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MUSIC - UNIVERSITY OF TORONTC
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ANTON SCHINDLER'S
BEETHOVEN-BIOGRAPHIE
ANTON SCHINDLERN
BEETHOVEN-
BIOGRAPHIE
NEUDRUCK HERAUSGEGEBEN VON
DR. ALFR. CHR. KALISCHER
1909
BERLIN UND LEIPZIG
VERLAG SCHUSTER & LOEFFLER
Alle Rechte
bezüglich der Ergänzungen und Erläuterungen
behält sich der Herausgeber vor.
ML
410
34$ 3 33
LIBRARY
750482
UNIVERSITY OF TORONTO
Vorwort des Herausgebers
zum Neudruck der Anton Schindlerschen
Beethoven-Biographie
Gewiß wird der Neudruck der Beethoven-Biographie von
Schindler von allen Seiten mit großer Ungeduld erwartet.
Wer etwas von der Beethovenforschung versteht, wird so-
gleich einsehen, daß ein Neudruck der Beethoven-Biographie
von A. Schindler zu den allermühevollsten Arbeiten der
Forschung gehört. Die 379 erklärenden und ergänzenden
Anmerkungen mögen den Beweis liefern. Es ist nunmehr
keine der mannigfachen Beethovenfragen, die mit dem
Namen Anton Schindler im Zusammenhange stehen, ohne
genügende Beantwortung geblieben. Schindler als der dritte
große Augenzeuge des Lebens und des Leidens Beethovens —
er ist und bleibt der wichtigste Kenner aller geistigen wie
materiellen Angelegenheiten des Meisters. Der Herausgeber
ist bestrebt, alles auf der Höhe der Beethovenforschung
zu repräsentieren. Es steht zu hoffen, daß Schindlers
Beethoven einen vornehmen Rang in der Beethovenforschung
bewahren wird.
Zur technischen Anordnung ist zu sagen : Der Schindlersche
Text ist genau erhalten worden, Schindlers eigene An-
merkungen sind mit deutschen Typen gegeben, die zahl-
reichen Anmerkungen des Herausgebers sind mit lateinischer
Schrift vorgeführt worden.
— VIII —
Es bleibt zu hoffen, daß das Schindlersche Beethoven-
buch auch in Zukunft allen Beethovenforschern ein sicherer,
guter Führer bleiben wird. Dazu gebe der Geist Beethovens
seinen Segen.
Beherzigen nun alle ein Beethovenwort, das uns Schindler
nach einem Konversationsheft (No. 112 vom Februar 1823)
aufbewahrt. Es steht auf Blatt IIa: „Das Neue und Originelle
gebiert sich selbst" — sagten sie uns letzthin — „ohne daß
man daran denkt." Für diesen Schlüssel zur Erkenntnis des
geistigen Beethoven wollen wir Schindler beim Lesen seines
Buches stets dankbar bleiben. „Das Neue und Originelle
gebiert sich selbst, ohne daß man daran denkt."
Berlin, im April 1909.
DR. ALFR. CHR. KALISCHER.
BEETHOVEN
nach Louis Letronne
SSiograplw
tton
guDit)tg un söeet^om
Serfagt
son
5(nton ©c^in&ler.
'S) r i 1 1 e , neu bearbeitete unt) öermeljrte Auflage.
SJtönfter,
<2>uicf unb Verlag ber Slfctjenbcuff'fcJjett 33uc^t|anMun^
1860.
®ae 9Jc*t ttt #erau&jafce in engltutyer unfc franj6ftf*et Uffrevfffcung.
bat ttt 93 er f äff er fia) tjotffljalten.
©einer 6d)u(erm unb ^reanbin,
bem $rdu(dn
9&ertf)a Jpanfemann
in Berlin
wifcmet biefeS 23udj
ber SSerfaffer,
3n(>ctlt^93er3eid)m§
©eite
33oriüort 9
(Stnieitung 18
ßrfie $eriobe. $on SBeet^otoenS ©eburt 6t3 p (Snbe 1800.
3n jtoei Hbfänitten 29
2(nb,ang.
I. 3"i S^avafterifttf be3 muficalifd}en 28ien§ ju 2tu§gang be$
acfjtjeljnten unb ju Anfang be§ neunje^nten SabJ^unbertS . 82
II. £atalogifcf)er Sorbertd&t 87
III. 58erjeid)ni& ber t>on 1795 bi§ incl. 1800 erfdjtenenen SSerfe . 92
IV. £f)arafteriftifd)e3 TOerÜmal ber Äunftfritif, unb 23eurtr)eihtng
93eetf)otien'fd)er SBerfe 99
Zweite Sßertobe. 33on 1801 biä (Snbe 1814. 3n fünf Slbfcömtten 108
Slnfjang.
I. Äaiatogtfcf)e§ 250
II. ^erjeidjnife ber in bie gtrette ^ertobe fattenben SSerfe . . . 254
III. 33eertjot>eu'» muficatifdjer (Jljarafter 261
IV. Sorroürfe ber ©cfjnüerigteit unb Untierftänblidjfeit .... 267
©ritte Sßeriobe. S3on 1815 bi§ sunt Sobe. $n fünf 9Ifc
fdjnitten 271
2(nf)ang.
I. 9lu<§ bein Dbbucttonä=93ericr)t 486
II. Jeftamente unb SßermögenSftanb 487
III. Sin SBrief üon Stephan Oon 33reuning. ©efidjt§ma§fe öon
Sannfjaufer 490
— 6 —
Seite
IV. SBerjeidjniB ber in biefe Sßeriobe fatlenben SSerfe 492
V. 2>er ferner gefaxte Sntfd)tuB 500
ßfjarafterjüge, Eigenheiten, Notfälle unb ©onfiigeS
1. Religion, ©eneralbaß. 2tefü)etif 505
2. 3ettgenoffen. Reiftet unb jünger 513
3. ©ebädjtntB 526
4. fcanbbtbliotfjef 527
5. SBanbetfuft 532
6. 3ugenblicf)et 9Rutb>ilIe 536
7. Seben^jeugniß 537
8. Srüberlidjer GJegenfafe . 537
9. Qn ber Slbenbbämmerung 538
10. Seitantuenbung 539
11. Momente tieffter SDJebitation 540
12. (Sffen unb Srinfen 540
13. ©ine Sanffagung, ober 33eetf)o»en unb §ummei .... 542
SKuficalifdjer Stjett 549
Ergänzungen
A. Seertjotten'S Silbniffc 639
B. 33eetf)ot>en unb fein legtet 2trjt Dr. SSamrud) 650
C. 33eetf)Oüen unb gürfl ^icoIauS 93ori£ ©alifcin 653
D. „93eetIjoüen'§ ©tubien im ©eneralbafj, Gontrapunci unb in
ber Gompofition", ober Sguaj SKitler üon Serjfrteb unb 2obia§
§a§tinger 663
E. öeet^oüen unb Garl ^oij 679
F. Gart iüiaria üon SBeber alä Sritifer 33eet&oDen'3 .... 68~
G. Qmn Xacte im Sdjerjo ber C nioll=©infonie werben SSer=
onloffung ju Streit unb anbanernber 3Keinung§Derfd)iebent)eit 694
H. Sn <5ad)en be§ ^ßtoceffeS mit bem 9Jiedjanifer ^Jiael^cl . . 699
I. S)ret Briefe Don Öeettjorjen an S3ettina 704
K. S3eet^ouenT§ Sriefconcept an Gfjerubini au§ bem %at)vt 1823 709
— 7 —
©rite
L. 3)a§ Sftotiü §um legten ©a£e be<§ Quartetts in Cis moll,
Op. 131 711
M. 9lu3 ber ©onate patfjettque 716
N. @eföi$tliäeg über ©nffifrung Seetfjo&en'fäer 2Rufif in $ariS 721
0. ©in 9?üdbtid auf 23eet{jot>en'3 .Spanbbibliottjef unb bie öffentUdje
SBerfieigerung be§ muficaüfdjen 9{adjlaffe§ im 9ßot>etnber 1827 726
P. SSorljanbene Reliquien öon Söeettjoüen 730
Q3orft>ort
©ine neue Sluffage!1) — ©etoöljnlidj mirb üon einer foldjen
gefagt, fie fet) bie $reube be§ Verlegers», ber ©totj be3 Sßet>
faffer§. 9D?id) anlangenb barf id) mofjt offen unb freimütig
geftefyen, bafj tcf) öom ©totje nid}t§ tierfpüre, hingegen mit ge=
rüljrtem fersen ber SSorfefjung banfe, hak fie meine Sebenötage
fo lange gefriftet, um tiorliegenber ©djrift bie gegenroärtige ©e=
ftaltung geben 51t tonnen, inbem bie frühere in Oielem 23etrad)te
eine §u befdjränfte getoefen; ba$ tag jebod) §umeift in ben Um=
ftänben unb SBebingungen, unter benen e§ geftattet mar, fte in
bie DeffentHdjfeit treten (^u laffen. (53 folt inbefc nidjt gefagt
fetjn, bafe ba§ SSorliegenbe meine Ooüe 3ufriebenf)eit ^a^, im
©egenttjeit finbe id) aud) an biefer Sßerbeffernng nodj fo tüe(e§
§u änbern unb ju tierbeffern, bafj id) ba§> ©anje öernidjten
möd)te, füllte id) tnidj im ©tanbe fogletcf) etma§ %ltuz$ an-
zufangen unb in gleichmäßiger ©timmung einem getuünfdjten
ßiete ^uzufü^ren.2) £>a3 oft befdjriebene ©efüfyl eine<§ ©djrift*
1) Die erste Auflage der Schindlerse.hen Beethoven-Biographie
erschien zu Münster 1840 bei Aschendorff. Bereits fünf Jahre darauf
(1845) war eine II. Auflage der berühmt gewordeneu Biographie
Beethovens erforderlich. Der "Verlag war derselbe. Diese (2.) Aus-
gabe enthält zwei Nachträge: a) Auszüge aus Beethovens Konversations-
heften (S. 275—292). b) Zweiter Nachtrag. Beethoven in Paris.
Nebst anderen den unsterblichen Tondichter betreffenden Mitteilungen,
XII, 178 S. — Dieser wichtige umfangreiche Nachtrag ist in meinem
Exemplar unmittelbar an die II. Ausgabe angebunden. Der Nachtrag
erschien jedoch bereits 1842 als selbständige Schrift: Beethoven in
Paris. — Dann dauerte eä 15 Jahre, ehe die dritte, verbesserte Auf-
lage herauskommen konnte (1860). A. d. H.
2) Wir nehmen hiermit Schindlers eigenes Geständnis dankbar
auf, daß er selbst für die dritte Auflage „noch so vieles zu ändern und
— 10 —
ftellerS, ben fein eigenes, fertiges 2Berf anroibert, ber eine Zeit-
lang eS nidjt mefyr fefjen nnb nichts barüber fjören mag, fjat
mitf) gleichfalls bei jeglicher Arbeit mit einfdmeibenber Schärfe
befallen, bie ben @ennJ3 über baS SSoltenbete nafjejn uöttig ver-
nichtete. 5erner/ °iß Je^ no&) ftzit me^r benn früher ge=
tuonnene Ueberjeugung, mie fo aitfjerorbentticf) fdjroierig eS ift,
ü6er Seertjoüen ©enügenbeS gu fctjreiben nnb feiner Snbiuibualität
nad) allen Stiftungen t)in gered)t ju merben, nid)t in £)l)potf)efen,
5(6ftractionen nnb gesagten Kombinationen fid) gu ergeben unb
fid) ba6ei geberben, als t)ätte man alleS SluSgefagte mit eigenen
©innen gefefjen nnb gehört, — and) nid)t in 2Seitfd)meifigteiten
auSguarten, fonbern baS Söefentlidje mögtidjft furg, bünbig
unb überfid)tlid) öorgidegen: aud) biefeS fdjmätert nodj bie
$reube an ber <&ad)e, benn (entere 33ebingnngen mögen ja aud)
öon mir nidjt immer erfüllt morben ferjn. Selbft baS be=
fdjnndjtigenbe SBettmjjtfetjn, ben bei meitem größeren £f)eil beS
begebenen an ber (Seite beS großen SlünftlerS mit eigenen
(Sinnen malgenommen, bemnad) nidjt bloS nad) nortjanbenen
papieren ober nad) SluSfagen batb an ber <Sacf)e intereffirter,
ober gar if)r fern geftanbener ^erfonen gefdjrieben §u tjaben,
eS gleidjt aud) nur einem ^alliatiö.
Sßie a6er immer, baS Q3udj in jmeiter Auflage ift tter=
griffen unb eine neue gemünfdjt. |)ier ift fie, metfad) üermetjrt
unb ergänzt, unb, roaS bem ^Berfaffer baS allein ^(ngenetjme:
nid)t menige bort irrtt)ümtid) angegebene Säten, öon öer=
fdjiebenen Sdjriftftetlern roieber meiter öerbreitet, erfdjeinen
fjieriu berichtigt, Steffen ungeadjtet lebe id) nid)t in bem ©tauben,
bafj bamit alles erfdjöpft fet), maS ficf) über ben 9)?enfd)en unb
ftünftler öeetfyoüen fagcn läjjt, ja fetbft meinerfeits nacf) Verlauf
öon einiger 3eit — geftüttf auf nod) unberührte ©ocumente —
gejagt merben tonnte; bie $8erfid)erung barf id) jebodj tjiemit
zu verbessern" fand, so daß nach seinem Tode, erst nach ca. 48 Jahren
ein Neudruck als wirklich vierte, verbesserte Auflage «"forder-
lich erscheint. A. d. H.
— 11 —
au§fpred)en, ba$ alle mistigeren Gegebenheiten au3 be§ 9)teifter§
ßeben unb SBirten in biefem Gucfje niebergetegt finb, barnad)
fid) ein beftimmte§ unb teidjt 51t überbtidenbeS (Sljarafterbitb
gufammenf äffen läfet.3)
Um jebodj ben Sefer in ©tctnb $u fetjen, biefe ©djrift
nid)t bto3 üom affgemeinen fritifdjen ©tanbpuncte, fonbern üor
allem üon ber «Stellung be§ GerfafferS §u feiner Aufgabe gu
beurteilen, mirb e3 unabtüei3tid) notfymenbig, gemiffer Gorgänge
in gebrängter ^ürge gu ermähnen, bie herbeigeführt, bafi fie in
erfter Auflage erfdjeinen burfte. 2)ie Unterlaffung biefer Sücit*
tfyeitung bort, febiglid) au3 9tüdfid)ten für einen Sebenben, rjatte
id) im Sutereffe bon 53eett)oüen'£ ©ad)e feljr gu befragen.
23atb nadj be§ 9Jceifter§ §infd)eiben überfd)idte mir ber
geheime SfiegierungS* unb SDcebicinatratf), Dr. SSegeter in
Gobleng, üftotigen über Seettjoüen'S 3ugenbjaf)re, überhaupt über
beffen in Sonn üerlebte 3eit, nadjbem er üon feinem <3d)roager,
bem faif. fönigL mirttidjem §ofratt)e, «Stephan üon Greuning,
erfahren t)atte, roeldjen Auftrag ber fterbenbe SJceifter un3 Geiben
in Setreff einer Siograptjie üon ifjm gegeben. 25ei einem im
Saljre 1833 bem mürbigen SOcanne gemadjten Gefudje gu ßobleng
fam aud) bie 9?ebe auf bie iljm bereite üon SBien au§ gemetbete
Slbletjnung üon griebrid) Ütodjlitj, fid) ber iljm gugebadjten
Stbfaffung nidjt untergietjen 511 tonnen. (©iet)e barüber au3=
für)rttd^e§ in ber (Einleitung.) ©a äußerte SBegeler: 2)a§ Sefte
für eine 53iograpt)ie Geetfyoüen'S, unfer§ gemeinfctjaftlictjen
greunbeS unb begieljungSmeife £ef)rer3, märe, menn mir 2)rei,
näm(id) SBegeter, gerbinanb 9tie§ unb ber Untergeidjnete, un§
gu biefer Verausgabe üerbünben mollten; gugteid) forberte er
mid) auf, biefen ^(an mit 9tie§, ben id) fdöon nad) menig
3) Diese Tatsache der persönlichen Gegenwart des Verfassers an
allen Vorkommnissen des Beethovenschen Daseins seit ca. 1815 — also
während der Zeit der Mannesreife bis zum Hinscheiden 1827 — hat
dieser Biographie den einzigartigen hohen dokumentarischen Wert ver-
liehen — und verleiht ihn auch heute noch. A. d. H.
— 12 —
Magert ju gfranffurt am SDtain fetjen foHte, be3 weiteren gu
befpredjen, roa§ aud) gefdjat). 9iie§ ging fogteict) barauf ein;
inbefj fdjon bei Vorlegung bcr 33eetl)oüenfd)en ^Briefe an if)n
unb 9Jcittt)eitung üerfdjiebener mir jumeift belannter (Srlebniffe
mit bem 9J2eifter Wollte e§ mir fdjeinen, cd§> merbe ein gemein=
fd)aftlidje§ ^ufammenwirfen nad) 2öegeter§ ^3(an fanm möglid)
fetjn. 9tie§ legte nämlid) SBertf) auf SDinge, bie tljeilS intereffetog,
tl)eit§ üerletjenber Strt waren, barum !eine§fat(§ üor ba% öffcnt«
tidje $orum gehörten. ®r trug einen lang genährten ©roß
gegen feinen Setjrer unb $reunb im £>ergen, ben 5U 6e[ct)rDict)tigen
mir nid)t gelingen Wollte, weit er fiel) auf ©rünbe geftüijt.4)
Sm (Sonterte mirb baoon bie 9vebe fetjn muffen, um beiben,
Setjrer unb <3d)üler, gerecht fetjn 51t fönnen. Ueberfyauöt uer=
ttjeibigte 9tie3 ben @a§: über grofee Sftänner barf atle§ au§~
gefagt werben, e§ fdjabet iljnen nid)t.
3)iefe Wenig erfreulichen (Srgebniffe meiner ©otlicitationen
Würben auf meiner ^üdreife nad) bem 9cieberrl)ein Söegeter
mitgeteilt, bon ifjm jeboct) otjue fonberlidje Ueberrafdjung an=
gehört. 3d) fafete ÜDrutt) mir feine guftimmung §u erbitten in
ber in 9fabe fteljenben ©adje mit iljm aEein üorgugeljen. %n-
fängtief) Soeben fen finbenb willigte er enbtid) unter ber $Se=
bingung ein, bafs öon beiben «Seiten unüerjüglid) an bie 9tu§*
arbeitung gefdjritten Werbe. Sd) öerfprad) e§. Mein fdjon beim
erften SSerfucf) gewünfdjte 5Iu§fünfte über mandjertei ^unete
öermittelft (Sorrefponbeng au§ SBien fjabljaft ju Werben, geigten
fiel) £>inberniffe unb lange ,ßügerungen, °^e o11 einem si*er*
4) Der Hauptgrund wird in der Angelegenheit der Dedikatiouen
des Meisters zugunsten des Schülers Ries und von dessen Frau liegen
Daß es zu keiner Dedikation kommen durfte, das hat uns Schindler
iu seinem Artikel: „Memorabilien" in Hirschbachs Repertorium der
Musik mit ungemeiner Schärfe dargetan. Das Notwendigste ist dar-
über mitgeteilt in des Herausgebers kritischer Ausgabe von Beethovens
Sämtlichen Briefen bei den Erklärungen zu Brief No. 930 (Band IV).
A. d. H.
— 13 —
fdjieben ber Stt&eit nötigten. SSegeter berlor barü6er bie
©ebulb. Unterm 28. Dctober 1844 machte er mir bie Sinnige,
ben 2)rud fetner Stufzeidinungen fofort besorgen $u motten.
©a^u ift e§ inbefs nidjt gefommen, bielmerjr mürbe mit SRieS
meiter unterfyanbelt.
£)a3 9^ieberrt)einifd]e äWttjtffeft 18 37 gu Slawen fütjrte
$ie§ nnb ben Unterzeichneten 31t Vereintem 2Sirfen an6ei auf
botte fünf 2£od)en gufammen. 2öege(er'3 *ßtan marb bafelbft
merjrfad) bon un§ befbrodjen, bie Sftefuttate blieben aber nidjt
merjr mie etjebem im ßroeifet, im ©egentfyeit 9?ie§? rjartnädigeS
gehalten an feiner SßtHenSmeinimg fjätte beinahe einen Qm\&
fbatt smifdjen un£ gur golge gehabt. Äurj, fcfjon im nädjften
8af)r, batb nad) feinem b(ö£tid)en 2)af)infd)eiben, erfd)ienen:
„öiograbrjifd)e Zotigen über Submig ban SSeerfjoben" bon
Tegeler unb 9?ie§.
Sn Sßien befanb jtdj ber §of* unb ©eridjtöabbocat,
Dr. Sotjann SBaptift 23 aü), mit beffen $erfönlid)feit ber
Sefer n>eiterrjin näljjer befannt merben mirb. §ier am Orte ferj
b(o§ angeführt, baß berfelbe eine ber tjerborragenbften furiftifdjen
Stutoritäten ber Äaiferftabt unb 33eet^oben'§ Vertreter in SRecfjtS*
fadjen gemefen; aber aud) in muftcatifdjen Stngclegentjeiteit
hndjtiger 2Irt marb er bom ütteifter mit ju SRat^e gebogen,
©er SSerfaffer burfte biefen ausgezeichneten Sftann, in beffen
©angtei er toäljrettb feiner ©tubiengeit gearbeitet, 31t feinen
befonbern ©önnern sägten. 2Beil berfelbe ftcfj lebhaft für
batbigeS 3ufianoef°mmen e^ner Sebenäfdjilberung be§ 9J?eifter§
interefftrte, überbieS berjenige mar, ber unter allen Umftänben
als fd)ü|enbe Slegibe bei biefem Unternehmen gelten burfte,
menn e§ nad) bem bucfjftäblicfjen Verlangen 23eetrjoben'3 au£*
geführt merben fotlte, fo mufjte er bon ben Vorgängen mit
Tegeler unb !Kie3 unterridjtet merben.
©ans unermartet ermiberte er mit ber Slufforberung, bafj
id) allein unb unberjüglic^ an bie 3lbfaffung einer biograp£)ifd)en
©djrift geljen fotle, er merbe mid) in jeber möglichen Sßeife
— 14 —
babet unterftütjen ; gugleid) äußerte er ben SBunfd), baS
SKanufcript gu fritifdjer ©urdjftdjt 511 erhalten. 3)ieS trar ber
(Sporn midj atsbalb an ben ©djretbttfdj gu fetjen, fern jebod)
oon jeber ©pur eineS Furor biographicus.
9fid)t otjne Sangen manberte bie Ausarbeitung gur Senfur
nad) SSien, fanb inbefj im ©angen feine ungünftige Slufnafjme
bafetbft, nur tjat beS ©önnerS 9Rot^ftift roiber alle ©rmartung
arg barin gekauft. 2)em greunbe bon Äürge unb SBünbigfeit
in ber 2)arftellung — im ©egenfatje gur üblidjen 5Ibbocaten=
SßrajiS — erfd)ien manches gu ausführlich; £f)atfäd)lid)eS, mit
ber ©efd)id)te ber $eit coüibirenbeS, menngleid) in Segug auf
unfern sJMfter als gang befonbereS Gfjarafterifticum gu be=
tracfjten, erklärte er als gefaljrbringenb für unS 93eibe. 3)arum
marb nad) denforen^trt olme SRücfftdjt auf inneren gufammen*
ijang unb SJiotioirung geftricfjen. 9Jcand)eS nun üftacfjgefjotte
mirb geigen, roaS ber §of= unb ©eridjtSabtiocat auS bem Sucfje
entfernt tjat. UeberbieS teilte Dr. 2ßa§ fjinfidjttid) Äünftfer*
unb ©elef)rten=23iograpl)ien mit tiielen Ruberen eine 5lnfid)t,
bie fid) ungefähr fo formuliren läßt:
Sie Sfjaten großer gelbfjerrn unb (Staatsmänner
finb meift auf's engfte mit ber ©taatengefd)id)te im
Allgemeinen unb ©pegiellen öerfnüpft, fie finb eS ja
meift, aus meldjen biefe ©efd)id)te befielt. £>arum
muffen it)re £ebenSfd)ilberungen immer mit bem großen
©angen üereint gufammengefjen. ©ei Äünftlern unb
©eleljrten aber ift bieS mefentlid) anberS. SEßeil itjre
Sßerfe in ben Rauben beS ^ublicumS finb, fann unb
foll if)re QSiograpl)ie fid) borgugSmeife an bie bem
SSerfaffer mol)tbefannte $erfönlid)feit galten unb öon
if)ren 23er!en bloS baSjenige berühren, maS gum all»
gemeinen Sßerftänbnifc notfymenbig ift.
Sftag biefe Anfictjt in Segieljung auf baS Altgemeine un*
beftritten bleiben, auf 33eetf)oüen pafct fie nidjt, benn hierbei
tjaben mir eS nictjt allein mit ber ^erfon beS SlünftlerS unb
— 15 —
ben $)3robucten feines ©enieS, fonbern mit einem er^ptionelten
(Sfjarafter ju tfyun, ber nidjt bloS im rein SRenfdjlidjen, tief
ÜMigiöfen unb fittfid^em «Streben ju Betrachtungen aufforbert,
fogar auf roiffenfdjaftlidiem unb potttifdjem $etbe (9D?ufifern in
ber Sieget frembe ©ebiete) üermag er unfere Stufmerffamleit in
fettenem ©rabe $u erregen.
$ur§, unter üorbenannten lauteten unb 33efd)rän!ungen
tonnte ba§ Budj in erfter 5luf(age erfdjeinen. Bor ©atgen unb
9fab mar ber Q5erfaffer Ijinreidjenb ficfjer geftettt, nid)t aber Oor
Berbäcfjtigungen nnb hänfen, bie aüfogteid) bemütjt getoefen,
ber &ad)e in meiten Greifen $u fdjaben, otjne jeboct) offen
bagegen aufzutreten. £)iefe§ §u enthüllen gebietet BeetfjoOen'S
&aii)t, aber aud) ba§> Sntereffe be§ muficalifdjen ^ubticum§.
(£§ folt in bem Ch'gängungSauffatje „Beetljoüen'S ©tubien"
gefcfjefjen.
©cfjtiefjlid) fet> nod) an bie muficatifdjen ©djriftfteHer eine
Bitte auSgefprodjen.
(£§ mag mof)t für ben Berfaffer irgenbeiner ©djrift nicfjt
gleichgültig fetjn, fetbe oon ad)tung3roertf)ett ©crjriftftellera als
öertäfettdje Quelle benutzt 31t fefyen. (£S mirb jebocf) anbei ber
llnterfcfjieb gu madjen fetyn äroifdjen ©d)riften, bie bereite Der*
griffen, unb foldjen, bie nod) im Bud)f)anbet ejiftiren. £)inficb>
lid) teuerer fönten aber Oon ehrenhaften Kollegen aEgeit 3ftüd=
fidjten nad) bem TOoratfa^e beobachtet merben: „2öaS 2)u rttctjt
roiUft, baS £)ir gefdjefje, ttjue 5(nbern nid)t!" — 9?id)t balb mag
ein Bud) mäfyrenb feines SurfirenS im §anbet fo auSgefcfjrieben
morben fetjn, als e§ biefem miberfaljren. §err ©taatSratt)
Sßüljetm oon ßen^ in ©t. Petersburg bad)te gettrife nid)tS
unangenehmes 5U metben, als er mir 1852 nad) Gsrf feinen
feines SSerfeS: „Beethoven et ses trois Stiles" fcfjrieb: ,,©ie
ftnb 233 mal in meinem Bucfj gtttrt, benn ©ie finb unb
bleiben bie Queue für bie SWet^af)! ber midjtigften £)aten.6) —
5) In meinem Neudruck : „Wilhelm von Lenz: Beethoven, eine
Kunststudie, erster Teil, 190Ö, mußte ich die Differenz zwischen
— 16 —
ßmei fyunbert brei unb breifeig Gitate, barunter rricfjt menige
Don einer falben Seite! Ueberfteigt fo brüberlidje Xl)eilnal)me
nid)t ba$ äftafj coUcgia[i)"d)er ^üdfidjten? 2>aö nädjftgefotgte $ud)
bei §errn (Staatsrates: „$eetl)ODen, eine Shmftftubie," ift aber
im erften 53anbe: „QaZ fieben beö üMfterS," üöllig eine Um*
fdrreibung beö biograpl)ifd)en £f)eü8 meines Sudjel, ein Stücf
fd)riftftellerifd)er Äunftroeberei.
$u roefentfid) t>erfd)tebenem ©ebraudje biente biefe Schrift
bem anbern Stoffen, 2lte;ranber lUibifdjeff, in feinem SSerte:
„Beethoven, ses Critiques et ses Glossateurs/' 6) bal nun
aud) in beutfdjer Ueberfeftung unter bem Sitel: „Seettjooen,
feine Äritifer unb feine 2(ulteger," öon Subroig 33ifd)off,
erfd)ienen ift. %{% ©egner bei großen Sonmeifterl fanb
Ulibifdjeff für 3roedentfpred)enb 5itr Unterlage üieler 2IeuBerungen
unb ^Behauptungen meift fotdje Stellen meiner Sdjrift gu ent*
nehmen, bie fid) bret)en unb roenben, fonad) $u Folgerungen
führen laffert, mie fte fiel) allein im $opfe beö üerbiffenen unb
blol nad) einer Seite fjängenben ©egnerl geftalten.
©inen nid)t minber umfaffenben ©ebraud) rjat baüon
§1. 23. 9J?ar;r in feinem 2Serfe: „öeettjoüen, Seben unb Schaffen"
gemacht, bieg aber erft, all bie Auflage nafjegu gan^ nergriffen
mar. 9J?it magrem Vergnügen erfenne id) jebod) bie meife %lni$'
anroenbung, bie ber aulge^eidjnete Äunftgeletjrte unb Sd)rift=
Schindler und Lenz berühren (cf. S. 328 ff.). Schindler berief sich auf
Lenz' Zeugnis in seinem Werke: Beethoven et ses trois Stiles: „Sie
sind 233 mal in meinem Buch zitiert, denn Sie sind und bleiben die
Quelle für die Mehrzahl der wichtigsten Daten." Und nachher
bei der Beethoven-Galitzin-Angelegenheit nimmt sich Lenz heraus,
Schindler wie eine quantite negligeable zu behandeln. Schindler blieb
ihm nichts schuldig. Im Zusammenhange ist die Sache in meiner
kritischen Briefausgabe behandelt, als der damals einzige Brief an den
Fürsten v. Galitzin vorgeführt wurde, No. 1094 nebst Erklärungen,
Band V, p. 162 f. A. d. H.
6) AI. Ulibischeffs Buch gegen Beethoven erschien deutsch aus dem
Französischen von Ludwig Bischoff 1859. A. d. H.
— 17 —
jteüer öon bem fteltenroeife nur bürftig (begebenen §u machen
nerftanb. @§ roirb fiel) ©elegenfjeit unb Veranfaffung finben,
«in unb anbereä au3 bem SSudie bes> ^Berliner $rofe[for§ im
Sntereffe ber betreffenben ©adje tjier berühren gu f'önnen; feine
Arbeit ift in ber 23eett)oüen=£iteratur überhaupt Don fjerüor*
ragenber Sebeutung.7)
Steine unb meinet Verleger^ tiereinte Söitte an bie geehrten
muficatifcr)en ©djriftfteller gefyt nun baljtn, ba% neu Vorgelegte
mit 9tücffict)t unb ©djonung beS (£igentf)umsred)te3 betrachten
511 motten.
95ocfent)eim (bei granlfurt am 9Jcain)
im ©ecember 1858.
9(ntoit Sambier.
7) Die namentlich in ästhetischer Beziehung hervorragende
Beethoven-Biographie von A. B. Marx kam 1859 heraus; sie hat ihre
VI. Auflage durch Prof. Dr. Behncke erreicht. A. d. H.
tt. ©djtnbler» a3eetfjoüen=33iogva£tjie.
Einleitung-
9H§ im Verlaufe ber ®ranff)eit, tueidjer Submig Oan
53 eet (jouen nad) üollem tiiermonatlidjen Seiben erlegen, biefcr
fidj mit ©tepfjan oon Sßrenning mib bem SScrfaffcr biefer
©cfjrift über bie 33iograf)ieen be§ griedjifcrjen s$lutard) nntcr=
rjielt, benu^te SBreuning bie längft ermünfd)te ©etegenfjeit, ben
5D?eifter, fdjeiubar orjne alle 5lbftd)t, 5U fragen, men er ftcf>
tuotjf unter feinen geitgenoffen 31t feinem 23iograpf)en ermärjlen
mottle. Dfjne fid) 3U bebenfen, antwortete er: „SRocfjfitj, roenu
er micf) überleben fottte." Leiter fprad) er nod), bajj t§> fid)er
§u bermuttjen fei), bafe Diele gefällige gebern fid) aud) nad)
feinem 3)at)infd)eiben beeilen mürben, bie 2£elt mit einer Un*
5af)( non Slnecbotem unb £>iftörd)en über ifm 31t unterfialten,
bie oller äßafjrfjeit ermangeln, — mie eS übertäubt Männern
3U ergeben bflege, bie einigen (Sinftuft auf irjre ßeit gefjabt.
2)al)er fei) fein aufrid)tiger 933unfd), ba% ma§ man cinftenS
über if)n fage, nad) allen S3ejiel)ungen §in ftrenge ber SBafjrrjeit
getreu gefagt merbe, gleidjoiel, ob tiefer ober Scner fid) ba*
bnrd) getroffen füfote, ober eS felbft feine eigene Sßerfon betreffe.
Siefe 5(eu^erung in einem Momente aulgefprodjen, mo
be3 greunbeä 51uflöfung a(3 nalje beöorftefjenb fdjien, mar für
un§ 5U midjtig, als ba$ mir irjr feine meiterc $otge tyättw
geben folleu. 2)od) mufete fjiemit bie gröfttmögficfjfte ^orfidjt
beobachtet merben, mie mit allem, roaö nur entfernt auf Stob
iße^ug fjaben fonnte, benn feine ^Stjantafie, aufgeregter m*e
feiten im gefunöen $uftanbe, fdjmeifte burd) alle SBelträume,
entmarf $(äne §u Reifen, 3U großen (£ompofitiouen, u. f. m.,
iurj, an einen nafjen Hob bad)te er in jenem Momente nocf)
nid)t, mottle aud) burd) nid)t!§ baran gemannt fet)n. S3eben
mollte er, benn e§ mar nod) fo oieleS 511 f Raffen, mop siel*
— 19 —
(etd)t feinem aufeer itjm bie föraft berliefjen war. T)ic 3Sor-
fid)t gebot un§ bemnad) mit unfern SBünfdjen eine öaffenbere
Gelegenheit abzuwarten, um if»n auf biefen Sßuwct wieber ju*
rüd führen $u tonnen. ®iefe ergab fid) leiber nur 51t balb,
inbem er fetber in gotge fühlbarer Slbnabme ber pfjijftfdjen
Gräfte bie Hoffnung 5U einer ©enefung eitel nannte unb an=
fing mit ftoifd)er 2Bei3t)eit feiner 9tuflöfung entgegen 511 fefjen.
$(utard) unb anbere ber griedjifdjen SieblingSfdjriftfteKer tagen
um it)n fyerum, a(§ er eine§ S£age£ mieber auf feinen öielbe=
Wunberten Suciu§ SrutuS (beffen Statuette üor i£)m ftanb) §u
fpredjen fam, ber für un3 btö ©tidiwort ab^ab, ben abge=
brodjenen $aben in Setreff feinet 23iograöf)en Wieber $u er=
faffen. Ergeben in fein ©djicffal fa§ $eetlj)ooen ba$ üon
Sßreuning ©efdjriebene mit gekannter 5(ufmerffamfeit unb jagte
bann getaffen: „'Dort liegt biefeS, bort jene£ Rapier, netjmet
e§ unb madjet ben beften ©ebraud) baoon, bodj in Mem ftreng
bie Sßatjrtjeit, bafür madje id) (Sud) 23eibe Oerantworttid), unb
fdjreibet an 9?od)üt$." 8)
Unfere SBünfdje waren erreicht, lieber einige ber be=
^eidjneten Rapiere gab er nod) befonbere 2luffd)tüffe unb 9?oti$en.
393a8 nod) in jener widjtigen Stitnbe auf fein Verlangen ge*
fdjetjen, mar, bafj id) fämmilidje oorl)anbene (Eorrefüonben^,
SBreuning aber alte gamitieu* unb fon fügen 2)ocumente in ®e=
wafjrfam nefjmen fotlte.
yfJad) be3 33?eifter§ £)infd)eiben waren mir entfdjtoffcn,
oereint ben SBunfdj mtferä oeremigteu $reunbe3 an §ofratt)
9tod)IÜ3 gelangen 51t (äffen, al§ 33reuniug erfranfte unb fdjon
nad) jmei Monaten feinem ^ugenbfreuube nad) Senfeitö folgte, —
ein in üielfad)er Se^ieljung tjödjft betrübter $att, ber mid) in
ber gemeinfdjaftüdjen &ad)t für Sßeettjoöen in eine unangenehme
£agc Oerfeitfe, inbem id) ben einzigen Gefährten oertoren fjatte.
8) Anton Schindler und Stephan von Breuning werden also für
die beiden Großsiegelbewahrer der Beethovenseben Hinterlassenschaft
angesehen. A. d. H
o*
— 20 —
SDie Sßittroe bon 33reuning übergab mir alsbatb bie bon intern
beworbenen ©emafjl aufbemaljrten Rapiere — mit 2lu3nafjme
ber gamilien*2)ocumenre, roetdje ber ßurator ber Sßertaffenfcfjaft,
Dr. SBad), an fid) gebogen — itnb fo lag e§ nun mir allein
ob, 3Rod)Cit^ mit bem SBunfdje 23eett)oben'3 befannt ju madjen,
roa£ fdjon unterm 12. (September 1827 gefcfjeljen. Unterm
18. beffelbeu Monats erhielt id) nadjfterjenbe Sfctttöort:
„23cm jefjer tjaben bie (Sonberbarteiten unb fdjroffen
©den in unferci bereiten Seetrjoben'S SSefen ba$ ©roftarttge
unb (Sbte in feinem ßtjarafter mir nid)t berborgen; unb menn
id) bei meiner Sfnroefentjeit in SBien im Sarjre 1822 mit it)m
nur einige Mal, bann aber mit Offenheit unb Vertrauen,
gufammenfam: fo lag ba§> blo§ an bem Uebel, ba3 it)n brüdte
unb jebe Unterhaltung fo ferjr erfcfjtoerte. 3ene3, in Sßer=
binbung mit frofjer Slnerfennung feiner ©enialität unb t)of)en
SBcrbienftc al3 Slünftter, roaren nun aud) Urfadje, bajj id) bem
©ange feinet ©eifte§ unb gefammten innern 2eben§, in roie=
fern jener fid) in feinen Seifen abfbiegett, bon feiner Sugenb
bis gu feinem £obe nad) beftem Vermögen gefolgt bin. Unb
ba id) aud) jebe Gelegenheit roafjrnarjm, bon $eit 8* 3?ü
etma§ 3uberlüffige3 üon feinem äußeren Seben ju erfahren:
fo fjielt id) mict) für nicfjt gang unfähig, aU er ftarb, fein
Söiograpt) gu merben; mo^u icf) mid) aud) entfcfjtofj, unb jroar
in ber SBeife, ba$ Seettjoben'-o, roie Maria bon SBeber'S Seben,
äu <paubtartifeln be§ 3. SSanbeS meinet £hid)3: „gür greunbe
ber Stonlunft" beftimmt mürben. Setrt tommt Ijie^u nun nodj
Sfjre 3ufa9ef m^ mit Materialien gu unterftütjen, unb ber
mir bon Srjnen mitgeteilte Sßunfd) Seet^oben'ö felbft: urteilen
©ie au§ biefem Stilen jufammengenommen, ob id) geneigt fetyn
mag, Sfyrer, fo mie berfcfjiebener anberer greunbe 33eetf)oben'3,
31ufforberung gu folgen! ©efto trauriger aber ift e§ für mid),
bafe id) bieö bennod) nicfjt bermag. Sin, bon frühen Sauren
an faft unabläffig in SInftrengungen Eingebrachtes Seben räcrjt
fid) an mir in letzter 3e^ äiemlid) rauf) 2)a bin id) nun
— 21 —
enbitrf) gelungen, 51t einer faft gänättcrjen 3Ibänberung meinet
bisherigen SebenS mid) 5U bequemen, unb baS 2$id)tigfte in
biefer ?(bänberung mufj feljn, bafj id) meit meniger fifce unb
arbeite: bamit id) aber f)ier5u nid)t öon Weitem genötigt ober
bocfj gereift merbe, mid) gur Uebernafyme gar feiner neuen be=
beutenben arbeiten Oerbinbtid) gu machen. Unb fo mufe id)
aud) ber Erfüllung jenes SfyreS, mie meines 2ßunfd)eS notfj=
menbig entfagen — 3d) mag Sfjnen nidtjt fageu, mie leib eS
mir trjur, Stjnen biefe Stntroort §u geben: aber in baS, maS
notljmenbig ift, mu§ man fid) fügen. — Steinten @ie jetjt noctj
meinen 2)anf für 3§r 3lltrau^»" *&
Ungeacfjtet biefer beftimmten $tb(ef)nung raagte id) eS bennod)
meinen 2Sunfd) gu mieberfyoteu mit bem SSerfpredjen, aud) meine
perfönlidjen ©rtebniffe mit Söeettjoüen 51t feiner Verfügung
ftetten ju motten.
©djon unterm 3. Dctober 1827 beehrte mid) $od)U§ mit
einer ©rmiberung, in ber er ©ingangS für baS it)m überfdjidte
Steftament Oon 23eetf)oüen (auS bem Sa^re 1802) banft unb
fo fortfährt:
,,3d) fann eS Seinen nid)t befdjreiben, mie fefjr micij bie
barin untierfennbare innige unb finblid)e §ergenSgüte erfreuet,
baS frf)mer§[icr)e Seiben ber guten ©ee(e gerührt fjat. Unb
gang geroifj mirb biefeS ©ocument auf 2lüe, bie eS fennen
lernen — bie offenbar <2d)led)ten aufgenommen — eine gleidje
SBirfung madjen. 2)emnad) müfjte id) nict)tf maS bem $er=
ftorbenen, menn üon ifjm nidjt als ®ünft(er, fonbern als
äRenfdjen gefprodjen mirb, künftigeres nnb UebergeugenbereS
nacfjgefagt merben tonnte. — S^'en gmeiten, mir mieberfjotten
Sßunfd) fann id) nitfjt auSaufüfjren übernehmen; unb eS f)üft
unS Seiben nidjtS, menn id) t)in§ufe^e: leiöer!"
3(uf biefe (Srflärungen f)in, unb ben früher gefaxten @nt=
fdjhtft im 3(uge befjaltenb, bie in meinen §änben befinbficfjen
Rapiere ^iemanbem anvertrauen, fattS 9?od)(ii$ nid)t §u be=
megen märe, tt)at id; meiter feinen Schritt mefyr, $eit unb
— 22 —
Umftcinbe abtoartenb. 2Bie biefe beiben gactoren fpäterfjin in
biefer &ad)e gemirft, marb im SBortuort aufgejagt, unb ma3 fie
bewirft, baüon gibt ba§> Vorttegenbe luieberljolteS ßeugnifc.
(Soll Don einer SebenSbefdjreibung S8eetrjot»enr^ bie Üiebe
fetjn, be3 Sünftto, ber bie (Spitze ber festen beut[ct)en Wü\iU
©podje bilbet, fo Rubelt eö fid) bor eitlem barum, gu geigen,
unter meieren Umftänben unb in roefd)en 9Sert)äftniffen ber
Wann ben ©ipfetpunct feiner ^unft erftiegen unb fo ©rofjeä
unb UnüergänglidjeS fjeroorgebradjt rjat. (£§ Rubelt fid) ferner
um riditige ßeidjnuug eineö GfjarafterroefenS, baZ fid) am aller*
roenigften bei biefer $ßerföntid)feit nadj üorliegenben papieren
unb Stfitttjeitungen ?lnberer geben läßt. Um über 53eett)oöen
§u fdjreiben — menn e§ nicrjt bto3 ba$ £ünftlerifd)e betreffen
foll — mufe man ifm perföntid) gerannt, Satire lang ifjn
beobachtet, ßuftönbe unb Verljältniffe felbft geferjen fjaben, um
bereit Ginnnrfung auf ibn richtig beurteilen ju tonnen, fur§,
man muf3 $reub unb £eib mit i|m getragen fjaben. Sn fofcrjer,
roarjrtjeitggetreue 2)arfteflung unb ©(aubmürbigfeit ber ZfyaU
fad)en bebingenben Stellung ift gegenmärtig au§ bem Greife
feiner langjährigen Umgebung feiner metjr aujjer mir am
Seben,9) unb idj fü^te e§ marjrlid) tief, roeldje Verpflichtungen
ba$ mir auferlegt.*)
*) Ueber i>a$ Söefen be§ ätüifrfjen 33eetb>nen unb bem SBerfaffev be=
fianbenen S3erbättm[fe3 geben 2üt§funft: bie SlHgemeine 9)hificalifd)e
Teilung oon 1827, ©eile 368, be§gletd)en bie ^Berliner 9)Jufif=3eitung ücn
1827, (Bette 244. 3m gnterefje norliegenber ©djrtft mufs gleidj bier barauf
Ijingennefen roeiben.
9) Hier durfte wohl der jugendliche directeur des Concerts
spirituels Carl Holz nicht übergangen werden. Er galt als der eigent-
liche Rivale Schindlers in der Sphäre Beethovens. Ihn gerade hatte
Beethoven als seinen Biographen ausersehen. Es sei an den letzten
Brief des Meisters an Holz erinnert, der mit den Worten beginnt:
„Mit Vergnügen gebe ich meinem Freunde Carl Holz die gewünschte
Erklärung, daß ich ihn zur dereinstigen Herausgabe meiner Biographie
für berufen halte" usw. (cf. des Herausg. Briefausgabe No. 1170, V. Band).
A. d. H,
— 23 —
$>ie @intf)eitung beS 33iograpf)ifd)en in brei Venoben
foft Derblei6en, jebod) nicfjt ofyne eine bie jtueite ^Sertobe treffenbe
2(bänberung. 2)te früher beftanbene (Sintfjeitung mar nid)t nad)
$3af)l be§ SBerfafferS aufgeteilt, fie mar üielmelir bei (Megenl)eit
bei* am Krankenbette unferS $reunbe3 ftattgetjabten Söefprec^ung
fcon ©reuning tiorgefdjlagen unb tion SBeetljoüen gutgeheißen.
335eit e§ ficf) tebigtid) um 2)arfteUung be3 äußern SebewS tjanbeln
fottte, fo mar ber Slbfcrjtuß ber jtuetten ^ßeriobe mit Dctober 1813
gatt5 richtig bezeichnet. @3 mar im Saufe ber ©inge ber
Moment be3 tiefften SBerfunfenfetynS be3 9Keifter3 in feine
Äunft, fonadj üottftänbigeö SSergeffen auf alle§ Materielle,
— fanget an SBebürfniffen jeber SCrt bie unau$6fei6udje $otge.
SBetdjen Slntfyeil baran ©emütpzuftänbe gehabt, ift fdjmer gu
6eftimmen; jebenfalfö tjaben fie mitgetoirft. 5(m geeigneten Drte
mirb biefer Moment be§ üftäljern berührt merben. — Sie Ber-
einigung be§ äußern mit bem tunftlerifcrjen Seben erforbert baZ
Verlängern biefer ^eriobe bi§> gu @nbe 1814, med gerabe in
bie fem SJatjre unfer Meifter ben t)öd)ften ©ipfel feinet ßünftfer*
ruljmeS erreicht tjat. Snbeffen nid)t blo£ biefer Umftanb er=
Ijeifcrjt bie bezeichnete ^öegrän^ung ber zmeiten ^ßeriobe, aud) bie
im Saljre 1815 eingetretenen gamitienereigniffe unb barau§
tjerüorgegangene Umgeftaltung aller Seben3öcrf)ä(tniffe bilben
eine auffatlenbe @cfjeibemanb unb bictiren bem 33iograpt)en bm
3eitpunct ber ©onberung biefer beiben Venoben.
£>ie 2I6tt)eitung ber Venoben ergibt ficf) bemnacr) in
folgenber SBeife: 2)ie erfte beginnt mit ber (Geburt unb reicht
bis (Snbe 1800, — menngleid) ein langer ßcitraum, bennoct)
nur bie Sern* unb SSorbereitungSgeit %u nennen; bie §meite,
bei beren beginn 23eeu)oüen afö <5infonien=(Somponift, ü6er=
tjaupt al§ ©ctjööfer großer SSerfe, in bie Sauf6afm tritt, um*
faßt bie Sal)re öon 1801 bis @nbe 1814. „Meine Sugenb,
ja id) fütjle e§, fie fängt jettf erft an." ($eetl)oüen an Tegeler,
am 16. 9?oOember 1801.) — ®ie b ritte ^ertobe enbtict)
fcfjließt fein Xob 1827 ab.
— 24 —
T>ie 9Jcittf)eüung ber S^fjatfacCjert au§ Söeettjoben'ä Sugenb*
§eit ftütjt fid) ^aitftyäcf)U(f) auf SSegeter, ben ^Begleiter be§
jungen 9(mbf)ion§ bi§ 1796. Sie borliegenbe (Sorrefbonbeng
33eetf)oben'3 an biefen $reunb nebft 6eigege6enen Zotigen be»
teueren ergänzt bie fotgenben Satire bi§ gum Uebergang in
bie §tt»eite ^eriobe. — $u ®etoät)r§mcinnern für nttfjt öer-
briefte Singe unb Xfjatfadjen au§ ber §roeiten ^eriobe fjatte
id) ben ÄreiS ber 3a'euK°e 53eetl)oben'3, aber für SßieteS ifjn
fe(6er; mit mehreren biefer Scanner, bie ber Sefer alle fennen
lernen mirb, ftanb id) 6i§ lange nad) be§ 2J?eifter3 Stöbe in
nafjer 33egieljung. — £en ^Begebenheiten ber britten ^eriobe
aber fe6te id) ^erfönticr) naf)e unb tt)ar an ben meiften in
irgenbeiner 2Seife beteiligt.
©in muficalifrfjer Streit roirb fid) mit ben 3(nforberungen
unb Mitteln §u richtiger 5tuffaffung unb Vortrag bon S3eet=
f)oben'§ ÜDcufif, bornefymtid) ber für ^ßianoforte, befd)äftigen
unb ficf) nict)t bto3 auf bie Strabition, aud) auf fefte Seb,rfä§e
ftü^en. Streiflichter auf fünftlerifcfje <ßerfönlid)feiten früherer
3eit unb ber ©egenroart fallen 51t laffen, ift unerläfeftd), toeil
fie ber Sacfye jur 3lufftärung bienen. — 2tm ©djtuffe biefeä
Sü/eite fott eine Ueberfidjt ber ?(näat)t bon 2tu§gaben ber 28erfe
unfereS STonbidjterö angefügt toerben, bie geigen roirb, ta% eine
Verbreitung fotdjer 3(rt in feiner Siteratur nod) bagetoefen.
2lt3 fet)r fdjätjbare 23ef)elfe bei «Sdjitberung öon (£§arafter="
©igenfjeiten unb religiöfen (Smpfinbungen bieten fid) brei Sucher
au§ 23eet£)oben'3 §anbbib(iotf)ef bar, bie ©tebfjan bon SBreuning
unb ber Sßerfaffer unter alten borfjanbenen oorgug^nieife ber
5htf6ett>aljrung tnertt) erachtet tjaben. Siefe finb: ^>omer'§
Odussee, in ber Ueberfe^ung bon $of$, CEtjriftian @turm'§
„^Betrachtungen ber Sßerfe ®otte§ im 9^eict)e ber Sftatur," ein
Sef)r- unb @rbauung§bud) in groei Sänben; bann nod) ©oetf)e'<S
SQ3eft=öftacr)er £)iban. 10)
10) Die hier genannten Bücher aus Beethovens Handbibliothek
befinden sich zur Zeit in der Königlichen Bibliothek zu Berlin (Musik-
— 25 —
Unfer ÜDtofter fjatte fdjon in feinen früheren Safjren bie
©ewoljnbeit angenommen unb fortan beibehalten, äffe auf fein
©enfen unb $üf)fen, auf feine Äunft, Wie auf feine fiebernd
t>erf)ältniffe unb ßuftänbe na^e 33egief)uiig fjabenben Steffen
bei ber Seetüre anäuftreidjen, oft noefj 51t unterftreidjen, über=
bieö noefj recfjt oft biefetben in fein Stagebud) eiuäitfdjreiben.
2)a§ gibt eine anfefjnticrje gafjf finnreidjer Sätje, bie ^Weiten
Wie oom Sfteifter fetber erfunben erfdjeinen; manetje (Situation
in feinem Seben wirb baburd) Weit fdjärfer befeuchtet, als bie3
in anberer Sßeife fo feicfjt mogfid) märe. 9fud) an eigeu=
f)änbigen SRanbbemerfungen fefjtt e§ in biefen intereffanten
hefteten nid)t.
£)a§ (ängft gewünfdjte 25eräeid)nif3 alter £>auptwerfe
(aud) ber meiften Heineren) fjinfidjttid) ber ßeit tt)rer ©nt-
ftefjung, erften 5fuffüf)rung, it)re§ (£rfd)einen§ im ®rude,
Wie aud) be§ erften SS er leg er § wirb fid) im 5(nt)ange $1 jeber
^eriobe oorfinben. Sei ber beftefyenben fatafogifcfjett Unorbnung
mar bie geftftettung biefer £)aten ein ganj befonber3 fcfjwieriger
Stfjeif meiner Aufgabe. SDte beigefjenben (Sorrecturen unb 9iat^=
fd)täge gur ißefeitigung biefeä genannten Uebetftaubeö — in*
fomeit jet}t nod) tfjunfid) — wirb man öietfeidjt ntd)t ungern
ferjen. — Sfber aud) ber muficatifdje (Sfjarafter beS geitatterä,
©efinnung unb 23i(bung§3uftanb ber 9ftufifer, SSerfag^uftänbe,
unb anbre§ nod), Werben ber £eben£fd)Uberung gur «Seite gefjen.
®8 foff bieg ber befonberen Sfnforberung an bie 53iograot)ie
eines? großen Äünftferö entfpreerjen, ba^ biefefbe gugfeicr) ein
©efd)icrjt§ft)iegef feiner Qtit, nicfjt minber aud) ein Sefjrbud) für
Sene fet), bie barau§ fernen Wollen.
^ritifdje 23 eurtf) eilungen üerf ergebener Sßerfe, f)erau3=
gegriffen au3 ber $ät bei erften Sfuffüfjrungen, ober nad) ifyrer
Abteilung) unter den zu Schindlers Beethoven-Nachlaß gehörenden
Dingen. Den Katalog darüber enthält des Herausgebers Artikel in den
„Monatsheften für Musikgeschichte": Die Autographe usw. 1895 und
1896. A. d. H.
— 26 —
SBeröffentftdjung im £>rud, werben aU integrirenber STfjeit ju
beö SWeifterS 2eben3gefd)id)te in biefer Bearbeitung bie frühere
£ütfe ouSfittten. Sie gelten ntctjt blo§ at§ 3eu9n^ffe üon Äu»ft*
anfdjauung ber ©poclje, audj als oftenftbte Beraeife üon an=
bauevnben ©egenroirfungen, ü6erbie<3 noefj als erroünfdjte (Stoffe
ju Stnfeinbungen unb Äränfungen, bie, üon bem jugenblidjen
ftünftler oft ignorirt, bem herangereiften fidj als immer
iuud)tigere £>emmniffe auf feine Saufbarjn gelagert Ratten unb
51t überwinben maren. u)
Sie fetjr erfreiiüdje £ljatfad)e, bafj fid) gegenwärtig bie
%t)ei(nafjme alter (Suttur*SBötfer an $öeetrjor>en'S Sdjöpfungen
in mett Ijöljerem ©rabe nodj gefteigert tiat, madjte eS rattjfam,
nun auf einen gemifdjten SeferfreiS Bebadjt §u nehmen.
DJcüge bem SSerfaffer aus biefem ©runbe baS Beftreben nad)
einfadjer S)arftettuug aller mitäutljeUenben 2)inge gelungen feün,
aufbafj aud) ber förttif ,^u ©rneuerung beS ber erften öe=
avbeitung gemadjten &xormurfS: als fjutbige er auS Begeiferung
für ben grofjen S£onbicf)ter $u gern ber rrjetorifdjen $f)rafe,
ntdjt tiüeber ©runb gegeben feti. SQZöge überhaupt baS Bor-
Uegenbe aud) bie Befriebigung beS ernften $ad)manneS einiger*
mafjen $u erreidjen im ©taube ferjn, bemt erft burd) ^nftimmung
non in ütelfeittger Bilbung unb et)renroertt)er ©eftnnung auS=
ge^eidjneten Äünfttern unb Slunftgeterjrten ertjäft eine bertei
Arbeit ben befteu £oijn.
?(uf baS §eer ber SJhtfifer, baS notorifd) 5U aller ßeit
büd)erfd)eu geroefeu, barum jeber tjorjeren, ben befdjränften
11) Das Studium der Leipziger Allgemeinen Musikalischen Zeitung
von ihrem Anbeginn Ende des 18. Jahrhunderts bis zu Beethovens
Tode hin bleibt dem ernsten Beethovenforscher eine unerläßliche Auf-
gabe, um die gesamte Zeitgeschichte der Beethovenschen Kunst kennen
zu lernen und zu würdigen. — Eine Probe bieten des Herausgebers
Artikel in den „Hamburger Signalen" im ersten Jahrgange 1889
dar: „Wie mau über den Komponisten Beethoven in den ersten Zeiten
seines Auftretens urteilte" (Nummern 7, 8, 9 u. 11). A. d. H.
— 27 —
^orijont erioeiternben 23etel)rung qu§ bem SSege gegangen unb
nur ben (Stnftnrtungen ber Routine folgt, t)at ber SBerfaffcr nictjt
lieber 9?üdfid)t nehmen trollen. 3m ©egenttjeit fütjrt e§ feine
Stufgabe mit ficf), aus bem l)iftorifd)=getreuen 2(6bitbe biefer (Staffe
au§ früherer @pod)e ben nod) immer gleichen Snbifferenti3mu§ in
ber gegenmärtigen ernennen 51t laffen. @s gehört aber 5U ben
munberlictjen ©rfdjeinungen in ber ©innenroelt, baf$ mandje 2)inge
itjren ©runbdjarafter oiele (Generationen tn'nburd) unüeränbert
bemafyren, mät)renb ringsum 5tEe§ bemüht ift, eine ben 3eit=
erforberniffen entfpredjenbe Reform in ©runbfätjen unb 9Jcarünen
anguftre&en, miffenfdjaftlidjer 53itbung nad) jegtidjer ©eite J)in
bie Xf)ore 5U öffnen unb felbft bie 9}cerfmale altbeutfdjen
$t)iliftermefen3 au§ ben SebenSlreifen §u üermifdjen. Sn ben
Greifen ber STonlünftter aber fteljt folct)e§ SBefen immer nodj
in fdjönfter ^ölütt)e (mit 9tu3nal)me be§ nidtjt fleinen ®reife§
ber autonomen unb inbuftri eilen 2(riftofratie), unb untere
fd)eibet fid) nur in 23e5ug auf Plus ober Minus nad) ben ber*
fdjiebenen §immel§gegenben be3 muficalifdjen ®eutfd)tanb3.
2)a im (loniejrte tmeberfjolt Don öftreicfjifdjer 23aluta bie Siebe ift, bie
beianntlid) im Saufe ber Satjrjefjenbe mannigfache llmmanblungen ju er=
fahren gehabt, fo mirb ein ©egemiberfteüen anberer beutfdjen, audsj fran$b=
fifdjen SJiünjüer^altniffe rättjlid), um ein rid)tige§ SSerftänbnife ju ermög*
lidjen. 2)ie 9lnnaf)me einer runben «Summe, 3. 33. ein Imnbert ©ulbeii,
bürfte am leidjteften 511m Qwed führen.
100 ©ulben 2B. SB. (SSiener SBcüjrung, ^atoiergelb, nad) bem
5inan3=5ßatente t>on 1811) finb gleid) : IS £f)lr. 8 ©gr. öreufeifdi; ober
24 ©ulben rfjeinifdj; ober 51 grancS.
100 ©ulben d. 2tt. (©onoention^SDMnse, ©über, erft im brüten
Sö^setienb in Umlauf gefommen,) finb cjleidr) : 68 Zfylx. px.; ober 120 ff.
r^etn.; ober 257 grc§.
®ie im erften Saljrjeljenb curfirenben „SSanco-geitel" (aud) SBiener
SBäfjrung genannt) roaren fortmcUjrenben ©düoanfungen unterworfen, fo
bafj fdjon um 1805 ber ©ulben — ä 60 $reujer — faum bie &ä(fte be§
Komin afroertljeS erreicht I)attet weiterhin aber uod) tiefer gefunfen mar.
®ie SSaluta biefe§ ©djeingelbeS ift barum faum beftimmbar.
©iefe SRotijen merben ben Sefer in ©tanb fegen, bie in ber 2. unb
3. SJSeriobe balb in SBiener SBäfjrung, balb in Sonöention&^tünje angeführten
©ummen nad) llmftänben entiueber ju erniebrigen ober ju erljöljen.
^on 33eet()0üen$ ©eburt bi$ $u (£nbe 1800.
©in Sttenfd) ift bie SRcnf^|eit.
St. TOeifcner.
I.
Submig Dan SeetrjoOen mürbe ben 17. $>ecember 1770 gu
Sonn geboren.12) @etn Sater, Sodann üan Seettjooen, mar
Stenorift in ber curfürfttitfjen ßapefte, unb ftar& 1792 in
Sonn, ©eine Sttutter, 9J?aria ÜJtogbalena, ge6. toericrj (and)
Äeferid}), au§ (Srjrenbrettftein bei (Soblens, mar bereite 1787
im Stöbe oorangegangen. ®er ©rofetiater, Submig üan Seetfyoüen,
[teuerem Sernutt^en nadj au§ SOfaeftridt)t gebürtig, mo biefer
Familiennamen nodj Oorfommt,*) 13) mar Safjfänger unb gulet^t
*) 3m Zscifyxe. 1840 faf) ber SSerfaffev felber auf bem ©cöilbe eineö
£aben3 mit SoloniaI=3Saaren §u 9Waeftrid)t ben üoüen tarnen unfete§
(Xompomften: 2out§ Dan 23eetf)oben.
12) Auch Schindler beginnt mit der ungenauen Angabe des
Beethovenschen Geburtstages. Verbürgt ist nur des Helden Tauftag:
16. Dezember. Drei Tage: 15., 16. und 17. Dezember kommen bei der
genauen Feststellung des Geburtstages in Betracht. Die Beweis-
führung ist nicht selten vom Herausgeber unternommen worden. Man
vergleiche besonders: Neudruck der Biographischen Notizen von Wegeier
und Ries durch den Herausgeber, I. u. II. Aufl. 1906, p. 2, 5, 6.
Ferner: Beethovens Sämtliche Briefe des Herausgebers, No. 1 (I. Band);
dann ebendort Brief No. 215 an Dr. Wegeier vom Jahre 1«10 (1. Band
S. 312); irrtümlich aber ist im Register noch S. 339 angegeben, das
ist zu streichen; es muß dafür 296 stehen. A. d. H.
13) Die hier von Schindler als ganz authentisch angegebenen
Worte über den Stammbaum des Tonhelden sind von der späteren
Forschung noch zu wenig beachtet worden. Unser Autor hält daran
— 30 —
Gapellmeifter in ber curfürftücfjen Gapette ju SSonn, unb folt
unter bem pracrjttiebenben Surfürften ßlemeng 9luguft Opern
tum feiner Gompofition aufgeführt rjaben. (Sr ftarb 1773. 3>ie
Erinnerung an feinen ©rofctiater f)at fitf) in feinem berühmten
(Sntel fortan tebenbig erhalten, unterftü^t burd) ein guteä
Portrait, in Del ausgeführt.14)
£>a§ ©eburt3f)au§ in $onn betreffend bemerft Dr. Söegeter
«Seite 6 feiner biograprjifcfjen ^otijen über Subroig üan
SBeerrjoüen, baf$ e§ affer 9Sar)rfcf)etnticrjfeit nacf) ba§ mit Sßro.
fest, daß der Großvater Ludwig, der nach Bonn einwanderte, in
Maestricht geboren ist; er erklärt dabei aus Autopsie, daß er selber
auf dem Schilde eines Ladens mit Kolonialwaren zu Maestricht den
vollen Namen unseres Komponisten: Louis van Beethoven gesehen habe.
Die recht ergiebige Forschung über die Genealogie Beethovens —
man beachte hier Thayer-Deiters im ersten Bande des umfangreichen
Beethoven- Werkes, siehe besonders des ersten Bandes IL Auflage, von
Deiters herausgegeben, S. 95 ff. — , diese Forschungen gehen auf diese
Schindlerschen Bemerkungen gar nicht ein. Von Maestricht ist da
gar keine Bede. Der Beethovensche Stamm wird da ganz allein der
Stadt Antwerpen als Entstehungsort zugewiesen. — Diese positive Be-
merkung Schindlers, daß der Großvater des Tondichters aus Maestricht
gebürtig ist, bedarf also noch weiterer Untersuchung. — Auch die
neuesten genealogischen Forschungen von Werner Hesse: „Die
Familie van Beethoven in Bonn und ihre Beziehungen" erwähnen dies und
Maestricht gar nicht. Dem Erforscher des Beethovenschen Stamm-
baums sei dieser wichtige Artikel, in dem besonders der Ort Mecheln
vorgeführt wird, nahegelegt. Die Studie steht in der „Monatsschrift
für die Geschichte Westdeutschlands mit besonderer Berücksichtigung
der Rheinlande und Westfalens", herausgeg. von R. Pick, V. Jahrgang,
1879, Trier, S. 200—215. Besonders beachtenswert erscheint die Mit-
teilung, wonach ein Beweis vorhanden ist, daß Beethoven am 16. De-
zember geboren ist; 1. 1. p. 215. A. d. H.
14) Von diesem Porträt des Großvaters spricht der Enkel in
seinem Briefe an Dr. Franz Wegeier vom 29. Juni 1800, in No. 36
der Gesamtausgabe (I. Band): „Statt des Portraites meines Großvaters,
welches ich dich bitte, mir sobald als möglich mit dem Postwagen zu
schicken, schicke ich dir das seines Enkels." — Beethoven bekennt ge-
legentlich selbst, daß er Ähnlichkeit mit seinem Großvater besitze, so
— 31 -
515 bezeichnete in ber Sonngaffe fei). 3)afür erflärt fid) aucf)
bie Don ü)m genannte grau 9tterten3, geb. ßengersborf, bie
jenem £aufe gegenüber gemotzt f)at. Später fjat ein bortiger
Seljrer, Dr. £>enne3, ber ©aclje weiter nad)gefpürt, mobnrd)
SSegeter'ö Angabe bolle Seftätigung ermatten, llngeadjtet joldjer
©en>if#eit, 10051t ba§ Saufbudj ber betreffenben ^favrfirdie
oerf)otfen, entftanben über baS @eburt$f)au3 unferä £onbid)terv,
bei (MegenJjeit ber Inauguration feinet (StanbbilbeS iji Sonn
1845, heftige Sontroüerfen. üfteib unb ©eminnfud)t gaben fid)
bie größte SRü^e, baZ §au§ 9?ro. 934 in ber 3tf)eingaffe, in
metdjem bie $amilie Seetfjoüen um bie adliger Saf)re roirflid)
geloofjnt, für ba§ ©eburtSt)au3 au^urufeu. ©elbft 2Öege(er »
miebertjoite Sefräftigung in bem, im genannten 3a£>re er=
fd)ienenen „9cad)trag ju ben biograpf)ifd)en ^toti^en", bafj btö
eigentliche ©eburtSljauä unbeaiueifett ba§ früher bejcidjnete in
ber Sonngaffe fei), tonnte bie fdjreienben ©egner nid)t jum
Sdjmeigen bringen.15) 5Iuf fc^riftticfjeö Srfudjen bei (£igen=
tt)ümer£ biefeS §aufe§, Med. Dr. <Sd)übt, manbte fid) ber 83er*
faffer bev oortiegenben (Schrift an Sodann oan Seetfyooeu
(©ruber be§ großen SlüttfiferS) nad) SBien mit ber anfrage, ob
er in biefem Streitpunkte nid)t entfdjeiben fönne unb molle.
©eine CSnoieberung tautete baljtn, bafj er fid) ber Senennung
ber ©äffe, in luetdjer btö @e6ttrt§|a»§ feines SruberS Subttng
gelegen, nid)t mit ©eanjjljeit mefyr erinnern fönne, luofjt aber
iu einem Briefe au seinen Freund und Rechtsbeistand Dr. juris
Dr. J. B. Back (1824), wo es heißt: „Ich glaube wohl einmal vom
Schlage getroffen zu weiden, wie mein biederer Großvater, mit dem
ich Ähnlichkeit habe." (Beethovens Sämtl. Briefe No. J018, V. Band.)
A. d. H.
15) Bekanntlich ist der Streit um Beethovens Geburtshaus längst
so gründlich zuguüsten der Bonngasse 515 entschieden, daß dort das
Beethovenhaus installiert werden konnte, wohin seitdem aus allen
Ländern viele Verehrer Beethovens pilgern. — Daß auch Beethovens
Bruder Johann in diese Streitfrage hineingezogen wurde, erfahren wir
hier aus Schindlers Munde. A. d. H.
— 32 —
erinnere er fiel), baf3 baffetbe loeit bom Steine entfernt gefegen.
2)er ©treit über biefen an ftd£) fo unwichtigen @egenftanb, in
roetdjem fogar angefeljene SDMnner ber ©tabt als SBortfüfjrer
für baS alte £)au3 in ber 9it)eingaffe STtjeil genommen, roarb
buret» ben S53in! quo SSien nicfjt Beigelegt, bietmerjr f)at bie
©pecutation in ber öffentlidjen Meinung gefiegt, fo ba^ bie
2Sat)rt)eit Oerftummen mufjte.
SDaS @erüd)t, bafj Söeettjoben ein natürtidjer ©otjn bon
griebrid) SBittjefm IL, Äönig bon ^reufien, gemefen fet),10) §uerft
bon geholte unb (Sljoron auSgeftreut, ba£ bann fogar in fieben
9luftagen beS 23rodrjau§'fd)en (Sonberfation§=ßejicon§ nad)=
gebrudt roorben, fjat 35eetf)ooen biet Mntung berurfadjt.
Unterm 7. Dctober 1826 fjat er feinen Sugenbfreunb Sßegeter
brieftief) erfudjt, bieSfattö einfdjreiten ju motten, „unb bie
9iedjtfd)affent)eit feiner (Sftern, bejonberä feiner Sftutter, ber
2Mt befannt 51t madjen." 28arum biefes (Srfudjen an 2Begeter
nidjt biete Safjre bor bem genannten Saturn gefd)etjen, erftärt
ftet) au§ bem Umftanbe, baf3 biefeS Serkon in Deftreict) bi§
gu jenem geitpunfte faft gang unbefannt geblieben, toafjrfdjein*
lid) au§ (Senjur=©rünben. Tegeler glaubt ©eite 5 feiner
Kotigen, bafe biefeS @erüd)t feiner SSiberlegung bebürfe, inbem
biefer preuf3ifd)e Äönig bor SeettjobenS ©eburt nid)t in 33onn
gemejen, feine 9Jhttter aber mäf)renb iljrer ©Ije biefe ©tabt
niemals berlaffen tjatte. 9cid)t alfo bad)te ber SBerfaffer biefer
©cfyrift. 9(13 bie leipziger QSer(ag§t)anbliing bie adjte Sluftage
biefeS ßejiconö angetünbigt rjatte, fanb berfelbe e§ an berßeit,
fie unterm 17. gebr. 1833 auf jenes fatfdje @erüd)t aufmerffam
16) Über die vermeintliche Abstammung Beethovens vom König
Friedrich Wilhelm II. von Preußen habe ich mich im Laufe der Jahre
vielfach geäußert; alles im Zusammenhange ist jetzt in meinem neuesten
Beethovenbuche „Beethoven uud Berlin" enthalten, S. 31 — 38, 1908.
Auch die neue Mär, daß der Meister von Friedrich dem Großen ab-
stammt, konnte auf Grund der Kouversatioushefte augemerkt werden
fib. p. 33). A. d. H.
— 33 —
gu machen mit Söe^ugnarjme auf 23eetljoüen<§ S3rtef an Tegeler
au3 bem Satire 1826. (Sofort rourbe bie betreffenbe ©teile in
ber neuen Auflage corrigtrt.
lieber 33eetrjoüen§ (Srgietjung unb erfte Sitbung mufj
Tegeler allein gehört merben. ®r fagt Seite 9 feiner ^oti^en:
„58eet^oöen§ ©rgietyung mar roeber auffaEenb oernact)läfftgt,
nocfj oefonberä gut. Sefen, Schreiben, 9?ectjnen unb ettua§
Satein lernte er in einer öffentlichen Scfjute, 9J?ufif, ju ber itjn
fein Später ununterbrochen unb ftreng antjtelt, 511 §aufe. §ier
fjatte man fiel), aufjer bem ©efjalt beö 93ater3, feinet (SrmerbS*
3meig3 5U erfreuen, mithin fanb überall Sßefcrjränfung ftatt.
Saljer bie (Strenge be§ geiftig unb fittlicfj roenig auSgebilbeten
$ater3, (er mar bem £runl*e ergeben) um fiel) in bem älteften
So§ne balb eine £mtfe §ur ©r^ieljung ber übrigen %\i bilben."
— 3U Vorfterjenbem miffen mir {jinpsufe^en, ba$ ber feurige
unb oft ftörriferje Knabe, ber leinen Cal de plomb gehabt, ftetS
mit altem ©ruft an baZ Glaüier getrie6en merben mufjte. ßum
SBiolinfpiel fjatte er noct) weniger Suft, unb barauf begügtid)
mufe ba§> fdjöne poetifdE) erfunbene unb oft nad)er§äfjlte 9Kätjrd)en
oon einer Spinne, bie — „fo oft ber Heine Subroig in feinem
Kämmerlein Biotin fpielte, fid) oon ber SDecfe Ijerabtiejs unb auf
bie ©eige fetjte, melcfje bann bie Butter, al§> fte bie ©efeH-
fetjafterin itjreä ©ötjncfjens? raaf)rgenommen, tobt fctjlug, morauf
ber Kleine feine Violine gertrümmerte" — für ba% erllärt
merben, roa3 e§ eigentlich ift. 2)er grofje ßubmig mollte fiel;
eineä äfjnlicfjeit Vorfalles nicfjt entfinnen. Dbgleict) fdjon be=
fannt, fyat boefj erft ein biograpljifcrjer 2luffat5 ü6er Söeetljooen
au§ ber $eber oon Dr. (Srjriftian 9#ültet in Bremen biefem
üftäljrcfjen allgemeine Verbreitung gegeben. (Sltlgemeine 9J?ufi=
faliftfje ßettung, 29ter ^at)rgang, S. 346.)
2)en um eine Stufe l)bt)eren Unterricht in SDcufif erhielt
Seetlmüen burefj einen gemiffen Pfeiffer, melier Sftuftfbirettor
unb Dboift, überhaupt al§ trefflictjer Künftler unb genialer
Sftann befannt mar. SSegeter fagt: „SBeetrjoüen berbanft biefem
31. ©cfjittMerS iBectfioöen-SBtogvapljie. 3
— 34 —
Setjrer ba§> 9D?eifte unb mar aud) fo erfenntlid) bafür, baf; er
ifym nod) oon 2Bien au§ burd) £>errn ©imrod eine ©elbunter=
ftütjung ankommen tiefe." Saft ber curfürfttidje §of=Drganift
öan ber @ber17) unferm &unft=2tföiranteu mirftid) bie 93e=
fjanblung ber Orgel gelehrt, tute SBegeler b(o3 üermuttjet, ift
geroi^. 23eett)ot>en toufete in fpüteren Sauren nod) mandje
2tnefbote, Dornefjmtid) in Segug auf §anbfütjrung, biefem bon
iljm für fo midjtig gehaltenen Quillt an ber Orgel, met)r nod)
am (Slamer, au§ jener Setjr^eit §n ergäljlen. 3Bir merben un£
beffen im muftfalifd)en £t)ei( biefer <2d)rift mieber erinnern,
gerner bemerft Sßegeler: „®et früher al§ 9ttufif=2)irector bei
ber @rof3mann'fd)en ©d)anfpie(=©efetlfd)aft, fpäter at§ £of=
Drganift angef teilte, aud) at3 Stonfetser bekannte Sftufifer Üfteefe
Ijatte menig (Sinftufi auf ben Unterridjt unfereS Submig;18)
17) Der Name des Lehrmeisters Beethovens auf der Orgel ist:
Van den Eeden. A. d. H.
18) Über C. G. Neefes Einfluß auf Beethoven ist Schindler
offenbar im Irrtum. In Wahrheit muß Neefes Einfluß auf den Ton-
dichter bedeutend gewesen sein. Im Jahre 1793 schrieb er an seineu
alten Lehrer: „Ich danke Ihnen für Ihren Rath, den Sie mir sehr
oft bei dem Weiterkommen in meiner göttlichen Kunst ertheilten.
Werde ich einst ein großer Mann, so haben auch Sie Theil daran."
— Die Mitteilung aus Spaziers Berlinischer Musikalischer Zeitung
wird wohl, soweit eine bekannte Briefstelle Beethovens an Neefe vor-
kommt, erwähnt (s. Thayer I, 119), die ganze Stelle ist für den jugend-
lichen Beethoven doch zu wichtig und unbekannt, daß sie gerade hier
beim Schindler-Neudruck nicht mitgeteilt werden soll: Bei Spazier im
39. Stück vom 26. Oktober ist ein Artikel: „Musikalische Nachrichten
aus Bonn" enthalten, wie es im „Beschluß-Artikel" heißt: „Im November
vorigen Jabres (also 1792) reiste Ludwig v. Beethoven, zweiter Hof-
orgauist und unstreitig jetzt einer der ersten Klavierspieler,
auf Kosten unseres Churfürsten (von Colin) nach Wien zu Haydn, um
sich unter dessen Leitung in der Setzkuust mehr zu vervollkommnen.*)
Haydn wollte ihn bei seiner zweiten Reise nach London mitnehmen;
noch ist aber aus dieser Reise nichts geworden." A. d. H.
*) Da dieser L. v. B. mehreren Nachrichten zufolge große Fortschritte in der
Kunst machen soll und einen Teil seiner Bildung auch Herrn Neefe in Bonn verdankt,
— 35 —
festerer fragte fogar über 9ceefe'§ §u Ijarte fö'ritif feiner erften
^ßerfucrje in ber (Sompofition. Sm ^a§re 1785 toarb Seetljouen
öom (Surfürften Wl ar. ftrani, Vorüber be<§ $aifer§ Sofepl), afö
Drganift bei ber curfürftlicf)en ßcrpeUe angeftellt, too er nun
mit Sfteefe abruecrjfenb, ben eben nid)t fetteren ©ienft üerfal).
$)er gürft fcfjeint bei biefer Ernennung nur ben 3*^ einer
Unterftütmng cor Augen gehabt ^u fyaben.
Stn erften Satjrgang ber öligem. 9J?uf.=3tg. (uom 3. €ft.
1798 big 25. ©eptemb. 1799) finbet fid) „£ ©. üfteefe'S
SebenStauf, öon it)tn felbft befd)rieben", batirt au§ gfranffurt,
ben 30. ©eptember 1782. $)a ber ftünftter feine ©teile ^u
93onn bereits berfaffen unb in granffurt bomicitirte, fo toill
ba§ mit ber gleichzeitigen Aufteilung als Drganift mit bem
Jüngling Söeett)oüen nicfyt übereinftimmen.19) Aber 9ceefe'<§ „§u
fyarte Skxtit ber erften Sßerfuclje in ber (Sompofition" ift
19) In der Neefe- Angelegenheit verdient gegenüber Wegeier und
Schindler noch ein unklarer Punkt hervorgehoben zu werden. Be-
kanntlich enthält schon der I. Jahrgang der Leipziger Allgemeinen
Musikalischen Zeitung von No. 16 ab (Januar 1799) eine ausführliche
Selbstbiographie von Neefe unter dem Titel: „Christian Gottlob Neefes
Lebenslauf von ihm selbst beschrieben bis zum Jahre 1782." Die
letzten Worte Neefes geben zu denken. Neefe beschreibt, daß er mit
der Goßmaunschen Theatergesellschaft reist, nach Pyrmont: „Wieder
nach Bonn bis 20. Juni 1782, dann nach Münster. Den Tag zuvor
ward mein Vorgänger der Hoforganist Van den Eden (d. i. der ge-
nannte Lehrer Beethovens) begraben. Ich erhielt aber Erlaubniß, daß
ich meine Stelle durch einen Vikar verwalten lassen, nach Westphalen
und von da nach Frankfurt zur Michaelismesse mitreisen durfte, wo
wir das vom Magistrat ueuerbaute Komödienhaus einweihten." —
Wenn wir dieses Neefesche Vicariat auf den jungen Beethoven deuten
dem er selbst schriftlich dafür dankbar geäußert, so mögen, Herr N.s Bescheidenheit mag
dies erlaubt sein lassen, einige Worte hier angeführt stehen, da sie dem Herrn B. zur
Ehre gereichen: „ich nanke Ihnen für ihren Kath, den Sie mir sehr oft bei dem Weiter-
kommen in meiner göttlichen Kunst ertheilten. Werde ich einst ein großer Mann, so
haben auch Sie Theil daran. Das wird Sie um so mehr freuen, da Sie überzeugt sein
können u. s. w." — Hätte uns Spazier doch den ganzen Beethovenbrief mitgeteilt. Wo
mag der jetzt unter Neefes Nachkommen noch versteckt sein? Wir würden eines der
interessantesten Brief-Dokumente erhallen! Der Redakteur Carl Spazier scheint diese
Zeuung mit dem Ende des Jahres 1793 aufgegeben zu haben. A. d. H.
— 36 —
baburdj nid)t beseitigt, Denn ber ftnabe SBeettjoüen f)atte bereits
eine jiemiicfje Stn^a^I $erfud)e (^u Rapiere gebraut. 2)ie bei
2(rtaria, angebiid) „au§ bem 9?ad)taffe $eeti)oDen§", erfdjienenen
„3)rei Driginat-Guartette für ^ianoforte, Violine, $io(a unb
$io(oncelt — componirt im 2Hter Don 13 Sauren" — mögen
jur ßeit it)rer (Sntftefyung tuo^t flu harter Äritif nad) meljr atö
einer Seite t)tn ?(nfati gegeben Ijaben. SBenn ober, mie Tegeler
anführt, ber curfürftlidje £)offatenber auf bas Satjr 1790
(Etjriftian Dceefe unb Submig Dan 93eett)ODen ot§ Drganiften
angibt, gur geit, tü0 festerer über bie „erften $erfud)e" fdjon
fjinanä mar, fo fdjeint bamit ber $rrtt)um nod) Dermeljrt flu
feDn. Snbefj, ein §offa(enber fann ja nid)t irren.*)
<2otoof)( bie Ernennung gum Drganiften, mie aud) feine
fpäterfyin erfolgte ©enbung §u meiterer Sfu^bitbung nad) SSien,
t)atte 23eetljoDen Dorflug^raeife bem ©rafen Don 3Ba(bftein gu
*) Qit einer Gorrefponbens über bie TOufif^uftäube ju 33onn für ba£
3ftärä-§eft Dom 3a^e 1783 be§ Hamburger SRagaäinä ber SRufif r>on
(£. g. (£ramer, üon ber 9?ieberrf)einifcf)en sDluftf=3e'tunS ™ ^ro- 25 »ort
1858 anzüglich, mitgetfjeilt, lieft man: „SouiS Dan Söeetfjoöen, Soljn
be£ oben angeführten lenoriften, ein Änabe oon 1 1 3^ren/ unb Don Diel?
nerfprechenbem Talent. (Sr fpielt fet)r fertig itnb mit Straft ba% (Xlamer,
lieft fer)r gut 00m Slatt, unb um aüe§ in Einem ju fagen: er fpielt grbBteiu
ttjeif^ i>a§> rooljltemperirte ßlaoier üon 3- ©• 33ad), tuelä)e§ iljm £>err?ceefe
unter bie §änbe gegeben. 28er biefe Sammlung uon Sßrälubien uub trugen
burd) alle 2üne fennt (tuefdje man faft t>a% non plus ultra nennen fönnte)
roirb roiffen, mag ba3 bebeute. §err 92eefe Ijat ihm aud), fofern eS feine
übrigen ©efcbäfte erlaubten, einige Einleitung jum ©eneralbafe gegeben.
I^etjt übt er ir)n in ber (Jompofition, unb ju feiner Ermunterung fjat er
9 SSariationen Don ihm für'3 Glaoter über einen Ütarfd) in 9Jiannbeim
dürfen, dann hat also Beethoven Herbst 1782 bereits seinen Posten
als Stellvertreter des Hoforganisten Neefe versehen dürfen. — Übrigens
erwähnt weder Neefe selbst in seiner Autobiographie den Namen seines
Schülers Beethoven noch auch seine Gattin in No. 23 derselben Zeitung
p. 360 ff. im Artikel: „Neefes Lebensgeschichte von seiner hinterlassenen
Witwe fortgesetzt." Nach diesem Bericht starb Neefe am 26. Januar 1798.
— ..Er hinterließ am Leben drei Töchter und einen Sohn." A. d. H.
— 37 —
öerbanfen, ber — nad) Tegeler — fein „erfter unb in jeber
§infid)t Widjtigfter 9ftäcen" gewefen. ©raf Sßatbftein war
3)eutfd)-Drben3==9xitter, Siebting nnb beftänbiger ^Begleiter be§
jungen ßurfürften, fbäter ©eutfdj=Drben§*©ommanbein: §u
SBirnSberg unb Kämmerer be§ SlaiferS. @r war nid)t nur
Kenner ber üKujif, audj 9Iui§übenber. Slf§ fotcljer fonnte er
birecten (Sinffufe auf bie (Sntwidtung be§ jugenbticijen £alent3
nehmen. 3n gotge feiner Slnregung entwidette fidt) SBeertjobenS
Einlage, ein £t)ema auö bem Stegreife $u üariiren unb au§=
jufüfyren, in wetdjer ^uuft er in fbäteren Sauren üon feinem
ber .ßeitgenoffen erreicht, nod) weniger übertroffen worben.
SBie fjoct) ©raf bon Söatbftein ba§ Xatent 33eett)ot>en§ fcijon
nad) beffen erften ^unbgebuugen gefd)ä|t, Wetdje gufunft er
itmi 0orau3gefagt, fott au§ einem Briefe üon it)m an ben
jugenblidjen Äünftler erhellen, beffen SSortlaut weiter unten mit*
geseilt werben wirb. SDurd) SBegeter erfahren wir nod), bafj
biefer watjrfjafte ©betmann mandje (Mbunterf tütjung, bie
meiftenö al§> eine fteine ©ratification Oom ßurfürften betrachtet
warb, unferm jungen Sontjetben mit größter (Schonung feiner
Dto^barfeit §u Streit Werben liefe. 3ur ©teile fott nur nod)
berührt Werben, ba$ 93eett)oOen, bem ©ipfetbunfte feiner Stünftter=
t)öt)e bereits nat)eftet)enb, biefem ©önner, Pfleger unb Wlit=
bübner burd) SBibmung feiner großen ©onate in C dur, Dp. 53,
bie im Satjre 1806 erfdn'enen, feinen £>ant öffentlich) bar=
gebradjt ijat.20)
flehen laffen. $>iefe§ junge @enie üerbiente ttnterfiütmng, bafj e3 reifen
fönnte. (£r würbe getutfe ein jiüetter Sßolfgang 2lmabeu§ 9Jcoäart
»erben, wenn er fo fortfd)ritte, wie er angefangen."
Wü biefer (Xorreföonben3=9cac&ric&t ftefit 9Kegeler3 2iu§fage, Seetfioüeng
Sttter, feine befannten SSerfudEie in ber ©ompofition, fogar 9?eefe'§ (£nt*
fernung üon Sonn unb 2lufentt)alt 511 granffurt a. -äJc. im SStberfprud).
Stuf wetdier «Seite ifi 2Ba^it)eit ju fudjen? (£3 fd)eint Bei Tegeler, unb
n>a§ mit feiner SluSfage im guten 3ufammenbange fielet.
20) Die Versuche A. W. Thayers, sowohl das Freundschafts-
verhältnis Wegelers zu Beethoven als auch dasjenige des Grafen von
— 38 —
(Sine ben jugenblidjen Drganiften djaracterifirenbe $e=
gebenfjeit, faum bafj er tion ber Drgelbanf: Q3efit; genommen,
mag nun nad) S33egeter'§, aber aucfj nad) 93eetrjoöen'§, Wit*
tljeilung tyiafy ftnben; fie geroinnt baburdj an Sntereffe, ttieü
93eibe in itjrer 2fo§fage mefentlid) abmeictjen. ©iefer $aß bürfte
in ber nid)t unbebeutenben Hn^arjl Hon 5Biberftirüdjen unb a6=
tt>eid)enben ?fu3fagen in 23eetrjot>en§ Seben moljl aU ber erfte
§u be^eidjnen fetjn. Uebertjaupt merben bem Siograptjen t)ier=
burd) ©teine üon fo fdnoerem ©emicbt in ben Sßeg gefegt, bafj
er aufteilen aufjer ©taub fetjn ttrirb, fie üon ber ©teile gu
tjeben, ^untat ber 93?eifter an einigen üerfönlicijen 2tntt)eil fjat.
,,^n ber fatrjolifcfjen 5lird)e — ergä^tt SBegeler — loerben
toätjrenb breier £age in ber (Etjariuodje bie Samentationen be3
Sßroptjcten Seremtaö gefungen. (9?idjt überaß, ja nur feiten
ftnb fie §u tjören. ©er SSerf.) SMefe befielen befanntlid) au§
fteinen @ä|en üon Oier big fed)3 3e^en» im0 Würben, jebodt)
nad) einem geroiffen sJ\f)t)tt)mu§, als Gtjorate Oorgetragen. $)er
©efang beftanb au3 oier auf einanber folgenben £önen,
§. 93. c, d, e, i, raobei immer auf ber £etg mehrere 2öorte, ja
ganje ©ätje abgefungen mürben, bi§ bann einige 9?oten am
©d)lufc in ben ©runbton gurürffüljrten. S)er ©änger mirb, ba
bie Drgel in biefen brei £agen fd)lueigen mu§, (fie fdjmeigt nur
meljr am (Srjarfreitag) nur üon einem (Elaüierfüieler frei be=
gleitet." (5(lfo rootjl an einem Glatter, tua§ tjeut^utage nirgenbS
meljr öorfommt, inbem ba$ ßlaoier aU ba§> ungeeignetfte
Snftrument ju irgenb einer fird)tid)en Function erflärt ift.)
3um SBerftä'nbnifj ber Bad^ bürfte bie Dotation be3 erften
93erfifel§ biefer Samentationen bienen, unb ^mar auf einem
fünflienigen, nidjt oiertienigen ©üftem, auf meinem ba§>
Waldstein der Zeit nach ganz umzugestalten, ist zur Genüge behandelt
und umgestürzt worden. Man lese in der II. Ausgabe der von Dr. Deiters
behandelten Beethoven- Biographie von Thayer nach: Man vergleiche
auch den vom Herausgeber besorgten Neudruck von Wegeier & Ries
biographischen Notizen S. XXIVff. und S. 40ff. A. d. H.
39 —
Officium Hebdomadae sanctae (Officium für bie ©rjarrooctje)
in ben alten ^irdjenbücfjern notirt erfcfjeint. $ur SSerbeutticfmng
be§ Sftrjrjtrjmifdjen in ber 9ftecitation roerben bie bierecfigen
^totengeicfjen gu befeitigen fetjn.
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In - ci-pit la-men-ta-ti - o Je-re-mi-ae Prophe - tae.
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po - pu-lo: fa - cta est qua-si vi-du-a Do-mi-na
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-i"
gen - ti - um : Princeps pro-vin - ci - a-rum fa-cta est sub
tri-bu
to. Beth.
Sßernefjmen tutr nun SBegeler roeiter.
„%l% einft biefe§ ?tmt (ber Begleitung) unferm Beetfjooen
oblag, fragte er ben fefjr tonfeften ©änger §eüer, ob er ifjm
ertauben motte, ifjn fjerauSjuroerfen unb benutzte bie roo§( etroa§
311 fdmelt gegebene Berechtigung fo, bajj berfelbe burct) 9IU3*
meicfjungen im 2tccomOagnement, ungeactjtet Beettjotien ben bom
(Sänger anguljattenben £on mit bem fleinen Ringer fortbauernb
anfcrjlug, fo au§ bem Sone tarn, bajj er ben ©cfjtufcfatl nidjt
merjr finben tonnte. ®er nod) (ebenbe bamatige äRufifbirettor
ber curfürfttidjen ßabette unb erfter Biotinfoieler Bater 9He§
erjätitt jeijt nocrj auSfürjrlid), mie fefjr ber babei gegenwärtige
Gapellmeifter Sucfjefi burdj Beetrjoben'3 ©biet überrafcfjt
geraefen ferj."
Sene, bie mit bem Ütituate ber ratrjolifcfjen StHrcfje betannt
— 40 —
finb, merben atSbatb erraten, bafj e§ fid) in unferm ^aüe um
nid)t§ anber§ rjanbeft, a\§> um ?ru3fdnnüdung ber monotonen,
in brei giemlid^ ausgebaute „SecttoneS" scrfallenben 2a=
mentationen oermittelft mannigfaltiger gigurationen mit fanftem
9}egiftei^ug, gang in berfefben SBeife, mie bie ^räfation im
§odjamte uom Drganiften begleitet tnirb, beten Dotation oon
ber f)ier oorfteljenben nur roenig abmeiert. @§ nerftefjt fid),
bafj ber begteitenbe Drganift fid) feiner fjarmoniferjen (£jtra=
oagan§en fd)utbig madjen fotf, mie e§ 'Bad^ unb Ort errjeifdjen.
®ie3 mar jebod), nad) Sßeetf)oOen'§ Sftitttjeitung, in SBonn
mirftid) ber galt.
2Iuf jenen Vorfall gurüdbüdenb merbe nur noefj angeführt,
bafj ber in feiner Äünftlereljre fid) gehäuft fürjfeitbe Gapell=
(Sänger ben mutwilligen Drganiften beim Gütrfürften oerHagt
rjatte, ber itjm bann aud) „einen fetjr gnäbigen $Berroei§ gegeben
unb für bie 3lt^unft oer^ ©eme*©treidje unterfagte", mie fid)
93eettjoOen in fpäterer ,3eit bar über auSgebrüdt fjat.
©ine anbere üon Tegeler ergätjlte Gegebenheit fdjeint
größeres Sntereffe §u fjaben, inbem man barin erfiefjt, baf3
S3eetf)oOen fdjon in feinen früijeften (5ompofition3=$erfud)en ber
3eit öorgegriffen unb fd)merau§fü§rbareg niebergefdjrieben fjat;
baS erfte ©lieb einer langen $ette öon mieberrjotten Ätagen
unb Sßorroürfen, bie ben Xonbidjter auf feiner Saufbafjn fortan
begleitet unb lange über ba§> ©rab t)inau<§ roieberljoit roorben,
bie bi§ pm heutigen %ag nidjt Oerftummt finb.
Tegeler ergäbt nämtid): „WS §at)bn guerft au§ (Snglanb
jurüdfam, warb üjm Dom curfürftlicfjen Drdjefter ein grütjftüd
in ©obeSberg, einem £uftorte nai)e bei 23onn, gegeben.*) 93ei
biefer ^eranlaffung legte ifjm Söeettjoben eine Kantate oor,
metcfje öon £)atjbn befonberS beacfjtet mürbe, ber aud) üjren
*) ©3 fenrint bie§ im $um 1792 gemefen ju feim, bei welker ©e=
legenljeit roof)I bie Steife S3eet£)ot>en'3 ju föatybn nad) SSien üorbeveitet
»DDtben fetjit bürfte, beim fd)on fünf SCRonate nad)fjer feljen mir iljn auf
bem Söege baijin.
— 41 —
33erfaffer §u fortbauernbem ©tubium aufmunterte. Später fottte
biefe (Santare in ÜKergent^eim*) aufgeführt raerben, aber
mehrere ©teilen waren für bie SB(a3*3nftrumente fo fc^roierig,
bafj einige Huftier erlfärten, fotdje nidjt ausführen 51t tonnen,
unb fo roarb auf bie Sluffüljrung üer^id)tet."
£>er mit biefem ^unäcrjft üerroanbte galt betrifft bie
Ounerture 51t feiner Düer Seonore, bie auö gleiten ©rünben
befeitigt merben muffte, mie mir in ber gmeiten ^eriobe ha^
üftäljere fjören roerben. Dbige ©antäte fcfjetnt SBeetrjoüen uer=
morfen 51t fyaben, ha man niemals etma§ barüber gehört.21) ©3
barf biefe ftrenge ©elbftfritif root)( auffalten, ha er bocfj anbere
Gompofition^QSerfucrje am Seben ermatten, afö bie oben er*
roätjuten brei Quartette für ^ianoforte, Violine, 53ratfd)e unb
$io(ouce((; ferner ein £rio in Es-dur für ^ianoforte, Biotine
unb SSioIonceü. Seettjotien nannte e3 „einen ber l)öc£)ften S5er=
fucfje in ber freien <Scr)reibart", unb raiK e§ im SUter bort
15 Sauren combonirt rjaben. ^ebenfalls ermeifet fid) ber ätneite
@a§, ©ctjerso, alz ber ©mbrio aller fbäteren ©djer^o'S.**)22)
*) TOergentljeim , ein Stabilen im iuürttem6erg'fd)en Sartfreife, roar
fett 1527 ber ®i£ ber §od)meifter be§ Seutfdjen Crben§, bie in betn babei
gelegenen ©djloffe 9ceu^an§ rejibirten. ®ie jeftige Kefibenj ber „£>od)= nnb
©eutfcömeifier" ifi 3Sten.
**) 2)iefe<§ Srio fübrt bog tcjematifd^e Verseicrmifj Don SBveitt'opf
& §aertei auf ©. 127 an: (£3 erfcbien um 1830 bei ®unft in granf=
fürt a. 9ft. burd) Vermittlung Don gerbtnanb 9?te§.
21) Das ist wahrscheinlich die Kantate auf die Erhebung-
Leopold II. zur Kaiserwürde (30. Sept. 1790 gewählt) gewesen. Die
Komposition befindet sich seit 1887 im Supplementband der Breitkopf
& Härteischen Beethovenausgabe. Vgl. auch Thayer-Deiters II. Aufl.
des I. Bandes, S. 274 ff. Besonders bedeutsam ist Dr. Deiters Hin-
weisung, daß die No. 4 der Kantate „Rezitativ und Arie für Sopran"
vom Tonschöpfer des Fidelio dort Verwendung fand (Deiters S. 277).
A. d. H.
22) Es ist das postume Trio, das Nottebohm im Thematischen
Verzeichnis S. 143 der 2. Auflage verzeichnet. Weiter ist dort zu
lesen: „Auf einem beiliegenden Blatt steht: ,Die Unterfertigten be-
— 42 —
üftacf) 2Begeler'S SBfafüfjrwtg roaren Seetljoüen'S allererften
ßompofitionen bie in ber 51t ©petjer herausgegebenen „Q3(umeu=
lefe" abgebrudten ©onaten, (bie ganj oertoren 51t febn fdjeinen)
bann baS Sieb: „SBenn jemanb eine SReife trjut"; ferner bie
SJhifif 511 einem oom Stbet im ©arneoat aufgeführten Diitter-
ballet, mooon ber ©taoier^(u§5ug an ben SJcufif^erleger
SDunft gekommen, mafjrfcrjeinlid) burd) SSermittelung oon gerb.
SRieS, ber 2)unft'S Unternehmen ttjätigft unterftüttf rjat. SBegeler
fagt banon: „@s muffen fid) barin finben ein äftinneüeb, ein
beutfdjeS Sieb, ein Xrinftieb, u. f. m. *3)iefe (Eompofition
ttmrbe tauge, ba Q3eetrjooen fid) nicfjt als SScrfaffcr genannt
ijatte, für baS 2öerl beS ©rafen SBalbftein gehalten, um fo
metjr, als biefer aud), in SSerbinbung mit bem SEanjmeifter
§abid) aus 9(ad)en, baS Stattet organifirt Fjatte." Sann lamen
bie Variationen über „Vieni amore",23) Stfjema Don Dtigtjini,
(ber ©räftn oon §a£fetb gemibmet) bie bem jugenbtidjen
Gomponifien Gelegenheit gaben, fein fetteneS Talent 5U geigen,
als er nämlid) auf einer 9ieife oon Sonn nad) Sftergentrjeim,
ber 9f?efiben5 beS ßurfürften in feiner Qngenfdjaft als £ocfj=
unb ©eutfdjmeiftcr, mit bem ganzen Drdjefter nad) 3lfdjaffen=
bürg gekommen. Safelbft mürbe er burd) 9?ieS, ©imrod (ben
nadjfjerigen 9ftufif=$erteger in Sonn) unb bie beiben 9?omberg,
Stnton unb 23ernt)arb, bem berühmten ©laoierfpiefer unb ßapel(=
stätigen hiermit, daß das Trio für Klavier, Violin und Violoncello,
welches so anfängt: (hier folgt das obige Thema) ein authentisches
Werk von Beethoven sey, das Herr Ant. Schindler in eigner Handschrift
des Autors eigentümlich besitzt.'" — „Wien den lten Februar J 830.
A. Diabelli. Carl Czerny. Ferd. Ries. Die ächte ihm sehr wohl
bekannte Handschrift Beethovens bezeugt Franz Wegeier." A. d. H.
23) Die Variationen auf das Thema von Righini heißen nicht
„Vieni amore", der Anfang des Textes lautet nach Dr. Deiters' Fest-
setzung: „Venni Amore nel tuo regno ma Compagno del Timor"
(siehe Thayer-Deiters J. Band, 2. Aufl. S. 301). — Die Ariette steht
im 2. Heft der „Sammlung deutscher und italienischer Gesänge von
Vincenzo Righini"; Leipzig, Hofmeister & Kühnel. A. d. H.
— 43 —
meifter am cur^mainjifdjeu §ofe, ©terfet, oorgeftellt, „tuelc^er,
ergäbt Tegeler, bem ©efuct) ?(lter mittfafyrenb, fic£) gum ©fielen
fjinfeferte. ©teilet füielte fefjr leicht, tjöd^ft gefällig, unb tute
Sßater 9tie3 fitf) au3brüdt, etmaS bamenartig. 93eett)onen ftcmb
in gefpanntefter Stufmerffamfeit neben ifjm, benn ©terfet mar
ber erfte SSirtuofe biefeä Snftrumentä, ben er bis barjin gu
Ijören (Megenrjeit errjatten. 9cun fottte aud) er [bieten, ttjat
biefeS jebod) erft bann, als ©terfet irjm gu Oerftetjen gab, er
gtoeifle, bajg fetbft ber ßomponift obiger Variationen fie fertig
fpielen fönne. Setjt fpielte Veetrjoüen nidjt nur biefe Variationen,
fo ütel er fid) beren erinnerte (©terfet fonnte ba§> (Ejemplar
nidjt auffinben), fonbern gteid) eine 3Xn§ar)l anberer, nicfjt
meniger fd)mieriger unb bieS gur größten Ueberrafd)ung ber
ßurjörer, üollfommen unb burdjauS in ber nämtidjen gefälligen
Lanier, bie iljm an ©terfet aufgefallen mar. ©o leicfjt marb
eS iran, feine ©pietart nad) ber eine« anberen einguridjten." *)
©o unfer coblenger ©emäf)r§mann, ber bei Stnfütjrung
biefer Gegebenheit nod) befannt l)at, ba^ Veetfjoüen'S (S(aüier=
fpiet bamalS rauf) unb fjart geroefen. SBir merben auf ben
(Stjaracter feines ©pietS im Vertauf ber Singe nod) öfters gu
fpredjen fommen; oorauS fet) nur bemerft, baft SBegeter'S tet^te
2Borte fyier üorfterjenb bod) etmaS ftu|ig madjett fönnen, meun
man ba§> übereinftimmenbe Urtrjeit Sorjn ©ramer'S unb
(Srjerubini'S über VeettjOuemS ©piel auS ben Sauren 1799
unb 1805 baneben [teilt. £)anad) ift e£ nur gu gemifj, ba$
*) 3n alten roie audj in neuen datalogen merben nod) aufgeführt:
9tu§ bem Safjre 1780: Weue Variationen in C moll über ein 9)krfa>3;r)ema
tum ®refffer. 5Iu§ betn Satire 1794: Sreiiefm Variationen in A dur,
Sfiema au<§ bem Dtotfjfäpödjen: @§ mar einmal ein alter Sttatm. S3ei
©imrocf.24)
24) Die Reihe der Beethovenschen Jugendkompositionen ist durch
die Nachschindlersche Forschung bedeutend vermehrt. Man lese in
Thayer-Deiters Beethovenbiograpbie, besonders das Kapitel: „Was hat
Beethoven in Bonn komponiert?", sehr erweitert in der II. von Deiters
besorgten Auflage, das achtzehnte Kapitel S. 272—313. A. d. H.
— 44 —
e§ ifjm nidjt§ weniger als feidjt getnefen, bie (Spielart eine§
anbcrn p aboptieren, fo wenig, rote feine fünftferifdie
Snbioibuatität mit einer anbern p üertaufd)en. ?tud) S3em=
t)arb SKom&crg, mit bem id) 1834 in feiner SBaterftabt SDcünfter
biete 9J?onate 51t berfet)ren @etegent)eit getjabt, tjat über Q3eet=
fjoOen'3 ©piet im «Sinne (Srjerubini'3 unb (Sramer'§ geurtrjeitt,
überhaupt t)at er mir über ba§ gufammenferjn m^ Seerrjooen
in 23omt nierjt nnintereffante SDcitttjeifungen gemacl)t. 3t)nt
Oerbanfe id) bie perföntidje 93efanntfd)aft mit ber Freifrau oon
33eoeroörbe, geb. oon Sööfetager au3 Sonn, Q3eett)oüen'<§
(Spulerin, Wetdjer gteid) näfjer gebad)t werben h)irb. 23eetf)OOen
fetber fdjob bie ©djulb feinet bamaligen tjarten @piet3 anf baZ
oiete Drgetfpiet. (Sin anberer eben fo errjebtidjer ($runb mag
roorjt and) ber Abgang eine§ guten $Borbitbe3 geWefen fein.
(Siner ©igenrjeit 23eetrjOüen'3 mufs tjier wortgetreu nad)
Tegeler ©rwärjnung gefd)et)en, Weit biefe SOcitttjeitung jum
Verfolg gleicher "Singe unb ßuftänbe in fpäteren Satiren ?(u=
tafj gibt unb mit anbern (Sfyarafter^igenrjeiten unferö 9Jceifter§
$erWanbtfd)aft tjat: näm(id) feine Slbneignng gegen Unter*
ridjtgeben unb ba$ ©pieten in ©efettfefjaften. „$rau
Oon Söreuning — fagt Sßegeter — wollte irjn guweilen zwingen,
in ba§ itjrem §aufe gegenüberftetjenbe be§ üfterreicfjifdjen @e=
fanbten, ©rafen oon SBeftptjat, §u gefjen, um feine Sectiouen
fortpfetjert. ®ann ging er, wie ein ©feiein, 25) ba er ftet)
beobadjtet Wufete, fort, teerte aber oft am §aufe felbft noefj
um, tief surüd unb berfprad) bann: er motte am fotgenben %a%
jWei ©tunbeu Unterrid)t gebeu, tjeute aber fet) e§ ifmt unmögtiefj.
25) Bei Wegeier lautet die charakteristische Stelle genauer:
„Dann ging er, nt iniquae inentis asellus,*) da er sich beobachtet
wußte."
*) „Wie ein übellauniges Es'lein'' (Horaz nach Voß), Neudruck S. 24, neust An-
merkungen des Herausgebers. Die Worte sind aus Horazens Satiren (Liber I, Sat. IX.
Vers 20), vollständig also:
Demitto auriculas, ut iniquae mentis asellus,
Cam gravius snbiit onus. A. (J_ JJ,
— 45 —
©eine eigene bebrängte Sage trieb ifyn nictjt an, mof)t aber ber
©ebanfe an feine gamilie, Oorgüglid) ber an [eine liebe 9Jhttter."
9)?it biefer 21u3fage ftefjt bie ber oben genannten grau
öon Seüeroörbe ettoaä in SSiberfprnd). ®iefe Oerftdjerte, baß
fie eben forootjt über bie regelmäßige grequeng ber ©tunben,
mie and) über ben Unterridjt 33eett)0Den'§ überhaupt niemals
gu flogen getjabt. Sefjrer unb ©djülerin befanben fiel) faft
im gleidjen 2üter, unb teuere muß in if)ren 9ftäbd)enjaf)ren
ein SBitb ber ©d)önf)eit getoejen ferjn, baüon nodj bie (Spuren
an ber Patrone fidjtbar maren. SDiefe Same mußte übrigeng
nod) manerjeso über ba§> ernfte unb meift nad)[innenbe SSefen
if)re3 jugenbtid)en (£taüierterjrer§, beSgleidjen noefj bietet au§
bem muficalifdjen 2zben itjrer SSaterftabt um bie 90 er Saljre,
roie aud) nod) öon irjrem 3ufammertfP^e^ wtt £5. Nürnberg gu
ergäben, ba§> biefem Äunftüeteran großes Vergnügen gemacfjt.
2)iefer SSiberfprud) fotl jebod) 2Segeter'§ SluSfage feinen
©intrag trjun, ba biefe (Sigentjeit, Abneigung gegen Unterridjt*
geben, metf)obifd)en unb ft)ftematifd)en Unterricht nämtid),
unfern Xonbidjter burdj'3 gange Seben begleitet Ijat, modjte er
g(eid)mof)t bei eingetnen ©djülerinnen au§ befonbern ©rünben
unb 9?üd'fid)ten, mie bei ber bonner, bie neben förpertidjer
©crjönfjeit aud) nod) ein fernes latent getjabt rjaben foli, anberS
getfjan rjaben. ©o trjun ja aud) anbere Sefjrer, ofjne 93eett)oöeit
gu fetm. 23on biefer Abneigung mußte aud) gerb. 9fte3 gu er=
gälten, ber am meiften üielteicrjt in jener (Spodje üon biefer
(Sigentjeit gu leiben tjatte. ,,^d) fpiette, fagte mir 9tie<§, unb
Seetrjoüen comöonirte ober ttjat anbere§, unb nur fetten fetjte
er fid) gu mir unb fjiett e3 eine rjatbe ©tnnbe au3."*) $aum
fünfgig üollgiltige ©tunben mollte 9iie<o mäljrenb feiner öier=
jätjrigen Serjrgeit oon S3eett)oüen ermatten rjaben. 5lbmeid)enb
fpricfjt er über biefeit $ßunct in feinen Zotigen.
Ueber ben anbern $ßunct berichtet Tegeler: „©pärer, al3
*) ®a3 erinnert an gleiches SBerfdjren Bei (£arf ©jerntj mit feinen
©djülern.
— 46 —
SBeetljoüen in Söien fdjon auf einer Ijoljen ©tufe ftanb, f)atte
fid) audj ein äfjntidjer, mo nid)t nod) ftärferer Söibermillen
gegen bie 91ufforberungen gum (Spielen in ©efetlfdjaften
enttt)ide(t, fo bafj er jebcSmot baburd) allen g-roljfinn öerlor.
(£r fam bann mehrmals büfter unb oerftinimt git mir, ftagte,
bafe man it)n jum ©pielen gtoinge, menn aud) ba§ 23tut unter
ben üftägefn itjm brenne. 5111mäf)lig entfpann fid) bann gmifdjen
un<§ ein ©efpräd), morin id) ifjn freunblid) gu unterhalten unb
üöHig §u beruhigen fucfjte. SBar biefer ßroed erreidjt, fo liefe
id) bie Unterrebnng fallen, fetjte mid) an ben ©cfjrei&tifd) unb
23eetl)ooen rnnfete, mollte er metter mit mir fpredjen, fidE) bann
auf btn ©tut)! bor bem (Eladier fetjen. Salb griff er nun, oft
nod) abgetoenbet, mit unbeftimmter §aub ein paar SIccorbe, au§
benen fid) bann nad) unb nad) bie fcfjönften SMobien ent*
midelten. D marum oerftanb id) nid)t metjr baOon! 9?oten=
papter, ba§> id) einigemale, um ettoa§ 9J?anufcript üon iljm §u
beft^en, anfdjeinenb oljne 2(bftd)t auf ba§> ^ult gelegt Ijatte,
marb Oon it)m befdjrieben, aber bann audj am (Snbe gufammen*
gefatten unb eingeftedt! üDftr blieb nur bie ©rlaubnifj, mid) felbft
au§3ulad)en. — lieber fein ©piet bnrfte id) nic^t§ ober nur
2öenige3, gleidjfam im SBorbeigetjen, fagen. (Sr ging nun gänglidj
umgcftimmt meg unb fam bann immer gern gurüd. ©er 28iber=
mitle blieb inbeffen unb marb oft bie Quelle bei* größten 3er=
ttmrfniffe 23eetl)oüen'3 mit bem ©rften feiner greunbe unb ©ömter."
SBäre e§ ftattljaft, an oorftefjenbe Mitteilung fogleid) meine
perfönlid)en Srlebniffe bieSfaltS anknüpfen, oornetjmtid) au3
ben Sauren 1818 bi§> 1821, mo id) aufteilen Oon bem SCReifter
mit ben SBorten: ,,©ie leidjtfinniger, oberflädjlidjer Dilettant,"
ober fpöttifd) mit: „§err llngrunb unb ot)ne ©runb," im
Spiele unterbrodjen unb oom ©itje meggebrängt mürbe, um fid)
felbft barauf gu fetjen unb ben tion mir „miBfjanbelten" ober
„abgeftimperten" ©onaten=©at3 ttjeitmeife ober gang oorgufpielen
unb gu erklären, märe bieg tjier gur ©teile ftattljaft, fage id),
fo ließen fid) bie Sodungen, ober aud) Sebinguugen, toeldje
— 47 —
öeettjoben §um Sßotfpieten unb tbjapfobifdjen Untetridjt bringen
fonnten, jiemtid) weitläufig auSeinanber fetjen. 2)iefe3 ®efd]äft
mufe jebod) mit anbeten, wichtigeren ^Begebenheiten in bitefter
^ierjung auf 99eett)ot>en'^ (£laöier=3Jcufif in SBerbinbung ge=
bradjt werben. §iet fetj nur oorau3gefcf)idr, bafj ein fofdjeS
Sßorfpielen, fetten otjne tiortjerige (Emotion, ober, Wenn wit
wollen, 3tu%anfen, bewerlfteüigt werben fonnte. 9htr ©inet
au§ feinem Steife, bet bi3 311m Saljre 1815 fjäufig in feinet
näd)ften Sftätje gewefen, rjat e§, gufotge eigenet $erfid)emng, in
biefem ^uncte anbete erfahren: ©raf ^rang Ü0U 23run3wicf.
2Bir wetben ben tarnen biefe3 in üietem SBetradjt augge^eidweten
9ftanne3 noch, öfters an^ufü^ren rjaben.
Heber ben furzen 23efud), ben S3eet§oüen pr $rürjling3*
§eit be<$ 3at)re3 1787 ber ftaiferftabt gemadjt, fcfjweigt Regelet
gang, aber and) ber $erfaffer toeijj nur wenig barüber ju fagen.
W\t 33eftimmtt)eit barf er jebod) bie Sßarjrnefjmung S3eet=
fjooen'fd)er greunbe am§ früherer 3eit nieberfd)teiben, baf} fid)
bem ©ebäcfjtniffe be§ fed)£3et)njät)rigen SüngtingS bei jenem
jßefud)e nur gmei ^erfönlicfjieiten tief unb bauetnb füt fein
ganzes Seben eingeprägt rjaben: Staifer Sofept) unb üDfo^art.
SDie ptoprjetifcfjen üB3orte be3 letzteren über bie .ßufunft oe^
jungen ®ünftler§, nactjbem biefet ein oon it)m aufgegebene^
9)cotiö (eS foti ein gugen^tjema gewefen fetin) ex tempore
burdjgefürjrt t)atte: „ liefet Jüngling Witb nod) Oiet in bet
2&ett Oon fid) teben machen" — finb im Saufe bet Qtit, aucfj
mit Varianten, oft wieberfjott Worben, nur blieb e3 ungewif3,
an wetdjem Orte fie ber „Ä'önig im 9\eidje ber SEonlunft" ge=
fprocfjen; einige wollten wiffen, e3 fet) bei Gelegenheit gefd)et)en,
al§ bet ^aifer ben 00m ßurfürften ÜWar. Sran5 ^m empfohlenen
jungen ftünftler in feinen ©emädjern in Seifenn äftogarf-c ge*
tjött tjat.-6) Db aud) bie perfbnlicfje S3elanntfd)aft @tud'§
26) Man vergleiche darüber des Herausgebers Aufsätze: Mozarts
Beziehungen zu Beethoven in der „Musik": 1. Mozartheit (IV. Jahr-
gang Heft 1 und 2). A. d. H.
— 48 —
gemadjt morben, ber berannttidi fd)on fdjmer gugänglid) unb
am 15. 9toöem6er beffelGcn SaljreS geftorben, mußte üftiemanb
in fpäteren Sauren $u jagen. ©iefe, fo mie mandje anbete nicfjt
unmidjtige Vorgänge lagen bereits 51t meit äurikf, Stuaen* unb
Otjren^eugen maren nidjt mefjr am Seben, 53eetl)oDen felber über
alte längftuergangene ©inge in ber Siegel fdjmeigfam, bagu
rjäufig nod) unftdjer unb Dermorren, menn er je 'Darüber ge=
fprodjen, — bie3 bie ©rünbe, ba^ Derfdjiebeue in ein ©unfel
gefüllt bleiben merben. ©afj jebod) alle in bie erfte Seben§-
periobe fatlenben Gegebenheiten, melier 5(rt immer, gegen bie
folgenben meit jurüdfteljen, gleidjfam nur furge, menig be=
beutenbe Sßorfpiete 5U bem int)alt£>fd)meren SebenSbrama geroefen,
barf mof)t aucr) mit Geftimmtrjeit au3gefprodjen merben. ©arum
mag an ibrem ©unfel ober gnnjlidjem SBerlufte menig ge=
legen fetju.
?(nbermeitige, ober gar nod) fdjärfer bjeroortretenbe 93e=
gebenrjetten au§ 33eetl)o0en'3 ßeben in ber SBaterftabt finb unö
nid)t befannt. ©er lange, bi§ 9fnfang§ ber 90er $af)re an*
bauernbe grieben auf beutfdjer @rbe, bie geffellung aller SOhtfifer
an ibjre Obliegenheiten bei beu §bfen, an benen burdjgeljenbS
bie Pflege ber SXRuftf einen ber erften ^lätjc eingenommen,
(Sorge für (Srmerb, aber aud) nod) ©rang gur gortbitbung,
Darum notljmenbigeS 5ttleinfet)n mit bem aufftrebenben (Senium,
enblid) gar nod) Mangel aller Üteclame oermittelft Soumalen
unb fonftiger unferer glorreichen (Spotfje molilbefannter SDcittel
unb Söege, auä (Septem fdmn fertige Äünftfer gu madjen, —
in biefen äußeren unb inneren ßuftänben bürfen mir bie ©rünbc
fucfjen, ba^ bie Sugenb be3 Stonbicfjterä, ber einftenS ber beutfcfjen
$unft=(£pod)e feinen Hainen geben follte, fo arm an funftt)iftortfd)=
midjtigen Gegebenheiten, fo baar aller SSunbertrjuerei unb
9?omantif gemefen, batjer ber junge GeetljoDen mit fo Dielen
unferer jugenblidjen Straf t=©enie'§, bie in gleid)em Filter fdjon
mit Dpern unb ©infonieen bie 3Selt in (Srftaunen fetten, nid)t
oerglicfjen merben barf. ä>ielleid)t liegt ein ©runb foldjer Ge-
— 49 —
fdjrcmftljett nocf) barin, bafj unfer junge ©taüierfüieler, Drganift
nnb ßomponift fid) öon frütjefter Sugenb an beftrebt t)atte,
Sftenfd) in ber eigenttidjen 23ebeutung be£ 2Sort§ §u fet)n,
barum immer nur 9ftenfd)Ud)e3 gu öerrid)ten, im puren @egen=
fatje §u ben mufifatifcijen Halbgöttern unferer £age. Unb
fonberbar, in biefem 23eftreben rooltte ber 9J?ann bie r)öct)fte
Stufgabe beS SebenS erfannt fjaben, barum er niemals baöon
abgelaffen. §ören mir bod) fogteid) eine baljitt gielenbe ©teile
au§ feinem ^Briefe Dom 29. Suni 1800 an Sßegeler: „@o öiel
mill id) eud) jagen, bafi it)r mid) redjt grofj mieber fetjen merbet;
rtictjt afe $ünft(er follt itjr mid) größer, fonbern aud) aU
Sftenfdj follt ifjr mid) beffer, öoltfommener finben, unb ift bann
ber SSotjlftanb etma§ beffer in unferm SBaterfanbe, bann foü
meine ßunft fid) nur gum SSeften ber Firmen geigen. D gtüd=
lidjer ?tugenbtid, mie glüdtid) t)atte id) mid), ba|3 id) bid) t)erbet=
fdjaffen, biet) fetbft fdjaffen fann!"27)
23i3 t)iert)er tjatten mir e§ faft tebiglid) mit bem SJhtftfer
511 tljun, e§ ift bat)er an ber 3^ auf e*n anbereö ©ebiet
hinüber gu bliden, ba§ bem fünftterifcfjen ©möorftreben gur
#o(ie bienen mufj, menn ba$ latent fid) über bie Routine ergeben
mitf. 3Bir meinen 3Öiffenfd)aftlid)leit im Slögemeinen, inöbe-
fonbere aber einen gemiffen ©rab öon Vertrautheit mit claffifdjer
Literatur, metdje ber $ߣ)antafie üftaljrung gugufüijren geeignet
ift. 2)ie erfte 33efanntfd)aft mit beutfdjer Literatur machte
ber junge 23eetf)oüen fdjon in ber Vaterftabt, unb §mar in
golge Anregung ber $amitie öon Skeuning. <2ie mar e§, bie
Ujm ©efcrjmad an gefunber Seetüre, gunäctjft an guten S)id)ter=
merfen, beigebracht, fid) überhaupt um feine fortfctjreitenbe
27) Es ist vortrefflich, daß Schindler schon hier an diesen denk-
würdigen Ausspruch des Meisters erinnert, den man als Schlüssel zu
der gesamten Erkenntnis seines Lebens ansehen darf. Siehe diesen
ganzen Brief an Wegeier nebst Erläuterungen in des Herausgebers
Sämtlichen Briefen Beethovens No. 36 vom Jahre 1800, I. Band.
A. d. H.
SC. ©djinMerl 83cetf)otoeti*a3iogr<H>f)te. 4
— 50 —
üöübung nad) mehreren «Seiten fyin bekümmert, unb aufteilen
aud) burd) bie Zfyat ben gortfdjritt bemirft f)at. 2Md)' fettene
$rüd)te biefe ^nittatioe in ber ^olge^eit bei unferm £onbid)ter
getragen, merben mir ©etegenfjeit nnb SBerantaffung nod) met)r=
fad) finben, gu äetgen; t)ier am Crte fdjeint eS un£ inbeffen
nict)t gang unpaffenb, nod) auf eine ©teile in bem oben an=
geführten ^Briefe üom 29. Sunt 1800 aufmerffam 311 madjen,
bie un£ belehrt, mie frü^eitig öeetfyoöen jur alten ctaffifctjen
Literatur ftdj gemenbet unb metdje Sefriebigung er barin ge-
funben. 5t(3 er bem greunbe barin üftad)rid)t über bie $te=
forgnife erregenben ©nmptome feines ©efyörS gibt, milbert er
bievbetrübenbe 9cad)rict)t mit bem SSeifa^e: „$ßtutard) t)at midj
gur 9iefignation geführt." u. f. m. Sßtutardj mar einer ber
ßlaffifer, bie unfern 53eetf)oüen fein ganzes £eben tjinburd) be^
gleitet tjaben. 2luS ifjm fdjöpfte er feine tjiftorifdjen ftenntniffe
über @ried)entanb, beffen ©taatSeinridjtungen u. f. m.
Um nod) einen 9?üdb(id auf bie $amilie üon Q3reuning
§u madjen, beöor mir mit unferm jngenblidjen gelben ba§>
freunblidje 33onn üertaffen unb nad) ber ofterreid)tfd)en $aifer=
)tabt äietjen, mu| gefagt merben, baf$ Söeetfjooen biefer gamiüe
bis an fein SebenSenbe mit märmftem ©ante verpflichtet gemefen.
„®enn Pflicht ifl bf<§ ©Uten Vergeltung.'*)
9?ocr) in fpäteren STagen nannte er bie ©lieber biefer
gamitie feine bamatigen ©djutjengel unb erinnerte fid) gern ber
öieten üon ber $rau beS §aufeS erhaltenen 3ul"ed)tmeifungen.28)
„2)ie üerftanb eö, fagte er, bie Snfecten Oon ben Stützen ab'
gufyatten." @r meinte bamit gemiffe $reunbfd)aften, metdje
ber naturgemäßen gortbübung, feines Talents, mie aud) beS
rechten SMafceS fünftterifd)eu SSemufetfetjnS bereits gefät)r(id) ju
merben begonnen unb burd) ßobljubelei bie (Sitelfeit in it)m
*) s2lu§geäogene Stelle üon 23cetbot>en au3 ber OdussGe, Seite 459, 93oJ3.
28) Dem Siune nach deckt sich das sehr wohl mit den Mitteilungen
Wegelers über Beethovens Leben im Hause der Frau von Breuning^.
siehe auch Wegeier u. Ries, Notizen, Neudruck S. 14. A. d. H.
— 51 —
ertüedt tjatten. ©ct)on mar er natje baran, fiel) für einen be=
rühmten ^ünftter gu galten, fonact) lieber Senen ©et)ör gu
ge6en, meiere ifyn in biefem 2Sal)n beftärlt, al§ @olct)en, bie
it)tn begreiflich gemaetjt, ba^ er noct) aüe3 gu lernen t)abe, roa§
ben Sünger ^um Sfteifter mac^t.
SSorau^ge^enb marb bereite eineä Sriefe§ com ©rafen
SBatbftein an 23eetf)oöen gebaut, beffen SBortlaut geigt, toeldje
Hoffnungen biefer ©önner unb görberer auf fein eminente^
Talent gefegt. $)er S3rief lautet:
„Sieber Seettjoben! <Sie reifen i£t nadj SSien gur ®*s
füllung Sljrer fo lange beftrittenen Sßüttfdje. SDcogarfS @eniu§
trauert noct) unb bemeint ben Stob feinet 3ögting§. Sei bem
unerfcf)öpfiicf)en §at)bn fanb er 3uftuct)t aber leine Sefcfjäftigung,
buret) it)n münfcljt er noef) ein 9Jcat mit Semanb bereinigt §u
Serben. S)urct) ununterbrochenen $teifs erhalten «Sie SttogarfS
©eift au§ §atibn'£ Rauben.
