5-3
ff
p
Crq
w
0=
3
5'
OS
f»
sg
i
^r*
Q-
X
CO
e
^_
p»
CT
0'
P*
K
ANTIKE SCHLACHTFELDER
IN GRIECHENLAND.
BAUSTEINE Zu EINER ANTIKEN KRIEGSGESCHICHTE.
VON
JOHANNES KROMAYER.
in
\j, 2.
ZWEITER BAND.
DIE HELLENISTISCH-RÖMISCHE PERIODE: VON KYNOSKEPHALAE
BIS PHAESALOS.
MIT 12 LITHOGRAPHISCHEN KARTEN, 11 BEIKARTEN, 2 SKIZZEN IM
TEXT UND EINER TAFEL IN LICHTDRÜCK.
0^
BERLIN $
WEIDMANNSCHE BUCHHANDLUNG ^ A
1907. tfi
SEINER EXCELLENZ
HERRN Dr. RITTER VON HARTEL
K. K. MINISTER FÜR KULTUS UND UNTERRICHT A. D.
VICEPRÄSIDENT DER KAIS. AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN
IN WIEN
IN DANKBARER VEREHRUNG
ZUGEEIGNET.
Vorwort.
Motto :
ogtig 8s &avfidastai av&' otov im
toGoTads <;vyyQacpsv<n xcu ipoi im vovv
rjl&sv t]8s r\ ^vyyQCKpijj td ts ixsivmv
Tzdvra tig dvals^dfisvog neu roTads toig
qpetSQOig ivTv%mv ovreo -d-avfia^stco.
Arrian Anabasis prooemium.
Der hier vorliegende zweite Band, mit welchem das Werk über
die Antiken Schlachtfelder in Griechenland abgeschlossen ist, umfafst
die hauptsächlichsten kriegerischen Ereignisse des zweiten und ersten
Jahrhunderts v. Chr., soweit sie sich in Griechenland und Kleinasien
abgespielt haben; er verfolgt also die Entwicklung von dem Kriege
Roms gegen Philipp von Makedonien und der Schlacht von Kynos-
kephalä bis auf die Schlacht von Pharsalos. Der Feldzug und die
Schlacht von Philippi (42 v. Chr.), die ursprünglich mit in den Kreis
der Betrachtung gezogen werden sollten, sind fortgeblieben, weil ich
mich an Ort und Stelle überzeugt habe, dafs hier nach L. Heuzeys
Untersuchungen1) nichts wesentlich Neues mehr zu sagen war. Ebenso
ist der Feldzug und die Entscheidung zwischen Oktavian und Antonius
bei Aktium hier nicht wieder mit behandelt worden, weil ich die
Darstellung dieser Vorgänge schon an anderem Orte gegeben habe2).
Je mehr die Geschicke der hellenistisch-römischen Welt in dem
bezeichneten Zeitraum in Griechenland und Kleinasien entschieden
x) Mission archeologique de Macedoine par L. Heuzey et H. Daumet. Paris
1876. S. 97 ff.
2) Hermes Bd. 34 S. lff.
VI Vorwort.
worden sind, um so mehr nähern sich die hier vorliegenden Unter-
suchungen der Darstellung einer geschlossenen Kriegsgeschichte dieser
ganzen Zeit, soweit wir eine solche heutzutage überhaupt noch zu
geben imstande sind. Denn — abgesehen von den Feldzügen Cäsars —
steht nur für die hier behandelten Ereignissse eine so gute,
hauptsächlich auf Polybios fufsende, kriegsgeschichtliche Überlieferung
zu Gebote, dafs eine Rekonstruktion in militär-wissenschaftlichem
Sinne überhaupt möglich erscheint. Was wir von den gleichzeitigen
Kriegen in Spanien und Gallien, in Italien und Afrika, in Ägypten
und dem Seleukidenreiche wissen, ist teils so lückenhaft überliefert,
teils so rhetorisch verfärbt, dafs es für eine militärische Rekon-
struktion überhaupt kaum noch zu brauchen ist.
Um so mehr war es Pflicht, da wo noch guter Überlieferungs-
stoff vorhanden wrar, alles zusammenzufassen, was das Gelände einer-
seits und die militärische Theorie anderseits bieten konnten, um aus
der auch hier stark zertrümmerten Überlieferung zu gewinnen, was
noch zu gewinnen war. Ich habe deshalb versucht, um nicht von
vornherein nur Stückwerk zu geben, die einzelnen Schlachten, von
denen meine Forschung ausgegangen ist und auf deren lokale
Fixierung sich die Bemühungen unserer Expedition in erster Linie
gerichtet haben — s. darüber das Vorwort zu Bd. I — , aus ihrer
Vereinzelung herauszuheben, mich nicht nur auf eine Feststellung der
Stätten und eine Darstellung des Herganges in den Schlachten selbst
zu beschränken, sondern noch mehr, als ich dies schon im ersten
Bande getan habe, den ganzen Gang der Feldzüge und die ganze
strategisch-politische Situation mit in den Kreis der Betrachtung
hineinzuziehen.
Nur so konnte einerseits ein volles Verständnis der Schlachten
selber, anderseits eine zusammenhängende Darstellung der Kriegs-
geschichte der Zeit angestrebt werden.
Das Werk ist damit freilich über seinen ursprünglichen Plan
wreit hinausgewachsen: eine Anzahl von Operationen und Feldzügen,
deren Örtlichkeiten ich nicht selbst besucht habe, wie z. B. alle die
Kämpfe in Obermakedonien und Epiros, mufsten infolgedessen mit in
den Rahmen des Werkes hineingenommen werden, und mir selbst er-
wuchs damit die Aufgabe, mich durch eine sehr starke Reiseliteratur
durchzuarbeiten, um ein anschauliches Bild auch von denjenigen
Gegenden zu gewinnen, die ich nicht selbst gesehen hatte. Aber ich
Vorwort. VII
glaube, diese Arbeit ist dem Ganzen zugute gekommen, und wenn
auch der Name „Antike Schlachtfelder" den Inhalt des Buches jetzt
nur zum kleinen Teil wiedergibt, so hat dafür dieser Inhalt an Zu-
sammenhang und Einheitlichkeit wesentlich gewonnen.
Man könnte vielleicht geneigt sein, die Frage aufzuwerfen, was
doch bei einer solchen Allgemeindarstellung der ganzen Kriege
hier Neues geboten werden könne, da ja bisher unbekanntes Quellen-
material für so weite Gebiete durch unsere Expedition nicht er-
schlossen sei, und diese Kriege auf Grund des bekannten Materials
bisher wiederholte Darstellungen von berufener Seite gefunden hätten.
Wer diese sehr berechtigte Frage stellt, dürfte am besten tun,
das vorliegende Buch selber zu lesen und sich von dem, was neu
darin ist, zu überzeugen. Denn es im einzelnen hier aufführen,
würde heifsen, die Darstellung selbst vorwegnehmen wollen.
Wohl aber kann mit zwei kurzen Worten angedeutet wrerden,
aus welchen Quellen auch für die Darstellung der ganzen Kriege hier
Neues fliefsen konnte.
Nämlich erstens aus der konsequenten Heranziehung alles des
Materials, welches die moderne Erschliefsung und Durchforschung
derXänder, in denen die Kriege sich abspielten, durch Karten,
Reise- und Länderbeschreibungen geliefert haben, und welches für
diese Periode der Kriegsgeschichte bisher noch nicht in dem genü-
genden Umfange herangezogen war.
Zweitens aber aus dem Versuche, diesen neuen und den schon
früher von der antiquarisch-historischen Forschung zurechtgelegten
Stoff nach ausschliefslich militärischen Gesichtspunkten durchzuarbeiten
und die ganze Folge der Begebenheiten von diesen Gesichtspunkten
aus darzustellen, eine Arbeit, die für diese Periode gleichfalls noch
nicht geleistet worden ist und bei der sich ganz von selber ergab,
dafs die einzelnen Nachrichten vielfach anders eingeschätzt werden
mufsten, als bisher geschehen war. Daraus ging dann weiter her-
vor, dafs auch die Verknüpfung der einzelnen Tatsachen nach Grund
und Folge vielfach eine andere wurde, dafs sich die Ansichten über
die Kriegspläne und Kriegsabsichten der beiderseitigen Parteien im
grofsen zum Teil anders gestalteten, und dafs endlich auch das Urteil
über die Berechtigung der einzelnen militärischen Mafsregeln und
Entwürfe sich veränderte, kurz, dafs die Kritik des ganzen Ver-
VIII Vorwort.
haltens der Parteien von diesem Standpunkte aus vielfach zu anderen
Resultaten gelangte, als man sie bisher für richtig gehalten hatte.
Diese zum Teil veränderte Auffassung und Beurteilung der
militärischen Verhältnisse hat dann natürlich ihrerseits wiederum auf
die Beurteilung der politischen Lage eingewirkt, wie das ja bei dem
engen Zusammenhang zwischen Krieg und Politik selbstverständlich ist.
So glaube ich, um in dieser Richtung nur eines hier anzudeuten,
dafs eine unparteiischere und dem Besiegten gerechter werdende Be-
urteilung der hellenistischen Kriegführung dieser Zeit auch eine
mildere Beurteilung der Politik der hellenistischen und hellenischen
Staaten im Gefolge haben mufs, als wir sie, geblendet durch Mommsens
glanzvolle, aber mehr der römischen Sache geneigte Auffassung dem
unterlegenen Gegner heutzutage gewöhnlich zuzubilligen geneigt sind.
Ob unter diesen Umständen meine Ansicht gerechtfertigt ist,
dafs eine eigene, vollständigere Darstellung der Kriege dieser Zeit
notwendig war, um das vorgetragene Neue in genügender Weise zum
Ausdruck zu bringen, das mufs ich natürlich dem Urteile der Kenner
im Kreise der historischen und militärischen Fachmänner überlassen.
Was die Form der Darstellung betrifft, so habe ich Polemik in
diesem Bande grundsätzlich vermieden. Durch dialektische Wort-
gefechte wird ja im Grunde doch nichts entschieden; ein jeder bleibt
auf seiner Ansicht bestehen, und man verliert sich nur zu oft in
Nebensächlichkeiten. Die positive Leistung ist es allein, die hier wie
überall entscheiden mufs.
Wo ich daher auch immer, sei es in theoretischen Ansichten,
wie bei der Auffassung über Ermüdungs- und Niederwerfungsstrategie
(S. 4 A 2), sei es in der kritischen Wertung unserer Quellen und dem-
zufolge in der Darstellung der Ereignisse, wie z. B. bei der Schlacht
von Magnesia (S. 213 ff), in den Feldzügen des Sulla (S. 352 f.) und bei
Parsalos (S. 401 ff u. 426ff), zu den den neuesten Forschern vielfach
entgegengesetzten Ansichten gelangt bin, habe ich das rein sachlich
und mit so wenig „Lebhaftigkeit", wie mein Naturell es mir nur ir-
gend gestattet, zum Ausdruck zu bringen gesucht.
Nachdem ich so dem Bedürfnis genügt habe, über Inhalt, Ziele
und Form der Darstellung in kurzen Worten zu orientieren, habe
ich zum Schlüsse nur noch die angenehme Pflicht, allen denen meinen
Vorwort. IX
Dank auszusprechen, die mich bei der Abfassung dieses Bandes unter-
stützt haben. Zunächst und vor allem der Königlichen Akademie der
Wissenschaften zu Berlin und Sr. Exzellenz dem früheren öster-
reichischen Minister für Kultus und Unterricht Herrn Dr. von Hartel.
Die Königliche Akademie hat mir auch für diesen Band wiederum
eine reichliche Subvention für die Herstellung der zahlreichen, un-
umgänglich notwendigen Karten zukommen lassen, und der Herr
Minister von Hartel hat durch sein verständnisvolles Eingehen auf
meine Wünsche die Bedingungen geschaffen, unter denen mir dauernd
mehr Mufse für ein ruhiges, wissenschaftliches Arbeiten gewährleistet
worden ist, als es unter anderen Verhältnissen möglich gewesen wäre.
Für Beihilfe bei Beschaffung des sehr zerstreuten, zum Teil
nicht publizierten Kartenmaterials bin ich ferner dem Leiter des
K. u. K. Militärgeographischen Instituts, Herrn General Frank, und
dem Chef der Kartographischen Abteilung dieses Instituts, Herrn
K. u. K. Vorstand I. Klasse Haardt von Hartenturn zu lebhaftem Danke
verpflichtet; ebenso Herrn Dr. Oehler, Professor an der Kadetten-
anstalt in Grofs-Lichterfelde, der mir durch Überlassung von schwer
erhältlichen oder nicht veröffentlichten Kartenaufnahmen hilfreiche
Hand geboten hat.
Bei der Zeichnung der Karten, besonders bei der schwierigen
Ausgleichsarbeit, die zur Herstellung der Thermopylenkarte notwendig
war, hat mich Herr Dr. J. Dell, jetzt an der Technischen Schule in
Brunn, mit gröfstem Verständnisse und aufopfernder Tätigkeit unter-
stützt, und Herr Dr. Groag in Wien hat die Liebenswürdigkeit ge-
habt, den Lorscher Liviuskodex in Wien für mich an einigen Stellen
neu einzusehen. Auch diesen beiden Herren spreche ich hier meinen
besten Dank aus.
Czernowitz, im November 1906.
Inhalt.
Seite
Vorwort . . . . • V
I. Der zweite Makedonische Krieg (200—197 v. Chr.).
Vorbemerkung: Die strategisch-politische Lage. Die Aufgabe ... 3
1. Der Feldzug in Obermakedonien (199 v. Chr.). Philipps er-
folgreiche Defensivstrategie 9
2. Der Feldzug in Epiros und Thessalien (198 v. Chr.). Die
Schlacht am Aoos 33
3. Der Feldzug vom Jahre 197. Die Schlacht von Kynoskephalä.
1. Überblick und Kriegsabsichten 57
2. Beginn des Feldzuges und Bestimmung des Schlachtfeldes 60
3. Die Schlacht 78
Anhang I: Übersetzung des Schlachtberichtes von den Aoospässen . 86
Anhang II: Übersetzung des Schlachtberichtes von Kynoskephalä , 88
Beilage I: Heeresstärken der Makedonier und Römer im 2. Makedoni-
schen Kriege.
1. Die Feldzüge von 199 und 198 95
2. Der Feldzug 197 102
Beilage II: Zur Chronologie des 2. Makedonischen Krieges.
1. Der Feldzug 199 106
2. Der Feldzug 198 107
3. Der Feldzug 197 109
Beilage III: Die Pelopidasschlacht bei Kynoskephalä (364 v. Chr.). . 116
Anhang: Übersetzung des Berichtes der Pelopidasschlacht . . . 123
II. Der Syrisch-römische Krieg (192—189 v. Chr.).
Vorbemerkung: Die strategisch-politische Lage 127
1. Thermopylä.
1. Der Feldzug bis zur Schlacht und die Bestimmung des
Schlachtfeldes 134
2. Schlachtfeld und Schlacht ; 149
2. Magnesia.
1. Der Feldzug bis zum Übergang der Römer über den
Hellespont 154
2. Der Feldzug in Asien und die Bestimmung des Schlacht-
feldes 163
3. Die Schlacht 179
XII Inhalt.
Anhang I: Übersetzung der Schlachtberichte von Thermopylä ... 196
Anhang II: Übersetzung der Schlachtberichte von Magnesia.
1. Livius 39, 39, 7 bis 43, 8 198
2. Appian Syriaka, Kap. 31— 36, 5 202
Beilage II: Heeresstärken.
1. Römer 206
2. Antiochos 208
Beilage II: Die Schlachtberichte und ihre Kritik 213
Beilage III: Zur Chronologie des Römisch-syrischen Krieges . . . 220
III. Der Krieg gegen Perseus (171 — 168 v. Chr.).
Vorbemerkung: Die strategisch-politische Lage 231
1. Der Feldzug vom Jahre 171 236
2. Der Feldzug vom Jahre 170. Fortschritte von Perseus' De-
fensivstrategie 255
3. Der Feldzug vom Jahre 169. Der Olympübergang und dessen
Folgen 267
4. Der Feldzug vom Jahre 168.
1. Bis zur Schlacht von Pydna 294
2. Bestimmung des Schlachtfeldes 310
3. Die Schlacht 316
Anhang: Übersetzung der Schlachtberichte von Pydna.
1. Livius, Buch 44,40,4 bis 42, 8 . . . 329
2. Plutarch, Aemilius Paulus 18—22 331
3. Frontin II 3, 20 333
Beilage : Heeresstärken.
1. Makedonier 335
2. Römer 340
IV. Die Feldzüge Sullas in Griechenland (87—86 v. Chr.).
Vorbemerkung 352
1. Die militärisch-politische Lage und die Ereignisse bis zur
Schlacht von Chäronea 353
2. Schlachtfeld und Schlacht 370
Anhang: Übersetzung von Plutarchs Schlachtbericht von Chäronea . 384
Beilage I: Heeresstärken 388
Beilage II: Die Quellen und ihre Kritik 394
V. Pharsalos (48 v. Chr.).
1. Die militärische Lage und die modernen Hypothesen über das
Schlachtfeld 401
2. Schlachtfeld und Schlacht 416
Beilage: Heeresstärken 426
Verzeichnis der Karten und Skizzen von Band II und Bemer-
kung über ihre Herstellung 444
Verzeichnis der in Band II öfters und abgekürzt genannten
Werke 449
I.
Der zweite Makedonische Krieg
(200—197 v. Chr.).
Kromayer, Antike Schlachtfelder. II.
Vorbemerkung*.
1. Die strategisch-politische Lage. Die Aufgabe.
Die strategisch-politische Lage im zweiten Kriege zwischen Philipp
von Makedonien und Rom ist derjenigen im Siebenjährigen Kriege
in mehreren Beziehungen aufserordentlich ähnlich.
In beiden Fällen steht ein Staat mit verhältnismäfsig beschränk-
ten Mitteln und kleinem Landgebiete einer weit überlegenen Koalition
von gröfseren und kleineren Staaten gegenüber, die ihn von mehreren
Seiten her umstellen und ihm zum Teil schon einzeln gewachsen oder
gar überlegen sind. Rom mit den Kräften seiner Legionen droht
von Westen her, Griechenland, im Anfange schwankend, aber bald
auf die römische Seite geneigt, hat sein Zentrum im Süden und ist
von Thessalien aus abzuwehren, die Flotten von Pergamon, Rhodos
und Rom, die sich im Ägäischen Meere vereinigen, blockieren und
plündern die südöstliche Seite des Landes, und endlich sind die stets
beutelustigen Bergvölker, die Illyrier und Dardaner, im heutigen
Albanien und Serbien immer bereit, von Norden her die makedoni-
schen Lande anzufallen.
Schon durch den Krieg, den Philipp zwei Jahre lang, ehe
die Römer eingriffen, gegen Pergamon, Rhodos und das damals
ganz ohnmächtige Ägypten geführt hatte, war der Beweis erbracht
worden, dafs der König diese Staaten nicht ohne weiteres nieder-
zuwerfen die Kraft besafs1). So war es denn eine völlig ausgemachte
Sache, dafs nach dem Eintreten Roms in die Koalition die Möglich-
x) Mommsen, Rom. Gesch. I 6, 693 ff.
1*
4 Der zweite Makedonische Krieg.
keit für Philipp gänzlich geschwunden war, eine Strategie zu be-
folgen, welche sich die Niederwerfung seiner Gegner zum Ziele
nahm. Das Zentrum der feindlichen Macht Italien und Rom lag ihm
unerreichbar fern, ferner als Friedrich dem Grofsen Wien oder Peters-
burg. Auch nur der erste Schritt zu einer ernstlichen Offensive
gegen Italien hätte ihm sein Königreich gekostet, das dann den
kleineren Gegnern wehrlos überlassen gewesen wäre1).
Es liegt hier also für Makedonien einer jener „konkreten Fälle"
vor, von denen Clausewitz (Vom Kriege 12 Scherff, S. 21) so treffend
sagt, dafs bei ihnen der Gedanke, durch das Niederwerfen des Gegners
den Krieg beenden zu wollen, „ein unnützes Spiel der Vorstellungen
sein würde".
Welche Mittel standen also bei dieser Lage dem Könige zu
Gebote, um den Gegnern seinen Willen doch aufzuzwingen, d. h. um
die Herrschaft in Griechenland und die Integrität seines Reiches
aufrecht zu erhalten, und wenn das nicht durchführbar war, wenig-
stens, ohne gänzlich niedergeworfen zu sein, mit möglichst geringen
Verlusten zu einem ehrenvollen Frieden zu gelangen?
Am nächsten lag es, zu der strategischen Defensive, zu der
ihn die allgemeine Lage zwang, die taktische hinzuzufügen und so,
indem er den Gegner durch die Dauer des Kampfes ermüdete, den
Weg einzuschlagen, der die „grofse Zahl von Fällen unter sich be-
greift, wo der Schwache dem Mächtigen widerstehen will"2). Denn
J) Die von dem römischen Legaten Aurelius geäufserte Besorgnis einer
Landung Philipps in Italien (Liv. 31, 3, 6) und die denselben Gedanken weiter
ausführende Rede des Konsuls Sulpicius (ib. 7, 12) sind daher, wie Mommsen mit
Recht betont hat, nur Gründe fürs Volk gewesen, die Rede ist sogar mit Nissen
(Krit. Unters. S. 92) nur als rhetorisches Elaborat des Livius zu betrachten.
2) Clausewitz, Vom Kriege I 2 (Scherff S. 24). — Ich brauche hier und im
folgenden den Ausdruck „Ermüden" in dem Clausewitzschen Sinne, nicht in dem
Sinne Delbrücks, der bekanntlich mit seiner Ermüdungs oder Ermattungsstrategie
einen viel weitergehenden Begriff verbindet. Ich halte die Delbrück sehe
Terminologie mit Koser (Hist. Ztschr. Bd. 93, S. 74) für irreführend, da sie uns
nötigt, einen so aggressiven Feldherrn wie Friedrich den Grofsen zu den Er-
müdungsstrategen zu werfen und selbst einen Theoretiker wie Clausewitz eben-
dahin zu stellen, insofern auch er, gerade so wie Friedrich der Grofse, in seinem
Kriegsplan gegen Frankreich vom Jahre 1830/31 den Angriff „mit beschränktem
Ziel" vertreten und sich mit der Eroberung Belgiens zu begnügen empfohlen
hat. (Cämmerer, Entwickelung der strateg. Wissenschaft im 19. Jahrb. S. 93 f.).
Anderseits würde wiederum, wenn man nur auf das Ziel sieht, Daun zu den
Die strategisch-politische Lage. 5
die Herbeiführung einer grofsen taktischen Entscheidung war bei
der damaligen militärischen Lage noch mehr als sonst ein Sprung
Niederwerfungsstrategen zu stellen sein, da ja Österreich im Siebenjährigen Krieg
auf völlige Niederwerfung Preufsens ausging. Diese Umwertung aller Werte hat
wenig für sich. — Die von Delbrück (Hist. Zeitsch. 93, 450) aufgeworfene Frage,
wie wir denn sagen sollen, wenn wir die von ihm vorgeschlagene Terminologie
verwerfen, da wir irgend einen Namen für „einen in der Weltgeschichte so wich-
tigen Begriff*' doch haben müfsten, ist m. E. dahin zu beantworten, dafs bei der
heterogenen Natur der von Delbrück unter diesen Namen subsumierten Ver-
fahrungsarten eine gemeinsame Bezeichnung überhaupt dafür nicht angebracht
ist. Denn -wenn wir uns klar machen, was Delbrück alles unter Ermattungs-
strategie begreift, so sind es folgende 4 Verfahrungsarten: 1. strategische De-
fensive plus taktischer Defensive; 2. strategische Defensive plus taktischer Offen-
sive; 3. beschränkte strategische Offensive plus taktischer Defensive; 4. be-
schränkte strategische Offensive plus taktischer Offensive. Das sind aber so
verschiedenartige Dinge, dafs sie nicht mehr in dasselbe Gefäfs passen.
Nun hat Delbrück allerdings seine Einteilung der Strategie auch noch auf
die Verschiedenheit der Operationsmittel gestützt und statuiert, dafs die Nieder-
werfungsstrategie stets nach der Schlacht strebe, während die Ermüdungsstrategie
Schlacht und Manöver als gleichwertige Mittel zur Auswahl habe. Aber diese
Einteilung in einpolige und doppelpolige Strategie, wie er es nennt, deckt sich
weder mit der Einteilung nach dem Ziel noch scheint sie mir überhaupt gerecht-
fertigt zu sein. Die ausgesprochensten Niederwerfungsstrategen wie Cäsar und
Napoleon haben auf Schritt und Tritt das Manöver angewandt, so dafs man oft
zweifeln kann, ob sie der Schlacht oder dem Manöver ihre gröfsten Erfolge ver-
danken. Man denke z. B. an die Katastrophe von Mack bei Ulm und den Po-
übergang bei Piacenza 1796, wo Napoleon durch Erregung von „Jalousie" die ganze
Lombardei ohne Schwertschlag bis zur Adda eroberte (York I 38, 182 f.). Cäsar
hat sogar wiederholt die ihm nicht unter genügend günstigen Bedingungen an-
gebotene Schlacht vermieden und zu dem Manöver gegriffen; so im belgischen
Feldzuge (b. Gall. II 8), vor Avaricum (VII 18), vor Dyrrhachion (b. civ. III 41, 2. 56)
und vor Pharsalos (III 85) Sein Auspruch, er siege lieber durch den Hunger
als das Schwert besagt dasselbe (Frontin IV 7, 1). «Die grundsätzliche Bevor-
zugung der Schlacht" heifst es sehr richtig in den gewifs auf dem Boden der
Niederwerfungsstrategie stehenden Einzelschriften des Grofsen Generalstabes Heft 27,
S. 296 ist eben jederzeit nur dann das Richtige gewesen, wenn man des Erfolges
sicher zu sein glaubte." Wer weiter geht siegt nicht, sondern rennt sich den
Kopf ein. Auch der Niederwerfungsstratege hat sich daher in jedem einzelnen
Falle zu überlegen, ob' Schlacht oder Manöver am Platze ist. Auch er wählt die
Schlacht nur, wenn sie gröfseren Erfolg verspricht als das Manöver. Nicht mehr
haben Cäsar und Napoleon getan, nicht weniger Friedrich der Grofse. Aber aller-
dings haben diese Heroen der Feldherrnkunst auch das Manöver, wo es irgend
möglich war, in den Dienst der Vernichtungsidee gestellt und es daher, wie alles
was sie anfassten, zu einem Akt höchster Energie und Kühnheit gestempelt. Und
6 Der zweite Makedonische Krieg.
ins Dunkle. Noch nie hatte sich die Phalanxtaktik der Makedonier
mit der in dem zweiten Punischen Kriege ausgebildeten Manipular-
taktik gemessen, und kein Mensch konnte sagen, wie der Versuch
ausfallen würde. Für Philipp aber war eine grofse Niederlage seines
einzigen Heeres gleichbedeutend mit seiner Niederwerfung überhaupt,
während ein Sieg ihm nicht Entsprechendes einbringen konnte, da
Kom über mehr als eine konsularische Armee verfügte. Anderseits
konnte er sein nur auf Verteidigung gerichtetes Ziel fast ebensogut
ohne das Wagnis einer offenen Feldschlacht zu erreichen hoffen.
Wie ein Festungskommandant, der zu schwach ist sich im freien
Felde zu stellen, durch zähe Verteidigung seiner Wälle, durch un-
ausgesetzte Wachsamkeit, kleine Ausfälle und Überfälle dem Gegner
nach und nach die Hoffnung auf Eroberung des Platzes benehmen
und ihn zum Abzüge veranlassen kann, so mufste Philipp auf dem
Gebiete der Strategie seine Festung Makedonien verteidigen. Wenn
er durch Besetzung wohlgewählter fester Stellungen dem Feinde ein
weiteres Vordringen ebenso wie einen direkten taktischen Angriff
unmöglich zu machen versuchte, so konnte er dabei die glückliche
Gestaltung seines Landes, welches von allen in Betracht kommenden
damit komme ich zu dem Punkte, der m. E. den Hauptcharakter der Niederwerfungs-
strategie ausmacht; das ist die moralische Macht der aufs höchste angespannten
Energie, die mit einem unerschütterlichen Willen und einer vor keinem Wagnis,
wenn es nur Aussicht auf Erfolg verspricht, zurückschreckenden Kühnheit auf die
Vernichtung des Gegners losgeht, solange die eigene Kraft nur irgend die Mög-
lichkeit dazu gewährt. Ob es sich dabei nur um die Vernichtung des gegenüber-
stehenden Heeres oder die Niederwerfung des ganzen Staates handelt, kommt
nicht in Betracht, ebensowenig, ob das zur Vernichtung anzuwendende Mittel
im einzelnen Falle das Manöver oder die Schlacht ist. So gefafst stellt die
Theorie Friedrich den Grofsen dahin, wohin er gehört: unter die Niederwerfungs-
strategen.
Insofern das Prinzip der Vernichtung mit dem der Offensive, das der Er-
haltung durch Ermüdung des Gegners mit dem der Defensive zusammenfällt,
stimmt die Teilung in Niederwerfungs- und Ermüdungsstrategie mit der Teilung
in Offensive und Defensive im wesentlichen überein. Am klarsten kommt daher
die Niederwerfungsstrategie zum Ausdruck, wo taktische und strategische Offensive
zugleich angewandt werden. Diese Fassung des Begriffes pafst auch insofern
vollkommen zu Clausewitz' Ansicht, als er bei seiner Erörterung über das „Mittel,
den Gegner in der Dauer des Kampfes zu überbieten, das ist: ihn zu ermüden"
ausdrücklich hinzufügt, dafs „hier der Ursprung des das ganze Gebiet des Krieges
beherrschenden Unterschiedes von Angriff und Verteidigung liege". (Vom Krieg,
I 2. Scherff. S. 25).
Die strategisch-politische Lage. 7
Seiten her vermöge seiner schwer passierbaren und dünn bevölkerten
Grenzgebirgslandschaften schwer angreifbar war, voll in die Wag-
schale werfen. Durch kleine Überfälle seiner leichten Truppen, Aus-
nutzung oder Herbeiführung von Verpflegungsschwierigkeiten, durch
alle die einzelnen Mittel des Widerstandes, die der Verteidigung in
bekanntem oder befreundetem Lande zu Gebote stehen, konnte er
die Verluste des Feindes häufen und ihn durch eine Reihe von er-
gebnislosen Feldzügen vielleicht dahin bringen, dafs ihm die Wahr-
scheinlichkeit eines endgiltigen Erfolges in immer weitere Ferne
rückte oder der Kraftaufwand, der zur Niederwerfung nötig wurde,
schliefslich gröfser erschien, als der politische Zweck des ganzen
Krieges es rechtfertigte.
Jeder resultatlose Feldzug der Römer war bei diesem System,
bei dem der König, um wieder mit Clausewitz zu sprechen, durch
eine weise Ökonomie der Kräfte den Gegner zu ermüden suchte,
einem Siege des makedonischen Königs gleichzuachten.
Und gerade für Philipp mufste das Mittel, durch Erschöpfung
der Kraft oder des Willens der Gegner zu einem leidlichen Kompro-
mifs zu kommen nach seiner militärischen Vergangenheit ganz be-
sonders nahe liegen. In den letzten Kriegen der Griechen war es
fast ausschliefslich zur Anwendung gekommen. Besonders der ganze
erste Makedonische Krieg war nichts weiter gewesen als eine end-
lose Reihe von gegenseitigen Plünderungszügen, Überfällen und kleinen
Gefechten, bei denen nichts weiter herauskam, als dafs die beider-
seitigen Kräfte sich mehr und mehr erschöpften, Widerwille und
Unlust gegen die ewigen Plackereien sich mehr und mehr steigerten,
bis schliefslich beiden Parteien vor Ermüdung das Schwert aus der
Hand gesunken war1).
Philipp hatte in diesem Kriege seine Schule gemacht und sich
als Meister in dieser Art der Kriegführung bewiesen. Seine Weise
wird schon von den Zeitgenossen in scharfen Gegensatz gebracht zu
der Niederwerfungsstrategie seines grofsen Vorgängers Alexander auf
dem makedonischen Königsthron und der grofsen Diadochen2). Dazu
1) Man vergleiche die ausführliche Behandlung dieser Kriege in Freemanns
geistreicher History of federal government, cap. VIII. — Am Ende des Krieges
heifst es sehr bezeichnend: taedio diutini belli . . legatos de pace communi
ad Philippum misere (Liv. 29, 12, 8).
2) Polyb. XVIII 3,3 (==XVII 3) sagt der Ätoler Alexander von Philipp
g Der zweite Makedonische Krieg1.
kam, dafs Philipp auch in seinem ersten Kriege mit Rom ohne ein
grofses Abmessen der Kräfte mit den Legionen selber zu glücklichen
Resultaten gelangt war und im Frieden von Phönike unter Benutzung
der günstigen politischen Konstellation und unterstützt durch das
Ruhebedürfnis nach langjährigen Kriegsmühen nicht unbeträchtliche
Erwerbungen gemacht hatte (S. 10).
Auch damals liefs die allgemeine politische Lage ein Verfahren,
welches in der Dauer des Widerstandes seine Hauptstärke suchte,
ganz besonders aussichtsvoll erscheinen. Noch lauerte in Karthago
Hannibal, beschäftigt mit der Reorganisation der finanziellen und
kriegerischen Kräfte seiner Vaterstadt und ohne Zweifel bereit, wenn
sich die Entscheidung hinauszog und sich Aussicht auf Erfolg zeigte, in
den Kampf einzugreifen. Nicht minder liefs sich vielleicht in Griechen-
land bei günstigem Verlaufe der Verteidigung ein völliger Sieg der
nicht zu unterschätzenden makedonischen Partei, ein Wiederaufflammen
jener panhellenischen Gesinnung erhoffen, die vor wenig Jahren bei
den Friedenskongressen von 217 und 208 so stark hervorgetreten
war1). Noch stand auch Antiochos von Syrien im Bunde mit Make-
donien; eine einzige Unvorsichtigkeit der Römer konnte den latenten
Gegensatz in offenen Zwist verwandeln2), und selbst Ägypten, Roms
Schützling, sah, ebenso wie die kleinen Mächte Rhodos und Achaja,
Roms Einmischung mit Unlust und Besorgnis3). Je länger die
stammfremden Römer auf hellenischem Boden weilten, desto mehr
mufste die Solidarität der Interessen des hellenistischen Staaten-
systems den einzelnen wieder zum Bewufstsein kommen. Kurz, in
dem an jähen Umschwüngen so überreichen Gebiete der hellenistischen
Staatenwelt wuchs die Wahrscheinlichkeit einer Veränderung der mili-
ctqivKi tov xctra iiQÖouinov anavxav zoig noks/uioig ^svyovra rag nökeig t/Ltni7iQavai
y.al dictQTia&iv . . . xkLtoi ys rovg nQotSQoy Maxtdovcov ßsßaoiXsvzörag ov lamvjv
la/rjxivai jr\v noo&fGw, aXXa zrjv Ivavjiciv {xcc%sc&<xi, /uiy yaq Tiobg aXkrtXovg öWi^wg
tv roig vnaid-goig, rag dt nöltig anaviiag uvouqhv. Folgen Beispiele von Alexander,
Antigonos, Pyrrhos.
1) Polyb. V 104 in der Rede des Agelades und ib. XI 6 (7) in der Rede
des rhodischen Gesandten.
2) Deshalb sucht auch Flamininus nach Kynoskephalä schnell mit Philipp
zu einem Abkommen zu gelangen. Pol. XVIII 39, 3.
3) Mommsen, Rom. Gesch. 16, 701 f. Nissen, Krit. Untersuch. S. 124. Niese,
Gesch. d. gr. u. mak. Staaten, II 598 f. v. Gelder, Gesch. d. alten Rhodier, S. 127.
1. Der Feldzug in Obermakedonien (199 v. Chr.). 9
tarischen und politischen Lage mit jedem Jahre eines erfolgreichen
Widerstandes.
In umgekehrter Lage befand sich natürlich Rom.
Alle Gründe, welche für Philipp eine Verzögerung der Ent-
scheidung wünschenswert machten, waren für die Römer bestimmend,
auf schnelle Entscheidung zu drängen. Die diametral entgegen-
gesetzte Strategie lag also in ihrem Interesse. Wie in den meisten
ihrer Kriege mufsten sie durch rücksichtslose strategische und takti-
sche Offensive ihren Gegner niederzuwerfen suchen.
So ergibt sich uns für die Betrachtung dieses Krieges ein inter-
essantes Gegenspiel zweier widerstreitender Kriegführungsprinzipien.
Es wird die Aufgabe der folgenden Darstellung sein, an der
Hand der Tatsachen zu untersuchen, wie dasselbe in den einzelnen
Feldzügen und Aktionen zutage tritt, wie es im besonderen mit
Philipps Ermüdungsstrategie vereinbar ist, dafs die schliefsliche
Katastrophe bei Kynoskephalä in offener Feldschlacht und aufserhalb
Makedoniens in der Ebene von Thessalien stattgefunden hat.
Dafs für ein solches innerliches Verständnis die einfache Nacher-
zählung von Polybios' und Livius1 Berichten, mit denen man sich bisher
begnügen mnfste, nicht genügt, sondern dafs eine die Natur des
ganzen Kriegsschauplatzes in die Betrachtung hineinziehende und zur
Erklärung der Tatsachen verwertende Betrachtung an deren Stelle
treten mufs, bedarf ja keiner weiteren Ausführung. Die Feststellung
des Tatsächlichen in diesem Sinne wird daher unsere nächste Aufgabe
sein. Der Zusammenhang der Ereignisse, Grund und Folge der ein-
zelnen Vorgänge, wird sich daraus ergeben, die Wiedergabe der das
Ganze durchziehenden operativen Gedanken und die Prüfung sowohl
ihrer Berechtigung als auch ihrer Durchführung wird endlich das
letzte Resultat der Untersuchung bilden müssen.
1. Der Feldzug in Oberniakedonien (199 v. Chr.)
Philipps erfolgreiche Defensivstrategie.
Die Landung des Konsuls Sulpicius Galba in Illyrien mit einer Hicnu Kart?
Armee von zwei starken Legionen und dem entsprechenden Zubehör,
also etwa 23000 Mann zu Fufs und etwa 2000 Reitern (s. Beilage I),
war so spät im Sommer 200 v. Chr. erfolgt, dafs an gröfsere Unter-
Nr. i.
10 Der zweite Makedonische Krieg.
nehmungen in diesem Jahre nicht mehr gedacht werden konnte1).
Das Heer bezog daher ein festes Lager zwischen Apollonia und
Dyrrhachion am unteren Apsosflufse, dem jetzigen Semeni in der
Mussakijaebene, und richtete sich hier für den Winter ein2). Nur
noch ein Streifzug wurde, da der Konsul krank war (Zon. IX 15,
P. I 144), unter dem Legaten Apustius in die Hügellandschaften des
mittleren Albaniens, wohl die Gegenden von Berat, unternommen.
Denn seit dem Frieden von Phönike (205 v. Chr.) gehörte das ganze
Binnenland bis an das Gebiet der Parthiner und in die unmittelbare
Nachbarschaft von Apollonia und Dyrrhachion anerkanntermafsen zu
Makedonien3). Eine Anzahl gröfserer und kleinerer Ortschaften, be-
sonders Antipatrea, das heutige Berat, wurden erobert. Weiter ins
Innere wagte man sich nicht vor; ja der makedonische Kommandant
der dortigen Gegend machte auf dem Rückzuge sogar einen nicht
unglücklichen Überfall auf das Heer4). Immerhin hatte der Zug
das Resultat, dafs durch diese Rührigkeit der Römer Verbindungen
mit den Gaufürsten der benachbarten Gegenden angebahnt wurden,
deren altererbte Feindschaft gegen Makedonien beim ersten Lebens-
zeichen einer Tätigkeit von Seiten der Römer wieder erwachte.
Illyrische und dardanische Fürsten im Norden, in den Landen um
den Schar sitzend, der athamanische König Amynander im Süden, in
x) Liv. 31, 22, 4: cum auctumno fere exacto in provinciam verrisset.
2) Liv. 31,22,4: circa Apolloniam und genauer 27,1: inter Apolloniam et
Dyrrhachium ad Apsum flumen. Semeni, Osum, Ljumi, Beratit, Baratino ist alles
derselbe Flufs, der Apsus der Alten.
3j Liv. 29, 12, 13. Zippel S. 72 f. — Dafs auch die Parthiner damals unter
Philipps Herrschaft gekommen seien, wie Niese II 502 A. 3 für wahrscheinlich
hält, glaube ich nicht. Ich halte Zippeis Ausführungen S. 77 f. für zuttreffend.
Man vergleiche unten die Verhältnisse bei Perseus1 Winterfeldzug 170/169.
4) Der Bericht bei Livius 31, 27, 2 ff . nennt an eroberten Ortschaften die
Kastelle Korragos, Gerunion, Orgessos, die Stadt Antipatrea und die Orte Kodrio
und Knidos. Von ihnen allen ist nur Antipatrea mit einiger Sicherheit zu identi-
fizieren. Es ist nach Leake (I 361), dem sich Kiepert und Niese mit Recht an-
schlielsen, wohl ohne Zweifel gleich Berat. Von den anderen kleinen Orten werden
sonst nur noch Orgessos und Gerunion (Pol. V 108) genannt und dadurch ihre
Lage in der Nähe von Antipatrea bestätigt. Bei aller Unsicherheit steht doch
das fest, dafs der Zug bis in das Gebirgsland (Antipatream, in faucibus angustis
sitam urbem) und doch wieder nicht sehr tief hinein (extrema Macedoniae popu-
latus) gegangen ist. Es handelt sich also um die Vorberge Mittelalbaniens.
1. Der Feldzug in Obermakedonieri (199 v. Chr.). 11
Epiros, der das Alpental der oberen Aspropotamos beherrschte, boten
ihre Dienste für den Feldzug des kommenden Jahres an (Liv. 31, 28, 1).
So konnte für den Frühling (199) eine grofse kombinierte
Offensivoperation auf Makedonien in Aussicht genommen werden.
Das römische Heer selber sollte von der Küste Mittelalbaniens
ins Innere vordringen. Eine Nebenexpedition im Norden sollte die
Dardaner und Illyrier durch ihre gewohnten Einfallspforten, durch
die Wardarengen1), nach dem makedonischen Tieflande führen, eine
zweite im Süden von Epiros aus, womöglich unter Beihilfe der Ätoler,
Thessalien heimsuchen. Die Flotte sollte von der Seeseite her diese
Bewegungen unterstützen. (Liv. 31, 28, 3 f.) Wenn es den einzelnen
Heeren gelang, sich im Herzen Makedoniens, in der Ebene des unteren
Wardar und des Karasu (Wistritza), des Haliakmon der Alten, zu
vereinigen, so mochte für Philipp die letzte Stunde geschlagen haben.
Makedonien ist auf allen drei bedrohten Seiten von schwer
zu passierenden Gebirgen, wie von Wällen, umgeben. Im Norden
sind es die Gebirgszüge zwischen Schar und Rilo-Dag2), im Süden
die Olympgruppe und die an sie anschliefsenden Bergketten, im
Westen endlich ein Gebirgsland von fast 200 Kilometer Breite,
welches die Ebenen des mittleren Albaniens, des Standortes der Römer,
von den Küstenebenen am Busen von Saloniki scheidet.
Dies letztere ausgedehnte Gebirgsland war es, welches die
römische Armee, der natürlich die Hauptaktion zufiel, zu überwinden
hatte. Sein Zentrum bildet einerseits die Gruppe der umfangreichen,
von hohen Gebirgsketten eingeschlossenen dassaretischen Seen, die
zusammen eine Fläche bedeutend gröfser als der Bodensee einnehmen3),
und anderseits das grofse, tief eingelagerte, fruchtbare Becken von
Monastir, die Lynkestis der Alten, an welches sich dann südöstlich
das Becken von Ostrowo und Kailar, die alte Landschaft Eordäa,
anschliefst. Auch diese Einsenkungen des Gebirgslandes sind durch
hohe Bergstöcke, die alle über 2000 m erreichen und also über
Rigi- und Pilatushöhen hinausgehen, umschlossen, so dafs der in
*) Über die topographische Lage s. unten S. 28 A. 1.
2) In der nördlichen Fortsetzung unserer Karte No. 1 nördlich von Uskana
und Köprülü.
3) Es sind vier Seen, der Ochrida-, Presba-, Malik- und Vertroksee. Der
Ochrida ist allein genau halb so grofs wie der Bodensee (Oestreich S. 43), der
Presba wohl noch etwas gröfser als der Ochrida Die anderen sind kleiner.
12 Der zweite Makedonische Krieg.
westöstlicher Richtung das Land durchquerende Wanderer nicht
weniger als fünf Pässe zu überschreiten genötigt ist1), um von der
Ebene Albaniens in das Tiefland von Niedermakedonien zu gelangen.
Nur auf zwei Strafsen ist dieses Gebirgsland für eine Armee
zu passieren. Die nördliche führt von Elbasan durch die tiefe Senke
des Skumbitales hinauf, dann nördlich an den Seen vorbei in die
Ebene von Monastir und mündet endlich bei Wodena, dem alten
Edessa, in die makedonische Tiefebene. Die südliche geht von Berat-
Antipatrea direkt östlich am Dewol entlang nach Koritza, dann süd-
lich an den Seen vorbei über den Tschangonpafs und erreicht, im
allgemeinen der Wistritza folgend, über Kastoria und Kosiani die
Campagna von Saloniki bei Werria oder Karaferia, dem alten
Berröa2).
x) Diese Bergstöcke, die alle in mehr oder weniger nord-südlicher Richtung
ziehen, sind von Westen nach Osten aufgezählt folgende: 1. das Jablonitzagebirge
(2282 Meter) und seine südliche Fortsetzung, die Bagora, westlich vom Ochridasee.
2. Die Galtschitza (2043 Meter) zwischen Ochrida- und Presbasee. 3. Die
Neretschkakette (2359 Meter, nach Oestreich sogar 2549 Meter) zwischen Presbasee
und Ebene von Monastir. 4. Die Nidschekette (2517 Meter) und ihr südliches
Vorland, das Hügelland von Banitza, zwischen der Ebene von Monastir und dem
Ostrowobecken. 5. Das Agostogebirge (1900 Meter) zwischen dem Ostrowobecken
und der makedonischen Tiefebene.
2) Ami Boue, wohl der beste Kenner der europäischen Türkei, zählt in
seinen Werken (Recueil d'Itineraires dans la Turquie d'Europe I 260 und La Turquie
d'Europe Bd. IV" S. 44 vier Strafsen auf, die Makedonien mit Albanien und Epirus
verbinden; es sind von Nord nach Süd die folgenden:
1. Von Üsküb über Prizren nach Skutari (le col entre la vallee superieure
du Vardar et le Drin). Sie ist impraticable pour des charrois.
2. Über Monastir und Ochrida, par laquelle il est le plus aise d'arriver
avec un corps d'armee muni de son artillerie depuis la Turquie
centrale jusque sur FAdriatique. Das ist die im Text erwähnte
Strafse nördlich der Seen.
3. Die Strafse am Karasu und Dewol entlang über Koritza und Kastoria.
Das ist die im Text erwähnte Strafse südlich der Seen.
4. Der Z}'gospafs oder die Strafse von Metzowo, die von Nordthessalien
oder Südmakedonien nach Epiros (Jannina) führt.
Tuma (Griechenland, Makedonien und Südalbanien militär-geographisch dar-
gestellt S. 147) fügt dazu noch eine fünfte, die zwischen den beiden letztgenannten
einzuschieben wäre, nämlich:
5. Die Strafse über den Furkapafs (1500 Meter), welche von 3 bei
Lapsista abzweigend ins Tal der Wiossa (Aoos) und somit ins nörd-
liche Epiros führt.
1, Der Feldzug in Obermakedonien (199 v. Chr.). 13
Es ist eine notwendige Vorbedingung für das Verständnis des
Feldzuges, zu wissen, welche von diesen beiden von der Natur vor-
gezeichneten Strafsen das römische Heer eingeschlagen hat.
Zum Glück kann ein Zweifel darüber nicht bestehen.
Die Notiz bei Livius, dafs der Konsul sein erstes Standlager
„ad Lyncum" gehabt habe, entscheidet für den nördlichen Weg als
Anmarschstrafse. Denn Lynkos ist eben die Ebene von Monastir, die
alte Landschaft Lynkestis1), und in sie konnte man nur auf dem
nördlichen Wege gelangen2).
Mit derselben Sicherheit führt uns eine zweite Angabe des Livius
auf die südliche Strafse als Rückzugsrichtung der Römer nach
dem Scheitern ihres Angriffes. Denn die dabei berührte Stadt Keletros
läfst sich wegen ihrer Lage auf einer Halbinsel in einem See mit
völliger Sicherheit mit der eben erwähnten Stadt Kastoria iden-
tifizieren3).
So steht Hin- und Rückweg fest.
Die Verbindung zwischen beiden Strafsen fand nun das römische
6. und 7. endlich könnte man noch die S. 37 erwähnten Wege über
den Pafs von Milia und die Mala Radonisi anfügen. Aber das sind
Bergpfade.
Von diesen fünf Strafsen kommt die erste als zu nördlich und die beiden
letzten als zu südlich gelegeD, für ein Heer, das vom Semeni aus aufbricht, nicht
in Betracht, es bleiben also nur 2. und 3, die im Text aufgezählt sind.
') Liv. 31,33,5: ad Lyncum stativa posuit prope flumen Bevum. „Avyxogu
an Stelle der uns geläufigeren Bezeichnung „Lynkestis" ist die gewöhnlich bei
den Alten gebrauchte Namensform für diese Landschaft. Man vergl. besonders
Liv. 26, 25, 4 und Thukyd. IV 83. 124 und sonst. Lynkestis bei Schriftstellern nur
bei Ptolemäos s. Heuzey, Mission S. 302. Leake, N. Gr. III 311.
2) Vergl. S. 28 A. 1 Ende. — Natürlich gibt es Verbindungswege zwischen
der nördlichen und südlichen Strafse. So führt von Koritza ein Weg nördlich am
Ostufer des Ochridasees entlang nach Ochrida und ebenso am Westufer des
Presbasees entlang nach Resnja und von Kastoria ein dritter bei Pisoderi über die
Neretschkakette nach Florina und Monastir. Aber einerseits haben diese Wege
nicht unbedeutende Terrainhindernisse zu überwältigen: Pafs am Presbasee
1210 Meter (Oestreich S. 54), Pafs über die Neretschka gar gegen 1500 Meter und
schwierig, „descente fort courte et rapide" (Boue, Recueil I 272, ebenso Viquesnel
S. 245). Und anderseits verläfst eine Armee natürlich nicht ohne besondere
Gründe die einmal eingeschlagene Route.
3) Liv. 31,40, 1 : in paeninsula situm. Statt vieler Zitate aus den modernen
Reisewerken nur Boue, Recueil I 273 f.
14 Der zweite Makedonische Krieg.
Heer auf dem Wege durch die alte Landschaft Eordäa1), d. h. durch
das jetzige Becken von Ostrowo und Kailar, und somit ist die ganze
Route des Heeres in allen Hauptstrecken topographisch zu fixieren:
Die Armee marschierte also im Kreise, erst über Elbasan und
Ochrida nach Monastir, von da über das Hügelland von Banitza nach
Kailar und kehrte über Kosiani2), Kastoria und Koritza nach Berat
und an die Küste zurück.
Es hatte seine guten Gründe, dafs der Konsul nicht die süd-
liche Route als Anmarschstrafse wählte. Sie war beschwerlicher, bot
dem Feinde eine grofse Zahl Verteidigungsstellungen und ging vor
allem durch ärmere Gegenden 3), während die nördliche nicht nur die
kleineren Ebenen von Ochrida und Resnja durchzog, sondern vor allem
in das äufserst fruchtbare, weite Becken von Monastir führte, welches
bei einer Längenausdehnung von etwa 66 und einer Breite von durch-
!) Liv. 31,40, 1.
2) Aus der Ebene von Kailar gibt es auch einen direkten Weg nach Kastoria,
nämlich über Wlahoklissura (geritten und beschrieben von Viquesnel S. 249 und
Boue, Recueil I 211). An ihn ist aber nicht zu denken, weil Galba Elimiotis,
d. h. das untere Karasubecken berührt hat (Liv. 31,40, 1).
3J Schon der Weg von Berat nach Koritza ist „ein beschwerlicher Saum-
pfad über die südlichen Begleitungshöhen des meist defileeartigen Dewoltales"
(Tuma S. 146); dann bietet der Engpafs des Dewol, der Tschangonpafs, ein be-
trächtliches Hindernis „wo der Flufs sich in einer Talenge, die er ganz ausfüllt,
einen Weg zum Becken von Koritza bahnt" (Fischer S. 135), der Übergang über
die Höhe des Gebirges nach Kastoria hat dann zwar keine besonderen Schwierig-
keiten, aber von Kastoria an häufen sie sich wieder. Der direkteste Weg über
Wlahoklissura „remonte ä la pente d'une gorge . . et conduit ä un col de 3309
pieds, peu inferieur ä l'altitude generale de la chaine". Dann folgt eine descente
escarpee (Viquesnel S. 250). Der südliche Weg an den Hängen des Karasutales
entlang hat den unbequemen Pafs von Schiatista (900 Meter) zu überwinden (Boue,
Recueil II 89), und endlich ist auch am Ausgange des Karusa in die makedonische
Ebene wieder „die Schlucht so eng, dafs neben dem Wasser kein Raum für die
Strafse bleibt, welche daher die seitlichen Höhen — bis zu 1269 Meter (Tuma 146) —
heraufsteigen mufs" (von der Goltz, Ausflug S. 79, Boue a. a. O. 85). Boue sagt
Turquie IV 44 zusammenfassend: de ces trois voies militaires (die Nummern 1—3
in A. 2 von S. 12) la moins difficile est celle de Koritza ä Kastoria; mais arrive
a cette derniere ville, l'ennemi se trouverait comme dans un cul-de-sac, car on lui
fermerait aisement de col du NeretschkaPlanina (Weg nach Monastir s. S. 13 A. 2),
on pourrait essayer de defendre celui de Vlacho-Klisoura, tandis qu'au Sud il ne
manquerait pas de positions sur l'une ou Fautre rive de l'Indge Karasu pour faire
coüter eher ä l'ennemi l'occupation de ce bassin.
1. Der Feldzug in Obermakedonien (199 v. Chr.). 15
schnittlich 12 Kilometern dem römischen Heere für einige Zeit ge-
nügende Verpflegung bieten konnte1).
Wegen dieser Annehmlichkeiten hat man dann auch später
diesen Weg zum Ausbau der Kunststrafse, der via Egnatia, gewählt,
und er ist bis auf den heutigen Tag die Hauptverkehrsader zwischen
Albanien und Makedonien geblieben3).
Aber auch er hatte seine nicht unbeträchtlichen Schwierigkeiten.
Nach dem verhältnismäfsig leichten Marsche durch das weite
und fruchtbare Skumbital3) war der Querriegel der Bagora- bzw.
Jablonitzakette in einer Höhe von 1096 Metern in allerdings nicht
sehr steilem Anstiege zu ersteigen, dann senkte sich die Strafse
wieder bis auf 700 Meter ins Becken von Ochrida herab, hob sich
ein zweites Mal um fast 500 Meter bis zur Höhe des Sattels von
Bukowa (1180 Meter), sank wieder bis zum Presbasee (auf 900 Meter)
und überwand, sich zum dritten Male hebend, mit einer Steigung von
x) Die modernen Eeisenden stimmen überein in dem Lobe der Fruchtbarkeit
und des Reichtums dieser Ebene: Mais, Korn und Wein gedeiht in reicher Fülle
(Boue, Recueil I 256. 270); besonders in dem südlichen Teile „sieht man Ortschaft
an Ortschaft gereiht längs des Flusses und auf den unteren Hängen des Peristeri"
und „so weit das Auge reicht breiten sich, bis an den Kranz der fernen Gebirge,
die reichen, durch zahlreiche Dörfer geschmückten Getreidefluren aus" (Grisebach,
Reise II 175. 177. 210). Bis 500', ja bis 1000' über die Ebene erhebt sich die
angebaute und kultivierte Zone (ib. 187. 209), die z. B. das ganze westlich an-
stofsende Hügelland des Dragortales mitumfafst (ib. 195). Ähnlich lautet die fast
enthusiastische Schildernng von von der Goltz, Ausflug S. 931'.: „Ein liebliches
Landschaftsbild umgibt uns, 'Nature has done much for the happiness of man
in this lovely country' sagt Spencer mit Recht von dieser schönen Ebene. Wir
ritten zwischen wogenden Roggen- und Gerstenfeldern . . zahlreiche Dörfer füllen
die Ebene namentlich am Bergrande entlang . . Allein auf der Westseite zählt
man auf der Strecke von Floriani bis Monastir hin an 40 Dörfer, Weiler und
Landgüter."
2) Daher noch heute die grofse militärische Wichtigkeit von Monastir, auf
dessen Bedeutung in den Kriegen von 1830 Grisebach II 182 mit Recht aufmerk-
sam macht. — „Von Philipps erstem Kriegszuge gegen die Pelagonier bis zur
türkischen Eroberung sind alle Heere, die vom Abendlande nach Osten oder in
umgekehrter Richtung marschierten, durch diesen Engpafs (von Wodena, den Aus-
gang dieser Strafse) in die Ebene am Wardar hinabgestiegen oder aus dieser in
die Gebirge vorgedrungen", von der Goltz, Ausflug 82. Man vergl. auch Tozers
Appendix on the Egnatian way Bd. II S. 363.
3) An dies Tal denkt wohl Mommsen, wenn er von einem Marsch „durch
die fruchtbare dassaretische Ebene" spricht. Eine solche gibt es sonst nicht.
Denn die Ebenen am Ochrida- und Presbasee sind ganz unbedeutend.
Iß Der zweite Makedonische Krieg.
etwa 250 Metern den Pafs von Dzcwat (1177 Meter), der dann end-
lich in die Ebene von Monastir hinabführte1).
Obgleich diese drei Bergpässe bei ihrer relativen Niedrigkeit und
ihrem allmählichen Anstieg lange nicht so ausgiebige Gelegenheit ge-
währen konnten, einem eindringenden Feinde entgegenzutreten, wie
die Pässe des südlichen Weges2), so ist es doch eigentümlich, dafs
Philipp, von dessen Truppen ja, wie sich schon im vorigen Herbste
gezeigt hatte (S. 10), Abteilungen in Mittelalbanien standen, den Feind
ungehindert so tief in sein Land hat eindringen lassen.
Aber die Tatsache, dafs die Römer vor dem ersten Zusammen-
stofs mit den Makedoniern bis zur Lynkestischen Ebene vorgedrungen
sind, steht fest5); und wenn auch neuerdings von kundiger Seite die
Ansicht geäufsert ist, König Philipp habe schon auf der Höhe des
Dzewatpasses den Römern den Weg verlegt und sei erst durch Um-
gehung seiner Position in die Ebene von Monastir zurückmanövriert
worden4), so läfst sich doch diese Hypothese nicht halten. Denn sie
verwickelt uns einerseits in unlösbare Schwierigkeiten mit der Über-
lieferung und der Topographie5) und traut anderseits der römischen
!) Tal des Skumbi, gut angebaut: Feigen, Oliven, Granaten. Aufstieg zum
Passe leicht (Boue, Recueil I 268). Die folgenden Höhenzahlen sind nach der
neuesten Berechnung von Oestreich (S. 32. 52. 159 ff.) gegeben. Der Übergang
vom Ochridasee zum Presbasee als steil geschildert bei Beaujour, Voyage militaire
dans l'empire Ottoman T. I p. 204 (nach Tafel via Egnatia XCV): on descend (von
Osten kommend) par un escarpement rapide, ä travers im terrain . . . profondement
sillone par les eaux.
2) Deshalb sagt auch Boue, Turquie IV 44: le passage de l'Albanie ä
Monastir est un point d'attaque assez favorable aux aggresseurs.
3) Livius' Worte ad Lyncum stativa posuit (31,33,6) lassen schon an sich
keine andere Erklärung zu (s. oben S. 13 A. 1), selbst wenn man Lynkos, wie
Heuzey mit Recht hervorhebt, als Landschaftsnamen und nicht als Stadtnamen für
Heraklea Lynkestis fafst.
4) Heuzey, Mission en Macedoine S. 302 ss.
5) Livius' ganzer Bericht von cap. 33, 6 bis 39, 3 wird von Heuzey auf diese
Position bezogen. Er enthält das erste Begegnungsscharmützel, das erste Reiter-
gefecht, bei dem der König einen Hinterhalt legt, das mehrmalige Anbieten offener
Feldschlacht durch den Konsul, die Zurückverlegimg des römischen Lagers um
8 Mühen, den Überfall der römischen Furageexpedition, endlich den Rückzug des
Königs, also einen sehr detaillierten Bericht, aber kein Wort über Sperrung eines
Passes und Einnahme desselben durch eine Umgehung. Es heifst im Gegenteil
ausdrücklich, dafs der Konsul über den Abzug Philipps getäuscht wurde und noch
mehrere Tage nach demselben in seinem Lager stehen blieb (isdem stativis
1. Der Feldzug in Obermakedonien (199 v. Chr.). 17
Kriegsleitung eine militärische Ungeschicklichkeit ersten Ranges zu.
Der römische Oberfeldherr, welcher nach unseren Berichten durch
nichts gehindert war weiter vorzurücken, da er mit Philipp noch
gar keine Fühlung, hatte1), soll nämlich nur einen Marschtag vor
der fruchtbaren Ebene von Monastir, in dem dürftigen Gebirgslande
ein Standlager (stativa) — nicht etwa blofs ein Marschlager,
deren er seit dem Aufbruche bereits mehrere bezogen haben mufste —
aufgeschlagen und sich hier aufs Furagieren verlegt haben (frumen-
tatum mittebat). So hätte er dem Philipp ohne Not alle Mufse ge-
lassen, ihm den Zugang zu der Ebene zu sperren, die sein natürliches
Marschziel sein mufste.
Das ist nicht möglich, sondern in dem reichen Fruchtlande von
Monastir selber haben die Römer selbstverständlich ihren ersten
längeren Halt gemacht.
Die Erklärung für Philipps Zögern ist übrigens aus den all-
gemeinen strategischen Verhältnissen noch sehr wohl zu erschliefsen.
frumentando dies aliquot consumsit (39, 3), d. h. nichts weniger als eine Um
gehungsbewegung machte. — Dazu kommt, dafs wir die erzählten Ereignisse auch
topographisch an dieser Stelle gar nicht unterbringen können. Die Pafshöhe von
Dzewat liegt unmittelbar über der Ebene von Resnja (vergl. die Karte 1). Wenn
Philipp hier (Heuzey meint, etwa 12 Millien westlich von Heraklea) sein Lager
gehabt hätte, so wäre das erste römische Lager, welches nur 1 Millie von ihm
entfernt war (Liv. 34, 7), unmittelbar am Fufse des ziemlich steilen Berghanges
gewesen, so dafs für die Gefechte zwischen beiden Lagern kein passendes
Gelände bleibt, und das zweite, um 8 Millien zurückverlegte Lager, das der Konsul
bezog, um besser furagieren zu können (Liv. 36, 6), wäre schon in die Vorberge
des Passes von Bukowa, etwa in die Gegend von Isbischte, gefallen, hätte also
gerade die Ebene von Resnja dem Gegner preisgegeben. Auch die fauces Pelagoniae
sind fälschlich hierhergezogen, s. unten S. 28 A. 1. Kurz, Heuzeys Fixierung ist
unannehmbar, während anderseits das, was wir von dem ersten Begegnungsgefecht
der Römer und Makedonier hören, nur auf die Ebene von Monastir pafst (S. 19).
.') Das geht daraus hervor, dafs von seinem Standlager „ad Lvncum" aus
die rekognoszierende Reiterabteilung vorgeschickt wird, und erst nachdem diese
ihr Gefecht bestanden und Philipp seine anderen Truppen aus den Pelagonischen
Pässen an sich gezogen hat, das makedonische Lager bis in die Nähe des römi-
schen vorgerückt wird (s. S. 19). Während dieser ganzen Zeit also mutet Heuzey
dem römischen Konsul zu, dicht vor der fruchtbaren Ebene untätig stillgelegen
zu haben, ohne sie zu betreten, obgleich er dringend aufs Furagieren und
Requirieren angewiesen war. Das ist ganz unglaubhaft, und mit Recht haben
deshalb auch schon Leake (III 310 ff.) und Barth S. 152 den ersten Zusammenstofs
in die Ebene von Monastir verlegt.
Kromayer, Antike Schlachtfelder. II. 2
1 8 Der zweite Makedonische Krieg.
Er war mit den Vorbereitungen für die Verteidigung seines von allen
Seiten bedrohten Landes noch beschäftigt, vor allem aber vor dem
Aufbruche der Römer aus den Winterquartieren über deren Absichten
im unklaren. Der Gegner konnte die direkte Strafse nach Makedonien
einschlagen, wie er es getan hat, er brauchte es aber nicht. Es war
ebensogut möglich, dafs er sich südlich durch Epiros gegen Thessalien
wandte. Solange das nicht entschieden war, mufste Philipp in einer
Zentralstellung, etwa bei Pella, die ihm gestattete, nach beiden Rich-
tungen vorzugehen, abwartend stehen bleiben, weil er sonst Gefahr
lief, den Gegner zu verfehlen und ihm die Zugänge zu den Kern-
landschaften seiner Monarchie überhaupt nicht mehr verwehren zu
können. So hängt es zusammen, dafs der König hinter den Römern
zurückgeblieben war1).
Jetzt aber, nachdem die Angriffsrichtung der Gegner sich ent-
schieden hatte, war es höchste Zeit, dem Vordringen Einhalt zu tun
und die letzten beiden Bergriegel, welche den Feind nur noch vom
makedonischen Tieflande trennten, vorweg zu besetzen.
So eilte denn der König das Tal von Wodena hinauf und, über
das Hügelland von Banitza, die südöstliche Einfallspforte in die
Ebene von Monastir, gleichfalls diesen weiten Gefilden zu.
Das Ergebnis, dafs die Operationen dieses Feldzuges sich von
Anfang an in der Ebene von Monastir abgespielt haben, setzt uns
in die Lage, uns trotz einzelner bestehen bleibender Unsicherheiten
ein annähernd deutliches Bild der Vorgänge zu verschaffen und gegen-
über hyperkritischen Behauptungen unsere aus guter Quelle ent-
stammenden Nachrichten topographisch wie militärisch verständlich
zu machen2).
*) Diesen Tatbestand deutet Livius auch verständlich genug an, wenn er
nach Aufzählung von Philipps Kriegsvorbereitungen sagt: ab consule non para-
batur, sedgerebatur iam bellum (Liv. 31, 33, 4), und wenn später von der grofsen
Bestürzung die Rede ist, die der römische Einfall erzeugte (consternata quidem
omnia circa pavoremque ingentem hominum cernebat (ib. 6).
2) Wenn Ihne III 25 A. 2 meint, die Darstellung des Feldzuges sei offenbar
in der beliebten Weise der römischen Annalisten gefärbt, denen es geläufig war,
Siege zu erfinden, welche jenseits der blauen Berge erfochten sein sollten, und
dabei von Gefechtsbildern absehen will, die der Phantasie entlehnt seien, so über-
sieht er, dafs die ganze Livianische Darstellung dieses Feldzuges nach Nissens
striktem Beweise (Krit. Unters. 128. 73. 104) durchaus auf Polybios beruht, eine
Tatsache, die genügt den Versuch militärisch-topographischer Rekonstruktion zu
rechtfertigen.
]. Der Feldzug in Obermakedonien (199 v. Chr.). 19
Die erste Fühlung müssen die beiden Gegner in dem südlichen
Teile der Ebene, zwischen Monastir und dem Hügelland von Banitza,
gewonnen haben. Denn das ist die Richtung nach Niedermakedonien,
und nur hier war es möglich, dafs sich, wie Livius ausdrücklich be-
richtet, die von beiden Seiten zur Erkundung vorausgesandten Reiter-
abteilungen gegenseitig verfehlten und vergeblich lange suchten; nur
hier durchziehen nämlich mehrere Wege nebeneinander die breite
Ebene, während sonst überall die Richtung der Anmarschstrafsen durch
die Natur genau vorgezeichnet ist1). Philipp gewann dabei aus dem
ersten Zusammenstofse dieser Rekognoszierungstruppen und den ein-
gezogenen Erkundungen die Überzeugung, dafs seine anwesenden
Truppen zu schwach seien, in der Ebene das Feld zu halten, und er
zog deshalb, ehe er mit seiner Hauptmacht das Hügelland verliefs,
die Detachements an sich, die er zur Sperrung der Wardarpässe vor-
her abgesandt gehabt hatte2).
Dann rückte er mit seiner nunmehr auf 20 000 Mann zu Fufs
und 4000 Reiter verstärkten Armee vor und schlug auf einem Hügel
in der Ebene, nur 1 lj2 Kilometer von dem römischen Lager, auch
seinerseits ein verschanztes Lager auf3).
1) Liv. 31,33, 8: hae duae alae (die beiden zur Erkundung abgeschickten
Abteilungen) ex diverso cum diu incertis itineribus vagatae per Dassaretios essent,
tandem in unum iter convenerunt. — Von Monastir gehen drei Strafsen nach dem
Hiigellande von Banitza: die östliche über Kanali, der jetzt die Eisenbahn folgt,
die mittlere über Negotschan, die westliche am Fufse des Gebirges entlang über
Florina. Vergl. auch v. d. Goltz, Ausflug S. 92. 110. Hier war also ein Verfehlen
leicht möglich. Wenn Livius hier und kurz vorher § 5 die Dassaretier nennt, so
ist das eine Ungenauigkeit, welche wohl dadurch veranlafst ist, dafs der Zug des
Heeres bisher durch das Gebiet der Dassaretier gegangen war. Es ist fraglich,
ob die Erwähnung, die übrigens bei der geringen Abgrenzbarkeit solcher Gebirgs-
stämme — Lychnidos wird z. B. bald zu dem Lande gerechnet, bald nicht — kein
grofser Fehler ist, überhaupt auf Polybios zurückgeht.
2) Liv. 31, 34, 6 und über die Wardarpässe S. 28 A. 1. — Weniger das
gräfsliche Aussehen der Verwundungen durch das spanische Schwert der Römer,
die nach Livius' rhetorischem Berichte den gröfsten Eindruck auf die Soldaten
und den König gemacht haben (Liv. 31.34), als die genaueren Erkundungen, die
der König von der Stärke des Feindes einzog (Liv. 31,33, 11) werden ihn zu dieser
Mafsregel veranlafst haben, wie Nissen das, Krit. U. S. 128, mit Recht hervor-
gehoben hat.
3) paulo plus mille passus — nicht 7000 Schritt, wie Niese II 101 angibt — a
castris Romanis tumulum propinquum Athaco fossa ac vallo communivit (Liv.
31,34,7). Der Name Athacus ist unsicher und nicht zu identifizieren. Mehr
2*
20 Der zweite Makedonische Krieg.
Doch liefs er sich auf keine Felclschlacht ein, sondern lehnte
alle Herausforderungen der Römer kaltblütig ab, setzte ihnen durch
kleine Gefechte, Überfälle und Neckereien seiner leichten Truppen
zu und hinderte sie an Furagierungen '). Seine Kriegführung wurde
dem Gegner mit' der Zeit so lästig, dafs er sein Lager 12 Kilometer
weiter zurückverlegte, um ungestörter in der reichen Ebene den
Unterhalt für seine Armee gewinnen zu können2).
Aber auch so wufste ihn Philipp zu erreichen.
Einige Zeit liefs er scheinbar untätig verstreichen; dann be-
nutzte er die wachsende Sorglosigkeit der Römer zu einem kräftigen
Schlage. Es gelang ihm, ein bedeutendes Korps auf einer weiter ins
Land ausgesandten Furagierungsexpedition vom Lager abzuschneiden.
Es wäre vernichtet worden, wenn nicht der Konsul in äufserster Not
mit dem ganzen Heere noch zu rechter Zeit herbeigeeilt wäre und
den anfänglichen Erfolg des Königs in eine tüchtige Schlappe ver-
wandelt hätte3).
Ort und Zeit dieser letzten Kämpfe läfst sich noch ziemlich
genau bestimmen.
Der Ort ist in der Gegend der ausgedehnten Tschernasümpfe
zu suchen4), welche den Lauf dieses Hauptflusses der Ebene in seinem
mittleren Teile begleiten5), die Zeit geht aus der Angabe hervor,
oder minder bedeutende Bodenschwellungen, die nach den Bedingungen der alten
Kriegskunst schon genügen, um ein Lager sturmfrei zu machen, (vergl. Band I
S. 335 f. unsere Betrachtungen über das Relief des antiken Schlachtfeldes) gibt es
in der Ebene selber genug, besonders in dem Teile zwischen Florina und Monastir
S. von der Goltz, Ausflug nach Mazed. S. 92; Heuzey, Mission S. 300 und die
Karte Nr. 1.
*) Liv. 31,34,9 bis 36,4 gibt die detaillierte Darstellung. Sie hier nach-
zuerzählen hat keinen Zweck. Es genügt, den Charakter des Krieges zu bezeichnen.
2) Liv. 31, 36, 6. Der dabei genannte Ort Ottolobus (Octolophos?) ist nicht zu
identifizieren. Barth denkt vermutungsweise (S. 152) an die Gegend von Florina,
wo „das Gebirge mit acht oder mehr Bergspornen in lebendigster Gliederung in
die Ebene vortrat". Das erscheint zu südlich.
3) Ausführliche Schilderung des Gefechtes und Kritik bei Liv. 31, 36,7—38, 9.
4) Liv. 31,37,8: nee ferro tantum periere, sed in paludes quidam coniecti
profundo Hmo cum ipsis equis hausti sunt, und ib. 11: rex circumvectus paludes
per vias inviaque . . in castra . . pervenit.
5) Noch heute werden hier z. T. die Strafsen auf hohen Dämmen durch die
Ebene geführt. Th. Fischer bei Kirchhoff S. 116. Die Tscherna ist der Erigon
der Alten.
1. Der Feldzug in Obermakedonien (199 v. Chr.). 21
dafs das Getreide schon reif auf den Feldern stand1). Das führt bei
dieser hochgelegenen Ebene mit mehr nordischem Vegetationscharakter
auf Anfang bis Mitte Juli2) und liefert den Beweis, dafs in Livius' Er-
zählung nur einzelne abgerissene Ereignisse aus einem längeren Feld-
zuge zur Darstellung gekommen sind, einem Feldzuge, in welchem
es Philipp gelungen war, durch einen hartnäckigen Kleinkrieg den
Gegner längere Zeit an derselben Stelle festzuhalten3).
Der letzte Mifserfolg und wohl auch die allmählich ausgesogene
Gegend bewogen jetzt aber doch den König, den Kriegsschauplatz
zu wechseln4). Er ging in die Berge, sagt lakonisch unser Bericht 5).
Es ist aber trotzdem nicht zweifelhaft, wohin der Rückzug gegangen
ist. Denn er konnte nur in der Richtung nach dem inneren Make-
donien zu erfolgen, und da gibt es eben nur die eine Strafse über
das Hügelland von Banitza nach Ostrowo und Wodena, eben jene,
die Philipp gekommen war. Mit dem Einschlagen irgend einer anderen
Richtung hätte er dem Gegner den Weg nach Makedonien freigegeben,
nach einer Niederlage ein doppelt gefährliches Beginnen.
Die „Berge" unserer Überlieferung sind also das die Ebene von
Monastir im Südosten begrenzende Hügelland von Banitza.
Aber der Konsul folgt ihm nicht in das ausgesogene Land hin-
ein0), sondern wendet sich nach Norden, nach Stuberra, bei dem
x) dispersos milites per agros (Liv. 31,36, 5) vagos frumentatores (ib. 9)
frumentum quod in agris erat (ib. 39, 4) usw., während im ersten Teile des Feld-
zuges von den horrea (31, 33, 5), also der Ernte des Vorjahres die Rede ist.
2) Grisebach (Reise II 171 und 221) fand am 28. Juni in der Ebene von
Monastir erst die Heuernte und am 9. Juli in dem tiefer gelegenen Baburatal die
Kornernte in vollem Gange.
3) So auch Dio frg. 58 nach Polybios: v.ai 8iiiqi\\jav avyvag ^u^Qag ig /uh
naQuial-tv /urj owiovreg, uy.QoßoliöfAoTg di nai xal neiQccig twv ts iptldiv zccl luv
innibiv ./Qojfj.ti'01.
4) Mommsen glaubt, dafs die Nebenangriffe der Dardaner und Ätoler Philipp
zum Aufgeben seiner Stellung veranlafst und die Römer aus einer gefährlichen
Lage befreit hätten. Das ist mit der Tatsache, dafs die nächstfolgenden Operationen
noch alle in der Ebene von Monastir spielen, unvereinbar. Die Abwehr Philipps
gegen die Nebenangriffe erfolgte viel später (s. S. 27), und in einer gefährlichen
Lage befanden sich die Römer nach dem Siege an den Tschernasümpfen über-
haupt nicht.
5) Montes, quam viam non ingressurum gravi agmine Romanum sciebat,
petit, Liv. 31,39, 2.
6) Exhausto circa omni agro (Liv. 31, 38, 1).
22 Der zweite Makedonische Krieg.
heutigen Tsepikowo, um den drückenden Mangel, der in seinem Lager
herrscht, zu beseitigen und sich in diesem reichen und fruchtbaren
Teile der Ebene für den Weitermarsch genügend zu verproviantieren1),
und zieht von da aus zu gleichem Zwecke in der Osthälfte der Ebene
hin über Pluinna wieder nach Süden2).
Da die Römer nicht nachrücken, verläfst auch Philipp wieder
die Hügelgegend und nimmt, nachdem der Eindruck der Schlappe
sich bei seinen Truppen wieder verwischt hat, sein altes System der
plötzlichen Überfälle von neuem auf.
Bei Bryanion, wohl im nördlichen Teile der Ebene, finden wir
plötzlich sein Lager3); dann erscheint er mit einem seiner gewohnten
Gewaltmärsche bei Pluinna, überrascht den nichtsahnenden Gegner
und bringt ihm, wie es scheint, eine schwere Schlappe bei4). Darauf
zieht sich der Krieg wieder nach dem Süden. Man steht sich an
der Tscherna und am Osphagos in der Gegend, wo die Tscherna ihre
Hauptzuflüsse aus dem Neretschkagebirge erhält, in festen Lagern
gegenüber5). Und jetzt endlich, nachdem man die Runde durch das
*) Stuberram deinde petit atque ex Pelagonia frumentum, quod in agris
erat, convexit (Liv. 31, 39,4. Dio frg. 58). — Stuberra war eine Stadt der Deuriopen
und lag, wie alle Städte dieses Stammes, am Erigonos (Tscherna), Strabo VII 7, 8
C. 327: Inl i(a 'Egiyovi naoav al tööv ztevQioncov nokeig . . (ov to Bqvkvlov . . xccl
ZTvßaoa. Die Sitze der Deuriopen sind nun neuerdings im nördlichen Teile der
Ebene von Monastir nachgewiesen durch eine bei dem Dorfe Tsepikowo, etwa
24 Kilometer nördlich von Monastir, gefundene Inschrift, welche diesen Gau nennt
(Tozer II S. 358, wo die Inschrift abgedruckt ist, und Heuzey, Mission en Mac.
S. 314, wo Literatur und nähere Angaben). Die bei Tsepikowo auch sonst ge-
fundenen Reste lassen es als unzweifelhaft erscheinen, dafs hier eine der Städte
der Deuriopen gelegen hat. In dieser Gegend ist daher auch Stuberra zu suchen,
worauf auch der Umstand hinweist, dafs es im Jahre 170 v. Chr. der Ausgangs-
punkt der Expedition ist, welche Perseus gegen Uscana am Schwarzen Drin in
der Gegend von Debra macht (s. unten Kap. III 2 bei dem Feldzug vom Jahre 170).
An Prilip, das Kiepert vorschlägt, ist für Stuberra nicht zu denken, weil Prilip
nicht an der Tscherna liegt.
2) Pluinnam est progressus (Liv. 31, 39, 4). Lage nicht bezeugt, aber wohl
mit Kiepert etwa in der Gegend von Noschpol anzusetzen.
3) Liv. 31,39, 5. Bryanion war auch eine Stadt der Deuriopen (s. A. 1).
4J Liv. a. a. 0. : profectus inde transversis limitibus terrorem praebuit sub-
itum hosti. movere itaque ex Pluinna Romani. Der rasche Aufbruch der Römer
weist auf eine Niederlage, die Livius' Worte nur leicht verschleiern.
5) Der König steht am Erigon, die Römer an seinem Nebenflusse Osphagos
1. Der Feldzug in Obermakedonien (199 v. Chr.). 23
Becken von Monastir gemacht hat, erhebt sich der Konsul zu dem
ernstlichen Versuch, weiter nach dem Inneren Makedoniens vorzu-
dringen. Aber Philipp ist wachsam. Er besetzt die Übergänge über
das Hügelland von Banitza und sperrt ihm den Weg1).
Zwischen dem hohen, bis in den Hochsommer hinein mit Schnee
bedeckten Kücken des Kaimaktschalan, dem höchsten Punkte der _
1 Hierzu die Jiei-
Nidschekette (2517 Meter), und der nur wenig niedrigeren Bergkette karte vo^Karte
der Neretschka mit dem Witschu (2065 Meter) liegt tief eingebettet
das genannte Hügelland, welches den Übergang aus dem Becken von
Monastir in das von Ostrowo und Kailar, das alte Eordäa, ver-
mittelt2). An seiner niedrigsten Stelle erhebt es sich nur etwa
150 Meter über die beiden Ebenen und gestattet im Kirli-Derbend
einen verhältnismäfsig bequemen Übergang3). Es ist der Punkt, wo
seit alters die Strafse und neuerdings die Eisenbahn das Bergland
überschreitet.
Etwas vor der Pafshöhe, etwa bei dem Dorfe Banitza, beherrscht
man zu gleicher Zeit den Aufstieg zu dem weit höheren, nach Edessa
führenden Passe von Gornitschewo. Hier ist der gegebene Punkt
für eine Verteidigungsstellung, und hier etwa mufs es gewesen sein,
wo Philipp sich zur Verteidigung gesetzt hatte. Mit Palisadenwerken,
Wällen und Gräben ward der natürlichen Stellung nachgeholfen und
vielleicht auch noch der hier kaum 2 Kilometer entfernte Aufstieg
(Liv. 31, 39, 6). Bedenkt man, dafs jetzt gleich die Kämpfe im Hügelland von
Banitza folgen, so wird man nicht anders können, als diese Stellung in die Gegend
des Tschernaknies, im Süden der Ebene, zu verlegen, wo der Flufs auch seine
meisten Zuflüsse aus dem Gebirge erhält (s. die Karte).
x) Inde satis comperto Eordaeam petituros Romanos, ad occupandas angustias,
ne superare hostes artis faucibus inclusum aditum possent, praecessit. Polyb.
XVIII 23, 3: rag lg trjv 'EoQÖulav vnEQßoXag.
2) von der Goltz, Ausflug nach Maz. S. 87.
3) Boue, Recueil I 278: le col conduisant par le Kirli-Derbend et Banja
(Banitza) ä Florina, n'a quo tout au plus 2076 pieds et forme une vaste echancrure
entre ces montagnes (im Norden) . . et celles au N. de Klisoura (= Wlahoklisura,
also im Süden) de maniere que . . . ces deux cavites (von Monastir und Kailar) ne
sont separees que par une paroi tres-peu elevee et franchissable par des pentes
peu fortes. — Die Pafshöhe der Bahn ist 751 Meter (v. d. Goltz S. 110) oder
769 Meter (österreichische Karte). Die Ebenen bei Kailar und Florina sind rund
600 Meter hoch.
24 Der zweite Makedonische Krieg.
zum Passe von Orchowa, der gleichfalls ins Becken von Kailar führt,
mit in die Verteidigungslinie hineingezogen1).
Vielleicht wäre es möglich gewesen, wenn nicht im Norden2),
so doch im Südwesten, etwa bei Negowani, die Stellung zu umgehen
und in das Becken von Kailar vorzudringen; aber die Römer wollten
ja schlagen, wenn es nur irgend möglich war, und ähnlich wie zwei
Jahrhunderte früher dem Brasidas, so gelang es auch ihnen die
Stellung zu stürmen, und mit beträchtlichem Verluste mufsten sich
die Makedonier zurückziehen 3). Es war die hauptsächlichste Waffen-
tat in diesem Feldzuge4). Der Weg in das Becken von Ostrowo
und Kailar, das alte Eordäa, war frei, und selbst die Hauptstädte
Makedoniens, Edessa und Pella, lagen nur noch einen bis zwei starke
Tagemärsche entfernt.
Es entsteht daher für uns die öfters aufgeworfene, aber nie
recht befriedigend beantwortete Frage5), weshalb Galba seinen Sieg
nicht dazu benutzt hat, jetzt in das Herz des feindlichen Landes
vorzudringen und so die fruchtbare Ebene Niedermakedoniens zu er-
reichen, wodurch er doch die Verpflegungsschwierigkeiten in seinem
Heere — wie man denken sollte — hätte beseitigen können. Eine
genaue Berücksichtigung der Örtlichkeit und der Zeit wird auch hier
wieder das Beste zur Lösung der Frage tun müssen.
Mit der Erstürmung der Höhen von Banitza hatte das römische
') Alia vallo, alia fossa, alia lapidum congerie, ut pro muro essent, alia
arboribus objectis, ut aut locus postulabat aut materia suppeditabat, propere
permuniit, atque viam . . . objectis per omnes transitus operibus inexpugnabilem
facit (Liv. 31, 39, 9). — Man sieht, es hai delt sich um ausgedehnte Verschanzungen
und mehrere Übergänge.
2) Hier steigt die zum Kaimaktschalan führende Malkakette schnell bis zu
1500 Meter an und fällt jenseits schroff ab.
3) Detaillierte Schilderung bei Livius 31,39, 10 — 15, aus der aber militärisch
nichts zu lernen ist. — Über Brasidas berichtet Thukydides IV 127. Es wird sich
dabei auch um diesen Pafs handeln und nicht, wie Tozer II 361 meint, um den
direkten Aufstieg von der Ebene über Tulbele (Türbeli) zu dem etwa 3 Kilometer
nördlich gelegenen Passe von Gornitschewo.
4) Als solche hebt sie denn auch noch Flamininus in der Rede vor der
Schlacht von Kynoskephalä rühmend hervor. Pol. XVIII 23, 3. Liv. 32, 21, 19.
5) Ihne meint (R. G. III 25 A.), Philipp sei gar nicht besiegt worden, sondern
habe die Römer geschlagen; Nissen (Krit. Unters. S. 129) findet das Gefecht un-
klar dargestellt. Man sähe nicht recht, ob die ganze Armee oder nur eine zurück-
gelassene Abteilung hier geschlagen sei.
1. Der Feldzug in Obermakedonien (199 v. Chr.). 25
Heer sich allerdings den Weg in das Becken von Ostrowo gebahnt,
aber damit noch nicht den Weg nach Edessa (Wodena). Denn jenseits
der in Rede stehenden Pafshölien sperrt eine 400 Meter hohe, dicht
an das Westufer des Sees hinantretende Kalkwand den Durchgang
nach Norden so vollständig, dafs die Bahn am Ufer des Sees in den
Felsen hineingesprengt ist und nur oben an derselben entlang ein
„schwindelnder Reitpfad'4 hinführt1).
Deshalb zweigt der Weg nach Edessa schon vor dem Dorfe
Banitza links von den Übergangswegen in das Ostrowobecken ab und
steigt steiler als bisher noch 200 Meter höher in nordöstlicher Rich-
tung bis zum Passe von Gornitschewo empor, von wo er sich dann
erst an das Nordufer des Sees herabsenkt2).
Es wäre also hier ein zweiter und schwierigerer Sturm auf die
Höhen von Gornitschewo nötig geworden, und ihn hat der römische
Heerführer nicht mehr gewagt. Er begnügte sich damit, dafs er
Philipp aus seiner halben Position verdrängt und sich den Weg nach
Eordäa geöffnet hatte.
Mit dieser Unterlassung war aber das Resultat des ganzen Feld-
zuges entschieden ; ein Vordringen nach der makedonischen Tiefebene
hinein war im Prinzip aufgegeben und eine Abschwenkung nach Süden
begonnen, die nach der Natur des Geländes im weiteren Verlaufe mit
Notwendigkeit in die Rückzugslinie übergehen mufste.
Denn die Übergänge aus der Ebene von Kailar und Ostrowo
über das Agostogebirge in die makedonische Tiefebene sind weit
schwieriger als die Übergänge nach Wodena und führen zudem nicht
auf die Hauptstädte des Landes los3). ^Nachdem man nicht die Energie
!) Oestreich S. 148. von der Goltz, Ausflug S. 90.
2) von der Goltz S. 110: „Hinter dem Orte (Banitza) steigt die Strafse leb-
hafter zur Pafshöhe von Gornitschewo an, die inmitten kahler Bergmassen auf
948 Meter Seehöhe liegt". Ebenso geht der direkte Weg über Tulbeli nach
Gornitschewo über steiniges Geröll (Tozer I 164) und ist gerade in seinen oberen
Partien leichter zu verteidigen als in den unteren (ib. II 362).
3) Grisebach sagt II 103 darüber: Der „bequemste und gangbarste Pafs
über die Bermische Pinduskette — so nennt er das Agostogebirge — ist der von
Wodena ... Im Süden finden sich Übergangspunkte bei Niagosta (Niausta)
und Werria. Sie sind steiler, höher und beschwerlicher, als die Strafse von
Wodena, und sie führen . . nicht in die Ebene von Bitolia (Monastir)." Das
zwischen der Ebene von Kailar und Untermakedonien liegende Gebirge von Agosto
steigt im Karatas bis zu 1900 Meter. Der einzige auf der österr. Karte 1 : 300000
20 Der zweite Makedonische Krieg-.
gehabt hatte, bei Gornitschewo den Durchbruch zu erzwingen, er-
schien es ausgeschlossen, dafs man später unter schwierigeren Ver-
hältnissen den Versuch wiederholen würde. Es blieb daher den
Römern jetzt nichts anderes übrig, als das Becken von Ostrowo und
Kailar, das sie sich durch den Sturm auf Banitza erobert hatten, zu
durchziehen und dann den Rückweg über Kosiani und Schiatista
anzutreten, wie sie es tatsächlich getan haben. Der Vorstofs gegen
die Stellung Philipps bei Banitza und Gornitschowo ist wegen der
nur teilweisen Durchführung der Aufgabe im Grunde schon als das
erste Rückzugsgefecht der Römer anzusehen.
Der römische Feldherr mag sich über die Tragweite dieser Ab-
schwenkung selbst nicht ganz klar gewesen sein; es mag auch die
vorgerückte Jahreszeit mitgewirkt haben. Denn man mufste bereits
Ende August oder im September stehen x), und es konnte gewagt er-
scheinen, jetzt noch in das Tiefland Makedoniens hinabzusteigen,
welches keine Furage mehr auf dem flachen Lande, sondern be-
festigte Städte und einen jede Hauptschlacht ablehnenden Gegner in
Aussicht stellte-). Philipp dagegen hat die Bedeutung der Ab-
schwenkung nach Süden sofort erkannt.
Wir hören von diesem Augenblicke an von keinem Gefechte
mehr zwischen ihm und den Römern, obgleich die gröfsere Hälfte
des Marsches der Römer durch Obermakedonien jetzt erst beginnt
und in der Ebene von Kailar so gut wie in der von Monastir Ge-
legenheit zu Überfällen und Scharmützeln sein mufste.
Der Grund für diese auffallende Tatsache kann nur darin ge-
über das Gebirge führende Pafs ist 1550 Meter hoch. Die am Tripolemos vorbei-
führende Strafse (800 Meter Pafshöhe), welche die österr. Karte 1 : 200 000 ver-
zeichnet, scheint ganz neuen Datums zu sein. — Auch der Übergang von dem
Becken von Kailar in das Karasutal hat einen „hohen Riegel" (Fischer bei Kirch-
hoff S. 119) zu überwinden und führt auch dann noch nicht — wie man bei
oberflächlicher Betrachtung der Karte denken könnte — in die makedonische
Tiefebene, da das Durchbruchstal des Karasu kurz vor dem Austritte des Flusses
in die Ebene eine enge, unpassierbare Schlucht bildet. Boue, Recueil II 85
von der Goltz S. 79.
') Anderthalb Monate wird man für die Kreuz- und Querzüge in der Ebene
von Monastir nach dem Gefechte an der Tscherna (S. 22) doch wohl mindestens
ansetzen müssen.
2) Diese Gründe werden bei späterer Gelegenheit als Motive für den Rück-
zug nach Apollonia angegeben, s. S. 37 A. 2.
1. Der Feldzug- in Obermakedonien (199 v.Chr.). 27
funden werden, dafs der König den gröfseren Teil seiner Reiterei
und das leichte Fufsvolk schon damals, direkt von Gornitschewo aus,
zum Schutze des makedonischenTieflandes gegen die Dardaner detachiert
hatte1). So gab er das Becken von Ostrowo und Kailar frei und mag
sich begnügt haben, die Übergänge über das Agostogebirge nach
Untermakedonien für alle Eventualitäten zu decken.
Bei Kosiani, wenn nicht schon früher (S. 14), mufsten die Römer
ganz in die Rückzugsrichtung einschwenken. Denn ein Hinabsteigen
bis auf den Talboden des Karasutals (Haliakmon) verbot sich von
selber. Der Weg nach Keletron (Kastoria) in der Orestis, das auf
dem Rückzuge erstürmt wurde (Liv. 31, 40, 1, S. 13), geht vielmehr
an den Hängen entlang über Schiatista und Lapsista und läfst das
mittlere Karasutal südlich liegen, welches weit nach Süden ausbiegt
und von der oberen Talstufe durch ein schwer passierbares Durch-
bruchstal getrennt ist2). Von Keletron ging es dann über Pelion in
Dassaretien beim heutigen Koritza, das gleichfalls erobert wurde,
wieder an die Küste nach Apollonia zurück (Liv. 31, 40, 4 f.).
In die Berge hinein nach Westen ist Philipp nicht mehr ge-
folgt. Hier waren keine grofsen Erfolge mehr zu erzielen, und er
hatte Wichtigeres zu tun.
Wir haben gesehen, dafs der eben geschilderte Hauptangriff
der Römer auf Makedonien durch zwei Flankenangriffe unterstützt
werden sollte: im Norden durch die Dardaner und Illyrier, im Süden
durch die Ätoler.
Beide Angriffe waren zur Ausführung gekommen.
V) Adversus Dardanos iam recipientes ex Macedonia sese Athenagoram cum
expeditis peditibus ac majore parte equitatus misit (Liv. 31, 40, 8). Den Zeit-
punkt dieser Detachierung gibt Livius nicht genauer an. Aber da die Dardaner
schon zur Zeit des Treffens an den Tschernasümpfen, also Anfang bis Mitte Juli
(s. S. 20 f.), in Makedonien eingefallen waren (Liv. 31,38,8), so können wir die
Absendung des Athenagoras kaum später ansetzen.
2J Darum kann man doch sagen, dafs die Römer die Landschaft Elimiotis
durchzogen hätten, wie Livius 31, 40, 1 berichtet. Denn zu dieser Landschaft
gehören natürlich aufser der schmalen Talsohle selber die weiten Berghänge und
Matten rechts und links von dem Flusse bis zu den talscheidenden Kämmen hin-
auf, wie sich das bei solchen Berglandschaften von selber versteht.
28 Der zweite Makedonische Krieg.
Nicht die Ebene von Monastir, wo diese Scharen nur die Ver-
pflegungsschwierigkeiten vermehrt hätten, sondern Niedermakedonien
selber war als Zielpunkt der nördlichen Invasion bestimmt worden,
und so hatte denn Philipp schon vor Beginn des Feldzuges die Engen
des Wardartales, die gewöhnliche Ein fallstraf se, bei Köprülü oder
etwas weiter südlich durch seinen Sohn Perseus besetzen lassen1).
Aber durch die Notwendigkeit, ihn später zum Hauptheere zu rufen
(S. 19), waren die Pässe wieder frei geworden, und der Strom der
Plünderer hatte sich über Makedonien ergossen. Dem Detachement,
welches abgesandt wurde, sobald man der Gefahr von den Römern
ledig war (S. 27), gelang es, die Feinde auf dem Rückzuge einzuholen
und ihnen wenigstens einen Teil der Beute wieder abzujagen (Liv.
31, 43, 1).
Ebenso waren von Süden her die Ätoler und Athamanen ins Land
eingefallen. Ganz Thessalien hatten sie plündernd durchzogen und
waren sogar bis in den äufsersten nördlichen Winkel, in das reiche
Xeriastal (Europos), vorgedrungen, wohl mit der Absicht, bei gutem
Fortgange der römischen Operationen über die hier am leichtesten zu
überschreitenden Gebirge auch ihrerseits nach Makedonien vorzu-
dringen2). So waren sie nicht mehr als zwei starke Tagemärsche von
*) Liv. 31, 28, 5: ad obsidendas augustias, quae ad Pelagoniam sunt, und
31, 33, 3. — Man hat sich durch die Worte „ad Pelagoniam" täuschen lassen
und an die Pässe gedacht, welche in die Ebene von Monastir führen (Weifsenborn
z. St. Niese, II 600 A. 5 nach Leake, III 320 f.). Aber davon kann keine Rede
sein. Denn obwohl die Pässe entblöfst werden, erscheinen die Dardaner und Illyrier
später nicht bei der Hauptarmee, sondern in Niedermakedonien (s. Text). Übrigens
wird Pelagonien auch sonst bis zum Wardar ausgedehnt und gerade Stobi (nicht
weit von Köprülü), wo die Wardarengen waren (Strabo VII, frg. 4: dia . . ZroßöJv
tyovöu Tag eioßolag . . <JV ä>v 6"At-iog (>mv u. s. w.) zu Pelagonien gerechnet (Ptolem.
III 12, 31). — Der Wardar bildet von Üsküb an bis zu seinem Austritt in die
Tiefebene verschiedene leicht zu verteidigende Engen, so die Engen von Üsküb
selber, von Köprülü, von Demir Kapu und endlich die sog. Zigeunerschlucht
(Fischer bei Kirchhoff, S. 117 ff. von der Goltz, S. 116 ff.). Welche hier gemeint
sind, läfst sich natürlich nicht mehr entscheiden. Naturgetreue und anschauliche
Bilder dieser z. T. grandiosen Engen bietet die Leipziger Illustrierte Zeitung 1903,
No. 3142. Leake ist zu seinem Irrtume dadurch gekommen, dafs er glaubte, es
gäbe aufser dem bei Monastir mündenden Passe über das Gebirge noch einen bei
Florina. Das ist nicht der Fall, wie die genaueren neueren Erkundungen gelehrt
haben; s. darüber Tozer II Appendix D, On the Egnatian way, S. 368.
2) Ihr Zug ging über Kerkinion, unbekannter Lage, erst nordöstlich bis an
1. Der Feldzug in Obermakedonien (199 v. Chr.). 29
dem südlichen Teile des makedonisch-römischen Kriegsschauplatzes ent-
fernt, und Philipp brauchte, wenn er den Römern bis Kosiani gefolgt
war, nur ins Karasutal hinabzusteigen, den gerade gegenüberliegenden
bequemen Pafs von Portäs (900 Meter) bei Servia zu überschreiten,
und er befand sich im Gebiete des Xerias, einen kleinen Tagemarsch
von den ätolischen Streifscharen1). Solche Gelegenheiten, pflegte sich
der König nicht entgehen zu lassen, Und so liegt in diesen Ver-
hältnissen also die Erklärung für die sonst auffällige Tatsache, dafs
Philipp, wie erwähnt, sich plötzlich von den Römern abwandte und
sie die Landschaften Orestis und Dassaretien unbehelligt durchziehen
liefs2). Zwar fand er den Feind nicht mehr im Xeriastal, aber er setzte
ihm nach. Ein direkter Marsch durch das niedrige Chassiagebirge,
der in anderthalb Tagen zurückgelegt sein konnte, brachte ihn in
ihre Nähe3). Dicht an den schützenden Pindusketten bei Phäka
und Gomphi brachte er ihnen eine schwere Niederlage bei und jagte
sie mit Schimpf und Schande aus seinem Gebiet.
Nicht viel gröfser als bei diesen Plünderungszügen zu Lande waren
auch die Erfolge bei der Flotte gewesen: sie hatte ein paar zu Make-
donien haltende Kykladen genommen, Oreos auf Euböa erobert, an
der makedonischen Küste ohne Bedeutenderes auszurichten Landungen
und Plünderungen ins Werk gesetzt und war im Herbste mit Beute
beladen teils nach Kerkyra, teils nach Pergamon und Rhodos in die
Heimat zurückgekehrt4).
So war der König — man kann fast sagen — auf allen Punkten
den Karlasee (Böbe), dann nordwestlich nach Kyretiae (Liv. 31,41, 5), dessen Lage
bei Dömenik im Xeriastal feststeht (Bursian I 56), und nach Mallöa, das ganz in
der Nähe von Kyretiae gelegen haben mufs.
1) Beschreibung des Weges bei Boue, Recueil II 78 ff. und besonders bei
Barth S. 171 ff. Pafs von Portäs oder Demirkapu von Servia oder Serfidsche,
im Altertum von Volustana (Liv. 44, 2, 10) oder über die Cambunii montes (Liv.
44, 2, 6) ist alles dasselbe. Über ihn führt die Hauptstrafse, welche Thessalien
mit Obermakedonien verbindet; s. auch Philippson, Ztschr. d, Ges. f. Erdk. 30, 454.
2) Philippum averterant Ätoli et Athamanes sagt Livius 31, 40, 7, nur kurz
die Tatsache selbst berichtend.
3) Vom unteren Xeriastal bis Gomphi mögen es durchs Chassiagebirge
direkt etwa 50 Kilometer sein — (Philippson brauchte von Trikkala bis Neo-
Smolia 6£ Stunden. Ztschr. d. Ges. f. Erdk. 30, 460) — und am Mittage erreichte
Philipp den Feind (Liv. 31, 41, 11).
4) Liv. 31,44-47,4.
30 Der zweite Makedonische Krieg.
Sieger geblieben'). Denn die grofsen Offensivoperationen der Gegner
waren gescheitert, und mit seiner zugleich vorsichtigen und tatkräfti-
gen Defensive hatte er erreicht, was nach Lage der Verhältnisse
nur irgend zu erreichen gewesen war: er hatte den Sommer ohne
die Römer zu einem Resultat kommen zu lassen hinausgezogen und
es durchgesetzt, dafs — wie Mommsen mit Recht sagt — die römi-
schen Truppen nach einem äufserst beschwerlichen Feldzuge im Herbst
genau da standen, von wo sie im Frühling aufgebrochen waren. Man
kann hinzufügen, dafs der Nachfolger des Galba dieselbe Aufgabe
statt mit einem siegesgewissen mit einem entmutigten und demorali-
sierten Heere2) von vorn zu beginnen hatte.
Fragen wir nach dem Grunde dieser Erfolge, so fällt in erster
Linie die ganz verschiedene Strategie ins Auge, die der König gegen
seine verschiedenen Gegner in Anwendung gebracht hat.
Gegenüber Dardanern und Ätolern ist er die Tätigkeit und
Angriffslust selber. Ohne zu zögern ist er mit überraschender
Schnelligkeit am. Orte, greift er mit rücksichtsloser Energie an und
schlägt die Feinde zum Lande hinaus. Auch die Phalanx wird dabei
ohne Zaudern eingesetzt. Er fühlt sich hier eben überall in der
taktischen Überlegenheit und beutet sie aus.
Ganz anders gegenüber den Römern. Da vermeidet er sorg-
fältig jede offene Feldschlacht. Gegenüber den wiederholten Heraus-
forderungen des Konsuls vor dem Treffen an den Tschernasümpfen
hält er sich vorsichtig im Lager; selbst als der Gegner bis auf den
Abhang des Hügels unmittelbar vor dem Lager vorgeht — die un-
günstigste Situation, die man sich bei der antiken Schlacht denken
kann — , bleibt er innerhalb der Schanzen3). Dann zieht er sich
a) Selbst Livius, der den Mifserfolg der Römer in diesem Feldzuge sonst zu
verschleiern sucht, sagt 31, 43, 4: ita damna Romano aeeepta bello duabus per
opportunas expeditiones coercitis gentibus restituerat Philippus ineepto forti, non
prospero solum eventu.
2) Ein Symptom davon ist der Veteranenaufstand, welcher bei Beginn von
Villius' Kommando noch im Herbste dieses Jahres . — die Winterquartiere sind
später (Liv. 32, 6, 1) — ausgebrochen ist. Liv. 32, 3, 2.
3) Man beachte die Steigerung in den Provokationen der Römer, welche
durchaus schlagen wollen. Liv. 31,34,9: tertio die Romanus omnis in aciem
copias eduxit, rex vero . . equites emisit. Die Römer stehen 500 Schritte vom
makedonischen Lager (ib. 35, 2). Nach einigen Tagen dann, Liv. 31, 3G, 4: postero
1. Der Feldzug- in Obermakedomen (199 v. Chr.). 31
nach der Schlappe an den Tschernasümpfen für eine Zeit ganz aufser
Fühlungsnähe zurück, und als wir ihn am Osphagos und Erigon
wieder längere Zeit dem Feinde gegenüber finden, hat er von neuem
eine durch den Erigon in der Front unangreifbare Verteidigungs-
stellung eingenommen '). Endlich bei Banitza schafft er sich durch
ausgedehnte Verschanzungen und Verhaue wiederum eine Defensiv-
position, die von den Quellen als sturmfrei bezeichnet wird (S. 24 A. 1).
Aber dies ist nur die eine Seite seiner Kriegführung. Daneben-
her gehen kleine Scharmützel, Überfälle mit der Reiterei und den
leichten Truppen, Hinterhalte und Störungen der feindlichen Fura-
gierungen, die sich wie an den Tschernasümpfen und bei Pluinna
gelegentlich zu grofsen Gefechten entwickeln.
Die Anwendung dieses Kriegssystem ist zunächst in taktischen
Verhältnissen begründet, indem nämlich Philipp sich mit seiner
Phalanx den Römern gegenüber nicht sicher fühlte und anderseits
eine sehr bedeutende Überlegenheit an Reiterei, 4000 gegen etwa
2000, besafs.
Dann aber ist es vor allem auch geschickt an die strategische
Lage angepafst. Der König hatte das Wagnis einer Schlacht unter
so zweifelhaften Verhältnissen nicht nötig. Er konnte hoffen, bei seinem
System auch ohne sie nicht nur der Offensive der Römer Einhalt zu
tun, sondern ihr Heer zu vernichten. Die Römer waren unvorsichtig,
tief in das Gebirgsland eingedrungen, ohne sich irgendwie genügend
zu basieren. Dafs auf der Strafse, die sie mindestens 200 Kilometer
weit durch feindliches Gebiet bis nach ihrem ersten Standlager in
der Ebene von Monastir durchzogen hatten, ein regelmäfsiger Zufuhr-
dienst nach dem etwa 260 Kilometer entfernten Adriatischen Meere
hin organisiert gewesen sei, daran ist nicht zu denken. Von einer
auch nur ganz oberflächlichen Unterwerfung des makedonischen
Illyriens konnte keine Rede sein. Wir hören weder von Vertreibung
makedonischer Besatzungen, die doch vorhanden waren (S. 10), noch
von Einnahme auch nur einer einzigen gröfseren Ortschaft an der
die consul omoibus copiis in aciem descendit . . . ubi latentem intra vallum
hostem vidit, in tumulos quoque ac sub ipsum vallum exprobrans metum
successit, postquam ne tum quidem potestas pugnandi dabatur, verlegte er sein
Lager zurück.
*) Liv. 31, 39, 6: rex ... et ipse vallo super ripam amnis ducto — Eri-
gonum incolae vocant — consedit.
32 Der zweite Makedonische Krieg.
Strafse selber1). Während bei dem Streifzuge des vorigen Herbstes
so unbedeutende Orte wie Korragos, Gerunion, Orgessos, Kodrio u. a.
aufgezählt und später beim Rückzüge der Römer wiederholt Städte
wie Keletron und Pelion als Eroberungen der Römer genannt werden
(S. 10. 27), fehlt für den Hinmarsch selbst die Erwähnung des wich-
tigen, unmittelbar an der Anmarschstrafse gelegenen Lychnidos. Es
ist klar, dafs man diese ganze schwierige Gebirgsgegend, um in bessere
Landschaften zu kommen, so schnell wie möglich durcheilt und
sich mit Sicherung der Strafse nicht weiter aufgehalten hat. Wenn
überhaupt, so konnten später nur grofse Transporte mit sehr starker
Bedeckung zur Armee durchkommen, und wir hören nichts davon.
Es wird im Gegenteil wiederholt betont, dafs das Heer aufser von
seinem mitgenommenen Proviant, der höchstens auf einen Monat
reichen konnte, vom Lande leben sollte2). Man steckte also ohne Ver-
bindung mit der Küste mitten in einem schlimmen Gebirgslande, in
dem es mit der Verpflegung übel aussah. Denn ergiebiges Land
war zunächst eben nur das Becken von Monastir, welches bei seinem
mäfsigen Umfange wohl auch kaum für länger als 2 bis 3 Monate Unter-
halt gewähren konnte 3). Nach Verlauf dieser Zeit war man am Anfang
x) Es heifst bei Liv. 31, 33, 5 ganz summarisch: oppida vicique partim
voluntate partim metu se tradebant, quaedam vi expugnata, quaedam deserta in
montis propinquos refugientibus barbaris inveniebantur. Es handelt sich um
unmittelbar an der Anmarschstrafse liegende Flecken und Weiler der Bauern und
Hirten in dem wenig kultivierten Berglande.
2) Liv. 31, 33, 4: per Dassaretiorum fines exercitum ducebat frumentum,
quod ex hibernis extulerat, integrum vehens, quod in usum militi satis esset
praebentibus agris. Liv. 31, 38, 1: hostes (die Römer) exhausto circa omni agro
ad ultimum inopiae venturos. Furagierungen wiederholt erwähnt: Liv. 31, 36 5 f.
39, 4. 40, 1.
3) Man kann das Becken auf rund 800 Quadratkilometer ansetzen (S. 14).
Beloch rechnet für Makedonien im ganzen 12,5 -16,6 Einwohner auf den Quadrat-
kilometer (Bevölk. S. 212). Ich will so hoch wie eigentlich unmöglich ist gehen und
40 — 50 Einwohner auf den Quadratkilometer rechnen. Bei solcher Bevölkerung
ist es nach Clausewitz (V. Kriege V 14, S. 275 Scherff) möglich, eine Truppe von
30 000 Mann — das römische Heer war mit Zuhehör Trofs etc. beträchtlich
stärker — auf einer Fläche von vier Quadratmeilen (ca. 225 Quadratkilometer),
ohne Schwierigkeit einige Tage zu ernähren. Bei längerer Inanspruchnahme
müfste dagegen schon „von den Ortsbehörden besonders Rat geschafft werden
was indes für das Bedürfnis von einem oder ein paar Tagen mehr nicht
schwerfällt". — Bringt mau hier in Anschlag, dafs die Bewohner natürlich in die
2. Der Feldzug in Epiros und Thessalien (198 v. Chr.) 33
des Endes, wenn es nicht gelungen war, bis dahin eine Entscheidung
zu erzwingen, die neue Verpflegungsgebiete eröffnete.
Man erkennt also, wie richtig Philipps Kriegssystem hier ge-
wesen ist, welche Bedeutung die im einzelnen kleinen und von unserer
Überlieferung natürlich nicht überall registrierten Überfälle bei
Furagierungen und Requisitionen gehabt haben, und welche Be-
deutung besonders der Schlacht von Banitza zukommt, durch die den
Römern sozusagen ein neues grofses Proviantmagazin geöffnet wurde,
nachdem das von Monastir erschöpft war. Aber auch so wurde es
den Römern in dem unwirtlichen Lande bald zu eng. Sie traten
den Rückzug an, weil sie nur so einer Katastrophe entgehen konnten1).
Es ging ihnen wie Friedrich dem G-rofsen in Böhmen im
zweiten Schlesischen Kriege, wo auch durch hartnäckige Verweigerung
der Schlacht und gleichzeitige Unterbindung der Verpflegung durch
die österreichischen Husaren der König von Position zu Position
zurückmanövriert wurde, bis er unter den beträchtlichsten Verlusten
das Land verlassen mufste.
2. Der Feldzug in Epiros und Thessalien (198 v.Chr.).
Die Schlacht am Aoos.
Ein völlig verändertes Bild zeigt uns der Feldzug 198. Hierzu die
Wie auf Verabredung wechseln beide Parteien den Kriegschau-
platz und wenden sich nach dem Süden, nach Epiros. Es erscheint
wie Laune und Willkür und ist um so eigentümlicher, als Philipp
es war, der zuerst im Felde erschien und die Römer auf das von
ihm gewählte Kriegstheater hinüberzog, so dafs hier mit Vertauschung
der Rollen nicht der Angreifer, sondern der Verteidiger sich die Vor-
hand im Handeln gewahrt hat. Noch ehe nämlich die Römer aus
den Winterquartieren aufgebrochen waren, hatte Philipp schon seine
gesamte Streitmacht an den Aoospässen bei Antigonea im nördlichen
Berge flüchteten und mitnahmen, was sie konnten, so wird man die Spannweite
so grofs wie man will ansetzen können, ohne über die im Texte genannte Zeit
hinauszukommen.
*) Am deutlichsten wird das in unserer Überlieferung ausgesprochen bei
den Erwägungen, die Flamininus abhielten, den Versuch, durch Obermakedonien
vorzudringen, zu erneuern, s. unten S. 37 A. 2.
Kromayer, Antike Schlachtfelder. II. 3
34 Der zweite Makedonische Krieg.
Epiros konzentriert, und der Konsul Villius hatte nichts Eiligeres zu
tun gehabt, als ihn dort sofort aufzusuchen1).
Wie konnte er das wagen? Wie konnten die Römer ihm
folgen? Gab doch der König damit dem Gegner die Anmarsch-
strafsen ins Herz seiner Monarchie völlig frei. Denn diese Stellung
lag etwa 80 Kilometer südöstlich von den Winterquartieren der
Römer am unteren Apsos (S. 27), während die Strafsen von dort
nach Makedonien in östlicher oder gar nordöstlicher Richtung ins
Gebirge hineinführten. Konnten also nicht die Römer vor Pella
stehen, ehe er zur Verteidigung herbeizueilen in der Lage war?
Um so merkwürdiger erscheint das Verfahren des Königs, als er im
vorigen Jahre ganz anders gehandelt und seine Armee selbst auf
die Gefahr hin, den Gegner weit ins Innere vordringen zu sehen, in
einer Zentralstellung zurückgehalten hatte, bis er über die Angriffs-
richtung des Feindes im klaren war (S. 18). Noch weniger begreif-
lich kommt uns aber bei dieser Lage das Benehmen der Römer vor,
welche diesen Fehler des Königs nicht ausnutzten, sondern sich, ob-
gleich sie die Angreifer waren, verleiten liefsen, einen Kriegsschau-
platz aufzusuchen, der sie von ihrem Hauptziele, Makedonien,
weit mehr entfernen als ihm nahe bringen mufste. Denn das
kann ja keinem Zweifel unterliegen, dafs mit dieser Änderung der
Angriffsrichtung das Kriegstheater in Nebenlandschaften verlegt wurde,
deren Eroberung auf eine definitive Entscheidung viel weniger ein-
wirken konnte, als eine Einnahme des Stammlandes selber. Auf die
Durchführung des Krieges in einem Feldzuge war damit aller Vor-
aussicht nach von vorn herein verzichtet. Man konnte selbst bei
glücklichstem Fortgange der römischen Waffen höchstens darauf
rechnen, im folgenden Jahre von Süden her in das eigentliche Make-
donien vorzudringen.
Die Erklärung sowohl für das Wagnis des Königs als auch für
l) Liv. 32,5,9: principio veris ... omnia externa auxilia quodque levis
arraaturae erat . . ad occupandas, quae ad Antigoneam fauces sunt — stena vocant
Graeci — misir. Ipse post paucis diebus graviore secutus agmine. Erst auf die
Nachricht davon: consul . . certior factus, quos saltus cum exercitu insedisset rex,
et ipse ... ad hostem ducere pergit. — Die Pässe liegen oberhalb des heutigen
Tepeleni, wie Leake, I 390 überzeugend nachgewiesen hat. Die Lesart bei Plut.
Flam. 3, wo mehrfach statt '!Awo<; "Aipog steht, ist ein leichter Schreibfehler. An
den Apsos, den heutigen Semeni, ist aus sachlichen Gründen nicht zu denken.
2. Der Feldzug in Epiros und Thessalien (198 v. Chr.) 35
das Verhalten der Römer liegt lediglich in den Erfahrungen des
letzten Feldzuges. Was im Jahre vorher ein schwerer strategischer
Fehler Philipps gewesen wäre, war in diesem kluge und kühne Berech-
nung. Die Verluste der Römer in Obermakedonien waren so bedeutend
gewesen, die Überzeugung, hier nicht zum Ziele kommen zu können,
mufs bei den Römern so allgemein gewesen sein (s. S. 37 A. 2), dafs
Philipp daraufhin sein hohes Spiel wagen konnte, Obermakedonien
überhaupt nicht oder nur mit ganz geringen Truppen zu decken
und alle seine Kräfte zum Schutze seiner südlichen Provinzen zu
sammeln. Und gerade die kühne Art, in der er bis an den unteren Aoos,
also bis unmittelbar an die Grenze des römischen Gebietes vorging,
mufste auf die Römer mit der Anziehungskraft eines Magneten ein-
wirken. Sie suchten die Schlacht, und hier wurde ihnen als bequemes
Angriifsobjekt die ganze feindliche Armee geboten1).
Dazu kam ein Zweites.
Wenn es gelang, die Makedonier aus Epiros zu verdrängen, so
schob man sich dadurch zwischen Makedonien und Griechenland ein,
nahm so der immer noch starken makedonischen Partei in Griechen-
land ihren Halt und konnte hoffen, das ganze Land auf seine Seite
zu ziehen. So gewann man eine natürliche Basis zum Vorgehen
gegen Makedonien im Lande selber und hielt sich zugleich in gröfserer
Nähe der Küste, die man mit der Flotte beherrschte und auf die
man für die Verpflegung in erster Linie mit angewiesen war2). End-
lich war nur so eine wirksame Unterstützung durch die Streitkräfte
Griechenlands möglich, da dieselben sonst in ihrer Vereinzelung
nichts zu bedeuten hatten. Für einen Diplomaten wie Flamininus,
der nach dem kurzen und tatenlosen Kommando des Villius schon
im Frühling 198 den Oberbefehl übernahm, hatte die politische
1) Mommsen hat dies weite Vorgehen Philipps als Offensive aufgefafst.
Das ist nicht richtig. Die Stellung Philipps dient nur um die Strafse nach
Thessalien über den Pafs von Metzowo zu decken (s. unten S. 38 f.) und liegt nicht
aufserhalb Philipps unmittelbarem Gebiet (S. 36). Schon Niese hat das' II 609
richtig bemerkt.
2) Die aus der grofsen Entfernung vom Meere erwachsenden Verpflegungs-
schwierigkeiten werden wiederholt betont. Liv. 32, 9, 10: a mari longius. Plut.
Flam. 4. Als Flamininus später in Thessalien eingerückt ist, setzt er sich sofort
mit seiner Flotte in Ambrakia in Verbindung und läfst von da Proviant holen
(Liv. 32, 15, 4). Aus demselben Grunde werden die Winterquartiere in dem Hafen
von Antikyra genommen (Liv. 32, 18, 2).
3*
36 Her zweite Makedonische Krieg.
Seite der Aufgabe, die durch diesen Entwurf gegenüber der rein
militärischen weit mehr in den Vordergrund trat, natürlich noch ihre
ganz besonderen Reize. Es ist ein glänzender Beweis für Philipps
Scharfsinn und Kühnheit, dafs er diese für eine Verlegung des Kriegs-
theaters sprechenden Gründe richtig eingeschätzt, und ehe er von
Bewegungen der Römer Nachricht haben konnte, seine ganze Armee
auf der Strafse nach Epiros und Thessalien statt auf der nach Make-
donien konzentriert hat.
Für den König selber aber traten noch zwei Umstände hinzu,
welche ihm eine Stellung gerade am unteren Aoos besonders vor-
teilhaft erscheinen lassen mufsten.
Im Frieden von Phönike war das Gebiet der Atintanen, d. h.
gerade das Aoostal, dem Könige zugesprochen worden1). Indem er
an der Nordgrenze desselben Stellung nahm, schützte er nicht nur
seine Untertanen, sondern er war der Hilfskräfte seines unmittel-
baren Hinterlandes auch ganz anders Herr, als wenn er seine Stellung
in dem freien, ihm nur verbündeten Epiros selber gewählt hätte.
Und zweitens bot ihm gerade diese Gegend eine mehrfache Verbindung
rückwärts. Das sich über 100 Kilometer südöstlich ins Gebirge
hineinziehende, verhältnismäfsig weite und bequeme Tal der Wiossa
führt zuletzt auf das Bergland Zagorien, die Wasserscheide der nach
allen vier Himmelsrichtungen von hier aus nach Makedonien, Thes-
salien, Nord- und Südepiros abfliefsenden Gewässer, von der aus
auch — worauf es hier ankommt — die Pässe sowohl nach Thessalien,
wie nach Makedonien hineingehen: der von Metzovo oder Zygospafs,
der Lakmon der Alten in das Tal des Peneos, der von Milia in das
des Karasu nach Elimiotis 2). Aber aufserdem gibt es vom mittleren
2) Liv. 29, 12, 13. Der Vorbehalt, dafs der Senat die Abtretung von Atin-
tanien noch bestätigen müsse, ist nur eine Formalität. Vergl. über den Frieden
Zippel, S. 72; Niese II 502. — Über das Gebiet der Atintanen s. Zippel 52. 95.
2) Der Pafs von Milia, 1536 Meter hoch, führt aus dem oberen Tal der
Wiossa nach dem Dörfchen Milia dann am Wenetikos entlang ins Tal des Karasu,
von wo man über Schiatista und Kosiani nach Kailar gelangen kann. Tuma 140.
Leake 1297. Die Pafshöhe nach der neuen österr. Karte (1:200000) hier be-
richtigt. — Über den Pafs von Metzowo s. jetzt besonders Philippson, Reisen
31, 201 ff., wo auch die Literatur. Pafshöhe 1650 (Philippson), 1551 (öst. Karte).
Das Tal der Wiossa selbst ist von modernen Reisenden oft durchzogen und be-
schrieben Leake I 390 ff. Boue, Recueil II 34 ff. Viquesnel 277 ff. Der Weg, „ein
bequemer Reitweg" (Tuma 147), geht fast immer an der Nordseite des Tales hin
2. Der Feldzug in Epiros und Thessalien (198 v. Chr.) 37
Aoostale aus zwei noch direktere Verbindungen mit Makedonien, das
ist der Furkapafs (1566 Meter), welcher ins Tal der Bocharina und
von da ins Tal des Karasu hinabführt, und die Mala Radonisi
(1456 Meter), welche durch das Tal der Langaritza über Herseg und
Koritza direkt zu den dassaretischen Seen oder nordöstlich über den
Pafs von Pisoderi in das Becken von Monastir geleitet. Diese beiden
letzten Päfse konnten sogar, wenn alle Berechnungen trogen und
die Römer sich doch direkt gegen Makedonien in Marsch setzten,
allenfalls noch zu dem Versuche benutzt werden, sich ihnen vorzu-
schieben und wie im Vorjahre etwa im Hügellande von Banitza oder
am Ostrowosee dem Gegner den Marsch auf Pella zu verlegen.
Die entwickelten strategischen Vorteile für eine Stellung am
unteren Aoos waren so unzweifelhaft und einleuchtend, dafs wenn
sich hier nur irgendwo ein Gelände finden liefs, welches auch
taktisch für eine Verteidigungsposition geeignet war, sich alles ver-
einigte, was man nur wünschen konnte. Eine solche Stellung
boten nun, wie der Erfolg gezeigt hat, in der Tat die erwähnten
Engen des Aoos bei Antigonea, oberhalb des heutigen Tepeleni, wo
der Flufs bei dem Dörfchen Klissura das eben geschilderte offene
Längstal verläfst und die ihn bisher begleitende Bergkette in einem
etwa 17 Kilometer langen, engen, z. T. schluchtigen Quertale, das
ebenfalls Klissura heifst, durchbricht. Denn nicht nur Villius, der, wie
erwähnt, auf die Kunde von der Besetzung dieser Pässe sofort dahin
aufgebrochen war, hat vergebens längere Zeit vor denselben gelegen,
sondern auch sein Nachfolger Flamininus hat vierzig Tage lang untätig
vor denselben zugebracht1), und beiden Feldherrn schien die Position
so fest, dafs allen Ernstes erwogen wurde, ob man nicht trotz der
schlechten Erfahrungen des vorigen Feldzuges doch den Plan wieder-
aufnehmen sollte, durch Obermakedonien direkt gegen die Kernlande
des Königreiches vorzugehen. Nur die offenbare Aussichtslosigkeit
dieses Operationsplanes hat schliefslich davon abgehalten 2).
wo die niedrigere Begleitkette läuft und wiederholt kleine Ebenen freiläfst, während
die südliche höhere Kette schroff zum Tale abfällt (Viquesnel S. 280). — Über
das Bergland Zagorien s. unten S. 51 A. 1.
i) Liv. 32, 6, 4. 10, 1. Plut. Flam. 3.
2) Plut. Flam. 4: tjffav fjev ovv ot ibv TUov ccyeiv xvxXw dia rrjg zfaGGctQr}-
Tidog XttTa Avxov (Ebene von Monastir) evtioqov 6<Sbv xal (jqdiuv £7ii%eiQovvT£g.
O da dsdoixwg /urj nöqqo) Sctlänrig IfjßaXcov kavibv dg Tonovg yliG%qovg xcä
38 ^er zweite Makedonische Krieg.
Es taucht unter diesen Umständen die Frage auf, ob es denn
nicht möglich war, südlich an der Stellung Philipps vorbeizugehen,
ohne ihn in derselben überhaupt anzugreifen, und indem man ins
Innere vordrang ihn zum Verlassen seiner Position zu nötigen. In der
Tat schien dazu die Beschaffenheit des Landes günstige Gelegenheit
zu bieten. Wer nämlich von der Küste Mittelalbaniens aus wie damals
die Römer nach Epiros und von da weiter nach Thessalien vordringen
will, hat der Strafse zu folgen, welche zuerst dem unteren Aoos,
dann dem Drynos aufwärts entlang zieht. In bequemem Anstiege
erreicht man durch eine der offensten und fruchtbarsten Talebenen
von Epiros hin die Gegend von Jannina, nicht fern von dem alten
Dodona, und von hier geht es dann weiter in das eigentliche Gebirgs-
land hinein zum Passe von Metzowo, der einzigen einigermafsen be-
quemen Verbindung, die heute wie im Altertum aus Epiros nach
Thessalien hinüberleitet1).
Dieser Weg nun wurde durch Philipps Stellung an den Aoos-
pässen gar nicht verlegt. Denn wie ein Blick auf die Karte zeigt,
bleiben die Pässe links seitwärts liegen und lassen die Strafse völlig
frei2). Der König sperrte also mit seiner Stellung direkt nur den
oneiQo/usvovs novr]Q(og tov 'Pikinnov (fvyoju/ovi'Tog anoQrjür) Gitiiov xcu naXiv anQa-
ziog, äonSQ 6 nob avrov aiQanjyög (Galba), ai'K^coQeiv uvayxaöfrri TTQog ii]V
öaXccöGctv, syvw . . ßiädaadai %y\v tkxqoöov. Ebenso Liv. 32, 9, 10, beide nach
Polybios.
1) Der Weg ist am ausführlichsten und anschaulichsten beschrieben von
Philippson Reisen 31, 205—215 und 228—234, wo auch die ältere Reiseliteratur.
S. 195 sagt er: „Über den Zygos-Pafs, den Lakmon der Alten, führt der zu allen
Zeiten bedeutendste, jetzt der einzige wirkliche Verkehrsweg zwischen Thessalien
und Epirus. Die Ursache ist die orographische Gestaltung des Pindusgebirges,
die auf dieser Linie des oberen Peneios und des Flusses von Metzovon ... die
Überschreitung des Gebirges mit nur einem . . . unschwierigen Anstiege erlaubt,
während weiter südlich das zwischen Thessalien und dem Artatal tief ein
geschnitttene Tal des Aspros einen doppelten An- und Abstieg nötig macht."
Vergl. auch Bursian S. 12.
2) Man kann also nicht mit Niese II 609 sagen, dafs der Weg von lllyrien
nach Epiros und Thessalien durch die Aoospässe führe. Wenn im Jahre 230 v. Chr.
die Illyrier durch die Pässe von Antigonea gehen (Polyb. II 5, 6. 6, 6), um von
lllyrien aus Epiros zu erreichen, so sind sie aus dem Inlande von Berat her-
gekommen und haben die gewöhnliche Strafse, welche auch heute noch vielfach
von Reisenden benutzt wird, über den niedrigen Pafs von da nach Klissura hin
eingeschlagen — so gingen z. B. Boue II 33 f., Viquesnel 270 ff., Leake I 380 ff.
2. Der Feldzug in Epiros und Thessalien (198 v. Chr.) 39
Zugang in sein eigenes Gebiet, das Tal des Aoos, liefs aber den
Zugang in das eigentliche Epiros frei. Indessen beeinträchtigte das
weder militärisch noch politisch die Wirksamkeit seiner Position.
Militärisch betrachtet nahm er zu der geschilderten Anmarschstrafse
der Römer eine Flankenstellung ein, die es ihm ermöglichte, den
Vormarsch indirekt zu hindern. Denn wenn die Römer es wagten,
an ihm vorbei in das Innere vorzurücken, so waren damit ihre Ver-
bindungen mit dem Meere und der Flotte, ihrer Verpflegungsbasis,
vollständig abgeschnitten, da Philipp von den Pässen aus das ganze
untere Drynos- und Aoostal beherrschte. Politisch wäre die Folge
des römischen Einmarsches ohne Zweifel gewesen, dafs die Epiroten,
welche zu Philipp zwar in einem Bundesverhältnis standen, bisher
aber noch in wohlwollender Neutralität dem Kampfe zusahen '), durch
eine solche Verletzung ihres Gebietes den Makedoniern ganz in die
Arme getrieben wären. Die Römer wären dann in dem feindlichen
Lande wiederum in derselben hilflosen Lage gewesen, wie im vorigen
Jahre in Obermakedonien, und zwar um so mehr, als sie gar kein
irgendwie wertvolles Operationsobjekt in der Nähe vor sich hatten.
Einige Städte in Epiros hätten sie vielleicht erobern können. Aber
das nützte nicht viel. So lange Philipp mit seiner intakten Armee
am Aoos stand, würden sich die Epiroten wohl gehütet haben, zu
ihnen überzugehen ; und über den Pafs von Metzowo durch das schwierige
Pindosbergland nach Thessalien vorzurücken, ohne in Epiros eine ge-
gügende Basis zu haben, wäre ein tollkühnes Wagnis gewesen. Man
sieht, wie geschickt auch in dieser Beziehung die Stellung gewählt
war. Philipp dagegen wäre durch einen solchen Vormarsch der Römer
gar nicht bedroht gewesen. Denn seine Verbindungen lagen nicht in
seiner Flanke, sondern in seinem Rücken. Die Pässe von Mala Radonisi
und der Furkapafs, ja selbst der Pafs von Milia und Metzowo waren
für die Römer unerreichbar; und zwar um so mehr, als die bei einem
Vorbeimarsche der Römer zunächst bedrohte strategische Flanke des
Philipp durch die hohe Nimertschka- und Mitschikelikette gedeckt
u. a. — , oder es sind in diesem Falle, wie Leake I 71 vermutet, unter den „Stena
von Antigonea" hier nicht die Aoospässe, sondern die Drynosengen südlich von
Tepeleni gemeint, welche indessen keinen so ausgeprägten Charakter tragen, son-
dern nur ein sich etwas verengendes Tal bilden.
l) Polyb. IV 9,4. Niese II 325. 610.
40 ^er zweite Makedonische Krieg.
war, hinter denen sich die Zufuhr aus Thessalien und Makedonien
in aller Ruhe bewegen konnte.
Gerade diese Erwägungen zeigen die glänzende strategische
Überlegenheit der Stellung an den Aoospässen in hellstem Lichte.
Es blieb in der Tat den Römern, wenn sie nicht auf alle Fortschritte
verzichten wollten, nichts anderes übrig, als den König mit Gewalt
aus seiner Stellung hinauszuwerfen.
Unter welchen Umständen das schliefslich gelungen ist, werden
wir jetzt zu betrachten haben.
Durch die Berichte des Livius und Plutarch1) ist auch bisher
schon allgemein bekannt gewesen, dafs die Stellung Philipps sich
auf beiden Ufern des Aoos, an den Hängen der Berge Asnaos und
Meropos befunden hat; dafs auf dem einen Ufer die Hauptmacht
unter Philipp selber, auf dem anderen nur leichte Truppen unter
Athenagoras aufgestellt waren, dafs diese Stellung je nach der Zu-
gänglichkeit des Geländes teils nur durch kleine Truppenabteilungen
teils durch Verschanzungen mit Wällen, Gräben, ja mit Türmen und
Wurfmaschinen befestigt war2), dafs die Römer monatelang, ohne
einen Versuch zu wagen, vor diesen Befestigungen gelegen haben
(S. 37), dafs der endlich versuchte Frontalangriff völlig mifslungen ist
(Liv. ib. 10, 9 — 12) und die Entscheidung erst herbeigeführt wurde
durch ein Umgehungskorps von 4000 Mann und 300 Reitern, welches
nach zweitägigem Marsche3) der Verabredung gemäfs gerade in dem
Augenblicke im Rücken der Makedonier erschien, als ein allgemeiner
Angriff des römischen Heeres von vorn die ganze Kraft der Ver-
teidiger in Anspruch nahm; dafs endlich diese Entscheidung keines-
wegs in einer völligen Niederlage Philipps bestand, sondern dafs es
!) Liv. 32,5,9-13. 9,6—13,1. — Plut. Flam. cap. 3—5.
2) Liv. 32, 5, 10 f.: maxime idoneum ad rauniendum locum credidit esse praeter
amnem Aoum. is inter montes, quorum alterum Meropum alterum Asnaum incolae
vocant angusta valle fluit . . . Asnaum Athenagoram cum levi armatura tenere et
communire iubet; ipse in Meropo posuit castra. qua abscisae rupes erant, statio
paucorum armatorum tenebat, qua minus tuta erant, alia fossis, alia vallo, alia
turribus muniebat. magna tormentorum etiam vis . . . idoneis locis disposita est.
Ebenso 32, 10, 11.
3) Liv. 32, 12, 1: die tertio. Plut. Flam. 4: rgnalov. Ebenso App.
Mak. 5.
2. Der Feldzug in Epiros und Thessalien (198 v. Chr.) 41
ihm geglückt ist, mit einem Verluste von 2000 Mann1) aus seiner
Stellung den Rückzug anzutreten.
Es fragt sich, ob es nicht möglich ist, über diese aus Polybios
geflossenen2) und daher zwar im allgemeinen verständlichen, aber doch
im einzelnen zu wenig anschaulichen Berichte eine deutliche topographi-
sche Vorstellung zu gewinnen, insonderheit genauer zu ermitteln, wo ieNo. 3"
denn eigentlich in dem 17 Kilometer langen Durchbruchstal der
Wiossa die Stellung Philipps gelegen und wie sie im einzelnen
ausgesehen hat, auf welchem Flufsufer die Hauptmacht, auf welchem
die leichten Truppen standen und wo demzufolge die Berge Meropos und
Asnaos anzusetzen sind, wie das Gelände bei dem mifsglückten Frontal-
angriffe der Römer beschaffen war und von welcher Seite her endlich
die Umgehung erfolgt ist. Diese topographische Fixierung mufs zu-
gleich versuchen, die Schwierigkeiten militärischer Art, welche sich für
uns in den Berichten der Quellen noch finden, zu beseitigen, speziell
die Fragen zu beantworten, warum Philipp eine durch einen unpassier-
baren 3) Flufs in zwei Teile zerschnittene Stellung gewählt, weshalb
Flamininus diesen Nachteil nicht ausgenutzt hat, ,indem er alle seine
Kräfte gegen den einen Bruchteil der Gegner konzentrierte; weshalb
keine Umfassung in der Schlacht möglich war, sondern eine so weit
ausholende Umgehung nötig wurde; wie es endlich zusammenhängt,
dafs Philipp eine Stellung mit einem schluchtartigen Engpafs im
Rücken, eine Stellung fast ohne Rückzug, gewählt hat und dann trotz
der gelungenen Umgehung sich mit einem Verluste von nur 2000 Mann
aus dieser Position herausziehen konnte, obgleich der eine Teil seiner
Armee gar keine Rückzugsstrafse hatte4) und für den anderen sich
!) Liv. 32, 12, 9: non plus duobus milibus hominum amissis, cetera omnis
raultitudo . . . frequenti agmine petunt Thessaliam. Ebenso Plut. 5: öto/dicov
ov nketovs.
2) Nissen, S. 133 f. 290. — Daher stimmen die beiden Berichte bis in die
Einzelheiten so genau zusammen, dafs sie als eine Relation zu betrachten sind.
Es ist in dem Wenigen, was hier oder da einer von beiden mehr hat, nur eine
etwas getreuere Wiedergabe des Originals zu erblicken.
3) Nach Leake (I 396) ist die Wiossa zwei Stunden oberhalb der Klissura
an einer Stelle für Esel passierbar, an anderen zu tief dazu. Ebenso ist sie unter-
halb bei Tepelini bei niedrigem Wasserstande an einer Stelle durchschreitbar
(I 52). Also doch wohl sonst im allgemeinen nicht, vergl. jedoch S. 46 A. 1.
4) Livius spricht 32,5, 11 ausdrücklich nur von einem iter exiguum super
ripam. Auch heute gibt es nur auf der einen Seite der Ufer einen Weg. Ebenso
Plut. Flam. 3: GievrjV nct^a to (jeldgov anoliinoiv axqunov.
42 Uer zweite Makedonische Krie
CT
die Strafse in der engen Schlucht bei der ersten Verwirrung sofort
stopfen mufste.
Man erkennt ohne weiteres, dafs die Beantwortung aller dieser
Fragen von der topographischen Fixierung der Verteidigungsposition
Philipps abhängt.
Da ist nun Leake — der einzige der bisher dieser Frage näher
getreten ist, — davon ausgegangen, dafs das Dörfchen Klissura am
Ostausgange der Schlucht, da es eine gute Defensivposition bilde, als
der Sammelpunkt des flüchtigen makedonischen Heeres nach der
Schlacht anzusehen sei, ein Sammelpunkt, der nach Livius' Bericht
5 Millien von der makedonischen Stellung selber entfernt war1).
Damit würde Leake für die Stellung der Makedonier in die Mitte des
ganzen Engpasses d. h. die Gegend des kleinen, von Süden her in den
Aoos einmündenden Zagoriabaches gelangen. Mit dieser Ansetzung
steht aber im Widerspruche, dafs Leake selber Philipp als im Besitze
des ganzen Passes ansieht, das römische Lager, welches nach Livius
(32, 6, 2) gleichfalls 5 Millien von der Stellung Philipps entfernt war,
5 Millien westlich von dem Ausgange des Durchbruchstales ansetzt
und als Schauplatz des Frontalangriffes der Römer auf die Schanzen
die Ebene des Drynos und der Wiossa zwischen Kodra und Tepeleni
bezeichnet (I 388).
Es kann bei genauer Prüfung der Örtlichkeiten kein Zweifel
sein, welche von Leakes Ansetzungen die Wahrheit trifft.
Das Durchbruchstal der Wiossa2) bildet in seinem ganzen öst-
lichen Teile eine förmliche Klamm, die, links und rechts von ge-
waltigen Felswänden eingefafst, am Eingange nur etwa 100 Fufs breit
ist und sich so etwa zwei Stunden weit hinzieht. Oft ist in diesem
Teile zwischen den Felsen nur eben Platz für den Flufs und die
1) Leake I 388. — Liv. 32, 12,8: rex primo effuse et sine respectu fugit,
dein quinque milium spatium progressus . . substitit in tumulo usw.
2) Ich habe die Wiossadurchbrüche nicht selber gesehen, bin aber durch das
freundliche Entgegenkommen des K. u. k. Militär- geographischen Instituts in Wien
in die Lage gesetzt, Materialien zu benutzen, die noch nicht publiziert sind, und
die Frage soweit entscheiden, wie man sie ohne Autopsie entscheiden kann. Es
stand mir hier aufser dem Blatte 38/40 Korfa der vom Militär-geographischen
Institut herausgegebenen Karte von Mitteleuropa in 1:200 000 die Routenskizze
des Herrn Oberleutnant Bruch in 1 : 72 000 zur Verfügung, auf der die Karte für
die Schlacht an diesen Pässen beruht.
2. Der Feldzug in Epiros und Thessalien (198 v. Chr.) 43
Strafse, welche sich durch das ganze Durchbruchstal hin stets an der
Nordseite des Flusses hält. In der westlichen Hälfte verliert das Tal
etwas von seinem schluchtartigen Charakter, die Felswände verwandeln
sich in Felshänge, kleine Seitentäler öffnen sich, die Talsohle wird
breiter. Schliefslich geht das Tal in die weite Ebene des Drynos-
flusses über und erreicht zwischen dem Dorfe Dragot und Tepeleni
wo der Flufs sich in mehrere Arme teilt, eine Breite von mehr als
2 Kilometern. Schon im Altertum hat man den ganzen Durchbruch
mit dem des Peneos im Tempetale verglichen1).
Es ist keine Frage, dafs die Verteidigungsstellung Philipps
nicht in dem östlichen, schluchtartigen Teile des ganzen Engpasses ge-
legen haben kann, weil sich hier nirgends der Raum findet für eine
Position mit Wällen, Gräben, Türmen, Wurfmaschinen, wie Livius sie
beschreibt und wie eine Armee von 20000 Mann sie braucht, hier
auch nirgends eine Ebene vor den Verschanzungen zu finden ist,
auf der auch nur gröfsere Teile der Armeen miteinander kämpfen
konnten2).
Speziell die Stellung am Zagoriabache ist nicht zu den Berichten
passend. Da die einzige, die Schlucht durchlaufende Strafse sich,
wie erwähnt, stets auf dem Nordufer des Flusses hält, so mufs auf
dieser Seite die Hauptmacht Philipps gestanden haben, oder sein
glücklicher Rückzug wird zur Unmöglichkeit 3). An dieser Stelle der
Schlucht ist aber das Nordufer so eng und felsig, dafs die Ver-
legung der Aufstellung hierher zur Absurdität wird. Dazu kommt, dafs
x) Plut. Flam. 3, dessen Beschreibung besonders den östlichen, schlucht-
artigen Teil berücksichtigt. Von modernen Reisebeschreibungen zitiere ich nur
die wichtigsten. Boue a. a. 0. S. 35: les massives montagnes bordant cette fente
ont environ 2000 p. sur le fond de la vallee . . les couches calcaires y sont coupees
comme avec un couteau . . et la crevasse est si etroite qu'il y a ä peine la place
pour le torrent et le sentier. Cette curieuse gaine continue pendant plus que
2 Heues, car on compte 3 Heues de Klisoura ä Tepedelen qui est dejä situe dans
une assez large vallee. — Viquesnel S. 277: cette fracture a environ cent pieds
de large ä son origine (bei dem Han von Klissura). Ähnlich Leake 131 und 384
2) Livius spricht 32, 10, 9 von „multa levia commissa proelia" vor den Ver-
schanzungen „in planitie satis ad id patenti" im Gegensatz zu den „arta et con-
fragosa loca" unmittelbar vor den Schanzen, in die sich die Makedonier zurück-
ziehen.
3) Auch Leake hat I 388 schon darauf hingewiesen, dafs wegen des Laufes
der Strafse auf dem Nordufer hier die Hauptmacht Philipps gestanden haben müsse.
.j4 Der zweite Makedonische Krieg.
das Gelände auf dem Südufer längs des Zagoriabaches für die Leichten
zu ausgedehnt ist und keine Flankenanlehnung hat.
Wir müssen daher in Übereinstimmung mit Leakes zweiter An-
sicht die Verteidigungsstellung am westlichen Ausgange des Durch-
bruchstales suchen, wo allein die Bedingungen dafür zu finden sind').
In der Tat zeigt sich hier ein Gelände bei dem Dorfe Dragot,
das allen Anforderungen entspricht. Die Abhänge des Berges Trebeszina
am Nordufer des Flusses sind hier bis zu den im Norden abschliefsenden
Felspartien 2-3 Kilometer breit und in der Front auf eine weite
Strecke hin durch einen tiefeingerissenen Flufslauf gedeckt. Auf dem
südlichen Ufer bei dem Kloster (Monastir) hat die unmittelbar am
Flufsufer liegende Höhe schon in einer Entfernung von weniger als
1 Kilometer eine gute Flankendeckung durch das zwischen Monastir
und dem Dorfe Kodra eingeschnittene Flufstälchen und bildet so eine
von dem südlichen Gebirgsstocke abgetrennte und verteidigungsfähige
Bergnase. Auch die Rückendeckung ist auf beiden Ufern eine gute.
Sie wird auf dem nördlichen durch schroffe Felspartien und ein-
gerissene Bachläufe, auf dem südlichen wieder durch ein steilwandiges
Flufstal gebildet.
Haben wir mit dieser Ansetzung von Philipps Stellung das
Richtige getroffen, so erklären sich alle Schwierigkeiten des Liviani-
schen Berichtes und alle topographischen Unklarheiten in durchaus
befriedigender Weise.
Entsprechend der räumlichen Ausdehnung und der Form des
!) Da das römische Lager 5 Millien von der makedonischen Stellung ent-
fernt gewesen ist (S. 42) so mufs es jenseits des Aoos unterhalb Tepeleni ge-
legen haben. Dadurch wird eine bisher mifsverstandene Stelle des Livius erklärt.
Den Ort der Zusammenkunft zwischen Philipp und Flamininus hat man sich bis-
her in der Schlucht des Aoos gedacht; so Leake I 386: in the narrowest part of
the pass, recht romantisch zwischen hohen Felsen, obgleich man nicht versteht,
weshalb da die Parteien den Flufs zwischen sich nehmen, da beide auf dem Nord-
ufer stehen und das Südufer, wie erwähnt, ganz ungangbar ist. In Wirklichkeit
steht auch bei Livius 32,10,2 nichts von der Schlucht, sondern nur von einer
engen Stelle des Flufslaufes „ubi in artissimas ripas Aous cogitur amnis". Das
Gespräch wird bei Tepeleni stattgefunden haben, wo der Flufs tatsächlich zwischen
den beiderseitigen Stellungen fliefst. — Dafs die Stadt Antigonea (= Tepeleni,
Leake I 72) in unseren Berichten überhaupt nicht erwähnt wird, erklärt sich
daraus, dafs es eine Stadt der Epiroten war (Polyb. II 5, 6: nctQuifvXcci-oTTccg ttjv
"Aviiyivuav schicken die Epiroten im Jahre 230 dahin), deren Neutralität (S. 39)
eben von beiden Seiten respektiert wurde.
2. Der Feldzug in Epiros und Thessalien (198 v. Chr.) 45
Geländes stand dann Philipp persönlich auf dem Nordufer mit der
Phalanx und den Söldnern, sowie mit einem Teile der Leichten. Es
war der bei weitem gröfsere Teil des ganzen Heeres1). Hier befand
sich auch die Rückzugsstrafse. Die Verschanzungen liefen dem Bach-
tale von Dragot entlang vom Aoosflufs bis zu den Felsen. Berg
Trebeszina ist also der Meropos der Alten. Athenagoras mit den
übrigen leichten Truppen stand auf dem nach Westen hin steiler
abfallenden Südufer. Die Truppenzahl, über welche er verfügte,
kann nach den Berichten wie nach der Örtlichkeit nur gering ge-
wesen sein. Die ganze Position auf diesem Ufer ist mehr nur eine
Flankendeckung für die Armee, die man mitbesetzte um eine Um-
gehung auf diesem Ufer zu verhindern. Man kann also von einer
Teilung der Armee in zwei Hälften nicht sprechen. Um so verlocken-
der hätte es für die Römer sein können, den kleineren Teil auf dem
Südufer zuerst allein zu beseitigen. Wenn man indessen die Stellung
auf der Karte genau betrachtet, sieht man, dafs das doch nicht so
leicht geschehen konnte. Schwere Truppen waren hier kaum zu ver-
wenden. Der nach allen Seiten, aufser an dem schmalen Sattel nach
Süden hin steil abfallende Berg mochte verschanzt, wie er war2),
eine unerstürmbare Position bieten. Dafs er durch eine Brücke bei
Monastir mit der Hauptarmee verbunden war, dürfen wir wohl auch
ohne ausdrückliche Nachricht annehmen. Bei dem Hauptangriffe der
Römer am Tage der Entscheidung hat man auch diese Position an-
gegriffen3), aber wohl kaum sehr ernsthaft. Die Leichten, denen
x) s. oben S. 40 A. 2. Dazu die schon von Niese II 611,2 herangezogene
Erwähnung in einer späteren Rede Philipps bei Liv. 33, 4, 3 : illic (ad Aoum) . .
primam culpam fuisse eorum, qui neglegenter custodias servassent, secundam in
ipso certamine levis armaturae mercenariorumque militum. Macedonum
vero phalangem et tunc stetisse. Da die Umgehung der Römer die rechte Flanke
des makedonischen Heeres traf (s. unten S. 46), so haben die Truppen, die zuerst
flohen, also auf dem rechten Flügel gestanden. Das pafst auch zu dem Gelände.
Die Phalanx steht in der Mitte auf den lehneren Hängen des Gebirges und im
Tale selbst. Dafs auf dem rechten Ufer zahlreiche Leichte waren, geht auch aus
der Schilderung der Kämpfe hervor; Liv. 32, 5, 12: tormentorum vis; 10,9 ex--
cursiones ab stationibus — multa levia commissa proelia.
2J Liv. 32,5, 11: Asnaum Athenagoram cum levi armatura tenere et com-
munire iubet.
3) Das folgt daraus, dafs die mittlere Kolonne der Angriffsarmee „media
valle" „naQcc x6 qsT&qov'-' auf der Strafse von Tepeleni nach Dragot vorging (s. A. 2
folg. S). Die rechte Kolonne mufs also auf dem anderen Ufer gewesen sein.
46 Der zweite Makedonische Krieg.
die Aufgabe zufiel, müssen über den unterhalb Monastir in eine An-
zahl von Arme getrennten, im Sommer — die Schlacht fand am
25. Juni statt — hier wohl überschreitbaren Flufs gegangen sein1).
Den Rückzug der dortigen leichten Truppen, müssen wir uns, nach-
dem jenseits die Entscheidung gefallen war, über die Berge nach
Pesztan gerichtet denken, da die Strafse im Tal durch den Abmarsch
der Phalanx in Anspruch genommen war.
Auf dem nördlichen Ufer waren die Hügel von Bekist und die
anstofsende Ebene an der Wiossa der Schauplatz der verschiedenen
Kämpfe vor den Verschanzungen und zuletzt des grofsen Angriffes
am Tage der Entscheidung, bei welchem die Legionen auf der Strafse
von Tepeleni nach Dragot vorgingen, rechts und links von den
Kolonnen der Leichten begleitet2). Die Umgehung, welche wie er-
wähnt zwei Marschtage in Anspruch nahm, mufs erfolgt sein auf dem
etwa 35 Kilometer langen Wege über Damazi, Arza und Medzatgoriani
um den Nordfufs der 1713 Meter hohen Alpe Trebeszina herum3).
Das Flankendetachement erschien im Rücken der makedonischen
Hauptmacht auf den Felspartien zwischen Medzatgoriani und Dragot4).
Dafs eine Umfassung der Stellung Philipps auf näherem Wege
als dem eingeschlagenen kaum möglich war, lehrt ein Blick auf die
Karte, da bei einigermafsen sorgfältiger Beobachtung von der Alpe
Trebeszina aus jede Annäherung von vorne oder der Seite her be-
merkt werden mufste und durch sofort getroffene Gegenmafsregeln
unwirksam gemacht werden konnte.
Auch die Ungunst der Stellung inbezug auf den Rückzug wird bei
der Annahme dieser Position gemildert, so dafs das Wagnis, eine Stel-
') Leake 131: The Viosa . . . joining the Dryno spreads over a space of
near half a mile; where the river is divided by sand-banks into several strearas
now deep (im Dezember) and broad, but some of which have no existence in
summer. — Datum der Schlacht s. Beilage II.
2) Liv. 32, 12, 1: trifariam divisis copiis consul valle media cum militum
robore succedit, cornua dextra laevaque admovet castris. Ebenso Plut. Flam. 4:
JQlXy vtifjLcig ttjv öivafiiv avjog /utv elg 10 OTSMoTctiov nccQoc to (J8i&qov oQdiccg
ävrjyt rag GnsiQag.
3) Daher Liv. 32, 11, 3: non iniquo nee perdifficili aditu. Die Luftlinie
des Weges über die genannten Orte beträgt nur 22 Kilometer; es ist aber stark
gebirgiges Gelände.
4) Daher Liv. 32, 11, 3 f.: super caput — clamor a tergo auditus. Ebenso
Plut. Flam. 4: xcctu vcotov — etno twv iexoeor.
2. Der Feldzug in Epiros und Thessalien (198 v. Chr.) 47
lung mit einer Schlucht im Rücken zu besetzen, und der dennoch
geglückte Rückzug begreiflich werden. Denn gerade der westliche Teil
des Durchbruchstales ist ja bedeutend offener, und es konnte daher,
wie schon oben angenommen, nicht nur das Südufer des Flusses für
den Rückzug mit verwertet werden, sondern leichte Truppen wenigstens
könnten auch wohl in der auf der Karte angedeuteten Richtung an
der Nordseite des Tales an den Hängen hin durchgekommen sein,
so dafs man bis zu dem Sammelpunkt des Heeres fünf Millien
hinter der Stellung (S. 42 A. 1) drei Linien zur Verfügung hatte.
Nimmt man dazu, dafs das Umgehungsdetachement der Römer ja nur
vcrhältnismäfsig klein war und das schroffe Flufstälchen von Dragot den
von der Front her andrängenden Legionen auch ohne Verteidigung
Hindernis und Zeitverlust bringen mufste1), so versteht man, wie
selbst aus dieser gefährlichen Position ein Rückzug ohne gröfsere
Verluste doch noch hat durchgeführt werden können.
Allerdings war die Vorbedingung dazu, dafs das Gefecht zu
rechter Zeit abgebrochen und der Abmarsch von der rechten Flanke
her abteilungsweise allmählich angetreten wurde, damit sich nicht
bei einreifsender Verwirrung und Überstürzung die an sich enge
Strafse im Tale ganz verstopfe. Beides hat Philipp offenbar ins
Werk zu setzen verstanden, wie, aufser der Tatsache seiner geringen
Verluste, die Nachricht beweist, dafs trotz der Bestürzung bei dem
Erscheinen der Feinde auf dem Flügel die Phalanx im Zentrum noch
eine Zeit lang kaltblütig den Römern standgehalten hat2).
x) Daher sagt Livius 32, 12, 10 ganz richtig: castra regia, etiam sine
defensoribus difficili aditu.
2) Macedonum vero phalangem et tunc stetisse (s. S. 45 A. 1); dazu die
auch in dem Schlachtbericht selbst erwähnte Notiz (Liv. 32, 12, 5 f.): pars in
fugam effusi sunt, pars, quia magis locus fugae deerat, quam quod animi satis
esset ad pugnam, cum substitissent, . . . circumventi sunt. Wir halten die Tatsache
des Standhaltens fest und lassen die Erklärung, die der römische Rhetoriker dafür
gibt, ebenso wie das Umzingeltwerden auf sich beruhen. Auch die gleich folgenden
Bemerkungen „deleri potuit totus exercitus, si fugientes persecuti victores essent"
und „rex primo effuse et sine respectu fugit" sind Prunkstücke aus der Requi-
sitenkammer derselben Fabrik. — Dafs das schwierige Terrain die Verfolgung
hinderte, wie beide Berichte übereinstimmend melden (Liv. ib. § 7, Plut. Flam. 5),
ist richtig, aber zuerst mufsten doch die Makedonier selbst durch die Hindernisse
durch, und das ging nur bei leidlicher Ordnung. Engwege, Übergänge über
Hindernisse auf dem Rückzuge bieten eben, wie Meckel (Allgem. Lehre v. d.
Truppenführung S. 268) mit Recht bemerkt, zuerst Gefahr und erst nachher Schutz.
43 l^er zweite Makedonische Krieg.
Überblick über die Lage, kaltes Blut und schnelle Entschlufs-
fassung können wir Philipp in dieser gefahrlichen Situation nicht
absprechen.
So zog er sein Heer ohne allzugrofse Einbufse an Truppen
bis in die Gegend des Zagoriabaches am Eingange in die
Schlucht zurück, sammelte hier die von allen Seiten anlangenden
Kolonnen und Versprengten1) und setzte dann, nachdem er sich
überzeugt hatte, dafs die Römer nicht gefolgt waren, sondern ihre
Zeit mit Plünderung der kostbaren Beute im Lager des Königs ver-
loren hatten, in Eile aber Ordnung den Rückzug bis Klissura und
weiter das Aoostal hinauf fort.
Dem aufmerksamen Leser wird es nicht entgangen sein, dafs
durch unsere Lokalisierung der Schlacht die Ansicht, welche man
sich nach unseren Quellenberichten, besonders nach der Schilderung
Plutarchs, von der militärischen Verwendung der Aoospässe und ihrer
Bedeutung für die Verteidigung machen mufste, in ihr Gegenteil verkehrt
worden ist. Wenn in unseren Berichten die Enge des Passes, die hohen
und steil abfallenden Felswände und die daraus folgende Unpassierbar-
keit als hauptsächliche militärische Hindernisse hervorgehoben wurden2)
und man daraufhin ganz natürlicherweise den östlichen .Teil des
Durchbruchtales mit seiner grofsartigen Felsenschlucht als die Stärke
der ganzen Stellung ansehen mufste 3), so hat sich uns im Gegenteile
herausgestellt, dafs die Verteidigung von dem König an den verhältnis-
mäfsig offenen Westausgang des Tales verlegt worden ist und die
Schlucht, weit entfernt die Stärke der Position zu bilden, vielmehr
eine mit in den Kauf zu nehmende, aber unangenehme Zugabe war,
die nur die Wirkung hatte, einen etwa nötig werdenden Rückzug zu ge-
*) Liv. it. § 8: dimisit suos per omnia iuga callesque, qui palatos in unum
colligerent.
2) Plut. Flam. 3: oocZv <$£ ^isyaXüiv xal viprjlcov ixarfncoOev sis /uiav ipanayya
[ityiairiv /.cd ßct&Hav ovucffQOjutvcov duxninTcov u "Axpog . . . rr\v ptv äXXrjv änaaav
i(7ioy.QV7iT(ov vnwQSinv, txiofxrjv de xorj/uvwdr] xal arevtiV nana to QHftoov änoXeinoiv
ujoanov, ovöl icXktog (>qd Cav giq aravfAai i diekd tlv, el <?£ xul (pvlecTToiro,
navTtXwq anoQov. Vergl. auch oben S. 43 A. 1 die modernen Beschreibungen
der Schlucht.
3) So sagt z. B. Niese II 609: „Philipp wählte seine Stellung bei dem
heutigen Klissura, dort wo der Aoos zwischen den Bergen Meropus und Asnaus
eine enge Schlucht durchströmt."
2. Der Feldzug in Epiros und Thessalien (198 v. Chr.) 49
fährden. Es wäre für Philipp weit günstiger gewesen, wenn die Schlucht
überhaupt nicht vorhanden gewesen wäre, vorausgesetzt natürlich,
dafs dadurch sonst nichts an der Stellung, speziell an der Flanken-
anlehnung geändert worden wäre.
Man ist vielleicht geneigt, bei dieser paradox scheinenden
Konsequenz unserer Feststellungen die Frage aufzuwerfen, weshalb
Philipp nicht die Schlucht selber gesperrt habe, was doch offenbar
noch leichter gewesen sein mufs, als das Tal an seinem Westende
zu verschliefsen.
Die Antwort lautet, dafs für die Sperrung dieser Schlucht eine
Armee von 20000 Mann nicht nötig und also überflüssig gewesen wäre,
dafs man dafür aber auf wesentliche andere Vorteile hätte verzichten
müssen. Denn zu einer wirksamen Verteidigung nicht nur des Passes,
sondern des ganzen Landes gehörte in erster Linie mit, dafs man
den ganzen Pafs und besonders seinen Westausgang mit beherrschte.
Darauf beruhte die Bedeutung dieser Pafssperre als Flankenstellung
gegenüber einem Vormarsche der Römer durch Epiros und nach Metzowo.
Philipp wäre sonst Gefahr gelaufen, dafs die Römer ihm mit einem Teile
ihrer Armee den Westausgang des Passes verstopft und ihn im übrigen
ruhig stehen gelassen hätten. Dann hätte Flamininus, um nur eine
Möglichkeit anzudeuten, das Drynostal hinaufgehen, Epiros erobern,
sich hier eine Basis schaffen, die Flottenstation nach Ambrakia ver-
legen und ohne sich weiter um Philipp zu kümmern nach Thessalien
vorgehen können. Kurz es wäre über einer zweifelhaften taktischen
Verbesserung der ganze strategische Vorteil der Stellung wieder
verloren gegangen. —
Mit der Erkenntnis, dafs wir es hier mit einer ausgedehnten,
fast 4 Kilometer langen künstlichen Verteidigungsstellung und nicht
mit der einfachen Verlegung eines von Natur unbezwinglichen Felsen-
tores zu tun haben, rückt nun die Verteidigung dieser Pässe in die
Reihe der Defensivschlachten mit Benutzung des Geländes und der
Verschanzungskunst, wie es die Schlachten von Sellasia, Mantinea
(207), Banitza und Thermopylä (191) gewesen sind, und wird somit
ein Gegenstand erhöhten Interesses für die Fragen der antiken
Schlachtentaktik überhaupt.
Es genügt indessen hier, der Schlacht diese ihre Stellung in
der Geschichte der antiken Kriegskunst angewiesen zu haben. Den
gemeinsamen taktischen Charakter dieser Art von Gefechten zu kenn-
Kromayer, Antike Schlachtfelder. II. 4
50 Der zweite Makedonische Krieg.
zeichnen und im besonderen die Rolle zu erwägen, welche bei solchen
stellenden Gefechten, bei denen die Wucht der Massen so gut wie
gar nicht zur Wirkung kommen konnte, der makedonischen Phalanx
zugefallen sei, dazu ist hier noch nicht der Ort.
Wir wenden uns vielmehr dazu, den Fortgang des Feldzuges
weiter zu verfolgen:
Die Folgen des Sieges am Aoos waren sehr bedeutend: Epiros
und Thessalien wurden dadurch den Römern geöffnet, die Vereinigung
mit den verbündeten Ätolern hergestellt und der Anschlufs des
ganzen übrigen Griechenland durch das Erscheinen der Römer im
Lande selbst herbeigeführt.
Philipp führte seine gesammelten Scharen noch an demselben
Tage bis in die Gegend von Ostanitza, über 50 Kilometer vom
Schlachtfelde zurück1), eine Marschleistung, aus der man erkennt,
dafs das Gefecht selber nicht allzu lange Zeit gedauert haben kann.
An einen Widerstand in Epiros war ferner nicht zu denken.
