  xa\  ir\v  alb]V 
GvvoSov  tiov  tjzvcov,  .  .  .  ol  6h  inei&ovio  xal  ßccQtiag  aifdov  Tr\g  tfißokrjg  yevo^.ivr\g  .  .  . 
Liv.  37,42,2:  ad  quos  (cataphractos  equites)  cum  pervenisset  equitatus  Romanus 
usw.  Der  Unterschied,  dafs  Appian  den  Einbruch  auf  die  Fufstruppen  des  linken 
syrischen  Zentrums,    Livius    ihn   auf  die  Panzerreiter  erfolgen  läfst,    ist  nicht  so 


190  Der  Syrisch-römische  Krieg. 

bruch  dieser  3000  Mann  hatte  durchschlagenden  Erfolg.  Die  schon 
durch  die  zurückflutenden  Wagen  in  ihrer  Haltung  stark  erschütterten 
schweren  Reiter  gaben  nach,  und  der  ganze  linke  Flügel  sah  sich, 
kaum  in  seine  Kampfstellung  eingerückt,  schon  durch  eine  breite 
Lücke  von  dem  Hauptheere  getrennt.  Eine  Panik  ergreift  die  leichten 
Reiter  und  Fufstruppen,  die  hier  stehen,  und  in  wilder  Flucht  und 
Verwirrung  flüchtet  alles  nach  dem  Lager  zurück1).  Die  Umgehung 
im  Süden  war  glänzend  vereitelt. 

Und  nun  führte  Eumenes  die  entscheidende  Schwenkung  mit 
ebenso  kühler  Überlegung  aus,  wie  er  vorher  den  Angriff  mit  ent- 
schlossener Kühnheit  eröffnet  hatte.  Es  war  der  Ehrentag  der  römisch- 


bedeutend, wie  er  scheint.  Sie  standen  ja  nebeneinander.  Ich  habe  Livius'  Dar- 
stellung vorgezogen,  nicht  nur  weil  er  im  allgemeinen  der  Zuverlässigere  ist, 
sondern  weil  er  sowohl  wie  Appian  angibt,  dafs  die  Sichelwagen  vor  den  Panzer- 
reitern und  gegenüber  der  römischen  Reiterei  standen,  s.  S.  184  A.  2. 

')  Die  hier  gegebene  Darstellung  weicht  etwas  von  unseren  Quellen  ab. 
Dieselben  setzen  den  Ausbruch  der  Panik  schon  vor  den  Einbruch  der  römischen 
Reiterei  und  führen  ihn  nur  auf  die  Sichelwagen  zurück.  Liv.  37,  42,  2 :  nudarunt 
omnia  usque  ad  cataphractos  equites.  App.  33,  9.  10.  Zudem  gibt  Livius  ib.  41,  12 
noch  die  naive  Aufserung  amoto  inani  ludibrio  (die  Sichelwagen),  tum  demum  ad 
iastum  proelium  signo  utrimque  dato  concursum  est.  Sehr  gemütlich  und  ordnungs- 
gemäfs!  Als  Ob  Eumenes  nicht  gerade  die  entstehende  Verwirrung  hätte  be- 
nutzen und  durch  kräftigen  Stofs  mit  seiner  Reiterei  sie  hätte  vermehren  müssen, 
während  umgekehrt  die  Syrer  aus  demselben  Grunde  nicht  angriffsfähig  waren. 
Das  Gefecht  von  1000  Leichtbewaffneten  mit  einer  Anzahl  Sichelwagen  und  die 
daraus  hervorgehende  Verwirrung  konnte  in  ihren  Folgen  erst  verderbenbringend 
werden,  wenn  man  mit  grofsen  Massen  nachstiefs.  Der  Einbruch  der  Reiterei  ist 
also  das  militärisch  entscheidende  Ereignis.  —  Man  könnte  auf  die  Vermutung 
kommen,  das  auch  so  noch  auffallende  gänzliche  Versagen  des  linken  Flügels,  der 
ja  doch  aus  15  000  Mann  bestand,  daraus  erklären  zu  wollen,  dafs  er  noch  nicht 
ganz  aufmarschiert  gewesen  sei.  Aber  das  ist  nach  der  Art,  wie  der  Aufmarsch 
ausgeführt  war,  unmöglich,  S.  189  A.  1.  Eine  solche  Panik  ist  bei  der  dichten  An- 
häufung grofser  Truppenmassen  eine  bei  Heeren  des  Altertums  oft  auftretende  und 
mafsenpsychologisch  wohl  verständliche  Erscheinung,  über  die  man  Bd.  I  S.  329  ff. 
nähere  Ausführungen  findet.  Auch  hat  Polybios,  dessen  anschauliche  Darstellung  der 
Panik  noch  durch  Appians  Worte  hindurchschimmert,  diese  Erscheinung  umständlich, 
wie  seine  Art  ist,  erörtert:  &6()vßog  —  so  heifst  es  —  yv  rjdi]  noXvg  xal  tccqcc%o$ 
notxCkog  .  •  .  %(üqü)v  Inl  oXov  ib  futTai/^iov'  xal  uei&v  vnovoia  rov  aXQißovg. 
(10)  iug  yuQ  iv  diaOTTjuaTi  fxaxQol,  xal  nlrj&€i  nvxvoj,  xal  ßorj  noixilrj  y.cä  (foßoi 
nokkw,  ro  /uh  äxoißtg  oi>($£  zolg  ay^ov  rwv  naO^ovitov  xaTaXr}7irov  fv,  xr\V  ö& 
imövoiav  u£i£6v(og  ig  rovg  itjrjs  sxaaioi  fxtiiiftQov. 


2.  Magnesia.  191 

pergamenischen  Reiterei,  das  letzte  Glanzstück  makedonisch-hellenisti- 
scher Reiterführung. 

Die  Völker  des  linken  Zentrums  hielten  dem  Angriffe,  der  von 
der  Seite  und  zu  gleicher  Zeit  natürlich  auch  von  vorn  durch  die  jetzt 
vorgehenden  römischen  Fufstruppen  erfolgte,  nicht  stand:  die  ge- 
mischten Hilfstruppen,  die  Kappadokier  und  Gallier,  wurden  in  die 
Verwirrung  hineingerissen,  und  erst  bei  der  Phalanx  kam  das  Gefecht 
wieder  zum  Stehen1). 

Wir  müssen  uns  vorstellen,  dafs  auch  die  achäischen  Peltasten, 
die  pergamenischen  Fufstruppen  und  ein  Teil  der  rechten  Ala  der 
Bundesgenossen  nach  Niederwerfung  des  linken  Zentrums  einge- 
schwenkt waren  und  dafs  man  so,  alles  in  allem,  eine  Masse  von 
gegen  10  000  Mann  zu  Fufs  und  Rofs  auf  Flanke  und  Rücken  der 
Phalanx  werfen  konnte2). 

Dem  Befehle  gemäfs,  nicht  zum  Angriffe  vorzugehen,  stand  die 
Phalanx  noch  immer  an  Ort  und  Stelle.  Gegenüber  dem  Vorrücken 
der  römischen  Legionen,  welche  sich  anschickten,  die  Phalanx  von 
vorn  anzupacken,  hatten  sich  die  leichten  Truppen  des  ersten  syrischen 
Treffens  in  die  Zwischenräume  zwischen  den  Regimentern  der  Phalanx 
zurückziehen  müssen,  und  die  Front  war  zum  Kampfe  der  Schwer- 
bewaffneten freigemacht3).   Aber  die  Römer  haben  den  Nahkampf  mit 


*)  Nach  Werfung  der  Panzerreiter  fährt  Livius  37,  42,  3  fort:  turbatis  auxilia- 
ribus,  qui  inter  equitem  et  quos  appellant  phalangites  erant,  usque  ad  mediam 
aciem  terror  pervenit.  Von  einer  Schwenkung  der  Reiterei  ist  hier  bei  Livius  aller- 
dings nicht  die  Rede;  aber  auch  aus  ihm  ist  sie  zu  erschliefsen,  denn  43,8  läfst 
auch  er  die  Verfolgung  durch  die  römische  Reiterei  erst  nach  Niederwerfung  der 
Phalanx  beginnen.  Deutlicher  zeigt  Appian  (35,  2)  die  Beteiligung  der  Reiterei  am 
Phalanxkampf:  dotuiriov  d"  avtrjv  (irjv  (fdkayya)  tnnevot  noXkoig  xvxXiooavjog.  Diese 
Tatsachen  genügen,  um  den  taktisch  wichtigsten  Vorgang  der  ganzen  Schlacht, 
die  Schwenkung  der  Reiterei,  die  von  unseren  militärunverständigen  Quellen  ver- 
schleiert ist,  zweifellos  festzustellen. 

2)  Für  den  Kampf  mit  der  Phalanx  sind  wir  fast  allein  auf  Appian  ange- 
wiesen. Livius  hat  das  für  die  Legionen  nicht  hervorragend  ruhmvolle  Treffen 
ganz  kurz  abgemacht. 

3)  App.  35,  1 :  r\  ifülcty'g .  .  .  rovg  jutv  xpcXovg  jolg  inl  tou  fxencoTiov  oqxäv  iit, 
7iQ07iol(fAovfTccg  öiaazuoa  ig  ccuttjv  iGtöttjaro  y.ccl  nukiv  avv^et.  Wie  man  sich 
dieses  Durchlassen  der  Leichten  bei  der  Phalanx  vorzustellen  hat,  habe  ich  in 
meinen  vergleichenden  Studien  zur  antiken  Kriegsgeschichte,  Hermes  Bd.  35  S.  232  ff. 
auseinandergesetzt.  Hier  konnten  die  Leichten  nicht  hinter  die  Phalanx  genommen 
werden,  sondern  mufsten  in  den  Zwischenräumen  bei  den  Elefanten  bleiben.    Schon 


192  Der  Syrisch-römische  Krieg. 

dem  starrenden,  stehenden  Lanzenvvalle  nicht  gewagt.  So  wenig  von 
vorne  wie  von  der  Seite  und  von  hinten  liefs  man  sich  in  ein  Hand- 
gemenge ein  gegenüber  den  Phalangiten,  denen  es  jetzt  zunächst  zu- 
statten kam,  dafs  sie  standen.  Denn  sie  konnten  so  nach  allen  Seiten 
Front  machen  und  dem  Gegner  überall  den  gleichen  Speerwald  ent- 
gegenstrecken1). Man  versuchte  daher  mit  leichteren  und  wirksameren 
Mitteln  zum  Ziele  zu  kommen.  Überall  wurden  die  Velites  und  die 
Schützen  vorgezogen,  und  mit  ihnen  wetteiferten  die  Legionen  im  Ge- 
brauch der  Fernwaffen,  indem  sie,  ohne  sich  dem  Stofs  der  Sarissen 
auszusetzen,  ihre  Pila  in  die  Massen  der  dicht  gescharten  Feinde 
schleuderten.  Jetzt  zeigte  sich  der  Nachteil  der  tiefen  Aufstellung, 
in  der  kein  Schufs  fehlging 2). 

Man  könnte  fragen,  weshalb  die  Phalanx  ihre  Leichten  nicht 
mit  gleichen  Waffen  antworten  liefs. 

Sie  wird  es  getan  haben.  Aber  aufser  der  bedeutenden  Über- 
zahl, welche  dadurch  hervorgebracht  wurde,  dafs  ja  auch  die  Legionare 
mit  Wurfspeeren  bewaffnet  waren,  hatten  die  Gegner  den  unschätzbaren 
Vorteil,  aus  loser  Stellung  in  der  Peripherie  konzentrisch  mit  ihren  Ge- 
schossen auf  eine  dicht  und  dichter  gedrängte  Masse  in  der  Mitte  zu 
wirken.    Was  das  für  ein  gewaltiger  Unterschied  ist,  ist  ja  aus  dem 


aus  diesem  Durchlassen  geht  hervor,  dafs  die  Phalanx  nicht  in  Bewegung  war. 
So  heifst  es  denn  auch  später  35,  3:  do%uv  nQovßatvovicov  äti  nageTxov.  Sie 
blieben  also  stehen.  Mommsen  meint,  die  Phalanx  habe  sich  gerade  zum  Vor- 
gehen gegen  die  Legionen  fertig  gemacht,  als  sie  durch  den  Angriff  in  der  Flanke 
daran  gehindert  worden  sei.  Davon  steht  nichts  in  den  Quellen,  und  es  ist  gegen 
die  Idee  der  Schlacht. 

*)  App.  35,  3:  rag  GaqiaGag  Ix  TSiQayoövov  nQoßaXXö^ievoi  nvxvag  7iqovxccaouvto 
Pcofxafoug  ig  xsiQctg  ?l&£iv. 

2)  Ausführliche  Schilderung  bei  Appian  35,  5  ff.,  s.  Anhang  II  S.  204.  Liv.  37, 
42,  4:  pila  in  perturbatos  coniecere.  —  Die  Bemerkung  des  Liv.:  ibi  simul  pertur- 
bati  ordines  et  impeditus  intercursu  suorum  usus  praelongarum  hastarum  ist  nicht  so 
unverständlich  wie  Nissen  meint  (Krit.  Unt.  S.  196).  Er  wird  (mit  Armandi  S.  205, 
histoire  des  elephants)  darauf  zu  beziehen  sein,  dafs  zahlreiche  Flüchtige  des  ge- 
worfenen linken  Zentrums  sich  zwischen  die  Reihen  der  Phalanx  gedrängt  hatten 
und  so  den  Phalangiten  die  nötige  Ellbogenfreiheit  zum  Gebrauch  der  Sarissen 
verloren  gegangen  war,  und  dafs  durch  die  Flucht  des  ersten  Treffens,  welche 
z.  T.  hart  an  der  Front  der  Phalanx  entlang  und  hier  und  da  durch  sie  hindurch 
gegangen  sein  mufs,  die  Phalanx  selber  in  Unordnung  kam  und  jedenfalls  in  diesem 
Gefechtsmoment  nicht  in  der  Lage  war,  von  der  Waffe  Gebrauch  zu  machen, 
während  die  Römer  tüchtig  auf  die  Flüchtenden  einhauen  konnten. 


2.  Magnesia.  193 

in  diesem  Punkte  ganz  gleichgearteten  modernen  Feuergefecht  be- 
kannt genug. 

So  wurde  die  Haltung  der  Phalangiten  von  Moment  zu  Moment 
unsicherer.  Sie  waren  in  einer  Lage,  ähnlich  den  römischen  Legionaren 
bei  Ruspina,  aber  es  fehlte  hier  Cäsars  Genie,  das  im  Augenblicke 
das  Gegenmittel  fand.  Die  scheinbar  so  einfache  und  doch  im  Drange 
der  Not  so  schwer  ins  Werk  zu  setzende  Bewegung  des  Auseinander- 
ziehens der  Truppen  und  der  Verlängerung  der  Linie  nach  den  Seiten, 
vielleicht  zugleich  nach  der  Tiefe  hin,  bis  das  umspannende  Netz  zer- 
reifst: dies  sicherste  Rettungsmittel  unterblieb  hier,  und  das  einzige 
Heil  schien  zuletzt  Rückzug  nach  dem  nahen  Lager1).  Es  konnte 
kaum  mehr  als  einen  Kilometer  entfernt  sein  (S.  173).  Aber  auch 
das  genügte  zur  völligen  Auflösung  des  Phalanxverbandes,  der,  wie 
glaubhaft  berichtet  wird,  vor  allem  durch  die  scheu  gewordenen  Ele- 
fanten verursacht  wurde. 

Hatten  anfangs  die  Römer  selbst  beim  Rückzuge  noch  immer 
nicht  gewagt,  mit  dem  Schwerte  anzugreifen,  solange  Haltung  und 
Geschlossenheit  hinderte2),  so  war  nunmehr  der  Phalangit  in  seiner 
schweren  Rüstung,  ohne  rechte  Waffe  und  Übung  für  den  Einzel- 
kampf, gleich  unfähig  zur  Flucht  und  zur  Gegenwehr,  und  furchtbar 
mag  das  Schwert  des  Legionars  jetzt  in  den  Reihen  der  tapferen 
Krieger  gewütet  haben.  Das  war  der  Zustand,  welchen  Antiochos 
vorfand,  als  er  siegreich  von  der  Verfolgung  des  linken  römischen 
Flügels  zurückkehrte. 

Dort  am  Nordende  hatte  nämlich  die  Schlacht  eine  ganz  andere 
Wendung  genommen. 

Wie  vorauszusehen  gewesen,  hatte  der  linke  römische  Flügel 
die  Anlehnung  an  den  Flufs  nicht  festhalten  können.  Er  hatte  dem 
Angriff  der  übrigen  Armee  folgen  müssen,  und  in  die  Lücke  zwischen 


*)  Bei  dem  Militär  Polybios  war  das  Cäsarische  Rettungsmittel  angedeutet, 
denn  es  heifst  bei  Appian  35,2:  (i]  (fdlocyg)  ovt'  £x$Qcc[j.eiv  Hi  e/ovoa  oüi'  it-e- 
litjcti  ßdd-og  ovtoj  nolv  und  ib.  5:  sie  blieben  stehen,  l'vcc  fj,r\  16  irjg  id'frwg 
nvxvov  ixlvaeiav  [aet ax dgcca&cu  yd,Q  ir^Qcog  ovx  etpd-avov.  Die  /undra^ig 
"wäre  eben  das  Auseinanderziehen  gewesen.  Dafs  es  an  sich  nicht  unmöglich  war, 
selbst  in  der  Schlacht  mit  der  Phalanx  eine  Aufstellungsänderung  vorzunehmen, 
zeigt  das  allerdings  viel  einfachere  Manöver  Philopömens  bei  Mantinea  (Bd.  I 
S.  303  ff.). 

2)  ovie  yccQ  tote  7iQ0önskd££iv  aviolg  iiölpcov,  dkld  neQi&eovTSS  eßkanrov 
App.  35,  9. 

Kromayer,   Antike  Schlachtfelder.     II.  *& 


194  Der  Syrisch-römische  Krieg. 

Flufs  und  Heer  hatte  sich  Antiochos,  wie  er  beabsichtigt,  geworfen1). 
Der  Angriff,  durch  die  Reiterei  von  vorn  und  von  der  Seite  zugleich 
geführt,  hatte  —  so  scheint  es  —  die  ganze  linke  Ala  der  römischen 
Bundesgenossen2)  in  die  Flucht  gerissen  und  ist  eines  der  seltenen 
Beispiele  aus  der  alten  Kriegsgeschichte,  in  denen  schwergerüstetes 
Fufsvolk  von  der  Reiterei  geworfen  und  zerstreut  worden  ist.  Auch 
hier  ist  der  Erfolg  nur  dem  Umstände  zu  danken,  dafs  der  Angriff 
von  zwei  Seiten  geführt  war. 

Während  so  der  römische  linke  Flügel  in  der  Richtung  auf  das 
Lager  zurückgetrieben  wurde,  hatten  sich  die  Legionen  im  Vorrücken 
nicht  stören  lassen,  und  es  war  auf  diese  Weise  zwischen  den  beiden 
Kampfplätzen  eine  immer  gröfser  werdende  Entfernung  eingetreten. 
Aber  schon  unter  den  Wällen  ihres  nur  etwa  1  Kilometer  (S.  173)  von 
der  ersten  Aufstellung  entfernten  Lagers  gewannen  die  flüchtigen 
Truppen  wieder  ihren  Halt.  Es  zeigte  sich  jetzt,  wie  wichtig  es  ge- 
wesen war,  das  Lager  so  weit  vorzuschieben.  Der  Kommandant  der 
Lagerwache,  Ämilius  Lepidus,  führte  seine  2000  Mann  tapferer  make- 
donischer Freiwilliger  den  Flüchtenden  entgegen,  und  es  gelang,  sie 
zum  Stehen  zu  bringen.  Auch  eine  kleine  Schar  von  Reitern  unter 
Attalos  von  Pergamon  kam  vom  Zentrum  her,  wo  man  die  Not  be- 
merkt hatte,  eiligst  zu  Hilfe  gesprengt3). 

Hier  den  Kampf  zu  erneuern,  hatte  für  Antiochos  keinen  Zweck; 
das  Lager  mit  seiner  Reiterei  zu  stürmen  war  natürlich  erst  recht 
unmöglich.  Er  hatte  Wichtigeres  zu  tun:  er  mufste  nach  der  Ent- 
scheidung des  Ganzen  sehen.  So  liefs  er  sammeln,  eilte  zurück,  warf 
mit  Leichtigkeit  Attalos,  der  sich  ihm  entgegenstellen  wollte,  aus  dem 
Wege,  und  mufste  sehen,  wie  er  trotz  alledem  zu  spät  kam4). 


J)  Liv.  37,42,7:  namque  Antiochus  a  dextro  cornu,  cum  ibi  fiducia  fluminis 
nulla  subsidia  cerneret  praeter  quatuor  turmas  equitum  et  eas,  dum  applicaut 
se  suis,  ripam  nudantes,  impetum  cum  auxiliis  et  cataphracto  equite  fecit  nee 
a  fronte  tantum  iustabat,  sed  circumito  a  flumine  cornu  iam  ab  latere  urgebat. 

2)  Eine  genaue  Angabe  bei  Livius  fehlt  darüber;  aber  Justin  sagt  31,8,6: 
cum  .  .  .  pulsa  legio  Romana  maiore  dedecore  quam  periculo  ad  castra  fugeret  etc. 
Die  Bezeichnung  der  „ala"  als  „legio"  rindet  sich  auch  bei  Livius  (37,39,7)  und 
geht  bei  beiden  Schriftstellern  ohne  Zweifel  auf  Polybios  zurück,  aus  dem  ja  Justin 
auch  durch  zweite  oder  dritte  Hand  geflossen  ist. 

3)  Liv.  37,43, 1-5.     App.  36,  1—3  s.  Anhang  II  S.  201.  205. 

4)  Die  Darstellung  ist  hier  bei  Livius  und  Appian  verschieden.  Livius  läfst 
den  Attalos  zusammen  mit  den  Lagertruppen  den  Antiochos  bekämpfen  und  jenen 


2.  Magnesia.  195 

Wie  einst  in  seiner  Jugend  bei  Raphia,  so  hatte  jetzt  während 
seines  eigenen  Sieges  die  Vernichtung  seiner  Phalanx  stattgefunden. 
Nur  wenige  hundert  Meter  trennten  den  Schauplatz  von  Sieg  und 
Niederlage.  Ob  Antiochos  eine  Schuld  trifft,  ob  er  eher  hätte  ein- 
schwenken, den  Legionen  in  den  Rücken  fallen,  seinen  Phalangiten 
Luft  machen  können,  wird  schwer  sein  zu  entscheiden.  Es  ist  frag- 
lich, ob  die  Haltung  des  römischen  Flügels  so  erschüttert  war,  dafs 
er  sie  ihrer  Flucht  zum  Lager  überlassen  konnte,  ohne  fürchten  zu 
müssen,  dafs  sie  ihm  sofort  wieder  entgegentreten  würden,  wenn  er 
von  ihnen  abliefse  und  die  Legionen  angriffe.  Vielleicht  war  es  nötig, 
ihre  völlige  Auflösung  durch  energisches  Nachdrängen  zu  bewerk- 
stelligen, und  weit  kann  man  ja  eine  Verfolgung  überhaupt  nicht 
nennen,  die  vor  dem  1  Kilometer  entfernten  Lager  der  Römer  Halt 
gemacht  hat. 

Aber  sei  dem  wie  ihm  wolle.  An  eine  Wiederherstellung  der 
Schlacht  war  nicht  zu  denken.  Mit  oder  ohne  Schuld:  Heer,  Schlacht 
und  Grofsmachtstellung  war  für  den  König  unwiderbringlich  verloren1). 


dann  flüchten  (in  fugam  vertit  equum  43,  7).  So  waren  die  Römer,  wie  er  glorios 
hinzufügt,  auf  beiden  Flügeln  und  in  der  Mitte  Sieger.  Appian  läfst  den  Antiochos 
als  Sieger  freiwillig  umkehren,  als  der  Widerstand  sich  vor  dem  Lager  setzt 
(tnavrju  aoßctQwg  cog  inl  vCxy).  Attalos,  der  ihm  den  Rückweg  zum  Hauptheere 
verlegen  will,  wird  geworfen.  Wo  die  gröfsere  innere  Wahrscheinlichkeit  liegt, 
bedarf  keiner  Ausführung.  Livius  ist  hier  Patriot,  wie  schon  Ed.  Meyer  Rhein. 
Mus.  36  S.  123  mit  Recht  betont  hat. 

!)  Die  Verlustziffer,  gegen  50  000  Mann  Tote  und  Gefangene,  ist  stark  über- 
trieben: der  ganze  linke  Flügel  war  kaum  ins  Gefecht  gekommen  und  hat  gleich 
zu  Anfang  das  Weite  gesucht,  der  rechte  war  siegreich  und  konnte  auf  dem  Rück- 
züge seitwärts  ausweichen.  Nur  das  Zentrum  wird  so  gut  wie  ganz  vernichtet 
worden  sein. 


13* 


Anhang  I. 


Übersetzung*  der  Schlachtberichte  von  Thermopylä. 

1)  Liv."  36,  16,  1 :  Antiochus  schlug  sein  Lager  innerhalb  der 
Pafstore  auf  (vergl.  S.  148  A.  1)  und  deckte  aufserdem  durch  Ver- 
schanzungen den  Berghang.  (2)  Nachdem  er  so  mit  doppeltem  Wall 
und  Graben  und,  wo  die  Sache  es  verlangte,  sogar  mit  einer  Mauer 
aus  den  in  Masse  überall  vorhandenen  Steinen  alles  befestigt  hatte, 
schickte  er,  (3)  im  Vertrauen  darauf,  dafs  die  Römer  hier  nie  mit 
Gewalt  durchbrechen  würden,  die  Ätoler  . .  nach  Heraklea  und  Hypata  .  . 
(5)  Der  Konsul  .  .  schlug  in  dem  Engpasse  selber  bei  den  warmen 
Quellen  sein  Lager  dem  Könige  gegenüber  auf.  [Folgt  Erzählung 
von  der  Besetzung  des  Anopäapfades  durch  die  Ätoler  und  Absendung 
des  Cato  und  Flaccus  gegen  sie;  dann] 

18,  1:  Bei  Tagesanbruch  liefs  der  Konsul  das  Zeichen  zur  Schlacht 
aufstecken  und  stellte  die  Schlachtreihe  in  schmaler  Front  dem  engen 
Gelände  entsprechend  auf.  (2)  Als  der  König  die  feindlichen  Feld- 
zeichen erblickte,  führte  er  seine  Truppen  auch  heraus.  Einen  Teil 
der  Leichten  stellt  er  vor  dem  Walle  als  erstes  Treffen  auf,  dahinter 
läfst  er  die  makedonischen  Kerntruppen,  die  Sarissophoren,  als  Soutien 
bei  den  Verschanzungen  selbst  Stellung  nehmen.  (3)  Links  von  ihnen 
weist  er  den  Speerschützen,  Bognern  und  Schleuderern  ihren  Platz 
an  am  Fufse  des  Gebirges  selber,  damit  sie  von  oben  her  die  offene 
[rechte]  Seite  des  Feindes  beschiefsen  könnten.  (4)  Rechts  von  den 
Makedoniern  am  Ende  der  Schanzen,  wo  das  Gelände  bis  zum  Meere 
durch  Sümpfe  unwegsam  wird,  stellte  er  die  Elefanten  mit  ihrer  ge- 
wohnten Bedeckung  auf,  hinter  ihnen  die  Reiter,  und  dann,  nach 
einem  mäfsigen  Zwischenraum,  die  anderen  Truppen  im  zweiten  Treffen. 


Anhang  I.    Übersetzung  der  Schlachtberichte  von  Thermopylä.  197 

(5)  Die  Makedonier  vor  dem  Walle  wiesen  zuerst  leicht  den  Angriff 
der  Römer  ab,  welche  von  allen  Seiten  heranstürmten,  wobei  ihnen 
die  Truppen,  welche  von  den  Höhen  mit  ihren  Schleudern  einen  Hagel 
von  Bleikugeln  und  zugleich  Pfeile  und  Speere  schössen,  die  beste 
Unterstützung  gewährten ;  (6)  dann  aber,  als  die  Feinde  mit  gröfserer 
und  unwiderstehlicher  Macht  vordrangen,  wurden  sie  geworfen  und 
zogen  sich  in  die  Verschanzungen  zurück;  von  da  bildeten  sie  vom 
Walle  aus  gewissermafsen  einen  zweiten  Wall  mit  ihren  Lanzen. 
(7)  Und  so  mäfsig  war  die  Höhe  des  Walles,  dafs  er  den  Verteidigern 
einen  höheren  Standort  zum  Kämpfen  gewährte  und  man  trotzdem 
bei  der  Länge  der  Lanzen  den  Feind  unten  erreichen  konnte.  (8)  Viele 
welche  sich  unten  an  den  Wall  heranwagten,  wurden  durchbohrt;  und 
sie  hätten  unverrichteter  Dinge  zurückweichen  müssen,  oder  es  wären 
noch  viele  gefallen,  wenn  nicht  Cato  .  .  .  auf  den  Hügeln  über  dem 
Lager  erschienen  wäre  usw. 

2)  Appian  Syriaka  18:  Dort  (in  den  Thermopylen)  erbaute  Anti- 
ochos  eine  doppelte  Mauer  und  liefs  sie  mit  Schleudermaschinen  be- 
setzen    Nachdem  Manius  die  Vorbereitungen  der  Feinde  erkun- 
det hatte,  gab  er  am  Morgen  das  Zeichen  zur  Schlacht . . .  Schon  führte 
Manius  das  Heer  zum  Frontangriff  gegen  Antiochos  vor,  in  tiefen  Mani- 
pularkolonnen  (eg  Xoxovq  ögficovc;  diijQrjjjLsvrjv).  Denn  anders  war  es 
bei  der  Enge  nicht  möglich.  Der  König  liefs  die  Leichten  und  die  Pel- 
tasten  vor  der  Phalanx  Aufstellung  nehmen,  sie  selbst  stellte  er  vor 
dem  Lager  auf;  rechts  (lies  „links",  vergl.  S.  151  A.  5)  von  ihr  liefs 
er  die  Schleuderer  und  Bogner  auf  den  Vorbergen,  links  (lies  „rechts") 
die  Elefanten  mit  ihrer  Bedeckung  am  Meere  Stellung  nehmen.  Als 
der  Kampf  begann,  bedrängten  zuerst  die  Leichten,  welche  von  allen 
Seiten  her  anrannten,  den  Manius;  als  er  aber  energisch  ihren  An- 
sturm ausgehalten  hatte,  dann  zurückgewichen  war  und  zum  zweiten 
Male  vordringend  sie  geworfen  hatte,  da  liefs  die  Phalanx,  indem  sie 
zum  Durchgehen  Raum  gab  (öiaatäaa)  und  sich  dann  wieder  schlofs 

(owehfiovoa),  die  Leichten  durch  und  fällte  dann  die  Lanzen 

Plötzlich  sah  man  die  Flucht  der  Ätoler  usw. 


Anhang  IL 


Übersetzung  der  Schlachtbericlite  von  Magnesia. 

1)  Livius  37,  39,  7  bis  43,  8. 

39,  7:  Die  römische  Schlachtreihe  war  ziemlich  gleichartig  an 
Volksstämmen  und  Bewaffnung:  zwei  römische  Legionen,  zwei  Legi- 
onen der  latinischen  Bundesgenossen  waren  da  [es  sind  die  alae 
gemeint],  jede  5400  Mann  stark.  (8)  Die  Römer  hatten  die  Mitte, 
die  Latiner  die  Flügel ;  die  Hastaten  bildeten  das  erste,  die  Principes 
das  zweite,  die  Triarier  das  letzte  Treffen.  (9)  Aufser  dieser,  sozu- 
sagen eigentlichen  Schlachtreihe  (iustam  aciem)  stellte  der  Konsul 
rechts  die  Peltasten  der  Achäer  und  die  Hilfstruppen  des  Eumenes 
gemischt  in  derselben  Linie  auf,  etwa  3000  Mann;  jenseits  derselben 
knapp  (minus)  3000  Reiter,  von  denen  800  dem  Eumenes,  alle  andern 
der  römischen  Reiterei  angehörten.  (10)  Am  äufsersten  Flügel  setzte 
er  die  Trailer  und  Kreter  —  beide  je  500  stark  —  an.  (11)  Der  linke 
Flügel  schien  solche  Hilfstruppen  nicht  nötig  zu  haben,  weil  der  Flufs 
mit  seinen  steilen  Ufern  hier  Deckung  gab;  4  Reiterturmen  wurden 
hier  jedoch  auch  aufgestellt.  (12)  Das  war  die  Summe  der  römi- 
schen Truppen;  ferner  wurden  2000  Mann  Makedonier  und  Thraker, 
welche  freiwillig  gefolgt  waren,  zum  Schutze  des  Lagers  zurückge- 
lassen. (13)  Sechzehn  Elefanten  setzte  man  hinter  den  Triariern  an. 
Denn  abgesehen  davon,  dafs  sie  der  Überzahl  der  königlichen  Ele- 
fanten —  es  waren  54  —  nicht  gewachsen  waren,  leisten  die  afrikani- 
schen Elefanten  den  indischen  selbst  nicht  bei  gleicher  Zahl  stand  .  .  . 

40,  1.  Die  königliche  Schlachtreihe  war  ungleichartig  an  Volks- 
stämmen und  durch  die  Unähnlichkeit  der  Bewaffnung  und  der  Hilfs- 
truppen.    16000  Mann    waren    makedonisch    bewaffnet;    sie    hiefsen 


Anhang  II.    Übersetzung  der  Schlachtberichte  von  Magnesia.  199 

Phalangiten.  Dies  war  das  Zentrum,  in  der  Front  in  10  Abteilungen 
gesondert;  (2)  diese  Abteilungen  schied  er  durch  je  2  Elefanten. 
Nach  der  Tiefe  betrug  die  Aufstellung  32  Mann.  (3)  Dies  waren  die 
Kerntruppen  des  Königs,  und  dementsprechend  flöfsten  sie  sowohl 
durch  ihren  Anblick  überhaupt,  als  durch  die  zwischen  den  Bewaff- 
neten hoch  aufragenden  Elefanten  grofsen  Schrecken  ein.  (4)  Ge- 
waltig waren  sie  selber,  und  ihr  Anblick  wurde  noch  gehoben  durch 
den  Stirn-  und  Kopfschmuck  und  die  Türme  auf  dem  Rücken  mit 
je  4  Bewaffneten.  (5)  Rechts  von  den  Phalangiten  standen  1500  Gallier 
zu  Fufs.  Daneben  3000  Panzerreiter  —  Kataphrakten  nennt  man  sie. 
Dann  kam  eine  Schar  von  1000  Reitern,  Agema  genannt;  es  war 
eine  Elitetruppe  von  Medern  und  vielen  andern  Stämmen  jener 
Gegenden.  An  sie  schlofs  sich  eine  Schar  von  16  Elefanten  in  der 
Reserve  an.  (7)  Ebendort  etwas  vorgezogen  stand  die  königliche 
Leibwache  zu  Fufs  (cohors),  Silberschildner  nach  ihren  Waffen  ge- 
nannt; (8)  dann  kamen  1200  Daher,  Pfeilschützen  zu  Pferd;  dann 
Leichte,  3000  Mann,  etwa  zu  gleichen  Teilen  Trailer  und  Kreter. 
Neben  ihnen  standen  2500  mysische  Bogner.  (9)  Den  äufsersten 
Flügel  hatten  4000  gemischte  kyretische  Schleuderer  und  elymäische 
Bogner. 

(10)  Links  von  den  Phalangiten  standen  1500  Gallier  zu  Fufs 
und  2000  ebenso  bewaffnete  Kappadokier  —  von  König  Ariarathes 
geschickt  —  (11)  dann  2700  Mann  gemischte  Hilfstruppen  aller  Art, 
3000  Panzerreiter  und  1000  andere  Reiter,  königliche  Garde,  in  ähn- 
licher Bewaffnung,  vorn  mit  leichter  Schutzrüstung;  meist  Syrer  mit 
Phrygern  und  Lydern  gemischt.  (12)  Vor  dieser  Reiterei  standen 
die  Sichelwagen  und  die  sogenannten  Dromedarkamele  ....  (13)  Dann 
folgte  die  übrige  Menge,  wie  auf  dem  rechten  Flügel;  zuerst  die  Taren- 
tiner,  dann  2500  gallische  Reiter,  dann  1000  Neukreter  und  in 
gleicher  Bewaffnung  1500  Karer  und  Kiliker,  dann  ebensoviele  Trailer 
und  4000  Peltasten:  Pisidier,  Pamphylier,  Lykier.  Endlich  Kyrtier 
und  Elymäer  ebensoviele  wie  auf  dem  rechten  Flügel  und  16  Elefanten 
in  einiger  Entfernung  [dahinter]. 

41.  Der  König  selbst  stand  auf  dem  rechten  Flügel.  Sein  Sohn 
Seleukos  und  sein  Neffe  Antipater  befehligten  den  linken;  das  Zentrum 
stand  unter  3  Führen,  Minnio,  Zeuxis  und  Philippos,  dem  Komman- 
danten der  Elefanten. 

(2)  Der    Morgennebel    hob    sich    mit    dem   Fortschreiten    des 


200  Der  Syrisch-römische  Krieg. 

Tages  zu  Wolken   und    gab    trübe  Luft (4)  die  Königlichen 

konnten  nicht  einmal  von  der  Mitte  aus  ihre  Flügel  überblicken, 
geschweige  von  den  Flügeln  aus;  und  die  Feuchtigkeit  hatte  die 
Bogen,  Schleudern  und  Schwungriemen  schlaff  gemacht.  (5)  Auch 
die  Sichelwagen,  durch  die  Antiochos  die  Feinde  in  Verwirrung  hatte 
bringen  wollen,  verbreiteten  Schrecken  in  den  eigenen  Reihen  .... 
[folgt  Beschreibung,  wie  sie  aussahen].  (8)  Als  Eumenes  dies  sah 
—  er  kannte  nämlich  ihre  Kampfesart  und  wufste,  wie  zweischneidig 
dieses  Kampfmittel  war,  wenn  man  mehr  die  Pferde  scheu  mache, 
als  wirklich  angriffe  —  gab  er  Befehl,  dafs  die  kretischen  Bogner, 
Schleuderer  und  Speerwerfer  .  .  .  [Lücke:  etwa  einige  Türmen]  der 
Reiter  nicht  geschlossen,  sondern  so  zerstreut  wie  möglich  vor- 
gehen und  sie  von  allen  Seiten  beschiefsen  sollten.  (10)  Dieser 
Hagelsturm  —  so  konnte  man  es  nennen  —  verwirrte  teils  durch 
die  Verwundungen  von  allen  Seiten,  teils  durch  das  Geschrei  die 
Pferde  so  sehr,  dafs  sie  wie  toll  plötzlich  hin  und  her  liefen. 
(11)  Die  leicht  Bewaffneten,  die  flinken  Schleuderer  und  die  gewand- 
ten Kreter  wichen  ihnen  nun  leicht  aus,  und  die  Reiterei  vermehrte 
durch  ihre  Verfolgung  den  Lärm  und  Schrecken  bei  den  Pferden, 
Kamelen  und  den  Lenkern  selbst,  wozu  noch  das  vielfache  Geschrei 
der  anderen  Menge  hinzukam.  (12)  So  wurden  die  Wagen  aus  dem 
Felde  zwischen  den  Heeren  fortgetrieben;  und  nachdem  das  leere 
Spiel  vorbei  war,  wurde  erst  von  beiden  Seiten  das  Zeichen  zur 
wirklichen  Schlacht  gegeben,  und  man  stürzte  zum  Angriff. 

42.  Übrigens  wurde  jenes  leere  Spiel  bald  die  Ursache  der 
wahren  Niederlage.  Denn  die  Hilfstruppen,  welche  nahebei  standen, 
wurden  durch  die  Angst  und  Verwirrung  der  Wagen  geschreckt, 
wandten  sich  zur  Flucht  und  entblöfsten  alles  bis  zu  den  Panzer- 
reitern. (2)  Als  nun  zu  diesen  die  römische  Reiterei  nach  Zerstreu- 
ung der  Hilfsvölker  kam,  hielt  ein  Teil  von  ihnen  nicht  einmal  den 
ersten  Angriff  aus:  die  einen  wurden  geworfen,  die  anderen  wegen 
ihrer  schweren  Schutz-  und  Trutzrüstung  niedergeritten.  (3)  Der 
ganze  linke  Flügel  gab  jetzt  nach  und,  nachdem  auch  die  Hilfstruppen, 
welche  zwischen  den  Reitern  und  der  Phalanx  standen,  in  Verwirrung 
gebracht  waren,  kam  die  Panik  bis  zu  der  mittleren  Schlachtreihe. 
(4)  Sobald  hier  die  Reihen  in  Unordnung  geraten  waren  und  der 
Gebrauch  der  langen  Lanzen  —  Sarissen  nennen  sie  die  Make- 
donier  —  durch  das  Zwischendrängen  der  eigenen  Leute  verhindert 


Anhang  II.    Übersetzung  der  Schlachtberichte  von  Magnesia.  201 

war,  griffen  die  Legionen  an  und  schleuderten  ihre  Pilen  auf  die 
Verwirrten.  (5)  Nicht  einmal  die  Elefanten  schreckten  den  römischen 
Soldaten  ab,  der  schon  von  den  afrikanischen  Kriegen  gewohnt  war, 
dem  Angriff  des  Tieres  auszuweichen  und  es  von  der  Seite  mit  dem 
Pilum  anzugreifen  oder,  wenn  er  näher  kommen  konnte,  ihm  mit 
dem  Schwerte  die  Sehnen  durchzuhauen.  (6)  Schon  war  das  Zentrum 
fast  ganz  von  vorne  niedergeworfen  und  die  hinteren  Reihen  (subsidia) 
wurde  vom  Rücken  umgangen  und  niedergemacht,  als  man  auf  der 
anderen  Seite  die  Flucht  der  Seinigen  und  das  Geschrei  der  fast 
bis  zum  Lager  Geflüchteten  vernahm.  (7)  Denn  Antiochos  hatte  auf 
dem  rechten  Flügel,  als  er  sah,  dafs  hier  im  Vertrauen  auf  den  Flufs, 
aufser  4  Türmen  Reiterei,  keine  Flügeldeckungen  (subsidia)  auf- 
gestellt waren,  und  dafs  auch  diese  noch  um  den  Anschlufs  an 
die  Ihrigen  zu  halten,  sich  vom  Ufer  entfernten,  mit  seinen  Hilfs- 
völkern und  den  Panzerreitern  den  Angriff  auf  diese  Stelle  gerichtet. 
(8)  Und  nicht  nur  von  vorn  griff  er  an,  sondern  er  umging  von  der 
Flufsseite  her  und  drängte  aus  der  Flanke,  bis  zuerst  die  Reiter, 
dann  die  nachstehenden  Fufstruppen  in  aufgelöstem  Laufe  nach  dem 
Lager  zurückgeworfen  wurden. 

43.  Kommandant  des  Lagers  war  der  Militärtribun  M.  Ämilius 
Lepidus,  der  Sohn  des  M.  Lepidus,  der  wenige  Jahre  später  Pontifex 
maximus  wurde.  (2)  Dieser  eilte  nach  der  Seite,  wo  er  die  Seinen 
flüchten  sah  mit  der  Besatzung  entgegen,  hiefs  sie  in  die  Schlacht 
zurückkehren  und  warf  ihnen  ihre  Angst  und  schmähliche  Flucht 
vor.  (3)  Dann  drohte  er,  sie  würden  blind  in  ihr  Verderben  stürzen, 
wenn  sie  nicht  gehorchten;  zuletzt  gibt  er  Befehl,  auf  die  Flüchten- 
den einzuhauen  und  sie  mit  Blut  und  Eisen  gegen  den  Feind  zurück- 
zubringen. (4)  Diese  gröfsere  Angst  besiegte  die  kleinere.  Erst 
blieben  sie  stehen,  dann  kehrten  sie  um,  und  Ämilius  hielt  mit  seiner 
Lagerwache  —  2000  tapferen  Männern  —  den  auf  der  Verfolguug 
schon  zerstreuten  Truppen  des  Antiochos  stand,  und  Attalos,  des 
Eumenes  Bruder  kam,  als  er  vom  rechten  Flügel,  von  dem  der  linke 
feindliche  ja  beim  ersten  Angriff  geschlagen  war,  die  Flucht  des 
linken  [eigenen]  Flügels  und  das  Schlachtgetöse  beim  Lager  gewar 
wurde,  zu  rechter  Zeit  mit  200  Reitern  zu  Hilfe.  (6)  Als  Antiochos 
sah,  dafs  diejenigen,  deren  Rücken  er  eben  gesehen  hatte,  sich  wieder 
umkehrten  und  neue  Scharen  vom  Lager  und  aus  der  Schlacht  hinzu- 
kamen, wandte  er  sein  Pferd  zur  Flucht.    (7)  So  auf  beiden  Flügeln 


202  £>er  Syrisch-römische  Krieg. 

Sieger,  eilten  die  Römer  über  die  Haufen  der  Leichen,  die  sie  be- 
sonders im  Zentrum  aufgetürmt  hatten,  wo  die  Tapferkeit  der  Gegner 
und  ihre  schwere  Bewaffnung  die  Flucht  gehindert  hatten,  zur  Plünde- 
rung des  Lagers.  (8)  Die  Reiter  des  Eumenes  zuerst,  dann  auch 
die  ganze  übrige  Reiterei  verfolgt  auf  dem  ganzen  Felde  den  Feind 
und  haut  die  Hintersten  nieder." 

2)  Appian  Syriaka,  Kap.  31 — 36,  5. 

31:  Beide  Teile  führten  ihre  Heere  noch  bei  Nacht,  um  die 
letzte  Nachtwache,  heraus.  (2)  Sie  ordneten  so:  Den  linken  Flügel 
hatten  10000  römische  Hopliten  an  dem  Flusse,  und  neben  ihnen  standen 
10000  andere  Italiker;  beide  in  drei  Treffen  nach  der  Tiefe.  (3)  Nach 
den  Italikern  folgten  die  Truppen  des  Eumenes  und  die  achäischen  Pel- 
tasten,  3000  Mann.  So  der  linke  Flügel.  (4)  Der  rechte  Flügel  aber 
waren  Reiter,  römische,  italische  und  von  Eumenes,  auch  diese  nicht 
mehr  als  3000.  (5)  Allen  waren  viele  Leichtbewaffnete  und  Bogner 
beigegeben.  Und  bei  Domitius  selbst  waren  4  Ilen  Reiter.  (6)  So 
waren  es  im  ganzen  gegen  30000  Mann.  Den  rechten  [lies:  linken 
vergl.  S.  181  A.  1)  Flügel  befehligte  Domitius  selber,  und  in  die 
Mitte  stellte  er  den  Konsul;  den  linken  [lies:  rechten]  gab  er  dem 
Eumenes.  (7)  Von  den  Elefanten,  die  er  von  Libyen  hatte,  hielt  er 
keinen  für  brauchbar,  da  sie  weniger  und  —  als  libysche  —  kleiner  waren 
(die  kleineren  fürchten  sich  nämlich  vor  den  gröfseren),  und  so  stellte 
er  sie  alle  hinten  auf.     (8)  So  standen  die  Römer. 

32:  Antiochos  hatte  im  ganzen  70000  Mann,  und  davon  war 
der  Kern  die  Phalanx  der  Makedonier,  16000  Mann,  nach  der  Art 
Philipps  und  Alexanders  bewaffnet.  (2)  Diese  stellte  er  in  der  Mitte 
auf,  indem  er  sie  zu  je  1600  Mann  in  zehn  Teile  teilte.  Jeder  dieser 
Teile  hatte  in  der  Front  50  Mann  und  in  der  Tiefe  32,  an  den 
Seiten  jedes  Teiles  waren  aber  22  Elefanten  [soll  heifsen:  im  ganzen 
22  Elefanten,  s.  Beilage  I  S.  211  A.  3].  (3)  Der  Anblick  der  Phalanx  war 
wie  der  einer  Mauer;  der  der  Elefanten  wie  von  Türmen.  (4)  Das 
war  das  Fufsvolk  des  Antiochos;  die  Reiter  waren  zu  beiden  Seiten  auf- 
gestellt, gallische  Panzerreiter  [Irrtum,  vergl.  über  ihn  und  die  folgenden 
Irrtümer  bei  Appian  S,  210  A.  1  u.  S.  2 18]  und  das  sogenannte  Makedonische 
Agema ;  das  sind  Elitereiter  und  deshalb  heifsen  sie  Agema.  (5)  Diese 
Truppen  standen  an  beiden  Seiten  der  Phalanx  in  gleicher  Weise. 
(6)  Nach  ihnen  hatten  den  Flügel  rechts  Leichte  und  andere  Reiter,  die 


Anhang  II.    Übersetzung  der  Schlachtberichte  von  Magnesia.  203 

Silberschildner  und  200  [lies;  „1200",  s.  Beil.  I  S.  211  A.  2]  Bogner  zu 
Pferd;  den  linken  Flügel  hatten  von  gallischen  Stämmen  die  Tektosagen, 
Trokmer  und  Tolistoböer,  ferner  einige  Kappadokier,  die  Ariarathes 
geschickt  hatte,  und  andere  gemischte  Völker.  (7)  Dann  kamen  wieder 
Panzerreiter  und  die  sogenannten  Hetärenreiter,  in  leichter  Bewaff- 
nung. (8)  So  stellte  Antiochos  seine  Schlachtordnung  auf.  (9)  Und 
er  scheint  auf  die  Reiter  seine  Hoffnung  gesetzt  zu  haben,  die  er  in 
grofser  Zahl  in  die  Front  stellte.  Die  Phalanx  aber  scheint  er  aus 
Unkenntnis  des  Krieges  auf  einen  kleinen  Raum  zusammengedrängt 
zu  haben,  auf  die  er,  da  sie  gut  geschult  war,  in  erster  Linie  hätte 
vertrauen  müssen.  (10)  Es  war  aber  noch  eine  andere  grofse  Menge 
da  von  Steinwerfern,  Bognern,  Speerwerfern  und  Peltasten,  Phrygern, 
Lykiern,  Pamphyliern,  Pisidiern,  Kretern,  Trailern  und  Kilikiern,  die 
wie  die  Kreter  bewaffnet  waren.  (11)  Zu  diesen  kamen  nach  andere 
Bogner  zu  Pferd:  Daer,  Myser,  Elymäer,  Araber,  welche  auf  den 
schnellsten  Kamelen  sitzen  und  leicht  von  oben  schiefsen  usw. 
(12)  Und  Sichelwagen  waren  in  dem  Räume  zwischen  den  Heeren 
aufgestellt,  um  den  Kampf  zu  eröffnen  (jiQOJzoXe^elv  vov  [Aevcbjzov); 
sie    hatten  Befehl,    sich    nach    dem  ersten  Versuch  zurückzuziehen. 

33:  Es  war  aber  ein  Anblick  wie  von  zwei  Heeren,  von  denen 
das  eine  den  Kampf  eröffnen,  das  andere  unterstützen  sollte.  (2)  Beide 
waren  durch  ihre  Menge  und  ihre  Ordnung  vorzüglich  geeignet, 
Schrecken  einzuflöfsen.  (3)  Das  Kommando  über  die  Reiter  des 
rechten  Flügels  hatte  Antiochos  selber,  über  die  des  linken  sein  Sohn 
Seleukos;  das  über  die  Phalanx  der  Elefantarch  Philippos;  das 
über  das  Vortreffen  Mendis  und  Zeuxis.  (4)  Da  der  Tag  aber  nebelig 
und  dunkel  war,  war  die  Pracht  dieses  Aufmarsches  nicht  zu  über- 
blicken, und  die  Geschosse  waren  bei  der  feuchten  und  nebligen  Luft 
alle  schlaff. 

(5)  Als  Eumenes  das  sah,  verachtete  er  das  andere,  den  Schwung 
der  Sichelwagen  aber,  die  ihm  gegenüber  aufgestellt  waren,  fürchtete 
er;  deshalb  zog  er  alle  Schleuderer  und  Speerwerfer  und  andere 
Leichte  zusammen  und  befahl  ihnen,  die  Wagen  zu  umschwärmen  und 
auf  die  Pferde  statt  auf  die  Lenker  zu  schiefsen.  (6)  Denn  wenn 
das  Pferd  unlenksam  wird,  ist  der  Wagen  nicht  zu  brauchen,  und 
die  übrige  Ordnung  wird  stark  gefährdet,  da  die  eigenen  Leute  vor 
den  Sichelwagen  in  Angst  geraten.  (7)  So  kam  es  auch  damals. 
(8)    Denn    da    die  Pferde  vielfach  verwundet   wurden,    und    sie    die 


201  Der  Syrisch-römische  Krieg. 

Wagen  zu  den  Ihrigen  hinrissen,  gerieten  zuerst  die  Kamele  in  Un- 
ordnung, welche  neben  den  Sichelwagen  standen;  und  nach  ihnen 
die  Panzerreiter,  welche  bei  ihrer  schweren  Bewaffnung  den  Sicheln 
nicht  leicht  ausweichen  konnten.  (9)  So  entstand  schon  viel  Lärm 
und  mannigfache  Verwirrung,  die  hier  begann,  sich  aber  auf  das  ganze 
erste  Treffen  ([leTaixfMOv,  vergl.  S.  183  A.  2)  verbreitete,  und  gröfsere 
Angst,  als  der  Bedeutung  der  Sache  entsprach.  (10)  Denn  bei  der 
grofsen  Entfernung  und  der  dichten  Masse  und  dem  wirren  Geschrei 
und  der  grofsen  Angst  war  das,  was  wirklich  vorging,  nicht  einmal 
denen,  die  nahe  dabei  waren,  erkennbar,  die  Aufregung  aber  ver- 
pflanzte sich  auf  alle  folgenden  in  immer  grösserem  Mafse. 

34:  Als  dem  Eumenes  so  der  Anfang  gut  gelungen  und  der 
Raum  zwischen  den  Heeren  (^stalxfiiov),  soweit  die  Kamele  und 
Wagen  reichten,  leergeworden  war,  führte  er  die  eigenen  Reiter  so- 
wie die  römischen  und  italischen,  welche  ihm  zugeteilt  waren,  gegen 
die  gegenüberstehenden  Gallier  und  Kappadokier  und  die  anderen  ge- 
mischten Hilfstruppen  (vergl.  dazu  S.  189  A.  3),  indem  er  laut  die 
Seinen  zum  Angriff  auf  die  unerfahrenen  und  von  ihren  Vorkämpfern 
entblöfsten  Gegner  aufforderte.  (2)  Die  aber  folgten;  und  da  der 
Einbruch  mit  aller  Wucht  geschah,  jagten  sie  jene  und  die  neben 
ihnen  stehenden  Panzerreiter,  welche  schon  längst  durch  die  Wagen  in 
Unordnung  gekommen  waren,  in  die  Flucht.  Manche  aber,  welche  wegen 
der  Schwere  nicht  fliehen  und  umwenden  konnten,  erreichten  sie  und 
hieben  sie  nieder.  (3)  So  ging  es  auf  dem  Flügel  links  von  der 
Phalanx.  (4)  Rechts  aber,  wo  Antiochos  selber  stand,  durchbrach  er 
die  Schlachtreihe  der  Römer  und  verfolgte  sie  weit. 

35:  Die  makedonische  Phalanx  aber,  deren  Aufstellung  in  engem 
und  tiefem  Räume  mit  Flankierung  von  Reiterei  gedacht  war,  nahm, 
als  sie  auf  beiden  Seiten  von  Reitern  entblöfst  war,  die  Leichten, 
welche  vor  ihrer  Front  kämpften,  indem  sie  Raum  gab,  in  sich  auf 
und  schlofs  sich  dann  wieder.  (2)  Als  aber  Domitius  sie  mit  vielen 
Reitern  und  Leichten  ohne  Mühe  eingeschlossen  hatte,  da  sie  ja  ein 
dichtgedrängtes  Viereck  bildete,  konnte  sie  weder  vorgehen  noch  ihre 
tiefe  Aufstellung  ändern  und  litt  stark.  (3)  Und  sie  waren  zornig, 
dafs  sie  ihre  Kriegserfahrung  nicht  anwenden  konnten  und  den  Feinden 
von  allen  Seiten  her  ein  gutes  und  leichtes  Ziel  boten.  (4)  Gleich- 
wohl fällten  sie  die  Sarissen  nach  den  vier  Seiten  in  dichter  Reihe 
und    forderten    die  Römer  zum  Nahkampfe  heraus  und  sahen  immer 


Anhang  IL    Übersetzung  der  Schlachtberichte  von  Magnesia.  205 

aus,  als  ob  sie  draufgehen  wollten.  (5)  Aber  sie  gingen  nicht  vor, 
da  sie  selber  schwerbewaffnet  zu  Fufs  waren  und  sie  die  Feinde  zu 
Pferde  sahen,  besonders  aber,  um  nicht  ihre  geschlossene  Ordnung 
zu  verlieren;  denn  sie  konnten  sich  nicht  mehr  anders  formieren. 
(6)  Die  Römer  aber  nahten  ihnen  nicht  und  begannen  kein  Hand- 
gemenge, da  sie  die  Erfahrung  und  Geschlossenheit  der  geübten 
Männer  und  ihre  Verzweiflung  fürchteten;  sondern,  sie  umschwärmend, 
schössen  sie  mit  Speeren  und  Pfeilen.  (7)  Und  kein  Geschofs  ging 
fehl,  da  viele  auf  engem  Räume  standen ;  denn  sie  konnten  nicht  aus- 
weichen und  auseinandertreten.  (8)  So  gaben  sie  nach  langer  Müh- 
sal, weil  sie  keinen  anderen  Ausweg  sahen,  nach  und  wichen  langsam 
in  drohender  Haltung  zurück,  wohlgeordnet  und  den  Römern  Furcht 
einflöfsend.  (9)  Denn  nicht  einmal  jetzt  wagten  sie  sich  ihnen  zu 
nähern,  sondern  umschwärmten  sie  nur;  bis  die  Elefanten  in  der 
makedonischen  Phalanx  in  Aufregung  gerieten,  den  Kornaks  nicht 
mehr  gehorchten,  und  so  alles  in  wilde  Flucht  sich  ergofs. 

36:  Hier  also  siegte  Domitius,  eilte  zum  Lager  und  eroberte  es 
mit  Gewalt.  (2)  Antiochos  aber  verfolgte  seine  Gegner  von  der  römi- 
schen Schlachtreihe  weit,  da  auch  sie  keine  Reiter  und  Leichte  zur 
Bedeckung  hatten  —  denn  Domitius  hatte  keine  beigegeben,  da  er 
es  wegen  des  Flusses  nicht  für  nötig  hielt  — ,  und  gelangte  bis  zum 
römischen  Lager.  (3)  Als  ihm  aber  der  Militärtribun,  der  Lager- 
kommandant, mit  frischen  Truppen  entgegentrat  und  ihn  aufhielt 
und  die  Fliehenden,  welche  sich  mit  den  neuen  Truppen  mischten, 
wieder  Mut  fafsten  und  umkehrten,  ging  Antiochos  als  Sieger  stolz 
zurück,  ohne  noch  von  der  sonstigen  Schlacht  etwas  zu  wissen. 
(4)  Attalos  aber,  des  Eumenes  Bruder,  kam  ihm  mit  vielen  Reitern 
entgegen.  (5)  Durch  diese  nun  schlug  Antiochos  sich  leicht  durch,  und 
als  sie  noch  ihm  folgten  und  ihn  umschwärmten,  kümmerte  er  sich 
nicht  weiter  um  sie;  als  er  aber  die  Niederlage  überblickte  und  die 
ganze  Ebene  von  Toten  voll  sah,  von  Männern,  Pferden  und  Elefanten, 
und  das  Lager  schon  gestürmt,  da  floh  auch  Antiochos  ohne  anzu- 
halten und  kam  um  Mitternacht  nach  Sardes. 


Beilage  I. 


Heeresstärken. 

1.  Römer. 

Nach  den  bei  Appian  erhaltenen  Angaben  des  Polybios1)  —  die 
annalistische  Überlieferung  bleibt  beiseite  (s.  oben  S.  98  f.)  —  betrug  das 
Heer,  mit  welchem  der  Konsul  Acilius  Glabrio  im  Frühling  191  nach 
Griechenland  übersetzte,  rund  20  000  Mann,  2000  Reiter  und  einige 
Elefanten2). 

Die  Vorhut  desselben  war  schon  im  Herbste  192  unter  dem 
Prätor  Bäbius  übergegangen  (Liv.  35,  24,  7).  Ihre  Stärke  wird  in  der 
Polybianischen  Überlieferung  nicht  angegeben.  Wir  werden  sie  aber 
nach  Analogie  des  3.  Makedonischen  Krieges,  wo  Sicinius  mit  5000 Mann 
in  ganz  ähnlicher  Weise  vorausgesandt  wurde  (Liv.  42,  36,  8,  s.  unten 
Beilage  zum  3.  Mak.  Krieg),  auch  nur  etwa  ebenso  stark  ansetzen 
dürfen.  Wie  Sicinius  (Liv.  42,  47,  11)  schickte  auch  Bäbius  noch 
während  des  Winters  2000  Mann  von  dieser  Vorhut  zum  Schutze  von 
Larissa  nach  Thessalien  vor  (App.  Syr.  16;  Liv.  36,  10,  10).  Es 
handelt  sich  also  bei  dem  Heere  des  Acilius  Glabrio  um  eine  ge- 
wöhnliche konsularische  Armee  von  zwei  Legionen. 

Zu  dieser  Armee  kam  dann  noch  eine  gleich  grofse  Reserve- 
armee in  Italien  (S.  100)  und  die  Mannschaften  für  eine  Flotte  von 
81  Deck-  und  etwa  25  kleineren  Schiffen  (S.  156),  so  dafs  die 
Gesamtsumme    von    60  000    Mann,    welche   uns    für    die   römischen 


*)  s.  über  das  Quellenverhältnis  Nissen  177  ff.,  194  sowie  unten  Beilage  II  S.  216  f. 

2j  App.  Syr.  17 :  'Pw/accZoi  .  .  .  rolg  tote  hoipoig  inntvos  ^la/ilCoig  tccu 
nttoTg  diopvQiotg  xal  tlsqaaC  noi  ÖLaßalovreg.  Über  die  entsprechende  Nachricht 
bei  Livius  s.  S.  98  A.  2. 


Beilage  I.    Heeresstärken.    1.  Römer.  207 

Rüstungen  angegeben  wird1),  mit  diesen  Teilzahlen  übereinstimmt. 
Die  Armee  des  Glabrio  erhielt  nach  der  Angabe  des  Polybios  im 
folgenden  Jahre  die  ungewöhnlich  starke  Ergänzung  von  13  000  Mann 
zu  Fufs  und  500  Reitern  (S.  99).  Die  Expedition  nach  Asien  einer- 
seits, die  Notwendigkeit,  den  Ätolern  gegenüber  in  Mittelgriechen- 
land und  Thessalien  Truppen  stehen  zu  lassen  anderseits,  mag  der 
Grund  dieser  ausnahmsweise  starken  Ergänzung  gewesen  sein. 

Dafs  die  Armee  nach  einem  Marsche  von  über  1600  Kilometern 
(S.  155),  z.  T.  unter  grofsen  Entbehrungen,  in  der  Schlacht  von  Magnesia 
trotzdem  nur  gegen  22  000  Mann  zu  Fufs  und  2000  Reiterbetrug2), 
steht  mit  diesen  Nachrichten  nicht  in  Widerspruch  (S.  99). 

Aufser  diesen  Truppen  befanden  sich  bei  Magnesia  an  griechi- 
schen Hilfsvölkern  beim  Heere  (Liv.  37,  39,  9f.;  App.  Syr.  31): 

Pergamener3)  zu  Fufs;  800  Reiter 

Achäer;  Peltasten4) 
1000  Trailer  und  Kreter;  leichte  Truppen 
2000  Freiwillige  aus  Thrakien  und  Makedonien 

16  Elefanten 

6000  Mann  16  Elefanten  800  Reiter. 


300ol 


*)  App.  Syr.  15  nach  Polybios.  —  Über  die  Stärke  der  Truppen,  die 
Philipp  von  Makedonien  in  diesem  Kriege  aufgeboten  hat,  ist  nichts  bekannt.  Der 
Konsul  hatte  zwar  vom  Senate  die  Weisung  erhalten,  nicht  über  5000  Mann  auxilia 
anzunehmen  (Liv.  36,  1,6).  Aber  darunter  kann  das  selbständig  operierende  Korps 
des  Philipp  wohl  kaum  mit  verstanden  sein. 

2)  Livius  gibt  (37, 39, 7)  die  Stärke  der  Legionen  wie  der  Alen  in  der 
Schlacht  auf  5400  Mann  an.  Ob  er  die  Extraordinarii  vergessen  hat,  oder  ob  sie 
hier  ausnahmsweise  den  einzelnen  Legionen  und  Alen  zugeteilt  waren,  wissen  wir 
nicht.  Man  wird  aber  jedenfalls  nicht  zu  hoch  über  die  20  000  hinaufgehen  dürfen, 
da  Appian  (Syr.  31)  diese  Zahl  gibt.  —  An  Reiterei  waren  in  der  Schlacht  im 
ganzen  gegen  3000  Pferde  zugegen  (Liv.  a.  a.  0.  §  9:  minus  tria  milia  auf  dem 
rechten  und  4  Türmen  auf  dem  linken  Flügel;  App.  Syr.  31:  ob  nkeiovg  tqigxiIicdv); 
davon  kamen  auf  Eumenes  800,  Livius  ib. 

3)  Entsprechend  hat  Eumenes  im  Winter  191/190  ein  mobiles  Korps  von 
2000  Mann  und  500  Reitern,  mit  dem  er  einen  Streifzug  in  syrisches  Gebiet  macht 
(Liv.  37,  8,  6). 

4)  caetratis  Liv.,  ntXxaajaC  App.  —  Es  sind  ohne  Zweifel  dieselben  1000 
Achäer,  welche  im  Sommer  190  bei  der  Belagerung  von  Pergamon  durch  Seleukos 
in  der  Stadt  gewesen  waren  (Liv.  37,  20,  1.  App,  Syr.  26.  Polyb.  XXI  9(7). 


208  Der  Syrisch-römische  Krieg. 


Somit  ergibt  sich  im  ganzen 

Fufstruppen 

Reiter 

Elefanten 

Römer                  21  600 

2000 

16 

Hilfstruppen          6  000 

800 

27  600  2800  16 

Also  ein  Heer  von  rund  30  000  Mann,  wie  es  auch  bei  Appian 
zusammenfassend  und  zutreffend  geschätzt  wird  (Syr.  31:  eyiyvovio 
jidvreg  eg  xqio^vqIovq). 

2.  Antiochos. 

Antiochos  hat  nach  Polybios  im  Jahre  192  10  000  Mann  zu 
Fufs,  500  Reiter  und  6  Elefanten  nach  Griechenland  übergeführt1). 
Bei  dem  ersten  Angriffe  der  Römer  auf  Thessalien  erlitt  der  König 
dann  starke  Verluste  von  etwa  3000  Mann,  die  in  den  einzelnen 
Städten  gefangengenommen  wurden2).  Trotzdem,  und  obgleich  er 
aufserdem  noch  1000  Mann  nach  Elis  detachiert  und  auch  in  De- 
metrias  noch  eine  Besatzung  stehen  gelassen  hatte3),  besafs  er  doch 
bei  den  Thermopylen  nach  Livius'  und  Appians  übereinstimmender 
Angabe  noch  10  000  Mann  zu  Fufs  und  500  Reiter.  Er  mufs  also, 
wie  Livius  auch  angibt,  im  Winter  ziemlich  beträchtliche  Nachschübe 
aus  Asien  erhalten,  vielleicht  auch  in  Griechenland  selbst  Werbungen 
veranstaltet  haben4). 

Die  Zahl  von  etwa  10  000  Streitern  bei  Thermopylä  pafst  zu 
der  Ausdehnung    seiner    Stellung    daselbst    durchaus   (S.  152).     Wie 


J)  Liv.  35,  43,  6.  Dafs  die  Zahl  aus  Polybios  stammt,  sagt  er  ausdrücklich 
(36,  19,  11).     App.  Syr.  12:  [astcc  [xvqicüv. 

2)  App.  Syr.  17:  Aufser  den  athamanischen  Besatzungen  rcov  'Avuo%tiiav  ig 
TQio/iXiovg.  Nach  Livius  werden  in  Pellinäon  und  Limnäon  4000  Mann  Athamanen 
und  Antiochener  gefangen;  in  Pharsalos,  Scotussa  und  Pherä  eine  ungenannte 
Zahl,  von  der  1000  in  Philipps  Dienste  treten  (Liv.  36,  14,5.  11). 

3j  1000  Mann  nach  Elis  Polyb.  XXII 3,  7;  Liv.  36,  5,  3.  Sie  werden  erst  nach 
der  Schlacht  von  Thermopylä  zurückgezogen  (Liv.  36,31,3).  —  Besatzung  in  De- 
metrias  Liv.  36,  33,  6. 

4)  Liv.  36,  15,  3:  ipse  eo  (nach  Lamia)  decem  milia  fere  peditum  ex  iis,  qui 
postea  venerant  ex  Asia,  expleta  et  equites  quingentos  duxit;  ebenso  36,  19,  11. 
App.  Syr.  17:  tcöv  oiyMtov  ntt&v  /uvqicov  y.ai  Inniwv  navraxoaiojv.  Da  die  An- 
gaben beider  Schriftsteller  übereinstimmend  sich  auch  für  die  Landungsarmee  des 
Antiochos  finden  (s.  A.  1),  so  wird  die  allerdings  auffällige  Wiederholung  der- 
selben Zahl  doch  wohl  beide  Male  auf  Polybios  zurückgehen. 


Beilage  I.    Heeresstärken.    2.  Antiochos. 


209 


viele  Truppen  nach  Asien  gerettet  sind,  wissen  wir  nicht.  Die  Nach- 
richten über  die  Verluste  bei  Thermopylä  sind  handgreiflich  über- 
trieben, und  die  Zahlenangaben  der  römischen  Annalisten  natürlich 
ohne  Wert  (Liv.  36,  19,  11.  12;  App.  Syr.  20). 

Für  die  Armee  des  Antiochos  in  Asien  im  Jahre  190  liegen 
zwei  sich  deckende  Angaben  vor.  Livius  beziffert  die  Fufstruppen 
auf  60  000,  die  Reiter  auf  über  12  000  Mann  (37,37,8);  Appian,  der 
beides  zusammenzieht,  gibt  nach  seiner  Gewohnheit  eine  abgerundete 
Summe,  und  zwar  die  hier  entsprechende  von  70000  Mann  (Syr.  32). 
Es  kann  kein  Zweifel  sein,  dafs  beide  Angaben  auf  dieselbe  Quelle, 
Polybios,  zurückgehen  und  dafs  sie  sowohl  deshalb  glaubwürdig  er- 
scheinen, als  auch  darum,  weil  eine  solche  Armee  dem  entspricht, 
was  das  syrische  Reich  auch  sonst  aufgestellt  hatte1). 

Besonders  wertvoll  sind  aber  in  diesem  Falle  die  Einzelangaben 
über  die  Zusammensetzung  der  Armee,  weil  sie  einerseits  die  Ge- 
samtsumme bestätigen  und  uns  anderseits  einen  Einblick  in  den  Cha- 
rakter dieses  Heeres  gewähren.  Es  empfiehlt  sich,  um  dies  zur  An- 
schauung zu  bringen,  die  einzelnen  Kontingente  nach  Waffengattungen 
zu  ordnen.  Dann  erhalten  wir  im  Anschlufs  an  die  Nachrichten  bei 
Livius  37,  40  und  Appian  Syr.  32  folgendes  Bild: 


Schweres 
Fufsvolk. 


Leichtes 
Fufsvolk. 


Spezial- 
waffen. 


Reiter. 


Phalanx 

Gallier 

Kappadokier    .    .    .    . 

Gemischte  Hilfstrup- 
pen aus  verschied. 
Völkern 


60002) 

30003) 

20004) 

2  7005) 

x)  Am  nächsten  liegt  zum  Vergleich  Raphia,  wo  das  Heer  des  Antiochos 
nach  Polybios  V  79  62  000  Mann  zu  Fufs,  102  Elefanten  und  6000  Reiter  betrug, 
und  der  Festzug  des  Antiochos  Epiphanes  mit  seinen  9500  Reitern  Pol.  XXXI  3. 

2)  Liv.  37,  40,  1  ff.    App.  32. 

3)  Je  1500  rechts  und  links  der  Phalanx  Liv.  §  5  und  10.  Dafs  die  Gallier 
ebenso  wie  die  Kappadokier  und  die  gemischten  Hilfstruppen  als  Schwer-  oder 
Halbschwerbewaffnete  aufzufassen  sind,  folgt  aus  ihrer  Stellung  in  der  Schlacht, 
s.  S.  182  A.  1.  Wenn  Liv.  37,  18,  7  4000  Gallier  genannt  werden,  so  sind  Reiter 
dabei  mitgerechnet,  s.  S.  211  A.  2. 

4)  Liv.  §  10:  similiter  armati  wie  die  Gallier,  s.  vor.  A.  —  Ihr  Zuzug 
Liv.  37,  31,  4  erwähnt.  5)  Liv.  §  10:  mixti  omnium  generura. 

Kromayer,  Antike  Schlachtfelder.     IL  14 


210 


Der  Syrisch-römische  Krieg. 


Schweres 
Fufsvolk. 


Leichtes 
Fufsvolk. 


Spezial- 
waffen. 


Reiter. 


Königliche  Garde  (Ar- 
gyraspiden)  .... 

Kreter 

Neokreter 

Trailer 

Karer  und  Kilikier    . 

Mysier 

Pisidier,  Pamphylier, 
Lykier  (caetrati)     . 

Kyrtier  und  Elymäer 
(Bogner  und  Schleu- 
derer) 

Panzerreiter    .... 


1000?1) 


1  5002) 
10002) 
30002) 
15003) 
25004) 

40005) 


80006) 


60007) 


')  Liv.  §  7:  regia  cohors  .  .  argyraspides  a  genere  armorum  appellabantur. 
Nach  Appian  sind  diese  Argyraspiden  Reiter  {InntZg  aQyvQaani^ag),  und  man 
könnte  versucht  sein,  ihm  trotz  seiner  vielen  Flüchtigkeiten  in  der  Schlacht- 
ordnung (zusammengestellt  bei  Nissen,  Kr.  Unt.  S.  195)  hier  recht  zu  geben 
wegen  der  Stellung  des  Korps  zwischen  den  Garde-  und  dänischen  Reitern.  In- 
dessen ist  dieses  Moment  doch  nicht  ausschlaggebend;  Gardereiter  sind  zudem 
schon  vorhanden,  während  Garde  zu  Fufs  sonst  fehlen  würde,  und  die  Zahl  der 
12000  Reiter  ist  schon  ohne  dies  Korps  voll.  —  Die  Gröfse  des  Korps  ist  zu 
1000  angenommen,  weil  die  Korps  der  Gardereiter  ebensostark  waren. 

2)  3000  Kreter  und  Trailer  pari  fere  numero  auf  dem  rechten,  und 
1000  Neokretes  sowie  1500  Trailer  auf  dem  linken  Flügel.  Liv.  §  8  und  13. 
Dafs  die  Trailer,  wie  die  Kreter  leichte  Truppen  sind  folgt  aus  Liv.  31,  35,  1  und 
anderen  Stellen. 

3J  Liv.  §  13:  eodem  armatu,  wie  die  Neokreter. 

4)  Liv.  §  8:  sagittarii. 

5)  Liv.  §  14:  sie  werden  zwar  caetreti  genannt,  sind  aber  nach  ihrer 
Stellung  unter  den  Bognern  und  Schleuderern  am  äufsersten  linken  Flügel  und 
da  sie  Bergvölker  sind,  wohl  nicht  als  halbschwere  Peltasten  aufzufassen,  sondern 
als  Leichte. 

c)  4000  mixti  funditores  et  sagittarii  auf  dem  rechten  und  paria  in  dextro 
cornu  locatis  auxilia  auf  dem  linken  Flügel.     §  9  und  14. 

7)  cataphracti;   3000  auf  jedem  Flügel,  Liv.  §5  und  11. 


Beilage  I.     Heeresstärken.    2.  Antiochos. 


211 


Schweres 
Fufsvolk. 

Leichtes 
Fufsvolk. 

Spezial- 
waffen. 

Reiter. 

Gardereiter.   2  Korps: 

1)  Meder          1000 

2)  Syrer  u.  a.  1000 

(halbleichte) 

Gallische  Reiter  (leichte) 
Dahische      „          „ 
Tarentiner   „          „ 
Elefanten      mit      Be- 

Kamelreiter  und  Sichel- 

Nicht  näher  bestimm- 
bare,    aber     meist 
Leichte  Truppen     . 

ca.    30005) 

ca.100006) 

54  Elef.  u. 
270  Mann3) 

einige 
hundert4) 

20001) 

25002) 

1 2002) 

ca.     5002) 

Summe  der  Truppen- 
gattungen   .... 

ca.  27  700 

ca.  3 1500 

54  Elef.  u. 
ca.  800  M. 

über  12000 

Fufsvolk  im  ganzen    . 

ca.  60000 

über  12 000 

1)  Liv.  §6:  ala  mille  ferme  equitum;  agema  eam  vocabant;  Medi  erant, 
lecti  viri,  et  eiusdem  regionis  mixti  multarum  gentium  equites.  §  11:  mille  alii 
equites,  regia  ala;  ähnlich  wie  die  Panzerreiter  nur  „levioribus  tegumentis  suis 
equorumque".     Syri  plerique  App.:  wnXio^vri  xovifxof. 

2)  §  8  und  12:  Dahae  equites  sagittarii.  Appian  gibt  irrtümlich  200  statt 
1200  an.  —  Die  Zahl  der  Tarentiner  fehlt.  Ich  habe  500  eingesetzt,  weil  damit 
„über  12000"  für  die  Gesamtzahl  der  Reiterei  herauskommt,  wie  Livius  verlangt; 
als  leichte  Reiter  sind  sie  bekannt.  —  Dafs  auch  die  Gallier  (§13:  Gallograecorum 
equitum  duo  milia  et  quingenti)  solche  sind,  ist  aus  ihrer  Stellung  in  der  Schlacht- 
reihe als  äufserste  Reiter  des  linken  Flügels  zu  schliefsen. 

3)22  oder  20  bei  der  Phalanx  (App.  §  2.  Liv.  §  2),  32  hinter  dem  rechten 
und  linken  Flügel,  Liv.  §  6.  14.  Gesamtsumme  Liv.  37,  39,  13.  Jeder  Elefant  hat 
einen  Führer  und  vier  Mann  auf  seinem  Rücken,  Liv.  §  40,  4. 

4)  Sie  nahmen  in  der  Schlachtreihe  nur  den  Raum  vor  den  Panzerreitern 
und  der  ala  regia  ein. 

5)  Diese  13000  Mann  finden  sich  nicht  in  der  Aufzählung  der  Schlacht- 
ordnung. Ahnliche  Beobachtungen  macht  man  auch  sonst  beiPolybios:  so  für  die 
Schlacht  bei  Raphia,  wo  bei  62000  Mann  10000,  das  gemischte  Korps  der  Argyras- 
piden,  in  der  Schlachtaufstellung,  fehlen  (Pol.  V  79,  4.  82),  für  Sellasia,  wo  bei 
27  G00  Mann  das  Korps  der  Böotier  von  2000  Mann  nicht  aufgezählt  ist  (Bd.  I  228. 

14* 


212  Der  Syrisch-römische  Krieg. 

Wenn  auch  in  dieser  Übersicht  nicht  alle  Posten  vollkommen 
sicher  sind,  im  Gegenteil  einige,  sei  es  der  Zahl,  sei  es  der  Zuteilung 
zu  den  Waffengattungen  nach,  nur  auf  Vermutung  beruhen,  wie  das 
aus  den  beigefügten  Anmerkungen  hervorgeht,  so  sind  doch  diese 
unsicheren  Posten  so  sehr  in  der  Minderheit,  dafs  das  Bild  des 
Ganzen  dadurch  nicht  wesentlich  verschoben  wird. 

Es  ergibt  sich  vielmehr,  dafs  die  kleinere  Hälfte  des  Fufsvolkes 
aus  schwergerüsteten,  die  gröfsere  aus  leichtgerüsteten  Truppen  be- 
stand und  die  Reiterei  verhältnismäfsig  sehr  stark  vertreten  war, 
so  dafs  die  Stärke  der  Armee  wesentlich  in  den  leichten  Truppen 
und  der  Reiterei  gelegen  hat.  Darauf  beruhte  ja  auch  Antiochos, 
Schlachtplan.  Wenn  wir  dies  Heer  numerisch  mit  dem  römischen 
vergleichen,  so  finden  wir,  dafs  es  ihm  um  etwas  mehr  als  das 
Doppelte  an  Fufstruppen  und  mehr  als  das  Vierfache  an  Reiterei 
überlegen  gewesen  ist. 


238)  usw.  Alle  diese  Tatsachen  haben  wohl  die  gleiche  Erklärung,  dafs  diese  Ab- 
teilungen zur  Lagerbedeckung  während  der  Schlacht  bestimmt  waren.  Bei  Magnesia 
wird  das  praesidium  castrorum  ausdrücklich  erwähnt  und  hervorgehoben,  dafs 
seine  Verteidigung  des  Lagers  den  Römern  nach  dem  Siege  noch  ernstliche 
Schwierigkeiten  machte  (Liv.  37,  43,  10  f.  App.  Syr.  36).  Es  kann  also  nicht  ganz 
unbedeutend  gewesen  sein.  Aber  die  Zahl  von  13  000  Mann  ist  dafür  allein  doch 
zu  grofs.  Sie  findet  ihre  Erklärung  wohl  darin,  dafs  ein  Teil  dieser  Mannschaften 
als  Leichte  dem  Zentrum  zugeteilt  war,  ohne  dafs  Polybios  es  für  nötig  gehalten 
hätte,  diese  ständige  und  daher  selbstverständliche  Einrichtung-  aller  Diadochen- 
heere  ausdrücklich  zu  erwähnen.  Dafs  auch  bei  Magnesia  die  Phalanx  Leichte 
bei  sich  hatte,  entnehmen  wir  dem  Schlachtbericht  selber  (S.  183  A.  2.)  Es  war 
auch  schon  wegen  der  römischen  Velites  nötig.  Über  ihre  Zahl  s.  gleichfalls 
S.  183  A.  2,  Ende.  Auch  für  die  Lagerverteidigung  waren  Schützen  und  Leichte 
unentbehrlich.  Daher  müssen  diese  13000  Mann  zum  gröfsten  Teil  zu  den  Leichten 
gerechnet  werden. 


Beilage  II. 


Die  Schlachtberichte  und  ihre  Kritik. 

„Über  die  Schlacht  bei  Magnesia  haben  wir  nur  ganz  phantasti- 
sche Berichte  bei  Livius  und  Appian.  Sichelwagen,  Kamelreiter,  die 
Aufgebote  von  16  verschiedenen  Völkern,  indische  Elefanten,  weit 
überlegen  den  afrikanischen,  schmücken  das  syrische  Heer.  Es  ist 
den  Kömern  mehr  als  doppelt  überlegen  (nach  Florus  zwanzigfach, 
an  Reiterei  vierfach);  obgleich  sehr  tief  aufgestellt,  ist  die  Front 
doch  so  lang,  dafs  bei  dem  nebligen  Wetter  von  der  Mitte  die  Flügel 
nicht  gesehen  werden  konnten;  nichtsdestoweniger  ist  von  einer  Um- 
klammerung durch  die  überschiefsende  Masse  nicht  die  Rede.  Von 
den  Römern  und  ihren  Bundesgenossen  fielen  noch  nicht  400,  von 
den  Syrern  53  000." 

Nachdem  sich  Delbrück  (Gesch.  d.  Kriegskunst,  Bd.  I  S.  367) 
in  seiner  Kritik  unserer  Schlachtberichte  in  dieser  Weise  geäufsert 
hat,  stellt  er  ferner  noch  die  Anordnung  der  Phalanx  in  10  Haufen 
mit  den  Elefanten  zwischen  sich  zu  den  „Phantasien  des  Roman- 
schreibers, dem  wir  die  ganze  Schlachtschilderung  verdanken",  weil 
diese  Aufstellung  nach  seiner  Ansicht  so  unmöglich  sein  soll,  dafs 
selbst  die  Torheit  eines  „syrischen  Königs,  der  Hannibal  in  seinen 
Diensten  hat  und  ihn  nicht  zu  benutzen  weifs,  daran  ihre  Grenze 
hat".  Denn  —  so  meint  er  —  Elefanten  seien  gegen  Fufsvolk 
überhaupt  nicht  vorteilhaft  zu  verwenden,  und  besonders  bei  der 
Phalanx  könnten  durch  ihr  ungleichmäfsiges  Vorstürmen  leicht  breite 
Lücken  in  der  Front  eintreten,  durch  welche  die  Manipeln  eindringen 
und  die  Phalangiten  aus  der  Flanke  packen  könnten. 

„Wer  noch  glaubt,"  —  so  schliefst  er  endlich  seine  Kritik  — 


214  Der  Syrisch-römische  Krieg. 

„dafs  es  methodisch  erlaubt  und  richtig  sei,  aus  solchen  Schlacht- 
schilderungen durch  kritische  Sichtung  eine  historisch  vortragbare 
Erzählung  zu  gewinnen,  den  bitte  ich  das  zunächst  bei  den  Appiani- 
schen  Schlachtschilderungen  von  Cannae  und  Naraggara  zu  versuchen, 
und  wenn  das  gelungen  ist,  so  will  ich  nichts  mehr  dagegen  haben, 
dafs  es  auch  mit  Magnesia  geschehe." 

Ich  kann  mir  eine  eingehende  Widerlegung  dieser  Kritik  an 
diesem  Orte  wohl  um  so  mehr  ersparen,  als  in  der  vorstehenden 
Schlachtschilderung  die  Einwürfe  Delbrücks  durch  positive  Darstellung 
des  Herganges  widerlegt  sind.  Von  Phantastik  im  besonderen  ist  in 
unseren  Berichten  schlechterdings  nichts  zu  verspüren.  Die  Sichelwagen 
und  Kamelreiter,  die  Aufgebote  der  verschiedensten  Völker,  die  indischen 
Elefanten  usw.  gehören  ganz  genau  ebenso  zu  den  Bestandteilen  der 
Armee  eines  Königs  von  Syrien,  wie  die  Legionen,  Alen  und  die  Auxilia 
zu  denen  eines  römischen  Heeres;  und  ebensowenig  hat  eine  Armee  von 
70000  Mann  mit  mehrfach  überlegener  Reiterei  natürlich  irgend  etwas 
Auffallendes  (vergl.  S.209  A.  1).  Der  einzige  Einwurf,  welcher  stichhaltig 
erscheint,  ist  die  von  Delbrück  mit  Recht  aufgeworfene  Frage,  weshalb 
die  syrische  Armee  bei  ihrer  Überzahl  nicht  umklammert  habe.  Diese 
Frage  ist  in  unserer  Darstellung  dahin  beantwortet  worden,  dafs  die 
Umklammerung  auf  beiden  Seiten  beabsichtigt  gewesen  ist  (S.  186 f.), 
dafs  sie  auf  der  einen  auch  wirklich  vollzogen,  auf  der  anderen  aber 
durch  das  Zerreifsen  der  Kette  vereitelt  worden  ist  (S.  190.  194). 

Was  nun  zum  Schlüsse  die  Aufstellung  der  Phalanx  und 
der  Elefanten  betrifft,  so  liegt  hier  den  Delbrückschen  Ein- 
würfen die  landläufige  falsche  Vorstellung  von  den  Operationsbedin- 
gungen und  der  Aufstellungsart  der  Phalanx  in  der  Diadochenzeit  zu 
gründe.  Man  pflegt  sie  als  eine  viel  zu  starre,  unbehilfliche  und 
vor  allem  ungegliederte  Linie  anzusehen.  Sie  hat  aber  auch 
damals  ihre  Gliederung  in  der  Front,  ihre  wenn  auch  kleinen 
Intervalle  zwischen  den  einzelnen  Abteilungen  und  eine  gewisse  Frei- 
heit in  den  Bewegungen  der  einzelnen  Haufen  gehabt,  aus  denen  sie 
zusammengesetzt  war1).     Das    hat   ihrer  Konsistenz  keinen   Schaden 


2)  Für  die  Phalanx  Philipps  II.  und  Alexanders  d.  Gr.  ist  das  allgemein 
anerkannt.  Man  vergleiche  darüber  die  Bemerkungen  von  H.  Droysen,  Heerwesen 
118  und  Delbrück  Kriegsk.  I  S.  147,3.  Für  die  Zeit  der  Diadochen  kommt  es  am 
deutlichsten  in  dem  Bericht  über  die  Schlacht  von  Mantinea  207  v.  Chr.  zum  Vor- 


Beilage  II.     Die  Schlachtberichte  und  ihre  Kritik.  215 

getan  und  ihre  Operationsfähigkeit  überhaupt  erst  ermöglicht;  denn 
nur  so  konnten  die  bei  langen  Fronten  unvermeidlichen  seitlichen 
Schwankungen  unschädlich  gemacht  werden.  Diese  Lücken  konnten 
bei  der  sehr  tiefen  Aufstellung  der  Phalanx,  wenn  Gefahr  war,  dafs 
der  Gegner  in  gröfserem  Haufen  sich  eindrängte,  durch  die  hinteren 
Glieder  geschlossen  werden. 

Wenn  nun  Antiochos  bei  Magnesia  diese  stets  vorhandenen 
Intervalle  vergröfsert  und  mit  Elefanten  und  den  zugehörigen  Schützen 
und  leichten  Truppen,  die  zu  Fufs  neben  ihnen  zu  kämpfen  pflegten 
(S.  181),  ausgefüllt  hat,  so  liegt  der  Grund  für  diese  Mafsregel  wohl 
wesentlich  mit  in  der  defensiven  Rolle,  die  er,  wie  weiter  oben  aus- 
geführt ist,  seiner  Phalanx  in  der  Schlacht  zugedacht  hatte.  Die  lange, 
stehende  Phalanxfront  war  gegen  Beschiefsung  aus  der  Ferne  wehrlos. 
War  sie  dagegen  in  Haufen  von  nur  50  Mann  Front  gegliedert,  zwischen 
denen  Elefanten  und  Leichte  standen,  so  war  damit  ein  Element  ge- 
geben, welches  zu  kecke  Angriffe  feindlicher  Schützen  fernhielt. 

Aber  auch  für  den  Angriff,  der  ja  doch  auch  bei  Magnesia  nach 
dem  Plane  des  Königs  natürlich  zuletzt  erfolgen  mufste,  scheint  mir 
die  Vereinigung  von  Phalanxhaufen  mit  Flankendeckung  durch  Ele- 
fanten und  Schützen  nicht  so  verkehrt,  wie  Delbrück  annimmt.  Er 
glaubt,  dafs  die  Elefanten  schwer  mit  der  Phalanx  hätten  gleichen 
Schritt  halten  können  und  dann  die  Flanken  entblöfst  worden  wären. 
Möglich,  aber  nicht  bewiesen.  Die  Elefanten  werden  darauf  ein- 
exerziert gewesen  sein,  sich  an  die  Flügel  ihres  Haufens  zu  halten. 
Solch  eine  einschneidende  Einrichtung  trifft  man  doch  nicht  erst  im 
letzten  Moment  vor  der  Schlacht.  Auf  diese  Weise  erhielten  dann 
die  einzelnen  Gevierthaufen  der  Phalanx  vollere  Aktionsfreiheit,  bei 
glücklichem  Verlaufe  vorzugehen,  ohne  an  ihre  Nachbarn  gebunden 
zu  sein.  Denn  darin  bestand  ja  gerade  für  die  Phalanx  die  Gefahr, 
dafs  bei  längeren  Gefechtsstockungen  auf  einzelnen  Punkten  der  Front 
und  glattem  Erfolg  auf  anderen  die  Phalanxteile  sich  verschoben,  aus- 
einanderrissen, dadurch  isoliert  wurden  und  verloren  waren. 

Ich  sehe  also  in  der  Mischung  der  Phalanxhaufen  mit  Elefanten 


schein,  Bd.  I  S.  296.  303.  —  Aber  auch  in  anderen  Schlachten  dieser  Zeit,  wie 
bei  Kynoskephalä  (S.  81  f.),  in  den  Thermopylen  (S.  153  A.  1),  bei  Pydna  (s.  unten 
Kap  III)  zeigt  sich  eine  gröfsere  Unabhängigkeit  der  einzelnen  Regimenter  von- 
einander und  eine  gröfsere  Freiheit  der  Bewegungen  im  einzelnen,  als  man  ge- 
wöhnlich annimmt. 


216  Der  Syrisch-römische  Krieg. 

und  Leichten  einen  sehr  beachtenswerten  Versuch,  die  Phalanx- 
teile selbständiger  und  aktionsfähiger  zu  machen.  Ob  er  wirklich 
praktisch  erfolgreich  sein  würde,  ist  natürlich  eine  andere  Frage, 
die  aber  die  nach  der  Tatsächlichkeit  des  Experimentes  gar  nichts 
angeht  — 

Wenn  so  die  sachlichen  Einwürfe  Delbrücks  in  sich  zusammen- 
fallen, so  bleibt  nur  noch  seine  zum  Schlufs  angeführte  Berufung  auf 
die  Unzuverlässigkeit  Appians  in  anderen  Schlachtberichten,  wie 
denen  von  Kannä  und  Zama,  zu   erörtern  übrig. 

Diese  Schlufsfolgerung  ist  völlig  unberechtigt.  Denn  Appian  ist 
ja  ein  Kompilator  und  wiegt  für  sich  selbst  betrachtet  federleicht, 
besonders  in  militärischen  Dingen.  Man  mufs  daher  in  jedem 
einzelnen  Falle  fragen,  woher  er  seine  Nachrichten  hat.  Seine 
Hintermänner  sind  es,  mit  denen  wir  zu  tun  haben. 

Mag  er  also  bei  anderen  Gelegenheiten,  wo  er  anderen  Quellen 
folgt,  so  phantastisch  sein,  wie  er  will,  was  geht  uns  das  bei 
Magnesia  an? 

Damit  kommen  wir  aber  auf  die  Quellenfrage  für  diese  Schlacht 
zu  sprechen,  und  zwar  nicht  nur  für  Appian,  sondern  auch  für  Livius. 
Denn  da  wir  auf  diese  beiden  Berichte  unsere  Rekonstruktion  der 
Schlacht  aufgebaut  haben,  so  ist  es  Pflicht,  den  Leser  kurz  über  die 
beiden  Fragen  zu  orientieren,  was  uns  dazu  veranlafst  hat,  die  Be- 
richte dieser  beiden  unmilitärischen  Schriftsteller  so  hoch  einzu- 
schätzen, und  inwiefern  die  Methode  des  eklektischen  Verfahrens, 
welches  wir  befolgt  haben,  durch  die  Queilenverhältnisse  gerecht- 
fertigt wird. 

Dafs  der  Bericht  des  Livius  auf  Polybios  zurückgeht,  ist  seit 
Nissens  grundlegenden  Untersuchungen  (Krit.  Unters.  S.  194  ff.)  all- 
gemein anerkannt  und  bedarf  daher  keiner  weiteren  Ausführungen. 
Aber  gegen  die  Zurückführung  des  parallelen  Berichtes  des  Appian 
über  die  Schlacht  wie  über  den  ganzen  Feldzug,  den  Nissen  gleich- 
falls aus  Polybios  ableitet,  hat  sich  die  gewichtige  Stimme  Th.Mommsens 
erhoben  (Rom.  Forsch.  Bd.  II  S.  511  ff.) 

Mommsen  glaubt  zwar  —  und  das  ist  ja  auch  bei  der  durch- 
gehenden Ähnlichkeit  beider  Berichte  gar  nicht  anders  möglich  — , 
dafs  die  Berichte  des  Livius  und  Appian  in  letzter  Linie  auch  beide 
auf  denselben  Urbericht  zurückgehen.  Aber  er  sieht  als  solchen 
nicht  Polybios,  sondern  eine  römische  Monographie  über  den  Syrischen 


Beilage  II.     Die  Schlachtberichte  und  ihre  Kritik.  217 

Krieg  an,  aus  welcher  einerseits  Polybios -Livius,  anderseits  ein 
römischer  Annalist  und  Appian  geschöpft  hätten. 

Zugegeben  einmal,  dafs  diese  Vermutung  das  Richtige  träfe,  so 
würde  dadurch  für  die  spezielle  Frage,  die  uns  hier  beschäftigt,  kaum 
etwas  Wesentliches  geäudert.  Polybios  hätte  dann  den  Urbericht  im 
wesentlichen  unverändert  in  seine  Erzählung  aufgenommen,  was 
daraus  folgen  würde,  dafs  er  bei  Livius  und  bei  Appian  in  so  überein- 
stimmender Weise  vorliegt;  und  wir  hätten  damit  an  Stelle  der  achäi- 
schen,  rhodischen  und  pergamenischen  Quellen,  welche  dem  Polybios 
nach  der  gewöhnlichen  Annahme  vorgelegen  haben,  dieses  Mal  eine 
römische.  Beide  Quellengruppen  aber  sind  für  uns  gleich  wesenlos; 
beide  erhalten  erst  dadurch,  dafs  ein  Mann  wie  Polybios  mit  seinem 
kritischen  und  militärischen  Verständnisse  sie  sich  aneignet,  Wert 
und  Bedeutung. 

Aber  Mommsens  ganze  Ausführungen  sind  mit  Recht  auf  Wider- 
spruch gestofsen  und  haben,  soweit  ich  sehe,  nirgends  Zustimmung 
gefunden.  Ed.  Meyer  ist  ihnen  mit  so  überzeugenden  Gründen  ent- 
gegengetreten, dafs  man  sich  ihnen  nur  anscbliefsen  und  kaum  noch 
etwas  hinzusetzen  kann1).  Es  ist  danach  als  ausgemacht  anzusehen, 
dafs  auch  der  Bericht  des  Appian  auf  Polybios  zurückzuführen  ist. 


!)  Rhein.  Museum  N.  F.  36  (1881)  S.  120  ff.  —  Nach  Meyer  ist  die  Frage 
noch  von  Ed.  Kumpel  „Die  Quellen  zur  Gesch.  des  Krieges  d.  Römer  gegen  Anti- 
ochos  III",  Hamburg  1893,  Progr.  Weidenallee,  untersucht  worden.  Kumpel  stellt 
sich  auch  ganz  auf  die  Seite  von  Nissen-Meyer,  bringt  aber  kaum  etwas  Neues. 
Verwendbar  und,  soweit  ich  sehe,  für  die  Nissen-Meyersche  Ansicht  noch  nicht 
verwendet  scheint  mir  die  starke  Hervorhebung  des  Domitius  gegenüber  dem  Konsul 
Scipio  bei  Appian  zu  sein.  Domitius  wird  in  den  sechs  Kapiteln  von  30  bis  36 
achtmal  und  stets  als  führende  Persönlichkeit  genahnt,  der  Konsul  nur  einmal  und 
als  Puppe  31,6:  Domitius  lg  to  /usaov  avibv  i'GTr]  tov  vncaov.  Das  stimmt  nicht 
recht  zu  einer  Monographie  eines  Scipio  über  den  Krieg,  wie  Mommsen  sie  als 
Urquelle  annimmt.  Auf  griechische,  speziell  achäische  und  rhodische  Quellen 
und  damit  auf  Polybios  weist  ferner  die  breite  Erzählung  von  Diophanes'  Helden- 
stückchen vor  Pergamon,  die  auch  Appian  (Syr.  26)  hat,  sowie  die  ausführliche 
Erzählung  des  Seekrieges  (Syr.  24);  endlich  ist  die  Schilderung  der  Panik  und 
deren  umständliche  Erklärung  acht  polybianische  Art  (S.  J90A.1).  Damit  soll 
soll  natürlich  nicht  behauptet  werden,  dafs  Appian  direkt  aus  Polybios  geschöpft 
habe.  Die  ohne  Zweifel  vorhandenen  Diskrepanzen  zwischen  ihm  und  Polybios  in 
diesem  ganzen  Teile  des  Appianischen  Werkes  erklären  sich  vielmehr  am  ein- 
fachsten, wenn  man  mit  Ed.  Schwartz  (bei  Pauly-Wissowa  II  219  ff.)  Benutzung 
durch   das  Mittelglied   eines  römischen  Annalisten   annimmt.     Was  den  Schlacht- 


218  l*er  Syrisch-römische  Krieg. 

Somit  steht  also  die  Quellenfrage  fest  und  damit  die  anzu- 
wendende kritische  Methode. 

Wir  besitzen  zwei  Bearbeitungen  desselben  ausführlichen  und, 
wie  schon  der  Name  des  Autors  lehrt,  militärisch  guten  Schlacht- 
berichtes, Bearbeitungen,  die  zwar  beide  gekürzt  sind,  wie  das  die 
konstante  Arbeitsart  der  beiden  Autoren  mit  sich  brachte,  aber  beide 
je  nach  der  Individualität,  der  Willkür,  der  patriotischen  Stellung 
der  Bearbeiter  verschieden  gekürzt  sind.  So  läfst  sich  insonder- 
heit beobachten,  dafs  in  dem  ersten  Teile,  der  Schlachtaufstellung, 
Livius  weit  ausführlicher  und  genauer  ist,  im  zweiten  dagegen,  in 
der  Erzählung  der  Schlacht  selber,  Appian  beträchtlich  mehr  gibt. 
Das  gilt  vor  allem  für  den  Kampf  im  Zentrum  und  auf  dem  römi- 
schen linken  Flügel,  wo  Livius  aus  patriotischen  Rücksichten  den 
Gang  der  Dinge  sehr  kurz  und  noch  dazu  verschleiert  geschildert 
hat  (s.  S.  191,  A.  2.    194,  A.  4). 

Es  ist  eine  allgemein  beobachtete,  in  der  Natur  der  Sache 
liegende  Erscheinung,  dafs  Berichte,  welche  verkürzend  einen  län- 
geren Originalbericht  wiedergeben,  um  so  unzuverlässiger  zu  werden 
pflegen,  je  mehr  sie  zusammenziehen.  Besonders  ist  das  für  den 
flüchtigen  Appian  von  Nissen  unwiderleglich  nachgewiesen  (Krit. 
Unters,  S.  114  ff.,  für  Magnesia  S.  195),  und  anderseits  leidet  natür- 
lich die  Treue,  wenn,  wie  hier  bei  Livius,  patriotische  Motive  mit 
unterlaufen. 

Auf  diesen  Voraussetzungen  beruht  die  in  unserer  Darstellung 
befolgte  Methode:  Beide  Berichte  sind  zur  Rekonstruktion  heran- 
zuziehen. Wo  sie  übereinstimmen  —  und  das  ist  in  den  meisten 
Punkten  der  Fall  — ,  können  wir  ihnen  mit  Vertrauen  folgen;  denn 
da    haben  wir  den  festen  Grund  Polybianischer  Auffassung  vor  uns. 


bericht  selber  betrifft,  so  kann  ich  allerdings  Schwartz  nicht  zustimmen,  wenn  er 
die  Abweichungen  Appians  von  Livius  auf  diesen  Mittelsmann  zurückführt.  Viel- 
mehr glaube  ich,  dafs  Appian  sowohl  bei  der  Schilderung  des  Kampfes  zwischen 
Antiochos  und  Attalos  (vergl.  S.  194  A.  4)  als  bei  der  Ankündigung  der  Schlacht 
(vergl.  S.  173  A.  4)  und  in  der  Darstellung  der  Rolle  des  Domitius  der  Wahrheit 
und  der  Polybianischen  Darstellung  näher  steht  als  Livius.  Überhaupt  ist  der 
Einflufs  des  Mittelsmannes  gerade  in  den  rein  militärischen  Partien  kaum  zu 
spüren,  wie  Schwartz  ihn  denn  auch  selbst  nicht  sehr  hoch  anschlägt,  wenn  er 
(S.  221)  sagt,  dafs  er  „in  breiten  Massen  die  nur  leicht  verfälschte  Polybianische 
Überlieferung  in  die  Erzählung  hineingeleitet  habe". 


Beilage  II.    Die  Schlachtberichte  und  ihre  Kritik.  219 

Wo  sie  voneinander  abweichen,  ist  der  ausführlichere  vorzuziehen, 
wenn  nicht  etwa  im  Einzelfalle  spezielle  Gründe  dagegensprechen. 
So  ist  für  den  ersten  Teil  besonders  Livius,  für  den  zweiten  be- 
sonders Appian  zugrunde  zu  legen. 

Dasselbe  Verfahren  gilt  bei  den  gleichen  Quellenverhältnissen 
natürlich  auch  für  die  Schlacht  von  Thermopylä  und  überhaupt  für 
den  ganzen  Krieg. 


Beilage  III. 


Zur  Chronologie  des  Römisch-syrischen  Krieges. 

Die  Ereignisse  des  Jahres  191  sind,  glaube  ich,  chronologisch 
etwas  anders,  als  bisher  geschehen  ist,  anzusetzen,  und  sollen  daher 
hier  im  Zusammenhange  besprochen  werden. 

Im  Herbst  192  war  Antiochos  in  Griechenland  angekommen,  zu 
einer  Zeit,  die  bereits  als  ungeeignet  für  die  Schiffahrt  bezeichnet 
werden  konnte  (tempore  ad  navigandum  immaturo  Liv.  35,  44,  3),  d.  h. 
also  Ende  Oktober  oder  Anfang  November1).  Die  Besetzung  von 
Demetrias,  das  erste  Erscheinen  des  Königs  vor  der  ätolischen  Ver- 
sammlung in  Lamia,  die  verunglückte  Expedition  gegen  Chalkis,  die 
Absendung  von  Gesandtschaften  nach  Böotien  und  Achaja,  die  zweite 
Expedition  nach  Chalkis,  nachdem  das  Scheitern  der  diplomatischen 
Aktion  in  Achaja  bekannt  geworden  war,  die  Verlegung  des  Haupt- 
quartieres  dahin,  die  Einnahme  von  ganz  Euböa,  der  Empfang  ver- 
schiedener griechischer  Gesandtschaften,  die  Reise  des  Königs  nach 
Theben  nehmen  die  zwei  letzten  Monate  dieses  Jahres  voll  in  An- 
spruch2). 


x)  „Die  Jahreszeit,  in  welcher  das  häufige  Auftreten  dieser  stürmischen 
südlichen  Winde  (des  Notos)  die  Schiffahrt  gefährdet,  währt  von  Anfang  November 
bis  in  den  März."  Neumann-Partsch,  Geogr.  v.  Griechenl.  S.  113.  —  Zon.  IX  19 
P  I  451  A:  ^ei/uoövog  ovroq. 

2)  Den  Bericht  darüber  s.  Liv.  35,  43,  7  bis  Schlufs.  Niese  II  691  ff.  — 
Der  Marsch  von  Demetrias  nach  Chalkis  beträgt  etwa  240  Kilometer,  das  sind 
acht  starke  Marschtage,  den  Marsch  zu  30  Kilometern  gerechnet,  was  bei  so 
kleinen  Entfernungen  angeht.  Bei  der  ersten  Expedition  haben  die  Truppen  des 
Königs  den  gröTseren  Teil  dieses  Weges  von  Lamia  bis  Chalkis  (etwa  156  Kilo- 
meter) sicher  zu  Fufs  zurückgelegt  (Liv.  35,46,3:    per  Phocidem  —  ad  Chaero- 


Beilage  III.     Zur  Chronologie  des  Römisch-syrischen  Krieges.  221 

In  der  Mitte  des  Winters  (hieme,  quae  tum  fere  media  erat, 
Liv.  36,  6,  10)  wird  dann  der  Feldzug  gegen  Thessalien  beschlossen 
und  Ätolern  wie  Athamanen  Termin  zur  Heeresversammlung  bei 
Pherä  angesetzt,  vor  ihrer  Ankunft  noch  der  Tumulus  auf  dem  Schlacht- 
felde von  Kynoskephalä  errichtet  (Liv.  36,  8,  2 f.).  Zehn  Tage  dauerte 
dann  die  Belagerung  von  Pherä  (intra  decimum  diem  quam  Pheras 
venerat  Liv.  36,  10,  1);  dann  geht  es  nach  Krannon,  von  da  nach 
Westthessalien,  Kierion  und  Metropolis,  endlich  wird  der  Marsch  des 
Hauptheeres  (Liv.  36,  10,  1.  2)  nordostwärts  zurück  nach  Larissa  ge- 
lenkt. Zu  gleicher  Zeit  haben  Detachements  von  den  Truppen  des 
Königs  selber,  ferner  von  den  Ätolern  und  Athamanen  Skotussa,  den 
noch  freien  Teil  des  westlichen  Thessaliens  am  oberen  Peneos  und  ein 
Stück  von  Perrhäbien  im  Norden  unterworfen.  Widerstand  ist  hier 
nirgends  mehr  geleistet  worden1).  Nur  Larissa,  Atrax,  Gyrton  sind 
noch  frei.  Vor  Larissa  finden  sich  alle  Abteilungen  wieder  zusammen; 
aber  der  König  verweilt  hier  nur  einen  Tag  (Liv.  36,  10,  13),  weil  ein 
römisches  Entsatzkorps  auf  dem  Melunapafs  erschienen  ist  und  er  sich 
in  der  Wiriterzeit  auf  keine  langdauernde  Belagerung  mehr  einlassen 
will2).  Bei  den  kleinen  Entfernungen  und  den  schnellen  Erfolgen  des 
Königs  (bis  raptim  peractis  Liv.  36,  5,  6)  wird  man  die  Zeit  nach  der 
Eroberung  von  Pherä  auf  kaum  mehr  als  14  Tage  veranschlagen 
dürfen.     Die  Expedition  hat  dann  etwa  den  Januar  ausgefüllt.   Dann 


neam);  den  ersten  Teil  vielleicht  zur  See  (Liv.  35,43,8:  Phalara  inde  Lamiam). 
Bei  der  zweiten  ist  der  ganze  Weg  von  Demetrias  bis  Chalkis  von  dem  Haupt- 
heere  zu  Fufs  gemacht  (Liv.  35,50,  7:  cum  omni  classe  Polyxenidam  mittit  ipse 
paucos  post  dies  sex  milia  suorum  militum  .  .  .  duxit).  Das  ergibt  schon  fast  einen 
Monat  Marschtage.  —  Verhandlungen  in  Lamia  Liv.  35,  45  f.  —  Beratungen  wegen 
Absendung  von  Gesandten  nach  Achaja  usw.  nach  der  ersten  Expedition  nach 
Chalkis  Liv.  35,  47,  2;  Unternehmung  der  zweiten  nach  dem  Scheitern  der  Mission 
Liv.  35,  50,  6.  —  Gesandtschaften  in  Chalkis  und  Reise  nach  Theben  Liv.  36,  5.  6. 

})  Liv.  36, 10,5.  —  Als  Eroberung  der  Athamanen  wird  hier  nur  Pellinäum 
genannt,  während  die  Römer  ihnen  kurz  darauf  auch  die  Städte  Äginion,  Erikinion, 
Gomphoi,  Silana,  Trikka,  Meliböa,  Phaloria  wiederabnehmen  (Liv.  36, 13,  6),  also 
ganz  Westthessalien.  Das  ist  wohl  mit  Niese  II  652,  5  so  zu  erklären,  dafs  die 
Athamanen  diese  Städte  schon  im  Frieden  von  197  erhalten  hatten. 

2)  Liv.  36, 10,  10:  App.  Claudius  .  .  .  in  iugum  montium,  quod  super  Gonnos 
est,  pervenit.  Gonnoi  liegt  am  Eingang  des  Tempetales,  vom  Pafs  aus  sah  man  in 
Larissa  die  Wachtfeuer.  Es  ist  m.  W.  die  einzige  ausdrückliche  Erwähnung  des 
Melunapasses  im  Altertum.  —  Die  Worte  des  Livius  36,  10,  13 :  hiemem  instare 
sind  bei  Matzat  S.  197  richtig  als  Übersetzungsfehler  des  Livius  erklärt. 


222  Der  Syrisch-römische  Krieg. 

geht  der  König  nach  Chalkis  und  Böotien  zurück  in  die  Winter- 
quartiere (Liv.  36,  11,  1  —  3). 

Mit  dem  Anfange  des  Frühlings  ist  er  aber  schon  wieder  auf 
den  Füfsen  (principio  veris  Liv.  36,  11,  4  =  App.  Syr.  16).  Er  kon- 
zentriert seine  Truppen  bei  Chäronea  und  läfst  sie  durch  das  innere 
Atolien  nach  Akarnanien  gehen,  wo  sie  bis  Tyrrheon  gelangen  (Liv. 
36,  11,  4  f.;  12,7).  Diese  Entfernung  ist  unter  Berücksichtigung  des 
schwierigen  Gebirgslandes  auf  über  200  Kilometer,  der  Rückmarsch 
an  die  Thermopylen  auf  fast  200  Kilometer,  die  Zeit  daher  auf  etwa 
20  Marschtage  zu  veranschlagen. 

Die  Zeit  des  Aufenthaltes  des  Königs  in  Akarnanien  fiel  in  die 
Periode  des  tempus  anni  iam  maturum  ad  navigandum  (Liv.  36,  12,  11). 
Also  Ende  März1),  so  dafs  wir  als  die  Zeit  dieser  akarnanischen  Ex- 
pedition etwa  Anfang  März  bis  Anfang  April  ansetzen  können. 

Während  dieser  Abwesenheit  des  Königs  brachen  die  Römer  in 
Thessalien  ein  (Liv.  36,  13,3:  in  Acarnania  tum  Antiochus  erat). 

Der  Konsul  Glabrio  hatte  seiner  Armee  den  Versammlungstermin 
nach  Brundisium  bereits  auf  den  26.  Januar  angesetzt.  Das  Datum 
steht  darum  ganz  fest,  weil  durch  die  im  folgenden  Jahre  stattgehabte 
Sonnenfinsternis  die  Kalenderverschiebung  bis  auf  den  Tag  konstatiert 
werden  kann2).  Wir  haben  daher  den  Übergang  über  das  Ionische 
Meer  wohl  jedenfalls  noch  in  den  Februar  zu  setzen3),    und  da  die 


')  Neumann-Partsch  fährt  nach  den  oben  S.  220  A.  1  zitierten  Worten  fort: 
„Noch  um  die  Zeit  des  Frühlingsäquinoktiums  kann  man  mit  einiger  Sicherheit 
auf  einen  bösen  Südsturm  rechnen,  den  „Vierzig  Heiligensturm"  der  Neu- 
griechen." 

2)  Liv.  36,3, 13:  Brundisium  idibus  Mais  convenirent.  —  Über  die  Sonnen- 
finsternis am  11.  Quinctilis  =  14.  März  190  s.  oben  S.  112.  Danach  fallen  die  Iden 
des  Mai  191  entweder  auf  den  4.  Januar  oder  auf  den  26.,  je  nachdem  das  Jahr 
den  Schaltmonat  gehabt  hat.  Da  der  4.  Januar  für  die  Versammlung  des  Heeres 
zu  früh  erscheint,  so  bleibt  nur  der  26.  übrig.  Das  Ende  des  Amtsjahres  des 
Glabrio  fällt  nach  derselben  Berechnung  bestimmt  auf  den  17.  November  191,  da 
für  die  Zeit  vom  11.  Quinctilis  bis  zum  Schlufs  des  Amtsjahres  Glabrios  am 
14.  März  rückwärts  gerechnet  die  Frage  des  Schaltmonats,  der  ja  im  Februar  ein- 
gelegt wurde,  nicht  in  Betracht  kommt. 

3)  Dem  widerspricht  nicht,  dafs  die  Achäer  in  ihrer  im  November  statt- 
findenden Herbstversammlung  (Freeman  S.  648)  dem  Antiochos  den  Krieg  erklärt 
haben  wollen  T£iQatur)vq)  7iq6t&qov  rrjg  'Pwfxatiav  diaßaatioq  (Pol.  XXXIX  3  (14  Hu.),  8. 
Denn  von  November  bis  Februar  konnte  man  bei  gutem  Willen  4  Monate  rechnen. 
App.  Syr.  15,31:  <os  a/ua  tw  rJQt  dtaßcdovvreg. 


Beilage  III.     Zur  Chronologie  des  Römisch-syrischen  Krieges.  223 

Entfernung  von  Apollonia  nach  Larissa  etwa  383  Kilometer  beträgt, 
so  wird  man  selbst  unter  Berücksichtigung  des  schwierigen  Pindos- 
überganges über  den  damals  ohne  Zweifel  noch  tiefverschneiten  Pafs 
von  Metzovo  (s.  oben  S.  107  A.  1)  und  trotz  der  ungünstigen  Jahres- 
zeit die  Zahl  der  Marschtage  doch  kaum  höher  als  auf  etwa  30  be- 
messen können1).  Danach  wäre  der  Konsul  noch  im  Laufe  des  März, 
spätestens  im  Anfang  April  in  Thessalien  eingetroffen.  Schon  einige 
Zeit,  aber  kaum  sehr  lange  vorher,  waren  Philipp  und  Bäbius  mit 
den  Vortruppen  der  Armee  über  Makedonien  nach  Thessalien  ein- 
gerückt und  hatten,  ohne  grofsen  Widerstand  zu  finden,  Nord-  und 
Westthessalien  eingenommen2).  Der  Konsul  gönnte  seinen  von  der 
Überfahrt  und  dem  Gebirgsmarsche  erschöpften  Truppen  in  Larissa 
einige  Tage  Ruhe  (ad  reficienda  maxime  iumenta,  quae  et  naviga- 
tione  et  postea  itineribus  fatigata  erant,  p au  cos  Larissae  moratus 
dies  Liv.  36,  14,  10)  und  brach  dann  über  Krannon,  Skotussa,  Pherä, 
Pharsalos  nach  Proerna  und  Thaumakoi,  d.  h.  über  den  Pafs  von 
Domoko  nach  dem  Spercheostal  und  Thermopylä  auf.  Da  er  nirgends 
auf  ernsthaften  Widerstand  stiefs,  sondern  sich  die  Besatzungen  des 
Königs  überall  schnell  ergaben3),  so  können  wir  für  diesen  Durch- 
marsch, selbst  bei  allergröfster  Langsamkeit,  für  die  aber  in  den  Ver- 
hältnissen kein  Grund  zu  finden  ist,  nicht  mehr  als  ein  paar  Wochen 
rechnen  und  kommen  damit  für  die  Schlacht  von  Thermopylä  selber, 
die  gleich  nach  Ankunft  der  Römer  vor  dieser  Stellung  stattfand,  doch 
immer  erst  auf  Ende  April. 


y)  Das  wären  auf  den  Marschtag  ohne  Ruhetage  nur  12—13  Kilometer, 
2J  Liv.  36,  13:  Bäbius  nimmt  Phakion  „primo  impetu"  und  Phästos  „eadem 
celeritate",  besetzt  dann  die  Städtchen  Erition  und  Kyretiä  in  Perrhäbien  ohne 
Widerstand  (occupat),  endlich  Mallöa  „sub  adventum  Romani  exercitus".  Das 
alles  hat  also  nur  wenig  Zeit  in  Anspruch  genommen.  Die  westthessalischen 
Städte,  die  früher  zum  gröfsten  Teil  makedonisch  gewesen  waren,  jetzt  den  Atha- 
manen  gehörten  (s.  oben  S.  221  A.  1),  scheinen  sich  aus  alter  Sympathie  sofort 
wieder  an  Makedonien  angeschlossen  zu  haben,  sonst  wäre  eine  Eroberung  dieser 
z.  T.  sehr  festen  Städte  überhaupt  kaum  so  schnell  möglich  gewesen  (vergl.  oben 
Flamininus'  Versuche  S.  55). 