Sonn ben 29. Dctober 1792.
S^r matjrer $reunb
Sßatbftein."
SDtefe etmag mtjfttfcfje, unferm Äunftjünger aber eine g(or=
reid)e ßufunft in 2tu3ftct)t fteüenbe ßuftfpf**) *)at noc*) 0Q§
23eacf)ten$mertt)e, baf$ mir barau§ ba§> (Snbe üon beffen ^oüigiat
in 53onn unb ben geitpunet erfahren, mann berfelbe bie freunb=
tidjen ©eftabe be§ 9ftl)ein3 üerlaffen unb bie SSanberung nact)
bem fang* unb ffangreicfjen SBien angetreten f)at. S)ort merben
mir i§n nun auffuetjen.
II.
2)er näct)fte ßrned üon 23eett)oben'§ SReife nad) SSien mar:
unter Seitung öon Sofepf) §at)bn fiel) in ber ®unft roeiter
fort^ubilben. $ur Söroerun9 °^efe§ Btoecle§ beließ it)tn ber
*) ®a§ Original ejiftierte in ber granj ©räffer'fdjen Siutogra^en*
Sammlung in s2Sien. ®ie Güopte bevbanft ber SSerfaffer bem gefragten
«DiufiMntiquar Slfotjg gua^§ bafelbft.
4*
— 52 —
Gurfürft 3Raj grang ben üollen öejug feiner (Smotumente an
ber Gapeüe, bie, tuenn and) nid)t bebeutenb, bennorf) einen
gefiederten $onb3 §u feiner ©ubfiftenj bort abgeben tonnten.
2)ie «Reife nad) ber Staiferftabt gefd)at) äufotge be§ oorfietienben
Briefes üom ©rafen Sßatbftein roat)rfcf)einritf) im SSftonat
SftoDember 1792, in bem frttifdjen ßeitüuncte nämlid), too
gang <Süb=£)eutfd)tanb nad) SCuSbrudj ber franjöfifdjen $eüo(ution
mit Gruppen überfdjtnemmt roar. £od) finb feinerlei Abenteuer
banon §u ersten, t)öcr)ften§r ba§ fie fefjr tangfam oon Statten
gegangen, barum bie mitgenommenen (Mbmittet fdjon auf ber
£ätfte be§ 2öege§ erfd)öpft luaren. Snoefj t)atte fidi ein au§=
tjelfenber greunb gefunben, fonad) bie Verlegenheit eine rafdj
üorübergefyenbe gemefen. Safe er ferner üom curfürfttidjen
§ofe mit brieflichen (Empfehlungen an Ijolje «ßerfonen in ber
S)onauftabt öerfetjen toar, üerftetjt fid) mol)l Don felbft;2*) aber
gefagt barf gur ©teile werben, bafj ber bem 22. £eben§jat)re
nal)eftet)enbe ftunftjünger faum fid) in bem freunblidjen SSien,
29) Ein kurzes Schreiben des Hoforganisten Ludwig van Beethoven
vom Frühjahr 1793 an den Kurfürsten Max Franz zu Köln, das Ein-
blicke in das trübe Verhältnis Beethovens zu seinem unglücklichen
Vater bringt (siehe Sämtliche Briefe No. 4, I. Band), bildet wohl den
Schluß aller direkten Beziehungen zwischen Beethoven und dem Kur-
fürstentum am Rhein. — Aber in Beethovens Sämtlichen Briefen konnte
aus einem Briefe an Hofmeister in Leipzig mitgeteilt werden, daß
Beethoven noch im Jahre 1801 an diesen Kurfürsten dachte, als es
galt, seine erste Symphonie in C zu widmen. Die dem Freiherrn van
Swieten gewidmete Symphonie trug nach dem richtiggestellten Briefe
(Original bei Deiters) diese Dedikation: „grande Symphonie" etc.
composee et dediSe
ä son altesse serenissime
Maximilien Francois
Prince royal d'Hongrie et de Boheme
Electeur de Cologne etc.
par
Louis van Beethoven
oeuvre 21
(Beethovens Sämtliche Briefe No. 44, I. Bandj. A. d. H.
— 58 —
bem bamatigen 2BoIjnfi|e ernfter Äunftpftege, umgefefyen unb
eine unb bie anbere 23efattntfd)aft gemadjt tyatte, at§ er fcfyon
ben $orfa£ fafete, fyier für immer feine glitte aufgetragen,
menn iljm aud) ber fjofje ©önner ju SSonn fein Drganiftem
©efjalt ent§iet)en fottte.
Sine feiner erften unb für lange einftufjreidjften 93etannt=
fdjaften mar bie be§ in i)of)em 5tnfet)en ftefjenben $reif)erra
©ottfrieb Dan ©mieten, SSorftet)er§ ber faiferlidjen 53i6tiotf)ef.
Sin biograbf)ifd)er 3lbrif$ öon biefem auggeseidjneten 9Jcann, ber
1803 oerftorben, befagt: „(£r mar ein uertrauter greunb £>at)bn'3
unb SCJco^art'S, unb ermarb fid) unter 5lnberm aud) baburd) ein
grofceS SSerbienft um bie 9Kufi! in 2öien, baf$ er bie SSerfe
^aenbet'S unb 83adj'8 $ur Sluffüfjrung bradjte unb gu biefem
93ef)ufe ben Ijoljen 2lbe( in eine mufüatifdje ©efellfdjaft üer=
einigte, (darüber meiter unten meljr.) gür Stftosart30) be*
arbeitete er „£)ie ©djöpfung" nadj einem engtifdjen STejte; aud)
üerfaftte er ben £ejt §u ben „SajjreSäetten." («Soll fielen: er
überfeine bie engtifdje 2)id)tung öon Stljomfon.) 9fuf feine
$eran(affung mürben üon Sttojari oier <paenbeffd)e Oratorien
(9Jceffia3, §tri§ unb ©atatea, 2tteranber=geft unb (Saecitia) nad)
bem 23ebürfnif$ ber $eit reidjer inftrumentiert." — Sm erften
Safyrgange ber Seidiger 2(tlgem. 9D?ufif=3eitun9 ®e^te 252
djaracteriftrt fic£) biefer 9J?uftffreunb mit nad)ftef)enben SBorten
f eiber: ,,3d) bin überhaupt, ma3 SKuftf betrifft, in jene gelten
gurüdgetreten, mo man e§ nod) für nötig tjielt, bie Jtaft, etje
man fie ausübte, orbenttid) unb grünblid) §u lernen. ®a finbe
id) 9^at)rung für ©eift unb §er^: unb ba tjole id) ©tärfung,
menn irgenb ein frifdjer 53emei§ öon bem Verfalle ber $unft
mid) niebergefd)(agen f)at. Steine Sröfter finb bann oor aüen
§aenbet unb bie SSactje, unb mit ifynen aud) bie menigen
SKeifter unferer Sage, meiere bie $at)n jener SJhtfter beä
2Bat)ren unb ©rofcen mit feftem gufee manbetn, unb ba% ßiet
30) Soll heißen „Für Haydn". A. d. H.
— 54 —
entroeber gu erreichen — berfbredjen, ober e§ fdjon erreicht
fyaben."
tiefer S!unft=9D?aeceit mar ber Cicerone be§ neuen 3ln*
tommtingS, ben er batb an feine ^ßerfon, mie aud) an fein §au£
3U feffeln berftanb. ®ic $erfamm(ungen in biefem §aufe
Ratten im Verlauf für 23eetf)oben ba§ Sefonbere, bafc er nidjt
nur mit ben genannten, ifjm bisher faft gang fremb gebliebenen
(Slaffitern etmaö begannt mürbe, aber aud) nod), baft er ftets.
am tängften au^atten muf$te, beim ber alte §err mar ein
muficatifdjer üftimmerfatt. ©o lam e§, baf$ er SBeetfjoben in
ber Siegel fbät fortließ meit biefer fid) bequemen mufjte, nod)
eine Wnjat)! $ugen bon ©eb. Q3ad) „jum 5lbenbfegen" bor=
gutragen, ©in üon biefem feltenen Spanne an 93eett)oben ge=
rtdjteteS Sillet, ba§> in ber Urfdjrift bortiegt, lautet roörttid):
„2In £)errn SBeetfjoben in ber Sltftergaffe, 9to. 45 bei bem
§errn dürften ßidntomsft). SBenn ©ie fünftigen SJtittrcod)
nid)t berfjinbert finb, fo münfdje id) ©ie um Ijatb nenn Uf)r
StbenbS mit ber ©d)Iaft)aube im ©ad bei mir 31t fefjen. ©eben
©ie mir unOergüglid) $tntmort. ©mieten."
Unter ben nieten S3et'anntfd)aften au3 bem fjotjen 5Ibet
ftetjt bie mit ber fürftlidjen $amitie 2idjnom§ft) im 23orber=
grunb. tiefer ©tüdöfall im Seben unferl 23eetf)oben ift oon
fo mistiger SBebeutung unb fo mancherlei folgen, bafj mir
not^menbiger SBeife etma§ babei berroetfen muffen.
SDie ©lieber biefer benfmürbigen $amitie gehörten in§=
gefammt jenen feltenen Naturen an, bie für al(e§ ©djöne unb
©ro^e offenen ©inn t)aben; über atte§ t)errfd)te in biefer
gamilie ber reine begriff bom 21bet, nad) ber 2)ebife: La
noblesse oblige. ©omit ftanb aud) Mjtung unb Pflege bon
$unft unb 28iffenfd)aft barin auf gleicher Sinie, im ©egenfatje
§u jenen (Ebenbürtigen it)rer ßeit, bie ba% bitterliche in feiner
Sßerbtaffung gum alleinigen ©egenftanbe i§re§ ©treben§ gemacht,
gürft ®arl ßidjnomäfb, mar ein ©d)ü(er bon äftojart unb
ftanb in tedjnifdjer ?tu§bi(bung be§ (5(abierfbiet§ meit über
— 55 —
ber 9)?ef)rgaf)t ber bamalS tjertiorragenben Äunft* Dilettanten.
$lod) £)ötjer ftanb fein ©ruber, ®raf 9J?ori§ Sicfjnomäfrj,
gleichfalls Stto^arfS <5d)üter, ben tt)ir fogteid) all ben immer*
mäljrenben Segleiter 23eett)otien'§ burd) fein gange§ Seben be=
äeidjnen muffen. SSir merben at§ folgen feiner nod) oft §u
gebenden tjaben. — ©on gleicher ©cfinnung unb muficalifcfjer
©ifbung mar bie gürftin ßfjriftiane, ge6orene (Gräfin tion Xtjun.
2ln biefer (Stätte tion Humanität unb feiner ©ittc fanb
S3eetf)otien ein Slftit, in bem er mehrere Satire tiermeifte, gumat
er tion abetidjen Vorurteilen faum beirrt morben. Der $ürft
marb bem jungen üDfcmne ein tiätertidjer $reunb, bie gürftin
eine gmeite Butter. 2BaS ber gürft für feine ©ubfifteng ge-
ttjan, nad)bem ©eetfmtien nad) ber Vertreibung be§ ßurfürften
Sftaj ^ranj burd) bie frangöfifcfje Dccutiation be3 linlen 9fJt)ein=
ufer§ feinet £>rganiften=©et)aft<§ tängft ticrtuftig gegangen mar,
erfahren mir au§ feinem mieberfjolt angebogenen ©riefe tiom
Safjre 1800 an Tegeler. Dort tjeifjt e§: „Von meiner Sage
mittft Du ma§ miffen; nun, fie märe eben fo fdjted)t nicrjt.
«Seit tiorigem Saljr Ijat mir Sictjnomsfo, ber, fo unglaublich
eS Dir and) ift, menn td) Dir e§ fage, immer mein roärmfter
$reunb mar unb geblieben ift, ({leine äRifetjetligreiten gab eS
ja audj unter un§, unb tjaben eben biefe unfere $reunbfdjaft
nicf)t befeftigt?) eine ftdjere (Summe tion fedjStjunbert ©utben
auSgemorfen, bie ict), fo lange td) feine für micf; tiaffenbe ©teile
finbe, sieben lann."31) Die Siebe biefer fürfttidjen ^ßerfonen
fjatte unfern Veettjotien gleidjfam tierfolgt unb miuberte ftdt)
fetbft bann nidjt, menn ber oft übellaunige ober mofjl gar
ftörrifcfje ?tbotititi=(Sof)n biefe anberämo fictjer tierfdjergt unb
ernfte 9?üge fidE) guge^ogen tjätte. ©o beurteilte jene Vor*
gänge ©raf Sttoritj Stdjnomsfti. 9lber nad) ©eet^otien'S Ve=
griffen maren eS ja blo§ „f leine äJäfjtjelltgfeiten," bie obenbrein
gu Vefeftigung ber $reunbfd)aft gebient Ratten.
31) B. S. B. (= Beethovens Sämtliche Briefe) No. 36, I. Bd.
A. d. H.
— 56 —
3n3befonbere mar e<§ bie gürftin, bie alle» Slutn unb
£affen an bem meift in fid) gelehrten unb nad) conOentionetlen
Segriffen roorjt aucf) berfetjrten Äünftler für originell unb
tiebengroürbig erflärt fjatte, itm bafjer bei bem ftrertgeren unb
anberen 2lnfid)ten fjittbigenben dürften in allem §u entfcrjulbigen
mufete. 93eett)oüen ijatte fpäterljin für biefe (Sräte|ung§*
Sßrincipien eine treffenbe Se^eidmung. „9)cit großmütterticfjer
Siebe t)at man micrj bort ergierjen motten, äußerte er, bie fo roeit
ging, bafj oft menig gefegt, bafj bie gürftin ntcfjt eine @la§=
gtode über mid) machen ließ, bamit fein Unraürbiger mid) be=
rütjre ober anrjaucfje." — Heber bie mandjerlei Vorgänge mit
S3eettjoüen in biejem fürftüct)en Streife blieb überhaupt ba$
©ebädjtniß be» ©rafen SCRori^ Sidjnorüöf'i) ein treuer Seroaljrer.
9?ad) 2lu3fage biefeä ©eroäfjr^manneö trug fdjon in jenen Sagen
Seetfjoüen'il Sruber (Sari bie ©dmtb an oielen 9Jtißt)eltigfeiren
unb rool}l aucfj Un^iemtidjfeiten, roeld)' letztere bann auf 9?ed)nung
be§ Gomponiften gefdjoben rourben.
2)ie folgen einer fo nadjfidjtiSüollen S5et)anblung fonnten
bei einem Spanne, roie unfer 33eett)oüen, ber mit einem feurigen
Temperamente begabt, fremben ©inflüfterungen ©erjör gebenb,
babei aucf) fdjon ftar! abroeidjenbe £eben§=9lnfdjauungen offen*
barte, nidjt ausbleiben; 31t allem nod) bie bereits allgemein
geroorbene 33erounberung feinet £alent3, bie feine §altung in
CEonfücten be§ Sebenö aud) nodj roanfen gemadjt, — Urfadje
genug, baß ber auflobernbe SDcufenfofjn fet)r oft mit bem Äopf
gegen bie SSanb rannte, unb fomit fütjlen mußte, roeif er nidjt
Ijören mottle. Sludj Dan dBroieten'ä üerftänbiger D^atl) unb @r*
maljnung blieben fctjon oft unbeadjtet, unb biefer fein (Sinfütjrer
in bie t)öl)ere ©efellfdjaft mußte fid) begnügen, roenn ber eigen=
roitlige Äünftler nur 5U feinen 3lbenbmufifen fam. (Smancipation
üon allen (Salon^Sonüenien^en fctjeint fdjon früf) fein Seftreben
geroe Jen 5U fetin, roenn gfeidj feine perfön lidjen Sßerrjältniffe, roie
insbefonbere fein enger ^ufammentjang m^ oer ®ß*e Der
muficatifdjen ©efetlfdjaft, bie itjn unerad)tet nidjt roeniger
— 57 —
focialer Mängel 31t bert itjren gegä^tt, gemicfjtige ©rünbe tjätten
fet)ti follen, fofdjeS £rad)ten nocfj für geraume $eit auggufetjen.
önbeffen tuerben mir afäbalb bort Singen gu berichten
b,aben, bie afö erftärenbe üDfotibe btefer fcfjeinbar ungettigen
©eftrebungen bieuen merben. SSertaffen mir einftmeiten bie
fürftfidjen <Safon3 unb menben un§ nad) einer anberen ©eite
rjin, bie nidjt minber befonberer 23ead)tung mertt) ift: jpredjen
mir nun bon 23eett)oben'<§ Stellung unb SSerrjältnifj
3U ben 3Siener äJhtfiÜem.
@£ mirb mofjl Sciemanb ermarten, haft ein fo rafdj fid)
empor rjebenber ßünftter, mie unfer SSeettjoben, obgleid) faft
auSfdjfiefjftdj ftd) in ben ßirfeln ber t)or)en 9lriftofratie be=
megenb unb bon btefer in feltener SSeife getragen, feiten^ feiner
®unftgenoffen otjne Stnfedjtung bleiben foHte; im (Gegenteil
barf ber Sefer gefaxt ferjn, gerabe in 2lnbetrad)t ber ftrafjtenben
(Sigenfdjaften unb Semeife bon ©enie bei unferm gelben, im
(Sontrafte 5U beffen fdmjerem Söünbet focialer ©onberbarfeiten,
mofjt aud) ©djroffljetten, ein ganseS |>eer bon ©egnern miber
irjn §u gelbe gießen 51t feigen. Heber atteä mar e§ fein Sleufeereä,
feine im Umgange mit ftunftgen offen §u menig bemeifterte
föeigbarf'eit unb 9?üdt)aIttofigfeit im Urtfjeil, ma§ 9?eib unb
Sdjeetfudjt ntdjt für natürliche Begleiter be3 ©enie'S moüten
gelten taffeu. ©er §u geringe ©rab bon 9?ad)fid)t für bie
mancherlei Sigarrerien unb @ebred)en ber tjörjeren ©efetlfcrjaft,
anbern :£t)eil3 mieber feine ju rjot)en 2tnforberungen bei Sunft*
genoffen tjinfid)t3 metjrfeitiger SMlbung, fogar fein bonner ©tateft,
bieg gufammen lieferte ben (Regnern Stoff im Ueberftuft, mit Übeln
9?ad)reben unb morjt audj Sßerleumbungen 9^ad)e an irjm gu nehmen.
Sn ber gmeiten ^eriobe mirb Sßeranlaffung ferjn, biefen
^unct au3füt)rlid)er 51t befbrecfjen. §ier fet» nur bemerft, bafe
übereinftimmenben äRittrjeitungen gufotge bie miener 9)htfiter
bamatiger Qtit, mit fetjr geringer 2Iu3nat)me, nictjt nur alter
$unft=, ja aud) ber nottjmenbigften ©dudbitbung ermangelten
unb bom £>anbmerr'3neibe berma^en burdjbrungeu gemefen, mie
— 58 —
i'v gleidjjeitig in ben günften bct $att War. Snsbefonbere
Ijatte man c§ auf bie gremben abgefefyen, fobalb ifyre Slbftctjt
lunb geworben, ftänbigen 9Sot)nfit3 in ber Slaiferftabt §n nehmen.*)
Sn einer Sdjitberung be§ SD^uftfruefen^ in SBien im britten
Saljrgcmg ber Mg. ÜDcuf. 3*Sv ©^ 67, finbet fid) hierauf
be^üglid) folgenbe Stelle: „Sollte e$ iljm (bem fremben Slünftter)
einfallen r)ier bfet6en §u wollen, fo ift ba§> gange Corpus
masicum fein geinb." (Srft im Saufe bes britten 3af)r*
gefjenbs rjabcn fid) biefe Singe bort beffer geitattet; nur ba%
fünftterifdje 23ewuf5tfel)n üerblieb auf ber alten Stufe,
tvtö freifid) bie gefetlfdjafttidjen 3ul"tanoe im ?ltlgemeinen tier*
urfadjen; benn wo Stänbe=Unterfd)eibungen beftefjen, wirb ber
Sünftler nid)t fetten bem Sienftperfonafe gleidjgeftetlt bfeiben.
SBeadjten wir bie§ in öegug auf 33eet£)oüen'3 fociate Stellung
in bamafiger Qeit, ber feinesfattS ein „in tieffter llnterttjänigfeit
erfterbenber Siener" feün wollte.
S)te§ waren jum Sfjeit bie oeranlaffenben ©rünbe, baf;
unfer 9Jceifter unau§gefe|te Verfolgungen oon jener Seite $u
erbulben gehabt, bie fid) beinahe burd) fein gangeS Seben t)in=
burd) gieljen, wie gegeigt werben wirb. Seiner Seit§ oergalt
er fie burd) offenbare ©eringfdjäijung feiner ©egner unb perfön=
tidje Slbfonberung, — eine Salti!, bie im ftünftterfefcen §u
Snconfequengen unb Vermidelungen fütjren lann, unb in unferm
gatle wirllid) geführt Ijat.
23a§ SBeetljoüen'S Verhalten ber ^unft=Äriti! gegenüber
betrifft, fo ferj gur Stelle nur bemerft, baf? er in Sob unb
Säbel allezeit ba§> redete sDcaf} verlangt f)at, wa3 barüber
rjinau§, tiermodjte it)n nidjt anberS al§ flüchtig jit berühren.
So fjielt er «3 fein ganzes Seben bamit. 2öir werben an
geeignetem Drtc wieber barauf jurüdfommen.32)
*) SSon Söiündjen roetB man bafjelbe. Sort Ijat fid) foldjer Seift
6i3 in bie legten ^a^re. erhalten.
32) Vom Verhalten der Kunstkritik Beethoven gegenüber war
bereits oben die Rede, man vergleiche Anmerkung 11. A. d. H.
— 59 —
$u biefen (Sfjarafteräügen gefeilte fid) nod) ein anberer,
nid)t meniger für feine fünftterifdje Saufbaljn micfjtig, mie bie
oben aufgezeichneten, nämtid): 9^ang unb 9xeid)tt)um fjielt er
für gleichgültige £)inge, für ßontiention unb ßufättigfeit, batjer
befonberer sM)tung nicljt mertlj). 53or SHIent moltte er im Stftenfdjen
ben äftenfdjen ad)ten, bann erft ben dürften, ben Sanquier.
SSor bem Sftammon unb beffen §ütern fid) beugen, £)iett er für
Snjorrjeit, für bie tieffte (Srniebrigung be§ geiftbegabten 9J?anne<c.
©eine ?Id)tung oor 9kng unb 9^eid)tt)um mufjte fid) barum auf
Humanität unb 3Sof)ltf)un grünben. SBenn feine SMtifer
neuefter Qtit biefen (Sfjarafterjügeu einzig unb allein <Stot§
als äftotiü unterftellen, fo finb fie im Srrtljum; im ©egentljeit
barf man barin nid)t3 anberS al§> un§raeibeutige SO?anifeftationen
be§ fid) felbft erfennenben @enie§ unb feiner SO^iffion erbtiden.
<So rjarmonirt e§ mit bem ganzen SBefen biefe§ Cannes.*)
?(uf gleicher Sinie mit üorbenannten ©runbfäfcen ftanb
fdjon bamatö ber feiner po(itifd)en ?(nfd)auung ber §83eft=
binge. darüber aber fid) be§ Weiteren auSzulaffen, ift tjter
nid)t ber geeignete Ort.
Söenben mir un§ nun mieber bem ÜD?ufica(ifd)en gu.
@§ ift gemifs, ba$ S3eet^oüen'§ ^enntniffe in ben fjarmonifdjen
SSiffenfdjaften zur $nt, a(§ ber llnterridjt bei £mt)bn begonnen,
bie ®eneratbaJ3=2erjre 88) nid)t überfdjritten tjatte. Sporen mir,
bafj er beffen uneradjtet fdjon $ugen, 00er fugirte <Sä£e, am
$iano 51t ejtemporiren im ©tanbe gemefen, — ma§ bereite 1787
nadj üD?ozart'3 Aufgabe gefdjeljen, roie mir oben Oernommen, —
*) 5Rittl)eilungen au§ bem 2)?unbe einer parifer ®ame lnerben in ber
folgenben ^eriobe biefen Gfjarafterjua, in £)eHere§ Siebt [teilen.
33) Das darf jetzt nimmermehr zugegeben werden. Wer
vor dem Anbeginn seiner Wiener Zeit so viele umfangreiche
Kompositionen sogar in freien Formen geschaffen hat — man beantworte
sich nur die Frage: „Was hat Beethoven in Bonn komponiert?" —
von dem wird man wohl nicht weiter sagen können: „Als der Unter-
richt bei Haydn begonnen, hatte Beethoven die Generalbaßlehre nicht
überschritten!" A. d. H.
— 60 —
fo grünbete jtdj bie gute Söfung foldjer Aufgaben bod) Wotjl
nur auf bie burd) üiele<§ (Spielen contrapunctifdjer Gompofitionen
erworbene Üioutinc in Sßerbinbung mit feiner fdjon frür^eitig
ermatten unb gepflegten 2>mproüifation§*©abe.
Ruberer <Seit§ tfi eä befannt, ba$ 9Sater §aljbn fd>on
lange üor bem Satjre 1792 aufgehört (jatte, ftjftemattfcfjen Unter=
rid)t in ben rjarmonifdjen Sßiffenfdjaften 51t ertfjeiten. £)aran
mar er nid)t blo§ in $ofge üietjärjriger 33eruf^gefd)äfte al£.
Sapettmeifter be§ dürften Sfterbajtj 311 ©ifenftabt, burd) an»
bauernbe arbeiten am (Sdjreibtifcfje, aber aud) megen üor=
gerüdten SHterS öerrjiubert; überbieS foli eö nodj an lern-
begierigen ©djülern in jener Qe'ti gefegt tjaben.
Raffen wir biefe ^Srämiffen gufammen, fo wirb e§ nid)t
fdjtoer, ju ber <Sd)tuf3fo(gerung §u gelangen, haft öon öorntjer
ein fatfcfjer (Sdjritt gefcr)ct)en war, (Sdjüler unb Sefjrer ^u ge=
meinfdjaftlidjem gufammenwirfen 51t bereinigen. <Sotd)e ^aftoren
fonnten im Vereine gu feinem erWünfdjten 9iefultat gelangen,
benn ber <Sd)üter pafjte jum Sefjrer nicfjt, weit fein Renten
unb Strjim bereite $u üiet Oon ber angelernten Routine be=
rjerrfdjt gewefen unb aud) bie Serjrgeit für bie t)öt)ere Shmft=
wiffenfdjaft um einige Safjre gu fpät begonnen t)atte; überbieS
nod) feine funbgegebene ©igenwitligfeit unb eigene 9Inftcfjt ber
Singe; ber fieljrer wieberum paffte §um Sdjüler nidjt, weil bie
Routine in ber Sßrarjs» ifjn nidjt metjr gu unterftüt^en oermodjte,
beibe aber im innigften Vereine mit bem SBiffen felber gerjen
muffen. 60 wenig ber gefdjicftefte 9D?atrjematifer orjne tiieljärjrige
^3raji§ im Serjramte fclbft ben begabteften »Scrjüler in bie
mattjematifdjen SBiffenfdjaften einzuführen im <Stanbe fetjn wirb,
ebenfo wenig wirb ber geleljrtefte (Sontrapunctift, orjne bieljäljrige
^raji§ al§ Sefjrer, feinen Sdjüter in bie ®erjeimniffe ber fjörjeren
®unftwiffenfd)aften einzuführen im «Stanbe fetjn. kommen nod)
Mangel an ßeit unb äftufte ^u ft)ftematifd)em Unterridjtgeben
Ijinzu, bann fann worjt ber willfährige, auf rjorjer (Stufe be3
fen§ fteljenbe Gomponift ein guter Üktfjgeber für fpecieüe
— 61 —
gcille fetjrt, ein Server im engften äBortfinn, ber mit ©ebutb
unb Eingebung ber ©djüter öom &icl)ten gum ©djmereren
füt)rt, ift er nidjt. SBarb aber aller biefer ttmftänbe ungeachtet
SBeettmüen bennoct) £at)bn'3 ©djüler — mir toiffen ja, bafc bie£
burd) SSiflen unb $ürforge feiner l)eimifcf)en ©önner gefcfyetjen —
fo erfennen mir au§ biefer Xr)atfacr)e, baf$ ber Aberglaube im
9ftufifleben fctjon gu jener $eit berfelbe gemefen, (gleicfymofjl e§
nod) feine Halbgötter gegeben unb fjerüorragenbe $ünftter nod)
nict)t gu ©öljen gemadjt morben) mie mir it)n in unseren Sagen
ringsum gu gemäßen ljaben. 2)iefer Aberglaube befunbet fid)
baburd), bafj ber 2)itettanti§mu§ inSgefammt, bie gadjmufüer
gröfjtentfjeilä, in bem SBaljne leben: ein berühmter (Somponift
fet) ber Subegrtff alte§ 2Biffen§ unb $erftef)en3, feine Äunft*
epocfje, biet meniger ein einzelner Autor, liege it)tn fem, otjne
fie bi§ in it)re tieffte £iefe burdjbrungen gu t)aben, — folglid)
muffe er aud) ein au3gegeict)neter Seljrer fetm.8*)
treten mir ben ©ingen mit einem ©djritt gang nalje.
Unter ben Oon $cetf)or>en OorgugSmeife geachteten $ady
genoffen mar aud) Sodann ©djenl*), ber Gomtoonift ber
aübefaunten, faft in alle eurotiäifcrjen ©üradjen überfeinen
fomifdjen Dper: „£>er 3)orfbarbier", ein fanfter, tieben^mürbiger
(£§aracier unb grünbtidjer Seljrer ber muftfalifdjen Äunft*
*) ©eborcn 1761 35), geftorfien 1836.
34) Diese Streitfrage läßt sich kurzerhand beseitigen, wenn mau
sich ein wenig die ersten Sonateu vergegenwärtigt, die Beethoven
gewissermaßen unter Haydns Leitung erscheinen ließ. Was haben die
Sonaten op. 2 mit den meisten Haydnschen Sonaten gemeinsam?
Hier ist Tonspiel, dort bei Beethoven regt sich schon allerorten der
Odem der Offenbarung, überall machen sich die neuen Wege bemerkbar,
die nun einmal kein Lehrer mitteilen kann. So erklärt sich Beethovens
Wort über Haydn, „er habe nichts bei ihm gelernt, obwohl er seinen
Wert wohl zu schätzen verstand". A. d. H.
35) Der Komponist ist nicht 1761, sondern, wie in Beethovens
Sämtlichen Briefen nachgewiesen ist, bereits im Jahre 1753 geboren,
siehe die Briefe No. 5, I. Band. A. d. H.
— 62 —
nriffenfdjaften. ©ines ;£ages begegnete Scfjenf unferm £unft=
jünger, als bieder eben mit feinem §efte unter bem 3trm Don
.parjbn tarn. <2d)enf toorf einen 23lid in bas §eft unb ge=
marjrte ba unb bort unrichtiges. SSeetrjoDen, barauf aufmerffam
gemacfjt, Derfidjerte, bafj £>arjbn biefes Staborat fo eben corrigirt
fyabt. 2>er Gomponift bes SDorfbarbier'S blätterte in bem £)efte
gurücf unb fanb gerjter gegen 9?eget unb @efet3 in giemlicfjer
9(n3af)f nicrjt corrigirt. sDcerjr brauchte es nicrjt, um bei Q3eetrjouen
fog(eid) ben ^erbadjt rege roerben §u (äffen, §at)bn meine es
mit itjm nicrjt rebüd). ©t fafete fofort ben ©ntfdjtufj, ben
Unterridjt bei irjm abzubrechen, baoon er ftctj jebod) abbringen
ließ, bis §at)bn's näd)ftbeDorftet)enbe §meite 9?eife nadj ßngtanb
(1794) fd)irf(id)e ©elegentjeit ba5U gegeben. Sdjenf aber blieb
Don jenem 5Iugenblide an bei* 33erbefferer, Dielmeljr ber eigent»
üdje gürjrer in Gontrapunct bei 33eet§ooen, roenngleidj biefer
fortan nod) mit bem £>efte §u §anbn gegangen; es läßt ftcfj
ermeffen in roetdjer @emütf)sftimmung. Safe fernerhin ätüifctjen
beiben feine befonbers freunbüdje Sonne merjr gefdjienen, roirb
nidjt auf faden.
@o fjabe icfj biefe Jfjatfacrje aus Scfjenf's SJcunbe über=
fommen. S(ber es folt biefe 9Dcitteifung nid)t oerein^ett ftefjen,
ba bie Jtjatfadje fo fettfamer, faft unglaublicher 2lrt ift, barum
ber SBeftätigung üon anbrer Seite nictjt entbehren barf. 3%na%
9f?ttter Don Serjfrieb befpridjt biefelbe in bem biograpt)ifd)en
^Ibri-ß Don Sofyann Sdjenf in ©crjillings Sejicon ber Sonfunft
folgenbermafscn:
„1792 fam SBeetljoDen nad) SBien, unb Sdjenf rjörte itjn
gum erften üDcale in Vlbbe ©elinef's Söorjnung prjantaftren: ein
§od)genuB, ber lebhaft 9Jio§art's Slnbenfen ^urüdrief. Unmutig
beflagte fid) ber lernbegierige 23eetfjoDen oftmals gegen ©etinef,
ttne er in feinen contrapunctifd)en Stubien bei §anbn nictjt
Dormärts fommen fönne, ba biefer SDceifter, all^u Dielfeitig be=
fdjiiftigt, ben irjm Dorgetegten ©taboraiionen bie gett>ünfd)te Stuf*
merffamfeit §u fcfjenfen gar nictjt im Stanbe fetj. Sener fpract)
— 63 —
barü&er mit ©djenf unb befragte ifjn, 06 er nicrjt geneigt fen,
mit Sßeetijoben bie ©ompofitionSle^re burd^umadjen. tiefer
erftärte ftd) t)öd)ft millfäfjrig ba^u, jebod) nur unter ber £)obbet=
SBebingung: of)ue irgenb eine Vergütung unb unter bem ©ieget
unber&rüdjfidjer 3}erfd)miegeni)ett. ©0 mürbe benn ber gegen*
fettige ^rnctat abgefd)(offen unb mit gemiffentjafter Streue ge=
Ratten, anfangs 9luguft 1792*) begann ber trjeoretifdje Unter*
ricfjt unb mäfjrte &t§ (Snbe 9J?ai be§ nädjften Sa^reä ununter*
brocken fort; jebe berbefferte Aufgabe nutzte 53eetl)oben, um audj
ben ©djein fremben ©inffuffeS äu bermeiben, borerft eigentjäubig
abfdjreiben, unb bann erft §at)bn jum @utad)ten borlegen.
SE)iefe§ menig befannt geworbene SBerljältnife mirb burd) fotgenbe
S£atfad)e bocumentirt. Slfö nämtid) ©djenf in ben erften Sunt*
tagen gur gemotjnten ©tunbe fid) einftettte, fanb er ba§> $öglein
ausgeflogen nad) Ungarn, auf 93efuct) gum dürften ©fterrjagt),
bafür aber ein rjinter(affene§ SSriefdjen, metdjeS, bip(omatifct)
genau bibimirt, atfo lautete: „Sieber ©djenf:! Sd) münfctjte
nid)t, bafs icfj fdjon fjeute fort mürbe reifen, nad) ©ifenftabt.
(Gerne fjätte id) nodj mit Sfynen gefbrocfjen. Unterbeffen redjnen
©ie auf meine ©anfbarfeit für bie mir erzeigten (Gefälligkeiten.
3dj merbe mid) beftreben, S§nen alles nad) meinen Gräften
gutzumachen. 3cfj t)offe ©ie balb mieber 31t fefyen unb ba$
Vergnügen SfjreS Umgangs genießen gu fönnen. Seben ©ie
mot)t unb bergeffen ©ie nicrjt gang St)ren
Seetfjoben." 36)
Sluffalten lann eS, bafc $erb. 9iie3 bon bem jmifdjen biefen
beiben Scannern beftanbenen ^ertjättniffe feine Shtnbe gehabt,
*) llnbejweifelt mufe bie§ 1793 feigen, benn nur hülfen, ba& !öeet=
fionen erft im ©pätfierbft 1792 in SBMen angelangt ift, unb 3U ber lleber=
geugung, ba\$ mit §arjbn nidü üormärtä ju fommen, mar benn bodj ein
genüffer Zeitraum erforberlid).
36) Die Fassung dieses Briefchens ist bei Schindler die korrektere,
als sie andere Editoren enthalten, und so ist sie auch in Beethovens
Sämtlichen Briefen wiedergegeben (I, S. 12). A. d. H.
— 64 —
er rjtitte in feinen biograbf)ifd)en ^oti^en ü6er SBeettjoben fdjiuer*
lief) umrjin geronnt, beffen §u ern)ät)nen. Sollten jur geit feinet
Sßcrfe^rS mit 53eetf)oben — Don 1800 bi§ 1805 — jene ab*
fonberlidjen Vorgänge fdjon bem ©ebädjtnifje be§ SMfterS ent=
falten ferjn? ©ar nidjt unmarjrfd)einlid) bei feinem fdjmacfjen
©ebädjtniffe für alle» tjinter it)m Siegenbe. 9üe3 befd)rän!t fief)
(Seite 86 auf bie jebenfallS bicante 9?otig fotgenben SBortfautö:
„•Jparjbn tjatte gemünfdjt, bafj 23eetf)oben auf bem Xitel feiner
erften SSerfe fetten möd)te: „„©cfjüler üon §abbn.""
Söeetrjoben mollte Die§ nicfjt, rneil er ^uar, roie er fagte, einigen
Unterridjt bei §at)bn genommen, aber nie et mag bon irjm
gelernt fjabe." Sft ba§> nidjt §u biet gefagt? 3)arf man nicfjt
für gettn|3 annehmen, bah 95eetr)oDen manchen foftbaren SJatt)
au§ ^arjbn'S SJtunbe überfommen, locnn gteid)n?ot}l ber ftjftema*
tifdje Unterrid)t fetjr mangelhaft? 0Hc§ fär)rt fort: „^fuefj bei
Sllb redjtsberger rjatte SBeettjoben im ßontrabunete unb bei
©atieri über bramatifdje DJcuftf Unterridjt genommen, öd)
f)abe fie alte gut gerannt; alle brei fdw^ten 23eetl)oben fef)r,
maren aber audj einer SDceinung über fein Sernen. Seber fagte:
öeettjoben feb immer fo etgenfinnig unb felbftmoltenb gemefen,
bafj er 9ftandje3 burdj eigene tjarte (Srfarjrung \)töz lernen
muffen, xotö er frütjer nie al3 ®egenftanb eines Unterridjt^
fyaht annehmen motten. 23efonber§ maren 9llbred)t§berger unb
©alieri biejer Meinung; bie trodeuen Regeln be§ ßrftern unb
bie unmidjtigeren be3 Setjteren über bramatifdje Gombofitionen
(nad) ber ehemaligen itatiänifdjen ©djule) tonnten JBeettyoben
nidjt anfbredjen."
SSir Ijörten fo eben Den bitter bon ©etjfrieb bemerken,
bafj SSeettjoben lernbegierig gemefen, \va§> boefj nur auf bie
2lu3fage ©djenf's? fid) grünben fann. 9Bar bem toirrtidj fo, unb
toer möchte baran jtoeifeln? fo liegen ©rünbe genug bor, bie
Seljrjarjre unferä ©rojjmeifterä ai§> bon argem SJiifjgefdjid ber*
folgt betrachten gu muffen; benn lein grö'fjereS 9ftif3gefd)id für
ben begabten unb lernbegierigen ^unftjünger, abä burefj bie
— 65 —
^pänbe berfdjiebener 2e§rer ju gefeit, sumat raenn bereit ®unft=
princibien unb Sftetfjoben bon einattber abmeidjen, (toa§ in ber
Üieget ber $all,) unb roenn ber jünger fetber fdjon über 8el)r=
fä|e unb Sefjrmetfjobe, bielleidjt nad) borgefafeten 2(nftd)ten,
Äritif 5U üben berftef)t. ön fotdj' beflagen^tuerttjer Sage befanb
fidj 33eetf)oben. Sn ber ©eburt§ftabt fanben mir guerft feinen
s#ater, bann Pfeiffer, bau ber ©ber37) unb 9?eefe an ber garten
^flanje metfjobifd), biefteidjt aud) nicfjt ntettjobifct), bifben, in
3öien aber §at;bn unb ©djenf gleichzeitig, bann ?r(6redjt§6erger;
ben SSater etoa aufgenommen, finben mir fomit nidjt weniger
benn fect)§ Sefjrer ifjn in ben 5htnft=2£iffenfd)aften f)in unb §er
Serren. Stiele Äödje üerfalgen bie ©ubbe. Söenn ber SSerfaffer
in fbäteren Sauren 93eett)obeu ändern gehört, bafj 90?ogart'§
@enie t)auptfäd)tid) burd) ben einheitlichen llnterridjt feinet
^ater§ §u fo t)of)er 9(u§bilbung getaugt ift, fo liegt un3 in
biefer Steigerung bie ungmeibeutigfte ^ritif feinet eigenen ©d)ut~
gangeä bor 9tugen.3S) — Sßeiter unten ttrirb e§ SSeranlaffung
geben, nod)mat§ auf biefeö Sßnnftnm gurüd^ufommen.
(£§ fet) nun geftattet, bie STnmerfungen über ben menig
erfreutidjen Sefjrgang unferS SReifterS burd) ?Iufseid)nung etncS
SBorfaffeS gmifdjen it)m unb feinem ehemaligen fjeimtidjen $üf)rer
©d)enf gu fdjtiefjen.
häufiger 2öot)nung$roed)fel jhrifdjen ©tabt unb Sanb, wie
aud) gurüdge^ogeneö Seben allenthalben, maren ©runb, bafi
unfer SO^etfter oft Saljre fjinburd) biete feiner näheren öefannten
nict)t gefefjen, obfdjon felbe mit it)tn sugleidj in ben 9üng=
mauern ber auSgebetjnten laiferftabt lebten. §aben fie ftdj
nidjt jumeilen bon felber bei if)tn angelünbigt unb iljn bon
ifjren Sebenöberljältniffen unterrichtet, ober f)at fie nid)t ber
3ufall mit if)m sufammengefütjrt, fo eyiftirten fie laum meljr
37) = Van den Eeden. A. d. H.
38) Doch vergißt Beethoven nicht, das charakteristische Wort
hinzuzufügen: „Aber ich hatte Talent." Und das bleibt die Hauptsache.
A. d. H.
SC. ©djtnblctt" SBeetfjoöcn^SSlogviUjTjie. 5
— 66 —
in feiner Erinnerung. Es mar in ber ^cü^Iittg^eU uon 1824,
als Seettjoüen eines Jages in meiner Begleitung über ben
(Graben*) ging unb Sdjenf uns begegnete. 23eetb,oüen außer ftd)
bor $reube, biefen alten greunb lieber gu fet)en, uon bem
er feit Sauren nichts gehört, ergriff feine £>anb unb §og it)n
in bas natje gelegene (Gaftb/uis „ßum -Sägerrjorn" unb groar
in bas fjinterfte Zimmer, bas am gellen Xage erfeucfjtet toerben
mußte. Um ungeftört ju bleiben fcfjtoB er bie 21)üre ab.
9hm begann er alle galten feines £erjens §u öffnen. Sftad)*
bem öorab Silagen über 9JciBgefd)ide unb erlebte llngtütfsfälte
mitgeteilt unb commentirt mareu, famen aud) bic Vorfälle
aus ben Salven 1793 — 94 in Erinnerung, barüber SBeetljoüen
in ein fdjatienbes Sachen ausbrad), ba^ fie beibe ben SBater
§at)bn fo Untergängen unb biefer immerhin nidjts gemerft
rjabe. Xiefe Scene gab (Gelegenheit, bau id) oon bem feltfamen
SBerfjältniB, bas ^mifdjen beiben Männern beftanben. ,$um er=
ften 9)cat fpredjen gehört, ©er in jenem Momente auf bem
©ipfetpunft feiner Straft ftebjenbe Beettjouen überhäufte ben
befdjeibenen, nur oom Ertrage feiner Sectionen lebenben Eom*
poniften bes „Xorfbarbier's", ferner nod) ber großen Cper
„?(d)met unb 5(Iman5ine" unb mehrerer Singfpiele, mit lau-
teftem Xanfe für feine irjm in feinen Serjrjafjren bemiefene
Xb,eitnab,me unb freunbfdjaftlidje Eingebung. £er ?lbfd)ieb
^mifdien Reiben nad) jener benfmürbigen Stunbe mar rüfjrenb,
als follte er für's ganje Seben gelten, unb mirflid) — $eet=
tjooen unb Sdjenf tjaben ftd) feit jenem Sage niemals mieber
geferjen.
3Btr uäljern uns nunmebr einem Kapitel in Seetljooen's
i'eben, bas rjinficfjtlid) ber Xarftetlung, menn nicfjt 511 ben
fdjroierigften, fo bodj 51t ben belifateften jäf)lt, es betrifft feine
mandjerlci &ie6esoer Ijä Itnif f e. 2ßer rjättc nod) oor
20 Satjren aljnen föunen, baß biefes Äapitel einftens einen
*) Gin iMa£.
— 67 —
grofjen £f)eil ber mufifü(ifd)en 253eft eben fo fefjr befdjäftigen
werbe, rote be§ StteifterS Xonroerfe. Unb fo ift e§. ©er ^5er=
faffer glaubte in bm früheren ausgaben genug getrjan gu fjaben,
roenn er biefen ©egenftanb, auf ©ocumente geftütir, in ge=
brängter ^ürje jur Spradje bringe, aud) glaubte er bemfelben
feine größere 2ßid)tigteit beimeffen $u folten, at§ mandjer
anberen, nidjt grabe unintereffanten (Spifobe, — einen einzigen
gatl aufgenommen, ber tiefer in SBeetljooen'S Seben unb Soeben
eingebrungen ift.
®an§ anberer 2lnfid)t mar bie fd)riftftellerifdje SBelt. Sfyr
mar ba$ barüber ÜDätgetljeitte biet ju menig, aud) 51t gemörjnticrj,
barum fie für gut fanb, ba§> $actifd)e auf ba$ ©ebiet be3
SRomantifdjen fnnüßer 51t fpieten unb fomit ben tiefernften %on*
bidjter in bie Kategorie f)er5= unb gerjirnfranfer 9iomanf)e(ben
§u berfetjen. 2)enn ber üWuftfer, in beffen Sßerfen fo (£jcen=
trifdje§, <pt)per=9f\omantifd)e§ entsaften — biefe§ fjören nämtid)
jene Siteraten auö SBeetfjoben'io SOhtfif fjerauS — barf aud) in
ber Siebe nicfjt anberS benn ejcentrifd), teibenfcfjaftlid)=grotey1
gefd)i(bert merben, überhaupt in feinem ^uncte bey rein
9D?enfd)lid)eu mit ©emoijnlidjem coltibiren. £)ie beftagemomerttjen
(£rfd)einungen in ber heutigen SRobetten-, 9toman= unb Feuilleton-
Siteratür, nämlid) bie (Sigentjeiten berühmter Miltner a(3 ^olie
511 naturmibrigeu Uebertreibungen §u benutzen, S)inge ifjnen
an^ubidjten, bie in ber 3Birflid)feit nie bageroefen, Urtfjeife unb
Sentenzen irjnen in ben 9Jhmb 51t legen, bie ifjren inbibibuetlen
5tnfidjten unb ©runbfä^en fdjnurftrad'y' entgegenfterjen, — biefe
mercantilifdje ^rocebur mit bebeutenben (Sbjaracteren ift aud)
®runb, ba$ bie befanntcn 2iebe3oerf)ältniffe unb SiebeSteiben
$8eetrj0uen'3 bon bentfd)en unb fran^öfifd)en ©djriftftelfern öiel*
fad) ausgebeutet unb aufteilen in fdjamlofer Steife entftellt
mürben. — 3d) bebaure, biefem ©egenftanbe aud) in ber bor*
liegenben 9lu3gabe faum mefjr 9iaum mibmen jji fönnen, ali er
frür)ert)in eingenommen, ba meine Wnfidjt barüber unoeränbert
biefelbe geblieben. Q£§ folt aber an einigen $ugaben nid)t feljlen.
— 68 —
Sgnaj bon Setjfrieb, in bem uon it)tn bearbeiteten unb
bon ^obiaio §a§linger 1832 f)erau§gegebenen SBerfe, „93eet=
f)oben'3 Stubien" betitelt — Darüber in ben Ergänzungen eine
fritifd)=f)iftorifd)e Slbfjanblung folgen roirb — meifs in ben bort
angehängten biograbljifdjen Zotigen über SBeetfjoben Seite 13
§u jagen: „23eetf)oben mar nie Verheiratet nnb, merfmürbig
genug, aud) nie in einem Siebeöberfjättnif?." SD^etjr meife Stieg
gu fagen. «Seite 117 feiner Dcoti^en Reifet e§: „93eetf)oben fat)
grauen^immer feljr gerne, befonberä fdjöne, jugenblidje C^eftct)teu . . '.
6r h)ar fet)r läufig bertiebt, aber meiften§ nur auf fur^e
2)auer." SBegeler nun beantwortet biefen Sßunft, mit S3e=
rufung auf ©teptjan bon Sreuning unb 33ernf)arb Nürnberg,
©. 42 feiner Stotijen mit folgenbem Sa^e: „33eett)oben mar
nie ofjne eine Siebe unb meiften§ bon ifjr im fjofjen ©rabe
ergriffen." @r nennt bann ein $räutein b'^onratf) au3 (£öln,
ta§> oft einige Sßodjen in ber Söreuning'fcrjen gamilie 51t $onn
^ugebradjt fjatte, al§ S3eett)oüen7<§ erfte Siebe, darauf folgte
bie liebeboltfte Zuneigung §u einem fdjonen unb artigen gräulein
bon 2B., bon melcfjer 2öertb,er=Siebe 23ernf)arb 9tomberg mir
bor brei Sauren uod) Slnecboten erjä^tte." 2)iefe 3)ame mar
Sugenbfreunbiu bon ber oben genannten ©crjüterin 53eeti)oben'3,
greif rau bon Seberbörbe, bie fiel) 1834 ju fünfter mit
23ernb,arb 9iomberg, in meinem Seifetjn, biefer Sie6e3angetegenl)eit
erinnert Ejat.
Slnfdjltefeenb an borftetjenbe Säjje in 2Segeter'<3 9^oti§en
bemerft biefer ®emät)r§mann: „2)iefe Siebfdjaften fielen jebocfj
in ba§> UebergangSalter unb hinterließen eben fo menig tiefe
©inbrüde, al§ fie bereu bei ben ©cfjönen ermedt Ratten. —
3n SBien mar 23eetf)oben, menigftenö fo lange icb, ba lebte*),
immer in Siebeöbertjältniffen unb trotte mitunter Eroberungen
gemadjt, bie mandjem ?(boni3, mo nid)t unmögtid), bod) fet)r
fdnoer gemorben mären."
*) Dr. SSegeler öenueilte in SBien, Stubien Ijafber auf ber Slinif,
toom ga^re 1794 fci§ 1796.
— 69 —
SBernerjmen roir nun, roaö 33eetfjoben felber unterm
16. ÜKobember 1801 — in faft botfenbetem 31. SebenSjafjr —
über biefen ^unct feinem cobtenjer $reunbe fdjreibt: „(StroaS
angenehmer lebe id) jetjt roieber, inbem id) micf) merjr unter
9ttenfd)en gemadjt. ®u fannft e§ faum glauben, roie öbe, roie
traurig id) mein Seben feit jroei Sauren §ugebrad)t; roie ein
©efpenft ift mir mein fdjroadjeö ©et)ör überall erfdjienen, uub
id) ftorj bie Sttenfcrjen, mufcte äftifantrob fdjeinen unb btn'3
bod) fo roenig. — 2)iefe Sßeränberung f)at ein liebeS, jauberifcrje^
SDcäbdjen fjerborgebracfjt, ba§ mid) liebt, unb ba§ id) liebe; eS
finb feit groei Safjren roieber einige fetige 5Iugenb(ide, unb e§
ift ba§> erfte 9J?a(, bafc id) füt)(e, ba$ fjeiratrjen gtütftid) madjen
fönnte; (eiber ift fie nidjt bon meinem ©tanbe, — unb jetjt —
fönnte idj nun frei(id) nicfjt Fjeiratfjen; — icfj mufj mid) nun
nod) mader rjerumtummetn." ÜESeiter im ßonterj: biefeä 53riefe§
ftofjen mir auf folgenbe ©teile: „ffix ein füllet Seben, nein,
id) fürjl'3, id) bin nid)t metjr bafür gemacfjt." 2Sift baZ nidjt
etma fagen, ba$ er fdron in jenen Satjren ben Borfatj gefaxt,
äße §eiratrj§bläne aufzugeben? Sn ber fofgenben Sßeriobe
mirb Sßerantaffung fetjn bermittelft auttjertttfcf)er Q3eroeife biefem
garten ^uncte närjer zu !ommen. Vorläufig fet) bto3 bemerft,
bajj biefeS „^auberif^eäJMbdjen", ba$ in bem berftörten Sfteifter
„biefe SBeränberung", biefe „fetigen Slugenbtide" fjerborgebradjt,
baffetbe ift, burd) ba3 irjm balb barauf fcfjroereS £>erze(eib ber=
urfadjt morben39).
üftadj biefem Sßorgefcrjmade bon Siebeä^reuben unb Seiben
unfer§ 9fteifter3 betreten mir roieber ba3 ©ebiet ber Xonfunft,
um bie Singe barauf nad) ben berfcfjiebenen Beziehungen zu
feinem Seben unb SBirfen roeiter zu berfotgen.
39) Diese Briefstellen aus Beethovens Briefen an Dr. Wegeier,
worin das „zauberische Mädchen" vorkommt, siehe Beethovens Sämt-
liche Briefe No. 38 im ersten Bande; dann den Brief an Gräfin
Giulietta Guicciardi mit den weiteren Erklärungen No. 4b, I. Band.
A. d. H.
— 70 —
Sieben bem im £aufe be<§ ^reibjerrn ban ©mieten mit
Dratorien=$tfufif befrfjäfttgten herein beftanb fdjort bei Sfnrunft
S3eet()ouen'i3 in 28ien im §aufe be§ dürften Garl Sid)nom§ft)
ein fteinerer, aber au§ertt>ä{jltei ÄreiS öon Äün[t(ern nnb Äunft*
freunben, ber bk ©utttmruttg ber Stammer=9)?ufif; fid) gur
3(ufga6e geftellt. ®§ läßt fid) benfett, hak bem Sfnfömmiing
„au§ bem 9teidj" aud) in biefem Greife al3ba(b eine 9?olfe
§uget^ei(t morben. Unter ben barin ftitnmfüljrenben föhtftlent
ragten befonberS Ijerbor: ber SBtolinift Sgna^ Scrjuppanaigt)*),
ber SBratfcfjift ^ranj Sßeifj**), nnb bie beiben SSiotoncelliften
Stnton traft***) nnb beffen ©oim Nicola u§ traft.****)
SHefe brei erftgenannten tünftler ftefjeit mit bem ßntmid(ung§-
gange Q3eetf)ouett'3, überhaupt mit einem großen Xlrjett feiner
(£d)öpfungen in enger Jsföedjfeinnrfung, ba^er djrer nod) öftere
^u gebenfen ferjit mirb. Sttbeffeit foE nur bemerft werben, bafe
biefer herein practifcfj=gefd)utter SOhtfifer e§ mar, bem ber auf*
ftrebenbe (Sompomft bie äroedmäftige SBeljanbfung ber ©tretet)*
Snftrumente 5U banfen gehabt. Hufjer biefen ftnb nod) §u
nennen: Sofept) grieblomöftif), ber unferm S[T?et[ter bie
ftenntniB be3 6(arinett=9J?ed)ani^muö gelehrt, nnb ber berühmte
£>ornift Sofjann Söenset ©tid)ff), (ber fid) italienifd) @iooanni
Sßunto genannt) bem 53eett)Oüen bie Äenntnifj be§ §ornfa^e§
üerbanft, üon ber er bereite in ber (Sonate mit £orn, Cp. 17,
einen ectatanten öeireis gegeben. Sni $föten*9Wedt)ani§mit§, in
beffen (Eonftmirung fo niete 93eränbernngert in ben erften
Sarjrgerjnben be3 3aljrrjunbert§ üorgegattgett, blieb (£art
©djotlfff) 93eetf)00ett'§ beftättbiger Snftructor.
2)ie jetjige Generation ber ßomponiften erfterjt au§ $or=
ftetjenbem, auf metdjem Sßege bie Äomponiften ber früheren
Gpodje, tueldje oon ber Shtnftgefdjidjte bie „ctaffifdje" genannt
mirb, bie tentunifj be3 naturgemäßen ®ebraud)e3 alter Sn=
*) @eb. 1776, f 1830. **) ©eb. 1778, f 1826.
***) ©eb. 1751, f 1820. ****) ©eb. 1778, f 1853.
t) ©eb. 1775. ff) ©eb. 1775. ftt) ®eb. 1778.
— 71 —
ftrumente ü&erfommen rjat, nämlid) auf bem ber münblidjen
Uebertieferung, ben man ben practifd)=empirifd)en nennt.
£>ie§ mar ber SSeg, auf bem bie fogenannte „Äunft gu inftru*
mentiren", baZ ®unft=£anbmerf überhaupt, mol)l gmet 3arjr=
fjunberte tjinburd) gelehrt morben, mie e§ in allen anbern
fdjönen fünften ber galt geroefen, unb bi§ 3U biefem £age
nod) ift. (Sollte bie $rage entfielen, metdjer 2Beg raorjt gur
(Srreidjung fotdjer ®unftgefcfjidlidjteit ber fixere unb groed-
mäßigere fet), ber frühere practifd)=empirifd)e, ober ber nunmehr
eingefcfjtagene üermittelft gebrudter SDxettjoben, raetdje fiel) bis
gu fctaOifdjer ÜJcacrjarjmung gegebener SQcufterbeifpiete, fomit bi§
gur ©djablone, oerftiegen fjaben, um bie ©rfinbung^gabe be§
$unftjünger§ im ®eime fcfjon, tuenn nict)t gang gu tobten, fo
bod) fidler unb gemifj nidjt gu fräftigen, Oielmerjr träge gu
madjen; mir raieberrjoten, foHte eine berartige $rage geftettt
merben, fo entfdjeiben mir un3 unbebingt für ben 2Beg, ben
unfere 9llttiorbern gegangen, meit er im analogen Sßerfjättnifj
^u bem in anbern fünften ftefyt, oor allem, meit er ben Slunft-
jünger gum ©etbftbenf'en aufforbert unb ifjm bie ©adje nidjt
fo teid)t madjt, al§ e3 bermittelft ber beftet)enben 9ttetf)oben
gefdjierjt. 2)afj jener SSeg notrjtoenbig ein gebet)nterer ferjn
muffe, alz ber moberne, madjt it)n aud) nodj öorgugterjen, meit
bem Sernenben gu naturgemäßer (Sntroidlung aller inteüectueflen
Gräfte 3eit gelaffcn unb feinertei ©prünge getljan merben
fönnen. SBürbe man auf bem Söege ber 5lttüorbern geblieben
fetm, auf meinem fo oiete Stünftter bie f)öd)fte (Spitze ber £on=
fünft erreicht fjaben, unfere $eit f)ätte ber in garter Sugenb
fdjon öerfrüptielten ©infonie- unb £)pera*(Sompomften meuiger
aufgumeifen.
Wlati) biefer moi)t bergetrjltcfjen SRanbgtoffe mieber gum Xejte
gurüdfefjrenb glaube id) gunäcfjft auf ben llmftanb fjtngeigen gu
f ollen, mie menig ba% Seben§alter ber namhaft gemalten
^ünftter in ber SOcerjrgarjl tion $eetf)ot>en'3 Stttcr bifferirte,
ferner auf ba§ gactifdje, mie biefetben, öornetjmlid) ber Slreiö
— 72 —
bei Sidjnotoöft), bie ©eneftS ber „33eetf)oöeit=(£poc^e" 31t aller*
nädjft Vorbereiten geholfen unb bei faft allen in beffen erfte
Sebenäperiobe (audj irjettertjin nod>) faüenben (Sr^eugniffen
^Pattjenftetle üertreten fjabett. @§ läfct ftd) benfen, meiere 5ln*
regung unfer Hfteifter in biefem Greife erhalten, aud) baf^ er
Sßinfe unb 9f?att)fct)täge in tf)etf§ biretter, tljeüä inbirefter 23e*
^ietjung auf feine Schöpfungen, bie großenteils bei £id)nomgfl)
jum erften 9J?al §u ©efjör gebrad)t loorben, fid) gu üftutien
gemadjt. 3ßir merben ifyn felber uon feinen gortfdjiitteit
tyredjen f)ören, menn and) auSbrüdlid) nur in S8e§iet)ung auf
i>a$ Streidiquartett. Slber grabe ber Suftitotrung biefer Stunft*
gattung in jenem Streife, unb gleichzeitig in einem aubern, oon
bem fogteid) bie 9?ebe fein mirb, t)atte Seetfyouen eine grofje
©umme nü§lid)er (Erfahrungen für ba§> gefammte Snftrumentat*
Sereid) gu berbanfen. Dljne fotd)e Sdjute unb fotdje Anregung
gu Setbfiuerfudjen märe er öießeidjt nod) lange nidjt an'§
Cuartett, nod) meniger an bie (Sinfonie gefemmen, inbem in
beiben ©attungen, mie befannt, bie ©poetje burdj §at)bn unb
SDZogart uotlftänbig betjerrfdjt mürbe, barum jeber 3tnbere a(£
unberufener (Einbringung gurüdgemiefen morben märe, ^»abm
bod) bie erften Quartette 35eett)oOen'§ junädjft au§ biefem
©runbe, fogar in feinem Greife, feiner günftigen Sfufnafyme fid)
gu erfreuen gehabt.
(£3 ift nun am Drte, einen anbern 5tunft=S0cäcen ein*
gufüfjren, ber nid)t btoS auf ben Äunftgefdmiad in ber öftreid)if d)en
^auotftabt, uietmefjr auf ben (SntmidluugSgang ber auf §aöbn
unb Sftogart gefolgten (Epocfje förbernben (Einfluß geübt f)at
63 ift ©raf Ütafumomsft)*), meljr benn gmei Sa^e^enbe
tjinburd) ruffifdjer ©efanbter am miener §ofe, — mieberum ein
9?ame bleibenben SInbenfenS mertt).
©raf 9iafumom§tt), gleichfalls auSübenber ätfufifer, unb,
um it)n mit einem SSorte treffenb $u femiäeidjnen, ber ^aupt=
*) Sit ber brüten ^eriobe roerben nrir i§n in ben gürftenftanb er^
fjoben fernen.
— 73 —
träger ber £rabitionen in §at)bn'§ Snftrumental^Jhtfif, oer*
fammette abloedjfetnb mit $ürft ßicr)notD§ft) oben genannte
Sfrinftfer aud) in feinem SßaÖafte p Sdröfüljrung öon Quartett*
SQJufif, morin er felber bie gmeite Biotine übernommen fyatte.
93a(b aber fam er 51t anberen (Sntfdjtieftungen, burdj bie feinem
Greife eine f)öf)ere Äunftbeöeutung gegeben merben foltte; er
engagirte nämücf} ein feftftetjenbeö Quartett mit Ieben3(änglid)en
(Sontracten. 3)ie§ ba§ erfte unb einzige 23eifpie( in Qeftreid).
9cid)t, baJ3 nid)t anbere reidje ^unftfreunbe tiefem SSeifpiefe in
@rrid)tung eineä feftftefjenben Quartette in i^rem §aufe gefolgt
wären, bereu gab eS halb mehrere, aber feiner t)at e§ bem
ruffifdjen üDcäcen g(eid)getf>an, bie engagirten ^ünftter mit einer
^ßenfton bi<8 an iljr Sebenäenbe ju bebenfen.
£)iefe§ 9ftufter=Quartett mar gebitbet au§ btn föünfdern:
<ScrjUppan§igf), I. Violine, <2ina*), II. Violine, SSeifj,
Öratfdje, unb Sinfe**), SSioloncell.40) Unter ber Benennung:
„$)a<o 9kfumom3i;t)'fd)e Quartett", tjat e3 einen europäifdjen,
aber aud) funftgefd)id)t(id)en 9tut)m erlangt, of)ne jemafö eine
^unftreife gemadjt 51t fjaben, \w§> in mefjrfadjer £unftd)t fet)r
*) ©eb. 1778, nerffovben in Boulogne sur mer ben 2. Dctober 1857.
**) ©eb. 1783, f 1837.
40) Die ausübenden Künstler werden trotz Wegeier und Schindler
von den Biographen Beethovens verschieden angegeben. Das hängt
mit dem Umstände zusammen, daß die Quartettvorträge beim Grafen
Rasouniowsky mit denen schon früher beim Fürsten Lichnowsky ein-
geführten abwechselten, so daß die Künstler des Lichnowskyschen und
die des Rasoumowskyschen Quartetts durcheinander geworfen werden,
wie ich es schon beim Neudruck „Wegeier" hervorgehoben habe. Die
Verwirrung ward nicht geringer, als einige dieser Künstler auch im
Hausorchester des Fürsten von Lobkowitz mitwirkten. Beim Lich-
nowsky-Quartett nennt A. W. Thayer (I, 278) als 2ten Violinisten
Louis Sina statt Weiß. — Trotz der hier bei Schindler aufgeführten
peremtorischen Namen des Rasoumowskyschen Quartetts ergaben
Thayers neuere eigene Untersuchungen dennoch ein anderes Resultat.
— Der Name Sina, der später in Paris so eifrig für die Einführung
Beethovenscher Musik tätig war, fällt bei Thayer fast ganz aus. Er
— 74 —
$u bebauern ift, ba jur SBeurtfjeUitng äljntidjer ^probuctionen
foioofyt in öejug auf Wuffaffung ber clafftfdjen Söerfe nne aud)
ifjrer Sarfteüung ber autt)entifd)e SCtfa&ftab geboten morbett
töäre, ber utiferm ß^atter leiber mangelt.
2Sir f)örten ben ©rafen 9xafumoro§ft) foeben ben §auöt=
träger ber Ambitionen in £at)bn'3 Cuartett=9Jcuftf nennen;
raie erfiärt fid) ba§? ©ang einf ad): £at)bn t)atte nämtid) an
biefem Siunftfreunbe jenen feinen «Sinn $u richtiger Srfaffung
Dieter nict)t auf ber Dberf(äd)e ttegenben unb burd) üblictje
3eid)en aufgebrühten (£igentt)üm(id)feiteu in feinen Quartetten
unb (Sinfonien eutbedt, ber Ruberen abgegangen ift, barum
er e§ unternommen, ben ©rafen junäc^ft mit biefen Verborgenen
Intentionen oertraut ju nrndjen, burd) ben fie erft auf bie
?(u<ofüt)renben übertragen morben. (53 ift biefe Afyatfadje atä
eine auf bie Stjaracteriftif be§ 9tafumorosft)'fd)en Quartette im
allgemeinen, auf 53eetf)otjen'<S diiartett=9Jiufif fpecieff, micfjtige
§u oer^eidnteti, bie megen be3 jugenbtidjen Sttterä be§ oben
^ufammengetretenen Vereins, roetdjer t)öt)erer <Sdjiitung nod)
beburfte, bie Hon Steueren, im ©efd)inad'e it)n Ueberragenben,
fommen mitfjte, nod) befoubere ©rünbe für it)re ©kutbroürbig=
feit erfjätt. ©raf 9\afumoro§ft), einer ber (Srften, ber ben Sauf be§
neuen muftfalifdjen ©eftirnö mit ©idjertjeit beftimmt t)atte, tritt
oon nun an in $ofge be§ feften (Sngagementä biefe§ Quartett=
herein! ben ©efdiirfen 23eett)ooen'3 näljer, a(§ irgenb ein anberer
feiner ©öuner. 9iämüd): ba§ 9xafumoR>3ft)'fd)e Ouartett marb
gleichzeitig SBeetfjoüen'ä Ouartett, fo gtuar, a(3 tjabe e§ ber t)of)e
erklärt, daß neben dem Grafen Rasoumowsky, der gewöhnlich selbst die
II. Violine übernahm, wohl Mayseder hie und da eingesprungen sein
wird (III, 48). Immerhin gilt auch hier das non liquet. Jedenfalls
aber haben wir ein festes Zeugnis, daß das spätere Schuppanzighsche
Streichquartett außer Sina die anderen Künstler des Rasoumowskyschen
Streichquartetts in sich barg. Den zweiten Violinpart spielte auch
nicht selten des Meisters jugendlicher Freund Karl Holz. (Vgl. das
Promemoria an das Schuppanzighsche Quartett aus späterer Zeit 1825,
Beethovens Sämtliche Briefe No. 1059, V. Band.) A. d. H.
— 75 —
(Bonner nur 511 beffen SDienfte engagirt; e§ rcarb iljm gu un=
eingefdjränfter ®i3pofition gebellt.
lieber bie 2lrt unb Söeife, tute ber fyodjftrebenbe Sttnfifer
biefe ©etegenfyeit eben fotoo^t 51t eigener gortbitbung, tüte aud)
511 Offenbarung ber in feinen £onmerfen oerborgen liegenben
Intentionen benutzt, wollen mir Sgnag üon ©etifrieb fpredjen
tlören. Sn bem biograpfyifdjen 5tbrife öon ©djuppanjigf) im
Uniöerfal=£erkon ber Stonfunft brüdt er fid) barüber in
folgenben (Säijen au§: „2Bie befannt, mar Söeet^ooen im fürft=
lief) $Rafumom3ft)'fd)en £aufe fo $u fagen ipaljn im ®orbe;
Me§ toa§ er componirte, mürbe bort brüfjmarm au§ ber Pfanne
burd)probirt unb nad) eigener Angabe tjaarfdjarf, genau,
mie er e§ ebenfo, unb fdjted)terbing§ n t et) t anberä
fjabenmollte, ausgeführt, mit einem QHfer, mit Siebe, $o(gfam=
feit nnb einer ^ietät, bie nur fold) glü^enben 93eret)rern feineö
erhabenen ©eniu§ entftammen fonnte, unb einzig bto§ burd)
baZ tieffte ©inbringen in bie gefyeimften Intentionen,
burd) ba% ootltommenfte ©rfaffen ber geiftigen Xenbenj
gelangten jene Quartettiften im Vortrage S3eetr;ot»en'fcr)er £on=
bidjtungen gu jener unioerfeüen 23erüljmtt)eit, morüber in ber
ganzen ^unftmelt nur eine (Stimme fjerrfdjte."*)
SDiefe bebeutung3t>oHen SSorte ©etifriebä, be3 mitfjörenben
ßeitgenoffen jener auf$erorbenttid)en ^unftteiftungen, fönnen mie
eine (eljrreidje SDcaljnung an unfer mufifa(ifdje<§ 3e^a^er/ tiid^t
b(o§ in fpecieEer SSegtetjung auf 23eett)ouen'fd)e Xonbidjtungen,
fonbern auf bie gefammte fjinter un§ (iegenbe ©podje, be=
*) 3m fiebenten $ab>gang (1805) ber Seips. «Kuf. £tg. finbet fid}
©eite 534 folgenbe Sljaracteriftif uon ©djuppansigb/S ©piel: „Sdjuppanjigl)
tuetfe bei feinem öortrefflidjen Guartetten=23oitrage in ben ©eift ber ßom=
pofitionen genau einjubringen, unb ba§ feurige, kräftige, aber aud) feinere,
garte, £mmorifiifd)e, Sieblidje, Sänbelnbe, fo bejeidjnenb ^erau^u^eben,
bajj bie erfie Biotine faum beffer befe£t ferm fönnte." — 2)arau§ ift fdjtm
ju ermeffen, toai weiterhin bei größerer Steife Don iljm unb feinen s^er=
bünbeten geleiftet tuorben.
— 76 —
traditet merben. 5(üein fte »erben unmirffam behauen, tneit
bereits jebe trabitioneüe ©pur ftd) t>ern>ifcf)tf überhaupt ba$
ber ctaffifcfjen 53?u[tf im allgemeinen innemofynenbe geiftige
SSefen ber (ebenben ©eneration faft ganj abfjanben gefommen
tft unb man in ber (Sorrectfjeit be§ mcdjanifdjen 9?eprobuciren§
aüe§> @rforbertid)e finben mitt.
9hm werbe bod) ein 23(id auf bie öconomifcrjen SSer*
(jättnijfe unferä gelben geroorfen, bie un§ fernerhin nod)
meljrfad) befdjäftigen merben, mit benen fid) bie 28e(t bereite
biet unb meit au3einanber geljenb befdjäftigt b,at.
SSir roiffen burd) Q3eetf)oüen felber, ba$ $ürft £id)nott>3ft)
iljm ein Saljrgeljatt t>on fed)3()unbert ©ulben*) au§getrorfen
f)atte, bis er eine paffenbe 2(nfieüung finben merbe. 5fnfc^(iefeenb
an biefe 9?ad)rid)t oom 29. Suni 1800 an SSegeter fdjreibt
23eetijoüen meiter: „teilte (Sompofitionen tragen mir üiel ein,
unb id) lann fagen, baß id) me^r S3efteIIungen Ijabe, ai§> faft
mögüdj ift, bafj id) beliebigen fann. 9(ud) Ijabe id) auf jebe
©adje fecfj§, fieben Verleger, unb nod) mefjr, menn id) mir'3
angelegen feljn (äffen nnH; man accorbirt nicf)t met)r mit mir,
id) forbere unb man gatjtt."41) — Um einen $8orbegriff non
ben bamaligen Honoraren %u ermatten, bie er geforbert, bient
unö ttneber fein eigener Sörief uom 15. Januar 1801 an ben
üDfuftfoerteger £>ofmeiftcr in Seidig.**) 23cetljoüen forbert barin
für ba§ ©eptett, Op. 20, jtüansig ©ucaten (10 SouiSb'or), für
bie erfte Sinfonie ätoanjig Silicaten, für ba§ ^meite (£taOier=
Goncert jetjn Silicaten unb für bie große «Sonate, Op. 22,
gmangig Silicaten; — für jene $eit öett)iB fyofye Honorare.
33eiget)enb bürfen einige SBorte oon Tegeler über 58eetr)Ouen'3
*) (Sine Summe, bie ljeutjutage in 8roIge ber 6e)tel)enben SSaluta
beinahe auf« doppelte anjufcfilagen ift.
**) Slbgebrucft in 9?ro. 19 ber «Reuen 3eitfc^rift für Wutf, 1837. *2)
41) Beethovens Sämtliche Briefe No. 36, I. Band. A. d. H.
42) Siehe den charakteristischen Brief No. 40, 1. Band in Beethovens
Sämtlichen Briefen. A. d. H.
— 77 —
öconomifdje Talente, tote er fie bamabS fdjon befunbete, nid)t
festen; fie bienen als §auötfd)tüffe( gu feinen fpäteren
öconomifdjen 3uftänben, audj jur (£rfct)tie^ung tiieter 2Siber=
fprüdje in 2Sort unb SHjat, tt)ie fie un§ im Verlauf feiner
£eben§gefd)id)te begegnen merben. SBegeter füt)rt ©. 33 43) an:
„SeettjoOen, unter t)öd)ft befdjräntten Umftänben erlogen unb
immer g(eid)fam unter Sßormunbfdjaft, menn and) nur jener
feiner $reunbe, gehalten, fannte nict)t ben Söertt) be3 ©elbe§
unb mar babei nidjtgs meniger ab§ öconomifd). ©o mar, um
nur @tnige§ anjufü^ren, bie Qdt 3um SOxHttageffen bei beut
dürften (Sidjnom^ftj) auf 4 lUjr feftgefettf. „„Statt fott id),
fagte 23eetf)oOen, täglid) um Ijatb 4 ttf)r gu §aufe fenn, mid)
etma§ beffer angießen, für ben S3art forgen, u. f. m. £)a§ fjalt'
id) nidjt au§!"" <So !am e§, bafe er r)äufig in bie ©afttjäufer
ging, ba er überbieä Ijier, mie bei alten öconomifdjen 2(ngetegen=
Reiten, um fo fdjtimmer baran mar, abo er, mie gefagt, fidj
meber auf ben SBertt) ber S)inge, nod) be^ (Mbe3 öerftanb."
SSir feigen tjinju: a(§ über atte3 nod) ber ®rang nad) $rei =
fjeitunb Unabhängigkeit in jegüd)er «Situation bei Söeetljooen
ein fo itnroiberfter)tict)er mar, baf$ ber Abgang öfonomifdjer
Meute al§ SJcinimum gegen ein @uperptu3 gur (£rfd)einung
fommt.*) ®iefe fd)roffen ©egenfät^e in unaufhörlicher 2Bed)fet=
mirfung unb Jjänftg mieberfetjrenbem ft'amnfe mußten notl)=
menbiger SBeife bie Duelle Oieler SBibermärtigfeiten unb 5Ser=
ftimmungen bleiben, bie unfern Sfteifter oerfotgt tjaben. Sern
35iograpt)en, ber ben ®ampf gmifdjen biefem SQcinimum unb bem
©uperptus jahrelang mit anfetjen unb mat)rnet)men nutzte, mie
*) „3eu§ atlroattenber 9?at£) nimmt fdjon bie Raffte ber Sugenb
Gittern Statine, fobalb er bie Ijeitige greirjett Derliert." ©. 333.
(Sine ©teile au§ ber Odussee, öott 93eeÜ)ot>en ausgesogen.44)
43) Neudruck S. 43. A. A. H.
44) Homer Odyssee XVII, 322 f.
ijfiiov yctQ x agETrjs anoaivvrai evsjvorca Zeve,
uveooz, evr äv uir y.aja dovhtor rtuao e\t\oiv. A. d. H.
— 78 —
nadjtljeüig beffeu folgen nid)t MoS auf bie Snbtötbualität be§
SDieifterS nadj jeglicher Seite, aber audj auf bie in feiner üftätje
Sebenben, eingeunrt't rjatte, finb beibe biefe $actoren flippen
gefät)rlid)er 9frt, Uteber -ju erklimmen, nodj 51t umgeben. üftur
©otdje, bie au<§ meiter $erne mit bem SuBuS ^ur §an0 felbe
^u befdjreiben unternehmen, !ommen gut babei meg.
Oben bereite fjaben mir oorübergcrjenb ber Snuiptome er*
märjnt, bie unferm Sttfeifier fd)on bamatS große SBeforgnijj f)in=
fidjttid) feinet ©etjörjuftanbeS eingeflößt Ratten. (53 roirb
gur ©teile notljroenbig, biefeS Punctum saliens nätjer lernten
5U lernen. £)ie3U üertjifft un3 tuieberum 53eetf)oüen'3 merjrmal<3
fdjon angebogener 23rief an SSegeler46) au3 bem Safjre 1800.
9?adjbem er bort bie ßufriebenrjcit mit feiner öconomifcrjett Sage
au3gefprodjen, fäfjrt er fort: „Sfhtt f)ct ber neibifdje Dämon,
meine fdjltntme ©efunbfjeir, mir einen fdjledjten Stein in'3 93rett
geworfen, nämltdj: mein ©eljör ift feit brei Sauren immer
fcfjrrjäcfjer geworben unb ju biefem ©ebredjen fotl mein Unter«
leib, ber fd)on bamafö, tute bu weißt, elenb mar, fjier aber fid)
uerfdjlimmert f)at, inbem id) beftänbig mit einem Durdjfatl be=
tjaftet bin, unb mit einer baburd) außerorbentticfjen Sdnnädje,
bie erfte $eran(affung gegeben rjaben." ferner berichtet er,
weldie SOcittel bie Siebte 3ra^ "1° Gering gegen biefe3 liebet
angeroanbt, allein ftet§ oergebtid). Sann äußert er lueiter:
,,3d) fann fagen, id) bringe mein &dm\ elenb 511, feit ^mei
3at)ren faft meibe id) alte ©efellfd)aften, weit'3 mir ttidjt mögtid)
ift ben Seuten 51t fagen: id) bin taub. Jpätte id) irgenb ein
anbereä gact), fo gings noct) eijer, aber in meinem gacfje ift ba$
ein fd)redlid)er 3«ftano; oaoei meine $einbe, bereu 3a^ nic^t
geringe ift, was mürben biefe fjie^u fagen! — Um Dir einen
begriff Oon biefer nmnberbaren Saubfjeit 51t geben, fo fage id)
Dir, baf? id) micr) im Sttjeater gan^ bid)t am Drdjefter anlehnen
muß, um ben Sdjaufpiefer 51t oerfterjen. Die f)or)en Jone oon
4ö) B. S. Br. No. 36, 1. Band; cf. auch den Brief No. 35 an Amenda.
A. d. H.
— 79 —
Snftrumenten, ©ingftimmen, roenn id) ettoa§ tocit rueg bin, fjörc
id) nidjt; im ©predjen ift e§ §u bertounbern, bafs e<S Seute gibt,
bie e§ niemals merften; ba id) meiften§ 3er^reuungeu fyatte,
fo rjätt man eS bafür. SDcancfjmat aud) jjör' id) ben 9tebenben,
ber leife fpridjt, faum, ja bie S£öne roorjt, a6er bie SBorte ntdjt;
unb bod) fobatb öemanb fdjreit, ift e§ mir unau3ftet)tid). $ßa$
es" nun merben roirb, ba§ mei§ ber liebe Fimmel. Gering jagt,
bafj e§ gewif} beffer werben wirb, Wenn aud) nidjt gan^. Sd)
tjabe fdjon oft — — mein ©afebn berftudjt; sJ3futardj t)at
mid) jur SRefignation geführt."
<Sd)on in jenen Saljren oefanb fiel) an ber 9)tetropolitan=
firct)e 51t ©t. ©tepf)an in Sßien ein ©eifttidjer, Samens fetter
SBeifj, ber fid) mit ber §ei(ung be§ franfen ©ef)br= Organa
befaßt unb biete glüdlidje Huren bewirft fjatte. Mityt 6fo§
(£mptriter, fonberu mit ber ^t)t)fiotogie be§ Organs wof)l ber=
traut, bewerffteßigte er bie Leitung nur mit einfadjen Mitteln,
genofj überhaupt eineö berbreiteten Stufet im Sßu&fifnm, neben*
bei aber aud) bie 9Id)tung ber practicirenben Sterbe. 9)tit
($enefjmigung feinet 2ft#te3 blatte fiel) ifjm aud) unfer geängfteter
Xonbicfjter anbertraut. S)er ©rfotg war ?(nfang§ ein guter,
fo tauge nämtid) ber ^atient ftrenge nad) btn ^orfdjriften
bc§ geiftlicfjen £errn gelebt, bie fid) mdjt bloS auf Siät, and)
auf mef)r 9xut)e unb ©djonung be§ teibenben ®er)ür3 belogen
tjatten. Sebod), Weber bermod)te er bem erfteren ^inbentifs
auf bie SDauer gu Wiberftetjen, 11 od) bay anbere, ba3 burd)
feine focialen ^erljältniffe bebingt war, 51t befeitigen, fürs bie
Teilung, bereit»" in gutem ^ortfdjreiten, warb fortan unter-
brochen, inbem ber Patient obeubrein alle ©ebulb berforen
blatte. 28ir werben in ber britten ^eriobe, unb and} fonft
nod), biefeä Ijöcfjft beffageitioWertljen ©e|örgnfianb§ erwähnen
muffen, aud) bon bem gefälligen, an ©eetfjoben'S ©efd)id wa£ir=
t)aft trjeUnetmtenben ißater SSeift unb bon ber nad) metjr benu
jman^ig Sauren wieber angeflehten £ntfe bei irjm 51t fprecfjen
Ijaben. 316er einer Stelle au§ einem fpätern ©riefe bom
— 80 —
16. üftoo. 1801, aud) an Sßegeter, mu§ f)ier 9kum gegeben
merben, lueil [ie ein gebefferteg Stabium biefe3 Uebe(<S befprid)t,
a6er and) geigt, mie roenig ber Patient ber är§tiid)en 93orfd)rift
©eljör gegeben. (5r fdjreibt: „9J?einc Sugenb, ja id) füljle
z%, fie fängt erft jet>t an*); mar id) ntdit immer ein [iedjer
9)cenfdj? Steine förpertidje ®raft nimmt feit einiger 3e^
metjr afö jemals 51t unb fo meine ©eifteSfräfte. ^eben STag
gelange id) metjr 311 bem $\t{, roa§ id) füt)(e, aber nicrjt be=
frf)reiben fann. 9hir tjierin fann ©ein Seettjonen leben.
9?id)t£ uon Dhtfye! — id) roeifj bon feiner anbern, ab! bem
©djlaf, unb mefye genug tfyut mirä, baft id) ifjm je£t mef)r
fdjenfen mu|3, als fonft. ü)cur fyalbe Befreiung oon meinem
Hebel, unb bann — al§ nottenbeter, reifer Sttann fomme id) 51t
eud), erneuere bie alten greunbfdjaftSgefütjle." u. f. tu.46)
£>em 9lbfd)luffe ber erften Sßeriobe fid) nä^ernb foH nodj
Don einer Slunftreife Reibung gemadjt merben, bie Söeettjoneu
gegen (Snbe biefeS SebenSabfdjnitteS nad) bem beutfdjen Sorben
unternommen, batjin ibjm bereits ein guter 9ftuf borangegangen
mar. ®i befud)te $rag, Seipjig unb Berlin unb Ijat burd) fein
Glabierfpiel, gang befonberS burd) feine geiftboüen Smprobifationen,
^fjeitnarjme unb 2(uffel)en erregt, ©afc biefer SluSflug in ba§>
Saljr 1796 fällt, (roaf)rfd)ein{id) &ur ^erbft^eit,) barüber merben
mir meiter unten burd) Seettjooen felber bergemiffert. 2)em
?lufentf)alte in ^ßreufcenS §auptftabt berbanfte er audj bie (Sr=
laubnift, bem 9)?ufit liebenben unb felbft auSübenben Könige,
^riebrid) SBilfjelm IL, feine beiben «Sonaten mit Söioloncett,
Op. 5, mibmen 311 bürfen. S)afe biefe erfte Äunftreife aber gu=
gleid) bie le^te gemefen, bürfte rooljl be§ ?tnmerfen§ mertlj ferjn,
fo aud) nod), bafs ficf) in 33eerl)oben'3 (Erinnerung faft alle ßr*
tebniffe auf biefer Sieife unb fonftige ©inbrüde bermifcfjt Ratten,
*) G§ ift jener Moment, in bem \vxx unfern Xonbidjter weiter oben
»ort einem „lieben, jauberifcrjen 9JMbd)en" unb „einigen feiigen 91ugen=
blicfen" fpiechen gehört.
46) B. S. Br. No. 38, I. Band. A. d. H.
— 81 —
baüon er im Safyre 1822 bem <pofratf)e 9?odj(i§ gegenüber S5e=
"tueife gege&en. ©ein ©ebädjtnifc für 3u^ütf(tegenbe§ fjat ftdj
immerhin at§ fc^r fd^tt)ad^ ertriefen.47)
47) Vgl. das Nähere über diese Reise in des Herausgebers Buche
„Beethoven und Berlin", 1908, besonders den I. Abschnitt: Beethoven
in Berlin. A. d. H.
üt. Sdjinbterä ä3eet&oöen=39iograt>Ijte.
I. #ur ß^arnftcriftif be§ mujtfaltfifjen äßicnö ju $(u*gang bes
adjtgeljnteii unb 31t Slnfang be§ neunzehnten 3al)rf)unbert$.
53i3t)er 6ebad)t, ben SebenSgang SBeetljcmen'S in feinen
nerfdjiebenen Regierungen unb SSerljättniffen 51t einzelnen feilen
ber mufiralifdjen ©efellfdjaft in ber oftreidjifdjcu Saiferftabt
gu fdjtlbern, motten mir e§ am Sdjdtffe tiefer Sßeriobe »et*
fudjen, ein möglidjft getreues ?tbbitb biefer ©ejellfdjaft im
(Großen unb ©angen aufjubelten. öS ift bieS ein notfjioenbige»
©efdjäft, med bie ©efammt=©f)araiteriftif biefeS ©rofeeit unb
©angen nid)t fomoljt auf bie ©ntmidtuug beS ®ünftler§, fonbern
aud) be£ SDienfdjen in bem aufftrebenbeu Seetf)ot>en mächtigen
©inftufe übt. @S mirb un§ biefeS 23Ub, menng(etd) nur in
Umriffen §ur 5tnjd)auung gebradjt, gugleid) in etanb fetten,
ben ^errfcfjenben ©eift unb ©efdjmad jener (Spodje bem Sefer
oor 3(ugen 51t führen.
$[{§> oben tiorübergel)enb Don bem großen SSerbienfte bem
omieten'S um bie ÜJhifif in SBien gef&rodjcn mürbe, Jjörtcn
mir, ba}3 er ben t)of)en ?lbel (511m QMjufe ber ^luffütjrung uon
^aenbel'S, 95 ad) 'S*) unb Raffe'S SSBerfen) in eine „mufifal'ifdje
©efellfdjaft" Dereinigt rjatte. ©3 mirb intereffiren, mehrere ber
■Kamen fennen gu lernen, unter bereu Sßatronate biefe SKabemieen
ftattgefunben. ©in Seridjt in Sfto. 34 ber Stttg. äRuf. 3t9-
oon 1801 über bie erfte Sfuffüfjrung ber „SatjreSgeiten" oon
.Sjunjbn, unter beffen perföniidjer Leitung, füfjvt fie gieid^eitig
an. @S finb bie dürften: Siedjtenfiein, ©fter^a^,
*) ©eb. 23aäV3 9Jcufif aulangenb mujj bewerft »erben, bau c3 nö)
lebigltd) um StuSfüfjvung einiger Motetten getjanbelt fjat. ©röfeere 22erfe
biefcS lomiefen waren lueber bem bamatigen, nod) bem fpätern Sien
befannt, — aber aud) ber gefammten beutfd)en äRuftttoeli nid)i. 2r»e:ieII
für bie SSiener galt fie al§ „lutljerifdje SKttfif", — bamit mar ber Stab
über fie gebrochen.
— 83 —
©djmaraenberg, Eluer-operg, Sobforoiij, £id)nomsft),
Trautmanityborf unb Einölt); bann bie ©rafen: ©gerntn,
(Srböbp, 5r^e^; Elpponp, Stn^enborf, Jparradj, unb
anbere nod); tarnen, uon benen mehrere auf ben Titelblättern
ber Söeetfjooen'fdjen SBerfe au» biefer mie au£ ber folgenben
^eriobe prangen. 2)iefe ©ebicationen jeigen be3 ßompontften
Söesiefjmtgen 31t ifjnen, — ein ©riinb, felbe bei allen Üföieber=
auflagen feiner 233erfe in ©fjren 51t galten, ba fjierburcf) äugleid)
bie Gfjaracteriftif . beS großen ÄreifeS angebeutet wirb, in melctjem.
unfer SMfter fidj in jenen Jagen 311 altenneift bemegt fjat.
Sn ^öe^ug auf ben in jener 3eü rjerrfd)enben 9lbel3begriff
barf fpe^ietl üon bem beutfd)en Elbel DeftreidjS gejagt werben,
baf} ilnterridjt unb ©r^ieljung, innere unb äujjere 23ilbung,
bie 9vid)tung auf SSMflenS* unb ©fjaracter = l£ntmidlung unb
auf Sutclligenj im Etllgemeiuen int tieften ©leidjgenridjte ge=
ftanben, barum er mit 9ied)t ber gemeinfame Präger beutfdjer
SBilbung unb ©efittung genannt mürbe.*) (Sin fo gearteter
^ilbung^uftanb in ber Fjöljeren ©efellfdjaft, bie fidj überbieö
im SBcfifte unermefjlid)er 9veid)tt) unter befinbet, mirb fidjerlid)
geeignet ferjn, unter oerfttinbiger Einleitung bie Sntereffen üon
Äitnft unb Söiffenfdjaft in richtigem Wla^e 5U förbern unb
üjneit Dpfer §u bringen. SlteS mar in ber miener Stbelä*
gefellfdjaft, üor$ug§toeife jebodj auf Xonfunft be^üglid), mirflid)
ber $all. Wlan liebte überhaupt bie 9)iufif ofnte Oftentation,
man (iejs fie mit iljrem magifdjen Oiei^e auf fidj mirfeu, ob fie
oon Pier ober 001t f)itubert EluSfüijrenben tarn, menbete fie aU
fidjereS SOcitteC an, @eift unb ©entü'tl) 3U bilben unb fo ben
©efürjlen eine eble 9M)tung 31t geben. S)a§ beutfdje ^olf
aber im Etllgemeinen uerftaub e§ bamalö gang: einfache @röBe,
üd)te (Smpfinbung unb rein menfdjlidje ©efüfjle &*t§ feiner
3J?ufi! I)eratty3ufül)len. S» oerftanb nod; gang bie Shtnft: btö
*) S" ber brüten ^eviobe wirb e§ 5>ercmlajiung geben, be$ o]U
rcidjifdjen ?tbel§ luieber 31t gebenten, unr werben ifjn aber roejentiid) Der-
änbert firtben.
6*
— 84 —
llnau§fpred)tid)e unb getftig (Srtjabene au§ bem 3auöerretä)
ber $öne abzuleiten unb für fiel) 311 gewinnen. Unb bennoct)
mar e3 fein pt)ilofopf)ifct)e§, fonberu nur ein unbefangen ge*
niefeenbeä geitalter, tmn bem mir fpred)en, beffen ßrjaracterifttf
ficf) nocf) burd) mehrere Satjre be§ erften S)ecennium§ unferä
3at)rljunbert§ rein unb ungefdjmädjt erhalten t)at. „9ßer ba$
muftcalifdje SBien nidjt bamabo gelaunt, meife nicfjt mag Sttufif
unbefangen f)ören unb genießen rjeifjt." ©o fpradjen bie alten
SKufifer in späterer ßeit imn jenen Sagen. — ®anf bem
©djidfat, e§ gab noct) nid)t £mnberte mit Sunfcftritif fiel) be=
fcfjäftigenber Journale!
£>en 9flnfif=2)ilettauti3mu3 jener (Spocfje betreffend fo
miffen mir, bafe er ftd) faft au§fd)lief$tid) auf bie gebilbeten
©täube befdjränfte, beren ©efinnung unb ©efittung it)nen bie
(Stellung in bem großen ©an^en angemiefen t)at; batjer deiner
fid) eineö ^ßla^eg bemächtigte, ber bem $act)tnanne allein ge=
bütjrte. lieber 2Bertl)fd)ä|ung matjrrjaft Derbienter unb gebilbeter
^ünftler üon «Seiten biefe§ Dilettantismus genügt eine ©teile
auZ bem brüten Sa^rgange ber 2tUg. SOhtf. 3*0- ®ort fäfo
e3: „Wlan fdjätjt in 2öien gu fefjr Talente, um üon bem Sfünftter
gu Verlangen, baf$ er niebrig friedjen füll; man mürbe itjn üiel=
metjr meniger actjten, fobalb er e§ tf)äte."
Um in ber ©d)itberung be§ bamaligen SBien feine Sude
5U laffen, mufe aud) ber bieten unb regelmäßig abgehaltenen
Goncerte mit üoüem Drcfjefter am faiferlidjen §ofe gebadet
merben, mobei Staifer grang faft allzeit an ber 1 ften SBioline
mitgemirft, bie ^aiferin SOZaria Stjerefta (eine neapotitanifdje
^rin^effin) fid) aber immer in Strien unb mefjrftimmigen ©e=
fangftüden au§ Dfcern f)ören liefe, ©ie mar gang Stünftterin .*)
Dirigenten biefer £)of*(Soncerte, bie großenteils in ber ©ommer*
*) ©rfl einige Sahje fpäter, als nad) bem Ableben ber Saiferin (1807)
biefe Concerte eingeteilt luorben, organifirte $aifer ^ranj fein ©treid)*
Duartett, bo§ if)n befanntfid) auf allen feinen längeren Reifen, fogar 1815
nad) $ari3, 1818 sunt ©ongrefc nad) Slawen, begleitet fiat, — ftet§ unter
— 85 —
jeit §u Sajenburg ftattgefunben, mo ber fjofje 9lbel baZ 9Iubitorium
gebilbet, maren <S altert, gumeift aber SSeigt, ber Präger
9fto3art'fdjer £rabttionen, Hon ifjm fetber überfommen. 93eibe
tjörte ber SBcrfaffcr in metjmutpootler (Erinnerung oon bem in
jeber SSe^ietjung gotbenen geheilter ber Sonfunft im atten
SBien fpredjen, nadjbem bie $8orfef)ung itjre Sage bi§ $u üoll*
ftänbiger ^errfdjaft be§ ehernen gefriftet t)atte.
3fo§ ber 95efc£)affenf)eit biefer SSerfjältniffe ergibt fid) tooljl
ber <3d)(uf$ öon fetbft, öafe fie auf ©ntmidtung be§ Patents
bei unferm 33eetf>oüen nidjt anberS benn förbernb einmirfen
fonnten, fo U)ie, bafe biefeS für Shtnft unb Sl'ünftfer al§ gotben
geüriefene ßeitatter aud) in S3e§ierjung auf feine äußeren 23er*
ijättniffe ba§ golbene genannt werben barf. Unter folgen
Umftänben, int S3unbe mit ben ©betften itnb heften, burd) bie
fein fcfjöüferifdjer ©eniu§ Aufmunterung unb Pflege erhalten,
fjätte er glüdüdj) unb aufrieben auf feiner Slünftterbafyn fort*
fdjreiten lönnen, menn fiefj nitf)t fdjon bamatS ein böfer 3)ämon
in bem gu feinem 93erufe mid)ttgften unb unentbet)rtid)ften
Drgan eingefdjtidjen f)ättef burdj ben fein ©emütp^uftanb
getrübt unb bie Sage be3 fjeiterften ©et)n§ unb fünftlerifdjer
SSirffamfeit bauernb üergälit morben mären, — leiber Oiel
burd) eigene^ SSerfdmlben! 3Sitt e§ bod) f deinen, als t)a6e
ber Sfteifter biefeS 3Serfd)ttlben felber erfannt unb eingeftanben.
Unter ben in feinem ©jemplar ber Odussee angeftridjenen
aber nodj befonberS ausgesogenen ©teilen befinbet fid) aud)
nacf)fte£)enbe:
„©telje, fein 9Befen ifi fo eitel unb unbeftänbig,
9Il§ ber SRenfd), uon allem, roaS lebt unb webet auf (Srben.
Seitung feine§ f ammer=(Somöofiteur<§ granj frommer. Ser Äaifer fpielte
bie lfte Violine, fein ©eneral=2Ibiutant, geIb=<marfd}aIU2ieutenant grei-
fierr toon tutf^era, 2te SSioline, be<§ Satfer§ erfter $ammerbtener
SStola, unb ber Dberfi=®ämmerer, ©raf Dtubofpfj öonSBrbna SSioIonceH.
9?ad) be3 ledern Sobe, ju Anfang ber äioanjiger Sabje, befefcte ber ßaifer
ben öaeemten Sßla$ mit §crrn ©ottlieb, SNitglieb feiner $of=6apene.
— 86 —
Senn fo lange bie (Götter Ujm £>eil unb blüfjenbe 3ugenb
Scnenfen, troßt er unb lDäfjnt, iön treffe nimmer ein llngtücf.
Slber jütfitigen ifjn öie feiigen (Götter mit 2rübfal,
3>ann erträgt er fein Reiben mit Ungebnlb unb 23er$roeiflung.
Senn wie bie Jage firf) änbern, bie Sott Dom Jpimmef fenbet,
Sienbert fidj audj i>a$ £>er$ ber erbebetnorjnenben TOenfdien.
3)rum ergebe fidi nimmer ein SDJann, unb freute nimmer;
Soubern geniefje, roaS ifjm bie ©ötter befdjeren, in Semutt)!" ©. 350.) 4S)
48 J Hom. Odyssee XVIII v. 129 ff. A. d. H.
87
II. föatnlogifdjer Vorbendjt.
Sm SBegriffe nun, bie in ba§> letzte Suftrum biefer ^}eriobe
(barin bie fünftieriict)e Sßtrf famfett SBeetfjoüen'S ttjren Anfang
nimmt) fatfenben SBerfe $u üeräeidjnen, roirb e3 gur befferen Drien=
tintng erforberlidj, einige Hnmerntngen üorau§gerjen 31t (äffen.
A. Sie SBerf'e S3eett)oüen'io Reifen ftd) in groei Statt-
gorieen ab, bereit eine mit Dpuggafjten, bie anbere mit
Stummem berfefjen ift. (Srftere rühren Dom (SomOoniften fjer,
bürfen bemnact) bi§ 5U einer gemiffen Jpötje, fo lange nämtid)
berfelbe bie ©eluorjnrjeit feftgefjatten, felbe eigenfjänbig auf jebem
Üöfanufcttyte 511 notiren, al§> jiemlid) Dertä^ltct) angeferjen
merben. 2)iefe Kategorie umfaßt pmeift bie größeren unb
großen SJÖerf'e jeber ©attung. SDie mit Hummern üerferjene
aber mürbe burtf) Uebereinhtnft ber oerfd)iebenen Verleger, an-
fäng(id) im ©iuuerftänbnifj mit bem (Somponiften, aufgeteilt unb
umfaßt b(o§ Keine SBerfe, at£ Variationen, %än^l Keine Sieber,
Don benen nid)t menige erft nad) bem 5lbleben VeetfjoOen'ä
oeröffentlidjt morben.
Siefe Unterfdjeibung f>at jebod) lebigtid) bei Äatalogifirung
ber SBerfe aus ben legten fünf Sauren biefer Sßeriobe eine
d)rono(ogifd) ridjtige (Mtung. 233eitert)in mirb ber Verfaffer
oon einer fatatogifdjen Unorbnung 5U berieten fjaben, mie fie
morjl in fo {jorjem ®rabe niemals bei einem 5(utor üorgefommen
fetjn bürfte. 9Iuf ©eett)oöen felber fällt nur ein geringer £t)eil
ber ©djulb, ber größte aber auf bie Verleger unb aufjer biefen
nod) auf bie ben Stonbidjter lange 3e^ t)inburct) beüor*
munbenben ^erfonen, bereu nähere Vetanntfdjaft ber Sefer irt
ber folgenben s$eriobe macfjen roirb.
2)ie Verleger betreffenb, fo mar e§ jumeift fanget an
©inüerftänbnifi, jumeiten in 50^e ö°n gegenfeitiger ©iferfudjt
unb Vetteibung, burd) roetd)e3 bie bebauer(id)e Vermirrung
tjerbeigefürjrt morben. ©in anberer ©runb finbet fid) in ber
unberechtigten, §umeift roillfurticrjen ©infdjattung fo öieter
arrangirten Sßerfe unter bie Doublen. 9?ur burcr) SefeitW
gung ber 2trrangement3 in eine abgefonberte Kategorie fönnte
eine beffere Orbnung bei ben Originalen ergtuecft merben.
B. Sinb bie SBerfe unferS ütteifterg nidjt immer in ber«
fetben Drbnung ^ur Sßeröffent(icr)ung gelangt, afö fie entftanben.
(ginjefne mürben tljeifö megen fpäterrjin noct) ansutegenber
$eife jurücfgetjalten, trjei(3 blieben fie au3 93ertag3* ober ricfj=
tiger ©peculationggrünben triefe Satjre im ^Sutte be§ Verlegers
verborgen. S)a§ ber brüten ^ßeriobe anrjängenbe 58er^eict)ni%
mirb berlei com Verleger gurücfgetjattene SBerfe mehrere
anführen. §infitf)ttidj ber rfjronotogifcfjen Üieirjenfolge finbet ftdj
ftfmn bei CpuS 1 eine Unritfjtigfeit. £a§ Xrio in C moll,
me(cfje§ in ber Sammlung an b rittet ©teile fteljt, mar ba&
%u aÜererft oollenbete. Steigerung be§ @ffefte3 öon ÜJcummer
ju Kummer mar ber ©runb, haft e£ bem in Es dur unb in
G dar nacrjgeftellt morben. Dber, ber Gomponift fat) fidj bei
breien in ein Dpu§ zusammengelegten ^robucten gleicher (Gattung
ueranfafet, ba§ fctjrcäcrjere in bie üftitte §u ftellen. So finbet
e§ ficf) bei ben brei Sonaten, Op. 2, ferner nocrj bei ben brei
(Sonaten Op. 10 biefer Sßeriobe ungehörig. 2Seitert)in erfdjeint
ein fotctjer ®runb nidjt merjr üortoaltenb.
S3ei bem gegenmärtig btütjenben 3uftan^e oer C£onjectural=
Äritit in SBeetrjoüen'S Sftuftf, oornerjmlidj in ^ufelanb unb
granfreicf), ift metjrfad) au3gefagt morben, bafj einzelne üon
ben Herten, bie mit anbern ^ufammen unter einer Dpu§-
3at)t uorliegen, unb entmeber im Strjl ober im ©ehalte oon
ben mitgefjenben fiel) unterfetjeiben, irjr ©ntfterjen einer früheren
ßeit öerbanfen. ®em mufe entfcfjieben miberjprodjen merbem
©in Satjr früfjer ober füäter niebergefdjrieben ift üon feiner
Sebeutung, unb mehrere 3at)re lagen niemals baamifcfjen. 2(13
gan^ juüerläffig gilt, bafj feinet ber meiter unten oerseicrjneten
äöerfe bor 1794 öerfa^t morben.49) ©inline biefer im Ueber*
49) Dieses apodiktische Urteil ist doch wohl zu modifizieren.
Schon der Artikel im I. Bande Thayer-Deiters „Was hat Beethoven in
— 89 —
mafe grübetnben unb ttftefnben (Sonjecturat^ritifer, in her
©inbitbung, bei Beetf)oüen ein fteteS $ortfdjreiten ot)ne 9?üd=
fdCjritt auffinben ju motten, tyaben beffen DbuScula, a(§: bie
Bagatellen unb anbete fteine ©ad)en für ^ßianoforte, ütete
Sieber u. bergt., in be§ 9J?eifter3 Sngenb^eit äitrüdoerroiefen.
©ie conjecturirten unb ütjitofopfyirtett, ba$ nacf) gibetio, nad)
ber C-moll= unb ^aftora(=©infonie ber 5(utor fotdje Meinig-
feiten nidjt metyr fdjreiben gefonnt. 3>iefe Derbiffenen $unft=
fdjmäijer, bie fid) in faft bebauertidjer Sßeife abmühen, ba$ 2tuf=
fteigen be§ 23eett)oüen'fd)en @eniu§ trigonometrifd) berechnen
^u fönnen, mie itjnen gerabe bie Dpu3=3af)(en in oen 3?ram
taugen, mögen üernetjmen, bafc nidjt roenige tiefer DpuScuta
roäljrenb be§ 3ufammenteben§ mit Beetfjotien üor meinen
Singen entftanben, unb Don einigen nod) 5l6fd)riften mit
(Sorrecturen be3 (Somponiften üon mir aufberoaljrt merben. Sfi
ber Montblanc nt«±>t öon mehreren minber tjotjen Bergen, fogar
öon gan$ niebrigen, umgeben?
§örten mir gteicfrtuofjt einige ©eitenäatjten ^urüd ben eben
breifcig Se6en§jat)re §ät)(enben 23eetf)oüen aufrufen: „9?id)t§ üon
Smutje!" fo barf bodj berfidjert merben, bau er nad) weiteren
jmansig Sauren nid)t metjr fo gebadjt, bietmeljr gefügt fyabe,
bafj er aufteilen ber 9?uf)e bebürfe, nämüd) einer tätigen SRiitje,
ober ruhigen £t)ätigfeit. S£u8 foldjen Momenten batiren üer=
fdjiebene £(einig!eiten, bereu einige au§ ©efälligfeit für ©önner
unb greunbe gefd)rieben roorben. SSarum motten bie ba§>
innere be§ @rbbafl3 burdjraüfytenben $unftpt)tfofoph,en nidjt
lieber au§ folgern Berfafyren ben ©djtufe gießen, bafj Beetfyoüen
fid) gumeiten in ein jugenbtidjeä Alfter jurüdoerfe^te, um bann
Bonn komponiert?" weiß davon zu erzählen. Besonders sei an die
Opuszahlen 52 und 104 erinnert. Die Lieder op. 52 stammen fast alle
aus sehr früher Zeit, man sehe in Wegelers Notizen nach ; im Nottehohm :
Verzeichnis unter op. 52. Noch auffallender ist die Opuszahl 104 beim
Oktett in Es-dur, aus sehr früher Zeit, 1792 oder 1793. Das Original
erstand aus Artarias Besitz Dr. Erich Prieger. A. d. H.
— 90 —
mieber neugeftärft mit aller SQStHenS* unb ©eifteSfraft mehrere
©diritte nad) bormärtS tf)un 51: fönnen? Sftit metdjem ©pitljeton
er fetber folcfie ftfeinigfeiten djarafteriftrt, merben mir in ber
3ten ^eriobe oernefymen.
C. SGßirb unter oorbemerften Umftänben nur um bie ßeit
be* Grfd)ienenfet)n3 ber oerfd)iebenen 2Serfe gefragt merben
bürfen. allein felbft babei fönnen etnjelne teife ßtoeif^ nirfjt
mit 'Sidjerfyeit getöfet merben. Snbeß finb Differenzen um ein
Safjr früher ober fpäter üon feiner Sebeutung. Gc§ fonnte mit
©enrifefjett nidjt ermittelt merben; ob ein SBerf ju Ausgang beö
einen, ober bei (Eingang beö fotgenben 3af)re3 ber Deffentticfjfeit
übergeben morben. £nnfid)tlid) geftftettung einer djronologifdjen
Drbnung, menigftenS bei ben größeren SBerfen, mar ber S8er=
faffer nod) bei Setijetten be§ S)teifter§ unter SDZitmirfung ber
Verleger Slrtarta unb Diabelli beftiffen. Slntafe tjie^u fjatte
eine gufdjrift mit nieten gragejeidjen oon (Srfterem an 33eetf)oüen
im Safjr 1819 gegeben, meldje at§ 23eteg für bie fatafogifcfje
Unorbnung im 9(nf)ange gnx gmeiten ^eriobe mitgeteilt merben
fotl. Seiber aber mar fein ?lu3meg au§ biefem gräulichen
3}erf)aue 51t ermitteln. S)a§ Original üon 2trtaria'3 ß11^1*^*
liegt oor.
D. 8oIl im &er3eid)mJ3 ber SBerfe, mo nur tf)itn(id), ber
erfte Verleger genannt merben, unb ^mar auf ©runb oon
beren (Sorrectfjeit, menigften§ im ungemeinen. @3 ift ber Badjt
megen midjtig 5U miffen, baf} 93eett)ot>en feine SBiener ausgaben
ftet3 fetber corrigirt tjat. $on au§märt§ gebrudten SBerfen
finb mir, nt§ Oon if)tn corrigirt, nur bie legten ©onaten,
Op. 109, 110 unb 111, im @d)(efinger'fd)en Verlage §u $art3
befannt. S)af$ fid) inbefj alte bie oon ifjm fetber corrigirten
ober bfoy reoibirten ausgaben burcf) abfotute 9?einf)eit au£=
geidjnen follten, mirb man mof)l faum ermarten. ©3 bleibt
überall nodj gu müufdjen. Unter ben älteren Wiener Offizinen
gab e§ eine unb aubere, bie fid) ber üftadiläffigfeit mie and)
Unfauberfeit bieöfallö nur gar 51t oft fdjutbig gemadjt f)atte,
— 91 —
bem ©eitenS be3 ©omboniften nicfyt 51t fteuern mar. ©0 t)at
man 3. 33. in ber Sonate pathetique ben Abgang einer anfef)n=
liefen Qafyi oon 5ßortrag§seid)en im erften unb smetten ©afj,
midjtig für richtige ?(uffaffung, nidjt b(o§ für gärbung, gu
besagen. Unb biefe Mängel Taufen burd) alle Sftadjbrude.
SBag bie toietertei ü)cad)brude in letzter $eit f)infid)tüd) ber
(Sorrecttjeit nod) überbieö üerfdmlbet, fott beiget)enb nur
berührt aber offen geftanben merben, bajs einzelne ber SBerlagS*
tjanblungen ftarfen Xabel oerbienen.
(Sine $er(ag§f)attblung, bie fid) um Stuffinbung aller Original
©ruefe uon 6(aüier=9)?uftf bemühen unb barnad) einen mit
aüem O-leifje gefäuberten 9cad)brud beraerfftettigen raottte, mürbe
ftd) um 23eett)ot>en'<§ Literatur t)od) öerbient madjen.60) Sit ber
23Sof)Ifeitt)eit ber 2lu3gaben barf man fo!d)e§ Sßerbienft allein
ni(f»t ftnben motten, mie man in unfern Sagen tfjut, mitt man
fid) nid)t auf gleite «Stufe mit Söaummott^abrifanten fteUett
laffen. (Sine in ber jmeiten ^ßeriobe angeführte „SBarnung"
mirb bie §erren Verleger belehren, mie e§ ber grofte 99ceifter
mit ber Gorrectfjeit feiner SBerfe fetber gehalten unb aud) bon
anberen gehalten tjaben mottte.
®inb gfeid)h)of)( bie meiften ber alten Wiener $ertag3=
(janbtungen erfofdjen unb itjr Verlag auf anbere übergegangen,
a(§ 3. 53. ber reidjfyaltige beS ®unft= unb $nbuftrie=
ßombtoirg fammt bem Don (Sber, SftoUo u. (Somb. auf
«Stein er u. (Somb. (gegenmärtig £>a3tinger); ferner ber Vertag
bon ßabbi auf 2Bi§enborf, fo ift eS nid)t mof)l gtaub(id),
bafj beren £)riginal=2)rude fämmt(id) bertoren febn fottten.
50) Die große Br. & H. -Ausgabe, die mit dem ganzen philo-
logisch-kritischen Apparate gearbeitet ist, dürfte dieser Forderung
vollauf genügen. A. d. H.
92
III. SBersetdjnifj btt Don 1795 fcie incl. 1800 erfdjienenen äßerfe.
£>pu3*
3**1
1
©rfdjie=
nett
1795
(Srfier
SScrleger
2(rtaria
2)rei Srio'S (Es dur, G dar, C moll)
für *pianoforte, Violine u. SSiofoncetto.
3ufolge ?(nmerfung ü6er ba§ Xrio in
C moll, bie fidj (Seite 85 in ben Zotigen
bon gerb. 9tie<§ oorfinbet, als fjabe
$ater £>at)bn; nadjbem er alle brei
£rio'§ bei gfürft SidjnomSfrj gehört, ju
beffcn Verausgabe nidjt geraden, folt
in bem (Somponiften ber Sßerbacfjt üon
üfteib unb (£iferfud)t bei §arjbn ent=
ftanben ferjn. 9tu3 §at)bn'§ 2eben§=
gefd)id)te ifi befannt, baf; er bie beiben
Sarjre 1794 unb 1795 faft ganj in
(Sngtanb »erlebt fjat. (Seine 9tbroefen=
fjeit uon SSien null fidj foroofjt mit bem
Saturn be§ Qn.'fd)einen§ biefer £rio'§,
a6er aud) mit ber irjm äugefdjriebenen
SKeufeerung nid)t roof)( reimen laffen.
<pat jebodj §at)bn auf ^Befragen beS
nod) f et)r jugenbtidjen 9tie§ biefe
3leuBerung roirttid) baf)in erflärt, mie
biefer anführt, „bafj er nid)t geglaubt,
btefeö £rto mürbe Dom ^ubtifum fo leicht
oerftanben unb günftig aufgenommen
merben," fo ift bamit jebe fdjiefe Aus-
legung befeitigt. @3 mirb aber erlaubt ferjn,
über §at)bn'§ ©rftärung gu fiufcen, roenn
man feine eigenen Xrio'S rennt, deiner
«Seite ftefle id) biefen Vorfall in bie lange
9t eirje ber SDcifjüerftänbniffe, bereu in S3eet-
fjoüen'S ßeben leiber gu öiele bageroefen.
93
2
Srfd)ie=
tten
1796
1796
1796
1797
(£rfter
33erleger
9lrtaria
ungemifj
Strtaria
9lrtaria
3)rei ©onaten (F moll, A dur, C dur)
für Sßianoforte.
©rof$e§ Strio in Es dur für Violine,
Viofa unb Violoncello.
Von biefem 2öerfe marb berichtet, ba§
t§> uor ben Strio'3, Op. 1, ja fctjon
1791, gefdjrieben fet), aber üom (Som*
poniften §u fdjmad) befunben tuorben,
um ju atlererft üor bem publicum gu
erfctjeinen. ®<o ift aber eine öage 9tebe.
Quintett in Es dur für 2 Biotinen,
2 Violen unb Violoncello.
S)iefe£ 2Berl ift entftanben au§ bem
erften Verfug Veettjoüen'S für Vla3=
inftrumente ,$u fdjreiben, nämtict) au§
einem Octett für 2 ©tarinetten, 2 Oboen,
2 £>örner unb 2 gagott3, booon fidj
baZ 9J?anufcript bei Strtaria befinbet.
Der neue, fet)r oerbienfttidje Katalog ber
Veetfjotien'fdjen SBerfe bei Vreitfopf u.
§ärtet fet>rt ba% ©acfjüertjältnif} um,
wenn er angibt, biefeä Octett fet) au3
bem Quintett tjeröorgegangen. 9lud) ift
in jenem Äatalog bie Opu3=3a^ 103
für biefe3 Octett irrttjümtid) gefegt. (£§
erjfiirt meber ein Op. 103 nod) ein
Op. 104 aß Originaler!, ©runb:
bie ßonfufion unb iljre Urheber. (@iet)
toeitertjtn 5lrtaria'£ oorftefyenb berührte
ßafc^rift oon 1819 an Veetljooen.)
ßroei grofje (Sonaten in F dur unb
G moll für ^ßianoforte unb Violoncello.
— 94 —
6
9
10
11
@rjd)ie=
nen
1797
1798
1798
1798
1799
1799
(Srfter
Verleger
(£ber
5trtaria
9lrtaria
Strtaria
(Sber
moUo
£eid)te ©onate in D dur für $ßiano=
forte 51t 4 Rauben.
Von ben mit Hummern oerf ebenen
Variationen finb im Safyre 1797 er«
fctjienen: m
a. 9?eun Variationen in A dur über
ein Xfjema au§ ber Oper: „Die jdjöne
aßüKertH." Strtaria.
b. ©ecf)3 Variationen in G- dur über
ein %fyma anä berfelben Oper: „Wirf)
fliegen alle greuben." Slrtnria.
c. 3ft>otf Variationen in C dur,
%f)ema: ein Menuet ä la Vigano.
?lrtaria.B1)
d. ßmötf Variationen in A dar,
£t)ema aus bem Vatlet: btö SBatb«
mäbdjen. ?lrtaria.5'2)
©rofee ©onate in Es dur für ^ianoforte.
©erenabe in D dur für Violine, Viola,
unb Violoncello.
Drei Srio'S (G dur, D dur, C moll) für
Violine, Viola unb Violoncello.
Drei Sonaten (C moll, F dur, D dur)
für Sßianoforte.
©rofje§ %x'\o in B dur für ^ianoforte,
dlarinette (ober Violine) unb Violoncello.
51) Dieser Titel lautet genauer: „12 Variationen über das Menuet
ä la Vigano aus dem Ballett: Le nozze disturbate von J. J, Haibel.
A. d. H.
52) Genau: „12 Variationen über den russischen Tanz aus dein
Ballett ,Das Waldmädchen' für das Pianoforte von Paul Wranizky."
A. d. H.
95
3ot)i
12
13
14
(Srfd)ie=
nen
1799
1799
1799
ßrfier
Verleget
?frtaria
@ber
äRoÜo
15
1800
ÜÄoHo
£)rei ©ouoten (D dur, A dur, Es dur)
für ^ianoforte unb Steinte.
Sonate pathetique in C moll für Sßtano*
forte.
ßtoei «Sonaten in E dur unb G dur für
Sßtänoforte.
Sn bemfe(6en Satyr finb erfdjtencn:
a. 3 to ö 1 f Variationen über baS £Jjema:
@tn SKäbdjen ober SBetbdjen. Xraeg.
b. ^{d)t Variationen in C dur, Secuta
au§ Üiidiarb Sötoett^erg: 9J?td) 6renut
ein rjeifjeS gfteber. Stweg.
c. ßetjn Variationen in B dur, Xtjema
aus $attftaff Oon ©altert: La stessa, la
stessissima. 5frtaria.
©rfteä (Sortcert in C dur für Sßtanoforfe
mit Drcfjefter.
Sie erfte ?(uffürjrung btefeä 3SBerfe§,
uomGomponiften fetber öorgetragen, fanb
ftatt 5ur grürjIingSjeit 1800 im ßärnt*
nertrjor=£ljeater, unb jroar mit großem
VeifalL ©teidjjeitig probucirte er alä
\Km üföerfe ba§ Sept ttt unb bie erfte
«Sinfonie in C dur. Cbenbrein liefe
er ftcr) nodj in einer freien Sßljantafie
rjöreu. lieber bie Sinfonie fpradj fid)
bie Ärtttf fur5 barjin au§: „Viel Äunft,
9?eut)eit unb 9veicf)tt)um an Sbeen; nur
roaren bie SBfaShtftrumente gar ju tuet
angemenbet, fo bafj fie mefjr Harmonie,
als gan^e Drdjefter=5öfuft! mar." ?ülg.
ÜRuf. 3tg. VI. Sarjrg. ©. 321.
— 96 —
Ml
erföte*
nen
(ätfter
SSctle'ger
Sn
bemfetben Satyr finb nodj er=
fdjienen:
a. (Sieben Variationen in F dur,
Xfyma au§ bem Dpferfeft: ®inb ttritlft
bu rutjig fdjfafen. Verleger ungemifj.53)
b. Slcfjt Variationen in F dur, £rjema:
Xänbetn unb fc^er^en. ©imrocf.
Von anbem SBcrfen biefer Kategorie, ai§>: Variationen,
hängen unb 9J?enuett§, mären nod) mehrere ansufürjren, beren
Grfdjeinen in biefe Safjre fällt. 2)e£ 9famme§ roegen Ratten mir
un§ aber an größere Söerfe, bie gteicfjfattg au3 biefer $eit
batiren, at§:
1. £>ie erften brei Quartette (F dur, G dur unb D dur),
bie etroaS fpäter mit brei anberen nod) unter ber £)pVL&Qafyl 18
erfdjienen ftnb, fonatf) erft in ber 2ten ^ßeriobe §u tiergeicfjnen
ferm roerben. ©ie maren bei 9J?olIo feparat gebrudt.
2. Von ®efangftücfen gehört biefer ^Seriobe an: Scena
et Aria (Ah perfido!) Über t)a§> ©eburt3jar;r biefe§ SBerfe*
tritt SllotjS 3fud)3 afö ßeuge auf. Unterm 4. 2Rai 1852
fd>reibt er mir barüber roörtücr): ,,5d) befitje eine gefdjriebene
Partitur rjietion, auf roelcfjer ber Sitel ganj eigentjänbig öon
Veetrjoüen gefcfjrieben ift, unb fo tautet: „Une grande Scene
mise en Musique par L. v. Beethoven ä Prague 1796. De-
dicata alla Signora Contessa di Clari." 3n ber Sßartitur
fetbft ift Veetrjooen'3 §anb fe§r tjäuftg ftd)tbar. 5luf bem £itet*
blatt ftefjt uon feiner §anb: Opus 46."
£>iefe§ ©efangftüd §ät)tt fomit §u ben erften SBerfen be§
jugenbticfjen SD?eifter§ unb geigen ficrj bie in ben Katalogen an=
gegebenen Dpu§=3af)len: 65 (Vreitfopf unb gärtet) unb 48
53) Die Ausgabe Dezember 1799 trug nach Nottebohm den Ver-
merk: „In Vienna presso T. Mollo & Co." A. d. H.
— 97 —
(§ofmeifter) a(3 unrichtig. £)urd) biefe £itetauffd)rift wirb ju=
gteid) auct) ber ßettpuitet bon 23eetf)oben'§ 9xeife nad) Seidig
rntb SBertin feftgefteüt.54)
3(ber auct) bie ?tbelaibe gehört biefer ^ßeriobe an. <2ie
warb fd)on 1797 componirt, unb erfcfjien atöbalb im £>rud bei
2trtaria. Sie angegebene £)pu<o=3af)t 46 ift mithin ein Srrttjum.
SBeetfjoben'S SBrief an ben 2>id)ter SWatttjifon bei ®e~
tegent)eit ber Überfenbung biefe3 ©efangftüdeg (ber £)id)ter lebte
bamalä in 2)effau) liegt mir in einem gacftmite bor, \)a% bor
langer ßeit einer mir nnbefannten geitfdjrift al£ Beilage biente.
2)iefe3 in rjiftorifdjer §infid)t intereffante @d)riftftüd lautet
wortgetreu :
SßerefyrnngStuürbigfter!
©ie ermatten tjier eine ©ompofttion bon mir, meiere be-
reite fdjon einige Satire im ©ticl) fjerauä ift, unb bon wetdjer
©ie bietteidjt ju meiner ©djanbe nodi gar nid)t§ Wiffen. SJfict)
entfdjutbigen, unb fagen, warum id) Sfwen etwa§ wibmete, ma§
fo warm bon meinem ^erjen fam, unb Sfynen gar nidjtä babon
befannt machte, ba§ fann icfj nidtjt, bietteidjt baburd), ba$ idj
anfänglich %fyxm 3tufentrjalt nidjt Wufcte, ^um Stt)etl aud) Wieber
meine ©djüdjternljeit, baf$ icl) glaubte, mid) übereilt $u t)aben,
Slmen etwa3 gewibmet 5U t)aben, wobon icl) nid)t wujgte, ob e§
Streit Sßeifatt rjätte. $war 0UC^ je^t fdjtde id) SI)nen bie Stbetaibe
mit 2lengfttid)teit. @ie wiffen fefbft, ma§ einige Safyre bei einem
$ünftter, ber immer meiter gefjt, für eine Söeränberung Ijerbor*
bringen, je größere gortfdjritte in ber $unft man mad)t, befto
weniger befriebigen einen feine älteren SBerfe. — Sftein tjeifjefier
SSunfd) ift befriebigt, wenn Sfynen bie muficattfdje ßompofition
Stirer rjimmtifdjen Slbelaibe nidjt ganj mißfällt, unb wenn @ie
baburd) bewogen werben, balb wieber ein ätynticrjeS @ebid)t §u
fdjaffen, unb fänben @ie meine Sitte nid)t unbefdjetben, e§ mir
54) Man beachte diese Schindlersche durch briefliche Zeugnisse
erhärtete Rektifikation zur Arie „Ah perfido". A. d. H.
31. ©tfjinbterS Seet§oöen=83iogra^ic. 7
— 98 —
fog(eicf) 511 fdjicfen, unb icf) tutE bann alle meine Gräfte auf-
bieten, Styrer fdjönen ^ocfie naf)e gu fommen. — £>ie ©ebication
betrachten ©ie tfjeitS als ein 3eid)en ^eg Vergnügens, meines
mir bie (Sompofition %f)xer 2t. geroärjrte, tljeitS als ein 3eidjen
meiner ©anHJarfeit unb ^odjadjtung für baS feiige Vergnügen,
raaS mir $$re ^ßoefie überhaupt immer machte unb nod>
machen rcirb.