Nicht nur deckten zweitausend Mann das Schlachtfeld, sondern
der gröfste Teil des Gepäckes und die Geschütze mufsten verloren
sein, und was schlimmer war, der unvermutete Umschlag und die Ver-
treibung aus einer für sturmfrei gehaltenen Position hatten das Heer er-
schüttert2). Unaufhaltsam ging es deshalb am folgenden Tage das Tal
der Wiossa weiter aufwärts, der Hochlandschaft Zagorien zu. Erst in
ihren Hochtälern, Wäldern und Matten glaubte man sich nach einem
J) So Leake (I 396), der hier die castra Pyrrhi ansetzt, welche Philipp
am ersten Tage erreichte (Liv. 32, 13, 2). The position — sagt er — was exactly
suited to his circumstances, being a strong height, well defended in the di-
rection of the enemy by the narrow gorge, through which the river passes
immediately below Ostanitza. Da Philipp am zweiten Tage das Wasserscheide-
gebiet von Epiros, Thessalien und Makedonien erreichte, welches noch über
50 Kilometer von Ostanitza entfernt ist (s. folg. S. A. 1), so kann man in der Tat das
erste Lager kaum anders ansetzen, als in die Gegend von Ostanitza. Philipp
hatte dann vom Schlachtfelde über 50 Kilometer zurückgelegt, eine ganz aufser«
ordentliche Leistung. Terrainschwierigkeiten sind nicht vorhanden. Viquesnel
(S. 278) machte den Weg von Klissura bis Ostanitza in zehn, Leake (I, S. 394 f.)
in neun Stunden fünfzig Minuten.
2) Liv. 32, 13, 2: metu urgente. — Verlust des Gepäckes bei Plut. Flam. 5:
yQYifxc<Ta öl y.cä Gxrjvag y.al &tQ<x7iovias ol 'Pio/xiuoi dtccQnaGaVTtg Ixqktovv twv arivwv.
2. Der Feldzug in Epiros und Thessalien (198 v. Chr.) 51
Gewaltmarsche von über 50 Kilometern Länge einigermafsen geborgen1).
Da die Römer keine Miene machten, so schnell zu folgen, gönnte
Philipp seinen erschöpften Truppen hier einige Tage Ruhe, ehe er
sie nach Thessalien hinüberführte2).
Er soll hier auf der Wegscheide von Makedonien und Thessalien
Rat gepflogen haben, ob man nicht lieber sofort den Rückzug nord-
östlich nach Makedonien antreten wolle. Im Ernste konnten solche
Erwägungen kaum Platz greifen. Man hätte mit einem Marsche
über den Pafs von Milia in das Karasutal die starken Verteidigungs-
positionen, welche Makedonien im Süden decken, den Olymp und
das Gebirgsland, welches den Olymp mit dem Pindos verbindet,
ohne Not aufgegeben. Die nächste Defensivstellung war vielmehr
durch diese Gebirgslinie selbst von Natur gegeben, und in ihr hat
deshalb Philipp denn auch im Tale Tempe sofort Stellung genommen 3).
Damit war zwar das flache Land von Thessalien zunächst auf-
gegeben, aber keineswegs die Städte, die der König vielmehr durchaus
festhielt. Gleich an der Grenze des Landes gegen Westen hin wurde
Phaloria mit einer aufsergewöhnlich starken Besatzung von zwei-
tausend Mazedoniern belegt. Es sollte mit Äginion zusammen
die Einmarschstrafse von Metzowo her decken4). Die südlichsten
*) Ich rechne, indem ich die Gegend bei Wowussa als Marschziel annehme.
Sie entspricht der von Leake (I 399) Imperatoria genannten Hochebene. Die
Beschreibung, welche Livius (32, 13, 3) von diesem Gebiete gibt — montes Epiri sunt,
interiecti Macedoniae Thessaliaeque ; latus quod vergit in Thessaliam oriens
spectat, septentrio a Macedonia obicitur. vestiti frequentibus silvis sunt, iuga
summa, campos patentes aquasque perennis habent — , pafst so unverkennbar auf
das östliche Zagorien und das Quellgebiet der Wiossa, des Salambria, Karasu und
Aspropotamos, dafs unter den Besuchern der Gegend nie ein Zweifel über die
Identität gewesen ist. Man vergl. Bursian I 12. — Der Marsch wird von Livius
als ingens iter agmini bezeichnet; in der Tat eine gewaltige, aber unter den
verliegenden Verhältnissen nicht unmögliche Leistung. Man vergl. Bd. 1 die
Marschleistungen des Epaminondas und andere Bd. I 38 u. 45 zusammengestellten
Beispiele. Die Ansicht von Heuzey (Mission 298), es handle sich hier um das
Chassiagebirge in Thessalien, ist unhaltbar. Die Marschleistung des Philipp wäre
eine Unmöglichkeit.
2) Liv. 32, 13, 4: stativis per aliquot dies habitis.
3) Liv. 32, 15, 9: intra Tempe stativis positis.
4) Nicht als ob dadurch der Einmarsch der Römer hätte gehindert werden
können, aber ein fester Punkt mit so starker Besatzung im Rücken gelassen,
hätte die Verbindung mit Epiros unterbrochen oder wenigstens sehr erschwert. —
Über die Lage s. S. 55 A. 2. — Die Stärke der Besatzung Liv. 32, 15, 1.
4*
*)•_) Der zweite Makodünische Krieg1.
Besitzungen der Makedonier in Thessalien, wie Echinos, Larissa
Kremaste und Theben, finden wir im Winter 198/197 noch in Philipps
Hand1), und so kann auch keine Rede davon sein, dafs der König
die anderen Städte des Landes aufgegeben hätte2). Sein Raub- und
Plünderungszug auf dem Rückzuge, der nur das Enipeustal hinauf-
ging und dann über Pherä nach Tempe führte3), hat militärisch
überhaupt keine Bedeutung. Es handelte sich dabei nicht um eine
systematische Verwüstung des Landes, um dem Feinde den Vormarsch
zu erschweren — das war in einem mit Städten so dicht besäten
Lande wie Thessalien überhaupt unmöglich — , sondern darum, nach
den Verlusten am Aoos die leeren Taschen wieder zu füllen und
vermutlich zugleich einen Racheakt an den Ätolern auszuüben, denen
man die von ihnen beanspruchten oder mit ihnen sympathisierenden
Städte nicht unbeschädigt in die Hände fallen lassen wollte 4). Ander-
seits waren die Ätoler und Athamanen sofort bei der Hand, Ver-
geltung zu üben und ihrerseits in Thessalien zu plündern und an
sich zu reifsen was sie konnten (Liv. 32, 13, 10 f.). Nicht so schnell
folgten die Römer. Zwar die Nachricht des Livius, Flamininus sei
durch die Aoospässe nach Epiros gegangen und habe dann nach
vier Tagemärschen den Übergang nach Thessalien vom Kerketios-
berge aus in Angriff genommen5), könnte zu der Auffassung ver-
i) Polyb. XVIII 3, 12. 8, 9,
2) Sie ergaben sich erst nach der Schlacht von Kynoskephalai. Niese II
632 A. 2.
3) Liv. 32, 13, 5 ff. Plut. Flam. 5. Die Richtung des Plünderungszuges
ergibt sich aus den von Livius 32, 13, 9 erwähnten Städten. Philipp ging von
Trikka am oberen Peneos aus und berührte Paläpharsalos, Eretria (= Tschangli,
s. unten S. 65 A. 3), Pherä, deren Lage feststeht. Die der anderen kleinen Orte ist
nicht zu identifizieren, aber es widerspricht nichts der angenommenen Richtung.
Auch nicht Phakion, das trotzdem es von Brasidas auf seinem Zuge berührt
wurde (Thuk. IV 78, 5, vergl. Bursian I. 53), sehr wohl so weit westlich gelegen
haben kann.
4) Darauf weisen die beweglichen Klagen der Ätoler gerade über dies
Verfahren Philipps hin (Polyb. XVIII 3, 3 ff.) und ihr Verlangen, ihnen die noch
vorenthaltenen Städte aßkaßäs zu überliefern (ib. 2, 6). Über die Ansprüche der
Ätoler auf einen Teil gerade dieser Städte s. Niese II 503 A. 1.
5) Liv. 32, 13, 1: postero die (nach der Schlacht) consul per ipsas angustias,
quas inter valle se flumen insinuat, hostem sequitur, und 14, 4: consul faucibus,
quas fuga hostium aperuerat, in regionem Epiri transgressus . . animos . . conciliat.
deinde . . progressus modicis itineribus quarto die in monte Cercetio posuit
castra usw.
2. Der Feldzug in Epiros und Thessalien (198 v. Chr.) 53
führen, dafs der Konsul den Makedoniern das Wiossatal aufwärts
gefolgt sei und unmittelbar nach der Schlacht den Marsch über das
Gebirge angetreten habe. Aber sowohl in bezug auf die Zeit als
den Weg ist diese Auffassung falsch.
Die Tatsache, dafs ein Korps römischer Soldaten mit Amynander
durch Athamanien vorgeschickt wurde, Phaeka, Gomphi und andere
Orte in Thessalien einnahm1) und sich vor dem Übergange des
Konsuls nach Thessalien wieder beim Hauptheere einfand2), beweist,
dafs Flamininus mindestens einen Monat im Lande geblieben ist3).
Das entscheidet auch über den Weg. Denn sich längere Zeit in
dem einsamen Alpentale des Aoos aufzuhalten, das nicht durch Epirus
hindurch, sondern daran vorbeiführt, hatte gar keinen Zweck. Der
Konsul hat also den König nur ein kleines Stück durch die Pässe
hindurch verfolgt und ist dann umgekehrt, um seinen Aufenthalt
weiter südlich zu nehmen, indem er die Aoospässe, deren Besitz ja,
wie wir sahen, zum Marsche nach Epiros und Thessalien gar nicht
nötig ist, ruhig links liegen liefs und in der fruchtbaren Ebene des
Drynos und den benachbarten Zentrallandschaften von Epiros ver-
weilte4). Es gelang ihm bei mildem Auftreten die Landschaft auf
seine Seite herüberzuziehen, sich aus ihr zu verproviantieren und ein
Hilfskorps von Freiwilligen zusammenzubringen, das ihn auf seinem
Zuge nach Thessalien begleiten sollte5). Das alles liefs sich nicht
in ein paar Tagen abmachen, und so konnte mit der Ordnung der
epirotischen Verhältnisse gut ein Monat vergangen sein, als der
Konsul aufbrach und in vier kleinen Tagemärschen den Kerketios-
1) Liv. 32, 14, 1: petito a consule modico praesidio.
2) Liv. 32, 14, 8 : eodem (nach dem mons Cercetius) Anrynandro cum suis
auxiliis accito.
3J So lange beansprucht der athamanische Plünderungszug mit Hin- und
Rückmarsch, s. Beilage II S. 108.
4) Das sagt Zonaras IX 16 P. I 445 B auch geradezu: 6 vnaxog ixnvov fxlv
ovx iöiwtjs, rag tfh ^HntCqo) noltis neQtenot^aaro. Und auch aus Livius' Worten:
in regionem Epiri transgressus (32, 14, 5), geht es indirekt hervor. So auch richtig
Niese II 612. Livius' Irrtum stammt daher, dafs er glaubte, die Aoospässe führten
nach dem eigentlichen Epiros hinein. Daher hat er den kurzen Vorstofs des
Konsuls auf der Verfolgung mit dem Weitermarsche verwechselt.
5) Liv. 32, 14, 6: (Epirotas) ab satisfaciendi cura imperata enixe facere
videt . . § 8: plerique Epirotarum voluntarii inter auxilia accepti.
urtc von Karte
IS'o. 2.
54 Der zweite Makedonische Krieg.
borg erreichte, welcher zum Sammelplatz sämtlicher Kontingente
bestimmt war1).
Auf der Marschroute, die durch die Ebene von Jannina in das
Tal des Arachthos, des Flusses von Arta, und von da am Flusse von
11 die Bei- Metzowo aufwärts zum Zygospasse führte, liegt zwischen der Ebene
von Jannina und den genannten Flufstälern der langgestreckte ein-
förmige Rücken der Kyrä. Er bildet den Scheidepunkt von Ebene
und Bergwanderung, und von ihm erblickt man zum letzten Male
die weiten Talebenen und Bergzüge von Epiros zu seinen Füfsen,
dann senkt sich der Weg in die engen Bergtäler des Pindos hinab3).
Von Nord- und Südepiros fast ebensoweit entfernt wie von Atha-
manien3), ist dieser Ort am Eingang ins eigentliche Gebirge wie kein
anderer geeignet zum Sammelpunkt und vom Drynostal, wo sich
Flamininus ja aufgehalten hatte, rund 90 Kilometer, also gerade vier
mäfsige Tagemärsche, entfernt. Da ein ausgeprägter Bergrücken sich
sonst auf der ganzen Route nach Thessalien nicht findet, welche
vielmehr an den Abhängen des Flusses von Metzowo gleichförmig
zum Zygospasse ansteigt, so werden wir diese einzige Pafshöhe auf
J) Liv. a. a. 0.: progressus modicis itineribus quarto die in monte Cercetio
posuit castra, eodem Amynandro . . accito und ut duces in Thessaliam haberer,
die Epiroten.
2) Man vergleiche die Schilderung dieser ganzen Route bei Philippson
oben S. 38 A. 1. Er hat den Weg umgekehrt gemacht und sagt über die Kyrä
S. 212: „Nie werde ich den überraschenden Anblick des Sees von Jannina vergessen
dessen grüner Spiegel plötzlich vor mir erscheint . . . Zur Rechten haben wir in
unmittelbarer Nähe die kahlen, weifsen Kalkhänge des hohen Mitschikeli, der
nach Westen steil in den See fällt. Im Westen und Süden des Sees und der
grünen Ebene, die ihn umgibt, überblicken wir eine ganze Zahl von parallelen
Kalkrücken, die wie ein System langgezogener Wellen ganz Epirus überziehen.
Aus diesen niedrigen Wellenzügen erheben sich inselartig drei scharf umrissene
Kalkgebirge zu grofsen Höhen usw." An dem Eingange in die Gebirgswelt pflegt
man sich die Führer zu bestellen: „ut duces in Thessaliam haberet." s. A. 1.
3) Von der Kyrä sind nach Argyrokastro, dem Mittelpunkte des Drynos-
tales, gegen 90, nach dem Ambrakischen Busen 75, nach dem südlichen Teile
von Athamanien ca. 50 — 60 Kilometer Luftlinie. Während aber die beiden ersten
Wege ohne wesentliche Terrainschwierigkeiten sind, hat man auf dem dritten
nicht unbedeutende Höhen zu überschreiten. Man konnte den Sammelplatz ent-
weder auf dem Wege über Theodosiana, Prämanta, Kontowrachi (Philippson 31,
442. 438. 259 f.) oder über Dragowisti, Kotori und den Chodscha-Mandra-Pafs
(Phil. 31, 209. 430) erreichen. In beiden Fällen mit beträchtlichen Umwegen.
2. Der Feldzng in Epiros und Thessalien (198 v. Chr.) 55
dem Wege unbedenklich mit dem Kerketiosberge des Livius identi-
fizieren dürfen1).
Erst nach Sammlung aller Kontingente hat der Konsul von hier
aus den Marsch durchs Gebirge angetreten und ist über den Zygos-
pafs nach Thessalien hinabgestiegen2). Anfang August (s. Bei-
lage II S. 109.) mag er die thessalische Ebene betreten haben. Der
epirotische Feldzug hatte etwa vier Monate in Anspruch genommen.
Das wichtige Phaloria mit seiner starken Besatzung war das
erste Angriffsziel des Konsuls. Sowohl wegen seiner Bedeutung an
der Pafsstrafse wie wegen des moralischen Eindruckes, den Fla-
mininus sich auf Thessalien von der Eroberung versprach, scheute er
keine Mühe, durch Tag und Nacht fortgesetzte Stürme das Ziel zu
erreichen. Nach dem Falle der Stadt war das zweite Sperrfort
Äginion mit seiner kleinen Besatzung nicht mehr imstande, die
Verbindung ernstlich zu gefährden, und es wurde wegen seiner festen
Lage kein Sturm darauf versucht (Liv. 32, 15). Wichtiger noch war
die Herstellung der Verbindung mit Südepiros und der nach Ambrakia
J) Man versteht unter dem Kerketischen Berg jetzt gewöhnlich den öst-
lichsten Höhenrücken des Pindos, welcher die thessalische Ebene zwischen Äginion
und Gomphi begrenzt, das jetzige Koziakasgebirge. Bursian I. 13. 48. Lolling
S. 146. Das ist mit dem Marsche des Flamininus ebenso unvereinbar, wie die
Beziehung des Namens auf das Chassiagebirge (Bursian a. a. 0.). Entweder
handelt es sich bei den Nachrichten, welche ein Kerketisches Gebirge in
Thessalien nennen (Plin. n. h. II 8 (15) 30; Steph. Byz. niateia) um ein anderes
gleichnamiges Gebirge, oder die Nachrichten sind ungenau. — Auch keine der
vielen anderen Berggruppen des uns seit Philippsons eindringenden Forschungen
genauer bekannten, zerklüfteten Pindosberglandes können wir mit dem Kerketios
identifizieren, weil sie alle viel zu hoch und vom Wege abgelegen sind, um als
Sammelpunkt eines Heeres zu dienen.
2) Einen anderen Weg gibt es, wie schon oben (S. 38) erwähnt, von Epiros
aus nicht. In unserem Falle ist er noch durch die Erwähnung von Äginion
speziell festgestellt, welches mit Phaloria zusammen die erste von Flamininus
berührte thessalische Stadt war (Liv. 32, 15, 1. 4). Äginions Lage auf dem Platze
des heutigen Kalabakka (Stagi) steht fest (Bursian I 14, 1). Phaloria ist mit
Philippson unmittelbar gegenüber auf der anderen Talseite, nicht wie Bursian
(I 49) annimmt, zwei Stunden südlich zu suchen. Sonst würde sich nicht erklären,
dafs Flamininus es zuerst bestürmt. Leakes Annahme, dafs die Römer durch
Zagorien nach Greveno, also über den Pafs von Milia nach Makedonien und von
da zurück nach Thessalien marschiert seien (IV 528), ist vollkommen unmöglich.
Den Weg hat schon richtig angegeben Niese II 613, 2, aber ihn dabei ohne Grund
als nicht sicher bezeichnet,
56 Der zweite Makedonische Krieg.
beorderten Getreideflotte. Sie wurde erreicht, indem der Konsul
von der Stadt Gomphi quer durch den südlichen Pindos über den
Fafs von Musaki und Knisowo Detachements nach Ambrakia ent-
sandte, welche die Proviantkolonnen nach Thessalien zu geleiten
hatten. Nach etwa halbmonatlicher Abwesenheit vom Lager konnten
die Kolonnen zurück sein1), und nun brach der Konsul ungesäumt
in der Richtung nach Larissa und dem Tempetale hin auf (Liv. 32, 15,8).
Die erste Stadt, welche ihm hier energischen Widerstand ent-
gegensetzte, war die Stadt Atrax. Fünfzehn Kilometer oberhalb
Larissa an der Pafsenge Kalamaki gelegen2), beherrschte sie einen
der Zugänge, welche von Thessalien aus nach Perrhäbien und von
da über den Pafs von Portäs nach Makedonien hineinführen. Da
sie mit starker Besatzung versehen war, mochte ihr Besitz dem
römischen Feldherrn eine unumgängliche Vorbedingung für weitere
Fortschritte bedünken, sei es, dafs er zur Belagerung von Larissa
schreiten, sei es, dafs er die Expedition ins eigentliche Makedonien
hinein vorbereiten wollte.
Aber hier ist seinen Fortschritten für diesen Sommer Halt
geboten worden. Die Stadt wehrte sich so zäh, die Makedonier
verstanden es, selbst nachdem Bresche gelegt war, sich mit ihrer
Phalanx so glücklich in derselben zu verteidigen, dafs Flamininus
bei der vorgerückten Jahreszeit — man mochte schon im Oktober stehen
(Beilage II S. 109) — die Belagerung aufgab und sich nach Griechen-
land zurückzog, wo er die Landschaft Phokis, die noch zu Philipp
hielt, unterwarf und hier in unmittelbarer Nähe seiner nach Antikyra
verlegten Proviantflottenstation die Winterquartiere bezog3).
Wie es ihm gelungen ist, in diplomatischer Arbeit während
dieser Zeit fast ganz Griechenland auf seine Seite zu ziehen, das
zu erzählen, ist hier nicht der Ort. Genug, dafs von nennens-
1) Die Beschreibung des Livius (32, 15, 5): est iter a Gomphis Ambraciam
sicut impeditum ac difficile, ita spatio perbrevi trifft vollkommen zu. Seine
Angabe, dafs „intra paueos dies . . repleta omni rerum copia sunt castra" ist so
wie es im Text geschehen ist zu präzisieren nach Beilage II S. 109 A. 1.
2) Liv. 32, 15, 8: decem ferme milia ab Larissa abest . . sita est urbs super
Peneum amnem. Diese Bestimmung läfst keine andere Lage als die an der
Kalamakienge bei Gunitza zu, wie Leake sie richtig bestimmt hat (III 368). Warum
Lolling den Ort (bei Müller Hdb. III1 S. 149) bei Alifaka 13 Kilometer weiter süd-
westlich angesetzt hat, weifs ich nicht.
3) Liv. 32, 15, 8 f. 17, 4 ff. 18, 1—9.
3. Der Feldzug vom Jahre 197. 57
werten Plätzen einzig die Städte Korinth und Chalkis mit ihren
starken makedonischen Besatzungen sich noch hielten, als er im
Frühling des Jahres 197 mit sicherer Rückendeckung und verstärkt
durch die Hilfstruppen Griechenlands zum entscheidenden Feldzuge
aufbrach ').
3. Der Feldzug vom Jahre 197.
Die Schlacht von Kynoskephalä.
1. Überblick und Kriegsabsichten.
Wenn wir an diesem Wendepunkte einen Augenblick innehalten,
um den bisherigen Gang der Dinge zu überblicken, so nehmen wir
wahr, clafs Philipp sowohl wie die Römer bisher ihrem Kriegsprinzip
durchaus treu geblieben waren.
Hatten letztere durch ihr direktes Vorgehen gegen das Zentrum
von Philipps Landbesitz im ersten Jahre und durch ihren ebenso
direkten Angriff auf Philipps Hauptmacht am Aoos im zweiten einer
möglichst raschen Niederwerfung des Gegners zugestrebt, so hatte
umgekehrt jener sein Verfahren, der Entscheidung auszuweichen und
den Gegner zu ermüden, konsequent festgehalten. Nirgends hatte
er sich in offenem Felde gestellt, wohlgewählte Verteidigungsstellungen
waren in der Ebene von Monastir und bei Banitza so gut wie an
der Wiossa und im Tempetal für sein Verhalten bestimmend gewesen,
und nur gelegentliche kleine Aus- und Überfälle hatten seiner
Defensive jene Aktivität gegeben, die zur guten Verteidigung gehört
ohne ihr den Charakter der Defensive zu nehmen. Wichtige
Provinzen wie Lynkestis und Eordäa, Epiros und Thessalien hatte
der König zeitweilig oder dauernd in die Hand des Gegners fallen
lassen, um nur seiner Operationsweise treu bleiben zu können.
Mit um so gröfserem Erstaunen nehmen wir im Frühling 197
wahr, dafs Philipp die schützenden Pässe am Olymp verläfst und mit
seiner ganzen Kriegsmacht in Thessalien einrückt. Thessalien, das
er als Operationsgebiet im vorigen Jahre bereits aufgegeben, und um
die Beute den Feinden zu schmälern, selbst zum Teil ausgeplündert
hatte, Thessalien, das Land der weiten Ebenen und des reichsten
Ackerbodens, auf dem seine bisherige Kriegsweise keinerlei Unter-
stützung durch Geländehindernisse und Verpflegungsschwierigkeiten
*) Vergl. über diese Ereignisse Nieses Darstellung II 615f.
5g Der zweite Makedonische Krieg.
finden konnte, wird der freiwillig gewählte Schauplatz seiner Operationen.
Er will jetzt selbst eine Entscheidungsschlacht herbeiführen. Das
sagt sein Verhalten so deutlich, dafs es der ausdrücklichen Versicherung
unserer Quellen kaum noch bedurft hätte1).
Es fragt sich, ob der Widerspruch, der hier vorzuliegen scheint2),
in Wirklichkeit vorhanden, ob Philipp seiner bisherigen Strategie
mit diesem neuen Verfahren untreu geworden ist.
Was hatte doch Philipp mit seiner Defensive im letzten Jahre
eigentlich erreicht? Aus seiner Stellung am Aoos war er mit Verlust
hinausgeworfen, Epiros und Thessalien hatte er, wie es schien, dauernd
verloren; das ganze stolze Gebäude der hellenisch-makedonischen
Symmachie, welches sein Vorgänger Antigonos mit so viel Kunst und
Ausdauer aufgeführt hatte, war über Nacht zusammengestürzt. Was
Philipp in Griechenland und Kleinasien noch besafs, glich den Resten
meerumspülten Landes, die der nächste Sturm wegreifsen mufste.
Philipp war jetzt fast völlig eingekreist, die Hälfte seines Macht-
gebietes verloren, er konnte kaum noch frei atmen. Und auch seine
Mittel in Makedonien selbst gingen auf die Neige3). Man war auf
dem Punkte angekommen, wo eine strikte Fortführung des bisherigen
Systems zur Unmöglichkeit wurde.
Die dauernde Räumung Thessaliens insonderheit hätte dem
Könige eine seiner wirkungsvollsten Waffen, die thessalische Reiterei,
gekostet. Er mufste einen energischen Schlag wagen, um sein altes
Machtgebiet wiederzugewinnen, Thessalien zu halten, Korinth und
Chalkis zu retten, seine Partei in Griechenland wieder ans Ruder zu
bringen, neue Menschen und Geldmittel in die Hand zu bekommen.
Er konnte das Gebiet, aus dem er einen grofsen Teil seiner
Ressourcen zog, nicht dauernd zu sehr zusammenschrumpfen lassen.
Wie Friedrich der Grofse die Schlachten von Leuthen, Rofsbach,
Zorndorf und andere in der zweiten Hälfte des grofsen Krieges um
den Besitz von Schlesien, Sachsen, Brandenburg im Rahmen eines
J) Liv. 33, 6, 3: defungi quam primum et ipse certamine cupiens. Ebenso
Polybios, wenn auch nicht so prägnant. Vergl. unten S. 63 A. 1.
2) Man vergleiche, was darüber S. 5 ff. ausgeführt ist.
3) Pol. XVIII 11, 10: xcem yfjv tiXzigtwv ainoTg (den Makedoniern) ^oQrjyiojv
lyJtdcc7ir]/uEV(ov. Nach den Verlusten der letzten Kriegsjahre mufste Philipp im
Frühling 197 die ältesten und jüngsten Jahrgänge bis zum sechzehnten Jahre
hinab einstellen. Liv. 33, 3, 2 f.
3. Der Feldzug vom Jahre 197, 59
defensiven Kriegssystems offensiv geführt hat, so ist auch Philipp
hier zu einem energischen Offensivstofse übergegangen, in der Absicht
dem Hinschwinden seiner Kräfte Einhalt zu tun, ehe es zu spät war1).
Mit dieser Zweckbestimmung ist sowohl nach der negativen
wie nach der positiven Seite hin ausgedrückt, wie Philipps Verhalten
bei Kynoskephalä aufzufassen ist:
In taktischer Beziehung haben wir allerdings einen Übergang
von der Defensive zur Offensive vor uns, in strategischer aber
durchaus ein Festhalten an der Defensive. Denn die Feldschlacht,
zu der sich Philipp entschlossen hatte, sollte und konnte, selbst
wenn sie siegreich ausfiel, nicht der Anfang zu einer Niederwerfungs-
strategie gegen Kom werden, sondern sie konnte besten Falles
den Zustand zu Beginn des Krieges wieder herstellen und die
Römer vor die Frage stellen, ob sie den Stein des Sisyphos zum
dritten Male den Berg hinaufzurollen beabsichtigten oder ob sie
einen ehrenvollen Frieden gewähren wollten, in der Überzeugung,
dafs die gänzliche Niederwerfung Makedoniens zu bedeutende Opfer
erfordere, und das damit verbundene Hinausziehen des Krieges zu
grofse Gefahren politischer Art in sich berge.
Aber der Stofs ist dem Könige nicht geglückt. Die Blöfse, welche
er sich geben mufste, ihn dem Gegner zu versetzen, ist ihm selber töd-
lich geworden. Der Höhepunkt und das jähe Ende einer offensiven
Kriegsepisode mitten im defensiven Kriegssystem, das ist der Charakter
der Schlacht von Kynoskephalä.
So löst sich nicht nur der scheinbare Widerspruch zwischen
dem Verfahren des Königs in den beiden ersten und dem dritten
Kriegsjahre, sondern nachdem sich uns die taktische Offensive des
Königs als berechtigte Ausführungsform in sein strategisches Defensiv-
system eingeordnet hat, sind zugleich alle etwa auftauchende Zweifel
an der Existenz dieser taktischen Offensive selber beseitigt, und wir
haben bei der Untersuchung über den Feldzug von 197 von der
feststehenden Tatsache auszugehen, dafs hier zwei Offensiven auf-
einander gestofsen sind, eine Tatsache, die, wie sich gleich zeigen
*) Wenn Mommsen die Offensive des Königs damit motiviert, dafs er
Rom. Gesch. I 711 sagt: „Philippos, ungeduldig und zuversichtlich wie er war,
konnte es nicht aushalten, den Feind an der makedonischen Grenze zu erwarten",
so ist damit das persönliche Moment, das natürlich auch mitspielte, gegenüber
den sachlichen Erwägungen doch viel zu sehr in den Vordergrund gerückt.
60 Ucr zweite Makedonische Krieg.
wird, für das Verständnis der Einzelheiten des Feldzuges, sowie im
besonderen für die Bestimmung des Schlachtfeldes selber unerläfslich ist.
2. Beginn des Feldzuges und Bestimmung des
Schlachtfeldes.
Gegen Ende März brach Flamininus von Elatea in Phokis nach
Hierzu Carte
no. 2. I hessahen auf. Er durchzog die Thermopylen, überschritt den
Furkapafs und lagerte nördlich desselben bei Xyniä (am See von
Daukli) längere Zeit, um den Zuzug der ihm von den Ätolern und
anderen griechischen Bundesgenossen versprochenen Hilfstruppen zu er-
warten1). Sein Heer bestand nach deren Eintreffen aus den zwei römi-
schen Legionen und den zugehörigen zwei Alen von rund 22000 Mann
und etwa 2600 Mann griechischer Hilfstruppen zuFufs, ferner aus etwa
2400 Reitern, im ganzen also aus 24 — 25 000 Mann zu Fufs und
2400 Reitern. (Beilage I S. 104.)
Von Xyniä aus rückte der Prokonsul indessen nicht, wie man
erwarten sollte, direkt nach Norden auf der natürlichen Fortsetzung
seiner bisherigen Marschrichtung über Domoko in die südthessalische
Ebene ein, sondern er wandte sich nordöstlich, überstieg das niedrige
Vorland der Othrys und marschierte auf das Phthiotische Theben
am Golfe von Volo, das noch zu Philipp hielt2).
Der Anschlag, die Stadt durch Verrat zu nehmen, mifsglückte
indes, und ohne sich mit der Belagerung aufzuhalten liefs Flamininus
die letzten Vorbereitungen für die feldmarschmäfsige Ausrüstung der
kartrzTouieKaiete Legionen treffen, indem er Schanzpfähle für die Umwallung des Lagers
herstellen und unter die Mannschaften verteilen liefs: er hatte
Nachricht, dafs die Gegner gleichfalls in Thessalien eingerückt und
1) Liv. 33, 3, 7 f.: ab Elatea profectus . . ad Thermopylas pervenit . . Xynias
praegressus. Damit ist die Route über den Furkapafs festgelegt, an dessen Nord-
fufse Xyniä, am See von Daukli lag (Bursian S. 85). Beloch irrt, wenn er die
Römer am Meere entlang marschieren läfst. Griech. Gesch. I 487, 1. Die östliche
Othrys ist für Heere unwegsam. „Alle gröfseren Truppenbewegungen sind hier
ausgeschlossen." v. d. Goltz, Thessal. Krieg, S. 209. — Über die Zeitbestimmungen
s. Beilagen S. 110.
2) Liv. 33, 3, 10. 5, 1. — Der Übergang erfordert nur rund 250 Meter
Steigung. Der See von Dankli liegt 463, der höchste Punkt auf dem Wege über
Gientziki 711 Meter. Es gibt auch noch andere ebenso bequeme Übergänge,
s. Ussing, Reisen. S. 114 f.
3. Der Feldzug vom Jahre 197. Q\
im Anmarsch seien1). Dann ging er eine kleine Strecke nördlich
von Theben vor und schlug 50 Stadien südlich von Pherä sein erstes
kriegsmäfsiges Lager in diesem Feldzuge auf2). Die Örtlichkeit läfst
sich nach der Angabe des Polybios genau bestimmen. Zwei Höhen-
züge ziehen sich hier in westöstlicher Richtung hin, der südliche ein
Ausläufer des Kassidiarigebirges, die sogenannte Ziriagiotische Höhe,
der nördliche ein Ausläufer des Karadagh. Zwischen beiden bleibt
eine kleine Talebene frei, in welcher das kleine Dörfchen Persuphli
liegt. Hier am Nordhange des Ziragiotischen Zuges, 8 bis 9 Kilometer
südlich von Welestino, ist das Lager anzusetzen3). Man hatte, wie
das die römische Lagerkunst liebte, die Höhe hinter sich, Ebene
und Wasser vor sich. Zwischen dem Heere und der Ebene von
Welestino lag nur noch der eine der beiden Hügelrücken.
Die Nachrichten vom Feinde waren zutreffend gewesen. In der
Tat war Philipp gleich auf die erste Kunde vom Einmärsche der
Römer in Thessalien von der Stadt Dion aus, wo er seine Armee
gesammelt und seine Rekruten einexerziert hatte, durch den Tempe-
pafs nach Larissa vorgegangen. (Liv. 33, 3, 6. 6, 3.)
Er hatte 16000 Mann Phalangiten, Peltasten, Thrakier und Illyrier
je 2000 Mann, 1500 Mann andere Söldner und 2000 Reiter, im
ganzen also 23500 Mann zu Fufs und 2000 Reiter (Beilage I S. 102).
Die beiden operierenden Armeen waren einander also fast vollständig
gleich. Auf die weitere Nachricht, dafs die Römer bei Theben ständen,
hatte der König sofort den Vormarsch auf Pherä angetreten4) und
!) Polyb. XVIII 18 (1): Gaqwg tldwg oiv nccQSiötv lg ©nrcdiav. Liv. 33, 5 —
6, 2. — Von hier ab ist die Übersetzung des vollständigen Polybianischen Be-
richtes im Anhange S. 88 ff. gegeben, den man überall da vergleichen möge,
wo der griechische Text nicht in d. A. beigefügt ist.
2) Pol. XVIII 19, 1: anoa/cov Jf 7i£QL ntviy]7.ovxa Gradia rrjg iiov <t3£Qcti(av
nöhcog. Liv. 33, 6, 2 entsprechend sex ferme milia.
3J Welestino liegt genau auf der Stelle des alten Pherä (Bursian I 69.
Lolling, Baedecker S. 225). Von hier bis zum südlichen Talrande der Ebene von
Persuphli sind 7 Kilometer Luftlinie, was bei der zu überwindenden Steigung
von etwa 145 Meter einer Wegelänge von 8 — 9 Kilometern (50 Stadien = 8,87 Kilo-
meter) entspricht. So schon richtig Leake IV 452.
4) Polyb. XVIII 19, 3: nvvdavöutvog rovg Pitifiafovs öTQcaonefeveiv 7isqI ic<g
Grjßag Igdoccg uno rrjg AaQiGOr\g. Livius übersetzt das ungenau und fehlerhaft:
circa Larissam erat rex. certior iam factus Romanum ab Thebis Pheras
movisse ... ducere ad hostem pergit. Natürlich konnte Philipp nicht vom
62 l^el" zweite Makedonische Krieg.
nach einem Wege von etwa 30 Kilometern 30 Stadien von Pherä,
d. h. 5l Kilometer nordöstlich von Welcstino, etwa in der Gegend des
Dorfes Teltiktschi Halt gemacht1).
Das war an demselben Tage geschehen, an welchem Flamininus
bis Persuphli vorgegangen war2); die Armeen standen nur noch drei
Stunden Wegs auseinander. Am folgenden Morgen setzte Philipp
seinen Marsch fort, bis seine Vorhut auf der Pafshöhe der er-
wähnten Hügelkette (etwa 225 Meter üb. Meer) auf eine Erkundungs-
truppe des Gegners stiefs. Man machte beiderseits Halt und schickte
Meldung an die Vorgesetzten. Auf diese Nachricht hin stellte der
König seinen Vormarsch ein und ging wie es scheint in sein altes
Lager zurück3). Die Entscheidung schien unmittelbar bevorzustehen.
Indessen zeigte das Aufklärungsgefecht von Reitern und Leicht-
bewaffneten, welche sich am folgenden Tage nordwestlich von Pherä
trafen4), dafs das Gelände hier für eine offene Feldschlacht nicht ge-
Aufbruch des Flamininus gegen Pherä in Larissa Nachricht erhalten haben und
doch zu gleicher Zeit mit ihm bei Pherä eintreffen. Livius hat nicht überlegt,
dafs die Überbringung der Nachricht, der Aufbruch des makedonischen Heeres
und der Marsch mindestens zwei Tage in Anspruch nahmen. An solchen kleinen
Zügen erkennt man den grofsen Unterschied in der Darstellung des Livius
und des Polybios. An eine selbständige Quelle des Livius ist natürlich nicht
zu denken.
1) Pol. XVIII 19 4: unoöxwv 7zsqI TQuixovTct orudta. Entsprechend Livius
33, G, 4: IV milia fere.
2) Das folgt daraus, dafs das von Flamininus am ersten Tage nach der
Ankunft bei Persuphli {y.aia dt ttjv Iniovoav Pol. XVIII 19, 2 abgeschickte Rekognos-
zierungskorps auf der Pafshöhe mit Philipps am Tage nach der Ankunft bei
Teltiktschi {pno %r\v ico&iv^v ib. 5) vorgehenden Spitze zusammentraf.
3) Diese Bewegung, von der vielleicht in der Lücke Pol. XVIII 19, 8 die Rede
gewesen ist, mufs man deshalb annehmen, weil das Reitergefecht des folgenden
Tages nordwestlich von Pherä stattgefunden hat (s. folg. A.). — Dafs die Stadt
Pherä bei diesen Bewegungen gar keine Rolle spielt, ist auffallend. Die Stadt,
welche im Vorjahre Philipp die Tore geschlossen hatte, scheint sich auch damals
neutral gehalten zu haben. Da sie offenbar beiseite liegen geblieben ist, habe
ich nicht mit Leake (N. G. IV 441) das Lager des Philipp bei Rhisomylo nördlich,
sondern bei Teltiktschi nordwestlich von Welestino angenommen. Die vntQßoXai
des Polybios (XVIII 19, 6) wären dann auch nicht südlich oder südöstlich von Pherä,
zu suchen, wo heutzutage Bahn und Strafse die Höhen überschreiten, sondern
südwestlich oder westlich auf dem Gefechtsfelde der Schlacht von Welestino im
Jahre 1897.
4) Pol. XVIII 19, 10: inl Tade twv ^tgcov cog tiqos ytccQtoaav. Vergl die
Bemerkung von Büttner- Wobst zu der betr. Stelle im Anhange. S. 89 A. 2.
3. Der Feldzug vom Jahre 197. 63
eignet sei. Der starke Anbau in der Nähe der grofsen Stadt, Hecken
und Gärten machten es für freie Entfaltung der Truppen untauglich,
und so beschlofs Philipp, der sich auch hier wiederum durchaus die
Vorhand wahrte, die Gegend zu verlassen und ein offenes Gelände
zu suchen. Die Römer folgten. Am dritten Marschtage kam es zur
Entscheidungsschlacht bei Kynoskephalä.
Wo lag diese Örtlichkeit? Das ist die Frage, deren Beant-
wortung uns zunächst zu beschäftigen haben wird. Denn so leicht
und sicher wie bisher die Lokalisierung der Operationen gewesen
ist, so schwierig und unsicher scheint sie sich für die folgenden Er-
eignisse zu gestalten.
Philipp — so berichtet uns Polybios — rückte in der Richtung
auf Skotussa vor, um in dem fruchtbaren Kornlande dieser Stadt sein
Heer ungestört zu verproviantieren und dann vor Ankunft der Gegner
ein günstiges Schlachtfeld für seine Armee zu suchen1). Er erreichte
am ersten Tage den Flufs Onchestos, am zweiten das nach Lage und
Charakter unbekannte Melambion im Gebiete von Skotussa (vfjg Ixo-
Tovooalag). Flamininus anderseits durchschaute die Absicht des Königs
und brach, um seine Furagierungen zu hindern, gleichfalls ungesäumt
ins Gebiet von Skotussa auf2). Er kam am ersten Tage bis Eretria
und machte am zweiten in der Gegend des Thetideons, im Gebiete
von Pharsalos (vfjg <PaQOaXiag), Halt. Zwischen beiden Heeren lagen
während dieses zweitägigen Marsches bedeutende Erhebungen3),
so dafs sie keine Fühlung miteinander hatten. Am dritten Tage
entspann sich aus einem Begegnungsgefecht auf dieser Hügelkette
die Schlacht von Kynoskephalä4).
Voraussetzung für die Bestimmung des Schlachtfeldes ist es
natürlich, festzustellen, wie dieser berühmte und von Polybios so an-
schaulich geschilderte Parallelmarsch in seinen einzelnen Etappen zu
lokalisieren sei.
Dafs dieser Marsch beider Heere im allgemeinen nach Westen
*) Pol. XVIII 20, 2: i/ioKfto ttjv noQtlav utg ln\ rqv 2xoTovaoav antvöcov ix
Tavirjs Tr\g noXewg lyoö'tdGUG&cu, justcc dt reevra ytvopevog €VTQ8ni]g fotßtiv jonovg
ttQ/ui6£ovTug TctTg kvtov övvd/usGiv.
2) vnoTiTEvGccg zö fxelXov h.ivu ttjv övvctfiiv apee rw <f>ikin7io) Gnzvdwv tiqo-
y.uTuifSiiQcu toj> Iv irj JSxoiovGGcttcc gltov.
5) o%9cov viprjlwv.
4) s. den ganzen Bericht im Anhang S. 89 f.
04 Der zweite Makedonische Krieg-,
gerichtet war, ist ohne weiteres deutlich. Liegt doch sowohl Sko-
tussa, das von Leake richtig am Westabhange des Karadagh eine
halbe Stunde von Supli angesetzt ist1), als auch Pharsalos westlich
von Pherä2).
Aber im einzelnen ist alles unklar, da von Pherä westlich
nicht, wie man nach Polybios' Worten vermuten könnte, eine einzelne
Hügelkette sich hinzieht3), sondern hier ein ganzes, kompliziertes
Hügel- oder vielmehr Bergland liegt. Das ist der sogenannte Kara-
dagh, der höchste Teil jener langgestreckten breiten und keineswegs
unbedeutenden Bodenerhebung, welche in verschiedenen einzelnen,
mehr oder weniger zusammenhängenden Berggruppen vom Busen von
Volo an bis zum mittleren Peneos hin ganz Thessalien in nordwest-
licher Richtung durchquert und es in die beiden grofsen Ebenen von
Larissa einerseit und Pharsalos, Karditza, Trikkala anderseits zer-
legt. Dieser Karadagh hat nun bei einer annähernd kreisrunden
*) N. Gr. IV 454 ff. — Einzelne Tore und der Mauerzug sind auf weite
Strecken erkennbar. Das Halbrund ferner des Theaters am Südabhange und
eine andere längliche Mulde, die ein Stadion gewesen sein könnte, sind noch
deutlich zu sehen. — Übrigens liegt die Stadt nicht am Nordabhange des Kara-
dagh, wie Bursian I 70 angibt, sondern am Westabhange, und nicht eine halbe
Stunde südlich, sondern westlich vom Dorfe Supli.
2J Damit erledigt sich ohne weiteres Pouquevilles Ansicht, der die Schlacht
(IH 68 ff.) am Westabhang des Pelion suchte, und ebenso die von Dodwell (Übers.
v. Sickler II 1, 211) der an die Gegend von Domoko dachte. Richtiger urteilen
Holland, Gell (S. 285), Vaudoncourt (Memoires S. 154. 390. 464), welche die
Schlacht ohne nähere Bestimmung östlich von der Strafse Pharsalos— Larissa ver-
mutet haben.
3) So fafst Ihne (Rom. Gesch. III 43) in der Tat die Sache auf, wenn er
sagt: „Eine niedere Hügelkette, die ,Hundsköpfe' (Kynoskephalä) genannt, zog
sich in der Richtung von Pherä nach Skotussa, und durch diese Hügel vonein-
ander getrennt, marschierten die Makedonier und Römer zwei Tage lang hart
nebeneinander her, ohne sich zu sehen und eine Ahnung zu haben, dafs ein Zu-
sammenstofs fafst unvermeidlich war. Hätte hier ein Hannibal den Römern
entgegengestanden, so wäre ihnen schwerlich das Schicksal des unglücklichen
Flaminius am Trasimenischen See erspart worden. Allein Philipp wufste
weder das Terrain noch die Fahrlässigkeit des römischen Feldherrn zu benutzen,
der trotz seiner zahlreichen vortrefflichen und des Landes kundigen Reiterei die
Fühlung mit dem Feinde ganz verloren hatte und wie ein Blinder umhertappte."
Die Unkenntnis des Geländes hat hier zu einer völlig verfehlten Kritik beider
Heerführer verleitet.
3. Der Feldzug vom Jahre 197. 65
Grundfläche eine Breite und Länge von rund 20 — 25 Kilometer1)
und bildet ein welliges, zum Teil felsiges Bergland mit einer Anzahl
von unregelmäfsig nach verschiedenen Richtungen verlaufenden Tälern
und Bergzügen, deren höchste Spitzen bis zu 525, 600, ja bis zu
850 Metern aufragen.
In ihm ist bisher stets das Schlachtfeld von Kynoskephalä an-
gesetzt worden. Der Urheber dieser Ansicht ist Leake (IV 473 ff.
auch 459 f.) dem, soweit ich sehe, alle Neueren gefolgt sind2).
Philipp — so führt dieser scharfe Beobachter aus — hatte
die Absicht, nördlich um den Karadagh herumzumarschieren. Er
zog daher von seinem Lager bei Pherä nach Nordwesten in der Rich-
tung auf Larissa ab und erreichte am ersten Tage die Gegend von
Ghereli, welches ungefähr 11 Kilometer von Welestino an einem
kleinen, dem Karlasee zuströmenden Flüfschen liegt. Dies Flüfschen
ist ihm daher der Onchestos des Polybios. Am zweiten Tage gelangt
der König bis Dedejani etwa 6 Kilometer von Ghereli, und hier liegt
demzufolge das Melambion des Polybios. Den Weitermarsch um den
Karadagh hindert am dritten Tage der Nebel, und deshalb sendet
der König seine Vorhut direkt in der Richtung Skotussa auf die
Höhen zwischen Supli und Gheremi, wo sich die Schlacht entspinnt.
Denn Flamininus ist nach einem zweitägigen Marsche merkwürdiger-
weise auch gerade in diese Gegend des nördlichen Karadagh ge-
kommen. Er hat zwar seinen Marsch am Südfufse dieses Gebirges
entlang genommen und am ersten Tage das Dorf Tschangli erreicht,
in dessen Nähe sich bedeutende Ruinen einer antiken Stadt befinden,
welche von Leake, ohne Zweifel mit Recht, für die Reste des alten
Eretria erklärt worden sind3); er ist dann am zweiten bis Orman
!) Man kann als Südgrenze des Gebirges die Einsenkung betrachten, welcher
die Bahnlinie Welestino — Pharsalos folgt, also die Linie Eretria — Persuphli; als
Nordende etwa die Gegend von ßektsiler und Hadschi Obasi. Im Osten gehen
die Ausläufer bis in die Nähe von Welestino, im Westen ist die Grenze des
eigentlichen Gebirges, welches sich hier als Hügelland weiter fortsetzt, etwa in
einer Linie anzusetzen, die westlich von Skotussa über Arnautli und Alkani von
Norden nach Süden streicht.
2) Mommsen, R. G. 1711. Ihne, R. G. III 43. Niese, Gesch. d. gr. u. m.
Staaten II 629. Bursian, Geogr. v. Gr. 171. Lolling bei Müller, Hdb. III und
bei Baedeker S. 231. Kiepert, Atlas. Heuzey, Operations S. 126 f.
3) a. a. 0. S.466. So auch 0. Kern, Neue Jahrb. f. klass. Altert. Bd. 13, S. 17
(1904) und Georgiades S. 217. Beschreibung bei Leake, Ussirig (S. 93), Georgiades.
Kromayer, Antike Schlachtfelder. H. 5
Cyß Der zweite Makedonische Krieg.
Magula gekommen, wo das Thetideon von Leake vermutet wird,
aber er ist trotzdem am dritten quer durch den Karadagh fast in
der entgegengesetzten Marschrichtung zwölf Kilometer weit über Berg
und Tal marschiert, nur, wie es scheint, um in dem felsigsten und
ungeeignetsten Teile des ganzen Gebirges mit Philipp zum Schlagen
zu kommen.
Es ist kaum nötig, an dieser Ansetzung Leakes noch eingehende
Kritik zu üben und ausdrücklich zu bemerken, dafs die Hypothese
vom Marsche um den Karadagh sich auf eine falsche Lesart des
Polybios stützt1), und dafs so winzige Märsche von 6 bis 7 Kilometern,
wie Leake sie für Philipp ansetzt2), mit dem Vorhaben des Königs,
sich dem Gegner zu entziehen und ungestört zu furagieren, in Wider-
spruch stehen, dafs ferner Flamininus die Absicht Philipps, auf Sko-
tussa zu marschieren, unmöglich hätte erraten können, wenn der
König die Route nach Larissa eingeschlagen und am ersten Tage
sein Lager bei Ghereli in der Ebene des Karlasees genommen hätte.
Der gewissenhafte Forscher sagt uns selber, wie er zu allen
diesen Wunderlichkeiten gekommen ist:
„Der felsige Kamm des Karadagh an beiden Seiten von Gheremi
und bis zu den Höhen oberhalb Supli scheint der Kampfplatz ge-
wesen zu sein; denn hier allein" — so meint er — „sind einige
solche felsige Partien zu finden, welche nach Polybios die Aufstellung
der Phalanx hinderten, während der ganze Rücken, welcher das
Tal von Pharsalos von den Ebenen von Krannon und Skotussa trennt,
einen allmählich ansteigenden, sanften und glatten Abhang bildet."
(IV 464).
Die topographische Tatsache, dafs felsige Partien sich nur im
Karadagh finden, ist richtig, aber gerade deshalb Leakes Schlufs,
dafs hier die Schlacht stattgefunden haben müsse, unzutreffend.
Denn Polybios spricht von felsigem Gelände bei der Schlacht von
Kynoskephalä überhaupt nicht, sondern nur von Hügeln, welche
*) Leake las Polyb. XVIII 20 (3) 8: nagtet. Schon Reiske hat hier das
richtige tiqo^i hergestellt, und die neueren Herausgeber sind ihm gefolgt.
2) Auch wenn man Philipps Lager mit Leake bei Risomylo ansetzt, er-
geben sich für den ersten Tag nur etwa 9 Kilometer. Dazu kommt die Unbe-
greiflichkeit, dafs Philipp am ersten in nordwestlicher Richtung auf Ghereli und
am zweiten im rechten Winkel zurück nach Dedejani marschiert sein soll. In-
dessen trifft dafür Leake keine Schuld: seine Karte zeigt, dafs er von der Lage
von Dedejani eine falsche Vorstellung hatte.
3. Der Feldzug vom Jahre 197. 67
in Anbetracht der Schwerfälligkeit der makedonischen Phalanx rauh,
uneben und hinlänglich hoch gewesen seien, um eine Schlacht auf
solchem Gelände zwar unerwünscht, doch nicht unmöglich erscheinen
zu lassen1). Was für eine Art von Gelände wir uns aber vorzu-
stellen haben, wenn auf ihm die Phalanx überhaupt noch operations-
fähig sein soll, das ist ja früher ausführlich erörtert worden (Bd. I,
S. 325), und so brauche ich hier denn nur zu konstatieren, dafs nicht
nur die Felspartien bei Supli und Gheremi ungeeignet sind, sondern
überhaupt das ganze eigentliche Gebirgsland des Karadagh iür
eine Phalanxschlacht überhaupt nicht in Betracht kommen kann2).
Damit fällt Leakes Hypothese. Wir müssen eine andere Ansetzung
suchen.
Auch für uns müssen natürlich die Stellungen der Heere bei
Welestino den Ausgangspunkt bilden. Von hier aus wollten beide,
wie erwähnt, in das Korn 1 and von Skotussa. Wo ist das zu
suchen? Im Karadagh nicht. Denn abgesehen von dessen höherer
Lage ist hier der Boden fast überall steinig, sandig und mager
Er ist jetzt mit spärlichem Gestrüpp, Wald und Wiesen bedeckt und
kann nie ein gutes Kornland gewesen sein °).
2) Pol. XVIII 22 (5), 9: ol . . Xoifoi xaXovvrai fikv Kwbg Ketfalai, tqcc%hs <T
alalv xcu 7TSQiy.£xlttGU£vcti xai nqbg vipog Ixavbv avarsivorreg. Daher findet Philipp
zwar die Örtlichkeit nicht gerade günstig (ovx evdoxov/jfvog rotg ronoig) und
sieht Schwierigkeiten für die Phalanx voraus (nQooQw/utyog ir\v ^ua^Q^aTiav idv
lönuiv), aber er schätzt diese Hindernisse nicht so hoch ein, dafs sie die Tätigkeit
der Phalanx unmöglich machten, und sie waren es in der Tat nicht, wie ja der
Verlauf der Schlacht zeigt. Speziell das Wort neQixexlctGjLitvog, welches vielleicht
die Idee eines felsigen Geländes erwecken könnte, wird von Polybios einfach für
„uneben" gebraucht. So heifst es z. B. IX 26, 7 (21, 7), dafs Städte die
ßouiojöeig und neQixexXao/usvai seien, nicht mehr Häuser fassen könnten, als Ini-
nidai derselben Gröfse, wo nur an „welliges" Terrain im Gegensatz zu ebenem
gedacht werden kann, weil „zerifsenes" Gelände in diesem Zusammenhang ohne
Sinn wäre. Ähnlich ist III 104, 4 bei den Kämpfen von Gerunium die Rede von Hügeln,
welche nolkctg nfQixkdaeig xal xoiloirjTccg haben und daher für einen Hinterhalt
von mehreren tausend Mann geeignet sind. Auch hier handelt es sich um Boden-
faltungen, nicht um schroffe Abstürze.
2) Wohl im Gefühle dieser Ungereimtheit spricht deshalb Mommsen von
einem „Plateau des Karadagh" als Sshlachtfeld (R. G. I 711). Das gibt es
aber nicht.
3) So auch schon Leake, N. Gr. IV 454 und 464. Er ritt von Skotussa
südöstlich nach Duvlatan. Ich bin von Alkani am Westfufse des Karadagh quer
durch das Gebirge über Supli nach Welestino geritten.
5*
(jg Der zweite Makedonische Krieg.
Ganz anders aber wird die Gegend westlich von Skotussa. In
prächtig sicherer Lage auf einem kleinen Plateau, das wie eine
Halbinsel auf drei Seiten von zwei sich vereinigenden Tälern umfafst
wird, liegt diese Stadt am Westabhange des Gebirges gerade da, wo
sich die steileren Berge zum flacheren Hügelland absenken. Ihr
Gebiet mufs von dieser Waldgrenze an weit nach Westen in das
Hügelland hineingereicht haben. Denn die nächste Nachbarin Krannon
lag 28 Kilometer entfernt. Und hier ist es eben, wo sich der fetteste
und fruchtbarste Boden auszubreiten beginnt. Die Gegend westlich
vom Karadagh also war das nächste Marschziel beider Heere. Zu
ihr führen nun von Welestino aus zwei Wege.
Der eine geht am Südabhange des Gebirges hin und folgt der
breiten und bequemen Senkung, die jetzt von der Eisenbahn benutzt
wird und in die Ebene des Kutschuk-Tschanarli, des alten Enipeus,
mündet. Das war der gegebene Weg für Flamininus, der ja sein
Lager bereits in dieser selben Senke aufgeschlagen hatte (S. 61).
Der andere führt mitten durch den Karadagh. Denn auch hier
zieht sich, nordwestlich von Welestino beginnend eine starke Boden-
senkung gerade auf Skotussa zu, die das ganze Gebirge in eine nörd-
liche und südliche Hälfte teilt. Sie war der natürliche Weg für ein
Heer, das von Pherä nach Skotussa wollte, und bietet so gut wie keine
militärischen Schwierigkeiten. Die Karten geben diese Senke mangelhaft
an. Der Weg führt bei dem kleinen Dorfe Taktalasman ins Gebirge
hinein, geht am Kawaki entlang, einem Flufsbette, das ich selbst im
April, als ich den Weg ritt, vollkommen trocken fand, hebt sich
ganz allmählich steigend in einem fast durchgängig 200 Meter breiten
Wiesental und erreicht in 31 bis 4 Stunden von Welestino aus eine
Pafshöhe, die nur 309 Meter über der Ebene gelegen1) und noch
eine kleine Stunde von Skotussa entfernt ist2). Dann senkt sich der
Weg wieder und erreicht, das Dorf Supli rechts lassend, das einzige
Gewässer in dieser Gegend, welches auf den Namen eines Flusses
allenfalls Anspruch machen kann. Es ist das der kleine Bach, welcher
1) Nach meiner Barometerbeobachtung. Da die Höhe der Ebene bei
Welestino nach der österr. Karte 80 Meter beträgt, würde sich eine absolute Höhe
von 389 Meter ergeben.
2) Man kann auch etwas südlicher über Gheremi oder nördlicher über
Dedejani in anderen Tälchen reiten. Alle Wege treffen aber auf der Pafshöhe kurz
vor Supli zusammen.
3. Der Feldzug vom Jahre 197, 69
bei Supli entspringend, in westlicher Richtung abfliefst und nördlich von
Skotussa die tief eingerissene Schlucht bildet, welche das Stadtplateau
begrenzt. Durch mehrere kleine Rinnsale verstärkt, wird er dann
unterhalb der Stadt zu einem kleinen Flüfschen, dessen Ufer von
Reihen knorriger alter Platanen begleitet sind. Bei Kusbasan ist er
stark genug, einige Mühlen zu treiben (Leake IV 454), und in nord-
östlichem Laufe erreicht er endlich von hier aus den Karlasee.
Dies mufs der Onchestosflufs des Polybios sein. Es findet sich
hier kein anderes Wasser, welches diesen Namen getragen haben
könnte, und hier in der Gegend nördlich oder nordwestlich von
Skotussa selber ist daher das zweite Lager des Königs Philipp anzu-
setzen. Vom Lager der Makedonier bei Pherä bis hierher sind etwa
20 Kilometer, also für eine Armee von gegen 30000 Mann und durch
doch immerhin gebirgiges Gelände eine normale Tagesleistung1).
Damit hatte der König in einem Marsch die Grenze desjenigen
Gebietes erreicht, in welchem er ungestört furagieren wollte. Ein
Halt im Gebirge hätte nicht den geringsten Zweck gehabt.
Mit dieser Feststellung haben wir zugleich die östliche Grenze
für das Gebiet gefunden, in dem das Schlachtfeld gelegen haben
mufs, eine Linie, welche westlich an Skotussa vorbei von Norden
nach Süden etwa über die Flecken Arnautli und Alkani läuft. Denn
der Marsch des folgenden Tages mufste natürlich den König noch
weiter westlich in das Getreideland hineinführen. Wie weit, ist zu-
nächst schwer zu sagen, da über die Lage des Melambions, des
Marschzieles des zweiten Tages, nichts bekannt ist.
Indessen führt uns eine genaue geographisch-militärische Be-
trachtung hier vielleicht doch auch zum gewünschten Ziele.
Wer von den Bergen bei Skotussa in die Hügellandschaft hinab-
steigt, dem bietet sich ein Anblick, wie man ihn in Griechenland nicht
häufig findet. Wie ein flachgewölbter Sattel von durchschnittlich 8 Kilo-
meter Breite und etwa 15 Kilometer Länge zieht sich von den Höhen des
Karadagh im Osten zu den steinigen Bergen des Mavrovuni (568 Meter)
und des südwestlich anstofsenden Doghandschi (651 Meter) im Westen
hinüber ein flaches Hügelland, erst langsam sinkend bis zum tiefsten
') 15 bis 20 Kilometer gelten bei den meisten europäischen Staaten als
Normalleistung für ein Armeekorps, s. m. Partherzug des Antonius, Hermes 31
S. 97, wo die bezüglichen Angaben zusammengestellt sind.
7() Der zweite Makedonische Krieg.
Tunkte in der Mitte, dann sich wieder hebend, nach Norden all-
mählich in die Ebene von Larissa, nach Süden in die von Pharsalos
übergehend. Keine schroffe Felsmasse hält hier den Blick auf, der
an den langen Linien mit Wohlgefallen hingleiten kann, wenn er,
ermüdet von Griechenlands krausen Felsgebirgen, einmal ausruhen
möchte auf hemmnislosen Flächen.
Man könnte sich hier in das lothringische Hügelland versetzt
glauben: wie dort wogende Ährenfelder, die aus schwerem Lehm-
boden ihre Nahrung ziehen, wie dort sanft gewellte, einförmige
Rücken ohne stark ausgeprägte Hauptrichtung, nur durchzogen
von leichten Talfurchen, die sich nach allen Seiten hin zwischen den
breiten, geneigten Flächen hinschlängeln, meist aber eine nördliche
oder südliche Richtung haben, je nachdem sie zur Ebene von Larissa
oder Pharsalos hinabführen. Diese Erosionstälchen, welche sich ali-
mählich bis an den Kamm zurückgefressen haben, sind schuld daran,
dafs der letztere nicht wie eine gerade fortlaufende Linie erscheint,
sondern dafs einzelne stehengebliebene Kuppen und Rücken über ihn
hinausragen. Die ganze so geschilderte Einsattelung mit Ein-
schlufs der begrenzenden Gebirge des Karadagh und der Mavrovunia
waren die Kynoskephalä der Alten. Im Sattellande selbst aber haben
wir das Schlachtfeld zu suchen. Nicht nur pafst es seinem all-
gemeinen Charakter nach durchaus zu den erzählten Vorgängen ]), son-
dern auch die Westgrenze für die Bestimmung desselben kann nicht
darüber hinausgerückt werden. Die Schlacht wurde noch auf dem
Stadtgebiet von Skotussa geschlagen2), und die Mavrovunigruppe liegt
nur noch 6 Kilometer von Krannon, der mächtigeren Nachbarin
Skotussas, entfernt, während sie von Skotussa selbst einen Abstand
') Sehr richtig hat schon Beaujour (Voyage militaire dans Pempire Othoman
1829 I 173) dies Hügelland charakterisiert, wenn er sagt: nulle part on ne voit
pas des plis de terrain plus faciles ni plus doux, und dann hinzufügt: deux armees
qui s'observent peuvent y cacher tous leurs mouvements et la nature n'a dans
aueun autre lieu du monde dispose un champ de bataille avec plus d'art. Diese
Natur der Gegend kam eben bei den Märschen der beiden Heere vor der Schlacht
zur vollen Einwirkung.
2) Strabo IX 5, 20. C. 441 : eöti J5 h rrj Zxorovaay /(oqiov ti Kvvog xafaltu
y.aXüv/usvov, neol o ol 'Ptojucuot . . . Ivixcov. Plut. Flam. 7: nfQt rrv Zy.oTovoauiav . .
diay.ivSvvtvHV tfizXkov. Polyb. XVIII 20(3) 6: tu MeXäfxßiuv . . rrjg ZxoTovaaatag.
Von da war das Schlachtfeld nur ßoa^w totiov (§ 9) entfernt.
3. Der Feldzug vom Jahre 197. 71
von 18 Kilometern hatte. Sie bildet daher die äufserste zulässige
Westgrenze für das Gebiet dieser Stadt1).
So engt sich uns der Raum, in welchem wir das Schlachtfeld
zu suchen haben, beträchtlich ein. Er liegt auf dem Kamm der
Hügelkette, zwischen den Hängen des Karadagh westlich von Skotussa
einerseits und Östlich der Mavrovunia anderseits, d. h. auf einer Linie
von 15—20 Kilometer west-östlicher Erstreckung2).
Aber die Ausdehnung dieser Linie kann noch weiter verkürzt
werden. Wir haben vorhin (S. 63) gesehen, dafs der König die
Absicht hatte, passendes Gelände für eine offene Feldschlacht zu
suchen, d.h. dafs er eine Ebene erreichen wollte, die nicht nur für
seine Phalanx, sondern ebensosehr für seine mit dem Choc angreifende
thessalisch-makedonische Reiterei die einzig günstige Terrainformation
war. Er strebte also danach, so schnell wie möglich das Hügel-
land von Skotussa zu verlassen und in die Ebene von Pharsalos
hinabzugehen 3).
Der Weg dahin führt nun über den niedrigsten Punkt des ge-
schilderten Sattellandes, wo die Strafse von Larissa nach Pharsalos
die Bodenschwellung zwischen den Dörfern Kara-Demirdschi im Norden
und Bairakli im Süden überwindet. Westlich über diesen Punkt
hinauszugehen, hatte für Philipp keinen Sinn. Besonders da sich
unmittelbar jenseits desselben das Hügelland sehr bedeutend hebt und
in dem sogenannten „Hügel des Scheich bei Tekke" die hervor-
ragendste Kuppe des ganzen Sattellandes erreicht; somit verkürzt
sich also für uns die Linie, auf der wir das Schlachtfeld zu suchen
haben, bis auf etwa 8 Kilometer.
Aber hier könnte ein Einwand gemacht werden. Wenn das
Marschziel, welches Philipp am ersten Tage erreichte, nur etwa 8 Kilo-
meter vom Übergangspunkt nach Pharsalos entfernt war, wo bleibt
dann der Raum für den zweiten und dritten Marschtag? —
1) Leake (£V 464) setzt die Grenze zwischen beiden Städten wahrscheinlich
mit Recht sehr viel weiter östlich an, nämlich an der Strafse Pharsalos — Larissa.
Beweisen läfst sich das leider nicht.
2) Über die Bestätigung dieses Resultates durch die Pelopidasschlacht von
Kynoskephalä s. Anhang III.
3) Pol. XVIII 20 (3) 8: xaravioai Gnsvöwv Znl io TTQoxti/ueiov ävat-evtjccg
7igoriu. Vom Hügellande heifst es 22 (5) 10: 7iQooQ(o/uevog . . tt\v ^va/cogiav . .
ov6afj.tug rjQjuo&io TiQog aydiva.
72 Der zweite Makedonische Krieg.
Am zweiten Tage wurde furagiert: das war ja der Zweck, um
dessenwillen« Philipp in das Gebiet von Skotussa gegangen war
(S. 63). Damit ging der Tag hin. Das dritte Lager von Pherä aus
kann also nur ganz wenig von dem zweiten entfernt gewesen sein;
am dritten Tage sollte der Übergang stattfinden, aber Nebel hinderte
den Weitermarsch, und so wurde das vierte Lager wieder ganz in
der Nähe des dritten aufgeschlagen1). Der Raum von etwa 8 Kilo-
metern reicht also unter diesen Umständen aus, er ist aber ander-
seits doch so klein, dafs wir annehmen müssen, Philipp sei am Ende
dieser beiden Märsche bis unmittelbar an den Übergangspunkt
Larissa— Pharsalos herangekommen gewesen. Wir haben daher sein
drittes Lager etwas östlich von dem Dorfe Hadschibey2), sein letztes
vor der Schlacht, etwa zwischen Hadschibey und Karademirdschi
anzusetzen.
Daraus ergibt sich, dafs das Schlachtfeld auf den Höhen un-
mittelbar südlich von Hadschibey, in nächster Nähe der Strafse
Larissa — Pharsalos zu suchen ist. —
Es ist nun noch die Probe auf das Exempel zu machen und
zu fragen, ob die Marschroute des Flamininus sich mit unserem
Resultate vereinigen läfst, und ob das Gelände bei der Strafse Phar-
salos—Larissa sich für die Schlacht eignet.
Flamininus war (S. 68) von Persuphli aus in der Bodensenke
südlich vom Karadagh nach Westen marschiert und hatte am ersten
Tage nach Polybios' Angabe die Gegend von Eretria in der Nähe
des heutigen Tschangli erreicht (S. 63. 65). Das sind allerdings
nur etwa 15 Kilometer, aber es ist auch ganz in der Ordnung, dafs
die Römer an diesem Tage keinen gröfseren Marsch gemacht haben.
*) Pol. XVIII 20 (3) 9: ßga^hv tottov diavvffaq. ib. 22(5) 1: aipeixws hv/e
xal nkeiovg inl /oQiokoyiav.
2) Hier wäre also das rätselhafte Melambion des Polybios (S. 63) zu suchen.
Nun findet sich 20 Minuten südöstlich von Hadschibey ein Tumulus, von den Ein-
wohnern Kukurialo genannt (s. die Schlachtkarte), der einzige soweit ich gesehen
habe, auf der Nordseite der Hügelkette; und von einem Tumulus am Tage vor
der Schlacht berichtet Plutarch Flam. 7, dafs er dicht bei dem Lager gelegen habe
— rjv yÜQ ri nokvavdQiov viprjlbv f|w roi) /aQaxog — und Philipp von ihm aus
eine Rede an die Soldaten gehalten habe. Vielleicht haben wir daher in dem
Tumulus Kukurialo den Tumulus des Plutarch und zugleich das Melambion des
Polybios zu erblicken. Dann wäre der Platz von Philipps drittem Lager genau
lokalisiert.
3. Der Feldzug vom Jahre 197. 73
Denn Flamininus brach erst auf, nachdem er erkundet hatte, dafs
Philipp auf Skotussa marschiere (S. 63 A. 3), und das konnte man
erst vermuten, nachdem man die Kolonnen der Makedonier im Kara-
dagh hatte verschwinden sehen. Der Aufbruch kann daher erst
gegen Mittag erfolgt sein , und wir haben in dem Marsch bis
Tschangli eine ganz entsprechende Leistung vor uns.
Der zweite Marschtag führte dann die Römer in die Gegend
des Thetideons (jzgqI tö Ssviöeiov).
Es scheint sehr wahrscheinlich, dafs die von Heuzey zwischen
Alkani und Bekides am Südwestabhange des Karadagh aufgefundenen
Reste einer bedeutenden Tempelanlage die Trümmer des Thetideons
sind1). Aber damit ist nicht gesagt, dafs wir das dritte Lager der
Römer auch genau an dieser Stelle ansetzen müssen. Der Tempel,
welcher nach den gefundenen Säulentrommeln zu urteilen eine sehr
beträchtliche Höhe hatte und an beherrschender Stelle stand, mufste
weithin in der Gegend sichtbar sein. In Ermangelung von Städten,
die hier in unmittelbarer Nähe nicht lagen, war er zur Orientierung
und Bezeichnung seiner ganzen Umgebung am besten geeignet.
Es ist daher kein Widerspruch mit Polybios, wenn wir das
dritte Lager eine kleine Stunde westlich vom Thetideon annehmen,
in der Nähe der Strafse Larissa— Pharsalos, bis an die man heran-
gegangen sein mochte2), weil der Gegner auf ihr zu erwarten war.
1) Mission archeol. en Macedoine S. 411. — Ein Bedenken gegen Heuzeys
Identifizierung könnte man darin finden, dafs nach Polybios XVIII 20(3) 6 das
Thetideon zum Gebiete von Pharsalos gehörte (t^? <PaQaaUag) und nach Strabo
1X5,6 (C. 431) auch nahe (nkrjOiov) bei Pharsalos lag, während der von Heuzey
gefundene Tempelbezirk nur 5 Kilometer von Skotussa und etwa 13 von Pharsalos
entfernt ist. Aber eine so weite Erstreckung des Stadtgebietes von Pharsalos ist
immerhin möglich, da der Höhenrücken der Kynoskephalä, an deren Südhange
der Tempelbezirk noch liegt, ganz wohl die Grenzscheide gewesen sein kann, und
was den Ausdruck Strabos betrifft, so ist er relativ richtig, da er mit Rücksicht
auf das noch viel entferntere Theben gebraucht ist. Entscheidend für Heuzeys
Ansicht scheint mir aber die Situation bei der Schlacht zwischen Pelopidas und
Alexander von Pherä. Daraus geht nämlich hervor, dafs dieses Schlachtfeld, welches
auf der Südseite der Kynoskephalä, in der Gegend von Lasar Buga anzusetzen ist,
zwischen Pharsalos und dem Thetideon gelegen hat, s. Beilage III.
2) Der Ausdruck vneQßoXai, welchen Polybios dabei für die Römer ge-
braucht: nQoccyovreg wg Inl tüq im^qßolä? (XVIII 21, 2) ist auch sprachlich am
natürlichsten in dem Sinne von „Übergangstelle, Pafs" zu fassen, wie Polybios den
Ausdruck fast durchgehends braucht, z. B.: III 39, 10; 50, 5; IV 11, 5 und sonst.
74
Der zweite Makedonische Krieg.
Ilicr/.u die
Karte Ko. 4.
Die Marschleistung hatte dann die angemessene Gröfse von
gegen 20 Kilometer, und die Koinzidenz mit dem Marsche der Make-
donier ist hergestellt: auf dem Höhenrücken südlich von Hadschibey
und Karademirdschi mufsten die beiden Armeen zusammenstofsen.
Es fragt sich also zum Schlüsse nur noch, ob das Gelände
hier für eine Schlacht zwischen 50000 Mann geeignet ist und ob
es die nach Polybios' Schlachtbeschreibung erforderlichen Eigen-
schaften besitzt.
Wenn man auf der Strafse von Hadschibey eine halbe Stunde
lang in südwestlicher Richtung vorgeht, so erreicht man in langsamer
Steigung den Kamm der Kynoskephalä an einer Stelle, wo fünf
Wege zusammentreffen: zwei von ihnen ziehen sich den Nordhang
der Hügelkette hinab nach Larissa zu, drei folgen dem Südabhange
und erreichen über Bairakli, Lasar Buga und westlich von Bekides
die Ebene von Pharsalos.
In dieser Wegscheide, die uns durch ihre fünffache Spaltung
schon die Wichtigkeit des Punktes vor Augen führt, haben wir den
niedrigsten Übergang über die Kammhöhe vor uns (Punkt 429 der
Karte1)). Eine Umschau von den Hügeln, die sich seitwärts von ihm
erheben, orientiert am schnellsten über das Gelände und belehrt uns,
dafs die Formation der beträchtlich höher ansteigenden Kuppen west-
lich der Strafse nicht die Bedingungen für die in Rede stehende
Feldschlacht bietet, welche, wie aus dem Berichte des Polybios hervor-
geht, auf einem nach allen Seiten hin übersichtlichen Gelände aus-
gefochten ist.
Ganz anders dagegen steht es in dieser Beziehung mit der
Gegend unmittelbar östlich der Strafse.
Wir bemerken, wie sich die Hügelkuppe unmittelbar östlich
des Passes über eine flache Senkung hin nach Osten zu in einem
langen Rücken von fast gleichmäfsiger Höhe fortsetzt (bei Punkt
439 der Karte), der nach einer Erstreckung von etwa 2 Kilometern
allmählich in ein kleines, bei dem Tumulus Kukurialo beginnendes
*) Es gibt aufser diesem noch zwei andere von Larissa nach Pharsalos
führende Übergänge, welche 1| und 3| Kilometer weiter westlich liegen. Ihre
Pafshöhe beträgt 450 bezw. 455 Meter, ist also höher. Für ein von Osten
kommendes Heer lag kein Grund vor diese entfernteren und unbequemeren Über-
gänge zu benutzen.
3. Der Feldzug vom Jahre 197. 75
und von Nordost her tief einscb neidendes Tälchen abfällt. Der
ganze südliche Abhang dieses Hügelrückens — der Kynoskephalä
im engeren Sinne, wie man sagen könnte — bildet eine einzige
ganz langsam sinkende Abdachung, welche bei einer Breite
von 6- bis 800 Metern nur etwa 30 Meter Fall aufweist. Auch die
Längenstreckung dieser Abdachung von West nach Ost bleibt voll-
kommen übersichtlich. Denn trotz ihrer grofsen Ausdehnung hat sie
doch nur eine einzige kleine Terrainfalte, die zu unbedeutend ist,
um auch nur im geringsten den Überblick zu hindern1).
Diese Abdachung geht nun nach Süden unmerklich über in
einen Talboden, der die obere Fortsetzung jenes eben erwähnten
Tälchens von Kukurialo bildet und sich ohne merklich zu steigen
in ostwestlicher Richtung an dem ganzen Fufse der Kynoskephalä
etwa 2| Kilometer lang bis an die Strafse nach Lasar Buga hinzieht.
Den südlichen Rand dieser etwa 3- bis 400 Meter breiten Ebene
bildet eine Terrainerhebung, welche in drei deutlich hervortretenden
Kuppen (die Punkte 426, 429, 427 der Karte) aus dem nach Süden
immer mehr sich zur Ebene von Pharsalos hin verflachenden Hügel-
lande hervortritt. Die östlichste von ihnen, die für das Auge am
stärksten hervortritt und vielleicht künstlich noch etwas erhöht ist,
führt den Namen Mesil-Magula2). Von dieser Hügelreihe ist der
mit ihr parallel laufende Kamm der Kynoskephalä 1| bis 2 Kilometer
entfernt.
So stellt sich uns das ganze betrachtete Gelände dar als eine
grofse flache Mulde von 2 — 3 Kilometer Länge und gegen 2 Kilo-
meter Breite, im Norden überragt und beherrscht von dem zusammen-
hängenden Kamm der Kynoskephalä, dessen Abhang zugleich etwa
die Hälfte des ganzen Gebietes einnimmt, im Süden begleitet von
einer niedrigeren, unzusammenhängenden Hügelreihe, die wenig über
den die Mitte des Ganzen einnehmenden ebenen Talboden hinausragt.
Es leuchtet ein, dafs diese ganze Geländeformation nicht nur
den allgemeinen Erfordernissen für eine antike Schlacht von
50000 Mann, was Gröfse und Bodengestaltung angeht, aufs beste
entspricht (Bd. I S. 317 ff.), sondern dafs die Bedingungen, welche
') Auf der Karte die Falte, in der sich ein von Karademirdschi kommender
Nebenweg hinzieht.
2) Ob wir in ihm das von Antiochos errichtete Massengrab (Liv. 36, 8, 5)
vor uns haben, könnte nur eine Nachgrabung entscheiden.
7(5 Der zweite Makedonische Krieg.
der Schlacbtbericht des Polybios speziell für Kynoskephalä erfordert,
hier vollkommen gegeben sind. Der Höhenrücken der Kynoskephalä
ist derjenige, auf welchem sich der makedonische Aufmarsch voll-
zogen hat. Er besitzt die erforderliche Länge für eine Armee Von
26000 Mann und die erforderliche ostwestliche Richtung für eine
mit der Front nach Süden stehende Armee. Von seinem Kamm
konnte man das römische Lager, welches auf der Südseite des Tal-
bodens anzusetzen ist, und die dicht davor stattfindende Reiterschlacht
überblicken, wie das nach Polybios der Fall sein mufs1).
Der Südabhang ferner der Kynoskephalä bietet mit seinen
6- bis 800 Metern Breite einerseits einen genügenden Raum, um das
von Polybios so anschaulich geschilderte Hin- und Herwogen der
Reiterschlacht zu ermöglichen2) und später der römischen Legion,
welche durch den Stofs der Phalanx von der Spitze des Kammes
weiter und weiter talab gedrängt wird, genügenden Raum zum
Weichen zu geben3), und anderseits ist er doch wiederum nicht
ausgedehnter als der Schlachtbericht es verlangt, so dafs es sich
vollkommen erklärt, wie bei Philipps Eintreffen auf der Höhe das
Gefecht der Leichten und Reiter am Fufse des Berges dicht beim
römischen Lager spielen konnte (s. A. 1) und doch, ehe der
König den Aufmarsch seines nur 10000 Mann starken Phalanxflügels
beendet hatte, wiederum bis an den Kamm der Höhen zurückgerollt
war4). Dabei ist die Neigung des Hanges eine so gelinde, dafs es
*) Pol. XVIII 24 (7) 6: 6 d« ßctüiteug iv fitv raTg ccQ^alg ots 7zctQ6yev£To (auf
die Höhe) detootiv ov {tax gär rifc tcov nokt/LiLcav nage/u ßoXijg OvV60tcotc( tov
tcov evCcövcov xivSvvov.
2) Die Römer werden erst von den Höhen verdrängt, dann heifst es, die Make-
donier ngoaecpvyov ngbg ruug üxgovg (XVIII 21 (4) 10), dann wieder (ib. 22 (5) 3:
rovg P(o/uaiovg r\lavvov Ix {.leinßolrjg ceno tcov cixgcov, wobei die Römer nicht auf
einmal den ganzen Hang hinuntergetrieben werden, sondern infolge des wieder
und wieder erfolgten Frontmachens der ätolischen Reiter nur langsam weichen
(ovxzti ovvrjlciod-rjGav ecog tig rovg Imnedovg xönovg, ßgct%v i? c\noö%6vTsg ix [ASTct-
ßolrjg €OTt]Oav.) All das setzt einen Raum von mehreren hundert Metern Breite
voraus; weshalb denn auch von den Makedonen bemerkt wird, dafs sie die Römer
nolv . . inl &üt£qu /utgr] tcov Xocfcov zurückgedrängt hätten (24, 3).
3) inl noda noiov/uevovg xr\v ö.vaycögr\aiv (25, 4).
4) €T0 tf* 7TC(08jUßcxlX0VT0g CCVTOV TCC dstjltt fiSQT] TT]g OTQCtTL(7g 7lttQr]CUV Ol
[Mofroqogoi ntsCov/nevoc xcctcc xgdrog vnb tcov noXsuicov (XVIFI 24, 4) und ferner:
ytvofAevcvv öl tovtcov xctl twv noXt/m'cov iv yjoolv ovtcov (24, 9). — Es wurde hier
3. Der Feldzug vom Jahre 197. 77
begreiflich wird, wie sich auf ihm die Reiterei tummeln, wie Flamininus
den Sturm wagen konnte, obgleich die feindliche Phalanx drohend
die Höhe besetzt hielt1), wie er dazu kam, diesen Kampf sogar als
einen Kampf auf gleichem Felde zu bezeichnen2). Endlich besitzt
der ganze Abhang in seiner Längenausdehnung von West nach Ost
die Übersichtlichkeit, welche in dem Schlachtbericht vorausgesetzt
wird, wenn es heifst, dafs ein Tribun auf dem rechten Flügel von
halber Höhe des Abhanges aus die Not des linken erkannte3), und
dafs anderseits Philipp von der entgegengesetzten Seite her gleichfalls
das ganze Schlachtfeld überschauen und die Niederlage seiner Truppen
auf der östlichen Seite des Gefechtsfeldes erkennen konnte4). —
Zu all diesen Übereinstimmungen kommt aber als markanteste
Koinzidenz von Bericht und Gelände die Existenz des Talbodens
südlich vom Hange der Kynoskephalä und die Hebung des Geländes
jenseits von ihm. Denn gerade diese beiden Formationen erwähnt
die Schilderung des Polybios teils ausdrücklich, teils setzt sie sie
voraus: Die römische Reiterei wird den Hang hinab fast bis in das
ebene Gelände — so heifst es ausdrücklich5) — zurückgedrängt,
nur die Hälfte der Phalanx formiert (to daSibv psnog oder xigag, vergl. Älian-
Arrian IX 9), die Philipp gesammelt vom Lager mitgenommeil hatte (24, 1.4).
Also 8000 Manu, dazu die 2000 Peltasten, s. Beilage I S. 102.
1) Der Steigungswinkel beträgt noch nicht ganz 3°. Wie grofse Schwierig-
keiten im Altertum einem Angriff bergauf entgegenstanden, und wie enge
Grenzen einem solchen daher gesteckt sind, ist Band I S. 335 bei der Erörterung
über das Relief des antiken Schlachtfeldes auseinandergesetzt.
2) Pol. XVIII 23, 5 bezeichnet Flamininus die Römer als /uülovrag ig Xoov
noLeiodat, rov xivdwov, im Gegensatze zu den Kämpfen von Eordäa und am Aoos,
wo die Gegner schwer ersteigliche Höhenstellungen innegehabt hätten.
3j Pol. XVUI 26 (3): dt(OQ(üV yctQ zovg neol ibv tpikmnov IttI noXv
n Qon tniujy.oi ag twv äXXcov xal nit&vvrccg .. to a^Htoov £v(ävv(,iov, anoltTuhv
Toug Inl rov dtl-iov vixdiviag rjörj. — Die Schwenkung geschieht, ehe man auf der
Höhe angekommen ist, denn erst, als die Schwenkenden die makedonische Phalanx
in Verwirrung gebracht haben, sind die anderen Römer des rechten Flügels der
Höhe nahegekommen {roTg äxooig rjör} nQoGTcsXäioving (ib. 26, 8).
4) ib. 26, 7: ßoec/v ytvo/uevog Ix rov xivöüvov . . ouvsOeüosi rä bXa. xcnavor\Gag
Je Tovg cPcotuaiovg xuiu 16 öiajy^ia rov laiov xfywg roig axQOig r\d)] TinoantXü-
Coviag usw.
5) ib. 22, 6: ovxstl ovvrjXaoffrjöav, r£(og dg rovg inine'dovg xönovg. — An die
Ebene von Pharsalos kann hier natürlich nicht gedacht werden. Sie liegt vom
Kamm des Hügellandes überall viel zu weit entfernt. So wird die kleine Ebene
im Hügellande ein Hauptkennzeichen mit für das Schlachtfeld. Denn an keinem
78 Der zweite Makedonische Krieg.
welches am Fufse des Hügels liegt, und von dem römischen Lager
aus beobachtet das ganze Heer mit gespanntester Aufmerksamkeit
den Gang des Treffens1). Man kann also den Abhang des Berges
und den Talboden übersehen, ein Umstand, der sich nur dann erklärt,
wenn man einen etwas erhöhten Standpunkt einnahm, wie ihn eben
der gehobene Südrand des Talbodens in den hier liegenden kleinen
Kuppen darbot.
Das Zusammentreffen aller dieser Einzelheiten mit der Schilderung
des Polybios gerade an der Stelle, wo nach den allgemeinen militärischen
Erwägungen das Schlachtfeld zu suchen ist, läfst, glaube ich, keinen
Zweifel mehr übrig, und so wende ich mich, auf dieser Lokalisierung
fufsend, zur Schilderung der Schlacht selber, indem ich ihr durch
die gewonnene Bodenständigkeit eine gröfsere Anschaulichkeit zu
geben versuche, als der vom Gelände losgelöste Bericht des Polybios
sie bisher gewähren konnte.
3. Die Schlacht2).
Von seinem Lager südöstlich von Hadschibey war der König
trotz des dichten Nebels, der die Gegend verhüllte, am Morgen des
Schlachttages aufgebrochen. Denn es drängte ihn, aus dem für eine
Schlacht ungünstigen Hügellande fortzukommen und die Ebene von
Pharsalos zu erreichen (S. 71).
Aber nur wenige Kilometer weit konnte er seinen Marsch fort-
setzen (S. 72). Der Nebel liefs kaum Hand vor Augen sehen, und
es war gefährlich, bei solchem Tappen im Dunkeln die Kynoskephalä
zu überschreiten, wobei man jeden Augenblick auf den Feind stofsen
konnte. So machte der König denn am Nordfufse derselben, etwa in
dem Wiesentälchen zwischen Hadschibei und Karademirdschi Halt,
kaum 2 Kilometer von der fünffachen Wegscheide entfernt, welche
hier auf dem Übergangspunkte der Strafse Larissa— Pharsalos über
anderen Punkte des ganzen in Betracht kommenden und von mir sorgfältig ab-
gesuchten Gebietes findet sich diese Übereinstimmung mit dem Polybianischen
Bericht so wie hier in der erforderlichen Weise.
M ib. 22, 7: 6 dt Tixog ^fwowj' ov fxörov rovg euCüvovg xctl tovg innsag
iyxtxXixoiag, aXXä dm roiTovg xul rrjv olrjv dvvctfjiiv Im or\^i ivr\v.
2j Polyb. XVIII 20—26. Die Übersetzung der wichtigsten Teile im Anhang.
Der Parallelbericht des Livius braucht nicht berücksichtigt zu werden, da er nur
eine Übersetzung und Überarbeitung des Polybios ist. Auch Plutarchs Bericht
Flam. 8 f. stammt in allem Wesentlichen daher. Nissen 141. 290.
3. Der Feldzug vom Jahre 197. 79
die Hügelkette liegt (S. 74). Eine starke Vorhut von mehreren
hundert Reitern und gegen 1500 Mann zu Fufs1) wurde auf die Höhe
vorangeschickt, den Wegscheidepafs zu besetzen und nach Süden hin
zu beobachten.
Indessen hatte Flamininus die Nacht vor dem Schlachttage in
einem Lager auf oder bei Mesil-Magula zugebracht (S. 76). Die Gegner
waren kaum 3 Kilometer voneinander entfernt. Da er am Morgen
wegen des starken Nebels den Marsch nicht fortsetzen wollte, hatte
auch er nur eine Truppe von etwa 250 Reitern und 1000 Leichten
auf der Strafse nach dem Wegscheidpasse zur Erkundung voraus-
geschickt2). Auf der Höhe traf sie mit dem makedonischen Beobach-
tungskorps zusammen und wurde, da sie weit schwächer war, ge-
worfen. Fünfhundert Reiter, meist Ätoler, und 2000 Mann leichte
Fufstruppen kamen ihnen indessen aus dem nahen römischen Lager un-
verzüglich zu Hilfe, und mit diesem Zuwachs bis auf 3000 Mann zu
Fufs und etwa 700—800 Reiter verstärkt, trieben sie nun ihrerseits
die schwächeren Gegner bis auf die Höhen und brachten sie in
ernste Gefahr3).
Philipp hatte an diesem Tage auf keine Schlacht mehr gerechnet
und deshalb einen grofsen Teil seiner Truppen wieder auf
Furagierungen ausgeschickt (S. 72 A. 1). Aber jetzt traf er mit der
ihm eigenen Energie sofort alle für den schlimmsten Fall nötigen
Mafsregeln. Die ausgesandten Truppen wurden zurückbeordert und
alles im Lager in Bereitschaft gesetzt4). Was an leichten Truppen
zur Verfügung war, wurde sofort zur Unterstützung auf die Höhen
geschickt — es war die ganze thessalische und makedonische Reiterei
') Die Zahlen sind nicht überliefert, ergeben sich aber ungefähr daraus, dafs
diese Truppe den 250 römischen Reitern und 1000 Mann Leichten weit überlegen,
den auf 7—800 Mann Reiterei und 3000 Mann Leichten der Verstärkung dagegen
nicht gewachsen war.
2) Pol. a. a. O. 21, 1: dixa . . ovXafuovg v.cd icov eu£(6v(ov tlg %iXiovg. Zehn
Türmen sind die Legionsreiterei einer Legion, also nach Beilage I S. 104 wohl
auf etwa 250 Mann anzusetzen.
3) Pol. a. a. O. 2!, 5: xotg neql ibvlioyjdctfjov y.al töv EunoXepov AhojXovg
Xal iSvo twv . . xtlictQ/eov i&ns/uiijE justk nEVTcty.oGiiav Innsojv y.cu dto/iXtcov neCcov.
Da die ganze ätolische Reiterei nur 400 Mann betrug (Beilage I S. 102), so können
die 500 nicht lauter Ätoler gewesen sein.
4) Diese Befehle müssen schon damals gegeben sein, sonst hätte nicht nach-
her das ganze Heer zum Abmarsch bereit sein können. Pol. a. a. O. 24, 1.
ftQ Der zweite Makedonische Krieg.
und sämtliche Söldner aufser den Thrakiern — , sodafs jetzt von
makedonischer Seite mindestens etwa 3500 Mann zu Fufs und
1400 Reiter im Gefechte waren1).
Schon hatte sich der Nebel gelichtet, als die Verstärkung die
Höhen erreichte, und nun erst konnte man, zugleich mit dem neu
entbrennenden Kampfe vom römischen Lager bei Mesil-Magula aus,
das ganze Vorterrain überblicken. Man übersah den H— 2 Kilometer
entfernten Hügelkamm der Kynoskephalä, die sanft fallende Abdachung,
den ebenen Talboden am Fufse derselben. Jede Einzelheit des Ge-
fechtes war von so vortrefflichem Standorte aus mit vollkommener
Deutlichkeit zu erkennen: die Abteilungen der Verstärkung, wie sie eine
nach der anderen über dem Kamme sichtbar wurden, das allmähliche
Weichen der eigenen Truppen, die verzweifelte Tapferkeit der
ätolischen Reiter, die hier so recht in ihrem Element, der Übermacht
des Gegners und der Ungunst des Geländes zum Trotze, sich immer
wieder den Feinden entgegenwarfen, den weichenden Truppen für
den Augenblick Luft schafften und doch nicht hindern konnten, dafs
sich der Kampf näher und näher ans Lager heranzog (S. 76 A. 2).
Wir empfinden mit, wie das Heer bei diesem Anblicke in mehr
und mehr wachsende Erregung geraten mufste, und begreifen, dafs
der Konsul, als das Gefecht fast schon im Talboden angekommen
war, seine gesamte Macht hinanzuführen beschlofs (S. 78).
Rechts und links vor dem Lager breiteten sich die langen
Linien der beiden Legionen, der italischen Bundesgenossen und der
griechischen Hilfsvölker aus und besetzten den ganzen Südraud des
Tales, welches sich in einer Länge von 21 Kilometern von Westen
nach Osten ohne merkliche Senkung hinzieht (S. 75) und somit
Platz genug für die Entfaltung der ganzen Streitmacht darbot. Der
Konsul selber begab sich auf den linken Flügel, wohin sich der
') Pol. a. a. 0. 22, 2: 'HQaxXeCSriv . . dg r\yuzo rrjg Qsoocdtxfjg i/itiov, xai
Aiovia ibv icov Mcc/.söovcov InnaQ/riv ^enf/jne, auv de rovioig . . ndvTug rovg
[AioüoyoQovg nVr\v jutv Qgqxcav. Da Philipp im ganzen 2000 Reiter hatte (s. Bei-
lage I S. 102), von denen die Makedonier und Thessalier den Kern bildeten, so wird
man die hier abgeschickte Reiterverstärkung kaum geringer ansetzen dürfen, selbst
-wenn man berücksichtigt, dafs einzelne Abteilungen bei den Furagierungen beteiligt
gewesen sein müssen. Für den linken Flügel bleiben somit nur etwa 600 Reiter
übrig. An Söldnern hatte Philipp aufser 2000 Thrakiern 2000 Tllyrier und 1500
andere Söldner (Beil. f S. 102) also 3500 Mann.
3. Der Feldzug vom Jahre 197. -81
Reiterkampf besonders gezogen hatte und wo seine leichten Truppen,
die unterdes noch mehr zurückgedrängt waren, in Gefahr schwebten,
über den Südrand des Talbodens herüber in das nach Süden hin
steiler abfallende Tal von Lasar Buga hinabgesprengt zu werden.
Der rechteFlügel mit noch etwas ebenerem Gelände vor sich, erhielt
die Elefanten. Er sollte zunächst als Reserve zurückbleiben. Der linke
genügte ja über und über, die Feinde zurückzuwerfen. Ja, es erscheint
wie eine Kraftverschwendung, dafs der Konsul gegen etwa 5000 Mann
leichte Truppen und Reiter seine ganze Armee von 26000 Mann in die
Schlacht führte. Aber Flamininus mochte vermuten, bei seinem Vorstofs
jenseits der Höhen neue Gegner, vielleicht die ganze feindliche Macht zu
finden, und wollte die üble Erfahrung, die er soeben durch Einsetzen
zu weniger Truppen gemacht hatte, nicht ein zweites Mal mit schlim-
merem Erfolge wiederholen. Er handelte nach richtigem militäri-
schen Grundsatz und in richtiger Voraussicht.
Denn in der Tat war von jenseits das ganze feindliche Heer
im Anmarsch, und während in der Nähe des römischen Lagers die
Reiterschlacht tobte, erschien oben auf den Höhen östlich des Weg-
scheidepasses plötzlich die Spitze der makedonischen Phalanx (S. 76).
Der König hatte bei den glücklichen Erfolgen seiner Truppen
seine Bedenken gegen eine Schlacht in dieser Gegend überwunden
und führte selber den rechten Flügel seiner Phalanx, 8000 Mann
stark, dazu 2000 Peltasten in eiligem Marsch auf die Höhen (S. 76
A. 4). Der linke Flügel hatte Befehl, sobald er gesammelt war, zu
folgen. So baute sich denn oben vor den Augen der Römer weiter
und weiter nach rechts sich ausdehnend eine Menschenmauer
auf, die allmählich bis zu 500 Metern Länge und darüber hinaus an-
wuchs. Denn eine jede Abteilung, wie sie die Höhe erreichte, mar-
schierte links auf, dublierte dann ein, so dafs eine Tiefe von 16 Mann
hergestellt wurde, und schlofs sich rechts an die schon stehenden
Abteilungen an1).
Aber die Schlacht im Tale schritt während dessen eiligen
Ganges vorwärts. Eine ganze römische Legion mit ihrer zugeordneten
]) Fol. ib. 24, 3 u. 8: dinlaGiaCtiv to ßdü-og y.cu nvxvovv inl tc de'&ov. —
Die Marschtiefe ist 8 Mann, die Schlachttiefe 16 Mann. Wenn sie einmal er-
höht wird auf 32 Mann, wie bei Sellasia und Magnesia, so wird das besonders
vermerkt.
Kromayer, Antike Schlachtfelder. II. 6
82
Der zweite Makedonische Krieg.
Ala und anderen Auxilien hatte in den Kampf eingegriffen1) und vor
dieser gewaltigen Übermacht von 13000 Mann zu Fufs und etwa
1400 Reitern2) mufsten die makedonischen Truppen den Berghang
hinauf zurückweichen (S. 76).
Philipp jedoch, der von der Höhe aus den Gang des Gefechtes
überblickte und beobachten konnte, wie es sich näher und näher
an ihn heranzog, wartete nur auf den richtigen Augenblick, um einzu-
greifen, In seiner linken Flanke vollzog sich noch immer sein Aufmarsch;
in seiner rechten war, wie es scheint, die Hügelkuppe unmittelbar
östlich von der Pafshöhe noch unbesetzt und somit zwischen ihm
und dem Einschnitt, den die Strafse Larissa— Pharsalos bildet, noch
eine Lücke geblieben. Sie zu füllen und zugleich die aufmarschier-
ten Truppen vor jeder Störung zu wahren, warf er die einzelnen
Abteilungen, wie sie flüchtig zurückfluteten, Reiter- und Fufstruppen
ohne Unterschied auf den genannten Hügel und liefs sie sich hier
sammeln 8).
x) Pol. ib. 23, 7: tw incovv/ua) fxtra raiv 6v£m>(üv tTzrjei ooßaQwg. Damit
scheinen sämtliche griechische Hilfstruppen gemeint zu sein, aufser den 600 Ätolern
zu Fufs, die auf dem andern Flügel standen, S. 84 A. 1.
2) Eine Legion und Ala sind hier rund 11 000 Mann zu Fufs und 1000 Reiter
(Beilage I S. 102). Mit den 3000 Mann zu Fufs und 7—800 Reitern, die schon im
Gefechte standen (S. 79) und den Auxilien, die folgten (s. vor. A.), wäre das sogar
eine Masse von über 15000 Mann gewesen. Die Truppen, welche das Reitergefecht
geführt hatten, werden aber wohl zum grofsen Teil aus dem Verbände dieser
Legion entnommen gewesen sein. Bei den Reitern kommen die 400 Ätoler dazu
(S. 79 A. 1).
3) Pol. XVIII 24, 8: ijdQoi£e näviag kn\ to dt%iöv xeQctg xai rovg ne£ovg xa\
rovg Inniag. Ich setze der Übersichtlichkeit wegen die ganze Schlachtordnung
zusammengefafst her, so wie sie nun zum Schlagen kam:
Schlachtordnung des Philipp.
Rechter Flügel.
Reiterei Leichte Peltasten Phalanx
1400 3500 2000 8000
(S. SO, 1)
(S. 76, 4)
1400 Reiter, 13500 zu Fufs.
Linker Flügel.
Phalanx Thraker Reiterei
8000 2000 600
(S. 84, 2)
"V
10000 zu Fufs, 600 Reiter.
Linker Flügel.
Reiterei und Leichte Ala und Legion
1400 3000 10000
« Y
( (S. 82, 2)
1400 Reitei7^1?000 zu Fufs.""
Schlachtordnung der Römer.
Rechter Flügel.
Legion und Ala Atolerz.F. Elef.u.Reit.
11000 600 1000
(S.84, 1)
' v '
11 600 zu Fufs, 1000 Reiter.
3. Der Feldzug vom Jahre 197. 83
Indessen nahte schon die römische Legion ; die Signale riefen die
letzten noch im Rückzuge kämpfenden leichten Truppen von der Front
zurück. Um die Flügel der Phalanx, rechts und links, zogen sie sich
bei den Makedoniern, durch die Lücken der Manipeln bei den
Römern'), und kaum waren sie verschwunden, so prallten beide
Schlachtreihen in furchtbarem Choc aufeinander2). Keine Über-
flügelung fand statt. Die gleichlangen Linien mafsen sich in einem
einzigen gewaltigen Frontalstofs.
Aber dem Anprall des Lanzenwalles von oben hielt der Römer
nicht stand. Dafs die Reihen nicht gleich ganz geworfen wurden,
mag man ihrer doppelten Reserve zuschreiben, die die Weichenden
aufzunehmen, ihnen neue Widerstandskraft einzuhauchen wufste, mag
man aus ihrer Gewohnheit erklären, überhaupt im Kampfe anfangs
ein wenig zu weichen und den schon siegesfroh vordringenden Gegner
durch die Zähigkeit des Widerstandes erst zu enttäuschen, dann zu
ermatten und endlich zu überwältigen3). Doch hier verfing diese
Taktik nicht gegenüber der unaufhaltsam vordringenden makedonischen
Phalanx. Das Vertrauen, halten zu können, wenn man wollte, schwand;
schon wankten die Reihen ernstlich, schon waren sie hier und da
zerrissen, da verzweifelte Flamininus am Siege dieses Flügels. Er
eilte auf die andere Seite der Schlacht, um hier, wenn möglich, noch
das Geschick des Tages zu wenden.
Und hier war in der Tat nicht nur das numerische Übergewicht
auf Seiten der Römer, sondern auch der taktische Vorteil. Der
vollständig formierte rechte Flügel des Flamininus mit seiner Legion,
seiner Ala, mit der Legionsreiterei, den Ätolern zu Fufs, den Ele-
1) Pol. a. a. 0. 24, 9 heilst es für die Makedonier M6&t] naQayyslfia . . roTg
€v£a)Voig xsqkv] für die Römer: xura de tov ambv xeciobv xal Tiioq degd/utvog dg
t« diccGTrjjuaTa twv Gr]/u<xi(ov rovg nQoxivdwavoviag. Dieser Unterschied in der
Ausführung desselben Manövers ist sehr charakteristisch für die Aufstellungsarfc
beider Heere. Man vergl. die vortrefflichen Bemerkungen über die Treffen- und
Intervalltaktik der Römer in G. Veith's Geschichte der Feldzüge Cäsars, Wien
1906 S. 483.
2) Schilderung bei Polyb. XVlil 25, lff., s. die Übersetzung im Anhange S. 92 f.
3) So schildert Polybius II 33, 7 die Kampfweise der Römer in einer für
ihre Taktik äufserst wichtigen Bemerkung. Flaminius — sagt er — habe in einer
Gallierschlacht durch eine Aufstellung, die kein Zurückweichen zuliefs, die den
Römern eigentümliche Kampfart unmöglich gemacht: diiqdsioe to jfjg 'Pcojuaixrjg
uüy)]q i'diov, ov% vnoleinofxevog xönov nqog ir\v ln\ nodu zeug aneiQaug avci%a)Qr)öLV.
6*
84 Der zweite Makedonische Krieg.
fanten, eine Masse von etwa 1000 Pferden und über 11000 Fufs-
soldaten1), konnte hier zum Angriffe geführt werden gegen 8000 Pha-
langiten , etwa 600 Reiter und bestenfalls 2000 leichtbewaffnete
Thraker2), die noch dazu im Aufmarsche begriffen waren und durch
das sich hier nach Osten zu absenkende Gelände an festem Anein-
anderschliefsen, wie es die Phalanx verlangt, behindert wurden3).
Die einzelnen Abteilungen gerieten schon durch den Stofs der Ele-
fanten in Verwirrung, und was überhaupt bereits den Kamm der
Hügel überschritten hatte4), wich zurück, erst die Hänge hinan und
dann mit den anderen erst anrückenden Truppen zusammen dem
Lager zu. Ganze Abteilungen ergaben sich oder wurden zusammen-
gehauen.
Aber dadurch war der Sieg mitnichten entschieden. Wie so oft bei
antiken Schlachten schien der entgegengesetzte Ausfall des Kampfes
auf den Flügeln eine dritte endgültige Entscheidung nötig zu machen.
Flamininus hat sie weder vorbereitet noch geleitet. Ein gütiges Ge-
schick hat dem Feldherrn den Sieg in den Schofs geworfen, der sich
von Siegesgefühlen zu nichts entscheidender Verfolgung hinreifsen
liefs. Der Kriegstribun, welcher an diesem Tage die rechte römische
Legion kommandierte6), ist es gewesen, der durch eine Schwenkung
*) Dafs die zweite Legion mit ihrer Ala und Reiterei hier stand, versteht
sich von selber; die Elefanten Pol. XVIII 23, 7. 25, 5. Die Ätoler zu Fufs müssen
auf diesem Flügel gestanden haben, weil sie zuerst in das makedonische Lager
einbrachen (Pol. a. a. 0. 27, 4. Plut. Flam. 8). Legion und Ala sind (nach Beilage I
S. 103) 11000 Mann, die Ätoler 600, die Legionsreiter und Alenreiter 1000. Das
ergibt 11600 Mann zu Fufs und 1000 Reiter.
2) Da die Thraker bei dem Reitergefecht auf dem rechten Flügel nicht
anwesend waren (S. 80, A. 1) und auch später hier nicht genannt werden, müssen
sie auf dem linken Flügel gestanden haben oder als Lagerwache im Lager zurück-
geblieben sein. Die Zahl der Reiter ergibt sich aus derselben Anmerkung, die
Zahl der Phalangiten aus S. 76, A. 4.
3) Das meint Polybios (a. a. O. 25, 6) wohl, wenn er sagt oiiie ovorrj-
vcci dvvctfievoi ovte kaßav to trjg (päkayyog löiov a/rj^a diu rag tcSv roniav
övO%£Qttag.
4) Dafs das einzelne Abteilungen schon getan hatten, folgt aus Pol. a. a. O.
26, 8: xcttavorjGctg rovg 'PojfAuiovg xaric rb ditoy/ua . . lols azQotg ijdi] 7iQooneX«Cov-
rag, und a. a. O. 25, 6.
5) Pol. a. a. 0. 26, 9 f.
6) Vergl. Marquardt, V2364. — In unserer Stelle liegt wohl eine Bestäti-
gung der dort aufgestellten Ansicht, dafs die ganze Legion jeweils unter einem
einheitlichen Oberbefehle gestanden hat. Wenn ein Tribun 20 Manipeln zur
3. Der Feldzug vom Jahre 197. 85
seiner Abteilungen die Geschicke der römisch-hellenistischen Welt auf
Jahrhunderte entschieden hat.
Auf dem gröfsten Teile der Osthälfte des Abhanges und schon
lange, ehe man den Kamm ganz erstiegen hat, kann man mit rück-
wärts gewandtem Blick die ganze Abdachung bis zur Pafsstrafse
hin und den ganzen Talboden am Fufse derselben übersehen. (Vergl.
S. 75.) Von hier aus also erkannte der Offizier, dessen Namen eine
neidische Fügung verschweigt, die furchtbare Gefahr des linken
Flügels, und ohne sein erstes Treffen, das in Kampf und Verfolgung
zu stark verwickelt war, zurückzubeordern, nimmt er das zweite und
dritte, die Principes und Triarier seiner Legion zusammen l) und
links sich ziehend und einschwenkend bricht er unvermutet die Höhen
herab der Phalanx des Philipp in den Rücken (S. 77 A. 3). Der
Angriff seiner 3000 Mann2) kam völlig überraschend. Nicht kehrt
zu machen, nicht ein Karree zu formieren, wie es sonst in ähnlicher
Lage die Phalanx wohl getan hat 3), blieb Zeit und Überlegung. Die
Römer waren der Phalanx schon zu nahe auf dem Leibe, und ihr
kurzes Schwert konnte die Blutarbeit beginnen.
Der Sieg war auch auf diesem Flügel entschieden.
Verfügung hatte, werden ihm auch noch die 10 übrigen unterstanden haben.
Denn eine Teilung in 20 und 10 Manipeln zwischen zwei ranggleichen Offizieren
ist nicht sehr wahrscheinlich.
J) Es heifst bei Pol. a. a. 0. 26, 1 nur: orj/uaia$ fywv ov nlsiovg el'xooi. Die
im Text gegebene Deutung, auf welche schon Delbrück hingewiesen hat (Kriegsk.
I 367), ist die wahrscheinlichste.
2) So viel betragen die Principes und Triarier in einer Legion von
5200 Mann, wie Flamininus sie hatte, s. Beilage I S. 103.
3) z. B. bei Magnesia, s. unten.
Anhang I.
Übersetzung des Schlachtberichtes von den Aoospässen.
Liv. 32, 5, 9: Im Anfange des Frühlings schickte er (Philipp)
alle angeworbenen Söldner und leichten Truppen unter Athenagoras
durch Epiros nach Chaonien, um die Engpässe bei Antigonea —
Stena nennen sie die Griechen — zu besetzen. (10) Er selbst folgte
wenige Tage später mit den schweren Truppen und nach einer ein-
gehenden Erkundung der Örtlichkeit hielt er die Stellung am Aoos
für die geeignetste zur Verschanzung. (11) Dieser Flufs fliefst
zwischen zwei Bergen, mit Namen Meropos und Asnaos, in engem
Tale hin und läfst nur eine schmale Strafse oberhalb des Ufers frei . .
Den Asnaos läfst er Athenagoras mit den leichten Truppen besetzen
und befestigen; er selbst schlägt auf dem Meropos sein Lager auf.
(12) Wo die Felsen steil waren, wurden nur kleine Posten auf-
gestellt; wo die Stellung weniger sturmfrei war, liefs er durch Gräben,
Wälle, Türme befestigen. (13) Auch wurde eine grofse Menge von
Wurfmaschinen, um den Feind fern zu halten, an geeigneten Orten
aufgestellt. Das königliche Zelt wurde vorn an dem Walle auf dem
am meisten sichtbaren Hügel aufgeschlagen, um den Feinden Schrecken,
den eigenen Leuten Vertrauen einzuflöfsen . . . [Nach Erzählung der
Verhandlungen mit Flamininus]:
32, 10, 9 : Am folgenden Tage wurden zuerst in Ausfällen von
den einzelnen Kastellen aus in der dazu genügend breiten Ebene
viele kleine Scharmützel geliefert, dann als die königlichen Truppen
sich in enges und steiles Gelände zurückzogen, folgten die Römer in
der Hitze des Gefechts nach. (11) Für sie war die Ordnung, die
Disziplin, die besser deckende Bewaffnung, für den Feind die Örtlich-
Anhang I. Übersetzung des Schlachtberichtes von den Aoospässen. 87
keit, die fast überall auf den Felsen wie auf einer Mauer aufgestellten
Wurfmaschinen günstig. (12) Nach starkem beiderseitigen Verlust
machte die Nacht dem Treffen ein Ende.
[Folgt Erzählung von der Entdeckung des Umgehungspfades
und einem zweitägigen Marsche des Umgehungskorps; dann]:
12, 1: Als die Römer am dritten Tage Feuerzeichen gaben,
dafs sie den gewünschten Berggipfel besetzt hatten, liefs der Konsul
in dreifacher Kolonne ausrücken. In der Mitte des Tales ging er
mit dem Kerne der Truppen vor; den rechten und linken Flügel
läfst er gleichfalls gegen die Verschanzungen vorgehen. (2) Mit der-
selben Energie kommen die Feinde entgegen. Und solange sie,
durch ihren Kampfeseifer fortgerissen, aufserhalb der Schanzen
kämpfen, sind die Römer durch ihre Tapferkeit, Kriegserfahrung und
ihre Bewaffnung überlegen; nachdem die königlichen Truppen sich
in die Schanzen und die von Natur festen Punkte zurückgezogen
hatten, wandte sich die Gefahr gegen die Römer, welche sich tollkühn
in ungünstiges Gelände und für den Rückzug schwierige Engen vor-
gewagt hatten. (4) Und sie hätten sich nicht ungestraft zurückziehen
können, wenn nicht Geschrei vom Rücken her und gleich darauf
der Angriff die königlichen Truppen kopflos vor Schreck gemacht
hätte. (5) Ein Teil von ihnen floh, ein Teil hielt stand, mehr weil
kein Platz zur Flucht war als aus Mut, und wurde nun von vorne
und vom Rücken bedrängt. (6) Das ganze Heer hätte vernichtet
werden können, wenn die Sieger die Fliehenden verfolgt hätten.
(7) Aber die Reiterei wurde durch die Enge und Steilheit des Ge-
ländes, der Fufssoldat durch seine schwere Bewaffnung gehindert.
(8) Der König floh zuerst ohne Ordnung und ohne umzuschauen.
Nach 5 Millien machte er auf einem Hügel Halt, da er nach dem
schwierigen Gelände vermutete, dafs der Feind — wie es tatsächlich
auch war — nicht so schnell folgen könne. Von hier aus schickte
er über alle Berge und Täler Leute, um die Zerstreuten zu sammeln.
(9) Mit Verlust von nicht mehr als 2000 Mann wurde das übrige
Heer vereinigt und setzte seinen Rückzug nach Thessalien fort.
Anhang IL
Übersetzung des Sclilachtberichtes von Kynoskephalä1).
Polybios XVIII 18, 1: Da Titus (Flamininus) nicht in Erfahrung
bringen konnte, wo der Gegner lagere, von seinem Einrücken in
Thessalien aber zuverlässige Nachricht hatte, so liefs er alle Mann-
schaften Schanzpfähle hauen . .
[Folgt 2 — 18, Vergleich des griechischen und römischen Lagers.]
19: Nachdem er dies, dem Bedürfnisse der Lage entsprechend,
hatte in Bereitschaft setzen lassen, ging er mit dem ganzen Heere
langsam vor, und als er etwa 50 Stadien von Pherä entfernt war,
schlug er das Lager (2). Am Morgen des folgenden Tages schickte
er ein Erkundungskorps ab mit dem Auftrage, Stellung und Mafs-
regeln des Feindes in Erfahrung zu bringen. (3) Philipp, der um
dieselbe Zeit Nachricht erhalten hatte, dafs die Römer bei Theben
lagerten, brach mit dem ganzen Heere von Larissa, in der Richtung
auf Pherä zu, auf. (4) Etwa 30 Stadien davon entfernt, schlug er
ein Lager und erteilte allen den Befehl, rechtzeitig für die Pflege
des Körpers zu sorgen; (5) am anderen Morgen liefs er früh antreten,
schickte die gewohnte Vorhut voran mit dem Befehle, die Hügel
oberhalb Pherä zu überschreiten, und brach selber mit dem Heere
bei Tagesanbruch aus dem Lager auf. (6) Fast wären nun die beider-
seits vorgeschickten Korps in der Gegend der Pafshöhe zum Hand-
gemenge gekommen. (7) Denn wegen der Dunkelheit wurden sie
sich erst aus nächster Nähe gewahr, machten Halt, schickten sofort
Meldung an die Heerführer und baten um Verhaltungsmafsregeln.
J) Von der Übersetzung des Livianischen Berichtes ist abgesehen, weil
er selbst nichts als eine flüchtige Übersetzung des Polybianischen ist.
Anhang II. Übersetzung des Schlachtberichtes von Kynoskephalä. 89
[Lücke. Sinn etwa: Diese beschlossen stehen zu bleiben]1) in
den gegenwärtigen Stellungen und auch die Vortruppen zurückzu-
rufen. (9) Am anderen Tage schickten beide gegen 300 Reiter und
300 Leichte auf Erkundung aus, unter ihnen schickte Titus zwei
Abteilungen ätolischer Reiter wegen ihrer Geländebekanntschaft mit.
(10) Die stiefsen diesseits von Pherä in der Richtung nach Larissa
zu in heftigem Gefechte zusammen2). (11) Da aber die Abteilungen
des Ätolers Eupolemos tüchtig draufgingen und auch die Italiker mit
in den Kampf fortrissen, kamen die Makedonier ins Gedränge. (12)
Und an diesem Tage zogen sich beide Teile nach einem langen Ge-
plänkel in ihre Lager zurück.
20: Am folgenden Tage aber brachen beide Heere auf, da ihnen
das Gelände bei Pherä nicht behagte, weil es mit Bäumen bepflanzt
und voll von Hecken und Gärten war. (2) Philipp marschierte in
der Richtung auf Skotussa, in der Absicht, sich aus dieser Stadt zu
verproviantieren und so, wohl versehen, ein für seine Truppen ge-
eignetes Schlachtfeld zu suchen.
(3) Titus aber ahnte seine Absicht und brach deshalb zugleich
mit Philipp auf, um ihm zuvorzukommen und das Getreide im Ge-
biete von Skotussa zu vernichten. (4) Da aber zwischen dem Marsch
beider hohe Hügel lagen, erhielten weder die Römer von der Marsch-
route der Makedonier Kenntnis, noch umgekehrt jene von der der
*) Philipp scheint in sein altes Lager nördlich von Pherä zurückmarschiert
zu sein. Vergl. S. 62 A. 3. Livius 33,6,6 übersetzt nur: et illo quidem die
nulio inito certamine in castra revocati sunt.
2) Zu dieser Übersetzung der handschriftlichen Worte: ol y.ul auju/AigavTeg
inl t« t(ov 4>iQ(JZv (bg nqbg AccQioaetv GvveßaD.ov ix&v/uojg hat Herr Büttner-Wobst
die Freundlichkeit gehabt, mir folgendes mitzuteilen:
Eine andere Deutung läfst der Text nicht zu: es mufs also nach dem
Wortlaute das Vorpostengfecht nordwestlich von Pherä gewesen sein. Allerdings
geben die Handschriften nicht inl rade, sondern nur inl rä; Ursinus schlug inl
i(ov <£>£Q(Sv vor; Reiske schreibt S. 609 : 't« videtur delendum. inl tuv 4>£q(ov
coram Pheris, in oculis oppidi, ant alias leg. inl roTg tcjv <P€qcöv seil, psgeoc roTg
tfiqovaiv (og ngbg ActQiaaav'; Schweighäuser korrigierte inl t«J« twv <p£Q(Ji>v und
dies ist seitdem allgemein angenommen worden. Aber selbst wenn wir alle diese
Verbesserungen verwerfen würden, der Zusatz w? nQog AaQiooav weist mit unab-
weisbarer Deutlichkeit darauf hin, dafs zwischen Pherä und Larissa d. h. nord-
westlich von Pherä das Gefecht gewesen ist. Dafs aber tu? nQog A. heifsen mufs
„in der Richtung nach Larissa" geht aus dem hervor, was ich in Fleckeis. Jahrb.
1889, 149 ff. ausführlich entwickelt habe.
90 l)er zweite Makedonische Krieg.
Kömer. (5) Am Ende dieses Tages lagerte Titus bei dem sogenannten
Orte1) Eretria in Phthiotis, Philipp am Onchestosfiusse, ohne gegen-
seitig von ihren Lagerplätzen Kunde zu haben. (6) Am folgenden
marschierten sie weiter, und Philipp lagerte beim sogenannten Melam-
bion im Gebiete von Skotussa, Titus beim Thetideon im Gebiete
von Pharsalos, ohne das geringste von einander zu wissen. (7) In-
folge Regens und heftiger Gewitter senkte sich am folgenden Morgen
ein so dichter Nebel aus den Wolken auf die Erde herab, dafs man
wegen der herrschenden Finsternis nicht einmal die Hand vor Augen
sehen konnte. (8) Trotzdem brach Philipp, um sein Marschziel mög-
lichst schnell zu erreichen, auf und marschierte mit dem ganzen Heere
weiter. (9) Durch den Nebel auf dem Marsche belästigt, legte er
aber nur eine kurze Strecke zurück, schlug dann ein Lager auf und
schickte seine Vorhut ab mit dem Befehle, den Kamm der zwischen-
liegenden Hügel zu besetzen.
21: Titus, der in seinem Lager beim Thetideon ohne Nach-
richt von der Stellung des Feindes war, schickte 10 Reiterabteilungen
und 1000 Leichte ab mit dem Auftrage, das Land vorsichtig abzu-
suchen. (2) Auf ihrem Vormarsche in der Richtung der Übergänge
stiefsen diese Truppen wegen des nebligen Wetter ohne etwas zu
merken auf die makedonische Vorhut. (3) Im Anfang gerieten beide
Teile einen Augenblick in Verwirrung, bald darauf aber fingen sie
an miteinander zu plänkeln und schickten beiderseits Meldung an
ihre Heerführer. Da aber die Römer im Gefechte von der makedonischen
Vorhut benachteiligt wurden, schickten sie in ihr Lager und baten
um Verstärkung. (5) Titus schickte ihnen die Ätoler Archedamos
und Eupolemos und zwei seiner Militärtribunen mit 500 Reitern und
2000 Fufssoldaten zu. (6) Durch diese Verstärkung erhielt das Ge-
fecht sofort das entgegengesetzte Aussehen. Denn die Römer griffen,
durch die Verstärkung ermutigt, doppelt kräftig an, die Makedonier
wehrten sich zwar tapfer, aber gedrängt und sehr benachteiligt flohen
sie zu der Höhe und schickten zum Könige um Verstärkung.
22: Philipp, der aus den vorerwähnten Ursachen an diesem
Tage keine Entscheidungsschlacht mehr erwartet hatte, hatte einen
ziemlich grofsen Teil seines Heeres auf Furagierung ausgeschickt.
!) Nach Büttner -Wobsts brieflicher Mitteilung sind die Worte „dem so-
genannten Orte" wohl besser zu tilgen.
Anhang II. Übersetzung des Schlachtberichtes von Kynoskephalä. 91
(2) Auf die Meldungen hin jedoch, und da der Nebel sich bereits
lichtete, schickte er Herakleides aus Gyrton, den Befehlshaber der
thessalischen, und Leon, den der makedonischen Reiterei, ferner den
Athenagoras mit allen Söldnern aufser den Thrakiern vor. (3) Als
so den Makedoniern eine gewichtige Schar zu Hilfe kam. gingen
sie zum Angriffe über und jagten die Römer wieder von den Höhen
hinab. (4) Das gröfste Hindernis, die Feinde völlig in die Flucht
zu schlagen, war die Tapferkeit und Verwegenheit der ätolischen
Reiter; denn sie kämpften mit gröfster Kühnheit und Entschlossen-
heit. (5) Je mehr nämlich die Ätoler den anderen Griechen im
Fufskampfe und in rangierter Schlacht nachstehen, sowohl wegen
ihrer Bewaffnung als auch wegen ihrer Aufstellungsart, so sehr über-
treffen sie sie in dem Reiterkampfe in kleinen Abteilungen und Mann
gegen Mann. (6) Deshalb wurden auch damals die Römer, weil jene
den Anprall der Feinde aufhielten, nicht weiter hinabgetrieben bis in
das ebene Gelände, sondern nach kurzem Zurückweichen machten sie
Front und hielten wieder stand. (7) Als jedoch Titus sah, dafs nicht
nur Reiter und Leichte gewichen waren, sondern ihretwegen die
ganze Streitmacht in völliger Aufregung war, führte er das gesamte
Heer heraus und stellte es am Fufse der Hügel in Schlachtordnung.
(8) Zu derselben Zeit kam eiligst Bote auf Bote von der makedoni-
schen Vorhut zu Philipp mit dem Rufe: „König, es fliehen die Feinde;
lafs den günstigen Augenblick nicht vorüber; sie halten uns nicht
stand, die Barbaren; dein ist jetzt der Tag, dein die Stunde!"
(9) Daher liefs sich der König, obwohl das Gelände ihm nicht gefiel,
doch zum Kampfe bestimmen. Denn die erwähnten Hügel — die Kynos-
kephalä — sind rauh, wrellig und ziemlich hoch1). (10) Deshalb war
Philipp, der die Schwierigkeiten des Geländes voraussah, anfangs
auch durchaus nicht zum Kampfe geneigt. Jetzt aber befahl er doch,
durch die Hoffnungsfreudigkeit der Boten bewogen, die Armee aus
dem Lager zu führen.
23 : Durch die Aufstellung seiner gesamten Streitmacht gab Titus
den schon im Gefechte stehenden Truppen einen Rückhalt und sprach
zugleich sein Heer an der Front entlang reitend an. Seine Ansprache
war kurz, aber klar und deutlich. Denn indem er mit dem Finger
auf die leibhaftig vor ihnen stehenden Feinde wies, sagte er zu
i) Vergl. S. 67 A. 1.
<>•_> Der zweite Makedonische Krieg.
seinen Soldaten (3 bis 6 Rede des Flamininus). (7) Nach solcher
Ansprache befahl er, dafs der rechte Flügel mit den davor aufge-
stellten Elefanten an Ort und Stelle bleiben solle; mit dem linken
und den Leichten rückte er stolz gegen den Feind vor. (8) Die römi-
schen Truppen im Gefecht aber griffen mit dieser Stütze im Rücken
den Feind wieder an.
24 : Zu gleicher Zeit war auch vor Philipps Lager der gröfsere
Teil des Heeres aufmarschiert, und der König führte deshalb die
Peltasten und den rechten Flügel der Phalanx selbst in eiligem1)
Marsche die Höhen hinan. (2) Dem Nikanor mit dem Beinamen
„Elefant" gab er Befehl, mit dem Rest womöglich auf dem Fufse zu
folgen. (3) Auf der Höhe angekommen, liefs er sofort links auf-
marschieren und besetzte den Kamm. Denn da seine Vortruppen
die Römer weit auf die andere Seite der Hügel gedrängt hatten,
fand er den Kamm unbesetzt. Wärend er aber noch so seinen rechten
Flügel aufmarschieren liefs, waren die Söldner schon da, mit Macht
zurückgedrängt von den Feinden. (5) Denn da das schwere Fufsvolk
den Leichten der Römer, wie gesagt, zu Hilfe gekommen war und
ihnen beistand, griffen jene von diesem Schwergewicht sozusagen ge-
hoben die Gegner energisch an und brachten ihnen starke Verluste
bei. (6) Im Anfang als der König gekommen war, hatte er zu seiner
Freude den Kampf der Leichten dicht beim feindlichen Lager spielen
sehen. (7) Als er dann aber wieder umgekehrt seine Leute weichen
und unterstützungsbedürftig sah, fühlte er sich gezwungen, Hilfe zu
leisten und, wie die Dinge einmal lagen, eine Entscheidungsschlacht
zu schlagen, obgleich der gröfste Teil seiner Phalanx noch im An-
märsche auf die Hügel war. (8) Er nahm also die fechtenden Truppen
auf, sammelte sie alle, Fufstruppen und Reiter, auf den rechten Flügel
und gab seinen Peltasten und Phalangiten Befehl, nach der Tiefe
einzudublieren und rechts heranzugehen. (9) Als das geschehen war
und die Feinde heranwaren, wurde den Phalangiten Befehl gegeben,
die Lanzen zu fällen und draufzugehen, den Leichten, sich von
der Front an die Flügel zurückzuziehen. (10) In demselben Augen-
blick nahm auch Titus die Leichten in die Lücken der Manipeln auf
und griff an.
25 : Der Zusammenprall geschah mit Macht und gewaltigem Ge-
!) avviovov nach Büttner-Wobst zur Stelle. Hultsch schreibt ovviopog.
Anhang II. Übersetzung des Schlachtberichtes von Kynoskephalä. 93
schrei von beiden Seiten. Denn beide Teile erhoben zugleich den
Kriegsruf, und aufserdem schrien auch die an der Schlacht Un-
beteiligten noch mit, so dafs es ein geradezu fürchterliches und sinn-
betörendes Kampfgetöse war. (2) Der rechte Flügel Philipps schnitt
nun vorzüglich im Kampfe ab, da er von oben her angriff und durch
seine dichte Aufstellung und seine für diese Art Kampf vorzüglichere
Bewaffnung im Übergewicht war. (3) Von dem andern Teilen seines
Heeres dagegen blieben die unmittelbar neben den Kämpfenden
stehenden Truppen entfernt vom Feinde, die aber auf dem linken
Flügel hatten eben erst die Höhen erstiegen und erschienen auf dem
Kamm. (4) Als nun Titus bemerkte, dafs seine Leute den Anprall
der Phalanx nicht aushalten konnten und dafs die Leute des linken
Flügels aus ihrer Stellung gedrängt wurden und teils schon gefallen
waren, teils langsam zurückwichen, dafs dagegen auf dem rechten
Flügel die Siegeshoffnung beruhe, ritt er schnell hinüber. Und als er
hier sah, dafs die an das Gefecht anschliefsenden feindlichen Truppen
[Lücke. Etwa: untätig standen,] andere erst eben von den Hügeln
hinabstiegen, dritte noch oben auf dem Kamm standen, da liefs er die
Manipeln mit den Elefanten vor sich zum Angriff vorgehen. (6) Die
Makedonier aber, welche weder einen einheitlichen Oberbefehl hatten,
noch sich gut in Phalanxformation rangieren konnten wegen des
schwierigen Geländes und weil sie, im Aufmarsche begriffen, nicht in
Schlacht- sondern noch in Marschformation waren, (7) warteten nicht
einmal den Angriff ab, sondern schon durch die Elefanten in Auf-
regung und Unordnung gebracht, flohen sie.
26: Die meisten Römer verfolgten und metzelten sie nieder; (2)
ein Militärtribun aber, der nur 20 Manipeln befehligte und im ent-
scheidenden Augenblicke sah, was not tat, trug viel zur günstigen
Entscheidung des ganzen Kampfes bei. (3) Denn da er bemerkte,
dafs der Flügel Philipps weit vorgedrungen war und ihren linken
durch die Wucht seines Angriffes bedrängte, verliefs er den schon
im entschiedenen Vorteile begriffenen rechten Flügel, schwenkte ein
und fiel den siegreichen Makedoniern in den Rücken. (4) Da aber
die Phalanx untauglich ist, im Kehrt- und im Einzelkampfe zu streiten,
so töteten die Römer alle auf die sie trafen, ohne dafs diese sich
gegenseitig beistehen konnten, (5) bis die Makedonier die Waffen
fortwarfen und flohen, da jetzt auch die Römer die in der Front ge-
wichen waren, wieder kehrt machten und angriffen. (6) Anfangs war
94 Der zweite Makedonische Krieg.
Philipp, wie erwähnt, wegen des Erfolges seines Flügels 'der Über-
zeugung gewesen, er sei überhaupt Sieger. (7) Jetzt aber, als er sah,
dafs die Makedonier plötzlich die Waffen wegwarfen und die Feinde
von hinten her angegriffen hatten, verliefs er einen Augenblick das
Kampfgetümmel mit wenigen Reitern und Fufssoldaten und über-
blickte das ganze Schlachtfeld. (8) Als er nun sah, dafs die Römer
auf der Verfolgung des linken Flügels sich schon dem Kamme
näherten, wandte er sich [Lücke. Etwa: zur Flucht, dabei soviel] Thraker
und Makedonier, wie er nach Lage der Dinge konnte, sammelnd.
(9) Als Titus auf der Verfolgung auf die äufsersten Regimenter des
linken Flügels der Makedonier stiefs, welche eben erst auf dem Kamme
anlangten, und sah, wie sie ihre Sarissen aufgerichtet hatten, was sie
zu tun pflegen, wenn sie sich ergeben oder zum Feinde übergehen wollen,
machte er [Lücke. Etwa: erst unklar, was das bedeute] Halt. (II) Dann
als er erfahren hatte, warum die Makedonier dies täten, wollte er
seine Truppen zurückhalten und die Entmutigten schonen. Während
er das noch erwog, fielen aber einige der Vordersten von oben her
über die Gegner her und töteten die meisten, so dafs nur wenige,
nachdem sie die Waffen fortgeworfen hatten, entkamen.
27: Als so überall der Kampf mit dem Siege der Römer ein
Ende genommen hatte, richtete Philipp seinen Rückzug auf Tempe usw.
Beilage I.
Heeresstärken der Makedonier und Römer im
2. Makedonischen Kriege.
1. Die Feldzüge von 199 und 198.
1. Für die Makedonier haben wir die summarische Angabe, dafs
Philipp im Sommer 199 denRömern in Obermakedonien mit 20000 Mann
zu Fufs und 2000 Reitern gegenübergestanden habe (Liv. 31, 34, 7)1).
Das entspricht der genauer bekannten Stärke seines Heeres bei Kynos-
kephalä, welches aus 23500 Mann zu Fufs und 2000 Reitern bestand
(s. S. 102), und den sonstigen Verhältnissen, und ist daher nicht zu
beanstanden.
2. Für die Römer sind bezeugt zwei Legionen mit den zu-
gehörigen Bundesgenossen.
Die Stärke dieser Legionen wird man nach dem gewöhnlichen
Legionsbestande dieser Zeit in gröfseren Kriegen auf stark 5000 Mann
ansetzen müssen2), was auch ihrem Bestände im Jahre 197, über den
wir genauer unterrichtet sind (S. 103), entspricht. Die zugehörige
Zahl der latinischen Bundesgenossen würde dann stark 12000 Mann
betragen3). Die Reiterei ist auf etwa 1000 Mann italischer Truppen
x) Einzelne Truppenteile, wie 400 Illyrier, 300 Kreter, Liv. 31, 35, 1, ge-
legentlich im Laufe des Feldzuges genannt.
2) Steinwender, Über die Stärke der röm. Legion, Progr. Marienburg 1877,
S. 71, Marquardt-Domaszewski Hdb. V2 334.
3J Nach Polybios, VI 26,7. 30,2, s. auch Marquardt-Domaszewski Hdb.
V 391. Die von Steinwender, „Über das Verhältnis zwischen cives und socii",
Progr. Marienburg 1879, S. 6 ff., mit grofser Sorgfalt aus Livius zusammengestellten
Zahlen, die davon im einzelnen nach oben und unten abweichen, haben nur einen
sehr bedingten Wert, da sie durchgängig aus der Annalistik stammen.
96 D©* zweite Makedonische Krieg.
anzunehmen, zu denen für den Makedonischen Krieg nach Livius
31, 19,4 (Annalcn) noch 1000 numidische Reiter hinzukamen1).
Wir erhalten damit im ganzen rund 23000 Mann zu Fufs und
2000 Reiter.
Zu dieser Armee sollen nun nach den Annalen unter dem
Konsul Villius (Herbst 199) Ersatztruppen in nicht bekannter Stärke2),
dann unter Flamininus im Frühjahre 198 8000 Fufssoldaten und
800 Reiter3) und endlich im Jahre 197 noch einmal 6000 Mann Fufs-
soldaten und 500 Reiter4) hinzugekommen sein, so dafs die Ersatz-
truppen nach zwei Feldzügen mehr als 14 000 Mann zu Fufs und
1300 Reiter betragen hätten, d. h. fast zwei Drittel der ursprüng-
lichen Armee.
Wären diese Nachrichten in ihrer Gesamtheit richtig, so wäre
entweder die Armee sehr bedeutend über ihren Anfangsstand er-
höht worden, oder man müfste annehmen, dafs sie durch Verluste im
Felde und gleichzeitige Entlassungen ganz enorme Einbufsen erlitten
hätte, welche auf diese Weise wieder ausgeglichen seien.
Beide Annahmen sind abzuweisen. Denn im Jahre 197, über
welches wir aus Polybios zuverlässig unterrichtet sind (s. S. 102),
betrug der Bestand der römischen Armee mit Einschlufs der griechi-
schen Kontigente und der Reiterei auch nur rund 27000 Mann
(S. 104), und von gröfseren Verlusten könnte nur allenfalls im ersten
Feldzuge 199 die Rede sein, wo aber auch an Einbussen in diesem
!) Im Jahre 197 betrug die Reiterei etwas über 2000 Pferde, S. 102. Wenn
(Liv. 31, 35, 2) zwei Alen Reiterei auf etwa 700 Mann berechnet werden, so läfst
sich daraus kein Schlufs ziehen auf die Gesamtstärke der römisch-latinischen
Reiterei Ala ist ein ganz allgemeiner Ausdruck. Vergl. Marquardt-Domaszewski
Hdb. V2 400.
2) Liv. 32, 1, 3: in supplementum eius, quantum videretur, ut scriberet, ipsi
permissum.
3) Liv. 32, 8, 2 (Annalen): in supplementum legionum tria milia militum
Romanorum scriberet et trecentos equites, item sociorum et Latini nominis quinque
milia peditum, quingentos equites. ib. 9,6 nach Polybios: (Flamininus), Corcyram
tenuit cum octo milibus peditum equitibus octingentis. Nach Plut. Flam. 3, darunter
3000 Veteranen. Auch Ennius X 4 (336): insigneita fere tum milia militum
octo duxit, kann doch wohl trotz Nieses Zweifel (II 610, 1) nur hierher gezogen
werden.
4) Liv. 32, 28, 10: 6000 Mann, 300 Reiter, ib. 27, 2: 200 Reiter. Beides
aus den Annalen.
Beilage I. Heeresstärken d. Makedonier u. Römer i. 2. Makedonischen Kriege. 97
Mafsstabe kaum zu denken ist, da die Römer durch Gefechte fast
gar nicht, sondern nur durch Mangel an Verpflegung gelitten haben
(S. 30). Die Entlassungen endlich, wenn solche überhaupt statt-
gefunden haben, überstiegen nicht 2000 Mann1).
Die angeführten Nachschübe haben daher nicht in diesem Um-
fange stattgefunden. Gut, d. h. nicht nur durch die Annalistik, son-
dern auch durch andere Quellen bezeugt ist von ihnen auch nur
der vom Jahre 198 mit dem Konsul Flamininus angekommene von
8800 Mann. Er wird daher als der einzige wirklich erfolgte an-
zusehen sein und reichte hin, die Armee wieder auf den anfänglichen
Stand, vielleicht etwas darüber hinaus zu bringen, so dafs sich das
römische Heer durch den ganzen Krieg hindurch ungefähr auf der
gleichen Stärke gehalten hat.
Dies Resultat der Unzuverlässigkeit der durch die Annalen
bezeugten Heereszahlen stimmt so gut zu der bekannten Unglaub-
würdigkeit der durch die Annalistik überlieferten Zahlen überhaupt,
dafs es kaum nötig erscheint, hier noch eine besondere Begründung
dafür zu geben.
Indessen liegt die Sache doch gerade für Ersatzzahlen nicht
so einfach. Denn hier kann die Phantasie nicht wie etwa bei Ver-
lustzahlen in der Schlacht oder der Angabe feindlicher Streitkräfte
ins ungemessene gehen, sondern es lag hier eine Kontrolle in dem
sich bei jedem Kriege wiederholenden erfahrungsmäfsigen Bedarf, in
Senatsbeschlüssen und amtlichen Listen vor. Auch hat sich ja bereits
gezeigt, dafs einzelne annalistische Angaben Vertrauen verdienen.
l) Bei dem Heere des Jahres 200 befand sich eine Anzahl von Veteranen
aus dem zweiten Punischen Kriege (Liv. 31,8, 5 f. 14,2), die nach dem Feld-
zuge 199 revoltierten und Entlassung forderten. Ihre Zahl betrug damals uach
Livius 32, 3, 3 (Annalen) noch 2000 Mann. Der Konsul sagte ihnen zu, dafs er
ihre Entlassung beim Senat beantragen wolle, wenn die Revolte eingestellt würde,
üb sie wirklich entlassen sind, erfahren wir nicht. — Th. Steinwender hat in
einer scharfsinnig geführten Untersuchung über „die Altersklassen und reguläre
Dienstzeit des Legionars" (Philol. n. F. II, 2 S. 285 ff.) zu erweisen gesucht, dafs
die Dienstzeit des Legionars damals 6 Jahre betragen habe und dementsprechend
durchschnittlich jedes Jahr 850 — 900 Rekruten bei der Legion neu eingestellt seien.
Das würde für ein konsularisches Heer jährlich gegen 4000 Mann ergeben.
Selbst wenn dieser Rekrutierungsmodus erwiesen wäre, was m. E. nicht der Fall
ist, so würde sich daraus die Höhe der hier und besonders für die Kriege
gegen Antiochos und Perseus berichteten Nachschübe (S. 100) nicht genügend
erklären.
Kromayer, Antike Schlachtfelder. II. 7
Der zweite Makedonische Krieg-.
Es ist daher die Frage nach der Unzuverlässigkeit dieser Art von
Zahlen besonders zu stellen und an einer Mehrzahl von Fällen zu
prüfen. Ich wähle dazu die beiden in diesem Bande noch zu be-
handelnden Kriege gegen Antiochos bezw. gegen die Ätoler und gegen
Perseus. Das übereinstimmende Ergebnis wird unser vorläufiges
Resultat ganz sicher stellen und uns zugleich der Notwendigkeit
erneuter Prüfung derselben Fragen bei den späteren Feldzügen über-
heben.
Im Kriege gegen Antiochos wird nach der annalistischen Über-
lieferung schon im Herbst 192 eine Armee von zwei Legionen und
15000 Mann latinischer Bundesgenossen mit 500 Reitern ausgehoben
und nach Griechenland vorausgeschickt1). Ihr folgt dann im Frühling
191 eine weitere Armee von 10000 Mann und 2000 Pferden unter
dem Konsul selber2). Das ergibt bei Ansetzung der Legion zu rund
5000 Mann zusammen
35000 zu Fufs, und etwa
2000 Reiter3).
Schon im nächsten Jahre stöfst zu dieser Armee ein Nachschub
von 8000 Soldaten zu Fufs und 300 Reitern und 5000 freiwilligen
Veteranen, also im ganzen 13000 Mann zu Fufs und 300 Reitern4).
x) Liv. 35, 20, 11: duae legiones decretae . . et ut sociis . . milia peditum
quindecim imperarentur et quingenti equites. Liv. 35, 24, 7: Der Praetor cum
omnibus eopiis transire in Epirum est iussus.
2J Liv. 36,14, 1 : cum decem milibus peditum, duobus milibus equitum.
Diese Notiz steht zwar in einer aus Polybios geschöpften Partie, aber sie stimmt
zu der annalistischen Überlieferung, nach welcher der Nachschub aus 4000 cives
und 6000 socii zu Fufs mit 700 Reitern bestand (Liv. 35, 41, 4. 36, 1, 6). Hier
liegt offenbar eine Korrektur von seiten des Livius selbst vor. Polybios hatte
die Armee des Konsuls — wohl bemerkt, die ganze — auf 20000 Mann angegeben
(s. folg. S.). Das konnte Livius mit der annalistischen Tradition nicht vereinigen.
Er veränderte deshalb die Zahl auf 10000 und bezog sie auf den von den Annalen
berichteten Nachschub. Die Diskrepanz bei der Zahl der Reiterei wagte er nicht
zu beseitigen. So ist sie stehen geblieben. Nissen (S. 180) will bei Livius „20000"
lesen, was mir nicht gerechtfertigt erscheint.
3) Nämlich 500 bundesgenössische bei dem ersten Transport, 700 als Nach-
schub (s. vor. A.) 500 von Massinissa (Liv. 36, 4, 8) und noch eine nicht ange-
gebene Zahl von römischen Legionsreitern bei den zwei Legionen.
4) Liv. 37, 2, 2: peditum civium Romanorum tria milia equites centum
et socium Latini nominis quinque milia equites ducenti. ib. 4,3: ad quinque
milia voluntariorum. Beides nach den Annalen.
Beilage I. Heeresstärken d. Makedonier u. Römer i. 2. Makedonischen Kriege. 99
Und wieder ein Jahr später werden 12000 Mann zu Fufs und
600 Reiter als Ersatz vom Senate beschlossen (Liv. 37, 50, 1).
Nimmt man alles das zusammen, so ergibt sich
35 000 Mann zu Fufs, 3000 Reiter
13000 „ 300—500 „
12000 „ 600 »
60000 ; ca. 4000
Also auch hier betrüge der Ersatz etwa zwei Drittel der ur-
sprünglichen Armee, was um so auffallender wäre, als die Legionen,
aus denen das Heer gebildet war, die erst im Jahre 193 neu auf-
gestellten zwei Legiones urbanae gewesen sind (Liv. 35, 20, 11.
34, 56, 5).
Nun lauten aber die Polybianischen Zahlen wieder sehr viel
anders.
Die römische Armee im Jahre 191 wird auf nur 20000 Mann
in runder Summe angesetzt und die bei Magnesia auf 21600 zu Fufs
mit etwa 2000 Reitern1). Die Ergänzung des Jahres 190, welche
mit Scipio anlangt, wird hingegen auch bei ihm auf 13000 Mann
und 500 Reiter veranschlagt2). Das hält sich gegenüber der
annalitischen Überlieferung in wahrscheinlicheren Grenzen trotz des
abnorm grofsen Ersatzes vom Jahre 190. Denn die Verluste des
Feldzuges 191, die Marschverluste auf dem ungewöhnlich bedeutenden,
etwa 1677 Kilometer betragenden Marsche von Naupaktos bezw.
Apollonia bis Magnesia, ferner Abkommandierungen, um die Etappen-
strafse zu decken, das alles kann allenfalls zusammen so viel
ausgemacht haben, dafs die Armee in der Schlacht bei Magnesia
selber trotz des grofsen Nachschubes von über 13 000 Mann doch
nur wenig stärker war als zwei Jahre vorher beim Ausrücken.
Danach haben wir hier wieder ein ganz ähnliches Verhältnis
wie beim zweiten Makedonischen Kriege. Die erste und dritte
Zahl der Annalen sind zu verwerfen. Die zweite, der Ersatz der
1) s. unten syrisch-römischer Krieg, Beilage I.
2) Liv. 37, 6, 2; cum tredecim milibus peditum et quingentis equitibus
consul veniebat. Nach Polybios. Die kleine Differenz in der Zahl der Reiterei
gegenüber der annalistischen Überlieferung scheint zu beweisen, dafs Livius nicht
einfach die annalistischen Zahlen addiert und die Summe hier in die aus Polybios
entnommene Erzählung eingesetzt, sondern dafs er diese Zahlen tatsächlich bei
Polybios vorgefunden hat.
7*
100 Der /weite Makedonische Krieg.
13000 Mann mit Scipio, ist hier ganz so wie dort der der 8800 Mann,
welche mit Flaminmus kamen (S. 97), von den Annalen richtig ge-
geben worden.
Für den Krieg gegen die Ätoler geben die Annalen die Bil-
dung eines Heeres von zwei Legionen und 20000 Mann italischer
Bundesgenossen zu Fufs, 800 zu Pferd an; also eine Armee von
rund 30000 Mann und mit der Legionsreiterei etwa 1200 Pferden1).
Für diese schon recht ansehnliche Armee soll dann, ein Jahr nach-
dem sie nach Griechenland übergesetzt und ohne dafs sie überhaupt
zum Schlagen gekommen war, ein Ersatz von 12 000 Mann zu Fufs
und 600 Reitern beschlossen worden sein (Liv. 37, 50, 4). Eine von
diesen beiden Mafsregeln mufs unrichtig überliefert oder unausgeführt
geblieben sein.
Auch bei dem Kriege gegen Perseus liegen die Verhältnisse
ähnlich. Der Bestand des Heeres ist am Ende des ganzen Kampfes
im wesentlichen derselbe wie im Anfange, nämlich zwei vollzählige
Legionen mit Zubehör (s. unten dritter Maked. Krieg, Beilage). Dazu
stimmen wiederum die grofsen, nur durch die Annalen beglaubigten
Nachschübe nicht, welche im Jahre 169 12000 Mann zu Fufs und
500 Reiter (Liv. 43, 12, 3) und im Jahre darauf gar 14000 Mann und
1200 Reiter (Liv. 44, 21, 6 f.) ausgemacht haben sollen, während für
das Jahr 170 wenigstens ein Nachschub von 1200 numidischen Reitern
und 12 Elefanten gebucht wird (43, 6, 131).
Wir kommen nach alledem zu dem Resultate, dafs die Zahlen-
angaben der Annalen über Heeresergänzung zwar in ihrer Gesamt-
heit sachlich unmöglich richtig sein können, dafs aber darum nicht
alle einzelnen verworfen zu werden brauchen, da sich herausstellt,
dafs sie gelegentlich mit Polybios' Angaben übereinstimmen. Das
Verhältnis scheint daher das zu sein, dafs neben den wirklich statt-
gehabten Ergänzungen einzelner Jahre, frei nach deren Muster er-
fundene für die anderen Jahre hinzugedichtet sind, ohne dafs wir,
wenn Kontrollnachrichten des Polybios fehlen, im stände wären,
Dichtung und Wahrheit zu unterscheiden. Ob freilich Polybios selber
l) Liv. 35, 41, 7: duas legiones civium Romaiiorum novas eonscriberet et
socium ac Latini Hominis viginti milia peditum et octingentos equites. Diese
Armee erhält der Prätor A. Cornelius Mamula (Liv. 36, 2, 6), und im Jahre 190
geht sie, beim Abmarsch der Scipionen nach Asien, nach Griechenland über.
Liv. 37, 2, 7.
Beilage I. Heeresstärken d. Makedonier u. Kömer i. 2. Makedonischen Kriege. 101
in diesen Dingen ein absolut sicherer Führer ist, ist wieder eine
andere Frage. Er war natürlich auch von seinem Quellenmaterial
abhängig, und es ist nicht ausgeschlossen, dafs er in ähnlicher Weise
wie wir die Unmöglichkeit so zahlreicher und starker Nachschübe
erkannt und mit rationalistischer Kritik einen Teil davon einfach
weggeschnitten, einen anderen behalten hat.
In diesem Falle wäre die Lösung vielleicht in der Richtung zu
suchen, dafs keine Ergänzungen von den Annalisten hinzugedichtet,
sondern nur für die einzelnen zu hohe Zahlen gegeben wären. Es
würde dabei stark ins Gewicht fallen, dafs durchgängig in den
annalistischen Partien des Livius die Ergänzungen nicht als erfolgt,
sondern nur als durch den Senat beschlossen resp. erlaubt aufgeführt
sind und wir es danach gar nicht mit Effektiv- sondern mit Soll-
stärken oder gar mit Maximalzahlen für die Befugnis der Beamten
zu tun hätten, hinter denen die Wirklichkeit überall sehr bedeutend
zurückgeblieben sein könnte1).
Aber mag die Sache liegen wie sie will; das Resultat, dafs
die Ergänzungen in allen diesen Kriegen die anfängliche Zahl nicht
wesentlich erhöht, sondern, wie das ja der Zweck von Ergänzungen
ist, sie nur auf der alten Höhe erhalten haben, dieses Resultat
geht aus der Zusammenstellung der Nachrichten mit Deutlichkeit her-
vor. Und das ist für uns die Hauptsache.
x) So heifst es z.B. Liv. 35,20,4 zum Jahre 192: consuli permissum,
ut so und so viel scriberet. Ebenso 37, 50, 4: permissum. 37, 2, 8: in supple-
mentum scribere, . . si v eil et peditum duo milia etc. Es hing also von dem
Ermessen des Beamten ab, ob und in welchem Umfange er von der Befugnis
Gebrauch machen wollte. Aber selbst wenn er es im vollen Umfange tat, ist es
fraglich, ob damit wirklich die Aufstellung so grofser Kontingente auch nur be-
absichtigt wurde, wie die Beschlufszahlen angaben. Wir erfahren aus einer Nach-
richt des Liv. (34, 56, 5), dafs bei Ausschreibung einer Gesamtzahl von sagen wir
15 000 Mann, so verfahren wurde, dafs nach einem, nach der Kopfzahl der dienst-
pflichtigen Mannschaften, wie es scheint ein für allemal festgestellten Satze (pro
numero cuiusque iuniorum) die Quote für die einzelnen Staaten bestimmt wurde.
Es ist aber ein Erfahrungssatz, dafs bei derartigem Verfahren die Summe nie
stimmt. So ist es sehr wohl möglich, dafs, wenn die Absicht war, eine bestimmte
Zahl wirklich zusammenzubringen, von vorn herein eine beträchtlich höhere Zahl
zur Ausschreibung angesetzt wurde, und sich daraus die übertriebenen Zahlen
unserer Überlieferung ungezwungen erklären. Dafs dann die Schriftsteller ge-
legentlich auch diese Zahlen für Effektivzahlen genommen hätten, wäre nicht
wunderbar.
]Q2 Der zweite Makedonische Krieg.
Der Feldzug 197.
Für die Berechnung der Stärke der beiden Armeen und ihrer
einzelnen Teile während des Feldzuges 197 bildet die Grundlage der
Bericht des Livius (XXXIII 4, 4 f.).
Danach ergibt sich für die Makedonier:
Phalanx 16000
Peltasten 2000
Thraker 2000
Illyrier 2000
gemischte Söldner 1500
Keiter 2000
zu Fufs 23 500 zu Pferd 2000 ').
Für die Römer besitzen wir zwei Gesamtangaben, welche ohne
Zweifel beide auf Polybios zurückgehen (Nissen S. 18. 140) und
daher sowohl untereinander als mit den Verhältnissen überhaupt
gut stimmen. Die erste bei Plutärch (Flam. cap. 7) gibt die Gesamtzahl
auf mehr als 26000 Mann mit Einschlufs der Reiterei an (vjvsq e^amo-
xdiovg xai diaftvglovg sxcov argaudoTag); die zweite eben die
schon erwähnte des Livius, setzt die Römer auf etwa ebenso stark
wie die Makedonier an, nur die Reiterei um etwas stärker. (Romanis
ferme par numerus erat; equitum copiis tantum, quod Aetoli accesse-
rant, superabant.) Die gleiche Stärke beider Heere wird auch von
Plutärch berichtet (Flam. 7: rjv Ös xai rov <PiXmjiov tö ovQävev^a tco
3iXrj$ei jvaQaTchrjöiov).
Daraus geht hervor, dafs wir das römische auf rund 24000 Mann
zu Fufs und etwa 2400 Reiter --- die Thessaler stellten 400 (Liv.
ib. § 9) — anzusetzen haben2). Diese Summe umfafst die ganze
Armee. Sonst hätte der Vergleich mit Philipps Heer bei beiden
Schriftstellern keinen Sinn. Dazu kommt, dafs die Operationen
der beiden Heere vor und in der Schlacht keine numerische Über-
legenheit der Römer erkennen lassen. Wir haben also keinen
Grund, die angeführten Zahlen mit Ihne (Rom. Gesch. III 42) nur
auf die Italiker unter Ausschlufs der auxilia zu beziehen.
x) Einzelne der hier genannten Truppenteile auch sonst erwähnt, aber ohne
Zahlenangaben, z. B. Poljb. XVIII 22, 2. — Böotische Krieger, ib. 43.
2) Nieses Ansetzung (II 628, A. 4) „über 28000" Mann ist wohl, ebenso
wie die ebenda gegebene Zahl 8400 für die Ätoler, nur ein Druckfehler.
Beilage I. Heevesstärken d, Makedonier u. Römer i. 2. Makedonischen Kriege. 103
Es ffagt sich daher nur, wie sich die einzelnen Kontingente in
diesen Rahmen hineinfügen. Die Legionen des Flamininus hielten
5000 oder 5200 Mann, da die Hastati einer Legion 2000 Mann
betrugen1). Die beiden Legionen waren daher rund 10000,
die socii rund 12000 Mann. Die griechischen Hilfstruppen zu Fufs
können also nicht viel mehr als stark 2000 Mann betragen haben.
Dazu stimmt in der Tat, was uns Livius (33, 3, 9 f.) berichtet.
Es trafen bei der Armee ein:
Kreter 500 2)
Apolloniaten 300 2)
Athamanen 1 200
Ätoler 600
2600
Man erkennt aus diesen Verhältnissen sofort, dafs nicht 6000
Ätoler zu Fufs bei der Armee_ gewesen sein können, sondern dafs
die bezügliche Nachricht des Plutarch (Flam. 7) ein Irrtum Plutarchs
oder vielleicht nur eine handschriftliche Korruptel an Stelle der von
Livius richtig gegebenen Zahl 600 sein mufs3).
1) Liv. 33, 1, 2: legionis hastatis — ea duo milia militum erant. Bei der
Normallegion des Polybios von 4200 Mann beträgt die Zahl der Hastati mit Ein-
schlufs der ihnen zugeteilten 400 Velites 1600 Mann (Pol. VI 21, 9. 24, 4). Bei
2000 Mann Hastati sind also 400 hinzugekommen, und zwar nach dem ursprüng-
lichen Verhältnis 300 Schwere und 100 Leichte. Ebenso hat man bei den Prin-
cipes verfahren, während die Triarier stets auf 600 blieben (Pol. VI 21, 10).
2000 Mann Hastati führen also nicht, wie Nissen S. 140 annimmt, auf eine Legion
von 6000 Mann, die Polybios nebenbei bemerkt überhaupt noch nicht kennt
(s. unten 3. Mak. Krieg, Beilage), sondern genau genommen auf 5100 Mann, nämlich:
Hastati: schwere 1500, leichte 500
Principes: „ 1500, „ 500
Triarii: „ 600, „ 500
3600 + 1500 -=5100.
Da die 2000 Hastati offenbar eine runde Summe sind, so kommen wir auf
die verstärkte Legion des Polybios von 5000 bezw. 5200 Mann. Marquardt-
Domaszewski Hdb. V 334.
2) Die 600 Kreter, welche Nabis dem Flamininus überlassen hatte (Liv.
32, 40, 4) waren, wie es scheint, nicht bei der Feldarmee. — Die Apolloniaten
hält Niese II 627, 3 auch für Kreter. Möglich.
3) Das hat schon Nissen S. 140 richtig erkannt. Ihnes Gegenargument
(III 42), dafs die Prahlereien der Ätoler, welche sich den Hauptanteil am Siege
zuschrieben, bei so kleiner Anzahl unverständlich seien, hält nicht Stich. Es
waren eben Prahlereien. Ebensowenig verschlägt es, dafs der Achäische Bund
]() 1 Der zweite Makedonische Krieg.
Demnach können wir die Kontingente der römischen Armee
folgcndermafsen ansetzen:
Fufsvolk.
Reiter.
2 Legionen
10000
2 alae sociorum
12000
Hilfsvölker:
Kreter
500
Apolloniaten
300
Athamanen
1200
Ätoler
600
Reiterei:
römische und
numidische (vgl. S.
96)
2000
ätolische
400
ca. 24600 + ca. 2400 === ca. 27000.
Aufser diesen im thessalischen Feldzuge selbst beteiligten
Truppen hatten beide Parteien auf den Nebenkriegsschauplätzen und
in Garnisonen sehr bedeutende Massen aufgestellt.
So lag makedonischerseits in Korinth eine Besatzung von
6000 Mann (Liv. 33, 14, 5), und in Kleinasien stand ein Korps von
3000 Mann (Liv. 33, 18, 14); ferner mufsten in Chalkis und Deme-
trias bedeutende Besatzungen stehen und ebenso in den Städten, der
makedonischen Küste in Thessalonike, Kassandra usw., ganz ab-
gesehen von den kleineren Orten mit Besatzungen. Ferner waren
die neuesten Eroberungen des Königs an der thrakischen und helles-
pontischen Küste und auf den Kykladen nicht ohne Besatzungen zu
halten. Niese zählt (III 600) 20 Städte mit Besatzungen auf und
berechnet die Zahl der erforderlichen Mannschaften kaum zu hoch
auf 20—30000 Mann.
Von Seiten der Römer und ihrer griechischen Bundesgenossen
kommen vor allem die Achäer in Betracht, die gegenüber Korinth
aufser auswärts dienenden Söldnern damals im Peloponnes 5300 Mann gegen
Korinth aufgestellt habe. Das war ein Aufgebot in der Heimat und für wenige
Wochen, während es sich hier um einen vermutlich langen Feldzug in fremdem
Lande handelte. Eine so starke Heranziehung entspricht weder dem, was die
anderen griechischen Staaten damals zur Armee stellten, noch den Prinzipien der
Römer überhaupt. So wurde z.B. dem Konsul Glabrio im Jahre 190 verboten
überhaupt mehr als 5000 Mann Auxilia bei der Armee zuzulassen (Liv. 36, 1, 8)
Beilage I. Heeresstärken d. Makedonier u. Römer i. 2. Makedonischen Kriege. 105
5300 Mann zusammengebracht hatten (Liv. 33, 14, 12), und ferner
ein Korps in Kleinasien von 3600 Mann und 100 Reitern (Liv.
33, 18, 2. 5), dazu gleichfalls ohne Zweifel eine Anzahl von Besat-
zungen an unzuverlässigen Plätzen, vor allen aber die Flottenmann-
schaften für eine Flotte von 100 Deck- und 80 leichten Schiffen (Liv.
32, 21, 26). Eine ungefähre Vorstellung von diesen Truppen gibt
die Nachricht, dafs im Jahre 195 die gegen Nabis zusammengezogene
Land- und Seearmee gegen 50000 Mann betragen hat (Liv. 34, 38, 3).
Beilage IL
Zur Chronologie des zweiten Makedonischen Krieges.
Die Verteilung der einzelnen kriegerischen Ereignisse auf die
3 Feldzüge ist gegeben. Es kann sich also hier nur darum handeln,
innerhalb dieser Grenzen zu genaueren Ansätzen zu kommen.
Wenn es bei dem fast gänzlichen Mangel unserer Quellen an
genau datierten Angaben natürlich auch nicht möglich ist, bis auf
Tage hinab gesicherte Datierungen zu erschliefsen, so läfst sich doch
unter Berücksichtigung aller in Betracht kommenden Faktoren ein
annähernd richtiges Bild gewinnen, und das ist für das Verständnis
der militärischen Aktionen auch schon wertvoll genug, ja in den
meisten Fällen ausreichend.
1. Der Feldzug 199.
Die Ankunft des Konsuls Sulpicius in Illyrien erfolgte Ende
Herbst 200 v. Chr. (autumno fere exacto, Liv. 31, 22, 4), und deshalb
wurde auch in diesem Jahre nur noch ein kleiner Streifzug in Mittel-
albanien unternommen (oben S. 10).