3)  Liv.  36, 14,  11  ff. :  venienti  —  heifst  es  —  Pharsalus  et  Scotussa  et 
Pherae  .  .  deduntur  .  .  Proernam  inde  recepit  et  quae  circa  castella  erant.  ducere 
tum  porro  in  sinum  Maliacum  coepit.  Nach  der  sofortigen  Eroberung  von  Thau- 
makoi, der  einzigen  Stadt,  die  Widerstand  versucht,  bricht  das  Heer  altero  die 
nach  dem  Spercheos  und  Hypata  auf. 


224  ^er  Syrisch-römische  Krieg. 

Diese  ungewöhnlich  frühe  Eröffnung  des  Feldzuges  durch  die 
Römer  erklärt  sich  zur  Genüge  aus  der  allgemeinen  Lage,  Man 
wufste  in  Rom,  dafs  Antiochos  schon  im  Herbste  in  Griechenland 
gelandet  war  und  im  Frühjahr  seine  grofse  Armee  nachziehen  wollte. 
Es  galt  also  zuvorzukommen.  Daher  die  Truppenaushebungen  in 
Italien  noch  vor  Antritt  der  neuen  Konsuln  durch  die  alten  Beamten1), 
daher  die  Überraschung  des  Antiochos,  der  offenbar  noch  vor  An- 
kunft der  Römer  seinen  Feldzug  in  Akarnanien  hatte  beenden  wollen, 
daher  die  Zwangslage  des  Königs,  noch  vor  Ankunft  seiner  Armee 
aus  Asien  sich  in  den  Thermopylen  stellen  zu  müssen,  daher  aber 
auch  für  uns  die  Nötigung,  den  Termin  dieser  Schlacht  nicht  weiter 
in  den  Sommer  hineinzuschieben. 

Dies  Resultat  steht  nun  allerdings  mit  Matzats  Berechnung,  der 
die  Schlacht  auf  den  22.  Juni  verlegt,  in  Widerspruch2).  Es  ist  da- 
her zur  Stütze  unseres  Ergebnisses  sowie  zur  Feststellung  der  folgen- 
den Ereignisse  selbst  nötig,  den  weiteren  Fortgang  der  Operationen 
auf  ihre  chronologische  Fixierung  hin  zu  untersuchen. 

Nach  der  Schlacht  erfolgt  zunächst  der  Zug  des  Konsuls  Glabrio 
nach  Chalkis,  woselbst  ein  Aufenthalt  von  wenigen  Tagen  (post  paucos 
dies)  zur  Entgegennahme  der  Unterwerfung  der  übrigen  Städte  Euböas 
genommen  wird  (Liv.  35,  21,  1  —  3).  Der  Marsch  hin  und  zurück  bis 
Heraklea  beträgt  etwa  280  Kilometer  über  Böotien  (Koronea  wird 
berührt,  Liv.  36,  20,  3),  d.  h.  bei  langsamem  Marsche  und  Entgegen- 
nahme der  Unterwerfung  der  einzelnen  Städte,  etwa  19  Marschtage. 
Mit  dem  Aufenthalt  in  Euböa  wird  man  gegen  1  Monat  rechnen  können. 
Es  folgt  die  Belagerung  von  Heraklea  (Liv.  36,22,1  —  24,12):  Rekognos- 
zierung der  Lage,  Verteilung  der  Truppen  in  vier  Lager,  Herrichtung 


')  Liv.  35,41,5:  dilectum  habere  L.  Quinctius  consul  iussus,  ne  quid  mora- 
retur,  quominus  consul  novus,  quo  senatus  censuisset,  extemplo  pro- 
ficisci  possit. 

2)  Matzat  S.  197  kommt  zu  seiner  Ansetzung  lediglich  aus  dem  Grunde, 
weil  nach  Livius  36,21,10  die  Ovation  des  M.  Fulvius  Nobilior  über  Spanien, 
welche  nach  den  Fasten  auf  den  17.  Dezember  =  24.  August  unserer  Rechnung 
fällt,  „per  eosdem  dies"  abgehalten  wurde  mit  der  Uberbringung  der  Siegesnach- 
richt in  Rom  durch  Cato.  Dies  Argument  scheint  mir  ohne  Belang  zu  sein.  Die 
ganz  vereinzelt  stehende  Notiz  über  den  spanischen  Triumph  mufste  irgendwo  in 
die  Erzählung  eingeschoben  werden,  wo  von  der  Stadt  Rom  die  Rede  war.  Eine 
solche  Stelle  fand  sich  bei  der  Siegesbotschaft  des  Cato  in  Rom.  Man  darf  das 
„per  eosdem  dies"  unter  diesen  Umständen  nicht  so  pressen. 


Beilage  III.     Zur  Chronologie  des  Römisch-syrischen  Krieges.  225 

der  Belagerungswerkzeuge,  Sturmböcke  usw.  (intra  paucos  dies  22,  9), 
dann  Sturm  24  Tage  hintereinander  (per  quattuor  et  viginti  dies  23,  6), 
endlich  Erstürmung.  Zeit  mindestens  1  Monat.  Daran  schliefsen  sich 
die  Verhandlungen  mit  den  Ätolern  in  Hypata  an,  wobei  zweimal  ein 
zehntägiger  Waffenstillstand  zur  Einholung  von  Instruktionen  usw. 
gewährt  wird  (Polyb.  XX  9,  5.  10,12;  Liv.  36,  37,  3.  28,8);  endlich 
nach  dem  Scheitern  der  Verhandlungen  nach  Ablauf  des  zweiten 
Waffenstillstandes  (Pol.  XX  10,  17)  fafst  der  Konsul  den  Entschlufs, 
nach  Naupaktos  zu  ziehen,  nachdem  die  Kunde  von  den  dortigen 
Rüstungen  der  Ätoler  bei  Heraklea  eingetroffen  ist  (Liv.  36,  30, 1). 
Nach  Absendung  einer  starken  Vorhut  zur  Besetzung  der  Pässe  be- 
steigt der  Konsul  die  Pyra,  um  dem  Herakles  zu  opfern  (2158  Meter, 
1 — 2  Tage),  dann  bricht  er  nach  Naupaktos  auf.  Der  Marsch  dahin  be- 
trägt nach  den  Luftlinien  der  Teilstrecken  zwar  nur  etwa  90  Kilometer, 
aber  bei  dem  äufserst  schwierigen  Gebirgscharakter  und  der  doppelten 
Pafsübersteigung  des  Korax  (Liv.  36,  30,  4:  mons  est  altissimus  — 
ibi  et  iumenta  multa  ex  agmine  praecipitata  .  .  sunt  et  homines  vexati; 
vergl.  Neumann-Partsch  S.  159  f.)  mufs  man  auf  den  Weg  doch 
mindestens  etwa  8  Tage  rechnen.  Zeit  also  zusammen:  seit  Eroberung 
von  Heraklea  über  1  Monat.  Endlich  folgt  die  Belagerung  von  Nau- 
paktos selber,  die  bis  zur  Ankunft  des  Flamininus  2  Monate  dauert 
(Liv.  36,  34,  1:  iam  per  duos  menses  .  .  oppugnabatur).  Fassen  wir 
das  alles  zusammen,  so  erhalten  wir: 

Zug  nach  Chalkis  etwa  1  Monat 

Belagerung  von  Heraklea  mindestens  1      „ 

Verhandlungen  mit  den  Ätolern  und  Marsch  nach 

Naupaktos  mehr  als      1      „ 

Belagerung  von  Naupaktos  2      „ 

Summe  mehr  als  5  Monat 
Nun  hören  wir  aber,  dafs  bei  der  Ankunft  des  Flamininus  nach 
Naupaktos  das  Amtsjahr  des  Konsuls,  welches  am  17.  November  endete 
(s.  oben  S.  222  A.  2),  noch  nicht  abgelaufen  war  (Liv.  36,  34,  8:  iam 
prope  annus  circumactus  sit  imperii  tui),  und  dementsprechend  wird 
auch  Glabrio  noch  nach  der  Aufhebung  der  Belagerung  wiederholt 
als  Konsul  bezeichnet  (Liv.  36,  35,  7.  8.  9.  14).  Daher  kann  diese  Auf- 
hebung nicht  später  als  Ende  Oktober  bis  Anfang  November  und 
damit  die  Schlacht  von  Thermopylä  nicht  später  als  Ende  Mai  fallen. 
Es  steht  aber  auch  nichts  im  Wege,    alle  die  genannten  Ereignisse 

Kromaycr,  Antike  Schlachtfelder.     II.  15 


226  Der  Römisch-syrische  Krieg. 

um  einen  Monat  weiter  vorzurücken  und  damit  die  Schlacht  in  den 
April  zu  setzen,  wie  es  die  früheren  Erwägungen  verlangten. 

Es  fragt  sich,  ob  die  sonstige  Überlieferung  für  eine  solche  Vor- 
rückung einen  Anhalt  gibt.     Das  ist  der  Fall. 

Die  römische  Flotte  unter  C.  Livius,  welche  zur  Zeit  der  Be- 
lagerung von  Heraklea  und  Lamia  noch  bei  Kerkyra  stand  (Liv.  36, 
42,  3),  war  im  Laufe  des  Sommers  bis  Delos  vorgegangen,  wurde  hier 
aber  längere  Zeit  (per  aliquot  dies  Liv.  36, 43,  1)  durch  ständige 
Nordwinde  (ubi  primum  aquilones  —  ii  namque  per  aliquot  dies 
tenuerant  —  ceciderunt  Liv.  ib.  §  11)  festgehalten.  Wer  die  griechi- 
schen Gewässer  kennt,  kann  keinen  Augenblick  zweifeln,  dafs  das 
die  bekannten  Etesien  sind,  welche  im  Juli  und  August  ständig  und 
sehr  unangenehm  stark,  oft  ununterbrochen  wehen  (Neumann-Partsch 
S.  95  ff).  Nun  wurde  aber  zur  Zeit  dieses  Aufenthaltes  der  Flotte 
in  Delos  Naupaktos  schon  belagert  (Liv.  36,  43,  1 :  eo  tempore  consul 
Acilius  Naupactum  oppugnabat).  Daher  kann  der  Beginn  der  Be- 
lagerung wohl  spätestens  in  den  August  gesetzt  werden,  und  die  Be- 
lagerung hat  dann  den  August  und  September  in  Anspruch  ge- 
nommen1). Dann  fällt  der  Marsch  dorthin  und  die  Verhandlungen 
bei  Heraklea  in  den  Juli,  die  Belagerung  von  Heraklea  selbst  in  den 
Juni,  die  Expedition  nach  Chalkis  in  den  Mai,  die  Schlacht  von  Ther- 
mopylä  Ende  April,  und  alles  ist  in  Ordnung. 

Wollen  wir  noch  mit  Matzat  (S.  197  A.  11)  annehmen,  dafs  in 
der  mondlosen  Nacht,  in  welcher  Kato  die  Umgehung  machte  (Plut. 
Kato  13:  ev  äosXrjvq)  vvxvi  ßafieiq),  Neumond  war  —  es  konnte 
aber  auch  nur  eine  bewölkte  Nacht  gewesen  sein,  wras  Ende  April 
in  Griechenland  noch  ganz  wrohl  möglich  ist  —  so  würde  sich  der 
24.  April  dafür  passend  bieten.  Aber  die  Grundlage  scheint  mir  zu 
unsicher,  um  darauf  zu  bauen. 

Es  ergibt  sich  uns  also  folgende  Anordnung  der  Ereignisse: 
192:   Ende  Oktober:  Ankunft  des  Antiochos  in  Griechenland. 

November:  Erste  Expedition    nach   Chalkis.     Abfertigung  von 
Gesandtschaften  an  die  griechischen  Staaten.  Kriegs- 
, erklärung  der  Achäer  an  Antiochos. 

')  Man  könnte  hier  einwenden,  dafs  Glabrio  unmittelbar  nach  Aufhebung 
der  Belagerung  zur  Versammlung  der  Achäer  nach  Ägion  geht  (Liv.  36,  35,  7)  und 
dafs  die  Herbstversammlung  der  Achäer  erst  im  November  stattfand  (s.  S.  222  A.  3). 
Aber  hier  handelt  es  sich  um  eine  aufserordentliche  Versammlung,  die  auf  Befehl 
des  Flamininus  berufen  war  (Liv.  36, 31, 10). 


Beilage  III.     Zur  Chronologie  des  Römisch-syrischen  Krieges.  227 

Dezember:  Zweite  Expedition  nach  Chalkis.     Reise  des  Königs 
nach  Böotien. 
191:         Januar:  Eroberung  Thessaliens  durch  Antiochos. 

Februar:  Winterquartiere  in  Chalkis.     Übergang  der  Römer 
über  das  Ionische  Meer. 
März:  Expedition  des  Antiochos  nach  Akarnanien.    Marsch 
des    Acilius   Glabrio    von  Apollonia    nach  Larissa. 
Einfall  des  Philipp  und  Bäbius  in  Thessalien. 
April:  Eroberung    Thessaliens    durch    die    Römer,    Atha- 
maniens  durch  Philipp  (S.  138  A.  3).     Schlacht  bei 
Thermopylä  (vielleicht  am  24.  April). 
Mai:  Expedition  des  Acilius  Glabrio  nach  Chalkis.    Rück- 
zug des  Antiochos  nach  Asien. 
Juni:  Belagerung   von  Heraklea    durch  die  Römer,    von 

Lamia  durch  Philipp  (Liv.  36,  25,  1). 
Juli :  Verhandlungen  der  Römer  mit  den  Ätolern.    Marsch 
der  Römer  nach  Naupaktos. 
August:  Belagerung  von  Naupaktos. 

Die  römische  Flotte  bei  Delos. 
Philipp  erobert  Demetrias  (Liv.  36,  33,  1). 
September:  Belagerung  von  Naupaktos. 

Seeschlacht  bei  Korykos  (Liv.  36,  43,  13). 
Oktober:  Acilius  Glabrio  in  den  Peloponnes. 

Heer  in  Winterquartiere  nach  Phokis  (Liv.  36,  35,  6). 
Flotte  ins  Winterquartier  nach  Kanä  (Liv.  36,  45,  8). 
17.  November:  Ende  von  Acilius  Glabrios  Konsulat. 


15* 


III. 


Der  Krieg  gegen  Perseus 
(171—168  v.  Chr.). 


Vorbemerkung:. 


Die  strategisch-politische  Lage. 

Die  strategisch -politische  Lage  bei  Beginn  des  dritten  Make- 
donischen Krieges  ist  derjenigen  im  grofsen  Ganzen  nicht  unähnlich, 
welche  uns  beim  Anfange  des  zweiten  entgegengetreten  war. 

Auch  jetzt  streitet  ein  bei  weitem  schwächerer  Staat  gegen 
einen  unzweifelhaft  überlegenen  ohne  die  Aussicht,  ihn  jemals  in 
seinem  Lande  angreifen  und  völlig  niederwerfen  zu  können,  auch  hier 
stehen  dem  schon  an  sich  stärkeren  Staate  wieder  eine  Anzahl  kleinerer 
zur  Seite,  welche  den  Hauptangriff  von  anderer  Seite  her  unterstützen 
können. 

Allerdings  war  Makedonien  in  diesem  Kriege  wesentlich  stärker 
als  im  vorigen1).  Eine  26  jährige  Friedenszeit  hatte  die  Kräfte  des 
Landes  bedeutend  gehoben,  die  konsequent  fortgesetzten  Rüstungen 
des  Philipp  und  Perseus  selber  hatten  nach  allen  Seiten  hin  vor- 
gesorgt. Die  Feldarmee,  43000  Mann  umfassend,  ging  an  Zahl  über 
die  Armee  hinaus,  mit  welcher  Alexander  den  Feldzug  nach  Asien 
eröffnet  hatte  und  mit  der  Hannibal  in  Italien  eingebrochen  war, 
und  durch  fortwährende  kleine  Expeditionen  gegen  die  unzivilisierten 
Grenznachbaren  im  Norden  des  Reiches  war  sie  bei  kriegerischer 
Tüchtigkeit  erhalten;  Staatsschatz,  Proviantmagazine  und  Arsenale 
waren  gefüllt.  Es  soll  Geld  für  10000  Söldner  auf  zehn  Jahre 
bar  in  den  Kassen  gewesen  sein,  Getreide  für  das  Heer  auf  zehn 
Jahre  in  den  Magazinen  gelegen  haben,  die  Arsenale  mit  Rüstungen 
für  eine  dreimal  gröfsere   als   die  Feldarmee  versehen  gewesen  sein. 


2J  Man    vergleiche    zu    dem  Folgenden  Mommsen,    R.  G.  I6   S.  754  ff.  und 
Niese  III  119  ff.,  bei  dem  die  Belege  zu  finden  sind. 


232  ^er  Krieg  gegen  Perseus. 

Durch  ein  Bündnis  mit  dem  Thrakerkönig  Kotys  hatte  sich  Perseus 
den  Rücken  gedeckt  und  sich  die  Söldnerkräfte  dieses  Landes  ge- 
sichert, und  die  weit  nach  Norden  reichenden  Verbindungen  Make- 
doniens mit  den  Bastarnern  hatten  sogar  einmal  den  Gedanken  auf- 
kommen lassen,  diese  Stämme  zu  einem  Einfalle  nach  Italien  selbst 
zu  bewegen. 

Trotzdem  hat  Perseus  nie  einen  eigentlichen  Angriffskrieg  ge- 
plant. Die  Belastungsprobe,  welche  Italien  im  zweiten  Punischen 
Kriege  ausgehalten  hatte,  machte,  von  allem  anderen  abgesehen,  jeden 
solchen  Gedanken  unmöglich,  und  ein  Barbaren einfall  hätte  höchstens 
den  Wert  einer  Diversion  haben  können.  Dazu  kam,  dafs  dem  Plus, 
welches  Makedoniens  bessere  Konsolidierung  gegenüber  dem  vorigen 
Kriege  bot,  in  der  ganzen  politischen  Situation  ein  ebenso  beträcht- 
liches Minus  gegenüberstand1). 

An  eine  wirksame  Koalition  mit  Syrien  war  unter  keinen  Um- 
ständen mehr  zu  denken;  Griechenland,  damals  neutral  oder  von 
Makedonien  abhängig,  stand  jetzt  unter  Roms  Einflufs.  Der  Gedanke 
der  römischen  Suprematie  hatte  ein  Menschenalter  Zeit  gehabt,  sich 
einzuleben.  Man  konnte  trotz  lebhafter  Sympathien,  die  sich  für 
Makedonien  kundgaben,  nicht  erwarten,  dafs  sich  ein  namhafter  Teil 
der  Nation  dem  Schwächeren  tätig  zuneigen  werde.  Pergamon  end- 
lich, der  rührigste  Gegner  Makedoniens,  war  nicht  mehr  der  Klein- 
staat vom  Jahre  200  v.  Chr.,  sondern  zu  einer  ansehnlichen  Mittel- 
macht emporgewachsen. 

So  war  denn  dem  Perseus,  ganz  wie  seinem  Vater,  von  Anfang 
an  eine  defensive  Haltung  vorgeschrieben.  Wenn  überhaupt,  konnte 
er  nur  dadurch  zu  einem  glimpflichen  Frieden  kommen,  dafs  er  die 
Angriffe  der  Römer  wieder  und  wieder  zurückwies  und  ihnen  die 
Überzeugung  beibrachte,  dafs  er  entweder  überhaupt  nicht  niederzu- 
werfen sei,  oder  dafs  seine  Niederwerfung  Opfer  und  Anstrengungen 
verlange,  die  mit  dem  zu  erwartenden  Vorteile  nicht  mehr  im  Ver- 
hältnisse standen. 

Aber  die  Anwendung  dieses  Kriegsprinzipes  liefs  noch  einen 
sehr  weiten  Spielraum  für  das  Verfahren  im  einzelnen. 

Es  hiefs  nicht  aus  den  Grenzen  desselben  hinaustreten,  wenn 
man    mit  kühnem  Vorstofse  Thessalien  und  Epiros  überrannte   und 


')  s.  den  Überblick  über  die  politische  Situation  bei  Livius  42,  29. 


Die  strategisch-politische  Lage.  233 

innerhalb  der  griechischen  Halbinsel  seine  Verteidigungslinie  so  weit 
wie  möglich  nach  Westen  vorschob,  gerade  so  wie  das  seiner  Zeit 
auch  Philipp  getan  hatte. 

Diese  Art  der  Defensive  —  vergleichbar  der  Okkupation  Sachsens 
durch  Friedrich  den  Grofsen  —  hätte  ihre  unleugbaren  Vorteile  ge- 
habt und  lag  nach  allem,  was  wir  hören,  nicht  aufser  dem  Bereiche  der 
Möglichkeit.  Denn  im  Herbste  172,  als  für  jeden  Einsichtigen  der  Bruch 
schon  unvermeidlich  sein  mufste,  hatten  die  Römer  nur  5—6000  Mann 
italischer  Truppen  auf  griechischem  Boden,  die,  nur  durch  einzelne 
kleine  griechische  Landesaufgebote,  wie  das  epirotische  von  400,  das 
achäische  von  1000  Mann,  verstärkt,  in  weit  auseinandergezogenen 
Besatzungen  von  Illyrien  und  der  Orestis  bis  nach  Larissa  und  Euböa 
hin  die  Grenzlandschaften  mehr  beobachteten  als  deckten1). 

Diese  Vorschiebung  der  Verteidigungslinie  hätte  das  Stamm- 
land Makedonien  wesentlich  entlastet,  indem  sie  die  Möglichkeit  ge- 
währte, den  Krieg  auf  Kosten  der  okkupierten  Landschaften  zu  führen 
und  damit  —  worauf  ja  bei  dieser  Kriegsmethode  besonders  viel  an- 
kam —  die  eigenen  Kräfte  wesentlich  geschont.  Sie  mufste  ferner 
das  moralische  Ansehen  des  Königs  beträchtlich  heben  und  konnte 
nach  einem  Siege  oder  auch  nur  nach  glücklicher  Abwehr  eines  An- 
griffes eher  auf  einen  Stellungswechsel  in  Griechenland  Einflufs  üben, 
als  gleiche,  an  der  makedonischen  Grenze  erreichte  Erfolge. 

Alle  diese  Vorteile  scheinen  so  einleuchtend  und  selbstverständlich, 
dafs  es  schwer  wird  zu  glauben,  es  liege  in  der  Unterlassung  dieses 
Vorgehens  von  Seiten  des  Perseus  ein  freiwilliger  Verzicht  vor,  und 
man  möchte  sich    gerne    der   Auffassung  anschliefsen,   dafs  lediglich 

*)  Der  Prätor  Sicinius  war  im  Herbst  172  mit  5000  Mann  und  300  Reitern 
nach  Epiros  gegangen  (Liv.  42,  36,  9  nach  Polybios).  —  Die  Angaben  über  eine 
Armee  von  etwa  18000  Mann,  welche  Sicinius  nach  den  Annalen  befehligt  hat, 
sind  unglaubwürdig,  s.  Beilage  I.  Von  diesen  5000  Mann  wurden  2000  nach 
Illyrien  und  Dassaretien  an  die  Grenze  von  Obermakedonien  vorgeschoben  (Liv. 
42,  36,  9),  2000  nach  Thessalien  (Liv.  42,  47,  11).  Das  epirotische  Aufgebot  ging  in 
die  Orestis  (Liv.  42,  38,  l),  die  Achäer  nach  Chalkis  (Liv.  42,  44,  8.  Pol.  XXVII  2,  11) 
Aul'serdem  werden  1000  Mann  als  Bedeckungsmannschaften  für  die  verschiedenen 
Gesandten,  welche  damals  Griechenland  bereisten,  erwähnt  (Liv.  42,  37,  1).  Es  ist 
nicht  zu  ersehen,  ob  sie  von  den  Truppen  des  Sicinius  genommen  oder  aufserdem 
da  waren.  Zu  ihnen  gehören  die  300  Mann,  welche  in  Theben  stationiert  wurden 
(Liv.  42,  47,  12).  —  Die  Lage  im  allgemeinen  zeichnet  Livius  (42,  43,  3)  richtig 
mit  den  Worten:  nihil .  .  satis  paratum  ad  bellum  in  praesentia  habebant  Romani  .  . 
cum  Perseus  .  .  omnia  praeparata  atque  instructa  haberet. 


234  Der  Krieg  gegen  Perseus. 

die  Hoffnung,  den  unvermeidlichen  Bruch  doch  noch  vermeiden  zu 
können,  den  unschlüssigen  Fürsten  veranlafst  haben,  auf  die  Aus- 
nutzung dieser  günstigen  Lage  zu  verzichten1). 

Indessen  sind  durchschlagende,  sachliche  Gründe  vorhanden, 
die  ein  beschränkteres  Defensivsystem  empfehlen  mufsten. 

Wenn  König  Philipp  im  letzten  Kriege  in  der  Nähe  der  Adria 
am  unteren  Aoos  eine  Stellung  genommen  hatte,  welche  den  Römern 
den  Zutritt  zu  Epiros,  Thessalien  und  Griechenland  wehrte,  so  war 
ihm  das  einzig  durch  den  Umstand  möglich  geworden,  dafs  damals 
Thessalien  noch  eine  makedonische  Provinz,  dafs  Epiros  mit  ihm  im 
Bunde  war  und  dafs  Griechenland  gröfstenteils  in  wohlwollender 
Neutralität  ihm  gegenüberstand.  So  konnte  der  König  einerseits  auf 
seine  direkte  Verbindung  mit  Makedonien  selbst,  anderseits  auf 
Thessalien  und  Epiros  seine  Verpflegung  basieren. 

Für  Perseus  dagegen  lagen  die  Verhältnisse  wesentlich  anders. 
Er  hätte  wohl  das  flache  Land  von  Thessalien  und  Epiros  in  einem 
Winterfeldzuge  in  Besitz  nehmen,  aber  kaum  die  besonders  in 
Thessalien  so  zahlreichen,  festen  Städte  erobern  können.  Die  Stim- 
mung in  Thessalien  war  ausgesprochen  makedonierfeindlich,  wie  das 
bei  dem  Einmärsche  des  Königs  im  Frühjahr  171  überall  deutlich 
hervortrat2).  Bei  den  geringen  Mitteln  der  alten  Kriegskunst  für 
Stadteroberungen  hätte  sich  der  König  an  einer  Reihe  von  schwierigen, 
verlustreichen,  z.  T.  aussichtslosen  Belagerungen  abmühen  müssen. 
Er  hätte  bestenfalls  die  gewonnenen  Punkte  durch  Besatzungen 
sichern  und  so  seine  Armee  schwächen,  er  hätte  bei  der  Unsicher- 
heit des  ganzen  Gewinnes  seine  Etappenlinien  durch  bedeutende  Ab- 
gänge von  der  Armee  decken  müssen,  und  trotz  alledem  auf  dieses 
nur  oberflächlich  unterworfene  und  von  einer  Anzahl  nicht  eroberter 
Punkte  durchsetzte  Gebiet  seine  Verpflegung  nur  unvollkommen 
basieren  können.  Ebensowenig  aber  auf  eine  direkte  Verbindung  mit 
Makedonien  selber.    Denn  Dassaretien  und  die  Orestis,  die  in  seinem 


l)  So  Mommsen  I  759.  Niese  III  113  f.     Ihne  III  175  ff. 

2j  Obgleich  das  römische  Heer  noch  fern  ist,  denkt  keine  gröfsere  Stadt 
an  Übertritt,  Larissa  schickt  sogar  eine  Besatzung  nach  Phalanna  vor,  Mylä  und 
Kyretia  verteidigen  sich  verzweifelt,  andere  Städte  weichen  nur  der  Übermacht 
(S  237  f..),  Pherä  wird  als  feindlich  behandelt  und  seine  Mark  geplündert  (Liv. 
12,  54,  9)  usw.  Die  Lage  ist  also  beträchtlich  verschieden  von  der  im  Kriege  mit 
Antiochos,  wo  in  den  thessalischen  Städten  keine  schroffe  Parteinahme  für  eine 
der  kriegführenden  Mächte  bemerkbar  ist. 


Die  strategisch-politische  Lage.  235 

Rücken  lagen  und  ihn  von  seinem  Königreiche  trennten,  standen  auf 
römischer  Seite  (S.  233). 

Noch  viel  weniger  war  natürlich  Griechenland  seiher  durch 
einen  solchen  Vorstofs  zu  gewinnen.  Es  blieb  in  seiner  Flanke  liegen 
und  bot  von  Euböa  aus  der  römischen  Flotte  und  den  Pergamenern 
die  Möglichkeit  Makedonien  in  der  Abwesenheit  des  Königs  im  Rücken 
anzugreifen.  Kurz  man  braucht  sich  die  Situation  nur  klar  vorzu- 
stellen, um  die  Unzukömmlichkeiten  eines  so  weiten  Vorgehens  sofort 
zu  durchschauen.  Der  König  hat  einfach  das  Notwendige  getan,  wenn 
er  seine  Defensive  auf  ein  noch  viel  engeres  Gebiet  beschränkte. 

Der  vorige  Krieg  hatte  gezeigt,  dafs  ein  römischer  Angriff  auf 
Obermakedonien  direkt  von  der  Küste  der  Adria  aus  wegen  der 
schwierigen  Gebirgsnatur  des  Landes  aussichtslos  oder  wenigstens 
sehr  schwierig  war.  Wir  wissen  nicht,  ob  König  Philipp  und  Perseus 
selber  in  der  langen  Friedenszeit  nicht  diese  Grenze  noch  besser 
durch  Festungsanlagen  gedeckt  hatten.  Aber  anzunehmen  ist  es 
allerdings.  Und  in  der  Tat  ist  ein  Angriff  von  den  Römern  hier 
nicht  ins  Auge  gefafst  worden. 

Noch  günstiger  aber  schienen  die  Verhältnisse  für  die  Verteidi- 
gung an  der  einzigen  sonst  noch  dem  Landangriffe  ausgesetzten  Seite, 
nämlich  im  Südwesten  des  Reiches,  zu  liegen.  Südlich  von  der  leicht 
zu  sperrenden  Tempeschlucht  schliefst  die  gewaltige  Bergpyramide 
des  Ossa  das  Land  bis  zum  Meere  hin  ab,  und  nördlich  davon  bis 
zur  Wistritza  (Haliakmon)  hin  lagert  in  langgestreckten,  schwer  über- 
schreitbaren Zügen  das  Olymposgebirge  und  verwehrt  den  Zugang. 
Gestützt  auf  diese  Gebirgslinie  durfte  man  die  Verteidigung  nach- 
drücklicher zu  führen  hoffen,  als  durch  einen  Vorstofs  nach  Westen. 

Damit  brauchte  nicht  gesagt  zu  sein,  dafs  man  sich  zu  reiner 
Passivität  verurteilen  lassen  wollte.  Die  Verteidigung  der  Landes- 
grenze konnte  sehr  wohl  offensiv  geführt  werden,  indem  der  König 
die  Vorhand,  die  er  durch  seine  frühere  Kriegsbereitschaft  hatte ^ 
dazu  benutzte,  in  Thessalien  einzurücken  und  den  Grenzstrich  am 
jenseitigen  Fufs  des  Gebirges  und  damit  das  Gebirge  selber  ganz  in 
seine  Hand  zu  bringen.  Dann  war  Makedonien  zum  Teil  von  den 
Kriegsleistungen  entlastet,  das  Kriegstheater  wurde  die  thessalische 
Ebene  und  man  konnte  bis  zu  einem  gewissen  Grade  auf  Kosten  des 
Feindes  leben,  ohne  sich  durch  zu  lange  und  unsichere  Verbindungen 
zu  schwächen.    Man  konnte  zugleich  die  taktische  Offensive  ergreifen, 


236 


Der  Krieg  gegen  Perseus. 


die  bei  der  gröfseren  Kriegsgeübtheit  der  Makedonier  gegenüber  dem 
römischen  Rekrutenheere  (S.  240)  besonders  im  Anfange  grofse  Aus- 
sicht auf  Erfolg  bot,  man  konnte  bei  günstigen  Fortschritten  auf 
einen  Umschwung  der  Stimmung  und  Stellung  von  Thessalien,  Epiros, 
Griechenland  hoffen,  der  es  dann  vielleicht  möglich  machte,  die  Ver- 
teidigungslinie mit  besserer  Aussicht  auf  Erfolg  weiter  nach  dem 
Westen  vorzuschieben. 

In  diesem  Sinne  ist  in  der  Tat  die  Eröffnung  der  Operationen 
von  seiten  des  Perseus  erfolgt. 


Hierzu  dio 
Karte  No.  1. 
(Übersichts- 
karte). 


1.    Der  Feldzug  vom  Jahre  171. 

Im  Frühling  171  brach  Perseus  mit  einem  Heere  von  43000 
Mann,  bei  dem  sich  21000  Phalangiten,  über  10000  Mann  andere 
schwere  und  halbschwere  Infanterie,  8—9000  Mann  leichte  Truppen 
und  4000  Reiter  befanden,  aus  der  Gegend  von  Pella  auf1).  Sein 
Marsch  ging  auf  der  gewöhnlichen  Strafse  über  Wodena  am  Ostrowo- 
see  entlang  durch  das  Becken  von  Kailar,  die  Eordäa  der  Alten,  zur 
Wistritza,  und  von  da  über  den  Pafs  von  Portaes2)  bei  Servia  in  das 


l)  Liv.  42,  51,  1.  Kriegsrat  des  Königs  in  Pella,  Sammelpunkt  des  Heeres 
in  Kition,  unbekannter  Lage,  aber  wohl  bei  Wodena,  s.  folg.  A.  —  Die  genauen 
Angaben  über  die  einzelnen  Heeresteile  s.  Beilage  I. 

2)  Der  Ausgangspunkt  Pella  und  der  Endpunkt,  Pafs  von  Portaes  (Liv.  42, 
53,  6 :  saltu  angusto  superatis  montibus,  quos  Cambunios  vocant),  stehen  fest.  Auf 
der  Marschroute  selbst  setzt  Livius  das  erste  Lager  ad  Begorritim  lacum,  für  den 
zweiten  Tag  sagt  er  „in  Elimiam  ad  Haliacmona  fluvium  processit".  Nach  diesen 
Angaben  hat  Leake  (N.  G.  III  288  f.,  vergl.  auch  Niese  III  120)  Kition  bei  Niausta 
angesetzt  und  den  lacus  Begorritis  für  den  Sumpf  Sari-Göll  im  südöstlichsten 
Winkel  des  Beckens  von  Kailar  erklärt,  nicht  als  See  von  Ostrowo,  wie  die  all- 
gemein angenommene  (Oberhummer  bei  Wissowa)  und  natürlichste  Auffassung  ist, 
da  das  Sumpfgebiet  des  Sari-Göll  kaum  als  „lacus"  bezeichnet  werden  kann.  Denn 
—  sagt  er  —  vom  See  von  Ostrowo  konnte  man  nicht  in  einem  Tage  an  den 
Haliakmon  (Wistritza)  kommen.  —  Die  Entfernung  vom  Seeende  des  jetzigen  Sees 
bis  zur  Wistritza  beträgt  allerdings  55—60  Kilometer.  Indessen  hat  der  Spiegel 
des  Ostrowosees  sehr  bedeutend  geschwankt  (Oestreich,  Abh.  d.  K.  K.  Geogr.  Ges.  in 
Wien  1902,  Bd.  IV  S.  146  ff.),  und  es  ist  bei  dem  flachen  südlichen  Ufer  sehr  wohl 
möglich,  dafs  er  im  Altertum  sehr  viel  weiter  südlich  gereicht  hat.  Zudem  brauchen 
die  Ortsbestimmungen  des  Livius  nicht  so  geprefst  zu  werden,  wie  Leake  das  lut. 
Einige  Kilometer  südlich  von  dem  grofsen  Wasserspiegel  ist  auch  noch  „ad  lacum 
Begorritim",  und  „ad  Haliacmona  fluvium  processit"  kann  so  gefafst  werden,  dafs 


Karte  No.  7. 


Der  Feldzug  vom  Jahre  171.  237 

Talgebiet  des  oberen  Xerias,  des  alten  Europosflusses.    In  drei  sehr 
starken  Tagemärschen  erreichte  er  dies  Ziel1). 

Der  Einmarsch  in  Feindesland  war  erfolgt.  Denn  dieses  Gebiet, 
der  weite  Talkessel  von  Perrhäbien,  der  sich  am  ganzen  Westfufse 
des  Olymp  als  dessen  Vorland  hinzieht,  war  bereits  der  nördlichste  Hierzu  die 
Teil  des  freien  Thessalien,  von  dessen  grofser  Nordostebene  es  nur 
durch  eine  verhältnismäfsig  niedrige  Hügelkette  getrennt  ist.  Die 
drei  nördlichsten  Städtchen  dieses  Gebietes,  die  Bergorte  Azoros, 
Doliche  und  Pythion,  mufsten  sich  sofort  der  Übermacht  ergeben; 
dann  ging  der  Zug  südwärts  weiter,  dem  Laufe  des  Xeriasflusses 
folgend,  an  dessen  Ufern  die  Städte  Kyretiä,  Mallöa  und  Mylä  zum 
Teil  nach  verzweifeltem  Widerstände  erobert  wurden.  Auch  die 
anderen,  etwas  seitwärts  gelegenen  Städte,  wie  Oloosson  (Elassona), 
der  Mittelpunkt  des  ganzen  Gebietes,  müssen  in  die  Hand  des  Königs 
gefallen  sein.  Der  Pafs  von  Damasi  war  so  in  seiner  Gewalt,  und 
auf  diesem  im  Altertum  ebenso  wie  bis  in  neuere  Zeiten  am  häufigsten 
benutzten  Wege  konnte  er  ins  eigentliche  Thessalien  einmarschieren2). 


auf  den  Höhen  zwischen  Kosiani  und  der  Wistritza  Halt  gemacht  wurde.  Damit 
fällt  die  Nötigung  fort,  den  König  auf  Saumpfaden  über  den  1550  Meter  hohen 
Pafs  von  Niausta  bezw.  Werria  —  s.  darüber  aufser  den  österr.  Spezialkarten  auch 
von  der  Goltz,  Thess.  Krieg  S.  37  —  marschieren  zu  lassen,  während  er  die  zwar 
etwas  weitere,  aber  viel  bequemere  Strafse  über  Wodena  und  am  Ostufer  des 
Ostrowosees  entlang  zur  Verfügung  hatte,  deren  gröfste  Höhe  nur  680  Meter  be- 
trägt und  die  der  gewöhnliche  Weg  war. 

l)  Livius  a.  a.  0.  s.  vor.  A.   Die  auf  der  österr.  Generalstabskarte  1  :  300  000 
gemessenen  Entfernungen  betragen: 

Wodena  .„„.,       , 

n        *    -^1    ^      rv  i  4°  Kilometer 

Gegend  sudl.  des  Ostrowosees 

nördl.  Talrand  der  Wistritza 

oberer  Lauf  des  Sarandoporos  " 


100  Kilometer. 
Rechnet  man  dazu  noch  rund  20  Kilometer  für  kleinere  Wegkrümmen,  so  kommt 
man    auf  40  Kilometer   Tagesleistung.     Der   Zweck,   möglichst    überraschend   in 
Thessalien  einzurücken,  mag  die  starke  Anspannung  erklären. 

2)  Die  Marschroute  bei  Livius  42,  53,  6  —  54,  6.  — ■  Was  die  Lage  der  einzelnen 
Städte  betrifft,  so  steht  es  fest,  dafs  die  perrhäbische  Tripolis  im  oberen  Tale  des 
Sarandoporos  und  seiner  Zuflüsse  liegt.  Bursian  I  57.  Auf  die  genauere  Lokali- 
sierung der  drei  Städte,  über  welche  die  Ansichten  von  Leake  und  Heuzey  aus- 
einandergehen, kommt  es  hier  nicht  an.  Ferner  steht  inschriftlich  fest  die  Lage 
von  Kyretiä  bei  Dömenik  (Bursian  I  56)  und  damit  der  Marsch  durchs  Xeriastal 
und  die  Enge  von  Damasi  (Bursian  a.  a.  0.),  wo  auch  Mylä  und  Mallöa  anzusetzen 


238  Der  Krieg  gegen  Perseus. 

Nachdem  das  geschehen,  wendet  der  König  sich  aber  plötzlich  nord- 
ostwärts,  nimmt  die  Stadt  Phalanna,  beim  jetzigen  Tyrnavos,  läfst 
Gyrton,  welches  durch  eine  Besatzung  aus  Larissa  gedeckt  wird, 
rechts  liegen  und  richtet  seinen  Marsch  direkt  auf  den  Eingang  des 
Tempepasses,  wo  die  Städte  Gonnos,  beim  heutigen  Dereli,  und 
Elatea,  wohl  bei  Mikro-Keserli,  überrumpelt  und  stark  befestigt 
werden1).  Dann  schlägt  der  König  wieder  die  Richtung  nach  Süden 
ein  und  erreicht,  an  den  Hängen  des  Ossa  entlang  marschierend, 
Sykurion,  bei  dem  heutigen  Marmarjani,  wo  er  an  wohlgewählter, 
gesunder,  mit  reichlichen  Quellen  versehener  Stellung  ein  festes  Stand- 
lager bezieht2). 

Der  erste  Teil  des  Feldzuges  ist  beendet.    Es  ist  klar,  dafs  der 
Zweck    dieses,    auf  den  ersten  Blick  etwas  eigentümlichen  Zickzack- 


sind, Mylä  ohne  Zweifel  bei  Damasi  selbst  (Leake  IV  311;  Ussing  47,  ebenso  Kern 
brieflich),  Mallöa  nach  Leakes  sehr  wahrscheinlicher  Annahme  a.  a.  0.  bei  Molo- 
gusta.  Dafs  auch  Mallöa,  welches  Liv.  a.  a.  0.  nicht  nennt,  damals  in  Perseus' 
Hand  fiel,  folgt  aus  Liv.  42,  67,  7.  Seine  grausame  Behandlung  durch  die  Römer 
läfst  schliefsen,  dafs  es  sich  Perseus  freiwillig  angeschlossen  hatte,  weshalb  es 
hier  auch  nicht  erwähnt  ist.  Liv.  42,  54,  8  ist  eine  Lücke;  der  oder  die  hier  aus- 
gefallenen Stadtnamen  könnten  der  Lage  nach  Elition  und  Oloosson  sein.  Letzteres 
auch  deshalb  militärisch  wichtig,  weil  es  den  Pafs  von  Nezero  (s.  unten)  beherrscht. 
—  Der  Pafs  von  Damasi  war  bis  auf  Erbauung  der  grofsen  Strafse  über  den 
Melunapafs  die  Hauptverbindung  zwischen  Larissa  und  Elassona  resp.  Servia. 
Leake  IV  311;  Ussing  46;  v.  d.  Goltz,  Thessal.  Krieg  S.  42. 

')  Liv.  42,54,7:  ad  Phalannam  castra  movit  .  .  .  postero  dei  Gyrtonem  per- 
venit  .  .  ne  temptata  quidem  oppugnatione  praetergressus,  Elatiam  et  Gonnum 
perculsis  inopinato  adventu  oppidanis  recepit  usw.  Gonnos'  Lage  bei  Dereli  am 
Eingange  des  Tempepasses  ist  sicher.  Liv.  a.  u.  St.:  utraque  oppida  in  faucibus 
sunt,  qua  Tempe  adeunt,  magis  Gonnus.  Bursian  I  60.  Heuzey,  Le  mont  Olympe 
S.  11.  Über  Elatea,  Phalanna,  Gyrton  ist  eine  Einigung  in  betreff  der  genauen 
Lokalisierung  bisher  nicht  erzielt.  Für  uns  genügt  es,  dafs  sie  sicher  in  der 
Gegend  zwischen  Larissa  und  dem  Tempeeingang  gelegen  haben.    Bursian  I  61.  56. 

2)  Liv.  42,  54,  9:  Sycurium  est  sub  radicibus  Ossae  montis,  qua  in  meridiem 
vergit;  subiectos  habet  Thessaliae  campos,  ab  tergo  Macedoniam  atque  Magnesiam. 
Ad  has  opportunitates  accedit  summa  salubritas  et  copia  pluribus  circumiectis 
fontibus  perennium  aquarum.  Auf  die  Lage  in  der  Gegend  von  Marmariani  (Bursian 
I  62)  pafst  aufser  dem  Quellenreichtum  (Leake  III  374)  der  Umstand  vortrefflich, 
dafs  Perseus  von  hier  aus  das  Gebiet  von  Pherä  durch  seine  Streifscharen  plündern 
liefs  (Liv.  42,  56,  9)  und  dafs  sein  Lager  13  Millien  von  dem  der  Römer  entfernt 
war  (Liv.  42,  57,  10  und  6),  welch  letztere  sich  3  Millien  westlich  von  Larissa  am 
Peneos  befanden  (s.  folg.  S.).  Denn  von  Marmariani  bis  dahin  sind  21 — 22  Kilo- 
meter, also  rund  13—14  Millien. 


1.  Der  Feldzug  vom  Jahre  171.  239 

marsches  der  war,  sich  das  ganze  Vorland  des  Olymp  und  Ossa  auf 
der  Westseite  des  Gebirges  und  damit  die  Übergänge  über  dieses 
selber  zu  sichern.  Der  Pafs  von  Servia,  über  den  man  einmarschiert 
war,  die  Olymppässe  von  Pythion  und  Nezero,  deren  Ausgänge  man 
durch  Einnahme  von  Pythion  und  der  ganzen  perrhäbischen  Land- 
schaft in  die  Hand  bekam,  vor  allem  die  leichteste  Verbindung  durch 
das  Tempetal,  die  durch  Einnahme  von  Gonnos  und  Elatea  gewonnen 
wurde,  endlich  der  Weg  über  die  Ossasenke  von  Ajia,  die  man  in 
Sykurion  deckte,  bildeten  jetzt  die  Verbindungen,  welche  die  Ver- 
pflegung des  Königs  aus  Makedonien  sicherstellten  und  ihm  für  seine 
Operationen  in  Thessalien  die  nötige  Freiheit  der  Bewegung  ver- 
schafften x). 

Der  römische  Konsul  war  nach  einem  schwierigen  Gebirgs- 
marsche  über  den  Pafs  von  Metzowo  nach  Gomphoi  gelangt,  hatte 
dort  seinen  Truppen  einige  Erholung  gegönnt  und  war  auf  die  Nach- 
richt von  Perseus'  Einmarsch  in  Thessalien  bis  nach  Tripolis  Skäa 
41  Kilometer  oberhalb  Larissas  am  rechten  Ufer  des  Peneos  vor- 
gegangen2). Seine  Armee  bestand,  wie  gewöhnlich  die  konsularischen 
Heere,  aus  zwei  Legionen  mit  Zubehör  und  betrug  etwa  25000  Mann 
römisch-latinischer  Truppen.  Dazu  kamen  dann  Auxilia  aus  Ligurien, 
Numidien,  Griechenland,  Pergamon,  etwa  9000  Mann  zu  Fufs,  meist 
Leichtgerüstete,  3000  Reiter  und  22  Elefanten,  so  dafs  die  ganze 
Armee  etwa  37  —  38000  Mann  mit  Einschlufs  von  rund  4000  Reitern 
umfafste  (s.  die  genaueren  Angaben  Beilage  I). 

War  so  schon  numerisch  die  römische  Armee  dem  Gegner  nicht 
gewachsen,    so   kam   hinzu,    dafs    sie,    was    die   römisch-latinischen 


x)  Näheres  über  die  einzelnen  Pässe  beim  Feldzuge  169  S.  269  u.  289. 

2)  Liv.  42,55,2  bis  6:  inde  (Larissa)  cum  tria  milia  ferme  abesset  ad  Tri- 
polim— Scaeam  vocant  —  super  Peneum  amnem  posuit  castra.  —  Dafs  die  römische 
Armee  den  Marsch  über  den  Pafs  von  Metzowo,  die  gewöhnliche  Route  (S.  38  A.  1) 
genommen  hat,  wäre  ohne  allen  Zweifel,  wenn  nicht  als  Durchmarschland  Atha- 
manien  und  als  erste  thessalische  Stadt  Gomphoi  genannt  wäre.  Beides  scheint 
nämlich  auf  die  südlichere  Route  zu  deuten,  welche  Amynander  im  Jahre  198 
eingeschlagen  hatte  (s.  oben  S.  108  A.  3).  Indessen  ist  kein  Grund  für  eine  so 
viel  schwierigere  Marschroute  zu  erkennen.  Gomphoi  wird,  wie  bei  Cäsar,  wo  auch 
der  Pafs  von  Metzowo  benutzt  war  (ad  Aeginium  occurrit  b.  c.  III  79  vergl.  oben 
S.  55  A.  2),  als  erste  gröfsere  Stadt  Thessaliens  (oppidum  primum  Thessaliae) 
genannt  sein,  und  Athamanien  statt  Akarnanien  ist  auch  bei  Cäsar  b.  c.  III  78 
genannt.    Drumann-Groebe  III  449. 


240  Der  Krieg  gegen  Perseus. 

Heeresteile  betrifft,  aus  Rekruten  bestand1)  und  dafs  die  anderen 
Kontingente,  aus  den  verschiedensten  Himmelsstrichen  zusammenge- 
trieben, sich  mindestens  erst  eine  Zeit  lang  aneinander  gewöhnen 
mufsten,    ehe  sie  wie  ein  einheitlicher  Organismus  arbeiten  konnten. 

So  war  es  durchaus  begreiflich,  dafs  Perseus  zunächst  die  Offen- 
sive ergriff  und  die  Römer  sich  vorsichtig",  ja  ängstlich  zurückhielten. 
Von  seinem  etwa  21  Kilometer  (s.  S.  238  A.  3)  entfernten  Stand- 
quartier bei  Sykurion  brach  der  König  mit  seiner  ganzen  Armee  auf, 
rückte  bis  l£  Kilometer  vom  römischen  Lager  vor,  nahm  hier  in 
freiem  Felde  in  der  Ebene  mit  seiner  Phalanx  in  Schlachtordnung 
eine  Aufnahmestellung  ein  und  ging  mit  der  Reiterei  und  leichten 
Truppen  bis  auf  \  Kilometer  an  das  römische  Lager  heran2).  Die 
Römer  schicken  nur  eine  kleine  Abteilung  von  2—3000  Reitern  und 
Leichten  aus  dem  Lager,  die  mit  Perseus'  Spitze  eine  unentschiedene 
Plänkelei  beginnt,  bleiben  aber,  auch  als  Perseus  seine  Provokation 
am  folgenden  und  dann  eine  Reihe  von  Tagen  lang  wiederholt,  ruhig 
innerhalb  der  Wälle,  in  die  sie  sogar  ihre  Aufsenposten  zurück- 
ziehen3). 

Da  entschliefst  sich  der  König,  einen  Schritt  weiter  zu  gehen. 
Das  wiederholte  Hin-  und  Hermarschieren,  über  40  Kilometer  am 
Tage,  mufste  seine  Truppen  abhetzen.  Er  verlegt  sein  Lager  in  die 
Ebene,  nur  71  Kilometer  von  den  Römern  entfernt,  und  bietet 
wiederum  die  Schlacht  an4).  Schon  am  ganz  frühen  Morgen  er- 
scheint er,  nachdem  er  die  Phalanx  wieder  in  derselben  Aufnahme- 
stellung zurückgelassen  hat,  mit  Reiterei  und  leichten  Truppen  vor 
dem  Lager,  und  in  weniger  als  750  Meter  Entfernung  bei  dem  Hügel 
Kallikinos  entfaltet  er  sie  diesmal  zu  vollem  Aufmarsch  in  Schlacht- 
ordnung5). 


1)  Liv.  42,  55,  3:  tironem  exercitum  ducenti.  Auch  in  Perseus1  Rede  42,  52, 10: 
tironibus  raptim  ad  id  bellum  conscriptis. 

2)  Liv.  42, 57,6:  cum  paulo  plus  mille  passus  abesset  a  castris  Romanis, 
consistere  signa  peditum  iussit  .  .  .  ipse  cum  equitibus  ac  levi  armatura  ducesque 
.  .  .  praecesserunt  .  .  .  minus  quingentos  passus  ab  castris  aberant. 

3)  Liv.  42,57,  10:  postero  die  .  .  in  eundem  locum  rex  copias  admovit  .  .  . 
cum  Romani  quiessent,  stationibus  etiam  intra  vallum  reductis,  regii  quoque  iu 
castra  redeunt.  hoc  per  aliquot  dies  fecerunt. 

4)  Liv.  42,  58,  l :  castra  propius  hostem  movit  rex  et  a  quinque  milibus 
passuum  communiit. 

5)  ib.  §  2:  minus  quingentos  passus  a  vallo. 


1.  Der  Feldzug  vom  Jahre  171.  241 

Nun  fafst  man  auch  im  römischen  Lager  den  Entschlufs  vor- 
zugehen. Zwar  die  Legionen  werden  auch  jetzt  nur  innerhalb  des 
Walles  in  kampfbereiter  Stellung  gehalten,  aber  die  ganze  Reiterei 
und  die  leichten  Truppen  erhalten  Befehl  auszurücken  und  ordnen 
sich  vor  dem  Lager  in  Schlachtordnung1). 

Das  besondere  Interesse,  welches  das  nun  folgende  Treffen  er- 
regt, beruht  darauf,  dafs  wir  hier  die  gröfste,  von  Reitern  und  leichten 
Truppen  allein  ausgefochtene  Schlacht  vor  uns  haben,  welche  in  dieser 
ganzen  Periode  der  Kriegsgeschichte  vorkommt  —  die  Zahl  der  Be- 
teiligten geht  weit  über  die  in  der  Schlacht  am  Ticinus  hinaus 2)  — 
und  dafs  diese  Schlacht  zugleich  die  einzige  ihrer  Art  ist,  welche 
uns,  der  Singularität  des  isolierten  Reiterkampfes  in  so  grofsen  Di- 
mensionen entsprechend,  von  dem  Meister  der  Kriegsgeschichtschreibung, 
von  Polybios,  mit  besonderer  Ausführlichkeit  beschrieben  wird. 

Da  von  Seiten  der  Makedonier  die  ganze  Reiterei  und  das  leichte 
Fufsvolk  beteiligt  war3),  so  müssen  wir  die  Zahl  der  Kämpfer  auf 
dieser  Seite  auf  etwa  12000  Mann,  4000  zu  Pferde  und  8000  zu 
Fufs,  ansetzen  (Beilage  I);  und  da  die  Zahl  der  Kämpfer  auf  römi- 
scher Seite  ungefähr  die  gleiche  gewesen  ist4),  so  kommen  wir  auch 
hier  auf  12000  Mann,  von  denen  aber  nur  stark  3000  Mann  Reiter 
gewesen  sein  können,  die  übrigen  9000  also  Fufstruppen  waren5). 
Durch  die  ganze  Linie  hindurch  lief's  man  auf  beiden  Seiten  kleine 
Abteilungen  von  Reitern  und  leichten  Fufstruppen  miteinander  ab- 
wechseln: das  bildet  das  Charakteristische  dieser  Aufstellung. 

So  standen  bei  Perseus  auf  dem  linken  Flügel  1000  thrakische 
Reiter  und  ebensoviele  thrakische  Fufstruppen  in   wechselnden  Ab- 


x)  ib.  §11:  intra  Valium  peditum  acie  instructa  equitatum  omnem  cum  levi 
armatura  emisit. 

<)  Hier  standen  zwar  auf  karthagischer  Seite  6000  Reiter,  aber  dafür  gar 
keine  Fufstruppen;  auf  römischer  Seite,  wenn  man  die  volle  Zahl  von  Legions- 
und Sozialreiterei  für  zwei  Legionen  ansetzt,  was  indessen  ohne  Zweifel  zu  hoch 
gegriffen  ist,  2400  Reiter,  zu  denen  noch  ein  kleines  gallisches  Korps  kommt. 
Die  römischen  Leichten  mögen  nach  der  Normalzahl  für  die  Velites  von  zwei 
Legionen  gegen  5000  Mann  betragen  haben. 

3)  Liv.  ib.  §  2:  equitatum  omnem  levemque  armaturam  ad  castra 
hostium  ducit. 

4)  Liv.  42,  59,  1:    par  ferme  utrimque  numerus  equitum  et  levis  armaturae. 

5)  s.  Beilage  I.  —  Die  Numider  trafen  erst  später  ein  (Liv.  42,  62,  2). 

Kromayer,  Antike  Schlachtfelder.    II.  16 


24*2  Der  Krieg  gegen  Perseus. 

teilungen1),  auf  dem  rechton  makedonische  Reiter  mit  kretischen 
Bognern  zwischen  den  einzelnen  Zügen2)  und  im  Zentrum  der  Rest 
der  makedonischen  Reiterei  mit  Einschlufs  der  Gardereiterei,  unter- 
brochen von  Elitetruppen  aus  verschiedenen  Korps3).  Nur  bei  der 
Garde  selber,  die  ganz  in  der  Mitte  stand  und  vom  Könige  geführt 
wurde,  scheint  man  gröfsere  Reitermassen  zusammengehalten  zu  haben, 
da  die  zugehörigen  Schleuderer  und  Bogner,  gleichfalls  in  zwei  gröfsere 
Abteilungen  von  je  400  Mann  vereinigt,  als  erstes  Treffen  vorge- 
schoben4) waren.  Es  war  offenbar  die  Absicht,  mit  diesen  Abteilungen 
das  Gefecht  zu  eröffnen  und  sie  den  Einbruch  in  die  feindliche  Auf- 
stellung vorbereiten  zu  lassen. 

Ebenso  standen  die  Römer  in  wechselnden  Reiter-  und  Fufs- 
abteilungen:  den  Thrakern  und  einem  Teile  des  Zentrums  gegenüber 
die  ganze  römische  und  italische  Reiterei  mit  beigegebenen  Velites, 
etwa  1200  Reiter,  auf  dem  rechten,  2000  Mann  griechische  Reiterei 
mit  leichten  griechischen  Fufstruppen,  besonders  den  Achäern,  zwischen 
sich  auf  dem  linken  Flügel5).  Ein  eigentliches  Zentrum,  wie  bei 
den  Gegnern,  scheint  nicht  vorhanden  gewesen  zu  sein.    Denn  die  200 


*)  Liv.  42,  58,  6:  laevo  cornu  Cotys  rex  praeerat  cum  omnibus  suae  gentis 
(1000  Reiter  und  1000  Fufsgäuger,  Beilage  I);  equitum  ordines  levis  armatura 
interposita  distinguebat. 

2)  Liv.  ib.:  in  dextro  cornu  Macedones  erant  equites,  intermixti  turmis 
eorum  Cretenses. 

3)  ib.  8  f. :  proximi  cornibus  constiterant  regii  equites  et  mixtum  genus, 
delecta  plurium  gentium  auxilia  .  .  .  medius  omnium  rex  erat,  circa  eum  agema 
quod  vocant  equitumque  sacrae  alae.  Über  die  regii  equites  und  ihr  Verhältnis 
zu  der  anderen  makedonischen  Reiterei  und  den  sacrae  alae  ist  nichts  bekannt. 
Droysen  Heerw.  160  A.  2.  Das  mixtum  genus  etc.  sind  die  3000  Päonen,  Agrianen 
etc.  unter  Didas  (Beilage  I  Tabelle),  der  sie  auch  hier  befehligt.  Das  „agema"  ist 
als  Reiterei  zu  fassen,  die  ßaoifoxr}  Urj  (Pol.  X  42, 3),  wie  auch  bei  Magnesia 
(S.  211  A.  1)  und  sonst  ein  Agema  der  Reiterei  vorkommt. 

4)  ib.  9:  ante  se  statuit  funditores  jaculatoresque;  quadringentorum  utraque 
manus  numerum  explebat. 

5)  Liv.  42,  58,  12 f.:  rechter  Flügel:  Crassus  .  .  cum  omni  Italico  equitatu, 
velitibus  intermixtis;  linker  Flügel:  Laevinus  sociorum  ex  Graecis  populis 
equites  habebat  et  eiusdem  gentis  levem  armaturam.  Bei  diesem  Kontingent 
werden  auch  die  1000  pergamenischen  Reiter  gewesen  sein,  sonst  hätte  man  im 
ganzen  nur  stark  2000  gegen  4000  Reiter  im  Treffen  gehabt;  das  Hauptkontingent 
der  Leichten  bildeten  die  1500  Achäer  Cretico  maxime  ornatu.  Über  die  Zahlen 
s.  Beilage  I. 


1.  Der  Feldzug  vom  Jahre  171.  243 

bis  300  Mann  Extraordinarii  können  taktisch  kaum  dafür  gelten1). 
Übrigens  hatten  auch  die  Römer  gegenüber  den  800  Mann  leichten 
Truppen  des  feindlichen  ersten  Treffens  eine  Schar  von  200  gallischen 
Reitern  und   300  kyrtischen  Schleuderern  vorgeschoben2). 

Neben  dieser  Übereinstimmung  zwischen  beiden  Schlachtreihen 
in  bezug  auf  die  Gliederung  der  Front  tritt  aber  zweitens  ein  sehr 
wesentlicher  Unterschied  in  der  Gliederung    nach    der  Tiefe  hervor. 

Die  Makedonier  waren  in  einem  einzigen  Treffen  aufgestellt,  die 
römischen  Truppen  in  zweien.  Denn  hinter  der  eben  beschriebenen 
Linie,  welche  im  ganzen  nur  etwa  3000  Pferde  und  5000  Mann  zu 
Fufs  fafste,  standen  als  zweites  Treffen  die  pergamenischen  Fufs- 
truppen,  gegen  4000  Mann  an  der  Zahl3).  So  war  also  das  erste 
Treffen  der  Römer  den  makedonischen  Haufen  numerisch  beträchtlich 
unterlegen,  und  trotzdem  war  es  so  weit  ausgedehnt,  dafs  sein  linker 
Flügel,  ein  Korps  von  400  thessalischen  Reitern,  noch  über  die  make- 
donische Linie  hinausragte  und  in  einer  etwas  detachierten  Stellung 
halbrückwärts    freie  Bewegung   und  Unabhängigkeit    von    dem  Gros 

hatte4). 

Man  erkennt  aus  dieser  Verschiedenheit  der  beiderseitigen  Auf- 
stellungen ohne  grofse  Schwierigkeit,  dafs  die  Römer  das  Prinzip 
ihres  Fufstruppenkampfes,  mit  Reserven  zu  fechten,  hier  auf  die 
Reiterschlacht  übertragen  hatten  und  dafs  sie  dem  entsprechend  ein 
hinziehendes  Gefecht  zu  liefern  beabsichtigten,  in  dessen  Verlaufe 
das  thessalische  Korps  je  nach  Bedürfnis  eine  Flankenbewegung  aus- 
führen oder  als  Soutien  verwertet  werden  konnte. 

Im  Gegensatze  dazu  hatte  man  es  in  dem  makedonischen  Lager 
auf  einen  Durchbruch  oder  vielmehr  eine  Überrennung  in  ganzer 
Front  abgesehen.     Daher  die  etwas  kürzere  Linie  trotz  numerischer 


*)  Liv.  42,  58,  13:  cum  delectis  equitibus  extraordinariis  .  .  .  Mucius.  — 
Bei  etwa  800  Mann  bundesgenössischer  Reiterei  (Beilage  I)  sind  die  extraordinarii 
2-300  Mann  stark  (Marquardt-Domaszewski  Hdb.  VI  391.) 

2)  Liv.  ib.     Die  Kyrtier  sind  Schleuderer,  s.  S.  210  A.  6. 

3)  Liv.  42,  58,  14:  Eumenes  rex  Attalusque  cum  omni  manu  sua  ab  tergo 
inter  postremam  aciem  ac  vallum  steterunt.  Das  sind  4000  Mann  (Beilage  I),  wenn 
man  von  den  vorgeschobenen  Kyrtiern  absieht  und  die  Reiterei,  wie  oben  ange- 
nommen ist  (S.  242  A.  5),  ins  erste  Treffen  stellt.  Durch  Subtraction  von  der 
Gesamtzahl  ergibt  sich  daraus  die  Stärke  des  ersten  Treffens. 

4)  Liv.  42,  59,  4:  a  laevo  cornu  brevi  spatio  diiunctus  in  subsidiis  fuerat 
extra  concursum. 

16* 


244  ^er  Krieg  gegen  Perseus. 

Überlegenheit.  Auch  hier  war  das  Prinzip  des  Fufsvolkkampfes  der 
makedonischen  Phalanx,  mit  der  vollen  Wucht  der  ganzen  vereinigten 
Masse  vorzustofsen,  im  Reiterkampfe  beibehalten  worden. 

So  stürzte  denn  nach  kurzem  Plänklergefecht  der  vorgeschobe- 
nen Abteilungen ])  die  makedonische  Reiterei  vom  linken  Flügel 
aus,  ohne  sich  mit  Karakollieren  aufzuhalten,  im  Chok  auf  den 
Gegner  los  und  warf  zuerst  die  römische  Reiterei  auf  dem  Flügel2), 
dann  die  griechische  in  der  Mitte  beim  ersten  Anprall  über  den 
Haufen3).  Wie  überraschend  das  Unwetter  herangebraust  war,  er- 
kennen wir  noch  aus  den  Worten  des  Livius-Polybios,  der  den  An- 
sturm der  Thraker  mit  dem  wilder  Bestien  vergleicht,  die  lange  in 
ihren  Käfigen  zurückgehalten,  sich  im  Momente  der  Befreiung  auf 
ihre  Gegner  losstürzen4). 

Aber  trotz  dieses  bedeutenden  Erfolges  war  noch  kein  voll- 
kommener Sieg  erfochten.  Es  zeigte  sich  alsbald  der  Nutzen  der 
römischen  TrefTenstellung.  Die  thessalische  Reiterei,  welche  garnicht 
zum  Schlagen  gekommen  war  und  bei  dem  überraschend  schnellen 
Gang  des  Gefechtes  keine  Flankenbewegung  hatte  ausführen  können, 
zog  sich  geordnet  an  die  Pergamener  heran;  beide  nahmen  die  flüchtigen 
Scharen  auf  und  liefsen  sie  sich  hinter  der  Front  sammeln5). 

Auf  diese  intakten  Abteilungen  mit  seinen  bei  Angriff  und 
Verfolgung  auseinandergekommenen  und  mitten  in  der  Krise  des 
Sieges  befindlichen  Scharen  von  neuem  zum  Angriff  vorzugehen, 
fühlte  sich  der  König  für  den  Augenblick  nicht  mehr  stark  genug  6). 
Ja,  obgleich  seine  Phalanx  aus  eigenem  Antriebe  nachgerückt  war 
und  ihm  für  einen  nach  Sammlung  und  Rangierung  der  Reiterei  zu 
erneuenden    Angriff   eine  sichere  Aufnahmestellung  gewährte,    stand 


x)  Liv.  42,  59,  1:  a  funditoribus  iaculatoribusque,  qui  praecesseranr, 
proelio  orto. 

2)  Liv.  ib.  2:  primi  omnium  Thraces  cum  ingenti  clamore  in  dextrum  .  .  . 
cornu,  Italicos  equites,  ineurrerunt,  ut  usu  belli  et  ingenio  impavida  gens 
turbaretur. 

3)  Liv.  ib.  4:  Perseus  in  mediam  invectus  aciem  Graecos  primo  irapetu  avertit. 

4)  Liv.  ib.  2:  haud  secus  quam  diu  claustris  retentae  ferae. 

5)  Liv.  42,  59,  5:  cedentes  sensim  integris  ordinibus  postquam  se  Eumenis 
auxiliis  adjunxerunt,  .  .  cum  eo  tutum  inter  ordines  suos  reeeptum  soeiis  fuga 
dissipatis  dabant. 

6)  ib.  6:  nee  regii  sparsi  iam  ipsi  passim  sequendo  cum  ordinatis  et  certo 
incedentibus  gradu  manus  conserere  audebant. 


1.  Der  Feldzug  vom  Jahre  171.  245 

er    nach    einigem    Schwanken     doch    von    einer    Fortsetzung    des 
Kampfes  ab1). 

Politische  Gründe  sollen  dafür  mafsgebend  gewesen  sein2).  Die 
Unterlassung  läfst  sich  aber  ganz  wohl  auch  rein  militärisch  be- 
greifen. Man  mufste  durch  die  Verfolgung  in  unmittelbare  Nähe  des 
römischen  Lagers  gekommen  sein.  Ein  Kampf  auch  mit  einem  stark 
erschütterten  Gegner  unter  dem  Schutz  seiner  Wälle  und  im  Bereich 
der  feindlichen  Geschosse  bot  wenig  Aussicht  und  viel  Gefahr  eines 
kräftigen  Rückschlages.  Der  bisherige  Erfolg  war  unbestreitbar  und 
bedeutend:  200  Reiter  und  2000  Fufssoldaten  deckten  das  Schlacht- 
feld, 600  Gefangene  wurden  eingebracht3),  und  die  ganze  Truppe 
war  so  eingeschüchtert,  dafs  sie  sich  trotz  der  Verstärkung  durch  die 
2000  Numidier,  welche  nach  dem  Gefechte  eintrafen  (S.  241  A.  5), 
während  des  ganzen  Feldzuges  nicht  wieder  im  freien  Felde  zu 
stellen  gewagt  hat.  Am  folgenden  Tage  rückte  der  König  von  neuem 
vor  das  römische  Lager,  um  die  Schlacht  anzubieten.  Er  fand  es 
leer;  man  hatte  sich  über  den  Peneos  zurückgezogen4). 

Bis  zu  diesem  Augenblicke  ist  des  Königs  Verhalten  militärisch 
durchaus  konsequent  und  verständlich.  Er  hatte  eine  —  man  kann 
sagen  —  energische  Offensive  befolgt.  Er  war  mit  seiner  ganzen 
Armee  wiederholt  bis  auf  ziemlich  nahe  Entfernung  an  das  römische 
Lager  herangegangen,  und  wenn  er  auch  seine  Phalanx  nicht  so  weit 
vorgeschoben  hatte,  wie  seine  leichten  Truppen,  so  war  doch  deren 
Aufstellung  im  freien  Felde  in  II  Kilometer  Entfernung  vom  römi- 
schen Lager  ein  Angebot  der  Schlacht  unter  gleichen  Bedingungen, 
das  die  Römer  nur  anzunehmen  brauchten,  um  zur  Entscheidung  zu 
kommen.  Dann  war  die  Heranschiebung  des  Lagers  bis  auf  7|  Kilo- 
meter, die  Reiterschlacht,  der  Rückzug  über  den  Peneos  erfolgt. 

Was  die  militärische  Lage  als  die  Fortsetzung  des  bisherigen 
Verfahrens  forderte,  liegt  auf  der  Hand.  Der  König  mufste  folgen, 
mufste  so  nahe  wie  möglich  am  Gegner  bleiben,  und,  wenn  er  fort- 


1)  ib.  8:    fluctuauti  rege  inter  spem  metumque  tantae  rei  conandae. 

2)  ib.  10:    si  contentus  re    bene  gesta  quiesset  eo  die,    vel  pacis  honestae 
condiciones  habiturum  vel  plurimos  belli  socios. 

3)  Liv.  42,  60,  1.     Plut.  Aem.  9  und  Apophthm.  197  gibt  etwas  abweichende 
Zahlen. 

4)  Liv.  42,  60,5:    rex  postero  die  ad  lacessendos  proelio  hostes  progressus 
.  .  trans  arnnem  in  tuto  posita  castra  animadvertit. 


246  Der  Krieg  gegen  Perseus. 

fuhr,  wie  bisher  die  Schlacht  zu  verweigern,  ihm  durch  seine  über- 
legenen leichten  Truppen  jede  Bewegungsfreiheit  nehmen,  jedes  Fura- 
gieren  unmöglich  machen  und  ihn  so  schliefslich  zur  Schlacht  oder 
völligem  Rückzuge  nötigen. 

Aber  nichts  von  alledem  geschieht.  Der  König  verlegt  sein 
Lager  vielmehr  nach  dem  Hügel  Mopseion,  jenem  niedrigen  Berg- 
rücken, der  sich  isoliert  zwischen  dem  Tempetal  und  Larissa  in  der 
Ebene  hinzieht,  und  läfst  den  Peneos  zwischen  sich  und  den  Römern *), 
ja,  er  sieht  es  ruhig  mit  an,  dafs  sie  den  Flufs  wieder  überschreiten 
und  auf  beiden  Ufern  des  Peneos  bei  Larissa,  Krannon,  Phalanna 
eines  der  reichen  Stadtgebiete  nach  dem  anderen  abfuragieren,  als 
wenn  sie  die  Sieger  und  nicht  die  Besiegten  wären2). 

Bei  Mopseion  oder  bei  Sykurion,  wo  er  abwechselnd  sein  Lager 
hat3),  ist  er  so  weit  vom  Gegner  entfernt,  dafs  er  ihn  zeitweise  nicht 
einmal  mehr  in  einem  Tage  erreichen  kann4),  und  seine  Überfälle 
und  die  Gewaltmärsche,  die   er  machen  mufs,    um  sie  ins  Werk   zu 


T)  Liv.  42,  61,  11:  ad  Mopselum  posuit  castra .  tumulus  hie  ante  Tempe . . . 
(Lücke  im  Text)  eminet  Larissae  medius  abest  onum  (?)  (Lücke).  Der  verdorbene 
und  lückenhafte  Text  läfst  doch  so  viel  erkennen,  dafs  das  Lager  auf  einem  Hügel 
zwischen  Tempe  und  Larissa  lag.  Damit  kann  nur  der  Höhenzug  gemeint  sein, 
der  sich  südlich  des  Peneos  bis  in  die  Gegend  von  Syrkurion  — Marmarjani  hin« 
zieht.  Ruinen  auf  ihm  mit  den  Namen  Rahmanli  (s.  die  Karte)  werden  von  Leake 
III  377  mit  grofser  Wahrscheinlichkeit  auf  die  Stadt  Mopsion  bezogen,  und  hier 
in  der  Nähe  mufs  auch  das  Lager  gelegen  haben.  Denn  von  seinem  Lager  aus 
überfällt  später  der  König  die  im  Gebiet  von  Phalanna,  d.  h.  zwischen  Tyrnavos 
und  dem  Peneos  (S.  238)  fungierenden  Römer  und  kommt  auf  dem  Wege  an  einem 
Defilee  vorbei  (Liv.  42,  66,  6.  8).  Die  Entfernung  des  Kampfes  im  Gebiete  von 
Phalanna  vom  Lager  auf  Mopseion  ist  dabei  so  gering,  dafs  der  König  die 
Phalanx  nachholen  lassen  kann  (Liv.  ib.  §  3).  Das  alles  pafst  nur,  wenn  wir  das 
Lager  bei  Rahmanli  ansetzen.  Dann  ist  das  Defilee  das  bei  Bakrina  am  Südfufse 
des  Erimo  gewesen,  und  die  Entfernung  betrug  10  Kilometer.  Dafs  der  Peneos  da- 
zwischen ist,  macht  keine  Schwierigkeit,  denn  er  ist  im  Sommer  nur  25  —  30  Schritt 
breit,  3 — 5  Fufs  tief  und  an  vielen  Stellen  zu  Fufs  durchschreitbar  (Georgiades 
S.  28).  —  Die  Leakeschen  Ansetzungen  des  Treffens  von  Phalanna  zwischen  der 
Brücke  von  Vrnesi  und  dem  unteren  Xerias  (III  381)  passen  weder  zu  der  Lage 
von  Phalanna  noch  zu  den  Entfernungen. 

2)  Über  diese  späteren  Standlager  der  Römer  und  ihre  Furagierungen  in  den 
einzelnen  Stadtgebieten  s.  Liv.  42,  64,  1  f.  7  f.  65,  1  f.  Wo  und  wann  sie  wieder 
über  den  Peneos  gegangen  sind,  wird  nicht  erzählt. 

3)  Liv.  42,  61,  11:  Mopseion;  64,  1:  Sycurion;  65,  1:  wieder  Mopseion. 

4)  Liv.  42,  64,  8:  pridie  per  meridiem  profecti  ab  Sycurio  erant. 


1.  Der  Feldzug  vom  Jahre  171.  247 

setzen,  scheinen  nur  den  Zweck  zu  haben,  seine  Truppen  unnötig  zu 
erschöpfen  und  den  Gegner  ebenso  unnötig  zu  ängstigen1).  Wenn 
es  trotz  alledem  bei  Phalanna  doch  noch  einmal  zu  einem  ernsteren 
Zusammenstofse  kommt,  so  ist  das  ein  Zufallsgefecht,  welches  sich 
aus  einer  Überraschung  beim  Furagieren  ohne  Absicht  beider  Teile 
entwickelt  hat  (Liv.  42,  65)  und  daher  für  die  Erkenntnis  des  Kriegs  - 
prinzips  des  Königs  ohne  Belang  ist. 

Dies  Verfahren  des  Perseus  steht  mit  seiner  anfänglichen  energi- 
schen Kriegführung  und  mit  den  elementarsten  Forderungen  der 
Kriegslage  so  sehr  in  Widerspruch,  dafs  es  aus  militärischen  Gründen 
überhaupt  nicht  mehr  zu  erklären  ist.  Hier  liegt  vielmehr  ein  ab- 
sichtliches Versumpfenlassen  des  Krieges  vor,  und  das  Motiv  dazu 
dürfte  aus  der  allgemeinen  politischen  Lage  heraus  noch  erkennbar 
sein.  Der  König  hat  sich  von  Beginn  des  Krieges  an  mit  äufserster 
Unlust  und  nur  durch  die  Not  gezwungen  zu  dem  Waffengang  mit 
Rom  entschlossen2).  Er  hat  nach  seinem  ganzen  Verhalten  das  leb- 
hafteste Gefühl  gehabt,  dafs  er  bei  einem  mit  aller  Energie  von  Rom 
aus  geführten  Kriege  unterliegen  müsse.  Er  hat  deshalb,  solange 
noch  ein  Hoffnungsschimmer  vorhanden  war,  niemals  aufgehört,  einem 
glimpflichen  Frieden  zuzustreben3). 

Im  Anfange  der  Kämpfe  hat  er  nun  offenbar  seinen  militärisch- 
politischen Kalkül  darauf  aufgebaut,  den  Römern  durch  eine  möglichst 
starke  Machtentfaltung  zu  imponieren,  ihnen  durch  eine  energische 
taktische  Offensive  seine  Überlegenheit  zu  Gemüte  zu  führen  und 
ihnen  von  der  Gröfse  und  Schwierigkeit  der  Aufgabe,  ihn  niederzu- 
werfen, einen  möglichst  hohen  Begriff  beizubringen.  Solange  es  dies 
Ziel  zu  erreichen  galt,  ging  seine  politisierende  Handlungsweise 
mit  einer  ohne  Nebengedanken  geführten,  ehrlich  technischen  Krieg- 


1)  Das  einzelne  hier  dem  Livius  (Kap.  64  ff.)  und  den  anderen  Quellen  (s. 
Niese  III  S.  124  f.)  nachzuerzählen,  hat  keinen  Zweck.  Das  Charakteristische  ist, 
dafs  Perseus  den  Römern  nicht  am  Leibe  bleibt. 

2)  So  sagt  Plutarch  Aemil.  Paul.  9  mit  Recht  von  ihm:  vnb  ^c6/ui]g  tcov 
nqayfxarbjv  avcuftoo^uivog  n^bg  xbv  nölefxov. 

3)  Aufser  den  Verhandlungen  mit  Marcius  Philippus  (s.  Niese  III  113)  und 
den  gleich  zu  erwähnenden  nach  dem  Siege  am  Kallikinos,  denke  man  auch  an 
die  späteren  Verhandlungen  und  seine  Jahr  für  Jahr  wiederholten  Versuche,  durch 
Eumenes,  die  Rhodier  und  andere  Staaten  den  Frieden  zu  erhalten.  Polyb.  XXIX 
7,  4:  öiane^inö^evov  vne()  tovtcov  .  .  .  xad-1  sxccötov  erog. 


248  ^er  Krieg  gegen  Perseus. 

führung  dieselben  Wege,  und  es  ist  daher  keine  Diskrepanz  bemerk- 
bar. Nach  der  Schlacht  von  Kallikinos  hat  er  dann  gehofft,  am  Ziel 
seiner  Wünsche  zu  sein.  Friedensboten  mit  billigen,  ja  demütigen 
Anerbietungen  gingen  ins  römische  Lager.  Und  als  man  sie  schroff 
abwies  und  unbedingte  Unterwerfung  verlangte,  hat  der  König  selbst 
darauf  hin  noch  weiter  verhandelt  und  Zugeständnis  über  Zugeständnis 
gemacht1),  aber  ohne  allen  Erfolg. 

Wenn  das  die  Wirkung  von  Niederlagen  auf  die  Sinnesart  der 
Römer  war,  was  hatte  man  dann  von  weiteren  Erfolgen  zu  erwarten? 
Dafs  dieser  Trotz  durch  die  Vernichtung  der  Armee,  die  ihm  gegen- 
überstand, niedergebrochen  werden  konnte,  daran  war  nicht  zu  denken. 
Die  Antwort  darauf  wäre  einzig  gewesen:  ein  neues  Heer,  ein  gröfseres; 
ein  Veteranenheer  statt  der  jetzigen  Rekruten;  ein  Feldherr  statt 
des  Bürgermeisters  an  seiner  Spitze.  Also  eine  Verschlimmerung  der 
Chancen  nach  jeder  Richtung  hin.  Wehe  dem  Könige,  wenn  er  durch 
einen  grofsen  Sieg  den  Zorn  der  Hannibalüberwinder  heraufbeschwor, 
wenn  er  bewirkte,  dafs  Römerblut  zu  rächen  und  ein  Schandfleck  auf 
dem  Schilde  der  nationalen  Ehre  abzuwaschen  war.  Dann  war  der 
Rifs  unheilbar,  sein  Untergang  besiegelt'2). 

Es  fragte  sich,  ob  es  aus  dem  Dilemma,  sich  wehrlos  ab- 
schlachten zu  lassen  oder  durch  kühne  Tat  den  Zorn  des  Gegners 
zu  reizen,  um  sich  erst  recht  abschlachten  zu  lassen,  nicht  noch 
einen  Ausweg  gab.  Es  konnte  nur  der  sein,  sich  so  passiv  und  so 
zäh  wie  möglich  zu  verteidigen,  jeden  Angriff,  der  zum  Siege  führte, 
jeden  kräftigen  Gegenstofs  zu  vermeiden,  solange  es  nicht  zum 
äufsersten  gekommen  war,  Schild  und  Panzer  als  Schutzwehr,  Schwert 
und  Speer  nur  zum  Parieren,    allenfalls  zum  Drohen  zu  gebrauchen. 

So  sah  denn  auch  die  neue  Strategie  des  Perseus  aus,  eine 
Strategie,  die  er  durch  alle  folgenden  Feldzüge  bis  zum  Ende  des 
Krieges  trotz  scheinbarer  Abweichungen  unentwegt,  wie  wir  sehen 
werden,  festgehalten  hat. 

Auf  die  kleinen  Neckereien  der  zweiten  Hälfte  dieses  Feldzuges 
folgte  gegen  Ende  desselben  die  völlige  Räumung  Thessaliens  durch 


*)  Pol.  XXVII  8,  1—15  ausführliche  Wiedergabe  der  Verhandlungen,  zum 
Schlufs:  T(vv  7iXeiOT(ov  (fi'Xuv  InirifxoovTdov  uvt<x>  xal  ({hxGxovtcuv  on  vixcöv  noiü  t« 
tov  leinofXEVov  xal  roig  olotg  intaixorog. 

2)  Pol.  III  75,  8:  rore  yaq  (foßtQWTaroi  'Pw/uaioi  xal  xoivrj  xal  xai  lölav, 
öiav  avTovq  neoiarij  qoßog  alrjOtvog. 


1.  Der  Feldzug  vom  Jahre  171.  249 

Perseus;  Perrhäbien  liefs  man  wieder  in  Feindeshand  fallen,  nur  Gonnos 
und  die  Olymppässe  selber  wurden  gehalten.  Die  strikteste  Defen- 
sive wurde  auch  taktisch  von  jetzt  ab  die  Richtschnur  des  Königs. 
Es  kann  also  keine  Rede  davon  sein,  dafs  etwa  die  Niederlage  der 
Makedonier  bei  Phalanna  die  Räumung  Thessaliens  herbeigeführt 
habe,  und  dafs  Perseus  damit  nach  Art  beschränkter  und  eigensinniger 
Naturen,  wie  Mommsen  es  auffafst,  auf  einen  früheren,  nur  durch 
seine  bisherigen  Erfolge  zurückgedrängten  Plan  zurückgekommen  sei. 
Denn  ein  solcher  früherer  Plan  läfst  sich  nirgends  konstatieren,  und 
nicht  vom  Gefechte  von  Phalanna  an,  sondern  seit  dem  Siege  von 
Kallikinos  datiert  die  rückgängige  Bewegung,  von  der  die  Räumung- 
Thessaliens  nur  die  letzte  Konsequenz  gewesen  ist. 

Es  ist  hier,  wo  das  neue  System  des  Königs  zum  ersten  Male 
deutlich  in  die  Erscheinung  tritt,  der  Ort,  die  Frage  aufzuwerfen,  ob 
denn  in  der  Tat  eine  so  weitgehende  Passivität  vor  dem  unparteiischen 
Urteil  der  Geschichte  durch  die  damalige  Lage  des  Königs  wirklich 
zu  rechtfertigen  ist,  oder  ob  nicht  doch  ein  grofser  taktischer  Sieg 
und  die  Vernichtung  der  römischen  Streitmacht  in  Griechenland 
günstigere  Resultate  versprochen  hätte.  Vielleicht  hätte  er,  wie  die 
Dinge  damals  lagen,  einen  völligen  Umschwung  der  Stimmungen  in 
der  hellenischen  Welt  herbeigeführt,  alle  durch  die  Furcht  vor  Rom 
gebundenen  Sympathien  gelöst1),  und,  wie  schon  oben  angedeutet, 
dem  Könige  eine  Stellung  verschafft,  in  der  er  an  der  Spitze  der 
hellenischen  Welt  den  Römern  an  der  Adria  hätte  entgegentreten  und 
ihnen  die  Tore  des  Ostens  hätte  verschliefsen  können.  War  eine 
Niederwerfung  Roms  auch  unter  diesen  Umständen  natürlich  nach 
wie  vor  ausgeschlossen,  so  wäre  es  doch  vielleicht  möglich  gewesen, 
das  Adriatische  Meer  zur  Grenze  ihrer  Machtsphäre  zu  machen. 

Man  braucht  sich  diese  Frage  nur  klar  zu  stellen,  um  sie  bei 
einiger  Kenntnis  der  politischen  Verhältnisse  des  ^griechisch-klein- 
asiatischen  Staatensystems  sofort  zu  verneinen. 

Die  hellenischen  Klein-  und  Mittelstaaten  von  Pergamon  bis 
zum  Ätolischen  und  Achäischen  Bunde  konnten  nur  dann  einigermafsen 
ihre  Selbständigkeit  wahren,   wenn  die  beiden  grofsen  Militärstaaten 


*)  So  flammte  schon  nach  der  Schlacht  von  Kallikinos  ein  gewaltiger 
Enthusiasmus  für  Perseus  in  Griechenland  auf.  Polyb.  XXVII  9,  1  (7  a):  i^'la/uips 
v.a&antQii  nvq  r\  iwv  noXXwv  7iQog  xbv  ÜSQGea  dia&taig,  rbv  ttqo  tovtov  /qovov 
InixQvnjofxiviüV  %(öv  nXtiaiwv. 


250  Der  Krieg  gegen  Perseus. 

Rom  und  Makedonien  sich  in  den  Einflufs  in  Griechenland  teilten, 
nicht  wenn  der  eine  von  ihnen  durch  die  militärischen  Erfolge  des 
anderen  ausgeschaltet  wurde.  Ein  Sieg  Makedoniens  aus  eigener 
Kraft  wäre  der  Hegemonie  dieses  Staates  in  der  ganzen  hellenischen 
Welt  mit  Einschlufs  von  Rhodos  und  Pergamon  gleichgekommen  und 
daher  für  die  leitenden  Männer  in  allen  diesen  Staaten  keineswegs 
ein  erstrebenswertes  Ziel  gewesen.  Alle  diese  Staaten  hätten  mit 
dem  Momente  der  Vernichtung  der  römischen  Streitmacht  auf  griechi- 
schem Boden  dieselbe  enge  Fühlung  mit  Rom  suchen  müssen  und 
gesucht,  die  sie  jetzt  aus  Furcht  vor  Rom  und  aus  langer  Gewohn- 
heit innehatten1).  Die  Voraussetzungen  für  die  Politik  des  abge- 
laufenen Jahrhunderts  wären  damit  einfach  erneuert  worden,  in  welchem 
man  gegen  das  Prinzipat  der  Antigonos  und  Philipp  erst  die  Inter- 
vention Ägyptens  und,  als  dieser  Staat  versagte,  die  Roms  zur  Her- 
stellung des  Gleichgewichtes  angerufen  hatte. 

So  wäre  durch  bedeutende  taktische  Erfolge  also  nicht  nur  die 
nationale  Ehre  Roms  in  die  Schranken  gerufen,  sondern  auch  die 
Kräfte  Griechenlands  womöglich  noch  mehr,  als  es  jetzt  schon  der 
Fall  war,  Makedonien  entfremdet,  die  ganze  Lage  also  nicht  gebessert 
sondern  verschlimmert  worden. 

Ein  Mitwirken  der  hellenischen  Staaten  gegen  Rom  und  damit  die 
Möglichkeit  des  Erfolges  war  nur  auf  dem  von  Perseus  eingeschlagenen 
Wege  möglich,  d.  h.  wenn  Makedonien  nicht  aus  eigener  Kraft  Rom 
von  Griechenlands  Boden  verdrängte,  sondern  wenn  es  ihm  gelang, 
diese  Macht  mit  Beihilfe  der  anderen  griechischen  Staaten,  zu  teil- 
weisem Verzicht  auf  seinen  Einflufs  in  Griechenland  zu  bestimmen. 
Und  das  war  eben  nur  durch  passiven  Widerstand,  durch  strategische 
und  taktische  Defensive,  im  Verein  mit  lebhafter  politischer  Agitation 
zu  erreichen. 

Kam  man  dann  in  Rom  zu  der  Überzeugung,  dafs  die  Nieder- 
werfung Makedoniens  schwieriger  sei,    als  man  sich  vorgestellt,  dafs 


*)  Sehr  zutreffend  gibt  Polybios  XXVII 10,  2  gleich  nach  der  Schilderung  des 
in  voriger  A.  erwähnten  Enthusiasmus  die  Berechnung  kühler  Überlegung  mit  den 
Worten  tl  yaQ  ng  Iniötriaag  avrovg  (das  Volk)  rjotro  /ustoc  na^orjaiag,  ei  ßouXoivt' 
uv  eis  iva  ntotiv  Trjv  ir\hy.avTr\v  vntQoyr\v  xctl  XußtTv  juovc<Q/tx.rjg  7TEiqccv  ?£ovGictg, 
itvvntv&üvov  xara  navra  tqÖjiüv,  ra^acog  av  avjovg  vnoXa/ußavco  ovvvorjOavTag  nccXi- 
vctidiav  noirjoai  y.al  ^EtanaGtiv  tlg  TovvavrCov.  In  erhöhtem  Mafse  trifft  das  natür- 
lich für  Eumenes  zu,  vergl.  Pol.  XXIX  7,  1. 


1.  Der  Feldzug  vom  Jahre  171. 


251 


sich  bei  längerem  Ringen  durch  den  unerträglichen  Druck  des 
Krieges  in  Griechenland  eine  Koalition  bilden  würde,  die  den  römi- 
schen Einflufs  ganz  zu  verdrängen  drohte,  kam  man  anderseits  in 
den  hellenischen  Staaten  durch  den  dauernden  Verzicht  Makedoniens 
auf  jede  gefahrdrohende  Kraftentwicklung  zu  der  Ansicht,  dafs 
durch  eine  Friedensvermittelung  und  eventuelle  Koalition  mit  dem 
schwächeren  Makedonien  dieses  in  seiner  Stellung  erhalten  werden 
könne,  ohne  dafs  die  Gefahr  von  Übergriffen  seinerseits  entstand, 
da  es  unter  diesen  Verhältnissen  hinfort  nur  als  erste  Macht  unter 
Gleichen  auftreten  konnte  —  dann  war  in  der  Tat  alles  erreicht, 
was  Perseus  in  diesem  Konflikte  mit  Rom  überhaupt  zu  erreichen 
in  der  Lage  war.  Denn  dann,  aber  auch  nur  dann,  war  die  Möglich- 
keit gegeben,  durch  diesen  Stellungswechsel  der  Mittelstaaten  und 
gemeinsame  Aktionen  aller  Rom  für  ein  Teilungsgeschäft  über  den 
Einflufs  in  Griechenland  gefügig  zu  machen. 

Der  Fortgang  der  Ereignisse  läfst  erkennen,  dafs  Perseus  diese 
aus  den  Erfahrungen  von  Kallikinos  hervorgegangene  Berechnung 
bis  zu  der  letzten  Entscheidung  hin  dauernd  seinen  Handlungen  zu- 
grunde gelegt  und  dem  gekennzeichneten  Ziele  zugestrebt  hat.  Wie 
weit  es  ihm  gelungen  ist,  diesen  Gedanken  durch  das  Mittel  einer 
geschickt  und  energisch  geführten,  zähen  Defensivstrategie  schrittweise 
der  Verwirklichung  näher  zu  bringen,  das  zu  verfolgen  und  im 
einzelnen  zu  zeigen,  wird  also  einen  Hauptgegenstand  der  folgenden 
Darstellung  bilden  müssen. 

Ehe  wir  jedoch  dazu  übergehen,  ist  es  nötig,  noch  einen  Blick  zu- 
rückzuwerfen auf  die  Strategie,  die  die  Römer  im  verflossenen  Feldzuge 
befolgt  hatten.  Die  Musterung  der  Verhältnisse  auf  den  Kriegs- 
schauplätzen, welche  neben  dem  thessalischen  noch  in  Betracht  kamen, 
nämlich  in  Illyrien  und  an  der  See,  wird  uns  die  beste  Handhabe 
dazu  bieten. 

Die  Truppen,  welche  Rom  in  Illyrien  aufgestellt  hatte,  waren 
zu  einem  selbständigen  Angriffe  viel  zu  schwach. 

Der   Prätor   Sicinius   war   im  Herbst  172   mit  nur  5000  Mann   HiJ"1fart6 
und  300  Pferden  in  Apollonia  gelandet  und  hatte  von  diesem  Korps 
noch    2000  Mann    zum   Schutze  von  Larissa   in  Thessalien    abgeben 


x)  Liv.  42,  67,  1. 


252  Der  Krieg  gegen  Perseus. 

müssen  (S.  233  A.  1).  Der  Rest  konnte  kaum  ausreichen,  um  die  wich- 
tigsten Grenzplätze  notdürftig  zu  besetzen.  Auch  das  Detachement, 
welches  im  Spätsommer  oder  Herbst  171  von  Thessalien  aus  nach 
Beendigung  der  dortigen  Operationen  gegen  Perseus  nach  Illyrien 
geschickt  wurde,  wird  nichts  anderes  gewesen  sein,  als  die  2000  nach 
Larissa  detachierten  und  jetzt  zu  ihrem  Korps  zurückkehrenden 
Mannschaften.  Sie  eroberten  auf  dem  Wege  die  unbedeutende  Stadt 
Keremia  im  südlichen  Albanien,  scheiterten  vor  dem  kaum  bedeuten- 
deren Karnuns  und  waren  auf  den  grofsen  Gang  der  Dinge  natürlich 
ohne  allen  Einflufs1). 

Von  Westen  her  geschah  also  nichts  gegen  Makedonien;  eben- 
sowenig von  Süden.  Denn  die  Operationen  der  Flotte  waren  gleich- 
falls bedeutungslos.  Anstatt  die  erdrückende  Übermacht,  über  welche 
die  Römer  zur  See  verfügten,  zu  einer  Landung  an  der  Küste  von 
Makedonien  zu  benutzen,  wo  die  über  12  000  Mann  starke  Flotten- 
armee2) eine  ins  Gewicht  fallende  Diversion  hätte  machen  können, 
schickte  der  römische  Admiral  die  griechischen  Hilfskontingente  aus 
Rhodos  und  anderen  Staaten  nach  Hause  und  begnügte  sich  damit, 
einige  Landstädtchen  in  Böotien,  die  noch  zu  Perseus  hielten,  zu  er- 
stürmen und  auszuplündern3)  —  ein  vom  militärischen  Standpunkte 
ebenso  zweckloses,  wie  vom  politischen  schädliches  Vorgehen,  da 
diese  Gemeinden  mit  den  Fortschritten  der  römischen  Waffen  gegen 
Perseus  von  selber  gefallen  wären. 

Die  Unterlassung  einer  gröfseren  Expedition  war  um  so  tadelns- 
werter, als  der  rührige  Eumenes  von  seinem  Reiche  Pergamon  aus 
einen  Einfall  nach  Thrakien  machen  liefs  und  dadurch  den  Verbündeten 
des  Perseus,  den  König  Kotys  von  Thrakien,  zu  schleuniger  Rück- 
kehr in  sein  Land  veranlafste  (Liv.  42,  67,  4).    Diese  Diversion  hätte 


*)  Liv.  43,  1,  1.  —  Über  die  Zeit  sagt  Livius  eadem  aestate,  qua  in  Thes- 
salia  [haec  gesta  sunt].  Es  wird  nach  Beendigung  der  früh  eingestellten  Opera- 
tionen abgeschickt  sein.  Die  Lage  der  beiden  sonst  unbekannten  Städtchen  ist 
nach  Zippeis  überzeugenden  Erwägungen  (Illyr.  S.  76)  am  oberen  Devol  oder  am 
Ostrande  des  Lychnidischen  Sees  zu  suchen;  vergl.  auch  Weifsenborn  z.  St. 

2)  Bei  der  Belagerung  von  Haliartos  beläuft  sich  die  römische  Armee  auf 
12000  Mann,  nachdem  die  griechischen  Flottenkontingente  schon  nach  Hause  ge- 
schickt sind  (Liv.  42,  56,  5),  s.  auch  Beilage  I. 

3)  Liv.  42,  63,  3  ff.  Es  handelt  sich  hauptsächlich  um  Haliartos  und  Thisbä. 
Weitere  Belegstellen  und  Details  bei  Niese  III  127. 


1.  Der  Feldzug  vom  Jahre  171.  253 

ohne  Zweifel  durch  einen  Flottenangriff  in  wirksamer  Weise  unter- 
stützt werden  können. 

Ja,  man  kann  noch  einen  Schritt  weiter  gehen.  Die  Flotte 
konnte  durch  eine  geschickte  Tätigkeit  die  ganze  Kriegführung  des 
Perseus  gerade  in  Thessalien  unmöglich  machen.  Wenn  man  statt 
bei  Haliartos  etwa  bei  Pydna  landete  und,  ohne  dafs  man  die  Stadt 
auch  nur  zu  belagern  brauchte,  südlich  von  ihr  in  der  Ebene  von 
Katerini  eine  Stellung  nahm,  so  beherrschte  man  dadurch  alle  Über- 
gänge über  das  Gebirge,  den  Pafs  von  Pythion,  den  von  Nezero  und 
den  Tempepafs.  Es  hätte  hier  keine  Proviantkolonne  aus  dem  Innern 
Makedoniens  nach  Thessalien  durchkommen  können,  nur  der  Portaes- 
pafs  bei  Servia  wäre  freigeblieben,  aber  der  Weg  über  ihn  führte 
auf  dem  jenseitigen  Gebirgsabhange  gefährlich  nahe  an  den  römi- 
schen Stellungen  in  Thessalien  vorbei  (s.  S.  237).  So  von  seinen 
Verbindungen  abgeschnitten,  hätte  sich  Perseus  jenseits  des  Gebirges 
überhaupt  kaum  halten  können.  Denn  das  Land  selber  konnte  wohl 
allenfalls  für  seine  Furage,  aber  kaum  für  seinen  Proviant  ausreichen. 
Indessen  liegt  die  Erklärung  für  das  Verhalten  des  römischen  Prätors 
gleichfalls  nicht  auf  militärischem  Gebiet.  In  Makedonien  war 
keine  grofse  Beute  zu  holen,  und  in  Griechenland  war  sie  mühe- 
los einzuheimsen.  Dafs  dies  das  Motiv  gewesen,  erkannte  man  selbst 
in  Rom,  und  hat  den  Flottenkommandanten  nachträglich  dafür  ge- 
richtlich  verurteilt   (Liv.  43,  8,  9). 

Liegt  hier  nur  der  Fehler  eines  einzelnen  vor,  so  trifft  dagegen 
weit  gröfseres  Verschulden  die  Zentralleitung  des  ganzen  Krieges  in 
Rom.  Man  hat  dem  Konsul  dieses  und  auch  dem  des  folgenden  Jahres 
Vorwürfe  wegen  ihrer  energielosen  Kriegführung  in  Thessalien  nicht 
erspart  (Mommsen,  R.  G.  I6  763 f.).  Mit  Unrecht.  Bei  den  Mitteln, 
die  ihnen  zu  Gebote  gestellt  waren,  einem  einfachen  konsularischen 
Heere  aus  Rekruten,  konnten  sie  gegen  die  numerisch  und  qualitativ 
überlegene  Streitmacht  des  Perseus  nicht  anders  handeln,  als  sie  es 
getan  haben.  Der  Fehler  lag  am  Senate.  Nicht  nur  hätte  man  in 
Thessalien  die  Truppen  etwas  verstärken  können,  man  hätte  vor 
allem  eine  zweite  Armee  in  Illyrien  aufstellen  müssen.  Erst  im 
vierten  Jahre  des  Krieges,  nachdem  Perseus  hier  bedeutende  Fort- 
schritte gemacht,  den  König  Gentios  gewonnen,  Epiros  und  Thes- 
salien im  Rücken  der  Römer  teilweise  revoltiert  hatte,  hat  man  sich 
zu  dem  entschlossen,    was  von  Anfang  an  nötig  gewesen  wäre,    alle 


254  Der  Krieg  gegen  Perseus. 

diese  Fortschritte  der  Makedonier  unmöglich  gemacht  und  den  Krieg 
mit  einem  Schlage  geendigt  hätte. 

In  der  Tat  lagen  für  die  Operationen  einer  zweiten  Armee  die 
Verhältnisse  hier  damals  weit  günstiger  als  im  Jahre  199,  wo  man 
allerdings  unglücklich  in  Obermakedonien  gekämpft  hatte  (oben  S.  9  ff.). 
Anstatt  wie  damals  auf  Apollonia  und  Dyrrhachium  konnte  man  sich 
jetzt  auf  die  Orestis,  Lychnidos  am  Ochridasee  und  das  Drintal 
stützen:  das  römische  Gebiet  war  bis  in  die  Mitte  der  Halbinsel  vor- 
geschoben1); vor  allem  aber,  der  König  konnte  hier  nicht  mit  seiner 
Heeresmacht  wie  damals  Philipp  den  Römern  entgegentreten,  wenn 
er  gleichzeitig  in  Thessalien  stehen  mufste.  Die  Römer  haben  hier 
den  in  der  Kriegsgeschichte  so  oft  wiederkehrenden  Fehler  gemacht, 
durch  Sparsamkeit  in  den  Mitteln  zu  Beginn  des  Krieges,  sich 
für  die  Dauer  weit  gröfsere  Lasten  aufzubürden.  Ihre  glücklichen 
Erfolge  gegen  Philipp  und  Antiochos  hatten  sie  leichtsinnig  ge- 
macht. 

Eine  mangelhafte,  weder  den  Kräften  des  Reiches  noch  den 
Forderungen  eines  grofsgedachten,  einheitlichen  Angriffsplanes  ent- 
sprechende Strategie  kennzeichnet  also  das  römische  Verfahren  in 
dem  ersten  und,  wie  wir  gleich  hinzusetzen  wollen,  z.  T.  auch  noch 
in  den  folgenden  Jahren  des  Krieges.  Erst  vom  dritten  Jahre  an 
ist  eine  Kooperation  von  Flotte  und  Landheer  ins  Werk  gesetzt 
worden,  und  erst  im  vierten  taucht  der  Gedanke  auf,  durch  einen 
Angriff  von  Obermakedonien  her,  die  Streitkräfte  des  Perseus  zu 
teilen2).  Vorläufig  aber  war  bei  dem  Verzicht  auf  alle  gröfseren 
Kombinationen  auch  für  das  folgende  Jahr  wenig  Aussicht  vorhanden, 
dafs  der  Krieg  seinen  schleppenden  Gang  ändern  würde. 


J)  Diese  Gebiete  waren  von  Philipp  im  Frieden  von  Tempe  abgetreten 
(Polyb.  XIII  1,14.  8,  10)  und  von  den  Römern  in  unmittelbaren  Besitz  genommen, 
wie  Zippel  S.  73  ff.  überzeugend  nachgewiesen  hat;  vergl.  unten  S.  256  und  vor- 
her S.  233. 

2J  Liv.  44,  20,  5:  Bericht  der  im  Januar  168  (s.  Matzat,  Zeitr.  S.  266)  zu- 
rückkehrenden Gesandtschaft:  si  Appio  Claudio  circa  Lychnidum  satis  validus 
exercitus  foret,  potuisse  ancipiti  bello  distineri  regem. 


2.  Der  Feldzug  vom  Jahre  170. 


255 


2.   Der  Feldzug  vom  Jahre  170. 

Fortschritte  von  Perseus'  Defensivstrategie. 

Über  die  Aktionen  des  Jahres  170  sind  wir  äufserst  mangel- 
haft unterrichtet,    da  unsere  Hauptquelle  uns  hier  im  Stiche  läfst1). 

Wir  können  nur  sagen,  dafs  der  Feldzug  mit  einer  Offensiv- 
bewegung der  Römer  begann,  indem  der  neue  Konsul  Hostilius  ver- 
suchte, nördlich  über  den  Pafs  von  Portaes  in  das  Tal  der  Wistritza 
vorzudringen,  von  wo  aus  er  mit  Umgehung  der  Olympkette  erst 
nach  Ober-  und  dann  nach  Niedermakedonien  hätte  gelangen  können2). 

Aber  hier  trat  ihm  Perseus  entgegen  und  warf  ihn  mit  starkem 
Verluste  nach  Thessalien  zurück3).  Auch  einen  zweiten  Versuch, 
der  auf  anderem  Wege  erfolgt  sein  mufs,  hat  der  König  zurück- 
gewiesen4) und  dann  diese  günstigen  Erfolge  benutzt,  um  sich  nach 
dem  Rückzuge  der  Römer,  wie  es  scheint,  wieder  in  den  Besitz  des 
nördlichen  Teiles  von  Thessalien  zu  setzen5).     Zu  einer  energischen 


1)  Bei  Livius  ist  hinter  dem  dritten  Kapitel  des  43.  Buches  eine  grofse 
Lücke,  in  welcher  die  Ereignisse  dieses  Jahres  erzählt  waren. 

2)  Per  Cambunios  montes,  qua  priore  anno  (170  v.  Chr.)  duxerat  Hostilius 
consul,  heilst  es  in  einer  späteren  Erwähnung  aus  dem  Jahre  169  (Liv.  44,  2,  6).  — 
Plut.  Aem.  9:  xara  rag  'Efo/uiag.  Das  ist  eben  der  Pafs  von  Portaes  (s.  oben  S.  29 
A.  1),  welcher  in  die  Landschaft  Elimäa,  das  mittlere  Wistritzatal,  führt.  Heuzey, 
Le  Mont  Olympe  S.  216  läfst  die  Römer  aus  Eordäa,  also  von  Norden  her  aus  dem 
Becken  des  Sees  von  Ostrowo,  kommen.  Das  ist  unmöglich.  Die  Armee  stand  ja 
in  Thessalien.  Jeder  Zweifel  wird  ausgeschlossen  durch  die  angezogene  Stelle 
des  Livius,  wo  die  in  Nordthessalien  stehenden  Römer  beratschlagen,  ob  sie  öst- 
lich über  die  Olymppässe  oder  nördlich  über  die  Kambunischen  Berge  gehen  sollen 
„wie  der  Konsul  Hostilius". 

3)  Plut.  Aem.  9:  /uä/^v  t7iol^ir\oe  .  .  iv  y  ibv  vncaixov  Oan'kiov  (Iney.Qovffaro 
yMiußiu'Cofxtvov    xcctcc    rag  'EkifAiag.     Zon.  IX  22  P.  I  456  C:    rrv  6vvafj.iv  noXlrjV 

GVl'eXQOTrjGS. 

4)  Plut.  Aem.  9:  (OoiCXiov)  kü$Qu  dia  QsooaUag  t/jßcdovTcc  7iQox.aXov[Aevog  lg 
fidxrjv  icfoßrjae.  Um  welchen  Weg  es  sich  hier  handelt,  wissen  wir  nicht.  Dafs 
Hostilius  damals  bis  nach  Makedonien  vorgedrungen  sei,  wie  Niese  III  129  für 
möglich  hält,  folgt  weder  aus  den  zitierten  Worten  noch  aus  Liv.  44,  36,  10,  wie 
schon  Weifsenborn  mit  Recht  bemerkt  hat. 

5)  Polyb.  XXIX  19,  7:  GTOcunTzideuwv  Iv  Oerrakicc  oy^dlv  Inl  dV  iviavroig  = 
Liv.  45,  3,  7:  per  biennium.  Bericht  der  römischen  Gesandten  Ende  170  v.Chr.: 
tot  urbibus  in  potestatem  regis  redactis.  Liv.  43,  11,9,  Zonar.  IX  22  P.  I  456  C: 
Tijg  QtaaaXiag  -/.aiia^E  r«  nktiova.  —  Dafs  es  sich  indessen  nur  um  den  nörd- 
lichen Teil  von  Thessalien,  also  Perrhäbien,  handeln  kann,  geht  aus  der  Lage  der 
römischen  Hauptquartiere  in  Larissa  und  Pharsalos  hervor  (s.  Text). 


Hierzu  Karte 
No.  7. 


256  Der  Krieg  gegen  Perseus. 

Offensive  ist  er  jedoch  auch  damals  nicht  vorgegangen.  Das  lag  eben 
aufserhalb  des  Rahmens  seiner  Strategie. 

Nach  Beendigung  der  Operationen  im  Herbst  haben  die  Römer 
ihr  Hauptquartier  in  Larissa  und  legen  es  später  nach  Pharsalos. 
Tausend  Mann  kamen  wie  im  vorigen  so  auch  diesen  Winter  nach 
Ambrakia1).  Man  hatte  wiederum  keinen  Schritt  vorwärts  gemacht. 
Auch  die  Flotte,  die  diesmal,  wie  es  scheint,  zusammen  mit  Eumenes 
von  Pergamon  operierte,  leistete  so  gut  wie  nichts.  Die  Eroberung 
von  Abdera  und  ein  erfolgloser  Streifzug  an  der  Küste  von  Make- 
donien und  Thrakien  ist  alles,  was  wir  von  ihrer  Tätigkeit  hören2). 

Dagegen  hat  Perseus  im  Herbst  und  Winter  noch  eine  aufser- 
ordentliche  Rührigkeit  entfaltet.  Sein  erster  Zug  galt  den  Dardanern 
im  Quellgebiet  des  Wardar,  Ibar  und  der  Morawa  und  brachte,  wenn 
wir  der  Zahlenangabe  glauben  wollen,  den  Dardanern  einen  Verlust 
von  10000  Menschen,  dem  Könige  reiche  Beute  ein3).  Dann  wandte 
er  sich,  in  der  Mitte  des  Winters4),  nach  Nordwesten  gegen  das 
von  den  Römern  selbst  besetzte  Illyrien. 

Die  Grenze  seines  und  des  römischen  Gebietes  bildete  damals 
b  ungefähr  der  Gebirgszug,  welcher  sich  vom  Schar-Dagh  in  südlicher 
c1?0leuo*T  und  südsüdöstlicher  Richtung  hinzieht  und,  östlich  von  der  dassareti- 

Skizze  S.  257.  °  ' 

sehen  Seengruppe  streichend,  unter  verschiedenen  Namen  bis  in 
das  grofse  Knie  der  Wistritza-Karasu,  des  Haliakmon  der  Alten, 
hinabläuft5).  Diese  Grenze  war,  wie  früher  (S.  251  f.)  auseinander- 
gesetzt ist,  von  einem  schwachen  römischen  Korps  von  5000  Mann  ge- 
deckt, welches  zuerst  von  Cn.  Sicinius  befehligt  worden  war  und  jetzt 
unter  Cälius,  wahrscheinlich  seinem  Nachfolger  (Liv.  43,  21,  1),  stand. 


i)  Pol.  XXVIII  3,  1  und  6  =  Liv.  43, 17,  9  f.  Hostilius  wird  hier  als  „Pro- 
konsul" bezeichnet,  also  handelt  es  sich  um  den  Winter  170/169.  —  Pharsalos 
Liv.  44,1,5. 

2)  Diod.  30,6.  Liv.  43,4,  8.  7,10.  Niese  III,  129.  —  Es  ist  übrigens  nicht 
möglich,  über  die  Tätigkeit  als  solche  ein  Urteil  zu  fällen,  weil  wir  die  Gegen- 
mafsregeln  des  Perseus  und  seines  Bundesgenossen  Kotys  nicht  kennen  und  über- 
haupt zu  lückenhaft  unterrichtet  sind. 

3)  Von  dem  Zuge  sind  auch  nur  gelegentliche  Erwähnungen  erhalten,  da 
diese  Partie  auch  bei  Livius  verloren  gegangen  ist.  So  Liv.  43,  18,  2.  19,  14. 
Periocha  43.     Pol.  XXVIII  8,  2.     Verluste  der  Dardaner  Plut.  Aem.  9. 

4)  sub  tempus  brumae  Liv.  43,  18,  1. 

5)  s.  S.  254.  —  Auf  Karte  1  ist  der  Zug  durch  die  Namen  Neretschkakette 
und  Witschu,  östlich  von  den  dassaretischen  Seen,  bezeichnet. 


2.  Der  Feldzug  vom  Jahre  170. 


257 


Kromayer,  Antike  Schlachtfelder.    II. 


e  er 


17 


258  Der  Krieg  gegen  Perseus. 

Das  langgestreckte  Tal  des  Schwarzen  Drin  im  Norden,  mit  der 
weiten  und  fruchtbaren  Ebene  von  Dibra,  die  sich  in  einer  Länge 
von  mehr  als  50  und  in  einer  Breite  bis  zu  10  Kilometern  hinzieht, 
war  mit  einer  Anzahl  von  Besatzungen  belegt,  die  über  2000  Mann 
betrugen,  und  von  denen  die  stärkste  in  der  Landeshauptstadt  Uskana 
lag1).  Südlich  davon,  in  Lychnidos  am  See  von  Ochrida,  wird  die 
Hauptmacht  gestanden  haben,  andere  Punkte  mögen,  wie  auch  Uskana 
zum  Teil,  durch  Besatzungen  aus  illyrischen  Landesaufgeboten  ge- 
schützt gewesen  sein;  der  südlichste  Teil  der  Linie,  die  Landschaft 
Orestis  im  oberen  Karasutale,  war  schon  bei  Beginn  des  Krieges  mit 
400  Mann  epirotischer  Freiwilliger  belegt  worden.    Diese  Verteilung 


*)  Nach  Liv.  43,  18,  11.  19,  2.  6  soll  Perseus  in  Uskana  allein  4000  und  in 
den  anderen  Kastellen  des  Drintales  1500  Römer  gefangengenommen  haben.    Die 
Zahl  1500  ist  unsicher  —  Wiener  Kodex  „oo  et  a"  (Groag)  — ,  die  Zahl  4000  ist, 
wie    schon    Weifsenborn    bemerkt    hat,    ohne    Zweifel    falsch,    obgleich    in    dem 
Wiener  Kodex    deutlich  „quatuor  milia"  mit  Buchstaben  (Groag)  steht.     Sie  ist, 
nach  allem  was  wir  von  den  Truppen  der  Römer  in  Illyrien  wissen  (s.  Beilage  I), 
unmöglich,    und    im  besonderen    bei   einer  so  grofsen  Besatzung  die  schnelle  Er- 
oberung von  Uskana  durch  ein  Korps  von  nur  12  000  Mann  unbegreiflich.  —  Die 
Lage  von  Uskana  wird  gegenüber  Zippel,  Illyr.  S.  79,  von  Niese  III  141  bezweifelt, 
der  Uskana  vielmehr  bei  Kicevo  (Kritschowa)  oder  Sop  sucht  (s.  die  Skizze  S.  257). 
Aber    sein  Grund,    dafs    die  Gegend   von  Dibra   nicht   in    drei  Marschtagen    von 
Stuberra  habe  erreicht  werden  können,  ist  nicht  zutreffend  (s.  folg.  S.);  anderseits 
ist  es  unverständlich,  wie  Perseus  sich  durch  eine  Eroberung  von  Sop  oder  Krit- 
schowa   den  Weg   nach    der   Küste    von    Skutari    öffnen   konnte  (s.  folg.  S.)    und 
wie  die  Römer  dazu  kamen,  sich  nach  seinem  Abzüge  von  den  Parthinern  Geiseln 
stellen  zu  lassen  (Liv.  43,  21,  3),  die  in  dem  Hinterlande  von  Dyrrhachion  wohnten 
(Zippel  S.  51;    Dio  41,49,2),  und   in    deren  Nähe    der  König  dann  gar  nicht  ge- 
kommen  wäre.  —  Auch    die  zahlreiche  Bevölkerung  von  Uskana  —  decem  milia 
civium  (Liv.  43, 10,  9)  und  die  starke  Deckung  der  Landschaft  durch  nicht  weniger 
als   14  feste  Punkte    mit   römischen    Besatzungen   (s.  folg.  S.J,    erklärt    sich    nur 
aus   der  Natur  der  für  Albanien  aufserordentlich  grofsen  und  fruchtbaren  Ebene 
von  Dibra.     Von  Hahn   sagt  darüber  in  seiner  Reise  durch  die  Gebiete  des  Drin 
und   Wardar    (Denkschr.   d.  Wiener  Ak.  phil.  Kl.  Bd.  XVI,    Abt.  2  S.  90):     „Je 
weiter   wir   in   dieser  Ebene  vorrückten,    um    so  fruchtbarer  und  bebauter  wurde 
die  Gegend,  und  um  so  freundlicher  und  behäbiger  wurden  die  Landschaftsbilder, 
Wir   kamen    an  die  fast  aneinander  stofsenden  Orte  (so  u.  so)  .  .  .  deren  Zentren 
vollkommen  städtisches  Ansehen  hatten  .  .  das  Ganze  von  einem  mächtigen  Gürtel 
von  Weinbergen  umschlossen,  die  sich  bis  hoch  an  der  sanft  geböschten  Ostwand 
hinaufzogen,   über  diesen  Felder,  die  bis  zum  Kamme  des  Bergzuges  reichten  — 
ein    sehr   seltener  Anblick  in  Albanien."    Ähnlich  auch  Rockstroh  (Jahresber.  d. 
Vereins  f.  Erdkunde  Dresden  XII  1875,  S.  52.  55). 