SBien 1800 am 4ten Sluguft.
©rinnern ©ie ftcf) bei 2)urd)fpie[ung
ber 2(. gumeiten StjreS ©ie
mafjrfjaft tierefjrenben
Söeetfjoüen.55)
55) Das Faksimile dieses herrlichen Briefes befindet sich in
Schindlers Beethoven-Nachlaß auf der Königl. Bibl. zu Berlin. Genauer
als selbst bei Schindler steht der Brief nebst Erklärungen in B. S. Biv
No. 37, I. Band. A. d. H.
99
IV. Gfjarafteriftifäeg 9Herfmnl ber ßunftfrittf, unb
SBeurtfjeUung SBcct^tHJCiff^cv äßcrfe.
$ur SöerOotlftänbigung ber auf biefe ^ertobe begügticCjen
2)inge unb Stljatfacfjen gefjört aud) bie ^enntnife, tuie bie äöerfe
be§ jugenblicrjen SD?eifter3 bei itjrem (Srfdjetnen Oon ber Sfrmft*
frttif aufgenommen morben. Sa, biefe ^Beurteilungen bilben
in ber £§at einen ergän^enben %t)eil in feiner Seben§gefd)id)te ;
benn, meit 33eett)oöen oon 2lnbeginn fetner Saufbafjn eine aufeer*
gemöl)ntid)e Stiftung in feinen §erOorbringungen funbgegebeu
unb biefetbe confequent tierfolgt fjat, fo mürbe aucfj bie Äntif
in eine aufeergemörjntidje (Stellung gegen ifjn öerfetjt. ®ie unfern
SDtofter betreff enben ^ritifen ftnb au3 biefem ÖJrunbe meift
eine pifante SSür^e in feinem Seben unb gefjen it)m mie 5£ra=
bauten mit nur trjeitmeife Oera'nberter Färbung ftetö ^ur ©eite;
mie tefyrreid) grof$entf)eil§ \fyt Snfjatt, mirb fidj oon fetbft er=
geben. @§ ift barum unerläfjticfj, menigftenS einzelne 23eifpiefe
baüon biefer ©djrift beizugeben. ©ollen aber biefe fritifcfjen
9lu3fprüd)e für unfere geit oon mel)r Sebeutung ferju, als folcrjen
au§ unfern Sagen in ber 9?egel beigelegt mirb, fo ift oorab ein
Solid auf SSerf»äItniffe unb ßuftänbe bamaliger tatftfrittf rätbjlid).
Sn gan§ 2)eutfd)fanb, ja mau barf fagen, in ber gangen
sD?ufifmelt, eyiftirte in jener ßeit nur ein einziges fritifdjeS
Tribunal Oon altgemein anerkannter Autorität, nämlid) bie
allgemeine 9ftufilatifd)e ßeitung äufieip^ig, bem ©mporium
alle§ üftufilrjanbete.56) Sfyr erfter Safyrgang getjt Oom 9ftonat
Dctober 1798 bi3 §u (Snbe September 1799, unb biefe Drbnung
finbet fid) nod) groölf 3at)rgänge meiter, bis in ber gortfetsung
ber eigentlid)e 3at)re3lauf eingehalten mirb. 5)a§ 9M>actiom3=
gefdjäft leitete ber in t)ol)er Slcfjtung ftetjenbe muficalifdje ©cfjrift*
fteller griebricf) 9?od)li§. £>iefe§ Tribunal beftanb au§ lauter
fadjfunbigen, erfahrenen unb unabhängigen Männern, Oon ben
56) Man vergleiche das hierüber bereits in Anmerkung No. ii
Gesagte. A. d. H.
7*
— 100 —
^f(id)ten itjreS SlmteS gegen ®unft unb Stünftler burd)brungen.
(Sein djarafteriftifdjeS äfterfmal mar: Uebereinftimmung im
Urtfjeit. ©ieS i[t inbefc iridjt bafjin ju üerftefyen, als fet; nicfjt
and) mobificirten ?fnfd)auungen Raum gegeben morben, öor=
nerjmtid) auSmärtige ßunfileiftungen betreffenb, beren 55e=
urttjeifung gumeiten nidjt genugfam befannten Referenten an=
oertraut merben mutfte. 2)urd) einheitliches 3ufammenimr^en
nad) feften ©runbfätjen, fern üon Sßarteilidjfeiten unb Rüdfid)ten
auf öerfönliclje (Stellung beS S3eurtt)ei(ten, erltärt fid) f)auöt=
fäd)licfj ber grofee ©nflujj biefeS DrganS auf btefe (Süodje. Sie
Ijof)e Slcfjtung üor ber leipsiger $rittf' erhielt ficf» fpejieü in SSien
unüeränbert, obgteid) bafelbft im ^meiien Satjrge^enb anfangs
burd) Sgna^ öon 9)Jofet, fpätertjin burdj $. 21. Stanne, eine
9ttuftfatifd)e 3e^tun9 m^ ©efdjid — bennod) aber of)ne bie
geringfte Autorität unb (Sinmirfung, rebigirt mürbe. 3m 9lfl=
gemeinen tjat fid) biefe 2td)tung in ungefcfjmädjter föraft bis §u
Anfang beS üierten 3a£)V3el)nbS ermatten, bem 3^itpuncte nämticf),
mo faft alle fünftlerifdjen SBerfjältniffe eine anbere ©eftalt in
ber 31u^enmett an^unetjmen begannen, gang befonberS bie mufi=
catifdjen, metdje öon ba ab fid; mit ben inbuftriellen ©e=
batjrungen immer meljr unb meljr ibentificirt tjaben.
5ÜS ?ßarerttt)efe feto ein bloS rabirteS ©egenbilb öon ben
3uftänben ber Äunftfritif unferer (£pod)e aufstellen erlaubt.
— £>ie auS fo üeränberten SBerljättniffen Ijeroorgegangene unb
barauf fid) ftüt^enbe Sßietljeit ber 9J?ufiforgane, baS ßin=
mifd)en fämmtlidjer betletriftifdjer unb OoHtifdjer ßeitungen in
baS ®efd)äft ber föritif, in letjter 3eü nod) gar bie ^artei=
53eftrebungen ber fogenannten „ßufunftSmufif" im offenbaren
53rud)e mit ber tjiftorifdjen Sdjule, — bieS alles öereint mufete
in unöermeibtid)er Sßeife bie 2tnfd)auungen gfeidjfatlS üeroiet*
faltigen, öerflacfjen unb in iljrem ©runbmefen corruinüiren;
bafjer bie gex\afyxznfyeitl folgerecht Unmirffamfeit, aller
muficalifd)en Slritif, benn im ©an^en ejiftirt fte bloS gur gor*
berung inbuftrietler Qroedt ©ingefnev. $aum eine beutfdje
— 101 —
©rofeftabt barf fidj gegenroärtig rühmen, nur ^roet unabhängige,
nad) einf)eittid)en ©runbfätjen berfatjrenbe unb jeber (£r=
fdjeinung nacf) befter unb fefter Überzeugung geregt ferjenbe
Drgane gu befitjen. 8n Heineren Stäbten U)irb eine unbefangene
Äritif fd)on biegen bes engen gefeHfd)afttid)en ßufammenlebenS
be§ Urt^eitenben unb Söeurtrjeilten, überhaupt au3 bieten fid)t=
baren unb unfidjtbaren ©rünben, fd)ted)terbing3 unmögtid). —
Sn unferer ßeit, roo befonberg ber bornefjme ^fjeit ber 9J?u[ifer
eine ^ßrajiS gu befolgen gelernt, bie Journale gur görberung
feiner runftlerifdjen ,3roede gu benutzen, ja fie förmtid) com=
manbirt unb biefe ftd) p oft gegen bittigen Sßergfeicfj comman=
biren laffen, mo ferner ber Dilettantismus eine fo Ijerborragenbe
^Rotle fbielt, ftarfe Söruct)tr)eite babon einen rjofjen @rab bon
®unftberftänbnife fid) gutrauen, unb boct) bon $unftroiffenfd)aft
eben fo roenig befi^en, als ber in früherer $eit ™ 35efdjetben=
fjeit btoS geniefjenbe Dilettantismus, felbft roenn er roirffam
aufgetreten, (eS barf nur auf bie garjtlofe Strenge bon 9ftänner=
gefang=$ereinen, it)re gegenfeitigen (5iferfüct)teleien, Reibungen
unb ^parteiungen fjingegeigt roerben); ba roirb eine üon jebem
bivecten (Sinftuffe frei unb feft ftetjenbe Äritif um fo not!)*
menbiger, roenn fie nidjt bon ben bieten 2Sinbgügen fiel) bemegeu
laffen unb allen Parteien gur bienenben 9)?agb roerben null.
DiefeS gaftifdje geigt augenfcf)eintid) bie fjofje Sßebeutung
ber allgemeinen Sftufifatifcrjen 3e^tun9 fur ienen 2tbfd)nitt ber
®unftgefd)id)te, mit bem mir eS in biefer Schrift gu ttjun tjaben.
Die Sftufirer unferer Sage, bie fjäufig fo gar leidjt gu fünft«
lerifc^em 9?ut)me gu gelangen miffen, menn aucfj nur für eine
turge Spanne ßeit, merben aucfj barauS erfahren, unter meldjen
53ebingungen ber roarjrrjafte, über baS ©rab rjinauS reicrjenbe
9?u^m gu ermerben ift, roobei bie miffenfd)afttid)e unb gerechte
$ritif atlerbingS ein ernfteS SSort mitgureben rjat.
25er erfte 3af)rgang ber lüg. Sftuf. ßt. enthält bie Strittf über
bier 2öerfe unferS jugenblidjen gelben, nämlid) über brei ^artfjien
Variationen, bann notf) über brei Sonaten für ^ßianoforte unb
— 102 —
Violine, Op. 12. Sie nädt»fte ®rttif betrifft bie „ßroölf äßaria*
tionen: ©in 9Jiäbdjen ober 2&eibd)en", bann nod) bie „?ld)t
Variationen: 9J?id) brennt ein fjeifjeS lieber." Sa Reifet e£:
„Saft §err oan SSeetfjoOen ein fetjr fertiger Gtaoierfpieler ift,
ift berannt, nnb tt)enn eS nidjt befannt märe, fönnte man e3
au§ biefen Vetänberuugen oermuttjen. £)b er aber ein eben fo
gtüdtidjer Stonfe^er fet), ift eine $rage, bie, nad) üortiegenben
groben ju urtfjeiten, fdjtoerer bejaht »erben bürfte. 9f?ec. mitt
bamit nid)t fagen, ba^ irjm ntdjt einige biefer Veränberungert
gefallen fjaben füllten, nnb er geftetjt e£ gern, baJ3 bie über
ba$ £f)ema: 9Jcid) brennt ein t)eifee§ gieber, §errn So. beffer
geraden finb, at<§ 9D?05arten, ber baffelbe Stjema in feiner
frühem Sugenb gteid)fallg bearbeitet tjat. 51ber toeniger gtüdtidj
ift !qx. $8. in ben Veränberungen über ba$ erfte Stfjema, wo
er fidt) 3. V. in ber 9J?obutation Endungen unb gärten ertaubt,
bie nid)t§ Weniger aU fd)ön finb." 3um Vernein »erben nun
einige SBeifpiefe §ur ?lnfd)auung f)erüorgef)oben unb eine nad)=
brüdüdje Söemerfung über bie „ungeheuere SDtenge Variationen,
bie jeijt fabricirt unb leiber aud) gebrudt »erben, otjne ba§
mirr'tid) gar biete Verfaffer berfelben 51t miffen fdjeinen, »a§ e§
mit bem guten Variiren eigenttidj auf fid) §al" Siefer ©tid)
bürfte unferm 23eetf)ouen ^ieintict) tief in'3 fyfetfcf» gebrungen fetyn.
Sie Sfritif über bie brei ©onaten, Op. 12, ift eben fo curioS
an fid), als auffallenb in Ve^ug auf ba$ 2Serl, felbft für jene 3eit,
barum fie ot)ne Slbfür^ung mitgeteilt »erben fott. @ie tautet:
„SRecenfent, ber bi§f)er bie (Stauierfad)en be3 Verfafferl
nid)t rannte, mufj, nadjbem er fid) mit oieler ÜJ2üf)e burd) biefe
gan^ eigene, mit fettfamen <S^roierig!eiten übertabene (Sonaten
burdjgearbeitet fjat, geftetjen, bafj itjm bei bem mirüid) fleißigen
unb angeftrengten ©piele berfelben 511 SDcutfye mar, »ie einem
9Jcenfd)en, ber mit einem geniaüfdjen $reunbe burd) einen an=
todenben Söatb 3U tuft»anbetn gebadjte unb burd) feinbticfje
Verbaue alle Slugenblide aufgehalten, enbtid) ermübet unb er*
fcfjöpft otjue $reube f)erau§fam. (£3 ift unleugbar, £>err uan
— 103 —
VeetljüOen gef)t einen eigenen ©ctng; aber toa§ ift bctS für ein
bizarrer müf)fe(iger ©ang! ©eteljrt, geteert unb immerfort
geteert unb feine üftatur, fein ©efang! 3a, menn man e§ genau
nimmt, fo ift autf) nur geteerte 9CR äffe ba, otjne gute
3)?ett)obe; eine ©träubigfeit, für bie mau menig Sntereffe
füf)(t; ein (Sudjen nadj feltener 9J?obutation, ein ©fettljun gegen
getuöfynliclje Verbinbung, ein 5tnf)äufen öon (Sdjmierigfeit auf
©djmierigfeit, baf^ man atfe ®ebutb unb £yreube babei oertiert.
3d)on Jjat ein anbercr $Rec. beinahe baffetbe gefagt, unb 9tec.
mu| i§m oottfommen beiftimmen. — llnterbeft foü biefe
Arbeit barum nid)t meggemorfen toerben. ©ie tjat ifyren
2Bertf) unb fann infonberfyeit at§ eine ©d)u(e für bereits ge-
übte Gfatüerfpieter Don großem Deuten fetjn. @§ gibt immer
mandie, bie ba$ Ueberfdjraere in ber ©rfinbung unb 3itfammen=
fteüung, ba§>, tt>a§ man SJBiberfjaarig nennen tonnte, lieben, unb
wenn fie biefe ©onaten mit alter ^räcifion fpielen, fo fönnen
fie, neben bem angenehmen ©etbftgefüt)!, immer audj Vergnügen
an ber ©adje fetbft empfinbeu. — SSenn §r. o. 53. fitf) nur
metjr fetbft üerteugnen, unb ben ©aug ber Siatur einfdjtagen
wollte, fo tonnte er bei feinem Talente unb $(eif3 uns fidjer
red)t Diel ©ute§ für ein Snftrument tiefern, beffen er fo aufser=
orbentüd) mädjtig 51t fetjit fdjeint."
Sie SCritif über bie 5ef)n Variationen: La stessa, la
stessissima, ift wotjl in ber 9?eif)e ber erften ^Beurteilungen
bie abfonbertidjfte. ©ie tautet bud)ftäblid):
„Wlit biefen (Variationen) fanu man nun gar nidjt ju*
friebert feUn. 3Bie finb fie fteif unb gefudjt unb Wetdje un=
angenehme ©teilen barin, wo tjarte Kraben in forttaufenben
fyatben Xönen gegen ben Vafc ein f)äf$tid)e§ Verf)ättnif3 madjen,
unb umgefetjrt. üftein, e£ ift waf)r, §r. 0. 25. mag pfyantafiren
fönnen, aber gut §u oariiren üerftet)t er nidjt." — £>ie§ fagt
mau einem Somponiften, ber bereits bem 30. SebenSjafjre
naf)eftet)t. SBeldjer ©porn 5U gortfetmng ber Slnfeinbungen
mag nidjt baburct) ben ©egnern gegeben worben fetju!
— 104 —
(£tma§ freunbfidjer fdjon lautet bie ftritif im gtueiten
Saljrgang ber 3(tlg. Sftuf. 3*9- UDer Op. 10: bret ©onaten in
C moll, F dur unb D dur für ^ßianoforte, bie b(o§ in ityrem
erften Steife f)ier angeführt roerben fott.
„@3 ift nidjt ju leugnen, ba^ §r. ö. 23. ein Wann öon
@enie ift, ber Drginaiität fyat unb burcfjaug feinen eigenen
SSeg gefjt. ©a^u ftdjert itjm feine nid)t geroöt)n(id)e ©rünblid)?
feit in ber t)ör)ern Schreibart unb feine eigene aufjerorbentftctje
©ewaft auf bem Snftrumente, für ba§ er fcfjreibt, unftreitig ben
9?ang unter ben beften G(aöier=Qomponiften unb ©piefern unferer
3eit. ©eine $ü(le öon %been, üor bencn ein aufftrebenbe3
©enie geröötjnlict) fid) nicfjt §u laffen raeij?, fobalb eö einen ber
©arfteüung fähigen ©egenftanb erfaßt, üerantajjt ifjn aber nodj
5U oft, ©ebanfen roifb auf einanber §u Raufen unb fie mitunter
öermittetft einer etma3 bizarren SOcanier bergeftalt 51t gruppiren,
baft baburdj nid)t fetten eine buntte &ünftüd)fett ober eine fünft*
üdje SunMrjeit f)eroorgebrad)t mirb, bie bem ©ffect be§ ©an^eu
erjer 9?ad)tf)eit aU ^ort^eit bringt, ^^antafie, rcie fie Söeetrjoöen
in nidjt gemeinem ©rabe f)at, jumat öon fo guter Äenntniß
unterftüttf, ift etma§ fetjr <2d)ä^bare§ unb eigenttid) Unent=
bet)rtid)e3 für einen Gomponiften, ber in fid) bie 3Öeit)e 51t
einem gröfeern Äünftter fütjtt unb ber e§ üerfct)mäf)t, f(ad) unb
überpoputär gu fdireiben, öielmerjr etroa§ aufftetleu mill, ba$
innere^ fräftigeS Seben fjabe unb audj b^n Kenner $ut öftern
SBiebertjoIung feinet 2Serfe§ eintabe. Mein in alten fünften
gibt e§ ein Uebertaben, ba$ öon gu ötetem unb rjäufigem
SBirfungSbrange unb ©etetjrtt^un rjerrürjrt, mie e§ eine Sllar^ett
unb Stnmutfj gibt, bie bei alter ©rünbtidjfeit unb 50?annigfattig=
feit ber ßompofition gar tuoljt befielen fann." 3n Söegug auf
Deconomie münfcfjt ber morjtöjollenbe 9?ecenfent, ba$ ber Gom=
ponift fid) öon if)r leiten laffen möge unb tnüpft nod) 9?adt)=
ftef)enbe§ baran: „@§ finb lüofjt roenige Sünftler, benen man
^urufen muß: fpare beine ©djätje unb get)e f)au3t)cüterifdj bamit
um! Senn ntdjt öiele finb überreid; an Sbeen unb fetjr gemanbt
— 105 —
in Kombinationen berfetben ! (§3 ift atfo meniger birecter Xabel,
\va§> §ernt o. 25. f)ier treffen fotf, ai§> bielmefyr ein tvofyU
gemeinter $uruf, ber, menn er auf ber einen (Seite aHerbing§
tabelt, auf ber anbern immer etma§ (SfyrentiolIeS behält."
SBeiter in bie Aufarbeitung ber Sonaten eingeljenb ift
metjr £obe§ al§ STabetS §u finben. D^ictjt unintereffant barin
ift bie bem Somponiften ertfjeifte SBarnung : „ . . . . aud) mo§l
untermeiten fid) Weniger an Sätje ber Drget 311 erinnern." —
2)er9iecenfent Ijat ben ehemaligen Drganiften in biefen «Sonaten ge-
mittert! @§ märe bocti ermünfdjt, bie betreffenben Stellen angegeben
5U fefjen. £>eut $u Xage mürbe man fie felbft mit bem fdjärfften
£ete§fop nidjt auf finben — toeit berleiSätje mirftirf) nidjt barin finb.
ßufeijt noci) au§ biefem Sa^rgang — ber ba§ ad^elnite
vsaf)rt)unbert abfdjtiefct — bie Slritif über Op. 13, bie Sonate
pathetique. Sie barf fjier nidjt festen, meit barin bie erfte
Spur 5u finben ift üon bem, menngteid) nodj fet)r uorfidjtigen,
©ingefjen ber Shirt! in ben poetifdjen öntjatt, unb biefe nidjt
blo3 beim ^edjnifdjen beS 2öerfeö ftetjen bleibt, mie geitübtid).
@§ ift nidjt unioatjrfdjeinlid), bafc ber (Sompouift burdj ben
djaraüteriftrenben SSeifat; „pathetique" bem SMtifer ben SBeg
ge5eigt, t)at bort) biefer 35eifat> — ber §uüörberft ber Sonate in
C moll, Op. 10, megen entfrtjieben traftigerer Uebereinftimmung
im Gtjarafteriftifdjen ^mifdien bem lften unb 3ten Sat;, gebührt
ptte") — fomotjt auf Äünftfer mie auf ben gefammten Dilettantin
mu$ eine übermättigenbe 3Birfung ausgeübt, meil er eine greife
bare £)anbr)abe barbietet. 28a3 fagt nun motjt bie ®rttif im
Februar 1800 über biefeg Sßerl? 23udjftäb(idj fotgenbeS:
57) Das dürfte eine von den ästhetischen Unglaublichkeiten sein, an
denen das Schindlersche Buch nicht gerade arm ist; also: das Finale
von op. 10, 1 und das Finale der Sonate Pathetique sollen im Charak-
teristischen übereinstimmen ! In op. 1 0, wo das bei aller straffen Kürze
überaus leidenschaftliche Finale in Prestissimo-G angart steht — und
beim Finale der Sonate Pathetique in 4/4-Gangart! — Das geht nicht
an! Eine Charakterzusammenstellung bei 8/8- und 4/4-Takt! A. d. H.
— 100 —
„9?idjt mit Unrecht fjeiftt biefc motjtgefdjriebene (Sonate
pattjetifdj, benn fie üjat mirfüd) beftimmt teibenfdjaft-
tid)en Gfjarafter. @b(e ©djmermuttj fünbigt fidj in bem cffect^
botteu, it>of)( itnb ftiefjenb mobutirten ©raüe au§ C moll an,
ba% ben feurigen 3föegro^@a^, ber biet [tarfe 23eroegung be§
ernften ©emütt)3 anSbrüdt, bisweilen unterbricht. Sn bem
Stbagio au3 As-dur, ba§ aber nidjt fdjtebbeub genommen roerbeu
mufj, unb fomorjt fdjöne füeftenbe 9J?etobie al§ 9CRobufation uub
gute Semegung i)at, miegt ba§ ©emüttj fidj ein in Smutje unb
Stroftgefütjt, au§ roeldjem e3 aber burd) ba$ 9?onbo in bem
erften i£on be§ Megro, in beibertei Sinne be§ 9£ort§, toieber
gemedt mirb, fo hak atfo baS ber «Sonate -jum fcmbe gelegte
§aubtgcfüiyt burdjgefüfjrt mirb, moburdj fie fetbft (Sinljeit unb
inneres Seben, atfo mirftidj äfttjetifdjen 2Serit) erhält. So
etma§ rjon einer Sonate jagen 511 lönnen, borau<§gefet$t, mie tjier
ber %aü ift, baft jebeä übrige Gsrforbernifj ber muftcatifdjeu
^unft nidit unerfüllt gelaffen ift, bemeifet offenbar für it)re
Sdjöntjeit. ©a3 ©injige, roa§ 9?ec. einem 23eett)oben, ber
motjt fetöer erfinben unb neu fetjn fann, menn er miß, gerabe
nidjt a(§ £abet, nur als Sßunfdt) mehrerer sßottfommentjeit an=
redjnen möcijte, märe, ba^ ba§> SUjema bom 9ionbo ju biet bon
einer Steminifcenj an fidj tjat. SBotjer? fann SfJecenfent fetber
nidjt beftimmen, aber neu ift ber ®ebanfe menigfteuS nidjt."
9Bie ber Sefer au§ biefen menigen SBeifbieten erfietjt, fo
fann ber fortbauernbe Äambf unferS 3fteifter§ mit bem Sitten,
(tfemoljnten, ©ingetebten allein burd) bie Sritif ber (Spodje gur
?(nfdjauung gebradjt merben. Sie mar, mie natürtid), it)r §(u§=
brud, unb nicfjt bergeffen barf mau, baf3 biefe ßboctje bie tarnen
^atjbn unb S£Ro§ar t trägt.
©af? bie Äritifen in ber ?tt(g. 9Jhtf. ,ßtg. a^ier niemals
bie ©ren^tinie be§ Stnftänbigen unb 5tdjtung§boüeu gegen
93eett)oben überfdjritten, fetbft in ber sroeiten Sßeriobe, mo nod)
biet fdjärfere §u finben, baf} fie niemals fo gelautet, mie ein
$Beettjoben=(Sntfjnfiaft neufter 3e^ au^ufagen fidj erlaubte, menn
— 107 —
er unter embern anführt: „Söunberbinge lieft man bort Dort
ber „„^mpertineng"" be3 „„talentlofen jungen ganten,"" ber
ftdj in ben „„tottften Söigarrerien roie jutn §olme ber Äunft
ergebt,"" barf üerfidjert merben. SSorftefjenbe 23eifpiefe geigen
ba§, unb alfo lautet bie 2lu§brud3tt)eife in alten übrigen.
Jöeetljoüen'iS SBerfjatten gegen bie Stritif im allgemeinen ift un§
bereits 6e!annt. (£§ ift ein fotdjeS, loie man e§ üon einem
fetbftbemuftten ^ünfller, ber fid) ein r)ot)eö 3iel geftedt, nid)t
anberö erwarten mirb. 2)ennod) motten mir e3 if)tn nidjt
befonberg üerargen, menn iljn bie oft fefjr unfreunbtidjen unb
ftrengen Urteile be§ leipziger %xxbvmalä gumeiten berftimmt
Ijaben foltten, meil fie feinen ©egnern SBorfdjub geleiftet. Sit
melier SSeife aber er ftcf) mieber gu faffen Oerftanb, geigt eine
Stelle ait3 feinem Briefe öom 15. Sanitär 1801 an ben
Verleger ^ofmeifter, barin er ftcf) über bie „ÖeipgigerD "
ausläßt. (£r fdjreibt: „Saffe man fie boefj nur reben, fie merben
gettnfj niemanb burefj iljr ©efcfjmät; unfterbtief) maetjen, fo tuie
fie autf) niemanb bie Unfterbtidjleit nehmen merben, bem fie t»om
2lpolt beftimmt ift." §ofmeifter, ber biefe §(nmerfnng mal)rfcfjein=
lid) proüoctrt, err)ä£t barin gugteid) etmaö Slröftitttg. Sm ©angen
fabelt aber bie „Seipgiger £> " nur itjre ^füdjt gettjau.
©nbtid) nod) bie furggefajste <Sd)itbernng oon 33eett)oüen'£
^latiierfpiel au§ bem Safjre 1798, mie fie auf <S. 525 beö
erften Saf)rgang§ ber 3tltg. Sftuf. 3*9- au§ ^en gegeben ift:
„QSeettjoüen'iS (Slabierfpiet ift äufjerft brillant, bod) meniger
beticat, unb fdjlägt gumeilen in ba$ Unbeittlidje über. (Sr geigt
fiefj am alleruortfjeiltjafteften in ber freien ^tjantafie. Unb tjier
ift e3 mirftid) gang aufjerorbentlid), mit tuelctjer Seicfjtigfeit unb
gugleidj geftigleit in ber Sbeenfolge $8eett)oüen auf ber ©teile jebeä
ifjm gegebene £t»ema, nidjt etma in ben giguren oariirt (momit
mancfjer SSirtuofe ©tfief unb — Söinb macfjt), fonbern mirtlid) au§=
füljrt. (Seit SKogart'S £obe, ber mir f)ier nod) immer ba§> uon
plus ultra bleibt, Ijabe id) biefe SCrt be§ ©enuffeS nirgenbä in bem
9ftaf$e gefunben, in metdjem fie mir bei Seetfjooen guSfjeit mürbe."
3tt>eite ^eriobe*
33on 1801 bis @nbe 1814.
9?i$t8 bon Zufiel
Sßeeifjoben an SBegeler.
SBor Sßieberaufnaljme be3 Ijiftorifdjen gaben3 mirb el
notljmenbig, einen 93üd auf ben 3?reunbe3frei§ §u roerfen, bon
bem ber grofje s?J^etfter bei beginn biefer ^eriobe umgeben
gemefen. 9Iud) folt fogieid) auf bie 3)auer biefe§ freunbfcfjaft=
liefen Vereins unb feine SBedjfetfätle Sebadjt genommen werben,
um fpätert)in ben ©egnern ©eetijoüen'S aud) in biefem Sßuncte
ermibern p rönnen.
?lu3 ber oorauSgegangenen Sßeriobe rennen mir bereite
ben dürften Start 2ict)nom$h)r,s) als Oäterüdjen greunb unb
©önncr be§ jugenblitfjen 8Mfter§, — gleichzeitig t)atte fid) it)m
aud) beffen ©ruber ©raf SRorig 2id)nom3ft) angefccjfoffen.
(Sin dritter mar ber taif erliefe £)of=<2ecretär 9cifolau§ oon
ßmeSfall. — tiefer $rei3 toergröijerte fid) 5« Stnfang biefer
^ßeriobe burd) ^in^ntreten be3 ©rafen 5ranä Don 33*un3*
mief,50) 83aron Sofept) oon ©teidjenftein60) unb Söaron
s^a§qua(ati.ü]) gumacljS *)atte er bereits burc^ bie im
5rüt)(ing oon 1800 erfolgte Slnfunft oon ©tepfjan oon
58) Der in Beethovens Leben so außerordentlich einflußreiche
Fürst Carl von Lichnowsky, geb. 1742, starb bereits im Jahre 1814.
A. d. H.
59) Dieser intime Freund des Meisters, etwa 9 Jahre jünger, ist
im Jahre 1779 geboren. A. d. H.
60) Freih. v. Gleichenstein, geb. ? A. d. H.
61) Baron v. Pasqualati, geb. ? A. d. H.
— 109 —
93reuning62) au3 Sonn ertjatten, ber in ber 9lbfid)t nad)
SBien getommen, um in ben öftreidjifdjen ©taatöbienft 3U treten.*)
SSon gadjmufiiern gehörten biejem engeren $reunbfd)aft3=
frei3 nur ätoei an, nämtid) ber fdjon früher genannte Sgnas
(Sctjuppangigt) unb ber at<§ Sinter, ßomponift unb Äritifer
bekannte unb bamatS fet)r gefdjä^te g. 9t. Äannc.63) Sfadj
gerbin anb 9lie§64) mufe biefem Greife ^ugefeKt toerben. @r
fam im §erbfte be§ SaljreS 1800 al§ fiebenje^n jähriger 3üng=
(ing nad) SBien, um bei [einem 2anb3manne Seetijooen Unter*
rtdjt im (Staöierfpiel gu nehmen. Sn ber gmeiten §ätfte biefer
^eriobe fetjen mir biefen ÄretS nod) um $mti SDcitgtieber oer=
metjrt: Dfioa05) unb farl 5öernarb,66j erfterer $f)itotog,
ber anbere ©idjter unb bettetriftifdjer ©ctjriftftetter. 2tlte tiefe
(benannten, mit 2tu§nai)me be§ dürften unb gerb. 9frie§, ftanben
mit bem Xonbidjter faft im gleiten 2ttter. tiefer Slreiö erlitt
in ber §u befpred)enben ^ßeriobe nur burct) Slbreife öon 9iie3
1805 eine Sßeränberung. 3m Safjr 1808 fam berfelbe auf ber
fRüdreife au§ SRufctanb mieber nad) äöien, oermeitte jebocf) nur
menige SDconate bafetbft.
Stufeerfyalb biefem Greife ftanb ein ©djmarm üon Äunft*
freunben unb SSemunberern beö neuen ®efiirn§, beftiffen, e§
alter Orten 51t umgeben, um, hrie e§ bei gtänjenben @r=
*) (Sin innige^ greunbfdjaftäüerbältnijj beftanb ännfcben öeetboüen
nnb 2tmenba, einem Surtänber, ber aber fcf)on um 1799 SBien öerlaffen,
um in ber £>eimatf) eine ^afiorat anzutreten, ©r mar ein guter ÜDiufifer
unb fdjrieb felbft Quartette. Sie legte (Sorrefponbenj mit biefem Wanne,
bie nodb norbanben, batirt au§ halfen, 20. Wäx$ 1815.67)
62) Der treue Stephan von Breuning überlebte den Meister nur
um ein Jahr; er starb 1828. A. d. H.
63) F. A. Kanne, geb. 1774, gest. 1833. A. d. H.
64) Ries ist geb. 1784. A. d. H.
65) Oliva, geb. ? A. d. H.
66) Bernard, Carl, geb. ? A. d. H.
67) Diese Briefe an Carl Amenda nebst erforderlichen Erklärungen
stehen in B. S. Br. No. 435 u. f., II. Band. A. d. H.
— 110 —
fdjeinungen, üornef)m(id) auf bem ©ebiete ber SÜcufif, allzeit
ber $ail, feine <Snmpatt)ien burd) 9iatf)fd)täge unb allerlei
Semonftrationen gu betEjätigen.
$rägt e£ fid), 06 bie genannten, bem Slbelsftanbe an=
gehörigen $reunbe in muficatifdjer S9e§ieE)ung eine Sßebeutung
gehabt, fo nriffen mir bereite, \)a% $ürft Sidjnomöfn SWojari »
ßögting gemefen. ©teidjeä rütjmte fidj fein 23ruber. ©eine
9(u3bilbung auf bem Sßianoforte mar eine fünftterifdje. @raf
SßrunSmid, ber ungarifdje 9J?agnat, unb Don QmtätaU, maren
Viotoncelliften, erfterer einer ber aufeerorbenttidjften im Quartett.
$on biefem feltenen Spanne, feinem SSerfjättni^ 5U Sßeetfyoöen
unb 5U1* 'Jonfunft, mirb nod) miebertjott bie Siebe fenn. SBeniger
fünftterifd) gebilbet maren bie beiben 33arone (§err Don ©teid)en=
ftein mar im ©rofjfjeräogtljum S3aben begütert, $ßa§quatati ©roJ5=
fjänbter in 3Sien), aber and) fie fonnten ba$ ©epräge ädjter
itünftternaturen in feiner SSeife üertäugnen.«
£)afj 23eetf)ot>en ba% Anbeuten an biefe üortrefftidjen SOMnner
für alte 3e^ bema^rt miffen mottle, mödjte raofjl auS feinen
Sebicationen gu entnehmen fetjn. S)em fürftürfjen greunbe unb
©önner finb öier SSerfe gemibmet, barunter fein Dpu§ 1, bie
brei S£rio'3, bie Sonate pathetique, bie (Sonate, Op. 26, unb
bie gmeite «Sinfonie. 2)em ©rafen Sidjnotttöft) finb bie $ünf=
jetjn Variationen, Op. 35, unb bie «Sonate, Op. 90; bem
©rafen 23run3mid bie Sonate in F moll, Op. 57, unb bie
gantafie, Op. 77; bem SBaron ©leidjenftein bie (Sonate mit
ViotonceH, Op. 69; bem Saron Sodann üon $a3quafati ber
(£tegifd)e @efang, Op. 118; bem (Stefan öon Sßreuning ba§
ViotimGoncert, Op. 61; unb bem £>of=(Secretär oon gmeSfatt
\)aZ Quartett in F moll, Op. 95, gemibmet.
2)en dürften aufgenommen, ber fdjon 1814 ba§> 3eittid)e
gefegnet, tjaben bie anbern SDfänner alte unfern 2onbid)ter
überlebt unb maren mir alle perfonlicf) raof)( befannt, tt)ettv
befreunbet. ÜHit bem ©rafen Sidjnomäfn ftanb id) in ftetem
Verfetjr; in unmittelbarer 9cäf)e beö ©rafen Srunsmid der*
— 111 —
(ebte id) bie beiben SBinter bon 1828 unb 1829 gu $eftf), mit
®cmne unb ©djuppanjiglj führten micfj bie gemeinfamen mufi*
caüfdjen Sntereffen, fpe^iett bie Sntereffcn $eetljou>en'3 §ufamraen.
3)iefe Scanner, tüte aud) befonber§ nod) Stephan bon 23reuning,
gelten alz bie tebeubigen Quellen, auZ baten id) einen großen
£f)eit beö bor beginn meiner perföntidjen SSe^ietjungen 51t
23eetf)Oben ßui'üdiiegenben geköpft fjabe.
Sine Umgebung au§ lauter gebUbetcn, fid) gegenfettig
adjtenben unb bem £onbid)ter in Siebe unb Xreue ergebenen
Männern fonnte, fefbft bei aufteilen borgefommenen 9J?einung§=
berfd)ieben()eiten, nid)t rootjt geeignet febn, bie £)inge um ifm
tjerum 51t trüben ober gar 5U berroirren unb baburd) Stnlafe
ju geben, baZ ljarmonifd)e SBerJjältnijj sunädjft jum SWadjtfjeUe
öeettjoben'g feCber 51t ftören. 5(ud) bie auf$erfjal6 biefeä Greifes
9ftitrebenbeit bermod)ten nur in fo toeit gefä^rlict) §u merben,
alz biete fö'öpfe unb biete ©inne fetten eine <&ad)e gutn ©uten
führen. 2Ba§ mar e§ atfo benn, ba3, ungead)tet eine§ fo
ftarfen SBoHmerfö um bie $ßerfon be§ großen äfteifterä, bennod)
im ©tanbe gemefen, bie 2)inge ^u bermirren unb it)n fetber
in baZ angerichtete SSirrfat f)inein ju gießen V 2ßa§ mar e§,
baZ fogar bie guten unb uneigennützigen ©inmirfungen foldjer
J^reunbe, mie mir fie ehm fennen gelernt, 51t ©djattben gu
machen unb biefe auf fürjere ober längere £>auer au» SSeetrjoben'S
9xät)e ^u entfernen raupte? (£in Sörüberpaar mar eS, bem
Sfteifter burdj 35anbe ber Sföatur angefjörenb. $n bemfetben
bereinigte fid) in $otge fcfyiefer Stnficfjten, geftiff entließen 2Biber=
fprud)3, §eud)e(ei unb ^ntrigue eine Wlad)t, bie burd) bösmitlige
©trebungen bie $ürforge jener Scanner für ben $reunb teicfjt
51t nidjte machen tonnte, unb mirfiid) oft gemad)t t)at, nietet immer
aber otjne taute, aggreffibe 93efet)bung ber Parteien unter einanber.
Offenbar rjat bie üftatur ein fettfameS ©piet gefpiett, alz
fie bem f)od)finnigen, öon ber 9ftufe ber £ontunft gemeinten,
aber nad) einigen (Seiten Ijin fdjmacfjeu 33eetr)oben ein S3rüber=
paar ^gefeilte, baö bon gemeinem Mmergeifte beljerrfdjt feiner
— 112 —
f)öf)eren Üiegung fätjig geluefeu. $n biefem Sörüberpaar fefjen
mir bie §tx>ei ben £onbid)ter beüormunbenben Sßerfonen, auf bie
bereite in ber erften ^eriobe rjiugebeutet morben. £er ältere
biefer Vorüber, Sart, geb. 1774, folgte alöbatb bem Gomponiften
in bie Äatfcrftabt nad), mo er burdj beffen Sermenbung eine
StnfteÜung an ber 9?ationa(--93anf ermatten. 2>er jüngere,
Sodann, geb. 1776, nafym aud) feinen 2Beg nad) SBien, nad)=
bem er in Sonn bie ?lpotf)eferfunft erlernt rjatte.
Um bie (Sinnesart biefe§ 23rüberpaar3 bem oben bezeichneten
greunbe§f reife gegenüber mit einem SSorte au^ubrüden, merbe
it)m bie Benennung „böfeS ^Srincip" beigelegt. 2(n 23egrünbung
tiefet Gijarafteriftifdjen roirb e§ in biefer ©djrift rtict)t fetjten.
ßunädjft fotl gerbinanb 9?ie3 gehört merben. (Sr fagt auf
©. 97 feiner btograpfjifd)en S^otijen: „23efonber§ bemühten fidj
feine 33rüber, alte näheren Jyreunbe oon iljm fern $u tjatten,
nnb mag biefe aud) immer ©d)tedjte3 gegen iljn trieben, moüon
man il)n üotlftänbig überzeugte, fo foftete e3 itjnen nur ein
$ßaar Xrjränen unb gleid) Oergaf3 er alte3. (Sr pflegte bann
gu fagen: „ßö ift bod) immer mein Vorüber," unb ber greunb
befam $ormürfe für feine ©utmütrjigreit unb Offenheit. 2)et
^raed ber SSrüber mürbe in ber Strt erreidjt, ba$ fid) üiefe
greunbe oon iljm äurüd^ogen, befonberS al§ e3 feiner £art=
fjörigfeit megen fdjmieriger mürbe, fid) mit iljm gu unterhalten."
3u ziemlid) flarer Stnfdjauung ber 53eüormunbung 33eet=
fjooen'il burdj feine ©ruber mirb bie 9ftittrjei(ung eineä 23riefe3
oon ber £anb be3 älteren üerljetfen, beffen SBortlaut mor)t at(e§
bekräftigt, ma3 in biefem ^Betreff Oon roem immer auSgefagt
mürbe, tiefer ©rief ift bie ©rmieberung auf eine Oon ber
Sotjann Slnbre'fdjen Sftufiftjanblung gu Dffenbadj an unfern
£onbid)ter geridjtete anfrage um neue Sftanufcripte jur §erau£=
gäbe in itjrer Offizin. 2)a§ Original befinbet fid) in ber
2(utograpl)en*<2amm(ung ber grau ©et(i=©ontarb $i ^xanU
fürt am Sttain, bie e£ mit biplomatifdjer ©enauigfeit eigen*
fjänbig copirt tjat. 2)er Wortlaut ift folgenber:
— 113 —
SBien am 23. 9?ooemb. 1802.
(Suermof)f gebotener!
§aben un§ neufidj mit einem ©djreiben beehrt, unb bett
Sßunfd) geäußert einige 2J?ufifa(ien uon meinem 23ruber ju
befitjen, mofür mir ifjnen fe^r banfen.
(Gegenwärtig fjaben mir aber nid)t§ al3 eine Simphonie
bann ein grofeö Bongert für Planier, für bie erfte ift 300 ft,
für ha§> gmeite aud) fo öiel, wollten ©ie 3 Sltaüierfonaten, fo
!önnte idj biefe nid)t anberS at§ 900 ff geben, atte§ in
3öienermät)r., aud) biefe tonnen ©ie nidjt auf einmal er-
Ratten, fonbern alle 5 ober 6 SBodjen eine, Weil mein 35ruber
ficf) mit fotdjen Äleinigfeiten nidjt oiet metjr abgiebt u. nur
Oratorien, Opern :c. fdjreibt.
£>ann bekommen mir aud) nod) oon jebem ©tüd ma£ ©ie
üieteid)t ftedjen werben immer 8 Exemplar. Stuf jebem $at(
aber, bie ©tüde mögen Sfjnen gefällig fetjn ober nidjt, bitte
idj um Antwort, weil id) fonft aufgehalten mürbe ©ie an
jemanb anbern gu oerfaufen.
Studj tjaben mir nod) 2 Adagio für Violin, unb ganger
Snftrumentatbegteitung, metdje 135 fl foften, bann aud) nodj
2 {(eine leidjte Sonaten mo jebe nur 2 ©tüde tjat, me(d)e um
280 ft 51t Sfjren ®ienften ftetjen. ©onft bitte id) alles fd)öne§ an
unfern greunb ®od) gu fagen. St)r unterttjänigfter
Ä. 0. 93eet§ouen l t
ßaffenbeamter.
©rängt biefeS ©d)riftftüd nictjt gu Kommentaren ber
fettenften 9Irt? 3ße(d)e (Snttäufdjung — ben erhabenen £on-
bid)ter oon einem fo gemeinen ©djadjerer beoormunbet fefyen
gu muffen! 2)ie SBinbbeutetei barin oon „foldjen Äleinigfeiten,"
— „nur Oratorien, Opern," menngteid) mefyr als täd)er(id), miegt
bod) gegen bie ©efinnung be§ (Gangen ntd)t fdjmer.68) Sin Opern
68) Das Urteil Schindlers über die Brüder des Meisters ist nicht
ohne scharfe Irrtümer, wie es sich noch zeigen wird. Die guten
Seiten beider sind nicht genügend hervorgehoben. A. d. H.
81. Sambiers 58eetf)o&ert»93togrol>fjie. g
— 114 —
fjatte Seetfjoüen 1802 nodj faum gebacrjt, unb e6en mocfjte er
mit Aufarbeitung ber ©antäte „S^rtftuS am Cetberg" be=
fcfjäftigt geroefen fetjn. 2öie öiele Briefe ärjrttic^en 3nf)att§
mögen nitfjt bie Slufmerffamfeit auf bie gu SBten in muftcalifcfjen
9ttanufcripten madjenbe girma ber ©ebrüber S3eett)onen erregt
{faben !
(£g begreift ftdj nun roofyl, bafj bie Summe be3 Un-
angenehmen unb SBiberiüärtigen jegtid)er 2lrt, bie ftdj im Saufe
ber ßeit burd) ba§> 9J?ebium be§ böfen $rincip§ um ben 9J?eifter
angehäuft, eine grofje geroefen fet)n muffe, unb barum allein
fdjon geeignet, ba§> ©efcfjäft beö Siograprjen im f)ol)en ©rabe
ju erfahrneren. ®e3rjatb, aber nocfj au3 tiefer liegenben ©rünben,
fief)t er ficf) bemüßigt, biefe 3uf^rtbe unb 23errjä(tniffe fo oief
tfjunlid) toie ^öaHaft %u berjanbeut, unb fid) an bie beffere Seite
ber (Srfdjeinungett in be§ 9)tofter3 Seben unb SSirfen galten
ju motten; benn bortf)er bürfte für bie ättufifroelt ein größerer
©emiun, für bie $3eret)rer aber ber SSeetljoüen'fdjen Stonmufe
mefjr Sntereffe gu errieten fenn. @§ mirb nur uorrjer bie aü=
fällige $rage gu beantmorten fetjn, mie ficf) morjt 23eetf)ooen für
fein Xtjeit in biefen materiellen ©efdjäft^angelegen^eiten üer=
tjatten fyabe? 2Sie ©iner, ber fotd)en Singen ftet3 ben dürfen
3ufet)rt, meil ifjm bie 9ktur jebe Begabung, jebe (£inftd)t barein
uermeigert f)at; barum mirb ber fid) Sßorbrängenbe leid)te£
Spiel rjaben unb biefen Mangel an (Sinfidjt bei jeber ©elegen*
Ijeit ju mi^braudjen üerfterjen. 3(ud) biefe fd)tuad)e Seite an
unferm äHetfter rennen mir bereite fo giemlid) auö ber erften
■periobe, bafjer SBeitereä barüber rjier mofjl überflüffig märe.
21 Hein biefer 3uf*an0 oer ®ingc bleibt nid)t immer berfelbe.
ßu 2lu§gang ber brüten Sßeriobe mirb ber Sefer öietfeidjt nicfjt
ot)ne (Srftaunen erfahren, nm3 ber grofee 9tteifter in ber
§anbel!?fd)ule feiner S3rüber gelernt unb mit §ülfe eine§
gefd)idten 9ied)enmeifterg tf)eil§ au3gefüt)rt, trjeilS auszuführen
terfudjt t)at.
— 115 —
Sftacf) biefem gebrängten $orberid)t mit ben rjernortretenben, 1801.
Seben unb Sunft berürjrenben ^Begebenheiten biefer ^Seriobe be=
ginnenb, fällt, aU eine ber bebeutenberen, bie (Sntftetjung, refp.
2luffüt)rung be§ 23atfet3: £>ie @efcfjöpfe be§ Sßrometrjeu'ä
gu aüererft in bie Stugen. 2)er SSerfaffer befanb fidj in ber
erften StuSgabe biefer (Schrift im Srrtfjum, inbem er bie erfte
Stuffübjrung biefeS 2öer!e§ um ^mei Sarjre gurüd oerfettf rjat.
@S gefdjat), med alte 9?ad)ricfjten barüber fcfjmanften nnb 3Us
nerläffigeS nicfjt aufjufinben mar. S)a lieft fid) r>or fur^em un=
t)ert)offt ein X^eater^ettet au§ bem Saljre 1801 auffinben, ber
nidjt nur ba§> SJatum ber er[ten 5tuffür)rung bieje§ 2kltet§ an-
gibt, fonbern pgteicfj conftatirt, bafj baffelbe mit 23eetrjor>en'§
Sftufif roirHid) in @cene getuefen, morüber 3toeifef erhoben
morben maren. SBieberum ein fprecrjenber $Bemei3 metjr, mie
fogar Verbriefte rjiftorifdje £atfad)en am fetten £age üerloren
getjen fönnen, fo bajj fctjon in ber nädjften ©podje it)re jemeitige
@jiften§ beftritten mirb. 2>a§ auffinben biefe§ unmibertegticfjen
3eugen, nebft beigetjenben fjiftorifdjen unb int)altttcf)en 5(n=
merfungen, berbanfen mir bem §errn Dr. Seopotb ©onn=
teit^ner,69) §ofri(^ter (Suftijamtmann) be§ 23enebictiner*8tift§
„5U ben ©Rotten " in SBien.
ßufotge biefe§ grauen 3euQen uno bw t>om genannten @e=
roäfjr§manne beigegebenen Zotigen fjatte bie erfte Stuffürjrung
am 28. 9tfär§ 1801 im £ofburg=%rjeater (Statt. $n biefem
unb aud) im fotgenben Satyr marb ba% Söallet nod) giemlid) oft
aufgeführt. SSeiterfjin berfdnt-anb e3 für biete Satjre unb tarn
erft roteber am 18. Sftoüember 1843 im $ärntnertrjor=£t)eater
unter bem uormatigen 'Sitel — „in 2 5(ften unb 6 ?lbtf)ei=
lungen" — §um SBorfdjein, unb §mar mit 9ftufif öon 33eet=
rjoben, SJJoäart unb Sof. £>anbn. 2lu3 SBeetfjOben'S Partitur
maren nur bie intereffanteften «Stüde benu|t. @3 erlieft fid)
69) L. von Sonnleitner lebte von 1765—1835. A. d. H.
8*
— 116 —
roieber mehrere Seigre, ferner befagt jene SDfittrjeilung, bafe ba§
am 22. Wlai 1843 gu 9ftai(anb im Xbjeater Alla Scala ge=
gebene galtet unter gleichem Xitel öon Salvatore Vigano, in
|)anblung unb Bearbeitung öon ber erfteu SSiener Bearbeitung
roefenttid) abmeicfje. Sind) tjiesu mürbe $eett)oüen'3 9ttufif be=
nu£t, aber mit (Sinfd)a(tung mehrerer Xonftüde öon Sof. £at)bn
unb anberen 9J?etftern.
2)ie Aufarbeitung ber ^artitur §u biefem d)oräograöl)ifd)ett
Sßerfe be§ bamatigen Balletmeifierg am §of=£tjeater, ©aloatore
Bigano, folgte bemnaef) unmittelbar ber erften (Sinfonie. £afc
biefe 9ttufif feit bem Burütf legen beö Mets (1802) bei 2eb*
geiten be§ (Eomöontften nid)t roieber gehört roorben, ift befannt.
&efto öfter ift ber Duöerture bie (£rjre roiberfaf)ren, bie, ben
leid)t au^ufürjrenben Duüerturen öon SO^art beigefellt, öon
ben SSiener Drdjeftern in jebem Safjre un^ä^lige 9J?at öor=
getragen rourbe. $d) erroälme biefe§ an fiel) toot)t gleichgültigen
$aüe3 nur barum, um bie fdjtimme SBirfung eines? einzigen
21ccorb3, unb groar beffelben, mit bem biefe Duöerture beginnt,
anführen gu fönnen. S§ ift bod) anmerfenSmertt), raenn ein einziger
9(ccorb bie 3Sirl'ung ^u unöerfbrjnlid)er geinöfdjaft bei (Sin^etnen
im Greife ber äftufifgelerjrten §u erzeugen im ©taube getoefen.
lieber bie $ata biefeä Slccorbä tr-uftte Beettjoüen gu ersten,
baf$, roaö fid) bis babjin im ©remio ber alten SSiener Sonletjrer
nod) ntctjt §u feinen erllärteu (Gegnern gejault, biefer Slccorb
e§ beroirft t)abe, unb groar in ber ?trt, baf$ einige biefer alten
SKeiftex, (befonberS $reinbt [geb. 1758, geft. 1826], 6apeil=
meifter bei ©t. (Steötjan unb Sßerfaffer eines £ef)rbud)§ ber 2on=
fetjfunft*) ) ob biefem unerhörten, fed rjingefdjteuberten gef)be=
rjanbfdml) in ©eftalt eineä <2ecunb=2lccorb3, irjm, bem öer*
roegenen bitter, immerroäfjrenbe geinbfcfjaft gefdjmoren unb ben
*) Sarin ttmb aud) nad) alter §au3orbmmg gelehrt, bafj jebeä Zon*
ftücE mit bem 2)reiflang auf bem ©runbton ber Sonart anfangen muffe,
©ine Slbtoeidmng t»on biefem öefe£ mar bis auf 33eetfjot>en nod) nid)t ba=
geroefen. C£r beginnt aber biefe £>ut>ertnre fogar mit einem biffonirenben
— 117 —
©ctjrour gehalten tjaben. 9J?an fennt ja bie Untier föf)nlicf)!eit
ber ©rammatifer. Notf) über ba3 ©rab f)inau§ berfotgen fie
ben ©egenftanb it)re§ §affe§. 23efonber§ tätige ©enoffen in
SBefthubfung fo(d)' unerhörter Neuerungen fanb Sofebfj ^ßreinbt
an feinem Kollegen £>b,oni3 SS e ber70), fbäterem £)irector be§
Sßrager (Sonferbatortum§, unban 9lbbe ÜDfarjmUian ©tabler,
teuerer einften§ mit Stuart befreunbet. SÖeibe t)aben e§ in
offener 93etambfung ber 23eetf)oben'fd)en Neuerungen, überhaupt
at§ feine unberufenen ©egner, am (ängften aufgehalten, lieber
ben 5lbbe roirb e§ Gelegenheit geben nocr) metjr anäufüfjren,
benn er fpiett in 23e5itg auf SBürbigung 93eett)ot)en'fct)er 9ftufif
in einem bebeutenben Greife bon SDcufifern au§ £)ab,bn'§ unb
Sftoäart'S @poct)e eine mistige Notle. Vorläufig nur, ba$ er
unfern Stteifter um fecfjS Safyre überlebt fjat. SSiel länger nod)
lebte £>t)oni3 SSeber70) (geb. 1771), er ftarb at§ f)of)er (Siebenter.
3lu§ bem Safere 1802 roirb bon 3(uffüf)rung großer, neuer 1802.
SSerfe rtictjt bie Nebe febn, bietteidjt barum, toeit ftctj ber üfteifter
in borau§get)enber $eit bto§ mit „Slteinigfeiten abzugeben" für
gut fanb — um ben £erminu<§ feine§ brüberlidjen ©atf)roatter§ unb
3$ormunb§ für SSerfe beizubehalten, bie borjugSroeife für bie ©in-
gemeinten bie tieffte Sßoefie bergen. Qu ben in biefem 3ab,re
gebrucft erfd)ienenen SSerfen §ät)(en bie ©onaten mit Biotine,
Op. 23 in A moll unb Op. 24 in F dur, bann bie ©onate in
As dur mit bem £rauermarftf), Op. 26, unb über aHe§ bie§
nod) bie beiben ©onaten (quasi Fantasia) in Es dur unb in
Slccorb. Seiner Betet unb Sttotbio übet ben ©efe^überttetet. — Uebetfiaupt
etfdjeint in bem ^reinbl'jdjen Sebtbudje (uon Qgnoj t>on <5et)ftteb untet
bem Xitel „SStenet Sonfdutle" neu in 2 93änben betauSgegeben) bie %on-
mijienfc&aft auf ein Sttinimum äitfammengefcbtumpft, unb enthält getabe,
ma§ ein Söienet Sonfefcer füt'3 §au3 btaudjt. Sßiel SBiffen mad)t topf«
meb. 28ie fiele ©etfeelbiebe Ijat niebt biefe§ „Sonfe^letjtbucb, be§ alten
9?eicb>Gomponiften" oon 93eetbouen au^ubalten gehabt! ®amit teüangitte
er fieb, an ben Sßetücfenfiöcfen. SSir werben nod) öfters bet miener Xon*
roiffenfdjaft ju ermähnen Ijaben.
70) Muß Dionys Weber heißen, f 1842. A. d. H.
— 118 —
Cis moll, Op. 27, beren @ntftef)en inbeß um ein, ttjeUweife um
5»ei Sarjre jurücfliegt. — ®§ ift intereffant §u rjören, wie bie
Iei^5iger Stritt! biefe SSerfe beurteilt, lieber bie «Sonate in
As dur unb bie beiben Sonaten unter Op. 27 fet)en t)ier einige
Sätje barauS angeführt, weil fie ben Spielern bead)ten3Wertf)e
SBinfe gur §anb geben.
(£3 Reifet im inerten Saljrgang, Seite 651 ff.:
w$)a§ finb bie brei ©ompofitionen für ba§> Sßtanofortc,
womit §r. b. Q3eetrjoöen oor turpem bie auäertefenen Samm=
tungen gebitbeter SOZufifer unb geübter Staoierfpieter bereichert
t)at. 33ereicr)ert — benn fie finb warjre öereidjerung, unb ge=
rjören unter bie wenigen Sßrobucte be§ jetzigen 3af)re§, bie
fd^tüerUd) jemals oeralten werben, unb Don benen befonberS
9?r. 3 gewi& nie oeralten fann." 9Jiag biefeö Sßrognofticon ben
bamatigen £onlel)rem nietjt Wot)t wie eine fdjtecfjte $rife be=
fommen fet)n? SBeiter jebod) in ber Seurttjettung: „fftx. 1
möchte bod) wofjt fteltenweife aKäufünfttid) gearbeitet fetjn. £>a3
folt aber feineSWegS bon bem Waljrrjaft großen, büftern unb
pradjtüoHen §armonie=Stürfe gefagt fepn, baZ ber SBerfaffcr,
um ben (Spieler gteid) auf ben redjten Stanbpunct §U rjeben,
übertreibt: Marcia Funebre sulla morte d'un Eroe: benn
fjier gehört aüe§ Schwierige nnb Äunftretdje 511m 2lu3brud unb
fotglid) ^ur §auptfad)e. SBer fid) rjier, fo wie in Perfdjiebenen
Stellen ber 9fr. 2 unb Wie in 3 faft gans, über Sd)Wierigfeit
ber Sbeen ober auet) ber 2lu3füt)rung befragt, ber gleicht ben
$oputarpfjitofopt)en, bie jebe tiefgreifenbe ?(bfjanbhtng in ber
Spradje einer artigen Gonuerfation beim Sttjee toorgetragen tjaben
wollen."
£>ie SSeurttjeilung aber ber Sonata quasi Fantasia in
Cis moll folt faft Wörtlid) mitgeteilt werben. Sie tautet:
„£>iefe ^tjantafie ift Don Anfang bi§ ^u (£nbe Sin gebiegeneä
©an^e, mit ©inemmat aus bem gangen, tiefen unb innig auf*
geregten ©emütt) entfprungen, unb nun gleid)fam au§ ©inem
Warmorblod genauen. @3 ift worjl nietjt möglid), bafj irgenb
— 119 —
ein äftenfdj, bem bie üftatur nidjt bie innere äftiiftt Uerfagt Ijat,
nid^t füllte burdj ba§ erfte 9lbagto ergriffen unb allmälig immer
t)öt)er geleitet unb bann burdj ba$ Presto agitato fo innig be=
megt unb fo t)odt; gehoben merben, aU er burdj freie (Slaöier=
9Jhtftf nur p l)eben ift. SJftt üoflfomtnenem ©runb finb biefe
beiben §auptfä|e in bem fdjauertidjen Cis moll gefdjrieben:
überall l)at aud) ber Sßerfaffer, fo meit fo @ttt>a§ mit con=
öentionetten geidjen auSgefagt merben fann, ben $or=
trag, unb aud) bie §anbf)abung be§ ©igenen unb SSorsügtidjeu
be3 ^Sianoforte ^injugefe^t — meldje letztere SSeetfjooen nad)
ben 53e5etd)nungen, unb nod) ftdjtbarer, nad) ber ganzen 3ln=
läge unb §inftellung feiner Sbeen, berftetjt, roie faum irgenb
ein anberer ßomüonift für bie§ Snftrument, unb mie ?ߧ. @m.
$8aü) ba$ eigentlidje (SlaOier $u f)anbl)aben öerftanb. (Sin
red)t ferjr gutes Snftrument muß man aber befitien, menn man
fid) felbft beim Vortrage mancher feiner ©ä§e — §. 93. be§
ga^en erfien (Satzes? üon 3, einigermaßen genügen miß." —
©I mirb im äRuficalifdjen Sfjeil biefer ©djrtft $eranlaffung
geben, fid) biefer fdjtitjbaren Sßtnfe über ben Vortrag ber S5eet=
f)oben7fd)en (Sfaütermuftf mieber ju erinnern. §ier fet) bei=
geljenb bemerft, bafj bie SSorfdjrift be§ Gomponiften, ben erften
©a| ber Sonata quasi Fantasia burd)au§ mit gehobener
^Dämpfung (senza sordini) 51t füielen, megen ber Tonfülle in ben
Snftrumenten unferer $eit gegen bie frühere ifjre (Geltung berloren.
316er nod) eine „Slteinigfeit" ift fjeröor^u^eben, bie im
Saf»r 1802 ba§> Sicfjt ber 3Mt erbtidt Ijat: bie tnt)attreict)e
©onate in D dur, Op. 28. §iebei fetjen mir ben leidiger
Srittfer faft in SSerlegenfjeit, ma§ er fagen foll. @r Ijitft fid)
in folgenber Söeife: „33eet^oOen bleibt feinem (Sljaralter unb
feiner Spanier getreu; unb roirftid) fann aud) ein Äünftler, nrie
93., nidjtS beffereS tljun, als fid) felbft getreu bleiben . . . SßaS
!ömmt benn am (Snbe f)erau<3, menn man an Slunftttierfen (Sin*
5elne§ lobt ober tabelt? Sn ber Shtnft machen ©in^el^eiten fo
menig baZ ©an^e, mie e§ fetjn foll, als aufgehäufte (Steine
— 120 —
einen Reifen macfjen. ©ie fönnen feJjr angenehm fetyn unb ein
tntereffatiteS ^robuct au£madjen: aber ein t>ollenbete3 SSerf
nie, ba% burct) ben ©inn be§ ©anjen befielen, unb ©inn für
ba§> ©an^e bei £enen finben muf?, bie e§ genießen f ollen."
$on bem SBerfjalten ber Stritif gegen unfern Stteifter fütjrt
nun unfer 2£eg §ur SBeranfdjaulidjung be§ $erf)a(ten3 ber 2Ser*
leger gegen ifjrt. 2>arau§ roirb man nicfjt otjne Sßermunberung
ben fdjutjlofen 3ufia110 9e^9en ©icjentfjumS erfefjen, tote er
immerhin in £)eutfdjlanb beftanben unb fiel) bi§ in bie neuefte
ßeit erhalten fjat. äftan toirb ferner au§> ben Angriffen auf
33eetf)oben3 ©eifteSürobttcte üon jener Seite ermeffen fönnen,
toie bem Sfteifter ju 9Jiuu)e getoefen, biefe burcf) fein ©efet) t»er=
üönte Freibeuterei fein ganzes Seben rjinburd) üor feinen Stugett
üerüben ferjen 51t muffen, of)ne toirffamen ©infürud) bagegen er*
tjeben ^u fönnen. Wan toirb feinen Klageruf für begrünbet
erfennen, toefdjer lautet: „Sie Verleger mäften fiel) mit meinem
Wlaxk, unb id) armer Teufel mufe oft barbenl"71)
§ören mir ben SSortlaut feiner erften 9vedamation gegen
einen folgen Eingriff. £a§ SnteHigenjblatt 4 be§ feisten $af)r=
gange§ ber Mg. Mu). 3tg. (^oüember 1802) enthält nac^=
ftefjenbe Sinnige:72) ,,8d) glaube e§ bem ^ßublifum unb mir
felber fd)ulbig 51t feün, öffentlich ansteigen, ba£ bie beiben
Quintetten au§ C unb Es dur, tooüon ba$ eine (ausgesogen
au§ einer «Sinfonie üon mir) bei §errn 9J?ollo in SSien, baS
anbere (ausgesogen aus bem ©eütett üon mir, Op. 20) bei §errn
§offmeifter in Seip^ig erfcfjienen ift, nictjt Driginat=Duintetten,
fonbern nur Ueberfe^ungen ftnb, toeldje bie <gerren Verleger
Oeranftaltet fjaben.*) — £>a§ Ueberfe^en überhaupt ift eine
©acfje, mogegen fiel) fjeut 5U Sage (in unferm fruchtbaren ßdU
alter — ber Ueberfetjungen) ein ftutor nur umfonft fträuben
*) ®afe ha* ot§ Duintett arrangirte ©eptuor tiicfit t>on SSeetfiotoen
ßerrüfjre, tüte g. JRie§ Behauptet, erfahren wir fitemü.
71) Man vergleiche B. S. Br. No. 928, IV. Band. A. d. H.
72) Vgl. B. S. Br. No. 59, I. Band. A. d. H.
— 121 —
mürbe; aber man lann rcenigften§ mit 9ied)t Oertangen, bajj bie
Verleger e§ auf bem StitetMatte anzeigen, bamit bie @f)re be§
9lutor§ ntd)t gefdjmäfert, unb ba§> ^ßublifum nid)t fjintergangen
merbe. — 2)ie§ um berg(eid)en gällen in ber gufunft öor=:
§ubeugen. — Set) madje äug(eid) befannt, bafe et)eften§ ein neues
£)rigina(=Quintett üon meiner (Sompofition au§ C dur, Op. 29,
bei SSreitfopf u. gärtet in Seidig erfdjeinen rairb. Submig
öan 23eet£)oöen."
£>er S0?eifter mofirt fidj über ba§> frud)t6are ßeitatter ber
Ueberfetmngen, unb bod) mar e§ mit biefer grud)tbari'eit erft
im beginne. 2ßa3 mürbe er nun moi)t beim Stnbüd ber faft
unääjjligen Ueberfetmngen — jetjt aber üerftänbtidjer: 9(rran=
gementS benannt — feiner Sßerfe fagen? 2lefynüd)e 9?ut3an=
menbung üermittelft 3erfe^enr Sranfcribiren unb 3trrangiren
t)at fein (Somponift mit feinen ©etfteSprobucten erfahren muffen,
rcie unfer S5eett)ooen. SBafjrlid), ber Steiftet märe 31t materiellem
SSotjlftanbe gelangt, menn iljm ein ©efe§ nur ju einer be*
fd)eibenen Tantieme öon jebem Arrangement üertjotfen tjätte.
SBie aber gar nad) feinem £obe, at§ bie Arrangements feiner
«Sinfonien, Quartette unb £rio'§ für ^ianoforte itjren Anfang
genommen unb gu einer ftaunenSmertljen $lutt) fict) erhoben!?
933enn Könige fäen ....*)
2öie menig S3ead)tung obige SRedamation gefunben, bezeugt
eine groeite, nad)brüd(id)ere, roefrfje unfer 9#eifter fd)on im 9?o=
oember be§ fotgenben $at)re§ im öntelUgensblatt ber Aflg.
9J?uf. ßtg. 9?r. 3, mit ber Ueberfdjrift SSarnung §u üeröffent-
lidjen bemüfciget mar; ü)r SBorttaut ift nadjftefjenber:
*) 91. 93. SDcarr. ift im ^vvt^um, menn er für gemifj annimmt, bofe
bie ton iljm in feinem toortrefflic^en 93utf)e „Seben nnb Schaffen 93eet=
tjoDen'3" I., 158 u. f. aufgeführten nenn Arrangements (bie in biefe gett
fallen) fämmtlid) öon bem üDieifter felber Ijerrüljren. Unter allen be=
ftefienben Arrangements finb Ijöctjfieng 3 bi§ 4 oon feiner £anb. 2)a§ mar
feine Arbeit für ben fiet3 su feuern brängenben <8d)öpfer.
— 122 —
„§err (Sari guterjner, ein 9?ad)ftedjer in SDtaing, tjat
eine 9tu3gabe meiner fämmtlidjen SSerfe für ba£ Sßianoforte
unb ©eigeninftrumente angefünbigt. 3d) tjalte e§ für meine
^fticfjt, allen 2J?ufitfreunben hiermit öffentlich befanut gu madjen,
bafj id) an biefer 5Tu§ga6e nidjt ben geringften Stnttjeil tjaOe.
öd) ^ätte nie 5U einer ©ammlung meiner 2Ser!e, meldje Untere
nefymung id) fdjon an fid) ooreitig finbe, bie §anb geboten,
otjne juüor mit ben Verlegern ber einjelnen SSerfe 9}ütffpracr)e
genommen §n fyiben unb für bie Gorrectrjeit, meiere bert
5(u3gaben Oerfdjiebener eingetner SSerfe mangelt, ge*
forgt gu rjaben. lleberbie§ mufj id) bemerfen, ba^ jene miber-
recfjttid) unternommene 2tu3gabe meiner Sßerfe nie oollftänbig
merben fann, ba in ^ur^em üerfdjiebene neue SSerfe in $ari§
erfdjeinen merben, meldje £>r. gutefjner a^ franäöfifc^er Untere
tfjan nidjt nadjftedjen barf. lieber eine unter meiner eigenen
2(uffid)t, unb nad) oortjergegangener ftrengen Sxeoifion
meiner SSerre, 51t unternerjmenbe ©ammtung berfetben, werbe
id) mid) bei einer anbern Gelegenheit umftänblid) erftären.
Submig oan 33eetrjot>en."
Stttein felbft biefe energifdje 23arnung mar aufeer <2tanb,
in ben Singen etfoaS gu berbeffern; bie SSerfe unfern äfteifterS
fanben immer metjr SBerebjrer, fomit fteigerte fid) üon Satyr §u
Satyr bie ©uetyt ber Verleger nad) ©eminn. (£3 ereigneten fid)
im Saufe biefer ^Seriobe fogar ^älfe mit üftacfjftecfjern, bie ben
£onbid)ter 51t nod) emöfinblidjeren 3ui'ed)tmeifungen gebrängt
tyaben; auety fefjtte e§ nid)t an öoffirlidjen, bie itym (Stoff §ur
S3etuftigung gegeben, ^urg, jebe§ neu erfdjienene 2Berf fdjien
gteidjfam üogetfrei 5U fetjn. Hub unter fotdj' beflagenSmerttyen
guftänben feufate Seettyoüen fein gaujeä Seben tyinburdj.
Sft be3 50?eifterö gefammte Literatur in unfern Xagen
gteictymotyl red)ttid)ey ©igenttyum alter Verleger, fo tyat feine
„SSarnung" auS bem Satyre 1803 bennod) ityre Sßebeutung für
bie ©egenmart nidjt Oerloren, roeil in ityr flar unb bentücty
aulgefüroctyen ift, mie er e§ mit ber (iorrecttyeit gehalten, roenn
— 123 —
ü)m bie ©elegenljeit bafür gu forgen nidjt entzogen morben.
2)a3 füllte benn bod) gennffenljafte 2)arnad)ad)tung gur golge
fjaben.
£>a3 Saf)r 1802 üertief ober nicfjt otjne emüfinbticfje (Störung
im @efd)äfte unferS 2onbid)ter3, fonft märe bie 3arj( oer ^n
biefem %ai}x erfdjienenen SSerfe nod) anferjntidjer. 23eetf)o0en
roarb nämlid) üon einer bebeutenben $ranft)eit befaUen, in ber
er üon bem fefyr gefeilten 5lrgte Dr. ©djmibt befjanbett nmrbe.
liefern freunbfct)afttict)en Pfleger mibmete er au§ 2)anf6arfeit
baä üon ü)m felber ju einem Xrio arrangirte Seütett. 3U
üöüiger SSiebertjerftelTung roätjtte er ben eine ftarle Stunbe üon
ber §auptftabt entfernten 33abeort §ei(igeuftabt jum 2lufentf)att,
ber Drt, mo in ben folgenben Sauren mandje§ [einer großen
2Ber!e entftanben ift.
Sn £>eitigenftabt üerfafcte er bamafö baä nadjftefjenbe %t*
ftament, richtiger üieüeidjt ^romemoria — für feine Vorüber.
(Sin benf'mürbigeS Sdjriftftüd", ba§> nidjt bto§ ßeugnif$ gibt üon
bem ßuftanbe tieffter ©djroermutlj ob feinet Dljrenübete, aber
aud) bie eble ©efinnung be§ äftannesl nad) mehreren «Seiten
üor Singen fegt.*) Söorjt ttnrb jeber Sefer mit ^riebrid) Diodjtit,
in ber 33eurtljeUimg beffelben übereinftimmen, ber fidj in fo(=
genben SBorten barüber auSfprad):
„. . . . Unb gemifi tuirb biefe§ Socument auf 3töe, bie e§
rennen lernen — bie offenbar ©djlecfjten aufgenommen — eine
gteidje Söirtung madjen. SDemnadj müfjte id) nid)t, toa§ bem
Verdorbenen, menn üon ifjm nidjt aU ®ünftler, fonbern afö
äftenfdjen gefürodjen mirb, künftigeres unb Ueberaeugenbereä
nadjgefagt merben fönnte." (Siefje (Sintettung.)
@3 tautet mörttiefj:73)
*) ®a§ Original befanb ftd) in ber ^ranj öräffer'fdjen Sammlung.
Nunmehr ift in beffen SSefiije ber SSioIin=33irtuofe ©rnfi.
73) Alles mit dem „Testament" Zusammenhängende und die er-
forderlichen Erklärungen dazu bietet Mo. 55 von B. S. Br. (I. Band).
A. d. H.
— 124 —
gür meine Sßrüber Gart unb SSeettjotoen.
D it)r Sttenfcfjen, bie i£)r mid) für feinbfelig, ftörrifcfc) ober
mifanttopifd) galtet ober erkläret, roie unred)t ttjut ir)r mir,
it)r ttrif3t nidjt bie gefjeime Urfacfje bort bem, roa§ eud) fo
fdjeinet! 9J?eiu Jperj unb mein ©inn roaren bon Äinbtjeit an
für baZ garte ©efüt)l beS 3Bot)troollen3. ©elbft grofce §anb=
lungen 511 berridjten, baju loar id) immer aufgelegt. 9lber be*
benfet nur, bafe feit fed)§ Satjten ein tjeillofer ^uftanb mW)
befallen, burd) unbernünftige fegte berfd)limmert, bon 8at)r
ju Satjr in ber Hoffnung ge6effert 5U roerben betrogen, enbtict)
5U bem Ueberblict eine$ baue r üben Uebefö (beffen Teilung
biedeidjt Satjre bauern ober gar unmögtid) ift) gejbjungeu.
Tat einem feurigen lebhaften Temperamente geboren, felbft
empfänglich für bie ßerftreuungen ber ©efellfdjaft, mußte ict)
früt) mid) abfonbern, einfam mein Seben ^bringen; roollte id)
aud) aufteilen midj einmal über aöe§ ba§ tjinauSfetjen, 0 roie
tjart rourbe id) burd) bie berboppette traurige (Srfatjrung meines
fdjtedjten ©erjörS bann äurüdgeftofjen, unb bod) roar'3 mir nod)
nidjt mögtid), ben 2J?enfd)en 51t fügen: fpredjt lauter, fd)reit,
benn ict) bin taub! 5(ct) roie roäre e§ möglid), balß id) bie
©dnoädje eine§ @inne3 angeben fotlte, ber bei mir in einem
oollf'ommenern @rabe all bei Hnbern fetjn follte, einen ©tmt,
ben id) etnft in ber größten Vottfommenrjeit befafj, in einer
Vollfommenrjeit, roie it)n roenige bon meinem gacfje geroifj t)aben
nod) getjabt tjaben! — D id) fann e§ nid)t! — 2)rum bereit)!,
roenn it)r mid) ba gurüdroeidjen fefjen toerbet, too id) mid) gerne
unter eud) mifdjte. doppelt roet)e ttjut mir mein Unglüd, inbem
id) babei berfannt derben mitjj. gür mid) barf Srljotung in
menfd)(id)er ©efetlfdjaft, feineren Unterrebungen, njedjfelfeitigen
(Srgiefsungen ntcrjt (Statt tjaben. ©an^ atiein faft, unb fo biet
at§ e§ bie t)öd)fte üftotfjtüenbigfeit forbert, barf id) mid) in ©e=
fetlfdjaft einlaffen. 2Bie ein Verbannter mufj id) leben. ffiafye
id) mid) einer ©efellfdjaft, fo überfällt mid) eine rjeifje Slengft=
Iid)feit, inbem id) befürchte, in @efat)r gefegt gu tuerben, meinen
— 125 —
ßuftanb merfen §u laffen. — @o mar e§ benn aud) biefeö
tjatbe 3af)r, ft>a§ id) auf bem Sanbe gubradjte. SSon meinem
bernünftigen Slrjte aufgeforbert, fo biet als möglidj mein ©efjör
gu fronen, fam er faft meiner jetzigen natürlichen £)i§bofition
entgegen, obfdjon, bom triebe gur ©efettfdjaft manchmal E»tn=
geriffen, id) miclj ba^u herleiten lieft. 2lber meldje S)emütf)igung,
raenn Semanb neben mir ftanb, unb bon meitem eine $löte
fjörte unb id) nichts fjörte, ober ^emanb ben §irten fingen
(jörte, unb id) aud) nidjtS f)örte! ©oldje ©reigniffe brachten
mid) nalje an SSergmeiftung, e§ fehlte menig, nnb id) enbigte
felbft mein Seben. — Sftur fie, bie Slunft, [ie tjiett mid) jurüd!
$ldj e§ bünfte mir unmöglich, bie 2Selt etjer gu berlaffen, bis
id) ba§> alles t)erborgebrad)t, mo^u id) mid) aufgelegt füllte.
Unb fo friftete id) biefeö elenbe Seben, fo matnrtjaft etenb, ba$
mid) eine ettua§ fctjneüe 23eränberung aus> bem beften ^uftanbe
in ben fd)led)teften berfetjen fann. ©ebutb — fo tjeifet e§, fie
mufe id) nun gur $üljrerin mät)ten! Sd) f)abe eS. — 2)auernb,
t)offe id), foll mein (Sntfdjtuft feb,n, auSguljarren, bi§ e§ ben
unerbttttidjen ^Sargen gefällt, ben gaben p bredjen. SSielteidjt
geljt e§ beffer, bietleidjt nid)t. öd) bin gefaxt. — ©d)on in
meinem 28. Saljre gegmungen $t)ilofobt) ju luerben. ($3 ift
nid)t leicht, für ben ^ünftler fdjtoerer als für irgenb Semanb.
— @ottt)eit, bu fieljft fyerab auf mein SnnereS, bu fenuft e£,
bu raeifet, baft SJcenfdjenliebe unb Neigung gum 3Sof)ttt)un barin
Ijaufen! D 3ftenfd)en, menn it)r einft biefes» lefet, fo benft, bafj
if)r mir unred)t getrau, unb ber llnglüdlidje, er tröfte fid)
einen feines ©leidjen gu finben, ber trots allen §inberniffen ber
Statur bod) nod) MeS getrau, \dü§> in feinem Vermögen ftanb,
um in bie 9foit)e mürbiger Stünftter unb üüfenfctjen aufgenommen
hu tuerben. — 3§t meine Srüber (£arl unb .... — fobalb id)
tobt bin, unb ^rofeffor <Sd)mibt lebt nod), fo bittet ifjn in
meinem tarnen, bajj er meine ftranttjeit befdjreibe, unb biefeS
tyier gefd)riebene SStatt füget iljr biefer meiner ®ranfengefd)id)te
bei, bamit menigftenS fo oiel at<§ möglidj bie SSelt nad) meinem
— 126 —
Xobe mit mir berföfynt roerbe. — gugfeidj erftäre id) eudj
23eibe r)ier für bie (Srben be3 {(einen Vermögens (menn man
e§ fo nennen fann) non mir. %ljeüet e£ rebtidj, unb üertragt
unb fjelft eud) einanber. 2öa3 iljr mir jumiber getfjan, baZ
mifct iljr, mar eud) fdjon längft t)er§iet)en. 2)ir Sruber Gart
ban!e id) nod) in§befonbere für beine in biefer (entern gtit mir
bettnefene 2fnt)ängtict)feit. Sftein SBunfd) ift, bajj eudj ein beffereä
forgenfofereS Seben afö mir merbe. ßmüfeljtt euren Äinbern
Stugenb; fie nur allein fann g(üdfid) machen, nicfjt (Mb.
3d) fpredje aus ©rfafjrung. ©ie mar e§, bie mid) felbft im
©fenbe gehoben; i£)r banfe idj nebft meiner ®unft, bafe id) burrf)
feinen ©elbftmorb mein Seben enbigte. — Sebt mof)( unb (iebet
eud)! — Men greunben banfe idj, befonberö gürft 2id) =
nom^fl) unb ^rofeffor ©djmibt. — 2)ie Snftruinente üon
gürft £. roünfdje id), bajj fie bod) mögen aufbetoafyrt merben
6ei einem üon eudj; bod) entfiele be§megen fein (Streit unter
eud). <2obatb fie eud) aber 5U ettoa§ 9?üt5Ud)erem bienen fönnen,
fo öerfauft fie nur. 2Sie fro§ bin id), menn idj aucb nod) im
©rabe eud) nützen fann. ©0 mär'3 gefct)et)en: — 9J?it greuben
eile id) bem £obe entgegen. Äommt er früher, aU id) @e(egen=
tjeit gehabt fyabt, nod) afle meine ^unftfäljigfeiten §u entfalten,
fo mirb er mir, tro| meinem garten 8d)idfale bod) nod) §u
früf) fommen, unb id) mürbe ifjn moljl foäter münfdjen; —
bod) aud) bann bin id) aufrieben, befreit er mid) ntctjt oon
einem enblofen feibenben 3uftaK°e- — ®omm' toanu bu midft,
id) getje bir mutfjig entgegen. 2ebt mof)I, unb tiergejlt mid)
nid)t gan^ im £obe, id) \)ahQ e3 um eud) berbient, inbem id)
in meinem Seben oft an eud) gebadjt, eud) gtüdüd) gu madjen;
feüb e§!
£edigenftabt am 6. Cctober 1802.
Subroig Oan Söeetfjoüen.
m. p.
(L. S.)
— 127 —
(33 on aufjen.)
<g? §eiligenftabt am 10. DctoBer 1802.
|-s ©o net)tne id) benn 2lbfd)ieb oon bir — unb gtoar
«g ff traurig. — Sa bie geliebte Hoffnung, bie id) mit ^tetjer
.ges naljm, roenigften$ bi3 gu einem gemiffen Sßuncte geleitet
** S ju fetyn, fie mufe midj nun gän^lid) uertaffen. 3öie bie
g.^, 23lätter be3 $erbfte3 herabfallen, gemelft ftnb, fo ift auct)
'S ÜL fie für midj bürre gemorben. $aft roie idj tjieljer tarn,
getje id) fort; fetbft ber Ijofye Sftutf), ber midj oft in ben
fdjönen ©ommertagen befeette, er ift oerfdjmunben. D
Sßorfetjung, lafj einmal einen reinen Xag ber greube
g mir erfdjeinen! ©o lange fdjon ift ber magren $reube
& inniger Sßiebertjall mir fremb. SSann, o mann, o ©ott=
s. Ijeit! fann id) im Tempel ber üftatur unb ber iDZenfdjen
§ if)n roieber fügten? — SRte ? — nein e§ märe §u Ijart!
©3 fällt auf, ben tarnen beS jüngeren SBruberS in biefer
£)enffd)rift nictjt au§gefprod)en, fonbern mit Runden be^eidjnet
§u fet)en. (£iu fixerer ©runb ift fdjmer auf^ufinben. Dh
biefer oielleid)t in bem minbern ©rabe oon ßuneigung 5U fudjen,
ber fdjon 311 jener $eit merflid) gemefen feun foll ? @§ ift nur
SDcutfymafeung. <2o oiet ift aber gemifo, bafe mit aunetjmenben
Sauren bie ®luft gmifctjen bem Xonbidjter unb feinem ,,^ßfeubo=
SBruber", roie er il)n gemeinhin 51t benennen pflegte, immer
meiter gemorben, raeit er fid) burd) Slnma&ung im äußern S3e=
nehmen, mie aud) burd) oftenfible ©udjt nad) 53ereict)emng auf
gar mannigfache SSeife be3 bereits gefeierten üftamen§ Söeettjoöen
mef)r unb mefjr unmürbig gemadjt fyatte. ^ebenfalls fetjeit mir
in biefem SDcanne ben am grellften tjertiortretenben (Staffage*
(Sfjarafter im S3eetl)oben'fdien gamiliengemälbe.
(£3 marb bemerft, ba$ unfer 9J?eifter burd) bie Sh-anHjeit, 1803.
oon ber oben bie Sfobe, bef)inbert morben, eine nod) größere
grudjtbarfeit feineö fdjöpferifcljen Talents 5U entfalten, at§ mir
gefeljen. £>ennod) bezeugt bie am 5. Slpril 1803 ftattgefjabte
— 128 —
erfte Sfuffüljrung oon ber (Santate: „(SfjrtftuS am Delberg,"
bafj bie (Sdjmingen be§ ©eniu§ burd) biefe ßranfijeit nic^t
für lange gelähmt maren, er oielmeljr in gemolmter SBeife ftcf)
balb mieber anftrengenben arbeiten raibmen fonnte. Snbefj
toaren bie ©nttoürfe 51t biefem SSerfe fct)on 1801 mäfjrenb be§
©ommeraufentlja(t§ in bem naljen ^etjenborf §u Rapier ge*
bradjt. ©r fetber geigte bem SSerfaffct nod) im Safyre 1823
bie im SMcftdjt be§ obern Streite im ©djönbrunner <&d)[ofc
garten üerborgene ©teile, mo biefe Vorarbeiten entftanben; e§
mar eine ©idje, bie ungefähr §mci gatfe Oom SBoben in §mei
ftarfen tieften fid) ert)cb unb einen bequemen ©t| bitbete.
3n 9cr. 29 be§ fünften Sa^rgangeS ber Mg. 2Ruf. 3tg.
mirb biefer erften Sluffüfjrung nur in menig 3ei^n (Srmäfjnung
getrau unb gejagt: „@y betätigte mein fdjon lange gefaßte^
Urtfjeil, baf3 23eetf)o0en mit ber 3e^ eben °^e Sfteoofation in
ber 9#ufif betoirfen fann, mie Stuart. 3ftit großen ©djritten
eilt er pm Qkle." — tiefer Referent nennt ba§> SSerf ein
Oratorium, aud) fpridjt er oon „außerorbentüdjem ^Beifall,"
ber beffen elfter 3(uffuljrung gu Strjeit geworben. Spätere
Referenten nennen e§ bagegen eine Gantate, unb bte§ ift moljt
unbegroeifeft ber eigentliche Site! be3 2Berfe§. ®ennod) märe
e§ ermünfdjt, bie autt)entifdje Benennung bei beffen erften
(Srfd)einung $u fennen.74) ©ine äf)nüd)e Umtaufcfjung beä %itz\ä,
im SBiberfprudje aum Snfyalt, ift mit einem fpäteren 2£erfe
üorgefonimen. 93ei ber erften ©rfcfjeinung lautete biefer:
©oncertino, im ©rud aber marb bem Söerfe ber £ite( ,,©on=
cert" beigelegt, unb e3 ftefjt feft: gegen ben SSiüen be§
Tutors.76) äSir merben e§ am redjten Drte nennen.
74) So heißt das Werk auch jetzt bei allen ernst zu nehmenden
Forschern, wie in den zahlreichen Briefen: op. 85 „Christus am Ölberge"-
Oratorium, für Solostimmen, Chor und Orchester, Text von Franz
Xaver Huber". A. d. H.
75) Diese Umänderung betrifft op. 56, das Triple-Konzert in C-dur.
Beethoven schrieb an dem Werke ca. 1804. Eine Abschrift der Piano-
— 129 —
äßarjr ift e<§, bafj bie Urtljeile ber ©adperftänbigen über
richtige ober unrichtige Sluffaffung be3 erhabenen @egenftanbe§
Dom ©omponiften bei biefem Sßerfe immer roeit am§einanber
gegangen; tabetlofe (St)arafteriftt£ unb confequent burd)bad)ten
$lan fjat fein £t)eil bemfelben §ugeftetjen roollen. (Sin roiener
Referent t)at fiel) in !iftr. 44 ber Mg. 9ftuf. ßtg. fogar beeilt,
feinen Vorgänger $u corrigiren. (Sr melbet: „ßur ©teuer ber
S55a^rrjeit mufj icfj einer 9^ad)rict)t ber muficalifd)en 3e^lIn9
roiberfprecfjen, nämtid): Veett)ooen'!§ (Santate Fjat — nictjt ge-
fallen." liefern Sitten ftimmte felbft ber (Somponift in fofern
bei, a(§ er e3 in fpäteren Safjren nodj rücft)altto§ für einen
„geiler" erklärte, bie Partie be§ (Efyriftuä in moberner ©mg-
roeife opernmäfjig befyanbett 3U Ijaben. S)aä Siegenbteiben be§
3Serfe§ nad) ber erften 2tuffüt)rung, fo raie beffen ungeroörjnlid)
üer^ögerteä (Srfcfjeinen im 3)rud (um 1810), laffen aud) nod)
fdjtiefeen, bafj ber Stutor mit ber gelösten Aufgabe ntcr)t be~
fonberö aufrieben geroefen unb luarjrfdjeinlid) roefentlidje Ver=
änberungen bamit öorgenommen rjat.
Sn biefem Satjre lieft ber fleißige äfteifter folgenbe ßlaüier=
SSerfe erfdjeinen: ®rei ©onaten mit Biotine, Op. 30., ferner
2)rei ©onaten für panoforte allein, Op. 31., nebft ben 3ünf=
gerjn Variationen mit einer $uge, Op. 35. 3)ie erfte ber
©onaten mit Violine, in A dur, roarb üon ber leipziger Sritif
fefjr ftrenge beurteilt unb fogar gefagt, ba$ fie Veetfjouen'ä
nicfjt mertf) fei), dagegen mürben bie fünf^n Variationen
befto fjötjer gefteEt, aber aud) nur „ein bebeutenbe3 25?erfct)en"
genannt, ©ogar finbet fid) in biefer Veurttjeilung eine in'3
detail gerjenbe Vetetjrung über ben Vortrag jeber einzelnen
Variation betgegeben, bie feinem ©pieler unbefannt fetjn fotlte.
fortestimme im früheren Besitze von T. Haslinger hat die Überschrift
von Beethovens Hand: „Klavierstimme vom Konzertant-Konzert". Die
älteste Ausgabe in der Wiener Zeitung vom 1. Juli 1807 hat den Titel
u. a.: „Grand Concerto concertant pour Pianoforte, Violon et Violon-
cello" usw. A. d. H.
21. ©tfjinbterS 29ectf)Oöen=23lo3r<H)Ijtc. 9
— 130 —
— ((Sollte eö nidjt woljl afö ein üerbienft(id)e§ Unternehmen
einer BJhififtjanblung genannt werben, eine 3lu§wal)l ber in bet-
eilig. SRuf. ßtg. über bie SSerfe 23eetl)oOen'§ enthaltenen 93e=
urtfjeilungen bem ntuftcattfcfjen ^ßublifum in bie §anb ju geben?
SSiele barunter bienen als SMerjrung jum SSerftänbnifj be§
betreffenben SBcrfeS unb erttfprecrjen fomit ber erften 5ln*
forberungen an eine gnte föritif. Sn einem mäßigen Sanbe
üereint wären fie Sebem leidjt 5iigänglid), tüäfjrenb fie beinahe
in fünf unb äroan^ig Ergangen gerftrcut aller SBelt ber*
borgen bleiben. ©djon au§ ben wenigen l)ier meift nur au§=
äüglicr) angeführten Äritifen bürfte beren bteibenber Sßert er=
roiefen ferjn, abgefefjen bon bem Umftanbe, bafj fie ber SebenS*
gefd]id)te unferS 9DMfter§ angehören, unb nidjt letdjt baüon §u
trennen finb, mie fd)on früher bemerlt worben.)76)
2Bir ftefyen nun im 5lngefid)te eine§ 3ncibenä=$uncte§,
ber bem SSerfaffer in §infid)t auf 3e^tDe^^mmun9 9rofee
<Sd)Wierigfeiten berurfacrjt tjat. ©3 wäre bie @efd)id)tfd)reibung
ein gar angenehmes @efd)äft, Wenn man nidjt bei jebem ©riff
in bie djronologifd) ftdj berütjrenben, unb oft bebingenben
Stjatfadjen in beremptorifdjer SSeife um ba§> be^üglidje 23a nu
fragen müfjte. üftidjt in ber £fjatfad)e felber unb ifjrem SSefen
liegt ba§ (Schwierige bei biefem ©efdjäfte, audj ift e£ nidjt
gerabe ba§ äRüfjfamfte, bem ®ern ber <Sadje red)t natje §u
fommen; beibe§ liegt in ber allen ^weifet befeitigenben geft=
fieüung be3 <£age3, ober SaljreS, an unb in weldjem fiel) bie
fraglidje £rjatfad)e sugetrageu Ijat. ®em Jpiftorifer in ftaat*
licfjen fingen bertjelfen in ber 9?eget ©taat3=2lrd)ibe gu bräeifer
Eingabe ber berfdjiebenen 2>aten, woburd) ein fotgeridjttges
SSorwärtöfd)reiten in feiner Arbeit fefjr erleichtert wirb. SDer
SSerfaffer aber einer ^ünftler=S5iogrQprjie, beren einfdjtagenbe
£aten um ein fjalbes Safn-Ijunbert jurüdüegen unb im ©e*
bädjtniffe nur weniger ßeitgenoffen aufbewahrt waren, oon
76) Man vergleiche hierzu das in Anm. 11 Gesagte. A. d. H.
— 131 —
benen fainn ^met, brei nod) unter ben Sebenben roanbetn, ber
fief)t fid) bei feinem $orfd)en nadj beut SEßann atäbalb in ein
©eftedjte Don 2öiberfprüd)en oerroidett, au§ bem ifmt gittreifen
nur ein lüfjuer Schritt ober ^ufaü oerfjetfen !ann.
2(ud) in 93e§ug auf bie nun 51t befpredjenbe Xtjatfadje
ift e§ mir feiner $eit °n oem £)rte aller roirfjtigen ©reigniffe
in Seetfjooen'io Seben unb SSirfen mijjtid) ergangen, deiner
ber Gefragten mufete baä be^üglid^e ^rage^eidjen an bie redjte
©teile 51t feigen, benn Sitten mar ba$ ©ebädjtnifj untreu ge=
morben. 8d) mufete erft nad) ^ariö t'ommen, bafelbft bie S3e=
fanntfdjaft mit ©tjeritbini madjen, um burd) fotdjen 3ufatt
auf eine ftdjere (Spur §u biefem in Sßien oergebtid) gefügten
Saturn 5U getangen. (Sfjerubini unb beffen @emat)(in Ijörten
nämtid) haib nad) ifjrer im Safjre 1805 erfolgten Slnfrtnft in
2Bien öon biefer Stngetegentjeit a(§ fdjon gmei Satire ^urüd=
tiegeub fpredjen unb mußten mit Seftimmttjeit au^ufagen, baf?
beren (Sinmirfmtg auf SSeettjooen'ö ©emütt) bereits übermunben
gemefen. ($on itjrem näheren 23erfet)r mit bem SBiener Sfteifter
weiter unten.) tiefem SSinfe meiter nadjgefjenb, fjat e§ ftd)
faft unbejmeifett t)erau3geftetlt, bafj biefe in ben früheren 5tu§=
gaben bem Safyre 1806 gugemiefene cXfjatfad)e in btö Sat)r
1803 gurüd 51t öerfetjen fetj.
2lt3 mir in ber oorauägetjettben Sßeriobe ben £onbid)ter
in einem Briefe an Söegeter üon einem „sauberifdjen SDtäbdjen"
berichten gehört, burd) baZ it)tn „fetige Slugenbtide" gemorben,
marb bemerft, bafs biefe gauberin, b\e in bem öerftörten
©emüttje 25eetf)Oüen'3 eine mof)(tt)nenbe „Sßeränberung" t)er-
öorgebrad)t, biefetbe fet), burd) me(d)e it)tn batb barauf fernere«?
^er^eleib üerurfadjt marb.77) SBtr motten nun bei biefer
§eräen§=$tngetegent)eit etma§ üermeiten. ©eit itjrer in ben
77) Wir treten hiermit in die Sphäre der „Unsterblichen Ge-
liebten" ein. Die Literatur darüber wächst jetzt geradezu unheimlich
an. Im allgemeinen wird man darüber nicht über Schindler, Wegeier,
Gerh. v. Breuning und den Herausgeber hinauskommen. Ich erinnere an
9*
— 132 —
früheren 3£u3ga6en biefer ©djrtft (Srmärjnung gefdjaf), Jjaben
beutfdje unb franaöftfdje gebern biefetbe gang befonberg §um
®egenftanbe feuittetoniftifdjer Sucubrationen erforen unb roman=
|aft auSftaffirt. @3 tt>ar für fotdje ßmede eine um fo er=
roünfdjtere ®e(egentjeit, a(8 fte btefe <per5en3gefd)id)te mit einer
ber gefannteften £(at>ier=@onaten, ber in Cis moll, Op. 27, in
SSerbinbung bringen konnten, bie mit it)r infofern ßufammen*
t)ang t)at, afö auf bem Sitelblatte bie $>ebication „Alla Mada-
migella Contessa Giulietta G-uicciardi" 78) gu lefen ift. £>ie§
ber öolle 9came jener gauberin. ©rmarte man inbefj ja nict)t,
bafc über biefe Angelegenheit umftänbtidjere? üorgebracfjt rcerbe,
at§ im Sßefentticfjen frütjer gefcrjerjett, benn fte ift parier Statur
unb barf mit 9tüdfttf)t auf Sebenbe nur berührt roerben. Qb
roirflicfj Untreue ber beliebten allein, mie menigftenö behauptet
roorben, ober ob Sntriguen bon anberer Seite ba§ ^ger^en^
banb jerriffen unb bie junge 2>ame faft plöfclidj §ur ©emabün
be§ benannten ßomponiften ©rafen üon@aüenberg gemadjt,
ift mit ©emiferjeit nicfjt 511 fagen. 2)od) barf bon ben folgen
biefeS 83rudje8 auf ba§> ®emütrj unfer§ Oon biefer Siebe t)od)=
beglüdten 9fteifter3 eine§ weitem bie 9?ebe fevjn. 3n ber $er=
gmeiftung fudjte er Stroft bei feiner betbäf)rten unb borsugS*
roeife bereiten greunbtn ©räfin 9J?arie(£rböbt) (man finbet
biefen tarnen auf ben beiben Strio'3, Op. 70, unb aud) bie
des Herausgebers Monographie „Beethovens Unsterbliche Geliebte",
Dresden 1891, an B. S. Br. No. 45 mit den dort gegebenen weitgehenden
Aufklärungen. Weiteres wird in meinen wohl noch in diesem Jahre
erscheinenden Büchern: „Beethovens Frauenkreis" erfolgen.
A. d. H.
78) Hierbei verdient noch bemerkt zu werden, daß in den früheren
Ausgaben die Phantasie-Sonate op. 27, 2 in Cis moll wie die erste
Phantasie-Sonate op. 27,1 in Es dur die gleiche Widmung trägt:
„Sonata quasi una Fantasia per il Clavicembalo o Piano-Forte Composta
e dedicata a Sua Altezza la Siguora Principessa Giovanni Liechtenstein
nata Langravia Fürstenberg". Also früher stand nichts von der Gräfin
Guicciardi! A. d. H.
— 133 —
beiben «Sonaten für ^ianoforte unb Sßiolonced, Op. 102, finb
ü)r gemibmet) auf ifjrem @ute Sebterfee im ä)iard)fetbe, um
einige £age in ifyrer Üftäfje 5U üerbringen. £>ort oerfd)tt>anb
er aber unb bie (Gräfin glaubte ifm nad) SBien §urüc!gefe^rt,
a(§ am brüten Sage barauf ifyr 9ftufiftet)rer 93raud)(e üjn in
einem entlegenen X^eite be§ SdjtofjgartenS gettmfyrte. Stfefet
ßmifdjenfall blieb lange ein feft bemaf)rte§ ©ef)eimniJ3 unb
marb erft nad) Sauren burd) bie beiben SDfttmiffenben näheren
$reunben Seettjoüen'3 anOertraut, nadjbem biefe £iebe3angetegen=
t)eit längft in S8ergeffent)eit geraten. 90frtn fnüpfte bie 2Ser=
mutfjung baran, e§ fet) be3 Ungtüdüdjen 9Ibfid)t gemefen, fidj
burd) (Sr^ungern ben £ob 5U geben. 3m (Stillen beobadjtenbe
greunbe motten bemertt tjaben, ba$ SSeetfjoüen biefem 9)?u[i!-
leerer mit aufserorbenttidjer 3(ufmer!famfeit feitbem begegnet ift.
(£)ie Sefer ber Revue des deux mondes roerben biefen Vorgang
§u Sebterfee bereite 1850 in bem 9tuffat$e t>on ©cubo: „Une
Sonate" gefunben tjaben. Stuf ©rfucfyen be§ §rn. <5cubo, ifym
etroa§ nod) ltnbe!annte§ mit^ut^eilen, ma§ in irgenb einem
ßufammentjange mit ber ©onate in Cis moll fiet)t, über metdje
er eben fd)reibe, marb ifjm biefer Vorfall bon mir jugefdjidt.
@r tjat jebod) für gut befunben it)n etma§ um^ugeftatten, toeit
er itjm matjrfdjeintid) 5U menig romantifd) gelungen.)
®a^ biefe£ ©rtebnifj nidjt ©runb gu immerroät)renber
föefignatton auf et)etid)e3 ©lud geraefen, bürfte fidj au§ 9tafy
ftet)enbem ergeben. (Sin tjanbfdjrifttidjer 23eroei§ au3 bem
Satjre 1817 ober 1818 batirenb, lautet:79) „9?ur Siebe — ja
nur fie üermag bir ein gtüdtid)ere3 Seben 51t geben! D ©Ott
— taf} mid) fie, jene enbtid) finben, bie mid) in £ugenb
beftärft — bie mir ertaubt mein ift. SSaaben, am 27ten Suti,
at§ bie 9tt. tiorbeifutjr unb e§ fd)ien, at§ btidte fie auf mid)."
79) Dieses sehr fragwürdige Dokument, enthalten in Schindlers
Beethoven-Nachlaß, ist nunmehr als apokryph hingestellt, besonders
durch die beweiskräftige Monographie von Dr. Faust Pachler. Den ge-
nauen Sachverhalt vergl. man in B. S. Br. No. 691, III. Band. A. d. H,
— 134 —
3)er ©egenftanb biefer tjerbftfidjen Siebe mar bem 93er=
faffer mofjl befannt unb befinben ftcf) nod) gtoei Briefe bon
ber fpäter in ©ra# oeret)elid)ten 9)?arie & ^— r80) an 93eet=
fjooen au§ ben 3af)ren 1825 unb 1826 in feinem Gorrefponben5=
9cad)taffe bei mir. ©ie mar eine eben fo fd)öne, al§ fünftterifd)
gebilbete SDame. 23eetf)ot>en trug fid) mit ber Neigung gu ü)r
— bie ifjr nid)t Verborgen geblieben — oiete Saljre umfjer.
Sie unb feine anbere bürfte ba% ©eftänbniB betreffen, baz
Q}eetl)Oüen an ben SBorfte^er eine* SnftttutS für Knaben,
GHanatafio bei 9?io, im «September 1816 getrau, mie Don
beffen £od)ter in ben Zotigen über SBeetijoüen ausgefagt roirb,
bie (nebft 28 Briefen oon Seetfyoüen an ©ianatafio) im
2. Ouartal ber ©ren^boten öom Satire 1857 abgebrudt er=
fcrjienen. 2)iefe§ ©eftänbnifj lautet, „bafj er unglüdfid) liebe.
$or fünf Sauren Ijabe er eine Sßerfon rennen gelernt, mit
melier fid) näfjer ^u uerbinben er für ba§ größte ©lücf feine*
Seben gehalten f)ätte. @§ fei) nidjt baran ^u beulen, faft Un=
mögiicrjfeit, eine Grjimäre, bennocfj fetj eö jetjt nod) roie am
erften Sag. ^iefe Harmonie t)a6e er nod) mdjt gefunben.
£od) fet) e3 $u leiner ©rltärung gefommen: er tjabe e§ nocrj
nidjt au§ bem ©emütf) bringen tonnen." 81)
3Sir roerben auf biefe üWittfjeifungen be§ ^räutein* @iana=
tafto in ber brüten Sßeriobe jurüdfommen. $)ie gamtlie mar
mir fefyr mot)t belannt.
lieber bie roeiter jurüdliegenbe Siebenfache fyabt idj burdi
ßufall auö beö 2)ceifter3 Sttunbe einige* oernommen, ba* jur
Beglaubigung be§ barüber 2(u*gefagteu um fo mistiger fdjeint,
at* e* tum feinen eigenen ©djrift^ügen feftgefjalten ift. @raf
(Mallenberg «erlebte nämlid) eine 9?eifc)c Hon Sauren mit @e=
mat)tin unb Familie in Stauen, rao er für bie Q5üt)ne meift
80) Vergl. das unter voriger Nummer der Anmerkungen Gesagte.
A. d. H.
81) Man vergl. hierüber u. a. B. S. Br. No. 691, III. Band, Er-
klärungen. A. d. H.
— 135 —
3*aHet=9)htfit componirt §at dlafybem ber berannte Untere
neunter 25arbaja 1821 ba% &ärntnertt)or»5£f)eater in SBien
gepachtet unb bie itatienifdje Oper baf)in gebract)t t)atte, erfdjien
aud) @raf ©affenberg, ber bei it)m im Engagement geftanben.
Safetbft marb itjtn bie Stjeater^ibliottjet5 gur 2luffid)t an=
uertraut. 1823 beburfte $8eett)oüen bie bort aufbemat)rte Partitur
feines gibetio jur @infid)t. Set) manbte mid) be§tjaID an ben
©rafen. Sei biefer ©efegentjeit tjatte ftctj biefer anftöfjige
3teufeernngen über ben Sßeifter ertaubt, boöon id) it)m einige
mittt)ei(en 511 muffen glaubte. S)ie3 gab it)m Sßeranfaffung,
ftct) über bie SDinge au§ bent Satjre 1803 au^ufpredtjen, unb
jmar meift fdjrtfttidt), meit mir un3 an einem öffent(id)en Drte
befanben, mo er bem ©pradjton nict)t gern üertraute. §ier
einige (Sätje au3 biefen Eröffnungen. „Sdj mar fein unfid)t=
barer 25§or)(tr)äter burd) anbere . . . J'etois bien ahne d'elle
et plus que jamais son epoux. 11 etoit pourtant plutöt son
amant que moi, mais par eile j' apprenois de son misere
et je trouvois un homme de bien, qui me donnoit la somme
de 500 Florin pour le soulager. 11 etoit toujours mon
ennemi, c'etoit justement la raison, que je fusse tout le bien
que possible . . . Elle est nee Guicciardi. Elle etoit
l'epouse de lui avant son voyage en Italie . . . Arivee ä
Vienne eile cherchoit moi pleurant, mais je la meprisois . . .
Unb menn id) Ijcitte meine SebenSfraft mit bem Seben fo
Eingeben motten, ma3 märe für ba§ Ebte, Sßeffere geblieben?"*)
(lieber ben SBorrauSbrud" in fran^öfifc^er ©prad)e bürfte
ber SJceifter fdjiuertid) $u beloben fetjn. £)a§ ©anje nutzte
umgefdjrieben merben, um gut frangöfifd) p fingen. 35a§
„que je fusse" fott motjl tjeifeen: que je lui faisais, unb ber
*) (£ine§ ber &onuerfaüon§=£>e[te oon 1823, bie fämmtüdj in ber
.£. &of=93ibltotf)ef gu Berlin aujbetüafyrt ftnb, enthalt biefe (Sröffmnigen. 82)
82) Dieses Konversationsheft ist in allen wesentlichen Teilen
von mir genauer mitgeteilt bei B. S. Br. No. 45, I. Band. Es ist das
Heft No. 10, Februar 1823. A. d. H.
— 136 —
©ermaniSmuS „eile cherchoit moi" ift uingufcfjreiben in:
eile m'a fait une visite.)
£)ie§ roirb fjinreicfjen, um über jene Vorgänge Sluffdjlufe
gu geben, aber audj um 33eetI)Oüen'3 ^erjenöftimmungen im
^ßuncte ber Siebe, geroifj nur 511 feinem SBorttjetfe, 51t djarafte-
rifiren. ©3 ruerben fid) fomit rüol)l bie üon ©erjfrieb 8:J) unb
MkZ Ueröffenttictjten 3tu§fagen Hon bem liebeteeren ^er^en
be§ fon[t fo tief unb innig fü^enben £onbid)ter$ in tljr alberneg
Sftidjtä auflöfen. Slber brei Hon S3eett)ot»en'§ £anb an feine
geliebte (Siulietta au§ einem 2Sabeorte in Ungarn gerichtete
Briefe, bereu Shttograülje bei mir aufberoaljrt liegen, follen noctj
gur SKütrjeitung fommen, roeil fie irjrem Sntjalte nad) mo^l
geeignet fdjeinen, ba§> ©iegel auf bie befprodjene Srjatfadje §u
brüden. SBetdjem Sarjre fie angehören, ift mit ©etuiferjeit nicr)t
51t ermitteln, ©tcptjan uon 53reuning fanb fie, nebft anberen
bem $reunbe roidjtigen 33rieffd)aften, nad) beffen 31bteben in
einem geheimen Säberjen einer ßaffette. Db felbe nad) bem
Sörudje 1803 jurücf getieft roorben? 2öer faun e§ fagen?
3Seil ir)re Gsjifieng begroeifett roorben, fo foK ber jtoeite mit
bem Saturn: „Sttontag ?(benb<§ am 6. Suli", im gfacfimtle
biefer Sdjrift beigegeben werben.
1.
„31m 6. Suti ätforgenS.
Sftein (Sngel, mein 21tte3, mein Sei)! — üftur roenige SBorte
fyeute, unb groar mit Sleifttft (mit Seinem). @rft bis morgen
ift meine 2Bot)nung fieser beftimmt. SSeldjer uüfjtötoürbige
3eitöertreib unb b. g. (bergleidjen). — SSarum biefer tiefe
©ram, roo bie ^ottjlrenbigfeit fpridjt! ftann unfere Siebe
83) Das unglaublich oberflächliche Wort bei J. von Seyfried in
seinem bekannten Buche lautet: „Beethoven war nie verheiratet und,
merkwürdig genug, auch nie in einem Liebesverhältnis" (Studien,
Anhang, II. Aufl. S. II). A. d. H.
— 137 —
anberS Befielen, ol§ burd) Aufopferungen, bitrc^ nid)t 5t£(e<§
verlangen? Sfrmnft Su eö änbern, bafj Su nid)t ganj mein,
id) ntctjt ganj Sein bin? — 2(d) ©Ott, blitf'e in bie fd)üne
9?atur uub beruhige Sein ©emütf) über bciZ SOcüffenbe. —
Sie Siebe forbert 2töe§ unb gan^ mit SRedjt, fo ift e§ mir
mit Sir, Sir mit mir; — nur üergiftt Su fo teid)t, bafj
id) für mict) unb für Sid) leben muß. SBären mir gan$
tiereinigt, Su mürbeft biefe3 ©djmerjtidje eben fo menig at§ id)
empfinben. — 9J?eine 9?eife mar fdjrecfttdj. Sd) lam erft
9J?orgen§ 4 Ul)r geftern f)ier an, ba e§ an Sßferben mangelte.
5tuf ber testen Station marnte man midj bei 9?ad)t 51t fatjren,
machte mid) einen Söatb fürdjten, aber ba$ reifte midj nur,
unb id) rjatte Unredjt; ber 333agen mu&te bei bem fdjrecfltdjen
2$ege bredjen, grunbloS, blofeer Sanbmeg. — gürft (Sfterfjagt)
rjatte auf bem anbern 28ege !t)tet)er baffetbe ©d)idfal mit
8 $ferben, ttjaS id) mit 4. — Sebod) tjatte id) §um Stjeü mieber
Vergnügen, mie immer, menn id) ma§ gtüdlid) überftetje. —
dlnn gefcfjroinb gum Snnern oom Steueren. Sßir merben uns
morjl balb feiert. 2(ud) fjeute fann id) Sir meine SSemert'ungen
nidjt mitreiten, metdje id) märjrenb biefer einigen 'Sage über
mein 2tben madjte. äöären unfere ^erjen immer bicfjt an
eiuanber, id) madjte mofjt feine bergteicfjen. Sie SBruft ift üofl
Sir üiel ju fagen. — 9(dj — e3 gibt Momente, mo id) finbe,
hak bie ©pracfje nod) gar nid)t3 ift! — (Srrjeitere Siel) —
bleibe mein treuer, einiger &d)a§, mein 2IKe§, mie id) Sir;
ba§ Uebrige muffen bie ©ötter fdjiden, ma3 für uns fetjn mufj
unb fein fott. Sein treuer
Subroig."
2.
„Montag StbenbS am 6. Suti.
Su (eibeft Su mein trjeuerfteS SBcfen! — oben je|t nerjme
id) marjr, baf$ bie Briefe in aller $rül)e aufgegeben merben
muffen. Su teibeft! 3ld), mo id) bin, bift and) Su mit mir;
— 138 —
mit mir nnb 2>ir werbe id) machen, hak id) mit ®tr leben
fann. 2Betdje§ Sebenüü foü! ofme £)id). — Verfolgt öon
ber ©üte ber 3)?enfd)en Ijier unb ha, bie id) meine eben fo
menig oerbienen 31t motten, aU fie mirflid) 51t öerbienen, —
SDemutf) beS 9J?enfd)en gegen ben 9ftenfd)en — fie jdjmcrjt
mid) — unb luenn id) mid) im ßufammen^ang beö ilnit>erfnms
betrachte, maS bin id), unb mag ift ber, ben man ben ©rösten
nennt? unb bodj ift nneber rjierin bci% ©ötttidje im ÜOienfdjen —
3öie ®u mid) aud) liebft, ftärfer liebe idj £>id) bod), — bod)
nie oerberge £)id) Dor mir. ®ute 9cad)t! — 2(13 Q3abeuber
muß icf) fd)tafen geljn. 2(d) ©ort! fo natje! fo meit! Sft e£
nidjt ein maljreg §immel§gebäube unfere Siebe, aber aud) fo
feft, mie bie SSefte be3 feimmeU." —
„©uten borgen am 7. 3uli.
Sdjon im 23ette brängen fid) bie Sbeen 311 £>ir, meine
unfterbtidje ©eliebte, f)ie unb ba freubig, bann nneber traurig,
00m @d)id)al abmartenb, ob e§ un§ erhört. — Seben fann id)
enltueber nur gang mit Sir, ober gar nidjt; \a id) fjabe be=
fdjtoffeu in ber gerne fo lange fyerum 51t irren, bi§ id) in
2)eine ?(rmc fliegen, mid) ganj r)etmattjlict) bei ©ir nennen,
meine Seele Don 2)ir umgeben in'3 9veid) ber ®eifter fd)ideu
fann. — Sa teiber mufc e§ ferjn! — ©u totrft S)id) f äffen
um fo meljr, ba Sit meine Xreue gegen S)id) fennft; nie eine
anbere fann mein §er^ befitjen, nie! nie! — O @ott, marum
fid) entfernen muffen, ma§ man fo liebt? unb bod) ift mein
&ben fo roie jeijt ein fümmerlid)e£ Seben. — ©eine Siebe
marfjt mid) 511m ©tüdlidjften unb gum Ungtüdlid)ften sugleid).
8n meinen Sauren je£t bebürftc id) einiger Ginförmigfeit,
©leidjtjeit im Seben; fann bie bei unferem Sßerljältniffe beftefjen?
— ©et) ruf)ig; nur burd) ruljige§ Sefdjauen un[er§ ©afetjnS
fönnen mir unfern 3med §ufammcn 51t leben erreid)en. —
Ms (EL 9^r firfw.
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— 139 —
SSetcrje ©eljnfudjt mit Sfjränen nad) Sit, mein Seben, mein
?lUe§! Sebe n>ot)t! — D liebe mid) fort unb oerfenne nie baS
treueftc £er3 Seines 9eüebten 8ubnjifl.«
„Senn mdjtä tft befjer unb nmnfdjenSmeiU'jer auf l£vben,
2113 menn Wlann unb 28eib, in 5evältd^er Siebe bereinigt,
Diufiig i^v §au§ üenoalten: ben geinben ein fränfenber Slnblicf,
Stber SSonne ben Sfreunben; unb mefir nod) genie&en fte felber."
58on !Seetbot>en in ber Odussee ©. 121, angeftridjen.84)
©äs Safjr 1804 braute an erftmatigen Sßrobuctionen bie I8O4
^meite Sinfonie in D dur unb gleichseitig baS *ßiano=
forte=©oncert in C moll — (in ben 2lugarten=2lfabemien,
3tfonat Suti). (5S liegt fonad) ^oifdjen ber erften Huffürjrung
ber ©infonie in C dur unb biefer neuen ein 3e^raum ÜOn
oollen Oier Sagten, lang genug für ben fd)öpferifd)en, mäcfjtig
aufftrebenben Slünftter, um fiel) gan§ Oon SDfoäart'S Stntmeife
ju emaneipiren unb feinen eigenen 2Beg gu getjen. ©0 geigt
eS biefe neue Sdjöpfung. Smbefj mar in nicfjt menigen it)r
vorausgegangenen SBerfen für Äammermufif jeber (Haltung biefe
©maneipation85) fdjon erfolgt, ausgeprägte (Sigentt)ümlid)feit
in SOMobie unb s}3eriobenbau ftnbet fiel) fd)on in ber Sonate
Op. 2, in F moll, im SIbagio E dur ber brüten Sonate beS=
fetben Söerfel; ferner in ber Sonate Es dur, Op. 7; nod)
entfdjiebener unb bie Sätje etnrjeittidjer im (Stjarafter oerbinbenb
in ben Sonaten C moll unb D dur, Op. 10; bann nod) in
ber Pathetique, bie fed)S Duartette, Op. 18, nidjt 51t Oergeffen,
meiere $8er!e fämmttid) frei oon Stt)l=3ieminifcen5en ben ur=
eigenen SupuS Seetrjooen'fcrjer Strjtmeife fdjon an ber Stirn
tragen, als mären fie ^ßrobuete fpäterer Sarjre.
©igen, be^ierjungSmeife feltfam, lautet baS offenbar oon
^ogart'S Stntmeife ftart befangene Urttjeit beS Wiener 9fJefe=
84) Homers Odyssee, VI. Gesang, V. 181 ff. A. d. H.
85) Ein kleiner Lapsus : Schindler wollte wohl Emanation statt
.,Emanzipation" schreiben. A. d. H.
— 140 —
reuten in ber 2((Ig. üOcuf. 3*9- uoer ^efe neue ©infonie. ©r
begnügt ftd), fie turjmeg gu nennen: „(Sin Söerf Doli neuer,
origineller Sbeen, bon großer föraft, feelenüoüer Snftrumen*
tirung unb geteerter 2(u£>füt)rung, ba% aber ofjne ^toeifet ourc§
5Ibtüräung einiger ©teilen, fo mie burd) ?(ufopfernng fo mancher,
benn bocT; gar ju fettfamen SOfobutation gewinnen mürbe." —
dagegen ruirb ba$ neue ^ßianoforte^Soncert unbebingt 5U ben
fcfjönften ßompofitionen Q3eetf)oüen'3 ge-jäfjft unb beffen „fetjr
gebunbener unb au3brud3üotIer Vortrag" burct) ^erbinanb 9vie§
bejonber§ Ijeröorgeljoben. — 93eiger)enb barf bie auäfüfjrftdje
Beurteilung btefe§ ßoncertö im fiebenten Safyrgange ber
9Ißg. 9J?uf. $tg. nacfj tieferer (Sinftdjt ftrebenben ßlaoierfpietern
beftenS empfohlen »erben. (Sie ift meniger eine Shitif, a(3
oielme^r eine Ie£)rretci)e 3[6fjanbftmg.
Sin neu f)erau3gegebenen SSerten ift btefe§ 3>arjr eine§ ber
ärmften, üon {(oberer Söebeutung ift feineä anaufübren. Sn
?(rtariaT3 Vertag erfcr)ten bie Sttufif: gutn SBaHet „$ßromert)eu§"
für ba<3 (Streichquartett eingerichtet. 2Öeäüg(tct) ber Dcummerirung
biefer Gompofition ift 31t bemerfen, bafj ber frühere fcfjon bei
Gappi u. Somp. gebrucfte GfabierauSgug 31t ä»ei Spänben bie
CpuSjafjf 24 aufroeifet, loelcfje, in Setradjt ber (Sntftefjung be§
S33er!e§, tuot)[ ofjne 3»eifet °^e re<fye fe9n bürfte. 3)emnacrj
barf bie in fpäteren Katalogen angegebene Dpu^aljt 43 eine
offenbar iinridjtige genannt »erben. 86)
II.
Sn mögfidjft cbjrouologifdjer Crbnung mit ©r^äb/lung ber
gejdjidjtlidjen Gegebenheiten unb ifyrer SBerantaf jungen fortfatjrenb,
tritt un§ nun jum erften SDfaf eine oon nicrjt gemötjntidjer, ja
86) Die Wahrheit ist, daß beide OpusnuiDmern 24 und 43 ihre
Berechtigung haben. Die Zahl 43 bleibt bei dem Gesamtwerke besteben,
wie es bei J. Cappi & Co. erschien 1802 — nach Artaria. Die
Ouvertüre mit der Opuszahl 24 erschien 1804 im Verlage von Hof-
meister & Kühnel in Leipzig. A. d. H.
— 141 —
öon abfonberlidjer 5frt entgegen, barum abfonbertid), meil fte
weniger bem muficatifdjen ©ebiete, at§ öietmetjr bem ber Staate
polttif angehört. SSir muffen un§ aber allmärjlig geroöfjnen,
nnfern Sonbidjter aucfj auf biefem, feinem eigenttictjen 2Birtung§=
freife gan§ fremben, ©ebiete aufeufudjen, meil eine (Seite feinet
üftatnrette unroiberfteljtid) nacf) biefer SRicfjtung gebrängt unb
poIitifd)e<o (Gepräge gur ©djau getragen fjat. Sßir merben ibm
barum nod) mieberJjott bort begegnen.
©efanbter ber fran^öfifctjen SJiepublir* am öftreidjifdjen £>ofe
mar bamalS ber ©eneral 23ernabotte, nadjljeriger ßönig öon
©dnoeben. Sn feinem, ben Sftotabilitäten au3 allen ©täuben
geöffneten ©alon erfdjien aud) 93eetboöen, ber fid) 6i§ bafrin
bereite al3 großer SBemunberer be§ erften (5onfut§ biefer 9te=
publif gu ernennen gege6en rjatte. $on biefem ©enerat ift ber
©ebante ausgegangen, 53eetrjoüen möge ben größten gelben be§
ßeitalterä in einem £onroerfe feiern. üfticrjt lange, fo t)atte fid)
biefer ©ebanfe gur STtjat entfaltet, roeldje ber ^eifter nadj über*
ftanbenent Kampfe mit feinen politifcfjen $lnfcfjauungen unter
ber Benennung „Sinfonia eroica" ber Shtnftioelt übergeben bat.*)
3)ie Semunberung für ben ©enerat Söonaparte grünbete
fid) bei $eetf)oöen nidjt bfo§ auf beffen garjlreidje ©iege an
ber ©pi|e großer Slrmeen, fonbern aucrj barauf, bafc e§ bem
aufserorbentlid)en Wanne in wenig fahren fdjon gelungen mar,
baZ ßrjaoä ber gräuetoollften 9teöolution mit fräftiger §anb
*) ©afj ber ©ebanfe ju biefem SBerfe urfprüuglid) bem ©eneral 23er»
nabotte angehöre, tternafim ber SBerfaffer au§ SSeetfioüen'S eigenem Wlunbe
bei ©elegencjeit, als ber «ütetfter 1823 ein (Scheiben an ben König öon
©djroeben gerietet, beffen am paffenben Orte näfier erroabnung ge=
fcbeben wirb.87)
87) Man vergl. B. S. Br. No. 878, IV. Band. Über Beethovens
Republikanismus ist in den Briefen viel geschrieben worden. Trotz
aller zurückweisenden Bemerkungen bleibt B.'s Republikanismus be-
stehen. Es hieße „Eulen nach Athen tragen", wollte man diesem
Streitpunkte noch näher rücken. Siehe u. a. B. S. Br. Band III S. 59
und passim. A. d. H.
— 142 —
ttrieber in eine ftaatüdje Drbnung äurüdjufütjren. Unb bab
biefe neue Drbnung ber Singe auf repubtifanifdjen Sßrincipien
fufcte, roenn audj urfprünglid) bon bem erften Gonful felber
nid)t bictirt, bie§ fonnte bie <Sb,mpatt)ien Jßeet^ooen'g für 53ona=
parte unb ben neuen Staat nur ert)ö(jen, toett er fid) felber
fd)on ber repubtifanifdjen ©taat^form gugemenbet tjatte, 511
toetdjer er gunädjft burd) feinen borroiegenben £)ang nadj un=
eingefd)räntter $reif)eit unb Unabtjängigfeit modjte geführt tuorben
febn. Siefeä hinneigen 511 freien ©taat§berfaffungen mußte
ferner im anbauernben ©tubium ber gried)ifd)en <2d)riftfteüer,
^lutard) unb Sßlato, bie fräftigfte 9cat)ruug finben, aber auf
biefen SSegen pgteid) eine 9?id)tung ermatten, bie mit ber gefd)affe=
nen Drbnung in $ranfreidi faum mefjr ate ben tarnen gemein fyatte.
©oetfje fagt: „Me practifdjen Slöpfe fudjen bie SBett
fjanbfeft 5U madjen, alle Genfer motten fie fopfred)t f)aben."
2e|3tere3 paf}t auf unfern Sßeetfyoben. föopfredjt wollte er jebe
ftaat(ict)e Drbnung tjaben, menn er fie mit bem SJeafcftabe ge*
meffen, ben er burd) pato'3 -tfyeorie bom Staat in bie §anb
befommen. ®opfred)t motfte er bie Singe junädjft in granf-
reict) georbnet fetjen, menn er bon Napoleon Sßonaparte er=
martete, er merbe nad) unb nad) bie §auptprincipien ber ^Sta=
tonifdjen SRepubüf, bteüeidjt mit einigen äftobiftcationen, bort
5ur ©eltung bringen, unb fomit — nad) feiner (Sinbilbuug —
ben ©runb ju einem allgemeinen 2öetteng(üd legen. Surfte
aber nict)t nod) ein anberer, fefterer ®runb für 53eett)oben'3
politifdje ?(nftd)ten ober ©trebungen anjunetjmen fetyn, ber bei
einem Senfer, roie er, nid)t au&er aüer 3Safjrfd)eintic^feit liegt?