Von dem Beginne des Feldzuges im Frühling 199 läfst sich
nur sagen, dafs die Römer früher als Philipp aufgebrochen sein
müssen, da sie trotz eines beträchtlich längeren (von dem unteren
Apsos bis Monastir sind über 200, von Pella bis ebendahin noch
nicht 100 Kilometer) und schwierigen Marsches die Ebene von Mo-
nastir vor dem Könige erreicht haben (S. 16). In Anbetracht der
rauhen Gebirgslandschaften, die zu durchqueren waren, werden wir
den Beginn des Feldzuges nicht vor den Anfang Mai setzen dürfen,
Beilage II. Zur Chronologie des zweiten Makedonischen Krieges. 107
wahrscheinlich aber noch etwas später. Denn sonst hätten sich
die beiden Armeen in der Ebene von Monastir doch zu lange
gegenüber gestanden und den geschilderten Positionskrieg geführt, da
es erst im Anfang Juli zu der Schlacht an den Tschernasümpfen ge-
kommen ist (S. 21). Zu derselben Zeit fallen die Dardaner in die
makedonische Ebene ein (Liv. 31, 38, 8). Der Rückzug des Königs
in das Hügelland von Banitza, die Kreuz- und Querzüge der Römer
im Norden und Osten der Ebene von Monastir, der Überfall bei
Pluinna, die Standlager am Erigon, alles das mufs wieder längere
Zeit in Anspruch genommen haben, so dafs wir mit dem Gefechte von
Banitza an das Ende August oder Anfang September zu gehen ge-
nötigt sind (S. 26), und der Rückzug der Römer, sowie die Züge
gegen die Dardaner und Ätoler etwa in den September bis Oktober
fallen würden. Dafs die Ätoler nicht früher eingefallen sind, er-
klärt sich daraus, dafs sie sich erst auf die Nachricht von
dem Siege an den Tschernasümpfen zum Aufbruche entschlossen
hatten (Liv. 31, 40, 9). Anderseits läfst sich ihr Einfall auch nicht
später ansetzen, weil Philipp nach demselben im Herbste noch die
.Belagerung von Thaumakoi begann, die er erst bei Beginn des Winters
aufgab (hiems iam instabat, Liv. 32, 4, 7).
2. Der Feldzug 198.
Das erste Ereignis dieses Feldzuges ist die Besetzung der
Aoospässe durch Philipp. Es erfolgte principio veris (Liv. 32, 5, 9).
Wenn man in Betracht zieht, dafs zur Besetzung dieser Engen
die Überschreitung der Pindospässe nötig war, welche 1500 Meter
und darüber hoch sind1), so wird man den Beginn dieser Operation
nicht vor den Anfang des Monats April setzen dürfen. Anderseits
aber auch nicht sehr viel später, da Philipp daran lag, vor Aufbruch
der Römer aus dem Winterlager zur Stelle zu sein, und ihm dies
auch tatsächlich gelungen ist (Liv. 32, 6, 1).
l) s. S. 36. . Auf dem .Passe von Metzowo fand Philippson noch am
30. April Schnee, dessen Mächtigkeit ein solche war, dafs er mit seinem Stocke
ihn nicht zu durchstechen vermochte (31, 203). Allerdings war das ein besonders
ungünstiges Jahr (s. ib. S. 2051 — Auch der Beginn des Feldzuges 197 läfst
diesen Termin als den frühest annehmbaren erscheinen. Damals zog Philipp seine
Armee erst zur Zeit des Frühjahrsäquinoktiums in Dion selber, also in der
Heimat zusammen und exerzierte die neuen Rekruten ein (s. S. 110).
]<)-; Der zweite Makedonische Krieg.
Vfllius zieht nun vor die Stellung und liegt vor ihr ,.per multos
dies" (Liv. 32, 6, 4); dann langt Flamininus an1), von dessen An-
kunft bis zur Entscheidung etwa fünfzig Tage vergangen sind 2).
Man kommt damit für die Schlacht bei den Pässen frühestens
auf Anfang bis Mitte Juni. Nun fand aber die Umgehung vor der
Schlacht bei einem Vollmonde statt (Liv. 32, 11, 9), und da damals
der Vollmond im Juni auf den 24. fiel, so ist, wie schon Matzat,
Rom. Zeitrechnung, S. 179 richtig gesehen hat, der 25. Juni der Tag
der Schlacht gewesen.
Die nach dem Siege abgeschickte Expedition des Athamanen-
königs Amyn ander nach Thessalien, welche noch vor Ablauf von Flami-
ninus' Aufenthalt in Epiros beendigt war, da sich Amynander mit
seinen Truppen auf dem Kerketiosberge, der Kyrä, einfand, um den
Konsul nach Thessalien zu geleiten (S. 53), hat nun mindestens
etwa einen Monat gedauert. Denn erst auf die Kunde von dem Siege
der Römer hatte sich Amynander im Hauptquartiere eingefunden,
(post famam prosperae pugnae. Liv. 32, 13, 5), d. h. bei der Ent-
fernung seines Landes frühestens nach 8—10 Tagen. Der Marsch
vom Hauptquartier nach Thessalien und wieder zurück zum Sammel-
punkt auf der Kyra nahm wieder etwa 10 Tage in Anspruch 3), und
den Einfall nach Thessalien selber mufs man gleichfalls auf mindestens
ebensolange Zeit ansetzen, da die Belagerung von Gomphi selber
mehrere Tage dauerte (aliquot dies) und aufserdem noch eine Reihe
*) Dafs Flamininus nach seinem Amtsantritt, dem 15. März, noch längere
Zeit durch Prodigien und andere Geschäfte in Rom zurückgehalten wurde (Liv.
32, 9, 1), läfst sich chronologisch hier nicht verwerten, da der März damals in den
Spätherbst fiel, s. S. 112.
2) 40 Tage liegt er, sine ullo conatu, vor den Pässen (Liv. 32, 10, 1);
dann folgt die Verhandlung mit Philipp, dann postero die (§ 9) ein vergeblicher
Sturm, dann das Anerbieten der Umgehung und die dreitägige Umgehung
selber (12, 1).
3) Uer Marsch vom Drynostal bis Gomphi beansprucht 7 Tage. Denn
Hierzu die Bei- von Tepeleni bis Jannina sind 125 Kilometer — also etwa 3—4 Tage — von
karte v. Karte 2. Jannina durchs Gebirge mindestens wieder 3—4 Tage. Denn auf dem kürzesten
Wege, d. h. über Kontowrachi Pramanta, Melissurgi, Theodoriana, Greveho sind
im Anschlufs an Philippsons Angaben (31, 228. 260. 436 ff.) 21| Stunden — also
2-3 Tage — und von da über Vitsista, Porta Pazari bis Gomphi noch etwa
45 Kilometer, also ein starker Tagemarsch. Der Rückmarsch von Gomphi durchs
Gebirge bis auf die Strafse Jannina — Metzowo wird auch nicht unter 3 Tagen zu
machen sein. Über den Weg und die Lage des Kerketios s. oben S. 55 A. 1.
Beilage II. Zur Chronologie des zweiten Makedonischen Krieges. 109
von anderen kleinen Ortschaften, wie Phaeca, Argenta, Pherinion,
Timaron, Ligynae, Stimo, Lampson genommen wurden (Liv. 32, 14, 3.)
So mufs der Aufenthalt des Flaminiaus in Epiros mindestens
bis Ende Juli gedauert haben, und sein Übergang über den Pindos
kann also frühestens in den Anfang August gefallen sein.
Die Bestürmung von Phaloria, der ersten thessalischen Stadt,
die man traf, dauert dann mindestens einige Tage (oppugnatio con-
tinua non nocte non die intermissa, Liv. 32, 15, 2), der Marsch nach
Gomphi, die Herstellung der Verbindung mit der Flotte in Ambrakia
bis zum Aufbruche nach Atrax haben über einen halben Monat in
Anspruch genommen1). So erhalten wir für den Beginn der Belage-
rung dieser Stadt etwa Ende August; für ihre Dauer können wir
wohl gut ein bis zwei Monate ansetzen (consul omnium spe
longiorem . . oppugnationem habuit, Liv. 32, 17, 4). Die Nieder-
werfung der Mauer durch den Widder, die Kämpfe in der Bresche,
die Konstruktion eines grofsen Belagerungsturmes, dafs alles mufs
Zeit in Anspruch genommen haben. Die Eroberung der kleinen
Städte in Phokis vor Bezug der Winterquartiere in Antikyra würde
dann Ende Oktober bis Anlang November zu setzen sein (Liv. 32, 18).
Der Feldzug 197.
Die chronologische Anordnung der Ereignisse des Feldzuges 197
bietet in einem Punkte eine nicht unerhebliche Schwierigkeit.
Die Schlacht bei Kynoskephalä ist nach einer Äufserung des
Polybios in die Zeit der Getreidereife gefallen (XVIII 20, 3 : ojzsvöcqv
jZQOxaicKpfielQat vöv ev vfj 2xovovooaia olvov. Trotzdem ist
nach der, wie es scheint, übereinstimmenden Darstellung des Livius
und Polybios die Nachricht von dem Siege erst gegen den Ausgang
des Amtsjahres (exitu ferme anni, Liv. 33, 24, 3) nach Rom gelangt,
die Verhandlung über den Frieden erst nach der Designation der
neuen Konsuln geführt2) und der Abschlufs gar erst nach ihrem
Antritte erreicht worden (Liv. 33, 25, 43 inito consulatu).
1) Der Weg mufs der über Musaki, Liaskowo, Knisowo, Kalentini Dach Arta
gewesen sein. Philippson (31, 390 ff.) machte ihn in 5 Tagen bei durchschnittlich
6| stündigem Ritte. Unter Anrechnung eines Ruhetages und eines Tages zum
Empfang des Getreides erhält man 12 Tage hin und zurück. Das ist das Mini- IIierzu Karte
mum für eine Transportkolonne.
2) Nach Polybios XVIII 42 (25) sind die Gesandtschaften aus Griechen-
land sogar erst im Anfang des Amtsjahres 19G nach Rom gekommen ort bi\
11() Der zweite Makedonische Krieg.
Das erscheint bei dem damaligen Antrittstermin der Konsuln
am 15. März mit der Nachricht über die Zeit der Schlacht unver-
einbar, und es fragt sich daher, ob nicht eine dieser Nachrichten
zu verwerfen ist, und welche.
Wir betrachten zunächst die militärischen Vorgänge.
Am Anfange des Frühlings 197 (primo vere Liv. 33, 3, 1), also
etwa im Beginn des März, hielt Philipp in seinem ganzen Reiche
neue Aushebungen. Dann zog er seine Truppen bei Dion zusammen,
und zwar um die Zeit der Tag- und Nachtgleiche (a. a. 0. 6: seeun-
dum vernum aequinoctium) also um den 24. März, auf welches Datum
damals diese Erscheinung fiel (nach Ideler S. 58 berechnet). In
Dion exerzierte er die neu eingestellten Rekruten ein und erwartete
die Eröffnung des Feldzuges durch die Römer.
Ebenso unternahm Flamininus bei dem ersten Herannahen des
Frühlings (initio veris a. a. 0. 1,1) einen Zug gegen das böotische
Theben, brachte es auf seine Seite und brach dann um die Zeit der
Tag- und Nachtgleiche (per eosdem ferme dies, wie Philipp a. a. 0.
3, 6) von Elatea nach Thessalien auf. Von Elatea nach Heraklea
bei den Thermopylen, wo er sich 3 Tage aufhielt (tertio die ab
Heraclea Xynias praegressus) sind etwa 40, von da nach Xyniae
am See von Daukli über den Furkapafs etwa 35 Kilometer — also
zwei bis drei Tagemärsche — , so dafs er in letzterer Stadt in den
letzten Tagen des März angekommen ist. Hier mufs ein längerer
Aufenthalt genommen worden sein. Denn man erwartete hier den
eben erst in Heraklea beschlossenen Zuzug der Ätoler1) (Liv. a. a. 0.
3, 8). Wir werden dafür mindestens einen halben Monat ansetzen
müssen; aber auch nicht sehr viel mehr rechnen dürfen. Denn
Livius berichtet ausdrücklich, dafs die Ätoler nicht lange auf sich
hätten warten lassen (nihil morati Aetoli sunt) und dafs Flamininus
MaQXEXlov Kkavöiov vtiutov naQtilriyöios irv vnaTov (XQ/qv. Wenn es nun auch
aus sprachlichen Gründen unmöglich ist, diese Worte dem Polybios zuzuschreiben,
wie mir Herr Büttner -Wobst brieflich bestätigt (s. auch Meischke Symbolae ad
Eumenis II Pergamenorum regis historiam, Leipzig 1892, S. 21), so geht doch
aus dem ganzen Fragmente unzweifelhaft hervor, dafs Marcellus schon designierter
Konsul war, als man über den Frieden verhandelte. Sonst hätte er an der Hinter-
treibung desselben kein Interesse gehabt, Vergl. auch Nissen S. 143. Die
Designationen fielen damals etwa in den Januar. Mommsen, Staatsr. I3 583.
l) Darauf macht schon mit Recht aufmerksam Meischke, dessen Resultaten
für die Bestimmung der Schlacht ich mich durchaus anschliefse, S. 15—21.
Beilage II. Zur Chronologie des zweiten Makedonischen Krieges. ] 1 1
sofort nach deren Eintreffen aufgebrochen sei (confestim movit castra).
Dafs hier in der Tat keine ungebührlich lange Verzögerung ein-
getreten ist, bestätigt ferner die Tatsache, dafs andere griechische
Hilfskontingente, wie die Kreter, Apolloniaten, Athamanen sogar erst
nach den Ätolern beim Heere eintrafen (a, a. 0. 3, 10).
Es ist daher als ein Äufserstes von Erstreckung anzusehen,
wenn wir den Aufenthalt in Xyniae bis auf einen ganzen Monat aus-
dehnen und damit den Weitermarsch auf Ende April oder Anfang
Mai zurückschieben.
Die erste feindliche Stadt, welche man zu gewinnen hoffte, war
das phthiotische Theben. Der Marsch dahin beträgt nur etwa 50 Kilo-
meter, es war also in zwei Tagen bequem zu erreichen. Und
wenn wir auch zugeben wollten, dafs auf denselben noch einige Tage
Aufenthalt gefallen sein können, in denen der Konsul die anderen
soeben erwähnten Hilfstruppen an sich gezogen habe (transgresso in
in Phthioticum agrum . . Gortynii . . et Apolloniatae . . se coniunxere,
nee ita multo post Amynander Liv. ib. 3, 10), so wird dadurch
nicht eben viel geändert.
Von jetzt an aber entwickeln sich die Verhältnisse äufserst rasch.
Nachdem der Versuch, das phthiotische Theben durch Verrat
zu gewinnen, mifsglückt war (Liv. a. a. 0. 5, 2), gab der Prokonsul
weitere Unternehmungen gegen die Stadt auf (urbis amplius temp-
tandae . . conatu abstitit) und brach postero die (6, 1) nach Persuphli
auf (S. 61). Am 3. Tage war das erste Zusammentreffen mit Philipps
Vortruppen (Pol. XVIII 19, 2: xavä zr]v smovoav), am vierten das erste
Gefecht (Polyb. a. a. 0. 9 : vfj d' ejzavQtov), am fünften und sechsten
Marschtage (a. a. 0. 20, 1. 6) und am siebenten die Schlacht.
Somit erhalten wir bei der weitesten nur irgend erlaubten Er-
streckung des Termines als späteste Ansetzung für die Schlacht die
Zeit von Ende Mai bis Anfang Juni.
Dieser Termin ist aber auch zugleich der früheste, den wir
ansetzen dürfen wegen der Nachricht des Polybios über die Reife des
Kornes. Denn die Kornernte fällt heutzutage in Thessalien um die Mitte
des Juni1) und die Zeit dieses Geschäftes hat sich seit dem Alter-
*) Meischke a. a. 0. S. 16, A. 1 nach brieflicher Mitteilung von Th. von Held-
reich. — Es ist daher unmöglich, die Schlacht mit Matzat (Rom. Zeitr. S. 184)
bis in den Juli oder gar mit Fischer bis in den Herbst zurückzuschieben, wie
schon Meischke überzeugend ausgeführt hat.
IJ2 Der zweite Makedonische Krieg.
tum in Griechenland kaum verschoben1). Wir müssen daher auch
für die damalige Zeit die Ernte auf Mitte bis Ende Juni ansetzen,
und da die Erzählung des Polybios voraussetzt, dafs das Korn zur
Zeit der Schlacht noch auf den Feldern stand2), vom Beginne der
Ernte aber nichts gesagt wird, so können wir die Schlacht noch etwas
früher ansetzen und kommen damit gleichfalls auf Ende Mai bis
Anfang Juni. Die Chronologie der militärischen Vorgänge ist also
unter sich in Übereinstimmung.
Wie steht es in dieser Beziehung mit der zweiten Nachrichten-
gruppe, den Vorgängen in Rom?
Hier herrschte bekanntlich bei Beginn des zweiten Jahrhunderts
vor Chr. eine ähnliche Kalenderverwirrung wie zu Caesars Zeit. Das
römische Jahr war damals um etwa vier Monate dem natürlichen
vorausgeeilt. Diese Tatsache kann angesichts- des durch astronomische
Beobachtung festgestellten Zusammenfallen des 11. Quinctilis mit
unserem 14. März für das Jahr 190, sowie der weiteren, damit gut
zusammenstimmenden Tatsachen doch wohl kaum ernstlich bezweifelt
werden3). Damit fällt der Antrittstermin der römischen Konsuln in
Wirklichkeit in den November/Dezember und wir erhalten zwischen
der Schlacht von Kynoskephalä und dem römischen Jahranfang eine
Zeitspanne von etwa sechs Monaten.
Sehen wir uns also bei dieser Sachlage die Nachrichten über
1) Hesiod bringt die Erntezeit ausdrücklich mit dem Frühaufgang der
Pleiaden in Verbindung, der nach Busolts Berechnung (Hermes 35 S. 575) damals
Ende Mai fiel. Das ist gegenüber den modernen Beobachtungen über Mittel-
griechenland (Wilamowitz, Hermes 26, 220, Ed. Meyer, Forsch, z. gr. G. II 306)
eine unbedeutende Verschiebung. Busolt selbst rechnet etwa 12 Tage. Über
Italien siehe Nissen, Ital. Landesk. I 399 ff.
2) Sonst hat das nQoxaracpd-ii'Qm keinen Sinn. Das hat mit Recht Meischke
a. a. 0. S. 15 gegen Unger betont.
3) Holzapfel, Rom. Chronologie (1885) S. 302. 309. Unger bei Müller
Hdb. I 636. Matzat, Rom. Zeitrechnung S. 200. Soltau, Rom. Chronol. (1889)
S. 212. — Niese spricht S. 721,4 und 738,3 Zweifel an einer so weitgehenden
Kalenderverschiebung aus, aber ohne triftige Gründe vorzubringen. Denn eine
Versammlung der Truppen auf den 18. März in Brundisium im Jahre 190, wie
man sie bei dieser Verschiebung ansetzen mufs, ist kein abnorm früher Termin,
da z. B. auch in den Jahren 198 und 197 so frühe Eröffnung der Feldzüge vor-
kommt, um nur zwei in dieselbe Zeit fallende Daten zu nennen (S. 107. 109).
Und um eine Verschiebung um ein halbes Jahr handelt es sich wenigstens für
die hier in Rede stehenden Daten nicht, sondern nur um 4 Monate.
Beilage IL Zur Chronologie des zweiten Makedonischen Krieges. H3
die Vorgänge in Rom noch einmal genauer an. Sie zerfallen in zwei
Gruppen. Die erste spricht nur von der Ankunft der Siegesnachricht
in Rom und der infolgedessen angeordneten Mafsregeln (Liv. 33, 24, 3:
exitu ferme anni litterae a T. Quinctio venerunt etc. hae litterae
prius in senatu a Sergio praetore deinde . . in contione sunt recitatae
et ob res prospere gestas . . supplicationes . . decretae). Ihr Ver-
treter ist nur Livius, und zwar in einem den Annalen entnommenen
Stücke (Nissen S. 142 f.). Die zweite Gruppe dagegen behandelt die
Ankunft der Gesandtschaften des Philipp, des Flamininus und der
griechischen Staaten, ihre Verhandlungen mit dem Senate, die In-
trigen des neugewählten Konsuls Marcellus, die endliche Bestätigung
des Senatsbeschlusses durch das Volk, die Wahl einer Kommission
von 10 Gesandten für die Regelung der griechischen Verhältnisse.
Der Vertreter dieser Gruppe ist neben Livius auch Polybios. (Liv.
33, 24, 5 ff. 25, 4 ff. Polyb. XXIII 42).
Dafs die Siegesbotschaft erst gegen Ende des Amtsjahres, also
im Oktober oder November 197 in Rom eingetroffen sei, ist natür-
lich unmöglich, wie schon Nissen, Krit. Untersuch. S. 143 mit Recht
betont hat. Denn von Kynoskephalä konnte ein Eilbote bequem in
einem halben Monat nach Rom kommen1), und dafs der Prokonsul
sogleich an den Senat Nachricht geschickt hat, versteht sich von
selber. Man konnte also schon von Mitte Juni an von der Schlacht
unterrichtet sein, und ist es auch gewesen, wie uns Livius an zwei
anderen Stellen seiner Annalen andeutet, ohne den Widerspruch zu
seiner Erzählung zu bemerken. Er berichtet nämlich einerseits, dafs
die Siegesnachricht über Kynoskephalä von Sergius, dem damaligen
Prätor urbanus (Liv. 32, 31, 6) im Senate vorgelegt sei, ein Eintreten
des Prätors für die Konsuln, welches, wie Matzat scharfsinnig ge-
sehen hat (Rom. Zeitr. S. 184), nur daraus erklärlich ist, dafs damals
die Konsuln noch in Gallia cisalpina auf ihrem diesjährigen Feldzuge
abwesend waren. Zweitens aber erzählt er, dafs die Nachricht von
Kynoskephalä2) z. Z. der römischen Spiele in der Hauptstadt schon
!) Von Kynoskephalä bis Ambrakia sind ca. 135 Kilometer Luftlinie; bei
dem zu überwindenden Pindusübergang 3 — 4 Tage. Von Ambrakia nach Brun-
disium sind 240 Kilometer, d. h. etwa 3 Tage bei günstiger Fahrt (vergl. meine
Zusammenstellung, Hermes 34 S. 12 A. 1). Von Brundisium bis Rom reiste Cato
mit der Siegesbotschaft von Thermopylä 5 Tage (Plut. Cato 14. Liv. 36, 21, 6).
Summe: 12 Tage.
2) Dafs es sich bei der Notiz über die ludi Komani nur um die Nachricht
Kromayer, Antike Schlachtfelder. II. 8
114 ^er zweite Makedonische Krieg.
bekannt gewesen sei (a. a. 0. 25, 1 : ludi Romani . . et magnificentius
quam alias facti et laetius propter res bello bene gestas spectati),
d. h. also spätestens im Juni. Denn die römischen Spiele fallen nach
dem Kalender auf den 4. — 19. September (Wissowa, Religion u. Kultus
d. Rom. bei Müller V 4, 509), d. h. auf Mitte Juni, wenn wir für das
Jahr 197 eine dreimonatliche Kalenderverschiebung annehmen.
Wir haben daher keinen Grund, diese Nachricht des Livius
mit Matzat (a. a. 0. S. 184 A. 5) als einen Irrtum des Chronisten zu
verwerfen, sondern sie bestätigt vielmehr unsern Ansatz, dafs die
Schlacht von Kynoskephalä Ende Mai oder Anfang Juni geschlagen ist1).
Ganz anders steht es dagegen mit der Nachrichtengruppe über
die Friedensgesandtschaften und Friedensverhandlungen.
Die Absendung der einzelnen Gesandtschaften aus Griechen-
land und Makedonien braucht keinenfalls so schnell vor sich gegangen
zu sein. Zunächst war Philipp nach Kynoskephalä ein lötägiger Waffen-
stillstand gewährt worden (Pol. XVIII 34, 5. Liv. 33, 12, 1). Die im
Laufe desselben angeknüpften Verhandlungen führten zu einem vier-
monatlichen Waffenstillstand, während dessen die Gesandtschaften
aller Beteiligten nach Rom gehen sollten. (Pol. XVIII 39, 5. Liv.
33, 13, 14). Schon bei der Absendung mögen mannigfache Gründe,
die in den verwickelten und ungeordneten Verhältnissen der einzelnen
Kleinstaaten Griechenlands ihre Ursache hatten, verzögernd gewirkt
haben. Die Reise der Gesandtschaften selber war natürlich auch
keine Eilbotenfahrt.
So mag es bis in den August oder noch länger gedauert haben,
ehe die Gesandtschaften alle da waren2); und ehe man sich im
Senat über die vielen Wünsche, die von verschiedenen Seiten vor-
von dem Siege von Kynoskephalä und nicht um eventuelle gallische Siege handeln
kann, betonen mit Recht Kissen, Krit. Stud. a. a. 0., Meischke S. 21, Matzat
S. 184 A. 5.
!) Holzapfel hat Philol. 48 (N. F. 2, 1889 S. 369) nachzuweisen gesucht,
dafs die Abhaltung der ludi im Anfange des zweiten Jahrhunderts noch nicht
kalendarisch fixiert gewesen sei, und sich dabei auf die hier in Rede stehende
Nachricht gestützt. Ich glaube dafs man dies Argument — und es ist für das
zweite Jahrhundert das einzige — nach dem Gesagten nicht mehr für die Hypo-
these verwerten kann.
2) Pol. XVIII 39, 7: nävieg eTie/unov etg ir\v 'PafirjV, ol (Atv awtQyovvjeg^ ol
«T ch>Ti7iQc<TT0VT£; t rj duxkioet. Gesandtschaften der Achäer, Atoler, Messeni^r,
Eleer werden namentlich erwähnt. Pol. a. a. 0. 42, 6 ff.
Beilage II. Zur Chronologie des zweiten Makedonischen Krieges. H5
gebracht wurden, genügend orientiert hatte, ehe man sich über die ver-
schiedenen Strömungen im klaren war, die sich im Senate selbst über die
einzuschlagende Politik alsbald bemerklich machten (Pol. XVIII 45, 2 ff.),
mochte der Jahresschlufs herangekommen sein, so dafs der Komitial-
beschlufs über den Frieden und die Ernennung der Gesandten, sowie
die Feststellung von deren detaillierter Instruktion (Pol. XVIII 44, 1 ff.)
erst in das neue Beamtenjahr gefallen sind1).
Das wird auch dadurch bestätigt, dafs die Zehnmänner-
kommission, welche nach Griechenland geschickt wurde, erst spät im
Winter bei Flamininus in Elatea eintraf2) und dafs dem Philipp für
die Räumung Griechenlands selber vom Senate ein so später Termin
gesetzt wurde wie die isthmischen Spiele (jtaQadovvat, ePco^aloig jvqö
vrjg tcbv 'loßfjLicov jvavrjyvQecog Pol. a. a. 0. 44, 3. Liv. 31, 1), welche
erst in den Anfang des folgenden Sommers fielen (Unger, Piniol.
37, 3 ff . bestätigt und ergänzt von Christ Sitzungsber. d. Bayr.
Akad. 1889 S. 29 ff.).
So löst sich die Schwierigkeit leicht und einfach.
Livius hat zwischen der Ankunft der Siegesnachricht und den
Friedensverhandlungen nicht genügend geschieden, ein Versehen,
welches verzeihlich ist, da er nach der Erzählung der kriegerischen
Ereignisse in Griechenland und Italien alles, was inzwischen in
Rom selbst geschehen war, am Schlüsse seines Jahresberichtes zu-
sammenfafste.
J) Matzat (S. 184 A. 3, 4) glaubt, dafs der Friedensschlufs innerhalb des
viermonatlichen Waffenstillstandes erfolgt sein müsse, welcher Philipp nach
Kynoskephalä gewährt sei. Man sieht nicht ein, warum der Waffenstillstand nicht
verlängert werden konnte, wenn sich die Verhandlungen in Rom hinzogen.
2) Die Ankunft der Gesandten (Pol. XVIII 44, 1, Liv. 33, 30, 1) fällt nach
den Verwickelungen mit Theben, die erst ihren Anfang nahmen, als Flamininus
schon in Elatea die Winterquartiere bezogen hatte (naga^eifuccCovrog tv'EXaTttci.
Pol. a. a. 0. 43, 1 = Liv. 27, 5) und mit ihren verschiedenen Gesandtschaften,
Wahlen, Ermordungen römischer Soldaten, Aufbietung der römischen Armee etc.
(Polyb,, Liv. a. a. 0.) längere Zeit in Ansprach genommen haben müssen.
8*
Beilage III.
Die Pelopidasschlacht bei Kynoskephalä (364 v. Chr.) ').
Pelopidas und Alexander von Pherä schlugen die Schlacht, in
Hierzu die Karte wkh der erstere den Heldentod starb, bei denselben Kynos-
„Schlacht von ' J
Kynoskephaiä kepbalä, auf denen Philipp und Flamininus kämpften, und Alexander
36^"(ßei^ar'ev- brachte die Nacht vor dem Treffen ebenso wie die Römer in der
Karte INo. 4).
Nähe des Thetideons zu2).
Es kann also kein Zweifel sein, dafs es sich bei beiden Er-
eignissen um zwei ganz nahe bei einanderliegende Schlachtfelder
handeln und die Bestimmung des einen innerhalb dieser Grenze auch
für das andere bindend sein mufs. Wir würden also dadurch ohne
weiteres für die Schlacht zwischen Alexander und Pelopidas auch in die
Hügelzone zwischen dem Karadagh im Osten und den Bergen von
Dogandschi und den Mavrovuni im Westen geführt werden (S. 71).
Wir wollen aber von diesem Vorteil vorläufig keinen Gebrauch
machen, sondern versuchen, die Örtlichkeit der Pelopidasschlacht
ganz selbständig aus den für sie überlieferten Nachrichten abzuleiten.
Sollte sich daraus ungesucht dieselbe Gegend als Schlachtfeld heraus-
stellen, so würden wir damit zugleich eine sehr willkommene Be-
stätigung unserer Untersuchung über die Örtlichkeit der Römer-
schlacht in die Hand bekommen.
Der Punkt von welchem Pelopidas bei seinem Feldzuge gegen
Alexander seinen Ausgang genommen hat, war die Stadt Pharsalos. Von
hier aus rückte er gegen Pherä vor. Der Tyrann zog ihm entgegen 3).
1) Das Jahr steht durch eine Sonnenfinsternis fest, s. Beloch, Gr. Gesch.
II 282 A. 2. Die Übersetzung des Schlachtberichtes findet sich im Anhange zu
dieser Beilage S. 123 f.
2) Plut. Pel. 32: xarä Tag xakov^ivag Kvrog xetpaJiäs. Über das Theti-
deon s. folg. A. u. S. 73.
3) Plut. Pel. 32: tu? ovv tfg «/'a'pcr«Aor tk&wv qSQoioe ttjv dvvct/uiv, tvdig
tßcttiitev ln\ iov 'AXcigaviffiov. 6 öt . . Zmi\viv. nQog zu Gtrideiov.
Beilage III. Die Pelopidasschlacht bei Kynoskephalä (364 v. Chr.). H7
Daraus folgt für die Ansetzung des Schlachtfeldes zunächst ganz im
allgemeinen, dafs es irgendwo zwischen Pharsalos und Pherä zu
suchen ist, dafs also ebenso wie für die Römerschlacht die von
Pharsalos nach Norden, nach Larissa gehende Strafse, als äufserste
westliche Grenze angesehen werden mufs.
Ferner aber hören wir, wie erwähnt, dafs Alexander bis zum
Thetideon, das schon im Gebiete von Pharsalos lag (S. 73 A. 1),
dem Feinde entgegengerückt war. Er hatte also bereits den Karadagh
hinter sich. Und da ja auch Skotussa am Westhange dieses Gebirges
sich in seiner Macht befand1), so erhalten wir als äufserste Ost-
grenze für die Schlacht tatsächlich auch hier das westliche Vorland
des Karadagh. In demselben Hügelland zwischen dem Karadagh und
der Strafse Pharsalos —Larissa, also in einem Gebiet von etwa
9 Kilometer westöstlicher Erstreckung, haben wir mithin auch nach
diesen Nachrichten die Kynoskephalä und das Schlachtfeld der Pelo-
pidasschlacht zu suchen2).
Aber weiter als bis zu diesem allgemeinen Resultate geht die
Übereinstimmung zwischen beiden Schlachtfeldern nicht Denn der
Kampfplatz zwischen den griechischen Heeren kann nicht der Kamm
der Kynoskephalä gewesen sein, sondern er mufs auf der Südseite
der Hügelkette gelegen haben, da beide Heere ihren Ausgangspunkt
im Süden derselben hatten: Pelopidas von Pharsalos, Alexander vom
Thetideon aus aufbrachen3). Da ferner die Strafse, auf welcher die
Gegner sich entgegengingen ostwestliche Richtung hat, so wird die
Front der Heere auch nach Osten bezw. nach Westen gerichtet ge-
wesen sein, nicht wie bei dem Römertreffen nach Norden und Süden.
Das liegt in der Natur der Sache und folgt zudem aus dem Gange
des Gefechtes. Alexanders Reiterei wird nämlich gleich zu Anfang
der Schlacht durch die Gegner von den Hügeln in die Ebene4) —
natürlich in der Richtung nach Pherä zu — zurückgejagt.
!) Beloch, a. a. 0. 269. Diodor XV 75. Plut. Pel. 29.
2) Also nicht zwischen Skotussa und Pherä, wie noch neuerdings Beloch es
im Anschlufs an die alte Leakische Lokalisierung für die Römerschlacht ansetzt,
Griech. Gesch. II 282.
3) Dafs das Thetideon auf der Südseite der Hügel liegt, folgt daraus, dafs
Flamininus dabei lagerte; s. S. 73.
4) eig tö mdcov Plut. Pel. 32. Vergl. die Stelle im Zusammenhange
Anhang S. 123.
118 Der zweite Makedonische Krieg.
Bei dem heutigen Lasar Buga treten nun die Ausläufer der
Kynoskephalä weiter als an den anderen Stellen nach Süden vor.
Östlich und westlich davon ist Ebene. Hier mufs die Reiterei des
Alexander gestanden haben, wenn sie durch einen Angriff von vorne
in die Ebene zurückgeworfen werden sollte.
Von diesem festen Punkte aus ergibt sich daher in Übereinstim-
mung mit Plutarchs Bericht und der Bildung des ganzen Geländes fol-
gender Gang für die Anmärsche zur Schlacht und die Schlacht selber:
Alexander von Pherä ist auf demselben Wege wie Flamininus
von Pherä bis zum Thetideon marschiert, d. h. er ist der Senke
zwischen dem Karadagh und den Ziragiotischen Bergen gefolgt, die
heutzutage auch die Eisenbahn benutzt. Es ist das der bequemste
und kürzeste Weg von Pherä nach Pharsalos. Vom Thetideon aus
rückt er dann am nächsten Tage, als ihm der Anmarsch des Pelopidas
gemeldet wird, noch ein Stück weiter nach Pharsalos zu vor, um
den westlich von seiner Stellung befindlichen Höhenrücken von
Lasar Buga zu besetzen, der von den Höhen der Kynoskephalä herab-
kommend zwischen zwei kleinen Talfalten in südlicher Pachtung all-
mählich bis zur Ebene des Kutschuk-Tschanarly, des alten Enipeus,
hinabsinkt.
Indessen ist Pelopidas seinerseits von Pharsalos aus zunächst
nach Norden vorgerückt und hat den Enipeus auf der Strafse
Pharsalos— Larissa überschritten. Das mag etwa bei Pascha Magula
an der Stelle gewesen sein, wo auch heute dieser Weg den FJufs
kreuzt und die einzige Steinbrücke liegt, die in dieser ganzen Gegend
den Flufs überschreitet. Als er sich dem Höhenrücken von Lasar
Buga gegenüber befindet, läfst er, Front nach Osten, aufmarschieren und
versucht auch seinerseits den Kamm des Hügelrückens zu gewinnen x).
Während dieser Bewegungen der beiden Heere hat sich auf
ihren südlichen Flügeln, wo sich dem Gelände zufolge die Reiterei
am besten bewegen konnte2), das Reitergefecht bereits be-
gonnen. Denn hier waren die Truppen natürlich zuerst mit dem
') Plut. a. a. 0. 32: avaxavövKov Sk ngog rb [xsöov, \xarct Tag y.ctXov[Ah>ag
Kvvbg x€(pccXag, k6(f(ov nfQixlivcov xctl vifjiiXwv, w^^ffay a /u (f 6t eqo i rovrovg xcctu-
XaßeTv roig nt^olg.
2) Darum heifst es bei Plutarch auch ausdrücklich wQfurjOav . . toi;? Xoqovg
xaxcdaßtlv rolg neColg. Die Reiter bleiben in oder bei der Ebene, also im
Süden,
Beilage III. Die Pelopidasschlacht bei Kynoskephalä (364 v. Chr.). 119
Aufmarsche fertig, da sie einen kürzeren Weg hatten und mit keinen
Geländeschwierigkeiten zu kämpfen brauchten. So ergab sich dieser
Flügel von selber als Angriffsflügel. Ging Pelopidas mit ihm vor,
so deckte er zugleich den Anmarsch der anderen Truppen und be-
nutzte seine stärkste Waffe T), die Reiterei, zum entscheidenden Stofse.
Sein Entschlufs war daher rasch gefafst: er läfst seine Reiterei auf
die gegnerische anreiten und wirft sie aus ihrer Position auf
den Ausläufern des Hügelrückens heraus in die Ebene des Enipeus
zurück2).
Inzwischen aber ist es dem Alexander gelungen, dem thebani-
schen Heere in der Besetzung des Hügelrückens zuvorzukommen.
Er hat auf demselben Stellung genommen und greift von hier aus
die Gegner, welche noch im Anstieg begriffen sind, an, bringt ihnen
schwere Verluste bei und bedrängt sie so, dafs ihr Widerstand schon
zu erlahmen beginnt3).
Als Pelopidas das bemerkt, gibt er seiner Reiterei Befehl ein-
zuschwenken und das feindliche Zentrum anzugreifen. Er selber eilt
auf seinen linken Flügel zu dem Kampfplatz an dem Hügelrücken,
ergreift selber einen Schild und, ohne Zweifel mit einer Sturmkolonne,
die er nach altböotischer Gewohnheit und den Erfahrungen von
Tegea und Leuktra gebildet hat, stürmt er in zwei- und dreimal
wiederholtem Angriff gegen die Feinde vor4). Er reifst durch sein
Feuer seine Truppen mit sich fort, aber seine Angriffe haben nur
das Ergebnis, das Gefecht wiederherzustellen, nicht es zu gewinnen.
Erst als die Reiterei sich gesammelt und eingeschwenkt hat und den
Gegner von der Flanke her anpackt, glaubt letzterer sich dem sich
*) Plut. a. a. 0.: rovg innüg noXXovg xuya&ovg ovictg. Dagegen heifst
es von Alexander beim Fufsvolke: Qr\ßaiovg fj.kv 6-XCyovg twqItov neXom'öav boäv,
avibg o*k nXeiovg 8%cüv tj ömlaaiovg twv Seaauldöv.
2) Plut. a. a. 0.: rovg innag ... £(prjxe rolg inntvai iwv noXtfxicov.
(og ($£ ovroi fjitv Ixqoctovv xcu övvsl-eneoov t?g to ntölov Tolg tpsvyovotv.
3) Plut. a. a. 0.: (bg <5f ovtql (die Reiter) fjh txoazow ... 6 de AXs^av-
ÖQog £(p&r) Tovg Xo(fovg xaraXctßojv, 101g onXiiaig iwv GiöaaXwv varegov insQ/o/Li^-
voig xcu TTQog ia/vgä xal futrt'coQct %(ooia ßt,a£o[i6Voig IfxßaXwv, sxitivs tovg noooTovg,
ol dt äXXoi nXr\yag Xaßovisg ovdlv snoaTiov.
4) a. a. 0.: § 7 xauöcov ovv 6 ntXonidag Tovg . , inniig avexaXeiTo xal 7iobg
to avreattjxog ziov noXefticov IXaivecv txs'Xevsv. avrbg c$6 avi>£(xi'& doo/uq) Tolg
ntql tovg Xoqovg f^a/ofu^voig und später § 10: <og eMev Inl toxi del-iov
(AXtjjavdoov).
J 20 L>er zweite Makedonische Krieg.
neu vorbereitenden Angriffe nicht mehr gewachsen und weicht lang-
sam aus seiner Position1).
Nun überschaut Pelopidas von oben das Schlachtfeld2), sieht
wie das ganze feindliche Heer in Unruhe und Verwirrung gerät, wie
Alexander die Unordnung auf seinem rechten Flügel 3) persönlich zu
hemmen sucht, und stürzt sich mit der ganzen Wut seiner aufwallen-
den Leidenschaft auf den Tyrannen. Den Speeren der Leibwache
erliegt der mutige Freiheitsheld, ehe die Thessaler von den eroberten
Hügeln her4) ihrem grofsen Führer folgen können.
Aber der Sieg ist gewonnen; von Norden her durch Pelopidas
und seine Scharen, von Süden durch die Reiter bedrängt6) und ge-
worfen, löst sich die ganze Phalanx des Alexander auf und jagt in wilder
Flucht nach Pherä zu, von der Reiterei weithin durch die Ebene
verfolgt (öicb^avteg em nXeiovov).
Die Anlage und der Gang dieser Schlacht kann, nachdem auf
diese Weise ein Bild gewonnen ist, in mehrfacher Beziehung auf be-
sonderes Interesse Anspruch erheben.
Zunächst ist es klar, dafs hier dasselbe Schlachtschema vorliegt
wie bei Leuktra und Mantinea, indem nämlich auch bei Kynos-
kephalä zuerst nur der eine Flügel ins Gefecht geführt wird, der
durch seinen Stofs den Gegner über den Haufen rennt, durch Ein-
schwenken das Zentrum von der Flanke packt und die Schlachtreihe
aufrollt. (Man vergleiche das Kapitel über die kriegsgeschichtliche
Bedeutung des Epominondas. Bd. I S. 76 ff.). Aber ein doppelter
Unterschied macht sich hier doch alsbald bemerkbar.
Es ist diesmal die Reiterei, welche den Stofs zu führen hat,
und abweichend von den beiden genannten Schlachten ist der rechte
Flügel der Angriffsflügel. Beides ist später in den Schlachten
Alexanders des Grofsen stehend geworden, und so erscheint Kynos-
kephalä als deren unmittelbarer Vorgänger.
1) § 8: xcä (fio fj.tv rj TQslg äntxoovauvro npooßoXag, bquivitg 6e xctl rovTovg
imßutvovTttg tvpwGTwg aal ttjv Xnnov ano 7% dicji-tcog ävaOTpetpovöccv, ii^av
ln\ axikog noiov/uevoi xr\v (iva^ojgrjaiv.
2) ccnb T(Sv pxqcov xaridaiv.
8) § 10: Inl rov öe'iiov naQa&ctQQvvovxa.
4) § 12: ano jäiv Xo(p(ov.
5) oi i€ inntig ngooeXccOciVTsg.
Beilage III. Die PeJopidasschlaeht bei Kynoskephalä (3G4 v. Chr.). 121
Diese Schlachtanlage hat ihren Grund in den speziellen Ver-
hältnissen der Lage. Pelopidas verfügte über eine besonders gute
Reiterei, während er an Fufstruppen schwächer war (S. 119, A. 1).
Das wurde ausgenutzt und das thebanische Prinzip des Stofses hier
zum ersten Male auf die Reiterei übertragen, ein Verfahren, das
Epaminondas dann bei Mantinea mit Erfolg nachgeahmt hat (Bd. I S. 63).
Dazu kam, dafs die geschilderte Art des Anmarsches es nahelegte,
zuerst mit dem rechten Flügel in das Gefecht einzutreten, und dafs
hier allein nach dem Gelände die Reiterei verwendbar war. So
wirkte alles zu dieser Schlachtanlage zusammen, und wir finden eine
Bestätigung der schon früher (Bd. I S. 77 ff.) erkannten Wahrheit,
dafs in der thebanischen Periode keineswegs der linke Flügel immer
der Angriffsflügel zu sein braucht, sondern dafs je nach Gelände und
Umständen auch der rechte zu dieser Aufgabe bestimmt werden kann.
Aber diese Schlacht hat noch eine andere Eigentümlichkeit.
Wie bei Leuthen stand hier der eine Flügel des Gegners höher
als der andere in einer das Ganze beherrschenden Stellung. Man
sollte also denken, dafs, wie dort Friedrich der Grofse auf Gewinnung
dieser Position den Hauptnachdruck gelegt hatte1), so auch hier
gegen sie der Angriff in erster Linie gerichtet worden wäre, weil
mit ihrer Gewinnung alles gewonnen war. Aber diese an sich natür-
lichste Schlachtanlage machten die geschilderten Umstände hier nicht
ratsam, und so mufste Pelopidas auf andere Weise helfen. Durch
Einsetzen seiner Persönlichkeit auf dem Defensivflügel versucht er
hier den Kampf so lange mit höchster Energie aufrechtzuhalten,
bis seine Reiterei den Gegnern in die Flanke gefallen war. Er er-
reichte sein Ziel durch wiederholte kräftige Offensivstöfse. Die ganze
Impetuosität und Leidenschaftlichkeit des Mannes tritt dabei hervor,
und so kommt es, dafs man bei oberflächlicher Lektüre des Schlacht-
berichtes diesen Flügel geradezu für den Angriffsflügel des ganzen
Heeres halten könnte und zwar um so mehr als unser unmilitärischer
und nur für das Persönliche interessierter Berichterstatter die Tätig-
keit der Reiterei nur nebenbei behandelt, das persönliche Eingreifen
des Feldherrn dagegen in den Mittelpunkt seiner Schilderung ge-
rückt hat. Der Kundige wird sich dadurch nicht täuschen lassen.
Aber auch für uns ist allerdings die rastlose, leidenschaftlich
x) Man vergleiche den Ausspruch Friedrichs d. Gr. darüber (Bd. I S. 81 A. 1.)
[22 l*er zweite Makedonische Krieg.
gehobene und doch alles klar überschauende Tätigkeit des grofsen
Mannes in seinen letzten Stunden noch einen Augenblick der Betrachtung
wert. Schmiegsam über Böoter Art, vveifs er sich von Anfang an
den Erfordernissen der Lage anzupassen, und ohne einen Augenblick
zu zaudern entwirft er danach den geeigneten Schlachtplan : er ordnet
den Stofs der Reiterei auf dem rechten Flügel an, es gelingt ihm
die Massen zum Einschwenken zu bringen, als der Augenblick dazu
gekommen ist, während er persönlich beim Zentrum den Angriff
leitet Dann eilt er, als er hier den Erfolg einigermafsen gesichert
sieht, sofort auf den linken Flügel und reifst durch den Enthusias-
mus, der ihn beseelt, die Massen mit sich fort. Er umspannt das
Ganze mit seinem Geiste und scheint selbst körperlich überall zu
sein. Sein leidenschaftliches Naturell, das sich überall mit voller
Energie einsetzt, ist doch von dem Verstände beherrscht, und er
weifs abzubrechen und sich zu Wichtigerem zu wenden, sobald das
zuerst angestrebte Ziel erreicht ist. Nur im Augenblicke, als der
Sieg erkämpft ist, reifst ihn der persönliche Hafs fort. Das Ganze
ist ja geborgen, und seine Person ist ihm ein Nichts. So erliegt er,
indem er sich unbedacht exponiert, und bringt ebenso wie sein
grofser Freund Epaminondas bei Mantinea seine Sache um den Er-
folg eines Sieges, der nur durch sein Weiterleben nutzbar werden
konnte.
Anhang.
Übersetzung des Berichtes der Pelopidasschlacht.
Plut. Pelop. 32: Nachdem (Pelopidas) nach Pharsalos gekom-
men war und dort sein Heer gesammelt hatte, brach er sofort gegen
Alexander auf. (2) Der aber zog ihm bis zum Thetideon entgegen,
da er sah, dafs Pelopidas nur wenige Thebaner bei sich hatte und
er selber doppelt so viele thessalische Hopliten als jener besafs ....
(4) Da nun zwischen beiden bei den sogenannten Kynoskephalä ringsum
abfallende und hohe Hügel sich hinzogen, strebten beide danach, sie
mit ihren Fufstruppen zu besetzen. (5) Seine gute und zahlreiche
Reiterei sandte Pelopidas gegen die der Feinde. (6) Sie war sieg-
reich und verfolgte die Flüchtigen in die Ebene. Aber Alexander
erreichte die Höhen zuerst, machte auf die thessalischen Hopliten,
die später anrückten und zu den steilen und hochgelegenen Stellungen
anstiegen, einen Angriff und tötete die vordersten; die anderen
aber liefsen auf sich losschlagen und taten nichts dagegen. (7) Als
Pelopidas das sah, liefs er die Reiterei zurückrufen und befahl ihr,
den noch standhaltenden Teil der feindlichen Macht anzugreifen, er
selber aber eilte im Laufschritt zu denen, welche bei den Hügeln
kämpften, ergriff sofort einen Schild, drängte sich von den Hinter-
sten bis zu den Vordersten durch und erfüllte alle mit solchem Mut
und Eifer, dafs sie auch den Feinden an Körper und Seele andere
Menschen geworden zu sein schienen. (8) Zwei oder drei Angriffe
schlugen sie nur noch ab, als sie dann aber sahen, dafs sowohl ihre
Gegner wiederum mutig anstürmten und auch die Reiterei von der
Verfolgung umkehrte, wichen sie Schritt vor Schritt zurück. (9) Als
nun Pelopidas von den Höhen herab sah, wie das ganze Heer der
124 ^er zweite Makedonische Krieg.
Feinde sich zwar noch nicht zur Flucht wandte, aber doch schon
voll Unruhe und Verwirrung war, machte er Halt und sah sich um,
um den Alexander zu suchen. (10) Als er seiner ansichtig wurde,
wie er die Söldner auf dem rechten Flügel ordnete und ermutigte,
hielt er sich nicht länger (sondern stürmt vor und wird von Wunden
bedeckt niedergestofsen). (12) . . bis endlich, als er schon gefallen
war, die Thessaler voll Wut von den Hügeln herab ihm im Laufe
zu Hilfe kamen und die Reiter durch ihre Angriffe die ganze
Phalanx in die Flucht jagten und sie weit verfolgten, wobei sie mehr
als 3000 töteten.
II.
Der Syrisch-römische Krieg
(192—189 v. Chr.).
Vorbemerkung.
Die strategisch-politische Lage.
Ein ganz anderes Aussehen, als im zweiten Makedonischen
Kriege hat die strategisch-politische Lage im Kriege des Antiochos
von Syrien gegen Rom.
Während dort Offensive auf Defensive traf, stofsen hier offen-
bar zwei Offensiven aufeinander, und es scheint sogar, als ob beide
Parteien von Anfang an bemüht gewesen seien, mit Aufgebot aller
ihrer Kräfte den Gegner niederzuwerfen und wehrlos zumachen,
als ob wir hier also eine doppelseitige Niederwerfungsstrategie vor
uns hätten.
Für die Römer ist dieser Charakter der Kriegführung ohne
weiteres klar, aber auch für Antiochos scheint er unverkennbar.
Der König geht aus seinem asiatischen Reiche über das Meer
vor nach Griechenland und greift damit unzweifelhaft in die Macht-
sphäre Roms ein, wie solche durch den eben beendeten Krieg mit
Philipp von Makedonien festgestellt war. Die ganz vor kurzem vor
aller Welt als frei verkündeten Griechenstädte, aus denen die make-
donischen Besatzungen auf Roms Befehl hatten weichen müssen,
werden mit syrischen Truppen belegt, und Festungen wie Chalkis
und Demetrias nicht weniger als die thessalischen, für selbständig
erklärten Landstädte erhalten asiatische Garnisonen. Mit Ätolien
wird ein Bündnis gegen Rom geschlossen und nach Akarnanien ein
Einfall gemacht. Mit dem Achäischen Bund, Makedonien und Epiros,
Roms Bundesgenossen, wird Gesandtschaftsverkehr unterhalten und
der Versuch unternommen, sie von Rom abzuziehen. Ja, es besteht
der Plan, die Flotte bis zur Westküste Griechenlands vorzuschieben
und je nach Umständen eine Invasion nach Italien auszuführen.
128 ^er Syrisch-römische Krieg.
Hannibal, der sich im Lager des Königs befindet, hofft mit 10000 Mann
einen neuen Krieg in Italien selber entfachen, seine Vaterstadt und
den ganzen Westen in den Wirbel eines Vernichtungskrieges gegen
Rom hineinziehen zu können1).
Wenn diese letzten weitgehenden Pläne nicht zur Ausführung
gekommen sind, so erblickt man darin nach der heutzutage herrschen-
den Auffassung nicht eine grundsätzliche Abweisung des Gedankens,
Rom mit allen Mitteln der Gewalt niederzuwerfen, sondern nur Mangel
an Energie, kleinkrämerische Halbheit und den Einflufs einer neidi-
schen Hofkamarilla, welche die Eitelkeit des Königs zu überzeugen
verstand, dafs er sich nicht durch Hannibal verdunkeln lassen dürfe2).
Die Absicht eines Angriffes auf Rom selbst mit dem Zwecke, diesen
Staat niederzuwerfen, habe — so meint man also — im Prinzip auch
dem Könige vorgeschwebt; „der Sturm gegen Rom" sei „von langer
Hand und im weitesten Umfange vorbereitet" worden, nur die kon-
sequente und energische Durchführung sei ausgeblieben.
Indessen ist die tatsächliche Lage doch eine wesentlich andere
gewesen.
Wir müssen, um in das Verständnis von Antiochos' Politik und
Strategie einzudringen, einen kurzen Rückblick auf seine Vergangen-
heit werfen. In der tiefsten Zerrüttung hatte dieser Fürst bei seiner
Thronbesteigung im Jahre 223 das Reich seiner Ahnen vorgefunden.
Das südliche Syrien war an Ägypten verloren, und sogar dicht vor den
Toren seiner Hauptstadt Antiochia war deren Hafenstadt Seleukea
in die Gewalt dieses Gegners geraten. In Kleinasien hatte, abgesehen
von den zahlreichen kleinen Königen, die sich seit geraumer Zeit
selbständig gemacht hatten, Achäos alle Macht in der Hand, ein Mann,
der von Anfang an ein unzuverlässiger Feldherr gewesen war und sich
bald als offener Empörer die Krone aufs Haupt setzte. Im Osten waren
Baktrien und Parthien schon lange verloren, jetzt regte sich auch der
Abfall in Medien und Persien, ja er griff auf Susiana und Babylonien
über, und die Empörer Molon und Alexander beherrschten bald die
1) Ich verweise statt einzelner Belege für diese und die im folgenden er-
wähnten Tatsachen ein für allemal auf die Darstellungen von Mommsen, R. G. I6,
Kap. IX und Niese, Gesch. d. griech. u. mak. Staaten II, S. 637 ff., hei welch
letzterem auch für die Einzelheiten die vollständigen Quellenbelege zu linden sind.
2) Mommsen I«, 728.
Vorbemerkung. 129
Kernlande der Monarchie. Im Norden endlich hatte sich Armenien
unter eigenen Fürsten ganz dem Reichsverbande entzogen.
Aus allen diesen Gefahren hat sich Antiochos mit rastloser
Energie allmählich emporgearbeitet: Alexander und Molon wurden
in blutiger Feldschlacht überwunden, die Könige von Parthien und
Baktrien auf einem zweiten Zuge in den Osten zu einer wenigstens
nominellen Anerkennung der Oberhoheit des Seleukidenreiches ge-
zwungen, Achaeos in Kleinasien traf in seiner Hauptstadt Sardes der
Vernichtungsstreich, Armenien ward durch Gewalt und wohlberechnete
Milde wiedergewonnen, und nach anfangs vergeblichen und dann
scheinbar ganz aufgegebenen Versuchen fiel endlich auch Syrien durch
die Schlacht am Panion dem Reiche wieder zu.
Dafs bei diesen verschiedenen, in allen vier Weltgegenden ge-
führten Kämpfen eine leitende Idee zugrunde lag, ist trotz des ruhe-
losen und scheinbar wenig folgerichtigen Hin- und Herjagens nicht
zu verkennen. Es war die Idee der Wiederherstellung der Monarchie
in dem Umfange, wie sie einst der Vorfahr des Antiochos, Seleukos
Nikator, in den Tagen seiner höchsten Macht besessen hatte1). Ein
tatenreiches Leben voll fortwährender Kämpfe hatte der König
diesem Streben gewidmet — denn über 30 Jahre waren in diesen immer
wiederholten Versuchen dahingegangen — da sollte dem Werke der
Schlufsstein hinzugefügt und auch die Städte an der Westküste Klein-
asiens sowie das Thrakische Reich, das einst Seleukos dem Lysi-
machos abgenommen hatte, dem Staate hinzugefügt werden. Schon
hatte der König Lysimachea am Hellespont neu auferbaut und als
Hauptstadt der neuen Satrapie Thrakien bestimmt, als ihm von Rom
her das Verlangen entgegentrat, entweder diesen Besitz wieder auf-
zugeben oder auf die kleinasiatischen Städte zu verzichten2).
1) Ausgesprochen ■wird das gelegentlich bei den Verhandlungen über
Thrakien; Liv. 33, 40, 4: qua Lysimachi quondam regnum fuerit, quo victo omnia,
quae illius fuissent, iure belli Seleuci facta sint, existimare suae dicionis esse. Es
geht aber deutlicher als aus jeder einzelnen Nachricht aus dem Zusammenhang
der ganzen Bestrebungen des Antiochos hervor und wird auch von den modernen
Darstellungen, denen Antiochos mit seiner ganzen Tätigkeit- im Mittelpunkte ihrer
Betrachtung steht, übereinstimmend anerkannt. Niese S. 396, Flathe II S. 309.
305. 314 u. f. Es ist eine von den historischen Tatsachen, die, nach Droysens
treffendem Wort, besser durch den grofsen Zusammenhang beglaubigt sind, als
sie je durch einzelne Zeugnisse beglaubigt werden können.
2) Liv. 34, 58. 59. Niese II 676.
Kromayer, Antike Schlachtfelder. II. 9
]30 Der Syrisch-römische Krieg.
Es ist scharf zu betonen, tlafs dies und dies allein das Streit-
objekt war, an welchem sich der Kampf zwischen Rom und Antiochos
entzündet hat. Man erkennt deutlich, wie sehr die Bestrebungen des
Königs mit der Politik seines Lebens in Verbindung stehen und wie viel
ihm daher an der Festhaltung dieser Position gelegen war. Man
erkennt aber ebenso deutlich, dafs er gemäfs dieser seiner Lebenspolitik
keine Veranlassung hatte, in einen Kampf auf Tod und Leben mit
Rom einzutreten. Mochten die beiden Grofsmächte im Osten und
Westen ruhig nebeneinander bestehen, an der Erschütterung von
Roms Grofsmachtstellung oder gar seiner Vernichtung hatte Antiochos
gar kein Interesse, sondern nur an dem Verzicht der römischen Ver-
fügungsansprüche auf Thrakien und Ionien.
Denn eine Niederwerfung Roms hätte den König in unabseh-
bare Verwickelungen im Westen verstrickt, den Schwerpunkt seines
Reiches völlig verschoben, wenn er die Erbschaft im Ernste hätte
antreten wollen, und ihn vor Aufgaben gestellt, die seine Kräfte
ebensoweit überstiegen, wie sie aufserhalb der Ziele seiner Politik
lagen. Eine Welteroberungspolitik im Sinne der ersten Diadochen
gab es seit Demetrios' Untergang nicht mehr: sie hatte sich als Un-
möglichkeit erwiesen. Ein System von Staaten hatte sich durch die
Erfahrung, selbst in dem engeren Rahmen der hellenistischen Welt,
als die einzig mögliche Daseinsform herausgestellt. In diesem Ge-
dankenkreise lebte Antiochos, in diesem Rahmen hatten sich von je-
her seine ganzen Bestrebungen bewegt. In diesem Sinne hatte er
sich im Osten mit einer blofs nominellen Abhängigkeit von Baktrien
und Parthien begnügt, hatte er die kleinen Königreiche Kleinasiens
unangetastet gelassen und durch Bande der Verschwägerung an sich
gefesselt, hatte er mit Ägypten, ohne dessen Existenz ernstlich zu be-
drohen, Friede und Freundschaft geschlossen, hatte er sich bereit er-
klärt, den kleinasiatischen Städten ihre Freiheiten und Rechte zu garan-
tieren. Wie sollte er dazu kommen Rom niederwerfen zu wollen?
Der Streit um Thrakien ist also nicht etwa nur die äufsere
Veranlassung für den Ausbruch eines innerlichen unversöhnlichen
Gegensatzes, sondern im Sinne des Antiochos, der wiederholt den
Wunsch ausgesprochen hat, in Frieden und Bündnis mit Rom zu
leben1), neben dem Anlafs zugleich der Grund des Krieges gewesen.
l) Niese II G70. 675.
Vorbemerkung. 131
Man kann sich daher kaum einen schärferen Gegensatz der
Anschauungen denken als den zwischen der Politik des Antiochos
und des Hannibal. Hier der Mann, welcher mit seinen Anschauungen
ganz im Westen wurzelt, den er kennt und mit dem Blicke umspannt
wie kein anderer, der grimmige Römerfeind, der den italischen Staat
vernichten will und die Mittel des Ostens ins Schlepptau seiner Ver-
nichtungspolitik nehmen möchte, dort der König, welcher ein Menschen-
alter hindurch voll Krieg und Mühsal sich allein im Osten ge-
tummelt hat, mit den Interessen seines weiten, nach Norden, Süden
und Osten hin nicht weniger als nach Westen hin gravitierenden
Reiches festverwachsen ist und keine Neigung spüren kann, zu der
ihn im Osten schon fast erdrückenden Arbeitslast noch die des
Westens dazu auf seine Schultern zu nehmen.
Es ist selbstverständlich, dafs ein solcher Gegensatz der politi-
schen Ziele auch auf die zu verfolgende Strategie von dem nach-
haltigsten Einflüsse sein mufste.
Vom Standpunkte der syrischen Grofsmacht, die ihren Schwer-
punkt in Antiochia und am Tigris hatte, war ein in Italien geführter
Niederwerfungsfeldzug gegen Rom eine weit gröfsere Verkehrtheit,
als die gewaltsame Eroberung von Ägypten es gewesen wäre oder
ein Versuch, die unbedingte Unterwerfung Parthiens und Baktriens zu
erreichen. Und doch hatte man sowohl nach Panion als auch bei dem
grofsen Zuge in den Osten von der Erreichung so weitgehender Gedanken
abgesehen. Zum mindesten mufste bei den viel niedriger gesteckten
Zielen des Antiochos ein Feldzugsplan im Sinne Hannibals als eine
unnötige Kraftverschwendung erscheinen, und wenn der König den
darauf hinarbeitenden Ratschlägen Hannibals überhaupt jemals ernst-
lich Gehör geschenkt hat, so ist er doch sehr bald wieder davon
zurückgekommen ').
Eine jede Offensive schwächt sich im Vorgehen und verliert
mit der gröfser werdenden Entfernung von den natürlichen Hilfs-
quellen an Kraft; umgekehrt gewinnt der Verteidiger an Stärke mit
*) Livius sagt zwar nach Entwicklung von Hannibals Kriegeplan (34, 61, 1): in
hanc sententiam cum adduxisset regem usw., und ähnlich äufsern sich die anderen
Quellen (App. Syr. 7. Justin 31, 4, 1). Indessen handelt es sich bei alledem zu-
nächst nur um Einleitung vorbereitender Schritte, wie die Anknüpfung von Ver-
handlungen mit Karthago. Soweit war der Weg des Hannibal und Antiochos der
gleiche.
9*
132 Der Syrisch-römische Krieg.
der Nähe seiner Landesmittel. Das ist eine bekannte Erfahrungs-
tatsache der Kriegsgeschichte und eine der festesten Sätze der
Kriegstheorie1). Ganz besonders ist es so, wenn nicht Soldheere die
N Kriegsmittel bilden, die man auch im feindlichen Lande leichter er-
gänzen kann, sondern wenn lebendige Volkskraft in den Kampf ge-
führt wird, wie das bei Rom der Fall war. Wenn man also den
Gegner nicht vernichten, sondern nur nötigen wollte, den Anspruch
auf ein Streitobjekt aufzugeben, das man in der Hand hielt, so war
es weit leichter und erfolgverheifsender, ihn stehenden Fufses zu er-
warten oder nur so weit in seine Machtsphäre einzugreifen, dafs man
ein ihm wertvolles Besitztum in Beschlag nehmen und ihn durch
dessen erfolgreiche Verteidigung geneigt machen konnte, auf seine
Ansprüche zu verzichten. Traf es sich dabei günstig, dafs durch ein
solches Vorgehen dem Feinde Bundesgenossen entzogen und die
eigenen Kräfte erhöht wurden, so lag darin ein Grund mehr, aus der
reinen Defensive zu einer beschränkten Offensive überzugehen2).
Diese Strategie, welche nicht erst von der vollen Kampf-
unfähigkeit des Gegners, sondern schon von dessen relativer Schwächung
ihre Erfolge erwartet, mufste dem Antiochos um so mehr naheliegen,
als er ihr einen guten, wenn nicht den besten Teil seiner bisherigen
Erfolge verdankte. Die meisten seiner Gegner waren den Er-
wägungen, welche der jedesmalige Stand der Kriegslage nahelegte,
den Wahrscheinlichkeitsrechnungen des Erfolges und den Rücksichten
auf die Gröfse der zu bringenden Opfer ebenso wie er selbst zu-
gänglich gewesen, und so war man weder in Ägypten noch in
Armenien, weder in Baktrien noch in Parthien zum Äufsersten ge-
schritten: ein Kompromifs auf Grund der augenblicklichen Lage hatte
hier überall den Streit geendet.
Von diesen Erfahrungen seiner bisherigen Tätigkeit mufste der
König ausgehen, und danach ist die Besetzung Griechenlands zu be-
*) Clausewitz Bd. I, Nachricht S. XI.
2) Es handelt sich hier also um diejenige Art der Kriegführung, wo,
wie Clausewitz in der „Nachricht" (Scherff, S. XI) sagt, der Zweck nicht das
Niederwerfen des Gegners ist, sondern „wo man blofs an den Grenzen seines
Reiches einige Eroberungen machen will". Also um eine „Offensive mit be-
schränktem Ziel", die darum noch keine Ermüdungsstrategie zu sein braucht,
sondern in Anwendung der Operationsmittel auf dem beschränkten Kriegsschau-
platz volle Freiheit hat. Man vergleiche Cämmerer S. 91 f. und oben S. 4 A. 2.
Vorbemerkung. 133
urteilen. Im Sinne Hannibalischer Niederwerfungsstrategie war sie
eine Halbheit und darum eine Torheit, im Sinne der beschränkten
Offensive des Antiochos war es der kühnste Schritt nach vorwärts,
den man überhaupt machen durfte; zu kühn sogar — weil zur Erreichung
des Zieles nicht unbedingt nötig — , wenn er nicht sehr gut vorbereitet
und basiert wurde. So ist von einem „von langer Hand vorbereiteten
Sturme auf Rom" überall nichts zu spüren. Nicht einmal Makedonien
mochte Antiochos durch Abtretung Thrakiens, um das es wahrschein-
lich zu haben gewesen wäre, gewinnen1). Kein Wunder, Denn
um Thrakien ging ja dem Könige der ganze Krieg. Dafs man mit
Karthago Fühlung nahm, war auch vom Standpunkte des Königs
natürlich durchaus gerechtfertigt. Eine Diversion im Westen wäre für
ihn eine willkommene Entlastung des Hauptkriegsschauplatzes und ein
wirksames Mittel gewesen, den Gegner seinen Absichten gefügiger zu
machen.
In Rom freilich, wo man Feinde ringsum sah, wo man Hannibal
bei Antiochos, Karthago schwankend, Spanien noch im Aufstande,
Oberitalien in Unruhe gewahrte, mochte man die schlimmsten
Befürchtungen hegen, in allem einen einheitlichen, auf Roms
Untergang gerichteten Plan erkennen wollen und danach die ener-
gischsten Mittel der Abwehr und des Angriffes treffen. So zu handeln
war Pflicht und Recht umsichtiger Staatslenker.
Wir Nachfahren aber müssen uns entwöhnen, die damaligen Ver-
hältnisse nur mit römischen Augen zu sehen, so sehr uns auch die
überwiegend in römischer Anschauung stehende Überlieferung diesen
Standpunkt nahelegt. Die hellenistische Welt hatte eben ihr eigenes
Leben, ihre eigenen politischen Erfahrungen und Anschauungen und
will nach ihnen beurteilt sein, wenn man sie recht verstehen will.
Wenn wir im vorstehenden den Versuch gemacht haben, die
Handlungsweise des Antiochos aus seiner Vergangenheit und den staat-
lichen Verhältnissen, in denen er erwachsen war, zu erklären und zu
begreifen, so soll damit kein Urteil darüber abgegeben sein, ob die
Übertragung dieser hellenistischen Verhältnisse auf die Welt des
Westens ein richtiger Kalkül gewesen ist oder nicht.
Bei jeder politisch-strategischen Berechnung ist die Individualität
l) So nach Nissens sehr wahrscheinlicher Vermutung Krit. Unters. S. 179 A.
134 £>er Syrisch-römische Krieg.
des Gegners einer der wichtigsten Faktoren. Mit seiner zutreffenden
Einschätzung steht und fällt die Richtigkeit des Ganzen.
Durfte Antiochos bei dem Volk der Kannäkämpfer jene diplo-
matische Nachgiebigkeit, bei jener Aristokratie aus Bauernblut, die
den Staat leitete, jene Geschmeidigkeit der hellenistisch-orientalischen
Monarchien und Kabinette voraussetzen? Durfte er annehmen, dafs
es nur die harte Notwendigkeit des Kampfes ums politische Dasein
gewesen war, welche diese Römer im Hannibalischen Kriege zu so
beispiellosem Harren und Dulden befähigt hatte? Oder mufste man
nicht vielmehr erwarten, hier auf eine Gesinnung zu stofsen, die sich
in ihrer Hartnäckigkeit bereit machte, die ganze Existenz an die Fest-
haltung der politischen Hegemonie in Griechenland zu setzen und
lieber unterzugehen, als hier auch nur einen Schritt zurückzuweichen?
Dann allerdings wäre die Eroberung Thrakiens und ein Anteil an der
Herrschaft über Griechenland nur auf dem Umwege über die Ver-
nichtung Roms zu erreichen gewesen.
Die Vergangenheit Roms, der Pyrrhoskrieg und der Kampf um
Sizilien sprachen nicht dafür, dafs Antiochos seine Gegner richtig ein-
geschätzt hatte. Aber eine direkte Antwort hat uns die Geschichte
versagt. Rom wurde solcher Erwägungen überhoben. Schon der erste
Waffengang entschied endgültig zu seinen Gunsten,
1. Therm opylä.
1. Der Feldzug bis zur Schlacht und die Bestimmung des
Schlachtfeldes.
Gegen Ende Oktober 192 landete Antiochos mit 10 000 Mann,
500 Reitern und 6 Elefanten bei Pteleon im Pagasäischen Meerbusen 1).
(ükartc)hts" Es ist selbstverständlich, dafs diese unbedeutende Armee, welche kaum
genügt hätte Griechenland zu besetzen, selbst wenn es ohne Römer-
schutz gewesen wäre, nur als die Vorhut des Hauptheeres zu be-
trachten ist und nur den Zweck haben konnte, das vor zwei Jahren
von den Römern geräumte Land mit Beschlag zu belegen und durch
Besetzung fester Punkte, durch Verbindung mit Ätolien und anderen
Staaten für den Feldzug des Hauptheeres den Boden vorzubereiten.
Hier/u Karte
Kr. 1.
l) Liv. 35, 43, 4 ff . Über die Zahl der Truppen s. Beilage I, über die Zeit-
bestimmungen hier und im folgenden Beilage III.
1. Thermopylä. 135
Diesen Zweck hat die Expedition im ganzen erfüllt: die Festungen
Chalkis und Demetrias kamen in Antiochos' Hand, ganz Mittelgriechen-
land aufser Attika und Akarnanien fiel ihm zu, der gröfste Teil von
Thessalien wurde in einem Feldzuge gewonnen, der um die Mitte des
Winters eröffnet wurde und etwa nach Monatsfrist beendet sein mochte.
Nicht vor Ende Januar ging der König für den kurzen Best des Winters
nach Chalkis in die Winterquartiere, aber schon zu Anfang des Früh-
lings im März war er wieder mit einem Einfalle nach Akarnanien be-
schäftigt. Der Vorwurf üppiger und träger Winterruhe, den unsere auf
Polybios' etwas philiströse Anschauung zurückgehende Überlieferung
dem Antiochos macht, wird durch diese Zeitbestimmung hinfällig1).
Was bei so geringen Truppen weiter hätte geschehen können,
ist nicht zu ersehen, da die beiden mächtigsten Staaten des Landes,
Makedonien und der achäische Bund, die zu gewinnen nicht gelungen
war, bei weiterem Vorgehen die Flanken bedrohten. Eine Stellung
an der Adria, wie Hannibal sie wollte, ging von der Voraussetzung
aus, dafs die ganze Armee des Königs nach Griechenland überge-
gangen, dafs Makedonien gewonnen oder wenigstens durch eine zweite
Invasionsarmee gelähmt sei2) und stand zudem im Widerspruch mit
Antiochos Strategie. Schon aus Rücksicht auf die Verpflegung durfte
man die Verbindung mit Asien nicht durch weiteres Vorschieben der
Stellung gefährden.
Es sollte sich bald zeigen, dafs man sich schon zu weit vor-
gewagt hatte.
Die Römer ihrerseits begannen den Krieg mit einem Angriff
auf Thessalien noch während der König in Akarnanien abwesend war.
Seine Besatzungen in Thessalien waren schutzlos dem römischen
Vorstofse preisgegeben. Die festen Punkte wurden mit leichter
Mühe einer nach dem anderen bewältigt und mehr als 5000 Mann
— darunter 3000 von dem asiatischen Heere — dabei gefangen
(Beilage I S. 208), ein doppelt empfindlicher Verlust bei des Königs
schwachen Kräften. Diese auffallende Überraschung war nur dadurch
möglich geworden, dafs die Römer den Feldzug ganz ungewöhnlich
1) Über die chronologischen Bestimmungen s. Beilage III S. 221 f. Für die Er-
zählung selbst ist Hauptquelle Livius 35, 43 bis Schlufs des Buches und 36, 5, 1
bis Kap. 12. Man vergleiche für die Einzelheiten dieser bekannten Ereignisse
Mommsen I, 730 und Niese II, 693 ff.; 698 f.
2) Hannibals Rede im Kriegsrat Liv, 36, 7, 13. App. Syr. 14, 22.
136 Do* Syrisch-römische Krieg.
früh eröffnet hatten und dafs sie die Unterstützung Philipps von Make-
donien besafsen. Schon auf den 26. Januar hatte der Konsul Acilius
Glabrio den Versammlungstag des Heeres in Brundisium angesagt. Es
ist danach anzunehmen, dafs er bereits im Februar mit der Haupt-
macht über das Meer gegangen ist und im März in Thessalien gestanden
hat (Beilage III S. 223). Aber schon vorher hatte die römische Vor-
hut unter dem Prätor Bäbius den Kampf eröffnet und bereits vor der
Ankunft des Konsuls eine Reihe von Städten in Thessalien erobert1).
Das war bei der geringen Truppenzahl des Bäbius (s. Beilage I S. 206)
nur durch die Beihilfe eines makedonischen Hilfskorps und ferner nur
daudreh ermöglicht worden, dafs Philipp den Durchgang durch sein
Land gewährt hatte. Denn über den Pafs von Portaes2) und nicht
über den Zygospafs ist die römische Vorhut in Thessalien eingerückt.
Statt durch das unzuverlässige Epiros vorzugehen, wo die Anmarsch-
route dem Gegner nicht hätte verborgen bleiben können 3), hatte man
Makedonien mit seinen weit reicheren Hilfsquellen als Operationsbasis
gewählt und so die beiden Vorteile eines gesicherten und verdeckten
Anmarsches mit einer materiellen Truppenunterstützung durch die
Makedonier vereinigt. Auf diese Weise war es möglich geworden,
Antiochos so unvorbereitet zu überfallen. Der Anmarsch des Konsuls
durch Epiros vollendete dann das begonnene Werk.
Diese frühe Eröffnung des Feldzuges durch die Römer macht es
auch begreiflich, dafs das Hauptheer des Königs aus Asien noch nicht
eingetroffen war, als die Entscheidung in Griechenland fiel. Denn die
Ereignisse entwickelten sich jetzt schnell, und schon im April (viel-
leicht am 24.) mufs die Schlacht bei den Thermopylen geschlagen
sein. (Beilage III S. 223. 226.)
Die Römer waren mit einer starken Übermacht in Griechenland
erschienen. Zu ihrer konsularischen Armee von etwa 25 000 Mann
(s. Beilage I S. 206) kam noch das Hilfskontingent, welches Philipp von
J) Belege bei Niese II 702.
2) Das folgt daraus, dafs Makedonier und Römer coniunetis copiis zuerst
mit den Städten in Perrhäbien am Europos und unteren Peneos in Berührung
kommen, wie Mallöa, Phakion, Kyretiä, Erition, Atrax, und sich erst dann gegen
den Westen Thessaliens nach Äginion, Gomphi, Trikka usw. wenden (Liv. 36, 13).
Das war der Weg, wenn man über den Pafs von Portaes kam; beim Einfall über
den Zygospafs hätte die Reihenfolge die umgekehrte sein müssen. Über die Pässe
s. oben S. 29 A. 1, 38 A. 1 und 54 sowie Karte 1.
3) Über das Verhältnis von Epiros zu Antiochos s, Niese II 697.
1. Thermopylä. 137
Makedonien stellte und das, da es selbständig operierte und dabei
bedeutende Erfolge errang, nicht ganz unbedeutend gewesen sein kann.
Diesen Truppen konnte Antiochos mit dem Nachschübe, der aus Asien
eingetroffen war, trotz seiner Verluste in Thessalien doch immer noch
10 000 Mann und 500 Reiter an eigenen Truppen entgegenstellen
(s. Beilage I). Außerdem hoffte er auf die Ätoler, deren Gesamtauf-
gebot zwar auf 15000 Mann vielleicht noch höher anzuschlagen war, die
aber damals nur mit der kleinen Schar von 4000 Mann zu ihm stiefsen1).
Eine offene Feldschlacht konnte er mit diesen Truppen natürlich
nicht wagen und so beschlofs er eine Verteidigungsstellung einzunehmen,
die ihm gestattete, die Römer so lange aufzuhalten, bis seine asiati-
sche Hauptarmee angekommen wäre2).
Er wählte die Thermopylen. Mit der Einnahme dieser Stellung
gab er zwar Thessalien und Demetrias auf, schützte aber Ätolien, Mittel-
griechenland und Chalkis. Er deckte genug Hinterland, um Landung und
Aufmarsch seiner Armee ungestört vollziehen zu lassen, und hielt zu-
gleich die Verbindung mit seinem wichtigsten Bundesgenossen Ätolien
aufrecht. Denn die Stellung von Thermopylä deckte nicht nur die
einzige Militärstrafse von Nord- nach Mittelgriechenland selbst, sondern
bei der Ausdehnung, die Antiochos ihr gab, wie sich gleich zeigen wird,
den Einmarsch nach Mittelgriechenland überhaupt. Jeder Versuch, sie
strategisch zu umgehen, führte nicht mehr über die schmale und ver-
hältnismäfsig leicht zu übersteigende Ötakette in die Ebenen von Doris
und Phokis hinab, sondern nötigte in das äufserst schwierige ätolische
Gebirgsland einzudringen und sich hier in einen, Position hinter
Position gewährenden Gebirgskrieg mit einer entschlossenen Be-
völkerung einzulassen3). Das zu tun konnte den Römern nur in den
Sinn kommen, wenn kein anderes Mittel durchzukommen mehr vor-
handen war. Das Nächste mufste für sie immer sein, auf der einzigen
i). Liv. 36, 16, 3. — Über die Wehrkraft der Ätoler s. Belocb, Bevölk. S. 187,
zu dessen Zusammenstellungen noch hinzugefügt werden kann, dafs bei Philipps
Einfall nach Ätolien (Pol. V 13, 3. 14, 1) 7000 Ätoler bei Thermon und Stratos
standen und zugleich das halbe Aufgebot in Thessalien war (ib. V 5, 1).
2) Dies sagt am deutlichsten Appian Syr. 17: cog rrjV öv^coqiccv nonßaXov-
fxtvog ToTg nolt/Liioig y.ai xbv OTQcabv rs. T?jg *AaLag ch'c^usrcor. Es versteht sich
übrigens bei der Sachlage von selber.
3) Der nächste überhaupt mögliche Weg für eine strategische Umgehung wäre
gewesen über Hypata, dann im Tale des Baches von Liaskowo über H. Nikolaos
südlich nach Kastriotissa und Mavro Lithari (1176 Meter) und von hier östlich
Hierzu Karte
No. 5.
Beikarto.
138 Der »lyrisch-römische Krieg.
„militaris via", die es hier gab, vorzudringen1). Solange sie ge-
schlossen war, mufste der Vormarsch nach Mittelgriechenland über-
haupt als geschlossen gelten.
Zudem war die Stellung am Öta überhaupt nur ein Punkt von
Antiochos strategischer Verteidigungslinie.
Man hat die geringe Zahl der beim Könige in Heraklea am Öta
und Hypata erschienenen Ätoler auf politische Gründe zurückgeführt2).
Gewifs nicht ganz mit Unrecht. Aber daneben haben sicher auch rein
militärische eine Rolle gespielt, die sofort hervortreten, wenn wir unsern
Blick auf die ganze Verteidigungslinie richten. Während Antiochos
mit seiner eigenen Armee und dem Hilfskorps von 4000 Ätolern
die praktikabeln Gebirgspässe am Ostende der Gebirgsbarriere bei
den Thermopylen verlegte, stand das Volksaufgebot der Ätoler
offenbar an der Westhälfte der Verteidigungslinie, um hier die
Landesgrenzen selber gegen Philipp zu decken, der in denselben
Tagen, in welchen die Römer gegen die Thermopylenstellung vorgingen,
Athamanien eroberte, den König Amynander verjagte und das Tal
des Acheloos, welches Athamanien und Ätolien verbindet, hinabrückend
dies Land selbst unmittelbar bedrohte3). Über die Vorgänge in der
über Dremisa und Kukuwista in die dorische Ebene, ein Saumpfad, der fortwährend
bergab und bergaufgeht. Diese Schwierigkeit der Durchquerung und die strategische
Wichtigkeit des Gebirges ist der Grund, weshalb Polybios bei der Erzählung der
Thermopylenkämpfe eine geographische Beschreibung des ganzen Gebirgslandes in
sein Werk eingelegt hat, von der Reste bei Livius 36, 15, 6 ff. und Appian Syr. 17
vorhanden sind. Über das Quellenverhältnis s. Nissen S. 180. Dabei heifst es:
Liv. 36, 15, 9: iugum ab Leucate et mari ad occidentem verso (Ionisches Meer)
... ad alterum mare orienti obiectum (Ägäisches Meer) tendens ea aspreta
rupesque interiectas habet, ut non modo exercitus, sed ne expediti
quidem facile ullas ad transitum calles inveniant. Ebenso 36, 17, 4. — Man
vergleiche die schöne Schilderung dieser Gebirgswelt bei Neumann-Partsch S. 169.
') Liv. 36, 15, 11: haec (die Strafse durch die Thermopylen) una militaris
via est, qua traduci exercitus, si non prohibeantur, possint.
2) Niese II 704.
3) Nach der Einnahme Nordthessaliens durch die Römer wird Kriegsrat in
Larissa gehalten, dann heifst es: Philippus . . exercitum eo (in Athamaniam) duxit . . .
consul Crannonem est progressus. Proernam inde recepit . . ducere tum porro in sinum
Maliacum coepit. Liv. 36, 14. Man sieht, beides ist gleichzeitig. — Erst später
trifft Philipp wieder mit dem Konsul zusammen. Wenn er sich dabei entschuldigt,
quod morbo impeditus bello non interfuisset (Liv. 36, 25, 1), so ist das kein
Widerspruch. Es liegt nämlich nicht nur die Schlacht von Thermopylä, sondern
die ganze Expedition des Glabrjo nach Phokis, Böotien, Euböa dazwischen.
1. Thermopylä. 139
Westhälfte dieser Verteidigungslinie schweigen unsere Quellen: wir
erfahren weder, ob noch wo sich das ätolische Landaufgebot gesammelt
hat, und können daraus wohl mit Recht schliefsen, dafs es hier zu
einem Zusammenstofse nicht gekommen ist, sondern Philipp sich mit
der Demonstration begnügt hat, die in der Eroberung von Athamanien
lag. Durch die Bedrohung der ätolischen Grenze war ja ihr Zweck,
den gröfseren Teil der Streitkräfte im Lande festzuhalten, vollkommen
erreicht.
Desto härter wurde an dem Ostende der Stellung bei den Therino-
pylen gestritten.
Auch hier handelte es sich, wie schon erwähnt, nicht nur um
die Verteidigung des einen Strandpasses von Thermopylä, denn der-
selbe deckt nur die Übergänge über den äufs ersten westlichen Teil
des Gebirges, d. h. die Wege, welche bei Dernitza, Turkochori und
Elatea die phokische Ebene erreichen. Sondern man mufste zugleich
den Schutz des Gebirges unmittelbar westlich von den Thermopylen
ins Auge fassen, da dasselbe hier eine nicht unbeträchtliche Senkung
aufweist1) und statt der Höhe von etwa 1300 — 1400 Metern, die es
südlich von Thermopylä hat, hier im Durchschnitt nur noch 900 Meter
hoch ist2). Ja, an einem Punkte senkt es sich sogar bis auf 400 Meter.
Das ist etwa 10 Kilometer westlich der Thermopylen, nahe an der
Stelle, wo jetzt die Kunststrafse angelegt ist und auch die Eisenbahn
das Gebirge überschreiten wird. Ein lebhafter Maultierverkehr geht
hier seit alters über die Höhe. Denn dieser Weg stellt zugleich die
nächste Verbindung Südthessaliens mit Mittelgriechenland dar und
folgt fast der geraden Linie von Lamia nach Delphi. Von dem alten
Heraklea, das am Nordausgang dieses Passes gelegen hat, geht der
Weg direkt südlich in der engen Schlucht des Asopos hin, welche
zum grofsen Teil nur 3—4 Meter breit ist und sich 5-6 Kilometer
J) Vergl. auch Strabo IX 4, 12 (C. 428): Ohr] (/ufQog) vijjrjXoTccTov *«t« rag
QtQuonvXctg.
2) Für die folgenden topographischen Angaben kann ich mich nur zum Teil
auf Autopsie stützen, da wir nicht alles selbst begehen konnten. Man vergleiche
über unsere Begehung die Beschreibung von Janke „Die Thermopylen" im Jahres-
bericht des Vereins für Erdkunde von Metz 1901. Ich bin daher hier genötigt,
die Beobachtungen anderer zu Hilfe zu nehmen. Es trifft sich glücklich, dafs
gerade über die Thermopylen die vorzüglichen und genauen Arbeiten Grundys in
seinem Werke The great Persian War vorliegen, die die ältere Literatur grössten-
teils überflüssig machen.
140 Der »Syrisch-römische Krieg.
lang mit ganz geringer Steigung zwischen Felsen von 2 — 300 Meter
Höhe hinzieht. Hat man deren Ende erreicht, so kommt man in ein
sich weit ausbreitendes Hochtal, das allmählich zu der kaum 400
Meter hohen Pafshöhe hinaufsteigt1). Von da geht der Weg ins
Ländchen Doris, also in das Tal des oberen Kephissos hinab, welchem
man in der breiter und breiter werdenden Ebene nur zu folgen braucht,
um nach Phokis und von da nach Böotien in den Rücken der Thermo-
pylenstellung zu kommen. Es war also durchaus nötig, diesen Pafs
zu sperren, und das geschah durch eine starke Besatzung in der
Festung Heraklea, welche die Schlucht des Asopos am Eingange des
ganzen Bergweges beherrscht2). Die 4000 Mann ätolischer Hilfs-
truppen wurden zu diesem Zwecke nach Heraklea bestimmt. Das
Gebirge noch weiter westlich von diesem Passe zu decken, war nicht
nötig. Denn es steigt mit von Norden her unersteiglich steilen Fels-
wänden in dem Gebirgsstocke der Pyra, der heutigen Katavothra, bis
zu der Höhe von 2158 Metern an, und die westlich um diese 24 Kilo-
meter breite Gruppe herumführenden Pfade gingen schon durch das
ätolische Gebirgsland. Zu ihrer Deckung stand daher nur ganz zu
Anfang eine Abteilung von 2000 Mann bei Hypata. Später als sich
die konsularische Armee näher an die Thermopylen herangeschoben
hatte, wurde auch sie nach Heraklea hingezogen und dann
sogar auf dem Gebirge östlich davon postiert (Liv. 36, 16, 4 — 6).
Denn hier zwischen Heraklea und dem Strandpasse von Thermopylä
bedurfte es allerdings einer verschärften Aufmerksamkeit, da ein der
Gegend einigermafsen kundiger Feind gerade in diesem Teile des
Gebirges ohne allzu grofse Schwierigkeit, auf der halben Höhe des
Nordhanges hingehend, der Stellung von Thermopylä in den Rücken
kommen konnte.
Das Gebirge erhebt sich hier nämlich in zwei deutlich zu
unterscheidenden Stufen von der Ebene bis zum höchsten Kamm empor.
niPKo. f?H° Die nördliche niedrige Stufe enthält von Westen nach Osten
(Hauptkarte).
!) Beschreibung nach Grundy S. 261 u. 302. Über die Pafshöhe sagt er:
it would, J reckon, be possible for a traveller to go from one piain (Spercheos)
to the other (Doris) by this route without attaining a height much over a thousend feet.
Anschauliche Abbildungen der Schlucht bei Grundy. — Über die Lage von Heraklea
s. Bursian I 94. Dieser Weg durch die Asoposschlucht ist der JY« Tyct/Tvog tüodog
lg tt]v 'EXXdöa, der nur £ Plethron breit ist, bei Herodot VII 176, 1.
2) Grundy S. 262 f.
1. Thermopylä. 141
drei Abschnitte: 1. die Steilhänge bei Heraklea, die sogen, trachini-
schen Felsen, 2. die weit allmählicher abfallenden Abdachungen bei
Neu-Damasta, welche bis zur grofsen Schlucht von Anthela reichen,
und 3. endlich die schroffen Felspartien, welche sich unmittelbar
über dem Strandpasse von Thermopylä selbst erheben.
Die obere Stufe beginnt im Westen am Südende der Asopos-
schlucht, bei dem Dörfchen Eleftorokhori und erreicht, in östlicher
Richtung streichend, nach schwachen 4 Kilometern die imposante
Höhe Lithitza1). Dann biegt sie nach Südosten um, läuft so wieder
etwa 4 Kilometer und fällt schliefslieh von neuem in die östliche
Richtung zurück. Unter dem Namen Saromata, bei den Alten Kalli-
dromon2), zieht sie so bis zu der tiefen Einsenkung von Mendenitza,
einer Einsenkung, welche schon östlich des Thermopylenpasses liegt
und also durch diesen selbst mitgedeckt war. Diese zweite Gebirgs-
stufe hebt sich überall mit steilen, meist sogar mit unersteiglich
schroffen Felsabstürzen über die untere empor und erreicht in ihren
höchsten Punkten eine Erhebung von etwa 13—1400 Metern, während
die untere Stufe im Durchschnitt nur 5 — 600 Meter aufsteigt. An
einer Stelle allerdings, und zwar gerade südlich vom Strandpasse von
Thermopylä, hebt sich auch die untere Stufe in einer imposanten
felsigen Bergmasse bis zu der fast dem Hauptkamme gleichkommen-
den Höhe von 1048 Metern empor. Sie führt heutzutage den Namen
Sastani und ragt wie eine Insel über ihre Umgebung hinaus, da sie
im Norden, Osten und Westen von grandiosen und unersteiglichen
Felswänden begrenzt ist, welche zum Meere und den Schluchten von
Anthela und Alpenoi abfallen. Nur im Süden hängt sie, östlich von
dem Dorfe Alt-Drakospilia, durch einen Sattel, der kaum 100 Meter
an Höhe hinter den höchsten Spitzen der Masse zurückbleibt3), mit
dem Hauptkamme des Gebirges, der Saromatakette, zusammen.
Man kann nun die untere Bergstufe westlich von den Thermo-
pylen an verschiedenen Punkten mit verhältnismäfsig leichter Mühe
') Dieser Name wie die anderen, hier neu erscheinenden Ortsnamen durch
uns von den Bewohnern erfragt. Die Lithitza ist dieselbe Bergmasse, welche
Grundy „the great Gable" nennt.
2) Strabo IX 4, 13 (C. 428): tijv . . naQodov FTüXctg xulovoi . . ib iT vneo-
xiiuivov oqoq KaXXiÖQofiov. Liv. 36, 15, 10: quod altissimum est Callidromon
appellatur. Der höchste Stock ist eben der Saromata.
3) Grundy schätzt ihn auf 3200—3500 Fufs, rund also 1000 Meter.
142 Der Syrisch-römische Krieg.
ersteigen. Entweder kann man die Schlucht des Asopos benutzen,
und nachdem man ihr etwa 2£ Kilometer gefolgt ist, in östlicher
Richtung durch ein Nebentälchen und über die Gebirgshänge hin
zum Kloster Panagia gelangen. Von hier steigt der Weg dann steil
an dem Nordabhange der Lithitza empor, bis man an dem Rande
der gewaltigen Schlucht von Anthela steht, welche von dem Strand-
passe von Thermopylä aus in südlicher Richtung etwa 5 Kilometer
tief in das Gebirge einschneidet und mit ihren schroffen Abstürzen die
Westgrenze der oben geschilderten Bergmasse Sastani bildet. Der
Abstieg in die Schlucht und der Anstieg auf der anderen Seite führt
schliefslich auf die Sattelhöhe bei Alt-Drakospilia und von da an der
Schlucht von Alpenoi hin an das Ostende des Thermopylenpasses
hinab.
Dies war der Weg des Ephialtes und der Perser im Jahre
480 v. Chr. gewesen; auf der Sattelhöhe bei Alt-Drakospilia hatten
die Phokier gestanden1).
Aber man brauchte oder braucht wenigstens .heutzutage mit
der Umgehung gar nicht so weit westlich auszuholen. Man kann
vielmehr von der Alamannabrücke aus, kurz vor dem Westeingange
in den Thermopylenpafs in südlicher Richtung ansteigend, ohne
grofse Beschwerde über die jetzt kahlen Hänge Alt-Damasta erreichen
und von da entweder zum Panagiakloster gelangen oder, an dem
Fufse der Lithitza hingehend, in südöstlicher Richtung denselben
Übergangspunkt über die Schlucht von Anthela gewinnen2).
Endlich kann man drittens sogar direkt von den Thermopylen aus
den Übergangspunkt über die Schlucht von Anthela erreichen, wenn
man von der türkischen Gendarmeriekaserne aus rechts oder, links
an der auf beträchtlicher Höhe liegenden griechischen Kapelle vorbei
in südlicher Richtung ansteigt 3).
J) Vergl. Grundy S. 301 ff.
2j Wir sind in wenig mehr als einer Stunde vom Kloster Panagia zur
Alamannabrücke auf verliältnismäfsig bequemem Fufspfade herabgestiegen. Wenn
der Wald im Jahre 192 v. Chr. schon gerodet oder wenigstens zugänglich ge-
macht war, bot dieser Anstieg auch damals keine grofsen Schwierigkeiten. Dafs
Ephialtes den weiten Umweg durch die Asoposschlucht wählte, kann seinen Grund
nur darin haben, dafs an diesen Berglehnen damals noch undurchdringlicher
Urwald gestanden hat.
3J Man vergleiche die Karte und Leake, N. Gr. II 35: the ordinary path
from the pass (der Thermopylen) to Drakospilia (NB. Alt-Drakospilia, das zu
1. Thermopylä. 143
Welchen Weg man aber auch einschlägt, immer kommt man
an derselben Stelle über die sonst unpassierbare Schlucht von Anthela
und immer über den Sattel des Berges bei Alt-Drakospilia.
Es ist also klar, dafs alle diese Zugänge am wirksamsten ge-
schlossen wurden, wenn man auf der Sattelhöhe von Alt-Drakospilia
ein Kastell anlegte. Reste eines solchen sind nun hier tatsächlich
gefunden1), und es kann daher kein Zweifel sein, dafs eines der drei
Kastelle Kallidromon, Teichius und Rhoduntia, welche zu Antiochos'
Zeit den Umgehungspfad sperrten und von 2000 Ätolern besetzt
waren2), hier oben anzusetzen ist. Es kann ferner kein Zweifel sein,
dafs dies das Kastell Kallidromon sein mufs, nicht nur wegen seines
Namens unmittelbar am Fufse des Kallidromon (Saromata), sondern,
weil es das einzige unter den dreien ist, an welchem man unbedingt
vorbeimufste und an dem Cato auch in der Tat allein vorbeigekommen
ist (S. 144).
Die Lage der beiden anderen ist nicht mit solcher Sicherheit,
aber doch mit grofser Wahrscheinlichkeit zu bestimmen. Am
Ephialtespfad können sie nicht wohl gelegen haben. Denn der war
den Römern durch Heraklea gesperrt, an dem Pfade über Alt-Damasta-
Panagia auch nicht; denn den mufs Cato mit seiner Kolonne ge-
gangen sein und hat sie nicht berührt. Also lagen sie an dem
direkten Pfade, der von den Thermopylen selbst ansteigt. Das ist
auch von vorn herein das Wahrscheinlichste. Denn es ist der
kürzeste und dem Blicke von Thermopylä aus am offensten liegende
Umgehungsweg. Man wird also den beherrschenden Hügel westlich
von der Schlucht von Anthela, auf welchem sich gleichfalls Mauer-
reste, wie es scheint, aus griechischer Zeit gefunden haben3), für
L.s Zeiten allein existierte) leading by a church wich is situated on the hights
above the western cliffs, to which is an ascent by the bed of the torrent of
Anthela.
') Grundy S. 305: half a mile away to the north i. e. towards the summit
above the pass, is an old (jqovqwv, which evidently guarded the path in former
days ... it is at the true the summit of the path a height of certainly three
thousand two huudred and probably of three thousand fife hundred feet.
2) Liv. 36, 16, 11: Callidromum et Rhoduntiam et Tichiunta — haec nomina
cacuminibus sunt — occupavere. ib. 17, 1: c aste IIa Aetolorum, ebenso 19, 1:
castella. Appian nennt Syr. 17 aus Flüchtigkeit nur zwei Namen. Weiteres
Bursiau S. 95.
3) Auf der Carte de la Grece als „pyrgos" und „mur hellenique", auf
144 ^er Syrisch-römische Krieg.
das eine, etwa Teichius, den Hügel mit der griechischen Kapelle
für das andere Kastell, etwa Rhoduntia, in Anspruch nehmen dürfen.
Die doppelte Umgehungsbewegung, welche die Römer unter
Flaccus und Cato mit je 2000 Mann gegen die Hauptmacht des
Antiochos in den Thermopylen unternommen haben1), ist daher fol-
gendermafsen zu denken:
Die Kolonne des Flaccus ist direkt westlich der Schlucht von
Athela emporgestiegen, aber durch die hier liegenden Kastelle Teichius
und Rhoduntia aufgehalten, nicht einmal bis auf die Höhe von Alt-
Drakospilia gekommen.
Cato ist vom Lager des Konsuls, welches sich beim Mitteltore
der Thermopylen befand (s. unten), durch das Westtor zurück-
marschiert und hat über Damasta und Panagia den Ephialtespfad
erreicht. Nach mancherlei Irrungen, die ihn an dem Steilhange der
Lithitza zu weit hinauf und zu weit südöstlich führten, ist er endlich
mit vollständiger Umgehung der Schlucht von Anthela von Süden
her auf die Sattelhöhe von Alt-Drakospilia gelangt, hat den dortigen
Posten aufgehoben und die Umgehung vollzogen, welche für die Ent-
scheidung im Tale unten ausschlaggebend wurde3).
unserer Karte vermutungsweise als Teichius bezeichnet. Leake beschreibt sie
N. G. II 63 als: hellenic forteress on the westernmost of the rocky heights which
include the ravine of the torrent of Anthele. Ob er mit der zweiten von ihm
hier genannten Befestigung bei Damasta den Kapellenhügel meint, bleibt unsicher.
Seine dritte Befestigung ist in Wirklichkeit die Pafssperre des Antiochos am
Osttor von Thermopylä, s. S. 150, A. 1.
*) Liv. 36, 17, 1: cum binis milibus delectorum peditum . . Flaccum in
Rhoduntiam et Tichiunta, Catonem in Callidromum mittit.
2) Catos eigener Bericht über diese Umgehung ist bei Plutarch Cato 13
erhalten (Nissen, Kr. Unt. S. 1S1). Es heifst daselbst: die Umgehungskolonne
sei durch Schuld der Führer vom rechten Wege abgekommen, Cato habe daher
Halt machen lassen und sei in Begleitung nur eines guten Bergsteigers allein
an den Felsen weitergeklettert, bis er zu einem anscheinend abwärts führenden
Pfade gekommen sei; hier habe er bei einigen über die Felsmasse des Kalli-
dromon hervorragenden Erhebungen (nQog rwag evaxonovg xsoatag) Merkzeichen
zurückgelassen, sei zurückgekehrt und habe die Truppe nachgeführt; der Pfad
habe dana aber plötzlich nach kurzer Zeit an einer Schlucht geendet. Bei Tages-
anbruch aber habe man bemerkt, dafs man dicht am Feinde sei, man habe ein
hellenisches Kastell (/('(Qccy.a) und unter sich am Fufse des Felshanges {vnb tu
y.Q?luvuJdtg) die feindlichen Vorposten gesehen. Das alles pafst vortefflich, wenn
man annimmt, dafs Cato bis ans Südende der grofsen Schlucht gekommen ist,
auf einer der Erhebungen südöstlich von Alt-Drakospilia seine Merkzeichen gelassen
1. Thermopylä. 145
Denn hier unten hatte der König an der einzigen militärisch brauch-
baren Strafse, die Nord- und Mittelgriechenland verbindet, mit seiner
Hauptmacht Stellung genommen, in dem berühmten Strandpasse von
Thermopylä, dessen charakteristische Eigentümlichkeiten, soweit sie
hier für uns in Betracht kommen, nunmehr ins Auge zu fassen sind1).
Die von Süden her bis hart an das Meer vorspringenden Berge
bildeten hier einen 7 Kilometer langen Engpafs von ungleicher Breite.
Man unterscheidet in ihm deutlich drei ausgeprägte Engen, von
denen die erste ganz am Anfange im Westen, die zweite etwas hinter
der Mitte, die dritte am Ostende liegt. Wenn wir diese drei Engen
als Tore bezeichnen, so lag am Westtor das Städtchen Anthela, am
Mitteltor die heifsen Quellen, am Osttor das Dorf Alpenoi2). Zwischen
den drei Toren lagen zwei kleine Ebenen von rund 2 Kilometer
Länge und etwa | bis 1 Kilometer Breite an den breitesten Stellen.
Da diese Ebenen gröfstenteils durch die Ablagerungen der kleinen
Sturzbäche entstanden sind, welche dem Gebirge entströmen, so
schoben sie sich halbkreisförmig ins Meer vor, während an den drei
Toren Meer und Fels unmittelbar zusammenstiefsen 3). Es fragte sich
daher, welches der drei Tore zur Verteidigung gewählt werden sollte.
Zu Herodots Zeiten betrug die Breite des Passes am West- und
hat, und im Grunde der kleinen Seitenschlucht von Alt-Drakospilia selbst die
Vorposten erblickt hat.
r) Auch für das Folgende habe ich mich neben meinen eigenen Beobach-
tungen besonders wieder auf Grundy gestützt (S. 277 ff.), dem wir auch die einzige
völlig zuverlässige Karte des Passes selber verdanken, da die Aufnahme, welche
die Herren von Maree und von Plessen gemacht haben, verloren gegangen ist.
Vergl. Janke, Auf Alexanders des Grofsen Pfaden, Berlin, Weidmann 1901, S. 186.
Leider umfafst dieselbe nur den Pafs und die Hänge bis 300 Fufs Höhe in ge-
nauer Ausführung. Für die Bergpartien weiter südlich ist daher auf unserer
Schlachtkarte das Original der Carte de la Grece (1:50000) zugrunde gelegt und
mit Grundys Karte kombiniert worden. Der Plan von Janke in seinem S. 139 A. 2
angeführten Aufsatze ist eine Vergröfserung des Originals der Carte de la Grece
mit einzelnen auf Autopsie beruhenden Nachtragungen.
2) Begründung bei Grundy S. 284. 290.
3) Dafs die Gegend jetzt durch die Ablagerungen des Spercheios total ver-
ändert ist und, wo früher Meer war, sich jetzt ein weites Sumpf land ausbreitet,
darf wohl als bekannt vorausgesetzt werden. Grundy nimmt (S. 287) die Meeres-
küste zur Zeit der Perserkriege als etwa gleichlaufend an mit der Fünfyardlinie,
die er durch Nivellierung festgestellt hat. Das wird im grofsen Ganzen stimmen.
Ich habe im Anschlufs daran die vermutliche Küste von 192 v. Chr. — natürlich
ein wenig hinausgerückt — eingezeichnet.
Kromayer, Antike Schlachtfelder. II. 10
146 Der Syrisch-römische Krieg.
Osttor nur gerade so viel, wie die Fahrstrafse selbst Raum brauchte,
während das breitere Mitteltor an der engsten Stelle durch eine
Mauer geschlossen war1). Dazu kam beim Westtor, dafs diese Enge
nicht weniger als 1500 Meter Länge hatte und fast in dieser ganzen
Ausdehnung von beinahe senkrechten Felsen begleitet wird2).
Trotzdem ist das Westtor unseres Wissens nie verteidigt worden.
Der Grund liegt auf der Hand. So widerstandsfähig es gegen
einen Frontangriff war, so leicht war es zu umgehen. Die Felsen
welche es begrenzen, sind nur 100 — 200 Meter hoch und bilden oben
eine breite ebene Fläche, welche leicht zu ersteigen ist und mit-
besetzt werden mufste, wenn man nicht dem Gegner die Möglichkeit
freilassen wollte, über dies Plateau dem Verteidiger bei Anthela in
den Rücken zu kommen3).
Weit günstiger stand es in dieser Beziehung am Mitteltor.
Denn hier steigt unmittelbar südlich der Enge eine Felswand von
imposanter Schroffheit auf, welche eine Höhe von 400 Metern erreichen
mag und dann in weiterer starker Steigung felsig und rauh mit der
grofsen Gebirgsmasse des Öta zusammenhängt. Da sie von Westen
her durch die tiefe Schlucht von Anthela begrenzt wird, welche
zwischen West- und Mitteltor mündet, so mufs man, wenn man sie
umgehen will, den oben beschriebenen Pfad über Alt-Drakospilia be-
nutzen. Am Mitteltor haben sich deshalb die Kämpfe des Leonidas
gegen die Perser und der vereinigten Griechen gegen die Gallier im
Jahre 279 abgespielt.
Aber für die Entwickelung einigermafsen bedeuteutender Truppen*
massen und eine im gröfseren Umfange zu führende Verteidigung
war die Stellung nicht günstig. Der Weg ist hier fast einen Kilometer
weit zwischen Fels und Meer eingeklemmt gewesen, und an der Fels-
seite geht es nach kurzem, noch eben ersteiglichen Anstieg bald so schroff
x) Herodot VII 176: r dt av dia Toci/Tvog saiodog ig ir\v lE\läSa iail xy
otaivoicitri riiuinke&Qov (Weg durch die Asoposschlucht s. oben S. 140, A. 1). ob
[xivjoi y.caa tovto y' loil to axuvöiaxov rrjg X&QVS T*}S ccXXrjg, äkk* efxnqoods ts
&EQ/uo7iuXs(ov y.ai onio&f, xaiä ts IdXnrivovg oTiiGfte loviccg, ioüca a jucct-irög poiivr},
y.ccl fjuriQoo&s xutu <Poivixa noTttjubv . . . ay/ov *Av§r\\r\g noXiog, d/ua^nbg aXXri /uovvrj.
2) Grundy S. 184.
3) Genaueres bei Grundy S. 285. Ebenso urteilen Leake, N. Gr. II 6. 34. 51.
Vischer S. 639 u. a. Anschauliche Abbildung, die den Unterschied von West- und
Mitteltor gut wiedergibt, bei Grundy, S« 290.
1. Thermopylä. 147
aufwärts, dafs hier an eine Besetzung durch Truppen nicht mehr zu
denken war1). Eine Entfaltung des Heeres vor der Enge hätte das-
selbe aber im Falle einer unglücklichen Entscheidung, dem Tode im Meere
überliefert2). So vorteilhaft die Lokalität also war, wenn man sich
auf eine strickte Verteidigung mit kleinen Ausfällen beschränken
wollte, so ungünstig lagen die Verhältnisse, wenn man, wie Antiochos,
durch Entfaltung seiner Truppenmacht in guter Verteidigungsstellung
die Kräfte der Feinde an den Ort zu fesseln und dadurch aufzuhalten
gesonnen war.
Anders am Osttor.
Hier war zwar zur Zeit Herodots, wie erwähnt, der Pafs nur
so breit wie die Strafse, aber im zweiten Jahrhundert vor Chr. scheint
das Land schon bis zur Breite von etwa 90 Metern angeschwemmt
gewesen zu sein3), und die Enge selbst war nur kurz, so dafs die
Truppenablösung geringere Schwierigkeiten machte. Was aber die
Hauptsache war: hier ragt keine so unersteiglich schroffe Felswand
auf wie am Mittel- und Westtor, sondern die Berglehnen gehen,
wenn auch noch steil genug, so doch weit allmählicher bergan, und
zwar in einer Richtung, die es möglich macht, durch einen nach
Südwesten vorgebogenen Flügel, das Gelände in der wirksamsten
Weise gegen einen nach der Enge zu vorrückenden Feind auszu-
nutzen. Denn besetzte man diesen ganzen, fast 1 Kilometer langen
Hang mit leichten Truppen und Schleudermaschinen, wie solche in
der Zeit des Antiochos in technisch vorgeschrittener Weise gebaut
wurden, so konnte man die Flanken des Gegners von oben und von
1) Der sogenannte phokische Wall ist nur etwa 60—70 Meter südlich des
Leonidashügels zu verfolgen Grundy S. 288 und kann sehr viel weiter überhaupt
nicht gegangen sein, da der Fels hier ansetzt; s. das Bild bei Grundy S. 311.
2) Man hätte nach Grundys Ansetzung der Küstenlinie fast in der ganzen
Erstreckung der Schlachtreihe das Meer im Rücken gehabt und aufserdem an-
steigendes Terrain vor sich. Eine ganz unmögliche Stellung.
3) Liv. 36, 15, 10: extremos ad orientem montis Oetam vocant, quoram
quod altissimum est Callidromon appellatur, in cuius valle ad Maliacum sinum
vergente iter est non latius quam sexaginta passus (= 88,8 Meter). Die
Stelle ergibt für sich allein genommen nicht, welche Enge der Thermopylen ge-
meint ist. Aber da diese Schilderung der Lokalität bei Gelegenheit der Anti-
ochosschlacht und zur Einführung in deren Verständnis geschrieben ist, so liegt
es am nächsten, die Angabe auf das Osttor zu beziehen, wo wir aus anderen
Gründen (s. unten) die Schlacht anzusetzen haben.
10*
148 Der Syrisch-römische Krieg.
der unbeschildeten rechten Seite her bestreichen, und das mufste bei
der tiefen Aufstellung, zu der die Schmalheit der Ebene den Gegner
zwang, noch von ganz besonderer Wirkung sein. So brauchte man
sich hier nicht innerhalb der Enge selber zu halten, sondern konnte
vor derselben in guter Verteidigungsstellung die Truppen zu einer
Defensivschlacht entwickeln, die bei günstigem Ausgange das sofortige
Überspringen zur Offensive und damit eine Verfolgung der gewonnenen
Vorteile ermöglichte.
Ebenso deutlich sprechen für die Stellung am Osttor die bisher
nicht genügend beachteten Quellenzeugnisse.
Nicht an der Stelle, wo Leonidas gekämpft hat — so heifst es
in unserer Überlieferung, — sondern „innerhalb der Tore" hat
Antiochos sein Lager aufgeschlagen, mit Schanzen hat er die Berg-
hänge gedeckt und mit doppeltem Wall und Graben, z. T. auch mit
einer Steinmauer, alles befestigt1). — In der Schlacht selber hat er dann
die leichten Truppen auf Hügeln am Bergfufse aufgestellt und durch
sie von der Flanke aus den Gegner beschiefsen, sein Heer aber
wirklich vor den Befestigungen in Schlachtreihe aufmarschieren lassen.
(S. 151). All das hat nur Sinn, wenn es sich um das Osttor handelt.
Ferner wird von den Römern gesagt, dafs ihr Lager „in dem
Engpasse selbst dicht bei den heifsen Quellen" gelegen habe2). Sie
standen also am Mitteltore, und zwischen beiden Heeren lag die
Ebene, welche sich zwischen Mittel- und Osttor ausbreitet. Sie war
das Schlachtfeld. Wollten wir das Römerlager an die heifsen Quellen
J) Liv. 36, 16, 1: intra portas loci eius castris positis munitionibus
insu per saltum impediebat et, cum duplici vallo fossaque et muro etiam,
qua res postalabat, ex multa copia passim iacentium lapidum permunisset omnia . .
Was Livius gemeint hat, tritt dann besonders deutlich in der Rede des Konsuls
17, 11 hervor, welche er vor dem Ausrücken der Heere am Abend vor der Schlacht
gehalten denkt: ne ante fauces quidem saltus, ut quondam Lacedaemonios fama
est, sed intra penitus retractis castris. So liegt dem „intra portas", das Nissen
als ,.ganz unverständlich" bezeichnet (Krit. Unt. S. 75), doch eine richtige Vor-
stellung zugrunde. Das Lager des Antiochos lag hinter dem letzten Tore.
Ähnlich sagt Livius 36, 15, 8 : intra fauces (Thermopylarum) ad meridien vergunt
Aetoliae pars maior, Acarnania etc. . . . Attica und ib. 6: intra saltum Thermopy-
lorum se recepit.
2) Liv. 36, 16, 5: consul ... in ipsis faucibus prope fontes calidarum aqua-
rum adversus regem posuit castra.
1. Thermopylä. 149
und das syrische doch an das Mitteltor setzen, so wäre kein Platz
für die Schlacht vorhanden.
Endlich — so heifst es weiter in unseren Berichten — beob-
achtete man vom Lager des Antiochos hinter den zur Schlacht aufge-
stellten Truppen den Anmarsch Catos, welcher von Drakospilia herunter-
kommend auf den Hügeln über dem Lager sichtbar wurde. Man
konnte die anrückenden Feinde schon aus so grofser Ferne sehen,
dafs man sie anfangs für Ätoler hielt l). Auch das ist, wie ich mich
durch Augenschein überzeugt habe, nur möglich, wenn das Lager
hinter dem Osttore lag. Hier führt der Weg von Drakospilia
herunter, und nur hier kann man ihn eine beträchtliche Strecke ins
Gebirge hinein mit dem Blicke verfolgen2).
Die Lokalfrage ist damit gelöst. Antiochos hatte seine Ver-
teidigungsstellung am Osttore, die Schlacht wurde zwischen Mittel-
und Osttor geschlagen.
2. Schlachtfeld und Schlacht3).
Auf dem von uns festgestellten Schlachtfelde sind verschiedene
Reste von alten Befestigungen aufgefunden worden. So zieht sich vCrgi. Karte t
unmittelbar vom Osttore selbst eine Mauer aus mittelgrofsen, mit
Mörtel verbundenen Steinen von 8 — 10 Fufs Dicke in südwestlicher
Richtung gegen 800 Meter weit den Abhang hinan. Sie beherrscht
den nordwestlich von ihr liegenden Fufs und die Ebene vollständig
und läuft mithin genau in der Richtung hin, welche wir für die Be-
*) Liv. 36, 18, 8: ni M. Porcius Cato ab iugo Callidromi . . super
imminentem castris collem apparuisset .. 19,2: Macedones quique alii in
castris regiis erant primo, dum procul nihil aliud quam turba et agmen apparebat,
Aetolos credere . . venire.
2) Ein zweiter Pfad führt jetzt allerdings von Oberdrakospilia in die Ebene
zwischen Mittel- und Osttor hinab. Er verdankt indessen aller Wahrscheinlichkeit
nach seine Existenz erst dem in den letzten Jahrzehnten entstandenen Dörfchen
Oberdrakospilia, dessen direkte Verbindung mit Lamia er herstellt. Er ist sehr
steil, schmal und leicht zu verteidigen, während der andere das alles nicht ist.
Vergl. Grundy, S. 305.
3) Über die Schlacht haben wir die beiden Berichte von Livius und Appian,
die man in der Übersetzung im Anhange I vergleichen möge, Beide sind un-
genau und lückenhaft, aber beide gehen auf denselben guten Schlachtbericht des
Polybios zurück (vergl. Nissen, Krit. Unters. S. 180). Daraus folgt, dafs wir be-
rechtigt sind, die Lücken und Ungenauigkeiten des einen durch vollständigere und
bessere Überlieferung des anderen zu ergänzen und zu rektifizieren.
150 Der Syrisch-römische Krieg.
festigungen des Antiochos voraussetzen müssen. Dann biegt sie nach
Süden um und ist, immer mit dem Abhänge eines kleinen Flufstales
vor sich, wohl bis zu den hohen Felsklippen gelaufen, welche hier
den Abschlufs des ganzen zugänglichen Terrainabschnittes bezeichnen.
So bildete sie in ihrem letzten Teile eine zurückgebogene, gegen Um-
gehung auf dieser Seite sichernde Defensivflanke. Das ganze Werk
ist eine notwendige Ergänzung zur Verteidigung des Osttores, und
da mit Recht betont worden ist, dafs es nicht wohl aus dem Mittel-
alter stammen kann, so werden wir kaum fehlgeben, wenn wir in ihm
jene Steinmauer erblicken, welche Antiochos hier nach unserer Über-
lieferung angelegt und mit Belagerungsmaschinen besetzt hatte1).
Aber aufser der Steinmauer baute Antiochos noch einen doppelten
Erdwall, von dem keine Spuren mehr übrig zu sein scheinen2). Wie
die Mauer auf den felsigen Höhen nur aus dem dort zur Verfügung
stehenden Steinmaterial errichtet werden konnte, so die Erdwälle nur
in der Ebene, wo der angeschwemmte Boden keine Steinmauer er-
trug. Dieser Wall ist in der Hauptsache ohne Zweifel als direkte
Fortsetzung der Mauer anzusehen und dürfte als solche kaum weiter
als höchstens etwa 100 Meter vom Fufs der Berge nach Norden ge-
reicht haben3).
') Liv. 36, 16, 1; s. S. 148 A. 1. App. Syr. 18: tsT/oq . . dmXovv . . or/.oöo-
furöaro y.cu rag fxti/avccg Inl to xuyog l7ie&r]y.€v. Die doppelte Mauer Appians
ist eine Flüchtigkeit statt des doppelten Walles (s. Liv. a.a.O.). Die Be-
schreibung der erhaltenen Mauer nach Grundy S. 291. Den Zusammenhang dieser
Mauer mit der Verteidigungsstellung des Antiochos hat Grundy nicht erkannt; er
sagt: „I cannot find in history any trace or hint of its origin". Mit Recht be-
merkt er aber, dafs es sich nicht wohl um ein mittelalterliches Werk handeln
könne, weil damals die See schon viel weiter zurückgetreten sein müsse. Offenbar
identisch mit dieser Mauer sind die von Leake N. G. II 38 erwähnten foundations
of an Hellenic wall, traceable for a considerable distance in an oblique direction
towards the cliffs.
2) S. 148 A. 1. Leake a. a. 0. sah nördlich der Strafse auf einer Höhe (height)
„nearly opposite" von der Mauer „a tumulus and the foundations of a circular monu-
ment, just above a deep marsh near the right bank of the Spercheios". Er vermutet,
dafs die Mauer sich bis zu diesem Punkte hingezogen habe. Es handelt sich ohne
Zweifel bei der „Höhe" um den Hügel von Alpenoi, nördlich von der Strafse.
3) Entsprechend der Angabe, dafs die Pafsenge 60 passus, d. h. 88,8 Meter
breit gewesen sei, s. S. 147 A. 3. Jenseits des gangbaren Terrains haben wir uns
dann bis zum Beginn des Meeres einen ungangbaren Sumpfboden zu denken: ad
ipsum munimentorum finem, qua loca usque ad mare invia palustri limo et vora-
1. Thermopylä. J51
Welche Bedeutung der zweite Wall hatte, ist nicht ohne
weiteres klar, geht aber doch aus dem Schlachtberichte mit Wahr-
scheinlichkeit hervor. Es heifst hier nämlich, dafs die makedonische
Phalanx des Antiochos auf dem Walle Stellung genommen und von
da aus mit ihren langen Lanzen aus der so geschaffenen höheren
Kampfstellung die Kömer abgewehrt hätte. So niedrig sei der Wall
gewesen1).
Danach haben wir uns das Verhältnis wohl so zu denken, dafs
dieser zweite Wall nur eine vor der eigentlichen Hauptlinie vorliegende
niedrige Feldverschanzung war, die lediglich dazu diente, der schlacht-
mäfsig aufgestellten Phalanx einen günstigeren Standort zu schaffen,
da das natürliche, etwas abfallende Terrain an sich ungünstig war2).
Der hinter dieser Feldschanze hinlaufende, mehr festungsartig an-
gelegte, höhere Wall hätte dann die eigentliche Fortsetzung der
Mauer gebildet. Der niedrige Wall mag so weit nach Süden gereicht
haben, als die Phalangiten Stellung nehmen sollten. Das Lager des
Antiochos haben wir uns ein Stück hinter der ganzen Pafssperre zu
denken3).
Vor diesen Verschanzungen4) stellte nun Antiochos seine Truppen
in zwei Treffen folgendermafsen auf:
Den linken vorgeschobenen Flügel des ersten Treffens auf den
Abhängen des Gebirges vor der Mauer bildeten Schützen, welche die
Aufgabe hatten, die Römer, welche in der Ebene gegen das Osttor
vorgingen, von der Flanke aus zu beschiefsen5). Als Soutien mochten
ginibus claudunt (Liv. 36, 18, 4). Gerade so wie er heutzutage in der Nähe der
Küste vorhanden ist.
!) Liv. 36, 18, 6: intra munimenta . . concesserunt; inde ex vallo prope
alterum Valium hastis prae se obiectis fecerunt et ita modica altitudo valli erat,
ut et locum superiorem suis ad pugnandum praeberet et propter longitudinem
hastarum subiectum haberet hostem.
2) Das Gelände fällt, wie die Niveaulinien der Karte deutlich zeigen, heut-
zutage nach dem Osttore zu ein wenig ab. Das ist die Folge der hier durch
mehrere kleine Gebirgsbäche entstandenen Ablagerungen und dürfte auch im Alter-
tum schon ähnlich gewesen sein.
3) Folgt aus Liv. 36, 16, 1; s. S. 148 A. 1.
4) Daher Frontin II 4, 4: pro angustiis Thermopylarum.
5) Liv. 36, 18,3: ab sinistro cornu iaculatorum sagittariorumque et fundi-
torum manum sub ipsis radicibus montis posuit, ut ex altiore loco nuda latera
hostium incesserent. Ebenso Appian Syr. 18, der aber hier und im folgenden in
bekannter Flüchtigkeit rechts und links vertauscht hat.
152 ^er Syrisch-römische Krieg.
ihnen Wurfmaschinen auf der Mauer dienen (S. 147), unter deren
Schutz sie ihre Stellungen voll ausnutzen konnten. Das Zentrum
bildeten im ersten Treffen gleichfalls leichte Truppen, Speerwerfer
und Peltasten, die nach makedonischer Art bewaffnet waren; im
zweiten stand die Phalanx auf dem vorderen Walle1).
Den rechten Flügel nahmen im ersten Treffen die Elefanten und
Heiter ein, im zweiten standen andere, nicht genau bezeichnete Truppen.
Das Intervall zwischen den beiden Treffen war gering2).
Die ganze Länge der Aufstellung dürfte 1200 Meter nicht über-
schritten haben, eine Länge, welche für eine Armee von 10000 Mann
mit Elefanten in einer hügeligen Stellung durchaus angemessen er-
scheint (vergl. Bd. I S. 320).
Wenn wir dabei in Betracht ziehen, dafs die leichten Truppen
des linken Flügels in ihrer dominierenden Flankenstellung gewifs
über den Durchschnitt lose aufgestellt wraren und doch nach der Ge-
ländeformation einen verhältnismäfsig bedeutenden Teil der Front ein-
genommen haben müssen, so erkennen wir, dafs die zum Nahkampfe
bestimmten Teile, das Zentrum und der rechte Flügel, notwendiger-
weise verhältnismäfsig tief gestanden haben müssen.
Die Idee der ganzen Verteidigungsschlacht ist danach völlig
klar. Durch das auf beiden Flanken durch Fels und Meer völlig un-
gangbare Gelände sollte eine Überflügelung unmöglich gemacht und
so der Gegner an der wirksamsten Verwendung seiner Übermacht
gehindert werden, während anderseits der gewählte Terrainabschnitt
gerade hinreichte, die eigenen Truppen voll ins Gefecht zu bringen.
Durch die Anlehnung an die Verschanzungen im Rücken sollte ferner
x) Liv. a. a. 0.: levis armaturae partem ante vallum in primo locavit, tum
Macedonum robur, quos sarissophoros appellabant, velut firmamentum circa ipsas
munitiones constituit. Ebenso Appian Syr. 18: rovg /uh \pi\ovg xal niXTaotug tiqo-
(XttytaQai irjg (fälayyog lyMevötv, ccvttjv (T eoj)]öe tiqo tov aTQuionedov. Darüber,
dafs die Stellung der Phalanx von Anfang an auf dem Walle gewesen ist, s. S. 153
A. 2. Dafs auch im ersten Treffen nach makedonischer Art gerüstete Krieger
stehen, deutet Livius dadurch an, dafs er die Phalanx Macedonum robur nennt,
und Appian macht es durch die Bezeichnung des ersten Treffens als ntlxaGtai
noch deutlicher. Denn die niliaoxai sind ebenso wie die Sarissophoren Make-
donien
2) Liv. a. a. 0.: ab dextro Macedonibus ad ipsum munimentorum finem . . .
elephantos cum adsueto praesidio posuit, post eos equites, tum modico intervallo
relicto ceteras copias in seeunda acie. Entsprechend App. a. a. 0,
1. Thermopylä. 153
einerseits der moralische Halt der Truppen gestärkt und anderseits
durch die positive Unterstützung von Fernwaffen, die von der Mauer
und dem Walle aus über die Köpfe der eigenen Soldaten hin wirken
konnten, deren Verteidigung im freien Felde erleichtert werden. Die
Flankierung endlich mufste den Angriff des Gegners von Anfang an
hemmen und konnte nach Abweisung des Angritfes bei der Verfolgung
die wesentlichsten Dienste leisten.
Der Disposition entsprach zunächst auch der Verlauf voll-
ständig.
Der erste Angriff der Römer auf die Peltasten des Zentrums
wurde mit Hilfe der Flankierungstruppen abgeschlagen, und erst ein
zweiter Vorstofs der mit schmaler Front und grofser Tiefe aufgestellten
Manipeln zwang das erste Treffen, sich in die Verschanzung hinter
die Phalanx zurückzuziehen '). Diese letztere nahm nunmehr den An-
griff der Römer auf ihrem niedrigen Erdwalle stehend an2), natürlich
auch ihrerseits von den leichten Truppen der Flanke und der Be-
satzung der Mauer und des Walles hinter sich unterstützt. Sie liefs
') App. Syr. 19: tu fxhv nocHia tov Maviov ol xpiXol navtuyödtv IniTQS-
%ov7£g iXvnovv Infi dt autoiig (fi Ion ovo) g öf/o/Liti'og xal KVa%o)QO)V xal ctvOig
inicjv froeiparo, roig /utv xpiXohg fj (falayi; ij jwv Mcc/.e66ro)V . . Höti-aro. Ent-
sprechend, aber unter ausdrücklicher Erwähnung der Flankentruppen Liv. 36, 18, 5:
Macedones pro vallo locati primo facile sustiaebant Romanos . . . multum adiu-
vantibus, qui ex loco superiore fundis velut nimburn glandis et sagittas simul
ac iacula ingerebant.
2) Dafs die Phalanx von Anfang an auf dem ersten Walle gestanden hat,
ist nirgends ausdrücklich bezeugt. Die Ausdrücke des Livius circa ipsas muni-
tiones und des Appian tiqo tov aTncaontdov (s. S. 152 A. 1) sind, der militärischen
Ungenauigkeit dieser Schriftsteller entsprechend, zu allgemein. Ja, es scheint nach
dem Berichte des Livius „(Macedones) pulsi loco intra munitiones . . concesserunt"
sogar, als ob von einem Zurückweichen der Phalanx die Rede wäre. Indessen
wirft Livius in seinem summarischen Bericht den Kampf des ersten Treffens, der
makedonischen (s. S. 152 A. 1) Peltasten mit dem des zweiten zusammen. Nach
dem hier genaueren Appian bezieht sich die Rückzugsbewegung nur auf das erste
Treffen, die Phalanx dagegen läfst die leichten Truppen durch und hält ihren
Standort fest: rovg /utv xpiXovg r\ (fcckayi; Idti-aio xal Gvvtldovöct l/.akvxpe. xcu zag
aaoiooag iv la'^et nv/.iug nQovßälovio. Es ist in dieser genauen Beschreibung
einer taktischen Detailbewegung die Vorlage des in solchen Dingen bekanntlich
pedantisch genauen Polybios nicht zu verkennen. Der Standort der Phalanx ist
aber nach Livius eben der Wall. Über die Berechtigung, die zwei Schlachtberichte
in dieser Weise auseinander zu ergänzen, s. S. 149 A. 3.
154 Der Syrisch-römische Krieg.
den Sturm der Römer in fester Haltung und unter grofsem Verlust
der Gegner an sich abprallen1).
Ein Ausgang war nicht abzusehen, als das Erscheinen Catos im
Rücken der ganzen Verteidigungsstellung die Katastrophe herbei-
führte. Cato hatte die Ätoler auf Kallidromon überrascht und über-
wältigt und kam den Anopäapfad hinunter. Eine wilde Panik brach
über das Heer des Königs herein. Nur ein geringer Teil soll nach
Chalkis entkommen sein.
2. Magnesia.
1. Der Feldzug bis zum Übergang der Römer über den
Hellespont.
Nach der Schlacht von Thermopylä finden wir den Krieg nach
Asien verlegt, und die endgültige Entscheidung fällt bei Magnesia
am Sipylos.
Die dazwischenliegenden Ereignisse sind oft und gut erzählt2),
und so ist es hier nur nötig, unter Berichtigung einzelner militärisch
irrtümlicher Auffassungen, das strategisch und taktisch Charakteristi-
sche der ganzen Lage und der einzelnen Operationen hervorzuheben.
Der Rückzug des Antiochos war nach der Seefestung Chalkis,
seinem Hauptstützpunkt in Griechenland, gegangen, und hier hatte er
sich unbelästigt durch die Römer einschiffen können. Das römische
Landheer war nicht schnell genug gefolgt, und die Flotte, welche
kurz vorher einen Lebensmitteltransport abgefangen hatte, mit dessen
Bergung in Athen beschäftigt, übrigens auch zu schwach — sie be-
stand aus nur 25 Deckschiffen3) — um etwas Ernstliches zu unter-
nehmen.
Ganz Mittelgriechenland unterwarf sich nach dem Siege den
Römern bis auf die Ätoler, deren Bekämpfung den Rest des Sommers
191 und noch den Anfang des folgenden Frühlings in Anspruch nahm.
x) Liv. 36, 18, 8 : multi temere subeuntes vallum transfixi sunt, et aut in-
cepto irrito recessissent aut plures cecidissent, ni M. Porcius etc. Ebenso Frontin
II 4, 4: iniquitatibus loci non invitus tantum sed cum iactura quoque repulsus
esset, nisi . . Cato usw.
2) Mommsen, Rom. Gesch. I 732 f. ; Niese II 2, 707 ff.
8) Liv. 36, 42, 7. An einer früheren Stelle (Liv. 35, 37, 3) ist sie auf
24 Quinqueremen angegeben. Die neue Flotte unter C. Livius stand noch bei
Kerkyra. Liv. ib. § 4.
2. Magnesia. 155
Dann kam ein Waffenstillstand auf 6 Monate zustande, welcher es
dem neuen Oberbefehlshaber L. Scipio und seinem Bruder, dem Sieger
von Zama, ermöglichte, den Marsch durch Thessalien, Makedonien
und Thrakien nach dem Hellespont anzutreten. Über den Beginn
dieses Marsches und seine Durchführung im einzelnen ist nichts Ge-
naueres bekannt. Er endete um den 12. November 190, um welche
Zeit man in Sestos am Hellespont anlangte1).
Die Länge dieses Marsches beträgt von Amphissa bis Sestos
etwa 798 Kilometer. Rechnet man hinzu, dafs ein Teil der römischen
Truppen in demselben Sommer schon den Marsch von Apollonia nach
Amphissa mit 490 Kilometern zurückgelegt hatte, und dafs die ganze
Armee bis auf das Schlachtfeld von Magnesia in Kleinasien vom
Hellespont aus noch weitere 389 Kilometer zu marschieren hatte, so
ergeben sich für diesen Feldzug 1677 Kilometer, ein Resultat, welches
sich den Marschleistungen in den meisten Feldzügen Alexanders des
Grofsen würdig an die Seite stellen kann2).
Indessen war aber der Krieg zur See schon im Jahre 191 nach
Asien hinübergetragen worden.
Der neue Flottenkommandant Livius war mit einer sehr be-
trächtlichen Verstärkung von 56 Deckschiffen und einer Anzahl
kleinerer Fahrzeuge in Athen angekommen und hatte sich nach Über-
1) Nach dem Übergang über den Hellespont hatte das Heer „aliquamdiu
stativa ad Hellespontum, quia dies forte, quibus ancilia moventur, religiosi ad iter
inciderant" (Liv. 37, 33, 6). Scipio war schon diesseits des Hellespontes zurück-
geblieben, weil er als Salier „propiore etiam religione" gehalten wurde. Diese
Tatsachen hat Matzat S. 204 in scharfsinniger Weise so gedeutet, dafs Scipio schon
seit dem Feste des regifugium zurückgeblieben sei, d. h. fünf Tage vor dem 1. März,
während das Heer selbst erst vom 1. März an den Marsch eingestellt habe. Da-
nach wäre der Übergang über den Hellespont zwischen dem 24. des Intercalaris
und 1. März, d. h. nach unserem Kalender zwischen 12. und 16. November, erfolgt
(s. oben S. 112). Denn dies Jahr war ein Schaltjahr, weil das vorige, das Konsulats-
jahr des Glabrio, keines war (s. Beilage III S. 222 A. 2). — Über Nieses Widerspruch
vergleiche man oben S. 112; seine Berufung auf Wissowa (Marquardt-Wissowa,
Hdb. der römischen Altertümer, Staatsverw. Bd. III 437 A. 1) ist deshalb ohne Be-
weiskraft, weil Wissowas Vermutung, dafs auch die Oktoberzeit für religiosum ad
iter gegolten habe, sich nur auf unseren Fall stützt.
2) Entfernungen auf der österr. Karte von Mitteleuropa 1 : 300000 gemessen.
— Die Marschleistungen in den Feldzügen Alexanders schwanken (nach York von
Wartenburg, Übersicht d. Feldzüge Alexanders d. Gr. 1897) in den einzelnen Jahren
zwischen 1420 und 2180 Kilometern.
156 ^er Syrisch-römische Krieg.
nähme des alten Geschwaders von dort aus an der Spitze der achtung-
gebietenden Seemacht von 81 Deckschiffen und etwa 25 kleineren
Fahrzeugen über Delos nach Asien in Bewegung gesetzt1). Die Sache
dieser Flotte konnte es nicht sein, selber die Entscheidung in einem
Kriege zu geben, in welchem beide kriegführende Mächte im wesent-
lichen Landmächte waren. Aber sie hatte die Aufgabe, die Möglich-
keit dieser Entscheidung herbeizuführen. Denn ohne Beherrschung
des Meeres war es für die Römer unausführbar, über den Hellespont
zu kommen, und ohne das nicht möglich, den König niederzuwerfen.
Da die römische Flotte für sich allein der des Gegners numerisch
kaum gewachsen und an Seetüchtigkeit und Lokalkenntnis unterlegen
war, so bestand, wenn man die See beherrschen wollte, in der Ver-
einigung mit den seekräftigen Verbündeten Roms in Kleinasien die
erste Vorbedingung für den Erfolg. Aber darin lag eine grofse
Schwierigkeit.
Das Hauptquartier der syrischen Flotte, wo beim Herannahen
der Römer die ganze Seemacht zusammengezogen wurde2), war
Ephesos, fast in der Mitte der kleinasiatischen Westküste gelegen.
Auf den entgegengesetzten Seiten dieses Standquartieres lagen
die Rom verbündeten Seestaaten, im Norden Pergamon, im Süden
Rhodos. Jeder dieser beiden Staaten verfügte über eine ansehnliche
Marine von 30 und mehr Deckschiffen und über das, was den Römern
besonders abging: Kenntnis des griechischen Seewesens und der
asiatischen Gewässer3). Mit ihnen vereint konnten die Römer des
*) Liv. 36, 42 nach Polybios. Seine Flotte bestand aus 50 römischen und
6 karthagischen Deckschiffen (§ 1 — 2), dazu kamen die 25 der alten Flotte (§ 7)
in Athen, so dafs er una et octoginta constratis navibus nach Delos (§ 8. App.
Syr. 22) fährt. Unter ihuen haben wir zum grofsen Teil grofse Schlachtschiffe, zum
Teil Trieren zu verstehen, wie z. B. die beiden Liv. 37, 13, 11 erwähnten Schiffe
italischer Bundesgenossen solche waren. Die Zahl der offenen Schiffe ergibt S. 157
A. 4. Wenn es von der Flotte heifst, dafs multae minores dabei gewesen, so ist
das vollkommen richtig. Für eine römische Flotte, die überwiegend aus Quinque-
remen zu bestehen pflegte (vergl. Liv. 35. 20, 12; 21, 1; 24, 8; 37, 4, 5 u. sonst),
sind fast | kleine Schiffe viel.
2) Liv. 36, 43, 3: (rex) omissis, quae in Hellesponto agebat, cum rostratis
navibus . . . Ephesum redit.
3) Über die Marine von Pergamon s. S. 157 A. 4, über die von Rhodos
S. 157 A. 3 und S. 159. Liv. 37, 43, 5: se — die Syrer — omnibus superiores
et celeritate navium et varietate auxiliorum: nam Romanas naves , . . inscite
2. Magnesia» ]57
Sieges gewifs sein. Um so mehr mufste Antiochos versuchen, die
Flotten einzeln zu schlagen.
Danach handelte sein Admiral Polyxenidas, wenn er den von
Delos heransegelnden Römern auflauerte1). Aber es glückte der römi-
schen Flotte — es ist nicht ganz aufgeklärt wie — die Insel Chios
zu erreichen und, durch den Kanal zwischen ihr und dem Festlande
nordwärts steuernd, ihre Vereinigung mit der pergamenischen Flotte
bei Phokäa zu bewerkstelligen2).
Nun richteten die vereinigten Geschwader ihren Kurs wieder
nach Süden, um auch die Verbindung mit den Rhodiern, welche von
der Ankunft der Römer unterrichtet und schon mit 27 Schiffen3) im
Anzüge waren, zu verwirklichen. Aber jetzt stellte sich Polyxenidas
ihnen an der Küste der Erythräischen Halbinsel bei Kissus in den Weg.
Er war den Gegnern jetzt noch gerade gewachsen. Den 105 Deck-
schiffen der Römer und Pergamener und ihren 50 kleineren Fahr-
zeugen hatte er zwar nur 70 Deck-, aber dafür über 100 offene
Schiffe entgegenzustellen4). Er erlag in der Schlacht und mufste sich
factas immobiles esse . . . multum etiam adiuturam iiotitiam maris terrarumque et
ventorum.
1) Liv. ib. 4: utique prius confligendum quam classis Eumenis et Rhodiae
naves comungerentur Romanis.
2) Liv. 36, 43, 1 1 f. Polyxenidas lag nach Livius bei Kissus, dessen Lage
auf der Erythräischen Halbinsel (portum Erythraeorum nennt es Livius) feststeht,
aber sonst nicht genauer bekannt ist. Die Ansetzung Kieperts (formae orbis IX)
gegenüber Chios ist deshalb unwahrscheinlich, weil man nicht begreift, wie die
römische Flotte, welche von Süden her in den Kanal einfuhr (Phanas . . petunt,
inde ad urbem circumegere) in dem dort nur etwa 10 Kilometer breiten Sunde
unbelästigt an der syrischen Flotte vorbeikommen konnte.
3) So Appian Syr. 22. Livius gibt 36,45,5: 25 tectae au.
4) Die Zahl der römischen Schiffe gibt Livius 36, 43, 13. Der Zuwachs
stammt von den Pergamenero, welche nach Livius (ib. 12) mit 24 Deckschiffen
und apertis paulo pluribus, nach Appian (Syr. 22) mit 50 Schiffen, von denen die
Hälfte Deckschiffe sind, zu den Römern stofsen. Die Nachrichten stützen sich
gerade bei der Verschiedenheit ihrer Form und inhaltlichen Übereinstimmung
gegenseitig. Daraus ergibt sich denn auch, dafs die römische Flotte allein etwa
25 offene Schiffe gehabt hatte. Die Stärke der syrischen Flotte wird von Livius
36, 43, 3 auf 100 Schiffe mit Einschlufs von 70 tectae, von Appian (Syr. 22) im
ganzen auf 200, xovtporsQai tcüv nokt/uicüv naQa nolv, angegeben. Man folgt ge-
wöhnlich Livius (Nissen 187, Niese 719); ohne Zweifel mit Unrecht: mit 70 Deck-
und 30 offenen Schiffen kann man nicht „occasione pugnandi laetus" 105 Deck-
und 50 offenen Schiffen entgegentreten. Die geringere Zahl der Deckschiffe mufste
158 Der Syrisch-römische Krieg.
mit Verlust von 23 Schiffen in den Hafen von Ephesos zurückziehen.
(September 191 s. Beilage III S. 227).
Der Vereinigung mit den Rhodiern stand jetzt nichts mehr im
Wege; vor dem Hafen von Ephesos, boten die vereinigten Flotten
noch einmal demonstrativ die Schlacht an und bewiesen durch die
Weigerung der Gegner ihre offenkundige Beherrschung der See.
Die Aufgabe der Flotte schien gelöst: Die Zusammenziehung
der syrischen Seekräfte bei Ephesos hatte, vom ersten Erscheinen der
Römer an, die hellespontischen Gewässer freigemacht, jetzt lag das
einzige Geschwader, über welches der König verfügte, hier im Hafen,
unfähig, selbst den unmittelbar anstofsenclen Meerbusen zu beherrschen.
Aber das Festhalten des Gewonnenen war auch hier schwerer als das
Gewinnen selber.
Als mit dem Eintritt der schlechten Jahreszeit die vereinigten
Flotten sich getrennt hatten und in die Winterquartiere gegangen
waren, rüstete Antiochos nicht nur in Ephesos mit aller Macht, so
dafs er seine Seemacht daselbst trotz der Verluste bei Kissus auf
90 Deckschiffe z. T. gröfsten Kalibers brachte1), sondern er liefs auch
in Syrien ein neues Geschwader zusammenziehen, welches im Früh-
linge unter Hannibals Führung, 37 grofse Schiffe und 10 Trieren
stark2), von Süden her zu der Flotte in Ephesos stofsen sollte.
So ergab sich für die Verbündeten eine dreifache Aufgabe.
Man mufste die Blockade der königlichen Flotte in Ephesos aufrecht
erhalten, man mufste der Entsatzflotte Hannibals entgegentreten, und
durch eine beträchtlich höhere der kleinen Schiffe aufgewogen werden, wenn über-
haupt eine Chance des Sieges vorhanden sein sollte. Dazu kommt, dafs der Cha-
rakter der Flotte als aus überwiegend leichten Schiffen bestehend nicht nur an
der angeführten Stelle, sondern auch sonst von Appian (Syr. 22 Ende) und Livius
(36, 45, 3; ferner 43, 6: Romanas naves inscite factas immobiles esse. 43, 8: sind
die syrischen Schiffe minoris omnes formae) übereinstimmend hervorgehoben
wird. Endlich ist eine Zahl von 30 leichten Schiffen für die ganze bei Ephesos
konzentrierte Seemacht des Königs überhaupt viel zu klein. Bei seiner Landung
in Griechenland im Jahre 192, wo nur ein Teil der Flotte — 40 naves tectae —
zugegen war, hatte der König allein 60 apertae bei sich (Liv. 35, 43, 3). Es ist
daher wohl nach Sigonius' Vermutung statt C bei Livius CC zu schreiben.
J) Antiochos hatte in der Schlacht bei Myonnesos 90 (Liv. 37, 30, 1) oder
89 (App. Syr. 27) Deckschiffe, darunter 5 gröfsten Kalibers, Hexeren und Hepteren.
Die Erfahrungen von Kissus werden diesen Systemwechsel hervorgebracht haben.
2) Liv. 37, 23, 5. Auch bei dieser Flotte waren 3 Hepteren und 4 Hexeren.
2. Magnesia. 159
man mufste drittens die nötigen Schiffe erübrigen, um die römische
Armee über den Hellespont zu setzen.
Allen diesen Anforderungen gerecht zu werden ist besonders
durch die aufopfernde Tätigkeit der Rhodier gelungen1).
Obgleich fast ihr ganzes Hilfsgeschwader von 36 Schiffen im
Frühling 190 noch vor seiner Vereinigung mit der römisch-perga-
menischen Flotte auf Samos überfallen und vernichtet wurde2), er-
setzten sie nicht nur augenblicklich diesen Verlust so gut es ging
und erschienen mit einem Ersatz von 23 Schiffen wieder im Felde3),
sondern sie übernahmen auch wenige Monate später allein die Ab-
wehr der Entsatzflotte Hannibals, indem sie derselben unter Auf-
bietung aller ihrer Kräfte mit 36 ihrer eigenen und mehreren bundes-
genössischen Schiffen4) an der Südküste Kleinasiens weit nach Osten
bis zum Eurymedonflusse entgegenfuhren und sie in harter Schlacht
schlugen (Mittsommer 190, Liv. 37, 23, 2 f.).
Man mufs diese Schlacht und nicht die weit mehr gefeierte
spätere von Myonnesos als den Wendepunkt des ganzen See-
x) s. auch v. Gelder, Gesch. d. alten Rhodier S. 134 ff.
2) Die Gröfse der Flotte bei Livius 37, 9, 5. Es retten sich nur 7 Schiffe
(Liv. 37, 11, 13; App. Syr. 24). Dafs nach Appian ib. nur 20 von den Syrern
erbeutet werden, widerspricht natürlich der Gesamtzahl, wie sie Livius gibt, nicht.
Die übrigen waren eben im Kampfe vernichtet: ol /uh ikriip&rjöav, ot d" ancolovro.
Van Gelder (S. 136 A. 2) verwirft daher ohne Grund die Livianische Angabe.
3) Zwanzig stofsen zur Hauptflotte (Liv. 37, 12, 9; App. Syr. 25). Drei be-
teiligen sich noch aufserdem an einer Nebenexpedition nach Lykien (Liv. 37, 16, 3).
4) Liv. 37, 23, 4. Es waren 32 Quadriremen und 4 Triremen, eine wertvolle
Notiz, welche zeigt, dafs die Rhodier im wesentlichen mittelgrofse Schiffe bauten.
Diese 36 Schiffe waren lauter rhodische und bestanden aus einem Geschwader von
17 Schiffen, mit dem Pamphilidas von Rhodos aus in See gestochen war (Liv.
37,22,3), aus 13 Schiffen des Eudamos, die von der römischen Flotte detachiert
waren (ib. 22, 2), und 6 apertae, die man ihm in Rhodos noch dazu gegeben hatte
(ib. 5). In derselben Zeit waren nur noch 3 rhodische Schiffe bei der römischen
Flotte, da von den 20 ursprünglich dorthin geschickten Schiffen (vor. A.) erst 4
(Liv. 37, 16, 1. 13) und dann die 13 mit Eudamos detachiert worden waren. Die
Gesamtsumme der Schiffe, welche die Rhodier damals in See hatten, betrug also 39.
Damit waren sie aber auch an der Grenze ihrer Leistungsfähigkeit angekommen.
Das zeigt der Umstand, dafs unter ihren 36 Quadriremen und Trieren 6 apertae
waren. Auch sonst hat Rhodos in äufserster Not nicht mehr Schiffe aufzubringen
vermocht (vergl. meine Entwickl. d. röm. Flotte, Philol. LVI S. 479). — Die im
Gefolge der Rhodier kämpfenden kleinen Kontingente, wie die zwei Quinqueremen
von Kos und Knidos (Liv. 37, 22, 2), sind im Schlachtbericht übergangen.
160 Der Syrisch-römische Krieg.
krieges betrachten. Denn mit der Vereitelung der Konzentration
der syrischen Seekräfte waren die Versuche des Königs, eine den
Gegnern ebenbürtige Macht in See zu stellen, im Grunde schon
gescheitert. Allerdings mufste auch noch nach dem Siege am
Eurymedon ein beträchtlicher Teil der rhodischen Flotte zur Beob-
achtung Hannibals detachiert bleiben, und so war es möglich, dafs
der König noch einen letzten Versuch machte, die Blockade von
Ephesos zu sprengen.
Als nämlich gegen Herbst des Jahres das pergamenische und
ein Teil des römischen Geschwaders nach dem Hellespont abgegangen
waren, um den Übergang der Scipionen vorzubereiten, und daher die
Römer mit einem Teile der Rhodier, nur noch etwa 80 Deckschiffe
stark, im Busen von Ephesos kreuzten, versuchte Polyxenidas sie mit
seiner jetzt sogar etwas stärkeren Flotte von 90 Deckschiffen bei
Teos zu überfallen1). Sein geschickt angelegter Plan wurde durch
einen Zufall verraten, die Römer gewannen noch rechtzeitig die hohe
See, und das Schlachtenglück entschied beim Vorgebirge Myonnesos
nach heftigem Ringen zum dritten Male für die römische Sache. Mit
Verlust von 42 Schiffen, fast der halben Flotte, rettete sich Poly-
xenidas in den Hafen von Ephesos.
Dem Übergang über den Hellespont, der an und für sich keine
militärische Schwierigkeit bietet, stand jetzt überhaupt kein Hindernis
mehr im Wege.
Antiochos zog sofort die Konsequenz aus dieser neuen Lage.
Hatte er bisher noch in Europa festen Fufs behalten, namentlich
seine Neugründung Lysimachea, welche den Zugang zum Chersonnes
und damit zum Hellespont deckte, behauptet, so zog er jetzt diesen
nutzlos gewordenenen Vorposten ein, um alle Kräfte zur Entscheidung
') Die römische Flotte wird von Livius (37, 30, 1) auf 80 Schiffe mit Ein-
schlufs von 22 rhodischen, von Appian um 3 Schiffe höher angegeben. Da die
Römer im Vorjahre allein 81 Deckschiffe gehabt hatten und mit dem neuen
Flottenkommandanten Ämilius noch zwei dazu gekommen waren (Liv. 37, 14, 2),
so mufs jetzt ein Teil ihrer Flotte detachiert gewesen sein, wahrscheinlich, wie
im Text vermutet, in den Hellespont. Dafür scheint man von den 24 Schiffen,
welche bei Patara zur Beobachtung Hannibals zurückgelassen waren (Liv. 37, 24, 12;
25, 3), einige zur Hauptflotte gezogen zu haben. Die Schiffe von Mytilene, Erythräa.
Smyrna, Kos, Knidos, welche gelegentlich (Liv. 37, 12, 5; 13,14; 16,1; 11,12;
22, 1) erwähnt werden, sind wohl bei den 22 rhodischen einbegriffen. — Über die
syrische Flotte s. S. 158 A. 1.
2. Magnesia. 1Q\
in Asien zusammenzuhalten. Man hat diese Mafsregel bisher durch-
gehends als eine arge Verkehrtheit getadelt1) und gemeint, Antiochos
habe die Römer vor der Stadt bis in das nächste Jahr hinein hin-
ziehen können, sie daher halten und zugleich die Hellespontlinie ver-
teidigen müssen.
Das Verfahren des Königs hat man im Altertum nicht
anders als durch göttliche Verblendung2), in unserer Zeit durch
„Scipios wunderbares Glück" erklären zu müssen geglaubt, welches
„alle Schwierigkeiten vor ihm aus dem Wege geräumt habe"3).
Militärisch betrachtet sieht die Sache ganz anders aus. Für
einen seemächtigen Gegner war Lysimachea überhaupt kein ernst-
liches Hindernis. Man konnte daran vorbeigehen. Es liegt mehrere
Kilometer vom Golf von Xeros und vom Hellespont entfernt, eine
Entfernung, welche bei den antiken Verhältnissen nur durch eine
Verteidigungsstellung einer Feldarmee gesperrt werden konnte4).
Aber selbst wenn das nicht möglich gewesen sein sollte, so konnte
man es rechts liegen lassen und es zur See umgehen. Die perga-
menische, rhodische und der gröfste Teil der römischen Flotte standen
zur Überführung von Tiristasis nach Parion ebensogut wie von Sestos
nach Lampsakos in Bereitschaft. Die Festung im Rücken zu lassen,
1) Niese a. a. 0. 737: Man hat es stets und mit Recht als eine der gröfsten
Torheiten betrachtet, dafs er diesen wichtigen Waffenplatz . . räumte und so ohne
Schwertstreich den Römern die Strafse nach Asien öffnete.
2) App. Syr. 28: £xTaQaoo6/j.ev6g T€ y.al &tov ßXariTovTog fjd/7 roug koyiatuovg.
In dieser Verblendung soll er erst Lysimachea geräumt und alles Heil nur in
derJVerteidigung des Hellespontüberganges gesehen haben (ttjv komr\v hi tkniöa
rov 7ioke[xov Tiuaav £v rovico Tifrtusvog); dann soll er aber in einer zweiten Ver-
blendung auch den nicht verteidigt, sondern sich ins Innere zurückgezogen haben
(oiTS ibv öiänlovv ItpvXagEV vnb d-toßkaßsiag usw.). Ähnlich ist das Urteil auch:
App. Syr. 37 und, wenn auch nicht so prononziert, bei Livius 37, 31, 2.
3) So Mommsen, der, Rom. Gesch. I, im Anschlufs daran hinzufügt: Auf
die Kunde von der Schlacht von Myonnesos verlor Antiochos so vollständig den
Kopf, dafs er in Europa die stark besetzte und verproviantierte Festung Lysi-
macheia . . . räumen liefs . . am asiatischen Ufer aber der Landung der Römer
nicht den geringsten Widerstand entgegensetzte, sondern während derselben sich
in Sardes damit die Zeit vertrieb auf das Schicksal zu schelten usw.
4) Nach der Kiepertschen Karte von Kleinasien ist die Ruinenstätte von
Lysimachea bei Hexamili etwa 5 Kilometer von beiden Meeren entfernt. Ohne
lange Mauern war das nicht zu beherrschen und mit langen Mauern nur bei
einer sehr grofsen Besatzung.
Kromayer, Antike Schlachtfelder. II.
162 Der Syrisch-römische Krieg.
hatte gleichfalls keine Bedenklichkeit. Denn auf die Verbindung mit
Thrakien und mit dem eben zurückgelegten Wege als Etappenstrafse
war die römische Armee bei ihren Operationen in Kleinasien über-
haupt nicht angewiesen. Hatten doch die Hilfsquellen Thrakiens und
die mangelhafte Zufuhr die Armee im Lande selber beim Durchmarsch
kaum vor dem Verhungern geschützt1). Für die Operationen in Klein-
asien war vielmehr das Reich Pergamon und die Westküste die natür-
liche Basis, und die Verbindung ging über das Meer nach Griechen-
land. Alles das war von dem Besitze Lysimacheas unabhängig.
Die Verteidigung endlich einer mehr als 100 Kilometer langen
Wasserstrafse, wie der Hellespont es war, ist für ein Landheer
ohne Flotte gegenüber einem seemächtigen Gegner überhaupt
nicht möglich. Man hätte nicht alle Punkte der Küste besetzt
halten und den Bewegungen der Flotte zu Lande nicht schnell genug
folgen können. Ein Tag oder ein halber genügten, um ein sturm-
freies Lager und damit einen Landungsplatz zu gewinnen, ganz ab-
gesehen davon, dafs die Römer bereits feste Plätze auf der asiati-
schen Küste wie Lampsakos (Liv. 35, 42, 2), Dardanos und Rhöteon
in ihrem Besitze hatten (Liv. 37, 9, 7). Dann wäre dem Könige nichts
übrig geblieben, als in dem gebirgigen Küstenlande, welches seiner
Hauptwaffe, seiner überlegenen Reiterei, keine Entwickelung bot, zu
schlagen oder sich, den Feind auf den Fersen, ins Innere zurück-
zuziehen. Es war klüger, lieber gleich im Inneren zu bleiben und
ein günstiges Schlachtfeld in Ruhe auszuwählen2).
Aber selbst wenn die Römer sich auf eine Belagerung von
Lysimachea eingelassen hätten, was hätte der Verzug genützt? Die
Stadt, ohne Möglichkeit des Entsatzes, war jedenfalls verloren und
mit ihr die Besatzung, die in der Schlacht besser zu brauchen war.
1) Liv. 37, 33, 1 -3.
2) Aus Scipios Bonmot, dafs durch den Hellespontübergang dem Pferde der
Zügel angelegt und der Reiter aufgesessen sei (Pol. XXI 15, 9), auf die Wichtigkeit
der Hellespontverteidigung zu schliefsen, ist nicht gerechtfertigt. Der Ausspruch
beweist nur das diplomatische Bestreben des Scipio, die schon gewonnenen Vor-
teile als ausschlaggebend, die in Wahrheit noch ausstehende Entscheidung mit
zur Schau getragener Siegesgewifsheit als unzweifelhaft hinzustellen. Der Aus-
spruch zeigt also bestenfalls, wie Scipio die Lage aufgefafst zu sehen wünschte,
nicht wie sie war. Politische, auf den Effekt berechnete Äufserurigen sind eine
schlechte Grundlage für militärische Schlufsfolgerungen.
2. Magnesia. 163
Antiochos war mit seinen Rüstungen fertig und zum Schlagen
bereit. Schon im Laufe des Sommers hatte er Zeit gefunden, kleine
Unternehmungen mit seiner Gesamtarmee gegen Pergamon und Äolis
zu machen, Unternehmungen, welche nichts entscheiden und den Geist
seiner Truppen nicht heben konnten1). Eine längere Untätigkeit
konnte seinem Heere bei dessen zusammengewürfeltem Charakter
erst recht nicht günstig sein, und weiterer Zuzug war auch nicht
zu erwarten. Die östlichen Provinzen hatten ihre Kontingente ge-
schickt, Ariarathes von Kappadokien und die Gallier in Kleinasien
waren gewonnen und anwesend, und Prusias von Bithynien hatte
sich versagt.
So mochten denn die Würfel der Entscheidung noch in diesem
Jahre fallen.
2. Der Feldzug in Asien und die Bestimmung des
Schlachtfeldes.
Nach dem ohne alle Schwierigkeit bewerkstelligten Übergang
über den Hellespont (Liv. 37, 33, 4) hielt sich das römische Heer
fast noch einen Monat lang, bis etwa zum 13. Dezember ruhig an
Ort und Stelle. Religiöse Superstition war die Ursache dieses bei
der vorgerückten Jahreszeit sehr unzweckmäfsigen Aufenthaltes2)-
Endlich wurde der Marsch angetreten. Livius nennt die Städte
Dardanos, Rhöteon und Ilion als Orte, welche berührt wurden, und
gibt an, dafs man von letzterem Punkte aus in 6 Marschtagen an
den Kaikos gelangte3).
!) Belege bei Niese II 731 f.
2) Man vergleiche darüber Matzats eingehende und überzeugende Ausein-
andersetzung S. 204 und oben S. 155 A. 1. Die Schlacht von Magnesia fällt da-
nach Mitte Januar 189. Eine so lange Erstreckung der Operationen in den Winter
hinein ist bei dein Klima Westkleinasiens nicht unmöglich. Von Diest sagt da-
rüber (bei Petermann, Ergänzungsheft 94, 1889 S. 1): „Bis Ende Oktober kann
man in Kleinasien auf dauerndes, trocknes Wetter rechnen mit einer Sicherheit,
die bei uns in Westeuropa unbekannt ist. Auch die Monate November, Dezember,
Januar eignen sich zum wissenschaftlichen Reisen noch besser als Februar, März,
April ... die Wege sind dann . . zwar schon gründlich durchweicht, aber nicht
so schwierig wie zur Zeit der Schneeschmelze, wo Haupt-Landesverbindungen
tagelang unterbrochen sind wegen einer fortgerissenen Brücke und wo Nebenwege
oft selbst mit Saumtieren vollständig unbegehbar sind."
3) Liv. 37, 37, 1 f. Dardanum primum, deinde Rhoeteum . . . venit. inde
Ilium processit . . inde sextis castris ad caput Ca'ici amnis pervenerunt.
11*
164
Der Syrisch-römische Krieg.
Hierzu dio
Karte No. 6.
(Beikarte).
Diese Angaben, so mangelhaft sie sind, genügen, die Marsch-
route festzulegen. Das Heer zog an der Küste entlang nach Süd-
westen; dann von Ilion aus an die Südküste der Troas und an ihr
hin bis Adramyttion. Endlich von da aus auf der grofsen Heerstrafse
wiederum an der Küste entlang nach Süden bis an die Mündung des
Kalikos bei Eläa, dem Hafenorte von Pergamon1).
Man hat dies letztere Marschziel bezweifelt und geglaubt, die
Römer seien direkt an die Quellen des Kaikos nach dem heutigen
Kirkagatsch marschiert. Aber das ist aus geographischen wie mili-
tärischen Gründen unmöglich. Die Quelle des Ka'ikos liegt nur
34 Kilometer von Thyatira entfernt, und doch braucht das Heer vom
caput Caici bis dahin 5 Marschtage2); und anderseits hatten die
Römer keinen Grund, gleich von Adramyttion aus querfeldein ohne
eine grofse Strafse ins Innere einzubiegen. Der König war in Sardes
zu vermuten3), und man mufste so lange wie möglich die Verbindung
mit dem Meere aufrechterhalten. Aufserdem war das befreundete
Pergamenische Reich mit seiner Kernlandschaft, der weiten und
fruchtbaren unteren Kaikosebene das natürliche, erste Marschziel.
Der Küstenstrafse folgend, befand sich die Armee also auf dem
!) Von Ilion aus konnte man entweder den Skamander aufwärts nach Ezine
und dann über Aiwadjyk bei der Skala Tschibne, nahe dem alten Gargara (Judeich,
Jahresh. d. öst. arch. Inst. IV 111 ff., 1901) an die Südküste gelangen oder über
Assos ebendahin marschieren. Beide Wege sind unzweifelhaft im Altertum be-
kannt und begangen gewesen (Tab. Peut. IX 2, 3 nennt Assos ; It. Ant. 334 f.
wie es scheint den anderen Weg). Der Unterschied ist nicht grofs. Von Adra-
myttion aus ging es dann auf dem Wege, den schon Xerxes eingeschlagen hatte,
an der Küste entlang ad caput Caici (Liv. 37, 37, 1), s. die folg. A.
2) Man verstand unter den Worten des Livius (s. vor. S. A. 3) ad caput Calci
amnis die „Quelle des Ka'ikos" (Weifsenborn, zur Stelle; Matzat S. 205 A. 11).
Caput eines Flusses bedeutet aber auch oft die Mündung z. B. Liv. 33, 41, 7.