2.  Der  Feldzug  vom  Jahre  170.  259 

der  Streitkräfte  auf  eine  etwa  180  Kilometer  lange  Kordonkette  zeigt, 
dafs  offensive  Absichten  der  Römer  hier  nicht  vorlagen,  ja  dafs  man 
nicht  einmal  auf  einen  ernsten  Angriff  des  Gegners  rechnete,  sondern 
lediglich  die  Grenze  gegen  Streifereien  zu  schützen  und  solche  ge- 
legentlich selbst  auszuführen  beabsichtigte1). 

So  ist  es  denn  auch  Perseus,  der  mit  der  beträchtlichen  Zahl 
von  12  000  Mann  regulärer  Truppen  zu  Fufs  und  500  Reitern  einen 
Vorstofs  versuchte,  sofort  gelungen,  die  Kette  zu  durchbrechen  und 
sich  die  Bahn  nach  Westen  freizumachen.  Er  richtete  seinen  Angriff 
gegen  den  nördlichsten  Teil  der  ganzen  Linie,  die  Ebene  des  Schwarzen 
Drin  bei  Dibra.  Die  Truppen  wurden  im  nördlichen  Winkel  der 
Ebene  von  Monastir  bei  Stuberra  gesammelt,  und  in  drei  starken 
Tagemärschen  ging  es  unter  Zurücklassung  des  grofsen  Gepäckes 
gegen  Uskana  im  Drintale  vor2).  Der  Weg  beträgt  stark  100  Kilo- 
meter, die  Terrainschwierigkeiten  sind  nicht  übermäfsig,  die  Marsch- 
leistung ist  auch  für  den  Winter  und  gerade  bei  gefrorenen  Wegen 
sehr  wohl  durchführbar  und  nicht  einmal  aufserordentlich 3).  Die 
Truppen  in  Uskana  wurden  nach  kurzer  Bestürmung  zur  Übergabe 
genötigt  und  nach  Bergung  der  Beute  in  Stuberra  auch  die  13 
anderen  Kastelle  der  Ebene  und  des  anstofsenden  Gebirges  genommen, 
unter  ihnen  besonders  diejenigen,  welche  den  Durchgang  durch  das 
Mittelgebirge  nach  der  Küste  zu  —  das  heutige  Mirditenland  — 
beherrschten 4). 


a)  Über  Appius  Claudius  und  seine  angeblichen  Streitkräfte  s.  S.  261  A.  1 
und  S.  265  A.  1. 

2)  Liv.  43,  18,  4.  —  Über  die  Lage  von  Stuberra  s.  S.  22  A.  1. 

3)  Länge  des  Weges  gemessen  nach  der  österr.  Karte  1 :  200  000  von  Wutschin 
über  Sop  und  Kritschowa.  Es  sind  zwei  Pässe  zu  überwinden,  der  eine  bei  Sop 
mit  1077,  der  andere  über  die  Jamakette  mit  etwa  1300  Metern.  Da  man  in  der 
Ebene  von  Monastir  schon  über  600  Meter  hoch  ist  und  der  Weg  ganz  langsam 
steigt,  ist  bei  dem  ersten  Passe  überhaupt  kaum  von  einer  Schwierigkeit  zu  reden. 
Bei  Kritschowa  kommt  man  dann  wieder  auf  etwa  600  Meter  herunter,  hat  also 
über  die  Jamakette  auch  nur  etwa  700  Meter  zu  steigen,  und  zwar  gleichfalls  in 
langsamem  Anstieg.  Von  Hahn  fa.  a.  0.  XVI  Abt.  2  S.  42)  rechnet  auf  den  Weg 
von  Dibra  nach  Kritschowa  10£  bezw.  11  Stunden,  davon  auf  den  Übergang  über 
die  Jamakette  von  Gaire  nach  Iswor  nur  3  Stunden. 

4)  Liv.  43, 19,  1—5.  §2:  Oaeneum  oppidum  ...  et  alioqui  opportune  situm, 
et  transitus  ea  est  in  Labeates,  ubi  Gentius  regnabat.  Die  Labeaten  wohnten  am  See 
von  Skutari.  Nur  um  zwei  Wege  kann  es  sich  hier  handeln  (s.  v.  Hahn  a.  a.  0.  Bd.  XV 
S.  83.  XVI  S.  37),  entweder  um  den  Weg  durch  die  Mirditis  über  Lurja,  Orosch  nach 

17* 


2G0  Der  Krieg  gegen  Perseus. 

Damit  war  der  Zweck  des  ganzen  Vorstofses  erreicht.  Denn 
es  kann  kein  Zweifel  sein,  dafs  derselbe  mehr  politischer  als  mili- 
tärischer Natur  war  und  in  erster  Linie  dazu  dienen  sollte,  die  Ver- 
bindung mit  dem  Könige  Gentios  von  Scodra,  dem  heutigen  Skutari, 
die  nur  auf  diesem  Wege  zu  erreichen  war,  herzustellen1).  Ein  leb- 
hafter Gesandtschaftsverkehr  wurde  denn  auch  sofort  eröffnet  und 
führte  schliefslich  zum  Bündnisse  der  beiden  Herrscher2). 

Während  der  Anwesenheit  des  Königs  hatte  sich  der  römische 
Kommandant  in  Lychnidos  nicht  zu  rühren  gewagt.  Ein  Vorstofs 
gegen  das  Drintal  nach  der  Rückkehr  des  Königs  scheiterte  an  der 
Tapferkeit  der  in  Uskana  zurückgelassenen  Besatzung.  Die  Ver- 
hältnisse   blieben,    wie    sie    durch    die  Expedition    des  Königs  fest- 


Skutari,  den  z.  T.  Tozer  (Researches  Bd.  II  280  ff.),  Hassert  (Mitteil,  der  geogr. 
Gesellsch.  in  Wien  Bd.  41  S.  350  ff.)  u.  a.  gegangen  sind,  oder  um  den  Weg  durch 
die  Matja,  den  von  Hahn  (Bd.  XV  S.  16  f.  u.  XVI  S.  10)  beschreibt.  Dafs  der 
erstere  gemeint  ist,  geht  daraus  hervor,  dafs  später  die  Gesandten  des  Perseus 
nach  Skodra  gelangen  und  von  dort  erst  nach  Lissus  gehen  (Liv.  43,  20, 1).  Wären 
sie  durch  die  Matja  gegangen,  hätten  sie  zuerst  Lissus  (Alessio)  erreichen  müssen. 
Bei  der  Überschreitung  des  iugum  Scordi  montis  durch  die  Gesandten  handelt  es 
sich  also  nicht  um  eine  Übersteigung  des  Schardagh,  die  im  Winter  ohne  Zweifel 
unmöglich  und  zudem  höchst  unnötig  war,  da  man  den  Schardagh  auf  dem  in 
vorvor.  A.  beschriebenen  Wege  über  Kritschowa  bequem  umgehen  kann,  sondern 
am  den  Weg  durch  das  mirditische  Mittelgebirge,  das  mit  seiner  Höhe  des  Guli- 
kutsch  zwischen  Lurja  und  Orosch  von  fast  1600  Metern,  auf  die  man  geradezu 
die  Äufserung  „Scodram  ingenti  labore  tandem  pervenerunt"  beziehen  möchte,  im 
Winter  schon  recht  beschwerlich  sein  mufste.  Auch  die  „Illjrici  solitudines  (Liv. 
a.  a.  O.;  Pol.  XXVIII  8,  3),  welche  zur  Verhinderung  der  Einfälle  der  Dardaner  nach 
Illyrien  durch  Verwüstung  des  Zwischenlandes  hergestellt  sind,  gehören  hierher. 
Denn  die  einzige  Verbindung  vom  Gebiete  der  Dardaner  an  die  Küste  geht  in 
der  grofsen  Senke  zwischen  den  Nordalbanischen  Alpen  und  dem  Schardagh,  d.  h. 
am  Weifsen  Drin  entlang,  und  durch  die  Mirditis.  —  Dafs  der  Name  „Scordus" 
nicht  auf  den  eigentlichen  Schardagh  beschränkt  zu  werden  braucht,  sondern  auf 
das  ganze  anliegende  Bergland  mit  ausgedehnt  werden  kann,  wird  bei  der  Un- 
bestimmtheit der  Begriffe  der  Alten  über  Bergzüge  und  Bergnamen  dieser  Gegen- 
den und  bei  dem  Mangel  aller  Individualbezeichnungen  jedem  Kenner  selbstver- 
ständlich erscheinen.  Dehnen  doch  sogar  moderne  Forscher  von  solcher  Be- 
deutung wie  Grisebach  und  ihm  folgend  von  Hahn  (Alban.  Studien  S.  6)  den 
Namen  Scardus  aus  Mangel  an  zusammenfassenden  Bezeichnungen  noch  viel  weiter, 
nämlich  bis  zum  Tschangonpasse,  südlich  von  den  dassaretischen  Seen,  aus. 

f)  Liv.  43,  18,8:    (Perseus)  cernens    .  .  si  domuisset  proximos  Illyriorum, 
Gentium  in  societatem  perlici  posse. 

2)  Niese  III  142.  151, 


2.  Der  Feldzug  vom  Jahre  170.  261 

gestellt  waren;  die  Römer  begnügten  sich,  das  Bergland  von 
Mittelalbanien  westlich  und  südwestlich  vom  Drin  dadurch  zu 
sichern,  dafs  sie  sich  von  den  dortigen  Gebirgsstämmen  Geiseln 
stellen  liefsen1). 

Kaum  waren  diese  Unternehmungen  zu  Ende  geführt,  so  winkte 
dem  Könige  eine  Aussicht  auf  noch  weitergehende  Erfolge. 

Schon  im  Frühling  1702)  war  der  kräftigste  Stamm  der  Epiroten- 
die  Molosser3),  zu  der  makedonischen  Sache  übergetreten,  ein  Ge 
winn,  der  besonders  deshalb  nicht  zu  unterschätzen  war,  weil  die 
direkteste  Verbindung  mit  Italien,  nämlich  die  Strafse  über  den  Pafs 
von  Metzowo  nach  Apollonia,  mitten  durch  das  Gebiet  dieses  Volkes 
hindurchführte.  Perseus  hatte  diese  Erwerbung  für  so  wichtig  ge- 
halten, dafs  er  persönlich  eine  Expedition  dorthin  unternommen  und 
bei  seinem  Abzüge  den  tüchtigen  makedonischen  Offizier  Klevas  mit 
starker  Mannschaft  als  Besatzung  dort  zurückgelassen  hatte4). 

Jetzt  bot  sich  dem  Könige  Gelegenheit,  noch  beträchtlich  weiter 
nach  Süden  vorzudringen.  Eine  mächtige  Partei  in  Ätolien  war  bereit, 
ihm  die  gröfste  Stadt  des  Landes,  Stratos,  in  die  Hände  zu  spielen 
und  so  den  ganzen  Bund  auf  seine  Seite  zu  bringen.    Perseus  brach      s^e^* 


*)  Liv.  43,  21,  1—3.  —  Der  vorher  (43,  10)  von  Livius  erzählte  Angriff  des 
Appius  Claudius  auf  Uskana  ist  eine  Dittographie  dieses  Versuches  und  stammt 
aus  der  Annalistik.  Appius  Claudius  gehört  überhaupt  nicht  hierher,  sondern 
nach  Epiros.  Nissen  S.  60  und  unten  S.  265  A.  1  Ihnes  Zweifel  III  190  A.  1  ist 
unberechtigt.  —  Besatzungen  des  Perseus  im  Drintale  Liv.  43,  20, 4:  firmatis 
Uscanae  et  circa  eam  per  omnia  castella,  quae  receperat,  praesidiis. 

2)  Der  Konsul  Hostilius  sollte  auf  seiner  Reise  zur  Armee  in  Phanote  auf- 
gehoben werden.  Pol.  XXVII  16.  Diodor  30,  5  a.  Weitere  Erwähnungen  des  Ab- 
falles bei  Niese  III  134. 

3)  Polyb.  XXX  7,  2:  fxsT^QQiipav  ngog  UeQöto  to  toov  MoXoticov  eSvog.  Dafs 
auch  einzelne  Teile  anderer  epirotischer  Stämme  sich  anschlössen,  zeigt  Strabo 
VII  7,  3.  C.  322,  der  sagt,  dafs  die  meisten  der  von  Aemilius  Paulus  zur  Strafe 
für  den  Abfall  zerstörten  Städte  molossisch  gewesen  seien;  ferner  der  Abfall  der 
Stadt  Phanote  (Liv.  43,  21,  4),  welche  nicht  molossisch  war  (Liv.  45,  26,  4),  und 
wie  Niese  III  S.  134  mit  Recht  annimmt,  nicht  die  einzige  nichtmolossische  Stadt 
gewesen  ist,  die  abfiel. 

4)  Cleva,  qui  relictus  a  Perseo  erat,  heifst  es  bei  späterer  Gelegenheit 
(Liv.  43,  21,  5).  Dafs  sich  die  Zurücklassung  auf  diese  Expedition  bezieht,  hat 
mit  Recht  Weifsenborn  z.  St.  bemerkt.  —  Die  Belege  für  die  Expedition  des 
Perseus  bei  Niese  III  134. 


2G2 


Skizze  zum 


Der  Krieg  gegen  Perseus. 

arsch  des  Perseus  nach  Stratos. 


SchialistcL 


2.  Der  Feldzug  vom  Jahre  170.  263 

sofort  —  es  mochte  Ende  Februar  oder  Anfang  März  sein ')  —  vom 
mittleren  Karasu,  wo  er  seine  Truppen  gesammelt  hatte,  mit 
10000  Mann  und  300  Reitern  auf  und  erreichte  in  drei  starken  Mär- 
schen den  Pafs  von  Milia  (1536  Meter),  den  Kitiosberg  der  Alten. 
Von  da  stieg  er  ins  Tal  des  Flufses  von  Metzowo  hinunter  und  kam, 
nachdem  er  die  Kyra  überschritten  hatte,  auf  der  Strafse  von  Jannina 
nach  Arta  vorrückend,  zuletzt  mit  einem  Gewaltmarsche,  nach  weiteren 
3  Tagen  an  den  Flufs  von  Arta,  ^den  Aratthos  der  Alten,  oberhalb 
der  Stadt  Ambrakia2).  Hier  mufste  er  über  den  angeschwollenen 
Strom  eine  Brücke  schlagen,  was  bei  dem  Mangel  an  Vorbereitungen 


')  Liv.  43,21,5:  exercitu  lustrato.  Die  Lustration  des  makedonischen 
Heeres  erfolgte  im  Monat  Xanthikos  (Polyb.XXII  10, 17.  Hesych.  III  S.  70),  welcher 
damals  dem  attischen  Elaphebolion,  unserem  März/April,  entsprach  (Ideler  S.  396. 
398.  403),  aber  auch  schon  im  Februar  beginnen  konnte,  wie  z.  B.  im  Jahre 
229  v.  Chr.  am  26.  Februar  (nach  Ideler  S.  396  berechnet.)  Das  pafst  für  unser 
Jahr.  Denn  einerseits  hatten  die  zwei  oder  sogar  drei  Vorstöfse  des  Perseus  gegen 
Illyrien,  die  sub  tempus  brumae  (S.  256  A.  4)  begannen  (Liv.  43,  19,  1.  2.  20,  4; 
Polyb.  XXVIII  8,  11),  und  die  dazwischenliegende  Gesandtschaft  an  Gentios  (Liv. 
43,  20,  1;  Pol.  a.  a.  0.)  wohl  mindestens  1| — 2  Monate  gekostet,  anderseits  wurden 
noch  nach  dem  Ende  der  ätolischen  Expedition  die  Truppen  wieder  in  die  Winter- 
quartiere gelegt  (Liv.  43,  23,  6). 

2)  Die  Marschangaben  bei  Livius  43,  21,  5  bis  9.  Man  nimmt  gewöhnlich 
an  (Niese,  Weifsenborn),  Perseus  sei  über  den  Pafs  von  Metzowo  gegangen.  Aber 
das  ist  nicht  der  Weg  von  Makedonien,  sondern  der  von  Thessalien  nach  Epiros. 
Es  kann  hier  nur  der  Pafs  von  Milia  in  Betracht  kommen,  der  auf  der  geraden 
Linie  vom  mittleren  Karasutale  (Elimea)  nach  dem  mittleren  Epiros  liegt,  und  zu 
welchem  auch  heute  „ein  von  zahlreichen  Handelskarawanen  benutzter,  ziem- 
lich bequemer  Saum  weg"  führt  (Tuma  S.  140).  Die  Pafshöhe  ist  von  Schiatista 
am  Karasu  65|  Kilometer  entfernt,  ohne  die  kleinen  Wegkrümmungen  zu  rechnen, 
was  bei  dem  vielfachen  Auf  und  Ab  und  der  bedeutenden  Höhe  von  1536  Metern 
in  Wirklichkeit  etwa  75 — 80  Kilometern,  d.  h.  unter  den  gegebenen  Verhältnissen 
drei  starken  Tagemärschen  entspricht.  Gerade  soviel  brauchte  nun  Perseus 
bis  zum  Kitiosberge,  so  dafs  wir  die  Pafshöhe  von  Milia,  die  im  Februar/März 
natürlich  noch  tief  im  Schnee  steckte  (propter  altitudinem  nivis),  ohne  Zweifel 
mit  diesem  Berge  zu  identifizieren  haben.  Die  drei  nächsten  Märsche  führen 
dann  bergab  und  bis  zum  Aratthosflusse.  Der  einzige  Weg  geht  hier  im  Flufs- 
tale  von  Metzowo  entlang,  übersteigt  den  Rücken  der  Kyra  (s.  oben  S.  54)  und 
mündet  südlich  von  Jannina  in  die  grofse  Strafse  nach  Arta.  Diese  mufste  Perseus 
natürlich  verfolgen,  weil  sie  der  bequemste  und  zugleich  der  einzige  Weg  war, 
der  ihn  durch  das  befreundete  Gebiet  der  Molosser  führte,  die  eben  gerade  in 
dem  breiten  Tale  des  Vyros  von  Jannina  bis  Arta  safsen.  Ebenso  mufste  er 
Arta  (Ambrakia)  selber,  wo  eine  starke  römische  Besatzung  lag  (Liv.  43,  17,  16), 


264  ^er  Krieg  gegen  Perseus. 

mindestens  einen  Tag  in  Anspruch  genommen  haben  dürfte  ')•  Dann 
führten  ihn  wiederum  drei  Marschtage  bis  vor  die  Mauern  von  Stratos. 

Es  war  eine  kühne  Tat  und  eine  bedeutende  Marschleistung, 
die  hier  ausgeführt  waren.  Ein  Weg  von  gegen  260  Kilometern  war 
in  neun  Tagen  auf  schwierigen  Gebirgswegen  zurückgelegt  und  hatte 
den  König  in  den  Rücken  der  römischen  Armee  geführt,  von  deren 
Hauptquartier  er  nicht  voll  120  Kilometer  in  der  Luftlinie  entfernt 
war.  Aber  das  Resultat  entsprach  nicht  den  Anstrengungen.  Der 
römische  Kommandant  in  Ambrakia  hatte  vom  Anmärsche  Nachricht 
erhalten  und  Gelegenheit  gefunden,  1000  Mann  Römer  aus  Ambrakia 
in  die  Stadt  zu  werfen,  denen  sich  noch  etwa  700  Ätoler  ange- 
schlossen hatten  (Liv„  43,  22,  3.  4).  Auf  einen  Überfall,  nicht  auf 
eine  Belagerung  war  es  abgesehen  gewesen.  Der  König  zog  un- 
verrichteter  Dinge  ab.  Der  einzige  direkte  Erfolg  des  kühnen 
Streifzuges  war,  dafs  die  kleine  Berglandschaft  Aperantia  am  mittleren 
Aspropotamos  zu  ihm  überging  und  mit  einer  Besatzung  von  800  Mann 
gesichert  wurde  (Liv.  43  22,  11).  Ein  indirekter  lag  darin,  dafs  eine 
gleichzeitige  Unternehmung  der  Römer  gegen  Epiros  dadurch  ver- 
eitelt wurde. 

Der  römische  Legat  Appius  Claudius  war  nämlich  im  Herbste  170 
von  der  römischen  Hauptarmee  in  Thessalien  detachiert  worden,  um 


vermeiden  und  also  oberhalb  über  den  Flufs  gehen.  Nehmen  wir  an,  das  sei  in 
der  Gegend  von  Skupa,  etwa  25  Kilometer  oberhalb  der  Stadt,  geschehen,  so  hätten 
die  drei  Marschtage  vom  Kitiosberge  bis  zum  Aratthos  etwa  94  Kilometer  be- 
tragen, was  gleichfalls  gut  stimmt,  da  der  erste  Teil  derselben  noch  ins  Gebirge 
fällt  und  einen  Aufstieg  von  fast  500  m  über  die  945  Meter  hohe  Kyra  enthält, 
während  der  letzte  Teil  geradezu  als  Gewaltmarsch  (ingens  iter)  bezeichnet  wird. 
Auf  die  drei  letzten  Marschtage  bis  Stratos  würden  dann  noch  wieder  92  Kilo- 
meter kommen.  Dies  ist  die  natürlichste  Zerlegung  des  im  ganzen  rund  260  Kilo- 
meter langen  Weges,  dessen  Richtung  in  allen  Hauptsachen  feststeht.  Die  Lage 
des  Tempels  des  Jupiter  Nikaeos,  der  am  5.  Tage  erreicht  wurde,  läfst  sich  nicht 
mehr  bestimmen.  Die  Grenze  des  ätolischen  Gebietes,  bis  zu  welcher  man  am 
7.  Marschtage  gelangte,  ist  an  der  Nordostecke  des  Busens  von  Arta  zu  suchen, 
da  das  Amphilochische  Argos  damals  zu  Ätolien  gehörte;  denn  es  war  alter 
ätolischer  Besitz  (Liv.  32,  34,  4),  nach  vorübergehender  Eroberung  durch  Philipp 
von  Makedonien  von  den  Ätolern  zurückerobert  (Liv.  38,  3,  3)  und  ihnen  nach 
dem  Wortlaute  des  Friedens  im  Jahre  189  geblieben  (Liv.  38,  11,  9.  Pol.  XXI 
32a,  13.    Niese  II  768.   III  143). 

])  Die  Angabe    der  Dauer    des    Brückenbaues    ist   im  Wiener    codex    aus- 
gefallen :  retentus  altitudine  amnis  .  .  .  mansit  quo  spatio  temporis  ponte  perfecto  . . . 


2.  Der  Feldzug  vom  Jahre  170.  265 

gestützt  auf  das  treugebliebene  Küstenland  von  Illyricum,  den  Fort- 
schritten des  Klevas  in  Epiros  entgegenzutreten1).  Er  hatte  mit 
seinem  Korps,  verstärkt  durch  6000  Mann  epirotischen  Aufgebotes, 
gerade  damals  einen  Vorstofs  gemacht  und  war  mit  der  Belagerung 
von  Phanote,  ohne  Zweifel  dem  heutigen  Gardiki,  der  ersten  auf 
seinem  Wege  liegenden  feindlichen  Stadt2),  beschäftigt.  Die  Kunde 
vom  Anmarsch  des  Königs  verjagte  ihn,  und  auf  dem  Rückzuge 
brachte  ihm  Klevas  eine  empfindliche  Schlappe  bei3).  Das  Molosser- 
land blieb  in  den  Händen  der  Makedonien  — 

Wenn  wir  die  erwähnten  Winterunternehmungen  des  Königs 
unter  gemeinsamen  Gesichtspunkten  betrachten,  so  fallen  sie  noch  in 
den  Rahmen  des  kleinen  Krieges,  der  hier  allerdings  mit  bedeutenden 
Detachements  und  in  ungewöhnlich  grofsem  Stile  geführt  wird.  So- 
wohl die  Expeditionen  nach  Illyrien,  als  die  nach  Epiros  und  Ätolien 
hatten  in  erster  Linie  den  Zweck,  die  Verbindung  der  römischen 
Armee  mit  ihrer  Hauptbasis  Italien  zu  bedrohen.  Die  Piratenschiffe 
des  Gentios  konnten  den  Nachrichtendienst  und  die  Transportschiffe 
von  Brundisium  nach  Apollonia  ernstlich  gefährden4);    der  kürzeste 


J)  Die  Detachierung  des  Appius  mit  4000  Mann  aus  Thessalien  hat  Liv.  43, 
9,  6  f.  aus  den  Annalen,  weshalb  die  Zahl  seiner  Truppen  ohne  Verlafs  ist  ebenso  wie 
sein  Zug  nach  Lychnidos.  In  den  aus  Polybios  erflossenen  Nachrichten  tritt  Appius 
nur  in  Epiros  auf.  Die  Verwechselung  der  Annalen  stammt  daher,  dafs  er  seine 
Basis  im  Küstenlande  von  Illyrien  hatte,  wo  er  seine  Truppen  denn  auch  in 
Winterquartiere  legt  (Liv.  43,  23,  2—7),  und  von  wo  er  später  dem  Prätor  Auicius 
zuzieht  (Liv.  44,  30,  7.) 

2)  Phanote  nach  Leake  (I,  72)  gleich  Gardiki  etwa  14  Kilometer  nordwestlich 
von  Argyrokastro.  In  dieser  Gegend  mufs  es  jedenfalls  gelegen  haben.  Zu  den 
von  Leake  angeführten  Gründen  kommt  noch  hinzu,  dafs  auch  Anicius  auf  seinem 
Einmarsch  von  Illyrien  auf  Phanote  als  erste  feindliche  Stadt  stiefs  (Liv.  45,  26,  3). 
Da  Antigonea  (Tepeleni)  noch  zu  den  Römern  hielt  (Liv.  43,  23,  4)  und  Anicius 
von  Phanote  aus  unmittelbar  ins  Gebiet  der  Molosser  d.  h.  im  Drynostal  aufwärts 
zieht,  so  ist  damit  die  ungefähre  Lage  der  Stadt  gegeben. 

3)  Liv.  43,  23,  1—7.  Seine  Verluste  werden  auf  1200  Mann  angegeben 
Dann  zieht  sich  der  Krieg  nach  Antigonea,  wo  Klevas  mit  Hilfe  des  epirotischen 
Landsturmes  die  Gegner  in  einen  Hinterhalt  lockt  und  wieder  1100  Mann  er- 
schlägt und  fängt. 

4)  Deshalb  rät  der  makedonische  Unterhändler  auch  dem  Gentios  (Pol.  XXIX 
4, 1):  /Liahara  .  .  naoaöxevd&G&cci  nqbg  rrjv  xcaa  öcdairecv  /ua/t]V  twv  yccg  'P(üfxaio)V 
(ig  riXog  clnctQaaxeixov  ovtojv  nqbg  tovto  to  futqog  .  .  .  äxovirl  näv  ro  nqoTS&ev  int- 
rtito&raeo&cci,. 


2G6  ^er  Krieg  gegen  Perseus. 

Landweg  durch  Epiros  war  verschlossen.  Gelang  die  Insurgierung 
von  Ätolien,  so  war  auch  die  Verbindung  über  Ambrakia,  auf  welche 
die  Römer  ganz  besonders  Gewicht  legten1),  nicht  mehr  frei,  und  bei 
der  ausgesprochen  makedonischen  Gesinnung  grofser  Teile  von  Böotien 
war  gleichzeitig  der  Weg  über  Antikyra,  den  z.  B.  der  Konsul  Hostilius 
nach  Sperrung  von  Epiros  eingeschlagen  hatte2),  oder  über  andere 
Häfen  des  Korinthischen  Meerbusens  bedroht.  Kurz  die  römische 
Armee  war  in  allen  direkten  Verbindungen  mit  der  Heimat  gefährdet3). 
Und  wer  konnte  ermessen,  wie  weit  bei  solchen  Fortschritten  des 
Königs  die  übrigen  griechischen  Staaten,  welche  doch  eben  für  die 
Unterhaltung  des  Heeres  von  grofser  Bedeutung  waren,  ihre  makedoni- 
schen Sympathien  in  die  Tat  umsetzen  würden? 

So  erkennt  man,  wie  das  Defensivsystem,  welches  der  König 
in  diesem  Jahre  noch  strikter  angewandt  hat  wie  im  vorigen,  gerade 
durch  diese  Verbindung  mit  dem  kleinen  Kriege  der  Energie  keines- 
wegs ermangelt,  wie  in  seinen  Plänen  Sinn  und  Zusammenhang  ist, 
wie  die  Tendenz,  dem  römischen  Heere  die  unüberwindliche  Gebirgs- 
schranke  des  Olymp  entgegenzusetzen  und  es  zugleich  von  allen 
Seiten  zu  umspinnen  und  einzukreisen,  mehr  und  mehr  in  die  Wirk- 
lichkeit umgesetzt  wird.  Ein  Jahr  war  wiederum  gewonnen,  und  die 
Anstrengungen,  die  zur  Niederwerfung  des  Königs  nötig  waren,  hatten 
sich  vergröfsert,  statt  abzunehmen4). 

Trotzdem  war  die  Lage  der  Römer  doch  mehr  angetan,  ängst- 
liche Gemüter  mit  Besorgnis  zu  erfüllen  als  wirklich  eine  Katastrophe 
in  Aussicht  zu  stellen.  Der  Weg  um  den  Peloponnes  konnte  den 
römischen  Getreidetransporten  nicht  verschlossen  und  eine  Verpflegung 
von  Kleinasien  und  Pergamon  aus  nicht  unterbunden  werden,  da  die 


1)  Sowohl  im  zweiten  Maked.  Kriege  gegen  Philipp  wurde  die  römische  Armee 
in  Thessalien  von  hier  aus  verpflegt  (s.  oben  S.  56)  als  auch  im  dritten  der  Platz 
regelmäfsig  durch  Besatzungen  gedeckt  (S.  256  A.  1).  Der  Konsul  des  folgenden 
Jahres  ging  über  Ambrakia  zur  Armee,  Liv.  44,  1,  4. 

2)  Pol.  XXVII  16,  6. 

3)  So  sagt  denn  auch  Polybios  XXIX  7,  6  bei  einem  Überblick  über  die 
Gesamtlage,  dafs  die  Römer  neben  anderen  Gründen  auch  <JV«  ib  xovg  y.ara  t^v 
AhoolCctv  fxsTfcöoovg  vttccqxeiv  in  übler  Lage  gewesen  seien. 

4)  bellum  per  quadriennium  quatuor  ante  me  consules  ita  gesserunt,  ut 
semper  successori  traderent  gravius  sagt  Ämilius  Paulus  in  seiner  Triumphalrede, 
Liv.  45,  41,  5. 


3.  Der  Feldzug  vom  Jahre  169.  267 

in  Euböa  stationierte  römische  Flotte  unbedingt  die  See  beherrschte1). 
Bei  der  schwankenden  Haltung  Griechenlands  und  dem  je  länger  je 
mehr  wirksam  werdenden  Spiele  des  Königs  kam  vielmehr  römischer- 
seits  alles  darauf  an,  durch  einen  festen  Vorstofs  das  Gewebe,  welches 
die  Römer  umgab,  zu  zerreifsen  und  endlich  einmal  über  das  Gebirge 
ins  Innere  Makedoniens  vorzudringen. 

Der  neue  Konsul  schien  der  Mann  dazu  zu  sein,  diesen  Vorstofs 
ins  Werk  zu  setzen. 


3.    Der  Feldzug  vom  Jahre  169. 

Der  Olympübergang  und  dessen  Folgen. 

Der  Übergang  der  Römer  über  den  Olymp  bildet  das  Haupt- 
ereignis dieses  Kriegsjahres,  ein  Ereignis,  denkwürdig  an  sich  und 
für  uns  noch  deshalb  von  besonderem  Werte,  weil  Polybios,  auf  den 
die  uns  erhaltene  Erzählung  des  Livius  zurückgeht,  hier  nicht  nur 
als  Militärhistoriker,  sondern  als  Augenzeuge  gesprochen  hat.  Er 
machte  den  Zug  als  Gesandter  des  Achäischen  Bundes  beim  Konsul, 
also  in  zugleich  hervorragender  und  unbeschäftigter  Stellung  mit. 
(Pol.  XXVIII  13).  Seinen  Beobachtungen  verdanken  wir  den  nach 
Zeiten  und  Örtlichkeiten  für  die  antike  Kriegsgeschichte  ungewöhnlich 
exakten  und  zuverlässigen  Bericht,  der  uns  daher  gestattet,  das  Ver- 
fahren der  beiden  Heeresleitungen  mit  mehr  Sicherheit,  als  das  sonst 
der  Fall  zu  sein  pflegt,  einer  Kritik  von  militärischen  Gesichtspunkten 
aus  zu  unterwerfen. 

Kaum  war  im  Anfange  des  Sommers2)  der  neue  Konsul  Q.  Marcius 
Philippus  im  Hauptquartier  zu  Pharsalos  eingetroffen,    als  eine  leb-  Hierzu  Kart? 
hafte  Tätigkeit    begann.     Die   5000  Mann  Ersatztruppen,    welche  er      No- 7- 
mitgebracht   hatte,    wurden    eingestellt,    der  Prätor  Marcius  Figulus 
wurde  von  Chalkis  her  zu  Beratungen  über  eine  kombinierte  Aktion 


!)  s.  S.  252.  256. 

2)  principio  veris  reist  der  Konsul  von  Rom  ab,  Liv.  44,  1, 1.  Die  Rhodier 
schicken  aQxofx^vr\g  dsgetag  (Pol.  XXVIII  16,5)  Gesandte  an  den  Konsul,  welche 
ihn  schon  bei  Herakleon  in  Makedonien,  also  nach  dem  Olvmpübergange,  treffen 
(ib.  17,  1). 


268  .    Der  Krieg  gegea  Perseus. 

herbeibefohlen1),  und  schon  zehn  Tage  nach  der  Ankunft  des  Konsuls 
brach  die  Armee  in  nördlicher  Richtung  auf,  mit  Proviant  auf  einen 
Monat  versehen2).  Es  müssen  schon  vor  dem  Eintreffen  des  neuen 
Oberfeldherrn  weitgehende  Vorbereitungen  für  den  Abmarsch  getroffen 
gewesen  sein. 

In  vier  Marschtagen  wird  man  den  etwa  100  Kilometer  langen 
Weg  von  Pharsalos  durch  die  Enge  von  Damasi  bis  in  die  Hügel- 
landschaft nördlich  von  Elassona  zurückgelegt  haben,  wo  in  der 
Gegend  zwischen  den  Städtchen  Azoros  und  Doliche,  etwa  in  der 
Nähe  des  heutigen  Dörfchens  Malis,  für  vier  Tage  ein  Standlager  be- 
zogen wurde3).  Da  die  Meinungen  über  die  von  hier  aus  einzu- 
schlagende Marschrichtung  auseinandergingen  und  während  des  bis- 
herigen Anmarsches  eine  Einigung  im  Kriegsrate  nicht  erzielt  worden 
war,  so  hatte  der  Konsul  die  Entscheidung  bis  zur  Wegscheide  ver- 
schoben, um  sich  persönlich  an  Ort  und  Stelle  über  den  vorteil- 
haftesten Angriffspunkt  zu  unterrichten4). 

1)  Liv.  44,  2,  1  ff. :  praetor  .  .  a  Chalcide  .  .  venit.  placuit .  .  movere  extemplo 
castra  atque  pergere  inde  in  Macedoniam  et  praetorem  dare  operam,  ut  eodem 
tempore  classis  quoque  invehatur  hostium  litoribus. 

2)  ib.  2,4:  consul  menstruum  iusso  milite  secum  ferre  profectus  decumo 
post  die,  quam  exercitum  acceperat. 

3)  Zwischen  Azoros  und  Doliche  (Liv.  44,  2,  8  und  Pol.  XXVIII  13, 1).  — 
Diese  Städtchen  werden  nach  Funden  beträchtlicher  Reste  alter  Stadtmauern  mit 
grofser  Wahrscheinlichkeit  in  die  Nähe  der  Dörfer  Duklista  und  Vuvala  gesetzt. 
Leake  III  342,  344  setzt  Azoros  bei  Vuvala  an,  Doliche  bei  Duklista.  Heuzey 
S.  39.  41  umgekehrt,  was  hier  nicht  in  Betracht  kommt.  Die  Bestimmung,  dafs  das 
Lager  zwischen  den  beiden  Städten  gelegen  habe,  läfst  noch  einige  Freiheit.  Ich 
habe  es  so  weit  wie  möglich  nach  Süden  angenommen.    Erstens,  weil  es  ausdrück- 

ich  bei  Livius  heifst,  dafs  die  Römer  das  Lager  an  der  Wegscheide  zu  den  drei 
Pässen  (prope  divortium  itinerum,  s.  d.  folg.  A.)  aufgeschlagen  hätten,  und  die 
liegt  etwas  südlicher.  Zweitens,  weil  die  Entfernungsangaben  für  den  Marsch 
über  den  Olymp  dann  besser  passen  (s.  S.  271).  —  Über  die  Marschroute  durch 
den  Pafs  ;von  Damasi  s.  S.  237  A.  2  Ende.  Dafs  man  in  dem  Standlager  (stativa 
Liv.  44,  2,  8)  vier  Tage  blieb,  folgt  daraus,  dafs  man  nach  dem  Übergang  über 
den  Olymp  (nach  Liv.  44,  6,  6  zu  schliefsen,  s.  S.  286  A.  3)  noch  Getreide  für 
10  Tage  bei  sich  hatte,  also  hatte  man  bis  dahin  20  Tage  gebraucht;  denn  für 
30  war  ja  Getreide  mit  genommen  worden.  Der  Übergang  über  den  Olymp  aber 
hatte  mit  dem  Ankunftstage  12  Tage  gedauert  (s.  S.  276  A.  1),  der  Marsch  bis  ins 
Standlager  von  Malis  4,  macht  zusammen  16.  Es  bleiben  also  für  das  Standlager 
selbst  4  Tage  übrig. 

4)  Liv.  44,  2,  5 :  unius  diei  progressus  iter  (von  Pharsalos  aus)  convocatis 
itinerum  ducibus,   cum  exponere  in  consilio  iussisset,  qua  quisque  ducturus  esset* 


3.  Der  Feldzug  vom  Jahre  169.  269 

Die  grofse  Gebirgsmasse,  welche  Thessalien  von  Makedonien 
trennt,  zieht  sich  zwischen  dem  Salamvrias,  dem  alten  Peneos,  im 
Süden,  und  der  Wistritza,  dem  alten  Haliakmon,  im  Norden  in  einer 
Länge  von  75—80  und  in  einer  Breite  von  30 — 35  Kilometern  mit 
vielfachen  Verzweigungen  hin.  Sie  kann  sowohl  im  Norden  als  im 
Süden  umgangen  werden:  im  Süden  eben  in  dem  Engpasse  des 
Salamvrias,  dem  berühmten  Tempeta],  im  Norden  in  dem  Passe  von 
Servia,  dem  alten  Volustanapasse l),  welcher  vom  Standlager  der 
Römer  in  nordnordwestlicher  Richtung  lag,  und  in  das  Tal  der 
Wistritza  hinüberleitete. 

Die  Umgehung  im  Süden  war  für  die  Römer  unmöglich,  weil  das 
Tempetal  durch  vier  Kastelle  mit  starken  Besatzungen  gesperrt  war2). 
Auch  die  Umgehung  im  Norden  war  wenig  aussichtsreich.  Hier 
hatte  der  Konsul  Hostilius  im  Jahre  vorher  durchzubrechen  versucht 
und  war  blutig  zurückgewiesen  worden  (S.  255).  Der  Pafs  bildet  bei 
einer  Höhe  von  rund  900  Metern  über  dem  Meere  und  bei  der  zer- 
rissenen, von  Felsen  und  Schluchten  durchsetzten  Natur  des  Geländes 
eine  starke  Verteidigungsstellung3),  und  selbst,  wenn  man  ihn  er- 
zwungen hat,  hat  man  noch  nichts  erreicht.  Denn  man  kann  dem 
Tale  der  Wistritza  nicht  folgen,  um  nach  Niedermakedonien  zu  ge- 
langen, weil  der  Strom  vor  seinem  Austritt  in  die  Ebene  in  unpassier- 
barer Schlucht  das  Gebirge  durchbricht.  Man  mufs  vielmehr  auf  der 
anderen  Seite  des  Tales  wieder  fast  ebenso  hoch  hinaufklimmen,  um 
die  Hochebene  des  Beckens  von  Kailar  zu  erreichen,  welche  ihrer- 
seits wieder  durch  eine  dritte  Gebirgsschwelle,  das  Gebirge  von  Agosto 
oder  das  Bermische  Gebirge,    von   Niedermakedonien  getrennt  ist4). 

summotis  iis,  quam  viam  potissimum  peteret,  rettulit  ad  consilium.    Hier  Meinungs- 
verschiedenheiten;   deshalb    in   id    tempus,    quo   prope   divortium  itinerum  castra 
posituri  erant,  deliberatio  eius  rei  differtur. 
')  s.  über  ihn  oben  S.  29  A.  1. 

2)  Liv.  44,  6,  7  eingehende  Beschreibung  nach  Polybios. 

3)  Barth  S.  171  f.  Der  Sattel  selbst  hat  eine  ansehnliche  Breite,  aber  die 
tief  eingeschnittenen  Schluchten  schränken  den  zugänglichen  Teil  auf  ein  ganz 
schmales  Mafs  ein  .  .  .  So  ging  es  rüstig  weiter,  der  Verengung  des  Sattelpasses 
und  der  wilden  Engschlucht  entgegen  .  .  .  der  Pafs  ward  immer  wilder  und  waldiger 
zwischen  den  hohen  Kuppen  zur  Rechten  und  Linken  eingeklemmt,  während  der 
Bach  in  hoch  abgerissenen  Lehmufern  sich  dahin  windet  ...  Es  ist  eine  höchst 
interessante  Passage,  der  nichts  als  das  Sonnenlicht  zur  Belebung  der  wilden 
Natur  fehlt  usw. 

4)  s.  oben  S.  25  A.  3  die  Belege  für  diese  ganzen  Terrainverhältnisse. 


270  Der  Krieg  gegen  Perseus. 

So  konnte  hier  in  drei  hintereinander  liegenden,  äufserst  günstigen 
Verteidigungslinien  der  Einmarsch  aufgehalten  werden. 

Es  war  unter  diesen  Umständen  begreiflich,  dafs  die  Römer  von 
einer  Umgehung  überhaupt  absahen  und  sich  mit  dem  Gedanken  des 
Überganges  über  das  Gebirge  selber  vertraut  machten. 

In  der  Mitte  desselben  liegt  die  hohe,  alles  überragende  Gruppe 
des  eigentlichen,  des  sog.  Hohen  Olymp.  Diese  höchste  Partie  zu 
übersteigen  ist  natürlich  für  Heere  von  jeher  ausgeschlossen  gewesen. 
Aber  sie  hat  nur  eine  Länge  von  etwa  30  Kilometern  nordsüdlicher 
Erstreckung.  An  beiden  Enden  ist  sie  von  den  nördlich  und  südlich 
vorgelagerten  niedrigeren  Gebirgsmassen  durch  tiefe  Einsenkungen 
getrennt.  Im  Norden  zieht  sich  der  Pafsweg  von  Petra,  im  Altertum 
auch  von  Pythion  genannt,  mit  einer  Pafshöhe  von  nur  805  Metern, 
im  Süden  der  von  Karia  und  dem  Nezerosee,  im  Altertum  Askuris- 
see,  mit  einer  solchen  von  etwa  900  Metern  über  das  Gebirge  hin1). 

Der  Pafs  von  Petra  bildet  ein  etwa  13  Kilometer  langes  Defilee, 
welches  zwischen  zwei  ziemlich  steil  ansteigenden  Bergzügen  hinläuft 
und  am  Anfange  durch  das  Städtchen  Pythion,  am  Ende  durch  das 
den  Durchgang  vollständig  beherrschende  und  auf  steilem  Felsen 
schwer  angreifbar  liegende  Kastell  Petra  gedeckt  war2).  Dieser  Pafs 
war  insofern  für  den  Angreifer  günstiger,  als  man  bei  seiner  Be- 
nutzung zugleich  die  Verteidigungsstellung  am  Mavrolungo  bei  Dion 
umgangen  hätte,  eine  Stellung,  welche  die  Römer  später,  nach  der 
Überschreitung  des  Olymp,  noch  ein  volles  Jahr  aufgehalten  hat. 
Aber  mochte  man  daran  nicht  gedacht  haben,  mochte  die  Erzwingung 
des  Passes  von  Petra  zu  schwierig  erscheinen,    man  entschlofs  sich, 


')  Diese  beiden  Pässe  und  der  von  Servia  als  die  drei  möglichen  Marsch- 
routen sind  deutlich  gekennzeichnet  durch  die  Worte  des  Livius  (44,  2,  6):  aliis 
per  Pythoum  placebat  via,  aliis  per  Cambunios  montes  (Servia)  .  .  .  aliis  praeter 
Ascuridem  paludem.  Dafs  der  Weg  von  Pythoum  der  Pafs  von  Petra  ist,  haben 
schon  Leake  III  341  und  Heuzey  S.  28  richtig  gesehen.  Hauptstellen:  Liv.  44, 
32,  9.  35,  15.  Plut.  Aem.  15.  —  Die  Ascuris  palus  kann  nur  der  See  von  Nezero 
sein,  da  es,  wie  Heuzey  S.  67  zutreffend  bemerkt,  im  Olymp  keinen  anderen 
See  gibt. 

2)  Ausführliche  Beschreibung  des  ganzen  Pafsweges  bei  Heuzey,  Le  mont 
Olympe  S.  145  ff.  Es  war  aufser  dem  Tempetal  wohl  der  im  Altertum  begangenste 
Olymppafs.  Mit  Recht  bezieht  Leake  III  342  auf  diesen  Pafs  die  Nachrichten 
über  die  Olympübergänge  des  Xerxes,  Brasidas,  Agesilaos,  Kassander  und  Scipio 
Nasica. 


3.  Der  Feldzug  vom  Jahre  169.  271 

den  Weg   südlich    am    Olymp    vorbei,    über  Karia  und  von  da  am 
Nezerosee  entlang  zu  wählen1). 

Die  Vorhut    des  Heeres  —  4000  Mann    stark  —  erreichte   in 

in  k        l'  i'  ••  i»/ri  Hierzu  Karte 

mühevollem  Anstiege  nach  einem  zweitägigen  Marsche  von  nur  Nr.  8. 
22  Kilometern,  ohne  Zweifel  auf  dem  Wege,  welcher  durch  die 
heutigen  Dörfer  Sadowon,  Micon,  Poljana  bezeichnet  wird,  die  kleine 
Hochebene  von  Karia,  welche  sich  in  einer  Länge  von  etwa  9  Kilo- 
metern von  Osten  nach  Westen  am  Südfufse  des  Hohen  Olymp  hin- 
zieht. Hier  ist,  etwa  bei  der  jetzigen  Kapelle  des  heiligen  Elias, 
das  Kastell  Dieron  zu  suchen,  zu  welchem  die  Vorhut  am  Ende  des 
zweiten  Marschtages  gelangte2).  Am  dritten  Tage  erreichte  sie  nach 
einem  Marsche  von  stark  10  Kilometern  östlich  des  kleinen  Sees  von 
Nezero  einen  Hügel,  welcher  an  seinem  Abhänge  einen  günstigen 
Lagerplatz  bot  und  von  seiner  Spitze  eine  weite  Aussicht  nach  Osten 
auf  das  Meer  und  die  ganze  Küste  von  Phila  bis  Dion,  d.  h.  von  der 


*)  Das  geht  aus  der  Erwähnung  des  Vorbeimarsches  des  Heeres  an  der 
Ascuris  palus  (s.  S.  272  A.  1)  hervor.  Die  Frage,  warum  man  von  der  Ebene  von 
Karia  nicht,  wie  man  das  heute  tut,  direkt  östlich  ins  Zilianatal  hinabgegangen 
sei,  wird  von  Heuzey  a.  a.  0.  S.  66  ff.  dahin  beantwortet,  dafs  diese  Schlucht  für 
ein  Heer  zu  grofse  Schwierigkeiten  geboten  habe.  Wer  den  grofsartig  wilden 
Charakter,  wie  er  sich  am  Ostausgang  derselben  südlich  von  Leftokaria  darstellt, 
gesehen  hat,  wird  ihm  recht  geben,  dafs  man  hier  nur  in  äufserster  Not  absteigen 
konnte.  Ob  ein  Weg  damals  schon  existierte,  ist  billig  zu  bezweifeln  (s.  unten 
S.  282  A.  2). 

2)  Die  Marschroute  der  Römer  über  den  Olymp  ist  schon  von  Leake  III 418  ff. 
und  dann  ausführlicher  von  Heuzey  im  2.  Kapitel  seines  mehrgenannten  Werkes 
S.  51  ff.  im  allgemeinen  richtig  bestimmt  worden,  was  auch  Tozer  II  374  für  alle 
Hauptpunkte  anerkennt.  Ich  erwähne  daher  im  folgenden  diese  Gelehrten  nur,  wo 
ich  von  ihnen  abweiche.  Den  Nezeropafs  habe  ich  nicht  persönlich  gemacht.  — 
Vom  Lager  der  Römer  bei  Doliche-Azoros  bis  zum  Lager  auf  dem  Gebirgskamm 
(s.  S.  272)  waren  im  ganzen  22  Millien  (Liv.  44,  3,  3  f.)  =  32,56  Kilometer,  nämlich 
15  bis  zum  Kastell  Dieron  und  7  bis  zum  Gebirgskamm.  Heuzey  rechnet  nun  von 
Duklista  den  Weg  an  den  Westhängen  des  hohen  Olymp  entlang  nach  Sparmo, 
dann  über  Skamnia,  Karia,  Nezero.  Das  ergibt  schon  auf  der  österr.  Karte 
1:200  000,  also  ohne  alle  kleineren  Wegkrümmen,  die  bei  diesem  gebirgigen 
Terrain  sehr  bedeutend  sein  müssen,  39  Kilometer,  also  zu  viel.  Ich  nehme  des- 
halb das  römische  Lager  etwas  südlicher  an,  was  sich  auch  aus  anderen  Gründen 
empfiehlt  (s.  S.  268  A,  3),  und  lasse  das  Heer  die  Route  über  die  jetzigen  Dörfer 
Sadowon,  Micon,  Poljana  einschlagen,  wo  auch  der  Pafs  etwas  niedriger  ist.  Dann 
kommt  man  nach  15  Millien  auf  H.  Elias,  das  also  =  Dieron  wäre,  und  nach 
weiteren  7  Millien  auf  den  Gebirgskamm  beim  Pinakiaberg. 


272  Der  Krieg  gegen  Perseus. 

Peneosmündung  bis  30  Kilometer  nördlich  davon  gewährte1).  Die 
Kammhöhe  war  also  erreicht. 

Es  mufs  ein  beherrschender  Punkt  auf  dem  Gebirgskamm  gewesen 
sein,  und  es  kann  keinem  Zweifel  unterliegen,  dafs  mit  diesem  Hügel 
nur  die  höchste  Erhebung  des  östlichen  Beckenrandes  des  Nezerosees, 
d.  h.  die  jetzt  Pinakia2)  genannte  Kuppe  gemeint  sein  kann.  Denn 
wenn  sich  auch  weiter  östlich  auf  dem  Abhänge  des  Gebirges  wirk- 
ich  noch  andere  Punkte  mit  ähnlichen  Aussichten  finden  sollten3), 
so  ist  an  sie  doch  nicht  zu  denken. 

Der  einzige  bequeme  Weg  nämlich,  welcher  vom  Nezerosee  zur 
Meeresküste  hinabführt,  geht  durch  die  breite  Senke  südlich  vom 
Pinakiaberge  nach  den  Dörfern  Rapsani  und  Krania  hinab4).  Diesen 
Weg  aber  mufste  Hippias,  der  makedonische  Oberbefehlshaber, 
welcher  hier  zur  Verteidigung  des  Passes  mit  12  000  Mann  auf- 
gestellt war 5),  unbedingt  decken,  und  zwar  vor  der  Stelle,  wo   die 


x)  Liv.  a.  a.  0.  4 f.:  postero  die  Septem  milia  (=  10,36  Kilometer)  progressi 
tumulo  .  .  .  capto,  nuntium  ad  consulem  remittunt  .  .  .  consuli  .  .  .  nuntius  ad 
Ascuridem  paludem  occurrit.  Also  lag  der  Hügel  schon  jenseits  des  Nezero- 
sees. Über  die  Aussicht  §  7:  omnis  regio  ad  Dium  et  Philam  oraque  maris  late 
patente  ex  tarn  alto  jugo  prospectu  oculis  obicitur.  Dion  liegt  bei  dem  heutigen 
Malathria  (Leake  III  409.  Heuzey  1151),  Phila  am  Peneos  (Steph.  Byz.:  Inl  tov 
ITrjveiov)  und  5  Millien  (7,4  Kilometer)  südlich  von  Herakleon-Platamona  (Liv. 
44,  8,  8),  ferner  nahe  an  der  Küste,  da  es  bei  Livius  44,  2,  12  heifst:  litore  nunc 
Heracleum  nunc  Philam  percurrebat.  Man  hat  es  daher  unmittelbar  nördlich  von 
der  alten  Peneosmündung,  in  der  Gegend  von  Kastri,  anzusetzen.  Die  Verlegung 
Heuzeys  S.  84  in  die  Nähe  von  Pyrgetos  ist  zu  weit  landeinwärts. 

2j  Bei  Heuzey  S.  70  heifst  sie  Metamorphosis  oder  Kate-ti-Vrysi,  bei  Tozer 
II  40  Durjana  oder  Livadaki.     Es  ist  überall  dieselbe  Höhe  gemeint. 

3)  Heuzey  S.  71  bestreitet  das  geradezu:  il  y  a  d'autres  hauteurs  voisines 
d'oü  la  vue  s'etend  aussi  loin;  mais  aucune  ne  domine  d'assez  pres  sur  le  rivage 
pour  laisser  en  meine  temps  apercevoir  la  cöte  de  Pi^rie. 

4)  Tozer  II 41:  on  the  southern  side  of  Livadaki  (am  Südabhange  des 
Pinakiaberges),  and  east  of  the  lake,  there  is  an  opening  of  some  width,  through 
which  a  track  leads  to  the  village  of  Rapsani. 

5)  Liv.  44,  2,  11 :  ad  castellum,  quod  super  Ascuridem  paludem  erat  — 
Lapathus  vocatur  locus  —  Hippias  tenere  saltum  cum  duodecim  milium  Mace- 
donum  praesidio  iussus.  —  Das  Kastell  Lapathus  wird  von  Leake  III  350  und 
Heuzey  S.  74  wohl  mit  Recht  in  der  Nähe  von  Rapsani  gesucht,  denn  es  diente 
dazu,  das  Tal  Tempe  mit  zu  decken,  und  in  der  Tat  geht  ein  Weg  vom  West- 
ausgang Tempes  mit  der  geringen  Steigung  von  4—500  Metern  am  Nordhange  des 
Tales  hinauf  und  umgeht  die  Talenge  in  dieser  Richtung  über  H.  Elias,  Rapsani, 


3.  Der  Feldzug  vom  Jahre  169.  273 

Pfade,  welche  an  dem  nördlichen  und  südlichen  Abhänge  des  hohen 
Sopoton-  und  Alipurückens  hinlaufen,  auseinandergehen.  Er  mufste 
also  unmittelbar  auf  dem  Bergrücken  Stellung  nehmen,  der  das 
Becken  des  Nezerosees  östlich  abschliefst.  Denn  bis  zu  der  nur 
ll  Stunde  entfernten  Wegscheide  zieht  sich  ein  steiler  Talabschlufs 
hin,  der  sich  für  eine  Verteidigungsstellung  nicht  eignet1).  Von 
diesem  Lager  der  Makedonier  war  nun  das  römische  nur  1|  Kilo- 
meter entfernt2).  Ein  Blick  auf  die  Karte  zeigt,  wo  wir  uns  also 
die  beiden  Lager  zu  denken  haben.  Das  römische  auf  dem  Süd- 
abhange  des  Pinakiaberges,  da  wo  die  kleine  Fläche  Livadhaki  Raum 
dafür  gibt  und  zugleich  2  kleine  Meeraugen  für  das  auf  dieser  Höhe 
sonst  kaum  erhältliche  Wasser  sorgten;  das  makedonische  unmittel- 
bar südlich  von  dem  Punkte,  wo  der  Weg  nach  Rapsani  die  Pafshöhe 
desselben  Rückens  übersteigt,  auf  einer  dort  sich  erhebenden  Kuppe, 
die  den  Pafsweg  völlig  beherrscht3). 

So  war  also   durch    eine  Flankenstellung    der  Makedonier    der 
römische  Marsch  gehindert,  der  schmale  Rücken  des  Beckenrandes  ist 


Pirgetos.  Zur  Deckung  dieses  Weges  mufste  bei  Rapsani  ein  Kastell  liegen.  Aber 
das  hat  mit  der  Verteidigungsstellung,  die  ein  Korps  von  12000  Mann  einzu- 
nehmen hat,  um  den  ganzen  „saltus"  am  Nezerosee  zu  decken,  nichts  zu  tun.  Ein 
solches  Korps  hatte  selbstverständlich  in  dem  Kastell  nicht  Platz,  der  saltus  ist 
nur  nach  dem  Kastell  bezeichnet,  weil  kein  andrer  Ort  in  der  Nähe  lag.  Dafs 
man  sich  die  Verteidigungsstellung  der  Makedonier  nicht  hier,  wie  Leake  III  418 
und  Tozer  II  376  annehmen,  sondern  oben  am  See  zu  denken  hat,  geht  aufser 
den  im  Texte  ausgeführten  Gründen  auch  noch  daraus  klar  hervor,  dafs  die  Römer 
bei  ihrer  späteren  Umgehungsbewegung,  um  von  hier  aus  auf  den  Abstieg,  den 
sie  wählten  (s.  S.  282),  zu  kommen,  erst  wieder  mindestens  8  Kilometer  hätten 
steigen  müssen,  also  an  diesem  Tage  gar  nicht  zu  dem  von  Polybios  so  anschaulich 
geschilderten  gefährlichen  Abstiege  gelangt  wären,  s.  Liv.  44,  5,  3  -  8. 

*)  Heuzey  S.  71:  Je  sortis  du  cercle  des  collines  qui  forment  le  bassin  de 
Nezero,  par  le  sud-est,  en  prenant  le  chemin  qui  mene  ä  Rapsani.  Au  ssitot 
commence  la  descente;  car  on  est  arrive  ä  l'extremite  des  plateaux  du  bas 
Olympe.     Man  vergleiche  dazu  die  Karte. 

2)  Liv.  44,  3,  7:  hostium  .  .  castra,  quae  paulo  plus  mille  passuum  (1,48  Kilo- 
meter) aberant. 

3)  So  auch  Heuzey  S.  70  für  das  Lager  der  Römer;  das  der  Makedonier 
sucht  er  S.  74  „sans  doute  sur  quelque  autre  sommet,  comme  le  mont  Sipoto, 
vers  la  petite  plaine  de  Tschair".  Nach  den  jetzt  zu  Gebote  stehenden  genaueren 
Aufnahmen  der  türkischen  Generalstabskarte,  ist  diese  Annahme  nicht  mehr  mög- 
lich.    Es  kann  sich  nur  um  den  im  Texte  bezeichneten  Punkt  handeln. 

Kromayer,  Antike  Schlachtfelder.     II.  18 


274  r)er  Krieg  gegen  Persetis. 

das  Schlachtfeld    der    folgenden  Tage    gewesen,    auf   dem    nur    drei 
Manipeln  nebeneinander  zum  Aufmarschieren  Platz  hatten1). 

Nach  einem  Ruhetage,  den  der  Konsul  seinen  von  dem  drei- 
tägigen Gebirgsmarsche  erschöpften  Truppen  trotz  ihrer  Gefechts- 
freudigkeit aufdrängte,  kam  es  hier  zu  einem  zweitägigen  Kampfe2), 
bei  dem  freilich  die  römische  Übermacht  nicht  zur  Geltung  kommen 
konnte,  da  aufser  der  kleinen  Zahl  schwerer  Truppen  auf  der  Höhe 
nur  noch  eine  geringe  Zahl  von  Leichten  auf  den  Abhängen  mitein- 
ander zu  fechten  vermochte3).  Auch  an  eine  Umfassung,  um  den 
Gegner  in  Flanke  oder  Rücken  zu  packen,  war  bei  der  Steilheit  der 
Abhänge  nicht  zu  denken,  und  der  Konsul  mufste  sich  nach  ver- 
geblichen Anstrengungen  überzeugen,  dafs  hier  nicht  durchzukommen 
war.  Er  beschlofs  daher  eine  Umgehung  auszuführen,  indem  er, 
ohne  sich  weiter  um  die  Stellung  der  Makedonier  zu  kümmern, 
einen  ganz  anderen  Weg  nach  der  Küste  zu  einschlug4).  Leicht 
und  gefahrlos  war  das  freilich  auch  nicht.  Denn  das  Heer  mufste 
zu  dem  Zwecke  ein  gutes  Stück  nordwärts  zurückgehen  und  dann 
ohne  Weg  und  Steg  mitten  durch  den  dicksten  Urwald  und  über  die 
steilen  Hänge  des  Gebirges  in  nordwestlicher  Richtung  zur  Küste 
hinabzukommen  versuchen 5).  Die  gewaltigen  Beschwerden  dieses  fast 
unglaublichen,  in  unmittelbarer  Nähe  des  Feindes  gemachten  Marsches 
hat  uns  Polybios    mit    besonderer    Anschaulichkeit  geschildert  (Liv. 

!)  Liv.  44,  4,  4:  iugum  montis  in  angustum  dorsum  cuneatum  vix  ternis 
ordinibus  armatorum  in  fronte  patuit.  Das  iugum  montis  in  angustum  dorsum 
cuneatum  ist  eine  sehr  präzise,  anschauliche  Beschreibung  für  den  schmalen  Sattel, 
welcher  vom  römischen  zum  makedonischen  Lager  hinüberfuhrte.  Dafs  bei  Livius 
nicht,  wie  Weifsenborn  meint,  von  3  Mann  in  der  Front  die  Rede  ist,  sondern 
von  3  Manipeln,  bedarf  keiner  weiteren  Ausführung. 

2)  Liv.  44,  3,  9:  dies  unus  l'essis  labore  viae  ad  quietem  datus  est.  tertio 
die  (den  Tag  der  Ankunft  mitgerechnet)  .  .  .  maioribus  copiis  concursum. 

3)  Ausführliche  Schilderung  der  Kämpfe  bei  Liv.  44,  3,  8 — 10.    4,  1 — 6. 

4)  Liv.  44,4,7:  tertio  die  egere  consilio  Romanus  imperator;  nam  neque 
manere  in  iugo  inopi  neque  regredi  sine  flagitio  atque  etiam  periculo  .  .  poterat. 
nee  aliud  restabat  quam  audacter  commissum  pertinaci  audacia  .  . .  corrigere.  Ich 
halte  mich  hier  nicht  an  die  Clausewitzsche  Terminologie,  sondern  an  die  heutige, 
nach  welcher  solche  Bewegungen,  soweit  sie  taktischer  Art  sind  als  „Umfassung", 
soweit  sie  strategisch  sind,  als  „Umgehung"  bezeichnet  werden.  Clausewitz  würde 
in  unserem  Falle  die  Umfassung  „Umgehung"  und  die  Umgehung  „Vorbeigehen 
an  der  Stellung"  genannt  haben.  Clausewitz  VI  12  und  die  A.  von  v.  Scherff 
dazu  in  dessen  Ausgabe  S.  363. 

5)  Liv.  44,  4,  11:  per  in  via  transgressurus   praeraissis  qui  purgarent   iter. 


3.  Der  Feldzug  vom  Jahre  169.  275 

44,  5,  1  —  13).  Nicht  weniger  als  vier  Tage  brauchte  die  Armee  zu 
der  kleinen  Strecke,  die  nicht  mehr  als  etwa  9  Kilometer  Luftlinie 
und  12 — 1300  Meter  Fall  enthält.  Das  Heer  befand  sich  bei  diesem 
halsbrechenden  Unternehmen,  bei  dem  natürlich  Pferde  und  Elefanten 
die  gröfsten  Schwierigkeiten  machten,  so  dafs  über  die  unwegsamsten 
Stellen  Brücken  für  sie  gebaut  werden  mufsten,  in  einem  solchen 
Zustande  der  Auflösung  und  Hilflosigkeit,  dafs  wenn  hier  nur  eine 
kleine  Schar  Feinde  zur  Stelle  gewesen  wäre,  nach  dem  Ausspruche 
des  römischen  Feldherrn  selber,  eine  Katastrophe  unvermeidlich  ge- 
wesen wäre  *).  Aber  man  kam  wunderbarerweise  gänzlich  unbehelligt 
und  glücklich  endlich  zwischen  Herakleon  und  Libethron,  d.h.  zwischen 
Platamona  und  dem  Zilianatal  unten  aus  dem  Walde  heraus2).     Die 


2)  Liv.  a.  a.  0.  §  8:  minimum  pedibus  itineris  confectum;  plerumque  provol- 
ventes  se  simul  cum  armis  aliisque  oneribus  cum  omni  genere  vexationis  pro- 
cesserunt,  adeo  ut  ne  dux  quidem  et  auctor  itineris  infitiaretur  parva  manu  deleri 
omnem  exercitum  potuisse  —  eine  Äufserung,  die  Polybios  aus  dem  eigenen  Munde 
des  Konsuls  gehört  haben  wird. 

2)  Liv.  44,  5,  12:  degressi  in  campos  inter  Heracleum  et  Libethrum  posuerunt 
castra.  Heracleon  =  Platamona  steht  aus  Livius1  Schilderung  fest.  Nach  44,  8,  8 
liegt  es  media  regione  inter  Dium  Tempeque  in  rupe  amni  imminente  positum  und 
zugleich  unmittelbar  am  Meere,  ib.  44,  9,  3:  terra  marique  —  et  classis  adpulsa  ab 
litore  stabat  —  .  .  oppuguari  coepti.  Denn  einen  Felsen  am  Meere  gibt  es  an  der 
Küste  zwischen  Dion  und  Tempe  überhaupt  keinen,  aufser  dem  von  Platamona.  Er  ist 
grofs  genug  für  eine  Stadt  —  es  liegt  heute  eine  kleine  türkische  Festung  darauf  — , 
und  der  kräftige  Bergbach,  von  schönen  Platanen  begleitet,  fliefst  auch  heute  noch 
unmittelbar  an  seinem  Südfufse.  Ich  kann  daher  trotz  des  zuverlässigen  Ussing 
Widerspruch  S.  20  A.  1.,  der  hier  Phila  sucht,  nur  der  übereinstimmenden  An- 
sicht von  Leake  III  404,  421;  Heuzey  S.  88 f.;  Bursian,  Rh.  Mus.  N.  F.  16  (1861) 
S.  421;  Tozer  II  31  beistimmen,  welche  hier  Herakleon  ansetzen.  Die  militärische 
Schwierigkeit,  welche  Ussing  anführt,  dafs  Platamona  den  Weg  sperre  und  die 
Römer  nicht  daran  hätten  vorbeiziehen  können,  ist  nicht  vorhanden.  Zwischen 
Platamona  und  dem  Meer  kann  man  allerdings  nicht  durch,  —  da  fallen  die  Felsen 
10  Meter  und  mehr  fast  senkrecht  zur  See  ab  —  aber  zwischen  Platamona  und 
dem  eigentlichen  Gebirge  führen  zwei  Einsattelungen  nebeneinander  über  die 
Vorberge,  der  östliche  ganz  niedrig  dicht  bei  der  Stadt,  der  westliche  durch 
einen  hohen  Hügel  von  ihr  getrennt.  Für  Transporte  und  kleine  Abteilungen 
konnte  unter  diesen  Umständen  der  Durchgang  wohl  durch  die  Besatzung  gesperrt 
werden,  für  eine  ganze  Armee  nicht.  —  Libethron  wird  von  Heuzey  S.  94  f.  für 
das  Tal  der  Ziliana  mit  seinen  Nebentälern  gehalten.  Ich  glaube  mit  Recht. 
Aber  selbst  wenn  Leake,  der  III  523  Libethron  etwas  nördlicher  ansetzt,  recht 
haben  sollte,  so  verschlägt  das  für  uns  nichts.  Denn  nördlich  über  die  tiefe 
Zilianaschlucht  kann  das  römische  Heer  keinenfalls  hinübergegangen  sein. 

18* 


270 


Der  Krieg  gegen  Perseus. 


allgemeine  Richtung  des  Abstieges  steht  durch  diese  Angabe  voll- 
kommen fest;  die  genauere  topographische  Bestimmung  kann  erst 
nachher  (S.  281)  gegeben  werden. 

Seit  dem  Abmärsche  von  Pharsalos  waren  19  Tage  verflossen, 
der  Übergang  über  das  Gebirge  selber  hatte  11  Tage  beansprucht1). 


Eine  ganze  Reihe  von  Fragen  drängt  sich  dem  Leser  bei  der 
Erzählung  dieser  eigentümlichen  Vorgänge  auf. 

Warum  nutzte  der  makedonische  Offizier  am  Nezeropafs  die 
hilflose  Lage  der  römischen  Armee  nicht  aus?  Warum  war  König 
Perseus  nicht  zur  Stelle?  Warum  sandte  er  nicht  wenigstens  Ver- 
stärkungen auf  die  Höhe,  da  sich  doch  die  Heere  oben  drei  Tage 
lang  gegenüberstanden  und  der  Anmarsch  der  Römer  schon  drei 
Tage  vorher  erkannt  sein  konnte2)?  Hatte  er  vielleicht  gar  nicht 
die  Absicht,  sich  im  Gebirge  ernstlich  zu  verteidigen,  sondern  wollte 
er,  wie  die  Theorie  verlangt3),  sich  erst  hinter  dem  Gebirge  dem 
Gegner  zur  Schlacht  stellen? 

Die  Mafsregeln,  die  der  König  für  die  Verteidigung  im  ganzen 
getroffen  hatte,  müssen  uns  hier  Aufklärung  geben. 

Auf  die  erste  Kunde  vom  Anmärsche  der  Römer  hatte  er  alle 
Pässe  des  Gebirges  besetzen  lassen4).    Der  Pafs  von  Volustana  (Servia) 


])  Es   wird    der    Übersichtlichkeit   dienen,   wenn    das    ganze  Itinerar   hier 
zusammengestellt  wird: 

Marschziel  bezw.  Tätigkeit. 


Reihenfolge 
der  Tage. 


1-4 

5—8 

9  u.  10 

11 
12-14 
15 
16 
17 
18  u.  19 


Marschleistung  in 
Kilometern  rund 


100 


22 
10 


11 


? 


271 


Standlager  bei  Malis. 

Im  Lager  von  Malis. 

Kastell  Dieron. 

Pinakiaberg. 

1  Ruhetag,  2  Tage  Kämpfe. 

Kriegsrat. 

Zilianatal  bei  Kanalia. 

Ruhetag. 

Kalivia  Skotina. 

2)  Ein  Posten  auf  der  Höhe  Gulema  (1022  Meter)  nördlich,  oder  auf  dem 
aus  dem  Tieflande  um  Elassona  überall  sichtbaren  Kukuli  (1141  M.)  südlich  vom 
oberen  Laufe  des  Flufses  von  Elassona  konnte  den  ganzen  Anmarsch  der  Römer 
beobachten. 

3)  Clausewitz  VI  16,  3,  Schlichting  II  S.  44  und  sonst. 

4j  Liv.  44,  2,  9ff:  Perseus  cum  appropinquare  hostem  sciret,  quod  iter  peti- 
turus  esset,  ignarus,  omnis  saltus  insidere  praesidiis  statuit. 


Belegstelle. 
1  S.  268. 


S.  274. 

S.  275. 
S.  283. 


3.  Der  Feldzug  vom  Jahre  169.  277 

erhielt  10000  Mann  leichte  Mannschaften,  der  von  Karia  (Nezero) 
12000  Mann  makedonische  Truppen1).  Der  Tempepafs  war  überhaupt 
dauernd  besetzt  und  wird  deshalb  nicht  ausdrücklich  erwcähnt;  eben- 
sowenig der  von  Petra,  welcher  offenbar  auch  eine  dauernde  Besatzung 
hatte2),  Die  übrigen  Truppen  hielt  der  König  in  zentraler  Stellung 
hinter  dem  Gebirge  in  dem  Lager  bei  Dion  zusammen3). 

Wenn  wir  die  Besatzung  von  Petra  so  stark  veranschlagen,  wie 
sie  im  Jahre  darauf  war  —  nämlich  mit  5000  Mann4)  —  und  für 
Tempe  ebenfalls  noch  ein  paar  Tausend  in  Abrechnung  bringen,  so 
hatte  der  König  im  ganzen  gegen  30000  Mann  im  Gebirge  stecken 
und  konnte  aufser  der  Keiterei  nur  noch  rund  9  —  10000  unter  der 
Hand  in  Dion  vereinigen.  Denn  seine  Armee  betrug  auch  damals 
im  ganzen  etwa  39000  Mann  zu  Fufs  (s.  Beilage  L). 

Von  seiner  zentralen  Stellung  aus  konnte  er  mit  diesen  Truppen 
in  4—5  Stunden  in  Petra5),  in  einem  bis  einundeinhalb  Tagen  be- 
quem am  Nezerosee  und  in  zwei  Tagen  am  Passe  von  Volustana 
sein6).  Rechnet  man  dazu  die  Zeit,  welche  die  Meldungen  nach 
Dion  hin  beanspruchten,  so  brauchten  von  dem  Augenblicke  an,  wo 


2)  ib.  §  10:  in  iugum  Cambuniorum  montium  —  Volustana  ipsi  vocant  — 
decem  milia  levis  armaturae  iuvenum  cum  duce  Asclepiodoto  mittit.  Über  den 
Nezeropafs  s.  S.  272. 

2)  Dafs  er  unbesetzt  geblieben  sei,  wie  Weifsenborn  vermutet,  ist  ganz  un- 
möglich.    Er  ist  stets  der  begangenste  Olymppafs  gewesen.     Vergl.  S.  270  A.  2. 

3)  Liv.  44,  2,  12:  ipse  (rex)  cum  reliquis  copiis  .  .  circa  Dium  stativa 
habuit. 

*)  Liv.  44,  32,  9. 

5)  Heuzey  brauchte  von  Konduriotissa  über  Vrondi  (Vrondussa),  was  etwa 
ebensoweit  ist  wie  von  Malathria  (Dion),  bis  zum  Kloster  Petra  3  Stunden  (S.  145). 
Es  sind  von  Dion  etwa  17  Kilometer. 

6)  Von  Dion  bis  an  den  See  über  Platamona,  Egani,  Pirgeto  und  Rapsani 
sind  etwa  55  Kilometer;  nur  das  letzte  Stück  von  Rapsani  bis  zur  Höhe  ist  steiler 
Anstieg.  —  Von  Dion  über  Katerini,  Dranista,  Wosowa,  Welwendos,  Servia  nach 
der  Pafshöhe  von  Volustana  sind  etwa  85  Kilometer  mit  einer  Pafshöhe  von  nur 
920  Meter,  um  den  Hauptstock  der  Mamburionkette  herum.  Nähere,  aber  be- 
schwerlichere Wege  führen  direkt  über  das  Gebirge.  Man  wird  annehmen  dürfen, 
dafs  diese  Wege  bei  ihrer  Wichtigkeit  für  die  Verteidigung  und  bei  dem  seit 
zwei  Jahren  drohenden  Angriffe  der  Römer  in  leidlichen  Stand  gesetzt  waren. 
Den  Mafsstab,  wie  auf  der  anderen  Seite  des  Gebirges,  wo  die  Römer  drei  Tage 
für  33  Kilometer  brauchten,  kann  man  zudem  auch  deshalb  nicht  anwenden,  weil 
die  Römer  mit  Kavallerie,  Elefanten  und  dem  ganzen  Trofs  für  eine  grofse  Operation 
in  Feindesland  marschieren  mufsten. 


278  Der  Krieg  gegen  Perseus. 

der  Anmarsch  der  Römer  auf  einen  der  Punkte  mit  Sicherheit  er- 
kannt war,  bis  zum  Eintreffen  der  Verstärkungen  aus  Dion  beim 
Tasse  von  Petra  höchstens  etwa  8  Stunden,  bei  dem  von  Nezero 
höchstens  11 — 2  Tage,  und  beim  Passe  von  Volustana  höchstens 
31  Tage  verflossen  zu  sein.  In  5  Tagen  konnte  sogar  die  ganze 
Armee  mit  Bequemlichkeit  auf  jedem  bedrohten  Punkte  vereinigt 
werden. 

Diese  Fristen  genügten  aber  vollkommen  für  die  Verteidigung 
der  Pässe  durch  die  nicht  unbeträchtlichen  darin  aufgestellten  Korps. 

Sobald  die  Römer  von  ihrem  Standlager  bei  Malis  aufbrachen, 
war  ihre  Marschrichtung  nicht  mehr  zu  verbergen.  Von  den  Vor- 
höhen des  Olymp  ist  das  Hügelland  nördlich  von  Elassona  überall  ein- 
zusehen. Man  konnte  daher  schon  mindestens  einen  halben  Tag,  ehe 
die  Gegner  mit  den  Besatzungen  der  Pässe  in  Fühlung  kamen, 
Sicherheit  über  die  Richtung  des  Angriffes  gewinnen.  Auf  dem  von 
den  Römern  eingeschlagenen  Wege  dauerte  es,  wie  wir  gesehen 
haben,  sogar  drei  Tage,  ehe  die  Fühlung  hergestellt  war,  und  vier, 
bis  es  zum  ersten  Gefecht  kam.  Beim  Passe  von  Pythion — Petra 
aber  lag  hinter  der  ersten  Verteidigungsstellung  bei  Pythion  die  zweite 
bei  Petra  selbst,  während  bei  dem  entferntesten  Passe  von  Volustana, 
wie  früher  auseinandergesetzt,  sogar  drei  Verteidigungslinien  hinter- 
einander vorhanden  waren. 

Aus  den  angeführten  Dispositionen  des  Königs  in  Verbindung 
mit  der  Betrachtung  der  strategischen  Natur  des  Gebirges  geht 
zweierlei  mit  Sicherheit  hervor.  Erstens,  dafs  der  König  seinen 
Kriegsplan  nicht  auf  eine  Verteidigung  hinter,  sondern  in  dem  Ge- 
birge eingerichtet  hatte,  und  zweitens,  dafs  in  diesem  Falle  die  Ver- 
teidigung im  Gebirge  nicht  einen  so  unvorteilhaften  Charakter  trug, 
wie  er  ihr  sonst  gewöhnlich  anzuhaften  pflegt.  Denn  hier  bestand 
nicht  die  Gefahr,  dafs  eine  mehr  oder  minder  dünne  Postenkette  an 
einem  Punkte  durchstofsen  und  damit  die  ganze  Linie  zu  einem  mehr 
oder  minder  gefährdeten  Rückzuge  genötigt  wurde,  sondern  hier  war 
im  Gegenteile  die  Möglichkeit  gegeben,  an  jedem  angegriffenen  Punkte 
dem  Gegner  mit  voller  Kraft  entgegenzutreten,  dazu  den  gewaltigen 
Vorteil  einer  starken  Verteidigungsstellung  mit  in  die  Wagschale  zu 
werfen  und,  wenn  der  Feind  nach  abgeschlagenem  Angriff  den  Rück- 
zug antrat,  ihn  unter  fortwährendem  Beistande  des  überhöhenden 
Geländes  von  Position  zu  Position   die  Höhen  hinabzuscheuchen  und 


3.  Der  Feldzug  vom  Jahre  169.  279 

einer  Katastrophe  entgegenzuführen1).  Warum  ist  nun  von  alledem 
nichts  geschehen? 

Ist  es  wirklich  so,  wie  Polybios  es  aufgefafst  hat,  dafs  der 
Geist  des  Königs  von  einer  unbegreiflichen  Ratlosigkeit  und  Un- 
schlüssigkeit ergriffen  gewesen  sei,  dafs  er  anstatt  die  verständigen, 
durch  die  Situation  klar  vorgezeichneten  Mafsregeln  zu  ergreifen, 
planlos  mit  seiner  Reiterei  von  Dion  an  der  Küste  nach  Herakleon 
und  Phila  und  wieder  zurück  nach  Dion  umhergeirrt  sei2)? 

Man  mufs  sagen,  dafs  irgendwie  unerwartete  Ereignisse,  die 
eine  solche  Kopflosigkeit  und  Verwirrung  des  Königs  hätten  hervor- 
bringen können,  bei  dem  Angriffe  auf  den  Nezeropafs  zunächst  nicht 
vorlagen.  Es  war  eben  nur  ein  Anmarsch  auf  einen  der  Olymppäfse 
eingetreten,  ein  Ereignis,  das  der  König  seit  langem  erwartete,  auf 
das  er  sich  in  aller  Ruhe  hatte  vorbereiten  können,  dessen  einzelne 
Eventualitäten  er  gewifs  längst  überdacht,  ja  das  er  im  Jahre  vor- 
her glänzend  überstanden  hatte  (S.  255).  Es  ist  gewifs  sehr  un- 
wahrscheinlich, dafs  ein  Feldherr,  der  sich  wie  Perseus  wiederholt 
als  tüchtiger  Offizier  gezeigt  hat,  in  solcher  Lage  unvorbereitet  und 
ratlos  gewesen  wäre. 

Wir  werden  die  Erklärung  anderswo  zu  suchen  haben. 

Die  Nachricht  von  der  Abstreifung  der  ganzen  Küste  von  Dion 
bis  zur  Peneosmündung  durch  die  makedonische  Reiterei  gibt  uns  den 
ersten  Fingerzeig.  Wir  erinnern  uns,  dafs  ja  der  ganze  römische 
Angriff  aufgebaut  war  auf  die  Kooperation  von  Land-  und  Seemacht, 
und  nehmen  hier  vorweg,  dafs  tatsächlich  die  römische  Flotte  mit 
einer  starken  Besatzung  an  Bord  wenige  Tage  nach  dem  Über- 
gange des  Konsuls  über  das  Gebirge  an  der  Küste  in  Sicht  kam 
(S.  286).  Es  mag  dem  Könige  bedenklich  erschienen  sein,  unter 
diesen  Umständen  das  letzte  Korps,  welches  er  in  der  Hand  hatte, 
fortzugeben  und  die  Küste  zu  entblöfsen. 

!)  Dafs  auch  Clausewitz  die  Verteidigung  im  Gebirge  nicht  schlechterdings 
verwirft,  geht  aus  dem  Schlufswort  seiner  Lehre  von  der  Gebirgsverteidigung 
VI  17  (Scherff  S.  391)  hervor,  wo  es  heifst:  „Was  hiernach  von  einer  Gebirgs- 
verteidigung zu  erwarten  ist,  in  welchen  Fällen  man  dieses  Mittel  anwenden 
dürfe,  wieweit  man  in  der  Ausdehnung  und  in  der  Zersplitterung  der  Kräfte 
gehen  könne  und  dürfe:  das  alles  mufs  die  Theorie  dem  Takte  des  Feldherrn  über- 
lassen."    Das  heifst  also:  Der  Einzelfall  entscheidet. 

2)  Liv.  44,  3,  12:  (rex)  a  Dio,  ut  obtorpuisse  inops  consilii  videretur,  cum 
equitibus  expeditis  litore  nunc  Heracleum  nunc  Philam  percurrebat. 


280  ^er  Krieg  gegen  Perseus. 

Aber  das  genügt  offenbar  nicht  zur  Erklärung.  Wenn  die 
Küste  nur  dadurch  gedeckt  werden  konnte,  dafs  man  die  Pässe  des 
Gebirges  ungenügend  verteidigte,  so  war  die  Aufgabe,  die  römische 
Invasion  abzuwehren,  überhaupt  unlösbar. 

Die  Frage  ist  also,  ob  die  Pässe,  in  diesem  Falle  speziell  der 
von  Nezero,  nicht  vielleicht,  auch  ohne  Verstärkung  von  Dion  her, 
ausreichend  gedeckt  waren.  Sie  ist  entschieden  zu  bejahen.  Dafs 
der  Pafs  von  Nezero  mit  12000  Mann  völlig  verteidigungsfähig 
war,  beweisen  ja  die  zweitägigen  vergeblichen  Anstrengungen  des 
Konsuls  und  sein  Entschlufs,  den  Durchbruch  aufzugeben.  Eine  Ver- 
stärkung hier  oben  war  also  nicht  nötig.  Wir  müssen  dem  Könige 
volle  Terrainkenntnis  zutrauen.  Wo  das  Schlachtfeld  so  beschränkt 
ist,  dafs  nur  3  Manipeln  in  der  Front  kämpfen  können,  wo  eine 
Umfassung  durch  die  Natur  so  aufserordentlich  erschwert  ist,  wie 
dort  oben,  da  sind  12  000  Mann  zur  Ablösung  im  Kampfe  und  zur 
Abwehr  versuchter  Umfassungen  völlig  genügend,  und  eine  gröfsere 
Zahl  ist  für  diese  rein  passive  Resistenz  überflüssig1). 

Etwas  ganz  anderes  wäre  es  natürlich  gewesen,  wenn  der  König 
eine  offensive  Defensive  hätte  führen,  wenn  er  kräftig  hätte  nach- 
stofsen,  dem  gegnerischen  Heer  eine  wirkliche  Niederlage  hätte  bei- 
bringen wollen2).  Aber  das  lag  ja  nicht  in  seiner  Absicht,  das  fürchtete 
er  ja,  wie  wir  früher  konstatiert  haben,  fast  mehr  als  eine  eigene 
Niederlage,  da  er  ja  dadurch  die  Römer  so  ernstlich  erzürnt  hätte, 
dafs  an  einen  glimpflichen  Frieden,  um  den  er  zu  betteln  nicht  müde 
wurde  (S.  247),  dann  nicht  mehr  zu  denken  gewesen  wäre. 

So  erklärt  sich  also  auch  hier  wiederum  das  Verfahren  des 
Königs  aus  dem  niedrigen  militärischen  Ziele,  das  er  sich  gesteckt 
hatte,  aus  seiner  auf  die  strikteste  Defensive  sich  beschränkenden 
Strategie.  War  das  römische  Heer  zum  Rückzuge  gezwungen,  wenn 
auch  ohne  grofse  Verluste,  so  war  wieder  ein  Jahr  gewonnen,  wieder 
die  Ermüdung  der  römischen  Kräfte  gefördert,  das  politische  Ziel 
des  Krieges  wieder  in  etwas  nähere  Sicht  gerückt.  Wie  im  vorigen 
Jahre    auf   den   Rückzug  von  Volustana  die  Fortschritte  des  Königs 


')  Daher  ist  der  Vorwurf  des  Polybios  bei  Diodor  30,  10,  1:  qa&vfxaiv  neyl 
Tee  (xiytaja  jd)v  nQccy/uaTcov  nicht  gerechtfertigt. 

2)  In  diesem  Sinne  sagt  Polybios  mit  Recht  bei  Livius  44,4,  9:  ventum 
quidem  erat  eo,  ut  si  hostem  similem  antiquis  Macedonum  regibus  habuisset  consul, 
magna  clades  accipi  potuerit. 


3.  Der  Feldzug  vom  Jahre  169.  281 

in  Illyrien,  Epiros  und  Ätolien  gefolgt  waren,  so  mochten  auf  den 
Rückzug  vom  Nezerosee  andere  noch  weitergehende  Erfolge  aufgebaut 
werden. 

Das  alles  ist  ein  befriedigender  Erklärungsgrund  für  die  Zeit 
des  Anmarsches  der  Römer  und  der  Kämpfe  am  Nezerosee.  Aber 
völlig  verändert  wurde  natürlich  die  ganze  Sachlage,  nachdem  der 
Konsul  sich  angeschickt  hatte,  den  Nezeropafs  zu  umgehen  und  an  die 
Küste  hinabzusteigen.  Denn  hier  war  Gefahr  im  Verzuge,  und  die 
Gewährung  des  freien  Abstieges  ist  aus  der  Strategie  des  Königs 
nicht  mehr  zu  erklären. 

Eine  in  anderem  Zusammenhange  erhaltene  Notiz  unserer  Quellen 
gibt  uns  aber  auch  hier  den  erwünschten  Aufschlufs.  Der  König  war 
—  so  heifst  es  —  gerade  im  Bade,  als  er  die  Nachricht  erhielt, 
der  Konsul  sei  in  der  Küstenebene  angelangt.  Er  sprang  mit  dem 
Rufe  aus  der  Badewanne,  „er  sei  besiegt,  ohne  dafs  es  auch  nur  zur 
Schlacht  gekommen  sei",  schwankte  zwischen  den  ängstlichsten  Ent- 
schlüssen —  wie  ausdrücklich  gesagt  wird  —  hin  und  her1),  gab  Befehl, 
alle  Pässe  zu  räumen,  seine  Werften  zu  verbrennen,  seine  Kriegs- 
kasse zu  versenken,  die  Stadt  Dion,  in  der  er  sich  gerade  befand, 
zu  plündern  und  die  Bewohner  zwangsweise  nach  dem  nördlicher 
gelegenen  Pydna  überzuführen. 

Nicht  das  pikante  Detail,  das  keineswegs  sehr  glaubwürdig  ist2), 
ist  natürlich  an  diesen  Nachrichten  das  militärisch  Wichtige,  sondern 
die  einfache  Tatsache,  dafs  der  König  von  dieser  Nachricht  voll- 
kommen überrascht  war.  Er  hatte  also  von  der  Umgehungsbewegung 
des  Konsuls  und  seinem  viertägigen  Marsche  durch  den  Urwald  nicht 
die  leiseste  Ahnung  gehabt.  Wie  war  das  möglich,  da  ein  reitender 
Bote  bequem  in  6  Stunden  vom  Nezerosee  nach  Dion  kommen 
konnte? 

Die  genaue  Prüfung  des  Geländes  am  Nezerosee  mufs  uns  hier 
Aufklärung  über  diesen  eigentümlichen  Umstand  geben  und  wird 
uns  zugleich  Richtung  und  Art  des  Abstieges  des  römischen  Heeres 
noch  genauer  kennen  lehren,  als  wir  sie  bisher  (S.  275)  hatten  be- 
stimmen können. 


*)  Liv.  44,  6,  1—3:  per  alia  atque  alia  pavida  consilia  et  imperia  trepidans. 
Ebenso  Diodor  30,  10,  2  und  Appian  Mak.  15,  alle  aus  Polybios. 

2)  s.  unten  S.  291  A.  1. 


282  Der  Krieg  gegen  Perseus. 

Wenn  der  römische  Konsul  seine  Umgehungsbewegung  mit  Erfolg 
ausführen  wollte,  so  mufste  er  Sorge  tragen,  dafs  sie  so  lange  wie 
irgend  möglich  unbemerkt  bliebe.  Um  diesen  Zweck  zu  erreichen, 
konnte  er  nicht,  wie  man  bisher  angenommen  hat,  gleich  nördlich 
oder  gar  südlich  vom  Pinakiaberge  nach  Osten  abschwenken  und 
über  Skotina  oder  Pandelejmon  absteigen1)  —  diese  Bewegung  wäre 
sofort  bemerkt  worden  — ,  sondern  er  mufste  noch  ein  Stück  weiter 
zurückgehen,  nämlich  über  den  nördlichen  Beckenrand  des  Nezero- 
sees  bei  Hag.  Athanasios  bis  in  die  Ebene  von  Karia,  und  dann 
erst,  in  östlicher  Richtung  südlich  vom  Zilianatale  hin,  den  Abstieg 
versuchen. 

Bei  diesem  Wege  fiel  nun  die  Umgehungsbewegung  eine  Strecke 
von  6  Kilometern  mit  der  Anmarschstrafse  des  Konsuls  zusammen2),  und 
es  wurde  so  der  Anschein  erweckt,  dafs  man  den  Rückzug  anträte.  Erst 
hinter  dem  Beckenrande,  wo  man  durch  die  Berge  der  Beobachtung 
des  Gegners  entzogen  war,  wurde  dann  die  Schwenkung  ins  Werk  ge- 
setzt. So  wurde  also  der  makedonische  Commandant  am  Nezerosee 
über  die  Umgehung  der  Römer  vollkommen  getäuscht,  und  sein  Irr- 
tum aufserdem  noch  durch  weitere  künstliche  Mittel  aufrecht  erhalten. 
Eine  starke  Nachhut  blieb  den  ganzen  ersten  Tag  in  dem  alten  Lager 
zurück  und  hinderte  Verfolgung  wie  Beobachtung.  Erst  im  Laufe 
des  zweiten  Tages  hat  der  Konsul  sie  wieder  an  sich  gezogen3). 
Auch  die  Marschordnung  des  Konsuls  selber  mufste  die  Täuschung 
verstärken.     Er  sandte  die  Reiterei  und  das  gesamte  Gepäck  voraus 


i)  So  Heuzey  S.  77. 

2)  Diese  6  Kilometer  sind  die  von  Livius  44,  5,  1  erwähnten  und  bisher 
nicht  verstandenen  4  Millien.  Livius  sagt:  progressis  vixdum  quatuor  milia 
passuum  nihil  optabilius  esse  quam  redire,  qua  venerant,  si  possent.  —  Das  kann 
natürlich  nicht  bedeuten,  dafs  man  am  liebsten  in  das  alte  Lager  zurückgekehrt 
wäre;  denn  das  wäre  ein  Unsinn,  sondern  dafs  man  am  liebsten  den  Rückzug 
überhaupt  angetreten  hätte,  wenn  es  möglich  gewesen  wäre.  Dieser  Gedanke 
mufste  allen  in  dem  Augenblicke  kommen,  wo  die  Wege  sich  schieden  und  es 
hiefs,  in  den  pfadlosen  und  abschüssigen  Urwald  einbiegen.  Nach  dieser  Be- 
merkung beginnt  denn  auch  erst  die  Schilderung  der  Mühsale  und  Schwierigkeiten 
bei  Livius.  Die  vorhergehende  kurze  Bemerkung:  inenarrabilis  labor  descendentibus 
cum  ruina  iumentorum  sarcinarumque,  ist  nur  die  Themaaufstellung  für  das  ganze 
folgende  Kapitel. 

3)  Liv.  44,  4,  11:  Popilio  relicto  in  custodia  iugi.  ib.  5, 10:  postero  quoque 
die  (am  zweiten  Marschtage)  in  tarn  cava  valle  opperiri  Popilium  ac  relictas  cum 
eo  copias  necesse  fuit.     tertio  die  coniunctis  copiis  eunt  per  saltum  usw. 


3.  Der  Feldzug  vom  Jahre  169.  283 

und  folgte  mit  den  Legionen1).  So  pflegt  man  nicht  in  Feindesland 
hineinzumarschieren. 

Die  gelungene  Verhüllung  der  römischen  Absichten  ist  also  einer- 
seits die  Erklärung  dafür,  dafs  das  Heer  unbehelligt  marschieren 
und  am  ersten  Tage  nach  einem  Wege  von  11  Kilometern  eine 
kleine,  zwischen  hohen  Bergen  liegende  Ebene  erreichen  konnte,  die 
wir  nach  dem  Gesagten  nunmehr  am  Südrande  der  Schlucht  des 
Zilianabaches  etwas  unterhalb  des  Klosters  Kanalia  ansetzen  können 2). 
Hier  brachte  man  die  Nacht  und  den  folgenden  Tag  zu,  um  auf  die 
Nachhut  zu  warten.  An  den  beiden  folgenden  ist  man  dann  am 
Südrande  der  Schlucht  entlang  gegangen  und  etwa  bei  Kalivia  Skotina 
in  die  Ebene  hinausgetreten3). 

Anderseits  aber  ist  diese  gelungene  Verhüllung  zugleich  die  Er- 
klärung für  die  vollständige  Überraschung  und  Bestürzung  des  Königs 
Perseus,  als  er  plötzlich  die  Nachricht  erhielt,  dafs  die  römische 
Armee,  die  er  in  vollem  Rückzuge  glaubte  und  demzufolge  auf  dem 
Westabhange  des  Olymp  in  der  Gegend  von  Elassona  vermuten 
mufste,  am  Ostabhange  bei  Herakleon  mitten  in  Makedonien  stehe. 
Sie  ist  endlich  auch  die  Erklärung  dafür,  dafs  er  keinerlei  Mafs- 
regeln  getroffen  hat,  um  den  Durchbruch  der  Römer  noch  in  letzter 
Stunde  unmöglich  zu  machen. 

Es  fragt  sich,  ob  bei  dieser  Lage  der  Dinge  noch  fernerhin 
der  Vorwurf  aufrecht  erhalten  werden  kann,  dafs  der  Konsul  Marcius 
Philippus  mit  seiner  Umgehung  ein  tollkühnes  Wagnis  ausgeführt  habe, 
welches  dadurch  nicht  gerechtfertigt  werde,    dafs  es  gelungen  sei4). 


x)  Liv.  44,  4,  11:  nach  den  Pionieren,  die  den  Weg  durch  den  Wald  zu 
hauen  hatten,  ipse  (consul)  equites  impedimentaque  prae  se  habens  cum  legionibus 
agmen  cogit. 

2)  Liv.  44,  5,  8:  paulo  plus  Septem  milia  eo  die  Romani  processerunt.  Das 
führt  genau  an  die  Stelle,  wo  ein  vom  Dorfe  Nezero  herabkommender  Bach  in 
die  Ziliana  fällt  und  eine  kleine  Talerweiterung  liegt.  Darauf  pafst  die  Be- 
schreibung des  Livius  als  „modica  planities",  „undique  saeptus  locus"  und  „cava 
vallis"  (a.  a.  0.  §9  u.  10)  sehr  gut,  ohne  dafs  indessen  auf  diese,  schliefslich  auf 
jede  Erweiterung  eines  Waldtales  passenden  Bezeichnungen  viel  Gewicht  gelegt 
werden  soll. 

3)  ib.  §  11:  tertio  die  .  .  eunt  per  saltum,  quem  incolae  Callipeucen  appel- 
lant;  quarto  inde  die  per  aeque  invia  .  .  .  degressi  in  campos  inter  Heracleum  et 
Libethrum  posuerunt  castra. 

4)  So  Mommsen,  R.  G.6 1  764.  —  Vergl.  auch  unten  S.  291. 


284  Der  Krieg  gegen  Perseus. 

Ich  glaube  kaum.  Denn  in  eine  ähnlich  gefährliche  Lage,  wie 
die  der  Römer  damals  war,  begibt  sich  fast  jede  Armee,  die  den 
Feind  in  grofser  Nähe  umgeht.  Der  Gegner  kann  ihr  in  die  Flanke 
stofsen.  Napoleons  Angriff  bei  Austerlitz  ist  wohl  das  bekannteste 
Beispiel  dafür.  Trotzdem  fällt  es  wegen  dieser  immanenten  Gefahr 
niemand  ein,  Umgehungen  dieser  Art  zu  verwerfen,  sondern  es 
kommt  darauf  an,  ob  so  viel  auf  dem  Spiele  steht,  dafs  man  das 
Wagnis  rechtfertigen  kann,  und  ob  gegründete  Hoffnung  vorhanden 
ist,  dafs  der  Gegner  die  augenblickliche  Notlage  des  Heeres  nicht 
ausnutzen  werde,  weil  er  entweder  nicht  genügende  Kenntnis  von  der 
Bewegung  hat  oder  nicht  die  genügende  Entschlossenheit  besitzt  sofort 
zu  handeln.  Wieviel  man  aber  in  solchem  Falle  wagen  darf,  davon 
die  erlaubte  Dosis  abzumessen,  ist  ja  —  mit  Willisen  zu  sprechen  — 
wohl  das  Künstlichste,  was  im  militärischen  Kalkül  vorkommt. 

Hier  liegt  nun,  wie  mir  scheint,  die  Sache  verhältnismäfsig  ein- 
fach. Wenn  der  Konsul  nach  vergeblich  versuchtem  Durchbruche  vor 
den  12  000  Mann  am  Nezeropafs  mit  seiner  ganzen  Armee  den  Rück- 
zug antrat,  so  war  damit  ausgesprochen,  dafs  die  Olymplinie  eine 
unüberwindliche  Barriere  sei.  Denn  es  wäre  damit  der  dritte  Ver- 
such, sie  zu  nehmen,  mifslungen  gewesen,  und  zwar  unter  numerisch 
für  die  Römer  sehr  günstigen  Verhältnissen.  Perseus'  Defensivstrategie 
hätte  damit  einen  vollkommenen  Sieg  errungen,  und  die  politischen 
Folgen  wären  nicht  abzusehen  gewesen.  Dies  war  also  ein  Moment, 
in  dem  Grofses  gewagt  werden  mufste. 

Ferner  aber  war  nicht  nur  —  wie  ja  der  Erfolg  tatsächlich 
gezeigt  hat  —  gegründete  Hoffnung  vorhanden,  dafs  der  Gegner  über 
die  ganze  Bewegung  getäuscht  wurde,  sondern  es  waren  selbst  für 
den  Fall,  dafs  diese  Täuschung  mifslang,  Mafsregeln  getroffen,  welche 
die  Lage  des  Heeres  weit  günstiger  gestalteten,  als  sie  auf  den  ersten 
Anblick  erscheint.  „Nicht  einmal  der  Urheber  des  Zuges  selbst 
leugnete,  dafs  das  ganze  Heer  durch  eine  kleine  Schar  Feinde  hätte 
vernichtet  werden  können,"  sagt  zwar  Polybios,  als  er  den  Marsch 
durch  den  Urwald  beschreibt  (S.  275).  Aber  war  es  so  leicht,  diese 
kleine  Schar  zur  Stelle  zu  bringen?  Von  vorne  und  unten  schützte 
derselbe  Urwald,  durch  den  man  sich  den  Weg  bahnte,  ebenso  von 
der  Seite    her1).     Was    zu    fürchten    war,    war  das  Nachstofsen  der 

1)  Es  ist  hier  im  Grunde  eine  ähnliche  Lage,  wie  Clausewitz  sie  (VI  15. 
Scherff  S.  375)    in  bezug   auf  den  Marsch    durchs  Gebirge    so  prächtig  schildert: 


3.  Der  Feldzug  vom  Jahre  169.  285 

Truppen  am  Nezerosee  von  oben  her.  Eben  ihnen  gegenüber  hatte 
deshalb  Marcius  Philippus  eine  starke  Nachhut  einen  ganzen  Tag 
über  stehen  lassen  und  hat  sie  erst  am  Abende  des  zweiten  Tages 
wieder  an  sich  gezogen,  nachdem  man  sich  überzeugt  haben  konnte, 
dafs  der  Gegner  nichts  gemerkt  hatte.  Im  entgegengesetzten  Falle 
hätte  eben  die  Nachhut  mit  Aufbietung  aller  Kräfte  und  gegebenen- 
falls unter  eigener  Aufopferung  den  Abmarsch  decken  müssen.  An- 
statt den  zweiten  Tag  auf  die  Nachhut  zu  warten,  wäre  man  dann 
weiter  marschiert,  hätte  den  Vorsprung,  den  man  hatte,  ausgenutzt 
und  so  die  Krise  um  einen  Tag  abgekürzt.  Schon  am  dritten  Tage 
wäre  man  dann  unten  angekommen. 

Wir  können  dem  tapferen  Konsul  mit  Polybios1)  die  Anerkennung 
nicht  versagen,  dafs  sein  Entschlufs,  durchzubrechen,  wie  er  der 
mutigste  und  rühmlichste,  so  zugleich  der  klügste  gewesen  ist,  den 
er  in  seiner  Lage  fassen  konnte. 

Es  wäre  kein  Wunder,  wenn  der  König  auf  die  Kunde  von  dem 
unvermuteten  Durchbruch  der  Römer  den  Kopf  verloren  und  wirklich 
übereilte  Mafsregeln  ergriffen  hätte,  wie  Polybios  ihm  das  vorwirft. 
Ob  seine  Handlungsweise  aber  so  zu  beurteilen  ist,  kann  uns  nur 
eine  vorurteilslose  Prüfung  der  Ereignisse  zeigen,  welche  auf  den 
Olympübergang  folgten,  und  zu  deren  Darstellung  ich  daher  jetzt 
übergehe. 

Auf  die  Kunde  von  der  Ankunft  des  römischen  Heeres  bei 
Herakleon  gab  Perseus  die  Stadt  Dion  unter  Wegführung  der  ganzen 


„Wenn"  —  so  sagt  er  —  „sich  eine  Kolonne  in  Schlangenlinien  mühsam  durch  enge 
Schluchten  den  Berg  hinaufwindet  und  sich  schneckenartig  über  ihn  fortschiebt, 
die  Artilleristen  und  Trainknechte  mit  Fluchen  und  Schreien  die  abgetriebenen 
Gäule  durch  die  rauhen  Hohlwege  peitschen,  jeder  zerbrochene  Wagen  mit  un- 
säglicher Mühe  herausgeschafft  werden  mufs,  während  hinten  alles  stockt,  schimpft 
und  flucht,  so  denkt  ein  jeder  bei  sich:  nun,  hier  dürfte  der  Feind  nur  mit  einigen 
hundert  Mann  kommen,  um  alles  davon  zu  jagen  .  .  .  Indessen  weifs  jeder  oder 
sollte  jeder  wissen,  der  den  Krieg  kennt,  dafs  ein  solcher  Zug  durchs  Gebirge 
wenig  oder  gar  nichts  mit  dem  Angriff  desselben  gemein  hat."  Gewifs  „hier 
dürfte  der  Feind  nur  kommen",  aber  er  kommt  nicht.  Denn  einen  solchen  Zug 
unternimmt  man  eben  nur,  wo  der  Gegner  nicht  zu  erwarten  ist. 

L)  Bei  Livius  44,  4,  7:  neque  raanere  in  iugo  inopi  neque  regredi  sine  flagitio 
atque  etiam  periculo,  si  cedenti  ex  superioribus  locis  instaret  hostis,  poterat; 
neque  aliud  restabat  quam  audacter  commissum  partinaci  audacia,  quae  prudens 
interdum  in  exitu  est,  corrigere. 


286  Dor  Krieg  gegen  Perseus. 

Bevölkerung  auf  und  ging  mit  seinen  Truppen  bis  Pydna  zurück,  wo 
er  seine  ganze  Armee  konzentrierte,  indem  er  die  einzelnen  im  Ge- 
iiierzu  Karte  birge  verzettelten  Detachements  zurückrief1).  Sofort  stiefsen  nun  die 
Römer  vor,  besetzten  Dion  und  marschierten  darüber  hinaus  noch 
drei  Tagemärsche  weiter  vorwärts,  wobei  sie  bis  an  den  Haliakmon 
gekommen  zu  sein  scheinen2).  Sie  gingen  also  unbekümmert  an  der 
sich  bei  Pydna  konzentrierenden  Armee  des  Königs  vorbei.  Indes 
konnten  sie  diese  Bewegung  nicht  fortsetzen.  Mangel  an  Lebens- 
mitteln nötigte  sie  umzukehren  und  nach  Dion  zurückzugehen.  Hier 
kam  endlich  die  römische  Flotte  in  Sicht;  aber  als  sie  in  den  Hafen 
einlief,  zeigte  sich,  dafs  die  Proviantschiffe,  auf  die  man  gerechnet 
hatte  und  auf  die  alles  ankam,  nicht  mitgekommen  waren.  Nun  stieg 
die  Not  aufs  höchste.  Die  von  dem  Landheere  mitgenommenen 
Lebensmittel,  welche  nach  Überschreitung  des  Olymp  noch  für  zehn 
Tage  vorgehalten  hatten,  waren  aufgezehrt,  und  die  schmale  Küsten- 
ebene bot  nicht  Genügendes.  Da  kam  die  erfreuliche  Nachricht, 
dafs  infolge  der  Räumung  von  Tempe  das  römische  Etappenkommando 
in  Larissa  den  Pafs  besetzt  habe  und  so  die  Verbindung  mit  Thes- 
salien hergestellt  sei.  Der  Konsul  ging  nun  sofort  nach  Phila  am 
Ausgange  des  Tempetales  zurück  und  sorgte  für  die  Verproviantierung 
des  Heeres.  Perseus  rückte  wieder  bis  Dion  vor  und  bezog  südlich 
von  dieser  Stadt  am  Elpeosflufs  eine  starke  Verteidigungsstellung3). 


!)  Liv.  44,  6,  17:  nudatis  omnibus  praesidiis  patefactisque  bello  Pydnam 
refugit;  ebenso  6,2.  Ferner 7,  8:Perseus  coactis  in  unum  omnibus  copiis  ducibusque 
increpare  praefectos  praesidiorum,  ante  omnes  Asclepiodotum  (Kommandant  des 
Volustanapasses  ib.  2,  10)  et  Hippiam  (Kommandant  des  Nezeropasses).  Die  Ver- 
einigung mit  den  Truppen  vom  Nezeropafs  und  vom  Tempetal  dürfte  in  die  Zeit 
fallen,  als  die  Kömer  auf  dem  Marsche  nach  dem  Haliakmon  hin  waren. 

2)  Liv.  44,  7,  1 — 7.  Die  einzelnen  hier  genannten  Marschstationen,  der  Flufs 
Mithys,  die  Stadt  Agassä  und  der  Flufs  Askordos,  sind  nicht  mit  voller  Sicherheit 
zu  identifizieren.  Doch  ist  an  den  Ansetzungen  von  Leake  III  423  und  Heuzey 
185  f.  so  viel  vollkommen  sicher,  dafs  es  sich  um  einen  Marsch  durch  das  pierische 
Waldgebirge  nach  dem  Haliakmon  zu  handelt.  Heuzey  identifiziert  den  Mithys 
mit  dem  Bach  von  Vromeri,  Agassä  mit  Paljostenes,  den  Askordos  mit  dem  Kra- 
sopuli,  einem  Nebenflufs  des  Haliakmon,  während  Leake  an  den  Haliakmon  selber 
denkt.  Bursian  schliefst  sich  diesen  Ausführungen  mit  für  uns  unwesentlichen 
Änderungen  im  einzelnen  an,  Rhein.  Mus.  N.  F.  10  (1861)  S.  426. 

3)  Liv.  44,  7,  7  —  8,  7.  In  der  Bemerkung  des  Livius  44,  6,  6:  si  dux  intrepidus 
decem  dies  primam  speciem  adpropinquantis  terroris  sustinuisset,  neque  receptus 
Romanis  per  Tempe  in  Thessaliam  neque  commeatibus  pervehendis  patuisset  iter, 


3.  Der  Feldzug  vom  Jahre  169.  28? 

Das  Verfahren  des  Königs  in  dieser  Situation  hat  bei  alten  wie 
neuen  Schriftstellern  die  gleiche  Verurteilung  gefunden.  Polybios 
führt  aus,  dafs  das  römische  Heer  nach  dem  Übergang  über  den 
Olymp  in  einer  verzweifelten  Lage  gewesen  sei.  Eingekeilt  zwischen 
dem  Meer  und  dem  Gebirge,  über  das  zurückzugehen  unmöglich  ge- 
wesen sei,  hätte  man  weder  eine  Verbindung  mit  Thessalien  gehabt, 
wenn  der  König  das  durch  eine  Anzahl  von  Kastellen  vollständig  ge- 
sperrte Tempe  gehalten  hätte,  noch  nach  Makedonien  vorgehen  können, 
wenn  er  den  Engpafs  von  Dion,  wo  das  Gebirge  fast  unmittelbar  ans 
Meer  heranträte,  besetzt  hätte.  Dafs  Perseus  die  Armee  aus  dieser 
Lage  gerettet,  indem  er  durch  Räumung  der  Pässe  dem  Gegner  die 
Bewegung  nach  vorne  und  die  Verbindung  nach  rückwärts  selbst  frei- 
gegeben habe,  sei  die  äufserste  Torheit,  Energielosigkeit  und  Kopf- 
losigkeit gewesen.  Bis  hinab  auf  Mommsen  und  Niese  ist  man,  so- 
weit mir  bekannt,  diesem  Urteil  des  Polybios  ohne  Ausnahme  ge- 
folgt1).    Trotzdem  ist  es  vollkommen  ungerechtfertigt. 

Der  Tadel  des  Polybios  bezieht  sich,  wie  man  sieht,  auf  zwei 
Mafsregeln  des  Perseus,  die  Nichtbesetzung  des  Passes  von  Dion  und 
die  Räumung  des  Tempetales,  Mafsregeln,  welche  beide  mit  der  Kon- 
zentration der  Armee  bei  Pydna  aufs  engste  zusammenhängen. 

Betrachten  wir  jede  für  sich.  Dion  liegt  von  Herakleon,  dem 
Punkte,  wo  das  römische  Heer  stand,  etwa  20  Kilometer  entfernt. 
Der  Feind  konnte  also  in  wenigen  Stunden  da  sein,  und  was  für 
Truppen  hatte  Perseus  bei  sich?  Die  Reiterei  und  ein  paar  tausend 
Mann  zu  Fufs  (S.  277).  Damit  konnte  er  den  Pafs  von  Dion  nicht 
halten.  Polybios  beschreibt  denselben  als  einen  Strandpafs  von  etwas 
über  \h  Kilometer  Breite  zwischen  dem  Fufse  des  Olymp  und  dem 
Meere.  Durch  einen  Sumpf  sei  von  dieser  Breite  noch  die  eine 
Hälfte  eingenommen,  die  andere  zum  grofsen  Teil  durch  die  Stadt 
Dion  und  den  Zeustempel  gedeckt  worden,  so  dafs  nur  ein  kleines 
Stück  mit  Wall  und  Graben   hätte    geschützt    zu    werden    brauchen. 


kann  doch  wohl  mit  den  Worten  „decem  dies"  nichts  anderes  gemeint  sein,  als 
dafs  die  Römer  noch  auf  zehn  Tage  verproviantiert  waren,  vergl.  S.  268  A.  3  u. 
S.  276  A.  1. 

l)  Liv.  44,  6,6  —  17.  §  17:  quorum  cum  nihil  dispexisset  caecata  mens 
(regis)  subito  terrore  ...  7,  1:  stultitia  et  segnitia  hostis  usw.  —  Ebenso  die 
Neueren  Leake  III  419;  Mommsen,  R.  G.  I«  764 f.;  Ihne  III  193;  Niese  III  147 
mit  zum  Teil  noch  stärkeren  Ausdrücken. 


28S  Der  Krieg  gegen  Perseus. 

Die  Gegend  sieht  hier  heute  ganz  anders  aus1).  Wir  nehmen  aber 
trotzdem  natürlich  die  Schilderung  des  Augenzeugen  Polybios  als 
vollkommen  authentisch  an  und  geben  zu,  dafs  dieser  Pafs,  durch 
welchen  die  Strand strafse  von  Herakleon  nach  Dion  führt,  leicht 
gesperrt  werden  konnte2). 

Wie  sah  es  aber  mit  der  Umgehbarkeit  des  Passes  aus?  Aufser 
der  Strandstrafse  führt  ein  zweiter  Weg  auf  den  Vorhöhen  des  Olymp 
hin  über  Leftokarya  und  Litochori  nach  Norden,  parallel  mit  der 
Strandstrafse  und  etwa  4—5  Kilometer  von  ihr  entfernt.  Sowohl 
dieser  Weg  selbst,  als  auch  überhaupt  das  ganze  Gelände  zwischen 
den  beiden  Wegen  und  bis  zu  den  Steilhängen  des  Olymp  hin  mufste 
gleichfalls  gesperrt  werden,  und  dazu  reichten  die  Truppen,  welche 
Perseus  damals  bei  der  Hand  hatte,  auf  keinen  Fall  aus.  Wie 
wenig  sich  überhaupt  der  Strandpafs  von  Dion  und  das  seitlich  an 
ihn  anstofsende  Gelände  zu  einer  Sperrung  des  ganzen  Küstenstreifens 
zwischen  Olymp  und  Meer  eignete,  geht  am  deutlichsten  daraus  her- 
vor, dafs  Perseus  später,  als  er  den  Römern  hier  den  Weg  nach 
Norden  wirklich  verlegte,  gar  nicht  diesen  Pafs  besetzt  hat,  sondern 
dafs  er  dazu  die  Elpeoslinie  wählte,  eine  Stellung  etwas  weiter  süd- 
lich, die  infolge  des  tief  eingeschnittenen  Bettes  dieses  Flusses  trotz 
ihrer  Länge  von  etwa  8  Kilometern  bessere  Bedingungen  bot,  als  der 
Strandpafs  von  Dion3). 

So  war  es  also  durchaus  gerechtfertigt,  dafs  Perseus  im  Inter- 
esse einer  gesicherten  Konzentrierung  seiner  Armee  25  Kilometer 
weiter  nach  Norden  zurückging  —  von  einer  Flucht,  wie  Polybios 
sagt,  kann  keine  Rede  sein  —  und  so  besonders  den  entfernteren 
Truppen  vom  Passe  von  Servia  die  Möglichkeit  gab,  zu  rechter  Zeit 
heranzukommen.  Er  gab  damit  nichts  weiter  auf  als  die  kleine  Ebene 
von  Katerini,  auf  die  im  Vergleich  mit  dem  wichtigeren  Zwecke  einer 
gefahrlosen  Vereinigung  seiner  Armee  nichts  ankommen  konnte.     Der 

x)  Liv.  44,  6,  15.  Ähnlich  Strabo  VII  C.  330,  17:  Jlov  .  .  ovx  iv  tw  alytuXaj 
.  .  «AA'  ooov  iura  an(/et  OTaöiovg.  Die  Trümmer  von  Dion  liegen  jetzt  3£  bis 
4  Kilometer  vom  Meere;  ein  Sumpf  ist  da,  aber  er  reicht  nicht  so  nahe  heran, 
und  zwischen  ihm  und  dem  Meere  führt  eine  Strafse  hin.  Das  Ufer  und  die 
ganze  Gestaltung  der  Gegend  mufs  ähnlich  wie  bei  den  Thermopylen  hier  durch 
Flufsablagerungen  seit  dem  Altertum  stark  verändert  sein.  Man  vergl.  Heuzey  121  f. 

2)  Leake  N.  G.  III  411  zweifelt  die  Richtigkeit  der  Angaben,  u.  E.  ohne 
Grund,  an. 