SKod)te er nid)t gemottt fjaben, bie SBett, unb in iljr bie £unft-
toelt, foüe fid) bei einer allgemeinen poütifdjen Umgeftaltung
fo geftatten, bafe itjr eigentümliches 2Sefen unb it)re SBeifen
(unb fomit aud) bie Äünftler) ju tjol^erer ©ettung gelangen
fönnen, al§ bie§ bei ben beftetjenben 23erf)ältniffen unb guftänben
möglid)? 2Bir tjaben un§ tjiebei nur bie «Stellung ber 3Tünftter
in focialer Söe§iet)img in bamaliger &\t 31t bergegenmärtigen.
— 143 —
Sie trittf f)at biefen Snciben^unct mdy ©rfdjeinen ber
erften Shi8ga6e btefeS 93ud)eS äiemtid) fdjief beurteilt, tueil
meiner Seitä 51t menig motibirt, aber bieüeidjt aud) barum,
weit ben 23eurtf)eitern bie ©nmbäüge ber patonifdjen £ef)re Dom
Staat nidjt mefjr redjt erinner(id) gemefen. 9ceuerlid) ift ber*
felbe bon einem 93eurtf) eiler be§ Utibifd)efffd)en 23ud)e<§: „S3eet=
Ijobeu, feine Äritifer nnb feine Ausleger," in ben Beilagen pr
ungemeinen geitung, %im\ 1857, mieber beanftanbet morben.
©ort fjeifet e§: „S)af$ Geetfjoben bor allem ber fRepubttf be§
^(ato ben $or$ug gab, bie auf bie ©emeinfdjaft ber ©üter nnb
SBetber bafiert mar, unb bie Stünftter ber jagte, baZ fdjeint
etma§ fernerer gu begreifen, als bafj er im §er^en 9tepublifaner
mar. Safe eraufter ben ©djriftftettern be§ 9((tert^um§ Sfyafefpeare,
(^oetrje, ©Ritter nnb alle gnlen bentfdjen Sidjter la§, überbieS
bie allgemeine ßeitung feine tägtidje 23efd)äftigung bilbete, —
mie reimt fid) ba§> mit ber ^ptatonifd)en SRepublif?"
Sa and) biefem fünft fo nmfidjtigen 53eurtt)eiler ber roaljre
Sad)bert)alt nidjt mefjr tren im ©ebädjtniffe haften geblieben,
barum er bielleidjt bem SSrodtjauS'fdjen (£onberfation§sßerkon
nadjgefdjrteben, mo e3 fo 31t (efeu ftefyt, fo fd)eint e§ unertäfelid),
einige ©teilen au§> *ß(ato'<o (Staat ber Gegebenheit mit ber
Sinfonia eroica borauSgefyen 5U (äffen, bie §ur StufÜärung irr*
tfyümlidjer Slnffaffung bienen merben. Ser ©egenftanb, an fict)
fd)on bon tjofjem Sntereffe, geminnt nod), ba er in gutem $u=
fammenljange mit SSeetfjoben'S potitifdjem ©laubenSbefenntniffe
ftefyt.ss) Siefetbe Ueberfetmng öon $. Sdjteiermacfjer, bie
aud) 53eett)Oüen jum Stubutm gebient, liegt mir bor. 93orab
ift nur 51t bemerfen, bafy afle Steile biefer Sfjeorie bom Staate
88) Die Ausführungen Schindlers über Beethovens Republikanismus
glaubt nun A. W. Thayer dadurch zu entkräften, daß er mit der
Bemerkung vorrückt, Schleiermachers Übersetzung des Plato wäre erst
viel später herausgekommen, als Schindler angibt. In Wahrheit ist
nun erstens Schleiermachers Plato in der ersten Auflage: 1804—1810
erschienen. Dann übersieht Herr Thayer aber den Umstand, daß seit
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in ©efprädjäform atmjdjen SoirateS, ©laufon, £{jraftj*
madio3 unb anbern, abgefaßt finb.
^ßlato beabfidjtigte nichts »eiliger al§ bie Vertreibung ber
fünfte au§ feinem (Staate, t>ietmef)r nur it)re $)3urificirung,
barum er fie unter 9(uffid)t (ßenfur) gestellt miffen motlre.
9fad)bem er im ©ingange be3 brüten 23ud)e§, <S. 166, über
bte ©ötter p fpredjen beginnt, „ma§ biejenigen üon &inbt)eit
an tjöreu unb ma§ fie nicfjt fyören muffen," fefct er gleich rjin^u:
„Ü8ir muffen alfo and) über biejenigen Sluffidjt führen, bie
tjierüber (ärjätjtungen üortragen motten" .... „SDtefcS unb aUe§
berg(eid)en motten mir bei §omero§ unb ben anbern S)id)tern
beüonoorten, un§ nicrjt ju ^ürnen, loenn mir c§ auSftreicfjen,
nid)t al3 ob e3 nid)t bid)terifd) märe unb bem Voffe angenefjm
5U björen, fonbern meit e§ je Mdjterifdjer um befto meniger barf
gehört merben üon Knaben unb Scannern, metdje foüen frei
geftnnt ferjn unb bie ftuecfjtjdjaft met)r fd)euen a(§ ben £ob."
<&. 167. — Sinn merben nocfj üiele «Stellen au§ §omero§ uub
anberen 'Didjtern tüörtlicr) angeführt, mie üorauögetjenb im
gmeiten 58ud) be§g(eid)en fdjon gefdjetjeii, bie a(3 fittengefät)r(id)
geftrid)en merben foüen.
Sn ber Unterfudjung ber fünfte fortfaljrenb, fommt nun
^(ato äitnäc^ft auf bie 9(rt unb Steife ber ©efänge unb ifjre
^Begleitung gu fprecfjen, — ein fefyr an^ieljenbeg, für D?aft&
freuube belel)renbe§ Gapitel.89)
längeren Zeiten gründliche Philologen um Beethoven bemüht waren,
Beethovens Hange zur Antike eifrig durch Übersetzungen zu dienen.
Dabin geboren die philologischen Freunde Pinterics, Stein, Höhler
und andere. Beethoven brauchte etwa nicht erst seine Kenntnis
Piatos aus der gedruckt vorliegenden Übersetzung Schleierinacliers
abzuwarten. A. d. H.
89) Bei allem Bedeutsamen und Verdienstvollen, das Schindler
auch über diese Partien aus Plato vorbringt, muß dennoch behauptet
werden, daß diese Materie aus Plato seitdem viele Erweiterungen und
Richtigstellungen erfahren hat. Ganz unabhängig von Beethoven ist
dieser Gegenstand — die moralische Seite der Musik — bereits vor etwa
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9?ad)bem er unter bett fünften Tonarten bie jonifdje*)
unb Itybifdje**), tt)efd>e bie roeidjen genannt merben, bann nodj
bie borifdje***) nnb p^rt)gtfct)e ****) auSgemäljlt, gibt er bon
beiben letzteren folgenbe intereffante (Sljarafteriftif: „Saffe mir
jene Tonart übrig, meiere bie Xöne unb (Stjlbenmafee 35effen
angemeffen barftellt, ber fid) in friegerifdjen Verrichtungen unb
in allen gemalttljätigen ßuftänben tapfer beweiset, unb ber aud),
menn e§ mißlingt, ober menn er in SSunben unb Stob gefjt
ober fonft öon einem llnglüde befallen mirb, in bem allen
moljfgerüftet unb auSljarrenb fein ©djtcffat befielt." (£)ie
borifdje Tonart ift bamit gemeint.) „Unb nodj eine
anbere für 2)en, ber ftdj in frieblidjer, nidjt gemaltfamer,
fonbern gemäd)lid)er Stljätigleit befinbet, fet) e§, bafe er
einen 9lnbern roo^u überrebet unb erbittet, burdj gießen ®ott
ober burd) SMeljrung unb (£rmatjnung SRenfdjen, fet) e§ im
©egentfjeif, bafe er felbft einem 5lnbern bittenben ober be«
lebrenben unb umftimmenben ftiÜIjätt, unb bemgemäfj öer=
nünftig fjanbelt unb ntdjt ljod)faf)renb fidj betueifet, fonbern
befonnen unb gemäßigt in alle 2>em fiel) beträgt, unb mit bem
9lu§gang aufrieben ift. ®iefe beiben Tonarten, eine gemaltige
unb eine gemäd)tid)e (mit biefer ift bie pjjrtygifdje gemeint),
meiere ber Unglüdlidjen unb ©lüd(id)en, ber Sefonnenen unb
tapferen Xöne am fd)önften nadjatjmen merben, biefe laffe
mir" .... (SSir merben un§ biefer Xon=(5Ijarafteriftif: be§
*) Unfer C. **) Unier F, aber obne b.
***) Unfer D, of)ne fis unb eis.
****) Unfer E, obne fis, meber aufroäriä nod) abwärts fteigenb, fo aud)
mit fleiner Sejte unb fleiner (Septime.
2 Jahrzehnten vom Herausgeber dieses Neudrucks bebandelt worden,
worauf ich alle Freunde des Griechentums hinweisen möchte. Das
geschah in meiner Schrift: „Musik und Moral, kulturhistorischer Essay,"
Hamburg 1 888, in den Deutschen Zeit- und Streitfragen, herausg. von
Prof. Franz v. Holtzendorff in München, besonders in den den Hellenen
gewidmeten Kapiteln III— VII, S. 9—27 (über Plato und Aristoteles).
A. d. H.
31. <ScötnMer§ 33eetf)Oöert=93iogtcH)fjic. 10
— 146 —
griedjifdjen SBeifen in ber SRubril „Gtjaraf'teraüge" erinnern, menn
öon S3eetf)oüen'g gehalten an ber bon neueren 2leftt)eti!era
aufgeteilten (Sfjaraftertftif unferer Tonarten, jum Streit ge='
ftüfct auf jene ©runbgüge, bie SRebe fetjn roirb.)
Unb nun geljt ^plato jur tlnterfudmng ber für feinen ©taat
braud)baren Snftrumente unb ber ß^itmafee ü6er. $on erfteren
uermirft er bie §arfe unb (Strubeln roegen ifyrer nieten (Saiten,
auc| bie $töte nrirb üerroiefen unb nur bie Stjra unb bie Sto=
tt)ara behalten „für bie <Stabt"; ben gurten auf bem Sanbe
gibt er „irgenb eine 5Trt Don pfeife."
33ei ben Xaftarten unb iljrer Söraudjbarfeit geigt ficf) $ßtato
unfidjer. (Sr fügt @. 188: „©enn ba$ e§ etwa brei 5trten
gibt, au§> benen alle Semegungen äufammengefe^t merben, fo
nn'e 6ei ben £önen Oier, an$ benen alle Xonarten, bie§ fjabe
itf) angefdjaut unb lönnte e§ fagen; raa3 für eine £eben£roeife
aber jebe barfteltt, ba§ müfete ict) nictjt §u fagen .... ©o ttmllen
mir bie§ erft mit 2)amon beraten, roaS für 53eroegungen mofyl
ber ©emeinljeit, beut SKutljmillen, ber 2?3ilbt)eit unb anberen
2d)tecl)tigfeiten angemeffen ftnb, unb ma§ für 3e^trnaBe ^r
für bie entgegengefetjten aufbewahren muffen."
@. 190. „äWüffen mir atfo bie 2)ict)ter altein in Slusfidjt
Ratten unb fie nötigen biefer guten @efinnung 33i(b tt)ren
Dichtungen eingubitben, ober überall bei un§ ntd)t $u biegten?
Ober müften audj alle anbere arbeiten unter 2luffid)t ftetjen
unb abgehalten merben, bie§ bösartige unb unbänbige unb un=
ebte unb unanftänbige meber in Slbbitbungen bes Sebenä, nod)
in ©ebäuben, nod) in irgenb einem anbern SBerte anzubringen;
ober mer baZ nidjt fönnte, bem märe nid)t 51t öerftatten bei
un§ §u arbeiten .... <So(d]e Hünftler muffen mir fud)en,
metdje eine glüdtidje ®abz befitjen, ber !ftatur be£ ©djönen unb
Slnftänbigen überall nac^jufpüren, bamit unfere Jünglinge, mie
in einer gefunben ©egenb mo^nenb, üon allen (Seiten geförbert
merben, moljer ifjnen gleidjfam eine milbe, au§ tjeilfamer ©egenb
©efunbljeit fjermetjeube fiuft irgenb etmaä oon fdjönen SBerfen
— 147 —
für ba§ ©efidjt ober ®ef)ör gufütjren möge, unb fo unuermerf't
gteid) oon Äinbljeit an fic gur 2(ef)n(id)feit, greunbfdjaft unb
Uebereinftimmung mit ber fdjönen Sftebe anleiten."
„Sentit nictjt eben be£ljalb ba§ tüirfjtigfte in ber (Srgie^ung
auf ber Wu\it, »eil ßeitmafj unb 28ot)lf(ang üorgügtid) in bas
Snneie ber ©eefe einbringen, inbem fie SBofjfanfiänbigfeit mit
fidj führen, unb alfo aud) tüofjtanftänbig machen, toenn einer
richtig erlogen toirb, lcenn aber nid)t, bann baZ ©egentfyeil?"
— 2)a3 ©efaräd) über SHufü fcfjtiefjt mit bem ©afce: „£)a§
£CRufifatif(f)e fott nämlidj enben in ber Siebe gum ©djönen."
SSettertjin ftofcen mir auf ben <Sai$: „9?äcf)ft ber äJhtftf aber
muffen hnr unfere Jünglinge burd) ©tjmnafti! ergießen" u. f. f.
S)a§ fünfte Sud) tjanbelt über ©emeinfdjaft ber Sßeiber.
©. 264. „2öetd)e3 bie Strt unb Söeife ber ©emeinfd)aft
fet)n foü, bebarf ber ©rflärung, benn e§ fann ber §Irten gar
öiete geben." — 3n gotge Stufforberung bon ©faufon, fidj
über biefen *ßunlt ebenfalls $a erklären, fragt ©ofrateä : „©agft
bu ba§ etma, um mir 9ftutf) gu machen? — greilid). — ©u
benrirfft aber gan§ ba$ ©egentfjeil, benn toenn id) mir zutraute
ba3 5U hüffen, tuooon id) rebe, fo toäre mir biefe 3ufPra^^
gan§ nüßtommen. £)enn unter bernünftigen unb lieben Sftenfdjen
audj über bie toidjtigften unb tiebften S)inge bog 233aljre, baä
man loeifj, bortragen, ba§ ift gang fidjer ofyne @efnt)rbe ; aber
felbft nod) ungettrijj unb fudjenb pgleidj etroa3 Vortragen, tote
id) tfjun fotl, ba$ ift bebenflid) unb unftdjer.
2)ie§ geigt rt)of)t beuttid), bafj Pato über biefen SEtjeit
feiner Sefjre öom <&taat mit fidj nod) nid)t im Staren getoefen;
g(eid)ioof)t fpridjt er fid) in einer 2Beife barüber au§, bafc felbft
ber fittenridjtenbe SSeetJjoüen nidjt Urfadje t)atte, 2InftoJ3 baran
nehmen §u muffen, menn er fid) ai§> ©eftfn'djtöfunbiger in bie
3tnfd)auungen be3 Ijeibnifdjen ßeitatterä surüdüerfe^te.*) — (£§
*) £)6 aud) SBeettjoüen über ba§ G()et>err)ältnif$ nad) firdjltdjen unb
ftaatlidjen ©efegen mit fttf) im Klaren mar, ftetjt ju bezweifeln. Sie ©ame
©ianotafio ermähnt in itjren 2lufaetd)nungen eine§ ©efpräctjeg mit ifjm
10*
— 148 —
mag fomit genugfam bargetegt fetjn, ba^ in ber £mlbigung
biefer ^latonifdjen Stjeorieen für ben ©ebitbeten nidjtS üer=
fängüd)e3 liege, folgtid) audj, bafj biefen £t)eorieen gegenüber
gtoifcrjen 93eetl)orjen unb feiner Sßerefjrung für (Stjafefpeare,
®oett)e, @cr)iCter nnb ber Seetüre ber Mgemeinen 3e^tun9 nid)t3
ungereimtes 3U ftnben. SBeldje 2Banblung aber 23eetl)oüen'§
reüubfifanifrfie ©efinuungen in fpäteren Satjren erfahren, nad)-
bem er bie englifdje ©taatStierfaffung nätjer fennen gelernt,
tt)irb in ber brüten ^ßeriobe gezeigt merben.
9lad) biefer notljmenbigen ?Infüljrung be3 gried)ifd)en SSeifen
ergreifen mir ttrieber ben gaben unferer ©r^ätjlungen unb fommen
pr üorbemerften Segebenfyeit mit ber Sinfonia eroiea.
®ie 9tetnfc£)rtft ber Partitur mit ber ©ebication an ben
erften ßonfut ber frangöfifdjen Dtepubtif, bie blo§ au§ ben
beiben SSorten „Napoleon Bonaparte" beftanben, follte eben
bem ©enerat S3ernabotte gur SIbfenbung nad) SßariS übergeben
merben, als bie 9^actjrict)t nad) SSien tarn, Napoleon ©onaparte
Ijabe fid) gum ft'aifer ber gran^ofen aufrufen laffen. ®em
über biefen ^unft unb fübrt an: „2Sie er in altem ein befonberer 9JJenfd)
war, fo and) in feinen Qbeen unb Meinungen hierüber. 3ebe 5lrt ge*
bunbeneg 93ert)ättniö bei SKenfcben, fagt er, fei) iljm unangenehm. 3$
glaubte ir)n ju uerftetjen, er null bie 5-reitjeit be§ Wenfcben nict)t befebränft
miffen; fo ifi e§ ibm weit intereffanter, roenu ein ireiblicr)c§ SSefen ibm,
ebne an ib,n gebunben ju feim, it)re Siebe unb mit ibr ba§ £öd)fie fdjenft."
©tet)t bie§ mit feinen oben angeführten Söorten nidjt in einigem
SBiberfprud)? „0 ©ott - (afj mitf) fie, jene enblid) finben, bie mid) in
Sugenb beftärft — bie mir erlaubt mein ift." ®iefe Söorte batiren au%
berfetben geil, in melier jene ®ame unfein ÜCftetfter oft in tbreS SßaterS
$aufe ju fet)en unb ju hören Gelegenheit gehabt.90)
90) Man vergleiche die breiten Darlegungen von Frl. Fanny
Giannatasio del Rio im Buche von L. Nohl: Eine stille Liebe zu Beet-
hoven, bes. S. 126—1870. — Hierbei ist auch an die Stelle des Tagebuches
1812—1814 zu erinnern: „ Sinnlicher Genuß ohne Vereinigung der
Seelen ist und bleibt viehisch, nach selber hat man keine Spur einer
edlen Empfindung — vielmehr Reue." Fischhoffscb.es Manuskript
Fol. 40 b. a. d. H.
— 149 —
Xonbidjter warb biefe SRadjridjt burctj ($raf SidjnoroSfü unb
gerb. 9tieS über6rad)t. $aum tjatte er fie angehört, als er
mit Jpaft biefe Partitur ergriff, baS Xitelbtatt abrifs unb fie
mit 33ertoünf jungen über ben neuen granjofen^aifer, „ben
neuen Xtjrannen", auf ben 93oben warf.
bringt man bie bamalige Entfernung snnfdjen ber oft-
reict)ifct)en unb fran§öfifd)en §auptftabt in ©rmägung, fo läfjt
eS ficf) tuoljt begreifen, baf$ bie ©rtjebung üftapoteon'S auf ben
X£)ron 51t 3Bien um fo metjr überrafdjen mufjte, loeil man
bafetbft öon bem oorauSgegangenen SßlebiScit feine $unbe ge=
fyabt, benn neufter $erfid)erung sufotge foß jener ©taatSact
mit eben foldjer ©Ufertigfeit in'S SSerf gefegt toorben fet)n,
rcie ber um 48 $at)re fpätere.
@rft nad) längerer $eit tjatte ficfj ber fjeilige ßorn unferS
bemofratifdjen XonbidjterS, ntctjt ofjne ßuttjun feiner greunbe,
gelegt unb fein aufgeregtes ©emütf) ruhigen ^Betrachtungen über
baS ©efdjefyene mieber ßugang oerftattet. @r gab bemnad) 5U,
ba$ biefeS neue 333er! unter bem Xitel „Sinfonia eroica", mit
ber barunter fid) befinblidjen S)eüife: „Per festegiare il
sovvenire d'un gran uomo"*) ber Deffentlid)ieit üorgetegt
werben folle. S)od) erfolgte bie Verausgabe erft ootle jtoei
3at)re nad) biefem Vorgänge.
Stber mit ber 83ettmnberung für Napoleon tuar eS für atte
$eit auS, fie tjatte fid) in tauten §afj öermanbett; erft baS
tragifdje @nbe beS $aiferS auf @t. §e(ena fonnte SSeettjoOeu
gur SSerföfynung ftimmen. ©oüte fid) in biefer §artnädig!eit
nid)t ein HeineS (Srbtf)ei( niebertänbifdjen 58ottS=ßt)aratterS #x
erfennen geben? Snbefj aud) in biefer Umftimmung t)at eS an
farfaftifdjen Steuerungen in S3e3ug auf biefeS mettfjiftorifdje
©retgnifc nid)t gefegt, 3. SB. er fyabz ^u biefer ®ataftropt)e bereits
bie paffenbe Ww.\\t componirt — ben Xrauermarfd) in ber
Eroica meinenb. Sn ber Deutung biefeS ©atjeS ging er nodj
*) Um ba§ Wnbenfen an einen gtojjen "iöJann 31t fetern.
— 150 —
roeiter, inbem er in bem äftotib be§ SDftttelfafceS in C dur ba§>
51ufleud)ten eine§ £)offnung§=Sterne<0 in ben roibrigen Sd)id=
falen 9?apolecn'§ (ba§ 2öiebererfd)einen auf bem pofitifdjen
Sdjauplatje 1815), roeiterfn'n ben fräftigften ©ntfdjtufe in ber
Seele beS großen gelben, ben ©efdjjiden 511 roiberftetjen, fetjen
roollte, big ber 9tugen6lid ber (Srgebung fommt, ber £etb r)in=
ftnft unb ftd) roie jeber Sterbliche 6egra6en täfjt.
SBenn icr) beffen errciäijne, fo barf e§ nidjt orjne bie 2tn=
merfung gefctjetjen, ba^ Riebet auSbrüdlid) nur t>on Deutung,
rtid)t aber bon Stillegung in Lanier ber mobernen 33eett)oüen*
StuSleger bie 9tebe. ®egen fotd)e§ $erfaf)ren mit feiner unb
mot)l jeglicher Sftuftf fjatte fid) unfer SDceifter allzeit energifcf)
au§gefprod)eu, tt)ie idj bereite am anbern Drte nadjgennefen
unb aud) rjier barauf gurüdfommen merbe. Sin Slnbeutungen,
aufteilen ftüdjtig tjingeroorfen, aufteilen aber tiefer in bie Sadje
eingetjenb, rjatte er es befannttidj 511 feiner geit, in unb aujier^
l)a!6 feinem Greife, fehlen laffen, roenn Q3eranfaffung bagu
gegeben mar. 8n biefem fpecietlen gaüe a6er ift bor allem
bie politifdje (Stimmung §u bebenf'en, menn er in biefem Xrauer*
marfd) einige $e5Ügtid)feiten auf jene tjodjbeanmberte ^erfön*
tid)feit 5U finben geglaubt. Sßüjige, farfaftifdje ®öpfe, roie
unfer Xonbicfjter, laffen oft SXeuf3erungen fallen, bie ben be*
treffenben ©egenftanb richtig djarafterifiren, bie fte aber bennod}
mit ©ebadjt ber ^ublicität nid)t preisgeben möchten, roett bie§
§u ßonfequengen führen tonnte, bereu folgen aügemeint)in
menig Sßortt)ett- brädjten. ©0 unb nidjt anber§ bürfen bertei
Steuerungen 33eett)oüen'3 aufgefaßt werben.
1805. 3)a3 Saljr 1805 berütjrenb, muffen mir e3 üormeg als
eine§ ber frudjtbarften in ^öe^ie^ung auf fcfjöpferifdje 2t)ätig-
feit, gugleid) al§ ein retdje§ an mancherlei Erfahrungen be^eidjnen.
Serjon im Sanuar fam bie Sinfonia eroica, nadjbem man
bie in C dur üorau§get)en laffen, gur erftmaligen Stuffütjrung.
Heber biefe neue Schöpfung, beren intentionirte ^öeftimmung
bie Stufmerffamfeit be§ $ßubüfum§ in Spannung berfetjt rjaben
— 151 —
fott, lautet baS Urteil in ber SCHg. ERuf. £tg. Safjrg. VII.
©. 321 : „"Diefe lange, äufcerft fdjnriertge ©ompofition i[t eigene
liä) eine fetjr meit ausgeführte, füllte unb mitbe Sßtjantafte.
@S fetjlt it)r gar ntdjt an frappanten unb fd)önen ©teilen, in
benen man ben energifdjen, talentvollen (Seift itjreS ©djöpferS
erlennen muf$: fet)r oft fdjeint fte fiel) in'S SRegellofe §u ber*
lieren .... 9?ef. gehört gemife 5U 23eetl)oben'S aufridjtigften
SBeretjrern; aber bei biefer Arbeit mufj er bod) gefteljen, beS
©retten unb ©ijarren attsubiel §u finben; moburd) bie Heber*
fid)t äufeerft erfdjmert mirb unb bie (Sintjett Beinahe ganj ber*
loren getjt." — ©ogleict) folgt bie größte Sobpreifung einer
ebenfalls neuen (Sinfonie bon (Sberl*) als ©egenfatj gur Eroica.
®a mirb unferm SJceifter 51t berfteljen gegeben, in folgern ©tble
fd)rei6en ju follen.
$laü) ber balb barauf ftatfgetjabten feiten 5fuffüt)rung
ber Eroica unter perfönlic^er Seitung beS Gomponiften täfjt
fidj berfelbe Shitifer (@. 500) alfo bernefjmen: „MerbingS t)at
biefe neue 23eett)oben'fd)e Arbeit grofee unb fütjne Sbeen, unb
tüte man bon bem ©enie biefeS (Somponiften erwarten fann,
eine grofie Straft ber 9luSfüt)ruug; aber bie Sinfonie mürbe
unenblid) geminnen (fte baitert eine gan§e ©tunbe) ioenn fiel)
JSeetfjoben entfdjliefjen mottle fte ab^ufür^en unb in baS ©anje
metjr ßidjt, SHartjeit unb <5int)eit 5U bringen .... ©0 ift
t)ier 3. $. ftatt beS einbaute ein Xrauermarfd) auS C moll,
ber in ber golge fugenartig burdjgefüljrt wirb. $lber jeber
gugenfatj ergötzt buref) bie malgenommene Drbnung in fetjein*
barer $ermirrung: menn nun aud) bei öfterm 21nt)ören ber
ßufammentjang felbft ber angeftrengten 5lufmerlfam!eit entgeht,
*) 31« ton ©berl, geb. 1766 ju SBien, f bafelbft 1807, war einer
ber beritljmteften ßtabierfpieler «nb ©omponiften. (£r lebte mehrere ^afyvt
in @t. Petersburg unb braute bort §at)bn'§ Sdjöpfmtg suerft jur SIuf=
füfjrung. ^m ^a^re 1800 roieber nad) SBien äurücfgefotnmen, toarb er
at§balb ein gefährlicher Utebenbutjfer SBeettjooen'i; in ßomp Optionen für
©(ooier unb Drdjefter. (£§ Ijctt ftd) nid)t§ baoon am geben erhalten.
— 152 —
fo muf3 bie§ jebem uneingenommenen ÜDcufillenner fonberbar
auffallen. 2lud) fehlte fetjr t»ief, bafc bie ©infonie allgemein
gefallen Jjätte."
3(u§ biefer ^Beurteilung ift beuttid) ju entnehmen, meld)'
garten Stampf biefe ©infonie in SSien gu befteljen gehabt;
jebod), biefer Äampf Ijat ftdj an allen Orten, roo baZ SBerf nur
erfdjienen, in gleicher Sßeife roieberfjott. Sßelcf/ töbtficfjen $ln=
griffen e3 Don Seiten ber alten STonleljrer au§gefet}t getoefen,
bebarf motjl feiner auf geugniffe gefüllten 93erfid)erung. 3)aö
grofee 9(ergerniB, baZ unter anbern aud) ©Doni-S 2Be6er baran
genommen, fcfjien unferm SKeifter in fpäteren Sauren, nadjbetu
alte biefe Slämpfe 511m SBortfjetf be§ 2öerfe§ burdjgefämpft
maren, Diel ©pafc ju machen. Sm ^ßrager GonferDatorium
war nümlid) bie Sinfonia eroica a(y baZ am meiften „fitten*
Derberbenbe" Sßerf Don SBeetljoDen Dcrpönt. Sht§ biefem ©runbe
tonnte e3 bafefbft erft §u Slnfang ber Diesiger Sa^re §ur erft=
matigen Sluffütjrung gelangen, nadjbem ber SHrector biefer
$unftfct)ule alt unb für bie Seetrjoüen'fdjen ^iffonan^en ab*
geftumpft ber eigenen 5luftöfung natje geftanben, >>u roetcfjer er
ftcfj bereits feit 70 Sauren „vorbereitet" tjatte. — 2)te3 barf
mof)( aud) ben mancfjertei ©cfjidfalen biefeS 2öerfe§. in tüetdjem
fid) beffen ©djöpfer in DoUfter (Sigentt)ümlid)feit geigt, bet=
gefegt merben.
2tber nod) möge (SrmätjnenSmerteg folgen.
28a§ aujjer ber bi§ bafjirt ungetooljnten ^luöbeljnung*)
einiger ©ätje in biefer ©infonie, ferner megen ber Dielen für
bie bamattge Organisation ber Ofyren 51t grellen ^iffonangen,
*) 3>er Gomponift felber erfannte bie ungeiuöfjnüdje üänge tiefet
Sinfonie. 5>af)er loünfdjt er in einer beigegebenen 2lnmerfnng, baß fie bei
2luffü§rungen lieber anbern Sonftüden öorauggelje, al§ juie^t vorgetragen
inerbe, bamit fie nidjt bei bem bereite ermübeten 3uf)brer it)re eigentfyümlirfie
00m Gotnponifien beabfidjtigte SBirfung verliere, ©egemoäriig erfdjeint
biefe SSorfidjt nid)t tneb,r unbebingt notljroenbig, lueil ba§> SSerf allgemein
getoürbigt unb oerfianben ioirb.
— 153
bann nocfj be§ fugirtcn Zty\k§> im £rauermarfd), in fcer
Scfjaar ber ©egner befonberen 9tnftof; erregt rjatte, mar bie
9-Mobie im öierten Satje:
y-gj^=gg^gi^=91).....ro.
dolce
bie au3 bem finale be£ 93allet§ ,,^>romett)eus8" nod) in guter
Erinnerung geroefen. £>ie Gabler ber Sinfonie frugen,
mie biefelbe SMobie einmal jum Xanje, aföbalb mieber gur
geier eine§ gelben benutzt roerben tonne. Viel früher aber
mar tiefe 9Kelobie in einer 'Sammlung öon Sontretän^en t>a*)
©ttuaS fpäter finbet fie fidj a(§ Strjema 51t Den Variationen,
Op. 35. ©iefe mehrmalige 33enutmng eine§ 9ftotiüe3 in un-
oeränberter ©eftalt, unb §roar §u üerfdjiebenen 3meden, finbet
ftcf) in ÜBeetrjouemi Siteratur nicfjt mieber üor. (Sin anberer
SßieberfjotungSfafl, jenem oorau§gegangen, monad) ber SRenuett
au§ bem Septett, Op. 20, in ber flehten Sonate in G dur,
Op. 49, fid) mieber finbet, unb groar bort in Es, tjier in G,
fann faum mit bem angeführten in SBergleid) fommen, meit
er an beiben Orten Menuett bleibt, raenngleidj in ber Sonate
afö ginatfatj anberö bearbeitet. £)iefe Sonate gehört jebod)
ju ben frütjeften ©ompofitionen Seet^ooen'ö, menn fie aucfj erft
1805 im £>rud erfd)ienen. 2)emnad) bürfte bie ©eftaltung
btefeS 9)2enuett=9ftotiü§ als $inatfa£ juerft ba gemefen fenn.
2tn tjerborragenben SBerfen, bie in biefem ^afyre ba$ Sid)t
ber SBelt erbüd't, ftnb nur §roei namhaft §u madjen: bie Sonate
mit Biotine, A moll92), Op. 47, unb Die grofce Sonate in
*) <Bki)t t£)ematifdje3 SBeräeidjmfc bei Söreitfopf u. §aertel, Seite 138:
©ed)§ (Sontretänje. ©tmrocf.
91) Vom Geiste heiligen Friedenshauches, der all diese Phasen
des Friedenswerkes durchweht, haben jene Kritiker keine Ahnung.
A. d. H.
92) A-dur. A. d. H.
— 154 —
C dur, Op. 53. 3n erfterer finbet fid) ber Umfang be§
Panoforte Hon fünf Dctaüen jum crften äftal über*
fdjritten bis 511m breigeftricfjenen g, in ber anbern
a6er fd)on bi§ a. Sie Sonate mit SStoüne mar urfprüngtid}
für ben mit Q3eetrjoOen Oiet öerfefirenben americanifcfjen (2d)iffS*
capitain 23ribgetomer93) bcftimmt, ber fid) längere geit tn
ber ÄQtferftabt aufgehalten nnb ein fertiger 9Sio(infpie(er
gemefen. 3)aS Grfdjeinen jebocfj Don Siubolpt) Äreutjer in
SSien, bem Stfitbegrünber ber mit OoIIftem 9?ed)t benannten
„großen gran^ofif djen SBiotinfdjute," fjat unfern 9D?eifter jur
SBibmung biefeS SßerfeS für ben franjöfifctjen 9J?eifter um*
geftimmt. (derlei Umftimmungen fiitb mefjrfadj bei it)m oor*
gefommen.)
®ie tritif im fiebenten Sarjrgange ber ?(llg. SRuf. 3*9-
.über bie (Sonate, Op. 47, gehört unftreitig in bie Kategorie
ber abftrufeften über SBeetljooen'fdje üöfrtfif. ©a beißt eS u. a.:
„$br innere^ SSefen 51t entmidetn unb eS mörtücfj beftimmt
^u djarafteriftren, ift mir unmögtid), unb erit mihi magnus Apollo,
ber baS befriebigenb oermag unb mirflid) teiftet. Sd) Ijabe,
mit ber ?(djtung, bie man biefem (Eomöoniften unb in ber %t)at
aud) biefem SSerte fdjulbig ift, üerfudjt, ben Sbeengang nur
einigermaßen genügenb in Umriffen anfd)auüd) gu madjen, l)abe
einen Sogen ooll nur über baS erfte ^refto gefcbrieben: aber
id) oerfdjone bie Sefer ber mufifat. 3e*tun9 bamir." — 2Bie
mögen moljl bergteidjen SfuSfäde auf 93eett)oöen eingeroirft rjaben.
(5S ift nict)t benfbar, bafc er in jenen STagen bereits fo üon
<Stat)l unb öifen gemefen, um nidjt üon bergteidjen ^tbftrufitäteu
tief berieft 5U roerben, gumal bie ©djaar feiner ©egner jebeSmat
ein greubengefdjrei barüber erhoben bat.
93) Über Polgreen Bridgetower und seine Beziehungen zu Beet-
hoven ist in neuester Zeit eine wertvolle Studie erschienen, die auch
interessante neue Briefe Beethovens bringt. Diese Briefe werden in
der vorbereiteten II. Auflage des I. Bandes von B. S. Br. dargeboten
werden. A. d. H.
— 155 —
Sn ber stueiten Raffte beS Suli 1805 erfotgte (Stjeru*
bini'S Munft in Begleitung feiner ®emaf)tin in 28ien, um
bafetbft für baS Sweater an ber SSien eine neue Dper (ganiSfa)
gu f djreiben. *) 94) <Sdjon unterm 5. 5tuguft roirb oon bort
ber $Hg. 9ftuf. 3*9- berichtet, bafj ber berühmte (Somponift
feine ältere Dper „©er SSaff er träger" bereits fetber birigirt,
com publicum mit (SntrjufiaSmuS empfangen, unb manche
ßorrectionen in ben Xempi'S Vorgenommen fjabe, als %. 23. baS
Sltlegro ber Duüerture la ngfamer, „tuoburdj biefeS fdjmierige
SJcufifftüd an ©euttidjfeit gemonnen."
SBorauSgebjenb roarb bereite bemerft, bafj mir märjrenb
meinet 2tufent§altS §u $ßariS in ben Satiren 1841 unb 42
bie Stire beS Umgangs mit (Srjerubini unb feiner ©emat)lin
p 2rjeil gemorben. ©S Iäf3t fiefj erwarten, ba$ ba nicljt menig
über SBien unb aud) über Söeetrjoben oertjanbett mürbe. sDcabame
(Srjerubini beroarjrte nod) it)r Wiener ^otigenbucrj, barin unferS
SfteifterS unb ber ©rlebniffe mit if)m oft ermähnt mar. @S
foü nid)t öerfdjroiegen bleiben, bafj 93cabame (5t)erubini beinahe
mit jugenbtidjer SebtjaftigMt baS nicfjt immer §u tobenbe 35er*
galten Jöeetrjoüen'S gegen bie fdjarfe Ärittf tf)reS ©emarjlS bis
auf einen Sßunct Oerttjeibigt unb fidj nidjt gefdjeut r)at, ifyre
immer nod) madje ©timpatrjie für ben „brusquen" Beettjoüen,
mie ir)n ßrjerubini fur^meg fdjitberte, aussprechen. Uebertjaupt
fcfjien eS, als motte ßrjerubini mit bem 2Borte brusque (rjitjtg,
ungeftüm, auffaijrenb) ben gangen 23eet()Ot>en, unb maS brum
unb brau t)tng, getlennäeidjnet bjaben, benn baS „mais il etait
toujours brusque" mar ber Refrain aller feiner Steuerungen
unb (Sinmürfe über unb gegen irjn. ©in farbonifdjeS Sädjeln
um^og feinen feingeformten SJcunb, atS eines StageS feine grau
mid) um ein Slutograpt) üon bem Wiener Sfteifter erfud)te.
2£ie ©tjerubini bie ÜJJcufe beS beutfdjen geitgenoffeu beurteilt,
*) SHefe Oper tft in ©cene gegangen am 6. fyebruav 1806.
94) Über Cherubini und Mad. Cherubini vergl. B. S. Br. No. 881,
nebst Anmerkungen (IV. Band), No. 883; No. 243. A. d. H.
— 156 —
märe allein fcfjon au3 feinen Sftittljeitungen über gibetio nadj
feiner 3ur"cffunft gu entnehmen, r)ätte er nictjt feine geringe
Xfjeilnafjme bafür bei jeber (Megentjeit rüdljattfoio gU erfenneu
gegeben.
3m £>erbfte 1841 tarn. Soljn Gramer au§ Sonbon nad)
$ari§, um bafelbft längeren Slufenttjalt gu nehmen. 35urd)
Sacob 9tofent)ain marb mir atäbalb bie (Stjre feiner Q3e=
fanntfcfjaft §u Streif, ©ramer fjatte ben gangen SBinter üon
1799 auf 1800 in ber öftreidjifdjen £>auptftabt üerbradjt unb
mit SSeetljoöen in ftetem SSerfetjr geftanben; bei (£t)erubini ging
er al§ £)an§freunb ein unb au3, bafelbft mir benn öerfdjiebene
SJtot gufammentrafen unb un§ fammt unb fonberS in 5\ütf=
erinnernngen an 3ßien, befonberS an Sßeetljoüen, ergingen.
2)ie ©elegenljeit, bie (Srtebniffe unb Urteile gmeier fo gebiegener
gadjmänner mit unb über $8eett>oüen au§taufdjen 511 frören,
bation ber eine nur geringe, ber anbere aber ljotje 51d)tung
für ilnt im §er^en getragen, mufete barum nod) für mid) üon
äBtdjtigfeit fet)n, meit btö ©an^e auf einen fern gurücftiegenben
3eitraum Segug nafjm, barüber bie Slusfagen Ruberer au§=
einanber liefen unb 2ötberfpred)enbe<o 5U £ag geförbert Ratten.
Gramer'3 marmer Xfjeifnaluue für 23eetf)oben berbanfe idj ba^
S&idjtigere.
9J?ein Stugenmerf bei biefen Gonüerfationen blieb t)aupt=
fäcpdj auf ^meiertet gerichtet: auf SBeett)otien'3 ßtaüierfpiel
in jener $eit, unjj Ql^ fejn Sßertjatten in ©efellfd)aft; a(le§
anbere übertiefe id) bem 3ufafl, ber in ber £t)at alles ©emünfdjte
Ijerbei geführt Ijat.*)
Sn öeurtljeitung be3 (Staüierfpietss ftimmten beibe Äünftfer
uollfommen überein; bie TOttjeüung mirb aber am beften im
*) @3 »rirb notfjwenbig ju bemerfett, bofe einet ber 9cad)träge jur
crften 5lu3gabe biefer Schrift, bann ber Unterrebungen mit ©tjerubini unb
beffen ©emaljlin gebaut if±, fd)on im Sftoüember 1841, unmittelbar t>or
meiner jroeiten 9Jeife nad) $ari3, ausgegeben worben, batjer (£ramer*§
unb ber .Sufammcnfünfte mit it)m bei ßfjerubini nicfjt ermähnet ferjrt fann.
— 157 —
muficatifdjen Xfjetl fctacirt fetjn. Sn bem focialen $J3uncte trat
gramer auf «Seite ber 9J?abame (Sljerubini, moburd) bie Debatte
neue§ Sntereffe gewonnen. Leiber 21u3fagen ftanben in gutem
©inflange, bafj nämtid) unfer Stonbicfyter in gemifdjten Greifen
ein eben fo gurüdljaltenbeg, oftmals fteifeS, fünftlerftoljes 93e=
nehmen ju beobachten pflegte, als er hneberum im öertraulidjen
Sßerfefjr brollig, aufgetoedt, gumetlen fogar fd)tt>a|f)aft gemefen
unb e3 liebte, aüe Sänfte be§ Sßitjeä unb ber ©arfaSmen fpieten
gu (äffen, babei er jebod) ntctjt immer Mugfjeit öerrattjen, in§*
befonbere in politifdjen fingen unb focialen Söorurtfjeilen.
liefern mußten 93eibe noct) mandjeS ü6er feine Ungefcfn'cflidjfeit
im Slnfaffen öon ©egenftänben, al§ ©läfer, Siaffeegefdjtrr,
u. bergt, ^injujufügen, mo^u 9tteifter CEt)erubtni mit bem Refrain:
„Toujours brusqueu ben Kommentar lieferte.
@§ marb burd) biefe 21u3fagen beftätigt, tt>a§ idj über baä
feciale SBerljalten 23eett)oöen'3 im allgemeinen öon feinen älteren
$reunben öernommen fjatte. 3ur 3e^ unferS SSerle()r§ in ^ßari§
toaren Soljn (Sramer bie auffatlenben Steuerungen öon $er=
binanb 3tie3 über biefen Sßunct bereite befannt. ®r befämöfte
fie mit allem Sftadjbrude unb ftimmte bei, biefelben öon mir als
baS ©rgebnifj eineS für ridjtigeö SßerftänbniB au^ergemöl)nlid)er
ßljaraftere unreifen Jünglings erllärt $u fetjen, ber fid) lebigtid)
an s21eufeerlid)feiten, im Unmutige, lüot){ aud) im 3om, unb 5U-
meilen im ÜJ?utf,mi(len ausgeflogene SBorte gehalten, unb barauS
btö (S^arafterraefen feines SefyrerS formirt f)at. ©0 nur lonnte
e3 iljm öaffiren, baffelbe fo fdjroff barjufteHen. S)te betreffenben
©teilen in feinen biograöfyifdjen ^coti^en gleichen bemnad) Rieden
auf fauberem ©runbe unb fotlen £)ter meiter feinen SRaum
finben.
316er nod) ein (Srgebnifs au§ bem Sßarifer Umgang fdjeint
mittljeilenStüertf), meil e3 einen befonbern Streit be§ focialen
SSerfetjrS betrifft, über meldjen §u urteilen öor^ugSmeife ©amen
für comöetent gehalten merben. 31u§ ben (Erinnerungen ber
üüfabame ßljerubini an bie <Saton3 ber SBiener Haute volee,
— 158 —
üorneljmtidj in §inftd)t auf bie Samenmett, ging fjeroor, ba$
fie biefen STrjeil ber ©efeüfcfjaft mit Soliden einer gebitbeten
Sßariferin au§ ben 3>at)ren ber repubticanifctjen ©leicfjrjeit be=
obad)tet rjatte. <£% fott nic£)t bie Siebe ferjn, baft etma über
letztere mit ben in 2)eutfd)(anb alfenttjalben beftanbenen S3e=
griffen SSergfeidje angeftetlt raerben, benn mir fjaben ja nod) in
jüngfter ßeit Seroeife gehabt, mie fo fdjroer e§ t)od)abe(id)en
®amen roirb, nur ein flehtet Stt)ei(d)en öon trjren trabitionetlen
Sßorurtrjeilen aufzugeben, unb fid) menigftenä im ©otteStjaufe
ben anbern (Haffen gletdföufteßen: mie modjte e§ bollenb§ im
erften ^ar^eljenb unferS 8af)rf)unbert3 in ben köpfen unb
^er^en ber öftreicfjifdjen gürftinnen unb (Gräfinnen auSgefeljen
fjaben? S§ fotlen einfad) bie Beobachtungen einer f'larferjenben
Spariferin über SJteifter Subroigö SScrtjatten gegen biefen %f)eit
ber ©efedfcfjaft gur Diebe fommeu. ®a§ 3leufeertid)e baüon ift
genugfam mit ben SSorten be^etdjnet : „@t Oer(ad)te ifjre t)oc^=
fai)renben 2}orurtt)ei(e fammt unb fonberl unb madjte fid) au§
einer gürftin fo menig mie au$ einer 23ürger§frau; mit einer
übüdjen §öf(id)teit§p^rafe mar gemörjntid) alleä bei if)tn a6=
gemadjt." 2)a§ 9?id)täuBerüd)e aber liegt anberämo.
,,2)emutr) be§ SDrenfdjen gegen ben äftenfdjen — fte fdjmerät
mid)" u. f. m.95) fdjreibt SSeettjonen an feine geliebte ©iulietta.
5(u§ biefen menigen SSorten ertjetlt toorjt flar bie cfjarafteriftifcfje
©runbanfdjauung Sßeetfjooen'S in ^nnficfjt auf ba3 gefammte
fociale Seben. 9Kabame Gtjerubini mod)te mätjrenb itjreä neun
Monate langen 21ufentt)atte3 in 2öien red)t oft 5U beobadjten
Gelegenheit gefjabt fjaben, ba$ SSeetfjoöen'ö 23enefjmen gegen bie
gürftin fid) menig ober gar nid)t üon bem gegen ©amen au3
anbern Stänben unterfdjieben l)abe. 3lllein nocfj anbereä tjat
fie beobadjtet, mag feineu Umgang mit bem fcfjönen, aber auct)
§ätjen, med üorurttjeÜgootlften ^tjetle ber ©efeltfdjaft immerhin
fet)r erfdjmert unb fociale $erfjältniffe fortan gteidjfam in ber
95) Siehe B. S. Br. No. 45 (I. Band). A. d. H.
— 159 —
©djroebe gehalten rjaben mufete, bie öon conträren SSinben leidjt
Serftobert Serben tonnten: feine fjorjen 2Inforberungen nämtid)
an ßopf unb ^erg ber tarnen, hierauf beäüglid) f)at bie
Sßariferin bem SSiener Xonbidjter rücf^altloS nadjgefagt, bafj er
ju toeit gegangen unb barum fo roenig 23efriebigung gefunben;
baijer fjabe er fid) in ©pott unb Sronie Suft gemalt.
3)iefe3 ©eetrjoüen'fdje SBertjalten fcfjeint bod) too^l au3 ben
©runzligen feines SrjaracterS, feiner Sßeltanfdjauung unb aud)
qu§ feinem ^ünfttermefen 31t refultiren. ©in Äünftter, ber in
feinen ©t^eugniffen bem ^Begriffsvermögen feiner geitgenoffen
fo njcit boreilt, als mir e3 bei unferm SJieifter fet)en, foll aller*
bingS nid)t gu ftrenge mit ifjnen in'S ©eridjt gefeit, menn er
nid)t nad)tt)eiltge ßonflicte rjerborrufen raill. 2lu3 ben WiU
Rettungen ber geehrten ^arifer Same, bie §ur ©tunbe, at§ id)
bie§ nieberfctjreibe, nodj am ßeben, läfjt fid) roieberum ent=
nehmen, ba^ fo mandjer Sfaftofe im Seben unferS 9fleifter3 in
feiner geringen 9?ad)fid)t gegen menfdjlicrje ©d)roäd)en unb fociale
©ebreetjen feinen ©runb finbet; lag e§ bod) überhaupt in feiner
SBeife: an allgemeiner Silbung immer metjr $u f orbern, als
bem Snbtoibuum gu erreidjen oftmals möglid) gemefen. ©leid)e£
Ratten mir ja bereits bei feinem Sßerferjre mit ben Sßiener
9Jtttfifern anpfürjren.
9M) 9Jiittrjeilung biefer offenen unb unftreitig anerfennenS»
merken Sßarifer Urteile fctjrette id) nun gur ©cfjitberung ber
Vorgänge mit jenem SSerre unferS SDfeifterS, baS auf ber ©tufen=
leiter feiner ©d)öpfungen eine ber oberften ©teilen behauptet,
ba§, mie rein anbereS, fein Enfant de predilection gemefen,
nid)t barum, als tjabe er bemfelben einen t)öt)eren Äunftmertt)
beigelegt, fonbern roeit beffen ©^eugen unb SnSlebenfücjren il)m
mie fein anbereS, unfäglidje 50tüt)e tierurfad)t, aber aud), mie
lein anbereS, gute @rfarjrungen nebft üiel SSerbrujj eingebrad)t,
unb bennoct) unoerbiente 3uru^felut19 uno ©ct)idfale mancher
Strt erlebt t»at. @3 fott üon ber Dper gibelio bie fRebe fein.
$u biefem ©efdjäfte liegen gegenmärtig merttpotle Sefjelfe
— 160 —
üor. (Sin SDfarnt, ber mit Seettjouen längere geit in naljer 23e=
giet)uncj geftanben, ber bei Stusbilbung biefe§ mufifatifdj —
braraatifdjen ©d)mer5enreid) ttjeitroeife perfön(id) mitgeroirft, tjat
auf roenig Seiten bie (£ntftet)ung3gefd)idjte biefer Oper nebft
einigen iljrer erftertebten <Sd)idfate niebergefd)rieben unb bamit
äugteid) einen beadjtenSroertljen üftadjruf bem großen 9ffeifter ge-
mibmet. $riebrid) Xreitfc^fe i[t e§, in jenen ^atjren 9Re*
giffeur unb Stfjeater^idjter ber betben £>ofbütjnen, tettftid)
Deconom am fatf. 2htrgtt)eater in SSien. ©ein 9(uffa|, „^-ibetio"
übertrieben, roarb niebergelegt im „Drp{jeu3. 9ftufifatifd)e§
£afd)enbud) für btö Safjr 1841/' ben Sfuguft @cr)mibt in SSien
herausgegeben. @r fott un§ t)ier nur mit feinem roefenttidjen
Sntjatte btentid) fetjn, um gegen ben aufgehellten ©runbfafc:
mögtidjft gebrängte ^ürje in 2)arftettung afler £t)atfad)en
nirgenbä §u berftofjen. 2)er 2(ugen= unb D^ren^euge fdjreibt:
„@3 roar (£nbe 1804, als $rei§err üon ©raun, ber neue
(Sigenttjümer be3 t t priü. XljeaterS an ber SSien, bem, thtw
in Dotier ^ugenbfraft fterjenben Subroig öan Seetjjouen antrug,
eine Dper für jene 53üt)ne §u fdjreiben. 3)urd) ba% Oratorium:
„(StjriftuS am Detberge" tjegte man ben ©tauben, ba^ ber äfteijter
aud) für barftettenbe Wlu\it, mie feittjer für Snftrumente, ©rofeeS
gu teiften im ©tanbe fet). Sturer einem Honorare bot man iljm
freie 2öot)nung im £t)eatergebäube. Sofept) «Sonnleitner
übernahm bie 23ef orgung be§ £ejte3 unb mät)tte ba§ fran^cfifdje
Sud): „L'amour conjugal", obgteid) e§ fdjon mit Sftufif oon
©aoeauj oerfeljen, aud) itatienifcf) at3 „ßeonore" bon ^ßaer
componirt90) nad) beiben ^Bearbeitungen aber in ba§ 2)eutfd)e
überfetjt mar. Seettjoüen fürdjtete feine Vorgänger nid)t, unb
96) Von allen Biographen Beethovens, auch von Thayer, wird
Schindlers erschöpfende Darstellung über des Meisters „Fidelio" an-
erkaunt. Zu bedauern bleibt, daß er über den Schauplatz der Be-
gebenheiten und über den ersten Textdichter doch noch manche Lücke
gelassen hat. Diese Lücke hat in neuester Zeit nur der emsige
Beethovenforscher Dr. Erich Prieger in Bonn ausgefüllt. Ich erinnere
— 161 —
ging mit ßuft unb Siebe an bie Arbeit, bie SWittc 1805 jiemUdj
$um (Snbe gelangte.
Snbeffen geigten fict) für bie Siuffürjrung beträcrjtticrje
ScrjmierigMten. SRur bie meiblicfjen Collen fonnte man burdj
$He. 9JcUber u. SWüttcr genügenb befe£en, bie Männer liefen
befio meljr 51t münfcfjen übrig.*) @3 erfdjienen ferner mehrere
hänget in ber Einrichtung be§ XejtcS, benen boct) nicfjt ab*
geholfen mürbe; — aus ber $eme mutete ftc£> aber ba^ Un=
gemitter eine§ Krieges gegen 2Bien unb raubte ben 3uftf)auern
bie ^um ©enuffe eine§ ®unftroerfe3 erforbertict)e 9?ut)e. 2)ocf)
eben belegen bot man ba<§ 9Jcög(icrjfte auf, bie füarfam be=
fugten 9iäume be§ JpaufeS gu beteben. „$ibetio" fottte ba§
Söefte ttjun, unb fo ging bie Ober, unter feineäroegä gtücfücrjer
6onfteIiation**) am 20. Storjember in <Scene. 9J?it SBebauern
embfanben mir, bafe ba3 2öerf feiner 3e^ borauägeeitt mar,
unb bon $reunben unb $einben menig begriffen mürbe. Wan
gab e§ nur brei Sage nad)einanber unb unterließ bie 2öieber=
Lotung bi§ §um 29. «Wärj 1806.***) Einige unmefentUctje
*) 63 tuaren ber 6ereit§ ftimmlofe Senonft ©emmer unb ber SSaffift
Bieter, mit einer eben fo raupen ©timme aU raupen Sföetfiobe.
**) ©amit ift roofjl auä) bie Entfernung be§ 2tbel§ au§ ber 9tefibenj
unb bie 5"rd)t ber Söeüölferung Cor ben feinblidjen ©eftalten gemeint.
2e£tere§ ber ©runb, bafj bie Sweater Dom ^ublifum gemieben mürben,
bemnaefj bei ben ?luffüörungen be§ ftibelio jumeift franjöfifc^eS SUcilitair
ba3 9lubitortum gebilbet t)at.
***) §iebei Ijat Xreitfcfife uergeffen 511 bemerfen, bafc bie Sßteber*
auffürjrung ber Dper unter bem neränberten Xitel: „Seonore" fiatt=
gefunben r)at.
an seine ebenso umsichtige als erschöpfende Studie, die jener bei seinei*
Neukreierung des Fidelio (Säkularfeier im November 1905) herausgab.
— Sonderabdruck der Vorrede zum Klavierausz uge Leipzig 1905, be-
sonders die Seite XXVI ff., über Bouillys Erinnerung. Erweitert hat
die Schindlerschen eingehenden Mitteilungen von allen Fidelio-Forschern
nur Dr. E. Prieger. Auch der Hinweis auf Beethovens Jugendwerk
„Die Trauerkantate auf den Tod Josephs II." nach Dr. Deiters' Ent-
deckung ist dort wenigstens vermerkt (S. XXVIII). A. d. H.
3t. ScfjinMev? 93eet^ot>en=33togcn^ic. U
— 162 —
Sßercinberungen, 5. 35. bie, bah ba§> Sßorbjanbene in ^Wei, ftott
in brei 9(uf§üge getrjeüt war, fonnten bie beftefjenbe ungünftige
Meinung tttcfjt oerlitgen*). 9?ocfj einma(, am 10. 2Ipri(, würbe
e§ gegeben unb bann bem ©taube ber Sweater = 33ibliotf)ef
überantwortet. ©inige gleichzeitige ^erfucrje bamit auf ^rooin^
büfynen Ratten feinen beffern @rfo(g."
§ier wirb eine Berichtigung notbjWenbig, weit bem acfjtung§=
wertrjen ©ewärjr§mann baö ©ebäditnifj etma§ untreu geworben.
SSenn £reitfd)fe jagt: „einige muftfaltfdjc 33eränberungen" u.f.w.,
fo fdjeint benn bod) bie ßufammen^iefjung e^ne§ breiactigen
Dpernwerfeg in jwei 3(cte an ficf) fdjon nictjt§ unwefent(icfje§.
3u ben anberen für SSiebereinfürjrung biefer Oper vorgenommenen
Sßeränberungen gehören aber nodj: eine neue 5(rie für ^arro
mit (Sljor, weit ber Sänger biefeS ^art§ fidj entfcfjieben ge=
Weigert fjatte, bie beftetjenbe in B dur mit 6f)or wieber 5U fingen,
ferner würben befeitigt ein 2)uett in C dur §wifd)en Seonore
unb SDcarcettine mit obligater ü8ioün= unb $BiolonceU=Beg(ettung
unb nod) ein fomifcfjeS Ser^ett in Es dur jmifcfjen Diocco,
SDiarceHine unb Sacquino. üESenn STreitfcfjre meint, baf? biefe
beiben 9cummern erft befeitigt würben, at§ er 1814 in @emein=
fcfjaft mit bem ßomponiften eine Umgeftattung mit bem Bucfje
unb bem ©cenarium üorgenommen, fo ift bie§ ein Srrtfyum.
©eine amtlichen Functionen rjatten irjn niemals mit bem Srjeater
an ber ÜKMen in Berührung gebradjt, barum ift irjm fremb ge=
blieben, Wa3 bafelbft mit gibetio aufserbjalb ber Büfyne öor*
gegangen.
(£<§ ift für unfere (Bad)? oon großem Sntereffe, bafj ber
©änger be§ gloreftan De* oer ^Bieberaufnarjme ber Dper 1806,
§err Dtödet, nod) in befter ©efunbfjeit unter ben Sebenben
wanbett, bor Äußern nod) fid) einige $eit \n 2gie§baben unb
SBür^burg aufgehalten, unb nun wieber §u SBatf) in (Sngtanb
*) 3)er 23erid)t über biefe Umgefiadung lautet in ber 9lDg. 9Wuf. QtQ.
bon 1806, ©. 4ö0, tüörtlitf): „3)a§ 6tüc! t)at gewonnen unb nun autf)
beffer gefallen." 3). 23.
— 163 —
mofynt. 21(8 aKittoirlcnber mufete er ber bei gürft Sid)nom8fb,
ftattgeljabten $8eratt)ung ü6er bie borjunetymenben 23eränberungen
in ber Dper beitoofjnen unb betoatjrt nod) bett ü)m gugettjeitten
^art in 53eetf)oben'3 eigener §anbfd)rift. ®ie betreffenben $or*
gänge maren mir ftets befannt, toett beren in unferm Greife —
meift burdj ®raf 8idjnpto8ft) beranlafct — öfters gebadjt morben.
£)od) mar mir it)re Stuffrifdjung burd) SRörfet fetjr ttnÜ'fommen.
2Ba8 gerb. 9Ue8, nad) SRötfel'8 äJHttfjeüuttg, über bie gu*
fammenfunft bei gürft £id)noto8ft) in feinen biegrapt)ifd)en
Sftotigen97) ©. 103 ff. anführt, toirb ba8 Punctum quaestionis
ergänzen unb gegen toeitere @infprüct)e fidjer fteüen: @r be=
richtet:
„@8 beftanb biefe gufammenfunft au8 bem dürften, ber
gürftin (bie ba§ ßlabier übernahm unb befannttid» eine au8=
gewidmete ©pieterinn toar), bem §ofrat£)e bon (Sollin, bem
(Stephan bon 23reuning, toetdje beiben festen ftd) über bie 2lb*
lür^ungen fdjon befprodjen fjatten, — bann bem Jpertn Sfteier,
erften Söaffiften, §errn $iödä unb SSeettjoben. 9lnfänglid) ber*
ttjeibigte biefer jeben £act; at8 man fid) aber allgemein bat)in
au8fprad), bafj gange ©tüde ausbleiben müßten unb §err üDMer
erftärte, fein ©änger fönne bie 2lrie be§ ^ßigarro mit (Sffect
fingen*), tourbe 25eett)oben grob unb aufgebracht, ©nbtid) ber=
fprad) er eine neue 3Irie für ben ^igarro §u componiren (e8
toar jene, melcfje jetjt 9?o. 7 in gibetto ftetjt) unb ber gürft
bradjte e8 gu(c|t batjin, ba$ er gugab, biefe ©adjen fottten (aber
nur berfud)8roeife) bei ber erften 2luffüf)rung megbteiben; man
fönne fie, fyiejj e8, ja immer nneber einlegen ober anber8 be-
nutzen; fo mie bie @ad>e je£t ftelje, ferj bod) einmal ber (Sffect
*) ®en eigentlichen ©runb, bie 23efeitigung biefer Slrie ju Derlangen,
toerben wir aläfiaib Demefjmen. @3 ift eine ergötilidje (Spifobe in ber ©e*
fdjichte be§ gibelio, ba§ einzig fomifcfte in ben Dielen unangenehmen unb
ben Qomponifien bi§ jur Trauer berfümmenben SSorfäüen bei ben erften
Aufführungen.
97 j Es ist S. 103 ff.; Neudruck S. 123 ff. A. d. H.
11*
— 164 —
berfefjtt. üftacfy langem Unterreben gab 23eetf)oben nad), — unb
bie geftridjenen ©tücfe ftnb nie lieber aufgeführt morben. —
£>iefe ©itmng bauerte bon 7 llfjr 5tbenb§ bi§ 2 Urjr, roo ein
frö^lidt)e§ 9J?at)t bie ©acrje befd)tof3."
2öa§ 9?ie3 roeiter — lieber nad) Abdels Stfittrjeilung —
über bie crfte ©eftattung bon gtoreftan'S ?lrie §u Anfang be£
gmeiten 91cte3 jagt, bafj fie urfprüngtid) feinen 21tlegro=@atj
gehabt unb mit bem Slbagio 3/4 Xact gefcijloffen, ift nid)t 6e=
grünbet.
griebrid) Sreitfdjte: „Sldjt bolle Satjre fpäter (1814) er*
fetten bie Snfpigienten ber f. f. |>of=Dper, ©aal, $oget unb
Söeinmülter, eine SSorfteKung gu irjrem SBortrjeile, mobei ifjnen
bie 2Öat)t eine§ SBerfeS, orjne Soften, übertaffen blieb. 3)a§
51uffinben mar fdjtuierig genug, üfteue beutle (Sompofitionen
lagen ntdjt borrätig; ältere berfpradjen leinen befonberen ©e=
minn. 3)ie legten franaöfifcfjen Dpern Ratten, mie im SSertrje,
fo in ber SSeliebttjeit bertoren, unb ben £>ar fiel lern feijlte
ber Sftutt), ficfj al§ ©änger allein in bie italienifcfjen SBerfe
51t ftürjen, roa3 bod) einige Satjre barauf felbftmorberifd) gefdjab.
inmitten biefer SSertegenrjeiten gebadjte man $ibelio'<o unb ging
Seetfjoben um bie §erteirjung an, ber mit ber größten Uneigen*
nü^igfeit fid) bereit erklärte, jeborf) gubor öielc Sßeränberungen
au§brüd(id) bebingte. gugleid) f^S er nteine Sßenigleit §u
btefer Arbeit bor. 8d) tjatte feit einiger 3e^ fe*ne nähere
$reunbfd)aft erlangt, unb mein boppetteä 2lmt atö Opern*
2)id)ler unb SRegiffeur madjte mir feinen Sßunfcfj $ur ttjeuren
^flicfjt." — Sn ba§ nun folgenbe detail ber borgenommenen
Sßeränberungen ben Sefer einzuführen, mie 3. 93. mit 23erfe£=
ftüden unb 9?equifiten berfarjren morben, mie bie SSadjen auf=
marfct)irten, mie ber SDftnifter naljte, bie (Staatsgefangenen bor
^on ^ernanbo nieberfielen, unb bergleidjen metjr, !ann lein
Sntereffe bieten.
$riebricfj STreitfdjfe fpridjt meiter:
„®er ^meite Slufpg bot gleid) anfänglid) grofje @cf)roierig=
— 165 —
feit. $eetf)ot>en feinerfeitS roünfcfyte ben armen $(oreftan burdj
eine Strie au^useidmen, ict) aber äußerte mein 23ebenfen, ba$
ein bem ^ungertobe faft Verfallener unmöglich Srauour fingen
bürfe.*) SSir richteten 2)iefe3 unb Sene§; gute^t traf id) nadj
feiner Meinung ben Sftagel auf ben Äopf. 3dj fcfjrieb SSorte,
bie ba§ tetjte Slufffammen be§ Se6en§ oor feinem ©rlöfrfjen
fdjilbem.
„„Unb fpür' idj ntctjt tinbe, fanft fäufelnbe Suft,
Unb ift nicfjt mein ©rab mir errettet?
Sdj fefj', roie ein Gsngel, im rofigen ®uft,
©idj tröftenb gur ©eite mir ftetlet.
(£in (Snget, Seonoren, ber ©attin fo gteicl)! —
£)er füt)rt mirf) jur greijjeü, — itt'3 f)immtifd)e 9teid).M"
„2Sa3 icfj nun ergäbe, lebt eroig in meinem ©ebäcfytniffe.
23eetf)ot>en fam 2Ibenb§ gegen fieben Uljr gu mir. 9?ad)bem
mir 5lnbere3 bef^roctjen fjatten, ert'unbigte er fiel), roie e§ mit
ber Slrie ftefje? ©ie roar eben fertig, icf) reichte fie tym. ®r
Ia§, — lief im ßimmer auf unb abr murmelte, brummte, roie
*) hierbei fei) ein ftarfeS SBebenfen 3U äußern ertaubt. SBeetfjooen
füllte ben ftlorefian burd) eine 33rauour=9lrie, b. Ij. burd) Dioulaben, Sriller
unb bergleicben §aben au§äeid)nen tooüen?! — Sa§ ftefjt in ooflem SBiber*
fprud) mit ben öorfjanbenen ?lutograp(jen oon biefet Strie cm§ ben Siafjren
1805 unb 1806 unb e§ märe gerabeju bertejjenb für !öeetf)oüen e3 jtt
glauben, ©iefe 2(rie befinbet fid) im älteften ©tabier=2lu§äug Don ber
Dper (bei 23rettfopf unb föaertel) in iljrer urfpriinglidjen ©efialtung. ©ie
befielt au3 bem Otecitatio (®ott! roelcfj ®un!et Ijler!) ferner auö bem 2lbagio
3/4 As dur (3>n be§ 2eben§ grüljüngStagen,) unb au§ bem britten %i)t'ü:
Andante un poco agitato (2ld)! e§ waren fd)öne Sage.) ©0 Ijat fie
wieber Otto Satjn in bem bon ifjm nad) s-8eett)oüen'§ 2lutograpr)en (mit
aßen SSarianten) bearbeiteten neuen Glabier^lu^ug be3 urfprünglidjen
gibelio aufgenommen. (Sreitfopf unb §aertel.) 33er mödjte wof)t bei
einem bieltfyeiligen SBerfe, wie bie fragliche Oper, baran fo biele§ — unb
sroar in swei geiträumen — geänbert tuorben, behaupten, baZ unb ba§ ift
urfprünglid), jene§ aber ift 3lbänberung? 23telleid)t ber ©omponift felber
nid)t mit ©idjeröeit. g. Sreitfdjfe ermangelte aller mufifalifdjen 23ilbung;
banad) wirb feine Sleufjerung begreiflid).
— 166 —
er getüölmfid), ftatt §u fingen, tfjat — unb rife bag $ortepiano
auf. Stteine $rau Jjatte if)n oft öergebtid) ge6eten, ju fpielen;
— rjeute legte er ben 2e;rt üor ficrj unb begann rounberbare
^pijantafien, bie, leiber, fein ßaub^niittet feftrjatten fonnte. ?(ug
ifjnen fdjien er baö 9J?otio ber 21rie §u befcfnoören. Sie
©tunben fdjnxmben, aber Seetfjooen ptjantaftrte fort. Sag
9tad)teffen, meldjeS er mit un§ ttjeüen mollte, mürbe aufgetragen,
aber — er liefe für) nicfjt ftören. Spät erft umarmte er mid),
unb auf ba3 Sftarjt üerjidjtenb, eilte er narf) <paufe. £ag§
barauf roar ba§ trefflidje SOhtfifftücf fertig."
„Sobalb — gegen (Snbe SOcärj — ba§ $ud) beifammen
mar, fanbte id) e§ 93eetrjoüen in Slbfdjrift, unb al<§ et)renbe§ 3eu9=
nife jdjrieb er mir ein paar £age barauf, roa§ Sfyr r)ter fe^et:
„„ßieber, roertfjer %.l sJD?it großem Vergnügen \)dbz idj
S£)re Sßerbefferungen ber Oper gelefen. G§ beftimmt micfj, bie
beröbeten Ruinen eine§ alten SctjloffeS roieber aufjubauen.
Sijr $reunb
$eetf}0Den.""98)
„Sie Senefi^ianten trieben an ber Seenbigung, um bie
günftigere Sarjre^eit §u benutzen; öeetrjooen aber fam nur
langfam oorroärt<3. 3113 id) it)n ebenfalls fdjriftlidj bat, ent=
gegnete er eben fo: „„Sie ©efd)id)te mit ber Dper ift bie müfj=
famfte oon ber Sßeft. 3d) bin mit bem Streiften unjufrieben,
— unb — e§ ift beinahe fein Stütf, tooran id) ntcfjt t)ier unb
ba — meiner jetzigen Un^ufriebenljeit einige 3ufrieben=
tjeit rjätte anfliden muffen. Sag ift aber ein großer Unter=
fcf)ieb §ir>tfdjen bem gatle, fidj bem freien 92acf)benfen ") ober
ber ©egeifterung überlaffen ju fönnen.""*)
*) lieber ben legten Sag ift in ber (Site bes Schreibens ein Sunfel
gefallen, bas alfo jn erretten fein bürfte: lieber ein gang neues SBerf
fdjaffen, als über iöerbefferung eines bereits nor Sauren gefd)riebenen nacf}=
benfen ju foflen.
98) B. S. Br. No. 375 (IL Band). A. d. H.
99) Vgl. B. S. Br. No. 381 (II. Band). A. d. H.
— 167 —
„SDfttte 21prit fingen bie groben an, obmot)! nod) 9ttand)eg
fehlte, $ür ben 23. Üftai mürbe bie ^Borftetlung angetünbigt;
"Xag3 5UU01* mar bie Hauptprobe, a6er bie üerfprod)ene neue
Duüertüre (in E dur) befanb ficf) nod) in ber ^eber be§ ©d)öpfer§.
2Jfan beftellte ba§ Drdjefter jur $robe am borgen ber ?Iuf=
füfjrung. Seettjoüen fam nicfjt. $lad) langem SBarten fut)r icfj
§u it)m, il)n abloten, aber — er tag im SBette, fcft fd)tafenb,
neben it)m ftanb ein SBedjer mit SSein unb 3roiebad barin, bie
Sogen ber Duüertüre maren über ba§ SBctt unb bie ©rbe jer=
ftreut. ©in gang aufgebrannte^ Sicfjt bezeugte, tafo er tief in
bie Sftadjt gearbeitet fjatte. Sie llnmögticrjreit ber Söeenbigung
mar entfdjieben; man natjm für bie§mat feine Duüertüre au3
„ frontet t)eu<§", unb bei ber 5lnfünbigung: „„megen eingetretener
§inberniffe müfee für rjeute bie Duüertüre megbteiben"", erriett)
bie aatjtreidje SSerfammtung ofyne 9J?üt)e ben triftigen ©runb."
„2öa§ meiter erfolgte, miffet Sljr. Sie Dper mar trefflid)
eingeübt, 23eett)oüen birigirte, fein $euer rijj it)tt oft au3 bem
^acte*), aber (Eapettmeifter Umlauf lenfte tjinter feinem 9iüden
SÜtteS sunt heften mit Solid unb §anb. Ser 23eifall mar grofc
unb ftieg mit jeber SBorftettung. Sie fiebente, am 18. Suli,
mürbe 23eett)oüen jum Sßorttjette ftatt eines §onorar§ überlaffen.
Sn biefe legte er, p größerer gugtraft, stoei Sftuftfftüde, ein
ßieb für Siocco unb eine größere 5trie für Seonore; ba fie aber
ben rafdjen ©ang be§ Uebrigen Ijemmteu, blieben fie mieber au<§.
Sie (Stnnatjme mar aud) bieSmaf fetjr gut."
2öaS junädjft bie in biefeu Senefi^^orftellung eingelegten
„§toei üftufifftücfe" betrifft, fo erfahren mir au3 ber Mg.
SRuf. 3*0- ©• 550, baB ba§> eine baS ßieb Sftocco'so gemefen:
,,©olb ift eine fcf)bne ©ac^e", ba3 anbere aber Seonoren'3 grofje
*) ®tefem muß nnberfprodjen werben. Sie Sljatfadjen werben
un$ Sketfjoöett in ben ga^en 1813 unb 1814 mehrmals an ber 6pi£e
großer Drdjefier» unb (£Ijor= 2)2 äffen geigen, bie er, ungeachtet feineä ge=
fct)iüäd)ten ©erjörg, mit geftigfeit geleitet, fonft ptte er einen Slnbern an
t>a§> SirectionSputt gefteüt.
— 168 —
5lrie in E dur mit bett brei obligaten Römern, ©rftereS mag
neu getoefen fet)n, (ber ältere (Slaöier^tuSsug enthält eS nidjt)
ift jeboct) niemals mieber entfernt morben. 3)ie 3trie a6er ge=
f)ört ber erften Bearbeitung ber Partitur an, unb erfdjien am
18. Sluguft 1814 nur in üeränberter ®eftalt, in melctjer fte
feitbem ftetS gefungen mirb. Daß ber Referent ber 5(tlg. 2)?uf.
3tg. barüber beffern S3efd)etb mufete, als £reitfcf)fe, biirfen mir
auf fein SSort glauben.
Sfber £reitfd)fe t)ätte nid)t unterlaffen fotlen, oon ben
Seiftungen ber Sänger 5U fpredjen, unb gtoar mit jener ?(n=
erfennung, mie fie ifjnen öon 25eetf)oüen felber gu ££)eit ge=
morben. $f)nen gunädjft öerbanfte ber 932eifter bie Rettung
feineä SBerfeS. ©er 3Sat)rt)eit bie (Sfjre: niemals mieber mirften
in biefem SSerfe fo claffifd) gefdjulte Sänger im Vereine, mie
in ben Borfteltungen 1814, toeber auf ber SBiener «pofbüfme
nod) auf anberen. $)ie gewaltige Silber Hauptmann
(Seonore), bamalS im ßenitt) ^reg $Ru{)meS ftetjenb, ift roofjl
bem gefammten muficaltfdjen SDeutfctjlanb befannt, außerhalb
Sßien aber gar nirfjt befannt finb SJtidjael Böget Oßi^arro) unb
SBeinmülter ($occo), ätoei Sünftfer, $u beren Stjarafteriftü,
fotnot)! als (Sänger mie als ©arfteller fein anbereS (£pitb,eton,
als „üollenbet", gebraust merben barf. Selbft ber Italiener
9?abicd)i, (in ber beutfdjen Oper befdjäftigt, obgfeid) baS
SDeutfctje etmaS rabebredjenb) mar für bie Partie beS gloreftan
burd) Stimme, 9J?etf)obe unb @eftatt mie gefdjaffen. 9?id)t bloS
bem Mangel eines geeigneten SBerfeS §u einer guten Sßenefig^
BorfteHung öerbanft baS beutfdje unb itatienifdje Dpern=9teper=
toire gegenmärtig bie (Sjifteng beS $ibetio, aud) nid)t ben burd)
Xreitfdjte oorgenommenenSlbänberungen, fonbern fjauptfädjlid) ben
genannten bier Äünftlern unb feinem inneren 2£ertt)e.100) Sebod)
oljne SmputS ber brei Snfpigienten erjftirte freute fein gibelio.
100) Hierbei sei an meine umfangreiche Studie über Anna Milder-
Hauptmann in der „Musik" erinnert (u.a. im I. Beethovenbeft: „ Beet-
hovens Frauenkreis"). A. d. H.
— 169 —
2)er ©djöpfer tiefet unfterbtidjen äöerfeS fotlte fid) inbefj
nicfjt lange ber greube ü6er beffen SSiebergeburt überlaffen
bürfen. ^aum fjatte er einen $orgefdjmad öon ©enugtfjuung
in golge befferer SBürbigung feiner mütjeboflen Arbeit 5U ge*
niesen bekommen, afö bie ©ängerinn 9Jä(ber=£)auptmann einen
teben^tängtidjen ©ontract mit ber tönigt Ober in Söertin ab*
fdjtofi nnb ben Söienern für immer Stbieu fagte. Sfyre 9?oüe
im gibetio ber großen Aufgabe entföredjenb 51t befetjen, blieb
fortan eine Unmögtidjfeit. ©0 ruljte benn bie Dper mieber,
unb mieber bauerte e§ adjt üode Safjre, bi§ bie 5D?ögUd)fett
oorljjanben mar, fte in ©cene 51t bringen. Sn ber brüten
$eriobe mirb be§ Weiteren baöon bie Dtebe fetyn. §ier foß
nur nod) ber Söorttaut einer eigentjänbigen ^tnmerfung S3eet=
fyoben'ö Patj ftnben, bie in einem feiner Xagebüdjer enthalten:
„£>ie Oper gibetio 1814 üon StRär§ bi§ 15. 9Kai neu gef einrieben
unb berbeffert." — 2)er 9fteifter erflärt fomit biefe Arbeit fetber
für eine SSerbefferung — quocl bene notandum.
Qua foll un§ nun ba% ©efdjtdjtfidje ber bier 51t gibetio
gefcfyriebenen Dubertüren befd)äftigen. Sßier Dubertüren gu einer
unb berfelben Ober! 2)a§ fdjeint benn bocfj in ber gefamten
Dbern=£iteratur ein 3(u§naf)mefatl 31t febn. „2öa§ mar e§
toofjf, ba§> bem biet6efdjä fügten SJtofter gu biefer ^tn^arjt SSer=
antaffuug gege6en?" 9ftöge bie 23eanttuortung biefer im mufi=
fatifdjen publicum fo oft au3gefbrod)enen $rage genügenb jur
Slufftärung biefeä fpe^ieöen galtet beitragen, auf bafj fernerhin
t)infid)ttict) ber 3lufeinanberfotge mie audj ber Unterfdjeibung
in biefem bterbtätterigen ®(eebfatte feine Srrung metjr ftatt=
finben fönne.
£)ie aöererfte 5U $ibetio gefdjriebene Duberture beginnt:
Violino 1.
Andante con moto.
— 170
&aum beenbigt, fjatte ber Gompomft fetber fein red)te3
Vertrauen in biefe Arbeit, ©leidjes meinten feine ^leunbe.
2Ran üeranftattete bemnadj bei $ürft SitfjnoTOsfy eine Sßrobe
baüon mit Keinem Crdjefter. £>a warb fie ifjrem ©efammt*
infjalte nad) für nid)t entfpred)enb befunben, bem SJÖerfe alö
Einleitung uorau^ugefjen. Sbee, Stnl unb Gljarafter wollten
bem barüber §u ©eridjt fttjenben Slreopag nietjt gefallen. Sie
warb alfo befeitigt. £>ie ^erlagebanblung «Steiner u. Gomp.
erwarb alebalb ba% ßigentrjumsredjt. ©rft im Verlauf be3
üierten Sarj^erjenbä ift fie im 2)rud erfdjienen unb figurirt
im Katalog als aller let$te§ SSerf unfern 9#eifter3.
S)ie nun folgenbe Duüerturc, gleid)fall3 in C dur, mit
ber bie Oper 1805 wirflid) in Scene gegangen, beginnt im
2lUegro=Sa|j:
Violoncello.
S)arin wiberfurjr einem wefentlidjen %t)eil baö Sdjidfal, oon
ben §ol5=5ölafeinftrumenten ftetS uerborben §u Werben. 3)ie
im ^ioloncetl beginnenbe $igur, üorausgerjenb fdjon üon ben
Violinen 511 ©et)ör gebradjt:
^-tj^^^j^l^fj'fe^ abwed)felnb mit biefer:
Werben fofort beibe ben Söläfem jugeroiefen unb wecfjfelweife
Don ibjnen ausgeführt, wärjrenb bie erfte Violine (Sßiola in ber
Cctaue) mit ber fd)on im (ringang bes Satzes üorfommenben
©teigerungsfigur ,
jur (Seite gebjt. (Sielje Partitur uon Seite 52 bi3 57.)
— 171 —
SInftatt biefeö §inbernif$ (31 £acte) gu guter SfaSfüfjrung
einfad) gu entfernen, fanb Beettjoüen für ratfjfam, eine Um=
arbeitung be§ ©angen üorgunerjtnen, U)ar er ja bod) fdjon mit
Umarbeiten anberer Stjetfe beS 3Berfe§ beschäftigt. l£r berjctft
bie 9)cotit>e foroorjt gur Sntrobuction toie aud) 511m 3tttegro=©afc,
läfet letzteres 9)?otiü, größerer Mangfülle roegen, gugtetcf) üom
Biofonceü unb ber erften Biotine üortragen, unb fütjrt auf ber
©runblage be3 bereits Bort)anbenen einen Neubau auf — mit
@infct)altung mehrerer neuen ©ebanfen. Wxt biefer üeränberten
Duüerture ging bie umgeftattete Dper im SD^ärg 1806 wieber
in ©cene.*)
tiefer Neubau t)atte inbeffen eine fo ungeroörjnticrje 9(u3=
betjnung ermatten, bajj bie Arbeit üon ©actjtunbigen al3 (5in=
leitung gu einer Dper für gu (ang befunben roorben, unb,
nad) öerfdjiebenen 5(ngeid)en gu fcfjtiefeen, üom (Somponifien
felber aud). ©agu rjatten fid) nodj bie Reiften unbebingt gu
©unften ber erften Bearbeitung erflärt, al3 bie £>aupt=
ibeen in gebrängterer gorm 511 ©erjör bringenb, überhaupt
crjarafteriftifcrjer als Dpern=Duüerture, roätjrenb bie gtoette
Bearbeitung eine (Soncert=Duu>erture genannt roorben. ©iefeä
unb ber ilmftanb, baß nebft ben £)o(g=Blafeinftrumenten aud)
bie ©treicfjer, tn^befonbere in ber taufenben ^Saffage beö
©djtuffeS (in ber groeiten Bearbeitung fogar mit ^ß r e f 1 0 über=
fcrjrieben) bie ßufriebenrjeit be§ ßomponiften nidjt erringen
fonnten, roaren Urfadje, ba^ gur Söiebereinfütjrung ber Dper
1814 eine Die rte Duüerture, bie in E dur, gefd)rieben Sorben:
*) ßljerubini, ber ben erftmaügen Süuffüljmngen bei gibelio 1804
unb aud) 1805 beiwohnte, fagte ben ^arifev Rufifern üon biefer £)uoer=
ture, bafe er roegen Öunterlei an Regulationen bartn bie£>aupt =
tonart niebt ju ernennen r>ermod)t. 2)iefe3 ungeveebte Urt^eil ift il)tn
bort niemals toieber oerjieljen roorben.
— 172 —
bie bem Drdjefter {einerlei Sd)nrierigfeiten mefjr in ben 2öeg
ftedte. §inftd)tüd) be§ ßfjarafteriftifcfjen aber entfprid)t biefe
Dutierture am allermenigfteu, benn fte trägt nod) ölet meljr ba%
©epräge einer (Soncert=Duüerture. 9Bot)l tonnte man an bem
Stteifter irre werben.
2>te Sßeröffentüdjung ber umgearbeiteten Duöerture101)
in C dar erfolgte fdjon um 1810 bei SBreitfopf u. .Jgaertet.
©ie ift feitbem ber erflärte Siebling aller Drdjefter gemorben,
roeü [ie bei beren Oorgefcfjrittener 2(u§bübung (f)ter unb ba
(eiber fcfjon bi§ in'3 Sßirtuofenrjafte!) Oorgug^meife ©elegenljevt
gu 5tu^3eid)nung bietet.
Sie Partitur ber urfprünglicrjen gibelü>Cut>erture102)
(in ber Speisenfolge bie gtoeite) rjat ©eettjoüen furg öor feinem
Stbteben fammt allen oorrjanbenen Reiten ber Oper mir über=
geben, mit bem auSbrüdlidjen 3Sunfdje, für 2(ufbemarjrung be£
gangen (EonüoIut§ an einem fidjern Ort beforgt §u fedn.*) @£
barf bieö ai§> begeidjneub angefeljen ioerben, ba er fid) meiter
um 5Iufbemat)rung feinet anbern ber nod) Oorfjanbenen 9ftanu=
*) @3 befinbet fid) feit 1845 in ber ftönigl. §of--33iblion)ef ju Serlin.
101) Es ist die sogenannte Ouvertüre in C No. 3; sie erschien im
Juli 1810 bei Br. & H. unter dem Titel: „Ouvertüre ä grande orchestre
de l'opera Leonora" (Verlagsnummer 1 603;. A. d. H.
102) Das Ouvertüren-Gewerk zum Fidelio behält trotz Schindlers
autoptischer Teilnehmung an Beethovens Leben, trotz Thayer, Deiters,
trotz Dr. Priegers Monographie, trotz meiner und anderer Bearbeitungen
dieses Themas mancherlei Unklarheiten. Das Schlußwort in der Reihen-
und Zeitfolge der vier oder gar der fünf Leonoren- Ouvertüren ist
noch immer nicht gesprochen. Wie soll man hier das Wort von der
„ursprünglichen Fidelio-Ouvertüre (in der Reihenfolge die zweite)"
verstehen? Es hätte nur einen Sinn, zu sagen, daß die ursprüngliche
Fidelio-Ouvertüre in der Reihenfolge die erste ist. Dann käme die
große Leonoren-Ouvertüre, die feurig-dramatische, als zweite, die in
E-dur als dritte, und die beiseite gelegte, in den dreißiger Jahren
von Haslinger publizierte, als vierte (erste Leonoren-Ouvertüre).
A. d. H
— 173 —
fcripte bekümmert Ijat. $n tiefer Partitur fanben fid) aber bei
näherer Unterfudjung auffaltenbe ^ürjungen unb $eränberungen,
fo fjatte 3. 33. bie Sntrobuction einen anberen ©cfjlufj, bie
ttneberfeljrenbe £rompeten*$anfare im 9IIIegro=@at5 mar ge=
(trieben, be^gleictjen mar bte laufenbe $igur in ben @treid)=
Snftrumenten be£ finale geftridjen. Offenbar famen tiefe
$ürgungen üon be§ sJ)?eifter§ §anb felber bjer. 2Ba3 itjn Ijiegu
üerantafjt rjabett mochte, liefj fid) nid)t erraten. ^ebenfalls
füllte man, bafj ein üerftümmetteS SSerf üortiege. — *£)a Oerljatf
ein glüdtidjer 3ufaU £>errn Sßrofeffor Otto Safjn bei feinen
im Safae 1852 in SBien angeheilten gorfd)ungen gut 2Utf=
finbung ber öoßftänbigen Partitur biefer Duoerture in fauberer
5lbfd)rift bei 2trtaria. 9tl§6alb erfctjten biefetbe bei 33reitfopf
u. ipaertet im ©ruef. S)er Sßergteid) biefer urfprünglidjen
Duoerture mit ber umgearbeiteten mirb bem SD?ufifer eben fo
großes Vergnügen geroäl)ren, als iljm auS einem SSergteidje be§
Dctett3 für 23ta3=3nftrumente mit bem barau§ entftanbenen
Guintett in Es dur, Op. 4, für <3treid)=3nftrumente, gU Sttjeil
mirb. Söeibe Umarbeitungen finb ^um (Stubtum gu empfehlen.
SSenn ber feinfühlige 21. 23. Sftarr. in feinem „ßeben unb
©Raffen Q3eerf)ooen'3" fid) für bie erfte Duoerture erftärt, fo
rebe id) meiner ©eitö ber jmeiten ba§ SSort. Wlav% fagt,
I, 356: „93egeiftert, gan§ erfüllt öon feiner Seonore mar
23eetIjooen, al§ er bie erfte Duoerture fdjuf." 108) — SetjtereS,
ba§> ©rfüEtfeOn, bleibe unbeftritten, bie (Sinnigfeit it)reö önf)att§
jeugt bafür; bennod) ift ba§ (Sljaraftergepräge nur in matten
Umriffen auggebrücft, 23egeifterung aber, SBeetljoüen'fdje 33e-
geifterung, gar menig barin. 2Betd)' ein gemattiges, in fid) ab*
gefd)loffene§ ßfyarafterbüb hingegen ift bie jtoeite Duoerture,
ein 53ilb üoll erhabener 3u9e' (baoon feiner 3U üiel, rote in
103) Das paßt jedoch beides auf die sogenannte erste, wie auf
die sogenannte zweite. Bei beiden hat der Tondichter der ursprüng-
lichen Begeisterungsidee nachgesonnen und den Kern der Sache er-
schaut. A. d. H.
— 174 —
ber Umarbeitung rjörbar) bie ber 9tteifter 51t einem burdjgreifenben
^aupteinbrnd p bereinigen roufcre, roie fpäterfjin ©teid)e§ in
ben Duüerturen 5U (Sgmont unb §u (Soriotan nod) gefdjerjen!
SSor allem muf; bem ©cfjöpfer jener beiben SSerfe ba§>
9?ed)t 31t beren SBeurttjeUung eingeräumt roerben. £>n 33eptg
auf bie erfte CuOerture bürfte roofjt bie Stelle au<§ 23eett)ou>en'3
93rief an SOtatttjifon paffen, ber am Sd)luffe ber erften ^eriobe
mitgeteilt ift. £>iefe ©teile tautet: „3e größere gortfdrritte in
ber Slunft man macfjt, befto weniger befriebigen einem feine
älteren SBerfe."104) SSarjr ift e§, bafj unfer 3Kciftcr im ^jSuncte
ber ßufriebenfyeit mit fiel) fetber oft bi<§ 511m Uebermafs fdjroierig
geroefen, batjer Oerfd)iebenen feiner älteren yBerfe burd) eigene
©eringfd)ä^ung fogar roefje getrjan, fo 5. 53. bem Cuintett für
^ßianoforte unb 93fa3inftrumente, Op. 16. 2>iefer Siigorofität
bürfte e§ ^ufdjreiben ferjn, hak er fid) ber (Sjiften^ ber erften
£eonoren=Duüerture erft roieber im Safjr 1823 erinnert tjat,
roie mir, bort angefommen, be§ üftäfjeren tjören roerben. 9)?an
begatte aber rootjl im ©ebädjtnife, bajj e3 bie groeite DuOerture
gemefen, bie er, fammt bem ßonoolut aßer Xfyeite ber Dper,
mit bem au3brüd(id)en Sßunfcfje mir übergeben, für ir)re 5luf=
bematjrung Sorge tragen §u motten.
SBenn SQiarj ferner ber Sinroirtung ber greunbe 55eet=
rjooen'3 bie 53efeitignng ber erften Duüerture beimißt, als tjätten
fie gettenb gemad)t, „bafo man üon ifjm nur ©rofeeS, (SrrjabeneS,
@eroaltige§, Unerhörtes erroarte," — menn er nod) beifügt,
„bafi bie ^roeite unb britte Duöertüre nict)t metjr Prologe ber
£>per, fonbern ft)mpt)onifcf)e £>ict)tungen finb, burd) ben @e=
bauten an bie Dper angeregt," fo finb bieS fämmttict) gemagte
(Sonjecturen, roie bergleicfyen bem ^orfcfjer öftere entfdjtüpften.
(Stimmte 53eetrjooen'S eigene 9(bfid)t ober Neigung $u irgenbeiner
Xfjat mit bem SSunfdje feiner $reunbe überein, üielmeljr, mar
jene bereite t>on ifym auSgefprodjen, roie bieS ber $aß bei ber
104) Cf. B. S. Br. No. 37 (I. Band). A. d. H.
— 175 —
erften Duberture geroefen, bann bermodjte eine äußere Anregung
üjn rcotjt batb an ben ©djreibtifd) §u bringen. Slußerbem !annte
er in folgen Singen feine ©efattigfeit nod) üftacfygiebigf eit ; am
menigften mar mit ©rängen bei it)m auszurichten. —
Jpätte SKarj bod) nur ad)t Sage toerfönlid) mit ©eetlj oben
öerfeljrt, um if)n f eiber reben gu Ijören!
Sn einer borauSgetjenben 9?anbnote roarb tterfbrodjen, ben
eigentlichen ©runb ber ^Beseitigung ber für ^arro guerft ge=
fcfjriebenen 9lrie mit ßfjor anzugeben. @S mag biefer fomifdje
Vorfall mit bem Söaffiften 9J?eier*) unb biefer Üfrie bem bereits
Siemlid) auSgebefjnten ßabitet über gibelio als 2lnt)ang bienen,
meil er benn bod) ein djarafteriftifdjeS 9J?oment bietet, aud) in
ber Sebensgefdn'djte 25eetf)ot>en'S nietjt gang ofme Stnalogon ftet)t.
©djon oben erfuhren mir burd) Streitfd)fe, hak t)infid)tlic^
jtoedentfpredjenber 2Sefet$ung ber berfd)iebenen Collen „bie
Mnner gu raünfd)en übrigließen." ©er SBafftft SDceier Ijatte
inbeffen bon feinen gätyigfetten eine fyöljere Meinung, bietleidjt,
meil er ein guter ©araftro geroefen, geroiß aber aud) barum,
meit er mit ^ojart berfd)roägert mar. @r pflegte bemnad) bei
SJtoäart jit fdjroören unb überhaupt fid) alles zuzutrauen. Sn
SJegie^ung nun auf biefeS große Selbftbertrauen faßte SBeetljoben
ben SSorfa|i, ü)n bon fotdjer ©d)roäd)e gu furiren. £)urdj
meldjeS Mittel foltte bieS rooljl beroerfftefligt merben? Surdj
ein ganz einfadjeS, aber fetteneS unb braftifd) roirfenbeS. Sn
biefer 5trie nämlid) befinbet fid) folgenbe ©teüe:
Allegro con brio. &.
5SJ
s^
~-&
E
^i^arro.
Contrebass.
SSalb mirb fein S51ut üer = rinnen,
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*) gviebrttf) ©ebafitatt «Meter geb. 1773, f 1835.
176
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balb frümmet ficf) ber SSurm!
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2öie au§ biefem SBeifpte£e erficfjtüd), betoegt fid) bie ©ing=
ftimme ü6er einem Don allen ©treid)=3"ftrumenten aufgeführten
DctaOengang, fo jroar, bafe ber ©änger bei jebem gu fingenben
Xon einen 23orfd)(ag ber {(einen ©ecunbe öom Drd)efter gu rjören
befommt. ©in roirftid) fattelfefter mirb ficfj Don bertei „fpanifcrjen
Leitern" nid)t fonber(id) imponiren taffen. 2)er Sßigarro üon 1805
jebod) üermodjte trotj altem Slrümmen unb ©efticuüren bem
gefäfjrtidjen §inbernife nictjt au§guroeid)en, gumat bie fd)aben=
froren ©pieler ba unten bie 9J?a(ice gehabt, bie ffeine ©ecunbe
burcfj einen 2(ccent noct) mefjr fjerüortreten §u machen; fomit
mufete ber nmtrjfcfjnaubenbe Spi-jarro bie gange ©teile rjtnburct)
am Sogen ber ©pieter fangen bleiben. 2)a£ berurfadjte ©e=
tädjter. darüber erfyob aber ber in feiner (Sinbübung oerte^te
©änger ein ©efdjrei unb nmrf mit Ingrimm bem (Somponiften
unter anbern aud) bie SBorte an ben Äopf: „©olcfjen Derfl —
Unfinn rjätte mein ©d)tt)ager nid)t getrieben!"*)
9?ocf) in fpäteren Sauren !onnte bie Erinnerung an biefe
brollige ©pifobe au§ ber feineStoegö ergö#tid)en gibetio=
@efd)id)te bon 1805 unfern 9fteifter redjt erweitern, befonbere
roemt er biefem feinem ehemaligen grimmigen s,ßi§arro auf ber
©trafce begegnete. Siegt barin nid)t einige 2(efjutid)feit mit
bem einftenS gu S3onn öerübten Sugenbftreid) an bem ©änger
geller, beffen in ber erften s^eriobe gebaut mirb? ^ebenfalls
tjatte ber ernfte ©pafc mit bem ©änger SOtaer ba§> ©ute gut
$o(ge, baf$ an ©teile ber im gangen unbebeutenben 9lrie in
*) 2>ie ©emaljltn be3 Sänget war bie. älteftc ©ctjtoeftei ber grau
aKojait. gür jie mar bie Partie ber Stöniflin ber %Kfjt getrieben.
— 177 —
B dur eine anbete gekommen, bie ben beften ©lüden in ber
Oper ebenbürtig gur ©eite fteljt.
9lad) 9J?ittf)eilung be§ QSorfteljenben über btefeö in unfern
Sagen fjodjgeftettte Dpernmerf bleibt nur nocr) übrig, einige
Slnmerfungen in birecter Se^iefjung auf ben @efang=Somponiften
95eetf)oüen folgen ^u (äffen, meit fie §ur ©aclje gehören.
?lu3 ben ©ingang§tuorten be§ £reitfd)fe'fd)en 5Tuffa^e§ über
gibelio gefjt fjeroor, bafe Seetfjotien fid) burdj bie (Sompofition
be§ ©IjrtftuS am Delberg pr ßompofttion einer Oper gut
empfohlen Ijabe, b. 1). nidjt nur f)at er bort ©efdjicf §u
bramatifdjer äföafif gezeigt, fonbern äugteidj ben SBemeiS ge*
liefert, bafe er überhaupt für ©efang $u fdjreiben üerftelje, ober,
roa§ er norf) nid)t oollenbS üerftelje, bei im ©rofeen fid) bar*
bietenber ®e(egenfyeit erfernen toerbe. ©3 ift betannt, bafe bie
gäfjigleit, gut für bie ©ingftimme §u fdjreiben, ben Snftrumental-
ISomponiften, öornef)mtid) menn fie (Slaüierfpieler finb, gu aßen
geiten abgefprocfjen roorben, unb meift mit üollem Sftedjt. etilen
93eobad)tungen nad) fdjeint e3 biefer (Slaffc üon SD^ufifern am
fcfymerften $u merben, fict) mit ber ^fyüfiotogie be§ ©timmorganä
unb ben Regeln ber ©efangSfunft fo üertraut 3U madjen, ba$
bie in ber $ocal=ßompofition al§ erfte§ ^ßoftutat entgegen*
tretenbe ©infdjränlung fid) mie ein notf)menbige§ 9?aturgefe£
Oon fetbft ergibt unb nidjt erft an ber Partitur fttjenb er=
groungen merben mufj. 2Ba3 im letzteren $atte refultirt, baoon
liegen un§ au3 unferer (Spodje nicfjt menige SBeifpiele Oor, mit
S. 3Jc. oon Sßeber beginnenb. gaft alle beutfdjen Somponiften
nad) SSeber Ijaben, balb mefjr, balb meniger, bie ©ingftimme
mie ein Snftrument befjanbett.
SJuf unfern SSiener SDtofter bamit gurüdblidenb, ift e§
aufjer ßtueifel, bafj er, junädjft burdj natür(id)e 9M)tung feinet
©eniu$ 5ur 3nftrumental=90hifif, als ber ?ß^antafie ben freiften
(Spielraum geroäljrenb, t)ingebrängt, aber aucf) nod) üon ben
(Sinroirfungen öe3 ^ianoforte fo ftarl befangen mar, bafj iljm
jene ©infdjränlung atö bie größte ©djmierigfeit bei ber
St. ©djtnMeig SBeetfjoöcn-Wograpljic. 12
— 178 —
ßompofition für ©ingftimmen erfd)einen muftte. £)ie ©etuo^rt-
fjeit, fid) ben (Eingebungen ber $f)antafie frei §u überlaffen,
eingefdjränrt aüein burd) bie ©efetje ber Harmonie, be§
$Hrjt)tt)mu3 unb Slenntnifc ber Statur ber Snftrumente, biefe
©erüot)nr)eit, in SSerbinbung mit nod) einem ß^eiten, oem Un=
bermögen, fetber einen guten £on Ijerboräubringen, — ba§
gufammen (äfet erraten, loeldjen $ampf 23eetrjot>en beim 3fu§=
arbeiten biefer Dpern=$j3artitur mit fid) felber $u beftetjen gehabt.
S3ei 9(nf)örung be§ $ibeüo mottle Gfyerubini 31t bem fidjern
(Sdjtuft gelangt fetin, ba^ beffen 5(utor fid) big bat)in nod) t»tet
§u toenig mit bem ©tubium ber @efang§funft befaßt fjabe, rooran
©atteri, ber einfüge $üt)rer in biefer Slbttjetlung, nidjt fdjulö
gemefen, beim aud) ßtjerubini mitt bon biefem gerjört fyaben,
roie e§ itjm mit feinem ©djüfer ergangen. S)er um bolte $fyi
Sarjre ältere frattäüfifdje äfteifter ertaubte fid) bemnadj, bem
SBiener ba§> ©efangStuefen nad)brüd(id) anzuempfehlen unb tiefj
5U biefem $tt>ede bie ©d)u(e be3 $ßarifer (SonferbatoirS fommen,
um fie il)m gu berebjren.*) ^Sefanntftct) finb 9J?efju(, 9lbam,
Sabin, ©offef, ßatet, ©obert, @(er unb ߧerubini bie SSerfaffcr.
Unterfudjt man inbeffen bie bem fyibetio borau§gegangenen
23ocal=(Sompofitionen (bie (Efjerubini nid)t gerannt t)at), bie
9tbe(aibe, 6()riftu§ am Detberg unb bie @ect)3 Sieber bon
©eitert, fo ift e3 augenfällig, ba$ alle ©titnmen mit befter
ßenntni^ it)rer (Eigenheiten bet)anbelt finb. SSie rid)tig 5. SS.
ift bie Unterfdjeibung ber SSocate e unb i im ©ebraudje für
©opran ober £enor, mobon (S. ffl. ö. SSeber unb bie ©päte*
reu meift Umgang genommen tjaben. SSatjr ift e§, im $ibelio
finbet fid) biefe Unterfdjeibung meniger ftrenge beadjtet, aber
bodj nod) mit ülftafj. — 2öa§ mar e§ mot)(, ba$ bie ©änger
51t klagen berantafjt unb berbiefjtidje ßonfticte für alle Sltjetfe
*) ®iefe§ @jemplar Ijat fid) bi§ in bie legten £eben§tage unferS
SD?eifter§ in feiner fleinen 33ibliotfjef erhalten, aber aud) bie. beutfdje lieber^
fe£ung öon biefer ©djule in 6 Slbtfjeilungen (bei Sreitfopf u. §aertel) ftanb
baneben.
— 179 —
fjerbeigefüljrt fjat? 23eetrjoben'§ ^artnädigieit, ba§ ©efcfjriebene
für gut unb fingbar ju galten, biefe mar ber ©teilt bei $Tn=
ftofjeS, ben meber befcfjeibene Borftettungen nocfj bibfomatifcrje
Unterrjanblungen gu befettigen im ©tanbe gemefen.*)
Bon ben ©ängem in biefer Oper gu Sßien mar e3 gule^t
grau 9)?über=§auötmann, bie bem Berfaffer 1836 in Sffacfjen
über jene Vorgänge ÜDftttrjeitungen gemacfjt. @ie fagte unter
anberm au§, bafj audj fie, rjaubtfädjtid) megen ber unfcfjönen,
unfang6aren, itjrem Organ aucf) noct) miberftrebenben ^ßaffagen
im Slbagio ber 5trie in E dur, tjarte kämpfe mit bem SJfteifter
gu befielen gehabt, — jebod) üergebtid), bi§ fie 1814 entf Rieben
erhärte, mit jener fo gematteten 5trie rtictjt mieber bie Söütjne
betreten §u motten. ®a§ mirtte. @in SSergtetct) ber üorliegenben
$rie mit ber erften Bearbeitung mirb nicfjt minber §u SDanf
gegen biefe ^ünftterin aufforbern, mie in bem bermanbten galle
mit bem Baffiften Sfteier. — S£)er Surjalt be§ an Streitfälle
gerichteten Brief cfjen§: „£)ie ganje ©arfje mit ber Dper ift bie
mürjfamfte üon ber 2Be(t" u. f. m. mirb nun feiner meiteren
Auslegung bebürfen unb berftanben merben.
S£)ie mancherlei Erfahrungen aber, bie unfer Fjartnäcfiger
UReifter, gum Streit miber feinen Sßiflen, burcfj alle biefe Bor-
gänge unb Gonflicte machen mufcte, maren aus? jebem ©eftcfjt^
puncte betrachtet äufcerft ermünfcfjt, unb rjätte ftd) (Megentjeü
geboten, aUbatb eine §roeite Dper fctjretben gu rönnen, fo
mären fie aucrj ^meifetlotjne nu^bringenb gemorben.
grägt e§ fict) enbüct) um bie p e c u n i ä r e n Borttjetfe, bie
bem ßomponiften nactj aßen biefen 9J(üt)fa(en §u STfjeit gemorben,
fo ftnb biefe tioitenb3 i(äg(ict)er 2lrt. Bieüeicfjt mar e£ ber
erfte galt in Deftreicfj, ba^ ein Dpem=(5omponift mit ber
Stfjeater=S£)irection eine ^Tantieme Don jeber Borftetlung at§
§onorar bebungen rjatte. SSir fjaben aber gehört, mie in
*) 28otjl ju werfen, e§ ifi bon ber erften Bearbeitung bie Diebe,
nicfjt öon bem fjibelio, wie er gegenroärtig üorttegt.
12*
— 180 —
$otge ber feinblicfjen SnOafion bie f)öt)ere ©efettfcfjaft bie §aupt*
ftabt bertaffen, ber Xrjeaterbefud) überhaupt geftört trat;
abbiren mir bert geringen 23eifall f)inp, ben ba§ SSerE in nur
brei SSorftetlungen im Sftonat ^ooember 1805, in e6en fo
toteren ungefähr im 9ftonat SD?är§ 1806 erhalten, unter benen
nur bie je erfte ein gut befetjteS §au§ gefetjen, fo tütrb man
faum überrafcrjt fer^n, ju üemerjtnen, bah ficrj SBeetrjooen'ä
STantiemen^ntrjeil nid)t auf gmei fjunbert ©ulben erhoben fjat.
©iefer eben abgerjanbette 3eüraum öon funf Sauren, in
meinem ber Stünftler unb ber SDcenfd) fo mancfjertei ftfjroere
Prüfungen 51t befterjen gehabt, bürfte burd) eine au§ (Stjriftian
<Sturm'3 2erjr= unb (SrbauungSbudj oon be<§ 3D?eifter§ £>anb
aufgetriebene ©teile, in btrecter ©e^ierjung auf fein reügtöfeS
®emütrj, anfcfjauticf) tfjarafterifirt »erben tonnen. 3)iefe(be lautet:
,,3d) mufe e§ 3Um greife Seiner (Mte befennen, bafs 3)u afle Mittel
öerfud)t t)aft, mid) ju 3)ir ju gießen. 93alb gefiel e§ 2)ir, mid) bie fdjroere
£anb 2)eine3 3orne3 empfinben §u laffen unb burd) mannigfaltige 3üd)tU
gungen mein ftoljeö §erj ju bemüttügen. Äranfbeit unb anbere Unglürf3=
fäüe üertjängteft 3)u über micfj, um mid) äum 9?ad)benfen über meine ?lb=
meidjungen 3U bringen 9htr ba3 einzige bitte idi £id), mein ©Ott,
b,öre nid)t auf an meiner SBefferung 3U arbeiten. 2afj mid) nur, auf roeldje
SSeife e3 moüe, an guten 2B;rfen fruchtbar fenn." J S. 197.
$iel(eicrjt läfjt ftrf) fdjon in nädjfter getr ein SSenbepunct
in $ert)ä(tniffen unb ßuftänben matjrnerjmen.
in.
1806. STUeS bie Oper gibetio SBetreffenbe mufete im ßufammen*
rjange gegeben roerben. @ö mar fomit unoermeiblid), baf$ nicfjt
in ber djronologifdjen 5Xnorbnung ber Gegebenheiten eine 5tö=
rung eingetreten märe. £)er erfte Sfyeü btefer Gegebenheiten
batirt, roie mir geferjen, au3 ben Sauren 1805 unb 180o; bort
fott bemnacfj ber gaben ber 2eben$gefd)id)te be3 XonbidjterS
roieber angefnüpft roerben. SBenn itjn bie Vorgänge mit ber
Oper etma3 ermübet tjatten, unb er ber örtjolung beburfte, fo
— 181 —
ttrirb e§ fid) batb geigen, tote roenig $eit J)ie§u öon üftötb,en mar ;
ja bie grucfjtbarfeit bei unferm Sfteifter geftattet fid) öon fjier
an al§ eine fo retdje, aU märe nod) fein Kröpfen au§ biefem
tiefen Söronnen tjerauSgefjott morben. ©rftaunlid) müfete btefe
felbft bann nod) erfdjeinen, menn §tt?ifdf)en ber Döer $ibelio
unb ben Dielen neuen 2Berfen ein ßeitraum öon einigen Sauren
läge; allein e§ gäljlt bie[er faum einige Monate.
£>a3 erfte SBerf, ba§> auf bie 2Inftrengungen mit ber Döer
gefolgt, mar bie «Sonate in F moll, Op. 57; jene biet be=
munberte ©icrjtung, bie f)infid)tticrj djaratteriftifcfjer @int)eit nur
Wenige gang ebenbürtige in ber SReitje ber ©onaten für $ßiano=
forte allein pr (£eite f)at. £)er 90?eifter fdjrieb fie mätjrenb
einer turnen SKaft bei feinem greunbe, bem ©rafen 23run§roid,
in einem $uge nieber.*) <Sie ift befanntlid) biefem greunbe
gemibmet. $on biefem SBerf'e üerbient nod) bemerft gu merben,
baf$ barin ber Umfang be§ ^ßianoforte fdjon ba§ öiergeftrid)ene
c erreicht. Sei biefer ?(u§bet)mtng ber (Slaüiatur nad) oben ift
bie ^abrication über setjn Sarjre fielen geblieben. — (2)a§ mit
Op. 58 bezeichnete (Soncert in G dur für Sßianoforte bürfte
nad) einer öon g. ÜiieS gegebenen £Roti§ in ba§> Safjr 1804
gurüdfatten unb ber (Somöofition ber Döer Seonore^ibeUo
unmittelbar öorauägegangen fetju. (Sin gang fixerer ßeitpunct
feinet (Sntftetjen^ mar nictjt aufjuftnben.)
2)ie üftadjnnrfungen be§ erften fran^öfifcljen Krieges lafteten
ferner auf allen gefeUfcfjafttidjen Sßerljältniffen ber ^aiferftabt,
bat)er aud) auf ben fünftlerifdjen. S^tctjt einmal fonnten bie
fo beliebten 9J?orgen=6oncerte im 5tugarten gehalten roerben,
meil ber 3(bet unb ein großer Xtjeit be§ mufitliebenben SßublifumS
*) 3iie3 fagt 6. 99 (Neudruck S. 118/119 Ä. d. H) in feinen 9?otisen,
ba& er ba§ finale biefer Sonate ton !öeetf)Oüen felber gehört; mann bie§
gefd)ef)en, erfahren mir öon ifjnt nidjt. (£§ barf batjer angenommen werben,
bafc ba§ 28erf bereite im Äopfe aufgearbeitet gemefen, beüor e§ auf bem
fianbgute be§ ©rafen in Ungarn ju Rapier tarn. £atte ber Sfteifter boctj
über ein »olteS %afyx öorljer mit ber Döer ju fd)affen.
— 182 —
cwd) nad) bem Sfbgug be§ fran(^öfifd)en £eere§ nod) auf bem
Sanbe öerbtieben. 23on $riüat=ßoncerten fonnte ber nirfjt jit
erfdjmingenben Soften roegen um fo raeniger bie 9tebe fetin, al§
ber (Soncertgeber mit einem moljtbefetjten Orct)efter oor'3 ^ßubtifum
treten mufjte. ©3 tag im ©eifte ber (Spodje, bie tierfdjiebenen
SRuftffttjfe ftrenge gefonbert §u Ratten, bemnad) e3 ben ^ünftfern
nict)t fo leidjt gemadjt mar, ßoncerte §u geben, mie Ijeut^utage.
£)ie gegenmärtig beftefyenbe Unfitte, ein Sieb, ein ßtatiierftüd
neben eine ©infonie ju ftetlen unb baS Drdjefter §um müßigen
gufdjauer gu machen, mar bamatö unge!annt, unb [priest bieg
für ben mafyrtjaft gebitbeten @inn ber 3eit, ber fofdje $ßer-
mirrung nidjt gebulbet.
©d)on bem SBinter nafye fammelte fid) bie ($efeUfd)aft
mieber. £>a tjatte e§ $ran5 (Element,*) Drdjefter^irector
im £f)eater an ber SSien, einer ber geniatften SD?ufifer feiner
ßeit, guerft unternommen, mit feinem Drdjefter ein grofte£
(Soncert gu beranftatten. 23eetf)Oüen gab it)m fjiergu ba§ ebm
* 3f*an5 Clement (and) Clement gefdjrieben), geb. ju SBten 1784,
f bafelbft 1842. — Mad) TOojart woljl ba§ am meifien bewunberte
mufifaliftfje SBunberfinb in ber Jpetmatlj, tote in fernen Sönbern. ®a§
SSunberbarfte an itjtn war fein ©ebätfitniB, barin er aHe§ übertroffen, ma§
bie $htnftgefdiid)te über äfynlidje Begabung au^ufagen weife, ©erjfrieb
fogt unter Stnbern in Sd)ißtng§ Gncrjclopäbte hierüber: „3f)n unterftüjjte
ein ß)ebäd)tniij fonber QMeidjen, wenige groben reidjten I)in, um gange
Partituren ootlftänbig, big tn'g fleinfte SDetail ber Snftrumentation, att&
wenbig gu behalten, u. f. id." — Sin befannt geworbener Vorfall mit
G&erubini im Safjre 1806 mag biefe SSorte befräftigen. 2)er $arifer
9Jcetfier moKte bau über ©. SSernommene fetber prüfen. 3lad) ber 3ten
$robe üon feiner Dper ganigfa forberte er ben ßf)ef be3 Drdjefier§ auf,
iljm eine beliebige 9cummer au$ biefer Dper auSwenbig am panoforte
Dorsufpielen. Slüein nid)t bto§ eine Kummer, fonbern gleidj bie Jpälfte
ber Dper rjat iljm S. uorgefpielt. Soffen war ba8 nidt)t aHe§, womit
Gfjerubini überrafd)t werben fönte, ©en folgenben Sag braute if)m ß.
eine ber fdjtoierigften Hummern au§ ber Dper üollftänbig in Partitur ge*
fdjrieben. Sb^erubtni fpracfj üon biefem SBorfatt mit mir, bemerfenb, niemals
wieber eine Shtnäfjerung folgen ©ebäd)tniffe§ getroffen ju r)aben.
— 183 —
beenbigte unb für feine fünftterifdjen ©genljeiten (furger Sogen,
nad) ber <2cfjute ber att4ta(ienifcfjen 9fteifter, Martini, Sftarbini;
Setjerrfcfjung ber f)ötf)ften 91bbticatur) berühmte (Sondert für
bie Biotine in D dur gum Vortrage. @8 t)atte fidj jebodj
feiner beifälligen Slufnaljme 51t erfreuen. Qtüav tuar ein im
fotgenben Sarjre iuiebert)otter Vortrag bem SSerfe günftiger,
bennocf) fanb $eetr;oben für ratrjfam, e§ fogleitf) in ein (Slaoier*
(Soncert umäufdjreiben, a(§ folcfjeS e§ aber botttommen ignorirt
morben. ©oroorjt $iofin= als aucfj (Sfabierfpiefer berfdjrieen
ba$ 323er! als unbanfbar (mit biefer SBeseicrjnung mürben bie
meiften (Stabierroerfe S3eetf)ouen'§ bon ben äftufirern bi§ auf
unfere Sage abgefertigt), bie $iotinfbieter berffagten eS fogar
al§ unausführbar, tt)ei( fie bor ber häufig barin angetoaubten
tjorjen Slbbticatur gurücf bebten. @rft ber jüngften $eit ^ar eS
borbel)atten, biefem ^errlidjen SSerfe in feiner urfbrüngtidjen
©eftalt gan§ gerecht 5U merben.105)
Sßon größeren SBerfen ift in biefem Saf)re aufeer ber <So=
nate in F dur, Op. 54, !ein anbereS im 3)rii(f erfcfjienen. 3)er
Umftanb, ba$ in biefem 28erfe ber Umfang öon fünf Dctaben
iuct)t Übertritten ift, mag als fbredjenber 23ettiei<8 gelten, ba^
beffen ©ntfteljen um mehrere Satire gurürfbatire, folglich in ber
Dpu§*3af)t bor 47 gu f teilen fomme.106) 2öie müjjjte ber (einiger
SRecenfent über fttf) fetbft böfe roerben, roenu er tjeute feine
fdjiefe 33eurt^eitung biefer ©onate bor STugen befäme! 9^acr)=
bem ber Sftann gefagt, bafc bie beiben ©ä$e, au§ benen fie
befterjt, „hrieber boller hmnberiidjer ©ritten" ferjen, fätjrt er
fort: „©S ift ü6er SBeetrjoben'S (Sigenrjeiten, bie gu rü^menben,
mie bie $u tabelnben, fdjon fo oft bon 31nbern in biefen
105) Heute ist sogar Beethovens Violinkonzert (op. 61) in den
populären Symphoniekonzerten eine piece de prödilection. A. d. H
106) Das ist eine kühne, durch nichts zu unterstützende Be-
hauptung1. Die Sonate op. 54 in P gehört zwar nicht zu den hervor-
ragenden Werken; doch sind solche Bergschatten nehen Bergriesen
noch öfter zu konstatieren. A. d. H.
— 184 —
blättern gefprodjen morben, unb aud) aubertoärtS fragen fetbft
bie eifrigften SSereljrer feines mafjrfyaft tiefen ®eifte§ barüber;
er geigt jebod), mie er alle berg(eid)en Stemerfungen oeractjte:
fo bleibt benn freilid) 9Ref. nidjtS beizufügen, at3 eben bie 5ln=
geige, baß biefeö neue 2Ber£ mieber gar mandjen Stoff gur
SSiebertjolung be§ bon 2Inbern ©efagten barbietet." Mg.
2Ruf. ßtg. S. 639.
1807. SBir betreten nun ben 33oben be§ fefjr fruchtbaren Sa^reö
1807, um ba länger üerroeilen §u fönnen.
Unmittelbar auf ba§ $Biotin=(Soncert folgt bie (Sompofition
ber Oierten Sinfonie in B dur, — bann bie sßeenbigung ber
brei Streichquartette in F dar, E moll unb C dur, Op. 59,
bie aber bereits unterm „26. 9Jcai 1806 angefangen," (mie auf
bem erften Statt be§ 2ftanufcripte§ bemerlt ftetjt) jebocf) nueber
liegen gelaffen mürben.*) hierauf lommt bie Cuoertüre gu
(Eoriotan, — lauter 3Sinterarbeiten oon 1806 auf 1807.
3m ßaufe be§ 9J(onat§ gebruar mürbe bie neue Sinfonie
in einer (gegen ben beftetjenben 23raud)) auf Subfcription öer~
anftalteten Slfabemie gum ißorttjeite be3 (Somponiften gur 9(uf*
fütjrung gebradjt, unb gmar in SBerbinbung mit ben brei oor-
ausgegangenen Sinfonien in C, D unb Es. — @§ mar bie3
unbegroeifelt eine ftarfe gumutfyung Qn 0je gufjörer, unb mürbe
in unfern Xagen noct) al3 gemagt erfdjeinen, gteid)mof)l biefe
SSerle fämmt(id) bereits (Gemeingut be§ mufifatifd)=gebi(beten
$ßublicum3 gemorben.**) ©aß aber ein foldjeä Unternehmen
in jener 3^t nid)t abfdjredte, fdjeint met)r benn atle§, ma£ bie
Sfritif über £t)ei(naf)me be3 größeren *ßublicum§ an 33eett)ooen'3
Drdjefter*äKufif gugeftetjt, ein fpredjenbeS ßeugnifs fomotjt be=
güglid) ber bereite erreichten ©mpfängtidjfeit für beS 3Jceifter§
*) ®ie Gntftefntng biefer Sinfonie roar in ber elften 5tu§gabe irr--
tljümlid) aU unmittelbar auf ben $tbelto folflenb, in ba$ %af)x 1806
5urücfgefe£t.
**) SSalb »uirb uon einer nodj weit ftärferen 3»nuit^un9 on oa*
publicum 9?ebe fein.
— 185 —
Xonbicfjtungen überhaupt, tüte nidjt minber für ben gebitbeten
(Sinn im Slllgemeinen abjugeben. 23ei btefer neuen (Sinfonie
rjatte ber (Eomponift bie ©euugtrjuung 5U fefjen, baf$ fie atö6alb
meljr als bie anbern, faft kräftiger nodj aU bie ad)t ^arjre
früher bem 2tubitorium üorgefülrrte erfte (Sinfonie in C dur,
burd)gefd)lagen. 2)ie SBiener 5lriti! fjat biefel6e orjne gugefügte§
2tber unb SSenn begrübt, ein bei 23eett)oOen'3 $nftrumentat=
üDJufif faum nodj bageroefener gatl. — (£ine anbere (Sdjöpfung
in biefem Safyr ift bie 9J?effe in C dur — gefcf)rieben für ben
dürften ©fterfjagi).
©3 wirb am Orte fetjn $u feigen, roie f)oct) 23eetfjOüen'3
ßompofitionen feit 5Iu§gang ber erften ^ßeriobe bi§ nun im
greife geftiegen tuaren.
(Sin $erlag<^ßontract §mifc§en if)m unb bem perfönlid)
antoefeuben 9J?u§io (Elementi, (bem rjocrjgefcljätjten (Slaoier*
fpieler, (Eomponiften unb Segrünber eines großen $0?ufifuer(ag3=
gefdjäfteS in Sonbon,) de dato SBien, 20. Slpril 1807, Oon
beiben unb Saron Oon @teid)enftein al3 Beugen unter^eidjnet,
liegt im Original bor. ®em SBorttaut biefeö (Sontracte<§ 511=
folge fjonorirte (Dementi bie ©oubtetten nad)ftet)enber Sperre,
ai$: bie Drei Quartette, Op. 59, bie bierte (Sinfonie, bie Duber=
türe gu ßoriofan, ba§ üierte $ßianoforte=(Soncert in G dur, ba§>
üBiotin=(5oncert in D dur, baffetbe aud) ai§> (Efabier=(Soncert
arrangirt, mit groei rjunbert ^funb (Sterling §um ®ebit
für (£n glaub, ©leid^eitig enthält biefer (Sontract bie $er=
pftidjtung für (Elementi: für brei nod) gu componirenbe (Sonaten
an Q3eett)oben bie (Summe oon 60 $ßf. (St. gu begasten.
SSertrjgefdjenle erhielt unfer sD?eifter fortan, bie aber alle
balb roieber berfd)rounben finb. £>ie SJätgtieber feines engeren
Greifes mußten au^ufagen, bafc ba§> „böfe ^Srincip" nid)t bto§
üerftanb, freunblid) geftnnte 9ftenfd)en au§ feiner 9Ml)e gu ent=
fernen, fonbern auclj ^retiofen. SBenn bann Söeetljoüen gefragt
morben, roo jener 9üng, jene llfjr rjingefommen, fotl er nad)
einigem Sftadjftnnen getoörjntid) geäußert rjaben: „Sd) toetfj e§
— 186 —
nidjt." (Sr toufete aber redjt tootjf, mie fie ifjm entnommen,
motlte jebod) feine 93rüber fotdjer Saaten ntrfjt laut anfragen.
3um Jper&fte biefe§ SafyreS f)tn fefjen mir bie in gofge ber
5frieg3ereigniffe gerftreut geroefene ®efeflfd)aft ftdf» lieber §u
erneuerter Xfjätigfeit üerfammetn, unb jmar burd) Gonftituirung
eines Vereins für grofje Goncerte. Der als fertiger Vio(in=
fpieter allen Stftufiffreunben befannte Vanquier gering ftellte
fid) ab§ güfyrer an bie ®pit$e eines äafjlreidjen, aus faft lauter
Dilettanten beftefjenben DrdjefterS, barunter aud) au§ bem
rjöfjeren 2fbeL Der @aat „ßur SDceljlgrube" (gegenmärtig £öte(
sJD?untfd)) biente gum VerfammlungS-Socale. Snbefj geigte fid)
biefer etroaS befctjränfte $Haum für ben großen 3uoran9 DCrt°
nidjt meljr auSreidjenb unb ber herein marb genötigt, biefeS
in afuftifcrjer §infid)t günftige Socal mit einem, fotdjen Vebürf=
niffe gan§ entgegengesetzten, gu Dertaufdjen. 9J?an oertegte
nämüd) biefe (Soncerte in bie 9Iuta ber Uniüerfität. Dodj fdjon
nad) wenig 23od)en fat) fid) Vanquier gering in golge ent*
ftanbener SKif^eüigfeiten uerantafct, feinen Paij bem routinirten
Seiter großer Drd)efter=9J?affen, ^ranj ßtement, su übertaffen,
burd) metdjen 2öed)fet bie Dinge roefent(id) gewonnen Ratten.