Auch 37, 18, 6 ist es trotz Meischkes S. 86 und Nieses S. 731 Widerspruch so zu
fassen. Über den fünftägigen Marsch der Römer, s. S. 166 A. 1. Die Quelle des Kaikos
lag nach der Auffassung der Alten in der Ebene, h ntöCto (Strabo XIII 1, 70
C. 616), ist also, wie von Diest (bei Petermann Ergänzungsheft 94. 1889, S. 18)
zutreffend ausführt, der Aksu bei Kirkagatsch gewesen, 34 Kilometer von
Thyatira. Aber auch wenn man die Quelle des Kaikos bei Tashbunar suchen
wollte, was an sich ja möglich ist (v. Diest a. a. 0.), so wird das Resultat da-
durch nicht wesentlich geändert, da Tashbunar auch nur etwas über 40 Kilometer
von Thyatira abliegt.
3) Liv. 37, 37, 3 : rex . . . Sardis reeepit se, nach der Schlacht von Myonnesos.
2. Magnesia. 165
uralten Heerwege, welchen schon Xerxes gezogen war (Herod. VII 42).
Der Weg von Ilion bis Eläa (etwa 210 Kilometer) wurde in sechs Marsch-
tagen, d.h. in Märschen von durchschnittlich 34| Kilometer zurückgelegt.
Das Herannahen der schlechten Jahreszeit sowie Verpflegungsschwierig-
keiten in diesem, seit letztem Sommer von Antiochos gründlich ver-
wüsteten Landstriche mögen die Ursachen dieser Eile gewesen sein1)
Bei Eläa wurde einige Tage gerastet. Die Verbindung mit der
Flotte sollte hier wieder hergestellt werden; sie wurde aber durch
Winterstürme vereitelt, und Eumenes, der bei ihr zurückgeblieben war,
mufste zu Lande über Pergamon den Anschlufs wiedergewinnen2). In
Eläa erfuhr man endlich, dafs der Gegner nicht bei Sardes, sondern
weiter nördlich bei Thyatira stehe, änderte die Marschrichtung und
zog von da östlich, das Kaükostal hinauf, endlich ins Innere des Landes
hinein3).
Der nächste Weg nach Thyatira geht über Kinik und Sindeli in
einem Nebentale des Kaikos zwischen dem Tschamlidja-dagh und
dem Sari-tepe über das Gebirge in die Ebene von Akhissar, dem
alten Thyatira, hinab. Auch im Altertum führte hier eine Kunststrafse
von Pergamon an Apollonis vorbei nach Sardes4). Ein etwas weiterer
aber bequemerer Weg geht im Kaikostale aufwärts über Soma nach
Kirkagatsch und von dort südlich nach Thyatira. Welchen die Armee
eingeschlagen hat, läfst sich nicht entscheiden, der Unterschied ist
nicht beträchtlich.
Das Heer erreichte die Gegend von Thyatira am fünften Marsch-
J) Liv. 37, 37, 3: inde (von Ilion) sextis castris ad caput Caici amnis per-
venerunt. Die Entfernungen auf der Kiepertschen Karte von Kleinasien 1 : 250000
gemessen. Verwüstungen des Antiochos, Liv. 37, 19, 7. 21, 4.
2) Liv. 37, 37, 4. 5. Der Weg des Eumenes von Adramyttion nach Eläa
giog über den Kosak und Pergamon (qua proximum fuit; — ex castris Pergamum
remissus), ein Gebirgsweg, den er mit seiner kleinen Begleitschar — cum parva
manu — füglich gut wählen konnte.
3) Liv. 37, 37, 6: regia castra circa Thyatiram erant; ebenso App. Syr. 30.
Über die Absicht der Römer, ihn aufzusuchen, Liv. 37, 38, 1.
4) Strabo XIII 4, 4. C. 625: Inl 6k tov votov (von Pergamon) oqsivt) (jetzig
(der Jund-dagh und zugehörige Berge) ijv vntqßcioi v.ai ßadC^ovcfi Inl Zkqömov
nohg lailv lv aQiorfQa QvareiQa . . lv 6e^ia <P AnolX(ovig, dte%ovOc( ITtQyccfxov
Toiay.ooiovg araöCovg (= 53 Kilometer). Wiedergefunden beim Dorfe Palamut.
Fontrier juovoeiov rrjg EvayyeL c/oA^? Smyrna 1885/86 S. 61. Schuchardt, Mit-
teil, d. athen. Instituts XIII 2 f.
Ißß Der Syrisch-römische Krieg.
tage, es hatte also, da die Entfernung etwa 100 Kilometer beträgt,
20 — 25 Kilometer am Tage ohne Ruhetag dazwischen zurückgelegt,
eine normale, beträchtlich hinter den letzten Märschen zurück-
bleibende Leistung1). Denn man durfte die Soldaten nicht abgehetzt
an den Feind bringen. —
Thyatira liegt am Nordende der grofsen Hyrkanischen Ebene,
einer jener ausgedehnten, zwischen die trennenden Gebirgsketten ein-
gelagerten Tieflandsflächen, welche den Charakter des westlichen
Kleinasien so wesentlich mit bestimmen. Sie wird im Süden durch
die schroffen Felsmauern der bis über 2000 Meter aufragenden
Sipylos- (1600) und Tmolosgebirge (2050 Meter) begrenzt, im Nord-
westen durch das allmählicher ansteigende und mehr plateauartig
gestaltete Gebirge des Jund-dagh abgeschlossen, der zwar nur im
Karakusch bis zu 1650 Meter ansteigt, aber doch auch sonst zahl-
reiche Erhebungen über 1000 Meter aufweist2). Endlich wird die
Ostseite durch die weniger einheitlichen Gebirge gebildet, welche
nördlich vom Mermere Göll gleichfalls in einer Höhe bis zu etwa
1800 Metern hinziehen3). Das zwischen diesen Erhebungen liegende
Dreieck bildet nun zwar nicht eine einzige Ebene, aber die es in
mehrere Teile scheidenden, niedrigeren Berggruppen stören doch den
einheitlichen Charakter nicht sehr, so dafs es wohl verständlich ist,
wenn dies ganze Gebiet im Altertum einen und denselben Namen
getragen hat4).
f) Liv. 37, 38, 1: consul ... continuis itineribus quinto die ad Hyrca-
nicum campum descendit. — Die Wasserscheide zwischen den Kaikosquellen
und der Ebene von Thyatira ist ganz niedrig. Schuchardt a. a. 0. S. 7 spricht
von der „bequemen nur wenig ansteigenden Wasserscheide gegen die Kaikos-
quellen hin", und von Diest a. a. 0. S. 19 drückt sich ähnlich aus. Daher würde
der Ausdruck „descendit" besser zu dem Marsche über Kinik und Sindeli passen.
2) So ist z. B. die Wasserscheide bei Kara-Alan nach Schuchardt (Sb. d.
preufs. Ak. 1887, S. 1212) über 1000 Meter hoch; ebenso nach v. Diests Karte
der Jaila-dagh ca. 1000, der Darkala-dagh 1143.
3) Nach von Diest. Petermann a. a. 0. S. 23.
4) Die Hyrkanische Tiefebene wird gewöhnlich nicht so weit ausgedehnt,
sondern teils, wie z. B. von Ramsay, Asia minor S. 125, nur in der Ebene des
Gedis-Tschai oder, wie von v. Diest (Karte I bei Petermann a. a. 0.) nur in der
Ebene zwischen dem unteren Kum-Tschai und dem Jund-dagh angesetzt. Keine
dieser Beschränkungen findet in der Überlieferung eine ausreichende Stütze. Die
Nachrichten unserer geographischen Quellen sind zu allgemein gehalten, um
in d eser Richtung etwas zu ergeben, und die zitierten Worte des Livius erstrecken
2. Magnesia. 167
Hier also sollten sich die Geschicke des syrischen Reiches ent-
scheiden.
Seine Stellung bei Thyatira allerdings hatte der König ver-
lassen, als die Römer herankamen, und sich südlicher in die Gegend
von Magnesia gezogen. Er hatte — wie Livius berichtet — den
Phrygiosflufs überschritten und in der Ebene hinter demselben mit
Mauer, Türmen, Wall und Graben ein stark befestigtes Lager be-
zogen1).
Es fragt sich, ob sich aus diesen Angaben unserer Überlieferung
unter Zuhilfenahme der Terrainformationen die Stellung des Änti-
ochos im Gelände wird nachweisen lassen. Davon hängt die
Bestimmung des Schlachtfeldes und das Verständnis der Schlacht
selber ab.
In der Gegend von Magnesia, an die wir durch den Namen der
Schlacht gebunden sind, gibt es drei Flüsse, den Kum, den Gedis
und den Nif. An den Nif als Phrygios kann man nicht denken. Er
kommt von Süden, also der Phrygien entgegengesetzten Seite in den
ausdrücklich den Namen auch auf das Becken von Thyatira mit. Das bestätigt
sich auch noch von anderer Seite. Man nimmt mit Recht an, dafs der Name
,,hyrkanische" Ebene auf eine alte Ansiedelung hyrkanischer Stammesangehöriger
durch die Perser zurückgeht, und wird also berechtigt sein, den Namen so weit
auszudehnen, als sich Spuren solcher Ansiedelungen finden. Das ist. nun aber
nicht nur im Süden der Fall, wo das Dorf /fagetov xa>(iri (jetzt Derekioi) solchen
Ursprung verrät (B. C. H. IX 3 18. X 190), sondern der Kultus der Artemis neoöixi)
hat sich fast in dem ganzen Umfang dieses Gebietes gefunden. So in Saritscham
(B. C. H. X 82 vergl. auch XI 391), Papasly (Frontier Movcuov tt}$ Evayycdtxijg
axokrjg Smyrna 1885/86 S. 19 = B. C. H. XI 91), Mermere (Fontrier S. 51),
Hierokäsarea (Fontrier S. 35 = B. C. H. XI 95 f.), vielleicht auch sogar Thyatira
selbst. Überblickt man dies alles und hält es zusammen mit der geographisch
einheitlichen Natur des ganzen Gebietes, so wird man sich dem Schlüsse nicht
entziehen können, dafs die alte persische Kolonisation, so gut wie die spätere
seleukidische, die Schuchardt (Mitt. d. Ath. Inst. XIII 1) nachgewiesen hat, das ganze
Gebiet mit Einschlufs des nördlichen Teiles umfafst hat und der Name „Hyrkani-
sche Ebene" ebensoweit auszudehnen ist. Auch Schuchardt fafst den Namen
gelegentlich in dieser Ausdehnung.
x) Liv. 37, 37, 9: recepit se et transgressus Phrygium amnem circa Magne-
siam, quae ad Sipylum est, posuit castra, et, ne si extrahere tempus vellet, muni-
menta Romani temptarent, fossam sex cubita altam (2,66 Meter), duodecim latam
(5,32 Meter) cum duxisset, extra duplex vallum fossae circumdedit, interiore labro
murum cum turribus crebris obiecit, unde facile arceri transitu fossae hostis posset.
Appian nur: rslyog XQartQov.
Ißg Der Syrisch-römische Krieg.
Gedis geflossen, und um von Thyatira aus hinter ihn zu gelangen hätte
man nicht nur ihn, sondern mindstens noch den Gedis (Hermos)
überschreiten müssen. Dafs Livius vergessen haben sollte, das zu
erwähnen, währe um so auffallender, als der Gedis ein viel be-
deutenderer Flufs ist als der Nif1). Mit Recht erkennt man im Nif
vielmehr das im Altertum unter dem Namen Acheloos bekannte
Wasser2). Dazu kommt, dafs eine Stellung hinter dem Nif dem von
Norden oder Nordwesten anrückenden Gegner alle Verbindungen mit
Sardes und dem Hinterlande freigegeben hätte, und dafs endlich
hier überhaupt kein genügender Platz für die Operationen vor der
Schlacht vorhanden ist. Die Felsen des Sipylos und deren hügeliges
Vorland treten zu nahe an den Flufs heran und haben kein
Wasser3).
Auch den Gedis kann man nicht für den Phrygios in Anspruch
nehmen. Denn sein alter Name Hermos steht trotz Leakes Wider-
spruch unerschütterlich fest4). So bleibt also nur die Identifizierung
1) Der Gedis ist nach Tchihatcheff, Asie mineure I 234, bei Magnesia
30 Meter breit und 80 Zentimeter tief, bei Sardes 90 — 100 Zentimeter tief.
Die Eisenbahnbrücke Manissa — Akhissar ist nach meiner Messung 168 Schritte,
über dem Wasser selbst 64 Schritte, lang. Der Nif hat nicht mehr als höchstens
15 Meter Breite.
2) So Kiepert, forma orbis IX.
3) Die von Diestsche Karte, von der ich durch freundliche Vermittelung
des Herrn Prof. Oehler für diesen Teil des Geländes eine photographische Vergröfse-
rung der Besichtigung an Ort und Stelle zugrunde legen konnte, ist hier nicht
ganz genau. Der Nif fliefst ein gutes Stück weiter südlich und ist östlich der
Einbuchtung von Sadyk-Bey nur etwa 900 bis 1000 Meter von dem gleich ziemlich
steil ansteigenden Abhängen des Sipylos entfernt. Die Rinnsale, welche bei
Akbunar und Sadyk-Bey heruntergehen, waren im Jahre 1900 schon im April
ohne einen Tropfen Wasser. Aus diesen Gründen kann ich der mir brieflich
mitgeteilten, scharfsinnig begründeten Vermutung Oehlers, dafs die Schlacht hier
stattgefunden habe, nicht zustimmen.
4) Leake, welcher (Journal of a tour in Asia minor, S. 267 f.) die Schlacht
auf dem südlichen Ufer des Gedis unmittelbar bei Magnesia ansetzt, meint, dafs
Livius den Hauptstrom statt Hermos Phrygios nenne. Zu einer solchen Ver-
wechselung liegt indessen kein Anlafs vor, ja sie ist ausgeschlossen, da die Schlacht
jetzt ja auch inschriftlich als Schlacht am Phrygios feststeht: Fränkel, Inschr. v.
Pergamon I No. 64 wo es heifst: Iv zw avatavn 7iq6s Avtio/ov noli^Ka . . . avv-
ctycavtoäfAevoi ir\v iv jivS(a nccgcc rov <pQvyiov norafibr /ud%r)v. Dafs der jetzige
Gedis bei den Alten immer und überall Hermos geheifsen hat, steht durch eine
Anzahl von Zeugnissen fest. Herodot I 80. Strabo XIII 4, 5 C. 626 u. a.
2. Magnesia. 169
von Kum1) und Phrygios übrig und das ist auch von vorn herein das
natürlichste.
Ein Blick auf die Karte macht uns die ganze Situation klar.
Antiochos stand bei Thyatira offenbar in einer ähnlichen Verteidigungs-
stellung hinter dem Lykosflusse2), wie er sie später hinter dem
Phrygios eingenommen hat. Um nun die neue Position zu beziehen,
marschierte er südlich, überschritt den Phrygios-Kum etwa bei Hiero-
käsarea8) und stellte sich in dem Terrainabschnitt zwischen Kum
und Gedis irgendwo mit dem Kum vor der Front auf.
Aber der Umfang dieses Terrainabschnittes ist noch immer
ziemlich grofs; eine genauere Betrachtung desselben mufs uns den
Raum noch weiter einschränken helfen. Das unregelmäfsige Viereck,
welches im Nordost und Nordwest vom Kum, im Süden vom Gedis
und im Osten von der Talsenke beim Mermere-Göll begrenzt wird,
stellt ein isoliertes mäfsig hohes Hügelland dar. Man unterscheidet
in ihm 2 Hauptzüge, den Karadja-dagh im Norden und den Tschal-
dagh im Süden4). Der erstere tritt mit seinen nordwestlichen Aus-
läufern so nahe an den Kum heran, dafs in diesem ganzen nördlichen
Teile kein passendes Gelände für die Schlacht vorhanden ist. Der
') Ob der Kum in noch älterer Zeit, wie Strabo a a. 0. behauptet, Hyllos
geheifsen habe, oder ob der Hyllos ein anderer Flufs ist, diese viel behandelte
Frage (Ramsay 122) braucht uns hier nicht zu beschäftigen, da der Name Hyllos
in unseren Kriegsberichten nicht vorkommt. Dagegen mufs ich von Diest (Peter-
mann S. 23) widersprechen, wenn er meint, die Angaben unserer Quellen be-
rechtigen den Kum weder mit dem Namen Hyllos noch dem Namen Phrygios zu
bezeichnen. Er hat den unzweideutigen Bericht des Livius nicht mit heran-
gezogen.
2) Dieser Name steht für den Flufs von Thyatira aus Plin. V 29, 115 fest:
Thyatira adluitur Lyco. Das ist für uns insofern wichtig, als damit für den
anderen Arm des Kum, den von Hierokäsarea, der Name Phrygios gesichert wird.
3) Diese Bewegung hat schon richtig von Prokesch-Osten (Denkwürdigkeiten
III 63) beschrieben, wenn er auch dem Kum den Namen Oletschaksu gibt, nach einer
starken aus einem Sumpfe bei dem Dorfe Selemköi entspringenden Quelle, welche
tatsächlich im Spätherbste allein das Wasser für den Kum hergibt. Sie war
70 Schritte breit und 2 bis 5 Fufs tief (S. 58), während das Hauptbett des Kum
weiter oberhalb damals (es war Ende November) bei 4 Minuten Breite kein
Wasser hatte.
4) Die Namen nach v. Diests Karte des nordwestlichen Kleinasien. In der
älteren Diestchen Karte (bei Petermann a. a. 0.) und in der Kiepertschen Karte
wird der südliche Zug Belen-dagh, der nördliche Tschaly-dagh oder garnicht
genannt.
170 Der Syrisch-römische Krieg.
Tschal-dagh dagegen flacht sich ganz allmählich ab und läfst rechts
und links von seinen westlichsten Ausläufern breite Ebenen frei,
welche den erforderlichen Gefechtsbedingungen vollkommen ent-
sprechen. Für die südliche der beiden Ebenen, an welche im Süd-
westen der Sipylos mit der Stadt Magnesia angrenzt, spricht, dafs
das Lager nach Angabe unserer Quelle bei dieser Stadt und in der
Nähe dieses Gebirges gelegen hat1). Dazu kommt, dafs die nörd-
liche Ebene in der Mitte gerade dort, wo man die Schlacht ansetzen
müfste, von einem grofsen Sumpfe erfüllt wird, durch den hindurch
ein starker Bach von 5 bis 10 Meter Breite und 1 bis 3 Meter Tiefe
hindurchfliefst. Weder der Sumpf noch der Bach ist in unseren
ausführlichen Berichten über die Operationen vor und in der Schlacht
irgendwo erwähnt, und das hätte doch geschehen müssen, besonders
da der Bach die ganze Ebene durchquert, und in einer Entfernung
von 2 — 3 Kilometern mit dem Kum parallel fliefsend, für beide Teile
ein nicht unbeträchtliches Annäherungshindernis gebildet hätte 2).
x) circa Magnesiam posuit castra, sagt Livius 37, 37, 9: *A[xif\ tö oyog ib
Zlnvlov Appian Syr. 30. — Es versteht sich von selber, dafs solche Ausdrücke
nicht zu pressen sind. Es ist die nächste bekannte Stadt gemeint und das nächste
Gebirge, das wie der Sipylos die Gegend beherrscht. Indessen wäre bei einer
Stellung in der Ebene bei Hyrkanis (Papasly) diese Ortbezeichnung doch sonderbar,
da man hier genau soweit von Magnesia wie von Thyatira entfernt ist und eine
Benennung der Schlacht nach Thyatira um so näher gelegen hätte, als beide
Armeen diese Gegend berührt hatten, während die von Magnesia seitwärts liegen
geblieben war.
2) Die Kiepertsche und Diest'sche Karte, welche in dieser Ebene eiDen das Tal
entlangfliefsenden Nebenflufs des Kum verzeichnen, sind hier ungenau. Der Bach —
Göktsche-Tschai heifst er — entspringt etwa 20 Minuten nordöstlich von Burnurenki
aus mehreren starken Quellen, die sofart ein kleines Bassin bilden, und fliefst von hier
in südwestlicher Richtung. Er ist 5 bis 8, ja an einzelnen Stellen 10 Meter breit
und 1 bis 3 Meter tief und hat im Sommer und Winter die gleiche Wassermasse.
Er erhält nur bei Kossek zwischen Burnurenki und Arpali einen kleinen Zuflufs,
die Quelle Sarikiss. Von Beleni und Papasli ziehen zwei Runsen das Tal herab,
welche nur nach Regengüssen Wasser haben. Die Entfernung des Göktsche vom
Kum beträgt bei Kossek eine halbe Stunde, bei der Mühle von Jeni 25 Minuten,
bei der steinernen Brücke unterhalb Jeni 15 — 20 Minuten; bei Müteweli nähert
er sich dem Kum, in den er sich ergiefst. Der Sumpf ist für die Bewohner von
Burnurenki und die anderen Anwohner wegen der zahlreichen Mücken und der
Fieber eine grofse Plage. Diese genaueren Angaben über den Lauf und die
Gröfse des Göktsche verdanke ich der Liebenswürdigkeit des Herrn Aristoteles
Fontrier in Smyrna, welcher übrigens schon auf seiner Kartenskizze im (xovghov
a. a. 0. den Bach vollkommen richtig gegeben hatte.
Hierzu Karte
2. Magnesia. 171
Damit ist die Lokalfrage zugunsten der Ebene südlich vom
Tschal-dagh entschieden. Das Lager des Antiochos lag also in dem
Streifen zwischen Tchal-dagh und Gedis, und zwar am äufsersten
Westende desselben. Denn wie wir aus den sofort zu besprechenden
Operationen der beiden Heere unmittelbar vor der Schlacht ersehen,
war es weniger als 6 und mehr als 3| Kilometer vom Kum entfernt,
d. h. es lag in der Gegend unmittelbar nördlich von den Dörfern
Filio und Tschaus-Oglu1). Front hatte es natürlich nach Nordwesten
nach dem Kum, von wo die Römer zu erwarten waren. Sardes und
die Rückzugslinie ins Innere lag im Rücken. Die Schlacht hat in
dem Räume zwischen! dem Lager und dem Kum stattgefunden. —
Von diesem festen Punkte aus die Überlieferung zu erschliefsen
und ein klares Bild der Operationen zu gewinnen, wird jetzt unsere
Aufgabe sein.
° ffo. 6.
Als die Römer — so sagt unser Bericht ) — den Antiochos (Hauptkarte).
nicht mehr bei Thyatira fanden, zogen sie ihm nach und schlugen
noch diesseits des Phrygios 4 Millien — also 6 Kilometer —
von ihm entfernt ein Lager auf3). Ein Beobachtungskorps von
1000 Reitern suchte sie dabei zu stören, indem es den Flufs eiligst
überschritt und die Vorposten angriff. Aber durch die bald ein-
tretende Verstärkung aus dem nahen Lager wurden die Reiter zurück-
geworfen und erlitten bei dem Rückzüge über das Wasser nicht un-
beträchtlichen Verlust4). (Erster Tag des Feldzuges seit der Fühlung
!) In dieser Gegend liegt in der flachen Ebene ein weithin sichtbarer
Tumulus. Der Aufstieg zur Spitze beträgt von Südwesten her noch 104 Schritt,
von den anderen Seiten her sind die unteren Teile um etwa 40 Schritte ab-
gepflügt, denn er liegt in Kornfeldern. Seine Höhe beträgt etwa 4 Meter. Der
Boden südwestlich davon war feucht und soll es stets sein; er klingt hier hohl.
Ob der Tumulus in einer Beziehung zur Schlacht steht, ist ohne Nachgrabungen
nicht zu ersehen. Spatenarbeit würde hier der Mühe lohnen. Der Name des
Tumulus bei den Anwohnern ist Baigusch-Tepe.
2) Liv. 37, 38 bis 39, 7 ist der Hauptbericht. Ergänzend tritt hinzu Appian
Syr. 30, dessen wie immer flüchtige Erzählung aber doch zu berücksichtigen ist,
weil sie gleichfalls aus Polybios stammt und in allen Hauptpunkten mit Livius
übereinstimmt.
3) Liv. 37,38,2 (consul) secutus vestigia citra Phrygium amnem, quatuor
milia ab hoste, posuit castra.
4) § 3: mille ferme equites tumultuose amni traiecto in stationes impetum
fecerunt . . . cum . . . Romanorum ex propinquis castris . . . cresceret numerus, . . .
recipere se conati circa ripam amnis, priusquam flumen ingrederentur . . . aliquot
interfecti sunt.
172 ^er Syrisch-römische Krieg.
mit dem Feinde.) Dann war zwei Tage lang Ruhe, die die Römer
nach sechs oder sieben1) Marschtagen hintereinander wohl brauchen
konnten und benutzt haben werden, den Flufsübergang zu erkunden.
Am folgenden ging die ganze römische Armee, ohne vom Feinde nur
im geringsten gehindert zu werden, über, und man schlug jenseits
2* Millien — also 31 Kilometer — vom Feinde ein zweites Lager
auf3). Wieder erfolgt während der Schanzarbeiten ein Angriff auf
die Vorposten, diesmal von 3000 Reitern und leichtem Fufsvolk, und
auch dieser Angriff wird bei der geringen Stärke der feindlichen
Truppen natürlich wieder abgewiesen. (Vierter Tag.) In den
folgenden vier Tagen stellen nun beide Feldherren ihre Armeen vor
ihren Lagern in Schlachtordnung auf3). Es liegt nur flaches Land
ohne irgendein Hindernis zwischen den Heeren, die nur I Stunde
voneinander entfernt sind4). Aber trotzdem kommt es nicht zum
Kampfe. Beide Teile halten sich ängstlich in der Nähe ihrer Lager.
Antiochos mit seinen hintersten Mannschaften knapp 300 Meter vor
dem Walle 5). Am fünften Tage endlich (dem neunten der Operationen)
gehen die Römer ein Stück von ihrem Lager in das Blachfeld vor.
Aber auch jetzt rührt sich Antiochos noch nicht6). Da machen auch
die Römer Halt, und es kommt wieder nicht zur Schlacht. Sie wollen
offenbar nicht bis an die Stellung des Königs herangehen. Der Konsul
beruft nun am folgenden (zehnten) Tage einen Kriegsrat und läfst
allen Ernstes die Frage erwägen, ob man den Angriff aufgeben und
J) fünf von Eläa bis Thyatira (S. 165), ein oder zwei von da bis ans
Schlachtfeld.
2) §4: biduum . . . silentium fait . . . tertio post die Romani simul omnes
transgressi sunt et duo milia fere et quingentos passus ab hoste posuerunt castra.
Entsprechend Appian: ötuöiovs el'xoaiv.
3) § 8: per quadriduum insequens instructae utrimque acies pro vallo stetere.
Ebenso Appian.
4) Von den 3| Kilometern Entfernung der Lager ist noch in Abzug zu
bringen der beiderseitige Raum zwischen dem eigenen Lager und der Schlacht-
linie und die Tiefe der beiden Schlachtreihen. Bei Antiochos betrug der Raum knapp
300 Meter, was als sehr gering besonders hervorgehoben wird (s. folg. A.). Bei
den Römern war er also eher gröfser. Die Tiefe mag man auf etwa 100 Meter
berechnen, so bleibt zwischen den Heeren etwa 3 Kilometer lichter Raum.
5) § 9: ut extremi minus mille pedes a vallo abessent.
G) § 8: quinto die Romani processere in medium campi; Antiochus nihil
promovit signa. Bis in die Mitte wären 1| — 2 Kilometer. Der Ausdruck wird
aber nicht zu pressen sein. Appian sagt nur Syr. 30: Intßaws aoßuQwg.
2. Magnesia. 173
Winterquartiere beziehen oder im Biwak dem Feinde gegenüber stehen
bleiben solle1). Die Bedingungen für eine erfolgversprechende Schlacht
liegen bei der jetzigen Stellung des Gegners nach Ansicht des Konsuls
offenbar nicht vor2). Aber der Kriegsrat ist anderer Ansicht.
Es wird beschlossen, das römische Lager noch eine Strecke
weiter vorzuschieben und noch einmal die Schlacht in freiem Felde
anzubieten. Komme der Gegner wieder nicht weiter als bisher zum
Kampfe heraus, so solle der Konsul doch angreifen und die Stimmung
des Heeres benutzen, welches — so fügt der Berichterstatter aus
Eigenem hinzu — bereit war, sogar über Wall und Graben hinweg,
das feindliche Lager zu stürmen 3). Man trifft in der Tat alle Mafs-
regeln: das Lager wird am folgenden (elften) Tage wiederum vorge-
schoben und am Abend durch Heroldsruf bekannt gegeben, dafs am
nächsten Tage, auch wider Willen des Feindes, geschlagen werden
würde4). Das Heer rückt denn auch bis in die Mitte des kaum noch
2 Kilometer breiten Streifens zwischen den Lagern vor und ordnet
sich zur Schlacht5). Aber jetzt geht plötzlich auch Antiochos mit
lJ cap. 39, 1: consul ...posterodie... consilium advocavit . . . aut sub
pellibus habendos fore railites, aut, si concedere in hiberna vellet, differendum
esse in aestatem bellum.
2j § 2: postquam detrectari certamen vidit . . si Antiochus pugnandi copiam
non faceret.
3) § 3: conclamatum undique est, duceret extemplo et uteretur ardore mili-
tum, qui . . . per fossas per Valium castra invadere parati erant, si in proelium
hostis non exiret.
4) §5: postero die propius admoveri castra placuit. Wie weit das Lager
vorgeschoben ist, wird nicht gesagt. Das ist die einzige fehlende Entfernungsangabe
in dem ganzen Berichte. Wir werden aber annehmen dürfen, dafs man mindestens
2 Kilometer vorgegangen sein wird. Sonst hat die ganze Verlegung keinen
rechten Sinn. Viel mehr wird man aber auch nicht annehmen können. Sonst
kann die Angabe, dafs beide Heere in freiem Felde und nicht unmittelbar vor
ihrem Lager gekämpft hätten, keinen Bestand haben. — Die Nachricht von der
Befehlsausgabe mit Schlachtankündigung für den folgenden Tag hat nur Appian
(Syr. 30) aufbewahrt: Ix/Jqvooov ig lny\y.oov tcov noXtfii'wv (so nahe war man also)
t$ avoiov *AvTioyo) v.u\ ay.oviv 7ioXf/nrjG€tv.
5) §5: tertio (die) signa in medium campi prolata et instrui acies coepta
est. Ob diese Zeitbestimmung oder die Angabe des Appian a. a. 0.; dafs noch
ein Tag mehr dazwischen gelegen habe, richtig ist, läfst sich nicht entscheiden,
ist auch irrelevant.
174 Der Syrisch-römische Krieg.
seiner Armee entgegen, und es kommt schliefslich doch noch zum
Entscheidungskampfe im freien Felde1),
Es wird dem aufmerksamen Leser nicht entgangen sein, dafs
dieser Feldzugsbericht die einzelnen tatsächlichen Vorgänge bei aller
Kürze mit auffälliger Klarheit und Genauigkeit wiedergibt. Wir
werden über die Entfernungen, die Örtlichkeiten, die Zeiten, die Be-
wegungen, die Truppenzahlen mit aller nur wünschenswerten Präzision
unterrichtet. Die Darstellung atmet in alledem den militärischen
Geist des Polybianischen Berichtes, aus dem sie geflossen sind. Aber
in bezug auf die Motive der beiderseitigen Heeresleitungen und die
Bedeutung der einzelnen Operationen erfahren wir nichts. Da ist
vielmehr jedes Wort sozusagen ein Rätsel.
Zwei Dinge vor allem sind es, die zu Zweifeln Anlafs geben.
Weshalb — so fragen wir erstens — benutzt Antiochos in keiner
Weise den Phrygios als Verteidigungslinie? Weshalb stellt er sich
nicht an den 2—4 Meter hohen Steilrändern des Flusses auf, die ja
dem Angriffe der Gegner jedenfalls ein sehr bedeutendes Hindernis
bieten mufsten, ähnlich wie es die Perser am Granikos und bei Issos
getan hatten2)? Und wenn er das aus irgendwelchen Gründen nicht
wollte, weshalb benutzte er dann nicht einmal seine Reiterei und
seine leichten Truppen, um den sich unter seinen Augen vollziehen-
den Übergang des feindlichen Heeres wenigstens so viel wie möglich
zu erschweren und bei dieser Gelegenheit wenigstens dem Gegner so
viel Abbruch wie möglich zu tun? Und weshalb — so fragen wir
zweitens — halten sich nach dem Übergange der Römer über den
Flufs beide Teile so lange und ängstlich in unmittelbarster Nähe
ihrer Lager, ohne ins freie Feld hinauszurücken? Haben sie etwa
beide Angst vor der Schlacht? Oder was soll das Feilschen um die
paar hundert Meter in dem ganz ebenen Gelände bedeuten? Weshalb
entschliefst sich einerseits Antiochos in den ersten Tagen zu keinem
Entgegengehen und tut es zuletzt doch? Weshalb hält anderseits der
1) § 6: nee Antiochus ultra tergiversandum ratus ... et ipse copias eduxit,
tantum progressus a castris, ut dimicaturum appareret. Appian 30: lg /uaxyv
nctQtTaoaiv. Gegensatz: övvrjdtlg av iüTctvai /uövov vnb 76 itT/og.
2) Die Ufer des Kum in seinem unteren Laufe sind vielfach steile, 2—4 Meter
hohe Lehmufer, zwischen denen aber auch wieder gröfsere Strecken mit niedrigeren,
stellenweise ganz flachen Ufern eingestreut sind.
2. Magnesia. 175
römische Feldherr einen Angriff auf Antiochos' Heer, das doch etwa
400 Meter vor dem Lager in völlig freiem und offenem Gelände steht,
für so aussichtslos, dafs er lieber in die Winterquartiere abziehen und
alle Operationen aufgeben will? Weshalb schiebt er, als er sich
schliefslich zum Angriffe entschliefst, so ängstlich das Lager noch
weiter vor, obgleich es doch schon ohnedies nicht viel mehr als eine
gute halbe Stunde von dem Gegner entfernt war?
Wir wollen versuchen, die Antwort auf alle diese scheinbaren
Unbegreiflichkeiten aus den militärischen Verhältnissen der beiden
Heere und aus dem Gelände heraus zu geben.
Es wäre freilich für Antiochos ein leichtes gewesen, die schon
an sich starke Verteidigungslinie des Phrygios künstlich noch weiter
so zu befestigen, dafs ein Frontalangriff darauf unmöglich gewesen
wäre. Aber was hätte er damit erreicht? Er hätte den Gegner ge-
zwungen, ihn zu umgehen, entweder im Norden mit Umgehung des
Göktschesumpfes über Hierokäsarea, oder im Süden, indem er direkt
auf Sardes marschiert wäre, wobei er seine Verbindungen südlich des
Sipylos mit Basierung auf die römerfreundliche Stadt Smyrna nehmen
konnte. Das hätte also überhaupt nicht zur Schlacht geführt, die
doch auch Antiochos hier wollte.
Aber selbst wenn der König die Vorteile seiner Stellung nicht
so sehr überspannte, sondern dem Gegner den Angriff auf die Front
ermöglichte, so hatte er doch dabei nichts gewonnen. Seine Haupt-
stärke lag ja in seinem numerischen Übergewicht und besonders in
dem Übergewicht seiner Reiterei, von 12 000 gegen 3000 Mann. Die
war in einer solchen Defensivstellung an den Steilufern des Kum nicht
zu verwenden. Gesetzt der Angriff der Gegner wäre abgeschlagen
worden, so hätte das starke Fronthindernis jede Ausnutzung des
Sieges durch die Reiterei unmöglich gemacht oder wenigstens sehr
erschwert. Die Phrygioslinie war also für die Zwecke des Antiochos
als direkte Verteidigungslinie überhaupt nicht zu brauchen. Was der
König haben mufste, war eine grofse, freie Ebene, in der er seine
Übermacht entfalten und die Gegner überflügeln konnte. Seine ganze
Kunst mufste darin bestehen, den Feind auf ein solches Schlachtfeld
hinauszulocken, und das war wiederum nur dadurch möglich, dafs er
den Mut oder Übermut desselben durch ängstliches Verhalten und
halbe Mafsregeln künstlich erhöhte. Die ganz ungenügenden Truppen-
sendungen von 1000 und 3000 Mann, die der König in den ersten
176 Der Syrisch -römische Krieg.
Tagen der Fühlung mit dem Feinde entsendete, um ihn zu beunruhigen,
die Freigebung des nicht ganz leichten Überganges über den Kum
fast im Angesicht seiner ganzen Armee waren Mafsregeln, die in
diesem Sinne wirken mufsten und gewirkt haben1).
Aber weshalb — so fragen wir zweitens — greift der König
nicht an, als er nun die Römer über den Flufs aufsein Schlachtfeld
hinübergelockt hat? Weshalb zögern anderseits die Römer, obgleich
sie doch die Ebene jenseits des Kum betreten haben, mit weiterem
Vorgehen?
Um diese Frage befriedigend zu beantworten, müssen wir uns
die Lage der drei römischen Lager im Gelände etwas genauer be-
trachten, als bisher geschehen ist. Wir sahen schon oben (S. 171 f.),
dafs das erste noch auf dem rechten Ufer war, die beiden anderen auf
dem linken gelegen haben. Die Römer waren also aus der Gegend von
Thyatira, ohne den Flufs zu tiberschreiten, südwestlich marschiert,
natürlich auf der Strafse nach Magnesia2). Diese Strafse zieht sich
nun heutzutage in der Gegend des unteren Kum, 3—4 Kilometer ab-
seits vom Flusse schnurstracks hin und kann auch im Altertum nicht
anders gelaufen sein. Denn ihre Richtung wird durch die Natur so
bestimmt. Wo nämlich der Kum bei Hierokäsarea durch die Aus-
läufer des Karadja-dagh nach Süden durchbricht, entsteht ein enges
Tal, dem die Verbindungswege folgen müssen, wenn sie nicht be-
trächtliche Höhen überschreiten wollen. Strafse und Eisenbahn gehen
daher in diesem Tale, und auch die antike Strafse mufs diese natür-
liche Öffnung benutzt haben. Das ist der feste, natürliche Punkt im
Norden. Der im Süden wird dadurch gegeben, dafs die Strafse
Magnesia erreichen mufs, ohne den Nif zu überschreiten. Sie mufs
also westlich an der Schlinge des Gedis bei Vezir Oglu vorbeigehen
und immer so gegangen sein, solange Gedis und Nif so geflossen
*) Liv. 37, 39, 3: nulluni umquam hostem Romani aeque contempserunt.
2) Die Existenz einer solchen Strafse, die sich übrigens von selber versteht^
ist durch Tab. Peutinger. bezeugt; dieselbe gibt eine direkte Verbindung zwischen
Smyrna und Thyatira, welche über Magnesia gegangen sein mufs. Der Name ist
ausgefallen, die Zahl 36, welche genau der Entfernung Thyatira— Magnesia ent-
spricht, ist vorhanden (52 Kilometer — 34| Millien ohne die kleineren Krümmungen).
Kamsay S. 167 gibt den Strafsenzug richtig an, hat aber eine falsche Zahl für
Magnesia -Thyatira.
2. Magnesia. 177
sind; und für einen Wechsel der Strombetten liegt in diesem Teile
der Ebene kein Anhalt vor.
Als nun die Römer auf dieser Strafse in der Gegend gegenüber
von Antiochos' Stellung, d. h. etwa in der Höhe der heutigen Dörfer
Kadry-Bey und Karagatschli angekommen waren, bogen sie links ab
und schlugen 2 Kilometer vom Flusse entfernt ihr erstes Lager. Weiter
vom Flusse können sie nicht abgeblieben sein; denn ihr zweites, vom
ersten nur ll Million entferntes Lager lag ja schon jenseits des-
selben (S. 172). Näher können sie auch nicht herangegangen sein;
denn zwischen ihrem Lager und dem Flusse fand noch das erste Vor-
postengefecht mit den syrischen Reitern statt (S. 171). Wir haben
daher das erste römische Lager in unmittelbarer Nähe von Kara-
gatschli anzusetzen. Daraus folgt, dafs das zweite unmittelbar am
jenseitigen Ufer des Phrygios gelegen haben mufs, eine Annahme, die
auch noch dadurch unterstützt wird, dafs den Römern daran gelegen
sein mufste, nach Überschreitung des Kum, die ja im Angesicht der
feindlichen Armee ein grofses Wagnis war1), möglichst schnell einen
festen Punkt zu erhalten, der sie gegen Angriffe von der anderen
Seite sicherte, ehe sie ihre ganze Armee hinübergezogen hatten.
Richten wir nun nach Feststellung dieses zweiten Lagers
einen Blick auf die Schlachtkarte, so wird uns das Zögern der beiden
Heeresleitungen, eine Schlacht zu liefern, ohne weiteres klar. Die
Ebene zwischen Kum und Gedis ist hier in ihrem westlichsten Winkel
kaum 3 Kilometer breit2). Ein Heer von fast 30 000 Mann konnte
x) Daher sagt Appian (Syr. 30) tbv norcejubv Insga fxaXa dgccöscog. Der
Flufs bietet immerhin einige Schwierigkeit. Er ist etwa 15 — 20 Meter breit. Die
Furt westlich Müteweli (Karte: bei F), die ich durchritten habe und die auch Fontrier
(a. a. 0. S. 13) erwähnt, hatte im Mai so viel Wasser, dafs es uns bis zu den
Füfsen reichte. Weiter unterhalb soll nach der Aussage des mich begleitenden,
der Gegend sehr kundigen türkischen Unteroffiziers keine solche Furt mehr exi-
stieren. Der Flufs dürfte hier überall mindestens 1 Meter tief sein, stellenweise
bedeutend tiefer. Über die Ufer s. S. 174 A. 2.
2) Die bisherigen Karten sind in bezug auf den unteren Lauf des Kum
sämtlich ungenau. Er bildet nicht eine annähernd gerade Linie, sondern fliefst
von Müteweli an etwa 4 Kilometer weit fast direkt westlich und biegt dann scharf
nach Süden um. Neben dem jetzigen Flufslaufe läfst sich deutlich ein älterer
konstatieren, der noch etwas südlicher ging und durch die noch deutlichen steil
abgenagten Lehmwände von 2 — 3 Meter Höhe als solcher unverkennbar ist. Weiter
südlich in der Ebene fand ich keine Spuren irgendwelcher Veränderungen des
Bettes.
Kromayer, Antike Schlachtfelder. IL 12
178 Der Syrisch-römische Krieg.
daher bei etwas loser Aufstellung hier noch an beiden Flüssen An-
lehnung finden (vergl. Bd. I S. 321). Jeder Schritt jedoch vorwärts
in die schnell sich verbreiternde Ebene hinein hätte die Flanken ent-
blöfst, und das hatte die römische Armee zu fürchten. Sie wäre mit
Leichtigkeit umritten und von der Seite und dem Rücken angepackt
worden. Ebensowenig wollte natürlich Antiochos den Hauptvorteil,
welchen ihm das Gelände gab, durch Vorrücken von seinem Lager
aus der Hand geben, und so blieben beide Teile in vorsichtiger Re-
serve stehen. Endlich am fünften Tage entschlofs sich der römische
Feldherr etwas vorzugehen: in medium campi — sagt der Bericht —
ohne eine genauere Angabe hinzuzufügen (S. 172 A. 6). Es wird eben
gerade so viel gewesen sein, dafs man sich nicht zu sehr exponierte.
Antiochos findet noch nicht seine Rechnung dabei: er bleibt ruhig
stehen.
Nun folgt der Kriegsrat: man beschliefst noch weiter vorzu-
rücken, aber, um im Falle der Überflügelung einen festen Stützpunkt
zu haben, auch das Lager so weit wie möglich vorzuschieben. Noch
eine zweite Mafsregel ergreift man: man hält sich mit dem linken
Flügel dicht an das steile Ufer des Phrygios, dessen gerade hier stark
nach Süden ausgebogene Krümmung ein solches Verfahren wesentlich
erleichterte1). So hofft man eine Überflügelung an dieser Flanke un-
möglich zu machen und gewinnt dadurch noch den weiteren un-
schätzbaren Vorteil, fast die ganze Reiterei auf dem rechten, der
Umgehung ausgesetzten Flügel zur Disposition zu behalten (s. unten
S. 180).
Trotz dieser geschickten Palliativmafsregeln war aber, wie nicht
zu verkennen ist, die Gefahr der Überflügelung jetzt für die Römer
weit gröfser als vorher, und so hatte Antiochos durch sein Zaudern
die Römer doch auf das Feld gelockt, auf dem er sie haben wollte.
Er konnte jetzt seinerseits einen Schritt entgegengehen, und er tat
es, da ja auch er die Entscheidung wünschte und einen Angriff der
Römer auf seine Stellung vor dem Lager nach Lage der Dinge als
ausgeschlossen ansehen mufste, wie er denn auch tatsächlich eine Toll-
kühnheit gewesen wäre. Denn durch eine Stellung, welche nur wenige
hundert Meter von Wall und Mauer liegt, wurde den Truppen die
x) Liv. 37, 39, 11: laevum cornu non videbatur egere talibus auxiliis, quia
flumen ab ea parte ripaeque deruptae claudebant. Über das alte Bett des Kura
s. vor. S. A. 2.
2. Magnesia. 179
Möglichkeit gegeben, sich jeden Augenblick und ohne Gefahr durch
eine kleine rückgängige Bewegung unter den Schutz der Katapulte
und Schützen auf den Mauern, also in einen völlig sturmsicheren
Aufenthalt zurückzuziehen, da keine Überlegenheit der Tapferkeit und
Ausbildung bei einigermafsen gleicher Zahl und Bewaffnung hinreichen
konnte, um der doppelten Aufgabe zu genügen, einen Nahkampf und
eine gleichzeitige Beschiefsung auszuhalten. Dadurch wurde aber bei
der so gedeckten Truppe dem Einreifsen der Panik und der Auflösung
der taktischen Ordnung gewehrt, die allein die Niederlage blutig
machen konnte. Während sich also die Römer hier an der Lösung
einer unlösbaren Aufgabe abgemüht hätten, hätte aber die Reiterei
der Syrer die ausgiebigste Gelegenheit gehabt, von beiden Seiten her
Flanken und Rücken der Stürmenden zu bedrohen und sie ganz ein-
zuwickeln. Rückzug unter den gröfsten Verlusten, wenn nicht völlige
Niederlage, wäre die fast unausbleibliche Folge gewesen. So wird die
Ansicht des Konsuls Scipio, ein Angriff auf das Heer unter den Wällen
sei aussichtslos, vollkommen verständlich, ja, die bisher bewiesene
Vorsicht und kühle Erwägung der Kräfte und Umstände von Seiten
der römischen Heeresleitung schliefst es geradezu aus anzunehmen,
dafs man im Ernste an einen solchen Angriff gedacht hat. Stürmisch
aufwallende Begeisterung in vielleicht zahlreich berufenem Kriegsrate
und renommistische Kraftüberschätzung beim gemeinen Manne, wie sie
in unserem Berichte auftreten (S. 173), sind noch kein Beweis dafür,
dafs man einer besonnenen Heeresleitung eine Tollheit zutrauen darf.
Aber sei dem, wie ihm wolle. Zur Tatsache ist ein solcher Angriff
jedenfalls nicht geworden, sondern durch beiderseitiges Vorgehen
schliefslich doch noch die offene Feldschlacht zustande gekommen, deren
Schilderung wir uns nunmehr zuzuwenden haben.
3. Die Schlacht1).
Schon vor Tagesgrauen rückte man an dem kurzen Wintertage
beiderseits zur Schlacht aus den Feldlagern aus. Der neblige Morgen
erschwerte auch nach dem Tagwerden die Übersicht, besonders bei
x) Die beiden parallelen Schlachtberichte, die wir besitzen, stehen bei Livius
37, 39, 7 bis 44, 3 und bei Appian Syr. 31 bis 36. Man vergleiche ihre Über-
setzung im Anhange II S. 198 f. — Über ihren Wert und die Methode ihrer Be-
nutzung s. Beilage II S. 216 f.
12*
180 Der Syrisch-römische Krieg.
der weit gedehnteren Schlachtlinie und den gröfseren Massen der
Syrier1). Denn sie stellten mehr als das Doppelte ins Feld.
Während die Römer alles in allem 27 600 Mann, 2800 Reiter
und 16 Elefanten, also rund 30 000 Mann hatten, die sie bis auf
2000 Mann Lagerwache in die Schlacht führten, verfügte der König
über 60 000 Mann Fufstruppen, 12 000 Reiter und 54 Elefanten, die
bis auf etwa 7000 Mann Lagerwache gleichfalls vollzählig ins Gefecht
gestellt wurden2).
Von den Schlachtordnungen beider Teile müssen wir über die
leitenden Gedanken und die Absichten der Heerführungen in erster
Linie Aufklärung erwarten, sie also aufs genaueste analysieren, wenn
wir in den Geist jener einzudringen versuchen wollen.
Die Römer lehnten sich, wie schon eben erwähnt, mit dem
linken Flügel an den Phrygiosflufs, der mit seinen steilen Ufern gegen
eine Überflügelung von dieser Seite fürs erste ausreichenden Schutz
gewährte. Ihr rechter Flügel dagegen stand frei in die nach Süden
hin sich noch mehrere Kilometer weit ausdehnende Ebene hinaus.
Infolgedessen hatten sie völlig abweichend von dem gewöhnlichen
Schema die ganze Reiterei, fast 3000 Pferde, und alle leichten Hilfs-
truppen, etwa 1000 Mann Kreter und Trailer, auf diesem Flügel ver-
einigt, den Eumenes von Pergamon führte3). Die 4 Türmen Reiter
auf dem nördlichen Flügel4), 100 bis 200 Mann, kommen gegenüber
den gewaltigen Reitermassen des Antiochos, welche ihnen entgegen-
standen, taktisch überhaupt nicht in Betracht. So wurde nicht nur
die ganze Mitte der Linie, sondern auch der linke Flügel von dem
Fufsvolke der Legionen und Alen gebildet, in denen die Hauptstärke
der Römer lag. Ihre Zahl betrug 21 600 Mann. Die linke Ala und
die linke Legion wurden, so scheint es, von Domitius, die rechte Ala
*) Liv. 37, 41, 2 f.; App. 31, 1; 33, 4. — Über die Jahreszeit s. S. 163 A. 2.
2) Die Einzelposten der bei Livius mit Namen aufgeführten Kontingente
betragen, wie Niese II 741 richtig bemerkt, nur 46 000 Mann und 11 700 Reiter.
Man vergleiche indessen über den wirklichen Sachverhalt die Zahlennachweise Bei-
lage I S. 211 bes. A. 2 u. 5 der Tabelle. — Die römische Lagerwache Liv. 37,
39, 2: duo milia mixtorum Macedonum Thracumque . . praesidio castris relicti sunt.
Über die syrische Lagerwache Beilage I S. 211 A. 5.
3) Liv. 37,39, 9; App. 31,4.
4) Liv. 37, 39, 11; App. 36, 2. Dafs die 4 Türmen bei App. 31, 5 im Gefolge
des Domitius stehen, ist kein Widerspruch; s. folg. Seite A. 1.
2. Magnesia. 131
und die rechte Legion von dem Konsul Scipio kommandiert1). Die
3000 griechischen Hopliten und Peltasten, welche von Pergamon und
den Achäern gestellt waren, füllten die Lücke zwischen den Legionen
und der Reiterei des Eumenes. Die Veliten bildeten, wie gewöhnlich,
das erste Treffen. Die ganze Linie mag etwa 2000—2500 Meter lang
gewesen sein2).
Ganz anders war die Schlachtlinie des Antiochos geordnet3).
Hier nahmen die schwergerüsteten Phalangiten die Mitte ein. Sie
waren 16 000 Mann stark und in 10 Regimenter zu je 1600 Mann
gegliedert. Die Flanken jedes Regimentes wurden durch 2 Elefanten
gedeckt, denen, wie gewöhnlich, eine Anzahl von Leichtbewaffneten
beigegeben war4).
Die Tiefe der Phalanx hatte die ungewöhnlich grofse Zahl von
32 Mann5), so dafs die einzelnen Regimenter Gewalthaufen von fast
quadratischer Gestalt, nämlich von 50 Mann Front und 32 Mann Tiefe
bildeten. Wie eine undurchdringliche Mauer mit ihren Türmen sah
nach dem plastisch anschaulichen Vergleich unserer Quellen diese
Phalanx und ihre Elefanten aus6). Rechts und links an diese
phalangitische Speermauer schlössen sich die anderen schweren
*) So nach Appian 31, 6, der nur wiederum, wie bei den Thermopylen (S. 151
A. 5), rechts und links verwechselt, indem er dem Eumenes den rechten, Domitius
den linken Flügel zuteilt. Da Domitius aufser der linken Ala auch noch die linke
Legion befehligt haben mufs, so erklärt sich seine Anwesenheit beim Kampfe gegen
die Phalanx (App. 35, 2; 36,1.), an dem die linke Legion eben teilnahm.
2) Nach unseren Berechnungen über die Frontlängen (Bd. I S. 321) nehmen
10 000 Mann gemischte Truppen durchschnittlich etwa 800 Meter in Schlacht-
ordnung ein. Das ergäbe für die 28 — 29 000 Mann der römischen Linie rund
2200—2300 Meter.
3) Man vergleiche die Übersicht über die Truppen des Antiochos auf der
Tabelle in Beilage I S. 209 f.
4) Sie eröffneten als erstes Treffen den Kampf und zogen sich dann in die
Lücken zwischen den Phalanxhaufen zurück (s. S. 183 A. 2). Über ihre Zahl, die
man auf etwa GOOO Mann berechnen mag, s. ebenda Schlufs der A. Dafs man
den Elefanten Leichte beizugeben pflegte, sagt Appian Syr. 18: Tovg IXtcfccvrac . .
xcil to axi(fog o pix ccvtwv ael awerdaaero = Liv. 36, 18, 4: cum adsueto praesidio.
Man vergl. auch Armandi S. 197.
5) Die gewöhnliche Tiefe der Phalanx war 16 Mann (Bd. I S. 239 A. 1).
6) Liv. 37, 40, 1 f . ; App. 32 beschreiben diese interessante und ungewöhn-
liche Aufstellung im Anschlufs an Polybios genau und übereinstimmend (s. An-
hang II S. 199. 202; s. auch Beilage II S. 2 14 f.).
182 Der Syrisch-römische Krieg.
Truppen. Rechts nur noch 1500 Gallier, links aufser der gleichen
Zahl Gallier noch 4700 Mann Kappadokier und verschiedene andere
Kontingente1). Auch sie müssen tiefer als gewöhnlich gestanden
haben. Die Analogie mit der Phalanx, die gleich zu besprechende
geringe Frontausdehnung, die das Zentrum überhaupt einnahm, und
ihre Aufgabe in dem ganzen Schlachtplan macht diese Annahme not-
wendig. So bildete eine Anzahl von im ganzen 25 700 Mann schwerer
Truppen die Mitte der Aufstellung.
An dieses Zentrum schlössen sich auf beiden Seiten Reiter-
massen an. Zunächst je 4000 Mann Panzerreiter und königliche
Garde, dann leichte Reiterei. Aber letztere war ungleich verteilt:
während nämlich auf dem rechten Flügel nur 1200 dahische Bogner
zu Pferde standen, war die grofse Masse der leichten Reiter, etwa
3000 Mann Gallier und Tarentiner, auf dem linken Flügel vereinigt
geblieben2). Endlich folgten auf beiden Flügeln die leichten und
leichtesten Fufstruppen: rechts im ganzen 9500 Mann Kreter, Trailer,
Mysier, Kyrtier, Elymäer, lauter Bogner, Schleuderer und Speer-
werfer; links 12000 Mann von derselben oder ähnlicher leichter Be-
waffnungsart, aufser den meisten der genannten noch besonders Berg-
völker aus Südkleinasien: Karer, Lykier, Pisidier, Pamphylier 3).
Man erkennt deutlich das Prinzip dieser Anordnung: Die
Schwere der Bewaffnung stuft sich von der Mitte nach beiden
Flügeln hin allmählich ab. Auf die Phalanx folgen die anderen
schweren oder halbschweren Fufstruppen des Zentrums, dann die
schweren, darauf die leichten und leichtesten Fufstruppen.
') Nach Livius 37, 40, 5. 10. Appian falsch (vergl. S. 210 A. 1). — Dafs es
sich um schwere oder halbschwere Truppen handelt folgt aus dieser ihrer Stellung
in der Schlachtreihe, wo sie ihren Platz gegenüber der rechten Ala der Römer
haben (s. S. 185).
2) Die Schweren waren je 3000 Mann Panzerreiter und je 1000 Mann berittene
Garde. Liv. 37, 40, 5. 11. Über die cohors der Argyraspiden, die neben der Garde
zu Pferde auf dem rechten Flügel stand, und über die nicht überlieferte Zahl der
Tarentiner s. Beilage I die Tabelle, S. 210 A. 1 u. S. 211 A. 2. Appian ist auch hier
verwirrt und ungenau. Übrigens sollte man meinen, dafs Seleukos, der auf dem linken
Flügel kommandierte, ebenso wie sein Vater aufser der berittenen Garde von
1000 Mann auch eine entsprechende Garde zn Fufs gehabt hätte. Vielleicht hat
Livius diesen Posten vergessen.
3) Nach Liv. 37, 40, 8 f. 1 3 f. Appian gibt nichts über die Stellung dieser
Truppen an.
2. Magnesia.
183
Aber die Verteilung ist nicht ganz gleichmäfsig : sowohl an
schweren Fufstruppen, wie an leichten Reitern und leichten Fufs-
truppen ist die Seite links von der Phalanx mit je ein paar tausend
Mann stärker angesetzt, so dafs sie im ganzen 8 — 9000 Mann mehr
enthält1). Die dadurch hervorgebrachte Verschiebung bewirkt, dafs
die Phalanx nicht genau in der Mitte, sondern dem rechten Flügel
etwas näher steht.
Endlich war vor der ganzen Schlachtlinie, mindestens vor dem
Zentrum und der Reiterei eine Kette von leichten Truppen ent-
wickelt, welche das erste Treffen bildeten. Der konstante Kriegs-
brauch der Zeit, die Notwendigkeit, den römischen Velites mit gleicher
Waffe entgegenzutreten, endlich die Andeutungen unserer Quellen
erheben das über jeden Zweifel, wenn auch nur die Kamelreiter
und Sichelwagen bei der Schlachtaufstellung ausdrücklich erwähnt
werden2).
]) Um den Parallismus vor Augen zu führen, setze ich die ganze Orde de
bataille im Überblick her:
Phalanx
linker
Flügel.
linkes
Zentrum.
Phalanx.
16000
rechtes
Zentrum.
rechter
Flügel.
Gallier
1500
1500
Kappadokier etc.
Panzerreiter
3000
4700
—
3000
Gardereiter
1000
1000
Garde zu Fufs
Leichte Reiterei
?
ca. 3000
(1000?)
1200
Leichtes Fufsvolk
12000
6000
9500
Summe:
19000
6200
16000+6000
2200Ö"
1500
15700
25
200
17<
200
2) Kamelreiter und Sichelwagen Liv. 37, 40, 12 und Appian 32, 12. — An-
deutungen über gröfsere Ausdehnung des ersten Treffens bei Appian 33, 1, der
am Schlufs seiner flüchtigen Beschreibung zusammenfassend hinzufügt: oxpig nv
vjansQ dvo OToarcov tov fxhv KQxofxivov noks/ueZv (erstes Treffen), tov cT {(psdoeovovTog
(zweites Treffen, Haupttreffen) ixccTSoog 6' ccutcov ig xatauXri^iv laxtvaaio fornu?
nXr\Su te xctl xoa/ucp. Ferner spricht er 33, 3 geradezu von den nqo^axoi der
Phalanx und fügt 35, 1 hinzu, dafs die Phalanx die tyilohg rovg inl tov ueromov
0(fü)V ht n Q07t ole{iovvTctg zurückgenommen habe. Auf dieses erste Treffen
sind denn auch die Stellen zu beziehen, in denen es heifst, dafs die Verwirrung
sich von den Sichelwagen auf „olov rb perat/iMov" ausgedehnt habe (33, 25), und
dafs das ^sTat/fxtov an der Stelle, wo die Sichelwagen gestanden, leer geworden
sei (34, 1), wobei das Wort /Lteiai/^iov einmal als „Zwischenraum" zwischen den
134 Der Syrisch-römische Krieg.
Die ganze Linie mag etwa 4 Kilometer lang gewesen sein1).
Den Zweck dieser ganzen Anordnung lernen wir verstehen,
wenn wir uns klarmachen, wie die einzelnen Truppenteile denen des
römischen Heeres gegenübergestanden haben.
Die Quellen geben uns dafür willkommene Anhältepunkte:
In der Schlacht führte Eumenes seinen ersten Angriff mit den
leichten Truppen des äufsersten rechten Flügels auf die Sichelwagen
aus und unterstützte denselben dann, indem er sich mit seiner ge-
samten Reiterei auf die Panzerreiter des Gegners warf2). Folglich
stand der äufserste rechte Flügel der Römer den Sichelwagen
und Panzerreitern des linken feindlichen ungefähr gegenüber.
Ferner wird berichtet, dafs, als der römische linke Flügel sich
im Laufe der Schlacht von dem Flusse entfernte, Antiochos sich per-
sönlich mit seiner Reiterei in die entstehende Lücke geworfen habe
Haupttreffen, das andere Mal als das „in diesem Zwischenraum stehende Vortreffen"
zu fassen ist. — Wenn Mommsen so weit geht, auf die am Beginn dieser Anm.
angezogene Äufserung Appians hin, sämtliche leichte Truppen dem ersten Treffen
zuzuweisen, das zweite nur aus der schweren Infanterie und Kavallerie bestehen
zu lassen, so steht das in ausdrücklichem Widerspruch zu Livius weit exakterer
und innerlich glaubwürdigerer Relation. Die Zahl der dem Zentrum zugeteilten
Leichten wird man mit Rücksicht auf die Zahl der römischen Velites (s. S. 185 A. 1)
kaum unter 6000 Mann veranschlagen dürfen, vergl. auch Beil. II, S. 211 A. 5.
a) Nach dem Durchschnitt (s. S. 181) müfsten 60— 70000 Mann gemischter
Truppen 5 bis 6 Kilometer eingenommen haben. Aber ein so weites Überragen
wäre zwecklos gewesen. Es hätte bei der Umgehung selbst zu ganz unnötig
weiten Bogen gezwungen. Es war verständiger, die Flügel tiefer aufzustellen und
sie sich nach der Umgehung entwickeln zu lassen. Dazu kommt, dafs nach den
erwähnten Nachrichten ja auch das Zentrum sehr tief stand. Die Front der
Phalanx betrug nur 500 Mann, d. h. sie war nur etwa 450 Meter lang (Bd. I S. 323).
Dazu mag man 150 — 200 Meter für die Elefanten und die Leichten ansetzen und
3 bis 400 Meter für die anderen schweren Truppen rechnen, die sie bei einer
Tiefe von etwa 20 Mann einnehmen mufsten. Damit würden sich für das ganze
Zentrum von 23000 schweren Kriegern und den Zugeordneten, etwa 6000 Leichten
(S. 181 A.4), nur etwa 1000 Meter Länge ergeben. Das stimmt aufs beste zu der gleich
zu besprechenden Stellung, welche diese Truppen gegenüber den Römern einnahmen.
2) Liv. 37, 41, !): Eumenes . . Cretenses sagittarios . . . (equis) tela in-
gerere iubet (auf die Pferde der Sichelwagen); App. 33,5: Ev/u^vrjg . . rr\v ()<j[A7]v
tu>v h q [i ai qjv r tray [A£V(av tif? iavt bv /uuXigtcc, öeidag usw. Die Wagen standen
aber eben vor den Panzerreitern, wie Livius 37, 40, 12: ante hunc equitatum
falcatae quadrigae ausdrücklich sagt und Appian insofern bestätigt, als nach ihm
von den Truppen des zweiten Treffens allein die Panzerreiter durch die Flucht
der Sichelwagen in Verwirrung geraten (33, 8. 34, 2),
2. Magnesia. 185
(S. 194). Folglich stand die Königliche Garde zu Pferd und zu Fufs
ungefähr dem äufsersten linken Flügel der Römer gegenüber.
Nach diesen beiden festen Punkten läfst sich alles andere be-
stimmen:
Die Panzerreiter des rechten Flügels und die Gallier standen
also der linken Ala der römischen Bundesgenossen gegenüber. Die
Phalanx, deren Länge auf etwa 600—650 Meter zu veranschlagen
ist (s. vor. S. A. 1), hatte dann als Hauptgegner die beiden römischen
Legionen ; und der rechten Ala, sowie den pergamenischen und achäi-
schen Fufstruppen standen endlich die schwergerüsteten Gallier, Kappa-
dokier und die anderen Hilfsvölkern des linken syrischen Zentrums,
vielleicht auch noch ein Teil der Panzerreiter gegenüber. Die beiden
Flügel der syrischen Armee mit den leichten Fufstruppen ragten
beträchtlich über die Enden der römischen Schlachtlinie hinaus.
Aus dieser Aufstellung ergibt sich der Schlachtgedanke, der
den Antiochos leitete, mit voller Klarheit.
Sein schwergerüstetes Fufsvolk, das er den römischen Legionen
nicht für gewachsen hielt, hatte der König im Zentrum so tief auf-
gestellt, dafs es trotz seiner beträchtlichen numerischen Überlegen-
heit1) nicht einmal die gleiche Front einnahm, wie das römische.
Diese Truppen sollten noch dazu nicht einmal angriffsweise vor-
gehen, sondern sich defensiv verhalten 2). Der Zweck dieser tiefen
Aufstellung war also nur der, ein Durchbrechen der Römer an diesem
gefährdetsten Teile der syrischen Schlachtordnung zu verhindern 3).
x) Die römischen Alen und Legionen waren mit Einschlufs von etwa
6000 Velites (etwa 1500 auf jede Legion und Ala, s. S. 103 A. 1) nur 21600 Mann
stark; das syrische Zentrum hatte ohne die den Römern mindestens gleichen
leichten Truppen 23700 Mann.
2) Dafs die Phalanx nur zur Defensive bestimmt war, wird auch sonst be-
merkt und fand vielfach eine abfällige Kritik: xcä doxtl jtjv ilnCda laßuv iv rotg
uTTiavoiv . . ttjv J« qdlayya nvxvqv ig bliyov avvctyaysTv dnHQonoXsfiws, rj dy y.al
(AÜhüTu Met öaQoeiv ndw rjoxrj/uEvri (App. 32, 9), und ebenso heifst es 37, 3 von
Antiochos' Hof: (ol (ptXoi) xaT£[A.e'ju<povTO <T kvtov xccl rrjv Televtaiav dcfQoavvrjV d^qelov
iv oztvip tÖ xqdxiGxov tov ötqcctov nenoirjxoTos xa\ itjv IXnida &(/li€vov iv nXrj&si
avyxXvöm> uvöqwv ccqtitioU^cov usw. — Die geheimen Hofkritiker verlangten also
die umgekehrte Taktik : Offensive der Phalanx und Defensive der anderen Truppen
Dafs die Phalanx in der Schlacht tatsächlich nicht angegriffen, sondern stehenden
Fufses den Angriff erwartet hat, zeigt der Schlachtbericht, s. S. 191.
3) Mommsen, R. G. I3, 737 führt die tiefe Aufstellung auf den Umstand
zurück, dafs die Phalanx „in dem engen Raum nicht Platz gefunden habe". Da-
186 Der Syrisch-römische Krieg.
Die Kette von leichten Truppen, welche vor dieser Phalanx ent-
wickelt war, konnte zunächst den Kampf hinhalten; wenn sie ge-
worfen seien, sollte der drohende Anblick des tiefen, festgewurzelt
stehenden Lanzenwalles mit seinen Elefanten, wie eine unerstürmbare
Mauer mit ihren Türmen, womöglich den ernsthaften Angriff des
Gegners verzögern, und wenn er doch erfolgte, sollte man ihn kalt-
blütig so lange wie möglich aushalten. Wenn auch kein positiver
Erfolg, so war doch eine Niederlage dabei kaum zu erwarten. Gröfsere
Unordnung, die beim Draufgehen leicht eintreten konnte, wurde ver-
mieden. Die Erfahrungen von Atrax und Thermopylä (S. 56. 153 f.)
hatten gezeigt, dafs eine Phalanx mit geschützten Flanken im Stehen
jedem Angriffe der römischen Legionen gewachsen war, während der
Mifserfolg von Kynoskephalä wieder lebendig gemacht hatte, wie
grofse Gefahren in der bei solchen Massen schwer zu vermeidenden
Ungleichmäfsigkeit des Vorgehens verborgen lagen. Wie richtig der
König dabei gerechnet und wie zutreffend er die grofse passive
Widerstandskraft seiner Phalangiten und Elefanten eingeschätzt hatte,
zeigte sich später in der Schlacht, wo die Phalanx trotzdem sie von
allen Seiten eingeschlossen und beschossen war, doch eine geraume
Zeit lang unerschüttert standgehalten hat, und die römischen
Legionen tatsächlich nicht gewagt haben, mit dem Schwerte anzu-
greifen, selbst nachdem die Phalanx schon angefangen hatte, den
Kückzug anzutreten (S. 193).
Während die Hauptkräfte der Römer so gebunden waren, sollten
die Flügel wirken. Reiterei und leichte Truppen konnten, über-
flügelnd wie sie standen, zu nichts anderem bestimmt sein als zu
umgehen und die Gegner von beiden Seiten her förmlich einzu-
wickeln.
Die beste Gelegenheit dazu bot natürlich das Gelände auf der
Südseite, und deshalb hatte der König, wie wir jetzt vollkommen be-
greiflich finden, hier die gröfsten Massen seiner leichten Reiterei und
Fufstruppen konzentriert.
Aber auch auf der Nordseite war ein solcher Versuch nicht un-
ausführbar: Wenn die Römer, um der Umzingelung von Süden her
entgegenzuwirken, sich beim Vorgehen, wie das gewöhnlich war und
von kann keine Bede sein, wie schon Ed. Meyer Rh. Mus. 36 S. 124 mit Recht
bemerkt hat. Auch die Aufstellung der Elefanten ist bei ihm unrichtig angegeben.
2. Magnesia. 187
auch damals tatsächlich geschah, nur ein wenig nach vorwärts und
rechts zogen, so verloren sie ihre Anlehnung an den Flufs, und dann
konnte man auch von hier aus ihnen in Flanke und Rücken kommen.
Das war die Aufgabe, welche Antiochos sich persönlich vorbehalten
hatte und welche er auch, was seine Person betrifft, vollkommen ge-
löst hat (S. 194).
Die Absichten des Königs waren durch seine ganze Schlacht-
anlage, die ohne Zwweifel schon beim Ausrücken der Heere an den
früheren Tagen dieselbe gewesen war, viel zu deutlich vorgezeichnet,
als dafs die Römer darüber hätten im unklaren sein können.
Es war daher nur die Frage, was man für Gegenmafsregeln zu
treffen imstande war, um sie unwirksam zu machen.
Mit einer defensiven Führung war es offenbar nicht getan.
Damit konnte man die Umgehung des linken, aber nicht die des
rechten Flügels hindern. Mit einen Angriff der Legionen auf der
ganzen Linie kam man auch nicht zum Ziele. Dann wären ja eben
die Umstände eingetreten, auf die Antiochos rechnete.
Hier konnte nur ein rascher und energischer Angriff mit dem
rechten Flügel helfen, auf dem ebendeshalb die ganze Reiterei kon-
zentriert war. Ehe der Feind zur Umgehung Zeit hatte, mufste seine
Linie an einer Stelle durch einen Chok der Kavallerie zerrissen
werden. Bei der Unzuverlässigkeit und Unbeholfenheit der Flügel-
truppen des Feindes1) war zu hoffen, dafs ein solcher Stofs die
gröfste moralische Wirkung auf sie ausüben, dafs sie ohne Kampf
weichen würden und man sich nach Durchstofsung der feindlichen
Umklammerung, mit dem Gros einschwenkend, sofort auf die Flanke
des schweren Fufsvolkes werfen könne. Dann mufste der Angriff
energisch von vorne durch die griechischen Hopliten und die Legionen
unterstützt und das Zentrum mufste von der Flanke, von vorn und
vom Rücken her gepackt und aufgerollt werden.
Allerdings konnte bei diesem Vorgehen die Anlehnung an den
Flufs verloren gehen. Aber man durfte hoffen, dafs man mit dem
Zentrum fertig sein würde, ehe sich die Folgen dieses Nachteiles
geltend machten. Man konnte dabei auf die moralische Überlegenheit
der Truppen rechnen; schliefslich war auch hier noch die Reserve
l) Sie werden eine nkrj&og avyxlvdoov <xv3qqüv dgr^noUficov genannt
s. S. 185 A. 2.
188 Der Syrisch-römische Krieg.
von 16 hinter der Front zurückgehaltenen Elefanten zur Verfügung
und das Lager mit seiner Besatzung von 2000 tapferen Makedonien!
und Thrakern in nächster Nähe (S. 194).
So zeigt uns die ganze Lage einerseits, wie sehr Sieg und
Niederlage von einer kurzen Spanne Zeit, vielleicht dem Gebrauch
weniger Minuten abhingen, wie sehr anderseits beide Heeresleitungen
sich der Vorteile bewufst waren, welche die Natur des Geländes und
die spezifische Art ihres Heeres ihnen gewährten.
Aber noch zu einer anderen kurzen Betrachtung fordert uns
die geschilderte Lage auf. Das langsame Hinhalten des Kampfes
auf der einen Seite, verbunden mit dem Versuche, das numerische
Übergewicht durch doppelte Umgehung zur vollen Entfaltung zu
bringen und so durch Reiterei und leichte Truppen die Entscheidung
herbeizuführen; der stürmische Angriff auf der anderen Seite, welcher
von einer kleinen Minderzahl mit der Reiterei des rechten Flügels
ausgeführt wird und den Zweck verfolgt, die gegnerische Linie zu
durchbrechen, die drohende Umklammerung zu vereiteln und seiner-
seits die Schlachtreihe des Gegners aufzurollen; endlich der Schauplatz
dieses interessanten Widerspieles der Kräfte in offenem, ebenem Blach-
felde: dies alles sind ebensoviele Ähnlichkeiten mit der berühmtesten
und charakteristischsten der Alexanderschlachten, der Schlacht von
Arbela. In wenig verändertem Gewände treten also dieselben taktischen
Gedanken zweimal in die Erscheinung, und indem diese Gleichheit uns
darauf hinweist, dafs auch in der Taktik dieselben Verhältnisse mit
einer gewissen Notwendigkeit auf dieselben Lösungsversuche führen,
ist sie uns zugleich eine Gewähr dafür, dafs die Schlachtschilderungen
von Magnesia nicht, wie man jüngst gemeint hat, „Phantasien eines
Romanschreibers" sind1), sondern dafs wir in ihnen den Bericht über
einen wohldurchdachten und gewissermafsen naturnotwendigen Schlacht-
plan vor uns haben.
Aber die gleiche Scblachtanlage bedingt noch nicht denselben
Verlauf. Sowohl im ganzen als im einzelnen kann das freie Spiel
der Kräfte und die Imponderabilien der moralischen Verfassung natür-
lich die verschiedensten Ergebnisse herbeiführen.
l) So Delbrück, Kriegskunst, I 368 über dessen Ansicht man die Beilage II
S. 213 ff. vergleichen möge.
2. Magnesia. 189
Betrachten wir also, inwieweit bei Magnesia der Gang der
Schlacht selber die Richtigkeit der beiderseitigen Berechnungen be-
stätigt oder widerlegt hat.
Kaum hatten die vor ihren Lagern wohlgeordneten Heere den
zwischen ihnen liegenden Raum in beiderseitigem Anmärsche zurück-
gelegt und in mäfsiger Entfernung von einander Kampfstellung ge-
nommen, so eröffnete Eumenes mit seinen leichten Truppen auch
schon den Angriff1).
Noch ehe die Sichelwagen des ersten feindlichen Treffens gegen
ihn losgelassen werden konnten, hatte er sie von seinen leichten
Truppen und Schützen umschwärmen und von allen Seiten beschiefsen
lassen. Denn die wenigen Minuten, welche ihm blieben, ehe der
Gegner zur Umfassung vorgehen konnte, mufsten schnell und ent-
schlossen benutzt werden, wenn nicht alles verloren sein sollte. Er
hatte Befehl gegeben, nicht auf die Lenker, sondern auf die Pferde
zu halten, um die Tiere scheu und so die Wagen unbrauchbar, ja
gefährlich für die eigenen Truppen des Gegners zu machen. Das
Manöver gelang vollkommen, und die teils zurück-, teils hin und her
gescheuchten Wagen verbreiteten Verwirrung und Unruhe in den
eigenen Reihen2).
Diesen Moment hatte sich Eumenes ausersehen, um die ganze
Masse seiner Kavallerie in geschlossenen Geschwadern zur Attacke
gegen die feindlichen Panzerreiter anreiten zu lassen3). Der Ein-
*) Dafs der Aufmarsch beider Heere unmittelbar vor dem Lager vorge-
nommen wurde und man dann erst mit entwickelter Front in die Kampfesstellung
einrückte, ist schon an sich selbstverständlich; hier um so mehr, weil sonst das
doppelt so grofse syrische Heer, das natürlich zu seinem Aufmarsche längere Zeit
brauchte, sich sonst einem Angriffe während des Aufmarsches, also in ungünstigter
Lage, ausgesetzt hätte.
2) Dafs Eumenes den Angriff begonnen hat, wird ausdrücklich gesagt:
Liv. 37,41, 9: quod ubi Eumenes vidit (die Aufstellung der Sichelwagen) . .
Cretenses etc. excurrere iubet et . . tela ingerere. Ebenso Appian 33, 5. Über
die weitere Schilderung s. die Übersetzung im Anhang II S. 200 und 203.
3) App. Syr. 34: toi;? Idiovg nnziag xcu oooi 'Pco/ucticov avzdü zcä 'Ireckwv
nancatTa/aro Inijyev Inl rovg avriy.Qv rcdccTccg is xal Kannadöxag xa\ ir\v alb]V
GvvoSov tiov tjzvcov, . . . ol 6h inei&ovio xal ßccQtiag aifdov Tr\g tfißokrjg yevo^.ivr\g . . .
Liv. 37,42,2: ad quos (cataphractos equites) cum pervenisset equitatus Romanus
usw. Der Unterschied, dafs Appian den Einbruch auf die Fufstruppen des linken
syrischen Zentrums, Livius ihn auf die Panzerreiter erfolgen läfst, ist nicht so
190 Der Syrisch-römische Krieg.
bruch dieser 3000 Mann hatte durchschlagenden Erfolg. Die schon
durch die zurückflutenden Wagen in ihrer Haltung stark erschütterten
schweren Reiter gaben nach, und der ganze linke Flügel sah sich,
kaum in seine Kampfstellung eingerückt, schon durch eine breite
Lücke von dem Hauptheere getrennt. Eine Panik ergreift die leichten
Reiter und Fufstruppen, die hier stehen, und in wilder Flucht und
Verwirrung flüchtet alles nach dem Lager zurück1). Die Umgehung
im Süden war glänzend vereitelt.
Und nun führte Eumenes die entscheidende Schwenkung mit
ebenso kühler Überlegung aus, wie er vorher den Angriff mit ent-
schlossener Kühnheit eröffnet hatte. Es war der Ehrentag der römisch-
bedeutend, wie er scheint. Sie standen ja nebeneinander. Ich habe Livius' Dar-
stellung vorgezogen, nicht nur weil er im allgemeinen der Zuverlässigere ist,
sondern weil er sowohl wie Appian angibt, dafs die Sichelwagen vor den Panzer-
reitern und gegenüber der römischen Reiterei standen, s. S. 184 A. 2.
') Die hier gegebene Darstellung weicht etwas von unseren Quellen ab.
Dieselben setzen den Ausbruch der Panik schon vor den Einbruch der römischen
Reiterei und führen ihn nur auf die Sichelwagen zurück. Liv. 37, 42, 2 : nudarunt
omnia usque ad cataphractos equites. App. 33, 9. 10. Zudem gibt Livius ib. 41, 12
noch die naive Aufserung amoto inani ludibrio (die Sichelwagen), tum demum ad
iastum proelium signo utrimque dato concursum est. Sehr gemütlich und ordnungs-
gemäfs! Als Ob Eumenes nicht gerade die entstehende Verwirrung hätte be-
nutzen und durch kräftigen Stofs mit seiner Reiterei sie hätte vermehren müssen,
während umgekehrt die Syrer aus demselben Grunde nicht angriffsfähig waren.
Das Gefecht von 1000 Leichtbewaffneten mit einer Anzahl Sichelwagen und die
daraus hervorgehende Verwirrung konnte in ihren Folgen erst verderbenbringend
werden, wenn man mit grofsen Massen nachstiefs. Der Einbruch der Reiterei ist
also das militärisch entscheidende Ereignis. — Man könnte auf die Vermutung
kommen, das auch so noch auffallende gänzliche Versagen des linken Flügels, der
ja doch aus 15 000 Mann bestand, daraus erklären zu wollen, dafs er noch nicht
ganz aufmarschiert gewesen sei. Aber das ist nach der Art, wie der Aufmarsch
ausgeführt war, unmöglich, S. 189 A. 1. Eine solche Panik ist bei der dichten An-
häufung grofser Truppenmassen eine bei Heeren des Altertums oft auftretende und
mafsenpsychologisch wohl verständliche Erscheinung, über die man Bd. I S. 329 ff.
nähere Ausführungen findet. Auch hat Polybios, dessen anschauliche Darstellung der
Panik noch durch Appians Worte hindurchschimmert, diese Erscheinung umständlich,
wie seine Art ist, erörtert: &6()vßog — so heifst es — yv rjdi] noXvg xal tccqcc%o$
notxCkog . • . %(üqü)v Inl oXov ib futTai/^iov' xal uei&v vnovoia rov aXQißovg.
(10) iug yuQ iv diaOTTjuaTi fxaxQol, xal nlrj&€i nvxvoj, xal ßorj noixilrj y.cä (foßoi
nokkw, ro /uh äxoißtg oi>($£ zolg ay^ov rwv naO^ovitov xaTaXr}7irov fv, xr\V ö&
imövoiav u£i£6v(og ig rovg itjrjs sxaaioi fxtiiiftQov.
2. Magnesia. 191
pergamenischen Reiterei, das letzte Glanzstück makedonisch-hellenisti-
scher Reiterführung.
Die Völker des linken Zentrums hielten dem Angriffe, der von
der Seite und zu gleicher Zeit natürlich auch von vorn durch die jetzt
vorgehenden römischen Fufstruppen erfolgte, nicht stand: die ge-
mischten Hilfstruppen, die Kappadokier und Gallier, wurden in die
Verwirrung hineingerissen, und erst bei der Phalanx kam das Gefecht
wieder zum Stehen1).
Wir müssen uns vorstellen, dafs auch die achäischen Peltasten,
die pergamenischen Fufstruppen und ein Teil der rechten Ala der
Bundesgenossen nach Niederwerfung des linken Zentrums einge-
schwenkt waren und dafs man so, alles in allem, eine Masse von
gegen 10 000 Mann zu Fufs und Rofs auf Flanke und Rücken der
Phalanx werfen konnte2).
Dem Befehle gemäfs, nicht zum Angriffe vorzugehen, stand die
Phalanx noch immer an Ort und Stelle. Gegenüber dem Vorrücken
der römischen Legionen, welche sich anschickten, die Phalanx von
vorn anzupacken, hatten sich die leichten Truppen des ersten syrischen
Treffens in die Zwischenräume zwischen den Regimentern der Phalanx
zurückziehen müssen, und die Front war zum Kampfe der Schwer-
bewaffneten freigemacht3). Aber die Römer haben den Nahkampf mit
*) Nach Werfung der Panzerreiter fährt Livius 37, 42, 3 fort: turbatis auxilia-
ribus, qui inter equitem et quos appellant phalangites erant, usque ad mediam
aciem terror pervenit. Von einer Schwenkung der Reiterei ist hier bei Livius aller-
dings nicht die Rede; aber auch aus ihm ist sie zu erschliefsen, denn 43,8 läfst
auch er die Verfolgung durch die römische Reiterei erst nach Niederwerfung der
Phalanx beginnen. Deutlicher zeigt Appian (35, 2) die Beteiligung der Reiterei am
Phalanxkampf: dotuiriov d" avtrjv (irjv (fdkayya) tnnevot noXkoig xvxXiooavjog. Diese
Tatsachen genügen, um den taktisch wichtigsten Vorgang der ganzen Schlacht,
die Schwenkung der Reiterei, die von unseren militärunverständigen Quellen ver-
schleiert ist, zweifellos festzustellen.
2) Für den Kampf mit der Phalanx sind wir fast allein auf Appian ange-
wiesen. Livius hat das für die Legionen nicht hervorragend ruhmvolle Treffen
ganz kurz abgemacht.
3) App. 35, 1 : r\ ifülcty'g . . . rovg jutv xpcXovg jolg inl tou fxencoTiov oqxäv iit,
7iQ07iol(fAovfTccg öiaazuoa ig ccuttjv iGtöttjaro y.ccl nukiv avv^et. Wie man sich
dieses Durchlassen der Leichten bei der Phalanx vorzustellen hat, habe ich in
meinen vergleichenden Studien zur antiken Kriegsgeschichte, Hermes Bd. 35 S. 232 ff.
auseinandergesetzt. Hier konnten die Leichten nicht hinter die Phalanx genommen
werden, sondern mufsten in den Zwischenräumen bei den Elefanten bleiben. Schon
192 Der Syrisch-römische Krieg.
dem starrenden, stehenden Lanzenvvalle nicht gewagt. So wenig von
vorne wie von der Seite und von hinten liefs man sich in ein Hand-
gemenge ein gegenüber den Phalangiten, denen es jetzt zunächst zu-
statten kam, dafs sie standen. Denn sie konnten so nach allen Seiten
Front machen und dem Gegner überall den gleichen Speerwald ent-
gegenstrecken1). Man versuchte daher mit leichteren und wirksameren
Mitteln zum Ziele zu kommen. Überall wurden die Velites und die
Schützen vorgezogen, und mit ihnen wetteiferten die Legionen im Ge-
brauch der Fernwaffen, indem sie, ohne sich dem Stofs der Sarissen
auszusetzen, ihre Pila in die Massen der dicht gescharten Feinde
schleuderten. Jetzt zeigte sich der Nachteil der tiefen Aufstellung,
in der kein Schufs fehlging 2).
Man könnte fragen, weshalb die Phalanx ihre Leichten nicht
mit gleichen Waffen antworten liefs.
Sie wird es getan haben. Aber aufser der bedeutenden Über-
zahl, welche dadurch hervorgebracht wurde, dafs ja auch die Legionare
mit Wurfspeeren bewaffnet waren, hatten die Gegner den unschätzbaren
Vorteil, aus loser Stellung in der Peripherie konzentrisch mit ihren Ge-
schossen auf eine dicht und dichter gedrängte Masse in der Mitte zu
wirken. Was das für ein gewaltiger Unterschied ist, ist ja aus dem
aus diesem Durchlassen geht hervor, dafs die Phalanx nicht in Bewegung war.
So heifst es denn auch später 35, 3: do%uv nQovßatvovicov äti nageTxov. Sie
blieben also stehen. Mommsen meint, die Phalanx habe sich gerade zum Vor-
gehen gegen die Legionen fertig gemacht, als sie durch den Angriff in der Flanke
daran gehindert worden sei. Davon steht nichts in den Quellen, und es ist gegen
die Idee der Schlacht.
*) App. 35, 3: rag GaqiaGag Ix TSiQayoövov nQoßaXXö^ievoi nvxvag 7iqovxccaouvto
Pcofxafoug ig xsiQctg ?l&£iv.
2) Ausführliche Schilderung bei Appian 35, 5 ff., s. Anhang II S. 204. Liv. 37,
42, 4: pila in perturbatos coniecere. — Die Bemerkung des Liv.: ibi simul pertur-
bati ordines et impeditus intercursu suorum usus praelongarum hastarum ist nicht so
unverständlich wie Nissen meint (Krit. Unt. S. 196). Er wird (mit Armandi S. 205,
histoire des elephants) darauf zu beziehen sein, dafs zahlreiche Flüchtige des ge-
worfenen linken Zentrums sich zwischen die Reihen der Phalanx gedrängt hatten
und so den Phalangiten die nötige Ellbogenfreiheit zum Gebrauch der Sarissen
verloren gegangen war, und dafs durch die Flucht des ersten Treffens, welche
z. T. hart an der Front der Phalanx entlang und hier und da durch sie hindurch
gegangen sein mufs, die Phalanx selber in Unordnung kam und jedenfalls in diesem
Gefechtsmoment nicht in der Lage war, von der Waffe Gebrauch zu machen,
während die Römer tüchtig auf die Flüchtenden einhauen konnten.
2. Magnesia. 193
in diesem Punkte ganz gleichgearteten modernen Feuergefecht be-
kannt genug.
So wurde die Haltung der Phalangiten von Moment zu Moment
unsicherer. Sie waren in einer Lage, ähnlich den römischen Legionaren
bei Ruspina, aber es fehlte hier Cäsars Genie, das im Augenblicke
das Gegenmittel fand. Die scheinbar so einfache und doch im Drange
der Not so schwer ins Werk zu setzende Bewegung des Auseinander-
ziehens der Truppen und der Verlängerung der Linie nach den Seiten,
vielleicht zugleich nach der Tiefe hin, bis das umspannende Netz zer-
reifst: dies sicherste Rettungsmittel unterblieb hier, und das einzige
Heil schien zuletzt Rückzug nach dem nahen Lager1). Es konnte
kaum mehr als einen Kilometer entfernt sein (S. 173). Aber auch
das genügte zur völligen Auflösung des Phalanxverbandes, der, wie
glaubhaft berichtet wird, vor allem durch die scheu gewordenen Ele-
fanten verursacht wurde.
Hatten anfangs die Römer selbst beim Rückzuge noch immer
nicht gewagt, mit dem Schwerte anzugreifen, solange Haltung und
Geschlossenheit hinderte2), so war nunmehr der Phalangit in seiner
schweren Rüstung, ohne rechte Waffe und Übung für den Einzel-
kampf, gleich unfähig zur Flucht und zur Gegenwehr, und furchtbar
mag das Schwert des Legionars jetzt in den Reihen der tapferen
Krieger gewütet haben. Das war der Zustand, welchen Antiochos
vorfand, als er siegreich von der Verfolgung des linken römischen
Flügels zurückkehrte.
Dort am Nordende hatte nämlich die Schlacht eine ganz andere
Wendung genommen.
Wie vorauszusehen gewesen, hatte der linke römische Flügel
die Anlehnung an den Flufs nicht festhalten können. Er hatte dem
Angriff der übrigen Armee folgen müssen, und in die Lücke zwischen
*) Bei dem Militär Polybios war das Cäsarische Rettungsmittel angedeutet,
denn es heifst bei Appian 35,2: (i] (fdlocyg) ovt' £x$Qcc[j.eiv Hi e/ovoa oüi' it-e-
litjcti ßdd-og ovtoj nolv und ib. 5: sie blieben stehen, l'vcc fj,r\ 16 irjg id'frwg
nvxvov ixlvaeiav [aet ax dgcca&cu yd,Q ir^Qcog ovx etpd-avov. Die /undra^ig
"wäre eben das Auseinanderziehen gewesen. Dafs es an sich nicht unmöglich war,
selbst in der Schlacht mit der Phalanx eine Aufstellungsänderung vorzunehmen,
zeigt das allerdings viel einfachere Manöver Philopömens bei Mantinea (Bd. I
S. 303 ff.).
2) ovie yccQ tote 7iQ0önskd££iv aviolg iiölpcov, dkld neQi&eovTSS eßkanrov
App. 35, 9.
Kromayer, Antike Schlachtfelder. II. *&
194 Der Syrisch-römische Krieg.
Flufs und Heer hatte sich Antiochos, wie er beabsichtigt, geworfen1).
Der Angriff, durch die Reiterei von vorn und von der Seite zugleich
geführt, hatte — so scheint es — die ganze linke Ala der römischen
Bundesgenossen2) in die Flucht gerissen und ist eines der seltenen
Beispiele aus der alten Kriegsgeschichte, in denen schwergerüstetes
Fufsvolk von der Reiterei geworfen und zerstreut worden ist. Auch
hier ist der Erfolg nur dem Umstände zu danken, dafs der Angriff
von zwei Seiten geführt war.
Während so der römische linke Flügel in der Richtung auf das
Lager zurückgetrieben wurde, hatten sich die Legionen im Vorrücken
nicht stören lassen, und es war auf diese Weise zwischen den beiden
Kampfplätzen eine immer gröfser werdende Entfernung eingetreten.
Aber schon unter den Wällen ihres nur etwa 1 Kilometer (S. 173) von
der ersten Aufstellung entfernten Lagers gewannen die flüchtigen
Truppen wieder ihren Halt. Es zeigte sich jetzt, wie wichtig es ge-
wesen war, das Lager so weit vorzuschieben. Der Kommandant der
Lagerwache, Ämilius Lepidus, führte seine 2000 Mann tapferer make-
donischer Freiwilliger den Flüchtenden entgegen, und es gelang, sie
zum Stehen zu bringen. Auch eine kleine Schar von Reitern unter
Attalos von Pergamon kam vom Zentrum her, wo man die Not be-
merkt hatte, eiligst zu Hilfe gesprengt3).
Hier den Kampf zu erneuern, hatte für Antiochos keinen Zweck;
das Lager mit seiner Reiterei zu stürmen war natürlich erst recht
unmöglich. Er hatte Wichtigeres zu tun: er mufste nach der Ent-
scheidung des Ganzen sehen. So liefs er sammeln, eilte zurück, warf
mit Leichtigkeit Attalos, der sich ihm entgegenstellen wollte, aus dem
Wege, und mufste sehen, wie er trotz alledem zu spät kam4).
J) Liv. 37,42,7: namque Antiochus a dextro cornu, cum ibi fiducia fluminis
nulla subsidia cerneret praeter quatuor turmas equitum et eas, dum applicaut
se suis, ripam nudantes, impetum cum auxiliis et cataphracto equite fecit nee
a fronte tantum iustabat, sed circumito a flumine cornu iam ab latere urgebat.
2) Eine genaue Angabe bei Livius fehlt darüber; aber Justin sagt 31,8,6:
cum . . . pulsa legio Romana maiore dedecore quam periculo ad castra fugeret etc.
Die Bezeichnung der „ala" als „legio" rindet sich auch bei Livius (37,39,7) und
geht bei beiden Schriftstellern ohne Zweifel auf Polybios zurück, aus dem ja Justin
auch durch zweite oder dritte Hand geflossen ist.
3) Liv. 37,43, 1-5. App. 36, 1—3 s. Anhang II S. 201. 205.
4) Die Darstellung ist hier bei Livius und Appian verschieden. Livius läfst
den Attalos zusammen mit den Lagertruppen den Antiochos bekämpfen und jenen
2. Magnesia. 195
Wie einst in seiner Jugend bei Raphia, so hatte jetzt während
seines eigenen Sieges die Vernichtung seiner Phalanx stattgefunden.
Nur wenige hundert Meter trennten den Schauplatz von Sieg und
Niederlage. Ob Antiochos eine Schuld trifft, ob er eher hätte ein-
schwenken, den Legionen in den Rücken fallen, seinen Phalangiten
Luft machen können, wird schwer sein zu entscheiden. Es ist frag-
lich, ob die Haltung des römischen Flügels so erschüttert war, dafs
er sie ihrer Flucht zum Lager überlassen konnte, ohne fürchten zu
müssen, dafs sie ihm sofort wieder entgegentreten würden, wenn er
von ihnen abliefse und die Legionen angriffe. Vielleicht war es nötig,
ihre völlige Auflösung durch energisches Nachdrängen zu bewerk-
stelligen, und weit kann man ja eine Verfolgung überhaupt nicht
nennen, die vor dem 1 Kilometer entfernten Lager der Römer Halt
gemacht hat.
Aber sei dem wie ihm wolle. An eine Wiederherstellung der
Schlacht war nicht zu denken. Mit oder ohne Schuld: Heer, Schlacht
und Grofsmachtstellung war für den König unwiderbringlich verloren1).
dann flüchten (in fugam vertit equum 43, 7). So waren die Römer, wie er glorios
hinzufügt, auf beiden Flügeln und in der Mitte Sieger. Appian läfst den Antiochos
als Sieger freiwillig umkehren, als der Widerstand sich vor dem Lager setzt
(tnavrju aoßctQwg cog inl vCxy). Attalos, der ihm den Rückweg zum Hauptheere
verlegen will, wird geworfen. Wo die gröfsere innere Wahrscheinlichkeit liegt,
bedarf keiner Ausführung. Livius ist hier Patriot, wie schon Ed. Meyer Rhein.
Mus. 36 S. 123 mit Recht betont hat.
!) Die Verlustziffer, gegen 50 000 Mann Tote und Gefangene, ist stark über-
trieben: der ganze linke Flügel war kaum ins Gefecht gekommen und hat gleich
zu Anfang das Weite gesucht, der rechte war siegreich und konnte auf dem Rück-
züge seitwärts ausweichen. Nur das Zentrum wird so gut wie ganz vernichtet
worden sein.
13*
Anhang I.
Übersetzung* der Schlachtberichte von Thermopylä.
1) Liv." 36, 16, 1 : Antiochus schlug sein Lager innerhalb der
Pafstore auf (vergl. S. 148 A. 1) und deckte aufserdem durch Ver-
schanzungen den Berghang. (2) Nachdem er so mit doppeltem Wall
und Graben und, wo die Sache es verlangte, sogar mit einer Mauer
aus den in Masse überall vorhandenen Steinen alles befestigt hatte,
schickte er, (3) im Vertrauen darauf, dafs die Römer hier nie mit
Gewalt durchbrechen würden, die Ätoler . . nach Heraklea und Hypata . .
(5) Der Konsul . . schlug in dem Engpasse selber bei den warmen
Quellen sein Lager dem Könige gegenüber auf. [Folgt Erzählung
von der Besetzung des Anopäapfades durch die Ätoler und Absendung
des Cato und Flaccus gegen sie; dann]
18, 1: Bei Tagesanbruch liefs der Konsul das Zeichen zur Schlacht
aufstecken und stellte die Schlachtreihe in schmaler Front dem engen
Gelände entsprechend auf. (2) Als der König die feindlichen Feld-
zeichen erblickte, führte er seine Truppen auch heraus. Einen Teil
der Leichten stellt er vor dem Walle als erstes Treffen auf, dahinter
läfst er die makedonischen Kerntruppen, die Sarissophoren, als Soutien
bei den Verschanzungen selbst Stellung nehmen. (3) Links von ihnen
weist er den Speerschützen, Bognern und Schleuderern ihren Platz
an am Fufse des Gebirges selber, damit sie von oben her die offene
[rechte] Seite des Feindes beschiefsen könnten. (4) Rechts von den
Makedoniern am Ende der Schanzen, wo das Gelände bis zum Meere
durch Sümpfe unwegsam wird, stellte er die Elefanten mit ihrer ge-
wohnten Bedeckung auf, hinter ihnen die Reiter, und dann, nach
einem mäfsigen Zwischenraum, die anderen Truppen im zweiten Treffen.
Anhang I. Übersetzung der Schlachtberichte von Thermopylä. 197
(5) Die Makedonier vor dem Walle wiesen zuerst leicht den Angriff
der Römer ab, welche von allen Seiten heranstürmten, wobei ihnen
die Truppen, welche von den Höhen mit ihren Schleudern einen Hagel
von Bleikugeln und zugleich Pfeile und Speere schössen, die beste
Unterstützung gewährten ; (6) dann aber, als die Feinde mit gröfserer
und unwiderstehlicher Macht vordrangen, wurden sie geworfen und
zogen sich in die Verschanzungen zurück; von da bildeten sie vom
Walle aus gewissermafsen einen zweiten Wall mit ihren Lanzen.
(7) Und so mäfsig war die Höhe des Walles, dafs er den Verteidigern
einen höheren Standort zum Kämpfen gewährte und man trotzdem
bei der Länge der Lanzen den Feind unten erreichen konnte. (8) Viele
welche sich unten an den Wall heranwagten, wurden durchbohrt; und
sie hätten unverrichteter Dinge zurückweichen müssen, oder es wären
noch viele gefallen, wenn nicht Cato . . . auf den Hügeln über dem
Lager erschienen wäre usw.
2) Appian Syriaka 18: Dort (in den Thermopylen) erbaute Anti-
ochos eine doppelte Mauer und liefs sie mit Schleudermaschinen be-
setzen Nachdem Manius die Vorbereitungen der Feinde erkun-
det hatte, gab er am Morgen das Zeichen zur Schlacht . . . Schon führte
Manius das Heer zum Frontangriff gegen Antiochos vor, in tiefen Mani-
pularkolonnen (eg Xoxovq ögficovc; diijQrjjjLsvrjv). Denn anders war es
bei der Enge nicht möglich. Der König liefs die Leichten und die Pel-
tasten vor der Phalanx Aufstellung nehmen, sie selbst stellte er vor
dem Lager auf; rechts (lies „links", vergl. S. 151 A. 5) von ihr liefs
er die Schleuderer und Bogner auf den Vorbergen, links (lies „rechts")
die Elefanten mit ihrer Bedeckung am Meere Stellung nehmen. Als
der Kampf begann, bedrängten zuerst die Leichten, welche von allen
Seiten her anrannten, den Manius; als er aber energisch ihren An-
sturm ausgehalten hatte, dann zurückgewichen war und zum zweiten
Male vordringend sie geworfen hatte, da liefs die Phalanx, indem sie
zum Durchgehen Raum gab (öiaatäaa) und sich dann wieder schlofs
(owehfiovoa), die Leichten durch und fällte dann die Lanzen
Plötzlich sah man die Flucht der Ätoler usw.
Anhang IL
Übersetzung der Schlachtbericlite von Magnesia.
1) Livius 37, 39, 7 bis 43, 8.
39, 7: Die römische Schlachtreihe war ziemlich gleichartig an
Volksstämmen und Bewaffnung: zwei römische Legionen, zwei Legi-
onen der latinischen Bundesgenossen waren da [es sind die alae
gemeint], jede 5400 Mann stark. (8) Die Römer hatten die Mitte,
die Latiner die Flügel ; die Hastaten bildeten das erste, die Principes
das zweite, die Triarier das letzte Treffen. (9) Aufser dieser, sozu-
sagen eigentlichen Schlachtreihe (iustam aciem) stellte der Konsul
rechts die Peltasten der Achäer und die Hilfstruppen des Eumenes
gemischt in derselben Linie auf, etwa 3000 Mann; jenseits derselben
knapp (minus) 3000 Reiter, von denen 800 dem Eumenes, alle andern
der römischen Reiterei angehörten. (10) Am äufsersten Flügel setzte
er die Trailer und Kreter — beide je 500 stark — an. (11) Der linke
Flügel schien solche Hilfstruppen nicht nötig zu haben, weil der Flufs
mit seinen steilen Ufern hier Deckung gab; 4 Reiterturmen wurden
hier jedoch auch aufgestellt. (12) Das war die Summe der römi-
schen Truppen; ferner wurden 2000 Mann Makedonier und Thraker,
welche freiwillig gefolgt waren, zum Schutze des Lagers zurückge-
lassen. (13) Sechzehn Elefanten setzte man hinter den Triariern an.
Denn abgesehen davon, dafs sie der Überzahl der königlichen Ele-
fanten — es waren 54 — nicht gewachsen waren, leisten die afrikani-
schen Elefanten den indischen selbst nicht bei gleicher Zahl stand . . .
40, 1. Die königliche Schlachtreihe war ungleichartig an Volks-
stämmen und durch die Unähnlichkeit der Bewaffnung und der Hilfs-
truppen. 16000 Mann waren makedonisch bewaffnet; sie hiefsen
Anhang II. Übersetzung der Schlachtberichte von Magnesia. 199
Phalangiten. Dies war das Zentrum, in der Front in 10 Abteilungen
gesondert; (2) diese Abteilungen schied er durch je 2 Elefanten.
Nach der Tiefe betrug die Aufstellung 32 Mann. (3) Dies waren die
Kerntruppen des Königs, und dementsprechend flöfsten sie sowohl
durch ihren Anblick überhaupt, als durch die zwischen den Bewaff-
neten hoch aufragenden Elefanten grofsen Schrecken ein. (4) Ge-
waltig waren sie selber, und ihr Anblick wurde noch gehoben durch
den Stirn- und Kopfschmuck und die Türme auf dem Rücken mit
je 4 Bewaffneten. (5) Rechts von den Phalangiten standen 1500 Gallier
zu Fufs. Daneben 3000 Panzerreiter — Kataphrakten nennt man sie.
Dann kam eine Schar von 1000 Reitern, Agema genannt; es war
eine Elitetruppe von Medern und vielen andern Stämmen jener
Gegenden. An sie schlofs sich eine Schar von 16 Elefanten in der
Reserve an. (7) Ebendort etwas vorgezogen stand die königliche
Leibwache zu Fufs (cohors), Silberschildner nach ihren Waffen ge-
nannt; (8) dann kamen 1200 Daher, Pfeilschützen zu Pferd; dann
Leichte, 3000 Mann, etwa zu gleichen Teilen Trailer und Kreter.
Neben ihnen standen 2500 mysische Bogner. (9) Den äufsersten
Flügel hatten 4000 gemischte kyretische Schleuderer und elymäische
Bogner.
(10) Links von den Phalangiten standen 1500 Gallier zu Fufs
und 2000 ebenso bewaffnete Kappadokier — von König Ariarathes
geschickt — (11) dann 2700 Mann gemischte Hilfstruppen aller Art,
3000 Panzerreiter und 1000 andere Reiter, königliche Garde, in ähn-
licher Bewaffnung, vorn mit leichter Schutzrüstung; meist Syrer mit
Phrygern und Lydern gemischt. (12) Vor dieser Reiterei standen
die Sichelwagen und die sogenannten Dromedarkamele .... (13) Dann
folgte die übrige Menge, wie auf dem rechten Flügel; zuerst die Taren-
tiner, dann 2500 gallische Reiter, dann 1000 Neukreter und in
gleicher Bewaffnung 1500 Karer und Kiliker, dann ebensoviele Trailer
und 4000 Peltasten: Pisidier, Pamphylier, Lykier. Endlich Kyrtier
und Elymäer ebensoviele wie auf dem rechten Flügel und 16 Elefanten
in einiger Entfernung [dahinter].
41. Der König selbst stand auf dem rechten Flügel. Sein Sohn
Seleukos und sein Neffe Antipater befehligten den linken; das Zentrum
stand unter 3 Führen, Minnio, Zeuxis und Philippos, dem Komman-
danten der Elefanten.
(2) Der Morgennebel hob sich mit dem Fortschreiten des
200 Der Syrisch-römische Krieg.
Tages zu Wolken und gab trübe Luft (4) die Königlichen
konnten nicht einmal von der Mitte aus ihre Flügel überblicken,
geschweige von den Flügeln aus; und die Feuchtigkeit hatte die
Bogen, Schleudern und Schwungriemen schlaff gemacht. (5) Auch
die Sichelwagen, durch die Antiochos die Feinde in Verwirrung hatte
bringen wollen, verbreiteten Schrecken in den eigenen Reihen ....
[folgt Beschreibung, wie sie aussahen]. (8) Als Eumenes dies sah
— er kannte nämlich ihre Kampfesart und wufste, wie zweischneidig
dieses Kampfmittel war, wenn man mehr die Pferde scheu mache,
als wirklich angriffe — gab er Befehl, dafs die kretischen Bogner,
Schleuderer und Speerwerfer . . . [Lücke: etwa einige Türmen] der
Reiter nicht geschlossen, sondern so zerstreut wie möglich vor-
gehen und sie von allen Seiten beschiefsen sollten. (10) Dieser
Hagelsturm — so konnte man es nennen — verwirrte teils durch
die Verwundungen von allen Seiten, teils durch das Geschrei die
Pferde so sehr, dafs sie wie toll plötzlich hin und her liefen.
(11) Die leicht Bewaffneten, die flinken Schleuderer und die gewand-
ten Kreter wichen ihnen nun leicht aus, und die Reiterei vermehrte
durch ihre Verfolgung den Lärm und Schrecken bei den Pferden,
Kamelen und den Lenkern selbst, wozu noch das vielfache Geschrei
der anderen Menge hinzukam. (12) So wurden die Wagen aus dem
Felde zwischen den Heeren fortgetrieben; und nachdem das leere
Spiel vorbei war, wurde erst von beiden Seiten das Zeichen zur
wirklichen Schlacht gegeben, und man stürzte zum Angriff.
42. Übrigens wurde jenes leere Spiel bald die Ursache der
wahren Niederlage. Denn die Hilfstruppen, welche nahebei standen,
wurden durch die Angst und Verwirrung der Wagen geschreckt,
wandten sich zur Flucht und entblöfsten alles bis zu den Panzer-
reitern. (2) Als nun zu diesen die römische Reiterei nach Zerstreu-
ung der Hilfsvölker kam, hielt ein Teil von ihnen nicht einmal den
ersten Angriff aus: die einen wurden geworfen, die anderen wegen
ihrer schweren Schutz- und Trutzrüstung niedergeritten. (3) Der
ganze linke Flügel gab jetzt nach und, nachdem auch die Hilfstruppen,
welche zwischen den Reitern und der Phalanx standen, in Verwirrung
gebracht waren, kam die Panik bis zu der mittleren Schlachtreihe.
(4) Sobald hier die Reihen in Unordnung geraten waren und der
Gebrauch der langen Lanzen — Sarissen nennen sie die Make-
donier — durch das Zwischendrängen der eigenen Leute verhindert
Anhang II. Übersetzung der Schlachtberichte von Magnesia. 201
war, griffen die Legionen an und schleuderten ihre Pilen auf die
Verwirrten. (5) Nicht einmal die Elefanten schreckten den römischen
Soldaten ab, der schon von den afrikanischen Kriegen gewohnt war,
dem Angriff des Tieres auszuweichen und es von der Seite mit dem
Pilum anzugreifen oder, wenn er näher kommen konnte, ihm mit
dem Schwerte die Sehnen durchzuhauen. (6) Schon war das Zentrum
fast ganz von vorne niedergeworfen und die hinteren Reihen (subsidia)
wurde vom Rücken umgangen und niedergemacht, als man auf der
anderen Seite die Flucht der Seinigen und das Geschrei der fast
bis zum Lager Geflüchteten vernahm. (7) Denn Antiochos hatte auf
dem rechten Flügel, als er sah, dafs hier im Vertrauen auf den Flufs,
aufser 4 Türmen Reiterei, keine Flügeldeckungen (subsidia) auf-
gestellt waren, und dafs auch diese noch um den Anschlufs an
die Ihrigen zu halten, sich vom Ufer entfernten, mit seinen Hilfs-
völkern und den Panzerreitern den Angriff auf diese Stelle gerichtet.
(8) Und nicht nur von vorn griff er an, sondern er umging von der
Flufsseite her und drängte aus der Flanke, bis zuerst die Reiter,
dann die nachstehenden Fufstruppen in aufgelöstem Laufe nach dem
Lager zurückgeworfen wurden.
43. Kommandant des Lagers war der Militärtribun M. Ämilius
Lepidus, der Sohn des M. Lepidus, der wenige Jahre später Pontifex
maximus wurde. (2) Dieser eilte nach der Seite, wo er die Seinen
flüchten sah mit der Besatzung entgegen, hiefs sie in die Schlacht
zurückkehren und warf ihnen ihre Angst und schmähliche Flucht
vor. (3) Dann drohte er, sie würden blind in ihr Verderben stürzen,
wenn sie nicht gehorchten; zuletzt gibt er Befehl, auf die Flüchten-
den einzuhauen und sie mit Blut und Eisen gegen den Feind zurück-
zubringen. (4) Diese gröfsere Angst besiegte die kleinere. Erst
blieben sie stehen, dann kehrten sie um, und Ämilius hielt mit seiner
Lagerwache — 2000 tapferen Männern — den auf der Verfolguug
schon zerstreuten Truppen des Antiochos stand, und Attalos, des
Eumenes Bruder kam, als er vom rechten Flügel, von dem der linke
feindliche ja beim ersten Angriff geschlagen war, die Flucht des
linken [eigenen] Flügels und das Schlachtgetöse beim Lager gewar
wurde, zu rechter Zeit mit 200 Reitern zu Hilfe. (6) Als Antiochos
sah, dafs diejenigen, deren Rücken er eben gesehen hatte, sich wieder
umkehrten und neue Scharen vom Lager und aus der Schlacht hinzu-
kamen, wandte er sein Pferd zur Flucht. (7) So auf beiden Flügeln
202 £>er Syrisch-römische Krieg.
Sieger, eilten die Römer über die Haufen der Leichen, die sie be-
sonders im Zentrum aufgetürmt hatten, wo die Tapferkeit der Gegner
und ihre schwere Bewaffnung die Flucht gehindert hatten, zur Plünde-
rung des Lagers. (8) Die Reiter des Eumenes zuerst, dann auch
die ganze übrige Reiterei verfolgt auf dem ganzen Felde den Feind
und haut die Hintersten nieder."
2) Appian Syriaka, Kap. 31 — 36, 5.
31: Beide Teile führten ihre Heere noch bei Nacht, um die
letzte Nachtwache, heraus. (2) Sie ordneten so: Den linken Flügel
hatten 10000 römische Hopliten an dem Flusse, und neben ihnen standen
10000 andere Italiker; beide in drei Treffen nach der Tiefe. (3) Nach
den Italikern folgten die Truppen des Eumenes und die achäischen Pel-
tasten, 3000 Mann. So der linke Flügel. (4) Der rechte Flügel aber
waren Reiter, römische, italische und von Eumenes, auch diese nicht
mehr als 3000. (5) Allen waren viele Leichtbewaffnete und Bogner
beigegeben. Und bei Domitius selbst waren 4 Ilen Reiter. (6) So
waren es im ganzen gegen 30000 Mann. Den rechten [lies: linken
vergl. S. 181 A. 1) Flügel befehligte Domitius selber, und in die
Mitte stellte er den Konsul; den linken [lies: rechten] gab er dem
Eumenes. (7) Von den Elefanten, die er von Libyen hatte, hielt er
keinen für brauchbar, da sie weniger und — als libysche — kleiner waren
(die kleineren fürchten sich nämlich vor den gröfseren), und so stellte
er sie alle hinten auf. (8) So standen die Römer.
32: Antiochos hatte im ganzen 70000 Mann, und davon war
der Kern die Phalanx der Makedonier, 16000 Mann, nach der Art
Philipps und Alexanders bewaffnet. (2) Diese stellte er in der Mitte
auf, indem er sie zu je 1600 Mann in zehn Teile teilte. Jeder dieser
Teile hatte in der Front 50 Mann und in der Tiefe 32, an den
Seiten jedes Teiles waren aber 22 Elefanten [soll heifsen: im ganzen
22 Elefanten, s. Beilage I S. 211 A. 3]. (3) Der Anblick der Phalanx war
wie der einer Mauer; der der Elefanten wie von Türmen. (4) Das
war das Fufsvolk des Antiochos; die Reiter waren zu beiden Seiten auf-
gestellt, gallische Panzerreiter [Irrtum, vergl. über ihn und die folgenden
Irrtümer bei Appian S, 210 A. 1 u. S. 2 18] und das sogenannte Makedonische
Agema ; das sind Elitereiter und deshalb heifsen sie Agema. (5) Diese
Truppen standen an beiden Seiten der Phalanx in gleicher Weise.
(6) Nach ihnen hatten den Flügel rechts Leichte und andere Reiter, die
Anhang II. Übersetzung der Schlachtberichte von Magnesia. 203
Silberschildner und 200 [lies; „1200", s. Beil. I S. 211 A. 2] Bogner zu
Pferd; den linken Flügel hatten von gallischen Stämmen die Tektosagen,
Trokmer und Tolistoböer, ferner einige Kappadokier, die Ariarathes
geschickt hatte, und andere gemischte Völker. (7) Dann kamen wieder
Panzerreiter und die sogenannten Hetärenreiter, in leichter Bewaff-
nung. (8) So stellte Antiochos seine Schlachtordnung auf. (9) Und
er scheint auf die Reiter seine Hoffnung gesetzt zu haben, die er in
grofser Zahl in die Front stellte. Die Phalanx aber scheint er aus
Unkenntnis des Krieges auf einen kleinen Raum zusammengedrängt
zu haben, auf die er, da sie gut geschult war, in erster Linie hätte
vertrauen müssen. (10) Es war aber noch eine andere grofse Menge
da von Steinwerfern, Bognern, Speerwerfern und Peltasten, Phrygern,
Lykiern, Pamphyliern, Pisidiern, Kretern, Trailern und Kilikiern, die
wie die Kreter bewaffnet waren. (11) Zu diesen kamen nach andere
Bogner zu Pferd: Daer, Myser, Elymäer, Araber, welche auf den
schnellsten Kamelen sitzen und leicht von oben schiefsen usw.
(12) Und Sichelwagen waren in dem Räume zwischen den Heeren
aufgestellt, um den Kampf zu eröffnen (jiQOJzoXe^elv vov [Aevcbjzov);
sie hatten Befehl, sich nach dem ersten Versuch zurückzuziehen.
33: Es war aber ein Anblick wie von zwei Heeren, von denen
das eine den Kampf eröffnen, das andere unterstützen sollte. (2) Beide
waren durch ihre Menge und ihre Ordnung vorzüglich geeignet,
Schrecken einzuflöfsen. (3) Das Kommando über die Reiter des
rechten Flügels hatte Antiochos selber, über die des linken sein Sohn
Seleukos; das über die Phalanx der Elefantarch Philippos; das
über das Vortreffen Mendis und Zeuxis. (4) Da der Tag aber nebelig
und dunkel war, war die Pracht dieses Aufmarsches nicht zu über-
blicken, und die Geschosse waren bei der feuchten und nebligen Luft
alle schlaff.
(5) Als Eumenes das sah, verachtete er das andere, den Schwung
der Sichelwagen aber, die ihm gegenüber aufgestellt waren, fürchtete
er; deshalb zog er alle Schleuderer und Speerwerfer und andere
Leichte zusammen und befahl ihnen, die Wagen zu umschwärmen und
auf die Pferde statt auf die Lenker zu schiefsen. (6) Denn wenn
das Pferd unlenksam wird, ist der Wagen nicht zu brauchen, und
die übrige Ordnung wird stark gefährdet, da die eigenen Leute vor
den Sichelwagen in Angst geraten. (7) So kam es auch damals.
(8) Denn da die Pferde vielfach verwundet wurden, und sie die
201 Der Syrisch-römische Krieg.
Wagen zu den Ihrigen hinrissen, gerieten zuerst die Kamele in Un-
ordnung, welche neben den Sichelwagen standen; und nach ihnen
die Panzerreiter, welche bei ihrer schweren Bewaffnung den Sicheln
nicht leicht ausweichen konnten. (9) So entstand schon viel Lärm
und mannigfache Verwirrung, die hier begann, sich aber auf das ganze
erste Treffen ([leTaixfMOv, vergl. S. 183 A. 2) verbreitete, und gröfsere
Angst, als der Bedeutung der Sache entsprach. (10) Denn bei der
grofsen Entfernung und der dichten Masse und dem wirren Geschrei
und der grofsen Angst war das, was wirklich vorging, nicht einmal
denen, die nahe dabei waren, erkennbar, die Aufregung aber ver-
pflanzte sich auf alle folgenden in immer grösserem Mafse.
34: Als dem Eumenes so der Anfang gut gelungen und der
Raum zwischen den Heeren (^stalxfiiov), soweit die Kamele und
Wagen reichten, leergeworden war, führte er die eigenen Reiter so-
wie die römischen und italischen, welche ihm zugeteilt waren, gegen
die gegenüberstehenden Gallier und Kappadokier und die anderen ge-
mischten Hilfstruppen (vergl. dazu S. 189 A. 3), indem er laut die
Seinen zum Angriff auf die unerfahrenen und von ihren Vorkämpfern
entblöfsten Gegner aufforderte. (2) Die aber folgten; und da der
Einbruch mit aller Wucht geschah, jagten sie jene und die neben
ihnen stehenden Panzerreiter, welche schon längst durch die Wagen in
Unordnung gekommen waren, in die Flucht. Manche aber, welche wegen
der Schwere nicht fliehen und umwenden konnten, erreichten sie und
hieben sie nieder. (3) So ging es auf dem Flügel links von der
Phalanx. (4) Rechts aber, wo Antiochos selber stand, durchbrach er
die Schlachtreihe der Römer und verfolgte sie weit.
35: Die makedonische Phalanx aber, deren Aufstellung in engem
und tiefem Räume mit Flankierung von Reiterei gedacht war, nahm,
als sie auf beiden Seiten von Reitern entblöfst war, die Leichten,
welche vor ihrer Front kämpften, indem sie Raum gab, in sich auf
und schlofs sich dann wieder. (2) Als aber Domitius sie mit vielen
Reitern und Leichten ohne Mühe eingeschlossen hatte, da sie ja ein
dichtgedrängtes Viereck bildete, konnte sie weder vorgehen noch ihre
tiefe Aufstellung ändern und litt stark. (3) Und sie waren zornig,
dafs sie ihre Kriegserfahrung nicht anwenden konnten und den Feinden
von allen Seiten her ein gutes und leichtes Ziel boten. (4) Gleich-
wohl fällten sie die Sarissen nach den vier Seiten in dichter Reihe
und forderten die Römer zum Nahkampfe heraus und sahen immer
Anhang IL Übersetzung der Schlachtberichte von Magnesia. 205
aus, als ob sie draufgehen wollten. (5) Aber sie gingen nicht vor,
da sie selber schwerbewaffnet zu Fufs waren und sie die Feinde zu
Pferde sahen, besonders aber, um nicht ihre geschlossene Ordnung
zu verlieren; denn sie konnten sich nicht mehr anders formieren.
(6) Die Römer aber nahten ihnen nicht und begannen kein Hand-
gemenge, da sie die Erfahrung und Geschlossenheit der geübten
Männer und ihre Verzweiflung fürchteten; sondern, sie umschwärmend,
schössen sie mit Speeren und Pfeilen. (7) Und kein Geschofs ging
fehl, da viele auf engem Räume standen ; denn sie konnten nicht aus-
weichen und auseinandertreten. (8) So gaben sie nach langer Müh-
sal, weil sie keinen anderen Ausweg sahen, nach und wichen langsam
in drohender Haltung zurück, wohlgeordnet und den Römern Furcht
einflöfsend. (9) Denn nicht einmal jetzt wagten sie sich ihnen zu
nähern, sondern umschwärmten sie nur; bis die Elefanten in der
makedonischen Phalanx in Aufregung gerieten, den Kornaks nicht
mehr gehorchten, und so alles in wilde Flucht sich ergofs.
36: Hier also siegte Domitius, eilte zum Lager und eroberte es
mit Gewalt. (2) Antiochos aber verfolgte seine Gegner von der römi-
schen Schlachtreihe weit, da auch sie keine Reiter und Leichte zur
Bedeckung hatten — denn Domitius hatte keine beigegeben, da er
es wegen des Flusses nicht für nötig hielt — , und gelangte bis zum
römischen Lager. (3) Als ihm aber der Militärtribun, der Lager-
kommandant, mit frischen Truppen entgegentrat und ihn aufhielt
und die Fliehenden, welche sich mit den neuen Truppen mischten,
wieder Mut fafsten und umkehrten, ging Antiochos als Sieger stolz
zurück, ohne noch von der sonstigen Schlacht etwas zu wissen.
(4) Attalos aber, des Eumenes Bruder, kam ihm mit vielen Reitern
entgegen. (5) Durch diese nun schlug Antiochos sich leicht durch, und
als sie noch ihm folgten und ihn umschwärmten, kümmerte er sich
nicht weiter um sie; als er aber die Niederlage überblickte und die
ganze Ebene von Toten voll sah, von Männern, Pferden und Elefanten,
und das Lager schon gestürmt, da floh auch Antiochos ohne anzu-
halten und kam um Mitternacht nach Sardes.
Beilage I.
Heeresstärken.
1. Römer.
Nach den bei Appian erhaltenen Angaben des Polybios1) — die
annalistische Überlieferung bleibt beiseite (s. oben S. 98 f.) — betrug das
Heer, mit welchem der Konsul Acilius Glabrio im Frühling 191 nach
Griechenland übersetzte, rund 20 000 Mann, 2000 Reiter und einige
Elefanten2).
Die Vorhut desselben war schon im Herbste 192 unter dem
Prätor Bäbius übergegangen (Liv. 35, 24, 7). Ihre Stärke wird in der
Polybianischen Überlieferung nicht angegeben. Wir werden sie aber
nach Analogie des 3. Makedonischen Krieges, wo Sicinius mit 5000 Mann
in ganz ähnlicher Weise vorausgesandt wurde (Liv. 42, 36, 8, s. unten
Beilage zum 3. Mak. Krieg), auch nur etwa ebenso stark ansetzen
dürfen. Wie Sicinius (Liv. 42, 47, 11) schickte auch Bäbius noch
während des Winters 2000 Mann von dieser Vorhut zum Schutze von
Larissa nach Thessalien vor (App. Syr. 16; Liv. 36, 10, 10). Es
handelt sich also bei dem Heere des Acilius Glabrio um eine ge-
wöhnliche konsularische Armee von zwei Legionen.
Zu dieser Armee kam dann noch eine gleich grofse Reserve-
armee in Italien (S. 100) und die Mannschaften für eine Flotte von
81 Deck- und etwa 25 kleineren Schiffen (S. 156), so dafs die
Gesamtsumme von 60 000 Mann, welche uns für die römischen
*) s. über das Quellenverhältnis Nissen 177 ff., 194 sowie unten Beilage II S. 216 f.
2j App. Syr. 17 : 'Pw/accZoi . . . rolg tote hoipoig inntvos ^la/ilCoig tccu
nttoTg diopvQiotg xal tlsqaaC noi ÖLaßalovreg. Über die entsprechende Nachricht
bei Livius s. S. 98 A. 2.
Beilage I. Heeresstärken. 1. Römer. 207
Rüstungen angegeben wird1), mit diesen Teilzahlen übereinstimmt.
Die Armee des Glabrio erhielt nach der Angabe des Polybios im
folgenden Jahre die ungewöhnlich starke Ergänzung von 13 000 Mann
zu Fufs und 500 Reitern (S. 99). Die Expedition nach Asien einer-
seits, die Notwendigkeit, den Ätolern gegenüber in Mittelgriechen-
land und Thessalien Truppen stehen zu lassen anderseits, mag der
Grund dieser ausnahmsweise starken Ergänzung gewesen sein.
Dafs die Armee nach einem Marsche von über 1600 Kilometern
(S. 155), z. T. unter grofsen Entbehrungen, in der Schlacht von Magnesia
trotzdem nur gegen 22 000 Mann zu Fufs und 2000 Reiterbetrug2),
steht mit diesen Nachrichten nicht in Widerspruch (S. 99).
Aufser diesen Truppen befanden sich bei Magnesia an griechi-
schen Hilfsvölkern beim Heere (Liv. 37, 39, 9f.; App. Syr. 31):
Pergamener3) zu Fufs; 800 Reiter
Achäer; Peltasten4)
1000 Trailer und Kreter; leichte Truppen
2000 Freiwillige aus Thrakien und Makedonien
16 Elefanten
6000 Mann 16 Elefanten 800 Reiter.
300ol
*) App. Syr. 15 nach Polybios. — Über die Stärke der Truppen, die
Philipp von Makedonien in diesem Kriege aufgeboten hat, ist nichts bekannt. Der
Konsul hatte zwar vom Senate die Weisung erhalten, nicht über 5000 Mann auxilia
anzunehmen (Liv. 36, 1,6). Aber darunter kann das selbständig operierende Korps
des Philipp wohl kaum mit verstanden sein.
2) Livius gibt (37, 39, 7) die Stärke der Legionen wie der Alen in der
Schlacht auf 5400 Mann an. Ob er die Extraordinarii vergessen hat, oder ob sie
hier ausnahmsweise den einzelnen Legionen und Alen zugeteilt waren, wissen wir
nicht. Man wird aber jedenfalls nicht zu hoch über die 20 000 hinaufgehen dürfen,
da Appian (Syr. 31) diese Zahl gibt. — An Reiterei waren in der Schlacht im
ganzen gegen 3000 Pferde zugegen (Liv. a. a. 0. § 9: minus tria milia auf dem
rechten und 4 Türmen auf dem linken Flügel; App. Syr. 31: ob nkeiovg tqigxiIicdv);
davon kamen auf Eumenes 800, Livius ib.
3) Entsprechend hat Eumenes im Winter 191/190 ein mobiles Korps von
2000 Mann und 500 Reitern, mit dem er einen Streifzug in syrisches Gebiet macht
(Liv. 37, 8, 6).
4) caetratis Liv., ntXxaajaC App. — Es sind ohne Zweifel dieselben 1000
Achäer, welche im Sommer 190 bei der Belagerung von Pergamon durch Seleukos
in der Stadt gewesen waren (Liv. 37, 20, 1. App, Syr. 26. Polyb. XXI 9(7).
208 Der Syrisch-römische Krieg.
Somit ergibt sich im ganzen
Fufstruppen
Reiter
Elefanten
Römer 21 600
2000
16
Hilfstruppen 6 000
800
27 600 2800 16
Also ein Heer von rund 30 000 Mann, wie es auch bei Appian
zusammenfassend und zutreffend geschätzt wird (Syr. 31: eyiyvovio
jidvreg eg xqio^vqIovq).
2. Antiochos.
Antiochos hat nach Polybios im Jahre 192 10 000 Mann zu
Fufs, 500 Reiter und 6 Elefanten nach Griechenland übergeführt1).
Bei dem ersten Angriffe der Römer auf Thessalien erlitt der König
dann starke Verluste von etwa 3000 Mann, die in den einzelnen
Städten gefangengenommen wurden2). Trotzdem, und obgleich er
aufserdem noch 1000 Mann nach Elis detachiert und auch in De-
metrias noch eine Besatzung stehen gelassen hatte3), besafs er doch
bei den Thermopylen nach Livius' und Appians übereinstimmender
Angabe noch 10 000 Mann zu Fufs und 500 Reiter. Er mufs also,
wie Livius auch angibt, im Winter ziemlich beträchtliche Nachschübe
aus Asien erhalten, vielleicht auch in Griechenland selbst Werbungen
veranstaltet haben4).
Die Zahl von etwa 10 000 Streitern bei Thermopylä pafst zu
der Ausdehnung seiner Stellung daselbst durchaus (S. 152). Wie
J) Liv. 35, 43, 6. Dafs die Zahl aus Polybios stammt, sagt er ausdrücklich
(36, 19, 11). App. Syr. 12: [astcc [xvqicüv.
2) App. Syr. 17: Aufser den athamanischen Besatzungen rcov 'Avuo%tiiav ig
TQio/iXiovg. Nach Livius werden in Pellinäon und Limnäon 4000 Mann Athamanen
und Antiochener gefangen; in Pharsalos, Scotussa und Pherä eine ungenannte
Zahl, von der 1000 in Philipps Dienste treten (Liv. 36, 14,5. 11).
3j 1000 Mann nach Elis Polyb. XXII 3, 7; Liv. 36, 5, 3. Sie werden erst nach
der Schlacht von Thermopylä zurückgezogen (Liv. 36,31,3). — Besatzung in De-
metrias Liv. 36, 33, 6.
4) Liv. 36, 15, 3: ipse eo (nach Lamia) decem milia fere peditum ex iis, qui
postea venerant ex Asia, expleta et equites quingentos duxit; ebenso 36, 19, 11.
App. Syr. 17: tcöv oiyMtov ntt&v /uvqicov y.ai Inniwv navraxoaiojv. Da die An-
gaben beider Schriftsteller übereinstimmend sich auch für die Landungsarmee des
Antiochos finden (s. A. 1), so wird die allerdings auffällige Wiederholung der-
selben Zahl doch wohl beide Male auf Polybios zurückgehen.
Beilage I. Heeresstärken. 2. Antiochos.
209
viele Truppen nach Asien gerettet sind, wissen wir nicht. Die Nach-
richten über die Verluste bei Thermopylä sind handgreiflich über-
trieben, und die Zahlenangaben der römischen Annalisten natürlich
ohne Wert (Liv. 36, 19, 11. 12; App. Syr. 20).
Für die Armee des Antiochos in Asien im Jahre 190 liegen
zwei sich deckende Angaben vor. Livius beziffert die Fufstruppen
auf 60 000, die Reiter auf über 12 000 Mann (37,37,8); Appian, der
beides zusammenzieht, gibt nach seiner Gewohnheit eine abgerundete
Summe, und zwar die hier entsprechende von 70000 Mann (Syr. 32).
Es kann kein Zweifel sein, dafs beide Angaben auf dieselbe Quelle,
Polybios, zurückgehen und dafs sie sowohl deshalb glaubwürdig er-
scheinen, als auch darum, weil eine solche Armee dem entspricht,
was das syrische Reich auch sonst aufgestellt hatte1).
Besonders wertvoll sind aber in diesem Falle die Einzelangaben
über die Zusammensetzung der Armee, weil sie einerseits die Ge-
samtsumme bestätigen und uns anderseits einen Einblick in den Cha-
rakter dieses Heeres gewähren. Es empfiehlt sich, um dies zur An-
schauung zu bringen, die einzelnen Kontingente nach Waffengattungen
zu ordnen. Dann erhalten wir im Anschlufs an die Nachrichten bei
Livius 37, 40 und Appian Syr. 32 folgendes Bild:
Schweres
Fufsvolk.
Leichtes
Fufsvolk.
Spezial-
waffen.
Reiter.
Phalanx
Gallier
Kappadokier . . . .
Gemischte Hilfstrup-
pen aus verschied.
Völkern
60002)
30003)
20004)
2 7005)
x) Am nächsten liegt zum Vergleich Raphia, wo das Heer des Antiochos
nach Polybios V 79 62 000 Mann zu Fufs, 102 Elefanten und 6000 Reiter betrug,
und der Festzug des Antiochos Epiphanes mit seinen 9500 Reitern Pol. XXXI 3.
2) Liv. 37, 40, 1 ff. App. 32.
3) Je 1500 rechts und links der Phalanx Liv. § 5 und 10. Dafs die Gallier
ebenso wie die Kappadokier und die gemischten Hilfstruppen als Schwer- oder
Halbschwerbewaffnete aufzufassen sind, folgt aus ihrer Stellung in der Schlacht,
s. S. 182 A. 1. Wenn Liv. 37, 18, 7 4000 Gallier genannt werden, so sind Reiter
dabei mitgerechnet, s. S. 211 A. 2.
4) Liv. § 10: similiter armati wie die Gallier, s. vor. A. — Ihr Zuzug
Liv. 37, 31, 4 erwähnt. 5) Liv. § 10: mixti omnium generura.
Kromayer, Antike Schlachtfelder. IL 14
210
Der Syrisch-römische Krieg.
Schweres
Fufsvolk.
Leichtes
Fufsvolk.
Spezial-
waffen.
Reiter.
Königliche Garde (Ar-
gyraspiden) ....
Kreter
Neokreter
Trailer
Karer und Kilikier .
Mysier
Pisidier, Pamphylier,
Lykier (caetrati) .
Kyrtier und Elymäer
(Bogner und Schleu-
derer)
Panzerreiter ....
1000?1)
1 5002)
10002)
30002)
15003)
25004)
40005)
80006)
60007)
') Liv. § 7: regia cohors . . argyraspides a genere armorum appellabantur.
Nach Appian sind diese Argyraspiden Reiter {InntZg aQyvQaani^ag), und man
könnte versucht sein, ihm trotz seiner vielen Flüchtigkeiten in der Schlacht-
ordnung (zusammengestellt bei Nissen, Kr. Unt. S. 195) hier recht zu geben
wegen der Stellung des Korps zwischen den Garde- und dänischen Reitern. In-
dessen ist dieses Moment doch nicht ausschlaggebend; Gardereiter sind zudem
schon vorhanden, während Garde zu Fufs sonst fehlen würde, und die Zahl der
12000 Reiter ist schon ohne dies Korps voll. — Die Gröfse des Korps ist zu
1000 angenommen, weil die Korps der Gardereiter ebensostark waren.
2) 3000 Kreter und Trailer pari fere numero auf dem rechten, und
1000 Neokretes sowie 1500 Trailer auf dem linken Flügel. Liv. § 8 und 13.
Dafs die Trailer, wie die Kreter leichte Truppen sind folgt aus Liv. 31, 35, 1 und
anderen Stellen.
3J Liv. § 13: eodem armatu, wie die Neokreter.
4) Liv. § 8: sagittarii.
5) Liv. § 14: sie werden zwar caetreti genannt, sind aber nach ihrer
Stellung unter den Bognern und Schleuderern am äufsersten linken Flügel und
da sie Bergvölker sind, wohl nicht als halbschwere Peltasten aufzufassen, sondern
als Leichte.
c) 4000 mixti funditores et sagittarii auf dem rechten und paria in dextro
cornu locatis auxilia auf dem linken Flügel. § 9 und 14.
7) cataphracti; 3000 auf jedem Flügel, Liv. §5 und 11.
Beilage I. Heeresstärken. 2. Antiochos.
211
Schweres
Fufsvolk.
Leichtes
Fufsvolk.
Spezial-
waffen.
Reiter.
Gardereiter. 2 Korps:
1) Meder 1000
2) Syrer u. a. 1000
(halbleichte)
Gallische Reiter (leichte)
Dahische „ „
Tarentiner „ „
Elefanten mit Be-
Kamelreiter und Sichel-
Nicht näher bestimm-
bare, aber meist
Leichte Truppen .
ca. 30005)
ca.100006)
54 Elef. u.
270 Mann3)
einige
hundert4)
20001)
25002)
1 2002)
ca. 5002)
Summe der Truppen-
gattungen ....
ca. 27 700
ca. 3 1500
54 Elef. u.
ca. 800 M.
über 12000
Fufsvolk im ganzen .
ca. 60000
über 12 000
1) Liv. §6: ala mille ferme equitum; agema eam vocabant; Medi erant,
lecti viri, et eiusdem regionis mixti multarum gentium equites. § 11: mille alii
equites, regia ala; ähnlich wie die Panzerreiter nur „levioribus tegumentis suis
equorumque". Syri plerique App.: wnXio^vri xovifxof.
2) § 8 und 12: Dahae equites sagittarii. Appian gibt irrtümlich 200 statt
1200 an. — Die Zahl der Tarentiner fehlt. Ich habe 500 eingesetzt, weil damit
„über 12000" für die Gesamtzahl der Reiterei herauskommt, wie Livius verlangt;
als leichte Reiter sind sie bekannt. — Dafs auch die Gallier (§13: Gallograecorum
equitum duo milia et quingenti) solche sind, ist aus ihrer Stellung in der Schlacht-
reihe als äufserste Reiter des linken Flügels zu schliefsen.
3)22 oder 20 bei der Phalanx (App. § 2. Liv. § 2), 32 hinter dem rechten
und linken Flügel, Liv. § 6. 14. Gesamtsumme Liv. 37, 39, 13. Jeder Elefant hat
einen Führer und vier Mann auf seinem Rücken, Liv. § 40, 4.
4) Sie nahmen in der Schlachtreihe nur den Raum vor den Panzerreitern
und der ala regia ein.
5) Diese 13000 Mann finden sich nicht in der Aufzählung der Schlacht-
ordnung. Ahnliche Beobachtungen macht man auch sonst beiPolybios: so für die
Schlacht bei Raphia, wo bei 62000 Mann 10000, das gemischte Korps der Argyras-
piden, in der Schlachtaufstellung, fehlen (Pol. V 79, 4. 82), für Sellasia, wo bei
27 G00 Mann das Korps der Böotier von 2000 Mann nicht aufgezählt ist (Bd. I 228.
14*
212 Der Syrisch-römische Krieg.
Wenn auch in dieser Übersicht nicht alle Posten vollkommen
sicher sind, im Gegenteil einige, sei es der Zahl, sei es der Zuteilung
zu den Waffengattungen nach, nur auf Vermutung beruhen, wie das
aus den beigefügten Anmerkungen hervorgeht, so sind doch diese
unsicheren Posten so sehr in der Minderheit, dafs das Bild des
Ganzen dadurch nicht wesentlich verschoben wird.
Es ergibt sich vielmehr, dafs die kleinere Hälfte des Fufsvolkes
aus schwergerüsteten, die gröfsere aus leichtgerüsteten Truppen be-
stand und die Reiterei verhältnismäfsig sehr stark vertreten war,
so dafs die Stärke der Armee wesentlich in den leichten Truppen
und der Reiterei gelegen hat. Darauf beruhte ja auch Antiochos,
Schlachtplan. Wenn wir dies Heer numerisch mit dem römischen
vergleichen, so finden wir, dafs es ihm um etwas mehr als das
Doppelte an Fufstruppen und mehr als das Vierfache an Reiterei
überlegen gewesen ist.
238) usw. Alle diese Tatsachen haben wohl die gleiche Erklärung, dafs diese Ab-
teilungen zur Lagerbedeckung während der Schlacht bestimmt waren. Bei Magnesia
wird das praesidium castrorum ausdrücklich erwähnt und hervorgehoben, dafs
seine Verteidigung des Lagers den Römern nach dem Siege noch ernstliche
Schwierigkeiten machte (Liv. 37, 43, 10 f. App. Syr. 36). Es kann also nicht ganz
unbedeutend gewesen sein. Aber die Zahl von 13 000 Mann ist dafür allein doch
zu grofs. Sie findet ihre Erklärung wohl darin, dafs ein Teil dieser Mannschaften
als Leichte dem Zentrum zugeteilt war, ohne dafs Polybios es für nötig gehalten
hätte, diese ständige und daher selbstverständliche Einrichtung- aller Diadochen-
heere ausdrücklich zu erwähnen. Dafs auch bei Magnesia die Phalanx Leichte
bei sich hatte, entnehmen wir dem Schlachtbericht selber (S. 183 A. 2.) Es war
auch schon wegen der römischen Velites nötig. Über ihre Zahl s. gleichfalls
S. 183 A. 2, Ende. Auch für die Lagerverteidigung waren Schützen und Leichte
unentbehrlich. Daher müssen diese 13000 Mann zum gröfsten Teil zu den Leichten
gerechnet werden.
Beilage II.
Die Schlachtberichte und ihre Kritik.
„Über die Schlacht bei Magnesia haben wir nur ganz phantasti-
sche Berichte bei Livius und Appian. Sichelwagen, Kamelreiter, die
Aufgebote von 16 verschiedenen Völkern, indische Elefanten, weit
überlegen den afrikanischen, schmücken das syrische Heer. Es ist
den Kömern mehr als doppelt überlegen (nach Florus zwanzigfach,
an Reiterei vierfach); obgleich sehr tief aufgestellt, ist die Front
doch so lang, dafs bei dem nebligen Wetter von der Mitte die Flügel
nicht gesehen werden konnten; nichtsdestoweniger ist von einer Um-
klammerung durch die überschiefsende Masse nicht die Rede. Von
den Römern und ihren Bundesgenossen fielen noch nicht 400, von
den Syrern 53 000."
Nachdem sich Delbrück (Gesch. d. Kriegskunst, Bd. I S. 367)
in seiner Kritik unserer Schlachtberichte in dieser Weise geäufsert
hat, stellt er ferner noch die Anordnung der Phalanx in 10 Haufen
mit den Elefanten zwischen sich zu den „Phantasien des Roman-
schreibers, dem wir die ganze Schlachtschilderung verdanken", weil
diese Aufstellung nach seiner Ansicht so unmöglich sein soll, dafs
selbst die Torheit eines „syrischen Königs, der Hannibal in seinen
Diensten hat und ihn nicht zu benutzen weifs, daran ihre Grenze
hat". Denn — so meint er — Elefanten seien gegen Fufsvolk
überhaupt nicht vorteilhaft zu verwenden, und besonders bei der
Phalanx könnten durch ihr ungleichmäfsiges Vorstürmen leicht breite
Lücken in der Front eintreten, durch welche die Manipeln eindringen
und die Phalangiten aus der Flanke packen könnten.
„Wer noch glaubt," — so schliefst er endlich seine Kritik —
214 Der Syrisch-römische Krieg.
„dafs es methodisch erlaubt und richtig sei, aus solchen Schlacht-
schilderungen durch kritische Sichtung eine historisch vortragbare
Erzählung zu gewinnen, den bitte ich das zunächst bei den Appiani-
schen Schlachtschilderungen von Cannae und Naraggara zu versuchen,
und wenn das gelungen ist, so will ich nichts mehr dagegen haben,
dafs es auch mit Magnesia geschehe."
Ich kann mir eine eingehende Widerlegung dieser Kritik an
diesem Orte wohl um so mehr ersparen, als in der vorstehenden
Schlachtschilderung die Einwürfe Delbrücks durch positive Darstellung
des Herganges widerlegt sind. Von Phantastik im besonderen ist in
unseren Berichten schlechterdings nichts zu verspüren. Die Sichelwagen
und Kamelreiter, die Aufgebote der verschiedensten Völker, die indischen
Elefanten usw. gehören ganz genau ebenso zu den Bestandteilen der
Armee eines Königs von Syrien, wie die Legionen, Alen und die Auxilia
zu denen eines römischen Heeres; und ebensowenig hat eine Armee von
70000 Mann mit mehrfach überlegener Reiterei natürlich irgend etwas
Auffallendes (vergl. S.209 A. 1). Der einzige Einwurf, welcher stichhaltig
erscheint, ist die von Delbrück mit Recht aufgeworfene Frage, weshalb
die syrische Armee bei ihrer Überzahl nicht umklammert habe. Diese
Frage ist in unserer Darstellung dahin beantwortet worden, dafs die
Umklammerung auf beiden Seiten beabsichtigt gewesen ist (S. 186 f.),
dafs sie auf der einen auch wirklich vollzogen, auf der anderen aber
durch das Zerreifsen der Kette vereitelt worden ist (S. 190. 194).
Was nun zum Schlüsse die Aufstellung der Phalanx und
der Elefanten betrifft, so liegt hier den Delbrückschen Ein-
würfen die landläufige falsche Vorstellung von den Operationsbedin-
gungen und der Aufstellungsart der Phalanx in der Diadochenzeit zu
gründe. Man pflegt sie als eine viel zu starre, unbehilfliche und
vor allem ungegliederte Linie anzusehen. Sie hat aber auch
damals ihre Gliederung in der Front, ihre wenn auch kleinen
Intervalle zwischen den einzelnen Abteilungen und eine gewisse Frei-
heit in den Bewegungen der einzelnen Haufen gehabt, aus denen sie
zusammengesetzt war1). Das hat ihrer Konsistenz keinen Schaden
2) Für die Phalanx Philipps II. und Alexanders d. Gr. ist das allgemein
anerkannt. Man vergleiche darüber die Bemerkungen von H. Droysen, Heerwesen
118 und Delbrück Kriegsk. I S. 147,3. Für die Zeit der Diadochen kommt es am
deutlichsten in dem Bericht über die Schlacht von Mantinea 207 v. Chr. zum Vor-
Beilage II. Die Schlachtberichte und ihre Kritik. 215
getan und ihre Operationsfähigkeit überhaupt erst ermöglicht; denn
nur so konnten die bei langen Fronten unvermeidlichen seitlichen
Schwankungen unschädlich gemacht werden. Diese Lücken konnten
bei der sehr tiefen Aufstellung der Phalanx, wenn Gefahr war, dafs
der Gegner in gröfserem Haufen sich eindrängte, durch die hinteren
Glieder geschlossen werden.
Wenn nun Antiochos bei Magnesia diese stets vorhandenen
Intervalle vergröfsert und mit Elefanten und den zugehörigen Schützen
und leichten Truppen, die zu Fufs neben ihnen zu kämpfen pflegten
(S. 181), ausgefüllt hat, so liegt der Grund für diese Mafsregel wohl
wesentlich mit in der defensiven Rolle, die er, wie weiter oben aus-
geführt ist, seiner Phalanx in der Schlacht zugedacht hatte. Die lange,
stehende Phalanxfront war gegen Beschiefsung aus der Ferne wehrlos.
War sie dagegen in Haufen von nur 50 Mann Front gegliedert, zwischen
denen Elefanten und Leichte standen, so war damit ein Element ge-
geben, welches zu kecke Angriffe feindlicher Schützen fernhielt.
Aber auch für den Angriff, der ja doch auch bei Magnesia nach
dem Plane des Königs natürlich zuletzt erfolgen mufste, scheint mir
die Vereinigung von Phalanxhaufen mit Flankendeckung durch Ele-
fanten und Schützen nicht so verkehrt, wie Delbrück annimmt. Er
glaubt, dafs die Elefanten schwer mit der Phalanx hätten gleichen
Schritt halten können und dann die Flanken entblöfst worden wären.
Möglich, aber nicht bewiesen. Die Elefanten werden darauf ein-
exerziert gewesen sein, sich an die Flügel ihres Haufens zu halten.
Solch eine einschneidende Einrichtung trifft man doch nicht erst im
letzten Moment vor der Schlacht. Auf diese Weise erhielten dann
die einzelnen Gevierthaufen der Phalanx vollere Aktionsfreiheit, bei
glücklichem Verlaufe vorzugehen, ohne an ihre Nachbarn gebunden
zu sein. Denn darin bestand ja gerade für die Phalanx die Gefahr,
dafs bei längeren Gefechtsstockungen auf einzelnen Punkten der Front
und glattem Erfolg auf anderen die Phalanxteile sich verschoben, aus-
einanderrissen, dadurch isoliert wurden und verloren waren.
Ich sehe also in der Mischung der Phalanxhaufen mit Elefanten
schein, Bd. I S. 296. 303. — Aber auch in anderen Schlachten dieser Zeit, wie
bei Kynoskephalä (S. 81 f.), in den Thermopylen (S. 153 A. 1), bei Pydna (s. unten
Kap III) zeigt sich eine gröfsere Unabhängigkeit der einzelnen Regimenter von-
einander und eine gröfsere Freiheit der Bewegungen im einzelnen, als man ge-
wöhnlich annimmt.
216 Der Syrisch-römische Krieg.
und Leichten einen sehr beachtenswerten Versuch, die Phalanx-
teile selbständiger und aktionsfähiger zu machen. Ob er wirklich
praktisch erfolgreich sein würde, ist natürlich eine andere Frage,
die aber die nach der Tatsächlichkeit des Experimentes gar nichts
angeht —
Wenn so die sachlichen Einwürfe Delbrücks in sich zusammen-
fallen, so bleibt nur noch seine zum Schlufs angeführte Berufung auf
die Unzuverlässigkeit Appians in anderen Schlachtberichten, wie
denen von Kannä und Zama, zu erörtern übrig.
Diese Schlufsfolgerung ist völlig unberechtigt. Denn Appian ist
ja ein Kompilator und wiegt für sich selbst betrachtet federleicht,
besonders in militärischen Dingen. Man mufs daher in jedem
einzelnen Falle fragen, woher er seine Nachrichten hat. Seine
Hintermänner sind es, mit denen wir zu tun haben.
Mag er also bei anderen Gelegenheiten, wo er anderen Quellen
folgt, so phantastisch sein, wie er will, was geht uns das bei
Magnesia an?
Damit kommen wir aber auf die Quellenfrage für diese Schlacht
zu sprechen, und zwar nicht nur für Appian, sondern auch für Livius.
Denn da wir auf diese beiden Berichte unsere Rekonstruktion der
Schlacht aufgebaut haben, so ist es Pflicht, den Leser kurz über die
beiden Fragen zu orientieren, was uns dazu veranlafst hat, die Be-
richte dieser beiden unmilitärischen Schriftsteller so hoch einzu-
schätzen, und inwiefern die Methode des eklektischen Verfahrens,
welches wir befolgt haben, durch die Queilenverhältnisse gerecht-
fertigt wird.
Dafs der Bericht des Livius auf Polybios zurückgeht, ist seit
Nissens grundlegenden Untersuchungen (Krit. Unters. S. 194 ff.) all-
gemein anerkannt und bedarf daher keiner weiteren Ausführungen.
Aber gegen die Zurückführung des parallelen Berichtes des Appian
über die Schlacht wie über den ganzen Feldzug, den Nissen gleich-
falls aus Polybios ableitet, hat sich die gewichtige Stimme Th.Mommsens
erhoben (Rom. Forsch. Bd. II S. 511 ff.)
Mommsen glaubt zwar — und das ist ja auch bei der durch-
gehenden Ähnlichkeit beider Berichte gar nicht anders möglich — ,
dafs die Berichte des Livius und Appian in letzter Linie auch beide
auf denselben Urbericht zurückgehen. Aber er sieht als solchen
nicht Polybios, sondern eine römische Monographie über den Syrischen
Beilage II. Die Schlachtberichte und ihre Kritik. 217
Krieg an, aus welcher einerseits Polybios -Livius, anderseits ein
römischer Annalist und Appian geschöpft hätten.
Zugegeben einmal, dafs diese Vermutung das Richtige träfe, so
würde dadurch für die spezielle Frage, die uns hier beschäftigt, kaum
etwas Wesentliches geäudert. Polybios hätte dann den Urbericht im
wesentlichen unverändert in seine Erzählung aufgenommen, was
daraus folgen würde, dafs er bei Livius und bei Appian in so überein-
stimmender Weise vorliegt; und wir hätten damit an Stelle der achäi-
schen, rhodischen und pergamenischen Quellen, welche dem Polybios
nach der gewöhnlichen Annahme vorgelegen haben, dieses Mal eine
römische. Beide Quellengruppen aber sind für uns gleich wesenlos;
beide erhalten erst dadurch, dafs ein Mann wie Polybios mit seinem
kritischen und militärischen Verständnisse sie sich aneignet, Wert
und Bedeutung.
Aber Mommsens ganze Ausführungen sind mit Recht auf Wider-
spruch gestofsen und haben, soweit ich sehe, nirgends Zustimmung
gefunden. Ed. Meyer ist ihnen mit so überzeugenden Gründen ent-
gegengetreten, dafs man sich ihnen nur anscbliefsen und kaum noch
etwas hinzusetzen kann1). Es ist danach als ausgemacht anzusehen,
dafs auch der Bericht des Appian auf Polybios zurückzuführen ist.
!) Rhein. Museum N. F. 36 (1881) S. 120 ff. — Nach Meyer ist die Frage
noch von Ed. Kumpel „Die Quellen zur Gesch. des Krieges d. Römer gegen Anti-
ochos III", Hamburg 1893, Progr. Weidenallee, untersucht worden. Kumpel stellt
sich auch ganz auf die Seite von Nissen-Meyer, bringt aber kaum etwas Neues.
Verwendbar und, soweit ich sehe, für die Nissen-Meyersche Ansicht noch nicht
verwendet scheint mir die starke Hervorhebung des Domitius gegenüber dem Konsul
Scipio bei Appian zu sein. Domitius wird in den sechs Kapiteln von 30 bis 36
achtmal und stets als führende Persönlichkeit genahnt, der Konsul nur einmal und
als Puppe 31,6: Domitius lg to /usaov avibv i'GTr] tov vncaov. Das stimmt nicht
recht zu einer Monographie eines Scipio über den Krieg, wie Mommsen sie als
Urquelle annimmt. Auf griechische, speziell achäische und rhodische Quellen
und damit auf Polybios weist ferner die breite Erzählung von Diophanes' Helden-
stückchen vor Pergamon, die auch Appian (Syr. 26) hat, sowie die ausführliche
Erzählung des Seekrieges (Syr. 24); endlich ist die Schilderung der Panik und
deren umständliche Erklärung acht polybianische Art (S. J90A.1). Damit soll
soll natürlich nicht behauptet werden, dafs Appian direkt aus Polybios geschöpft
habe. Die ohne Zweifel vorhandenen Diskrepanzen zwischen ihm und Polybios in
diesem ganzen Teile des Appianischen Werkes erklären sich vielmehr am ein-
fachsten, wenn man mit Ed. Schwartz (bei Pauly-Wissowa II 219 ff.) Benutzung
durch das Mittelglied eines römischen Annalisten annimmt. Was den Schlacht-
218 l*er Syrisch-römische Krieg.
Somit steht also die Quellenfrage fest und damit die anzu-
wendende kritische Methode.
Wir besitzen zwei Bearbeitungen desselben ausführlichen und,
wie schon der Name des Autors lehrt, militärisch guten Schlacht-
berichtes, Bearbeitungen, die zwar beide gekürzt sind, wie das die
konstante Arbeitsart der beiden Autoren mit sich brachte, aber beide
je nach der Individualität, der Willkür, der patriotischen Stellung
der Bearbeiter verschieden gekürzt sind. So läfst sich insonder-
heit beobachten, dafs in dem ersten Teile, der Schlachtaufstellung,
Livius weit ausführlicher und genauer ist, im zweiten dagegen, in
der Erzählung der Schlacht selber, Appian beträchtlich mehr gibt.
Das gilt vor allem für den Kampf im Zentrum und auf dem römi-
schen linken Flügel, wo Livius aus patriotischen Rücksichten den
Gang der Dinge sehr kurz und noch dazu verschleiert geschildert
hat (s. S. 191, A. 2. 194, A. 4).
Es ist eine allgemein beobachtete, in der Natur der Sache
liegende Erscheinung, dafs Berichte, welche verkürzend einen län-
geren Originalbericht wiedergeben, um so unzuverlässiger zu werden
pflegen, je mehr sie zusammenziehen. Besonders ist das für den
flüchtigen Appian von Nissen unwiderleglich nachgewiesen (Krit.
Unters, S. 114 ff., für Magnesia S. 195), und anderseits leidet natür-
lich die Treue, wenn, wie hier bei Livius, patriotische Motive mit
unterlaufen.
Auf diesen Voraussetzungen beruht die in unserer Darstellung
befolgte Methode: Beide Berichte sind zur Rekonstruktion heran-
zuziehen. Wo sie übereinstimmen — und das ist in den meisten
Punkten der Fall — , können wir ihnen mit Vertrauen folgen; denn
da haben wir den festen Grund Polybianischer Auffassung vor uns.
bericht selber betrifft, so kann ich allerdings Schwartz nicht zustimmen, wenn er
die Abweichungen Appians von Livius auf diesen Mittelsmann zurückführt. Viel-
mehr glaube ich, dafs Appian sowohl bei der Schilderung des Kampfes zwischen
Antiochos und Attalos (vergl. S. 194 A. 4) als bei der Ankündigung der Schlacht
(vergl. S. 173 A. 4) und in der Darstellung der Rolle des Domitius der Wahrheit
und der Polybianischen Darstellung näher steht als Livius. Überhaupt ist der
Einflufs des Mittelsmannes gerade in den rein militärischen Partien kaum zu
spüren, wie Schwartz ihn denn auch selbst nicht sehr hoch anschlägt, wenn er
(S. 221) sagt, dafs er „in breiten Massen die nur leicht verfälschte Polybianische
Überlieferung in die Erzählung hineingeleitet habe".
Beilage II. Die Schlachtberichte und ihre Kritik. 219
Wo sie voneinander abweichen, ist der ausführlichere vorzuziehen,
wenn nicht etwa im Einzelfalle spezielle Gründe dagegensprechen.
So ist für den ersten Teil besonders Livius, für den zweiten be-
sonders Appian zugrunde zu legen.
Dasselbe Verfahren gilt bei den gleichen Quellenverhältnissen
natürlich auch für die Schlacht von Thermopylä und überhaupt für
den ganzen Krieg.
Beilage III.
Zur Chronologie des Römisch-syrischen Krieges.
Die Ereignisse des Jahres 191 sind, glaube ich, chronologisch
etwas anders, als bisher geschehen ist, anzusetzen, und sollen daher
hier im Zusammenhange besprochen werden.
Im Herbst 192 war Antiochos in Griechenland angekommen, zu
einer Zeit, die bereits als ungeeignet für die Schiffahrt bezeichnet
werden konnte (tempore ad navigandum immaturo Liv. 35, 44, 3), d. h.
also Ende Oktober oder Anfang November1). Die Besetzung von
Demetrias, das erste Erscheinen des Königs vor der ätolischen Ver-
sammlung in Lamia, die verunglückte Expedition gegen Chalkis, die
Absendung von Gesandtschaften nach Böotien und Achaja, die zweite
Expedition nach Chalkis, nachdem das Scheitern der diplomatischen
Aktion in Achaja bekannt geworden war, die Verlegung des Haupt-
quartieres dahin, die Einnahme von ganz Euböa, der Empfang ver-
schiedener griechischer Gesandtschaften, die Reise des Königs nach
Theben nehmen die zwei letzten Monate dieses Jahres voll in An-
spruch2).
x) „Die Jahreszeit, in welcher das häufige Auftreten dieser stürmischen
südlichen Winde (des Notos) die Schiffahrt gefährdet, währt von Anfang November
bis in den März." Neumann-Partsch, Geogr. v. Griechenl. S. 113. — Zon. IX 19
P I 451 A: ^ei/uoövog ovroq.
2) Den Bericht darüber s. Liv. 35, 43, 7 bis Schlufs. Niese II 691 ff. —
Der Marsch von Demetrias nach Chalkis beträgt etwa 240 Kilometer, das sind
acht starke Marschtage, den Marsch zu 30 Kilometern gerechnet, was bei so
kleinen Entfernungen angeht. Bei der ersten Expedition haben die Truppen des
Königs den gröTseren Teil dieses Weges von Lamia bis Chalkis (etwa 156 Kilo-
meter) sicher zu Fufs zurückgelegt (Liv. 35,46,3: per Phocidem — ad Chaero-
Beilage III. Zur Chronologie des Römisch-syrischen Krieges. 221
In der Mitte des Winters (hieme, quae tum fere media erat,
Liv. 36, 6, 10) wird dann der Feldzug gegen Thessalien beschlossen
und Ätolern wie Athamanen Termin zur Heeresversammlung bei
Pherä angesetzt, vor ihrer Ankunft noch der Tumulus auf dem Schlacht-
felde von Kynoskephalä errichtet (Liv. 36, 8, 2 f.). Zehn Tage dauerte
dann die Belagerung von Pherä (intra decimum diem quam Pheras
venerat Liv. 36, 10, 1); dann geht es nach Krannon, von da nach
Westthessalien, Kierion und Metropolis, endlich wird der Marsch des
Hauptheeres (Liv. 36, 10, 1. 2) nordostwärts zurück nach Larissa ge-
lenkt. Zu gleicher Zeit haben Detachements von den Truppen des
Königs selber, ferner von den Ätolern und Athamanen Skotussa, den
noch freien Teil des westlichen Thessaliens am oberen Peneos und ein
Stück von Perrhäbien im Norden unterworfen. Widerstand ist hier
nirgends mehr geleistet worden1). Nur Larissa, Atrax, Gyrton sind
noch frei. Vor Larissa finden sich alle Abteilungen wieder zusammen;
aber der König verweilt hier nur einen Tag (Liv. 36, 10, 13), weil ein
römisches Entsatzkorps auf dem Melunapafs erschienen ist und er sich
in der Wiriterzeit auf keine langdauernde Belagerung mehr einlassen
will2). Bei den kleinen Entfernungen und den schnellen Erfolgen des
Königs (bis raptim peractis Liv. 36, 5, 6) wird man die Zeit nach der
Eroberung von Pherä auf kaum mehr als 14 Tage veranschlagen
dürfen. Die Expedition hat dann etwa den Januar ausgefüllt. Dann
neam); den ersten Teil vielleicht zur See (Liv. 35,43,8: Phalara inde Lamiam).
Bei der zweiten ist der ganze Weg von Demetrias bis Chalkis von dem Haupt-
heere zu Fufs gemacht (Liv. 35,50, 7: cum omni classe Polyxenidam mittit ipse
paucos post dies sex milia suorum militum . . . duxit). Das ergibt schon fast einen
Monat Marschtage. — Verhandlungen in Lamia Liv. 35, 45 f. — Beratungen wegen
Absendung von Gesandten nach Achaja usw. nach der ersten Expedition nach
Chalkis Liv. 35, 47, 2; Unternehmung der zweiten nach dem Scheitern der Mission
Liv. 35, 50, 6. — Gesandtschaften in Chalkis und Reise nach Theben Liv. 36, 5. 6.