3)  s.  S.  286  A.  3  u.  S.  297. 


3.  Der  Feldzug  vom  Jahre  169.  289 

Einmarsch  nach  Makedonien  selber  war  damit  keineswegs  den  Römern 
freigegeben.  Denn  durch  seine  Stellung  bei  Pydna  schnitt  Perseus 
dem  Gegner  bei  weiterem  Vorgehen  alle  Verbindungen  nach  rück- 
wärts ab,  und  wie  sich  zeigte,  mufste  der  Konsul  in  der  Tat  nach 
dreitägigem  Vormarsch  aus  Mangel  an  Lebensmitteln  umkehren.  Dafs 
auch  ihrerseits  die  Römer  durch  ihren  Vormarsch  nach  Makedonien 
hinein  dem  Könige  seine  Verbindungen  abschneiden  konnten,  ist 
richtig,  kam  aber  nicht  in  Betracht,  da  der  König  auf  seine  Haupt- 
stadt Pydna  gestützt  —  wo  er  ohne  Zweifel  grofse  Magazine  hatte  — 
das  länger  als  die  Römer  aushalten  konnte. 

Viel  schwerer  dagegen  als  die  Nichtbesetzung  des  Passes  von 
Dion  scheint  der  Vorwurf  zu  wiegen,  dafs  der  König  den  Tempepafs 
geräumt  habe1). 

Es  ist  vollkommen  richtig,  dafs  dadurch  das  römische  Heer  vor 
einer  Hungersnot,  vielleicht  vor  der  Kapitulation,  bewahrt  worden 
ist.  Aber  die  Kritiker  vergessen,  dafs  das  römische  Heer  nur  durch 
einen  Zufall  in  seine  verzweifelte  Lage  gekommen  war,  nämlich  durch 
das  Ausbleiben  der  römischen  Getreideflotte,  auf  deren  Mitwirkung 
ja  der  ganze  Plan  aufgebaut  war.  Ohne  diesen  Zufall,  den  der 
König  natürlich  nicht  voraussehen  konnte,  hätte  die  Aufrechterhaltung 
der  Besetzung  von  Tempe  und  Nezeropafs  das  römische  Heer  viel- 
leicht in  eine  unbequeme,  aber  niemals  in  eine  wirklich  gefährliche 
Lage  bringen  können.  Man  hätte  bei  längerem  Anhalten  dieses 
Zustandes  sogar  mit  einiger  Anstrengung  eine  Etappenstrafse  süd- 
lich vom  Ossa,  in  der  Senke  von  Ajia  über  Meliböa  anlegen 
können2).  Anderseits  aber  waren,  wenn  Perseus  die  Gebirgslinie  besetzt 
gehalten  hätte,  seine  eigenen  Truppen,  besonders  die  12  000  Mann 
am  Nezerosee,  abgeschnitten  und  möglicherweise  ohne  Proviant  auf 


-1)  Ihnes  Vermutung  III  193,  dafs  hier  Verräterei  des  Kommandanten  vor- 
liege, ist  m.  E.  nicht  begründet.     Die  Räumung  erklärt  sich  auch  ohne  das. 

2)  Der  Gebirgsübergang  ist  hier  nach  der  österreichischen  Karte  nur  etwa 
400  Meter  hoch;  dann  zieht  sich  der  Weg  am  Meere  entlaog  an  den  Dörfern 
Thanatu,  Ikonomion,  Karitza  vorbei,  denen  im  Altertum  ebensoviele,  vielleicht  noch 
mehr  (s.  Bursian  198,  Leake  IV  412  ff.)  kleine  Städtchen  entsprachen.  Dafs  hier 
schon  im  Altertum  ein  bequemer  Übergang  über  das  Gebirge  bestand,  kann  danach 
nicht  bezweifelt  werden.  Die  Hauptstadt  dieses  Gebietes  war  Meliböa.  Die 
Kämpfe  um  diese  Stadt  noch  im  Sommer  169  (s.  unten  S.  293)  hängen  ohne  Zweifel 
mit  dieser  den  Übergang  beherrschenden  Lage  derselben  zusammen. 

Kromayer,  Antike  Schlachtfelder.     II.  19 


290  t)er  Krieg  gegen  Perseus. 

längere  Zeit,  den  sie  ja  nur  über  die  jetzt  in  römischem  Besitze 
befindliche  Strandebene  erhalten  konnten. 

Wenn  wir  alle  diese  Verhältnisse  vorurteilslos  ins  Auge  fassen, 
müssen  wir  zu  dem  Schlüsse  kommen,  dafs  es  das  ganz  natürliche 
erste  Bestreben  des  Königs  sein  mufste,  nach  dem  gelungenen  Durch- 
bruch der  Römer,  seine  Armee,  die  zu  |  ihrer  Zahl  verzettelt  im 
Gebirge  stand,  wieder  zu  vereinigen,  und  so  überhaupt  erst  wieder 
kampffähig  zu  werden.  Das  hat  er  durch  die  kurze,  rückgängige 
Bewegung  auf  Pydea  und  durch  die  Abberufung  der  einzelnen  De- 
tachements  aus  dem  Gebirge  erreicht. 

Aber  dazu  kommt  noch  ein  Zweites.  Als  der  König  die  über- 
raschende Nachricht  von  der  Ankunft  der  Römer  bei  Herakleon  er- 
hielt, konnte  er  kaum  die  näheren  Umstände  des  Abstieges  kennen, 
insonderheit  nicht  wissen,  wie  es  mit  seinem  Korps  am  Nezerosee 
stand.  Die  erste  Annahme  mufste  sein,  dafs  es  geschlagen  und  der 
Konsul  durchgebrochen  sei.  Dann  aber  war  das  Gebirge  in  der 
Hand  der  Römer,  und  die  Schliefsung  des  Tempetales  nützte  nichts 
mehr,  da  dann  die  Verbindung  der  Armee  über  das  Gebirge  her- 
gestellt werden  konnte1)- 

Nun  ist  es  ja  allerdings  wahr,  dafs  man  im  Kriege  mit  allen 
Möglichkeiten,  auch  mit  den  möglichen  Fehlern  seiner  Gegner  rechnen 
soll.  Ein  kriegerischer  Genius,  wie  Napoleon  oder  Cäsar,  hätte  wahr- 
scheinlich, ohne  sich  durch  das  Unerwartete  der  neuen  Situation  auch 
nur  einen  Augenblick  beirren  zu  lassen,  die  Lage  sofort  mit  allen 
ihren  Eventualitäten  erfafst,  hätte  nicht  nur  die  eigenen  dringenden 
Bedürfnisse  gesehen,  sondern,  indem  er  sich  zugleich  ein  vollkom- 
menes Bild  von  der  gegnerischen  Lage  machte,  herausgefunden,  dafs 
die  Festhaltung  der  Pässe  für  den  Fall  des  Ausbleibens  der  römi- 
schen Flotte  und  für  den  Fall,  dafs  die  Gegner  nicht  durchgebrochen 
wären,  sondern  umgangen  hätten,  noch  von  Bedeutung  werden  könne. 
Er  hätte  vielleicht  nur  die  Truppen  vom  Petra-  und  Serviapafs  heran- 
gezogen und  die  von  Tempe  und  dem  Nezerosee  stehen  lassen. 

Es  ist  Perseus'  Fehler,  kein  kriegerisches  Genie  ersten  Ranges 
gewesen  zu  sein    und  mit  diesen  Eventualitäten  nicht  gerechnet  zu 


*)  So  bildete  im  Jahre  1886  der  Pafs  von  Karia  längere  Zeit  hindurch  die 
Hauptverkehrs-  und  Verbindungslinie  der  türkischen  Armee  (v.  d.  Goltz,  Thessal. 
Krieg,  S.  36). 


3.  Der  Feldzug  vom  Jahre  169.  291 

haben.  Aber  er  hat  schlecht  und  recht  die  nächstliegenden  Bedürf- 
nisse des  eigenen  Heeres  und  die  wahrscheinlichste  Lage  beim  Gegner 
ins  Auge  gefafst  und  damit  soldatisch  nicht  verkehrt  gehandelt. 
Wenn  man  nicht  als  überlegener  Kritiker  ex  eventu  urteilt,  sondern 
sich  in  die  Lage  des  Königs  versetzt  und  sich  die  Voraussetzungen 
klar  macht,  von  denen  er  bei  der  Betrachtung  der  Situation  aus- 
gehen mufste,  so  wird  man  für  ihn  keine  Vorwürfe  haben,  sondern 
ihm  in  den  gekennzeichneten  Grenzen  Beistimmung  und  Anerkennung 
nicht  versagen  können. 

Polybios  hat  unter  dem  Eindrucke  mitdurchlebter,  erschüt- 
ternder Ereignisse  geschrieben:  er  hat  die  Not  im  römischen  Lager, 
die  lediglich  durch  die  Macht  der  Verhältnisse,  ohne  Zutun  des 
Feindes  entstandene,  verzweifelte  Lage  des  Heeres,  die  aufjubelnde 
Freude  bei  der  Botschaft  von  der  Öffnung  der  Pässe  mitgesehen 
und  mitgefühlt.  Diese  starken  Eindrücke  sind  ihm  geblieben.  Es 
ist  psychologisch  zu  verstehen,  dafs  er  in  dieser  Errettung  des 
Heeres  durch  Feindeshand  unglaubliche  Verblendung,  Torheit  und 
.Unverstand  erblickt  und  dem  um  so  lieber  Ausdruck  gegeben  hat, 
als  er  bekanntlich  in  seiner  Beurteilung  des  Perseus  von  Vorein- 
genommenheit nicht  freizusprechen  ist1).  Man  hätte  ihm  darin  in 
neuerer  Zeit  nicht  folgen  sollen. 

Die  veränderte  Beurteilung  von  Perseus  Verhalten  wirft  nun 
aber  sofort  ihren  Reflex  auf  die  Beurteilung  des  Verhaltens  des 
römischen  Konsuls.  Nach  der  bisherigen  Auffassung  ist  der  Olymp- 
übergang der  Römer  nur  durch  zwei  unverzeihliche  Fehler  der  make- 
donischen Heerführung  geglückt:  die  Freigebung  der  Pässe  nach 
dem  Übergange  und  die  schon  besprochene  Versäumnis  der  Aus- 
nützung der  Notlage  des  römischen  Heeres  während  des  Überganges 
selber.  Ein  Unternehmen  aber,  so  schlofs  man,  welches  nur  bei  so 
unerhörten  Glücksfällen  gelingen  kann,  ist  von  Anfang  an  verfehlt, 
und  der  Konsul,  welcher  es  entworfen  und  geleitet  hat,  ein  schlechter 
Offizier  gewesen,  der  seiner  Aufgabe  nicht  gewachsen  war2). 

Für  uns  liegt  die  Sache  jetzt  gerade  umgekehrt. 


x)  Dahin  gehören  die  Fabeln  von  den  Befehlen  der  Versenkung  der  Schätze 
im  See  von  Pella  und  Verbrennung  der  Werften  (Liv.  44,  10,  2.  App.  Mak.  14), 
die  den  Charakter  des  Hofklatsches  an  der  Stirne  tragen.  Man  vergl.  Ihnes 
treffende  Bemerkungen  darüber  III  194  f. 

2)  So  Mommsen,  R.  G.  16  764  f.     Ähnlich   Ihne  III  192f.     Niese  III  146  f. 

19* 


292  Der  Krieg  gegen  Perseus. 

Es  war  kein  unerhörter  Glücksfall,  dafs  Perseus  die  Pässe 
öffnete,  sondern  ein  nicht  vorherzusehender  Unglücksfall,  dafs  die 
Getreideflotte  nicht  zur  Stelle  war.  Nur  dadurch  entstand  die  Not- 
lage, aus  der  die  Räumung  der  Pässe  das  Heer  wieder  befreite. 
Das  Unternehmen  als  solches  war  daher  wohl  überlegt  und  gut  basiert. 
Denn  das  Ausbleiben  der  Flotte  war  nach  den  Umständen  nicht  zu 
erwarten. 

Und  ähnlich  stand  es  ja  mit  dem  zweiten  schon  früher  erörterten 
Vorwurf.  Das  römische  Heer  war  beim  Übergange  wohl  in  einer 
gefährlichen  Lage,  aber  in  keiner  gefährlicheren,  als  sie  bei  solchen 
Expeditionen  überhaupt  leicht  eintreten  können.  Es  ist  aus  dieser 
Lage  weniger  durch  den  Fehler  des  Gegners  als  durch  die  geschick- 
ten und  kühnen  Mafsregeln  des  römischen  Konsuls  gerettet  worden 
(S.  283  f.).  Wollte  man  das  Heer  der  Möglichkeit  solcher  Gefahren 
nicht  aussetzen,  so  durfte  man  den  Übergang  über  ein  Gebirge,  wie 
der  Olymp  es  ist,  überhaupt  nicht  ins  Auge  fassen.  Das  war  aber 
gerade  die  zu  lösende  Aufgabe.  Das  Heer  stand  einmal  in  Thessalien 
und  sollte  nach  Makedonien.  Da  gab  es  keinen  anderen  Weg. 
Welche  Schwierigkeiten  dabei  im  einzelnen  entstehen  würden, 
ob  ein  Durchstofsen  der  feindlichen  Linie  möglich  sein  oder  eine 
gefahrvolle  Umgehung  nötig  werden  würde,  konnte  kein  Mensch  vor- 
her sagen.     Das  mufste  eben  der  Versuch  selber  lehren. 

Dafs  Marcius  Philippus  das  ganze  Unternehmen  mit  Umsicht 
entworfen,  dafs  er  den  Mut  gehabt  hat,  den  gefährlichen  Versuch 
des  Überganges  zu  wagen,  und  ihn,  als  er  gescheitert  schien,  mit 
kühner  Umgehung  doch  noch  durchführte,  das  sichert  ihm  auf 
immer  einen  ehrenvollen  Platz  in  der  Kriegsgeschichte. 

Der  militärisch  interessanteste  Teil  des  Feldzuges  ist  mit  diesen 
Ereignissen  erschöpft;  der  Rest  kann  in  Kürze  erledigt  werden. 

Da  Perseus  nach  dem  Rückzuge  der  Römer  nach  Phila,  wie 
erwähnt  (S.  286),  sofort  bis  an  die  Elpeoslinie  vorgegangen  war  und 
dieselbe  stark  befestigt  hatte,  während  die  Römer  am  Tempepasse 
mit  Sicherstellung  ihrer  Verbindung  nach  Thessalien  die  Zeit  hin- 
bringen mufsten,  so  fand  ein  Vorstofs  nach  Norden  von  jetzt  an  an 
der  neuen  Verteidigungsstellung  des  Königs  seine  Grenze.  Der  Konsul 
hat  den  Sturm  auf  diese  Linien  nicht  mehr  gewagt,  sei  es,  dafs  er 
ihn  überhaupt  für  aussichtslos  hielt,  sei  es,  dafs  er  seinem  Heere  nach 


3.  Der  Feldzug  vom  Jahre  169.  293 

den  Strapazen  beim  Übergang  und  der  Not  danach,  die  moralische 
Kraft  zu  einer  so  grofsen  und  so  schwierigen  Entscheidung  nicht 
mehr  zutraute.  Seine  Mafsregeln  beschränken  sich  auf  Sicherstellung 
des  Gewonnenen  und  Vorbereitungen  für  das  folgende  Jahr.  Die 
Festung  Herakleon,  welche  bei  einer  Operation  gegen  die  Linien 
nicht  im  Kücken  liegen  gelassen  werden  durfte,  weil  sie  die  Ver- 
bindung mit  Thessalien,  wenn  auch  nicht  unmöglich  gemacht,  doch 
sehr  erschwert  hätte  (s.  S.  275  A.  2  Mitte),  wurde  mit  Beihilfe  der 
Flotte  erobert  und  das  Hauptquartier  von  Phila  aus  hierher  vorge- 
schoben; ein  Anschlag  auf  Meliböa  in  der  Senke  zwischen  Ossa  und 
Pelion,  der  wahrscheinlich  mit  der  Instandsetzung  einer  zweiten 
Etappenstrafse  nach  Thessalien  (vergl.  S.  289)  zusammenhängt, 
wurde  versucht,  mifsglückte  indessen.  Besonders  aber  wurde  auf  die 
Sicherstellung  der  Verbindung  mit  Thessalien  durch  Strafsen-Magazin- 
und  Stationsbauten  bedacht  genommen  und  die  Zufuhr  nach  dem 
Winkel  Makedoniens,  in  dem  man  sich  befand,  für  den  Winter  und 
den  folgenden  Feldzug  eingerichtet.  Das  Hauptquartier  wurde  im 
Herbst  nach  Phila  zurückverlegt1). 

Die  römische  Flotte  kehrte  nach  einem  wenig  erfolgreichen 
Plünderungszuge  an  die  makedonische  Küste  und  einem  im  Ent- 
stehen schon  wieder  aufgegebenen  Anschlag  auf  Demetrias  in  die 
Winterstationen  nach  Skiathos  und  Oreos  auf  Euböa  zurück,  um  von 
hier  aus  die  Verproviantierung  der  Armee  zu  besorgen2). 

Auf  dem  epirotisch  -  illyrischen  Kriegschauplatze  geschah  in 
diesem  Jahre  auch  nichts.  Appius  Claudius  versuchte  im  Laufe  des 
Sommers  eine  Hilfssendung  von  5000  Mann  von  den  Achäern  zu  er- 
halten3). Da  das  Ansuchen  abgeschlagen  wurde,  war  er  zu  schwach 
zu  eigenen  Unternehmungen ;  ja,  nach  der  Ansicht  der  römischen  Ge- 
sandtschaft, welche  zur  Berichterstattung  nach  Griechenland  geschickt 


*)  Ausführliche  Hauptdarstellung  der  Vorgänge  bei  Liv.  44,  8,  8—9,  11,  13, 
1 — 6.  Andere  zerstreute  Nachrichten  bei  Niese  III  148.  —  Dafs  das  Haupt- 
quartier im  Winter  in  Phila  war,  geht  aus  S.  295  A.  3  hervor.  Der  entgegen- 
stehende Bericht  Liv.  44,  20,  3,  wonach  das  Lager  im  Winter  von  den  römischen 
Gesandten  am  Elpeos  angetroffen  wurde,  ist  nicht  glaubwürdig.  Er  stammt  aus 
den  Annalen,  die  erste  Nachricht  aus  Polybios. 

2)  Hauptstelle  Liv.  44,  10,  5—12,  8.     Dazu  Niese  III  149. 

3)  Pol.  XXVIII  13,  7.  Die  Nachricht  davon  kommt  an  den  römischen 
Konsul,  als  er  schon  bei  Herakleon  steht. 


294  '    ^or  Krieg  gegen  Perseus. 

war,  schwebte  die  römische  Besatzung  von  Lychnidos  sogar  in  grofser 
Gefahr  von  dort  vertrieben  zu  werden1). 

Wenn  wir  die  Resultate  dieses  Feldzuges  zusammenfassen,  so 
ist  zu  sagen,  dafs  in  ihm  der  erste  wirkliche  Fortschritt  gemacht 
wurde,  der  den  Römern  in  diesem  Kriege  gelungen  ist.  Die 
Olymplinie  war  genommen.  Der  Plan  dazu  war  auf  eine  Kom- 
bination von  Landheer  und  Flotte  aufgebaut,  eine  Kombination 
die  in  der  Ausführung  allerdings  sehr  mangelhaft  gewesen  war. 
Immerhin  liegt  aber  schon  in  diesem  Gedanken,  durch  den  allein 
der  Olympübergang  ein  rationelles  Unternehmen  wurde,  ein  grofser 
Fortschritt  der  römischen  Kriegführung  gegenüber  dem  rohen  Neben- 
einander der  ersten  Kriegsjahre.  Auch  die  kleinere  Unternehmung  gegen 
Herakleon  ist  nur  durch  ein  solches  Zusammenwirken  ermöglicht 
worden.  Dieses  Ineinandergreifen  verschwindet  von  jetzt  an  nicht 
wieder;  auch  Ämilius  Paulus  rechnet  im  folgenden  Jahre  damit.  Ebenso 
taucht  der  Gedanke  eines  kombinierten  Angriffes  zu  Lande  von 
zwei  Seiten  her  jetzt  zum  ersten  Male  in  den  römischen  Kriegsplänen 
auf.  Die  Aufstellung  eines  eigenen  Heeres  gegen  Obermakedonien, 
um  die  Kräfte  des  Königs  zu  teilen,  wird  in  dem  Berichte  der  er- 
wähnten Gesandtschaft  zum  ersten  Male  angeregt  (s.  S.  254).  Die 
positiven  Ergebnisse  dieser  neuen  Kriegführung  waren  allerdings  noch 
nicht  sehr  bedeutend.  Für  die  Olymplinie  hatte  Perseus  in  der  weit 
konzentrierteren  Elpeoslinie  mit  scharfem,  soldatischem  Blick  einen 
vollen  Ersatz  gefunden  und  stand  den  Römern  vorläufig  ebenso  un- 
angreifbar gegenüber  wie  vorher.  Die  Entscheidung  konnte  erst  das 
folgende  Jahr  bringen. 

4.    Der  Feldzug  vom  Jahre  168  v.  Chr. 

1.  Bis  zur  Schlacht  von  Pydna. 
Im  Frühling  168 2)  traf  der  neue  Konsul  L.  Ämilius  Paulus  bei 
der  Armee    in  Phila    ein,    ein  Mann  von   anerkannten  militärischen 


1)  Liv.  44,  20,5  Appium  et  quod  cum  eo  praesidii  sit  (circa  Lychnidum), 
in  surnmo  periculo  esse,  nisi  propere  aut  iustus  exercitus  eo  mittatur  aut  illi  inde 
deducantur.  Appius  Claudius  ist  wohl  wieder  mit  Unrecht  hierher  gezogen,  s. 
oben  S.  261  A.  1. 

2)  Liv.  44,  30,  1 :  iam  veris  principium  erat  novique  duces  in  provincias 
venerant. 


4.  Der  Feldzug  vom  Jahre  168  v.  Chr.  £95 

Verdiensten,  dem  das  römische  Volk  das  gröfste  Vertrauen  entgegen- 
brachte. 

Er  zog  alsbald  die  Zügel  der  militärischen  Disziplin  schärfer 
an,  als  es  bisher  geschehen  war:  der  Dienst  wurde  strammer  ge- 
handhabt, Waffen-  und  Exerzierübungen  abgehalten,  eine  praktischere 
Befehlsübermittelung  eingeführt,  der  Vorpostendienst  neu  geregelt 
und  wesentlich  verbessert1).  Zahlreiche  Ersatzmannschaften  trafen 
ein,  so  dafs  die  Legionen  wieder  auf  den  vollen  Stand  von  5200  Mann 
gebracht  wurden2).  Das  Lager  ward  alsbald  von  Phila  nach  dem 
Elpeos  unmittelbar  gegenüber  der  verschanzten  Stellung  des  Perseus 
vorgeschoben 3).  Aber  hier  fanden  die  Operationen  vorläufig  ihr  Ende, 
ehe  sie  eigentlich  überhaupt  angefangen  hatten.  Denn  die  Stellung  des 
Königs  erschien  völlig  uneinnehmbar  und  dem  Konsul  nichts  weiter 
übrigzubleiben,  als  was  sein  Vorgänger  auch  getan  hatte:  Untätig 
dem  Feinde  gegenüber  zu  liegen  und  zu  warten4). 

Seine  Lage  war  keineswegs  beneidenswert.  Die  allgemeinen 
Verhältnisse  hatten  sich  seit  dem  Vorjahre  noch  wesentlich  ver- 
schlimmert. König  Gentios  von  Illyrien  war  zu  Perseus  übergetreten 
und  zu  dem  makedonischen  so  ein  neuer  Krieg  hinzugekommen. 
Die  Römer  hatten  sich  genötigt  gesehen,  ein  zweites  Heer  von  gegen 
30000  Mann  (s.  die  Beilage)  unter  dem  selbständigen  Kommando  eines 
Praetors  im  Westen  der  Balkanhalbinsel  dem  neuen  Feinde  entgegen- 
zustellen. Auf  dem  Ägäischen  Meere  hatten  sich  im  Frühlinge  zum 
ersten  Male  in  diesem  Kriege  makedonische  Kriegsschiffe  gezeigt.  In 
kühner  Fahrt  hatten  sie  vom  Golf  von  Saloniki  aus  die  Küste  Klein- 
asiens erreicht,  von  dort  eigene,  nach  Makedonien  bestimmte  Getreide- 
schiffe geleitet,  fremde  gekapert,  einen  grofsen  Truppentransport,  der 
von  Pergamon  zum  römischen  Heere  in  Makedonien  gehen  sollte,  auf- 
gehoben,   dann    von  Delos  aus,  im  Herzen  der  ägäischen  Inselwelt, 


*)  Liv.  44,33,6  —  11.  34,7—9.  Livius  stellt  die  neue  Tätigkeit  in  sehr 
idealem  Lichte  dar,  als  hervorgegangen  aus  dem  durch  eine  Rede  entflammten 
Eifer  der  Soldaten.  Die  Dienstinstruktionen  werden  das  Ihrige  dabei  mit- 
gewirkt haben. 

2)  Über  die  Unglaubwürdigkeit  von  Livius'  Nachricht  44,  21,  8,  wonach  die 
Legionen  6000  Mann  stark  gewesen  waren,  s.  die  Beilage. 

3)  Liv.  44,  34,  10:  mota  a  Phila  castra  üafs  App.  Mak.  18  den  Perseus  in 
Phila  überwintern  läfst,  ist  natürlich  eine  Verwechselung. 

4)  Plut.  Aem.  15:  i^sQag  ^.iv  nvccg  ^QSfxei. 


296  ^er  Krieg  gegen  Perseus. 

ihren  Kleinkrieg  gegen  die  römischen  Verbindungen  mit  Erfolg  fort- 
gesetzt1). 

Die  politischen  Folgen  aller  dieser  Fortschritte  waren  nicht 
ausgeblieben.  In  Rhodos  hatten  die  gemeinsamen  Gesandten  der 
beiden  Könige  Perseus  und  Gentios  die  freundlichste  Aufnahme  ge- 
funden, und  man  hatte  sich  zu  einer  Intervention  im  Verein  mit 
anderen  griechischen  Staaten  entschlossen.  Eine  rhodische  Gesandt- 
schaft weilte  jetzt  eben,  um  in  diesem  Sinne  zu  verhandeln,  im  Lager 
des  Ämilius  Paulus2). 

Durch  den  Übertritt  auch  dieses  Staates  ins  Lager  des  Perseus 
konnte,  abgesehen  von  weiteren  politischen  Folgen,  den  Römern  die 
Zufuhr  vom  Meere  her  mehr  oder  weniger  gesperrt  und  ihre  Lage 
in  Makedonien  aufserordentlich  erschwert  werden.  Der  vereinigten 
rhodischen  und  makedonischen  Flotte  gegenüber  hätten  die  Römer 
die  See  kaum  halten,  jedenfalls  nicht  mehr  wie  bisher  beherrschen 
können.  Sogar  Eumenes  geriet  in  schweren  Verdacht  bei  den  Römern, 
sich  ähnlichen  Bestrebungen  zuzuneigen,  und  in  der  Tat  ist  seine 
Haltung  in  diesem  und  dem  vorigen  Jahre  überaus  bedenklich.  Dafs 
er  für  seine  Neutralität  zu  Lande  und  zu  Wasser  im  Jahre  168  von 
Perseus  500  Talente  verlangt  hat,  wird  von  Polybios  als  Tatsache 
berichtet3).  Kurz,  es  schien  in  der  Tat,  als  wenn  sich  Perseus 
seinem  von  Anfang  an  verfolgten  Ziele  einer  Koalition  der  griechi- 
schen Staaten  gegen  Rom  (S.  250  f.)  mehr  und  mehr  näherte. 

Aber  selbst  auf  dem  engeren  Kriegsschauplatze  im  Olympgebiet 
sah  die  Lage  hoffnungsloser  aus  als  bei  Beginn  des  Vorjahres. 

Hatte  damals  Perseus  mit  mehr  oder  weniger  zersplitterten 
Truppen  die  Olymppässe  zu  halten  gesucht,  so  stand  er  jetzt  in  wohl- 
konzentrierter Verteidigungsstellung  am  Elpeos  den  Römern  gegen- 
über; und  hatten  dem  entsprechend  damals  die  Römer  die  Möglichkeit 
gehabt,  sich  von  ihrer  zentralen  Stellung  in  Elassona  aus  mit  über- 
legenen Kräften  auf  einen  beliebigen  Punkt  der  Verteidigungslinie 
zu  werfen,  so  waren  sie  jetzt  zwischen  dem  Meere  und  dem  Hohen 
Olymp  eingekeilt  und  jeder  freien  Seitenbewegung  beraubt.  Wollten 
sie  einen  anderen  Angriffspunkt  wählen,  so  hatten  sie  den  ungeheuren 


J)  Hauptbericht  Liv.  44,  28  bis  29,  5.     Weiteres  Niese  III  154  f. 

2)  Niese  S.  156  f.  160.  197. 

3)  Pol.  XXIX  8,  5.    Über  die  Haltung    des  Eumenes    im  ganzen  s.  Niese 
8. 193  f. 


4.  Der  Feldzug  vom  Jahre  168  v.  Chr.  297 

Umweg  um  die  ganze  Olympgruppe  herum  zu  machen  und  einen 
gröfseren  Bogen  zu  beschreiben  als  der  Gegner.  Denn  er  war  es,  der 
jetzt  den  Vorteil  der  inneren  Linien  für  sich  hatte1).  Ehe  man  sich  zu 
einer  solchen  Verlegung  des  Kriegsschauplatzes  wieder  auf  die  andere 
Seite  des  Olymp  entschlofs  und  damit  auf  alle  bereits  errungenen 
Vorteile  verzichtete,  erheischte  doch  die  gebieterische  Notwendigkeit, 
den  Versuch'  zu  unternehmen,  auf  irgendeine  Weise  am  Elpeos  selber 
noch  durchzudringen. 

Für  einen  Frontalangriff  sah  es  allerdings  verzweifelt  ungünstig 
aus.  Der  Elpeos,  jetzt  Mavrolungo  genannt2),  tritt  bei  Litochori  aus  JaJt""odnKatu 
einer  grofsartigen  Felsenschlucht  des  Olymp  hervor  und  fliefst  von  No- 9- 
hier  an  zuerst  in  nordöstlicher  Richtung,  tief  eingebettet  zwischen 
steilen  z.  T.  senkrechten  Felsen,  die  auf  dieser  ganzen  Strecke  nach 
meiner  Schätzung  eine  durchschnittliche  Höhe  von  etwa  30 — 40  Metern 
haben  mögen3).  Die  Ufer  kommen  manchmal  so  nahe  zusammen, 
dafs  das  Tal  fast  wie  eine  Klamm  aussieht;  an  anderen  Stellen  treten 
sie  wieder  bis  auf  100  und  mehr  Meter  auseinander,  so  dafs  man 
einen  etwas  weiteren  Überblick  erhält.  So  bei  Litochori  selber,  das 
vom  gegenüberliegenden  Ufer  aus  gesehen  in  romantischer  Felsen- 
lage, wie  Tivoli  oder  Tithorea  am  Parnafs,  daliegt.  Eine  halbe  Stunde 
unterhalb  Litochori  wendet  sich  der  Flufs  dann  nach  Norden  und 
fliefst  so  etwa  eine  Stunde  lang  bis  zu  seinem  Eintritte  in  den  grofsen 
Sumpf,  welcher  die  ganze  Küstenstrecke  nördlich  von  H.  Theodoros 
über  eine  halbe  Stunde  in  der  Länge    und  Breite    einnimmt.     Aber 


J)  Um  über  den  Pafs  von  Petra  oder  Servia  den  Angriff  auf  Makedonien 
wieder  aufzunehmen,  hätte  die  Armee  durch  den  Tempepafs  zurückgehen  müssen, 
während  Perseus  zum  Schutze  dieser  Pässe  direkt  auf  den  S.  277  bezeichneten 
viel  kürzeren  Wegen  dorthin  gelangen  konnte. 

2)  Die  Identität  dieser  beiden  Flüsse  leidet  keinen  Zweifel,  da  nach  Livius 
44,8,5  der  König  das  Lager  quinque  milia  passuum  ab  urbe  (Dio  =  Mala- 
thria)  citra  ripam  Elpei  amnis  anlegt,  amnem  transitu  perdifficilem  pro  munimento 
habiturus.  Auch  die  weitere  Schilderung  „fluit  ex  valle  Olympi  montis,  aestate 
exiguus,  hibernis  idem  incitatus  pluviis  et  supra  rupes  ingentes  gurgites  facit  et 
infra  prorutam  in  mare  evolvendo  terram  praealtas  voragines  cavatoque  medio 
alveo  ripas  utrimque  praecipites"  pafst  Wort  für  Wort.  Die  Identität  wird  denn 
auch  von  allen  Reisenden  anerkannt,:  Leake  III  420.  Ussing  8.  Heuzey  107  ff. 
Tozer  II  29.  Bei  Barth  S.  205  und  Ussing  S.  8  heifst  er  Mavroneri,  bei  Heuzey 
S.  109,  Vythos. 

3j  Tozer  II  29  taxiert  sie  an  der  Brücke  von  Litochori  auf  70  Fufs  „a  deep 
Channel  with  precipitous  banks,  at  least  70  feet  below  the  ground  at  its  sides". 


298  I)ei*  Krieg  gegen  Perseus. 

auch  auf  diesem  nach  Norden  gerichteten  Stück  seines  Laufes  ist 
der  Mavrolungo  im  Anfange  noch  etwa  eine  Viertelstunde  lang  von 
ebenso  hohen  und  steilen  Felsen  begleitet,  wie  bei  Litochori  selbst. 
Dann  werden  sie  allmählich  niedriger,  und  die  Schlucht  verbreitert 
sich  mehr  und  mehr.  Nach  Verlauf  einer  guten  halben  Stunde  er- 
reicht man  die  letzten  Höhen  des  linken  Ufers,  die  nur  noch 
7  Minuten  vom  Sumpfe  entfernt  sind.  Das  Flufstal  erweitert  sich 
hier  auf  etwa  II  Kilometer,  da  sich  die  niedrigen  Höhen  auf  dem 
rechten  Ufer  noch  ein  Stück  weiter  fortsetzen,  und  auf  dem  linken 
hinter  dem  ersten  ein  zweiter  Ausläufer  des  Gebirges  hervor- 
tritt, welcher  den  Flufs  noch  eine  Strecke  weiter  nach  Norden  be- 
gleitet1). 

Es  ist  klar,  dafs  von  dieser  ganzen  etwa  II  Stunden  langen 
Front  von  Perseus'  Stellung  die  ersten  zwei  Drittel  von  Litochori 
an  abwärts  weder  verschanzungs-  noch  überhaupt  besatzungsbedürftig 
waren.  Denn  ein  Erzwingen  dieser  Position  war  bei  den  Mitteln, 
über  welche  die  Alten  verfügten,  überhaupt  undenkbar.  Diese  ganze 
Strecke  brauchte  nur  gut  beobachtet  zu  werden,  um  jeden  Versuch  im 
Keime  zu  ersticken,  eineMafsregel,  die  um  so  leichter  ausgeführt  werden 
konnte,  als  das  linke  Ufer  das  rechte  überall  überhöht  und  Überblick 
über  alles  gewährt,  was  jenseits  geschieht.  Das  letzte  Drittel  dagegen 
und  besonders  das  Stück  Ebene  bis  zum  Sumpf  oder  vielmehr  im  Alter- 


*)  Meine  Tagebuchnotizen  über  diese  wichtige  Verteidigungslinie  lauten: 
„Bei  Litochori  Flufstal  50  Meter  tief,  über  100  breit,  z.  T.  felsige,  überall 
sehr  steile  Schlucht,  unten  Mühlen.  Starker  Bach  darin;  etwas  weiter  östlich, 
tiefe,  romantische  Felsenschlucht,  10  Meter  breit,  senkrecht,  tief.  Lauf  eine 
halbe  Stunde  nord-östlich,  dann  nördlich.  Hier  50—60  Meter  hoch,  Wände  steil 
oft  senkrecht;  unten  50,  oben  150  Meter  breit.  Kiesbett.  Nach  einer  Viertel- 
stunde erweitert  sich  die  Schlucht  immer  mehr,  die  Ränder  niedriger,  aber  noch 
sehr  steil,  20 — 30  Meter.  Nach  zehn  Minuten  4—500  Meter  breit.  Pferde  weiden 
unten  auf  den  Wiesen,  Platanen  am  Ufer.  Richtung  Norden.  Nach  zwanzig 
Minuten  letzte  Hügel,  5—10  Meter  hoch.  Tal  bis  600  Meter  breit.  Sieben 
Minuten  von  hier  Sumpf."  —  Der  Sumpf,  mit  Gestrüppwald  bestanden,  hat  natür- 
lich nach  den  Jahreszeiten  eine  sehr  verschiedene  Ausdehnung.  Ich  war  Ende 
April  dort.  —  Wie  sehr  man  in  der  Taxierung  von  Höhenzahlen  Überschätzungen 
ausgesetzt  ist,  habe  ich  in  der  Folge  aus  Erfahrung  kennen  gelernt.  Meine 
Höhentaxierungen  sind  damals  alle  zu  grofs  ausgefallen,  besonders,  wo  es  sich 
um  so  imponierende  Höhen  handelte  wie  hier.  Ich  habe  sie  deshalb  im  Texte 
reduziert. 


4.  Der.  Feldzug  vom  Jahre  168  v.  Chr.  299 

tum  bis  zum  Meere  hin1)  bedurfte  künstlicher  Nachhilfe,  und  hier  haben 
wir  uns  daher  das  Lager  und  die  Verschanzungslinien  des  Perseus  zu 
denken2).  Dazu  pafst  denn  auch  allein  die  Beschreibung  des  Livius, 
welcher  das  Bett  des  Elpeos  in  der  Gegend  der  beiden  Lager  eine 
Millie  breit  und  den  Abstieg  von  jedem  der  beiden  Lager  300  Doppel- 
schritte lang  sein  läfst.  Die  Lager  haben  also  in  einer  Entfernung 
von  rund  2400  Metern  auf  den  letzten  Ausläufern  der  Hügel  einander 
gegenüber  gelegen3).  Auch  der  Umstand,  dafs  Aemilius  Paulus  un- 
mittelbar am  Meere  Brunnen  für  seinen  Wasserbedarf  graben  liefs, 
zwingt  dazu,    die  Lager    an    den    untersten  Teil    des  Flufslaufes    zu 

setzen4)- 

So  waren  also  die  makedonischen  Linien  selber  nicht  mehr  als 
72  Stunde  lang;  und  da  für  ihre  Verteidigung  die  ganze  Armee  des 


1)  Ich  habe  schon  bei  früherer  Gelegenheit  (S.  288)  darauf  aufmerksam  ge- 
macht, dafs  sich  die  Meereslinie  und  die  Natur  der  anliegenden  Ebene  in  dieser 
ganzen  Gegend  seit  dem  Altertum  bedeutend  verändert  haben  mul's.  Einen  Sumpf 
kennt  Livius-Polybios  hier  nicht.  Der  Elpeos  ging  vielmehr  direkt  ins  Meer 
(44,8,6:  prorutam  in  mare  evolvendo  terram),  die  Linien  des  Perseus  reichten 
bis  ans  Meer  (44,  35,  23:  per  devexum  in  mare  bracchium)  und  das  Lager  der 
Römer  liegt  |  Kilometer  vom  Meer  (s.  unten  A.  4)  —  vergl.  auch  Zonaras  IX  23, 
P.  I  457  C:  perttt-v  toü  te  'OlvfAnov  xal  Tfjg  &cdaooi]s.  Die  S.  288  erwähnte  Enge 
von  Dion  zwischen  Meer  und  Gebirge  ist  natürlich  mit  diesem  Defilee  am  Elpeos 
nicht  zu  verwechseln.  Die  Ausläufer  des  Gebirges  traten  eben  früher  an  mehreren 
Stellen  nahe  an  das  Meer  heran,  am  nächsten  bei  Dion  selber.  Warum  Perseus 
nicht  die  Enge  von  Dion,  sondern  den  Elpeos  als  Verteidigungsstellung  wählte, 
ist  klar.  Der  Elpeos  bildete  eben  ein  viel  besseres  Fronthindernis  und  war  nicht 
von  der  Gebirgsseite  her  zu  umgehen,  s.  folg.  S. 

2)  Liv.  44,  32, 10:  ripam  munire  Elpei  fluminis  adgressus  est  (Perseus),  quia 
sicco  alveo  transiri  poterat ;  huic  [operi]  ut  omnis  multitudo  vacaret,  feminae  ex 
propinquis  urbibus  cocta  cibaria  in  castra  adferebant.  Das  Austrocknen  des 
Baches  hatte  nur  im  untersten  Teile  des  Flufslaufes  Bedeutung,  wo  keine  Felsen 
mehr  waren.  —  Ebenso  Zon.  IX  23  P.  I  457  C:  näv  tö  fiera^v  tov  te  'OXv/unov  xal 
rrjg  üaläöoris  ctljiaGialg  v.aX  OiavQWfiaGb  xocl  oixodojurjjuaöt.v  cctioqov  ccneiQyäaaTot 
Ähnliche  Beschreibung  auch  Plut.  Aem.  13. 

3)  Liv.  44,  35,  17:  descensus  ripae  utriusque  in  alveum  trecentorum  ferme 
passuum  erat;  medium  spatium  torrentis  alibi  aliter  cavati  paulo  plus  quam  mille 
passus  patebat. 

4)  Liv.  44,33,  1:  sequi  se  putearios  ad  mare,  quod  minus  trecentos  passus 
aberat,  iussit.  Da  der  Text  hier  eine  Lücke  hat,  ist  leider  nicht  mit  Sicherheit 
zu  konstatieren,  ob  es  das  Lager  war,  von  dem  das  Meer  300  Doppelschritt 
(rund  450  Meter)  entfernt  war.  Plut.  Aem.  14:  bUyov  xcä  novrjQov  (noiov)  inidve 
nai  owskeißeio  nag    avxrv  x\v  dälanav. 


300  Der  Krieg  gegen  Perseus. 

Königs  zur  Verfügung  stand  und  ausgiebige  Zeit  zur  Herrichtung 
vorhanden  gewesen  war,  so  ist  es  begreiflich,  dafs  sie  vollkommen 
unerstürmbar  sein  mufsten. 

Trotzem  hat  sich  der  Konsul  eine  Zeitlang  mit  dem  Gedanken  eines 
direkten  Angriffes  auf  die  Verschanzungen  getragen.  Er  hat  die  Über- 
gänge über  die  Schlucht  bis  weit  hinauf  mit  Sorgfalt  persönlich 
rekognosziert1),  sich  aber  schliefslich  überzeugt,  dafs  die  Stellung  zu 
stark  sei.  Auch  die  Meinung  der  jüngeren  Offiziere  im  Kriegsrate, 
welche  sich  für  einen  Sturm  aussprachen,  hat  ihn  in  seiner  Ansicht 
nicht  wankend  gemacht2). 

Aber  auch  ein  Umfassen  der  Stellung  erschien  kaum  aus- 
sichtsreicher. 

Mit  ihrer  rechten  Flanke  lehnte  sie  sich  unmittelbar  an  die 
schroffsten  Felsabhänge  des  Hohen  Olymp,  welche  sich  gleich  west- 
lich von  Litochori  erheben  und  besonders  von  Süden,  der  Angriffs- 
seite her,  völlig  unzugänglich  sind,  weil  sich  hier  eben  die  Schlucht 
des  Mavrolungo  ins  Gebirge  hineinzieht  und  mit  ihren  unersteiglichen 
Wänden  von  mehreren  hundert  Fufs  Höhe  bis  zu  einer  der  höchsten 
Spitzen  des  Olymp,  dem  Hagios  Antonios,  hinaufreicht,  die  Eingeweide 
des  Gebirges  selber,  wie  ein  moderner  Reisender  sich  treffend  aus- 
gedrückt hat,  dem  Auge  des  Beschauers  blofslegend 3).  Selbst 
für  kleine  Abteilungen  war  hier  eine  Umgehung  ausgeschlossen. 

Auf  der  anderen  Seite  lehnte  sich  die  Stellung  ans  Meer,  und 
hier  wäre  schliefslich  eine  Operation  möglich  gewesen,  da  die  Römer 
die  See  beherrschten.     So  hat  man  denn  auch  im  römischen  Kriegs- 


!)  Die  Worte  des  Livius  (44,  33,  4)  ipse  cum  tribunis  primisque  ordinibus  ad 
contemplandos  transitus  [est  progressus  qua]  descensus  facilis  armatis,  qua 
in  ulteriorem  ripara  minime  inicus  ascensus  esset.  Ebenso  34,  70:  ad  con- 
templanda  opera  sua  circumire  ducem  transitus  speculantem. 

2)  Liv.  44,  35,  7:  placebat  quibusdam  (im  Kriegsrate)  et  maxime  minoribus 
natu  per  Elpii  ripam  munitionesque  vim  facere  ....  ipsi  natura  et  operibus 
inexpugnabilis  ripa  videbatur. 

3)  Heuzej,  Mont  Olympe  S.  109  f.  Leake  III  406:  (Der  Flufs)  issues  between 
p  erpendicular  rocks  five  or  six  hundred  feet  in  height.  Ussing  S.  8:  Mit 
romantischem  Schauder  verweilt  das  Auge  an  der  ungeheuren  Kluft,  wo  der  Berg 
sich  gespalten  hat,  um  den  schäumenden  Strom  durchzulassen  .  .  S.  13:  (der  Weg 
zum  Kloster  H.  Dimitrios)  geht  nicht  längs  dem  Bette  des  Flusses,  denn  dieser 
bricht  sich  seine  Bahn  durch  senkrechte  Felsenwände  und  läfst  keinen  Raum  zu 
einem  Wege  neben  sich. 


4.  Der  Feldzug  vom  Jahre  168  v.  Chr.  301 

rate  tatsächlich  den  Vorschlag  gemacht,  die  Flotte  die  Küste  bei 
Thessalonike  anfahren,  hier  Truppen  zur  Plünderung  des  Landes 
aussetzen  zu  lassen  und  so  durch  eine  Diversion  einen  Teil  der  Be- 
satzung der  Elpeoslinie  fortzuziehen  !). 

Aber  dieser  Vorschlag  war  wenig  aussichtsreich. 

In  Thessalonike  standen  etwa  3000  Mann  Besatzung,  ebenso- 
viel in  dem  etwa  65  Kilometer  von  dort  entfernten  Kassandrea,  da- 
zwischen beim  Vorgebirge  Aenea  noch  1000  Reiter2).  Das  genügte 
zwar  nicht  um  die  Küstenlandschaften  gegen  jede  Landung  und 
Plünderung  überhaupt  zu  decken,  wohl  aber,  um  weitergehende  Fort- 
schritte hintanzuhalten,  wie  die  Ereignisse  des  Vorjahres  zur  Ge- 
nüge bewiesen  hatten3).  Keine  Seele  wäre  durch  eine  solche 
Landung  vom  Elpeos  weggezogen  worden. 

Wollte  man  von  der  See  her  operieren,  so  war  nur  ein  Doppel- 
tes möglich:  Entweder  mufste  man  den  Gegner  taktisch  zu  umfassen 
suchen,  indem  man  ein  starkes  Korps  unmittelbar  nördlich  von  seiner 
Stellung  landen  und  sofort  in  den  Rücken  des  Feindes  marschieren 
liefs,  während  die  ganze  übrige  Armee  vom  Mavrolungo  her  mit  aller 
Macht  stürmte.  Oder  man  mufste  ihn  strategisch  zu  umgehen  suchen, 
indem  man  an  irgend  einem  entfernteren  Punkte  ein  Korps  ans  Land 
setzte,  welches  stark  genug  war,  dem  feindlichen  Heere  die  Ver- 
bindungen mit  seiner  Basis  abzuschneiden. 

Auch  diese  Landung  aber  hätte  südlich  von  Pydna  ausgeführt 
werden  müssen.  Denn  Pydna  war  ohne  Zweifel  das  Hauptverpfle- 
gungsdepot für  die  Armee  am  Elpeos.     Eine  Landung  nördlich  hätte 


x)  Liv.  44,  35,  8:  aliis  placebat  (im  Kriegsrate)  Octavium  cum  classe  Thessa- 
lonicam  petere  et  populatione  maritumae  orae  distringere  copias  regias,  ut  altero 
ab  tergo  se  ostendente  bello  circumactus  ad  interiorem  partem  regni  tuendam, 
nudare  aliqua  parte  transitus  Elpei  cogeretur. 

2)  In  Thessalonike  Eumenes  und  Athenagoras  mit  praesidio  duorum  milium 
cetratorum  (Liv.  44,  32,  6),  dazu  Androkles  zum  Schutz  der  Werften,  dessen  Mann- 
schaft auch  auf  mindestens  1000  Mann  zu  schätzen  ist.  Tausend  Reiter  bei 
Aenea  unter  Kreon  (ib.  6).  In  Kassandrea  standen  schon  seit  dem  vorigen  Jahre 
2000  Illyrier  und  800  Agrianer  (Liv.  44,  11,  7). 

3)  S.  293.  Belagerungen  von  Thessalonike  und  Kassandrea  waren  damals 
vergebens  versucht,  bei  Antigonea  hatten  die  Römer  eine  Schlappe  erlitten.  Jetzt 
waren  die  Besatzungen  noch  um  2000  Mann  verstärkt,  da  Androkles  und  Kreon 
(s.  vor.  A.)  168  neu  hingeschickt  waren.  Auch  im  Jahre  169  hat  Perseus  wegen 
dieser  Plünderungszüge  die  Besatzung  am  Elpeos  nicht  geschwächt. 


302  Der  Krieg  gegen  Perseus. 

also  diese  Verbindung  nicht  unterbrochen  und  wäre  wahrscheinlich 
auch  sonst  wirkungslos  gewesen.  Denn  um  das  weite,  ebene  Hinter- 
land von  Makedonien  zu  beherrschen  und  hier  ohne  alle  Verbindun- 
gen zu  Lande  selbständig  zu  operieren,  hätte  man  ein  so  grofses 
Korps  detachieren  müssen,  dafs  dadurch  die  Kampffähigkeit  der 
Armee  am  Elpeos  bedeutend  geschwächt  worden  wäre.  Und  selbst 
dann  blieb  es  zweifelhaft,  ob  dies  Korps  seine  Aufgabe  lösen  konnte. 
Im  Falle  eines  Unfalles  war  es  aller  Voraussicht  nach  überhaupt 
verloren. 

Eine  Landung  südlich  von  Pydna  an  der  kaum  20  Kilometer 
langen  Küstenstrecke  der  kleinen  Ebene  von  Katerini  unter  den  Augen 
des  versammelten  feindlichen  Heeres  hatte  aber  natürlich  die  gröfsten 
Schwierigkeiten,  welche  noch  dadurch  sehr  beträchtlich  erhöht  wur- 
den, dafs  selbst  kleine  Schiffe  wegen  des  aufserordentlich  flachen 
Ufers  weit  draufsen  in  offener  See  halten  müssen. 

Denkbar  wäre  endlich  noch  eine  Umgehung  von  der  Seeseite  her 
mit  der  ganzen  Armee  gewesen.  Vorausgesetzt,  dafs  man  etwa  im 
Mündungsgebiet  der  Wistritza  —  das  des  Wardar  ist  wegen  seiner 
ausgedehnten  Sümpfe  und  flachen  Ufer  wohl  überall  ungeeignet  — 
einen  guten  Landungsplatz  gefunden  hätte,  wäre  es  vielleicht  ge- 
glückt, hier  unbemerkt  eine  genügende  Anzahl  von  Mannschaften  an 
Land  zu  setzen,  dann  die  übrige  Armee  nachzuholen  und  so  den 
Krieg  in  das  Innere  Makedoniens  zu  tragen. 

Aber  grofse  Schwierigkeiten  waren  auch  dabei  zu  überwinden. 
Die  römische  Kriegsflotte  fafste  bestenfalls  8000  Mannn  Infanterie1). 
Es  wären  für  die  Armee  mit  Reiterei,  Elefanten,  allem  sonstigen 
Material  und  Zubehör,  selbst  wenn  man  zahlreiche  Lastschiffe  re- 
quiriert hätte,  doch  mindestens  zwei  bis  drei  Transporte  über  eine 
Meeresstrecke  von  50—60  Kilometer  nötig  gewesen.  Und  während 
der  ganzen  Zeit  des  Hin-  und  Herfahrens  wären  entweder  die  schon 
angekommenen  oder  die  noch  nicht  abgefahrenen  Teile  der  Armee 
in  der  Gefahr  gewesen,  von  dem  versammelten  Heere  des  Perseus 
mit  Übermacht  angefallen  und  erdrückt  zu  werden.     Aber  dem  hätte 


!)  Die  römische  Flotte  hatte  damals  höchstens  38  Quinqueremen  und 
7  Triremen  (s.  die  Beilage).  Sie  konnte,  wenn  sie  noch  gefechtsfähig  bleiben 
sollte,  nicht  mehr  als  8000  Mann  von  der  Landarmee  neben  den  Seesoldaten  an 
Bord  nehmen  (s.  meine  Abhandlung  über  die  Entwicklung  der  röm.  Flotte. 
Philol.  LVI  NF.  X.  S.  482  f.) 


4.  Der  Feldzug  vom  Jahre  168  v.  Chr.  3Ö3 

man  in  einem  guten  Lager  noch  ins  Auge  sehen  können.  Schlimmer 
wäre  gewesen,  dafs  durch  diese  Umgehung  die  Landverbindung  mit 
Thessalien  aufgegeben  worden  wäre  —  Pydna  hätte  sie  dauernd  unter- 
brochen —  und  man  sich  nur  auf  die  See  basiert  hätte,  ein  bei  der 
lebhaften  Tätigkeit  der  makedonischen  Flotte  sehr  unsicheres  Unter- 
nehmen. Kurz,  man  braucht  diesen  Gedanken  nur  auszudenken,  um 
einzusehen,  dafs  man  sich  nur  in  äufserster  Not  zu  einem  solchen 
Wagnis  entschliefsen  konnte. 

Es  ist  nicht  zu  verwundern,  dafs  der  vorsichtige  Aemilius 
Paulus  von  einer  Umgehung  oder  Umfassung  zur  See,  in  welcher 
Form  auch  immer,  nichts  wissen  wollte. 

Er  beschlofs  vielmehr,  den  Feind  doch  von  der  Landseite  her 
anzugreifen,  indem  er,  da  ein  Zwischenschieben  zwischen  Olymp  und 
Elpeos  nicht  möglich  war,  eine  Umgehung  um  das  ganze  Olymp- 
gebirge herum  ausführen  liefs. 

Ein  starkes  Korps  von  8200  Mann  auserlesener  Mannschaften 
zu  Fufs,  z,  T.  leichte  Truppen  und  dazu  120  Reiter1)  wurde  unter 
Führung  des  Scipio  Nasica  durch  das  Tempetal  zurückgeschickt  und 


')  Es  liegen  über  diese  Unternehmung  zwei  Berichte  vor.  Der  eine  stammt 
aus  Polybios  und  rindet  sich  bei  Livius  (44,  35,  10  bis  16),  ist  aber  infolge  einer 
Lücke  des  Wiener  Codex  nur  in  seinem  ersten  Teile  erhalten,  der  andere  stammt 
aus  einem  Briefe  des  Scipio  Nasica,  des  Führers  der  Expedition,  und  ist  bei 
Plutarch  Aem.  cap.  15  f.  überliefert.  Plutarch  hat  ihn  natürlich  für  seine  Zwecke 
zurechtgestutzt.  Livius  gibt  nun  die  Zahl  der  Soldaten  auf  5000  an,  aber  die 
Stelle  ist  in  der  Wiener  Handschrift  verdorben;  sie  lautet,  §  14:  P.  Scipionem 
Nasicam,  Q.  Fabium  Maximum,  filium  suum,  cum  quinque  delectis  militum  Hera- 
cleum  mittit.  Hier  ist  mindestens  das  Wort  rnilibus,  vielleicht  aber  noch  mehr 
zwischen  quinque  und  delectis  ausgefallen,  so  dafs  wir  nicht  wissen,  welche  Ge- 
samtzahl bei  Livius  angegeben  war.  Nur  das  ersehen  wir  aus  Plutarch  a.  a.  O. 
15,  15,  dafs  Polybios-Livius  eine  andere  Zahl  hatte  als  Scipio  in  seinem  Briefe. 
Scipio  hat  nun  angegeben,  dafs  er  mit  der  ala  sinistra  (rb  ilwvv^ov  xsqc<s)  von 
5000  Mann,  ferner  mit  3000  delecti  (tzrog  Tccfrwg  'iroAcxo/),  120  Reitern  und  200  thra- 
kischen  und  kretischen  Söldnern  aufgebrochen  sei.  Mag  der  Bericht  des  Nasica 
auch  sonst  nicht  ohne  Irrtümer  und  Einseitigkeit  gewesen  sein  (Niese  S.  160 
A.  1  Nissen  S.  300,  W.  Schwarze,  Quibus  fontibus  Plutarchus  in  vita  Aemilii 
Pauli  usus  sit.  Leipzig  1891,  S.  8  f.),  so  liegt  doch  kein  Grund  vor,  diesen  ein- 
fachen Zahlenangaben  mit  Niese  zu  mifstrauen.  Darüber  mufste  der  Führer  selbst 
am  besten  unterrichtet  sein  und  hatte  hier  auch  gar  keine  Veranlassung  zu  über- 
treiben. Die  genaue  Detaillierung  erhöht  noch  die  Glaubwürdigkeit.  —  Heuzey 
spricht  (S.  157)  irrtümlich  von  11000  Mann. 


304  Der  Krieg  gegen  Perseus. 

beordert,  an  der  Westseite  des  Olymp  —  wahrscheinlich  auf  dem 
Bergpfade  Dava  Getschid  —  auf  Pythion  zu  marschieren  und  den 
Versuch  zu  machen,  den  Pafs  von  Pythion-Petra,  welcher  durch  eine 
Besatzung  von  5000  Mann  gedeckt  war,  in  seine  Hand  zu  bringen1)- 
Da  der  Abmarsch  einer  so  starken  Truppe  aus  dem  Lager  am  Elpeos 
auf  die  Dauer  nicht  leicht  zu  verheimlichen  war,  gab  man  ihr  schein- 
bar den  Zweck  einer  Umgehung  zur  See.  Der  Konsul  liefs  die 
Flotte  nach  Herakleon  kommen,  hier  Proviant  —  10000  Portionen 
gekochte  Speisen  —  bereitstellen,  dann  das  Umgehungskorps  eben- 
dorthin  rücken,  den  Mundvorrat  in  Empfang  nehmen  und  nach  Einbruch 
der  Nacht  von  dort  landeinwärts  weiter  marschieren2).  Auch  die 
folgenden  Märsche  werden  Nachtmärsche  gewesen  sein:  es  war  Hoch- 
sommer; am  heifsen  Tage  konnte  man  ruhen.  Vor  dem  Morgen- 
grauen des  dritten  Tages  sollte  Pythion  angegriffen  werden 3). 


1)  Es  sind  drei  Wege  möglich,  entweder  über  den  Nezerosee,  oder 
durch  das  Tempetal  über  den  Melunapafs  und  Elassona,  oder  endlich  durch  das 
Tempetal  und  über  den  Bergpfad  Dava  Getschid  oder  Klefti  Gedik,  welcher 
über  das  Gebirge  hinläuft  und  vom  Westeingang  des  Tempetales  direkt  in  nord- 
westlicher Richtung  über  Poljana  und  Bairakli  auf  den  Eingang  des  Petrapasses 
zuführt.  Der  Weg  über  Nezero  ist  unbequemer,  der  über  den  Melunapafs  und 
Elassona  bedeutend  weiter,  als  der  über  den  Dava  Getschid,  und  zu  offen.  So  dürfte 
die  Benutzung  des  Dava  Getschid  das  wahrscheinlichste  sein.  Man  vergleiche 
darüber  auch  von  der  Goltz,  D.  thess.  Krieg,  S.  80  und  42.  —  Die  makedonische 
Besatzung  auf  dem  Passe  war  nach  Livius  44,  32,  9,  5000  Mann  stark  und  stand 
schon  seit  Anfang  des  Frühlinges  da.  Das  ist  sachgemäfs.  Nach  Plutarch 
Aem.  16  hätte  der  Pafs  ursprünglich  keine  Besatzung  gehabt,  sondern  ein 
Kreter  hätte  Perseus  die  Nachricht  von  dem  Umgehungskorps  gebracht, 
worauf  12000  Mann  schleunigst  dorthin  gesandt  seien.  Die  Geschichte  mit  dem 
kretischen  Überläufer  gehört  zu  den  ständigen  Requisiten  antiker  Militäranekdoten 
(vergl.  Bd.  I  S.  40)  und  ist  völlig  unglaubwürdig.  Sie  dürfte  auch  gar  nicht  ein- 
mal aus  dem  Briefe  des  Scipio,  sondern  aus  dem  in  diesen  Kapiteln  von  Plutarch 
stark  benutzten  Posidonios  stammeu  (vergl.  Schwarze  S.  30  f.  Nissen  a.  a.  O.)  Es 
ist  weder  denkbar,  dafs  der  wichtige  Pafs  von  Pythion  von  Perseus  ganz  unbesetzt 
gelassen  sei,  noch  dafs  12  000  Mann,  durch  eine  Meldung  auf  den  Angriff  vorbe- 
reitete Mannschaften  sich  durch  8000  ohne  weiteres  von  der  Pafshöhe  haben 
herunterwerfen  lassen. 

2)  Liv.  44,  35,  13—15.    Plut.  Aem.  15. 

3)  Liv.  44,  35,  15:  iussi  duces  itineris  ita  dividere  viam,  ut  quarta  vigilia 
tertio  die  Pythoum  adoriri  possent.  —  Von  Platamona  nach  dem  Eingang  des 
Petrapasses  sind  auf  dem  Dava  Getschid  etwa  75  Kilometer.  Das  ergibt  für  den 
Marsch  25  Kilometer. 


4.  Der  Feldzug  vom  Jahre  168  v.  Chr.  305T 

Der  Überfall  glückte  vollkommen.  Scipio  überraschte  die  Be- 
satzung im  Schlafe  und  nahm  die  Pafshöhe1).  Aber  damit  war 
eigentlich  noch  nicht  so  viel  gewonnen.  Etwa  16  Kilometer  hinter 
der  Pafshöhe  liegt  Petra,  ein  Sperrfort,  welches  den  Strafsendurch-  ier™0t  7>ar< 
gang  vollkommen  beherrscht.  Es  ist  auffallend,  dafs  unser  Bericht 
von  dieser  Position  gar  nichts  sagt.  Denn  wenn  das  Kastell  auch 
klein  war  und  nicht  mehr  als  ein  par  hundert  Mann  fassen  konnte, 
so  war  es  doch  für  die  im  Passe  geschlagenen  Truppen  der  natür- 
liche Sammel-  und  Stützpunkt2). 

Nun  sind    zwar  unsere  Nachrichten  über  diese  Vorgänge    mili- 
tärisch nicht  sehr  viel  wert,  weil  hier  nur  das  Plutarchische  Exzerpt 


J)  Plut.  Aem.  16  fährt  nach  der  anekdotenhaften  Geschichte  von  dem 
Überläufer  und  den  12000  Mann  Besatzung  (s.  d.  vor.  S.  A.  1)  so  fort:  rovroig 
(den  12  000  Mann  also)  6  fxhv  Tlolvßiog  (ff]aL  fri  xotjuw/Litvoig  tnineaelv  robg 
'Pfo/uaiovs,  6  da  Nccüixäg  6%vv  uydovct  ntQi  roTg  ixxQOtg  yeve'öxlcci.  Plutarch  hat  hier 
die  zwei  Berichte  falsch  zusammengeklittert:  Polybios  erzählte  natürlich,  dafs  die 
Besatzung  der  5000  Mann  im  Schlafe  nichtsahnend  überfallen  sei;  Nasica,  dafs 
mit  den  12000  ein  harter  Kampf  ausgefochten  wäre.  Der  Unterschied  zwischen 
beiden  Berichten  liegt  nur  in  der  Zahlangabe;  denn  „Überfall  im  Schlaf*  und 
„harter  Kampf"  sind  natürlich  kein  Widerspruch.  Die  Topographie  macht  hier 
einige  Schwierigkeit.  Einerseits  ist  von  einem  Gefecht  auf  der  Pafshöhe  die 
Rede  (nsQt  jolg  axQoig  Plut.  Aem.  16.  yMraXrjff&avrcov  iujv  ccxqcdv  Zon.  IX  23  P.  I. 
457  D),  anderseits  von  dem  Angriffe  auf  Pythion  (s.  Liv.  vor.  A.  und  Plut.  avtnavs 
ttjv  ajQuriav  vnb  xb  Ilvdiov).  Nun  hat  Heuzey  (p.  35)  den  Ort  des  Pythischen 
Tempels  auf  dem  Hügel  H.  Apostoli  beim  Dorfe  Selos  nachgewiesen,  4  Kilometer 
abseits  der  grofsen  Strafse,  so  dafs  ein  Angriff  auf  diesen  Platz  unnötig  war. 
Man  mufs  sich,  um  diesen  Widerspruch  zu  lösen,  erinnern,  dafs  es  auch  noch 
eine  Stadt  Pythion  oder  Pythoon  gab,  welche  zu  der  perrhäbischen  Tripolis  ge- 
hörte (Liv.  42,  53,  6:  tria  oppida).  Ihre  Lage  ist  bis  jetzt  nicht  ermittelt.  Man 
könnte  sie  nach  den  Nachrichten  über  unsere  Kriegsvorgänge  wohl  am  besten  in 
die  Gegend  von  Fuskinadzik  unmittelbar  südlich  von  der  Pafshöhe  setzen.  Sie 
nach  Ajos  Dimitrios  8|  Kilometer  jenseits  der  Pafshöhe  auf  der  makedonischen 
Seite  zu  verlegen,  ist  nicht  ratsam,  weil  die  Stadt  ja  zur  perrhäbischen  Tripolis 
gehörte.     Vergl.  Leake  III  341. 

2)  Heuzey  S.  146:  De  grandes  pentes  boisees  sont  disposees  de  maniere  ä 
former  un  vaste  cercle  ..  au  centre  de  ce  cercle,  se  dresse  une  röche  poiutue, 
escarpee,  isolee  de  toutes  parts  et  tailee  comme  une  pyramide  aigue  ä  trois  faces 
...  ä  sa  base,  vient  tourner  la  route  etroite  et  difficile  par  laquelle  on  penetre 
dans  le  defile.  Hier  lag  und  liegt  noch  jetzt  Petra:  1'emplacement  ne  peut  guere 
contenir  plus  de  trente  petites  maisons.  —  Petra  wird  denn  auch  als  militärisch 
wichtiger  Punkt  wiederholt  in  unseren  Berichten  genannt:  Liv.  44,  32,  9.  45,  41 ,  4. 
Plut,  Aem.  15. 

Kromayer,  Antike  Schlachtfelder.     II,  20 


306  Der  Krieg  gegen  Perseus. 

erhalten  ist  (S.  303  A.  1),  aber  dies  Mal  liegt  die  Schuld  doch 
nicht  an  ihm.  Petra  ist  in  der  Tat  bei  dieser  Umgehung  nicht  in 
Frage  gekommen. 

Etwa  4  Kilometer  vor  dem  Kastell  biegt  nämlich  von  der  Strafse 
ein  Pfad  rechts  ab,  verläfst  das  Tal  des  Mavroneriflusses  und  geht 
über  das  jetzige  Kloster  Petra  und  das  Dorf  Vrondi  im  Tale  des 
Varkos  in  die  Vorberge  des  Olymp  hinab  und  an  ihnen  entlang  in 
südöstlicher  Richtung  auf  den  Elpeos  zu1). 

Das  war  der  Weg,  welchen  Scipio  einschlagen  mufste,  um 
möglichst  sicher  vor  der  Reiterei  des  Königs  in  den  Rücken  der 
Elpeosstellung  zu  gelangen.  Dafs  er  ihn  tatsächlich  eingeschlagen 
und  Petra  links  liegen  gelassen  hat,  beweist  die  Tatsache,  dafs  er  sich 
vor  der  Schlacht  von  Pydna,  die  wie  sich  zeigen  wird  südlich  von 
Katerini  am  Mavroneri  geschlagen  ist,  mit  Aemilius  Paulus  vereinigte2). 
Diese  Vereinigung  mufs  also  südlich  vom  Mavroneri,  d.  h.  auf  der 
Strafse  über  Vrondi  stattgefunden  haben ;  man  wird  sie  etwa  bei 
Kalivia  Fteri  ansetzen  können. 

Dafs  aber  eine  solche  Vereinigung  stattfinden  konnte,  war  nur 
eine  Folge  der  Mafsregeln  des  Königs  Perseus. 

Auf  die  Kunde  nämlich  von  dem  Durchbruche  des  Scipio  hatte 
er  sofort  seine  Verteidigungsstellung  am  Elpeos  aufgegeben  und  den 
Rückzug  nach  Norden  angetreten3).  So  war  die  Bahn  für  die  Ver- 
einigung der  getrennten  römischen  Heeresteile  frei  geworden  und 
der  König  aus  seiner  unüberwindlichen  Stellung  herausmanöveriert. 
Die  Entscheidungsschlacht  stand  unmittelbar  bevor.  — 

Aber  ehe  wir  zur  Darstellung  dieser  Katastrophe  übergehen, 
haben  wir  noch  eine  Frage  zu  stellen,  die,  so  oft  auch  diese  Ereig- 
nisse behandelt  sind,  merkwürdigerweise  niemals  aufgeworfen  ist, 
ohne  deren  Beantwortung  aber  die  hier  stattgehabten  militärischen 
Bewegungen  nicht  verstanden  werden  können. 


!)  s.  die  Karte  No.  7.  Es  ist  der  Weg,  dessen  gröfseren  Teil  Heuzey  und 
Barths  Begleiter  gemacht  und  beschrieben  haben,  Heuzey  S.  145  f.    Barth,  S.  202  f. 

2)  Zonaräs,  der  über  unsere  Ereignisse  mehrfach  allein  recht  gute  Nach- 
richten erhalten  hat  sagt  IX  23  P.  I  458  A.:  7irj  fjhv  la&o*v,  nr]  dt  ßiaaufizvog 
vntQs'ßakev  ama.     Vielleicht  steckt  darin  ein  Nachklang  dieser  Umgehung. 

3)  Plut.  Aem.  16:  tovtoov  tw  üegotT  ttqootiegovtojv  xaia  ja/og  äva&vfrc 
r\ysv  om'aoo.    Ebenso  Zonaras  a.  a.  0. 


4.  Der  Feldzug  vom  Jahre  168  v.  Chr.  307 

Die  Frage  lautet:  Warum  ging  König  Perseus  denn  eigentlich 
aus  seiner  Stellung  am  Elpeos  zurück? 

Unsere  modernen  Darstellungen  begnügen  sich  mit  dem  lakoni- 
schen Bemerken,  dafs  der  König  nun  zurückgemufst  habe1). 

Das  ist  aber  nichts  weniger  als  selbstverständlich.  Eine  Armee 
von  40000  Mann  in  so  vorzüglicher  Verteidigungsstellung  braucht 
keineswegs  ohne  weiteres  zurückzugehen,  wenn  ein  Korps  von 
8000  Mann  irgendwo  auf  ihren  rückwärtigen  Verbindungslinien  er- 
scheint. Dies  Korps  ist  vielmehr  selbst  in  der  allergröfsten  Gefahr, 
abgeschnitten  und  ohne  Verbindung  mit  seiner  Armee.  Oder  konnte 
nicht  Perseus  dem  Scipio  eine  weit  überlegene  Abteilung  entgegen- 
werfen und  doch  stark  genug  für  die  Verteidigung  seiner  Linien 
bleiben,  da  ja  auch  die  Armee  des  Paulus  um  jene  8000  Mann 
schwächer  geworden  war?  Wenn  der  König  sich  ein  paar  Tage 
später  stark  genug  fühlte,  dem  wieder  vereinigten  römischen  Heere 
in  offener  Feldschlacht  entgegenzutreten,  so  mufste  er  doch  unter 
Beihilfe  seiner  Verschanzungen  erst  recht  stark  genug  dazu  sein,  mit 
zwei  Fronten  zu  schlagen. 

Etwas  anderes  wäre  es  gewesen,  wenn  er  in  die  taktische  Mitte 
geraten  wäre,  wenn  Scipio  etwa  während  eines  Sturmes  auf  die  Linien 
plötzlich  unerwartet  im  Rücken  erschienen  wäre  und,  ehe  eine  neue 
Front  gebildet  werden  konnte,  überraschend  eingegriffen  hätte, 
wie  das  z.  B.  bei  der  Stellung  König  Philipps  am  Aoos  der  Fall 
war.  Aber  davon  konnte  ja  hier  nicht  die  Rede  sein.  Der  Pafs 
von  Pythion  liegt  über  40  Kilometer  von  der  Stellung  am  Elpeos 
entfernt,  die  Wege  waren  keine  gebahnten  Strafsen,  sondern  zum 
grofsen  Teil  Waldpfade,  auf  denen  mit  8000  Mann  nur  äufserst  lang- 
sam vorwärts  zu  kommen  war.  Es  war  also  ausgeschlossen,  dafs  das 
Korps  des  Scipio  noch  an  dem  Tage  des  Gefechtes  von  Pythion  am 
Elpeos  eingreifen  konnte2).    Wenn  daher  der  König  am  Nachmittage 


!)  Mommsen,  R.  G.  IG  766:  Der  Feind  war  dadurch  umgangen  und  mufste 
nach  Pydna  zurückweichen.  Niese  S.  161:  Perseus  war  umgangen  und  mufste 
seine  feste  Stellung  räumen.  Ebenso  Ihne  III  209.  Heuzey  S.  152,  selbst  der 
Militär  Leake  III  430:  he  was  obliged  to  retreat  to  Pydna. 

2)  Plutarch  scheint  nach  dem  Ausdrucke  Aem.  16:  tovtcov  tw  IleQGeZ  ngoa- 
nea6vT(ov  zu  glauben,  dafs  die  Flüchtlinge  von  Pythion  direkt  ins  Lager  des 
Königs  gestürzt  seien.  Er  hat  eben  keine  Ahnung  von  den  Entfernungen,  wie 
das    auch    die    andere    von    ihm  gemachte  Angabe   zeigt,    dafs  Scipio   am  Abend 

20* 


308  Der  Krieg  gegen  Perseus. 

oder  Abend  seine  Reiterei  von  mindestens  2—3000  Pferden1),  mit 
der  er  in  den  Linien  doch  nicht  viel  anfangen  konnte,  und  ein  Korps 
von  etwa  14—15000  Mann  dem  Scipio  entgegengeschickt  hätte,  so 
hätte  er  jenen  durch  die  Übermacht  erdrücken  können  und  fast 
nichts  riskiert.  Denn  zwischen  Scipio  und  Paulus  gab  es  keine 
Verbindung;  der  römische  Oberfeldherr  hätte  von  jener  Entsendung 
nichts  zu  merken  brauchen.  Jedenfalls  war  so  die  Chance  des  Sieges 
eine  viel  gröfsere  als  in  der  offenen  Feldschlacht2). 

Allerdings  war  es  möglich  und,  wenn  die  Römer  mit  den  ge- 
nügenden Vorsichtsmafsregeln  marschierten,  wahrscheinlich,  dafs  sie, 
von  dem  Anmarsch  überlegener  Truppen  beizeiten  unterrichtet,  Zeit 
fanden,  ein  Lager  zu  schlagen  oder  sich  zurückzuziehen,  oder  dafs 
sie,  wenn  der  Zusammenstofs  spät  am  Tage  erfolgte,  schon  ein  Lager 
bezogen  hatten.  In  diesem  Falle  ist  ja  die  antike  Taktik  mit  ihren 
mangelhaffen  Fernwaffen  schlimm  daran.  Ein  Angriff  selbst  einer 
grofsen  Ühermacht  auf  eine  entschlossene,  im  Feldlager  verschanzte 
Truppe  ist  fast  immer  ein  aussichtsloses  Beginnen.  Aber  verloren 
war  Scipio  trotz  alledem  doch.  Er  hätte  aus  Mangel  an  Lebens- 
mitteln nach  ein  paar  Tagen  kapitulieren  müssen.  Und  wenn  es  ihm 
gelang,  sich  zurückzuziehen,  so  war  auch  damit  die  Gefahr  für 
Perseus  beseitigt.  In  den  Wäldern  des  Olymp  fand  er  ebensowenig 
Unterhalt  für  seine  Truppen.  Er  mufste  dann  überhaupt  den  Rück- 
weg antreten. 

Bei  solcher  Entwickelung  hätte  sich  nun  freilich  die  Krise  über 
mehrere  Tage  erstrecken  können,  während  welcher  Zeit  ohne  Zweifel 
ein  grofser  Angriff  des  Paulus  auf  die  Verschanzungen  am  Elpeos 
zu  erwarten  war.  Aber  auch  das  brauchte  Perseus  nicht  zu  fürchten. 
Mit  den  etwa  25000  Mann,  die  ihm  noch  blieben,  mufste  er  seine 
nur  etwa  eine  halbe  Stunde  langen  Linien  (S.  299)  gegen  die  gleiche 
Anzahl  Römer  ohne  Schwierigkeit  halten  können.  Im  äufsersten 
Notfalle  konnte  er  von  dem  Vorteile  Gebrauch  machen,  dafs  er  auf 
den  inneren  Linien  stand  und  seine  Truppen  im  Verlaufe  von  ein 
paar  Stunden  hin  und  her  schieben  konnte,  ohne  bei  einigermafsen 


von  Herakleon  aufgebrochen  sei  und  die  Nacht  am  Pythion  zugebracht  habe, 
ib.  cap.  15. 

x)  4000  hatte  er  im  ganzen;  1000  waren  nach  Änea  detachiert,  s.  S.  301. 

2)  Über  die  Unglaubwürdigkeit  der  Nachricht,  dafs  Perseus  durch  einen 
Überläufer  unterrichtet  12000  Mann  dem  Scipio  entgegengesandt  habe,  s.  S.304  A.  1. 


4.  Der  Feldzug  vom  Jahre  168  v.  Chr.  309 

geschicktem  Operieren  sofort  einen  Vorstofs  von  der  anderen  Seite  her 
besorgen  zu  müssen,  da  man  ja  bei  Scipio  die  augenblickliche  Lage 
am  Elpeos  nicht  kennen  konnte.  Kurz,  es  lag  hier  im  kleinen  eine 
Situation  vor,  wie  sie  ähnlich  in  der  neueren  Kriegsgeschichte  öfters 
vorgekommen  ist,  am  typischsten  wohl  bei  den  Kämpfen  Napoleons 
um  Mantua  und  den  wiederholten  verfehlten  Versuchen  der  Öster- 
reicher, ihn  mit  getrennten  Kolonnen  anzufallen1). 

Warum  hat  nun  Perseus  diese  Lage  nicht  ausgenutzt?  Hat  er 
sie  wirklich  nicht  erkannt  und  im  blinden  Schrecken  seine  Position 
gerade  in  dem  Augenblick  aufgegeben,  wo  sie  anfing  fruchtbar  zu 
werden?  Ich  glaube  kaum.  Die  Verhältnisse  waren  klein,  über- 
sichtlich; es  lag  auf  der  Hand,  was  zu  tun  war.  Der  Entschlufs, 
eine  wohl  vorbereitete  Verteidigungsstellung,  in  der  er  so  lange 
Widerstand  geleistet  hatte,  zu  verlassen,  konnte  ihm  nicht  leicht 
werden;  der  Wunsch  sie  zu  halten  mufste  ihn  diese  Möglichkeit  sehen 
lassen,  oder  wir  müfsten  den  König  hier  für  den  kopflosen  Offizier 
halten,  als  den  Polybios  ihn  uns  geschildert  hat,  und  dazu  haben 
wir  nach  seinem  ganzen  Verhalten  kein  Recht. 

Wir  haben  die  Lösung  ohne  Zweifel  in  anderer  Richtung  zu 
suchen. 

Wo  war  und  was  tat  während  der  Umgehungsbewegung  die  römi- 
sche Flotte?  Wir  haben  sie  zuletzt  angetroffen  in  Herakleon  (S.  304), 
also  in  unmittelbarer  Verbindung  mit  der  römischen  Landarmee  und 
beteiligt  an  der  Scheinbewegung,  die  Scipio  vorspiegeln  sollte.  Über 
ihre  weitere  Tätigkeit  schweigen  Livius  und  Plutarch.  Dieser,  weil 
er  überhaupt  kein  militärisches  Verständnis  hat  und  dem  Bericht 
des  Scipio  folgt,  der  nur  von  seinen  eigenen  Taten  erzählte;  jener, 
weil  für  uns  dieser  Teil  seines  Werkes  verloren  ist.  Aber  eine 
audere  Quelle,  Zonaras,  die  auch  in  letzter  Linie  auf  Polybios  zurück- 
geht, gibt  die  wichtige  Notiz,  dafs  die  Flotte  zu  derselben  Zeit  als 
die  Nachricht  von  Scipios  Umgehung  Perseus  gemeldet  wäre,  an  der 
Stellung  am  Elpeos  in  der  Richtung  auf  Pydna  vorbeigefahren  sei2). 

Wie  nun,  wenn  in  dieser  gespannten  Lage,  wo  alle  Kräfte  des 
Perseus  gebunden  waren,  die  Flotte  in  der  Ebene  von  Katerini 
landete  und  ihre  Seetruppen  aussetzte?  —  In  die  taktischen  Kämpfe 

!)  Clausewitz,  Feldzug  von  1796.  York  von  Wartenburg,  Napoleon  als 
Feldherr  I  23  ff. 

2j  IX  23,  P.  I  458  A:    Kai  yaQ  ib  vavxixbv   afxa  xb   xuiv  cP(ü(xai(ov  nuQinkti. 


310  Der  Krieg  gegen  Perseus. 

konnte  sie  wohl  kaum  entscheidend  eingreifen,  wohl  aber  konnte  sie 
die  Verbindung  zwischen  Pydna  und  dem  Elpeos  unterbinden.  Und 
ist  es  so  sicher,  dafs  Perseus  das  auch  nur  ein  paar  Tage  lang  aus- 
halten konnte?  Das  hing  von  den  Vorräten  ab,  die  er  gerade  in 
seinem  Lager  hatte,  und  damit  war  die  ganze  Entscheidung  schliefs- 
lich  vor  die  Frage  gestellt,  ob  Perseus  oder  Scipio  es  länger  mit 
anzusehen  vermochten,  von  der  Zufuhr  abgesperrt  zu  sein. 

Wenn  sich  der  König  in  diesem  Kampf  um  das  Brot  als  der 
Schwächere  wufste,  so  nützten  ihm  alle  Vorteile  der  inneren  Linien 
nichts.  Dann  mufste  er,  wollte  er  nicht  einer  Katastrophe  entgegen- 
gehen, zurückweichen,  ehe  die  Umgehungen  wirksam  zu  werden  an- 
fingen; dann  hatte  die  strategische  Schwäche  seiner  Verbindung .  mit 
Pydna  den  Sieg  errungen  über  die  taktischen  Vorteile  seiner  Stellung1). 

So  scheint  es  in  der  Tat  gewesen  zu  sein. 

2.  Bestimmung  des  Schlachtfeldes. 

Perseus  Rückzug  ging,  wie  erwähnt,  vom  Elpeos  aus  nördlich  und 
gab  die  Vereinigung  des  Scipio  und  Paulus  frei.     Damit   ist  gesagt, 
Bei  dafs  er  weiter  als  Dion  rückwärts  ging.     Denn  Scipio  kam  aus  dem 
kanyj^Karte  ^ale  von  Petra,  und  die  südlichste  Route,  die  er  einschlagen  konnte, 
war  eben  der  von  ihm  eingeschlagene  Weg  Vrondi— Dion. 

Anderseits  ging  der  Rückzug  des  Königs  nicht  bis  Pydna.  Denn 
die  Flüchtigen  aus  der  Schlacht  gelangten  z.  T.  in  diese  Stadt,  und 
ausdrückliche  Angaben  bestätigen,  dafs  die  Schlacht  in  der  Ebene 
vor  dieser  Stadt  geschlagen    sei2).    Die  Ebene  von  Katerini  ist  da- 


*)  In  der  in  der  vorigen  Anm.  angezogenen  Stelle  des  Zonaras  ist  noch 
eine  andere  Möglichkeit  angedeutet:  Die  Stelle  lautet  vollständig  so:  o  {tadojv  6 
lIsQoevg  (die  Umgehung  des  Scipio)  xcu  ösiaag  fzrj  xcctcc  vcorov  avzui  nqüaniar^  i\  xccl 
rr\v  Ilvövav  nQOxarda^i] }  xal  ycco  to  vavrixbv  afia  to  xdüv  'Pcü/ucciwv  naotTiXu, 
to  eovfj.cc  tö  nobg  tw  nora/uio  igüms.  Danach  hätte  also  Scipio  vielleicht  gar  nicht 
die  Bestimmung  gehabt,  der  Elpeosstellung  in  den  Rücken  zugehen,  sondern  mit 
der  Flotte  zusammen  einen  kombinierten  Angriff  auf  Pydna  zu  machen.  In  diesem 
Falle  hätte  selbst  bei  längerer  Dauer  der  Belagerung  das  Korps  des  Scipio  seinen 
Lebensunterhalt  vom  Meere  her  bezogen  und  mit  der  Flotte  zusammen  zugleich 
Perseus  von  seinen  Verbindungen  abgeschnitten.  Es  wäre  im  Effekt  auf  dasselbe 
hinausgekommen,  wie  die  im  Text  angenommene  Eventualität,  auf  einen  Kampf 
um  die  Verbindungen. 

2)  Liv.  44,42,  7:  sex  milia,  qui  Pydnam  ex  acie  perfugerant.  Strabo 
VII  C.  320,  22:  Iv  . .  t$  tiqo  ifs  IlvÖvw  tisölm.  Zon.  IX  23  P.  I  458  A:  tiqo  rijg 
noliojg  loTQaT07i6Ö*£vocao. 


4.  Der  Feldzug  vom  Jahre  168  v.  Chr.  311 

mit  als  Schauplatz  der  Entscheidung  festgelegt.  Das  ist  auch  bisher 
kaum  ernstlich  bezweifelt  worden1). 

Aber  diese  Ebene  ist  immer  noch  über  22  Kilometer  lang  und 
an  der  breitesten  Stelle  gegen  10  Kilometer  breit.  Eine  sichere, 
genauere  Lokalisierung  ist  daher  nötig.  Bisher  ist  sie  nicht  ge- 
lungen. Kein  Wunder,  dafs  daher  ein  volles  Verständnis  für  die 
taktischen  Vorgänge  der  Schlacht  selber  bei  unserer  lückenhaften 
und  z.  T.  sich  in  Nebensachen  verlierenden  Überlieferung  nicht  hat 
gewonnen  werden  können. 

Versuchen  wir  durch  unsere  Untersuchung  diese  Mängel  zu 
ergänzen. 

Die  bisherigen  Reisenden,  welche  sich  mit  der  Lokalisierung 
des  Schlachtfeldes  befafst  haben,  setzen  die  Schlacht  in  den  nörd- 
lichsten Teil  der  Ebene.  Um  von  Barth  zu  schweigen,  der  sie  über- 
haupt in  das  Hügelland  nördlich  von  der  Ebene  rücken  möchte  und 
daher  keiner  Widerlegung  bedarf,  glauben  Leake  und  Heuzey  sie 
in  die  Gegend  der  Dörfer  Grofs-  und  Klein- Ajani  verlegen  zu  sollen, 
weil  sie  in  dem  hier  bis  auf  etwa  4  Kiometer  an  das  Meer  heran- 
tretenden Hügelland,  die  in  unseren  Schlachtberichten  erwähnten 
Xoyoi  wiederzuerkennen  glauben,  und  weil,  wie  speziell  Heuzey  meint, 
gewisse  Namensähnlichkeiten  und  die  Volkstradition  dafür  sprächen 2). 


x)  Nur  Barth  S.  208  meint,  dafs  „jene  3  Waldschluchten"  —  welche  er  auf 
dem  Wege  von  Kitros  nach  Elefterochori  (Methone)  in  dem  Hügellande  westlich 
von  Pydna  passierte  —  „wohl  sicher  die  Hauptverteidigungslinie  des  makedoni- 
schen Heeres  in  der  Schlacht  bei  Pydna  bildeten". 

2)  Leake,  N.  G.  III  433.  Heuzey,  Mission  archeol.  S.  242,  möchte  aus  der 
Bezeichnung  eines  kleinen  Baches  „Lakos",  der  hier  fliefst,  auf  den  „Leukos"  des 
Plutarch,  aus  dem  Namen  des  Dorfes  Vromeri,  von  ßQco/u£Qog  neugriech.  =  stinkend, 
auf  ein  Leichenfeld  und  aus  der  Erzählung  der  Bauern,  dafs  die  schönen  Blumen 
im  Luludiatale  daselbst  aus  Menschenblut  erwachsen  seien,  auf  eine  Erinnerung 
an  die  Schlacht  schliefsen.  Das  läfst  man  am  besten  auf  sich  beruhen.  Auch 
Bursian,  Rhein.  Mus.  n.  F.  16  S.  424,  erklärt  sich  für  die  Verlegung  des  Schlacht- 
feldes in  diese  Gegend.  Näher  war  Heuzey  der  Wahrheit  in  seinem  früheren 
Werke  Le  mont  Olympe,  wo  er  S.  156  die  Schlacht  wenigstens  mit  einem  Flügel 
bis  an  den  Pelikas  heranrückt,  den  anderen  aber  doch  an  die  Berge  von  Ajani 
stofsen  läfst  und  damit  der  Front  eine  viel  zu  weite  Ausdehnung  gibt.  Er  hat, 
wie  das  seine  Karte  des  Olymp  in  dem  genannten  Werke  zeigt,  überhaupt  eine 
ganz  verkehrte  Vorstellung  von  dem  Laufe  des  Pelikas  und  Mavroneri  gehabt, 
die  er  von  Westen  nach  Osten  fliefsen  und  etwa  4  Kilometer  voneinander  ins 
Meer  münden  läfst. 


312  ^er  Krieg  gegen  Perscus. 

Diese  Hypothese  mit  ihren  leicht  wiegenden  Gründen  scheitert  an 
dem  Umstände,  dafs  in  diesem  ganzen  Teile  der  Ebene  kein  gröfserer 
Flufs,  insonderheit  kein  solcher  existiert,  der  das  ganze  Jahr,  hin- 
durch Wasser  hat. 

Die  Schlacht  ist  am  22.  Juni,  also  in  der  heifsesten  Jahreszeit, 
geschlagen  und  entspann  sich  aus  einem  Vorpostengefecht  an  einem 
zwischen  den  beiden  Lagern  hinfliefsenden  Flusse,  dessen  Wasser  nach 
Livius  bis  zur  Kniehöhe  reichte1).  Heuzey  bemerkt  selber,  dafs  die 
Bäche  bei  Grofs-  und  Klein-Ajani  nur  in  der  stärksten  Regenzeit  Wasser 
haben2).  Der  einzige  gröfsere  Flufs  in  der  Ebene  von  Katerini,  der 
das  ganze  Jahr  hindurch  Wasser  behält,  ist  nun  der  Mavroneri  südlich 
von  der  genannten  Stadt3).  Er  entspricht  in  jeder  Hinsicht  der 
Beschreibung  des  Livius.  Im  April,  als  ich  die  Gegend  besuchte, 
war  er  etwa  20  Meter  breit  und  so  tief,  dafs  man,  wenn  man  nicht 
nafs  werden  wollte,  besser  tat,  auf  dem  Büffelwagen  durch  die  Furt 
zu  fahren,  als  zu  Pferde  hindurchzureiten.  Sein  Hauptnebenflufs, 
der  Pelikas,  an  den  man  vielleicht  auch  noch  denken  könnte,  ist  be- 
deutend weniger  wasserreich.  Ich  bin  vier  bis  fünfmal  an  verschie- 
denen Stellen  hindurchgeritten,  ohne  mir  die  Stiefelsohlen  zu  netzen. 
Leake  fand  ihn  sogar  im  Dezember  völlig  ausgetrocknet,  während 
gleichzeitig  der  Mavroneri  ein  „clear  and  rapid  stream"  war4).  Ein 
Blick  auf  die  Karte  zeigt  auch  sofort  den  Grund  dieser  Erscheinung: 


x)  Livius  44,  40,  4:  fluraen  erat  haud  magnum  propius  hostium  castris,  ex 
quo  et  Macedones  et  Romani  aquabantur  praesidiis  ex  utraque  ripa  positis.  .  .  . 
§8:  aquam  ferme  genus  tenus  altam.  Zon.  IX  23  P  I  458B:  vnot,vyiöv  n 
Twv  Poo/uctieov  f/?  rb  vdcoQ  dosniGEV. 

2)  Olympe,  S.  171:  Megalo-Ajani  .  .  est  situe  sur  le  bord  d'un  torrent  qui 
n'a  de  l'eau  qu'au  plus  fort  de  la  saison  des  pluies  .  .  .  Mikro-Ajani  .  .  est  sur 
un  autre  torrent,  egalement  ä  sec.  Der  Lakos,  den  Heuzey,  Mission  S.  242,  mit 
dem  Leukos  des  Plutarch  identifizieren  möchte,  ist  ein  ganz  kleines,  in  der  Ebene 
entspringendes  Bächelchen  von  nur  2  Kilometer  Länge  (Heuzey  Plan  D  in  der 
Mission),  welches  weder  die  österreichische  noch  die  türkische  Generalstabskarte 
zu  zeichnen  für  wert  gehalten  haben.  Die  Beschreibung  des  Livius  und  Plutarch 
(s.  vor.  A.  u.  S.  313  A.  1)    pafst  auf  ihn  gar  nicht. 

3)  Es  ist  mir  von  Ortskundigen  und  zuverlässigen  Leuten  an  Ort  und  Stelle 
wiederholt  versichert  worden,  dafs  es  aufser  ihm  keinen  Flufs  in  der  Ebene  von 
Katerini  gibt,  der  das  ganze  Jahr  Wasser  hat. 

4)  N.  G.  III  414.  Der  clear  and  rapid  stream,  den  Leake  11  Minuten  nörd- 
lich von  Spighi  (=  Stipi  =  Istobi)  erreicht,  ist  natürlich  der  Mavroneri,  die  „broad 
charadra  or  dry  river"  unmittelbar  vor  Katerini  der  Pelikas,  vergl.  die  Karte. 


4.  Der  Feldzug  vom  Jahre  168  v.  Chr.  313 

der  Mavroneri  kommt  aus  dem  tief  eingeschnittenen  Tal  von  Petra 
und  nährt  sich  von  den  Hochtälern  des  Olymp,  während  der  Pelikas 
seine  Quelle  in  dem  niedrigen  Vorgebirge  hat. 

Es  kann  also  kein  Zweifel  sein,  dafs  wir  die  Schlacht  am 
Mavroneri  und  das  makedonische  Lager  nördlich,  das  römische  süd- 
lich von  ihm  anzusetzen  haben. 

Es  fragt  sich,  ob  alle  anderen  Nachrichten  dazu  stimmen,  und 
ob  uns  deren  Betrachtung  nicht  noch  Genaueres  über  die  Stelle 
an  diesem  11  Kilometer  weit  durch  die  Ebene  laufenden  Flusse 
lehren  kann. 

Plutarch  erzählt,  dafs  durch  die  Ebene  zwei  Flüsse,  der  Leukos 
und  Äson,  geflossen  seien,  welche  beide  dem  Könige  als  Front- 
hindernis gegen  die  Römer  verwertbar  erschienen  seien,  ob- 
gleich sie  damals  im  Hochsommer  beide  wenig  Wasser  gehabt 
hätten l).  Dafs  diese  beiden  Flüsse  der  Mavroneri  und  Pelikas  sind, 
bedarf  keiner  weiteren  Ausführung2),  ebensowenig,  dafs  wir,  wenn 
sie  Fronthindernisse  sein  sollten,  das  makedonische  Lager  nördlich  von 
ihnen  beiden  anzusetzen  haben.  Damit  kommen  wir  aber  an 
den  Oberlauf  des  Mavroneri  in  der  Ebene.  Denn  schon  etwa  in  der 
Mitte  derselben,  bei  dem  Dorfe  Istobi  (Stipi),  fliefsen  beide  Flüsse 
zusammen,  nachdem  sie  die  letzten  4  Kilometer  lang  fast  parallel  in 
einer  Entfernung  von  1 — 2  Kilometer  nebeneinander  hergeflossen 
sind.  Innerhalb  dieser  Strecke  also  hat  das  makedonische  Lager 
auf  dem  linken  Ufer  des  Pelikas  gelegen. 

Plutarch  und  ebenso  Livius  berichten  weiter,  dafs  Hügel  in 
unmittelbarer  Nähe  des  Schlachtfeldes  sich  hingezogen  hätten,  welche 
für  leichte  Truppen  günstige  Gelegenheit  zu  Beunruhigungen  des 
Gegners  in  der  Flanke  geboten  hätten3);  dafs  die  Römer  am  Tage 
vor  der  Schlacht    in  die  Ebene  hinabgestiegen    seien  und    dabei 


:)  Aem.  Paul.  16:  dm  juioov  öi  (zwischen  der  Ebene  und  dem  Hügellande) 
noTa/uol  oeovrtg  Aldcov  xcä  Anxog  ov  /uaXct  ßadtTg  tot«  (Üsoovg  yaq  r\v  tuoa  q&i- 
vovrog)  töoxovv  iiva  dvaeoyCav  o/uoog  rotg  'Pcojuca'oig  nccnst-eiv. 

2)  Und  zwar  wird  Aivxog  =  Mavroneri  sein,  da  es  Plut.  Aem.  21  heifst: 
toxi  dk  Af.vy.ov  noiajuov  t6  ^sv/ua  .  .  rrj  /ueiä  trjV  f-iuxr\v  tj/uequ  .  .  ett  /ut/uiy/usiov 
aiuan  und  wir  unten  sehen  werden,  dafs  der  Kampf  hauptsächlich  auf  dem  rechten 
Ufer  des  Mavroneri  stattgefunden  hat.     Alatov  also  =  Pelikas. 

3)  Plut.  Aem.  Paul.  16:  6  ö*h  xönog  kal  neöiov  r\v  .  .  xa\  löqoi  avvz%ug  aklog 
$!j  ükXov,  Toig  yv/xvrjTEiovGi  xccl  ipiXoTg  ävcafvyng  xal  neotdoo/uag  8/ovTtg.  Ebenso 
20:  luJv  tqtküv  avo)fxäl(x)v  ovtgov.     Frontin  II  30,  20:  loca  confragosa. 


314  Der  Krieg  gegen  Perseus. 

das  in  voller  Schlachtordnung  in  der  Ebene  stehende  makedonische 
Heer  erblickt  hätten1),  dafs  Aemilius  Paulus  seine  vom  Marsch  er- 
müdeten Soldaten  aber  nicht  sofort  habe  in  den  Kampf  führen 
wollen,  sondern  auf  den  Hügeln  eine  Aufstellung  genommen  habe, 
unter  deren  Schutz  er  das  Lager  habe  schlagen  lassen'),  dafs  er  am 
folgenden  Tage  von  seinem  Zelte  aus  das  feindliche  Lager  und  die 
ganze  Ebene  überblickt  habe3),  dafs  endlich  in  der  Schlacht  das 
Berggelände  vom  Kampfgeschrei  widergehallt  hätte4),  und  sein  Fufs 
von  Toten  bedeckt  gewesen  sei,  da  die  Römer  bis  zu  der  Hügelkette 
—  hier  steht  auch  der  Name  Olokros  —  zurückgedrängt  seien5). 

Ein  Blick  auf  die  Karte  zeigt,  wie  hier  wiederum  Zug  um  Zug 
alles  zutrifft. 
rto  Aemilius    hat    sich    vom  Elpeos  aus  nordwestlich   ans  Gebirge 

No.  9.  gehalten,  um  seine  Vereinigung  mit  Scipio  zu  bewirken,  die,  wie 
oben  (S.  306)  erwähnt,  ungefähr  in  der  Gegend  von  dem  Dorfe  Kalyvia 
Fteri  erfolgt  sein  mag.  Nun  steigt  die  vereinigte  Armee  in  die 
Ebene  hinab  —  xaveßcuvs.  Bei  Konduriotissa  schiebt  sich  ein  kleiner 
Höhenzug  weit  in  das  Tiefland  hinein.  Er  war  zu  übersteigen.  Auf 
seiner  Höhe,  dem  Sattel  von  Konduriotissa,  überschaut  man  plötzlich 
die  ganze  Ebene  von  Katerini,  die  Stadt  im  Hintergrunde,  den 
Mavroneri  wie  ein  silbernes  Band  zu  Füfsen.  Hinter  ihm  stand  die 
makedonische  Armee  in  Schlachtordnung  —  slöe  xr\v  svagdva^v  tö 
jzXfjfiog  fiavfAdoag. 

Aemilius  hält  an,    zieht  sich  etwas  rechts  auf  den  Höhen  hin, 
läfst  seine  Armee  auf  halber  Höhe  des  Nordabhanges  der  Hügelkette 


1)  Plut.  a.  a.  0.  17:  6  <T  AluCXiog,  (og  etg  ravibv  awi/uth  tg}  Naoixa,  xaii- 
ßaive  GWTSiayfxsvog  Inl  zovg  noXefxiovg.  '£lg  <f  rfde  zr\v  nagaiai-cv  aviwv  xal  tö 
nlfj&og,  davfxäoag  tneoTrjoe  rrjv  noqtiav.  Dafs  die  Makedonier  in  der  Ebene  stehen, 
versteht  sich  von  selber,  wird  aufserdera  wiederholt  gesagt:  Plut.  ib.  16 
und  sonst. 

2)  Liv.  44,  36,  1—37,  3.  Plut.  Aem.  17:  r«  /uev  ngtota  noiuv  Gyn^a  *VS 
nagaTiigtcag  .  .  rovg  (T  an'  ovgag  .  .  Iv  %u>Qq  yagaxa  ßaXia&ai,.  Die  Hügel  Liv.  44, 
37,  11:  quod  eo  loco  signa  constituisset,  quo  phalanx,  quam  inutilem  vel  mediocris 
iniquitas  loci  efficeret,  promoveri  non  posset. 

3)  Plut.  Aem.  17:  naQrjye  tov  yqovov  Iv  xr{  oxrjvrj  xad-sto/uevog  avanenTapivy 
ngbg  to  nsöiov  xal  tt\v  GTQuiontdtCav  twv  noXe^iiwv. 

4)  ib.   18:  he'nXrjOav  .  .  xgavyrjg  xal  ÖOQvßov  .  .  ir\v  bguvr\v. 

5)  ib.  21:  wots  76  utv  ntdiov  xal  tt\v  vnajoeiav  xaTaninXrpSai  vexqiov. 
ib.  20:  ava%(jüQ7}0ig  nqbg  rl  ogog  to  xaXov^xevov  'OXöxqov. 


4.  Der  Feldzug  vom  Jahre  168  v.  Chr.  315 

aufmarschieren  —  quo  phalanx  promoveri  non  posset  — ,  das 
Lager  auf  der  Höhe  selbst  schlagen  —  ev  zcoqo,  %dQaxa  ßaXsoficu. 
Die  Hügel  von  Konduriotissa  erheben  sich  östlich  der  Strafse 
Konduriotissa— Katerini  nur  noch  bis  zu  70  Meter  über  die  Ebene, 
sinken  weiter  östlich  bald  auf  27  Meter  und  darunter  und  fallen  nach 
Norden  sanft  geböscht  zum  Flusse  hin  ab1).  Sie  eignen  sich  also 
vorzüglich  für  den  geschilderten  Aufmarsch  und  für  das  römische 
Lager,  während  das  Gelände  links  der  Strafse  zu  bergig  und  steil 
dazu  wird,  aber  eben  deshalb  für  Flankenbeunruhigungen  durch 
leichte  Truppen  —  dvag?vyäg  xai  JisQidQotadg  —  treölich  geeignet  ist. 
Bei  dieser  Ansetzung  kommen  endlich  noch  zwei  andere  Forde- 
rungen unserer  Überlieferung  zu  ihrem  Rechte.  Das  römische  Lager 
soll  von  dem  Flufs  etwas  weiter  entfernt  gewesen  sein  als  das  make- 
donische2), und  die  Front  der  römischen  Schlachtordnung  soll  so  ge- 
richtet gewesen  sein,  dafs  die  römischen  Soldaten  in  den  späteren 
Vormittagsstunden  die  Sonne  nicht  mehr  im  Gesicht  hatten3). 

Beides  ergibt  sich  aus  der  Natur  der  Gegend.  Das  makedoni- 
sche Lager  am  Pelikas  ist  etwa  I  Kilometer,  das  römische  auf  der 
Höhe  1  Kilometer  vom  Mavroneri  entfernt4),  und  die  Richtung  der 
Hügelkette,  sowie  der  Lauf  des  Flusses  schreiben  die  Richtung  der 
römischen  Front  nach  Nordosten  vor,  also  in  einer  Richtung,  in  der 


')  Vom  Beginn  der  Steigung  bis  zum  höchsten  Punkte  sind  1400  Meter 
Entfernung,  die  durchschnittliche  Steigung  beträgt  hier  also  nur  1  auf  20  Meter 
oder  5%.  —  Auf  dem  letzten  östlichen  Ausläufer  dieser  Hügelkette  liegt  ein 
grofser,  weithin  ins  Auge  fallender  Tumulus,  der  die  Aufmerksamkeit  der  Reisen- 
den von  jeher  auf  sich  gezogen  hat.  Leake  III  413  f.  Heuzey  112.  Tozer  II  6. 
Er  mifst  unten  234  Schritt  im  Umfang  und  ist  12  Meter  hoch.  Es  wäre  inter- 
essant, durch  Nachgrabungen  festzustellen,  ob  er  zu  der  Schlacht  in  Beziehung 
steht.  Die  Lage  eignet  sich  vortrefflich  für  ein  Massengrab  der  Gefallenen. 
Überhaupt  dürften  Grabungen  in  dieser  ganzen  Küstenstrecke,  bei  Dion,  Pydna 
und  sonst,  reichlichen  Ertrag  und  Belehrung  versprechen. 

2)  propius  hostium  castris,  s.  S.  312  A.  1. 

3)  Paulus  zögert  erst  unter  dem  Vorwande  von  Opfern  mit  der  Aufstellung 
des  Heeres  überhaupt  bis  zur  3.  Tagesstunde,  d.  h.  bis  7  Uhr  morgens  (s.  S.  317 
A.  1),  dann  wartet  er,  in  seinem  Zelte  sitzend,  die  weitere  Drehung  der  Sonne  ab. 
Plut.  Aem.  17:  ttjv  änöxXiaiv  xiu  nEoitpoQav  uvctui-vcov  tov  (fcorog,  onwg  [ir  y.caa 
nooGconov  fxa/ouH'oig  avToTg  €(o&ev  6  r\kiog  uvaXaunoi. 

4)  Mit  Rücksicht  auf  diese  Forderung  der  Quellen  habe  ich  die  natürlich 
nur  ungefähre  Lage  der  beiden  Lager  auf  der  Karte  eingetragen. 


316  ^ei*  Krieg  gegen  Perseus. 

die  Sonne  etwa  von  der  dritten  Tagesstunde  an  den  Soldaten  mehr 
und  mehr  in  den  Rücken  kam. 

So  pafst  hier  nicht  nur  alles  bis  in  die  kleinsten  Einzelheiten 
hinein,  sondern  dies  ist  auch  der  einzige  Punkt  der  ganzen  Ebene, 
wo  alle  die  vielen  Forderungen  der  Überlieferung  ihre  volle  Be- 
friedigung finden.  An  keinem  anderen,  man  mag  auf  der  Karte  den 
ganzen  Kranz  der  Berge  um  die  Ebene  herum  durchwandern,  findet 
sich  ein  solches  Zusammentreffen  von  Ebene,  zwei  Flüssen  und  Hügel- 
land, an  keinem  ist  ein  Marsch  der  Römer  von  einer  Hügelkette 
herab,  um  auf  das  Schlachtfeld  zu  gelangen,  nötig  oder  auch  nur 
wahrscheinlich,  an  keinem  eine  passende  Stelle  für  ein  Lager  der 
Römer  auf  der  Höhe,  der  Makedonier  in  der  Ebene  mit  Flüssen  da- 
zwischen auffindbar.  Das  Zusammentreffen  aller  dieser  Umstände 
macht,  glaube  ich,  eine  andere  Lösung  unmöglich:  das  Schlachtfeld 
ist  mit  Sicherheit  festgestellt1). 

Inwiefern  dieses  Resultat  auf  die  Aufhellung  der  militärischen 
Vorgänge  in  der  Schlacht  selbst  zu  wirken  geeignet  ist,  wird  aus 
einer  Schilderung   der  Schlacht  selber  am  deutlichsten  hervorgehen. 

3.    Die  Schlacht. 

Am  Tage  nach  der  Ankunft  der  Römer  auf  dem  Schlachtfelde 
stellten  beide  Feldherren  des  Morgens  ihre  Heere  wiederum  in  Schlacht- 
ordnung   auf.     Aemilius  Paulus  zögernd   um  die  dritte  Tagesstunde, 


])  Die  Flucht  der  Makedonier  ging  nach  dem  Meere  zu  und  nach  Pydna 
(Liv.  44,  42,  1.  4.  Zon.  1X23  P.  I  458  C).  Auch  das  ergibt  sich  bei  unserer  An- 
setzung  von  selber.  Die  Verfolgung  soll  sich  über  120  Stadien  d.  h.  21  Kilometer 
erstreckt  haben  (Plut.  Aem.  22).  Da  sie  erst  zwei  Sommerstunden  vor  Sonnenunter- 
gang begann  (nQo  öfy.drrjg  ivixr\oav  ib.),  so  kann  sie  nicht  weiter  als  höchstens  bis 
Pydna  und  zu  der  Grenze  des  Pierischen  Waldes  gereicht  haben.  Bis  dahin  sind 
vom  Schlachtfelde  17  Kilometer.  Es  liegt  also  eine  kleine,  aber  sehr  begreifliche 
Überschätzung  der  Entfernung  vor.  Wollte  man  diese  Angabe  pressen  und  darauf- 
hin das  Schlachtfeld  noch  etwas  weiter  nach  Süden  in  die  Gegend  zwischen 
Kalivia  Fteri  und  Karitza  rücken,  so  wäre  dagegen  zu  bemerken,  dafs  1)  diese 
Gegend  zu  nahe  an  der  Stellung  vom  Elpeos  und  der  Stadt  Dion  liegt.  Es  bleibt 
kein  Raum  für  die  Operationen  vor  der  Schlacht,  und  die  Schlacht  selber  wäre 
dann  eine  Schlachtyvon  Dion  und  nicht  von  Pydna  gewesen  — ,  dafs  2)  der  hier 
fliefsende  Varkosflufs,  der  dann  der  Leukos  oder  Aeson  sein  müfste,  gerade  in 
diesem  Stück  von  Kalivia  Fteri  bis  Karitza  unter  dem  Boden  verschwindet  und 
erst  bei  Karitza  wieder  auftaucht,  (Pausanias  1X30,  8(4)).  Heuzey,  Olympe 
S.  120),  ein  zweiter  Flufs  aber  hier  überhaupt  nicht  existiert. 


4.  Der  Feldzug  vom  Jahre  168  v.  Chr.  317 

d.  h.  zwischen  7  und  8  Uhr  morgens.  Trotz  zwanzigmal  wiederholten 
Stieropfers  hatten  die  Zeichen  nie  für  eine  Schlacht  günstig  werden 
wollen,  und  auch  beim  21.  Male  erlaubten  sie  nur  eine  Defensiv- 
schlacht. So  wurde  das  Heer  zwar  aus  dem  Lager  hinausgeführt,  aber 
es  blieb  am  Fufse  der  Hügelkette  stehen  und  machte  keine  Miene, 
zum  Angriff  überzugehen1). 

Auch  Perseus  ging  nicht  vor.  Hatte  er  am  gestrigen  Tage 
trotz  der  Ermüdung  der  Gegner  und  trotz  des  vor  seinen  Augen 
vor  sich  gehenden  Aufmarsches  nicht  anzugreifen  gewagt,  weil  die 
Gegner  eine  zu  starke  Stellung  auf  den  Hügeln  selbst  eingenommen 
hatten  (S.  314),  so  wollte  er  es  heute,  trotzdem  sie  bis  an  die  Ebene 
vorgegangen  waren,  wiederum  nicht  tun,  weil  sie  nicht  wie  gestern 
vom  Marsche  ermüdet  seien  und  sich  in  aller  Ruhe  hätten  formieren 
können2).  Sonderbare  Vorvvände!  Vielleicht  hatte  er  auch  einen 
Seher,  der  ihm  nur  die  Defensivschlacht  erlaubte. 

Das  eigentümliche  Zögern  beider  Feldherren,  für  das  aus  den 
Quellen  keine  genügenden  Gründe  sichtbar  sind,  wird  sofort  erklär- 
lich, wenn  wir  den  Blick  auf  die  Karte  richten:  Zwischen  beiden 
Heeren  flofs  der  Mavroneri.  Der  Flufs  selber  konnte  zwar  kein 
ernstliches  Hindernis  bieten,  da  sein  Wasser  nur  bis  ans  Knie  reichte 
(S.  312  A.  1)  und,  soweit  ich  gesehen  habe,  der  Grund  überall  aus 
festem  Kiesboden  besteht.     Aber  sein  100—200  Meter  breites,  meist 


J)  Plut.  Aem.  17:  ctfxa  <f  rj/uioa  iw  'HgaxXsl  ßov&vrwv  ovx  ixakXie'QSC 
[tt'XQcg  slxooi,  T(Z  ök  ttqcüio)  xal  eixoora  nuQrjv  tcc  üt]U87a  xal  vixr\v  d/uwo/usvoig 
tffoa&v.  sugujuevog  ovv  .  .  .  7tqog€icc!;€  dictxoa/uuv  roTg  riye^ioav  rov  Gtqktov  eis 
päxr\v.  Liv.  44,  37,  12:  consul  ....  per  speciem  immolandi  terere  videbatur 
tempus,  cum  luce  prima  ad  signum  propositum  pugnae  exeundum  in  aciem 
fuisset.  tertia  demum  hora  sacrificio  rite  perpetrato  ad  consilium  voeavit.  Die 
Sonne  geht  nach  meiner  Berechnung  unter  dem  37°  am  22.  Juni  um  4°  35'  4' 
auf  und  um  7°  24'  56"  unter  —  nach  Zechs  Berechnung  bei  Matzat,  Rom.  Zeit- 
rechn.,  Ö.  83  A.  5  ist  demgegenüber  eine  Differenz  von  1  Min.  56  Sek.  vorhanden, 
deren  Grund  ich  nicht  kenne,  die  aber  bei  ihrer  Geringfügigkeit  für  uns  nicht 
in  Betracht  kommt  — ;  die  Tageslänge  ist  daher  rund  15  Stunden  (14  St.  49  Min. 
55  Sek.),  die  Tagesstunde  rund  %  Stunden  lang.  Die  dritte  Stunde  beginnt  rund 
um  7  Uhr  und  endet  8^. 

2)  Liv.  44,40,2:  quod  nee  fessos,  ut  pridie  ex  via  neque  trepidantis  in 
acie  instruenda  et  vixdum  compositos  aggressurus  erat.  Daraus,  dafs  nur  dieser 
Grund  und  nicht  mehr  die  starke  Stellung  auf  den  Hügeln  geltend  gemacht  wird, 
ist  eben  zu  schliefsen,  dafs  die  Römer  bis  in  die  Ebene  hinabgegangen  waren,  was 
sich  übrigens,  wenn  sie  überhaupt  kämpfen  wollten,  von  selber  versteht. 


318  Der  Krieg  gegen  Perseus. 

nur  von  Kiesgerölle  erfülltes  Bett  ist  von  mehrere  Meter  hohen 
Ufern  begleitet,  die  zwar  aus  weichem  Lehmboden  bestehen  und  auf 
der  in  Betracht  kommenden,  etwa  3  Kilometer  langen  Strecke  viel- 
fach auch  ganz  allmählich  ansteigen  und  daher  leicht  zu  überwinden 
sind,  an  anderen  Stellen  aber  wiederum  steil  abfallen  und  beträcht- 
liche Hindernisse  bieten,    besonders    auf  der  makedonischen  Seite1). 

Der  Seher  des  Aemilius  Paulus  hatte  also  vollkommen  recht, 
wenn  er  eine  Offensivschlacht  verbot.  Denn  dabei  lief  man  Gefahr, 
während  des  Überganges  vom  Feinde  angefallen  zu  werden  und  ein 
Schicksal  zu  erleiden  wie  die  Phalanx  des  Machanidas  bei  Mantinea 
(Bd.  I,  S.  307). 

Dafs  das  späte  Ausrücken  der  Römer  zur  Schlacht  und  die 
Bedenken  des  Feldherrn,  überhaupt  in  den  ersten  Vormittags- 
stunden zu  schlagen,  in  der  durch  das  Gelände  vorgeschriebenen 
Richtung  der  römischen  Front  nach  Nordosten  ihren  Grund  haben, 
ist  bereits  früher  (S.  315)  erwähnt  worden. 

Die  20  Rinder  waren  also  nicht  umsonst  geopfert. 

Da  keines  der  beiden  Heere  Miene  machte,  den  Flufs  zu  über- 
schreiten, führte  man  um  Mittag  nach  mehrstündigem  Stehen  in  der 
Junisonne  die  Truppen  in  die  Lager  zurück  und  verwandte  den  Nach- 
mittag zu  Furagierungen2). 


*)  Nach  meinen  Tagebuch-Aufzeichnungen  sind  die  Ufer  des  Mavroneri 
am  Zusammenflusse  mit  Pelikas  bis  zu  4  Meter  auf  der  makedonischen,  2 — 3  Meter 
auf  der  römischen  Seite  hoch.  Etwas  nördlicher  auf  der  makedonischen  Seite 
sogar  einmal  bis  zu  6  Meter  hoch,  steil,  senkrecht  abgenagt,  Lehmboden.  Uie 
Steilufer  sind  aber  nicht  durchgängig  vorhanden.  Zehn  Minuten  südlich  der  Furt 
nach  Konduriotissa  werden  die  Ufer  flach  bis  zur  Mühle  von  Kulukur.  Nur  ein- 
zelne steile  Stellen  sind  noch  vorhanden;  die  Breite  des  Bettes  beträgt  100  bis 
200  Meter,  die  des  Wassers  20  Meter.  Über  den  Pelikas,  der  ja  zwar  auch  zwischen 
den  Lagern  flofs,  aber  von  den  Makedoniern  ohne  Gefahr  überschritten  werden 
konnte,  solange  die  Römer  jenseits  des  Mavroneri  waren,  sagen  die  Notizen:  „Ränder 
fast  durchgängig  steil,  4—6  Meter  hoch,  Lehm,  eingefressen,  senkrecht,  einzelne 
Stellen  flach.  Breite  (des  Bettes)  schwankt  zwischen  100  und  400  Meter,  an  ein- 
zelnen Stellen  bis  800  Meter.  Kiesbett  mit  Sand,  Gestrüpp,  Weiden,  Wiesen.  Am 
Wege  nach  Elassona  sind  die  Ufer  2  —  4  Meter,  bei  der  Mühle  1250  Meter  unter- 
halb des  Weges  4  Meter,  bei  Vereinigung  mit  dem  Mavroneri  bis  6  Meter  hoch/' 
—  Die  Höhen  sind  alle  etwas  überschätzt,  vergl.  die  Bemerkung  S.  298  A.  1  Ende. 