9htn trat aud) 33eett)otien mit biefer, (Sifer unb Siebe jur
&a<fyt betfjätigenben ©efeüfdjaft in Verbinbung. £>u einer ber
December-Verfammtungen birigirte er fetber bie Sinfonia Eroica
unb Iief3 barauf jutn erften Wai bie Duüertüre 51t Goriolan
Ijören. %n einer fpäteren Verfammtung fotgte gleichfalls unter
perfönüdjer Seitung eine Söieberljotung feiner Sinfonie in B dur,
bie fid) eines nodj (autern SSeifalleS 311 erfreuen gehabt, als
bei ber erften 9luffül)rung.
3m Saljre 1807 mürben bie Sinfonia eroica Op. 55.,
ferner bie grofje (Sonate in F moll, Op. 57, unb bie fünf unb
breifcig Variationen in C moll ber Deffentüdjfeit über=
geben. 3Bie eS gekommen, bafj festeres SBerf feine Dpu^atjl
ermatten unb mit 9fo. 36 in ben Katalogen figurirt, ift ntcf^t
gu fagen. Der ©runb mirb moljl nur bei ber bamalS fdjon
— 187 —
eingetretenen Unorbnung in ber Sftummerirung ber SSerle, fo
in SRüdftcfjt it)re§ (SntftefjenS toie Ujrer 9Seröffenttid)ung, gu
fudjen fetjn. — £)ie Jrtttfd^ett ©jpectorattonen ü6er bie beiben
erftgenannten SSerfe in ber Mg. 9J2uf. $tg. ftnb lieber abfonber*
tiefer 2trt. S3ei aller 9tüdftd)tnal)me anf ben geitgefdnnad
nrirb e§ benn bod) etmaä fd)toer, fiel) be§ UnnriHens? über bie
Befangenheit eines ÄunftridjterS §u enthalten, ber über eine
pfjantafiereicfje Schöpfung ein Urtfjeit au§fprid)t, tote bort, ben
erften ©at; ber F moll ©onate betreffenb, gefdjiefyt. @8 mögen
gur (5rt)eiterung nur einige ©teilen barauä folgen:
„Siebennann t'ennt S3eet^ot>en'ö SSeife, bie große (Sonate §u
bearbeiten; unb bei aller — bei ber größten 3J?annigfattigteit
im ©in^elnen, bleibt 25eett)oüen biefer feiner SSeife im (Sangen
immer ^iemlict) treu. Sn bem erften ©a£e biefer ©onate fyat
er einmal ttneber oiele böfe (Seifter Io§ gelaffen, mie man biefe
au3 anbern feiner großen ©onaten aud) fd)on lennt: aber
maljrfjaftig, e§ ift f)ier aud) ber 9ftüf)e mertt), mit ben argen
©djmierigfeiten nid)t nur, fonbern aud) mit mandjer 5lnmanb-
lung be§ UnnnUenS über gefud)te 3Sunberfid)teiten unb
Sßigarrerieen, gu fämpfen! @§ ift jeboct) über biefe Eigenheiten
ber Saune be§ HJceiftersS fdjon fo oft gefproetjen morben, bafj
9Rec. fein Söort meljr barüber fagen mag." — dagegen fiubet
ber ämette @a|, Andante con moto, unb aud) ber britte,
Allegro, ma non troppo, ©nabe bei bem geftrengen §errn,
ja fogar SBotjlgefalten. Sn biefem britten ©atje ftnbet ber
$unftridjter „nidjtS öon bem gerfyadten, $orcirten, ba% mehrere
anbere 23eetl)ouen'fd)e finalen Oon fotcfjer Sebenbiglett unb
©tärfe geigen." (!?) IX. @. 433.
2lu3 ber Slritit über bie Eroica folleu aud) nur einige
©teilen beigegeben »erben. $. ^-:
„©0 ftdjer ber Sßorrourf aufteilen übertriebener Slünftetei,
Sßigarrerie, gefugter ©djmierigleiten ber s2tu§fül)rung 2C. 23eetf)OOen
bei kleineren ©lüden trifft, bie entmeber überhaupt nicfjt eben
oiel au§fagen, ober bod) nid)t§, raa§ nic£)t auf toeit einfadjere,
— 188 —
natürlichere, teidjtere SSeife eben fo gut, roo nid)t beffer gefagt
roerben f'önnte: (sie) fo gerecht ift e§, roenn er, bei f otcf) einem
SSerfe, roo faft überall bie &ad)e felbft bie (Scfjtuierigfeiten für
ben ben!enben 3u*)orer ober auMbenben äftufifer herbeiführt,
bie Bormürfe abmirft. (Sine Gonüerfation über geroörjnlidje
©egenftänbe fotl nidjt bunfel, fdjroer, lang fenn; roer aber oon
ber 5lu3fürjrung rjofjer, abftracter Materien oertangt, fie foH
erfdjöpfenb, unb boctj fo leidjt, anmutig, fnrj fein, roie jene
(Sonoerfation : ber öerlangt ba3 Umnöglidje, unb roeife gemeinig=
lief) felbft nid)t, roa§ er eigenttid) roill. 2)amit fotl jeboct) nidjt
gefagt fetyn, ba$ e3 nidjt überall ein ^imium gebe, unb bafe
nietjt 33eetf)o0en'3 ©eniu§, aud) in biefem SSerfe feine (Stgenbeit
geige, fo gern an biefe§ — roenigften3 §u ftreifen, al§ — ben
medjanifdjen unb ted)nifd)en ££)eit betreff enb, bie Unmöglidjfeit
ber gehörigen 9fu£füt)rung, roie fie au§ ber üftatur ber Snftrumente
ober ber §änbe erroei^lid) mirb; unb, ben artiftifdjen unb
aeftt)etifd)en £t)ei( betreff enb, ber ©eniu£ felbft, ber aud)
rjier nidjt burd) §erfommlid)e§ befdjräntt, fonbern nur (roa§
t)iermit gefdjerje!) an bie unabänberlidjen ©efetje be§ aeftf)etifd)en
3Sermögen§ be3 9J?enfd)en überhaupt — unb roenn er, ber
©eniu§, gerabe bie ©igenfjeit t)at, biefem gern met)r guäumuttjen,
alz fid) mit jenen ©efeljen uerträgt, aud) an biefe (£igent)eit
erinnert roerben barf, bamit er fid) felbft ein ©efet; roerbe unb
nidjt feine ©qeugniffe in ba§ Blaue rjinauS üerfprenge. —
llebrigenä roirb e3 nidjt festen, bafs nidjt eine Sdjaar 5lu^üge
unb Bearbeitungen Oon biefem SSerfe, fobalb e3 berannt roirb,
gemacht mürben." IX. ©. 331.
Ob fid) rootjt Beettjoüen für biefe, roat)rfct)einIid) auf bem
9tebaction§=Bureau, gebredjfelte Snfctjutjnatjme feiner ©igen*
Reiten bebanft fjaben mag? Slber mit ber ©djaar üon Slu^ügen
unb Bearbeitungen t»at e3 ber ^ritifer erraten. £>er Gatalog
meifet beren nietjt weniger beim fünfjefjn oerfdjiebene auf.
(Sine anbere, oon roefenttid) üerfdjiebener ©efinnung unb
$orm geugenbe ÄritiC über bie Eroica unb gugleid) über bie
— 189 —
(Sinfonie in B dar, au3 ber geber Don (Sari Sftaria Don
SSeber, erlernt unter ben ©rgänjungen.
$ür ben aufmerffamen 23eobad)ter be§ (£ntmid{ung§gange3 1808.
eine§ mächtigen ©eniuö ift e§ ein angenehmes ®efd)äft, oon
(Stufe 5U Stufe ^u folgen unb itjn ber Sßottenbung fidj nctfjem
§u fetjen, bi§ biefer an einem ^pöfyepunct angelangt, ben gu über*
fdjreiten faum meljr in ber SD?öglid)feit liegt. So ergebt e§
bem SBanberer in Hochgebirgen. $on Stunbe §u Stunbe ftefjt
er fid) §öt)epuncten gegenüber, bie bem Stnfdjettte nadj nid)t
met)r überragt merben fönnen; aber im Verfolge feiner 9San=
berung ftet)t er p(ö^Iid) bor S3ergriefen, bie ba§> freie Wuge ot)ne
trigonometrifdje Sfteffuugen für bie I)öd)ften Spieen im meiten
Umfange gu ernennen im Staube ift. — öS miß bem SSerfaffer
bebünfen, tafo mir im Verlaufe be§ @ntmidetung§gange<§ be§
SBeetfyoüen'fdjen @euiu§ an biefem ^uncte, ben man in ber
Sinnenmelt ben ©ipfetpunct §u nennen pflegt, angelangt
finb. £)f)ne $aft fe|en mir ifjn bon einem Sßerfe jum anbern
eilen, in ben meiften einen f)öt)eren g(ug neljmenb, ba§> mit
Sönen unb §armonieen möglich gu Seiftenbe faft erfdjöpfenb; —
Ratten mir un3 nur an bie öier Sinfonien, um einen beftimmt
abgegrasten ^ori^ont bor fingen §u fiaben, — bennodj finb
e3 nur bie $orberge, bie mir angeftaunt.
Unbegmeifett fällt in ba% Saf)r 1808 ber |>od)fommer be§
geiftigen ©ntmidetungSbro^eg bei unferm SBeettjoben, bie fyödjfte
Steife feiner $ßrobuction§!raft, — bie Sßotlenbung. 9tütjrenb
ift e§, au§ bem mefyrgebadjten Se^r= unb @rbauung§bud)e bon
(Stjr. Sturm nac^ftetjenbe Stelle in einem feiner Sagebüdjer
ausgesogen ju finben:
„Salb mirb ber ©erbft meines 2e6en§ ba fetjtt. Unb ba tuünfcrjte id)
einem fmdiibaren 93aume gleich ju ferm, meld)er reidje grüdjte in unfern
Sd)ooJ3 Ijerabfdjüttelt. 916er im SBinler meinet Se&enS, tuenn id) einmal grau
unb lebenSfatt merbe, münfdjte id) mir ba§ ©tücf, bafj meine 9tufi,e fo e§ren=
tooü unb fo motift^ätig fettn möge, al§ bie diufy ber9?atur im SSinter ifi."*)
*) 9tu§ bem 2Iuffa£e: „9tulje ber 9?atur im Sötnter." I. 49.
— 190 —
©oll e§ benrt tiidjt fcfjeinen, bafc Seettjoben biefen feinett
§od)fommer nidjt fetter erfannt f>a6e, a(g er ficfj biefe ©teile
ttorf) befonber§ bor 21ugen gefegt, nadjbem er fte bodj im S3uct)e
angeftridjen fjatte? ®§ bebarf inbeffen mofjt feiner 91nmerfung,
bafe bie $eit feiner f)öd)ften geiftigen ^oteng fid) ntctjt auf bas
Safyr 1808 befcfjränft, biefmel)r eine SReilje bon Safjreu auf
gleicher §öf)e ficf) ermatten tjat.
Sßermeifen mir etmaS unter bem Saume, ber ben tarnen
unfer3 SDJetfterö trägt, unb befetjen mir um§ bie bon ifjtn in
biefem Safjr fjerborgebracfjten grüßte.
Sn ben <5ommer=Goncerten (im Sfugarten) fam ba%
„Concertino" für ^ianoforte, Biotine unb Siotoncetl §um
erften ÜDcaf ^ur 2tuffüt)rung, t)atte ficf> aber gar feines ^Beifalls1
5U erfreuen, meil bie Sßortragenben e§ mit ber ©acfje §u leicht
genommen. ©3 blieb barum bi§ ^um Satjr 1830 liegen, mo
e§ in ben Concerts spirituels bon ben Slünfttern Soflet,
9Jc a t) f e b e r unb Üfterf mit großem Seifalle borgetragen roorben.
©efdjrieben mar biefe§ SSerf für ben ©r^er^og ^Rubotpt) unb
bie tünftler ©eibler (Violine) unb ßrafft (Siolonced).
^Iber erft ber 22. SDecember107) £)at bem publicum Semeife
bon ber aufjerorbentlidjen ^rutfjtbarfeit biefes> ^al)re§ gegeben.
2lm genannten Sage fjat ber SWetfter im Sweater an ber 2Bien
eine Slfabemie beranftaltet, in melctjer nad)ftef)enbe SSerfe gutn
erften SOcal pr 2tuffüt)rung gekommen. ®a bie 2111g. 9J?uf. gtg.
ben genauen SSorttaut beg Programms aufbemarjrt, fo lönnen
mir un» baran galten. 2)iefe3 lautet:
(Srfte Stbtfjeitung.
I. $aftorat=©infonie. (9fa. 5.) SCRetjr ?(ugbrucl ber ©m=
bfinbung, als SDtaterei.
107) Von dieser großen Musikakademie, in der zum ersten Male
die epochemachenden Symphonien in C-moll und F-dur (Pastorale)
vorgeführt wurden, sprechen die Beethovenbriefe viel und weiteres
über Schindler hinaus. Man vergleiche B. S. Br. No. 163 und 164
besonders usw. (I. Band). A. d. H.
— 191 —
ßtoeite 2tbtl)eitung.
I. (Sinfonie in C moll. (9?r. 6.)
II. „heilig," mit lateinifcfyem Stejt, im ftirctjenfttjt gefdjrieben,
mit (£t)or unb ©olo'S.*)
III. gantafie auf bem (Staüier allein.
IV. $antafte auf bem (Staüier, meiere fid) nad) unb nad) mit
eintreten be§ DrdjefterS unb gule^t mit einfallen tion
(Stören unb finale enbet.
(£)er Sefer errätl) tt>ol)t, bafc festeres SSer! bie fogenannte
(S6or=$antafie, Op. 80, ift.)
S3eim üeberbtid biefeS Programms wirb auffallen, bie
$ßaftorat=©infome at§ üftr. 5, bie C moll=©infonie aber als
9fr. 6 angegeben p finben, ba bod) auf ben gebmeften £itet=
blättern biefe Hummern umgefetjrt ju tefen. Unbegmeifett ift
obige Drbnung mit ©runb erfolgt. 2)a 23eetf)ouen nicfit fetten
an gmei, fogar an brei 3Berten, gumeilen berfdjiebener (Gattung,
gteid)äeitig 5U arbeiten pflegte, fo fann tooljt angenommen
merben, baft baffetbe mit biefen beiben (Sinfonien ebenfalls
ftattgefunben. @§ bürfte aber nidjt unroatjrfdjeintid) fetjn, bafj
bie C moll = (Sinfonie im ©anjen früher öollenbet geloefen,
bemnad) fie bei $eröffentlid)ung ber ^aftorale borangefteEt
morben.**)
*) (£3 mar ba§ Sanctus mit Benedictes au§ ber 9Jceffe in C dur, int
öorauSgegangenen %af)ic bereits gefd)rieben. Qu ben fonberbaren Wafc
regeln ber SSiener ©enfur bamaltger $eit gehörte, ba& lateinifct)e SBorte
an§ bem föhetjentejt auf ben Slnfdjlagaetteln »erboten waren, int Strjeater
aber burfte bie (Jompofition mit bem tateinifdjen Xejt otme Slnftanb ge=
jungen werben. %m 3ab,re 1824 werben mir aber bie ©ngber^igfeit ber
ßenfur um t>ie(e§ oergröfeert finben, um£ aU inbirecter 93emei§ gelten fann,
bafj ba% öftreidjifdje ^olt in biefen 18 Sagten in ber ßultur nicfjt üorwärt§,
fonbern rüdioärtS gefcrjritten ift. Söarum fonft eine Gen für?
**) 9<od) im 3af)re 1813 wirb bie C moll=©infonie in SBien, fo aud) in
ben SBiener 5Berid)ten ber Mg. 9Jtuf. £tg., mit 9er. 6 angeführt (@. 416.),
gleidjroofyl fd)on 1809 beibe SBerfe gebrueft rcaren, erftereä mit 9er. 6, ba§
anbere aber mit 9er. 5 beseidmet.
— 192 —
£)ie Slufnarjme aller biefer SSerfe bon (Seiten be§ 9(ubi*
toriumä mar feine ermünfd)te nnb mochte roorjl ber Stutor
fetber leinen beffern (Srfolg erwartet f)aben. 3)enn für fo
SStefeö unb fo ^lufjerorbentticrjeä mar ber erforbertidje ©rab
bei $affung£bermögen§ nitfjt borrjanben, ^ubem mar bie 91u3=
fürjrung eine burdjmeg mangelhafte, batjer baä Slubitorium %\x
ungetrübtem ©enuffe nidjt gelangen fonnte. Sn ber gantafie
mit 6t)or mürbe fogar umgemorfen. Seftanbene (unb t)eitte
bort nod) beftetjenbe) SBertjättniffe maren für Seetrjooen bie
äußere 9?ött)igung, biefeä SBiefe unb ?tuf;erorbent(id)e auf ein
9fta( ju bieten. @3 bebarf nämlid) 511 miffen, bah ber
(Somponift großer SSerie, meiere SKaffen gur 21u3füt)rung er*
f orbern, nnr auf gmei Momente im ^afyveätauf angemiefen ift:
auf bie erften gmei Sage ber 2öod)e üor Dftern, unb auf bie
testen oor bem 3Seit)nad)t3fefte, mo ben £l)eatern ber taifer*
ftabt nur 5tfabemien su beranftalten gemattet ift. Stuf biefe
günftigen Xage reefmen jebod) gemötjntid) 9ftel)rere, barunter
eine alte ®ünftler*(Sorporation, bie biete Gräfte an fid) aieljt.
@3 liegt barum faum in ber 9ftögtid)feit, in jebem 3at)re nur
ein 9J?al eineä folgen Xageä fjabrjaft $u »erben, 2)ie un=
erläjjlicfje SSerftärfung be§ (Sfjorä unb DrdjefterS, bie nur in
ben fogenannten „9?orma=£agen" 51t ermöglichen gemefen, er-
fdjmerte in bamaüger geh nod) befonber§ jebeä beriet Unter*
nehmen für unfern SDJetfter. 3U Q^em nocfy oer unbetmeiolidj
enorme Stoftenpunct! (Sinige fpeeificirte SRedjnungSauSroeife
au§ bem Satyr 1814 merben bem Sefer meiter unten einen
33egriff oon einem 23eett)oben'fd)en 6oncert=Unternet)men ge*
roätjren.
(£3 fct)eint faft genug an ben angeführten ®d)roierigfeiten
bei einem berlei Unternehmen; beunod) fetjlt nod) eine, in
birecter SSe^ierjung auf Söeettjoben'g ©d)öpfungen bie micfjtigfte,
ioeil fie über Stob unb ßeben eines* Xonmerfö entfcfjeibet: e3
ift bie (Srbfünbe aller beutfcfcjen Drdjefter bx§> num heutigen
2ag gemeint, bie ftcf) in mangelhaften, ja meift fcf)led)ten
— 193 —
groben befimbet. SBoflte aud) 23eetl)oöen, ber nid)t oon 9Imt2i=
wegen über ba3 Ordjefter gu gebieten tjatte, im Sntereffe feines
2öerfeö auf jebeit pecuniären ©etotmt üerjtc^ten unb alles an
beffeit beftmöglidjfte 9tt3ffi$nmg menben, er braute e§ mit bem
£anbraeri3geifte ber SKuftfer nid)t fertig. 2öar ba<§ correctc
Stbfpielen ber 9toten in einer, wenn e3 t)od) ging, in gtuei
groben erreicht, bann mufjte ftd) ber Slutor mit biefem
9?efultat begnügen, gfür Segriff tiefer liegenber Intentionen
fehlte bem SSiener Ordjefter fomotjl Vermögen mie aud) guter
SSitte. SiefeS Gapitet in ben perfünlidjen ©rlebniffen unferS
©rofuneifterS mar eines ber fläglicfjften unb fonnte nid)t üer=
festen, üble Dcadmürfungen bei iljm gurüdgutaffen, bie fid) bis
an baS (Snbe feiner Xage ermatten.
Ueber bie gang üerunglürfte ©Ijor^antafie [n biefer
2lfabemie fpricfjt fid) ber Referent in ber 21% 9Jcuf. 3*9- a^
geraefener 3euge f° aug: »®ie 23(aS=3nftrumente oariiren baS
Xtjema, meldjeS Q3eett)ooen Dörfer auf bem ^ianoforte öor=
getragen t)atte. Sekt mar bie »teifje an ben Oboen. Sie
Klarinetten Oer§ä^(en ftd) unb fallen sugteid) ein. (Sin turiofeS
©emifd) Oon Xönen entfielt; Söeetljoüen fpringt auf, fucfjt bie
Klarinetten gum ©djmeigen gu bringen: allein baS gelingt iljm
nid)t efjer, 6iS er gang taut unb giemlid) unmutig bem gangen
Ordjefter prüft: ©tili, füll, baS get)t ntrfjtl üftodj einmal —
nodj einmal! unb baS gepriefene Ordjefter muß fidj bequemen,
bie oerunglüdte ^yarttafte nod) einmal bou oorn angu=
fangen."*)
tiefer ßeugenauSfage foll bie (Sttoäljnung biefeS Vorfalls
*) 3- 5- Steidjarbt, §ur fetben <3eit in SSien, äußert fid) in feinen
„Dertrauten ^Briefen au§ SBien" faft in gleicher Seife über biefen iBorfaH.
3n bem Don Ibm angeführten Programm biefer $lfabemie am 22. ®ecbr.
roirb notf) ber 5Xrie „Ah perfido" erwärmt, gefangen öon gräulein
SHlitfdjh), (Wtdjte Oon <Sd)Uppan3tgt), ) bie fpäter juv Äönigl. Oper nacfj
"•Berlin gegangen unb bafeibft alä grau ©tfiulj lange Satire 511 ben gilben
biefer Sunftanftalt gehört hat.
91. Sambiers 33cetf)oücu^iograp()ic. 13
— 194 —
in ben 9tie§'fc£)en 9?ott5en ©. 83 108) gegenüber geftetlt roerben.
©ie lautet:
„23eett)ot>en gab eine grojje 9lfabemie im -Erjeater an ber
Söien, roo feine C moll= unb feine $ßaftoral=8infonie, rote aud)
feine $antafte für (Elaoier mit Crcfjefter unb (£f)or gum erften
9J?al aufgeführt mürben. S3ei ber Sedieren machte ber
(Ilarinettift, roo ba% letzte freunblidje £fjema öariirt fcfjon ein*
getreten ift, burdj SBerfefjen eine Steprife üon adfjt Xacten. ®a
nur menige Snftrumente fpielten, fo fiel biefe falfdje ©recution
natürlid) um fo fdjreienber in'S ©erjör. 23eetf)Oüen fprang
roüttjenb auf, brefjte ficE) um unb fdjimpfte auf bie gröbfte 2lrt
über bie Drcrjefter=9Jcitglieber unb ^roar fo taut, ba& ba§ gan^e
Slubitortum e§ rjorte. (Snblid) fcfjrie er: „Sßon Anfang!" 2>a§
£t)ema begann mieber, ?(lle fielen ridjtig ein unb ber Crfolg
mar glän^enb."
Siefe ©egenüberftetlung ^eigt bod) in unerfreulicher SSeife,
bafs 9iie<§ in feinen biograprjifdjen ^Jotigen mit grellen färben
ju malen liebt, sollte man nicfjt glauben, er fprecfje im
Unmutlje unb rn'er im gälte blo3 nad) Sagentjören? allein
9üe3 befanb fid) bei ber Äunftfeier am 22. S)ecember 1808
gleid)fall§ unter ben ßufjörern. §ätte e§ fid) für ben ©d)üler
unb greunb $eetl)ooen'£ nicrjt Oielmerjr geziemt, über bie $or=
gänge babei umftänblid) ju , berichten, überhaupt in bie neuen
üföerfe etroa§ ei^ugetjen, beren (Sinroirfung menigftenS auf bie
für ben SOcetfter morjlgefinnten Sftufifer §u notiren, unb
bergleidjen? ©tatt allem biefen jene trodene 9coti§ — mit
108) Neudruck S. 100 f. — Man vergl. auch Beethovens Aus-
lassungen über Wiener Orchester, besonders B. S. Br. No. 164 an
Br. & H. (I. Band). Vieles darüber kann der freundliche Leser
auch in des Herausgebers neuestem Buche „Beethoven und Berlin"
finden, besonders im Aufsatz „Beethoven und Reichardt", S. 39 ff.
— Die Streitigkeiten zwischen Ries und Schindler dürfen dabei weit
geringeres Interesse beanspruchen, als die von echtem Heiligenzorn
diktierte Darstellung bei Beethoven in den genannten Briefen.
A. d. H.
— 195 —
einer Färbung, all fäme fie au§ ber geber eine! (Gegner!.
SßoflenbS erft ba§> baran .^angenbe! SSaljrtid), ba§ barf geregtes
Sebenfen erregen.
Söi^t)er Ratten mir (Megenljeit, an unferm SEonbidjter
C£f)aralter=@igenfd)aften fennen $u lernen, bie batb meljr balb
minber auf feinen (Seift unb beffen Äunbgebungen eingemirft
fjaben. Sßir t)aben it)n bereits auf retigiöfem unb auf politifdjem
©ebiete beobachtet unb erfannt, baf$ feine @efinnungen biesfaül
auf fefter ©runbtage ruhten; mir fennen ebenfalls feine fociaten
(£igenfdjaften, bie, menn aud) giemtid) abmeidjenb üon benen
anbrer ftlünftter, bennod) ad)tung§mertf) genannt merben muffen,
med fie auf fitttidjer SSafil fugten unb mit ber SEotat=©umme
feiner (Sl)arafter=(£igenfd)aften nid)t in SBiberfprud) geftanben.
Sftun fotlen mir eine neue (Sigenfdjaft an if)m fennen lernen,
bie nid)t minber auf fein ®emütt), auf fein ftünfttermefen, unb
als beffen 3(ulf(ufe aud) auf feine ^robuctionen ©inffufj gehabt
f)at. 2Bir motten nun oon 58eetf)ooen bem D^aturfreunb
fpredjen.
Sßieberum mirb unl hierbei feine ^aulpoftiüe, ba§ met)r=
genannte 23ud) öon St), ©türm, ab§ fieserer Seiter bienen.
9tus§ ber 5(bt)anbtung „£>ie Statur all eine ©djute für ba§>
§er5," II, 493, finbet fid) unter ben aufgewogenen ©teilen —
aber auc§ angeftridjen im Sßudje — bie nadjftefjenbe:
„sUcan fünn bie 9catur mit 5Red)t eine ©cfjule für bas1 §erj nennen,
»eil fie un3 auf fet)r einleud)tenbe 5lrt bie $flidjten Iet)rt, weltfje wir fo=
woljl in 9Ibfidjt auf ©ott, at§ auf uns" felbft unb unfere 9?ebenmenfd)en
auszuüben fdmlbig finb .... 3Sot)lan, itf) miß ein 8d)üler biefer 6tf)ule
werben, unb ein lernbegierige» §erj ju ifjrem Unterrichte barbringen.
£ier werbe td) Söet§t)ett lernen, bie nie mit (Sfel üerbunben ift. £ier werbe
td) ©ott fennen lernen, unb in feiner Gsrienntnifj einen 3Sorgefd)mad be§
£>immel§ finben."
SDtan mürbe fetjr irren, mollte man aus 53eetl)oOen'3
orange, fid) öiet in freier üftatur ju bemegen, fdjtiefeen, el fet)
bieg btol aul Vorliebe für fdjöne Sanbfdjaften gefdjefjen, ober
geboten burd) förperlidjel Sßebürfnifj. Rotten mir feine auberen
13*
— 196 —
Belege, afö bie ?trt unb äßeife, tüte er bie ©rftärungen ber
oielen unb mannigfadjen 9?aturerfdjeinungen im genannten
ßefjrfeudje feinem ©tubium unterzogen, eä mürbe genügen, um
mit öoller ©idjerrjeit auäfagen gii bürfen, baß er fid) frühzeitig
fd)on bie Shmft $u eigen gemad)t, in bem großen S5ud)e ber
Statur lefen unb bieje in jeber irjrer ©rfdjeinungen öerftetjen
ju föunen .*) 2)er Sßerfaffer biefer ©djrift aber, bem baZ ©lud
•$u Xfjeil gemorben, unzählige 5D^?at an ber Seite be§ SfteifterS
burd) gelb unb glur, über Serg unb SDjat ju manbern, barf
benennen, bafe ©eetljoüen iljm bort oft ein Setjrer mar unb in
biefem Unterrichte üon größerer Suft unb SluSbauer unterftütjt
gemefen, at§> bei bem muficalifdjen.
3u befferem SSerftänbni^ merbe gefagt, ba$ mir unS in
23eett)oöen einen Sftenfdjen üorzuftetlen tjaben, in melcfjem fid)
bie äußere Statur Oöllig perfoniftcirt f)atte. Sfadjt itjre ©efetje,
bielmeljr bie elementare 9?aturmad)t tjatte ifm bezaubert, unb
ba§ einzige, ma<§ iljn in feinem mirffamen ©enufj ber üftatur
befdjäftigte, maren feine (Smpfinbungen. Stuf biefem SBege ift
e§ gefommen, ba$ ber ©eift ber üftatur ftc£) in aö feiner Äraft
iljm geoffenbart unb jur ©djöpfung eineä SBetfeg befähigt,
bem in ber gefammten 9)?ufit'=2iteratur lein är)ntid)e<§ %at ©eite
geftellt merben fann, ju einem Stongemälbe, in toeldjem
Situationen aus bem gefeitigen Seben in SSerbinbung mit ©cenen
au§ ber Statur öor bas> geiftige ?luge be3 3urjörer>§ gebradjt
ftnb: bie $ßaftoral=©inf onie.
lieber biefeS Söerf fünftterifcfjer 2Sei3t)eit gu fpred)en, ift
für midj tiertodenb, meit idj über beffen (Sntftefyung unb.fpezielle
Sigentjeiten üon bem 2Iutor felber unterrichtet bin, ja aud) an
feiner ©eite bie ©teilen betreten f)abe, mo ber 8mpuf<§ t)iep
gegeben morben. (£<§ märe merjr al3 überflüffig, fid) in (£r=
tlärungen biefe§ 3Serfe§ ein^ulaffen, ba$ fid) im ©an^en felbft
*) gjebft ber KeuÜinger 9lu<§gabe be3 ©turm'fdjen 23ud&e3 (1811)
befafe unfcr Reiftet rtocfj eine ältere baüort. SDie gätiätidje ?lbnufturtg be$
23ud)e3 geigte, wie üiel er fid) bamit nefcfjäf'tigt fjatte.
— 197 —
erllärt unb tängft (Sügentljutn atter gebttbeten SWufiffreunbe
geworben; aber e§ wirb nicfjt übcrffüfftg fetjn, einige Stotijen
$u geben, bie geeignet ftnb, bie Intentionen beö (Somponiften
bei §Wei feilen in etwas §u üerbeuttidjen, um fo metjr, a(§
barüber nod) nirgenb§ gefproctjen Sorben.
Sowohl bie $ßaftorat= tote aud) bie C moll*@infonie ftnb
in £>eitigenftabt gefdjrieben, an bem Drte, ber bem Sefer au§
ben Vorgängen be§ SafjreS 1802 bereite begannt tft. ®tefe§
am rechten Ufer ber Stonau gelegene 2)orf war in jenen Sauren
ber geroötjnUcfje «Sommeraufentrjatt unfer§ 9fteifter§, itnb erft
mehrere Safjre fpäter Wählte er bie Umgebungen ber ^tefibenj*
ftabt nacf) ber ©übfeite, afä: §et}enborf, äftöbting ober 23aben,
gu feinem Stuöcutum — beibe (entere Drte ber är^ttidjer ©eit§
empfohlenen STijermen Wegen.
3n ber ^weiten Raffte beö Slprit 1823, §ur 3eit me^er
ÜJJütjfale unb Söiberwärtigfeiten, fdjlug $8eetf)ouen eine§ %age3
gur ©rljotung einen 9fit§flug nadj ber ^orbfeite oor, baljin iljn
fein $uf$ feit einem ©ecennium nidjt metjr geführt t)atte.
3unäd)ft foüte §etfigenftabt unb beffen reigenb fdjöne Umgebung
befudjt werben, wo er fo üiete Söert'e 51t Rapier gebracht, aber
aud) feine üftaturftubien betrieben fjatte. Sie ©onne fdjien
fommertid) unb bie Sanbfdjaft prangte bereits im fdjönften
grüjjlingSftetbe. 9?adjbem ba$ 53abeJjau§ §u ^eiligenftabt mit
bem anftoJBenben ©arten befefyeu unb mand)' angenehme, aud)
auf feine ©djöpfungen ^Be^ug neljmenbe (Erinnerung jum 9(u§~
brud gekommen war, festen wir bie SBanberung nad) bem
^aljlenberg in ber Stiftung über ©riujing fort. S5a§ anmutige
SSiefenttjat gwifdjen £eiligenftabt unb legerem £)orfe burd)=
fcfjreitenb, ba§ üon einem bom nafyen ©ebirg rafd) baljer eilenben
unb fanft murmetnben SBadje burd)§ogen unb ftredenweife mit
t)ot)en Utmen befetjt war, blieb Q3eetf)oben Wieberljolt ftefjen unb
tiefe feinen 2Mid boll Oon fetigem SSonnegefüfjt in ber tjerrüdjen
Sanbfrijaft umtjer fdjweifen. ©idj bann auf ben äßiefenboben
fetjenb unb an eine Ulme tetjnenb, frug er mid), ob in ben
— 198 —
32Sipfetn biefer Zäunte feine (Mbammer gu fyören fet). @S
mar a6er aüeö ftitte. darauf fagte er: „£ner fyaht id) bie
©eene am 33ad) gefdjrieben unb bie ©otbammern ba oben,
bie 2öad)te(n, ^adjtigatten unb Sufufe ringsum fjaben mit
componirt." Stuf meine $rage, marum er bie (Mbammer
nidjt aud) in bie ©cene eingeführt, griff er nacfj bem ©fi^ir=
bud) unb fdjrieb: +_
Ö
„SaS ift bie (Somponiftin ba oben, äußerte er, t)at fie nid)t
eine bebeutenbere 9?oQe auszuführen, als bie anbern? SJcit
benen foll eS nur ©d)er§ fein." — 2Saf)rlid), mit Eintritt
biefeS SftotiüeS in G dur erfjätt baS Xongemätbe neuen SReig.
©id) meiter über baS ©an^e unb beffen Steile auSlaffenb,
äußerte Seetlmöen, bafj bie "Jonmeife biefer 3(bart in ber
©attung ber (Mbammern äiemlid) beutlid] biefe niebergefdjriebene
©cala im 2lnbante=9tt)t)tl)muS unb gteidjer Montage tjören (äffe.
2113 ©runb, marum er biefe 9ftit=Gomponiftin nid)t ebenfalls
genannt, gab er an: 2)iefe Nennung t)ätte bie grofje 5ln§at)t
böSroittiger Auslegungen biefeS ©a£eS nur bermetjrt, bie bem
3Serfe, nid)t btoS in Sßien, aud) an anbern Orten (Singang unb
3Bürbigung erfdjtuert l)aben. 9?id)t fetten mürbe biefe «Sinfonie
megen beS feiten ©a§eS für ©pielerei erftärt. ?ln einigen
Drten t)atte fte baS ©djidfal ber Eroica. Sn Seipgig glaubte
man fogar, baf} für baS 3Ser! bie Benennung „Sßfjantafiett
eines SonlünftterS" anftatt ©infonie, paffenber märe. S)amit
füllte bem SBerfe beffer nachgeholfen fetin. Mg. 3Huf. ßtg. XI. 437.
Sie anbere Sftotiä betrifft ben britten ©a|: „duftiges 3l,s
fammenfetin ber Sanbteute."
2)ie Söiener üftufitfreunbe bamatiger 3^t fjatten ofjne (Sr=
ftärung beS (Somponiften bie Intention bei biefem ©a|e fo
*) Partitur ©. 75.
— 199 —
äiemtid) errattyen. ©ie mollten, borneljmlid) in ber ©eftaltung
be§ erften £t)ei(e§ im 3/4 %act, eine Nadjbitbung ber öftreidji*
fd)en ^on^muftf auf bem Sanbe erfannt fjaben, menn nicfcjt gar
eine ^arobie berfetben, roie fie öon einem 23eetljoöen gegeben
merben lönne. — Sn jener 3e^ Qa& eg ncunlidj in Deftreid)
nodj eine djarafter=eigentt)ümtid)e SSolfömufir^ beren (Gepräge
f)infid)tlidj be§ 9^t)t)t^mifd)en, ^armonifdjen, aber aud) ber 2lu§=
fütjrung felbft auf ben gebilbeten Sftufifer großen 9?ei§ au3=
juüben nidjt oerfeljten tonnte. 2Ba§ fict) in ben @ebirg3gegenben
9?ieber=£)eftreid)§ unb ber ©tet)ermarf feit 8al)rf)unbertert im
SBolfe erhalten tjatte, e§ erjftirt nidjt meljr, unb mit biefem
Sßerlufte ging audj bie SMföpoefte 5U @runbe, raenngleidj nod)
&erfe in ber Sßolföfpradje gemalt tnerben. Sludj bort, mie
aüentfialben, l)at gunädjft bie ©reljorget alte§ Ureigene in
QMf§mufif untergraben, iljr folgte bie metf)obifd)=inbuftrieHe
(EiüUifirung bitrd) 9JMnnergefang==Sßereine, burd) bie öolIenb§
bem eljrroürbig Nationalen ein Snbe gemalt Würben. ^)a§>
©ebräge beä $olfött)ümtict)en aber einmal Oermifdjt Iäfjt fid)
fdjmerlidj mefyr burd) irgenbtoetdje ^ngrebiengien auffrifdjen.
2)a§ mirb fid) am meiften bei ber Wu\it beroaljrljeiten, bie im
2)enfen unb gütjfen be§ 5M£e3 i§re Quelle finbet.
S25efdc)' particutare<§ Sntereffe bei SBeetljoben öor^ug^meife
bie öftreidjifdje Stanjmufif gemann, barüber fpredjen £tjatfad)en.
$i§ gu feiner 5(nf'unft in 2Bien (1792) mar ilmt, nad) eigener
2tu§fage, aufjer ben bergifdjen SBotföliebern*) mit iljren eigen=
tfyümticfHeltfamen 9?fjt)tt)mett feine anbere $otfömufif befannt
gemorben. SSie üiel er fid) fbäterfjin felbft mit Slangmufif be=
fdjäftigt, bezeugt ber Statalog feiner Söerfe. ©ogar in öftreidji*
fc£)er Xangmufil: Ijatte er fid) öerfud)t; inbefj moEten bie @pie(=
leute biefen $erfudjen ba% öftreidjifdje 23ürgerredjt nidjt gu=
ernennen. £>er le^te Sßerfud) batirt aus bem Saljre 1819 unb
*) ®a3 ^ersoglfjum S3erg unb ©leüe am Wieberrljein. SBerfdjttmnben
ift aucf) bafelbft ba% Sieb au§ bem S3olf§(eben unb nur mefyr in <Samm=
Jungen jit finben. Ein feltener ©a^aft.
— 200 —
fällt munbertidjerroeife inmitten ber C£ompofition ber Missa
solemnis. S^äJjereS barüber, ba$ auf gerabem SBege gut SJSafiorat«
Sinfonie gurürffü^rt, tüirb nidjt unroillfommen fet)n.
^m ©aftfyofe „$u ben brei Stäben" in ber „Dorbern SBrü^l"
bei Sftöbting fpielte fett langen Soweit eine ©efettfdjaft Don
fieben ÜIRann. $)tefe mar eine ber erften, bte ben Dom Steine
gekommenen jungen äRufifer bte ÜJcationat^SSeifen ber neuen
£)eimatf) unoerfälfdjt tjören liefe. 9J?an mochte gegenfettig 33e=
fanntfdjaft unb atöbalb mürben für biefelben einige Partien
„Sanbler" unb nnbere Sänge componirt. 3m oben genannten
3atjre t)atte 35eett)oöen mieberum bem Slnfudjen biefer ©efett=
fdjaft millfatjrt. 33et Ueberreidjung be<§ neuen Dpu3 an ben
Sljef ber ©efellfcljaft ju SWöbting mar td) anmefenb. S)er
SReifter äußerte unter Stnbern in r)etterfter Stimmung: er fyabt
biefe 2än§e fo eingeridjtet, ba^ ein SKufifer um ben
anbern ba§> Snftrument aufteilen nieberlegen, au<o =
rutjen, ober fdjlafen fönne. 9cacr)bem ber grembe, Oott
greube über ba§> ©efdjenf be§ berühmten (Sompontften fid) ent=
fernt l)atte, frug 23eetf)oüen, ob id) ntct)t bemerft Ijabe, mie bie
2)orf~3)cufifanten oft fdjlafenb fpieten, jumeilen ba$ Snftrument
ftnfen (äffen unb gan§ fdjmeigen, plöijlid) ermaßen, einige f)er§=
ijafte Stöfje ober Stridje auf's @eratl)emof)l, bod) meift in ber
redjten Xonart, tfjun, um fogleid) mieber in Schlaf §u fallen,
— in ber $ßaftora(=Stnfonie fyabe er „biefe armen Seute §u
copiren" Oerfud)t.
9cun, £efer, nimm bie Partitur jur ipanb unb befetje bir
„bie @inrttf)tung" auf ben Seiten 106, 107, 108 unb 109.
Sietje bie ftereottype Q3egtettung3figur ber betben Violinen auf
©. 105 ff., fieije ferner ben fdjlaftrunfenen fetten $agott mit
ben miebertjott abgefegten paar Xönen, mäfyrenb ßontrebafe,
ißioloncell unb $8tota gan§ fdjmetgen; erft auf Seite 108 fe^en
mir bie SStola ermaßen, fte fdjetnt ben Wafybax Sßiotoncell ju
raeden, — aud) ba§> ^mette Sgoin mad)t mieber brei Stöfee, rutjt
aber gleid) mieber. 3lm legten ermannen fid) §u frtfdjer STt)ätig=
— 201 —
feit ber ßontrebafc unb bie beiben gagottg. ?(ud) ber ©forinette
ift geit u^b SRaum -jur 9iuf)e gelaffen. —
216er aud) ber auf (Seite 110 fiel) anfdjliekenbe 2/4 Saft
„?IHegro" beruht in $orm unb Gijarafter auf bem SSefen ber
ehemaligen öftreidjifdjen Sanäinufif. ©3 ga6 Sän5e, roorin ber
3/4 Saft ptöfctidj in einen 2/4 Saft umfcfjtug. S^ocfj im Saufe
be§ britten ^arjräerjenbä far) id) fefber in ben wenige <Stunben
oon ber |)auptftabt entfernten Sföalbbörfern 2aah, $aftentent=
geben unb @aben beriet Sänge ausführen.
ferner gehört im erften (Sat$e noef) biefe Sonfigur ber
öftreidjifdjen $o(f$mufif an:
>)
$ßaftorai=<Sinfonie! SBie ber Watev feine Sanbfdjaft in allen
Partien abrunbet unb Uebereinftimmung in ba§> ©an^e bringt,
fo aud) SBeetrjoöen in biefem Songemätbe. Dxurjig beginnt e§
im SSorbergrunb, bie mannigfaltigen Partien löfen fief» immer
fauft ah; beruf)igenb hrieber, nad) gurerjt unb Sangen erregenber
(Sdjilberung be§ @ett>itter3 mit (Sturm, fdjtiefjt ber *pintergrunb,
unb ba§> in ber gerne öerrjaltenbe SBalbljora miß un3 nod) in
ben testen Saften täufdjen, a(§ mären mir in bem großen
(£oncert=@aat ber D^atur geiuefen. — $ßreiS bir, erhabener SHeifter!
Sm Stange ber finfonifcfjen £>id)tungen unferS 9J?eifter3
ftefjt ber ^ßaftorate bie C moll (Sinfonie btctjt §ur (Seite, ja,
al§ freie S)id)tung, bie fiel) an nid)t3 2teu^erlid)e§ anlehnt ober
biefem ifjre ©ntfterjung üerbanft, überragt fie jene nod), bilbet
überhaupt ben bi§ barjin l)öcrjften Sriumpf) inftrumentaler SHuftf.
SSenn unter ben ipunberten Oon 9J?eifterf)anb geferjaffenen Son=
*) Wod) wirb auf einen Wange! in ber Partitur rjinäuweifen fetjn.
3m erften ©a^e, ©. 35, finb bie brei Saftpaufen in ber erfien Violine
mit ber Sriolenfigur be§ 3ten £a!te§ auszufüllen. ®iefe mu§ üter Saite
fjinburd) jit jjören ferjn. SSon ber Violine übernimmt fie bie SSiota unb
fe|t fie burtf) 4 Safte fort.
— 202 —
toerfen feines ben Satj in unbeftreitbarer Steife belDat)rt)eiten
füllte, bafj jebeS tuaf)rt)aftc ®unfttt>erf als Bergegemoärtigung
beS ©öttltdjen gelte, nnb fein ßttted fei: nur flicke 99efe=
ligung beS 90?enfd)en, eben fotuo^I burdj Berflärung
beS Srbifdjen nnb Bergeiftigung beS Sinnlichen, a(^
burd) Berfinnlidjung beS beifügen, fo tiermag bteö S5cet=
fjoben'S C moll (Sinfonie. SBeld)' ttmnberbare Bereinigung üon
>Patt)oS, SBürbe, Sfttjftff nnb @rt)abent)eit in ben trier Sätzen!
SSetcf)' ein Seben ootl ^3oefie enüuidelt ficf) öor unfern Sinnen
in biefem SSerfe nnb läfet un§ in feine liefen flauen! S)en
Scfjtüffet 51t biefen liefen ga6 beffen Sdjöüfer felber, als er
eineö XageS mit bem Berfaffer über bie benfelben §unt ©runbe
tiegenbe Sbee fpracfi, mit ben SBorten: „(So pod)t baS Sd)id =
fat an bie Pforte!"109) inbem er auf ben Anfang beS erften
©atjeS rjimuieS. Sn gergliebenmg unb StuSlegung biefer Sin=
fonie ljaben ftd) Äritifer unb Slefttjetiter feit lange erfdjöbft.
Sluf baS Borjüglidjjfte, in baS 2Befen ber £)id)tung (Singetjenbfte
unb ot)ne überflüfjigeS SBortgepränge ©egebene fotl toenige
Seiten tueiter unten tjingetutefen loerben. öS toäre Bermeffen=
fjeit, burd) irgeubtoeldje Berfudje bieS überbieten 51t motten.
Bon großen im Saufe biefeS 3at)reS im SDrud erfcfjienenen
$ßerten finb 51t nennen:
a) BterteS ßoncert (G dur) für Sßianoforte mit Drcrjefter,
Op. 58;
b) Vierte Sinfonie (B dur) Op. 60;
c) (Eoncert für bie Biotine, D dur, mit Drdjefter, Op. 61;
gleichzeitig erfdjien baSfelbe arrangirt als Goncert für
^ianoforte.
S« baS Sat)r 1808 fällt eine für bie bamalige @üod)e
intereffante Begebenheit, bie als djaraf'teriftifdje (Spifobe aud) in
Beetfjooen'S Seben mit tjineinflingt, unb um fo metjr ©rioätjnung
109) Hier erfahren wir doch wenigstens, zu wem und über
welches Werk Beethoven das Wort über die Schicksalssymphonie —
also die in C-moll — gesprochen hat. A. d. H.
— 203 —
nerbient, cit§ iljr 9tact)flang fid) bei unferm SJfeifter nodj nad)
Sauren roirffam erhalten unb au§ biefem ©runbe inbirect $er~
anlaffung gur (5ntftef)ung eines feiner bebeutenbften SBerfe für
^ßianoforte gegeben Ijat. £>ie§ madjt bie ©acfje frevelt für uns
intereffant. $ür Slufberoafjrung biefer Gegebenheit in großer
2Iu3fül)rlid)feit f)at bie Mg. «föuf. ßtg. geforgt. XI, «Kro. 3.
2tn biefe miH ficf) ber SBerfaffcr nur in fo toeit galten, a(§ e§
für unfern Qmed erforberlid). ©ibt fie boct) Sürgfctjaft für bie
©acrje, inbem fie biefetbe gugtetdE) fritifd) beurteilt. Sßir lefen bort:
„(Sine ber erften £>amen SBien'3 tjatte ben @ebanfen, gu
einem getttiffen italienifdjen £iebling3liebcfjen, ba$ poetifdj gar
nid)t übet unb für au§brud«§t>oIle 9J?ufif fetjr geeignet ift, eine
©oncurrenj oon (Sompofitionen mögttct)[t öieter Siebfjaberinnen
unb Siebljaber, unb faft aller je^t beliebten SJJeifter Steutfdj*
lanb'S unb 3talien'<§ §u oeranlaffen; biefe (Sompofitionen liefe fie
fyernadj) fammeln unb auf iljre Soften ftecfjen, um mit ben
(Sjemplaren, aufeer ben £t)eilnet)mern, norf) manchen anbern
^reunben ber Stunft ©efdjenfe §u machen. $)iefe (Sammlung
blieb $ßriüat=@igentf)um unb fam nie in§ ^ubüfum."
2)er Stejt §u ben öerfctjiebenen Gomnofitionen ift nacfjfteljenber :
In questa tomba oscura
lasciami riposar.
Quando vivo era, ingrata,
dovevi a me pensar.
Lascia che l'ombre ignude
godansi pace almen,
e non bagnar mi ceneri
d'inutile velen.
3n beutfct)er Ueberfetmng:
Safe' ru^en micfj in ^rieben (£ntroeid)e, baf$ mein (Schatten
3n bunffer @rabe3nacl)t ! ^n ^rieben enbtid) rufjt,
0 f)ätt'ft bu Unbanfbare 9Kdjt roecft bie falte Slfdje
£>e£ ßebenben gebaut! £>er gift'gen greinen ^titttj.
— 204 —
$on ben @tnen mit f)öd)ft einfacher, ebter Declamation
(attbeutfd),) üon ben 31nbern in anmutrjiger, mefobifd) att=
itatienifdjer üföeife aufgefaßt, Ratten ftcf) Q3erfd)iebene auf jenem
2Bege bis %\x fefjr munbertidjer Äünftefet, gu fdjroerfätliger lieber*
tabung, ju abenteuerlichem Scrjroulft oerirrt; auf biefem SBege
bi§ -utr gemöf)nticf)en Cpern=9lrie. Dramatifd) betjanbett maren
bie meiften.
Unter ben Gomponiften unb (Xomponiftinnen befanben ftdj
Damen bon rjorjem 9tange, mehrere dürften, ©rafen, Maronen
unb anbere Dilettanten. Sßerfcfjiebene Gomponiften Ratten ben
ZtXj merjrfad) bearbeitet, §. $. 3^9are^ 1° SKal, in gorm
neuefter lian^onetten, ?lrietten unb Dpern=5(rien, ©altert 2 Wai,
Sterlet 3 9M, $aer 2 $M. 5(ud) einige Mettanten Ratten
ben £ej:t merjrmat componirt. SfnS ber 3af)[ oer Gompontften
finb nod) 51t nennen: 21. (Sberf, @. $örfter, 25. $igrjini,
& gelter, SS. Somaftfjeri, Dnonis Seber, & Sgernti, gf. SBeigl,
enbtid) 33eetf)ot>en, feine Gompofitton tjatte bie letzte Stummer,
nämiid) 63.
23is rjierjer alles gut — aber ber 9lnt)ang! „Diefer mar
eine anwerft fartftrte s}krobie bes 28er f es, feinet tragifdjen §n=
fjatts unb ber baburd) eingeflößten Gmpfinbungen. S(uf einer
großen Siupferplatte fanb man eine läd)erüdj=fteife, fjollänbifd)*
frangöftfdje ©artenpartte bargeftetlt, roo in einem £rauerrjain
uon iöudjsbaum ausgefdjnitten ein äierlidjes 9)?onumeut mit
-Tobtenurne unb anwerft gemeinen Gnget=3ungen aufgerichtet
ftanb; eine trauernbe ©attin in meitausgreifenbem Dtetfrocf,
5eberfd)mud unb aller geroidjtigen ^arure ber fjodjfeltgen
ancienne Cour, fafj man rcorjlgemeffen aufs Ante niebergelaffen
bas £rjränentud) r>or bie ©tirn fjalten — roaf)rfd|eintid), um bie
©djminfe nicr)t 51t oerroifd)en — u. f. m. 2lber and) hierbei
mar für ÜDtufif geforgt; Safob §edel fjatte ba^u eine fteife,
f(^roerfällig=täppifd)e kennet aus H moll componirt."
Diefe ^arobie fjatte jämmtlidje ÜZÖiener Somponiften in
^arnifd) gebracht, meil fie barin eine bosrjafte unb gemeine
— 205 —
^erfiftage finben roottten. 3ufotge SBmtfdjeS aller marb be=
fcf)toffert, einen ^roteft gu Veröffentlichen, ©atieri, Söeettjooen
unb SSeigt mürben erfuctjt ba$ SBort 51t führen. üftacr) einer
bie§fall3 gepflogenen SSeratfjnng roarb e§ jebod) für ungeeignet
befnnben öor bie Deffentlidjfeit gu treten, inbent ba§> betreffenbe
Sßerf bem publicum ntctjt befannt fet); nocfj meljr, e§ ftanb im
gälte eines öffentlichen $ßrotefte§ 51t befürchten, bafj man ©e=
legenljeit nehmen fönne felbft tiefen ju parobiren. S)te (Srfarjrung
{jatte ja bi§ barjin genugfam gefetjrt, bafj felbft ba§ (Srfjabenfte
ba§ parobiren unb ^erftftiren ftcf) bort gefallen (äffen muffe.
%Ran fanb bemnacr) für rattjfam, ficf) auf eine mifjbtlügenbe
gufctjrift an bie $erantafferin biefeS (SammelmerfeS 51t be=
fcfjränlien, im Uebrigen ben Vorfall auf fiel) berufen gu taffen.
— ©iefe§ Vorfalles unb feiner nad)t)attigen (Sinroirfung auf
unfern sJfteifter ftdj 5U erinnern, roirb erft in ber brüten ^eriobe
(1828) ©runb unb SSerantaffung fetjn.
IV.
Wü ©rjä^ung ber Gegebenheiten fortfaljrenb, att§ benen 1809.
fid) ber roicfjtigere Streit ber ßeben§gefcf)id)te 23eeu)oöen'<§ bitbet,
ftofcen mir fogteict) gu Eingang be§ 3af)re§ 1809 auf eine öon
foldjer Sefdjaffen^eit.
3)er bisherige Verlauf ber 3)inge in beS ^Ocetfterö Seben
tjat gegeigt, baf$ feine fociate (Stellung eine priöate geblieben,
nidjt ettna, meil er neben feiner 23efcf)äftigung am ©djrei&tifdj
nid)t nocf) eine anberrceitige angeftrebt §abe, bie itjm nebft einer
entfprecfjenben Söirtfaml'eit nad) aufceu aucfj einen gefidjerten
Sebenäunterfjaft geboten rjätte, fonbern au§ ©rünben, bie tfjetfö
in, tt)eit3 aufjer if)m gelegen. Stafc auf eine fotctje (Stellung
fdjon öor Satjren tjingegielt morben, bemeifet bie ^laufet in bem
öom gürften SidjnoroSt'ö, irjm 1800 anägemorfenen Satjrge^alt öon
600 ©utben, bie er, raie e§ in ber fdjriftlidjen 3nficr;erung rjeifet,
fo lange begießen fonute, afö er otjne „paffenbe 2(nftetlung" fet).
— 206 —
(Somit fe§en mir unfern Xonbicfjter nod) big gum Safjre 1809
(fein 39te§ SebenSjarjr) mit feinen Sebürfniffen tebigtid) auf
biefe§ Satyrgerjatt unb auf ba$ (Srträgniü feiner (Sompofitionen
angemiefen.
S3ei fotdjem ©tanbe ber $erf)ättniffe unb Hoffnungen fragt
e3 fid) sunädjft, melier Slrt mof)l eine „paffenbe 51nftetlung"
für SBeetljoöen t)ätte ferjn füllen? Äeine anbere, a(§ bie eine§
SBorftanbeS einer großen (Sattelle. 2)a fragt e3 fid) aber mieber:
burfte Söeetrjooen bei bem mifjtidjen 3uftan0e feineö ©eljöreg
auf bie ©teile eine§ Gapettmeifter3 reflectiren? ©eine bereite
erreichte SRangftufe a(3 fdjopferifdjer Äünftter im 2tuge befyattenb
fragt e§ fid) meiter nod): tiefte fid) mot)( eine paffenbe 5(nftetlung
(im auSgebeljnten Segriffe be§ 9Sorte3) für ifjn anberSmo er=
mittetn, al3 an einem großen §ofe? 5tber bie potitifcfjen ©runb=
fätje be§ 9ftanne§, ber üut unmiberftetjüd) betjerrfctjenbe ©inn
gu uneingefd)ränfter $reif)eit unb ©etbftänbigfeit, geben biefe
(£t)aracter=(£igenfd)aften motjt bem ©ebanfen Dfaum, bafj ber
9)?eifter an einem faifertid)en ober föniglidjen §ofe rjatte gefallen
tonnen, er, ber pure ©egenfatj öon einem §ofmann, ber lauten
£>af3 gegen „(iebebienerifdje, bie §oftuft ergengenbe §öf(inge"
im §er§en getragen? — $u oer 3e^ ie°od), bon ber mir eben
fprecfjen, ftanb e§ mit feinem ©eljör nod) nicfjt fo fdjlimm, ba3
Uebel geigte fid) nur periobifdj, unb bie anbern in if)m liegenben
©rünbe, betreffe ber ßroeifettjaftigfeit, practifdje Functionen aus-
üben 5U tonnen, rannte öeetfyoüen felber am menigften; bemnad)
mürbe bie Hoffnung nad) einer ©teile, bie eine gefidjerte 2eben§=
ejifteng mit fid) füljrt, feftgetjalten.110)
(£3 mürbe aber foeben nod) gefagt, bafj bie bisherige ^ribat*
110) Die Bewegung, die etwa seit 1808—1809 in Beethovens
Leben wegen der Kapellmeisterstelle am Hofe des Königs Jerome von
Westfalen entstand, schildern besonders originell und anschaulich die
Briefe an den Freund J. v. Gleichenstein und an die Verlagshandlung
von Br. & H. in Leipzig. Man wolle im I. Bande von B. S. Br. nach-
lesen. A. d. H.
— 207 —
(Stellung 93eettjooen'3 attd) cmS ©rünben fjerrütjrte, bie aufeer
it)m lagen. £)ie§ bebarf einer näheren 23efdjauung ber *£)inge
um it)n t)erum. @§ bürfte überragen gu oernetjmen, ba^ bie
3at)t aufeerorbentndjer Sßerfe, mit benen ba§ ©entc Seettjoüen'S
bie ®ttnftroelt b\§> 5U btefem geitpttncte bereichert t)atte, roeber
bie offenbaren nod) bie oerftecften Gegenparteien in SSien —
letztere unter ben SKufifern Dort Sßrofeffion — 5U befferen @e*
finnungen gegen unfern Hfteifter geführt t)abe. gut letztere
Partei inSbefonbere gab fogar bie C moll Sinfonie neue ©c*
tegentjeit §u Sfrtgriffett unb Verteuerungen, benn nacl) bem
§at)bnTfd)en unb SQ^o^art'frfjen ÄatedjiSmuS fanb fid) für ba§>
©pät)erauge ber atten Sdjulrnaben gar mand)e3 in biefer Sinfonie,
ba§>, roeit nod) nid)t bageiuefen, ober oon ber Sd)utreget öerpönt,
rtict)t nur gefabelt, aud) nod) (äd)er(id) gemadjt toorben. Set^tere§
roiberfutjr üorjug^rueife bem Dur-<Sat5 im ©dtjerjo.*)
2Benn nur un3 aber be§ früher fdjon gefdjilberten 33i(bung§*
guftanbeä ber Söiener Sftufif'er erinnern, fo roirb e§ bei tieferem
(Singetjen in biefe $)inge tootjl balb einleuchten, roie in (£r=
mangelung eine§ ridjtigett 23egriffe§ üom SSefen ber Äunft üon
bem barirt liegenben fitttidjeu Momente, Oon it)rer SSeftimmttng
im Seben, jebe3 ber größeren SSerte S3eett)ooen'§ ben ^ori^ont
fämmtlidjer 9)?ufir'er bamatiger 3eit mit entwerft geringer 9(u3-
natjme, roeit überfteigen muftte. äöer in ber Sftufif; nur (£r~
Weiterung, Sin* unb Stufregung 31t fuctjen pflegt, bie§ nod) in
einem gerootjnterr $ormali3mu3, ber roirb bei Q3eett)oüen'3 SÜcufif
oor Slltem ba§> formale ber ^ritif unterbieten; ferner tnirb er
baZ ^edjnifdje be§ t)armonifd)=rt)t)tl)mifd)en 23aue3 prüfen, ob
feine Slbroeidjung ober gar Verftöfce gegen atttjergebracrjte ©efetje
barin enthalten, er roirb roeiter ba$ attgeroolmte 9xid)tfd)eit an
öerfdjiebene Sätje anlegen unb loirfttd) finben, bafj beren Sängen=
*) 3)er Sericfjt in ber SlCtg. SKuf. 3tg. XI. 269, über bie erfie auf*
füljrung am 22. ®ec. 1808 fdjliefet mit bem Sa£e: „Uebert)aupt ift e§
befannt, ba% Don 53ien nod) metjr, al§ Don ben meiften anberen ©labten,
jener SluSfürudj be§ (£üangelinm3 Dom $ropl)eten in feinem SSatertanbe gilt."
— 208 —
mafj ba$ Jparjbn'sSDfoaart'fdje überfdjreite; er roirb ftcf) bemnacf)
Uo§> mit bem Steufterüdjen be3 Äunfttoerfö befcfjäftigen, roeit gur
£mrd)forfd)ung feines; Innern ber erforbertidje @rab fünftterifcfjer
Bilbung gebridjt. Stu§ biefem ©runbe mirb er aud) nicfjt %u*
gefielen tonnen, baf$ ba§> ©enie in fotdjer Motens, tote e§
53eett)oOen befafj, ©etbftregel ift, folglid) beanfprudjen bürfe,
bafe feine Sßrobucte nur mit bem üon itjm fetber gegebenen Waafc
ftabe gemeffen, überhaupt beurtfjeitt merben fotten. Bon allem
biefem Ratten bie Sdcuftfer bamatiger $eit fein Berftänbnifj, unb
fann biefe £>unfett)eit in ben meiften köpfen bi§ in unfere £age
nerfolgt »erben, ©precfjenbe geugniffe für foldje Stnfdjauung^-
meife jeber $eit liegen in ben meiften S^ritifen über 93eett}onen'fd)e
SBerfe jeber (Gattung in ber Mg. 9#uf. 3t9- üor> ^e/ man oai1
e§ für gemifj annehmen, bei SBeitem nidjt aüe§ fagen, mag bereit
Berf affer auf bem ^er^en gehabt. Sßir merben bertei ©pecimina
oon Unöerftanb unb Befangenheit in faft uerfteinerten Srabitionen
nod) anäitfürjren tjaben unb bei einzelnen üielleicfjt ©ebutb unb
Berüdfidjtigung be§ ßeitgefdjmacfeg Vertieren.
Snbefj, bie öftreid)ifd)e .'pauptftabt für fid) altein betrachtet,
ift es ja notorifd), bafj ber @mpiri3mu3 in ber SEonfunft oon
jetjer feinen §auptfit3 bafetbft aufgefdjlagen tjatte. Sie iljrer
£)ot)lf)eit unb @d)raäd)e fid) roor){ benutzte empirifdje Slnfdjauung
trat ber SBiffenfdjaft allezeit rote eine feftgefdjtoffene ^ßtjalanj
gegenüber — (beägteidjen moljt aud) in ben anbern fdjonen
fünften). Sn birecter Be5iel)ung auf Beeitjooen motlte biefe ifym
gegenüberftetjenbe Söiadjt nod) immer nidjtö auberS in irjm er*
rennen, aU einen ^eüotutionär in ber Äunft, ber in eigenem
2)ünfet befangen unb üon ungezügelter £eibenfd)aft angetrieben,
nur oon fid) reben machen motte. SBeldjen 5Xntt)etf an fotdjem
©ebaljren in§befpnbere 9?eib, ©djeelfudjt, ober roirttidje ßurüef*
fetmng gegen baS ©enie unferS äfteifterS gehabt, täfet fid) er=
ratzen. 2)iefe @egenftrebungen mären um fo fütjner fjerbor«
getreten, menn Beettjouen SQftene gemadjt Ijätte, am faifertidien
§ofe eine Hnfteüung 31t fudjen. ©d)on ber gaü, ba|3 ber @r5=
— 209 —
tjerjog 9iubo(pt)*) feine mujtfalifdje $ort6Ubung ba% Safjr guüor
33eetrjot>en'§ £)änben anüertrant l)atte, tief} bie ©egner befürchten,
„ber Steuerer" — „ber Stepubtifaner", fönne bod) einften§ an
ben faiferl". §of fommen.**)
3)a§ 2)tfemma, in roetdjeS fein äuftereS unb inneres Seben
burd) biefe SRtBftänbe tierttridett gemefen, lannte 23eetl)Ot>en redjt
rool)(, nid)t minber aber cutct) beffen fdjnrierige Söfnng. (£3 roarb
barum ber (£ntfd)(nfc gefaxt, uorerft eine größere Steife nad)
*) 9htbolpb, ®r5$erjog öon Defterreid), geb. 1788, f 1831 al<§ (£15=
bifdjof unb (Sarbinal öon Dtmüfc.
**) Sterbet fet) einer faft unglaublichen Slfjatfadje Dtaum gegeben, für
beren SSabrfjeit aud) bie Mg. 9)hif. $tg. einfielen wirb. ©iefetbe ntag
Sitgleid) bie 9)cad)t be§ 2Utbergebrad)ten, aber nebenbei audj bie geringe
Autorität 23eetb>öen'§ bei ben Siener IDcuftfern auf's ßclatantefie bemetfen.
Sie Sinfonia eroica mar bei einigen öom föomponiften in ben Sabren 1805
unb 1806 felber geleiteten ?htffübrungen ftet§ — rote ganj in Drbnung —
al§ au3 Es dur geljenb auf bem 3lnfct)(agejettet angezeigt. Xie Benennung
E8 dur für ein Xonftücf mit 58oräeid)nung be§ britten b mar febod) in jener
3ett ju ?8ien (möglid) aud) an anbern Drten) ungefannt. SDcan nannte
biefe Tonart — mie 5U fetten Sübal'8 _ Dis. §118 nun bie Eroica in
gebrucften Stimmen ben bortigen 9Jhififern in bie £)änbe gefommen, beeilten
fte ftd), bie „Weiterung" 58eetb,otien'3 ju befeitigen unb biefe ©infonte
bei aßen 5luffüftrungen auä Dis gefjen 3U laffen. @3 öerftebt fid), bajj
biefe ^Benennung bei £at)btt'fd)en unb 90coäart'fd)en Sßerten gleichfalls (Mtung
gehabt. Qn ben Renditen au§ SBten in ber 2111g. 9)?uf. $tg. 1°"° ™ebr=
maf§ auf biefeS Guriofitm btugeioiejen, 5. 33. „3n ber £fiarrood)e üon 1808
mar im Stjeater an ber SBien grofeeS (£oncert mit SttojarfS Davide
penitente unb 33eetfjouen3 Sinfonia eroica, festere (nad) bem 2(nfdjlage=
jettel au§ Dis.)"111) ?Mg. 3Ruf. 3tg. X. Seite 540. — ©irigenten biefeS
©oncerts waren: ®er Sapeümeifter 3gnaj 3titter öon ©enfrieb unb ber
£)rd)efter;®irector granj ötement. — %od) im britten Safjtjetjenb erjftirte
in SSien bie Tonart Dis für Es. Überhaupt mar bie „SBiener Sonfdjute"
fortan ein 'iDcijtum^ßompofitum öon unglaublichen ?lbfonberIid)teiten. sJ9can
tonnte ftd) barüber ärgern, aber aud) tad)en.
111) Mau denke sich vom modern- theoretischen Standpunkte eine
Tonart in Dis -dur, das wäre eine Kreuztonart mit 9 Kreuzen. Hat
jemand eine solche Tonart gesehen? Wäre eine solche einem Orchester-
spieler wohl spielbar? A. d. H.
9(. 3djinbler3 33ectf)crt)ctt=33io3rapfjic. 14
— 210 —
Stauen §u unternehmen, um ben ©egnern für längere $eit au§
ben klugen p gefjen, aber aud) um ftd) ju erboten, benn jarjre*
lange 2(nftrengungen, beSgleicfjen bie 9iänte ber karteten, Ratten
nict)t üerferjlt, auf Körper unb ©eift nacrjtrjeilig etnjumirfen.
S^arf) ber ßiirücffunft aus Stauen füllte über Verlegung feines
SSorjufitjeS in eine anbere beutfct)e «Stabt ©ntfdjeibung getroffen
werben.
®a erfcfjieu inmitten biefer SDtififtänbe unb ^erftimmungen
urpfö^tidt) ein Deus ex machina, um ben fingen nacfj jeber
(Seite rjin eine anbere SSenbung &u geben. 93eett)oüen erhielt
burcfj ben ©rafen S£rud)feJ3=SBatb6urg, Oberft=®ämmerer beS
ftönigS üon SSeftfaten, ben Eintrag, bie ©teile eineS (SapellmeifterS
beS Äönig§ 51t übernehmen.112) SBunberftdje Sronie beS (Sd)itf=
fals! roirb ber &efer üietfeidjt ausrufen, menn er ftd) bie $ßor=
gänge„auS bem Safjr 1804 mit ber Sinfonia eroica üergegen=
märtiget unb ben bamalS üon fjeiligem 30rn burcrjglütjten
S£onbid)ter nun als ßapeümeifter beS 33ruberS beS frangöfifd^en
ÄaiferS ftd) üorftellt; munbertidjer nocfj, menn man baS in 53e=
jicfjung auf eine berlei 9(nfteltung oben eingeführte mit bem
Ütufe an ben fönigt. £)of 51t Gaffel gufammenftettt. Sebod),
biefer 9tuf mar ein factum, baS nidjt üerfel)ten tonnte, in allen
Greifen ber Äaiferftabt großes 5fuffetjen gu machen. 2ßie immer,
bafc baS publicum ben Söefilj eines StünftlerS erft bann mertrj-
gufcrjäfcen meifj, menn eS mit beffen SBerluft bebrorjt mirb, fo
aud) im oorliegenben gatle. SSorgugStoeife maren bie Greife
feiner ©önner üon biefer Shtnbe betroffen, benn jeber füllte,
baf; Seetrjoüen, ben man mit geredjtem ©totg ben «Seinen nannte,
im ^auptfitse beutfdjer Sontunft üerroeiten unb otjne frembe
©inflüffe feinen fetbftgebrocrjenen ^Sfab meiter manbeln muffe.
Sftacf) ©rmägung biefeS Snciben^uncteS bereinigten ftd)
ber ©rg^erjog SRubolpf), ber $ürft Sofept) üon Sobfomifc,
^er^og jju 9iaubnit5, unb gürft gerbinanb ÄinSfn, um
112J Man vergl. den Brief an Br. & H. No. 180 in B. S. Br.^
I. Band, vom April 1809. A. d. H.
— 211 —
aKein §u ttjun, roa§ bie @§re ber Äaiferftabt ertjeifc^te. (Sie
unter^eidineten unterm 1. Wläx% $u (fünften 23eetf)oüen'§ nad)=
fterjenbe Urfunbe:113)
„£>ie täglichen SSeroeife, roeldje <gerr Subroig Dan SSeetrjoOen
öon feinem auf$erorbent(id)en latente unb @enie, al§ Xon=
funftler unb ©omöofiteur gibt, erregen ben SBunfd), ba^ er
bie größten ©rroartungen übertreffe, roo^u man burclj bie bi3=
tjer gemachte ©rfafjrung berechtigt ift.
2)a eö aber erroiefen ift, ba^ nur ein fo üiel möglich
forgenfreier 9J?en[cf) ficfj einem gac£)e atiein roibmen fönne,
unb biefe, öon allen übrigen SBefdjäftigungen auäfdjliefjlicfje 5ßer=
roenbung allein im ©tanbe fet), grofje, erhabene unb bie ßüunft
üerebetnbe SSerfe $u erzeugen; fo rjaben Unterzeichnete ben
@ntfcfjiuJ3 gefaxt, £errn Subroig oan 25eetf)oüen in ben <Stanb
ju fernen, bafe bie notrjroenbigfren 53ebürfniffe if)n in feine $er=
tegenrjeit bringen, unb fein IraftootteS ©enie rjemmen foöen.
2)emnadj öerbinben fie fid), irjm bie beftimmte (Summe öon 4000,
fage biertauf enb ©utben järjrlid) au^ugarjlen, unb §toar:
<Se. faiferlidje §ob,t)eit ber (Srgrjerog SRubolprj . . gfL 1500
3)er fjocrjgebome gürft Sobforoi§ „ 700
©er fjodjgeborne gürft $erbinanb ÄinSfö .... „ 1800
3ufammen . . „ 4000,
roelcfje §err Subroig Oan Söeetrjooen in rjalbjäljrigen ^aten, 6et
jebem biefer Sfjeitnerjmer, nad) SJtaftgabe be§ 23eitrage3 gegen
Quittung ergeben fann.
5lud) ftnb Unterfertigte biefen Sarjrgefjalt §u erfolgen er=
bötig, bi§ £>err Subroig oan 53eetrjooen §u einer Slnftellung
gelangt, bie irjm ein Slequiüalent für obbenanute (Summe gibt.
(Sollte biefe Slnftettung unterbleiben unb §err S. Oan 29eet=
fjoöen burd) einen ungtüdtid)en 3ufa^ ooer ^^er oerrjinbert
113) Man sehe den „Entwurf einer musikalischen Convention"
an Freund v. Gleichenstein vom I. Quartal 1809 in B. S. Br. No. 167,
I. Band. A. d. H.
14*
— 212 —
fetjn, feine Slunft auszuüben, fo bemiifigen if)tn bie Ferren
£ljeUnef)mer biefen ©efjatt auf £eben§(änge. £afür aber oer=
bürgt fid) £err £. üan 23eetf)otien, feinen 2(ufentf)att in SSien,
too bie Ijoljen gertiger biefer Urfunbe fidj befinben, ober einem
anbern, in ben ©rbfänbern ©r. öftreid)ifd)4aifertid)eu SDcajeftät
Hegenben ©tabt gu beftimmen, unb biefen 2iufentt)att nur auf
griften §u oertaffen, meld)e ©efdjäfte, ober ber Äunft Sßorfdjub
leiftenbe Urfadjen oerantaffen fönnten, moüon aber bie Ijotjen
Kontribuenten öerftänbigt unb momit fie einüerftanben fetjtt
müßten." —
33eett)ooen mar fonad) in eljrenöotffter SSeife an 2Bien,
aber aud) an feine ©önner mit 23anben gefeffeft, mie fie nur
oon gegenfeitiger 5id)tung unb 2Bertf)fd)ät3ung gefdjlungen mer=
ben. 233elcr)e Dliebertage burcf) biefe au§3eid)nenben ©emeife
oon Anerkennung feiner ßünftlerbebeutung ber @d)aar feiner
bortigen (Regner beigebracht roorben, bebarf mofjl feiner meu>
läufigen AuSeinanberfetjung. 3n ber SDxe^r^at)! meniger bö3=
artig als oerbtenbet unb in einfeitigen, Oeratteten Äunftan=
fdjauungen befangen, fügten fie fidj in ba§> ©efdjefyene. 33on
ba an Ijatte unfer Sfteifter geraume 3eit feine Verfolgungen
oon ben Wiener SJcufifern §u erfahren, benn fie fanben e§
bei ber SBenbung ber 2)inge geratener, fid) gleidjgültig §u
üerljatten, füllten fie bod), bafe fie it)m in materieller ^nnjtdjt
nidjt mefjr fdjaben fonnten. 33ieltetd)t mürben fie fid) enblidj
nid)t miberfetjt fjaben, menn if)m eine auf ßunft unb Slünftfer
einflußreiche Stellung am faiferüdjen §ofe ju XljeU gemovben
märe. 2)amit f)atte e3 jebod) feine guten üföege. 31m geeig=
neten Orte in ber britten £eben§periobe roirb (Gelegenheit fetjn,
bie unüberfteigttdjen §inberniffe oor Slugen ju legen, bie fid)
für alle 3*it oor ben $ugängen ^ur ^aiferburg für 3}eetf)ooen
aufgetürmt tjatten. Sßorerft glaubt ber Verfaffer aber an=
beuten ju folten, bafj Seetfjooen nur fetjr furje ße^ im ^°^=
genuffe feiner Safjre^rente Oerbliebeu. 2)enn fd)on im Satyr
1811 trat in Deftreid) ein ©reignif3 ein, ba3 alte öfonomifd)eu
— 213 —
Berljältniffe tief erfcfjüttert unb aucfj unfern £onbid)ter fdjtuer
betroffen tjat.
9tu§ biefen, aber noct) au§ anbern narje oermanbten Ur-
fachen, tjaben obige, eine forgenlofe ßufunft in 2tu3fid)t
ftetfenben Stipulationen ©djidfale erfahren muffen, öon benen
erft weiterhin be£ näheren p fprecfjen fetin roirb. SBir merben
fetjen, wie bie üon 2(d)tung unb 2Bertt)frf)ä|ung gefdjtungenen
Banbe in ber golge^eit ©runb $u SSiberroärtigfeiten unb $er=
ftimmungen gege6en tjaben, bie in ®emeinfct)aft mit anberen
fo gearteten notrjtoenbigermeife fogar auf be§ 9fteifter§ $ro=
buctionen ©inflüffe 3U üben nid)t tierferjfen fonnten.
SBeldjer ©porn aber bem p Staaten brängenben ©eniu<o
burcf) ba§> ©efdjetjene gegeben toorben, geigt bie (Staunen erregenbe
$rud)tbarfeit ber näcfjften Sa^re, roooon ber Sefer atäbatb ben
Stugenfdjein ermatten fofl. 28ir ferjen bamit ben fct)on früher
angeführten §erjeni§munfd) be§ Üfteifter3 beinahe üollftänbig in
Erfüllung gegangen, roeld)er lautet: roenn ber iperbft feine§
Sebenä ba ferj, einem frudjtbaren Baume gu gleichen, roetdjer
reidje grüdjte in unfern ©djoofs rjerabfdjüttett SSafyrlid), menn
man bie öon nun an bi§ um ba% Satjr 1815 in ununter=
brocfjener $olge gu Rapier gebradjten ßompofitionen fomorjt
nad) Quantität at3 Dualität in Betrachtung gierjt, fo ergibt
fid) biefe§ ©leidjnifj augenfdjeintid), unb tonnte man Oerfudjt
roerben gu glauben, biefer Baum t)abe oor bem 3»ar)re 1809
uod) keinerlei grüßte in unfern ©djoofj t)erabgefd)üttett.
3)arum mirb e§ erforberlid), ben Sefer aufmerffam gu
madjen, bajj öon biefem 3e^Puncte an b\§> 8U Ausgang ber
gmeiten Seben§periobe roenig ertjeblidje Xtjatfadjen, befto metjr
oftenfible Xtjaten namhaft gu madjen fetm roerben. 2Sir
muffen um§ gemötjnen, ben Sfteifter einige Salire rjiuburcfj faft
ununterbrochen an ben 5lrbeit§tifd) gefeffelt gu feijen, gteid)=
root)t feine fefjr angegriffene ©efunbljeit eine längere 9kft
bringenb beburft tjätte. £>iefer Umftanb mirb gum unab-
roei3ltd)en ©runb, baf$ bie Arbeit be3 Biographen bie näcfjften
— 214 —
Satjre berütyrenb fo §iem(id^ ben ©tjaratter einer (Stjrontf an*
nehmen mufe.
®em laufenben Safjre gehört eine faum erroätjnenälüertfye
(£üifobe an, bie gerb. 3tte§ aber für tüid)tig gefunben, um fic
in bie (Sammlung feiner Zotigen über 23eetl)oüen aufzunehmen.
@S fet) barum it)rer furj ermähnt. @S Reifet bort ©. 121 :1M)
„Sei ber Jürgen SSefdjiefeung 2Öien§ burd) bie granjofen im
Sa|r 1809 mar Veettjoüen fetjr ängftlicfj, er brad)te bie meifte
ßeit in einem Heller bei feinem Sruber Gaöüar §u, mo er nod)
ben ®oüf mit föiffen bebectte, um ja ntctjt bie Kanonen §u t)ören."
2)iefe Slnfüfjrung be3 <2djüler§, ber nod) tior 3Innaf)erung
ber fran§öfifd)en £)eere Sßien üertaffen, um nad) Sonbon §u.
reifen, scitjt ben Sefjrer bod) ju offenbar ber gurrfjt, menn
nidjt gar ber geigfyeit. 9tieö t)ätte bod) aud) an biefem Orte
einen ürüfenbcn S31id auf ba$ üon Slnbern Vernommene toerfen
füllen, beöor er e§ ben „ächten Duellen" gu einer üodftänbigen
23iograpf)ie Veetfyooen'ö angereiht; er tjätte, ungeachtet feiner
Sugenb sur Qixt beS SBerfc^rä mit bem 9)?eifter, beffen ßfyarat'ter
aud) üon ber «Seite be3 perfüntidjen 9Jhttt)e§ unb Unerfd)roden=
fjeit fennen lernen tonnen, menn er in feiner 23eurtf)eitung ftet§
unbefangen geblieben märe. £)ätte Veetfjoüen bie mögtidje
©efafjr im gatle einer Belagerung ber <pauütftabt gefürdjtet,
fo ftanb e§ ifjm ja frei, gu jebem £f)or tjinan^ugetjen, ttrte
Rubere getfjan, um ber ©efatjr &u entfliegen. @r üerblieb
jebod) mieber fo feft, mie mir it)u luäfyrenb ber erften frangöfifdjen
Dccuüation 1805 am Drte ber mögtid)en ©efatjr gefunben,
fogar mit Snfcenefe^ung feineö gibetio befdjäftigt. SBenn fict»
ber äfteifter mätjrenb ber $efd)iefmng ber ©tabt in ben Steuer
geflüdjtet, fo l)at er nur gett)an, ma§ im Momente fotdjer
Kalamitäten jeber Vernünftige gu tf)un pflegt.
©elbft SSegeler, ber bod) alles üon 9tie§ 5ln§gefagte für
gute Sftünge anjunetjmen pflegt, üermag über biefe Scotig nietet
114) Neudruck S. 143. A. d. H.
— 215 —
ftiöfdjhjetgenb tjinrüeggugerjen unb ftettt bie $rage bane6en:
„konnte ntdjt aud) ber Slanonenbonner fcfjmergljaft auf fein
franfeS ®et)ör=Drgan mirren?" — (53 barf nicfjt ungefagt
bleiben, ba$ rool)t nicfjt batb roieber über Otiten großen SDcann,
beffen (Srjaratreriftif; nad) jeber ©eite offen gu *£ag gelegen, fo
Oiele Albernheiten unb ©eringfügigfeiten ber öffentlidjen S3e=
urttjeilung öorgetegt morbcn, als fid) in ben 9tie3'fd)en Zotigen
über 23eetf)oben oorfinben. ^)er $erfaffer begießt fid) bieSfaHS
auf fein QSortuort 5U biefer Ausgabe.
QMona Jjatte ausgetobt, ein frieblidjer §immel breitete
fid) roieber über baS fdjöne Deftreid) unb gang 2)eutfd)lanb
auS unb lub bie gerftreute ©efetlfdjaft gu ben tiebgeloolmten
©efcfjäftigungen in (Suttioirung ber fünfte in bie ©räbte gurüd.
Sttfittlerraeile luar aber bie Offi§in ber Ferren 23reitfopf
unb ^aertel gu Seidig beforgt, bie Aufgabe Don SSerfen üor=
gubereiten, auf mefcrje bie 23lide ber gefammten beutfdjen S0?uftf=
melt mit ©etjnfucrjt gerietet maren. Salb nad) Abgug ber feinb=
lidjen Speere erfolgte bie ^erfenbung ber Sinfonia Pastorale,
unb ber C moll=®infonie. ©3 täftt ficf) leidjt beulen, mit
meldjer ©ier fämmtlidje Drdjefter fid) biefer neuen ©rfdjeinungen
bemädjtigt tjatten. £)ie Seridjte in ber Allg. 9)cuf. $tg. aug
biefem unb bem fotgenben öafjr über bie aller Orten ftatt=
gefunbeueu Aufführungen geigen bie§ in guroeilen gar munber*
liefen ^pectorationen.
Aber nebft biefen finfonifdjen (Soloffen erfdjien aud) nod)
in biefem Sabjr bie t)errticr)e ©onate mit Sßioloncetl in
A dur, Op. 69.
3)cit @rfd)einung biefer beiben «Sinfonien tritt in ber
Seidiger Uritif gu ©unften ber 33eett)oöen'fd)en Xonbicfjtungen
faft jeber ©attung offenbar ein SBenbepunct ein. 9xid)t, i>a^
bie SBerle für Drcfjefter ber 9?eit)e nad) eine unfreunbtidje 33e=
grüfeung oon jenem ftunfttribunale erfahren fjätten, tua§ in
biefer ©djrift fdjon mit Söetoeifen bargetegt roorben; allein bie
(£laoier=ilhifif, gerabe bie ^errünberin ber tiefoerborgenften
— 216 —
©erjeimniffe be§ SSeetrjoDemfdjen ©eniue, bjatte bisher bort ba%
Sd)idfal in it)rer (£igentt)ümlid)fett roenig üerftanben 511 roerben
unb muffte fid) mit oft unbegreiflicher Unterfcrjätmng begegnen
(äffen, baoon ut'8 künftige nur bi3meilen metjr ettuas Dor=
fommt. Sin tiefet (Singetjen aber biefer föritif. in ben poetifcrjeii
©efjalt ber finfonifdjen SSerfe mar bisher audj nod) nidjt uor*
gefommen, uielmefjr tjatte ber grammaticalifcfje 3°Pf faf*
burdjroeg bie Urttjeüe in bie geber bictirt.
2)amit roirb e§ tion nun an beffer. 2;ie ^Beurteilungen
ber Sßaftorale unb ber C moll^Sinfonie im groötften v5al)r=
gange liefern bie erften ßeugniffe, ba$ bie mit alten Sd)ul=
regeln gefcfjroängerten 2Solfen 31t Seipjig fid) 511 jerttjeifen
begonnen. 3Bie 33eetrjooen in (Srfafjrung gebradjt, fo floffen
jene SBeurtfjeilungen au§ ber geber Don Slmab. Söenbt,115)
einem ber erften au§> bem Greife ber bortigen ßunftridjter, ber
fid) mit ben mannigfaltigen Äunbgebungen be§ muficalifdjen
„teuerere" 5U SBien nict)t nur auSgeföfjnt, aber aucfj balb mit
ganzer Seele befreunbet f)atte, roa§ einige Slnfürjrungen bei*
geljenb bezeugen merben.
21u3 ben fritifdjen 91brjanb(ungen be§ oortrefflidjen SDfaimeS
über biefe beiben genannten Sinfonien füllen äunädjft nur
menige Sä§e fjier ^piat$ finben, roeil fte geeignet finb, bem öefer
einen belefjrenben Q^lid in biefe SSerfe $u eröffnen.
lieber bie ^aftorale, guerft mit 9?o. 6 be^eidjnet, ber anbern
aber bennodj üorau^gerjenb:
„S)a§ SSerf enthält in Sinfonien=$orm ein ©emälbe be§
Sanblebem5. „„©in ©emälbe? — Soll benn bie SDxufif malen?
unb finb mir nidjt fcfjon längft über bie Reiten rjinau*, mo
man fid) auf muftcalifdje Malerei etmas ju ©ute tJjat?" " 911ter=
115 Es sind dies die bedeutenden ästhetischen Aufsätze in jeuer
Zeitung von Prof. Amadeus Wendt, besonders auch über Fidelio, in
denen Beethoven wohl zum ersten Male als der „musikalische Shake-
speare" gepriesen wird; cf. Brief No. 454, Erklärungen, in Band II.
A. d. H.
— 217 —
bing§ finb roir je|t fo äiemtid) bamit im deinen, ba^ bie $)ar=
ftellung äußerer ©egenftänbe burd) bie SO^ufif fjödjft gefd)madto§,
unb oon ber äfttjetifctjen ^Beurteilung beffen, ber fid) folget
9Iftermittel, ©ffect 511 erregen, bebient, toenig 5U galten jeti.
Sfttein btefer 5(u3fprud) paßt gar nicfjt auf üortiegenbe3 SBerf,
toeld)e3 nicfjt eine ©arftellung räumlicher ©egenftänbe be§
2anbe§, fonbern üietmefjr eine Starftettung ber (Smpfinbungen
ift, meiere tnir bei bern Slnbtide (änblicljer ©egenftänbe fjaben.
Stafe ein fotdjeS ©emälbe nicfjt gefcfjmadfoS, unb bem gtoede
ber 9ftufif nicfjt entgegen fet), fiefjt jeber ein, ber über biefe
Äunft fotoofjt als über bie Statur ber (Smpfinbungen, bie burefj
jene au§gebrüdt toerben fotten, nadjgebacfjt t)at."
§fa§ ber (Einleitung 51t ber nicfjt weniger benn 20 ©palten
einnefjinenben 2(bt)anb(ung über bie C moll=©infonie, 9?o. 5:
„33eetfjOüen'§ 9J?uftf beraegt bie §ebet be§ ©d)auer§, ber
$urd)t, be§ @ntfet$en3, be§ ©djmer^eä, unb ertoedt jene unenb=
tidje ©efjnfucfjt, bie ba<S SSefen ber SJomantif ift ... . Sttef
im ©emüt^e trägt SeetfjOOen bie SRomautif ber äKufif, bie er
mit fjotjer ©eniatität unb SBefonnenfjeit in feinen SBerfen au§=
fpricfjt. Sebfjafter tjat 9tecenfent bieg nie gefübtt, atö bei ber
oortiegenben ©infonie, bie in einem 6t§ ^um @nbe fortfteigenben
(Stimaj jene 9?omantif: 23eett)oOen'3 mefjr, afe irgenb ein anbere§
feiner SSerfe entfaltet, unb ben ßnfjörer umoiberftefjticfj fortreifet
in ta§> iounberoolte ©eifterreidj be§ Unenblidjen."
$on Stmab. 2Benbt'§ ©inbringen in ben ©eift ber 93eet=
fjoüen'fcfjen Xonbidjtung fotl am ©cfjtuffe biefer ^eriobe, at§
bem fjteju geeigneten Orte, bie üor^üglic^fte 23etoei3ftetIe an=
geführt toerben. @§ brängt ben Sßiograpfjen, auf bie allererften
grünblictjen unb meift aud) getroffenen, barum feiner 5(nfedjtung
aufgefegten (Srfcfjliefmngen ber tiefen gunbgruben unfer§ STon=
bidjter§ aufmerffam 5U madjen, bie funfttjiftorifdjeS Sntereffe
tjaben, leiber aber im ©taube ber SBibliotrjelen oergraben liegen.
2Bot)t aEe nachgefolgten (Srflärungen (bi§ 5U ben in letzter 3eit
tjeroorgetretenen e,rcentrifd)en ÜBerirrungen in Stillegung 53eet=
— 218 —
rjoüen'fdjer £onbid)tungen öon Chorführern ber „gutunftt*
mufif") grünben fidj auf feine Sßorte unb Oer^aften jtdj rcd)t
oft §u ifjnen, mie Variationen gu irjrem Sfjema, — fonad) aud)
in fotdjer §infid)t intereffant.
1810. Sm Satire 1810 [inb nadjfterjenbe grüdjte öon bem Saume
„Veettjoüen" in ben Sdjooft feiner -ja^ttofen SSerefjrer „rjerab=
gefdjüttelt" morben:
a) 3mei grofte Zx'w'ä (D dur unb Es dur) für Sßianoforte,
Violine unb Viotoncell, Op. 70.*)
b) ©ejtett (Es dur) für 2 (Starinetten, 2 §örner unb
2 gagottS, Op. 71. — S)ic ©enefiS biefeS $ßerfeä batirt
jebod) um mehrere Saljre gurüd. 3um erfteu ^a^
mürbe e§ im Slpril 1805 in einer Quartett*®i|ung §um
SBcneficc öon ©djuppansigt) gu ©efjor gebradjt. ©onacf)
ergibt ficr) bie beigefe^te Dpu3=3a^ a^ unridjtig.116)
c) Ouartett (Es dur) für 2 Violinen, Viola unb Viotonceü,
(9Go. 10.) Op. 74. — Sn fpäteren Sauren fjat bie liebe
©infalt biefem SSerfe ben Veinamen „^arfen^duartett"
beigelegt. (Sinen fjattbaren ©runb müfete roofjt 9aemanb
bafür anzugeben.
d) @ed)3 ©efänge üon ©oetfje für eine ©iugftimme. Op. 75.
e) Variationen (D dur) für «ßianoforte. Op. 76. 117)
f) gantafie (G moll) für «ßianoforte. Op. 77.
g) ©onate (Fis dur) für Sßianoforte. Op. 78.
*) ©Ute tief eingebenbe unb betcfirenbe Sittif tiefet SSetfeS enthält
Wo. 9 ber Mq. SRuf. 8*0- xv-118)
116) Dem widerstreitet nicht G. Nottebohm, Thematisches Ver-
zeichnis unter Opus 71. A. d. H.
117) Es sind die dem Freunde Beethovens und Varnhagen
v. Enses gewidmeten Klaviervariationen (Oliva). A. d. H.
118) E. Th. A. Hoffmann war also Amad. Wendts genialer
Nachfolger in der Ästhetik an der Leipziger musikal. Zeitung (seit
1809), dessen Darstellung über Beethovens C-moll-Symphonie so ge-
rechtes Aufsehen erregte. Man vergl. über ihn des Herausgebers Buch
„Beethoven und Berlin" S. 242 ff. A. d. H.
— 219 —
h) ©onatine (G dur) für *ßianoforte. Op. 79.
i) gibetio (Seonore). (Srfte unb gleite Bearbeitung (auS
ben Sauren 1805 u. 1806). Bottftänbiger ©fauter*
?Iu§äug. Op. 79.119)
k) Duöerture gu gibetio in ^roeiter Bearbeitung (auS bem
Satjr 1806) für Drdjefter.
1) ©ejtett (Es dur) für 2 Biotinen, Biota, Biotoncetl unb
2 obligate §örner. Op. 81b.
m) ©oncertino in C dur für Sßianoforte, Biotine unb
Biotoncett. Op. 56.
2)aS Soeben unferS SfteifterS in feiner füllen, bem äußern
©eräufdje entrücften SBerfftätte rourbe im Saufe biefeS SatjreS
oon einem groifctjenfall unterbrochen, mit bem bie Seferoett ficfj
fdjon feit geraumer ßeit lebhaft befcfjäftigt tjat. 2tudj in ben
erften ausgaben biefer ©djrtft mar bemfefben Dtaum gegeben,
toeit er im Sßefentlidtjen mit Beetf)oOen'S (St)arafteriftif collibirt.
©r betrifft beS 5£onbict)terS Befanutfdjaft mit Bettina Bren=
tano (grau oon ?trnim,) unb bie mancrjertei gefolgten ßon=
fequengen. SBelct)' be[onbereS Sntereffe bie fctjriftfteüerifcfje Söelt
an teureren genommen, roie oft biefetben in „®oett)e'S Briefe
roedjfet mit einem $inbe" befprodjen unb ^erlegt, roie bann
meiter ba§> Befannttoerben üon brei Briefen oon Beettjoüen an
Bettina (anfangs bei* üiergiger Satire) bie 9JtotiOe gu angüg*
ticken, aber artet) biffonirenben Sontrapunctirungen geloorben,
bebarf rootjt nur einer fnnbeutung. SBätjrenb bie fct>rift=
ftetierifcfrje SBeft bie Sledjtljeit biefer brei Briefe in $rage gefteltt,
begnügte icfj mict) meiner ©eitS, bie in jenem Briefroectjfet bem
SBiener SJceifter in ben SOcunb getegten Steuerungen gu be=
§roetfetn. £>ie (Srfotge roaren jeboct) feine anbere, als roenn fid)
bie $ritit tjeutgutage mit fct)loert)örigen Birtuofen, (Sängern unb
©djaufpietern befaßt. 2)abei fott eS inbefj nidjt fein Beroenben
119) Diese Opuszahl ist unrichtig, während das Erscheinungs-
jahr stimmt. Die erste und zweite Bearbeitung vom Fidelio (Leonore)
hat und behält die Nummer 72 b. A. d. H.
— 220 —
behalten, Dietmar mufj biefer ©egenftanb Ijier mieberum jur
©prad)e gebracht werben, weil meine perföniid)e Stellung ju
bem gragepuncte: äd)t ober nid)t äcfjt? in^wifcrjen eine anbere
geworben, bemnad) e§ mir obliegt ben ©egenftanb praecifer auf*
5uf äffen, als oormatS gefcrjerjen.120)
2Sie ber ©orjn bie 9tebe feines VaterS in 50^9e genauerer
Vertrautheit mit beffen ©efinnungen, fo aud) mit ber irjm eigenen
Stu§bru(f§öjeife in jeglidjer ©eftalt, gefdjrieben ober münbüd)
überliefert, mit Sidjerrjeit für auttjenttfct) anerfennen wirb,
ober nidjt, fo barf man mofjt ®(eid)e3 oom Jreunbe erwarten,
bem fid) bei jahrelangem 53erfet)r jebe ^er^enöfatte bei Q3eet=
Rotten, oft in 5°^9e äußern 8lnlaffe§f geöffnet unb jeber Sßort*
auSbrud fo befaunt geworben, haft felbft beffen Sdjriftworte
wie gefprocfjen an fein Ctjr fdjfagen. 93eibe, Sorjn unb greunb,
werben bemnad) in oorfommenben ^fällen unfd)wer unterfdjeiben
tonnen, \va$ Oon bem Vorgehaltenen mit beS 9Sater§ ober bes
greunbeS ©efinnungen unb Siebeweife übereinftimmt ober nid)t,
unb, Wenn nidjt ganj falfd), fo bod) atö gweifettjaft fid) bar*
fteflt. 9Jät Sidjerrjeit tonnte id) mid) barjer in ber erften ?tu£=
gäbe, ©. 80, folgenbermaßen auStaffen:
„9Ser in „®oett)e's Vriefwedjfel", II. 190, bat tieft,
tütö bie anfcrjeinenb etwas überfpannte Bettina in bem ^Briefe
öom 28. ÜDcai 1810 unfern Veetrjcwen fagen täfet, ber fann
nidjt umrjin, fid) in ifjm einen 8d)öngeift unb monftröfen
2Sorti)e(ben §u beuten, — unb fet)r irrig. S)ie Slrt unb SSeife
Vectrjoüen'S fid) in 2(flem unb Gebern au^ubrüden, war fein
gan^e» Seben fjinburd) bie einfadjfte, für^efte unb bünbigfte,
fo in ber Siebe Wie in ber <2d)rift, was burd) bie bieten oon
irjm befaunt geworbenen 93riefe bezeugt wirb, %n gezierten
^5t)rafen reben 31t rjören, ober berlei ©efd)riebeneö ^u (efen,
war it)in unangenehm, weit überall, einfad), fd)lid)tf of)ne
120) Alles im Zusammenhange und kritisch über Bettina enthält
meine Monographie „Beethoven und die Sibylle der romantischen
Literatur", in „Beethoven und Berlinu, 1909, S. 67 ff. A. d. H.
— 221 —
(Spur eines ®epränge§. Stafe öeettjotoen über feine $unft fo
bact)te, mie Bettina fdjret&t, bafj er in tt)r eine £)öt)ere Offen*
barung erfannte unb fie über alle ^S^iCofopt)te ftellte, ba§
mar ein £t)ema, über btö er ä)o|I öfter fprad), aber e§ ftctS
mit Sßenigem abtrat.*) 9Bie mürbe nun Seettjoben über ba§>
fdjöne ©erebe erftaunen, ba§> bie angenehm fdjmatjenbe Bettina
iljm in ben SD^itnb legt! (Sr mürbe unbe^eifelt fagen: „Steine
liebe mortreidje Bettina! <3ie Ratten einen 9iaptu§, al§ fie
jene§ an ©oetfje fdjrieben." Settina er^äfjtt nämtid) unter
Slnbern in ifjrem Briefe Dom 28. Wai 1810 bem 2Htmeifter
§u SSeimar, ba% fie Seetljoüen'3 ^feufjerungen über Stunft
u. f. m., bie er XagS oorljer auf einem (Spaziergange mit üjr
Ijören ließ, nieberfdjrieb unb itjm ju tefen gab, morauf er fie
üermunbert gefragt: „„Unb ba§> atteS fyätte idj gefagt? S)a
muB icf) einen 9iaptu§ gehabt tjaben."" — SJcit biefen Sßorten
Seettjjoben'S bürfte mofyt bie treffenbfte Ärttif über bie an fid)
unftreitig gutgemeinten ©rgiefutngen Settina'3 auSgefprodjen
unb jebe meitere Semerfung überftüfjig fein. Sftidjt fo in Sejug
auf bie Briefe fetbft, bereu $orm, feineStuegS aber itjre ©jifteng
beanftanbet mirb.**)121)
Sei meinem giemlid) fangen 9(ufentt)att 1843 $u Sertin
marb mir bie (Stjre ber Setanntfdjaft mit grau bon 5(rnim
§u i£f)ei(. 8d) Derbanfe it)r mandje intereffante Sftittfjeituug
über it)r fdjriftftetterifdje* ©treben, über (Srreid)te§ unb nidjt
(SrreidjteS. lieber it)re einftige Stellung aber ju Seetfyoben
mar id) nid)t fo glüdlid), aud) nur ein 3Sort au§ itjrem SJfrtnbe
ya. bernetjmen, unb bennod) mar it)r meine ©djrift über ben
*) iBon Selbftlob, baöon [ein 9J2unb bei Bettina überfdjäuntt, mar
nie bie geringfte ©pur an SBeetboüen 5U entbecfen.
**) 2)iefe biet 33riefe finb in ben Beilagen mit aufgeführt.
121) All diese Auslassungen Schindlers über Bettina, auch die
Briefangelegenheit, sind längst von der Forschung über Bord geworfen.
Man lese die neuesten Forschungen; ich habe bereits auf meine kriti-
sche Monographie verwiesen ; die Briefe cf. B. S. Br. No. 220, 228 und
300 (I. und II. Band). A. d. H.
— 222 —
Wann, fofgtid) aud) ba§> fte perföntid) barin Söetreffenbe,
befannt. Dirne ben 2Bunfd) offen auSgefprocfjen §u fjaben, (Sin=
fitfjt in biefe Briefe mir gu gemäfjren, tiefe icrj e£ bod) nietjt an
Slnbeutnngen fehlen, mie toidjtig e§ für mid) märe, bie Originale
baüon §u rennen, allein bie gefd)ä|te $)ame blieb feft gefüllt
in tiefe§ «Sdjmeigen unb ü6ert)örte atteS.
Sßomerjmttd) war unb ift e§ ber Sßortlaut be§ britten
SrtefeS „XepH|, Stuguft 1812," ber ftarfe Sebenfen in mir
erregt t)at unb immer erregen mirb, fo lange nidjt ba§> gange
<5d)riftftüd menigftenö in einem $acfimile üorliegt. ©er ©runb
gu folgern Sebenfen finbet fid) in 23eetf)oüen'3 Steuerungen
barin ü6er fein $ert)atten (an ©oetf)e'3 Seite) ber faifertidjen
$amitie gegenüber. 2)a brängt fid) bie $rage auf: roenn
23eetf)oüen in btefem ungemörjntidjen Momente äunädjft bie
9\ütfftd)t ber Sßorjfanftänbigieit gegen feinen erhabenen ^Begleiter
auf bem Spaziergange, ferner gegen bie gefammte Staiferfamitie
in ber Oon 23ettina gemelbeten Sßeife außer 9Cct)t getaffen tjaben
füllte, mie mar e£ mofjl möglid), fofdjeS fpecietl gegen ben
gleichfalls anmefenben ©rgrjergog Ütubolprj, feinen Oon itjm
felber allzeit fjodjüereljrten Sdjüter unb ©önner gu begeigen,
ber irjm erft i>a§> 3at)r gutior, roie mir aläbalb ba§> 9^ät)ere
fjören merben, fo fpredjenbe S3emeife Oon Stjeilnatjme gegeben,
in beffen Umgebung ber SDtofter gu jener $e\t f° häufig gu
meilen gemorjnt mar? §ätte 23eett)ooen fid) mirttid) fotdjen
Mangels an Urbanität fdjulbig gemacht, fo märe ©oettje nidjt
gang im Unredjt gemefen, bie (Srinnerung an it)n au§ feinem
©ebädjtniffe gu bermifdjen, aber aud) bie fatf. $amitie tjätte
©runb getjabt foldjer S)emonftration eines ftünftlerS fühlbare
©leicfjgültigfeit entgegengufefjen. 2£enn legiere in ber £t)at
fortan beftanben, fo tagen Urfacfjen unb ©rünbe bod) nad) einer
gang anbern Seite unb maren gang anberer ÜRatur, ai§> e§ ficrj
au§ bem SSorttaute jene§ 53riefe3 bebuciren liefte. $rau
oon Strnim roirb fonadj im Sntereffe unferS SKeifterS, aber aud)
in 23egug ber 2Bat)rrjaftigfeit ifjrer felbft, nietjt länger fäumen,
— 223 —
ben SBrtef üom Sluguft 1812 in einem gacfimile 51t beröffent=
liefen, um fernerhin jebe Deutung 5U erfttdfert.*) «Sollte biefe§
jeboef) unterbleiben, fo mirb man bemüf$iget ferjn, „ben fcfjranfen*
tofen glug iljrer SinbilbungSlraft" aud) in ben brei $eet=
fjoüen'fdjen Briefen an fie §u ernennen, moburd) beren Sßebeutung
unb SSirtnng für alle ßeit üaratrjfirt fetm bürfte. Sie follen
nidjt merjr al§ „felbftauSgeftellte ßeugniffe 31t feiner ©rjaralteriftif"
gelten**)
2)a§ folgenbe Saljr 1811 mar ber ©ringer beS für 1811.
Deftreid)§ SBölfer untjeilüoUen ginan^atentS, oermöge roeld)e§
ber 9?ominat=28ertf) be§ ©utbenS auf ein fünftel rjerabgefeljt
morben. 2öie ferner unfer £onbid)ter baöon betroffen marb,
erhellet au§> bem Umftanbe, bafj nidjt minber alle contractticfjen
(Stipulationen, in fofern fie ^apiergetb 511m ©egenftanb gehabt, auf
ein fünftel ber tautenben Summe t)erabgefe|t roaren. ©emnacfj mar
*) Sßäbrenb biefer Sfjeil unter ber treffe gelegen, fjat bie gefcr/äfcte
Sdjriftfieümn ba§ geitlicbe gefegnet. ^öffentlich nnrb burd) bie (Srben
iljre§ Itterarifc^en 9?ad)laffe3 in unferer ©ache ein genügenber Sluffctjlufj übet
bie ÜJlitt^etlung be§ betreffenben Briefes im gacfimile erfolgen.122)
**) S« jüngfier $eit »iE Setnanb §u £er>li£ ein ©onett gelefen Ijaben,
ba§ 58eett)ODen jur S3ermäf)lung§feier 33ettina'§ t>on Slrniin gebtdEjtet baben
foK. 2)ie§ TOäbrcben finbet fid) in ben „Unterhaltungen am rjäuSlidjen
§eerb", 9?o. 7, 93b. 4 — 1858. — 33eefbooen, ber große SReifier in ber
9tl)t)tljmif war in ben ©efejjen ber SKetrii ganj uneifafyrcn unb r>at in
feinem Sieben feinen orbentlicfjen &er§ gu ©tanb gebracht. (Sjifiirt ein
berlei ©onett bon feiner Jpanb nnrflidj, fo ift e§ nur eine Kopie. (£igen=
fiänbige Sopien oon üerfctjiebenen ©ebiebten befannter unb unbefannter
^oeten finb nod) ici mir aufbeiuabrt. SSie lange übrigens feine Neigung
für 53ettina gebauert, läfjt fid) an§ bem biefent Steile beigegebenen gacfimile
Sfto. 2 erfehen. ©d)on ift früher barauf Söejug genommen, unb fomit bie
aüfäüige g-rage um bie ®auer ber Neigung für Bettina beantwortet.123)
122) Einer dieser Briefe (der zweite) ist inzwischen im Faksimile
veröffentlicht worden; siehe u. a. A. B. Marx' Beethovenbiographie,
IV. Aufl., von Prof. Behncke. A. d. H.
123) Auch über Beethoven als Sonettdichter hat sich der Heraus-
geber in seiner genannten kritischen Monographie zur Genüge ge-
äußert (a. a. 0. S. 85 ff.) A. d. H.
— 224 —
audj Beett)oüen'>§3at)re3rente oon 4000 (Bulben in ©ancojettefa ber
SRebuction oerfatten. (Sie fteftte fid) auf 800 (Bulben Rapier gelb.
Sn biefer alle öconomifdjen $erf)ä(tniffe tief erfdjütternben
©atamität ^atte fid) ber (Sr^eräog 9vubotpt) Deeilt, feinem burd)
biefen (Schlag gleichfalls niebergebeugten ßefyrer eine Urfrtnbe
gu übermitteln, beren S&orttaut pfotge iljm bie feiner <3eit§
ftiputirte (Summe üon 1500 ©ulben in Sanco^etteln üolt in
ßintöfungSfdjeinen §ugefid)crt mürbe. (Sin toaljrfjaft faifertid)e§
©efdjent, ba% nidjt oerfetjten fonnte, ben (Sdjmingen be§ ®eniu3
neue ®raft §u geben, um fid) über bie irbifdjen (Sorgen einft=
meilen ju ergeben. (9^actj menig Sauren fdjon mürbe biefe
SSeftimmung in eine tebengtänglidje 9lente öon 600 ©utben in
(Silber — Oon jeber 93ebingung entbunben — abgeänbert.)
Stuf 23eett)ot>en'<§ (Srfuctien miüigte auclj $ürft Sobtomi^ ein,
bafj fein 9tntljeit oon 700 ($mlben gleichfalls in @tnlöfmtg§=
fcfjeinen auäbeja^tt merben fotte. 9cur in Setreff be§ ?(ntljeits
Oon 1800 Bulben ©eiten§ be3 gürften 5tin§fo blieb bie (Sadjc
einftmeiten in ber (Sdjmebe. 124)
§at ba% $inan§=^atent bem Sfaidje an irbifdjem @ute fo
üiete§ entzogen, fo f)at S3eett)oüen feiner <Seit§ ber SSett an
geiftigem roieber fo Oiete§ gegeben, al3:
a) ßoncert (Es dur) für ^3ianoforte (9co. 5) mit Begleitung
be§ Drd)efter§. Op. 73.
b) gantafie (C moll) für ^ianoforte, Gfjor unb Drdjefter.
Op. 80.
c) «Sonate (Es dur) für Sßianoforte (Les adieux, l'ab-
sence et le retour). Op. 81. 125)
124) Mit deii Kinskyscheu Erben gab es schreckliche Brief-
und Preßfehden, worüber B. S. Br. (II. Band), u. a. No. 314, 317, 318,
viel Trauriges zu erzählen wissen. Dutzende von Rechtsanwälten
wurden mit dieser leidigen Affäre betraut. A. d. H.
125) Die dem Erzherzog Rudolf gewidmete Klaviersonate (Les
adieux) hat die Opuszahl 81a, aber das kurz zuvor genannte Sextett
in Es (op. 71) hat die genauere Opusbezeichnung 81 b. A. d. H.
— 225 —
d) Bier Slrietten unb ein 2)uett (itatienifd) unb beutfdj)
mit Begleitung be3 ^ßianoforte. Op. 82.
e) SDrei ©efänge öon ©oetlje für eine ©ingftimme mit
Begleitung be§ ^ionoforte. Op. 83.
f) Duüertüre gu @oett)e'3 ©gmont, in Partitur. Op. 84.
g) ߣ)riftu3 am Delberg, Oratorium, Partitur unb (Staüier=
SCuSjug. Op. 85.
Sn Be^ug auf ba§ $iauoforte=(Soncert in Es dur? oeu
öiöfelöunct aller ©oncert*ÜKufif für biefe3 Snftrumenr, foroof)t
feinet geiftigen ®eljalt§ afe ber tedjnifdjer ©eit§ gu töfenben
Sdjroierigfeiten megen, ift anjumerfen, bafc e§ unter ben (£om=
öofitionen biefer (Gattung, fo aud) unter ben meljrftimmigen
für $ammermufif, bie einige mar, bie bor feiner Beröffent=
Itcr)ung burd) ben £)rud nidjt ju (M)ör gefommen. S)iefe§
SBerf mürbe pm erften 9J?at am 12. gebruar 1812 in einer
jur ©eburtäfeier be§ Slaiferö im Döern=£Ijeater gegebenen
?(fabemie (mit bargeftettten Bitbern) öon Sari 6§ernt) üor=
getragen, ber e§ fid) unter 5(nmeifung Beett)oöen'£ beften§ gu
eigen gemacht t)atte. 2)er 5(nfd)tag5ette( melbete auäbrüdüd)
bie SSibmung be§ SSerfeS „<5r. faiferüdjen £>ot)eit, bem @r^=
rjer^og 9tubo(öt)." @3 mödjte au§ biefer, gegen (Sitte unb
Braud) ftattgefunbenen Äunbgebung auf ben inneren £)rang
be§ SEonmeifterS §u öffentlicher 2)antfagung an feinen burd)*
laucfjtigften ©öntter roorjt mit @runb gu fd)tie^en ferjn. Bei
?(nbtid ber ©ebicationen, metdje biefer erften nachgefolgt finb,
mtll e£ fcfjeinen, bafj unfer SD?eifter öon nun an eine 9?eit)e öon
Safjren rjinburd) faft au§fd)lief$lid) für feinen ©rgtjergog com=
öonirt fyabe, mie biefer mieberum fid) beftrebt rjatte, burd) an*
bauernbeS ©tubium ber SEonroiffenfdjaften, aber aud) burd)
öffentliches £>eröortreten ai$ ßomöonift 126) ad)tung<oroertrjer
SBerfe bem Setjrer unb $ül)rer $reube §u madjen. @S märe
126) Hierfür mag besonders als Zeugnis der Brief No. 772 aus
Mödling vom Jahre 1819 gelten; siehe B. S. Br. No. 772 (IV. Band) ;
ferner noch No. 773 aus Mödling (IV. Band). A. d. H.
3t. ©tfjtnbter? 8eet§oben=lötogvcH}t)ie. 15
— 226 —
für ben ^erfaffer tt>at)vfid) ein erfjebeubeS ©efüljf f)in5itfügen gu
bürfen, hak bie gegenfeittge Stimmung 5tuifd)en Setjrer unb
©crjüler fortan biefelbe geblieben. SBon ©eite be§ (enteren t)atte
fie trjatfäct)tid) niemals eine 9lenberung erlitten. £)e§ £erjrer§
SSerftimmungen unb übele Saunen aber fjaben in fpäteren
Satiren felbft ben faifertidjen 8ö9^n9 uno oornetjmften feiner
©önner nid)t üer[d)ont, raaS am geeigneten Orte gezeigt
merben mirb.
2öie e§ um bie offen tlidje SBürbigung be§ Es dur (£oncert§
bei beffen erfter Sluffiitjrung auSgefefjen, barüber geben menige
SSorte beS Referenten für bie Mg. SJhtf. $tg. f)inreid)enbe ?lu3=
fünft. @r fagt nid)t metjr, nid)t weniger, afe: „©ie übermäßige
Sänge ber Sompofition üerminberte ben £otal=@ffect, ben biefe§
rjerrtid)e ©eifteSprobuct fonft gan^ gemiß rjert>orgebrad)t fjätte."
— Sßer finbet roorjl biefeS (Soncert rjeutjutage nod) 5U lang,
ober gar übermäßig lang? 2Bieberum geigt biefe fritifdje 53e=
merfung, baf3 in ber £)auptfad)e bei ben 23eett)ooen'fd)en £on=
bid)tungen in jener, roie in fpäterer ß^it nod), e§ ifjre $orm
gemefen, baran gumeift Slnftoß genommen tuorben. ginben ftd)
ja bod) in unfern Sagen nocl) gelehrte Seute, bie ftd) mit 9tb=
gäljlung ber Sacte einzelner ©ä$e, überhaupt mit 9(u3meffung
be<§ ^-läd)enint)alt§ 23eett)oüen'fd)er 353erfe unb SSergteiclutng mit
ber SJttnberaatjl SäJcoäart'fdjei ftubdfuße, p beschäftigen SWiifee
|aben. SBeil ber (Spocfje außer £>at)bn unb 9}(ogart fein anberer
im $ormroefen abmeidjenber (Slaffifer befannt mar, fo erflärt
fiel) ba§ fortgefefcte Sträuben gegen 33eetf)ooen'fd)e formen teid)t.
93efanntfd)aft mit ©eb. Q3act)'fd)er Wu\\t t)ätte ba3 Vertraut*
merben mit ben (Sigenfjeiten 53eett)ooen'fd)er im allgemeinen
früher oermittelt. äftan t)ätte erfahren, baß eS außer ben
§at)bn = sDiOäart'fd)eu formen nod) anbere geben fönne unb
mirflid) gebe.
lieber biefe3 Opus summum in ber (£laüicrmufif ift ferner
nod) annullierten, baß e3 mäfjrenb ber Sebensbauer feinet ©d)öpferS
nur ein eingigeä SOZat nod) jur 51uefüt)rung gekommen, unb
— 227 —
groar mieberum burd) (Sart (Sgernt) bei (Megenfjeit eine§ $)ßriüat=
Qioncertg be§ tüd)tigen £)orniften .Iprabetjn)127) am 12. 3fprtt 1818.
üebertjaupt mufe bemerft werben, bafe ftdj bie SStrtuofen jener
©pod)e ben Seetljoüen'fdjen ßoncerten mit unterbotener ©djeu
genähert, gumat aud) ba3 publicum feine ober nur gu geringe
©Ompatljjie bafür 311 ernennen gegeben Jjatte. Da3 C moll-
(Soncert unb bie $antafie mit ©fjor aufgenommen, bie im Verlauf
oon fünf^elm Sauren oiel(eid)t je 2 Wlai gehört mürben, ift ba3
$iolin*6oncert, Op. 61, mie üorau§ gemetbet, im 3at)re 1806
gum erften 9DM öon ^ranj (Element — ofyne allen 33eifatt —
oorgetragen morben. ©in gtoeiter Sßerfud) im fotgenben 3at>r
fiatte einen günftigeren ©rfolg, atiein toeit entfernt, um baZ
SBorurtbjeit gegen ba$ 3Serf §er[treuen §u tonnen. (Sin am
3. Wäic^ 1816 bei ©efegentjeit eine§ „©efeHfdjaft3=(Soncert8"
im großen Steboutenfaat Oon einem Dilettanten gemagter britter
SSerfuct) — blo3 mit bem erften ©a§ — fdjeiterte gänjlid),
mobnrct) ber ©taube an 9Iu§füt)rbarfett ftd) uollenb^ feftgefteüt
tjatte. (£<§ barf fonad) roorjt behauptet merben, bajs biefe§ tn=
fyaltreidje 3Serf feit 1807 bt<§ auf unfere ßeit tierfcfjolten ge=
mefen. $n ätjntidjer Söeife erging e§ bem $ianoforte=ßoncert
in G- dar. @§ blieb an groangig Satire nact) ber erften ?tuf=
füf)rung liegen, ba§> S£ripet=@oncert aber nod) länger.
Der ^auptgrunb biefer s#uf5erad)t(affung ift nirgenbä anberö
gu fudjen, afö in ber üeränberten SKidjtung be§ ßtaoierfpielä
burd) §ummel, 9J?ofcf)e(e§, ©art (S^ernö unb Rubere. Die 9ud)tung
ftanb ben SBeetfjoüen'jdjen £onbid)tungen fomotjl in §inftd)t auf
$orm mie Snfyalt oöüig entgegen. Sfyt Ijeroorftedjenber ßfyarafter,
au§ge^eicb,net burd) (Slegang unb Sraoour in fdjöner, abgeglätteter
gorm, oermodjte bie Sßeettjooen'fcfje ßoncert= mie (SlamersäRufif
im allgemeinen unb 93efonbern, megen it)re§ überroiegenb geiftigen
127) Der Waldhornist Friedrich Hradetzky ist im Januar
1776 zu Swetleu in Böhmen geboren. Er kam frühzeitig nach Wien,
wurde später k. k. Hof- und Kammermusikus. Im Jahre 1820 wurde
er pensioniert. A. d. H.
15*
— 228 —
SBefenS, in ben Goncerten meift finfonifclt)er $orm,128) ofyne be*
fonbere 9J?üt)e au§> ber Deffentticfjteit gu uerbrängen. Snbeffen
i)at bie jüngfte 3eit °*efe§ SSergeljeit einer früheren baburd)
gefügt, bah e£ bie bem 23ibttotf)etenftaube überlieferten Söerfe
be§ S£onbid)ter3 ttrieber in Ujr fRecrjt eingefetjt unb, ttrie e§ bem
©eifte gegenüber ber £ed)nif gebüfjrt, irjnen ben ^ong nor alten
anbern angemiefen tjat.
3u ben rjerüorragenbften (Suriofitäten in ber ^riti! 23ee>
fjoüen'fcfjer Söerfe am f)of)en @erid)t§t)ofe ^n Seidig, ber be*
ftänbigen 2Setterfar)ne ber 9Inti=23eett)oüenianer, barf bie 33e=
urtfjettung über bie erfcfjienene ©onate (Les Adieux etc.) gegärt
merben. 3t)v Söorttaut mag mieberum ad oculos bemonftriren,
roie leichtfertig man bamat§ mit SSerfen umgegangen, bie nnfere
$eit nic£)t mübe mirb §u betuunbern. SMefe fritifdje Suriofität
lautet fotgenbermafjen: „(Sin (MegenljeitSftüd, (sie!) aber mie
e§ ein geiftreidjer äfleifter macfjt! S)er 21bfd)ieb fängt mit einem
2tbagio an, beffen einfacher ^muptgebante gteidjfam lebe mot)t
au3fprid)t, get)t aber batb in ein t)eftigere§ unb au3gefüt)rteä
Megro über, ba3 ben ©cfjtnerä ber Trennung 6ejeic£)nen foll;
ein einbaute espressivo, üon einiger ©crjroere im ^auptgange,
aber unruhiger SöeroegltcrjEeit in 9?eben=$iguren, beutet auf @m=
pfinbungen roätjrenb ber Slbmefentjeit (e§ fetjeint auf lange £)auer
angelegt, mirb aber balb unb unüermutfyet geftört — ma§ eben=
falls redjt artig fiel) beuten läfct;) [!?] unb ein überrafetjenbes,
fetjr lebenbigeä unb freubenuotteä Megro, ba$ ^iemtid) breit
ausgeführt mirb, be^eietjuet ba§> Söieberfefyen." 2)a<S ift 2ttfe£,
ma§ man über biefeS SSerf 5U fagen mujjte.
Sn S3e§iet)ung auf bie in 9tebe ftet)enbe »Sonate barf root)t
al§ ^ßarent^efe gefragt merben, mot)er e§ lomme, ba$ berfelben
in einigen Katalogen (aud) in bem tt)ematifd)en bei S3reitlopf
128j Dieser Ausdruck ist hier nicht recht klar. Schindler wollte
wohl bei den Konzerten von Hummel, Czerny, Moscheies sagen „bei
den Konzerten meist ohne sinfonische Form". A. d. H.
— 229 —
unb £mertel) bas @pitf)eton „djarafteriftifcrj" beigefetjt erfcJjeint?
Sinb benn alle übrigen Sonaten 23eett)ooen's nichj cfjarafteriftifc^,
roeil fie feine 9tuffd)rift tragen, üermöge metdjer Dem ©efüljfe
eine beftimmte 9ftd)tung gegeben roirb? — @ines £ages rjörte
ber SSerfaffer ben Sfteifter fid) beftagen, bafj er ber Sonate,
Op. 13, bas ©ptttjeton „pathetique" beigefetjt b,abe. „511te Söett,
bemerkte er, greift allein nach, biefer Sonate, meit iljr burct) ben
23eifa£ ein au^eicfmenber üftame gegeben ift, ber ben Spielern
5ur ^anbrjabe bient." 3)ie 9)?ufif&anbtungen roiffen aussagen,
roie oft bei bem gegenmärtig üermefjrten 23erbraud) an (£tabier=
äftufif bie Sonate pathetique im SSerbältnifj 51t allen übrigen
gefauft roirb. Wxt ©runb fonnte fid) baber ein beutfdjer 35er=
leger 5U bem SSerfaffer äußern: er motte gern ein Honorar oon
10 000 ©ufben für eine neue Sonate pathetique bejahten.
Soldje SSirfung erjeugt btos ein frembes SSort, beffen begriff
ber 9ftehr5ah( im (Staüier=fpietenben publicum immerhin fremb
geblieben! Söie oft fjätte mot)t Seethoöen bas (Spitheton „patfjetifd)"
feinen Sßerfen aller (Gattungen an bie Stirne fe|en muffen,
hätte er fid) mieberijolen motten?! Söenn mir bie allgemein
gültige (Srftärung biefes SSortes jjur £)anb nehmen, metdje tautet:
„Söahrljaft pathetifd) ift, roas eine ftarle @emütt)sberoegung
mit SBürbe unb (Srnft ausbrüdt," fo ergibt fiel) Daraus bie
Srjarafterifttf bes ©runbmefens aller 23eetl)oöen'fd)en 9J?ufif unb
roirb in 23ejug auf beffen Sßerfe für ^ßianoforte nur noefj ein
@rgän§ungsmort ^ingugufefeen feint, roetdjes haßt: rfjetorifcf).
2)iefes gehört jeboct) bem Vortrag an.
£)as Sahr 1812 zeichnet fid) unter allen im Saufe ber 1812.
gmeiten Sebensperiobe bes 9J?eifters baburd) aus, bafj fein
Katalog um fein einziges neues SSerf fid) üermerjrt fiet)t, eine
Anomalie, ber mir in ber britten $ßeriobe miebert)oft begegnen
merben. hingegen roeijj es Oon @ntftet)ung mehrerer neuen
SSerfe gu berieten, bie ben 9iuf)m ü)res Schöpfers um ein
anferjutidjes oergröfcert haben; es finb: bie Sinfonie in F dur,
ferner bie in A dur, bie äßufif $u „2)ie Ruinen Don
— 230 —
Sittjett"129) unb bie Duberture zu bent ungarifcljen 9?ational=
Scfjaufpiele: „föönig Stephan/ llngarn'3 größter Sßorjttfjäter."
Sie ©icfjtung zu betn geftfpiele: 3)ie Ruinen oon 5ltt)en lieferte
2luguft Don Äo$e6ue. @3 Jjatte ben gtuecf ntit 23eetrjooen'£
Sftuftf, unb in SBerbinbung mit e6en genanntem National*
Scfjaufpiel jitr (Eröffnungsfeier bes neuen Stabttrjeaters in Sßeft!)