}) Liv. 36, 10,5. — Als Eroberung der Athamanen wird hier nur Pellinäum
genannt, während die Römer ihnen kurz darauf auch die Städte Äginion, Erikinion,
Gomphoi, Silana, Trikka, Meliböa, Phaloria wiederabnehmen (Liv. 36, 13, 6), also
ganz Westthessalien. Das ist wohl mit Niese II 652, 5 so zu erklären, dafs die
Athamanen diese Städte schon im Frieden von 197 erhalten hatten.
2) Liv. 36, 10, 10: App. Claudius . . . in iugum montium, quod super Gonnos
est, pervenit. Gonnoi liegt am Eingang des Tempetales, vom Pafs aus sah man in
Larissa die Wachtfeuer. Es ist m. W. die einzige ausdrückliche Erwähnung des
Melunapasses im Altertum. — Die Worte des Livius 36, 10, 13 : hiemem instare
sind bei Matzat S. 197 richtig als Übersetzungsfehler des Livius erklärt.
222 Der Syrisch-römische Krieg.
geht der König nach Chalkis und Böotien zurück in die Winter-
quartiere (Liv. 36, 11, 1 — 3).
Mit dem Anfange des Frühlings ist er aber schon wieder auf
den Füfsen (principio veris Liv. 36, 11, 4 = App. Syr. 16). Er kon-
zentriert seine Truppen bei Chäronea und läfst sie durch das innere
Atolien nach Akarnanien gehen, wo sie bis Tyrrheon gelangen (Liv.
36, 11, 4 f.; 12,7). Diese Entfernung ist unter Berücksichtigung des
schwierigen Gebirgslandes auf über 200 Kilometer, der Rückmarsch
an die Thermopylen auf fast 200 Kilometer, die Zeit daher auf etwa
20 Marschtage zu veranschlagen.
Die Zeit des Aufenthaltes des Königs in Akarnanien fiel in die
Periode des tempus anni iam maturum ad navigandum (Liv. 36, 12, 11).
Also Ende März1), so dafs wir als die Zeit dieser akarnanischen Ex-
pedition etwa Anfang März bis Anfang April ansetzen können.
Während dieser Abwesenheit des Königs brachen die Römer in
Thessalien ein (Liv. 36, 13,3: in Acarnania tum Antiochus erat).
Der Konsul Glabrio hatte seiner Armee den Versammlungstermin
nach Brundisium bereits auf den 26. Januar angesetzt. Das Datum
steht darum ganz fest, weil durch die im folgenden Jahre stattgehabte
Sonnenfinsternis die Kalenderverschiebung bis auf den Tag konstatiert
werden kann2). Wir haben daher den Übergang über das Ionische
Meer wohl jedenfalls noch in den Februar zu setzen3), und da die
') Neumann-Partsch fährt nach den oben S. 220 A. 1 zitierten Worten fort:
„Noch um die Zeit des Frühlingsäquinoktiums kann man mit einiger Sicherheit
auf einen bösen Südsturm rechnen, den „Vierzig Heiligensturm" der Neu-
griechen."
2) Liv. 36,3, 13: Brundisium idibus Mais convenirent. — Über die Sonnen-
finsternis am 11. Quinctilis = 14. März 190 s. oben S. 112. Danach fallen die Iden
des Mai 191 entweder auf den 4. Januar oder auf den 26., je nachdem das Jahr
den Schaltmonat gehabt hat. Da der 4. Januar für die Versammlung des Heeres
zu früh erscheint, so bleibt nur der 26. übrig. Das Ende des Amtsjahres des
Glabrio fällt nach derselben Berechnung bestimmt auf den 17. November 191, da
für die Zeit vom 11. Quinctilis bis zum Schlufs des Amtsjahres Glabrios am
14. März rückwärts gerechnet die Frage des Schaltmonats, der ja im Februar ein-
gelegt wurde, nicht in Betracht kommt.
3) Dem widerspricht nicht, dafs die Achäer in ihrer im November statt-
findenden Herbstversammlung (Freeman S. 648) dem Antiochos den Krieg erklärt
haben wollen T£iQatur)vq) 7iq6t&qov rrjg 'Pwfxatiav diaßaatioq (Pol. XXXIX 3 (14 Hu.), 8.
Denn von November bis Februar konnte man bei gutem Willen 4 Monate rechnen.
App. Syr. 15,31: <os a/ua tw rJQt dtaßcdovvreg.
Beilage III. Zur Chronologie des Römisch-syrischen Krieges. 223
Entfernung von Apollonia nach Larissa etwa 383 Kilometer beträgt,
so wird man selbst unter Berücksichtigung des schwierigen Pindos-
überganges über den damals ohne Zweifel noch tiefverschneiten Pafs
von Metzovo (s. oben S. 107 A. 1) und trotz der ungünstigen Jahres-
zeit die Zahl der Marschtage doch kaum höher als auf etwa 30 be-
messen können1). Danach wäre der Konsul noch im Laufe des März,
spätestens im Anfang April in Thessalien eingetroffen. Schon einige
Zeit, aber kaum sehr lange vorher, waren Philipp und Bäbius mit
den Vortruppen der Armee über Makedonien nach Thessalien ein-
gerückt und hatten, ohne grofsen Widerstand zu finden, Nord- und
Westthessalien eingenommen2). Der Konsul gönnte seinen von der
Überfahrt und dem Gebirgsmarsche erschöpften Truppen in Larissa
einige Tage Ruhe (ad reficienda maxime iumenta, quae et naviga-
tione et postea itineribus fatigata erant, p au cos Larissae moratus
dies Liv. 36, 14, 10) und brach dann über Krannon, Skotussa, Pherä,
Pharsalos nach Proerna und Thaumakoi, d. h. über den Pafs von
Domoko nach dem Spercheostal und Thermopylä auf. Da er nirgends
auf ernsthaften Widerstand stiefs, sondern sich die Besatzungen des
Königs überall schnell ergaben3), so können wir für diesen Durch-
marsch, selbst bei allergröfster Langsamkeit, für die aber in den Ver-
hältnissen kein Grund zu finden ist, nicht mehr als ein paar Wochen
rechnen und kommen damit für die Schlacht von Thermopylä selber,
die gleich nach Ankunft der Römer vor dieser Stellung stattfand, doch
immer erst auf Ende April.
y) Das wären auf den Marschtag ohne Ruhetage nur 12—13 Kilometer,
2J Liv. 36, 13: Bäbius nimmt Phakion „primo impetu" und Phästos „eadem
celeritate", besetzt dann die Städtchen Erition und Kyretiä in Perrhäbien ohne
Widerstand (occupat), endlich Mallöa „sub adventum Romani exercitus". Das
alles hat also nur wenig Zeit in Anspruch genommen. Die westthessalischen
Städte, die früher zum gröfsten Teil makedonisch gewesen waren, jetzt den Atha-
manen gehörten (s. oben S. 221 A. 1), scheinen sich aus alter Sympathie sofort
wieder an Makedonien angeschlossen zu haben, sonst wäre eine Eroberung dieser
z. T. sehr festen Städte überhaupt kaum so schnell möglich gewesen (vergl. oben
Flamininus' Versuche S. 55).
3) Liv. 36, 14, 11 ff. : venienti — heifst es — Pharsalus et Scotussa et
Pherae . . deduntur . . Proernam inde recepit et quae circa castella erant. ducere
tum porro in sinum Maliacum coepit. Nach der sofortigen Eroberung von Thau-
makoi, der einzigen Stadt, die Widerstand versucht, bricht das Heer altero die
nach dem Spercheos und Hypata auf.
224 ^er Syrisch-römische Krieg.
Diese ungewöhnlich frühe Eröffnung des Feldzuges durch die
Römer erklärt sich zur Genüge aus der allgemeinen Lage, Man
wufste in Rom, dafs Antiochos schon im Herbste in Griechenland
gelandet war und im Frühjahr seine grofse Armee nachziehen wollte.
Es galt also zuvorzukommen. Daher die Truppenaushebungen in
Italien noch vor Antritt der neuen Konsuln durch die alten Beamten1),
daher die Überraschung des Antiochos, der offenbar noch vor An-
kunft der Römer seinen Feldzug in Akarnanien hatte beenden wollen,
daher die Zwangslage des Königs, noch vor Ankunft seiner Armee
aus Asien sich in den Thermopylen stellen zu müssen, daher aber
auch für uns die Nötigung, den Termin dieser Schlacht nicht weiter
in den Sommer hineinzuschieben.
Dies Resultat steht nun allerdings mit Matzats Berechnung, der
die Schlacht auf den 22. Juni verlegt, in Widerspruch2). Es ist da-
her zur Stütze unseres Ergebnisses sowie zur Feststellung der folgen-
den Ereignisse selbst nötig, den weiteren Fortgang der Operationen
auf ihre chronologische Fixierung hin zu untersuchen.
Nach der Schlacht erfolgt zunächst der Zug des Konsuls Glabrio
nach Chalkis, woselbst ein Aufenthalt von wenigen Tagen (post paucos
dies) zur Entgegennahme der Unterwerfung der übrigen Städte Euböas
genommen wird (Liv. 35, 21, 1 — 3). Der Marsch hin und zurück bis
Heraklea beträgt etwa 280 Kilometer über Böotien (Koronea wird
berührt, Liv. 36, 20, 3), d. h. bei langsamem Marsche und Entgegen-
nahme der Unterwerfung der einzelnen Städte, etwa 19 Marschtage.
Mit dem Aufenthalt in Euböa wird man gegen 1 Monat rechnen können.
Es folgt die Belagerung von Heraklea (Liv. 36,22,1 — 24,12): Rekognos-
zierung der Lage, Verteilung der Truppen in vier Lager, Herrichtung
') Liv. 35,41,5: dilectum habere L. Quinctius consul iussus, ne quid mora-
retur, quominus consul novus, quo senatus censuisset, extemplo pro-
ficisci possit.
2) Matzat S. 197 kommt zu seiner Ansetzung lediglich aus dem Grunde,
weil nach Livius 36,21,10 die Ovation des M. Fulvius Nobilior über Spanien,
welche nach den Fasten auf den 17. Dezember = 24. August unserer Rechnung
fällt, „per eosdem dies" abgehalten wurde mit der Uberbringung der Siegesnach-
richt in Rom durch Cato. Dies Argument scheint mir ohne Belang zu sein. Die
ganz vereinzelt stehende Notiz über den spanischen Triumph mufste irgendwo in
die Erzählung eingeschoben werden, wo von der Stadt Rom die Rede war. Eine
solche Stelle fand sich bei der Siegesbotschaft des Cato in Rom. Man darf das
„per eosdem dies" unter diesen Umständen nicht so pressen.
Beilage III. Zur Chronologie des Römisch-syrischen Krieges. 225
der Belagerungswerkzeuge, Sturmböcke usw. (intra paucos dies 22, 9),
dann Sturm 24 Tage hintereinander (per quattuor et viginti dies 23, 6),
endlich Erstürmung. Zeit mindestens 1 Monat. Daran schliefsen sich
die Verhandlungen mit den Ätolern in Hypata an, wobei zweimal ein
zehntägiger Waffenstillstand zur Einholung von Instruktionen usw.
gewährt wird (Polyb. XX 9, 5. 10,12; Liv. 36, 37, 3. 28,8); endlich
nach dem Scheitern der Verhandlungen nach Ablauf des zweiten
Waffenstillstandes (Pol. XX 10, 17) fafst der Konsul den Entschlufs,
nach Naupaktos zu ziehen, nachdem die Kunde von den dortigen
Rüstungen der Ätoler bei Heraklea eingetroffen ist (Liv. 36, 30, 1).
Nach Absendung einer starken Vorhut zur Besetzung der Pässe be-
steigt der Konsul die Pyra, um dem Herakles zu opfern (2158 Meter,
1 — 2 Tage), dann bricht er nach Naupaktos auf. Der Marsch dahin be-
trägt nach den Luftlinien der Teilstrecken zwar nur etwa 90 Kilometer,
aber bei dem äufserst schwierigen Gebirgscharakter und der doppelten
Pafsübersteigung des Korax (Liv. 36, 30, 4: mons est altissimus —
ibi et iumenta multa ex agmine praecipitata . . sunt et homines vexati;
vergl. Neumann-Partsch S. 159 f.) mufs man auf den Weg doch
mindestens etwa 8 Tage rechnen. Zeit also zusammen: seit Eroberung
von Heraklea über 1 Monat. Endlich folgt die Belagerung von Nau-
paktos selber, die bis zur Ankunft des Flamininus 2 Monate dauert
(Liv. 36, 34, 1: iam per duos menses . . oppugnabatur). Fassen wir
das alles zusammen, so erhalten wir:
Zug nach Chalkis etwa 1 Monat
Belagerung von Heraklea mindestens 1 „
Verhandlungen mit den Ätolern und Marsch nach
Naupaktos mehr als 1 „
Belagerung von Naupaktos 2 „
Summe mehr als 5 Monat
Nun hören wir aber, dafs bei der Ankunft des Flamininus nach
Naupaktos das Amtsjahr des Konsuls, welches am 17. November endete
(s. oben S. 222 A. 2), noch nicht abgelaufen war (Liv. 36, 34, 8: iam
prope annus circumactus sit imperii tui), und dementsprechend wird
auch Glabrio noch nach der Aufhebung der Belagerung wiederholt
als Konsul bezeichnet (Liv. 36, 35, 7. 8. 9. 14). Daher kann diese Auf-
hebung nicht später als Ende Oktober bis Anfang November und
damit die Schlacht von Thermopylä nicht später als Ende Mai fallen.
Es steht aber auch nichts im Wege, alle die genannten Ereignisse
Kromaycr, Antike Schlachtfelder. II. 15
226 Der Römisch-syrische Krieg.
um einen Monat weiter vorzurücken und damit die Schlacht in den
April zu setzen, wie es die früheren Erwägungen verlangten.
Es fragt sich, ob die sonstige Überlieferung für eine solche Vor-
rückung einen Anhalt gibt. Das ist der Fall.
Die römische Flotte unter C. Livius, welche zur Zeit der Be-
lagerung von Heraklea und Lamia noch bei Kerkyra stand (Liv. 36,
42, 3), war im Laufe des Sommers bis Delos vorgegangen, wurde hier
aber längere Zeit (per aliquot dies Liv. 36, 43, 1) durch ständige
Nordwinde (ubi primum aquilones — ii namque per aliquot dies
tenuerant — ceciderunt Liv. ib. § 11) festgehalten. Wer die griechi-
schen Gewässer kennt, kann keinen Augenblick zweifeln, dafs das
die bekannten Etesien sind, welche im Juli und August ständig und
sehr unangenehm stark, oft ununterbrochen wehen (Neumann-Partsch
S. 95 ff). Nun wurde aber zur Zeit dieses Aufenthaltes der Flotte
in Delos Naupaktos schon belagert (Liv. 36, 43, 1 : eo tempore consul
Acilius Naupactum oppugnabat). Daher kann der Beginn der Be-
lagerung wohl spätestens in den August gesetzt werden, und die Be-
lagerung hat dann den August und September in Anspruch ge-
nommen1). Dann fällt der Marsch dorthin und die Verhandlungen
bei Heraklea in den Juli, die Belagerung von Heraklea selbst in den
Juni, die Expedition nach Chalkis in den Mai, die Schlacht von Ther-
mopylä Ende April, und alles ist in Ordnung.
Wollen wir noch mit Matzat (S. 197 A. 11) annehmen, dafs in
der mondlosen Nacht, in welcher Kato die Umgehung machte (Plut.
Kato 13: ev äosXrjvq) vvxvi ßafieiq), Neumond war — es konnte
aber auch nur eine bewölkte Nacht gewesen sein, wras Ende April
in Griechenland noch ganz wrohl möglich ist — so würde sich der
24. April dafür passend bieten. Aber die Grundlage scheint mir zu
unsicher, um darauf zu bauen.
Es ergibt sich uns also folgende Anordnung der Ereignisse:
192: Ende Oktober: Ankunft des Antiochos in Griechenland.
November: Erste Expedition nach Chalkis. Abfertigung von
Gesandtschaften an die griechischen Staaten. Kriegs-
, erklärung der Achäer an Antiochos.
') Man könnte hier einwenden, dafs Glabrio unmittelbar nach Aufhebung
der Belagerung zur Versammlung der Achäer nach Ägion geht (Liv. 36, 35, 7) und
dafs die Herbstversammlung der Achäer erst im November stattfand (s. S. 222 A. 3).
Aber hier handelt es sich um eine aufserordentliche Versammlung, die auf Befehl
des Flamininus berufen war (Liv. 36, 31, 10).
Beilage III. Zur Chronologie des Römisch-syrischen Krieges. 227
Dezember: Zweite Expedition nach Chalkis. Reise des Königs
nach Böotien.
191: Januar: Eroberung Thessaliens durch Antiochos.
Februar: Winterquartiere in Chalkis. Übergang der Römer
über das Ionische Meer.
März: Expedition des Antiochos nach Akarnanien. Marsch
des Acilius Glabrio von Apollonia nach Larissa.
Einfall des Philipp und Bäbius in Thessalien.
April: Eroberung Thessaliens durch die Römer, Atha-
maniens durch Philipp (S. 138 A. 3). Schlacht bei
Thermopylä (vielleicht am 24. April).
Mai: Expedition des Acilius Glabrio nach Chalkis. Rück-
zug des Antiochos nach Asien.
Juni: Belagerung von Heraklea durch die Römer, von
Lamia durch Philipp (Liv. 36, 25, 1).
Juli : Verhandlungen der Römer mit den Ätolern. Marsch
der Römer nach Naupaktos.
August: Belagerung von Naupaktos.
Die römische Flotte bei Delos.
Philipp erobert Demetrias (Liv. 36, 33, 1).
September: Belagerung von Naupaktos.
Seeschlacht bei Korykos (Liv. 36, 43, 13).
Oktober: Acilius Glabrio in den Peloponnes.
Heer in Winterquartiere nach Phokis (Liv. 36, 35, 6).
Flotte ins Winterquartier nach Kanä (Liv. 36, 45, 8).
17. November: Ende von Acilius Glabrios Konsulat.
15*
III.
Der Krieg gegen Perseus
(171—168 v. Chr.).
Vorbemerkung:.
Die strategisch-politische Lage.
Die strategisch -politische Lage bei Beginn des dritten Make-
donischen Krieges ist derjenigen im grofsen Ganzen nicht unähnlich,
welche uns beim Anfange des zweiten entgegengetreten war.
Auch jetzt streitet ein bei weitem schwächerer Staat gegen
einen unzweifelhaft überlegenen ohne die Aussicht, ihn jemals in
seinem Lande angreifen und völlig niederwerfen zu können, auch hier
stehen dem schon an sich stärkeren Staate wieder eine Anzahl kleinerer
zur Seite, welche den Hauptangriff von anderer Seite her unterstützen
können.
Allerdings war Makedonien in diesem Kriege wesentlich stärker
als im vorigen1). Eine 26 jährige Friedenszeit hatte die Kräfte des
Landes bedeutend gehoben, die konsequent fortgesetzten Rüstungen
des Philipp und Perseus selber hatten nach allen Seiten hin vor-
gesorgt. Die Feldarmee, 43000 Mann umfassend, ging an Zahl über
die Armee hinaus, mit welcher Alexander den Feldzug nach Asien
eröffnet hatte und mit der Hannibal in Italien eingebrochen war,
und durch fortwährende kleine Expeditionen gegen die unzivilisierten
Grenznachbaren im Norden des Reiches war sie bei kriegerischer
Tüchtigkeit erhalten; Staatsschatz, Proviantmagazine und Arsenale
waren gefüllt. Es soll Geld für 10000 Söldner auf zehn Jahre
bar in den Kassen gewesen sein, Getreide für das Heer auf zehn
Jahre in den Magazinen gelegen haben, die Arsenale mit Rüstungen
für eine dreimal gröfsere als die Feldarmee versehen gewesen sein.
2J Man vergleiche zu dem Folgenden Mommsen, R. G. I6 S. 754 ff. und
Niese III 119 ff., bei dem die Belege zu finden sind.
232 ^er Krieg gegen Perseus.
Durch ein Bündnis mit dem Thrakerkönig Kotys hatte sich Perseus
den Rücken gedeckt und sich die Söldnerkräfte dieses Landes ge-
sichert, und die weit nach Norden reichenden Verbindungen Make-
doniens mit den Bastarnern hatten sogar einmal den Gedanken auf-
kommen lassen, diese Stämme zu einem Einfalle nach Italien selbst
zu bewegen.
Trotzdem hat Perseus nie einen eigentlichen Angriffskrieg ge-
plant. Die Belastungsprobe, welche Italien im zweiten Punischen
Kriege ausgehalten hatte, machte, von allem anderen abgesehen, jeden
solchen Gedanken unmöglich, und ein Barbaren einfall hätte höchstens
den Wert einer Diversion haben können. Dazu kam, dafs dem Plus,
welches Makedoniens bessere Konsolidierung gegenüber dem vorigen
Kriege bot, in der ganzen politischen Situation ein ebenso beträcht-
liches Minus gegenüberstand1).
An eine wirksame Koalition mit Syrien war unter keinen Um-
ständen mehr zu denken; Griechenland, damals neutral oder von
Makedonien abhängig, stand jetzt unter Roms Einflufs. Der Gedanke
der römischen Suprematie hatte ein Menschenalter Zeit gehabt, sich
einzuleben. Man konnte trotz lebhafter Sympathien, die sich für
Makedonien kundgaben, nicht erwarten, dafs sich ein namhafter Teil
der Nation dem Schwächeren tätig zuneigen werde. Pergamon end-
lich, der rührigste Gegner Makedoniens, war nicht mehr der Klein-
staat vom Jahre 200 v. Chr., sondern zu einer ansehnlichen Mittel-
macht emporgewachsen.
So war denn dem Perseus, ganz wie seinem Vater, von Anfang
an eine defensive Haltung vorgeschrieben. Wenn überhaupt, konnte
er nur dadurch zu einem glimpflichen Frieden kommen, dafs er die
Angriffe der Römer wieder und wieder zurückwies und ihnen die
Überzeugung beibrachte, dafs er entweder überhaupt nicht niederzu-
werfen sei, oder dafs seine Niederwerfung Opfer und Anstrengungen
verlange, die mit dem zu erwartenden Vorteile nicht mehr im Ver-
hältnisse standen.
Aber die Anwendung dieses Kriegsprinzipes liefs noch einen
sehr weiten Spielraum für das Verfahren im einzelnen.
Es hiefs nicht aus den Grenzen desselben hinaustreten, wenn
man mit kühnem Vorstofse Thessalien und Epiros überrannte und
') s. den Überblick über die politische Situation bei Livius 42, 29.
Die strategisch-politische Lage. 233
innerhalb der griechischen Halbinsel seine Verteidigungslinie so weit
wie möglich nach Westen vorschob, gerade so wie das seiner Zeit
auch Philipp getan hatte.
Diese Art der Defensive — vergleichbar der Okkupation Sachsens
durch Friedrich den Grofsen — hätte ihre unleugbaren Vorteile ge-
habt und lag nach allem, was wir hören, nicht aufser dem Bereiche der
Möglichkeit. Denn im Herbste 172, als für jeden Einsichtigen der Bruch
schon unvermeidlich sein mufste, hatten die Römer nur 5—6000 Mann
italischer Truppen auf griechischem Boden, die, nur durch einzelne
kleine griechische Landesaufgebote, wie das epirotische von 400, das
achäische von 1000 Mann, verstärkt, in weit auseinandergezogenen
Besatzungen von Illyrien und der Orestis bis nach Larissa und Euböa
hin die Grenzlandschaften mehr beobachteten als deckten1).
Diese Vorschiebung der Verteidigungslinie hätte das Stamm-
land Makedonien wesentlich entlastet, indem sie die Möglichkeit ge-
währte, den Krieg auf Kosten der okkupierten Landschaften zu führen
und damit — worauf ja bei dieser Kriegsmethode besonders viel an-
kam — die eigenen Kräfte wesentlich geschont. Sie mufste ferner
das moralische Ansehen des Königs beträchtlich heben und konnte
nach einem Siege oder auch nur nach glücklicher Abwehr eines An-
griffes eher auf einen Stellungswechsel in Griechenland Einflufs üben,
als gleiche, an der makedonischen Grenze erreichte Erfolge.
Alle diese Vorteile scheinen so einleuchtend und selbstverständlich,
dafs es schwer wird zu glauben, es liege in der Unterlassung dieses
Vorgehens von Seiten des Perseus ein freiwilliger Verzicht vor, und
man möchte sich gerne der Auffassung anschliefsen, dafs lediglich
*) Der Prätor Sicinius war im Herbst 172 mit 5000 Mann und 300 Reitern
nach Epiros gegangen (Liv. 42, 36, 9 nach Polybios). — Die Angaben über eine
Armee von etwa 18000 Mann, welche Sicinius nach den Annalen befehligt hat,
sind unglaubwürdig, s. Beilage I. Von diesen 5000 Mann wurden 2000 nach
Illyrien und Dassaretien an die Grenze von Obermakedonien vorgeschoben (Liv.
42, 36, 9), 2000 nach Thessalien (Liv. 42, 47, 11). Das epirotische Aufgebot ging in
die Orestis (Liv. 42, 38, l), die Achäer nach Chalkis (Liv. 42, 44, 8. Pol. XXVII 2, 11)
Aul'serdem werden 1000 Mann als Bedeckungsmannschaften für die verschiedenen
Gesandten, welche damals Griechenland bereisten, erwähnt (Liv. 42, 37, 1). Es ist
nicht zu ersehen, ob sie von den Truppen des Sicinius genommen oder aufserdem
da waren. Zu ihnen gehören die 300 Mann, welche in Theben stationiert wurden
(Liv. 42, 47, 12). — Die Lage im allgemeinen zeichnet Livius (42, 43, 3) richtig
mit den Worten: nihil . . satis paratum ad bellum in praesentia habebant Romani . .
cum Perseus . . omnia praeparata atque instructa haberet.
234 Der Krieg gegen Perseus.
die Hoffnung, den unvermeidlichen Bruch doch noch vermeiden zu
können, den unschlüssigen Fürsten veranlafst haben, auf die Aus-
nutzung dieser günstigen Lage zu verzichten1).
Indessen sind durchschlagende, sachliche Gründe vorhanden,
die ein beschränkteres Defensivsystem empfehlen mufsten.
Wenn König Philipp im letzten Kriege in der Nähe der Adria
am unteren Aoos eine Stellung genommen hatte, welche den Römern
den Zutritt zu Epiros, Thessalien und Griechenland wehrte, so war
ihm das einzig durch den Umstand möglich geworden, dafs damals
Thessalien noch eine makedonische Provinz, dafs Epiros mit ihm im
Bunde war und dafs Griechenland gröfstenteils in wohlwollender
Neutralität ihm gegenüberstand. So konnte der König einerseits auf
seine direkte Verbindung mit Makedonien selbst, anderseits auf
Thessalien und Epiros seine Verpflegung basieren.
Für Perseus dagegen lagen die Verhältnisse wesentlich anders.
Er hätte wohl das flache Land von Thessalien und Epiros in einem
Winterfeldzuge in Besitz nehmen, aber kaum die besonders in
Thessalien so zahlreichen, festen Städte erobern können. Die Stim-
mung in Thessalien war ausgesprochen makedonierfeindlich, wie das
bei dem Einmärsche des Königs im Frühjahr 171 überall deutlich
hervortrat2). Bei den geringen Mitteln der alten Kriegskunst für
Stadteroberungen hätte sich der König an einer Reihe von schwierigen,
verlustreichen, z. T. aussichtslosen Belagerungen abmühen müssen.
Er hätte bestenfalls die gewonnenen Punkte durch Besatzungen
sichern und so seine Armee schwächen, er hätte bei der Unsicher-
heit des ganzen Gewinnes seine Etappenlinien durch bedeutende Ab-
gänge von der Armee decken müssen, und trotz alledem auf dieses
nur oberflächlich unterworfene und von einer Anzahl nicht eroberter
Punkte durchsetzte Gebiet seine Verpflegung nur unvollkommen
basieren können. Ebensowenig aber auf eine direkte Verbindung mit
Makedonien selber. Denn Dassaretien und die Orestis, die in seinem
l) So Mommsen I 759. Niese III 113 f. Ihne III 175 ff.
2j Obgleich das römische Heer noch fern ist, denkt keine gröfsere Stadt
an Übertritt, Larissa schickt sogar eine Besatzung nach Phalanna vor, Mylä und
Kyretia verteidigen sich verzweifelt, andere Städte weichen nur der Übermacht
(S 237 f..), Pherä wird als feindlich behandelt und seine Mark geplündert (Liv.
12, 54, 9) usw. Die Lage ist also beträchtlich verschieden von der im Kriege mit
Antiochos, wo in den thessalischen Städten keine schroffe Parteinahme für eine
der kriegführenden Mächte bemerkbar ist.
Die strategisch-politische Lage. 235
Rücken lagen und ihn von seinem Königreiche trennten, standen auf
römischer Seite (S. 233).
Noch viel weniger war natürlich Griechenland seiher durch
einen solchen Vorstofs zu gewinnen. Es blieb in seiner Flanke liegen
und bot von Euböa aus der römischen Flotte und den Pergamenern
die Möglichkeit Makedonien in der Abwesenheit des Königs im Rücken
anzugreifen. Kurz man braucht sich die Situation nur klar vorzu-
stellen, um die Unzukömmlichkeiten eines so weiten Vorgehens sofort
zu durchschauen. Der König hat einfach das Notwendige getan, wenn
er seine Defensive auf ein noch viel engeres Gebiet beschränkte.
Der vorige Krieg hatte gezeigt, dafs ein römischer Angriff auf
Obermakedonien direkt von der Küste der Adria aus wegen der
schwierigen Gebirgsnatur des Landes aussichtslos oder wenigstens
sehr schwierig war. Wir wissen nicht, ob König Philipp und Perseus
selber in der langen Friedenszeit nicht diese Grenze noch besser
durch Festungsanlagen gedeckt hatten. Aber anzunehmen ist es
allerdings. Und in der Tat ist ein Angriff von den Römern hier
nicht ins Auge gefafst worden.
Noch günstiger aber schienen die Verhältnisse für die Verteidi-
gung an der einzigen sonst noch dem Landangriffe ausgesetzten Seite,
nämlich im Südwesten des Reiches, zu liegen. Südlich von der leicht
zu sperrenden Tempeschlucht schliefst die gewaltige Bergpyramide
des Ossa das Land bis zum Meere hin ab, und nördlich davon bis
zur Wistritza (Haliakmon) hin lagert in langgestreckten, schwer über-
schreitbaren Zügen das Olymposgebirge und verwehrt den Zugang.
Gestützt auf diese Gebirgslinie durfte man die Verteidigung nach-
drücklicher zu führen hoffen, als durch einen Vorstofs nach Westen.
Damit brauchte nicht gesagt zu sein, dafs man sich zu reiner
Passivität verurteilen lassen wollte. Die Verteidigung der Landes-
grenze konnte sehr wohl offensiv geführt werden, indem der König
die Vorhand, die er durch seine frühere Kriegsbereitschaft hatte ^
dazu benutzte, in Thessalien einzurücken und den Grenzstrich am
jenseitigen Fufs des Gebirges und damit das Gebirge selber ganz in
seine Hand zu bringen. Dann war Makedonien zum Teil von den
Kriegsleistungen entlastet, das Kriegstheater wurde die thessalische
Ebene und man konnte bis zu einem gewissen Grade auf Kosten des
Feindes leben, ohne sich durch zu lange und unsichere Verbindungen
zu schwächen. Man konnte zugleich die taktische Offensive ergreifen,
236
Der Krieg gegen Perseus.
die bei der gröfseren Kriegsgeübtheit der Makedonier gegenüber dem
römischen Rekrutenheere (S. 240) besonders im Anfange grofse Aus-
sicht auf Erfolg bot, man konnte bei günstigen Fortschritten auf
einen Umschwung der Stimmung und Stellung von Thessalien, Epiros,
Griechenland hoffen, der es dann vielleicht möglich machte, die Ver-
teidigungslinie mit besserer Aussicht auf Erfolg weiter nach dem
Westen vorzuschieben.
In diesem Sinne ist in der Tat die Eröffnung der Operationen
von seiten des Perseus erfolgt.
Hierzu dio
Karte No. 1.
(Übersichts-
karte).
1. Der Feldzug vom Jahre 171.
Im Frühling 171 brach Perseus mit einem Heere von 43000
Mann, bei dem sich 21000 Phalangiten, über 10000 Mann andere
schwere und halbschwere Infanterie, 8—9000 Mann leichte Truppen
und 4000 Reiter befanden, aus der Gegend von Pella auf1). Sein
Marsch ging auf der gewöhnlichen Strafse über Wodena am Ostrowo-
see entlang durch das Becken von Kailar, die Eordäa der Alten, zur
Wistritza, und von da über den Pafs von Portaes2) bei Servia in das
l) Liv. 42, 51, 1. Kriegsrat des Königs in Pella, Sammelpunkt des Heeres
in Kition, unbekannter Lage, aber wohl bei Wodena, s. folg. A. — Die genauen
Angaben über die einzelnen Heeresteile s. Beilage I.
2) Der Ausgangspunkt Pella und der Endpunkt, Pafs von Portaes (Liv. 42,
53, 6 : saltu angusto superatis montibus, quos Cambunios vocant), stehen fest. Auf
der Marschroute selbst setzt Livius das erste Lager ad Begorritim lacum, für den
zweiten Tag sagt er „in Elimiam ad Haliacmona fluvium processit". Nach diesen
Angaben hat Leake (N. G. III 288 f., vergl. auch Niese III 120) Kition bei Niausta
angesetzt und den lacus Begorritis für den Sumpf Sari-Göll im südöstlichsten
Winkel des Beckens von Kailar erklärt, nicht als See von Ostrowo, wie die all-
gemein angenommene (Oberhummer bei Wissowa) und natürlichste Auffassung ist,
da das Sumpfgebiet des Sari-Göll kaum als „lacus" bezeichnet werden kann. Denn
— sagt er — vom See von Ostrowo konnte man nicht in einem Tage an den
Haliakmon (Wistritza) kommen. — Die Entfernung vom Seeende des jetzigen Sees
bis zur Wistritza beträgt allerdings 55—60 Kilometer. Indessen hat der Spiegel
des Ostrowosees sehr bedeutend geschwankt (Oestreich, Abh. d. K. K. Geogr. Ges. in
Wien 1902, Bd. IV S. 146 ff.), und es ist bei dem flachen südlichen Ufer sehr wohl
möglich, dafs er im Altertum sehr viel weiter südlich gereicht hat. Zudem brauchen
die Ortsbestimmungen des Livius nicht so geprefst zu werden, wie Leake das lut.
Einige Kilometer südlich von dem grofsen Wasserspiegel ist auch noch „ad lacum
Begorritim", und „ad Haliacmona fluvium processit" kann so gefafst werden, dafs
Karte No. 7.
Der Feldzug vom Jahre 171. 237
Talgebiet des oberen Xerias, des alten Europosflusses. In drei sehr
starken Tagemärschen erreichte er dies Ziel1).
Der Einmarsch in Feindesland war erfolgt. Denn dieses Gebiet,
der weite Talkessel von Perrhäbien, der sich am ganzen Westfufse
des Olymp als dessen Vorland hinzieht, war bereits der nördlichste Hierzu die
Teil des freien Thessalien, von dessen grofser Nordostebene es nur
durch eine verhältnismäfsig niedrige Hügelkette getrennt ist. Die
drei nördlichsten Städtchen dieses Gebietes, die Bergorte Azoros,
Doliche und Pythion, mufsten sich sofort der Übermacht ergeben;
dann ging der Zug südwärts weiter, dem Laufe des Xeriasflusses
folgend, an dessen Ufern die Städte Kyretiä, Mallöa und Mylä zum
Teil nach verzweifeltem Widerstände erobert wurden. Auch die
anderen, etwas seitwärts gelegenen Städte, wie Oloosson (Elassona),
der Mittelpunkt des ganzen Gebietes, müssen in die Hand des Königs
gefallen sein. Der Pafs von Damasi war so in seiner Gewalt, und
auf diesem im Altertum ebenso wie bis in neuere Zeiten am häufigsten
benutzten Wege konnte er ins eigentliche Thessalien einmarschieren2).
auf den Höhen zwischen Kosiani und der Wistritza Halt gemacht wurde. Damit
fällt die Nötigung fort, den König auf Saumpfaden über den 1550 Meter hohen
Pafs von Niausta bezw. Werria — s. darüber aufser den österr. Spezialkarten auch
von der Goltz, Thess. Krieg S. 37 — marschieren zu lassen, während er die zwar
etwas weitere, aber viel bequemere Strafse über Wodena und am Ostufer des
Ostrowosees entlang zur Verfügung hatte, deren gröfste Höhe nur 680 Meter be-
trägt und die der gewöhnliche Weg war.
l) Livius a. a. 0. s. vor. A. Die auf der österr. Generalstabskarte 1 : 300 000
gemessenen Entfernungen betragen:
Wodena .„„., ,
n * -^1 ^ rv i 4° Kilometer
Gegend sudl. des Ostrowosees
nördl. Talrand der Wistritza
oberer Lauf des Sarandoporos "
100 Kilometer.
Rechnet man dazu noch rund 20 Kilometer für kleinere Wegkrümmen, so kommt
man auf 40 Kilometer Tagesleistung. Der Zweck, möglichst überraschend in
Thessalien einzurücken, mag die starke Anspannung erklären.
2) Die Marschroute bei Livius 42, 53, 6 — 54, 6. — ■ Was die Lage der einzelnen
Städte betrifft, so steht es fest, dafs die perrhäbische Tripolis im oberen Tale des
Sarandoporos und seiner Zuflüsse liegt. Bursian I 57. Auf die genauere Lokali-
sierung der drei Städte, über welche die Ansichten von Leake und Heuzey aus-
einandergehen, kommt es hier nicht an. Ferner steht inschriftlich fest die Lage
von Kyretiä bei Dömenik (Bursian I 56) und damit der Marsch durchs Xeriastal
und die Enge von Damasi (Bursian a. a. 0.), wo auch Mylä und Mallöa anzusetzen
238 Der Krieg gegen Perseus.
Nachdem das geschehen, wendet der König sich aber plötzlich nord-
ostwärts, nimmt die Stadt Phalanna, beim jetzigen Tyrnavos, läfst
Gyrton, welches durch eine Besatzung aus Larissa gedeckt wird,
rechts liegen und richtet seinen Marsch direkt auf den Eingang des
Tempepasses, wo die Städte Gonnos, beim heutigen Dereli, und
Elatea, wohl bei Mikro-Keserli, überrumpelt und stark befestigt
werden1). Dann schlägt der König wieder die Richtung nach Süden
ein und erreicht, an den Hängen des Ossa entlang marschierend,
Sykurion, bei dem heutigen Marmarjani, wo er an wohlgewählter,
gesunder, mit reichlichen Quellen versehener Stellung ein festes Stand-
lager bezieht2).
Der erste Teil des Feldzuges ist beendet. Es ist klar, dafs der
Zweck dieses, auf den ersten Blick etwas eigentümlichen Zickzack-
sind, Mylä ohne Zweifel bei Damasi selbst (Leake IV 311; Ussing 47, ebenso Kern
brieflich), Mallöa nach Leakes sehr wahrscheinlicher Annahme a. a. 0. bei Molo-
gusta. Dafs auch Mallöa, welches Liv. a. a. 0. nicht nennt, damals in Perseus'
Hand fiel, folgt aus Liv. 42, 67, 7. Seine grausame Behandlung durch die Römer
läfst schliefsen, dafs es sich Perseus freiwillig angeschlossen hatte, weshalb es
hier auch nicht erwähnt ist. Liv. 42, 54, 8 ist eine Lücke; der oder die hier aus-
gefallenen Stadtnamen könnten der Lage nach Elition und Oloosson sein. Letzteres
auch deshalb militärisch wichtig, weil es den Pafs von Nezero (s. unten) beherrscht.
— Der Pafs von Damasi war bis auf Erbauung der grofsen Strafse über den
Melunapafs die Hauptverbindung zwischen Larissa und Elassona resp. Servia.
Leake IV 311; Ussing 46; v. d. Goltz, Thessal. Krieg S. 42.
') Liv. 42,54,7: ad Phalannam castra movit . . . postero dei Gyrtonem per-
venit . . ne temptata quidem oppugnatione praetergressus, Elatiam et Gonnum
perculsis inopinato adventu oppidanis recepit usw. Gonnos' Lage bei Dereli am
Eingange des Tempepasses ist sicher. Liv. a. u. St.: utraque oppida in faucibus
sunt, qua Tempe adeunt, magis Gonnus. Bursian I 60. Heuzey, Le mont Olympe
S. 11. Über Elatea, Phalanna, Gyrton ist eine Einigung in betreff der genauen
Lokalisierung bisher nicht erzielt. Für uns genügt es, dafs sie sicher in der
Gegend zwischen Larissa und dem Tempeeingang gelegen haben. Bursian I 61. 56.
2) Liv. 42, 54, 9: Sycurium est sub radicibus Ossae montis, qua in meridiem
vergit; subiectos habet Thessaliae campos, ab tergo Macedoniam atque Magnesiam.
Ad has opportunitates accedit summa salubritas et copia pluribus circumiectis
fontibus perennium aquarum. Auf die Lage in der Gegend von Marmariani (Bursian
I 62) pafst aufser dem Quellenreichtum (Leake III 374) der Umstand vortrefflich,
dafs Perseus von hier aus das Gebiet von Pherä durch seine Streifscharen plündern
liefs (Liv. 42, 56, 9) und dafs sein Lager 13 Millien von dem der Römer entfernt
war (Liv. 42, 57, 10 und 6), welch letztere sich 3 Millien westlich von Larissa am
Peneos befanden (s. folg. S.). Denn von Marmariani bis dahin sind 21 — 22 Kilo-
meter, also rund 13—14 Millien.
1. Der Feldzug vom Jahre 171. 239
marsches der war, sich das ganze Vorland des Olymp und Ossa auf
der Westseite des Gebirges und damit die Übergänge über dieses
selber zu sichern. Der Pafs von Servia, über den man einmarschiert
war, die Olymppässe von Pythion und Nezero, deren Ausgänge man
durch Einnahme von Pythion und der ganzen perrhäbischen Land-
schaft in die Hand bekam, vor allem die leichteste Verbindung durch
das Tempetal, die durch Einnahme von Gonnos und Elatea gewonnen
wurde, endlich der Weg über die Ossasenke von Ajia, die man in
Sykurion deckte, bildeten jetzt die Verbindungen, welche die Ver-
pflegung des Königs aus Makedonien sicherstellten und ihm für seine
Operationen in Thessalien die nötige Freiheit der Bewegung ver-
schafften x).
Der römische Konsul war nach einem schwierigen Gebirgs-
marsche über den Pafs von Metzowo nach Gomphoi gelangt, hatte
dort seinen Truppen einige Erholung gegönnt und war auf die Nach-
richt von Perseus' Einmarsch in Thessalien bis nach Tripolis Skäa
41 Kilometer oberhalb Larissas am rechten Ufer des Peneos vor-
gegangen2). Seine Armee bestand, wie gewöhnlich die konsularischen
Heere, aus zwei Legionen mit Zubehör und betrug etwa 25000 Mann
römisch-latinischer Truppen. Dazu kamen dann Auxilia aus Ligurien,
Numidien, Griechenland, Pergamon, etwa 9000 Mann zu Fufs, meist
Leichtgerüstete, 3000 Reiter und 22 Elefanten, so dafs die ganze
Armee etwa 37 — 38000 Mann mit Einschlufs von rund 4000 Reitern
umfafste (s. die genaueren Angaben Beilage I).
War so schon numerisch die römische Armee dem Gegner nicht
gewachsen, so kam hinzu, dafs sie, was die römisch-latinischen
x) Näheres über die einzelnen Pässe beim Feldzuge 169 S. 269 u. 289.
2) Liv. 42,55,2 bis 6: inde (Larissa) cum tria milia ferme abesset ad Tri-
polim— Scaeam vocant — super Peneum amnem posuit castra. — Dafs die römische
Armee den Marsch über den Pafs von Metzowo, die gewöhnliche Route (S. 38 A. 1)
genommen hat, wäre ohne allen Zweifel, wenn nicht als Durchmarschland Atha-
manien und als erste thessalische Stadt Gomphoi genannt wäre. Beides scheint
nämlich auf die südlichere Route zu deuten, welche Amynander im Jahre 198
eingeschlagen hatte (s. oben S. 108 A. 3). Indessen ist kein Grund für eine so
viel schwierigere Marschroute zu erkennen. Gomphoi wird, wie bei Cäsar, wo auch
der Pafs von Metzowo benutzt war (ad Aeginium occurrit b. c. III 79 vergl. oben
S. 55 A. 2), als erste gröfsere Stadt Thessaliens (oppidum primum Thessaliae)
genannt sein, und Athamanien statt Akarnanien ist auch bei Cäsar b. c. III 78
genannt. Drumann-Groebe III 449.
240 Der Krieg gegen Perseus.
Heeresteile betrifft, aus Rekruten bestand1) und dafs die anderen
Kontingente, aus den verschiedensten Himmelsstrichen zusammenge-
trieben, sich mindestens erst eine Zeit lang aneinander gewöhnen
mufsten, ehe sie wie ein einheitlicher Organismus arbeiten konnten.
So war es durchaus begreiflich, dafs Perseus zunächst die Offen-
sive ergriff und die Römer sich vorsichtig", ja ängstlich zurückhielten.
Von seinem etwa 21 Kilometer (s. S. 238 A. 3) entfernten Stand-
quartier bei Sykurion brach der König mit seiner ganzen Armee auf,
rückte bis l£ Kilometer vom römischen Lager vor, nahm hier in
freiem Felde in der Ebene mit seiner Phalanx in Schlachtordnung
eine Aufnahmestellung ein und ging mit der Reiterei und leichten
Truppen bis auf \ Kilometer an das römische Lager heran2). Die
Römer schicken nur eine kleine Abteilung von 2—3000 Reitern und
Leichten aus dem Lager, die mit Perseus' Spitze eine unentschiedene
Plänkelei beginnt, bleiben aber, auch als Perseus seine Provokation
am folgenden und dann eine Reihe von Tagen lang wiederholt, ruhig
innerhalb der Wälle, in die sie sogar ihre Aufsenposten zurück-
ziehen3).
Da entschliefst sich der König, einen Schritt weiter zu gehen.
Das wiederholte Hin- und Hermarschieren, über 40 Kilometer am
Tage, mufste seine Truppen abhetzen. Er verlegt sein Lager in die
Ebene, nur 71 Kilometer von den Römern entfernt, und bietet
wiederum die Schlacht an4). Schon am ganz frühen Morgen er-
scheint er, nachdem er die Phalanx wieder in derselben Aufnahme-
stellung zurückgelassen hat, mit Reiterei und leichten Truppen vor
dem Lager, und in weniger als 750 Meter Entfernung bei dem Hügel
Kallikinos entfaltet er sie diesmal zu vollem Aufmarsch in Schlacht-
ordnung5).
1) Liv. 42, 55, 3: tironem exercitum ducenti. Auch in Perseus1 Rede 42, 52, 10:
tironibus raptim ad id bellum conscriptis.
2) Liv. 42, 57,6: cum paulo plus mille passus abesset a castris Romanis,
consistere signa peditum iussit . . . ipse cum equitibus ac levi armatura ducesque
. . . praecesserunt . . . minus quingentos passus ab castris aberant.
3) Liv. 42,57, 10: postero die . . in eundem locum rex copias admovit . . .
cum Romani quiessent, stationibus etiam intra vallum reductis, regii quoque iu
castra redeunt. hoc per aliquot dies fecerunt.
4) Liv. 42, 58, l : castra propius hostem movit rex et a quinque milibus
passuum communiit.
5) ib. § 2: minus quingentos passus a vallo.
1. Der Feldzug vom Jahre 171. 241
Nun fafst man auch im römischen Lager den Entschlufs vor-
zugehen. Zwar die Legionen werden auch jetzt nur innerhalb des
Walles in kampfbereiter Stellung gehalten, aber die ganze Reiterei
und die leichten Truppen erhalten Befehl auszurücken und ordnen
sich vor dem Lager in Schlachtordnung1).
Das besondere Interesse, welches das nun folgende Treffen er-
regt, beruht darauf, dafs wir hier die gröfste, von Reitern und leichten
Truppen allein ausgefochtene Schlacht vor uns haben, welche in dieser
ganzen Periode der Kriegsgeschichte vorkommt — die Zahl der Be-
teiligten geht weit über die in der Schlacht am Ticinus hinaus 2) —
und dafs diese Schlacht zugleich die einzige ihrer Art ist, welche
uns, der Singularität des isolierten Reiterkampfes in so grofsen Di-
mensionen entsprechend, von dem Meister der Kriegsgeschichtschreibung,
von Polybios, mit besonderer Ausführlichkeit beschrieben wird.
Da von Seiten der Makedonier die ganze Reiterei und das leichte
Fufsvolk beteiligt war3), so müssen wir die Zahl der Kämpfer auf
dieser Seite auf etwa 12000 Mann, 4000 zu Pferde und 8000 zu
Fufs, ansetzen (Beilage I); und da die Zahl der Kämpfer auf römi-
scher Seite ungefähr die gleiche gewesen ist4), so kommen wir auch
hier auf 12000 Mann, von denen aber nur stark 3000 Mann Reiter
gewesen sein können, die übrigen 9000 also Fufstruppen waren5).
Durch die ganze Linie hindurch lief's man auf beiden Seiten kleine
Abteilungen von Reitern und leichten Fufstruppen miteinander ab-
wechseln: das bildet das Charakteristische dieser Aufstellung.
So standen bei Perseus auf dem linken Flügel 1000 thrakische
Reiter und ebensoviele thrakische Fufstruppen in wechselnden Ab-
x) ib. §11: intra Valium peditum acie instructa equitatum omnem cum levi
armatura emisit.
<) Hier standen zwar auf karthagischer Seite 6000 Reiter, aber dafür gar
keine Fufstruppen; auf römischer Seite, wenn man die volle Zahl von Legions-
und Sozialreiterei für zwei Legionen ansetzt, was indessen ohne Zweifel zu hoch
gegriffen ist, 2400 Reiter, zu denen noch ein kleines gallisches Korps kommt.
Die römischen Leichten mögen nach der Normalzahl für die Velites von zwei
Legionen gegen 5000 Mann betragen haben.
3) Liv. ib. § 2: equitatum omnem levemque armaturam ad castra
hostium ducit.
4) Liv. 42, 59, 1: par ferme utrimque numerus equitum et levis armaturae.
5) s. Beilage I. — Die Numider trafen erst später ein (Liv. 42, 62, 2).
Kromayer, Antike Schlachtfelder. II. 16
24*2 Der Krieg gegen Perseus.
teilungen1), auf dem rechton makedonische Reiter mit kretischen
Bognern zwischen den einzelnen Zügen2) und im Zentrum der Rest
der makedonischen Reiterei mit Einschlufs der Gardereiterei, unter-
brochen von Elitetruppen aus verschiedenen Korps3). Nur bei der
Garde selber, die ganz in der Mitte stand und vom Könige geführt
wurde, scheint man gröfsere Reitermassen zusammengehalten zu haben,
da die zugehörigen Schleuderer und Bogner, gleichfalls in zwei gröfsere
Abteilungen von je 400 Mann vereinigt, als erstes Treffen vorge-
schoben4) waren. Es war offenbar die Absicht, mit diesen Abteilungen
das Gefecht zu eröffnen und sie den Einbruch in die feindliche Auf-
stellung vorbereiten zu lassen.
Ebenso standen die Römer in wechselnden Reiter- und Fufs-
abteilungen: den Thrakern und einem Teile des Zentrums gegenüber
die ganze römische und italische Reiterei mit beigegebenen Velites,
etwa 1200 Reiter, auf dem rechten, 2000 Mann griechische Reiterei
mit leichten griechischen Fufstruppen, besonders den Achäern, zwischen
sich auf dem linken Flügel5). Ein eigentliches Zentrum, wie bei
den Gegnern, scheint nicht vorhanden gewesen zu sein. Denn die 200
*) Liv. 42, 58, 6: laevo cornu Cotys rex praeerat cum omnibus suae gentis
(1000 Reiter und 1000 Fufsgäuger, Beilage I); equitum ordines levis armatura
interposita distinguebat.
2) Liv. ib.: in dextro cornu Macedones erant equites, intermixti turmis
eorum Cretenses.
3) ib. 8 f. : proximi cornibus constiterant regii equites et mixtum genus,
delecta plurium gentium auxilia . . . medius omnium rex erat, circa eum agema
quod vocant equitumque sacrae alae. Über die regii equites und ihr Verhältnis
zu der anderen makedonischen Reiterei und den sacrae alae ist nichts bekannt.
Droysen Heerw. 160 A. 2. Das mixtum genus etc. sind die 3000 Päonen, Agrianen
etc. unter Didas (Beilage I Tabelle), der sie auch hier befehligt. Das „agema" ist
als Reiterei zu fassen, die ßaoifoxr} Urj (Pol. X 42, 3), wie auch bei Magnesia
(S. 211 A. 1) und sonst ein Agema der Reiterei vorkommt.
4) ib. 9: ante se statuit funditores jaculatoresque; quadringentorum utraque
manus numerum explebat.
5) Liv. 42, 58, 12 f.: rechter Flügel: Crassus . . cum omni Italico equitatu,
velitibus intermixtis; linker Flügel: Laevinus sociorum ex Graecis populis
equites habebat et eiusdem gentis levem armaturam. Bei diesem Kontingent
werden auch die 1000 pergamenischen Reiter gewesen sein, sonst hätte man im
ganzen nur stark 2000 gegen 4000 Reiter im Treffen gehabt; das Hauptkontingent
der Leichten bildeten die 1500 Achäer Cretico maxime ornatu. Über die Zahlen
s. Beilage I.
1. Der Feldzug vom Jahre 171. 243
bis 300 Mann Extraordinarii können taktisch kaum dafür gelten1).
Übrigens hatten auch die Römer gegenüber den 800 Mann leichten
Truppen des feindlichen ersten Treffens eine Schar von 200 gallischen
Reitern und 300 kyrtischen Schleuderern vorgeschoben2).
Neben dieser Übereinstimmung zwischen beiden Schlachtreihen
in bezug auf die Gliederung der Front tritt aber zweitens ein sehr
wesentlicher Unterschied in der Gliederung nach der Tiefe hervor.
Die Makedonier waren in einem einzigen Treffen aufgestellt, die
römischen Truppen in zweien. Denn hinter der eben beschriebenen
Linie, welche im ganzen nur etwa 3000 Pferde und 5000 Mann zu
Fufs fafste, standen als zweites Treffen die pergamenischen Fufs-
truppen, gegen 4000 Mann an der Zahl3). So war also das erste
Treffen der Römer den makedonischen Haufen numerisch beträchtlich
unterlegen, und trotzdem war es so weit ausgedehnt, dafs sein linker
Flügel, ein Korps von 400 thessalischen Reitern, noch über die make-
donische Linie hinausragte und in einer etwas detachierten Stellung
halbrückwärts freie Bewegung und Unabhängigkeit von dem Gros
hatte4).
Man erkennt aus dieser Verschiedenheit der beiderseitigen Auf-
stellungen ohne grofse Schwierigkeit, dafs die Römer das Prinzip
ihres Fufstruppenkampfes, mit Reserven zu fechten, hier auf die
Reiterschlacht übertragen hatten und dafs sie dem entsprechend ein
hinziehendes Gefecht zu liefern beabsichtigten, in dessen Verlaufe
das thessalische Korps je nach Bedürfnis eine Flankenbewegung aus-
führen oder als Soutien verwertet werden konnte.
Im Gegensatze dazu hatte man es in dem makedonischen Lager
auf einen Durchbruch oder vielmehr eine Überrennung in ganzer
Front abgesehen. Daher die etwas kürzere Linie trotz numerischer
*) Liv. 42, 58, 13: cum delectis equitibus extraordinariis . . . Mucius. —
Bei etwa 800 Mann bundesgenössischer Reiterei (Beilage I) sind die extraordinarii
2-300 Mann stark (Marquardt-Domaszewski Hdb. VI 391.)
2) Liv. ib. Die Kyrtier sind Schleuderer, s. S. 210 A. 6.
3) Liv. 42, 58, 14: Eumenes rex Attalusque cum omni manu sua ab tergo
inter postremam aciem ac vallum steterunt. Das sind 4000 Mann (Beilage I), wenn
man von den vorgeschobenen Kyrtiern absieht und die Reiterei, wie oben ange-
nommen ist (S. 242 A. 5), ins erste Treffen stellt. Durch Subtraction von der
Gesamtzahl ergibt sich daraus die Stärke des ersten Treffens.
4) Liv. 42, 59, 4: a laevo cornu brevi spatio diiunctus in subsidiis fuerat
extra concursum.
16*
244 ^er Krieg gegen Perseus.
Überlegenheit. Auch hier war das Prinzip des Fufsvolkkampfes der
makedonischen Phalanx, mit der vollen Wucht der ganzen vereinigten
Masse vorzustofsen, im Reiterkampfe beibehalten worden.
So stürzte denn nach kurzem Plänklergefecht der vorgeschobe-
nen Abteilungen ]) die makedonische Reiterei vom linken Flügel
aus, ohne sich mit Karakollieren aufzuhalten, im Chok auf den
Gegner los und warf zuerst die römische Reiterei auf dem Flügel2),
dann die griechische in der Mitte beim ersten Anprall über den
Haufen3). Wie überraschend das Unwetter herangebraust war, er-
kennen wir noch aus den Worten des Livius-Polybios, der den An-
sturm der Thraker mit dem wilder Bestien vergleicht, die lange in
ihren Käfigen zurückgehalten, sich im Momente der Befreiung auf
ihre Gegner losstürzen4).
Aber trotz dieses bedeutenden Erfolges war noch kein voll-
kommener Sieg erfochten. Es zeigte sich alsbald der Nutzen der
römischen TrefTenstellung. Die thessalische Reiterei, welche garnicht
zum Schlagen gekommen war und bei dem überraschend schnellen
Gang des Gefechtes keine Flankenbewegung hatte ausführen können,
zog sich geordnet an die Pergamener heran; beide nahmen die flüchtigen
Scharen auf und liefsen sie sich hinter der Front sammeln5).
Auf diese intakten Abteilungen mit seinen bei Angriff und
Verfolgung auseinandergekommenen und mitten in der Krise des
Sieges befindlichen Scharen von neuem zum Angriff vorzugehen,
fühlte sich der König für den Augenblick nicht mehr stark genug 6).
Ja, obgleich seine Phalanx aus eigenem Antriebe nachgerückt war
und ihm für einen nach Sammlung und Rangierung der Reiterei zu
erneuenden Angriff eine sichere Aufnahmestellung gewährte, stand
x) Liv. 42, 59, 1: a funditoribus iaculatoribusque, qui praecesseranr,
proelio orto.
2) Liv. ib. 2: primi omnium Thraces cum ingenti clamore in dextrum . . .
cornu, Italicos equites, ineurrerunt, ut usu belli et ingenio impavida gens
turbaretur.
3) Liv. ib. 4: Perseus in mediam invectus aciem Graecos primo irapetu avertit.
4) Liv. ib. 2: haud secus quam diu claustris retentae ferae.
5) Liv. 42, 59, 5: cedentes sensim integris ordinibus postquam se Eumenis
auxiliis adjunxerunt, . . cum eo tutum inter ordines suos reeeptum soeiis fuga
dissipatis dabant.
6) ib. 6: nee regii sparsi iam ipsi passim sequendo cum ordinatis et certo
incedentibus gradu manus conserere audebant.
1. Der Feldzug vom Jahre 171. 245
er nach einigem Schwanken doch von einer Fortsetzung des
Kampfes ab1).
Politische Gründe sollen dafür mafsgebend gewesen sein2). Die
Unterlassung läfst sich aber ganz wohl auch rein militärisch be-
greifen. Man mufste durch die Verfolgung in unmittelbare Nähe des
römischen Lagers gekommen sein. Ein Kampf auch mit einem stark
erschütterten Gegner unter dem Schutz seiner Wälle und im Bereich
der feindlichen Geschosse bot wenig Aussicht und viel Gefahr eines
kräftigen Rückschlages. Der bisherige Erfolg war unbestreitbar und
bedeutend: 200 Reiter und 2000 Fufssoldaten deckten das Schlacht-
feld, 600 Gefangene wurden eingebracht3), und die ganze Truppe
war so eingeschüchtert, dafs sie sich trotz der Verstärkung durch die
2000 Numidier, welche nach dem Gefechte eintrafen (S. 241 A. 5),
während des ganzen Feldzuges nicht wieder im freien Felde zu
stellen gewagt hat. Am folgenden Tage rückte der König von neuem
vor das römische Lager, um die Schlacht anzubieten. Er fand es
leer; man hatte sich über den Peneos zurückgezogen4).
Bis zu diesem Augenblicke ist des Königs Verhalten militärisch
durchaus konsequent und verständlich. Er hatte eine — man kann
sagen — energische Offensive befolgt. Er war mit seiner ganzen
Armee wiederholt bis auf ziemlich nahe Entfernung an das römische
Lager herangegangen, und wenn er auch seine Phalanx nicht so weit
vorgeschoben hatte, wie seine leichten Truppen, so war doch deren
Aufstellung im freien Felde in II Kilometer Entfernung vom römi-
schen Lager ein Angebot der Schlacht unter gleichen Bedingungen,
das die Römer nur anzunehmen brauchten, um zur Entscheidung zu
kommen. Dann war die Heranschiebung des Lagers bis auf 7| Kilo-
meter, die Reiterschlacht, der Rückzug über den Peneos erfolgt.
Was die militärische Lage als die Fortsetzung des bisherigen
Verfahrens forderte, liegt auf der Hand. Der König mufste folgen,
mufste so nahe wie möglich am Gegner bleiben, und, wenn er fort-
1) ib. 8: fluctuauti rege inter spem metumque tantae rei conandae.
2) ib. 10: si contentus re bene gesta quiesset eo die, vel pacis honestae
condiciones habiturum vel plurimos belli socios.
3) Liv. 42, 60, 1. Plut. Aem. 9 und Apophthm. 197 gibt etwas abweichende
Zahlen.
4) Liv. 42, 60,5: rex postero die ad lacessendos proelio hostes progressus
. . trans arnnem in tuto posita castra animadvertit.
246 Der Krieg gegen Perseus.
fuhr, wie bisher die Schlacht zu verweigern, ihm durch seine über-
legenen leichten Truppen jede Bewegungsfreiheit nehmen, jedes Fura-
gieren unmöglich machen und ihn so schliefslich zur Schlacht oder
völligem Rückzuge nötigen.
Aber nichts von alledem geschieht. Der König verlegt sein
Lager vielmehr nach dem Hügel Mopseion, jenem niedrigen Berg-
rücken, der sich isoliert zwischen dem Tempetal und Larissa in der
Ebene hinzieht, und läfst den Peneos zwischen sich und den Römern *),
ja, er sieht es ruhig mit an, dafs sie den Flufs wieder überschreiten
und auf beiden Ufern des Peneos bei Larissa, Krannon, Phalanna
eines der reichen Stadtgebiete nach dem anderen abfuragieren, als
wenn sie die Sieger und nicht die Besiegten wären2).
Bei Mopseion oder bei Sykurion, wo er abwechselnd sein Lager
hat3), ist er so weit vom Gegner entfernt, dafs er ihn zeitweise nicht
einmal mehr in einem Tage erreichen kann4), und seine Überfälle
und die Gewaltmärsche, die er machen mufs, um sie ins Werk zu
T) Liv. 42, 61, 11: ad Mopselum posuit castra . tumulus hie ante Tempe . . .
(Lücke im Text) eminet Larissae medius abest onum (?) (Lücke). Der verdorbene
und lückenhafte Text läfst doch so viel erkennen, dafs das Lager auf einem Hügel
zwischen Tempe und Larissa lag. Damit kann nur der Höhenzug gemeint sein,
der sich südlich des Peneos bis in die Gegend von Syrkurion — Marmarjani hin«
zieht. Ruinen auf ihm mit den Namen Rahmanli (s. die Karte) werden von Leake
III 377 mit grofser Wahrscheinlichkeit auf die Stadt Mopsion bezogen, und hier
in der Nähe mufs auch das Lager gelegen haben. Denn von seinem Lager aus
überfällt später der König die im Gebiet von Phalanna, d. h. zwischen Tyrnavos
und dem Peneos (S. 238) fungierenden Römer und kommt auf dem Wege an einem
Defilee vorbei (Liv. 42, 66, 6. 8). Die Entfernung des Kampfes im Gebiete von
Phalanna vom Lager auf Mopseion ist dabei so gering, dafs der König die
Phalanx nachholen lassen kann (Liv. ib. § 3). Das alles pafst nur, wenn wir das
Lager bei Rahmanli ansetzen. Dann ist das Defilee das bei Bakrina am Südfufse
des Erimo gewesen, und die Entfernung betrug 10 Kilometer. Dafs der Peneos da-
zwischen ist, macht keine Schwierigkeit, denn er ist im Sommer nur 25 — 30 Schritt
breit, 3 — 5 Fufs tief und an vielen Stellen zu Fufs durchschreitbar (Georgiades
S. 28). — Die Leakeschen Ansetzungen des Treffens von Phalanna zwischen der
Brücke von Vrnesi und dem unteren Xerias (III 381) passen weder zu der Lage
von Phalanna noch zu den Entfernungen.
2) Über diese späteren Standlager der Römer und ihre Furagierungen in den
einzelnen Stadtgebieten s. Liv. 42, 64, 1 f. 7 f. 65, 1 f. Wo und wann sie wieder
über den Peneos gegangen sind, wird nicht erzählt.
3) Liv. 42, 61, 11: Mopseion; 64, 1: Sycurion; 65, 1: wieder Mopseion.
4) Liv. 42, 64, 8: pridie per meridiem profecti ab Sycurio erant.
1. Der Feldzug vom Jahre 171. 247
setzen, scheinen nur den Zweck zu haben, seine Truppen unnötig zu
erschöpfen und den Gegner ebenso unnötig zu ängstigen1). Wenn
es trotz alledem bei Phalanna doch noch einmal zu einem ernsteren
Zusammenstofse kommt, so ist das ein Zufallsgefecht, welches sich
aus einer Überraschung beim Furagieren ohne Absicht beider Teile
entwickelt hat (Liv. 42, 65) und daher für die Erkenntnis des Kriegs -
prinzips des Königs ohne Belang ist.
Dies Verfahren des Perseus steht mit seiner anfänglichen energi-
schen Kriegführung und mit den elementarsten Forderungen der
Kriegslage so sehr in Widerspruch, dafs es aus militärischen Gründen
überhaupt nicht mehr zu erklären ist. Hier liegt vielmehr ein ab-
sichtliches Versumpfenlassen des Krieges vor, und das Motiv dazu
dürfte aus der allgemeinen politischen Lage heraus noch erkennbar
sein. Der König hat sich von Beginn des Krieges an mit äufserster
Unlust und nur durch die Not gezwungen zu dem Waffengang mit
Rom entschlossen2). Er hat nach seinem ganzen Verhalten das leb-
hafteste Gefühl gehabt, dafs er bei einem mit aller Energie von Rom
aus geführten Kriege unterliegen müsse. Er hat deshalb, solange
noch ein Hoffnungsschimmer vorhanden war, niemals aufgehört, einem
glimpflichen Frieden zuzustreben3).
Im Anfange der Kämpfe hat er nun offenbar seinen militärisch-
politischen Kalkül darauf aufgebaut, den Römern durch eine möglichst
starke Machtentfaltung zu imponieren, ihnen durch eine energische
taktische Offensive seine Überlegenheit zu Gemüte zu führen und
ihnen von der Gröfse und Schwierigkeit der Aufgabe, ihn niederzu-
werfen, einen möglichst hohen Begriff beizubringen. Solange es dies
Ziel zu erreichen galt, ging seine politisierende Handlungsweise
mit einer ohne Nebengedanken geführten, ehrlich technischen Krieg-
1) Das einzelne hier dem Livius (Kap. 64 ff.) und den anderen Quellen (s.
Niese III S. 124 f.) nachzuerzählen, hat keinen Zweck. Das Charakteristische ist,
dafs Perseus den Römern nicht am Leibe bleibt.
2) So sagt Plutarch Aemil. Paul. 9 mit Recht von ihm: vnb ^c6/ui]g tcov
nqayfxarbjv avcuftoo^uivog n^bg xbv nölefxov.
3) Aufser den Verhandlungen mit Marcius Philippus (s. Niese III 113) und
den gleich zu erwähnenden nach dem Siege am Kallikinos, denke man auch an
die späteren Verhandlungen und seine Jahr für Jahr wiederholten Versuche, durch
Eumenes, die Rhodier und andere Staaten den Frieden zu erhalten. Polyb. XXIX
7, 4: öiane^inö^evov vne() tovtcov . . . xad-1 sxccötov erog.
248 ^er Krieg gegen Perseus.
führung dieselben Wege, und es ist daher keine Diskrepanz bemerk-
bar. Nach der Schlacht von Kallikinos hat er dann gehofft, am Ziel
seiner Wünsche zu sein. Friedensboten mit billigen, ja demütigen
Anerbietungen gingen ins römische Lager. Und als man sie schroff
abwies und unbedingte Unterwerfung verlangte, hat der König selbst
darauf hin noch weiter verhandelt und Zugeständnis über Zugeständnis
gemacht1), aber ohne allen Erfolg.
Wenn das die Wirkung von Niederlagen auf die Sinnesart der
Römer war, was hatte man dann von weiteren Erfolgen zu erwarten?
Dafs dieser Trotz durch die Vernichtung der Armee, die ihm gegen-
überstand, niedergebrochen werden konnte, daran war nicht zu denken.
Die Antwort darauf wäre einzig gewesen: ein neues Heer, ein gröfseres;
ein Veteranenheer statt der jetzigen Rekruten; ein Feldherr statt
des Bürgermeisters an seiner Spitze. Also eine Verschlimmerung der
Chancen nach jeder Richtung hin. Wehe dem Könige, wenn er durch
einen grofsen Sieg den Zorn der Hannibalüberwinder heraufbeschwor,
wenn er bewirkte, dafs Römerblut zu rächen und ein Schandfleck auf
dem Schilde der nationalen Ehre abzuwaschen war. Dann war der
Rifs unheilbar, sein Untergang besiegelt'2).
Es fragte sich, ob es aus dem Dilemma, sich wehrlos ab-
schlachten zu lassen oder durch kühne Tat den Zorn des Gegners
zu reizen, um sich erst recht abschlachten zu lassen, nicht noch
einen Ausweg gab. Es konnte nur der sein, sich so passiv und so
zäh wie möglich zu verteidigen, jeden Angriff, der zum Siege führte,
jeden kräftigen Gegenstofs zu vermeiden, solange es nicht zum
äufsersten gekommen war, Schild und Panzer als Schutzwehr, Schwert
und Speer nur zum Parieren, allenfalls zum Drohen zu gebrauchen.
So sah denn auch die neue Strategie des Perseus aus, eine
Strategie, die er durch alle folgenden Feldzüge bis zum Ende des
Krieges trotz scheinbarer Abweichungen unentwegt, wie wir sehen
werden, festgehalten hat.
Auf die kleinen Neckereien der zweiten Hälfte dieses Feldzuges
folgte gegen Ende desselben die völlige Räumung Thessaliens durch
*) Pol. XXVII 8, 1—15 ausführliche Wiedergabe der Verhandlungen, zum
Schlufs: T(vv 7iXeiOT(ov (fi'Xuv InirifxoovTdov uvt<x> xal ({hxGxovtcuv on vixcöv noiü t«
tov leinofXEVov xal roig olotg intaixorog.
2) Pol. III 75, 8: rore yaq (foßtQWTaroi 'Pw/uaioi xal xoivrj xal xai lölav,
öiav avTovq neoiarij qoßog alrjOtvog.
1. Der Feldzug vom Jahre 171. 249
Perseus; Perrhäbien liefs man wieder in Feindeshand fallen, nur Gonnos
und die Olymppässe selber wurden gehalten. Die strikteste Defen-
sive wurde auch taktisch von jetzt ab die Richtschnur des Königs.
Es kann also keine Rede davon sein, dafs etwa die Niederlage der
Makedonier bei Phalanna die Räumung Thessaliens herbeigeführt
habe, und dafs Perseus damit nach Art beschränkter und eigensinniger
Naturen, wie Mommsen es auffafst, auf einen früheren, nur durch
seine bisherigen Erfolge zurückgedrängten Plan zurückgekommen sei.
Denn ein solcher früherer Plan läfst sich nirgends konstatieren, und
nicht vom Gefechte von Phalanna an, sondern seit dem Siege von
Kallikinos datiert die rückgängige Bewegung, von der die Räumung-
Thessaliens nur die letzte Konsequenz gewesen ist.
Es ist hier, wo das neue System des Königs zum ersten Male
deutlich in die Erscheinung tritt, der Ort, die Frage aufzuwerfen, ob
denn in der Tat eine so weitgehende Passivität vor dem unparteiischen
Urteil der Geschichte durch die damalige Lage des Königs wirklich
zu rechtfertigen ist, oder ob nicht doch ein grofser taktischer Sieg
und die Vernichtung der römischen Streitmacht in Griechenland
günstigere Resultate versprochen hätte. Vielleicht hätte er, wie die
Dinge damals lagen, einen völligen Umschwung der Stimmungen in
der hellenischen Welt herbeigeführt, alle durch die Furcht vor Rom
gebundenen Sympathien gelöst1), und, wie schon oben angedeutet,
dem Könige eine Stellung verschafft, in der er an der Spitze der
hellenischen Welt den Römern an der Adria hätte entgegentreten und
ihnen die Tore des Ostens hätte verschliefsen können. War eine
Niederwerfung Roms auch unter diesen Umständen natürlich nach
wie vor ausgeschlossen, so wäre es doch vielleicht möglich gewesen,
das Adriatische Meer zur Grenze ihrer Machtsphäre zu machen.
Man braucht sich diese Frage nur klar zu stellen, um sie bei
einiger Kenntnis der politischen Verhältnisse des ^griechisch-klein-
asiatischen Staatensystems sofort zu verneinen.
Die hellenischen Klein- und Mittelstaaten von Pergamon bis
zum Ätolischen und Achäischen Bunde konnten nur dann einigermafsen
ihre Selbständigkeit wahren, wenn die beiden grofsen Militärstaaten
*) So flammte schon nach der Schlacht von Kallikinos ein gewaltiger
Enthusiasmus für Perseus in Griechenland auf. Polyb. XXVII 9, 1 (7 a): i^'la/uips
v.a&antQii nvq r\ iwv noXXwv 7iQog xbv ÜSQGea dia&taig, rbv ttqo tovtov /qovov
InixQvnjofxiviüV %(öv nXtiaiwv.
250 Der Krieg gegen Perseus.
Rom und Makedonien sich in den Einflufs in Griechenland teilten,
nicht wenn der eine von ihnen durch die militärischen Erfolge des
anderen ausgeschaltet wurde. Ein Sieg Makedoniens aus eigener
Kraft wäre der Hegemonie dieses Staates in der ganzen hellenischen
Welt mit Einschlufs von Rhodos und Pergamon gleichgekommen und
daher für die leitenden Männer in allen diesen Staaten keineswegs
ein erstrebenswertes Ziel gewesen. Alle diese Staaten hätten mit
dem Momente der Vernichtung der römischen Streitmacht auf griechi-
schem Boden dieselbe enge Fühlung mit Rom suchen müssen und
gesucht, die sie jetzt aus Furcht vor Rom und aus langer Gewohn-
heit innehatten1). Die Voraussetzungen für die Politik des abge-
laufenen Jahrhunderts wären damit einfach erneuert worden, in welchem
man gegen das Prinzipat der Antigonos und Philipp erst die Inter-
vention Ägyptens und, als dieser Staat versagte, die Roms zur Her-
stellung des Gleichgewichtes angerufen hatte.
So wäre durch bedeutende taktische Erfolge also nicht nur die
nationale Ehre Roms in die Schranken gerufen, sondern auch die
Kräfte Griechenlands womöglich noch mehr, als es jetzt schon der
Fall war, Makedonien entfremdet, die ganze Lage also nicht gebessert
sondern verschlimmert worden.
Ein Mitwirken der hellenischen Staaten gegen Rom und damit die
Möglichkeit des Erfolges war nur auf dem von Perseus eingeschlagenen
Wege möglich, d. h. wenn Makedonien nicht aus eigener Kraft Rom
von Griechenlands Boden verdrängte, sondern wenn es ihm gelang,
diese Macht mit Beihilfe der anderen griechischen Staaten, zu teil-
weisem Verzicht auf seinen Einflufs in Griechenland zu bestimmen.
Und das war eben nur durch passiven Widerstand, durch strategische
und taktische Defensive, im Verein mit lebhafter politischer Agitation
zu erreichen.
Kam man dann in Rom zu der Überzeugung, dafs die Nieder-
werfung Makedoniens schwieriger sei, als man sich vorgestellt, dafs
*) Sehr zutreffend gibt Polybios XXVII 10, 2 gleich nach der Schilderung des
in voriger A. erwähnten Enthusiasmus die Berechnung kühler Überlegung mit den
Worten tl yaQ ng Iniötriaag avrovg (das Volk) rjotro /ustoc na^orjaiag, ei ßouXoivt'
uv eis iva ntotiv Trjv ir\hy.avTr\v vntQoyr\v xctl XußtTv juovc<Q/tx.rjg 7TEiqccv ?£ovGictg,
itvvntv&üvov xara navra tqÖjiüv, ra^acog av avjovg vnoXa/ußavco ovvvorjOavTag nccXi-
vctidiav noirjoai y.al ^EtanaGtiv tlg TovvavrCov. In erhöhtem Mafse trifft das natür-
lich für Eumenes zu, vergl. Pol. XXIX 7, 1.
1. Der Feldzug vom Jahre 171.
251
sich bei längerem Ringen durch den unerträglichen Druck des
Krieges in Griechenland eine Koalition bilden würde, die den römi-
schen Einflufs ganz zu verdrängen drohte, kam man anderseits in
den hellenischen Staaten durch den dauernden Verzicht Makedoniens
auf jede gefahrdrohende Kraftentwicklung zu der Ansicht, dafs
durch eine Friedensvermittelung und eventuelle Koalition mit dem
schwächeren Makedonien dieses in seiner Stellung erhalten werden
könne, ohne dafs die Gefahr von Übergriffen seinerseits entstand,
da es unter diesen Verhältnissen hinfort nur als erste Macht unter
Gleichen auftreten konnte — dann war in der Tat alles erreicht,
was Perseus in diesem Konflikte mit Rom überhaupt zu erreichen
in der Lage war. Denn dann, aber auch nur dann, war die Möglich-
keit gegeben, durch diesen Stellungswechsel der Mittelstaaten und
gemeinsame Aktionen aller Rom für ein Teilungsgeschäft über den
Einflufs in Griechenland gefügig zu machen.
Der Fortgang der Ereignisse läfst erkennen, dafs Perseus diese
aus den Erfahrungen von Kallikinos hervorgegangene Berechnung
bis zu der letzten Entscheidung hin dauernd seinen Handlungen zu-
grunde gelegt und dem gekennzeichneten Ziele zugestrebt hat. Wie
weit es ihm gelungen ist, diesen Gedanken durch das Mittel einer
geschickt und energisch geführten, zähen Defensivstrategie schrittweise
der Verwirklichung näher zu bringen, das zu verfolgen und im
einzelnen zu zeigen, wird also einen Hauptgegenstand der folgenden
Darstellung bilden müssen.
Ehe wir jedoch dazu übergehen, ist es nötig, noch einen Blick zu-
rückzuwerfen auf die Strategie, die die Römer im verflossenen Feldzuge
befolgt hatten. Die Musterung der Verhältnisse auf den Kriegs-
schauplätzen, welche neben dem thessalischen noch in Betracht kamen,
nämlich in Illyrien und an der See, wird uns die beste Handhabe
dazu bieten.
Die Truppen, welche Rom in Illyrien aufgestellt hatte, waren
zu einem selbständigen Angriffe viel zu schwach.
Der Prätor Sicinius war im Herbst 172 mit nur 5000 Mann HiJ"1fart6
und 300 Pferden in Apollonia gelandet und hatte von diesem Korps
noch 2000 Mann zum Schutze von Larissa in Thessalien abgeben
x) Liv. 42, 67, 1.
252 Der Krieg gegen Perseus.
müssen (S. 233 A. 1). Der Rest konnte kaum ausreichen, um die wich-
tigsten Grenzplätze notdürftig zu besetzen. Auch das Detachement,
welches im Spätsommer oder Herbst 171 von Thessalien aus nach
Beendigung der dortigen Operationen gegen Perseus nach Illyrien
geschickt wurde, wird nichts anderes gewesen sein, als die 2000 nach
Larissa detachierten und jetzt zu ihrem Korps zurückkehrenden
Mannschaften. Sie eroberten auf dem Wege die unbedeutende Stadt
Keremia im südlichen Albanien, scheiterten vor dem kaum bedeuten-
deren Karnuns und waren auf den grofsen Gang der Dinge natürlich
ohne allen Einflufs1).
Von Westen her geschah also nichts gegen Makedonien; eben-
sowenig von Süden. Denn die Operationen der Flotte waren gleich-
falls bedeutungslos. Anstatt die erdrückende Übermacht, über welche
die Römer zur See verfügten, zu einer Landung an der Küste von
Makedonien zu benutzen, wo die über 12 000 Mann starke Flotten-
armee2) eine ins Gewicht fallende Diversion hätte machen können,
schickte der römische Admiral die griechischen Hilfskontingente aus
Rhodos und anderen Staaten nach Hause und begnügte sich damit,
einige Landstädtchen in Böotien, die noch zu Perseus hielten, zu er-
stürmen und auszuplündern3) — ein vom militärischen Standpunkte
ebenso zweckloses, wie vom politischen schädliches Vorgehen, da
diese Gemeinden mit den Fortschritten der römischen Waffen gegen
Perseus von selber gefallen wären.
Die Unterlassung einer gröfseren Expedition war um so tadelns-
werter, als der rührige Eumenes von seinem Reiche Pergamon aus
einen Einfall nach Thrakien machen liefs und dadurch den Verbündeten
des Perseus, den König Kotys von Thrakien, zu schleuniger Rück-
kehr in sein Land veranlafste (Liv. 42, 67, 4). Diese Diversion hätte
*) Liv. 43, 1, 1. — Über die Zeit sagt Livius eadem aestate, qua in Thes-
salia [haec gesta sunt]. Es wird nach Beendigung der früh eingestellten Opera-
tionen abgeschickt sein. Die Lage der beiden sonst unbekannten Städtchen ist
nach Zippeis überzeugenden Erwägungen (Illyr. S. 76) am oberen Devol oder am
Ostrande des Lychnidischen Sees zu suchen; vergl. auch Weifsenborn z. St.
2) Bei der Belagerung von Haliartos beläuft sich die römische Armee auf
12000 Mann, nachdem die griechischen Flottenkontingente schon nach Hause ge-
schickt sind (Liv. 42, 56, 5), s. auch Beilage I.
3) Liv. 42, 63, 3 ff. Es handelt sich hauptsächlich um Haliartos und Thisbä.
Weitere Belegstellen und Details bei Niese III 127.
1. Der Feldzug vom Jahre 171. 253
ohne Zweifel durch einen Flottenangriff in wirksamer Weise unter-
stützt werden können.
Ja, man kann noch einen Schritt weiter gehen. Die Flotte
konnte durch eine geschickte Tätigkeit die ganze Kriegführung des
Perseus gerade in Thessalien unmöglich machen. Wenn man statt
bei Haliartos etwa bei Pydna landete und, ohne dafs man die Stadt
auch nur zu belagern brauchte, südlich von ihr in der Ebene von
Katerini eine Stellung nahm, so beherrschte man dadurch alle Über-
gänge über das Gebirge, den Pafs von Pythion, den von Nezero und
den Tempepafs. Es hätte hier keine Proviantkolonne aus dem Innern
Makedoniens nach Thessalien durchkommen können, nur der Portaes-
pafs bei Servia wäre freigeblieben, aber der Weg über ihn führte
auf dem jenseitigen Gebirgsabhange gefährlich nahe an den römi-
schen Stellungen in Thessalien vorbei (s. S. 237). So von seinen
Verbindungen abgeschnitten, hätte sich Perseus jenseits des Gebirges
überhaupt kaum halten können. Denn das Land selber konnte wohl
allenfalls für seine Furage, aber kaum für seinen Proviant ausreichen.
Indessen liegt die Erklärung für das Verhalten des römischen Prätors
gleichfalls nicht auf militärischem Gebiet. In Makedonien war
keine grofse Beute zu holen, und in Griechenland war sie mühe-
los einzuheimsen. Dafs dies das Motiv gewesen, erkannte man selbst
in Rom, und hat den Flottenkommandanten nachträglich dafür ge-
richtlich verurteilt (Liv. 43, 8, 9).
Liegt hier nur der Fehler eines einzelnen vor, so trifft dagegen
weit gröfseres Verschulden die Zentralleitung des ganzen Krieges in
Rom. Man hat dem Konsul dieses und auch dem des folgenden Jahres
Vorwürfe wegen ihrer energielosen Kriegführung in Thessalien nicht
erspart (Mommsen, R. G. I6 763 f.). Mit Unrecht. Bei den Mitteln,
die ihnen zu Gebote gestellt waren, einem einfachen konsularischen
Heere aus Rekruten, konnten sie gegen die numerisch und qualitativ
überlegene Streitmacht des Perseus nicht anders handeln, als sie es
getan haben. Der Fehler lag am Senate. Nicht nur hätte man in
Thessalien die Truppen etwas verstärken können, man hätte vor
allem eine zweite Armee in Illyrien aufstellen müssen. Erst im
vierten Jahre des Krieges, nachdem Perseus hier bedeutende Fort-
schritte gemacht, den König Gentios gewonnen, Epiros und Thes-
salien im Rücken der Römer teilweise revoltiert hatte, hat man sich
zu dem entschlossen, was von Anfang an nötig gewesen wäre, alle
254 Der Krieg gegen Perseus.
diese Fortschritte der Makedonier unmöglich gemacht und den Krieg
mit einem Schlage geendigt hätte.
In der Tat lagen für die Operationen einer zweiten Armee die
Verhältnisse hier damals weit günstiger als im Jahre 199, wo man
allerdings unglücklich in Obermakedonien gekämpft hatte (oben S. 9 ff.).
Anstatt wie damals auf Apollonia und Dyrrhachium konnte man sich
jetzt auf die Orestis, Lychnidos am Ochridasee und das Drintal
stützen: das römische Gebiet war bis in die Mitte der Halbinsel vor-
geschoben1); vor allem aber, der König konnte hier nicht mit seiner
Heeresmacht wie damals Philipp den Römern entgegentreten, wenn
er gleichzeitig in Thessalien stehen mufste. Die Römer haben hier
den in der Kriegsgeschichte so oft wiederkehrenden Fehler gemacht,
durch Sparsamkeit in den Mitteln zu Beginn des Krieges, sich
für die Dauer weit gröfsere Lasten aufzubürden. Ihre glücklichen
Erfolge gegen Philipp und Antiochos hatten sie leichtsinnig ge-
macht.
Eine mangelhafte, weder den Kräften des Reiches noch den
Forderungen eines grofsgedachten, einheitlichen Angriffsplanes ent-
sprechende Strategie kennzeichnet also das römische Verfahren in
dem ersten und, wie wir gleich hinzusetzen wollen, z. T. auch noch
in den folgenden Jahren des Krieges. Erst vom dritten Jahre an
ist eine Kooperation von Flotte und Landheer ins Werk gesetzt
worden, und erst im vierten taucht der Gedanke auf, durch einen
Angriff von Obermakedonien her, die Streitkräfte des Perseus zu
teilen2). Vorläufig aber war bei dem Verzicht auf alle gröfseren
Kombinationen auch für das folgende Jahr wenig Aussicht vorhanden,
dafs der Krieg seinen schleppenden Gang ändern würde.
J) Diese Gebiete waren von Philipp im Frieden von Tempe abgetreten
(Polyb. XIII 1,14. 8, 10) und von den Römern in unmittelbaren Besitz genommen,
wie Zippel S. 73 ff. überzeugend nachgewiesen hat; vergl. unten S. 256 und vor-
her S. 233.
2J Liv. 44, 20, 5: Bericht der im Januar 168 (s. Matzat, Zeitr. S. 266) zu-
rückkehrenden Gesandtschaft: si Appio Claudio circa Lychnidum satis validus
exercitus foret, potuisse ancipiti bello distineri regem.
2. Der Feldzug vom Jahre 170.
255
2. Der Feldzug vom Jahre 170.
Fortschritte von Perseus' Defensivstrategie.
Über die Aktionen des Jahres 170 sind wir äufserst mangel-
haft unterrichtet, da unsere Hauptquelle uns hier im Stiche läfst1).
Wir können nur sagen, dafs der Feldzug mit einer Offensiv-
bewegung der Römer begann, indem der neue Konsul Hostilius ver-
suchte, nördlich über den Pafs von Portaes in das Tal der Wistritza
vorzudringen, von wo aus er mit Umgehung der Olympkette erst
nach Ober- und dann nach Niedermakedonien hätte gelangen können2).
Aber hier trat ihm Perseus entgegen und warf ihn mit starkem
Verluste nach Thessalien zurück3). Auch einen zweiten Versuch,
der auf anderem Wege erfolgt sein mufs, hat der König zurück-
gewiesen4) und dann diese günstigen Erfolge benutzt, um sich nach
dem Rückzuge der Römer, wie es scheint, wieder in den Besitz des
nördlichen Teiles von Thessalien zu setzen5). Zu einer energischen
1) Bei Livius ist hinter dem dritten Kapitel des 43. Buches eine grofse
Lücke, in welcher die Ereignisse dieses Jahres erzählt waren.
2) Per Cambunios montes, qua priore anno (170 v. Chr.) duxerat Hostilius
consul, heilst es in einer späteren Erwähnung aus dem Jahre 169 (Liv. 44, 2, 6). —
Plut. Aem. 9: xara rag 'Efo/uiag. Das ist eben der Pafs von Portaes (s. oben S. 29
A. 1), welcher in die Landschaft Elimäa, das mittlere Wistritzatal, führt. Heuzey,
Le Mont Olympe S. 216 läfst die Römer aus Eordäa, also von Norden her aus dem
Becken des Sees von Ostrowo, kommen. Das ist unmöglich. Die Armee stand ja
in Thessalien. Jeder Zweifel wird ausgeschlossen durch die angezogene Stelle
des Livius, wo die in Nordthessalien stehenden Römer beratschlagen, ob sie öst-
lich über die Olymppässe oder nördlich über die Kambunischen Berge gehen sollen
„wie der Konsul Hostilius".
3) Plut. Aem. 9: /uä/^v t7iol^ir\oe . . iv y ibv vncaixov Oan'kiov (Iney.Qovffaro
yMiußiu'Cofxtvov xcctcc rag 'EkifAiag. Zon. IX 22 P. I 456 C: rrv 6vvafj.iv noXlrjV
GVl'eXQOTrjGS.
4) Plut. Aem. 9: (OoiCXiov) kü$Qu dia QsooaUag t/jßcdovTcc 7iQox.aXov[Aevog lg
fidxrjv icfoßrjae. Um welchen Weg es sich hier handelt, wissen wir nicht. Dafs
Hostilius damals bis nach Makedonien vorgedrungen sei, wie Niese III 129 für
möglich hält, folgt weder aus den zitierten Worten noch aus Liv. 44, 36, 10, wie
schon Weifsenborn mit Recht bemerkt hat.
5) Polyb. XXIX 19, 7: GTOcunTzideuwv Iv Oerrakicc oy^dlv Inl dV iviavroig =
Liv. 45, 3, 7: per biennium. Bericht der römischen Gesandten Ende 170 v.Chr.:
tot urbibus in potestatem regis redactis. Liv. 43, 11,9, Zonar. IX 22 P. I 456 C:
Tijg QtaaaXiag -/.aiia^E r« nktiova. — Dafs es sich indessen nur um den nörd-
lichen Teil von Thessalien, also Perrhäbien, handeln kann, geht aus der Lage der
römischen Hauptquartiere in Larissa und Pharsalos hervor (s. Text).
Hierzu Karte
No. 7.
256 Der Krieg gegen Perseus.
Offensive ist er jedoch auch damals nicht vorgegangen. Das lag eben
aufserhalb des Rahmens seiner Strategie.
Nach Beendigung der Operationen im Herbst haben die Römer
ihr Hauptquartier in Larissa und legen es später nach Pharsalos.
Tausend Mann kamen wie im vorigen so auch diesen Winter nach
Ambrakia1). Man hatte wiederum keinen Schritt vorwärts gemacht.
Auch die Flotte, die diesmal, wie es scheint, zusammen mit Eumenes
von Pergamon operierte, leistete so gut wie nichts. Die Eroberung
von Abdera und ein erfolgloser Streifzug an der Küste von Make-
donien und Thrakien ist alles, was wir von ihrer Tätigkeit hören2).
Dagegen hat Perseus im Herbst und Winter noch eine aufser-
ordentliche Rührigkeit entfaltet. Sein erster Zug galt den Dardanern
im Quellgebiet des Wardar, Ibar und der Morawa und brachte, wenn
wir der Zahlenangabe glauben wollen, den Dardanern einen Verlust
von 10000 Menschen, dem Könige reiche Beute ein3). Dann wandte
er sich, in der Mitte des Winters4), nach Nordwesten gegen das
von den Römern selbst besetzte Illyrien.
Die Grenze seines und des römischen Gebietes bildete damals
b ungefähr der Gebirgszug, welcher sich vom Schar-Dagh in südlicher
c1?0leuo*T und südsüdöstlicher Richtung hinzieht und, östlich von der dassareti-
Skizze S. 257. ° '
sehen Seengruppe streichend, unter verschiedenen Namen bis in
das grofse Knie der Wistritza-Karasu, des Haliakmon der Alten,
hinabläuft5). Diese Grenze war, wie früher (S. 251 f.) auseinander-
gesetzt ist, von einem schwachen römischen Korps von 5000 Mann ge-
deckt, welches zuerst von Cn. Sicinius befehligt worden war und jetzt
unter Cälius, wahrscheinlich seinem Nachfolger (Liv. 43, 21, 1), stand.
i) Pol. XXVIII 3, 1 und 6 = Liv. 43, 17, 9 f. Hostilius wird hier als „Pro-
konsul" bezeichnet, also handelt es sich um den Winter 170/169. — Pharsalos
Liv. 44,1,5.
2) Diod. 30,6. Liv. 43,4, 8. 7,10. Niese III, 129. — Es ist übrigens nicht
möglich, über die Tätigkeit als solche ein Urteil zu fällen, weil wir die Gegen-
mafsregeln des Perseus und seines Bundesgenossen Kotys nicht kennen und über-
haupt zu lückenhaft unterrichtet sind.
3) Von dem Zuge sind auch nur gelegentliche Erwähnungen erhalten, da
diese Partie auch bei Livius verloren gegangen ist. So Liv. 43, 18, 2. 19, 14.
Periocha 43. Pol. XXVIII 8, 2. Verluste der Dardaner Plut. Aem. 9.
4) sub tempus brumae Liv. 43, 18, 1.
5) s. S. 254. — Auf Karte 1 ist der Zug durch die Namen Neretschkakette
und Witschu, östlich von den dassaretischen Seen, bezeichnet.
2. Der Feldzug vom Jahre 170.
257
Kromayer, Antike Schlachtfelder. II.
e er
17
258 Der Krieg gegen Perseus.
Das langgestreckte Tal des Schwarzen Drin im Norden, mit der
weiten und fruchtbaren Ebene von Dibra, die sich in einer Länge
von mehr als 50 und in einer Breite bis zu 10 Kilometern hinzieht,
war mit einer Anzahl von Besatzungen belegt, die über 2000 Mann
betrugen, und von denen die stärkste in der Landeshauptstadt Uskana
lag1). Südlich davon, in Lychnidos am See von Ochrida, wird die
Hauptmacht gestanden haben, andere Punkte mögen, wie auch Uskana
zum Teil, durch Besatzungen aus illyrischen Landesaufgeboten ge-
schützt gewesen sein; der südlichste Teil der Linie, die Landschaft
Orestis im oberen Karasutale, war schon bei Beginn des Krieges mit
400 Mann epirotischer Freiwilliger belegt worden. Diese Verteilung
*) Nach Liv. 43, 18, 11. 19, 2. 6 soll Perseus in Uskana allein 4000 und in
den anderen Kastellen des Drintales 1500 Römer gefangengenommen haben. Die
Zahl 1500 ist unsicher — Wiener Kodex „oo et a" (Groag) — , die Zahl 4000 ist,
wie schon Weifsenborn bemerkt hat, ohne Zweifel falsch, obgleich in dem
Wiener Kodex deutlich „quatuor milia" mit Buchstaben (Groag) steht. Sie ist,
nach allem was wir von den Truppen der Römer in Illyrien wissen (s. Beilage I),
unmöglich, und im besonderen bei einer so grofsen Besatzung die schnelle Er-
oberung von Uskana durch ein Korps von nur 12 000 Mann unbegreiflich. — Die
Lage von Uskana wird gegenüber Zippel, Illyr. S. 79, von Niese III 141 bezweifelt,
der Uskana vielmehr bei Kicevo (Kritschowa) oder Sop sucht (s. die Skizze S. 257).
Aber sein Grund, dafs die Gegend von Dibra nicht in drei Marschtagen von
Stuberra habe erreicht werden können, ist nicht zutreffend (s. folg. S.); anderseits
ist es unverständlich, wie Perseus sich durch eine Eroberung von Sop oder Krit-
schowa den Weg nach der Küste von Skutari öffnen konnte (s. folg. S.) und
wie die Römer dazu kamen, sich nach seinem Abzüge von den Parthinern Geiseln
stellen zu lassen (Liv. 43, 21, 3), die in dem Hinterlande von Dyrrhachion wohnten
(Zippel S. 51; Dio 41,49,2), und in deren Nähe der König dann gar nicht ge-
kommen wäre. — Auch die zahlreiche Bevölkerung von Uskana — decem milia
civium (Liv. 43, 10, 9) und die starke Deckung der Landschaft durch nicht weniger
als 14 feste Punkte mit römischen Besatzungen (s. folg. S.J, erklärt sich nur
aus der Natur der für Albanien aufserordentlich grofsen und fruchtbaren Ebene
von Dibra. Von Hahn sagt darüber in seiner Reise durch die Gebiete des Drin
und Wardar (Denkschr. d. Wiener Ak. phil. Kl. Bd. XVI, Abt. 2 S. 90): „Je
weiter wir in dieser Ebene vorrückten, um so fruchtbarer und bebauter wurde
die Gegend, und um so freundlicher und behäbiger wurden die Landschaftsbilder,
Wir kamen an die fast aneinander stofsenden Orte (so u. so) . . . deren Zentren
vollkommen städtisches Ansehen hatten . . das Ganze von einem mächtigen Gürtel
von Weinbergen umschlossen, die sich bis hoch an der sanft geböschten Ostwand
hinaufzogen, über diesen Felder, die bis zum Kamme des Bergzuges reichten —
ein sehr seltener Anblick in Albanien." Ähnlich auch Rockstroh (Jahresber. d.
Vereins f. Erdkunde Dresden XII 1875, S. 52. 55).
2. Der Feldzug vom Jahre 170. 259
der Streitkräfte auf eine etwa 180 Kilometer lange Kordonkette zeigt,
dafs offensive Absichten der Römer hier nicht vorlagen, ja dafs man
nicht einmal auf einen ernsten Angriff des Gegners rechnete, sondern
lediglich die Grenze gegen Streifereien zu schützen und solche ge-
legentlich selbst auszuführen beabsichtigte1).
So ist es denn auch Perseus, der mit der beträchtlichen Zahl
von 12 000 Mann regulärer Truppen zu Fufs und 500 Reitern einen
Vorstofs versuchte, sofort gelungen, die Kette zu durchbrechen und
sich die Bahn nach Westen freizumachen. Er richtete seinen Angriff
gegen den nördlichsten Teil der ganzen Linie, die Ebene des Schwarzen
Drin bei Dibra. Die Truppen wurden im nördlichen Winkel der
Ebene von Monastir bei Stuberra gesammelt, und in drei starken
Tagemärschen ging es unter Zurücklassung des grofsen Gepäckes
gegen Uskana im Drintale vor2). Der Weg beträgt stark 100 Kilo-
meter, die Terrainschwierigkeiten sind nicht übermäfsig, die Marsch-
leistung ist auch für den Winter und gerade bei gefrorenen Wegen
sehr wohl durchführbar und nicht einmal aufserordentlich 3). Die
Truppen in Uskana wurden nach kurzer Bestürmung zur Übergabe
genötigt und nach Bergung der Beute in Stuberra auch die 13
anderen Kastelle der Ebene und des anstofsenden Gebirges genommen,
unter ihnen besonders diejenigen, welche den Durchgang durch das
Mittelgebirge nach der Küste zu — das heutige Mirditenland —
beherrschten 4).
a) Über Appius Claudius und seine angeblichen Streitkräfte s. S. 261 A. 1
und S. 265 A. 1.
2) Liv. 43, 18, 4. — Über die Lage von Stuberra s. S. 22 A. 1.
3) Länge des Weges gemessen nach der österr. Karte 1 : 200 000 von Wutschin
über Sop und Kritschowa. Es sind zwei Pässe zu überwinden, der eine bei Sop
mit 1077, der andere über die Jamakette mit etwa 1300 Metern. Da man in der
Ebene von Monastir schon über 600 Meter hoch ist und der Weg ganz langsam
steigt, ist bei dem ersten Passe überhaupt kaum von einer Schwierigkeit zu reden.
Bei Kritschowa kommt man dann wieder auf etwa 600 Meter herunter, hat also
über die Jamakette auch nur etwa 700 Meter zu steigen, und zwar gleichfalls in
langsamem Anstieg. Von Hahn fa. a. 0. XVI Abt. 2 S. 42) rechnet auf den Weg
von Dibra nach Kritschowa 10£ bezw. 11 Stunden, davon auf den Übergang über
die Jamakette von Gaire nach Iswor nur 3 Stunden.
4) Liv. 43, 19, 1—5. §2: Oaeneum oppidum ... et alioqui opportune situm,
et transitus ea est in Labeates, ubi Gentius regnabat. Die Labeaten wohnten am See
von Skutari. Nur um zwei Wege kann es sich hier handeln (s. v. Hahn a. a. 0. Bd. XV
S. 83. XVI S. 37), entweder um den Weg durch die Mirditis über Lurja, Orosch nach
17*
2G0 Der Krieg gegen Perseus.
Damit war der Zweck des ganzen Vorstofses erreicht. Denn
es kann kein Zweifel sein, dafs derselbe mehr politischer als mili-
tärischer Natur war und in erster Linie dazu dienen sollte, die Ver-
bindung mit dem Könige Gentios von Scodra, dem heutigen Skutari,
die nur auf diesem Wege zu erreichen war, herzustellen1). Ein leb-
hafter Gesandtschaftsverkehr wurde denn auch sofort eröffnet und
führte schliefslich zum Bündnisse der beiden Herrscher2).
Während der Anwesenheit des Königs hatte sich der römische
Kommandant in Lychnidos nicht zu rühren gewagt. Ein Vorstofs
gegen das Drintal nach der Rückkehr des Königs scheiterte an der
Tapferkeit der in Uskana zurückgelassenen Besatzung. Die Ver-
hältnisse blieben, wie sie durch die Expedition des Königs fest-
Skutari, den z. T. Tozer (Researches Bd. II 280 ff.), Hassert (Mitteil, der geogr.
Gesellsch. in Wien Bd. 41 S. 350 ff.) u. a. gegangen sind, oder um den Weg durch
die Matja, den von Hahn (Bd. XV S. 16 f. u. XVI S. 10) beschreibt. Dafs der
erstere gemeint ist, geht daraus hervor, dafs später die Gesandten des Perseus
nach Skodra gelangen und von dort erst nach Lissus gehen (Liv. 43, 20, 1). Wären
sie durch die Matja gegangen, hätten sie zuerst Lissus (Alessio) erreichen müssen.
Bei der Überschreitung des iugum Scordi montis durch die Gesandten handelt es
sich also nicht um eine Übersteigung des Schardagh, die im Winter ohne Zweifel
unmöglich und zudem höchst unnötig war, da man den Schardagh auf dem in
vorvor. A. beschriebenen Wege über Kritschowa bequem umgehen kann, sondern
am den Weg durch das mirditische Mittelgebirge, das mit seiner Höhe des Guli-
kutsch zwischen Lurja und Orosch von fast 1600 Metern, auf die man geradezu
die Äufserung „Scodram ingenti labore tandem pervenerunt" beziehen möchte, im
Winter schon recht beschwerlich sein mufste. Auch die „Illjrici solitudines (Liv.
a. a. O.; Pol. XXVIII 8, 3), welche zur Verhinderung der Einfälle der Dardaner nach
Illyrien durch Verwüstung des Zwischenlandes hergestellt sind, gehören hierher.
Denn die einzige Verbindung vom Gebiete der Dardaner an die Küste geht in
der grofsen Senke zwischen den Nordalbanischen Alpen und dem Schardagh, d. h.
am Weifsen Drin entlang, und durch die Mirditis. — Dafs der Name „Scordus"
nicht auf den eigentlichen Schardagh beschränkt zu werden braucht, sondern auf
das ganze anliegende Bergland mit ausgedehnt werden kann, wird bei der Un-
bestimmtheit der Begriffe der Alten über Bergzüge und Bergnamen dieser Gegen-
den und bei dem Mangel aller Individualbezeichnungen jedem Kenner selbstver-
ständlich erscheinen. Dehnen doch sogar moderne Forscher von solcher Be-
deutung wie Grisebach und ihm folgend von Hahn (Alban. Studien S. 6) den
Namen Scardus aus Mangel an zusammenfassenden Bezeichnungen noch viel weiter,
nämlich bis zum Tschangonpasse, südlich von den dassaretischen Seen, aus.
f) Liv. 43, 18,8: (Perseus) cernens . . si domuisset proximos Illyriorum,
Gentium in societatem perlici posse.
2) Niese III 142. 151,
2. Der Feldzug vom Jahre 170. 261
gestellt waren; die Römer begnügten sich, das Bergland von
Mittelalbanien westlich und südwestlich vom Drin dadurch zu
sichern, dafs sie sich von den dortigen Gebirgsstämmen Geiseln
stellen liefsen1).
Kaum waren diese Unternehmungen zu Ende geführt, so winkte
dem Könige eine Aussicht auf noch weitergehende Erfolge.
Schon im Frühling 1702) war der kräftigste Stamm der Epiroten-
die Molosser3), zu der makedonischen Sache übergetreten, ein Ge
winn, der besonders deshalb nicht zu unterschätzen war, weil die
direkteste Verbindung mit Italien, nämlich die Strafse über den Pafs
von Metzowo nach Apollonia, mitten durch das Gebiet dieses Volkes
hindurchführte. Perseus hatte diese Erwerbung für so wichtig ge-
halten, dafs er persönlich eine Expedition dorthin unternommen und
bei seinem Abzüge den tüchtigen makedonischen Offizier Klevas mit
starker Mannschaft als Besatzung dort zurückgelassen hatte4).
Jetzt bot sich dem Könige Gelegenheit, noch beträchtlich weiter
nach Süden vorzudringen. Eine mächtige Partei in Ätolien war bereit,
ihm die gröfste Stadt des Landes, Stratos, in die Hände zu spielen
und so den ganzen Bund auf seine Seite zu bringen. Perseus brach s^e^*
*) Liv. 43, 21, 1—3. — Der vorher (43, 10) von Livius erzählte Angriff des
Appius Claudius auf Uskana ist eine Dittographie dieses Versuches und stammt
aus der Annalistik. Appius Claudius gehört überhaupt nicht hierher, sondern
nach Epiros. Nissen S. 60 und unten S. 265 A. 1 Ihnes Zweifel III 190 A. 1 ist
unberechtigt. — Besatzungen des Perseus im Drintale Liv. 43, 20, 4: firmatis
Uscanae et circa eam per omnia castella, quae receperat, praesidiis.
2) Der Konsul Hostilius sollte auf seiner Reise zur Armee in Phanote auf-
gehoben werden. Pol. XXVII 16. Diodor 30, 5 a. Weitere Erwähnungen des Ab-
falles bei Niese III 134.
3) Polyb. XXX 7, 2: fxsT^QQiipav ngog UeQöto to toov MoXoticov eSvog. Dafs
auch einzelne Teile anderer epirotischer Stämme sich anschlössen, zeigt Strabo
VII 7, 3. C. 322, der sagt, dafs die meisten der von Aemilius Paulus zur Strafe
für den Abfall zerstörten Städte molossisch gewesen seien; ferner der Abfall der
Stadt Phanote (Liv. 43, 21, 4), welche nicht molossisch war (Liv. 45, 26, 4), und
wie Niese III S. 134 mit Recht annimmt, nicht die einzige nichtmolossische Stadt
gewesen ist, die abfiel.
4) Cleva, qui relictus a Perseo erat, heifst es bei späterer Gelegenheit
(Liv. 43, 21, 5). Dafs sich die Zurücklassung auf diese Expedition bezieht, hat
mit Recht Weifsenborn z. St. bemerkt. — Die Belege für die Expedition des
Perseus bei Niese III 134.
2G2
Skizze zum
Der Krieg gegen Perseus.
arsch des Perseus nach Stratos.
SchialistcL
2. Der Feldzug vom Jahre 170. 263
sofort — es mochte Ende Februar oder Anfang März sein ') — vom
mittleren Karasu, wo er seine Truppen gesammelt hatte, mit
10000 Mann und 300 Reitern auf und erreichte in drei starken Mär-
schen den Pafs von Milia (1536 Meter), den Kitiosberg der Alten.
Von da stieg er ins Tal des Flufses von Metzowo hinunter und kam,
nachdem er die Kyra überschritten hatte, auf der Strafse von Jannina
nach Arta vorrückend, zuletzt mit einem Gewaltmarsche, nach weiteren
3 Tagen an den Flufs von Arta, ^den Aratthos der Alten, oberhalb
der Stadt Ambrakia2). Hier mufste er über den angeschwollenen
Strom eine Brücke schlagen, was bei dem Mangel an Vorbereitungen
') Liv. 43,21,5: exercitu lustrato. Die Lustration des makedonischen
Heeres erfolgte im Monat Xanthikos (Polyb.XXII 10, 17. Hesych. III S. 70), welcher
damals dem attischen Elaphebolion, unserem März/April, entsprach (Ideler S. 396.
398. 403), aber auch schon im Februar beginnen konnte, wie z. B. im Jahre
229 v. Chr. am 26. Februar (nach Ideler S. 396 berechnet.) Das pafst für unser
Jahr. Denn einerseits hatten die zwei oder sogar drei Vorstöfse des Perseus gegen
Illyrien, die sub tempus brumae (S. 256 A. 4) begannen (Liv. 43, 19, 1. 2. 20, 4;
Polyb. XXVIII 8, 11), und die dazwischenliegende Gesandtschaft an Gentios (Liv.
43, 20, 1; Pol. a. a. 0.) wohl mindestens 1| — 2 Monate gekostet, anderseits wurden
noch nach dem Ende der ätolischen Expedition die Truppen wieder in die Winter-
quartiere gelegt (Liv. 43, 23, 6).
2) Die Marschangaben bei Livius 43, 21, 5 bis 9. Man nimmt gewöhnlich
an (Niese, Weifsenborn), Perseus sei über den Pafs von Metzowo gegangen. Aber
das ist nicht der Weg von Makedonien, sondern der von Thessalien nach Epiros.
Es kann hier nur der Pafs von Milia in Betracht kommen, der auf der geraden
Linie vom mittleren Karasutale (Elimea) nach dem mittleren Epiros liegt, und zu
welchem auch heute „ein von zahlreichen Handelskarawanen benutzter, ziem-
lich bequemer Saum weg" führt (Tuma S. 140). Die Pafshöhe ist von Schiatista
am Karasu 65| Kilometer entfernt, ohne die kleinen Wegkrümmungen zu rechnen,
was bei dem vielfachen Auf und Ab und der bedeutenden Höhe von 1536 Metern
in Wirklichkeit etwa 75 — 80 Kilometern, d. h. unter den gegebenen Verhältnissen
drei starken Tagemärschen entspricht. Gerade soviel brauchte nun Perseus
bis zum Kitiosberge, so dafs wir die Pafshöhe von Milia, die im Februar/März
natürlich noch tief im Schnee steckte (propter altitudinem nivis), ohne Zweifel
mit diesem Berge zu identifizieren haben. Die drei nächsten Märsche führen
dann bergab und bis zum Aratthosflusse. Der einzige Weg geht hier im Flufs-
tale von Metzowo entlang, übersteigt den Rücken der Kyra (s. oben S. 54) und
mündet südlich von Jannina in die grofse Strafse nach Arta. Diese mufste Perseus
natürlich verfolgen, weil sie der bequemste und zugleich der einzige Weg war,
der ihn durch das befreundete Gebiet der Molosser führte, die eben gerade in
dem breiten Tale des Vyros von Jannina bis Arta safsen. Ebenso mufste er
Arta (Ambrakia) selber, wo eine starke römische Besatzung lag (Liv. 43, 17, 16),
264 ^er Krieg gegen Perseus.
mindestens einen Tag in Anspruch genommen haben dürfte ')• Dann
führten ihn wiederum drei Marschtage bis vor die Mauern von Stratos.
Es war eine kühne Tat und eine bedeutende Marschleistung,
die hier ausgeführt waren. Ein Weg von gegen 260 Kilometern war
in neun Tagen auf schwierigen Gebirgswegen zurückgelegt und hatte
den König in den Rücken der römischen Armee geführt, von deren
Hauptquartier er nicht voll 120 Kilometer in der Luftlinie entfernt
war. Aber das Resultat entsprach nicht den Anstrengungen. Der
römische Kommandant in Ambrakia hatte vom Anmärsche Nachricht
erhalten und Gelegenheit gefunden, 1000 Mann Römer aus Ambrakia
in die Stadt zu werfen, denen sich noch etwa 700 Ätoler ange-
schlossen hatten (Liv„ 43, 22, 3. 4). Auf einen Überfall, nicht auf
eine Belagerung war es abgesehen gewesen. Der König zog un-
verrichteter Dinge ab. Der einzige direkte Erfolg des kühnen
Streifzuges war, dafs die kleine Berglandschaft Aperantia am mittleren
Aspropotamos zu ihm überging und mit einer Besatzung von 800 Mann
gesichert wurde (Liv. 43 22, 11). Ein indirekter lag darin, dafs eine
gleichzeitige Unternehmung der Römer gegen Epiros dadurch ver-
eitelt wurde.
Der römische Legat Appius Claudius war nämlich im Herbste 170
von der römischen Hauptarmee in Thessalien detachiert worden, um
vermeiden und also oberhalb über den Flufs gehen. Nehmen wir an, das sei in
der Gegend von Skupa, etwa 25 Kilometer oberhalb der Stadt, geschehen, so hätten
die drei Marschtage vom Kitiosberge bis zum Aratthos etwa 94 Kilometer be-
tragen, was gleichfalls gut stimmt, da der erste Teil derselben noch ins Gebirge
fällt und einen Aufstieg von fast 500 m über die 945 Meter hohe Kyra enthält,
während der letzte Teil geradezu als Gewaltmarsch (ingens iter) bezeichnet wird.
Auf die drei letzten Marschtage bis Stratos würden dann noch wieder 92 Kilo-
meter kommen. Dies ist die natürlichste Zerlegung des im ganzen rund 260 Kilo-
meter langen Weges, dessen Richtung in allen Hauptsachen feststeht. Die Lage
des Tempels des Jupiter Nikaeos, der am 5. Tage erreicht wurde, läfst sich nicht
mehr bestimmen. Die Grenze des ätolischen Gebietes, bis zu welcher man am
7. Marschtage gelangte, ist an der Nordostecke des Busens von Arta zu suchen,
da das Amphilochische Argos damals zu Ätolien gehörte; denn es war alter
ätolischer Besitz (Liv. 32, 34, 4), nach vorübergehender Eroberung durch Philipp
von Makedonien von den Ätolern zurückerobert (Liv. 38, 3, 3) und ihnen nach
dem Wortlaute des Friedens im Jahre 189 geblieben (Liv. 38, 11, 9. Pol. XXI
32a, 13. Niese II 768. III 143).
]) Die Angabe der Dauer des Brückenbaues ist im Wiener codex aus-
gefallen : retentus altitudine amnis . . . mansit quo spatio temporis ponte perfecto . . .
2. Der Feldzug vom Jahre 170. 265
gestützt auf das treugebliebene Küstenland von Illyricum, den Fort-
schritten des Klevas in Epiros entgegenzutreten1). Er hatte mit
seinem Korps, verstärkt durch 6000 Mann epirotischen Aufgebotes,
gerade damals einen Vorstofs gemacht und war mit der Belagerung
von Phanote, ohne Zweifel dem heutigen Gardiki, der ersten auf
seinem Wege liegenden feindlichen Stadt2), beschäftigt. Die Kunde
vom Anmarsch des Königs verjagte ihn, und auf dem Rückzuge
brachte ihm Klevas eine empfindliche Schlappe bei3). Das Molosser-
land blieb in den Händen der Makedonien —
Wenn wir die erwähnten Winterunternehmungen des Königs
unter gemeinsamen Gesichtspunkten betrachten, so fallen sie noch in
den Rahmen des kleinen Krieges, der hier allerdings mit bedeutenden
Detachements und in ungewöhnlich grofsem Stile geführt wird. So-
wohl die Expeditionen nach Illyrien, als die nach Epiros und Ätolien
hatten in erster Linie den Zweck, die Verbindung der römischen
Armee mit ihrer Hauptbasis Italien zu bedrohen. Die Piratenschiffe
des Gentios konnten den Nachrichtendienst und die Transportschiffe
von Brundisium nach Apollonia ernstlich gefährden4); der kürzeste
J) Die Detachierung des Appius mit 4000 Mann aus Thessalien hat Liv. 43,
9, 6 f. aus den Annalen, weshalb die Zahl seiner Truppen ohne Verlafs ist ebenso wie
sein Zug nach Lychnidos. In den aus Polybios erflossenen Nachrichten tritt Appius
nur in Epiros auf. Die Verwechselung der Annalen stammt daher, dafs er seine
Basis im Küstenlande von Illyrien hatte, wo er seine Truppen denn auch in
Winterquartiere legt (Liv. 43, 23, 2—7), und von wo er später dem Prätor Auicius
zuzieht (Liv. 44, 30, 7.)
2) Phanote nach Leake (I, 72) gleich Gardiki etwa 14 Kilometer nordwestlich
von Argyrokastro. In dieser Gegend mufs es jedenfalls gelegen haben. Zu den
von Leake angeführten Gründen kommt noch hinzu, dafs auch Anicius auf seinem
Einmarsch von Illyrien auf Phanote als erste feindliche Stadt stiefs (Liv. 45, 26, 3).
Da Antigonea (Tepeleni) noch zu den Römern hielt (Liv. 43, 23, 4) und Anicius
von Phanote aus unmittelbar ins Gebiet der Molosser d. h. im Drynostal aufwärts
zieht, so ist damit die ungefähre Lage der Stadt gegeben.
3) Liv. 43, 23, 1—7. Seine Verluste werden auf 1200 Mann angegeben
Dann zieht sich der Krieg nach Antigonea, wo Klevas mit Hilfe des epirotischen
Landsturmes die Gegner in einen Hinterhalt lockt und wieder 1100 Mann er-
schlägt und fängt.
4) Deshalb rät der makedonische Unterhändler auch dem Gentios (Pol. XXIX
4, 1): /Liahara . . naoaöxevd&G&cci nqbg rrjv xcaa öcdairecv /ua/t]V twv yccg 'P(üfxaio)V
(ig riXog clnctQaaxeixov ovtojv nqbg tovto to futqog . . . äxovirl näv ro nqoTS&ev int-
rtito&raeo&cci,.
2G6 ^er Krieg gegen Perseus.
Landweg durch Epiros war verschlossen. Gelang die Insurgierung
von Ätolien, so war auch die Verbindung über Ambrakia, auf welche
die Römer ganz besonders Gewicht legten1), nicht mehr frei, und bei
der ausgesprochen makedonischen Gesinnung grofser Teile von Böotien
war gleichzeitig der Weg über Antikyra, den z. B. der Konsul Hostilius
nach Sperrung von Epiros eingeschlagen hatte2), oder über andere
Häfen des Korinthischen Meerbusens bedroht. Kurz die römische
Armee war in allen direkten Verbindungen mit der Heimat gefährdet3).
Und wer konnte ermessen, wie weit bei solchen Fortschritten des
Königs die übrigen griechischen Staaten, welche doch eben für die
Unterhaltung des Heeres von grofser Bedeutung waren, ihre makedoni-
schen Sympathien in die Tat umsetzen würden?
So erkennt man, wie das Defensivsystem, welches der König
in diesem Jahre noch strikter angewandt hat wie im vorigen, gerade
durch diese Verbindung mit dem kleinen Kriege der Energie keines-
wegs ermangelt, wie in seinen Plänen Sinn und Zusammenhang ist,
wie die Tendenz, dem römischen Heere die unüberwindliche Gebirgs-
schranke des Olymp entgegenzusetzen und es zugleich von allen
Seiten zu umspinnen und einzukreisen, mehr und mehr in die Wirk-
lichkeit umgesetzt wird. Ein Jahr war wiederum gewonnen, und die
Anstrengungen, die zur Niederwerfung des Königs nötig waren, hatten
sich vergröfsert, statt abzunehmen4).
Trotzdem war die Lage der Römer doch mehr angetan, ängst-
liche Gemüter mit Besorgnis zu erfüllen als wirklich eine Katastrophe
in Aussicht zu stellen. Der Weg um den Peloponnes konnte den
römischen Getreidetransporten nicht verschlossen und eine Verpflegung
von Kleinasien und Pergamon aus nicht unterbunden werden, da die
1) Sowohl im zweiten Maked. Kriege gegen Philipp wurde die römische Armee
in Thessalien von hier aus verpflegt (s. oben S. 56) als auch im dritten der Platz
regelmäfsig durch Besatzungen gedeckt (S. 256 A. 1). Der Konsul des folgenden
Jahres ging über Ambrakia zur Armee, Liv. 44, 1, 4.
2) Pol. XXVII 16, 6.
3) So sagt denn auch Polybios XXIX 7, 6 bei einem Überblick über die
Gesamtlage, dafs die Römer neben anderen Gründen auch <JV« ib xovg y.ara t^v
AhoolCctv fxsTfcöoovg vttccqxeiv in übler Lage gewesen seien.
4) bellum per quadriennium quatuor ante me consules ita gesserunt, ut
semper successori traderent gravius sagt Ämilius Paulus in seiner Triumphalrede,
Liv. 45, 41, 5.
3. Der Feldzug vom Jahre 169. 267
in Euböa stationierte römische Flotte unbedingt die See beherrschte1).
Bei der schwankenden Haltung Griechenlands und dem je länger je
mehr wirksam werdenden Spiele des Königs kam vielmehr römischer-
seits alles darauf an, durch einen festen Vorstofs das Gewebe, welches
die Römer umgab, zu zerreifsen und endlich einmal über das Gebirge
ins Innere Makedoniens vorzudringen.
Der neue Konsul schien der Mann dazu zu sein, diesen Vorstofs
ins Werk zu setzen.
3. Der Feldzug vom Jahre 169.
Der Olympübergang und dessen Folgen.
Der Übergang der Römer über den Olymp bildet das Haupt-
ereignis dieses Kriegsjahres, ein Ereignis, denkwürdig an sich und
für uns noch deshalb von besonderem Werte, weil Polybios, auf den
die uns erhaltene Erzählung des Livius zurückgeht, hier nicht nur
als Militärhistoriker, sondern als Augenzeuge gesprochen hat. Er
machte den Zug als Gesandter des Achäischen Bundes beim Konsul,
also in zugleich hervorragender und unbeschäftigter Stellung mit.
(Pol. XXVIII 13). Seinen Beobachtungen verdanken wir den nach
Zeiten und Örtlichkeiten für die antike Kriegsgeschichte ungewöhnlich
exakten und zuverlässigen Bericht, der uns daher gestattet, das Ver-
fahren der beiden Heeresleitungen mit mehr Sicherheit, als das sonst
der Fall zu sein pflegt, einer Kritik von militärischen Gesichtspunkten
aus zu unterwerfen.
Kaum war im Anfange des Sommers2) der neue Konsul Q. Marcius
Philippus im Hauptquartier zu Pharsalos eingetroffen, als eine leb- Hierzu Kart?
hafte Tätigkeit begann. Die 5000 Mann Ersatztruppen, welche er No- 7-
mitgebracht hatte, wurden eingestellt, der Prätor Marcius Figulus
wurde von Chalkis her zu Beratungen über eine kombinierte Aktion
!) s. S. 252. 256.
2) principio veris reist der Konsul von Rom ab, Liv. 44, 1, 1. Die Rhodier
schicken aQxofx^vr\g dsgetag (Pol. XXVIII 16,5) Gesandte an den Konsul, welche
ihn schon bei Herakleon in Makedonien, also nach dem Olvmpübergange, treffen
(ib. 17, 1).
268 . Der Krieg gegea Perseus.
herbeibefohlen1), und schon zehn Tage nach der Ankunft des Konsuls
brach die Armee in nördlicher Richtung auf, mit Proviant auf einen
Monat versehen2). Es müssen schon vor dem Eintreffen des neuen
Oberfeldherrn weitgehende Vorbereitungen für den Abmarsch getroffen
gewesen sein.
In vier Marschtagen wird man den etwa 100 Kilometer langen
Weg von Pharsalos durch die Enge von Damasi bis in die Hügel-
landschaft nördlich von Elassona zurückgelegt haben, wo in der
Gegend zwischen den Städtchen Azoros und Doliche, etwa in der
Nähe des heutigen Dörfchens Malis, für vier Tage ein Standlager be-
zogen wurde3). Da die Meinungen über die von hier aus einzu-
schlagende Marschrichtung auseinandergingen und während des bis-
herigen Anmarsches eine Einigung im Kriegsrate nicht erzielt worden
war, so hatte der Konsul die Entscheidung bis zur Wegscheide ver-
schoben, um sich persönlich an Ort und Stelle über den vorteil-
haftesten Angriffspunkt zu unterrichten4).
1) Liv. 44, 2, 1 ff. : praetor . . a Chalcide . . venit. placuit . . movere extemplo
castra atque pergere inde in Macedoniam et praetorem dare operam, ut eodem
tempore classis quoque invehatur hostium litoribus.
2) ib. 2,4: consul menstruum iusso milite secum ferre profectus decumo
post die, quam exercitum acceperat.
3) Zwischen Azoros und Doliche (Liv. 44, 2, 8 und Pol. XXVIII 13, 1). —
Diese Städtchen werden nach Funden beträchtlicher Reste alter Stadtmauern mit
grofser Wahrscheinlichkeit in die Nähe der Dörfer Duklista und Vuvala gesetzt.
Leake III 342, 344 setzt Azoros bei Vuvala an, Doliche bei Duklista. Heuzey
S. 39. 41 umgekehrt, was hier nicht in Betracht kommt. Die Bestimmung, dafs das
Lager zwischen den beiden Städten gelegen habe, läfst noch einige Freiheit. Ich
habe es so weit wie möglich nach Süden angenommen. Erstens, weil es ausdrück-
ich bei Livius heifst, dafs die Römer das Lager an der Wegscheide zu den drei
Pässen (prope divortium itinerum, s. d. folg. A.) aufgeschlagen hätten, und die
liegt etwas südlicher. Zweitens, weil die Entfernungsangaben für den Marsch
über den Olymp dann besser passen (s. S. 271). — Über die Marschroute durch
den Pafs ;von Damasi s. S. 237 A. 2 Ende. Dafs man in dem Standlager (stativa
Liv. 44, 2, 8) vier Tage blieb, folgt daraus, dafs man nach dem Übergang über
den Olymp (nach Liv. 44, 6, 6 zu schliefsen, s. S. 286 A. 3) noch Getreide für
10 Tage bei sich hatte, also hatte man bis dahin 20 Tage gebraucht; denn für
30 war ja Getreide mit genommen worden. Der Übergang über den Olymp aber
hatte mit dem Ankunftstage 12 Tage gedauert (s. S. 276 A. 1), der Marsch bis ins
Standlager von Malis 4, macht zusammen 16. Es bleiben also für das Standlager
selbst 4 Tage übrig.
4) Liv. 44, 2, 5 : unius diei progressus iter (von Pharsalos aus) convocatis
itinerum ducibus, cum exponere in consilio iussisset, qua quisque ducturus esset*
3. Der Feldzug vom Jahre 169. 269
Die grofse Gebirgsmasse, welche Thessalien von Makedonien
trennt, zieht sich zwischen dem Salamvrias, dem alten Peneos, im
Süden, und der Wistritza, dem alten Haliakmon, im Norden in einer
Länge von 75—80 und in einer Breite von 30 — 35 Kilometern mit
vielfachen Verzweigungen hin. Sie kann sowohl im Norden als im
Süden umgangen werden: im Süden eben in dem Engpasse des
Salamvrias, dem berühmten Tempeta], im Norden in dem Passe von
Servia, dem alten Volustanapasse l), welcher vom Standlager der
Römer in nordnordwestlicher Richtung lag, und in das Tal der
Wistritza hinüberleitete.
Die Umgehung im Süden war für die Römer unmöglich, weil das
Tempetal durch vier Kastelle mit starken Besatzungen gesperrt war2).
Auch die Umgehung im Norden war wenig aussichtsreich. Hier
hatte der Konsul Hostilius im Jahre vorher durchzubrechen versucht
und war blutig zurückgewiesen worden (S. 255). Der Pafs bildet bei
einer Höhe von rund 900 Metern über dem Meere und bei der zer-
rissenen, von Felsen und Schluchten durchsetzten Natur des Geländes
eine starke Verteidigungsstellung3), und selbst, wenn man ihn er-
zwungen hat, hat man noch nichts erreicht. Denn man kann dem
Tale der Wistritza nicht folgen, um nach Niedermakedonien zu ge-
langen, weil der Strom vor seinem Austritt in die Ebene in unpassier-
barer Schlucht das Gebirge durchbricht. Man mufs vielmehr auf der
anderen Seite des Tales wieder fast ebenso hoch hinaufklimmen, um
die Hochebene des Beckens von Kailar zu erreichen, welche ihrer-
seits wieder durch eine dritte Gebirgsschwelle, das Gebirge von Agosto
oder das Bermische Gebirge, von Niedermakedonien getrennt ist4).
summotis iis, quam viam potissimum peteret, rettulit ad consilium. Hier Meinungs-
verschiedenheiten; deshalb in id tempus, quo prope divortium itinerum castra
posituri erant, deliberatio eius rei differtur.
') s. über ihn oben S. 29 A. 1.
2) Liv. 44, 6, 7 eingehende Beschreibung nach Polybios.
3) Barth S. 171 f. Der Sattel selbst hat eine ansehnliche Breite, aber die
tief eingeschnittenen Schluchten schränken den zugänglichen Teil auf ein ganz
schmales Mafs ein . . . So ging es rüstig weiter, der Verengung des Sattelpasses
und der wilden Engschlucht entgegen . . . der Pafs ward immer wilder und waldiger
zwischen den hohen Kuppen zur Rechten und Linken eingeklemmt, während der
Bach in hoch abgerissenen Lehmufern sich dahin windet ... Es ist eine höchst
interessante Passage, der nichts als das Sonnenlicht zur Belebung der wilden
Natur fehlt usw.
4) s. oben S. 25 A. 3 die Belege für diese ganzen Terrainverhältnisse.
270 Der Krieg gegen Perseus.
So konnte hier in drei hintereinander liegenden, äufserst günstigen
Verteidigungslinien der Einmarsch aufgehalten werden.
Es war unter diesen Umständen begreiflich, dafs die Römer von
einer Umgehung überhaupt absahen und sich mit dem Gedanken des
Überganges über das Gebirge selber vertraut machten.
In der Mitte desselben liegt die hohe, alles überragende Gruppe
des eigentlichen, des sog. Hohen Olymp. Diese höchste Partie zu
übersteigen ist natürlich für Heere von jeher ausgeschlossen gewesen.
Aber sie hat nur eine Länge von etwa 30 Kilometern nordsüdlicher
Erstreckung. An beiden Enden ist sie von den nördlich und südlich
vorgelagerten niedrigeren Gebirgsmassen durch tiefe Einsenkungen
getrennt. Im Norden zieht sich der Pafsweg von Petra, im Altertum
auch von Pythion genannt, mit einer Pafshöhe von nur 805 Metern,
im Süden der von Karia und dem Nezerosee, im Altertum Askuris-
see, mit einer solchen von etwa 900 Metern über das Gebirge hin1).
Der Pafs von Petra bildet ein etwa 13 Kilometer langes Defilee,
welches zwischen zwei ziemlich steil ansteigenden Bergzügen hinläuft
und am Anfange durch das Städtchen Pythion, am Ende durch das
den Durchgang vollständig beherrschende und auf steilem Felsen
schwer angreifbar liegende Kastell Petra gedeckt war2). Dieser Pafs
war insofern für den Angreifer günstiger, als man bei seiner Be-
nutzung zugleich die Verteidigungsstellung am Mavrolungo bei Dion
umgangen hätte, eine Stellung, welche die Römer später, nach der
Überschreitung des Olymp, noch ein volles Jahr aufgehalten hat.
Aber mochte man daran nicht gedacht haben, mochte die Erzwingung
des Passes von Petra zu schwierig erscheinen, man entschlofs sich,
') Diese beiden Pässe und der von Servia als die drei möglichen Marsch-
routen sind deutlich gekennzeichnet durch die Worte des Livius (44, 2, 6): aliis
per Pythoum placebat via, aliis per Cambunios montes (Servia) . . . aliis praeter
Ascuridem paludem. Dafs der Weg von Pythoum der Pafs von Petra ist, haben
schon Leake III 341 und Heuzey S. 28 richtig gesehen. Hauptstellen: Liv. 44,
32, 9. 35, 15. Plut. Aem. 15. — Die Ascuris palus kann nur der See von Nezero
sein, da es, wie Heuzey S. 67 zutreffend bemerkt, im Olymp keinen anderen
See gibt.
2) Ausführliche Beschreibung des ganzen Pafsweges bei Heuzey, Le mont
Olympe S. 145 ff. Es war aufser dem Tempetal wohl der im Altertum begangenste
Olymppafs. Mit Recht bezieht Leake III 342 auf diesen Pafs die Nachrichten
über die Olympübergänge des Xerxes, Brasidas, Agesilaos, Kassander und Scipio
Nasica.
3. Der Feldzug vom Jahre 169. 271
den Weg südlich am Olymp vorbei, über Karia und von da am
Nezerosee entlang zu wählen1).
Die Vorhut des Heeres — 4000 Mann stark — erreichte in
in k l' i' •• i»/ri Hierzu Karte
mühevollem Anstiege nach einem zweitägigen Marsche von nur Nr. 8.
22 Kilometern, ohne Zweifel auf dem Wege, welcher durch die
heutigen Dörfer Sadowon, Micon, Poljana bezeichnet wird, die kleine
Hochebene von Karia, welche sich in einer Länge von etwa 9 Kilo-
metern von Osten nach Westen am Südfufse des Hohen Olymp hin-
zieht. Hier ist, etwa bei der jetzigen Kapelle des heiligen Elias,
das Kastell Dieron zu suchen, zu welchem die Vorhut am Ende des
zweiten Marschtages gelangte2). Am dritten Tage erreichte sie nach
einem Marsche von stark 10 Kilometern östlich des kleinen Sees von
Nezero einen Hügel, welcher an seinem Abhänge einen günstigen
Lagerplatz bot und von seiner Spitze eine weite Aussicht nach Osten
auf das Meer und die ganze Küste von Phila bis Dion, d. h. von der
*) Das geht aus der Erwähnung des Vorbeimarsches des Heeres an der
Ascuris palus (s. S. 272 A. 1) hervor. Die Frage, warum man von der Ebene von
Karia nicht, wie man das heute tut, direkt östlich ins Zilianatal hinabgegangen
sei, wird von Heuzey a. a. 0. S. 66 ff. dahin beantwortet, dafs diese Schlucht für
ein Heer zu grofse Schwierigkeiten geboten habe. Wer den grofsartig wilden
Charakter, wie er sich am Ostausgang derselben südlich von Leftokaria darstellt,
gesehen hat, wird ihm recht geben, dafs man hier nur in äufserster Not absteigen
konnte. Ob ein Weg damals schon existierte, ist billig zu bezweifeln (s. unten
S. 282 A. 2).
2) Die Marschroute der Römer über den Olymp ist schon von Leake III 418 ff.
und dann ausführlicher von Heuzey im 2. Kapitel seines mehrgenannten Werkes
S. 51 ff. im allgemeinen richtig bestimmt worden, was auch Tozer II 374 für alle
Hauptpunkte anerkennt. Ich erwähne daher im folgenden diese Gelehrten nur, wo
ich von ihnen abweiche. Den Nezeropafs habe ich nicht persönlich gemacht. —
Vom Lager der Römer bei Doliche-Azoros bis zum Lager auf dem Gebirgskamm
(s. S. 272) waren im ganzen 22 Millien (Liv. 44, 3, 3 f.) = 32,56 Kilometer, nämlich
15 bis zum Kastell Dieron und 7 bis zum Gebirgskamm. Heuzey rechnet nun von
Duklista den Weg an den Westhängen des hohen Olymp entlang nach Sparmo,
dann über Skamnia, Karia, Nezero. Das ergibt schon auf der österr. Karte
1:200 000, also ohne alle kleineren Wegkrümmen, die bei diesem gebirgigen
Terrain sehr bedeutend sein müssen, 39 Kilometer, also zu viel. Ich nehme des-
halb das römische Lager etwas südlicher an, was sich auch aus anderen Gründen
empfiehlt (s. S. 268 A, 3), und lasse das Heer die Route über die jetzigen Dörfer
Sadowon, Micon, Poljana einschlagen, wo auch der Pafs etwas niedriger ist. Dann
kommt man nach 15 Millien auf H. Elias, das also = Dieron wäre, und nach
weiteren 7 Millien auf den Gebirgskamm beim Pinakiaberg.
272 Der Krieg gegen Perseus.
Peneosmündung bis 30 Kilometer nördlich davon gewährte1). Die
Kammhöhe war also erreicht.
Es mufs ein beherrschender Punkt auf dem Gebirgskamm gewesen
sein, und es kann keinem Zweifel unterliegen, dafs mit diesem Hügel
nur die höchste Erhebung des östlichen Beckenrandes des Nezerosees,
d. h. die jetzt Pinakia2) genannte Kuppe gemeint sein kann. Denn
wenn sich auch weiter östlich auf dem Abhänge des Gebirges wirk-
ich noch andere Punkte mit ähnlichen Aussichten finden sollten3),
so ist an sie doch nicht zu denken.
Der einzige bequeme Weg nämlich, welcher vom Nezerosee zur
Meeresküste hinabführt, geht durch die breite Senke südlich vom
Pinakiaberge nach den Dörfern Rapsani und Krania hinab4). Diesen
Weg aber mufste Hippias, der makedonische Oberbefehlshaber,
welcher hier zur Verteidigung des Passes mit 12 000 Mann auf-
gestellt war 5), unbedingt decken, und zwar vor der Stelle, wo die
x) Liv. a. a. 0. 4 f.: postero die Septem milia (= 10,36 Kilometer) progressi
tumulo . . . capto, nuntium ad consulem remittunt . . . consuli . . . nuntius ad
Ascuridem paludem occurrit. Also lag der Hügel schon jenseits des Nezero-
sees. Über die Aussicht § 7: omnis regio ad Dium et Philam oraque maris late
patente ex tarn alto jugo prospectu oculis obicitur. Dion liegt bei dem heutigen
Malathria (Leake III 409. Heuzey 1151), Phila am Peneos (Steph. Byz.: Inl tov
ITrjveiov) und 5 Millien (7,4 Kilometer) südlich von Herakleon-Platamona (Liv.
44, 8, 8), ferner nahe an der Küste, da es bei Livius 44, 2, 12 heifst: litore nunc
Heracleum nunc Philam percurrebat. Man hat es daher unmittelbar nördlich von
der alten Peneosmündung, in der Gegend von Kastri, anzusetzen. Die Verlegung
Heuzeys S. 84 in die Nähe von Pyrgetos ist zu weit landeinwärts.
2j Bei Heuzey S. 70 heifst sie Metamorphosis oder Kate-ti-Vrysi, bei Tozer
II 40 Durjana oder Livadaki. Es ist überall dieselbe Höhe gemeint.
3) Heuzey S. 71 bestreitet das geradezu: il y a d'autres hauteurs voisines
d'oü la vue s'etend aussi loin; mais aucune ne domine d'assez pres sur le rivage
pour laisser en meine temps apercevoir la cöte de Pi^rie.
4) Tozer II 41: on the southern side of Livadaki (am Südabhange des
Pinakiaberges), and east of the lake, there is an opening of some width, through
which a track leads to the village of Rapsani.
5) Liv. 44, 2, 11 : ad castellum, quod super Ascuridem paludem erat —
Lapathus vocatur locus — Hippias tenere saltum cum duodecim milium Mace-
donum praesidio iussus. — Das Kastell Lapathus wird von Leake III 350 und
Heuzey S. 74 wohl mit Recht in der Nähe von Rapsani gesucht, denn es diente
dazu, das Tal Tempe mit zu decken, und in der Tat geht ein Weg vom West-
ausgang Tempes mit der geringen Steigung von 4—500 Metern am Nordhange des
Tales hinauf und umgeht die Talenge in dieser Richtung über H. Elias, Rapsani,
3. Der Feldzug vom Jahre 169. 273
Pfade, welche an dem nördlichen und südlichen Abhänge des hohen
Sopoton- und Alipurückens hinlaufen, auseinandergehen. Er mufste
also unmittelbar auf dem Bergrücken Stellung nehmen, der das
Becken des Nezerosees östlich abschliefst. Denn bis zu der nur
ll Stunde entfernten Wegscheide zieht sich ein steiler Talabschlufs
hin, der sich für eine Verteidigungsstellung nicht eignet1). Von
diesem Lager der Makedonier war nun das römische nur 1| Kilo-
meter entfernt2). Ein Blick auf die Karte zeigt, wo wir uns also
die beiden Lager zu denken haben. Das römische auf dem Süd-
abhange des Pinakiaberges, da wo die kleine Fläche Livadhaki Raum
dafür gibt und zugleich 2 kleine Meeraugen für das auf dieser Höhe
sonst kaum erhältliche Wasser sorgten; das makedonische unmittel-
bar südlich von dem Punkte, wo der Weg nach Rapsani die Pafshöhe
desselben Rückens übersteigt, auf einer dort sich erhebenden Kuppe,
die den Pafsweg völlig beherrscht3).
So war also durch eine Flankenstellung der Makedonier der
römische Marsch gehindert, der schmale Rücken des Beckenrandes ist
Pirgetos. Zur Deckung dieses Weges mufste bei Rapsani ein Kastell liegen. Aber
das hat mit der Verteidigungsstellung, die ein Korps von 12000 Mann einzu-
nehmen hat, um den ganzen „saltus" am Nezerosee zu decken, nichts zu tun. Ein
solches Korps hatte selbstverständlich in dem Kastell nicht Platz, der saltus ist
nur nach dem Kastell bezeichnet, weil kein andrer Ort in der Nähe lag. Dafs
man sich die Verteidigungsstellung der Makedonier nicht hier, wie Leake III 418
und Tozer II 376 annehmen, sondern oben am See zu denken hat, geht aufser
den im Texte ausgeführten Gründen auch noch daraus klar hervor, dafs die Römer
bei ihrer späteren Umgehungsbewegung, um von hier aus auf den Abstieg, den
sie wählten (s. S. 282), zu kommen, erst wieder mindestens 8 Kilometer hätten
steigen müssen, also an diesem Tage gar nicht zu dem von Polybios so anschaulich
geschilderten gefährlichen Abstiege gelangt wären, s. Liv. 44, 5, 3 - 8.
*) Heuzey S. 71: Je sortis du cercle des collines qui forment le bassin de
Nezero, par le sud-est, en prenant le chemin qui mene ä Rapsani. Au ssitot
commence la descente; car on est arrive ä l'extremite des plateaux du bas
Olympe. Man vergleiche dazu die Karte.
2) Liv. 44, 3, 7: hostium . . castra, quae paulo plus mille passuum (1,48 Kilo-
meter) aberant.
3) So auch Heuzey S. 70 für das Lager der Römer; das der Makedonier
sucht er S. 74 „sans doute sur quelque autre sommet, comme le mont Sipoto,
vers la petite plaine de Tschair". Nach den jetzt zu Gebote stehenden genaueren
Aufnahmen der türkischen Generalstabskarte, ist diese Annahme nicht mehr mög-
lich. Es kann sich nur um den im Texte bezeichneten Punkt handeln.
Kromayer, Antike Schlachtfelder. II. 18
274 r)er Krieg gegen Persetis.
das Schlachtfeld der folgenden Tage gewesen, auf dem nur drei
Manipeln nebeneinander zum Aufmarschieren Platz hatten1).
Nach einem Ruhetage, den der Konsul seinen von dem drei-
tägigen Gebirgsmarsche erschöpften Truppen trotz ihrer Gefechts-
freudigkeit aufdrängte, kam es hier zu einem zweitägigen Kampfe2),
bei dem freilich die römische Übermacht nicht zur Geltung kommen
konnte, da aufser der kleinen Zahl schwerer Truppen auf der Höhe
nur noch eine geringe Zahl von Leichten auf den Abhängen mitein-
ander zu fechten vermochte3). Auch an eine Umfassung, um den
Gegner in Flanke oder Rücken zu packen, war bei der Steilheit der
Abhänge nicht zu denken, und der Konsul mufste sich nach ver-
geblichen Anstrengungen überzeugen, dafs hier nicht durchzukommen
war. Er beschlofs daher eine Umgehung auszuführen, indem er,
ohne sich weiter um die Stellung der Makedonier zu kümmern,
einen ganz anderen Weg nach der Küste zu einschlug4). Leicht
und gefahrlos war das freilich auch nicht. Denn das Heer mufste
zu dem Zwecke ein gutes Stück nordwärts zurückgehen und dann
ohne Weg und Steg mitten durch den dicksten Urwald und über die
steilen Hänge des Gebirges in nordwestlicher Richtung zur Küste
hinabzukommen versuchen 5). Die gewaltigen Beschwerden dieses fast
unglaublichen, in unmittelbarer Nähe des Feindes gemachten Marsches
hat uns Polybios mit besonderer Anschaulichkeit geschildert (Liv.
!) Liv. 44, 4, 4: iugum montis in angustum dorsum cuneatum vix ternis
ordinibus armatorum in fronte patuit. Das iugum montis in angustum dorsum
cuneatum ist eine sehr präzise, anschauliche Beschreibung für den schmalen Sattel,
welcher vom römischen zum makedonischen Lager hinüberfuhrte. Dafs bei Livius
nicht, wie Weifsenborn meint, von 3 Mann in der Front die Rede ist, sondern
von 3 Manipeln, bedarf keiner weiteren Ausführung.
2) Liv. 44, 3, 9: dies unus l'essis labore viae ad quietem datus est. tertio
die (den Tag der Ankunft mitgerechnet) . . . maioribus copiis concursum.
3) Ausführliche Schilderung der Kämpfe bei Liv. 44, 3, 8 — 10. 4, 1 — 6.
4) Liv. 44,4,7: tertio die egere consilio Romanus imperator; nam neque
manere in iugo inopi neque regredi sine flagitio atque etiam periculo . . poterat.
nee aliud restabat quam audacter commissum pertinaci audacia . . . corrigere. Ich
halte mich hier nicht an die Clausewitzsche Terminologie, sondern an die heutige,
nach welcher solche Bewegungen, soweit sie taktischer Art sind als „Umfassung",
soweit sie strategisch sind, als „Umgehung" bezeichnet werden. Clausewitz würde
in unserem Falle die Umfassung „Umgehung" und die Umgehung „Vorbeigehen
an der Stellung" genannt haben. Clausewitz VI 12 und die A. von v. Scherff
dazu in dessen Ausgabe S. 363.
5) Liv. 44, 4, 11: per in via transgressurus praeraissis qui purgarent iter.
3. Der Feldzug vom Jahre 169. 275
44, 5, 1 — 13). Nicht weniger als vier Tage brauchte die Armee zu
der kleinen Strecke, die nicht mehr als etwa 9 Kilometer Luftlinie
und 12 — 1300 Meter Fall enthält. Das Heer befand sich bei diesem
halsbrechenden Unternehmen, bei dem natürlich Pferde und Elefanten
die gröfsten Schwierigkeiten machten, so dafs über die unwegsamsten
Stellen Brücken für sie gebaut werden mufsten, in einem solchen
Zustande der Auflösung und Hilflosigkeit, dafs wenn hier nur eine
kleine Schar Feinde zur Stelle gewesen wäre, nach dem Ausspruche
des römischen Feldherrn selber, eine Katastrophe unvermeidlich ge-
wesen wäre *). Aber man kam wunderbarerweise gänzlich unbehelligt
und glücklich endlich zwischen Herakleon und Libethron, d.h. zwischen
Platamona und dem Zilianatal unten aus dem Walde heraus2). Die
2) Liv. a. a. 0. § 8: minimum pedibus itineris confectum; plerumque provol-
ventes se simul cum armis aliisque oneribus cum omni genere vexationis pro-
cesserunt, adeo ut ne dux quidem et auctor itineris infitiaretur parva manu deleri
omnem exercitum potuisse — eine Äufserung, die Polybios aus dem eigenen Munde
des Konsuls gehört haben wird.
2) Liv. 44, 5, 12: degressi in campos inter Heracleum et Libethrum posuerunt
castra. Heracleon = Platamona steht aus Livius1 Schilderung fest. Nach 44, 8, 8
liegt es media regione inter Dium Tempeque in rupe amni imminente positum und
zugleich unmittelbar am Meere, ib. 44, 9, 3: terra marique — et classis adpulsa ab
litore stabat — . . oppuguari coepti. Denn einen Felsen am Meere gibt es an der
Küste zwischen Dion und Tempe überhaupt keinen, aufser dem von Platamona. Er ist
grofs genug für eine Stadt — es liegt heute eine kleine türkische Festung darauf — ,
und der kräftige Bergbach, von schönen Platanen begleitet, fliefst auch heute noch
unmittelbar an seinem Südfufse. Ich kann daher trotz des zuverlässigen Ussing
Widerspruch S. 20 A. 1., der hier Phila sucht, nur der übereinstimmenden An-
sicht von Leake III 404, 421; Heuzey S. 88 f.; Bursian, Rh. Mus. N. F. 16 (1861)
S. 421; Tozer II 31 beistimmen, welche hier Herakleon ansetzen. Die militärische
Schwierigkeit, welche Ussing anführt, dafs Platamona den Weg sperre und die
Römer nicht daran hätten vorbeiziehen können, ist nicht vorhanden. Zwischen
Platamona und dem Meer kann man allerdings nicht durch, — da fallen die Felsen
10 Meter und mehr fast senkrecht zur See ab — aber zwischen Platamona und
dem eigentlichen Gebirge führen zwei Einsattelungen nebeneinander über die
Vorberge, der östliche ganz niedrig dicht bei der Stadt, der westliche durch
einen hohen Hügel von ihr getrennt. Für Transporte und kleine Abteilungen
konnte unter diesen Umständen der Durchgang wohl durch die Besatzung gesperrt
werden, für eine ganze Armee nicht. — Libethron wird von Heuzey S. 94 f. für
das Tal der Ziliana mit seinen Nebentälern gehalten. Ich glaube mit Recht.
Aber selbst wenn Leake, der III 523 Libethron etwas nördlicher ansetzt, recht
haben sollte, so verschlägt das für uns nichts. Denn nördlich über die tiefe
Zilianaschlucht kann das römische Heer keinenfalls hinübergegangen sein.
18*
270
Der Krieg gegen Perseus.
allgemeine Richtung des Abstieges steht durch diese Angabe voll-
kommen fest; die genauere topographische Bestimmung kann erst
nachher (S. 281) gegeben werden.
Seit dem Abmärsche von Pharsalos waren 19 Tage verflossen,
der Übergang über das Gebirge selber hatte 11 Tage beansprucht1).
Eine ganze Reihe von Fragen drängt sich dem Leser bei der
Erzählung dieser eigentümlichen Vorgänge auf.
Warum nutzte der makedonische Offizier am Nezeropafs die
hilflose Lage der römischen Armee nicht aus? Warum war König
Perseus nicht zur Stelle? Warum sandte er nicht wenigstens Ver-
stärkungen auf die Höhe, da sich doch die Heere oben drei Tage
lang gegenüberstanden und der Anmarsch der Römer schon drei
Tage vorher erkannt sein konnte2)? Hatte er vielleicht gar nicht
die Absicht, sich im Gebirge ernstlich zu verteidigen, sondern wollte
er, wie die Theorie verlangt3), sich erst hinter dem Gebirge dem
Gegner zur Schlacht stellen?
Die Mafsregeln, die der König für die Verteidigung im ganzen
getroffen hatte, müssen uns hier Aufklärung geben.
Auf die erste Kunde vom Anmärsche der Römer hatte er alle
Pässe des Gebirges besetzen lassen4). Der Pafs von Volustana (Servia)
]) Es wird der Übersichtlichkeit dienen, wenn das ganze Itinerar hier
zusammengestellt wird:
Marschziel bezw. Tätigkeit.
Reihenfolge
der Tage.
1-4
5—8
9 u. 10
11
12-14
15
16
17
18 u. 19
Marschleistung in
Kilometern rund
100
22
10
11
?
271
Standlager bei Malis.
Im Lager von Malis.
Kastell Dieron.
Pinakiaberg.
1 Ruhetag, 2 Tage Kämpfe.
Kriegsrat.
Zilianatal bei Kanalia.
Ruhetag.
Kalivia Skotina.
2) Ein Posten auf der Höhe Gulema (1022 Meter) nördlich, oder auf dem
aus dem Tieflande um Elassona überall sichtbaren Kukuli (1141 M.) südlich vom
oberen Laufe des Flufses von Elassona konnte den ganzen Anmarsch der Römer
beobachten.
3) Clausewitz VI 16, 3, Schlichting II S. 44 und sonst.
4j Liv. 44, 2, 9ff: Perseus cum appropinquare hostem sciret, quod iter peti-
turus esset, ignarus, omnis saltus insidere praesidiis statuit.
Belegstelle.
1 S. 268.
S. 274.
S. 275.
S. 283.
3. Der Feldzug vom Jahre 169. 277
erhielt 10000 Mann leichte Mannschaften, der von Karia (Nezero)
12000 Mann makedonische Truppen1). Der Tempepafs war überhaupt
dauernd besetzt und wird deshalb nicht ausdrücklich erwcähnt; eben-
sowenig der von Petra, welcher offenbar auch eine dauernde Besatzung
hatte2), Die übrigen Truppen hielt der König in zentraler Stellung
hinter dem Gebirge in dem Lager bei Dion zusammen3).
Wenn wir die Besatzung von Petra so stark veranschlagen, wie
sie im Jahre darauf war — nämlich mit 5000 Mann4) — und für
Tempe ebenfalls noch ein paar Tausend in Abrechnung bringen, so
hatte der König im ganzen gegen 30000 Mann im Gebirge stecken
und konnte aufser der Keiterei nur noch rund 9 — 10000 unter der
Hand in Dion vereinigen. Denn seine Armee betrug auch damals
im ganzen etwa 39000 Mann zu Fufs (s. Beilage L).
Von seiner zentralen Stellung aus konnte er mit diesen Truppen
in 4—5 Stunden in Petra5), in einem bis einundeinhalb Tagen be-
quem am Nezerosee und in zwei Tagen am Passe von Volustana
sein6). Rechnet man dazu die Zeit, welche die Meldungen nach
Dion hin beanspruchten, so brauchten von dem Augenblicke an, wo
2) ib. § 10: in iugum Cambuniorum montium — Volustana ipsi vocant —
decem milia levis armaturae iuvenum cum duce Asclepiodoto mittit. Über den
Nezeropafs s. S. 272.
2) Dafs er unbesetzt geblieben sei, wie Weifsenborn vermutet, ist ganz un-
möglich. Er ist stets der begangenste Olymppafs gewesen. Vergl. S. 270 A. 2.
3) Liv. 44, 2, 12: ipse (rex) cum reliquis copiis . . circa Dium stativa
habuit.
*) Liv. 44, 32, 9.
5) Heuzey brauchte von Konduriotissa über Vrondi (Vrondussa), was etwa
ebensoweit ist wie von Malathria (Dion), bis zum Kloster Petra 3 Stunden (S. 145).
Es sind von Dion etwa 17 Kilometer.
6) Von Dion bis an den See über Platamona, Egani, Pirgeto und Rapsani
sind etwa 55 Kilometer; nur das letzte Stück von Rapsani bis zur Höhe ist steiler
Anstieg. — Von Dion über Katerini, Dranista, Wosowa, Welwendos, Servia nach
der Pafshöhe von Volustana sind etwa 85 Kilometer mit einer Pafshöhe von nur
920 Meter, um den Hauptstock der Mamburionkette herum. Nähere, aber be-
schwerlichere Wege führen direkt über das Gebirge. Man wird annehmen dürfen,
dafs diese Wege bei ihrer Wichtigkeit für die Verteidigung und bei dem seit
zwei Jahren drohenden Angriffe der Römer in leidlichen Stand gesetzt waren.
Den Mafsstab, wie auf der anderen Seite des Gebirges, wo die Römer drei Tage
für 33 Kilometer brauchten, kann man zudem auch deshalb nicht anwenden, weil
die Römer mit Kavallerie, Elefanten und dem ganzen Trofs für eine grofse Operation
in Feindesland marschieren mufsten.
278 Der Krieg gegen Perseus.
der Anmarsch der Römer auf einen der Punkte mit Sicherheit er-
kannt war, bis zum Eintreffen der Verstärkungen aus Dion beim
Tasse von Petra höchstens etwa 8 Stunden, bei dem von Nezero
höchstens 11 — 2 Tage, und beim Passe von Volustana höchstens
31 Tage verflossen zu sein. In 5 Tagen konnte sogar die ganze
Armee mit Bequemlichkeit auf jedem bedrohten Punkte vereinigt
werden.
Diese Fristen genügten aber vollkommen für die Verteidigung
der Pässe durch die nicht unbeträchtlichen darin aufgestellten Korps.
Sobald die Römer von ihrem Standlager bei Malis aufbrachen,
war ihre Marschrichtung nicht mehr zu verbergen. Von den Vor-
höhen des Olymp ist das Hügelland nördlich von Elassona überall ein-
zusehen. Man konnte daher schon mindestens einen halben Tag, ehe
die Gegner mit den Besatzungen der Pässe in Fühlung kamen,
Sicherheit über die Richtung des Angriffes gewinnen. Auf dem von
den Römern eingeschlagenen Wege dauerte es, wie wir gesehen
haben, sogar drei Tage, ehe die Fühlung hergestellt war, und vier,
bis es zum ersten Gefecht kam. Beim Passe von Pythion — Petra
aber lag hinter der ersten Verteidigungsstellung bei Pythion die zweite
bei Petra selbst, während bei dem entferntesten Passe von Volustana,
wie früher auseinandergesetzt, sogar drei Verteidigungslinien hinter-
einander vorhanden waren.
Aus den angeführten Dispositionen des Königs in Verbindung
mit der Betrachtung der strategischen Natur des Gebirges geht
zweierlei mit Sicherheit hervor. Erstens, dafs der König seinen
Kriegsplan nicht auf eine Verteidigung hinter, sondern in dem Ge-
birge eingerichtet hatte, und zweitens, dafs in diesem Falle die Ver-
teidigung im Gebirge nicht einen so unvorteilhaften Charakter trug,
wie er ihr sonst gewöhnlich anzuhaften pflegt. Denn hier bestand
nicht die Gefahr, dafs eine mehr oder minder dünne Postenkette an
einem Punkte durchstofsen und damit die ganze Linie zu einem mehr
oder minder gefährdeten Rückzuge genötigt wurde, sondern hier war
im Gegenteile die Möglichkeit gegeben, an jedem angegriffenen Punkte
dem Gegner mit voller Kraft entgegenzutreten, dazu den gewaltigen
Vorteil einer starken Verteidigungsstellung mit in die Wagschale zu
werfen und, wenn der Feind nach abgeschlagenem Angriff den Rück-
zug antrat, ihn unter fortwährendem Beistande des überhöhenden
Geländes von Position zu Position die Höhen hinabzuscheuchen und
3. Der Feldzug vom Jahre 169. 279
einer Katastrophe entgegenzuführen1). Warum ist nun von alledem
nichts geschehen?
Ist es wirklich so, wie Polybios es aufgefafst hat, dafs der
Geist des Königs von einer unbegreiflichen Ratlosigkeit und Un-
schlüssigkeit ergriffen gewesen sei, dafs er anstatt die verständigen,
durch die Situation klar vorgezeichneten Mafsregeln zu ergreifen,
planlos mit seiner Reiterei von Dion an der Küste nach Herakleon
und Phila und wieder zurück nach Dion umhergeirrt sei2)?
Man mufs sagen, dafs irgendwie unerwartete Ereignisse, die
eine solche Kopflosigkeit und Verwirrung des Königs hätten hervor-
bringen können, bei dem Angriffe auf den Nezeropafs zunächst nicht
vorlagen. Es war eben nur ein Anmarsch auf einen der Olymppäfse
eingetreten, ein Ereignis, das der König seit langem erwartete, auf
das er sich in aller Ruhe hatte vorbereiten können, dessen einzelne
Eventualitäten er gewifs längst überdacht, ja das er im Jahre vor-
her glänzend überstanden hatte (S. 255). Es ist gewifs sehr un-
wahrscheinlich, dafs ein Feldherr, der sich wie Perseus wiederholt
als tüchtiger Offizier gezeigt hat, in solcher Lage unvorbereitet und
ratlos gewesen wäre.
Wir werden die Erklärung anderswo zu suchen haben.
Die Nachricht von der Abstreifung der ganzen Küste von Dion
bis zur Peneosmündung durch die makedonische Reiterei gibt uns den
ersten Fingerzeig. Wir erinnern uns, dafs ja der ganze römische
Angriff aufgebaut war auf die Kooperation von Land- und Seemacht,
und nehmen hier vorweg, dafs tatsächlich die römische Flotte mit
einer starken Besatzung an Bord wenige Tage nach dem Über-
gange des Konsuls über das Gebirge an der Küste in Sicht kam
(S. 286). Es mag dem Könige bedenklich erschienen sein, unter
diesen Umständen das letzte Korps, welches er in der Hand hatte,
fortzugeben und die Küste zu entblöfsen.
!) Dafs auch Clausewitz die Verteidigung im Gebirge nicht schlechterdings
verwirft, geht aus dem Schlufswort seiner Lehre von der Gebirgsverteidigung
VI 17 (Scherff S. 391) hervor, wo es heifst: „Was hiernach von einer Gebirgs-
verteidigung zu erwarten ist, in welchen Fällen man dieses Mittel anwenden
dürfe, wieweit man in der Ausdehnung und in der Zersplitterung der Kräfte
gehen könne und dürfe: das alles mufs die Theorie dem Takte des Feldherrn über-
lassen." Das heifst also: Der Einzelfall entscheidet.
2) Liv. 44, 3, 12: (rex) a Dio, ut obtorpuisse inops consilii videretur, cum
equitibus expeditis litore nunc Heracleum nunc Philam percurrebat.