2)  Dafs  man  sich  nach  Aufstellung  der  Heere  noch  einige  Zeit  gegenüber- 
stehen blieb,  folgt  aus  der  Bemerkung  S.  315  A.  3;  dafs  man  dann  beiderseits  die 
Schlacht  aufgab,  aus  Liv.  44,  40,  3:    ne  illo  ipso  quidem  die  aut  consuli  aut  regi 


4.  Der  Feldzug  vom  Jahre'  168  v  Chr.  319 

So  hätte  es  noch  eine  ganze  Anzahl  von  Tagen  gehen  können 
—  die  Situation  hat  in  dieser  Richtung  grofse  Ähnlichkeit  mit  der 
von  Platää  — ,  da  führte  ein  Zufall  noch  am  Nachmittage l)  desselben 
Tages  die  Entscheidung  herbei. 

Die  Vorposten  an  beiden  Ufern  des  Flusses  gerieten  in  ein 
Gefecht,  das  sich  durch  Verstärkungen  von  beiden  Seiten  immer 
hitziger  und  bedeutsamer  gestaltete  und,  ohne  dafs  es  beabsichtigt 
war,  zuletzt  beide  Heere  in  den  Kampf  verwickelte2). 

Der  Gang  im  einzelnen  ist  offenbar  folgender  gewesen. 

Die  Makedonier  hatten  anfangs  das  Übergewicht,  und  es  war 
ihnen  gelungen,  den  Gegner  vom  jenseitigen  Ufer  zu  vertreiben  und 
ihn  eine  beträchtliche  Strecke  bis  ziemlich  nahe  an  das  römische 
Lager  zurückzudrängen,  als  sich  Aemilius  Paulus  entschlofs  die  ganze 
Armee  ausrücken  zu  lassen. 

Das  geht  aus  dem  Umstände  hervor,  dafs  es  in  der  Schlacht- 
schilderung ausdrücklich  heifst,  die  ersten  Toten  seien  nur  2  Stadien, 
d.  h.  etwa  350  Meter  vom  römischen  Lager  entfernt  gefallen3).     Die 


pugnare  placebat,  Worte,  die  eben  auf  die  Situation  von  Mittag  an  zu  beziehen 
sind.  Dafs  die  beiden  Heere  am  Nachmittage  bei  Beginn  der  Schlacht  in  ihren 
Lagern  waren,  geht  zudem  für  die  Römer  aus  Liv.  44,  40,  6  hervor,  wo  aufser 
den  Vorposten  am  Flusse  noch  ein  „aliud  pro  castris  stativum  praesidium"  von 
3  Kohorten  und  2  Türmen  erwähnt  wird,  das  keinen  Zweck  gehabt  hätte,  wenn 
die  ganze  Armee  noch  ausgerückt  gewesen  wäre.  Für  die  Makedonier  folgt  es 
aus  der  Beschreibung  des  Scipio,  besonders  aus  den  Worten  ort  tw  xody.aani'doov 
inavccittkovöcu  (faXayyeg  ix  xov  /a^axo  g  (S.  321  A.  3).  Es  ist  bezeichnend  für 
die  unmilitärische  Auffassung  der  erhaltenen  Quellenschriftsteller,  dafs  weder  das 
Ausrücken  der  Makedonier  am  Morgen  noch  das  Wiedereinrücken  beider  Heere 
in  die  Lager  ausdrücklich  erwähnt  ist,  sondern  dafs  wir  es  aus  zufälligen  Be- 
merkungen erschliefsen  müssen.  —  Die  Furagierungen  der  Römer  Liv.  44,  40,  2 
auch  wieder  nur  angedeutet;  ebenso  Plut.  Aem.  18  in  der  Version  des  Schlacht- 
beginnes nach  Posidonios. 

!)  Plut.  Aem.  18 :  neol  felX^.    Ebenso  Zon.  IX  23  P.  I  458  C. 

2)  Plut.  Aem.  18.  Liv.  44.  40,  7  —  10.  —  Die  Einzelheiten  wurden  von  den 
verschiedenen  Quellen  Posidonios  und  Polybios  verschieden  erzählt  (Nissen  S.  301. 
Schwarze  S.  34).  Ich  bin  dem  Polybianischen  Berichte  als  dem  zuverlässigeren 
gefolgt.     Für  die  militärische  Bedeutung  ist  der  Unterschied  irrelevant. 

3)  Plut.  Aem.  18:  ovtco  de  &Qcta€cog  xctl  justo)  rd^ovg  tnrjtGav  äörs  rovg 
Ttnojtovg  vty.Qovg  ano  dvtlv  öt aS itav  töv  Poo/ucüxov  %aQc<xog  xaTaneöetv.  Man 
war  also  über  600  Meter  vom  Flusse  nach  den  Bergen  zu  vorgedrungen  und  stand 
schon  unmittelbar  am  Fufse  derselben.  —  Das  Ausrücken  des  ganzen  römischen 
Heeres  wird  etwas  vorher  mit  den  Worten  angedeutet :  6  fxhv  ovv  Al^iiUog  waneQ 


320  ^er  Krieg  gegen  Perseus. 

Gefahr,  in  der  sich  die  makedonischen  Heeresteile,  die  so  weit  vor- 
gedrungen waren,  gegenüber  der  römischen  Übermacht  befanden,  ist 
dann  offenbar  der  Beweggrund  für  Perseus  gewesen,  auch  seinerseits 
die  ganze  Armee  einzusetzen  und  den  Flufs  zu  überschreiten. 

So  ist  also,  wie  auch  früher  schon  erwähnte  Umstände  voraus- 
setzen liefsen,  die  Entscheidung  zwischen  Flufs  und  Berg  auf  dem 
rechten  Ufer  des  Mavroneri  ausgefochten  worden1). 

Diese  für  das  Verständnis  der  Schlacht  wichtige  Tatsache  kann 
indessen  noch  nicht  sofort  verwertet  werden,  sondern  erst,  nachdem 
wir  festgestellt  haben,  welches  die  Schlachtordnungen  beider  Heere 
gewesen  sind,  eine  Aufgabe,  die  unter  Heranziehung  aller  einzelnen 
darauf  bezüglichen  Andeutungen  der  Überlieferung  so  gut  wie  mög- 
lich gelöst  werden  mufs,  da  der  zusammenhängende  Bericht  darüber 
in  einer  Lücke  des  Livius  verloren  gegangen  ist.  Was  man  darüber 
noch  wissen  kann,  ist  folgendes. 

Das  erwähnte  Vorpostengefecht  hatte  sich  auf  dem  südöstlichen 
Flügel  der  beiden  Heere  entwickelt2).  Als  Aemilius  Paulus  sich 
nun  entschlofs,  die  ganze  Armee  ins  Gefecht  zu  bringen,  schickte  er 
Scipio  Nasica  an  der  Spitze  einer  Kavalleriepatrouille  zu  Erkundung 
über  den  feindlichen  Anmarsch  vor,  und  von  ihm  haben  wir  eine 
lebensvolle  Schilderung,  wie  es  auf  diesem  Teile  des  Schlachtfeldes 
aussah 3). 

Vom  äufsersten  linken  Flügel  der  Makedonier  angefangen,  fielen 
ihm  zuerst  die  schwergerüsteten  thrakischen  Bataillone  zu  Fufs  ins 
Auge,  hohe  Gestalten  in  schwarzen  Röcken,  mit  grofsen  viereckigen 
Schilden  und  weifsglänzenden  Beinschienen,  erzbeschlagene  gerade 
Keulen  schwingend.  Dann  folgten  mehrere  Abteilungen  gemischter 
Soldtruppen,    unter    denen  Päonier    deutlich  erkennbar  waren,   dann 


xvßeovqTrjg  rw  naqövxt  oaXco  y.ai  xivtjuciTt  tcov  arQccTonsöcüV  Tex/uacQo/uevog  to  /usytDog 
rov  /usXXovrog  ayoüvog    ix    t?J?  axtjvrjg  7ioorjX&£    xal  ia   idy/uara  rw  qtiXltwv  Inuov 

nctQEdÜQQVViV. 

J)  Man  vergleiche  die  S.  314  u.  313  A.  2  angeführten  Angaben  Plutarchs 
und  die  Worte  Frontins,  der  die  Römer  II  3,  20  in  confragosa  loca  zurück- 
weichen läfst. 

2)  Liv.  44,  41,  3:  (Paulus)  in  dextrum  cornu,  unde  circa  flumen  commissum 
proelium  erat,  elephantos  inducit. 

3)  Plut.  Aem.  18:  6  /uh  ovv  Ai/uiXiog  rex/ucctQÖpevog  ro  [xsyt&oc,  rov  [xtX- 
Xovrog  aywvog  Ix  rrjg  oxrjvrjg  nQoi)X&e  .  .  6  cFf  Naöixäg  t'$i7i7zaot<(Atvog  nybg  roug 
nxr>oßoXt,'Cof.isvovg  6q(c  nävTag  ooov  ovtuo  Tovg  noXe/uiovg  Iv  /sqoIv  bvTocg. 


4.  Der  Feldzug  vom  Jahre  168  v.  Chr.  321 

eine  Elitetruppe  von  3000  makedonischen  Peltasten  mit  Sarissen  be- 
waffnet J). 

Das  Ganze  mag  eine  Masse  von  9000  Mann  gebildet  haben 2). 

Diese  Truppen  erscheinen  geschlossen  im  Anmärsche,  und  zwar 
schon  in  völlig  entfalteter  Schlachtreihe. 

Weiter  aber  gewahrt  Scipio  die  Phalanx  selber  aus  dem  Lager 
debouchierend,  und  zwar  den  linken  Flügel  derselben,  die  Chalkaspiden 
oder  Erzschildner.  So  weit  reicht  das  Auge  des  Offiziers.  Zwischen  der 
Phalanx  und  den  Peltasten  klafft  offenbar  noch  eine  grofse  Lücke3). 

Es  ist  der  ganze  linke  Flügel  bis  zum  Zentrum  hin,  der  uns 
hier  nach  den  Angaben  eines  glaubwürdigen  Augenzeugen  beschrieben 
wird4). 


1)  ib.  18:  7tqü)Toi  d'  ot  Qocixsg  tycoQovv  .  .  .  necoä  de  Tovg  ©qqxag  ol  fxiG&o- 
(fOQOi  naQtvißaXoV)  wv  dxevaC  re  navroöanal  xal  [X6tuiy/usvoi  ÜaCoveg  rjaav '  Inl 
cJ£  rovrotg  ayrifxa  tqltov  ol  Xoyadeg  ,  .  .  Dafs  die  Thraker  Fufstruppen  sind,  geht 
aus  der  Hervorhebung  ihrer  hohen  Gestalten  vifjrjlol  tu  gc6[xcctc(,  der  Erwähnung 
des  grofsen  Hoplitenschildes  dvoeuiv  otiXiö^ko  und  der  Keulen  bo&ug  Qo/xcfaiag  anb 
tcSv  dt&öjv  wfxoiv  ImoeCovitg  hervor.  Auch  Liv.  31,  39,  11  sind  die  Thraker  mit 
„rumpiae  ingentis  longitudinis"  Fufssoldaten.  Dafs  die  Peltasten  Sarissen  haben, 
folgt  aus  19:  rovg  Iv  Tolg  uy^uaai  Maxeöovccg  ixxoag  rag  GuotöGctg  7iQogsQt]QEi- 
xörag  roTg  &vo8oTg  twv  'Pco/uaieüv  und  aus  Liv.  44,  41,  9,  s.  S.  323  A.  5. 

2)  In  der  Ordre  de  bataille  des  Heeres  des  Perseus  (s.  Beilage  S.  336) 
sind  die  freien  Thraker,  zu  denen  die  Keulenschwinger  ohne  Zweifel  gehören, 
3000  Mann,  diePäonier  und  benachbarte  Völker  (Agrianer,  Parastrymonier,  Paroräer), 
welche  hier  als  /Luo&o(f6ooi  verschiedener  Bewaffnung  mit  Päoniern  vermischt  be- 
zeichnet werden,  gleichfalls  3000.  Die  Agemata  der  Peltasten  sind  bei  Pydna 
3000  Mann  (vergl.  Ordre  de  bat.  S.  335  A.  4).  Hier  wird  allerdings  nur  das  ayr\fxa 
tqitov  erwähnt,  gleich  darauf  aber  die  ayrjjxctTa  (s.  vor.  A.  Ende).  Die  3000  Mann 
werden  auch  zusammen  in  der  Schlacht  niedergehauen  (Plut.  Aem.  21).  Ich 
setze  daher  die  ganze  Garde  auf  diesen  Flügel;  es  liegt  wohl  eine  Flüchtigkeit 
Plutarchs  vor.  —  Diesen  9000  Mann  links  von  der  Phalanx  entsprechen  dann 
10000  Mann  rechts  derselben,  was  auch  numerisch  besser  pafst,  als  wenn  man  zu 
7000  und  12000  verteilen  wollte  (vergl.  S.  323). 

3)  Plut.  Aem.  18:  oig  xadiGTapivoig  dg  ra^iv  al  tujv  xccXxaonidcov  £ncc- 
vaT&loioai  (fakayyeg  Ix  tov  ^äqaxog  lvinl.r\Gav  .  .  .  to  nediov.  Diese  Lücke  auch 
bei  Livius  44,  41,  1  erwähnt:  intervallum,  quod  inter  cetratos  et  phalanges  erat, 
inplevit  legio  atque  aciem  hostium  interrupit;  a  tergo  cetrati  erant,  frontern  ad- 
versus  clupeatos  habebat;  chalcaspides  appellabantur.  Das  allmähliche  Ausrücken 
aus  dem  Lager  Zon.  IX  23,  P.  I  458  C:  xai'  bUyovg  ix  t(öv  üToononeömv  tgyeoav. 

4)  Dafs  Scipio,  um  seine  Person  hervorzustreichen,  gelegentlich  übertrieben 
hat,  kommt  hier  eben  so  wenig  in  Betracht  wie  bei  der  früher  erwähnten  Gelegen- 
heit S.  303  A.  1. 

Kromayer,  Antike  Schlachtfelder.     II.  21 


322  Der  Krieg  gegen  Perseus. 

Zwei  Beobachtungen  sind  dabei  besonders  erwähnenswert. 

Die  makedonische  Armee  marschiert  vom  linken  Flügel  her  auf. 
Der  linke  Flügel  steht  schon  aufmarschiert,  das  Zentrum  verläfst  ge- 
rade das  Lager,  vom  rechten  Flügel  ist  überhaupt  noch  nichts  zu 
sehen.  Das  ist  das  eine.  Und  Reiterei  wird  auf  dem  schon  stehen- 
den linken  Flügel  gar  nicht  erwähnt.  Das  ist  das  andere.  In  der 
Tat  bestätigt  der  Gang  der  Schlacht,  dafs  auf  dem  linken  makedoni- 
schen Flügel  keine  oder  doch  nur  geringfügige  Reiterei  gestanden 
haben  kann ').  Denn  die  makedonische  Reiterei  ist  bei  dieser  Schlacht 
überhaupt  nicht  ins  Gefecht  gekommen,  sie  hat  das  Schlachtfeld 
unversehrt  und  unverfolgt  verlassen  (s.  S.  325).  Hätte  ein  beträcht- 
licher Teil  derselben  auf  dem  linken  Flügel  gestanden,  so  wäre  das 
nicht  möglich  gewesen.  Denn  dieser  Flügel  hat  das  Gefecht  er- 
öffnet, ist  dann  zuerst  geschlagen  und  von  den  Elefanten  ins  Meer 
geworfen  worden  (S.  324).  Wie  hätte  dabei  Reiterei,  die  natürlich 
am  äufsersten  linken  Flügel  stehen  mufste,  einer  Deroute  entgehen 
und  nach  rechts  hin  durchkommen  können,  wohin  ja  nach  dem  Ge- 
lände die  Flucht  gehen  mufste,  da  im  Rücken  das  Meer  war? 

Die  Erklärung  dafür,  weshalb  auf  dem  linken  makedonischen 
Flügel  keine  namhafte  Reiterei  stand,  gibt  wieder  ein  Blick  auf  die 
Karte:  Das  Schlachtfeld  am  Zusammenflusse  von  Mavroneri  und 
Pelikas  mit  ihren  beiderseitigen,  hier  besonders  hohen  Steilrändern 
(s.  S.  318  A.  1)  ist  für  Reiterei  ganz  ungeeignet  und  schützt  von 
selber  vor  Überflügelung. 

Mit  dieser  Feststellung  der  Truppen  des  linken  Flügels  ist 
aber  in  der  Hauptsache  die  ganze  makedonische  Schlachtordnung 
gegeben.  An  die  Chalkaspiden  schlofs  sich  natürlich  die  andere 
Hälfte  der  Phalanx,  die  Leukaspiden  (Weifsschildner),  an,  und  beide 
standen,  wie  die  Phalanx  bei   Sellasia  und  Magnesia,  auch  hier  wie 


])  Frontin  II  3,  20  sagt,  dafs  Perseus  equitem  utroque  cornu  locasset.  Es 
mag  ähnlich  gewesen  sein  wie  bei  Magnesia,  wo  auch  die  ganze  Reiterei  der 
Römer  unter  Eumenes  auf  dem  rechten  Flügel  stand,  auf  dem  linken  4  Türmen 
(s.  S.  180).  Über  die  Glaubwürdigkeit  Frontins  s.  S.  326  A.  3.  —  Auch  aus  der 
Bemerkung  des  Livius  44,  41,  4,  dafs  die  Erfindungen  des  Perseus  gegen  die 
Elefanten  sich  in  der  Schlacht  nicht  bewährt  hätten,  folgt  nichts  für  das  Vor- 
handensein von  Reiterei  auf  diesem  Flügel.  Denn  diese  Erfindungen  waren  auch 
für  das  Fufsvolk  gemacht  (Zon.  IX,  22  P.  I.  456  D:  ngog  rovg  Uiqavzag  .  .  (fäXuyya 

OTlXlTÜV    1<JXr)X6L    USW. 


4.  Der  Feldzug  vom  Jahre  168  v.  Chr.  323 

es  scheint  32  Mann  tief1).  Dann  müssen  etwa  10000  Mann  ge- 
mischte Truppen,  nämlich  3000  Peltasten,  2000  Gallier,  3000  Kreter 
und  1000  Griechen,  und  endlich  auf  dem  äufsersten  rechten  Flügel 
die  3000  Reiter  unter  König  Perseus  selbst  gefolgt  sein2).  Hier  dehnt 
sich  auch  zwischen  den  2  Kilometer  weit  voneinander  entfernten 
Flüssen  ein  für  Reiterkämpfe  genügend  grofses  Blachfeld  aus. 

Die  römische  Aufstellung  war,  wie  es  scheint,  nicht  die  ge- 
wöhnliche: in  der  Mitte  standen  zwar  die  beiden  Legionen,  den  beiden 
Hälften  der  Phalanx,  den  Leukaspiden  und  Chalkaspiden  gegenüber 3), 
aber  die  linke  Ala  der  italischen  Bundesgenossen  scheint  Aemilius 
Paulus  gleichfalls  auf  den  rechten  Flügel  geworfen  zu  haben4),  weil 
hier  durch  den  überraschend  wuchtigen  Angriff  der  makedonischen 
Garde  und  der  Thraker  ein  grofser  Teil  der  ala  dextra  im  ersten 
Ansturm   zertrümmert    worden   war5).     Dann    müssen  wir  auf  dem 


1)  Liv.  44,  41,  2  fährt  nach  den  S.  321  A.  3  zitierten  Worten  chalcaspides 
appellabantur  fort:  secundam  legionem  L.  Albinus  consularis  ducere  adversus 
leucaspidem  phalangera  iussus.  —  Dafs  die  Chalkaspiden  und  Leukaspiden 
nicht  einzelne  Regimenter,  sondern  die  beiden  Hälften  (xiqaia  Asklep.  II  10)  der 
ganzen  Phalanx  sind,  folgt  daraus,  dafs  gegen  jede  dieser  Abteilungen  je  eine 
ganze  Legion  kämpft  und  aus  der  Menge  der  von  ihnen  erbeuteten  Schilde,  von 
denen  die  Xsvxal  xal  rq^iai  (?)  1200  und  die  /cdxat  auch  1200  Wagen  bei  dem 
Triumph  des  Paulus  füllten  (Diod.  31,  8,  10).  Neben  den  Chalcaspides  der  Phalanx, 
die  doch  auch  wohl  schon  Pol.  IV  67,  6  als  Schwerbewaffnete  —  nicht  wie  ich 
früher  glaubte  als  leichte  Truppe  —  im  Gegensatz  zu  Peltasten  vorkommen,  hat 
es  auch  wenigstens  bei  Sellasia  Chalkaspides  gegeben,  die  Peltasten  waren, 
s.  Band  I  S.  232  A.  1.  —  Die  Tiefe  der  Aufstellung  beruht  auf  Frontin  II  3,  20: 
phalangem  duplicem,  da  die  einfache  Tiefe  für  die  makedonische  Phalanx  dieser 
Zeit  16  Mann  sind.    Bd.  1  S.  239  A.  1.    Über  Magnesia  s.  S.  181. 

2)  Die  gemischten  Truppen  sind  diejenigen,  welche  nach  der  Ordre  de  bataille 
des  makedonischen  Heeres  vom  Jahre  171  (Beil.  S.  335  f.)  nach  Abzug  der  Truppen 
des  linken  Flügels  übrigbleiben.  Die  Richtigkeit  dieser  Ansätze  ist  natürlich 
nur  eine  ungefähre,  da  der  Bestand  des  Heeres  in  den  drei  Kriegsjahren  im  ein- 
zelnen manche  Veränderung  erfahren  haben  wird,  vergl.  Beilage  S.  337  f. 

3)  Liv.  44,  41,  1  f.,  s.  A.  1  und  S.  321  A.  3. 

4)  Es  heifst  Liv.  44,  41,  3:  in  dextrum  cornu  . .  elephantos  inducit  et  alas 
sociorum  (Wiener  Kodex  „et  alias  (sie !)  sociorum  deutlich"  (Groag)).  Dafs  damit 
nicht  Reiteralen  gemeint  sind,  wie  man  nach  Liv.  42,  48,  12,  vermuten  könnte, 
wo  griechische  Reiter  auch  einmal  ausnahmsweise  als  sociorum  equites  bezeichnet 
werden,  geht  aus  dem  an  unserer  Stelle  §  5  gleich  darauf  gebrauchten  Ausdruck 
socii  nominis  Latini  hervor. 

5)  Die  Kohorten  der  Päligner  und  Marruciner  Plut.  Aem.  20,  nach  an- 
schaulicher Schilderung  des  Kampfes  ovtco  de  tujv  nqo^ä^iav  diatp&uQiviwv  aye.- 

21* 


324  Der  Krieg  gegen  Perseus. 

linken  Flügel  der  Römer,  soweit  er  überhaupt  zum  Aufmarsch  ge- 
kommen war,  die  Masse  der  auxilia  ansetzen  und  ebenso  die  ganze 
Reiterei.  Denn  die  Legionen  standen  ja,  wie  ausdrücklich  bezeugt 
wird,  der  in  der  Mitte  der  ganzen  Schlachtreihe  aufgestellten  Phalanx 
gegenüber1). 

Dazu  stimmt  denn  auch  in  der  Tat,  dafs  bei  den  Kämpfen  des 
rechten  Flügels  weder  Reiterei  noch  Hilfstruppen  erwähnt  werden, 
sondern  nur  die  latinischen  Bundesgenossen  und  die  Elefanten,  welche 
vor  ihnen  aufgetrieben  waren3). 

Dem  allmählichen  Aufmarsche  vom  Flügel  her  entsprach  der 
Verlauf  der  Schlacht. 

Auf  den  zuerst  zusammengestofsenen  südöstlichen  Flügeln 
fand  auch  zuerst  die  Entscheidung  statt3).  Die  Makedonier  hatten 
hier  das  Übergewicht  behalten,  bis  der  eben  erwähnte  starke 
Sukkurs  mit  den  Elefanten  herankam  und  den  Umschwung  herbei- 
führte. Sie  wurden  jetzt  bis  an  und  in  das  Meer  zurückgedrängt 
und  hier  unter  Mitwirkung  der  Flotte  gänzlich  vernichtet  (Liv.  44, 
42,  4-7). 

Die  Lücke  im  Aufmarsche  der  Makedonier,  welche  zwischen 
diesem  Flügel  und  dem  Zentrum  bestanden  hatte,  benutzte  Aemilius 
Paulus  sofort,  um  die  ganze  erste  Legion  gegen  die  Chalkaspiden 
vorgehen  zu  lassen,  so  dafs  sie  sich  an  den  Peltasten  vorbeischoben 
und  ihnen  im  Rücken  zu  stehen  kamen  (S.  321  A.  3).  Der  Vorteil  bei 
diesem  gegenseitigen  Vorbeigehen  war  auf  Seiten  der  Römer.  Denn 
bei  der  gröfseren  Manövrierfähigkeit  der  Manipulartaktik  konnte  die 
Legion  weit  eher  der  Phalanx  die  Flanke  abgewinnen  als  jene 
ihr.  Die  zweite  Legion  führte  den  Kampf  gegen  die  Leukaspiden 
(S.  323  A.  1). 

Trotz  der  von  Anfang  an  vorhandenen  Ungleichmäfsigkeit  im 
Vorgehen  der  makedonischen  Armee,  die  durch  das  Überschreiten 
des  Flufses  noch  vergröfsert  sein  mufs,  haben  doch  die  Römer  dem 


y.onr\aav  ot  xaiönw  ccvtcov  lnnziay{itvoi.  Liv.  44,  41,  9:  quod  Paelignis  principio 
pugnae  incaute  congressis  adversus  cetratos  evenit,  induissent  se  hastis  nee  con- 
fertam  aciem  sustinuissent. 

1)  Liv.  44,  41,  2:  ea  media  acies  hostium  fuit. 

2)  Liv.  44,  41,  5:  elephantorum  impetum  subsecuti  sunt  socii  norainis  Latini 
pepuleruntque  laevum  cornu. 

3J  Liv.  44,  41,  3;  hinc  primum  fuga  Macedonum  est  orta. 


1.  Der  Feldzug  vom  «Fahre  168  v.  Chr.  325 

ersten  Stofse  der  Haufen  nirgends  zu  stehen  vormocht '),  sondern 
sind  teils  mit  Macht  zurückgedrängt  worden,  teils  freiwillig  auf  Be- 
fehl von  oben  her  und  das  Nutzlose  von  Frontangriffen  einsehend 
bis  an  den  Fufs  der  Hügelkette  zurückgewichen,  wo  denn  freilich 
die  Phalanx  zum  Stehen  kommen  mufste,  wenn  die  einzelnen  Haufen 
nicht  schon  vorher  durch  Flankenangriffe,  die  bei  dem  ungleich- 
mäfsigen  Vorgehen  überall  mit  Erfolg  versucht  wurden,  zum  Stehen 
gebracht  worden  war2).  Immerhin  beträgt  die  Breite  der  Ebene  vom 
Flufs  zur  Hügelkette  in  wechselnder  Ausdehnnng  durchschnittlich 
3—500  Meter,  ein  Raum,  auf  dem  bei  gleichmäfsigem  Vorgehen  der 
Phalanx  und  fortwährendem  Rückwärtsweichen  der  Römer  eine  völlige 
Katastrophe  hätte  eintreten  können3).  So  aber  büfste  die  Phalanx 
durch  die  Seitenangriffe  die  Stofskraft  nach  vorn  ein,  und  einmal 
zum  Stehen  gebracht,  war  sie  ohne  Flankenanlehnung  der  einzelnen 
Haufen  untereinander  verloren. 

Das  Bild,  welches  sich  hier  bietet,  ist  dasselbe  wie  bei  Kynos- 
kephalä  auf  dem  linken  makedonischen  Flügel,  wo  auch  der  ungleich- 
mäfsige  Anmarsch  den  Keim  der  Niederlage  in  sich  schlofs. 

Wenn  somit  dieser  Teil  des  Schlachtherganges  vollkommen  klar 
und  verständlich  ist,  so  bleibt  dagegen  ein  Rätsel,  wo  die  Kavallerie 
während  dieser  ganzen  Aktion  gewesen  ist,  und  wie  es  zusammen- 
hängt, dafs  sie  schliefslich  unverfolgt  das  Schlachtfeld  verlassen  hat4). 


x)  Aemilius  Paulus  äufserte  später  selbst  wiederholt,  dafs  er  nie  etwas 
Schrecklicheres  gesehen  habe  als  die  makedonische  Phalanx  im  Anmärsche.  Pol. 
XXIX  17,  1;  Plut,  Aem.  19. 

2)  Ausführliche  Schilderung  dieser  Vorgänge  Plut.  Aem.  20  bis  Ende  uud 
Liv.  44,  41,  6-9,  s.  d.  Übersetzung  im  Anhange  S.  329 ff.  Zon.  IX  23  P.  I  458  C: 
ficc/rjg  davvTccxiov  .  .  ysvo/uevrjg.  —  Unsere  Schlachtberichte  heben  das  Zerreifsen 
der  Phalanx  erst  nach  dem  ersten  Zusammenstofse  stark  hervor.  Es  war  aber, 
wie  wir  gesehen  haben,  daneben  von  Anfang  an  kein  gleichmäfsiges  Vorgehen 
vorhanden. 

3)  Die  Ebene  zwischen  der  Hügelkette  und  dem  Mavroneri  ist  im  all- 
gemeinen 300  Meter,  aber  wo  die  Windungen  des  Flusses  und  die  Hügel  sich 
entgegenlaufen  nur  150 — 200  Meter,  wo  sie  auseinandergehen,  bis  500  und 
600  Meter  breit.  Es  ist  .eine  schöne  Wiese  mit  herrlichen  einzelnen  Platanen  und 
Pappeln  bestanden.  Unebenheiten  sind  vorhanden,  aber  keine  sehr  bedeutenden, 
meist  im  Anschlufs  an  die  auf  diesem  Ufer  nur  2 — 3  Meter  hohen  Steilränder 
des  Mavroneri,  die  aber  nur  an  einzelnen  Stellen  ausgeprägt  sind. 

4)  Liv.  44,  42  1  f.:  equitatus  prope  integer  pugna  excessit.  princeps  fugae 
rex  ipse  erat  .  ,  confestim  eos  Cotys  sequebatur  Odrysarumque  equitatus.    ceterae 


326  ^er  Krieg  gegen  Perseus. 

Zwei  Bemerkungen  in  unseren  Schlachtberichten  geben  jedoch 
auch  hier  Fingerzeige  zur  Erklärung. 

Die  Trümmer  des  makedonischen  Fufsvolkes  —  so  heilst  es  in 
der  ersten  dieser  Notizen  —  waren  auf  dem  Rückzuge  mit  der 
gröfsten  Erbitterung  gegen  die  Reiterei  erfüllt.  Man  warf  ihnen 
Verrat  und  Feigheit  vor,  rifs  sie  von  den  Pferden,  prügelte  sie,  eine 
Schilderung,  der  Nissen  mit  Recht  das  Prädikat  der  inneren  Wahr- 
heit zugesprochen  hat1). 

Anderseits  wird  berichtet,  dafs  die  römische  Reiterei  nicht  ver- 
folgt habe,  weil  die  Schlachtreihe  der  Fufstruppen  dazwischen  ge- 
wesen wäre  und  man  über  dem  Niedermetzeln  derselben  die  Ver- 
folgung der  Reiterei  „vergessen  habe2)". 

Aus  dieser  letzten,  nicht  ganz  klaren  Bemerkung  des  Livius  wird 
man  doch  so  viel  entnehmen  dürfen,  dafs  die  römische  Reiterei  an 
dem  Kampfe  gegen  das  Fufsvolk  beteiligt  gewesen  ist.  Und  hier 
setzt  nun  ergänzend  eine  bisher  nicht  verwertete  Notiz  des  Frontin 
ein,  die  auf  diesen  Vorgang  mehr  Licht  fallen  läfst.  Er  erzählt 
nämlich,  dafs  der  Umschwung  im  Gefechte  der  Fufstruppen  durch 
einen  Angriff  der  römischen  Reiterei  von  der  Seite  her  herbeigeführt 
sei.  Die  Phalanx  sei  den  weichenden  Legionen  in  guter  Ordnung 
gefolgt,  da  habe  Aemilius  Paulus  die  Reiterei  vom  linken  Flügel  her 
einen  Angriff  in  der  Art  machen  lassen,  dafs  sie  an  der  Front  der 
Phalanx  im  Karriere  entlang  geritten  sei  und  durch  die  Wucht  von 
Mann  und  Rofs  die  Lanzen  geknickt  und  die  Makedonier  wehrlos 
gemacht  habe3). 


quoque  Macedonum  alae   integris  abibant  ordinibus.    —    Plut.  Aem.  23:    ütQoevg 
ifvyrj  .   .  .    tx7T6/coQ6i,    tcov  Inneoov  imsixcSs  navrcov  ccnb  rrjg   f^c'c/rjg  diaoeacoG/usvcDV. 
»)  Plut.  Aem.  25.     Nissen,  Krit,  Unt,  S.  270. 

2)  Liv.  44,  42,  3:  ceterae  quoque  Macedonum  alae  integris  abibant  ordinibus, 
quia  interiecta  peditum  acies,  cuius  caedes  victores  tenebat,  immemores  fecerat 
sequendi  equites. 

3)  Frontin  II  3,  20:  Paulus  .  .  .  cedere  instituit,  ut  hac  simulatione  per- 
duceret  hostes  in  confragosa  loca,  quae  ex  industria  captaverat  .  cum  sie  quoque, 
suspeeta  callididate  recedentium,  ordinata  sequeretur  phalanx,  equites  a  sinistro 
cornu  praeter  oram  phalangis  iussit  transcurrere,  citatis  equis,  tectos,  ut  obiectis 
armis  ipso  impetu  perfringerent  hostium  spicula  .  quo  genere  telorum  exarmati 
Macedones  solverunt  aciem  et  terga  verterunt.  Nissen  (S.  271)  ist  der  Ansicht, 
dafs  die  Darstellung  Frontins  zu  der  des  Polybios  nicht  passe  und  auf  eine 
annalistische  Quelle  zurückgehe.  Auf  Livius  kann  die  Darstellung  Frontins  aller- 
dings nicht  zurückgeführt  werden.    Denn  er  hat  von  dieser  Tätigkeit  der  Reiterei 


4.  Der  Feldzug  vom  Jahre  168  v.  Chr.  327 

Ist  die  Nachricht  in  dieser  auf  das  Strategen!  zugespitzten 
Form  und  in  der  Überschätzung  eines  solchen  Angriffes  für  die  ganze 
Entscheidung  auch  nicht  unmittelbar  zu  brauchen,  so  stellt  doch  viel- 
leicht diese  Relation  ein  in  gewissen  Grenzen  mitwirkendes  Sieges- 
element dar,  welches  Livius  wegen  seiner  untergeordneten  Bedeutung 
in  seinem  Berichte  übergangen  und  nur  in  der  rudimentären  Form 
stehen  gelassen  hat,  die  Reiterei  sei  durch  den  Kampf  mit  dem 
Fufsvolke  aufgehalten    und    habe  die  Verfolgung  darüber  vergessen. 

Wir  hätten  uns  dann  die  Vorgänge  auf  dem  nordwestlichen 
Flügel  so  vorzustellen,  dafs  die  makedonische  Reiterei  und  ebenso 
der  Teil  des  Fufsvolkes,  welcher  zuletzt  zum  Aufmarsch  gekommen 
war,  ihre  Aufstellung  noch  nicht  beendet,  auf  jeden  Fall  den 
Flufs  selber  noch  nicht  überschritten  hatten,  als  die  Phalanx  schon 
jenseits  des  Flusses  im  Kampfe  stand.  Diese  Lage  benutzte  die 
römische  Reiterei  und  beteiligte  sich  durch  einen  Flankenangriff 
am  Kampfe  gegen  die  Phalanx.  Anstatt  nun  ihrerseits  den  römi- 
schen Reitern  in  die  Flanke  oder  den  Rücken  zu  fallen  und  so  ihrer 
Infanterie  Luft  zu  machen,  gab  die  makedonische  Reiterei  bei  diesem 
Anblick  alles  verloren  und  ritt  vom  Schlachtfelde  ab.  Die  Erbitte- 
rung des  makedonischen  Fufsvolkes,  die  Unterlassung  der  Verfolgung 
durch  die  römische  Reiterei,  die  Notiz  des  Livius  von  der  „zwischen 
den  Reitern  stehenden  Schlachtreihe",  sowie  die  Darstellung  des 
Frontin,  alles  das  würde  auf  diese  Weise  eine  befriedigende  Erklärung 


nichts  berichtet.  Aber  Frontin  hat  Polybios  nicht  oder  nicht  allein  auf  dem 
Wege  über  Livius  benutzt,  wie  z.  B.  die  aus  Polybios  geflossene  Kriegslist  Philipps 
vor  Prinassos  im  Jahre  201  beweist  (Polyb.  XVI  11;  Frontin  III  8,  1),  die  sich 
bei  Livius  nicht  findet.  Anderseits  sind  bei  Frontin  keine  Spuren  von  Benutzung 
anderer  Annalisten  als  der  durch  Livius  vermittelten  zu  erweisen.  Es  wäre  daher 
doch  wohl  möglich,  dafs  Frontin  seine  Darstellung  von  Pydna  und  speziell  den 
Reiterangriff  aus  Polybios  hätte.  Die  Frontinische  Darstellung  widerspricht  näm- 
lich dem,  was  wir  über  die  Polybianische  sonst  wissen,  m.  E.  keineswegs.  Die 
Aufstellung  der  Heere,  die  Phalanx  in  der  Mitte,  die  dreifache  Schlachtlinie  der 
Römer,  das  eröffnende  Gefecht  der  Leichten,  das  Weichen  der  Römer  bis  zum 
hügeligen  Gelände,  alles  das  sind  Punkte,  die  mit  der  Polybianischen  Relation 
vereinbar  sind.  Freilich  ist  alles  unter  den  Gesichtspunkt  des  „Strategems" 
gerückt,  die  Flankenangriffe  des  Fufsvolkes,  die  die  Hauptsache  waren,  fortgelassen, 
das  Zurückweichen  als  ein  Zurücklücken  in  absichtlich  ausgesuchtes  Gelände  dar- 
gestellt, der  Flankenangriff  der  Reiterei  in  seiner  Wirkung  überschätzt.  Das  ist 
verkürzende  und  gruppierende  Mache  des  Epitomators.  Das  Verhältnis  Frontins 
zu  Livius  und  Polybios  verdiente  eine  zusammenfassende  Behandlung. 


328  £>er  Krieg  gegen  Perseus. 

finden.  Auch  die  kurze  Dauer  der  ganzen  Schlacht  überhaupt  — 
sie  währte  nicht  länger  als  eine  Stunde1)  —  spricht  dafür,  dafs 
der  rechte  Flügel  kaum  Zeit  gehabt  haben  konnte  zur  Aufstellung 
zu  kommen2). 

So  war  also  der  Sieg  —  eine  seltene  Erscheinung  in  antiken 
Schlachten  —  auf  allen  Teilen  des  Schlachtfeldes  in  gleich  ent- 
schiedener Weise  zugunsten  der  römischen  Waffen  ausgefallen. 
Dieser  Umstand  sowohl,  wie  das  Verhängnis,  dafs  die  einzige  noch 
intakte  Truppe  das  Schlachtfeld  verliefs,  statt  den  Rückzug  zu  decken, 
dafs  dieser  Rückzug  selber  durch  die  Überschreitung  der  beiden 
Flüsse  wesentlich  erschwert3),  dafs  er  durch  das  Meer  gehemmt 
wurde  und  seitwärts  ausbiegen  mufste,  alles  dieses  zusammen  hat 
diese  Niederlage  zur  völligen  Vernichtung4)  des  stolzesten  Heeres 
werden  lassen,  welches  Makedonien  seit  den  Tagen  des  grofsen 
Alexanders  besessen  hatte. 


J)  Plut.  Paul.  22,  8:  ivart]5  .  .  atyccg  aQ^dfzevot  /ud/so&cu  nqb  ^sy.drrjg 
lv£xrjOav. 

2)  Der  Aufmarsch  des  Herzogs  von  Marlborough  in  der  Schlacht  von  Höch- 
städt,  wo  er  36000  Mann,  also  eine  etwa  ebenso  starke  Armee  hatte  und  sich  auch 
von  Höfen  bis  Weilheim  auf  etwa  3|  Kilometer  seitlich  ausdehnte,  dauerte 
3  Stunden. 

3)  Daher  heifst  es,  dafs  der  Leukos  =  Mavroneri  (s.  S.  313  A.  2),  als  die 
Römer  ihn  am  folgenden  Tage  überschritten,  hv  p.^iy^xivov  aifian  gewesen  sei 
(Plut.  Aem.  21).     Hier  hatte  eben  das  Hauptmorden  stattgefunden. 

4)  Die  Zahl  der  Verluste  wird  von  Plutarch  auf  25000  Tote,  von  Livius 
auf  20  000  Tote  und  5000  Gefangene  augegeben,  zu  denen  aus  Pydna  noch  6000 
weitere  Gefangene  hinzukommen.    Plut.  Aem.  21.    Liv.  44,  42,  7. 


Anhang. 


Übersetzung  der  Schlachtberichte  von  Pydna. 

1.    Livius,  Buch  44,  40,  4  bis  42,  8: 

(4)  Ein  nicht  sehr  grofser  Flufs  flofs  daselbst,  näher  am  Lager 
der  Feinde,  aus  dem  Makedonier  und  Römer  unter  dem  Schutze  von 
Abteilungen  an  beiden  Ufern  ihr  Wasser  nahmen.  (5)  Es  waren  römi- 
scherseits  zwei  Kohorten,  Marruziner  und  Päligner,  und  2  Türmen 
samnitischer  Reiter  unter  dem  Kommando  des  Legaten  M.  Sergius 
Sila.  (6)  Aufserdem  war  unter  dem  Legaten  C.  Cluvius  noch  eine 
andere  Abteilung  von  3  Kohorten,  Firmaner,  Vestiner  und  Kremo- 
nenser,  und  zwei  Türmen  Plazentiner  und  Äserniner  vor  dem  Lager 
auf  Vorposten  ausgestellt.  (7)  Am  Flufs  herrschte  Ruhe,  als  gegen 
die  neunte  Stunde  [31  nachmittags]  ein  Maulesel  sich  losrifs  und 
nach  dem  jenseitigen  Ufer  zu  entwischte.  (8)  Drei  Soldaten  eilten 
ihm  durch  das  kniehohe  Wasser  nach,  zwei  Thraker  versuchten  ihn 
aus  dem  Flufs  an  ihr  Ufer  zu  ziehen  (Lücke)  .  .  einer  wurde  ge- 
tötet, und  sie  zogen  sich  mit  dem  Maultier  zu  ihrem  Posten  zurück. 
(9)  Die  Thraker  waren  800  Mann  stark.  Erbittert,  dafs  ein  Kamerad 
vor  ihren  Augen  erschlagen  sei,  überschritten  erst  ein  paar  den  Flufs, 
um  die  Mörder  zu  verfolgen,  dann  mehrere,  und  zuletzt  alle  und  .  . 
mit  dem  Posten  .  .  (grofse  Lücke). 

41,  (1)  [Aemilius  Paulus]  führt  in  die  Schlacht  .  .  .  Die  Lücke, 
welche  zwischen  den  Peltasten  (cetratos)  und  der  Phalanx  war,  füllte 
die  Legion  aus  und  unterbrach  die  Schlachtreihe  der  Feinde.  (2)  Im 
Rücken  waren  die  Peltasten;  die  Front  hatte  sie  gegen  die  Phalanx 
(clupeatos),  die  sogenannten  Erzschildner  (chalcaspides).  Der  Konsular 
L.  Albinus  erhielt  den  Befehl,    die   zweite  Legion  gegen  die  Weifs- 


330  Üer  Krieg  gegen  Perseus. 

schildner  (Leucaspides)  zu  führen.  Das  war  das  Zentrum  der  Feinde. 
(3)  Auf  den  rechten  Flügel,  wo  am  Flusse  das  Treffen  begonnen 
hatte,  führte  er  die  Elefanten  und  die  [beiden]  Alen  der  Bundes- 
genossen. Und  hier  begann  auch  die  Flucht  der  Makedonier  .  .  . 
(5)  Dem  Angriff  der  Elefanten  folgten  auf  dem  Fufse  die  Latiner 
und  warfen  den  linken  Flügel.  (6)  Im  Zentrum  warf  die  zweite 
Legion  durch  einen  Angriff  die  Phalanx  auseinander,  und  es  war 
keine  deutlichere  Ursache  des  Sieges  vorhanden  als  die,  dafs  viele 
einzelne  Treffen  hier  und  da  geliefert  wurden,  welche  die  wogende 
Phalanx  zuerst  in  Unordnung  brachten  und  dann  ganz  auseinander- 
rissen, während  ihre  Kraft,  wenn  sie  zusammenbleibt  und  von  Lanzen 
starrt,  unwiderstehlich  ist.  (7)  Wenn  man  aber  in  flüchtigem  Angriff 
sie  zwingt,  die  lange,  unhandliche  Lanze  seitlich  zu  wenden,  so  werden 
sie  schon  verwirrt,  entsteht  aber  gar  in  der  Flanke  oder  im  Rücken 
eine  drohende  Gefahr,  so  geraten  sie  ganz  aus  Rand  und  Band. 
(8)  So  mufsten  sie  damals  gegen  die  abteilungsweise  angreifenden 
Römer  auch  ihrerseits  mit  vielfach  unterbrochener  Phalanx  vorgehen; 
und  die  Römer  schoben  sich  dazwischen,  wo  sich  nur  eine  Lücke 
öffnete.  (9)  Wenn  sie  dagegen  alle  zusammen  in  der  Front  gegen 
die  Phalanx  angestürmt  wären,  so  hätten  sie  sich,  wie  es  den  Pälig- 
nern  ging,  die  im  Anfange  der  Schlacht  unvorsichtig  gegen  die 
Peltasten  vorgingen,  an  den  Lanzen  aufgespiefst  und  der  geschlosse- 
nem Phalanx  nicht  standhalten  können.  42,  (1)  Während  so  die 
Fufssoldaten  überall  niedergemacht  wurden,  aufser  einigen,  die  die 
Waffen  wegwarfen  und  flohen,  verliefs  die  Reiterei  fast  unversehrt 
das  Schlachtfeld.  Der  König  floh  selber  zuerst  (2)  und  eilte  von  Pydna 
mit  seinen  Leibregimentern  nach  Pella;  sofort  folgte  Kotys  und 
die  Reiterei  der  Odrysen.  (3)  Auch  die  anderen  Regimenter  ritten 
in  voller  Ordnung  ab,  weil  die  dazwischenstehenden  Fufstruppen, 
deren  Niedermetzelung  die  Sieger  aufhielt,  die  [römische]  Reiterei 
die  Verfolgung  hatte  vergessen  lassen.  (4)  Lange  wurde  die  Phalanx 
von  vorn,  den  Seiten  und  hinten  her  niedergemacht.  Zuletzt  flohen 
die,  welche  entkommen  waren,  ohne  Waffen  ans  Meer;  einige  wateten 
ins  Wasser  hinein,  streckten  die  Hände  zu  den  Flottensoldaten  aus  und 
baten  flehentlich  um  ihr  Leben.  (5)  Und  als  sie  von  den  Schiffen 
her  überall  Boote  heransegeln  sahen,  glaubten  sie,  sie  kämen  um 
sie  aufzunehmen,  und  gingen  oder  schwammen  gar  noch  weiter  ins 
Meer    hinein.     (6)    Als    sie    aber   von    den  Booten    aus  beschossen 


Anhang.    Übersetzung  der  Schlachtberichte  von  Pydna.  331 

wurden,  schwammen  sie  zurück  und  kamen  so  in  noch  gröfsere  Not. 
Denn  die  Elefanten,  die  an  der  Küste  aufgetrieben  waren,  zertraten 
und  zermalmten  sie.  (7)  Ohne  Zweifel  sind  nie  in  einer  Schlacht  so 
viele  Makedonier  von  den  Römern  getötet.  Denn  es  wurden  gegen 
20000  Mann  niedergemacht.  Gegen  6000,  die  nach  Pydna  geflohen 
waren,  kamen  lebendig  in  die  Gewalt  der  Römer;  hier  und  da  auf 
der  Flucht  wurden  5000  gefangen.  (8)  Von  den  Siegern  fielen  nur 
100  und  das  meist  Päligner;    verwundet  wurden  ein  gutes  Teil  mehr. 

2.  Plutarch,  Aemilius  Paulus  18-— 22. 

Gegen  Nachmittag  —  so  erzählen  die  einen  —  griffen  die  Feinde 
infolge  einer  List  des  Aemilius  an.  Die  Römer  hätten  ihnen  näm- 
lich ein  unaufgezäumtes  Pferd  zulaufen  lassen,  und  dessen  Verfolgung 
habe  zum  Kampfe  geführt.  Die  anderen  sagen,  Thraker  unter 
Alexander  hätten  einen  römischen  Furagetransport  angegriffen  und 
gegen  sie  seien  700  Ligurer  eiligst  vorgegangen.  Durch  mehrfache 
beiderseitige  Verstärkungen  sei  es  dann  zur  Schlacht  gekommen. 
Aemilius  ahnte  wie  ein  Steuermann  aus  der  Unruhe  und  Bewegung 
der  Truppen  die  Gröfse  des  bevorstehenden  Kampfes,  verliefs  sein 
Zelt,  trat  zu  den  Legionen  und  ermunterte  sie.  Nasica  [Scipio]  ritt 
zu  den  Plänklern  vor  und  sah  die  ganze  feindliche  Armee  sozusagen 
schon  zum  Handgemenge  nah.  Zuerst  rückten  die  Thraker  an,  deren 
Anblick  ihn,  wie  er  sagt,  am  meisten  erschreckte,  Leute  von  hohem 
Wuchs,  mit  weifsen  und  glänzenden,  grofsen  Schilden  (tivgecov)  und 
Beinschienen,  in  schwarzen  Röcken  und  gerade,  eisenbeschlagene 
Keulen  von  der  rechten  Schulter  her  schwingend.  Neben  den  Thrakern 
standen  die  Söldner  in  verschiedener  Bewaffnung  und  mit  Päoniern 
vermischt;  neben  diesen  das  3.  Elitekorps  von  besonders  tüchtigen 
und  jungen  eingeborenen  Makedoniern  in  vergoldeten  Waffen  und 
neuen  roten  Röcken. 

Dazu  kamen,  als  jene  sich  aufstellten,  aus  dem  Lager  die  Pha- 
langen der  Chalkaspiden  hervor  und  erfüllten  die  Ebene  mit  dem 
Glanz  und  Schimmer  ihrer  Erz-  und  Eisenwaffen  und  das  Hügelland 
mit  dem  Lärm  und  Getöse  ihrer  Schlachtrufe.  So  mutig  und  schnell 
stürmten  sie  heran,  dafs  die  ersten  Toten  nur  zwei  Stadien  [360  Meter] 
vom  römischen  Lager  entfernt  fielen. 

Kap.  19:  Als  dieser  Anlauf  geschah,  kam  Aemilius  und  fand 
die  Makedonier  in  den  Elitekorps,  wie  sie  schon  ihre  Sarissen  gegen 


332  Der  Krieg  gegen  Perseus. 

die  Schilde  der  Römer  stiefsen  und  deren  Schwerter  sich  nicht  nahe 
kommen  liefsen.  Als  aber  auch  die  anderen  Makedonier  die  Schilde 
von  der  Schulter  herabzogen  und  mit  den  auf  ein  Kommando  ge- 
fällten Sarissen  den  Schildträgern  [römischen  Legionaren]  entgegen- 
traten, und  er  die  Kraft  ihrer  engen  Scharung  und  die  Gewalt  ihres 
Anmarsches  sah,  da  befiel  ihn  Bestürzung  und  Furcht,  da  er  nie,  wie 
er  sagte,  einen  schrecklicheren  Anblick  gesehen  hatte.  Und  oft  er- 
wähnte er  noch  später  jenes  Gefühl  und  jenen  Anblick.  Damals  aber 
zeigte  er  sich  den  Soldaten  gegenüber  zuversichtlich  und  heiter,  in- 
dem er  ohne  Helm  und  Panzer  an  ihnen  entlang  ritt 

Kap.  20:  Als  nun  die  Römer  der  Phalanx  entgegentraten  und 
sie  doch  nicht  zurückzwingen  konnten,  ergriff  Salvius,  der  Führer  der  Pä- 
ligner,  ein  Feldzeichen  und  warf  es  in  die  Feinde  hinein.  Die  Päligner 
aber  eilten  alle  dahin,  —  denn  es  ist  den  Italikern  nach  göttlichem 
und  menschlichem  Recht  verboten,  das  Feldzeichen  zu  lassen,  und 
furchtbare  Taten  wurden  bei  dem  Zusammenstofs  getan  und  erlitten. 
Denn  die  einen  versuchten  die  Sarissen  mit  den  Schwertern  abzu- 
hauen oder  mit  den  Schilden  wegzudrücken  oder  gar  mit  den  Händen 
beiseite  zu  schieben,  die  anderen  dagegen  stiefsen  die  Lanzen  mit 
beiden  Armen  und  aller  Kraft  vorwärts,  durchbohrten  die  Anstürmen- 
den samt  ihren  Waffen,  da  weder  Schild  noch  Panzer  die  Gewalt  der 
Sarisse  aufhielt  und  warfen  dann  die  Leichen  der  Päligner  und 
Marruziner,  welche  sinnlos  wie  wütende  Tiere  gegen  die  Stöfse  und 
in  den  offenbaren  Tod  stürmten,  kopfüber  auf  ihre  Hintermänner1). 
Nachdem  so  die  Vordersten  gefallen  waren,  wurden  die  Hinteren 
zurückgedrängt.  Eine  Flucht  war  es  zwar  nicht,  aber  ein  Zurück- 
weichen nach  dem  Olokrongebirge,  so  dafs  Aemilius,  wie  Posidonios 
sagt,  sein  Gewand  zerrifs,  als  er  sah,  dafs  diese  hier  wichen,  die 
anderen  Römer  aber  Angst  hatten  vor  der  Phalanx,  der  nicht  bei 
zukommen  war,  sondern  die  durch  die  dichten  Sarissen  wie  durch  einen 
Wall  geschützt,    unangreifbaren    Widerstand   leistete.    Da  aber  die 


!)  Nissen,  Krit.  Unt.  S.  270  fafst  die  Stelle  so,  dafs  die  Makedonier  die 
Leichen  über  ihre  eigenen  Köpfe  hinweggeschleudert  hätten,  so  dafs  sie  hinter 
der  Phalanx  niedergefallen  wären,  und  erklärt  das  mit  Recht  für  eine  Unmöglich- 
keit. Nach  freundlicher  Mitteilung  von  Ed.  Schwartz  wäre  sprachlich  folgende 
Auffassung  möglich:  „Die  Makedonier  warfen  mit  ihren  Sarissen  die  Italiker  nach 
vorn  deren  eigenen  Landsleuten  über  den  Kopf,  auf  diese  herauf:  wie  mit  Heugabeln 
schupften  sie  sie  nach  vorn,  die  Italiker  auf  Italiker." 


Anhang.    Übersetzung  der  Schlachtberichte  von  Pydna.  333 

Örtlichkeit  uneben  war  und  die  Schlachtreihe  wegen  ihrer  Länge  den 
Zusammenhang  nicht  wahrte  und  [Aemilius  Paulus]  bemerkte,  dafs 
die  Phalanx  viele  Risse  und  Lücken  bekam,  wie  das  natürlich  ist 
bei  grofsen  Heeren  und  ungleichmäfsigem  Vorgehen,  wenn  man  zum 
Teil  zurückgedrängt  wird,  zum  Teil  vorstürmt  — ,  da  eilte  er  schnell 
herbei,  trennte  die  Manipeln,  befahl  ihnen,  zwischen  die  Lücken  und 
Spalten  der  Schlachtreihe  seitwärts  einzudringen  und  nicht  einen 
einzigen  Kampf  gegen  alle,  sondern  viele  einzelne  Kämpfe  anzufangen. 
Nachdem  Aemilius  diese  Vorschrift  den  Führern,  die  Führer  wiederum 
den  Soldaten  gegeben  hatten,  verteilten  sie  sich  und  schlüpften  über- 
all in  den  Lanzenwald  hinein,  indem  sie  hier  von  der  offenen  Flanke 
angriffen,  dort  einzelne  Abteilungen  umzingelten.  Da  war  auch  so- 
fort die  Kraft  und  Gemeinsamkeit  der  Phalanx  dahin,  und  in  den 
Einzelkämpfen  hielten  die  Makedonier  schlecht  stand,  da  sie  mit 
ihren  kleinen  Schwertern  gegen  die  dicken  und  langen  Schilde  und 
mit  ihren  leichten  Schildchen  gegen  die  Schwerter  zu  kämpfen  hatten, 
die  vermöge  ihrer  Schwere  und  Kraft  durch  jede  Schutzwaffe  bis  aufs 
Fleisch  gingen.     So  wandte  sie  sich  zur  Flucht. 

Kap.  21:  [Episode  von  Catos  Schwert].  Und  zuletzt  wurden 
die  3000  Mann  Elitekorps  in  Schlachtordnung  kämpfend  nieder- 
gehauen. Die  anderen  aber  flohen  und  wurden  hingemordet,  so  dafs 
die  Ebene  und  die  Gegend  am  Fufs  der  Berge  von  Toten  gefüllt 
und  am  folgenden  Tage  der  Leukosflufs  noch  mit  Blut  vermischt  war, 
als  die  Römer  ihn  überschritten.  Denn  es  sollen  über  25000  Mann 
gefallen  sein.  Von  den  Römern  fielen  nach  Posidonios  100,  nach 
Nasika  80. 

Kap.  22:  Dieser  gewaltige  Kampf  hatte  nur  ganz  kurze  Dauer. 
Er  begann  in  der  neunten  Stunde  [31  nachmittags  s.  S.  317,  A.  1] 
und  vor  der  zehnten  [5  Uhr]  war  der  Sieg  entschieden.  Den  Rest 
des  Tages  benutzten  sie  zur  Verfolgung,  verfolgten  120  Stadien  weit 
[21,  29  Kilometer]  und  liefsen  erst  spät  am  Abend  ab. 

3.  Frontin  II  3,  20: 
Als  der  Makedonerkönig  Perseus  seine  Phalanx  in  doppelter 
Tiefe  in  das  Zentrum  gestellt  hatte  und  sie  mit  leichten  Truppen 
eingefafst  und  die  Reiterei  auf  beide  Flügel  verteilt  hatte,  stellte 
Paulus  dagegen  eine  dreifache  Schlachtreihe  in  einzelnen  Haufen  auf, 
zwischen  denen  er  die  Leichten  wiederholt  vorbrechen  liefs.     Als  er 


334  Der  Krieg  gegen  Perseus. 

Scah,  dafs  dies  nichts  nützte,  beschlofs  er  zu  weichen,  um  durch  diese 
List  die  Feinde  in  hügeliges  Gelände  zu  locken,  das  er  absichtlich 
ausgewählt  hatte.  Als  die  Phalanx,  mifstrauisch,  auch  so  noch  in 
Ordnung  folgte,  liefs  er  vom  linken  Flügel  her  die  Reiterei  an  der 
Front  entlang  in  Karriere  anreiten,  wohlgedeckt,  so  dafs  sie  mit  vor- 
gehaltenen Schutzwaffen  durch  die  Gewalt  des  Choks  die  Lanzen  der 
Feinde  abbrachen.  Durch  diese  Art  der  Angriffswaffen *)  entwaffnet, 
lösten  die  Makedonier  die  Schlachtreihe  und  flohen. 


*)  hoc  genere  telorum.     Die  tela  sind  Rofs  und  Reiter  selbst.     Das  Pferd 
und  seine  Stofskraft  ist  die  Waffe. 


Beilage. 


Heeresstärken. 

1.  Makedonier, 

Bei  Beginn  des  Krieges  hielt  Perseus  eine  grofse  Heerschau 
bei  Kition  über  seine  Truppen  ab.  Nach  der  detaillierten  und  durch- 
aus glaubwürdigen,  aus  Polybios  entnommenen  Nachricht  bei  Livius 
(42,  51,  3—11)  waren  hier  im  ganzen  43000  Mann1)  zugegen,    die 


sich  folgendermafsen  zusammensetzten 

Truppen- 

Befehls- 
haber. 

Waffengattung. 

Völker. 

Belege. 

teile. 

Schwere 

Halb- 
schwere 

Leichte 

Reiter 

1.  Phalanx 

2.  Agema  der 
Caetrati 

3.  Caetrati 

4.  Reiter 

Hippias  v. 
Beröa 

Leonnatos  u. 
Thrasippos 

Antiphilos 
v.  Edessa 

Menon  u.  Pa- 

trokles  v.  An- 

tigonea,    Liv. 

42,  58,  7.  8. 

21000 

2000 
3000 

3000 

p 
>£  29000 

o 

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CO 

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Öl  *■* 
3  OS 

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2J  Diese  Gesamtsumme  steht  fest  aus  Liv.  a.  a.  O.  §  11:  summa  totius  exer- 
citus  undequadraginta  (milia  fehlt  in  der  Hdschr.  ohne  Lücke:  Groag)  peditum 
erant,  quatuor  equitum.  Danach  ist  bei  Liv.  a.  a.  O.  §  3:  summa  omnium  quadra- 
ginta  milia  armata  fuere,  obgleich  der  Text  nach  Groag  hier  gleichfalls  keine 
Lücke  hat,  doch  das  Wort  „tria"  ausgefallen. 

2)  §  3:  pars  ferme  dimidia  von  43000  Mann.  Die  genaue  Summe  ergibt 
sich  durch  Subtraktion  aller  anderen  genannten  Truppenteile,  welche  zusammen 
22  000  betragen,  von  dieser  Gesamtzahl. 

3)  §  4.  Bei  Pydna  3000,  Plut.  Aem.  21.  Sie  sind,  wie  es  scheint  im  Laufe 
des  Krieges  um  1000  Mann  vermehrt  worden.  Vergl.  Nissen  S.  26!).  Schwarzes 
Zweifel  S.  41  wird  durch  die  Erwähnung  des  ayr^ia  tqCtov  (S.  321  A.  2) 
widerlegt.  4)  §  4. 

5)  §  9.    Zahl  hier  ausgefallen;  Text  nach  Groag:  equitum  ex  tota  Macedonia 


336 


Der  Krieg  gegen  Perseus. 


Truppen- 

Befehls- 

Waffengattung. 

Völker. 

Belege. 

teile. 

haber. 

Schwere 

Halb- 
schwere 

Leichte     Reiter 

5.  Gallier 

Asklepiodotos 
v.  Heraklea 

2000 

W 
p 

6.  West-Thra- 

Didas  v. 

3000 

0 

ST      ' 

ker(Päonen, 

Päonien 

CO 

<-t- 

Paroräer, 

«T 

Parastry- 

monier, 

• 

< 

Agrianer) 

CO 
©: 

J*0 

7.  freie  Thra- 

eigener 

1500 

1500 

>£  12000 

?    3) 

ker 

Führer 

(?) 

(?) 

CD 

09 
V  I 

8.  Kreter 

Susos  v.  Pha- 

laserna  u. 

Syllos  aus 

Knossos. 

3000 

Hf 

*  1     . 

s  4) 
s 

9.  gemischte 

Leonidas  v. 

500 

Pü 

Griechen, 

Sparta 

CD       5"\ 

3      > 

Böoter  und 

Lykon  v. 

500 

coo 

Ätoler. 

Achaja 

)  w 

10.  Königl. 

Kotys 

1000 

1000 

}g     2000 

CD 

r  6) 

Thraker 

\$ 

Summe: 

25500 

5000 

8500 

4000 

43000 

(s.  S.  335 

A.  1.) 

39000 

| 

Dafs  wir  in  diesen  Truppen  nur  die  Feldarmee  des  Königs 
mit  Ausschlufs  der  Garnisonen  zu  erblicken  haben,  erleidet  keinen 
Zweifel. 


contraxerat  milia  ohne  Lücke.  Ergänzung  aber  gesichert  durch  §  10,  §  11  und 
Plut.  Aem.  13,  wo  die  Summe  der  Reiter  auf  4000  und  das  thrakische  Kon- 
tingent auf  1000  angegeben  ist. 

1)  §  7,  als  Schwere  zu  betrachten. 

2)  §  7.  Ohne  Zweifel  alles  oder  doch  überwiegend  leichte  Truppen.  Sie 
kämpfen  unter  ihrem  Führer  Didas  in  der  Schlacht  am  Kallikinos  mit  (Liv. 
42,  58,  8),  wo  nur  leichte  Truppen  beteiligt  waren  (S.  241  f.). 

3)  Die  Gesamtzahl  3000  steht  nach  §  7  fest.  Die  Verteilung  auf  Leichte 
und  Schwere  ist  unsicher.  Für  leichte  Bewaffnung  spricht  die  Nationalität,  und 
dafs  wohl  die  800  Schleuderer  bei  Kallikinos  zu  ihnen  gehören  (Liv.  42,  58,  10). 
Anderseits  kommen  im  Heere  auch  schwergerüstete  Thraker  vor  (S.  320). 

4)§7. 

6)  §  8  u.  9.    Diese  beiden  Korps  sind  wohl  als  Hopliten  zu  betrachten. 

G)  §10.    Dafs   seine   Fufstruppen    Leichte   sind,    folgt  aus   Liv.  42, 58,  G: 

levis  armatura. 


Beilage.    Heevesstärkeo.    1.  Makedonien  337 

Es  heifst  nicht  nur  unmittelbar  nach  der  Erzählung  von  der 
Heerschau,  dafs  Perseus  mit  diesem  ganzen  Heere  (Liv.  42,  53,  5) 
nach  Thessalien  aufgebrochen  sei,  sondern  seine  Armee  wird  als  die 
stattlichste  bezeichnet,  welche  Makedonien  seit  Alexander  dem  Gr. 
aufgestellt  hätte  (Liv.  42,  51,  11),  und  wiederholt  betont,  dafs  sie 
den  Römern  numerisch  überlegen  gewesen  sei  (S.  342). 

Wollten  wir  aber  die  Garnisontruppen,  welche  auf  mindestens 
15  000  Mann  zu  veranschlagen  sind  (s.  unten  S.  340),  in  Abrechnung 
bringen,  so  würde  die  Armee  des  Perseus  weder  die  früheren  des 
Antigonos  bei  Sellasia  von  28800  (Bd.  I  S.  228)  und  des  Philipp 
bei  Kynoskephalä  von  25  000  (oben  S.  102)  übersteigen,  noch  der 
römischen  gleichkommen.  So  dagegen  zeigt  der  Vergleich,  dafs  sie 
die  von  Sellasia  um  die  Hälfte,  die  von  Kynoskephalä  gar  um  zwei 
Drittel  ihres  Bestandes  und  die  römische  wenigstens  etwas  über- 
troffen hat. 

Ihre  innere  Zusammensetzung  ist  indessen  im  wesentlichen 
dieselbe  geblieben.  Den  Hauptbestandteil  bilden  überall  die  Make- 
donier  selber:  bei  Perseus  l>  bei  Philipp  gar  %,  bei  Antigonos  nicht 
ganz  1  der  Armee.    Der  Rest  besteht  aus  Söldnern  und  Hilfstruppen. 

Die  taktisch  wichtigere  Einteilung  nach  Waffengattungen  er- 
gibt, dafs  noch  immer  das  Hauptgewicht  durchaus  auf  dem  schweren 
Fufsvolke  liegt,  welches  bei  Perseus  über  I  der  ganzen  Armee  aus- 
macht. Denn  auch  die  5000  Mann  Peltasten,  welche  gleichfalls  den 
langen  Spiefs  tragen  (Plut.  Aem.  20.  Liv.  44,  41,  9),  stehen  den 
schwerbewaffneten  Nahkämpfern  weit  näher,  als  den  leichtbewaffneten 
Schützen.    Die  Reiterei  beträgt  nur  knapp  1U0  der  Armee. 

Die  Nachricht  von  der  Heerschau  von  Kition  ist  die  einzige, 
welche  wir  über  den  Gesamtbestand  der  Armee  in  diesem  ganzen 
Kriege  besitzen.  Denn  der  Gesandtschaftsbericht  der  römischen 
Legaten  vom  Jahre  169/168,  das  feindliche  Heer  solle  30000  Be- 
waffnete betragen  (Liv.  44,  20,  4:  Macedonum  dici  triginta  milia 
armatorum  esse),  ist  nur  eine  Taxierung  des  während  der  Winter- 
pause am  Elpeos  vorhandenen  Armeestandes,  und  die  Nachricht  des 
Plutarch  (Aem.  13:  fjoav  yäg  Ijuislg  ^sv  TetQamax^oc,  Jts^ol  (5'  elg 
cpäXayya  TSTgaKio^vglcov  ov  jzoXXoXq,  djvodeovtsg)  zum  Jahre  168  ist 
nichts  weiter  als  die  an  etwas  andere  Stelle  gerückte  Wiederholung 
der  Zahl  von  der  Heerschau  von  Kition. 

Trotzdem  können  auch  wir  diese  Zahl  für  die  folgenden  Feld- 

Kromayer,  Antike  Schlachtfelder.     II.  22 


338  Der  Krieg  gegen  Perseus. 

züge  und  die  Schlacht  von  Pydna  zugrunde  legen.  Denn  grofse 
Verluste  hat  Perseus  in  diesem  ganzen  Kriege  nicht  gehabt,  und  der 
gewöhnliche  Abgang  konnte  durch  die  neuen  Jahrgänge  leicht  er- 
setzt werden. 

Nur  einzelne  Detachierungen  sind  von  der  Armee  auf  dem 
Hauptkriegsschauplatz  im  Laufe  der  Jahre  erfolgt  So  liefs  der 
König  gleich  nach  dem  ersten  Feldzuge  im  Herbst  171  in  Gonnos 
und  Phila  am  Tempepafs  starke  Besatzungen  von  der  Feldarmee 
zurück  (Liv.  42,  67,  1:  praesidio  satis  valido  ad  Gonnum  relicto, 
vergl.  auch  42,  54,  8:  firmiore  praesidio  equitum  peditumque.  Liv. 
42,  67,  2:  Timotheum  .  .  cum  modica  manu  relinquit  ad  Philam); 
im  Frühling  170  nach  dem  Streifzuge  nach  Epiros  blieb  dann  Klevas 
mit  einem  validum  praesidium  daselbst  stehen  (Liv.  43,  21,  5  oben 
S.  261).  Er  war  stark  genug,  in  Phanota  eine  Belagerung  durch 
Appius  Claudius  mit  dessen  Detachement  und  6000  Mann  Landsturm 
auszuhalten,  die  abziehenden  Truppen  zu  überfallen,  ihnen  1000  Mann 
zu  erschlagen  und  200  gefangenzunehmen  und  endlich  mit  Hilfe 
des  epirotischen  Landsturmes  die  Römer  überhaupt  zum  Verlassen 
des  Landes  zu  nötigen  (oben  S.  265).  Im  Winter  170/169  wurden 
nach  der  Eroberung  des  Drintales  in  Uskana  und  Umgegend  starke 
Besatzungen  zurückgelassen  (Liv.  43,  20,  4:  firmatis  Uscanae  et  circa 
eam  per  omnia  castella,  quae  receperat,  praesidiis),  gegen  welche 
die  Römer  ohne  Erfolg  kämpften  (S.  260) *),  und  zu  demselben  Zwecke 
wurden  nach  der  Expedition  gegen  Stratos  in  demselben  Winter 
800  Mann  in  Aperantia  in  Garnison  gelegt  (S.  264). 

Aus  der  Stärke  dieser  letzten,  den  übrigen  an  Wichtigkeit  kaum 
gleichkommenden  Besatzung,  sowie  aus  den  Erfolgen,  welche  in  Epiros 
und  Illyrien  gegen  die  römischen  Abteilungen,  die  man  doch  immerhin 


*)  Weifsenborn  hat  aus  der  Bemerkung  des  Livius  43,  23,  7:  Perseus  ex 
enestarum  gente  mille  pedites  ducentos  equites  revocatos  Cassandream,  praesidio 
ut  essent,  misit  geschlossen,  dafs  diese  Besatzungen  bald  darauf  wieder  abgerufen 
seien.  Es  handelt  sich  aber  hier  um  landeseingeborene  Penesten  vom  Drintale  (ex 
Penestarum  gente),  welche  als  Söldner  nach  Kassandrea  geschickt  werden  —  die 
Besatzung  daselbst  bestand  im  ganzen  aus  2000  derselben  (Liv.  44,  11,  7:  duo 
milia  Penestarum  Illyriorum).  —  Der  Ausdruck  „revocati",  an  dem  W.  Anstofs 
nimmt,  ist  wohl  gleich  evocati  gebraucht,  was  öfters  vorkommt.  —  Die  Penesten 
in  Kassandrea  bedeuten  natürlich  zugleich  eine  Entwaffnung  des  Landes  und  eine 
Geiselstellung.  An  eine  Rückberufung  der  makedonischen  Besatzungen  aus  dem 
Drintal  ist  aus  sachlichen  Gründen  nicht  zu  denken. 


Beilage.    Heeresstärken.    1.  Makedonien  339 

auf  mehrere  tausend  Mann  ansetzen  mufs,  errungen  wurden,  geht 
hervor,  dafs  diese  Detachierungen  nicht  ganz  unbedeutend  gewesen 
sein  können.  Wir  werden  sie  immerhin  auf  mindestens  5 — 6000  Mann 
schätzen  dürfen. 

Aber  diese  Abteilungen  sind  zum  Teil  wie  die  von  Gonnos  und 
Phila  (S.  286),  später  wieder  zur  Armee  gestofsen,  zum  Teil  durch 
Aushebungen  in  den  besetzten  Ländern,  die  dafür  zur  Armee  ge- 
zogen wurden,  wieder  ersetzt  worden,  wie  wir  das  von  den  Penesten 
um  Uskana  erfahren1)  und  von  den  anderen  Landesteilen  wohl  auch 
annehmen  dürfen.  Nur  1000  Reiter,  die  nicht  lange  vor  der  Schlacht 
bei  Pydna  nach  Aenea  auf  Chalkidike  detachiert  wurden,  und  vielleicht 
eine  gleichzeitig  abgehende  Verstärkung  der  Besatzung  von  Kassan- 
drea (Liv.  44,  32,  7)  dürften  für  die  Schlacht  wirklich  in  Abzug 
kommen. 

Neben  dieser  Feldarmee  hatte  Perseus  noch  eine  ziemlich  be- 
trächtliche Garnisonarmee.  Die  Nachrichten  über  sie  sind  zwar  sehr 
spärlich,  doch  genügen  sie,  um  zu  einem  ungefähren  Schätzungs- 
ergebnis zu  kommen.  Es  handelt  sich  dabei  wesentlich  um  den 
Schutz  der  makedonischen  Küste. 

So  standen  in  Thessalonike  dauernd  2000  caetrati  (Liv.  44,  32,  6; 
vergl.  auch  die  Gefechte,  mit  der  röm.  Flotte  Liv.  44,  10,  5),  zu 
denen  im  Jahre  168  für  den  Schutz  der  Werfte  noch  die  eben  schon 
erwähnte  Verstärkung  kam;  in  Kassandrea  waren  2800  Mann  Penesten 
und  Agrianen  stationiert  (Liv.  44,  11,  7)2)  und  in  Amphipolis  2000 
Thraker  (Liv.  44,  44,  4).  Auch  kleinere  Orte  wie  Antigonea  und 
Torone  hatten  Besatzungen.  Bei  Antigonea  hatte  im  Jahre  169  die 
römische  Flottenrnannschaft  ein  Gefecht  mit  den  Besatzungstruppen, 
in  welchem  erst  500  Römer  fielen  und  später  nach  dem  Umschlag 
des  Glückes  400  Makedonier  getötet  und  gefangen  wurden.  Man 
wird  danach  die  Besatzung  auf  mindestens  1000  Mann  und  einige 
Reiter,  die  ausdrücklich  erwähnt  werden  (Liv.  44,  10,  9  —  11),  schätzen 
müssen.  Torone  wagte  die  römische  Flotte  in  demselben  Jahre  nicht 
anzugreifen,  da  es  valida  manu  verteidigt  war  (Liv.  44,  12,  8).     Aus 


3)  s.  d.  vor.  A.  —  Man  verwendete  diese  Mannschaften  zwar  nicht  direkt 
bei  der  Armee,  sondern  steckte  sie  in  eine  Garnison,  wird  aber  dafür  die  frühere 
Garnison  von  Kassandrea  zur  Armee  gezogen  haben. 

2)  Die  10  lembi  cum  delectis  Gallorum  auxiliaribus  werden  über  Thessa- 
lonike von  der  Armee  am  Elpeos  zu  Hilfe  geschickt  sein, 

22* 


340  l)er  Krieg  gegen  Perseus. 

diesen  zufälligen  Erwähnungen  ergeben  sich  schon  mindestens 
8000  Mann.  Man  wird  für  die  ganze  Küste  der  Chalkidike  und 
Makedoniens  daher  wenigstens  10— 12 000  Mann  ansetzen  müssen.  Aber 
auch  kaum  sehr  viel  mehr,  da  die  wichtigsten  Waffenplätze  Thessa- 
lonike,  Kassandrea  und  Amphipolis,  ja  genannt  sind.  Dazu  kommt 
dann  noch  Demetrias,  dessen  Mauern  bei  einem  Versuch  der  Flotte 
im  Jahre  169  repleta  armatis  waren  (Liv.  44,  12,  8),  und  das  man 
sich  daher  in  diesem  Jahre  mit  der  Flotte  ebensowenig  anzugreifen 
entschliefsen  konnte,  wie  die  Landarmee  im  Jahre  171  dazu  geneigt 
gewesen  war  (Liv.  42,  67,  11).  Als  eine  Festung  ersten  Ranges  und 
exponiert,  wie  es  lag,  mufs  es  mindestens  die  gleiche  Zahl  von  Be- 
satzungstruppen gehabt  haben,  wie  Kassandrea,  also  etwa  3000  Mann. 
Auch  an  der  thessalischen  Küste  hatten  kleinere  Orte,  wie  z.  B. 
Larissa  Kremaste,  eine  eigene  Besatzung  (Liv.  42,  67,  11). 

Ich  möchte  glauben,  dafs  eine  Schätzung  von  etwa  15000  bis 
20000  Mann  für  die  Garnisonarmee  des  Perseus  nicht  zu  hoch  ge- 
griffen ist,  wenn  man  bedenkt,  dafs  doch  auch  im  Inneren  und  an 
den  Grenzen  gegen  die  Dardaner  und  die  anderen  Bergvölker  einige 
Truppen  bereit  gewesen  sein  müssen. 

Über  die  makedonische  Flotte  ist  wenig  zu  sagen.  Wir  hören 
nur,  dafs  sie  der  römischen  (s.  unten)  in  keiner  Weise  gewachsen  war 
(Liv.  42,  56,  7:  nusquam  erat  maritimum  bellum),  bei  einem  Über- 
falle von  Demetrias  aus  sich  einmal  mit  Glück  zeigte  (Plut.  Aem.  9), 
und  dafs  im  Frühjahre  168  zum  erstenmal  in  diesem  Kriege  eine 
gröfsere  Abteilung  kleinerer  Schiffe  —  es  waren  40  Lemben  und 
5  Pristen  —  sich  in  offener  See  zu  zeigen  wagte  (Liv.  44,  28,  1). 

2.  Römer. 

Das  Heer,  welches  die  Römer  zunächst  in  diesem  Kriege  als 
Operationsarmee  zu  Lande  gegen  die  Makedonier  bestimmt  haben, 
war  eine  konsularische  Armee  von  2  Legionen  mit  Zubehör. 

Nach  der  Angabe  des  Livius  (42,  31,  2  f.)  hatten  die  beiden 
Legionen  je  6000  Mann  und  je  300  Reiter,  römische  Bürger;  und 
an    socii   zusammen   16000  Mann   zu  Fufs    und    800  Reiter1).     Die 


l)  Die  Zahl  16000    für  die  Fufssoldaten  der  Latiner  ist  Konjektur,   da  die 
"Wiener  Handschrift  hier  hoffnungslos,  wie  mir  scheint,  verdorben  ist    Nach  Groags 


Beilage.    Heeresstärken.    2.  Römer.  341 

Gesamtsumme  hätte  danach  also  28000  Mann  zu  Fufs  und  1400  Reiter 
betragen. 

Aber  diese  Nachrichten  über  die  Stärke  der  Legionen  sind,  ob- 
gleich sie  die  Leistungsfähigkeit  Roms  natürlich  nicht  entfernt  er- 
reichen und  man  sich  im  Gegenteile  darüber  wundern  könnte,  dafs 
die  Römer  mit  so  geringen  Streitkräften  durchschlagende  Erfolge 
erhofften,  doch  nicht  glaubhaft.  Sie  beruhen  nur  auf  den  Annalen. 
Polybios  kennt  Legionen  von  6000  Mann  und  mehr  überhaupt  nicht, 
sondern  setzt  in  seiner  bekannten  Darlegung  über  die  Stärke  der 
Legion  das  Höchstmafs  derselben  auf  rund  5000  Mann  an  (III 107,  10): 
sjzäv  öe  xig  öhooxeQsovsQa  jiQocpaLvrj'cai  %Qsla  tovg  [xev  jvs^ovg  sv 
STcdoTO)  avQatoJiedcö  jvoiovöiv  jvsqi  JiEwcaMG%iUovg,  vovg  d"  ttmelg 
tQiaKOGiovg).  Hätte  Polybios  als  junger  Mann  das  erstemal,  wo  er 
wahrscheinlich  ein  römisches  Heer  mit  seinen  eigenen  Augen  sah 
(s.  oben  S.  267  und  Cuntz,  Polybios  und  sein  Werk  S.  75  ff.),  Legi- 
onen von  6000  Mann  kennen  gelernt,  so  hätte  er  das  nicht  schreiben 
können1).  Dazu  kommen  [andere  Gründe.  Im  Jahre  168  unter 
Aemilius  Paulus,  dessen  Legionen  nach  den  Annalen  gleichfalls 
6000  Mann  betrugen  (s.  unten  S.  345),  ist  nach  dem  unverdächtigen 
(s.  S.  303  A.  1)  Zeugnisse  des  Scipio  Nasica  die  ihn  auf  seinem  Um- 
gehungsmarsch begleitende  Ala  auch  nur  5000  Mann  stark,  folglich 


Vergleichung  lautet  die  Stelle  S.  45  Z.  19  f.:  merus  de  ccc  equites  CCLIII :  LIII  ■  pe 
ditum  odccc  equites  praeter  eos  usw.  Die  geringste  Zahl,  die  wir  vermuten 
können  —  und  daraufkommt  es  ja  hier  an  — ,  ist  16000.  Denn  der  andere  Konsul, 
der  weniger  bekommt,  wie  ausdrücklich  hervorgehoben  wird,  erhält  doch  12000 
(ib.  42,  31 1  4),  und  als  gewöhnliche  Zahl  (quantus  semper  numerus)  werden  Liv. 
40,  36,  6  15000  socii  genannt,  während  hier  ausdrücklich  wie  für  die  Legionen, 
so  für  die  socii  von  einem  auctus  numerus  die  Rede  ist. 

2)  Damit  fällt  auch  die  Glaubwürdigkeit  der  sonstigen  Erwähnungen  von 
Legionen  von  6000  oder  6200  Mann  aus  der  Zeit  des  Polybios.  Es  sind  in  der  Tat  nur 
zwei,  von  denen  Liv.  35, 2,  4  auf  die  Annalen  zurückgeht,  während  die  Quelle  der 
Nachricht,  dafs  Scipio  im  Jahre  204  Legionen  von  6200  Mann  nach  Afrika  über- 
gesetzt habe  (Liv.  29,  24,  14)  unsicher  ist.  Schwer  fällt  auch  ins  Gewicht,  dafs 
der  sorgfältige  Forscher  Verrius  Flaccus  bei  Festus  (Müller  336)  Marius  ausdrück- 
lich als  den  ersten  genannt  hat,  der  Legionen  von  6200  Mann  aufgestellt  habe: 
sex  milium  et  ducentorum  hominum  primus  C.  Marius  legionem  conscripsit, 
cum  antea  quatuor  milium  fuisset  .  .  Ich  glaube  daher,  dafs  die  Legionen  von 
6000  Mann  durch  einen  Annalisten  der  Sullanischen  Zeit  fälschlich  in  die 
vormarianische  Periode  übertragen  sind. 


342  ^er  Krieg  gegen  Perseus. 

kann  auch  die  Legion  nicht  6000,  sondern  nur  5000  Mann  gezählt 
haben,  da  Legionen  und  Alen  gleich  stark  sind  (Marquardt,  Hdb. 
V  391  ff.).  Auf  die  Rede  des  Perseus,  der  Römer  und  socii  auf 
27000  Mann  zu  Fufs  mit  Einschlufs  der  Hilfstruppen  berechnet1), 
will  ich  keinen  grofsen  Wert  legen,  da  diese  Rede  die  Tendenz  ver- 
folgt, die  römischen  Truppen  so  gering  wie  möglich  hinzustellen. 
Aber  die  Legion  von  5000  Mann  ist  auch  hier  zugrunde  gelegt. 

Mehr  fallen  dagegen  ins  Gewicht  die  verschiedenen  Erwähnungen, 
nach  welchen  die  Armee  des  Perseus  der  römischen  bei  Pydna 
numerisch  überlegen  gewesen  ist  (Liv.  44,38,5:  quantum  numero 
nos  praestent,  neminem  vestrum  nee  ante  ignorasse  et  hesterno  die 
animadvertisse  certum  habeo.  Plut.  Aem.  16:  JtXr}ftei  fisv  ovv  dvögcov 
. .  jtEQielvai  (Perseus),  vergl.  17  vö  nXrjftoc,  fiavjbLdoag  und  13  vrjv.  .  öv- 
vaiiw  sftav/bLa&v),  eine  Nachricht,  welche  sich  bei  der  bekannten  Stärke 
der  Armee  des  Perseus  (S.  336)  und  der  römischen  Auxilia  (S.  343) 
nicht  erklären  läfst,  wenn  wir  für  die  römischen  Legionen  und  socii 
die  Zahlen  der  annalistischen  Überlieferung  einsetzen.  Zu  einem  be- 
friedigenden Resultate  gelangen  wir  nur,  wenn  wir  die  Legionen  auf 
5000  oder  genauer  gesprochen  5200  Mann  ansetzen  (vergl.  Marquardt 
a.  a.  0.  S.  334).  Denn  5000  ist  ohne  Zweifel  überall  nur  als  runde 
Summe  zu  fassen.  Ebensostark  sind  dann  die  Alen  zu  veranschlagen, 
und  nur  die  Extraordinarii  beider  Alen  sind  dann  nach  Scipios  An- 
gabe (s.  oben  S.  303  A.  1)  um  eine  Kleinigkeit  über  den  Normalstand 
erhöht  gewesen,  nämlich  auf  3000  statt  2600,  wenn  nicht  auch  hier 
die  3000  als  runde  Summe  zu  fassen  oder  Freiwillige  für  die  Ex- 
pedition Scipios  dazu  getreten  sind. 

Was  die  Reiterei  betrifft,  so  ist  an  die  vollen  Zahlen  von 
600  Mann  römischer  Reiterei  für  die  Legionen  und  1800  Mann 
bundesgenössischer  für  die  Alen  nicht  zu  denken.  Die  übertreiben- 
den Annalen  setzen  ja  selber  nur  1400  Mann  im  ganzen  an, 
eine    Zahl,    die   das  zulässige  Maximum    darstellt,   und  zwar  um  so 


*)  Liv.  42,  52,  9:  Der  Text  ist  hier  in  der  Wiener  Handschrift  wieder  lücken- 
haft; er  lautet  nach  Groag  S.  64,  17:  non  plus  -VII  «mil  •  peditum  •  ||  •  equitum  usw. 
ohne  Lücke.  Doch  ist  kein  Zweifel,  dafs  „viginti"  ausgefallen  sein  mufs.  Wollte 
man  triginta  ergänzen,  so  würde  das  Heer  fast  so  grofs  wie  das  des  Perseus 
werden,  was  der  Tendenz  der  Rede  widerstreitet. 


Beilage.    Heeresstärken.  2.  Römer. 


343 


mehr  als  man  in  diesem  Kriege  auf  reichliche  Reiterkontingente  der 
Numider,  Thessaler,  Ätoler  und  Pergamener  rechnen  konnte.  In  der 
Schlacht  am  Kallikinos  waren  nach  Polybios  (Liv.  42,  59,  1 ;  oben 
S.  241)  von  beiden  Seiten  ungefähr  gleich  viele  Reiter  und  Leichte 
im  Gefecht.  Von  seiten  der  Makedonier  waren  es  4000  Reiter,  von 
griechischen  Auxilien  2000,  die  Numider  waren  noch  nicht  da  (Liv. 
42,  62,  2).  Daher  müssen  die  Römer  selber  wohl  gegen  1400,  wie 
die  Annalen  sagen,  gestellt  haben.  Wenigstens  wird  man  nicht  all- 
zuviel darunter  gehen  dürfen. 

Zu  diesem  römisch -latinischen  Heere  kamen  nun  noch  be- 
trächtliche Hilfstruppen  ausländischer  Staaten,  welche  im  ganzen  auf 
etwa  9000  Mann  zu  Fufs  und  3000  Reiter  zu  veranschlagen  sind 
(s.  folg.  Übersicht),  so  dafs  die  römische  Operationsarmee  in  Thessalien 
bei  Beginn  des  Krieges  sich  auf  rund  37 — 38000  Mann  mit  Ein- 
schlufs  von  etwa  4000  Reitern  gestellt  haben  dürfte. 


Die  folgende  Zusammenstellung  gibt  die  Einzelheiten  und  wird 
die  Übersicht  erleichtern: 


Truppenteile. 

Waffengattungen. 

Völker. 

Belege  und  Bemerkungen. 

Schwere       Leichte       Reiter 

2  Legionen 

ca.  7300 

3100 

1   ca. 
i  1200 

{*.     ca. 

(f  25000 

r 

Die  Gesamtzahlen  nach  S.  342  f. 

10400 

—  Die   Verteilung   auf  schwer- 

9  Alae  Sftp.ii 

ca.  9400   ca.  4000 

gerüstete  und  Leichte  nach 
S.  180  A.  1. 

13  400 

Ligurer 

2000 
(?) 

> 

0 

M 
i— i. 

►— " 

5" 
& 

>pu    4Q00 
3 

CD 
CO 
r-t- 

a> 

a 

Liv.  42,  35,  6,  Zahl  nach  den 
Annalen  (Nissen  249).  Dafs  Li- 
gurer tatsächlich  beim  Heere 
waren,  geht  aber  auch  aus  Plut. 
Aem.  18  hervor,  wo  eine  Kohorte 
von  700  Ligurern  genannt  wird, 
und  ebenso  aus  Liv.  44,  35,  19  = 
Pol.  XXIX  14,  4  (Büttner-Wobst). 
Dafs  die  Ligurer  zur  levis  arma- 
tura gehören,  folgt  aus  Liv.  ib.  §  1 6. 

Numider 

1000       1000 
22  Elefanten. 

Liv.  42,  62,2  (ausPolyb.),  vergl. 
29,  8.    35,  6.     Justin  33,  1. 

344 


Der  Krieg  gegen  Perseus. 


Truppenteile. 

Waffengattungen. 

Völker 

Belege  und  Bemerkungen. 

Schwere       Leichte       Reiter 

Eumenes  stellt  im  ganzen 
6000  M.  u.  1000  R.,  davon  bleiben 
2000  bei  der  Flotte,  Liv.  42, 
55,  7.  8.  Leichte  Abteilungen 
dieser  Hilfstruppen  Liv.  42, 57, 5  f. 
u.  S.  243  A.  2.    Dafs  das  ganze 

Pergamener 

4000 
[+2000] 

1000 

Korps  überwiegend  aus  Leichten 
besteht,  folgt  aus  Liv.  42,  58,  14: 
Eumenes  rex  .  .  cum  omni  manu 
sua  in  der  Schlacht,  zu  der  nach 
§  1 1  nur  die  levis  armatura  aus- 
gerückt ist.  —  Die  Reiter  sind 
z.  T.  Gallier,  Liv.  42,  57,  7. 

Apolloniaten 

100 

300 

Liv.  42,  55,  9.  Wohl  Leichte, 
wie  Liv.  33,  3,  10. 

Liv.  42,  55,  10:  alae  unius  in- 

Ätoler 

ca.  400 

o 
o 

CO 
00 

Auxilia  aus 

star.  —  197  v.  Chr.  stellten  sie 
dem  Flamininus  auch  400  Reiter 
S.  104. 

Liv.  42,  55,  10.    Nach  58,  14: 

Thessaler 

300 

B 
o 

CO 
<Tt- 

400.  An  welcher  Stelle  der 
Hdschr.  der  Fehler  steckt,  ist 
nicht  zu  entscheiden. 

Liv.  42,55,10:  Cretico  maxime 

armatu     ad    mille     quingentos. 

Achäer 

1500 

Wohl  alles  Leichte,  wie  auch  bei 
Magnesia  das  ganze  Kontingent 
der  Achäer  aus  Peltasten  be- 
steht, oben  S.  207. 

Kreter  werden   für   das  erste 

Kriegsjahr  nur   in  den  annalist. 

Teilen    des    Livius    erwähnt  42, 

35,  6.    43,  7,  1.      Für    168    sind 

Kreter  u.  an- 
dere Griechen 

etwa 

etwa 

sie  durch  Scipios  Bericht,  Plut. 

500 

(?) 

500 

(?) 

Aem.  15  gesichert.  —  Die  kleinen 
griech.    Staaten,    Liv.  42,  55,  8 : 

auxilia  . .  ex  omnibus  . . .  Graeciae 

populis  .  .  quorum    pleraque  — 

adeo  parva  erant  —  in  oblivionem 

adducta.  Zahlen  nach  Schätzung. 

17  200 

16200 

4200 

37  600 

334 

00 

Beilage.    Heeresstärken.    2.  Römer.  345 

Da  wie  man  sieht  die  Unsicherheiten  sich  nur  auf  einige  kleinere 
Kontingente  beziehen,  so  kann  die  Gesamtsumme  innerhalb  der  an- 
gedeuteten Fehlergrenze  wohl  als  zuverlässig  betrachtet  werden.  Es 
ergibt  sich,  dafs  hier  die  Römer  und  Italiker  ebenso  wie  bei  dem 
Gegner  die  Makedonier  stark  I  der  Armee  gebildet  haben,  während 
der  Rest  durch  auswärtige  Hilfstruppen  gedeckt  worden  ist. 

Auffallender  ist  das  Verhältnis  der  Schweren  zu  den  übrigen 
Truppengattungen.  Während  bei  den  Makedoniern  gleichfalls  über 
I  der  Armee  schwerbewaffnet  war,  ist  es  bei  den  Römern  kaum  die 
Hälfte.  Indessen  ist  die  Abweichung  nur  scheinbar.  Der  gröfste 
Teil  der  zu  den  Leichten  gestellten  Mannschaften  sind  Halbschwere, 
wie  die  Velites  bei  den  Legionen  selber,  die  Ligurer,  z.  T.  auch  wohl 
die  Pergamener,  während  an  ausgesprochen  leichten  Truppen,  Bognern 
und  Schleuderern,  die  Makedonier  durch  ihre  weit  stärkeren  kreti- 
schen und  thrakischen  Kontingente  entschieden  überlegen  waren 
(vergl.  Liv.  44,  35,  19).  Ebensowenig  galt  die  römische  Reiterei, 
welche  auch  nur  etwa  Vio  der  Armee  ausmacht,  besonders  vor  An- 
kunft der  Numider  als  der  makedonischen  gewachsen  (Liv.  42,  57,  12: 
qui  equitatu  et  levi  armatura  plus  possent). 

Auch  für  die  Römer  ist  eine  Gesamtangabe  für  die  späteren 
Kriegsjahre  nicht  erhalten,  aber  die  erwähnte  Nachricht  über  die 
Stärke  der  ala  sociorum  im  Jahre  168  natürlich  in  erster  Linie  für 
die  Bestimmung  der  Heeresstärke  in  diesem  letzten  Stadium  des 
Krieges  mafsgebend.  Die  Nachrichten  der  Annalen  über  Ersatz- 
truppen von  12000  Mann  zu  Fufs  und  550  Reitern  im  Jahre  169  (Liv. 
43,  12,  3)  und  gar  14000  Mann  zu  Fufs  und  1200  Reitern  (Liv.  44, 
21,  6  f.)  im  Jahre  168,  sowie  von  1200  numidischen  Reitern  und 
12  Elefanten  im  Jahre  170  (Liv.  43,  6,  13.  14),  im  ganzen  26000  Mann 
zu  Fufs  und  gegen  3000  Reitern  kann  man  daher  ruhig  auf  sich  be- 
ruhen lassen  (s.  S,  100  ff.),  und  zwar  um  so  mehr,  als  auch  hier 
wieder,  wie  das  schon  in  früheren  Fällen  bemerkt  worden  war,  trotz 
dieser  enormen  Nachschübe  der  Stand  der  Legionen  nicht  er- 
höht, sondern  nur  erhalten  geblieben  sein  soll  (Liv.  43,  12,  4.  44, 
21,  8).  Man  müfste  also  zugleich  zahlreiche  Entlassungen  ausgedienter 
Mannschaften  annehmen,  was  um  so  weniger  gerechtfertigt  erscheint, 
als  das  Heer  im  Jahre  171  ein  Rekrutenheer  gewesen  ist.  Die  ein- 
zigen beglaubigten  Ergänzungen  sind  5000  Mann  im  Jahre  169  mit 
dem  Konsul  Philippus  (Liv.  44,  1,  1  polybianisch)  und  eine  der  Zahl 


346  Der  Krieg  gegen  Perseus. 

nach  nicht  bestimmbare  Verstärkung  mit  Paulus  im  Jahre  168,  auf 
die  die  Erwähnung  einer  Flotte  (Liv.  45, 41,  3,  polybianisch)  und 
einer  Streitmacht  (dvvdfisig  Diodor  31,  11,  1)  bei  der  Überfahrt  von 
Brundisium  nach  Kerkyra  schliefsen  läfst.  Der  Konsul  Hostilius  im 
Jahre  170  scheint  nur  ein  geringes  Gefolge  bei  sich  gehabt  zu  haben, 
da  er  wegen  der  Unsicherheit  des  Weges  durch  Epiros  den  Landweg 
aufgab  und  über  Antikyra  zum  Heere  ging  (Pol.  XXVII  16). 

Diese  Verstärkungen  haben  daher  nur  den  Stand  der  Legionen 
auf  der  anfänglichen  Höhe  erhalten. 

Über  die  Auxilia  erfahren  wir  nur,  dafs  die  kleinen  griechischen 
Kontingente  Ende  Sommer  171  entlassen  wurden,  während  die 
Achäer  und  ohne  Zweifel  auch  die  Pergamener  beim  Heere  blieben 
(Liv.  42,  62,  9),  dafs  im  Frühjahre  168  ein  Transport  von  etwa  2000 
gallischen  Reitern,  die  von  Pergamon  aus  zur  Armee  gehen  sollten, 
von  der  makedonischen  Flotte  abgefangen  wurde  (Liv.  44,  28,  12  f.), 
und  dafs  in  demselben  Jahre  ein  Korps  von  thrakischen  Söldnern, 
dessen  Gröfse  mit  den  Kretern  zusammen  mehr  als  200  Mann  be- 
tragen haben  mufs  (Plut.  Aem.  15)  bei  der  Armee  war. 

Es  ist  unter  diesen  Umständen  nicht  anzunehmen,  dafs  der  Be- 
stand des  Heeres  sich  im  Verlaufe  des  Krieges  irgendwie  wesentlich 
geändert  hat. 

Zu  dieser  Hauptarmee  in  Thessalien  kommt  noch  ein  kleines 
selbständiges  Korps  in  Illyrien. 

Schon  im  Herbste  172  war  der  Prätor  Sicinius  mit  5000  Mann 
und  300  Reitern  von  Brundisium  nach  Apollonia  übergegangen,  um 
Vorbereitungen  für  die  Hauptarmee  zu  treffen  (Liv.  42,  36,  8  poly- 
bianisch; Näheres  darüber  s.  S.  233).  Die  Angaben  der  Annalen 
über  eine  Armee  von  ungefähr  18000  Mann,  welche  damals  nach 
Griechenland  übergesetzt  sei  (Liv.  42,  27,  3—5),  sind  durchaus  un- 
glaubwürdig (vergl.  auch  Zon.  IX  22  P  I  456  B:  [istä  dwäfAecog 
öUyrjg)  und  trotz  Ihnes  Widerspruch  (III  171)  mit  Nissen  (Krit. 
Unters.,  S.  246)  und  Niese  (III  111,  1)  zu  verwerfen.  Bei  dem  Vor- 
handensein so  starker  Truppen  in  Illyrien  wären  weder  die  wieder- 
holten Detachierungen  aus  Thessalien  dorthin  (Herbst  171:  Liv. 
43,  1,  1.  Herbst  170:  Liv.  43,  9,  6  f.),  noch  die  fast  widerstandslosen 
Eroberungen  des  Perseus  in  Illyrien  mit  einem  Korps  von  12  000  Mann 
im  Winter  170/169,  noch  die  Mifserfolge  der  Römer  nach  seinem  Ab- 
züge erklärlich  (S.  259  ff.).    Ebensowenig  wären  die  Schlappen  der 


Beilage.    Heeresstärken.    2.  Römer.  347 

Römer  in  Epiros  gegen  die  Molosser  und  den  makedonischen  Kom- 
mandanten Klevas  (S.  264),  sowie  das  Hilfsgesuch  des  Appius  Claudius 
an  die  Achäer  (Pol.  XXVIII  13,  7)  zu  verstehen.  — 

Das  Korps  des  Sicinius  blieb  abgesehen  von  einer  vorüber- 
gehenden Detachierung  (S.  233.  252)  auf  diesem  Stande  von  5000  Mann 
bis  zum  Jahre  168.  Denn  die  römischen  Truppen  unter  Appius 
Claudius  in  den  Jahren  170— 168  gehören  nach  Epiros  und  sind  nur 
ein  Detachement  von  der  Thessalischen  Armee  (S.  261  A.  1). 

Erst  im  Jahre  168  nach  dem  xAbfalle  des  Gentios  entschlofs 
man  sich  in  Rom  einen  Prätor,  Anicius,  mit  2  Legionen  und  Zu- 
behör nach  Illyricum  zu  senden.  Die  Angabe  der  Annalen,  dafs  es 
20400  Mann  und  1400  Reiter  gewesen  seien  (Liv.  44,  21,  10),  kann 
ungefähr  stimmen1).  Zusammen  mit  den  bisherigen  Truppen  in 
Illyricum  und  den  zugleich  aufgebotenen  Hilfsvölkern  —  die  Parthiner 
allein  stellten  2200  Mann  (Liv.  44,  30,  13  polybianisch),  mag  das 
Heer  immerhin  um  30000  Mann  betragen  haben.  (So  auch  Niese  III, 
S.  158.) 

Zu  den  Landheeren  kam  die  Flotte. 

Die  Römer  haben  zu  Beginn  des  Krieges  von  sich  aus  41  Quin- 
queremen  in  See  geschickt  (Liv.  42,  48,  5  und  6  polybianisch)  — 
die  früher  genannten  50  Quinqueremen  sind  aus  den  Annalen  (Liv. 
42,  27,  1)  — ,  zu  denen  noch  zwei  karthagische  und  mindestens  zwei 
weitere  (Liv.  42,  47,  9)  des  Marcius  Philippus  später  hinzukamen 
(Liv.  42,  56,  6),  so  dafs  im  ganzen  mindestens  45  Quinqueremen  vor- 
handen waren.  Ferner  stiefsen  zur  Flotte  5  rhodische  Triremen 
(Liv.  42,  48,  6  f.  56,6);  endlich  kam  die  pergamenische  Seemacht 
dazu  (Liv.  42,  55,  7  f.),  deren  Zahl  zwar  für  das  Jahr  171  nicht  an- 
gegeben ist,  sich  aber  im  Jahre  169  auf  20  „naves  tectae",  Kriegs- 
schiffe, belief  (Liv.  44,  10,  12  polyb,).  Da  Eumenes  sich  aber  im 
Jahre  171  ganz  besonders  angestrengt  und  auf  seiner  Flotte  6000  Mann 
zu  Fufs  und  1000  Reiter  nach  Griechenland  übergesetzt  hatte,  so 
werden  wir  sie  mindestens  ebenso  hoch  als  die  des  Jahres  169  an- 
setzen können.  Damit  wäre  der  Bestand  auf  87  gröfsere  Kriegs- 
schiffe gewachsen,  zu  denen  noch  76  kleinere  (lembi)  von  Gentios 
und  den  hellenischen  Städten  an  der  Westküste  Griechenlands  hinzu- 


l)  Liv.  44,  20,  5  heifst  es  Appiura  .  .  in  summo  periculo  esse,  nisi  propere 
iustus  exercitus  eo  mittebatur.  Damit  wird  von  den  Annalen  selbst  zugegeben, 
dafs  vorher  kein  iustus  exercitus,  also  keine  18000  Mann  dort  gewesen  sind. 


348  ^er  Krieg  gegen  Perseus. 

kamen  (Liv.  42,  48,  8).  Die  griechischen  Kontingente  wurden  als 
überflüssig  bei  der  ausgesprochenen  Übermacht  der  Römer  sofort 
wieder  nach  Hause  entlassen  (Liv.  42,  56,  7;  Pol.  XXVII  7,  14  f.);  die 
lembi  der  Westgriechen  und  des  Gentios  ohne  Zweifel  ebenfalls. 
Die  Bemannung  der  Schiffe,  der  exercitus  navalis,  war  so  bedeutend, 
dafs  davon  aufser  2000  Mann  pergamenischer  Truppen  10000  Mann 
zur  Belagerung  von  Haliartos  gestellt  werden  konnten  (Liv.  42,  56,  5), 
und  dafs  man  im  Jahre  169  daran  gehen  konnte,  eine  Stadt  wie 
Kassandrea,  die  aufser  der  eigenen  Bürgerwehr  eine  Besatzung  von 
2800  Mann  hatte  (S.  301  A.  2),  ernstlich  zu  belagern.  Dafs  die  Mann- 
schaften im  Laufe  des  Krieges  wiederholt  ergänzt  sind,  mögen  wir 
den  Annalen  glauben,  aber  ihre  Zahlen  im  einzelnen  haben  keine 
Bedeutung  (Liv.  43,  12,  9.    44,  21,  10,  vergl  auch  20,  6). 

Bei  Issa  (Lissus)  im  Adriatischen  Meere  sollen  seit  170  10  Schiffe 
mit  2000  Mann  stationiert  gewesen  sein  (Liv.  43,  9,  5). 

Ob  diese  Flotte  bei  der  Besiegung  des  Königs  im  Jahre  168 
mitgewirkt  hat,  als  Anicius  die  80  Lemben  des  Königs  schlug 
(Liv.  44,  30,  15;    App.  111.  9),  läfst  sich  nicht  entscheiden. 

Wenn  wir  alle  diese  Zahlen  zusammennehmen 

das  Hauptheer  auf  rund  40000 

das  Heer  des  Anicius  auf  rund       30000 
die  Seeheere  auf  über  12000 

die  nachweisbaren  Grössen  mithin  auf  über  82  000  Mann  ansetzen,  so 
werden  wir  die  wahrscheinlich  aus  Polybios  (Nissen  S.  300,  Schulze 
S.  22  f.)  stammende  Nachricht  des  Plutarch  (Aem.  12),  dafs  die 
Römer  im  Jahre  168  100000  Mann  gegen  Perseus  unter  Waffen  ge- 
habt hätten,  als  mit  den  Verhältnissen  wohl  übereinstimmend  be- 
zeichnen können. 


IV. 

Die  Feldzüge  Sullas  in  Griechenland 
(87—86  v.  Chr.). 


Vorbemerkung. 


Wer  die  bisherigen  modernen  Darstellungen  der  Operationen 
Sullas  in  Griechenland  und  die  Schilderungen  der  beiden  grofsen 
Schlachten,  in  denen  er  die  Feldherren  Mithridats  überwunden  hat, 
betrachtet,  kann  sich  dem  Eindrucke  nicht  entziehen,  dafs  hier  alles 
im  Unbestimmten  und  Nebelhaften  zu  schwimmen  scheint.  Man  wird 
weder  über  das  Wo  und  Wie  der  einzelnen  Bewegungen  so  orientiert, 
dafs  man  sich  ein  klares  Bild  machen  kann,  noch  über  die  Absichten 
und  Ziele  der  beiderseitigen  Heeresleitungen  so  belehrt,  dafs  ein  be- 
friedigender militärischer  Zusammenhang  zu  ersehen  ist.  Die  Heere 
stehen  sich  plötzlich  einander  gegenüber,  die  Schlachten  werden  ge- 
schlagen, eine  Anzahl  nicht  recht  zusammenhängender  Details  wird 
erzählt,  zuletzt  ist  der  Sieg  erfochten.  Wie  die  Situation  zustande 
gekommen  ist,  welches  die  Absichten  der  Feldherren  bei  den  ein- 
zelnen Operationen  vor  dem  Zusammenstofse  und  bei  den  einzelnen 
Bewegungen  während  der  Schlachten  selbst  gewesen  ist,  bleibt  meist 
dunkel. 

Die  Gründe  für  die  merkwürdige  Erscheinung,  dafs  die  Taten 
eines  der  gröfsten  militärischen  Genies  der  Römer  unserem  Verständ- 
nisse noch  so  fern  stehen,  obgleich  Sulla  sie  selber  in  seinen  Memoiren 
ausführlich  dargestellt  hat,  und  diese  Darstellung  uns  noch  teilweise 
erhalten  ist,  sind  nicht  so  gar  schwer  zu  begreifen.  Sie  liegen  zu- 
nächst in  der  Beschaffenheit  unserer  Quellen. 

Plutarch  und  Appian,  unsere  Hauptberichterstatter  über  diese 
Ereignisse,  gehen  zwar  beide  auf  die  erwähnten  Memoiren  Sullas 
zurück1)  und  haben  also  ein  vorzügliches  Material  als  direkte  oder 


*)  s.  darüber  Beilage  II. 


352  Die  Feldzüge  Sullas  in  Griechenland. 

indirekte  Vorlage  zu  ihrer  Verfügung  gehabt.  Denn  es  ist  nicht  an- 
zunehmen, dafs  die  militärischen  Aufzeichnungen  eines  so  klaren  und 
kühlen  Kopfes,  wie  Sulla  es  war,  trotz  Übertreibungen  und  Glori- 
fizierungen aus  militärischen  Unmöglichkeiten  und  militärischem  Un- 
sinn zusammengesetzt  gewesen  sind  oder  sich  mit  rhetorischen  All- 
gemeinheiten begnügt  haben  sollten.  Auch  geben  die  vielen  noch 
uns  erhaltenen  Lokalangaben,  die  von  Plutarch  aus  der  Umgebung 
seiner  Vaterstadt  Chäronea  zufällig  erhalten  sind,  keinen  Anlafs  zu 
solchen  Vermutungen.  Aber  die  beiden  genannten  Historiker,  die 
Sulla  benutzten,  waren  als  Militärschriftsteller  Gröfsen  dritten  Ranges 
und  haben  ihre  Vorlage  teils  verkürzt  und  mifsverstanden,  teils  durch 
Zusätze  entstellt,  so  dafs  es  auf  den  ersten  Blick  schwer  erscheint, 
in  ihren  Berichten  die  Spreu  von  dem  Weizen  zu  sondern. 

Dazu  kommt  aber  zweitens,  dafs  die  militärischen  Vorgänge 
aufser  von  Leake  bisher  eigentlich  von  niemand  ernstlich  im  Zu- 
sammenhange mit  der  topographischen  Lage  der  erwähnten  Örtlich- 
keiten  in  der  Umgebung  von  Chäronea  untersucht  worden  sind,  so  dafs 
die  Grundlage  für  ein  Verständnis  der  einzelnen  Operationen  nicht 
vorhanden  war,  ganz  abgesehen  davon,  dafs  man  infolgedessen  diese 
Einzelvorgänge  auch  nicht  recht  in  das  grofse  Ganze  der  militärischen 
Lage  hineinsetzen  und  fragen  konnte,  welche  Bedeutung  ihnen  inner- 
halb dieses  Rahmens  zugekommen  ist.  Dieser  Mangel  macht  sich 
aufser  in  den  älteren  Darstellungen  auch  in  der  Reinachs  fühlbar,  die, 
so  verdienstvoll  sie  sonst  ist,  doch  gerade  in  militärischer  Beziehung 
nicht  ganz  auf  der  Höhe  der  Gesamtleistung  des  Verfassers  über 
Mithridates  steht  und  eine  Anzahl  von  militärischen  und  topographi- 
schen Unmöglichkeiten  enthält,  deren  sich  der  Darsteller  nicht  be- 
wufst  geworden  ist1). 

Die  natürliche  Folge  dieser  Lage  ist  es  gewesen,  dafs  der 
neueste  Bearbeiter  dieser  Ereignisse,  H.  Delbrück2),  geglaubt  hat, 
auf  jegliches  positive  Resultat  endgültig  verzichten  zu  müssen,  und 
in  den  uns  erhaltenen  Berichten  nur  „die  Produkte  der  dürftigen 
Phantasie  eitler  Rhetoren"  erblickt,  die  den  Dingen  selber  ganz 
gleichgültig  gegenüberstanden,  und  aus  deren  Erzählungen  daher  auch 
schlechterdings  nichts  zu  lernen  sei. 


x)  Mithradates  Eupator  von  Th.  Reinach.  Deutsch  von  A.  Goetz.  Leipzig  1895, 
2)  Geschichte  der  Kriegskunst  I  400  f. 


1.  Die  milit.-polit.  Lage  u.  die  Ereignisse  bis  zur  Schlacht  v.  Cbäronea.     353 

Gegen  diese  Auffassung,  die  schon  durch  die  Fülle  von  speziellen 
topographischen  Angaben  in  Plutarchs  Feldzugsbericht  aufs  bündigste 
widerlegt  wird,  zu  polemisieren,  hat  keinen  Zweck,  und  zwar  um  so 
weniger,  als  sie  sich  ihrer  ganzen  Durchführung  nach  nicht  als  wissen- 
schaftlich begründete  Ansicht,  sondern  höchstens  als  ein  geistreiches 
Apercu  charakterisiert. 

Wir  glauben,  dafs  ihre  beste  Widerlegung  ebenso  wie  die  Er- 
gänzung der  Mängel  der  anderen  erwähnten  Darstellungen  in  einer 
positiven  Darlegung  des  Herganges,  wie  er  sich  uns  herausgestellt 
hat,  besteht,  und  wollen  daher  einfach  und  ohne  unnötige  Rückblicke 
den  Versuch  machen,  unter  sorgfältiger  Prüfung  der  ganzen  politisch- 
militärischen Lage,  unter  Heranziehung  alles  erreichbaren  topographi- 
schen Materials  und  unter  tunlichster  Klarstellung  der  durch  die  all- 
gemeine strategische  Situation  erschliefsbaren  Absichten  und  Ziele  der 
beiderseitigen  Heeresleitungen  den  militärischen  Zusammenhang  der 
Operationen  und  den  Gang  der  schliefslichen  Entscheidungen  zu 
rekonstruieren  und  dem  Leser  möglichst  anschaulich  vor  Augen  zu 
führen. 


1.  Die  militärisch-politische  Lage1)  und  die  Ereignisse 
bis  zur  Schlacht  von  Chäronea. 

Mit  ungeahnter  Energie  und  Entschlossenheit  hatte  der  kleine 
Fürst  von  Pontos  den  ihm  durch  die  Habsucht  und  den  Übermut  der 
römischen  Emissäre  aufgedrungenen  Kampf  aufgenommen  und  ihn 
zum  Staunen  der  Welt  im  Frühling  88  v.  Chr.  mit  den  reifsendsten 
Erfolgen  eröffnet. 

Bithynien  und  Kappadokien,  die  ganze  römische  Provinz  Asien 
waren  in  einem  Sommer  überrannt,  die  römischen  Truppen  zersprengt, 
ihr  Führer,  der  Prokonsul  von  Asien,  gefangen,  und  alsbald  schweiften 
die  Blicke  des  Königs  hinüber  nach  dem  europäischen  Festlande. 
Der  beste  Feldherr  der  pontischen  Armee,  Archelaos,  wurde  an  der 
Spitze  einer  Flotte  und  eines  Landungskorps  noch  in  demselben 
Sommer  ins  Ägäische  Meer  entsendet;  die  Inselwelt  von  Makedoniens 


l)  Die  Belege  für  die  in  diesem  Abschnitte  angeführten  Tatsachen  findet 
man,  soweit  sie  hier  nicht  angegeben  sind,  am  vollständigsten  bei  Th.  Reinach  in 
dem  S.  352  genannten  Werke. 

Kromayer,  Antike  Schlachtfelder.    II.  2ö 


354  Die  Feldzuge  Sullas  in  Griechenland. 

Küste  bis  zum  Kap  Malea  fiel  ihm  zu,  Athen  öffnete  ihm  die  Tore, 
und  der  Piräus  mit  seinen  festen  Mauern  wurde  seine  Basis  für 
Hellas1).  Alsbald  traten  Achaja  und  Lakonied,  ja  der  ganze  Peloponnes 
zu  ihm  über;  Böotien  mit  der  Hauptstadt  Theben,  Euböa  mit  der 
wichtigen  Festung  Chalkis  schlössen  sich  an2).  Kaum  konnte  der 
römische  Statthalter  von  Makedonien,  Sentius  Saturninus,  durch  seinen 
tapferen  Legaten  Bruttius  Sura  die  Angriffe  zur  See  auf  Thessalien 
und  Demetrias  abwehren8)  und,  als  das  geglückt  war,  denselben 
Offizier  mit  einem  kleinen  Korps  nach  Mittelgriechenland  vorschicken, 
um  womöglich  der  tapfer  sich  wehrenden  Stadt  Thespiä,  der  einzigen, 
die  in  Böotien  noch  widerstand,  Hilfe  zu  bringen;  kaum  gelang  es 
dieser  kleinen  Truppe  von  nur  etwa  2000  Mann,  in  dreitägigen 
Plänkeleien,  wohl  um  die  Pässe  bei  Chäronea,  das  Vordringen  der 
ersten  asiatischen  Vortruppen  nach  Phokis  hinein  bis  zur  Ankunft 
stärkerer  Truppen  vorläufig  aufzuhalten  4). 