Zu bienen, roelcfje 51t Einfang bes ."perbftes ftattgefunDen.
lieber bie geitfolge ber (Sntfterjung biefer 2Berle, nament*
lief) ber betten Sinfonien, befanb ficfj ber SBerfaffer in ben
früheren Slusgaben im Srrtfjum, beffen Q3efeitigung er nun bem
©rafen SSrunsroicf üerbanft, ber gu jener ßeit oiel um ben
SDteifter geroefen. 3uf°^9e feiner ÜJiacfjricrjt aus bem Setzte 1843
fällt bie Gompofition ber Ruinen oon Sitten in bie erften
Monate bes SalrreS 1812; gleichzeitig gefcrjafjen aber bie l£nt=
roürfe zu ben beiben Sinfonien, oon benen bie in F dar (Sfto. 8)
roätjrenb Seetrjoüen's Slufentfjalt ^ur ^rüljling^eit bei feinem
SSruber Sofjann 51t Sing aufgearbeitet roorben. 9?on bort begab
er ftd) §ur Stur naefj £ep(ii3, roo bie Cuüerture zu ßönig
Stephan gefcfjrieben marb. 9?acf) ber 9}ücfterjr ging ber ge*
fräftigte äReifter an bie Ausarbeitung ber A dur=Sinfonie (ÜJco.7).
— Ss tritt fonad) mit beiben Sinfonien rjinficfjtticf) ber Um=
taufdiung ber Stimmern berfelbe galt ein, roie oon ber ^aftorale
unb ber in C moll an^umerfen geroefen. Heber ben 23eroeggrunb
hierfür rou^te ©raf Srunsmicf nicfjts znberläffiges mitzuteilen,
deinerseits fucfje id) benfelben lebigltdj in ber gleichen ^on=
art (F dur) bei ber ^ßaftorafe unb ber gunäcfjft barauf gefolgten,
fpäter mit 9?o. 8 bezeichneten.
1293 Hierher gehören die mannigfachen Briefe an die Firma
Breitkopf & Härtel und andere, in denen von den Ungarn die Rede ist;
bei Beethoven heißen sie gemeinhin „die Schnurrbarte*. Die erste
Aufführung der Kompositionen (op. 113 und 117) fand in Pest zur
Eröffnung des neuen (deutschen) Theaters am 9. Februar 1812 statt.
— Hierher gehören ferner Briefe au den Kammerprokurator Yarena
in Graz, an den Dichter Kotzebue selbst und andere; cf. B. S. Br.
No. 253. 268, 269, 273 usw. (II. u. III. Band). A. d. H.
— 231 —
2lu§ 33eetf)oben'§ ©orrefponben^ mit Bettina Brentano ift
unä fein Serweiten gu Xeplitj 1812 begannt. 5In bie D^eife
batjin bon 8in-$ au3 fnüpft fiel) nacf)ftet)enber $all.
23eljuf3 SReguiirmig feiner ötonomifdjen SScrtjältniffc fteffte
23eetf)oben an ben ju ^ßrag wofjnenben dürften StHnötb, per=
föntief) ba§ ?tnfudjen, ben in ber 9?ente=llrfunbe bom 1. 9J2är§
1809 itjm sufaHenbert SCntljetf gleich ben beibeu anberen tjotjen
Sljeifnefjmern in Sintöfungyfdjeinen nmfe|en §u wollen. ®er
$ürft Wittigte in ba$ 2tnfud)en nnb tjänbigte bem £onmeifter
bie Summe bon 60 ©tücf ©ulaten aU ä (Sonto=3a^u"9 ein,
mit bem ^Beifügen, an feinen 9?entmeifter in SSien bie SBeifung
er(affen 31t wollen, bafj unferm Steiftet bei beffen 3urüdfanft
in bie SReftbenj bie Weiteren Diüdftänbe fofort au§be^af)tt Werben
fallen. Sebodt) nod) wäfyrenb 33eetfjoüen'3 Sfufentljalt 51t Stepti^
fjatte ber gürft ba$ Ungtticf, in $otge eines ©tur^eS bom ^ßferbe
ba$ Seben $u berlieren, bebor nod) bie beabfidjtigte Söeifitng an
ben SBiener SRentmeifter erfaffen mar. Sie eingefetjte $ormunb=
fd)aft über feine (Srben refpectirte be§ Verdorbenen Verfprectjen
an SSeettjoben nicfjt nnb wollte fid) tebiglid) an ben SBorttaut
be§ tfinanäpatenteS — SRebuctrung ber ftipulirten Summe auf
ein fünftel — Ratten. Veettjoben fat) fiel) bemnad) berantafjt,
fid) mit einer ®lage an bie 6ö§mtfdjen Sanbredjte 3U wenben.
2)urd) Sprud) bom 18. Januar 1815 berurtf)eitte biefe§ Ober*
geriet bie fürfttidje Vormunbfdjaft jur 3a^un9 einer jät)rlid)en
SRente bon 1200 (Bulben in (Sintöfung3fd)einen — anftatt ber
1800 ©ulben in Sauco^ettelu — angefangen bom 3. 9?obember
1812. Gstntge Satyre fpäter berwanbelte fid) biefe Summe in
300 ©ulben in «Silber. Sabei tjatte e§ fein Verbleiben.
Sie eine lange SReilje bon Sauren otjne 9?aft unb Smutje 1813.
fortgelegten ?tnftrengungen am 2lrbeit§tifd)e tonnten auf ben
pl)t)fifc^en 3uftan° unferS SfteifterS, inSbefonbere auf feinen
fortan teibenben Unterleib, nidjt anberä atö öerberbüct) ein*
Wirten. $£a% bie Stur §u 2epli§ ©uteS bewirft tjatte, Warb
fd)on in Den nädjften Monaten Wieber ^erftört. 2>a3 Safjr 1813
— 232 —
ergibt fid) fonacr), trie faum eines? ber früheren, al3 ein (eiben=
öolleg. 3ufo(ge ber bem SSerfaffer geworbenen sD?ittf)eüungen
öon 9lnbreas> ©treidjer unb beffen ©ematjtin, bie beibe al§
befonberö trjeilnerjmenbe $reunbe jur 3^it unferm Sfteifter nafye
geftanben, befanb fid) nid)t minber fein ©emüttj^uftanb in
einer Sßerfaffung, roie feit bem ^rüfungsjarjr 1803 nid)t
bemerkt morben.
@§ foüte barjer auf äratlidjen 9ktrj im Sommer biefeS
3arjre§ eine $ur in bem natjen ©oben nerfudjt roerben, unb
fcrjeint e§ au3 bem Snrjatte bes> t)ier folgenben 23riefe§ oon
feinem f'aiferücfjen 3ööüng, (Sr^er^og SRubolpt), tjeroor gu gerjen,
ba^ bie§ 33eett)ot>en3 altererfte Äur an biefem Sabeorte gemefen.
S)er ©rg^erjog fdjreibt:*)
„Sieber 23eett)ooen!
Wxt üietem Vergnügen fyabe id) au3 Syrern Briefe Dom
27. be3 oor. 3J?onv ben id) erft üorgeftern 9tbenb§ erfjielt, 3t)re
3lnfunft in meinem lieben 33aben erfahren unb rjoffe ©ie, menn
e§ Sfyre 3eü ertaubt, morgen 23ormittag3 bei mir gu fetjen,
ba ber Shtfenttjalt Don einigen klagen, ben id) tjier gemacht,
fdjon fo oortljeUtjaft auf meine ©efunbtjeit geroirft, bafj icf) ofyne
üftad)tt)eU für biefetbe ju befürchten, SDhtftf tjören unb mieber
felbft ausführen fann. 2ftod)te 3t)v 2Iufentf)a(t in biefer
gefunben unb fcfjönen ©egenb gteidje Sßirfung auf Sfjren
ßuftanb rjerborbringen, fo märe mein 3^^ °™ idj burdj Sorge
für Sfyre Sßotmung beabfid)tigt, gän^lid) erfüllt.
Saben, ben 7. Suni 1813.
S^r $reunb
3)iefe 3e^en oeg ©t^tjer^ogö geroäljren einen ftaren 33(id
in ba§ freunbfd)afttid)e 95er^ä(tniJ3 gmifdien ©d)ü(er unb SeJjrer.
3)er t'aifertidje ^rinj t)atte fid) in liebebofler £ljeUnaIjme für
*) ®a§ Original btefeä 3Brtefe§ Befanb fid) in her 2(uiograpf)en-8amm=
lung üon Sranj öiäffer in SBien.
— 233 —
ben leibenben fieljrer fogar mit 2(uffud)en einer ^affenben
SBolmung in feinem „lieben 23aben" befaßt. ®iefe3 35ertjä(tniB
erinnert ^u fefjr an Seopotb ©d)efer3 üftoüefle „Sfteifter unb
©dualer", at§ bafj id) e§ mir öerfagen fönnte, eine ber treffenb*
ften Stellen barauS t)ier beizufügen SMefe lautet:
„Man tritt al§ Sunftjünger mit feinem SCReifter in ein im*
6efd)rei&tid)e3 33erf)ä(rnift. (Sr fütjrt un§ in ein grofee§ emigeS
9?eid) ein, ba§> in ber SBelt boct) ü6er alle SBelt ftetjt (Sr madjt
uns> betannt mit Männern, bie längft batjin finb unb bocrj nor
un§ manbetn unb teudjten in ben SBerfen, unb malten unb
rjerrfdjen. (Sr fcfjenft un§ ben ©eift ber ft'unft burd) feinen
©eift unb fein 3Siffen unb können. SBir fdjauen in feine un3
offene Seele unb burd) unfern Setjrer roirb uns» erft bie ©röfje,
bie Sdjönljeit, bie £)otbfetigf:eit ber ganzen SSelt öerftänbtidj,
unb burd) iljn aufgefcfjloffen unb burd) bie Vernunft uns nadj=
unb üorgefdjaffen , wirb fie zulegt felbft unfer (Sigentljum.
Dber magrer un3 au§zubrüden: mir gefangen burd) it)n erft
ZU unferö eigenen ©eljaltes? 23efii3 unb tjeben burd) itjn bie
Sdjätje unferö @eifte§ unb §er§en§. (Sine $er6inbung gmifc^en
sJReifter unb jünger bauert zeitlebens, unb nur ein Sftdjtä*
mürbiger legt bie (Stjrfurdjt öor feinem Sfteifter ab, unb menn
er itjn ge^nmal Ü6er6öte. (Sin 2>anf6arer 6et)ätt bie freute
an feinen SBerfen, feinem Sßirten unb SSorjlergetjen in aller
2Irt, mie e§ einem SJJenfdjen, einem Hünftler nur roofjlergefjen
fann." — 2>a3 Ijat ber faiferlidje ^ßrinz bi§ an fein Seben§=
enbe Oetljätigt.
ßufolge 9)cittt)eitungen tion grau (Streicher, bie im Saufe
be§ ©ommer<§ Don 1813 gleichfalls in Sßaben roeitte, befanb
fidj unfer SEonbidjter aud) in .£rinficfjt auf föörüerbebürfniffe
aller 31rt in bermaf)rlofetem ßuftanbe. (SS fehlte an guter
Äleibung, metrc nod) an SBäfdje.130) 3Sem bie <Sd)ulb folctjer
Sßermatjrlofung äujufdjreiben, 06 bem gänzlichen SSerfenfen in
130) Die zahlreichen Briefe an Nanette Streicher vom Jahre 1813
im III. Bande der Briefe legen Zeugnis davon ab. A. d. H.
— 234 —
feine Stubien, ober bem iljn beOormunbenben ©ruber Gart,
märe mit ©emifefjeit nidjt aus^ufagen. 23ielteid)t fällt bie Sd)utb
nad) beiben ©eiteu.*) SDie ttjeilneljmenbe 5reun0^n toQr oem=
nad) fogteid) nad) itjrer Sxüdtunft in 2öien mit £)ütfe ü)re§
©ema£)l0 für £>erbeifd)affung be* 23enött)igten beforgt. 9lad)
beenbigtem 5Iufentt)atte %u SSaoen bejog nnfer neubelebter Weifter
mieber bie für ifyn offen getaffene SBofjnung im £>aufe feine§
$reunbe§ 93aron $ßa3quatati auf ber 5D?ö(fer=S3aftet, in meldjer
itjrn ber 23erfaffer biefer ©djrift gu ©nbe fflläxfr 1814 gum
elften 9D?at gegenüber 51t fteljen bie (£ljre get)a6t. (§§ ttmrb
ferner ein ©ebieuter angenommen, ber ein ©djneiber mar unb
im SSorjimmer be§ (Somponiften fein ^anbmert ausgeübt f)at.
©erfelbe, im Vereine mit feiner $rau, bie jebod) nidjt im
§auf£ morjnte, pflegte ben 9J?eifter mit rüljrenber ©orgfalt 6i§
in ba§> Saljr 1816, — unb biefe geregelte SebenSmeife befam
unferm 5l'eunoe fe^r tttot)!. §ätte fie nur menige 3al)re nod)
fortbauern tonnen.
Sin biefe (Situation fnüpfen fid) Sfterftnate oon Siebe unb
^ereljrung «Seitens be§ dürften Sidjnom^ft), bie mot)t einer
näheren Srraäijnung merti) finb. ©er $ürft mar e3 gemobnt,
feinen Siebting redjt oft in feiner SBerfftätte 51t befudjen. dlad)
beiberfeitiger Uebereinfunft foflte oon feiner 2lnroefenljeit feine
üftotij genommen merben, bamit ber SÄeifter nidjt geftört roerbe.
©er $ürft pflegte nad) einem SJtorgengmfe irgenb ein 9Jhtfii=
*) Unterm 15. Wai 1813 finbet fid) t>on be§ SKeifierS £anb in feinem
Sagebud) folgenbe Stefle üerjeidjnet: „Kine grofje ^anblurig, meldie fetjrt
tann, 31t unterlaffen unb fo 51t bleiben — 0 »ueldjer llnterfcfjieb gegen ein
unbeflifferteS Seben, meld)e£ fid) in mir fo oft abbilbete — 0 fctjredlidje
llmftänbc, bie mein ©efüt)l für §äu§lid)feit nid)t uuterbvüden, aber beren
5lu§übmtg, — 0 ©Ott, ©ott, fief) auf ben unglüdlid)en 33. berab, lafj eg
nidjt länger fo bauevn." — 2)iefe 2ln§rufe gelten als Kommentare für bie
Situation.131)
131) Nach dem Tagebuche im Fischhoffschen Manuskript Folio 29 a.
Siehe auch Nohl, die Beethovenfeier und die Kunst der Gegenwart
(Wien 1871), S. 53. A. d. H.
— 235 —
merf burctjgubfättern, bm arbeitenben Sfteifter eine SBeile gu
beobachten unb bann roieber mit einem freunbtidjen „5tbieu"
bie Stube gu Oerlaffen. SDemtodj füfjtte fid) 23eetl)ot>en burd)
biegen 23efud) geftört unb öerfd)(oJ3 gumeilen bie Sttjür. Un=
oerbroffen flieg ber ^ürft roieber 3 ©todroerfe tjinab. 9tl<3 aber
ber fcfjneibernbe S3ebiente im Sßorgimmer faJ3, gefeilte fid) bie
fürftlictje £)urd)tauct)t gu i§m unb fyarrte fo lange, 6tS fid) bie
Sttjür öffnete unb fie ben dürften ber Stonfunft freunblid)ft
begrüben tonnte. S)a§ SBebürfnife mar fomit geftitlt. @<§ ift
bie£ morjt ein fct)öne§ «Seitenftüd 51t bem, roa<§ mir eben erft
öon ben ©efinnungen be<§ ©rgtjergogä SRubotpr) oernommen
{jaben. @3 mar jebocfj bem atterueref)rten ^unft^äcen be=
fdjieben, nidjt lange merjr feinet £iebling§ unb beffen ©djöpfungen
fiel) freuen gu fonnen, benn fcfjcm am 15. ?tprit be3 folgenben
SatjreS tjat er ba§ 3e^<^e gefegnet!
®a§ Satjr 1813 roeifj oon neu erfdjienenen SSerfen nur
ein einziges gu nennen: S)ie erfte $?effe in C dur, Op. 86.
£>ie (Sntftetjung biefe§ ÄirdjenroerfeS getjt jeboct) bi§ in'3 Satjr
1807 gurüd, mie bort bereits? angegeigt mürbe. @§ marb für
ben dürften ©fterrjagt) gefdjrieben unb im Saufe beS ©ommer»
1808 gu (Sifenftabt unter Seitung be§ (Eomponiften aufgeführt.
$Iu§ Sof. §atjbn'3 £eben3gefd)icrjte ift Die Vorliebe biefe<S ®unft=
9J?äcen'3 für $ird)enmufit befannt, üon ber er feboct» meniger
erhoben at§ unterhatten fet;n mottle. ©ieS ertlärt ben oft
menig firdjtidjen ©eift in §atjbn'<§ Neffen, barin ber (£apett=
meifter bem ©efdjmade feinet dürften, getüi^ nid)t feiten gegen
fein eigenes beffereS ©efürjt, möglidjft nafye gu fommen beflrebt
mar. Stber baburd) mürbe ber $ürft gu üerroötjnt, um nidjt
alle anbere (Sompofitionen mit §at)bn'fd)em 93?a$ftabe gu meffen.
$ur felben ßeit mar ber grof$e Meifter bereite in Diuljeftanb
getreten unb 80t). 9cep. Rummel funetionirte al§ ©ape ümeifter
gu (Sifenftabt.
5ln bie Sluffüfjrung biefer SDceffe in ber fürftlictjen ffiefibeng
fnüpft fidE) nad)ftef)enber Vorfall. (S§ mar ©itte an biefem
— 236 —
|)ofe, baf} nadj beenbigtem ©otteSbienft bie f)eimifd)en mie
fremben mufifalifctjen Sxotabititäten ficf> in bert ©emädjem be£
dürften 51t öerfammetn pflegten, um mit üjm ü6er bie auf-
geführten SSerfe §u conberfiren. S3eim (Eintritte Söeetrjoben'S
menbete fidj ber $ürft mit ber $rage an iljn: „9Iber, Heber
QSeetfjoben, tt>a3 rjaben ©ie benn ba mieber gemacht?" £)er
(Sinbrucf biefer fonberbaren $rage, ber tnarjrfcrjeinlid) nocfj
mehrere fntifdje 9lnmerfungen nachgefolgt finb, mar auf unfern
Stonbicrjter ein um fo empftnblid)erer, at3 biefer ben gur (Seite
bei dürften fterjenben ßapettmeifter ladjen farj. 'Sieä auf
ficfj begierjenb, üermodjte itidjtS merjr irjn an einem Orte §u
Ratten, mo man feine Seiftung fo üerfannt unb er überbie3
uocfj eine ©cfjabenfreube an feinem ^unftbruber roafjrnerjmen
gu muffen geglaubt. üftocfj am fetben Jag uertiefj er (Sifenftabt.
35on bort batirt bo.3 3erfa^en m^ §umme(, mit bem
jebod) ein üertrauüd)e§ 3Sertjältni% nid)t beftanben fjat. Seiber
mar e§ niemals gu einer (Srflärung §mifd)en Seiben gekommen,
mobei e§ ftcf) öielteidjt rjerauggeftellt tjätte, bafj ba3 fatale
Sadjen nicfjt Seetfjoüen gegolten, öietmerjr ber fonberbaren ?(rt,
mie §ürft <Sfter£»aä^ bie eben gehörte Sfteffe fritifirte (an ber
morjt mand)e§ au§gufe^en bleibt.)132)
51ber ©rünbe anberer 2trt Ratten bem §affe 23eett)oöen's
nod) befonberä 9?arjrung gegeben. 3)er eine betraf eine mit
<pumme( gemeinfdjaftlidje Neigung §u einem 9DMbd)en, ber
anbere bie 3üd)tung, roelcfje bem ßlaüierfpiel, mie audj ben
(Sompofitionen für biefeS Snftrument, 31t atlererft burd) £mmmet
gegeben morben, mie borau^gerjenb ermähnt ift. (£rft in ben
legten Seben^tagen Q3eett)oüen'<3, post tot discrimina rerum,
132) Das Zerwürfnis zwischen dem Fürsten v. Esterhazy und
Beethoven und die daraus resultierende Feindschaft zwischen den
Meistern Hummel und Beethoven waren durchaus nicht so tragisch und
intensiv, wie es Schindler darstellt. Vgl. Brief No. 141 in B. S. Br.
(I.Band). Vgl. auch Thayer, II. Band, über dieses Zerwürfnis beim
Jahre 1807. A. d. H.
— 237 —
ift burcf) §ummel<§ @rfcf)einen am tontenbette bie §tütfd)en
beibe $ünftler fiel) gelagerte SBotHe ptötjticl) au3einanber geftoben.
üftät)ere3 barüber unter ben (Stjarafterjügen.
SSon ber 9J?effe in C dur tierbient nod) angemerft ju
merben, bafe fie in ^otge (Sigentl)um§ be3 dürften ©ftertja^t)
fo fbät ber Deff entlief; feit übergeben merben tonnte. 3n SSien
ift fie gar erft im ^atjre 1816 gum erften 9J?al burd) ©ebauer
in ber 21uguftiner=§ofrtrcfje gur Aufführung gefommen.
2Bir fterjen nun üor einem ber roicfjtigften Momente im
Öeben be3 9Jcei(ter§, in roetcfjem alle bi^er biffentirenben Stimmen,
mit 9tu§nat)me weniger gacfjmänner, fiel) enblid) batjin geeinigt
rjatten, irjn be3 2orbeer3 roürbig 5U galten. 2ßir fjaben nämticf)
über bie am 8. unb 12. ©ecember 1813 in ber Aula ber
Uniüerfität ftattgefjabten Aufführungen ber A dur = «Sinfonie
unb ber (Sinfonie: „2Betlington'3 Sieg, ober bie Sdjlactjt bei
^ittoria" gu f preisen, roeldje $eierlicl)l:eit üon bem t. t §of~
medjanifer bälget gum SÜortfjeite ber in ber Scfjlacfjt bei
£>anau inüalib gemorbenen öftreicf)tfc£)en unb batierfdjen Krieger
üeranftaltet roorben mar.
Heber biefe Gegebenheit liegt bie gang oon $eetljoüen'3
£>anb gefctjriebene Stanffagung^Urlunbe an bie babei mitgeroirft
tjabenben ^ünftter üor, meiere gum 23ef)ufe ber $eröffentticf)ung
abgefaßt mar. Stirer SJfttttjeitung mögen jebocf) einige Stellen
au§ bem Gericht über biefe geier üorangefjen, ber fiel) in ber
Mg. 9ttuf. 3tg. XVI, 9b. 4, üorfinbet, meit er a(§ ber
AuSbrucf ber öffentlichen Meinung in ber Slaiferftabt betrachtet
reterben barf.
@3 £>ei^t barin: „ßängft im 8n= unb Auätanbe aU einer
ber größten 3nftrumentat=(£omüoniften geehrt, feierte bei biefen
Aufführungen §err oan Geettjoüen feinen Sriumüf). ©in gat)t=
retcJ)e§ Drcf)efter, burctjau§ mit ben erften unb öorjügticljften
— 238 —
fyiefigen £onfünfttern befei^t, fjatte firf) roirftid) au§> patriotifcrjem
(Sifer unb innigem £)anfgefürjt für ben gesegneten (Srfofg ber
allgemeinen Wnftrengungen SteutfdjfcmbS in bem gegenwärtigen
Kriege gur SUfttnrirfung ofyne ©ntfd)äbigung öereinigt unb
gemäfyrte, unter ber Leitung be3 ßomponiften, burd) fein präcifeS
ßufammenfpiet ein allgemeines Vergnügen, baS firf) bis §um
(SnttjufiaSmuS fteigerte. $or aüem üerbiente bie neue ©infonie
jenen großen SBeifall unb aufeerorbentlid) gute Hufnafjme, bie
fte erhielt. 9#an mu§ bieS neuefte 2£erf beS ©enie'S Söeetbooen'S
fetbft, unb roofjl and) fo gut ausgeführt rjören, tote eS Ejier
ausgeführt mürbe, um gan§ feine ©djönrjeiten mürbigen unb
recrjt üoüftänbig genießen $u tonnen .... j£5aS Stnbante*)
mufete jebeSmat miebert)ott merben, unb ent^üdte Henner unb
Sfticrjtrenner. — 2SaS fobann bie ©djladjt betrifft: mit! man
nun einmal fte burd) Xöne ber SJcufif: auSpbrürfen oerfudjen,
fo roirb man menigftenS eS eben auf bie §(rt machen muffen,
röie eS f)ier gefd)eljen. (Einmal in bie Sbee eingegangen, erftaunt
man freubig über ben ^eidjtfjum, unb norf) metjr über bie
geniaüfdje $8ermenbung ber Äunftnüttel ju jenem ßmecf. £>er
Effect, ja fetbft bie red)t eigenttidje Siäufdjung ift gan^ aufter*
orbentlid); unb e§ täfjt firf) roobi otjne alteS 23ebenfen behaupten,
eS ejiftire gar nid)tS im ©ebiete ber malenben Xonfunft, baS
biefem Sßerfe gteid) fäme."
©in Sßert mie bie ©rf)(ad)t= «Sinfonie mufete rommen, um
bie nod) immer auSeinanbergetjenben Urteile 5U oereinigen
unb fomit ben ©egnern jeber 21rt plöttfid) ben 9)?unb §u ftopfen.
2)aS ift gelungen; ob aber für immer, foK fid) in ber britten
^eriobe geigen.133)
*) \Huf bie urfprüngtidje Benennung be§ §tuetten <5a£e§ biefer Sinfonie
mit Slnbante ift befonber3 aufmerffam 51t madien ©rfl in ben gebrucflen
Stimmen erfcfoien beffen 23ertaufd)ung mit „91üegvetto," ba§ aüet Drten
SDHfjüerftänbniffe jum 9iact}t^eil bee (£t)araftertfttfc^en erzeugt fiat. Qn
fpäieren Sa&ien empfahl banun bet Weiftet mieDer bie erftere Benennung.
133) Wie Karl Zelter seine Umwandlung von einein Verächter
Beethovens zu einem Bewunderer des Meisters gerade an der Schlacht-
— 239 —
®er SBortfaut beö ermähnten £>anffc£)rei6en3 ift folgcnber:
„Sri) Ijatte e§ für meine Sßflidjt, allen ben oerefjrten mit*
mirrenbcn ©liebem ber am 8. u. 12. See. gegebenen 2tfabemie,
gum Sßeften ber in ber ©djfadjt bei §anan inüalib geworbenen
fatf. öftr. unb fgt. baner'fcfyen Sieger, für il)ren, bei einem fo
erhabenen ßroed bargetegten (Sifer gu banfen.
„®§ mar ein feltener herein üorgüglidjer STonfünftter,
morin ein jeber einzig burd) ben ©ebanfen begeiftert, mit feiner
®unft anet) etmaä gum 9cutsen be§ SBaterlanbeS beitragen %u
fönnen, ofjne alle 9iangorbnung aitc£) auf untergeorbneten ^ßlätjen,
gur oortrefflidjen 9lusfüljrung be3 ©angen mitrairfte.
„Sßenn £>err ©ctjuppangigt) an ber ©pitje ber erften
^Biotine, nnb bnrd) feinen feurigen, au§brud£üolIen Vortrag ba$
Drc^efter mit fiel) fortriß fo fdjeuete fiel) ein §r. Dber=(Sapetl*
meifter. ©atieri nid)t, ben ^act ben trommeln unb (Eanonaben
gu geben; §r. ©pofyr unb £>r. Sftatyfeber, jeber burd) feine
Su-nft ber oberften Leitung mürbig, mirften an ber gmeiten unb
britten ©teile mit, unb £r. ©iboni unb Giuliani ftanben
gleichfalls an untergeorbneten ^(ätjen.
„Wix fiel nur betrum bie Seitung be§ ©angen gu, roeil
bie Sftuftf öon meiner ßompofiiion mar; märe fie üon einem
anbern gemefen, fo mürbe id) mict) eben fo gern, mie §r. §ummel,
an bie grofee frommet geftellt tjaben, ba un§ 5llle nichts als
ba$ reine ©efütjt ber SSaterlanbs liebe unb be§ freubigen Opfert
unfrer Gräfte für biejenigen, bie un§ fo triet geopfert tjaben,
erfüllte.
„3)en öorgüglicfjften ®anf Oerbient inbeffen §r. Waigel,
in fofern er als Unternehmer bie erfte Sbee biefer 5llabemie
fafete, unb il)m nadjtjer burd) bie nötige Einleitung, 33eforgung
unb 5lnorbnung ber müt)famfte £l)eil be§ (Sangen gufiel. Sd)
mufe it)m nod) inSbefonbere banlen, meit er mir burd) biefe öer=
Symphonie an sich vollzog, ist aus dem Briefwechsel zwischen Goethe
und Zelter von mir illustriert worden; siehe des Herausgebers „Beet-
hoven und Berlin", S. 211 ff. A. d. H.
— 240 —
anftattete 9lfabemie (Gelegenheit gab, burd) bie ßomjmfition,
einzig für biefen gemeinnützigen Qmed berfertigt unb
itjm unentgettlid) übergeben, ben fdjon lange gehegten
feljnlidjen SSunfcfj erfüllt 5U fetjen, unter ben gegenwärtigen
ßeitumftänben aud) eine größere Arbeit öon mir auf ben Httar
be3 23aterfanbes> nieberlegen §u tonnen.
Submig bau SSeetrjoben."134)
1814. (Somit mären mir bei bem Saljre 1814 angelangt, mit
meldjem bie §meite ^ßeriobe fcrjlieften foll. (S§ geftattet fid) btefes
in ber £eben§gefct)id)te 23eetf)oben'3 unftreitig ai§> ba§ glan3=
oottfte, benn mir fetjen ben £onbid)ter fid) auf bie tjödjfte
Spitze feinet ^Rutjmeg ergeben; nebftbei ift e§ aber aud) in
materieller |)infid)t ba§ tucratiüfte. £mben mir im 33orau§=
gegangenen oernommen, bafj e£ 3mifd)enräume üon mehreren
Sauren gegeben, mo er nidjt baju fommen tonnte, bie 3Rufif=
freunbe mieber einmal gu einer ®unftfeier eingaben, fo merben
mir ifyn im Verlaufe biefeä $af)re<3 nidjt meniger benn bicr
SM ba§> publicum in großer 9ftaffe um fid) berfammeln fefjen.
herbeigeführt mürbe bie§ burd) ben aufeerorbentlidjen Beifall,
ben bie A dur (Sinfonie unb bie Sdjfad)t bei SSittoria ertjatten,
ferner burd) SBiebereinfürjrung ber Dper $ibelio in üeränberter
©eftatt, aber aud) burd) midjtige ^eiteretgniffe.
Sd)on im Saufe be§ Sanitär^ erfolgte bie 2öieberf)otung
ber A dur (Sinfonie unb ber <Sd)tad)t bei Sßittoria, unb groar
im großen 9iebouten=Saale. ©rft in biefem ^Raume bot fid)
(Gelegenheit bar, bie mandjerlei ^utentionen bei ber Sdjtad)t=
Sinfonie in s2lm§fül)rung §u bringen. 2lu§ langen ßorriboren
unb entgegengefettfen ©emädjem tonnte man bie feinblid)en
§eere gegen einanber anrüden laffen, moburd) bie erforbertidje
£äufd)ung in ergreifenber SSeife bemertfteHigt mürbe. 2)er
134) Genau nach dem Manuskript in Schindlers Beethoven-Nachlaß
steht diese Danksagung in des Herausgebers S. Br. B. No. 354 (II. Band).
A. d. H.
— 241 —
SBerfaffcr biefer Schrift, mit unter ben ßu^lörern, barf bie $er=
ftdjerung geben, baft ber baburd) rjerüorgerufene (£ntfjufia§mu3
in ber Sßerfammlung, gefteigert nodj burdj bie patrtotifdje
(Stimmung ber großen Xage, ein übermältigenber gemefen. —
%{§> geeignete beigaben famen nod) $ur Aufführung: ber feiertidfc)e
9JJarfd) mit ©Ijor unb bie fidj anfcfjliefcenbe 53a^5Irie be§ Ober-
üriefter£: „Wlit reger $reube," au§ bem geftfpiete: 2)ie Ruinen
üon Atrjen.
Am 27. gebruar, roieber in benfelben Räumen, erfct)ten ber
9J?eifter abermale mit jenen 6eiben großen SSerten, a6er aud)
nod) mit ber acf)ten Sinfonie in F dur — biefe gnm erften
9)?al. 2)ie Drbnnng be3 $J3rogramme3 mar: a) Sinfonie in
A dur; b) 9?eue3 Sterlett für Sopran, Xenor unb S3a^ „Empi,
tremate," üorgetragen üon $rau SOHtber=§auptmann nnb
ben 9J?eifterfängern Siboni unb Sßeinmülter; c) bie neue
Sinfonie in F dur; d) 2)ie ©crjfacrjt bei SSittoria. — ®iefeö
Programm ^eigt mieberum, mie Diel unb mie üielerlei ber SJceifter
bem Aubitorium §u bieten geroorjnt mar.
3öer fid) eine Gerfammlung üon 5000 3ut)örern mit er=
tjobener (Stimmung in $otge furg üorljergegangener metter=
fd)ütternber ©reigniffe auf ben Sd)tac£)tfetbern Seipjig'ö unb
§anau'3, aber aud) im ®efüf)le be§ rjorjen 2Sertt)e3 ber gebotenen
töunftgenüffe, ^u benlen üermag, mirb fid) ungefähr eine $or=
fteUung oon ber 33egeifterung biefer großen Sd)aar üon ®unft=
freunben madjen fünnen. £>ie 3;ubel=Au§brüd)e märjrenb ber
A dur Sinfonie unb ber Sd)tad)t bei Sßittoria, in meld)' letzterer
ade ^T^eite in $olge roiebertjolter Aufführungen fdjon präcife in
einanber griffen, überftiegen alle§, ma§ man bi3 bat)in im ßoncert-
Saale erlebt tjaben mollte.
Seuor in 2tuf§afjtung ber benfroürbigen Gegebenheiten biefe§
rutjmreidjeu 3at)re3 meiter gefd)ritten mirb, foll bie @ntftel)ung§=
gefd)id)te be§ tjumortftifct)en Altegretto in ber ad) ten Sin-
fonie ^latj finben, bie in ber 23eerfjoüen'fd)en Literatur ein
particulareS Sntereffe bietet.
ül SdjiitMerS 'öect^oueu-33iogva^f)tc. jg
— 242 —
Sn ber grfi^ttngSjctt be3 SaljreS 1812 fajjen S3eetf)0Den,
ber 9Kedjamfer üM^el, ®raf öon SrunSroicf, Stephan Don
23reuning unb Slnbere bei einem 5(b[c£)ieb§mat)te jufammen,
erfterer, um atgbalb bie 9Reife gu feinem 53ruber Sodann nad)
Sing anzutreten, bort feine adjte ©infonie auszuarbeiten unb.
fpäter bie börjmifcfjen 33äber gu befudjen — SM^el aber, um
eine Steife nad) (Suglanb gu mad)en unb bafetbft feinen berühmten
Trompeter = Automaten gu probuciren. Setjteres SHeifeproject
muffte inbefe aufgegeben unb auf unbeftimmte $eit üerfcfjoben
roerben. £)ie öon biefem 9fted)anifer erfunbene £act*9J?afd)ine —
Metronom — mar gut $eit bereits fo meit gebieten, bafj
©alieri, 25eetf)ooen, 3Beig( unb anbere mufifafifdje 9?otabüitäten
eine öffentlidje (Srftärung über bereu ^ütjtidifeit abgegeben
fjatten .*) 93eett)ov>en, im oertraulid)en Greife gemörjntid) Reiter,
nritjig, fatt)rifd), „aufgeknöpft," mie er e§ nannte, rjat bei biefem
2Ibfd)ieb!§marjle nadjfterjenben ßanon improüifirt, ber fofort non
ben SJjeilnetmtern abgefungen morben:
M. M. 72 = £
ta ta ta ta ta ta ta ta ta ta ta ta ta ta ta ta,
&S
-m^L ~m •■! r» — — -b— I— • — • — • — • — • — • — • — •— I
tie = ber, (ie * ber 9J?ät = 5e(, ta ta ta ta ta ta ta ta
ta, (e = ben 6ie motjt, feljr toofjf, ta ta ta ta ta ta ta ta
*) 2lud) bie 2lflg. Wv\. 3tg- errccü)nt biefer (£rflänntg, fo aucf) ber
öon ^öljct beabftd)tigten Keife nad) Sonbon. XV, 785.
243 —
jr-^r
£
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s=£
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-*==&-
-m — s
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"BS— BS— t*-
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ta, 23cm=ner ber geit, 23ctn=ner ber 3eit, ta ta ta ta ta
SS
— *— ^=?==ir-VH1- J-äH— W: « Li j, |jh— -fe
M"
t
ta ta ta ta ta ta ta ta, großer, großer 3fte=iro=nom,
*
5
^~^-t
i
~t
-*■
großer ^e^tro^nom, ta ta ta ta ta
Slu3 biefem (Sanon ift ba§> Megretto Ijerborgegangen: bie
erfte ©timme geigt un3 fd)on üftote für üftote ba§ SQfotit) gu
biefem ©atje, bie SSorte ben fjumoriftifcfjen (Sfyarafter, ba3 bei*
gefegte metronomifdje 3e^en &a^ ^em 5Iüegretto=@a|e ent=
ffcrerfjenbe Xempo. Ta ta ta ta finb bie Sßenbelfcfjläge be§
9ftetronom!o. 3n ben 23eftt3 biefe§ (SanonS bin id) burdj 23eet=
fyoöen fetber gekommen, inbem er mir fdjon um 1818 eine
Stbfdjrift ju nehmen gemattete.
llnb nun meiter in üDZittfjeüung ber ^Begebenheiten au§
biefem Safjrgang.
©d)on am 11. 5Ipri( finben mir unfern 3J?eifter bei einem
öon ©djupüansigt) gu einem motjttfyätigen Qvoe&e im ©aale
*) ©a§ TOiBüerfiefien, öielmefir, bie 9lbtje£ung be§ SWegretto in ber
achten ©infonie, felbft öon Notablen unter ben TOufifbirectoren, gab mir
SSeranlaffung biefen ©anon fammt feiner (Sntflebung§gefd)id)te bereite in
3lo. 49, 1854, in ber 92ieberrheinifcben SDcufifsBeitung befannt ju machen.
3(fi glaube ober ntctjt, bafc e§ §u befferer ©rfenntnife üerbolfen bat.135)
135) Die Authentizität selbst dieser Anekdote ist von vielen, so
auch von Thayer, angefochten worden, aber jedenfalls ohne zu-
reichenden Grund. Sie behält Wahrheit und Wert. Vgl. Brief No. 279
an v. Zmeskall in B. S. Br. (II. Band). A. d. H.
16*
— 244 —
„3um römifdjen Äaifer" oeranftafteten Goncert mieber perfünlid)
mitroirren. Riebet galt e§ ba§ große %x\o (B dur) für Sßiano*
forte, Violine unb Sßiotonceü Op. 97 gum erften 3JM rjbren
gu laffen. öeetrjooen am Sßianoforte, «Sdjuppangigrj an ber
^Biotine, unb Sinfe am SBiofoncett. 3m fotgenben 9Jconat SDtai
toarb ba^felbe 3Berf in einer üon ©djuppangigt) im Krater
gegebenen Quartett* Matinee miebertjott. Sftit biefer $ßro=
buction im ^rater, roeldjer id), fo mie aud) ber oorau£=
gegangenen am 11. 5(pri(, beigeroorjnt, fdjieb 23eett)oüen aU
auöübenber (Staöierfpieter für immer au§ ber Qeffent=
tid)feit. — 3>n biefer SRatinee gelangte aud) baö neue Quartett
in F moll, Op. 95, §ur erften 5Iuffüt)rung, ba$ jebocf) bereite
1811 componirt morben.
2tm 23. 9ftai erfolgte bie SBiebereinfütjrung ber mefent(icf)
umgeänberten Dper $ibe(io im faiferlidjen Qpern=^t)eater. 3)ar=
über, mie aucfj über bie am 18. Suli barauf gum Senefice be3
Slutorä ftattgefunbene 33orfteHung biefer Oper ift bereite im
Verlauf ber ^Begebenheiten in ben Sauren 1805 unb 1806 au§=
fübrlid) SD?ittf)eUung gemadjt unb bemnad) barauf gu berroeifen.
Snbeffen, alle in SafjreSfrift, unb root)I barf behauptet
merben, mätjrenb ber gangen ®ünftler(aufbafjn, unferm 9Heifter
miberfarjrenen ©f)ren mürben burd) bie (Srtebniffe am 29. 9?o=
bomber beffetben 3at)re<§ überboten. Sie grofjen potitifd)en
©reigniffe, toeldje faft alle europäifcfje 9Jconard)en gu einem
(Songreffe in 2öien gufammengefürjrt Ratten, mirlten mefenttid)
mit, um biefen 29. 9?obember ju bem Xag be3 t)öd)ften ©langes
unb SRurjmeg gu geftatten, ben ein Äünftter mie SBeettjoöen er*
(eben tonnte.
Sn gotge einer üon tjofjen Äunftfreunben an Seettjooen
ergangenen Slufforberung, bie neuen SSerfe roärjrenb be<§ ßon=
greffeö nodjmafö gur Stuffüfyrung gu bringen, fafjte ber HJceifter
ben ©ntfdjtujs, gur ©rtjöfyung be§ gefcr)tdjt(ic§ * benfroürbtgen
Moments, bie üon Dr. 2((ou§ 2Beiffenbad) gebidjtete ©antäte:
„3)er glorreiche Stugenblid" in äJcuftf gu fe|en unb felbe in
— 245 —
SBerbtnbung mit ber A dur Sinfonie unb ber Sdjtadjt bei
SSittoria an einem 2lbenb ausführen 51t (äffen. ®er 3nf)a(t
ber ©antäte toar: bie §ulbigung ber Stabt SSinbobona ben
fremben £Ronard)en bargebradjt. Wlxt rüt)men§tt>ertljer Bereit*
ttnöigteit nmrben bem ®ünftfer Seitens be§ Dberft=Slämmerer=
amte§ beibe taiferf. 9iebouten=Söle fogar für stoei Slbenbe jur
Verfügung übertaffen, inbem man Ijofjen DrtS biefe muftfatifdje
geierttdjfieit gleidjfam mie eine §ofsgeftlict)feit betractjtete. 93eet=
tjoöen madjte perfön(id) bie ©intabung bei öden ÜKonardjen, bie
fämmtücf) bei ber $eter erfdjienen maren. (£)er Berfaffer befanb
ftd) unter ben SJfttttrirfenben an ber 2 ten Biotine.) S)ie (Stimmung
ber na^e^u au§ 6000 ßuljörem befteljenben Berfammtung, aber
aud) bie in ber großen Sdjaar ber im Drdjefter unb ©Ijor Wit-
ttnrfenben, (äfet fiel) nict)t betreiben. £>ie etjrfudjtäüolle ßurüd*
Haltung öon jebem lauten 93eifall§5eid)en Oertiet) bem ©ansen
ben ©tjarafter einer großen ^irdjenfeier. Seber festen gu fügten,
ein fotd)er 9J?oment merbe in feinem Seben niemals mieberfeljren.
üftur (SinS tjatte ber $eier gefehlt: bie 2Tntt)efenf)eit Sßettington'S,
metdjer mit ©emi^eit entgegen gefeljen morben. £)er fiegreidje
gelbfyerr tarn erft nad) beenbigter geier in Sföien an.*)
Sdjon am 2. ©ecember barauf erfolgte bie Söieberljolung —
bei nur mä^ig gefülltem Saale, aber befto größeren Beifalls
be^eugungen.
2)ie Solo^Stimmen in ber ©antäte mürben an3gefüt)rt
oon grau 90Zilber=§auptmann unb gräulein Bonbra,
bann ben sperren SSilb unb gorti.
93e§ügtic£) auf biefe ©antäte fei) ertoäljnt, ba^ Beetfyoüen
ben ©ntfci)(uf3, felbe in Sftufit gu fetjen, einen Ijeroifdjen
genannt, tveil bie Berftfication fdj(ed)terbing§ einer mufifalifc^en
Bearbeitung entgegen mar. 9cad)bem er felber im Vereine
*) (Sin s2lnftf)lagsettel biefer s#fabemie liegt ttor. Sarauf if± unter
anberu ju lefeu: „SDritienä: ©ine große öottfiiminige SnftrutncntaUßoms
pofition, getrieben auf Wellington? Steg in ber ©d)lad)t bei
SSittoria."
— 246 —
mit bem Didjter barem geänbert unb gefeilt, ber teuere aber
nur bie $erfe „tierböffert" r)atte, marb ba% ©ebid)t bem Siart
93er narb §u gänslidjer Ueberarbeitung gegeben, moburd) ein
großer ßeitoertuft t)erbeigefüf)rt mürbe. Diefe Umftänbe erklären
beutlid) marum ber @eniu§ be§ (Somponiften fid) in biefem
SBerfe nicfjt gu gemoljnter §öf)e erhoben fyat. 2tud) maren Ujm
nur menige £age -mm ÜJäeberfdjreiben tiergönnt. Ueberbie§
nod) mußten bie St)öre, meil üon Dilettanten gefangen, fefjr
leid)t betjanbett merben, benn in jenen klagen allgemeiner Stuf*
regung fetjtte e§ üor allem an £eit uno SWu&c 3" groben.
5lu§äU5eid)nen bürfte unter allen Hummern mot)l nur bie <2otiran=
5trie mit ßfjor unb obligater Violine feUn. — Die $ertag§*
fjanblung §a§linger in 3Bien l)at barum mol)t gettjan, ben
2Beiffenbad)=53ernarb'fd)en £e£t ganz gu befeitigen — abgefefjen
baoon, bafe er nur einem beftimmten Momente gemibmet mar —
unb ber «Wufif ba§> ©ebid)t oon fr $od)ti§: „$ßret§ ber Xon=
fünft" unterzulegen, eine bead)ten3mertf)e Diditung, bie $ftod)(ife
bei feiner 2tnmefenf)eit in 2öien 1822 bereits unferm 93eetf)OOen
Vorgelegt fjatte.136)
Sn 9tüd"erinnerung be§ öor adjt Sauren fdmn gefdjmäcfjten
©efiörjuftanbeä unfer§ Sfteifterä bürfte mof)t gefragt merben,
mie e§ it)tn nunmehr bei Leitung fo großer Drdjefter* unb
Gt)or=9Jcaffen ergangen? Diefer grageOunct folt nun um fo
mef)r zur 33eantmortung fommen, als mir $riebricl) £reitfd)fe
bei (Gelegenheit feiner SKittfjeilung über Sßiebereinfütjrung be§
$ibelio im Sal)re 1814 auSfagen geijört: „öeetf)0üen birigirte,
fein geuer rifj ttjn oft au§ bem £acte." 2öa§ märe ba§ mofjt
für ein Dirigent, ben fein geuer oft au§ bem Xacte rife unb
ein tjinter ober neben it)m ©tefyenber ba§ geftörte ©leicrjgetoicfjt
mieber tjer^uftellen fyätte? — Die oon SBeetljoOen geleiteten
2luffüt)rungen am 8. unb 12. Dec. 1813 in ber Stula ber
136) Mit diesem Texte erschien die Kantate im Jahre 1836 bei
Tob. Haslinger in Wien unter dem Titel „Preis der Tonkunst
(Kantate) für 4 Solostimmen, Chor und Orchester". A. d. H.
• — 217 —
Untüerfität, ferner bie Slttffüfjrimgieit in ben Monaten Januar,
gebruar, üftooember unb £)ecember 1814 im großen 9fabouten=
@aa(, wo fein DirectionSputt meit oorgefdjoben mar unb üftiemanb
it)m au§f)elfenb -\ür Seite geftanben, finb fprectjenbe 33emeife,
bafc er im Staube getoefen, Waffen, fo toie itjre einzelnen
53eftanbt(jeite, gut 51t überhören. 2öer öon ben ©djmierigfeiten
bei (Sinübung unb Seitung ber Sd)(ad)t=Sinfonie einen Segriff
Ijat, mag üie((eid)t an einem präcifen Sneinanbergreifen ber gu=
meiten getrennten Waffen jmeifetn; afö SOJitrotrlenber barf id)
jebod) oerfidjern, bafs an 'Sßraecifion nidjt§ gefefjtt t)at, unb
matjrUd), gegen bie Sdjroierigfeiten in genannter Sinfonie tier*
fdjroinben bie bei Seitung be§ ^ibelio. 5tud) bei bem 5tnei=
matigen Vortrag be3 B dur %xxo in ben Monaten 9Ipri( unb
9J?ai beffelben £$at)re§ geigte ftd) 23eetf)Ooen§ ©efjör nodj Ooü=
fommen bienftbar, minber bie (Stafticität ber Ringer.
2)ie ^otgen aber üon fo großen in einem furgen 3eitt°ume
mieberfyolten ?(nftrengungen eines fränfetnben ©etjor^uftanbeS
tonnten nid)t anber§ a(§ unfyeitbringenb fetju. SSon biefem
.ßeitpuncte t)er batirt namentlich bie gän^lidje Sdjmädjung be§
redeten Dljre<o. — $ragt e§ fidj um bie Ouatification $eet=
tjooen'ö 5um Drdjefter=2)irector überhaupt, fo mirb bei ben
mufita(ifd) ©ebitbeten bie 3tu§fage keinerlei S3ebenfen erregen,
bafj er fein unbebingt guter Dirigent getoefen. (Sin fo(d)er
bitbet ftd) betannt(id) nur bei jahrelang fortgefe|ter Itebung
am fidjerften im ^tjeater, menn er fonft nod) bie natürlichen
Anlagen jum Dirigenten mitbringt. 2$ir tuiffen jebod) au§
Söorfteljenbem, loie fetten ber grofje £onbid)ter mit bem Drdjefter
unb (SI)or in practifdje Sßerüfjrung gekommen mar. £>a§ 2tmt
eine§ 9J?ufifbirector3 forbert unter allen Umftänben unau§gefe|te
^rarjS.
lieber ben @et)öräuftanb nrirb fpätert)itt nod) ©runb unb
SBerantaffung fet)n ju fpredjen. $ur ©teile ba§ nätjer Siegenbe.
9l(§ oben tion ber 5tuffü§rung ber ^aftorat= unb C moll
Sinfonie gerebet morben, warb in ber 9Retf)e Hon §inberniffen
— 248 —
bei jebem bon unferm 9J?eifter ausgegangenen (£oncert=Unter=
nehmen audj ber „enorme $oftenbunct" mit in 23etrad)t gebogen
unb, um bem Sefer einen anfdjautidjen begriff baüon $u geben,
bie Vorlage einiger aus bem Sarjre 1814 batirenben $Red)nung<3=
auSroeife, bie im Original üorrjanben unb mit 9?anbbemerfungen
oon SöeettjoOen'S §anb üerferjen ftnb, oerförod)en.
Sm ßoncerte am 27. gebruar genannten ^cfyTtä tarnen,
roie bereite gemetbet, bie Sinfonien in A dur unb F dur, bann
nod) bie ©djladjt bei QSittoria unb baS Sterlett Empi, tremate,
§ur ?luffütjrung. Die (Soöiatur=$often oon ber A dur- unb
ber ©d)lacfjt=Sinfome roaren bereits bom ©rtrage ber beiben
am 8. unb 12. December 1813 ftattgefunbenen stabenden
beftritten, tjier im $aü otfo bloS bie ßobiatur für ba$ Sterlett
unb bie acfjte ©infonie auf Sftecrjnung 33eett)oüen'S 5U ftetten.
Die oorliegenbe ©pecification lautet in ©umma: 452 gefct)riebene
Sogen ä 12 ^reujer macfjt = 90 ©utben 24 Streiter. —
Der föecificirte Äoftenpunct, baS Crdjefter aüein betreffend
ftellte fidj bei biefem (Soncerte auf 344 Bulben. Dennodj finb
an ber lften Violine nur 7, an ber 2ten nur 6, mit je 5,
trjeilroeifc mit 7 ©ulben, tjonorirte äßufifer nament(id) ange=
füljrt, meil an jeber ©timme ^mei Wlal fo öiel Dilettanten
mitgeroirft tjatten.
3n bem fbecificirten 5(u3roei3 über (£opiatur ber ©antäte
„Der gtorreicfje 2(ugenbüd", jur Sluffürjrung am 29. 9?oo. fteüt
ficfj bie Söogenaatjl auf 1468 */, ä 15 ^reu^er, macfjt = 367 ©ulben
7 treuer.
Die ©efammtfoften ber ?(uffüt)rung ber $ßaftora(= unb
C moll=(Sinfonie, ber $antafie mit ßtjor unb ber Xtjeite aus
ber erften 9)?effe in C dur am 22. December 1808 im Xtjeater
an ber SSien, fotlen fid) auf 1300 (Bulben erhoben fjaben.
Seim ?(nbüd biejer Ziffern löfet eS ficf) roorjl unfdjroer
erroägen, auf roie Ijod) ber ^Bruttoertrag eines folgen ©oncertS
fic£> freiten muffte, roenn für unfern SWeifter einige tjunbert
©utben erübrigt merben follten. $ornet)mtid) roaren es bie
— 249 —
(Sopialien, bie einen 5U großen Streit ber (Sinnafjme abforbtrten.
2öie gan5 anberS fteüt fidj biefer Äoftenpunct feit (Sinfürjrung
ber Sitrjograprjie. 2)arum f'onnte ber pecuniäre 5lu3fa(I nur
bei (Soncerten im großen $Rebouten=<3aal ein günftigerer fetin,
falte !ein ©ing-Srjor gebraucht roorben. Mein in biefen Räumen
rjaben mir ben 9Mfter öor bem Sarjre 1814 niemals geferjen.
SJÖar er fo gtüdüd), burd) bie Unternehmungen im Saufe be§
genannten Safjreg etroas erübrigen 31t tonnen, fo öerbanfte er
e§ §unäcr)ft ben politifdjen (Sonftettationen, in $o(ge bereu mir
bie §errfd)er ©uropa'ä mit irjrem ^offtaate in biefem $>arjre
gu Söien öerfammelt fefjen, bann aber nod) ber aufjerorbent=
ticken 2Birfung feiner ©d)(ad)t=@infonie auf bie Waffen. $)ie
©efcrjenfe ber fremben 9J?onard)en gumeift festen SSeeifjoben in
ben ©tanb, an üftieberfegung eineä fteineä ©apita(§, au§ einigen
öftretcE). 53ank$tctien befterjenb, benfen §u fönnen.
I. $ataIogtfd)e§.
93or 2(ufftellung be§ SSer^eidmiffeg ber in bie erfte ^eriobe
fotlenben Sßerfe rourbe ber fatatogifdjen Unorbnung erraärjnt,
roeldje in Söeetrjoben'S SSerfen befteijt unb gesagt, ba% 5lefcjn=
licfjeS rootjt fetten ober niemals bei einem 9futor borgefommen
fetjn bürfte.
23eüor nun baZ 55er§eict)ntB ber in bie äroeite ^eriobe
faüenben Söerfe aufgeteilt urirb, ift e3 unumgängücf) notfymenbig,
biefer Unorbnung nätjer gu treten, meil fie in biefer ^Seriobe
fdjon einen fjorjen ©rab erreicht. Sie roörtlidje "tDftttrjeUung
eines üorttegenben SriefeS bon bem Verleger Sominif SIrtaria
an 23eetf)ot>en wirb biefeu bebaueriicfjen ßuftanb beftenä con*
ftatiren. Strtaria fd)reibt:
SBien ben 24. £uü 1819.
@uer £>od)trjorjtgeboren! Söeüiegenb überfenbe id) bie (Sor*
rectur, unb glaube feuerfrei.*) Sn bem Katalog Sfjrer Söerfe
fehlen folgenbe 9cummern, roetdje id), orjngeacfjtet aller 9#ürje,
nirgenbs fyabe. finben fönnen, at<§: Dpu§ 46. 48. 51. 65. 66.
71. 72. 87. 88. 89. 103.
Sagegen rjaben folgenbe SBerf'e gar feine Hummern unb
fein Dpu3, al§:
^ibetto;
Duberture §u Seonore; (?(. meint unbejmeifelt üfto. 3, bie
1810 bereits üeröffentücfjt morben.)
(SdjfuBgefang au§ bem ©ingfpiet: „bie ©rjrenpforte";
^olonaife für ^ianoforte, bei SOJedjetti;
tSdjIußgefang au§ bem Singfpief: Sie gute üftadjridjt;
*) (S§ war bie dorrectur ber großen Sonate in B dur; Op. 106.
— 251
9fonbo in C
■ bei ?frtaria:
ytonoo in G J
©ed)3 Sieber bon ©eifert, 9(rtaria;
?lbe(aibe öon Wattfjifon, Slrtarta;
Variations ä 4 mains in C;
Grand Trio pour 2 Oboe nnb engtifctj §orn, ^rtarict;
Grand Quintetto pour 2 Violons, 2 Violas et Violoncell,
Es dur, $rtaria;
Prelude pour Pianoforte in F moll, hiebet;
12 9iebout=£)eutfd)e \ 9f .
12 9febout*3Renuet3 J ^rtaua;
Quintetto in C, pour 2 Violons, 2 Altos et Violoncello,
äRotto;
Scena et Aria (Ah perfido), Cetera;137)
Variations sur une marche de Dressler, ©teiner;
Variations pour Pianoforte sur l'air: La vie est un
voyage. $ßarü§, Sauet;
Sextetto pour 2 Clarinetts, 2 Cors et 2 Bassons, Sßreitfoüf ;
Steber oon ©oetfye unb ätfattljtfon, hiebet;
Statienifdje unb beutfdfje ©efänge, 4 £efte, Cetera;
unb fotgenbe auf ben Katalogen rüdmärtä nod) betriebene
SSerle.
belieben @. Qofyto. bafjer 51t beftimmen unb 5U ertauben,
roeldje oon biegen SSerfen in bie fetjlenben Hummern ein=
gehaltet merben bürften.
(Sben fo erfudjen mir foöflicfjft um eine fdjnetfe (Sjüebirung
ber (Sorrectur.
Sn ©rloartung einer gütigft balbigen Stnttoott üerfiarren
mit §ocf)ad}tung ic.
Söeetrjouen, 31t fetber $eit in 9ttöbling mit ber Missa in D
137) Es mag auffallen, daß hier bei dem als No. 65 bekannten
Werke „Ab. perfido" der Name Peters als Verleger erscheint. Das im
Jahre 1805 erschienene Werk kam bei Hofmeister «Sc Kühnel heraus,
den früheren Eigentümern des Bureau de Musique. A. d. H.
— 252 —
befcfjäftigt, ermieberte atebatb: er Ejabe nun feine gett fid) m^
biefer Sßermirrung abjugeben, fet) überhaupt aufjer Stanb, etraaä
in btefer Sacfje gu tfjun, bie Ferren Verleger rjätten biefe lln=
orbnung fjerbeigefürjrt, fie follen nun feljen, mie fie bamit ;$ured)t
fommen; fdjliefeüd) abreffirte er Slrtaria an feinen (Kollegen
(Steiner u. (Somö. bef)uf3 ber SJiitmirfung ju einer allenfalls
möglidjen (Sntnnrrung. SMeje SSerlaggbjanblung lehnte jebodj
bie SUjeitnarjme ab, inbem fie bereite mit 33eett)oüen auf nid)t
befonberS freunblicfjem gufje ftanb. ^urj öorbjer Jjatte biefelbe
ein abfonberlid)e§ SMfterftücf mit (Sinreifmng groeier fteinen
Sieber Don 33eetfjoöen unter bie Dpu^arjlen fertig gebraut,
objne ben Stteifter früher befragt §u fjaben; e§ finb bie Siebten:
„©er Stfann Don SSort," mit Op. 99, bann „ätferfenftein," mit
Op. 100, be^eidjnet, ein jebe§ blofc au§ 5m ei «Seiten beftetjenb.
Seetfjouen'g ^roteftation gegen foldje Söiüfür mürbe nid)t be=
adjtet. 9Bir erfefjen barau§ ben gort beftanb ber öerlegerifdjen
SRücffidjtSl'oftgfeit gegen äJcafjnungen mie aud) gegen Sntereffen
ber Tutoren, mie (£ingang§ ber gmeiten ^Sertobe fdjon gezeigt
morben.
(S. (S^ernt/S 33emerfung auf Seite 60 be§ §meiten ßaüitetS
feiner dlaüier = Sdjule über bie Sßermirrung in 23eetfjot>en'3
Katalog öerbient mit angeführt $u merben. Sr bemerft: „Uebrigenä
bjerrfcfjt in ber üftummerirung feiner Gomüofitionen eine grofee
Unorbnung, morjer e3 aud) tommt, baf; bie (S ^ i f t e n 5 mandjer
intereffanten SSerfe faft gang unbefannt blieb.'' 2)ie3
begreift fid) erft, menn man erfährt, ba$ einige Hummern brei,
ja fogar öier H)cal norfommen.
$ßo tfjunlid), foll nun bei Sluffteflung be§ $er3eid)niffe$
fomorjt ber ber jroeiten, mie aud) ber brüten ^eriobe angefangen
SSerte auf öorftefjenben 93rief be3 £>. 5lrtaria fjingemiefen merben.
SBieHeidjt gelingt e3 in 3uhmft bocfj eine beffere Drbnung in
ben Katalog 5U bringen, maS allein fdjon jur §erfteüung ber
djronologifc^en Orbnung fet)r ermünfdjt märe. Snbefe of)ne bie
arrangirten SSerfe öon ben Originatien ju trennen unb fie
— 253 —
in eine abgejonberte Kategorie 5U [teilen, bürfte nidjtä er=
fbrie^tid)e§ ju erroecfen fetjn. ©etbftüerftänblicl) fommt ben
Arrangements feine anbere Düu^aljt §u, aB bie be§ Originale.
S)ie burdj fotcfye Stbfonbemng entftefyenben Süden in ben fort=
laufenben Hummern mären für Drientirung meniger anftöjjig,
alz baZ befteljenbe ©urdjeinanber. ©ine $erfe|ung ber Hummern
bei ben Originalen ift barum faum rätt)licf), meil baä publicum
fid) mit ben befteljenben Dpu§§al)len längft tietraut gemalt l)at.
— 254 —
II. äkrjeidjnif}
ber in bie gtöette ^eriobe faüenben $Berfe, nidjt in djrono*
togifdjer Drbnung, mie e3 bei ber erften Sßeriobe tfjuntidj mar,
bietmefjr au§ eben angeführten fatalogifdjjen ©rünben in@ruppen
abgeteilt, xoaä gu leichterer tleberfidjt öerfjelfen mirb. S)er
Sßollftänbigfeit megen mufjte bei einigen SSerfen be^ügüd) itjrer
erftmaügen ?Iuffütjmng in bie rjorauägegangene ^ertobe, be-
gügtict) aber ifjre§ @rfdjjeinen§ im 2)rud in bie fommenbe ge=
fefjen merben, tote e§ fidj fdjjon bei ben ©infonien geigt.
©infonien.
9?r. 1. (Sinfonie in C dar, Op. 21, erfte Sfaffüfjrung 1800,
erfdjien im ®rud 1801, erfter Verleger ^eterä188) in Seidig.
9?r. 2. ©infonie in D dur, Op. 36, erfte Sluffüfjr. 1804,
erfdjien 1804 im Snbuftrie=ßomptoir.
9?r. 3. Sinfonia eroica, Es dur, Op. 55, erfte Sluffüfjrung
1805, erfdjien 1807 im 3nbuftrie=(£omptoir.
9?r. 4. ©infonie in B dur, Op. 60, erfte 3fafffi§r. 1807,
erfct)ien 1808 im önbuftrte=(Somptoir.
•ftr. 5. ©infonie in C moll, Op. 67, erfte 2faffüfjrung
1808, erfdjien 1809 bei 23reitfopf u. §aerte( in ßeipgig.
fftc. 6. ©infonie ^aftorale, F dar, Op. 68, erfte Sluffityr.
1808, erfdjien 1809 bei Sreitfopf u. £aerte(.
9?r. 7. ©infonie in A dur, Op. 92, erfte Sluffüfymng
1813, erfdjien 1816 bei ©teiner u. 6omp. in Sßien.
9?r. 8. ©infonie in F dur, Op. 93, erfte 2(uffüfjrung
1814, erfdjien 1817 bei ©teiner u. (Somp.
2Mington3 ©ieg, ober bie ©djtadjt bei QSittoria, Op. 91,
erfte Sluffütjrung 1813, erfdjien 1816 bei ©teiner u. Gomp.
(Soncerte für ^ianoforte mit Drdjefter unb bie gantafie
mit Gtjor.
91. 2. (Soncert in B dur, Op. 19, erfte Sluffüfjrung 1800,
erfdjien 1801 bei £ofmetfter u. Äüljnet in Seipjig.
138) = Hofmeister & Kühnel (Bureau de Musique). A. d. H.
— 255 —
Ta. 3. (Soncert in C moll, Op. 37, erfte Sfaffüljr. 1804,
erfcf)ten 1805 im Snbnftrie-Somptoir.
9^r. 4. (Scmcert in G dur, Op. 58, erfte 5tuffüt)rung ?,
erfcrjien 1808 im 3nbuftrie=(5omptoir.
SRr. 5. (Soncert in Es dur, Op. 73, erfte Auffuhr. 1812,
erfdtjten 1811 bei Sßreittopf u. ^wertet.
gantafie mit (Sbjor, C moll, Op. 80, erfte Sfoffüfa 1808,
erfcfjien 1811 bei Sörcitfopf u. Jpaertel.
(Soncert in D dur, für Violine, Op. 61.
@rfte Aufführung 1806, erfcfjien 1808 (§ugleict) mit oem
Arrangement at§ ßoncert für Sßianoforte) im Snbuftrie^omptoir.
ßoncertino in C dur, für ^3ianoforte, Biotine unb
SSioIoncett, Op. 56.
(Srftc Aufführung 1808, erfcrjien 1810 im 3nbuftrie*(£omptoir.
SBerfe für ®efang unb Drctjefter.
A. (StjriftuS am Detberg, Santate, Op. 85, erfte Auffüfj-
rung 1803, erfcrjien 1811 bei 23reitfopf u. §aertet.
B. gibetio, Oper, Op. 72, erfte Aufführung 1805, erfcrjien
tfjeüroeife in öerfcfjiebenen Sauren bei 53reitfopf u. ^wertet,
bei Artaria unb audj bei ©imrocf.
C. 9J?effe in C dur, Op. 86, erfte Aufführung 1808,
erfcfjien 1813 bei Sßreitfopf u. §aertet.
D. £)ie Ruinen öon Attjen, Op. 113 u. 114, erfte Auf-
führung 1812, erfcrjien tfjeüroeife in öerfcfjiebenen Sauren,
erfter Verleger Artaria.
E. S)er glorreiche Augenbüd, @etegent)eit§cantate, Op. 136,
erfte Aufführung 1814, erfcrjien um 1836 bei §a§linger.
Duüerturen für Drcfjefter.
A. ßu bem fallet „«ßrometjjeuS", Op. 43, erfte Auf-
führung 1801, bie gan^e 9Jcufit 511 $|3rometfjeu3 in öerfcfjiebenen
Arrangements erfcfjien 1802 unb 1805 guerft bei £>ofmetfter.
— 256 —
B. ßu (Soriolan, C moll, Op. 62, erfte Stoffüfjrung 1807,
erfdjien im 3nbuftrie*(£omptoir.
C. 3u (Sgmont, F moll, Op. 84, erfte Stoff üfjr. 1808,
erfdjien 1811 bei 33reitfopf u. Jpaertel.
D. ßu gibetio, Op.72, SRo.l, C dur, ersten um 1836 bei
£msiinger; 9?o. 2, C dur, erfte Stoff üfjrung gfeidjjeitig mit ber
Dper 1805,139) erfd)ieu um 1842 bei Sreitfopf u.£aertet; 9?o. 3,
C dur, erfte Stoff ütjmng gleichzeitig mit ber Dper 1806, erfdjien
1810 bei Söreitfopf u. £aerte(; 9?o. 4, E dur, erfte Stoffüfjrung
gleichzeitig mit ber Dper 1814, erfdjien bei Sreitfopf u. £mertel.
E. 3u $önig ©tepfjan, Es dur, Op. 117,140) erfte 8tof*
füfjrung 1812, erfcfjien 1828 bei §a3tinger.
©eptett, Es dur, Op. 20.
(Srfte Stoff übjung 1800, erfdjien 1801 bei ßütjnet u. £of=
meifter.
©ejrtett, Es dur, Op. 81b.
©rfcfjien 1810 bei ©imrod in 93onn.141)
Cuintette.
Op. 16, Es dur, für ^ianoforte, Oboe, ©larinette, £>orn
unb $agott, erfdjien 1801 bei üDMo.
Op. 29, C dur, für 2 Biotinen, 2 SütoS unb SSiolonceü,
erfdjien 1803 bei SBreitfopf u. feiertet.
139) Das ist vom Standpunkt der Chronologie noch immer
strittig. A. d. H.
140) Das Autograph der Ouvertüre ist überschrieben: „Partitur
zu Ungarns Wohlthäter". Die Ouvertüre, im Jahre 1815 dem Verleger
übergeben, ward im Jahre 1826 als erschienen angezeigt; sie ist be-
titelt: „Große Ouvertüre (in Es) zu König Stephan. Geschrieben zur
Eröffnung des Theaters zu Pesth". A. d. H.
141) Nottebohm teilt unter op. 81 b mit: „Eine einzelne ge-
schriebene Stimme (Corno lrao), im Besitz von G. Nottebohm, ist von
Beethoven überschrieben: „6tett von mir". Gott weiß, wo die andern
Stimmen sind. Erschienen im Jahre 1810 bei N. Simrock in Bonn
unter dem Titel: „Sextuor pour deux Violons" usw. A. d. H.
— 257 —
Ouartette.
Op. 18, F dur, G dur, D dur, C moll, A dur, B dur*),
crfdjien 1802 bei WloUo.
Op. 59, F dur, C moll, C dar, erftfjteu 1807 im Snbuftrie*
(Somptoir.
Op. 74, Es dur, erfdjien 1810 bei Sörettfopf u. §aerte(.
■Jrio'ä für Sßianoforte, Violine unb SStoIoncelX
Op. 70, (D dur unb Es dur), erftf)ien 1810 bei Sreitfopf
u. §aertet.
Op. 97, B dur, erfte Stuffüfjrung 1814, erfdjien 1816 bei
©teiner u. (Somp.
(Sonaten für ^ianoforte unb Biotine.
Op. 23, A moll, erftfjien 1801 bei 9Mo.
Op. 24, F dur, erfdjien 1801 bei 9Mo.
*) ®ie brei erften biefer Quartette finb im Sa^re 1801 bei 93JoHo
erfdjienen. Sie (Sompofttion bativt bemnad) au§ ben legten Sauren ber
erften ^Jeriobe. Stuf bie folgenben brei in C moll, A dur unb ß dur
finbet eine ©teile cm£ 23eett)ot>en'§ Sßrief au§ bem ^afyxe 1801 an feinen
greunb .tarl Slmenba in Kurlanb 23eäug, ber fidj bereits 1799 ton ibm
getrennt t)atte. (©tet)e (Stngang ju biefer ^Sertobe.) SDiefe Stelle lautet:
„Sein Quartett gib ja nicbt rueiter, tr>ei( id) e§ fet)r umgeänbert t)abe,
inbem id) erft je£t redit Quartette ju fdjreiben weife, roa§ ©u fcrjon feben
wirft, roenn ®u fte erhalten wirft." 142) — 2Ba3 motzte wobt aber 23eetboöen
befiimmt rjaben, biefe fed)§ Quartette unter einer Dpu&=3ab,l berau35u=
geben, ba er bod) nodj bamalä £>err feinet SBiUenS war? ©ola^er Ueber==
flufe ftebt bodj root)l im fdjreienbeu ©egenfajje mit ben Kleinigkeiten, benen
fpäterbtn, wo fein SBiße nidjt rnebr beamtet worben, (wie wir geferjen) bie
©Ijre wiberfafjren unter bie Qpu&3ai)Un aufgenommen ju roerben, j. 33.
Op. 99 unb 100 — jroei winjige Sieber. 143)
142) Den hier von Seh. angezogenen Brief vgl. man B. S. Br.
No. 35 (I. Band). A. d. H.
143) Op. 99 ist das Lied „Der Mann von Wort, Gedicht von
Kleinschmied", op. 100: „Merkenstein-Lied für zwei Singstimmen mit
Klavierbegleitung, Gedicht von Rupprecht". A. d. H.
8t. (Sambiers Seet^oöen«53iogva^ie. 17
— 258 —
Op. 30, (A dar, C moll, G dar), ersten 1803 im 5n=
buftrie=ßomptoir.
Op. 47, A dur, erfdjien 1805 bei ©imrod.
Op. 96, G dur, erfdjien 1814 bei ©teiner u. ßomp.
©onate für ^ianoforte unb SHotoncetl.1*4)
Op. 69. A dur, erfdjien 1809 bei Sreitfopf it. £aertef.
(Sonate für Sßianoforte unb §orn.
Op. 17, F dur, erfdjien 1801 bei §ofmeifter u. ÄüJjneL
(Sonaten für ^ianoforte allein,
(üftebft 1 ©onatine unb 1 ^antafie.)
Op. 22, B dur, erfdjien 1801 bei Ä'üfjnel.
Op. 26, As dur, mit bem STrauermarfd), erfdjien 1802
bei Sot). (Eappi in SSien.
Op. 27, (Es dur, Cis moll), erfdjien 1802 bei Solj. Sappi.
Op. 28, D dur, erfdjien 1802 im 3nbuftrie*6omptoir.
Op. 31, (G dur, D moll, Es dur), erfdjien 1803 bei
üßägeli u. ©imrod.
Op. 49, (G moll, G dur), erfdjien 1805 im Snbuftrie-
ßomptoir.
Op. 53, C dur, erfdjien 1805 im 8nbuftrie=Gomptoir.
Op. 54, F dur, erfctjien 1806 im 3nbuftrie=(Somptoir.
Op. 57, F moll, erfdjien 1807 im 3nbuftrie=Gomptoir.
Op. 77, (ftantafie), G moll, erfdjien 1810 bei SBreitfopf
u. ^aerteL
Op. 78, Fis dur, erfdjien 1810 bei Sreitfopf u. £>aertel.
Op. 79, (©onatine), G dur, erfdjien 1810 bei Sreitfopf
u. §aertel.
144) Diese Sonate op. 69, die Gleichenstein- Sonate, ist vom.
Sommer 1809; auf das seinem Freunde übergebene Exemplar schrieb
der Komponist die wehmütigen Worte auf: „Inter Lacrimas et Luctum":
vgl. Thayer II, 83 und B. S. ßr. No. 198 (I. Band). A. d. H.
— 259 —
Op. 81a, (Les Adieux), Es dur, erfdjien 1811 bei Vreitfopf
u. £aertel.
Variationen für ^ianoforte allein unb aucfj mit
Segleitung.
Op. 34, fectjä Variationen ü6er ein Driginal*£fjema, F dur,
erfdjien 1803 bei Vreitfopf u. £aertet.
Op. 35, fünfaerjn Variationen mit einer $uge, Es dur, er=
fcfjien 1803 bei Vreitfopf u. £>aertel.
Op. 76, Variationen, D dur, erfdjien 1810 bei Vreittopf
n. §aertet.
Op. 44, üierserjn Variationen, Es dur, für ^ßianoforte,
Violine unb Viotonceß, ersten 1804 bei $ßeter§.146)
Op. 66, jttjötf Variationen, F dur, für ^ßianoforte, Vio=
line unb Violoncelt, erfdjien 1799 bei 5lrtaria.
(2luf beibe teuere SBerfe tneifet Der borfteljenbe Vrief
2Irtaria'3 gleichfalls f)in. 3öie in§befonbere bie „ßwölf Varia=
tionen" §ur Dpu^arjl 66 fommen, ift rätljfelf)aft, ba fie gu
ben früljeften (Sompofitionen unfer§ WztfttxZ gälten, unb barüber
im erften Sarjrgang ber 9lttg. 9ttuf. 3*9- bereite eine fritifdje
Slnjeige enthalten ift. — £>a3 SErio für 2 Dboen unb englifdj
£>orn, mit Op. 87 be^eicfynet, gehört unftreitig aud) in bie erfte
sßeriobe gurücf.)146)
145) Peters = Bureau de Musique = Hofmeister & Kühnel.
A. d. H.
146) Das Trio für zwei Oboen und Englisches Hörn, als op. 87
erschienen, stammt aus früher Zeit. In Thayers Chronol. Verz. No. 52,
S. 25 ist vermerkt: „Aufgeführt in Wien 23. Dez. 1797". Das Werk
hatte ursprünglich die Opuszahl 29. Aloys Fuchs gibt 1794 als Ent-
stehungsjahr an. Es ist angezeigt von Artaria & Co. in der Wiener
Zeitung vom 12. April 1806 (cf. Thayer 1. c): „Beethoven Grand Trio
pour 2 Violons et Viole tire d'un Trio pour 2 Hautbois et Cor Anglais
(op. 29)." Nach Nottebohm (unter op. 87) „ist die Übertragung des
1. Satzes für 2 Violinen und Bratsche von Beethoven revidiert".
A. d. H.
17*
— 260 —
Ütomanjen für Biotine mit Begleitung eineä
Heinen Drdjefterä.
Op. 40, G dur, erftfjien 1803 bei Äitynet u. £ofmeifter.
Op. 50, F dar, erfdjien 1805, erfter Berteger?
Op. 25, ©erenabe (D dur) für $löte, Biotine u. Bratfdje,
erfd)ien 1802 bei (Simrod
£)ie in biefe Sßeriobe fallenben Sieber unb ©efänge finb
meift fct)on im Sontejtc mit aufgeführt.
— 261 —
III. SBectyotoen'g mufifalif^cr (Sfiaralter.
2öer möchte ntcijt bei 21nbtict biefeS ^ergeidjniffeg über
bie beifpietlofe $rud)tbarfeit be§ 23eett)oüen'fcljen ®eniu§ in aßen
©attungen muftcatifctjer (Sompofition, aber auct) über ben raft*
lofen ^lei^, ber im geitraume öon nur t)ierget)n Satiren
biefe3 alle§ t)erüorgebract)t, in Gürftaunen geraden? SBäre
biefem audj nict)t met)r gefolgt, fo t)ätte fidE) ber 3fteifter burdj
ba% $ort)anbene fetjon einen ?ßla§ nnler ben in ber Sfttnft*
gefct)icf)te tjeröorragenbften Scannern gefiebert, beim bie SSölfer
@urotoa'§ Ratten in it)tn fetjon einen ber oberften Vertreter i£»rer
Gtuttur unb tt)re§ 9?ut)me§ in (Sactjen ber STonfunft erfannt
unb öeretjrt. SSie roenig bie Shtnftfritif; im (fangen gu biefem
Gürgebnifj beigetragen, ift buret) bie angeführten ©teilen barau§
fattfam bargelegt morben. ®arum öerbient aber gerabe ber
SKann unter allen feinet ©leiten tjerüorgetjoben gu »erben,
ber \\ä) einer ber erften bom (Sf)oru§ getrennt, bie alten Sßor=
urteile für §er!ömmlict)e§ unb (SingefebteS mögtictjft abgefdjüttelt
unb fid) beftrebt, bem ©eifte ber 23eett)oben'fd)en S£onbid)tung
im allgemeinen unb ©pecieüen redjt nat)e $u tommen unb fomit
bie $adel gu beffen ©rlenntnifj t)od) aufmridjten. 2Sorau§geIjenb
fdjon, aB ber fritiftfjen 33eurttjeilung ber C moll-<5infonie in
ber 5tllg. 9)?uf. ßtg. (Srtoätjnung gefd)at), toarb $lmabeu§2öenbt
genannt. §ier foll nun bem SSerefjrer S3eett)ot)en'ö ein 9Ucet)rere§
au§ ben ©tubien biefe£ erleuchteten Sßorgängerä üorgelegt unb ba=
mit äugleid) ber ®an! gegoltt merben, ben Seber if)m fctjulbet. ®enn
i|m gebührt ber 9Rut)m, ben b\§> batn'n öerfannten unb angefeinbeten
Sonbidjter in feiner SSef enl)eit ben ßeitgenoff en tennen gelehrt unb ba=
mitgteicfjfamein benfnmrbige§$erfö§nung§tt)erf üoEbradjt §u tjaben.
2)er fiebenje^nte Saljrgang (1815) ber 2111g. 9ttuf. 3tg.
betoafjrt in 6 Hummern: „©ebanfen über bie neuere £on=
fünft, unb öan SBeetfjoöen'ä Sftufif, namentlich beffen
gibelio, öon *ßrof. 5lm. Sßenbt."1*7)
147) Die Gerechtigkeit erfordert es, daß neben und vor Wendt
— 262 —
SfuS biefer umfaffenbcn 2(bt>nb(ung möge tjier nur ein
Keiner 93rucf>tt)ei( an'8 £age§Iid)t ge5ogen werben, ber btö SM*
gemeine ber SBeetfjoben'fdjen 9Jcufif betrifft.
Wadjbem fic£) SSenbt ü6er Stjarafteriftif in Sejug auf
Cper einteitenb au§gefprodjen unb Stto^art ben gebüfjrenben
(£f)renplat5 angemiefen, get)t er unter ber beförderen Ueberfd)rift:
„SBeetfjoöen'ä muficatifdjer ßfjarafter" gu feinem eigent=
(idjen ferner über unb fätjrt fort:
„Obige ©ebanfen oerantafjte ba§ SBerf eines ÜMfterS,
beffen reifer cotoffater ©eift burd) äRojart unb §at)bn mU
§ünbet, au§ ber romantifd)en Snftrumentalmufif fid) g(eict)fam
einen 2)om big in bie SSolfen erbauet r)at ©djmerlid) ruirb
it)n ein nod) (ebenber (Somponift an 9?eid)tf)um großer unb
ernfter muficatifetjer Sbeen übertreffen, bie nid)t burd) Seetüre
ober 5tnt)örung ber Stonftüde SCnberer, fonbern burd) felbfteigene
(Srtjebung in ein nod) nie Betretenes ©cbiet erzeugt gu fetjn
fdjeinen; fdjmerlid) einer an ft'üfjnljett ber ^Ijantafie, beren gtug
un§ (ruie in ber Sinfonia eroica) balb auf ba$ ©djtadjtgefübe
trägt,1*8) roo bie golbenen Hoffnungen ber Golfer unb eine
glorreidje ^etben^eit untergetjen, tuäljrenb eine anbere iljren
2luferftet)ung3tag feiert, balb in ben <2d)Oo3 ber Reitern Sftatur
unb in bie muntern 9teit)en ber fröljüdjen §irten, mie in ber
länb(icr)en ©infonie. 2ßir motten bamit feine§meg3 bie be=
fdjreibenbe ober malenbe SO^ufif in (Sdjutj nehmen, gu metdjer
$eetf)otien, ttrie fein Seigrer §at;bn, t)injuneigen fd)eint; benn
einige (Sinfätte fdjer^after Saune abgeredjnet, bleibt Sßeettjooen,
zwei Namen genannt werden, die mit Erkenntnis das Bauner Beet-
hovens hoch getragen haben: Bettina von Arnim und E. Th.
Amadeus Hoff mann. Deren Bedeutung ist geschildert in des
Herausgebers neuestem Buche „Beethoven und Berlin" 1909.
A. d. H.
148) Wohl zu beachten ist es, daß Beethoven uns in der Eroica
nicht auf ein wirkliches Schlachtfeld führt, sondern „geistige"
Schlachten ausführt. Wie Wendt, so huldigt auch noch A. B. Man
diesem Irrtum. A. iL li.
— 263 —
ma§ ber Stfufifer feint fann unb fott, 3Mer be$ ©efürjts, unb
tüie baä ©efütjt überhaupt nidjt orjne ©ebanf'en ift, fo derben
bie in £önen feftgef)a(tenen (Stimmungen ber $ߣ)antafte be<§
gentaten Xonfünftterg aud) in Silbern gegenftänblid); er fcfyaut
bie (Situationen, beren (Stimmung er fcfjilbert, unb bie Sin*
fc^aulidjfeit, meldje feine Sonbitbungen in tt)rer Erregung unb
©ntfterjnng für it)n rjaben, fann mofjt oft ben ©rab erreichen, ba^
er btö Sidjtbare unb örtlidj SSeftimmte gefdjUbert ^u fjaben meint.
3n ber S|at aber ift 23eetf)oOen'3 äRufif fo menig @d)il*
berung be3 SStrfücfjen unb (begebenen, baf$ fte oietmerjr jebem
©efübjte einen unbefdjreibtidjen, unb ungemölmlidjen ®rab ber
3nnigfeit unb Xiefe erttjeitt, unb ber mufit^funbige <See(en=
forfdjer an Q3eetrjotien'3 Sftufit' redjt mafjrnerjmeu tonnte, meldjeä
Umfanget unb metcfjer SKannigfattigteit Oon ©efütjlen ba$
menfdjiidje ^>er§ fäfjig ift. Sa roenn man SBeetfyooen aud) nur
barnad) meffen motlte, fo mürbe er üiefteicfjt t)ierin Oor allen
feinen mufteafifdjen 3e^Se"°[fen fjeroorragen. ©eine ©efürj(3=
maunigfatttgfett ift unermefe(id), feine £öne üerfünben immer
eine nie empfunbene, nie genoffene SBonne, ba§> Ueberirbifdje
ober Uuterirbifdje mirb an ben irbtfdjen Sliang get'nüpft, unb
ftet§ erfdjeint er neu unb unerfdjöpfiid).
£>od) mirb man batb bemerfen, bafj in feinen muficalifdjen
3)arfteflungen ba$ @rof$e unb (Sotoffate öor^errfc^enb ift.
35enn ob mir itjn g(eid) barin ben muficatifdjen Srjafe3peare
nennen möchten, bafe e§ if)m eben fo roofjl mögtidj ift, ben
tiefften Slbgrunb be§ fämpfenben ^ergenS, mie ben füfjen Siebet
Sauber be§ unfdjutbigften ®emütf)e§, ben tjerbften, tiefften
©cfjmera, mie baZ fjimmetf)od) jaudjgenbe (Sntjüden, ba§> (Sr*
tjabenfte, mie ba% 2iebtid)fte in £önen ju fd)ilbern unb au§=
gufpredjen,*) fo neigt bod) fein ©eift $u ben £)arftelTungen
*) SBeldie SSerfc^ieben^eit üon bei- nmnberfüfeen, tieffinnigen Gelobte
jit betn ©oeüje'fdjen ,,3d) beult ©ein," ober bon ber tueljmutljSt'OÜ'en
Stbelatbe an, bis 31t bem 5litanen!ainpfe in ber genannten Sinfonia eroica,
bet tein Mofeer gauftfamöf ift! 8. SB.
— 264 —
tieffinnigen ®rnfte§, feuriger ©dnoärmerei unb erhabener $rad)t
mit öoräügticrjer Siebe Ijin, unb fetjt bie t)öct)ften Effecte in
fyarmonifdje 23etuegung. SSir erklärten un§ biefe<§ bafjer, ba^
SBeetljoüen'ä ©eniug bie STonfunft unter §arjbn'<S unb 9J?o,}art'§
güfjruug suerft im ©lan^e ber Snftrumentatmufif er6licfte; fte
mit originellem ©eifte nod) meiter au^ubüben, mar it)m bie
nädjfte Stufgabe feinet £eben£. (Sein tiefet geniales Stubium
erforftfjte ben öerborgenen ©etfi jebe§ 3nftrumente<§, unb menn
mehrere feiner ^eitgenoffen nur biefes ober jenc§ öortt)ei£t)aft
anjuroenben, unb bie SSirfung §u benutzen oerfteljen, fo fennen
mir feinen tebenben £onfe£er aufter il)m unb üielleidjt Gljerubini,
ber jebe§ Snftrument nacf) feinem eigentt)ümlid)en ©eifte in fo
origineller ÜDfannigfattigfeit unb munberbarer S3erbinbung an-
gumenben üerftetjt.
SBer biefe 9J?ad)t über bie ©eifter ber £öne errungen §at,
mufj aud) nottjmenbig ben fräftigen £rieb füllen, biefe §err=
jdjaft ju üben; biel fann auf bie t)öd)fte 3£eife nur bei ber
3nftrumentat=9)cufif gefdjefjen, meldte mieberum nict)t um jeber
$leinigfeit mitten, fonbern nur burd) bebeutenbe unb
mächtige ©emüttjSbemegungen in Seiuegung §u fe|en ift.
2Bo er fidj aber ber ganzen 9ftad)t unb ^ütte ber $>nftrumentaf=
mufif bebient, ba mirb aud) ba§> Unerhörte in ber üftufif möglid),
unb eine überirbifcfje ®raft fommt in ben 9J?enfd)en, fo bajj er
fid) in folgen Momenten ber Semotjner einer t)öf)eren Sßett 3U
fetjn mäf)nen fann. 9cid)t um bie frafttofe fölage, nidjt um bie
fd)tt>äd)tid)e ©mpfinbfamfeit, mit einem 9Infdjein öon Slraft $u
übertüncfjen, nid)t (mie ba% Wlotto mehrerer neueren 3>nftrumental=
Somponiften fjeifjen fönnte, bie fefbft jur Smpfefjlung eine§ ge=
meinen $töten*@oncert3 bie ^eiligen ^ßofaunen unb alle 3n=
ftrumente in 33eraegung fe§en), um mit ^Bietern menig $u
tt)un, fonbern um bie mannigfaltigen ©einölten ber SOcufit in
einem unerhörten, ungeheuren ©inbrud ^u nerbinben, bie $ßer=
lieifjungen be§ romantifdjen ©eifteso in ber Sftufif ^u erfüllen,
bie uns üorgüglid) 9#0 3art gab, muffen alle Snftrumente ftd)
— 265 —
bereinigen, ja ber Sfteifter fetbft 6et)errfc^t fte mit berfelben
9J?ad)t, tüte ber Virtuos fein einzelnes Snftrument. Unb in
ber STfjat fc^eint audj bie 3nftrumentat=9föuftf: i§ren Ijödjften
©taug erreicht 31t fyaben, mo, mie bei *8eetf)oben, alle Snftrumente
feiner £ontt>erte, ja alle Snftrumente be§ gangen Drd)efter§ —
g(eid) bem einzelnen SSirtuofen auf feinem Snftrumente gu=
fammenfpielen muffen. £>ier ftefjt fein eingetneS für ftd), aüe
bilben in unenbfidjer 2tbmedj§Iung unb SSerfnüöfung gteidjfam
ein (ebenbige§ S£on=Uniüerfum.*)
@o glauben mir 23eerf)oben'3 größte $nftrumentat=@ompo=
fitionen gefdjilbert gu t)aben. 2e^tere§ a6er bem 9J?eifter gum
53ormurfe machen, fann nur ber Saie, ober ber 9)?ufifer, ber
bie $raft unb 53ebeutung feiner Äunft mifjtierfteljt. £>enn mie
überhaupt bie ©djtoiertgfeit nur eine retatibe ift — benn
fonft mürbe man ftatt gu ÜDlo$art, §at)bn, dfjerubini fortgu*
fdjreiten, bei filier, 23enba, Sßanfjatt u. f. m. ftetjen geblieben
fetm: — fo ift ba§> ®efe§ ber $unft: mit menigem SSiel aud)
nidjt ba§ t) ö (f) f t e ber Sfrmft — fonft mürben bie leidjteren
Gattungen ber SCRufit, 5. $. Sieber gum (Statrier, bie f)öd)ften
fetjn, unb bie italienifdje 9)Jufif unbebingt ben 23orgug öer=
bienen; — im ©egenttjetf mufj e§ in jeber Äunft eine ©attung
geben, me(d)e ber ergebenen .^unftmittet ftd) in iljrem gangen
Umfange bebienen unb baburd) bin umfaffenbften (Sinbrud ifjrer
Äunft geigen mufc."149)
*) SSöre e§ bodö bem trefflid^en üftttgltebe be§ leipziger Äunfitribitnate
öergönnt geroefen, aud) bie neunte ©tnfonte pt Ijören!
149) Schindler hat dafür gesorgt, daß das Wort von den Leip-
ziger 0 in alle Welt getragen ist und wird. Seh. hat aher zu
erklären vergessen, daß den Leipzigern damit schon deshalb unrecht
geschieht, daß er, wie Beethoven selbst, sie allein als beschränkte
Geister hingestellt hat. Denn jede Großstadt hat ihre 0 Der
Tiergarten jeder Kapitale ist — äußerlich wie innerlich — gewaltig
groß. So hat Wien, Paris seine 0 , und nun erst Berlin, wo
man ja sprichwörtlich sagen darf: 0 Gott, wie groß ist dein Tier-
garten! Und darunter muß besonders die Erkenntnis Beethovens leiden.
— 266 —
Was für Tintenkulis nehmen da die papierne Sella curulis ein? Diese
Spezies ist ja die inkarnierte Streberzunft. Von Geist ist bei ihnen
kein Hauch zu spüren. Der Gang dieser Tintenkulis ist gewöhnlich
folgender. Sie stecken sich hinter einen namhaften Mann, dem gegenüber
sie das Speichellecken bis zum Ekel erfüllen. Und so strebert sich das
durchaus rückständige Kulivolk von Staffel zu Staffel empor. Von
Kunst, zumal von Beethoven, hat das keine blasse Ahnung; dafür
sitzen sie auf ihrer papiernen Sella curulis, und verhängen Tod über
alles Neue, Bedeutende, denn sie verstehen absolut nichts. Sie be-
kommen's sogar fertig, heute über ein und denselbigen Mann Hosianna
und morgen über denselbigen aus irgend einem äußeren Grunde das
Kreuzige zu rufen. Aber schnell genug ist der Tintenkuli fort-
geblasen, und ein anderer ähnlichen Gelichters folgt ihm. Und dann
kräht kein Hahn nach einem solchen Nichts. Der Tintenkuli behält
den traurigen Ruhm, diesem oder jenem verdienten Geiste die Lebens-
tage verbittert zu haben. Aber der Tintenkuli stirbt nicht aus.
A. d. H.
— 267 —
VI. äSormürfe bcr ©djttHeriajfeit unb UntJerftänblidjfeit.
„$ßa3 bie muficalifdje ©ctjmierigteit anlangt, fo miffen
niete unter un£ fidj nod) ber ßeit jju erinnern, mo in mandjen
Drctjeftern bie Klarinette nod) gan^, bie ^ßofaune überall fehlte,
unb mo man 3nftrumentat=<3tüde taugfam einftubieren mu&te,
bie Ijeut gu £age jebeS flehte Drdjefter oljne 3>?üt)e faft com
blatte fpiett, anbere als unausführbar gurüdgelegt würben, an
benen man fict) jefct überall ergoßt. Sa, oon 9J?05art'S äftufit
ift eS un£ uor^üglid) befannt unb in frifctjem 9tnbenfen, baf$
[ie anfangt öon dielen Drdjeftern unroitlig bei (Seite gelegt
mürbe, unb bei benen, roeldje bie itatienifdje SHuftE 2(Hem üor-
gietjen, nod) fjeute übet berüdjtigt ift. ©etbft mürbige SDMnner,
mie Ritter nad) 2lnt)örung tion Sftogart'S Cosi fan tutte,
mußten auf ifjrem befdjränften ©tanbpuncte bamafö fagen, e§
tonne au§ bem Sftanne mofjl nod) etraaS raerben, aber er arbeite
§u fctjmütftig.
SBtr bürfen fjierin nictjt uergeffen, bafe eS ©eifter gibt,
meld)e irjrer $eit mit bem ©eniuSflüget §uüoreilen, unb erft
nact) fpäterer 3e^t bietteidjt erft bon ber üftadjmett, ba§> böltige
unb tieffte SBerftänbntfc ifyrer Söerfe ermarten. $ant'S S3ei=
fpiet in ber pjitofopljie, SHooftorf'ö, ©et) tu er 'S unb
©oetlje'S 25eifbiet in ber ^oefie, beren erfteS 3tuf treten üom
publicum fo menig begünftigt mar, baJ3 bie gemeinen SHecen=
fenten bamatiger ßeit1B0) biefelben mie ifjreS ©teilen betradjteten
unb befjanbetten , fetbft 9tto§art'S angeführtes SBeifptel, beffen
£)on Suan u. f. m. tjeut^utage bem muficatifdjen publicum
jebeSmat einen muficalifdjen unb tfyeatratifcfjen f^efttag bereitet,
ba man früt)ert)in bem untjeimüctjen ©eifte, ber in biefer er=
tjabenen Oper maltet, gteicfjfam aus bem 2öege §u gefjen fdjien,
jeugt baüon.
ßu ben ©eiftern biefer 3lrt gehört auet) Q}eett)oOen. 99?ef)rere
150) Das sind die rückständigen Tintenkulis ihrer Zeit.
A. d. H.
— 268 —
feiner Snftrumentat^ompofitionen (aufeer ben angeführten 5. 35.
bie grofee C moll Sinfonie) beftätigen bie§ fcrjon jetjt, unb fein
gibelio — mir magen bie3 ju proptjeseifjen, mirb eö autf)
fünftig beftätigen, je met)r er in meifter haften Aufführungen,
bie er eben fo fetjr tierlangt als öerbient, roirb genoffen unb
«ietfeitig betrautet roorben ferjn. ®enn ba§ ift ba$ matyrrjafte
tanaetdjen großer Sßerfe, bafj fie mieberljott gen offen, immer
meljr befriebigen, unb burct) Betrachtung ber unenbticfjen ©djön*
f)eit, metdje ba§> ©an^e umfdjftefet, immer reicheren ©eiiuft
gemäßen, fo roie ba3 aufmerffame Auge am unberoötften
§immet immer mehrere SBelten finbet unb entbecft."
Sn roefcty rjorjem @rabe biefe im Sarjre 1815 au§ge=
fprocfjene ^roprjeäeirjung be§ Seidiger Stunftgetetjrten in (£r*
fütlung gegangen, meif$ bie ©egenmart au^ufagen. Sn fpe^ietter
Be^ierjung auf gibelio ift 2t. SSenbt tmdj reiflicher Prüfung
unb Bergteicfjung ber urfprüngtierjen ©eftattung ber Dper mit
ber in groei Acte gufammengegogenen ju einem AuSfprud) ge=
fommen, ber gteicfjfaflg in (Srinnerung gebracht ju merben öer*
bient. (Sr tautet: „2)ie Duüertüre abgerechnet, finb bie Ber=
änberungen ber beibehaltenen ©tücfe gan-j unmefenttitf), fofern
fie nidjt mit jener llmftettung ber ©cenen in Berbinbung fielen.
£>a nun aud) burefj biefe Umftetlung ber ©cenen für ba%
£)ramatifd)e ber Dper menig gemonnen, ja ba§> Sftifcoerrjättnifj
ber Stete nur Dergröfjert roorben ift, fo mürben mir auefj jeber
3)irection ratzen, biefe Dper im Sßefentticfjen lieber in ber
urfprünglicrjen Bearbeitung aufführen gu taffen, unb finb gemifj,
bafj bei miebertjottem ©enuffe präeifer unb begeifterter Auf-
führungen berfetben, fomotjl üon (Seiten ber «Sänger at£ be3
Drd)efter§, bie matjren ^ftufiffreunbe fie immer allgemeiner an*
erfennen, unb ifjren tarnen banftar in ba§> üftationaf^eitig*
tf)um eingraben merben, in meinem SöcogartS göttliche Dpern
prangen."
SDafe jeboef) ber ©djarfblid be§ forfdjenben ©d)riftfteiler§
in biefer Abrjanbtung ein nad) jeber ©eite toöflig unbefangener
— 269 —
Wäre, ba$ SSenbt nictjt nadj mehreren Segierjungen f)in bennoer)
ben 3ögting feiner $eit nnb ifjrer atigemeinen Befangenheit
öerrietlje, barf oernünftigerweife laum oorauSgefetjt werben.
Offenbare 23eWeife üon 3eit=Srrtpmern liegen in bem 2lb=
fctjnitte „23eetf)ooen'3 Lanier" gu Sage, bie gegenwärtig befferen
Ueberjengungen meidjen mußten. (Sin SSeifptet öon 3eit=3rrtt)um
in anberer S5e^iet)ung mag ßeugnift geben. 2öenbt fagt: „SBiete
Sßerfe S3eetf)oüen'§ 5. 23. mehrere feiner (Sinfonien, (Sonaten,
tonnen nnr al£ muficatifcfje gantafien gefaxt unb gewürbigt
Werben. Sn it)nen Oerliert aud) ber aufmerffame 3u^)örer ben
©runbgebanfen oft gan§ au3 ben 2tugen; er finbet fid) in einem
rjerrlictjen Sabrjrintrje, wo auf allen Seiten üppige^ @ebüfd)
unb wunberfettene ötumen ben Solid auf fid) gießen, bod) otjne
ben gaben in bie ruhige §eimatt) Wieber §u gewinnen; be§
$ünftler§ gantafie fliegt unauftjattfam weiter fort, ^utjepuncte
ftnb fetten gewährt, unb ber (Sinbrud, wetcfjen ba3 grütjere
rnadjte, Wirb buret) baZ «Spätere nietjt fetten ausgetilgt; ber
©runbgebanfe ift gan§ öerfdjwunben, ober fdjimmert nur auä
bunfter gerne in bem gtuffe ber bewegten Harmonie rjerüor."
Sängere ßeit nad) bem (5rfd)einen biefer 5lbrjanbtung ergab
fid) eine paffenbe Sßerantaffung berfetben in einem @efpräd)e mit
S3eett)ooen 51t erwähnen. ®a erwieberte ber SOceifter: „(S§ ift
biet 2Bei3t)eit, aber aud) diel Sdjutüerftanb barin. Sie fottten
fie balb wieber tefen, unb nad) einigen Satiren wieber." Sßeiter
feinertei Stnmertung, fein SSinf. —
33Selc6e§ war Wot)l ber redjte Sinn biefer oratelljaften
SBorte? (Sollte mit bem $orberfa£ (2©ei^t)eit) bie ewig un*
wanbetbare 2ßat)rtjeit, — aud) in Segug auf feine SSerte —
mit bem üftad)fat$e (Scfjulöerftanb) etwa ba3 gemeint fenn, Wa§
eine fpätere $eit mobificiren, reformiren werbe? Sßielleicfjt!
<perber fagt: „2ßo für alle Reiten ^e gorm 0aftet)t, (wie in
S3itbt)auer= unb SJMertunft) ba raufe fid) nottjwenbig ba§ itr*
ttjeil fortwätjrenb an it)r fdjärfen, berichtigen, ergänzen. SlnberS
fd)eint eS aber mit bem §u fein, xoaä in ber Suft üertjattt —
— 270 —
mit SOZuftf unb ©pradje. 2£er fann bieg roeUenergiefcenbe 9#eer,
mo jebe SSoge mit bem 9Iugenbtid üerfcrjtoinbet, unter (Sitten
23lid f äffen, in ©ine g°rm befdjränfen? ©afjer urteilen
Nationen, 3e^ten^ SKenfdjen, über 9J?ufif unb Sßoefie fo üer=
fdjieben! 2)af)er ueränbern fid) biefe fo fef)r mit Nationen,
ßeiten, 3Renfd)en! <So fdjeint eS, bie Regeln be§ (£in-
üerftänbniffe§ liegen aber bennod), fomoljl im Material bet
SÜuttft, at§ im ©ubject ber, biefe fünfte geniefjenben, immer
nur menfd) tidjen (Smpfinbung. £)ie Sßerfyältniffe ber Harmonie
finb allen SSölfern biefetben; bie @mpfättg(id)feit unfern Drganä
fann grabroeife geübt, atfo aud) berechnet unb compenfirt
toerben: mittjin ift ein allgemeiner Sftafjftab, ein (Sinüerftänbnifs
mögtid)."
©ritte ^eriobe.
OSon 1815 m pm Sobe.
Itnb btö ©djicffal lafiet fc&toer
unb immer fernerer auf iljm.
Sm Sßorroorte gu £)id)tung unb Sßafjrljeit gibt ©oetlje
bem SSiograpljen fotgenben SSin!: „(£§ fcfyeint bie Hauptaufgabe
ber 23iograpf)ie gu fetjn, ben SDcenfdjen in feinen ,3eitüerf)ält=
niffen barguftetten, unb gu geigen, in liefern if)m ba§ ©ange
miberftrebt, in roiefern c§ ü)n begünftigt, tt)ie er fid) eine 3BeIt=
unb 9Jcenfd)enanfid)t barau§ gebitbet, unb liefern er fie, roenn
er $ünft(er, £)ict)ter, ©cfyriftfteHer ift, roieber nad) 2lufjen ab*
fpiegett."
Der SSerfaffer glaubt biefen 2Binf öerftanben unb in ben
abgetjanbetten Venoben treu befolgt gu §aben. 3Me mancherlei
(Situationen, in benen mir unfern Reiben getroffen, bie (Sonflicte
balb mit £ergen3angetegenlj)eiten, batb mit Verlegern, mit feinen
Sörübern, $reunben, ober mit ben 2Beltt)änbetn im allgemeinen,
maren in§gefammt ber 5(rt, ba^ fie motjt nicf)t ben abfonber*
lidjen gugegäljtt werben tonnten, ffllit alleiniger 2tu3nat)me be§
galleS, ber un§ in bem 9ftuftfer gug(eict) einen Sßotitifer bor=
geführt unb fürbertjin a(3 folct)er nod) unfere 5(ufmer!famfeit
in Stnfprud) nehmen mirb, fjaben bie anbern bodj manches mit
ben SBorfommniffen in anberer Sücänner SebenSöerfjättniffen
gemein. £>a3 oben gefefjene SSergeidjnif; ber Sßerfe au§ ber
groeiten ^ßeriobe bemeifet gur ©enüge, mit raetdjer geftigfeit ber
ÜDtofter feinen ureigenen 2Seg berfotgte, ofjne fid) burd) ben oft
geringen Seifalt feiner ^eitgenoffen beirren gu taffen. 5tud>
— 272 —
Reiben bie mandjertei SSiberfprüdje in 3öort unb Xfyat bei
unferm Weifter nod) nidjt bie ©eftatt angenommen, bafj fte in
bie Kategorie be3 StufjergemöijnHdjen, 5(uffaUenben, menn aud)
nidjt MtägUdjen, 5U ftellen mären. Snbefj: Tempora mutantur,
et nos mutamur in Ulis.151) 2)iefe§, mie aud) be§ obigen
<5a£e§ öom SOceifter ©oetfye, merben mir unä im Verlauf biefer
Sßertobe öftere gu erinnern ©runb Ijjaben.
£)iefe ^ßeriobe mirb 23eetf)oDen in gan§ oerfdjiebenen
(Situationen aufftnben (äffen, ^ßroceffe ber mibertidjften ?frt
unb bortfjer entftanbene (Sonflicte mit ©erid)t3t)öfen; Attentate
auf feine ©eifteäprobucte Don greunbe3f)anb ausgegangen;
gamilienungtüd; fctjnöber Unban! unb anbere§ nod) auf feine
@emütt)3oerfaffung nadjtfyeüig ©inmirfenbe, — ba§ maren bie
©cfjidungen, bie faft in ununterbrodjener Reihenfolge itjm be=
gegnet finb; 5U btefe ber ürfadjen, burd) meldje anbauer nbe $er=
ftimmungen herbeigeführt morben. £>ortf)er ergeben fidj aud)
für ben 53iograpb,en bie SSemeggrünbe, bei Slufäeidmung ber S3e=
gebenfyeiten grofcenttjeUö ein anbereS SBerfaljren einfd)lagen ,^u
muffen, inbem bie frau3 burd)einanber (iegenben Singe eine
djronotogifdje üftebeneinanberfteüung nidjt burdjmeg gulaffen.
5tu§ biefer (Sjpofition erftefjt man, meld)' unangenehme,
aber aud) fdjmierige Aufgabe §u töfen fetin mirb. 2)iefe ber
SBatjrtjeit entfpredjenb 31t löfen märe unmögtid), f)ätte nidjt ba§
©efdjid ben SSerfaffer biefen Singen in unmittelbare 9^är)e ge=
bradjt unb märe ii)tn nidjt befdjieben gemefen, in $otge eine§
freunbfdjaftttdjen Sßerfyättniffeä gu bem £onbid)ter bei ben metften
95ortommniffen mit tljätig feUn gu fönnen. SSie biefeS 3}erf)ä(t=
nifi entftanben unb mie e§ fid) im £aufe ber Safjre geftaltet
Jjat, foll bie^mat im ^ntereffe ber ^u löfenben Aufgabe au3=
151) Das Wort wird in der folgenden Form zitiert: Tempora
mutantur, nos et mutamur in Ulis; es wird auf Lothar I. (795 — 855)
zurückgeführt, der aus einem Kaiser zum Mönch wurde. Nach dem
überliefernden Schriftsteller Borbonus heißt das ursprüngliche Kaiser-
wort „Omnia mutantur, nos et mutamur in illis". A. d. H.
— 273 —
für)rtid)er mit-jutfieUen nidjt unterlaffen toerben, löte in ber
erftett Bearbeitung gefct)et)en.
Bor ©rgreifung be§ f)iftorifd)en $aben3 nrirb e» x&tfßfy,
einen Büd auf Beetljoüen'3 näheren $reunbe3frei§ ^u werfen,
um §u feljen, tüetct)e öon ben (£tngang§ ber graeiten s$eriobe ge~
nannten 9Jiitgtiebern tt)rt nod) umgeben, metdje im gortfdjreiten
ber $eit abgegangen, unb roetdje biefe letzteren mieber erfettf
hatten, überhaupt au§ metdjen Männern biefer ÄreiS bei S5e=
ginn unb im Bertaufe ber Sßeriobe beftanben. 2)ie ©egner
Beetf)Oüen'<o tjaben biefen $unct befonber§ ftarf betont unb erft
neulich, tjat Sttejanber 11(16 tfdt)eff in feinem Budje: „Beet-
hoven, ses critiques et ses glossateurs", barüber auSgefagt:
„©djinbler t)atte fid) Beethooen ergeben, mie man fid) fonft bem
Teufel ergi6t, mit Seib unb ©eete. (£r blieb. 5fnbere maren
weniger au§bauernb, unb aßmähtig bitbete fid) (Siufamfeit um
ben großen Äünftfer. @r faf) fid) öertaffen öon feinen beften
unb ätteften greunben, öon benen er nur einige auf feinem
Stobbette löieberfah."
2)a§ 2BaIj)re an biefer 5lu§fage mirb au§ ben fotgenben
äftittfjetfungen fid) ergeben. Vorläufig feti bemerkt:
Sei ©d)itberung ber Borgänge im Sfohre 1813 gab e3
Berantaffung, ben dürften ßidjnomäfy mit feinen unoeränbert
liebreidjen ©efinnungen gegen unfern 9#eifter an^ufütjren. 9ttit
gteidjer Stjeitnahme umgaben ibn nod) immer bie bemätjrten
greunbe: @raf äftoritj ßtdjnotoSftj, Baron $ßa3qua(ati,
Stephan oon Breuning, oon QmeZtall, ©treidjer,
©c^uppan§igt), Äanne, unb bie fpäter hinzugekommenen:
9JJae(äet, Dliüa unb $art Vernarb. Sfcur ©raf BrunS*
töid unb Baron ©teidjenftein maren bei Beginn biefer ^ßeriobe
au§ bem Greife gefdjieben, erfterer, um feinen 9Bot)nj"i§ in Sßeftlj,
ber anbere aber, in feinem §eimatt)tanbe Baben, §u nehmen,
©rftercn greunb fah. unfer 3fteifter feitbem noclj oft in 3Sien,
ben anbern nur mefjr 1824 bei feinem ber öftreicfjifdjen §aupt*
ftabt gemalten Befud)e. gerbinanb 9vie3 t)atte fdjon 1805
S(. @djtnb(cr§ 5Beetfjot>cn=8iogra))0ic. jg
— 274 —
SSSien üerlaffen. Sei feiner 9?üdfefjr au§ SHufetanb, im Spät*
fjerbft 1808,162) üermeitte er 6to§ bie erften SSintermonate bafetbft.
SlöeS rjienieben ift \a ber Sßeränberung untermorfen, mie
rjätte nidjt audj biefer fdjöne $reunbe3frei3 ©leidjeä erfahren
füllen! ©d)on 1814 Ijaben mir ben (Senior, ben dürften
SidjnotoSft), au§> bem Seben fdjeiben geferjen, nadjbem ifym bie
$reube gemorben, feinen Siebling auf bem fjöcrjften ©ipfet be§
9?urjme3 erbliden %u !önnen. Snt Saljre 1816 berliefj ©d)up=
pan^ig^ SBien, um bie Seitung einer Sapelle bei einem 2(be(icrjen
in 9?uf$(anb $u übernehmen.153) @r fetjrte erft 1823 mieber in
bie £>eimatfy gurüd. Um 1817 üertiefe and) Oliüa bie Slaifer*
ftabt für immer, um in ©t. Petersburg eine Sßrofeffur ber
©eutfdjen Siteratur anzutreten. Snt Seilte 1817 erfolgte bie
(Snt^meiung mit bem getreuen greunbe S3reuning. 2>ie3 mar,
nebft ©djuppanjigr/g Entfernung, ber fjärtefte SBerfuft für 33eet=
tjoben. 2Bar ©rfterer ber oftmalige Anreger (aufteilen aud)
©ränger im eigenen Sutereffe) §u (Sompofitionen ober 2Iuf=
füfjrungen, fo mar bagegen ber 5Inbre ber ftets befonnene unb
uneigennützige äöegmeifer unb Reifer in bebrängten Momenten.
S)ie SBieberoereinigung mit biefem alten $reunbe erfolgte erft
im Safyre 1826;154) mitttermeile mar man aber beiberfeit§ um
152) Ferd. Ries hatte auf seiner Heise nach Rußland manches
Abenteuer zu bestehen. So wurde das Fahrzeug, auf welchem sich
Ries in Schweden eingeschifft hatte, unterwegs von den Engländern
angehalten. Sämtliche Reisende mußten als Gefangene acht Tage auf
einer wüsten Felseninsel zubringen, bis Ries endlich in St. Petersburg
anlangte, von wo er in Gemeinschaft mit Bernhard Romberg eine
Konzertreise ins Innere Rußlands unternahm. A. d. H.
153) Über Schuppanzighs Rückkehr aus Rußland und Beethovens
launige Begrüßung des getreuen Kunstgenossen konnte ich bei Ge-
legenheit der Mitteilung des drastischen Kanons von Beethoven:
„Falstafferel, Falstafferel usw. laß dich sehen" vieles aus den Kon-
versationsheften des Jahres vorführen. Vgl. den Kanon vom 26. April
1823 in B. S. Br. No. 965 (IV. Band) nebst Erklärungen. A. d. H.
154) Die Wiedervereinigung des Meisters mit seinem bewährten
Jugendfreunde Stephan von Breuning erfolgte weit früher, als es
— 275 —
neun Sat)re älter geworben. — $n ben perföntidjen $8ert)ätt=
niffen ber anbern greunbe fjatte fid) nad) unb nad) auct) manches
öeranbert, ba§ Sßeranlaffung gemefen, fid) gegenfeitig feftener gu
fet»en. (So mujjte SSeetljoben be§ Umgangs mit ßmelfatl ent=
beeren, roeit biefer eine 9^eif>e üon Sauren burd) ©id)tteiben
an'3 ftranfenbett gefeffeCt mar, unb ®anne gog fid) in fpäteren
Sauren auS if)n allein betreffenben ©rünben üon aller ©efell*
fc£»aft gurüd. £)od) üerbüeb er nod) Äririfer quand meine,
aud) Hefj er ftd) nod) gumeiten üon 33eetf)oüen gu £ifd) eintaben.
SO^it biefem ©onberting ot)ne ©teilen üerloren fid) bie 8m=
üulfe gu oft fyartnädigen, für bie Stnmefenben fet)r intereffanten
unb befeljrenben Gontroüerfen groifcfyen beiben Äünftlern, Oon
benen ber eine Oormärt§, ber anbere aber rüdroärtä gu flauen
liebte,155) bereu funfttfjeoretifdie mie äfttjetifdje 2lnfid)ten nur
fetten übereinftimmen rooUten. (<Siel)e 9Mf)ere3 unter 1 ber
„ßtjaraftergüge, (Eigenheiten, u. f. m.")
(Einige biefer Süden mürben a(3balb mieber aufgefüllt, unb
groar burd) ben £of* unb ©erid)t§aboocat Dr. Sofjann 23aüt.
$8a<§ unb ben SSerfaffcr biefer ©cfjrift, enbtid) gu 9lu§gang ber
Sßeriobe 1825 nod) burd) Gart §olg.
Unb nun fet) e§ geftattet in gebrängter Äürge Oon ben
gufäüen gu füredjen, meiere ben Sßerfaffer in unmittelbare 9?äl)e
23eetf)oüen'§ gebracht. 3lu§ ber ©djilberung ber ben Sfteifter
betreffenben SSertjältniffe unb £)inge mirb fief) aud) beigefyenb
ergeben, mie nad) unb nad) id) mir beffen £t)eitnaf)me, 23er=
trauen unb ßuneigung ermorben tjatte.
Schindler hier angibt. Bei Gelegenheit des Briefes an dessen Freund,
der mit den Worten beginnt: „Hinter diesem Gemälde, mein guter,
lieber Steffen" (No. 94, 1. Band), habe ich die Beweisführung — Tbayer
folgend — unternommen, daß diese Aussöhnung lange vor 1826 statt-
gefunden haben muß. Man darf Aussöhnung und Brief getrost ins
Jahr 1804 verlegen; cf. B. S. Br. 1, 147 f. A. d. H.
155) Der rückwärtsschauende Kunstbruder war natürlich F.
A. Kanne. A. d. H.
18*
— 276 —
@in roorjtrjabenber 9ftufiffreunb, 9camen§ ^ettenfofer,
rjatte im Verlauf be3 SßinterS öon 1813 auf 14 einen an=
ferjnlid)en Sh:ei3 öon jungen £euten alle (Samftage in feinem
§aufe gur 5lu§füt)rung öon Snftrumentalmufif mit öotlem Dr*
cfjefier üerfammelt. liefern Greife, bem mehrere meiner llni=
öerfität§=greunbe angehörten, (barunter aud) §err Dr. Seopolb
©onnleitrjner, ben ber Sefer bereite ©ingangg ber groeiten
^ßeriobe fennen gelernt rjat,) rjatte idj mid) gleichfalls ange*
fdjloffen. Sn einer Verfammlung gu ßnbe 9J?är§ 1814 erfudjte
mid) einer meiner ycadjbarn am ^ßulte um bie ©efäüigfeit, am
folgenben Vormittage Veettjoöen ein bittet üon feinem ßerjrer
(Sdmppanäigf) übergeben $u motten, ba er felber üerrjinbert ferj;
in bem bittet fei öon einer beabf tätigten $robe bie 9tebe,
unb Veetljoöen, al§ Sttjeitnetjmer baran, tjabe barauf bloä mit
Sa ober üftein §u antroorten. üKit greuben übernahm id) ben
Sluftrag. 2)er SBunfd), bem Spanne nur einen Stugenbticf
narjeftetjen gu tonnen, beffen üSßerfe mir feit einigen Satjren
fcfjon bie t)öd)fte ©tjrfurdjt für itjren ?Iutor eingeflößt rjatten
(id) äätjtte bereite 18 Satjre), er fodte nun fo unüerrjofft unb
in fo feltfamer 2öeife in Erfüllung getjen. 5lm anbern borgen
ftteg bemnad) ber 23tlletträger mit flopfenbem §er5en bie üier
treppen im ^asqualati'fcfjen £)aufe tjinauf unb roarb fogleicf)
burd) ben fdjneibernben S3ebienten $u bem am ©djreibtifd)
fitjenben äfteifter geführt. 9rad)bem biefer ba£ Statt eingefetjen,
teanbte er fidj §u mir unb fagte „Sa"; nad) einigen rajcf)
nod) fjinjugefügten 5raSen toar 0*e ^fubien^ §u &töt. 2tber
an ber £t)ür ertaubte id) mir ein SSeitcfjen $u öerfjarren, um
ben Sftann, ber bereite im ©ctjreiben fortgefahren, fctjarf gu
beobachten.
tiefem, in bem £eben£lauf be§ armen ©tubenten bi§ barjin
faft roicrjtigften ©reigniß folgte bau) bie S3efanntfct)aft mit
©d)uppanäigrj. @r bereite mir eine (Sintrittsfarte §u bem Don
irjm am 11. 5lpril oeranftalteten ßoncerte, mobei Seetrjoüen
fein grofteä £rio in B dar, Op. 97, §um erften SCftal fetber
— 277 —
üortrug. Söet biefer ©elegenfjeit trat id) fd)on mit mef)r $vl=
üerfidjt bem großen Reiftet nalje, irjn erjrfurd)t§öolI grüfjenb.
©r erroieberte freunblid) unb geigte, bafj er fidj be§ 23illet=
bringet erinnere. $u oen 9roBen 5(fabemien am 29. üftobember
unb 2. SDecember beffelben 3afjre§ erhielt id) burd) ©dmöpan-
gigt) bie (Sinlabung gur 9ftitmirfung. $)abei ergab fidj mieber-
fjoft bie fcf)idfticf)e (Gelegenheit bem ©cfjööfer ber A dur-@infonie
recfjt naf)e 51t fetjn. — 2)ie3 mar bie ungefucfjte (Einleitung §u
fernerer 21nnät)erung. ^neju märe jebodf) fdjroertidj fobalb ein
©djritt gefdjerjen, rjätte nidjt fur§ nacfjtjer ein mid) rjart ge=
troffeneä äftifjgefdjid SSerantaffung gegeben.
SSir befinben un§ mit unferer ©räärjlung in ben Sagen,
mo ber (Sarbonari3mu§ in Stalten §u fpufen begonnen, in golge
beffen Seber, ber fidj oon einem Orte gum anbern beraegt, baZ
Sftifjtrauen ber $oti5ei=33ef)örben erregt rjatte. ©efteigert mürbe
btefeS äftifetrauen burdj bie im öftreidjifdjen %$oik etraag %u
taut au§gefürodjene @t)möatt)ie für Napoleon bei Setanntmerben
feiner (Sntmeidjung bon Gtlba. $n biefem ßljor fjat bie ge=
fammtc Sugenb ejcellirt, unb ber SSerfaffcr madjte feine 2tu3=
narjme. ©emifc nur burd) QufaU fanb, mit legerem (Ereignift
äufammentreffenb, ein an fiel) unbebeutenber Tumult in einer
ffeinen graction ber Wiener ©tubenten ©tatt, ber aber nidjts
befto meniger 21uffeljen bei ben $öel)örben erregte, fo ba§ fogar
ein öon allen ferjr bereiter ^rofeffor öon feiner Seljrfansel
entfernt morben.
©egen (Enbe gebruar§ 1815 folgte id) einem antrage §ur
Uebernaljme einer @r§iet)erftette nad) 93rünn. ®aum bafetbft
angelommen erhielt id) eine SSortabung gur ^oli^ei. Sd) mürbe
befragt, in roetdjer Sßerbinbung id) mit einigen ber Sumuttuanten
an ber SBiener Uniüerfttät ftefje, id) follte ferner SluSfunft geben
über einige Italiener in SSien, mit benen id) öfters jufammen
gefefjen morben. ®a nodj meine £egitimation3=$ßabiere, üor-
nerjmücfj ber 2tu3roei3 über frequentirte (SoHegia, ntc£)t in guter
Drbnung geroefen, legerer roirflid) mangelhaft mar — nid)t
— 278 —
burdj meine @d)utb — fo marb id) festgehalten, ungeachtet ein
rjodjfteljenber (Staatsbeamter für mid) 93ürgfd)aft gu leiften ftcfj
erboten £)atte. ©urd) §in= unb <perfd)reiben mürbe nadj einigen
2Sorf)en ermittelt, ba$ id) fein Sßropaganbamadjer, fonad) ber
greifyeit mieber gu geben fet). ?fber ein öotteä Saljr in meiner
afabemifd)en ßaufbatjn mar Oertoren.
SBieber nad) Sßien gurüdgefommen erhielt id) aföbatb uon
einem nähern Sefannten 23eetlj)oüen'3 bie ©intabung, mid) an
einem beftimmten Drte einjufinben, inbem ber Stteifter ben
Vorfall in Q3rünn au§ meinem Sftunbe fjören motte. $ei biefer
äWittfjeUung offenbarte 23eetf)Oüen eine fo moljtrootfenbe %tyiU
nafyme an meinem mibrigen (Srlebnife, baf3 id) mid) ber Xfyränen
nid)t ertueljreu fonnte. ©r forberte mid) auf, mid) öftere an
bemfetben Drte unb gur felben ©tunbe, 4 Uf)r Nachmittags,
einfinben $u motten, mo er faft tägtid) 31t treffen fet) — um
ßeitungen gu lefen. (Sin §änbebrud befagte nod) meitereS.
tiefer Ort mar ein abgelegenes Zimmer ^n oei' 25iertuirtt)fd)aft
pm SBIumenftod166) im 23aKgäf3d)en. 3d) fanb mid) red)t oft
ein, unb eS bauerte nicfjt lange, fo lernte id) biefeS Socal at§
eine Duafi=$rrmta einer f leinen §(1150^ ^ofepfyiner oon
reinftem SSaffer fennen, 5U benen unfer £onmeifter eben feine
3)iffonan5 gebitbet, benn fein repubticanifdjeS ©faubenSbefenntnifi
!t)atte burd) nähere, in biefe 3e^ faßenbe 23et"anntfd)aft mit ber
engtifdjen ©taatSoerfaffung bereits einen empfinbtidjen ©tofe
erlitten. @in (Eapitain oon ber 2trcieren=Seibgarbe beS ÄatferS,
unb ber bem muficatifcfjen SBien allgemein befannte ^)err
$Pinteric£, ber in gran^ ©djubert'S Eünfterleben eine midjtige
156) In den Zeiten der Vormundschaftsprozesse wohnte Beethoven
hier in der Nähe, „im Blumenstöckel neben dem Wiener Zeitungs-
Comtoir". So lautet die Adresse des Wiener Magistrats auf einer
Eingabe des Meisters vom 30. Oktober 1819: „Ludwig van Beethoven
Kapellmeister und Compositeur wohnhaft im Blumenstöckel" usw.,
enthalten in Schindlers Beetboven-Nachlaß Mappe I; cf. B. S. Br. No.781
(IV. Band). A. d. H.
— 279 —
9Me fpiett, roaren be§ 9#eifier§ näcfjfte ©efeUfdjafter unb im
fetaufd) pottttfdjer Stnfidjten foroorjt anregenbe, tüte and)
ü6ereinftimmenbe Secunbanten. SSon btefem Orte aus folgte
td) tf)m aföbatb oft auf feinen (Spaziergängen. Sdjon 1816
farj er ftdj in SSerpItmffe öerroidelt, bie ü)m öiele Sd)reibereien
oerurfad)ten. Dr. SBadj, in beffen (Sanjtei idj tägtid) einige
Stunben gearbeitet, empfarjt if)m alles mir anvertrauen. 3d)
rourbe atfo SBeetrjOüen'S ©erjeimfecretär — ofjne ®erjatt. £)iefe§
^errjättnifc führte ba(b anbere gerbet. Ueberrjaupt, if)m natf)
Gräften gefällig gu fetm, jätjtte id) üon jener ßeit bis §u feinem
§infd)eiben gu meinen ^fticfjten. Sarin mar nur gegen (Snbe
feine§ ßebenS eine rurz anbauernbe (Störung eingetreten, üon
melier am geeigneten Drte ber ©runb angegeben roirb. Unb
foldje Eingebung nennt ber burd) unb burcr) bem großen %on=
bitter feinbtid) gefinnte Ulibifdjeff: „Sicfj mit Seib unb Seele
bem Teufel ergeben."