280 ^er Krieg gegen Perseus.
Aber das genügt offenbar nicht zur Erklärung. Wenn die
Küste nur dadurch gedeckt werden konnte, dafs man die Pässe des
Gebirges ungenügend verteidigte, so war die Aufgabe, die römische
Invasion abzuwehren, überhaupt unlösbar.
Die Frage ist also, ob die Pässe, in diesem Falle speziell der
von Nezero, nicht vielleicht, auch ohne Verstärkung von Dion her,
ausreichend gedeckt waren. Sie ist entschieden zu bejahen. Dafs
der Pafs von Nezero mit 12000 Mann völlig verteidigungsfähig
war, beweisen ja die zweitägigen vergeblichen Anstrengungen des
Konsuls und sein Entschlufs, den Durchbruch aufzugeben. Eine Ver-
stärkung hier oben war also nicht nötig. Wir müssen dem Könige
volle Terrainkenntnis zutrauen. Wo das Schlachtfeld so beschränkt
ist, dafs nur 3 Manipeln in der Front kämpfen können, wo eine
Umfassung durch die Natur so aufserordentlich erschwert ist, wie
dort oben, da sind 12 000 Mann zur Ablösung im Kampfe und zur
Abwehr versuchter Umfassungen völlig genügend, und eine gröfsere
Zahl ist für diese rein passive Resistenz überflüssig1).
Etwas ganz anderes wäre es natürlich gewesen, wenn der König
eine offensive Defensive hätte führen, wenn er kräftig hätte nach-
stofsen, dem gegnerischen Heer eine wirkliche Niederlage hätte bei-
bringen wollen2). Aber das lag ja nicht in seiner Absicht, das fürchtete
er ja, wie wir früher konstatiert haben, fast mehr als eine eigene
Niederlage, da er ja dadurch die Römer so ernstlich erzürnt hätte,
dafs an einen glimpflichen Frieden, um den er zu betteln nicht müde
wurde (S. 247), dann nicht mehr zu denken gewesen wäre.
So erklärt sich also auch hier wiederum das Verfahren des
Königs aus dem niedrigen militärischen Ziele, das er sich gesteckt
hatte, aus seiner auf die strikteste Defensive sich beschränkenden
Strategie. War das römische Heer zum Rückzuge gezwungen, wenn
auch ohne grofse Verluste, so war wieder ein Jahr gewonnen, wieder
die Ermüdung der römischen Kräfte gefördert, das politische Ziel
des Krieges wieder in etwas nähere Sicht gerückt. Wie im vorigen
Jahre auf den Rückzug von Volustana die Fortschritte des Königs
') Daher ist der Vorwurf des Polybios bei Diodor 30, 10, 1: qa&vfxaiv neyl
Tee (xiytaja jd)v nQccy/uaTcov nicht gerechtfertigt.
2) In diesem Sinne sagt Polybios mit Recht bei Livius 44,4, 9: ventum
quidem erat eo, ut si hostem similem antiquis Macedonum regibus habuisset consul,
magna clades accipi potuerit.
3. Der Feldzug vom Jahre 169. 281
in Illyrien, Epiros und Ätolien gefolgt waren, so mochten auf den
Rückzug vom Nezerosee andere noch weitergehende Erfolge aufgebaut
werden.
Das alles ist ein befriedigender Erklärungsgrund für die Zeit
des Anmarsches der Römer und der Kämpfe am Nezerosee. Aber
völlig verändert wurde natürlich die ganze Sachlage, nachdem der
Konsul sich angeschickt hatte, den Nezeropafs zu umgehen und an die
Küste hinabzusteigen. Denn hier war Gefahr im Verzuge, und die
Gewährung des freien Abstieges ist aus der Strategie des Königs
nicht mehr zu erklären.
Eine in anderem Zusammenhange erhaltene Notiz unserer Quellen
gibt uns aber auch hier den erwünschten Aufschlufs. Der König war
— so heifst es — gerade im Bade, als er die Nachricht erhielt,
der Konsul sei in der Küstenebene angelangt. Er sprang mit dem
Rufe aus der Badewanne, „er sei besiegt, ohne dafs es auch nur zur
Schlacht gekommen sei", schwankte zwischen den ängstlichsten Ent-
schlüssen — wie ausdrücklich gesagt wird — hin und her1), gab Befehl,
alle Pässe zu räumen, seine Werften zu verbrennen, seine Kriegs-
kasse zu versenken, die Stadt Dion, in der er sich gerade befand,
zu plündern und die Bewohner zwangsweise nach dem nördlicher
gelegenen Pydna überzuführen.
Nicht das pikante Detail, das keineswegs sehr glaubwürdig ist2),
ist natürlich an diesen Nachrichten das militärisch Wichtige, sondern
die einfache Tatsache, dafs der König von dieser Nachricht voll-
kommen überrascht war. Er hatte also von der Umgehungsbewegung
des Konsuls und seinem viertägigen Marsche durch den Urwald nicht
die leiseste Ahnung gehabt. Wie war das möglich, da ein reitender
Bote bequem in 6 Stunden vom Nezerosee nach Dion kommen
konnte?
Die genaue Prüfung des Geländes am Nezerosee mufs uns hier
Aufklärung über diesen eigentümlichen Umstand geben und wird
uns zugleich Richtung und Art des Abstieges des römischen Heeres
noch genauer kennen lehren, als wir sie bisher (S. 275) hatten be-
stimmen können.
*) Liv. 44, 6, 1—3: per alia atque alia pavida consilia et imperia trepidans.
Ebenso Diodor 30, 10, 2 und Appian Mak. 15, alle aus Polybios.
2) s. unten S. 291 A. 1.
282 Der Krieg gegen Perseus.
Wenn der römische Konsul seine Umgehungsbewegung mit Erfolg
ausführen wollte, so mufste er Sorge tragen, dafs sie so lange wie
irgend möglich unbemerkt bliebe. Um diesen Zweck zu erreichen,
konnte er nicht, wie man bisher angenommen hat, gleich nördlich
oder gar südlich vom Pinakiaberge nach Osten abschwenken und
über Skotina oder Pandelejmon absteigen1) — diese Bewegung wäre
sofort bemerkt worden — , sondern er mufste noch ein Stück weiter
zurückgehen, nämlich über den nördlichen Beckenrand des Nezero-
sees bei Hag. Athanasios bis in die Ebene von Karia, und dann
erst, in östlicher Richtung südlich vom Zilianatale hin, den Abstieg
versuchen.
Bei diesem Wege fiel nun die Umgehungsbewegung eine Strecke
von 6 Kilometern mit der Anmarschstrafse des Konsuls zusammen2), und
es wurde so der Anschein erweckt, dafs man den Rückzug anträte. Erst
hinter dem Beckenrande, wo man durch die Berge der Beobachtung
des Gegners entzogen war, wurde dann die Schwenkung ins Werk ge-
setzt. So wurde also der makedonische Commandant am Nezerosee
über die Umgehung der Römer vollkommen getäuscht, und sein Irr-
tum aufserdem noch durch weitere künstliche Mittel aufrecht erhalten.
Eine starke Nachhut blieb den ganzen ersten Tag in dem alten Lager
zurück und hinderte Verfolgung wie Beobachtung. Erst im Laufe
des zweiten Tages hat der Konsul sie wieder an sich gezogen3).
Auch die Marschordnung des Konsuls selber mufste die Täuschung
verstärken. Er sandte die Reiterei und das gesamte Gepäck voraus
i) So Heuzey S. 77.
2) Diese 6 Kilometer sind die von Livius 44, 5, 1 erwähnten und bisher
nicht verstandenen 4 Millien. Livius sagt: progressis vixdum quatuor milia
passuum nihil optabilius esse quam redire, qua venerant, si possent. — Das kann
natürlich nicht bedeuten, dafs man am liebsten in das alte Lager zurückgekehrt
wäre; denn das wäre ein Unsinn, sondern dafs man am liebsten den Rückzug
überhaupt angetreten hätte, wenn es möglich gewesen wäre. Dieser Gedanke
mufste allen in dem Augenblicke kommen, wo die Wege sich schieden und es
hiefs, in den pfadlosen und abschüssigen Urwald einbiegen. Nach dieser Be-
merkung beginnt denn auch erst die Schilderung der Mühsale und Schwierigkeiten
bei Livius. Die vorhergehende kurze Bemerkung: inenarrabilis labor descendentibus
cum ruina iumentorum sarcinarumque, ist nur die Themaaufstellung für das ganze
folgende Kapitel.
3) Liv. 44, 4, 11: Popilio relicto in custodia iugi. ib. 5, 10: postero quoque
die (am zweiten Marschtage) in tarn cava valle opperiri Popilium ac relictas cum
eo copias necesse fuit. tertio die coniunctis copiis eunt per saltum usw.
3. Der Feldzug vom Jahre 169. 283
und folgte mit den Legionen1). So pflegt man nicht in Feindesland
hineinzumarschieren.
Die gelungene Verhüllung der römischen Absichten ist also einer-
seits die Erklärung dafür, dafs das Heer unbehelligt marschieren
und am ersten Tage nach einem Wege von 11 Kilometern eine
kleine, zwischen hohen Bergen liegende Ebene erreichen konnte, die
wir nach dem Gesagten nunmehr am Südrande der Schlucht des
Zilianabaches etwas unterhalb des Klosters Kanalia ansetzen können 2).
Hier brachte man die Nacht und den folgenden Tag zu, um auf die
Nachhut zu warten. An den beiden folgenden ist man dann am
Südrande der Schlucht entlang gegangen und etwa bei Kalivia Skotina
in die Ebene hinausgetreten3).
Anderseits aber ist diese gelungene Verhüllung zugleich die Er-
klärung für die vollständige Überraschung und Bestürzung des Königs
Perseus, als er plötzlich die Nachricht erhielt, dafs die römische
Armee, die er in vollem Rückzuge glaubte und demzufolge auf dem
Westabhange des Olymp in der Gegend von Elassona vermuten
mufste, am Ostabhange bei Herakleon mitten in Makedonien stehe.
Sie ist endlich auch die Erklärung dafür, dafs er keinerlei Mafs-
regeln getroffen hat, um den Durchbruch der Römer noch in letzter
Stunde unmöglich zu machen.
Es fragt sich, ob bei dieser Lage der Dinge noch fernerhin
der Vorwurf aufrecht erhalten werden kann, dafs der Konsul Marcius
Philippus mit seiner Umgehung ein tollkühnes Wagnis ausgeführt habe,
welches dadurch nicht gerechtfertigt werde, dafs es gelungen sei4).
x) Liv. 44, 4, 11: nach den Pionieren, die den Weg durch den Wald zu
hauen hatten, ipse (consul) equites impedimentaque prae se habens cum legionibus
agmen cogit.
2) Liv. 44, 5, 8: paulo plus Septem milia eo die Romani processerunt. Das
führt genau an die Stelle, wo ein vom Dorfe Nezero herabkommender Bach in
die Ziliana fällt und eine kleine Talerweiterung liegt. Darauf pafst die Be-
schreibung des Livius als „modica planities", „undique saeptus locus" und „cava
vallis" (a. a. 0. §9 u. 10) sehr gut, ohne dafs indessen auf diese, schliefslich auf
jede Erweiterung eines Waldtales passenden Bezeichnungen viel Gewicht gelegt
werden soll.
3) ib. § 11: tertio die . . eunt per saltum, quem incolae Callipeucen appel-
lant; quarto inde die per aeque invia . . . degressi in campos inter Heracleum et
Libethrum posuerunt castra.
4) So Mommsen, R. G.6 1 764. — Vergl. auch unten S. 291.
284 Der Krieg gegen Perseus.
Ich glaube kaum. Denn in eine ähnlich gefährliche Lage, wie
die der Römer damals war, begibt sich fast jede Armee, die den
Feind in grofser Nähe umgeht. Der Gegner kann ihr in die Flanke
stofsen. Napoleons Angriff bei Austerlitz ist wohl das bekannteste
Beispiel dafür. Trotzdem fällt es wegen dieser immanenten Gefahr
niemand ein, Umgehungen dieser Art zu verwerfen, sondern es
kommt darauf an, ob so viel auf dem Spiele steht, dafs man das
Wagnis rechtfertigen kann, und ob gegründete Hoffnung vorhanden
ist, dafs der Gegner die augenblickliche Notlage des Heeres nicht
ausnutzen werde, weil er entweder nicht genügende Kenntnis von der
Bewegung hat oder nicht die genügende Entschlossenheit besitzt sofort
zu handeln. Wieviel man aber in solchem Falle wagen darf, davon
die erlaubte Dosis abzumessen, ist ja — mit Willisen zu sprechen —
wohl das Künstlichste, was im militärischen Kalkül vorkommt.
Hier liegt nun, wie mir scheint, die Sache verhältnismäfsig ein-
fach. Wenn der Konsul nach vergeblich versuchtem Durchbruche vor
den 12 000 Mann am Nezeropafs mit seiner ganzen Armee den Rück-
zug antrat, so war damit ausgesprochen, dafs die Olymplinie eine
unüberwindliche Barriere sei. Denn es wäre damit der dritte Ver-
such, sie zu nehmen, mifslungen gewesen, und zwar unter numerisch
für die Römer sehr günstigen Verhältnissen. Perseus' Defensivstrategie
hätte damit einen vollkommenen Sieg errungen, und die politischen
Folgen wären nicht abzusehen gewesen. Dies war also ein Moment,
in dem Grofses gewagt werden mufste.
Ferner aber war nicht nur — wie ja der Erfolg tatsächlich
gezeigt hat — gegründete Hoffnung vorhanden, dafs der Gegner über
die ganze Bewegung getäuscht wurde, sondern es waren selbst für
den Fall, dafs diese Täuschung mifslang, Mafsregeln getroffen, welche
die Lage des Heeres weit günstiger gestalteten, als sie auf den ersten
Anblick erscheint. „Nicht einmal der Urheber des Zuges selbst
leugnete, dafs das ganze Heer durch eine kleine Schar Feinde hätte
vernichtet werden können," sagt zwar Polybios, als er den Marsch
durch den Urwald beschreibt (S. 275). Aber war es so leicht, diese
kleine Schar zur Stelle zu bringen? Von vorne und unten schützte
derselbe Urwald, durch den man sich den Weg bahnte, ebenso von
der Seite her1). Was zu fürchten war, war das Nachstofsen der
1) Es ist hier im Grunde eine ähnliche Lage, wie Clausewitz sie (VI 15.
Scherff S. 375) in bezug auf den Marsch durchs Gebirge so prächtig schildert:
3. Der Feldzug vom Jahre 169. 285
Truppen am Nezerosee von oben her. Eben ihnen gegenüber hatte
deshalb Marcius Philippus eine starke Nachhut einen ganzen Tag
über stehen lassen und hat sie erst am Abende des zweiten Tages
wieder an sich gezogen, nachdem man sich überzeugt haben konnte,
dafs der Gegner nichts gemerkt hatte. Im entgegengesetzten Falle
hätte eben die Nachhut mit Aufbietung aller Kräfte und gegebenen-
falls unter eigener Aufopferung den Abmarsch decken müssen. An-
statt den zweiten Tag auf die Nachhut zu warten, wäre man dann
weiter marschiert, hätte den Vorsprung, den man hatte, ausgenutzt
und so die Krise um einen Tag abgekürzt. Schon am dritten Tage
wäre man dann unten angekommen.
Wir können dem tapferen Konsul mit Polybios1) die Anerkennung
nicht versagen, dafs sein Entschlufs, durchzubrechen, wie er der
mutigste und rühmlichste, so zugleich der klügste gewesen ist, den
er in seiner Lage fassen konnte.
Es wäre kein Wunder, wenn der König auf die Kunde von dem
unvermuteten Durchbruch der Römer den Kopf verloren und wirklich
übereilte Mafsregeln ergriffen hätte, wie Polybios ihm das vorwirft.
Ob seine Handlungsweise aber so zu beurteilen ist, kann uns nur
eine vorurteilslose Prüfung der Ereignisse zeigen, welche auf den
Olympübergang folgten, und zu deren Darstellung ich daher jetzt
übergehe.
Auf die Kunde von der Ankunft des römischen Heeres bei
Herakleon gab Perseus die Stadt Dion unter Wegführung der ganzen
„Wenn" — so sagt er — „sich eine Kolonne in Schlangenlinien mühsam durch enge
Schluchten den Berg hinaufwindet und sich schneckenartig über ihn fortschiebt,
die Artilleristen und Trainknechte mit Fluchen und Schreien die abgetriebenen
Gäule durch die rauhen Hohlwege peitschen, jeder zerbrochene Wagen mit un-
säglicher Mühe herausgeschafft werden mufs, während hinten alles stockt, schimpft
und flucht, so denkt ein jeder bei sich: nun, hier dürfte der Feind nur mit einigen
hundert Mann kommen, um alles davon zu jagen . . . Indessen weifs jeder oder
sollte jeder wissen, der den Krieg kennt, dafs ein solcher Zug durchs Gebirge
wenig oder gar nichts mit dem Angriff desselben gemein hat." Gewifs „hier
dürfte der Feind nur kommen", aber er kommt nicht. Denn einen solchen Zug
unternimmt man eben nur, wo der Gegner nicht zu erwarten ist.
L) Bei Livius 44, 4, 7: neque raanere in iugo inopi neque regredi sine flagitio
atque etiam periculo, si cedenti ex superioribus locis instaret hostis, poterat;
neque aliud restabat quam audacter commissum partinaci audacia, quae prudens
interdum in exitu est, corrigere.
286 Dor Krieg gegen Perseus.
Bevölkerung auf und ging mit seinen Truppen bis Pydna zurück, wo
er seine ganze Armee konzentrierte, indem er die einzelnen im Ge-
iiierzu Karte birge verzettelten Detachements zurückrief1). Sofort stiefsen nun die
Römer vor, besetzten Dion und marschierten darüber hinaus noch
drei Tagemärsche weiter vorwärts, wobei sie bis an den Haliakmon
gekommen zu sein scheinen2). Sie gingen also unbekümmert an der
sich bei Pydna konzentrierenden Armee des Königs vorbei. Indes
konnten sie diese Bewegung nicht fortsetzen. Mangel an Lebens-
mitteln nötigte sie umzukehren und nach Dion zurückzugehen. Hier
kam endlich die römische Flotte in Sicht; aber als sie in den Hafen
einlief, zeigte sich, dafs die Proviantschiffe, auf die man gerechnet
hatte und auf die alles ankam, nicht mitgekommen waren. Nun stieg
die Not aufs höchste. Die von dem Landheere mitgenommenen
Lebensmittel, welche nach Überschreitung des Olymp noch für zehn
Tage vorgehalten hatten, waren aufgezehrt, und die schmale Küsten-
ebene bot nicht Genügendes. Da kam die erfreuliche Nachricht,
dafs infolge der Räumung von Tempe das römische Etappenkommando
in Larissa den Pafs besetzt habe und so die Verbindung mit Thes-
salien hergestellt sei. Der Konsul ging nun sofort nach Phila am
Ausgange des Tempetales zurück und sorgte für die Verproviantierung
des Heeres. Perseus rückte wieder bis Dion vor und bezog südlich
von dieser Stadt am Elpeosflufs eine starke Verteidigungsstellung3).
!) Liv. 44, 6, 17: nudatis omnibus praesidiis patefactisque bello Pydnam
refugit; ebenso 6,2. Ferner 7, 8:Perseus coactis in unum omnibus copiis ducibusque
increpare praefectos praesidiorum, ante omnes Asclepiodotum (Kommandant des
Volustanapasses ib. 2, 10) et Hippiam (Kommandant des Nezeropasses). Die Ver-
einigung mit den Truppen vom Nezeropafs und vom Tempetal dürfte in die Zeit
fallen, als die Kömer auf dem Marsche nach dem Haliakmon hin waren.
2) Liv. 44, 7, 1 — 7. Die einzelnen hier genannten Marschstationen, der Flufs
Mithys, die Stadt Agassä und der Flufs Askordos, sind nicht mit voller Sicherheit
zu identifizieren. Doch ist an den Ansetzungen von Leake III 423 und Heuzey
185 f. so viel vollkommen sicher, dafs es sich um einen Marsch durch das pierische
Waldgebirge nach dem Haliakmon zu handelt. Heuzey identifiziert den Mithys
mit dem Bach von Vromeri, Agassä mit Paljostenes, den Askordos mit dem Kra-
sopuli, einem Nebenflufs des Haliakmon, während Leake an den Haliakmon selber
denkt. Bursian schliefst sich diesen Ausführungen mit für uns unwesentlichen
Änderungen im einzelnen an, Rhein. Mus. N. F. 10 (1861) S. 426.
3) Liv. 44, 7, 7 — 8, 7. In der Bemerkung des Livius 44, 6, 6: si dux intrepidus
decem dies primam speciem adpropinquantis terroris sustinuisset, neque receptus
Romanis per Tempe in Thessaliam neque commeatibus pervehendis patuisset iter,
3. Der Feldzug vom Jahre 169. 28?
Das Verfahren des Königs in dieser Situation hat bei alten wie
neuen Schriftstellern die gleiche Verurteilung gefunden. Polybios
führt aus, dafs das römische Heer nach dem Übergang über den
Olymp in einer verzweifelten Lage gewesen sei. Eingekeilt zwischen
dem Meer und dem Gebirge, über das zurückzugehen unmöglich ge-
wesen sei, hätte man weder eine Verbindung mit Thessalien gehabt,
wenn der König das durch eine Anzahl von Kastellen vollständig ge-
sperrte Tempe gehalten hätte, noch nach Makedonien vorgehen können,
wenn er den Engpafs von Dion, wo das Gebirge fast unmittelbar ans
Meer heranträte, besetzt hätte. Dafs Perseus die Armee aus dieser
Lage gerettet, indem er durch Räumung der Pässe dem Gegner die
Bewegung nach vorne und die Verbindung nach rückwärts selbst frei-
gegeben habe, sei die äufserste Torheit, Energielosigkeit und Kopf-
losigkeit gewesen. Bis hinab auf Mommsen und Niese ist man, so-
weit mir bekannt, diesem Urteil des Polybios ohne Ausnahme ge-
folgt1). Trotzdem ist es vollkommen ungerechtfertigt.
Der Tadel des Polybios bezieht sich, wie man sieht, auf zwei
Mafsregeln des Perseus, die Nichtbesetzung des Passes von Dion und
die Räumung des Tempetales, Mafsregeln, welche beide mit der Kon-
zentration der Armee bei Pydna aufs engste zusammenhängen.
Betrachten wir jede für sich. Dion liegt von Herakleon, dem
Punkte, wo das römische Heer stand, etwa 20 Kilometer entfernt.
Der Feind konnte also in wenigen Stunden da sein, und was für
Truppen hatte Perseus bei sich? Die Reiterei und ein paar tausend
Mann zu Fufs (S. 277). Damit konnte er den Pafs von Dion nicht
halten. Polybios beschreibt denselben als einen Strandpafs von etwas
über \h Kilometer Breite zwischen dem Fufse des Olymp und dem
Meere. Durch einen Sumpf sei von dieser Breite noch die eine
Hälfte eingenommen, die andere zum grofsen Teil durch die Stadt
Dion und den Zeustempel gedeckt worden, so dafs nur ein kleines
Stück mit Wall und Graben hätte geschützt zu werden brauchen.
kann doch wohl mit den Worten „decem dies" nichts anderes gemeint sein, als
dafs die Römer noch auf zehn Tage verproviantiert waren, vergl. S. 268 A. 3 u.
S. 276 A. 1.
l) Liv. 44, 6,6 — 17. § 17: quorum cum nihil dispexisset caecata mens
(regis) subito terrore ... 7, 1: stultitia et segnitia hostis usw. — Ebenso die
Neueren Leake III 419; Mommsen, R. G. I« 764 f.; Ihne III 193; Niese III 147
mit zum Teil noch stärkeren Ausdrücken.
28S Der Krieg gegen Perseus.
Die Gegend sieht hier heute ganz anders aus1). Wir nehmen aber
trotzdem natürlich die Schilderung des Augenzeugen Polybios als
vollkommen authentisch an und geben zu, dafs dieser Pafs, durch
welchen die Strand strafse von Herakleon nach Dion führt, leicht
gesperrt werden konnte2).
Wie sah es aber mit der Umgehbarkeit des Passes aus? Aufser
der Strandstrafse führt ein zweiter Weg auf den Vorhöhen des Olymp
hin über Leftokarya und Litochori nach Norden, parallel mit der
Strandstrafse und etwa 4—5 Kilometer von ihr entfernt. Sowohl
dieser Weg selbst, als auch überhaupt das ganze Gelände zwischen
den beiden Wegen und bis zu den Steilhängen des Olymp hin mufste
gleichfalls gesperrt werden, und dazu reichten die Truppen, welche
Perseus damals bei der Hand hatte, auf keinen Fall aus. Wie
wenig sich überhaupt der Strandpafs von Dion und das seitlich an
ihn anstofsende Gelände zu einer Sperrung des ganzen Küstenstreifens
zwischen Olymp und Meer eignete, geht am deutlichsten daraus her-
vor, dafs Perseus später, als er den Römern hier den Weg nach
Norden wirklich verlegte, gar nicht diesen Pafs besetzt hat, sondern
dafs er dazu die Elpeoslinie wählte, eine Stellung etwas weiter süd-
lich, die infolge des tief eingeschnittenen Bettes dieses Flusses trotz
ihrer Länge von etwa 8 Kilometern bessere Bedingungen bot, als der
Strandpafs von Dion3).
So war es also durchaus gerechtfertigt, dafs Perseus im Inter-
esse einer gesicherten Konzentrierung seiner Armee 25 Kilometer
weiter nach Norden zurückging — von einer Flucht, wie Polybios
sagt, kann keine Rede sein — und so besonders den entfernteren
Truppen vom Passe von Servia die Möglichkeit gab, zu rechter Zeit
heranzukommen. Er gab damit nichts weiter auf als die kleine Ebene
von Katerini, auf die im Vergleich mit dem wichtigeren Zwecke einer
gefahrlosen Vereinigung seiner Armee nichts ankommen konnte. Der
x) Liv. 44, 6, 15. Ähnlich Strabo VII C. 330, 17: Jlov . . ovx iv tw alytuXaj
. . «AA' ooov iura an(/et OTaöiovg. Die Trümmer von Dion liegen jetzt 3£ bis
4 Kilometer vom Meere; ein Sumpf ist da, aber er reicht nicht so nahe heran,
und zwischen ihm und dem Meere führt eine Strafse hin. Das Ufer und die
ganze Gestaltung der Gegend mufs ähnlich wie bei den Thermopylen hier durch
Flufsablagerungen seit dem Altertum stark verändert sein. Man vergl. Heuzey 121 f.
2) Leake N. G. III 411 zweifelt die Richtigkeit der Angaben, u. E. ohne
Grund, an.
3) s. S. 286 A. 3 u. S. 297.
3. Der Feldzug vom Jahre 169. 289
Einmarsch nach Makedonien selber war damit keineswegs den Römern
freigegeben. Denn durch seine Stellung bei Pydna schnitt Perseus
dem Gegner bei weiterem Vorgehen alle Verbindungen nach rück-
wärts ab, und wie sich zeigte, mufste der Konsul in der Tat nach
dreitägigem Vormarsch aus Mangel an Lebensmitteln umkehren. Dafs
auch ihrerseits die Römer durch ihren Vormarsch nach Makedonien
hinein dem Könige seine Verbindungen abschneiden konnten, ist
richtig, kam aber nicht in Betracht, da der König auf seine Haupt-
stadt Pydna gestützt — wo er ohne Zweifel grofse Magazine hatte —
das länger als die Römer aushalten konnte.
Viel schwerer dagegen als die Nichtbesetzung des Passes von
Dion scheint der Vorwurf zu wiegen, dafs der König den Tempepafs
geräumt habe1).
Es ist vollkommen richtig, dafs dadurch das römische Heer vor
einer Hungersnot, vielleicht vor der Kapitulation, bewahrt worden
ist. Aber die Kritiker vergessen, dafs das römische Heer nur durch
einen Zufall in seine verzweifelte Lage gekommen war, nämlich durch
das Ausbleiben der römischen Getreideflotte, auf deren Mitwirkung
ja der ganze Plan aufgebaut war. Ohne diesen Zufall, den der
König natürlich nicht voraussehen konnte, hätte die Aufrechterhaltung
der Besetzung von Tempe und Nezeropafs das römische Heer viel-
leicht in eine unbequeme, aber niemals in eine wirklich gefährliche
Lage bringen können. Man hätte bei längerem Anhalten dieses
Zustandes sogar mit einiger Anstrengung eine Etappenstrafse süd-
lich vom Ossa, in der Senke von Ajia über Meliböa anlegen
können2). Anderseits aber waren, wenn Perseus die Gebirgslinie besetzt
gehalten hätte, seine eigenen Truppen, besonders die 12 000 Mann
am Nezerosee, abgeschnitten und möglicherweise ohne Proviant auf
-1) Ihnes Vermutung III 193, dafs hier Verräterei des Kommandanten vor-
liege, ist m. E. nicht begründet. Die Räumung erklärt sich auch ohne das.
2) Der Gebirgsübergang ist hier nach der österreichischen Karte nur etwa
400 Meter hoch; dann zieht sich der Weg am Meere entlaog an den Dörfern
Thanatu, Ikonomion, Karitza vorbei, denen im Altertum ebensoviele, vielleicht noch
mehr (s. Bursian 198, Leake IV 412 ff.) kleine Städtchen entsprachen. Dafs hier
schon im Altertum ein bequemer Übergang über das Gebirge bestand, kann danach
nicht bezweifelt werden. Die Hauptstadt dieses Gebietes war Meliböa. Die
Kämpfe um diese Stadt noch im Sommer 169 (s. unten S. 293) hängen ohne Zweifel
mit dieser den Übergang beherrschenden Lage derselben zusammen.
Kromayer, Antike Schlachtfelder. II. 19
290 t)er Krieg gegen Perseus.
längere Zeit, den sie ja nur über die jetzt in römischem Besitze
befindliche Strandebene erhalten konnten.
Wenn wir alle diese Verhältnisse vorurteilslos ins Auge fassen,
müssen wir zu dem Schlüsse kommen, dafs es das ganz natürliche
erste Bestreben des Königs sein mufste, nach dem gelungenen Durch-
bruch der Römer, seine Armee, die zu | ihrer Zahl verzettelt im
Gebirge stand, wieder zu vereinigen, und so überhaupt erst wieder
kampffähig zu werden. Das hat er durch die kurze, rückgängige
Bewegung auf Pydea und durch die Abberufung der einzelnen De-
tachements aus dem Gebirge erreicht.
Aber dazu kommt noch ein Zweites. Als der König die über-
raschende Nachricht von der Ankunft der Römer bei Herakleon er-
hielt, konnte er kaum die näheren Umstände des Abstieges kennen,
insonderheit nicht wissen, wie es mit seinem Korps am Nezerosee
stand. Die erste Annahme mufste sein, dafs es geschlagen und der
Konsul durchgebrochen sei. Dann aber war das Gebirge in der
Hand der Römer, und die Schliefsung des Tempetales nützte nichts
mehr, da dann die Verbindung der Armee über das Gebirge her-
gestellt werden konnte1)-
Nun ist es ja allerdings wahr, dafs man im Kriege mit allen
Möglichkeiten, auch mit den möglichen Fehlern seiner Gegner rechnen
soll. Ein kriegerischer Genius, wie Napoleon oder Cäsar, hätte wahr-
scheinlich, ohne sich durch das Unerwartete der neuen Situation auch
nur einen Augenblick beirren zu lassen, die Lage sofort mit allen
ihren Eventualitäten erfafst, hätte nicht nur die eigenen dringenden
Bedürfnisse gesehen, sondern, indem er sich zugleich ein vollkom-
menes Bild von der gegnerischen Lage machte, herausgefunden, dafs
die Festhaltung der Pässe für den Fall des Ausbleibens der römi-
schen Flotte und für den Fall, dafs die Gegner nicht durchgebrochen
wären, sondern umgangen hätten, noch von Bedeutung werden könne.
Er hätte vielleicht nur die Truppen vom Petra- und Serviapafs heran-
gezogen und die von Tempe und dem Nezerosee stehen lassen.
Es ist Perseus' Fehler, kein kriegerisches Genie ersten Ranges
gewesen zu sein und mit diesen Eventualitäten nicht gerechnet zu
*) So bildete im Jahre 1886 der Pafs von Karia längere Zeit hindurch die
Hauptverkehrs- und Verbindungslinie der türkischen Armee (v. d. Goltz, Thessal.
Krieg, S. 36).
3. Der Feldzug vom Jahre 169. 291
haben. Aber er hat schlecht und recht die nächstliegenden Bedürf-
nisse des eigenen Heeres und die wahrscheinlichste Lage beim Gegner
ins Auge gefafst und damit soldatisch nicht verkehrt gehandelt.
Wenn man nicht als überlegener Kritiker ex eventu urteilt, sondern
sich in die Lage des Königs versetzt und sich die Voraussetzungen
klar macht, von denen er bei der Betrachtung der Situation aus-
gehen mufste, so wird man für ihn keine Vorwürfe haben, sondern
ihm in den gekennzeichneten Grenzen Beistimmung und Anerkennung
nicht versagen können.
Polybios hat unter dem Eindrucke mitdurchlebter, erschüt-
ternder Ereignisse geschrieben: er hat die Not im römischen Lager,
die lediglich durch die Macht der Verhältnisse, ohne Zutun des
Feindes entstandene, verzweifelte Lage des Heeres, die aufjubelnde
Freude bei der Botschaft von der Öffnung der Pässe mitgesehen
und mitgefühlt. Diese starken Eindrücke sind ihm geblieben. Es
ist psychologisch zu verstehen, dafs er in dieser Errettung des
Heeres durch Feindeshand unglaubliche Verblendung, Torheit und
.Unverstand erblickt und dem um so lieber Ausdruck gegeben hat,
als er bekanntlich in seiner Beurteilung des Perseus von Vorein-
genommenheit nicht freizusprechen ist1). Man hätte ihm darin in
neuerer Zeit nicht folgen sollen.
Die veränderte Beurteilung von Perseus Verhalten wirft nun
aber sofort ihren Reflex auf die Beurteilung des Verhaltens des
römischen Konsuls. Nach der bisherigen Auffassung ist der Olymp-
übergang der Römer nur durch zwei unverzeihliche Fehler der make-
donischen Heerführung geglückt: die Freigebung der Pässe nach
dem Übergange und die schon besprochene Versäumnis der Aus-
nützung der Notlage des römischen Heeres während des Überganges
selber. Ein Unternehmen aber, so schlofs man, welches nur bei so
unerhörten Glücksfällen gelingen kann, ist von Anfang an verfehlt,
und der Konsul, welcher es entworfen und geleitet hat, ein schlechter
Offizier gewesen, der seiner Aufgabe nicht gewachsen war2).
Für uns liegt die Sache jetzt gerade umgekehrt.
x) Dahin gehören die Fabeln von den Befehlen der Versenkung der Schätze
im See von Pella und Verbrennung der Werften (Liv. 44, 10, 2. App. Mak. 14),
die den Charakter des Hofklatsches an der Stirne tragen. Man vergl. Ihnes
treffende Bemerkungen darüber III 194 f.
2) So Mommsen, R. G. 16 764 f. Ähnlich Ihne III 192f. Niese III 146 f.
19*
292 Der Krieg gegen Perseus.
Es war kein unerhörter Glücksfall, dafs Perseus die Pässe
öffnete, sondern ein nicht vorherzusehender Unglücksfall, dafs die
Getreideflotte nicht zur Stelle war. Nur dadurch entstand die Not-
lage, aus der die Räumung der Pässe das Heer wieder befreite.
Das Unternehmen als solches war daher wohl überlegt und gut basiert.
Denn das Ausbleiben der Flotte war nach den Umständen nicht zu
erwarten.
Und ähnlich stand es ja mit dem zweiten schon früher erörterten
Vorwurf. Das römische Heer war beim Übergange wohl in einer
gefährlichen Lage, aber in keiner gefährlicheren, als sie bei solchen
Expeditionen überhaupt leicht eintreten können. Es ist aus dieser
Lage weniger durch den Fehler des Gegners als durch die geschick-
ten und kühnen Mafsregeln des römischen Konsuls gerettet worden
(S. 283 f.). Wollte man das Heer der Möglichkeit solcher Gefahren
nicht aussetzen, so durfte man den Übergang über ein Gebirge, wie
der Olymp es ist, überhaupt nicht ins Auge fassen. Das war aber
gerade die zu lösende Aufgabe. Das Heer stand einmal in Thessalien
und sollte nach Makedonien. Da gab es keinen anderen Weg.
Welche Schwierigkeiten dabei im einzelnen entstehen würden,
ob ein Durchstofsen der feindlichen Linie möglich sein oder eine
gefahrvolle Umgehung nötig werden würde, konnte kein Mensch vor-
her sagen. Das mufste eben der Versuch selber lehren.
Dafs Marcius Philippus das ganze Unternehmen mit Umsicht
entworfen, dafs er den Mut gehabt hat, den gefährlichen Versuch
des Überganges zu wagen, und ihn, als er gescheitert schien, mit
kühner Umgehung doch noch durchführte, das sichert ihm auf
immer einen ehrenvollen Platz in der Kriegsgeschichte.
Der militärisch interessanteste Teil des Feldzuges ist mit diesen
Ereignissen erschöpft; der Rest kann in Kürze erledigt werden.
Da Perseus nach dem Rückzuge der Römer nach Phila, wie
erwähnt (S. 286), sofort bis an die Elpeoslinie vorgegangen war und
dieselbe stark befestigt hatte, während die Römer am Tempepasse
mit Sicherstellung ihrer Verbindung nach Thessalien die Zeit hin-
bringen mufsten, so fand ein Vorstofs nach Norden von jetzt an an
der neuen Verteidigungsstellung des Königs seine Grenze. Der Konsul
hat den Sturm auf diese Linien nicht mehr gewagt, sei es, dafs er
ihn überhaupt für aussichtslos hielt, sei es, dafs er seinem Heere nach
3. Der Feldzug vom Jahre 169. 293
den Strapazen beim Übergang und der Not danach, die moralische
Kraft zu einer so grofsen und so schwierigen Entscheidung nicht
mehr zutraute. Seine Mafsregeln beschränken sich auf Sicherstellung
des Gewonnenen und Vorbereitungen für das folgende Jahr. Die
Festung Herakleon, welche bei einer Operation gegen die Linien
nicht im Kücken liegen gelassen werden durfte, weil sie die Ver-
bindung mit Thessalien, wenn auch nicht unmöglich gemacht, doch
sehr erschwert hätte (s. S. 275 A. 2 Mitte), wurde mit Beihilfe der
Flotte erobert und das Hauptquartier von Phila aus hierher vorge-
schoben; ein Anschlag auf Meliböa in der Senke zwischen Ossa und
Pelion, der wahrscheinlich mit der Instandsetzung einer zweiten
Etappenstrafse nach Thessalien (vergl. S. 289) zusammenhängt,
wurde versucht, mifsglückte indessen. Besonders aber wurde auf die
Sicherstellung der Verbindung mit Thessalien durch Strafsen-Magazin-
und Stationsbauten bedacht genommen und die Zufuhr nach dem
Winkel Makedoniens, in dem man sich befand, für den Winter und
den folgenden Feldzug eingerichtet. Das Hauptquartier wurde im
Herbst nach Phila zurückverlegt1).
Die römische Flotte kehrte nach einem wenig erfolgreichen
Plünderungszuge an die makedonische Küste und einem im Ent-
stehen schon wieder aufgegebenen Anschlag auf Demetrias in die
Winterstationen nach Skiathos und Oreos auf Euböa zurück, um von
hier aus die Verproviantierung der Armee zu besorgen2).
Auf dem epirotisch - illyrischen Kriegschauplatze geschah in
diesem Jahre auch nichts. Appius Claudius versuchte im Laufe des
Sommers eine Hilfssendung von 5000 Mann von den Achäern zu er-
halten3). Da das Ansuchen abgeschlagen wurde, war er zu schwach
zu eigenen Unternehmungen ; ja, nach der Ansicht der römischen Ge-
sandtschaft, welche zur Berichterstattung nach Griechenland geschickt
*) Ausführliche Hauptdarstellung der Vorgänge bei Liv. 44, 8, 8—9, 11, 13,
1 — 6. Andere zerstreute Nachrichten bei Niese III 148. — Dafs das Haupt-
quartier im Winter in Phila war, geht aus S. 295 A. 3 hervor. Der entgegen-
stehende Bericht Liv. 44, 20, 3, wonach das Lager im Winter von den römischen
Gesandten am Elpeos angetroffen wurde, ist nicht glaubwürdig. Er stammt aus
den Annalen, die erste Nachricht aus Polybios.
2) Hauptstelle Liv. 44, 10, 5—12, 8. Dazu Niese III 149.
3) Pol. XXVIII 13, 7. Die Nachricht davon kommt an den römischen
Konsul, als er schon bei Herakleon steht.
294 ' ^or Krieg gegen Perseus.
war, schwebte die römische Besatzung von Lychnidos sogar in grofser
Gefahr von dort vertrieben zu werden1).
Wenn wir die Resultate dieses Feldzuges zusammenfassen, so
ist zu sagen, dafs in ihm der erste wirkliche Fortschritt gemacht
wurde, der den Römern in diesem Kriege gelungen ist. Die
Olymplinie war genommen. Der Plan dazu war auf eine Kom-
bination von Landheer und Flotte aufgebaut, eine Kombination
die in der Ausführung allerdings sehr mangelhaft gewesen war.
Immerhin liegt aber schon in diesem Gedanken, durch den allein
der Olympübergang ein rationelles Unternehmen wurde, ein grofser
Fortschritt der römischen Kriegführung gegenüber dem rohen Neben-
einander der ersten Kriegsjahre. Auch die kleinere Unternehmung gegen
Herakleon ist nur durch ein solches Zusammenwirken ermöglicht
worden. Dieses Ineinandergreifen verschwindet von jetzt an nicht
wieder; auch Ämilius Paulus rechnet im folgenden Jahre damit. Ebenso
taucht der Gedanke eines kombinierten Angriffes zu Lande von
zwei Seiten her jetzt zum ersten Male in den römischen Kriegsplänen
auf. Die Aufstellung eines eigenen Heeres gegen Obermakedonien,
um die Kräfte des Königs zu teilen, wird in dem Berichte der er-
wähnten Gesandtschaft zum ersten Male angeregt (s. S. 254). Die
positiven Ergebnisse dieser neuen Kriegführung waren allerdings noch
nicht sehr bedeutend. Für die Olymplinie hatte Perseus in der weit
konzentrierteren Elpeoslinie mit scharfem, soldatischem Blick einen
vollen Ersatz gefunden und stand den Römern vorläufig ebenso un-
angreifbar gegenüber wie vorher. Die Entscheidung konnte erst das
folgende Jahr bringen.
4. Der Feldzug vom Jahre 168 v. Chr.
1. Bis zur Schlacht von Pydna.
Im Frühling 168 2) traf der neue Konsul L. Ämilius Paulus bei
der Armee in Phila ein, ein Mann von anerkannten militärischen
1) Liv. 44, 20,5 Appium et quod cum eo praesidii sit (circa Lychnidum),
in surnmo periculo esse, nisi propere aut iustus exercitus eo mittatur aut illi inde
deducantur. Appius Claudius ist wohl wieder mit Unrecht hierher gezogen, s.
oben S. 261 A. 1.
2) Liv. 44, 30, 1 : iam veris principium erat novique duces in provincias
venerant.
4. Der Feldzug vom Jahre 168 v. Chr. £95
Verdiensten, dem das römische Volk das gröfste Vertrauen entgegen-
brachte.
Er zog alsbald die Zügel der militärischen Disziplin schärfer
an, als es bisher geschehen war: der Dienst wurde strammer ge-
handhabt, Waffen- und Exerzierübungen abgehalten, eine praktischere
Befehlsübermittelung eingeführt, der Vorpostendienst neu geregelt
und wesentlich verbessert1). Zahlreiche Ersatzmannschaften trafen
ein, so dafs die Legionen wieder auf den vollen Stand von 5200 Mann
gebracht wurden2). Das Lager ward alsbald von Phila nach dem
Elpeos unmittelbar gegenüber der verschanzten Stellung des Perseus
vorgeschoben 3). Aber hier fanden die Operationen vorläufig ihr Ende,
ehe sie eigentlich überhaupt angefangen hatten. Denn die Stellung des
Königs erschien völlig uneinnehmbar und dem Konsul nichts weiter
übrigzubleiben, als was sein Vorgänger auch getan hatte: Untätig
dem Feinde gegenüber zu liegen und zu warten4).
Seine Lage war keineswegs beneidenswert. Die allgemeinen
Verhältnisse hatten sich seit dem Vorjahre noch wesentlich ver-
schlimmert. König Gentios von Illyrien war zu Perseus übergetreten
und zu dem makedonischen so ein neuer Krieg hinzugekommen.
Die Römer hatten sich genötigt gesehen, ein zweites Heer von gegen
30000 Mann (s. die Beilage) unter dem selbständigen Kommando eines
Praetors im Westen der Balkanhalbinsel dem neuen Feinde entgegen-
zustellen. Auf dem Ägäischen Meere hatten sich im Frühlinge zum
ersten Male in diesem Kriege makedonische Kriegsschiffe gezeigt. In
kühner Fahrt hatten sie vom Golf von Saloniki aus die Küste Klein-
asiens erreicht, von dort eigene, nach Makedonien bestimmte Getreide-
schiffe geleitet, fremde gekapert, einen grofsen Truppentransport, der
von Pergamon zum römischen Heere in Makedonien gehen sollte, auf-
gehoben, dann von Delos aus, im Herzen der ägäischen Inselwelt,
*) Liv. 44,33,6 — 11. 34,7—9. Livius stellt die neue Tätigkeit in sehr
idealem Lichte dar, als hervorgegangen aus dem durch eine Rede entflammten
Eifer der Soldaten. Die Dienstinstruktionen werden das Ihrige dabei mit-
gewirkt haben.
2) Über die Unglaubwürdigkeit von Livius' Nachricht 44, 21, 8, wonach die
Legionen 6000 Mann stark gewesen waren, s. die Beilage.
3) Liv. 44, 34, 10: mota a Phila castra üafs App. Mak. 18 den Perseus in
Phila überwintern läfst, ist natürlich eine Verwechselung.
4) Plut. Aem. 15: i^sQag ^.iv nvccg ^QSfxei.
296 ^er Krieg gegen Perseus.
ihren Kleinkrieg gegen die römischen Verbindungen mit Erfolg fort-
gesetzt1).
Die politischen Folgen aller dieser Fortschritte waren nicht
ausgeblieben. In Rhodos hatten die gemeinsamen Gesandten der
beiden Könige Perseus und Gentios die freundlichste Aufnahme ge-
funden, und man hatte sich zu einer Intervention im Verein mit
anderen griechischen Staaten entschlossen. Eine rhodische Gesandt-
schaft weilte jetzt eben, um in diesem Sinne zu verhandeln, im Lager
des Ämilius Paulus2).
Durch den Übertritt auch dieses Staates ins Lager des Perseus
konnte, abgesehen von weiteren politischen Folgen, den Römern die
Zufuhr vom Meere her mehr oder weniger gesperrt und ihre Lage
in Makedonien aufserordentlich erschwert werden. Der vereinigten
rhodischen und makedonischen Flotte gegenüber hätten die Römer
die See kaum halten, jedenfalls nicht mehr wie bisher beherrschen
können. Sogar Eumenes geriet in schweren Verdacht bei den Römern,
sich ähnlichen Bestrebungen zuzuneigen, und in der Tat ist seine
Haltung in diesem und dem vorigen Jahre überaus bedenklich. Dafs
er für seine Neutralität zu Lande und zu Wasser im Jahre 168 von
Perseus 500 Talente verlangt hat, wird von Polybios als Tatsache
berichtet3). Kurz, es schien in der Tat, als wenn sich Perseus
seinem von Anfang an verfolgten Ziele einer Koalition der griechi-
schen Staaten gegen Rom (S. 250 f.) mehr und mehr näherte.
Aber selbst auf dem engeren Kriegsschauplatze im Olympgebiet
sah die Lage hoffnungsloser aus als bei Beginn des Vorjahres.
Hatte damals Perseus mit mehr oder weniger zersplitterten
Truppen die Olymppässe zu halten gesucht, so stand er jetzt in wohl-
konzentrierter Verteidigungsstellung am Elpeos den Römern gegen-
über; und hatten dem entsprechend damals die Römer die Möglichkeit
gehabt, sich von ihrer zentralen Stellung in Elassona aus mit über-
legenen Kräften auf einen beliebigen Punkt der Verteidigungslinie
zu werfen, so waren sie jetzt zwischen dem Meere und dem Hohen
Olymp eingekeilt und jeder freien Seitenbewegung beraubt. Wollten
sie einen anderen Angriffspunkt wählen, so hatten sie den ungeheuren
J) Hauptbericht Liv. 44, 28 bis 29, 5. Weiteres Niese III 154 f.
2) Niese S. 156 f. 160. 197.
3) Pol. XXIX 8, 5. Über die Haltung des Eumenes im ganzen s. Niese
8. 193 f.
4. Der Feldzug vom Jahre 168 v. Chr. 297
Umweg um die ganze Olympgruppe herum zu machen und einen
gröfseren Bogen zu beschreiben als der Gegner. Denn er war es, der
jetzt den Vorteil der inneren Linien für sich hatte1). Ehe man sich zu
einer solchen Verlegung des Kriegsschauplatzes wieder auf die andere
Seite des Olymp entschlofs und damit auf alle bereits errungenen
Vorteile verzichtete, erheischte doch die gebieterische Notwendigkeit,
den Versuch' zu unternehmen, auf irgendeine Weise am Elpeos selber
noch durchzudringen.
Für einen Frontalangriff sah es allerdings verzweifelt ungünstig
aus. Der Elpeos, jetzt Mavrolungo genannt2), tritt bei Litochori aus JaJt""odnKatu
einer grofsartigen Felsenschlucht des Olymp hervor und fliefst von No- 9-
hier an zuerst in nordöstlicher Richtung, tief eingebettet zwischen
steilen z. T. senkrechten Felsen, die auf dieser ganzen Strecke nach
meiner Schätzung eine durchschnittliche Höhe von etwa 30 — 40 Metern
haben mögen3). Die Ufer kommen manchmal so nahe zusammen,
dafs das Tal fast wie eine Klamm aussieht; an anderen Stellen treten
sie wieder bis auf 100 und mehr Meter auseinander, so dafs man
einen etwas weiteren Überblick erhält. So bei Litochori selber, das
vom gegenüberliegenden Ufer aus gesehen in romantischer Felsen-
lage, wie Tivoli oder Tithorea am Parnafs, daliegt. Eine halbe Stunde
unterhalb Litochori wendet sich der Flufs dann nach Norden und
fliefst so etwa eine Stunde lang bis zu seinem Eintritte in den grofsen
Sumpf, welcher die ganze Küstenstrecke nördlich von H. Theodoros
über eine halbe Stunde in der Länge und Breite einnimmt. Aber
J) Um über den Pafs von Petra oder Servia den Angriff auf Makedonien
wieder aufzunehmen, hätte die Armee durch den Tempepafs zurückgehen müssen,
während Perseus zum Schutze dieser Pässe direkt auf den S. 277 bezeichneten
viel kürzeren Wegen dorthin gelangen konnte.
2) Die Identität dieser beiden Flüsse leidet keinen Zweifel, da nach Livius
44,8,5 der König das Lager quinque milia passuum ab urbe (Dio = Mala-
thria) citra ripam Elpei amnis anlegt, amnem transitu perdifficilem pro munimento
habiturus. Auch die weitere Schilderung „fluit ex valle Olympi montis, aestate
exiguus, hibernis idem incitatus pluviis et supra rupes ingentes gurgites facit et
infra prorutam in mare evolvendo terram praealtas voragines cavatoque medio
alveo ripas utrimque praecipites" pafst Wort für Wort. Die Identität wird denn
auch von allen Reisenden anerkannt,: Leake III 420. Ussing 8. Heuzey 107 ff.
Tozer II 29. Bei Barth S. 205 und Ussing S. 8 heifst er Mavroneri, bei Heuzey
S. 109, Vythos.
3j Tozer II 29 taxiert sie an der Brücke von Litochori auf 70 Fufs „a deep
Channel with precipitous banks, at least 70 feet below the ground at its sides".
298 I)ei* Krieg gegen Perseus.
auch auf diesem nach Norden gerichteten Stück seines Laufes ist
der Mavrolungo im Anfange noch etwa eine Viertelstunde lang von
ebenso hohen und steilen Felsen begleitet, wie bei Litochori selbst.
Dann werden sie allmählich niedriger, und die Schlucht verbreitert
sich mehr und mehr. Nach Verlauf einer guten halben Stunde er-
reicht man die letzten Höhen des linken Ufers, die nur noch
7 Minuten vom Sumpfe entfernt sind. Das Flufstal erweitert sich
hier auf etwa II Kilometer, da sich die niedrigen Höhen auf dem
rechten Ufer noch ein Stück weiter fortsetzen, und auf dem linken
hinter dem ersten ein zweiter Ausläufer des Gebirges hervor-
tritt, welcher den Flufs noch eine Strecke weiter nach Norden be-
gleitet1).
Es ist klar, dafs von dieser ganzen etwa II Stunden langen
Front von Perseus' Stellung die ersten zwei Drittel von Litochori
an abwärts weder verschanzungs- noch überhaupt besatzungsbedürftig
waren. Denn ein Erzwingen dieser Position war bei den Mitteln,
über welche die Alten verfügten, überhaupt undenkbar. Diese ganze
Strecke brauchte nur gut beobachtet zu werden, um jeden Versuch im
Keime zu ersticken, eineMafsregel, die um so leichter ausgeführt werden
konnte, als das linke Ufer das rechte überall überhöht und Überblick
über alles gewährt, was jenseits geschieht. Das letzte Drittel dagegen
und besonders das Stück Ebene bis zum Sumpf oder vielmehr im Alter-
*) Meine Tagebuchnotizen über diese wichtige Verteidigungslinie lauten:
„Bei Litochori Flufstal 50 Meter tief, über 100 breit, z. T. felsige, überall
sehr steile Schlucht, unten Mühlen. Starker Bach darin; etwas weiter östlich,
tiefe, romantische Felsenschlucht, 10 Meter breit, senkrecht, tief. Lauf eine
halbe Stunde nord-östlich, dann nördlich. Hier 50—60 Meter hoch, Wände steil
oft senkrecht; unten 50, oben 150 Meter breit. Kiesbett. Nach einer Viertel-
stunde erweitert sich die Schlucht immer mehr, die Ränder niedriger, aber noch
sehr steil, 20 — 30 Meter. Nach zehn Minuten 4—500 Meter breit. Pferde weiden
unten auf den Wiesen, Platanen am Ufer. Richtung Norden. Nach zwanzig
Minuten letzte Hügel, 5—10 Meter hoch. Tal bis 600 Meter breit. Sieben
Minuten von hier Sumpf." — Der Sumpf, mit Gestrüppwald bestanden, hat natür-
lich nach den Jahreszeiten eine sehr verschiedene Ausdehnung. Ich war Ende
April dort. — Wie sehr man in der Taxierung von Höhenzahlen Überschätzungen
ausgesetzt ist, habe ich in der Folge aus Erfahrung kennen gelernt. Meine
Höhentaxierungen sind damals alle zu grofs ausgefallen, besonders, wo es sich
um so imponierende Höhen handelte wie hier. Ich habe sie deshalb im Texte
reduziert.
4. Der. Feldzug vom Jahre 168 v. Chr. 299
tum bis zum Meere hin1) bedurfte künstlicher Nachhilfe, und hier haben
wir uns daher das Lager und die Verschanzungslinien des Perseus zu
denken2). Dazu pafst denn auch allein die Beschreibung des Livius,
welcher das Bett des Elpeos in der Gegend der beiden Lager eine
Millie breit und den Abstieg von jedem der beiden Lager 300 Doppel-
schritte lang sein läfst. Die Lager haben also in einer Entfernung
von rund 2400 Metern auf den letzten Ausläufern der Hügel einander
gegenüber gelegen3). Auch der Umstand, dafs Aemilius Paulus un-
mittelbar am Meere Brunnen für seinen Wasserbedarf graben liefs,
zwingt dazu, die Lager an den untersten Teil des Flufslaufes zu
setzen4)-
So waren also die makedonischen Linien selber nicht mehr als
72 Stunde lang; und da für ihre Verteidigung die ganze Armee des
1) Ich habe schon bei früherer Gelegenheit (S. 288) darauf aufmerksam ge-
macht, dafs sich die Meereslinie und die Natur der anliegenden Ebene in dieser
ganzen Gegend seit dem Altertum bedeutend verändert haben mul's. Einen Sumpf
kennt Livius-Polybios hier nicht. Der Elpeos ging vielmehr direkt ins Meer
(44,8,6: prorutam in mare evolvendo terram), die Linien des Perseus reichten
bis ans Meer (44, 35, 23: per devexum in mare bracchium) und das Lager der
Römer liegt | Kilometer vom Meer (s. unten A. 4) — vergl. auch Zonaras IX 23,
P. I 457 C: perttt-v toü te 'OlvfAnov xal Tfjg &cdaooi]s. Die S. 288 erwähnte Enge
von Dion zwischen Meer und Gebirge ist natürlich mit diesem Defilee am Elpeos
nicht zu verwechseln. Die Ausläufer des Gebirges traten eben früher an mehreren
Stellen nahe an das Meer heran, am nächsten bei Dion selber. Warum Perseus
nicht die Enge von Dion, sondern den Elpeos als Verteidigungsstellung wählte,
ist klar. Der Elpeos bildete eben ein viel besseres Fronthindernis und war nicht
von der Gebirgsseite her zu umgehen, s. folg. S.
2) Liv. 44, 32, 10: ripam munire Elpei fluminis adgressus est (Perseus), quia
sicco alveo transiri poterat ; huic [operi] ut omnis multitudo vacaret, feminae ex
propinquis urbibus cocta cibaria in castra adferebant. Das Austrocknen des
Baches hatte nur im untersten Teile des Flufslaufes Bedeutung, wo keine Felsen
mehr waren. — Ebenso Zon. IX 23 P. I 457 C: näv tö fiera^v tov te 'OXv/unov xal
rrjg üaläöoris ctljiaGialg v.aX OiavQWfiaGb xocl oixodojurjjuaöt.v cctioqov ccneiQyäaaTot
Ähnliche Beschreibung auch Plut. Aem. 13.
3) Liv. 44, 35, 17: descensus ripae utriusque in alveum trecentorum ferme
passuum erat; medium spatium torrentis alibi aliter cavati paulo plus quam mille
passus patebat.
4) Liv. 44,33, 1: sequi se putearios ad mare, quod minus trecentos passus
aberat, iussit. Da der Text hier eine Lücke hat, ist leider nicht mit Sicherheit
zu konstatieren, ob es das Lager war, von dem das Meer 300 Doppelschritt
(rund 450 Meter) entfernt war. Plut. Aem. 14: bUyov xcä novrjQov (noiov) inidve
nai owskeißeio nag avxrv x\v dälanav.
300 Der Krieg gegen Perseus.
Königs zur Verfügung stand und ausgiebige Zeit zur Herrichtung
vorhanden gewesen war, so ist es begreiflich, dafs sie vollkommen
unerstürmbar sein mufsten.
Trotzem hat sich der Konsul eine Zeitlang mit dem Gedanken eines
direkten Angriffes auf die Verschanzungen getragen. Er hat die Über-
gänge über die Schlucht bis weit hinauf mit Sorgfalt persönlich
rekognosziert1), sich aber schliefslich überzeugt, dafs die Stellung zu
stark sei. Auch die Meinung der jüngeren Offiziere im Kriegsrate,
welche sich für einen Sturm aussprachen, hat ihn in seiner Ansicht
nicht wankend gemacht2).
Aber auch ein Umfassen der Stellung erschien kaum aus-
sichtsreicher.
Mit ihrer rechten Flanke lehnte sie sich unmittelbar an die
schroffsten Felsabhänge des Hohen Olymp, welche sich gleich west-
lich von Litochori erheben und besonders von Süden, der Angriffs-
seite her, völlig unzugänglich sind, weil sich hier eben die Schlucht
des Mavrolungo ins Gebirge hineinzieht und mit ihren unersteiglichen
Wänden von mehreren hundert Fufs Höhe bis zu einer der höchsten
Spitzen des Olymp, dem Hagios Antonios, hinaufreicht, die Eingeweide
des Gebirges selber, wie ein moderner Reisender sich treffend aus-
gedrückt hat, dem Auge des Beschauers blofslegend 3). Selbst
für kleine Abteilungen war hier eine Umgehung ausgeschlossen.
Auf der anderen Seite lehnte sich die Stellung ans Meer, und
hier wäre schliefslich eine Operation möglich gewesen, da die Römer
die See beherrschten. So hat man denn auch im römischen Kriegs-
!) Die Worte des Livius (44, 33, 4) ipse cum tribunis primisque ordinibus ad
contemplandos transitus [est progressus qua] descensus facilis armatis, qua
in ulteriorem ripara minime inicus ascensus esset. Ebenso 34, 70: ad con-
templanda opera sua circumire ducem transitus speculantem.
2) Liv. 44, 35, 7: placebat quibusdam (im Kriegsrate) et maxime minoribus
natu per Elpii ripam munitionesque vim facere .... ipsi natura et operibus
inexpugnabilis ripa videbatur.
3) Heuzej, Mont Olympe S. 109 f. Leake III 406: (Der Flufs) issues between
p erpendicular rocks five or six hundred feet in height. Ussing S. 8: Mit
romantischem Schauder verweilt das Auge an der ungeheuren Kluft, wo der Berg
sich gespalten hat, um den schäumenden Strom durchzulassen . . S. 13: (der Weg
zum Kloster H. Dimitrios) geht nicht längs dem Bette des Flusses, denn dieser
bricht sich seine Bahn durch senkrechte Felsenwände und läfst keinen Raum zu
einem Wege neben sich.
4. Der Feldzug vom Jahre 168 v. Chr. 301
rate tatsächlich den Vorschlag gemacht, die Flotte die Küste bei
Thessalonike anfahren, hier Truppen zur Plünderung des Landes
aussetzen zu lassen und so durch eine Diversion einen Teil der Be-
satzung der Elpeoslinie fortzuziehen !).
Aber dieser Vorschlag war wenig aussichtsreich.
In Thessalonike standen etwa 3000 Mann Besatzung, ebenso-
viel in dem etwa 65 Kilometer von dort entfernten Kassandrea, da-
zwischen beim Vorgebirge Aenea noch 1000 Reiter2). Das genügte
zwar nicht um die Küstenlandschaften gegen jede Landung und
Plünderung überhaupt zu decken, wohl aber, um weitergehende Fort-
schritte hintanzuhalten, wie die Ereignisse des Vorjahres zur Ge-
nüge bewiesen hatten3). Keine Seele wäre durch eine solche
Landung vom Elpeos weggezogen worden.
Wollte man von der See her operieren, so war nur ein Doppel-
tes möglich: Entweder mufste man den Gegner taktisch zu umfassen
suchen, indem man ein starkes Korps unmittelbar nördlich von seiner
Stellung landen und sofort in den Rücken des Feindes marschieren
liefs, während die ganze übrige Armee vom Mavrolungo her mit aller
Macht stürmte. Oder man mufste ihn strategisch zu umgehen suchen,
indem man an irgend einem entfernteren Punkte ein Korps ans Land
setzte, welches stark genug war, dem feindlichen Heere die Ver-
bindungen mit seiner Basis abzuschneiden.
Auch diese Landung aber hätte südlich von Pydna ausgeführt
werden müssen. Denn Pydna war ohne Zweifel das Hauptverpfle-
gungsdepot für die Armee am Elpeos. Eine Landung nördlich hätte
x) Liv. 44, 35, 8: aliis placebat (im Kriegsrate) Octavium cum classe Thessa-
lonicam petere et populatione maritumae orae distringere copias regias, ut altero
ab tergo se ostendente bello circumactus ad interiorem partem regni tuendam,
nudare aliqua parte transitus Elpei cogeretur.
2) In Thessalonike Eumenes und Athenagoras mit praesidio duorum milium
cetratorum (Liv. 44, 32, 6), dazu Androkles zum Schutz der Werften, dessen Mann-
schaft auch auf mindestens 1000 Mann zu schätzen ist. Tausend Reiter bei
Aenea unter Kreon (ib. 6). In Kassandrea standen schon seit dem vorigen Jahre
2000 Illyrier und 800 Agrianer (Liv. 44, 11, 7).
3) S. 293. Belagerungen von Thessalonike und Kassandrea waren damals
vergebens versucht, bei Antigonea hatten die Römer eine Schlappe erlitten. Jetzt
waren die Besatzungen noch um 2000 Mann verstärkt, da Androkles und Kreon
(s. vor. A.) 168 neu hingeschickt waren. Auch im Jahre 169 hat Perseus wegen
dieser Plünderungszüge die Besatzung am Elpeos nicht geschwächt.
302 Der Krieg gegen Perseus.
also diese Verbindung nicht unterbrochen und wäre wahrscheinlich
auch sonst wirkungslos gewesen. Denn um das weite, ebene Hinter-
land von Makedonien zu beherrschen und hier ohne alle Verbindun-
gen zu Lande selbständig zu operieren, hätte man ein so grofses
Korps detachieren müssen, dafs dadurch die Kampffähigkeit der
Armee am Elpeos bedeutend geschwächt worden wäre. Und selbst
dann blieb es zweifelhaft, ob dies Korps seine Aufgabe lösen konnte.
Im Falle eines Unfalles war es aller Voraussicht nach überhaupt
verloren.
Eine Landung südlich von Pydna an der kaum 20 Kilometer
langen Küstenstrecke der kleinen Ebene von Katerini unter den Augen
des versammelten feindlichen Heeres hatte aber natürlich die gröfsten
Schwierigkeiten, welche noch dadurch sehr beträchtlich erhöht wur-
den, dafs selbst kleine Schiffe wegen des aufserordentlich flachen
Ufers weit draufsen in offener See halten müssen.
Denkbar wäre endlich noch eine Umgehung von der Seeseite her
mit der ganzen Armee gewesen. Vorausgesetzt, dafs man etwa im
Mündungsgebiet der Wistritza — das des Wardar ist wegen seiner
ausgedehnten Sümpfe und flachen Ufer wohl überall ungeeignet —
einen guten Landungsplatz gefunden hätte, wäre es vielleicht ge-
glückt, hier unbemerkt eine genügende Anzahl von Mannschaften an
Land zu setzen, dann die übrige Armee nachzuholen und so den
Krieg in das Innere Makedoniens zu tragen.
Aber grofse Schwierigkeiten waren auch dabei zu überwinden.
Die römische Kriegsflotte fafste bestenfalls 8000 Mannn Infanterie1).
Es wären für die Armee mit Reiterei, Elefanten, allem sonstigen
Material und Zubehör, selbst wenn man zahlreiche Lastschiffe re-
quiriert hätte, doch mindestens zwei bis drei Transporte über eine
Meeresstrecke von 50—60 Kilometer nötig gewesen. Und während
der ganzen Zeit des Hin- und Herfahrens wären entweder die schon
angekommenen oder die noch nicht abgefahrenen Teile der Armee
in der Gefahr gewesen, von dem versammelten Heere des Perseus
mit Übermacht angefallen und erdrückt zu werden. Aber dem hätte
!) Die römische Flotte hatte damals höchstens 38 Quinqueremen und
7 Triremen (s. die Beilage). Sie konnte, wenn sie noch gefechtsfähig bleiben
sollte, nicht mehr als 8000 Mann von der Landarmee neben den Seesoldaten an
Bord nehmen (s. meine Abhandlung über die Entwicklung der röm. Flotte.
Philol. LVI NF. X. S. 482 f.)
4. Der Feldzug vom Jahre 168 v. Chr. 3Ö3
man in einem guten Lager noch ins Auge sehen können. Schlimmer
wäre gewesen, dafs durch diese Umgehung die Landverbindung mit
Thessalien aufgegeben worden wäre — Pydna hätte sie dauernd unter-
brochen — und man sich nur auf die See basiert hätte, ein bei der
lebhaften Tätigkeit der makedonischen Flotte sehr unsicheres Unter-
nehmen. Kurz, man braucht diesen Gedanken nur auszudenken, um
einzusehen, dafs man sich nur in äufserster Not zu einem solchen
Wagnis entschliefsen konnte.
Es ist nicht zu verwundern, dafs der vorsichtige Aemilius
Paulus von einer Umgehung oder Umfassung zur See, in welcher
Form auch immer, nichts wissen wollte.
Er beschlofs vielmehr, den Feind doch von der Landseite her
anzugreifen, indem er, da ein Zwischenschieben zwischen Olymp und
Elpeos nicht möglich war, eine Umgehung um das ganze Olymp-
gebirge herum ausführen liefs.
Ein starkes Korps von 8200 Mann auserlesener Mannschaften
zu Fufs, z, T. leichte Truppen und dazu 120 Reiter1) wurde unter
Führung des Scipio Nasica durch das Tempetal zurückgeschickt und
') Es liegen über diese Unternehmung zwei Berichte vor. Der eine stammt
aus Polybios und rindet sich bei Livius (44, 35, 10 bis 16), ist aber infolge einer
Lücke des Wiener Codex nur in seinem ersten Teile erhalten, der andere stammt
aus einem Briefe des Scipio Nasica, des Führers der Expedition, und ist bei
Plutarch Aem. cap. 15 f. überliefert. Plutarch hat ihn natürlich für seine Zwecke
zurechtgestutzt. Livius gibt nun die Zahl der Soldaten auf 5000 an, aber die
Stelle ist in der Wiener Handschrift verdorben; sie lautet, § 14: P. Scipionem
Nasicam, Q. Fabium Maximum, filium suum, cum quinque delectis militum Hera-
cleum mittit. Hier ist mindestens das Wort rnilibus, vielleicht aber noch mehr
zwischen quinque und delectis ausgefallen, so dafs wir nicht wissen, welche Ge-
samtzahl bei Livius angegeben war. Nur das ersehen wir aus Plutarch a. a. O.
15, 15, dafs Polybios-Livius eine andere Zahl hatte als Scipio in seinem Briefe.
Scipio hat nun angegeben, dafs er mit der ala sinistra (rb ilwvv^ov xsqc<s) von
5000 Mann, ferner mit 3000 delecti (tzrog Tccfrwg 'iroAcxo/), 120 Reitern und 200 thra-
kischen und kretischen Söldnern aufgebrochen sei. Mag der Bericht des Nasica
auch sonst nicht ohne Irrtümer und Einseitigkeit gewesen sein (Niese S. 160
A. 1 Nissen S. 300, W. Schwarze, Quibus fontibus Plutarchus in vita Aemilii
Pauli usus sit. Leipzig 1891, S. 8 f.), so liegt doch kein Grund vor, diesen ein-
fachen Zahlenangaben mit Niese zu mifstrauen. Darüber mufste der Führer selbst
am besten unterrichtet sein und hatte hier auch gar keine Veranlassung zu über-
treiben. Die genaue Detaillierung erhöht noch die Glaubwürdigkeit. — Heuzey
spricht (S. 157) irrtümlich von 11000 Mann.
304 Der Krieg gegen Perseus.
beordert, an der Westseite des Olymp — wahrscheinlich auf dem
Bergpfade Dava Getschid — auf Pythion zu marschieren und den
Versuch zu machen, den Pafs von Pythion-Petra, welcher durch eine
Besatzung von 5000 Mann gedeckt war, in seine Hand zu bringen1)-
Da der Abmarsch einer so starken Truppe aus dem Lager am Elpeos
auf die Dauer nicht leicht zu verheimlichen war, gab man ihr schein-
bar den Zweck einer Umgehung zur See. Der Konsul liefs die
Flotte nach Herakleon kommen, hier Proviant — 10000 Portionen
gekochte Speisen — bereitstellen, dann das Umgehungskorps eben-
dorthin rücken, den Mundvorrat in Empfang nehmen und nach Einbruch
der Nacht von dort landeinwärts weiter marschieren2). Auch die
folgenden Märsche werden Nachtmärsche gewesen sein: es war Hoch-
sommer; am heifsen Tage konnte man ruhen. Vor dem Morgen-
grauen des dritten Tages sollte Pythion angegriffen werden 3).
1) Es sind drei Wege möglich, entweder über den Nezerosee, oder
durch das Tempetal über den Melunapafs und Elassona, oder endlich durch das
Tempetal und über den Bergpfad Dava Getschid oder Klefti Gedik, welcher
über das Gebirge hinläuft und vom Westeingang des Tempetales direkt in nord-
westlicher Richtung über Poljana und Bairakli auf den Eingang des Petrapasses
zuführt. Der Weg über Nezero ist unbequemer, der über den Melunapafs und
Elassona bedeutend weiter, als der über den Dava Getschid, und zu offen. So dürfte
die Benutzung des Dava Getschid das wahrscheinlichste sein. Man vergleiche
darüber auch von der Goltz, D. thess. Krieg, S. 80 und 42. — Die makedonische
Besatzung auf dem Passe war nach Livius 44, 32, 9, 5000 Mann stark und stand
schon seit Anfang des Frühlinges da. Das ist sachgemäfs. Nach Plutarch
Aem. 16 hätte der Pafs ursprünglich keine Besatzung gehabt, sondern ein
Kreter hätte Perseus die Nachricht von dem Umgehungskorps gebracht,
worauf 12000 Mann schleunigst dorthin gesandt seien. Die Geschichte mit dem
kretischen Überläufer gehört zu den ständigen Requisiten antiker Militäranekdoten
(vergl. Bd. I S. 40) und ist völlig unglaubwürdig. Sie dürfte auch gar nicht ein-
mal aus dem Briefe des Scipio, sondern aus dem in diesen Kapiteln von Plutarch
stark benutzten Posidonios stammeu (vergl. Schwarze S. 30 f. Nissen a. a. O.) Es
ist weder denkbar, dafs der wichtige Pafs von Pythion von Perseus ganz unbesetzt
gelassen sei, noch dafs 12 000 Mann, durch eine Meldung auf den Angriff vorbe-
reitete Mannschaften sich durch 8000 ohne weiteres von der Pafshöhe haben
herunterwerfen lassen.
2) Liv. 44, 35, 13—15. Plut. Aem. 15.
3) Liv. 44, 35, 15: iussi duces itineris ita dividere viam, ut quarta vigilia
tertio die Pythoum adoriri possent. — Von Platamona nach dem Eingang des
Petrapasses sind auf dem Dava Getschid etwa 75 Kilometer. Das ergibt für den
Marsch 25 Kilometer.
4. Der Feldzug vom Jahre 168 v. Chr. 305T
Der Überfall glückte vollkommen. Scipio überraschte die Be-
satzung im Schlafe und nahm die Pafshöhe1). Aber damit war
eigentlich noch nicht so viel gewonnen. Etwa 16 Kilometer hinter
der Pafshöhe liegt Petra, ein Sperrfort, welches den Strafsendurch- ier™0t 7>ar<
gang vollkommen beherrscht. Es ist auffallend, dafs unser Bericht
von dieser Position gar nichts sagt. Denn wenn das Kastell auch
klein war und nicht mehr als ein par hundert Mann fassen konnte,
so war es doch für die im Passe geschlagenen Truppen der natür-
liche Sammel- und Stützpunkt2).
Nun sind zwar unsere Nachrichten über diese Vorgänge mili-
tärisch nicht sehr viel wert, weil hier nur das Plutarchische Exzerpt
J) Plut. Aem. 16 fährt nach der anekdotenhaften Geschichte von dem
Überläufer und den 12000 Mann Besatzung (s. d. vor. S. A. 1) so fort: rovroig
(den 12 000 Mann also) 6 fxhv Tlolvßiog (ff]aL fri xotjuw/Litvoig tnineaelv robg
'Pfo/uaiovs, 6 da Nccüixäg 6%vv uydovct ntQi roTg ixxQOtg yeve'öxlcci. Plutarch hat hier
die zwei Berichte falsch zusammengeklittert: Polybios erzählte natürlich, dafs die
Besatzung der 5000 Mann im Schlafe nichtsahnend überfallen sei; Nasica, dafs
mit den 12000 ein harter Kampf ausgefochten wäre. Der Unterschied zwischen
beiden Berichten liegt nur in der Zahlangabe; denn „Überfall im Schlaf* und
„harter Kampf" sind natürlich kein Widerspruch. Die Topographie macht hier
einige Schwierigkeit. Einerseits ist von einem Gefecht auf der Pafshöhe die
Rede (nsQt jolg axQoig Plut. Aem. 16. yMraXrjff&avrcov iujv ccxqcdv Zon. IX 23 P. I.
457 D), anderseits von dem Angriffe auf Pythion (s. Liv. vor. A. und Plut. avtnavs
ttjv ajQuriav vnb xb Ilvdiov). Nun hat Heuzey (p. 35) den Ort des Pythischen
Tempels auf dem Hügel H. Apostoli beim Dorfe Selos nachgewiesen, 4 Kilometer
abseits der grofsen Strafse, so dafs ein Angriff auf diesen Platz unnötig war.
Man mufs sich, um diesen Widerspruch zu lösen, erinnern, dafs es auch noch
eine Stadt Pythion oder Pythoon gab, welche zu der perrhäbischen Tripolis ge-
hörte (Liv. 42, 53, 6: tria oppida). Ihre Lage ist bis jetzt nicht ermittelt. Man
könnte sie nach den Nachrichten über unsere Kriegsvorgänge wohl am besten in
die Gegend von Fuskinadzik unmittelbar südlich von der Pafshöhe setzen. Sie
nach Ajos Dimitrios 8| Kilometer jenseits der Pafshöhe auf der makedonischen
Seite zu verlegen, ist nicht ratsam, weil die Stadt ja zur perrhäbischen Tripolis
gehörte. Vergl. Leake III 341.
2) Heuzey S. 146: De grandes pentes boisees sont disposees de maniere ä
former un vaste cercle .. au centre de ce cercle, se dresse une röche poiutue,
escarpee, isolee de toutes parts et tailee comme une pyramide aigue ä trois faces
... ä sa base, vient tourner la route etroite et difficile par laquelle on penetre
dans le defile. Hier lag und liegt noch jetzt Petra: 1'emplacement ne peut guere
contenir plus de trente petites maisons. — Petra wird denn auch als militärisch
wichtiger Punkt wiederholt in unseren Berichten genannt: Liv. 44, 32, 9. 45, 41 , 4.
Plut, Aem. 15.
Kromayer, Antike Schlachtfelder. II, 20
306 Der Krieg gegen Perseus.
erhalten ist (S. 303 A. 1), aber dies Mal liegt die Schuld doch
nicht an ihm. Petra ist in der Tat bei dieser Umgehung nicht in
Frage gekommen.
Etwa 4 Kilometer vor dem Kastell biegt nämlich von der Strafse
ein Pfad rechts ab, verläfst das Tal des Mavroneriflusses und geht
über das jetzige Kloster Petra und das Dorf Vrondi im Tale des
Varkos in die Vorberge des Olymp hinab und an ihnen entlang in
südöstlicher Richtung auf den Elpeos zu1).
Das war der Weg, welchen Scipio einschlagen mufste, um
möglichst sicher vor der Reiterei des Königs in den Rücken der
Elpeosstellung zu gelangen. Dafs er ihn tatsächlich eingeschlagen
und Petra links liegen gelassen hat, beweist die Tatsache, dafs er sich
vor der Schlacht von Pydna, die wie sich zeigen wird südlich von
Katerini am Mavroneri geschlagen ist, mit Aemilius Paulus vereinigte2).
Diese Vereinigung mufs also südlich vom Mavroneri, d. h. auf der
Strafse über Vrondi stattgefunden haben ; man wird sie etwa bei
Kalivia Fteri ansetzen können.
Dafs aber eine solche Vereinigung stattfinden konnte, war nur
eine Folge der Mafsregeln des Königs Perseus.
Auf die Kunde nämlich von dem Durchbruche des Scipio hatte
er sofort seine Verteidigungsstellung am Elpeos aufgegeben und den
Rückzug nach Norden angetreten3). So war die Bahn für die Ver-
einigung der getrennten römischen Heeresteile frei geworden und
der König aus seiner unüberwindlichen Stellung herausmanöveriert.
Die Entscheidungsschlacht stand unmittelbar bevor. —
Aber ehe wir zur Darstellung dieser Katastrophe übergehen,
haben wir noch eine Frage zu stellen, die, so oft auch diese Ereig-
nisse behandelt sind, merkwürdigerweise niemals aufgeworfen ist,
ohne deren Beantwortung aber die hier stattgehabten militärischen
Bewegungen nicht verstanden werden können.
!) s. die Karte No. 7. Es ist der Weg, dessen gröfseren Teil Heuzey und
Barths Begleiter gemacht und beschrieben haben, Heuzey S. 145 f. Barth, S. 202 f.
2) Zonaräs, der über unsere Ereignisse mehrfach allein recht gute Nach-
richten erhalten hat sagt IX 23 P. I 458 A.: 7irj fjhv la&o*v, nr] dt ßiaaufizvog
vntQs'ßakev ama. Vielleicht steckt darin ein Nachklang dieser Umgehung.
3) Plut. Aem. 16: tovtoov tw üegotT ttqootiegovtojv xaia ja/og äva&vfrc
r\ysv om'aoo. Ebenso Zonaras a. a. 0.
4. Der Feldzug vom Jahre 168 v. Chr. 307
Die Frage lautet: Warum ging König Perseus denn eigentlich
aus seiner Stellung am Elpeos zurück?
Unsere modernen Darstellungen begnügen sich mit dem lakoni-
schen Bemerken, dafs der König nun zurückgemufst habe1).
Das ist aber nichts weniger als selbstverständlich. Eine Armee
von 40000 Mann in so vorzüglicher Verteidigungsstellung braucht
keineswegs ohne weiteres zurückzugehen, wenn ein Korps von
8000 Mann irgendwo auf ihren rückwärtigen Verbindungslinien er-
scheint. Dies Korps ist vielmehr selbst in der allergröfsten Gefahr,
abgeschnitten und ohne Verbindung mit seiner Armee. Oder konnte
nicht Perseus dem Scipio eine weit überlegene Abteilung entgegen-
werfen und doch stark genug für die Verteidigung seiner Linien
bleiben, da ja auch die Armee des Paulus um jene 8000 Mann
schwächer geworden war? Wenn der König sich ein paar Tage
später stark genug fühlte, dem wieder vereinigten römischen Heere
in offener Feldschlacht entgegenzutreten, so mufste er doch unter
Beihilfe seiner Verschanzungen erst recht stark genug dazu sein, mit
zwei Fronten zu schlagen.
Etwas anderes wäre es gewesen, wenn er in die taktische Mitte
geraten wäre, wenn Scipio etwa während eines Sturmes auf die Linien
plötzlich unerwartet im Rücken erschienen wäre und, ehe eine neue
Front gebildet werden konnte, überraschend eingegriffen hätte,
wie das z. B. bei der Stellung König Philipps am Aoos der Fall
war. Aber davon konnte ja hier nicht die Rede sein. Der Pafs
von Pythion liegt über 40 Kilometer von der Stellung am Elpeos
entfernt, die Wege waren keine gebahnten Strafsen, sondern zum
grofsen Teil Waldpfade, auf denen mit 8000 Mann nur äufserst lang-
sam vorwärts zu kommen war. Es war also ausgeschlossen, dafs das
Korps des Scipio noch an dem Tage des Gefechtes von Pythion am
Elpeos eingreifen konnte2). Wenn daher der König am Nachmittage
!) Mommsen, R. G. IG 766: Der Feind war dadurch umgangen und mufste
nach Pydna zurückweichen. Niese S. 161: Perseus war umgangen und mufste
seine feste Stellung räumen. Ebenso Ihne III 209. Heuzey S. 152, selbst der
Militär Leake III 430: he was obliged to retreat to Pydna.
2) Plutarch scheint nach dem Ausdrucke Aem. 16: tovtcov tw IleQGeZ ngoa-
nea6vT(ov zu glauben, dafs die Flüchtlinge von Pythion direkt ins Lager des
Königs gestürzt seien. Er hat eben keine Ahnung von den Entfernungen, wie
das auch die andere von ihm gemachte Angabe zeigt, dafs Scipio am Abend
20*
308 Der Krieg gegen Perseus.
oder Abend seine Reiterei von mindestens 2—3000 Pferden1), mit
der er in den Linien doch nicht viel anfangen konnte, und ein Korps
von etwa 14—15000 Mann dem Scipio entgegengeschickt hätte, so
hätte er jenen durch die Übermacht erdrücken können und fast
nichts riskiert. Denn zwischen Scipio und Paulus gab es keine
Verbindung; der römische Oberfeldherr hätte von jener Entsendung
nichts zu merken brauchen. Jedenfalls war so die Chance des Sieges
eine viel gröfsere als in der offenen Feldschlacht2).
Allerdings war es möglich und, wenn die Römer mit den ge-
nügenden Vorsichtsmafsregeln marschierten, wahrscheinlich, dafs sie,
von dem Anmarsch überlegener Truppen beizeiten unterrichtet, Zeit
fanden, ein Lager zu schlagen oder sich zurückzuziehen, oder dafs
sie, wenn der Zusammenstofs spät am Tage erfolgte, schon ein Lager
bezogen hatten. In diesem Falle ist ja die antike Taktik mit ihren
mangelhaffen Fernwaffen schlimm daran. Ein Angriff selbst einer
grofsen Ühermacht auf eine entschlossene, im Feldlager verschanzte
Truppe ist fast immer ein aussichtsloses Beginnen. Aber verloren
war Scipio trotz alledem doch. Er hätte aus Mangel an Lebens-
mitteln nach ein paar Tagen kapitulieren müssen. Und wenn es ihm
gelang, sich zurückzuziehen, so war auch damit die Gefahr für
Perseus beseitigt. In den Wäldern des Olymp fand er ebensowenig
Unterhalt für seine Truppen. Er mufste dann überhaupt den Rück-
weg antreten.
Bei solcher Entwickelung hätte sich nun freilich die Krise über
mehrere Tage erstrecken können, während welcher Zeit ohne Zweifel
ein grofser Angriff des Paulus auf die Verschanzungen am Elpeos
zu erwarten war. Aber auch das brauchte Perseus nicht zu fürchten.
Mit den etwa 25000 Mann, die ihm noch blieben, mufste er seine
nur etwa eine halbe Stunde langen Linien (S. 299) gegen die gleiche
Anzahl Römer ohne Schwierigkeit halten können. Im äufsersten
Notfalle konnte er von dem Vorteile Gebrauch machen, dafs er auf
den inneren Linien stand und seine Truppen im Verlaufe von ein
paar Stunden hin und her schieben konnte, ohne bei einigermafsen
von Herakleon aufgebrochen sei und die Nacht am Pythion zugebracht habe,
ib. cap. 15.
x) 4000 hatte er im ganzen; 1000 waren nach Änea detachiert, s. S. 301.
2) Über die Unglaubwürdigkeit der Nachricht, dafs Perseus durch einen
Überläufer unterrichtet 12000 Mann dem Scipio entgegengesandt habe, s. S.304 A. 1.
4. Der Feldzug vom Jahre 168 v. Chr. 309
geschicktem Operieren sofort einen Vorstofs von der anderen Seite her
besorgen zu müssen, da man ja bei Scipio die augenblickliche Lage
am Elpeos nicht kennen konnte. Kurz, es lag hier im kleinen eine
Situation vor, wie sie ähnlich in der neueren Kriegsgeschichte öfters
vorgekommen ist, am typischsten wohl bei den Kämpfen Napoleons
um Mantua und den wiederholten verfehlten Versuchen der Öster-
reicher, ihn mit getrennten Kolonnen anzufallen1).
Warum hat nun Perseus diese Lage nicht ausgenutzt? Hat er
sie wirklich nicht erkannt und im blinden Schrecken seine Position
gerade in dem Augenblick aufgegeben, wo sie anfing fruchtbar zu
werden? Ich glaube kaum. Die Verhältnisse waren klein, über-
sichtlich; es lag auf der Hand, was zu tun war. Der Entschlufs,
eine wohl vorbereitete Verteidigungsstellung, in der er so lange
Widerstand geleistet hatte, zu verlassen, konnte ihm nicht leicht
werden; der Wunsch sie zu halten mufste ihn diese Möglichkeit sehen
lassen, oder wir müfsten den König hier für den kopflosen Offizier
halten, als den Polybios ihn uns geschildert hat, und dazu haben
wir nach seinem ganzen Verhalten kein Recht.
Wir haben die Lösung ohne Zweifel in anderer Richtung zu
suchen.
Wo war und was tat während der Umgehungsbewegung die römi-
sche Flotte? Wir haben sie zuletzt angetroffen in Herakleon (S. 304),
also in unmittelbarer Verbindung mit der römischen Landarmee und
beteiligt an der Scheinbewegung, die Scipio vorspiegeln sollte. Über
ihre weitere Tätigkeit schweigen Livius und Plutarch. Dieser, weil
er überhaupt kein militärisches Verständnis hat und dem Bericht
des Scipio folgt, der nur von seinen eigenen Taten erzählte; jener,
weil für uns dieser Teil seines Werkes verloren ist. Aber eine
audere Quelle, Zonaras, die auch in letzter Linie auf Polybios zurück-
geht, gibt die wichtige Notiz, dafs die Flotte zu derselben Zeit als
die Nachricht von Scipios Umgehung Perseus gemeldet wäre, an der
Stellung am Elpeos in der Richtung auf Pydna vorbeigefahren sei2).
Wie nun, wenn in dieser gespannten Lage, wo alle Kräfte des
Perseus gebunden waren, die Flotte in der Ebene von Katerini
landete und ihre Seetruppen aussetzte? — In die taktischen Kämpfe
!) Clausewitz, Feldzug von 1796. York von Wartenburg, Napoleon als
Feldherr I 23 ff.
2j IX 23, P. I 458 A: Kai yaQ ib vavxixbv afxa xb xuiv cP(ü(xai(ov nuQinkti.
310 Der Krieg gegen Perseus.
konnte sie wohl kaum entscheidend eingreifen, wohl aber konnte sie
die Verbindung zwischen Pydna und dem Elpeos unterbinden. Und
ist es so sicher, dafs Perseus das auch nur ein paar Tage lang aus-
halten konnte? Das hing von den Vorräten ab, die er gerade in
seinem Lager hatte, und damit war die ganze Entscheidung schliefs-
lich vor die Frage gestellt, ob Perseus oder Scipio es länger mit
anzusehen vermochten, von der Zufuhr abgesperrt zu sein.
Wenn sich der König in diesem Kampf um das Brot als der
Schwächere wufste, so nützten ihm alle Vorteile der inneren Linien
nichts. Dann mufste er, wollte er nicht einer Katastrophe entgegen-
gehen, zurückweichen, ehe die Umgehungen wirksam zu werden an-
fingen; dann hatte die strategische Schwäche seiner Verbindung . mit
Pydna den Sieg errungen über die taktischen Vorteile seiner Stellung1).
So scheint es in der Tat gewesen zu sein.
2. Bestimmung des Schlachtfeldes.
Perseus Rückzug ging, wie erwähnt, vom Elpeos aus nördlich und
gab die Vereinigung des Scipio und Paulus frei. Damit ist gesagt,
Bei dafs er weiter als Dion rückwärts ging. Denn Scipio kam aus dem
kanyj^Karte ^ale von Petra, und die südlichste Route, die er einschlagen konnte,
war eben der von ihm eingeschlagene Weg Vrondi— Dion.
Anderseits ging der Rückzug des Königs nicht bis Pydna. Denn
die Flüchtigen aus der Schlacht gelangten z. T. in diese Stadt, und
ausdrückliche Angaben bestätigen, dafs die Schlacht in der Ebene
vor dieser Stadt geschlagen sei2). Die Ebene von Katerini ist da-
*) In der in der vorigen Anm. angezogenen Stelle des Zonaras ist noch
eine andere Möglichkeit angedeutet: Die Stelle lautet vollständig so: o {tadojv 6
lIsQoevg (die Umgehung des Scipio) xcu ösiaag fzrj xcctcc vcorov avzui nqüaniar^ i\ xccl
rr\v Ilvövav nQOxarda^i] } xal ycco to vavrixbv afia to xdüv 'Pcü/ucciwv naotTiXu,
to eovfj.cc tö nobg tw nora/uio igüms. Danach hätte also Scipio vielleicht gar nicht
die Bestimmung gehabt, der Elpeosstellung in den Rücken zugehen, sondern mit
der Flotte zusammen einen kombinierten Angriff auf Pydna zu machen. In diesem
Falle hätte selbst bei längerer Dauer der Belagerung das Korps des Scipio seinen
Lebensunterhalt vom Meere her bezogen und mit der Flotte zusammen zugleich
Perseus von seinen Verbindungen abgeschnitten. Es wäre im Effekt auf dasselbe
hinausgekommen, wie die im Text angenommene Eventualität, auf einen Kampf
um die Verbindungen.
2) Liv. 44,42, 7: sex milia, qui Pydnam ex acie perfugerant. Strabo
VII C. 320, 22: Iv . . t$ tiqo ifs IlvÖvw tisölm. Zon. IX 23 P. I 458 A: tiqo rijg
noliojg loTQaT07i6Ö*£vocao.
4. Der Feldzug vom Jahre 168 v. Chr. 311
mit als Schauplatz der Entscheidung festgelegt. Das ist auch bisher
kaum ernstlich bezweifelt worden1).
Aber diese Ebene ist immer noch über 22 Kilometer lang und
an der breitesten Stelle gegen 10 Kilometer breit. Eine sichere,
genauere Lokalisierung ist daher nötig. Bisher ist sie nicht ge-
lungen. Kein Wunder, dafs daher ein volles Verständnis für die
taktischen Vorgänge der Schlacht selber bei unserer lückenhaften
und z. T. sich in Nebensachen verlierenden Überlieferung nicht hat
gewonnen werden können.
Versuchen wir durch unsere Untersuchung diese Mängel zu
ergänzen.
Die bisherigen Reisenden, welche sich mit der Lokalisierung
des Schlachtfeldes befafst haben, setzen die Schlacht in den nörd-
lichsten Teil der Ebene. Um von Barth zu schweigen, der sie über-
haupt in das Hügelland nördlich von der Ebene rücken möchte und
daher keiner Widerlegung bedarf, glauben Leake und Heuzey sie
in die Gegend der Dörfer Grofs- und Klein- Ajani verlegen zu sollen,
weil sie in dem hier bis auf etwa 4 Kiometer an das Meer heran-
tretenden Hügelland, die in unseren Schlachtberichten erwähnten
Xoyoi wiederzuerkennen glauben, und weil, wie speziell Heuzey meint,
gewisse Namensähnlichkeiten und die Volkstradition dafür sprächen 2).
x) Nur Barth S. 208 meint, dafs „jene 3 Waldschluchten" — welche er auf
dem Wege von Kitros nach Elefterochori (Methone) in dem Hügellande westlich
von Pydna passierte — „wohl sicher die Hauptverteidigungslinie des makedoni-
schen Heeres in der Schlacht bei Pydna bildeten".
2) Leake, N. G. III 433. Heuzey, Mission archeol. S. 242, möchte aus der
Bezeichnung eines kleinen Baches „Lakos", der hier fliefst, auf den „Leukos" des
Plutarch, aus dem Namen des Dorfes Vromeri, von ßQco/u£Qog neugriech. = stinkend,
auf ein Leichenfeld und aus der Erzählung der Bauern, dafs die schönen Blumen
im Luludiatale daselbst aus Menschenblut erwachsen seien, auf eine Erinnerung
an die Schlacht schliefsen. Das läfst man am besten auf sich beruhen. Auch
Bursian, Rhein. Mus. n. F. 16 S. 424, erklärt sich für die Verlegung des Schlacht-
feldes in diese Gegend. Näher war Heuzey der Wahrheit in seinem früheren
Werke Le mont Olympe, wo er S. 156 die Schlacht wenigstens mit einem Flügel
bis an den Pelikas heranrückt, den anderen aber doch an die Berge von Ajani
stofsen läfst und damit der Front eine viel zu weite Ausdehnung gibt. Er hat,
wie das seine Karte des Olymp in dem genannten Werke zeigt, überhaupt eine
ganz verkehrte Vorstellung von dem Laufe des Pelikas und Mavroneri gehabt,
die er von Westen nach Osten fliefsen und etwa 4 Kilometer voneinander ins
Meer münden läfst.
312 ^er Krieg gegen Perscus.
Diese Hypothese mit ihren leicht wiegenden Gründen scheitert an
dem Umstände, dafs in diesem ganzen Teile der Ebene kein gröfserer
Flufs, insonderheit kein solcher existiert, der das ganze Jahr, hin-
durch Wasser hat.
Die Schlacht ist am 22. Juni, also in der heifsesten Jahreszeit,
geschlagen und entspann sich aus einem Vorpostengefecht an einem
zwischen den beiden Lagern hinfliefsenden Flusse, dessen Wasser nach
Livius bis zur Kniehöhe reichte1). Heuzey bemerkt selber, dafs die
Bäche bei Grofs- und Klein-Ajani nur in der stärksten Regenzeit Wasser
haben2). Der einzige gröfsere Flufs in der Ebene von Katerini, der
das ganze Jahr hindurch Wasser behält, ist nun der Mavroneri südlich
von der genannten Stadt3). Er entspricht in jeder Hinsicht der
Beschreibung des Livius. Im April, als ich die Gegend besuchte,
war er etwa 20 Meter breit und so tief, dafs man, wenn man nicht
nafs werden wollte, besser tat, auf dem Büffelwagen durch die Furt
zu fahren, als zu Pferde hindurchzureiten. Sein Hauptnebenflufs,
der Pelikas, an den man vielleicht auch noch denken könnte, ist be-
deutend weniger wasserreich. Ich bin vier bis fünfmal an verschie-
denen Stellen hindurchgeritten, ohne mir die Stiefelsohlen zu netzen.
Leake fand ihn sogar im Dezember völlig ausgetrocknet, während
gleichzeitig der Mavroneri ein „clear and rapid stream" war4). Ein
Blick auf die Karte zeigt auch sofort den Grund dieser Erscheinung:
x) Livius 44, 40, 4: fluraen erat haud magnum propius hostium castris, ex
quo et Macedones et Romani aquabantur praesidiis ex utraque ripa positis. . . .
§8: aquam ferme genus tenus altam. Zon. IX 23 P I 458B: vnot,vyiöv n
Twv Poo/uctieov f/? rb vdcoQ dosniGEV.
2) Olympe, S. 171: Megalo-Ajani . . est situe sur le bord d'un torrent qui
n'a de l'eau qu'au plus fort de la saison des pluies . . . Mikro-Ajani . . est sur
un autre torrent, egalement ä sec. Der Lakos, den Heuzey, Mission S. 242, mit
dem Leukos des Plutarch identifizieren möchte, ist ein ganz kleines, in der Ebene
entspringendes Bächelchen von nur 2 Kilometer Länge (Heuzey Plan D in der
Mission), welches weder die österreichische noch die türkische Generalstabskarte
zu zeichnen für wert gehalten haben. Die Beschreibung des Livius und Plutarch
(s. vor. A. u. S. 313 A. 1) pafst auf ihn gar nicht.
3) Es ist mir von Ortskundigen und zuverlässigen Leuten an Ort und Stelle
wiederholt versichert worden, dafs es aufser ihm keinen Flufs in der Ebene von
Katerini gibt, der das ganze Jahr Wasser hat.
4) N. G. III 414. Der clear and rapid stream, den Leake 11 Minuten nörd-
lich von Spighi (= Stipi = Istobi) erreicht, ist natürlich der Mavroneri, die „broad
charadra or dry river" unmittelbar vor Katerini der Pelikas, vergl. die Karte.
4. Der Feldzug vom Jahre 168 v. Chr. 313
der Mavroneri kommt aus dem tief eingeschnittenen Tal von Petra
und nährt sich von den Hochtälern des Olymp, während der Pelikas
seine Quelle in dem niedrigen Vorgebirge hat.
Es kann also kein Zweifel sein, dafs wir die Schlacht am
Mavroneri und das makedonische Lager nördlich, das römische süd-
lich von ihm anzusetzen haben.
Es fragt sich, ob alle anderen Nachrichten dazu stimmen, und
ob uns deren Betrachtung nicht noch Genaueres über die Stelle
an diesem 11 Kilometer weit durch die Ebene laufenden Flusse
lehren kann.
Plutarch erzählt, dafs durch die Ebene zwei Flüsse, der Leukos
und Äson, geflossen seien, welche beide dem Könige als Front-
hindernis gegen die Römer verwertbar erschienen seien, ob-
gleich sie damals im Hochsommer beide wenig Wasser gehabt
hätten l). Dafs diese beiden Flüsse der Mavroneri und Pelikas sind,
bedarf keiner weiteren Ausführung2), ebensowenig, dafs wir, wenn
sie Fronthindernisse sein sollten, das makedonische Lager nördlich von
ihnen beiden anzusetzen haben. Damit kommen wir aber an
den Oberlauf des Mavroneri in der Ebene. Denn schon etwa in der
Mitte derselben, bei dem Dorfe Istobi (Stipi), fliefsen beide Flüsse
zusammen, nachdem sie die letzten 4 Kilometer lang fast parallel in
einer Entfernung von 1 — 2 Kilometer nebeneinander hergeflossen
sind. Innerhalb dieser Strecke also hat das makedonische Lager
auf dem linken Ufer des Pelikas gelegen.
Plutarch und ebenso Livius berichten weiter, dafs Hügel in
unmittelbarer Nähe des Schlachtfeldes sich hingezogen hätten, welche
für leichte Truppen günstige Gelegenheit zu Beunruhigungen des
Gegners in der Flanke geboten hätten3); dafs die Römer am Tage
vor der Schlacht in die Ebene hinabgestiegen seien und dabei
:) Aem. Paul. 16: dm juioov öi (zwischen der Ebene und dem Hügellande)
noTa/uol oeovrtg Aldcov xcä Anxog ov /uaXct ßadtTg tot« (Üsoovg yaq r\v tuoa q&i-
vovrog) töoxovv iiva dvaeoyCav o/uoog rotg 'Pcojuca'oig nccnst-eiv.
2) Und zwar wird Aivxog = Mavroneri sein, da es Plut. Aem. 21 heifst:
toxi dk Af.vy.ov noiajuov t6 ^sv/ua . . rrj /ueiä trjV f-iuxr\v tj/uequ . . ett /ut/uiy/usiov
aiuan und wir unten sehen werden, dafs der Kampf hauptsächlich auf dem rechten
Ufer des Mavroneri stattgefunden hat. Alatov also = Pelikas.
3) Plut. Aem. Paul. 16: 6 ö*h xönog kal neöiov r\v . . xa\ löqoi avvz%ug aklog
$!j ükXov, Toig yv/xvrjTEiovGi xccl ipiXoTg ävcafvyng xal neotdoo/uag 8/ovTtg. Ebenso
20: luJv tqtküv avo)fxäl(x)v ovtgov. Frontin II 30, 20: loca confragosa.
314 Der Krieg gegen Perseus.
das in voller Schlachtordnung in der Ebene stehende makedonische
Heer erblickt hätten1), dafs Aemilius Paulus seine vom Marsch er-
müdeten Soldaten aber nicht sofort habe in den Kampf führen
wollen, sondern auf den Hügeln eine Aufstellung genommen habe,
unter deren Schutz er das Lager habe schlagen lassen'), dafs er am
folgenden Tage von seinem Zelte aus das feindliche Lager und die
ganze Ebene überblickt habe3), dafs endlich in der Schlacht das
Berggelände vom Kampfgeschrei widergehallt hätte4), und sein Fufs
von Toten bedeckt gewesen sei, da die Römer bis zu der Hügelkette
— hier steht auch der Name Olokros — zurückgedrängt seien5).
Ein Blick auf die Karte zeigt, wie hier wiederum Zug um Zug
alles zutrifft.
rto Aemilius hat sich vom Elpeos aus nordwestlich ans Gebirge
No. 9. gehalten, um seine Vereinigung mit Scipio zu bewirken, die, wie
oben (S. 306) erwähnt, ungefähr in der Gegend von dem Dorfe Kalyvia
Fteri erfolgt sein mag. Nun steigt die vereinigte Armee in die
Ebene hinab — xaveßcuvs. Bei Konduriotissa schiebt sich ein kleiner
Höhenzug weit in das Tiefland hinein. Er war zu übersteigen. Auf
seiner Höhe, dem Sattel von Konduriotissa, überschaut man plötzlich
die ganze Ebene von Katerini, die Stadt im Hintergrunde, den
Mavroneri wie ein silbernes Band zu Füfsen. Hinter ihm stand die
makedonische Armee in Schlachtordnung — slöe xr\v svagdva^v tö
jzXfjfiog fiavfAdoag.
Aemilius hält an, zieht sich etwas rechts auf den Höhen hin,
läfst seine Armee auf halber Höhe des Nordabhanges der Hügelkette
1) Plut. a. a. 0. 17: 6 <T AluCXiog, (og etg ravibv awi/uth tg} Naoixa, xaii-
ßaive GWTSiayfxsvog Inl zovg noXefxiovg. '£lg <f rfde zr\v nagaiai-cv aviwv xal tö
nlfj&og, davfxäoag tneoTrjoe rrjv noqtiav. Dafs die Makedonier in der Ebene stehen,
versteht sich von selber, wird aufserdera wiederholt gesagt: Plut. ib. 16
und sonst.
2) Liv. 44, 36, 1—37, 3. Plut. Aem. 17: r« /uev ngtota noiuv Gyn^a *VS
nagaTiigtcag . . rovg (T an' ovgag . . Iv %u>Qq yagaxa ßaXia&ai,. Die Hügel Liv. 44,
37, 11: quod eo loco signa constituisset, quo phalanx, quam inutilem vel mediocris
iniquitas loci efficeret, promoveri non posset.
3) Plut. Aem. 17: naQrjye tov yqovov Iv xr{ oxrjvrj xad-sto/uevog avanenTapivy
ngbg to nsöiov xal tt\v GTQuiontdtCav twv noXe^iiwv.
4) ib. 18: he'nXrjOav . . xgavyrjg xal ÖOQvßov . . ir\v bguvr\v.
5) ib. 21: wots 76 utv ntdiov xal tt\v vnajoeiav xaTaninXrpSai vexqiov.
ib. 20: ava%(jüQ7}0ig nqbg rl ogog to xaXov^xevov 'OXöxqov.
4. Der Feldzug vom Jahre 168 v. Chr. 315
aufmarschieren — quo phalanx promoveri non posset — , das
Lager auf der Höhe selbst schlagen — ev zcoqo, %dQaxa ßaXsoficu.
Die Hügel von Konduriotissa erheben sich östlich der Strafse
Konduriotissa— Katerini nur noch bis zu 70 Meter über die Ebene,
sinken weiter östlich bald auf 27 Meter und darunter und fallen nach
Norden sanft geböscht zum Flusse hin ab1). Sie eignen sich also
vorzüglich für den geschilderten Aufmarsch und für das römische
Lager, während das Gelände links der Strafse zu bergig und steil
dazu wird, aber eben deshalb für Flankenbeunruhigungen durch
leichte Truppen — dvag?vyäg xai JisQidQotadg — treölich geeignet ist.
Bei dieser Ansetzung kommen endlich noch zwei andere Forde-
rungen unserer Überlieferung zu ihrem Rechte. Das römische Lager
soll von dem Flufs etwas weiter entfernt gewesen sein als das make-
donische2), und die Front der römischen Schlachtordnung soll so ge-
richtet gewesen sein, dafs die römischen Soldaten in den späteren
Vormittagsstunden die Sonne nicht mehr im Gesicht hatten3).
Beides ergibt sich aus der Natur der Gegend. Das makedoni-
sche Lager am Pelikas ist etwa I Kilometer, das römische auf der
Höhe 1 Kilometer vom Mavroneri entfernt4), und die Richtung der
Hügelkette, sowie der Lauf des Flusses schreiben die Richtung der
römischen Front nach Nordosten vor, also in einer Richtung, in der
') Vom Beginn der Steigung bis zum höchsten Punkte sind 1400 Meter
Entfernung, die durchschnittliche Steigung beträgt hier also nur 1 auf 20 Meter
oder 5%. — Auf dem letzten östlichen Ausläufer dieser Hügelkette liegt ein
grofser, weithin ins Auge fallender Tumulus, der die Aufmerksamkeit der Reisen-
den von jeher auf sich gezogen hat. Leake III 413 f. Heuzey 112. Tozer II 6.
Er mifst unten 234 Schritt im Umfang und ist 12 Meter hoch. Es wäre inter-
essant, durch Nachgrabungen festzustellen, ob er zu der Schlacht in Beziehung
steht. Die Lage eignet sich vortrefflich für ein Massengrab der Gefallenen.
Überhaupt dürften Grabungen in dieser ganzen Küstenstrecke, bei Dion, Pydna
und sonst, reichlichen Ertrag und Belehrung versprechen.
2) propius hostium castris, s. S. 312 A. 1.
3) Paulus zögert erst unter dem Vorwande von Opfern mit der Aufstellung
des Heeres überhaupt bis zur 3. Tagesstunde, d. h. bis 7 Uhr morgens (s. S. 317
A. 1), dann wartet er, in seinem Zelte sitzend, die weitere Drehung der Sonne ab.
Plut. Aem. 17: ttjv änöxXiaiv xiu nEoitpoQav uvctui-vcov tov (fcorog, onwg [ir y.caa
nooGconov fxa/ouH'oig avToTg €(o&ev 6 r\kiog uvaXaunoi.
4) Mit Rücksicht auf diese Forderung der Quellen habe ich die natürlich
nur ungefähre Lage der beiden Lager auf der Karte eingetragen.
316 ^ei* Krieg gegen Perseus.
die Sonne etwa von der dritten Tagesstunde an den Soldaten mehr
und mehr in den Rücken kam.
So pafst hier nicht nur alles bis in die kleinsten Einzelheiten
hinein, sondern dies ist auch der einzige Punkt der ganzen Ebene,
wo alle die vielen Forderungen der Überlieferung ihre volle Be-
friedigung finden. An keinem anderen, man mag auf der Karte den
ganzen Kranz der Berge um die Ebene herum durchwandern, findet
sich ein solches Zusammentreffen von Ebene, zwei Flüssen und Hügel-
land, an keinem ist ein Marsch der Römer von einer Hügelkette
herab, um auf das Schlachtfeld zu gelangen, nötig oder auch nur
wahrscheinlich, an keinem eine passende Stelle für ein Lager der
Römer auf der Höhe, der Makedonier in der Ebene mit Flüssen da-
zwischen auffindbar. Das Zusammentreffen aller dieser Umstände
macht, glaube ich, eine andere Lösung unmöglich: das Schlachtfeld
ist mit Sicherheit festgestellt1).
Inwiefern dieses Resultat auf die Aufhellung der militärischen
Vorgänge in der Schlacht selbst zu wirken geeignet ist, wird aus
einer Schilderung der Schlacht selber am deutlichsten hervorgehen.
3. Die Schlacht.
Am Tage nach der Ankunft der Römer auf dem Schlachtfelde
stellten beide Feldherren des Morgens ihre Heere wiederum in Schlacht-
ordnung auf. Aemilius Paulus zögernd um die dritte Tagesstunde,
]) Die Flucht der Makedonier ging nach dem Meere zu und nach Pydna
(Liv. 44, 42, 1. 4. Zon. 1X23 P. I 458 C). Auch das ergibt sich bei unserer An-
setzung von selber. Die Verfolgung soll sich über 120 Stadien d. h. 21 Kilometer
erstreckt haben (Plut. Aem. 22). Da sie erst zwei Sommerstunden vor Sonnenunter-
gang begann (nQo öfy.drrjg ivixr\oav ib.), so kann sie nicht weiter als höchstens bis
Pydna und zu der Grenze des Pierischen Waldes gereicht haben. Bis dahin sind
vom Schlachtfelde 17 Kilometer. Es liegt also eine kleine, aber sehr begreifliche
Überschätzung der Entfernung vor. Wollte man diese Angabe pressen und darauf-
hin das Schlachtfeld noch etwas weiter nach Süden in die Gegend zwischen
Kalivia Fteri und Karitza rücken, so wäre dagegen zu bemerken, dafs 1) diese
Gegend zu nahe an der Stellung vom Elpeos und der Stadt Dion liegt. Es bleibt
kein Raum für die Operationen vor der Schlacht, und die Schlacht selber wäre
dann eine Schlachtyvon Dion und nicht von Pydna gewesen — , dafs 2) der hier
fliefsende Varkosflufs, der dann der Leukos oder Aeson sein müfste, gerade in
diesem Stück von Kalivia Fteri bis Karitza unter dem Boden verschwindet und
erst bei Karitza wieder auftaucht, (Pausanias 1X30, 8(4)). Heuzey, Olympe
S. 120), ein zweiter Flufs aber hier überhaupt nicht existiert.
4. Der Feldzug vom Jahre 168 v. Chr. 317
d. h. zwischen 7 und 8 Uhr morgens. Trotz zwanzigmal wiederholten
Stieropfers hatten die Zeichen nie für eine Schlacht günstig werden
wollen, und auch beim 21. Male erlaubten sie nur eine Defensiv-
schlacht. So wurde das Heer zwar aus dem Lager hinausgeführt, aber
es blieb am Fufse der Hügelkette stehen und machte keine Miene,
zum Angriff überzugehen1).
Auch Perseus ging nicht vor. Hatte er am gestrigen Tage
trotz der Ermüdung der Gegner und trotz des vor seinen Augen
vor sich gehenden Aufmarsches nicht anzugreifen gewagt, weil die
Gegner eine zu starke Stellung auf den Hügeln selbst eingenommen
hatten (S. 314), so wollte er es heute, trotzdem sie bis an die Ebene
vorgegangen waren, wiederum nicht tun, weil sie nicht wie gestern
vom Marsche ermüdet seien und sich in aller Ruhe hätten formieren
können2). Sonderbare Vorvvände! Vielleicht hatte er auch einen
Seher, der ihm nur die Defensivschlacht erlaubte.
Das eigentümliche Zögern beider Feldherren, für das aus den
Quellen keine genügenden Gründe sichtbar sind, wird sofort erklär-
lich, wenn wir den Blick auf die Karte richten: Zwischen beiden
Heeren flofs der Mavroneri. Der Flufs selber konnte zwar kein
ernstliches Hindernis bieten, da sein Wasser nur bis ans Knie reichte
(S. 312 A. 1) und, soweit ich gesehen habe, der Grund überall aus
festem Kiesboden besteht. Aber sein 100—200 Meter breites, meist
J) Plut. Aem. 17: ctfxa <f rj/uioa iw 'HgaxXsl ßov&vrwv ovx ixakXie'QSC
[tt'XQcg slxooi, T(Z ök ttqcüio) xal eixoora nuQrjv tcc üt]U87a xal vixr\v d/uwo/usvoig
tffoa&v. sugujuevog ovv . . . 7tqog€icc!;€ dictxoa/uuv roTg riye^ioav rov Gtqktov eis
päxr\v. Liv. 44, 37, 12: consul .... per speciem immolandi terere videbatur
tempus, cum luce prima ad signum propositum pugnae exeundum in aciem
fuisset. tertia demum hora sacrificio rite perpetrato ad consilium voeavit. Die
Sonne geht nach meiner Berechnung unter dem 37° am 22. Juni um 4° 35' 4'
auf und um 7° 24' 56" unter — nach Zechs Berechnung bei Matzat, Rom. Zeit-
rechn., Ö. 83 A. 5 ist demgegenüber eine Differenz von 1 Min. 56 Sek. vorhanden,
deren Grund ich nicht kenne, die aber bei ihrer Geringfügigkeit für uns nicht
in Betracht kommt — ; die Tageslänge ist daher rund 15 Stunden (14 St. 49 Min.
55 Sek.), die Tagesstunde rund % Stunden lang. Die dritte Stunde beginnt rund
um 7 Uhr und endet 8^.
2) Liv. 44,40,2: quod nee fessos, ut pridie ex via neque trepidantis in
acie instruenda et vixdum compositos aggressurus erat. Daraus, dafs nur dieser
Grund und nicht mehr die starke Stellung auf den Hügeln geltend gemacht wird,
ist eben zu schliefsen, dafs die Römer bis in die Ebene hinabgegangen waren, was
sich übrigens, wenn sie überhaupt kämpfen wollten, von selber versteht.
318 Der Krieg gegen Perseus.
nur von Kiesgerölle erfülltes Bett ist von mehrere Meter hohen
Ufern begleitet, die zwar aus weichem Lehmboden bestehen und auf
der in Betracht kommenden, etwa 3 Kilometer langen Strecke viel-
fach auch ganz allmählich ansteigen und daher leicht zu überwinden
sind, an anderen Stellen aber wiederum steil abfallen und beträcht-
liche Hindernisse bieten, besonders auf der makedonischen Seite1).
Der Seher des Aemilius Paulus hatte also vollkommen recht,
wenn er eine Offensivschlacht verbot. Denn dabei lief man Gefahr,
während des Überganges vom Feinde angefallen zu werden und ein
Schicksal zu erleiden wie die Phalanx des Machanidas bei Mantinea
(Bd. I, S. 307).
Dafs das späte Ausrücken der Römer zur Schlacht und die
Bedenken des Feldherrn, überhaupt in den ersten Vormittags-
stunden zu schlagen, in der durch das Gelände vorgeschriebenen
Richtung der römischen Front nach Nordosten ihren Grund haben,
ist bereits früher (S. 315) erwähnt worden.
Die 20 Rinder waren also nicht umsonst geopfert.
Da keines der beiden Heere Miene machte, den Flufs zu über-
schreiten, führte man um Mittag nach mehrstündigem Stehen in der
Junisonne die Truppen in die Lager zurück und verwandte den Nach-
mittag zu Furagierungen2).
*) Nach meinen Tagebuch-Aufzeichnungen sind die Ufer des Mavroneri
am Zusammenflusse mit Pelikas bis zu 4 Meter auf der makedonischen, 2 — 3 Meter
auf der römischen Seite hoch. Etwas nördlicher auf der makedonischen Seite
sogar einmal bis zu 6 Meter hoch, steil, senkrecht abgenagt, Lehmboden. Uie
Steilufer sind aber nicht durchgängig vorhanden. Zehn Minuten südlich der Furt
nach Konduriotissa werden die Ufer flach bis zur Mühle von Kulukur. Nur ein-
zelne steile Stellen sind noch vorhanden; die Breite des Bettes beträgt 100 bis
200 Meter, die des Wassers 20 Meter. Über den Pelikas, der ja zwar auch zwischen
den Lagern flofs, aber von den Makedoniern ohne Gefahr überschritten werden
konnte, solange die Römer jenseits des Mavroneri waren, sagen die Notizen: „Ränder
fast durchgängig steil, 4—6 Meter hoch, Lehm, eingefressen, senkrecht, einzelne
Stellen flach. Breite (des Bettes) schwankt zwischen 100 und 400 Meter, an ein-
zelnen Stellen bis 800 Meter. Kiesbett mit Sand, Gestrüpp, Weiden, Wiesen. Am
Wege nach Elassona sind die Ufer 2 — 4 Meter, bei der Mühle 1250 Meter unter-
halb des Weges 4 Meter, bei Vereinigung mit dem Mavroneri bis 6 Meter hoch/'
— Die Höhen sind alle etwas überschätzt, vergl. die Bemerkung S. 298 A. 1 Ende.
2) Dafs man sich nach Aufstellung der Heere noch einige Zeit gegenüber-
stehen blieb, folgt aus der Bemerkung S. 315 A. 3; dafs man dann beiderseits die
Schlacht aufgab, aus Liv. 44, 40, 3: ne illo ipso quidem die aut consuli aut regi
4. Der Feldzug vom Jahre' 168 v Chr. 319
So hätte es noch eine ganze Anzahl von Tagen gehen können
— die Situation hat in dieser Richtung grofse Ähnlichkeit mit der
von Platää — , da führte ein Zufall noch am Nachmittage l) desselben
Tages die Entscheidung herbei.
Die Vorposten an beiden Ufern des Flusses gerieten in ein
Gefecht, das sich durch Verstärkungen von beiden Seiten immer
hitziger und bedeutsamer gestaltete und, ohne dafs es beabsichtigt
war, zuletzt beide Heere in den Kampf verwickelte2).
Der Gang im einzelnen ist offenbar folgender gewesen.
Die Makedonier hatten anfangs das Übergewicht, und es war
ihnen gelungen, den Gegner vom jenseitigen Ufer zu vertreiben und
ihn eine beträchtliche Strecke bis ziemlich nahe an das römische
Lager zurückzudrängen, als sich Aemilius Paulus entschlofs die ganze
Armee ausrücken zu lassen.
Das geht aus dem Umstände hervor, dafs es in der Schlacht-
schilderung ausdrücklich heifst, die ersten Toten seien nur 2 Stadien,
d. h. etwa 350 Meter vom römischen Lager entfernt gefallen3). Die
pugnare placebat, Worte, die eben auf die Situation von Mittag an zu beziehen
sind. Dafs die beiden Heere am Nachmittage bei Beginn der Schlacht in ihren
Lagern waren, geht zudem für die Römer aus Liv. 44, 40, 6 hervor, wo aufser
den Vorposten am Flusse noch ein „aliud pro castris stativum praesidium" von
3 Kohorten und 2 Türmen erwähnt wird, das keinen Zweck gehabt hätte, wenn
die ganze Armee noch ausgerückt gewesen wäre. Für die Makedonier folgt es
aus der Beschreibung des Scipio, besonders aus den Worten ort tw xody.aani'doov
inavccittkovöcu (faXayyeg ix xov /a^axo g (S. 321 A. 3). Es ist bezeichnend für
die unmilitärische Auffassung der erhaltenen Quellenschriftsteller, dafs weder das
Ausrücken der Makedonier am Morgen noch das Wiedereinrücken beider Heere
in die Lager ausdrücklich erwähnt ist, sondern dafs wir es aus zufälligen Be-
merkungen erschliefsen müssen. — Die Furagierungen der Römer Liv. 44, 40, 2
auch wieder nur angedeutet; ebenso Plut. Aem. 18 in der Version des Schlacht-
beginnes nach Posidonios.
!) Plut. Aem. 18 : neol felX^. Ebenso Zon. IX 23 P. I 458 C.
2) Plut. Aem. 18. Liv. 44. 40, 7 — 10. — Die Einzelheiten wurden von den
verschiedenen Quellen Posidonios und Polybios verschieden erzählt (Nissen S. 301.
Schwarze S. 34). Ich bin dem Polybianischen Berichte als dem zuverlässigeren
gefolgt. Für die militärische Bedeutung ist der Unterschied irrelevant.
3) Plut. Aem. 18: ovtco de &Qcta€cog xctl justo) rd^ovg tnrjtGav äörs rovg
Ttnojtovg vty.Qovg ano dvtlv öt aS itav töv Poo/ucüxov %aQc<xog xaTaneöetv. Man
war also über 600 Meter vom Flusse nach den Bergen zu vorgedrungen und stand
schon unmittelbar am Fufse derselben. — Das Ausrücken des ganzen römischen
Heeres wird etwas vorher mit den Worten angedeutet : 6 fxhv ovv Al^iiUog waneQ
320 ^er Krieg gegen Perseus.
Gefahr, in der sich die makedonischen Heeresteile, die so weit vor-
gedrungen waren, gegenüber der römischen Übermacht befanden, ist
dann offenbar der Beweggrund für Perseus gewesen, auch seinerseits
die ganze Armee einzusetzen und den Flufs zu überschreiten.
So ist also, wie auch früher schon erwähnte Umstände voraus-
setzen liefsen, die Entscheidung zwischen Flufs und Berg auf dem
rechten Ufer des Mavroneri ausgefochten worden1).
Diese für das Verständnis der Schlacht wichtige Tatsache kann
indessen noch nicht sofort verwertet werden, sondern erst, nachdem
wir festgestellt haben, welches die Schlachtordnungen beider Heere
gewesen sind, eine Aufgabe, die unter Heranziehung aller einzelnen
darauf bezüglichen Andeutungen der Überlieferung so gut wie mög-
lich gelöst werden mufs, da der zusammenhängende Bericht darüber
in einer Lücke des Livius verloren gegangen ist. Was man darüber
noch wissen kann, ist folgendes.
Das erwähnte Vorpostengefecht hatte sich auf dem südöstlichen
Flügel der beiden Heere entwickelt2). Als Aemilius Paulus sich
nun entschlofs, die ganze Armee ins Gefecht zu bringen, schickte er
Scipio Nasica an der Spitze einer Kavalleriepatrouille zu Erkundung
über den feindlichen Anmarsch vor, und von ihm haben wir eine
lebensvolle Schilderung, wie es auf diesem Teile des Schlachtfeldes
aussah 3).
Vom äufsersten linken Flügel der Makedonier angefangen, fielen
ihm zuerst die schwergerüsteten thrakischen Bataillone zu Fufs ins
Auge, hohe Gestalten in schwarzen Röcken, mit grofsen viereckigen
Schilden und weifsglänzenden Beinschienen, erzbeschlagene gerade
Keulen schwingend. Dann folgten mehrere Abteilungen gemischter
Soldtruppen, unter denen Päonier deutlich erkennbar waren, dann
xvßeovqTrjg rw naqövxt oaXco y.ai xivtjuciTt tcov arQccTonsöcüV Tex/uacQo/uevog to /usytDog
rov /usXXovrog ayoüvog ix t?J? axtjvrjg 7ioorjX&£ xal ia idy/uara rw qtiXltwv Inuov
nctQEdÜQQVViV.
J) Man vergleiche die S. 314 u. 313 A. 2 angeführten Angaben Plutarchs
und die Worte Frontins, der die Römer II 3, 20 in confragosa loca zurück-
weichen läfst.
2) Liv. 44, 41, 3: (Paulus) in dextrum cornu, unde circa flumen commissum
proelium erat, elephantos inducit.
3) Plut. Aem. 18: 6 /uh ovv Ai/uiXiog rex/ucctQÖpevog ro [xsyt&oc, rov [xtX-
Xovrog aywvog Ix rrjg oxrjvrjg nQoi)X&e . . 6 cFf Naöixäg t'$i7i7zaot<(Atvog nybg roug
nxr>oßoXt,'Cof.isvovg 6q(c nävTag ooov ovtuo Tovg noXe/uiovg Iv /sqoIv bvTocg.
4. Der Feldzug vom Jahre 168 v. Chr. 321
eine Elitetruppe von 3000 makedonischen Peltasten mit Sarissen be-
waffnet J).
Das Ganze mag eine Masse von 9000 Mann gebildet haben 2).
Diese Truppen erscheinen geschlossen im Anmärsche, und zwar
schon in völlig entfalteter Schlachtreihe.
Weiter aber gewahrt Scipio die Phalanx selber aus dem Lager
debouchierend, und zwar den linken Flügel derselben, die Chalkaspiden
oder Erzschildner. So weit reicht das Auge des Offiziers. Zwischen der
Phalanx und den Peltasten klafft offenbar noch eine grofse Lücke3).
Es ist der ganze linke Flügel bis zum Zentrum hin, der uns
hier nach den Angaben eines glaubwürdigen Augenzeugen beschrieben
wird4).
1) ib. 18: 7tqü)Toi d' ot Qocixsg tycoQovv . . . necoä de Tovg ©qqxag ol fxiG&o-
(fOQOi naQtvißaXoV) wv dxevaC re navroöanal xal [X6tuiy/usvoi ÜaCoveg rjaav ' Inl
cJ£ rovrotg ayrifxa tqltov ol Xoyadeg , . . Dafs die Thraker Fufstruppen sind, geht
aus der Hervorhebung ihrer hohen Gestalten vifjrjlol tu gc6[xcctc(, der Erwähnung
des grofsen Hoplitenschildes dvoeuiv otiXiö^ko und der Keulen bo&ug Qo/xcfaiag anb
tcSv dt&öjv wfxoiv ImoeCovitg hervor. Auch Liv. 31, 39, 11 sind die Thraker mit
„rumpiae ingentis longitudinis" Fufssoldaten. Dafs die Peltasten Sarissen haben,
folgt aus 19: rovg Iv Tolg uy^uaai Maxeöovccg ixxoag rag GuotöGctg 7iQogsQt]QEi-
xörag roTg &vo8oTg twv 'Pco/uaieüv und aus Liv. 44, 41, 9, s. S. 323 A. 5.
2) In der Ordre de bataille des Heeres des Perseus (s. Beilage S. 336)
sind die freien Thraker, zu denen die Keulenschwinger ohne Zweifel gehören,
3000 Mann, diePäonier und benachbarte Völker (Agrianer, Parastrymonier, Paroräer),
welche hier als /Luo&o(f6ooi verschiedener Bewaffnung mit Päoniern vermischt be-
zeichnet werden, gleichfalls 3000. Die Agemata der Peltasten sind bei Pydna
3000 Mann (vergl. Ordre de bat. S. 335 A. 4). Hier wird allerdings nur das ayr\fxa
tqitov erwähnt, gleich darauf aber die ayrjjxctTa (s. vor. A. Ende). Die 3000 Mann
werden auch zusammen in der Schlacht niedergehauen (Plut. Aem. 21). Ich
setze daher die ganze Garde auf diesen Flügel; es liegt wohl eine Flüchtigkeit
Plutarchs vor. — Diesen 9000 Mann links von der Phalanx entsprechen dann
10000 Mann rechts derselben, was auch numerisch besser pafst, als wenn man zu
7000 und 12000 verteilen wollte (vergl. S. 323).
3) Plut. Aem. 18: oig xadiGTapivoig dg ra^iv al tujv xccXxaonidcov £ncc-
vaT&loioai (fakayyeg Ix tov ^äqaxog lvinl.r\Gav . . . to nediov. Diese Lücke auch
bei Livius 44, 41, 1 erwähnt: intervallum, quod inter cetratos et phalanges erat,
inplevit legio atque aciem hostium interrupit; a tergo cetrati erant, frontern ad-
versus clupeatos habebat; chalcaspides appellabantur. Das allmähliche Ausrücken
aus dem Lager Zon. IX 23, P. I 458 C: xai' bUyovg ix t(öv üToononeömv tgyeoav.
4) Dafs Scipio, um seine Person hervorzustreichen, gelegentlich übertrieben
hat, kommt hier eben so wenig in Betracht wie bei der früher erwähnten Gelegen-
heit S. 303 A. 1.
Kromayer, Antike Schlachtfelder. II. 21
322 Der Krieg gegen Perseus.
Zwei Beobachtungen sind dabei besonders erwähnenswert.
Die makedonische Armee marschiert vom linken Flügel her auf.
Der linke Flügel steht schon aufmarschiert, das Zentrum verläfst ge-
rade das Lager, vom rechten Flügel ist überhaupt noch nichts zu
sehen. Das ist das eine. Und Reiterei wird auf dem schon stehen-
den linken Flügel gar nicht erwähnt. Das ist das andere. In der
Tat bestätigt der Gang der Schlacht, dafs auf dem linken makedoni-
schen Flügel keine oder doch nur geringfügige Reiterei gestanden
haben kann '). Denn die makedonische Reiterei ist bei dieser Schlacht
überhaupt nicht ins Gefecht gekommen, sie hat das Schlachtfeld
unversehrt und unverfolgt verlassen (s. S. 325). Hätte ein beträcht-
licher Teil derselben auf dem linken Flügel gestanden, so wäre das
nicht möglich gewesen. Denn dieser Flügel hat das Gefecht er-
öffnet, ist dann zuerst geschlagen und von den Elefanten ins Meer
geworfen worden (S. 324). Wie hätte dabei Reiterei, die natürlich
am äufsersten linken Flügel stehen mufste, einer Deroute entgehen
und nach rechts hin durchkommen können, wohin ja nach dem Ge-
lände die Flucht gehen mufste, da im Rücken das Meer war?
Die Erklärung dafür, weshalb auf dem linken makedonischen
Flügel keine namhafte Reiterei stand, gibt wieder ein Blick auf die
Karte: Das Schlachtfeld am Zusammenflusse von Mavroneri und
Pelikas mit ihren beiderseitigen, hier besonders hohen Steilrändern
(s. S. 318 A. 1) ist für Reiterei ganz ungeeignet und schützt von
selber vor Überflügelung.
Mit dieser Feststellung der Truppen des linken Flügels ist
aber in der Hauptsache die ganze makedonische Schlachtordnung
gegeben. An die Chalkaspiden schlofs sich natürlich die andere
Hälfte der Phalanx, die Leukaspiden (Weifsschildner), an, und beide
standen, wie die Phalanx bei Sellasia und Magnesia, auch hier wie
]) Frontin II 3, 20 sagt, dafs Perseus equitem utroque cornu locasset. Es
mag ähnlich gewesen sein wie bei Magnesia, wo auch die ganze Reiterei der
Römer unter Eumenes auf dem rechten Flügel stand, auf dem linken 4 Türmen
(s. S. 180). Über die Glaubwürdigkeit Frontins s. S. 326 A. 3. — Auch aus der
Bemerkung des Livius 44, 41, 4, dafs die Erfindungen des Perseus gegen die
Elefanten sich in der Schlacht nicht bewährt hätten, folgt nichts für das Vor-
handensein von Reiterei auf diesem Flügel. Denn diese Erfindungen waren auch
für das Fufsvolk gemacht (Zon. IX, 22 P. I. 456 D: ngog rovg Uiqavzag . . (fäXuyya
OTlXlTÜV 1<JXr)X6L USW.
4. Der Feldzug vom Jahre 168 v. Chr. 323
es scheint 32 Mann tief1). Dann müssen etwa 10000 Mann ge-
mischte Truppen, nämlich 3000 Peltasten, 2000 Gallier, 3000 Kreter
und 1000 Griechen, und endlich auf dem äufsersten rechten Flügel
die 3000 Reiter unter König Perseus selbst gefolgt sein2). Hier dehnt
sich auch zwischen den 2 Kilometer weit voneinander entfernten
Flüssen ein für Reiterkämpfe genügend grofses Blachfeld aus.
Die römische Aufstellung war, wie es scheint, nicht die ge-
wöhnliche: in der Mitte standen zwar die beiden Legionen, den beiden
Hälften der Phalanx, den Leukaspiden und Chalkaspiden gegenüber 3),
aber die linke Ala der italischen Bundesgenossen scheint Aemilius
Paulus gleichfalls auf den rechten Flügel geworfen zu haben4), weil
hier durch den überraschend wuchtigen Angriff der makedonischen
Garde und der Thraker ein grofser Teil der ala dextra im ersten
Ansturm zertrümmert worden war5). Dann müssen wir auf dem
1) Liv. 44, 41, 2 fährt nach den S. 321 A. 3 zitierten Worten chalcaspides
appellabantur fort: secundam legionem L. Albinus consularis ducere adversus
leucaspidem phalangera iussus. — Dafs die Chalkaspiden und Leukaspiden
nicht einzelne Regimenter, sondern die beiden Hälften (xiqaia Asklep. II 10) der
ganzen Phalanx sind, folgt daraus, dafs gegen jede dieser Abteilungen je eine
ganze Legion kämpft und aus der Menge der von ihnen erbeuteten Schilde, von
denen die Xsvxal xal rq^iai (?) 1200 und die /cdxat auch 1200 Wagen bei dem
Triumph des Paulus füllten (Diod. 31, 8, 10). Neben den Chalcaspides der Phalanx,
die doch auch wohl schon Pol. IV 67, 6 als Schwerbewaffnete — nicht wie ich
früher glaubte als leichte Truppe — im Gegensatz zu Peltasten vorkommen, hat
es auch wenigstens bei Sellasia Chalkaspides gegeben, die Peltasten waren,
s. Band I S. 232 A. 1. — Die Tiefe der Aufstellung beruht auf Frontin II 3, 20:
phalangem duplicem, da die einfache Tiefe für die makedonische Phalanx dieser
Zeit 16 Mann sind. Bd. 1 S. 239 A. 1. Über Magnesia s. S. 181.
2) Die gemischten Truppen sind diejenigen, welche nach der Ordre de bataille
des makedonischen Heeres vom Jahre 171 (Beil. S. 335 f.) nach Abzug der Truppen
des linken Flügels übrigbleiben. Die Richtigkeit dieser Ansätze ist natürlich
nur eine ungefähre, da der Bestand des Heeres in den drei Kriegsjahren im ein-
zelnen manche Veränderung erfahren haben wird, vergl. Beilage S. 337 f.
3) Liv. 44, 41, 1 f., s. A. 1 und S. 321 A. 3.
4) Es heifst Liv. 44, 41, 3: in dextrum cornu . . elephantos inducit et alas
sociorum (Wiener Kodex „et alias (sie !) sociorum deutlich" (Groag)). Dafs damit
nicht Reiteralen gemeint sind, wie man nach Liv. 42, 48, 12, vermuten könnte,
wo griechische Reiter auch einmal ausnahmsweise als sociorum equites bezeichnet
werden, geht aus dem an unserer Stelle § 5 gleich darauf gebrauchten Ausdruck
socii nominis Latini hervor.
5) Die Kohorten der Päligner und Marruciner Plut. Aem. 20, nach an-
schaulicher Schilderung des Kampfes ovtco de tujv nqo^ä^iav diatp&uQiviwv aye.-
21*
324 Der Krieg gegen Perseus.
linken Flügel der Römer, soweit er überhaupt zum Aufmarsch ge-
kommen war, die Masse der auxilia ansetzen und ebenso die ganze
Reiterei. Denn die Legionen standen ja, wie ausdrücklich bezeugt
wird, der in der Mitte der ganzen Schlachtreihe aufgestellten Phalanx
gegenüber1).
Dazu stimmt denn auch in der Tat, dafs bei den Kämpfen des
rechten Flügels weder Reiterei noch Hilfstruppen erwähnt werden,
sondern nur die latinischen Bundesgenossen und die Elefanten, welche
vor ihnen aufgetrieben waren3).
Dem allmählichen Aufmarsche vom Flügel her entsprach der
Verlauf der Schlacht.
Auf den zuerst zusammengestofsenen südöstlichen Flügeln
fand auch zuerst die Entscheidung statt3). Die Makedonier hatten
hier das Übergewicht behalten, bis der eben erwähnte starke
Sukkurs mit den Elefanten herankam und den Umschwung herbei-
führte. Sie wurden jetzt bis an und in das Meer zurückgedrängt
und hier unter Mitwirkung der Flotte gänzlich vernichtet (Liv. 44,
42, 4-7).
Die Lücke im Aufmarsche der Makedonier, welche zwischen
diesem Flügel und dem Zentrum bestanden hatte, benutzte Aemilius
Paulus sofort, um die ganze erste Legion gegen die Chalkaspiden
vorgehen zu lassen, so dafs sie sich an den Peltasten vorbeischoben
und ihnen im Rücken zu stehen kamen (S. 321 A. 3). Der Vorteil bei
diesem gegenseitigen Vorbeigehen war auf Seiten der Römer. Denn
bei der gröfseren Manövrierfähigkeit der Manipulartaktik konnte die
Legion weit eher der Phalanx die Flanke abgewinnen als jene
ihr. Die zweite Legion führte den Kampf gegen die Leukaspiden
(S. 323 A. 1).
Trotz der von Anfang an vorhandenen Ungleichmäfsigkeit im
Vorgehen der makedonischen Armee, die durch das Überschreiten
des Flufses noch vergröfsert sein mufs, haben doch die Römer dem
y.onr\aav ot xaiönw ccvtcov lnnziay{itvoi. Liv. 44, 41, 9: quod Paelignis principio
pugnae incaute congressis adversus cetratos evenit, induissent se hastis nee con-
fertam aciem sustinuissent.
1) Liv. 44, 41, 2: ea media acies hostium fuit.
2) Liv. 44, 41, 5: elephantorum impetum subsecuti sunt socii norainis Latini
pepuleruntque laevum cornu.
3J Liv. 44, 41, 3; hinc primum fuga Macedonum est orta.
1. Der Feldzug vom «Fahre 168 v. Chr. 325
ersten Stofse der Haufen nirgends zu stehen vormocht '), sondern
sind teils mit Macht zurückgedrängt worden, teils freiwillig auf Be-
fehl von oben her und das Nutzlose von Frontangriffen einsehend
bis an den Fufs der Hügelkette zurückgewichen, wo denn freilich
die Phalanx zum Stehen kommen mufste, wenn die einzelnen Haufen
nicht schon vorher durch Flankenangriffe, die bei dem ungleich-
mäfsigen Vorgehen überall mit Erfolg versucht wurden, zum Stehen
gebracht worden war2). Immerhin beträgt die Breite der Ebene vom
Flufs zur Hügelkette in wechselnder Ausdehnnng durchschnittlich
3—500 Meter, ein Raum, auf dem bei gleichmäfsigem Vorgehen der
Phalanx und fortwährendem Rückwärtsweichen der Römer eine völlige
Katastrophe hätte eintreten können3). So aber büfste die Phalanx
durch die Seitenangriffe die Stofskraft nach vorn ein, und einmal
zum Stehen gebracht, war sie ohne Flankenanlehnung der einzelnen
Haufen untereinander verloren.
Das Bild, welches sich hier bietet, ist dasselbe wie bei Kynos-
kephalä auf dem linken makedonischen Flügel, wo auch der ungleich-
mäfsige Anmarsch den Keim der Niederlage in sich schlofs.
Wenn somit dieser Teil des Schlachtherganges vollkommen klar
und verständlich ist, so bleibt dagegen ein Rätsel, wo die Kavallerie
während dieser ganzen Aktion gewesen ist, und wie es zusammen-
hängt, dafs sie schliefslich unverfolgt das Schlachtfeld verlassen hat4).
x) Aemilius Paulus äufserte später selbst wiederholt, dafs er nie etwas
Schrecklicheres gesehen habe als die makedonische Phalanx im Anmärsche. Pol.
XXIX 17, 1; Plut, Aem. 19.
2) Ausführliche Schilderung dieser Vorgänge Plut. Aem. 20 bis Ende uud
Liv. 44, 41, 6-9, s. d. Übersetzung im Anhange S. 329 ff. Zon. IX 23 P. I 458 C:
ficc/rjg davvTccxiov . . ysvo/uevrjg. — Unsere Schlachtberichte heben das Zerreifsen
der Phalanx erst nach dem ersten Zusammenstofse stark hervor. Es war aber,
wie wir gesehen haben, daneben von Anfang an kein gleichmäfsiges Vorgehen
vorhanden.
3) Die Ebene zwischen der Hügelkette und dem Mavroneri ist im all-
gemeinen 300 Meter, aber wo die Windungen des Flusses und die Hügel sich
entgegenlaufen nur 150 — 200 Meter, wo sie auseinandergehen, bis 500 und
600 Meter breit. Es ist .eine schöne Wiese mit herrlichen einzelnen Platanen und
Pappeln bestanden. Unebenheiten sind vorhanden, aber keine sehr bedeutenden,
meist im Anschlufs an die auf diesem Ufer nur 2 — 3 Meter hohen Steilränder
des Mavroneri, die aber nur an einzelnen Stellen ausgeprägt sind.
4) Liv. 44, 42 1 f.: equitatus prope integer pugna excessit. princeps fugae
rex ipse erat . , confestim eos Cotys sequebatur Odrysarumque equitatus. ceterae
326 ^er Krieg gegen Perseus.
Zwei Bemerkungen in unseren Schlachtberichten geben jedoch
auch hier Fingerzeige zur Erklärung.
Die Trümmer des makedonischen Fufsvolkes — so heilst es in
der ersten dieser Notizen — waren auf dem Rückzuge mit der
gröfsten Erbitterung gegen die Reiterei erfüllt. Man warf ihnen
Verrat und Feigheit vor, rifs sie von den Pferden, prügelte sie, eine
Schilderung, der Nissen mit Recht das Prädikat der inneren Wahr-
heit zugesprochen hat1).
Anderseits wird berichtet, dafs die römische Reiterei nicht ver-
folgt habe, weil die Schlachtreihe der Fufstruppen dazwischen ge-
wesen wäre und man über dem Niedermetzeln derselben die Ver-
folgung der Reiterei „vergessen habe2)".
Aus dieser letzten, nicht ganz klaren Bemerkung des Livius wird
man doch so viel entnehmen dürfen, dafs die römische Reiterei an
dem Kampfe gegen das Fufsvolk beteiligt gewesen ist. Und hier
setzt nun ergänzend eine bisher nicht verwertete Notiz des Frontin
ein, die auf diesen Vorgang mehr Licht fallen läfst. Er erzählt
nämlich, dafs der Umschwung im Gefechte der Fufstruppen durch
einen Angriff der römischen Reiterei von der Seite her herbeigeführt
sei. Die Phalanx sei den weichenden Legionen in guter Ordnung
gefolgt, da habe Aemilius Paulus die Reiterei vom linken Flügel her
einen Angriff in der Art machen lassen, dafs sie an der Front der
Phalanx im Karriere entlang geritten sei und durch die Wucht von
Mann und Rofs die Lanzen geknickt und die Makedonier wehrlos
gemacht habe3).
quoque Macedonum alae integris abibant ordinibus. — Plut. Aem. 23: ütQoevg
ifvyrj . . . tx7T6/coQ6i, tcov Inneoov imsixcSs navrcov ccnb rrjg f^c'c/rjg diaoeacoG/usvcDV.
») Plut. Aem. 25. Nissen, Krit, Unt, S. 270.
2) Liv. 44, 42, 3: ceterae quoque Macedonum alae integris abibant ordinibus,
quia interiecta peditum acies, cuius caedes victores tenebat, immemores fecerat
sequendi equites.
3) Frontin II 3, 20: Paulus . . . cedere instituit, ut hac simulatione per-
duceret hostes in confragosa loca, quae ex industria captaverat . cum sie quoque,
suspeeta callididate recedentium, ordinata sequeretur phalanx, equites a sinistro
cornu praeter oram phalangis iussit transcurrere, citatis equis, tectos, ut obiectis
armis ipso impetu perfringerent hostium spicula . quo genere telorum exarmati
Macedones solverunt aciem et terga verterunt. Nissen (S. 271) ist der Ansicht,
dafs die Darstellung Frontins zu der des Polybios nicht passe und auf eine
annalistische Quelle zurückgehe. Auf Livius kann die Darstellung Frontins aller-
dings nicht zurückgeführt werden. Denn er hat von dieser Tätigkeit der Reiterei
4. Der Feldzug vom Jahre 168 v. Chr. 327
Ist die Nachricht in dieser auf das Strategen! zugespitzten
Form und in der Überschätzung eines solchen Angriffes für die ganze
Entscheidung auch nicht unmittelbar zu brauchen, so stellt doch viel-
leicht diese Relation ein in gewissen Grenzen mitwirkendes Sieges-
element dar, welches Livius wegen seiner untergeordneten Bedeutung
in seinem Berichte übergangen und nur in der rudimentären Form
stehen gelassen hat, die Reiterei sei durch den Kampf mit dem
Fufsvolke aufgehalten und habe die Verfolgung darüber vergessen.
Wir hätten uns dann die Vorgänge auf dem nordwestlichen
Flügel so vorzustellen, dafs die makedonische Reiterei und ebenso
der Teil des Fufsvolkes, welcher zuletzt zum Aufmarsch gekommen
war, ihre Aufstellung noch nicht beendet, auf jeden Fall den
Flufs selber noch nicht überschritten hatten, als die Phalanx schon
jenseits des Flusses im Kampfe stand. Diese Lage benutzte die
römische Reiterei und beteiligte sich durch einen Flankenangriff
am Kampfe gegen die Phalanx. Anstatt nun ihrerseits den römi-
schen Reitern in die Flanke oder den Rücken zu fallen und so ihrer
Infanterie Luft zu machen, gab die makedonische Reiterei bei diesem
Anblick alles verloren und ritt vom Schlachtfelde ab. Die Erbitte-
rung des makedonischen Fufsvolkes, die Unterlassung der Verfolgung
durch die römische Reiterei, die Notiz des Livius von der „zwischen
den Reitern stehenden Schlachtreihe", sowie die Darstellung des
Frontin, alles das würde auf diese Weise eine befriedigende Erklärung
nichts berichtet. Aber Frontin hat Polybios nicht oder nicht allein auf dem
Wege über Livius benutzt, wie z. B. die aus Polybios geflossene Kriegslist Philipps
vor Prinassos im Jahre 201 beweist (Polyb. XVI 11; Frontin III 8, 1), die sich
bei Livius nicht findet. Anderseits sind bei Frontin keine Spuren von Benutzung
anderer Annalisten als der durch Livius vermittelten zu erweisen. Es wäre daher
doch wohl möglich, dafs Frontin seine Darstellung von Pydna und speziell den
Reiterangriff aus Polybios hätte. Die Frontinische Darstellung widerspricht näm-
lich dem, was wir über die Polybianische sonst wissen, m. E. keineswegs. Die
Aufstellung der Heere, die Phalanx in der Mitte, die dreifache Schlachtlinie der
Römer, das eröffnende Gefecht der Leichten, das Weichen der Römer bis zum
hügeligen Gelände, alles das sind Punkte, die mit der Polybianischen Relation
vereinbar sind. Freilich ist alles unter den Gesichtspunkt des „Strategems"
gerückt, die Flankenangriffe des Fufsvolkes, die die Hauptsache waren, fortgelassen,
das Zurückweichen als ein Zurücklücken in absichtlich ausgesuchtes Gelände dar-
gestellt, der Flankenangriff der Reiterei in seiner Wirkung überschätzt. Das ist
verkürzende und gruppierende Mache des Epitomators. Das Verhältnis Frontins
zu Livius und Polybios verdiente eine zusammenfassende Behandlung.
328 £>er Krieg gegen Perseus.
finden. Auch die kurze Dauer der ganzen Schlacht überhaupt —
sie währte nicht länger als eine Stunde1) — spricht dafür, dafs
der rechte Flügel kaum Zeit gehabt haben konnte zur Aufstellung
zu kommen2).
So war also der Sieg — eine seltene Erscheinung in antiken
Schlachten — auf allen Teilen des Schlachtfeldes in gleich ent-
schiedener Weise zugunsten der römischen Waffen ausgefallen.
Dieser Umstand sowohl, wie das Verhängnis, dafs die einzige noch
intakte Truppe das Schlachtfeld verliefs, statt den Rückzug zu decken,
dafs dieser Rückzug selber durch die Überschreitung der beiden
Flüsse wesentlich erschwert3), dafs er durch das Meer gehemmt
wurde und seitwärts ausbiegen mufste, alles dieses zusammen hat
diese Niederlage zur völligen Vernichtung4) des stolzesten Heeres
werden lassen, welches Makedonien seit den Tagen des grofsen
Alexanders besessen hatte.
J) Plut. Paul. 22, 8: ivart]5 . . atyccg aQ^dfzevot /ud/so&cu nqb ^sy.drrjg
lv£xrjOav.
2) Der Aufmarsch des Herzogs von Marlborough in der Schlacht von Höch-
städt, wo er 36000 Mann, also eine etwa ebenso starke Armee hatte und sich auch
von Höfen bis Weilheim auf etwa 3| Kilometer seitlich ausdehnte, dauerte
3 Stunden.
3) Daher heifst es, dafs der Leukos = Mavroneri (s. S. 313 A. 2), als die
Römer ihn am folgenden Tage überschritten, hv p.^iy^xivov aifian gewesen sei
(Plut. Aem. 21). Hier hatte eben das Hauptmorden stattgefunden.
4) Die Zahl der Verluste wird von Plutarch auf 25000 Tote, von Livius
auf 20 000 Tote und 5000 Gefangene augegeben, zu denen aus Pydna noch 6000
weitere Gefangene hinzukommen. Plut. Aem. 21. Liv. 44, 42, 7.
Anhang.
Übersetzung der Schlachtberichte von Pydna.
1. Livius, Buch 44, 40, 4 bis 42, 8:
(4) Ein nicht sehr grofser Flufs flofs daselbst, näher am Lager
der Feinde, aus dem Makedonier und Römer unter dem Schutze von
Abteilungen an beiden Ufern ihr Wasser nahmen. (5) Es waren römi-
scherseits zwei Kohorten, Marruziner und Päligner, und 2 Türmen
samnitischer Reiter unter dem Kommando des Legaten M. Sergius
Sila. (6) Aufserdem war unter dem Legaten C. Cluvius noch eine
andere Abteilung von 3 Kohorten, Firmaner, Vestiner und Kremo-
nenser, und zwei Türmen Plazentiner und Äserniner vor dem Lager
auf Vorposten ausgestellt. (7) Am Flufs herrschte Ruhe, als gegen
die neunte Stunde [31 nachmittags] ein Maulesel sich losrifs und
nach dem jenseitigen Ufer zu entwischte. (8) Drei Soldaten eilten
ihm durch das kniehohe Wasser nach, zwei Thraker versuchten ihn
aus dem Flufs an ihr Ufer zu ziehen (Lücke) . . einer wurde ge-
tötet, und sie zogen sich mit dem Maultier zu ihrem Posten zurück.
(9) Die Thraker waren 800 Mann stark. Erbittert, dafs ein Kamerad
vor ihren Augen erschlagen sei, überschritten erst ein paar den Flufs,
um die Mörder zu verfolgen, dann mehrere, und zuletzt alle und . .
mit dem Posten . . (grofse Lücke).
41, (1) [Aemilius Paulus] führt in die Schlacht . . . Die Lücke,
welche zwischen den Peltasten (cetratos) und der Phalanx war, füllte
die Legion aus und unterbrach die Schlachtreihe der Feinde. (2) Im
Rücken waren die Peltasten; die Front hatte sie gegen die Phalanx
(clupeatos), die sogenannten Erzschildner (chalcaspides). Der Konsular
L. Albinus erhielt den Befehl, die zweite Legion gegen die Weifs-
330 Üer Krieg gegen Perseus.
schildner (Leucaspides) zu führen. Das war das Zentrum der Feinde.
(3) Auf den rechten Flügel, wo am Flusse das Treffen begonnen
hatte, führte er die Elefanten und die [beiden] Alen der Bundes-
genossen. Und hier begann auch die Flucht der Makedonier . . .
(5) Dem Angriff der Elefanten folgten auf dem Fufse die Latiner
und warfen den linken Flügel. (6) Im Zentrum warf die zweite
Legion durch einen Angriff die Phalanx auseinander, und es war
keine deutlichere Ursache des Sieges vorhanden als die, dafs viele
einzelne Treffen hier und da geliefert wurden, welche die wogende
Phalanx zuerst in Unordnung brachten und dann ganz auseinander-
rissen, während ihre Kraft, wenn sie zusammenbleibt und von Lanzen
starrt, unwiderstehlich ist. (7) Wenn man aber in flüchtigem Angriff
sie zwingt, die lange, unhandliche Lanze seitlich zu wenden, so werden
sie schon verwirrt, entsteht aber gar in der Flanke oder im Rücken
eine drohende Gefahr, so geraten sie ganz aus Rand und Band.
(8) So mufsten sie damals gegen die abteilungsweise angreifenden
Römer auch ihrerseits mit vielfach unterbrochener Phalanx vorgehen;
und die Römer schoben sich dazwischen, wo sich nur eine Lücke
öffnete. (9) Wenn sie dagegen alle zusammen in der Front gegen
die Phalanx angestürmt wären, so hätten sie sich, wie es den Pälig-
nern ging, die im Anfange der Schlacht unvorsichtig gegen die
Peltasten vorgingen, an den Lanzen aufgespiefst und der geschlosse-
nem Phalanx nicht standhalten können. 42, (1) Während so die
Fufssoldaten überall niedergemacht wurden, aufser einigen, die die
Waffen wegwarfen und flohen, verliefs die Reiterei fast unversehrt
das Schlachtfeld. Der König floh selber zuerst (2) und eilte von Pydna
mit seinen Leibregimentern nach Pella; sofort folgte Kotys und
die Reiterei der Odrysen. (3) Auch die anderen Regimenter ritten
in voller Ordnung ab, weil die dazwischenstehenden Fufstruppen,
deren Niedermetzelung die Sieger aufhielt, die [römische] Reiterei
die Verfolgung hatte vergessen lassen. (4) Lange wurde die Phalanx
von vorn, den Seiten und hinten her niedergemacht. Zuletzt flohen
die, welche entkommen waren, ohne Waffen ans Meer; einige wateten
ins Wasser hinein, streckten die Hände zu den Flottensoldaten aus und
baten flehentlich um ihr Leben. (5) Und als sie von den Schiffen
her überall Boote heransegeln sahen, glaubten sie, sie kämen um
sie aufzunehmen, und gingen oder schwammen gar noch weiter ins
Meer hinein. (6) Als sie aber von den Booten aus beschossen
Anhang. Übersetzung der Schlachtberichte von Pydna. 331
wurden, schwammen sie zurück und kamen so in noch gröfsere Not.
Denn die Elefanten, die an der Küste aufgetrieben waren, zertraten
und zermalmten sie. (7) Ohne Zweifel sind nie in einer Schlacht so
viele Makedonier von den Römern getötet. Denn es wurden gegen
20000 Mann niedergemacht. Gegen 6000, die nach Pydna geflohen
waren, kamen lebendig in die Gewalt der Römer; hier und da auf
der Flucht wurden 5000 gefangen. (8) Von den Siegern fielen nur
100 und das meist Päligner; verwundet wurden ein gutes Teil mehr.
2. Plutarch, Aemilius Paulus 18-— 22.
Gegen Nachmittag — so erzählen die einen — griffen die Feinde
infolge einer List des Aemilius an. Die Römer hätten ihnen näm-
lich ein unaufgezäumtes Pferd zulaufen lassen, und dessen Verfolgung
habe zum Kampfe geführt. Die anderen sagen, Thraker unter
Alexander hätten einen römischen Furagetransport angegriffen und
gegen sie seien 700 Ligurer eiligst vorgegangen. Durch mehrfache
beiderseitige Verstärkungen sei es dann zur Schlacht gekommen.
Aemilius ahnte wie ein Steuermann aus der Unruhe und Bewegung
der Truppen die Gröfse des bevorstehenden Kampfes, verliefs sein
Zelt, trat zu den Legionen und ermunterte sie. Nasica [Scipio] ritt
zu den Plänklern vor und sah die ganze feindliche Armee sozusagen
schon zum Handgemenge nah. Zuerst rückten die Thraker an, deren
Anblick ihn, wie er sagt, am meisten erschreckte, Leute von hohem
Wuchs, mit weifsen und glänzenden, grofsen Schilden (tivgecov) und
Beinschienen, in schwarzen Röcken und gerade, eisenbeschlagene
Keulen von der rechten Schulter her schwingend. Neben den Thrakern
standen die Söldner in verschiedener Bewaffnung und mit Päoniern
vermischt; neben diesen das 3. Elitekorps von besonders tüchtigen
und jungen eingeborenen Makedoniern in vergoldeten Waffen und
neuen roten Röcken.
Dazu kamen, als jene sich aufstellten, aus dem Lager die Pha-
langen der Chalkaspiden hervor und erfüllten die Ebene mit dem
Glanz und Schimmer ihrer Erz- und Eisenwaffen und das Hügelland
mit dem Lärm und Getöse ihrer Schlachtrufe. So mutig und schnell
stürmten sie heran, dafs die ersten Toten nur zwei Stadien [360 Meter]
vom römischen Lager entfernt fielen.
Kap. 19: Als dieser Anlauf geschah, kam Aemilius und fand
die Makedonier in den Elitekorps, wie sie schon ihre Sarissen gegen
332 Der Krieg gegen Perseus.
die Schilde der Römer stiefsen und deren Schwerter sich nicht nahe
kommen liefsen. Als aber auch die anderen Makedonier die Schilde
von der Schulter herabzogen und mit den auf ein Kommando ge-
fällten Sarissen den Schildträgern [römischen Legionaren] entgegen-
traten, und er die Kraft ihrer engen Scharung und die Gewalt ihres
Anmarsches sah, da befiel ihn Bestürzung und Furcht, da er nie, wie
er sagte, einen schrecklicheren Anblick gesehen hatte. Und oft er-
wähnte er noch später jenes Gefühl und jenen Anblick. Damals aber
zeigte er sich den Soldaten gegenüber zuversichtlich und heiter, in-
dem er ohne Helm und Panzer an ihnen entlang ritt
Kap. 20: Als nun die Römer der Phalanx entgegentraten und
sie doch nicht zurückzwingen konnten, ergriff Salvius, der Führer der Pä-
ligner, ein Feldzeichen und warf es in die Feinde hinein. Die Päligner
aber eilten alle dahin, — denn es ist den Italikern nach göttlichem
und menschlichem Recht verboten, das Feldzeichen zu lassen, und
furchtbare Taten wurden bei dem Zusammenstofs getan und erlitten.
Denn die einen versuchten die Sarissen mit den Schwertern abzu-
hauen oder mit den Schilden wegzudrücken oder gar mit den Händen
beiseite zu schieben, die anderen dagegen stiefsen die Lanzen mit
beiden Armen und aller Kraft vorwärts, durchbohrten die Anstürmen-
den samt ihren Waffen, da weder Schild noch Panzer die Gewalt der
Sarisse aufhielt und warfen dann die Leichen der Päligner und
Marruziner, welche sinnlos wie wütende Tiere gegen die Stöfse und
in den offenbaren Tod stürmten, kopfüber auf ihre Hintermänner1).
Nachdem so die Vordersten gefallen waren, wurden die Hinteren
zurückgedrängt. Eine Flucht war es zwar nicht, aber ein Zurück-
weichen nach dem Olokrongebirge, so dafs Aemilius, wie Posidonios
sagt, sein Gewand zerrifs, als er sah, dafs diese hier wichen, die
anderen Römer aber Angst hatten vor der Phalanx, der nicht bei
zukommen war, sondern die durch die dichten Sarissen wie durch einen
Wall geschützt, unangreifbaren Widerstand leistete. Da aber die
!) Nissen, Krit. Unt. S. 270 fafst die Stelle so, dafs die Makedonier die
Leichen über ihre eigenen Köpfe hinweggeschleudert hätten, so dafs sie hinter
der Phalanx niedergefallen wären, und erklärt das mit Recht für eine Unmöglich-
keit. Nach freundlicher Mitteilung von Ed. Schwartz wäre sprachlich folgende
Auffassung möglich: „Die Makedonier warfen mit ihren Sarissen die Italiker nach
vorn deren eigenen Landsleuten über den Kopf, auf diese herauf: wie mit Heugabeln
schupften sie sie nach vorn, die Italiker auf Italiker."
Anhang. Übersetzung der Schlachtberichte von Pydna. 333
Örtlichkeit uneben war und die Schlachtreihe wegen ihrer Länge den
Zusammenhang nicht wahrte und [Aemilius Paulus] bemerkte, dafs
die Phalanx viele Risse und Lücken bekam, wie das natürlich ist
bei grofsen Heeren und ungleichmäfsigem Vorgehen, wenn man zum
Teil zurückgedrängt wird, zum Teil vorstürmt — , da eilte er schnell
herbei, trennte die Manipeln, befahl ihnen, zwischen die Lücken und
Spalten der Schlachtreihe seitwärts einzudringen und nicht einen
einzigen Kampf gegen alle, sondern viele einzelne Kämpfe anzufangen.
Nachdem Aemilius diese Vorschrift den Führern, die Führer wiederum
den Soldaten gegeben hatten, verteilten sie sich und schlüpften über-
all in den Lanzenwald hinein, indem sie hier von der offenen Flanke
angriffen, dort einzelne Abteilungen umzingelten. Da war auch so-
fort die Kraft und Gemeinsamkeit der Phalanx dahin, und in den
Einzelkämpfen hielten die Makedonier schlecht stand, da sie mit
ihren kleinen Schwertern gegen die dicken und langen Schilde und
mit ihren leichten Schildchen gegen die Schwerter zu kämpfen hatten,
die vermöge ihrer Schwere und Kraft durch jede Schutzwaffe bis aufs
Fleisch gingen. So wandte sie sich zur Flucht.