Aber  der  Schnelligkeit  und  den  äufseren  Erfolgen  dieses  Vor- 
stofses  entsprach  doch  nicht  seine  innere  Kraft.    Mit  dem  Erscheinen 


')  Plut.  Sulla  11,  19:  'Ag/ekttog  tccTc  /utv  rccvalv  6/liov  ts  ov/unciorjg  IntxQUJuJv 
Ttjg  dciXaiir^q  rrtg  te  KvxlctJag  rr}Oovg  ISovlovro  xctl  iwv  alloov,  oaa  MaXiag  tvrog 
tdowTOLL..  Ix  ö\  'Adrivuv  d^jnio^ueiog  ra  pe/Qi  QeoactXictg  sdvt)  Trjg  'EXXaöog  a^iarr]. 
App.  Mithr.  29,  2.  —  Die  Mauern  des  Piräus  App.  30, 18  und  Reinach  150,  4. 

2)  Peloponnes:  App.  Mithr.  29,7;  Memnon  32.  Böotien:  App.  ib.  29,8. 
30,  12;  Paus.  IX  7,  4.  Euböa:  Memnon  32:  'EqtTQtag  xal  XaXxiöog  xal  oXrjg  Eußuiag; 
Plut.  Sulla  11,21;  Flor.  I  40,8.  Ihne  (V  322)  schliefst  aus  den  Kämpfen  bei 
Chalkis,  dafs  die  Stadt  zur  Zeit  der  Belagerung  Athens  in  den  Händen  der  Römer 
gewesen  sei.  Davon  steht  aber  nichts  bei  Appian  (Mithr.  34).  Es  ist  damals 
sowie  später  (s.  unten  S.  380)  in  der  Gewalt  der  Pontiker. 

3)  App.  Mithr.  29,  10  f.  Über  die  Personen  Plut,  Sulla  II,  24  und 
Reinach  S,  148. 

4)  Plut.  Sulla  11,  2G  f.;  App.  Mithr.  29,  20  f.  Appians  Bericht,  nach  welchem 
Sura  sich  nach  Ankunft  von  lakonischen  und  achäischen  Verstärkungen  der  Pontiker 
nach  dem  Piräus  zurückgezogen  haben  soll,  ist  nach  Lage  der  Dinge  unmöglich. 
Nach  Plutarch  geht  er  bei  Ankunft  von  Sullas  Vortruppen  unter  Lucullus  nach 
Makedonien  zu  seinem  Statthalter  zurück.  Das  entspricht  den  Verhältnissen.  So 
urteilt  auch  Reinach  S.  149  A.  1.  Römische  Truppen  scheinen  den  ganzen  Winter 
über  in  Chäronea  gelegen  zu  haben.  Plut.  Kimon  1,4.  Dazu  Reinach  a.a.O. 
Dafs  Sura  zur  Unterstützung  des  belagerten  Thespiä  (App.  Mithr.  29,  9)  abgesandt 
sei,  ist  eine  wahrscheinliche  Vermutung  von  Reinach.  —  Über  die  Truppen  des 
Sura  heilst  es  App.  30,20:  inl  öt  Boimiav  TQuntig  iteQcov  ol  %Ui(ov  inniiav  y.cu 
nt&v  tx  Maxtdoviag  inekSövioiv,  woraus  wohl  zu  schliefsen  ist,  dafs  er  auch  vor- 
her 1000  Mann  gehabt  hatte. 


1.  Die  milit.-polit.  Lage  u.  die    Ereignisse  bis  zur  Schlacht  v.  Chäronea.     355 

eines  operationsfähigen  Heeres  von  fünf  Legionen  oder  25—30  000 
Mann  (s.  Beilage  I)  unter  Sulla  in  Griechenland  im  Sommer  87  v.  Chr. 
sahen  sich  alsbald  die  Asiaten  in  die  Defensive  zurückgeworfen.  Sulla 
beherrschte  unbestritten  das  offene  Feld,  sobald  er  den  Boden  Griechen- 
lands betreten  hatte,  und  schneller,  als  sie  sich  den  Asiaten  zu- 
gewandt, kehrten  jetzt  die  griechischen  Kleinstaaten  unter  die  Fittiche 
Roms  zurück:  Böotien,  der  Peloponnes,  das  flache  Land  von  Attika 
fielen  Sulla  zu;  Archelaos  und  sein  Helfer,  der  Tyrann  Aristion,  mufsten 
sich  im  Piräus  und  in  Athen  selbst  einschliefsen  lassen1).  Es  war 
eben  nur  die  Avantgarde  der  pontischen  Armee  gewesen,  mit  der 
Sulla  bisher  zu  tun  gehabt  hatte.  Indessen  leistete  diese  Avantgarde, 
was  ihre  Aufgabe  war:  sie  schuf  der  grofsen  Armee  die  Zeit,  in  aller 
Ruhe  heranzukommen.  An  den  Mauern  der  beiden  Festungen,  in  die 
sie  sich  geworfen,  brach  sich  zunächst  die  Kraft  des  römischen  Gegen- 
angriffes. Erst  nach  mindestens  halbjähriger  Belagerung,  unter 
den  gröfsten  Anstrengungen  und  bedeutenden  Verlusten  ist  es  Sulla 
gelungen,  am  1.  März  86  Athen  und  bald  darauf  auch  den  Piräus 
zu  erobern2).  Nur  die  Akropolis  von  Athen  und  die  Felsenfeste 
Munychia  im  Piräus  blieben  noch  in  der  Hand  der  Feinde3). 


')  App.  30,  10:  7TcioodtvovTi  tf'  avxtp  (dem  Sulla)  Botcoiicc  rf  d&ooojg  ^m- 
%(ooti,  /(jjo\g  okiyoji',  xcä  ib  /usya  äöiv  cd  Orjßai .  .  .  71q)v  h  neToctv  tXSeTv  .  . .  uere- 
itd-tVTo.  Plut.  Sulla  12,5:  Zvllag  öl  rag  f.iiv  uXXag  noXetg  ev&vg  s?/ev... 
Talg  df  'A&ijraig  .  .  ä&oovg  Iniair]  xal  top  ütiocticc  . .  .  tnoXiöny.ti.  Ebenso  Taus. 
IX  7,4;  Memnon  32.  Dafs  sich  Archelaos  dem  Sulla  im  offenen  Felde  gestellt 
habe  und  sich  erst  nach  einer  Niederlage  nach  Athen  und  dem  Piräus  zurück- 
gezogen habe,  wie  Pausanias  (I  20,  5)  und  Memnon  (32,  1)  berichten,  ist  bei  den 
beiderseitigen  Truppenverhältnissen  (Beil.  I)  nicht  wahrscheinlich.  Der  Übergaog 
des  Peloponnes  an  die  Römer  wird  nicht  ausdrücklich  erwähnt,  folgt  aber  aufser 
aus  den  angeführten  allgemeinen  Angaben  auch  daraus,  dafs  Sulla  die  Tempel- 
schätze von  Olympia  und  Epidauros  für  seine  Zwecke  verwandte  (Plut.  Sulla 
12,25.  Diod.  38,7)  und  im  Peloponnes  eine  Münzstätte  unter  Lucullus  errichten 
liefs  (Plut.  Luc.  2.    Reinach   151  A.  2). 

2)  Das  Datum  1.  März  bei  Plut.  Sulla  14,  10  stimmt  mit  der  natürlichen 
Zeit,  da  der  römische  Kalender  in  dieser  Epoche  in  Ordnung  ist.  Unger  bei 
Müller,  Hdb.  I  642.  Der  Beginn  der  Belagerung  fällt  noch  in  den  Sommer  87, 
da  Sulla  nach  längerer  Belagerung  (Bau  von  Maschinen,  Ankunft  einer  Verstärkung 
unter  Dromichätes  usw.  App.  30  — 32)  /jt/Ltcövog  iniuvTog  (App.  33, 4)  einen  Teil 
seiner  Armee  nach  Eleusis  verlegt.  Ausführliche  Beschreibung  der  Belagerung 
bei  Appian  cap.  30  — 40.     Reinach  150  ff. 

3)  Plut.  Sulla  14,  16  f.;  App.  39,15.  24;  Paus.  I  20,6.  Ein  Widerspruch 
zwischen  Appians  ov  /ueia  noXv  und  oXCyov  varegov  für  die  Einnahme  der  Akropolis 

23* 


35G  Die  Feldzüge  Sullas  in  Griechenland. 

So  hatte  Archelaos  durch  seine  zähe  Verteidigung  Zeit  gewonnen 
für  die  Fortschritte  der  Hauptarmee,  welche  erst  unter  der  Führung 
des  Prinzen  Ariarathes  oder  Arkathias  und  nach  dessen  Tode  unter 
Taxiles  während  dieser  Kämpfe  auf  dem  Landwege  über  Thrakien 
und  Makedonien  vom  Ilellespont  her  herangerückt  war.  Abdera, 
Philippi,  Amphipolis  waren  von  ihr  genommen  worden,  ganz  Make- 
donien nach  tapferer  Gegenwehr  verloren  gegangen,  und  schon  hatte 
sie  sich  den  Thermopylen  genähert,  als  endlich  Athen  und  der  Piräus 
den  immer  heftiger,  dringender,  verzweifelter  werdenden  Angriffen 
Sullas  in  letzter  Stunde  erlegen  waren1). 

Nach  planmäfsiger  Zerstörung  des  Piräus2),  damit  er  nicht  den 
Asiaten  von  neuem  zum  Stützpunkt  für  gröfssre  Truppenmassen  dienen 
könne,  und  nach  Zurücklassung  eines  Belagerungs-  und  Beobachtungs- 
korps für  die  Akropolis  von  Athen  und  Munychia  wandte  sich  nun 
Sulla  sofort  gegen  den  neuen  Feind  nach  Böotien. 

Zur  grofsen  Entscheidung  mufsten  von  beiden  Seiten  alle  ver- 
ügbaren  Truppen  zusammengezogen  werden. 

Für  die  Asiaten  war  das  nicht  schwer:  sie  beherrschten  die 
See,  und  so  konnte  Archelaos  von  Munychia  und  Chalkis  her,  wo  sein 
Unterfeldher  Neoptolemos  stand3),  ungehindert  seine  Truppen  zu  der 


und  Plutarch  xqovov  ov/röv  besteht  nicht.  Curio  lag  mit  seinem  Detachement 
nach  Sullas  Abmarsch  bis  zur  Schlacht  von  Chäronea  vor  der  Akropolis;  bei 
Sullas  Rückkehr  war  die  Burg  übergeben  (Paus.  I  20,  6).  Die  Angabe  des  Pausanias 
tqit)j  vöitQov  11/Litycc  widerspricht  dem  Gange  der  militärischen  Ereignisse  und 
beruht  wohl  auf  irgendeiner  Verwechslung.  —  Munychia  von  Archelaos  gehalten 
Plut.  Sulla  15,30;  App.  40, 19. 

')  Eroberung  von  Abdera  und  Philippi  folgt  aus  Granius  Licinianus  26,4 
(ed.  Bonn.),  die  von  Amphipolis  und  ganz  Makedonien  bei  Memnon  32, 2  und 
App.  35,  9.  —  Der  Weitermarsch  von  Makedonien  aus  erfolgte  natürlich  durch 
das  Innere  von  Thessalien,  durch  den  Tempe-  und  Pythionpafs  und  dann  über  den 
Furkapafs  bei  Domoko  (vgl.  oben  S.  60.  270).  Dafs  der  Prinz  Ariarathes  oder 
Arkathias  auf  dem  Tisäon,  dem  äufsersten  Vorgebirge  der  Halbinsel  Magnesia, 
stirbt  (App.  35, 11),  beweist  nichts  für  die  Marschroute,  über  die  sich  Reinach 
unnötig  den  Kopf  zerbricht  (S.  161).  An  den  Steilhängen  der  Halbinsel  kann  sie 
natürlich  nicht  entlang  gegangen  sein.  Der  Prinz  war  ja  krank  (voatjcfccg),  auf 
Befehl  seines  Vaters  vergiftet  (Plut.  Pomp.  37),  und  wird  hier  Erholung  ge- 
gesucht haben. 

2)  App.  41,4.    Plut.  Sulla  14,22. 

3)  App.  34, 27. 


1.  Die  milir.-polit.  Lage  u.  die  Ereignisse  bis  zur  Schlacht  v.  Chäronea.     357 

Armee  des  Taxiles  stofsen  lassen,    die  von  den  Thermopylen  alsbald 
bis  Elatea  vorrückte  und  es  belagerte1). 

Weit  schwieriger  war  die  Konzentrierung  für  Sulla.  Zwar  den 
Legaten  Munatius,  der  bei  Chalkis  gestanden  und  von  da  die  Be- 
lagerung Athens  gedeckt  hatte2),  konnte  er  leicht  an  sich  ziehen, 
aber  weit  schwieriger  war  es,  sich  mit  den  Streitkräften  aus  Italien 
und  Makedonien  zu  vereinigen.  Q.  Hortensius  nämlich  stand  mit  einem 
Korps  von  6000  Mann,  das  aus  italischem  Ersatz  und  den  Resten  der 
makedonischen  Provinzialtruppen  bestand,  in  Thessalien,  die  Gegner 
also  zwischen  beiden  Armeen3).  Bei  den  Thermopylen  verlegten  sie 
ihm  die  einzige  Militärstrafse,  welche  Mittel-  und  Nordgrieehenland 
verbindet4).  Aber  es  gelang  dem  Hortensius,  unter  landeskundiger 
Führung  den  Gegner  zu  täuschen,  auf  Bergpfaden  über  den  Parnafs 
nach  Tithora  zu  gelangen,  die  ihn  dort  angreifenden  Feinde  den  Tag 
über  aus  der  festen  Stellung  in  diesem  Flecken  abzuwehren  und  von 
da  mit  einem  Nachtmarsche  zu  Sulla  zu  kommen,  der  ihm  entgegen- 
gegangen war  und  sich  glücklich  bei  Patronis  mit  ihm  vereinigte5). 


!)  Sammelpunkt  Thermopylä:  App.  41,  20:  'Ao%£Xaog . .  ovvrjytv  ig  GsQ/nonvlag 
jcc  Xotna.  iov  re  idiov  ötqutov  nuviog,  ov  fycov  yXds,  xcd  rov  avv  stoofiixatirj  nctna- 
ytyovoiog.  ovvrjye  J*  xal  to  abv  Anxadiq  . .  ig  Maxedovietv  ifxßaXov.  Dafs  er  nicht 
auf  dem  Landwege  dahin  marschiert  sein  kann,  wie  Appian  will  {dict  Boimiag), 
sondern  zur  See  gegangen  sein  mufs,  hat  Reinach  mit  Recht  betont  S.  162  A.  1.  — 
Belagerung  von  Elatea  Paus.  I  20,6  neQixad^usvog'EhheiKV.  X  34,  2.  App.  41,9: 
[AtTf/ojQovv  ig  rrjV  fpcoxida. 

2)  App.  34,  27. 

3)  Memnon  32,3:  'OoTrjiGiov  vntQ  rag  ti-  xi^l(*o*ag  äyovra  i£  'Irak lag. 
Ein  Supplementum  für  Sulla  aus  Italien  können  diese  Truppen  nicht  gewesen 
sein,  da  Sulla  bereits  vor  Anfang  86  geächtet  war.  Fischer,  Zeittaf.  S.  179, 
Reinach  S.  155  A.  2.  Daher  ist  Reinachs  Vermutung  (S.  155  A.  3),  Hortensius  sei 
für  Makedonien  bestimmt  gewesen  und  habe  die  Reste  der  dortigen  Truppen  mit 
seiner  aus  Italien  herangeführten  Verstärkung  vereinigt,  sehr  wahrscheinlich.  So 
würde  sich  am  einfachsten  erklären,  wie  die  grofse  pontische  Armee  sich  zwischen 
Sulla  und  Hortensius  hatte  schieben  können,  und  woher  die  Makedonier  in  Sullas 
Armee  (App.  41, 16)  zu  ihm  gestofsen  sind.  Der  Nachfolger  des  Saturninus  für 
Makedonien,  wie  Reinach  will,  ist  er  aber  doch  kaum  gewesen,  da  er  als  tiqe- 
oßtvTTjg  bezeichnet  wird.     Plut.  Sulla  17,  6. 

4)  Plut.  Sulla  15,  10:  'OoTrjVGtog .  . .  ov  ix  Qtncdiag  ayovici  tu>  ZvXXq  övvttfxiv 
iv  loTg  OTtvoTg  (Thermopylä)  ot  ßaoßccnoi  7T<xQS<fulc<TTov. 

5)  Plut.  Sulla  15, 13:  'Oqit]VOiov  öt  Kd(pig,  fjjLtfreoog  aiv  (d.  h.  ein  Landsmann 
des  Plutarch  aus  Chäronea)  irtoctig  böotc  ijjsvöci/iievog  tovg  ßccQßaQovg  dia  tov 
üaQvaoaov   xcijrjyev    vii'  avirv    ir\V  Ti&ooav  . .  .  (pQovptov    cmoQQuyi    XQrjjuvai    ntQi- 


orjg  Die  Feldzüge  Sullas  in  Griechenland. 

Der  Weg,    den   beide    Heeresabteilungen    zurückgelegt    haben, 
kann  nach  diesen  Angaben  unserer   Quellen  nicht  zweifelhaft    sein: 
Hortensius  mufs  von  Heraklea  südlich  durch  die  Anaposchlucht  und 
£rtes(aieh  von   da  über  Elefterochori  die   Senke   des  Öta   überschritten  haben, 
ein  Weg,    den    die  Barbaren    aus  Unkenntnis    der  Gegend    offenbar 
nicht  besetzt  hatten1).    In  der  Ebene  von  Doris  angekommen,  mufste 
er    sich,    um    den  Parnafs    zu    erreichen   und  die  das  Flachland  be- 
herrschende feindliche  Reiterei  zu  vermeiden,   direkt  südlich  wenden 
und  so  das  hier  nicht  breite  Tal  des  Kephissos  durchqueren.     Über 
das  Gebirge  sind  von  hier  aus  zwei  Wege  möglich.     Man  kann  sich 
entweder    mehr   westlich  halten  und  über  den  Khan  von  Gravia  auf 
leidlichbequemer  Strafse  nach  Amphissa  zu  vorrücken2),  dann  östlich  ge- 
wandt   über  Delphi    und   Arakhowa    die  Parnafsgruppe  südlich  um- 
gehen.    Diesen  Weg    hat  Hortensius    nicht   eingeschlagen.     Denn  er- 
führt nicht  an  Tithora  vorbei.   Oder  man  kann  zweitens,  etwas  mehr 
östlich  sich  haltend,  nach  Agoriani  am  Nordfufse  des  Parnafs,  nicht  weit 
von  dem  alten  Liläa,  marschieren.    Von  hier  geht  ein  Pfad  mit  Pafs- 
höhe   von  nur  1296  Metern   auf  die  Hochfläche  Livadia  hinauf,   die 
etwa  1100  Meter  Erhebung  hat,  und  über  die  im  Altertum  ein  direkter 
Weg  von  Delphi  nach  Tithora  führte.    Diesen  Weg  mochte  man  etwa 
bei  den  jetzigen  Kalybia  von  Arakhowa  erreichen  (auf  der  Karte  bei 
„Livadi")  und  konnte  ihn  von  da  aus  direkt  nach  Tithora  hinunter 
durch  die  Kachalesschlucht  verfolgen5).   Das  mufs  die  Marschroute  des 
Hortensius  gewesen  sein.    Auf  ihm  wurde  die  für  das  Detachement  ge- 
fährliche phokische  Ebene  vermieden  und  Tithora,  das  heutige  Velitza, 
erreicht.    Die  Natur  schreibt  diesen  einzig  möglichen  Weg  unzweifel- 
haft vor. 

Von  Velitza  aus  mufs  der  Nachtmarsch,  durch  den  sich  Hortensius 
den  Belagerern  entzog,  ostwärts  gegangen  sein.  Das  Städtchen  ist 
nur  von  Westen  und  Nordwesten  her  einem  feindlichen  Angriffe  zu- 
gänglich.   Im  Norden  und  Osten  wird  es  von  der  steilen  und  tiefen 


xonjojJtvov iviavSa  xuiaaiQctiontöeCaag  Voiijrows  wiqas  l**v  änty.Qovaaro  rovg 

noJie/ui'ovg,  vvxnag  <T  int  IlaTQ<ov(dci  rcdg  dvo/MQuag  xeiraßag  unavi^oavii  uo  ZvXXq 

{ietcc  jrjg  duraptoog  awifii^ 

»)  Man   vergleiche    über    diesen  Weg   die    oben    S.  139    gegebene    Ausein- 
andersetzung. 

2)  s.  über  diesen  Weg  Bd.  I  S.  145  f. 

3)  Man  vergleiche  über  diesen  Weg  Bd.  I  S.  144  A.  1  und  3. 


1.  Die  milit.-polit.  Lage  u.  die  Ereignisse  bis  zur  Schlacht  v.  Chäronea.     359 

Schlucht  des  Kachales  umschlossen,  die  jeden  Angriff  von  dieser  Seite 
unmöglich  und  Mauern  hier  unnötig  macht1).  Das  sind  die  dvoxcoQoai, 
durch  welche  Hortensius  hinabsteigt  und  dem  ihm  entgegenrückenden 
Sulla  die  Hand  bietet.  Wir  werden  den  Vereinigungspunkt,  das  sonst 
unbekannte  Dorf  Patronis,  nicht  allzuweit  von  Velitza  in  der  Gegend 
zwischen  dem  Dorfe  Biskini  und  Hagia  Marina  am  Nordausgange  des 
Passes  von  Davlia  (Daulis)  zu  suchen  haben2).  Denn  durch  diesen 
Pafs  hat  ohne  Zweifel  Sulla  den"  Anschlufs  an  Hortensius  gesucht. 

Seine  Marschroute  von  Athen  über  Theben  ist  nämlich  bis 
Chäronea  hin  durch  die  grofse,  durch  Mittelgriechenland  hindurch- 
ziehende Hauptstrafse  vorgeschrieben.  Von  Chäronea  aus  konnte  er 
einen  doppelten  Weg  einschlagen,  entweder  durch  den  Engpafs  von 
Parapotamioi  am  Kephissos  entlang  gehen  oder  etwas  weiter  westlich 
den  Pafs  von  Davlia  benutzen.  Da  die  phokische  Ebene  von  den 
Truppen  der  mit  der  Belagerung  von  Elatea  beschäftigten  Gegner 
durchschwärmt  wurde,  so  ist  es  wahrscheinlich,  dafs  er  sie,  solange 
es  tunlich  war,  vermieden,  sich  südlich  vom  Paroriberge  an  den 
Parnafs  herangezogen  und  den  leicht  zu  überschreitenden,  nur 
192  Meter  hohen  Pafs  von  Davlia  zur  Vereinigung  mit  Hortensius 
benutzt  hat3). 

Der  weitere  Fortgang  der  Ereignisse,  wie  ihn  uns  besonders 
Plutarch  in  seinen  von  guter  Lokalkenntnis  unterstützten  Berichten  er- 
halten hat,  ist  nun  nach  unseren  Quellenberichten  folgender  gewesen: 

Die  vereinigte  römische  Armee,  15  000  Mann  zu  Fufs  und 
1500  Reiter  stark,  bezieht  inmitten  der  Ebenen  von  Elatea  auf  dem 


1)  Bursian  I  166,  dessen  Darstellung  ich  aus  eigener  Anschauung  be- 
stätigen kann. 

2)  Leake  II  104  hat  vermutet,  dafs  Patronis  mit  dem  bei  Pausanias 
X  4,  10  (7)  genannten  Tronis  im  Gebiete  von  Daulis  identisch  sei  und  eine  Text- 
korruptel  bei  Pausanias  vorläge.  Möglich.  Aber  das  hilft  uns  nicht  weiter. 
Denn  die  Lage  des  von  Pausanias  genannten  Ortes  innerhalb  des  Stadtgebietes 
von  Daulis,  dessen  Ausdehnung  wir  zudem  nicht  kennen,  ist  auch  unbekannt;  in 
der  Ebene  von  Chäronea,  wie  Leake  meint,  braucht  er  deshalb  aber  keineswegs 
gelegen  zu  haben. 

3)  Die  Benutzung  dieses  Passes  durch  die  Römer  nimmt  auch  Leake  an 
II  48.  —  Über  seine  leichte  Überschreitbarkeit  vergleiche  man  aufser  Leake,  der 
den  Weg  von  Biskini  nach  Davlia  in  einer  Stunde  machte,  Bd.  I  dieser  Schlacht- 
felder S.  141  A.  1. 


360  Die  Feldzüge  Sullas  in  Griechenland. 

Hügel  Philoböetos  ein  Lager1).  Ihre  geringe  Zahl  ist  den  Gegnern, 
die  um  mehr  als  das  Dreifache  überlegen  sind,  so  verächtlich,  dafs 
die  Unterfeldhcrren  den  Archelaos  trotz  seiner  Abneigung  gegen  eine 
Entscheidung  zwingen,  die  Schlacht  anzubieten  und  seine  auf  Aus- 
hungerung der  Römer  angelegte  Strategie  zu  verlassen2).  Die  Über- 
macht des  Feindes  jedoch  und  ihre  glänzende  Ausrüstung  hat  die 
römischen  Soldaten  so  eingeschüchtert,  dafs  sie  nicht  zu  bewegen 
sind,  sich  von  ihren  Lagerwällen  zu  entfernen  und  dem  Feinde  in 
der  Ebene  entgegenzutreten3).  Es  bleibt  Sulla  nichts  übrig,  als  sie 
schanzen  und  in  dreitägiger,  unerbittlich  fortgesetzter  Arbeit  den 
Kephissos  durch  Gräben  ableiten  zu  lassen,  um  sie  durch  diese 
Strapazen  zum  Kampfe  williger  zu  machen4). 

Aber  der  Übermut  der  Gegner  ist  durch  die  Weigerung  der 
Römer  noch  mehr  gewachsen.  Grofse  Teile  des  Heeres  schweifen  in 
der  Gegend  umher;  ihre  Streif-  und  Plünderungszüge  erstrecken  sich 
bis  nach  Panopeus  und  Lebadea,  die  beide  von  ihnen  zerstört  werden5). 
Indessen  hat  Sullas  Mittel  verfangen:  die  Soldaten  verlangen  jetzt 
selbst  die  Schlacht.  Da  befiehlt  er  ihnen,  wenn  sie  wirklich  ernst- 
lich kämpfen  wollten,  die  verlassene  steile  und  felsige  Akropolis  der 
Stadt  Parapotamioi  zu  erstürmen,  gegen  die  eben  von  Seiten  des 
Gegners  die  Chalkaspiden  vorgehen.  In  der  Tat  gelingt  es  den 
Römern,  dem  Gegner  in  der  Besetzung  dieses  wichtigen  Punktes  zu- 
vorzukommen6). 


1)  Plut  Sulla  16,23:  yevo/utvoi  ös  xotvrj  xazaXafjßdvorTai  ßovvbv  ix  /utawv 
iarcoTct  twv  'EXcitixiov  naötuiv  evytcav  xaX  ä/LiAftXayrj  xccl  naQu  Tr\v  yi'Cav  vdtoQ 
i/ovjct'  fpiXo  ßotqio  g  xaXehai,  xai  rrjv  qvaiv  avrov  xai  Ti]V  &eGtv  inaivtl 
&ccv/itc<Gi(ü$  ö  2vXXag. 

2)  ib.  16,30:  o&tv  ixßiaöäfAavoi  ibv  *Aq%€Xcwv  ol  Xoinol  OTQcarjyol  xccl  naoa- 
TugccvTeg  rrjv  dvva/uiv,  ivinXrjaav  . .  ro  tteöiov.  Archelaos'  Absicht,  eine  Schlacht 
zu  vermeiden  und  die  Römer  auszuhungern,  Plut.  15,32:  xQovoTQißtiv  70V  noXtuov 
xai  tag  simoniag  aviwv  äifcuQtTv. 

3)  ib.  16,9:  wais  joig  'Pcojuaiovg  vnb  ibv  /cwaxa  avaxeXXeiv  saviobg  xcu 
xbv  ZvXXav  /LuiJevl  Xbyu>  ib  &d/ußog  aiircov  aqeXtiv  6vrcituevor.  Ebenso  App. 
Mithr.  42,  19. 

4)  ib.   16,25:    ngoadycov  ctvrovg  tjvayxate  röv  is  Krjqiobv   ix   iov  fei&yov 

7lCtQCiTQ87T6tV    XCU    TCUf  QOVg    OQVOOtlV  .  .   TQlH]V  .  .  rjfXfQCiV    iQyaCÖjLlSVOl    USW. 

5)  ib.  16,18:    6  nXeioiog   o/Xog   donaycug  xcu   nootirjuaGi  ötXeaL,ö^evog  odbv 

tj/U€Q(JüV    7ToXXü)V    «7TO    70V    GTQCITOK tdov    ÖltGntlQtTO.       Kai     TTjV    Tf    IIaV07T£CüV    7Tü).lV 

Ixxoxpai  Xeyoviai  xai  rr)v  A&ßaö £u>v  diaondocu. 

6)  ib.  16,  2 :    Ixilevaev  rjdi]  fxtxa  linv  onXwv  IX&hv  ixeios,    deigag  ahoig  im 


1.  Die  milit.  polit.  Lage  u.   die  Ereignisse  bis  zur  Schlacht  v.  Chäronea.     361 

Von    hier    zurückgeworfen     beschliefst    nun    Archelaos     einen 
Angriff    auf    Chäronea1).       Aber     Sulla     schickt    der     bedrängten 
Stadt    aufser    der    eigenen    in    seinem    Heere    kämpfenden    Schar 
von    Chäronenser    Bürgern    eine    Legion    zu    Hilfe    und    marschiert 
dann    mit    dem    ganzen    Heere    nach2).      Nachdem    er   den    Assos 
überschritten  und  am  Fufse  des  Hcdyliongebirges  entlang  marschiert 
ist,  lagert  er  dem  Archelaos  gegegenüber,  der  zwischen  dem  Hedylion 
und  Akontiongebirge    ein    festes  Lager    aufgeschlagen  hat,    an  einer 
Stelle,    die   noch    zu  Plutarchs  Zeit   den  Namen  Archelaos  führte3). 
In  dieser  Stellung   bleiben    die  Heere  einen  Tag  stehen,    dann  setzt 
Sulla,    nachdem    er    am    Kephissos    ein    Opfer    gebracht]    und    den 
Murena    mit    einer  Legion    und    zwei  Kohorten  zurückgelassen    hat, 
um    die  Feinde  während    ihres  Aufmarsches    in    Schlachtordnung   zu 
belästigen,  den  Marsch  auf  Chäronea  fort,  zieht  die  Legion   aus  der 
Stadt,    die    ihm    entgegenkommt,  wieder    an    sich  und  erkundet  die 
Stellung,  welche  die  Gegner  auf  dem  Orthopagos   bei  Chäronea  ein- 
genommen haben4).      Durch   eine  Umgehung,   die   er  vom  Petrachos 


7TQOT6QOV  jutv  ytvoi.iEi>riv  ccxQonoXiv  t (ü v  naQanoTccfjicov,  Tort  dt  avrjoijutrqg 
Ttjs  noXtcog  Xocfiog  IXecnero  ntTQCüdrjg  xal  ntQixorjuvog  tov  'HdvXiov  di(OQiGf.tivos 
ogovg  üOov  6  Aooog  tniyu  ()tcov,  tha  GvfAninicov,  vnb  tt\v  oi'Cav  ccvjrjV  ko 
Ky](ftGuJ  xal  avvtxTQa/vvoutvog  6yvoc\v  tvaToaTontdtvaca  irjv  axouv  noitT  •  dcb  xccl 
Tovg  yaXxaaniöag  oguiv  t(Zv  noXt^iitov  cioOovfxsvovg  tn  avTt]V  6  ZvXXccg  tßovXtio 
(f&rjrca  xaTaXaßutv  tov  totiov.  Über  die  unverständlichen  Worte  ogov  6  "Aaoog 
intyet  oioiv  schreibt  mir  E.  Schwartz:  „Da  nicht  bekannt  ist,  was  in  den  Hand- 
schriften steht,  weifs  ich  nichts  zu  machen:  ich  möchte  glauben,  dafs  nach  ooovg 
die  Beschreibung  der  Ebene  unter  dem  Kegel  von  naQanoTa^iioi  einsetzt;  sie  ist 
ausgefallen  bis  auf  den  Schlufs.  Mit  einfachen  Mitteln  bringt  man  die  Stelle 
schwerlich  in  Ordnung."     Man  vergleiche  über  die  Örtlichkeit  selbst  S.  365  A.  1. 

1)  ib.  16,  12:  cmoxQova&tlg  Ixudtv  .  .  .  wo/urjotv  inl  irjv  X-aigdreiav. 

2)  ib.  16,  15:  ixntfxnsi  twv  /iXiccq/cov  %va  Tctßlviov  [Ana  rayficcrog  ivbg  xccl 
Tovg  Xcuocorelg  aipirjGi. 

3)  ib.  17,  3:  intidr]  dt  ditßr]  rbvAGGov  6  ZvXXag  nccQtXdwv  vnb  rb  'lldv- 
Xiov  tw  'Ao^tXäco  naotaToaTonedtvat,  ßtßXrjiitrco  yaQaxa  xctQTtobv  tv  (liocp  tov  Axov- 
iiov  xctl  tov  HdvXiov  7iQog  lolg  Xtyojxtvoig  'Aoototg.  O  [a^vtoi  ronog  h  cb  xcat- 
Gxqycüoer,  «'/Qt,  vvv  AQx$X«og  c\n    Ixtivov  xuXthcu. 

4)  ib.  17,  8:  diahncbv  dt  /uiccv  rjueouv  ö  ZvXXag  Movq^vkv  tiä*>  t/ovrcc  räy/ua 
xcu  anttQctg  ovo  Tioog  xb  roTg  noXtfAioig  ivo/Xi]Gai  nctQctjaTTOfJEVotg  antXintv,  aviog 

dt    TICiOU    TOV     Kt](flG0V    £OqttyiC<.L,tTO    XCU    ..    l/CüOfl    TTOOg     TljV     Xdl  Q(OVS  t  av,     avct- 
X),\pÖutv6g    T€    7)]V    CtVTÖ&l    GTQCCTUiV     XCU     XUTOljJO/JtVog     TO    XCiXov/UiVOV    QoVQlOV    V710 

J(vv    noXeftiojv    nooxcatcX^u/utvov.    "Egti    dt  xoQvqrj  Toaytla  xcu  GTQußtXwdtg  ooog  o 
xaXovfxev  'Oo&onctyov. 


362  l)io  Feldzüge  Sullas  in  Griechenland. 

aus  über  das  Museion  unter  ortskundiger  Führung  machen  läfst, 
gelingt  es  ihm  in  der  Tat,  das  Korps  noch  vor  Beginn  der  Schlacht 
selber  von  der  Höhe  zu  vertreiben  und  auf  die  Hauptmacht  der 
Gegner  in  der  Ebene  zurückzuwerfen '). 

Soweit  unsere  Berichterstattung.  Es  fragt  sich,  ob  es  möglich 
ist,  diesen  nicht  ohne  weiteres  klaren  Bericht  mit  Hilfe  der  vielen 
in  ihm  vorkommenden  topographischen  Angaben  soweit  zu  lokali- 
sieren, dafs  man  sich  von  den  beiderseitigen  Bewegungen  eine  Vor- 
stellung machen  und  daraus  den  Zusammenhang  der  militärischen 
Mafs n ahmen  sowie  die  Absichten  der  beiderseitigen  Heeresleitungen 
erkennen  kann. 

Die  erste  Örtlichkeit,  um  die  es  sich  handelt,  ist  der  erste 
römische  Lagerplatz,  der  Philoböetoshügel.     Man  versteht  unter  ihm 

Hierzu  Karte  °      l  '  ° 

Ko-10-  nach  Leakes  Vorgang  gewöhnlich  den  Berg  Parori,  welcher  mit  breiter 
Masse  und  stattlicher  Erhebung  die  phokische  von  der  böotischen 
Ebene  trennt2). 

Aber  diese  Identifizierung  ist  nicht  richtig.  Abgesehen  davon, 
dafs  der  Paroriberg  besonders  an  der  in  Betracht  kommenden  Nord- 
seite viel  zu  steile  und  felsige  Abstürze  für  ein  Lager  hat,  liegt  er 
auch  gar  nicht  „inmitten  der  Ebenen  von  Elatea"  (S.  360  A.  1)  sondern 
schliefst  die  Ebene  vielmehr  im  Süden  ab3)-  Dagegen  gibt  es  im 
östlichen  Teile  der  phokischen  Ebene  südlich  von  Elatea  drei  andere 
kleine  Hügel,  welche,  vollkommen  isoliert  voneinander  und  von 
den  umgebenden  hohen  Ranclgebirgen,  mitten  aus  der  sie  umgebenden 
flachen    Landschaft   hervorragen.      Das    sind    die   Hügel    von  Hagia 


*)  ib.  17,30;  Zwei  Chäronenser  bieten  sich  zu  der  Umgehung  an:  axQanov 
yctQ  ilvaL  101g  ßctQßctQoig  adrjlov  ccnb  tov  y.alov/neiov  IIstqu/ov  naQct  ro  Movaeiov 
Inl  to  Qovqiov  vjtIq  xeqcclrjs  ayovaav  usw. 

2J  Leake  II  194:  the  remarkable  insulated  conical  height  between  Bissikeni 
and  the  Cephissus.     Bursian  157,  1.  164. 

3)  Elatea  liegt  bekanntlich  am  Nordrande  des  östlichen  Teiles  der  phoki- 
schen Ebene,  und  man  kann  daher,  da  es  die  bedeutendste  Stadt  dieser  Gegend 
ist,  sinngemäfs  den  ganzen  östlichen  Teil  der  phokischen  Ebene  als  Ebene  von  Elatea 
oder,  insofern  sie  durch  mehrere  isolierte  Hügel  unterbrochen  wird,  als  „Ebenen 
von  Elatea"  bezeichnen.  Niemals  aber  konnte  der  Chäronenser  Plutarch  die 
Ebene  südlich  des  Paroriberges,  welche  zur  Ebene  von  Chäronea,  gehört  zur  Ebene 
von  Elatea  rechnen.  Auch  die  späteren  militärischen  Ereignisse  widersprechen 
der  Identifizierung  von  Parori  und  Philoböetos,  [da  Sulla,  um  von  seinem  Lager 
nach  Chäronea  zu  kommen,  den  Assos  d.  h.  den  Bach  Kineta  überschreitet  (s. 
unten  S.  369.) 


J.  Die  milit.-polit.  Lage  u.  die  Ereignisse  bis  zur  Schlacht  v.  Chäronea.     363 

Marina  im  Westen,  von  Krevassara  in  der  Mitte  und  von  Merali  im 
Osten.  Einer  von  ihnen  mufs  der  Philoböetos  sein,  und  es  kann 
nicht  zweifelhaft  bleiben,  welcher  es  ist. 

Beim  Lager  der  Römer  auf  dem  Philoböetos  wurden  die  Erd- 
arbeiten zur  Ableitung  des  Kephissos  gemacht  (S.  360  A.  4),  und  man 
konnte  von  da  aus  die  Burg  von  Parapotamioi  sehen  (S.  360  A.  6: 
öeuag),  die,  wie  sofort  gezeigt  werden  wird  (S.  365),  westlich  vom  Dorfe 
Belessi  am  Durchbruch  des  Kephissos  lag.  Das  schliefst  den  Hügel  von 
H.  Marina  aus  und  spricht  mehr  für  den  Hügel  von  Krevassara  als  den 
von  Merali.  Denn  an  dem  von  Krevassara  fliefst  der  Kephissos  ganz 
nahe  vorbei.  Dazu  kommt,  dafs  nach  einer  anderen  Nachricht  zwei 
Strafsen,  welche  von  Phokis  nach  Böotien  gehen,  nahe  an  den  beiden 
Seiten  des  Philoböetos  vorübergeführt  haben1).  Das  pafst  gar  nicht 
auf  den  Hügel  von  Merali,  wohl  aber  auf  den  von  Krevassara,  an 
dessen  Ostfufse  die  grofse  Strafse  von  Drachmani  und  den  Thermo- 
pylen  nach  Theben  über  den  Flufs  setzt,  während  die  Strafse,  welche 
von  Dadhi,  vom  inneren  Phokis  und  Doris,  herkommt,  dicht  an  dem 
Westfufse  des  Hügels  vorbeigeht. 

Der  Hügel  von  Krevassara  ist  also  der  alte  Philoböetos,  auf 
ihm  hat  das  römische  Lager  gelegen  (s.  Karte  „Erstes  Lager 
Sullas"). 

Dies  erste  Resultat  ist  für  das  Verständnis  der  militärischen 
Vorgänge  von  grofser  Bedeutung: 

Die  Pontiker  belagerten,  wie  erwähnt  Elatea  (S.  357).  Der 
Hügel  von  Krevassara  liegt  nur  7  Kilometer  südlich  von  der  Stadt; 
er  beherrscht  die  Ebene  und  ist  wie  geschaffen,  um  von  ihm  aus 
die  Belagerung  zu  beobachten  und  zu  bedrohen. 

Die  Folge  dieser  Stellungnahme  Sullas  war,  dafs  Archelaos  die 
Belagerung  Elateas    aufgab.      Gesagt    wird    das    in   unseren  lücken- 


.  l)  Das  berichtet  Polyän  V  16, 1  bei  Gelegenheit  der  Rückkehr  des  Pam- 
meues  aus  Phokis  nach  Böotien.  Pamraenes  tut  als  wolle  er  rechts  vom  Hügel 
vorbei,  und  als  er  die  Gegner  dadurch  auf  diese  Seite  gelockt  hat,  wendet  er  sich 
schnell  nach  links  und  ist  an  der  gefährlichen  Stelle  vorüber,  ehe  sie  besetzt  ist. 
Man  kann  sich  die  Sache  so  vorstellen,  dafs  Pammenes  von  Elatea  herkam,  die 
Enge  zwischen  Kephissos  und  Berg  von  Krevassara  verlegt  fand  und  unter 
Täuschung  der  Feinde  westlich  um  den  Hügel  herummarschierte.  Freilich  hatte 
er  hier  Platz  genug  westlich  vom  Hügel  fern  zu  bleiben.  Aber  ohne  Weg  mar- 
schiert es  sich  schlecht,  besonders  für  einen  mit  Beute  beladenen,  aus  Feindes- 
land heimkehrenden  Zugr. 


364  l^0  Feldzüge  Sullas  in  Griechenland. 

haften  Berichten  zwar  nicht  ausdrücklich,  es  geht  aber  aus  den  nach- 
folgenden Ereignissen  hervor,  zunächst  aus  dem  wiederholten  Schlacht- 
angebot  in  der  Ebene  von  Seiten  der  pontischen  Heeresleitung 
(S.  360).  Als  Schauplatz  dieser  Herausforderungen  haben  wir  uns 
die  Ebene  nordöstlich  oder  östlich  vom  Krevassarahügel  zu  denken, 
da  man  das  Lager  der  Politiker  auf  dem  Hügel  von  Merali  oder 
wenigstens  in  der  Gegend  desselben  anzusetzen  hat.  Das  folgt  näm- 
lich daraus,  dafs  die  Pontiker  nach  einigen  Tagen  den  Versuch  machen, 
die  Burg  von  Parapotamioi  bei  Belesi  zu  besetzen  (S.  361).  Hätten 
sie  ihre  Stellung  nördlich  oder  gar  nordwestlich  vom  Krevassarahügel 
in  der  Ebene  gehabt,  was  ja  an  sich  möglich  gewesen  wäre,  so  wäre 
der  Besetzungsversuch  der  Höhe  von  Belesi  schwer  verständlich  (s. 
Karte:  „Erstes  Lager  des  Archelaos"). 

Zwischen  den  beiden  Stellungen  der  beiden  Heere  fiofs  der 
Kephissos.  Er  ist  im  Sommer  kein  absolutes  Bewegungshindernis  ]). 
Aber  selbstverständlich  ist  es  für  ein  Heer  immer  ein  grofses  Wagnis, 
den  Flufs  in  Angesicht  des  Gegners  zu  überschreiten:  Wir  haben  darin 
den  Grund  zu  sehen,  weshalb  Sulla  die  Schlacht  weigerte  und  das 
Heer  unmittelbar  vor  den  Wällen  seines  Lagers  hielt.  Denn  um  eine 
Schlacht  möglich  zu  machen,  mufste  nicht  der  Feind,  sondern  er  über 
den  Flufs.  Der  Raum  zwischen  Flufs  und  Berg  auf  der  rechten  Seite 
des  Kephissos  ist  zu  schmal  für  einen  Kampf.  Wir  haben  aber  ferner 
in  diesen  Verhältnissen  auch  den  Grund,  weshalb  er  seine  Legionare 
schanzen  liefs.  Wie  Cäsar  bei  llerda  wollte  er  durch  Kanal- 
grabungen   den  Übergang    erleichtern,    vielleicht   auch  durch    Quer- 


J)  Tuma  sagt  über  ihn  S.  71:  „Der  Kephissos  ist  den  gröfsten  Teil  des 
Jahres  kein  nennenswertes  Bewegungshindernis  und  zumeist  durchwatbar."  Wenn 
Sotiriades  „das  Schlachtfeld  von  Chäronea"  (Mitt.  d.  Deutschen  arch.  Inst.  Athen 
XXVIII  1903)  S.  314  behauptet  „an  keiner  anderen  Stelle  (als  bei  der  Brücke 
von  Bisbardi)  sei  der  Flufs  das  Hedylion  und  Akontion  entlang  selbst  in  der 
Sommerzeit  passierbar,  so  mufs  ich  dem  widersprechen.  Ich  bin  im  Engpasse, 
von  Parapotamioi  beim  Khan  des  Kadi  im  März  bei  ziemlich  hohem  Wasserstande 
ohne  mir  die  Fufssohlen  nafs  zu  machen,  durch  den  Flufs  geritten  und  bin  mit 
Tuma  überzeugt,  dafs  der  Flufs  fast  überall,  auch  wo  nicht  gerade  ausgesprochene 
Furten  sind,  von  Truppen  überschreitbar  ist,  wenn  auch  das  Wasser  an  vielen 
Stellen  bis  an  Bauch  oder  Brust  gehen  mag.  Die  Ufer  sind  allerdings  vielfach 
mehrere  Meter  hoch  und  z.  T.  steile  Lehmwände,  die  zu  ersteigen  Schwierigkeit 
macht,  besonders  natürlich,  wenn  sie  verteidigt  weiden.  Man  vergleiche  darüber 
Bd.  I  S.  163. 


1.  Die  milit.-polit.  Lage  u.  die  Ereignisse  bis  zur  Schlacht  v.  Chäronea.     365 

graben,  wie  er  es  später  bei  Orchomenos  getan  hat,  sich  gegen 
Flankenangriffe  der  politischen  Reiterei  schützen,  wenn  es  doch  hier 
noch  zur  Schlacht  kommen  sollte. 

Es  handelt  sich  also  um  Vorbereitungen  für  den  Übergang  und 
Herbeiführungen  günstiger  Bedingungen  auf  dem  Schlachtfelde. 

Mitten  in  diese  Arbeiten  hinein  fällt  nun  der  Versuch  des 
Archelaos,  die  Burg  von  Parapotamioi  zu  besetzen.  Die  Lage 
dieses  Burgfelsens  ist  durch  die  eingehende  Beschreibung  des 
Theopomp  bei  Strabo  festgestellt  und  nie  verkannt  worden.  Er 
bildet  die  flache,  isoliert  aufsteigende  Kuppe  westlich  vom  Dorfe 
Belesi  und  ist  nur  durch  einen  schmalen,  niedrigen  Sattel  mit  dem 
östlichen  Gebirgszuge  dem  Hedylion  der  Alten,  verbunden1).  Oben 
hat  er  eine  ganz  flach  gewölbte  Kuppe  von  400  bis  600  Meter  Durch- 
messer, welche  eine  gröfsere  Truppenansammlung  ermöglicht;  von 
Osten  steigt  er  steil  und  felsig,  von  Norden  allmählicher  an.  Seine 
Höhe  beträgt  nur  etwa  40  Meter  über  dem  Kephissos.  Er  liegt  an  der 
schmälsten  Stelle  des  Passes  von  Parapotamioi  und  beherrscht  ihn 
vollkommen2). 

Um  die  Bedeutung,  der  Besetzung  dieses  Punktes  für  Sulla  und 
Archelaos  zu  verstehen,  müssen  wir  uns  die  allgemeine  strategische 
Lage  vergegenwärtigen.  Sulla  war  durch  den  Einmarsch  der  asiati- 
schen Armee  über  Makedonien  und  Thessalien  von  seiner  ursprüng- 
lichen Basis,  Epiros,  Thessalien  und  Ätolien 3),  natürlich  auch  von 
Italien  völlig  abgeschnitten.     Er  konnte  seine  Lebensmittel  nur  noch 


])  Strabo  IX  3,  16.  C.  424:  Ilaganoxä^ioi  (T  tlal  xcaoixia  rig  inl  roj 
Krj  tf  ia(o  ISqv  ei  rj  nlrjOtov  ^uvotevOl  xal  Xcuooovsvoi  xcu  'Ekaitiq.  (frjol  d£ 
Oeonopnog  ruv  T07iovt  tovtov  dte'/eir  rrjg  ^ilv  Xottocavtictg  ooov  TtTTccoaxoria  ora- 
diovg  (=  7  Kilometer;  stimmt  genau)  ...  xeTodai  <T  inl  ifjs  ipßoXijg  irjg  ix 
BotcoTiag  tlg  4>a)xt'ag  iv  Xoytp  juerotoj;  v\pr)l(o  ,tifr«|t/  tov  ts  Ilaoraooov  xcd  tov 
['dtivMov  6]govg  ntviaOiäöiov  o/eööv  ti  änoketnovicov  ctr[cc(j£Oov  Xio]o<ov,  tiitUQ&v 
df  tov  Ki)(fjiobv  OT6it)V  ixartyiod-w  diöovia  naQodov.  Dazu  kommt  ergänzend  die 
Schilderung  Plutarchs  (S.  360  A.  6).  Der  Sattel  zwischen  Burghügel  nnd  Hedylion 
ist  übrigens  so  hoch,  dafs  ein  Bach  liier  nie  durchgeflossen  sein  kann,  wie  z.  B. 
Leake  II  195  Plutarchs  verdorbene  Worte  (s.  a.  a.  0.)  aufgefafst  hat.  Mau  vergleiche 
zu  dem  Ganzen  Leake  II  97.  191  f.     Bursian  I  164. 

2j  Bd.  I  S.  140  ist  der  ganze  Pafs  genauer  beschrieben.  Die  dort  ange- 
führte Angabe,  dafs  der  Burgberg  von  Parapotamioi  60  Meter  hoch  sei,  ist  ein 
Druckfehler. 

3)  App.  Mithr.  30,8:  beim  Einmarsch  Sullas  nach  Griechenland:  xQWa™ 
/uh  ttvTixcc  xal  ov^ud/ovg  xal  «yoqäv  sx  re  AlioiUag  xal  QtooaXCag  owskeyw. 


366  Die  Feldzüge  Sullas  in  Griechenland. 

aus  Böotien,  Attika  und  dem  Peloponnes  beziehen.  Das  Meer  war 
ihm  auch  verschlossen.  Seine  einzige  Verbindung  war  also  die  grofse 
durch  Mittelgriechenland  von  Theben  her  führende  Strafse  und  sie 
ging  eben  durch  die  Enge  von  Parapotamioi.  Mit  der  Besetzung 
dieses  Punktes  wären  daher  Sullas  Verbindungen  nicht  nur  wie  bis- 
her durch  Streifereien  bedroht,  sondern  vollständig  unterbrochen  ge- 
wesen. Selbst  auf  dem  Umwege  über  den  Pafs  von  Davlia  konnten 
Transporte  dann  kaum  noch  durchkommen. 

Von  diesem  Gesichtspunkte  aus  wird  man  nun  auch  die  Streife- 
reien der  asiatischen  Truppen,  wie  z.  B.  die  erwähnten  nach  Panopeus 
und  Lebadea,  und  die  Zerstörung  dieser  Städte  (S.  360)  anders  als 
unsere  Quellen  ansehen  müssen,  die  in  ihnen  nur  Disziplinwidrigkeiten 
und  zwecklose  Plünderungen  erblicken.  Es  waren  vielmehr  durchaus 
zweckvolle  Expeditionen,  welche  einerseits  zur  Verproviantierung  des 
eigenen  Heeres  dienen  mochten,  anderseits  aber  die  Verbindungen 
des  Feindes  zu  bedrohen  geeignet  waren  und  einen  Teil  der  auf  Aus- 
hungerung der  Römer  gerichtetem  Kriegführung  des  Archelaos  bildeten. 

Mit  der  Besetzung  des  Punktes  durch  die  Römer  hingegen  war 
die  Etappenstrafse  im  wesentlichen  gedeckt:  Theben,  die  anderen 
böotischen  Städte,  besonders  das  nahe  gelegene  Chäronea  waren  in 
der  Hand  der  Römer.  Die  Transporte  konnten,  wenn  auch  mit  Ge- 
fahr, so  doch  von  festem  zu  festem  Punkt  weitergebracht  werden. 

Da  also  Archelaos'  Absicht,  die  Römer  durch  Besetzung  von 
Parapotamioi  völlig  einzukreisen,  gescheitert  war,  so  ging  er  jetzt 
einen  Schritt  weiter,  um  mit  einer  noch  mehr  ausholenden  Umgehung 
doch  noch  seinen  Zweck  zu  erreichen.  Er  machte  eine  Bewegung 
auf  Chäronea,  sagt  der  Bericht  (S.  361).  Natürlich  hat  er  diese  nicht 
mehr  durch  den  Pafs  von  Parapotamioi  ausführen  können,  sondern 
er  mufste  zu  diesem  Zwecke  über  den  etwas  weiter  östlich  gelegenen, 
nur  204  Meter  hohen  und  sehr  bequemen1)  Pafs  von  Tsaresi  gehen 
und  kam  so  zwischen  dem  Hedylion  und  Akontiongebirge  in  die  Ebene 
von  Chäronea  hinaus2). 


')  s.  über  ihn  Bd.  I  S.  141  A.  1. 

2)  Appian  Mithr.  42,  22  spricht  hier  von  einer  rückgängigen  Bewegung  auf 
Chalkis:  ävct/iooovvTi  lg  Xakxitia.  Das  ist  sachlich  kein  Unterschied.  Der  Weg 
von  Merali  nach  Chalkis  geht  entweder  über  Atalante  nördlich,  oder  über  Chäro- 
nea—Theben  südlich  um  den  Kopaissee  herum.  In  dieser  Richtung  bewegte  sich 
Archelaos  bei  seinem  Marsch  auf  Chäronea. 


1.  Die  milit.-polit.  Lage  u.  die  Ereignisse  bis  zur  Schlacht  v.  Chäronea.     3(57 

So  erklärt  es  sich,  clafs  er  sein  Lager,  wie  Plutarch  ausdrück- 
lich angibt  (S.  361)  zwischen  Hedylion  und  Akontion  aufschlug"). 
Wir  haben  diesen  Platz  also  zwischen  dem  Westende  der  Durdowana, 
des  alten  Akontion,  westlich  von  dem  Dorfe  Bisbardi  und  dem  Süd- 
fufse  des  Gebirges  von  Karamusa,  dem  alten  Hedylion,  anzusetzen, 
da  wo  die  Ebene  von  Chäronea  in  einer  spitzwinkligen,  tief  ein- 
schneidenden Bucht,  sich  zwischen  diese  beiden  Gebirge  eindrängt2) 
(s.  auf  der  Karte  :  Zweites  Lager  des  Archelaos). 

Ein  Korps  wurde  sogar  noch  weiter  vorgeschickt  und  besetzte 
die  Höhen  des  Thuriongebirges  südlich  von  Chäronea,  um  von  hier 
aus  diese  Stadt  direkt  zu  bedrohen. 

Es  ist  von  Wichtigkeit,  sowohl  für  die  Topographie  von  Chä- 
ronea, als  für  die  Ansetzung  der  Schlacht,  auch  für  dieses  Detache- 
ment  genau  festzustellen,  auf  welchem  Zuge  des  Gebirges  es  seine 
Stellung  eingenommen  hat. 

Die  Stadt  Chäronea  lag  bekannlich  am  Fufse  eines  hohen, 
spitzen  Felsens,  der  ihre  Akropolis  trug  und  den  Namen  Petrachos 
führte.  Dieser  Felsen  ist  der  letzte  Ausläufer  eines  von  Südwest 
nach  Nordost  streichenden  Bergzuges,  der  zum  Thuriongebirge  ge- 
hört und  bei  Chäronea  plötzlich  schroff  zur  Ebene  abbricht,  wo- 
durch eben  die  Felshänge  über  der  Stadt  gebildet  wurden.  Südwest- 
lich der  letzten  Felsspitze  des  Petrachos  erheben  sich  nun  aber  noch 
zwei  andere,  höhere  Felskuppen  auf  demselben  Bergzuge.  Wir  er- 
kletterten   sie   vom  Petrachos   aus    in    einer    guten  Viertelstunde3). 


*)  Dafs  diese  Gegend  "Liaaia  hiefs,  erfahren  wir  nur  aus  der  angezogenen 
Stelle  Plutarchs.  Mit  dem  Bache  Assos  (S.  360  A.  6.  369)  hat  diese  Örtlichkeit 
nichts  zu  tun. 

2J  Über  die  Identität  von  Hedylion  uud  Akontion  mit  der  Gebirgsgruppe 
bei  Karamusa  und  der  Durdowana  s.  Bursian  I  164.  210. 

3)  Die  zweite  Kuppe  liegt  35  Meter  höher  als  der  Petrachos,  die  dritte 
9  Meter  über  der  zweiten.  Die  Photographie  in  Bd.  I  zu  S.  127  'oder  bei  Soti- 
riades  (M.  A.  I.  Bd.  28  S.  325)  gibt  eine  Vorstellung  von  der  Gestalt.  Wie  weit 
diese  höheren  Kuppen  zur  Zeit  Sullas  in  die  Befestigung  des  Petrachos  einbezogen 
waren,  wissen  wir  natürlich  nicht.  Man  vergleiche  über  die  Ausdehnung  der 
Mauern  aus  „klassischer"  Zeit  und  der  weiter  nach  Westen  reichenden  „Kyklopi- 
schen"  Mauern  die  Bemerkungen  von  Sotiriades  a.  a.  0.  324  u.  326.  —  Es  wäre 
sehr  wünschenswert,  dafs  die  Mauerzüge  der  Akropolis  einmal  kartographisch 
genau  festgelegt  würden,  was  m.  W.  bisher  noch  nicht  geschehen  ist.  Wir  hatten 
leider  keine  Zeit  dazu. 


308  l^e  Feldzüge  Sullas  in  Griechenland. 

Sie  bilden  hervorstehende  Höcker  auf  dem  sich  weiter  südwestlich 
fortziehenden  Bergkamme,  der  auf  seinem  Rücken  auch  weiter  noch 
z.  T.  felsige  Partien  zeigt. 

Wollten  die  Truppen  des  Archelaos  Chäronea  von  der  Bergseite 
her  bedrohen,  so  konnten  sie  einzig  und  allein  auf  diesem  Bergzuge 
Stellung  nehmen.  Denn  er  ist  der  einzige,  welcher  gegenüber  der 
Stadt  und  Burg  eine  überhöhende  Stellung  bietet  und  auf  den 
zugleich  die  Beschreibung  pafst,  welche  Plutarch  von  dem  Berge 
gibt,  den  er  als  eine  „rauhe  Spitze"  und  einen  „kegelförmigen 
Berg"  bezeichnet.  In  der  ganzen  näheren  Umgebung  von  Chäronea 
gibt  es  keine  andere  Kuppe,  auf  welche  diese  Charakterisierung  zu- 
trifft, da  die  Ausläufer  der  beiden  anderen  Bergzüge  östlich  der 
Stadt  sich  als  flache  und  erdige  Hügelhänge  zur  Ebene  hinabsenken. 
In  der  unmittelbaren  Umgebung  von  Chäronea  mufs  aber  natürlich 
die  Stellung  des  Mithridatischen  Korps  gesucht  werden;  auch  schon 
deshalb,  weil  die  römische  Umgehung,  durch  die  die  Politiker  später 
von  der  Höhe  vertrieben  wurden,  eben  gerade  vom  Petrachos  aus 
am  Morgen  des  Schlachttages  ausgeführt  wurde  und  noch  vor  Beginn 
der  Schlacht  ihr  Ziel  erreicht  hatte1). 

So  kann  es  also  kein  Zweifel  sein,  dafs  der  Orthopagos  Plutarchs 
der  Bergzug  ist,  dessen  letzten  Absturz  der  Petrachosfelsen  bildet, 
und  dafs  auf  diesem  Bergrücken  das  Detachement  des  Archelaos  seine 
Stellung  genommen  hatte. 

Wir  erkennen  daraus  deutlich  den  Zusammenhang  und  das  Ziel 
der  militärischen  Mafsnahmen  des  Archelaos.  Die  Besetzung  der 
Ebene  von  Chäronea  durch  das  Lager  an  ihrem  Nordrande  bei  Kara- 
musa  und  die  gleichzeitige  Einnahme  des  Orthopagos  im  Süden  von 
Chäronea  schnitten  die  Verbindung  Sullas  mit  seinem  Hinterlande 
völlig  ab  und  verwirklichten  so  die  Absicht,  welche  Archelaos  vorher 
durch  die  Besetzung  der  Burg  von  Parapotamioi  vergeblich  ange- 
strebt hatte. 

Man  könnte  nur  noch  die  Frage  aufwerfen,  weshalb  der  griechi- 
sche Feldherr    nicht    auch    sein  Lager    noch    weiter    südlich    in   die 


')  s.  Anhang  S.  384;  auch  S.361  A.  4  und  362  A.  1.  Sotiriades  (M.  A.  I.  Bd.  30, 
S.  115,  1906)  hält  „die  steile  Felswand  der  heutigen  Kerata"  —  es  ist  wohl  der 
Steilabfall  des  Thurion  beim  Dorfe  Bramaga  4  Kilometer  östlich  Chäronea  ge- 
meint —  für  den  Orthopagos  des  Plutarch.  Das  ist  unmöglich,  weil  sie  viel  zu 
weit  von  der  Stadt  entfernt  ist. 


1.  Die  milit.-polit.  Lage  u.  die  Ereignisse  bis  zur  Schlacht  v.  Chäronea.     369 

Ebene  nach  Chäronea  heran  vorgeschoben  habe.  Er  hat  es  ohne 
Zweifel  aus  Rücksicht  auf  seine  eigenen  Verbindungen  unterlassen. 
Seine  Basis  war  das  Meer;  die  nächsten  Verbindungen  dahin  gingen 
durch  den  Winkel  der  Ebene  bei  Karamusa  über  Abä  und  Hyam- 
polis  nach  der  Bucht  von  Atalante. 

Durch  eine  Stellung  nahe  bei  Chäronea  hätte  er  sie  gefährdet, 
durch  eine  Stellung  am  Nordrande  der  Ebene  deckte  er  sie.  Das 
wird  der  Grund  sein,  weshalb  er  auf  dem  linken  Ufer  des  Kephissos 
geblieben  ist.  Eine  Anzahl  von  Brücken  über  den  schmalen  Flufs 
kann,  wenn  solche  überhaupt  nötig  erschienen,  die  Verbindung  mit 
dem  anderen  Ufer  erleichtert  haben1). 

Bei  dieser  Sachlage  blieb  natürlich  dem  Sulla  nichts  anderes 
übrig,  als  nachzuziehen,  um  sich  seine  Verbindungen  wieder  zu  er- 
öffnen. Er  überschritt  —  sagt  Plutarch  —  den  Assos,  zog  am  Fufse 
des  Hedylion  entlang,  schlug  am  Kephissos  dicht  gegenüber  dem 
wohlverschanzten  Lager  des  Archelaos  das  seine  auf  und  blieb  hier 
einen  Tag  stehen  (S.  361). 

Ein  Blick  auf  die  Karte  macht  die  Situation  klar:  Sulla  ist 
einfach  durch  den  Pafs  von  Parapotamioi  gegangen  und  hat  an  dessen 
Südausgang  Stellung  genommen.  Eine  scheinbare  Schwierigkeit  macht 
nur  die  Erwähnung  des  Assos.  Dieser  Bach  hat  nach  Plutarch  (s. 
S.  360  A.  6)  bei  der  Burg  von  Parapotamioi  in  den  Kephissos- gemündet. 
Es  ist  also  entweder  der  jetzige  Kinetabach,  der  von  Merali  her 
aus  den  Sumpfgebieten  von  Sphaka  kommt  und  daher  das  ganze  Jahr 
Wasser  hat,  oder  der  sich  bei  Belesi  mit  ihm  vereinigende  Bach  von 
Liaphenda.  Zu  entscheiden  ist  das  nicht  und  für  unsere  Zwecke  auch 
gleichgültig. 

Die  Frage  für  uns  ist  nur,  was  Sulla  veranlafst  haben  kann, 
um  von  seinem  Lager  bei  Krevassara  nach  Chäronea  zu  kommen, 
den  Assos  zu  überschreiten  und  folglich  den  Kephissos  sogar  zwei- 
mal, hin  und  wieder  zurück,  zu  durchqueren,  da  es  doch  offenbar 
einfacher  gewesen  wäre,  auf  der  rechten  Seite  dieses  Flusses  zu 
bleiben.  Die  Sache  wird  so  zusammenhängen,  dafs  Sulla  beide 
Strafsen  durch  den  Pafs  von  Parapotamioi  gleichzeitig  benutzt  und 
ein  gröfseres  Detachement  zum  Schutze  seiner  linken  Flanke  von 
Parapotamioi  aus  auf  dem  linken  Ufer  hat  marschieren  lassen.    Viel- 


*)  Vergl.  oben  S.  364  A.  1. 

Kromayer,   Antike  Schlachtfelder.    II.  24 


370  *)ie  Feldzüge  Sullas  in  Griechenland. 

leicht  ist  er  sogar  persönlich  bei  diesem  Detachement  gewesen,  und 
deshalb  hat  Plutarch  nur  diesen  Teil  der  Sullanischen  Marschdispo- 
sition erwähnt. 

So  standen  sich  also  die  beiden  Heere  wiederum  in  geringer  Ent- 
fernung an  den  Ufern  des  Kephissos  gegenüber.  Wollte  Sulla  sich 
seine  Verbindungen  wieder  eröffnen,  wollte  Archelaos  ihn  daran  hindern, 
so  war  eine  Entscheidung  in  der  Ebene  unmittelbar  nördlich  von 
Chäronea  jetzt  unvermeidlich. 

Wir  wollen  versuchen,  ob  wir  innerhalb  dieses  Raumes  die 
beiderseitigen  Stellungen  noch  genauer  fixieren  können,  ehe  wir  uns 
zur  Schilderung  des  Entscheidungskampfes  selber  wenden. 


2.  Schlachtfeld  und  Schlacht1). 

Die  Betrachtung  der  bisherigen  Vorgänge  läfst  für  die  Stellung 
der  beiderseitigen  Heere  in  dem  Blachfeld  nördlich  von  Chäronea 
eine  doppelte  Möglichkeit  offen.  Entweder  kann  die  Front  der 
Pontiker  ganz  oder  fast  ganz  nach  Westen  und  dementsprechend  die 
der  Römer  nach  Osten  gerichtet  gewesen  sein,  oder  die  ersteren 
haben  mit  der  Front  nach  Süden  oder  fast  nach  Süden  und  dem- 
entsprechend die  Römer  nach  Norden  gestanden.  Im  ersten  Falle 
hätte  Archelaos  durch  eine  Verlegung  des  Weges  den  Durchbruch 
Sullas  zu  verhindern  gesucht,  indem  er  sich  ihm  direkt  in  den  Weg 
stellte,  im  zweiten  hätte  er  eine  Flankenstellung  eingenommen,  die 
den  Weitermarsch  ebenso  wirksam  verhindert   hätte,    da  Sulla  nicht 


x)  Die  Rekonstruktion  der  Schlacht  darf  lediglich  auf  Plutarchs  Relation 
(Sulla  17  ff.)  gestützt  werden.  Wie  in  den  bisher  betrachteten  Vorgängen,  ist  er 
auch  für  die  Schlacht  selbst  der  einzige,  der  eine  klare,  mit  dem  topographischen 
Befund  übereinstimmende  und  in  sich  widerspruchslose  Darstellung  gibt.  Es  ist 
der  Fehler  der  bisherigen  modernen  Schlachtschilderungen,  bei  Mommsen  (R.  G. 
II  291),  Ihne  (V  324  ff.),  Reinach  (S.  165  ff.),  dafs  sie  die  Berichte  des  Appian  und 
Frontin  (II  3,  17)  mit  der  Darstellung  Plutarchs  zu  kombinieren  suchen  und  damit 
ein  unmögliches  Schlachtbild  entwerfen.  Über  Appian  vergleiche  man  die  Bei- 
lage II.  Frontins  Darstellung  gehört  der  Schlacht  von  Orchomenos  an  —  er 
nennt  keinen  Schlachtort  — ,  wie  die  Schanzarbeiten  beweisen,  die  nach  den  anderen 
Quellen  (Plutarch  Sulla  21,4.  App.  Mithr.  49,  16)  übereinstimmend  den  Vorgängen 
vor  und  in  dieser  Schlacht  angehören  und  bei  Chäronea  keine  Stelle  finden,  weil 
die  Schlacht  sich  hier  auf  unvorbereitetem  Felde  abspielte  und  also  zu  solchen 
Arbeiten  keine  Zeit  war. 


2.  Schlachtfeld  und  Schlacht.  371 

ohne  die  äufserste  Gefahr  in  der  verhältnismäfsig  schmalen  Ebene  an 
dem  Feinde  vorbeimarschieren  konnte,  sondern  genötigt  war,  mit 
einer  Schwenkung  ihm  zum  Kampfe  entgegenzutreten. 

Die  einzelnen  Lokalangaben  über  die  Schlacht  entscheiden  die 
Frage  im  Sinne  der  ersten  Eventualität. 

Es  sind  ihrer  drei,  die  hier  in  Betracht  kommen. 

Die  Truppen  des  Archelaos  auf  der  Höhe  des  Orthopagos  wurden 
durch  die  (S.  368)  erwähnte  Umgehung  von  Südwesten  her  die  Steil- 
hänge nach  Norden  in  die  Ebene  hinabgeworfen  und  flüchteten  hier 
weiter.  Sie  mögen  etwa  an  der  Stelle,  die  auf  unserer  Karte  mit 
„Ruine"  bezeichnet  ist,  westlich  von  Chäronea  die  Ebene  erreicht 
haben,  müssen  dann  vor  dem  rechten  römischen  Flügel,  der  noch  in 
der  Rangierung  begriffen  war  und  sie  daher  vorbeiliefs,  vorbeigestürmt 
sein,  und  wurden  erst  von  dem  linken  unter  Murena  aufgefangen, 
der  ihnen  eine  Schar  entgegenschickte  und  sie  z.  T.  auf  das  Zentrum 
des  feindlichen  Heeres  zurückwarf1). 

Dieser  Vorgang  ist  nur  unter  der  Voraussetzung  verständlich^ 
dafs  die  Front  des  römischen  Heeres  nach  Osten  stand;  sonst  wären 
die  Flüchtlinge  hinter  den  rechten  römischen  Flügel  gekommen  oder 
rechts  an  ihm  vorbeigejagt  und  direkt  auf  ihre  eigenen  Truppen  ge- 
stofsen.  Mit  dem  linken  römischen  hätten  sie  keinenfalls  in  Be- 
rührung kommen  können. 

Auf  dasselbe  Resultat  führt  die  zweite  Angabe,  dafs  die  Flucht 
des  linken  Flügels  der  Asiaten  in  der  Schlacht  selbst  zum  Molos- 
flusse und  in  der  Richtung  auf  das  Akontiongebirge  und  den  Kephissos 
zu  gegangen  sei2). 


*)  Plut.  Sulla  18,  17:  xcuu  Trndvovg  iftoofAivot  toig  ts  ölquci,  ntoiimmov 
avjol  rolg  iavThjy  xal  xai s.xQrj/uvt£ov  coOovvrfg  cdlrlovg,  avoidtv  lniy.zifAt.viov  twv 
noleuicuv  xal  r«  yvfxva  natovrcov . . .  jcÜv  d*  qevyovTiov  rovg  fjh  elg  iatjw  rjSt] 
xudiGiojg  6  Movorjvctg  anei^/LiViro  xal  öieq&einsv  vnaviu^oii^  ol  6h  waccuevoi  noog 
tö  qihov  OTQocTontdov  x«l  rfj  (falccyyi  (fVQ^rjv  t/untoovTtg  usw.  —  Dafs  die  Um- 
gehung nur  von  Südwesten  her  erfolgen  konnte,  geht  aus  der  Konfiguration  des 
Bergznges  hervor,  der  ja  wie  erwähnt  nach  dieser  Seite  hin  höher  wird.  Dafs 
der  rechte  römische  Flügel  noch  in  der  Rangierung  begriffen  war,  kann  man  aus 
dem  »rjdri  xciöeoTcög"  des  Murena  schliefsen.  Über  Murenas  Stellung  auf  dem 
linken  Flügel  s.  S.  374  A.  1. 

2)  Plut.  Sulla  19,8:  xQcar\aavisg  (der  rechte  Flügel  der  Römer)  löiwxov  no6g 
Tf  töv  noia/uöv  (den  Kephissos)  xal  tö  'dx ovt iov  ooog;  und  ib.  20:  tö  jqottuiov 
cioir)X£  Trjg   Titöiädog  ^a/;??,    $  noonov  hlxUvav  ol    nsoi  'Aq^üaov  f-ie/Q1    nc<Q^  T0 

MtXoV    Oi.l&QOV. 

24* 


372  Die  Feldzüge  Sullas  in  Griechenland. 

Der  Molos  ist  nämlich  einer  der  drei  kleinen  Bäche,  die  vom 
Thuriongcbirge  herunterkommen  und  alle  drei  nahe  beieinander  am 
Westende  des  Akontion  in  den  Kephissos  münden1).    Es  kommt  also 


*)  Bei  Chäronea  kommen  vom  Thuriongebirge  drei  Bäche  herab:  der  west- 
lichste unmittelbar  bei  dem  Uorfe  Kaprena  (man  vergl.  das  Nebenkärtchen  zu 
Karte  10),  der  mittelste  aus  dem  Tal  der  Panagia  Lykuressi,  in  der  Gegend  des 
Löwendenkmals,  nur  etwa  400  Meter  weiter  östlich  als  der  erste,  und  der  öst- 
lichste aus  dem  Tal  beim  Keratapafs,  1100  Meter  von  dem  mittelsten  entfernt. 
Dementsprechend  nennt  Plutarch  auch  drei  Namen  von  Bächen,  den  Morios  (Sulla 
17,  16),  den  Molos  (ib.  19,22)  und  den  Hämon  =  Thermodon  (Demosth.  19,  23  f.), 
an  dem  das  Herakleon  lag,  und  an  dem  die  Hellenen  am  Tage  vor  der  Schlacht 
des  Jahres  338  lagerten.  Es  wird  nun  zwar  in  Abrede  gestellt,  dafs  Molos  und 
Morios  verschiedene  Bäche  seien,  und  behauptet,  einer  der  beiden  Namen  sei  eine 
fehlerhafte  Lesung  älterer  Plutarchausgaben,  während  die  neueren  an  beiden 
Stellen  „Molos"  schrieben  (Sotiriades  M.  A.  I.  XXX  (1905)  S.  115).  Indessen  ist 
nach  Ausweis  von  SinteniY  kritischem  Apparat  gerade  die  Verschiedenheit  der 
Formen  die  Überlieferung  der  Handschriften  und  die  Gleichmachung  Korrektur 
der  neueren  Herausgeber.  Auch  inhaltlich  liegt  kein  Grund  vor,  die  beiden  Namen 
auf  denselben  Bach  zu  beziehen.  Ich  halte  daher  an  der  Verschiedenheit  fest. 
Es  fragt  sich  also,  wie  die  drei  Namen  auf  die  drei  Bäche  zu  verteilen  sind.  Ich 
habe  früher  den  westlichsten  für  den  Hämon  gehalten  (Bd.  I  S.  160).  Die  Gründe 
für  diese  Annahme  sind  seit  Sotiriades'  Entdeckung,  dafs  der  Tumulus  von  Bisbardi 
das  Polyandrien  von  338  ist,  und  nach  den  hier  vorliegenden  Untersuchungen  über 
die  Sullaschlacht  weggefallen.  Es  stellt  sich  vielmehr  aus  unserer  Feststellung 
der  Lage  des  Orthopagos  als  notwendige  Folge  heraus,  den  westlichsten  Bach,  den 
Bach  von  Kaprena,  als  Morios  in  Anspruch  zu  nehen.  Denn  Plutarch  sagt  Sulla 
17,  16  ausdrücklich:  vnb  dk  cdib  (rb  'ÖQd-onayov)  rb  fov/Lia  tov  JVIwqiov.  —  Als 
Hämon  nimmt  Sotiriades  jetzt  den  mittelsten  Bach,  den  Bach  von  Panagia 
Lykuressi  in  Anspruch.  Seine  Ausgrabungen  hierselbst  haben  aber  bis  jetzt  nicht 
den  geringsten  Anhalt  dafür  gegeben,  dafs  das  dort  aufgefundene  Heiligtum 
das  Herakleon  ist.  Die  Inschriften  mit  Weihungen  an  Sarapis,  Asklepios  und 
Hygieia  (a.  a.  0.  S.  119)  machen  es  sogar  unwahrscheinlich.  Somit  ist  jetzt 
das  wahrscheinlichste,  dafs  der  Hämon  der  Bach  vom  Keratapasse  ist,  an  welchem 
ja  die  Schlacht  von  338  geschlagen  wurde  (Sotiriades  M.  A.  I.  Bd.  XXVIII  (1903), 
S.  327  und  dazu  meine  Ausführungen  Wiener  Studien  1905,  Bd.  27,  S.  16  ff.). 
Denn  für  diesen  Bach  den  Namen  Molos  anzunehmen,  wie  ich  früher  vermutet 
hatte  (Bd.  I  S.  160  A.  2)  und  wie  Sotiriades,  mir  folgend,  gleichfalls  angenommen 
hat  (a.  a.  0.  XXX  S.  115),  liegt  jetzt  kein  Grund  mehr  vor.  —  Dafs  Plutarch  den 
Hämon  als  „Stadtflüfschen"  von  Chäronea  bezeichnet,  wie  Sotiriades  (a.  a.  0.  XXX 
S.  113)  meint,  folgt  aus  dem  Wortlaut  bei  Plutarch  Dem.  19  nicht,  da  „iv  XatQ(ovti\cu 
hier  nicht  zu  „noucfuio)'",  sondern  zu  „7r«(/  r\^ivu  gehört.  Warum  mir  Sotiriades 
(S.  114)  unterlegt,  dafs  ich  den  Flufs  von  Kaprena  gegen  die  Terrainverhältnisse 
„nach  Nordwesten,  die  Landstrafse  entlang"  fliefsen  lasse,  weifs  ich  nicht.  Ich 
habe  diese  Ansicht  m.  W.  nicht  geäufsert. 


2.  Schlachtfeld  und  Schlacht.  373 

hier  nicht  darauf  an,  welchen  von  ihnen  man  mit  dem  Namen 
Molos  bezeichnet.  Die  Richtung  der  Flucht  bleibt  dieselbe.  Eine 
Flucht,  die  zugleich  auf  den  Molos,  das  Akontion  und  den  Kephissos 
zugeht,  kann  aber  nur  in  östlicher  oder  annähernd  östlicher  Richtung 
stattgefunden  haben.  Das  Siegeszeichen,  das  hier  aufgestellt  wurde, 
hat  Plutarch  noch  selbst  gesehen  (S.  371  A.  2). 

Endlich  pafst  zu  dieser  Frontrichtung  der  Heere  auch  die  dritte 
Lokalangabe,  nach  der  Hortensius  mit  seiner  Reserve  hinter  dem 
linken  römischen  Flügel  gegen  die  Umgehungsbewegung  der  Politiker 
seinerseits  eine  Flankierung  ausführt  und  dabei  von  einer  aus  dem 
umgehenden  feindlichen  Flügel  gegen  ihn  Front  machenden  Abteilung 
gepackt  und  bis  an  gebirgiges  Gelände  zurückgedrängt  wird1).  Dies 
gebirgige  Gelände  sind  nämlich  die  ziemlich  steilen  Ausläufer  des 
Thurion  nordöstlich*  von  Mera,  die  sich  gerade  an  der  Stelle,  wo 
wir  bei  der  angenommenen  Aufstellung  der  Heere  den  Schauplatz 
dieser  Bewegungen  voraussetzen  müssen,  ziemlich  weit  in  die  Ebene 
vorschieben. 

Somit  hat  also  Archelaos  in  einer  Schlachtstellung,  die  mit 
ihrem  linken  Flügel  ziemlich  nahe  an  Chäronea  heranreichen  mochte, 
mit  ihrem  rechten  bis  an  den  Kephissos  herangegangen  sein  mufs, 
den  Durchbruch  der  Römer  aufzuhalten  gesucht  und  Sulla  gezwungen, 
unter  recht  ungünstigen  Verhältnissen  in  der  breiten  Ebene  zu 
schlagen,  die  seine  Truppen  nicht  ausfüllen  konnten  und  die  daher 
den  Überflügelungen  der  pontischen  Reiterei  vollen  Spielraum  ge- 
währte2). 

Nachdem  Sulla  am  Kephissos  einen  Tag  dem  Archelaos  gegen- 
übergestanden hatte,  marschierte  er  mit  Zurücklassung  von  einer 
Legion  und  zwei  Kohorten  unter  Murena  auf  Chäronea,  um  sein 
dorthin  vorausgesandtes  Detachement  für  die  Schlacht  wieder  an  sich 
zu  ziehen  und  die  Stellung,  welche  die  Pontiker  auf  dem  Orthopagos 
bei  der  Stadt  eingenommen  hatten,    zu    erkunden.     Murena   erhielt 

1)  Plut.  Sulla  19,24:  Ix&kißojuei'og  vno  tov  nlri&ovg  nQooeazttteTo  roTg 
ontivoTg. 

2)  Die  Ebene  ist  in  nördlicher  Richtung  von  Chäronea  bis  zum  Kephissos 
bei  Archelaos'  Lager  etwa  2 1  Kilometer  breit.  Soviel  Raum  ist  für  die  ca.  30  000 
Mann  Pontiker,  die  in  der  Schlacht  zugegen  sein  mochten  (s.  Beilage  I  S.  393), 
mindestens  erforderlich;  vgl.  Bd.  I  S.  320.  Die  Länge  von  Sullas  Schlachtlinie 
bei  rund  16  000  Mann  dürfte  dagegen  1  ^  bis  2  Kilometer  nicht  überschritten  haben. 


374  Die  Feldzüge  Sullas  in  Griechenland. 

den  Auftrag,  unterdessen  den  Aufmarsch  der  Feinde  nach  Kräften  zu 
stören,  ein  Auftrag,  der  selbst  für  eine  kleine  Truppenmacht  darum 
nicht  ohne  Sinn  war,  weil  der  Feind  ja  noch  den  Flufs  zu  über- 
schreiten hatte.  Sullas  Marsch  bis  Chäronea  ging  kaum  3  Kilometer  weit. 
Murena  konnte  sich,  nachdem  man  Halt  gemacht  und  die  Rangierung 
zur  Schlacht  begonnen  hatte,  daher  jeden  Augenblick  wieder  an  den 
linken  Flügel,  den  er  in  der  Schlacht  auch  kommandiert  hat,  heranziehen. 

Die  Schlachtordnung,  in  der  Sulla  nun  gegen  die  Aufstellung 
des  Archelaos  anrückte,  war  die  gewöhnliche  der  Römer:  in  der  Mitte 
standen  die  Legionen,  rechts  und  links  die  Reiterei.  Nur  hatte  Sulla 
diesmal  hinter  den  beiden  Flügeln  zum  Schutze  gegen  Umfassungen 
unter  dem  Kommando  der  Legaten  Hortensius  und  Galba  noch  be- 
sondere Reserven  von  mehreren,  wahrscheinlich  3  und  2  Kohorten, 
aufgestellt.  Er  selbst  kommandierte  den  rechten,  Murena,  wie  er- 
wähnt, den  linken  Flügel1). 

Archelaos  anderseits  liefs  im  Zentrum  die  Phalanx  Stellung 
nehmen,  sehr  tief,  wie  ausdrücklich  gesagt  wird2),  also  wohl  32  Mann 
hintereinander,  so  wie  es  ja  auch  bei  Sellasia,  Magnesia  und  wahr- 
scheinlich Pydna  der  Fall  gewesen  war  (Bd.  I  S.  239.  Bd.  II  S.  181. 
323).  Vor  dieser  Phalanx  wurden  60  Sichelwagen  aufgefahren.  Rechts 
von  der  Phalanx  folgten  unter  Taxiles  die  Chalkaspiden,  ein  halb- 
schweres Korps  von  Peltasten,  dann  auch  bei  ihm  auf  beiden  Seiten 
leichte  Truppen  und  Reiter.  Besonders  waren  solche  auf  dem  rechten 
Flügel  in  grofser  Zahl  und  von  erlesener  Schnelligkeit  angesetzt,  um 
die  hier  geplante  Überflügelung  auszuführen3).    Auf  dem  linken  Flügel 


x)  Plut.  Sulla  17,4:  avtbg  J*  (Sulla)  ovitTaiTE  irjv  (fcdayya  xal  ditvHfJt 
Toitg  Innojug  Inl  xiowg  ixarsgov,  rb  dstjibv  avrbg  f/fov,  ib  <T  tvoövvfxov  etnodoli 
MovQrjvq.  rdXßag  $6  xal  'OgrrjGiog  ol  7iQiGße.vTal  Gntioag  fyovztg  inndxTovg  tü/caoi 
naotvsßuXov  Inl  toüv  ccxqcov  qwXccxtg  7robg  rag  xvxXutaetg.  Über  die  Zahl  der  Ko- 
horten s.  S.  379  A.  3.  —  App.  Mithr.  43,  15:   Movorjvag  .  .  inl  tov  Xaiov  reray/uivog. 

2)  Plut.  Sulla  18,15:  <?iä  ßdSog  xal  nvxvotr\xa  ßoadecog  ii-codov/jtvovg. 

3)  In  der  Schlacht  stofsen  die  Legionen  auf  die  Phalanx.  Plut.  Sulla  18,4: 
al  ne'Qal  dvväfAtig  cvveQodyrjfTav  rwv  fxhv  ßaQßaQwv  nooßalXo/uivwv  rag  GaoCöGag. 
Davor  die  Sichelwagen  ib.  18, 28.  Ihre  Zahl  nach  Appian  Mithr.  42,  14.  Die 
Chalkaspiden  gehen  gegen  Murena,  den  linken  römischen  Flügel,  vor  (Plut.  Sulla 
19,32),  stehen  also  rechts  der  Phalanx.  Als  Halbschwere  sind  sie  wohl  aufzu- 
fassen, da  sie  zu  schneller  Besetzung  der  Burg  von  Parapotamioi  verwandt  werden 
Put.  Sulla  16,4);  vergl.  auch  die  Chalkaspiden  bei  Sellasia  Bd.  I  S.  232.  Bei 
Pydna  sind  sie  Phalangiten  S.  323  A.  1.  —  Von  den  Reitern  und  Leichten  auf 
dem   pontischen   Flügel   heifst    es    Plut.  Sulla  17.9:    kioQbJvto   ol   noM/uiot   xaxa- 


2.  Schlachtfeld  und  Schlacht.  375 

darf  man  das  Detachement  auf  dem  Orthopagos  nicht  aufser  acht 
lassen.  Es  ist  insofern  als  integrierender  Teil  der  Schlachtordnung 
zu  betrachten,  als  es  eine  sehr  geeignete  Stellung  hatte,  die  Römer 
bei  weiterem  Vorrücken  in  der  Flanke  zu  fassen,  eine  Drohung,  um 
derentwillen  ja  Sulla,  wie  wir  sahen,  auch  hier  eine  Reserve  hinter 
der  Schlachtreihe  aufgestellt  hatte,  gerade  so  wie  Alexander  der 
Grofse  es  bei  Issos  in  ganz  ähnlicher  Lage  gemacht  hatte.  Ob  der 
Versuch,  das  Korps  durch  Umgehung  vor  Beginn  der  Schlacht  von 
den  Bergen  zu  vertreiben,  gelingen  würde,  konnte  man  ja  von  vorn- 
herein nicht  wissen. 

Der  Schlachtplan,  den  beide  Feldherren  verfolgt  haben,  ist 
aus  diesen  Dispositionen  klar  zu  ersehen. 

Archelaos  wollte  mit  seinem  Zentrum  defensiv  verfahren,  durch 
die  Sichelwagen  den  römischen  Angriff  verzögern  und  in  der  tief- 
aufgestellten Phalanx  den  Legionen  einen  unüberwindlichen  Damm 
entgegenstellen,  an  der  sie  sich  abmüden  sollten,  bis  die  Flügel  ihre 
Wirkung  getan  hätten.  Erst  wenn  das  Netz  zugezogen  war,  mochte 
auch  das  Zentrum  zum  Angriff  vorgehen  und  den  Sieg  vollenden. 
Für  die  Flankenwirkung  waren  ja  die  Verhältnisse  so  günstig  wie 
möglich:  rechts  die  weite  Ebene,  links  das  Detachement  auf  der  Höhe. 
Der  Plan  war  also  in  seinem  Grundgedanken  ganz  derselbe  wie  der 
des  Antiochos  bei  Magnesia  (S.  186)  und  aus  denselben  Bedingungen 
entstanden:  der  numerischen  Überlegenheit  überhaupt  und  der  Über- 
legenheit an  Reiterei  und  leichten  Truppen  im  besonderen. 

Ebenso  mufste  denn  auch  das  Gegenmittel  Sullas  dasselbe  sein: 
Durchbruch  durch  die  feindliche  Schlachtreihe  an  irgendeinem  Punkte 
und  Durchführung  dieses  Manövers  mit  möglichster  Schnelligkeit  und 
Energie.  Nur  wurde  hier  nicht  wie  bei  Magnesia  dazu  der  rechte 
Flügel  bestimmt,  sondern  offenbar  die  Legionen  selbst,  das  Zentrum, 
mit  denen,  wie  sich  gleich  zeigen  wird,  Sulla  die  Schlacht  eröffnete, 
während  die  Flügel  zurückgehalten  wurden1),    Der  Grund  dafür  wird 

oxsvä£ovT€s  InntiiGi  noXXoTg  xal  xpikolg  nodajxsoiv  efg  iniaTQOffrjV  to  xe'Qocg  tvxafxneg 
xal  xovqov,  <og  fiaxQov  avagovzeg  xal  xvxkcoaö/uivoi  Tovg  'Pw/uaiovg.  Dafs  sich  diese 
Notiz  auf  den  rechten  Flügel  bezieht,  folgt  daraus,  dafs  nur  hier  Platz  für  eine 
so  ausgreifende  Umgehung  war  und  sie  in  der  Schlacht  selbst  auch  nur  hier  er- 
folgt ist  (s.  unten  S.  377). 

x)  s.  über  den  rechten  römischen  Flügel  unten  S.  377,  über  den  linken  S.  378, 
wo  aus  der  Erwähnung,  dafs  die  Pontiker  hier  zum  Angriff  vorgehen,  folgt,  dafs 
die  Römer  sich  defensiv  verhielten. 


376  ^e  Feldzüge  Sullas  in  Griechenland. 

in  der  gröfseren  Kriegstüchtigkeit  des  Fufsvolkes  gelegen  haben.  Es 
ist  wahrscheinlich,  dafs  Sulla  dabei  mit  dem  rechten  Flügel  der 
Legionen  zuerst  vorgegangen  ist,  bei  dem  er  sich  selber  befand. 

So  kam  also  auch  hier  alles  darauf  an,  wer  dem  Gegner  die 
Zeit  abgewann:  konnte  Archelaos  mit  seinem  Zentrum  standhalten, 
bis  die  Flügel  der  römischen  Armee  umgangen  waren  und  der 
Druck  von  den  Seiten  und  von  hinten  her  die  Kraft  des  römischen 
Angriffs  im  Zentrum  zu  lähmen  begann,  so  war  der  Sieg  sein;  konnte 
Sulla  durchbrechen,  ehe  die  Flügel  des  Feindes  ihr  Werk  getan 
hatten,  so  war  das  Netz  zerrissen  und  der  Erfolg  des  Zentrums 
mufste  die  Umgehung  der  Flügel  unwirksam  machen.  In  dem  Zeit- 
räume weniger  Minuten  war  auch  hier  Sieg  und  Niederlage  be- 
schlossen. 

Der  Verlauf  der  Schlacht  war  von  Anfang  an  Archelaos'  Plänen 
ungünstig.  Wider  Erwarten  wurde  das  Detachement  auf  dem  Ortho- 
pagos  noch  vor  dem  Zusammenstofs  der  Armeen  aus  seiner  Stellung 
vertrieben  und  damit  die  Umfassungsaktion  des  südlichen  Flügels 
lahmgelegt  oder  wenigstens  stark  geschädigt.  Und  nicht  genug  da- 
mit: diese  Abteilung  wurde  durch  Murenas  energisches  Eingreifen 
auf  das  Zentrum  des  Hauptheeres  zurückgeworfen,  und  die  Verwirrung, 
welche  dadurch  entstand,  von  Sulla  benutzt,  um  gerade  an  diesem 
Punkte,  auf  dessen  lange  und  zähe  Verteidigung  alles  ankam,  mit 
einem  überraschenden  Vorstofse  vorzugehen1).  Es  gelang  ihm  in  der 
Tat  dadurch  ähnlich  wie  Eumenes  bei  Magnesia  (S.  189),  die  Aktion 
der  Sichelwagen  völlig  zu  vereiteln  und  sofort  zum  Nahkampfe  mit 
der  Phalanx  zu  gelangen,  die  allerdings  in  ihrer  dichten  und  tiefen 
Aufstellung  den  Angriff  stehenden  Fufses  annahm  und  wider  Erwarten 
tapfer  und  zäh  standhielt2). 


1)  Plut.  Sulla  18,26  heifst  es  nach  Schilderung  der  Verwirrung:  6'^.cog  yctg 
b  2iXXag  laQaaaofxtroig  Inayaywv  xcu  ib  [xiüov  dmffr^tt  tc/7  id/ti  OWilvv  äqtiktio 
xr\v  Tbiv  ^Q€7iai'r}(fOQCov  higytiav. 

2)  Plut.  Sulla  18,  4:  TovvitvStv  ccl  nt&i  duvdjueig  auvtQQcty^aar,  rwv  fxtv 
ßuQßuQOiV  TTQoßaXXofAtvojv  lag  aaqiaag  (ucacQccg  xal  TieiQCD/u^cov  tüj  Gvvaan ig fun 
rrjV  ifc'dayya  dicarjQtiv  lv  la^ti,  tcov  dt  'Pajpaicov  Tovg  ptv  vüoovg  xaictßnkövrov, 
anaoccfxe'vojv  dt  rag  [AK/ctiQag  v.iu  naQccxQoio/u&cov  rag  oaQLoag,  wg  Tci/tara  7Tqog- 
uC&iav  ctvroTg  JV  oQyriv.  —  Möglicherweise  sind  die  Phalaagiten  hier  sogar  auf 
den  1|  Fufsabstand  herangegangen,  der  ja  angewandt  wurde,  wenn  man  im  Stehen 
den  Ansturm  der  Gegner  abwehren  wollte  (s.  m.  vergl.  Stud.  Hermes  Bd.  35),  und 


2.  Schlachtfeld  und  Schlacht.  377 

Die  Legionare  vermochten  nur  mit  geringem  Erfolg  in  den 
Lanzenwall  einzudringen,  und  man  mufste  sich  wie  bei  Magnesia  viel- 
fach damit  begnügen,  die  Phalangiten  aus  der  Ferne  zu  beschiefsen 
und  so  versuchen,  ihre  feste  Fügung  zu  lösen1).  Sulla  hatte  seine 
Legionen  vor  eine  unerwartete  schwere  Aufgabe  gestellt. 

So  kam  es,  dafs  es  dem  Archelaos  doch  noch  gelang,  seine 
Flügel  zur  Wirkung  zu  bringen.  Persönlich  auf  dem  Nordflügel 
stehend,  leitete  er,  ehe  er  in  der  Front  angreifen  liefs,  die  Umfassung 
und  war  eben  im  Begriffe  sie  zu  vollenden,  als  er  sich  selber  durch 
die  Reserve  des  Hortensius  angepackt  sah.  Dieser  kleinen  Schar  war 
offenbar  ihr  Standort  in  sehr  weit  hinter  dem  linken  Flügel  zurück- 
gehaltener Stellung  angewiesen  worden,  damit  sie  nicht  in  den  Kreis 
der  von  den  Römern  vorausgesehenen2)  Umfassung  hineingezogen 
würde.  Vielleicht  stand  sie  verdeckt  hinter  der  Strafse  von  Chäronea 
nach  Parapotamioi. 

Jetzt  eilte  sie  im  Sturmschritt  herbei  und  fiel  dem  Umgehungs- 
flügel ihrerseits  in  die  Flanke3) 

Aber  Archelaos'  Übermacht  reichte  hin,  auch  diesen  Feind  zu 
bekämpfen.  Er  liefs  2000  Reiter  einschwenken,  und  in  hartnäckigem 
Ringen  drängte  er  den  Hortensius  immer  weiter  von  dem  übrigen 
Heere  der  Römer  ab,  zuletzt  bis  zu  den  Bergen  zurück,  welche  die 
Ebene  hier  im  Süden  begrenzen  und  wie  erwähnt  (S.  373)  nordöst- 
lich von  dem  Dörfchen  Mera  weit  in  die  Ebene  vorspringen4). 

Sulla,  der  bisher  mit  der  Reiterei  seines  Flügels  und  der  Re- 
serve des  Galba  noch  nicht  in  den  Kampf  eingegriffen  hatte5),  sondern 


von  den  Taktikern  als  awaomopog  x«t'  ^o/^v  bezeichnet  wurde.  —  Dafs  die 
Legionare  die  Pilen  weggeworfen  haben  sollen  (xaraßakovrcov),  statt  sie  auf  die 
Gegner  zu  schleudern,  ist  natürlich  ein  Übersetzungsfehler  Plutarchs. 

1)  Plut.  a.  a.  0.  18,  15:  Toirovg  .  .  .  JV«  ßc'cSog  xal  nvxvöjr\ia  ßqaSiwg  iJ-co- 
dovutvovg  V7i6  Tüov  onliTwv  .  .  .  txi  T6  ßtXoGiftrdövca,  y.ccl  ol  yQoGipot,  XQco/uevcov 
atfEtdwg  rm>  xcciontv  'Pwjuccicüv,  ctTZEGTQtqov  xcd  ovvtTCiQctTTOv. 

2)  a.  a.  0.  17,  9;    s.  den  Wortlaut  S.  374  A    1. 

3j  a.a.O.  19,20:  'Aq/eXkov  dt  to  dt£iov  xtQctg  tk  xvxfooGiv  ccvdyovTog 
'Oor^aiog  iifrjxe  rag  onsiQag  Jqü/lim  nyoGcftoo/uerag  oog  tyßctXwv  nkayioig. 

4)  a.  a.  0.  19,  22:  tniGTQtxpuviog  dt  Tct^icog  h.tivov  (Archelaos)  tovg  ntgl 
aviov  Inntlg  ötG/iliovg,  IxOkißo/Jtro;  vnb  jov  nlriOovg  (Hortensius)  nQogtoitkXtio 
roig  üQtii'oTg  xarcc  juixqöv  K7ioQQr)yvu{.itvog  rrjg  if.cilnyyog  xcd  n tniXuu ßaio/Litrog  vno 
7 wi'  noXtjiiwv. 

5)  a.  a.  0.  19,26:  nvd-ofievog  dt  6  2vXX«-g  ic.nu  iov  dt^ot  /utjnco  ovf,i- 
nen  to)x  u  i  og  tg  /ua/rjV. 


378  Die  Feldzüge  Sullas  in  Griechenland. 

von  hier  aus  den  Gang  des  Gefechtes  aufmerksam  beobachtete,  be- 
schlofs,  da  sein  Gegner  ihm  gleichfalls  müfsig  und  abwartend  gegen- 
überstand, einen  Teil  seiner  Reiterei  und  die  2  Reservekohorten  des 
Galba,  die  jetzt  hier  nicht  mehr  nötig  waren,  zu  verwenden,  um 
Hortensius  Luft  zu  machen.  Er  setzte  sich  persönlich  an  der  Spitze 
dieser  Truppen  in  schleunigste  Bewegung1). 

Die  Entfernung,  welche  ihn  von  dem  Gefechte  seiner  bedräng- 
ten Truppen  bei  Mera  trennte,  konnte  nicht  viel  mehr  als  einen  Kilo- 
meter ausmachen  und  war  natürlich  schnell  durchmessen. 

Es  war  ein  schwerer  Fehler  des  Südflügels  der  Pontiker  ge- 
wesen, dafs  er  nicht  von  Anfang  an  am  Gefechte  teilgenommen  hatte. 
Auf  die  Wirkung  der  Flügel  hatte  ja  Archelaos  seine  Berechnungen 
aufgebaut.  Mochte  im  Anfange  der  Schlacht  die  Vertreibung  des 
Detachements  auf  dem  Orthopagos,  auf  dessen  Beihilfe  man  in  erster 
Linie  gerechnet  hatte,  die  Führer  unsicher  in  'ihrem  Entschlüsse 
gemacht  haben:  jetzt,  als  von  Sulla  beträchtliche  Kräfte  hier  fort- 
gezogen waren,  konnte  kein  Zweifel  mehr  sein,  dafs  man  unbedingt 
zum  Angriffe  vorgehen  mufste.     Aber  es  geschah  nicht. 

Archelaos  erkannte  vom  anderen  Flügel  her  die  Situation  besser. 
Als  er  gröfsere  Reitermassen  den  südlichen  Flügel  der  Römer 
verlassen  und  auf  sich  zutraben  sah,  bei  denen  der  römische 
Oberfeldherr  selber  vermutet  werden  mochte2),  als  er  das  unbegreif- 
liche Zögern  seiner  Leute  auf  dem  Südflügel  gewahr  wurde,  litt  es 
ihn  nicht  mehr  an  seinem  Platze  auf  dem  Nordflügel,  bei  dem  er 
doch  keine  neuen  Truppen  mehr  einzusetzen  hatte,  sondern  dem 
Gefechte  seinen  Gang  lassen  mufste.  Viel  nötiger  schien  es  ihm 
dagegen,  den  Angriff  auf  der  ganzen  Linie  der  Pontiker  persönlich  in 
Gang  zu  bringen.  Denn  auch  Taxiles  mit  den  Chalkaspiden  hatte 
bisher  noch  nicht  angegriffen,  da  er  vermutlich  den  Erfolg  der  Um- 
fassung des  äufsersten  Nordflügels  abwarten  wollte.  So  sprengte 
daher  Archelaos    für  seine  Person   aus  dem  Gefechte  bei  Mera  fort, 


')  a.  a.  0.  löicoxe  ßorjßwv.  App.  Mithr.  43,  10:  cFt-o  rtctlug  aneiQccg  h 
trj  nccQodo)  7iQo0kctß(ov,  di  Irnctyaio  iqtdQevtir.  Wahrscheinlich  waren  das  eben 
die  Kohorten  des  Galba. 

2)  a.  a.  0.  19,  28:  'Ao^ikaog  dt  rtp  '/.ovioquo  Tijg  ikecaiwg  ohsq  rjv  rex/ucctgo- 
[xivog.  Nach  Appian  Mithr.  43,  6  schliefst  Archelaos  aus  dem  grofsen  Staube,  den 
die  Reitermassen  aufwirbeln,  und  anb  iwv  at]/uet(op  arairiytxov  öptwv,  dafs  Sulla 
persönlich  dabei  ist. 


2.  Schlachtfeld  und  Schlacht.  379 

gab  zunächst  dem  Taxiles,  der  in  Folge  dessen  jetzt  auch  angriff, 
Befehl  vorzugehen  und  begab  sich  dann  eiligst  zum  Südflügel,  um 
hier  das  Nötige  zu  veranlassen  und  den  Angriff  persönlich  zu  leiten1)- 

Unterdessen  war  es  Sulla  gelungen,  das  Gefecht  bei  Mera 
wiederherzustellen.  Es  scheint,  dafs  er  mit  seinen  Truppen  in  den 
Kampf  selber  gar  nicht  einzugreifen  brauchte,  sondern  dafs  schon 
sein  Herannahen  genügt  hatte,  die  Umzingelung,  in  der  sich  das 
kleine  Korps  des  Hortensius  befand,  zu  lösen  und  die  pontische 
Reiterei  zu  einer  rückgängigen  Bewegung  zu  veranlassen2).  So  konnte 
er  nach  Zurücklassung  einer  Verstärkung  von  1  Kohorte  dem  Hor- 
tensius, der  nunmehr  4  Kohorten  hatte,  den  Auftrag  geben,  sich 
wieder  an  die  Phalanx  heranzuarbeiten  und  Murena  gegen  die  noch 
immer  drohende  Umfassung  zu  unterstützen.  Er  selber  eilte,  da 
mittlerweile  der  Angriff  der  Pontiker  auf  der  ganzen  Linie  zum  Aus- 
bruch gekommen  war,  mit  seiner  Reiterei,  gefolgt  von  nur  einer 
Kohorte,  auf  seinen  alten  Platz  am  rechten  Flügel  zurück3). 

Man  kann  die  Frage  aufwerfen,  ob  Sulla  nicht  richtiger  ge- 
handelt hätte,  hier  am  Nordflügel  zu  bleiben,  wo  er  einmal  war,  mit 
seiner  Reiterei  den  umfassenden  Flügel  der  Pontiker  vollends  zurück- 
zuwerfen und  die  feindliche  Armee  von  Norden  her  aufzurollen  an- 
statt Kraft  und  Zeit  mit  dem  Hin-  und  Herwerfen  seiner  Reiterei 
auf  dem  Schlachtfelde  zu  verschwenden. 

Bei  unserer  ganz  ungenügenden  Kenntnis  der  Truppenverteilung 
im  einzelnen  ist  es  unmöglich  zu  urteilen  und  natürlich  noch  weniger 
angebracht  zu  meistern. 


')  a.  a.  0.  19,  29:  aurbg  dt  (Archelaos  persönlich)  iTTLQtQiipag  wQjurjotv  oStv 
6  2vXXocg  7TQog  to  d£%tov,  (og  eqtjuov  ctQ%oviog  ociQrjCcov.  ajua  cf«  xctl  MovQr\vct 
Ta'^iXrjg  Znrjye  rovg  xccXxdömdctg.  Dafs  diese  letztere  Bewegung  auf  Archelaos'  per- 
sönliches Eingreifen  zurückgeht,  ist  nicht  ausdrücklich  bezeugt,  aber  wahrscheinlich. 

2)  Das  liegt  wohl  schon  in  den  Worten  Plutarchs  (a.  a.  0.  19,  29),  dafs 
Archelaos  beim  Herannahen  Sullas  cOqt^oiov  /uh  stet  %aiQ£tv.  Noch  deutlicher 
kommt  es  bei  Appian  Mithr.  43,  7  zum  Ausdruck:  ^AQxiXaog  .  .  itxfxcdQo^srog 
tivcci  JZvXXav  tov  Imovia,  Xvaag  tt\v  xüxXooaiv  lg  toc£iv  kve/iÖqei.  Hier  scheint 
der  Autor  inmitten  all  seiner  Wirrnis  einmal  ein  Stück  guter  Überlieferung  aus- 
nahmsweise am  rechten  Orte  verwendet  zu  haben;  yergl.  über  Appian  als  Quelle 
Beilage  II. 

3)  Plut.  Sulla  19,  3:    tfo£«r  tf«  ti)v  iccvrov  zd&v  avccXajjßdvtLV  MovQyvq   [*h 

CtQWy'OV    ETlifJLXptV  'ÖQTriGlOV    (/OVTC(    TEaOttQCig    07I£tQCtg,    CCUTOg    Jf    TTjV    7lSfJ7lltjV    8/IlG&(U 

xtXtvoug  int  to  dtgiöv  r\n£(ytxo.    Daraus  folgt,  dafs  Hortensius  vorher  3  Kohorten 
gehabt  hatte.     Denn  2  hatte  Sulla  ja  nur  mitgebracht,    s.  vor.  S.  A.  1. 


380  ®ie  Feldzüge  Sullas  in  Griechenland. 

Der  Erfolg  hat  gezeigt,  dafs  Sulla  seine  guten  Gründe  gehabt 
haben  mufs,  so  zu  handeln.  Der  nördliche  Flügel  hat  auch  ohne 
Sullas  weitere  Unterstützung  schliefslich  gesiegt,  und  auf  dem  süd- 
lichen mochte  ohne  ihn  alles  verloren  sein. 

Seine  Ankunft  auf  dem  Südflügel  entschied  aber  die  Schlacht. 
Die  Römer,  durch  die  Verstärkung,  die  er  heranführte,  mit  neuem 
Mute  erfüllt,  warfen  die  Gegner  zurück,  die  zuerst  bis  zum  Bette 
des  Molos,  dann  weiter  auf  das  Akontion  und  den  Kephissos  zu 
wichen  *).  Dieser  Stofs  hat,  wie  es  scheint,  genügt,  die  Phalanx  im 
feindlichen  Zentrum,  deren  Haltung  schon  erschüttert  gewesen  sein 
mufs2),  mitzureifsen.  Plutarch  in  seinem  allerdings  ohne  Zweifel 
stark  verkürzten  Bericht  sagt  jedenfalls  nichts  darüber,  dafs  Sulla 
eine  Schwenkung  gegen  die  jetzt  entblöfste  Flanke  derselben  ge- 
macht habe,  Nur  das  hebt  er  hervor,  dafs  Sulla  sich  nicht  ohne 
weiteres  der  Verfolgung  hingegeben  habe,  sondern  Umschau  gehalten 
habe,  wie  es  auf  dem  Flügel  des  Murena  stehe.  Erst  'als  er  sich 
überzeugt  hatte,  dafs  auch  dort  die  Römer  im  Fortschreiten  waren, 
beteiligte  er  sich  an  der  Verfolgung3). 

Aber  nicht  nur  in  der  Richtung  auf  das  Akontiongebirge  zu, 
sondern  auch  nach  dem  Lager  der  Feinde  hin  wurde  nachgesetzt, 
und  wir  erkennen  daraus,  dafs  auch  der  Nordflügel  sich  an  dem 
Siege  beteiligt  haben  mufs4).  Das  Lager  wurde  erstürmt  und  die 
feindliche  Armee  gezwungen,  den  Rückzug  um  den  Nordrand  des 
Kopaissees,  über   Atalante   und  Martini  nach  Chalkis   anzutreten5). 


1)  Plut  a.  a.  0.  19,  5:  to  dfljiov  .  .  xal  xatf  eavib  ph  d^io/uccyajg  rftfy  t&T 
' Aoyikaui  awsazrjxog.  txtivov  tih  Iniq-arivrog  navTanctotv  l&ßtccoccvio  xctl  XQuifjauv- 
ieg  idicoxov  usw.;  s.  S   371  A.  2. 

2)  s.  oben  S.  377  A.  1:  anioTQUfov  xiä  gvvhüquiiov.  Appian  betont 
Mithr.  43,  14  dafs  zuerst  der  rechte,  dann  der  linke  Flügel  gesiegt  habe  und 
dann  erst  das  Zentrum  gewichen  sei.  Das  widerspricht  Plutarchs  Erzählung  nicht, 
der  vom  Zentrum  ganz  schweigt,  und  könnte  richtig  sein.  Dann  hätten  auch  hier 
wie  bei  Magnesia  Reiterei  und  Leichte  der  Römer  das  Beste  getan  und  die 
Schlacht  hätte  gerade  den  umgekehrten  Verlauf  von  dem  ursprünglichen  Plane 
genommen. 

3)  ib.  19,  10:  ov  /itr]v  oys  ZvXXag  rjUsXrjöe  MovQr\va  xivSvvevonog,  cc)Jm  wo- 
jurjae  roig  ixsl  ßor\^iiv*    idwv  d*  rtxwYiag,  tot£  rijg  (Siio&üjg  fttTsT/e. 

4)  ib.  19,  13:  nolXoi  ovv  £v  T(o  nedito  i(ov  ßuoßaowp  avijoovrro,  nletoioi  iU 
tw  yä()axi  7iQ0O(f-6QÖ/*£roi  xatExonrjGav.  Diese  Szenen  hat  Appian  Mith.  44,  24  ff. 
besonders  umständlich  ausgemalt.     Militärischen  Wert  hat  das  nicht. 

5)  Plut  a.  a.  0.  19,  14:    iis  XaAxAf«  .  App.  Mithr.  45,  21:  tg  Xnlxid«. 


2.  Schlachtfeld  und  Schlacht  381 

Sulla  hat  zwar  mit  seinen  leichten  Truppen  bis  Chalkis  verfolgt. 
Aber  hier  bot  das  Meer  die  Grenze,  da  ihm  keine  Schiffe  zu  Ge- 
bote standen1). 

Immerhin  war  der  erste  Teil  seiner  Operationen  in  Griechen- 
land sieg-  und  ruhmreich  zu  Ende  geführt. 

Wenn  ein  glückliches  Zusammentreffen  von  topographischen 
und  historischen  Anhaltepunkten  es  ermöglicht  hat,  unsere  Unter- 
suchung bis  zu  diesem  Punkte  hin  zu  führen  und  einen  bisher  als 
verloren  zu  erachtenden  Feldzug  für  unsere  Kenntnis  wieder  zu  ge- 
winnen, so  ist,  glaube  ich,  dies  Resultat  deshalb  besonders  wert- 
voll, weil  es  sich  bei  diesen  Operationen  um  die  Tätigkeit  eines 
so  eminenten  militärischen  Talentes  handelt,  wie  Sulla  es  war,  und 
weil  dies  zugleich  sein  einziger  Feldzug  ist,  bei  dem  wir  uns  einiger- 
mafsen  klare  und  detaillierte  Anschauungen  über  die  Fähigkeiten 
dieses  seltenen  Mannes  auf  militärischem  Gebiete  verschaffen  können. 
Denn  die  Überlieferung  seiner  anderen  Feldzüge  ist  wohl  für  eine 
mehr  ins  Einzelne  gehende  Darstellung  hoffnungslos  zerstört. 

Es  kommt  hinzu,  dafs  ein  Grundzug  seines  Charakters,  der 
ihm  auch  in  seinem  politischen  Wirken  eigentümlich  ist,  gerade  bei 
den  hier  untersuchten  Vorgängen  besonders  deutlich  hervortritt:  ich 
meine  die  Verbindung  seiner  gewaltigen  Leidenschaft  und  Willens- 
kraft mit  jener  kühlen,  nicht  kleinlich  rechnenden,  sondern  die 
ganzen  Verhältnisse  von  überlegenem  Standpunkte  aus  betrachtenden 
Denkungsart,  und  die  dieser  merkwürdigen  Kombination  entsprechende 
Handlungsweise.  Denn  diese  Denkungsart  bewirkt,  dafs  Sulla  sich  zwar 
einerseits  überall,  wo  es  nötig  ist  mit  voller  Kraft,  ja  mit  seiner  Person 
einsetzt,  aber  sich  dabei  doch  nie  vergifst,  immer  eine  Reserve 
von  Intellekt  und  Beobachtung  hinter  der  ausgelösten  und  zur  Tat 
gewordenen  gewaltigen  Willensenergie  zurückbehält,  so  dafs  die  auf 
ihn  einstürmenden  Eindrücke  seiner  nächsten  Umgebung  ihm  nie 
das  Bild  des  Ganzen  aus  dem  Auge  zu  rücken  im  Stande  sind. 

Der  Gang  der  Schlacht  von  Chaeronea  selber  läfst  diese  Hand- 
lungsweise am  deutlichsten  hervortreten.  Denn  der  Ansturm  seines 
Zentrums  und  der  Kampf  seiner  Legionen  mit  der  Phalanx  raubt 
ihm  nicht  die  Aufmerksamkeit  für  die  Vorgänge  am  Nordflügel.     Er 


l)  App.  Mithr.  45,  4:  tcvanuvoag  ök  irjv  otqcctikv  In    okiyov,  fg  top  Evoinov 
aiv  tvCojiots  tni  iov  ^Ao/O.aov  tj7ieiy6To.     'Pwuai'iov  de  vuvs  ov/.  lyovnav  usw. 


382  Die  Feldzüge  Sullas  in  Griechenland. 

setzt  vielmehr  dort  zu  rechter  Zeit  persönlich  seine  Kraft  ein.  Aber 
er  läfst  sich  auch  von  dieser  Aufgabe  nicht  gefangennehmen,  sondern 
behält  zugleich  den  Südflügel  fortwährend  im  Auge;  und  als  er 
hierhin  zurückgekehrt  ist,  als  er  seine  Truppen  hier  zu  siegreichem 
Kampfe  geführt  hat,  ist  seine  erste  Sorge  wieder  die  Bedrängnis 
seiner  Truppen  unter  Murena,  die  ihm  vor  einer  blinden  Verfolgung 
seiner  Vorteile  auch  hier  wieder  voransteht. 

Wer  da  weifs,  wie  oft  gerade  in  antiken  Schlachten  die  par- 
tiellen Siege,  durch  den  Mangel  der  hier  gekennzeichneten  Eigen- 
schaft bei  anderen  Oberbefehlshabern,  schliefslich  in  eine  Niederlage 
des  Ganzen  umgeschlagen  sind,  der  wird  die  Bedeutung  dieses  Ver- 
haltens des  römischen  Feldherrn  zu  würdigen  wissen,  er  wird  aber 
auch  zugleich  die  Bedeutung  und  die  Güte  unserer  Überlieferung  zu 
schätzen  verstehen,  die  diesen  für  die  Entscheidung  so  hervorragend 
wichtigen  Zug  des  grofsen  Mannes  in  solcher  Schärfe  herausgehoben 
und  aufbewahrt  hat.  Mich  deucht,  es  ist  unverkennbar,  wie  sehr 
durch  den  Schleier  Plutarchischer  Verwischungen  hindurch  der  Kern 
der  auf  Sulla  selbst  zurückgehenden  Erzählung  gerade  hierbei  zum 
Vorschein  kommt. 