I.
©er 2lu§gang ber ^roeiten ^eriobe rjat uns ben £onbid)ter 1815
auf einer Stufe be§ 9iurjme3 erbtiden laffen, bie roorjt als eine 6t©
ber erfjabenften be^eidjnet roerben barf, bie je bon einem 9J?ufifer 1820,
im Verlaufe feines ShtnftftrebenS erreicht roorben. SSergeffen
mir aber nicfjt, bafj e§ bie $rud)t §roan5igjä§rtgen raftlofen
SftüljenS geroefen. £>er roeltrjiftorifcfje Moment, mit roetd)em
biefe SRufjtneSfeier gufammentraf, fonnte ntdjt üerfetjten baZ @r=
eignifs §u ben gtan^Ootlften 51t geftatten, meiere bie @efd)idjte
ber Xonfunft je ju öerjeidjnen rjaben roirb. SOcan üergebe ba%
fdjeinbar Ueberfd)roänglicfje be§ 2lu3brud§, menn hinzugefügt
roirb, bafc faft alle am SBtener (Songreffe oerfammetten §errfd)er
©uropa'3 bie 9?ul)me3urr"unbe unfereä Stfeifterä befiegett fjaben.
©erabe in jenen Sagen roarb ber rufftfdje ©efanbte, ©raf
$afumoro§ft), oon feinem beim (Songreffe anroefenben ®aifer
in ben gürftenftanb erhoben. 2)ie3 gab nebft ben geroörjnticfjen
— 280 —
„Reunions" im Sßalcifte biefe§ ®unftmäcen3 am £>onaucanat
23eran(affung 51t $eft(td)t>iten auf;erorbentlid)er 2lrt, gu bcnen
imfer 23eett)ooen ftetö fjinjuge^ogen morben. ©ort mar ber
SÜJMfter ®egenftanb allgemeiner Slufmerffamfeit oon ©eitert aller
$remben; benn e§ ift (Sigenfd)aft be3 fctjöpferifctjen, mit einem
gemiffen £)eroi3mu3 üerbunbenen @enie§ bie 2tufmerffamfeit
aller (Sbten auf fiel) 51t gietjen. Ober, ift e§ nietjt £)eroi§mu£
l\x nennen, ruenn mir ben Stonbtct)ter mit SBorurttjeiten jeglicher
2trt, mit 3tttt)erfömmtid)em in ^infidjt auf feine Äunft, mit
üfteib, ©djelfudjt unb S5ö§roitligfeit ber SDcufifer in 9D?affe, über
atteS bieg nod) mit bem 5U Ausübung feiner ^unft nadj üer=
fd)iebenen Seiten t)in unentbet)rtid)ften ©inn, bem ©et)ör, in
ftetem Kampfe getoafyren, unb ben nod) bie erhabene ©tettnng,
bie er fidj erftritten? Stein SBunber, bafj ein Seber fid) be=
mutete, it)m feine ^ulbigung barjubringen. $on bem dürften
9?afumorü§ft) ttarb er ben anruefenben 9J?onard)en oorgefteltt,
bie i£)m in ben fdjmeidjetfyafteften 2(u§brüden iljre 5(d)tung gu
erfennen gegeben. £>ie ßaiferin üon Sauf^tanb münfdjte ifjn be=
fonber§ gu becomptimentiren. 2)ie s$orftettung fanb in ben
©emädjern be3 (£r§rjer3og^ 9iubotttt) ftatt, in benen er aud) nod)
bon anberen Ijotjen $j3erfonen begrübt morben. ©3 fdjeint, at3
fyabe ber (Srgtjergog ben Xriumpt) feinet erhabenen Setjrers ftetS
mitfeiern motten, inbem er bie fremben £>errfd)aften §u ßu=
fammenfünften mit 93eett)oOen in feiner SÖSotjnung eingetaben
tjat. Täfyt ot)ne 9iüt)rung gebadjte ber grofce SJtofter jener
Sage in ber faifertidjen 33urg unb im ^Satafte be§ ruffifdjen
dürften, unb fagte einftmat§ mit einem gemiffen ©totge, er t)abe
fid) oon ben tjotjen ^äuptern bie Gour machen taffen unb fid)
babet ftetS borneljm benommen.
3m ?tnbtid'e biefer in einem Äünftterteben fo fettenen
Situation redjt lange 31t uermeiten, märe mot)t erfreutief), atiein
bie 23egebent)eiten brängen oormärtg. £>arum mufc bie Strennung
fdjon jur ©tette erfolgen, mic e§ $)inge unb Llmftänbe er=
f)eifd)en. £)iefe t)atten fid) alZbaib berartig geftattet, bafj nid)t
— 281 —
etma öon einer fucccffitoeit, in ßrcifdjenräumen erfolgten, fonbern
üon einer ütötjlidjen Sßeränberung her (Situation gefürodjen
merben mu^. £>, roie fur§ mar bie Stauer ber ungetrübten
greube an bem frifcfj buftenben, fo fdivoer errungenen orange!
2Md)' rjerbes? @d)idfal für einen in reinfter ^Soefte bafjin tebenben
Äünftter urülötjlid) ficfj in einen ®amüf mit gemeinen SBelt*
Rubeln üermidelt ^u ferjen, ber nottjmenbigermeife 33erftimmungen
be3 ©emüttjä herbeiführen unb aud) nocfj anberroeitige folgen
nad) fidj §tet)en mu&te! —
Um mit ^lufäeicfjnung ber üon unferm 9)Mfter erbutbeten
£anta(u£=£lua(ert 51t beginnen, mirb poörberft ein SHüdbtid auf
bie gtorreicfjen Sage be§ 8. unb 12. Secember 1813 nottyroenbig,
an benen nebft ber ©infonie in A dur aud) bie ©d)(ad)t bei
SSittoria gur erften 3(uffüt)rung gekommen, gerner tjaben mir
un§ §u erinnern an 23eetf)oben'3 bei biefer ©etegentjeit üer=
öffentlid)te§ £)anf'fd)reiben, in metdjem am ©djluffe au^brüdüd)
gefagt ift, bafe ber §of=9)?ed)anifer Wlaelftei biefe 3lfabemien
üeranftaltet unb ba$ 33eettjoüen bie <Sd)tad)t=©infonie einzig
für biefen groed üerfertigt unb bem üftedjanifer unent-
getttid) übergeben fyabe. 2ludj ift bereite non einer 6eabftc£)=
tigten Steife biefeö 9tfanne3 nad) ©nglanb ©rmärjnung getljan
morben.
Qu meiterer Drientirung in bem §tüifd)en biefen beiben
greunben Vorgefallenen bebarf e§ aber nod) eineä mehreren.
@d)on im 3at)re 1812 tjatte SO^aetjet bem Stonbicfrjter ba§> 3Ser=
füredjen gemacht, ©etjörmafcfjinen für itjn anfertigen 51t moüeu.
Um ifjn r)ier§u an^ueifem, comüonirte Söeetrjoüen für bie üon
Wadftt neu erfunbene „$JSanf)armonica" ein ©tüd „@d)tad)t=
©infonie." £)er ©ffect biefeö ©tüde§ mar fo unerroartet, bafj
ber äftecfjantf'er unfern SBeetrjoüen aufforberte, e§ für Drdjefter
§u inftrumentiren. tiefer, längft mit bem $(ane befd)äftigt, eine
grofje ©d)(ad)t=©infonie §u fcfjreiben, mitligte in ben $orfd)lag
unb fcfjritt fog(eid) jur Ausarbeitung beö ganzen Sßerfeö. Sftacf)
unb nad) mürben aud) oier ®er)örmafd)inen fertig, üon benen
— 282 —
jebod) nur eine braudjbar befunben morben unb gtoar bie
fleinfte unb einfad)fte oon allen.
2)er erfte 3ufawmenftof3 ber Beiben greunbe erfolgte fdjon
1813 baburdj, bafi ättael^et, allein mit bem Arrangement ber
Afabemie für ben 8. £>ecember befd)äftigt, auf bem Anfd)tag=
fettet §u bemerfen fid) erlaubte, biefe <2d)lad)t=<Sinfonie fet) fein
(Stgenttjum, irjtn üon 23eett)oöen gefdjenft. ©iefer fäumte nirfjt
mit einer ^roteftation gegen fofd)e Anmaßung aufzutreten,
ätfaelzel bagegen replicirte mieber öffentlich), bafj er ba§> fraglidje
SBer! für bie gelieferten @efjürmafd)inen, überbieS nod) für eine
bebeutenbe ©elbfdjutb in Anfprud) nelnne. — tiefer unerquid=
lidje (Streit bilbete ba§> ^orfpiet gu ber beborftetjenben $unft=
feter. 2)a3 Söenetjmen be-3 <pof=9M)aniter§ gegen feinen grcunb
mar überhaupt unter ber SSürbe eines gebitbeten 9Kanne§ unb
blieb längere $eit ber ©egenftanb allgemeiner 9)?tf$bittigung.
©d)on nad) ber erften Aufführung am 8. 2>ecember mürbe
Söeetbjooen aufmerffam gemadit, bafj ^DZaelsel Gelegenheit fudje
fiel) ber Partitur 51t bemäd)tigen. 2)a i|m jebocf bie§ nid)t
gelang, fo richtete er feine Solide auf bie Drcfjefter=©timmeu,
bie gu bemadjen man bei Qtiten oerfäumt bjatte. $on biefen
bradjte er mehrere bei Seite unb ließ fie bann in Partitur
f eisen; ba§> Abgängige roarb burd) irgenb einen 9ftiett)<§maun
hinzugefügt.
Snt 9ftonat April be§ SaljreS 1814 erhielt 93eetf)oüen auS
äftündjen $unbe oon ber erfolgten Aufführung ber ©d)lad)t=
(Sinfonie bafetbft burd) 9)?ael,3el,*) fo mie äugleid), bafj biefer
bort augfage: er muffe fid) mit biefem SSerle für eine ©d)utb=
forberung Oon 400 £)ucaten an 23eett)oüen bezahlt madjen.
9cun mar eS an ber 3e^ @ct)ut3 für SSafjrung feineö
@igentrjitm$ bei ben ©eridjten 5U fudjen. Sn ber für feinen
Aboofaten niebergefdjriebenen Sepofition — bie im Original
borliegt unb unter ben Ergänzungen wortgetreu aufgeführt er-
*) Sie 5Wg. 9Kuf. Btg. XVI, 291, enthält einen 93erid)t aus Wunden
über biefe Muffütyrung.
— 283 —
fdjeint — erffärt ficfj ©eerrjouen barjin: „W\x famen überein,
gum 23eften ber Krieger btefeö SBerl; unb nod) mehrere anbere
bon mir in einem (Soncert gu geben. SSärjrenb biefeS gefdjaf),
fam id) in bie fdjrecflidjfte (Mbberlegentjeit.*) iBertaffen bon
ber gangen 2öe(t rjier in 2Bien, in (Srroartung eine§ SBedjfefö :c,
bot mir 9J?ae(get 50 ©ucaten in ®otb an. Set) nafjm fie unb
fagte itnn, baf3 id) fie it)m t)ier miebergeben, ober itjm baä
SBerf nad) Sonben mitgeben motte, faH§ id) nietjt felbft mit iljm
reifte — mo id) it)n im letzteren gälte bei einem engtifdjen
Verleger barauf anroeifen merbe, ber it)tn biefe 50 Ducaten be=
5a^en folle."157)
gerner ift einer bon S3aron ^agquatati unb bon bem £>of=
unb ©erid)t3=2(bbofaten, Dr. oon Slbtergburg anSgefteltten (£r=
ftärung, fo mie nod) einer 9tufforberung 93eet§ooen'§ an bie
Stontünftter in Sonbon 51t ermähnen. 2lu§ erfterer im Original
bortiegenben, 00m 20. Dctober 1814 batirten Urfunbe gefjt
Ijerbor, bafe Seettjoüen fid) feinet @tgentrjum<§red)te3 auf baZ
fragliche SSert in nichts begeben Ijabe. $n ber 9tufforberung
an bie Sonboner STonfünftter geigt SBeetfjoben ba§> 51t 9ftünd)en
©efdjerjene an, unb erttärt meiter: „£)ie 5luffürjrung bieferSöerfe
(bie ©iege3=©infonie unb bie ©crjtadjt bei SStttoria) burd) §errn
SDcaetget ift ein 23etntg gegen ba§> publicum unb eine 93e=
*) tte&ev biefe guftänbe im ^afire 1813 ift toorgefjenb fefion ein grau
in grau gemattet SBilb aufgefieüt luorben.
157) Die Briefe in Sachen Mälzeis stehen nach den Originalen
aus Schindlers Beethoven-Nachlaß als „Erklärung und Aufforderung
an die Toukünstler in London" vom 25. Juli 1814 in B. S. Br. No. 395
(II. Band); dort befindet sich auch die von den Herren v. Pasqualati
und Advokat C. Edler von Adlersburg abgegebene Ehrenerklärung
(S. 203 des Bandes). Dahin gehört ferner das Schreiben „Für seinen
Advocaten Hr. v. Adlersburg" (Juli 1814), worin die ganze Mälzel-
Sache vorgeführt wird (B. S. Br. No. 394, II. Band). Dieses Schreiben
deckt sich im ganzen mit dem Dokument aus Schindlers Beethoven-
Nachlaß Mappe I, No. 10, betitelt: „Depositum" (cf. Nohl, Briefe,
No. 113, S. 108f.). A. d. H.
— 284 —
einträd)tigung gegen mid), inbem er ficf) it)rer auf einem trtber-
red)ttid)en SBege bemädjtigt Ijat," unb marnt enblidj gegen biefe
r,t>erftümme(ten" SSerfe.*) 358)
2)iefe ?lufforberung f)atte gur ^ofge, ba^ 9J?aetjet eine
STuffüfyrung biefer SBerfe in Bonbon gu unternehmen nid)t
gemagt tjat. 2)ie gerichtliche ©infdjreitung aber in SBien blieb
erfolglos, inbem ber SSerffagte in roeiter $erne getuefen, unb
fein Vertreter ben 9fted)t3E)anbet in ungemeffene Sänge IjinauS
ju fdjieben üerftanb, moburd) bem Kläger namhafte Soften unb
immer neue Sßerbriefjtidjfeiten ermacfjfen ftnb. 2)arum ftanb
unfer SDtofter üon weiterer Verfolgung ab, ba mitttermeUe bie
Sttjatfadje ftrf) Verbreitet unb ben fd)ted)ten $reunb üon neuen
$erfud)en abgefcfjredt tjatte. ©ie ©erid)t§foften mürben „ju
gleichen Streiten aufgehoben." SJZaet^et fam niemals meljr nad)
SSien gurüd, fud)te aber ben Hintergangenen $reunb fpäterrjin
norf) brief(icr) auf, a(3 er beffen @mpfei)lung für fein Metronom
31t bebürfen glaubte, ©iefer Srief Oom 19. Slpril 1818 aus
$)3ari§ befinbet fict) tjier. Sarin füiegett er Seetfjoben üor, er
§abe eine ©efjörmafdjine behufs be§ £>irigiren§ (!) für it)n in
Arbeit, ja, er forbert if)n fogar ju einer mit it)m 5U madjenben
Steife nad) Sngtanb auf. ©eine gufriebentjeit mit bem Metronom
ttjeitte ber Sfteifter bem 9#ed)anifer mit, oon jener 9#afd)ine
aber §at er niemals mieber gehört.159)
2öar biefer Vorfall für unfern SJceifter gleidjfam bie Vor=
fd)u(e ju einer großen ©umrne ifjm roeiterfjin nod) beOorftef)en=
*) SDiefe tlrfunbe erfdjeint unter ben (Srgänjungen.
158) Cf. B. S. Br. No. 395 (II. Band). A. d. H.
159) Alle Mälzel-Dokumente beweisen nur, daß Schindler diese
Angelegenheit sehr richtig dargestellt hat. Die Parteinahme Thayers
zugunsten Mälzeis nützte diesem durchaus nichts. Es kam dahin, daß
sogar Prof. Behncke in seinen neuen Auflagen der Marxschen Beet-
hoven-Biographie sehr stark gegen Thayer zu Felde ziehen mußte.
(Cf. Marx-Behncke, Beethoven, V. Aufl., S. 211 ff.) — Beethovens ver-
söhnlichem Charakter stellt es jedoch das herrlichste Zeugnis aus, daß
er trotz aller stattgehabten Fehden mit Mälzel doch wieder in freund-
— 285 —
ber Erfahrungen auf einem $elbe, auf meinem 'iftiemanb gerne
Erfahrungen §u machen toünfdjt, fo bietet er un§ einen teifen
23orge|d)mad bon bem batb Äommenbeu. Slfö nädjfteS SRefultat
au§ biefem Erlebnifj ergab fid) bei Söeetfjoüen ein in toett
f)öt)erem ©rabe gefteigerte§ äRifjtrauen gegen öebermann in
feiner Umgebung. @§ offenbarte fid) aud) in ber Verfügung,
Oon nun an ha** Steifte in feiner SSofynung copiren 5U taffen.
3)a biefe§ jeborf) nidjt immer t[;unlict) gemefen, fo controlirte
er feine (Sopiften felber, ober tiefe fie burd) 5(nbere überteueren,
gumat bereite gälte oorgetommen, ba}$ felbft biefe Seute, öerfütjrt
burd) Verleger, feine 9#anufcripte Oerfauft Ratten. SBie fetjr
er fortan oon ber 93eforgnife gequält morben, e§ tonne burd)
bie Verleger Unfug mit feinen SRanufcripten gefct)et)e», bezeugt
aud) eine ßufdjrift au m^d) oom 1. Suni 1823 au3 £>e£enborf.
®iefe tautet: ,,©inb bie Variationen (Op. 120) fdjon nad)
Sonbon abgegangen? NB. <So biet idj midj erinnere ftef)t in
ber an ben gürften ©fterlja^t) ergangenen (Sintabung nid)t§ ba~
bon, bafe bie Sfteffe bto3 im Sftanufcript mitgeteilt tirirb, roetcljer
Unfug fann baburefj entfielen, idj bermutfye, bafj hierauf ber
Eintrag §ie(te be§ £>errn % bem gürften bie SO^effe
umfonft anzutragen, zc. bamit £>r. % — gum brüten s3Me ein
SSerf oon mir fteljte; 2Bod)er*) mufj tjierauf aufmertfam ge=
madjt loerben." — £>iefe berbädjtigenbe 3tnmerlung ftefjt aber
nidjt im Briefe, fonbern oon STufcen, unb ber S^ame be§ bie
Stngetegentjeit mit bem dürften beantragenben 9}2ufifoerteger§ ift
beuttid) au§gefd)rieben.160)
*) Sefretair be§ gürfien (Sfierfiast).
liehen Verkehr mit diesem Kunstmechanikus treten konnte. Ein Be-
weis ist der auch hier von Schindler erwähnte Brief Mälzeis an den
Meister vom Jahre 1818 (April). Dieser Brief soll noch zur Charak-
teristik Beethovens in einer voraussichtlichen zweiten Auflage der
Briefe vom Jahre 1818 mitgeteilt werden. A. d. H.
160) Siehe den Brief in des Herausgehers „Neue Beethovenbriefe"
S. 116. A. d. H.
— 286 —
©inen groeiten £rjei( gu biefer $ßorfd)ute 6etrübenber (Sr=
fafjrungen unb folgerecht audj erfdjütternber ©emütrjSbemegungen
bitbete ein anberer 9?edjt3faII, ber fiel) unmittelbar bem mitge*
ifjeitten angeredet rjat.
$ürft Sobforoitj, ber grofee $unft=9JMcen, ber feine Kenner
üornetjmlid) be§ ©efangSmefenS, rjatte fiefj in feiner Äunfttiebe
gu meit üon jener i^inte entfernt, bie ber üorfidjtige §au§rjalter
gtoifdjen |mben unb ©oü niemals aus ben klugen üerliert. SSas
Stauen immer an ©efang$=$irtuofen befeffen, liefe er fommen;
unb in feinem Sßalafte ben SOcuftffreunben rjören. Srjtn üer=
banften fie bie £>ocfjgenüffe, meiere burefj bie Vorträge Don
GreScentini, ©riggi, ber beiben ©efji, unb nodj burd) eine (ange
SReirje anberer itaiienifdjer Äunftgröfeen geboten mürben. 8m
Sat)re 1816 marb biefen §errtid)(:eiten burd) ba§> Ableben beS
dürften ein $iet gefe|t. $ür unfern Xonmeifter aber rjatte
biefer SobeSfatl nocij eine meitere SSebentung; eS mürbe nämtiefj
über fämmtüdje @üter be§ dürften bie gericfjtiicrje ©equeftration
üertjängt unb bem sDceifter bie fernere STuSbegarjtung beS ?(ntrjeii3
üon 700 ©utben, ben ber üerftorbene $ürft in ber 9fJenten*Ui>
fnnbe oom 1. 9D?ärg 1809 an Söeettjoüen gu begasten fiefj üer=
pflichtet rjatte, ftreitig gemalt, (£r trat bemnadj gegen ben
©equefter alz Kläger auf. Mein ba§> 9?efu(tat mar ein, üon
bem früher bereits ftreitig gemachten 2(ntf)ei( ©eitenS ber
fürftttdt) ÄinSfr/fcrjen SSormunbfcfjaft, gang entgegengefefcteS. Sn
biefem 9ted)t3ftreit blieb Söeetrjoüen ber untertiegenbe Streit; er
rettete nid)tS. 3um erften SM w feinem Seben fjatte er ©e=
tegenrjeit gu fetjen, mie ffar abgefaßte SftecrjtSpuncte üon bem
einen 9Ric£)ter für raeifj, üon bem anbern für fdjmarg erflärt
merben fönnen, unb mie gang unfcfjetnbare ®inge gu einem
9fted)t3fprud)e führen, üermöge meinem ein lange aufrecfjtfterjenbeS
9fod)t plötjlicfj gu einem Unredjt umgemanbett mirb; er (ernte
bie roädjferne üftafe beS ©efe£e£ fennen.
S)ie bis nun geführten ^roceffe mit ber fürftlid) frinSfr/*
fetjen ^Bormunbfdjaft, mit bem §of=9J?ed)anifer Wladtfi unb mit
— 287 —
bem fürfttidj Sobfomitj'fcrjcn ©üter=Sequefter Ratten unfern
9fteifter mit ben 9ftt)fierien ber Xtjemiä in fo fjotyem ©rabe
befannt gemadjt, bafj man annehmen foHte, er merbe au3 9ftüd=
fidjt auf feine fünftterifd)e SßirffamMt unb pf)t)fifcrje§ 2Solj)^
beftnben in'3 künftige jeber Sßeranlaffung auömeidjen, biefe
Söefanntfdjaft $u erweitern, um feine QSerrjättniffe nacrj jeglidjer
Seite tjin nidjt nod) metjr 511 gefät)rben. ®em ft>ar jebocf) nidt)t
atfo. 2)a3 ©djidfal t)atte ifym nod) fdjmerere Prüfungen öor=
behalten unb felbft über fein beffereg SSotlen beftimmt.
Sfje mir un3 aber biefen fingen 5umenben, um ben
Sfteifter auf feinen ©ängen in'3 Snnerfte biefer äfttifterien 51t
begleiten, motten mir einen 33Iicf auf bie (Sr^eugniffe feiner DJhtfe
au§ (etster $eit merfen unb berühren, maS bamit in Sßerbinbung
ftetyt. (£3 mirb öon Sntereffe fetyn gu öernefymen, ma3 nad)
bem ereignifjreidjen Satyr 1814, überhaupt nad) biefem unru()e=
öotten unb fo fefyr aufgeregten geitmoment, 5U ^ßap^r ge=
fommen.
3unäd)ft mar e§ bie ©onate in gmet <Sä§en, E moll,
Op. 90.*) siBenn mir fomofjt ©attung mie ©tyarafteriftif ber
ifm OorauSgegangenen Schöpfungen, (bie 7. unb 8. (Sinfonie,
bie (Sd)(act)t=Sinfome, bie (Santate „ber glorreiche 9Iugenbtid")
in ©rmägung sietjen, fo ergreift un§ motyt Ijotje SBermunberung
bei 2lnb(id ber jüngften ßompofttion ob ber innemofynenben
ßarttyeit unb Snntgfeit im ©egenfatje 31t bem bancbcn geftettten
(Snergifdjen unb ÄraftüoHen; fofdje Snnigfeit, tote im feiten
<Sa§e enttoicMt ift, märe in früheren Werfen fdjmer aufjufinben.
(Srljöfyen mirb fid) unfere ^ermunberung über bie feftgerjaltene
Stimmung in ber unmittelbar nachgefolgten Sonate in A dur,
Op. 101, üon äftarr, „bie Senfittüe" genannt. SSon biefer ift
bemerfenSmertt), bafj fie unter allen Sonaten S3eetf)oben'§ bie
einzige mar, metdje 51t Seb^eiten be§ üMfterä öffentlid) oor=
getragen morben, unb §mar in einem oon Sdjuppanjigt) im
*) ®tefem SBerfe gebührt mt&ejroetfelt bie DpuSjab,! 100.
— 288 —
gebruar 1816 üeranftatteten (Soncerte, bem audj ber Stutor bei*
gemotjnt f)at. (£r t)atte ben Vortrag einem fünftterifd) gebübeten
Stfettanten, ©tainer üon getSburg, anüertraut, nadjbem er
üjtt juöor in ba§> poefiereidje unb im crften unb brüten ©a£e
ungemölmlid) ferner barjnftellenbe 2ßerf eingeführt. 2)iefe
beiben ©ä£e bezeichnete ber SRetfter mit: „Sträumerifdje Gm=
pfinbungen;" it)r Vortrag erforbert freie SBeroegung.
£)iefe ©onate trägt bie ©ebication an bie grau Saronin
SDorotfjea üon (Srtmann, ein S^ame, bei bem mir etma§
üertoeiten motten, inbem biefe £>ame im mufifalifdjen SBien
bamaliger ßeit einen ber erften ^Stä^e at§ ^ünftlerin auf bem
$ßianoforte behauptet t)at. grau üon (Srtmann, geb. ©rau=
mann au3 granffurt am 9J?ain, mar bie ©emafjtin beä Dberften
üom !. t 3nfanterie=9?egiment „§odj= unb 2)eutfd)meifter," ein
9Jcann, ber einerfeitä ein ganzer ©otbat, anbererfeitS mieberum
ein ganjer Stünftter gemefen, bem bie Söiener in gotge muftei>
Softer SfuSbtfbung feines 9ftufii>(5orp§ üiete Satjre tjinburd)
au^ge^eidjnete ©enüffe 51t üerbanfen gehabt*)
£)iefe Stünftterin im eigentlidjften SBortfinn ejceltirte ganj
befonberS im 9tusbrude be3 2fnmutt)igen, garten un0 9toiyenr
aber aud) im liefen unb (Sentimentalen, bemnad) fammtttdje
Sßerfe üom ^rin^en Soui§ gerbinanb üon ^ßreujjen unb ein
Sttjeit ber 23eetf)Oüen'fd)en it)r Repertoire gebdbet t)abeu. 3Sa§
fie t)ierin geleifiet, mar fd)tect)terbing§ unnad)at)mtid). ©elbft
bie üerborgenften Intentionen in S3eett)oüen§ SBerfen erriete)
fie mit fotd)er ©idjerljeit, af3 ftänben fetbe gefdjrieben üor iljren
SUtgen. 3m ©teidjen tt)at e§ biefe §od)finnige mit ber
Sftuancirung bes geitmafeeg, oag befannttidj in üieten gälten
fid) mit SSorten nietjt begeidjnen ßifjt. ©ie üerftanb e», bem
©eifte jegtidjer ^Sfjrafe bie angemeffene 93emegung gu geben unb
eine mit ber anbern fünftterifd) $u üermittetn, barum altes
motiüirt erfdjien. Somit ift e£ itjr oft gelungen, unfern Qbxofc
*) $)aß genannte üiegiment $at in Sßien feinen Serb^e^r!.
— 289 —
meifter 51t tjotjer Semunberung §u bringen.161) 2)er richtige
^Begriff oon Xactfrci^eit im Vortrage fct)ten Ujt angeboren
§u fetm. SIber aud) mit ber ßolorirung faltete fic nadj
eigenem ©efüfyle nnb umging bi§meilen bie SSorftfjrift. £)er
(£e(bftbitf)terin mar bteSfattS manctjeä nad) eigenem (Srmeffen
gu tt)un geftattet. ©ie braute in berfdjiebenen üon Slnbern
toerfamtten ©ä£en faum geahnte SBirlungen tjeröor; jeber ©aij
mürbe 511m Silbe. SSergafc ber 3u*)örer oa§ Seinen beim
Vortrage be§ mtjfteriüfen Sargo im £rio D dur, Op. 70, fo
berfetjte fic iljn mieber im 2. ©a£ ber «Sonate in E, Op. 90,
in Siebe^monne.*) 2)a§ oft mieberfe^renbe «pauptmotiü biefeä
©atjeS nuancirte fie jebeSmat anber§, rooburtf) e§ batb einen
fdjmeidjelnben unb liebfofenben, halb mieber einen metandmtifctjen
(Sljarafter ertjiett. 3n fotdjer SSeife üermodjte biefe Stünftlerin
mit ifjrem Slubitorium 51t fielen. Mein btefe ftunbgebungen
feltener ©eniatität maren feine§roeg§ 9Refuttate eigenmilliger
©ubjectioität, fufeten btelmetjr gan§ auf SSeettjoöen'ä 2(rt unb
SSeife im ©etbftoortrage feiner SBerfe, überhaupt auf feiner
Setjre infyatttjabenbe (Sompofitionen §u bet)anbeln, bie üftiernanb
in bamatiger $eit fidj met)r angeeignet tjatte, als biefe 2)ame.
Safyre tjinburd) — bi3 Dberft bon ©rtmann 1818 ab§ ©enerat
uact) 9)tai(anb öerfet^t roorben — oerfammelte fie entmeber in
*) ®er feine Sinn be§ ©rafen 2icbnott)§frj, bem btefe ©onate ge=
mibmet ift, liefe ibn Bei näherer 23efanntfd)aft mit bem 28er!e befonbere
Intentionen barin öermuttjen. Stuf feine anfrage bie§faC§ erioieberte ber
9Iutor, er ^abe ibm feine Siebesgefcbidjte in 2ßufif fe£en motten unb
inünfcfie er Ueberfduüften, fo möge er über ben elften ©a|5 fcbreiben: Samöf
ätnifdjen $opf unb §er§, unb über ben ^weiten: ©onöerfation mit ber ©e=
liebten. — ©raf Sic^now^fn tjatte fid) nad) bem Sobe feiner erften ©e=
mabtin in eine fet)r gefc£)ä£te Dpemfangerin bertiebt, feine Agnaten
»roteftirten jebod) gegen eine ebeticbe SBerbinbung. @rft nad) mehrjährigem
Kampfe gelang e3 ibm 1816 atte föinberniffe ju befiegen.
161) Eine sehr ausführliche Monographie über diese Künstlerin
erschien vom Herausgeber in der Deutschen Musikerzeitung vom 4. Juni
1906 ab bis August des Jahres. A. d. H.
2t. ©d)tnMer§ 23eetfjoucn--93toava|)t)ic. 19
— 290 —
iljrer SSoljnung ober an anbern Drten, aud) bei ßart (S^ernt},
einen ®rei§ bon ädjten 9ttufiffreunben um fid), fjatte überhaupt
um Spaltung uiib gortbitbung be3 reinften ©efdjmatfeö in ber
©Ute ber ©efettfdjaft grofee SBerbienfte. ©ie aflein mar ein
Sonferüatorium. Dtjne grau öon (Srtmann märe 23eett)oüens
(Stabiermufif iu Sffiien notf) früher bom Repertoire berfdjtounben,
allein bie sug(eid) fd)öne grau ÖOn f)°*)er ©cftalt unb feinen
£eben§formen betjerrfdjte in ebetfter Wbfidjt bie ©efinnung ber
SBeffern unb ftemmte fid) gegen baZ §eranbrängen ber neuen
Ridjtung in (Sompofition unb ©piet burdj §ummet unb feine
Epigonen. 33eett)oben f)atte barum boppetten ©runb, fie mie
eine Sßriefterin ber Sonfunft ju bereden unb fie feine „3)orot£)ea-
Gaecüia" 5U nennen.
Sin anberer <2d)(üffet, ba§> fünftterifd)e Vermögen in ber
Reprobuction 5U fo fjotjem ©rabe ju fieigern, ftnbet fid) bei
grau öon (Srtmann nod) in ber ct)ara!terifttfcr)en ©tgent)ettr
atteS, ma§ ifyrer Snbibibualität nict)t entfprad), nid)t auf Ujr
*ßutt 5U legen. SBerfe, mie 3. 23. bie Sonate mit Violine iu
A moll, Op. 47, ba§ STrio in B, Op. 97, fpiefte fie niemals oor
Kennern im großen Räume, benn fie füllte ir)re ptjtjfifdje ®raft
für bort nid)t au£reid)enb. Sm Sntereffe foldjer SBerfe f)ieft fie
feft an bem @a£e: 2lße§ pafjt nid)t für Sffle. 2)ie SSirtuofeu
beibertei ©efd)(ed)tö in unfern Sagen fennen teiber btefen @aU
nidjt, pfufdjen barum, mie in allen ©enreS, fo in berfdjiebenen
®unftepoct)en, t)erum. 3>m muftfaüfdjen £f)eü mirb e§ Söeranlaff ung
geben, ber tünftlerifdjen ©otbatenfrau im Vereine mit einer anbern
Äunftpriefterin aus jenen Sagen mieber gebenden §u muffen.
SBetdje (Rettung biefe ftünftlerin bei Sßeetfyoben gehabt, er=
gellet nid)t b(o§ au§ ber für fie unb ifyre ^8ortragS=(£igen=
tf) um Herleiten gefdjriebenen ©onate, aud) feine an fie gerichtete
3ufd)rift öom 23. gebruar 1816 bei Ueberfenbung be3 ge=
brudten ©jemptareä biefeä 22ßerfe§ befagt e3. 2)a§ Driginat
baoon befinbet fid) in ber 2lutograpf)en=<2amm(ung it)re§ Reffen,
Sllfreb Ritter öon granf, in 2Bien. 2>er 9)töfter fdjreibt:
— 291 —
äfteine liebe, mertfje £)orotfjea=(Saecilia!
Dft fjaben ©ie mid) üerfennen muffen, inbem idj Sfynen
gumiber erfctjeinen mufjte, üiele§ lag in ben Unftänben, befonber<§
in ben früheren ßeiten, mo meine 2öeife meniger at3 je£t
anerkannt mürbe; ©ie miffen bie Deutungen ber unberufenen
9fyoftel, bie fid) mit gang anbern Mitteln a(3 mit bem @oan=
gelium forthelfen, hierunter Ijabe id) nidjt gerechnet motten
fetyn. — Empfangen ©ie nun, toa§> Seinen öftere gugebadjt
mar, unb ma§ S^nen einen 93emei§ meiner Stntjänglidjleit an
Sl)r Slunfttalent, mie an Sfjre $erfon, abgeben möge. 2)afj id)
neulicf) ©ie nid)t bei (£5. [©jenilj] fpielen t)ören fonnte, ift meiner
^ränlücljfett äujufdjreiben, bie enbtid) fdjeint cor meiner ©e=
funbf)eit§rraft gurücf fliegen gu motten.
3d) fjoffe balb üon Stmen $u Ijören, mie e3 in ©t. gölten
mit ben — fteljt, unb ob @ie etmaö galten auf Sljren
2Serel)rer u. greunb
& öan 23eetf)Oüen.162)
21tte3 ©djöne Syrern merttjen 9)ta nn
unb ©emal Oon mir.*)
®er erfte 5£t)ei£ biefe§ 23riefe3 ift in ^öe^ug auf einzelne
s$t)afen ber 2eben§gefd)id)te unfern 9J?eifter§ Oon nid)t geringem
Sntereffe. 2Sir üernetjmen fein eigene^ ©eftänbnijj über feine
bamalige unb aucfj frühere ($emütl)3üerftimmung, bie Duette
anbauernben 9JciJ3mutl)g, unb bürfen au3 ben SBorten, bafj
feine SBeife frütjer meniger aU jur $eit anerkannt morben,
ben ©djtufe gießen, bafj er bie3fatt§ mit ber ©egenttmrt nidjt
*) §err unb grau üon (£rtmann befanben fi<f> in jenen Sogen 511
©t. gölten, 6—7 ©tunben öon SSien entfernt, Safelbft lag eine 2tbtt)eituttg
beS 3Snfanterie=s,Hegnnent§ in ©ornifon, beffen £)berft §err t>. ©rtmonn mar.
162) Siehe den Cäcilienbrief B. S. Br. No. 496 (III. Band). Das
Datum wird dort anders als bei Nohl angegeben, die Beweisführung
ist in obengenannter Monographie, auch in B. S. Br. enthalten.
A. d. H.
19*
— 292 —
gang unsufrieben geroefen.*) — SDJit ben „Deutungen ber
unberufenen Slpoftet" mit! ber Sfteifter ba§> ©ebafjren ber
$ort)pf)äen in ber neuen 9M)tung be§ (SlatnerfpielS be§eitf)nen,
f)inter meld)er bie Strenge, $unftjünger tüte Dilettanten, eben
fo atl)em= unb gebanfen(o§ ein hergelaufen, roie um Wenige
Sat)re fpäter tjinter ber italienifdjen Dpernmufif. sparen mir
boct) fd)on §omer im erften ©efange feiner Odussee fagen:
®enn ber neu'fte ©efang ert)ält üor aßen ©efäugert
3 mm er öa§ lautefte £ob ber aufmerffamen SBerfammlung.163)
2öorte, bereit tiefer ©inn unferm SDtofter nicl)t entgangen, benn
er fjat fie im 23ud)e angeftrid)en unb nod) befonber§ au§gefd)rieben.
2öetd)e 2tnmerfungen mürbe er mol)t über ba% ©uangelium ber
„3ufunft3mufif" gemacht fjaben, mit mefdjem fid) in unfern
Xagen itjre 91poftel fortgurjetfen bemüht finb?!
2tn bie A dur=©onate reibet fid) unmittelbar bie @nt-
fterjung ber beiben ©onaten in C unb D dur, Op. 102. Der
9J?eifter fjat biefe Didjtung feiner f)od)t)erel)rtett $reunbin,
©räfin Sparte (Srböbt), geb. ©räfin üfti^ft), gemibmet, bie
er bereite burd) SSibmung ber beiben großen Srio'S Op. 70,
auägqeidmet rjatte. 3Sa§ biefe Dame lange Sarjre rjinburd)
für Q3eetrjotien gemefen, be^eidinet ein 2$ort, er nannte fie
feinen „Q3eid)tüater." Wit bem Slbet ber ©eburt bereinigte
fid) bei ifyr 51bet ber ©eftnnung, roeldjer bei ben anbern @ben=
bürtigen nidjt immer im gleiten SKajje ^u ftnben mar. (Gräfin
(Srböbrj rjatte in il)ren.mal)rt)aft freunbftf)afttid)en (Sefinnungen,
nidjt minber aber aud) in ber offen befunbeten ^ietät für ben
9fteifter niemals gemanft, mie bie3 faft alle ttjreö ©leidjen
getljan, unb itjn üerlaffen, nadjbem ein neue§ ©eftirn am
italienifdjen §immel aufgegangen mar. Um 1820 narjm fie
il)ren beftänbigen Sßotjnft^ in 9ftünd)en; ba% 3at)r itjre§ 216=
lebend mar nid)t gu ermitteln.164)
*) Sßergt. ba3 e. 185 it. ff. SluSgefagte.
163) Odyssee, X. Gesang, Vers 351—352. A. d. H.
164) Beethovens Beichtvater, Gräfin von Erdödy, starb im Jahre
— 293 —
2(n genanntes 9£erf fnüofen fid) ©rtebniffe unb Vorgänge
ungemürjnttdjer Wrt, bie bafjer gu berühren finb. QSorab fet)
bemertt, bafe ber nocfj lebenbe SCRufifoerfeger ©imrocf in
Sonn bei feiner ?lnmefenf)eit 1816 in 2Bien ba$ 9ftanufcript
au§> ben Rauben be§ ßomponiften übernommen, mie aud), baf$
in einem £agebud)e 33eetrjOüen'3 ba§ Saljr 1815 als bie 3e^
be§ üftieberfdjreibenS nottrt mar. @rfd)ienen ift ba$ 2öerf bei
©imrod 1817.
S3i§ nm bie 3eit, in meiere btefe SCufgeicrjnitngen reiben,
ift ber üon ben ©rammatifern unb itjrem 2tnrjange aufgeteilte
@at$: „53eetf)00en fann feine $nge fdjreiben," mie ein ®ogma
feftgefjalten morben. 9(tlerbtng3 tagen feine 23emeife öor, roetdje
benfelben t)ätten umftoften ober nur gmeifelrjaft madjen fönnen.
Sn ßrjriftuä am Detberg, beSgteidjen in ber sJfteffe in C, mar
üon einer $uge nid)t§ §u rjbren, mo [ie bodj am $ßta§e ge=
mefen märe, ja, in festerer fjätte fie fdjon barum nidjt festen
fotten, meit gürft ©ftertjagt), für ben fie befanntlid) gefdjrieben
morben, at§ befonberer ©djütjer biefer oberften Shtnftform be=
fannt mar, bie SCRufifroeft aber gerabe in biefem SSerfe einen
@egenbemei§ auf obigen ©a§ ermartet fjatte. Sfofje einlaufe
barin gu einer $uge fonnten ben ©tauben an entfdjiebenee
Unoermögen nur fteigern. S)ie $uge im Ouartett C dur,
Op. 59, fonnte at<§ gültiger SSemeiS nidjt aufgeftellt merben.
3)te fugirten ©teilen im Strauermarfd) ber Eroica, fo mie int
anbaute ber A dur=©infonie, unb in anbern ÜÖSerfen nod),
fteigerten nur bie gegnerifdje SBerjauptung. — S)a erfdjeint
Op. 102 unb bringt als ©d)tuf$fat3 in ber (Sonate D ein
„Allegro fugato." Somit mar Del in'S geuer gegoffen. 2113=
balb fa£) man beinahe ba§> gange §eer ber ^tjilifter mit gäuften
auf biefen Sa£ toSfdjtagen, mobei aud) bie anbern %rjeite biefer
@onate, Oon benen bornefjmlicfj ba§> Slbagio gu ben gerjatt*
1837 in München. Auch über sie ist eine Monographie vom Heraus-
geber erschienen in „Neue Zeitschrift für Musik" (J 890). Vgl. auch
B. S. Br. No. 786 (Erklärungen zum Kanon), IV. Band. Ä. d. H.
— 294 —
oottften unb tiefempfunbenften ber 23eetl)oben'fd)en 9#ufe gu
gätjlen, nicfjt berfdjont mürben. SSer eä gemagt tjätte, a(§
Vertfjeibiger be§ Sßerfe3 aufgutreten, märe bon ben erbitterten
Gegnern gefteinigt morben. Offenbar fjatte e§ fict) gegeigt, bafe
ber §a^ gegen ben großen SJceifter, Don beffen «Scfjöpfungen
big bat)in fcfjon fo mancher in SBien (ebenbe ßomponift ber*
bunfelt morben, nur gefcfjlummert unb auf Gelegenheit gum
£>erausfafjren geroartet tjatte, foltte biefe gleidjmotjl bon ßaune
gebrochen »erben, 9ttemal3 mar eine Verfolgung ungerechter,
ai§> biefe letzte, ©ie biefe m Fugato gum QSorrourf gemachte lln=
ffarrjeit, bon ben Gegnern aber „Vermirrnng" genannt, befdjräntt
fiel) ftrenge genommen auf etma 20 Xacte bor bem Dfttfjepuncte
auf bem garten ©reiflange bon Fis. Söeniger ftarf gefärbte
SRobulationen mären ber Ätartjeit minber gefäfjrtid) gemorben,
gumal ba<§ 5£f)ema, roenn and) gleichzeitig in ber Umfefjrung,
immer gu Gefjör gebraut mirb. Sie ©djmierigfeit aber in
23emättigung ber Aufgabe mufete als Sßorroanb bienen, ba$
Gange für fcfjlecfjt gu erffären unb meggutoerfen. üftod) bis 511
biefem Sage rufjt ein Vorurttjeil auf bem fjerrlidjen, be3
Samens feinet 5futor» mürbigen 2öerfe, unb gmar auf beibeu
Dfrimmern. @3 ift mofjt tjofje ßeit, bem Gangen enblicfj gerecht
gu roerben. ©in in beiben Snftrumenten gut accentuirter 23or=
trag mirb bie 21nerlennung unfehlbar ergielen.
Sn meld)' tjotjem Grabe ba$ frttifct)e Cber^Xribunal gu
Üeipgig burd) feine Beurteilung biefe§ 2Serfe3 bie gegnerifdje
Behauptung unterftü^t fjat, mirb ftcfj burd) ?lngiefjen einer
Stelle au§> ber föritif; über baä GefammtmerÜ erfennen laffen.
Diefetbe lautet: „2)iefe beiben Sonaten gehören gang geroife
gu bem Ungemötjnlicfjften unb ©onberbarften, ma§ feit langer
3eit, ntdjt nur in biefer $orm, fonbern überhaupt für ba%
^ianoforte gefcfcjriebert morben ift. 51tle§ ift fjier anber§, gang
anberS, al§ man e<§ fonft, auefj fogar bon bem SO^eifter felbft,
empfangen fjat; möge er un§ aber nicfjt übel beuten, roenn
mir öingufefeen: nicfjt 2öenige§ fcfjeint and), mie e3 nun fjier
— 295 —
ftefjt, unb tüte e§ angeorbnet, üertbeitt ift, atfo geftattet 31t
fetjn, bamit e3 gang ungeraöt)nlid), gang fonberbar f)erau3*
fomme." XX, 792. — 2)ie ®egner bemühten ftdj, bie 2tu§*
brüde in biefer Veurt^eitung nodj ju üerftärfen unb allertet
©(offen bagu 3U madjen. ©ie ftreuten btö ®erüd)t au3: ber
Verleger fjabe uom (Somponiften ©d)abenerfa§ beanfprudjt unb
5ur Vefdmüdjtigung {jode t§m biefer bie „3e^lt oariirten
SbemaV Op. 107, otjne Honorar gugefteftt. ©ine fcfyon im
3af)re 1818 bei Strtaria erfdjienene 9(u§gabe biefer ©onaten
— nidjt mit ©inöerftänbnifc ber Bonner VertagStjanbütng —
mürbe tion ben ©egnern für bie Veftätigung be§ Oon ttjnen
erfunbenen ®erüd)t§ gehalten unb gu neuen, für S5eetf)oüen
oertetjenben Unroabrfjeiten benutzt. $ur Verbreitung berfetben
batten fid) aud) gemiffe SBiener Verleger brausen taffen, beren
Offerten unfer ÜWetfter roiebertjott jurüdgemiefen t)atte.
2)ie unmittelbare ©inmirhtng biefer Umtriebe auf unfern
9J?etfter tjat bie SDhtfitroett eben tridjt §u beffagen, benn fie
führten it)u ber ?(nroenbung ber bisher offenbar nnberüdfidjtigt
getaffenen Stunftform, ber $uge, gu. Ab hoste discimus.
(£3 tag im (Stjarafter ber ©podje, biefetbe nad) ®ebüt)r £)oc£)5u~
jteflen unb fie bemnad) ffeifjig gu cutttüiren. ®a§ ©remium
ber 9Jhififer pflegte batjer nur jenem (Somponiften ben Veften
unb auf ifjre ?Id)tung 9(nfprud) §abenben bei5U§ät)fen, ber fid)
and) in biefer (Sphäre mit ($5efd)id fjerüorgetljau. Von nun
an ftnben fid) atfo mehrere Sßerfe Veetboöen'ö mit fleißig
aufgearbeiteten $u9en öerfefjcn; fdjon bie nädjft gekommene
grofce ©onate in B dur, Op. 106, imponirt mit einer brei=
ftimmigen, bergteidjen in ber (Staüiermuftf nicfjt roieber gu
finben. SSenn ber SDtofter hierbei bemerft: „Wxt einigen $rei=
heiten," fo miß er bamit nur geigen, bafj ibm bie Regeln, bie
er umgangen, redjt rootjt befannt finb. 2Ba§ aud) bie ©djut-
roei§f)eit an biefer großen Stjat gu mäteln gemußt unb immer
nod) roei|3, fo ift fie benuod) eines Veetboben mürbig unb bei
Doöfommener Vemätttgung War unb öerftänbtid), bie at(erbing§
— 296 —
einen fjofjen ©rab üon SBirtuofttät nnb sugleicl) Äenntnife
biefer Slunftform beim Söortragenben üorau§fe£t. £)ie Traube
t)ängt fef>r t)od). — Leiter finben mir fdjon mieber in ber
©onate in As dur, Op. 110, eine breiftimmige $nge, bie
meber „2Siberljaarige$" nocf) „einige $reif)eiten" enthält, nidjt
fdjmer au^ufüfjren unb odH rei^enber ©djönfjeiten ift. darauf
folgen bie gewaltigen $ugen ^m Gloria unb Credo ber Missa
soleranis; enbtid) bie gro^e $ugen = Duberture, Op. 124.
2)amit |at ber 9J?eifter feinen ©egnern, fatl§ fie feine f)art~
näcfigen Söadjianer ober SKojartianer finb, für alte Reiten oen
Wunb geftopft.
5(u§ bem 3al)re 1815 batiren ferner nodj fotgenbe 2Berfe:
„$ceere§ftitte unb ©lüdlidje galjrt" (Don ©oettje)
für (Efjor unb Drcljefter, Op. 112; bann bie Duuerture
in C dur, Op. 115. 93eibe mürben (nebft ber Santate
„(EljnftuS am Detberg") am ßfyrifttag, ben 25. 2>ec. beffelben
SaljreS, in einer Slfabemie §um 93ortt)ette be3 93ürgerfpita(§
im großen 9fiebouten=<Saal unter Seitung be§ 2Keifter§ gum
erften SM aufgeführt. £)er Sfnfcfjlag^ttet geigte bei ber
Duuerture {einerlei Seifatj. £>ie Kataloge aber nennen fie balb
„gur Staertöfeier," balb „3aa>Duberture." 51m 10. sD?ai
1818 (bereits ©tgentljum ber &erfag§l)anblung ©teiner u. @p.)
erfdjien biefe DuDerture in stoeiter ?luffül)rung im (Eoncerte ber
Ferren 9ftat)feber,165) aftofdjefeS unb Giuliani mitvbem 53eifatje
„ä la Chasse." 23eetf)oOen frug nad) bem @runb foldjer
^Benennung, unb mer fid) bieä erlaubt. (£3 mar jebod) nichts
51t ermitteln, meil ein Streit bie ©djulb auf ben anbern ge=
fdjoben. 2)er 23reitlopf u. Jpaertel'fdje Katalog benennt biefe
Ouüerture „9ramen3feier," üielleidjt, meil fie am ßljrifttag gur
erftmaligen Sfoffüfjrung gekommen.
165) Die einzige Komposition, die Beethoven als „gedichtet"
bezeichnete und dem Fürsten v. Radziwill widmete, erschien erst im
Jahre 1825 bei Steiner; cf. Nottebohm, Themat. Verzeichnis unter
No. 115. A. d. H.
— 297 —
£)iefe 9lfctbemie am 25. £>ec. t)at ben nädjften 9(nftofj
gegeben, bafj ber SBtener Sftagiftrat ben Befcfjfufj gefaxt, unfern
ÜDfeifter unter bie (Ehrenbürger aufgunerjmen. 2)er amtüdje
S3eric£)t in ber Rettung rnetbet ba§> factum in fotgeuben SSorten:
„£)er SJcagiftrat ber f. f. §aupt = unb 9iefibeng =
ftabt 2Bien Ijat §errn Subroig tian Beetrjooen
nu^ 9tüdfid)t auf bie BereitmiUigfeit, mit meld) er
er gu mieber Rotten Sftaten feine (Sompofitionen
rootjtt^ättgen groeden roibmete, ba3 Diplom eine§
©bjrenbürgerä er tt) eilt." — 5Ufo b(o<S für geleiftete
Süenfte bei morjlttjätigen ß10^11' SftidjtS anbei öon 3ln=
erfennung, SSürbigung feiner Bebeutung alä Sünftter! 9ridjt§
öon feinen Berbienften um bie Äunft! Sftidjt eine teife %n=
beutung ungefähr be§ SSortlautS: Sßir ftnb ftotg, 3)idj unfern
Mitbürger nennen gu bürfen. 2ßie öon Seiten aller Beworben
be3 alten 2ßien§ Äunft unb Äünftfer eigentlich) geroürbigt
roorben, jene§ Socttment bezeuget e3 für alte 3eiten. Ob
Beettjoöen morjl SBert barauf gelegt, (Sfjrenbürger ber ©tabt
üßien gu fevjn? ®ie 5lntmort bürfte ftdj au§ roeiter unten
angeführten Srjatfactjen unb ßuftänben üon f eC£»ft ergeben.166)
Um biefelbe QtW (1815 ober 1816) begann unfer SDfeiftex
ftct) mit Bearbeitung — ©timmenberme^rung unb Begleitung
— ber ©djotiifdjen Sieber gu befdjäf tigert. 9(u3 ber
mir befannten Gorreföonbeng gtöifctjen bem ©ammter unb
Beranlaffer gu beren Bearbeitung, ©eorg £f)omöf ort in
(Sbinburg unb Beetfjoöen, get)t fjemor, baf$ oiet über f)unbert
bearbeitet roorbert. ©ine Stngatjl mutrjmafjlid) nodj nidjt ber*
öffentlicher, barunter mehrere breiftimmig gefegt, befinbet fidj
nod), gtoar of)ne Stejt, unter bem rjanbfdjrifttidjen 9iad)Iafj in
166) Das Originalschreiben des Magistrats besagt, genau ge-
nommen, nur, daß Beethoven Bürger der Stadt Wien wurde, kein
eigentlicher Ehrenbürger. Der Irrtum mag entstanden sein, weil mit
diesem Bürgerbriefe einige nur Ehrenbürgern zustehende Emolumeute
verbunden waren. A. d. H.
— 298 —
ber ftonigtidjen Bibtiotfjef ^u Bertin. (£g war nämüd) aus
bem ttjematifdjen 9Ser§eict)m^ ber in (Snglanb gebrudten nidjt
31t ermitteln, od bie Bertiner ruirfficr) nod) Sftanufcript finb,
ober and) fdjon üeröffenttidjt. Sm Satjre 1841 ergab fidf> eine
©etegenfjeit mid) mit anfragen bie3fafl§ birefte an £fjompfon
nad) (Sbinburg 51t luenben. 9tnftatt aber bie getoünfdjte 2tu$=
fünft ju geben, metbete er fein t)of)e§ Slfter unb bie 2(6fid)t,
bie ganje Sammlung 51t oerfaufen. $)ie ©oltection au§
25 üftummern beftetjenb, für eine Singftimme, mit Begleitung be§
^ßianoforte, Biotine unb Biotoncett, unter Op. 108 bei Scf)te=
ftnger in Bertin erfcfyienen, ift ein 2fu§3ug au§ ber engtifdjen
®efammtau§gabe. Ueberfyaupt fdjeint e§, baf0 biefe Ieid)te,
abfpannenbe Arbeit unferm 9)cetfter red)t gelegen gekommen,
ba fie in bie Qtit *an9e anbauernber ©emütf)§aufregungen
fällt, bie §u anftrengenber Befdjäftigung feines>n)eg3 geeignet
getoefen. 2)er, bie 8af)re 1816, 1817 unb 1818 umfaffenbe
Katalog läßt gteid)falt§ merfen, toie e§ um bie Stimmung be§
ÜMfterä au§gefet)en.*)
(53 mag nun eine Spifobe, menngfeid) auf BeettjoOen nur
inbirecte Be^ietjung netjmenb, raotjt aber üon funfttjiftorifctjem
Sntereffe ben geeigneten Drt finben. Sie betrifft bie im 3atjre
1816 erfolgte (Sntlaffung bes berühmten ^afumomsfn'fcljen
Quartette. Bormiegenbe ©rünbe 3m* (Sntlaffung gab e§ 3tt)ei:
ba$ fjot)e 5flter be§ dürften, mefyr nod) bie 3erf^rung feine*
mit einer $üHe oon föunftfdiätjen au$ allen Bereiten ber
^unft unb SBiffenfdjaft angefüllten ^ßalafteS burd) geuer.
9cid)t§ tonnte gerettet werben. Samit waren bie Oornetjmften
(Stemente, bie bem dürften ba$ Seben angenehm gemadjt,
ptöttfid) uerfdjwunben ; felbft bie Siebting^werfe ber Xonfunft
bermod)ten ben £rübfinn nidjt meljr 31t oerfdjcudjen. 2>ie Ber=
*) ©in fiavfeS £eft mit ungefähr 40 foldjer Sieber in fauberer 2to=
fd)ri[t unb eigenfjänbigen Correcturen üon Seet^ooen f)at ber SScrfaffer
§errn Sßrof. Dtto Safjn tereijrt. Stuf bem erften Statte fiefjt t>on be§
SReifierS £anb beutlicfi, bie ^a^reSja^l 18J0.
— 299 —
fjeiftungen aber be^ügütf) ber lebenslänglichen ^ßenfionen au
bie oerabfdjiebeten Slünftler mürben bucfjftäblid) erfüllt, im
©egenfajje alfo 31t bem mitgeteilten (Srtebniffe gleicher 2trt
6ei $eetl)ot»en. ©djuppanjigl) begab fiel) fogfeid) gur Seitung
einer (Sapelle nacrj SRufilanb, (mie bereite im Eingänge 51t
biefer ^eriobe angeführt) unb ©ina nafjtn feinen 2lufentf)ült
in ^ari§. Sie beiben anbern 9J?itglieber öerbtieben in SBien.
(£§ mar aber aud) an ber 3eit, berlei Slunftprobuctionen
auf mehrere Safjre ^u fu£penbiren, meit bereu SBürbigung oon
Sag 31t Sag metjr 51t fdjminben begann. Sie ^3t)t)fiognomie
ber ®aiferftabt tjaite feit ben Sagen be§ ßongreffeä in allen
©djidjten ber ©efeKfcijaft einen 9Iu3brucf angenommen, ber
mit bem früheren im auffaÜenben ÜESiberfprudje ftanb. Sa§
ben (Soncert=©aal unb bie Sweater füllenbe publicum tjatte
fomof)l bie erforberlidje $uf)e im Äunftgenuffe, mie aud) ben
2lnftanb in ber äußeren Haltung Oerloren. 23erfcfjrouuben mar
fogar bciZ (Sfjarafteriftifcrje, ma§ bie SSorte: „Sag gemütf)tid)e
2öien," — jebem auf<§ Slngenetjmfte üerftänblid) gemadjt. 2tn
bie ©teile biefer lange bemäljrten (Sigenfdjaften traten 9iot)t)ett
unb Safter jegtidjer 2lrt, al§ ©rbfdjaften üom (Songreffe Ijer.
(Srft Weiter unten mirb e§ Sßeranlaffung geben biefe $ßt)t)fiognomie
gans (^u enthüllen. (Sinftmeilen mögen gur SSefräftigung be§ ©e=
fagten nur einige ©ä|e über biefe gängtid) oeränberten ßuftänbe
2Bien§ au§ ber 21% SJhtj. £tg. XIX, 427, $aum finben.
Sn bem 53erid)te üom Stfonat 93M 1817 apoftropljirt ber
Referent biefetben mit fofgenben Porten: „Uebertjaupt bringt
fid) bem unbefangenen 23eobad)ter feit einiger $eit °^e feinet
meg3 erfreutidje 23emerfung auf, bafs fid) unfer publicum nad)
bem parifer unb lonboner §u bilben beftrebe. Sie Oielbelobte
öftretcf)ifc£)e ©utmütln'gfeit unb Urbanität, bie fo gepriefene
£oleran§ unb Siberalität fdjeinen roenigftenä au§ bem Xtjeater
üerfcfyrounben 51t fetm; an itjrer ©teile finb 9Rol)f)eiten, öortaute
Urteile, pfeifen, öerfjöfmenbeS £ad)en, ungeftüme§ ^odjen, unb
ätjnlidje 9teufjerungen ber ©ittentofig!eit getreten, bie un§ für
— 300 —
bie 3ufa»ft twnultuarifd)e Auftritte, wo nid)t gar ärjntid) jenen
im ©ermanicug, erroarten (äffen, roesftuegen and) jeber friebüd)
®efinnte bon ganzem fersen toünfdjt, ba^ bodt) eine Ijbtjere
23ef)örbe biefem Unfug nod) 51t rechter $eit fteuern möge."
3)ie Serjbrben aber tjaben alle berfei Sftaljnungen ü6erl)ört,
im ©egentfjeit ba§ Hebel burcf) bie lajefte (Senfur ber „SBiener
£ocal=$ßoffe" in'3 9J?a^lofe Oergröfjert, roätjrenb bie über bie
guten, bübenben ©lüde, fo mie über nnffenfcl)aftlid)e 2öerfe üer*
Fjängte in ifjrer (Strenge befanntlid) feine ©renken gefannt.
bringt man nod) ba^u bie bekannten Stljatfadjen in (Srmägung,
bafe SBien'iS SBeüötferung e£ im firdjticfjen SnbifferentiSmug unb
religiöfen Unglauben allen anbern ©rojjftäbten feit lange 3uoor=
getfjan, bafc ferner leine ber europäifdjen .Spauptftäbte 311 finbifd)er
üftadjäfferei frember ©itten fo geneigt gemefen, a(3 2Bien, fo Ijat
man barin bie nidjt megjuläugneuben ©rünbe unb Urf adjen
511 einer ©emoratifation in allen ÜRtdjtungen, bie gtetdjfam
metljobifd) grofc gebogen morben. ©ie @efd)id)te be§ 3af)re3
1848 fjat biefe ©emoralifation auf ifjrem (EulminationSpunct
gejeigt. ß« fotdjer Steife aber be§ au^geftreuten <2aamen3 maren
3at)i*äel)enbe erforbertid). — Sit roelctjer Se^iefjung biefe £)inge
mit bem Reiben biefeö 23ud)e§ fteljen, in miefern fie auf iljn
jurüdgemirtt, rairb fid) ergeben.
Sftun mären mir am (Singange eines langen unb frummen
§of)tmege§ angelangt, ben 51t umgefjen feine Sttögtidjfeit. 3d)
labe baf)er ben Sefer freunbtidjft ein mit einiger ©ebulb unb
9iüdftd)tnal)me auf unfern Sftetfter mir §u folgen. (£<§ rjaubeft
fid) um Darlegung ber üeranlaffenben ©rünbe 51t einem fjart-
nädigen, Oier oolle Safjre fic£> Ijinjieljenben ^rogefis, in metdjen
unfer SDcetfter Oermidelt morben, unb gteidjäeitig um bie auf
fein ganzes fünftlerifd)e§ ©etjn barau3 entfprungenen folgen.
£)ie <Sd)ilberung biefer Gegebenheiten mirb mir gegenmärtig um
ein Söebeutenbeö erleichtert, inbem mitttermeile eine auf biefe!6e
fid) be^ietjenbe Gorrefponbenj 23eetf)oüen's> §ur Sßeröffentlidjung
gefommen, bie alle ©djranfen auf gehoben fjat. (£§ ftnb bie ad)t
— 301 —
unb ätoattätg Briefe üon SJeetfjoüen (au§ ben Sauren 1816
unb 1817) an ©ianatafio bei SRio, nebft betgegebenen ^ottjen
über $Beeti)ot>en au§ jenen £agen, beren bereits in ber jweiten
Sßeriobe @rwäf)nung gefd)ef)en.107)
Sm Sftonat 3tobem&er be§ 3af)re§ 1815 ftarb 23eetf)otien'3
älterer 93ruber tat, ben tüir als (Saffenbeamten an ber öftreidjifdjen
9cationat=$anf fennen gelernt, 9ftit bem £obe bicjeS 9#anneS
beginnt im Seben unferS 9fteifter3 ein ?lbfd)nitt üon befonberer
Sßidjtigfeit, ein 9lbfd)nitt arm an fünftlerifdjen begangen, reid)
aber an erfjebenben Momenten, bie un§ ben ^onbtdjter afö
!>D?enfct)en öon ungemein fittlidjer SßSürbe unb Äraft geigen, wie
nirfjtö im Sßorljergeljenben e§ in foldjem ©rabe oermodjt t)at.
2)urd) biefen nenen Sonftict mit ^ßerfonen unb Sßerljältniffen
tritt unfer SD^eifter gum er[ten Wlal in eine engere SSerbinbung
mit bem bürgerlichen Seben. 2öie er bie $robe beftanben, wirb
ber Verlauf ber Singe teuren.
3m fünften ^unete feinet SteftamentS üom 14. 9xo=
bember 1815 bat tat öan 23eett)oben feinen SBruber um Ueber=
nafjme ber SSormuubfdjaft über feinen fjintertaffenen (2ot)n fö'art,
bamatö 8—9 3af)re alt. Ser SBortlaut biefeS ^uncteS ift
folgenber: „Seftimme id) gum SSormunbe meinen Q3ruber Subwig
bau SSeetljoben. 9?ad)bem biefer mein innigft geliebter 93ruber
rnid) oft mit wafyrfjaft brüberlidjer Siebe auf bie grofemütjjigfte
unb ebelfte Sßeife unterftütjt tjat, fo erwarte id) and) fernerhin
mit tioKer 3UDer1^t un0 *m sollen Vertrauen auf fein ebteS
§erg, bafe er bie mir fo oft bezeigte Siebe unb greunbfd)aft
aud) bei meinem ©olme Slart fjaben unb alles anwenben wirb,
maS bemfelben nur immer gur geiftigen 33ilbung meinet SofyneS
unb §u feinem ferneren ^ortfommen möglid) ift. Sd) weife, er
Wirb mir biefe meine SSitte nidjt abfdjtagen." 3m fedjften
Erntete ernennt ber Steftator ben §of= unb ©eridjtSabbofaten
Dr. ©djönauer gum Kurator „für bie Sßflegung ber 5tbl)anblung
167) Diese Giaunatasio-Korrespondenz wolle man im III. Bande
von B. S. Br. nachlesen. A. d. H.
— 302 —
foroorjl, a(3 aud) fonften für meinen ©orjn $art mit bem 33ei=
fatje: bafj berfelDe bei allen Angelegenheiten, metd)e ba$ SSer=
mögen meinet <Sof)ne3 betreffen, zu Sftatrje gebogen merben folt."
(£)ie ben ®eritf)t3acten beigegebene Abfdjrift tiefet ^eftamenfrä
liegt r»or.)
9Iu3 einem ^Briefe com 22. Sftoüember beäfetben Safjreä an
gerbinanb $ik§>, barin SBeetljotien ben Xob biefe§ ©rubere
metbet, entnehmen mir folgenbe ©teile: „Um iljm ba§ Seben
leichter ^u madjen, fann id) morjl ba§, ma§ icfj itjm gegeben,
auf 10,000 Bulben 83. 333. (Wiener 2Bäf)rung = 10,000 grS.)
anfdjtagen." gerner fagt 53eett)ou>en in biefem ©riefe: „@r Ijatte
ein fd)(ed)teS 233eib." 16S)
Um bie SBitte feines üerftorbenen 33ruber§ im üotlften
dJlafc in Erfüllung gerjen 51t machen, t)ie(t ©eetrjoöen gn aller*
näcrjft für nottituenbig, feinen Neffen ben fdjlimmen ©inflüffeu
feiner sDcutter gn entziehen, ja, er ging in feiner ©orforge für
beffen SSofjl roeit über ben SSortlaut ber 93ttte feinet ©ruber»
fjinau<§, er faßte näm(id) ben @ntfd)tufc, ifjn 5U aboptiren, ein
(Sntfdjtufe, ber fotr-ol)! mit feinen 9Sert)ättniffen mie aud) mit
feinem Äünftlermefen in grellem SSiberfprud) geftanben. ©iel=
feitige§ Abmarjnen feiner greunbe tiermocfjte nictjt it)n Neroon
abzubringen; er ermieberte mit ber Verpflichtung au§ feinem
Steffen einen guten Sftenfcfjen unb Staatsbürger erziehen 511 follen.
Um aber biefen ©orfatj ofjne Verzug in Ausführung §u
bringen unb um bei ber ©ormunbfdjaftsberjörbe fixerer bamit
burcrjäubringen, mar aU erfter ©djritt erf orberlid) : fein bi3=
t)erigeö SunggefeHen=Seben aufzugeben unb eine eigene §au§=
tjaltung einzuridjten, ba$ anberfeit§ foüiel rjeifjen mollte, als
bie $unbamente feiner inbimbuellen aber aucfj fünftlerifdjen
greiljeit unb llnabl)ängigleit mit eigener §anb gu untergraben,
ba§ zu zerftören, ma§ für feinen ©eniuio bie eigentliche ^eimatf)
mar, in ber allein er fdjöpferifd) nrirten fonnte.
168; Vgl. B. S. Br. No. 476 (II. Band). A. d. H.
— 303 —
Sßie ber Meifter bei (Sinridjtung feiner §au3l)attung 31t
SBerfe gegangen, bation eine Sßrobe. ©ine Information, unbe*
groeifett bei einem erfahrenen §au3nrirtf) eingeholt, liegt in $orm
eines $rotocolt§, linfö bie fragen, redjtS bie 21ntmorten, in
Original tior.
S3eetf)ouen fragt:
1. „SSaS gibt man jmei $)ienftteuten §D?ittag§ unb 21benb§
gu effen, foroot)! in ber Dualität, als in ber Quantität?"
2. „2öie oft gibt man ifjnen traten? ©efdjtd&t bieg mt*
tag§ unb SlbenbS ^ug(eicE)?"
3. „£)a3, ma£ ben SDienftboten beftimmt ift, Ijaben fie biefeS
gemein mit ben ©Reifen beS §errn, ober mac|en fie ftd)
fofctje befonberS, b. t). madjen fie fid) anbere ©peifen,
als ber |>err fyat?"
4. „2Bie üiel ^3funb pfeifet) redjnet man für brei ^)Ser=
fönen?" u. f. m.169)
SSie mag rooijt bem in überirbifdjen Legionen gu (eben
gemeinten £onbid)ter bei £>urd)tefung ber in'S detail beant=
morteten $üd)en=9?ecepte gemorben fet)n? (Sollte man nidjt er*
märten, bafc itjn beim 2tnblid ber ötelen $ol)tarten, gelben unb
meifjen Gliben, ©auerfraut unb ©pedfnöbel, Sßödelfteifcf) unb
Kartoffeln, ein ©rauen Oor feinem Unternehmen überfdjtidjen
unb abgefdjredt fyabe? Siebe unb $Pfüd)tgefü§t Oerfdjeudjten
jeboer) alle in 2tu3fid)t geftellten SSibermärtigteiten unb 'jßtatfereien
mit Srienftteuten, falls biefe nid)t öon einer §au£frau über*
mad)t roerben.
©d)on im $ebruar 1816 entzog SBeettjooen feiner ©cljmägerin
ben ©ofyn unb übergab it)n bis auf meitereS bem (Sr3iet)ungS=
Snftitute beS oben genannten ©ianatafio bei SRio. @S mar bieS
ein ©emattfdjritt. ©ofort trat bie ©djtoägerin riagenb auf.
169J Ein vollständiges Promemoria „Zur Einrichtung einer eigenen
Haushaltung" aus Schindlers Beethoven-Nachlaß habe ich in den Beet-
hovenbriefen mitgeteilt bei einem an v. Zmeskall gerichteten Bedienten-
briefe No. 518 vom Jahre 1816 (III. Band). A. d. H.
— 304 —
2)er Sßrocefe tuctrb bei beut Dber;©ericfjt, „ba§ meberöftreidjifdje
Sanbredjt" genannt, anhängig gemacht, üor beffen gorum bie
9ted)t§facE)en be3 ?(be(<§ nnb ber ©eiftlidjfeit gehörten; man
fjatte nämtid) bt§ baljin unfern 83eetljouen wegen be§ feinem
tarnen borgefe$ten u a n für abetid) gehalten. £>em 23erftagten
marb gunädjft bte Aufgabe geftettt, §u bemeifen, ba$ feine
©djtoägerin ein fittentofeg Sßeib, barum jur SD^iter§iet)ung irjreS
©ofjneS nidjt geeignet fet), getmjj eine peintidje Aufgabe für
einen 9}?ann, ber bie Uebelftänbe in feiner $amtfie bic>t)er ftet§
mit ©d)onung ertragen fjatte.
Sßie e§ bei gübjrung tion ^ßroceffen fo oft üorfommt, ba^
burd) bie Vertreter bie Seibenfdjaften ber ftreitenben Parteien
nur met)r gegen einanber gereift merben, ©teid)e§ mar tjier ber
galt. S)er §of= nnb @erid)t£aboocat Dr. Don 2tbter3burg, eine
berbe Statur, fdjeint gunädjft uergeffen p fjaben, metdje 9?üd=
fidjten er — bei alter (Stuben^ ber aufgebedteu £t)atfad)en, —
ats> Vertreter Seetrjoüen'g gegen biefen fetbft 51t beobachten rjabe.
®er gegenseitige ©adjluatter aber, Dr. (Sdjönauer, ein im 9fufe
fterjenber Sntriguant, ging vice versa nocfj Oiet meiter. (£§
taut fonad) in ^o(ge ber aboocatifctjen §e^ereien §u Sjpectorationen,
oerftefjt ftd) auf Soften ber Parteien, mie fie in bamaliger $eit
bort at§ Stilus curiae übtid) gemefen. @emeine§ ©dampfen
unb Wank jeber 5lrt, fomotjt in bieten mie in ©egenmart be§
$id)ter§, gehörten 5U ben SBorredjten ber Stböocaten. ?lber fte
oerfefjtten nid)t böfe§ 59(ut §u madjen. ®ennod) ging barauS
für unfern Stfeifter ber ©eminn rjeruor, bafj feitewS ber Sebjörbe
ber obige ©eroaltfdjritt für gut gereiften unb ber 9?effe bi§ §u
2tus>trag be§ *ßroceffe§ i£)m in proüiforifd)er Dbrntt getaffen
mürbe.
Unter ben oben ermähnten Scotijen ber Staute ©ianatafio
bei 9tio (©rensboten, 2te§ Quartal, 1857, ©eite 29) tautet
eine mörttid): „2)ie üon $eett)otien fogenannte Königin in ber
Sfadjt, feine§ Neffen Butter, tjatte e§ enbtid) batjin gebracht,
ba^ man feinen Stbet al§> oan Söeettjoüen ftreitig machte unb
— 305 —
feine <&ad)t jum äftagiftrat tarn, roa§ itjn fer)r fränfte, tueit
man an erfterer ©teile i§n merjr gu mürbigen üerftanb; auct)
!am e§ enblicfj barjin, bafj er ber 9Sormunbfd)aft enthoben
unb fein üfteffe jur Sftutter surücffefjrte- 2Seld)er ©c^merj
für if)n!"
Die »eitere 9tu3füt)rung in biefer beadjten^mertrjen 5Tu§fage,
fo gettndjtig in ber ©acfje, tuie ein 9lctenftüd, meil eine aßen
Parteien frembe (Stimme fpridjt, foü un§ nun §ut»örberft 6e=
fdjäftigen. Denn bie üerlaffenbe Urfadje, marum ber ^ßrocefj
öom Obergeridjt an ba§ Untergeridjt üerroiefen roorben, bietet
unter mancherlei uorgefommenen ©erei^tfjeiten unb Un$iemticfj=
leiten ein d)arafteriftifd)e3 Moment bar.
9cacfjbem bereits über ein t>olle3 Safjr t)in unb rjer öer=
§anbelt morben, mürbe — mie e3 tjiejj — in ^olge Denunciation
be§ gegenteiligen 5tbbocaten, baä Obergeridjt aufmerffam ge=
macrjt, bafj ba§ bem niebertänbifdjen gamitien^amen beigefe^te
Dan nid)t ben 9lbet beäeicrjne, 23eetrjot>en fonacfj nidjt abelidjer
^erfunft, biefeö Obergeridjt folgtid) im üorliegenben 9?ed)t3ftreite
nidjt bie competente 53et)örbe fetj. (£§ marb bemnad) becretirt,
Seetfjoüen folle feinen ?lbel bocumentiren. 3n bem anberaumten
Xermin erfdjien er perfönlictj uor ©eridjt unb erffärte: fein
9tbel fet) tjiet unb ba, auf Slopf unb ^erg jeigenb.*) 17°)
gür foldjen 9lbel a6er ga6 e§ meber in Deftreid) nod) in anbevn
Staaten, 6i3 511m heutigen "Jag eine rtdjtenbe Sßerjörbe. Da§
nieber=öftreid)ifd)e 2anbred)t fonnte mithin nidjt anber§, a(3
biefen ^edjtsftreit ju meiterer ^erljanblung an ben Sftagiftrat
ju Derroeifen, bie für bie 3iänfe unb ©dmxinfe be3 gegnerifcben
Slbuocaten erroünfdjte ©teile. Dort mar für Seettjoüen nur
bann erfprieJ3tid}e3 5U erreichen möglich, menn er feinen $ei>
treter t>erabfd)iebet, unb eine ganj anbere ^Serfönlidjfeit bem
©egner gegenüberfteUt. ©eine SBarjt fiel auf Dr. Ssotjann
*) 35er 3Jieift« ptte nod) mit ben Gerannten SBorten Napoleon
58oncrparte'§ erroiebern foHen: „%d> ruiö meinen 3lbef nur üon mir batiren."
170) Vgl. B. S. Br. No. 579 (III. Band). A. d. H.
31. SdjmMetä 53cet^otica=S?{ograj)Ijte. 20
— 306 —
Öaptift 33 ad), ber ebtn in bie 9}eit)e ber §of= unb ©eridjt^
SIbüocaten getreten nnb a(3 ©egner önn feinen (Sottegen ge=
fürchtet mar, ein 9Rann Don oielfeitiger SSifoung, o6enDrein
ein fel&ft auSübenber üDcufiffreunb, ber oornetjmlid) im Cluartett
aU SSioloncellift mefyr als ^Ditettan tif cfjeö geleistet fjat. 2>ie
tjolje 9(d)tung, meld)e Dr. 23ad) genofj, ergibt ftd) aus feiner
breimaligen (Srmäljtung jum Secan ber jnriftifd)en gacuttät
nn ber SSiener Unioerfität.
Sn ^olge ber Sßermeifung be£ SßroceffeS an ben SWagiftrat
filmte ftd) 53eetl)oüen tt>ie Dom tjärteften Sdjtage getroffen. Ob-
er etmaä barauf gehalten, in ber Meinung be£ Sßotfe3 für einen
9Ibelid)en üon (Geburt 51t gelten, mürbe fdjmer gu behaupten
fetjn, mar bod) feine 2(bftammung, mie $amüien=93ert)ä(tniffe,.
letztere aud) burd) bie bürgerliche (Stellung feiner trüber, genug=
fam befannt. Snbefe ift bod) fooiet geroifj, baf$ er oiet barauf
gehalten, feine 9iect)t§fact)e üor ber eyceptioneüen Dberbefyörbe
oerljanbeln gu fönnen, tfyetfs barum, metl man ifyn tljatfäcpd}
bei biefer Stelle beffer ju mürbigen üerftanb, (toie bie 'Same
C^ianatafio gan§ ridjtig bemerit,) tfjeife, weit ber unüortrjettjafte
9tuf bes genannten Untergerid)t§ ifym menig §offnung für einen
gemünfdjten (Srfolg eingeflößt fjatte. üftidjt minber barf für
gemifj au3gefagt merben, hak meber fein ©enie, nod) feine $unft-
merfe i§m bie bi§f)er eingenommene beoorgugte (Stellung in
ben abeüdjen Greifen oerfdjafft rjätte, ofjne bie ^räfumption^
er fet) if)re3 ©leidjen. S)ie§ fjot fid) burd) mehrere 23eifpie(e
ermiefen, fobatb ber Vorfall am Dbergerid)t im publicum be-
fannt gemorben. 9äd)t in ber 9Jcittetftaffe, mo§( aber in ber
oberen, Ijat ba§ 2öörtd)en „oan" einen offenbaren ßauber au§=
geübt. Stfö ^t)atfacr)e fteljt feft, bafj feit jenem ^öorfaüe am
nieber=öftreid)ifd)en Sanbredjt ba$ grofte 2öten unferm geh'ünfteu
Sfteifter gu enge gemorben, unb tjätten ifyn nidjt bie au§ bem
Sefiamente feinet 93ruber3 übernommenen $f(idjten gehalten,
eö märe bie mieber()o(t projectirte Steife nad) (Sngtanb 51t (Staube
gef'ommen unb Oietteidjt aud) ein bauernber Stufentbatt bafetbft,.
— 307 —
Ijiitte er bod) bereits mit beffen Politiken Snftitutioneu am
meiften fompatf)ifirt.
$ur 93eträftigung> wie biefer Vorfall auf 33eett)Ouen ge=
wirft, wirb bie wortgetreue 3Jcittf)eitung eine« ®efpräd)S gtuifctjen
it)m unb feinem greunbe $ßeter§ bienen, bie fiel) in einem ber
-Tagebücher au§ jener $eit üorfinbet.*) ®af ©efpräd) fanb an
einem öffentlichen Orte ©tatt, mufete barum wegen $eetf)oüen'3
©djWertjörigfeit oon beiben fcfjriftttd) geführt Werben, ®teid)
bie erften SBorte beS SfteifterS geigen, welche (Stellung er fid)
fetber in ber ©efettfdjaft öinbicirt fjat. üftur entfdjiebene (Gegner
werben fie falfd) auflegen.
$eter3. ,,©ie finb fjeute fo unjuf rieben, wie id)."
Söeetfjouen. „21bgefd)loffen foft ber Bürger t>om f)öt)ern
9}tenfd)en fetjn, unb id) bin unter if)n geraden." **)
Meters. „3n brei SBodjen Reiben ©ie mit bem Bürger
unb bem SWagiftrat nid)t3 mef)r ju tfmn. äftan wirb ©ie nodj
um 3§re Unterftüfcung erfinden unb 31jnen wor ber Appellation
bie freunbtidjfte Aufteilung macfjen."
Seetfjoöen. „©otlte eS gefcl)el)eu, fo Will id) lieber in
einem fotdjen Sanbe nid)t bleiben. @§ wirb Weber SBormünber
noefj Dtjeime geben meines ©leiten. — £)ent'fd)rift!" 1T1)
:;:) 33iefe§ lagebud) befinbet ftch nebfi üielen anbeut in ber ®gl.
-Bibliot^el ju Serltn.
**) ©iefer ©a£ roürbe bie rjotfSttjümlicben $efinnungen Sßeetboben'ä
»erbädjtigen unb tljn aB Slriftofraten blo§fteflen, wenn man feinen 6'inn
iüd)t au§fd)lieBlii^ auf ben SBiener 33ürger unb beffen bamaligen Güütuv=
^ufianb begeben wollte. SDarauf allein befdjränft et fteb.
171) Worte dieses Gespräches aus den Konversationsheften sind
nach Schindler unendlich oft wiedergegeben worden. Wiederholte
Prüfungen des Originals wollen jedoch wahrnehmen lassen, daß die
Worte nicht stimmen wollen. Eine Nachprüfung ist aber bei der
Wichtigkeit des Inhalts durchaus nötig. Der Gesprächsinhalt ist dem
starken (91 Blatt starken) Heft No. 22 entnommen, das Schindler
der ersten Schachtel 1819 zugewiesen hatte. Eine Nachprüfung durch
Thayer versetzte das Heft ins Jahr 1820, ob stichhaltig, soll hier
20*
— 308 —
3ur ßett, als Dr. Söad) bie Seitung beS ^iroceffe^ in bie
£anb genommen, roaren bie Dinge bereite gang öerfafjren,
S3eett)0Den oon 5u^runfl ber $ormunbfrf)aft fufpenbirt (auf
ben üorgebltcfjen ©runb feiner @ct)tt>err)örigfeit)r unb ein Sn=
terimS=93ormunb in ber SJSerfon eines magiftratiftfjen Beamten,
beS (Stabt=(Sequefters 9cuf$böci, aufgeteilt; junt lleberflufe t)atte
ber 9J?agiftrat in feiner oielbelobten SBeföfjeü bie oon ber
.tlägerin beanfprucfjten 9?ec§te t)infitf)tlict) ber Ortung itjreS
©ofyneS, mit gänjücfjer Umgebung be£ obergertcfyttictyen UrtfyetlS,
anerfannt unb becretirt, haft if)r ber ftnabe gurücfjugeben feu.
Sie bafyin fyatte biefer gemifj beflagenstoert^e ©egenftanb beS
Streites ^mei ootle ^af)re fjinburd) — oon gebruar 1816 bis
gebruar 1818 — im Snftitute beS ©tanatafio auf Soften
feinet Dfjeims eine gute th^ieljung genoffen, bann marb er
längere 3e^ in oer 2£oljnung beS DfjeimS unterrichtet, bis er
oon biefem mieber einem für ©t)mnafial=(£laffen eingerichteten
Snftitute (23töct)(inger) anüertraut morbcn. tiefer ausgezeichneten
unb aud) foftfpieligen Slnftalt fottte nun ber fet)r begabte unb
feine Se^rer gufriebenftetlenbe Slncbe jufolge magiftrattfcben
Urteils entzogen merben, nnbefümmert um feine bereinftige
offene Frage bleiben! Genug, in diesem Hefte kann jedermann das
denkwürdige Gespräch zwischen Beethoven und dem Lobkowitzschen
Rat Peters nachlesen (besonders Seite 48 f.).
Unmittelbar vor den von Schindler mitgeteilten Worten schreibt
Peters: „Meine Frau (wovon „Beethovens Frauenkreis t: weiteres darbieten
wird, ist bei Zizius, die ich noch abholen werde, ist Musik und Ball
— wenn noch Zeit übrig bleibt, mach ich auf die Redoute. u
Erstaunlicher weise steht der Schind lersche Schlußsatz von einem
Vormunde ä la Beethoven gar nicht dort. Meine abermalige Prüfung
(Anfang März 1909) ergab dieses. Ich füge noch folgendes daraus
hinzu: Bl. 50a Beethovens Worte : „Lassen Sie den Ball absagen1- und
Bl. 50 b Peters: „Der Salon, die Bälle der Gesellschaft sind nur für
d. Fr. Pepi ebenso in Bezug auf Erziehung verfaßt als es Ihnen der
Magistrat wie (Beethoven.) Wer ist dieser Mensch obscurus? —
Rechnungsrath bei der Stiftsbuchhandlung in Lerchenfeld. u
A. d. H.
— 309 —
öjiftenj. SDcit ©rnnb ruft bie 2)ame (^ianatafio oben au3:
tr33Setct)er 8d)mer5 für Seetfjoüen!" 2)a§ mar in ber Zfyat
nacf) fo tneten gebrauten Opfern unb fo uieten erlittenen
Mnfungen be§ StfiBgefdjicfS %vl biet. Vergebens rectamirte
23eett)ouen mieberljolt fein alleinige^ SRedjt auf bie Sßormunbfdjaft.
2)ie (etrteingereidjte energifd) abgefaßte 9iedamation mit bem
$ßräfentation§*2)atum üom 30. October 1819 liegt in bm
@eritf)t<§acten nor, bie nebft anbern Slcten unb £>ocumenten non
Dr. VSad) mir §ur Senutmng gugeftfjidt morben. £)er magiftratifcfye
söefdjeib Dom 4. ÜRouember beffetben Saljreä, fid) auf frühere
Sefctjeibe be§ier)enb, lautet toieberum abroeifenb.172)
9tun erft mürbe ber SSeg beS 9?ecurfe§ an ba§ 2lppeUation3=
geriet betreten. SDie erfte Eingabe mit bem $ßräfentation§-'S)atum
üom 7. Sanitär 1820 liegt gleichfalls in ben ©eridjtSacten oor.
$)a Reifet e§ im s$unct 2 roörttidj: „Stritt mein ^effe in bie
3at)re, in benen er einer tjöfjeren 93ilbung pgefü^rt merben
mufe. $ßeber bie Butter, nod) ber bermaüge SSormunb ftnb
rjie^u geeignet, ben Knaben auf bie roiffenfct)aft(icr)e S3a§n §u
leiten, ©rftere nidE)t, meil fie ein SBeib ift, unb roa§ acten=
mä&ig uorliegt, öott ©eite ifyrer ßonbuite, otjne mef)r 51t fagen,
feine empfefylenbe ^cugniffc auf^umeifen f)at.*)17:V) SDatjer fie
*) S8ietteict)t barf ber öiograpl) über bie donbuite biefer ^rau jur
"}te<±)tferttgung 33eetl)oöen'§ mefir fagen: nod) roäfirenb be§ &aufe§ ber ©e=
rid)t§c>erbanbhmgen tjatte fie 9?ad)iommenfd)aft erhalten u. f. tu.
172) Die hier erwähnte Eingabe ist nach dem Original in
Schindlers Beethoven- Nachlaß (Mappe I, No. 14), in B. S. Br. dargeboten
in No. 781 (IV. Band). A. d. H.
173) Auch diese Eingabe an das Ö. Appellationsgericht vom
7. Januar 1820 ist nach Schindlers Beethoven-Nachlaß (Mappe I, 15)
in B. S. Br. mitgeteilt und erklärt (No. 801, IV. Band). Danach er-
gab sich für den musikalischen Rechtsbeistand Dr. jur. J. B. Bach
das berühmte Wort über unsern Meister: „Kein Zug dieser großen
Seele darf verloren gehen!'' Der Herausgeber ist stets bemüht, dafür
zu sorgen, daß kein Zug dieser großen Seele verloren gehe! — Cf.
B. S. Br. IV. Band, S. 76. A. d. H.
— 310 —
aitdj bie (jofjen Sanbrecfjte gan§ üon ber SBormunbfdjaft ait!c=
gefcf/toffeu rjaben. 2öie ber löbfid^e SOcagiftrat fie bemnad)
roieber beftetten tonnte, ift nid)t 311 begreifen."
5(ber nod) eine anbere befonben? djarafteriftifdje Stelle
möge biefem appetlatorifdtjen ©efucfje entnommen merben. (Sie
lautet: „9Jcein SSiüe nnb (Streben getjt nur bafvin, bafj ber ftna&e
bie beftmöglicfjfte ©r^ierjung ermatte, ba feine 3(nfagen §u ben
frofjeften Hoffnungen berechtigen, nnb baf$ bte (Srroartung in
Erfüllung gerjen möge, bte fein Später auf meine 23rubertiebe
baute. 9(od) ift ber Stamm biegfam, aber roirb nod) eine 3^it
üerfäumt, fo entroädjft er in frummer 9M)tung ber <panb bes
bitbenben Gärtner«, nnb bie grabe Gattung, 2öiffenfcfjaft nnb
Gfjaracrer ftnb für emig oertoren. Sd) fenne feine Zeitigere
Sßftidjt, als bie ber Dbforge bei ber (Sr^ietjitug unb 23iibuug
eineg Stinbe§. 9^ur barin fann bie Sßftidjt ber Oberoormunb^
fdjaft beftefjen, ba§> ©ute 31t mürbigen unb ba% gmedmäfjige ju
oerfügen; nur bann tjat fte ba§> SSofjt be§ ^upiöen u)rcr eifrigen
9(ufmerffamfeit geroibmet; ba% ©ute aber gu rjinbern, f)at fte
ifjre $ßftid)t fogar überfeinen." Offenbar fpridjt £)ier Söeetrjoueu
felber, ber feine ©ebanf'en fortan fcfjriftlid^ feinem 2ibuocaten
gugefdjidt t)atte. £>arum tonnte Dr. $8ad) in feinem Briefe an
micfj bom 9. ^uni 1839 befonberä auf biefe Steife rjinmeifen
unb bemerfen: „$ein $ug biefer großen Seele barf oertoren
gefjen, toeil e§ bemeifet, bafj mit einem unerfdjöpflidjett ©eiftc
jugteid) ein eb(e§ ©emütrj Oerbunben ferju fann."
ferner oerbienen nod) §roei Stellen au§ biefem ©efudie
angeführt 51t merben, roeil fie 5U um fo ftdjerer Ueberficfjt ber
•Sachlage, mie aud) $u ridjtigem ^erftänbniffe ber folgen biefe*
^ßro^effeS für unfern 9Jceifter berfjelfen. Sie eine biefer Stetleu
tautet:
„Sa, nur ba3 33efte be§ Ä'naben im Stuge bin id) nicfjt
entgegen, bafj ber SOrutter fernerhin eine s2lrt $citbormunbfd)aft
5ufommen möge, bie barin beftefjen mag, baß fte ben Änaben
befudjen, ferjen, unb bon alten (h^ierjungSbort'erjrungen 3Siffen=
— 311 —
ftfjaft nehmen möge; allein itjr fernerhin allein bie SBormunbfdjaft
31t überlaffen, otjne ba$ ein luftiger SSormnnb an ifjre ©eite
gebellt ift, baZ fliege baä Sßerberben be3 £inbe§ unau§b(etbtid)
herbeiführen."
S)ie anbere ©teile ift bie nadjfteljenbe : ;
„Set) t)abe bei bem lobt. üDcagif träte commissionaliter erfteirt,
bau ict) ben Slbgang ber Soften für fein bermaligeä ©rsieljungä*
Snftitut an§ Eigenem tragen, unb felbft jur Gattung mehrerer
äßeifter ba§> 9<ött)ige fjerbeifdjaffen motte; ict) fyabe, ba ict) etraa§
fcfjmerrjörig bin, ba§> bie äftitttjeilung t)inbert, mir einen 9Jcit=
oormunb erbeten, ben idj in ber Sßerfon be§ §errn ^eter§,
fürft(ict) ßobtomitVfdjen 3iatl)e3,174) öorgefctjtagen fyate, fo bafe
pgletcfj ein Stftann an bie ©pitje ber ©rgiefyttng unb Seitung
meines Steffen gefteltt mürbe, ber feiner fantniffe eben fo, als
feiner 9tforalitüt megen bte allgemeine 9(d)tung befitjt, unb beffen
öinfdjmten mir unb Sebem, bem btö 2öof)t biefe§ Knaben am
^erjen liegt, bie 23erufyigung geraätjrt, bcifo ber Sfrtabe eine
feinen gätjigfeiten entfpredjenbe @r§ie^ung unb SMlbung ermatten
tonne unb roerbe."
tiefer appettatorifdje ,3ug fear für unfern Reiftet- günftig,,
inbem alte feine $orfct)läge gutgeheißen unb fomit alte feine
2Sünfct)e bucrjftäblict) in (Erfüllung gegangen. S)aS Appellation^
gerieft tjat bie Wuffaffung be3 DbergeridjtS aboptirt. £)emnact]
mürbe bie SSittroe üan Söeetfjoöen üon jeber 9flitroirfung bei
©r^ierjung irjreS ©otmeS, überhaupt öon jeber birecten (£in=
mirfung, au§gefcr)loffen unb unferm äfteifter Holte ©emalt über
feinen SJcünbel gugefproerjen. —
@o enbigte biefer ^roge^, an bem ba§> gange muficatiferje
Sffiien ben tebt)afteften Slnttjeil genommen fyatte. — Ungeachtet
aller biefer äSecfjfelfätte in (Srgiefwng unb Unterricht entfpradjen
bennoct) bie gortfdjritte be§ Neffen im SBiffenfdjaftlicrjen roie
174) Das ist derselbe Rat Peters, von dein die kurz zuvor er-
wähnten Worte in Sachen des Beethovenschen Adels im Konversations-
hefte 22 herstammen. A. d. H.
— 312 —
in ber 9)?uftf ben eminenten Einlagen aufs $8efte. Unb fo
festen eS, bafj ber eble Sfteifter für bie jahrelang anbauernben
Sßladereien unb ®ränfungen, für bie beifpietlofe Siebe, (Sorgfalt
unb Aufopferung einftenS ben mofjlüerbienten S)anf ernten unb
nichts als $reube an feinem Steffen erleben merbe. 06 eS fo
gefommen, 06 feine Hoffnungen in (Erfüllung gegangen, mirb
bie golgejeit teuren.
£)iefe jjödjft unerquidlidje ®erid)tSftuben=©pifobe fett mit
einer 2tnefbote gefdjtoffen, bie als djarafteriftifdjer Seitrag 5ur
(Säuberung ber SSiener Untergeridjte bamatiger $eit bienen fann.
S)er titellofe 53eetf)oOen figurirte in ben Acten biefeS SjSroceffeS
bloS als (Sompoftteur. AIS Dr. 3kd) bie Leitung in bie §anb
genommen, erflärte er: fein ßlient muffe üon nun an mit bem
Stitel als (Sapellmeifter auftreten, meil bie sperren 9DcagiftratS=
rättje jumeift 53öotier fetjen, bafjer ein Sompofiteur ifynen fo
oiet als nidjtS gelte; in Deftreicf) muffe überhaupt Seber mit
irgenb einem AmtStitet beim Untergerid)t auftreten, tootle er
beamtet fetyn, ein 9cad)tmäd)ter fet; bort augefeljener, beim ein
(Sompofireur ober ein ^oet; belüge man fief) im gefetligen 58erfel)r
gegenfeitig mit AbelStitutatureu, fo muffe eine gemiffe AmtS=
mürbe beS Klienten feiner ©adje üor (S^eridt)t um fo mefjr An=
fet)en geben. — Vergebens fträubte fiel) $eett)00en gegen An=
naljme beS (5apel{meifter=£ttelS, meit er beforgte, man fönne,
mie juoor bie Vorlage eines AbetSbiptomS, nun ein AnfteltungS=
beeret als AuSmeiS Oerlangen; allein ber, Sanb unb Seilte
fennenbe Aboocat faf) über biefen ©crupel Ijinmeg unb ertjob
ofyne meiterS ben fo toenig bebeutenben (Sompofiteur $um (SapeÜ=
meifter, „in partibus infidelium," mie ber äReifter biefe feine
©rfjebung fpöttifd) befinirt r)at.175) Stuf allen üon Dr. SBact)
fignirten Actenftüd'en figurirt 23eetl)ouen als „ßapetlmeifter unb
ßompofiteur." Scadj bem ermünfd)ten Ausgange äußerte JBari)
f^erjmeife, eS fei) berfelbe nur bie nottjmenbige 2Birfung beS Titels.
175) Soviel wie Titularkapellmeister, ohne Gebalt, ähnlich den
Titularbischöfen in der katholischen Kirche. A. d. H.
— 313 —
28ie e§ mit bem finanziellen fd)on im gtoeiten Saljre be§
SjßroceffeS auSgefeljen, ba§ erfahren mir bom Reiftet fefber.
Unterm 12. 9?o0ember 1817 fdjreibt er an ©ianatafio: „Ver^
änberte Verfyältniffe fonnten toot)! machen, bafj id) ßart nid)t
länger als bis zum (Snbe biefeS Vierteljahres bei Sfjnen laffen
fann, in fofern bin id) gezwungen, Sfynen für baS fünftige
Vierteljahr aufzufagen; fo f)art mir tiefe Sluffünbigung ift,
fo leibet bie Vefdjränftfjeit meiner Umftänbe nicfjt, ©ie beffen
entheben §u fönnen, roeit id) fonft gern unb als geringen QoH
meiner 3)anfbarfeit Sfmen in bem Slugenbtide, mo id) ßart öon
öijnen genommen, gern aud) ein ganzes Vierteljahr ©elb mit
größtem Vergnügen eingerjänbigt fjätte .... ®enief$e id) immer
oollfommener ®efunbf)eit, fo baf3 id) ntieber mefyr öerbienen
fann, fo merbe id) Sbjnen nod) aufjerbem meine ©antbarfeit
erzeigen .... SJÖirflid) tann id) fagen, ba^ id) hierin mein Un=
oermögen in biefem 5tngenbtid befennen mujj."
2öar aber ber ©tanb ber finanziellen Verfjältniffe fdjon
gegen (Snbe beS SaljreS 1817 ein mißlicher, fo fteigerte er fid)
bi§ in'S 3al)r 1820 unb barüber nocf) in Uiet f)öf)erem ©rabe;
unb fefjr begreiftid), ttnr l)aben nur gu ermägen, bafs in biefem
für VeetfyoOen'S ©d)üpfungSoermögen nicfjt furzen 3^traum
aufjer ben Sonaten, Op. 102 unb Op. 106, ferner ben 3eljn
üariirten Sternen, Op. 107, unb ben fdjottifcrjen Siebern fein
anbereS 3ßerf gefcfjrieben, fotgtid) fein meitereS Honorar be=
Zogen Sorben. SSelcfje SBege unfer Reiftet' eingefdjlagen, um
bic täglid) fid) mefjrenben Vebürfniffe für fid) unb feinen Neffen
Zu beden, merben nur atSbalb öerneljmen. £)b tirir il)it bieSfatlS
beftagen ober gar bemitleiben fotien, fieljt in $rage, benn wir
roiffen ja, baf3 in $otge ber ergiebigen (Soncerte im Sat)re 1814
ein namhaftes ©ümmdjen erübrigt unb in Vaiil>21ctien zurüd=
gelegt fear.
Mein anftatt, nrie gemoljnt, biete üftoten z» fd)reiben, fjat
unfer Xonbicfjtcr nxifjrenb biefer 3af)re oiele ^Briefe gefdjrieben,
bie tfjeilS feine f)tiuSlid)e Gnnridjtung, tfjeüS ben ^rocejj, tt)eilS
— 314 —
bie (äräierjungSangetegenrjeiten feine* Steffen jum %nfyait rjaben,
unb im allgemeinen 51t ben unerquidlicfjften unb befragend
mertljeften 3eu9niffen innerer (ärregtljeit nnb teibenfdjaftlidjen
Verfolgen* biefer Singe 5U 5äf)(en finb.*) Sene feiner grennbe
unb näheren brannten, bie fid) nad) biefen brei Stiftungen
rjin in 9}?ittf)ätigieit gießen tieften, mürben mit gufdjriften unb
Aufträgen überhäuft, fo bafj fte bie ©tunbe fegneten, in roeldjer
bem ^roceffe ein (Snbe gemadjt morben. könnte bod) ber größte
Xbjeit jener Briefe ber ^ernidjtung preisgegeben merben, benn,
an unb für fid) ofjne anberroeitigeS Sntereffe a(g bto§ 9luto=
gra^e taut einem großen Spanne, finb mandje bamnter geeignet,
ein menig vorteil t)afte§ 3eu9lu§ fur ^ren SBerfaffer abzugeben,
menn man nidjt beffen augenblidlidje Serftimmnng unb iljre
Urfadjen at§ ßntfdjulbigung gelten (äffen mitl, ober OieUeid)t,
(gleid) gerb. 9ueS,) an bem fef)r ämeifelljaften @at3e feftf)ä(t,
ba^ oon großen Männern atte§ au§gefagt merben bürfe, e§
fcfjabe itjnen ntcr)t. Um ber nad)teitigen Auslegung einer fold)en
Srieffteöe norjubeugen, bie meines 2Biffen§ 51t ben am meiften
beffagenStoertrjen gehört, möge fie lieber gleid) tjter ben Ort ber
^eröffentlidjnng finben. ?(m 5. SOtärj 1818 fdjreibt Q3eetf)Oüen
nnter anbern an gerbinanb 9tieS: „ . . . 3d) münfdje unb tjoffe
für <5ie, baft fid) 3f)re ©tüdSnmftänbe tägtid) oerbeffern, feiber
fann id) baS nid)t Hon mir fagen; burd) meine nng(üd'tid)e
^erbinbung mit biefent ßi^tjergog bin id) beinahe an ben
SBettetftab gebradjt, barben fann id) nid)t febjen, geben mufe id),
fo fönneu Sie benfen, mie id) bei biefer Sage nod) merjr teibe —
$8enn e§ mir nur möglidj, madje idj mid) nod) früfjer öon l)ier
meg, um meinem gänjticrjen 9?uin 31t entgegen, id) treffe at£=
*) Söei biefer Gelegenheit läfet fictj auf eine 2(cljnlicrjfeit §tr<ifcrjeiT
% $. 9iubens§ unb SSeet^oDen ^iuroeifeu. ®ie 2eben§gefdnd)te be8
grojjen g-arbentünfilerS weiß ,}u fagen, baji in ben öielen üon ü)m toor=
Ijanbeneu Briefen nitf)t§ über feine ihtnft uorfonwtt, inaä ferjr bebauerlitf).
3n ber Unjarjl öon S3eetl)oDen eriftirenber Briefe bürften nur äufjcrft »penige
eine Steife über Sliufif enthalten.
— 315 —
bann im SSinter fpäteften£ in Sonbon ein. Sdj weijs, bof? <2ie
einem unglüdlidjen greunbe beiftefjen."*)176)
©itfjerttdj f)ätte bei* grofemüttyige @r$ergog Üiubofylj biefeu
nngegrünbeten STuSfatt auf feine 'jßerfou nicfjt übet genommen
unb itjn gerne ben brücfenben ^erfyältniffen be§ SerjrerS ju-
gefdjrieben, bic nur burd) 9(u8fül)rung feine-S 9teife|)ian3 nacfj
Sonbon, in $ofge brillanter Offerten (Seiten^ ber SßfjiUjarmo*
nifcfyeu ©efetffcrjaft, 51t oerbeffern waren. 2)er (Srgfjergog mürbe
ifut nm menigften an ber Steife getjinbert imben, gumal feine
Ernennung 511m (Srjbifdjof oon Dfmüt*, fomit aud) feine @nt=
fernung Oon 2öien, fdjon um bie Wüte be§ Saljreg 1818 be=
Sännt geWefen. Sßoburd) auberS fjat er fid) üou 9(u3fürjrung
biefe§ 9?eifeplan§ abbringen (äffen, at§. burd) feine maf'lofe Siebe
gu bem Steffen? — Ueberrjaupt barf auf bie Sl'iageaugbrüdjc
unferö 9)?eifter§ tjiufidjtttd) fetner üconomifdjen ^uftänbe, wie
aud] in 93e5ug auf feine $reunbe nidjt ba§> geringfte ©ewidjt
gelegt werben; erftere inSbefonbere waren fein beftänbige^
^tedenpferb unb letzterer bebientc er fid) nur gar 5U oft al§
Sünbenböde in fetbft angerid)teteu SBirrniffen. 2BU( man offen
fei)n, fo barf ba% au$ jenen ßuftänben hervorgegangene SDZaf?
auffallenber Sßiberfprüdje jwifdjen SBort unb %§at nidjt un=
berührt bleiben, baüou fid) nod) mancherlei Söeifpiele ergeben
werben.
SSie notljwenbig unfer 90?eifter felber \)a% Steifen, fowoljt
%vl görberung Oon $unft5Weden, wie gur 93erbefferung feiner
oconomifdjen 33ert)äitniffe, gehalten, bie§ bezeugen feine eigen=
rjänbigen 5(uf;*,eid)uungen, 511m XljeU äftafynmorte an fid)
fefbft geridjtet, in feinem Stagebudje au§ ben oorau§-
gegangenen Sauren. 8n bem oon 1814 finbet ftc£) folgenbe
*) ®er flegeniüätttge 23eft$-er btefe§ Briefes ift ber ÜÖhtftfev, §err
Shtguft 33 u t) 1 , 31t granffurt am Wiam, ber ifin t>on ber SSttiue 9tie§
iiberfommen fiat.
176) Vgl. den Brief mit eleu bedauerlichen Worten über den Erz-
herzog Rudolf in B. S. Br. No. 733 (III. Band). A. d. H.
— 316 —
©teile: „£)ie Dfjrenmafcrjinen too mögtictj gur SKeife 6ringen,
abobann reifen — biefe§ 6ift bu bir, ben SDZenfctjen unb ibm,
bem Sltfmädjtigen fc^utbig, nur fo fannft bu nod) einmal aüe§
entmidetn, ma3 in bir oerfdjloffen bleiben mufe — — — unb
ein ffeiner £of eine Keine (Sa^ette öon mir, in
if)r ben ©efang gefdjrieben, angeführt, gur (£f|re be3 Stil-
mächtigen — be§ (Smigen, Unenblidjen. — So mögen bie
legten £age berftiefsen — — unb ber fünftigen 3Jcenfd)f)eit.
£aenbet, 5öact), ®tud, 9J?ogart, §at)bn'§ ^ortraite in meinem
ßimmer fie tonnen mir auf £>ulbung Sfnfprudj machen
Reifen." 177)
3m £agebucfje oon 1816 ftnben fid) groei ©teilen, bie ine=
befonbere geigen, mie fet)r er felber 511 einer 9\eife gebrängt f)at.
1) „Stttmö mufe gefdjetjen — entmeber eine Steife unb
gu biefer bie nötigen äöerf'e fdjreiben, ober eine Dper —
follteft bu ben fünftigen Sommer nod) f)ier bleiben, fo märe
bie Dper oorgugtefyen, im gälte nur teibtidjer Sebiugniffe —
ift ber Sommeraufentfjatt f)ier, fo mufc jet^t fcfjon befdjloffen
merben, mie, mo? — @ott, f)etfe, bu fiefjft mid) oon ber gangen
9Dtenfd)f)eit oerlaffen, beim Unred)te3 mit! id) nichts begeben,
erfjore mein gießen bodj für bie 3ufanft nur# mii meinem
(Sari gufammen 51t ferjn, ba nirgenb3 jetjt fiel) eine 9#ögticf)feit
bagu geigt — 0 f)arte§ @efd)id, 0 graufameS $erf)ängnif3, nein,
nein, mein ungtüdtidjer 3uftaK° enoet i"c-" 178)
2) „SDict) gu retten ift fein anbereS Mittel al£ Oon fn'er,
nur baburd) fannft bu mieber fo gu ben §öf)eu beiner SPunft
entfdjmeben, tto bu fjier in ©emeinfdjaft uerftnfft, nur eine
Sinfonie — unb bann fort, fort, fort — bertoeil bie ©ehalte
aufgenommen, melcrjeä felbft auf Satire gefdjefjen fann. lieber
ben Sommer arbeiten gum Reifen, baburd) nur fannft bu ba»
177) Im Fisch hoff sehen Manuskript Fol. 32 a, wo „den Gesang"
statt „der Gesang" steht, letztere Lesart auch bei Nohl in „Die
Beethovenfeier und die Kunst der Gegenwart", S. 58. A. d. H.
178) Im Fischhoffschen Manuskript Fol. 39b und 40a. A. d. H.
— 317 —
grofje 28erf für beuten Neffen uoflfütjren, fpäter Stalten,
Stauen burdjroanbern mit einigen Äünfttern — madje ^?(äne
unb fei? getroft für S ",79j
ߧ ift nun an ber geit, einen 93(icf auf be3 SMeifterS
JpauStoefen 31t merfen, um audj barau§ gu entnehmen, in mie=
fern e3 geeignet mar, ba§ SBefdjtoerlidje ju befettigen, nun in
bereit* oorgerütfterem Filter alle ßebens>bebürfniffe nodj jumeift
im ©afttjofe $u befriebigen, ober 06 e§ baä Seben bequemer
gemalt unb aud) für feine t'ünftterifdje SBirffamfeit förbernber
gemefen. 9Iucrj (euerer Umftanb mar ein SSeftimmungSgrunb
metyr, eine §au3f)a(tung ein5urid)ten. 23eetrjoben'3 löbliche ($e=
rootmrjeit, Nötigen über ftcfj fetber, fein Renten unb $aibien,
nieberäufc£)rei6en, erftrecfte ftdj gleichfalls auf feine £au§ange(egen=
Reiten, ^ie^u mürben jumeift bie teeren Slätter im Satenber
benutzt, ber in fötaler £nnfid)t als Stagebud) gegolten, Sterlet
£agebüdjer fjaben fid) oollftänbig au<§ ben Sauren 1819, 1820
unb 1823 oorgefunben. (Srftere* (1819) enthält bloS nadj=
ftetjenbe 21nmerfungen:
?tm 31. Sanuar ber £au§f)ättertn aufgefagt.
= 15. gebruar bie Äücrjenmagb eingetreten.
8. STtärg f)at bie Äüdjenmagb mit 14 klagen aufgefagt.
* 22. Sftärä ift bie neue £mu3t)ä[terin eingetreten.
= 12. Sttai in 9ftöbting eingetroffen.
Miser et pauper sum.
= 14. ÜDM ift bie ^tufmärterin eingetreten mit monatlid)
6 ©ulbett.
- 20. Suli ber ipauSrjätterin aufgefagt.180)
179) Ebendort Fol. 40a. Statt „für deinen Neffen" hat das
Manuskript „für deinen armen Neffen". Den Schlußbuchstaben „für LZ
will schon Nohl (1. 1. S. 68) als „Cu (= Carl) gelesen wissen. Danach
folgen im Manuskript vier Zeilen mit Strichen . A. d. H.
180) Aus den in den Kalendern aufgezeichneten zum Haushalt
gehörenden Bemerkungen sind für uns noch wichtig genug, um fest-
gehalten zu werden: a) unterm 22. März (1821??): „im März ist K
— 318 —
£)et Saf)rgang 1820 ift aber fdjon an JjauSgefdjidjttidjeu
Zotigen reidjer. 3-33-
Stm 17. April bie Äütfjenmagb eingetreten.
= 19. April fdjledjter Sag (b. tj. ber SRciftcr bet'am
niäjt§ ©eniefebarcS auf ben £ifdj, weil infolge
be§ langen <Si|en§ in ber SSerfftätte bie (Speifcn
bereits üerfod)t, ober ganj üerborben Waren).
= 16. 9ftai bem Slüdjenmäbdjen aufgefagt.
= 19. 9J?ai bie ftüdjenmagb ausgetreten.
= 30. äftai bie grau eingetreten.
1. Suft bie Äüdjenmagb eingetreten.
= 28. Suli AbenbS ift bie $üd)enmagb entflogen.
= 30. Suti ift bie $xan Don Unter- 2)öbling eingetreten.
Sie 4 böfen £age, 10., 11., 12., 13. Auguft in
£erd)enfelb gegeffen. (Sine $orftabt aufeer ben
Sinien [Karriere] 2Bien§).
= 28. ber SKonat Hon ber $rau au§.
= 6. (September ift ba3 SJMbdjen eingetreten.
= 22. Dctober btö 9Jcäbd)en ausgetreten.
= 12. 2)ecember ba$ ^üdjenmäbdjen eingetreten.
18. ©ecember bem Äüdjenmäbdjen aufgefagt.
= 27. Secember ba$ neue ©tubenmabcfjen eingetreten.
®ibt fdjon !öorftef)enbe3 üon ber §äu§tid)feit eines mit
bem (Reifte arbeitenben 9)?anne3 ein maf)rt)aft abfdjredenbeS
53ilb, fo fielen bod) bie Vorgänge au§ oorbenannten Sauren
benen üon 1823 gegenüber ruie eine SDftmätur bem al Fresco.
2)a finbet ftdj im ganzen Salrr fein ÜDfonat orjne ein* audj
zweimaligen 2Sed)fe( ber Sienftlcute, oft üon argen Auftritten
(Karl) schon bey Kudlicb ganz eingetreten." Das scheint ein Hinweis
zu sein, daß der Neffe jetzt ins Kudlichsche Lehrinstitut eingetreten
ist. Man vergl. B. S. Br. im IV. Bande vom Jahre 1819 ff. bes. S, 13ff.;
b) „Dienstags am 22. Juny ist mein Neffe in das Institut des H. Blöch-
linger eingetreten, mit Monathl. Vorausbezahlung von 78 fl. w. w."
A. d. H.
— 319 —
begleitet. 9(ug ben Slufseidjnungen ber Same ©ianatafio er=
fahren mir oon einem §anbgemenge ätoifrfjen bem äfteifter unb
feinem Wiener 1816 §u 23aben, bei (Megentjeit eineg 93e=
fucfjeg beg §erm ©tanatafto mit feinen £örf)tern. Sa trat
ber rutjmgefrönte Stünftter mit §erfra^tem ©eficfjte üor feine
©äfte, fagenb: „Serjen ©te, fo fjat er mid) zugerichtet." —
tiefer rauftuftige Söebientc mürbe fortgefdncft unb ein anberer
menig befferer engagirt. Sie ©nttaffung biefeg letzteren er=
folgte am 17. SOtat 1817, mie bag Xagebudj augmeifet.
33on ba an tarn fein männlicher Siener metjr in'g §aug.
3»n ber S^ätje biefer 9cotirung finbet ficE) im Xagebudje nacfj*
ftetjenbe ©teile: „Sag Stlteinteben ift mie ©ift für Sicfj bei
beinern gerjörlofen 3llftan°c/ ?lrgtoorjn mufc bei einem niebern
ÜDcenfctjen um Sid) fiets gehegt merben."
; Dt)ne ß^eifet brängt fid] bem Sefer bie $rage auf, meldjem
Xrjeit mof)t bie Sdjulb an biefen rjäuglicfjen SBirrniffen ju=
■jumeffen, bem £>errn ober feinen Sienern? Reiben Reiten,
jebodj nict)t gu gleicher §ätfte. $lui bie minbere §älfte fällt
auf Sßeetrjoöen'g Seite, ßu groj^e 9?ei|barfeit, eben foroot)!
^em|)erament<3fel)ter, atg aud) bnrdj geiftige Stimmungen fortan
genärjrt, SDäfjtrauen, tfjeilg in $ofge eigener, tfjeilg frember
©rfaljrungen ermorben, iugbefonbere beäüglid) auf bie bienft=
trjuenbe Glaffe, ferner nod) bie Unmoglidjt'eit fid) mittetft ber
Sprache mit ben Seilten 311 ücrftänbigen — biefe brei Singe
im medifelnben Vereine mußten unaugbleibtict) ben rjäuglidjen
^8erüet)r erfduoeren, ja gefäljrben. üftur et mag ©cfjltff bei
ben Sienern, nur et mag Oon jener (Sigenfdjaft biefer (Stoffe
in norb= unb meftbeutfdjen Stäbtcn, bie einen gemiffen ©rab
öon (Srsierjung üerrätf) unb nicfjt feiten mit feiner ©itte oereint
ftcf) offenbart, bieg fjätte nnfefjtbar bie mot)ttf)iienbfte ©in*
mirtnng auf unfern äKeifter fjerüorgebradjt unb atteg um itjm
f)erum beffer geftaltet. Stfit gutem ©raube tonnte er bie aug-
feiner §eimatl) biegfatlg mitgebradjten (Erinnerungen entgegen*
ftellen. allein man befaub fiel) eben in Sßien, bem ®ammel=
— 320 —
pta£e ber craffeften 9tof)t)eit unb Sd)(ed)tigteit ber bienenben
Staffe au3 aden 3?ö(ferftämmeu ber 9Jconard)ie, of)ne Unterridrt,
ofjne religiöfe begriffe, o§ne fittüdjen £>att. $arf Don großen
Stäbten immer gefagt merben, fie fetjen in gemiffen Sejiefjnngen
(Spulen für jegtid)e3 Safter, fo gebührte ber öftreidi)ifc&en
Siaiferftabt Diesfalls ber ^öorjug! nur äufeerft menige QauZ*
Haltungen maren fo gtütftid) ben f)äu3(id)en 5r^eoeu *n 5°ffle
Sittentofigfeit if)rer Wiener nidjt geftört ju fe^en. 3?ie(teid)t
ift e3 bermal beffer bamit gemorben.
9Jcöge biefe .'pinmeifung auf bie llrfadjcn fo betrübeuber
SBirrniBe in 93eetf)otiens £>äue(id)feit einftmeiten genügen,
fommen mir bod) meiter unten auf bie ©runbqueüen biefer
3uftänbe in Sejietjung auf bas %{[ gemeine be3 näheren ju
fpredjen.
(*§ marb fo eben bemertt, bafj bie Srnenuung be3 ©1*5=
^er^ogg 9?ubo(p^ 511m (Sr^bifdjof oon C(müt3 bereite um bie
Wüte bes 3af)re3 1818 eine bef'annte J^atfad)e gemefen.
Sttöbatb marb aud) ber Jag feiner SnftaHation auf ben 9. Warj
bes 3at)re5 1820 feftgefe^t, als ber aüjäfjrlicrj gefeierte ®e*
bädjtniBtag ber tjeif. ?(pofte( Gl)ri((us unb 93cetf)oöiu§, 2anbs=
patrone oon sJD?ät)ren.
Cfjne irgeubmetdje ^lufforberuug faf^te 33eetr)ot>ctt ben Gnir»
fd)luf3 ^u biefer Jeierüdjfeit eine Weffe ju fdjreiöen, ftd) fomit
nad) langen Sauren mieber bem 3ll)ei9e feiner ftunft jujumenben,
ju bem er ftd) — mie er oft geäußert — neben ber Sinfonie
am meiften ^inge^ogen füllte, tiefer @nt]d)tu& möchte motjt
beut(id) 3eigen, haft er oben angeführte ?(u3fatt gegen „biefen
(Sr^fjer^og" nur einer oorüber^ietjenben Spotte Oergleidjbar,
müßten mir überbieS nid)t, bafj ber äfteiftet feine (Megenfyeit
berfäumt §atte, um feinem burdjtaudjtigften ßbflttnge bie Ooüfte
Stnrjängticrjfeit ju bemeifen. 3m Spätfjerbft oon 1818 falj
tdj biefe Partitur beginnen, uadjbem fo eben bie 9tiefen=
Sonate in B dur, Op. 106, beenbigt mar. £>en Sommer
üon 1819 uerlebte unfer SRetftcx mieber in SRebitng. 3)ort
— 321 —
6efucf)te id) ifjn fjäufig unb fafj bie SOZeffe fortfcfjretten,
aud) fjörte idj ifyn .ßtoeifel äußern an bei* mögtidjen 23e=
enbigung be§ 2Berfe§ jum feftgefteüten Termin, toett jeber <Sa§
unter ber §anb eine biet größere Au3bel)nung gewonnen fjatte,
afö e§ anfängtid) im $ßtane gelegen. At§ weiterer ©runb
be§ langfamen $ortfd)reiten§ bürfeu nod) bie Vorgänge mit
ber ^ßroceßfacrje am SBtener 9J?agiftrat angenommen werben,
bie ü)n fo fefjr präoccuptrt Ratten. ©übe Dctoberä 1819 nad)
SSien jurüdgefe^rt 6rad)te er ba$ ßrebo fertig mit, unb jur
ßeit al§ ber (Srg^erjog bie Steife §ur SnftattationSfeier nad)
Dimüt; angetreten, mar ber Stfteifter mit feiner Arbeit 6i§
gum Agnu3 ®ei oorgefdjritten. SÖSirb aber in ©rwägung
gebogen, wie e§ S3eetf)ooen mit ber $eile eine§ jeben SSer!e§
gu galten pflegte, we(d)e ©umme öon 3e^ m<§ $errjä(tniJ3
gu Ssnljatt unb gorm auf jebe§ üerwanbt Worben, fo barf Woljt
gefagt Werben, bajs big gum £age ber SnftaUationSfeier nod)
fein S^rjett im ©inne be3 Autors» tiottenbet öorgetegen. (Srft im
Safjre 1822 tonnte bie lefcte $et(e an biefe3 Sßerf gelegt Werben,
©ebenfe id) ber (Srtebniffe au£ bem Safyre 1819, oor=
netjmticfj ber ßtit, n^ oer £onbicf)ter im .^afnertjaufe gu
Sftöbting mit Aufarbeitung be3 (Srebo befdjäftigt gewefen, ber=
gegenwärtige id) mir feine geiftige Aufgeregtheit, fo mufj id)
g,eftet)en, ba^ id) niemals oor unb niemals nad) biefem 3^it=
puncte oöttiger @rben-@ntcüdtt)eit Wieber Aet)nlid)e3 an ü)m
wahrgenommen tjabe. @§ fet) geftattet nur ein§ angufüljren.
(Segen ©nbe Auguft tarn id) in Begleitung be§ in SSien nod)
lebenben 9J?ufifer§ Sofjann ^orgatfa in be§ 3fteifter§
SSofynrjaufe gu äftöbling an. (£3 War 4 Utjr ^ladjmittagS.
<$(eid) beim (Eintritte oernatjmen wir, bafj am fetben borgen
S3eett)oöen'§ beibe Wienerinnen bationgegangen ferjen unb bafa
e3 nad) üüätternacfjt einen alle §au§bewot)ner ftbreuben Auftritt
gegeben, weit in gotge langen SSartenS beibe eingefdjlafen
unb bie zubereiteten @erid)te ungenießbar geworben. 8n einem
ber Sßoljngimmer bei üerfdjloffener STt)ür fjörten Wir ben
U. ©djinbterl SBeeUjoDett^icßvapfjie. 21
— 322 —
üD?eifter über ber $uge gum ßrebo fingen, Reuten, ftrampfen.
üftacfjbem mir biefer nat^u fdjauerlicrjen Scene lange fdjon
3ugef)ord)t unb unS eben entfernen roolften, öffnete fid) bie
£pr unb 33eetrjoüen ftanb Oor unS mit berftörten ©eficfjtS=
äugen, bie SSeängftigung einflößen !onnten. ör farj auS, als
fjabe er foeben einen $ampf auf Stob unb Seben mit ber
ganzen Sdjaar ber Qontrapunctiften, feinen immerroärjrenben
2Biberfad)ern, beftanben. (Seine erften Steigerungen maren
confufe, a(S fütjle er fid} Don unferm 33ef)ord)en unangenehm
überrafcfjt. SlfSbalb fam er aber auf baS SageSereignijj ju
fpredjen unb äußerte mit merf barer Raffung: „(Saubere 3ßirtrj=
fdjaft, alle§ ift baüongelaufen unb tcfj fjabe feit geftern
SKittag nicr)t§ gegeffen." Set) fudjte ibjn $u befänftigen unb
Ejalf bei ber Xoüette. 93?ein Begleiter aber eilte üorauS in
bie SKeftauration beS 33abef)aufeS, um einiges für ben auS=
gerjungerten SHetfter ^bereiten 5U laffen. £ort flagte er unS
bie SÖUfjftänbe in feinem §auStt>efen. dagegen gab eS jetodj
aus oorbemelbeten ©rünben feine 2(bt)ü(fe. Niemals roof)t
bürfte ein fo großes Stunfttoerf unter rotbertuärtigeren 2ebenS=
üerfjältniffeit entftanben ferm, als biefe Missa solenmis!181)
Safe biefeS cotoffafe SSerf, in roeldjem ber Slutor alt
feinen 9xeid)trjum an ßunftrmffenfdjaft 51t ooüfter ©eltung bringt,
bemfelben bennod) nur ein üerrjältniBmäßig geringes Honorar,
anbererfeitS aber auefj ber Stunfttoelt bisher immer noct) feinen
entjprecrjenben ©eroinn eingetragen, überbieS nod) $u meit auS*
einanber gerjenben Beurteilungen 5lnlafe gegeben, baS ftnb
Jtjatfadjen, über meldje an biefer Stelle beS näheren $u fpredjen
nietjt geeignet ift. 5XüeS ber (2pe5ial-@efd)id)te ber Missa 5ln=
gehörige unb mit fjinein fölingenbe luirb fid) ben Gegebenheiten
bei unb nad) ber burdj ben 5lutor felber oeranftatteten
erften Stuffürjrung 1824 groedentfpredienb anreihen laffen.
181) Dazu rechne man die ungeheure Korrespondenz wegen der
Messe in den zwanziger Jahren des Jahrhunderts; man befrage den
vierten und fünften Band der Briefe. A. d. H.