Kap. 21: [Episode von Catos Schwert]. Und zuletzt wurden
die 3000 Mann Elitekorps in Schlachtordnung kämpfend nieder-
gehauen. Die anderen aber flohen und wurden hingemordet, so dafs
die Ebene und die Gegend am Fufs der Berge von Toten gefüllt
und am folgenden Tage der Leukosflufs noch mit Blut vermischt war,
als die Römer ihn überschritten. Denn es sollen über 25000 Mann
gefallen sein. Von den Römern fielen nach Posidonios 100, nach
Nasika 80.
Kap. 22: Dieser gewaltige Kampf hatte nur ganz kurze Dauer.
Er begann in der neunten Stunde [31 nachmittags s. S. 317, A. 1]
und vor der zehnten [5 Uhr] war der Sieg entschieden. Den Rest
des Tages benutzten sie zur Verfolgung, verfolgten 120 Stadien weit
[21, 29 Kilometer] und liefsen erst spät am Abend ab.
3. Frontin II 3, 20:
Als der Makedonerkönig Perseus seine Phalanx in doppelter
Tiefe in das Zentrum gestellt hatte und sie mit leichten Truppen
eingefafst und die Reiterei auf beide Flügel verteilt hatte, stellte
Paulus dagegen eine dreifache Schlachtreihe in einzelnen Haufen auf,
zwischen denen er die Leichten wiederholt vorbrechen liefs. Als er
334 Der Krieg gegen Perseus.
Scah, dafs dies nichts nützte, beschlofs er zu weichen, um durch diese
List die Feinde in hügeliges Gelände zu locken, das er absichtlich
ausgewählt hatte. Als die Phalanx, mifstrauisch, auch so noch in
Ordnung folgte, liefs er vom linken Flügel her die Reiterei an der
Front entlang in Karriere anreiten, wohlgedeckt, so dafs sie mit vor-
gehaltenen Schutzwaffen durch die Gewalt des Choks die Lanzen der
Feinde abbrachen. Durch diese Art der Angriffswaffen *) entwaffnet,
lösten die Makedonier die Schlachtreihe und flohen.
*) hoc genere telorum. Die tela sind Rofs und Reiter selbst. Das Pferd
und seine Stofskraft ist die Waffe.
Beilage.
Heeresstärken.
1. Makedonier,
Bei Beginn des Krieges hielt Perseus eine grofse Heerschau
bei Kition über seine Truppen ab. Nach der detaillierten und durch-
aus glaubwürdigen, aus Polybios entnommenen Nachricht bei Livius
(42, 51, 3—11) waren hier im ganzen 43000 Mann1) zugegen, die
sich folgendermafsen zusammensetzten
Truppen-
Befehls-
haber.
Waffengattung.
Völker.
Belege.
teile.
Schwere
Halb-
schwere
Leichte
Reiter
1. Phalanx
2. Agema der
Caetrati
3. Caetrati
4. Reiter
Hippias v.
Beröa
Leonnatos u.
Thrasippos
Antiphilos
v. Edessa
Menon u. Pa-
trokles v. An-
tigonea, Liv.
42, 58, 7. 8.
21000
2000
3000
3000
p
>£ 29000
o
B
M«
CO
ffl 2\
P )
B es
* » „
sE3)
>|5? ;
""£ .1
Öl *■*
3 OS
i— *
2J Diese Gesamtsumme steht fest aus Liv. a. a. O. § 11: summa totius exer-
citus undequadraginta (milia fehlt in der Hdschr. ohne Lücke: Groag) peditum
erant, quatuor equitum. Danach ist bei Liv. a. a. O. § 3: summa omnium quadra-
ginta milia armata fuere, obgleich der Text nach Groag hier gleichfalls keine
Lücke hat, doch das Wort „tria" ausgefallen.
2) § 3: pars ferme dimidia von 43000 Mann. Die genaue Summe ergibt
sich durch Subtraktion aller anderen genannten Truppenteile, welche zusammen
22 000 betragen, von dieser Gesamtzahl.
3) § 4. Bei Pydna 3000, Plut. Aem. 21. Sie sind, wie es scheint im Laufe
des Krieges um 1000 Mann vermehrt worden. Vergl. Nissen S. 26!). Schwarzes
Zweifel S. 41 wird durch die Erwähnung des ayr^ia tqCtov (S. 321 A. 2)
widerlegt. 4) § 4.
5) § 9. Zahl hier ausgefallen; Text nach Groag: equitum ex tota Macedonia
336
Der Krieg gegen Perseus.
Truppen-
Befehls-
Waffengattung.
Völker.
Belege.
teile.
haber.
Schwere
Halb-
schwere
Leichte Reiter
5. Gallier
Asklepiodotos
v. Heraklea
2000
W
p
6. West-Thra-
Didas v.
3000
0
ST '
ker(Päonen,
Päonien
CO
<-t-
Paroräer,
«T
Parastry-
monier,
•
<
Agrianer)
CO
©:
J*0
7. freie Thra-
eigener
1500
1500
>£ 12000
? 3)
ker
Führer
(?)
(?)
CD
09
V I
8. Kreter
Susos v. Pha-
laserna u.
Syllos aus
Knossos.
3000
Hf
* 1 .
s 4)
s
9. gemischte
Leonidas v.
500
Pü
Griechen,
Sparta
CD 5"\
3 >
Böoter und
Lykon v.
500
coo
Ätoler.
Achaja
) w
10. Königl.
Kotys
1000
1000
}g 2000
CD
r 6)
Thraker
\$
Summe:
25500
5000
8500
4000
43000
(s. S. 335
A. 1.)
39000
|
Dafs wir in diesen Truppen nur die Feldarmee des Königs
mit Ausschlufs der Garnisonen zu erblicken haben, erleidet keinen
Zweifel.
contraxerat milia ohne Lücke. Ergänzung aber gesichert durch § 10, § 11 und
Plut. Aem. 13, wo die Summe der Reiter auf 4000 und das thrakische Kon-
tingent auf 1000 angegeben ist.
1) § 7, als Schwere zu betrachten.
2) § 7. Ohne Zweifel alles oder doch überwiegend leichte Truppen. Sie
kämpfen unter ihrem Führer Didas in der Schlacht am Kallikinos mit (Liv.
42, 58, 8), wo nur leichte Truppen beteiligt waren (S. 241 f.).
3) Die Gesamtzahl 3000 steht nach § 7 fest. Die Verteilung auf Leichte
und Schwere ist unsicher. Für leichte Bewaffnung spricht die Nationalität, und
dafs wohl die 800 Schleuderer bei Kallikinos zu ihnen gehören (Liv. 42, 58, 10).
Anderseits kommen im Heere auch schwergerüstete Thraker vor (S. 320).
4)§7.
6) § 8 u. 9. Diese beiden Korps sind wohl als Hopliten zu betrachten.
G) §10. Dafs seine Fufstruppen Leichte sind, folgt aus Liv. 42, 58, G:
levis armatura.
Beilage. Heevesstärkeo. 1. Makedonien 337
Es heifst nicht nur unmittelbar nach der Erzählung von der
Heerschau, dafs Perseus mit diesem ganzen Heere (Liv. 42, 53, 5)
nach Thessalien aufgebrochen sei, sondern seine Armee wird als die
stattlichste bezeichnet, welche Makedonien seit Alexander dem Gr.
aufgestellt hätte (Liv. 42, 51, 11), und wiederholt betont, dafs sie
den Römern numerisch überlegen gewesen sei (S. 342).
Wollten wir aber die Garnisontruppen, welche auf mindestens
15 000 Mann zu veranschlagen sind (s. unten S. 340), in Abrechnung
bringen, so würde die Armee des Perseus weder die früheren des
Antigonos bei Sellasia von 28800 (Bd. I S. 228) und des Philipp
bei Kynoskephalä von 25 000 (oben S. 102) übersteigen, noch der
römischen gleichkommen. So dagegen zeigt der Vergleich, dafs sie
die von Sellasia um die Hälfte, die von Kynoskephalä gar um zwei
Drittel ihres Bestandes und die römische wenigstens etwas über-
troffen hat.
Ihre innere Zusammensetzung ist indessen im wesentlichen
dieselbe geblieben. Den Hauptbestandteil bilden überall die Make-
donier selber: bei Perseus l> bei Philipp gar %, bei Antigonos nicht
ganz 1 der Armee. Der Rest besteht aus Söldnern und Hilfstruppen.
Die taktisch wichtigere Einteilung nach Waffengattungen er-
gibt, dafs noch immer das Hauptgewicht durchaus auf dem schweren
Fufsvolke liegt, welches bei Perseus über I der ganzen Armee aus-
macht. Denn auch die 5000 Mann Peltasten, welche gleichfalls den
langen Spiefs tragen (Plut. Aem. 20. Liv. 44, 41, 9), stehen den
schwerbewaffneten Nahkämpfern weit näher, als den leichtbewaffneten
Schützen. Die Reiterei beträgt nur knapp 1U0 der Armee.
Die Nachricht von der Heerschau von Kition ist die einzige,
welche wir über den Gesamtbestand der Armee in diesem ganzen
Kriege besitzen. Denn der Gesandtschaftsbericht der römischen
Legaten vom Jahre 169/168, das feindliche Heer solle 30000 Be-
waffnete betragen (Liv. 44, 20, 4: Macedonum dici triginta milia
armatorum esse), ist nur eine Taxierung des während der Winter-
pause am Elpeos vorhandenen Armeestandes, und die Nachricht des
Plutarch (Aem. 13: fjoav yäg Ijuislg ^sv TetQamax^oc, Jts^ol (5' elg
cpäXayya TSTgaKio^vglcov ov jzoXXoXq, djvodeovtsg) zum Jahre 168 ist
nichts weiter als die an etwas andere Stelle gerückte Wiederholung
der Zahl von der Heerschau von Kition.
Trotzdem können auch wir diese Zahl für die folgenden Feld-
Kromayer, Antike Schlachtfelder. II. 22
338 Der Krieg gegen Perseus.
züge und die Schlacht von Pydna zugrunde legen. Denn grofse
Verluste hat Perseus in diesem ganzen Kriege nicht gehabt, und der
gewöhnliche Abgang konnte durch die neuen Jahrgänge leicht er-
setzt werden.
Nur einzelne Detachierungen sind von der Armee auf dem
Hauptkriegsschauplatz im Laufe der Jahre erfolgt So liefs der
König gleich nach dem ersten Feldzuge im Herbst 171 in Gonnos
und Phila am Tempepafs starke Besatzungen von der Feldarmee
zurück (Liv. 42, 67, 1: praesidio satis valido ad Gonnum relicto,
vergl. auch 42, 54, 8: firmiore praesidio equitum peditumque. Liv.
42, 67, 2: Timotheum . . cum modica manu relinquit ad Philam);
im Frühling 170 nach dem Streifzuge nach Epiros blieb dann Klevas
mit einem validum praesidium daselbst stehen (Liv. 43, 21, 5 oben
S. 261). Er war stark genug, in Phanota eine Belagerung durch
Appius Claudius mit dessen Detachement und 6000 Mann Landsturm
auszuhalten, die abziehenden Truppen zu überfallen, ihnen 1000 Mann
zu erschlagen und 200 gefangenzunehmen und endlich mit Hilfe
des epirotischen Landsturmes die Römer überhaupt zum Verlassen
des Landes zu nötigen (oben S. 265). Im Winter 170/169 wurden
nach der Eroberung des Drintales in Uskana und Umgegend starke
Besatzungen zurückgelassen (Liv. 43, 20, 4: firmatis Uscanae et circa
eam per omnia castella, quae receperat, praesidiis), gegen welche
die Römer ohne Erfolg kämpften (S. 260) *), und zu demselben Zwecke
wurden nach der Expedition gegen Stratos in demselben Winter
800 Mann in Aperantia in Garnison gelegt (S. 264).
Aus der Stärke dieser letzten, den übrigen an Wichtigkeit kaum
gleichkommenden Besatzung, sowie aus den Erfolgen, welche in Epiros
und Illyrien gegen die römischen Abteilungen, die man doch immerhin
*) Weifsenborn hat aus der Bemerkung des Livius 43, 23, 7: Perseus ex
enestarum gente mille pedites ducentos equites revocatos Cassandream, praesidio
ut essent, misit geschlossen, dafs diese Besatzungen bald darauf wieder abgerufen
seien. Es handelt sich aber hier um landeseingeborene Penesten vom Drintale (ex
Penestarum gente), welche als Söldner nach Kassandrea geschickt werden — die
Besatzung daselbst bestand im ganzen aus 2000 derselben (Liv. 44, 11, 7: duo
milia Penestarum Illyriorum). — Der Ausdruck „revocati", an dem W. Anstofs
nimmt, ist wohl gleich evocati gebraucht, was öfters vorkommt. — Die Penesten
in Kassandrea bedeuten natürlich zugleich eine Entwaffnung des Landes und eine
Geiselstellung. An eine Rückberufung der makedonischen Besatzungen aus dem
Drintal ist aus sachlichen Gründen nicht zu denken.
Beilage. Heeresstärken. 1. Makedonien 339
auf mehrere tausend Mann ansetzen mufs, errungen wurden, geht
hervor, dafs diese Detachierungen nicht ganz unbedeutend gewesen
sein können. Wir werden sie immerhin auf mindestens 5 — 6000 Mann
schätzen dürfen.
Aber diese Abteilungen sind zum Teil wie die von Gonnos und
Phila (S. 286), später wieder zur Armee gestofsen, zum Teil durch
Aushebungen in den besetzten Ländern, die dafür zur Armee ge-
zogen wurden, wieder ersetzt worden, wie wir das von den Penesten
um Uskana erfahren1) und von den anderen Landesteilen wohl auch
annehmen dürfen. Nur 1000 Reiter, die nicht lange vor der Schlacht
bei Pydna nach Aenea auf Chalkidike detachiert wurden, und vielleicht
eine gleichzeitig abgehende Verstärkung der Besatzung von Kassan-
drea (Liv. 44, 32, 7) dürften für die Schlacht wirklich in Abzug
kommen.
Neben dieser Feldarmee hatte Perseus noch eine ziemlich be-
trächtliche Garnisonarmee. Die Nachrichten über sie sind zwar sehr
spärlich, doch genügen sie, um zu einem ungefähren Schätzungs-
ergebnis zu kommen. Es handelt sich dabei wesentlich um den
Schutz der makedonischen Küste.
So standen in Thessalonike dauernd 2000 caetrati (Liv. 44, 32, 6;
vergl. auch die Gefechte, mit der röm. Flotte Liv. 44, 10, 5), zu
denen im Jahre 168 für den Schutz der Werfte noch die eben schon
erwähnte Verstärkung kam; in Kassandrea waren 2800 Mann Penesten
und Agrianen stationiert (Liv. 44, 11, 7)2) und in Amphipolis 2000
Thraker (Liv. 44, 44, 4). Auch kleinere Orte wie Antigonea und
Torone hatten Besatzungen. Bei Antigonea hatte im Jahre 169 die
römische Flottenrnannschaft ein Gefecht mit den Besatzungstruppen,
in welchem erst 500 Römer fielen und später nach dem Umschlag
des Glückes 400 Makedonier getötet und gefangen wurden. Man
wird danach die Besatzung auf mindestens 1000 Mann und einige
Reiter, die ausdrücklich erwähnt werden (Liv. 44, 10, 9 — 11), schätzen
müssen. Torone wagte die römische Flotte in demselben Jahre nicht
anzugreifen, da es valida manu verteidigt war (Liv. 44, 12, 8). Aus
3) s. d. vor. A. — Man verwendete diese Mannschaften zwar nicht direkt
bei der Armee, sondern steckte sie in eine Garnison, wird aber dafür die frühere
Garnison von Kassandrea zur Armee gezogen haben.
2) Die 10 lembi cum delectis Gallorum auxiliaribus werden über Thessa-
lonike von der Armee am Elpeos zu Hilfe geschickt sein,
22*
340 l)er Krieg gegen Perseus.
diesen zufälligen Erwähnungen ergeben sich schon mindestens
8000 Mann. Man wird für die ganze Küste der Chalkidike und
Makedoniens daher wenigstens 10— 12 000 Mann ansetzen müssen. Aber
auch kaum sehr viel mehr, da die wichtigsten Waffenplätze Thessa-
lonike, Kassandrea und Amphipolis, ja genannt sind. Dazu kommt
dann noch Demetrias, dessen Mauern bei einem Versuch der Flotte
im Jahre 169 repleta armatis waren (Liv. 44, 12, 8), und das man
sich daher in diesem Jahre mit der Flotte ebensowenig anzugreifen
entschliefsen konnte, wie die Landarmee im Jahre 171 dazu geneigt
gewesen war (Liv. 42, 67, 11). Als eine Festung ersten Ranges und
exponiert, wie es lag, mufs es mindestens die gleiche Zahl von Be-
satzungstruppen gehabt haben, wie Kassandrea, also etwa 3000 Mann.
Auch an der thessalischen Küste hatten kleinere Orte, wie z. B.
Larissa Kremaste, eine eigene Besatzung (Liv. 42, 67, 11).
Ich möchte glauben, dafs eine Schätzung von etwa 15000 bis
20000 Mann für die Garnisonarmee des Perseus nicht zu hoch ge-
griffen ist, wenn man bedenkt, dafs doch auch im Inneren und an
den Grenzen gegen die Dardaner und die anderen Bergvölker einige
Truppen bereit gewesen sein müssen.
Über die makedonische Flotte ist wenig zu sagen. Wir hören
nur, dafs sie der römischen (s. unten) in keiner Weise gewachsen war
(Liv. 42, 56, 7: nusquam erat maritimum bellum), bei einem Über-
falle von Demetrias aus sich einmal mit Glück zeigte (Plut. Aem. 9),
und dafs im Frühjahre 168 zum erstenmal in diesem Kriege eine
gröfsere Abteilung kleinerer Schiffe — es waren 40 Lemben und
5 Pristen — sich in offener See zu zeigen wagte (Liv. 44, 28, 1).
2. Römer.
Das Heer, welches die Römer zunächst in diesem Kriege als
Operationsarmee zu Lande gegen die Makedonier bestimmt haben,
war eine konsularische Armee von 2 Legionen mit Zubehör.
Nach der Angabe des Livius (42, 31, 2 f.) hatten die beiden
Legionen je 6000 Mann und je 300 Reiter, römische Bürger; und
an socii zusammen 16000 Mann zu Fufs und 800 Reiter1). Die
l) Die Zahl 16000 für die Fufssoldaten der Latiner ist Konjektur, da die
"Wiener Handschrift hier hoffnungslos, wie mir scheint, verdorben ist Nach Groags
Beilage. Heeresstärken. 2. Römer. 341
Gesamtsumme hätte danach also 28000 Mann zu Fufs und 1400 Reiter
betragen.
Aber diese Nachrichten über die Stärke der Legionen sind, ob-
gleich sie die Leistungsfähigkeit Roms natürlich nicht entfernt er-
reichen und man sich im Gegenteile darüber wundern könnte, dafs
die Römer mit so geringen Streitkräften durchschlagende Erfolge
erhofften, doch nicht glaubhaft. Sie beruhen nur auf den Annalen.
Polybios kennt Legionen von 6000 Mann und mehr überhaupt nicht,
sondern setzt in seiner bekannten Darlegung über die Stärke der
Legion das Höchstmafs derselben auf rund 5000 Mann an (III 107, 10):
sjzäv öe xig öhooxeQsovsQa jiQocpaLvrj'cai %Qsla tovg [xev jvs^ovg sv
STcdoTO) avQatoJiedcö jvoiovöiv jvsqi JiEwcaMG%iUovg, vovg d" ttmelg
tQiaKOGiovg). Hätte Polybios als junger Mann das erstemal, wo er
wahrscheinlich ein römisches Heer mit seinen eigenen Augen sah
(s. oben S. 267 und Cuntz, Polybios und sein Werk S. 75 ff.), Legi-
onen von 6000 Mann kennen gelernt, so hätte er das nicht schreiben
können1). Dazu kommen [andere Gründe. Im Jahre 168 unter
Aemilius Paulus, dessen Legionen nach den Annalen gleichfalls
6000 Mann betrugen (s. unten S. 345), ist nach dem unverdächtigen
(s. S. 303 A. 1) Zeugnisse des Scipio Nasica die ihn auf seinem Um-
gehungsmarsch begleitende Ala auch nur 5000 Mann stark, folglich
Vergleichung lautet die Stelle S. 45 Z. 19 f.: merus de ccc equites CCLIII : LIII ■ pe
ditum odccc equites praeter eos usw. Die geringste Zahl, die wir vermuten
können — und daraufkommt es ja hier an — , ist 16000. Denn der andere Konsul,
der weniger bekommt, wie ausdrücklich hervorgehoben wird, erhält doch 12000
(ib. 42, 31 1 4), und als gewöhnliche Zahl (quantus semper numerus) werden Liv.
40, 36, 6 15000 socii genannt, während hier ausdrücklich wie für die Legionen,
so für die socii von einem auctus numerus die Rede ist.
2) Damit fällt auch die Glaubwürdigkeit der sonstigen Erwähnungen von
Legionen von 6000 oder 6200 Mann aus der Zeit des Polybios. Es sind in der Tat nur
zwei, von denen Liv. 35, 2, 4 auf die Annalen zurückgeht, während die Quelle der
Nachricht, dafs Scipio im Jahre 204 Legionen von 6200 Mann nach Afrika über-
gesetzt habe (Liv. 29, 24, 14) unsicher ist. Schwer fällt auch ins Gewicht, dafs
der sorgfältige Forscher Verrius Flaccus bei Festus (Müller 336) Marius ausdrück-
lich als den ersten genannt hat, der Legionen von 6200 Mann aufgestellt habe:
sex milium et ducentorum hominum primus C. Marius legionem conscripsit,
cum antea quatuor milium fuisset . . Ich glaube daher, dafs die Legionen von
6000 Mann durch einen Annalisten der Sullanischen Zeit fälschlich in die
vormarianische Periode übertragen sind.
342 ^er Krieg gegen Perseus.
kann auch die Legion nicht 6000, sondern nur 5000 Mann gezählt
haben, da Legionen und Alen gleich stark sind (Marquardt, Hdb.
V 391 ff.). Auf die Rede des Perseus, der Römer und socii auf
27000 Mann zu Fufs mit Einschlufs der Hilfstruppen berechnet1),
will ich keinen grofsen Wert legen, da diese Rede die Tendenz ver-
folgt, die römischen Truppen so gering wie möglich hinzustellen.
Aber die Legion von 5000 Mann ist auch hier zugrunde gelegt.
Mehr fallen dagegen ins Gewicht die verschiedenen Erwähnungen,
nach welchen die Armee des Perseus der römischen bei Pydna
numerisch überlegen gewesen ist (Liv. 44,38,5: quantum numero
nos praestent, neminem vestrum nee ante ignorasse et hesterno die
animadvertisse certum habeo. Plut. Aem. 16: JtXr}ftei fisv ovv dvögcov
. . jtEQielvai (Perseus), vergl. 17 vö nXrjftoc, fiavjbLdoag und 13 vrjv. . öv-
vaiiw sftav/bLa&v), eine Nachricht, welche sich bei der bekannten Stärke
der Armee des Perseus (S. 336) und der römischen Auxilia (S. 343)
nicht erklären läfst, wenn wir für die römischen Legionen und socii
die Zahlen der annalistischen Überlieferung einsetzen. Zu einem be-
friedigenden Resultate gelangen wir nur, wenn wir die Legionen auf
5000 oder genauer gesprochen 5200 Mann ansetzen (vergl. Marquardt
a. a. 0. S. 334). Denn 5000 ist ohne Zweifel überall nur als runde
Summe zu fassen. Ebensostark sind dann die Alen zu veranschlagen,
und nur die Extraordinarii beider Alen sind dann nach Scipios An-
gabe (s. oben S. 303 A. 1) um eine Kleinigkeit über den Normalstand
erhöht gewesen, nämlich auf 3000 statt 2600, wenn nicht auch hier
die 3000 als runde Summe zu fassen oder Freiwillige für die Ex-
pedition Scipios dazu getreten sind.
Was die Reiterei betrifft, so ist an die vollen Zahlen von
600 Mann römischer Reiterei für die Legionen und 1800 Mann
bundesgenössischer für die Alen nicht zu denken. Die übertreiben-
den Annalen setzen ja selber nur 1400 Mann im ganzen an,
eine Zahl, die das zulässige Maximum darstellt, und zwar um so
*) Liv. 42, 52, 9: Der Text ist hier in der Wiener Handschrift wieder lücken-
haft; er lautet nach Groag S. 64, 17: non plus -VII «mil • peditum • || • equitum usw.
ohne Lücke. Doch ist kein Zweifel, dafs „viginti" ausgefallen sein mufs. Wollte
man triginta ergänzen, so würde das Heer fast so grofs wie das des Perseus
werden, was der Tendenz der Rede widerstreitet.
Beilage. Heeresstärken. 2. Römer.
343
mehr als man in diesem Kriege auf reichliche Reiterkontingente der
Numider, Thessaler, Ätoler und Pergamener rechnen konnte. In der
Schlacht am Kallikinos waren nach Polybios (Liv. 42, 59, 1 ; oben
S. 241) von beiden Seiten ungefähr gleich viele Reiter und Leichte
im Gefecht. Von seiten der Makedonier waren es 4000 Reiter, von
griechischen Auxilien 2000, die Numider waren noch nicht da (Liv.
42, 62, 2). Daher müssen die Römer selber wohl gegen 1400, wie
die Annalen sagen, gestellt haben. Wenigstens wird man nicht all-
zuviel darunter gehen dürfen.
Zu diesem römisch -latinischen Heere kamen nun noch be-
trächtliche Hilfstruppen ausländischer Staaten, welche im ganzen auf
etwa 9000 Mann zu Fufs und 3000 Reiter zu veranschlagen sind
(s. folg. Übersicht), so dafs die römische Operationsarmee in Thessalien
bei Beginn des Krieges sich auf rund 37 — 38000 Mann mit Ein-
schlufs von etwa 4000 Reitern gestellt haben dürfte.
Die folgende Zusammenstellung gibt die Einzelheiten und wird
die Übersicht erleichtern:
Truppenteile.
Waffengattungen.
Völker.
Belege und Bemerkungen.
Schwere Leichte Reiter
2 Legionen
ca. 7300
3100
1 ca.
i 1200
{*. ca.
(f 25000
r
Die Gesamtzahlen nach S. 342 f.
10400
— Die Verteilung auf schwer-
9 Alae Sftp.ii
ca. 9400 ca. 4000
gerüstete und Leichte nach
S. 180 A. 1.
13 400
Ligurer
2000
(?)
>
0
M
i— i.
►— "
5"
&
>pu 4Q00
3
CD
CO
r-t-
a>
a
Liv. 42, 35, 6, Zahl nach den
Annalen (Nissen 249). Dafs Li-
gurer tatsächlich beim Heere
waren, geht aber auch aus Plut.
Aem. 18 hervor, wo eine Kohorte
von 700 Ligurern genannt wird,
und ebenso aus Liv. 44, 35, 19 =
Pol. XXIX 14, 4 (Büttner-Wobst).
Dafs die Ligurer zur levis arma-
tura gehören, folgt aus Liv. ib. § 1 6.
Numider
1000 1000
22 Elefanten.
Liv. 42, 62,2 (ausPolyb.), vergl.
29, 8. 35, 6. Justin 33, 1.
344
Der Krieg gegen Perseus.
Truppenteile.
Waffengattungen.
Völker
Belege und Bemerkungen.
Schwere Leichte Reiter
Eumenes stellt im ganzen
6000 M. u. 1000 R., davon bleiben
2000 bei der Flotte, Liv. 42,
55, 7. 8. Leichte Abteilungen
dieser Hilfstruppen Liv. 42, 57, 5 f.
u. S. 243 A. 2. Dafs das ganze
Pergamener
4000
[+2000]
1000
Korps überwiegend aus Leichten
besteht, folgt aus Liv. 42, 58, 14:
Eumenes rex . . cum omni manu
sua in der Schlacht, zu der nach
§ 1 1 nur die levis armatura aus-
gerückt ist. — Die Reiter sind
z. T. Gallier, Liv. 42, 57, 7.
Apolloniaten
100
300
Liv. 42, 55, 9. Wohl Leichte,
wie Liv. 33, 3, 10.
Liv. 42, 55, 10: alae unius in-
Ätoler
ca. 400
o
o
CO
00
Auxilia aus
star. — 197 v. Chr. stellten sie
dem Flamininus auch 400 Reiter
S. 104.
Liv. 42, 55, 10. Nach 58, 14:
Thessaler
300
B
o
CO
<Tt-
400. An welcher Stelle der
Hdschr. der Fehler steckt, ist
nicht zu entscheiden.
Liv. 42,55,10: Cretico maxime
armatu ad mille quingentos.
Achäer
1500
Wohl alles Leichte, wie auch bei
Magnesia das ganze Kontingent
der Achäer aus Peltasten be-
steht, oben S. 207.
Kreter werden für das erste
Kriegsjahr nur in den annalist.
Teilen des Livius erwähnt 42,
35, 6. 43, 7, 1. Für 168 sind
Kreter u. an-
dere Griechen
etwa
etwa
sie durch Scipios Bericht, Plut.
500
(?)
500
(?)
Aem. 15 gesichert. — Die kleinen
griech. Staaten, Liv. 42, 55, 8 :
auxilia . . ex omnibus . . . Graeciae
populis . . quorum pleraque —
adeo parva erant — in oblivionem
adducta. Zahlen nach Schätzung.
17 200
16200
4200
37 600
334
00
Beilage. Heeresstärken. 2. Römer. 345
Da wie man sieht die Unsicherheiten sich nur auf einige kleinere
Kontingente beziehen, so kann die Gesamtsumme innerhalb der an-
gedeuteten Fehlergrenze wohl als zuverlässig betrachtet werden. Es
ergibt sich, dafs hier die Römer und Italiker ebenso wie bei dem
Gegner die Makedonier stark I der Armee gebildet haben, während
der Rest durch auswärtige Hilfstruppen gedeckt worden ist.
Auffallender ist das Verhältnis der Schweren zu den übrigen
Truppengattungen. Während bei den Makedoniern gleichfalls über
I der Armee schwerbewaffnet war, ist es bei den Römern kaum die
Hälfte. Indessen ist die Abweichung nur scheinbar. Der gröfste
Teil der zu den Leichten gestellten Mannschaften sind Halbschwere,
wie die Velites bei den Legionen selber, die Ligurer, z. T. auch wohl
die Pergamener, während an ausgesprochen leichten Truppen, Bognern
und Schleuderern, die Makedonier durch ihre weit stärkeren kreti-
schen und thrakischen Kontingente entschieden überlegen waren
(vergl. Liv. 44, 35, 19). Ebensowenig galt die römische Reiterei,
welche auch nur etwa Vio der Armee ausmacht, besonders vor An-
kunft der Numider als der makedonischen gewachsen (Liv. 42, 57, 12:
qui equitatu et levi armatura plus possent).
Auch für die Römer ist eine Gesamtangabe für die späteren
Kriegsjahre nicht erhalten, aber die erwähnte Nachricht über die
Stärke der ala sociorum im Jahre 168 natürlich in erster Linie für
die Bestimmung der Heeresstärke in diesem letzten Stadium des
Krieges mafsgebend. Die Nachrichten der Annalen über Ersatz-
truppen von 12000 Mann zu Fufs und 550 Reitern im Jahre 169 (Liv.
43, 12, 3) und gar 14000 Mann zu Fufs und 1200 Reitern (Liv. 44,
21, 6 f.) im Jahre 168, sowie von 1200 numidischen Reitern und
12 Elefanten im Jahre 170 (Liv. 43, 6, 13. 14), im ganzen 26000 Mann
zu Fufs und gegen 3000 Reitern kann man daher ruhig auf sich be-
ruhen lassen (s. S, 100 ff.), und zwar um so mehr, als auch hier
wieder, wie das schon in früheren Fällen bemerkt worden war, trotz
dieser enormen Nachschübe der Stand der Legionen nicht er-
höht, sondern nur erhalten geblieben sein soll (Liv. 43, 12, 4. 44,
21, 8). Man müfste also zugleich zahlreiche Entlassungen ausgedienter
Mannschaften annehmen, was um so weniger gerechtfertigt erscheint,
als das Heer im Jahre 171 ein Rekrutenheer gewesen ist. Die ein-
zigen beglaubigten Ergänzungen sind 5000 Mann im Jahre 169 mit
dem Konsul Philippus (Liv. 44, 1, 1 polybianisch) und eine der Zahl
346 Der Krieg gegen Perseus.
nach nicht bestimmbare Verstärkung mit Paulus im Jahre 168, auf
die die Erwähnung einer Flotte (Liv. 45, 41, 3, polybianisch) und
einer Streitmacht (dvvdfisig Diodor 31, 11, 1) bei der Überfahrt von
Brundisium nach Kerkyra schliefsen läfst. Der Konsul Hostilius im
Jahre 170 scheint nur ein geringes Gefolge bei sich gehabt zu haben,
da er wegen der Unsicherheit des Weges durch Epiros den Landweg
aufgab und über Antikyra zum Heere ging (Pol. XXVII 16).
Diese Verstärkungen haben daher nur den Stand der Legionen
auf der anfänglichen Höhe erhalten.
Über die Auxilia erfahren wir nur, dafs die kleinen griechischen
Kontingente Ende Sommer 171 entlassen wurden, während die
Achäer und ohne Zweifel auch die Pergamener beim Heere blieben
(Liv. 42, 62, 9), dafs im Frühjahre 168 ein Transport von etwa 2000
gallischen Reitern, die von Pergamon aus zur Armee gehen sollten,
von der makedonischen Flotte abgefangen wurde (Liv. 44, 28, 12 f.),
und dafs in demselben Jahre ein Korps von thrakischen Söldnern,
dessen Gröfse mit den Kretern zusammen mehr als 200 Mann be-
tragen haben mufs (Plut. Aem. 15) bei der Armee war.
Es ist unter diesen Umständen nicht anzunehmen, dafs der Be-
stand des Heeres sich im Verlaufe des Krieges irgendwie wesentlich
geändert hat.
Zu dieser Hauptarmee in Thessalien kommt noch ein kleines
selbständiges Korps in Illyrien.
Schon im Herbste 172 war der Prätor Sicinius mit 5000 Mann
und 300 Reitern von Brundisium nach Apollonia übergegangen, um
Vorbereitungen für die Hauptarmee zu treffen (Liv. 42, 36, 8 poly-
bianisch; Näheres darüber s. S. 233). Die Angaben der Annalen
über eine Armee von ungefähr 18000 Mann, welche damals nach
Griechenland übergesetzt sei (Liv. 42, 27, 3—5), sind durchaus un-
glaubwürdig (vergl. auch Zon. IX 22 P I 456 B: [istä dwäfAecog
öUyrjg) und trotz Ihnes Widerspruch (III 171) mit Nissen (Krit.
Unters., S. 246) und Niese (III 111, 1) zu verwerfen. Bei dem Vor-
handensein so starker Truppen in Illyrien wären weder die wieder-
holten Detachierungen aus Thessalien dorthin (Herbst 171: Liv.
43, 1, 1. Herbst 170: Liv. 43, 9, 6 f.), noch die fast widerstandslosen
Eroberungen des Perseus in Illyrien mit einem Korps von 12 000 Mann
im Winter 170/169, noch die Mifserfolge der Römer nach seinem Ab-
züge erklärlich (S. 259 ff.). Ebensowenig wären die Schlappen der
Beilage. Heeresstärken. 2. Römer. 347
Römer in Epiros gegen die Molosser und den makedonischen Kom-
mandanten Klevas (S. 264), sowie das Hilfsgesuch des Appius Claudius
an die Achäer (Pol. XXVIII 13, 7) zu verstehen. —
Das Korps des Sicinius blieb abgesehen von einer vorüber-
gehenden Detachierung (S. 233. 252) auf diesem Stande von 5000 Mann
bis zum Jahre 168. Denn die römischen Truppen unter Appius
Claudius in den Jahren 170— 168 gehören nach Epiros und sind nur
ein Detachement von der Thessalischen Armee (S. 261 A. 1).
Erst im Jahre 168 nach dem xAbfalle des Gentios entschlofs
man sich in Rom einen Prätor, Anicius, mit 2 Legionen und Zu-
behör nach Illyricum zu senden. Die Angabe der Annalen, dafs es
20400 Mann und 1400 Reiter gewesen seien (Liv. 44, 21, 10), kann
ungefähr stimmen1). Zusammen mit den bisherigen Truppen in
Illyricum und den zugleich aufgebotenen Hilfsvölkern — die Parthiner
allein stellten 2200 Mann (Liv. 44, 30, 13 polybianisch), mag das
Heer immerhin um 30000 Mann betragen haben. (So auch Niese III,
S. 158.)
Zu den Landheeren kam die Flotte.
Die Römer haben zu Beginn des Krieges von sich aus 41 Quin-
queremen in See geschickt (Liv. 42, 48, 5 und 6 polybianisch) —
die früher genannten 50 Quinqueremen sind aus den Annalen (Liv.
42, 27, 1) — , zu denen noch zwei karthagische und mindestens zwei
weitere (Liv. 42, 47, 9) des Marcius Philippus später hinzukamen
(Liv. 42, 56, 6), so dafs im ganzen mindestens 45 Quinqueremen vor-
handen waren. Ferner stiefsen zur Flotte 5 rhodische Triremen
(Liv. 42, 48, 6 f. 56,6); endlich kam die pergamenische Seemacht
dazu (Liv. 42, 55, 7 f.), deren Zahl zwar für das Jahr 171 nicht an-
gegeben ist, sich aber im Jahre 169 auf 20 „naves tectae", Kriegs-
schiffe, belief (Liv. 44, 10, 12 polyb,). Da Eumenes sich aber im
Jahre 171 ganz besonders angestrengt und auf seiner Flotte 6000 Mann
zu Fufs und 1000 Reiter nach Griechenland übergesetzt hatte, so
werden wir sie mindestens ebenso hoch als die des Jahres 169 an-
setzen können. Damit wäre der Bestand auf 87 gröfsere Kriegs-
schiffe gewachsen, zu denen noch 76 kleinere (lembi) von Gentios
und den hellenischen Städten an der Westküste Griechenlands hinzu-
l) Liv. 44, 20, 5 heifst es Appiura . . in summo periculo esse, nisi propere
iustus exercitus eo mittebatur. Damit wird von den Annalen selbst zugegeben,
dafs vorher kein iustus exercitus, also keine 18000 Mann dort gewesen sind.
348 ^er Krieg gegen Perseus.
kamen (Liv. 42, 48, 8). Die griechischen Kontingente wurden als
überflüssig bei der ausgesprochenen Übermacht der Römer sofort
wieder nach Hause entlassen (Liv. 42, 56, 7; Pol. XXVII 7, 14 f.); die
lembi der Westgriechen und des Gentios ohne Zweifel ebenfalls.
Die Bemannung der Schiffe, der exercitus navalis, war so bedeutend,
dafs davon aufser 2000 Mann pergamenischer Truppen 10000 Mann
zur Belagerung von Haliartos gestellt werden konnten (Liv. 42, 56, 5),
und dafs man im Jahre 169 daran gehen konnte, eine Stadt wie
Kassandrea, die aufser der eigenen Bürgerwehr eine Besatzung von
2800 Mann hatte (S. 301 A. 2), ernstlich zu belagern. Dafs die Mann-
schaften im Laufe des Krieges wiederholt ergänzt sind, mögen wir
den Annalen glauben, aber ihre Zahlen im einzelnen haben keine
Bedeutung (Liv. 43, 12, 9. 44, 21, 10, vergl auch 20, 6).
Bei Issa (Lissus) im Adriatischen Meere sollen seit 170 10 Schiffe
mit 2000 Mann stationiert gewesen sein (Liv. 43, 9, 5).
Ob diese Flotte bei der Besiegung des Königs im Jahre 168
mitgewirkt hat, als Anicius die 80 Lemben des Königs schlug
(Liv. 44, 30, 15; App. 111. 9), läfst sich nicht entscheiden.
Wenn wir alle diese Zahlen zusammennehmen
das Hauptheer auf rund 40000
das Heer des Anicius auf rund 30000
die Seeheere auf über 12000
die nachweisbaren Grössen mithin auf über 82 000 Mann ansetzen, so
werden wir die wahrscheinlich aus Polybios (Nissen S. 300, Schulze
S. 22 f.) stammende Nachricht des Plutarch (Aem. 12), dafs die
Römer im Jahre 168 100000 Mann gegen Perseus unter Waffen ge-
habt hätten, als mit den Verhältnissen wohl übereinstimmend be-
zeichnen können.
IV.
Die Feldzüge Sullas in Griechenland
(87—86 v. Chr.).
Vorbemerkung.
Wer die bisherigen modernen Darstellungen der Operationen
Sullas in Griechenland und die Schilderungen der beiden grofsen
Schlachten, in denen er die Feldherren Mithridats überwunden hat,
betrachtet, kann sich dem Eindrucke nicht entziehen, dafs hier alles
im Unbestimmten und Nebelhaften zu schwimmen scheint. Man wird
weder über das Wo und Wie der einzelnen Bewegungen so orientiert,
dafs man sich ein klares Bild machen kann, noch über die Absichten
und Ziele der beiderseitigen Heeresleitungen so belehrt, dafs ein be-
friedigender militärischer Zusammenhang zu ersehen ist. Die Heere
stehen sich plötzlich einander gegenüber, die Schlachten werden ge-
schlagen, eine Anzahl nicht recht zusammenhängender Details wird
erzählt, zuletzt ist der Sieg erfochten. Wie die Situation zustande
gekommen ist, welches die Absichten der Feldherren bei den ein-
zelnen Operationen vor dem Zusammenstofse und bei den einzelnen
Bewegungen während der Schlachten selbst gewesen ist, bleibt meist
dunkel.
Die Gründe für die merkwürdige Erscheinung, dafs die Taten
eines der gröfsten militärischen Genies der Römer unserem Verständ-
nisse noch so fern stehen, obgleich Sulla sie selber in seinen Memoiren
ausführlich dargestellt hat, und diese Darstellung uns noch teilweise
erhalten ist, sind nicht so gar schwer zu begreifen. Sie liegen zu-
nächst in der Beschaffenheit unserer Quellen.
Plutarch und Appian, unsere Hauptberichterstatter über diese
Ereignisse, gehen zwar beide auf die erwähnten Memoiren Sullas
zurück1) und haben also ein vorzügliches Material als direkte oder
*) s. darüber Beilage II.
352 Die Feldzüge Sullas in Griechenland.
indirekte Vorlage zu ihrer Verfügung gehabt. Denn es ist nicht an-
zunehmen, dafs die militärischen Aufzeichnungen eines so klaren und
kühlen Kopfes, wie Sulla es war, trotz Übertreibungen und Glori-
fizierungen aus militärischen Unmöglichkeiten und militärischem Un-
sinn zusammengesetzt gewesen sind oder sich mit rhetorischen All-
gemeinheiten begnügt haben sollten. Auch geben die vielen noch
uns erhaltenen Lokalangaben, die von Plutarch aus der Umgebung
seiner Vaterstadt Chäronea zufällig erhalten sind, keinen Anlafs zu
solchen Vermutungen. Aber die beiden genannten Historiker, die
Sulla benutzten, waren als Militärschriftsteller Gröfsen dritten Ranges
und haben ihre Vorlage teils verkürzt und mifsverstanden, teils durch
Zusätze entstellt, so dafs es auf den ersten Blick schwer erscheint,
in ihren Berichten die Spreu von dem Weizen zu sondern.
Dazu kommt aber zweitens, dafs die militärischen Vorgänge
aufser von Leake bisher eigentlich von niemand ernstlich im Zu-
sammenhange mit der topographischen Lage der erwähnten Örtlich-
keiten in der Umgebung von Chäronea untersucht worden sind, so dafs
die Grundlage für ein Verständnis der einzelnen Operationen nicht
vorhanden war, ganz abgesehen davon, dafs man infolgedessen diese
Einzelvorgänge auch nicht recht in das grofse Ganze der militärischen
Lage hineinsetzen und fragen konnte, welche Bedeutung ihnen inner-
halb dieses Rahmens zugekommen ist. Dieser Mangel macht sich
aufser in den älteren Darstellungen auch in der Reinachs fühlbar, die,
so verdienstvoll sie sonst ist, doch gerade in militärischer Beziehung
nicht ganz auf der Höhe der Gesamtleistung des Verfassers über
Mithridates steht und eine Anzahl von militärischen und topographi-
schen Unmöglichkeiten enthält, deren sich der Darsteller nicht be-
wufst geworden ist1).
Die natürliche Folge dieser Lage ist es gewesen, dafs der
neueste Bearbeiter dieser Ereignisse, H. Delbrück2), geglaubt hat,
auf jegliches positive Resultat endgültig verzichten zu müssen, und
in den uns erhaltenen Berichten nur „die Produkte der dürftigen
Phantasie eitler Rhetoren" erblickt, die den Dingen selber ganz
gleichgültig gegenüberstanden, und aus deren Erzählungen daher auch
schlechterdings nichts zu lernen sei.
x) Mithradates Eupator von Th. Reinach. Deutsch von A. Goetz. Leipzig 1895,
2) Geschichte der Kriegskunst I 400 f.
1. Die milit.-polit. Lage u. die Ereignisse bis zur Schlacht v. Cbäronea. 353
Gegen diese Auffassung, die schon durch die Fülle von speziellen
topographischen Angaben in Plutarchs Feldzugsbericht aufs bündigste
widerlegt wird, zu polemisieren, hat keinen Zweck, und zwar um so
weniger, als sie sich ihrer ganzen Durchführung nach nicht als wissen-
schaftlich begründete Ansicht, sondern höchstens als ein geistreiches
Apercu charakterisiert.
Wir glauben, dafs ihre beste Widerlegung ebenso wie die Er-
gänzung der Mängel der anderen erwähnten Darstellungen in einer
positiven Darlegung des Herganges, wie er sich uns herausgestellt
hat, besteht, und wollen daher einfach und ohne unnötige Rückblicke
den Versuch machen, unter sorgfältiger Prüfung der ganzen politisch-
militärischen Lage, unter Heranziehung alles erreichbaren topographi-
schen Materials und unter tunlichster Klarstellung der durch die all-
gemeine strategische Situation erschliefsbaren Absichten und Ziele der
beiderseitigen Heeresleitungen den militärischen Zusammenhang der
Operationen und den Gang der schliefslichen Entscheidungen zu
rekonstruieren und dem Leser möglichst anschaulich vor Augen zu
führen.
1. Die militärisch-politische Lage1) und die Ereignisse
bis zur Schlacht von Chäronea.
Mit ungeahnter Energie und Entschlossenheit hatte der kleine
Fürst von Pontos den ihm durch die Habsucht und den Übermut der
römischen Emissäre aufgedrungenen Kampf aufgenommen und ihn
zum Staunen der Welt im Frühling 88 v. Chr. mit den reifsendsten
Erfolgen eröffnet.
Bithynien und Kappadokien, die ganze römische Provinz Asien
waren in einem Sommer überrannt, die römischen Truppen zersprengt,
ihr Führer, der Prokonsul von Asien, gefangen, und alsbald schweiften
die Blicke des Königs hinüber nach dem europäischen Festlande.
Der beste Feldherr der pontischen Armee, Archelaos, wurde an der
Spitze einer Flotte und eines Landungskorps noch in demselben
Sommer ins Ägäische Meer entsendet; die Inselwelt von Makedoniens
l) Die Belege für die in diesem Abschnitte angeführten Tatsachen findet
man, soweit sie hier nicht angegeben sind, am vollständigsten bei Th. Reinach in
dem S. 352 genannten Werke.
Kromayer, Antike Schlachtfelder. II. 2ö
354 Die Feldzuge Sullas in Griechenland.
Küste bis zum Kap Malea fiel ihm zu, Athen öffnete ihm die Tore,
und der Piräus mit seinen festen Mauern wurde seine Basis für
Hellas1). Alsbald traten Achaja und Lakonied, ja der ganze Peloponnes
zu ihm über; Böotien mit der Hauptstadt Theben, Euböa mit der
wichtigen Festung Chalkis schlössen sich an2). Kaum konnte der
römische Statthalter von Makedonien, Sentius Saturninus, durch seinen
tapferen Legaten Bruttius Sura die Angriffe zur See auf Thessalien
und Demetrias abwehren8) und, als das geglückt war, denselben
Offizier mit einem kleinen Korps nach Mittelgriechenland vorschicken,
um womöglich der tapfer sich wehrenden Stadt Thespiä, der einzigen,
die in Böotien noch widerstand, Hilfe zu bringen; kaum gelang es
dieser kleinen Truppe von nur etwa 2000 Mann, in dreitägigen
Plänkeleien, wohl um die Pässe bei Chäronea, das Vordringen der
ersten asiatischen Vortruppen nach Phokis hinein bis zur Ankunft
stärkerer Truppen vorläufig aufzuhalten 4).
Aber der Schnelligkeit und den äufseren Erfolgen dieses Vor-
stofses entsprach doch nicht seine innere Kraft. Mit dem Erscheinen
') Plut. Sulla 11, 19: 'Ag/ekttog tccTc /utv rccvalv 6/liov ts ov/unciorjg IntxQUJuJv
Ttjg dciXaiir^q rrtg te KvxlctJag rr}Oovg ISovlovro xctl iwv alloov, oaa MaXiag tvrog
tdowTOLL.. Ix ö\ 'Adrivuv d^jnio^ueiog ra pe/Qi QeoactXictg sdvt) Trjg 'EXXaöog a^iarr].
App. Mithr. 29, 2. — Die Mauern des Piräus App. 30, 18 und Reinach 150, 4.
2) Peloponnes: App. Mithr. 29,7; Memnon 32. Böotien: App. ib. 29,8.
30, 12; Paus. IX 7, 4. Euböa: Memnon 32: 'EqtTQtag xal XaXxiöog xal oXrjg Eußuiag;
Plut. Sulla 11,21; Flor. I 40,8. Ihne (V 322) schliefst aus den Kämpfen bei
Chalkis, dafs die Stadt zur Zeit der Belagerung Athens in den Händen der Römer
gewesen sei. Davon steht aber nichts bei Appian (Mithr. 34). Es ist damals
sowie später (s. unten S. 380) in der Gewalt der Pontiker.
3) App. Mithr. 29, 10 f. Über die Personen Plut, Sulla II, 24 und
Reinach S, 148.
4) Plut. Sulla 11, 2G f.; App. Mithr. 29, 20 f. Appians Bericht, nach welchem
Sura sich nach Ankunft von lakonischen und achäischen Verstärkungen der Pontiker
nach dem Piräus zurückgezogen haben soll, ist nach Lage der Dinge unmöglich.
Nach Plutarch geht er bei Ankunft von Sullas Vortruppen unter Lucullus nach
Makedonien zu seinem Statthalter zurück. Das entspricht den Verhältnissen. So
urteilt auch Reinach S. 149 A. 1. Römische Truppen scheinen den ganzen Winter
über in Chäronea gelegen zu haben. Plut. Kimon 1,4. Dazu Reinach a.a.O.
Dafs Sura zur Unterstützung des belagerten Thespiä (App. Mithr. 29, 9) abgesandt
sei, ist eine wahrscheinliche Vermutung von Reinach. — Über die Truppen des
Sura heilst es App. 30,20: inl öt Boimiav TQuntig iteQcov ol %Ui(ov inniiav y.cu
nt&v tx Maxtdoviag inekSövioiv, woraus wohl zu schliefsen ist, dafs er auch vor-
her 1000 Mann gehabt hatte.
1. Die milit.-polit. Lage u. die Ereignisse bis zur Schlacht v. Chäronea. 355
eines operationsfähigen Heeres von fünf Legionen oder 25—30 000
Mann (s. Beilage I) unter Sulla in Griechenland im Sommer 87 v. Chr.
sahen sich alsbald die Asiaten in die Defensive zurückgeworfen. Sulla
beherrschte unbestritten das offene Feld, sobald er den Boden Griechen-
lands betreten hatte, und schneller, als sie sich den Asiaten zu-
gewandt, kehrten jetzt die griechischen Kleinstaaten unter die Fittiche
Roms zurück: Böotien, der Peloponnes, das flache Land von Attika
fielen Sulla zu; Archelaos und sein Helfer, der Tyrann Aristion, mufsten
sich im Piräus und in Athen selbst einschliefsen lassen1). Es war
eben nur die Avantgarde der pontischen Armee gewesen, mit der
Sulla bisher zu tun gehabt hatte. Indessen leistete diese Avantgarde,
was ihre Aufgabe war: sie schuf der grofsen Armee die Zeit, in aller
Ruhe heranzukommen. An den Mauern der beiden Festungen, in die
sie sich geworfen, brach sich zunächst die Kraft des römischen Gegen-
angriffes. Erst nach mindestens halbjähriger Belagerung, unter
den gröfsten Anstrengungen und bedeutenden Verlusten ist es Sulla
gelungen, am 1. März 86 Athen und bald darauf auch den Piräus
zu erobern2). Nur die Akropolis von Athen und die Felsenfeste
Munychia im Piräus blieben noch in der Hand der Feinde3).
') App. 30, 10: 7TcioodtvovTi tf' avxtp (dem Sulla) Botcoiicc rf d&ooojg ^m-
%(ooti, /(jjo\g okiyoji', xcä ib /usya äöiv cd Orjßai . . . 71q)v h neToctv tXSeTv . . . uere-
itd-tVTo. Plut. Sulla 12,5: Zvllag öl rag f.iiv uXXag noXetg ev&vg s?/ev...
Talg df 'A&ijraig . . ä&oovg Iniair] xal top ütiocticc . . . tnoXiöny.ti. Ebenso Taus.
IX 7,4; Memnon 32. Dafs sich Archelaos dem Sulla im offenen Felde gestellt
habe und sich erst nach einer Niederlage nach Athen und dem Piräus zurück-
gezogen habe, wie Pausanias (I 20, 5) und Memnon (32, 1) berichten, ist bei den
beiderseitigen Truppenverhältnissen (Beil. I) nicht wahrscheinlich. Der Übergaog
des Peloponnes an die Römer wird nicht ausdrücklich erwähnt, folgt aber aufser
aus den angeführten allgemeinen Angaben auch daraus, dafs Sulla die Tempel-
schätze von Olympia und Epidauros für seine Zwecke verwandte (Plut. Sulla
12,25. Diod. 38,7) und im Peloponnes eine Münzstätte unter Lucullus errichten
liefs (Plut. Luc. 2. Reinach 151 A. 2).
2) Das Datum 1. März bei Plut. Sulla 14, 10 stimmt mit der natürlichen
Zeit, da der römische Kalender in dieser Epoche in Ordnung ist. Unger bei
Müller, Hdb. I 642. Der Beginn der Belagerung fällt noch in den Sommer 87,
da Sulla nach längerer Belagerung (Bau von Maschinen, Ankunft einer Verstärkung
unter Dromichätes usw. App. 30 — 32) /jt/Ltcövog iniuvTog (App. 33, 4) einen Teil
seiner Armee nach Eleusis verlegt. Ausführliche Beschreibung der Belagerung
bei Appian cap. 30 — 40. Reinach 150 ff.
3) Plut. Sulla 14, 16 f.; App. 39,15. 24; Paus. I 20,6. Ein Widerspruch
zwischen Appians ov /ueia noXv und oXCyov varegov für die Einnahme der Akropolis
23*
35G Die Feldzüge Sullas in Griechenland.
So hatte Archelaos durch seine zähe Verteidigung Zeit gewonnen
für die Fortschritte der Hauptarmee, welche erst unter der Führung
des Prinzen Ariarathes oder Arkathias und nach dessen Tode unter
Taxiles während dieser Kämpfe auf dem Landwege über Thrakien
und Makedonien vom Ilellespont her herangerückt war. Abdera,
Philippi, Amphipolis waren von ihr genommen worden, ganz Make-
donien nach tapferer Gegenwehr verloren gegangen, und schon hatte
sie sich den Thermopylen genähert, als endlich Athen und der Piräus
den immer heftiger, dringender, verzweifelter werdenden Angriffen
Sullas in letzter Stunde erlegen waren1).
Nach planmäfsiger Zerstörung des Piräus2), damit er nicht den
Asiaten von neuem zum Stützpunkt für gröfssre Truppenmassen dienen
könne, und nach Zurücklassung eines Belagerungs- und Beobachtungs-
korps für die Akropolis von Athen und Munychia wandte sich nun
Sulla sofort gegen den neuen Feind nach Böotien.
Zur grofsen Entscheidung mufsten von beiden Seiten alle ver-
ügbaren Truppen zusammengezogen werden.
Für die Asiaten war das nicht schwer: sie beherrschten die
See, und so konnte Archelaos von Munychia und Chalkis her, wo sein
Unterfeldher Neoptolemos stand3), ungehindert seine Truppen zu der
und Plutarch xqovov ov/röv besteht nicht. Curio lag mit seinem Detachement
nach Sullas Abmarsch bis zur Schlacht von Chäronea vor der Akropolis; bei
Sullas Rückkehr war die Burg übergeben (Paus. I 20, 6). Die Angabe des Pausanias
tqit)j vöitQov 11/Litycc widerspricht dem Gange der militärischen Ereignisse und
beruht wohl auf irgendeiner Verwechslung. — Munychia von Archelaos gehalten
Plut. Sulla 15,30; App. 40, 19.
') Eroberung von Abdera und Philippi folgt aus Granius Licinianus 26,4
(ed. Bonn.), die von Amphipolis und ganz Makedonien bei Memnon 32, 2 und
App. 35, 9. — Der Weitermarsch von Makedonien aus erfolgte natürlich durch
das Innere von Thessalien, durch den Tempe- und Pythionpafs und dann über den
Furkapafs bei Domoko (vgl. oben S. 60. 270). Dafs der Prinz Ariarathes oder
Arkathias auf dem Tisäon, dem äufsersten Vorgebirge der Halbinsel Magnesia,
stirbt (App. 35, 11), beweist nichts für die Marschroute, über die sich Reinach
unnötig den Kopf zerbricht (S. 161). An den Steilhängen der Halbinsel kann sie
natürlich nicht entlang gegangen sein. Der Prinz war ja krank (voatjcfccg), auf
Befehl seines Vaters vergiftet (Plut. Pomp. 37), und wird hier Erholung ge-
gesucht haben.
2) App. 41,4. Plut. Sulla 14,22.
3) App. 34, 27.
1. Die milir.-polit. Lage u. die Ereignisse bis zur Schlacht v. Chäronea. 357
Armee des Taxiles stofsen lassen, die von den Thermopylen alsbald
bis Elatea vorrückte und es belagerte1).
Weit schwieriger war die Konzentrierung für Sulla. Zwar den
Legaten Munatius, der bei Chalkis gestanden und von da die Be-
lagerung Athens gedeckt hatte2), konnte er leicht an sich ziehen,
aber weit schwieriger war es, sich mit den Streitkräften aus Italien
und Makedonien zu vereinigen. Q. Hortensius nämlich stand mit einem
Korps von 6000 Mann, das aus italischem Ersatz und den Resten der
makedonischen Provinzialtruppen bestand, in Thessalien, die Gegner
also zwischen beiden Armeen3). Bei den Thermopylen verlegten sie
ihm die einzige Militärstrafse, welche Mittel- und Nordgrieehenland
verbindet4). Aber es gelang dem Hortensius, unter landeskundiger
Führung den Gegner zu täuschen, auf Bergpfaden über den Parnafs
nach Tithora zu gelangen, die ihn dort angreifenden Feinde den Tag
über aus der festen Stellung in diesem Flecken abzuwehren und von
da mit einem Nachtmarsche zu Sulla zu kommen, der ihm entgegen-
gegangen war und sich glücklich bei Patronis mit ihm vereinigte5).
!) Sammelpunkt Thermopylä: App. 41, 20: 'Ao%£Xaog . . ovvrjytv ig GsQ/nonvlag
jcc Xotna. iov re idiov ötqutov nuviog, ov fycov yXds, xcd rov avv stoofiixatirj nctna-
ytyovoiog. ovvrjye J* xal to abv Anxadiq . . ig Maxedovietv ifxßaXov. Dafs er nicht
auf dem Landwege dahin marschiert sein kann, wie Appian will {dict Boimiag),
sondern zur See gegangen sein mufs, hat Reinach mit Recht betont S. 162 A. 1. —
Belagerung von Elatea Paus. I 20,6 neQixad^usvog'EhheiKV. X 34, 2. App. 41,9:
[AtTf/ojQovv ig rrjV fpcoxida.
2) App. 34, 27.
3) Memnon 32,3: 'OoTrjiGiov vntQ rag ti- xi^l(*o*ag äyovra i£ 'Irak lag.
Ein Supplementum für Sulla aus Italien können diese Truppen nicht gewesen
sein, da Sulla bereits vor Anfang 86 geächtet war. Fischer, Zeittaf. S. 179,
Reinach S. 155 A. 2. Daher ist Reinachs Vermutung (S. 155 A. 3), Hortensius sei
für Makedonien bestimmt gewesen und habe die Reste der dortigen Truppen mit
seiner aus Italien herangeführten Verstärkung vereinigt, sehr wahrscheinlich. So
würde sich am einfachsten erklären, wie die grofse pontische Armee sich zwischen
Sulla und Hortensius hatte schieben können, und woher die Makedonier in Sullas
Armee (App. 41, 16) zu ihm gestofsen sind. Der Nachfolger des Saturninus für
Makedonien, wie Reinach will, ist er aber doch kaum gewesen, da er als tiqe-
oßtvTTjg bezeichnet wird. Plut. Sulla 17, 6.
4) Plut. Sulla 15, 10: 'OoTrjVGtog . . . ov ix Qtncdiag ayovici tu> ZvXXq övvttfxiv
iv loTg OTtvoTg (Thermopylä) ot ßaoßccnoi 7T<xQS<fulc<TTov.
5) Plut. Sulla 15, 13: 'Oqit]VOiov öt Kd(pig, fjjLtfreoog aiv (d. h. ein Landsmann
des Plutarch aus Chäronea) irtoctig böotc ijjsvöci/iievog tovg ßccQßaQovg dia tov
üaQvaoaov xcijrjyev vii' avirv ir\V Ti&ooav . . . (pQovptov cmoQQuyi XQrjjuvai ntQi-
orjg Die Feldzüge Sullas in Griechenland.
Der Weg, den beide Heeresabteilungen zurückgelegt haben,
kann nach diesen Angaben unserer Quellen nicht zweifelhaft sein:
Hortensius mufs von Heraklea südlich durch die Anaposchlucht und
£rtes(aieh von da über Elefterochori die Senke des Öta überschritten haben,
ein Weg, den die Barbaren aus Unkenntnis der Gegend offenbar
nicht besetzt hatten1). In der Ebene von Doris angekommen, mufste
er sich, um den Parnafs zu erreichen und die das Flachland be-
herrschende feindliche Reiterei zu vermeiden, direkt südlich wenden
und so das hier nicht breite Tal des Kephissos durchqueren. Über
das Gebirge sind von hier aus zwei Wege möglich. Man kann sich
entweder mehr westlich halten und über den Khan von Gravia auf
leidlichbequemer Strafse nach Amphissa zu vorrücken2), dann östlich ge-
wandt über Delphi und Arakhowa die Parnafsgruppe südlich um-
gehen. Diesen Weg hat Hortensius nicht eingeschlagen. Denn er-
führt nicht an Tithora vorbei. Oder man kann zweitens, etwas mehr
östlich sich haltend, nach Agoriani am Nordfufse des Parnafs, nicht weit
von dem alten Liläa, marschieren. Von hier geht ein Pfad mit Pafs-
höhe von nur 1296 Metern auf die Hochfläche Livadia hinauf, die
etwa 1100 Meter Erhebung hat, und über die im Altertum ein direkter
Weg von Delphi nach Tithora führte. Diesen Weg mochte man etwa
bei den jetzigen Kalybia von Arakhowa erreichen (auf der Karte bei
„Livadi") und konnte ihn von da aus direkt nach Tithora hinunter
durch die Kachalesschlucht verfolgen5). Das mufs die Marschroute des
Hortensius gewesen sein. Auf ihm wurde die für das Detachement ge-
fährliche phokische Ebene vermieden und Tithora, das heutige Velitza,
erreicht. Die Natur schreibt diesen einzig möglichen Weg unzweifel-
haft vor.
Von Velitza aus mufs der Nachtmarsch, durch den sich Hortensius
den Belagerern entzog, ostwärts gegangen sein. Das Städtchen ist
nur von Westen und Nordwesten her einem feindlichen Angriffe zu-
gänglich. Im Norden und Osten wird es von der steilen und tiefen
xonjojJtvov iviavSa xuiaaiQctiontöeCaag Voiijrows wiqas l**v änty.Qovaaro rovg
noJie/ui'ovg, vvxnag <T int IlaTQ<ov(dci rcdg dvo/MQuag xeiraßag unavi^oavii uo ZvXXq
{ietcc jrjg duraptoog awifii^
») Man vergleiche über diesen Weg die oben S. 139 gegebene Ausein-
andersetzung.
2) s. über diesen Weg Bd. I S. 145 f.
3) Man vergleiche über diesen Weg Bd. I S. 144 A. 1 und 3.
1. Die milit.-polit. Lage u. die Ereignisse bis zur Schlacht v. Chäronea. 359
Schlucht des Kachales umschlossen, die jeden Angriff von dieser Seite
unmöglich und Mauern hier unnötig macht1). Das sind die dvoxcoQoai,
durch welche Hortensius hinabsteigt und dem ihm entgegenrückenden
Sulla die Hand bietet. Wir werden den Vereinigungspunkt, das sonst
unbekannte Dorf Patronis, nicht allzuweit von Velitza in der Gegend
zwischen dem Dorfe Biskini und Hagia Marina am Nordausgange des
Passes von Davlia (Daulis) zu suchen haben2). Denn durch diesen
Pafs hat ohne Zweifel Sulla den" Anschlufs an Hortensius gesucht.
Seine Marschroute von Athen über Theben ist nämlich bis
Chäronea hin durch die grofse, durch Mittelgriechenland hindurch-
ziehende Hauptstrafse vorgeschrieben. Von Chäronea aus konnte er
einen doppelten Weg einschlagen, entweder durch den Engpafs von
Parapotamioi am Kephissos entlang gehen oder etwas weiter westlich
den Pafs von Davlia benutzen. Da die phokische Ebene von den
Truppen der mit der Belagerung von Elatea beschäftigten Gegner
durchschwärmt wurde, so ist es wahrscheinlich, dafs er sie, solange
es tunlich war, vermieden, sich südlich vom Paroriberge an den
Parnafs herangezogen und den leicht zu überschreitenden, nur
192 Meter hohen Pafs von Davlia zur Vereinigung mit Hortensius
benutzt hat3).
Der weitere Fortgang der Ereignisse, wie ihn uns besonders
Plutarch in seinen von guter Lokalkenntnis unterstützten Berichten er-
halten hat, ist nun nach unseren Quellenberichten folgender gewesen:
Die vereinigte römische Armee, 15 000 Mann zu Fufs und
1500 Reiter stark, bezieht inmitten der Ebenen von Elatea auf dem
1) Bursian I 166, dessen Darstellung ich aus eigener Anschauung be-
stätigen kann.
2) Leake II 104 hat vermutet, dafs Patronis mit dem bei Pausanias
X 4, 10 (7) genannten Tronis im Gebiete von Daulis identisch sei und eine Text-
korruptel bei Pausanias vorläge. Möglich. Aber das hilft uns nicht weiter.
Denn die Lage des von Pausanias genannten Ortes innerhalb des Stadtgebietes
von Daulis, dessen Ausdehnung wir zudem nicht kennen, ist auch unbekannt; in
der Ebene von Chäronea, wie Leake meint, braucht er deshalb aber keineswegs
gelegen zu haben.
3) Die Benutzung dieses Passes durch die Römer nimmt auch Leake an
II 48. — Über seine leichte Überschreitbarkeit vergleiche man aufser Leake, der
den Weg von Biskini nach Davlia in einer Stunde machte, Bd. I dieser Schlacht-
felder S. 141 A. 1.
360 Die Feldzüge Sullas in Griechenland.
Hügel Philoböetos ein Lager1). Ihre geringe Zahl ist den Gegnern,
die um mehr als das Dreifache überlegen sind, so verächtlich, dafs
die Unterfeldhcrren den Archelaos trotz seiner Abneigung gegen eine
Entscheidung zwingen, die Schlacht anzubieten und seine auf Aus-
hungerung der Römer angelegte Strategie zu verlassen2). Die Über-
macht des Feindes jedoch und ihre glänzende Ausrüstung hat die
römischen Soldaten so eingeschüchtert, dafs sie nicht zu bewegen
sind, sich von ihren Lagerwällen zu entfernen und dem Feinde in
der Ebene entgegenzutreten3). Es bleibt Sulla nichts übrig, als sie
schanzen und in dreitägiger, unerbittlich fortgesetzter Arbeit den
Kephissos durch Gräben ableiten zu lassen, um sie durch diese
Strapazen zum Kampfe williger zu machen4).
Aber der Übermut der Gegner ist durch die Weigerung der
Römer noch mehr gewachsen. Grofse Teile des Heeres schweifen in
der Gegend umher; ihre Streif- und Plünderungszüge erstrecken sich
bis nach Panopeus und Lebadea, die beide von ihnen zerstört werden5).
Indessen hat Sullas Mittel verfangen: die Soldaten verlangen jetzt
selbst die Schlacht. Da befiehlt er ihnen, wenn sie wirklich ernst-
lich kämpfen wollten, die verlassene steile und felsige Akropolis der
Stadt Parapotamioi zu erstürmen, gegen die eben von Seiten des
Gegners die Chalkaspiden vorgehen. In der Tat gelingt es den
Römern, dem Gegner in der Besetzung dieses wichtigen Punktes zu-
vorzukommen6).
1) Plut Sulla 16,23: yevo/utvoi ös xotvrj xazaXafjßdvorTai ßovvbv ix /utawv
iarcoTct twv 'EXcitixiov naötuiv evytcav xaX ä/LiAftXayrj xccl naQu Tr\v yi'Cav vdtoQ
i/ovjct' fpiXo ßotqio g xaXehai, xai rrjv qvaiv avrov xai Ti]V &eGtv inaivtl
&ccv/itc<Gi(ü$ ö 2vXXag.
2) ib. 16,30: o&tv ixßiaöäfAavoi ibv *Aq%€Xcwv ol Xoinol OTQcarjyol xccl naoa-
TugccvTeg rrjv dvva/uiv, ivinXrjaav . . ro tteöiov. Archelaos' Absicht, eine Schlacht
zu vermeiden und die Römer auszuhungern, Plut. 15,32: xQovoTQißtiv 70V noXtuov
xai tag simoniag aviwv äifcuQtTv.
3) ib. 16,9: wais joig 'Pcojuaiovg vnb ibv /cwaxa avaxeXXeiv saviobg xcu
xbv ZvXXav /LuiJevl Xbyu> ib &d/ußog aiircov aqeXtiv 6vrcituevor. Ebenso App.
Mithr. 42, 19.
4) ib. 16,25: ngoadycov ctvrovg tjvayxate röv is Krjqiobv ix iov fei&yov
7lCtQCiTQ87T6tV XCU TCUf QOVg OQVOOtlV . . TQlH]V . . rjfXfQCiV iQyaCÖjLlSVOl USW.
5) ib. 16,18: 6 nXeioiog o/Xog donaycug xcu nootirjuaGi ötXeaL,ö^evog odbv
tj/U€Q(JüV 7ToXXü)V «7TO 70V GTQCITOK tdov ÖltGntlQtTO. Kai TTjV Tf IIaV07T£CüV 7Tü).lV
Ixxoxpai Xeyoviai xai rr)v A&ßaö £u>v diaondocu.
6) ib. 16, 2 : Ixilevaev rjdi] fxtxa linv onXwv IX&hv ixeios, deigag ahoig im
1. Die milit. polit. Lage u. die Ereignisse bis zur Schlacht v. Chäronea. 361
Von hier zurückgeworfen beschliefst nun Archelaos einen
Angriff auf Chäronea1). Aber Sulla schickt der bedrängten
Stadt aufser der eigenen in seinem Heere kämpfenden Schar
von Chäronenser Bürgern eine Legion zu Hilfe und marschiert
dann mit dem ganzen Heere nach2). Nachdem er den Assos
überschritten und am Fufse des Hcdyliongebirges entlang marschiert
ist, lagert er dem Archelaos gegegenüber, der zwischen dem Hedylion
und Akontiongebirge ein festes Lager aufgeschlagen hat, an einer
Stelle, die noch zu Plutarchs Zeit den Namen Archelaos führte3).
In dieser Stellung bleiben die Heere einen Tag stehen, dann setzt
Sulla, nachdem er am Kephissos ein Opfer gebracht] und den
Murena mit einer Legion und zwei Kohorten zurückgelassen hat,
um die Feinde während ihres Aufmarsches in Schlachtordnung zu
belästigen, den Marsch auf Chäronea fort, zieht die Legion aus der
Stadt, die ihm entgegenkommt, wieder an sich und erkundet die
Stellung, welche die Gegner auf dem Orthopagos bei Chäronea ein-
genommen haben4). Durch eine Umgehung, die er vom Petrachos
7TQOT6QOV jutv ytvoi.iEi>riv ccxQonoXiv t (ü v naQanoTccfjicov, Tort dt avrjoijutrqg
Ttjs noXtcog Xocfiog IXecnero ntTQCüdrjg xal ntQixorjuvog tov 'HdvXiov di(OQiGf.tivos
ogovg üOov 6 Aooog tniyu ()tcov, tha GvfAninicov, vnb tt\v oi'Cav ccvjrjV ko
Ky](ftGuJ xal avvtxTQa/vvoutvog 6yvoc\v tvaToaTontdtvaca irjv axouv noitT • dcb xccl
Tovg yaXxaaniöag oguiv t(Zv noXt^iitov cioOovfxsvovg tn avTt]V 6 ZvXXccg tßovXtio
(f&rjrca xaTaXaßutv tov totiov. Über die unverständlichen Worte ogov 6 "Aaoog
intyet oioiv schreibt mir E. Schwartz: „Da nicht bekannt ist, was in den Hand-
schriften steht, weifs ich nichts zu machen: ich möchte glauben, dafs nach ooovg
die Beschreibung der Ebene unter dem Kegel von naQanoTa^iioi einsetzt; sie ist
ausgefallen bis auf den Schlufs. Mit einfachen Mitteln bringt man die Stelle
schwerlich in Ordnung." Man vergleiche über die Örtlichkeit selbst S. 365 A. 1.
1) ib. 16, 12: cmoxQova&tlg Ixudtv . . . wo/urjotv inl irjv X-aigdreiav.
2) ib. 16, 15: ixntfxnsi twv /iXiccq/cov %va Tctßlviov [Ana rayficcrog ivbg xccl
Tovg Xcuocorelg aipirjGi.
3) ib. 17, 3: intidr] dt ditßr] rbvAGGov 6 ZvXXag nccQtXdwv vnb rb 'lldv-
Xiov tw 'Ao^tXäco naotaToaTonedtvat, ßtßXrjiitrco yaQaxa xctQTtobv tv (liocp tov Axov-
iiov xctl tov HdvXiov 7iQog lolg Xtyojxtvoig 'Aoototg. O [a^vtoi ronog h cb xcat-
Gxqycüoer, «'/Qt, vvv AQx$X«og c\n Ixtivov xuXthcu.
4) ib. 17, 8: diahncbv dt /uiccv rjueouv ö ZvXXag Movq^vkv tiä*> t/ovrcc räy/ua
xcu anttQctg ovo Tioog xb roTg noXtfAioig ivo/Xi]Gai nctQctjaTTOfJEVotg antXintv, aviog
dt TICiOU TOV Kt](flG0V £OqttyiC<.L,tTO XCU .. l/CüOfl TTOOg TljV Xdl Q(OVS t av, avct-
X),\pÖutv6g T€ 7)]V CtVTÖ&l GTQCCTUiV XCU XUTOljJO/JtVog TO XCiXov/UiVOV QoVQlOV V710
J(vv noXeftiojv nooxcatcX^u/utvov. "Egti dt xoQvqrj Toaytla xcu GTQußtXwdtg ooog o
xaXovfxev 'Oo&onctyov.
362 l)io Feldzüge Sullas in Griechenland.
aus über das Museion unter ortskundiger Führung machen läfst,
gelingt es ihm in der Tat, das Korps noch vor Beginn der Schlacht
selber von der Höhe zu vertreiben und auf die Hauptmacht der
Gegner in der Ebene zurückzuwerfen ').
Soweit unsere Berichterstattung. Es fragt sich, ob es möglich
ist, diesen nicht ohne weiteres klaren Bericht mit Hilfe der vielen
in ihm vorkommenden topographischen Angaben soweit zu lokali-
sieren, dafs man sich von den beiderseitigen Bewegungen eine Vor-
stellung machen und daraus den Zusammenhang der militärischen
Mafs n ahmen sowie die Absichten der beiderseitigen Heeresleitungen
erkennen kann.
Die erste Örtlichkeit, um die es sich handelt, ist der erste
römische Lagerplatz, der Philoböetoshügel. Man versteht unter ihm
Hierzu Karte ° l ' °
Ko-10- nach Leakes Vorgang gewöhnlich den Berg Parori, welcher mit breiter
Masse und stattlicher Erhebung die phokische von der böotischen
Ebene trennt2).
Aber diese Identifizierung ist nicht richtig. Abgesehen davon,
dafs der Paroriberg besonders an der in Betracht kommenden Nord-
seite viel zu steile und felsige Abstürze für ein Lager hat, liegt er
auch gar nicht „inmitten der Ebenen von Elatea" (S. 360 A. 1) sondern
schliefst die Ebene vielmehr im Süden ab3)- Dagegen gibt es im
östlichen Teile der phokischen Ebene südlich von Elatea drei andere
kleine Hügel, welche, vollkommen isoliert voneinander und von
den umgebenden hohen Ranclgebirgen, mitten aus der sie umgebenden
flachen Landschaft hervorragen. Das sind die Hügel von Hagia
*) ib. 17,30; Zwei Chäronenser bieten sich zu der Umgehung an: axQanov
yctQ ilvaL 101g ßctQßctQoig adrjlov ccnb tov y.alov/neiov IIstqu/ov naQct ro Movaeiov
Inl to Qovqiov vjtIq xeqcclrjs ayovaav usw.
2J Leake II 194: the remarkable insulated conical height between Bissikeni
and the Cephissus. Bursian 157, 1. 164.
3) Elatea liegt bekanntlich am Nordrande des östlichen Teiles der phoki-
schen Ebene, und man kann daher, da es die bedeutendste Stadt dieser Gegend
ist, sinngemäfs den ganzen östlichen Teil der phokischen Ebene als Ebene von Elatea
oder, insofern sie durch mehrere isolierte Hügel unterbrochen wird, als „Ebenen
von Elatea" bezeichnen. Niemals aber konnte der Chäronenser Plutarch die
Ebene südlich des Paroriberges, welche zur Ebene von Chäronea, gehört zur Ebene
von Elatea rechnen. Auch die späteren militärischen Ereignisse widersprechen
der Identifizierung von Parori und Philoböetos, [da Sulla, um von seinem Lager
nach Chäronea zu kommen, den Assos d. h. den Bach Kineta überschreitet (s.
unten S. 369.)
J. Die milit.-polit. Lage u. die Ereignisse bis zur Schlacht v. Chäronea. 363
Marina im Westen, von Krevassara in der Mitte und von Merali im
Osten. Einer von ihnen mufs der Philoböetos sein, und es kann
nicht zweifelhaft bleiben, welcher es ist.
Beim Lager der Römer auf dem Philoböetos wurden die Erd-
arbeiten zur Ableitung des Kephissos gemacht (S. 360 A. 4), und man
konnte von da aus die Burg von Parapotamioi sehen (S. 360 A. 6:
öeuag), die, wie sofort gezeigt werden wird (S. 365), westlich vom Dorfe
Belessi am Durchbruch des Kephissos lag. Das schliefst den Hügel von
H. Marina aus und spricht mehr für den Hügel von Krevassara als den
von Merali. Denn an dem von Krevassara fliefst der Kephissos ganz
nahe vorbei. Dazu kommt, dafs nach einer anderen Nachricht zwei
Strafsen, welche von Phokis nach Böotien gehen, nahe an den beiden
Seiten des Philoböetos vorübergeführt haben1). Das pafst gar nicht
auf den Hügel von Merali, wohl aber auf den von Krevassara, an
dessen Ostfufse die grofse Strafse von Drachmani und den Thermo-
pylen nach Theben über den Flufs setzt, während die Strafse, welche
von Dadhi, vom inneren Phokis und Doris, herkommt, dicht an dem
Westfufse des Hügels vorbeigeht.
Der Hügel von Krevassara ist also der alte Philoböetos, auf
ihm hat das römische Lager gelegen (s. Karte „Erstes Lager
Sullas").
Dies erste Resultat ist für das Verständnis der militärischen
Vorgänge von grofser Bedeutung:
Die Pontiker belagerten, wie erwähnt Elatea (S. 357). Der
Hügel von Krevassara liegt nur 7 Kilometer südlich von der Stadt;
er beherrscht die Ebene und ist wie geschaffen, um von ihm aus
die Belagerung zu beobachten und zu bedrohen.
Die Folge dieser Stellungnahme Sullas war, dafs Archelaos die
Belagerung Elateas aufgab. Gesagt wird das in unseren lücken-
. l) Das berichtet Polyän V 16, 1 bei Gelegenheit der Rückkehr des Pam-
meues aus Phokis nach Böotien. Pamraenes tut als wolle er rechts vom Hügel
vorbei, und als er die Gegner dadurch auf diese Seite gelockt hat, wendet er sich
schnell nach links und ist an der gefährlichen Stelle vorüber, ehe sie besetzt ist.
Man kann sich die Sache so vorstellen, dafs Pammenes von Elatea herkam, die
Enge zwischen Kephissos und Berg von Krevassara verlegt fand und unter
Täuschung der Feinde westlich um den Hügel herummarschierte. Freilich hatte
er hier Platz genug westlich vom Hügel fern zu bleiben. Aber ohne Weg mar-
schiert es sich schlecht, besonders für einen mit Beute beladenen, aus Feindes-
land heimkehrenden Zugr.
364 l^0 Feldzüge Sullas in Griechenland.
haften Berichten zwar nicht ausdrücklich, es geht aber aus den nach-
folgenden Ereignissen hervor, zunächst aus dem wiederholten Schlacht-
angebot in der Ebene von Seiten der pontischen Heeresleitung
(S. 360). Als Schauplatz dieser Herausforderungen haben wir uns
die Ebene nordöstlich oder östlich vom Krevassarahügel zu denken,
da man das Lager der Politiker auf dem Hügel von Merali oder
wenigstens in der Gegend desselben anzusetzen hat. Das folgt näm-
lich daraus, dafs die Pontiker nach einigen Tagen den Versuch machen,
die Burg von Parapotamioi bei Belesi zu besetzen (S. 361). Hätten
sie ihre Stellung nördlich oder gar nordwestlich vom Krevassarahügel
in der Ebene gehabt, was ja an sich möglich gewesen wäre, so wäre
der Besetzungsversuch der Höhe von Belesi schwer verständlich (s.
Karte: „Erstes Lager des Archelaos").
Zwischen den beiden Stellungen der beiden Heere fiofs der
Kephissos. Er ist im Sommer kein absolutes Bewegungshindernis ]).
Aber selbstverständlich ist es für ein Heer immer ein grofses Wagnis,
den Flufs in Angesicht des Gegners zu überschreiten: Wir haben darin
den Grund zu sehen, weshalb Sulla die Schlacht weigerte und das
Heer unmittelbar vor den Wällen seines Lagers hielt. Denn um eine
Schlacht möglich zu machen, mufste nicht der Feind, sondern er über
den Flufs. Der Raum zwischen Flufs und Berg auf der rechten Seite
des Kephissos ist zu schmal für einen Kampf. Wir haben aber ferner
in diesen Verhältnissen auch den Grund, weshalb er seine Legionare
schanzen liefs. Wie Cäsar bei llerda wollte er durch Kanal-
grabungen den Übergang erleichtern, vielleicht auch durch Quer-
J) Tuma sagt über ihn S. 71: „Der Kephissos ist den gröfsten Teil des
Jahres kein nennenswertes Bewegungshindernis und zumeist durchwatbar." Wenn
Sotiriades „das Schlachtfeld von Chäronea" (Mitt. d. Deutschen arch. Inst. Athen
XXVIII 1903) S. 314 behauptet „an keiner anderen Stelle (als bei der Brücke
von Bisbardi) sei der Flufs das Hedylion und Akontion entlang selbst in der
Sommerzeit passierbar, so mufs ich dem widersprechen. Ich bin im Engpasse,
von Parapotamioi beim Khan des Kadi im März bei ziemlich hohem Wasserstande
ohne mir die Fufssohlen nafs zu machen, durch den Flufs geritten und bin mit
Tuma überzeugt, dafs der Flufs fast überall, auch wo nicht gerade ausgesprochene
Furten sind, von Truppen überschreitbar ist, wenn auch das Wasser an vielen
Stellen bis an Bauch oder Brust gehen mag. Die Ufer sind allerdings vielfach
mehrere Meter hoch und z. T. steile Lehmwände, die zu ersteigen Schwierigkeit
macht, besonders natürlich, wenn sie verteidigt weiden. Man vergleiche darüber
Bd. I S. 163.
1. Die milit.-polit. Lage u. die Ereignisse bis zur Schlacht v. Chäronea. 365
graben, wie er es später bei Orchomenos getan hat, sich gegen
Flankenangriffe der politischen Reiterei schützen, wenn es doch hier
noch zur Schlacht kommen sollte.
Es handelt sich also um Vorbereitungen für den Übergang und
Herbeiführungen günstiger Bedingungen auf dem Schlachtfelde.
Mitten in diese Arbeiten hinein fällt nun der Versuch des
Archelaos, die Burg von Parapotamioi zu besetzen. Die Lage
dieses Burgfelsens ist durch die eingehende Beschreibung des
Theopomp bei Strabo festgestellt und nie verkannt worden. Er
bildet die flache, isoliert aufsteigende Kuppe westlich vom Dorfe
Belesi und ist nur durch einen schmalen, niedrigen Sattel mit dem
östlichen Gebirgszuge dem Hedylion der Alten, verbunden1). Oben
hat er eine ganz flach gewölbte Kuppe von 400 bis 600 Meter Durch-
messer, welche eine gröfsere Truppenansammlung ermöglicht; von
Osten steigt er steil und felsig, von Norden allmählicher an. Seine
Höhe beträgt nur etwa 40 Meter über dem Kephissos. Er liegt an der
schmälsten Stelle des Passes von Parapotamioi und beherrscht ihn
vollkommen2).
Um die Bedeutung, der Besetzung dieses Punktes für Sulla und
Archelaos zu verstehen, müssen wir uns die allgemeine strategische
Lage vergegenwärtigen. Sulla war durch den Einmarsch der asiati-
schen Armee über Makedonien und Thessalien von seiner ursprüng-
lichen Basis, Epiros, Thessalien und Ätolien 3), natürlich auch von
Italien völlig abgeschnitten. Er konnte seine Lebensmittel nur noch
]) Strabo IX 3, 16. C. 424: Ilaganoxä^ioi (T tlal xcaoixia rig inl roj
Krj tf ia(o ISqv ei rj nlrjOtov ^uvotevOl xal Xcuooovsvoi xcu 'Ekaitiq. (frjol d£
Oeonopnog ruv T07iovt tovtov dte'/eir rrjg ^ilv Xottocavtictg ooov TtTTccoaxoria ora-
diovg (= 7 Kilometer; stimmt genau) ... xeTodai <T inl ifjs ipßoXijg irjg ix
BotcoTiag tlg 4>a)xt'ag iv Xoytp juerotoj; v\pr)l(o ,tifr«|t/ tov ts Ilaoraooov xcd tov
['dtivMov 6]govg ntviaOiäöiov o/eööv ti änoketnovicov ctr[cc(j£Oov Xio]o<ov, tiitUQ&v
df tov Ki)(fjiobv OT6it)V ixartyiod-w diöovia naQodov. Dazu kommt ergänzend die
Schilderung Plutarchs (S. 360 A. 6). Der Sattel zwischen Burghügel nnd Hedylion
ist übrigens so hoch, dafs ein Bach liier nie durchgeflossen sein kann, wie z. B.
Leake II 195 Plutarchs verdorbene Worte (s. a. a. 0.) aufgefafst hat. Mau vergleiche
zu dem Ganzen Leake II 97. 191 f. Bursian I 164.
2j Bd. I S. 140 ist der ganze Pafs genauer beschrieben. Die dort ange-
führte Angabe, dafs der Burgberg von Parapotamioi 60 Meter hoch sei, ist ein
Druckfehler.
3) App. Mithr. 30,8: beim Einmarsch Sullas nach Griechenland: xQWa™
/uh ttvTixcc xal ov^ud/ovg xal «yoqäv sx re AlioiUag xal QtooaXCag owskeyw.
366 Die Feldzüge Sullas in Griechenland.
aus Böotien, Attika und dem Peloponnes beziehen. Das Meer war
ihm auch verschlossen. Seine einzige Verbindung war also die grofse
durch Mittelgriechenland von Theben her führende Strafse und sie
ging eben durch die Enge von Parapotamioi. Mit der Besetzung
dieses Punktes wären daher Sullas Verbindungen nicht nur wie bis-
her durch Streifereien bedroht, sondern vollständig unterbrochen ge-
wesen. Selbst auf dem Umwege über den Pafs von Davlia konnten
Transporte dann kaum noch durchkommen.
Von diesem Gesichtspunkte aus wird man nun auch die Streife-
reien der asiatischen Truppen, wie z. B. die erwähnten nach Panopeus
und Lebadea, und die Zerstörung dieser Städte (S. 360) anders als
unsere Quellen ansehen müssen, die in ihnen nur Disziplinwidrigkeiten
und zwecklose Plünderungen erblicken. Es waren vielmehr durchaus
zweckvolle Expeditionen, welche einerseits zur Verproviantierung des
eigenen Heeres dienen mochten, anderseits aber die Verbindungen
des Feindes zu bedrohen geeignet waren und einen Teil der auf Aus-
hungerung der Römer gerichtetem Kriegführung des Archelaos bildeten.
Mit der Besetzung des Punktes durch die Römer hingegen war
die Etappenstrafse im wesentlichen gedeckt: Theben, die anderen
böotischen Städte, besonders das nahe gelegene Chäronea waren in
der Hand der Römer. Die Transporte konnten, wenn auch mit Ge-
fahr, so doch von festem zu festem Punkt weitergebracht werden.
Da also Archelaos' Absicht, die Römer durch Besetzung von
Parapotamioi völlig einzukreisen, gescheitert war, so ging er jetzt
einen Schritt weiter, um mit einer noch mehr ausholenden Umgehung
doch noch seinen Zweck zu erreichen. Er machte eine Bewegung
auf Chäronea, sagt der Bericht (S. 361). Natürlich hat er diese nicht
mehr durch den Pafs von Parapotamioi ausführen können, sondern
er mufste zu diesem Zwecke über den etwas weiter östlich gelegenen,
nur 204 Meter hohen und sehr bequemen1) Pafs von Tsaresi gehen
und kam so zwischen dem Hedylion und Akontiongebirge in die Ebene
von Chäronea hinaus2).
') s. über ihn Bd. I S. 141 A. 1.
2) Appian Mithr. 42, 22 spricht hier von einer rückgängigen Bewegung auf
Chalkis: ävct/iooovvTi lg Xakxitia. Das ist sachlich kein Unterschied. Der Weg
von Merali nach Chalkis geht entweder über Atalante nördlich, oder über Chäro-
nea—Theben südlich um den Kopaissee herum. In dieser Richtung bewegte sich
Archelaos bei seinem Marsch auf Chäronea.
1. Die milit.-polit. Lage u. die Ereignisse bis zur Schlacht v. Chäronea. 3(57
So erklärt es sich, clafs er sein Lager, wie Plutarch ausdrück-
lich angibt (S. 361) zwischen Hedylion und Akontion aufschlug").
Wir haben diesen Platz also zwischen dem Westende der Durdowana,
des alten Akontion, westlich von dem Dorfe Bisbardi und dem Süd-
fufse des Gebirges von Karamusa, dem alten Hedylion, anzusetzen,
da wo die Ebene von Chäronea in einer spitzwinkligen, tief ein-
schneidenden Bucht, sich zwischen diese beiden Gebirge eindrängt2)
(s. auf der Karte : Zweites Lager des Archelaos).
Ein Korps wurde sogar noch weiter vorgeschickt und besetzte
die Höhen des Thuriongebirges südlich von Chäronea, um von hier
aus diese Stadt direkt zu bedrohen.
Es ist von Wichtigkeit, sowohl für die Topographie von Chä-
ronea, als für die Ansetzung der Schlacht, auch für dieses Detache-
ment genau festzustellen, auf welchem Zuge des Gebirges es seine
Stellung eingenommen hat.
Die Stadt Chäronea lag bekannlich am Fufse eines hohen,
spitzen Felsens, der ihre Akropolis trug und den Namen Petrachos
führte. Dieser Felsen ist der letzte Ausläufer eines von Südwest
nach Nordost streichenden Bergzuges, der zum Thuriongebirge ge-
hört und bei Chäronea plötzlich schroff zur Ebene abbricht, wo-
durch eben die Felshänge über der Stadt gebildet wurden. Südwest-
lich der letzten Felsspitze des Petrachos erheben sich nun aber noch
zwei andere, höhere Felskuppen auf demselben Bergzuge. Wir er-
kletterten sie vom Petrachos aus in einer guten Viertelstunde3).
*) Dafs diese Gegend "Liaaia hiefs, erfahren wir nur aus der angezogenen
Stelle Plutarchs. Mit dem Bache Assos (S. 360 A. 6. 369) hat diese Örtlichkeit
nichts zu tun.
2J Über die Identität von Hedylion uud Akontion mit der Gebirgsgruppe
bei Karamusa und der Durdowana s. Bursian I 164. 210.
3) Die zweite Kuppe liegt 35 Meter höher als der Petrachos, die dritte
9 Meter über der zweiten. Die Photographie in Bd. I zu S. 127 'oder bei Soti-
riades (M. A. I. Bd. 28 S. 325) gibt eine Vorstellung von der Gestalt. Wie weit
diese höheren Kuppen zur Zeit Sullas in die Befestigung des Petrachos einbezogen
waren, wissen wir natürlich nicht. Man vergleiche über die Ausdehnung der
Mauern aus „klassischer" Zeit und der weiter nach Westen reichenden „Kyklopi-
schen" Mauern die Bemerkungen von Sotiriades a. a. 0. 324 u. 326. — Es wäre
sehr wünschenswert, dafs die Mauerzüge der Akropolis einmal kartographisch
genau festgelegt würden, was m. W. bisher noch nicht geschehen ist. Wir hatten
leider keine Zeit dazu.
308 l^e Feldzüge Sullas in Griechenland.
Sie bilden hervorstehende Höcker auf dem sich weiter südwestlich
fortziehenden Bergkamme, der auf seinem Rücken auch weiter noch
z. T. felsige Partien zeigt.
Wollten die Truppen des Archelaos Chäronea von der Bergseite
her bedrohen, so konnten sie einzig und allein auf diesem Bergzuge
Stellung nehmen. Denn er ist der einzige, welcher gegenüber der
Stadt und Burg eine überhöhende Stellung bietet und auf den
zugleich die Beschreibung pafst, welche Plutarch von dem Berge
gibt, den er als eine „rauhe Spitze" und einen „kegelförmigen
Berg" bezeichnet. In der ganzen näheren Umgebung von Chäronea
gibt es keine andere Kuppe, auf welche diese Charakterisierung zu-
trifft, da die Ausläufer der beiden anderen Bergzüge östlich der
Stadt sich als flache und erdige Hügelhänge zur Ebene hinabsenken.
In der unmittelbaren Umgebung von Chäronea mufs aber natürlich
die Stellung des Mithridatischen Korps gesucht werden; auch schon
deshalb, weil die römische Umgehung, durch die die Politiker später
von der Höhe vertrieben wurden, eben gerade vom Petrachos aus
am Morgen des Schlachttages ausgeführt wurde und noch vor Beginn
der Schlacht ihr Ziel erreicht hatte1).
So kann es also kein Zweifel sein, dafs der Orthopagos Plutarchs
der Bergzug ist, dessen letzten Absturz der Petrachosfelsen bildet,
und dafs auf diesem Bergrücken das Detachement des Archelaos seine
Stellung genommen hatte.
Wir erkennen daraus deutlich den Zusammenhang und das Ziel
der militärischen Mafsnahmen des Archelaos. Die Besetzung der
Ebene von Chäronea durch das Lager an ihrem Nordrande bei Kara-
musa und die gleichzeitige Einnahme des Orthopagos im Süden von
Chäronea schnitten die Verbindung Sullas mit seinem Hinterlande
völlig ab und verwirklichten so die Absicht, welche Archelaos vorher
durch die Besetzung der Burg von Parapotamioi vergeblich ange-
strebt hatte.
Man könnte nur noch die Frage aufwerfen, weshalb der griechi-
sche Feldherr nicht auch sein Lager noch weiter südlich in die
') s. Anhang S. 384; auch S.361 A. 4 und 362 A. 1. Sotiriades (M. A. I. Bd. 30,
S. 115, 1906) hält „die steile Felswand der heutigen Kerata" — es ist wohl der
Steilabfall des Thurion beim Dorfe Bramaga 4 Kilometer östlich Chäronea ge-
meint — für den Orthopagos des Plutarch. Das ist unmöglich, weil sie viel zu
weit von der Stadt entfernt ist.
1. Die milit.-polit. Lage u. die Ereignisse bis zur Schlacht v. Chäronea. 369
Ebene nach Chäronea heran vorgeschoben habe. Er hat es ohne
Zweifel aus Rücksicht auf seine eigenen Verbindungen unterlassen.
Seine Basis war das Meer; die nächsten Verbindungen dahin gingen
durch den Winkel der Ebene bei Karamusa über Abä und Hyam-
polis nach der Bucht von Atalante.
Durch eine Stellung nahe bei Chäronea hätte er sie gefährdet,
durch eine Stellung am Nordrande der Ebene deckte er sie. Das
wird der Grund sein, weshalb er auf dem linken Ufer des Kephissos
geblieben ist. Eine Anzahl von Brücken über den schmalen Flufs
kann, wenn solche überhaupt nötig erschienen, die Verbindung mit
dem anderen Ufer erleichtert haben1).
Bei dieser Sachlage blieb natürlich dem Sulla nichts anderes
übrig, als nachzuziehen, um sich seine Verbindungen wieder zu er-
öffnen. Er überschritt — sagt Plutarch — den Assos, zog am Fufse
des Hedylion entlang, schlug am Kephissos dicht gegenüber dem
wohlverschanzten Lager des Archelaos das seine auf und blieb hier
einen Tag stehen (S. 361).
Ein Blick auf die Karte macht die Situation klar: Sulla ist
einfach durch den Pafs von Parapotamioi gegangen und hat an dessen
Südausgang Stellung genommen. Eine scheinbare Schwierigkeit macht
nur die Erwähnung des Assos. Dieser Bach hat nach Plutarch (s.
S. 360 A. 6) bei der Burg von Parapotamioi in den Kephissos- gemündet.
Es ist also entweder der jetzige Kinetabach, der von Merali her
aus den Sumpfgebieten von Sphaka kommt und daher das ganze Jahr
Wasser hat, oder der sich bei Belesi mit ihm vereinigende Bach von
Liaphenda. Zu entscheiden ist das nicht und für unsere Zwecke auch
gleichgültig.
Die Frage für uns ist nur, was Sulla veranlafst haben kann,
um von seinem Lager bei Krevassara nach Chäronea zu kommen,
den Assos zu überschreiten und folglich den Kephissos sogar zwei-
mal, hin und wieder zurück, zu durchqueren, da es doch offenbar
einfacher gewesen wäre, auf der rechten Seite dieses Flusses zu
bleiben. Die Sache wird so zusammenhängen, dafs Sulla beide
Strafsen durch den Pafs von Parapotamioi gleichzeitig benutzt und
ein gröfseres Detachement zum Schutze seiner linken Flanke von
Parapotamioi aus auf dem linken Ufer hat marschieren lassen. Viel-
*) Vergl. oben S. 364 A. 1.
Kromayer, Antike Schlachtfelder. II. 24
370 *)ie Feldzüge Sullas in Griechenland.
leicht ist er sogar persönlich bei diesem Detachement gewesen, und
deshalb hat Plutarch nur diesen Teil der Sullanischen Marschdispo-
sition erwähnt.
So standen sich also die beiden Heere wiederum in geringer Ent-
fernung an den Ufern des Kephissos gegenüber. Wollte Sulla sich
seine Verbindungen wieder eröffnen, wollte Archelaos ihn daran hindern,
so war eine Entscheidung in der Ebene unmittelbar nördlich von
Chäronea jetzt unvermeidlich.
Wir wollen versuchen, ob wir innerhalb dieses Raumes die
beiderseitigen Stellungen noch genauer fixieren können, ehe wir uns
zur Schilderung des Entscheidungskampfes selber wenden.
2. Schlachtfeld und Schlacht1).
Die Betrachtung der bisherigen Vorgänge läfst für die Stellung
der beiderseitigen Heere in dem Blachfeld nördlich von Chäronea
eine doppelte Möglichkeit offen. Entweder kann die Front der
Pontiker ganz oder fast ganz nach Westen und dementsprechend die
der Römer nach Osten gerichtet gewesen sein, oder die ersteren
haben mit der Front nach Süden oder fast nach Süden und dem-
entsprechend die Römer nach Norden gestanden. Im ersten Falle
hätte Archelaos durch eine Verlegung des Weges den Durchbruch
Sullas zu verhindern gesucht, indem er sich ihm direkt in den Weg
stellte, im zweiten hätte er eine Flankenstellung eingenommen, die
den Weitermarsch ebenso wirksam verhindert hätte, da Sulla nicht
x) Die Rekonstruktion der Schlacht darf lediglich auf Plutarchs Relation
(Sulla 17 ff.) gestützt werden. Wie in den bisher betrachteten Vorgängen, ist er
auch für die Schlacht selbst der einzige, der eine klare, mit dem topographischen
Befund übereinstimmende und in sich widerspruchslose Darstellung gibt. Es ist
der Fehler der bisherigen modernen Schlachtschilderungen, bei Mommsen (R. G.
II 291), Ihne (V 324 ff.), Reinach (S. 165 ff.), dafs sie die Berichte des Appian und
Frontin (II 3, 17) mit der Darstellung Plutarchs zu kombinieren suchen und damit
ein unmögliches Schlachtbild entwerfen. Über Appian vergleiche man die Bei-
lage II. Frontins Darstellung gehört der Schlacht von Orchomenos an — er
nennt keinen Schlachtort — , wie die Schanzarbeiten beweisen, die nach den anderen
Quellen (Plutarch Sulla 21,4. App. Mithr. 49, 16) übereinstimmend den Vorgängen
vor und in dieser Schlacht angehören und bei Chäronea keine Stelle finden, weil
die Schlacht sich hier auf unvorbereitetem Felde abspielte und also zu solchen
Arbeiten keine Zeit war.
2. Schlachtfeld und Schlacht. 371
ohne die äufserste Gefahr in der verhältnismäfsig schmalen Ebene an
dem Feinde vorbeimarschieren konnte, sondern genötigt war, mit
einer Schwenkung ihm zum Kampfe entgegenzutreten.
Die einzelnen Lokalangaben über die Schlacht entscheiden die
Frage im Sinne der ersten Eventualität.
Es sind ihrer drei, die hier in Betracht kommen.
Die Truppen des Archelaos auf der Höhe des Orthopagos wurden
durch die (S. 368) erwähnte Umgehung von Südwesten her die Steil-
hänge nach Norden in die Ebene hinabgeworfen und flüchteten hier
weiter. Sie mögen etwa an der Stelle, die auf unserer Karte mit
„Ruine" bezeichnet ist, westlich von Chäronea die Ebene erreicht
haben, müssen dann vor dem rechten römischen Flügel, der noch in
der Rangierung begriffen war und sie daher vorbeiliefs, vorbeigestürmt
sein, und wurden erst von dem linken unter Murena aufgefangen,
der ihnen eine Schar entgegenschickte und sie z. T. auf das Zentrum
des feindlichen Heeres zurückwarf1).
Dieser Vorgang ist nur unter der Voraussetzung verständlich^
dafs die Front des römischen Heeres nach Osten stand; sonst wären
die Flüchtlinge hinter den rechten römischen Flügel gekommen oder
rechts an ihm vorbeigejagt und direkt auf ihre eigenen Truppen ge-
stofsen. Mit dem linken römischen hätten sie keinenfalls in Be-
rührung kommen können.
Auf dasselbe Resultat führt die zweite Angabe, dafs die Flucht
des linken Flügels der Asiaten in der Schlacht selbst zum Molos-
flusse und in der Richtung auf das Akontiongebirge und den Kephissos
zu gegangen sei2).
*) Plut. Sulla 18, 17: xcuu Trndvovg iftoofAivot toig ts ölquci, ntoiimmov
avjol rolg iavThjy xal xai s.xQrj/uvt£ov coOovvrfg cdlrlovg, avoidtv lniy.zifAt.viov twv
noleuicuv xal r« yvfxva natovrcov . . . jcÜv d* qevyovTiov rovg fjh elg iatjw rjSt]
xudiGiojg 6 Movorjvctg anei^/LiViro xal öieq&einsv vnaviu^oii^ ol 6h waccuevoi noog
tö qihov OTQocTontdov x«l rfj (falccyyi (fVQ^rjv t/untoovTtg usw. — Dafs die Um-
gehung nur von Südwesten her erfolgen konnte, geht aus der Konfiguration des
Bergznges hervor, der ja wie erwähnt nach dieser Seite hin höher wird. Dafs
der rechte römische Flügel noch in der Rangierung begriffen war, kann man aus
dem »rjdri xciöeoTcög" des Murena schliefsen. Über Murenas Stellung auf dem
linken Flügel s. S. 374 A. 1.
2) Plut. Sulla 19,8: xQcar\aavisg (der rechte Flügel der Römer) löiwxov no6g
Tf töv noia/uöv (den Kephissos) xal tö 'dx ovt iov ooog; und ib. 20: tö jqottuiov
cioir)X£ Trjg Titöiädog ^a/;??, $ noonov hlxUvav ol nsoi 'Aq^üaov f-ie/Q1 nc<Q^ T0
MtXoV Oi.l&QOV.
24*
372 Die Feldzüge Sullas in Griechenland.
Der Molos ist nämlich einer der drei kleinen Bäche, die vom
Thuriongcbirge herunterkommen und alle drei nahe beieinander am
Westende des Akontion in den Kephissos münden1). Es kommt also
*) Bei Chäronea kommen vom Thuriongebirge drei Bäche herab: der west-
lichste unmittelbar bei dem Uorfe Kaprena (man vergl. das Nebenkärtchen zu
Karte 10), der mittelste aus dem Tal der Panagia Lykuressi, in der Gegend des
Löwendenkmals, nur etwa 400 Meter weiter östlich als der erste, und der öst-
lichste aus dem Tal beim Keratapafs, 1100 Meter von dem mittelsten entfernt.
Dementsprechend nennt Plutarch auch drei Namen von Bächen, den Morios (Sulla
17, 16), den Molos (ib. 19,22) und den Hämon = Thermodon (Demosth. 19, 23 f.),
an dem das Herakleon lag, und an dem die Hellenen am Tage vor der Schlacht
des Jahres 338 lagerten. Es wird nun zwar in Abrede gestellt, dafs Molos und
Morios verschiedene Bäche seien, und behauptet, einer der beiden Namen sei eine
fehlerhafte Lesung älterer Plutarchausgaben, während die neueren an beiden
Stellen „Molos" schrieben (Sotiriades M. A. I. XXX (1905) S. 115). Indessen ist
nach Ausweis von SinteniY kritischem Apparat gerade die Verschiedenheit der
Formen die Überlieferung der Handschriften und die Gleichmachung Korrektur
der neueren Herausgeber. Auch inhaltlich liegt kein Grund vor, die beiden Namen
auf denselben Bach zu beziehen. Ich halte daher an der Verschiedenheit fest.
Es fragt sich also, wie die drei Namen auf die drei Bäche zu verteilen sind. Ich
habe früher den westlichsten für den Hämon gehalten (Bd. I S. 160). Die Gründe
für diese Annahme sind seit Sotiriades' Entdeckung, dafs der Tumulus von Bisbardi
das Polyandrien von 338 ist, und nach den hier vorliegenden Untersuchungen über
die Sullaschlacht weggefallen. Es stellt sich vielmehr aus unserer Feststellung
der Lage des Orthopagos als notwendige Folge heraus, den westlichsten Bach, den
Bach von Kaprena, als Morios in Anspruch zu nehen. Denn Plutarch sagt Sulla
17, 16 ausdrücklich: vnb dk cdib (rb 'ÖQd-onayov) rb fov/Lia tov JVIwqiov. — Als
Hämon nimmt Sotiriades jetzt den mittelsten Bach, den Bach von Panagia
Lykuressi in Anspruch. Seine Ausgrabungen hierselbst haben aber bis jetzt nicht
den geringsten Anhalt dafür gegeben, dafs das dort aufgefundene Heiligtum
das Herakleon ist. Die Inschriften mit Weihungen an Sarapis, Asklepios und
Hygieia (a. a. 0. S. 119) machen es sogar unwahrscheinlich. Somit ist jetzt
das wahrscheinlichste, dafs der Hämon der Bach vom Keratapasse ist, an welchem
ja die Schlacht von 338 geschlagen wurde (Sotiriades M. A. I. Bd. XXVIII (1903),
S. 327 und dazu meine Ausführungen Wiener Studien 1905, Bd. 27, S. 16 ff.).
Denn für diesen Bach den Namen Molos anzunehmen, wie ich früher vermutet
hatte (Bd. I S. 160 A. 2) und wie Sotiriades, mir folgend, gleichfalls angenommen
hat (a. a. 0. XXX S. 115), liegt jetzt kein Grund mehr vor. — Dafs Plutarch den
Hämon als „Stadtflüfschen" von Chäronea bezeichnet, wie Sotiriades (a. a. 0. XXX
S. 113) meint, folgt aus dem Wortlaut bei Plutarch Dem. 19 nicht, da „iv XatQ(ovti\cu
hier nicht zu „noucfuio)'", sondern zu „7r«(/ r\^ivu gehört. Warum mir Sotiriades
(S. 114) unterlegt, dafs ich den Flufs von Kaprena gegen die Terrainverhältnisse
„nach Nordwesten, die Landstrafse entlang" fliefsen lasse, weifs ich nicht. Ich
habe diese Ansicht m. W. nicht geäufsert.
2. Schlachtfeld und Schlacht. 373
hier nicht darauf an, welchen von ihnen man mit dem Namen
Molos bezeichnet. Die Richtung der Flucht bleibt dieselbe. Eine
Flucht, die zugleich auf den Molos, das Akontion und den Kephissos
zugeht, kann aber nur in östlicher oder annähernd östlicher Richtung
stattgefunden haben. Das Siegeszeichen, das hier aufgestellt wurde,
hat Plutarch noch selbst gesehen (S. 371 A. 2).
Endlich pafst zu dieser Frontrichtung der Heere auch die dritte
Lokalangabe, nach der Hortensius mit seiner Reserve hinter dem
linken römischen Flügel gegen die Umgehungsbewegung der Politiker
seinerseits eine Flankierung ausführt und dabei von einer aus dem
umgehenden feindlichen Flügel gegen ihn Front machenden Abteilung
gepackt und bis an gebirgiges Gelände zurückgedrängt wird1). Dies
gebirgige Gelände sind nämlich die ziemlich steilen Ausläufer des
Thurion nordöstlich* von Mera, die sich gerade an der Stelle, wo
wir bei der angenommenen Aufstellung der Heere den Schauplatz
dieser Bewegungen voraussetzen müssen, ziemlich weit in die Ebene
vorschieben.
Somit hat also Archelaos in einer Schlachtstellung, die mit
ihrem linken Flügel ziemlich nahe an Chäronea heranreichen mochte,
mit ihrem rechten bis an den Kephissos herangegangen sein mufs,
den Durchbruch der Römer aufzuhalten gesucht und Sulla gezwungen,
unter recht ungünstigen Verhältnissen in der breiten Ebene zu
schlagen, die seine Truppen nicht ausfüllen konnten und die daher
den Überflügelungen der pontischen Reiterei vollen Spielraum ge-
währte2).
Nachdem Sulla am Kephissos einen Tag dem Archelaos gegen-
übergestanden hatte, marschierte er mit Zurücklassung von einer
Legion und zwei Kohorten unter Murena auf Chäronea, um sein
dorthin vorausgesandtes Detachement für die Schlacht wieder an sich
zu ziehen und die Stellung, welche die Pontiker auf dem Orthopagos
bei der Stadt eingenommen hatten, zu erkunden. Murena erhielt
1) Plut. Sulla 19,24: Ix&kißojuei'og vno tov nlri&ovg nQooeazttteTo roTg
ontivoTg.
2) Die Ebene ist in nördlicher Richtung von Chäronea bis zum Kephissos
bei Archelaos' Lager etwa 2 1 Kilometer breit. Soviel Raum ist für die ca. 30 000
Mann Pontiker, die in der Schlacht zugegen sein mochten (s. Beilage I S. 393),
mindestens erforderlich; vgl. Bd. I S. 320. Die Länge von Sullas Schlachtlinie
bei rund 16 000 Mann dürfte dagegen 1 ^ bis 2 Kilometer nicht überschritten haben.
374 Die Feldzüge Sullas in Griechenland.
den Auftrag, unterdessen den Aufmarsch der Feinde nach Kräften zu
stören, ein Auftrag, der selbst für eine kleine Truppenmacht darum
nicht ohne Sinn war, weil der Feind ja noch den Flufs zu über-
schreiten hatte. Sullas Marsch bis Chäronea ging kaum 3 Kilometer weit.
Murena konnte sich, nachdem man Halt gemacht und die Rangierung
zur Schlacht begonnen hatte, daher jeden Augenblick wieder an den
linken Flügel, den er in der Schlacht auch kommandiert hat, heranziehen.
Die Schlachtordnung, in der Sulla nun gegen die Aufstellung
des Archelaos anrückte, war die gewöhnliche der Römer: in der Mitte
standen die Legionen, rechts und links die Reiterei. Nur hatte Sulla
diesmal hinter den beiden Flügeln zum Schutze gegen Umfassungen
unter dem Kommando der Legaten Hortensius und Galba noch be-
sondere Reserven von mehreren, wahrscheinlich 3 und 2 Kohorten,
aufgestellt. Er selbst kommandierte den rechten, Murena, wie er-
wähnt, den linken Flügel1).
Archelaos anderseits liefs im Zentrum die Phalanx Stellung
nehmen, sehr tief, wie ausdrücklich gesagt wird2), also wohl 32 Mann
hintereinander, so wie es ja auch bei Sellasia, Magnesia und wahr-
scheinlich Pydna der Fall gewesen war (Bd. I S. 239. Bd. II S. 181.
323). Vor dieser Phalanx wurden 60 Sichelwagen aufgefahren. Rechts
von der Phalanx folgten unter Taxiles die Chalkaspiden, ein halb-
schweres Korps von Peltasten, dann auch bei ihm auf beiden Seiten
leichte Truppen und Reiter. Besonders waren solche auf dem rechten
Flügel in grofser Zahl und von erlesener Schnelligkeit angesetzt, um
die hier geplante Überflügelung auszuführen3). Auf dem linken Flügel
x) Plut. Sulla 17,4: avtbg J* (Sulla) ovitTaiTE irjv (fcdayya xal ditvHfJt
Toitg Innojug Inl xiowg ixarsgov, rb dstjibv avrbg f/fov, ib <T tvoövvfxov etnodoli
MovQrjvq. rdXßag $6 xal 'OgrrjGiog ol 7iQiGße.vTal Gntioag fyovztg inndxTovg tü/caoi
naotvsßuXov Inl toüv ccxqcov qwXccxtg 7robg rag xvxXutaetg. Über die Zahl der Ko-
horten s. S. 379 A. 3. — App. Mithr. 43, 15: Movorjvag . . inl tov Xaiov reray/uivog.
2) Plut. Sulla 18,15: <?iä ßdSog xal nvxvotr\xa ßoadecog ii-codov/jtvovg.
3) In der Schlacht stofsen die Legionen auf die Phalanx. Plut. Sulla 18,4:
al ne'Qal dvväfAtig cvveQodyrjfTav rwv fxhv ßaQßaQwv nooßalXo/uivwv rag GaoCöGag.
Davor die Sichelwagen ib. 18, 28. Ihre Zahl nach Appian Mithr. 42, 14. Die
Chalkaspiden gehen gegen Murena, den linken römischen Flügel, vor (Plut. Sulla
19,32), stehen also rechts der Phalanx. Als Halbschwere sind sie wohl aufzu-
fassen, da sie zu schneller Besetzung der Burg von Parapotamioi verwandt werden
Put. Sulla 16,4); vergl. auch die Chalkaspiden bei Sellasia Bd. I S. 232. Bei
Pydna sind sie Phalangiten S. 323 A. 1. — Von den Reitern und Leichten auf
dem pontischen Flügel heifst es Plut. Sulla 17.9: kioQbJvto ol noM/uiot xaxa-
2. Schlachtfeld und Schlacht. 375
darf man das Detachement auf dem Orthopagos nicht aufser acht
lassen. Es ist insofern als integrierender Teil der Schlachtordnung
zu betrachten, als es eine sehr geeignete Stellung hatte, die Römer
bei weiterem Vorrücken in der Flanke zu fassen, eine Drohung, um
derentwillen ja Sulla, wie wir sahen, auch hier eine Reserve hinter
der Schlachtreihe aufgestellt hatte, gerade so wie Alexander der
Grofse es bei Issos in ganz ähnlicher Lage gemacht hatte. Ob der
Versuch, das Korps durch Umgehung vor Beginn der Schlacht von
den Bergen zu vertreiben, gelingen würde, konnte man ja von vorn-
herein nicht wissen.
Der Schlachtplan, den beide Feldherren verfolgt haben, ist
aus diesen Dispositionen klar zu ersehen.
Archelaos wollte mit seinem Zentrum defensiv verfahren, durch
die Sichelwagen den römischen Angriff verzögern und in der tief-
aufgestellten Phalanx den Legionen einen unüberwindlichen Damm
entgegenstellen, an der sie sich abmüden sollten, bis die Flügel ihre
Wirkung getan hätten. Erst wenn das Netz zugezogen war, mochte
auch das Zentrum zum Angriff vorgehen und den Sieg vollenden.
Für die Flankenwirkung waren ja die Verhältnisse so günstig wie
möglich: rechts die weite Ebene, links das Detachement auf der Höhe.
Der Plan war also in seinem Grundgedanken ganz derselbe wie der
des Antiochos bei Magnesia (S. 186) und aus denselben Bedingungen
entstanden: der numerischen Überlegenheit überhaupt und der Über-
legenheit an Reiterei und leichten Truppen im besonderen.
Ebenso mufste denn auch das Gegenmittel Sullas dasselbe sein:
Durchbruch durch die feindliche Schlachtreihe an irgendeinem Punkte
und Durchführung dieses Manövers mit möglichster Schnelligkeit und
Energie. Nur wurde hier nicht wie bei Magnesia dazu der rechte
Flügel bestimmt, sondern offenbar die Legionen selbst, das Zentrum,
mit denen, wie sich gleich zeigen wird, Sulla die Schlacht eröffnete,
während die Flügel zurückgehalten wurden1), Der Grund dafür wird
oxsvä£ovT€s InntiiGi noXXoTg xal xpikolg nodajxsoiv efg iniaTQOffrjV to xe'Qocg tvxafxneg
xal xovqov, <og fiaxQov avagovzeg xal xvxkcoaö/uivoi Tovg 'Pw/uaiovg. Dafs sich diese
Notiz auf den rechten Flügel bezieht, folgt daraus, dafs nur hier Platz für eine
so ausgreifende Umgehung war und sie in der Schlacht selbst auch nur hier er-
folgt ist (s. unten S. 377).
x) s. über den rechten römischen Flügel unten S. 377, über den linken S. 378,
wo aus der Erwähnung, dafs die Pontiker hier zum Angriff vorgehen, folgt, dafs
die Römer sich defensiv verhielten.
376 ^e Feldzüge Sullas in Griechenland.
in der gröfseren Kriegstüchtigkeit des Fufsvolkes gelegen haben. Es
ist wahrscheinlich, dafs Sulla dabei mit dem rechten Flügel der
Legionen zuerst vorgegangen ist, bei dem er sich selber befand.
So kam also auch hier alles darauf an, wer dem Gegner die
Zeit abgewann: konnte Archelaos mit seinem Zentrum standhalten,
bis die Flügel der römischen Armee umgangen waren und der
Druck von den Seiten und von hinten her die Kraft des römischen
Angriffs im Zentrum zu lähmen begann, so war der Sieg sein; konnte
Sulla durchbrechen, ehe die Flügel des Feindes ihr Werk getan
hatten, so war das Netz zerrissen und der Erfolg des Zentrums
mufste die Umgehung der Flügel unwirksam machen. In dem Zeit-
räume weniger Minuten war auch hier Sieg und Niederlage be-
schlossen.
Der Verlauf der Schlacht war von Anfang an Archelaos' Plänen
ungünstig. Wider Erwarten wurde das Detachement auf dem Ortho-
pagos noch vor dem Zusammenstofs der Armeen aus seiner Stellung
vertrieben und damit die Umfassungsaktion des südlichen Flügels
lahmgelegt oder wenigstens stark geschädigt. Und nicht genug da-
mit: diese Abteilung wurde durch Murenas energisches Eingreifen
auf das Zentrum des Hauptheeres zurückgeworfen, und die Verwirrung,
welche dadurch entstand, von Sulla benutzt, um gerade an diesem
Punkte, auf dessen lange und zähe Verteidigung alles ankam, mit
einem überraschenden Vorstofse vorzugehen1). Es gelang ihm in der
Tat dadurch ähnlich wie Eumenes bei Magnesia (S. 189), die Aktion
der Sichelwagen völlig zu vereiteln und sofort zum Nahkampfe mit
der Phalanx zu gelangen, die allerdings in ihrer dichten und tiefen
Aufstellung den Angriff stehenden Fufses annahm und wider Erwarten
tapfer und zäh standhielt2).
1) Plut. Sulla 18,26 heifst es nach Schilderung der Verwirrung: 6'^.cog yctg
b 2iXXag laQaaaofxtroig Inayaywv xcu ib [xiüov dmffr^tt tc/7 id/ti OWilvv äqtiktio
xr\v Tbiv ^Q€7iai'r}(fOQCov higytiav.
2) Plut. Sulla 18, 4: TovvitvStv ccl nt&i duvdjueig auvtQQcty^aar, rwv fxtv
ßuQßuQOiV TTQoßaXXofAtvojv lag aaqiaag (ucacQccg xal TieiQCD/u^cov tüj Gvvaan ig fun
rrjV ifc'dayya dicarjQtiv lv la^ti, tcov dt 'Pajpaicov Tovg ptv vüoovg xaictßnkövrov,
anaoccfxe'vojv dt rag [AK/ctiQag v.iu naQccxQoio/u&cov rag oaQLoag, wg Tci/tara 7Tqog-
uC&iav ctvroTg JV oQyriv. — Möglicherweise sind die Phalaagiten hier sogar auf
den 1| Fufsabstand herangegangen, der ja angewandt wurde, wenn man im Stehen
den Ansturm der Gegner abwehren wollte (s. m. vergl. Stud. Hermes Bd. 35), und
2. Schlachtfeld und Schlacht. 377
Die Legionare vermochten nur mit geringem Erfolg in den
Lanzenwall einzudringen, und man mufste sich wie bei Magnesia viel-
fach damit begnügen, die Phalangiten aus der Ferne zu beschiefsen
und so versuchen, ihre feste Fügung zu lösen1). Sulla hatte seine
Legionen vor eine unerwartete schwere Aufgabe gestellt.
So kam es, dafs es dem Archelaos doch noch gelang, seine
Flügel zur Wirkung zu bringen. Persönlich auf dem Nordflügel
stehend, leitete er, ehe er in der Front angreifen liefs, die Umfassung
und war eben im Begriffe sie zu vollenden, als er sich selber durch
die Reserve des Hortensius angepackt sah. Dieser kleinen Schar war
offenbar ihr Standort in sehr weit hinter dem linken Flügel zurück-
gehaltener Stellung angewiesen worden, damit sie nicht in den Kreis
der von den Römern vorausgesehenen2) Umfassung hineingezogen
würde. Vielleicht stand sie verdeckt hinter der Strafse von Chäronea
nach Parapotamioi.
Jetzt eilte sie im Sturmschritt herbei und fiel dem Umgehungs-
flügel ihrerseits in die Flanke3)
Aber Archelaos' Übermacht reichte hin, auch diesen Feind zu
bekämpfen. Er liefs 2000 Reiter einschwenken, und in hartnäckigem
Ringen drängte er den Hortensius immer weiter von dem übrigen
Heere der Römer ab, zuletzt bis zu den Bergen zurück, welche die
Ebene hier im Süden begrenzen und wie erwähnt (S. 373) nordöst-
lich von dem Dörfchen Mera weit in die Ebene vorspringen4).
Sulla, der bisher mit der Reiterei seines Flügels und der Re-
serve des Galba noch nicht in den Kampf eingegriffen hatte5), sondern
von den Taktikern als awaomopog x«t' ^o/^v bezeichnet wurde. — Dafs die
Legionare die Pilen weggeworfen haben sollen (xaraßakovrcov), statt sie auf die
Gegner zu schleudern, ist natürlich ein Übersetzungsfehler Plutarchs.
1) Plut. a. a. 0. 18, 15: Toirovg . . . JV« ßc'cSog xal nvxvöjr\ia ßqaSiwg iJ-co-
dovutvovg V7i6 Tüov onliTwv . . . txi T6 ßtXoGiftrdövca, y.ccl ol yQoGipot, XQco/uevcov
atfEtdwg rm> xcciontv 'Pwjuccicüv, ctTZEGTQtqov xcd ovvtTCiQctTTOv.
2) a. a. 0. 17, 9; s. den Wortlaut S. 374 A 1.
3j a.a.O. 19,20: 'Aq/eXkov dt to dt£iov xtQctg tk xvxfooGiv ccvdyovTog
'Oor^aiog iifrjxe rag onsiQag Jqü/lim nyoGcftoo/uerag oog tyßctXwv nkayioig.
4) a. a. 0. 19, 22: tniGTQtxpuviog dt Tct^icog h.tivov (Archelaos) tovg ntgl
aviov Inntlg ötG/iliovg, IxOkißo/Jtro; vnb jov nlriOovg (Hortensius) nQogtoitkXtio
roig üQtii'oTg xarcc juixqöv K7ioQQr)yvu{.itvog rrjg if.cilnyyog xcd n tniXuu ßaio/Litrog vno
7 wi' noXtjiiwv.
5) a. a. 0. 19,26: nvd-ofievog dt 6 2vXX«-g ic.nu iov dt^ot /utjnco ovf,i-
nen to)x u i og tg /ua/rjV.
378 Die Feldzüge Sullas in Griechenland.
von hier aus den Gang des Gefechtes aufmerksam beobachtete, be-
schlofs, da sein Gegner ihm gleichfalls müfsig und abwartend gegen-
überstand, einen Teil seiner Reiterei und die 2 Reservekohorten des
Galba, die jetzt hier nicht mehr nötig waren, zu verwenden, um
Hortensius Luft zu machen. Er setzte sich persönlich an der Spitze
dieser Truppen in schleunigste Bewegung1).
Die Entfernung, welche ihn von dem Gefechte seiner bedräng-
ten Truppen bei Mera trennte, konnte nicht viel mehr als einen Kilo-
meter ausmachen und war natürlich schnell durchmessen.
Es war ein schwerer Fehler des Südflügels der Pontiker ge-
wesen, dafs er nicht von Anfang an am Gefechte teilgenommen hatte.
Auf die Wirkung der Flügel hatte ja Archelaos seine Berechnungen
aufgebaut. Mochte im Anfange der Schlacht die Vertreibung des
Detachements auf dem Orthopagos, auf dessen Beihilfe man in erster
Linie gerechnet hatte, die Führer unsicher in 'ihrem Entschlüsse
gemacht haben: jetzt, als von Sulla beträchtliche Kräfte hier fort-
gezogen waren, konnte kein Zweifel mehr sein, dafs man unbedingt
zum Angriffe vorgehen mufste. Aber es geschah nicht.
Archelaos erkannte vom anderen Flügel her die Situation besser.
Als er gröfsere Reitermassen den südlichen Flügel der Römer
verlassen und auf sich zutraben sah, bei denen der römische
Oberfeldherr selber vermutet werden mochte2), als er das unbegreif-
liche Zögern seiner Leute auf dem Südflügel gewahr wurde, litt es
ihn nicht mehr an seinem Platze auf dem Nordflügel, bei dem er
doch keine neuen Truppen mehr einzusetzen hatte, sondern dem
Gefechte seinen Gang lassen mufste. Viel nötiger schien es ihm
dagegen, den Angriff auf der ganzen Linie der Pontiker persönlich in
Gang zu bringen. Denn auch Taxiles mit den Chalkaspiden hatte
bisher noch nicht angegriffen, da er vermutlich den Erfolg der Um-
fassung des äufsersten Nordflügels abwarten wollte. So sprengte
daher Archelaos für seine Person aus dem Gefechte bei Mera fort,
') a. a. 0. löicoxe ßorjßwv. App. Mithr. 43, 10: cFt-o rtctlug aneiQccg h
trj nccQodo) 7iQo0kctß(ov, di Irnctyaio iqtdQevtir. Wahrscheinlich waren das eben
die Kohorten des Galba.
2) a. a. 0. 19, 28: 'Ao^ikaog dt rtp '/.ovioquo Tijg ikecaiwg ohsq rjv rex/ucctgo-
[xivog. Nach Appian Mithr. 43, 6 schliefst Archelaos aus dem grofsen Staube, den
die Reitermassen aufwirbeln, und anb iwv at]/uet(op arairiytxov öptwv, dafs Sulla
persönlich dabei ist.
2. Schlachtfeld und Schlacht. 379
gab zunächst dem Taxiles, der in Folge dessen jetzt auch angriff,
Befehl vorzugehen und begab sich dann eiligst zum Südflügel, um
hier das Nötige zu veranlassen und den Angriff persönlich zu leiten1)-
Unterdessen war es Sulla gelungen, das Gefecht bei Mera
wiederherzustellen. Es scheint, dafs er mit seinen Truppen in den
Kampf selber gar nicht einzugreifen brauchte, sondern dafs schon
sein Herannahen genügt hatte, die Umzingelung, in der sich das
kleine Korps des Hortensius befand, zu lösen und die pontische
Reiterei zu einer rückgängigen Bewegung zu veranlassen2). So konnte
er nach Zurücklassung einer Verstärkung von 1 Kohorte dem Hor-
tensius, der nunmehr 4 Kohorten hatte, den Auftrag geben, sich
wieder an die Phalanx heranzuarbeiten und Murena gegen die noch
immer drohende Umfassung zu unterstützen. Er selber eilte, da
mittlerweile der Angriff der Pontiker auf der ganzen Linie zum Aus-
bruch gekommen war, mit seiner Reiterei, gefolgt von nur einer
Kohorte, auf seinen alten Platz am rechten Flügel zurück3).
Man kann die Frage aufwerfen, ob Sulla nicht richtiger ge-
handelt hätte, hier am Nordflügel zu bleiben, wo er einmal war, mit
seiner Reiterei den umfassenden Flügel der Pontiker vollends zurück-
zuwerfen und die feindliche Armee von Norden her aufzurollen an-
statt Kraft und Zeit mit dem Hin- und Herwerfen seiner Reiterei
auf dem Schlachtfelde zu verschwenden.
Bei unserer ganz ungenügenden Kenntnis der Truppenverteilung
im einzelnen ist es unmöglich zu urteilen und natürlich noch weniger
angebracht zu meistern.
') a. a. 0. 19, 29: aurbg dt (Archelaos persönlich) iTTLQtQiipag wQjurjotv oStv
6 2vXXocg 7TQog to d£%tov, (og eqtjuov ctQ%oviog ociQrjCcov. ajua cf« xctl MovQr\vct
Ta'^iXrjg Znrjye rovg xccXxdömdctg. Dafs diese letztere Bewegung auf Archelaos' per-
sönliches Eingreifen zurückgeht, ist nicht ausdrücklich bezeugt, aber wahrscheinlich.
2) Das liegt wohl schon in den Worten Plutarchs (a. a. 0. 19, 29), dafs
Archelaos beim Herannahen Sullas cOqt^oiov /uh stet %aiQ£tv. Noch deutlicher
kommt es bei Appian Mithr. 43, 7 zum Ausdruck: ^AQxiXaog . . itxfxcdQo^srog
tivcci JZvXXav tov Imovia, Xvaag tt\v xüxXooaiv lg toc£iv kve/iÖqei. Hier scheint
der Autor inmitten all seiner Wirrnis einmal ein Stück guter Überlieferung aus-
nahmsweise am rechten Orte verwendet zu haben; yergl. über Appian als Quelle
Beilage II.
3) Plut. Sulla 19, 3: tfo£«r tf« ti)v iccvrov zd&v avccXajjßdvtLV MovQyvq [*h
CtQWy'OV ETlifJLXptV 'ÖQTriGlOV (/OVTC( TEaOttQCig 07I£tQCtg, CCUTOg Jf TTjV 7lSfJ7lltjV 8/IlG&(U
xtXtvoug int to dtgiöv r\n£(ytxo. Daraus folgt, dafs Hortensius vorher 3 Kohorten
gehabt hatte. Denn 2 hatte Sulla ja nur mitgebracht, s. vor. S. A. 1.
380 ®ie Feldzüge Sullas in Griechenland.
Der Erfolg hat gezeigt, dafs Sulla seine guten Gründe gehabt
haben mufs, so zu handeln. Der nördliche Flügel hat auch ohne
Sullas weitere Unterstützung schliefslich gesiegt, und auf dem süd-
lichen mochte ohne ihn alles verloren sein.
Seine Ankunft auf dem Südflügel entschied aber die Schlacht.
Die Römer, durch die Verstärkung, die er heranführte, mit neuem
Mute erfüllt, warfen die Gegner zurück, die zuerst bis zum Bette
des Molos, dann weiter auf das Akontion und den Kephissos zu
wichen *). Dieser Stofs hat, wie es scheint, genügt, die Phalanx im
feindlichen Zentrum, deren Haltung schon erschüttert gewesen sein
mufs2), mitzureifsen. Plutarch in seinem allerdings ohne Zweifel
stark verkürzten Bericht sagt jedenfalls nichts darüber, dafs Sulla
eine Schwenkung gegen die jetzt entblöfste Flanke derselben ge-
macht habe, Nur das hebt er hervor, dafs Sulla sich nicht ohne
weiteres der Verfolgung hingegeben habe, sondern Umschau gehalten
habe, wie es auf dem Flügel des Murena stehe. Erst 'als er sich
überzeugt hatte, dafs auch dort die Römer im Fortschreiten waren,
beteiligte er sich an der Verfolgung3).
Aber nicht nur in der Richtung auf das Akontiongebirge zu,
sondern auch nach dem Lager der Feinde hin wurde nachgesetzt,
und wir erkennen daraus, dafs auch der Nordflügel sich an dem
Siege beteiligt haben mufs4). Das Lager wurde erstürmt und die
feindliche Armee gezwungen, den Rückzug um den Nordrand des
Kopaissees, über Atalante und Martini nach Chalkis anzutreten5).
1) Plut a. a. 0. 19, 5: to dfljiov . . xal xatf eavib ph d^io/uccyajg rftfy t&T
' Aoyikaui awsazrjxog. txtivov tih Iniq-arivrog navTanctotv l&ßtccoccvio xctl XQuifjauv-
ieg idicoxov usw.; s. S 371 A. 2.
2) s. oben S. 377 A. 1: anioTQUfov xiä gvvhüquiiov. Appian betont
Mithr. 43, 14 dafs zuerst der rechte, dann der linke Flügel gesiegt habe und
dann erst das Zentrum gewichen sei. Das widerspricht Plutarchs Erzählung nicht,
der vom Zentrum ganz schweigt, und könnte richtig sein. Dann hätten auch hier
wie bei Magnesia Reiterei und Leichte der Römer das Beste getan und die
Schlacht hätte gerade den umgekehrten Verlauf von dem ursprünglichen Plane
genommen.
3) ib. 19, 10: ov /itr]v oys ZvXXag rjUsXrjöe MovQr\va xivSvvevonog, cc)Jm wo-
jurjae roig ixsl ßor\^iiv* idwv d* rtxwYiag, tot£ rijg (Siio&üjg fttTsT/e.
4) ib. 19, 13: nolXoi ovv £v T(o nedito i(ov ßuoßaowp avijoovrro, nletoioi iU
tw yä()axi 7iQ0O(f-6QÖ/*£roi xatExonrjGav. Diese Szenen hat Appian Mith. 44, 24 ff.
besonders umständlich ausgemalt. Militärischen Wert hat das nicht.
5) Plut a. a. 0. 19, 14: iis XaAxAf« . App. Mithr. 45, 21: tg Xnlxid«.
2. Schlachtfeld und Schlacht 381
Sulla hat zwar mit seinen leichten Truppen bis Chalkis verfolgt.
Aber hier bot das Meer die Grenze, da ihm keine Schiffe zu Ge-
bote standen1).
Immerhin war der erste Teil seiner Operationen in Griechen-
land sieg- und ruhmreich zu Ende geführt.
Wenn ein glückliches Zusammentreffen von topographischen
und historischen Anhaltepunkten es ermöglicht hat, unsere Unter-
suchung bis zu diesem Punkte hin zu führen und einen bisher als
verloren zu erachtenden Feldzug für unsere Kenntnis wieder zu ge-
winnen, so ist, glaube ich, dies Resultat deshalb besonders wert-
voll, weil es sich bei diesen Operationen um die Tätigkeit eines
so eminenten militärischen Talentes handelt, wie Sulla es war, und
weil dies zugleich sein einziger Feldzug ist, bei dem wir uns einiger-
mafsen klare und detaillierte Anschauungen über die Fähigkeiten
dieses seltenen Mannes auf militärischem Gebiete verschaffen können.
Denn die Überlieferung seiner anderen Feldzüge ist wohl für eine
mehr ins Einzelne gehende Darstellung hoffnungslos zerstört.
Es kommt hinzu, dafs ein Grundzug seines Charakters, der
ihm auch in seinem politischen Wirken eigentümlich ist, gerade bei
den hier untersuchten Vorgängen besonders deutlich hervortritt: ich
meine die Verbindung seiner gewaltigen Leidenschaft und Willens-
kraft mit jener kühlen, nicht kleinlich rechnenden, sondern die
ganzen Verhältnisse von überlegenem Standpunkte aus betrachtenden
Denkungsart, und die dieser merkwürdigen Kombination entsprechende
Handlungsweise. Denn diese Denkungsart bewirkt, dafs Sulla sich zwar
einerseits überall, wo es nötig ist mit voller Kraft, ja mit seiner Person
einsetzt, aber sich dabei doch nie vergifst, immer eine Reserve
von Intellekt und Beobachtung hinter der ausgelösten und zur Tat
gewordenen gewaltigen Willensenergie zurückbehält, so dafs die auf
ihn einstürmenden Eindrücke seiner nächsten Umgebung ihm nie
das Bild des Ganzen aus dem Auge zu rücken im Stande sind.
Der Gang der Schlacht von Chaeronea selber läfst diese Hand-
lungsweise am deutlichsten hervortreten. Denn der Ansturm seines
Zentrums und der Kampf seiner Legionen mit der Phalanx raubt
ihm nicht die Aufmerksamkeit für die Vorgänge am Nordflügel. Er
l) App. Mithr. 45, 4: tcvanuvoag ök irjv otqcctikv In okiyov, fg top Evoinov
aiv tvCojiots tni iov ^Ao/O.aov tj7ieiy6To. 'Pwuai'iov de vuvs ov/. lyovnav usw.
382 Die Feldzüge Sullas in Griechenland.
setzt vielmehr dort zu rechter Zeit persönlich seine Kraft ein. Aber
er läfst sich auch von dieser Aufgabe nicht gefangennehmen, sondern
behält zugleich den Südflügel fortwährend im Auge; und als er
hierhin zurückgekehrt ist, als er seine Truppen hier zu siegreichem
Kampfe geführt hat, ist seine erste Sorge wieder die Bedrängnis
seiner Truppen unter Murena, die ihm vor einer blinden Verfolgung
seiner Vorteile auch hier wieder voransteht.
Wer da weifs, wie oft gerade in antiken Schlachten die par-
tiellen Siege, durch den Mangel der hier gekennzeichneten Eigen-
schaft bei anderen Oberbefehlshabern, schliefslich in eine Niederlage
des Ganzen umgeschlagen sind, der wird die Bedeutung dieses Ver-
haltens des römischen Feldherrn zu würdigen wissen, er wird aber
auch zugleich die Bedeutung und die Güte unserer Überlieferung zu
schätzen verstehen, die diesen für die Entscheidung so hervorragend
wichtigen Zug des grofsen Mannes in solcher Schärfe herausgehoben
und aufbewahrt hat. Mich deucht, es ist unverkennbar, wie sehr
durch den Schleier Plutarchischer Verwischungen hindurch der Kern
der auf Sulla selbst zurückgehenden Erzählung gerade hierbei zum
Vorschein kommt.
Aber nicht nur die Person des römischen Feldherrn verdient
hier ein ungewöhnliches Interesse, auch Sullas Gegner war kein ver-
ächtlicher General. Die Art, wie er den ganzen Feldzug angelegt
hat, wie er seine Überlegenheit an leichten Truppen benutzt, um
gegen Sullas Verbindungen zu operieren, wie er die Tätigkeit dieser
Truppen durch die Besetzung von Parapotemioi unterstützen will,
und als diese Umgehung mifsglückt ist, sofort zu einer umfassenderen
ausholt, die bei Wahrung seiner eigenen Verbindungen dem Gegner
die seinigen völlig abschneidet: das alles zeigt, dass wir es hier mit
einem Manne zu tun haben, der die Vorteile seiner Lage wohl kannte
und sie geschickt auszunutzen verstand. Und als er dann schliefslich
dem Drängen seiner Unterführer nachgeben und die Schlacht liefern
mufste, da hat er sie nicht nur umsichtig auf das für ihn günstigste
Gelände zu legen, und durch gute Disposition die taktischen Eigen-
tümlichkeiten seiner Truppen aufs beste zur Wirkung zu bringen
gewufst, sondern er hat aus ihr nach dem Scheitern der Umfassung
vom Orthopagos durch persönliches Eingreifen erst auf dem rechten,
dann auf dem linken Flügel gemacht, was nach Lage der Dinge aus
ihr zu machen war.
2. Schlachtfeld und Schlacht. 383
Dafs er erlegen ist, darf in seiner Beurteilung keine Instanz
gegen ihn bilden.
Über die folgenden Ereignisse, die Rückkehr Sullas nach Athen,
seinen Marsch gegen Flaccus bis nach Melitäa in Südthessalien, seine
abermalige Umkehr nach Böotien und die Schlacht bei Orchomenos
habe ich den bisherigen Darstellungen nichts hinzuzufügen. Denn so-
wenig klar auch die Vorgänge, besonders in der Schlacht bei Orcho-
menos selbst sind, so fehlt doch hier bei Plutarch und in noch höherem
Grade natürlich bei Appian die topographische Handhabe, um eine
Rekonstruktion zu geben. Die Vorgänge haben sich vollständig in
der platten Ebene abgespielt, und es ist weder über die Situation
der beiderseitigen Lager etwas Sicheres auszumachen, noch über die
Richtung und Art der Schanzarbeiten Sullas, denen er hier seinen Er-
folg wesentlich mit verdankt zu haben scheint, wie denn überhaupt
diese Erdarbeiten in Sullas Feldzügen, sowohl vorher am Philoböetos,
als auch später gegen Fimbria in Asien und in seinem italischen
Kriege eine ähnlich wichtige Rolle spielen wie später bei Cäsar.
Ebenso wie in vielen anderen Beziehungen, ist Sulla auch hierin seines
grofsen Nachfolgers unmittelbarer Vorgänger gewesen, und sehr mit
Unrecht hat man auch die Berichte über diese ausgedehnten Feldschanz-
arbeiten als Pantastereien unserer Quellen angesehen.
Wenn daher nicht ein Zufall noch Reste der Schanzarbeiten zu-
tage fördert, wozu aber allerdings wenig Hoffnung vorhanden ist, so
mufs man m. E. auf eine wissenschaftliche Wiedergewinnung dieser
Fortsetzung und Beendigung der Sullanischen Feldzüge in Griechen-
land verzichten.
Anhang.
Übersetzung: von Plutarchs Schlaclitbericht von Chäronea.
Plut. Sulla 17, 8: Nach Verlauf eines Tages liefs Sulla den
Murena mit 1 Legion und 2 Kohorten (beim Lager) zurück, um die
Feinde beim Aufmarsche zu belästigen, er selbst aber opferte am
Kephissos und rückte dann nach Chäronea zu, um sein Detachement
von dort (1 Legion und die Hilfstruppen von Chäronea Plut. ib. 16, 15)
wieder an sich zu ziehen und die Stellung auf dem sogenannten
Thuriongebirge zu erkunden, welche die Feinde besetzt hatten. Es
ist daselbst ein rauher Gipfel und ein kegelförmiger Berg, den wir
Orthopagos nennen; unter demselben ist der Lauf des Morios (Molos?)')
und der Tempel des Apollo Thurios (22) Als sich nun Sulla
Chäronea näherte, führte der Tribun in der Stadt seine Soldaten in
Waffen heraus dem Sulla entgegen und überbrachte ihm einen
Lorbeerkranz. Nachdem Sulla ihn genommen, die Soldaten begrüfst und
sie zur Schlacht angefeuert hatte, meldeten sich bei ihm zwei Chäro-
nenser Bürger, Homoloichos und Anaxidamos, welche die das Thurion
besetzt haltenden Feinde zu vertreiben versprachen, wenn sie nur
wenige Soldaten von ihm dazu bekämen. (30) Denn es gäbe einen
für die Barbaren nicht einsehbaren Pfad, der von dem sogenannten
Petrachos an dem Museion vorbei zu dem Thurion oberhalb der
Barbaren führe, und auf dem sie leicht über sie herfallen, sie von
oben mit Steinen vertreiben oder in die Ebene hinabdrängen könnten.
Als nun Gabinius die Tapferkeit und Treue der Männer bestätigte,
befahl Sulla, es zu versuchen. Er selbst aber stellte die Schlacht-
ordnung auf und verteilte die Reiter auf beide Flügel, nahm den
2) s. über die Namensformen S. 372 A. 1.
Anhang. Übersetzung von Plutarchs Schlachtbericht von Chäronea. 385
rechten selbst und gab den linken dem Murena. Die Legaten Galba
und Hortensius erhielten mit ihren Reservekohorten den Platz auf
den äufsersten Flügeln als Schutz gegen Umfassungen. (10) Denn
man sah, dafs die Feinde mit vielen Reitern und schnellen Leicht-
bewaffneten ihren Flügel für eine Schwenkung beweglich und leicht
machten, um im weiten Bogen auszuholen und die Römer einzu-
schliefsen.
Kap. 18, 15: Während dessen umgingen die Chäronenser mit
Erikios, den sie von Sulla als Kommandeur der Truppe erhalten
hatten, unbemerkt das Thurion, erschienen plötzlich und brachten
grofse Verwirrung, Flucht und gegenseitiges Morden der Barbaren
untereinander hervor. Denn diese hielten nicht stand, sondern die
Abhänge hinabstürzend, fielen sie in ihre eigenen Spiefse und stiefsen
einander hinunter, indes die Feinde von oben nachdrängten und sie
von hinten verwundeten, so dafs 3000 am Thurion fielen. (20) Von
den Flüchtigen aber schnitt Murena, der schon in Schlachtordnung
stand, die einen ab und vernichtete sie, indem er ihnen entgegenging;
die anderen wurden auf das befreundete Heer zurückgeworfen, stürz-
ten sich in Unordnung auf die Phalanx, erfüllten den gröfsten Teil
derselben mit Furcht und Verwirrung und brachten eine Verzögerung
hervor, die ihnen nicht wenig schadete. Denn sofort führte Sulla
seine Soldaten gegen die verwirrten Gegner, und indem er den
Zwischenraum schnell durcheilte, nahm er den Sichel wagen ihre Kraft.
Diese besteht nämlich hauptsächlich in der Länge ihres Anlaufes,
der ihnen Stärke und Schwung für den Durchbruch gibt, die kurzen
Anläufe dagegen sind unwirksam und schwach, wie Geschosse, die
keine Spannung haben. So ging es auch damals den Barbaren: die
ersten Wagen, die langsam anfuhren und träge anstiefsen, schlugen
die Römer leicht zurück und verlangten unter Geschrei und Ge-
lächter „neue", wie im Zirkus. Dann stiefsen die Fufstruppen zu-
zammen, indem die Barbaren die langen Sarissen fällten und durch
enge Scharung (ovvaomofiqt s. S. 376 A. 2) die Schlachtordnung zu
bewahren versuchten, während die Römer ihre Pilen niederwarfen
(vergl. S. 376 A. 2.), die Schwerter zogen und die Sarissen beiseite
hieben, um sie so schnell wie möglich wütend anzufallen. (10) Denn
sie sahen in den ersten Reihen 15000 Sklaven, die die königlichen
Feldherren durch den Herold in den Städten zur Freiheit aufgerufen
und unter die Hopliten eingereiht hatten .... (15) Diese nun, die
Kromayer, Antike Schlachtfelder. II. 25
386 Die Feldzüge Sullas in Griechenland.
wegen ihrer tiefen und engen Stellung nur langsam von den Hopliten
[der Römer] zurückgedrängt werden konnten und gegen ihre Natur
standzuhalten wagten, brachten die Schleuderkugeln (ßeXooyevdövai)
und Wurfspeere, deren sich die hintenstehenden Römer ohne Unter-
lafs bedienten, zum Weichen und in Verwirrung.
Kap. 19: Als nun Archelaos seinen rechten Flügel zur Um-
fassung vorgehen liefs, liefs Hortensius seine Kohorten im Laufschritt
anrücken, um ihn in der Flanke zu fassen. Da aber jener schnell
die 2000 Reiter bei seiner Person einschwenken liefs, wurde er
von der Menge fortgedrängt und bis zu dem gebirgigen Gelände
zurückgeschoben, allmählich von der Schlachtreihe abgetrennt und
von den Feinden eingeschlossen. Von dem rechten Flügel, der noch
nicht ins Gefecht gekommen war, bemerkte Sulla das und eilte zu
Hilfe.
Archelaos schlofs aus dem Staube, den die Reiter aufwirbelten,
was im Werke war, liefs von Hortensius ab und begab sich für seine
Person dahin, (30) woher Sulla kam, nach dem rechten [römischen]
Flügel, da er hoffte, ihn ohne Führung zu treffen. Zu gleicher Zeit
führte Taxiles die Chalkaspiden gegen Murena, sodafs Sulla, bei dem
von zwei Seiten her ertönenden und von den Bergen her wieder-
hallenden Schlachtgeschrei, Halt machte und nicht wufste, wohin er
sich wenden sollte. Jedoch fafste er den Entschlufs, seinen alten
Platz wieder einzunehmen, schickte dem Murena als Unterstützung
den Hortensius mit 4 Kohorten, befahl der fünften ihm zu folgen und
sprengte wieder auf den rechten Flügel, welcher schon für sich allein mit
Archelaos zusammengestofsen war. Als jener aber hinzukam, drängten
sie die Feinde mit Gewalt zurück, siegten und verfolgten die eiligst
Flüchtenden nach dem Flusse [Kephissos] und nach dem Akontion
zu. (10) Indessen vergafs Sulla nicht den Murena in seiner Not,
sondern eilte ihm zu helfen. Als er aber sah, dafs auch er siegte,
da nahm er gleichfalls an der Verfolgung teil. Viele Barbaren
wurden in der Ebene getötet, die meisten beim Lager erschlagen,
so dafs nur 10000 von so vielen Myriaden nach Chalkis durchkamen.
Sulla behauptet, dafs man von seinen Leuten nur 14 vermifst habe,
und von diesen hätten sich am Abend noch zwei wieder eingefunden.
Deshalb liefs er auf das Siegeszeichen die Namen „Ares, Nike und
Aphrodite" setzen, um anzudeuten, dafs er nicht weniger durch Glück
als durch Gewalt und Kraft den Sieg errungen habe. (20) Dies
Anhang. Übersetzung von Plutarchs Schlachtbericht von Chäronea. 387
Siegeszeichen für den Kampf in der Ebene steht da (eavrjxs), wo
zuerst die Leute des Archelaos sich zur Flucht wandten und bis zum
Moloslauf hinflohen; ein zweites befindet sich auf dem Gipfel des
Thurion, aufgestellt (ßeßrjxög'?) zum Andenken an die Umzingelung
der Barbaren, und nennt mit griechischen Buchstaben den Homo-
lo'ichos und Anaxidamos als verdienteste Männer bei dieser Unter-
nehmung.
25*
Beilage I.
Heeresstärken.
Was die Heeresstärken im Mithridatischen Kriege betrifft, so
stehen wir auf einem sehr unsicheren Boden.
Am zuverlässigsten sind noch die Zahlen für die römische Armee,
und von ihnen ist daher auszugehen.
Nach Appian (Mithr. 30, 6) ist Sulla mit fünf Legionen, einigen
überzähligen Kohorten und einigen Türmen Reiterei nach Griechen-
land gekommen: ovv teXeoi jtbvtb xal 07telQcugy) viol nal IXaig.
Diese Truppen waren von dem Heere von Capua genommen, welches
im ganzen sechs volle Legionen umfafst hatte (Plut. Sulla 9,23: §£
tayiiaxa teXeia) und vor dem Zuge auf Rom 35 000 Mann stark
geschätzt wurde (Plut. Marius 35, 18: tqio^vqccov Kai Jiswarnox^cov
ov ^iBtovg öjiÄltat). Danach würde man für die Armee Sullas auf
rund 30 000 Mann kommen, und diese Zahl würde sich insofern noch
vermehren, als Sulla nach einer Nachricht Appians gleich nach seiner
Landung aus Thessalien und Atolien neue Truppen an sich gezogen
hat (App. ib. 8: avß^d/¥ovg bk tB AltcoXlag xai QBOöaXlag ovvbXbybv)^
aber allzuviel wird das bei seinem raschen Durchmarsche auf Athen
nicht gewesen sein. Seine Verluste bei der erbitterten Belagerung
des Piräus, die über ein halbes Jahr lang dauerte (S. 355), und zahl-
reiche Ausfälle der Feinde, zahlreiche und sehr verlustvolle Stürme
x) Bei der Erstürmung Roms (Plut. Sulla 9, 23) und der Belagerung des
Piräus werden Kohorten von Bognern erwähnt. App. Mithr. 40,3: aneCgag, ai ...
äzovTiCovaccL xal TotjevovGcci . . av&onxov. Das sind vielleicht diese hier be-
sonders genannten Abteilungen, da sonst Bogner als Legionssoldaten nicht
üblich sind.
Beilage I. Heeresstärken. 339
aufzuweisen hatte — man vergleiche die eingehenden Schilderungen
Appians ib. 30, 25 f. 32, 7 ff. 34, 5 ff. 36, 22 ff. 37, 15 ff., endlich den
letzten Sturm 40, 16, den Archelaos als j^avccoör) Kai äloyov be-
zeichnet — , waren sehr beträchtlich, so dafs die Angabe, es seien
bei Beginn des böotischen Feldzuges in seinem Lager auf dem
Philoböetos kaum 15 000 Mann zu Fufs und 1500 Reiter gewesen
(Plut. Sulla 16, 28), nicht unglaublich erscheint. Allerdings hatte
Sulla kurz vorher durch Hortensius eine Verstärkung von angeblich
über 6000 Mann erhalten (Memnon 32, 3), und wenn man diese Truppe
in Abzug bringt, so würde Sullas Armee ohne diesen Nachschub nur
etwa 10 000 Mann stark gewesen sein, eine Zahl, die kaum noch
den Namen einer Armee verdient. Aber wir müssen bedenken, dafs
einerseits die Zahl von 6000 Mann nur durch die sehr unsichere
Autorität Memnons verbürgt ist, anderseits noch ein Korps unter
dem Legaten Curio die Akropolis von Athen belagerte (Plut. Sulla
14, 15) und für die Offenhaltung der durch die weit überlegene
asiatische Reiterei bedrohten Etappenstrafse durch Böotien bezw. für
den Schutz der einzelnen Transporte, ferner zum Schutz der Münz-
stätte im Peloponnes, sowie für die Aufrechterhaltung der römischen
Autorität und die Instandhaltung des Zufuhrwesens aus diesem ganzen,
keineswegs zuverlässigen Gebiete überhaupt, immerhin nicht ganz
unbeträchtliche Truppen abkommandiert gewesen sein werden. Ihne
(Bd. V324) meint, dafs unter den 15 000 Mann zu Fufs und 1500
Reitern der Operationsarmee Sullas nur die Römer zu verstehen seien
mit Ausschlufs der griechischen und makedonischen Bundesgenossen,
und dafs mit Hinzurechnung dieser Sullas Armee auf 30—40000 Mann
zu veranschlagen sei.
Dafs aufser den Römern griechische Kontingente in Sullas Heer
fochten, ist richtig. So haben wir schon Thessaler und Ätoler er-
wähnt und haben ihnen jetzt Makedonier und Griechen hinzuzufügen
(App. 41,15: 'EXXyjvcov fj Mansdövcov öaot ägvi JVQÖg avtbv ärtö
sAQ%ekdov [levsTtösvvo fj ei u äXXo jvsqioikov^)). Aber nach Ana-
logie aller früheren Kriege der Römer in Griechenland sind diese
Kontingente wohl kaum viel höher als etwa 3000 Mann zu veran-
J) So war z. B. auch ein kleines Kontingent aus Bürgern von Chäronea bei
der Armee (S. 361), und auch bei der Rückkehr nach Italien hatte Sulla Abteilungen
von Makedoniern und Peloponnesiern (folg, S.).
390 Die Feldzüge Sullas in Griechenland.
schlagen 1). Die Bürgermilizen der griechischen Kleinstädte waren ja
kein gleichwertiges Soldatenmaterial und ihre Zuziehung in gröfserer
Zahl nur eine, besonders bei Sullas bedrängten Versorgungsverhält-
nissen, lediglich schädliche Vermehrung der Brotesser. So viele, als
man zu Lagerwachen während der Schlacht und ähnlichen Dienst-
leistungen brauchte, mag man also neben den 16 500 Mann eigent-
licher Kombattanten noch voraussetzen. Die Möglichkeit, dafs Sulla
sie nicht mitgezählt hat, ist nicht ausgeschlossen.
Die Legionen Sullas hätten also in seinem Feldzuge von Chäronea
mit Einrechnung der Abkommandierten einen Bestand von rund
etwa 4000 Mann gehabt, was den Bestand der Cäsarischen
Legionen zum Teil bedeutend übertrifft, die z. B. bei Pharsalos nur
einen solchen von durchschnittlich 2750 Mann aufzuweisen hatten
(s. unten S. 426 ff). Dafs Sullas fünf Legionen im Jahre 83 bei seiner
Kückkehr nach Italien zusammen mit 6000 Reitern und Hilfstruppen
aus Makedonien und dem Peloponnes nach Appian (b. c. I 79, 363)
gegen 40 000 Mann betragen haben, ist natürlich kein Widerspruch,
da Sulla teils durch Aufnahme zahlreicher Überläufer aus Fimbrias
Heer2), teils durch umfassende Werbungen nach dem Frieden von
Dardanos sein Heer für den Kampf in Italien systematisch ergänzt
haben mufs.
Auf einen Bestand von 16— 20 000 Mann werden wir also wohl
Sullas Operationsarmee zu schätzen haben.
Das mufs uns einen Mafsstab geben für die gegenüberstehenden
asiatischen Streitkräfte. Denn die Zahlen, welche unsere übertreibende
Überlieferung für diese ansetzt, sind phantastisch und völlig wertlos.
Die Truppen, welche Archelaos im Anfange Sulla entgegen-
zustellen hatte, sollen ihm schon numerisch überlegen gewesen sein
(App. Mithr. 31, 26). Dennoch zieht er sich nicht nur in den Piräus
zurück, sondern wagt vor Ankunft des Dromichätes nicht einmal einen
Ausfall aus der Stadt, zieht, was er von Verstärkungen auftreiben
x) Im Feldzuge von Kynoskephalä betrugen die griechischen Kontingente
2600 Mann (S. 103), im Feldzuge gegen Antiochos in Griechenland war dem
Konsul ausdrücklich untersagt, mehr als 5000 Mann auxilia zu nehmen (S. 207 A. 1),
im Kriege gegen Perseus waren aus Griechenland im ganzen 3600 Mann be-
teiligt (S. 344).
2) App. Mithr, 59, 10. — Die Fimbrianischen Legionen blieben bekanntlich
in Asien zurück.
Beilage I. Heeresstärken. 391
kann, an sich und bewaffnet sogar die Ruderer (App. Mithr. 31, 23 ff.
32, 6 f.), und alles das nur, um die kaum 3 Kilometer lange1) Land-
befestigung des Piräus zu verteidigen.
Das Hauptheer des Ariarathes und Taxiles wird dann zusammen
mit den Truppen des Archelaos in unseren Quellen ziemlich über-
einstimmend auf 120 000 Mann angegeben2).
Wenn Philipp von Makedonien den Römern bei Kynoskephalä
kaum 26 000 Mann (S. 102) entgegengestellt, wenn Perseus nach
jahrelangen Rüstungen mit der glänzendsten Armee Makedoniens
seit den Tagen Alexanders es nur auf 43 000 Mann (S. 336) gebracht,
wenn sogar Antiochos der Grofse bei Magnesia nach Zusammen-
ziehung aller eigenen und bundesgenössischen Truppen, und zwar im
eigenen Lande, nur die Zahl von 72 000 Mann (S. 211) erreicht hat,
so ist es wohl überflüssig, solche Zahlen, wie die hier für Mithradats
Heere gegebenen, überhaupt in Erwägung zu ziehen, ganz abgesehen
davon, dafs bei den Operationen in Griechenland eine so enorme
Überlegenheit über die Römer nirgends in die Erscheinung tritt.
Selbst die Zahl, welche Memnon (32, 3) gibt — über 60 000
Mann — ist noch sehr beträchtlich zu hoch.
So stehen wir also, was die Zahlen der Mithradatischen Heere
betrifft, zunächst da, ohne irgendwelchen quellenmäfsigen Boden unter
den Füfsen zu haben.
Einen Anhalt kann, wie erwähnt, nur das Verhältnis zur römi-
schen Armee geben.
Und da ist denn aus dem Gange der Operationen zunächst zu
erschliefsen, dafs doch eine bedeutende numerische Überlegenheit auf
Seiten der Asiaten gewesen sein mufs, besonders an leichten Truppen
und Reiterei 3).
*) s. Judeich, Topographie von Athen, Plan III. Ich rechne dabei noch
das Stück auf der Eetioneia und das Sta /ueoov %(Sfxa mit, obgleich das eigentlich
gar nicht verteidigt zu werden brauchte. Ohne das ist die Landbefestigung nur
wenig über 2 Kilometer lang.
2) App. Mithr. 41,13. 45,22. Plut. Sulla 15,27. Eutrop. V 6,3. Oros.
VI 2, 4. Liv.* ep. 82. Eeinach glaubt S. 162 A. 4 diese Zahlen auf die Truppen-
stärken bei Aufbruch des Heeres aus Asien beziehen zu dürfen.