Aber  nicht  nur  die  Person  des  römischen  Feldherrn  verdient 
hier  ein  ungewöhnliches  Interesse,  auch  Sullas  Gegner  war  kein  ver- 
ächtlicher General.  Die  Art,  wie  er  den  ganzen  Feldzug  angelegt 
hat,  wie  er  seine  Überlegenheit  an  leichten  Truppen  benutzt,  um 
gegen  Sullas  Verbindungen  zu  operieren,  wie  er  die  Tätigkeit  dieser 
Truppen  durch  die  Besetzung  von  Parapotemioi  unterstützen  will, 
und  als  diese  Umgehung  mifsglückt  ist,  sofort  zu  einer  umfassenderen 
ausholt,  die  bei  Wahrung  seiner  eigenen  Verbindungen  dem  Gegner 
die  seinigen  völlig  abschneidet:  das  alles  zeigt,  dass  wir  es  hier  mit 
einem  Manne  zu  tun  haben,  der  die  Vorteile  seiner  Lage  wohl  kannte 
und  sie  geschickt  auszunutzen  verstand.  Und  als  er  dann  schliefslich 
dem  Drängen  seiner  Unterführer  nachgeben  und  die  Schlacht  liefern 
mufste,  da  hat  er  sie  nicht  nur  umsichtig  auf  das  für  ihn  günstigste 
Gelände  zu  legen,  und  durch  gute  Disposition  die  taktischen  Eigen- 
tümlichkeiten seiner  Truppen  aufs  beste  zur  Wirkung  zu  bringen 
gewufst,  sondern  er  hat  aus  ihr  nach  dem  Scheitern  der  Umfassung 
vom  Orthopagos  durch  persönliches  Eingreifen  erst  auf  dem  rechten, 
dann  auf  dem  linken  Flügel  gemacht,  was  nach  Lage  der  Dinge  aus 
ihr  zu  machen  war. 


2.  Schlachtfeld  und  Schlacht.  383 

Dafs  er  erlegen  ist,  darf  in  seiner  Beurteilung  keine  Instanz 
gegen  ihn  bilden. 

Über  die  folgenden  Ereignisse,  die  Rückkehr  Sullas  nach  Athen, 
seinen  Marsch  gegen  Flaccus  bis  nach  Melitäa  in  Südthessalien,  seine 
abermalige  Umkehr  nach  Böotien  und  die  Schlacht  bei  Orchomenos 
habe  ich  den  bisherigen  Darstellungen  nichts  hinzuzufügen.  Denn  so- 
wenig klar  auch  die  Vorgänge,  besonders  in  der  Schlacht  bei  Orcho- 
menos selbst  sind,  so  fehlt  doch  hier  bei  Plutarch  und  in  noch  höherem 
Grade  natürlich  bei  Appian  die  topographische  Handhabe,  um  eine 
Rekonstruktion  zu  geben.  Die  Vorgänge  haben  sich  vollständig  in 
der  platten  Ebene  abgespielt,  und  es  ist  weder  über  die  Situation 
der  beiderseitigen  Lager  etwas  Sicheres  auszumachen,  noch  über  die 
Richtung  und  Art  der  Schanzarbeiten  Sullas,  denen  er  hier  seinen  Er- 
folg wesentlich  mit  verdankt  zu  haben  scheint,  wie  denn  überhaupt 
diese  Erdarbeiten  in  Sullas  Feldzügen,  sowohl  vorher  am  Philoböetos, 
als  auch  später  gegen  Fimbria  in  Asien  und  in  seinem  italischen 
Kriege  eine  ähnlich  wichtige  Rolle  spielen  wie  später  bei  Cäsar. 
Ebenso  wie  in  vielen  anderen  Beziehungen,  ist  Sulla  auch  hierin  seines 
grofsen  Nachfolgers  unmittelbarer  Vorgänger  gewesen,  und  sehr  mit 
Unrecht  hat  man  auch  die  Berichte  über  diese  ausgedehnten  Feldschanz- 
arbeiten als  Pantastereien  unserer  Quellen  angesehen. 

Wenn  daher  nicht  ein  Zufall  noch  Reste  der  Schanzarbeiten  zu- 
tage fördert,  wozu  aber  allerdings  wenig  Hoffnung  vorhanden  ist,  so 
mufs  man  m.  E.  auf  eine  wissenschaftliche  Wiedergewinnung  dieser 
Fortsetzung  und  Beendigung  der  Sullanischen  Feldzüge  in  Griechen- 
land verzichten. 


Anhang. 


Übersetzung:  von  Plutarchs  Schlaclitbericht  von  Chäronea. 

Plut.  Sulla  17,  8:  Nach  Verlauf  eines  Tages  liefs  Sulla  den 
Murena  mit  1  Legion  und  2  Kohorten  (beim  Lager)  zurück,  um  die 
Feinde  beim  Aufmarsche  zu  belästigen,  er  selbst  aber  opferte  am 
Kephissos  und  rückte  dann  nach  Chäronea  zu,  um  sein  Detachement 
von  dort  (1  Legion  und  die  Hilfstruppen  von  Chäronea  Plut.  ib.  16,  15) 
wieder  an  sich  zu  ziehen  und  die  Stellung  auf  dem  sogenannten 
Thuriongebirge  zu  erkunden,  welche  die  Feinde  besetzt  hatten.  Es 
ist  daselbst  ein  rauher  Gipfel  und  ein  kegelförmiger  Berg,  den  wir 
Orthopagos  nennen;  unter  demselben  ist  der  Lauf  des  Morios  (Molos?)') 

und  der  Tempel  des  Apollo  Thurios (22)  Als  sich  nun  Sulla 

Chäronea  näherte,  führte  der  Tribun  in  der  Stadt  seine  Soldaten  in 
Waffen  heraus  dem  Sulla  entgegen  und  überbrachte  ihm  einen 
Lorbeerkranz.  Nachdem  Sulla  ihn  genommen,  die  Soldaten  begrüfst  und 
sie  zur  Schlacht  angefeuert  hatte,  meldeten  sich  bei  ihm  zwei  Chäro- 
nenser  Bürger,  Homoloichos  und  Anaxidamos,  welche  die  das  Thurion 
besetzt  haltenden  Feinde  zu  vertreiben  versprachen,  wenn  sie  nur 
wenige  Soldaten  von  ihm  dazu  bekämen.  (30)  Denn  es  gäbe  einen 
für  die  Barbaren  nicht  einsehbaren  Pfad,  der  von  dem  sogenannten 
Petrachos  an  dem  Museion  vorbei  zu  dem  Thurion  oberhalb  der 
Barbaren  führe,  und  auf  dem  sie  leicht  über  sie  herfallen,  sie  von 
oben  mit  Steinen  vertreiben  oder  in  die  Ebene  hinabdrängen  könnten. 
Als  nun  Gabinius  die  Tapferkeit  und  Treue  der  Männer  bestätigte, 
befahl  Sulla,  es  zu  versuchen.  Er  selbst  aber  stellte  die  Schlacht- 
ordnung   auf  und   verteilte    die  Reiter   auf  beide  Flügel,  nahm  den 


2)  s.  über  die  Namensformen  S.  372  A.  1. 


Anhang.    Übersetzung  von  Plutarchs  Schlachtbericht  von  Chäronea.      385 

rechten  selbst  und  gab  den  linken  dem  Murena.  Die  Legaten  Galba 
und  Hortensius  erhielten  mit  ihren  Reservekohorten  den  Platz  auf 
den  äufsersten  Flügeln  als  Schutz  gegen  Umfassungen.  (10)  Denn 
man  sah,  dafs  die  Feinde  mit  vielen  Reitern  und  schnellen  Leicht- 
bewaffneten ihren  Flügel  für  eine  Schwenkung  beweglich  und  leicht 
machten,  um  im  weiten  Bogen  auszuholen  und  die  Römer  einzu- 
schliefsen. 

Kap.  18,  15:  Während  dessen  umgingen  die  Chäronenser  mit 
Erikios,  den  sie  von  Sulla  als  Kommandeur  der  Truppe  erhalten 
hatten,  unbemerkt  das  Thurion,  erschienen  plötzlich  und  brachten 
grofse  Verwirrung,  Flucht  und  gegenseitiges  Morden  der  Barbaren 
untereinander  hervor.  Denn  diese  hielten  nicht  stand,  sondern  die 
Abhänge  hinabstürzend,  fielen  sie  in  ihre  eigenen  Spiefse  und  stiefsen 
einander  hinunter,  indes  die  Feinde  von  oben  nachdrängten  und  sie 
von  hinten  verwundeten,  so  dafs  3000  am  Thurion  fielen.  (20)  Von 
den  Flüchtigen  aber  schnitt  Murena,  der  schon  in  Schlachtordnung 
stand,  die  einen  ab  und  vernichtete  sie,  indem  er  ihnen  entgegenging; 
die  anderen  wurden  auf  das  befreundete  Heer  zurückgeworfen,  stürz- 
ten sich  in  Unordnung  auf  die  Phalanx,  erfüllten  den  gröfsten  Teil 
derselben  mit  Furcht  und  Verwirrung  und  brachten  eine  Verzögerung 
hervor,  die  ihnen  nicht  wenig  schadete.  Denn  sofort  führte  Sulla 
seine  Soldaten  gegen  die  verwirrten  Gegner,  und  indem  er  den 
Zwischenraum  schnell  durcheilte,  nahm  er  den  Sichel  wagen  ihre  Kraft. 
Diese  besteht  nämlich  hauptsächlich  in  der  Länge  ihres  Anlaufes, 
der  ihnen  Stärke  und  Schwung  für  den  Durchbruch  gibt,  die  kurzen 
Anläufe  dagegen  sind  unwirksam  und  schwach,  wie  Geschosse,  die 
keine  Spannung  haben.  So  ging  es  auch  damals  den  Barbaren:  die 
ersten  Wagen,  die  langsam  anfuhren  und  träge  anstiefsen,  schlugen 
die  Römer  leicht  zurück  und  verlangten  unter  Geschrei  und  Ge- 
lächter „neue",  wie  im  Zirkus.  Dann  stiefsen  die  Fufstruppen  zu- 
zammen,  indem  die  Barbaren  die  langen  Sarissen  fällten  und  durch 
enge  Scharung  (ovvaomofiqt  s.  S.  376  A.  2)  die  Schlachtordnung  zu 
bewahren  versuchten,  während  die  Römer  ihre  Pilen  niederwarfen 
(vergl.  S.  376  A.  2.),  die  Schwerter  zogen  und  die  Sarissen  beiseite 
hieben,  um  sie  so  schnell  wie  möglich  wütend  anzufallen.  (10)  Denn 
sie  sahen  in  den  ersten  Reihen  15000  Sklaven,  die  die  königlichen 
Feldherren  durch  den  Herold  in  den  Städten  zur  Freiheit  aufgerufen 
und  unter  die  Hopliten  eingereiht  hatten  ....     (15)  Diese  nun,  die 

Kromayer,  Antike  Schlachtfelder.     II.  25 


386  Die  Feldzüge  Sullas  in  Griechenland. 

wegen  ihrer  tiefen  und  engen  Stellung  nur  langsam  von  den  Hopliten 
[der  Römer]  zurückgedrängt  werden  konnten  und  gegen  ihre  Natur 
standzuhalten  wagten,  brachten  die  Schleuderkugeln  (ßeXooyevdövai) 
und  Wurfspeere,  deren  sich  die  hintenstehenden  Römer  ohne  Unter- 
lafs  bedienten,  zum  Weichen  und  in  Verwirrung. 

Kap.  19:  Als  nun  Archelaos  seinen  rechten  Flügel  zur  Um- 
fassung vorgehen  liefs,  liefs  Hortensius  seine  Kohorten  im  Laufschritt 
anrücken,  um  ihn  in  der  Flanke  zu  fassen.  Da  aber  jener  schnell 
die  2000  Reiter  bei  seiner  Person  einschwenken  liefs,  wurde  er 
von  der  Menge  fortgedrängt  und  bis  zu  dem  gebirgigen  Gelände 
zurückgeschoben,  allmählich  von  der  Schlachtreihe  abgetrennt  und 
von  den  Feinden  eingeschlossen.  Von  dem  rechten  Flügel,  der  noch 
nicht  ins  Gefecht  gekommen  war,  bemerkte  Sulla  das  und  eilte  zu 
Hilfe. 

Archelaos  schlofs  aus  dem  Staube,  den  die  Reiter  aufwirbelten, 
was  im  Werke  war,  liefs  von  Hortensius  ab  und  begab  sich  für  seine 
Person  dahin,  (30)  woher  Sulla  kam,  nach  dem  rechten  [römischen] 
Flügel,  da  er  hoffte,  ihn  ohne  Führung  zu  treffen.  Zu  gleicher  Zeit 
führte  Taxiles  die  Chalkaspiden  gegen  Murena,  sodafs  Sulla,  bei  dem 
von  zwei  Seiten  her  ertönenden  und  von  den  Bergen  her  wieder- 
hallenden Schlachtgeschrei,  Halt  machte  und  nicht  wufste,  wohin  er 
sich  wenden  sollte.  Jedoch  fafste  er  den  Entschlufs,  seinen  alten 
Platz  wieder  einzunehmen,  schickte  dem  Murena  als  Unterstützung 
den  Hortensius  mit  4  Kohorten,  befahl  der  fünften  ihm  zu  folgen  und 
sprengte  wieder  auf  den  rechten  Flügel,  welcher  schon  für  sich  allein  mit 
Archelaos  zusammengestofsen  war.  Als  jener  aber  hinzukam,  drängten 
sie  die  Feinde  mit  Gewalt  zurück,  siegten  und  verfolgten  die  eiligst 
Flüchtenden  nach  dem  Flusse  [Kephissos]  und  nach  dem  Akontion 
zu.  (10)  Indessen  vergafs  Sulla  nicht  den  Murena  in  seiner  Not, 
sondern  eilte  ihm  zu  helfen.  Als  er  aber  sah,  dafs  auch  er  siegte, 
da  nahm  er  gleichfalls  an  der  Verfolgung  teil.  Viele  Barbaren 
wurden  in  der  Ebene  getötet,  die  meisten  beim  Lager  erschlagen, 
so  dafs  nur  10000  von  so  vielen  Myriaden  nach  Chalkis  durchkamen. 
Sulla  behauptet,  dafs  man  von  seinen  Leuten  nur  14  vermifst  habe, 
und  von  diesen  hätten  sich  am  Abend  noch  zwei  wieder  eingefunden. 
Deshalb  liefs  er  auf  das  Siegeszeichen  die  Namen  „Ares,  Nike  und 
Aphrodite"  setzen,  um  anzudeuten,  dafs  er  nicht  weniger  durch  Glück 
als  durch  Gewalt   und   Kraft   den   Sieg   errungen    habe.    (20)  Dies 


Anhang.    Übersetzung  von  Plutarchs  Schlachtbericht  von  Chäronea.      387 

Siegeszeichen  für  den  Kampf  in  der  Ebene  steht  da  (eavrjxs),  wo 
zuerst  die  Leute  des  Archelaos  sich  zur  Flucht  wandten  und  bis  zum 
Moloslauf  hinflohen;  ein  zweites  befindet  sich  auf  dem  Gipfel  des 
Thurion,  aufgestellt  (ßeßrjxög'?)  zum  Andenken  an  die  Umzingelung 
der  Barbaren,  und  nennt  mit  griechischen  Buchstaben  den  Homo- 
lo'ichos  und  Anaxidamos  als  verdienteste  Männer  bei  dieser  Unter- 
nehmung. 


25* 


Beilage  I. 


Heeresstärken. 

Was  die  Heeresstärken  im  Mithridatischen  Kriege  betrifft,  so 
stehen  wir  auf  einem  sehr  unsicheren  Boden. 

Am  zuverlässigsten  sind  noch  die  Zahlen  für  die  römische  Armee, 
und  von  ihnen  ist  daher  auszugehen. 

Nach  Appian  (Mithr.  30,  6)  ist  Sulla  mit  fünf  Legionen,  einigen 
überzähligen  Kohorten  und  einigen  Türmen  Reiterei  nach  Griechen- 
land gekommen:  ovv  teXeoi  jtbvtb  xal  07telQcugy)  viol  nal  IXaig. 
Diese  Truppen  waren  von  dem  Heere  von  Capua  genommen,  welches 
im  ganzen  sechs  volle  Legionen  umfafst  hatte  (Plut.  Sulla  9,23:  §£ 
tayiiaxa  teXeia)  und  vor  dem  Zuge  auf  Rom  35  000  Mann  stark 
geschätzt  wurde  (Plut.  Marius  35,  18:  tqio^vqccov  Kai  Jiswarnox^cov 
ov  ^iBtovg  öjiÄltat).  Danach  würde  man  für  die  Armee  Sullas  auf 
rund  30  000  Mann  kommen,  und  diese  Zahl  würde  sich  insofern  noch 
vermehren,  als  Sulla  nach  einer  Nachricht  Appians  gleich  nach  seiner 
Landung  aus  Thessalien  und  Atolien  neue  Truppen  an  sich  gezogen 
hat  (App.  ib.  8:  avß^d/¥ovg  bk  tB  AltcoXlag  xai  QBOöaXlag  ovvbXbybv)^ 
aber  allzuviel  wird  das  bei  seinem  raschen  Durchmarsche  auf  Athen 
nicht  gewesen  sein.  Seine  Verluste  bei  der  erbitterten  Belagerung 
des  Piräus,  die  über  ein  halbes  Jahr  lang  dauerte  (S.  355),  und  zahl- 
reiche Ausfälle  der  Feinde,  zahlreiche  und  sehr  verlustvolle  Stürme 


x)  Bei  der  Erstürmung  Roms  (Plut.  Sulla  9, 23)  und  der  Belagerung  des 
Piräus  werden  Kohorten  von  Bognern  erwähnt.  App.  Mithr.  40,3:  aneCgag,  ai ... 
äzovTiCovaccL  xal  TotjevovGcci . .  av&onxov.  Das  sind  vielleicht  diese  hier  be- 
sonders genannten  Abteilungen,  da  sonst  Bogner  als  Legionssoldaten  nicht 
üblich  sind. 


Beilage  I.     Heeresstärken.  339 

aufzuweisen  hatte  —  man  vergleiche  die  eingehenden  Schilderungen 
Appians  ib.  30,  25  f.  32,  7 ff.  34,  5  ff.  36,  22  ff.  37,  15  ff.,  endlich  den 
letzten  Sturm  40,  16,  den  Archelaos  als  j^avccoör)  Kai  äloyov  be- 
zeichnet — ,  waren  sehr  beträchtlich,  so  dafs  die  Angabe,  es  seien 
bei  Beginn  des  böotischen  Feldzuges  in  seinem  Lager  auf  dem 
Philoböetos  kaum  15  000  Mann  zu  Fufs  und  1500  Reiter  gewesen 
(Plut.  Sulla  16, 28),  nicht  unglaublich  erscheint.  Allerdings  hatte 
Sulla  kurz  vorher  durch  Hortensius  eine  Verstärkung  von  angeblich 
über  6000  Mann  erhalten  (Memnon  32,  3),  und  wenn  man  diese  Truppe 
in  Abzug  bringt,  so  würde  Sullas  Armee  ohne  diesen  Nachschub  nur 
etwa  10  000  Mann  stark  gewesen  sein,  eine  Zahl,  die  kaum  noch 
den  Namen  einer  Armee  verdient.  Aber  wir  müssen  bedenken,  dafs 
einerseits  die  Zahl  von  6000  Mann  nur  durch  die  sehr  unsichere 
Autorität  Memnons  verbürgt  ist,  anderseits  noch  ein  Korps  unter 
dem  Legaten  Curio  die  Akropolis  von  Athen  belagerte  (Plut.  Sulla 
14, 15)  und  für  die  Offenhaltung  der  durch  die  weit  überlegene 
asiatische  Reiterei  bedrohten  Etappenstrafse  durch  Böotien  bezw.  für 
den  Schutz  der  einzelnen  Transporte,  ferner  zum  Schutz  der  Münz- 
stätte im  Peloponnes,  sowie  für  die  Aufrechterhaltung  der  römischen 
Autorität  und  die  Instandhaltung  des  Zufuhrwesens  aus  diesem  ganzen, 
keineswegs  zuverlässigen  Gebiete  überhaupt,  immerhin  nicht  ganz 
unbeträchtliche  Truppen  abkommandiert  gewesen  sein  werden.  Ihne 
(Bd.  V324)  meint,  dafs  unter  den  15  000  Mann  zu  Fufs  und  1500 
Reitern  der  Operationsarmee  Sullas  nur  die  Römer  zu  verstehen  seien 
mit  Ausschlufs  der  griechischen  und  makedonischen  Bundesgenossen, 
und  dafs  mit  Hinzurechnung  dieser  Sullas  Armee  auf  30—40000  Mann 
zu  veranschlagen  sei. 

Dafs  aufser  den  Römern  griechische  Kontingente  in  Sullas  Heer 
fochten,  ist  richtig.  So  haben  wir  schon  Thessaler  und  Ätoler  er- 
wähnt und  haben  ihnen  jetzt  Makedonier  und  Griechen  hinzuzufügen 
(App.  41,15:  'EXXyjvcov  fj  Mansdövcov  öaot  ägvi  JVQÖg  avtbv  ärtö 
sAQ%ekdov  [levsTtösvvo  fj  ei  u  äXXo  jvsqioikov^)).  Aber  nach  Ana- 
logie aller  früheren  Kriege  der  Römer  in  Griechenland  sind  diese 
Kontingente   wohl   kaum  viel  höher  als  etwa  3000  Mann   zu  veran- 


J)  So  war  z.  B.  auch  ein  kleines  Kontingent  aus  Bürgern  von  Chäronea  bei 
der  Armee  (S.  361),  und  auch  bei  der  Rückkehr  nach  Italien  hatte  Sulla  Abteilungen 
von  Makedoniern  und  Peloponnesiern  (folg,  S.). 


390  Die  Feldzüge  Sullas  in  Griechenland. 

schlagen 1).  Die  Bürgermilizen  der  griechischen  Kleinstädte  waren  ja 
kein  gleichwertiges  Soldatenmaterial  und  ihre  Zuziehung  in  gröfserer 
Zahl  nur  eine,  besonders  bei  Sullas  bedrängten  Versorgungsverhält- 
nissen, lediglich  schädliche  Vermehrung  der  Brotesser.  So  viele,  als 
man  zu  Lagerwachen  während  der  Schlacht  und  ähnlichen  Dienst- 
leistungen brauchte,  mag  man  also  neben  den  16  500  Mann  eigent- 
licher Kombattanten  noch  voraussetzen.  Die  Möglichkeit,  dafs  Sulla 
sie  nicht  mitgezählt  hat,  ist  nicht  ausgeschlossen. 

Die  Legionen  Sullas  hätten  also  in  seinem  Feldzuge  von  Chäronea 
mit  Einrechnung  der  Abkommandierten  einen  Bestand  von  rund 
etwa  4000  Mann  gehabt,  was  den  Bestand  der  Cäsarischen 
Legionen  zum  Teil  bedeutend  übertrifft,  die  z.  B.  bei  Pharsalos  nur 
einen  solchen  von  durchschnittlich  2750  Mann  aufzuweisen  hatten 
(s.  unten  S.  426  ff).  Dafs  Sullas  fünf  Legionen  im  Jahre  83  bei  seiner 
Kückkehr  nach  Italien  zusammen  mit  6000  Reitern  und  Hilfstruppen 
aus  Makedonien  und  dem  Peloponnes  nach  Appian  (b.  c.  I  79,  363) 
gegen  40  000  Mann  betragen  haben,  ist  natürlich  kein  Widerspruch, 
da  Sulla  teils  durch  Aufnahme  zahlreicher  Überläufer  aus  Fimbrias 
Heer2),  teils  durch  umfassende  Werbungen  nach  dem  Frieden  von 
Dardanos  sein  Heer  für  den  Kampf  in  Italien  systematisch  ergänzt 
haben  mufs. 

Auf  einen  Bestand  von  16— 20  000  Mann  werden  wir  also  wohl 
Sullas  Operationsarmee  zu  schätzen  haben. 

Das  mufs  uns  einen  Mafsstab  geben  für  die  gegenüberstehenden 
asiatischen  Streitkräfte.  Denn  die  Zahlen,  welche  unsere  übertreibende 
Überlieferung  für  diese  ansetzt,  sind  phantastisch  und  völlig  wertlos. 

Die  Truppen,  welche  Archelaos  im  Anfange  Sulla  entgegen- 
zustellen hatte,  sollen  ihm  schon  numerisch  überlegen  gewesen  sein 
(App.  Mithr.  31,  26).  Dennoch  zieht  er  sich  nicht  nur  in  den  Piräus 
zurück,  sondern  wagt  vor  Ankunft  des  Dromichätes  nicht  einmal  einen 
Ausfall  aus  der   Stadt,  zieht,   was  er  von  Verstärkungen  auftreiben 


x)  Im  Feldzuge  von  Kynoskephalä  betrugen  die  griechischen  Kontingente 
2600  Mann  (S.  103),  im  Feldzuge  gegen  Antiochos  in  Griechenland  war  dem 
Konsul  ausdrücklich  untersagt,  mehr  als  5000  Mann  auxilia  zu  nehmen  (S.  207  A.  1), 
im  Kriege  gegen  Perseus  waren  aus  Griechenland  im  ganzen  3600  Mann  be- 
teiligt (S.  344). 

2)  App.  Mithr,  59, 10.  —  Die  Fimbrianischen  Legionen  blieben  bekanntlich 
in  Asien  zurück. 


Beilage  I.    Heeresstärken.  391 

kann,  an  sich  und  bewaffnet  sogar  die  Ruderer  (App.  Mithr.  31,  23  ff. 
32,  6  f.),  und  alles  das  nur,  um  die  kaum  3  Kilometer  lange1)  Land- 
befestigung des  Piräus  zu  verteidigen. 

Das  Hauptheer  des  Ariarathes  und  Taxiles  wird  dann  zusammen 
mit  den  Truppen  des  Archelaos  in  unseren  Quellen  ziemlich  über- 
einstimmend auf  120  000  Mann  angegeben2). 

Wenn  Philipp  von  Makedonien  den  Römern  bei  Kynoskephalä 
kaum  26  000  Mann  (S.  102)  entgegengestellt,  wenn  Perseus  nach 
jahrelangen  Rüstungen  mit  der  glänzendsten  Armee  Makedoniens 
seit  den  Tagen  Alexanders  es  nur  auf  43  000  Mann  (S.  336)  gebracht, 
wenn  sogar  Antiochos  der  Grofse  bei  Magnesia  nach  Zusammen- 
ziehung aller  eigenen  und  bundesgenössischen  Truppen,  und  zwar  im 
eigenen  Lande,  nur  die  Zahl  von  72  000  Mann  (S.  211)  erreicht  hat, 
so  ist  es  wohl  überflüssig,  solche  Zahlen,  wie  die  hier  für  Mithradats 
Heere  gegebenen,  überhaupt  in  Erwägung  zu  ziehen,  ganz  abgesehen 
davon,  dafs  bei  den  Operationen  in  Griechenland  eine  so  enorme 
Überlegenheit  über  die  Römer  nirgends  in  die  Erscheinung  tritt. 

Selbst  die  Zahl,  welche  Memnon  (32,  3)  gibt  —  über  60  000 
Mann  —  ist  noch  sehr  beträchtlich  zu  hoch. 

So  stehen  wir  also,  was  die  Zahlen  der  Mithradatischen  Heere 
betrifft,  zunächst  da,  ohne  irgendwelchen  quellenmäfsigen  Boden  unter 
den  Füfsen  zu  haben. 

Einen  Anhalt  kann,  wie  erwähnt,  nur  das  Verhältnis  zur  römi- 
schen Armee  geben. 

Und  da  ist  denn  aus  dem  Gange  der  Operationen  zunächst  zu 
erschliefsen,  dafs  doch  eine  bedeutende  numerische  Überlegenheit  auf 
Seiten  der  Asiaten  gewesen  sein  mufs,  besonders  an  leichten  Truppen 
und  Reiterei 3). 


*)  s.  Judeich,  Topographie  von  Athen,  Plan  III.  Ich  rechne  dabei  noch 
das  Stück  auf  der  Eetioneia  und  das  Sta  /ueoov  %(Sfxa  mit,  obgleich  das  eigentlich 
gar  nicht  verteidigt  zu  werden  brauchte.  Ohne  das  ist  die  Landbefestigung  nur 
wenig  über  2  Kilometer  lang. 

2)  App.  Mithr.  41,13.  45,22.  Plut.  Sulla  15,27.  Eutrop.  V  6,3.  Oros. 
VI  2, 4.  Liv.*  ep.  82.  Eeinach  glaubt  S.  162  A.  4  diese  Zahlen  auf  die  Truppen- 
stärken bei  Aufbruch  des  Heeres  aus  Asien  beziehen  zu  dürfen. 

3)  Die  pontische  Reiterei  machte  Sulla  schon  bei  der  Belagerung  des  Piräus 
zu  schaffen  (App.  Mithr.  31, 14.  33,  5).  Für  das  Hauptheer  heifst  es  dann  Plut.  15,  7: 
h  ao^aoi  xal  Xnnoig  zr\v  ßocQßaQixrjv  ovaav  äkxrjv.  Dazu  kommen  die  Notizen  über  die 
Streifereien  der  leichten  Truppen  (S.  360)  und  der  Schlachtplan  selbst  (S.  374  f.). 


392  Die  Feldzüge  Sullas  in  Griechenland. 

Die  Tatsache,  dafs  die  römischen  Truppen  auf  dem  Philoböctos 
sich  vor  der  Überlegenheit  der  Gegner  fürchten,  wird  man  um  so 
weniger  zu  bezweifeln  Grund  haben,  als  sie  wenig  ruhmvoll  ist 
und  durch  den  Umstand  unterstützt  wird,  dafs  Sulla  trotz  seiner 
Verpflegungsschwierigkeiten,  und  trotzdem  er  eine  Entscheidung 
dringend  wünschte,  tatsächlich  nicht  zu  schlagen  wagte  (S.  360). 
Vor  einer  kleinen  numerischen  Überlegenheit  werden  aber  die  kriegs- 
geübten und  auf  ihren  Führer  unbedingt  vertrauenden  Legionen,  die 
sich  bei  Nola  und  im  Samnitenlande  mit  ganz  anderen  Gegnern  ge- 
messen und  eben  unter  unsäglichen  Schwierigkeiten  die  Eroberung 
des  Piräus  glorreich  durchgesetzt  hatten,  kaum  zurückgeschreckt  sein. 
In  Übereinstimmung  damit  ist  das  Heer  des  Archelaos  trotz  starker 
Entsendungen  (S.  360)';  bei  Chäronea  den  Römern  so  überlegen, 
dafs  es  eine  Umfassung  des  Sullanischen  Heeres  auf  beiden  Flügeln 
zugleich  versuchen  kann  und  trotzdem  im  Zentrum  noch  so  stark 
bleibt,  dafs  hier  von  einer  besonders  tiefen  Aufstellung  der  Phalanx 
die  Rede  ist,  eine  Tiefe,  die  nach  Analogie  anderer  Schlachten 
32  Mann  betragen  haben  mufs1)  (oben  S.  323). 

Nun  haben  wir  in  einer  unserer  Darstellungen  die  Angabe,  dafs 
die  vereinigten  Armeen  der  Pontiker  dem  Sulla  um  mehr  als  das 
Dreifache  überlegen  gewesen  wären2). 

Ohne  auf  diese  Angabe  als  Zeugnis  allzuviel  Gewicht  zu  legen, 
möchte  ich  doch  glauben,  dafs  sie  ein,  wenn  auch  immer  noch  über- 
triebenes, so  doch  annähernd  richtiges  Verhältnis  zum  Ausdrucke 
bringen  könnte,  und  man  im  Anschlüsse  daran  die  Gesamtarmee 
vielleicht  auf  40  000  Mann  einschätzen  dürfte,  ein  Verhältnis,  bei 
dem  die  unleugbare  taktische  Überlegenheit  des  römischen  Heeres 
als  Ganzes  und  die  ebenso  unleugbare  militärische  Überlegenheit  des 
einzelnen  Legionars  noch  eben  genügt  haben  dürfte,  um  der  numeri- 
schen Überlegenheit  der  Gegner  die  Wage  zu  halten. 

Nach  der  Niederlage  von  Chäronea  soll  sich  noch  eine  Anzahl 
von  über  10  000  Mann  in  Chalkis  zusammengefunden  haben3).  Diese 
Schätzung  dürfte  eher  zu  niedrig  als  zu  hoch  sein. 

J)  Bei  der  Phalanx  haben  sich  nach  Plut.  Sulla  18, 11  f.  allein  15  000  be- 
freite Sklaven  befunden.  Er  nimmt  also  die  Gesamtzahl  der  Phalangiten  offen- 
bar beträchtlich  gröfser  an. 

2)  App.  Mithr.  41,  17:  oi/d'  is  TQiirj/uoQiov  tcc  navTu  zwv  nolsfxCiav. 

3)  App.  Mithr.  45,  21:  oi  noXv  nXtCovg —  fxvQicov.  Plut.  Sulla  19, 14:  fxvQtovg. 
Dazu  die  Epitomatoren  des  Livius. 


Beilage  I.     Heeresstärken.  393 

Wenn  wir  die  Armee  in  Chalkis  auf  10—20  000  Mann  ansetzen 
und  annehmen,  dafs  zur  Zeit  der  Schlacht  von  Chäronea  noch  etwa 
5—10  000  Mann  von  dem  Heere  entsendet  gewesen  sind,  die  sich 
später  wieder  einfanden,  so  würden  wir  für  die  an  der  Schlacht  be- 
teiligten Truppen  auf  stark  30  000  Mann  und  für  die  gesammelte 
Armee  in  Chalkis  auf  gegen  20  000  Mann  kommen,  d.  h.  auf  Zahlen, 
die  einerseits  mit  den  Operationen  vor  und  bei  Chäronea  in  Über- 
einstimmung wären  und  anderseits  die  Erklärung  dafür  bieten  würden, 
wie  es  kam,  dafs  nach  Ankunft  eines  zur  See  übergeführten,  also  jeden- 
falls nicht  sehr  zahlreichen  Truppentransportes  unter  Dorylaos,  die 
pontische  Armee  alsbald  wieder  völlig  operationsfähig  war  und  dem 
Sulla  zum  zweiten  Male  bei  Orchomenos  entgegentreten  konnte. 

Denn  dafs  die  Überlieferung,  welche  den  Dorylaos  zum  zweiten 
Male  eine  Massenarmee  von  80  000  Mann  herbeiführen  läfst  (Plut 
Sulla  20,  9.  App.  49,  10),  ebenso  freie  Erfindung  gibt  wie  die,  welche 
die  120  000  Mann  des  Taxiles  erdacht  hat,  bedarf  keiner  weiteren 
Begründung. 


Beilage  IL 


Die^Quellen  und  ihre  Kritik. 

Wir  haben  unsere  Rekonstruktion  des  Feldzuges  von  der  Er- 
oberung Athens  bis  zur  Schlacht  von  Chäronea  und  des  Herganges 
der  Schlacht  selber  so  gut  wie  ausschliefslich  auf  Plutarch  gesützt. 
Diese  Bevorzugung  bedarf  keiner  ausführlichen  Rechtfertigung  weiter, 
nachdem  unsere  Darstellung,  von  Punkt  zu  Punkt  an  der  Hand 
Plutarchs  fortschreitend,  gezeigt  hat,  wie  Plutarch  einerseits  infolge 
seiner  zahlreichen  topographischen  Angaben  überall  aus  dem  Gelände 
heraus  zu  kontrollieren  ist  und  sich  aus  ihm  aufs  beste  erklärt,  so 
dafs  Bericht  und  Örtlichkeit  hier  überall  in  dauernder  Überein- 
stimmung bleiben  und  sich  gegenseitig  stützen,  und  wie  anderseits 
der  ganze  militärische  Hergang  sich  nach  den  Angaben  dieser  Quelle 
von  Anfang  bis  zu  Ende  widerspruchslos  und  klar  abwickelt. 

Für  den  Feldzug  bis  zur  Schlacht  hin  war  es  dabei  selbstver- 
ständlich, dafs  Plutarch  allein  zum  Führer  genommen  werden  konnte, 
da  hier  überhaupt  keine  anderen  Nachrichten  von  anderer  Seite  vor- 
liegen ;  für  die  Schlacht  selbst  aber  ist  das  einzuschlagende  Verhalten 
nicht  von  vorn  herein  so  zweifellos,  da  hier  ein  ebenso  ausführlicher 
Bericht  Appians  vorhanden  ist. 

Aber  dieser  Bericht  zeigt  ein  weit  ungünstigeres  Bild,  als 
Plutarch  es  bietet.  Alle  topographischen  Einzelheiten  sind  ver- 
schwunden, das  Ganze  ist  verwischt  und  ins  allgemeine  gezogen,  und 
auch  die  Ereignisse  selbst  sind  so  wenig  präzis  erzählt,  dafs  man 
nur  einmal  den  Versuch  zu  machen  braucht,  sich  aus  Appian  allein 
den  Hergang  der  Schlacht  zu  rekonstruieren,  um  sofort  einzusehen, 
dafs  es  unmöglich  ist.   Dazu  kommt  eine  Anzahl  von  topographischen 


Beilage  II.     Die  Quellen  und  ihre  Kritik.  395 

Unrichtigkeiten,  besonders  die  immer  wieder  hervorgehobene 
felsige  Natur  des  Geländes.  In  diesen  Felsen  soll  das  Lager  des 
Archelaos  mittendrin  gelegen  haben  (42,  24:  sv  ädtoKQr^Jivoig  ötqcito- 
jisdsvö^svov);  sie  sollen  das  Heer  an  guter  Aufstellung  insofern 
gehindert  haben,  als  sie  es  trennten  (42,  4:  rö  sgyov  ovk  stcov  sv 
ovdsvl  koivöv  öXov  tov  OTQatov  ysvsöfiao,  övavfjvai  diä  vrjv  ävco^a- 
Uav  ovk  exovtsg);  die  pontischen  Heiter  sollen  bei  ihrem  Angriff 
auf  Sullas  anrückendes  Heer  geworfen  und  die  Felsen  hinabgestürzt 
sein  (42,  13:  sg  tovg  KorjfAvovg  KataQQt^svvcov);  Sulla  soll  sowohl 
zur  Verfolgung  als  zum  Rückzuge  eine  schöne  Ebene  (42,  22  vjitiov 
Kai  svjtstsg  sg  ötco^iv  Kai  äva%G)QriGiv  mdlov),  Archelaos  aber  zu 
denselben  Verrichtungen  ein  felsiges  Terrain  gehabt  haben  (tQajtslot 
änoQog  diä  vcov  kqtj^vcov  syiyvsto  f)  cpvyrj).  Kurz  diese  Felsen 
sind  vorne,  hinten,  in  der  Mitte  und  zugleich  nirgends;  letzteres 
allein  richtig  bei  der  völlig  glatten  Oberfläche  der  Ebene  des 
Kephissos. 

Was  die  Schlacht  selber  betrifft,  so  läfst  Appian  die  pontische 
Reiterei  durch  die  römische  Phalanx  im  Karriere  durchbrechen  und 
beide  Hälften  derselben  umzingeln  (43,  25:  tovg  d'  Ijtmag  jTQcbTovg 
smiyaycbv  \is%ä  öqö^ov  jioXXov,  öists^s  ttjv  cpäXayya  cPcopialcov  sg 
ovo  Kai  svftaQcbg  SKavsoovg  skvkXovto  diä  %r\v  öXiyovrjta).  Trotz- 
dem kommt  dann  aber  Sulla  dem  Teile  unter  Galba  und  Hortensius 
zu  Hilfe,  ohne  dafs  man  erfährt,  wie  er  das  möglich  gemacht  hat 
(43,  1  f.).  Er  haut  kräftig  ein,  und  hier  ist  es,  wo  er  auch  zuerst 
den  Sieg  gewinnt  (43,14:  aQ^a^svrjg  swavfta  tfjg  viK7]g).  Trotzdem 
aber  wird  der  Sieg  doch  wieder  zuerst  auf  dem  rechten  Flügel  er- 
fochten, wo  Murena  sich  nicht  befindet  (ib.  15:  ovds  Movorfvag 
rjXivvsv  im  tov  Xaiov  rsvaypisvog).  Kurz  es  ist  auch  hier  eine 
völlige  Verwirrung  und  Unklarheit  vorhanden. 

Unter  diesen  Umständen  scheint  es  keiner  weiteren  Recht- 
fertigung zu  bedürfen,  dafs  wir  die  Schlachtrekonstruktion  gleichfalls 
nicht  auf  Appian  gestützt  haben,  sondern  es  ist  vielmehr  zu  erklären, 
weshalb  wir  ihn  doch  an  einigen  Stellen  subsidiarisch  mit  heran- 
gezogen haben.  Der  Grund  dafür  liegt  darin,  dafs  es  trotz  aller 
Wirrnisse  und  Verkehrtheiten  Appians  doch  anderseits  gar  nicht  zu 
verkennen  ist,  dafs  sein  Bericht  sich  in  einer  Reihe  von  wichtigen 
Punkten  aufs  engste  mit  Plutarch  berührt  und  in  letzter  Linie  auf 
dieselbe  Quelle  zurückgehen  mufs. 


396  L>ie  Feldzüge  Sullas  in  Griechenland. 

Die  anfänglichen  Provokationen  der  Pontiker  und  die  Weigerung 
der  Römer  zu  kämpfen  (Appian  42,  20  =  Plut.  1 6,  1  ff.),  der  Marsch 
des  Archelaos  auf  Chalkis  (App.  42,  22:  dvaxcoQOVvu  d'  eg  XaXyJöa); 
denn  das  ist  sachlich  dasselbe  wie  die  Umgehungsbewegung  auf 
Chäronea,  s.  S.  366  A.  2),  die  Nachlässigkeit  in  der  Disziplin  (App. 
42,  10:  ä^eXcbg  eoTQatoJiedevaav  =  Plut.  16,  15),  das  Scheitern  des 
Angriffes  der  Sichelwagen  (App.  42,  15  =  Plut.  18,  28),  die  Not  des 
Hortensius,  der  abgeschnitten  ist,  und  die  Unterstützung  durch  Sulla 
mit  Reiterei  (App.  43,  2  f.  =  Plut.  19,  22  ff.),  das  Aufwirbeln  des 
Staubes  und  die  Vermutung  des  Archelaos,  es  sei  Sulla  selber,  sowie 
die  Befreiung  des  Hortensius  (App.  43,  6  =  Plut.  19,  27  f.),  die  Stel- 
lung des  Murena  auf  dem  linken  Flügel  und  die  Entscheidung  auf  dem 
rechten  (App.  43,  14  =  Plut.  17,  6):  das  alles  sind  so  viele  und  z.  T. 
auffällige  Übereinstimmungen,  dafs  sie  nicht  zufällig  sein  können.  Nur 
ist  alles  verwirrt  und  und  unklar  erzählt,  vielfach  an  verkehrte 
Stellen  geschoben  und  daher  kaum  wieder  zu  erkennen.  Selbst  in  der 
phantastischen  Hervorhebung  der  Felsen  liegt  ein  richtiger  Kern :  das 
Lager  des  Archelaos  lag  ja  in  der  Tat  zwischen  Hedylion  und  Akon- 
tion,  das  Detachement  auf  dem  Orthopagos  wurde  tatsächlich  die 
Felsen  herabgestürzt,  die  Flucht  des  Heeres  führte  ebenfalls  z.  T.  an 
den  Südfufs  des  Akontion,  der  in  der  Tat  schroff  und  felsig  genug 
ist.  Ebenso  steckt  unverkennbar  in  der  Durchbrechung  des  römi- 
schen Heeres  durch  die  pontische  Reiterei  eine  blasse  Erinnerung  an 
die  Abdrängung  des  Hortensius  von  dem  übrigen  Heere  durch  die 
2000  Reiter  des  Archelaos  (S.  377).  Aber  das  alles  ist  so  entstellt 
und  verstellt,  dafs  es  mehr  einem  Trümmerfeld  von  an  sich  guten, 
aber  durcheinander  geworfenen  Architekturstücken,  als  einem  auf- 
rechten Gebäude  gleicht.  Aus  dieser  Sachlage  geht  die  Berechtigung 
hervor,  wenn  auch  mit  grofser  Vorsicht,  einzelne  Brocken  der 
Appianischen  Darstellung  für  die  historische  Rekonstruktion  mit  zu 
verwenden. 

Dafs  Appians  Bericht  ebenso  wie  der  Plutarchs  in 
letzter  Linie  auf  Sullas  Memoiren  zurückgeht,  der  bei  Plutarch 
in  dem  kleinen  hier  zur  Betrachtung  stehenden  Ausschnitte  nicht 
weniger  als  dreimal  als  Autor  genannt  ist  (16,  26:  rrjv  fteoiv  sjiaivet 
$av[A,aölcüg  ö  2vhXag\  17,  25:  cbg  de  IvXXag  avtög  ev  derAtq)  tcbv 
v3TO[Avr)[A,dt(ov  yeyQacps;  19,  15:  6  de  2vXkag  Xeyet),  ist  mir  nach  dem 
Gesagten  nicht  zweifelhaft.    Auch  die  Übereinstimmung  in  den  höchst 


Beilage  II.     Die  Quellen  und  ihre  Kritik.  39? 

übertriebenen  Heereszahlen  und  ebenso  übertriebenen  Verlustzahlen 
der  Pontiker  einerseits  (s.  Beilage  L),  wie  in  der  merkwürdigen 
Geringfügigkeit  der  Sullanischen  Verluste  von  14  oder  15  Mann, 
von  denen  sich  noch  zwei  am  Abend  wieder  einfanden,  anderseits 
(App.  Mithr.  45,  23  =  Plut.  Sulla  19,  15)  weist  auf  dieselbe  gemein- 
same Quelle  hin.  Mit  Recht  hat  Ed.  Schwartz  darin  bei  Appian 
„eine  Spur  von  Sullas  Memoiren"  gesehen  (Artikel  Appian  bei  Pauly- 
Wissowa,  II  224). 

Dafs  Appian  die  Steine  nicht  selbst  durcheinander  geworfen 
hat,  sondern  dafs  hier  ältere  historisch-rhetorische  Umarbeitung  vor- 
liegt, kann  nach  Schwartz'  treffenden  Ausführungen  (in  dem  ange- 
zogenen Artikel,  besonders  S.  225)  keinem  Zweifel  unterliegen.  Unser 
Stück  liest  sich,  als  ob  es  einer  Schuldeklamation  auf  das  Thema 
nachgeschrieben  wäre:  „Wie  die  Schlacht  durch  die  Umsicht  des  Sulla 
und  den  Unverstand  des  Archelaos  verloren  gegangen  ist"  (App. 
Mithr.  45,  25:  tovto  (asv  drj  2vXXa  nai  'AqxsMo)  .  .  tfjg  oregl 
XaiQcbvsiav  ftdx'rjs  TeXog  rjv,  dC  evßovHav  drj  [läXiöta  2vXXa  Kai 
&'  äcpQoovvrjv   'Aq^sMov  roiovde  exavsQq)  yevö^svov). 

Wer  das  Zwischenglied  gewesen  ist  oder  ob  es  mehrere  waren, 
entzieht  sich  unserer  Kenntnis. 


V. 

Pharsalos 

(48  v.  Chr.). 


1.  Die  militärische  Lage  und  die  modernen  Hypothesen 
über  das  Schlachtfeld. 

Eine  nähere  Auseinandersetzung  über  die  strategische  und 
politische  Lage  vor  der  Schlacht  zu  geben,  ist  bei  diesem  Teile  unserer 
Darstellung  nicht  nötig.  Die  Situation  kann  vielmehr  nach  den 
mannigfaltigen  Darstellungen,  die  sie  von  berufener  Seite  gefunden 
hat,  als  bekannt  vorausgesetzt  werden '). 

Ich  beschränke  mich  daher  darauf,  die  Hauptpunkte  derselben 
nur  so  weit  ins  Gedächtnis  zurückzurufen,  als  sie  für  die  Bestimmung 
des  Schlachtfeldes  mit  in  Betracht  kommen  können,  und  dabei  zugleich 
einige  Einzelheiten,  die  bisher  nicht  genügend  klargestellt  waren,  zu 
erörtern. 

Nach  seiner  Niederlage  bei  Dyrrhachion  hatte  Cäsar  seinen 
Rückzug  durch  Epiros  und  über  den  Pafs  von  Metzowo  angetreten2)  T1 

»  *  °  /  Hierzu  Beikarte 
von  Karte  No.  11 

*)  Ich    verweise    hier   statt    auf  ältere  und  allgemein  bekannte  Werke  auf  "^ichtskarte61" 
die   kürzlich    erschienene    Darstellung   von    G.  Veith,    Geschichte    der   Feldzüge         Ko-  *• 
C.  Julius  Casars,  Wien  1906,    ein  Werk,    welches   von   militärischem  Standpunkte 
aus   die  Feldzüge  Cäsars  so   klar  und  übersichtlich  und  mit  so  gesunder  Kritik 
und  Beurteilung    zusammenfafst,    dafs  es  zum  Besten  gehört,    was   in  der  Cäsar- 
literatur in  unserer  Zeit  überhaupt  geschrieben  worden  ist. 

2)  Caes.  b.  c.  III  78:  per  Epirum  atque  Athamaniam.  Zu  der  LA.  Atha- 
maniam  statt  Acarnaniam  vergl.  Drumann-Groebe  III  449  A.  3.  Es  kann  wohl 
kein  Zweifel  sein,  dafs  Cäsar  nicht,  wie  Stoffel  II  S.  9  und  236  annimmt,  auf  un- 
bequemen Bergpfaden  durch  das  Aoostal  marschiert  ist,  sondern  dafs  er,  ebenso  wie 
Flamidnus  (s.  oben  S.  53  f.)  die  grofse  Strafse  durch  das  Drynostal,  am  See  von 
Jannina  vorbei,  benutzt  hat.  Er  hätte,  von  allem  andern  abgesehen,  um  aus  dem 
Wiosatale  nach  Metzowo  zu  kommen,  einen  Sattel  von  etwa  1400  Meter  Höhe 
übersteigen  und  wieder  auf  900  Meter  heruntergehen  müssen.  Man  vergleiche 
für  die  erwähnten  Details  auch  das  neuerschienene  Blatt  Janina  der  österr.  Karte 
von  Mitteleuropa  1 :  200  000,  welches  nur  noch  für  die  Herstellung  der  Beikarte 
von  Karte  No.  1 1  benutzt  werden  konnte.  —  Dafs  Cäsar  dann  über  den  Pafs  von 
Metzowo  gegangen  ist,  versteht  sich  von  selber;  s.  oben  S.  38  A.  1. 

Kromayer,  Antike  Schlachtfelder.     II.  26 


402  Pharsalos. 

in  der  Absicht,  sich  mit  seinen  Detachements  in  Makedonien  und 
Griechenland  zu  vereinigen  und  sich  so  wieder  zu  verstärken.  Diese 
Vereinigung  mit  dem  makedonischen  Detachement  von  zwei  Legionen 
unter  Domitius  Calvinus  gelang  nun  bei  Äginion  in  Thessalien,  wohin 
Domitius  von  Heraklea  Lynkestis  aus  auf  Bergpfaden  glücklich  ge- 
langt war.  Er  hatte  sich  dem  auf  der  Via  Egnatia  anrückenden 
Pompejus  durch  einen  geschickten  Seitenmarsch  entzogen  und  war, 
zwischen  den  Heeren  des  Scipio  und  Pompejus  nach  Süden  aus- 
weichend, über  den  Pafs  von  Pisoderi  ins  Tal  der  Wistritza  und  von 
da  auf  Bergpfaden  wohlbehalten  nach  Äginion  gekommen1). 

Die  Erstürmung  von  Gomphi  und  die  Übergabe  von  Metropolis 
gleich  danach  hatten  den  Übertritt  sämtlicher  thessalischer  Städte 
aufser  Larissa  auf  Cäsars  Seite  zur  Folge2).  Auch  Pharsalos  mufs 
danach  in  seine  Hand  gekommen  sein. 

Jetzt  war  weitere  Eile  nicht  mehr  nötig;  Cäsar  konnte  seinen 
erschöpften  Truppen  die  nötige  Ruhe  gönnen  und  scheint  in  der  Tat 
in  der  grofsen,  fruchtbaren,  südwestthessalischen  Ebene  seinen  Fufs 
ganz  langsam  vorwärts  gesetzt  zu  haben,  so  dafs  er  erst  nach  sieben 
Tagemärschen  von  Gomphoi  aus,  furagierend  und  sich  verproviantierend, 
in  der  Nähe  von  Pharsalos  ankam,  wo  er  ein  Standlager  aufschlug 
und  Pompejus'  Ankunft  erwartete3). 

2)  Caes.  b.  c.  III  79  nennt  nur  Anfangs-  und  Endpunkt  von  Domitius'  Marsch. 
Heraklea  ist  natürlich  nicht  „Sintica",  sondern  „Lynkestis",  jetzt  Monastir;  vergl. 
Drumann-Groebe  III  452.  —  Aber  auch  die  Marschroute  im  einzelnen  steht  fest: 
Um  sich  dem  Pompeius  zu  entziehen,  ohne  dem  Scipio  in  die  Hände  zu  laufen, 
der  am  Haliakmon  in  der  Gegend  des  Passes  von  Servia  stand,  konnte  Domitius 
nur  die  Route  einschlagen,  welche  über  den  Pafs  von  Pisoderi  (s.  über  ihn  oben 
S.  13  A.  2)  nach  Kastoria  ins  Wistritzatal  hinabsteigt;  dann  mufste  er  die  Wistritza 
abwärts  über  Lapsista  nach  Greveno  gehen,  von  da  den  Wenetikos  aufwärts  etwa 
bis  Kipurjos  —  etwa  in  der  Mitte  zwischen  Greveno  und  dem  Passe  von  Milia  — 
und  endlich  von  hier  in  südöstlicher  Richtung  an  den  Hängen  der  Kratzovonkette 
entlang  über  die  sogenannten  Kambunischen  Berge  an  Georgitza  und  Meritza 
vorbei  den  Endpunkt  Kalabaka— Äginion  erreichen.  Der  letzte  Teil  dieser  Route 
fällt  mit  dem  von  Heuzey,  Mission  S.  297  und  Plan  B,  beschriebenen  Itinerar  zu- 
sammen. 

2)  B.  c.  III  81 :  nulla  Thessaliae  fuit  civitas  praeter  Larissaeos  .  . .  quin 
Caesari  pareret  atque  imperata  faceret.  Das  ist  natürlich  cum  grano  salis  zu 
verstehen,  da  wedor  Thessalien  nördlich  von  Larissa  noch  die  Küste  sich  Cäsar 
angeschlossen  haben  können ;  vergl.  Leake,  Transact.  S.  77. 

3)  App.  b.  c.  II  64,268  (Viereck):  KuZouq  iura  awTovcog  rj/u^aig  odtvoag 
(von  Gomphoi    aus)    toiQUTonsdzvGe.  neql  <t>aqocdov.     Ob    die  Nachricht   von    den 


1.  Die  milit.  Lage  und  die  modernen  Hypothesen  über  das  Schlachtfeld.     403 

Hier  war  es  auch,  wo  er  zu  gleicher  Zeit  am  besten  seine  Ver- 
stärkungen aus  Griechenland,  15  Kohorten  unter  Fufius  Calenus,  ohne 
Gefahr  vor  den  Pompejanern  an  sich  ziehen  konnte.  Denn  durch 
eine  Stellung  in  dieser  Gegend  deckte  er  den  Nordausgang  des  Passes 
von  Domoko,  über  den  Calenus  zu  erwarten  war1). 

Während  derselben  Zeit  war  Pompejus  durch  Makedonien  auf 
der  Egnatischen  Strafse,  dann  südwärts  abbiegend  durch  das  Becken 
von  Kailar  und  über  den  Pafs  von  Servia  nach  Larissa  marschiert, 
hatte  sich  hier  mit  Metellus  Scipio  und  dessen  zwei  Legionen  ver- 
einigt und  war  dann  Cäsar  nach  Pharsalos  entgegengerückt2).  Der 
Weg  dahin  geht  zwischen  dem  Karadagh  und  den  Mavrovunibergen 
hindurch  über  die  niedrige  Hügelkette  der  Kynoskephalä  in  direkt 
südlicher  Richtung  in  die  Ebene  von  Pharsalos  hinab3). 

Da  Pompejus  sich  aufser  von  Larissa  ohne  Zweifel  auch  noch 
vom  Meere  her,  dem  nahen  Golf  von  Volo  aus,  verproviantiert  hat 4), 
so  kann  man  sagen,  dafs  seine  Verbindungen  nach  Norden  und  Osten 
hin  lagen,  während  Cäsar  die  seinigen  nach  Süden  und  Westen,  der 
südwestthessalischen  Ebene  und   dem  Passe   von  Domoko  hin  hatte. 

Diese  allgemeine  Feststellung  der  Lage  bringt  allerdings  zu- 
nächst für  die  genauere  Bestimmung  des  Schlachtfeldes  nicht  viel 
Nutzen.     Denn    die  Ebene  von  Pharsalos,    auf  welche  wir  dadurch 


sieben  Märschen  zwischen  Gomphoi  und  Pharsalos  mit  Goeler  II  148  anzunehmen 
oder  mit  Stoffel  II  237  abzulehnen  und  anders  zu  erklären  ist,  bleibt  freilich  bei 
der  Unzuverlässigkeit  Appians  zweifelhaft.  Von  Gomphoi  bis  Pharsalos  sind 
übrigens  nur  etwa  70  Kilometer  —  also  nicht,  wie  Göler  meint,  27  Stunden  — ,  so 
dafs  Cäsar  nur  10  Kilometer  täglich  marschiert  wäre.  —  Den  Namen  Pharsalos 
nennt  bekanntlich  Cäsar  als  Schlachtort  überhaupt  nicht.  Er  sagt  nur  b.  c.  III  81: 
idoneum  locum  in  agris  nactus  ...  ibi  adventum  expectare  Pompei  eoque  omnem 
belli  rationem  conferre  constituit. 

J)  Über  Calenus'  Truppen  b.  c.  III  34  f.  56 ;  man  vergleiche  Drumann-Groebe 
III  458  A.  3. 

2)  Caes.  b.  c.  III  81:  Larissaeos,  qui  magnis  exercitibus  Scipionis  tenebantur. 
ib.  82:  Pompeius  ...  in  Thessaliam  pervenit. 

3j  App.  b.  c.  II  65,  272:  Pompeius  aviaöTQaTOTiiötvoe  t<£  Kaiöccgi  ti£qI 
tfraQGcdov.  Ebenso  Plut.  Pomp.  68  xaTäßr\aav  ig  to  <f>aQGakiov  nediov  und  ib.  71; 
Caes.  42  und  sonst.  Über  den  Weg  dorthin  vergl.  oben  S.  69  den  Feldzug  vom 
Jahre  197  v.  Chr. 

4)  App.  b.  c.  II  66,273:  ayoQcc  de  ÜofiTirjio)  [asv  r\v  navictxo&ev  ovtw  yaQ 
uvi(x)  nqoditoxrivio  xtu  odol  xal  hftEVsg  xal  (pQovQict,  (og  ix  ze  yrjg  du  (f£(i£Odctt  xal 
diu  öakaööiyg  navza  ävtftov  avzio  (piqtiv. 

26* 


Hierzu  Karte 


404  Pharsalos. 

hingewiesen  werden,  hat  immer  noch  eine  sehr  beträchtliche  Aus- 
dehnung. Sie  setzt  sich  als  östlicher  Zipfel  an  die  mehrfach  genannte 
grofse  südwestthessalische  Ebene  an  in  einer  Breite,  die,  von  Proerna 
ko.  11.  am  Nordausgange  des  Domokopasses  bis  zum  Dogandschigebirge  im 
Norden  der  Ebene  gemessen,  etwa  17  Kilometer  beträgt,  während 
ihre  Länge  sich  von  hier  aus  in  östlicher  Richtung  bis  zum  Durch- 
bruche des  Kütschük,  d.  h.  Kleinen  Tschinarli  bei  Orman  Magula 
in  einer  Ausdehnung  von  etwa  20  Kilometern  hinstreckt. 

Allerdings  verschmälert  sie  sich  nach  Osten  zu  trichterförmig,  da 
die  begleitenden  Hügelzüge,  das  Mavrovunigebirge,  die  Kynoskephalä 
und  der  Karadagh  im  Norden,  das  Alogopatigebirge,  die  Surlagruppe 
und  der  Karadscha  Achmed  im  Süden,  sich  immer  mehr  einander 
nähern,  bis  sie  im  Osten  bei  dem  erwähnten  Durchbruche  des  Kleinen 
Tschinarli  fast  zusammenstofsen. 

Aber  die  zu  betrachtende  Fläche  bleibt  immerhin  noch  so  grofs, 
dafs  wir  uns  dringend  danach  umsehen  müssen,  ob  unsere  Über- 
lieferung uns  nicht  noch  speziellere  topographische  Daten  für  die 
Lokalisierung  im  einzelnen  an  die  Hand  gibt,  ehe  wir  im  Terrain 
selber  auf  die  Suche  ausgehen  können. 

Cäsar  zunächst  spricht  davon,  dafs  Pompejus'  Lager  auf  einem 
Hügel  oder  auf  Hügeln  gelegen  hätte,  wrährend  sein  eigenes  in  der 
Ebene  aufgeschlagen  gewesen  sei1);  er  erwähnt  ferner,  dafs  Pompejus 
in  der  Schlacht  seinen  rechten  Flügel  an  einen  Bach  mit  steilen 
Ufern  angelehnt  habe,  während  der  andere  nach  dem  Schlachtbericht 
frei  in  die  Ebene  hinausstand2);  er  bemerkt,  dafs  an  dieser  Seite 
sehr  hohe  Berge  die  Ebene  begrenzt  hätten,  in  die  die  Pompejanische 
Eeiterei  geflohen  sei3),  dafs  auch  die  flüchtigen  Legionen  nach  Ein- 
nahme des  Lagers  in  sehr  hohe  Berge  geeilt  seien,  die  an  das  Lager 
anstiefsen 4),  dafs  der  Berg,  auf  dem  sie  sich  dann  gesammelt  hätten, 


L)  B.  c.  III  85:  Pompeius,  qui  castra  in  colle  habebat.  ib.  84:  ut. .  collibus 
Pompeianis  aciera  subiceret.  Von  seinem  eigenen  Lager  heifst  es  dagegen  ib.  81: 
idoneum  locum  in  agris  nactus.  Ackerland  ist  aber  in  der  pharsalischen  Gegend 
fast  nur  in  der  Ebene  zu  finden.  Die  Hügel  der  Südseite,  an  die  man  hier  allein 
denken  könnte,  sind  fast  durchweg  felsig  oder  mit  Wiesengrund  bedeckt. 

2)  B.  c.  III  88:  dextrum  cornu  eius  rivus  impeditis  ripis  muniebat.  Auf 
dem  andern  Flügel  steht  die  ganze  Reiterei  und  wird  die  Umfassung  beabsichtigt; 
also  war  hier  freie  Ebene. 

3)  B.  c.  III  93:  ut .. .  fuga  montes  altissimos  peterent. 

4)  B.  c.  III  95:  in  altissimos  montes,  qui  ad  castra  pertinebant,  confugerunt. 


1.  Die  milit.  Lage  und  die  modernen  Hypothesen  über  das  Schlachtfeld.     405 

ohne  Wasser  gewesen  sei,  dafs  sie  ihn  darum  wieder  verlassen  und 
sich  auf  dem  an  ihn  anschliefsenden  Bergrücken  nach  Larissa  zu 
zurückzuziehen  begonnen  hätten1),  dafs  er  selber  ihnen  aber  auf 
bequemerem  Wege  zuvorgekommen  sei  und  ihnen  nach  einem  Marsche 
von  6  Millien  bei  einem  anderen,  von  einem  Flusse  bespülten  Berge 
den  Weg  verlegt  habe2). 

Das  alles  sind  zwar  sehr  wertvolle  Einzelheiten,  aber  sie  bringen 
keinen  Gewinn,  solange  nicht  das  Gebiet  für  die  Schlacht  enger,  als 
bisher  geschehen,  umgrenzt  ist.  Denn  Hügel,  hohe  Berge,  Bäche  mit 
steilen  Ufern,  Berge  ohne  Wasser  und  solche,  deren  Fufs  bespült  ist, 
gibt  es  in  der  weiten  pharsalischen  Ebene  an  mehr  als  einem  Orte. 

Es  ist  deshalb  unerläfslich,  zu  näherer  Einschränkung  des  Unter- 
suchungsgebietes, die  noch  aufser  Cäsar  vorhandene,  mit  Namen 
weniger  sparsame  Tradition  heranzuziehen,  deren  Glaubwürdigkeit 
gerade  auf  diesem  Gebiete  trockener  Topographie  am  wenigsten  an- 
fechtbar sein  dürfte3).  Sie  gibt  nun  an,  dafs  der  Bach,  an  den 
Pompejus  seinen  rechten  Flügel  anlehnte,  der  Enipeus  gewesen  sei4), 
dafs  die  beiden  Heere  zwischen  dem  Enipeus  und  der  Stadt  Pharsalos 
aufmarschiert  seien5),  dafs  beide  Lager  30  Stadien,  d.  h.  5,3  Kilo- 
meter, voneinander  abgestanden  hätten6),  und  endlich,  dafs  Cäsar 
unmittelbar  vor  der  Schlacht  die  Absicht  gehabt  habe,  auf  Skotussa 
zu  marschieren7). 

Es  existieren  nun  in  der  Ebene  von  Pharsalos  im  ganzen  drei 
Bäche  oder  wenn  man  will  Flüsse. 


*)  B.  c.  III  97:  Pompeiani,  quod  is  mons  erat  sine  aqua  . . .  relicto  monte 
universi  iugis  eius  Larissam  versus  se  recipere  coeperunt. 

2)  B.  c.  III  97:  (Caesar)  commodiore  itinere  Pompeianis  occurrere  coepit 
et  progressus  railia  passuum  VI  aciem  instruxit.  Qua  re  animadversa  Pompeiani 
in  quodam  monte  constiterunt.     Hunc  montem  flumen  subluebat. 

3)  Über  die  Quellen  dieser  Tradition  und  ihre  Glaubwürdigkeit  s.  unten 
S.  434  f. 

4)  Frontin  II  3, 22 :  (Pompeius)  dextro  latere  DC  equites  propter  flumen 
Enipea. . . .  locavit.  Lucan  VII  224:  at  iuxta  fluvios  et  stagna  undentis  Enipei 
Cappadocum  montana  cohors  . . .  ibat. 

5)  App.  b.  c.  1175,313:  Pompeius  naQeiaaas  .  .  lg  to  [xeia'Zv  <Pa.QaaXov  re 
nokecog  y.cd  'Eviniwg  noiafxov,  £V&a  aal  6  KaToccg  aVTiöiexoöfxei. 

6)  App.  b.  c.  II  65,272:  tqiÜxovtcc  aiaöiovg  äXXrjXeov  cctih/ov. 

7)  Plut.  Pomp.  68:  [itXXorrog  aviov  nQog  ZxotovOckv  iiva&vyvLuv.  Ebenso 
Cäsar  43. 


406  Pharsalos. 

Der  erste  ist  der  schon  erwähnte  Kleine  Tschinarli,  auch 
Phersalitis  genannt.  Er  entspringt  auf  der  hohen  Othrys  und  fliefst 
etwa  40  Kilometer  in  nördlicher  Richtung,  bis  er,  am  Ostende  der 
pharsalischen  Ebene  bei  Orman  Magula  angekommen,  plötzlich  scharf 
nach  Westen  umbiegt  und  nun  die  ganze  Ebene  erst  in  westlicher,  dann 
in  nordwestlicher  Richtung  durchläuft.  Er  ist  ihr  Hauptflufs,  aber 
wie  die  meisten  griechischen  Flüsse  von  sehr  verschiedenem  Wasser- 
stand. Im  Sommer  überall  durchschreitbar,  im  Winter  und  nach 
Gewitterregen  oft  so  angeschwollen,  dafs  er  nicht  nur  sein  60  bis 
70  Meter  breites  Bett  ganz  anfüllen,  sondern  Äcker  und  Wiesen  weit- 
hin überschwemmen  soll,  obgleich  er  fast  auf  seinem  ganzen  Laufe 
durch  die  Ebene  von  etwa  6  Meter  hohen,  steilen  Lehmufern  ein- 
gefafst  wird;  eine  Eigenschaft,  die  —  nebenbei  gesagt  —  für  uns  als 
Charakteristikum  des  Flusses  von  besonderer  Wichtigkeit  ist1). 

Der  zweite  Bach  ist  die  Tabakhana,  gleichfalls  gelegentlich 
Phersalitis  genannt.  Er  entspringt  in  sehr  starker,  Sommer  und 
Winter  fast  gleichmäfsig  fliefsender  Quelle  unmittelbar  an  den  alten 
Stadtmauern  von  Pharsalos  und  fliefst  in  nordwestlicher  Richtung 
mit  dem  Kleinen  Tschinarli  parallel,  3 — 5  Kilometer  von  ihm  ent- 
fernt2). Er  sieht  überhaupt  nicht  aus  wie  ein  Flufs,  sondern  wie 
ein  kleiner  Mühlgraben  von  etwa  2  Meter  Breite,  zum  Teil  bis  zum 
Rande  mit  Wasser  gefüllt,  das  schnell  und  klar  dahinfliefst,  zum  Teil 
mit  Ufern  von  72  bis  1  Meter  Höhe,  die  durch  kleine  Unebenheiten 
des  umliegenden  Acker-  und  Wiesenlandes  gebildet  werden.  Sein 
Wasser  ist  etwa  70—80  Zentimeter  tief3). 

Der  dritte  Bach  endlich  ist  der  A'ikli.  Er  entspringt  auf  der 
kleinen  Hochebene  von  Tschaterli  östlich  von  Phersala,  fliefst  in  tief- 
eingeschnittenem Tälchen  nach  Norden  und  verliert  sich,  da  er  ge- 
wöhnlich sehr  wenig  Wasser  hat,  in  der  Ebene.  Nur  mit  Mühe  kann 
man  an  dem  feuchteren,  zum  Teil  sumpfigen  Boden,  hie  und  da  auch 


*)  Ebenso  nach  den  Beschreibungen  der  anderen  Augenzeugen:  Leake 
(I  448.  IV  472),  Heuzey  (Operations  de  Cesar  S.  105),  Stoffel  II  17. 

2)  So  auch  Leake  I  453,  der  den  Bach  aber  irrtümlich  bei  Vashli  —  wohl 
Vasili  —  in  den  Kleinen  Tschinarli  münden  läfst;  ferner  Heuzey,  Mission  412; 
Operat.  132. 

3)  Heuzey  (Operat.  132)  taxiert  ihn  „large  au  plus  de  quatre  ä  cinq  metres". 
Das  ist  zu  hoch. 


1.  Die  milit.  Lage  und  die  modernen  Hypothesen  über  das  Schlachtfeld.     407 

an  einer  trockenen,  etwa  1—2  Meter  breiten  und  bis  zu  1  Meter 
tiefen  Bachrinne  erkennen,  wo  zu  Zeiten  gröfserer  Wasserfülle  sein 
Bett  gehen  mag1).  So  war  der  Zustand  schon  im  Monat  April,  als 
ich  die  Gegend  besuchte.  Im  Juni  —  also  zur  Zeit,  wo  die  Schlacht 
geschlagen  wurde  —  wird  er  überhaupt  gar  nicht  vorhanden  sein. 
Es  kann  nach  dem  Gesagten  keinem  Zweifel  unterliegen,  dafs 
von  diesen  drei  Bächen  für  den  Enipeus  der  Alten  nur  der  Kleine 
Tschinarli  in  Betracht  kommen  kann:  er  entspringt  in  der  hohen 
Othrys,  ebenso  wie  der  Enipeus2);  wie  dieser  ist  er  grofs  genug,  um 
als  Anlehnung  für  eine  Flanke  der  Schlachtlinie  zu  dienen,  wie  er 


!)  Von  Leake  erwähnt  IY  330.  470,  von  Heuzey  Op.  S.  130. 

2)  Strabo  IX  5,6.  C.  432:  Mslirctius  <T  cmoj&ev  ((paolv)  iavTcov  odov  d&a 
araöiovg  oly.Elo&ai,  rr)V  'Eklada  ntgav  tov  'Evintwg  .  .  .  6  <T  'Evinsui  anb  rrjg 
^'O&QVog  naQcc  <t>aQtiaXov  yvüg  eig  ibv  \4mdavbv  nctQctßdXXti,  6  <T  dg  rbv  Urjveiov. 
Der  Enipeus  flofs  also,  wie  auch  Thukydides  IY  78,  1—3  bestätigt,  dicht  bei 
Melitäa  vorbei,  deren  Lage  in  der  hohen  Othrys  beim  Dörfchen  Avaritza  seit 
Ussings  Entdeckung  einer  Inschrift  mit  dem  Namen  der  Stadt  feststeht  (Bursian 
I  85).  Dafs  Goeler  den  Enipeus  mit  dem  kleinen  A'iklibächelchen  gleichgesetzt 
hat,  beruht  auf  Nichtbeachtung  dieser  Tatsache  und  auf  seiner  sehr  mangel- 
haften kartographischen  Kenntnis  der  Ebene  von  Pharsalos  überhaupt.  Die 
Identität  von  Enipeus  und  dem  Kleinen  Tschinarli  ist  denn  auch  seit  Leakes 
gründlicher  Erörterung  der  Frage  (IY  320  f.)  von  keinem  der  späteren  Forscher 
(vergl.  Mommsen,  Heuzey,  Stoffel)  bestritten  worden.  Wohl  aber  ist  es  möglich, 
dafs  der  Enipeus -Tschinarli  im  Altertum  gelegentlich  auch  mit  dem  Namen 
Apidanos  bezeichnet  worden  ist.  Mehrere  Nachrichten,  die  den  Apidanos  als  einen 
oder  sogar  den  gröfsten  Flufs  von  Achaia  Phthiotis  bezeichnen  (Herodot  YII  196. 
Euripid.  Hek.  451.  Iph.  Aul.  713)  und  ihn  bei  Pharsalos  vorbeifliefsen  lassen 
(Strabo  VIII  332.  C.  356  in  einer  Glosse;  auch  Thukyd.  IV  78,5:  ig  <Pagacd6v  te 
frs'Uoe  xocl  loiQctTonedtiiaaTo  inl  tcu  'Anidavtp  nota/uu  gehört  wohl  hierher)  legen 
diese  Vermutung  nahe.  Der  Apidanos  ist,  wie  Leake  unzweifelhaft  nachgewiesen 
hat,  der  aus  dem  Enipeus-Tschinarli  und  verschiedenen  anderen,  fast  gleich 
grofsen  Flüssen  weit  unterhalb  Pharsalos'  entstehende  Flufs  von  Vloko,  der  die 
gesamten  Gewässer  der  südwestthessalischen  Ebene  dem  Peneos  zuführt.  Da  ist 
es  denn  sehr  wohl  möglich,  dafs  dieser  Gesamtname,  der  ursprünglich  einem 
andern  Quellarm  —  Leake  meint  dem  Quellarm  von  Domoko  =  Vrysia  —  zugekommen 
ist,  gelegentlich  auch  auf  den  Enipeus  übertragen  wurde.  Wer  in  Griechenland 
gereist  ist  und  weifs,  wie  wenig  genau  die  Einheimischen  mit  derartigen  Namen- 
gebungen  zu  sein  pflegen,  wird  sich  über  derartige  Übertragungen  nicht  im 
geringsten  wundern.  Für  unseren  Zweck  hier  gehen  uns  diese  Möglichkeiten  aber 
nichts  an.  Von  dem  Apidanos  ist  in  unseren  Schlachtberichten  gar  nicht  die 
Rede,  sondern  nur  von  einem  Enipeus;  ein  Enipeus  in  der  Pharsalischen 
Ebene  kann  aber  nach  dem  Gesagten  eben  nur  der  Kleine  Tschinarli  sein,  und 
darauf  kommt  es  hier  an. 


408  Pharsalos. 

endlich  mit  seinen  6  Meter  hohen  Steilufern  ein  rivus  impeditis 
ripis. 

Da  nun  auch  die  Identität  des  heutigen  Phersala  mit  dem  antiken 
Pharsalos  feststeht1),  so  sollte  man  meinen,  dafs  über  den  Ort  der 
Schlacht  eigentlich  kein  Streit  mehr  sein  könnte,  sondern  dafs  man 
ihn  zwischen  dem  Kleinen  Tschinarli  und  Phersala  ansetzen  müfste, 
und  dafs  sich  die  Hügel  und  Berge  für  die  Lager,  den  Rückzug  und 
die  Kapitulation  der  Pompejaner  gleichfalls  in  eindeutiger  Lokalisierung 
in  der  Landschaft  müfsten  festlegen  lassen. 

Aber  trotzdem  sind  merkwürdigerweise  eine  ganze  Anzahl  von 
Hypothesen,  sowohl  über  den  Ort  der  Schlacht  selber  als  über  die 
Operationen  nach  ihr  aufgestellt  worden,  und  jeder  neue  Forscher 
hat  die  Ansichten  der  früheren  mehr  oder  weniger  über  den  Haufen 
zu  werfen  versucht. 

Den  Reigen  dieser  Forscher   eröffnet  der  verdienstvolle  Leake. 

Im  engen  Anschlufs  an  die  Quellen  setzt  er  die  Schlacht  in  der 
Tat  zwischen  dem  Kleinen  Tschinarli  und  Phersala  an,  Pompejus  mit 
dem  rechten  Flügel  an  den  Flufs  gelehnt.  Das  Lager  des  Pompejus 
versetzt  er  auf  die  Höhen  westlich  von  Phersala,  also  wohl  auf  den 
Hügel  Krindir,  das  Cäsars  41  Kilometer  östlich  von  Phersala  an  den 
Fufs  des  Alogopatiberges.  Die  Flucht  der  Pompejaner  läfst  er  über 
den  Enipeus  in  nördlicher  Richtung,  auf  Larissa  zu,  stattfinden.    Den 


')  Sie  stützt  sich  nicht  nur  auf  die  Namensgleichheit,  sondern  auf  sehr 
bedeutende  Reste  antiker  Bauten,  besonders  der  Stadtmauern  (Leake  I  449  ff.). 
Meinungsverschiedenheit  herrscht  dagegen  über  die  Lage  von  Paläpharsalos,  das 
wiederholt  als  Schlachtort  genannt  wird  (b.  AI.  48.  Frontin  II  3,  22.  Eutrop 
VI  20,4.  Oros.  VI  15,27.  Strabo  XVII  1,11.  C.  796),  aber  nie  so,  dafs  etwas 
Genaueres  über  seine  Lage  zum  Schlachtfeld  daraus  hervorginge.  Es  wird  von 
Leake  mit  der  Akropolis  von  Pharsalos  identifiziert  oder  eine  Viertelstunde  östlich 
davon  angesetzt  (IV  329.  48H,  von  Heuzey  auf  den  kleinen  Hügel  Kuturi  am 
Tschinarli  verlegt  (Op.  132.  109),  von  Goeler  (II  149)  auf  das  rechte  Ufer  des 
Tschinarli  übertragen,  von  Mommsen  (R.  G.  1 6  S.  425)  zwischen  Phersala  und 
dem  Phersalitis  (Tschinarli)  vermutet,  von  Stoffel  (II  244)  zwischen  Lasar-Buga 
und  Ürman  Magula  lokalisiert,  je  nachdem  die  verschiedenen  Forscher  sich  ihre 
Theorien  über  das  Schlachtfeld  zurechtgelegt  haben.  Da  über  seine  Lage  also 
nichts  feststeht,  so  müssen  wir  es  aus  der  Untersuchung  über  das  Schlachtfeld 
ausschalten,  wenn  wir  nicht  ein  x  durch  ein  y  zu  bestimmen  versuchen  wollen. 
Unter  diesen  Umständen  ist  aber  ausdrücklich  zu  betonen,  dafs  das  Schlachtfeld 
von  Appian  (s.  S.  405  A.  5)  nicht  zwischen  Alt-Pharsalos  und  dem  Enipeus, 
sondern  zwischen  Pharsalos  und  dem  Enipeus  angesetzt  wird. 


1.  Die  milit.  Lage  und  die  modernen  Hypothesen  über  das  Schlachtfeld.     409 

Berg  der  Kapitulation  legt  er  an  den  Bach  von  Supli  bei  Skotussa, 
den  er  Onochonosflufs  nennt1). 

In  seiner  Aufstellung  ist  eine  Lücke,  und  in  ihr  liegt  eine  Un- 
möglichkeit. Wo  ist  der  mons  sine  aqua,  auf  den  die  Pompeianer 
geflüchtet  sind?  Legt  man  ihn  auf  die  linke  Seite  des  Enipeus,  so 
ist  die  Entfernung  von  ihm  zum  Bache  von  Supli  zu  grofs:  aus  den 
6  Millien,  die  Cäsar  angibt,  werden  mindestens  9;  und  der  Bergrücken, 
auf  dem  sich  die  Pompejaner  zurückgezogen  haben,  ist  überhaupt 
nicht  vorhanden.  Sie  hätten  vielmehr  durch  die  Ebene  des  Enipeus 
hindurch  gemufst.  Legt  man  ihn  dagegen  auf  das  rechte  Ufer  des 
Flusses,  so  ist  dort  ein  Berg,  den  man  durch  eine  Feldverscbanzuug 
einschliefsen  kann2),  wie  Cäsars  mons  sine  aqua  war,  überhaupt  nicht 
zu  finden,  sondern  hier  dehnt  sich  das  charakterlose  Hügelland  der 
Kynoskephalä  aus  (vergl.  S.  70).  Dazu  kommt  endlich,  dafs  auch  die 
Beschreibung  Cäsars  auf  Leakes  Berg  der  Übergabe  nicht  pafst:  eine 
planities  am  Fufse  desselben,  in  die  Cäsar  die  besiegten  Pompejaner 
heruntersteigen  heifst3),  gibt  es  hier  nicht,  sondern  hier  zieht  sich  nur 
das  enge  Tal  von  Supli  hin.  Auch  versteht  man  nicht,  wie  hier  Cäsar 
den  Flüchtigen  „commodiore  itinere"  zuvorkommen  und  ihnen  den 
Weg  verlegen  konnte,  da  von  einem  solchen  bequemeren  Wege  bei 
dem  überall  welligen,  von  kleinen  Tälchen  durchzogenen  Hügelland 
hier  nirgends  die  Rede  sein  kann.  Kurz,  Leakes  Vorstellungen  von 
dem  Rückzuge  und  der  Kapitulation  der  Pompejaner  sind  nicht 
haltbar. 


*)  IV  481  ff.  und  Transactions  S.  79  f.  —  Pompejus'  Lager  versetzt  er  hier 
„on  the  nordern  side  of  this  mountaiu"  d.  h.  des  Berges  östlich  von  Pharsala. 
Über  das  Lager  Cäsars  sagt  er,  es  habe  gelegen  „at  or  near  Hadjeverli,  at  the 
foot  of  the  rocky  height  which  advances  into  the  piain  three  miles  westward 
of  Fersala".  Obgleich  es  einen  Ort  Hadjeverli  nicht  gibt,  so  steht  doch  durch 
Leakes  Karte  und  die  Bestimmung  three  miles  westward  of  Fersala  fest,  dafs  er 
mit  der  „rocky  height"  den  Alogapatiberg  gemeint  hat.  Hadjeverli  ist  wohl  von 
Leake  verhört  —  das  kommt  ihm  bei  türkischen  Namen  öfters  vor  —  für  Hadschi 
Omar,  das  ungefähr  hier  liegt.  -  Der  Onochonosflufs  Leakes  ist  nach  N.  Gr. 
I"V  514  der  Bach  von  Supli,  also  der  Onchestos  des  Polybios,  (s.  oben  S.  69).  —  Die 
Schlachtlinien  sind  in  der  Karte  eingezeichnet  mit  Berücksichtigung  von  Leakes 
Bemerkung  (S.  481),  dafs  sie  from  the  Enipeus  towards  Pharsalus  gegangen  seien 
und  a  line  of  near  three  miles,  d.  h.  4|  Kilometer,  eingenommen  hätten. 

2)  Caes.  b.  c.  III  97 :  montem  opere  circummunire  instituit. 

3)  B.  c.  III  96:  Caesar.,  omnes  eos,  qui  in  monte  consederant,  ex  superi- 
oribus  locis  in  planitiem  descendere  . . .  iussit. 


410  Pharsalos. 

Der  zweite  Forscher,  der  sich  mit  der  Lösung  der  Frage  beschäf- 
tigt hat,  ist  von  Goeler.  Er  legt  beide  Lager  auf  das  nördliche  Ufer 
des  Tschinarli,  den  er  irrtümlich  (s.  S.  407  A.  2)  nicht  Enipeus,  sondern 
Apidanos  nennt,  und  zwar  das  des  Pompejus  in  die  Nähe  des  Dorfes 
Subaschi,  das  Cäsars  mit  dem  Rücken  an  den  Flufs.  Die  Schlacht 
wird  daher  bei  ihm  auch  auf  dem  rechten  Ufer  geschlagen,  der  Rück- 
zug geht,  wie  bei  Leake,  in  den  Karadagh1). 

Diese  Ansetzung  ist  in  allen  Teilen  falsch. 

Über  den  Rückzug  und  die  Kapitulation  ist  bei  Leake  gesprochen. 
Die  Schlacht  selber  aber  kann  ebensowenig  so  geschlagen  sein,  wie 
Goeler  annimmt,  weil  erstens  das  Schlachtfeld  bei  ihm  nicht  zwischen 
Enipeus  und  Pharsalos  liegt  und  zweitens  eine  Anlehnung  an  einen 
Bach  mit  steilen  Ufern  hier  überhaupt  nicht  möglich  ist.  Denn  ein 
solcher,  wie  Goeler  ihn  nach  ungenauen  Karten  als  nördlichen  Zu- 
flufs  zum  Tschinarli  annimmt,  existiert  in  Wirklichkeit  nicht. 

Eine  Vermittelung  zwischen  diesen  beiden  Ansichten  hat  Mommsen 
versucht.  Er  legt  mit  Leake  das  Lager  Cäsars  und  die  Schlacht  auf 
die  linke,  mit  Goeler  das  Lager  des  Pompejus  auf  die  rechte  Seite 
des  Flusses  (R.  G.  1 6  424). 

Diese  Ansicht  teilt  also  mit  den  beiden  vorigen  die  Unmöglich- 
keiten in  der  Ansetzung  der  Rückzugsbewegungen  nach  der  Schlacht 
und  ist,  was  die  Schlacht  selber  betrifft,  ebenfalls  unannehmbar. 
Denn  Mommsen  mutet  dem  Heere  des  Pompeius  zu,  nicht  nur  beim 
Ausmarsch  vom  Lager  zur  Schlacht,  sondern  sogar  auf  der  Flucht 
zum  Lager  zurück  den  Enipeus  mit  seinen  6  Meter  hohen  Steil- 
ufern überschritten  zu  haben.  Diese  Überschreitung  ist  aber  eine 
Unmöglichkeit,  wenn  der  Feind  so  nahe  im  Nacken  sitzt,  wie  es  nach 
der  Entscheidung  des  Nahkampfes  bei  Pharsalos  der  Fall  war,  eine 
Unmöglichkeit,  die  Mommsen  selber  anerkennt,  indem  er  die  Flucht 
des  Pompejus  selbst  und  den  Rückzug  der  Pompejaner  aus  dem 
Lager  über  den  Bach  hinüber  als  unausführbar  bezeichnet  und  eben 


x)  II  150  f.  Goeler  hatte,  wie  seine  Skizze  Taf.  XV  zeigt,  sehr  mangelhafte 
Vorstellungen  von  der  Gegend,  war  auch  nicht  selber  dagewesen.  —  Die  Ansicht 
Goelers  ist  dann  später  von  Seidner  (Das  Schlachtfeld  von  Pharsalns.  Progr. 
Mannheim  1883.  10  S.)  und  von  Perrin  wieder  aufgenommen  (The  american 
Journal  of  philology  ed.  by  Gildersleeve  vol.  VI  1885,  S.  170—189),  aber  ohne 
dafs  wesentliche,  neue  Gründe  dafür  ins  Feld  geführt  wären. 


1.  Die  milit.  Lage  und  die  modernen  Hypothesen  über  das  Schlachtfeld.     411 

deshalb  das  Lager  auf  der  Nordseite  des  Enipeus  ansetzt.  Abgesehen 
davon  ist  es  mit  der  Topographie  nicht  vereinbar,  dafs  die  Pom- 
pejaner  —  wie  Mommsen  will  —  zugleich  mit  dem  Gesicht  nach 
Pharsalos  hingestanden  und  ihren  rechten  Flügel  an  den  Enipeus 
gelehnt  haben. 

So  sind  also  alle  bisher  besprochenen  Versuche  abzulehnen. 
Ihre  gemeinsame  Schwäche  liegt  darin,  dafs  sie  alle  die  Rückzugs- 
bewegungen der  Pompejaner  nicht  erklären  können. 

In  dieser  Beziehung  haben  nun  die  Franzosen  die  Frage  wesent- 
lich gefördert,  speziell  Heuzey. 

Er  hat  nicht  nur  zuerst  eine  zuverlässige  Karte  der  ganzen 
Umgegend  aufnehmen  lassen,  die  noch  heute  im  wesentlichen  die 
Grundlage  für  unsere  Anschauung  bildet1),  sondern  er  hat  auch  zu- 
erst und  unzweifelhaft  richtig  den  Karadscha-Achmed  als  Ort  der 
Kapitulation  der  Pompejaner  bezeichnet2).  Selbst  sein  harter  Kritiker 
Stoffel  ist  ihm  darin  gefolgt  (II  27.  244)  —  allerdings  ohne  seine 
Priorität  zu  erwähnen  — ,  und  man  kann  überhaupt  nicht  anders, 
nachdem  der  Gedanke  einmal  ausgesprochen  ist.  Hunc  montem 
flumen  subluebat,  sagt  Cäsar  (III  97)  von  dem  Berge  der  Übergabe. 
Da  die  Tabakhana  nirgends  nahe  an  Hügeln  vorbeifliefst  und  der 
Aikli  wegen  seiner  Unbedeutenheit  nicht  in  Betracht  kommt,  so  kann 
dieser  flumen    nur    der  Tschinarli-Enipeus  sein3).     Wenn  man  nun 


1)  Vergl.  die  Bemerkuug  über  die  Herstellung  unserer  Karten  S.  447  f. 

2)  Les  Operations  militaires  de  Jules  Cesar  p.  141. 

3)  Man  könnte  daran  Anstofs  nehmen,  dafs  in  diesem  Falle  der  Enipeus 
von  Cäsar  einmal  als  flumen  und  das  anderemal  (s.  S.  404  A.  2)  als  rivus  (impeditis 
ripis)  bezeichnet  sei.  Aber  das  ist  bei  Cäsar  keine  Schwierigkeit;  dieselbe  An- 
höhe bezeichnet  er  sogar  in  demselben  Satz  als  mons  und  collis:  b.  c.  III  85:  Pom- 
peius,  qui  castra  in  colle  habebat,  ad  infimas  radices  montis  aciem  instruebat. 
Cäsar  nennt  zudem  die  kleinsten  Bächelchen  flumina,  bei  Dyrrhachion  sagt  er 
III  49:  omnia  flumina  atque  omnes  rivos  .  .  .  aut  averterat  aut  .  .  .  obstruxerat. 
Der  gröfste  von  diesen  Küstenflüfschen  ist  die  Kracia  mit  5  Kilometern  Länge  (!); 
denn  die  Lesnikia,  übrigens  auch  nur  20  -25  Kilometer  lang,  fällt  wahrscheinlich 
nicht  mehr  in  die  Verschanzungen  hinein  (Veith  S.  512,  Beilage  29).  Flumen 
mit  subluere  verbunden  findet  sich  auch  b.  G.  VII  69  bei  Alesia,  wo  es  von  den 
kleinen  Bächen  Ose  und  Oserain  heifst:  cuius  collis  radices  duo  .  .  .  flumina 
subluebant.  Rivus  dagegen  wird  auch  b.  c.  III  37  mit  ripa  verbunden:  rivus 
difficilibus  ripis.  Es  scheint  hier  eine  Vorliebe  für  gewisse  Wortverbindungen 
vorzuliegen.     Man  vergleiche  übrigens  dazu  Drumann-Groebe  III  751  A.  3.    Mein 


4  1  2  Pharsalos. 

dessen  Lauf  verfolgt,  so  erkennt  man,  dafs  er  dreimal  nahe  an  Hügel 
herantritt,  beim  Karadscha-Achmed,  beim  Kuturi  und  beim  Dogandschi. 
Da  die  beiden  letzteren  wegen  ihrer  abgelegenen  Lage  nicht  ernst- 
lich in  Betracht  kommen  können,  so  bleibt  allein  der  Karadscha- 
Achmed  übrig. 

Leider  sind  nun  aber  Heuzey  und  Stoffel  nicht  von  diesem 
festen  Punkt  aus  weiter  gegangen,  um  das  Schlachtfeld  zu  finden, 
sondern  sie  haben,  durch  falsche  Theorien  verleitet,  die  Schlacht 
selber  an  zwei  verschiedene,  aber  gleich  verkehrte  Orte  verlegen  zu 
müssen  geglaubt. 

Wir  müssen  ihren  Ansichten,  da  sie  beide  auf  Autopsie  be- 
ruhen und  daher  eine  gewisse  Autorität  beanspruchen  können,  noch 
einige  Worte  widmen. 

Heuzey  setzt  das  Lager  des  Pompejus  in  das  Tal  Khaidaria 
zwischen  den  Bergen  Alogopati  und  Karapla  an,  das  Lager  Cäsars 
bU  Stunde  nördlich  davon  beim  Dorfe  Kusgunar,  die  Schlacht  natür- 
lich zwischen  den  Lagern,  Pompejus  mit  Front  nach  Norden,  Cäsar 
nach  Süden.  Den  mons  sine  aqua  sucht  er  auf  dem  Berge  Balluk 
oder,  wie  er  ihn  nennt,  Alogopati,  den  Berg  der  Übergabe,  wie  schon 
erwähnt,  auf  dem  Karadscha-Achmed  (op.  S.  133  f.). 

Es  ist  nicht  zuviel  gesagt,  wenn  man  behauptet,  dafs  fast  jede 
dieser  Ansetzungen  eine  Unwahrscheinlichkeit  oder  Unmöglichkeit 
enthält. 

Der  mons  sine  aqua  —  um  mit  dem  letzten  zu  beginnen  —  soll 
nach  Cäsar  von  dem  Berg  der  Übergabe  6  Millien  =  9  Kilometer  ent- 
fernt sein;  bei  Heuzey  sind  es  in  der  Luftlinie  15  Kilometer.  Cäsar 
ist  nach  seiner  Erzählung  den  Pompejanern  auf  ihrem  Rückzuge  ,,com- 
modiore  itinere"  zuvorgekommen,  obgleich  letztere  einen  Vorsprung 
hatten;  bei  Heuzey  haben  die  Pompejaner  den  fast  geraden  und  keines- 
wegs beschwerlichen  Weg  über  die  Hochebenen  von  Rhizi  und  Tscha- 
terli  zu  ihrer  Verfügung,  während  Cäsar  den  Umweg  durch  die  Ebene 
machen  mufs.  Bei  Cäsar  hat  Pompejus  sein  Lager  auf  einem  Hügel, 
bei  Heuzey  in  einem  Tal  zwischen  hohen  Bergen.  Bei  Cäsar  lehnt 
sich  die  rechte  Flanke  des  Pompejus  an  den  Bach  „impeditis  ripis", 


an  Groebe  brieflich  mitgeteilter  Erklärungsversuch,  dafs  der  Wechsel  der  Aus- 
drücke rivus  und  flumen  auf  den  Gegensatz  zwischen  dem  60  Meter  breiten 
Flufsbett  und  der  geringen  Wassermasse  des  Enipeus  im  Sommer  zurückzuführen 
sei,  ist  durch  das  hier  Gesagte  überflüssig  geworden. 


1.  Die  milit.  Lage  und  die  modernen  Hypothesen  über  das  Schlachtfeld.     413 

den  Enipeus,  wie  wir  gesehen  haben.  Bei  Heuzey  ist  nichts  von 
einem  solchen  Bach  zu  sehen.  Er  vermutet,  um  seine  Hypothese 
durch  eine  zweite  zu  stützen,  dafs  die  Tabakhana  früher  nach  Norden 
statt  nach  Westen  geflossen  sei  und  Cäsar  diesen  Bach  meine.  Dafür 
liegt  im  Gelände  nicht  der  geringste  Anhalt  vor,  und  wenn  es 
wäre,  so  könnte  die  Tabakhana  niemals  ein  rivus  impeditis  ripis 
und  natürlich  auch  nicht  der  Enipeus  gewesen  sein.  Endlich  ist  die 
Richtung  der  Fronten  der  beiden  Schlachtreihen  so  unwahrscheinlich 
wie  nur  möglich,  da  sie  die  Heere  geradezu  auf  die  Verbindungs- 
linien ihrer  Gegner  stellt1).  Heuzey  ist  zu  seiner  Ansetzung  durch 
die  Hypothese  gekommen,  dafs  die  vielfachen  Tumuli,  die  auf  der 
pharsalischen  Ebene  zerstreut  liegen,  Gräber  der  Gefallenen  seien. 
Aber  gerade  in  dieser  Annahme  selbst  liegt  eine  neue  Unmöglich- 
keit. Die  Tumuli  haben  ein  Verbreitungsfeld,  welches  im  Nord- 
westen bis  über  das  Dorf  Orphana,  im  Südwesten  bis  zwischen 
Demirli  und  Hadschi-Omer,  im  Norden  bis  über  den  Tschinarli  bei 
Eberdjiler  und  Pascha-Magula  und  im  Osten  gar  bis  nahe  an  Derengli 
heranreicht.  Das  ist  eine  Ausdehnung  von  22  Kilometern  (man  vergl. 
die  Karte).  Nach  allen  diesen  Himmelsrichtungen  hin  soll  sich  nun 
nach  Heuzey  tatsächlich  die  Verfolgung  erstreckt  haben!  Eine  Wider- 
legung ist  nicht  nötig. 

Aus  ganz  anderen  Gründen  ist  die  Stoffeische  Annahme  un- 
möglich. 

Stoffel  setzt  das  Lager  des  Pompeius  auf  'den  Westhängen  des 
Karadscha-Achmed  selber  an.  Demzufolge  das  Lager  Cäsars  5,3  Kilo- 
meter davon,  also  an  den  Nordfufs  des  Hügels  Krindir  und  die 
Schlacht  zwischen  beide  Lager  in  die  Ebene  von  Derengli.  Über 
den  mons  sine  aqua  spricht  er  sich  nicht  aus  (II  17,  240ff.). 

Hier  liegt  der  entgegengesetzte  Fehler  vor  wie  bei  Heuzey. 

Das  Lager  des  Pompejus  und  der  Berg  der  Übergabe,  zwischen 
denen  doch  der  mons  sine  aqua  irgendwo  zu  suchen  ist,  liegen  viel 
zu  nahe  zusammen.  Die  sex  millia  passuum,  die  Cäsar  marschiert 
ist,  sind  hier  auf  keine  Weise  herauszubringen,   selbst  wenn  Cäsar, 


x)  S.  oben  S.  403.  Man  vergleiche  die  Kritik  Stoffels  II  240,  der  vielfach 
mit  dem  Gesagten  übereinstimmt,  nur  darin  unrecht  hat,  dafs  er  Heuzey  unter- 
schiebt, er  habe  den  Pompejus  seine  Armee  auf  Höhen  aufmarschieren  lassen, 
wo  nicht  einmal  für  10  000  Mann  Platz  sei.  Pompejus'  Armee  ist  überhaupt  nicht 
auf  Höhen,  sondern  am  Fufs  derselben  aufmarschiert;  s.  unten  S.  420. 


411  Pharsalos. 

wie  Stoffel  das  annimmt,  den  Enipeus  zweimal  in  ganz  zweckloser 
Weise  mit  seiner  Armee  überschritten  hätte1). 

Dazu  kommt  aber,  dafs  die  kleine  Ebene  von  Derengli  für  den 
Aufmarsch  von  Pompejus'  Heer  viel  zu  schmal  ist.    Sie  hat  nur  stark 

2  Kilometer  Breite.  Wo  soll  da  Platz  für  45  000  Mann  und  7000 
Reiter  sein?  Stoffel  selber  rechnet  (II  326)  auf  eine  Kohorte  von 
36  Mann  Front  36  Meter,  das  würde  also  auf  die  44  Kohorten,  welche 
Pompejus  bei  110  Kohorten  im  ersten  Treffen  haben  mufste,  mit 
den  Intervallen,    die  Stoffel  den   Kohortenfronten   gleichsetzt,    schon 

3  Kilometer  ausmachen2).  Es  ist  unbegreiflich,  dafs  ein  Militär  wie 
Stoffel  sich  so  etwas  hat  leisten  können.  Man  versteht  es  erst, 
wenn  man  die  souveräne  Art  kennen  gelernt  hat,  mit  der  sich  Stoffel 
über  alle  Zeugnisse  und  Rücksichten  zugunsten  einer  vorgefafsten 
Idee  weggesetzt  hat. 

Es  ist  wert,  ihn  selber  zu  hören: 

„Von  allen  bisher  unbekannt  gebliebenen  Schlachtfeldern4* 
—  so  meint  er  S.  241  —  „ist  das  von  Pharsalos  am  leichte- 
sten zu  finden,  und  es  gibt  keine  einigermafsen  kriegs- 
erfahrene Person,  die  es  nicht  in  einem  halben  Tag  ent- 
decken könnte.  Sie  braucht  nur  zu  wissen,  wie  eine  mili- 
tärische Stellung  für  eine  römische  Armee  von  50  bis  60000 
Mann  aussehen  mufs.  Wenn  man  sich  erinnert,  dafs  die 
Schlacht  am  Enipeus  stattfand,  dafs  Pompejus  von  Larissa 
kam,  so  hat  man,  ohne  sich  um  irgendeine  andere  alte 
Textstelle  zu  kümmern,  nur  die  folgenden  von  den  Kom- 
mentaren gestellten  Bedingungen  ins  Auge  zu  fassen: 

1)  Pompejus  hatte  sein  Lager  auf  Hügeln  und  liefs  seine 
Armee  in  Schlachtordnung  mehrere  Tage  hintereinander 
auf  den  unteren  Hängen  aufmarschieren  (b.  c.  II  84 
und  85). 

2)  Pompeius  legte  auf  diesen  Hügeln  aufser  seinem  Haupt- 
lager mehrere  Kastelle  oder  Lager  von  kleiner  Aus- 
dehnung an  (b.  c.  III  90). 


1)  II  28  und  die  Karte,  die  Stoffels  Zeichnung  genau  wiedergibt. 

2)  36  Meter  x  88  ergibt  genau  gerechnet  3,07  Kilometer.  Dabei  kommt 
noch  in  Betracht,  dafs  die  Pompejanischon  Kohorten  nicht  36,  sondern  41  Mann 
in  der  Front  hatten  (S.  420  A.  2).    Für  die  Reiterei  ist  also  kein  Platz  da. 


1.  Die  milt.  Lage  und  die  modernen  Hypothesen  über  das  Schlachtfeld.     415 

Pompeius  besetzte  also  Höhen,  die  sich  vor  seiner 

Front  in  Form  von  langen  Abdachungen  (longs  versants)  ver- 
flachten, auf  deren  geneigten  Flächen  er  seine  Armee  in 
Schlachtordnung  aufstellen  konnte  .  .  .  Diese  Art  von  Posi- 
tionen ist  nicht  häufig  .  .  .  Eine  solche  am  Kleinen  Tschi- 
narli  in  der  Gegend  von  Pharsalos  zu  finden,  darauf  be- 
schränkte sich  die  Entdeckung  des  Schlachtfeldes." 

Und  nun  führt  er  des  weiteren  aus,  dafs  auf  dem  ganzen  Süd- 
ufer einzig  der  Westabhang  des  Karadscha- Achmed  den  gestellten 
Bedingungen  entspräche. 

Es  heifst  in  der  Tat,  sich  die  Auffindung  eines  Schlachtfeldes 
leicht  machen,  wenn  man  unter  Beiseitesetzung  aller  sonstigen  Über- 
lieferung sich  auf  eine  einzige  Nachricht  stützen  zu  dürfen  glaubt, 
mag  das  Resultat  auch  noch  so  sehr  allem  anderen  ins  Gesicht 
schlagen. 

Wenn  man  es  aber  tut,  so  ist  zum  mindesten  zu  verlangen, 
dafs  man  aus  der  Nachricht,  auf  die  man  sich  stützt,  nur  das  heraus- 
liest, was  wirklich  darinsteht. 

Wo  steht  aber  bei  Cäsar  etwas  davon,  dafs  Pompejus  seine 
Armee  auf  langgestreckten  Abhängen  aufgestellt  habe?  Ad  infimas 
radices  montis  —  heifst  es  bei  Cäsar  III  85  — ,  also  an  dem  Fufs 
des  Berges  in  der  Ebene  hat  er  seine  Truppen  aufgestellt  und  zwar 
dicht  vor  seinem  Lager,  welches  also  nahe  an  der  Ebene  auf  einem 
ganz  mäfsig  hohen  Hügel  gelegen  haben  mufs.  Denn  gleich  nach 
der  angezogenen  Stelle  fährt  Cäsar  weiter  fort:  animadversum  est, 
.  .  extra  consuetudinem  longius  a  vallo  esse  aciem  Pompei  pro- 
gressam,  ut  non  iniquo  loco  posse  dimicari  videretur.  Die  iniquitas 
loci  hatte  also  nicht,  wie  Stoffel  meint,  darin  bestanden,  dafs  die 
Pompejaner  auf  lang  abgedachten  Hügeln  stehen  geblieben  waren, 
sondern  darin,  dafs  sie  zu  nahe  an  ihrem  Lager  gestanden  hatten. 
Wir  werden  später  (S.  420)  sehen,  dafs  die  Beschreibung  Cäsars  sich 
auf  ein  ganz  anders  aussehendes  Terrain  bezieht,  als  das  von  Stoffel 
gewählte.  Zweitens  aber  steht  bei  Cäsar  nichts  davon,  dafs  die 
Kastelle  des  Pompejus  auf  Hügeln  gelegen  hätten.  Sie  lagen  viel- 
mehr, wie  sich  gleichfalls  später  herausstellen  wird,  in  der  Ebene. 
Dafs  schliefslich  —  ganz  abgesehen  von  der  erwähnten  ungenügenden 
Breite  der  Ebene  von  Derengli  —  auch  die  Hänge  des  Karadscha- 
Achmed  selber   nicht  die  Breite  von  über  3  Kilometer  haben,    die 


41 G  Pharsalos. 

Stoffel  ihnen  zuschreibt,  sondern  dafs  er  nach  seiner  eigenen  Zeich- 
nung genötigt  ist,  selbst  hier  die  ganze  Front  auf  knapp  2  s  Kilo- 
meter zusammenzudrücken,  sei  nur  nebenbei  noch  bemerkt. 

So  hat  also  keine  der  bisherigen  Ansetzungen  des  Schlacht- 
feldes und  der  Bewegungen  nach  der  Schlacht  zu  einem  völlig  be- 
friedigenden Resultate  geführt,  und  die  Frage,  wie  alle  diese  unter 
sich  zusammenhängenden  Operationen  zu  lokalisieren  seien,  ist  immer 
noch  als  offen  zu  betrachten. 

2.    Schlachtfeld  und  Schlacht. 

Es  ist  dem  aufmerksamen  Leser  natürlich  nicht  entgangen,  dafs 
Hierzu  Karte  m^  der  Kritik  der  bisherigen  Versuche  im  Grunde  die  richtige  Lösung 
Ho.  12.      ^ei.  prage  schon  gegeben  ist,  und  dafs  dieselbe  in  einer  Kombination 
von  Leakes  Ansicht  über  den  Ort   der  Schlacht  mit  den  Ansichten 
der  Franzosen  über  den  Ort  der  Kapitulation  gesucht  werden  mufs. 

Um  die  Probe  auf  das  Exempel  zu  machen,  wird  es  deshalb 
nunmehr  am  Platze  sein,  den  Gang  der  Ereignisse  in  positiver  Er- 
zählung zur  Darstellung  zu  bringen  und  so  alle  noch  etwa  vor- 
handenen Zweifel  an  der  Richtigkeit  der  Lösung  zu  beseitigen. 

Wir  nehmen  also  den  Faden  der  Erzählung  wieder  auf,  wo 
wir  ihn  verlassen  hatten,  bei  der  Ankunft  des  Cäsar  und  Pompejus 
in  der  Gegend  von  Pharsalos. 

.  Mitten  in  der  Ebene,  wie  wir  sahen,  um  nach  allen  Seiten 
freie  Bewegung  zum  Furagieren  zu  haben,  hatte  Cäsar  sein  Lager 
aufgeschlagen,  an  einer  Stelle,  an  der  er  zugleich  den  Pafs  von 
Domoko  deckte  (S.  403  f.). 

Wir  werden  daher  nicht  irren,  wenn  wir  diesen  Platz  nicht  mit 
Leake  (S.  408)  am  Fufse  des  Alogopati,  sondern  in  der  Nähe  des 
Dorfes  Klein-Tschachmat  suchen,  nicht  weit  nördlich  der  Tabakhana, 
die  ihn  besser  als  der  Enipeus  mit  reichlichem,  klarem  und  frischem 
Wasser  versehen  konnte1). 

')  B\  Kilometer  nordwestlich  von  Pharsala  liegt  mitten  in  der  Ebene  ein 
grofser,  wohl  künstlicher  Hügel  mitten  in  den  fettesten  Äckern,  nur  in  unmittel- 
barster Nähe  von  Gestrüpp  umgeben.  Er  ist  etwa  4  Meter  hoch  und  hat  etwa 
250  Schritt  im  Durchmesser.  Er  gewährt  einen  vorzüglichen  Überblick  über  die  ganze 
Ebene.  Man  möchte  ihn  gern  für  den  „idoneum  locum  in  agris"  in  Anspruch 
nehmen,  nur  stimmt  die  Entfernung  von  Pompejus'  Lager,  die  nach  Appian  (s.  S.  405) 
30  Stadien  =  5,3  Kilometer  betragen  soll,  nicht  ganz.  Es  sind  vom  Krindir  bis 
hierher  nur  etwa  4  Kilometer.     Eine  Nachgrabung  wäre   hier  sehr  zu  wünschen. 


2.  Schlachtfeld  und  Schlacht.  417 

Etwas  später  rückte  Pompejus  von  Larissa  aus  auf  der  Sträfse 
nach  Pharsalos  vor  und  schlug,  nachdem  er  den  Enipeus  überschritten 
hatte,  sein  Lager  auf  der  Hügelgruppe  Krindir  auf1).  Diese  Hügel- 
gruppe eignete  sich  in  mehr  als  einer  Hinsicht  vorzüglich  für  seine 
Zwecke  und  kann  ohne  Zweifel  als  die  beste  Position  bezeichnet 
werden,  die  für  Pompeius  unter  den  obwaltenden  Umständen  zu 
finden  war. 

An  die  sehr  steil,  zum  Teil  in  senkrechten  Felsenwänden  ab- 
fallenden Surlaberge  legt  sich  im  Norden  eine  Gruppe  von  drei 
niedrigen  Hügeln  in  einer  Breite  von  fast  2  Kilometern  an.  Der  karte  von  Karte 
nördlichste  von  ihnen  ist  bei  weitem  der  höchste  und  führt  speziell  NoJ^J°*ck*en 
den  Namen  Krindir;  er  erhebt  sich  76  Meter  hoch  über  die  Ebene 
und  fällt  nach  Norden  und  Nordosten  steil  und  felsig,  nach  den 
andern  Seiten  allmählich  ab2).     Die  beiden  anderen  südöstlich  und 


*)  in  colle,  in  collibus;  s.  S.  404  A.  1. 

)  Heuzey,  op.  131  bezeichnet  die  schon  von  Leake  vorgeschlagene  Krindir- 
stellung  als  ungeeignet,  indem  er  sagt:  „la  colline  de  Krindir,  malgre  sa  forme 
aplatie,  est  couverte  de  roches  tranchantes  qui  empechent  d'y  etablir  un  camp 
et ... .  eile  est  de  plus,  dominee  ä  pic  par  le  mont  Sourla".  Und  in  einer  A.  fügt 
er  über  die  Felsen  des  Krindir  hinzu:  on  dirait  les  lames  tranchantes  et  soulevees 
de  certains  glaciers:  les  rochers  sont  si  dangereux  que  les  chevres  meme  s'y 
tuent;  nous  en  avons  ete  temoins.  Diese  Beobachtungen  sind  richtig,  soweit  es 
sich  um  die  Spitze  und  den  Nordostabfall  des  eigentlichen  Krindir  handelt;  für 
das  ganze  übrige  Terrain  treffen  sie  mit  Ausnahme  einiger  kleiner  Felspartien  an 
den  kleineren  Hügeln  nicht  zu.  Meine  Tagebuchaufzeichnungen  über  diesen 
wichtigen  Punkt  lauten  im  einzelnen:  „1)  Sattel  zwischen  Krindir  und  Surla:  von 
Westen  allmählich  ansteigend;  in  der  Mitte  (zwischen  Surla  und  südwestlichem 
kleinen  Hügel)  30—50  Meter  breit  Acker,  dann  auf  beiden  Seiten  Wiesen  mit 
Steinen,  allmählich  steiler  bis  zu  den  Felsen  des  Surla  und  einer  kleinen  Fels- 
partie des  Krindir.  Für  Kavallerie  ohne  Schwierigkeit.  Oben  erweitert  sich  die 
Talfalte  zu  einem  in  der  Mitte  leicht  eingesenkten  Plateau  von  etwa  400  Meter 
Breite,  und   500  bis  800  Meter  Länge.    Vom   tiefsten  Punkt  des  Sattels    bis  zur 

IHöhe  des  Krindir  800  Schritt.  2)  Die  Hügel  selber  bestehen  aus  a)  einem 
niedrigeren  westlichen  Zuge  von  etwa  500  Meter  Länge  und  200  Meter  Breite, 
der  nach  der  Seite  von  Pharsalos  allmählich,  zuletzt  steil  abfällt.  Von  dem 
gröfseren  Hügel,  zu  dem  er  auch  allmählich  abfällt,  ist  er  durch  ein  kleines  Täl- 
chen getrennt;  b)  dem  grofsen  Hügel;  er  fällt  nach  Süden  und  Osten  allmählich, 
nach  Norden  und  Nordosten  steil  ab,  nach  Westen  mittelmäfsig  steil.  Oben 
felsig;  an  den  sanfteren  Hängen  erdiger;  c)  dem  westlichen  Hügel,  einer  Ter- 
rasse von  3—400  Meter  Breite  und  etwa  800  Meter  Länge."  —  Was  die  Surla- 
höhen  betrifft,  so  sind  dieselben  bei  einer  Höhe  von  285  Meter  über  der  Ebene 
an  der  Nordseite  so  steil,  dafs  man  weder  hinauf  noch  hinunter  steigen  kann;  ins 
Kromayer,    Antike  Schlachtfelder.     II.  27 


418  Pharsalos. 

siulwestlich  von  ihm  sind  bedeutend  niedriger,  nur  24  und  30  Meter 
hoch  über  der  Ebene  und  weniger  steil. 

Zwischen  diesen  drei  Hügeln  dehnt  sich  nun  aber  ein  breiter 
fast  ganz  ebener,  plateauförmiger  Sattel  aus,  der  die  Hügel  sowohl 
unter  sich  als  mit  den  Surlahöhen  verbindet  und  auf  seinem  Rücken 
auch  etwa  24  Meter  hoch  ist.  Er  steht  also  an  Höhe  nur  wenig 
hinter  den  beiden  kleineren  Hügeln  zurück.  Seine  Ausdehnung  be. 
trägt  zusammen  mit  den  ihm  zugeneigten  Hängen  der  Hügelchen 
900  Meter  im  Geviert  und  ist  also  wie  geschaffen  zu  einem  Lager 
für  eine  Armee  von  der  Gröfse  der  Pompejanischen.  Nach  vorwärts 
wie  nach  rückwärts  hatte  es  bequeme  Ausgänge  über  die  sich  nach 
Ost  und  West  langsam  abdachenden  Hänge.  Im  Süden  war  es  durch 
die  unerklimmbaren  Surlahöhen  gedeckt  und  im  Norden  durch  den 
Krindir,  auf  den  man,  um  die  wichtige  Position  zu  halten,  einen 
Posten  legen  konnte. 

Vom  Enipeus,  der  das  Heer  mit  Wasser  versehen  mufste,  war 
man  \\  Kilometer  entfernt  und  mufste  daher  den  Zugang  sichern. 
Hier  werden  die  Kastelle  gelegen  haben,  von  denen  Cäsar  spricht1). 
Vielleicht  war  die  Kommunikation  ähnlich  wie  die  Cäsars  vor  Gergovia 
durch  fortlaufende  Schanzen  und  Gräben  gedeckt.  Eine  Nachricht, 
die  Plutarch  uns  erhalten  hat,  bekommt  durch  die  Annahme,  dafs 
die  Kastelle  nach  dem  Flusse  zu  lagen,  erwünschte  Aufklärung. 
Brutus  —  so  sagt  er  —  hatte  seinen  Lagerplatz  an  einer  sumpfigen 
Stelle,  und  auf  seiner  Flucht  verbarg  er  sich  gleichfalls  an  einem 
sumpfigen  Ort  im  Schilf.  Er  hat  also  wohl  in  dem  Kastell  un- 
mittelbar am  Flusse  gelegen2). 


Lager  kann  man  von  der  Spitze  aus  nicht  hineinschiefsen.  Sie  sind  also  bei 
den  Fernwaffen  der  Alten  eine  gute  Flankenanlehnung  und  keine  Dominierung. 

x)  b.  c.  III  88:  cohortes  septem  in  castris  propinquisque  castellis  praesidio 
disposuerat.  Ebenso  99:  cohortes,  quae  praesidio  in  castellis  fuerant,  sese  Sullae 
dediderunt.  Die  kleine  Zahl  von  nur  7  Kohorten  für  Lager  und  Kastelle  findet 
ihre  Erklärung  darin,  dafs  ihnen  zahlreiche  Auxilia  beigegeben  waren,  Thraker 
und  andere  Barbaren   (b.  c.  III  95). 

2)  Plut.  Brut.  4:  rjv  fxlv  ax.(xr\  &SQovg  y.al  xavfxcc  noXii  nQog  ilcodeoi  xwQiotg 
ioToccTontfevy.oKov,  und  ib.  6:  7iolt,ooy.ov/j,£vov  rov  %aQax.og  sXa&ev  6  BQOvrog  xara 
nvXug  nQog  ronov  iXajdi]  aal  (xtaibv  vöcctojv  y.ai  xaXafiov  (peQovoag  ll-el&wv  xcä 
dia  vvy.ibg  cmoaoj&Eig  sig  AuQiOGav.  Die  Gegend  ist  hier  heutzutage  allerdings 
im  Sommer  bei  trockenem  Wetter  in  der  Nähe  des  Enipeus  nirgends  sumpfig, 
mufs  es  aber  nach  starken  Gewitterregen,    wie    sie  ja  auch  im  Juni  in  Griechen- 


2.  Schlachtfeld  und  Schlacht.  419 

Aber  auch  in  strategischer  Hinsicht  war  die  Stellung  nicht 
ungünstig. 

Wir  sagten  oben  (S.  403),  dafs  Pompejus'  Verbindungen  nach 
Norden  und  Osten  gingen.  Larissa  lag  da  nun  allerdings  in  der 
Flanke ;  aber  wenn  Cäsar  Bewegungen  machte,  um  hier  die  Ver- 
bindung zu  stören,  so  konnten  die  Transporte  von  dort  ohne  grofsen 
Zeitverlust  hinter  dem  Karadagh  herumgeführt  werden,  über  Pherä 
(Welestino)  und  durch  die  Senke  von  Eretria  (Tschan gli),  die  einst 
auch  Flamininus  gezogen  war  (s.  oben  S.  72 f.  und  Karte  4),  und  die 
direkt  in  den  Rücken  der  Krindirstellung  führte.  Die  Transporte 
vom  Meere  her  gingen  natürlich  von  Pherä  aus  denselben  Weg. 

So  konnte  also  Pompejus  in  einer  taktisch  wie  strategisch 
völlig  gesicherten  Stellung  warten  oder  sich  auch  zur  Entscheidung 
stellen.  Denn  das  Schlachtfeld,  die  Ebene  von  Pharsalos,  breitete 
sich  ohne  jedes  Hindernis  zwischen  ihm  und  Cäsar  aus.  Im  Falle 
einer  Niederlage  war  allerdings  der  Rückzug  nach  Larissa  ab- 
geschnitten. Aber  hatte  dieser  Rückzug  dann  wirklich  noch  Wert? 
Im  ganzen  Orient  waren  keine  Verstärkungen  mehr  bereit,  auf  die 
man  sich  zurückziehen  konnte.  Die  15  Kohorten,  die  unter  Cato  in 
Dyrrhachion  zurückgeblieben  waren,  wurden  durch  die  fast  3  Legionen 
starke  Armee  Cäsars,  der  man  hier  entgegengegangen  wäre,  mehr 
als  aufgewogen1).  Dafs  das  Gefüge  von  Pompejus'  Heer  fest  genug 
gewesen  wäre,  um  einen  Rückmarsch  durch  Makedonien  und  Thrakien 
nach  Asien  überhaupt  auszuhalten,  wird  selbst  der  gröfste  Optimist 
nicht  glauben  wollen.  Es  wäre  also,  selbst  wenn  man  noch  vom 
Schlachtfelde  fortgekommen  wäre,  Belagerung  in  Larissa  oder  irgend 
einer  anderen  Stadt  in  Makedonien  und  schliefsliche  Kapitulation 
das  unvermeidliche  Ende  gewesen. 


land  wohl  noch  fallen  können,  auch  heute  noch  sein  (vergl.  S.  406).  Die  zahlreichen 
Störche,  die  überall  auf  der  Ebene  herumspazieren,  finden  jedenfalls  ihre  Nahrung. 
Sumpfgebiet  am  Enipeus  zur  Zeit  der  Schlacht  und  sogar  Überschwemmung 
des  Flusses  wird  auch  von  anderen  Quellen  erwähnt.  Frontin  113,  22:  propter  flumen 
Enipea  qui  et  alveo  suo  et  alluvie  regionem  impedierat  .  .  .  Caesar  .  .  .  sinistrum 
latus  . . .  admovit  paludibus.  Lucan  VII  224:  iuxta  fluvios  et  stagna  undantis  Enipei. 
Man  mufs  also  annehmen,  dafs  die  Gegend  hier  seit  dem  Altertum  bedeutend  kulti- 
vierter geworden  ist,  oder  dafs  kurz  vorher  starke  Regen  heruntergegangen  waren. 
l)  Cato  in  Dyrrhachion  Plut.  Cato  55.  —  Cäsar  hatte  an  der  Küste 
8  Kohorten  zurückgelassen  (b.  c.  III  78)  und  erwartete  2  Legionen  mit  Cornificius 
aus  Illyrien  (Plut.  Caes.  43.    bell.  Alex.  42). 

27* 


420  Pharsalos. 

In  der  Lage  des  Pompejus  war  also  die  Rückzugsfrage  eine 
Frage  von  untergeordneter  Bedeutung:  Sieg  oder  Vernichtung,  wenn 
es  zur  Schlacht  kam:  so  stand  das  Geschick  auf  der  Schneide  des 
Messers. 

Aber  wer  dachte  im  Heere  des  Pompejus  überhaupt  an  Nieder- 
lage? Man  glaubte  ja  den  Sieg  in  der  Hand  zu  haben,  und  so 
rückte  man  denn,  als  Cäsar  die  Schlacht  anbot,  aus.  Zunächst  noch 
mit  grofser  Vorsicht.  Die  Aufstellung  wurde  unmittelbar  am  Fufse 
der  Krindirgruppe  genommen1);  nach  Norden  wurde  sie  bis  an  den 
Enipeus,  nach  Süden  bis  an  den  Westabhang  der  Surlahöhen  aus- 
gedehnt2). 

Aber  Cäsar  bezeigte  keine  Lust,  hier  anzugreifen.  Nicht,  weil 
die  Pompejaner  etwa  durch  eine  höhere  Stellung  auf  den  Abhängen 
im  Nahkampfe  zu  überlegen  gewesen  wären,  sondern  weil  ein  Sieg 
in  dieser  Stellung  ihm  keinen  Erfolg  gewähren  konnte,  während  eine 


1)  b.c.  III  85:  Pompeius,  qui  castra  in  colle  habebat,  ad  infimas  radices 
montis  aciem  instruebat  semper,  ut  videbatur,  expectans,  si  iniquis  locis  Caesar 
se  subiceret. 

2)  Über  den  Enipeus  s.  oben  S.  405;  südlich  mufs  die  Aufstellung  bis  an  die 
Surlahöhen  gegangen  sein,  da  ihre  Länge  auf  3^  Kilometer  zu  berechnen  ist. 
Denn  Pompejus  ging  mit  45  000  Legionaren  in  1 10  Kohorten  in  die  Schlacht  (s. 
Beilage  S.  426 ff.).  Das  ergibt  für  die  Kohorte  rund  410  Mann  und,  da  die  Kohorten 
10  Mann  tief  standen  (Frontin  113,22),  41  Mann  Kohortenfront.  Da  ferner 
Pompejus  in  3  Treffen  aufmarschieren  liefs  (Caes.  b.  c.  III  89.  Frontin  a.  a.  O.), 
so  kommen  auf  das  erste  Treffen  nach  der  gewöhnlichen  Anordnung  44,  auf  die 
beiden  anderen  je  33  Kohorten,  und  wenn  wir  die  Kohortenintervalle  des  erten 
Treffens  der  Frontlänge  des  zweiten  etwa  gleichsetzen  —  man  vergleiche  über  die 
Kohortenintervalle  jetzt  die  Ausführungen  von  Veith  S.  483 ff.  und  seine  demnächst 
erscheinende  Abhandlung  über  die  Taktik  der  Kohortenlegion  —  so  würde  im 
ganzen  ein  Raum  für  77  Kohorten  in  der  Front  erforderlich  sein.  Rechnet  man  nun 
auf  den  Mann  im  Anmärsche  3  Fufs  —  s.  darüber  meinen  Aufsatz  «Wahre  und 
falsche  Sachkritik".  Hist.  Ztschr.  1905  Bd.  95  (N.  F.  59)  S.  15 ff.  —  =  0,88  Meter, 
so  erhält  man  für  die  Legionen  0,88  x  41  x  77  =  2,778  Kilometer,  Die  7000 
Reiter  wird  man  in  2  Treffen  aufmarschiert  denken  dürfen,  jedes  8  Pferde  tief 
und  die  Abteilungen  des  zweiten  auf  die  Lücken  des  ersten  gerichtet.  Dann  hat 
jedes  Treffen  438  Pferde  in  der  Front  —  auf  das  Pferd  mit  Einschlufs  der  Inter- 
valle 6  Fufs  =  1,76  Meter  gerechnet,  ergibt  rund  770  Meter.  Über  diese  ganze 
Berechnung  auf  Grund  der  Überlieferung  über  die  antike  Kavallerietaktik  vergl. 
Bd.  I  S.  322.  —  Somit  erhalten  wir  also  für  die  ganze  Schlachtreihe  rund  3£  Kilo- 
meter Länge,  da  die  leichten  Truppen  zwischen  oder  hinter  den  Reitern  ge- 
standen haben  werden  (b.  c.  III  93).  —  Die  Ebene  vom  Enipeus  bis  Phersala  ist 
hier  4  Kilometer  breit. 


2.  Schlachtfeld  und  Schlacht.  421 

Niederlage  die  gröfsten  Verluste  mit  sich  bringen  mufste.  Denn  eine 
Stellung  so  nahe  vor  dem  Lager  des  Feindes,  der  sich  bei  dem  ersten 
Schwanken  des  Gefechtes  in  eine  höhere  Stellung  und  unter  die 
schützenden  Wälle  zurückziehen  konnte,  während  er  selber  die 
offene,  eine  Stunde  breite  Ebene  bis  zu  seinem  Lager  hinter  sich 
hatte,  das  war  kein  Kampf  unter  gleichen  Bedingungen  und  im 
günstigsten  Falle  für  Cäsar  ein  zweckloses  Risiko1). 

So  beschlofs  er  denn,  eine  Umgehung  auszuführen  und  durch 
einen  Marsch  auf  Skotussa  die  Verbindungen  des  Pompejus  mit 
Larissa  zu  unterbrechen  (S.  405). 

Da  brachte  ihm,  als  er  schon  im  Abmärsche  begriffen  war, 
seine  Reiterei  die  Meldung,  dafs  die  Pompejaner  weiter  als  bisher  in 
die  Ebene  vorgegangen  seien  und  den  Kampf  unter  gleichen  Be- 
dingungen anböten. 

Der  Befehl  zur  Schlacht  war  die  unmittelbare  Folge  dieser 
Nachricht;    der  Kampfplatz  die  Ebene  nördlich  von  Phersala2). 

Ich  fühle  kein  Bedürfnis,  den  Gang  der  Schlacht  hier  zu  schil- 
dern, da  ich  nichts  Neues  darüber  vorzubringen  in  der  Lage  bin. 
Der  Verlauf   der    ganzen    Handlung   ist   von    Cäsar    selbst  so 


x)  Daher  sagt  Cäsar  b.  c.  III  85  von  Pompejus  exspectans,  si  iniquis  locis 
Caesar  se  subiceret . . .  und  gleich  darauf  aniraadversum  est  .  .  .  extra  cotidianam 
consuetudinem  longius  a  vallo  esse  aciem  Pompei  progressam,  ut  non  iniquo 
loco  posse  dimicari  videretur.  Es  liegt  hier  also  ein  Fall  vor,  ähnlich  wie 
bei  Dyrrhachion  (b.  c.  III  56),  wo  Pompejus  auch  seine  Armee  dicht  vor  dem 
Lager  aufstellt,  während  Cäsar  die  seine  „aequum  in  locum"  führt,  und  ähnlich 
wie  bei  Magnesia  (s.  oben  S.  178  f.),  nur  dafs  hier  noch  die  Hügellage  des  Pom- 
pejanischen  Lagers  als  erschwerender  Umstand  hinzukommt. 

2)  Appian  b.  c.  II  82,  347  erwähnt  ein  Polyandrion  und  das  Begräbnis  des 
Crastinus  in  der  Nähe  desselben.  Dafs  die  Cäsarianer  begraben  sind,  wird  man 
als  sicher  annehmen  können,  da  die  Legionen  auf  dem  Schlachtfelde  blieben  und 
von  da  nach  Italien  zurückgeleitet  wurden,  ob  auch  die  Pompejaner,  bleibt  dahin- 
gestellt (LucanVII  798  ff.  Petron  vers.  112).  Nun  gibt  es  auf  dem  Schlachtfelde 
zwei  Tumuli,  die  vielleicht  in  Betracht  kommen  könnten.  Der  eine  liegt  1  Kilo- 
meter nordöstlich  von  Phersala.  Er  ist  klein,  kaum  noch  erkennbar,  flach,  rund, 
mitten  im  Felde,  hat  oben  ein  Loch,  ist  also  schon  einmal  angegraben;  daneben 
Stelle  mit  ausnehmend  fettem  Korn.  Der  zweite  ist  der  sogenannte  Hügel  Pala- 
vomito  am  linken  Ufer  des  Enipeus  1|  Kilometer  nordwestlich  vom  Krindir.  Es 
wäre  wertvoll,  diese  beiden  Tumuli  auf  ihren  Inhalt  einmal  zu  untersuchen. 


422  Pharsalos. 

meisterhaft,    klar   und    kurz  gezeichnet  worden,    dafs  ihr  Bild  nicht 
verkannt  werden  kann  und  auch  niemals  verkannt  worden  ist1). 

Wer  aber  statt  der  knappen  Cäsarischen  Skizze  eine  moderne 
Darstellung  vorzieht,  in  der  die  von  Cäsar  z.  T.  nur  angedeuteten 
Züge  schärfer  herausgearbeitet  und  in  ihrer  Bedeutung  für  das 
Ganze  erfafst  werden,  in  der  zugleich  eine  treffende  Beurteilung  der 


*)  Delbrück  hat  neuerdings  (Gesch.  d.  Kriegsk.  I,  S.  502  ff.)  scharf  gegen  Cäsar 
polemisiert.  Durch  seine  unmotivierte  Verschiebung  des  Stärkeverhältnisses  beider 
Armeen  hat  er  zwar  die  Leistung  der  Cäsarischen  Veteranen  gegen  die  Über- 
macht sehr  bedeutend  herabgedrückt  und  die  Schlachtidee  des  Pompejus  voll- 
kommen unbegreiflich  gemacht  (s.  Beilage  S.  443),  aber  Cäsars  Erzählung  der 
taktischen  Vorgänge  der  Schlacht  selber  hat  auch  er  nicht  angetastet.  Der  ganze 
Aufmarsch,  der  Versuch  des  Pompejus,  mit  der  Reiterei  zu  umfassen,  der  Gegen- 
stofs  der  6  Kohorten  des  vierten  Treffens,  die  Umfassung  der  Pompejaner  durch 
Cäsar,  die  gleichzeitige  Einsetzung  der  einheitlichen  Hauptreserve  und  die  da- 
durch herbeigeführte  Niederlage,  das  alles  bleibt  auch  bei  Delbrück  wie  es  ge- 
wesen war.  Er  legt  grofsen  Wert  darauf,  dafs  bei  dem  Gegenstofse  und  der  Um- 
fassungsbewegung der  Cäsarianer  auch  die  Reiterei  mitgewirkt  habe  und  ihr  ein 
grofser  Teil  des  Verdienstes  am  Siege  mit  zukomme,  und  meint,  dafs  in  dieser 
Richtung  „die  Darstellung  Cäsars  selber,  der  man  zu  folgen  pflegt,  einschneidend 
zu  korrigieren  sei"  (S.  501).  Aber  dies  Eingreifen  der  Reiterei  widerspricht  weder 
Cäsars  Bericht,  noch  ist  es  von  der  Mehrzahl  der  bisherigen  Darsteller  überhaupt 
verkannt  worden.  Cäsar  spricht  nirgends  davon,  dafs  seine  Reiterei  geflohen  wäre, 
sondern  sagt  nur  dafs  sie  bis  zu  dem  Augenblicke,  wo  die  6  Kohorten  eingriffen 
langsam  zurückgewichen  sei  (paulatim  loco  motus  cessit);  dafs  sie  sich  bei  der 
Offensivbewegung  durch  die  Kohorten  auch  ihrerseits  wieder  beteiligt,  wird  nicht 
besonders  erwähnt,  weil  es  sich  unter  diesen  Umständen  ganz  von  selber  versteht. 
So  wird  denn  auch  der  Verlauf  nicht  nur  von  Veith  (S.  340  u.  505),  sondern  auch 
von  den  meisten  älteren  Darstellern,  besonders  den  Militärs,  aufgefafst.  v.  Goeler 
z.  B.  sagt  II  170:  „Als  das  vierte  Treffen  seinen  Ausfall  machte,  wandte  sich 
Cäsars  Reiterei  ohne  Zweifel  wieder  zur  Offensive,  indem  sie  sich  auf  die  Tete 
der  umgehenden  Türmen  stürzte  und  sodann  die  Verfolgung  der  feindlichen 
Reiterei  übernahm."  Ferner  Stoffel  II  26:  la  plaine  etait  inondee  de  fuyards  que 
la  cavalerie  de  Cesar  poursuivait  et  sabrait.  Ebenso  Heuzey  Op.  S.  139  f.  Auch 
Merivale  äufsert  sich  in  diesem  Sinne,  wenn  er  I,  S.  510  von  der  Reiterei  des 
Pompejus  sagt:  „Indes  hatte  sie  doch  eine  furchtbare  Wirkung  auf  die  schwachen 
gallischen  Schwadronen  (Cäsars),  die  .  .  vor  ihr  gewichen  waren,  aber  ihre  Reiter 
noch  immer  fest  zusammenhielten  ....  Aber  die  Cäsarianer  (die  6  Kohorten),  die 
mit  der  mit  erneutem  Feuer  zum  Kampfe  zurückgekehrten  Reiterei 
ihrer  gallischen  Bundesgenossen  untermischt  fochten"  usw.  Danach  reduziert  sich 
also  Delbrücks  „einschneidende  Korrektur"  auf  eine  bescheidene  Unterstreichung 
eines  bisher  keineswegs  verkannten,  aber  als  selbstverständlich  betrachteten,  und 
deshalb  nicht  überall  besonders  hervorgehobenen  Detailvorganges  der  Schlacht. 


2.  Schlachtfeld  und  Schlacht.  423 

beiderseitigen  Schlachtpläne  und  der  Stellung  der  Schlacht  selbst  in 
der  Entwickelung  der  antiken  Kriegsgeschichte  gegeben  wird,  der 
kann  die  Befriedigung  dieses  berechtigten  Wunsches  in  dem  oben 
genannten  Werke  von  Veith  finden,  in  dessen  Geschichte  der  Cäsari- 
schen Feldzüge  die  Darstellung  von  Pharsalos  eine  der  Glanzpartien 
bildet1). 


»)  S.  337  f.:  Erzählung;  S.  358  f.  und  363  f.:  Beurteilung;  S.  501  ff.:  Polemik 
über  die  Schlacht.  —  In  einem  Punkte  kann  ich  allerdings  nicht  mit  Veith  über- 
einstimmen. Nachhdem  er  im  Anschlufs  an  Cäsars  bekannte  Kritik  das  defensive 
Verhalten  von  Pompejus'  Infanterie  getadelt  hat,  fährt  er  fort:  „Noch  fragwürdiger 
erscheint  der  Entschlufs,  die  Entscheidung  der  Schlacht  in  die  Hände  der  Kaval- 
lerie zu  legen.  Pompejus  mufste  genug  Erfahrung  haben  um  zu  wissen,  wie  wenig 
Chancen  damals  auch  die  beste  Kavallerie  gegen  gute  Legionsinfanterie  besafs; 
und  nun  gar  gegen  Cäsars  Veteranen!  .  ..  Die  Schlacht  war  für  Pompejus  auf 
Grund  dieses  Planes  nicht  zu  gewinnen;  auch  wenn  Cäsar  nicht  sein  „viertes 
Treffen"  gebildet  hätte,  ist  gar  nicht  anzunehmen,  dafs  die  am  rechten  Flügel 
kämpfende  X.  Legion  sich  durch  den  Flanken-  und  Rückenangriff  der  Reiterei 
sonderlich  hätte  irritieren  lassen.  Einige  Kohorten  des  immer  noch  verfügbaren 
dritten  Treffens  hätten  schliefslich  die  Krisis  leicht  gewendet."  Wenn  es 
den  etwa  7000  Pompejanischen  Reitern  und  etwa  4000  Leichtbewaffneten,  also 
einer  Masse  von  über  10000  Mann,  wirklich  gelungen  wäre,  in  den  Rücken  der 
Cäsarianischen  Aufstellung  zu  kommen,  so  wären  dadurch  nicht  ein  paar  Kohorten, 
sondern  das  ganze  dritte  Treffen  dauernd  in  Anspruch  genommen  worden.  In- 
zwischen hätten  dann  die  beiden  ersten  Treffen  Cäsars,  also  nur  etwa  15000  Mann, 
den  Druck  der  dreifachen  Überzahl  von  45000  Legionaren  auszuhalten  gehabt. 
Denn  dem  Pompejus  stand  ja  dann  auch  sein  drittes  Treffen  noch  frei  zur  Ver- 
fügung, das  er  dann  sicher  in  den  Kampf  geworfen  hätte.  Das  dürfte  aber  selbst 
für  Cäsarische  Veteranen  zu  viel  gewesen  sein.  Dazu  wäre  die  Notwendigkeit, 
nach  allen  Seiten  Front  zu  machen,  und  die  damit  zusammenhängende  Lähmung 
der  Angriffskraft  gekommen,  sowie  die  Beschiefsung  durch  die  Leichten,  gegen 
die  bekanntlich  römische  Legionare  keineswegs  unempfindlich  waren.  Im  übrigen 
ist  Kavallerie  nicht  immer  gegen  Legionsinfanterie  erfolglos  gewesen.  Man  denke 
an  Magnesia,  wo  eine  ganze  ala  sociorum  durch  sie  zersprengt  wurde  (S.  194). 
Wenn  bei  Pharsalos  selber  die  6  Kohorten  so  durchschlagende  Erfolge  hatten,  so 
bildet  dafür  natürlich  die  Überraschung,  der  plötzliche  Angriff  im  Momente  der 
Schwenkung  der  Gegner  und  die  daraus  in  den  Reihen  der  Reiterei  entstehende 
Panik  den  Haupterklärungsgrund.  —  Auch  darin  hat  Veith  (S.  504)  m.  E.  nicht 
recht,  dafs  er  im  Gegensatze  zu  Delbrück  glaubt,  Cäsar  habe  in  der  Schlacht 
seiner  Reiterei  keine  Antesignanen  beigegeben.  Cäsar  spricht  III  84  bei  Gelegen- 
heit seiner  Schlacht  an  geböte  davon,  dafs  er  die  frühere  Einrichtung,  seine 
Reiterei  mit  leichten  Fufstruppen  aus  den  Antesignanen  zu  mischen,  beibehalten 
habe.  Das  bezieht  sich  also  nicht,  wie  Veith  meint,  auf  die  Reiterscharmützel, 
sondern  auf  die  Schlacht  selbst. 


424  Pharsalos. 

.  Durch  die  6  Kohorten  des  vierten  Treffens  und  die  konsulari- 
sche Kavallerie  wurde  die  Pompejanische  Reiterei  in  die  Terrainfalte 
zurückgeworfen,  welche  zwischen  den  Surlabergen  und  der  Akropolis 
von  Pharsalos  liegt  und  in  rascher  Hebung  zu  dem  Plateau  von 
Tschaterli  aufsteigt1).  Das  sind  die  altissimi  montes  Cäsars.  (Man 
vergl.  die  Karte). 

Die  Legionen  ihrerseits  gingen  in  das  Lager  auf  dem  Krindir 
zurück,  und  als  sie  sich  von  dort  aus  weiter  zu  flüchten  beschlossen, 
war  für  sie  keine  andere  Richtung  offen,  als  die  nach  Südost.  Denn 
im  Süden  ragten  die  beiden  unersteiglichen  Surlahöhen  empor,  im 
Westen  waren  die  Cäsarianer,  und  im  Norden  und  Osten  lag  die 
weite  Ebene. 

Im  Südosten  erhebt  sich  nun  in  einer  Entfernung  von  etwa 
2  Kilometern,  bis  zur  Spitze  gerechnet,  ein  ziemlich  isoliert  stehender, 
runder  Berg  1 1 4  Meter  über  die  Ebene,  der  die  hinter  ihm  liegende 
Hochebene  von  Tschaterli  mit  ihren  Hängen,  vom  Krindir  aus  gesehen, 
fast  ganz  verdeckt.  Er  erscheint  nicht  nur  als  das  nächste  natür- 
liche, sondern  als  das  einzig  mögliche  Rückzugsobjekt  und  ist  ohne 
Zweifel  der  mons  sine  aqua,  auf  den  sich  die  Pompejaner  geflüchtet 
haben.  Man  ersteigt  ihn  bequem  von  der  Ebene  am  Fufse  des 
Krindir  aus  in  25  Minuten2). 

Cäsar  folgte  und  ging  sofort  daran,  diesen  Berg  rings  durch 
eine  Verschanzung  einzuschliefsen.  Das  war  leicht,  da  der  Umfang 
des  ganzen  Berges  nicht  mehr  als  etwa  2  Kilometer  beträgt3). 

Aber  ehe  er  damit  fertig  wurde,  verliefsen  die  Pompejaner  den 
Berg  und  zogen  sich  zunächst  in  südöstlicher,  dann  in  östlicher,  all- 
mählich nach  Nordosten  umschwenkender  Richtung  zurück,  um  Larissa 
zu  erreichen,  ohne  den  Schutz  der  Berge  zu  verlassen  (S.  405).  Sie 
umgingen  also  auf  dem  breiten  Rücken  des  Hochlandes  von  Tschaterli 
hinziehend  die  Ebene  von  Derengli  im  Bogen  (s.  die  Karte). 

Cäsar  bemerkte  ihre  Absicht  und  schnitt  ihnen  auf  dem  kürzeren 
direkten  Wege  durch  die  Ebene  den  Rückzug  ab. 


!)  Diese  Terrainfalte  hebt  sich  erst  langsam,  dann  ziemlich  schnell  und 
geht  in  eine  enge  Schlucht  über,  die  der  Weg  in  weitem  Bogen  umzieht.  Oben 
sind  die  sanften  Matten  des  Plateaus  von  Tschaterli. 

2)  Ich  brauchte  vom  Fufs  bis  in  den  Sattel  zwischen  den  Surlahöhen  und 
diesem  Berge  13  Minuten,  von  da  auf  die  Höhe  selbst  8  Minuten. 

3)  b.  c.  III  97:  montem  opere  circummunire  instituit. 


2.  Schlachtfeld  und  Schlacht.  425 

Wo  die  Hochebene  von  Tschaterli  mit  ihrem  letzen  Ausläufer, 
dem  Karadscha  Achmed,  an  die  Tiefebene  des  Enipeus  anstöfst  und 
nur  ein  enges  Tal  zu  durchqueren  war,  um  die  schützenden  Berge 
des  Karadagh  zu  erreichen,  stand  Cäsar  schon  in  Schlachtordnung 
aufmarschiert  und  verwehrte  den  Weitermarsch  (b.  c.  III  97,  s.  S.  405). 
Der  Weg  vom  mons  sine  aqua  bis  dahin  beträgt  81  Kilometer,  das 
sind  also  genau  die  6  Millien,  die  Cäsar  nach  seiner  Angabe  bis 
dahin  marschierte.  Die  Pompejaner  hatten  auf  ihrem  Umwege  11  bis 
12  Kilometer  zurückzulegen  gehabt. 

Die  Abschliefsung  des  Karadscha  Achmed  vom  Enipeus  durch 
eine  Verschanzung  hatte,  wie  bekannt,  die  Kapitulation  der  ganzen 
Armee  zur  Folge. 

Die  Harmonie  unserer  ganzen  schriftstellerischen  Überlieferung 
mit  der  Beschaffenheit  des  Terrains  und  dem  natürlichen  Gange  der 
Ereignisse  stellt  die  Richtigkeit  des  gewonnenen  Resultates  nach 
allen  Seiten  hin  vollkommen  sicher. 


Beilage. 


Heeresstärken. 

Cäsar  gibt  an,  dafs  er  bei  Pharsalos  80  Kohorten  in  der  Stärke 
von  22000  Mann  und  1000  Heiter  in  der  Front  gehabt  und  dafs 
Pompejus  110  Kohorten  zu  45000  Mann  und  7000  Reiter  dem  ent- 
gegengestellt habe. 

Diese  bisher  allgemein  für  zuverlässig  angesehenen  Zahlen  haben 
neuerdings  von  Seiten  H.  Delbrücks  (Kriegskunst  Bd.  I  S.  507  ff.) 
eine  eingehende  Kritik  erfahren,  deren  Resultat  ist,  dafs  dieselben 
vollkommen  wertlos  seien.  Cäsar  habe  in  seinen  80  Kohorten  nicht 
22000,  sondern  etwa  30000  Mann,  Pompejus  nicht  110  Kohorten  mit 
45  000,  sondern  nur  88  mit  etwa  40000  Mann  in  die  Front  gestellt; 
die  Reiterei  Cäsars  habe  nicht  1000,  sondern  etwa  2000,  die  des 
Pompejus  nicht  7000,  sondern  nur  etwa  3000  Mann  betragen. 

Wie  man  sieht,  werden  durch  diese  Änderungen  nicht  etwa  die 
einzelnen  Zahlen  in  unwesentlicher  Weise  verändert,  sondern  das 
Stärkeverhältnis  wird  vollkommen  umgestaltet;  statt  einer  mehr  als 
doppelten  Überlegenheit  an  Legionaren  hat  Pompejus  nach  Delbrück 
nur  noch  ein  Drittel  mehr;  statt  einer  siebenfachen  Übermacht  an 
Reiterei  nur  noch  eine  anderthalbfache. 

Die  Gründe,  welche  Delbrück  zu  seiner  Änderung  bewogen 
haben,  sind  dreierlei  Art;    sie  liegen 

1.  in  der  von  ihm  behaupteten  Unzuverlässigkeit  Cäsars  bei 
Stärke-  und  Verlustangaben  überhaupt; 

2.  in  der  Autorität  des  Asinius  Pollio,  der  bei  Pharsalos  für 
die  Infanterie  stärken  abweichende  und  glaubwürdigere 
Angaben  mache; 


Beilage.    Heeresstärken.  427 

3.  für  die  Reiterei  speziell  in  der  Beobachtung,  dafs  man 
dabei  Cäsar  eine  Fälschung  in  bezug  auf  die  Stärke  des 
Pompejus  nachweisen  könne  und  anderseits  aus  inneren 
Gründen  eine  Erhöhung  von  Cäsars  Kavallerie  auf  das 
Doppelte  annehmen  müsse. 
Wir  werden  diese  drei  Gruppen  von  Gründen  im  einzelnen  zu 
prüfen  haben. 

Cäsars  Unzuverlässigkeit  in  Zahlenangaben  der  erwähnten  Art 
soll  durch  vier  Beispiele  aus  den  Bürgerkriegen  belegbar  sein1):  — 
Den  Gallischen  Krieg  zieht  Delbrück  nicht  mit  heran,  weil  er  der 
Ansicht  ist,  dafs  er  für  die  Verhältnisse  des  Bürgerkrieges  nicht 
beweiskräftig  sei  —  1.  Am  Haliakmon  seien  nach  Cäsar  in  einem 
Reitergefecht  2  Cäsarianer  und  80  Pompejaner  gefallen,  2.  vor 
Dyrrhachion  bei  einem  „hartnäckigen,  hin-  und  hergehenden  Gefechte" 
der  neunten  Legion  habe  diese  selbst  nur  5  Mann,  der  Feind  „com- 
plures"  verloren.  3.  Bei  dem  ersten  grofsen  Sturm  des  Pompejus 
auf  Cäsars  Linien  ebenda  seien  von  Pompejanern  2000,  von  Cäsaria- 
nern  nur  20  geblieben,  und  4.  bei  Pharsalos  endlich  seien  auf  Cäsars 
Seite  nur  200  Mann  vermifst,  von  Pompejus  Armee  dagegen  15000 
gefallen. 

Es  sei  unmöglich  diese  Zahlen  anzunehmen.  Die  auf  beiden 
Seiten  kämpfenden  Truppen  seien,  wenn  auch  nicht  gleichwertig, 
doch  als  römische  Legionare,  so  ähnlicher  Art,  dafs  wir  die  ange- 
gebenen Verlustunterschiede  als  einfach  unmöglich  ablehnen  müfsten. 

Soweit  Delbrück.  Prüfen  wir  indessen  die  einzelnen  Fälle  jeden 
für  sich  etwas  genauer. 

Am  Haliakmon  handelt  es  sich  gar  nicht  um  ein  eigentliches 
Reitergefecht,  sondern  die  500  Reiter  des  Domitius  werden  unver- 
mutet von  denen  des  Scipio  beim  Furagieren  überfallen.     Es  gelingt 


x)  Das  fünfte  Beispiel,  das  Delbrück  anführt,  die  Angabe  Cäsars  b.  c.  I  39, 
Afranius  habe  80  Kohorten  Bundesgenossen  gehabt,  gehört  nicht  hierher.  Ent- 
weder handelt  es  sich  um  eine  Textverderbnis,  die  allerdings  bis  zum  Archetypus 
hinaufgeht,  und  es  ist  statt  „LXXX"  „XXX"  zu  lesen,  oder  es  sind  für  diese 
Auxiliarkohorten  ganz  andere  Bestände  als  bei  den  Legionskohorten  anzunehmen, 
■wie  schon  Stoffel  (Guerre  civ.  I  265)  hervorgehoben  hat,  mit  Hinweis  darauf, 
dafs  die  Kohorten  in  der  Schlachtaufstellung  der  Pompejaner  nur  die  tertia  acies 
gebildet  haben,  also  nach  Caesars  eigner  Darstellung  nur  etwa  '/s  des  ganzen 
Pompeianischen  Heeres  ausgemacht  haben  können  (b.  c.  I  83). 


428  Pharsalos. 

ihnen  aber,  sich  noch  schnell  zu  sammeln  und  in  glänzender  Attacke 
die  Pompejaner  in  die  Flucht  zu  jagen,  wobei  jene  80,  sie  selbst  nur 
2  Mann  verlieren  (b.  c.  III  37).  Wo  ist  dabei  etwas  Unmögliches 
oder  auch  nur  Unwahrscheinliches?  Bei  solchen  Reiterattacken 
pflegen  doch  die  Verluste  der  Sieger  auch  heute  noch  gleich  Null, 
die  der  Besiegten  auch  heute  noch  stets  unverhältnismäfsig  grofs  zu 
sein  (vergl.  den  Ausspruch  Napoleons  I.  darüber  S.  430). 

Ganz  analog,  aber  diesmal  beim  Fufsvolke,  liegen  die  Verhält- 
nisse im  zweiten  Fall: 

Bei  der  Verschanzung  eines  Hügels  vor  Dyrrhachion  wird  die 
neunte  Legion  von  den  Pompejanischen  Leichten  heftig  beschossen, 
und  Cäsar  beschliefst,  die  zu  weit  vorgeschobene  Position  zu  räumen. 
Der  Rückzug  geht  aber  über  abschüssiges  Terrain,  der  Gegner  drängt 
heftig  nach,  die  Legion  ist  in  grofser  Gefahr  einer  Deroute,  da  läfst 
Cäsar  plötzlich  kehrt  zum  allgemeinen  Angriff  machen,  jagt  die 
Gegner  mit  Verlust  von  „complures"  zurück  und  verliert  selbst  nur 
5  Mann  dabei.  Dann  zieht  er  sich  unangefochten  aus  dem  gefähr- 
lichen Terainpunkte  zurück  (b.  c.  III  45.  46).  Von  einem  „hart- 
näckigen, hin-  und  hergehenden  Gefechte tt  ist  gar  keine  Rede. 
Eine  Unmöglichkeit  ist  hier  so  wenig  wie  im  vorigen  Falle  zu  ent- 
decken. 

Beide  Stückchen  werden  erzählt,  um  zu  zeigen,  wie  sich 
Cäsarische  Soldaten  aus  einer  gefährlichen  Situation  durch  schnelle 
Entschlossenheit  und  Geistesgegenwart  ohne  Verluste  zu  befreien 
verstanden  haben. 

Der  dritte  Fall  betrifft  den  ersten  Sturm  des  Pompejus  auf 
Cäsars  Linien  bei  Dyrrhachion.  Er  ist  für  uns  nicht  ganz  kontrollier- 
bar, weil  hier  eine  Lücke  im  Texte  Cäsars  ist.  An  6  Punkten  wurde 
gekämpft,  und  nur  für  3  liegt  der  Bericht  vor  (b.  c.  III  51  f.).  Dabei 
ist  zweierlei  in  Erwägung  zu  ziehen.  Bei  einem  Sturme  auf  Linien  ist 
der  Stürmende  in  viel  ungünstigerer  Situation  als  der  Verteidiger.  Es 
ist  daher  eine  sich  stets  wiederholende  Erfahrung,  dafs,  besonders  bei 
langdauernden  und  vergeblichen  Bestürmungen,  wie  das  hier  der  Fall 
war,  seine  Verluste  unverhältnismäfsig  gröfser  sind  als  die  der 
Verteidiger.  Für  die  damaligen  Verhältnisse  kommt  aber  noch  ein 
zweites  Moment  hinzu.  Der  Kampf  wird  in  solchen  Fällen  fast  aus- 
schliefslich  mit  Fernwaffen,  Pfeilen,  leichten  Speeren,  Steinen  geführt 
und  diese  Waffen    sind   nur    ausnahmsweise  geeignet,    den  an  allen 


Beilage.    Heeresstärken.  429 

edleren  Körperteilen  geschützten  Legionär  tödlich  zu  treffen.  Ver- 
wunden können  sie  dagegen  viel  leichter,  und  darin  liegt  nun  in  der 
Tat  bei  Cäsar  das  Komplement  zu  seinen  nur  20  Mann  Toten.  In 
dem  am  meisten  ausgesetzten  Kastell  war  nach  Cäsars  eigener  Aus- 
sage kein  einziger  Soldat  der  ganzen  Kohorte  unverwundet,  und  nicht 
weniger  als  vier  Zenturionen  hatten  ein  Auge  verloren  (b.  c.  III  53). 
Dieselben  Erfahrungen  machte  man  bei  der  Belagerung  Ciceros  durch 
die  Gallier  im  Jahre  55/54,  wo  auch  nicht  der  zehnte  Mann  mehr 
unverwundet  (b.  gall.  V  52),  die  Besatzung  aber  trotzdem  noch  völlig 
verteidigungsfähig  war. 

Die  grofsen  Verluste  der  Pompejaner  von  2000  Mann  erklären 
sich  zudem  aus  dem  Gegenangriff  Sullas  mit  2  Legionen,  bei  dem 
Sulla  selber  keinen  Mann  verlor,  denn  die  Feinde  flohen,  als  er  kaum 
heran  war  (neque  conspectum  aut  impetum  nostrorum  tulerunt), 
während  die  Pompejaner  auf  dem  abschüssigen  Terrain  in  eine  solche 
Deroute  kamen,  dafs  nach  Ansicht  vieler  Augenzeugen  bei  eifrigerer 
Verfolgung  der  ganze  Krieg  damals  hätte  beendet  werden  können, 
eine  Ansicht,  der  Cäsar  selbst  nicht  widersprochen  hat  (b.  c.  III  51). 

Endlich  komme  ich  zu  dem  enormen  Verlustunterschiede  bei 
Pharsalos:  200  Mann  und  30  Zenturionen  gegen  15000  Mann 
(b.  c.  III  99). 

Man  hat  hier  an  eine  Textverderbnis  gedacht  und  1200  oder 
eine  noch  höhere  Zahl  schreiben  wollen  (v.  Goeler  II  176).  Aber 
schon  im  2.  Jahrhundert  n.  Chr.  hat  man  offenbar  die  Zahl  200  bei 
Cäsar  gelesen1),  und  dafs  Cäsar  in  der  Tat  so  geschrieben  hat,  geht 
noch  deutlich  aus  dem  Wortlaute  der  Stelle  hervor:  non  amplius  CC 
milites  desideravit,  sed  centuriones,  fortes  viros  circiter  XXX 
amisit.  Ein  Verhältnis  von  1200  Mann  zu  30  Zenturionen  wäre  bei 
Cäsars  Kohortenstärke,  bei  der  auf  knapp  50  Mann  1  Zenturio  kam 
nichts  Auffallendes,  durch  das  „sed  centuriones,  fortesviros"  hebt 
aber  Cäsar  hervor,  dafs  sein  Verlust  an  Centurionen  unverhältnis- 
mäfsig  grofs  gewesen  ist. 

Es  ist  interessant  und  lehrreich  zu  sehen,  wie  der  gröfste 
Militär  der  Neuzeit   sich   über  diese  merkwürdige  Angabe  geäufsert 


*)  Appian  sagt  nämlich  b.  c.  II  82,  345  (Viereck):  ani&uvov  ...  ix  fxh  tov 
KaiGctnog  gtqoctov  rqCaxoyju  Xo%ayol  xal  önliiai  dutxoaioi  rj}  (os  iiSQOig  öoxh,  /ifooi 
xal  diaxÖGiut. 


430  Pharsalos. 

hat.  Napoleon  I  sagt  in  seinen  Prelis  des  guerres  de  Cesar.  Kap.  1 1 
IV,  5: 

A  Pharsale  Cösar  ne  perd  que  200  hommes,  et  Pompße  15000. 
Les  memes  rösultats,  nous  les  voyons  dans  toutes  les  ba- 
tailles  des  anciens,  ce  qui  est  sans  exemple  dans  les  armees 
modernes  ....  Les  armes  de  jet  des  anciens  faisaient  en  g6neral 
peu  de  mal;  les  arm6es  s'abordaient  tout  d'abord  a  Panne  blanche; 
il  6tait  donc  naturel  que  le  vaincu  perdit  beaucoup  de  monde  et  le 
vainqueur  tres-peu  ...  La  cavalerie,  dans  les  charges,  offre  quelque 
chose  d'analogue  a  ce  qui  arrivait  aux  armees  anciennes;  le  vaincu 
perd  dans  une  bien  plus  grande  proportion  que  le  vainqueur,  parce 
que  l'escadron  qui  lache  pied,  est  poursuivi  et  sabr6,  et  6prouve 
alors  beaucoup  de  mal  sans  en  faire. 

Also  Napoleon  hält  Cäsars  Angabe  nicht  nur  für  möglich,  son- 
dern er  findet  sie  durch  die  Resultate  der  antiken  Schlachten  über- 
haupt bestätigt  und  führt  die  Erklärung  dafür  auf  den  Charakter 
und  die  besonderen  Verhältnisse  des  antiken  Nahkampfes  zurück. 
Er  hat  mit  der  ihm  eigenen  Intuition  und  seiner  Fähigkeit,  die 
wirkenden  Faktoren  auch  in  ganz  fremden  Verhältnissen  richtig 
herauszufühlen,  ein  vollkommen  zutreffendes  Urteil  abgegeben,  das 
jeder  Kenner  antiker  Schlachtenverhältnisse  sich  wird  aneignen 
müssen *). 

Abgesehen  von  dem  allgemeinen  Charakter  der  antiken  Schlacht 
hat  nun  aber  Delbrück  speziell  aus  dem  Verlaufe  des  Kampfes  bei 
Pharsalos  deduzieren  wollen,  dafs  hier  gröfsere  Verluste  der  Cäsari- 
aner  vorliegen  müfsten. 


l)  Man  vergl.  z.  B.  die  Schlachten  bei  Kynoskephalä,  wo  auch  auf  Seiten 
der  Besiegten  8000,  auf  Seiten  der  Sieger  nur  700  fielen  (Liv.  33,  10,  6)  trotz  der 
Bedrängnis  des  linken  römischen  Flügels  in  der  Schlacht  (S.  83);  ferner  Magnesia, 
wo  der  Verlust  der  Sieger  neben  ungezähten  Tausenden  der  Feinde  auf  300  Mann 
zu  Fufs  und  49  Reiter  beziffert  wird  (Liv.  37,  44,  2),  Pydna,  wo  neben  20000  oder 
mehr  Feinden  nur  100  Tote  bei  den  Römern  angegeben  werden  (S.  331.  333).  Man 
könnte  die  Beispiele  leicht  vermehren.  Es  soll  bei  Aufzählung  dieser  Angaben 
natürlich  nicht  behauptet  werden,  dafs  sie  durchaus  zuverlässig  wären.  Besonders 
die  Verlustzahlen  der  Besiegten  konnten  nur  auf  Schätzung  beruhen  und  werden, 
wie  solche  Zahlen  gewöhnlich,  bedeutend  zu  hoch  sein.  Aber  dafs  man  so  enorme 
Unterschiede  von  Verlusten  beim  Sieger  und  beim  Besiegten  für  etwas  ganz 
Selbstverständliches  hielt,  das  geht  doch  aus  den  angeführten  Daten  hervor,  und 
darauf  kommt  es  hier  an. 


Beilage.    Heerestärken.  431 

„Bei  Pharsalos"  —  so  meint  er  —  „werden  nach  Cäsars 
eigener  Erzählung  seine  Reiter  zunächst  geworfen,  die  Legionen 
führen  den  Nahkampf  mit  Zähigkeit  und  erst  das  Einrücken  von 
Cäsars  drittem  Treffen  in  Verbindung  mit  der  Flankierung  bringt 
die  Pompejaner  zum  Weichen,  endlich  wird  auch  noch  das  Lager 
zwar  nicht  von  den  Pompejanischen  Legionaren,  aber  doch  von  den 
thrakischen  und  anderen  Bundesgenossen  eine  Zeitlang  tapfer  ver- 
teidigt und  zuletzt  erstürmt." 

Davon '  dafs  Cäsars  Reiterei  „geworfen"  sei  steht  nichts  bei 
Cäsar,  sodern  es  heifst  „impetum  non  tulit,  sed  paulatim  loco 
motus  cessit"  (b.  c.  III  93).  Es  handelt  sich  also  um  ein  langsames 
Zurückweichen  der  Reiterei,  das  ohne  irgendwie  namhafte  Verluste 
abgegangen  sein  kann,  auch  gar  nicht  weiter  als  etwa  350  bis 
400  Meter  weit  fortgesetzt  gewesen  sein  wird.  Denn  sobald  die 
Front  der  6  hinter  der  Schlachtreihe  hakenförmig  aufgestellten 
Kohorten  frei  war,  brachen  diese  natürlich  hervor,  und  der  Moment, 
kehrt  zu  machen,  war  für  die  Cäsarische  Reiterei  gekommen2). 
Delbrück  selber  spricht  (S.  503)  davon,  dafs  „die  germanischen  und 
gallischen  Reiter  Cäsars  ihrer  Instruktion  gemäfs  die  Attacke 
der  Pompejanischen  Reiter  nicht  angenommen  hätten,  sondern  zurück- 
gegangen wären",  ijünd  dieser  Annahme  ist  in  der  Tat  nach  der 
ganzen  Schlachtidee  Cäsar  (vergl.  S.  422  A.  1)  vollkommen  beizu- 
stimmen. Wie  kann  Delbrück  dann  aber  zu  gleicher  Zeit  auf  grofse 
Verluste  in  dem  Reiterkampfe  plädieren?. 

Ob  der  Nahkampf  der  Legionen  lange  gedauert  hat,  darüber 
haben  wir  keine  Angabe.  Um  Mittag  war  schon  alles  entschieden 
(b.  c.  III  95),  am  Morgen  aber  hatte  Cäsar  schon  aufgepackt,  um 
nach  Skotussa  zu  marschieren  (b.  c.  III  85  oben  S.  421),  als  sich 
plötzlich  die  Aussichten  für  eine  Schlacht  günstig  gestalteten;  dann 
rückte  er  erst  zur  Schlacht  aus  —  der  Weg  war  fast  eine  Stunde 
(S.  405)  —  und  der  Aufmarsch  ist  auch  auf  mehrere  Stunden  zu 
veranschlagen.  Viel  Zeit  bleibt  da  überhaupt  nicht  übrig.  Aber 
die  Entscheidung  auf  dem  Flügel  selber  mufs  vor  allem  sehr  schnell 
erfolgt  sein. 


2)  Die  Tiefe  einer  acies  triplex,  wie  Cäsar  sie  bei  Pharsalos  hatte,  kann 
nach  Cäs.  b.  c.  I  82  auf  150 — 200  Meter  berechnet  werden;  die  Länge  der  Front 
einer  Kohorte  von  etwa  300  Mann  wird  man  je  nach  ihrer  Tiefe  auf  etwa  40  Meter 
oder  weniger  ansetzen  können.     Das  ergibt  etwa  400  Meter  zusammen. 


432  Pharsalos. 

Das  Zurückgehen  von  Cäsars  Reiterei,  der  Flankenangriff  der 
6  Kohorten  sind  Dinge,  deren  Dauer  nach  Minuten,  höchstens  nach 
Viertelstunden  zählt.  Nimmt  man  nun  noch  gar  mit  Delbrück  an, 
dafs  der  Angriff  der  Pompejanischen  Eeiterei  früher  erfolgt  sei,  als 
Cäsars  Angriff  mit  den  Legionen,  so  wird  die  Zeit  für  den  Nahkampf 
der  letzteren  noch  mehr  verkürzt1). 

Die  Beschiefsung  des  Lagers  des  Pompejus  endlich  erforderte 
gleichfalls  nur  ganz  kurze  Zeit.  Die  geschlagene  Armee  beteiligte 
sich  gar  nicht;  die  verhältnismäfsig  kleine  Lagerbesatzung  stand 
der  ungeheuren  Übermacht  von  Cäsars  ganzer  Armee  gegenüber, 
für  deren  Abwehr  sie  weder  bestimmt  noch  geeignet  war;  sie 
wurde  aus  der  Ferne  mit  einem  Hagel  von  Geschossen  überschüttet 
und  verliefs  bald  ihren  Posten  (neque  vero  diutius,  qui  in  vallo 
constiterant,  multitudinem  telorum  ferre  potuerunt,  sed  confecti 
vulneribus  locum  reliquerunt,  b.  c.  III  95).  Von  einem  eigentlichen 
Sturm  ist  gar  keine  Rede.  Wenn  Cäsar  hierbei  überhaupt  Verluste 
gehabt  hat,  so  sind  sie  sicher  aufserordentlich  gering  gewesen.  So 
erklärt  sich  also  der  geringe  Verlust  Cäsars  bei  Pharsalos  völlig 
sachgemäfs  aus  den  Bedingungen  der  antiken  Schlacht  überhaupt  und 
aus  den  Verhältnissen  des  Kampfes  von  Pharsalos  im  besonderen. 

Was  die  Verluste  der  Pompejaner  betrifft,  so  drückt  sich  Cäsar 
sehr  vorsichtig  aus:  circiter  milia  XV  cecidisse  videbantur.  Cäsar 
selbst  hat  bekanntlich  das  Schlachtfeld  unmittelbar  nach  der  Kapitu- 
lation auf  dem  Karadscha-Achmed  verlassen,  um  Pompejus  zu  ver- 
folgen. Es  liegt  also  keine  Zählung,  sondern  Bericht  nach  Schätzung 
oder  Schätzung  Cäsars  nach  dem  Gesamteindrucke  vor.  Darum  gibt 
er  die  Zahl  auch  mit  allem  Vorbehalt2). 

Wenn  somit  Delbrücks  Versuch,  hier  die  Unglaubwürdigkeit 
Cäsars  nachzuweisen,  auf  der  ganzen  Linie  mifsglückt  ist,  so  liegt  doch 
anderseits  eine  richtige  Beobachtung  darin,  dafs  alle  vier  angeführten 
Verlustangaben  etwas  Auffallendes  an  sich  haben.  Aber  das  ist  nun 
eben  gerade  die  Erklärung  dafür,  weshalb  sie  überhaupt  von  Cäsar 
gemacht  worden  sind. 


1)  Delbrück  sagt  selbst  S.  504  nach  Erzählung  der  Umfassung  durch  Cäsars 
6  Kohorten:  „Eben  waren  auch  die  beiden  Phalangen  aneinandergeprallt  und 
hatte  das  Handgemenge  der  ersten  Treffen  begonnen."     Entsprechend  S.  516,  3. 

2)  Asinius  Pollio  schätzte  bekanntlich  viel  geringer,  auf  6000  Gefallene 
(S.  436),  wobei  nicht  klar  ist,  wie  bei  beiden  Autoren  die  Auxilia  gerechnet  sind. 


Beilage.    Heeresstärken.  433 

Cäsar  hat  durchaus  nicht  die  Gewohnheit,  regelmäfsig  Verlust- 
angaben zu  verzeichnen.  Selbst  bei  sehr  wichtigen  Aktionen,  wie  bei 
der  Helvetierschlacht  selbst,  bei  der  Schlacht  gegen  Ariovist,  gegen 
die  Nervier,  bei  Alesia  und  andern  fehlen  sie.  Er  macht  Verlust- 
angaben nur,  wenn  sie  etwas  Ungewöhnliches  an  sich  haben  oder 
sonst  für  die  Charakterisierung  der  Aktion  besonders  bezeichnend  sind. 

So  erwähnt  er  in  dem  Treffen  Curios  vor  Utika  unter  Angabe 
der  erklärenden  Details,  dafs  hier  500  Pompejaner  getötet,  1000  ver- 
wundet seien  und  von  Curios  Armee  nur  ein  Mann,  der  Päligner 
Fabius,  gefallen  sei  (b.  c.  II  35).  Hoffentlich  wird  dies  Beispiel  jetzt 
nicht  noch  nachträglich  für  Cäsars  Unzuverlässigkeit  ausgeschlachtet. 
So  erzählt  er,  dafs  ein  grofser  Lebensmitteltransport  in  Spanien  auf 
sorglosem  und  ungeordnetem  Marsche  plötzlich  von  der  ganzen  Reiterei 
des  Afranius  und  drei  Legionen  angefallen  sei  und  sich  trotzdem 
mit  Verlust  von  nur  200  Bognern  und  wenigen  Reitern  in  die  Berge 
gerettet  habe  (b.  c.  I  51).  Ein  ähnliches  Stückchen  von  Geistes- 
gegenwart und  Entschlossenheit,  wie  die  vom  Haliakmon  und 
Dyrrhachion.  So  gibt  er  endlich  in  dem  verhältnismäfsig  kleinen, 
aber  hartnäckigen  Gefechte  vor  Ilerda  völlig  sachgemäfs  seinen  Ver- 
lust auf  70  Tote  und  600  Verwundete,  den  der  Geguer  auf  200  Tote 
an,  um  dadurch  die  Bedeutung  des  Kampfes  ins  richtige  Licht  zu 
setzen  (b.  c.  I  46). 

Anderseits  hat  Cäsar  bei  den  wirklich  grofsen  Verlusten,  die 
er  wiederholt  gehabt  hat,  ohne  Verschleierung  und  Vertuschung  die 
Sachen  gesagt,  wie  sie  waren.  Bei  Gergovia  gibt  er  700  Legionare 
und  46  Zenturionen  (b.  g.  VII  51),  bei  Dyrrhachion  960  Mann  und 
32  Zenturionen  an  (b.  c.  III  71),  eine  Angabe,  die  selbst  Delbrück 
(Kriegsk.  I  508)  ausdrücklich  als  sachgemäfs  anerkennt.  Die  Antonia- 
nischen  Kohorten  sind  auch  nach  Cäsar  sämtlich  von  den  Pompejanern 
gefangen  (b.  c.  III  410)  und  Curios  Legionen  im  Felde  —  15  Kohorten  — 
bis  auf  den  letzten  Mann  niedergehauen  worden  (milites  ad  unum 
omnes  interficiuntur,  b.  c.  II  42). 

Was  hat  es  angesichts  solcher  Tatsachen  für  einen  Sinn,  bei 
meist  viel  gerin gfügeren  Gelegenheiten  auf  Fälschungen  zu  fahnden. 

Ich  komme  zum  zweiten  Punkte  der  Delbrückschen  Begründung, 
der  Autorität  des  Asinius  Pollio  und  seinen  abweichenden  Angaben. 
„Über   die  Heereszahlen"  —  so    äufsert    sieh  Delbrück  (S.  507)  — 

Kromayer,  Antike  Schlachtfelder.     U.  28 


434  Pharsalos. 

„ haben  wir  sehr  verschiedene  Nachrichten,  von  denen  zwei  Gruppen, 
Cäsar  selbst,  und  eine  zweite,  Plutarch,  Appian,  Eutrop  und  Orosius, 
die  auf  Asinius  Pollio  zurückgeht,  in  Betracht  kommen.  Bisher  hat 
man  den  Zahlen  Cäsars  den  Vorzug  gegeben,  aber  das  läfst  sich 
nicht  aufrecht  erhalten." 

Das  Quellenverhältnis  ist  hier  nicht  ganz  richtig  wiedergegeben. 

Wir  haben  neben  Cäsar  eine  doppelte  Nachrichtenreihe.  Die 
erste  geht  auf  Livius  zurück  und  wird  für  uns,  da  Livius  bis  auf 
ganz  geringe  Reste  verloren  ist,  hauptsächlich  durch  die  Epitomatoren 
des  Livius,  unter  ihnen  besonders  Orosius,  Eutrop  und  Florus,  aufser- 
dem  durch  Lukan  und  Dio  Cassius  vertreten.  Die  zweite,  welche  sich 
bei  Appian  und  Plutarch  findet,  geht  in  ihrem  Hauptstocke  direkt 
oder  indirekt  auf  Asinius  Pollio  zurück. 

Ob  Livius  seinerseits  Pollio  benutzt  hat,  ist  nicht  erwiesen, 
genannt  wird  Pollio  in  der  uns  erhaltenen  Livianischen  Tradition 
nicht  als  Quelle,  und  Livius,  der  den  Ereignissen  noch  ziemlich  nahe 
stand,  hatte  vielfache  Gelegenheit,  noch  von  Augenzeugen  Nachrichten 
zu  sammeln,  aufserdem  aus  der  zahlreich  vorhandenen  Memoiren- 
literatur und  aus  Streitschriften  zu  schöpfen.  Immerhin  ist  die  Mög- 
lichkeit zuzugeben,  dafs  er  unter  anderen  Quellen  auch  Pollio  mit 
eingesehen  hat1).  Wenn  man  aber  die  Reste  seiner  Erzählung  mit  der 
sicher  Pollionischen  Überlieferung  bei  Appian  und  Plutarch  aufmerk- 
sam vergleicht,  findet  man  doch  so  viele  Abweichungen,  dafs  eine 
ausgiebige  Benutzung  des  Pollio  durch  Livius  wenig  Wahrscheinlich- 
keit behält. 

Ist  es  bei  dieser  Sachlage  überhaupt  nicht  gerechtfertigt,  die 
von  Cäsar  abweichenden  Angaben  in  der  Livianischen  Tradition  ohne 
weiteres  auf  Pollio  zurückzuführen,  so  erscheint  es  in  unserem 
speziellen  Falle  geradezu  ausgeschlossen,  weil  sich  positiv  nachweisen 
läfst,  dafs  alle  hier  vorliegenden  Zahlenangaben  gar  nicht  aus  Polio 
stammen  können. 

Es  sind  im  ganzen  vier  Zahlenangaben  in  Betracht  zu  ziehen: 

1.  Die  Angabe  für  Cäsars  Verluste  bei  Dyrrhachion,  die  nach 
Orosius  (VI  5,  21)  4000  Mann,  22  Zenturionen  und  mehrere 
römische  Reiter  betrugen. 


x)  Man  vergleiche  darüber  Kornemann,  Die  historische  Schriftstellerei  des 
C.  Asinius  Pollio,  in  Jahrb.  f.  klass.  Philol.,  Suppl.  22,  S.  583  f. 


Beilage.    Heerestärken.  435 

2.  Die  Gesamttruppen  von  Pharsalos,  die  sich  nach  Florus 
(II  13,  43)  aufser  den  Auxilia  im  ganzen  auf  über  300000 
Mann  beliefen. 

3.  Die  Einzelangaben  für  Pharsalos,  die  nach  Eutrop  (VI  20,4) 
und  Orosius  (VI  15,  23)  für  Pompejus  88  Kohorten  von 
40  000  Mann  und  dazu  1100  Reiter,  für  Cäsar  80  Kohorten 
von  nicht  ganz  30  000  Mann  und  1000  Reiter  ausmachten. 

4.  Die  Verlustzahlen  von  Pharsalos,  die  nach  Orosius  (VI  15,27) 
für  die  Pompejaner  15  000  Mann  und  33  Zenturionen 
stark  waren. 

Von  diesen  vier  Angaben  können  die  beiden  ersten  nicht  auf 
Pollio  zurückgehen,  weil  sie  unsinnig  sind.  Für  die  300  000  Mann 
des  Florus  ist  das  ohne  weiteres  klar ;  aber  auch  für  die  4000  Mann 
Tote,  die  Cäsar  bei  Dyrrhachion  gehabt  haben  soll. 

Delbrück  selbst  rechnet  auf  4000  Tote  etwa  12— 20  000  Ver- 
wundete (S.  508).  Nun  hatte  aber  Cäsar  nur  33  Kohorten,  d.  h.  etwa 
10  000  Mann,  im  Gefechte  (b.  c.  III  67).  Daran  hat  Delbrück  offen- 
bar nicht  gedacht,  sonst  hätte  er  dem  Pollio  eine  solche  Unmöglich- 
keit überhaupt  nicht  zugeschrieben. 

Die  dritte  Angabe  von  40  000  und  30  0000  Mann  für  die 
beiden  Heere  samt  1100  und  1000  Mann  Reiterei  kann  gleichfalls 
nicht  aus  Pollio  stammen;  denn  in  der  anerkannt  Pollionischen 
Überlieferung  bei  Appian  und  Plutarch1)  finden  sich  ganz  ab- 
weichende, mit  Cäsar  selbst  vollkommen  über  einstimmende  Zahlen, 
nämlich  22000  Legionare  und  1000  Reiter  für  Cäsar  und  45  000 
Legionare     mit    7000    Reitern    für    Pompejus2).      Das    Zahlenver- 


a)  Die  Abhängigkeit  dieser  Tradition  von  Pollio  wird  von  niemand,  auch 
nicht  von  E.  Schwartz,  bestritten.  Der  Meinungsunterschied  besteht  nur  darin, 
dafs  die  einen  direkte,  die  andern  indirekte  Benutzung  annehmen;  vergl.  Korne- 
mann  a.  a:  0.  S.  559,  Schwartz  in  Pauly-Wissowas  Realenzyklopädie  „Appian". 
Ich  glaube,  dafs  Schwartz  recht  hat,  eine  Mittelquelle  für  Appian  einzuschieben, 
weil  sich  nur  so  die  vielfachen  Nachrichten  bei  ihm  erklären,  die  aus  inneren 
Gründen  nicht  auf  Pollio  zurückgeführt  werden  können.  Aber  diese  Mittelquelle 
hat  anderseits  doch  eine  solche  Fülle  von  gutem  Pollionischen  Material  weiter- 
geleitet,, dafs  der  Charakter  des  Appianischen  Geschichtswerkes  dadurch  wesentlich 
bestimmt  wird. 

2)  App.  b.  c.  II  70,289:  KataaQi  fxhv  lg  öioxilCovg  inT  diapvQioig  xul  tov- 
ttüv  Ijitzhq  r\6av  äftipl  rovg  %iUovg,  IJo^nrjtcp  Jf  vtiIq  t6  StnXaöLOV  xccl  tovicuv 
innsüg  ig  i7noMic%ilLovg.     Plut.  Pomp.  69:   r\Cav  dk  ol  pkv  [teicc  KaCaaqog  öio/ikioi 

28* 


43(5  Pharsalos. 

hältnis    30  000    zu    40  000    ist    dem    Appian    überhaupt    gar    nicht 
bekannt1). 

Für  die  vierte  Zahlenangabe  endlich  liegt  gar  die  positive 
Nachricht  vor,  dafs  Asinius  Pollio  nicht  die  Zahl  des  Orosius,  die 
hier  mit  Cäsar  übereinstimmt,  gegeben,  sondern  abweichend  davon 
den  Verlust  der  Pompejaner  auf  nur  6000  Mann  taxiert  habe2). 

Was  soll  man  unter  diesen  Umständen  zu  der  Kühnheit  sagen, 
Pollio  gegen  Cäsar  ausspielen  zu  wollen? 

Delbrücks  Pollio  verwandelt  sich  in  einen  Pseudopollio,  der 
bestenfalls  einer  Pompejanischen  Tradition  entspringt,  die  die  Ver- 
dienste Cäsars  und  den  Ruhm  des  Sieges  herabdrücken  wollte3). 
Wahrscheinlich  aber  liegt  nicht  einmal  das  vor,  sondern  nur  die 
Nachlässigkeit  eines  Livianischen  Exzerptors,  der  die  Zahlen  aus  Be- 
quemlichkeit abrundete,  ohne  sich  klar  zu  machen,  dafs  er  damit  das 
Verhältnis  derselben  sehr  wesentlich  änderte4). 

Es  bleibt  daher  nur  noch  die  Frage  zu  beantworten,  ob  für  die 
Angabe  Pseudopollios,  dafs  Pompejus  nur  88  (nicht  wie  Cäsar  sagt 
110)  Kohorten  in  der  Front  gehabt  habe,  vielleicht  innere  Gründe 
vorzubringen  sind,  wie  Delbrück  behauptet  hat.  „Orosius-Pollio"  — 
so  meint  er  nämlich  S.  509  —  „gibt  nur  88  Kohorten  in  der  Front 
an,  und  es  kann  keinem  Zweifel  unterliegen,  dafs  diese  Zahl  die 
richtige  ist." 


ngog  öiGfAVQioig,  ol  6h  f-ieru  Üoimritov  ßQa%€Z  Ttktiovsg  tf  Smlüaiov  tovtmv-  Ebenso 
Plut.  Caes.  42 :  (ot  Innug)  hmaxiGyJXioi  nQog  %iMovg  tov  KaCaaqog  ovrzg .  . .  (ne £ol) 
TtZQaxiOfjLVQioi  xal  7Z£VTccxiG%ikioi  na(jEiaTiovTo  6iGfxvqioig  xal  6iG/iÄioig. 

*)  B.  c.  II  70,  290:  oi  (xhv  rj/LiioXiov,  ocl  6h  Ix  tqkxjv  vo[ai£,ovGiv  a/u(pl  ra  6vo 
töÜ  IIofX7iriCco  y&vio&cu  fA.£Qrj. 

2)  App.  b.c.  II  82,346  (Viereck):  Idaivtog  6k  üoklicov,  vnb  Kaiöaqv  irg 
(ucc/tjg  Ixeivrjg  GTQccTtjydiv,  k'£ttXLG%t,Uovg  avayQ<x(fei  vsxQovg  svQt&rjvai  twj>  ITofj,7ir}iov. 
Plut.  Pomp.  72.     Caes.  46. 

3)  Man  vergl.  dazu  Veith  S.  502,  der  Delbrücks  Einfall,  die  Pompejaner 
hätten  an  der  Aufrechterhaltung  von  Cäsars  angeblich  lügnerischen  Zahlen  ein 
Interesse  gehabt,  mit  vollem  Rechte  als  psychologisch  so  falsch  und  innerlich  so 
unlogisch  zurückweist,  dafs  darüber  eine  Diskussion  überhaupt  nicht  angebracht  sei. 

4)  Die  Zahl  von  1100  Eeitern  bei  Orosius  und  Eutrop  setzt  sich  aus  500 
auf  dem  rechten  und  600  auf  dem  linken  der  Schlachtordnung  zusammen.  Es  ist 
wohl  statt  6000  bei  dem  Epitomator  des  Livius,  auf  den  Orosius  und  Eutrop 
zurückgehen,  aus  Irrtum  600  für  den  linken  Flügel  geschrieben  worden.  (So  auch 
Drumann-Groebe  III  458,  2.)  Dann  ist  alles  in  Ordnung.  Selbst  Delbrück  erklärt 
die  600  Heiter  für  eine  Korruptel,  sucht  sie  aber  anders  zu  erklären  (S.  512). 


Beilage.    Heeresstärken.  437 

„Cäsar  teilt  selber  mit  (III  4),  dafs  Pompejus  ursprünglich 
neun  Legionen  gehabt  habe,  wozu  noch  die  beiden  des  Scipio  kamen. 
Demgemäfs1)  gibt  er  ihm  bei  Pharsalus  110  Kohorten.  Er  hat 
aber  vergessen  abzuziehen,  dafs  Pompejus  15  in  Dyrrhachium  unter 
Cato  als  Besatzung  zurückgelassen  hatte,  und  er  sagt  selbst,  dafs 
sieben  Kohorten  im  Lager  blieben." 

Also  Cäsar  soll  wirklich  nach  Delbrücks  Ansicht  die  beiden  An- 
gaben, dafs  Pompejus  110  Kohorten  bei  Pharsalos  in  der  Front  ge- 
habt habe  und  dafs  seine  Gesamtarmee  auch  nur  110  Kohorten  um- 
fafst  habe,  für  übereinstimend  gehalten  haben?  Seit  wann  ist  es 
erhört,  dafs  grofse  operierende  Armeen,  wie  die  Cäsars  und  Pom- 
pejus' waren,  am  Schlachttage  alle  ihre  Bataillone  bis  zum  letzten 
in  der  Front  gehabt  haben?  Cäsar  war  das  in  seiner  ganzen  Praxis 
nie  vorgekommen.  Er  hätte  seine  militärische  Vergangenheit  einfach 
vergessen  müssen,  wenn  er  Pompejus  mit  110  Kohorten  in  der  Front 
angesetzt  hätte,  weil  er  seine  Armee  für  110  Kohorten  stark  hielt. 
Dafs  er  selber  Detachements  in  der  Stärke  von  30  Kohorten  mit 
.Einschlufs  der  Lagerbesatzung  hatte2)  und  deshalb  nur  80  Kohorten 
in  die  Front  stellen  konnte,  soll  er  richtig  erzählt  und  dabei  nicht 
daran  gedacht  haben,  dafs  auch  Pompejus  Detachements  haben  mufste, 
sondern  in  unglaublicher  Gedankenlosigkeit  die  Armee  in  der  Front 
mit  der  Gesamtarmee  gleichgesetzt  haben?  Und  das  in  dem  Augen- 
blicke, wo  er  einen  Teil  dieses  Plus  der  Gesamtarmee,  die  sieben 
Kohorten  Lager  wache,  eben  selbst  erwähnt  hatte?  Denn  nicht  nur 
die  15  Kohorten  des  Cato  in  Dyrrhachion  müfste  er  „vergessen" 
haben,  sondern  natürlich  auch  die  Lagerwache,  wenn  er  wirklich  die 
110  Kohorten  für  die  ganze  Armee  gehalten  hätte3). 

Diese  Auffassung  Delbrücks  stellt  eine  absolute  Unmöglich- 
keit dar. 

Der  einzig  mögliche  Schlufs,  den  man  ziehen  kann,  ist  viel- 
mehr der,  dafs,  wenn  Cäsar  die  Stärke  des  Pompejus  in  der  Schlacht 


*)  Von  mir  in  Sperrdruck  gesetzt. 

2)  Fünfzehn  Kohorten  in  Griechenland  (b.  c.  III  34  ff.),  acht  an  der  Küste  von 
Epiros  (b.  c.  III  78)  und  sieben  im  Lager  (b.  c.  III  89;  siehe  über  die  letztere 
Zahl  Drumann-Groebe  III  458  oder  Kraner-Hoffmann  z.  Stelle). 

3)  Was  Delbrück  daher  mit  dem  Zusätze  „und  er  (Cäsar)  sagt  selbst,  dafs 
sieben  Kohorten  im  Lager  blieben"  bei  seiner  Ansicht  überhaupt  beweisen  will, 
bleibt  ganz  rätselhaft. 


438  Pharsalos. 

auf  110  Kohorten  angibt,  er  die  Präsenzstärke  bei  Pharsalos  mit 
Einschlufs  der  Lagerwache  auf  117  Kohorten  und  die  Gesamtstärke 
mit  Einschlufs  der  detachierten  15  Kohorten  in  Dyrrhachion  (Plut. 
Cato  55)  auf  132  Kohorten  angesetzt  haben  mufs. 

Es  fragt  sich  nun,  ob  Cäsars  sonstige  Angaben  dem  wider- 
sprechen. 

Das  ist  nicht  der  Fall. 

Cäsar  gibt  (b.  c.  III  4)  an,  dafs  Pompejus,  ohne  die  zwei  noch 
nicht  angekommenen  Scipionischen  9  legiones  „civium  Romanorum", 
mit  ihnen  zusammen  also  110  Kohorten  civium  Romanorum  zusammen- 
gebracht habe.  Dann  fährt  er  fort:  praeterea  magnum  numerum 
ex  Thessalia,  Boeotia,  Achaia,  Epiroque  supplementi  nomine  in  legiones 
distribuerat;  his  Antonianos  milites  admiscuerat. 

Pompejus  hat  also  aufser  den  11  legiones  civium  Romanorum 
eine  Anzahl  von  „Ergänzungskohorten"  aus  Nichtbürgern  gebildet 
(supplementi  nomine)  und  diese  den  einzelnen  Legionen  zugeteilt. 

Das  ist  die  einfachste  und  natürlichste  Erklärung  von  Cäsars 
Worten,  eine  Erklärung,  welche  uns  aller  Schwierigkeiten  überhebt, 
die  man  bisher  in  dieser  Stelle  im  Vergleich  mit  den  späteren  An- 
gaben Cäsars  gefunden  hatte. 

In  diese  Ergänzungskohorten  wurden  nun  die  mit  C.  Antonius 
gefangenen  Soldaten  —  es  waren  nach  Orosius  (VI  15,9)  15  Kohorten  — 
verteilt.  Wir  haben  also  in  ihnen  eine  ganz  analoge  Einrichtung 
mit  den  cohortes  alariae  der  Pompejaner  in  Spanien  unter  Afranius 
(b.  c.  I  39). 

Die  Scheidung  der  cives  von  den  peregrini  ist  damit,  den  schroffen 
Anschauungen  des  Pompejanischen  Lagers  entsprechend,  auch  äufser- 
lich  scharf  durchgeführt.  Denn  die  Antonianer  sind  ja  als  Trans- 
padaner1)  nach  dieser  Auffassung  auch  keine  cives  Romani.  Die  lex 
Roscia2)  wird  in  Pompejus'  Lager  natürlich  nicht  anerkannt. 

Aufser  diesen  cohortes  supplementariae  kamen  dann  noch  die 
Afranianer  zu  der  Armee  hinzu,  die  zwar  cives  Romani  waren,  aber 
in  keinen  Legionsverband  eingetreten  sind3).  Ihre  Zahl  wird  von 
Cäsar  nicht  genannt,  und  es  ist  müfsig,  darüber  zu  streiten. 


1)  Livius  periocha  110:  Opitergini  Transpadani. 

2)  Drumann-Groebe  III  424. 

3)  Daher   Caes.  b.  c.  III  88:    Ciliciensis    legio    coniuncta   cum    cohortibus 
Hispanis,  quas  traductas  ab  Afranio  docuimus. 


Beilage.    Heeresstärken.  439 

Alle  diese  einzelnen  Kohorten  müssen,  damit  die  Zahl  von 
132  Kohorten  herauskommt,  zusammen  mindestens  22  gewesen  sein, 
wahrscheinlich  aber  noch  mehr.  Denn  es  ist  z.  B.  kaum  anzu- 
nehmen, dafs  Larissa,  welches  sehr  exponiert  in  Pompejus'  Flanke  lag 
(S.  419),  und  wo  sich  ohne  Zweifel  Pompejus'  Hauptdepots  für  den 
Thessalischen  Feldzug  befanden,  nicht  durch  eine  verhältnismäfsig 
starke  Besatzung  gedeckt  gewesen  wäre,  wenn  auch  keine  Nachricht 
darüber  auf  uns  gekommen  ist. 

Vielleicht  erklärt  sich  nun  aus  dieser  Scheidung  von  cives  und 
peregrini  die  Angabe  des  Orosius  über  Pompejus  88  Kohorten  in  der 
Schlachtlinie :  es  standen  hier  von  römischen  Bürgern  in  der  Tat  nur 
88  Kohorten  die  übrigen  22  waren  Auxiliarkohorten.  Dann  hätten  wir 
wiederum  die  Analogie  mit  Spanien,  wo  auch  bei  der  Schlachtaufstellung 
der  Pompejaner  die  fünf  Legionen  die  beiden  ersten  Treffen  bildeten, 
während  die  Kohorten  derSpanier  im  dritten  aufgestellt  waren  (b.c.1 83). 

Der  dritte  und  letzte  Punkt  in  Delbrücks  Räsonnement  hatte 
die  Reiterei  betroffen,  welche  er  auf  2000  Pferde  für  Cäsar,  auf  3000 
für  Pompejus  schätzen  zu  sollen  geglaubt  hatte. 

Dafs  er  dabei  von  allen  Quellen  verlassen  ist,  selbst  von  Pseudo- 
pollio,  bedarf  keiner  Erwähnung. 

Es  müfsten  also  die  durchschlagendsten  sachlichen  Gründe  für 
Delbrücks  Annahme  vorhanden  sein,  wenn  wir  sie  zu  der  unsrigen 
machen  wollten. 

Dafs  7000  Reiter  als  Resultat  der  Rüstungen  eines  ganzen 
Jahres  in  den  pferdereichen  Ländern  um  das  Ostbecken  des  Mittel- 
meeres herum  an  sich  nichts  Auffälliges  sind,  wird  jeder  Kenner  der 
Verhältnisse  ohne  Bedenken  zugeben.  Daher  bleibt  die  von  Veith 
(S.  504)  mit  Recht  aufgeworfene  Frage,  weshalb  Pompejus  sich  eine 
solche  Kavallerie  nicht  verschafft  haben  sollte,  wenn  er  es  so  leicht 
konnte,  bei  Delbrücks  Ansatz  eine  Frage  ohne  Antwort. 

Dafs  Delbrück  trotzdem  an  der  Annahme  einer  viel  geringeren 
Reiterei  festhält,  liegt  denn  auch  keineswegs  darin,  dafs  er  eine  Zahl 
von  7000  Pferden  für  eine  sachliche  Unmöglichkeit  hält,  sondern 
lediglich  an  dem  Umstände,  dafs  er  auch  hier  wieder  einer  Fälschung 
Cäsars  auf  der  Spur  zu  sein  glaubt. 

Von  den  7000  Mann  Reiterei  zählt  Cäsar  nämlich  (b.  c.  III  4) 
nur  Kontingente   in  der  Gesamtstärke  von  3600  Mann,    unter  ihnen 


440  Pharsalos. 

500  Thraker    des  Kotys    und   200  Makedonier    des  Raskypolis    mit 
Angabe  der  Detailzahlen   auf;    dann  fährt   er  fort,    dafs   dazu  noch 
Dardaner  und  Besser,  ferner  Makedonier,  Thessaler  und  Reiter  anderer 
Staaten  und  Völker  hinzugekommen  seien  und  so  die  Zahl  7000  er- 
reicht wäre.     „Was  sollen  das"  —  so  fragt  Delbrück  S.  511  —  „füi 
andere  Völkerschaften  gewesen  seien,  die  die  volle  Hälfte  der  Kavalleri( 
stellten  und  doch  nicht  genannt  werden  konnten?     Und  wie  kommt 
es,  dafs  die  Makedonier,  deren  Kontingent  schon  aufgeführt  ist,  hier  I 
zum    zweitenmal  genannt,    dafs  oben  die  Thrazier  generell  genannt,  I 
hier  die  Bessier  besonders  aufgeführt  werden,  die  ebenfalls  Thrazier  I 
sind?    Der  Verdacht  scheint  unabweislich,  dafs  Cäsar  in  der  Tat  eine  fl 
Liste  der  verschiedenen  Kontingente  vorgelegen  hat,  und  dafs  er,  als  i 
er  sah,  dafs  sie  nur  die  Hälfte  von  dem  ausmachte,  was  er  zu  sagen  f 
wünschte,  noch  einen  an  Zahl  und  Herkunft  unbestimmten  Rest  hier  I 
zugefügt  und  hierbei   aus  Versehen  (sie!)  auch  die  Mazedonier  zum  |i 
zweiten   Male  genannt  und  zum  Füllen  auch  noch  den   besonderen 
Namen  der  Bessier  hinzugefügt  hat." 

Der  arme  Cäsar!  Wenn  er  durchaus  schwindeln  wollte,  warum  [ 
fing  er  es  denn  nur  so  grenzenlos  ungeschickt  an?  Standen  ihm 
nicht  Dutzende  von  Namen  streitbarer  Reitervölker  des  Ostens  zu 
Gebote  oder  konnte  er  nicht,  wenn  ihm  gar  nichts  einfiel,  die  ge- 
nannten Kontingente,  ohne  den  geringsten  Verdacht  zu  erwecken,  um 
je  ein  paar  hundert  Mann  erhöhen  und  hatte  dann  die  gewünschte 
Zahl,  anstatt  die  Thrakier  unter  verschiedenen  und  die  Makedonier 
gar  „aus  Versehen"  mit  demselben  Namen  zweimal  zu  nennen  und  ! 
so  seine  Fälschung  selbst  für  Gelehrte  des  20.  Jahrhunderts  noch 
handgreiflich  zu  machen? 

Aber  hat  denn  Delbrück  in  der  Tat  nicht  gesehen,  dafs  der 
Odrysenkönig  Kotys  nicht  identisch  sein  kann  mit  seinen  Todfeinden, 
den  Bessern  *),  und  dafs  der  thrakische  Teilfürst  Raskypolis,  dessen 
Gau  an  den  Grenzen  von  Makedonien  bei  Philippi  liegt2)  und  dessen 

x)  Cicero  in  Pis.  34,84:  tu  Rabocentum,  Bessicae  gentis  prineipem,  cum  te 
trecentis  talentis  regi  Cotyi  vendidisses,  securi  percussisti .  .  .  ueque  eum  solum, 
sed  etiam  ceteros  legatos,  qui  simul  venerant;  quorum  omnium  capita  regi  Cotyi 
vendidisti.  Gesprochen  55  v.  Chr.  Die  Feindschaft  setzt  sich  unter  Augustus 
und  Tiberius  fort  (Dio  54,  20,  3.  34, 5)  und  war  gewifs  altererbt. 

2)  Die  Legaten  des  Antonius  und  Octavianus  marschieren  42  v.  Chr.  nach 
Thrakien  jus/qc  nöliv  vnsoßdviEg  ^iXCnnovg,  zä  areva  t«  KoqtiiXcov  xal  Zanccitov, 
Trjg  lPaOxov7i6lt,öos  ovict  ctQ/ijs,  zarüaßov.    App.  b.  C.  IV  87,  368. 


Beilage.    Heeresstärken.  441 

Reiter  deshalb  makedonisch  genannt  werden,  mit  seinen  ganzen  zwei 
Schwadronen  nicht  der  Kommandant  der  Kavallerie  aus  der  römischen 
Provinz  Mazedonien  sein  kann? 

Hat  er  überhaupt  nicht  gesehen,  dafs  Cäsars  Liste  gar  keinen 
Anspruch  auf  Vollständigkeit  macht1),  sondern  in  sehr  geschickter 
Weise  nur  die  besonders  beachtenswerten  Kontingente  hervorhebt, 
die  von  barbarischen  Fürsten  und  Fürstensöhnen  geführt  werden  oder 
gar  aus  Sklaven  bestanden  —  ein  Barbaren-  und  Sklavenheer,  das 
Pompejus  gegen  Rom  führt!  — ,  dafs  dagegen  vollständig  die  Reiter- 
kontingente aus  sämtlichen  römischen  Provinzialländern  fehlen, 
aus  Ächaja,  Makedonien,  Asia  und  Syrien?  Und  dafs  also  diese  mit  Ein- 
schlufs  von  einigen  angeworbenen  Reitern  aus  den  nördlichen  Balkan- 
staaten, Dardanern  und  Bessern,  die  Füllung  für  die  fehlenden 
3400  Reiter  bilden?  Eine  Zahl,  die  natürlich  von  diesen  Ländern 
spielend  aufgebracht  werden  konnte.  Man  braucht  sich  ja  nur  ganz 
flüchtig  zu  erinnern,  dafs  der  Achäische  Bund  allein  wiederholt  bis 
1000  Reiter  ins  Feld  gestellt  hat,  dafs  Philipp  von  Makedonien  bei 
Kynoskephalä  2000,  Perseus  im  Kriege  mit  Rom  4000  Pferde  hatte 
und  Eumenes  den  Römern  mit  Hilfskontingenten  von  800  und  1000 
Reitern  zu  Hilfe  gekommen  ist,  ganz  abgesehen  von  der  Reiterei 
Syriens,  die  mit  Scipio  heranzog2). 

Was  Cäsars  eigene  Reiterei  betrifft,  so  wollen  Delbrück  „die 
tausend  Reiter,  die  Cäsar  nur  gehabt  haben  will,  nicht  recht  glaub- 
haft erscheinen",  da  er  bei  Brundisium  seine  ganze  Reiterei,  nach 
Appian  10  000  Mann,    versammelt    gehabt    habe.     „Wir  fragen,"  — 


!)  So  nennt  z.  B.  Appian  II  49,  202  noch  Kontingente  der  Kilikier,  Armenier, 
Pamphylier  und  Pisidier.  ib.  71,295:  Armenier  unter  Taxiles  und  Megabates,  die 
in  Cäsars  Liste  fehlen.  Ebenso  Lukan  V  225  pontische  Reiter:  et  largus  habenae 
Ponticus  ibat  eques. 

2)  Die  Reiterei  aus  Syrien,  welche  mit  Scipio  kam,  wird  bei  anderen  Ge- 
legenheiten wiederholt  erwähnt:  b.  c.  III  31, 2:  Scipio  equites  toti  provinciae 
imperaverat . . .  quibus  coactis  . .  .  legiones  equitesque  ex  Syria  deduxerat.  Dann 
schlägt  sie  sich  mit  den  500  Reitern  des  Domitius  am  Haliakmon  herum  (III  37), 
wobei  einmal  80  Mann,  ein  anderes  Mal  zwei  Türmen  (III  38)  niedergemacht 
werden.  Wir  werden  sie  danach  mindestens  gleichfalls  auf  500  Mann,  wahrschein- 
lich aber  beträchtlich  höher  ansetzen  müssen.  Man  denke  an  die  Reiterheere, 
welche  die  Seleukiden  doch  meist  aus  Syrien  und  Kleinasien  aufgebracht  haben; 
s.  oben  S.  209.  Über  die  Reiterei  des  Achäischen  Bundes  s.  Bd.  I  289.  Über 
Philipp,  Perseus,  Eumenes  s.  oben  S.  102;  336;  207.  344.  Weiteres  Material  bei 
Beloch,  Bevölk.  S.  151f.  186  f.  199  f. 


442  Pharsalos. 

so  meint  er  S.  513  wörtlich  —  „weshalb  Cäsar  von  dem  Keiterüber- 
flufs,  den  er  bei  Brundisium  hatte,  nicht  noch  eine  Anzahl  hat  kommen 
lassen.  Es  war  ja  Monate  lang  Zeit  dazu,  und  wenn  es  bei  Brun- 
disium zu  gefährlich  war,  so  konnten  einzelne  Abteilungen  in  der 
Zeit,  wo  Cäsar  das  Pompejanische  Heer  eingeschlossen  hielt,  das 
Adriatische  Meer  irgendwo  weiter  nördlich  durchqueren,  an  der  illyri- 
schen Küste  landen  und  ihrem  Feldherrn  zuziehen.  Waren  auch  viele 
Transportschiffe  zerstört,  aus  Tarent  und  Syrakus  oder  den  adriati- 
schen  Häfen  konnte  man  neue  beschaffen." 

Eine  Widerlegung  dieser  Ausführungen  darf  ich  mir  wohl  er- 
sparen, indem  ich  einfach  hersetze,  was  der  Militär  Veith  (S.  503)  dazu 
bemerkt  hat:  „Delbrück  selbst"  —  so  führt  Veith  aus  —  gibt  zu,  dafs 
Cäsar  bis  zu  den  Kämpfen  bei  Dyrrhachium  nur  1400  Reiter  über- 
schifft hatte,  und  meint,  während  jener  Positionskämpfe  wäre  das 
weitere  Überschiffen  beliebiger  Reitermassen  'irgendwo  weiter  nörd- 
lich' leicht  gewesen.  Wer  —  nebenbei  mit  militärischem  Verständnis  — 
das  bellum  civile  gelesen  hat,  mufs  bei  einer  solchen  Behauptung  die 
Hände  über  dem  Kopfe  zusammenschlagen.  Wenn  man  bedenkt,  dafs 
nicht  des  Pompejus  Landmacht  es  war,  welche  Cäsars  Transporte  er-; 
Schwerte,  sondern  seine  Flotte,  welche  aber  durch  die  Einschliefsung 
der  Landarmee  bei  Dyrrhachium  nicht  im  geringsten  in  ihrer  Aktions- 
freiheit behindert  wurde,  ja  im  Gegenteil  gerade  jetzt  wegen  der 
günstigeren  Jahreszeit  in  Ausübung  der  Küstensperre  wesentlich  mehr 
leisten  konnte  als  vorher  im  Winter;  wie  sehr  ferner  Cäsar  auch 
jetzt  noch  unter  der  Seeherrschaft  der  Gegner  litt,  wie  seine  letzten 
Transportschiffe  vernichtet  wurden  (b.  c.  III  39.  40),  und  welche 
Schwierigkeit  dem  Aufbringen  neuer  Transportfahrzeuge  jederzeit  im 
Wege  stand1);  dafs  ferner  die  gegnerische  Küstenblockade  von  Istrien 
bis  zu  den  Ionischen  Inseln  reichte  und  schliefslich  ein  Kavallerie- 
transport eine  weit  diffizilere  Sache  war  als  ein  Infanteriekonvoi,  ja 
für  sich  allein,  ohne  letzteren  unter  der  Möglichkeit  einer  feindlichen 
Einwirkung,  gar  nie  durchgeführt  wurde:  wer  sich  dies  alles  gleich- 
zeitig vor  Augen  zu  halten  vermag,  der  wird  das  Absurde  jener 
Delbrückschen  Beweisführung  sehr  deutlich  fühlen." 

x)  „Delbrück  meint,  dieselben  hätten  ohne  weiteres  'aus  Tarent  oder  Syrakus 
oder  den  adriatischen  Häfen'  neu  beschafft  werden  können.  Wie  schade,  dafs 
Cäsar  nicht  selber  auf  diesen  Gedanken  gekommen  ist;  der  ganze  Feldzug  hätte 
dann  von  Anfang  an  einen  ganz  anderen  Verlauf  nehmen  müssen!" 


Beilage.    Heerestärken;  443 

Man  wird  nicht  umhin  können,  diesen  überzeugenden  Aus- 
führungen Punkt  für  Punkt  beizustimmen. 

Dafs  auch  die  ganze,  übereinstimmend  überlieferte  Schlachtidee 
des  Pompejus,  mit  seiner  überlegenen  Reiterei  Cäsars  Armee  aufzu- 
rollen, bei  Delbrücks  Kräfteverteilung  der  Kavallerie  zu  einer  Un- 
möglichkeit wird,  hat  Veith  (S.  504)  gleichfalls  mit  ebenso  durch- 
schlagenden Gründen  nachgewiesen,  und  ich  brauche  auch  darüber 
keine  Worte  mehr  zu  verlieren. 

Somit  stehen  wir  nach  Zurückweisung  der  Delbrückschen  Hypo- 
thesen wieder  auf  dem  alten  Standpunkte,  die  Cäsarischen  Angaben 
als  grundlegend  anzusehen  und  Cäsars  Heere  22  000  Mann  Legionare 
nebst  1000  Reitern,  Pompejus  45000  Mann  Legionare  mit  7000  Reitern 
zuzuteilen. 


Verzeichnis  der  Karten  und  Skizzen  von  Band  II 
und  Bemerkung  über  ihre  Herstellung, 


I.  Verzeichnis. 

1.  Übersichtskarte    für    den    römisch -makedonischen    Feldzug    im 
Jahre  199  v.  Chr.     1:900  000. 

Beikarte:  Schlacht  bei  Banitza  (Eordäa)  1:200  000. 

2.  Übersichtskarte    für    die    römisch -makedonischen   Feldzüge   der 
Jahre  198  und  197  v.  Chr.     1:900000. 

Beikarte:    Operationen    nach    der  Schlacht  am  Aoos   198 
v.Chr.     1:400000. 

3.  Plan  der  Schlacht  an  den  Aoospässen  198  v.  Chr.    1  :  72000. 

4.  Plan  der  Schlachten  von  Kynoskephalä 

1)  Juni  197  v.  Chr.       1  :  50000. 

2)  364  v.  Chr.     1:  100000. 

Bei  karte:    Übersichtskarte   für   die   Bewegungen   vor   der 
Schlacht  von  Kynoskephalä  197  v.  Chr.     1:300000. 

5.  Plan  der  Schlacht  an  den  Thermopylen  191  v.  Chr.     1 :  50000. 

Bei  karte:     Die  Umgebung   der  Thermopylen.     1:300000. 

6.  Plan  der  Schlacht  von  Magnesia  190  v.  Chr.     1 :  50000. 

Beikarte:  Die  Operationen  vor  der  Schlacht  von  Magnesia. 
1  :  500000. 

7.  Übersichtskarte    zum    Krieg    gegen    Perseus    171 — 168  v.  Chr. 
1  :  300000. 

8.  Der  Olympübergang  der  Römer  169  v.  Chr. 

1)  Marschroute  der  Römer.     1  :  200000. 

2)  Gefecht  am  Nezerosee.     1 :  50000. 

9.  Plan  der  Schlacht  von  Pydna  168  v.  Chr.     1  :  50  000. 

Beikarte:  Übersichtskarte  für  Pydna  und  die  Stellung  am 
Elpeos.     1  :  210000  (sie!). 


Verzeichnis  der  Karten  und  Skizzen.  445 

10.    Plan  der  Schlacht  von  Chäronea.     86  v.  Chr.     1:50000. 

Beikarte:  Kaprena  (Chäronea)  1:25000. 
Dl.    Übersichtskarte    für    die    Schlacht   von    Pharsalos.      48  v.  Chr. 
1 :  100000. 

Beikarte:  Marschrouten  des  Caesar,  Pompeius  und  Domitius 
Calvinus  1  :  900  000. 
12.    Plan  der  Schlacht  von  Pharsalos.     1  :  50000. 

Beikarte:    Lager    des    Pompejus    und    mons    sine    aqua. 
1  :  25000. 

Skizzen.  zu  Text 

Skizze  zum  Winterfeldzug  des  Perseus  gegen  Uskana  170/169 

v.  Chr.    1  :  1000000 S.  438 

Skizze  zum  Marsch  des  Perseus  nach  Stratos,  Winter  170/169 

1:1000000 S.  442 


II.  Bemerkung  über  die  Herstellung. 

Indem  ich  auf  die  entsprechende  Bemerkung  in  Bd.  I  342  ver- 
weise, wo  das  Allgemeine  über  diesen  Gegenstand  gesagt  ist,  gehe 
ich  sofort  zu  den  Einzelheiten  über,  die  die  Karten  dieses  Bandes 
allein  betreffen. 

Das  Material,  welches  zugrunde  gelegt  wurde,  war  im  Gegen- 
satz zu  Bd.  I,  wo  fast  überall  auf  die  Carte  de  la  Grece  zurück- 
gegangen werden  konnte,  ein  sehr  mannigfaltiges. 
Karte  1  und  2:  Übersichtskarten  für  die  Feldzüge  200 — 197  beruhen 
auf  der  vom  K.  K.  Militär-geographischen  Institut  in  Wien 
herausgegebenen  Karte  von  Mitteleuropa  in  1 :  300000,  da  die 
neuere  in  1:200000  noch  nicht  in  allen  erforderlichen  Blättern 
erschienen  war.  Höhenzahlen  und  sonstige  Einzelheiten,  auf 
die  für  unsere  Zwecke  etwas  ankam,  sind  aber,  soweit  es 
möglich  war,  nach  dieser  neueren  Karte  eingetragen  worden, 
Die  Angaben  der  erst  nach  Drucklegung  dieser  Karten  er- 
schienenen Blätter  der  neuen  österr.  Karte  sind  wenigstens 
im  Texte  des  Buches,  wo  es  erforderlich  war,  berücksichtigt 
worden. 

Die  Beikarte  zu  Karte  1:    Schlacht  bei  Banitza  beruht 
auf  der  österreichischen  Karte  1 :  200000. 


446  Verzeichnis  der  Karten  und  Skizzen. 

Die  Beikarte  zu  Karte  2:  auf  der  „Karte  von  Epirus 
und  Westthessalien  nach  den  vorhanden  Quellen  und  eigenen 
Aufnahmen"  von  Dr.  A.  Philippson  1:300000  (erschienen 
in  der  Zeitschrift  d.  Gesellsch.  für  Erdkunde  zu  Berlin. 
Bd.  30—32.  Auch  als  Beilage  zum  Separatabdrucke  davon 
bei  Kühl.  Berlin  1897);  einer  Karte,  durch  die  es  überhaupt 
erst  möglich  geworden  ist,  sich  in  dem  schwierigen  Gebirgs- 
lande  des  Pindos  kartographisch  zurechtzufinden. 

Karte  3 :  Die  Schlacht  an  den  Aoospässen,  beruht  auf  einer  Routen- 
skizze des  Herrn  Oberleutnant  Brück,  von  der  mir  vom  K. 
u.  K.  Militärgeographischen  Institut  eine  photographische 
Kopie  zur  Verfügung  gestellt  wurde. 

Karte  4:  Schlacht  bei  Kynoskephalä  197  v.  Chr.  und  364  v.  Chr. 
Diese  Karten  beruhen  auf  dem  Plan  der  Schlacht  von  Pharsala, 
in  v.  d.  Goltz'  „Thessalischer  Krieg",  ein  Plan,  der,  wie 
Freiherr  v.  d.  Goltz  mir  mitzuteilen  die  Güte  hatte,  seiner- 
seits wieder  auf  die  Aufnahme  türkischer  Generalstabsoffizire 
zurückgeht.  Dieser  Plan  ist  an  Ort  und  Stelle  von  Herrn 
Hauptmann  Goeppel  revidiert  und  in  Einzelheiten  verändert 
und  ergänzt  worden;  auch  Heuzeys  Plan  VII  in  Operations 
militaires  de  Cesar  ist  mitbenutzt. 

Die  Beikarte :  Übersichtskarte  für  die  Bewegungen  vor  der 
Schlacht  von  Kynoskephalä,  geht  hauptsächlich  auf  Kieperts 
Carte  de  l'Epire  et  de  la  Thessalie  1:500000  (Dietrich 
Reimer)  zurück,  zu  welcher  für  den  Kara-dagh  an  Ort  und 
Stelle  vorgenommene  Einzeichnungen  hinzugekommen    sind. 

Karte  5:  Die  Schlacht  an  den  Thermopylen. 

Diese  Karte  beruht  auf  1)  einer  Vergröfserung  des  Originals 
der  Carte  de  la  Grece  auf  1  :  25  000  (s.  darüber  Bd.  I, 
S.  343),  2)  auf  der  Karte  „Pass  of  Thermopylä"  in  Grundy, 
The  great  Persian  war,  die  für  die  Strandpartien  durch- 
aus zuverlässig  ist  und  auf  genauen  Nivellementsaufnahmen 
des  Verfassers  beruht,  die  Gebirgspartieen  aber  leider  nicht 
mitumfafst;  3)  auf  Einzeichnungen  des  Herrn  Oberst  Janke 
an  Ort  und  Stelle. 

Die  Beikarte  geht  auf  Kiepert-Kokides  Karte  des 
Königreichs  Griechenland  1 :  300  000  (Militär- geograph. 
Institut  Wien)  zurück. 


Verzeichnis  der  Karten  und  Skizzen.  447 

Karte  6 :  Schlacht  von  Magnesia  beruht  auf  1)  Kieperts  Spezialkarte 
vom  westlichen  Kleinasien  1  :  250000;  2)  v.  Diests  Karte  des 
nordwestlichen  Kleinasien  in  4Blättern  1 :  500000  (A.  Schall, 
Berlin).  Von  dem  Original  dieser  letzteren  Karte  1  :  150000, 
das  im  Besitz  der  Königl.  Museen  zu  Berlin  ist,  habe  ich  durch 
Herrn  Prof.  Oehler  eine  Pause  des  betreffenden  Stückes  er- 
halten; 3)  auf  eigenen  Einzeichnungen  an  Ort  und  Stelle. 

Die  Beikarte  beruht  auf  demselben  Material  und  auf 
mir  von  Herrn  Aristoteles  Fontrier  in  Smyrna  zur  Verfügung 
gestellten  Auskünften  von  Einheimischen  über  den  Göktsche- 
Sumpf. 

Karte  7:  Übersichtskarte  zum  Krieg  gegen  Perseus  1  :  300000  beruht 
auf  der  Karte  des  K.  u.  K.  Militär-geographischen  Instituts 
von  Mitteleuropa  1:200000. 

Karte  8:  Olympübergang  der  Römer 

1)  im  Mafstabe  von  1:200  000,  beruht  auf  der  österr.  Karte 
von  Mitteleuropa. 

2)  im  Mafstabe  von  1  :  50000,  beruht  auf  der  Karte  der  neuen 
griechisch-türkischen  Grenze  vom  Jahre  1898,  von  der  mir 
einephotographische  Kopie  des  betreffenden  Stückes  von  dem 
K.  u.  K.  Militär-geographischen  Institut  zur  Verfügung  gestellt 
wurde. 

Karte  9:  Plan  der  Schlacht  von  Pydna  beruht  auf 

1)  einer  Vergrößerung  der  türkischen  Generalstabskarte  1:210000 

2)  eigenen  Eintragungen  in  dieselbe  an  Ort  und  Stelle. 

Beikarte:  dasselbe  Material. 
Karte  10:  Plan  der  Schlacht  von  Chäronea,     86  v.  Chr.,  beruht 

1)  auf  dem  Original  der  Carte  de  la  Grece, 

2)  auf  Einzeichnungen  des  Herrn  Hauptmann  Goeppel. 

Beikarte:  Kaprena  von  Herrn  Hauptmann  Goeppel. 
Karte  11:  Übersichtskarte  für  die  Schlacht  von  Pharsalos  in  1 :  100000 
beruht  auf  Stoffels  Carte  de  Pharsale  in  seinem  Werke  Hist. 
de  Jules  Cesar,  guerre  civile,  mit  einzelnen  eigenen  Ein- 
tragungen aus  den  unter  12  genannten  Karten.  Die  Stoffeische 
Karte  beruht  ihrerseits  wieder  fast  ausschliefslich  auf  dem 
Original  der  Aufnahme  von  Laloy  in  Heuzey  und  Daumet 
Mission  en  Macedoine.  Die  Beikarte  beruht  auf  demselben 
Material  wie  Karte  1. 


448  Verzeichnis  der  Karten  und  Skizzen. 

Kiirte  12:  Plan  der  Schlacht  von  Pharsalos  1  :  50000,  beruht  aui 
einer  Kombinierung  von  der  Karte  von  v.  d.  Goltz  (s.  oben 
Karte  4)  und  der  Karte  von  Mavrokordatos,  der  im  Auftrage 
des  griechischen  Generalstabes  einzelne  Teile  von  Thessalien 
aufgenommen  hat.  Auch  die  Karte  von  Heuzey  in  Operations 
de  Jules  C6sar  ist  mitbenutzt.  Dazu  kommen  zahlreiche 
Eintragungen,  Höhenmessungen  und  sonstige  Nachprüfungen 
an  Ort  und  Stelle  durch  Herr  Hauptmann  Goeppel. 
Die  Bei  karte  beruht  auf  demselben  Material. 

Skizzen. 

Die  beiden  Skizzen  S.  438  und  S.  442  beruhen  auf  der  Kartet 
des  K.  u.  K.  militär-geographischen  Instituts  in  Wien  von  Mittel- 
europa in  1  :  200  000. 


Verzeichnis  der  in  Bd.  II  öfter  nnd  abgekürzt 
genannten  Werke1). 


Armandi  =  Histoire  des  616phants  dans  les  guerres  et  les  fetes  des 
peuples  anciens  par  P.  Armandi,  gen6ral  et  ancien  colonel 
d'artillerie  italienne.     Limoges  bei  Ardent,  ohne  Jahreszahl. 

Barth  =  Reise  durch  das  Innere  der  Europäischen  Türkei  von 
Heinrich  Barth,  Berlin  1864. 

B.  C.  H.  =  Bulletin  de  correspondance  hellßnique. 

Bou6=s=La  Turquie  d'Europe  par  A.  Bou6,  Paris  1840  ff.    4  Bde. 

Boue  rec.  =  Recueil  d'itineraires  dans  la  Turquie  d'Europe  par 
Ami  Boue,  Wien  1854.     2  Bde. 

Bursian  =  Geographie  von  Griechenland  von  Konrad  Bursian,  Leipzig 
1862,  1868  ff.     2  Bde. 

v.  Cämmmerer  =  Die  Entwicklung  der  strategischen  Wissenschaft 
im  19.  Jahrh.  von  v.  Cämmerer,  Berlin  1904. 

Clausewitz  =  Vom  Kriege,  Hinterlassenes  Werk  des  Generals 
C.  v.  Clausewitz,  erläutert  von  W.  v.  Scherff,  Dresden, 
Damm  1901. 

Delbrück  Kriegsk.  =  Geschichte  der  Kriegskunst  im  Rahmen  der 
polit.  Gesch.  v.  H.  Delbrück,  Berlin  1900. 

v.  Diest  =  Von  Pergamon  über  den  Dindymos  zum  Pontus  von 
W.  v.  Diest  im  Ergänzungsheft  No.  94  zu  Petermanns  Mit- 
teilungen.    Gotha,  Perthes  1889. 

Drumann-Groebe  =  Geschichte  Roms  von  Drumann,  2.  Aufl.,  be- 
arbeitet von  P.  Groebe  1899  ff. 


*)  Die  Bd.  I,  S.  349  f.    aufgeführten  Werke   sind  hier  nicht  alle  wieder  ab- 
gedruckt. 

Kromayer,  Antike  Schlachtfelder.     II.  29 


450  Vezreichnis  der  genannten  Werke. 


Fischer  =  Die  südosteuropäische    (Balkan-)  Halbinsel    von    Theobald 

Fischer  (in  Kirchhoff,  Unser  Wissen  v.  d.  Erde.   Europa  II  2.) 
Flathe=  Gesch.    Mazedoniens    und    der    Reiche,    welche   von    maz. 

Königen    beherrscht   wurden,    von   Dr.   L.   Flathe,    Bd.  II, 

1834. 
Freeman  =  history  of  federal   government    in  Greece    and  Italy  by 

E.  A.  Freemann,  2.  Aufl.  v.  Bury,  London  1893. 
Fontrier  =  Movoelov  vfjg  Evayyefaxfjg  oxohfjg.     Smyrna  1885/86. 
van  Gelder  =  Geschichte  der  alten  Rhodier  von  H.  v.  Gelder.    Haag 

1900. 
Georgiades  =  OsaoaUa  vjtö  Nix.  rscoQyidöov  latgov.     Volo  1894. 
v.  Goeler  =  Cäsars  Kriege,  2  Bde.  von  Frh.  Aug.  v.  Göler.     2.  Aufl. 

herausgeg.  von  Frhr.  E.  A.  v.  Göler,  1880. 
Grisebach  =  Reise    durch   Rumelien    nach   Brussa    im    Jahre    1839 

von  A.  Grisebach.     Göttingen  1841,  2  Bde. 
v.  d.  Goltz  =  Der  thessalische  Krieg  von  Colmar  Freiherr  v.  d.  Goltz, 

Berlin,  Mittler,  1898. 
v.  d.  Goltz  Ausflug  =  Ausflug  nach  Mazedonien  von  Colmar  Freiherr 

v.  d.  Goltz,  Berlin  1894. 
Grundy  =  The  great  Persian  war  by  G.  B.  Grundy.    London,  Murray 

1894. 
v.  Hahn  =  Albanesische  Studien  von  I.  G.  von  Hahn,  Jena  1854. 
v.  Hahn  Reise  =  Reise  von  Belgrad  nach  Salonik  von  I.  G.  von  Hahn, 

Wien  1868. 
Heuzey  =  Le  mont  Olympe  et  TAcarnanie  par  L.  Heuzey,  Paris  1860. 
Heuzey,  mission  =  Mission  archßologique  de  Macedoine  par  L.  Heuzey 

et  H.  Daumet.     Paris  1876. 
Heuzey,  op.  =  Les  Operations  militaires  de  Jules  Cesar.  Par  L.  Heuzey. 

1886. 
Ihne  =  Römische  Gesch.  von  W.  Ihne.     Leipzig  1868  ff. 
Leake  =  Travels  in  Northern  Greece  by  William  M.  Leake,   London 

1835  ff.    4  Bde. 
Leake  Journal  =  Journal  of  a  tour  in  Asia  minor  by    M.  L.  Leake, 

London  1824. 
Leake  transaction  =  Transactions  of  the  Royal  Society  of  Literature 

vol.  IV  ser.  2 
Lolling  =  Hellenische  Landeskunde  u.  Topographie  von  H.  G.  Lolling 

bei  Iwan  v.  Müller,  Hdb.  d.  kl.  Altertumsw.  Bd.  III  1889. 


I 


Verzeichnis  der  genannten  Werke.  451 


Matzat  =  Kömische  Zeitrechnung  für  die  Jahre  219  bis  1  v.  Chr.  von 

Heinrich  Matzat.     Berlin,  Weidmann,  1889. 
IMeckeJ  =  Allgemeine  Lehre  von  der  Truppenführung  im  Kriege  von 

J.  Meckel.     3.  Aufl.    1890.     Berlin,  Mittler. 
Meischke  =  Symbolae  ad  Eumenis  II  Pergamenorum  regis  historiam 

von  Curt  Meischke.     Diss.  Leipzig  1892. 
Merivale  =  Geschichte  der  Römer  unter  dem  Kaisertum  von  Charles 

Merivale;    aus    dem  Englischen,    deutsch,    1866.      Dyk'sche 

Buchh. 
M.  A.  I.  =  Mitteilungen  des  deutschen  archäolog.  Instituts.  '  Abteilung 

Athen. 
Napoleon  I  =  Precis  des  guerres  de  Cesar  par  Napoleon,  Stouttgart, 

Metzler,  1836. 
Neumann-Partsch  =  Physikalische  Geographie  von  Griechenland  mit 

bes.    Rücksicht    auf   das    Altertum,    von    C.  Neumann   und 

J.  Partsch  1885.     Breslau. 
Niese  =  Gesch.  d.  griech.    und   makedon.  Staaten    seit  der  Schlacht 

von  Chäronea  von  B.  Niese,  Teil  II  u.  III.     1899  ff. 
Nissen  =  Kritische    Untersuchungen    über    die    Quellen    der    4.  und 

5.  Dekade    des    Livius    von    H.  Nissen.     Berlin,  Weidmann, 

1863. 
Oestreich  =  Beiträge    z.    Geomorphologie    von  Makedonien    von    Dr. 

K.  Oestreich    (in  Abhandl.   d.  K.  K.  Geograph.  Gesellsch.  in 

Wien  Bd.  IV  1902.) 
Philippson  =  Thessalien    und    Epirus,    Reisen    u.    Forsch,    im  nördl. 

Griechenland  von  A.  Philippson.     Zeitschr.  der  Gesellsch.  für 

Erdkunde   zu  Berlin,    Bd.  XXX— XXXII,    1895—1897.     In 

Buchform  bei  Kühl,  Berlin  1897 
v.  Prokesch-Osten  =  Denkwürdigkeiten    un(^  Erinnerung^   aus  dem 

Orient.     Stuttgart  '183a — 37.     3  Bde. 
Ramsay  =  Historical  geographie  of  Asia  minor.    London  Murrgy  ]890. 
Reinach  =  Mithradates  Eupator ,  König  von  Pontos  mit  Begütigungen 

und    Nachträgen    des    YerL,    htä  Ptftf&CÄe    übertragen    von 

A.  Goetz.    Leipzig  1895. 
Schlichting  =  Taktische  und  strategische  Grundsätze  der  Gegenwart 

von  v.  Schlichting,  Berlin  1898. 
Schwarze  =  Quibus  fontibus  Plutarchus  in  vita  Aemilii  Paulli  usus  sit. 

von  Woldemar  Schwarze.     Diss.  Leipzig  1891. 

29* 


452 


Verzeichnis  der  genannten  Werke. 


Tozer  =  Researches    in    the   Highlands    of  Turkey   by  H.  F.  Tozer. 

London  1869.    2  Bde. 
Tschihatcheff  =  Asie  mineure,    description  physique,    statistique  etc. 

Paris  1853  ff. 
Tuma  =  Griechenland,    Makedonien   und    Süd -Albanien   militär-geo- 

graphisch,    statistisch   und   kriegshistorisch   dargestellt   von  I 

A.  Tuma,  Oberst,  Hannover  1888. 
Ussing  =  Griech.  Reisen  und  Studien  von  I.  L.  Ussing,  Kopenhagen 

1857. 
Veith  =  Geschichte  d.  Feldzüge  C.  Jul.  Cäsars  von    G.  Veith,  Wien,  | 

Seidel  1906. 
Viquesnel  =  Journal    dun    voyage    dans    la    Turquie    d'Euiope    par 

M.  A.  Viquesnel    in  Memoires  de  la  societe   g6ologique  de 

France,  2me  se>ie,  tome  1,  partie  1,  Paris  1844. 
v.  Willisen  —  Theorie    des    grofsen    Krieges    angewendet    auf    den  j 

russisch-polnischen  Feldzug   von  1831   durch  W.  v.  Willisen, 

Berlin  1840. 
York  e=s  Napoleon   als   Feldherr   von    Graf   York   von    Wartenburg, 

Berlin  1904.     2  Bde. 
Zippel  =  Die    röm.    Herrschaft    in    Illyrien    bis    auf   Augustus    von 

G.  Zippel,  Teubner,  1877. 


Druckfehler: 

Karte  1  u.  2  ist  der  Name   „Kambunische  Kette"  falsch   gesetzt;    er  mufs 
mehr  nordöstlich  bis  über  den  Pafs  von  Servia  hingezogen  werden. 


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Diuck  von  W.  Pormetter  in  Berlin. 


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.—37.     3  Bde. 

e  of  Asia  minor.    London  Murra 
,  König  von  Pontos  mit  TW*" 


D  Kromayer,  Johannes 

25  Antike  Schlachtfelder 

K8 

Bd. 2. 


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UNIVERSITY  OF  TORONTO  LIBRARY 


a.  Übersicht  des  afrikanischen  Kriegsschauplatzes. 


Das   Ruinenfeld   von 
S'.Abd  el   Diedidi 


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Id  von  Jan 

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Das  Ruinenfeld 

von  Seba  Biar 

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Mails»  1:25.000 


Legende 


Maßstab   1:1,000.000 


b.  Übersichtskarte  zur  Zama-Frage. 


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Maßstab   1  ;  300.000 


KromgyeT:  Antike  Schlartitfe 


Kromayer-Veith,    Antike  Schlachtfelder,  Bind   IM 


Di«  Kämpfe  bei   Utica  und  auf 
in  den  Jahren  204  und 


den  „großen  Feldern' 
203  v.  Chr. 


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Die  Schlacht  bei  Narraggara. 


Kromayer-Veith,    Antike  Schlachtfelder,  Bandlll. 


Maßstab   1 :  100.000 


Ptiotoljihographie  und  Druck  des  V.u.  h,  Militätg(o((r*nhisi 


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Kromayer :  Antike  Schlachtfelder  Band  H. 


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Die  Kämpfe  um   Nepheris 

Kromayer-Veith,    Antike  Schlachtfelder,  Band  III.  149—147   V.  Chr. 


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Karte  15. 


Weidmannsche  Buchhandlung  in  Berlin. 


Photolithographie  und  Druck  des  k.u.k,  Militärgeographischen  Institutes  in  Wien, 
Mäßstab  1:50.000 


1000  500 


—  — ^     Erste  Expedition  des  Manilius 

■— ■  —  "— ►■      Expedition  Scipios 


Kromayer-Veith,    Antike  Schlachtfelder,   Bandlll. 


Die  Operationen  Curios  am   Bagradas 

20.  bis  28  Juni  49  v.  Chr. 


Karte  16.  %    O 


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b.Die  Schlacht  am  Bagradas 

28.  Juni  49  v.  Chr. 


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Maßstab   1:100.000 


Weidmannsche  Buchhandlung  in  Berlin, 


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Photolilhographie  und  Druck  des  k.  u.k.  Militärgeographischen  Instilutes  in  Wie 


Kromayer-Veith,    Antike  Schlachtfelder,  Bind  III. 


Übersicht  der  bisherigen   Lokalisierungsversuche 

zum  Feldzuge  47/46  v.  Chr. 


Karte  17. 


Caesar 
Republikaner 


Hypothese 
nach  Stoffel 


Hypothese 
nach  Tissot 


Weidmannsche  Buchhandlung  in  Berlir 


Maßstab  1:200.000 


Phololithographie  und  Druck  des  k.  u.  k.MilitärgeograDhischen  Institutes  in  Wie 


Kromayer:  Antike  ScMacktfelderBani  H. 


Maßstab  1:300  000. 


19° 30' 


•  Weidmaiuisclie  Buclmaiiäliai^  in  Berlin. 


Kromayer-Veith,   Antike  Schlachtfelder,  Band  III. 


Übersichtskarte  zum   Feldzuge  Caesars  in  Africa 

47/46  v.  Chr. 


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Karte  18.  %   > 


>   Feldzug  von  Ruspina 
Zl£.  Feldzug  von  Uzita 


Z.'.— .— £  Feldzug  von  Aggar-Thapsus 


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Wetdmanntche  Buchhandlung  in  Berlin. 


Maßstab  1:200.000 


PhotoLlhographie  und  Druck  de]  k.u.l.Mllilargeographischen  Institutes  in  Wn 


Kromayer :  Antike  Schlachtfelder  Band  TL. 


Weidmaiuische  Buchhandlung  in  Berlin. 


Kromayer-Veittl,    Antike  Schlachtfelder,   Band  III. 


Karte  20. 


Stellung  und  Kämpfe  bei  Aggar  und  Tegea 

Jänner  46  v.  Chr. 


Weldmannsche  Buchhandlung  in  Berlin. 


Maßstab  1:50.000 


Photolithographie  und  Druck  des  k.u.k.  Militärgeographischen  Institutes  in  Wien. 


Kromayer-Veittl,    Antik«  Schlachtfelds,  Band 


Die  Schlacht  bei  Thapsus 

7.  Februar  46  v.  Chr. ' 


\Cisptus 


:  Suchhandlung  in  Berlin. 


Maßstab   1:50.000 


Photolilhographte  und  Qu. 


<,Mili(argeographischer 


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