3) Die pontische Reiterei machte Sulla schon bei der Belagerung des Piräus
zu schaffen (App. Mithr. 31, 14. 33, 5). Für das Hauptheer heifst es dann Plut. 15, 7:
h ao^aoi xal Xnnoig zr\v ßocQßaQixrjv ovaav äkxrjv. Dazu kommen die Notizen über die
Streifereien der leichten Truppen (S. 360) und der Schlachtplan selbst (S. 374 f.).
392 Die Feldzüge Sullas in Griechenland.
Die Tatsache, dafs die römischen Truppen auf dem Philoböctos
sich vor der Überlegenheit der Gegner fürchten, wird man um so
weniger zu bezweifeln Grund haben, als sie wenig ruhmvoll ist
und durch den Umstand unterstützt wird, dafs Sulla trotz seiner
Verpflegungsschwierigkeiten, und trotzdem er eine Entscheidung
dringend wünschte, tatsächlich nicht zu schlagen wagte (S. 360).
Vor einer kleinen numerischen Überlegenheit werden aber die kriegs-
geübten und auf ihren Führer unbedingt vertrauenden Legionen, die
sich bei Nola und im Samnitenlande mit ganz anderen Gegnern ge-
messen und eben unter unsäglichen Schwierigkeiten die Eroberung
des Piräus glorreich durchgesetzt hatten, kaum zurückgeschreckt sein.
In Übereinstimmung damit ist das Heer des Archelaos trotz starker
Entsendungen (S. 360)'; bei Chäronea den Römern so überlegen,
dafs es eine Umfassung des Sullanischen Heeres auf beiden Flügeln
zugleich versuchen kann und trotzdem im Zentrum noch so stark
bleibt, dafs hier von einer besonders tiefen Aufstellung der Phalanx
die Rede ist, eine Tiefe, die nach Analogie anderer Schlachten
32 Mann betragen haben mufs1) (oben S. 323).
Nun haben wir in einer unserer Darstellungen die Angabe, dafs
die vereinigten Armeen der Pontiker dem Sulla um mehr als das
Dreifache überlegen gewesen wären2).
Ohne auf diese Angabe als Zeugnis allzuviel Gewicht zu legen,
möchte ich doch glauben, dafs sie ein, wenn auch immer noch über-
triebenes, so doch annähernd richtiges Verhältnis zum Ausdrucke
bringen könnte, und man im Anschlüsse daran die Gesamtarmee
vielleicht auf 40 000 Mann einschätzen dürfte, ein Verhältnis, bei
dem die unleugbare taktische Überlegenheit des römischen Heeres
als Ganzes und die ebenso unleugbare militärische Überlegenheit des
einzelnen Legionars noch eben genügt haben dürfte, um der numeri-
schen Überlegenheit der Gegner die Wage zu halten.
Nach der Niederlage von Chäronea soll sich noch eine Anzahl
von über 10 000 Mann in Chalkis zusammengefunden haben3). Diese
Schätzung dürfte eher zu niedrig als zu hoch sein.
J) Bei der Phalanx haben sich nach Plut. Sulla 18, 11 f. allein 15 000 be-
freite Sklaven befunden. Er nimmt also die Gesamtzahl der Phalangiten offen-
bar beträchtlich gröfser an.
2) App. Mithr. 41, 17: oi/d' is TQiirj/uoQiov tcc navTu zwv nolsfxCiav.
3) App. Mithr. 45, 21: oi noXv nXtCovg — fxvQicov. Plut. Sulla 19, 14: fxvQtovg.
Dazu die Epitomatoren des Livius.
Beilage I. Heeresstärken. 393
Wenn wir die Armee in Chalkis auf 10—20 000 Mann ansetzen
und annehmen, dafs zur Zeit der Schlacht von Chäronea noch etwa
5—10 000 Mann von dem Heere entsendet gewesen sind, die sich
später wieder einfanden, so würden wir für die an der Schlacht be-
teiligten Truppen auf stark 30 000 Mann und für die gesammelte
Armee in Chalkis auf gegen 20 000 Mann kommen, d. h. auf Zahlen,
die einerseits mit den Operationen vor und bei Chäronea in Über-
einstimmung wären und anderseits die Erklärung dafür bieten würden,
wie es kam, dafs nach Ankunft eines zur See übergeführten, also jeden-
falls nicht sehr zahlreichen Truppentransportes unter Dorylaos, die
pontische Armee alsbald wieder völlig operationsfähig war und dem
Sulla zum zweiten Male bei Orchomenos entgegentreten konnte.
Denn dafs die Überlieferung, welche den Dorylaos zum zweiten
Male eine Massenarmee von 80 000 Mann herbeiführen läfst (Plut
Sulla 20, 9. App. 49, 10), ebenso freie Erfindung gibt wie die, welche
die 120 000 Mann des Taxiles erdacht hat, bedarf keiner weiteren
Begründung.
Beilage IL
Die^Quellen und ihre Kritik.
Wir haben unsere Rekonstruktion des Feldzuges von der Er-
oberung Athens bis zur Schlacht von Chäronea und des Herganges
der Schlacht selber so gut wie ausschliefslich auf Plutarch gesützt.
Diese Bevorzugung bedarf keiner ausführlichen Rechtfertigung weiter,
nachdem unsere Darstellung, von Punkt zu Punkt an der Hand
Plutarchs fortschreitend, gezeigt hat, wie Plutarch einerseits infolge
seiner zahlreichen topographischen Angaben überall aus dem Gelände
heraus zu kontrollieren ist und sich aus ihm aufs beste erklärt, so
dafs Bericht und Örtlichkeit hier überall in dauernder Überein-
stimmung bleiben und sich gegenseitig stützen, und wie anderseits
der ganze militärische Hergang sich nach den Angaben dieser Quelle
von Anfang bis zu Ende widerspruchslos und klar abwickelt.
Für den Feldzug bis zur Schlacht hin war es dabei selbstver-
ständlich, dafs Plutarch allein zum Führer genommen werden konnte,
da hier überhaupt keine anderen Nachrichten von anderer Seite vor-
liegen ; für die Schlacht selbst aber ist das einzuschlagende Verhalten
nicht von vorn herein so zweifellos, da hier ein ebenso ausführlicher
Bericht Appians vorhanden ist.
Aber dieser Bericht zeigt ein weit ungünstigeres Bild, als
Plutarch es bietet. Alle topographischen Einzelheiten sind ver-
schwunden, das Ganze ist verwischt und ins allgemeine gezogen, und
auch die Ereignisse selbst sind so wenig präzis erzählt, dafs man
nur einmal den Versuch zu machen braucht, sich aus Appian allein
den Hergang der Schlacht zu rekonstruieren, um sofort einzusehen,
dafs es unmöglich ist. Dazu kommt eine Anzahl von topographischen
Beilage II. Die Quellen und ihre Kritik. 395
Unrichtigkeiten, besonders die immer wieder hervorgehobene
felsige Natur des Geländes. In diesen Felsen soll das Lager des
Archelaos mittendrin gelegen haben (42, 24: sv ädtoKQr^Jivoig ötqcito-
jisdsvö^svov); sie sollen das Heer an guter Aufstellung insofern
gehindert haben, als sie es trennten (42, 4: rö sgyov ovk stcov sv
ovdsvl koivöv öXov tov OTQatov ysvsöfiao, övavfjvai diä vrjv ävco^a-
Uav ovk exovtsg); die pontischen Heiter sollen bei ihrem Angriff
auf Sullas anrückendes Heer geworfen und die Felsen hinabgestürzt
sein (42, 13: sg tovg KorjfAvovg KataQQt^svvcov); Sulla soll sowohl
zur Verfolgung als zum Rückzuge eine schöne Ebene (42, 22 vjitiov
Kai svjtstsg sg ötco^iv Kai äva%G)QriGiv mdlov), Archelaos aber zu
denselben Verrichtungen ein felsiges Terrain gehabt haben (tQajtslot
änoQog diä vcov kqtj^vcov syiyvsto f) cpvyrj). Kurz diese Felsen
sind vorne, hinten, in der Mitte und zugleich nirgends; letzteres
allein richtig bei der völlig glatten Oberfläche der Ebene des
Kephissos.
Was die Schlacht selber betrifft, so läfst Appian die pontische
Reiterei durch die römische Phalanx im Karriere durchbrechen und
beide Hälften derselben umzingeln (43, 25: tovg d' Ijtmag jTQcbTovg
smiyaycbv \is%ä öqö^ov jioXXov, öists^s ttjv cpäXayya cPcopialcov sg
ovo Kai svftaQcbg SKavsoovg skvkXovto diä %r\v öXiyovrjta). Trotz-
dem kommt dann aber Sulla dem Teile unter Galba und Hortensius
zu Hilfe, ohne dafs man erfährt, wie er das möglich gemacht hat
(43, 1 f.). Er haut kräftig ein, und hier ist es, wo er auch zuerst
den Sieg gewinnt (43,14: aQ^a^svrjg swavfta tfjg viK7]g). Trotzdem
aber wird der Sieg doch wieder zuerst auf dem rechten Flügel er-
fochten, wo Murena sich nicht befindet (ib. 15: ovds Movorfvag
rjXivvsv im tov Xaiov rsvaypisvog). Kurz es ist auch hier eine
völlige Verwirrung und Unklarheit vorhanden.
Unter diesen Umständen scheint es keiner weiteren Recht-
fertigung zu bedürfen, dafs wir die Schlachtrekonstruktion gleichfalls
nicht auf Appian gestützt haben, sondern es ist vielmehr zu erklären,
weshalb wir ihn doch an einigen Stellen subsidiarisch mit heran-
gezogen haben. Der Grund dafür liegt darin, dafs es trotz aller
Wirrnisse und Verkehrtheiten Appians doch anderseits gar nicht zu
verkennen ist, dafs sein Bericht sich in einer Reihe von wichtigen
Punkten aufs engste mit Plutarch berührt und in letzter Linie auf
dieselbe Quelle zurückgehen mufs.
396 L>ie Feldzüge Sullas in Griechenland.
Die anfänglichen Provokationen der Pontiker und die Weigerung
der Römer zu kämpfen (Appian 42, 20 = Plut. 1 6, 1 ff.), der Marsch
des Archelaos auf Chalkis (App. 42, 22: dvaxcoQOVvu d' eg XaXyJöa);
denn das ist sachlich dasselbe wie die Umgehungsbewegung auf
Chäronea, s. S. 366 A. 2), die Nachlässigkeit in der Disziplin (App.
42, 10: ä^eXcbg eoTQatoJiedevaav = Plut. 16, 15), das Scheitern des
Angriffes der Sichelwagen (App. 42, 15 = Plut. 18, 28), die Not des
Hortensius, der abgeschnitten ist, und die Unterstützung durch Sulla
mit Reiterei (App. 43, 2 f. = Plut. 19, 22 ff.), das Aufwirbeln des
Staubes und die Vermutung des Archelaos, es sei Sulla selber, sowie
die Befreiung des Hortensius (App. 43, 6 = Plut. 19, 27 f.), die Stel-
lung des Murena auf dem linken Flügel und die Entscheidung auf dem
rechten (App. 43, 14 = Plut. 17, 6): das alles sind so viele und z. T.
auffällige Übereinstimmungen, dafs sie nicht zufällig sein können. Nur
ist alles verwirrt und und unklar erzählt, vielfach an verkehrte
Stellen geschoben und daher kaum wieder zu erkennen. Selbst in der
phantastischen Hervorhebung der Felsen liegt ein richtiger Kern : das
Lager des Archelaos lag ja in der Tat zwischen Hedylion und Akon-
tion, das Detachement auf dem Orthopagos wurde tatsächlich die
Felsen herabgestürzt, die Flucht des Heeres führte ebenfalls z. T. an
den Südfufs des Akontion, der in der Tat schroff und felsig genug
ist. Ebenso steckt unverkennbar in der Durchbrechung des römi-
schen Heeres durch die pontische Reiterei eine blasse Erinnerung an
die Abdrängung des Hortensius von dem übrigen Heere durch die
2000 Reiter des Archelaos (S. 377). Aber das alles ist so entstellt
und verstellt, dafs es mehr einem Trümmerfeld von an sich guten,
aber durcheinander geworfenen Architekturstücken, als einem auf-
rechten Gebäude gleicht. Aus dieser Sachlage geht die Berechtigung
hervor, wenn auch mit grofser Vorsicht, einzelne Brocken der
Appianischen Darstellung für die historische Rekonstruktion mit zu
verwenden.
Dafs Appians Bericht ebenso wie der Plutarchs in
letzter Linie auf Sullas Memoiren zurückgeht, der bei Plutarch
in dem kleinen hier zur Betrachtung stehenden Ausschnitte nicht
weniger als dreimal als Autor genannt ist (16, 26: rrjv fteoiv sjiaivet
$av[A,aölcüg ö 2vhXag\ 17, 25: cbg de IvXXag avtög ev derAtq) tcbv
v3TO[Avr)[A,dt(ov yeyQacps; 19, 15: 6 de 2vXkag Xeyet), ist mir nach dem
Gesagten nicht zweifelhaft. Auch die Übereinstimmung in den höchst
Beilage II. Die Quellen und ihre Kritik. 39?
übertriebenen Heereszahlen und ebenso übertriebenen Verlustzahlen
der Pontiker einerseits (s. Beilage L), wie in der merkwürdigen
Geringfügigkeit der Sullanischen Verluste von 14 oder 15 Mann,
von denen sich noch zwei am Abend wieder einfanden, anderseits
(App. Mithr. 45, 23 = Plut. Sulla 19, 15) weist auf dieselbe gemein-
same Quelle hin. Mit Recht hat Ed. Schwartz darin bei Appian
„eine Spur von Sullas Memoiren" gesehen (Artikel Appian bei Pauly-
Wissowa, II 224).
Dafs Appian die Steine nicht selbst durcheinander geworfen
hat, sondern dafs hier ältere historisch-rhetorische Umarbeitung vor-
liegt, kann nach Schwartz' treffenden Ausführungen (in dem ange-
zogenen Artikel, besonders S. 225) keinem Zweifel unterliegen. Unser
Stück liest sich, als ob es einer Schuldeklamation auf das Thema
nachgeschrieben wäre: „Wie die Schlacht durch die Umsicht des Sulla
und den Unverstand des Archelaos verloren gegangen ist" (App.
Mithr. 45, 25: tovto (asv drj 2vXXa nai 'AqxsMo) . . tfjg oregl
XaiQcbvsiav ftdx'rjs TeXog rjv, dC evßovHav drj [läXiöta 2vXXa Kai
&' äcpQoovvrjv 'Aq^sMov roiovde exavsQq) yevö^svov).
Wer das Zwischenglied gewesen ist oder ob es mehrere waren,
entzieht sich unserer Kenntnis.
V.
Pharsalos
(48 v. Chr.).
1. Die militärische Lage und die modernen Hypothesen
über das Schlachtfeld.
Eine nähere Auseinandersetzung über die strategische und
politische Lage vor der Schlacht zu geben, ist bei diesem Teile unserer
Darstellung nicht nötig. Die Situation kann vielmehr nach den
mannigfaltigen Darstellungen, die sie von berufener Seite gefunden
hat, als bekannt vorausgesetzt werden ').
Ich beschränke mich daher darauf, die Hauptpunkte derselben
nur so weit ins Gedächtnis zurückzurufen, als sie für die Bestimmung
des Schlachtfeldes mit in Betracht kommen können, und dabei zugleich
einige Einzelheiten, die bisher nicht genügend klargestellt waren, zu
erörtern.
Nach seiner Niederlage bei Dyrrhachion hatte Cäsar seinen
Rückzug durch Epiros und über den Pafs von Metzowo angetreten2) T1
» * ° / Hierzu Beikarte
von Karte No. 11
*) Ich verweise hier statt auf ältere und allgemein bekannte Werke auf "^ichtskarte61"
die kürzlich erschienene Darstellung von G. Veith, Geschichte der Feldzüge Ko- *•
C. Julius Casars, Wien 1906, ein Werk, welches von militärischem Standpunkte
aus die Feldzüge Cäsars so klar und übersichtlich und mit so gesunder Kritik
und Beurteilung zusammenfafst, dafs es zum Besten gehört, was in der Cäsar-
literatur in unserer Zeit überhaupt geschrieben worden ist.
2) Caes. b. c. III 78: per Epirum atque Athamaniam. Zu der LA. Atha-
maniam statt Acarnaniam vergl. Drumann-Groebe III 449 A. 3. Es kann wohl
kein Zweifel sein, dafs Cäsar nicht, wie Stoffel II S. 9 und 236 annimmt, auf un-
bequemen Bergpfaden durch das Aoostal marschiert ist, sondern dafs er, ebenso wie
Flamidnus (s. oben S. 53 f.) die grofse Strafse durch das Drynostal, am See von
Jannina vorbei, benutzt hat. Er hätte, von allem andern abgesehen, um aus dem
Wiosatale nach Metzowo zu kommen, einen Sattel von etwa 1400 Meter Höhe
übersteigen und wieder auf 900 Meter heruntergehen müssen. Man vergleiche
für die erwähnten Details auch das neuerschienene Blatt Janina der österr. Karte
von Mitteleuropa 1 : 200 000, welches nur noch für die Herstellung der Beikarte
von Karte No. 1 1 benutzt werden konnte. — Dafs Cäsar dann über den Pafs von
Metzowo gegangen ist, versteht sich von selber; s. oben S. 38 A. 1.
Kromayer, Antike Schlachtfelder. II. 26
402 Pharsalos.
in der Absicht, sich mit seinen Detachements in Makedonien und
Griechenland zu vereinigen und sich so wieder zu verstärken. Diese
Vereinigung mit dem makedonischen Detachement von zwei Legionen
unter Domitius Calvinus gelang nun bei Äginion in Thessalien, wohin
Domitius von Heraklea Lynkestis aus auf Bergpfaden glücklich ge-
langt war. Er hatte sich dem auf der Via Egnatia anrückenden
Pompejus durch einen geschickten Seitenmarsch entzogen und war,
zwischen den Heeren des Scipio und Pompejus nach Süden aus-
weichend, über den Pafs von Pisoderi ins Tal der Wistritza und von
da auf Bergpfaden wohlbehalten nach Äginion gekommen1).
Die Erstürmung von Gomphi und die Übergabe von Metropolis
gleich danach hatten den Übertritt sämtlicher thessalischer Städte
aufser Larissa auf Cäsars Seite zur Folge2). Auch Pharsalos mufs
danach in seine Hand gekommen sein.
Jetzt war weitere Eile nicht mehr nötig; Cäsar konnte seinen
erschöpften Truppen die nötige Ruhe gönnen und scheint in der Tat
in der grofsen, fruchtbaren, südwestthessalischen Ebene seinen Fufs
ganz langsam vorwärts gesetzt zu haben, so dafs er erst nach sieben
Tagemärschen von Gomphoi aus, furagierend und sich verproviantierend,
in der Nähe von Pharsalos ankam, wo er ein Standlager aufschlug
und Pompejus' Ankunft erwartete3).
2) Caes. b. c. III 79 nennt nur Anfangs- und Endpunkt von Domitius' Marsch.
Heraklea ist natürlich nicht „Sintica", sondern „Lynkestis", jetzt Monastir; vergl.
Drumann-Groebe III 452. — Aber auch die Marschroute im einzelnen steht fest:
Um sich dem Pompeius zu entziehen, ohne dem Scipio in die Hände zu laufen,
der am Haliakmon in der Gegend des Passes von Servia stand, konnte Domitius
nur die Route einschlagen, welche über den Pafs von Pisoderi (s. über ihn oben
S. 13 A. 2) nach Kastoria ins Wistritzatal hinabsteigt; dann mufste er die Wistritza
abwärts über Lapsista nach Greveno gehen, von da den Wenetikos aufwärts etwa
bis Kipurjos — etwa in der Mitte zwischen Greveno und dem Passe von Milia —
und endlich von hier in südöstlicher Richtung an den Hängen der Kratzovonkette
entlang über die sogenannten Kambunischen Berge an Georgitza und Meritza
vorbei den Endpunkt Kalabaka— Äginion erreichen. Der letzte Teil dieser Route
fällt mit dem von Heuzey, Mission S. 297 und Plan B, beschriebenen Itinerar zu-
sammen.
2) B. c. III 81 : nulla Thessaliae fuit civitas praeter Larissaeos . . . quin
Caesari pareret atque imperata faceret. Das ist natürlich cum grano salis zu
verstehen, da wedor Thessalien nördlich von Larissa noch die Küste sich Cäsar
angeschlossen haben können ; vergl. Leake, Transact. S. 77.
3) App. b. c. II 64,268 (Viereck): KuZouq iura awTovcog rj/u^aig odtvoag
(von Gomphoi aus) toiQUTonsdzvGe. neql <t>aqocdov. Ob die Nachricht von den
1. Die milit. Lage und die modernen Hypothesen über das Schlachtfeld. 403
Hier war es auch, wo er zu gleicher Zeit am besten seine Ver-
stärkungen aus Griechenland, 15 Kohorten unter Fufius Calenus, ohne
Gefahr vor den Pompejanern an sich ziehen konnte. Denn durch
eine Stellung in dieser Gegend deckte er den Nordausgang des Passes
von Domoko, über den Calenus zu erwarten war1).
Während derselben Zeit war Pompejus durch Makedonien auf
der Egnatischen Strafse, dann südwärts abbiegend durch das Becken
von Kailar und über den Pafs von Servia nach Larissa marschiert,
hatte sich hier mit Metellus Scipio und dessen zwei Legionen ver-
einigt und war dann Cäsar nach Pharsalos entgegengerückt2). Der
Weg dahin geht zwischen dem Karadagh und den Mavrovunibergen
hindurch über die niedrige Hügelkette der Kynoskephalä in direkt
südlicher Richtung in die Ebene von Pharsalos hinab3).
Da Pompejus sich aufser von Larissa ohne Zweifel auch noch
vom Meere her, dem nahen Golf von Volo aus, verproviantiert hat 4),
so kann man sagen, dafs seine Verbindungen nach Norden und Osten
hin lagen, während Cäsar die seinigen nach Süden und Westen, der
südwestthessalischen Ebene und dem Passe von Domoko hin hatte.
Diese allgemeine Feststellung der Lage bringt allerdings zu-
nächst für die genauere Bestimmung des Schlachtfeldes nicht viel
Nutzen. Denn die Ebene von Pharsalos, auf welche wir dadurch
sieben Märschen zwischen Gomphoi und Pharsalos mit Goeler II 148 anzunehmen
oder mit Stoffel II 237 abzulehnen und anders zu erklären ist, bleibt freilich bei
der Unzuverlässigkeit Appians zweifelhaft. Von Gomphoi bis Pharsalos sind
übrigens nur etwa 70 Kilometer — also nicht, wie Göler meint, 27 Stunden — , so
dafs Cäsar nur 10 Kilometer täglich marschiert wäre. — Den Namen Pharsalos
nennt bekanntlich Cäsar als Schlachtort überhaupt nicht. Er sagt nur b. c. III 81:
idoneum locum in agris nactus ... ibi adventum expectare Pompei eoque omnem
belli rationem conferre constituit.
J) Über Calenus' Truppen b. c. III 34 f. 56 ; man vergleiche Drumann-Groebe
III 458 A. 3.
2) Caes. b. c. III 81: Larissaeos, qui magnis exercitibus Scipionis tenebantur.
ib. 82: Pompeius ... in Thessaliam pervenit.
3j App. b. c. II 65, 272: Pompeius aviaöTQaTOTiiötvoe t<£ Kaiöccgi ti£qI
tfraQGcdov. Ebenso Plut. Pomp. 68 xaTäßr\aav ig to <f>aQGakiov nediov und ib. 71;
Caes. 42 und sonst. Über den Weg dorthin vergl. oben S. 69 den Feldzug vom
Jahre 197 v. Chr.
4) App. b. c. II 66,273: ayoQcc de ÜofiTirjio) [asv r\v navictxo&ev ovtw yaQ
uvi(x) nqoditoxrivio xtu odol xal hftEVsg xal (pQovQict, (og ix ze yrjg du (f£(i£Odctt xal
diu öakaööiyg navza ävtftov avzio (piqtiv.
26*
Hierzu Karte
404 Pharsalos.
hingewiesen werden, hat immer noch eine sehr beträchtliche Aus-
dehnung. Sie setzt sich als östlicher Zipfel an die mehrfach genannte
grofse südwestthessalische Ebene an in einer Breite, die, von Proerna
ko. 11. am Nordausgange des Domokopasses bis zum Dogandschigebirge im
Norden der Ebene gemessen, etwa 17 Kilometer beträgt, während
ihre Länge sich von hier aus in östlicher Richtung bis zum Durch-
bruche des Kütschük, d. h. Kleinen Tschinarli bei Orman Magula
in einer Ausdehnung von etwa 20 Kilometern hinstreckt.
Allerdings verschmälert sie sich nach Osten zu trichterförmig, da
die begleitenden Hügelzüge, das Mavrovunigebirge, die Kynoskephalä
und der Karadagh im Norden, das Alogopatigebirge, die Surlagruppe
und der Karadscha Achmed im Süden, sich immer mehr einander
nähern, bis sie im Osten bei dem erwähnten Durchbruche des Kleinen
Tschinarli fast zusammenstofsen.
Aber die zu betrachtende Fläche bleibt immerhin noch so grofs,
dafs wir uns dringend danach umsehen müssen, ob unsere Über-
lieferung uns nicht noch speziellere topographische Daten für die
Lokalisierung im einzelnen an die Hand gibt, ehe wir im Terrain
selber auf die Suche ausgehen können.
Cäsar zunächst spricht davon, dafs Pompejus' Lager auf einem
Hügel oder auf Hügeln gelegen hätte, wrährend sein eigenes in der
Ebene aufgeschlagen gewesen sei1); er erwähnt ferner, dafs Pompejus
in der Schlacht seinen rechten Flügel an einen Bach mit steilen
Ufern angelehnt habe, während der andere nach dem Schlachtbericht
frei in die Ebene hinausstand2); er bemerkt, dafs an dieser Seite
sehr hohe Berge die Ebene begrenzt hätten, in die die Pompejanische
Eeiterei geflohen sei3), dafs auch die flüchtigen Legionen nach Ein-
nahme des Lagers in sehr hohe Berge geeilt seien, die an das Lager
anstiefsen 4), dafs der Berg, auf dem sie sich dann gesammelt hätten,
L) B. c. III 85: Pompeius, qui castra in colle habebat. ib. 84: ut. . collibus
Pompeianis aciera subiceret. Von seinem eigenen Lager heifst es dagegen ib. 81:
idoneum locum in agris nactus. Ackerland ist aber in der pharsalischen Gegend
fast nur in der Ebene zu finden. Die Hügel der Südseite, an die man hier allein
denken könnte, sind fast durchweg felsig oder mit Wiesengrund bedeckt.
2) B. c. III 88: dextrum cornu eius rivus impeditis ripis muniebat. Auf
dem andern Flügel steht die ganze Reiterei und wird die Umfassung beabsichtigt;
also war hier freie Ebene.
3) B. c. III 93: ut .. . fuga montes altissimos peterent.
4) B. c. III 95: in altissimos montes, qui ad castra pertinebant, confugerunt.
1. Die milit. Lage und die modernen Hypothesen über das Schlachtfeld. 405
ohne Wasser gewesen sei, dafs sie ihn darum wieder verlassen und
sich auf dem an ihn anschliefsenden Bergrücken nach Larissa zu
zurückzuziehen begonnen hätten1), dafs er selber ihnen aber auf
bequemerem Wege zuvorgekommen sei und ihnen nach einem Marsche
von 6 Millien bei einem anderen, von einem Flusse bespülten Berge
den Weg verlegt habe2).
Das alles sind zwar sehr wertvolle Einzelheiten, aber sie bringen
keinen Gewinn, solange nicht das Gebiet für die Schlacht enger, als
bisher geschehen, umgrenzt ist. Denn Hügel, hohe Berge, Bäche mit
steilen Ufern, Berge ohne Wasser und solche, deren Fufs bespült ist,
gibt es in der weiten pharsalischen Ebene an mehr als einem Orte.
Es ist deshalb unerläfslich, zu näherer Einschränkung des Unter-
suchungsgebietes, die noch aufser Cäsar vorhandene, mit Namen
weniger sparsame Tradition heranzuziehen, deren Glaubwürdigkeit
gerade auf diesem Gebiete trockener Topographie am wenigsten an-
fechtbar sein dürfte3). Sie gibt nun an, dafs der Bach, an den
Pompejus seinen rechten Flügel anlehnte, der Enipeus gewesen sei4),
dafs die beiden Heere zwischen dem Enipeus und der Stadt Pharsalos
aufmarschiert seien5), dafs beide Lager 30 Stadien, d. h. 5,3 Kilo-
meter, voneinander abgestanden hätten6), und endlich, dafs Cäsar
unmittelbar vor der Schlacht die Absicht gehabt habe, auf Skotussa
zu marschieren7).
Es existieren nun in der Ebene von Pharsalos im ganzen drei
Bäche oder wenn man will Flüsse.
*) B. c. III 97: Pompeiani, quod is mons erat sine aqua . . . relicto monte
universi iugis eius Larissam versus se recipere coeperunt.
2) B. c. III 97: (Caesar) commodiore itinere Pompeianis occurrere coepit
et progressus railia passuum VI aciem instruxit. Qua re animadversa Pompeiani
in quodam monte constiterunt. Hunc montem flumen subluebat.
3) Über die Quellen dieser Tradition und ihre Glaubwürdigkeit s. unten
S. 434 f.
4) Frontin II 3, 22 : (Pompeius) dextro latere DC equites propter flumen
Enipea. . . . locavit. Lucan VII 224: at iuxta fluvios et stagna undentis Enipei
Cappadocum montana cohors . . . ibat.
5) App. b. c. 1175,313: Pompeius naQeiaaas . . lg to [xeia'Zv <Pa.QaaXov re
nokecog y.cd 'Eviniwg noiafxov, £V&a aal 6 KaToccg aVTiöiexoöfxei.
6) App. b. c. II 65,272: tqiÜxovtcc aiaöiovg äXXrjXeov cctih/ov.
7) Plut. Pomp. 68: [itXXorrog aviov nQog ZxotovOckv iiva&vyvLuv. Ebenso
Cäsar 43.
406 Pharsalos.
Der erste ist der schon erwähnte Kleine Tschinarli, auch
Phersalitis genannt. Er entspringt auf der hohen Othrys und fliefst
etwa 40 Kilometer in nördlicher Richtung, bis er, am Ostende der
pharsalischen Ebene bei Orman Magula angekommen, plötzlich scharf
nach Westen umbiegt und nun die ganze Ebene erst in westlicher, dann
in nordwestlicher Richtung durchläuft. Er ist ihr Hauptflufs, aber
wie die meisten griechischen Flüsse von sehr verschiedenem Wasser-
stand. Im Sommer überall durchschreitbar, im Winter und nach
Gewitterregen oft so angeschwollen, dafs er nicht nur sein 60 bis
70 Meter breites Bett ganz anfüllen, sondern Äcker und Wiesen weit-
hin überschwemmen soll, obgleich er fast auf seinem ganzen Laufe
durch die Ebene von etwa 6 Meter hohen, steilen Lehmufern ein-
gefafst wird; eine Eigenschaft, die — nebenbei gesagt — für uns als
Charakteristikum des Flusses von besonderer Wichtigkeit ist1).
Der zweite Bach ist die Tabakhana, gleichfalls gelegentlich
Phersalitis genannt. Er entspringt in sehr starker, Sommer und
Winter fast gleichmäfsig fliefsender Quelle unmittelbar an den alten
Stadtmauern von Pharsalos und fliefst in nordwestlicher Richtung
mit dem Kleinen Tschinarli parallel, 3 — 5 Kilometer von ihm ent-
fernt2). Er sieht überhaupt nicht aus wie ein Flufs, sondern wie
ein kleiner Mühlgraben von etwa 2 Meter Breite, zum Teil bis zum
Rande mit Wasser gefüllt, das schnell und klar dahinfliefst, zum Teil
mit Ufern von 72 bis 1 Meter Höhe, die durch kleine Unebenheiten
des umliegenden Acker- und Wiesenlandes gebildet werden. Sein
Wasser ist etwa 70—80 Zentimeter tief3).
Der dritte Bach endlich ist der A'ikli. Er entspringt auf der
kleinen Hochebene von Tschaterli östlich von Phersala, fliefst in tief-
eingeschnittenem Tälchen nach Norden und verliert sich, da er ge-
wöhnlich sehr wenig Wasser hat, in der Ebene. Nur mit Mühe kann
man an dem feuchteren, zum Teil sumpfigen Boden, hie und da auch
*) Ebenso nach den Beschreibungen der anderen Augenzeugen: Leake
(I 448. IV 472), Heuzey (Operations de Cesar S. 105), Stoffel II 17.
2) So auch Leake I 453, der den Bach aber irrtümlich bei Vashli — wohl
Vasili — in den Kleinen Tschinarli münden läfst; ferner Heuzey, Mission 412;
Operat. 132.
3) Heuzey (Operat. 132) taxiert ihn „large au plus de quatre ä cinq metres".
Das ist zu hoch.
1. Die milit. Lage und die modernen Hypothesen über das Schlachtfeld. 407
an einer trockenen, etwa 1—2 Meter breiten und bis zu 1 Meter
tiefen Bachrinne erkennen, wo zu Zeiten gröfserer Wasserfülle sein
Bett gehen mag1). So war der Zustand schon im Monat April, als
ich die Gegend besuchte. Im Juni — also zur Zeit, wo die Schlacht
geschlagen wurde — wird er überhaupt gar nicht vorhanden sein.
Es kann nach dem Gesagten keinem Zweifel unterliegen, dafs
von diesen drei Bächen für den Enipeus der Alten nur der Kleine
Tschinarli in Betracht kommen kann: er entspringt in der hohen
Othrys, ebenso wie der Enipeus2); wie dieser ist er grofs genug, um
als Anlehnung für eine Flanke der Schlachtlinie zu dienen, wie er
!) Von Leake erwähnt IY 330. 470, von Heuzey Op. S. 130.
2) Strabo IX 5,6. C. 432: Mslirctius <T cmoj&ev ((paolv) iavTcov odov d&a
araöiovg oly.Elo&ai, rr)V 'Eklada ntgav tov 'Evintwg . . . 6 <T 'Evinsui anb rrjg
^'O&QVog naQcc <t>aQtiaXov yvüg eig ibv \4mdavbv nctQctßdXXti, 6 <T dg rbv Urjveiov.
Der Enipeus flofs also, wie auch Thukydides IY 78, 1—3 bestätigt, dicht bei
Melitäa vorbei, deren Lage in der hohen Othrys beim Dörfchen Avaritza seit
Ussings Entdeckung einer Inschrift mit dem Namen der Stadt feststeht (Bursian
I 85). Dafs Goeler den Enipeus mit dem kleinen A'iklibächelchen gleichgesetzt
hat, beruht auf Nichtbeachtung dieser Tatsache und auf seiner sehr mangel-
haften kartographischen Kenntnis der Ebene von Pharsalos überhaupt. Die
Identität von Enipeus und dem Kleinen Tschinarli ist denn auch seit Leakes
gründlicher Erörterung der Frage (IY 320 f.) von keinem der späteren Forscher
(vergl. Mommsen, Heuzey, Stoffel) bestritten worden. Wohl aber ist es möglich,
dafs der Enipeus -Tschinarli im Altertum gelegentlich auch mit dem Namen
Apidanos bezeichnet worden ist. Mehrere Nachrichten, die den Apidanos als einen
oder sogar den gröfsten Flufs von Achaia Phthiotis bezeichnen (Herodot YII 196.
Euripid. Hek. 451. Iph. Aul. 713) und ihn bei Pharsalos vorbeifliefsen lassen
(Strabo VIII 332. C. 356 in einer Glosse; auch Thukyd. IV 78,5: ig <Pagacd6v te
frs'Uoe xocl loiQctTonedtiiaaTo inl tcu 'Anidavtp nota/uu gehört wohl hierher) legen
diese Vermutung nahe. Der Apidanos ist, wie Leake unzweifelhaft nachgewiesen
hat, der aus dem Enipeus-Tschinarli und verschiedenen anderen, fast gleich
grofsen Flüssen weit unterhalb Pharsalos' entstehende Flufs von Vloko, der die
gesamten Gewässer der südwestthessalischen Ebene dem Peneos zuführt. Da ist
es denn sehr wohl möglich, dafs dieser Gesamtname, der ursprünglich einem
andern Quellarm — Leake meint dem Quellarm von Domoko = Vrysia — zugekommen
ist, gelegentlich auch auf den Enipeus übertragen wurde. Wer in Griechenland
gereist ist und weifs, wie wenig genau die Einheimischen mit derartigen Namen-
gebungen zu sein pflegen, wird sich über derartige Übertragungen nicht im
geringsten wundern. Für unseren Zweck hier gehen uns diese Möglichkeiten aber
nichts an. Von dem Apidanos ist in unseren Schlachtberichten gar nicht die
Rede, sondern nur von einem Enipeus; ein Enipeus in der Pharsalischen
Ebene kann aber nach dem Gesagten eben nur der Kleine Tschinarli sein, und
darauf kommt es hier an.
408 Pharsalos.
endlich mit seinen 6 Meter hohen Steilufern ein rivus impeditis
ripis.
Da nun auch die Identität des heutigen Phersala mit dem antiken
Pharsalos feststeht1), so sollte man meinen, dafs über den Ort der
Schlacht eigentlich kein Streit mehr sein könnte, sondern dafs man
ihn zwischen dem Kleinen Tschinarli und Phersala ansetzen müfste,
und dafs sich die Hügel und Berge für die Lager, den Rückzug und
die Kapitulation der Pompejaner gleichfalls in eindeutiger Lokalisierung
in der Landschaft müfsten festlegen lassen.
Aber trotzdem sind merkwürdigerweise eine ganze Anzahl von
Hypothesen, sowohl über den Ort der Schlacht selber als über die
Operationen nach ihr aufgestellt worden, und jeder neue Forscher
hat die Ansichten der früheren mehr oder weniger über den Haufen
zu werfen versucht.
Den Reigen dieser Forscher eröffnet der verdienstvolle Leake.
Im engen Anschlufs an die Quellen setzt er die Schlacht in der
Tat zwischen dem Kleinen Tschinarli und Phersala an, Pompejus mit
dem rechten Flügel an den Flufs gelehnt. Das Lager des Pompejus
versetzt er auf die Höhen westlich von Phersala, also wohl auf den
Hügel Krindir, das Cäsars 41 Kilometer östlich von Phersala an den
Fufs des Alogopatiberges. Die Flucht der Pompejaner läfst er über
den Enipeus in nördlicher Richtung, auf Larissa zu, stattfinden. Den
') Sie stützt sich nicht nur auf die Namensgleichheit, sondern auf sehr
bedeutende Reste antiker Bauten, besonders der Stadtmauern (Leake I 449 ff.).
Meinungsverschiedenheit herrscht dagegen über die Lage von Paläpharsalos, das
wiederholt als Schlachtort genannt wird (b. AI. 48. Frontin II 3, 22. Eutrop
VI 20,4. Oros. VI 15,27. Strabo XVII 1,11. C. 796), aber nie so, dafs etwas
Genaueres über seine Lage zum Schlachtfeld daraus hervorginge. Es wird von
Leake mit der Akropolis von Pharsalos identifiziert oder eine Viertelstunde östlich
davon angesetzt (IV 329. 48H, von Heuzey auf den kleinen Hügel Kuturi am
Tschinarli verlegt (Op. 132. 109), von Goeler (II 149) auf das rechte Ufer des
Tschinarli übertragen, von Mommsen (R. G. 1 6 S. 425) zwischen Phersala und
dem Phersalitis (Tschinarli) vermutet, von Stoffel (II 244) zwischen Lasar-Buga
und Ürman Magula lokalisiert, je nachdem die verschiedenen Forscher sich ihre
Theorien über das Schlachtfeld zurechtgelegt haben. Da über seine Lage also
nichts feststeht, so müssen wir es aus der Untersuchung über das Schlachtfeld
ausschalten, wenn wir nicht ein x durch ein y zu bestimmen versuchen wollen.
Unter diesen Umständen ist aber ausdrücklich zu betonen, dafs das Schlachtfeld
von Appian (s. S. 405 A. 5) nicht zwischen Alt-Pharsalos und dem Enipeus,
sondern zwischen Pharsalos und dem Enipeus angesetzt wird.
1. Die milit. Lage und die modernen Hypothesen über das Schlachtfeld. 409
Berg der Kapitulation legt er an den Bach von Supli bei Skotussa,
den er Onochonosflufs nennt1).
In seiner Aufstellung ist eine Lücke, und in ihr liegt eine Un-
möglichkeit. Wo ist der mons sine aqua, auf den die Pompeianer
geflüchtet sind? Legt man ihn auf die linke Seite des Enipeus, so
ist die Entfernung von ihm zum Bache von Supli zu grofs: aus den
6 Millien, die Cäsar angibt, werden mindestens 9; und der Bergrücken,
auf dem sich die Pompejaner zurückgezogen haben, ist überhaupt
nicht vorhanden. Sie hätten vielmehr durch die Ebene des Enipeus
hindurch gemufst. Legt man ihn dagegen auf das rechte Ufer des
Flusses, so ist dort ein Berg, den man durch eine Feldverscbanzuug
einschliefsen kann2), wie Cäsars mons sine aqua war, überhaupt nicht
zu finden, sondern hier dehnt sich das charakterlose Hügelland der
Kynoskephalä aus (vergl. S. 70). Dazu kommt endlich, dafs auch die
Beschreibung Cäsars auf Leakes Berg der Übergabe nicht pafst: eine
planities am Fufse desselben, in die Cäsar die besiegten Pompejaner
heruntersteigen heifst3), gibt es hier nicht, sondern hier zieht sich nur
das enge Tal von Supli hin. Auch versteht man nicht, wie hier Cäsar
den Flüchtigen „commodiore itinere" zuvorkommen und ihnen den
Weg verlegen konnte, da von einem solchen bequemeren Wege bei
dem überall welligen, von kleinen Tälchen durchzogenen Hügelland
hier nirgends die Rede sein kann. Kurz, Leakes Vorstellungen von
dem Rückzuge und der Kapitulation der Pompejaner sind nicht
haltbar.
*) IV 481 ff. und Transactions S. 79 f. — Pompejus' Lager versetzt er hier
„on the nordern side of this mountaiu" d. h. des Berges östlich von Pharsala.
Über das Lager Cäsars sagt er, es habe gelegen „at or near Hadjeverli, at the
foot of the rocky height which advances into the piain three miles westward
of Fersala". Obgleich es einen Ort Hadjeverli nicht gibt, so steht doch durch
Leakes Karte und die Bestimmung three miles westward of Fersala fest, dafs er
mit der „rocky height" den Alogapatiberg gemeint hat. Hadjeverli ist wohl von
Leake verhört — das kommt ihm bei türkischen Namen öfters vor — für Hadschi
Omar, das ungefähr hier liegt. - Der Onochonosflufs Leakes ist nach N. Gr.
I"V 514 der Bach von Supli, also der Onchestos des Polybios, (s. oben S. 69). — Die
Schlachtlinien sind in der Karte eingezeichnet mit Berücksichtigung von Leakes
Bemerkung (S. 481), dafs sie from the Enipeus towards Pharsalus gegangen seien
und a line of near three miles, d. h. 4| Kilometer, eingenommen hätten.
2) Caes. b. c. III 97 : montem opere circummunire instituit.
3) B. c. III 96: Caesar., omnes eos, qui in monte consederant, ex superi-
oribus locis in planitiem descendere . . . iussit.
410 Pharsalos.
Der zweite Forscher, der sich mit der Lösung der Frage beschäf-
tigt hat, ist von Goeler. Er legt beide Lager auf das nördliche Ufer
des Tschinarli, den er irrtümlich (s. S. 407 A. 2) nicht Enipeus, sondern
Apidanos nennt, und zwar das des Pompejus in die Nähe des Dorfes
Subaschi, das Cäsars mit dem Rücken an den Flufs. Die Schlacht
wird daher bei ihm auch auf dem rechten Ufer geschlagen, der Rück-
zug geht, wie bei Leake, in den Karadagh1).
Diese Ansetzung ist in allen Teilen falsch.
Über den Rückzug und die Kapitulation ist bei Leake gesprochen.
Die Schlacht selber aber kann ebensowenig so geschlagen sein, wie
Goeler annimmt, weil erstens das Schlachtfeld bei ihm nicht zwischen
Enipeus und Pharsalos liegt und zweitens eine Anlehnung an einen
Bach mit steilen Ufern hier überhaupt nicht möglich ist. Denn ein
solcher, wie Goeler ihn nach ungenauen Karten als nördlichen Zu-
flufs zum Tschinarli annimmt, existiert in Wirklichkeit nicht.
Eine Vermittelung zwischen diesen beiden Ansichten hat Mommsen
versucht. Er legt mit Leake das Lager Cäsars und die Schlacht auf
die linke, mit Goeler das Lager des Pompejus auf die rechte Seite
des Flusses (R. G. 1 6 424).
Diese Ansicht teilt also mit den beiden vorigen die Unmöglich-
keiten in der Ansetzung der Rückzugsbewegungen nach der Schlacht
und ist, was die Schlacht selber betrifft, ebenfalls unannehmbar.
Denn Mommsen mutet dem Heere des Pompeius zu, nicht nur beim
Ausmarsch vom Lager zur Schlacht, sondern sogar auf der Flucht
zum Lager zurück den Enipeus mit seinen 6 Meter hohen Steil-
ufern überschritten zu haben. Diese Überschreitung ist aber eine
Unmöglichkeit, wenn der Feind so nahe im Nacken sitzt, wie es nach
der Entscheidung des Nahkampfes bei Pharsalos der Fall war, eine
Unmöglichkeit, die Mommsen selber anerkennt, indem er die Flucht
des Pompejus selbst und den Rückzug der Pompejaner aus dem
Lager über den Bach hinüber als unausführbar bezeichnet und eben
x) II 150 f. Goeler hatte, wie seine Skizze Taf. XV zeigt, sehr mangelhafte
Vorstellungen von der Gegend, war auch nicht selber dagewesen. — Die Ansicht
Goelers ist dann später von Seidner (Das Schlachtfeld von Pharsalns. Progr.
Mannheim 1883. 10 S.) und von Perrin wieder aufgenommen (The american
Journal of philology ed. by Gildersleeve vol. VI 1885, S. 170—189), aber ohne
dafs wesentliche, neue Gründe dafür ins Feld geführt wären.
1. Die milit. Lage und die modernen Hypothesen über das Schlachtfeld. 411
deshalb das Lager auf der Nordseite des Enipeus ansetzt. Abgesehen
davon ist es mit der Topographie nicht vereinbar, dafs die Pom-
pejaner — wie Mommsen will — zugleich mit dem Gesicht nach
Pharsalos hingestanden und ihren rechten Flügel an den Enipeus
gelehnt haben.
So sind also alle bisher besprochenen Versuche abzulehnen.
Ihre gemeinsame Schwäche liegt darin, dafs sie alle die Rückzugs-
bewegungen der Pompejaner nicht erklären können.
In dieser Beziehung haben nun die Franzosen die Frage wesent-
lich gefördert, speziell Heuzey.
Er hat nicht nur zuerst eine zuverlässige Karte der ganzen
Umgegend aufnehmen lassen, die noch heute im wesentlichen die
Grundlage für unsere Anschauung bildet1), sondern er hat auch zu-
erst und unzweifelhaft richtig den Karadscha-Achmed als Ort der
Kapitulation der Pompejaner bezeichnet2). Selbst sein harter Kritiker
Stoffel ist ihm darin gefolgt (II 27. 244) — allerdings ohne seine
Priorität zu erwähnen — , und man kann überhaupt nicht anders,
nachdem der Gedanke einmal ausgesprochen ist. Hunc montem
flumen subluebat, sagt Cäsar (III 97) von dem Berge der Übergabe.
Da die Tabakhana nirgends nahe an Hügeln vorbeifliefst und der
Aikli wegen seiner Unbedeutenheit nicht in Betracht kommt, so kann
dieser flumen nur der Tschinarli-Enipeus sein3). Wenn man nun
1) Vergl. die Bemerkuug über die Herstellung unserer Karten S. 447 f.
2) Les Operations militaires de Jules Cesar p. 141.
3) Man könnte daran Anstofs nehmen, dafs in diesem Falle der Enipeus
von Cäsar einmal als flumen und das anderemal (s. S. 404 A. 2) als rivus (impeditis
ripis) bezeichnet sei. Aber das ist bei Cäsar keine Schwierigkeit; dieselbe An-
höhe bezeichnet er sogar in demselben Satz als mons und collis: b. c. III 85: Pom-
peius, qui castra in colle habebat, ad infimas radices montis aciem instruebat.
Cäsar nennt zudem die kleinsten Bächelchen flumina, bei Dyrrhachion sagt er
III 49: omnia flumina atque omnes rivos . . . aut averterat aut . . . obstruxerat.
Der gröfste von diesen Küstenflüfschen ist die Kracia mit 5 Kilometern Länge (!);
denn die Lesnikia, übrigens auch nur 20 -25 Kilometer lang, fällt wahrscheinlich
nicht mehr in die Verschanzungen hinein (Veith S. 512, Beilage 29). Flumen
mit subluere verbunden findet sich auch b. G. VII 69 bei Alesia, wo es von den
kleinen Bächen Ose und Oserain heifst: cuius collis radices duo . . . flumina
subluebant. Rivus dagegen wird auch b. c. III 37 mit ripa verbunden: rivus
difficilibus ripis. Es scheint hier eine Vorliebe für gewisse Wortverbindungen
vorzuliegen. Man vergleiche übrigens dazu Drumann-Groebe III 751 A. 3. Mein
4 1 2 Pharsalos.
dessen Lauf verfolgt, so erkennt man, dafs er dreimal nahe an Hügel
herantritt, beim Karadscha-Achmed, beim Kuturi und beim Dogandschi.
Da die beiden letzteren wegen ihrer abgelegenen Lage nicht ernst-
lich in Betracht kommen können, so bleibt allein der Karadscha-
Achmed übrig.
Leider sind nun aber Heuzey und Stoffel nicht von diesem
festen Punkt aus weiter gegangen, um das Schlachtfeld zu finden,
sondern sie haben, durch falsche Theorien verleitet, die Schlacht
selber an zwei verschiedene, aber gleich verkehrte Orte verlegen zu
müssen geglaubt.
Wir müssen ihren Ansichten, da sie beide auf Autopsie be-
ruhen und daher eine gewisse Autorität beanspruchen können, noch
einige Worte widmen.
Heuzey setzt das Lager des Pompejus in das Tal Khaidaria
zwischen den Bergen Alogopati und Karapla an, das Lager Cäsars
bU Stunde nördlich davon beim Dorfe Kusgunar, die Schlacht natür-
lich zwischen den Lagern, Pompejus mit Front nach Norden, Cäsar
nach Süden. Den mons sine aqua sucht er auf dem Berge Balluk
oder, wie er ihn nennt, Alogopati, den Berg der Übergabe, wie schon
erwähnt, auf dem Karadscha-Achmed (op. S. 133 f.).
Es ist nicht zuviel gesagt, wenn man behauptet, dafs fast jede
dieser Ansetzungen eine Unwahrscheinlichkeit oder Unmöglichkeit
enthält.
Der mons sine aqua — um mit dem letzten zu beginnen — soll
nach Cäsar von dem Berg der Übergabe 6 Millien = 9 Kilometer ent-
fernt sein; bei Heuzey sind es in der Luftlinie 15 Kilometer. Cäsar
ist nach seiner Erzählung den Pompejanern auf ihrem Rückzuge ,,com-
modiore itinere" zuvorgekommen, obgleich letztere einen Vorsprung
hatten; bei Heuzey haben die Pompejaner den fast geraden und keines-
wegs beschwerlichen Weg über die Hochebenen von Rhizi und Tscha-
terli zu ihrer Verfügung, während Cäsar den Umweg durch die Ebene
machen mufs. Bei Cäsar hat Pompejus sein Lager auf einem Hügel,
bei Heuzey in einem Tal zwischen hohen Bergen. Bei Cäsar lehnt
sich die rechte Flanke des Pompejus an den Bach „impeditis ripis",
an Groebe brieflich mitgeteilter Erklärungsversuch, dafs der Wechsel der Aus-
drücke rivus und flumen auf den Gegensatz zwischen dem 60 Meter breiten
Flufsbett und der geringen Wassermasse des Enipeus im Sommer zurückzuführen
sei, ist durch das hier Gesagte überflüssig geworden.
1. Die milit. Lage und die modernen Hypothesen über das Schlachtfeld. 413
den Enipeus, wie wir gesehen haben. Bei Heuzey ist nichts von
einem solchen Bach zu sehen. Er vermutet, um seine Hypothese
durch eine zweite zu stützen, dafs die Tabakhana früher nach Norden
statt nach Westen geflossen sei und Cäsar diesen Bach meine. Dafür
liegt im Gelände nicht der geringste Anhalt vor, und wenn es
wäre, so könnte die Tabakhana niemals ein rivus impeditis ripis
und natürlich auch nicht der Enipeus gewesen sein. Endlich ist die
Richtung der Fronten der beiden Schlachtreihen so unwahrscheinlich
wie nur möglich, da sie die Heere geradezu auf die Verbindungs-
linien ihrer Gegner stellt1). Heuzey ist zu seiner Ansetzung durch
die Hypothese gekommen, dafs die vielfachen Tumuli, die auf der
pharsalischen Ebene zerstreut liegen, Gräber der Gefallenen seien.
Aber gerade in dieser Annahme selbst liegt eine neue Unmöglich-
keit. Die Tumuli haben ein Verbreitungsfeld, welches im Nord-
westen bis über das Dorf Orphana, im Südwesten bis zwischen
Demirli und Hadschi-Omer, im Norden bis über den Tschinarli bei
Eberdjiler und Pascha-Magula und im Osten gar bis nahe an Derengli
heranreicht. Das ist eine Ausdehnung von 22 Kilometern (man vergl.
die Karte). Nach allen diesen Himmelsrichtungen hin soll sich nun
nach Heuzey tatsächlich die Verfolgung erstreckt haben! Eine Wider-
legung ist nicht nötig.
Aus ganz anderen Gründen ist die Stoffeische Annahme un-
möglich.
Stoffel setzt das Lager des Pompeius auf 'den Westhängen des
Karadscha-Achmed selber an. Demzufolge das Lager Cäsars 5,3 Kilo-
meter davon, also an den Nordfufs des Hügels Krindir und die
Schlacht zwischen beide Lager in die Ebene von Derengli. Über
den mons sine aqua spricht er sich nicht aus (II 17, 240ff.).
Hier liegt der entgegengesetzte Fehler vor wie bei Heuzey.
Das Lager des Pompejus und der Berg der Übergabe, zwischen
denen doch der mons sine aqua irgendwo zu suchen ist, liegen viel
zu nahe zusammen. Die sex millia passuum, die Cäsar marschiert
ist, sind hier auf keine Weise herauszubringen, selbst wenn Cäsar,
x) S. oben S. 403. Man vergleiche die Kritik Stoffels II 240, der vielfach
mit dem Gesagten übereinstimmt, nur darin unrecht hat, dafs er Heuzey unter-
schiebt, er habe den Pompejus seine Armee auf Höhen aufmarschieren lassen,
wo nicht einmal für 10 000 Mann Platz sei. Pompejus' Armee ist überhaupt nicht
auf Höhen, sondern am Fufs derselben aufmarschiert; s. unten S. 420.
411 Pharsalos.
wie Stoffel das annimmt, den Enipeus zweimal in ganz zweckloser
Weise mit seiner Armee überschritten hätte1).
Dazu kommt aber, dafs die kleine Ebene von Derengli für den
Aufmarsch von Pompejus' Heer viel zu schmal ist. Sie hat nur stark
2 Kilometer Breite. Wo soll da Platz für 45 000 Mann und 7000
Reiter sein? Stoffel selber rechnet (II 326) auf eine Kohorte von
36 Mann Front 36 Meter, das würde also auf die 44 Kohorten, welche
Pompejus bei 110 Kohorten im ersten Treffen haben mufste, mit
den Intervallen, die Stoffel den Kohortenfronten gleichsetzt, schon
3 Kilometer ausmachen2). Es ist unbegreiflich, dafs ein Militär wie
Stoffel sich so etwas hat leisten können. Man versteht es erst,
wenn man die souveräne Art kennen gelernt hat, mit der sich Stoffel
über alle Zeugnisse und Rücksichten zugunsten einer vorgefafsten
Idee weggesetzt hat.
Es ist wert, ihn selber zu hören:
„Von allen bisher unbekannt gebliebenen Schlachtfeldern4*
— so meint er S. 241 — „ist das von Pharsalos am leichte-
sten zu finden, und es gibt keine einigermafsen kriegs-
erfahrene Person, die es nicht in einem halben Tag ent-
decken könnte. Sie braucht nur zu wissen, wie eine mili-
tärische Stellung für eine römische Armee von 50 bis 60000
Mann aussehen mufs. Wenn man sich erinnert, dafs die
Schlacht am Enipeus stattfand, dafs Pompejus von Larissa
kam, so hat man, ohne sich um irgendeine andere alte
Textstelle zu kümmern, nur die folgenden von den Kom-
mentaren gestellten Bedingungen ins Auge zu fassen:
1) Pompejus hatte sein Lager auf Hügeln und liefs seine
Armee in Schlachtordnung mehrere Tage hintereinander
auf den unteren Hängen aufmarschieren (b. c. II 84
und 85).
2) Pompeius legte auf diesen Hügeln aufser seinem Haupt-
lager mehrere Kastelle oder Lager von kleiner Aus-
dehnung an (b. c. III 90).
1) II 28 und die Karte, die Stoffels Zeichnung genau wiedergibt.
2) 36 Meter x 88 ergibt genau gerechnet 3,07 Kilometer. Dabei kommt
noch in Betracht, dafs die Pompejanischon Kohorten nicht 36, sondern 41 Mann
in der Front hatten (S. 420 A. 2). Für die Reiterei ist also kein Platz da.
1. Die milt. Lage und die modernen Hypothesen über das Schlachtfeld. 415
Pompeius besetzte also Höhen, die sich vor seiner
Front in Form von langen Abdachungen (longs versants) ver-
flachten, auf deren geneigten Flächen er seine Armee in
Schlachtordnung aufstellen konnte . . . Diese Art von Posi-
tionen ist nicht häufig . . . Eine solche am Kleinen Tschi-
narli in der Gegend von Pharsalos zu finden, darauf be-
schränkte sich die Entdeckung des Schlachtfeldes."
Und nun führt er des weiteren aus, dafs auf dem ganzen Süd-
ufer einzig der Westabhang des Karadscha- Achmed den gestellten
Bedingungen entspräche.
Es heifst in der Tat, sich die Auffindung eines Schlachtfeldes
leicht machen, wenn man unter Beiseitesetzung aller sonstigen Über-
lieferung sich auf eine einzige Nachricht stützen zu dürfen glaubt,
mag das Resultat auch noch so sehr allem anderen ins Gesicht
schlagen.
Wenn man es aber tut, so ist zum mindesten zu verlangen,
dafs man aus der Nachricht, auf die man sich stützt, nur das heraus-
liest, was wirklich darinsteht.
Wo steht aber bei Cäsar etwas davon, dafs Pompejus seine
Armee auf langgestreckten Abhängen aufgestellt habe? Ad infimas
radices montis — heifst es bei Cäsar III 85 — , also an dem Fufs
des Berges in der Ebene hat er seine Truppen aufgestellt und zwar
dicht vor seinem Lager, welches also nahe an der Ebene auf einem
ganz mäfsig hohen Hügel gelegen haben mufs. Denn gleich nach
der angezogenen Stelle fährt Cäsar weiter fort: animadversum est,
. . extra consuetudinem longius a vallo esse aciem Pompei pro-
gressam, ut non iniquo loco posse dimicari videretur. Die iniquitas
loci hatte also nicht, wie Stoffel meint, darin bestanden, dafs die
Pompejaner auf lang abgedachten Hügeln stehen geblieben waren,
sondern darin, dafs sie zu nahe an ihrem Lager gestanden hatten.
Wir werden später (S. 420) sehen, dafs die Beschreibung Cäsars sich
auf ein ganz anders aussehendes Terrain bezieht, als das von Stoffel
gewählte. Zweitens aber steht bei Cäsar nichts davon, dafs die
Kastelle des Pompejus auf Hügeln gelegen hätten. Sie lagen viel-
mehr, wie sich gleichfalls später herausstellen wird, in der Ebene.
Dafs schliefslich — ganz abgesehen von der erwähnten ungenügenden
Breite der Ebene von Derengli — auch die Hänge des Karadscha-
Achmed selber nicht die Breite von über 3 Kilometer haben, die
41 G Pharsalos.
Stoffel ihnen zuschreibt, sondern dafs er nach seiner eigenen Zeich-
nung genötigt ist, selbst hier die ganze Front auf knapp 2 s Kilo-
meter zusammenzudrücken, sei nur nebenbei noch bemerkt.
So hat also keine der bisherigen Ansetzungen des Schlacht-
feldes und der Bewegungen nach der Schlacht zu einem völlig be-
friedigenden Resultate geführt, und die Frage, wie alle diese unter
sich zusammenhängenden Operationen zu lokalisieren seien, ist immer
noch als offen zu betrachten.
2. Schlachtfeld und Schlacht.
Es ist dem aufmerksamen Leser natürlich nicht entgangen, dafs
Hierzu Karte m^ der Kritik der bisherigen Versuche im Grunde die richtige Lösung
Ho. 12. ^ei. prage schon gegeben ist, und dafs dieselbe in einer Kombination
von Leakes Ansicht über den Ort der Schlacht mit den Ansichten
der Franzosen über den Ort der Kapitulation gesucht werden mufs.
Um die Probe auf das Exempel zu machen, wird es deshalb
nunmehr am Platze sein, den Gang der Ereignisse in positiver Er-
zählung zur Darstellung zu bringen und so alle noch etwa vor-
handenen Zweifel an der Richtigkeit der Lösung zu beseitigen.
Wir nehmen also den Faden der Erzählung wieder auf, wo
wir ihn verlassen hatten, bei der Ankunft des Cäsar und Pompejus
in der Gegend von Pharsalos.
. Mitten in der Ebene, wie wir sahen, um nach allen Seiten
freie Bewegung zum Furagieren zu haben, hatte Cäsar sein Lager
aufgeschlagen, an einer Stelle, an der er zugleich den Pafs von
Domoko deckte (S. 403 f.).
Wir werden daher nicht irren, wenn wir diesen Platz nicht mit
Leake (S. 408) am Fufse des Alogopati, sondern in der Nähe des
Dorfes Klein-Tschachmat suchen, nicht weit nördlich der Tabakhana,
die ihn besser als der Enipeus mit reichlichem, klarem und frischem
Wasser versehen konnte1).
') B\ Kilometer nordwestlich von Pharsala liegt mitten in der Ebene ein
grofser, wohl künstlicher Hügel mitten in den fettesten Äckern, nur in unmittel-
barster Nähe von Gestrüpp umgeben. Er ist etwa 4 Meter hoch und hat etwa
250 Schritt im Durchmesser. Er gewährt einen vorzüglichen Überblick über die ganze
Ebene. Man möchte ihn gern für den „idoneum locum in agris" in Anspruch
nehmen, nur stimmt die Entfernung von Pompejus' Lager, die nach Appian (s. S. 405)
30 Stadien = 5,3 Kilometer betragen soll, nicht ganz. Es sind vom Krindir bis
hierher nur etwa 4 Kilometer. Eine Nachgrabung wäre hier sehr zu wünschen.
2. Schlachtfeld und Schlacht. 417
Etwas später rückte Pompejus von Larissa aus auf der Sträfse
nach Pharsalos vor und schlug, nachdem er den Enipeus überschritten
hatte, sein Lager auf der Hügelgruppe Krindir auf1). Diese Hügel-
gruppe eignete sich in mehr als einer Hinsicht vorzüglich für seine
Zwecke und kann ohne Zweifel als die beste Position bezeichnet
werden, die für Pompeius unter den obwaltenden Umständen zu
finden war.
An die sehr steil, zum Teil in senkrechten Felsenwänden ab-
fallenden Surlaberge legt sich im Norden eine Gruppe von drei
niedrigen Hügeln in einer Breite von fast 2 Kilometern an. Der karte von Karte
nördlichste von ihnen ist bei weitem der höchste und führt speziell NoJ^J°*ck*en
den Namen Krindir; er erhebt sich 76 Meter hoch über die Ebene
und fällt nach Norden und Nordosten steil und felsig, nach den
andern Seiten allmählich ab2). Die beiden anderen südöstlich und
*) in colle, in collibus; s. S. 404 A. 1.
) Heuzey, op. 131 bezeichnet die schon von Leake vorgeschlagene Krindir-
stellung als ungeeignet, indem er sagt: „la colline de Krindir, malgre sa forme
aplatie, est couverte de roches tranchantes qui empechent d'y etablir un camp
et ... . eile est de plus, dominee ä pic par le mont Sourla". Und in einer A. fügt
er über die Felsen des Krindir hinzu: on dirait les lames tranchantes et soulevees
de certains glaciers: les rochers sont si dangereux que les chevres meme s'y
tuent; nous en avons ete temoins. Diese Beobachtungen sind richtig, soweit es
sich um die Spitze und den Nordostabfall des eigentlichen Krindir handelt; für
das ganze übrige Terrain treffen sie mit Ausnahme einiger kleiner Felspartien an
den kleineren Hügeln nicht zu. Meine Tagebuchaufzeichnungen über diesen
wichtigen Punkt lauten im einzelnen: „1) Sattel zwischen Krindir und Surla: von
Westen allmählich ansteigend; in der Mitte (zwischen Surla und südwestlichem
kleinen Hügel) 30—50 Meter breit Acker, dann auf beiden Seiten Wiesen mit
Steinen, allmählich steiler bis zu den Felsen des Surla und einer kleinen Fels-
partie des Krindir. Für Kavallerie ohne Schwierigkeit. Oben erweitert sich die
Talfalte zu einem in der Mitte leicht eingesenkten Plateau von etwa 400 Meter
Breite, und 500 bis 800 Meter Länge. Vom tiefsten Punkt des Sattels bis zur
IHöhe des Krindir 800 Schritt. 2) Die Hügel selber bestehen aus a) einem
niedrigeren westlichen Zuge von etwa 500 Meter Länge und 200 Meter Breite,
der nach der Seite von Pharsalos allmählich, zuletzt steil abfällt. Von dem
gröfseren Hügel, zu dem er auch allmählich abfällt, ist er durch ein kleines Täl-
chen getrennt; b) dem grofsen Hügel; er fällt nach Süden und Osten allmählich,
nach Norden und Nordosten steil ab, nach Westen mittelmäfsig steil. Oben
felsig; an den sanfteren Hängen erdiger; c) dem westlichen Hügel, einer Ter-
rasse von 3—400 Meter Breite und etwa 800 Meter Länge." — Was die Surla-
höhen betrifft, so sind dieselben bei einer Höhe von 285 Meter über der Ebene
an der Nordseite so steil, dafs man weder hinauf noch hinunter steigen kann; ins
Kromayer, Antike Schlachtfelder. II. 27
418 Pharsalos.
siulwestlich von ihm sind bedeutend niedriger, nur 24 und 30 Meter
hoch über der Ebene und weniger steil.
Zwischen diesen drei Hügeln dehnt sich nun aber ein breiter
fast ganz ebener, plateauförmiger Sattel aus, der die Hügel sowohl
unter sich als mit den Surlahöhen verbindet und auf seinem Rücken
auch etwa 24 Meter hoch ist. Er steht also an Höhe nur wenig
hinter den beiden kleineren Hügeln zurück. Seine Ausdehnung be.
trägt zusammen mit den ihm zugeneigten Hängen der Hügelchen
900 Meter im Geviert und ist also wie geschaffen zu einem Lager
für eine Armee von der Gröfse der Pompejanischen. Nach vorwärts
wie nach rückwärts hatte es bequeme Ausgänge über die sich nach
Ost und West langsam abdachenden Hänge. Im Süden war es durch
die unerklimmbaren Surlahöhen gedeckt und im Norden durch den
Krindir, auf den man, um die wichtige Position zu halten, einen
Posten legen konnte.
Vom Enipeus, der das Heer mit Wasser versehen mufste, war
man \\ Kilometer entfernt und mufste daher den Zugang sichern.
Hier werden die Kastelle gelegen haben, von denen Cäsar spricht1).
Vielleicht war die Kommunikation ähnlich wie die Cäsars vor Gergovia
durch fortlaufende Schanzen und Gräben gedeckt. Eine Nachricht,
die Plutarch uns erhalten hat, bekommt durch die Annahme, dafs
die Kastelle nach dem Flusse zu lagen, erwünschte Aufklärung.
Brutus — so sagt er — hatte seinen Lagerplatz an einer sumpfigen
Stelle, und auf seiner Flucht verbarg er sich gleichfalls an einem
sumpfigen Ort im Schilf. Er hat also wohl in dem Kastell un-
mittelbar am Flusse gelegen2).
Lager kann man von der Spitze aus nicht hineinschiefsen. Sie sind also bei
den Fernwaffen der Alten eine gute Flankenanlehnung und keine Dominierung.
x) b. c. III 88: cohortes septem in castris propinquisque castellis praesidio
disposuerat. Ebenso 99: cohortes, quae praesidio in castellis fuerant, sese Sullae
dediderunt. Die kleine Zahl von nur 7 Kohorten für Lager und Kastelle findet
ihre Erklärung darin, dafs ihnen zahlreiche Auxilia beigegeben waren, Thraker
und andere Barbaren (b. c. III 95).
2) Plut. Brut. 4: rjv fxlv ax.(xr\ &SQovg y.al xavfxcc noXii nQog ilcodeoi xwQiotg
ioToccTontfevy.oKov, und ib. 6: 7iolt,ooy.ov/j,£vov rov %aQax.og sXa&ev 6 BQOvrog xara
nvXug nQog ronov iXajdi] aal (xtaibv vöcctojv y.ai xaXafiov (peQovoag ll-el&wv xcä
dia vvy.ibg cmoaoj&Eig sig AuQiOGav. Die Gegend ist hier heutzutage allerdings
im Sommer bei trockenem Wetter in der Nähe des Enipeus nirgends sumpfig,
mufs es aber nach starken Gewitterregen, wie sie ja auch im Juni in Griechen-
2. Schlachtfeld und Schlacht. 419
Aber auch in strategischer Hinsicht war die Stellung nicht
ungünstig.
Wir sagten oben (S. 403), dafs Pompejus' Verbindungen nach
Norden und Osten gingen. Larissa lag da nun allerdings in der
Flanke ; aber wenn Cäsar Bewegungen machte, um hier die Ver-
bindung zu stören, so konnten die Transporte von dort ohne grofsen
Zeitverlust hinter dem Karadagh herumgeführt werden, über Pherä
(Welestino) und durch die Senke von Eretria (Tschan gli), die einst
auch Flamininus gezogen war (s. oben S. 72 f. und Karte 4), und die
direkt in den Rücken der Krindirstellung führte. Die Transporte
vom Meere her gingen natürlich von Pherä aus denselben Weg.
So konnte also Pompejus in einer taktisch wie strategisch
völlig gesicherten Stellung warten oder sich auch zur Entscheidung
stellen. Denn das Schlachtfeld, die Ebene von Pharsalos, breitete
sich ohne jedes Hindernis zwischen ihm und Cäsar aus. Im Falle
einer Niederlage war allerdings der Rückzug nach Larissa ab-
geschnitten. Aber hatte dieser Rückzug dann wirklich noch Wert?
Im ganzen Orient waren keine Verstärkungen mehr bereit, auf die
man sich zurückziehen konnte. Die 15 Kohorten, die unter Cato in
Dyrrhachion zurückgeblieben waren, wurden durch die fast 3 Legionen
starke Armee Cäsars, der man hier entgegengegangen wäre, mehr
als aufgewogen1). Dafs das Gefüge von Pompejus' Heer fest genug
gewesen wäre, um einen Rückmarsch durch Makedonien und Thrakien
nach Asien überhaupt auszuhalten, wird selbst der gröfste Optimist
nicht glauben wollen. Es wäre also, selbst wenn man noch vom
Schlachtfelde fortgekommen wäre, Belagerung in Larissa oder irgend
einer anderen Stadt in Makedonien und schliefsliche Kapitulation
das unvermeidliche Ende gewesen.
land wohl noch fallen können, auch heute noch sein (vergl. S. 406). Die zahlreichen
Störche, die überall auf der Ebene herumspazieren, finden jedenfalls ihre Nahrung.
Sumpfgebiet am Enipeus zur Zeit der Schlacht und sogar Überschwemmung
des Flusses wird auch von anderen Quellen erwähnt. Frontin 113, 22: propter flumen
Enipea qui et alveo suo et alluvie regionem impedierat . . . Caesar . . . sinistrum
latus . . . admovit paludibus. Lucan VII 224: iuxta fluvios et stagna undantis Enipei.
Man mufs also annehmen, dafs die Gegend hier seit dem Altertum bedeutend kulti-
vierter geworden ist, oder dafs kurz vorher starke Regen heruntergegangen waren.
l) Cato in Dyrrhachion Plut. Cato 55. — Cäsar hatte an der Küste
8 Kohorten zurückgelassen (b. c. III 78) und erwartete 2 Legionen mit Cornificius
aus Illyrien (Plut. Caes. 43. bell. Alex. 42).
27*
420 Pharsalos.
In der Lage des Pompejus war also die Rückzugsfrage eine
Frage von untergeordneter Bedeutung: Sieg oder Vernichtung, wenn
es zur Schlacht kam: so stand das Geschick auf der Schneide des
Messers.
Aber wer dachte im Heere des Pompejus überhaupt an Nieder-
lage? Man glaubte ja den Sieg in der Hand zu haben, und so
rückte man denn, als Cäsar die Schlacht anbot, aus. Zunächst noch
mit grofser Vorsicht. Die Aufstellung wurde unmittelbar am Fufse
der Krindirgruppe genommen1); nach Norden wurde sie bis an den
Enipeus, nach Süden bis an den Westabhang der Surlahöhen aus-
gedehnt2).
Aber Cäsar bezeigte keine Lust, hier anzugreifen. Nicht, weil
die Pompejaner etwa durch eine höhere Stellung auf den Abhängen
im Nahkampfe zu überlegen gewesen wären, sondern weil ein Sieg
in dieser Stellung ihm keinen Erfolg gewähren konnte, während eine
1) b.c. III 85: Pompeius, qui castra in colle habebat, ad infimas radices
montis aciem instruebat semper, ut videbatur, expectans, si iniquis locis Caesar
se subiceret.
2) Über den Enipeus s. oben S. 405; südlich mufs die Aufstellung bis an die
Surlahöhen gegangen sein, da ihre Länge auf 3^ Kilometer zu berechnen ist.
Denn Pompejus ging mit 45 000 Legionaren in 1 10 Kohorten in die Schlacht (s.
Beilage S. 426 ff.). Das ergibt für die Kohorte rund 410 Mann und, da die Kohorten
10 Mann tief standen (Frontin 113,22), 41 Mann Kohortenfront. Da ferner
Pompejus in 3 Treffen aufmarschieren liefs (Caes. b. c. III 89. Frontin a. a. O.),
so kommen auf das erste Treffen nach der gewöhnlichen Anordnung 44, auf die
beiden anderen je 33 Kohorten, und wenn wir die Kohortenintervalle des erten
Treffens der Frontlänge des zweiten etwa gleichsetzen — man vergleiche über die
Kohortenintervalle jetzt die Ausführungen von Veith S. 483 ff. und seine demnächst
erscheinende Abhandlung über die Taktik der Kohortenlegion — so würde im
ganzen ein Raum für 77 Kohorten in der Front erforderlich sein. Rechnet man nun
auf den Mann im Anmärsche 3 Fufs — s. darüber meinen Aufsatz «Wahre und
falsche Sachkritik". Hist. Ztschr. 1905 Bd. 95 (N. F. 59) S. 15 ff. — = 0,88 Meter,
so erhält man für die Legionen 0,88 x 41 x 77 = 2,778 Kilometer, Die 7000
Reiter wird man in 2 Treffen aufmarschiert denken dürfen, jedes 8 Pferde tief
und die Abteilungen des zweiten auf die Lücken des ersten gerichtet. Dann hat
jedes Treffen 438 Pferde in der Front — auf das Pferd mit Einschlufs der Inter-
valle 6 Fufs = 1,76 Meter gerechnet, ergibt rund 770 Meter. Über diese ganze
Berechnung auf Grund der Überlieferung über die antike Kavallerietaktik vergl.
Bd. I S. 322. — Somit erhalten wir also für die ganze Schlachtreihe rund 3£ Kilo-
meter Länge, da die leichten Truppen zwischen oder hinter den Reitern ge-
standen haben werden (b. c. III 93). — Die Ebene vom Enipeus bis Phersala ist
hier 4 Kilometer breit.
2. Schlachtfeld und Schlacht. 421
Niederlage die gröfsten Verluste mit sich bringen mufste. Denn eine
Stellung so nahe vor dem Lager des Feindes, der sich bei dem ersten
Schwanken des Gefechtes in eine höhere Stellung und unter die
schützenden Wälle zurückziehen konnte, während er selber die
offene, eine Stunde breite Ebene bis zu seinem Lager hinter sich
hatte, das war kein Kampf unter gleichen Bedingungen und im
günstigsten Falle für Cäsar ein zweckloses Risiko1).
So beschlofs er denn, eine Umgehung auszuführen und durch
einen Marsch auf Skotussa die Verbindungen des Pompejus mit
Larissa zu unterbrechen (S. 405).
Da brachte ihm, als er schon im Abmärsche begriffen war,
seine Reiterei die Meldung, dafs die Pompejaner weiter als bisher in
die Ebene vorgegangen seien und den Kampf unter gleichen Be-
dingungen anböten.
Der Befehl zur Schlacht war die unmittelbare Folge dieser
Nachricht; der Kampfplatz die Ebene nördlich von Phersala2).
Ich fühle kein Bedürfnis, den Gang der Schlacht hier zu schil-
dern, da ich nichts Neues darüber vorzubringen in der Lage bin.
Der Verlauf der ganzen Handlung ist von Cäsar selbst so
x) Daher sagt Cäsar b. c. III 85 von Pompejus exspectans, si iniquis locis
Caesar se subiceret . . . und gleich darauf aniraadversum est . . . extra cotidianam
consuetudinem longius a vallo esse aciem Pompei progressam, ut non iniquo
loco posse dimicari videretur. Es liegt hier also ein Fall vor, ähnlich wie
bei Dyrrhachion (b. c. III 56), wo Pompejus auch seine Armee dicht vor dem
Lager aufstellt, während Cäsar die seine „aequum in locum" führt, und ähnlich
wie bei Magnesia (s. oben S. 178 f.), nur dafs hier noch die Hügellage des Pom-
pejanischen Lagers als erschwerender Umstand hinzukommt.
2) Appian b. c. II 82, 347 erwähnt ein Polyandrion und das Begräbnis des
Crastinus in der Nähe desselben. Dafs die Cäsarianer begraben sind, wird man
als sicher annehmen können, da die Legionen auf dem Schlachtfelde blieben und
von da nach Italien zurückgeleitet wurden, ob auch die Pompejaner, bleibt dahin-
gestellt (LucanVII 798 ff. Petron vers. 112). Nun gibt es auf dem Schlachtfelde
zwei Tumuli, die vielleicht in Betracht kommen könnten. Der eine liegt 1 Kilo-
meter nordöstlich von Phersala. Er ist klein, kaum noch erkennbar, flach, rund,
mitten im Felde, hat oben ein Loch, ist also schon einmal angegraben; daneben
Stelle mit ausnehmend fettem Korn. Der zweite ist der sogenannte Hügel Pala-
vomito am linken Ufer des Enipeus 1| Kilometer nordwestlich vom Krindir. Es
wäre wertvoll, diese beiden Tumuli auf ihren Inhalt einmal zu untersuchen.
422 Pharsalos.
meisterhaft, klar und kurz gezeichnet worden, dafs ihr Bild nicht
verkannt werden kann und auch niemals verkannt worden ist1).
Wer aber statt der knappen Cäsarischen Skizze eine moderne
Darstellung vorzieht, in der die von Cäsar z. T. nur angedeuteten
Züge schärfer herausgearbeitet und in ihrer Bedeutung für das
Ganze erfafst werden, in der zugleich eine treffende Beurteilung der
*) Delbrück hat neuerdings (Gesch. d. Kriegsk. I, S. 502 ff.) scharf gegen Cäsar
polemisiert. Durch seine unmotivierte Verschiebung des Stärkeverhältnisses beider
Armeen hat er zwar die Leistung der Cäsarischen Veteranen gegen die Über-
macht sehr bedeutend herabgedrückt und die Schlachtidee des Pompejus voll-
kommen unbegreiflich gemacht (s. Beilage S. 443), aber Cäsars Erzählung der
taktischen Vorgänge der Schlacht selber hat auch er nicht angetastet. Der ganze
Aufmarsch, der Versuch des Pompejus, mit der Reiterei zu umfassen, der Gegen-
stofs der 6 Kohorten des vierten Treffens, die Umfassung der Pompejaner durch
Cäsar, die gleichzeitige Einsetzung der einheitlichen Hauptreserve und die da-
durch herbeigeführte Niederlage, das alles bleibt auch bei Delbrück wie es ge-
wesen war. Er legt grofsen Wert darauf, dafs bei dem Gegenstofse und der Um-
fassungsbewegung der Cäsarianer auch die Reiterei mitgewirkt habe und ihr ein
grofser Teil des Verdienstes am Siege mit zukomme, und meint, dafs in dieser
Richtung „die Darstellung Cäsars selber, der man zu folgen pflegt, einschneidend
zu korrigieren sei" (S. 501). Aber dies Eingreifen der Reiterei widerspricht weder
Cäsars Bericht, noch ist es von der Mehrzahl der bisherigen Darsteller überhaupt
verkannt worden. Cäsar spricht nirgends davon, dafs seine Reiterei geflohen wäre,
sondern sagt nur dafs sie bis zu dem Augenblicke, wo die 6 Kohorten eingriffen
langsam zurückgewichen sei (paulatim loco motus cessit); dafs sie sich bei der
Offensivbewegung durch die Kohorten auch ihrerseits wieder beteiligt, wird nicht
besonders erwähnt, weil es sich unter diesen Umständen ganz von selber versteht.
So wird denn auch der Verlauf nicht nur von Veith (S. 340 u. 505), sondern auch
von den meisten älteren Darstellern, besonders den Militärs, aufgefafst. v. Goeler
z. B. sagt II 170: „Als das vierte Treffen seinen Ausfall machte, wandte sich
Cäsars Reiterei ohne Zweifel wieder zur Offensive, indem sie sich auf die Tete
der umgehenden Türmen stürzte und sodann die Verfolgung der feindlichen
Reiterei übernahm." Ferner Stoffel II 26: la plaine etait inondee de fuyards que
la cavalerie de Cesar poursuivait et sabrait. Ebenso Heuzey Op. S. 139 f. Auch
Merivale äufsert sich in diesem Sinne, wenn er I, S. 510 von der Reiterei des
Pompejus sagt: „Indes hatte sie doch eine furchtbare Wirkung auf die schwachen
gallischen Schwadronen (Cäsars), die . . vor ihr gewichen waren, aber ihre Reiter
noch immer fest zusammenhielten .... Aber die Cäsarianer (die 6 Kohorten), die
mit der mit erneutem Feuer zum Kampfe zurückgekehrten Reiterei
ihrer gallischen Bundesgenossen untermischt fochten" usw. Danach reduziert sich
also Delbrücks „einschneidende Korrektur" auf eine bescheidene Unterstreichung
eines bisher keineswegs verkannten, aber als selbstverständlich betrachteten, und
deshalb nicht überall besonders hervorgehobenen Detailvorganges der Schlacht.
2. Schlachtfeld und Schlacht. 423
beiderseitigen Schlachtpläne und der Stellung der Schlacht selbst in
der Entwickelung der antiken Kriegsgeschichte gegeben wird, der
kann die Befriedigung dieses berechtigten Wunsches in dem oben
genannten Werke von Veith finden, in dessen Geschichte der Cäsari-
schen Feldzüge die Darstellung von Pharsalos eine der Glanzpartien
bildet1).
») S. 337 f.: Erzählung; S. 358 f. und 363 f.: Beurteilung; S. 501 ff.: Polemik
über die Schlacht. — In einem Punkte kann ich allerdings nicht mit Veith über-
einstimmen. Nachhdem er im Anschlufs an Cäsars bekannte Kritik das defensive
Verhalten von Pompejus' Infanterie getadelt hat, fährt er fort: „Noch fragwürdiger
erscheint der Entschlufs, die Entscheidung der Schlacht in die Hände der Kaval-
lerie zu legen. Pompejus mufste genug Erfahrung haben um zu wissen, wie wenig
Chancen damals auch die beste Kavallerie gegen gute Legionsinfanterie besafs;
und nun gar gegen Cäsars Veteranen! . .. Die Schlacht war für Pompejus auf
Grund dieses Planes nicht zu gewinnen; auch wenn Cäsar nicht sein „viertes
Treffen" gebildet hätte, ist gar nicht anzunehmen, dafs die am rechten Flügel
kämpfende X. Legion sich durch den Flanken- und Rückenangriff der Reiterei
sonderlich hätte irritieren lassen. Einige Kohorten des immer noch verfügbaren
dritten Treffens hätten schliefslich die Krisis leicht gewendet." Wenn es
den etwa 7000 Pompejanischen Reitern und etwa 4000 Leichtbewaffneten, also
einer Masse von über 10000 Mann, wirklich gelungen wäre, in den Rücken der
Cäsarianischen Aufstellung zu kommen, so wären dadurch nicht ein paar Kohorten,
sondern das ganze dritte Treffen dauernd in Anspruch genommen worden. In-
zwischen hätten dann die beiden ersten Treffen Cäsars, also nur etwa 15000 Mann,
den Druck der dreifachen Überzahl von 45000 Legionaren auszuhalten gehabt.
Denn dem Pompejus stand ja dann auch sein drittes Treffen noch frei zur Ver-
fügung, das er dann sicher in den Kampf geworfen hätte. Das dürfte aber selbst
für Cäsarische Veteranen zu viel gewesen sein. Dazu wäre die Notwendigkeit,
nach allen Seiten Front zu machen, und die damit zusammenhängende Lähmung
der Angriffskraft gekommen, sowie die Beschiefsung durch die Leichten, gegen
die bekanntlich römische Legionare keineswegs unempfindlich waren. Im übrigen
ist Kavallerie nicht immer gegen Legionsinfanterie erfolglos gewesen. Man denke
an Magnesia, wo eine ganze ala sociorum durch sie zersprengt wurde (S. 194).
Wenn bei Pharsalos selber die 6 Kohorten so durchschlagende Erfolge hatten, so
bildet dafür natürlich die Überraschung, der plötzliche Angriff im Momente der
Schwenkung der Gegner und die daraus in den Reihen der Reiterei entstehende
Panik den Haupterklärungsgrund. — Auch darin hat Veith (S. 504) m. E. nicht
recht, dafs er im Gegensatze zu Delbrück glaubt, Cäsar habe in der Schlacht
seiner Reiterei keine Antesignanen beigegeben. Cäsar spricht III 84 bei Gelegen-
heit seiner Schlacht an geböte davon, dafs er die frühere Einrichtung, seine
Reiterei mit leichten Fufstruppen aus den Antesignanen zu mischen, beibehalten
habe. Das bezieht sich also nicht, wie Veith meint, auf die Reiterscharmützel,
sondern auf die Schlacht selbst.
424 Pharsalos.
. Durch die 6 Kohorten des vierten Treffens und die konsulari-
sche Kavallerie wurde die Pompejanische Reiterei in die Terrainfalte
zurückgeworfen, welche zwischen den Surlabergen und der Akropolis
von Pharsalos liegt und in rascher Hebung zu dem Plateau von
Tschaterli aufsteigt1). Das sind die altissimi montes Cäsars. (Man
vergl. die Karte).
Die Legionen ihrerseits gingen in das Lager auf dem Krindir
zurück, und als sie sich von dort aus weiter zu flüchten beschlossen,
war für sie keine andere Richtung offen, als die nach Südost. Denn
im Süden ragten die beiden unersteiglichen Surlahöhen empor, im
Westen waren die Cäsarianer, und im Norden und Osten lag die
weite Ebene.
Im Südosten erhebt sich nun in einer Entfernung von etwa
2 Kilometern, bis zur Spitze gerechnet, ein ziemlich isoliert stehender,
runder Berg 1 1 4 Meter über die Ebene, der die hinter ihm liegende
Hochebene von Tschaterli mit ihren Hängen, vom Krindir aus gesehen,
fast ganz verdeckt. Er erscheint nicht nur als das nächste natür-
liche, sondern als das einzig mögliche Rückzugsobjekt und ist ohne
Zweifel der mons sine aqua, auf den sich die Pompejaner geflüchtet
haben. Man ersteigt ihn bequem von der Ebene am Fufse des
Krindir aus in 25 Minuten2).
Cäsar folgte und ging sofort daran, diesen Berg rings durch
eine Verschanzung einzuschliefsen. Das war leicht, da der Umfang
des ganzen Berges nicht mehr als etwa 2 Kilometer beträgt3).
Aber ehe er damit fertig wurde, verliefsen die Pompejaner den
Berg und zogen sich zunächst in südöstlicher, dann in östlicher, all-
mählich nach Nordosten umschwenkender Richtung zurück, um Larissa
zu erreichen, ohne den Schutz der Berge zu verlassen (S. 405). Sie
umgingen also auf dem breiten Rücken des Hochlandes von Tschaterli
hinziehend die Ebene von Derengli im Bogen (s. die Karte).
Cäsar bemerkte ihre Absicht und schnitt ihnen auf dem kürzeren
direkten Wege durch die Ebene den Rückzug ab.
!) Diese Terrainfalte hebt sich erst langsam, dann ziemlich schnell und
geht in eine enge Schlucht über, die der Weg in weitem Bogen umzieht. Oben
sind die sanften Matten des Plateaus von Tschaterli.
2) Ich brauchte vom Fufs bis in den Sattel zwischen den Surlahöhen und
diesem Berge 13 Minuten, von da auf die Höhe selbst 8 Minuten.
3) b. c. III 97: montem opere circummunire instituit.
2. Schlachtfeld und Schlacht. 425
Wo die Hochebene von Tschaterli mit ihrem letzen Ausläufer,
dem Karadscha Achmed, an die Tiefebene des Enipeus anstöfst und
nur ein enges Tal zu durchqueren war, um die schützenden Berge
des Karadagh zu erreichen, stand Cäsar schon in Schlachtordnung
aufmarschiert und verwehrte den Weitermarsch (b. c. III 97, s. S. 405).
Der Weg vom mons sine aqua bis dahin beträgt 81 Kilometer, das
sind also genau die 6 Millien, die Cäsar nach seiner Angabe bis
dahin marschierte. Die Pompejaner hatten auf ihrem Umwege 11 bis
12 Kilometer zurückzulegen gehabt.
Die Abschliefsung des Karadscha Achmed vom Enipeus durch
eine Verschanzung hatte, wie bekannt, die Kapitulation der ganzen
Armee zur Folge.
Die Harmonie unserer ganzen schriftstellerischen Überlieferung
mit der Beschaffenheit des Terrains und dem natürlichen Gange der
Ereignisse stellt die Richtigkeit des gewonnenen Resultates nach
allen Seiten hin vollkommen sicher.
Beilage.
Heeresstärken.
Cäsar gibt an, dafs er bei Pharsalos 80 Kohorten in der Stärke
von 22000 Mann und 1000 Heiter in der Front gehabt und dafs
Pompejus 110 Kohorten zu 45000 Mann und 7000 Reiter dem ent-
gegengestellt habe.
Diese bisher allgemein für zuverlässig angesehenen Zahlen haben
neuerdings von Seiten H. Delbrücks (Kriegskunst Bd. I S. 507 ff.)
eine eingehende Kritik erfahren, deren Resultat ist, dafs dieselben
vollkommen wertlos seien. Cäsar habe in seinen 80 Kohorten nicht
22000, sondern etwa 30000 Mann, Pompejus nicht 110 Kohorten mit
45 000, sondern nur 88 mit etwa 40000 Mann in die Front gestellt;
die Reiterei Cäsars habe nicht 1000, sondern etwa 2000, die des
Pompejus nicht 7000, sondern nur etwa 3000 Mann betragen.
Wie man sieht, werden durch diese Änderungen nicht etwa die
einzelnen Zahlen in unwesentlicher Weise verändert, sondern das
Stärkeverhältnis wird vollkommen umgestaltet; statt einer mehr als
doppelten Überlegenheit an Legionaren hat Pompejus nach Delbrück
nur noch ein Drittel mehr; statt einer siebenfachen Übermacht an
Reiterei nur noch eine anderthalbfache.
Die Gründe, welche Delbrück zu seiner Änderung bewogen
haben, sind dreierlei Art; sie liegen
1. in der von ihm behaupteten Unzuverlässigkeit Cäsars bei
Stärke- und Verlustangaben überhaupt;
2. in der Autorität des Asinius Pollio, der bei Pharsalos für
die Infanterie stärken abweichende und glaubwürdigere
Angaben mache;
Beilage. Heeresstärken. 427
3. für die Reiterei speziell in der Beobachtung, dafs man
dabei Cäsar eine Fälschung in bezug auf die Stärke des
Pompejus nachweisen könne und anderseits aus inneren
Gründen eine Erhöhung von Cäsars Kavallerie auf das
Doppelte annehmen müsse.
Wir werden diese drei Gruppen von Gründen im einzelnen zu
prüfen haben.
Cäsars Unzuverlässigkeit in Zahlenangaben der erwähnten Art
soll durch vier Beispiele aus den Bürgerkriegen belegbar sein1): —
Den Gallischen Krieg zieht Delbrück nicht mit heran, weil er der
Ansicht ist, dafs er für die Verhältnisse des Bürgerkrieges nicht
beweiskräftig sei — 1. Am Haliakmon seien nach Cäsar in einem
Reitergefecht 2 Cäsarianer und 80 Pompejaner gefallen, 2. vor
Dyrrhachion bei einem „hartnäckigen, hin- und hergehenden Gefechte"
der neunten Legion habe diese selbst nur 5 Mann, der Feind „com-
plures" verloren. 3. Bei dem ersten grofsen Sturm des Pompejus
auf Cäsars Linien ebenda seien von Pompejanern 2000, von Cäsaria-
nern nur 20 geblieben, und 4. bei Pharsalos endlich seien auf Cäsars
Seite nur 200 Mann vermifst, von Pompejus Armee dagegen 15000
gefallen.
Es sei unmöglich diese Zahlen anzunehmen. Die auf beiden
Seiten kämpfenden Truppen seien, wenn auch nicht gleichwertig,
doch als römische Legionare, so ähnlicher Art, dafs wir die ange-
gebenen Verlustunterschiede als einfach unmöglich ablehnen müfsten.
Soweit Delbrück. Prüfen wir indessen die einzelnen Fälle jeden
für sich etwas genauer.
Am Haliakmon handelt es sich gar nicht um ein eigentliches
Reitergefecht, sondern die 500 Reiter des Domitius werden unver-
mutet von denen des Scipio beim Furagieren überfallen. Es gelingt
x) Das fünfte Beispiel, das Delbrück anführt, die Angabe Cäsars b. c. I 39,
Afranius habe 80 Kohorten Bundesgenossen gehabt, gehört nicht hierher. Ent-
weder handelt es sich um eine Textverderbnis, die allerdings bis zum Archetypus
hinaufgeht, und es ist statt „LXXX" „XXX" zu lesen, oder es sind für diese
Auxiliarkohorten ganz andere Bestände als bei den Legionskohorten anzunehmen,
■wie schon Stoffel (Guerre civ. I 265) hervorgehoben hat, mit Hinweis darauf,
dafs die Kohorten in der Schlachtaufstellung der Pompejaner nur die tertia acies
gebildet haben, also nach Caesars eigner Darstellung nur etwa '/s des ganzen
Pompeianischen Heeres ausgemacht haben können (b. c. I 83).
428 Pharsalos.
ihnen aber, sich noch schnell zu sammeln und in glänzender Attacke
die Pompejaner in die Flucht zu jagen, wobei jene 80, sie selbst nur
2 Mann verlieren (b. c. III 37). Wo ist dabei etwas Unmögliches
oder auch nur Unwahrscheinliches? Bei solchen Reiterattacken
pflegen doch die Verluste der Sieger auch heute noch gleich Null,
die der Besiegten auch heute noch stets unverhältnismäfsig grofs zu
sein (vergl. den Ausspruch Napoleons I. darüber S. 430).
Ganz analog, aber diesmal beim Fufsvolke, liegen die Verhält-
nisse im zweiten Fall:
Bei der Verschanzung eines Hügels vor Dyrrhachion wird die
neunte Legion von den Pompejanischen Leichten heftig beschossen,
und Cäsar beschliefst, die zu weit vorgeschobene Position zu räumen.
Der Rückzug geht aber über abschüssiges Terrain, der Gegner drängt
heftig nach, die Legion ist in grofser Gefahr einer Deroute, da läfst
Cäsar plötzlich kehrt zum allgemeinen Angriff machen, jagt die
Gegner mit Verlust von „complures" zurück und verliert selbst nur
5 Mann dabei. Dann zieht er sich unangefochten aus dem gefähr-
lichen Terainpunkte zurück (b. c. III 45. 46). Von einem „hart-
näckigen, hin- und hergehenden Gefechte tt ist gar keine Rede.
Eine Unmöglichkeit ist hier so wenig wie im vorigen Falle zu ent-
decken.
Beide Stückchen werden erzählt, um zu zeigen, wie sich
Cäsarische Soldaten aus einer gefährlichen Situation durch schnelle
Entschlossenheit und Geistesgegenwart ohne Verluste zu befreien
verstanden haben.
Der dritte Fall betrifft den ersten Sturm des Pompejus auf
Cäsars Linien bei Dyrrhachion. Er ist für uns nicht ganz kontrollier-
bar, weil hier eine Lücke im Texte Cäsars ist. An 6 Punkten wurde
gekämpft, und nur für 3 liegt der Bericht vor (b. c. III 51 f.). Dabei
ist zweierlei in Erwägung zu ziehen. Bei einem Sturme auf Linien ist
der Stürmende in viel ungünstigerer Situation als der Verteidiger. Es
ist daher eine sich stets wiederholende Erfahrung, dafs, besonders bei
langdauernden und vergeblichen Bestürmungen, wie das hier der Fall
war, seine Verluste unverhältnismäfsig gröfser sind als die der
Verteidiger. Für die damaligen Verhältnisse kommt aber noch ein
zweites Moment hinzu. Der Kampf wird in solchen Fällen fast aus-
schliefslich mit Fernwaffen, Pfeilen, leichten Speeren, Steinen geführt
und diese Waffen sind nur ausnahmsweise geeignet, den an allen
Beilage. Heeresstärken. 429
edleren Körperteilen geschützten Legionär tödlich zu treffen. Ver-
wunden können sie dagegen viel leichter, und darin liegt nun in der
Tat bei Cäsar das Komplement zu seinen nur 20 Mann Toten. In
dem am meisten ausgesetzten Kastell war nach Cäsars eigener Aus-
sage kein einziger Soldat der ganzen Kohorte unverwundet, und nicht
weniger als vier Zenturionen hatten ein Auge verloren (b. c. III 53).
Dieselben Erfahrungen machte man bei der Belagerung Ciceros durch
die Gallier im Jahre 55/54, wo auch nicht der zehnte Mann mehr
unverwundet (b. gall. V 52), die Besatzung aber trotzdem noch völlig
verteidigungsfähig war.
Die grofsen Verluste der Pompejaner von 2000 Mann erklären
sich zudem aus dem Gegenangriff Sullas mit 2 Legionen, bei dem
Sulla selber keinen Mann verlor, denn die Feinde flohen, als er kaum
heran war (neque conspectum aut impetum nostrorum tulerunt),
während die Pompejaner auf dem abschüssigen Terrain in eine solche
Deroute kamen, dafs nach Ansicht vieler Augenzeugen bei eifrigerer
Verfolgung der ganze Krieg damals hätte beendet werden können,
eine Ansicht, der Cäsar selbst nicht widersprochen hat (b. c. III 51).
Endlich komme ich zu dem enormen Verlustunterschiede bei
Pharsalos: 200 Mann und 30 Zenturionen gegen 15000 Mann
(b. c. III 99).
Man hat hier an eine Textverderbnis gedacht und 1200 oder
eine noch höhere Zahl schreiben wollen (v. Goeler II 176). Aber
schon im 2. Jahrhundert n. Chr. hat man offenbar die Zahl 200 bei
Cäsar gelesen1), und dafs Cäsar in der Tat so geschrieben hat, geht
noch deutlich aus dem Wortlaute der Stelle hervor: non amplius CC
milites desideravit, sed centuriones, fortes viros circiter XXX
amisit. Ein Verhältnis von 1200 Mann zu 30 Zenturionen wäre bei
Cäsars Kohortenstärke, bei der auf knapp 50 Mann 1 Zenturio kam
nichts Auffallendes, durch das „sed centuriones, fortesviros" hebt
aber Cäsar hervor, dafs sein Verlust an Centurionen unverhältnis-
mäfsig grofs gewesen ist.
Es ist interessant und lehrreich zu sehen, wie der gröfste
Militär der Neuzeit sich über diese merkwürdige Angabe geäufsert
*) Appian sagt nämlich b. c. II 82, 345 (Viereck): ani&uvov ... ix fxh tov
KaiGctnog gtqoctov rqCaxoyju Xo%ayol xal önliiai dutxoaioi rj} (os iiSQOig öoxh, /ifooi
xal diaxÖGiut.
430 Pharsalos.
hat. Napoleon I sagt in seinen Prelis des guerres de Cesar. Kap. 1 1
IV, 5:
A Pharsale Cösar ne perd que 200 hommes, et Pompße 15000.
Les memes rösultats, nous les voyons dans toutes les ba-
tailles des anciens, ce qui est sans exemple dans les armees
modernes .... Les armes de jet des anciens faisaient en g6neral
peu de mal; les arm6es s'abordaient tout d'abord a Panne blanche;
il 6tait donc naturel que le vaincu perdit beaucoup de monde et le
vainqueur tres-peu ... La cavalerie, dans les charges, offre quelque
chose d'analogue a ce qui arrivait aux armees anciennes; le vaincu
perd dans une bien plus grande proportion que le vainqueur, parce
que l'escadron qui lache pied, est poursuivi et sabr6, et 6prouve
alors beaucoup de mal sans en faire.
Also Napoleon hält Cäsars Angabe nicht nur für möglich, son-
dern er findet sie durch die Resultate der antiken Schlachten über-
haupt bestätigt und führt die Erklärung dafür auf den Charakter
und die besonderen Verhältnisse des antiken Nahkampfes zurück.
Er hat mit der ihm eigenen Intuition und seiner Fähigkeit, die
wirkenden Faktoren auch in ganz fremden Verhältnissen richtig
herauszufühlen, ein vollkommen zutreffendes Urteil abgegeben, das
jeder Kenner antiker Schlachtenverhältnisse sich wird aneignen
müssen *).
Abgesehen von dem allgemeinen Charakter der antiken Schlacht
hat nun aber Delbrück speziell aus dem Verlaufe des Kampfes bei
Pharsalos deduzieren wollen, dafs hier gröfsere Verluste der Cäsari-
aner vorliegen müfsten.
l) Man vergl. z. B. die Schlachten bei Kynoskephalä, wo auch auf Seiten
der Besiegten 8000, auf Seiten der Sieger nur 700 fielen (Liv. 33, 10, 6) trotz der
Bedrängnis des linken römischen Flügels in der Schlacht (S. 83); ferner Magnesia,
wo der Verlust der Sieger neben ungezähten Tausenden der Feinde auf 300 Mann
zu Fufs und 49 Reiter beziffert wird (Liv. 37, 44, 2), Pydna, wo neben 20000 oder
mehr Feinden nur 100 Tote bei den Römern angegeben werden (S. 331. 333). Man
könnte die Beispiele leicht vermehren. Es soll bei Aufzählung dieser Angaben
natürlich nicht behauptet werden, dafs sie durchaus zuverlässig wären. Besonders
die Verlustzahlen der Besiegten konnten nur auf Schätzung beruhen und werden,
wie solche Zahlen gewöhnlich, bedeutend zu hoch sein. Aber dafs man so enorme
Unterschiede von Verlusten beim Sieger und beim Besiegten für etwas ganz
Selbstverständliches hielt, das geht doch aus den angeführten Daten hervor, und
darauf kommt es hier an.
Beilage. Heerestärken. 431
„Bei Pharsalos" — so meint er — „werden nach Cäsars
eigener Erzählung seine Reiter zunächst geworfen, die Legionen
führen den Nahkampf mit Zähigkeit und erst das Einrücken von
Cäsars drittem Treffen in Verbindung mit der Flankierung bringt
die Pompejaner zum Weichen, endlich wird auch noch das Lager
zwar nicht von den Pompejanischen Legionaren, aber doch von den
thrakischen und anderen Bundesgenossen eine Zeitlang tapfer ver-
teidigt und zuletzt erstürmt."
Davon ' dafs Cäsars Reiterei „geworfen" sei steht nichts bei
Cäsar, sodern es heifst „impetum non tulit, sed paulatim loco
motus cessit" (b. c. III 93). Es handelt sich also um ein langsames
Zurückweichen der Reiterei, das ohne irgendwie namhafte Verluste
abgegangen sein kann, auch gar nicht weiter als etwa 350 bis
400 Meter weit fortgesetzt gewesen sein wird. Denn sobald die
Front der 6 hinter der Schlachtreihe hakenförmig aufgestellten
Kohorten frei war, brachen diese natürlich hervor, und der Moment,
kehrt zu machen, war für die Cäsarische Reiterei gekommen2).
Delbrück selber spricht (S. 503) davon, dafs „die germanischen und
gallischen Reiter Cäsars ihrer Instruktion gemäfs die Attacke
der Pompejanischen Reiter nicht angenommen hätten, sondern zurück-
gegangen wären", ijünd dieser Annahme ist in der Tat nach der
ganzen Schlachtidee Cäsar (vergl. S. 422 A. 1) vollkommen beizu-
stimmen. Wie kann Delbrück dann aber zu gleicher Zeit auf grofse
Verluste in dem Reiterkampfe plädieren?.
Ob der Nahkampf der Legionen lange gedauert hat, darüber
haben wir keine Angabe. Um Mittag war schon alles entschieden
(b. c. III 95), am Morgen aber hatte Cäsar schon aufgepackt, um
nach Skotussa zu marschieren (b. c. III 85 oben S. 421), als sich
plötzlich die Aussichten für eine Schlacht günstig gestalteten; dann
rückte er erst zur Schlacht aus — der Weg war fast eine Stunde
(S. 405) — und der Aufmarsch ist auch auf mehrere Stunden zu
veranschlagen. Viel Zeit bleibt da überhaupt nicht übrig. Aber
die Entscheidung auf dem Flügel selber mufs vor allem sehr schnell
erfolgt sein.
2) Die Tiefe einer acies triplex, wie Cäsar sie bei Pharsalos hatte, kann
nach Cäs. b. c. I 82 auf 150 — 200 Meter berechnet werden; die Länge der Front
einer Kohorte von etwa 300 Mann wird man je nach ihrer Tiefe auf etwa 40 Meter
oder weniger ansetzen können. Das ergibt etwa 400 Meter zusammen.
432 Pharsalos.
Das Zurückgehen von Cäsars Reiterei, der Flankenangriff der
6 Kohorten sind Dinge, deren Dauer nach Minuten, höchstens nach
Viertelstunden zählt. Nimmt man nun noch gar mit Delbrück an,
dafs der Angriff der Pompejanischen Eeiterei früher erfolgt sei, als
Cäsars Angriff mit den Legionen, so wird die Zeit für den Nahkampf
der letzteren noch mehr verkürzt1).
Die Beschiefsung des Lagers des Pompejus endlich erforderte
gleichfalls nur ganz kurze Zeit. Die geschlagene Armee beteiligte
sich gar nicht; die verhältnismäfsig kleine Lagerbesatzung stand
der ungeheuren Übermacht von Cäsars ganzer Armee gegenüber,
für deren Abwehr sie weder bestimmt noch geeignet war; sie
wurde aus der Ferne mit einem Hagel von Geschossen überschüttet
und verliefs bald ihren Posten (neque vero diutius, qui in vallo
constiterant, multitudinem telorum ferre potuerunt, sed confecti
vulneribus locum reliquerunt, b. c. III 95). Von einem eigentlichen
Sturm ist gar keine Rede. Wenn Cäsar hierbei überhaupt Verluste
gehabt hat, so sind sie sicher aufserordentlich gering gewesen. So
erklärt sich also der geringe Verlust Cäsars bei Pharsalos völlig
sachgemäfs aus den Bedingungen der antiken Schlacht überhaupt und
aus den Verhältnissen des Kampfes von Pharsalos im besonderen.
Was die Verluste der Pompejaner betrifft, so drückt sich Cäsar
sehr vorsichtig aus: circiter milia XV cecidisse videbantur. Cäsar
selbst hat bekanntlich das Schlachtfeld unmittelbar nach der Kapitu-
lation auf dem Karadscha-Achmed verlassen, um Pompejus zu ver-
folgen. Es liegt also keine Zählung, sondern Bericht nach Schätzung
oder Schätzung Cäsars nach dem Gesamteindrucke vor. Darum gibt
er die Zahl auch mit allem Vorbehalt2).
Wenn somit Delbrücks Versuch, hier die Unglaubwürdigkeit
Cäsars nachzuweisen, auf der ganzen Linie mifsglückt ist, so liegt doch
anderseits eine richtige Beobachtung darin, dafs alle vier angeführten
Verlustangaben etwas Auffallendes an sich haben. Aber das ist nun
eben gerade die Erklärung dafür, weshalb sie überhaupt von Cäsar
gemacht worden sind.
1) Delbrück sagt selbst S. 504 nach Erzählung der Umfassung durch Cäsars
6 Kohorten: „Eben waren auch die beiden Phalangen aneinandergeprallt und
hatte das Handgemenge der ersten Treffen begonnen." Entsprechend S. 516, 3.
2) Asinius Pollio schätzte bekanntlich viel geringer, auf 6000 Gefallene
(S. 436), wobei nicht klar ist, wie bei beiden Autoren die Auxilia gerechnet sind.
Beilage. Heeresstärken. 433
Cäsar hat durchaus nicht die Gewohnheit, regelmäfsig Verlust-
angaben zu verzeichnen. Selbst bei sehr wichtigen Aktionen, wie bei
der Helvetierschlacht selbst, bei der Schlacht gegen Ariovist, gegen
die Nervier, bei Alesia und andern fehlen sie. Er macht Verlust-
angaben nur, wenn sie etwas Ungewöhnliches an sich haben oder
sonst für die Charakterisierung der Aktion besonders bezeichnend sind.
So erwähnt er in dem Treffen Curios vor Utika unter Angabe
der erklärenden Details, dafs hier 500 Pompejaner getötet, 1000 ver-
wundet seien und von Curios Armee nur ein Mann, der Päligner
Fabius, gefallen sei (b. c. II 35). Hoffentlich wird dies Beispiel jetzt
nicht noch nachträglich für Cäsars Unzuverlässigkeit ausgeschlachtet.
So erzählt er, dafs ein grofser Lebensmitteltransport in Spanien auf
sorglosem und ungeordnetem Marsche plötzlich von der ganzen Reiterei
des Afranius und drei Legionen angefallen sei und sich trotzdem
mit Verlust von nur 200 Bognern und wenigen Reitern in die Berge
gerettet habe (b. c. I 51). Ein ähnliches Stückchen von Geistes-
gegenwart und Entschlossenheit, wie die vom Haliakmon und
Dyrrhachion. So gibt er endlich in dem verhältnismäfsig kleinen,
aber hartnäckigen Gefechte vor Ilerda völlig sachgemäfs seinen Ver-
lust auf 70 Tote und 600 Verwundete, den der Geguer auf 200 Tote
an, um dadurch die Bedeutung des Kampfes ins richtige Licht zu
setzen (b. c. I 46).
Anderseits hat Cäsar bei den wirklich grofsen Verlusten, die
er wiederholt gehabt hat, ohne Verschleierung und Vertuschung die
Sachen gesagt, wie sie waren. Bei Gergovia gibt er 700 Legionare
und 46 Zenturionen (b. g. VII 51), bei Dyrrhachion 960 Mann und
32 Zenturionen an (b. c. III 71), eine Angabe, die selbst Delbrück
(Kriegsk. I 508) ausdrücklich als sachgemäfs anerkennt. Die Antonia-
nischen Kohorten sind auch nach Cäsar sämtlich von den Pompejanern
gefangen (b. c. III 410) und Curios Legionen im Felde — 15 Kohorten —
bis auf den letzten Mann niedergehauen worden (milites ad unum
omnes interficiuntur, b. c. II 42).
Was hat es angesichts solcher Tatsachen für einen Sinn, bei
meist viel gerin gfügeren Gelegenheiten auf Fälschungen zu fahnden.
Ich komme zum zweiten Punkte der Delbrückschen Begründung,
der Autorität des Asinius Pollio und seinen abweichenden Angaben.
„Über die Heereszahlen" — so äufsert sieh Delbrück (S. 507) —
Kromayer, Antike Schlachtfelder. U. 28
434 Pharsalos.
„ haben wir sehr verschiedene Nachrichten, von denen zwei Gruppen,
Cäsar selbst, und eine zweite, Plutarch, Appian, Eutrop und Orosius,
die auf Asinius Pollio zurückgeht, in Betracht kommen. Bisher hat
man den Zahlen Cäsars den Vorzug gegeben, aber das läfst sich
nicht aufrecht erhalten."
Das Quellenverhältnis ist hier nicht ganz richtig wiedergegeben.
Wir haben neben Cäsar eine doppelte Nachrichtenreihe. Die
erste geht auf Livius zurück und wird für uns, da Livius bis auf
ganz geringe Reste verloren ist, hauptsächlich durch die Epitomatoren
des Livius, unter ihnen besonders Orosius, Eutrop und Florus, aufser-
dem durch Lukan und Dio Cassius vertreten. Die zweite, welche sich
bei Appian und Plutarch findet, geht in ihrem Hauptstocke direkt
oder indirekt auf Asinius Pollio zurück.
Ob Livius seinerseits Pollio benutzt hat, ist nicht erwiesen,
genannt wird Pollio in der uns erhaltenen Livianischen Tradition
nicht als Quelle, und Livius, der den Ereignissen noch ziemlich nahe
stand, hatte vielfache Gelegenheit, noch von Augenzeugen Nachrichten
zu sammeln, aufserdem aus der zahlreich vorhandenen Memoiren-
literatur und aus Streitschriften zu schöpfen. Immerhin ist die Mög-
lichkeit zuzugeben, dafs er unter anderen Quellen auch Pollio mit
eingesehen hat1). Wenn man aber die Reste seiner Erzählung mit der
sicher Pollionischen Überlieferung bei Appian und Plutarch aufmerk-
sam vergleicht, findet man doch so viele Abweichungen, dafs eine
ausgiebige Benutzung des Pollio durch Livius wenig Wahrscheinlich-
keit behält.
Ist es bei dieser Sachlage überhaupt nicht gerechtfertigt, die
von Cäsar abweichenden Angaben in der Livianischen Tradition ohne
weiteres auf Pollio zurückzuführen, so erscheint es in unserem
speziellen Falle geradezu ausgeschlossen, weil sich positiv nachweisen
läfst, dafs alle hier vorliegenden Zahlenangaben gar nicht aus Polio
stammen können.
Es sind im ganzen vier Zahlenangaben in Betracht zu ziehen:
1. Die Angabe für Cäsars Verluste bei Dyrrhachion, die nach
Orosius (VI 5, 21) 4000 Mann, 22 Zenturionen und mehrere
römische Reiter betrugen.
x) Man vergleiche darüber Kornemann, Die historische Schriftstellerei des
C. Asinius Pollio, in Jahrb. f. klass. Philol., Suppl. 22, S. 583 f.
Beilage. Heerestärken. 435
2. Die Gesamttruppen von Pharsalos, die sich nach Florus
(II 13, 43) aufser den Auxilia im ganzen auf über 300000
Mann beliefen.
3. Die Einzelangaben für Pharsalos, die nach Eutrop (VI 20,4)
und Orosius (VI 15, 23) für Pompejus 88 Kohorten von
40 000 Mann und dazu 1100 Reiter, für Cäsar 80 Kohorten
von nicht ganz 30 000 Mann und 1000 Reiter ausmachten.
4. Die Verlustzahlen von Pharsalos, die nach Orosius (VI 15,27)
für die Pompejaner 15 000 Mann und 33 Zenturionen
stark waren.
Von diesen vier Angaben können die beiden ersten nicht auf
Pollio zurückgehen, weil sie unsinnig sind. Für die 300 000 Mann
des Florus ist das ohne weiteres klar ; aber auch für die 4000 Mann
Tote, die Cäsar bei Dyrrhachion gehabt haben soll.
Delbrück selbst rechnet auf 4000 Tote etwa 12— 20 000 Ver-
wundete (S. 508). Nun hatte aber Cäsar nur 33 Kohorten, d. h. etwa
10 000 Mann, im Gefechte (b. c. III 67). Daran hat Delbrück offen-
bar nicht gedacht, sonst hätte er dem Pollio eine solche Unmöglich-
keit überhaupt nicht zugeschrieben.
Die dritte Angabe von 40 000 und 30 0000 Mann für die
beiden Heere samt 1100 und 1000 Mann Reiterei kann gleichfalls
nicht aus Pollio stammen; denn in der anerkannt Pollionischen
Überlieferung bei Appian und Plutarch1) finden sich ganz ab-
weichende, mit Cäsar selbst vollkommen über einstimmende Zahlen,
nämlich 22000 Legionare und 1000 Reiter für Cäsar und 45 000
Legionare mit 7000 Reitern für Pompejus2). Das Zahlenver-
a) Die Abhängigkeit dieser Tradition von Pollio wird von niemand, auch
nicht von E. Schwartz, bestritten. Der Meinungsunterschied besteht nur darin,
dafs die einen direkte, die andern indirekte Benutzung annehmen; vergl. Korne-
mann a. a: 0. S. 559, Schwartz in Pauly-Wissowas Realenzyklopädie „Appian".
Ich glaube, dafs Schwartz recht hat, eine Mittelquelle für Appian einzuschieben,
weil sich nur so die vielfachen Nachrichten bei ihm erklären, die aus inneren
Gründen nicht auf Pollio zurückgeführt werden können. Aber diese Mittelquelle
hat anderseits doch eine solche Fülle von gutem Pollionischen Material weiter-
geleitet,, dafs der Charakter des Appianischen Geschichtswerkes dadurch wesentlich
bestimmt wird.
2) App. b. c. II 70,289: KataaQi fxhv lg öioxilCovg inT diapvQioig xul tov-
ttüv Ijitzhq r\6av äftipl rovg %iUovg, IJo^nrjtcp Jf vtiIq t6 StnXaöLOV xccl tovicuv
innsüg ig i7noMic%ilLovg. Plut. Pomp. 69: r\Cav dk ol pkv [teicc KaCaaqog öio/ikioi
28*
43(5 Pharsalos.
hältnis 30 000 zu 40 000 ist dem Appian überhaupt gar nicht
bekannt1).
Für die vierte Zahlenangabe endlich liegt gar die positive
Nachricht vor, dafs Asinius Pollio nicht die Zahl des Orosius, die
hier mit Cäsar übereinstimmt, gegeben, sondern abweichend davon
den Verlust der Pompejaner auf nur 6000 Mann taxiert habe2).
Was soll man unter diesen Umständen zu der Kühnheit sagen,
Pollio gegen Cäsar ausspielen zu wollen?
Delbrücks Pollio verwandelt sich in einen Pseudopollio, der
bestenfalls einer Pompejanischen Tradition entspringt, die die Ver-
dienste Cäsars und den Ruhm des Sieges herabdrücken wollte3).
Wahrscheinlich aber liegt nicht einmal das vor, sondern nur die
Nachlässigkeit eines Livianischen Exzerptors, der die Zahlen aus Be-
quemlichkeit abrundete, ohne sich klar zu machen, dafs er damit das
Verhältnis derselben sehr wesentlich änderte4).
Es bleibt daher nur noch die Frage zu beantworten, ob für die
Angabe Pseudopollios, dafs Pompejus nur 88 (nicht wie Cäsar sagt
110) Kohorten in der Front gehabt habe, vielleicht innere Gründe
vorzubringen sind, wie Delbrück behauptet hat. „Orosius-Pollio" —
so meint er nämlich S. 509 — „gibt nur 88 Kohorten in der Front
an, und es kann keinem Zweifel unterliegen, dafs diese Zahl die
richtige ist."
ngog öiGfAVQioig, ol 6h f-ieru Üoimritov ßQa%€Z Ttktiovsg tf Smlüaiov tovtmv- Ebenso
Plut. Caes. 42 : (ot Innug) hmaxiGyJXioi nQog %iMovg tov KaCaaqog ovrzg . . . (ne £ol)
TtZQaxiOfjLVQioi xal 7Z£VTccxiG%ikioi na(jEiaTiovTo 6iGfxvqioig xal 6iG/iÄioig.
*) B. c. II 70, 290: oi (xhv rj/LiioXiov, ocl 6h Ix tqkxjv vo[ai£,ovGiv a/u(pl ra 6vo
töÜ IIofX7iriCco y&vio&cu fA.£Qrj.
2) App. b.c. II 82,346 (Viereck): Idaivtog 6k üoklicov, vnb Kaiöaqv irg
(ucc/tjg Ixeivrjg GTQccTtjydiv, k'£ttXLG%t,Uovg avayQ<x(fei vsxQovg svQt&rjvai twj> ITofj,7ir}iov.
Plut. Pomp. 72. Caes. 46.
3) Man vergl. dazu Veith S. 502, der Delbrücks Einfall, die Pompejaner
hätten an der Aufrechterhaltung von Cäsars angeblich lügnerischen Zahlen ein
Interesse gehabt, mit vollem Rechte als psychologisch so falsch und innerlich so
unlogisch zurückweist, dafs darüber eine Diskussion überhaupt nicht angebracht sei.
4) Die Zahl von 1100 Eeitern bei Orosius und Eutrop setzt sich aus 500
auf dem rechten und 600 auf dem linken der Schlachtordnung zusammen. Es ist
wohl statt 6000 bei dem Epitomator des Livius, auf den Orosius und Eutrop
zurückgehen, aus Irrtum 600 für den linken Flügel geschrieben worden. (So auch
Drumann-Groebe III 458, 2.) Dann ist alles in Ordnung. Selbst Delbrück erklärt
die 600 Heiter für eine Korruptel, sucht sie aber anders zu erklären (S. 512).
Beilage. Heeresstärken. 437
„Cäsar teilt selber mit (III 4), dafs Pompejus ursprünglich
neun Legionen gehabt habe, wozu noch die beiden des Scipio kamen.
Demgemäfs1) gibt er ihm bei Pharsalus 110 Kohorten. Er hat
aber vergessen abzuziehen, dafs Pompejus 15 in Dyrrhachium unter
Cato als Besatzung zurückgelassen hatte, und er sagt selbst, dafs
sieben Kohorten im Lager blieben."
Also Cäsar soll wirklich nach Delbrücks Ansicht die beiden An-
gaben, dafs Pompejus 110 Kohorten bei Pharsalos in der Front ge-
habt habe und dafs seine Gesamtarmee auch nur 110 Kohorten um-
fafst habe, für übereinstimend gehalten haben? Seit wann ist es
erhört, dafs grofse operierende Armeen, wie die Cäsars und Pom-
pejus' waren, am Schlachttage alle ihre Bataillone bis zum letzten
in der Front gehabt haben? Cäsar war das in seiner ganzen Praxis
nie vorgekommen. Er hätte seine militärische Vergangenheit einfach
vergessen müssen, wenn er Pompejus mit 110 Kohorten in der Front
angesetzt hätte, weil er seine Armee für 110 Kohorten stark hielt.
Dafs er selber Detachements in der Stärke von 30 Kohorten mit
.Einschlufs der Lagerbesatzung hatte2) und deshalb nur 80 Kohorten
in die Front stellen konnte, soll er richtig erzählt und dabei nicht
daran gedacht haben, dafs auch Pompejus Detachements haben mufste,
sondern in unglaublicher Gedankenlosigkeit die Armee in der Front
mit der Gesamtarmee gleichgesetzt haben? Und das in dem Augen-
blicke, wo er einen Teil dieses Plus der Gesamtarmee, die sieben
Kohorten Lager wache, eben selbst erwähnt hatte? Denn nicht nur
die 15 Kohorten des Cato in Dyrrhachion müfste er „vergessen"
haben, sondern natürlich auch die Lagerwache, wenn er wirklich die
110 Kohorten für die ganze Armee gehalten hätte3).
Diese Auffassung Delbrücks stellt eine absolute Unmöglich-
keit dar.
Der einzig mögliche Schlufs, den man ziehen kann, ist viel-
mehr der, dafs, wenn Cäsar die Stärke des Pompejus in der Schlacht
*) Von mir in Sperrdruck gesetzt.
2) Fünfzehn Kohorten in Griechenland (b. c. III 34 ff.), acht an der Küste von
Epiros (b. c. III 78) und sieben im Lager (b. c. III 89; siehe über die letztere
Zahl Drumann-Groebe III 458 oder Kraner-Hoffmann z. Stelle).
3) Was Delbrück daher mit dem Zusätze „und er (Cäsar) sagt selbst, dafs
sieben Kohorten im Lager blieben" bei seiner Ansicht überhaupt beweisen will,
bleibt ganz rätselhaft.
438 Pharsalos.
auf 110 Kohorten angibt, er die Präsenzstärke bei Pharsalos mit
Einschlufs der Lagerwache auf 117 Kohorten und die Gesamtstärke
mit Einschlufs der detachierten 15 Kohorten in Dyrrhachion (Plut.
Cato 55) auf 132 Kohorten angesetzt haben mufs.
Es fragt sich nun, ob Cäsars sonstige Angaben dem wider-
sprechen.
Das ist nicht der Fall.
Cäsar gibt (b. c. III 4) an, dafs Pompejus, ohne die zwei noch
nicht angekommenen Scipionischen 9 legiones „civium Romanorum",
mit ihnen zusammen also 110 Kohorten civium Romanorum zusammen-
gebracht habe. Dann fährt er fort: praeterea magnum numerum
ex Thessalia, Boeotia, Achaia, Epiroque supplementi nomine in legiones
distribuerat; his Antonianos milites admiscuerat.
Pompejus hat also aufser den 11 legiones civium Romanorum
eine Anzahl von „Ergänzungskohorten" aus Nichtbürgern gebildet
(supplementi nomine) und diese den einzelnen Legionen zugeteilt.
Das ist die einfachste und natürlichste Erklärung von Cäsars
Worten, eine Erklärung, welche uns aller Schwierigkeiten überhebt,
die man bisher in dieser Stelle im Vergleich mit den späteren An-
gaben Cäsars gefunden hatte.
In diese Ergänzungskohorten wurden nun die mit C. Antonius
gefangenen Soldaten — es waren nach Orosius (VI 15,9) 15 Kohorten —
verteilt. Wir haben also in ihnen eine ganz analoge Einrichtung
mit den cohortes alariae der Pompejaner in Spanien unter Afranius
(b. c. I 39).
Die Scheidung der cives von den peregrini ist damit, den schroffen
Anschauungen des Pompejanischen Lagers entsprechend, auch äufser-
lich scharf durchgeführt. Denn die Antonianer sind ja als Trans-
padaner1) nach dieser Auffassung auch keine cives Romani. Die lex
Roscia2) wird in Pompejus' Lager natürlich nicht anerkannt.
Aufser diesen cohortes supplementariae kamen dann noch die
Afranianer zu der Armee hinzu, die zwar cives Romani waren, aber
in keinen Legionsverband eingetreten sind3). Ihre Zahl wird von
Cäsar nicht genannt, und es ist müfsig, darüber zu streiten.
1) Livius periocha 110: Opitergini Transpadani.
2) Drumann-Groebe III 424.
3) Daher Caes. b. c. III 88: Ciliciensis legio coniuncta cum cohortibus
Hispanis, quas traductas ab Afranio docuimus.
Beilage. Heeresstärken. 439
Alle diese einzelnen Kohorten müssen, damit die Zahl von
132 Kohorten herauskommt, zusammen mindestens 22 gewesen sein,
wahrscheinlich aber noch mehr. Denn es ist z. B. kaum anzu-
nehmen, dafs Larissa, welches sehr exponiert in Pompejus' Flanke lag
(S. 419), und wo sich ohne Zweifel Pompejus' Hauptdepots für den
Thessalischen Feldzug befanden, nicht durch eine verhältnismäfsig
starke Besatzung gedeckt gewesen wäre, wenn auch keine Nachricht
darüber auf uns gekommen ist.
Vielleicht erklärt sich nun aus dieser Scheidung von cives und
peregrini die Angabe des Orosius über Pompejus 88 Kohorten in der
Schlachtlinie : es standen hier von römischen Bürgern in der Tat nur
88 Kohorten die übrigen 22 waren Auxiliarkohorten. Dann hätten wir
wiederum die Analogie mit Spanien, wo auch bei der Schlachtaufstellung
der Pompejaner die fünf Legionen die beiden ersten Treffen bildeten,
während die Kohorten derSpanier im dritten aufgestellt waren (b.c.1 83).
Der dritte und letzte Punkt in Delbrücks Räsonnement hatte
die Reiterei betroffen, welche er auf 2000 Pferde für Cäsar, auf 3000
für Pompejus schätzen zu sollen geglaubt hatte.
Dafs er dabei von allen Quellen verlassen ist, selbst von Pseudo-
pollio, bedarf keiner Erwähnung.
Es müfsten also die durchschlagendsten sachlichen Gründe für
Delbrücks Annahme vorhanden sein, wenn wir sie zu der unsrigen
machen wollten.
Dafs 7000 Reiter als Resultat der Rüstungen eines ganzen
Jahres in den pferdereichen Ländern um das Ostbecken des Mittel-
meeres herum an sich nichts Auffälliges sind, wird jeder Kenner der
Verhältnisse ohne Bedenken zugeben. Daher bleibt die von Veith
(S. 504) mit Recht aufgeworfene Frage, weshalb Pompejus sich eine
solche Kavallerie nicht verschafft haben sollte, wenn er es so leicht
konnte, bei Delbrücks Ansatz eine Frage ohne Antwort.
Dafs Delbrück trotzdem an der Annahme einer viel geringeren
Reiterei festhält, liegt denn auch keineswegs darin, dafs er eine Zahl
von 7000 Pferden für eine sachliche Unmöglichkeit hält, sondern
lediglich an dem Umstände, dafs er auch hier wieder einer Fälschung
Cäsars auf der Spur zu sein glaubt.
Von den 7000 Mann Reiterei zählt Cäsar nämlich (b. c. III 4)
nur Kontingente in der Gesamtstärke von 3600 Mann, unter ihnen
440 Pharsalos.
500 Thraker des Kotys und 200 Makedonier des Raskypolis mit
Angabe der Detailzahlen auf; dann fährt er fort, dafs dazu noch
Dardaner und Besser, ferner Makedonier, Thessaler und Reiter anderer
Staaten und Völker hinzugekommen seien und so die Zahl 7000 er-
reicht wäre. „Was sollen das" — so fragt Delbrück S. 511 — „füi
andere Völkerschaften gewesen seien, die die volle Hälfte der Kavalleri(
stellten und doch nicht genannt werden konnten? Und wie kommt
es, dafs die Makedonier, deren Kontingent schon aufgeführt ist, hier I
zum zweitenmal genannt, dafs oben die Thrazier generell genannt, I
hier die Bessier besonders aufgeführt werden, die ebenfalls Thrazier I
sind? Der Verdacht scheint unabweislich, dafs Cäsar in der Tat eine fl
Liste der verschiedenen Kontingente vorgelegen hat, und dafs er, als i
er sah, dafs sie nur die Hälfte von dem ausmachte, was er zu sagen f
wünschte, noch einen an Zahl und Herkunft unbestimmten Rest hier I
zugefügt und hierbei aus Versehen (sie!) auch die Mazedonier zum |i
zweiten Male genannt und zum Füllen auch noch den besonderen
Namen der Bessier hinzugefügt hat."
Der arme Cäsar! Wenn er durchaus schwindeln wollte, warum [
fing er es denn nur so grenzenlos ungeschickt an? Standen ihm
nicht Dutzende von Namen streitbarer Reitervölker des Ostens zu
Gebote oder konnte er nicht, wenn ihm gar nichts einfiel, die ge-
nannten Kontingente, ohne den geringsten Verdacht zu erwecken, um
je ein paar hundert Mann erhöhen und hatte dann die gewünschte
Zahl, anstatt die Thrakier unter verschiedenen und die Makedonier
gar „aus Versehen" mit demselben Namen zweimal zu nennen und !
so seine Fälschung selbst für Gelehrte des 20. Jahrhunderts noch
handgreiflich zu machen?
Aber hat denn Delbrück in der Tat nicht gesehen, dafs der
Odrysenkönig Kotys nicht identisch sein kann mit seinen Todfeinden,
den Bessern *), und dafs der thrakische Teilfürst Raskypolis, dessen
Gau an den Grenzen von Makedonien bei Philippi liegt2) und dessen
x) Cicero in Pis. 34,84: tu Rabocentum, Bessicae gentis prineipem, cum te
trecentis talentis regi Cotyi vendidisses, securi percussisti . . . ueque eum solum,
sed etiam ceteros legatos, qui simul venerant; quorum omnium capita regi Cotyi
vendidisti. Gesprochen 55 v. Chr. Die Feindschaft setzt sich unter Augustus
und Tiberius fort (Dio 54, 20, 3. 34, 5) und war gewifs altererbt.
2) Die Legaten des Antonius und Octavianus marschieren 42 v. Chr. nach
Thrakien jus/qc nöliv vnsoßdviEg ^iXCnnovg, zä areva t« KoqtiiXcov xal Zanccitov,
Trjg lPaOxov7i6lt,öos ovict ctQ/ijs, zarüaßov. App. b. C. IV 87, 368.
Beilage. Heeresstärken. 441
Reiter deshalb makedonisch genannt werden, mit seinen ganzen zwei
Schwadronen nicht der Kommandant der Kavallerie aus der römischen
Provinz Mazedonien sein kann?
Hat er überhaupt nicht gesehen, dafs Cäsars Liste gar keinen
Anspruch auf Vollständigkeit macht1), sondern in sehr geschickter
Weise nur die besonders beachtenswerten Kontingente hervorhebt,
die von barbarischen Fürsten und Fürstensöhnen geführt werden oder
gar aus Sklaven bestanden — ein Barbaren- und Sklavenheer, das
Pompejus gegen Rom führt! — , dafs dagegen vollständig die Reiter-
kontingente aus sämtlichen römischen Provinzialländern fehlen,
aus Ächaja, Makedonien, Asia und Syrien? Und dafs also diese mit Ein-
schlufs von einigen angeworbenen Reitern aus den nördlichen Balkan-
staaten, Dardanern und Bessern, die Füllung für die fehlenden
3400 Reiter bilden? Eine Zahl, die natürlich von diesen Ländern
spielend aufgebracht werden konnte. Man braucht sich ja nur ganz
flüchtig zu erinnern, dafs der Achäische Bund allein wiederholt bis
1000 Reiter ins Feld gestellt hat, dafs Philipp von Makedonien bei
Kynoskephalä 2000, Perseus im Kriege mit Rom 4000 Pferde hatte
und Eumenes den Römern mit Hilfskontingenten von 800 und 1000
Reitern zu Hilfe gekommen ist, ganz abgesehen von der Reiterei
Syriens, die mit Scipio heranzog2).
Was Cäsars eigene Reiterei betrifft, so wollen Delbrück „die
tausend Reiter, die Cäsar nur gehabt haben will, nicht recht glaub-
haft erscheinen", da er bei Brundisium seine ganze Reiterei, nach
Appian 10 000 Mann, versammelt gehabt habe. „Wir fragen," —
!) So nennt z. B. Appian II 49, 202 noch Kontingente der Kilikier, Armenier,
Pamphylier und Pisidier. ib. 71,295: Armenier unter Taxiles und Megabates, die
in Cäsars Liste fehlen. Ebenso Lukan V 225 pontische Reiter: et largus habenae
Ponticus ibat eques.
2) Die Reiterei aus Syrien, welche mit Scipio kam, wird bei anderen Ge-
legenheiten wiederholt erwähnt: b. c. III 31, 2: Scipio equites toti provinciae
imperaverat . . . quibus coactis . . . legiones equitesque ex Syria deduxerat. Dann
schlägt sie sich mit den 500 Reitern des Domitius am Haliakmon herum (III 37),
wobei einmal 80 Mann, ein anderes Mal zwei Türmen (III 38) niedergemacht
werden. Wir werden sie danach mindestens gleichfalls auf 500 Mann, wahrschein-
lich aber beträchtlich höher ansetzen müssen. Man denke an die Reiterheere,
welche die Seleukiden doch meist aus Syrien und Kleinasien aufgebracht haben;
s. oben S. 209. Über die Reiterei des Achäischen Bundes s. Bd. I 289. Über
Philipp, Perseus, Eumenes s. oben S. 102; 336; 207. 344. Weiteres Material bei
Beloch, Bevölk. S. 151f. 186 f. 199 f.
442 Pharsalos.
so meint er S. 513 wörtlich — „weshalb Cäsar von dem Keiterüber-
flufs, den er bei Brundisium hatte, nicht noch eine Anzahl hat kommen
lassen. Es war ja Monate lang Zeit dazu, und wenn es bei Brun-
disium zu gefährlich war, so konnten einzelne Abteilungen in der
Zeit, wo Cäsar das Pompejanische Heer eingeschlossen hielt, das
Adriatische Meer irgendwo weiter nördlich durchqueren, an der illyri-
schen Küste landen und ihrem Feldherrn zuziehen. Waren auch viele
Transportschiffe zerstört, aus Tarent und Syrakus oder den adriati-
schen Häfen konnte man neue beschaffen."
Eine Widerlegung dieser Ausführungen darf ich mir wohl er-
sparen, indem ich einfach hersetze, was der Militär Veith (S. 503) dazu
bemerkt hat: „Delbrück selbst" — so führt Veith aus — gibt zu, dafs
Cäsar bis zu den Kämpfen bei Dyrrhachium nur 1400 Reiter über-
schifft hatte, und meint, während jener Positionskämpfe wäre das
weitere Überschiffen beliebiger Reitermassen 'irgendwo weiter nörd-
lich' leicht gewesen. Wer — nebenbei mit militärischem Verständnis —
das bellum civile gelesen hat, mufs bei einer solchen Behauptung die
Hände über dem Kopfe zusammenschlagen. Wenn man bedenkt, dafs
nicht des Pompejus Landmacht es war, welche Cäsars Transporte er-;
Schwerte, sondern seine Flotte, welche aber durch die Einschliefsung
der Landarmee bei Dyrrhachium nicht im geringsten in ihrer Aktions-
freiheit behindert wurde, ja im Gegenteil gerade jetzt wegen der
günstigeren Jahreszeit in Ausübung der Küstensperre wesentlich mehr
leisten konnte als vorher im Winter; wie sehr ferner Cäsar auch
jetzt noch unter der Seeherrschaft der Gegner litt, wie seine letzten
Transportschiffe vernichtet wurden (b. c. III 39. 40), und welche
Schwierigkeit dem Aufbringen neuer Transportfahrzeuge jederzeit im
Wege stand1); dafs ferner die gegnerische Küstenblockade von Istrien
bis zu den Ionischen Inseln reichte und schliefslich ein Kavallerie-
transport eine weit diffizilere Sache war als ein Infanteriekonvoi, ja
für sich allein, ohne letzteren unter der Möglichkeit einer feindlichen
Einwirkung, gar nie durchgeführt wurde: wer sich dies alles gleich-
zeitig vor Augen zu halten vermag, der wird das Absurde jener
Delbrückschen Beweisführung sehr deutlich fühlen."
x) „Delbrück meint, dieselben hätten ohne weiteres 'aus Tarent oder Syrakus
oder den adriatischen Häfen' neu beschafft werden können. Wie schade, dafs
Cäsar nicht selber auf diesen Gedanken gekommen ist; der ganze Feldzug hätte
dann von Anfang an einen ganz anderen Verlauf nehmen müssen!"
Beilage. Heerestärken; 443
Man wird nicht umhin können, diesen überzeugenden Aus-
führungen Punkt für Punkt beizustimmen.
Dafs auch die ganze, übereinstimmend überlieferte Schlachtidee
des Pompejus, mit seiner überlegenen Reiterei Cäsars Armee aufzu-
rollen, bei Delbrücks Kräfteverteilung der Kavallerie zu einer Un-
möglichkeit wird, hat Veith (S. 504) gleichfalls mit ebenso durch-
schlagenden Gründen nachgewiesen, und ich brauche auch darüber
keine Worte mehr zu verlieren.
Somit stehen wir nach Zurückweisung der Delbrückschen Hypo-
thesen wieder auf dem alten Standpunkte, die Cäsarischen Angaben
als grundlegend anzusehen und Cäsars Heere 22 000 Mann Legionare
nebst 1000 Reitern, Pompejus 45000 Mann Legionare mit 7000 Reitern
zuzuteilen.
Verzeichnis der Karten und Skizzen von Band II
und Bemerkung über ihre Herstellung,
I. Verzeichnis.
1. Übersichtskarte für den römisch -makedonischen Feldzug im
Jahre 199 v. Chr. 1:900 000.
Beikarte: Schlacht bei Banitza (Eordäa) 1:200 000.
2. Übersichtskarte für die römisch -makedonischen Feldzüge der
Jahre 198 und 197 v. Chr. 1:900000.
Beikarte: Operationen nach der Schlacht am Aoos 198
v.Chr. 1:400000.
3. Plan der Schlacht an den Aoospässen 198 v. Chr. 1 : 72000.
4. Plan der Schlachten von Kynoskephalä
1) Juni 197 v. Chr. 1 : 50000.
2) 364 v. Chr. 1: 100000.
Bei karte: Übersichtskarte für die Bewegungen vor der
Schlacht von Kynoskephalä 197 v. Chr. 1:300000.
5. Plan der Schlacht an den Thermopylen 191 v. Chr. 1 : 50000.
Bei karte: Die Umgebung der Thermopylen. 1:300000.
6. Plan der Schlacht von Magnesia 190 v. Chr. 1 : 50000.
Beikarte: Die Operationen vor der Schlacht von Magnesia.
1 : 500000.
7. Übersichtskarte zum Krieg gegen Perseus 171 — 168 v. Chr.
1 : 300000.
8. Der Olympübergang der Römer 169 v. Chr.
1) Marschroute der Römer. 1 : 200000.
2) Gefecht am Nezerosee. 1 : 50000.
9. Plan der Schlacht von Pydna 168 v. Chr. 1 : 50 000.
Beikarte: Übersichtskarte für Pydna und die Stellung am
Elpeos. 1 : 210000 (sie!).
Verzeichnis der Karten und Skizzen. 445
10. Plan der Schlacht von Chäronea. 86 v. Chr. 1:50000.
Beikarte: Kaprena (Chäronea) 1:25000.
Dl. Übersichtskarte für die Schlacht von Pharsalos. 48 v. Chr.
1 : 100000.
Beikarte: Marschrouten des Caesar, Pompeius und Domitius
Calvinus 1 : 900 000.
12. Plan der Schlacht von Pharsalos. 1 : 50000.
Beikarte: Lager des Pompejus und mons sine aqua.
1 : 25000.
Skizzen. zu Text
Skizze zum Winterfeldzug des Perseus gegen Uskana 170/169
v. Chr. 1 : 1000000 S. 438
Skizze zum Marsch des Perseus nach Stratos, Winter 170/169
1:1000000 S. 442
II. Bemerkung über die Herstellung.
Indem ich auf die entsprechende Bemerkung in Bd. I 342 ver-
weise, wo das Allgemeine über diesen Gegenstand gesagt ist, gehe
ich sofort zu den Einzelheiten über, die die Karten dieses Bandes
allein betreffen.
Das Material, welches zugrunde gelegt wurde, war im Gegen-
satz zu Bd. I, wo fast überall auf die Carte de la Grece zurück-
gegangen werden konnte, ein sehr mannigfaltiges.
Karte 1 und 2: Übersichtskarten für die Feldzüge 200 — 197 beruhen
auf der vom K. K. Militär-geographischen Institut in Wien
herausgegebenen Karte von Mitteleuropa in 1 : 300000, da die
neuere in 1:200000 noch nicht in allen erforderlichen Blättern
erschienen war. Höhenzahlen und sonstige Einzelheiten, auf
die für unsere Zwecke etwas ankam, sind aber, soweit es
möglich war, nach dieser neueren Karte eingetragen worden,
Die Angaben der erst nach Drucklegung dieser Karten er-
schienenen Blätter der neuen österr. Karte sind wenigstens
im Texte des Buches, wo es erforderlich war, berücksichtigt
worden.
Die Beikarte zu Karte 1: Schlacht bei Banitza beruht
auf der österreichischen Karte 1 : 200000.
446 Verzeichnis der Karten und Skizzen.
Die Beikarte zu Karte 2: auf der „Karte von Epirus
und Westthessalien nach den vorhanden Quellen und eigenen
Aufnahmen" von Dr. A. Philippson 1:300000 (erschienen
in der Zeitschrift d. Gesellsch. für Erdkunde zu Berlin.
Bd. 30—32. Auch als Beilage zum Separatabdrucke davon
bei Kühl. Berlin 1897); einer Karte, durch die es überhaupt
erst möglich geworden ist, sich in dem schwierigen Gebirgs-
lande des Pindos kartographisch zurechtzufinden.
Karte 3 : Die Schlacht an den Aoospässen, beruht auf einer Routen-
skizze des Herrn Oberleutnant Brück, von der mir vom K.
u. K. Militärgeographischen Institut eine photographische
Kopie zur Verfügung gestellt wurde.
Karte 4: Schlacht bei Kynoskephalä 197 v. Chr. und 364 v. Chr.
Diese Karten beruhen auf dem Plan der Schlacht von Pharsala,
in v. d. Goltz' „Thessalischer Krieg", ein Plan, der, wie
Freiherr v. d. Goltz mir mitzuteilen die Güte hatte, seiner-
seits wieder auf die Aufnahme türkischer Generalstabsoffizire
zurückgeht. Dieser Plan ist an Ort und Stelle von Herrn
Hauptmann Goeppel revidiert und in Einzelheiten verändert
und ergänzt worden; auch Heuzeys Plan VII in Operations
militaires de Cesar ist mitbenutzt.
Die Beikarte : Übersichtskarte für die Bewegungen vor der
Schlacht von Kynoskephalä, geht hauptsächlich auf Kieperts
Carte de l'Epire et de la Thessalie 1:500000 (Dietrich
Reimer) zurück, zu welcher für den Kara-dagh an Ort und
Stelle vorgenommene Einzeichnungen hinzugekommen sind.
Karte 5: Die Schlacht an den Thermopylen.
Diese Karte beruht auf 1) einer Vergröfserung des Originals
der Carte de la Grece auf 1 : 25 000 (s. darüber Bd. I,
S. 343), 2) auf der Karte „Pass of Thermopylä" in Grundy,
The great Persian war, die für die Strandpartien durch-
aus zuverlässig ist und auf genauen Nivellementsaufnahmen
des Verfassers beruht, die Gebirgspartieen aber leider nicht
mitumfafst; 3) auf Einzeichnungen des Herrn Oberst Janke
an Ort und Stelle.
Die Beikarte geht auf Kiepert-Kokides Karte des
Königreichs Griechenland 1 : 300 000 (Militär- geograph.
Institut Wien) zurück.
Verzeichnis der Karten und Skizzen. 447
Karte 6 : Schlacht von Magnesia beruht auf 1) Kieperts Spezialkarte
vom westlichen Kleinasien 1 : 250000; 2) v. Diests Karte des
nordwestlichen Kleinasien in 4Blättern 1 : 500000 (A. Schall,
Berlin). Von dem Original dieser letzteren Karte 1 : 150000,
das im Besitz der Königl. Museen zu Berlin ist, habe ich durch
Herrn Prof. Oehler eine Pause des betreffenden Stückes er-
halten; 3) auf eigenen Einzeichnungen an Ort und Stelle.
Die Beikarte beruht auf demselben Material und auf
mir von Herrn Aristoteles Fontrier in Smyrna zur Verfügung
gestellten Auskünften von Einheimischen über den Göktsche-
Sumpf.
Karte 7: Übersichtskarte zum Krieg gegen Perseus 1 : 300000 beruht
auf der Karte des K. u. K. Militär-geographischen Instituts
von Mitteleuropa 1:200000.
Karte 8: Olympübergang der Römer
1) im Mafstabe von 1:200 000, beruht auf der österr. Karte
von Mitteleuropa.
2) im Mafstabe von 1 : 50000, beruht auf der Karte der neuen
griechisch-türkischen Grenze vom Jahre 1898, von der mir
einephotographische Kopie des betreffenden Stückes von dem
K. u. K. Militär-geographischen Institut zur Verfügung gestellt
wurde.
Karte 9: Plan der Schlacht von Pydna beruht auf
1) einer Vergrößerung der türkischen Generalstabskarte 1:210000
2) eigenen Eintragungen in dieselbe an Ort und Stelle.
Beikarte: dasselbe Material.
Karte 10: Plan der Schlacht von Chäronea, 86 v. Chr., beruht
1) auf dem Original der Carte de la Grece,
2) auf Einzeichnungen des Herrn Hauptmann Goeppel.
Beikarte: Kaprena von Herrn Hauptmann Goeppel.
Karte 11: Übersichtskarte für die Schlacht von Pharsalos in 1 : 100000
beruht auf Stoffels Carte de Pharsale in seinem Werke Hist.
de Jules Cesar, guerre civile, mit einzelnen eigenen Ein-
tragungen aus den unter 12 genannten Karten. Die Stoffeische
Karte beruht ihrerseits wieder fast ausschliefslich auf dem
Original der Aufnahme von Laloy in Heuzey und Daumet
Mission en Macedoine. Die Beikarte beruht auf demselben
Material wie Karte 1.
448 Verzeichnis der Karten und Skizzen.
Kiirte 12: Plan der Schlacht von Pharsalos 1 : 50000, beruht aui
einer Kombinierung von der Karte von v. d. Goltz (s. oben
Karte 4) und der Karte von Mavrokordatos, der im Auftrage
des griechischen Generalstabes einzelne Teile von Thessalien
aufgenommen hat. Auch die Karte von Heuzey in Operations
de Jules C6sar ist mitbenutzt. Dazu kommen zahlreiche
Eintragungen, Höhenmessungen und sonstige Nachprüfungen
an Ort und Stelle durch Herr Hauptmann Goeppel.
Die Bei karte beruht auf demselben Material.
Skizzen.
Die beiden Skizzen S. 438 und S. 442 beruhen auf der Kartet
des K. u. K. militär-geographischen Instituts in Wien von Mittel-
europa in 1 : 200 000.
Verzeichnis der in Bd. II öfter nnd abgekürzt
genannten Werke1).
Armandi = Histoire des 616phants dans les guerres et les fetes des
peuples anciens par P. Armandi, gen6ral et ancien colonel
d'artillerie italienne. Limoges bei Ardent, ohne Jahreszahl.
Barth = Reise durch das Innere der Europäischen Türkei von
Heinrich Barth, Berlin 1864.
B. C. H. = Bulletin de correspondance hellßnique.
Bou6=s=La Turquie d'Europe par A. Bou6, Paris 1840 ff. 4 Bde.
Boue rec. = Recueil d'itineraires dans la Turquie d'Europe par
Ami Boue, Wien 1854. 2 Bde.
Bursian = Geographie von Griechenland von Konrad Bursian, Leipzig
1862, 1868 ff. 2 Bde.
v. Cämmmerer = Die Entwicklung der strategischen Wissenschaft
im 19. Jahrh. von v. Cämmerer, Berlin 1904.
Clausewitz = Vom Kriege, Hinterlassenes Werk des Generals
C. v. Clausewitz, erläutert von W. v. Scherff, Dresden,
Damm 1901.
Delbrück Kriegsk. = Geschichte der Kriegskunst im Rahmen der
polit. Gesch. v. H. Delbrück, Berlin 1900.
v. Diest = Von Pergamon über den Dindymos zum Pontus von
W. v. Diest im Ergänzungsheft No. 94 zu Petermanns Mit-
teilungen. Gotha, Perthes 1889.
Drumann-Groebe = Geschichte Roms von Drumann, 2. Aufl., be-
arbeitet von P. Groebe 1899 ff.
*) Die Bd. I, S. 349 f. aufgeführten Werke sind hier nicht alle wieder ab-
gedruckt.
Kromayer, Antike Schlachtfelder. II. 29
450 Vezreichnis der genannten Werke.
Fischer = Die südosteuropäische (Balkan-) Halbinsel von Theobald
Fischer (in Kirchhoff, Unser Wissen v. d. Erde. Europa II 2.)
Flathe= Gesch. Mazedoniens und der Reiche, welche von maz.
Königen beherrscht wurden, von Dr. L. Flathe, Bd. II,
1834.
Freeman = history of federal government in Greece and Italy by
E. A. Freemann, 2. Aufl. v. Bury, London 1893.
Fontrier = Movoelov vfjg Evayyefaxfjg oxohfjg. Smyrna 1885/86.
van Gelder = Geschichte der alten Rhodier von H. v. Gelder. Haag
1900.
Georgiades = OsaoaUa vjtö Nix. rscoQyidöov latgov. Volo 1894.
v. Goeler = Cäsars Kriege, 2 Bde. von Frh. Aug. v. Göler. 2. Aufl.
herausgeg. von Frhr. E. A. v. Göler, 1880.
Grisebach = Reise durch Rumelien nach Brussa im Jahre 1839
von A. Grisebach. Göttingen 1841, 2 Bde.
v. d. Goltz = Der thessalische Krieg von Colmar Freiherr v. d. Goltz,
Berlin, Mittler, 1898.
v. d. Goltz Ausflug = Ausflug nach Mazedonien von Colmar Freiherr
v. d. Goltz, Berlin 1894.
Grundy = The great Persian war by G. B. Grundy. London, Murray
1894.
v. Hahn = Albanesische Studien von I. G. von Hahn, Jena 1854.
v. Hahn Reise = Reise von Belgrad nach Salonik von I. G. von Hahn,
Wien 1868.
Heuzey = Le mont Olympe et TAcarnanie par L. Heuzey, Paris 1860.
Heuzey, mission = Mission archßologique de Macedoine par L. Heuzey
et H. Daumet. Paris 1876.
Heuzey, op. = Les Operations militaires de Jules Cesar. Par L. Heuzey.
1886.
Ihne = Römische Gesch. von W. Ihne. Leipzig 1868 ff.
Leake = Travels in Northern Greece by William M. Leake, London
1835 ff. 4 Bde.
Leake Journal = Journal of a tour in Asia minor by M. L. Leake,
London 1824.
Leake transaction = Transactions of the Royal Society of Literature
vol. IV ser. 2
Lolling = Hellenische Landeskunde u. Topographie von H. G. Lolling
bei Iwan v. Müller, Hdb. d. kl. Altertumsw. Bd. III 1889.
I
Verzeichnis der genannten Werke. 451
Matzat = Kömische Zeitrechnung für die Jahre 219 bis 1 v. Chr. von
Heinrich Matzat. Berlin, Weidmann, 1889.
IMeckeJ = Allgemeine Lehre von der Truppenführung im Kriege von
J. Meckel. 3. Aufl. 1890. Berlin, Mittler.
Meischke = Symbolae ad Eumenis II Pergamenorum regis historiam
von Curt Meischke. Diss. Leipzig 1892.
Merivale = Geschichte der Römer unter dem Kaisertum von Charles
Merivale; aus dem Englischen, deutsch, 1866. Dyk'sche
Buchh.
M. A. I. = Mitteilungen des deutschen archäolog. Instituts. ' Abteilung
Athen.
Napoleon I = Precis des guerres de Cesar par Napoleon, Stouttgart,
Metzler, 1836.
Neumann-Partsch = Physikalische Geographie von Griechenland mit
bes. Rücksicht auf das Altertum, von C. Neumann und
J. Partsch 1885. Breslau.
Niese = Gesch. d. griech. und makedon. Staaten seit der Schlacht
von Chäronea von B. Niese, Teil II u. III. 1899 ff.
Nissen = Kritische Untersuchungen über die Quellen der 4. und
5. Dekade des Livius von H. Nissen. Berlin, Weidmann,
1863.
Oestreich = Beiträge z. Geomorphologie von Makedonien von Dr.
K. Oestreich (in Abhandl. d. K. K. Geograph. Gesellsch. in
Wien Bd. IV 1902.)
Philippson = Thessalien und Epirus, Reisen u. Forsch, im nördl.
Griechenland von A. Philippson. Zeitschr. der Gesellsch. für
Erdkunde zu Berlin, Bd. XXX— XXXII, 1895—1897. In
Buchform bei Kühl, Berlin 1897
v. Prokesch-Osten = Denkwürdigkeiten un(^ Erinnerung^ aus dem
Orient. Stuttgart '183a — 37. 3 Bde.
Ramsay = Historical geographie of Asia minor. London Murrgy ]890.
Reinach = Mithradates Eupator , König von Pontos mit Begütigungen
und Nachträgen des YerL, htä Ptftf&CÄe übertragen von
A. Goetz. Leipzig 1895.
Schlichting = Taktische und strategische Grundsätze der Gegenwart
von v. Schlichting, Berlin 1898.
Schwarze = Quibus fontibus Plutarchus in vita Aemilii Paulli usus sit.
von Woldemar Schwarze. Diss. Leipzig 1891.
29*
452
Verzeichnis der genannten Werke.
Tozer = Researches in the Highlands of Turkey by H. F. Tozer.
London 1869. 2 Bde.
Tschihatcheff = Asie mineure, description physique, statistique etc.
Paris 1853 ff.
Tuma = Griechenland, Makedonien und Süd -Albanien militär-geo-
graphisch, statistisch und kriegshistorisch dargestellt von I
A. Tuma, Oberst, Hannover 1888.
Ussing = Griech. Reisen und Studien von I. L. Ussing, Kopenhagen
1857.
Veith = Geschichte d. Feldzüge C. Jul. Cäsars von G. Veith, Wien, |
Seidel 1906.
Viquesnel = Journal dun voyage dans la Turquie d'Euiope par
M. A. Viquesnel in Memoires de la societe g6ologique de
France, 2me se>ie, tome 1, partie 1, Paris 1844.
v. Willisen — Theorie des grofsen Krieges angewendet auf den j
russisch-polnischen Feldzug von 1831 durch W. v. Willisen,
Berlin 1840.
York e=s Napoleon als Feldherr von Graf York von Wartenburg,
Berlin 1904. 2 Bde.
Zippel = Die röm. Herrschaft in Illyrien bis auf Augustus von
G. Zippel, Teubner, 1877.
Druckfehler:
Karte 1 u. 2 ist der Name „Kambunische Kette" falsch gesetzt; er mufs
mehr nordöstlich bis über den Pafs von Servia hingezogen werden.
C
Diuck von W. Pormetter in Berlin.
eiten und ^&oL
.—37. 3 Bde.
e of Asia minor. London Murra
, König von Pontos mit TW*"
D Kromayer, Johannes
25 Antike Schlachtfelder
K8
Bd. 2.
PLEASE DO NOT REMOVE
CARDS OR SLIPS FROM THIS POCKET
UNIVERSITY OF TORONTO LIBRARY
a. Übersicht des afrikanischen Kriegsschauplatzes.
Das Ruinenfeld von
S'.Abd el Diedidi
[>., H
Id von Jan
i
^i|
/
;
:
/
r i
r
L /.'
S^v
\
Das Ruinenfeld
von Seba Biar
*^£ ■
' -.- ; •
jC—
C"-l. - ., -ic
%
Mails» 1:25.000
Legende
Maßstab 1:1,000.000
b. Übersichtskarte zur Zama-Frage.
\tCKf **,«u
J ' i i\
i *s d^^vN *v" . '"*\
>/«< -5^\ **" ^ ^-"Kifftw td\ SiuAca**. \
vyr\) ' ,*-\ ■■*rr
Maßstab 1 ; 300.000
KromgyeT: Antike Schlartitfe
Kromayer-Veith, Antike Schlachtfelder, Bind IM
Di« Kämpfe bei Utica und auf
in den Jahren 204 und
den „großen Feldern'
203 v. Chr.
: karte
~i
wL
air*
%
Die Schlacht bei Narraggara.
Kromayer-Veith, Antike Schlachtfelder, Bandlll.
Maßstab 1 : 100.000
Ptiotoljihographie und Druck des V.u. h, Militätg(o((r*nhisi
MNHiBB
Kromayer : Antike Schlachtfelder Band H.
i
i.
fc
V,
Die Kämpfe um Nepheris
Kromayer-Veith, Antike Schlachtfelder, Band III. 149—147 V. Chr.
'•A
V
Karte 15.
Weidmannsche Buchhandlung in Berlin.
Photolithographie und Druck des k.u.k, Militärgeographischen Institutes in Wien,
Mäßstab 1:50.000
1000 500
— — ^ Erste Expedition des Manilius
■— ■ — "— ►■ Expedition Scipios
Kromayer-Veith, Antike Schlachtfelder, Bandlll.
Die Operationen Curios am Bagradas
20. bis 28 Juni 49 v. Chr.
Karte 16. % O
■\
b.Die Schlacht am Bagradas
28. Juni 49 v. Chr.
V .-
S^j. 5W«
\
\
i
; Kahoua ad Donadj
, Dj edel da
/jß>
cKt. U 9\labto»<^ ':) V i \
,■
' Dr. 4t Maötouha
♦sl ..— • ■;■' Dr. Toutm /" ; /
\
\
<'' /
\ ,-'
*>//' / .''
y
(
s / i f§
t
!
II / .'i/
Maßstab 1:100.000
Weidmannsche Buchhandlung in Berlin,
L
Photolilhographie und Druck des k. u.k. Militärgeographischen Instilutes in Wie
Kromayer-Veith, Antike Schlachtfelder, Bind III.
Übersicht der bisherigen Lokalisierungsversuche
zum Feldzuge 47/46 v. Chr.
Karte 17.
Caesar
Republikaner
Hypothese
nach Stoffel
Hypothese
nach Tissot
Weidmannsche Buchhandlung in Berlir
Maßstab 1:200.000
Phololithographie und Druck des k. u. k.MilitärgeograDhischen Institutes in Wie
Kromayer: Antike ScMacktfelderBani H.
Maßstab 1:300 000.
19° 30'
• Weidmaiuisclie Buclmaiiäliai^ in Berlin.
Kromayer-Veith, Antike Schlachtfelder, Band III.
Übersichtskarte zum Feldzuge Caesars in Africa
47/46 v. Chr.
.^i • V
Karte 18. % >
> Feldzug von Ruspina
Zl£. Feldzug von Uzita
Z.'.— .— £ Feldzug von Aggar-Thapsus
L
Wetdmanntche Buchhandlung in Berlin.
Maßstab 1:200.000
PhotoLlhographie und Druck de] k.u.l.Mllilargeographischen Institutes in Wn
Kromayer : Antike Schlachtfelder Band TL.
Weidmaiuische Buchhandlung in Berlin.
Kromayer-Veittl, Antike Schlachtfelder, Band III.
Karte 20.
Stellung und Kämpfe bei Aggar und Tegea
Jänner 46 v. Chr.
Weldmannsche Buchhandlung in Berlin.
Maßstab 1:50.000
Photolithographie und Druck des k.u.k. Militärgeographischen Institutes in Wien.
Kromayer-Veittl, Antik« Schlachtfelds, Band
Die Schlacht bei Thapsus
7. Februar 46 v. Chr. '
\Cisptus
: Suchhandlung in Berlin.
Maßstab 1:50.000
Photolilhographte und Qu.
<,Mili(argeographischer
A
s>