— 323 —
SRefumirenb.
Dctö Saljr 1820 geigt un§ SBeetljoOen auf bem ©ipfet
fetner fo lange belämöften, enbticfj bod) erreichten SBünfctje.
„9ftit feinem (Sari äufammenfeton gu fönnen," mie mir iljn
oben aufrufen gehört, fonnte nun in (Srfüüung get)en. £)er
©inbrucf fotdjen 2tu3gange§ be§ $ßroceffe3 auf fein ©emütf) mar
in jebem 23etrad)te ein übertoältigenber, roeit feiner SeitS immer
be^meifett. $or lauter greube unb ©tüdfetigfeit ob be§ er=
rungenen Siegel über 93o§t)eit unb 9?änfe, a6er aucf) ob üer=
meinttidjer ©rrettung au§ leiblichen unb geiftigen ©efafjren feinet
tatentöollen Steffen, toarb bm ganzen Sommer Ijinburct) menig
ober faft gar nicl)t<§ gearbeitet, — bielfeid)t nur fdjeinbar, toeit
bie Sfi^enbüdjer fortan nur leere Stätter aufliefen. $ttte
feit uier Sauren gefdjtagenen SSunben fd)ienen Oergeben unb
Oergeffen. Sogar anbermeitige folgen au§ biefer fdjlimmen 3eit,
beren nätjere Sejeidjnung oorläufig unterbleiben foll, madjten
tljm feine «Sorgen, benn auf @ott unb feinen fctjöpferifdjen
©eniu§ Oertrauenb, f)offte er in fur^em batjin gu gelangen, feine
fünftigen Seben§tt>ege öon allen ^emmniffen befreit 51t fetjen.
3tber and) fein Sßiograpt), ben Vorgängen jener £age fo
nafie fteljenb unb an greub unb Seib be<§ teuren $reunbe§
unb SetjrerS Streit netjmenb, beftnbet fiel) in biefem 2tugen=
blide 00E freubigen @efül)l§, biefe fturmbetoegte 3eit t)inter
fid) 5U tjaben unb toieber in ben breiten Strom be§ SebenS
unb 2Birfen3 be3 aufserorbentticfjen 3J?anne3 einlenlen j$u fönnen.
$on nun an fann alfo eine djronologifd) georbnete $ort=
fdjreitung im ©rjä^len ber ^Begebenheiten, einzelne Stüdblide
aufgenommen, toieber feft eingehalten tterben.
II.
Steuer 3m*mlä. Skriüugte traft.
@3 liegt in ber @emo£)nl)eit ber 9ftenfd)en nafje $ergfpi£eu 1821.
3U beobachten, um nad) ifjrem Reitern ober umroölften Sluäfetjen
21*
— 324 —
auf bie beoorftetjenbe SBttterung fditiefeen 3U fönnen; eben fo
pflegen fie e§ mit ben ©pitjen in ßunft unb SSiffenfdjaft §u
machen. 23ei ben ©inen gefdjieljt e3 au3 btofeer Sfteugierbe, bei
ben 9lnbern aber au§ magrem Sntcreffc für bte Sadjje, bie feine
anbere, a($ Vereiterung ber Sunft ober SBiffenfdjaft um ein
neues ^?robuct.
STeffntidjeS ergab fidf) in SBegug auf unfern £onbid)ter. Sn
früheren Sauren fyaüt er alle Streite oermöf)nt, inbem 3Ser! auf
Sßerf feiner Sftufe in bie Deffentftdjfeit gekommen, tooburd) bie
Neugierigen nnauägefettf befdjäftigt, bie ifju ©rfennenben f)in*
gegen freubig überrafd)t unb angeregt mürben. 33ereit§ finb
©rünbe mie Urfadjen Ooram§geljenb entmicfett morben, bie t)erbei=
geführt, bafj in ben testen fünf Sauren ein (für baä größere
publicum) fcfyeinbarer ©titlftanb eingetreten, unb aufjer ben
SBerfen für ^ßianoforte, Op. 101, 102 unb 106, nidjts Hon 33e*
beutung erfdjienen mar, oon benen ba§ eine menigften3 ber
SSiener 9ttufifmett biet 51t reben gegeben, mie mir fürs äuüor
gehört, ba$ teuere jebod) nur einem feljr fleinen Greife (burd)
Vermittlung oon ©arl G^ernt)) befannt mürbe. Sie ©inmirfungen
au' ber betrübenben Vorgänge mätjrenb be§ Vormunbfd)aft§=
$roceffe§ fjatte ba§> publicum balb üergeffen, unb meit nid)t§
®emiffe3 5U erfahren mar, ob ber ütteifter ftd) mit irgenb einem
SSerfe Oon Vebeutung befdjäftige, (man muf$ miffen, ba^ e§
Sebem au§ feiner Umgebung gleid)fam gur ?ßfttc£)t gemadjt mar,
Oon beut au§ feiner geber ^ommenben nichts Dertauten 5U
laffen, beOor e§ nid)t üotlftänbig aufgearbeitet mar) fo mar ein
©runb für biefe§ ©tiUfd)toeigen balb aufgefunben, e3 fjiefj
nämtid): „Veetljoüen f)at fidj gang aufgetrieben, er
Oermag nid)t3 mefyr." ©efto i)öt)er mar fein 9Ruf aU Sßeiber-
feinb geftiegen, ebenfalls üftadmnrfung jene3 ^roceffe§, in
metdjem ein anfet)nlid)er £f)eü be§ S)amen=Sorp§ aufsertjatb ber
©erid)t£ftube mitgerebet unb meift für bie ©djmägerin ^artei
genommen tjatte.
Sene, bie i|n für erfdjöpft mahnten, ftüttfen ftd) neben
— 325 —
mancherlei eingebübeten ©rünben auf ba§> ©rtebnifc üom 17. $a=
nuar 1819. 31m fetbett £age fjatte fic£) 23eetf)ouen bei (Megen-
Ijeit etne§ großen Soncertö 5um Sßoxttjeite ber Sßittmen unb
SSaifen ber juxtbi[ct)en gacultät §ur Seitung feiner A dur Sinfonie
6eftimmen laffen. §)ie Sluffüfyrung fanb im Unitierfität3=<Saale
ftatt, Don beut mir bereits in ber oorauSgeljenbeit Sßeriobe Der*
nommen, bajj er einer guten Stfuftif entbehre, bemnad) ©t)or=
unb Drd)efter=sJftaffen fetbft auf ein gefunbeS Dfjr betäubenb
mirfen. StBte Ijätte toofjt bie Sföirfung auf be§ 9tteifter3 be=
beutenb öorgerüdte ©djmadje biefeS Drgan§ eine anbere fetyn
fönnen! @§ ergab fid) bort nur 51t offenbar, bajs er fürberljin
feine eigenen ©djopfungen ju birigiren aufeer ©tattb fei).*) 2U3
aber bie Mg. sU?uf. 3*9- °^e 9?ad)rid)t gebraut — bie üon
Wiener blättern aufgenommen morben: „SBeetJjoöen befdjäftigt
fid), mie einft $ater £at)bn mit ^otiren fcfjottifdjer Sieber, für
größere arbeiten fdjeint er gän^lid) abgeftumpft $u
fetjn," (XXIII, 539) fo fjatte e3 mit ber bereits umgeljenben
5lu3fage: 93eett)otoen t)at fid) auSgefdjrieben — bolte 9iicfjtigt;eit.
£)em SRetfter fcbienen fo beftimmte 2lu£fagen über feine
geiftige ©rfcfjöpfung ©pafc §u madjen; in ber Slljat maren fie
aber ein unberfennbarer SmputS $u neuem, frifdjem ©eifteä*
leben. @r tief* e§ nidjt an Steuerungen festen, a(<S: märtet
nur, ifyr foltet halb eine§ anbern belehrt merben. Snt (Spät*
fjerbft bon feinem ©ommeraufenttjatt in äftöbting gurüdgefeljrt,
too er in gemotjnter SBeife bienenartig Sbeen eingefammelt Ijatte,
fe|te er fid) an ben ©djreibtifd) unb fcfyrieb bie brei ©onaten
für Sßianoforte, Op. 109, 110 unb 111 „in einem ßuge" nieber,
mie er fid) in einem Briefe an ben ©rafen 93run3mid auSgebrüdt,
um biefen greunb über feinen ©eifteSguftanb 5U beruhigen.182)
*) @tn freffereS SRefuItot fetner ©irection fimficfitlid) be§ Dtjteä tnerben
wir au§ bem Siafire 1822 mitjut^etlen fiaben.
182) Dieser Brief scheint nicht vorhanden zu sein. Andeutungen
siehe B. S. Br. (Brief vom 12. November 1821 an Senator Fr. Brentano)
No. 827, Erklärungen, IV. Band. A. d. H.
— 326 —
3)ie Äenner biefer 2Berre merben §u ermägen miffen, ma§ ba§
„in einem guge" ^B«i tooffe. 2)ie erftere biefer Sonaten,
öon beren ©ntfterjung mir fdjon im abgettridjenen SSinter
90?erfmn(e gemährten, ift 1822 bei ©cfjiefinger eruierten,
bie beiben anbern aber erft §u Anfang be§ folgenben Saures.
9(n biefer SBerjögerung trug sunäcfjft (5d)utb bie etma§ jtf)anerige
Srmittetung be§ Termins §u gleichzeitigem (Srfdjeinen in 23ertin,
in <ßari§ unb in SSien, ferner nodj bie öom Sfteifter fetbft be-
forgte (Sorrectur; bie ^arifer Aufgabe muffte gmei mal bie
ffieife nad) SSien madjen; megen ber aitBerorbentiid)en 9J£enge
oon $et)lern fetbft noct) in ber ^meiien Gorrectur üerlangte ber
Autor öon Op. 111 eine nochmalige 9Rücffenbung, moju fid)
jebod) bie $ertag§fjanblung nidjt öerftetjen mottte. ®arob fcrjien
ber £)iminet über unfern Stfteifter einftürzen ju motten.
^)ie Dteinfdjrift ber öom Autor ausgesogenen ^)rucffet)[er
jur Dtüdfenbung an bie Verleger mar mir übertragen. Wlit
biefer menig erquid(id)en Arbeit üon ber Sonate Op. 111 be=
fdjäftigt, ertaubte icfj mir in meiner UnfcfjUtb ben gegenüber-
figenben 9J?eifter gu fragen, mesrjatb er benn nicrjt einen bem
Grjarafter be3 erften ©atjes entfpredjenben brüten gefcfjrieben?
(Maffen ermiberte Seettjcmen, es fyaht tfjm §U einem brüten
'3at$ an 3eü öefe^Ct, barum fjabe ber §meite biefe AufSbeljnung
erljatten muffen. 2)a id) biefes SSerf bis §u jenem -Tage nie
anbers als in 23rud)ftüden mäf)renb ber Ausarbeitung gehört,
fo genügte biefe ßrmiberung. 9tad)bem es fid) aber fpäterrjin
mir erfcfjtoffen, fing id) an über ben angegebenen ©runb, marum
es eines brüten @at>es entbehre, nacrjjubenfen unb geftelje offen,
bafj id) bis gur ©tunbe benfetben mafjrrjaft bettage. 2>d) t»er-
mocfjte unb bermag nod) immer nicfjt einzufetten, mie bie beiben
t)infid)t(icf) bei Gt)arartertftifd)en einanber fdjroff gegenüber
ftetjenben @ä|e ein in fid) abgesoffenes, einheitliches ©an^es
barftetten fotten, benn bort ber Ausbrud faft ungeftümer Seiben=
fdjaft mit nur furzen Unterbrechungen üon einigen liebtict) er-
füngenben SDMobien, baneben aber ein faft burdjmeg büfter ge=
— 327 —
fyatteneS jtongemätbe, ba§> in ber gefammten Siteratur unferS
SKeifterS bis bat)in nict)t feines ©teilen finbet.183) @g molTte
nnb toitt nodj immer fcfjeinen, ber Sonbicfjter tjabe fiel) in biefem
@a|e in Se^ug auf Mannigfaltigkeit im formellen nnb 3In=
menbung eines UebermafjeS öon SSiffenfc^aftlicfjfeit über einen
fo einfachen (Stoff als bie „Strietta" (baS Stjema §u ben
Variationen :c.) fetbft überboten, — ©tmaS, baS unS öon nun
an in nacfjfolgenben (Schöpfungen oft entgegentritt. £)ie Seidiger
Slriti! macfjte bei biefem «Satje unter anbern aud) nacfjftet)enbe
Semerfung: „@S t)at bem ßomüoniften gefallen, fidtj §ur 9luS=
füt)rung feines fcfjönen (Stoffes meiftenS nur fotdjer Slunftmtttel
gu bebienen, bie mir feinem f)ot)en ©eniuS nict)t recfjt mürbig
finben. ©r ätjnelt in biefem Songemätbe einem 9J?aler, ber ben
9Raum für ein 9lttarbfatt einfarbig (monoton) mit bem 9#imatur=
ptnfei ausfüllt." XXXIV, 213.*)
*) Sen erften Sritifer in ber SBerfinex: 3Kufu*s,3ettung überfiel bei
biefem (Safte eine SSifion ber nmnberltdjften 2lrt. (Sr gab iljm bie lieber»
fdjrift: „2)er Stob bc§ großen 9Jianne3", — nämlid) 93eett)oüen'§ — unb
legte ibn fo aaS: „Scfjroetlen ntcfjt bie Harmonien baZ Sfjema fd)on tüte
bie Srauermufit be3 fern fjeranfdjroanfenbett i*eid)enjugeä burd) bie 9Jadjt?
Sdjon im jiceiten Xtjeil ©rabgefaute. 9lun ber erfte ütrupp ber Seic^ettJ
begleiter in langen Oflöven, bie fanft Ilagenben Steunbe, mefir nnb mebt
brängt ficfj'3, bai rott)gelbe gacfellicbt maHt ncüjer, ©rabeSläuten tönt burdj
— Erinnerung riicft un§ an ba£ ©djmerseniolager äitrücf, nod) einmal
burdj bie fortfnmmenben ©tocfen bore tdj baZ leftte fdjtnere 2lufafr)men be§
(Sterbenben u. f. f.
©er SSerfaffer !ann bezeugen, bajj ber nodj guter ©efunbbeit fidj
erfreuenbe Sonbidjter bon biefer unb anbern bergleidjen irrfinnigen 2ht3=
legungen feiner Wu\it unangenehm berührt morben. — Sie 2ln§Iegungen
bei 33eetbouen'fd)en SBerfe fommen bon ba ab immer mefir unb mefir in
bie Ceffentfid)feit unb gleiten balb ben 33ibel=?(u§Iegungen.
183) Die Einheit ist darin zu suchen, daß nach den leidenschaft-
lichen Kämpfen, wie sie der erste Satz schildert, endliche Erlösung
erklingt und aufs breiteste, reichhaltigste und mannigfaltigste aus-
geführt wird. Was sollte auf ein solches transzendentales Ausklingen
noch ein neues Lied besagen? A. d. H.
— 328 —
3m ©ingange tiefer, über ba§> SBefen ber legten brei Sonaten
fid) augfürjrlid) ergetjenben Äritif bebient fid) ber 33erfaffer eine§
finnigen ©teidjniffeä in Se^ug auf 23eetf)oüen'3 9ftufif im 31(1=
gemeinen, ba§> Ijier roörtlid) angezogen roerben fotl, gumat e§ bei
^Beurteilung einiger nadjfotgenben SSerfe inSbefonbere gute
2)ienfte §u leiften geeignet ift. ©§ lautet:
„@in [o reidje§ St'unftleben barf man rooljt einem Ijerrtidjen
ßaubfctjaftSgarten mit trefftid) geführten, oft gar munberbar ber*
fcfjtungenen, burd) ©erjage, SSiefen, Sirjäter unb $elfenfditud)ten
ftc^ roinbenben Jföegen bergteidjen. (So roie in bergteidjen ©arten
meift auf eine überrafdjenbe 2Betfe, ^uncte mit ben ent^üdenbften
21u§fid)ten fid) barbieten, bie freilief) oft nur ba$ beroaffnete
Stuge botiftänbig geniest; fo tjeben fidj aud) in einem fo rjerrfidjen
muficatifdjen ^unftgarten, luie in bem, ben un§ SBeetljoben fdjuf,
geroiffe ent§üd'enbe Partien gan§ ausgezeichnet Ijerbor. §ier
audj roie bort menben Mitteilen bie SSege, unb oft gerabe an
ben be^aubernbften 9?urjebuncten, fid) fo fctjneCt. nad) einer ent*
gegen gefegten Seite, bafj man, in ben erften 3(ugenbtiden
roenigftenS meint, man fdjreite 5urüd ober bod), man roeidje ab
uon ber 9fJid)tung, auf melier nodj mandjer fd)öne Äunftgenufj
5U erroarten ftanb, beffen ©ntbeljrung man nun beforgt. Su*
beffen, bort roie tjier, taffe man fid) nur roitlig unb rjingebenb
(eiten bon bem Sdjöbfer be§ Slunftioerfö — roer tonnte auetj
ein befferer gürjrer fetjn, als! biefer fetber? — unb man roirb
§u feiner $reube finben: nietjt jeber SSenbebunct fet) ein (£ut=
minationSbunct."
1822. ®em erften Smbutä gu frifdjem ®eifte*leben folgte ein
groeiter auf bem $ufje nad). tiefer foltte ben Sfteifter nad)
jahrelanger 3ur"c^9eä°9en^e^ lieber einmal berfönlid) öor baZ
publicum bringen.
(Sari griebrid) §en§ler, ber burd) bie gau^e beutfetje
£Ijeaterroelt beliebte SSotfSbetuftiger burd) feine Stüde: „®er
Sitte überall unb nirgenbä, — 2)a3 2)onaumeibd)en, — Diinatbo
l^inatbini, — £>er £eufel§mütler, — geige oon Jöomfen,"
— 329 —
u. anb., feit einigen ^aljrcit 2)irector bei* bereinigten 33ütjnen
§u ^reSburg unb Jöaben (bei SBien), mar unferm Seettjoüen
non feinem häufigen 9tufentf)atte in letzterer ©tabt roof)t befannt,
ja, ber Xonbicljter roie aud) ber SSotföbidjter unterließen nidjt,
in mannigfacher 2Seife fiel) gegenfeitige 2ld)tung unb 2(ufmer!=
famfeit 51t bezeigen. ^Bereits im Saljre 1821 tjatte §en§ler
baZ Sßrioilegium beS Sofeptjftäbter £t)eater§ in 2öien fäufücf)
an ficfj gebracht. ®3 unterfdjieb fict) biefeS oon ben anberer
iöorftabtbürjnen baburci), ba^ e3 auf alte 3tt>eiQe ttjeatralifct)er
£>arftettungen fid) auSgebetjnt unb bemnad) ben faifertidien 53ül)nen
gleidjgeftellt mar. ©teidjjeitig faßte Renaler ben ©utfdjluß, ein
üon ©runb auf neues §au3 aufzuführen, ju beffen (Sröffnung
ber QSorabenb be3 üftamenStageS be3 Ä'atferS, ber 3. Dctober be§
folgenben Saf)re§, feftgef teilt morben. 31 13 geeigneten (Stoff gur
©inmeiljungSfeier roätjlte man „2)ie Ruinen tion Sittjen," momit
1812 bie (SinmeifjungSfeier be§ XfjeaterS 51t ^eftt) ftattgefunbeit
rjatte. 3)er Stotjebue'fdje Sejt fottte öon bem bekannten $ort'<§=
bidjter (Sari SDceifl tljeitmeife umgeftaltet unb bem neuen
Snftitute angepaßt werben, äftineroa, au§ gmeitaufenbjäljrigem
edjlafe auf ,ßeu§ 5kfel)t jum Seben erroadjt unb Oon Hierfür
in bie neu erftanbene £>anbet§ftabt an ber ungarifdjen ©onau
geführt, um bafelbft ben SKitfen einen 28ol)nfi£ 5U grünben,
meit itjr alteS £>eimatt)lanb in Barbarei Oerfalten, in äöirfftdjfeit
nidjt mefyr ejriftirt, foüte nun and) in ber Slaiferftabt, unb gtoar
an jener ©teile, mo bie feit lange in tiefen Verfall geratene
$unft §ur (Sntfittlidjung be§ SBolfe£ mettjobifd) benutzt morben,
ben Stufen eine fidjere ©tätte erridjten.
SBeettjooen marb erfud)t, biefen ßraetf baburdj §u unter*
ftütjen, ba$ er in feiner ÜDcufif einzelne Slbänberungen treffe
unb neue ©tüd'e {jin^ufe^e. £)en ©ommer üon 1822 in S5aben
meitenb, mo ber SSerfaffer ficf; gleichfalls befanb, machte er ficf)
nad) üöllig beenbigter $eite an ber Missa solemnis im Saufe
be§ äftonatS Suli an biefe neue Arbeit, bie jeborf) in $olge ber
überaus marmen Temperatur ber SatjreSäeit nidjt fo rafd) üon
— 330 —
(Statten getjert mollte, tüte aller Seit3 geroünfctjt morben. Unter
anbern gab e§ einen Gfjor mit abmecfjfelnben Steinen unb
©ruppirungen 51t componiren, inbem ber neue ©irector aud) ein
Potlftänbigeä 23allet=(Sorp§ mit Solo-Sän^en probieren mollte.
SDftt biefem SOZufifftücf, auf beffen SBeenbigung am meiften ge=
brungen marb, ging e§ gar nidjt Pormärtä, roeit ber ßomponift
mit bem Sejrtöerfaffer nicfjt äurecrjtfommen fonnte. 3n§6efonbere
brängte fiel) ber SöaHetmeifter, ber, felbft nocf) neu im SImte, ein
neu gufammenge[teüte§ Sorp§ einzuüben fjatte. (Snblid) mar
aud) biefe Kummer fertig, aber, fielje ba! ber (Somponift Per=
meigerte ftanbfjaft bie 9lu3folgung; felbft Sitten unb $orftettungen
be§ 3)irector§ oermodjten nid)t§. S)er äfteifter ermieberte: betior
nid)t ba§> gange SBerf mieber burd)gefel)en unb bie Steile mit
bem ©angen 5itfammengef)atten fepen, folge er feine Sftote au§.
SBätjrenb biefer Vorgänge, menig nerfcfjieben Pon benen mit
Umarbeitung Pon gibetio 1814, maren Sßermünfdjungen aller
Sfyeaterbicfjter, Baltetmeifter unb nodj anbrer 9J?eifter am Stfjeater
an ber Xage§orbnung. @ine§ ber (Epigramme auf ben genannten
SBotföbidjter liegt nodj in be3 Stonbidjterö ^anbfdjrift Por.
S)amit mad)te er feinem ©rotte Suft. ©3 lautet: „3um SOTet^eC
ift er gut, aber jum Silbner?!" 184)
Sftittleriueile aber mar ber September fjerangefommen. @3
mar batjer an ber 3eit, an Aufarbeitung einer neuen DuPer=
ture 51t gelten, benn ber Stteifter fjatte längft bie ben Ruinen
Pon 2(tf)en äitgefjörige au§ begreiftidjen ©rauben jut bePor=
ftetjenben @roffuung3feier für nicfjt geeignet befunben. (£ine§
SEageS mit it)tn unb feinem Neffen in bem fdjönen £>elenen=
tfjale bei Saben un§ ergebene, rjiejä Seetljooen un§ eine Strede
öorauö §u njanbern unb it)n an einer beneidenden ©teile §u
ermarten. Üfticfyt lange tjatte er m\^ fdjon eingeholt, bemerlenb:
er tjabe nun jtuet sD?otiPe §u einer DuPerture notirt. Sofort
äußerte er fiel) aud) über ben ^lan ber Bearbeitung batjin,
184) Aufbewahrt in Schindlers Beethoven-Nachlaß. A. d. H.
— 331 —
bafj baS eine in freiem, baS anbere aber in ftrengem Sttyt, unb
groar im ^aenbeffdjen, ausgeführt merben foü*e. Sotriet feine
(Stimme oermodjte, fang er beibe Sftotitie unb frug bann,
tueldjeS unS moljt am befteit gefalle? @S mag bieS feine
momentan rofige (Stimmung Se^eidjnen, in meiere er bnrd)
STuffinben ^meier (Sbeffteine werfest morben, nad) benen ei
öiefleidjt fdjon (ange gefudjt f)atte. £)er 9?effe entfctjieb fid)
für beibe.. meiner SeitS fpradj id) ben Söunfd) auS, baS $ugen=
Sftotiü 51t obigem 3med bearbeiten 51t motten, keinesfalls f)at
jebodt) 23eett)Oöen bie Duberture „gur Söeit)e beS ipaufeS" auS«
gearbeitet, meit id) eS gemünfcfjt, fonbern meit er fid) tängft
mit bem ^(ane umgetragen, eine Duüerture im ftrengen, unb
gmar auSbrüdtid) im §aenbet'fd)en Strjte 51t fdjreiben. Sn
miefern ifjm bieS gelungen, fatm tjier nid)t ©egenftanb ber
Unterfudjung merben. 9)?and)e Oerneinenbe Stimme ift bieSfatlS
gegen baS Söerf taut gemorben. llnftreitig finb aber biefe
^rititer §u meit gegangen, toenn fte bon unferm SJMfter oer*
langten, er fjätte feine Snbiüibuatität babei metjr üerfeugnen
f ollen. Sidjertid) lag eS nictjt in feiner Slbfidjt, eine ßofcie
nad) |menbet §u madjen unb modjte er nur an eine bem großen
Vorgänger üermanbte Strjfmeife gebaut tjaben. $on ber S3e=
ftimmung beS anbem Duoerturen^otioS mirb in ber ^otge
bie 9M>e fel)n.
StBte fdjon fo oft Ijatte fid) baS ßaubew mit Seenbigen
eines SBerleS §u bem befttmmten Termin gleidjfattS mit biefer
Duoertnre ergeben. Seinatje f)ätte fid) ber $aH aus bem Satjr
1814 mit ber üierten DuOerture in E dar §u $ibe(io erneuert,
metdje, mie bereits begannt, jur erften SSorftetlung nidjt fertig
gemorben, barum jene ^romettjeuS bie Stelle üertreten mufete.
2)aS neu §ufammengeftettte Drdjefter beS Sofeüljftäbter S^eaterS
erhielt bie Duüerture erft am üftadjmittage Oor ber ©röffnung mit
ungültigen Sdjreibfeljtern in jeber Stimme. 2BaS für it)re (Sin*
Übung bei einem natjegu fdjon gang gefüllten parterre gefdjeben
fonnte, genügte faum gur (Sorrectur ber gröbften Sd)reibfel)ler.
— 332 —
53eett)ouen tjatte fid) bie Oberleitung bei ber (SröffnungS*
feter oorbef)atten. Demnad) nafym er am $iano $ßu% fo
gloar, ba^ er ba§> Drcfjefter grö^tenttjeiö im @efid)te, ber 33üf)ne
hingegen baä linte, nod) einige Dienfte (eiftenbe Dtjr gugemenbet
tjatte. Der (Sapetlmeifter 3ran8 ©läfer (gegemnärtig §of=
(SapeUmeifter in (Soppentjagen) ftellte fidj, ba3 ©ange über*
madjenb, itjm red)t<§ §ur ©ehe, unb id) führte ba3 Drdjefter an
ber (Spitze ber erften Violine, nadjbem id) furg öortjer bie
juriftifdje 2tmt§ftube üerlaffen, fonad) au3 bem Dilettanten»
Greife gcfdjieben toax, an metdjem 2Jßed)fet unfer Sonbidjter
mefenttidjen 5tntf)eit gehabt. Den muficatifdjen Erfolg biefer
geier anlangenb, fo tonnte er, uneradjtet aüfeitiger Segeifternng
im • ßufammennrirfen, fetbft bnrd) aufmunternbe SBorte be3
SHeifterS angefadjt, im ©an^en fein günftiger genannt tuerben.
DeftereS ©dnoanten auf ber 23üt)ne mie aud) im Drdjefter in
gotge angeftrengten £aufd)en§ unb 3urüdt)a(ten3 ber Söemeguug
oon ©eite ber Oberleitung, aufteilen im balligen ©egenfatse
mit beibeu Unterteile™, üerfefcte alles in grofee SSeängftigung.
$eerf)oöen fütjlte nidjt, ba^ t)auptfäd)liclj er felber ©djulb bnran
trage, ©eine Ermahnungen betreffs „su üieten EilenS" tonnten
barum im ©ange nid)t§ änbern, loeil bem nid)t fo mar. Snbeß
mürbe bie SBorfteHung otjne merflidjen UnfaE gtüdlidj $u (Snbe
gebraut unb ber erhabene 9)?eifter oon bem aufS fjödjfte be=
geifterten 5tubitorium mieberfjott auf bie S3ür)ne gerufen. (£r
erfd)ien an ber §anb be§ mürbigen Directory £en£ler.
Sm Verlaufe ber Hauptprobe 5U biefer geier Ijatte ftct)
etmaS begeben, baZ bie nieten Stnmefenben freubig überrafct)te.
3n einem Duett smifdjen ©opran unb Xenor benahm fid) bie
nod) jugenblidje ©ängerin äagfjaft unb fdjleppte merfbar. 33eet=
tjoüen mert'te e3 gleichfalls, liejj bie ©ängerin §u fid) tjeran*
treten, fte auf jene ©teilen aufmertfam madjenb, in benen fie
fid) teidjter bemegen fotle, fprad) i£»r fobann 5Dmtf) §u unb
empfahl it)r fid) feft an ben gemanbten Stcnor anfdjtieften §u
motten. Darauf liefj er bie Sxummer miebert)olen unb äußerte
— 333 —
am ©cfjluffe feine gufriebenljeit mjt oen Porten: „Sefct roar
e§ gut, $räutein jedermann!" £>er SEenorift in biefem 2)uett
ttmr ber gegenwärtige SHrector be§ 5Iacfjener ©tabt=£rjeater3,
£err 90?id)aet ©reiner, ben unfer SJtofter bereits öom
Sabener £t)eater rannte.*) S3ei 53eurtl)ei(ung tiefet Vorfalles
t)infid)ttid) beS ©etjörjuj'tanbeS roirb nur §u Bemerfen ferjn,
bafy e§ fid) BloS um Uebertjören gtoeicr (Stimmen gerjanbett,
nicfjt um eine ©orrectur im ©nfembte. 2öer bie Vorgänge
fonft in ber $ßro6e unb in ber ^luffütjrung beobachtet, mufete
mit großer SBetrübnift erfennen, bafj ber SMfter fernerhin
unter jeber SBebingung aufeer ©taube fei) Waffen gu leiten.
SDer im ©anjen erfreuliche SluSfall ber Sofepljftäbter (Sr*
öffnung§feier mar für bie 5lbminiftration beS §of=Dperntt)eater§
$erantaffung, ben SU^eifter um bie Seitung bei einer bemnäct)ft
in jenen atterjrroürbigen ^unfttjalfen beborftetjenben $eierlict)feit
5U erfucrjen, rüo6ei itjtn nod) größere §ulbigungen Bereitet
merben fotlten. %laä) ad)tjät)riger *ßaufe Ratten fid) gut 3Bieber-
auffütjrung beS gibetio, mit SBilljelmine ©d)roeber als Seonore,
aud) anbere ber großen Aufgabe im allgemeinen genügenbe
Gräfte bereinigt öorgefunben. $)ie $orftellung füllte im SDtfonat
üftooember jum 33enefice ber ©djroeber ©tatt fjaben. 53eetr)ot»eit
macfjte Umfrage in feinem Greife, ob er bie Seitung ber Dper
unter Seiftanb beS Oon it)m fet)r gefeilten (EapettmeifterS
*) Sßodj mag burd) 9(nfüf)rung einer anbern £l)atfad)e, beren oft=
maiiger Satge £>err ©reiner gleiä)faU§ geiuefen, ber ©rab bon S)ienft*
fertigfett be§ linfen Dljr§ in jener geit gegeigt werben. %n ber Oteftauration
neben bem Sofepbjiäbter Sweater befanb fid) eine bon ben bamalS beliebten
Spieluhren, roeldie Duberturen, einzelne Hummern auä guten Dpern
u. bergt, pren liefe. Söeetljoben pflegte ftetS in tt)rer Mb,e $la£ §u nehmen
unb fid) redjt oft fein 2iebling§ftürf barau3, bie Oubertttre ju Tlebea uon
(Sljerubini, bortragen ju laffen. ©ein Serjett in F dur au§ gibelio wollte
er beä etroaS ju langfamen Xempo§ wegen nidjt t)ören. ©r üermodjte jebeö
©tücf fogleicfj beim erften Sacte ju ertennen unb ju »erfolgen, babon er
un§ SBeioeife gegeben. ®a3 redjteOtjr ober bem SBaljemuerfe jugemenbet,
botte fid) atle§ in ein tönenbe§ ©Ijaoä oertoanbelt.
— 334 —
Umlauf185) gu übernehmen toagen bürfe. 3lTte rieben ah, ja
mir baten bringenb bem eigenen Sßunfdje gu raiberftefjen in (5r=
innerung be3 fcfyon 1819 im Uniberfität§=©aate, unb neuer*
bingö mieber im Sofeptjftäbter Sttjeater, 2Sal)rgenommenen. yiafy
bem er mehrere 'Jage in feinem @ntfd)tuffe gefcfjmanft, erklärte
er ftcf> gur Seitung bereit, — ein in bielem Söetradjte Ijödjft
bebauertidjer ©ntfdjtuß. Stuf fein Verlangen begleitete id) ifjn
gur Hauptprobe. Die Duberture in E dur ging bortrefftidj,
benn bie tapfere Sßljatanr. bemegte ftd) trotj mandjer unfidjeren
Zeitangaben be§ Dirigenten in feftgefcfjtoffenen ©liebern nadj
gemotjnter Sßeife. allein fd)on bei ber erften Srummer, im
Duett ghrifdjen ÜD?arcetline unb Sacqutno, geigte e§ fid), ba^
23eett)oben Don bem, roa§ auf ber Söüfjne borget)!, nichts f)öre.
©r fjiett bie Sßemegung angeftrengt gurüd. Da§ Drdjefter ging
mit iljm, bie ©ingenben aber brängten bormärtö, unb bei ber
©teile, too ba§> ^3od)en am Sttjore bes @efängni^t)ofeS ber*
netjmbar mirb, fiel aHe3 auSeinanber. Umlauf gebot eingul)atten,
bem 9#eifter ben ©runb nid)t angebenb. ÜJcacf) einigen §in= unb
^erreben mit ben (Sängern l)ief} e§: Da Capo. Da3 Duett
begann, unb tote früher, mar aud) nun bie Uneinigfeit fogleid)
mieber bemerkbar, bü ber ^odjfteüe aber alleö auSeinanber.
$3ieberum marb ©intjalt geboten. Die Unmöglidjfeit, mit bem
©djöpfer be§ 2Serle§ meiter gu geljen, mar ebibent. SSie, in
melier SBeife aber e§ iljm §u erfennen gu geben? SBeber ber
31bminiftrator Duport, nod) Umlauf, mollten ba§ betrübenbe
SSort auSfpredjen: ©3 gefjt nid)t, entferne Did), Du unglüd-
lidjer Sfftonn! 23eett)oben auf feinem ©ttje bereite unruhig
gemorben, menöete ftd) balb nad) rectjtS, balb nad) tinfö, bie
©eftcfjter erforfdjenb, \w§ e3 benn für ein §inbernif3 gebe.
Dumpfe§ ©djroeigen überalt. Da rief er nad) mir. Sn feine
185) Das dürfte Michael Umlauf der Sohn sein, der zu Wien
1752 geboren ward und Operndirektor in Wien nach Weigls Rücktritt
ward. Sein Vater, Ignaz Umlauf, war bereits 1799 gestorben. Michael
Umlauf starb im Jahre 1842. A. d. H.
— 335 —
üftälje an ba§> Drdjefter. getreten, reichte er mir fein Safcfjenbucfj
fjin mit ber SDeutung, aufzutreiben, ma§ e§ gebe. Sdj fdjrieb
eiligft ungefähr bie SSorte: „Sei; bitte ntcfjt meiter fortzufahren,
§u £>aufe ba$ SBeitere." 3m 9lu förang er in ba$ parterre
hinüber unb fagte bto§: „©efdnoinbe Ijinauä." Unaufrjattfam
tief er feiner SBofmung gu, $farrgaffe, ^orftabt Seimgrube.
Eingetreten, roarf er fid) auf baZ @opf)a, bebedte mit beiben
£)änben ba$ ©eficrjt, unb berblieb in biefer Sage, bi§ mir un3
an ben Xifdj fetjten. 51 ber aud) mätjrenb be§ WlafyZ mar fein
Saut au3 feinem Sftunbe $u oernerjmen; bie gan^e ©eftatt ba$
53itb ber tiefften ©dntiermutf) unb 9ftebergefd)(agenljeit. 2tt§ id)
mid) nad) Stifd) entfernen toollte, äußerte er ben SSunfd), iljn nid)t
ju oerlaffen bi§ gur jfcfjeatergett. Sm 3Iugenblide ber Trennung
bat er mid), ifyn am fotgenben S£age 5U Dr. ©metana,186)
feinem bamaligen Str-jte, 5U begleiten, ber aud) in Äranfljeiten
beö ©ef)ör§ fid) 3Juf erworben.
tiefer Sftooember^ag tjatte in ber langen fRettje meiner
(Srtebniffe mit bem gewaltigen SRanne nidjt feinet ©teilen.
2ßa§ aud) ungünftige SBerljättmffe unb Umftänbe Unangenehme^,
2Siberroärtige§, ©eift unb ©emütfj @törenbe§ gebracht, id) faf)
ben Stteifter bisher nur momentan oerftimmt, mot)( aud) äiüueUen
ntebergebeugt. Stl^bafb fonnte man itm mieber ermannt, ben
®oüf ftof^ erhoben, nad) getootjnter SSetfe feft unb ftramm
einljerfdjreiten unb in ber SSertftätte feinet ©eniuä rüftig
malten feljen, aU wäre nid)t3 öorgefallen. SSon ber ©inrairfung
biefeS ©d)tage§ aber t)at er fid) nie meljr gan§ erfrjott. £reffenb
fdjeinen bie beiben Don itjm au3 ber Odussee aufgewogenen
©teilen t)ier am ^ßlatje gu ftetjen:
„'üDcein §erj im 33u[en ift lärtgft jum Reiben gemattet!
SDenn id) babe febon bieleä erlebt, fdpn bieleä erbulbet."187) (©.103.)
186) Dr. Smetana war nicht nur Beethovens Arzt bei seinem
Gehörleiden; besonders war er des Meisters Arzt während seiner lang-
wierigen Augenkrankheit im Jahre 1823. A. d. H.
187) Homers Odyssee, V. Gesang, V. 223 f. A. d. H.
— 33G —
§eitig finb ja, aud) felbft unfterblicfien (Göttern, bie SHenfdjen,
2Bel$e non fietben gebrängt um §ülfe flehen!"198) (©. 111.)
Dr. ©metana berfc^rteb 9J?ebicamente — §um (Sinneljinen.
3)amit fdjien er $u geigen, bafj er ben um Sinberuug feinet
@et)örteiben3 $feljettben nur m^ etroa§ befcfjäftigen tuolfe, ofme
f eiber bie geringste Hoffnung für 33efferung be3 SeibenS 51t
fjaben. ßubem ttuftte er au§ ©rfafjrung, mie e§ biefer l)öd)ft
ungebulbige unb gerftreute Patient mit är§tltd)en SBorfdjriften
gu galten pflege. ®a fteftt gefdjrieben: „5(lte ©tunben einen
Teelöffel ootl 5U nehmen." (5i, tüa§ öermag ein Teelöffel
toll für SSirfung fjeröorpbringen! £)er Patient corrigirt ftug§
ba§ SRecept roie ©d)reibfef)ter in feiner Partitur. @in (Sftlöffet
öoü, mujj e§ tjei^en. (£0 mirb bie SDcebicin genommen. SDenft
er ja nod) an'3 ©innetjmen, fo ift bie $lafd)e \§on *n ^enig
©tunben geleert, unb bie SKepetition alfogleid) ha. ©0 treibt
er e§ einige £age fort, otjne bem Slr^t Ä'unbc $u geben, mie e3
getjt, falls biefer nidjt felbft anfragt. Sn ber SReget gef)t e3
fd)limm, üiel fdjtimmer at§ Oor bem Sftebiciniren, §umal man
fid) nid)t enthalten fann, gteid^eitig anfetjntidje Quantitäten
SBaffer $u ftdj 51t nehmen unb baburd) bie leifefte Hoffnung
auf 2Bat)rfd)eintid)feit einer guten Sßirfung be<§ SRebicamentS
511 parattjfiren. — (Sin foldjer Patient luar unfer 23eetf)onen,
roenn er fid) beroegen fonnte; für ben tfjeilnefjmenben SUr^t nidjt
ungefäfjrtid), raeil bei fo üor[djrift§nnbrigem ©e&raitdje ber
SKebicamente niefit fetten entgegengefetste SBtrfungen erzeugt unb
bie folgen itjm gur Saft gelegt mürben. $ei beginn feinet
Dt)renübet3 toarb ber ÜDMfter Oon feinem rljetnifdjen Sanb§*
manne, bem faiferl. (Stabsärzte üon SSeljring bet)anbeft. tiefer
an püncttidje Dbfert>an§ ber $orfd)riften geroöfjnt unb eine
getoiffe Autorität über ben Stünftler auSübenb, öerlangte g(eid)e§
3Serrjatten üon if)tn; allein er fjatte gut Oerlangen, ber Patient
tfjat, ttrie e3 if)m bequem luar unb tieft fid) burd) keinerlei
188) Ibidem V, 447 f. A. d. H.
— 337 —
33orfdjrift in ber freien Verfügung ü6er bie üftebicin=gtafd)en
foluie über feine ^erfon einfdjränfen. 2(bfotute greif)eit189)
im Xrjun unb Waffen nacfj jegtidjer (Seite, roenngteidj
öon Sammern nnb 2Bef)ftagen begleitet, einzig unb
altein eingefdjränft burcfj ba3 ©ittengefetj, barin be=
ftanb bie ßebenänorm biefe§ ejceptionelten ßrjarat'terS.
$aum rjatte bie (Sur mit Dr. ©metana begonnen, ab§ ber
Sföeifter ftcfj aud) fdjon be§ $ater Sßeifc bei @t. ©teprjan
erinnerte, ber bem Sefer bereite au§ ben 9Kittrjeitungen ber
Anfänge be3 23eetrjoben'fcfjen ©efjörteibenä a(§ getiefter Ofyren»
ar5t be!annt ift. Sludj biefer fottte jefjt roieber confuttirt werben.
Sn meiner Begleitung roarb er oon bem 9)?eifter aufgefucfjt.
SRütjrenb roar bie öon bem mürbigen Spanne irjm beroiefene
"Jrjeitnafjme, unb obg(eid) nid)t3 öerfüredjenb, fo fünfte fidj
93eett)oüen bennod) fo roorjttf)uenb baburefj geftärtt, bafj er fetber
Hoffnungen auf einigen guten ©rfotg gefegt rjatte, bemnad) 3U
erroarten ftanb, er roerbe fiefj enblid) allen SBorfdjrtften pünetlicf)
unterbieten unb bem Str^te mit ©ebutb unb 5tulbauer ent=
gegenfommen. Sßater SSeifj toenbete äunäcfjft bto§ Deleinfpritmngen
an, ma§ ber ^atient roorjtgefäßig aufnahm. ®er beftetjenben
SO?ebicinal=@efe^e roegen nmr e§ aber bem geifttietjen §errn nur
geftattet, Patienten in feiner SSorjnung §u berjanbetn. Unfer
SKeifter mar balJjer eingetaben, feinen freunbtidjen Strjt tägtid)
gu befudjen. Snbefj fd)on nad) wenig Stagen blieb er au3.
^5. 233eif3 ermahnte fdjrifttid) bie (Sur nidjt 51t unterbredjen,
inbem er einen guten (Srfolg roenigften§ für ba§ tinle Dfjr ftctj
oerfprecfje. StUein, gteidjjttne ba§ „übellaunige (Sfetein" einfteuo
5U Sonn ben 2öeg gu ben ©cfjülern nur fdrtr>er gefunben, fo
fanb e§ aud) nun ben 2öeg nierjt in'3 „^ßriefterrjauö" bei
©t. ©tepfjan. 2ttlerbing3 gab'3 einen äußern ©runb, ber bem
Patienten ben äöeg ettuaä unbequem madjen tonnte, nämtid)
189) Eines der vortrefflichsten Worte aus Schindlers Munde, das
dieser aus seiner vieljährigen Erfahrung mit dem Meister schöpfte.
A. d. H.
St. <3djiitbler§ 2)cetljoDen=!8tograpfjie. 22
— 338 —
bie bräugenbe Arbeit 511 §aufe am (gdjreibtifd), üon bereu Art
fogleidj baZ üftärjere gef proben merben fott; biefer rjätte ifyn
aber feineeroegö an ber ^ortfetuing uerr)inbern fönnen, wenn
nidjt ein innerer, meit mächtigerer, gur Unterbrechung unb ftiü=
fdjmeigenb jum aufgeben oder SSerfudje uerleitet rjätte; biefer
Stoeite ©runb fprad) fid) aus burd) Ungebutb unb 3D?anget allen
9?efpecte für är^ttidje 2}orfdjriften, roenn ber beabfidjtigte (h>
folg nidjt fd)on nadj 24 ©tunben fid) funbgegeben fjatte.
Sm 33orfter)enben finb bie 3ufmnbe bes ©efjörteiben* im
uoltften Umfange gefdjübert. 93?an roirb baraug ernennen, was?
ber Seibenbe für Sinberung biefes großen, burd) fein ganzes
Seben faft fortgefetjten Ungtüds getfjan, mas nntertaffeu. @3
barf bemnad) biefes (Sapitef mit ber Beifügung gefdjtoffen fehlt,
ba$ biefer Stampf in $otge bt§> jüngften Sßorfalleö im Opern*
Stjeater ber I e tj t e biefer Art geroefen. £yürberljin a,ar^) Einerlei
^erfud) mefjr angefteftt; nad) bem SSeifpiele mandjes SBeifen
ber 58or§eit fjatte fid) ber StRetfter in fein Ijartes ©efdjid gefügt,
ot)ne je roieber Älagefaute uernefjmen %xx (äffen.
III.
1823. 9D?it bem feinesroegS erfreulidjen ^fan^e ^er öfonomi*
fdjen SBerrjcUtniffe ©eetrjotien'ö finb mir bereite befannt.
SBir miffen, baf$ fie itjren nüd)ften ©runb in bem hierjätrrigen
Sßroceffe um feinen Steffen gehabt. SBir fennen bie uermeljrten
Söebürfniffe burd) Aboption btefes Süngtings, audj fennen mir
bie geringe An^af)! ber feit bem Saljre 1815 bie 1822
cntftanbenen SBerfe, bafc folglid) bie ©efamtcinfünfte biefer
fieben magern Safere, mit @infäjluJ3 ber Saljregrente üoii
900 ©utben C£ouü. 9D?., %nx Seftreitung aller SBebürfniffc bei
Weitem nidjt gureidjteit, gumal ifjm bie 2öerfe für Sßtanoforte
herfjältmfjmäfjig 51t anbern giemlid) gering fjonorirt mürben.
3)reifjig bis uiergig Sucaten (15 — 20 Ssb'or.) mar bas bodjfte
Honorar für eine ©onate, 511 beren Ausarbeitung burd)fd)iutt=
— 330 —
lief) biet iüionate für je eine 31t rechnen finb. 9iur bei ben
{entern brei «Sonaten [teilte fiel) ba§> erhaltene §onorar nn=
tjefä^r auf baö doppelte, ba fie in ®eutfd)(anb, ©ngfanb unb
^ranfreict) Verleger gefunben. Wlit ßompofitionen für $ßiano=
forte mar b\§> baf)in in gfranfretdj md)t3 31t machen, in ©ngtanb
gelang e§ nur mit einjetnen.*)
Sei fo lange anbauernber ©bbc in ber ßaffe mufjten
anbermeitige Hilfsquellen aufgefutfjt merben. 3lf§ faum 31t
entfcfjitlbigenber Sctjritt mufe be§eid)net merben, bah ber bebrängte
SKeiftec oorgejogen Saarfummen aufjune^men, anftatt fid)
einiger Q3anf = ?lctien 31t entäußern, bie bamatS fd)on einen
ijofyen ßur§ gehabt. Heber alle§ muf$ befragt werben, bah
fief) unter biefen Sßaarfummen aud) Hnticipationen üon gtueien
feiner Verleger befanben, einem SSiener unb einem Steiniger.
*T)can rennt bie 9tücfficf)t§tofigt'eiten biefer §erren gegen Sene,
bie it)re §ütfe in fold)er SSetfe in 5tnfprud) nehmen. Unfer
ätfeifter fjatte genugfam erfahren, wie einjelne biefer sperren
feit ben Sagen, mo fein sJxitf)m 3U fteigen begann unb mit
feinen ®eifte§probucten fd)on naml)afte§ 31t üerbienen mar,
mit iljm umgegangen, er Jjätte fiel) barjer am aöerwenigften
irgenbeinem au» biefem ©remium gefangen geben follen, —
bemt ber ©efangenfdjaft glief) ba§> Q3ert)ältnif3, in ba$ fid)
ber nur $reit)eit unb llnabljängigfeit atfjmenbe ^ünftler frei=
willig oerfetjt fjatte.
2)ie 9£ad)meljen biefer unbebadjten Ueberantmortung traten
fcl)on im 3al)re 1822 ein, ai$ 53eett)ODen ben 9#utt) gehabt,
feine brei legten (Sonaten anbern, beffer Ijonorirenben Verlegern
(Scrjtefinger unb ©iabelli) 3um Verlag 31t geben, morauf ber
SBiener ©täubiger allein Sinfprud) g« fjaben oermeinte. Söeöor
mir jebod) ba$ „$tinbe=$uf)=Spiet" gmifdjen unferm rufjm*
tjefrönten Xonbidjter unb feinem SSiener ©laubiger näl)er be=
tradjten, mirb e<s ratfjfam ferjn 31t erfahren, metdje $B3ege fid)
*) §eu Sfjatfierg f)at naci) eigener 9lu§fa.qe gegen ben SBerfaffer für
jebe fion feinen „^fjnntafien" 5000 grc§. burd}fcf)nit<lidf)eö Honorar erhalten.
— 340 —
aufgefunben, um in balbigen Sefitj einer anferjnlidjen Summe
ju gelangen, bie beu SKetfter in Stanb fetjen fonnte, wieberum
§err ber Situation 511 werben. ®r felber füllte ju ferjr ba%
UnWürbige, aber aurf) bas ßweibeutige biefer (Stellung, in
melier er gezwungen einen Sdjein annehmen mufjte, ber ü)m
bei feiner Offenheit unb ($erabf}eit (äftig mar, anbern Verlegern
aber, bie es ftets reblid) mit it)m gehalten, (ba* traten alle
auslänbifcrjen) unb ftd) nidjt Oon feinem „Slcarle mäfteten,"
berbädjtig oorfommen tonnte.
33eett)oüen führte nämlid) bm lange erwogenen $)3lan aus,
bie neue üDfeffe fämmtlicrjen großen unb Keinen £>öfen auf
(Subfcription im SOcanufcript angubieten unb für jebe3 G^emptar
ein Honorar oon fünfzig Sucaten fef aufteilen. 3)ie 23ef orgung
biefes mit Dielen Formalitäten unb Untftänben nerfnüpften
®efcfjäftes tjatte er ganj in meine £>änbe gelegt. Sn bem
beutfdjen (Sintabungsfcfjreiben bezeichnete er biefeä SSert als
fein gelungenftes, in bem aber an ben franjöfifdjen £>of
abgegangenen l)ief5 es „l'oeuvre le plus accoinpli," bas
oollenbetfte; in fämmtltdjen ftanb bie aii§brüdttct)e Semerfung,
bafe bas SBerf audj als Oratorium gebraud)t werben Eönne,
bas wollte fjeifjen: im (Soncert=3aal.
9lls Dtefultat biefes Unternehmend ergaben fid) in allem
fieben fubferibirte (Srnnplare, fomit ein ^Bruttoertrag oon
350 Sucaten. ©ummtrt mau jebod) bie Gopiatur-Äoften ju
je fed)5äig (Bulben, fo bleibt ein unbebeutenber ©ewinn, ber
unmöglid) als t)inreid)enbe öntfdjäbigung für gehabte 9)?ürje mit
bereu Gorrectur — wobei ber s^erfaffer neun Monate t)tnburct)
mit trjätig gewefen — gelten fann.190) 3U oen Subfcribenten
^äfjlten bie atlerfjücrjften §öfe üon 9tufclanb, ^reufjen, Jyranfreid),
190) Die Anzahl der subskribierten Exemplare auf die Missa
solemnis in D (op. 123) scheint doch nicht genau angegeben zu sein.
In einem Briefe des Meisters an B. Schotts Söhne in Mainz, geschrieben
vom Neffen am 25. November 1825 (B. S. Br. No. 1122 im V. Bande)
enthält die Pränumerantenliste diese zehn Nummern : Kaiser von Ruß-
— 341 —
©acrjfen unb £effen=2)armftabt, ferner nod) ber gürft 9lnton
9?ab$inrin, (Souüerneur non ^iofen, unb ber ©irector be§
@aeci(ien=33erein§, ©djelbte, für biefeg Snftitut ju grantjitrt
am dJtam. @in ad)te§ (Sjemptar überfd)idte ber 93?eifter 1823
an ben dürften 9?ifotau§ Q3ori§ ©alitjin nad) (5t. Petersburg.
2)iefe3 (SjempIarS nnb beffen, h>a§ fid) baran fnüpft, mirb meiter
unten auSfürjrlid) gü ermähnen ferjn. $ur Stelle ift e§ nur er*
forber(id) 51t roiffen, baf3 fid) bie S£otat=©umme für bie fubfcribirte
9J?effe im üOfanufcript auf 400 $)ucaten brutto geftellt Ijatte.
2)em öftreid)ifd)en §ofe marb fein Antrag gemadjt, mo^t
a6er bem dürften s$au( (Sftertjaät), (auf befonbern ÜBunfd) öon
bem Verleger £). 5(rtaria) ber $ürft f)at ifyn jebod) jutücfgc*
miefen. Salb nad) 3ufenbung be§ (£in(abungs>fd)reiben£> an ben
fürftlidjen ^unft=9J?aecen fdjrieb mir ^eettjoDen au§> ^e^enborf :
,,©ic rönnen fid) nun gütigft um ben @rfo(g einmal anfragen.
3d) 5loeifte an einem guten, ba icfj mid) feiner guten 2)entung§art
üou Unit gegen mid) üerfelje, roenigftenS oon ber früheren 3ett
511 fdjliefeen. 3d) glaube, bafe bergleidjen nur burd) SSeiber bei
irjm gelingen."191) — 50?od)te fict) SBeettjoöen anbei nid)t audj
land, König von Preußen, König von Frankreich, König von Dänemark,
Kurfürst von Sachsen, Großherzog von Darmstadt, Großherzog von
Toskana, Fürst Galitzin, Fürst Radziwill und Cäcilienverein von Frank-
furt. — Vor längerer Zeit schrieb in höchst liebenswürdiger Weise an
den Herausgeber Herr Bureauchef Wilh. Behrend aus Kopenhagen
zunächst über die Beethovenbriefe, dann aber insbesondere zur Sub-
skriptionsfrage ad Dänemark: „Ich habe, da ich meine große Illustrierte
Musikgeschichte ausarbeitete, darüber beim damaligen Reichsarchivar
nachgefragt. Es ließ sich aber leider gar nicht feststellen, ob
der König von Dänemark wirklich unter den Subskribenten
gewesen, eine Korrespondenz war überhaupt nicht zu finden. Der
Reichsarchivar bezweifelte die Sache, da der König ohne Mnsikinteresse
wäre." Da Herr Bureauchef Behrend in dieser Sache weiter forscht,
können wir später vielleicht noch neue Aufklärungen empfangen.
A. d. H.
191) Vgl. B. S. Br. No. 936 vom 1. Juli 1823 (IV. Band), siehe die
dortigen Erklärungen S. 305. A. d. H.
— 342 —
ber ffirftttd)en ftritif 1808 gu ©ifenftabi nad) S&iffiUjtung feinet
erftert 3Dceffc bafetbft erinnert rjabenV
©ie erfte 2(nmeibung auf ein Subfcriptions^emptar f'am
üom preufeifdjen &ofe burd) Vermittlung beö ronigiidjen %t-
fanbten in Sßien, prften öon §a$fefl>. ©aron fnüpft fidj
nadjftefjenber d)arafteriftifd)e Vorfall. 2>ie fönigtictje (Snt*
fd)üeBung warb bem 9fteifter burd) ben Äan^tei^irector bei
®efanbfd)aft, £mfratt) SBerntjarb, überbradjt.102) Cb gürft
£a|felb sufofge Auftrages au§ 83er(in, ober au§ eigenem an-
triebe gefprodjen, mufj baf)in geftettt bleiben, genug, ber £>of=
rattj fteüte im 9camen be§ dürften an ben Stonbidrter bie ,"yrage:
ob er nicfjt geneigt märe, einen rönigticfjen Crben ben 50 Sucaten
oor^ugietjeny Unbermeiü antmortete Veettjoben: gfünföig 2)ucaten!
©er arme, fd)toer bebrängte ÜWeifter mar be§ baaren ©elbeS )0
fefjr bebürftig, unb man offerirte iljm ein DrbenSbanb auf bm
Siotf! Sd) mar ßeuge biefes SJorfattS. Arnim tjatte ber ®anglei=
©irector ba$ gimmer oeriaffen, afö ber aufgeregte Veettjoneu
fid) in fart'aftifdjen 93emertungen über bat Sagen nad) Drbens =
bänbern tierfdjiebener 3e^9enoffen vMsfy, bie nad) feinem
2>afürrja(ten meiftens auf Soften ber öeiligteit ber ftunft er=
obert fernen. SSenn mir aber im ®egenfa§e 51t biefen Porten
um brei Satjre fpäter au§ bes 9Jceifter§ ßufdjrift an Sßegeler
(7. Dctober 1826) erfahren, ba$ irjm eine ©ecoration „in biefetu
Zeitalter nidjt unlieb märe", fo finbet biefe geänberte ?(nfid)t
lebiglid) ifjren ®tunb in beftänbiger Slnreigung burd) ftarl
§ol§ unb ben bamats in Sßien fid) aufrjaitenben Dr. Spiefer
au§ Serlin, metd)e beibe e§ oerftanben, — nad) 3eu9n^B oer
(ionuerfation3=§efte — feinen fonft fo feften Sinn gu oerbrerjen.
ÜJttt bem (Sinlabung^fdjreiben an ben groBtjer^ogtidjen §of
in Weimar tief} Veetrjoben jugleid) einen örief an ©oetrje ah-
gerjen, barin ber 9((tmeifter um Vermenbung in biefer Sub=
192) Das Nähere ist dargestellt in des Herausgebers Buche
„Beethoven und Berlin", im letzten Autsatze: „Beethoven und der
preußische Königshof'S besonders S. 335 ff, A. d. H.
— 343 —
fcription^Hngetegenfjeit erfudjt toaxb. Mein, roeber biefer §of
nod) fein Sftinifter rjaben ben fjctrrenben Stonbidjter mit einer
(Srmiberung beetjrt. (Sin ät)nlid)e§ (Schreiben um Sßerroenbung
am fönigt. frangöfifdjen §ofe fjatte SBeetrjoüen au (Sfjerubini
gerichtet. 5tud) bon biefem öerefjrten Äunftbruber erfolgte feine
©rmibernng. ©er ^ßarifer ÜÄeifter fprad) aber 1841 baZ leb-
tjafte iBebauern gegen midj au§, biefe gufcfjrift ntdjt ermatten
ju rjaben.*) — ®er (Sintabung an ben fdjroebifcfjen §of legte
53eetf)ooen ein ferjr forgfam abgefaßtes Schreiben an ben ®önig
(Sart XIV. Sorjann bei, barin in parier SKeife früherer Stage
gebadjt mar. ^ebod) auctj üon bort fam {einerlei ©rroiberung.
Snterefjant aber mar bei biefer ©etegenrjeit be3 9J?eifter§ SRütf^
erinnerung an ben perföntidjen SBetfetjr mit bem norbifd)en
SJtonardien als einftigen ©efanbten ber fran^öfifdjen ^Republit;
in Sßien unb bie uon ibjm — bem ©eneral Söernabotte —
jjuerft ausgegangene Sbee: ben größten $etbf)errn ber ^eit unb
erften (Eonfut ber fraitäöfifdjen 9Repubüf in einem Xonmerfe 51t
feiern. Sortier alfo ber Smüutä gur Sinfonia eroiea.193)
Sogar an fetter, ben ©irector ber ^önigt. ©ingafabemte
in ^Berlin, fjatte fid) 23eeti)oüen in biefer ©ubfcriptionS=@ad)c
briefüd) gemenbet, mal ben S)rang ber $8erf)ättniffe ganj be=
fonberS ju be^eieb^nen oermag. 3)enn 3efter gehörte bei unferm
gortfdyrittSmann 51t b^n „alten beutfcfjen SReidj^Gomponiften,"
bie er gar nidjt gu tiebfofen pflegte. Sn ber (Srroiberuug auf
ben 43eeü)ooen'fd)en Eintrag 00m 22. ^ebruar 1823 madjt
ßelter aufmertfam, baß in bem Oon ifym geleiteten Smftitute
nur SBerfe a capella (ofjne Snftmmental=S5egteitung nämtid))
geübt roerben unb münfdjt, baß i>a§> für biefe 51fabemie beftimmte
*) ®a3 Sonceöt biefe» 33riefe§ üon Sket§oüen'<§ §anb bewahrt bie
fönigl. Sibliotbef. in SBevitu. 9iad) bemfelben mivb e$ mottgetmi in bm
©rgiinjungen mitgeteilt.
193) Beethovens Briefe an die königl. Musikakademie und an
den König von Schweden sind seitdem veröffentlicht worden; siehe
B. S. Br. No. 877 und 878 nebst Erklärungen (IV. Banrl). A. d. H.
— 344 —
(Sjemplar gteicf) fo eingerichtet roerbe, inbem Sßeetrjooen bereit»
bemerft t)abe, bafj bie Missa beinatje burd) bie ©ingftimmen
allein aufgeführt merben fönnte. — Unterm 25. 2)Mr§ fdjreibt
ber SSiener an ben berliner roieber: „ 3d) tjabe nod)
genau nad)gebad)t über 3t»ren SBorfdjfag für Sfjre ©ingafabemie,
follte biefetbe einmal im ©tief) erfdjeinen, [?!] fo fcfjicfe idj
3f)nen ein 6;remplar orjne etroaS bafür 51t nehmen, geroife ift,
bafe fie beinahe gang a capella aufgeführt merben fönnte, ba3
©ange müfete aber bodj rjiergu nod) eine Bearbeitung finben
unb oietfeicfjt fyabm ©ie bie ©ebulb fjiegu. — UebrigenS fommt
of)nef)in ein ©tüd gang a capella bei biefem SÖerfe öor, unb
möcfjte id) gerabe biefen ©tt)l tiorgug§meife ben einzigen roabjren
ftircfjenftrjt nennen." — 3>amit roirb mof)f ba% Kyrie gemeint
fenn. Ueberfjaupt fegt ber äWeifter in biefen 2Sorten eine
©etbftfritif über fein 323er! ju Sag, bie fjöcrjlid) $u beadjten
ift. S)ie§ fäfet bie SSeröffenttidjung biefer Gorrefponbeng at§
uorgugSmeife intereffant erfdjeinen.394)
inmitten ber großen ©orgniffe über ben Ausgang biefes
Unternehmens erfdnen pföijfid) ein geflügelter 53ote t>om fönig=
liefen |>ofe au§ $ari§ unb überbradjte bem befümmerten
9#eifter baS Diefultat feinet ßinlabungsf djreiben» an Submig
ben adjt^eljnten. £)er erfte ftämmerer beö Äönig§, £>ergog
b'2fcf)ät<§, melbete in ben fd)metct)e(f)afteften Slusbrüden, baj$
©e. sD?ajeftät bem Slünftter eine golbene SDcebaitle mit ifjrem
Öruftbilbe a(§ ©ubferiptionspreis für bie Missa gu öeretyren
geruht fjabe. 2)iefe§ Glj)rengefd)enE f)atte ein ©emid)t uon
21 Ssb'or. unb trug auf ber 3foer§=@eite bie önfdjrift:
.,Donne par le Koi ä Monsieur Beethoven." ©3 mar bie*
eine ^lusgeicfmung, mie bem 93?eifter in feinem gangen Seben
feine bebeutungsuotiere 511 Sbeil geworben. ©0 läßt fid) er*
ratfjen, beiß fie nid)t üerfeljlen fonnte, in bem föünftler baZ
■ 194) Vgl. diese Briefe in B. S. Br. No. 776, 870, 883 (IV. Band);
dazu den Aufsatz ..Beethoven und Zelter" in „Beethoven und Berlin",
1908, S. 226 ff. A. d. H.
— 345 —
SSemufjtfeon fetner ©röfje ju ermeden unb iljn Ejocf» empor*
äuricfjten. 21ber e§ tonnte foldje Slu^eidmung auch, anberer=
feit§ nid)t verfehlen, ba£ Sßerljalten be§ SSiener §ofe§ gegen
ben 9fteifter mit bem ^Barifer in parallele $u ftellen, unb über*
tjaupt ba$ faft gängtidje Sgnoriren aller Sntereffen oon ®unft
unb SBiffenfrfjaft fettend be<o faifert. .£ofe3 unb ber @taat3-
oermattung einer fdjarfen Äritil 5U unterbieten.195) Senn in
jenen Xagen, unb nod) lange barüber rjinauö, mar ber öftreid)ifd)e
©taat ttjeibo eine blofee 9ied)t§anftalt, tfyeitg eine grofee (Saferne.
S)en Seitern fehlte ber richtige ^Begriff Dorn (Staate, fte
mußten nid)t, bafe berfelbe bie Aufgabe Ijat, geiftige unb fact)-
lid)e ßroede, überhaupt vernünftige 3roecfe oer ©taatSan*
gehörigen, unmittelbar §u förbern; nod) meniger mußten fie,
bafe $unft, mie SStffenfdjaft, §u ben ebetfteu Stützen nationalen
@eifte§ gehören, unb forgfamen ©djufceS oon oben gum @e=
beitjen verlangen.
©o mären mir bei bem mistigen (Eapitel ©taatäpolitif
angelangt, ©g foEC um§ nun §u aUernädjft befcfjäftigen, um
bamit gum Slbfctjlufj gu tommen. 33eett)oüen'so politifdje Sin*
fidjten mürben im Verlaufe feiner ßebenSgeit unb aucfj nad)
feinem Xobe oon berfcfjiebenen ©ct)riftftettem fo üerfdjieben unb
au3einanberget)enb beurteilt, bafe allein fdjon rjierin bie 2tuf=
forberung liegt, mit einer offenen nnb au3fütjrlid)en 3luf=
flärung biefer Singe fjeröotptreten, läge biefe nid)t sugtetd) in
ber Iftotraenbigt'eit, mancher nod) fommenben ©rjdjeinung bie
fixere Safiö gu geben. (Sine folcfje Slufflärung rjatte mein
Sftanufcript gut erften Hingabe biefer ©djrtft enthalten, mürbe
jebodj Oon Dr. Söact) au§ SBeforgnifi für mid), nid)t minber
für itjn f eiber, geftridjen. Saburd) mürbe in bie ©efammt*
195) Die Briefe, die Gerhard von Breuning im Original wie auch
in Kopie verwahrte, die mit dieser Ehrung von seilen Frankreichs
zusammenhängen und von besonderem Interesse für die ganze Art der
Ehrung sind, enthält der Neudruck „Aus dem Schwarzspanierhause"
1907, S. 140 ff. A. d. H.
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barfteünng bie empfinbüdjfte £üde gebracht, bie am menigfteu
itnferm lonbicrjter frommen tonnte, bcnn de mortuis nil nisi
vere. QaZ genüge Deftreict) ift aber gotttob ein gan?5 anberes,
afö eS in 33eett)oöen'3 Se&enSjaljren getuefen. @§ mirb bafjev
tooljl nicfjt meljr üerpönt fetjn, freimütig auSgufagen, toaS ber
®efd)id)te im Mgemeinen angehört imb fpeciett in 25eetr)otien'3
Seben3gefd)id)te mit l)ineinfüngt. §ätte Dr. 23ad) aljnen tonnen,
baft bie geit $u DeftreidjS ftaattidjer Umgestaltung eine nid)t
met)r ju ferne, ja, ba^ fogar ein Sfteffe Oon ibjn in boijer
Stellung befonbern ?(ntt)etf baran 31t nehmen berufen fettn
luerbe, er tjätte in feiner mitftcrtjaften ©rabfinnigfeit btö Diott^
ftift gerabe bei biefem gragepuncre nid)t angeloenbet.190) allein,
gteid) Xanfenben matjrtjaft patriotifd)er (Staatsbürger tjatte aud)
er an ©efferung ber poütifdjen ^erbjäitniffe unb ßuftänbe (ängft
oer^oeifett. Sie unerbittüdje s^ar§e jerfdjnitt feinen Seben^
faben 1847, beinahe unmittelbar oor Eintritt be§ tängft er=
feinten 9J?orgenttd)te§ über Deftreid)§ Götter.
SSenn ber ©a£ practifdje SBabjrbjeit enthält, ba^ jebe
gefd)id)t(id)e s$erfon au3 it)rer $t\t f)erau§ begriffen
19G) Es ist nickt recht einleuchtend, welchen Bach hiev
Schindler im Sinne hat. Wir erwähnen den österreichischen Staats-
mann Alexander Freiherrn von Bach, der 1813 geboren ist und 1893
in Unterwaltersdorf bei Wiener-Neustadt gestorben ist. Er übernahm
1842 die Advokatur seines Vaters und ward selbst einer der an-
gesehensten Advokaten Wiens. In den Märztagen 1848 trat er in die
politische Bewegung ein. Im Ministerium Wessenberg-Dahlhoff ward
er Justizminister. Das gleiche Amt versah er im Kabinett Schwarzen-
berg, dann war er Minister des Innern. Dieser Bach, als Mann der
offenbaren Reaktion, hatte natürlich nichts mehr mit den Wegen
Beethovens gemein. Der Unwille über den Polizeidruck, die Ver-
hinderung jeder freien Meinungsäußerung ward immer größer; die
nach Ungarn entsandten österreichischen Beamten nannte man be-
zeichnenderweise „Bachhusarenu. Im Jahre 1859 ward sein Rücktritt
herbeigeführt. Er wurde Gesandter beim Päpstlichen Stuhl und trat
1857 in den Ruhestand. — Beethovenschen Geist scheint er nicht gerade
verraten zu haben. A. d. H.
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nnb bargefteüt merben foll, unb oljne ein Unredjt an
it)r %u begeben, fein Urttjeü barüber gefällt merben
öarf, raaslfie unter gang anbern SSerrjättniffen gettjan,
Äield)e Stellung fie gegen f)üt)ere nnb t)öd)fte ?lutori=
töten eingenommen tjaben mürbe, fo finbet er and) 3ln=
menbung auf unfern SKeifter in Kuubgebung feiner potitifd)en
©efimtungen in geraber SRidjtung jur üftreictjifdjeu ©taatäjjoltttf.
S)ie über ^Beettjooen aU Sßolittfer oeröffenttidjten Urteile
(aufeit faft atfe barauf f)inau§, itjn unter bie Qafy ber fo=
genannten fyarmlofeu Kannegießer §u fteflen, bie nur irgenb ein
©tidjmort brauchen, um fogteict) itjrem ©ränge freien Sauf 51t
(äffen. 3)ic bergteidjen aufgejagt, maren (auter $rembe, meldjc
bie in Oeftreid) rjerrfdjenben ßuftänbe oiet 51t menig, ©efittung
aber unb ^öilbung^uftanb beö $olfe§, üornelmilid) in beu
grof3en Stäbten, gar nid)t gerannt tjaben. @6en fo menig
fannteu fte 23eetl)OOeu oon biefer ©eite unb urttjeUten frifdjroeg
über ba% bei ein= ober mehrmaligem flud)tigem ßnfammens
treffen auä feinem SÜcuube Vernommene. 216er unfer SDtofter
befafe Mugtjeit genug unb oerftaub feine gerjeimfteu ©ebanten
öor gremben redjt motjt 31t referoiren; tonnten fte bodj otjne
fpecielte ftenntnif} ber 3)inge ^iemanbeu Oerftänblid) merben.
^aß jebodj in feinen Dkifonnements 9)cett)obe gemefen, tjaben
nur menige Ocrfannt. 9£ic tjätte bieg nid)t fetjn füllen bei
einem äJtannc, ber fid) mit ber (Staaten^ unb Vötfergefdjidjte
— üorjugsmeife ber Otiten — fo giemtidj oertraut gemacht
^atte y
©reifen mir au$ ber SDcenge foldjer Seurttjeitungen nur
brei §erau£, meit fte auS befannten nnb gead)teten gebern
geff offen. Dr. 295. G. Wlüthx, Segrünber ber @efetlfdjaft3=
ßoncerte in Bremen, ©rfinber be§ §armonicon§, SSerfaffer ber
intereffantcn Sdjrift: „?leftr;etifd)=t)iftorifdje Einleitungen in bie
Söiffenfctjafteu ber Xonlunft," unb anberer ©djriften nod),
befudjte unfern 9)£eifter 1820 auf feiner Steife uadj Stauen
ju äfföbttng. Sit feinem thjffatje „(Stnxtö über Submig ban
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93eett)oüen" in ber Mg. äRiif. ßtg. uon 1827 ftnbet ftc^
fotgenbe ©teile: „tiefer Sinn einer mettbürgerüdjen ^reifyeit
unb biefe Schonung 3(nberet (beäügtid) auf feine öfonomifdjen
$erljcütniffe) mocrjte rooljt Urfadje fetjn, baß er in Speifeljäufern
ftetö ba§ angefponnene ©efpräd) fortführte unb frei unb un=
befangen über 2(üeg, aud) über bie Regierung, über bie ^oli^et,
über bie Sitten ber (Großen, fritifd) ober fattjrifcf) fid) auSfpracfj.
Sie ^otijei raupte e§; aber man tiefe it)n, fet) e§ nun afö
einen ^t)antaften, ober auS Strfjtung für fein glängenbes ShmfU
genie, in 9tut)e. Xarum mar aud) feine Meinung unb ©e=
fjauptung: nirgenb3 tonne man freier reben, a(§ in SSSien.
©ein Sbeat einer ^erfaffung mar jebodj bie Sngttfdje."
griebrirf) 9?orf)tit3 faf) 23eet()ouen im Sommer 1822
breimal. 33ei 5meien biefer .ßufammenfünfte mar id) anmefenb.
2(u3 feinen, in einigen ^Briefen mitgetfjeüten, Srlebniffen mit
unferm 93ceifter, abgebrudt im ^ormorte jur 2(üg. ÜJ?uf. 3*9-
1828, mie and) in feinem SBudje „$ür 5'reu»oe ber ^onfunft",
fet) 9?ad)ftet)enbey entnommen: „(Sein ganzes 9teben unb Sfyuu
mar eine ftette öon (5igenr)eiten, unb 511m SitjeU rjöcfjft munber=
üd)en. 2(u§ allen teudjtete aber eine maljrljait finbttcbe
©utmütfjigfeit, Sorgtofigfeit, 3utrautid)feit gegen $lüe, bie it)m
nai)e tarnen, fjeruor. Selbft feine feifenben Kraben — tt>ie
jene gegen bie jetzigen SSiener — finb nur Gjptofionen ber
^fyantafie unb augenbüdüdjen Aufgeregtheit. Sie merben oljne
allen £)od)mutt), otjne altes (Erbitterte ober Gkfyaffige ber
©efiunung — fie tnerben mit teidjtem Sinne, gutem Sttfutlje,
in t)umoriftifd)er Saune Ijerausgepottert ; unb bamit ift's
au3." — 2)a§ Reifet bod) noüt'ommene Unfertntmf} be§ £errain£
unb ber ^erfon! Unb 9tod)li§ 55eetb,oDeu'ö ÜBiograpt) ? !
liefen üon gremben ausgegangenen Urttjeiten fet) nun
ein SSiener jur Seite gefteüt. Set)frieb brüdt fid)
über biefen gragepunct in „Seetfyoüens Stubien" alfo am:
„SefonberS gern fpradj er im trautid)en 3^r^e^ "6er potitifd)e
©egenftänbc fid) au§>, mit fo(d)' Ijetlem Überbtid, rid)tiger
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Stuffaffung unb tiaxtx Slnfidjt, mie mau e§ bem, nur in
unb für feine Äunft (ebenben biplomattfcrjen ^rofelnten nimmer*
mefjr zugetraut Ijätte." — 28ofj( gemerft, ba$ biefe£ 3eu9n^
Don fefyr lange prüd batirt, benn feit bem Safjre 1806 (jatte
aller perfönüd)e Söerfet)r jroifdjen Seetrjooen unb ©enfrteb auf=
gehört. (üftäfjereS barüber in bem (Srgän^ung^auffa^e „Q3eet=
rjouen'3 ©tubien.")
Leiter über biefen ©egenftaub au^urjolen njirb überfttiffig
jetin; barum merbe er nad) beftem SBiffen unb ©eroijfen ofme
9Inroenbung biatectifdier ftunft gu teictjt überfid)ttid)er £)ar*
fteüung gebracht.
3)ie Semeggrünbe, me(d)e unfern 33eett)otien beftimmeu
tonnten, ein confequenter ©egner ber öftreicfjifcfjen ©taat§tiotitit,
ber Regierung, raie aud) bes faifertidjen £mfe3 51t fetin, (äffen
fid) in fotgenbe s$uncte ^ufammenfaffen :
A. 'Sie 9ied)t§tiflege, tiornefjmtid) bei beu Unter*
gerieten, ©eine eigenen ^roceffe boten öietfättigen ©toff 5U
Beobachtungen unb ftägtidjen (Srfarjrungen. Sßiüfür unb
93efted)tid)feit, teuere in^befonbere nacfj türtifd)em Stfafse bei ben
$atrimoniat=@erid)ten auf bem Sanbe, mo bie Snftig tjäuftg
bto£ Oon Deconomie=25eamten o(jne juriftifdje ©tubien ausgeübt
morben, maren burd) uralte 93räud)e g(eid)fam fanctionirt.
2)er ungerjeuertidje SSirrfat „®erid)t§orbnung" benannt, t)atte
ben 9?id)tern 5U 9ftif$braud} it)rer ?(mtsgema(t, ben Stbüocaten
aber ^u jeber Strt gegenfeitiger ^eration auf Soften ber Parteien
£{jfir unb £rjor offen getaffen.
B. Sie ^5 0 ü 5 e i roegen mafelofer Überfdjreitung iljrer
orjnerjtn meitauSgeberjnten Befugniffe. ©ie mar nicfjt bto§
©idjerrjeitöberjbrbe im allgemeinen QSerftanbe, mie in anberen
©taaten, es maren tfjr aud) nod) bie 9(mt3t)anbtungen ber in
anbern Sänbem befteljenben $rieben3gerid)te übermiefen, moburd)
beroirft morben, bafj bie Hnmafmngen feitenö biefer Söerjörbe
in großen ©täbten feine ©rängen gerannt, ^untat ben Unter*
beamten ein meiter 2$irrung§h*ei§ eingeräumt mar, in raeldjent
— 350 —
fie äBittfürtidjfeiten unb perfönlidjc ©elfifte jeglicher 8Crt uev=
üben burften, für bie e§ feinen 92id)ter gegeben, meil Sftiemanb
geraagt als Kläger aufzutreten. 9cid)t fetten mußte bie oberitc
Suftt5fteKe ber ^oti^ei gauin nnb @ebiß anlegen.
C. £)as> in allen ©taatSämtern meift in raupen formen
fidj gettenb maetjenbe burcau fra tif die 3Befcn. Sein
Gcinffufj mußte allenthalben um fo brüdenber nrirfett, als
fä'mmtlidjen ^Beamten ber redjte ^Begriff Don Humanität unb
©taatc-bürgcrtrjum gemangelt unb fie nur getjordjen fotlenbc
Untertanen rannten, ©o nutzte e» tommen, baß ein uou
Regier ungSbet)örben ausgegangener 9(ct mie ein ©nabenaci
erteilt morben, bennod) tjäufig baar be^arjlt merben mußte.
I). Sie 2)emoralifatiou in ber 9lriftofra tie.
jföeil biefe ,,©elb, \a tuet ©etb unter bie Seute foinmen tief?,"
bie t)öd)ften £)of= unb ©raatSämter berleibete, mittjin nad) uer=
fdjiebenen ©eiten fjin einflußreid), ober be5eid)nenber, mäcfjtig
mar, fo burfte fie fid) ungefdjeut ben rofjeften 2tu3fct)meifungen
überlaffen. SBarjrfjeitSgetreu barf gefagt merbeu, ha^ feit bem
SSiener (Songreffe 3uc§t unb ©Ute au% ben oberften ©täuben
in ber ß'aiferftabt oerfdjmunben roaren.*) 333ie e§ gefommen,
ba$ biy §u biefem geitpunet in ben oberften 9iangftufen be§
5lbet3 llnterridjt unb Orgierjuiig, innere unb äußere Söitbung —
gegen fünf^etjn ^atjre gurücf, mie gegen ©übe ber erften s^eriobe
gezeigt morben — aus bem ©leidjgenridjte geraten, fann für
uns nidjt ©egenftanb ber Unterfudjung merben. ©od) bürfte
gu einiger ©ntfdjulbigung beS beutfdHftreid)ifd)en Wbdv bie
3.\k-ir)rnef)mung gegrünbet fetin, baf? ber f)ot)e @rab oon @nfc=
fittlidjung in biefer Glaffe gumeift bitrd) ben reidjen, menig
gebilbeten, in beinahe orientalifdjen ©itten 5U leben gemorsten
?tbel ber öftlidien Sänber ber 9J?onard)ie eingefdjleptit morben.
2)a§ müßige Seben biefer „Gatialiere," 00m 3e^Qeift unb fatfdjer
*) Stuf bie emgeriffeue Stttenloftgfeit fjat 6ereit§ ber Siener Referent
bev 3lflg. 9)fuf. 3tg. 1817 aufmerffam gemadjt, wie ©. 299 u. ff. angeführt
morben.
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Sluffaffung beö 2lbelsbegriff£ faft bebingt, Don ben lodern
Sitten aller s$olf3fd)id)ten nod) begünftigt, tonnte im natjen
SBerfefjr mit bem beutfdjeu 9lbet3=(£temente nid)t anberS al£
oerberbenb auf baffelbe einroirren, uneradjtet baö SlYiifertjaug
felber immerhin baö mufterfjaftefte Seifpiet aud) in äußern
Xugenben gegeben &,atte. ÜJftt poli^eilid)en Stfafcregetn maren
biefe fjodjftetjenben äkrbredjer au ber öffenttidjen Sittlidjieit
ntdjt gu erreichen,*) beim ba fjiefj eö: Dat veniam corvis.197)
Seit bem äBiener (Songreffe ftanb Sarj^etjenbe tjinbuid) bie
23?aitreffen=SSirt^fd)aft bort im fdjönften glor, batjer faft 9tiemanb
$u einer 23ebienftung bei £>ofe ober in ©taatSämtern gelangen
tonnte, ber e3 oerfdjmätjte, fiel) burd) eine lange 9ieilje mad)t=
fjaberifcljer Jpetaren ben 2öeg &u ben ©fceEenjen unb SDurcr)*
laugten gebatjut gu Ijaben. — 9Jian beule fid) einen fo ftrengen
(£ato, mie 53eett)oüen im Sßuncte ber Sittlid)feit fortan geluefen,
in ber 9?ätje fo abfdjeutidjer 3uf*aiibe.
E. 3)ie öffentlichen 51 ubi engen be3 ftaiferS. 23eett)OOen
nannte fie: „öffenttidie £änfd)ungen." 2ln jeber 9J(ittro.od)e b<i\\
SBinter t)inburd) fonnten 200 6iS 300 Sittftelter ans allen
Glaffen baS ®lüd genießen, it)re ($efudje unmittelbar in bie
£mnbe be<5 ®aifer§ 311 legen, Selbftoerftänblid) tonnte bei foldjer
^In^at)! 53ittenber {einerlei $erl)anbtung über jebeS einzelne Statt
finben, biefe mürben uietmetjr ben guftänbigen ©teilen jur Unter*
fudjung unb 23erid)terftattung übermiefen unb ben Beamten
baburd) brüdenbe Saften aufgebürbet. 2)af} nur im feltenfteu
gatle etmaS erfprie>3licf)eö für btn Söittfteller — auö Sttjrol,
aus Sööljmen, oielteidjt gar au§ Siebenbürgen batjer gebogen —
l)erau§gefommen, begreift fid) leidjt. £)iefe öffenttid)en Slubien^en
*) 9?ur einer marb au3 ber SJienge fjerauggegriffen unb üor ©ericfjt
gefteüt: Surft fcaunu)=9iittberg. (£r würbe au£ ben öftreietj. Staaten für
immer üerbannt.
197) Der Juvenalsche Vers lautet vollständig: „Dat veniam corvis,
vexat censura columbas." (Verzeihung erlangeu die Raben, ewige Qual
den Tauben.) A. d. H.
— 352 —
(im 53eifet)n einer ^Ingatjt ©arbiften) batiren aus ber patriae
d)atifd)eu 3eit Ceftreidjs, itnb mögen bamals, tno bie 5Ked)ts=
öertjättntffe nod) im Sßerben begriffen unb potitifd)e Gefinnuug
im SBotfe ein ungenannter £erminus getoefen, roorjlttjätig auf
ba$ grofje ©an^e eingemirft rjaben. Stein ©emofrat magte nod)
§u rütteln an bem Droit divin bes Äaifers, bas mofyl fein Jürft
perföntidjer genommen, als gerabe ^ranj. 2)arum allein fdjou
bie bemofratifdje ©eftnnuug, (trenn ber ^olijei berannt,) als
poiitifcrjer Ungerjorfam öermerft morben unb ber aüertjötfjften
^erfou nidjt narjen burfte. gür biefe gab es feine ^ubienjen,
fonft aber für bie geringfügigen 2)inge unb ?(lmofenöettetei.
SÖeettjoüen geriete) in Aufregung, roenn er fid) ben $ad bad)te,
als ©uppticant in einer foldjen sXubien^ figuriren 31t muffen,
ba \a notorifd), mie fetjr ber Äaifer Genialität nÜBad)te unb
nur ben „braud)bareu 9J?anu" beUor^uge.
F. £>ie &argt)eit bes faifertidjen £mfes in ilnterftütjiutg
oon Äünften unb 333iffenfd)aften, refpectiüe oollftänbige
üftid)tbead)tung alles auBertjalb ber Äaiferburg 95eftet)enbeu.
Sßas aud) 2lnerfennensmertrjes in ©adjen ber äftuftf — jebocfy
lebiglid) jur Unterhaltung bes .«pofes — in früheren Sauren
gefd)et)en, mar mit bem Ableben ber feiten ©ematjtin bes
ftaifers gfratts, bie mir in ber erfteu ^Seriobe als ©efangs=
fünftterin fennen gelernt, erlofdjen. SOiit bem Xobesjalire biefer
ftaiferin (1807) tjat bie buret) beinaüje jmei Satyrrjunberte
ununterbrodjene 9tot)e benfroürbiger (Sreigniffe im großen ©trjl
in Sacfjen ber Stonfunft (unb itjre forgfame Pflege am -throne
fetber) am faifertidjen §ofe it)r Gnbe erreidjt. ©eitbem erfdjien
$oit)t)t)mnia bort nur als Bettlerin bei Gelegenheit uon
(Soncerten. iHufjer bem lärgrjersog SKubolpt) menbeten bie anbern
rjotjen ©lieber bes Staifertjaufes ber §et)ren ben Ütüden §u,
benn bafe einzelne barunter eine fleiue 2ln$al)t (ioncert=53iüette
äu fjonoriren pflegten, aud) ßoncerte befugten, motlte bod) gar
gu tuenig bebeuten. 3)er Äaifer fetber cultioirte bas Guartett*
©piel, unb behielt Sinn unb Siebe für Äird)enmufif, für jebe
— 353 —
anbere mar baö ^ntereffe gefdjmunben. — 5(13 Seljrer ber
faiferlidjen $inber fungirte guerft ?lnton 2 an ber,198) fpäter
aber Sofeprj @t)6ter.199) Gsrfterer bradjte e§ bis gum §of=
(Sompofiteur, ber anbere 6t3 gum ersten §of=®abellmeifter nad)
©atieri'3 2(bteben. 9)cit ?lrgu3augen beroadjte jeber bie Pforten
3um ^ßattafte, bamit ja fein anberer SWufifer irjren faiferlicfjen
(Sieben narje fomme, unb e» gtucfte ilmen, fetbe bor fdjäbtidjen
(Sinroirfungen ju beroatjren. 23eibe biefe £)of=2ftufifer ftanben
fortan in ber SSorberreirje ber 23eett)oben'fc£)en ©egner unb bei
erftgenannten berblieb e§ nidjt orjne berletjenbe StuSfäKe gegen
ben großen SDtofter am £)ofe. ©in Kammer ^Gombofiteur ftanb
Ijod) über einem Seetfjooen unb burfte ungefdjeut nad) befter
Saune itjn bort läcfjerüd) mad)en unb anfc^mär^en. §ätte man
nur im geringften bon unferm $0?eifter 9^oti§ genommen, er
mürbe bielteidjt oon feiner §artnädigfeit ettt>a3 abgelaffen fyabzn
unb eine 5Innät)erung märe burd) Vermittlung be§ ©rjfjerjog^
Ühibolbt) mögtid) geworben, ©inen bloßen STitel an§unel)men,
mie feine $reunbe in früheren Sauren gemünfdjt, 5. $8. „®aiferl.
5tammer=$irtuofe," für ben fein Pfennig §onorar üerabfolgt
wirb, ba§> ertaubte fein üünfilerbemufjtferjn nidjt.
Sn biefen Sßuncten ift jebod) 33eetrjOben'3 fdjiefe «Stellung
rjofjen unb tjödjften Slutoritäten gegenüber nirfjt erfdjöbft.
Sftocrj bleibt ein roefentticrjer $unct ju berühren übrig, ber bie
retigiöfe SBolföeräierjung betrifft.
@3 mag auffaltenb, faft unglaubtid) erfdjeinen, Oon einem
Slcufifer gu rjören, ber fid£) außer feiner fünftlerifdjen ©prjäre
nocb um Singe bekümmert, bie roeit barüber rjinroeg liegen,
198) Anton Tayber, geb. zu Wien September 1754, gest. November
1822, war Kammerkomponist des Erzherzogs und der Erzherzogin.
A. d. H.
199) Eybler, Joseph von (geb. 1765 zu Schwechat bei Wien), hat
sich als Kirchenkomponist einen Namen gemacht; er war mit Haydn
und Mozart befreundet. Nach Salieris Tode ward er erster k. k. Hof-
kapellmeister. Er starb im Jahre 1846. A. d. H.
S. Sdjlnbletä Scet^oöcn-iBtogro^^ie. 23
— 354 —
ba 3>nbo(eng befonber§ bei 9)cufi£em in ollem, roaö nid)t
irgenbroie mit ber 9?ote gufammentjängt, notorifd) ift. Ü)er Sefer
Ijat aber t>on bem ejceptionetfen SBefen be» 9ftufifer§ 23eetl)ot>en
bereite fo üiele 23emeife ermatten, ba$ e3 üjm bod) nid)t gar fo
abfonbertid) erfdjeinen bürfte, menn berfelbe aud) für bie
Ijetfigften Sntereffen be3 3}o(fe§ (Sinn unb §erg geigen follte.
Gin ^euergeift mie 93eettjoüen, mit roeitem £>origont im 2Biffen
nnb SSerftetjen, fonnte an feinem ©egenftanbe oon 23ebeutung
ofme %f)eihtaf)me unb fritifct)e Stnmerfung üorüberge^en. ©ein
tjäufiger 58erfet)r mit bem Sanböolfe gur 3eü> roo 110(^ e"T
2tu£taufd) be§ 2öorte3 möglid) mar, bie mancfjertei (Srtebniffe
mit feinen eigenen unb ben SHenfdeuten in 6efreunbeten §äufern,
Ratten ifyn ja genugfam mit ber faum erhörten 55ermafjrtofung
ber unteren 93oti!§fd)id)ten in religiöfer §infid)t befannt gemacht.
2)aS 3tuffaltenbe, ©ettfame liegt aber barin, bafj ein fo
melbefd)äftigter 9J?uftfer ftc£> ßeit unb 93?üt)e nimmt, in Sadjen
religiöfer SSotfSergiefjung ^ßropaganba gu macfjen, um baZ SSoß
gu befferer ©rfenntnifj ©otte<5 unb feiner Sdjöfung gu ergeben.
£)iefe§ f)at Seedjoüen roirfüd) getrau unb gmar auf gang gerabem
SBege. 9Biebert)ott ift be§ gtoeibänbigen 2Serfe£: „C£tj. (Stjriftian
SturmS 93etrad)tungen über bie SSerfe (Lottes im 9?etct)c ber
üftatur unb ber $orfef}ung auf atfe £age bes 3>a§re3" gebadet
morben. 2)er Snljaft biefes Sudjeg in ftarer SIbfaffung erfdjien
bem -Tonmeifter a(3 Inbegriff atteS für baZ Ssolt: 3Biffenö=
notljmenbigen. 2)a er bei feinem Sanbaufrjalte aud) mit ©etft*
lid)en in S3erü§rung gefommen, fo unterlieft er nid)t, it)re S(uf=
merffamfeit auf genannte^ Se§r= unb (Srbauungsbud) gu leiden,
ja er empfahl eS fogar gu Vorträgen auf ber fanget, allein
er fanb nur taube £)t)ren, unb at3 iljm einftenä ber Pfarrer
gu SD^öbting 200) ermiberte: „Unfer SSoÖ braud)t oon ben Cn>
fc^einungen am ^irmamente nur gu tuiffen, bafj Sonne, 9)ioub
200) Solche Erlebnisse mit dem Pfarrer zu Mödling mögen die
besonders heftige Erbitterung gegen diesen in des Meisters Briefen an
Xanette Streicher beeinflußt haben. Siehe z. B. in B. S. Br. den laugen
ÖOO
unb Sterne auf= unb niebergetjen, i\. f. tu.", ba fyatte fid) ber
(Sifer beS s}3ropaganbiften batb geminbert, fo bafj in feinen
legten SebenSjafyren aufcer bittern SarfaSmen nad) biefer
9iid)tung fyin fein äBort mefjr über btefc SSoÜ^uftänbe bie
Sippen berührt fjat.
9cid)t atfo in ben anbern Spuncten. ©in fo unabtaffiger
Verfolger ber 2Settt)önbe(, ein Wann üon £'eine3tt>egS „fdrtoadjcm
Untertf)anen=2Serftanbe", nrie unfer Sonbicfjter, muftte aHein fdjon
burdj tägüdje Seetüre ber allgemeinen 3e^ung rjinreidjenb
Stoff finben, fein SSiffen in politifdjen Singen gu erweitern.
Dr. 2S. 6t). äRüUer fagt ganj toaijr, ba$ SBeetfjoüen'S 3beat
einer ©taatSüerfaffung bie (Snglifdje getoefen. Um bie ^ßarla-
mentS=$Bert)anbhmgen mit Sftufje tefen gu fönnen, liefj er fid)
bie allgemeine Bettung noc^) §au^ fontmen. Sorb SörougfyamS
hieben ^a6en if)n nietjt fetten in Sßegeifterung üerfettf unb mandje
trü6e SSotfe üon feiner Stirne üertrieben.
SSeim Stufaeidmen biefer abfonbertidjen Singe fonnte eS
mir §ur 23erut)igung bienen, loenigftenS einen ber Scanner nod)
unter ben Sebenben ju roiffen, gegen ben fid) ber äfteifter als
SDtttteibenben, über alte biefe s^uncte in meinem SBetfeijn au3=
gefprodjen fyat, roetdje berfetbe mieber auS eigener, bitterer @r-
fafjrung nod) 5U ergänzen üermocfjte. SS ift ber Stdjter beS
nerpönten: „Deftreidt), bu ßapua ber ©elfter" — ^ranj ©ritt=
parier. (Sin getreues 9I6bitb öon biefen fdjroer brüd'enben ßu=
ftänben tjat ©raf 5tuerSperg aufgeteilt, unter bem Xitel:
„Spaziergänge eines Sßiener ^oeten", Hamburg, 1831. SDafj
unfer Sfteifter biefe öffentliche Slnffagc nid)t mefjr erleben
fonnte! —
Unter 93eet^oOen'S greunben war eS öornefimlid) ©raf
SKoril SidjnotoSh), ber eS fid) angelegen fet)n lieft, ben
Brief No. 747 vom 18. Januar 1818, worin das Wort vorkommt: „wo
ich dann seiner Hochwürd. ihre Geistlichkeit mit solchen geistigen
Prügeln ■ so erbärmlich zurichten werde, daß die ganze Pfarrei
davon erbeben soll." (III. Band.) A. d. H.
23*
— 356 —
Sfteifter bem laiferüdjen §ofe einigermaßen nafje §u bringen, in
ber Hoffnung, baß, fei einmal ber erfte ©cfjritt mit einigem
©rfolg gefct)er)en, bie meitere 2lnnäf)erung unb bamit oötlige
51usföf)nung erreicht merben mürbe. S5orftei)er ber faif. ^of*
(Saöelte, unter bem üblichen Xitel wJpof*3Hufifgraf, mar bamatS
©raf SRorilj oon 2)ietrid)ftein, gugteid) ©ouberneur be£
jungen §erjogs üon 3teid)ftabt, ein fpe^ieller greunb öom
©rafen ßicfjnomsflj. SÜn biefen fjatte fiel) ber treu anfängliche
£icrjnom§ft) fdjon früher in Setreff Ermittlung eine3 geeigneten
9)?obu§ gemanbt, um feinen Sßlan in Sluöfüfjrung gu bringen;
allein biefer SftobuS mar roeber fo letcfjt norf) fo gleid) ju er*
mittein. £>a erfolgte im 9?oüember 1822 ba$ Slbleben be§ Oor=
benannten faif. §of=(£ompofiteur£ 9lnton Stoiber. S)ie§ gab
bem (trafen erroünfdjte ©elegentjeit in Seettjotien §u bringen
betreffs biefer oacanten ©teile birect an ben ©rafen £>ietrid)ftein
gu fcfjreiben unb if)it um Eingabe be§ einjufdjlagenben 2Bege§
an ben Äaifer ju erfudjen. Saß unfer SMfter bie§ mirllid)
getrau, barüber merben mir fogleid) ©eroißtjeit erhalten. — 2ll§=
balb famen beibe (trafen überein, bem Xonbidjter ben 2}orfd)lag
gu madjen, für ben ®aifer eine äfteffe ju componiren, beim,
mie oben bemerkt, bes ftaifers Sntereffe für föirdjenmufif mar
nod) mad) geblieben. £>er lunftüerftänbige unb mit bem ®e=
fcfjmade be§ Merrjücfjften Jperai berannte §of=SD?ufitgraf glaubte
jebod) in 9ftüdfid)t auf letztem llmftanb öorab SBinfe geben $u
folten, nad) melden ftcf) unfer 9-tteifter bei ©eftaltung biefer
(Sompofition etmaS ridjten motte, um fieserer ben beabficfjtigten
3med gu erreidjen. (Sin oon itjm an ben ©rafen £tdmom§ft)
biegfalte gerichteter 23rief Oom 23. gebr. 1823 liegt oor unb
lautet Ootlftänbig:
„Steber greunb! ©djon längft märe e3 meine ^flidjt ge=
mefeu, bem guten S3eett)oüen ju antmorten, ber fiefj bertrauenä-
tooH an mid) gemanbt t)atte. Stttein, nacfjbem id) mit Sir ge=
föroetjen, befdjloß ict), mein ©tittfe^meigen erft gu bredjen, menn
ict) beftimmtere 9£ad)rid)ten über ben bemußten ©egenftanb ein=
- — 357 —
gebogen §aben mürbe. — 9?un fann id) £>ir aber mit ©emifjfjeit
jagen, bafj bie ©teile be§ öerftorbenen Satjber — meldjer nid)t
$ammer= fonbem £of=(5ompofiteur mar, — nidjt mefyr befe^t
merben rotrb.*) 5dj ntag e§ 83eetf)oüen nicht fdjreiben, um nidjt
nngünftig auf einen 9J?ann §u mirfen, ben idj fo aufrichtig öer=
efjre, unb bitte 2)id) bemnad), e§ itjm ge(egentlid) borpftetfen;
mir aber bann §u fdjreiben, mann unb mo id) it)n einmal mürbe
fbredjen fönnen, ba id) feine SSofjnung oergeffen fyabe.
5d) fdjide Sir f)ier äugleid) bie Partitur einer äfteffe bon
^Reutter,**) meldje 33eettjot>en §u fetjen roünfdjte. SKatjr ift e8,
bafe ©. 9ft. ber Saifer biefen ©tt)t liebt, inbeffen braudjt $eet=
fjoben, menn er eine SKcffe fdjreibt, fid) nidjt baran §u Ijatten.
(£r möge nur feinem großen ©enie folgen unb btoS berüdfid)tigen,
— bafj bie SOceffe nicfjt ju lang, nodj §u fdjmer in ber 2(u§=
fütjrung merbe; bafe e3 eine £utti=9)ceffe fet>, unb bei ben
oingftimmen nur ffetne <2opran= unb 9ttt=©otog oorfornmen,
(mofür id) gmei brabe ©ängert'naben fyabe) — bod) meber Stenor-
nod) 23afj= nod) Drge(=<Soto3 — t)öd)ften§ für ben STenor, meil
33artt) bann fingen mürbe. — SSei ^nftrumenten !önnte ein
Biotin* ober Dboe= ober Gtarinett=Solo angebracht merben,
menn er e§ mollte.
gugen Heben @e. s30?ajeftät fefjr, gehörig burd)gefüt)rt,
bod) nid)t ju fang; baZ Sanctus mit bem Osanna mögtidjft
lurj, um nid)t bie 3Sanb(ung aufsutjalten ; unb — menn id)
etttaZ für mid) beifügen barf: — ba$ Dona nobis pacem mit
bem Agnus Dei, ofyne befonbern Slbfbrung; — ma§ bei gmei
ÜKeffen öon §aenbel (au§ beffen 5(ntf)em3 jufammengefe^t) —
*) „$ammer=(£ompofiteuT:" war %ixx 3eit ^ranj frommer. SRa§
feinem Slbleben 1831 roarb cmdj biefe Stelle nid)t toieber befefct. 2)iefe
beiben $äüe fpredjen fjiweidjenb für ba% am faiferl. §ofe erftorbene Qntereffe
an SJhiftf in tocttcret SluSbefjnung.
**) ©eorg Don 3tentter, geb. 1705, roar faifetl. £>of= unb 2>om=SapelI=
meifier. 9?acfi, ©afemann'ä Xobe ttmrbe er nntflicfyer §of=(£apeIlmeifier.
f 1772.
— 358 —
bei ätoeten bon Naumann, unb bon §1666 (Stabler eine befonber*
fcfjöne SBirfung madjt.
2)ie3 mären in $ür5e meiner (Srfarjrung gemäß bie 5U be=
obacrjtenben SWdfidjten unb id) mürbe mir, bem §ofe unb ber
$unft ©lud münfdjen, roenn unfer großer 23eetf)oben batb
§anb an'3 SSerf legen moüte. <3ei) fo gut nodj, mir einen
Meinen (Smbfangfdjein über bie au3 bem §ofmuftf>?lrd)ib er=
f)altene Partitur §u fetteten. Sd) roerbe bie erfte freie 3eit be^
nutjen, £)ir münblidj bie SSerfidjerungen meiner alten $reunb=
fdjaft »11 erneuern. Qbam _ . - ,
y ° £>etn $reunb
Sftori§ S)ietrid)[tein."
9?od) liegt bor ein SBrief bom ©rafen SDietridjftein au
$eetf)Oben de dato 10. ?JMr§ 1823. @r überfdjidt bem äKeifter
brei £erte 311 ©rabunlen unb eben fo biete ju Dffertoricn, alle*
$um Söelmfe ber ©ombofition für bie faiferl. (Sabelle. Staritt
rjeißt eS nod) ausbrüdlid): „Unenbtid) bebaure ict), <3ie berfäumt
gu tjaben, al<§ «Sie bie ©üte fjatten mit bem ©rafen SidjnotoSfi)
mid) ju befudjen. Sd) roerbe tradjten <3ie fobalb afö moglidj
gu treffen. (Smpfangen «Sie bie SSerfidjerung meiner auf*
riditigften §od)acrjtmtg."
<5otd)' offene^ unb freunbtidjeä ©ntgegenf'ommen eineö am
faiferl. §ofe fjod)ftet)enben unb einflußreichen 3Jfamte3 r;arte
unfer Sfteifter !aum ermartet, um fo metjr füllte er fid) an*
genefjm babon überrafdjt. öebenft man, baß e<§ fid; begügtidj
ber beabfidjtigten ßombofitionen für bie §ofburg=(£abefte um
©egenftänbe getjanbelt, bie auf ba3 SReffort be§ §of=9Kufi!grafen
gehörten, fofjin bon biefem unmittelbar 2(Iler|öd)ften Orte in
@dju§ genommen morben mären, fo roirb man nierjt anberä er*
märten, at3 i>a^ SSeettjoben anberloeitige Sßläne fogleid) auf*
gegeben fyabe, um unber^üglid) an bie 9Iu3fürjrung aud) be§
eigenen 2öunfcf)e§ 3U fct)retten. S)em mar jebod) leiber nierjt fo.
Sn geroorjnter Söeife mürbe feiner <Seit§ bie Slngetegenrjett biet
befbroerjen unb mit rafd) abmedjfelnben färben beleuchtet, bi3
— 359 —
er nad) Staaten mit ber befinitiüen (ärtlfirung tjerüortrat: bie
Gompofitionen für ben $aifer muffen für fpätere Sage fu§pen=
birt bleiben. Unb l)iemit mar ber SBiberfprudj, in meinem fid)
ber entfdjiebene £)emofrat ju oertuidetn im begriffe ftanb, be*
feitigt. @r öerblieb, ber er bi£t)er mar. ©ein ©runbfatj: Un=
abljängigfeit abte bie (Seele unb ergebe ben ©eift, eine SSeile
m'§ ©djtoanten geraten, ftanb mieber aufgerichtet feft. 3)od),
ma§ meiter, ha bie begangene ^nconfequeng nun offen lag?
£)en beiben fo moljlrooHenben (trafen warb fdjriftlid) ge=
banft für ü)re Semüftung unb al§ (Srünbe feines SSerf)alten§
angegeben: a) Sie (Sorrectur ber fubferibirten (Sjemplare bon
ber SRiff a; b) ®a§ bringen ber „©efelldmft ber 9ttuftffreunbe
be3 öftreid)ifd)en SaifcrftaateS" auf Erfüllung be3 öor Sauren
fd)on gemachten 33erft)redjen§ ein Oratorium für biefelbe §u
fct)rei6ert, unb e) eine foeben eingegangene Sßerpftidtt'ung jur
(iompofition eine<S 9Berfe§ für ^ianoforte für ben Verleger
Siabelli bi§ §u einem feftgefe^ten Termin. 9Jcit allen biefen
Angaben t)atte e§ feine töidjtigfeit. SCffem bie beiben (trafen
fonnten fiel; oon bem ^eremptorifcfjen biefer ©rünbe nid)t über*
zeugen, batjer e§ §mifc^en bem ©rafen £id)nom§ft), au§ beffen
9D?unbe unfer SReifter ntcrjt feiten ben QSormurf att=nieber*
länbifcljer ©törrigleit fyören mufcte, ju unfreunblictjen ©rllärungen
gefommen. 9tber auf beffen Stnltage beim @r§^erjog Siubotpt)
famen aud) Oon jener Seite berlei SBormürfe, toorauf üom
SReifter mit (£ntfd)ulbigungen ermibert morben. 9laü) 9Dftttl)eilung
be§ er^eräogtidjen Secretairä SBaumeifter, bem bie intimen
Sejiefjungen ^mifdjen Sefjrer unb Sd)üler mie feinem anbern
befannt roaren, befanben fid) S3eett)oüen'§ ©rfläningen in ber
bom (Srätjergog oertuafyrten Sorrefponbeng, in beren S3efi| bie
©efeltfdjaft ber SKufüfrcunbe nad) bem Ableben be§ 6arbinal§
gekommen.201)
201) Die Korrespondenz zwischen Beethoven und dem Erzherzog
Rudolf ist seit 1865 durch Dr. Ludwig Ritter v. Köcheis Publikation:
„83 neu aufgefundene Originalbriefe Beethovens an den Erzherzog
— 360 —
3u öor&enannten brei ©rünben trat alsbatb nod) ein oierter
rjingu, nämtidj eine ©inlabung beö dürften üßtfolauö Soris
©alitjin in ©t. Petersburg jur (Sompofition einiger Quartette
für benfelben. (Sigentticrj gab e§ aber nur einen einzigen
plaufiblen ®runb gum einftroeiligen SSerfcf)ie6en ber ju
componirenben Sfteffe für ben $aifer, nid)t aber ad Calendas
graecas, unb biefer tuar: augenblidtidjeö SBebürfnifj baaren
©elbes, um einen brängenben ©laubiger ftd) batb mögtictjft
bom §atfe §u fdjaffen, überhaupt um alte ©djulben ju tilgen.
Slber felbft biefeö t)ätte ftd) nertagen taffen, Ejätte Seettjooen
feine tief gemurmelte Slbneigung gegen ben faiferl. §of 5U be=
fettigen r>ermod)t. ©einer Unabrjängigteit ftanb burdj bie auf
jenem SSege allenfalls erreichte 2lnnät)erung an ben ipof {'einerlei
Slbbrud) in 2lu§fid)t. Sn ben üftotirungen aus jenen Etagen
fanben fid) einige, barüber beutlid) gefd)rieben mar: „3ur 9)?effg
in Cis moll.202) £>b biefefben gu jenem 3^^ bienen füllten,
ift ©efjeimnife geblieben, ©enug, bes angeregten unb Oiel unb
breit befprodjenen planes ift fernerhin mit feiner ©ifbe merji*
gebacrjt morben.
SSir aber »erben biefer SScetrjoOen'fdjett ©rünbe notrjroenbig
nod) gebenfen unb felbe, ben unter a) angeführten ausgenommen,
beö näfjeren befpredjen muffen. 2Sorab fet) nur bemerft, baf3
einige biefer Sßnncte fo unerquidlidjer aber aud) oerraidelter
5lrt finb, bafs fie in bem ab^urjanbelnben SebenSbrama einer
Shtotenfcrjürgung nicrjt gan5 itnaljnlidt) feljen. lieber ben mit
„plausible" bemeidjneten ©runb finbet fidt) in ben 6onüerfation*=
Rudolf" usw., Wien 1865, sehr bekannt geworden; man findet viele
dieser Briefe bei Thayer, bei Noh], alle auch in B. S. Br., III., IV. und
V. Band. A. d. H.
202) Skizzen zur Messe in Cis-moll, dona, sind zu finden in
Band 9 (nach der Numerierung des Herausgebers) in den Beethoven-
Autographen der Königl. Bibliothek zu Berlin) der Monatshefte für
Musikgeschichte 1895, No. 11. In diesem Band 9 im II. Hefte. Dort
Blatt 17 b: „Skizzen zur Messe in Cis-moll, dona". A. d. H.
— 361 —
£eften Dort 1823 üon be3 3)Mfter§ §anb eine beutfidje @r=
flärung. gr ^atte näm(itf) in felber geit öud) °ie ©intabung
erhalten, für bie $f)iIrjarmonifd}e @efelifd)aft ju Soften in
SGorb*9lmertfa ein Oratorium — „für jeben $ßtet8M $u fetyreiben.
Stuf eine üon feinem greunbe SMfyter geftetlte anfrage in
betreff biefe§ Oratorium^ ermibert Seettjoben: „3d) fdjreibe
nur baZ nietjt, tuaS tdj am (iebften möchte, fonbern be§ @eibe§
roegen, ma§ id) braudje. ©§ ift belegen nid)t gefagt, bafj id)
bod) bloS umS (Mb f treibe. Sft biefe $eriobe öorbei, fo
Ijoffe id) enblid) $u fcrjreiben, ma§ mir unb ber ®unft ba§>
§od)fie ift — gauft."*)203) ©iefeö offenherzige ©eftänbniB
gibt ben ©djtüffel 31.tr «Situation. SBir motten fogleid) 3med=
mäßigen ©ebraud) baüon madjert.
Sie SBerlagSrjanbtung £)ia belli u. (Eomp. fyatte in ber
SSintergeit üon 1822 auf 23 einer großen %r\^i (Eomponifien
ben $[an $ur £erau3gabe eineS Gloltectü>2Serfe3 üon SSariationen
für ^Sianoforte öorgetegt. 2)a3 £l)ema im (Sfjarafter eines
SSa^erS mar öon £)iabelli erfunbeu. Seber ©omüonift follte
nur eine Variation beitragen. 2lud) an 33eett)oOen mar eine
(Sinlabung ergangen, ©iefetbe erroedte urptötjtid) bie (Erinnerung
in irjm an ba§ (SoIIectiO=@ef anginer! über ben £ejt: In questa
tomba oscura etc. im Sarjre 1808,204) barüber in ber gmeiten
^ßeriobe gefprodjen morben. 3u9^e^) ertnadjte mieber in bem
Sfteifter aÜ' ber Ingrimm über bie jenem Sßerfe miberfarjrene
*) ©er ©ebanfe svtr (Jompofition be§ ©oeibe'fcfien gaufi roarb buref)
griebitd) 3vod)ü£ angeregt. SSetterbin werben roir SRocrjlifc felber barüber
fpredjen boren.
203) Von Boston und der Idee, Faust zu komponieren, ist im Kon-
versationsheft No. 77, Blatt 8a und 9b die Rede. Über die Unterhand-
lungen wegen des Oratoriums für Boston sehe man in dem umfangreichen
Buche „History of the Haendel and Haydn Society" von Ch. P. Perkius
und John Artwight, Boston 1883—1893. Aber als negatives Resultat
ist dort zu lesen (I, p. 88): „we must conclude that it was never
anything more, than a prqject with Beethoven." A. d. H.
204) Cf. Schindler I, S. 202ff., Neudruck S. 248ff. A. d. H.
— :362 —
^ßerfiflage. (Sr erklärte, baft er ben Vorfatj gefaxt, niemals
roteber an einem (5otlectio=2Serte ?fntt)eiC ju nehmen, tjabe matt
bamate ben fjorjen ©mft bet ©icfjtung %u perfifliren gemagt,
fo fet) im oorliegenben $alle fdjon burd) ba$ Sttjema ©elegen-
tjeit gegeben, alle Srjeilljaber lädiertict) ju macfjen; ba% %f)ema
mit bem „ <2d)ufterf ted" (9fo[atie)*) gefalle i§m nierjt, u. f. tt).
Samit mar bie (Sintabung bejeitigt. 9lid)t lange nad) biefer
tategorifetjen ©rflärung erfudjte er mid), Siabetli gelegentlich) 311
fragen, ob e§ tfjm genehm märe, menn er ba$ Stjema allein
bearbeite, nnb melrfjeö §onorar er trjm morjt bie3fati3 bieten
trolle? 2>er freubig überrafcfjte Verleger fprad) augenblitflid)
80 £>ucaten au§ unb notificirte pr ©teile bem äfteifter mittelft
einiger 3e^cn btefett ©ntfdjhtfe, nur um 6 bis 7 Variationen
bittenb. 33eetl)oüen feiner <Seit3 tticfjt minber freubig überrafdjt
burd) ba§ ungeroöljnlid) rjolje §onorar für eine Partie Varia-
tionen ermiberte f(ug§ mit einer fdjriftlicfjen ßufage, anbei
gegen mid) bemerl'enb: „9ht, ber fotl über feinen <Sd)ufterfted
Variationen rjaben!"
anfangs Wlai be^og ber lOceifter bie oon einem ijerrtierjeu
Sßarle umgebene unb eine ent^üdenbe 2lu3fidjt geroät)renbe SStUa
be3 Varon oon ^ronao ju £)e§enborf. Sic sunäcfjft üor=
genommene (lompofition mar bie Bearbeitung be£ S)iabeUi'fd)en
Söül^er*, bie itjtt in feltener SBeife beluftigt fyatte. 21t£balb
maren äefjn, balb nodj ein 9JM fo Diel, bann gar fdjon fünf
unb sroanäig Variationen auf bem Rapier, unb immer trieft e»:
*) fyür mdjt muftcalifcfcgebUbete Siefer wirb bie ©rflärnng nottjroenbig,
baB man in ber Gompojttion§-2er)re unter 9io)*alien flehte <Sä|e Oon
mer)r ober roeniger Sacten öerftetjr, bie fiufenroeife, unb meift in gleiten
SnteröaHen, auf etnanber folgen, wie bie ©teine im 9iofenfran$e. 3- 23- "•
4SI
i
fS-^J^-^-T^
2
*
*-#-
-1*-?
tat=*:
I*=T
55t
4r*
iz=d
Unter itünftlern roerben beriet Saferen gemeinhin „Sdjufterflecfe"
genannt; gflecf neben Sfletf.
— 363 —
„Xa§> finb nod) nidjt alle." 2)er Verleger, beforgt megen be*
51t großen Umfangt be§ 9$erfe£, folgtid) ju Kjoljett SabenpreifeS,
nmnfdjte ben ©d)IuJ5. 3)er fdjreibluftige (Somponift aber, bei
ben 33eluei3 liefern moHte, tua§ fidj alleä au3 einem ätemltct)
orbinären SESatger, nod) bap mit einer SRofatie bitben faffc,*)
erttriberte: er möge nur nod) etroaö ©ebulb tjaben. So ent=
itanben bie „33 Sßeränberungen über einen Söa^er, Op. 120,"
benen man e§ leidjtticf) anfielt, in toetc^1 roftger (Stimmung fie
«iebergefdjrieben loorben. 3)e§ Sftetfterä ©egner tjaben biefeS
tum ungett)öljnlid)em £ntmor fprubetnbe SSerf immer ignorirt.
Sie Ratten barauS erfefjen tonnen — menn fie gerooltt — in
lueldj' Weiterer, oergnüglidjer Stimmung SBeetljoüen aufteilen
nod) in feinen legten 2eben$jat)ren getoefen, nict)t aber „immer
büfter unb brütenb," ttrie fie tfjn 51t fcfyitbern belieben. 2)ie
aufcerorbentfirije 9)cannicl)fattigfeit in SSermenbung be§ %f)ema§
— e§ mufj fid) fogar §ur Umgeftaltung tn ba§> SCRoäart'fdje
„kleine Dtulj' bei Sag unb ü)?ad)t," gteicf) nneber 5ur SBitbung
einer gugfjetta, enblid) fogar §u einer regelrecht geformten $uge
bequemen — gibt ein fpredjenbes .ßeugnif}, m^ toetdjer Suft
unb looljl and) Selbftbefriebigung biefeä, nur Sßirtuofen erften
3?ange3 5ugänglid)e 3Berf gefdjaffen toorben. 3Senn ja bie
^erfiftage be§ 6ottectio=2öerfe§ au§ bem öatjre 1808 irgenb
(stntoirfung ober 2lnfto)3 51t foldjer @eftattung biefe§ 3Ber!c§
tßegeben tjaben foltte, fo loollen mir ifjr 2)agett>efenfetjn mit
*) 3)aS erinnert an eine ©teile üon be§ SDiEeifierS Sjanb in einem
Sagebudje au§ bem %at)xe 1815, meldte Reifet: „Sie Sd)ottifd}en Sieber
»eigen, nm3 bk unorbentlicfifie SDielobie uermöge, wenn fie mit Harmonie
gut befjanbelt mirb."205)
9?oct) fie&t folgenbc ©teile bort: „^d) mujj ben ©nglänbern geigen,
wa3 in bem God save the Kiug für ein ©egen ift."206)
205) Siehe die Stelle im Fischhoffschen Manuskript Fol. 31 b, die
bei Schindler besser gegeben ist; das Pronomen „was" fehlt dort, wie
auch bei Nohl (1. 1. p. 57). A. d. H.
206) Cf. Fischhoffsches Manuskript Fol. 31a. Es war die Zeit der
Komposition der Schlachtsymphonie, op. 91. A. d. H.
— 364 —
2)an! begrüßen unb bog factum überE)au^t in 33cetrjoüen'§
Sebenägefcfyictjte nicrjt al§> btofje CSpifobe betrachten.
SBenben mir un§ nun 51t bem <Sctjutben = ^Sunct, ber ge=
rabe im Sarjre 1823 unfern ütteifter aufö ^ödjfte alarmirt t)atte.
(£3 mit| morjt at3 ein unoerjei^üc^er Scangel an 58olT=
ftänbigfeit unb ©rünblicfjr'eit in ben Biographien eines? £)emo=
ftrjeneö, Cicero, 2)ante, ©rjafeSpeare, unb anberer großen SJcänncr
ber SBorjeit, bejeidjnet merDen, bafj beren SJerfaffer it)re refpectioen
©elbfcrjulben, nebft ben tarnen itjrer (Srebitoren, ber sJcad)ioe(t
öcrrjeimlictjt tjaben, barüber fie bocf; informirt ferjn mußten.
@§ liegt faft außer ß^eifet, ba$ bie Slenntniß biefer particutaren
SSerrjättniffe jum ©rforfdjen beö tiefinnerften ©eifteS, ft>enigften§
einzelner it)rer SBerfe, mefent(id) beigetragen unb bie ßegion
itjrer Kommentatoren unb (SonjecturakÄritifer beöeutenb öer=
ringert rjaben mürbe, menn fie mit genauer ^enntniß be§
(Sdjulbenftanbeä irjrer Reiben an bie befduuerücije Arbeit Ratten
geljen fönnen. Sßorneljinticr) märe bei ©Jjafeäpeare feit beinahe
einem üollen Sarjrtjunbcrt fetjon feines 2Borte3 (Sinn metjr
ämeifettjaft, menn feine sIu§leger bie SSerrjättniffe 5U feinen
©laubigem. 00m ilrfprung an beffer gelaunt Ratten. 63 fcfjeint
aber in jenen ßeitaltern ber ©runbfatj (eitenb gemefen 31t ferm,
jebeö ber Sßacfjmelt ju übertiefernbe ©tanbbitb eines? bebeutenben
Cannes? fo oiet als? mög(id) aus? einem Sßlocfe tjerau^ubiiben
unb es? oon allen S^ebenbingen frei 51t galten, fofern fie nicrjt
©runb^üge bes? ©rjarafters? gemefen, ruelmerjr blos? burd) un=
günftige Sebens?oerf)ältniffe fiel) bem Snbiüibuum gieidjfam auf=
gebrungen Ratten, — meil 9?ebenbinge jeber 3frt otjne foldje
SSaftö einer fpäteren 3eit, bie fidj lebiglid) an bie öorrjanbeneu
233erfc galten miß, fein Sntereffe $u bieten oermögen.
@S mar gefehlt, miefj in ben früheren 2tus?gaben biefer
Sdjrift ungefähr oon bemfelben ©runbfa^e im Slttgemeineu,
fpecielT bei 93efprecfjung bes? ©djutbenpunetes?, leiten gu taffen,
unb tiefen fo midjtigen ©egenftanb nicrjt mit gerühmter
„beutfcfjer ©rünbtidjfeit" §u erfcfjöpfen. 2lMe mefent(id) Jjätte
— 365 —
nitfjt eine redjt auSeinanber gebefjnte @d)itberung biefer $ei>
Ijattniffe auf eine fixere ©pur be§ poetifdjen Snljaftö ber
9. (Sinfonie üerfjetfen tonnen, metdje inmitten ber ©elbbebräng=
niffe unb aud) inmitten ber aufjergeroötjnlidjften 2Birrniffe in
be§ 9)ceifter§ §au3fjattung aufgearbeitet morben, ttm§ sunt
£ljeit fdmn gezeigt tft. 2Sa§ märe bis gur ©tunbe nod) ber
gmeite £fjeit öon gauft für ein unburdjbringüdjeS (Sf)ao3
mtyftifdjen ©unfels, Ratten nidjt particutare Söegietjungen unb
$erf)ättniffe be§ 2)id}ter§, Seltomer 9iübd)en unb anbere materielle
©eringfügigfeiten ben ©iüinatoren bie ©djlüffef gu beffen (£r*
Öffnung in bie §änbe gefpiett. «Solche gtängenbe ^efuttate
foüen mid) gur ^ac^eiferung anfpornen. 33ief(eid)t gelingt e£
fogar burdj offene aber mögtidjft bünbige Darlegung biefeS
gragepuucteS SöefentticfyeS jux geftfteltung beS Oon ben mobernen
$unftpt)itofopt)en unb $eett)oüen*©rüblern entbedten „groeiten
unb brüten <Sttjt§" in beS SDtofterS äöerfen beisutragen.
SBorauSgefyenb tjat unS ber SReifter fetbft fdmn burd) feine
S5eantmortung ber $8it)ter'fd)en grage einen ber £auptfd)lüffet
gu feinen ©tt)W£jtraöaganäen gegeben. SSatjr^aft gtüdttdj
mürbe id) mid) aber preifen, burd) 2tu3einanberfetmng biefeS
Snciben^uncteö bie 3ufrieoen§eü Jener 23eetf)oüen=$8ere!jrer
gu errcidjen, bie mir einftenS in jiemticl) barfdjem £one ju=
gerufen: „@ib öon Allem AlteS, nidjt aber ?ttle§ nur t)a!6!" —
2öot)tan!
@d)on im Satjre 1816, atfo in ben Sagen beS ©eginnenS
ber fo lange anbauernben Sßertegenfjeiten unb (Salamitäten
mancherlei SCrt, legte bie Seipgiger SBerlagSljanbtung £)off*
meifter unferm Sonbidjter ben Sßfan gut' Verausgabe feiner
fämmtlicrjen ^ßianoforte=9)Juftt üor, unter Sebingungen, bie im
(Jansen mit feinen gorberungen nid)t meit auSeinanber gegangen.
3n biefer Angelegenheit confultirte er 2t n ton 2)ia belli,
ber bamatS nod) nid)t felbft Verleger mar. 2)iabeÜT£ Iritifdje
Unterfud)ung unb ^Beantwortung be£ £>offmeifter'fd)en planes
liegt in feiner ausführlichen ßufcfyrift an Söeettjoöen, de dato
— 360 —
22. Sluguft 1816, t>or. 3ur Örientirung für bert Sejer »erben
jofgenbe ©teilen barau3 rjinreidjen: ,,3d) bäcfjte, Sie blieben
auf Sljrer fd)on gemachten $orberung ftetjen, nämüd): für bie
öffentliche Slutorifation jur .^erauögabe Srjrer ®laüierfad)en,
unb ^ngteidt) für bie 9\ebaction bauon 3000 (Bulben (Sonueut.
iDcünae, für bie neuen Sonaten, bereu 311 einem jeben £>efte
(Sine bajulömtnt, im Surdjfdjnitt für jebe 40 Smcaten."
3)er Stein be£ ^InftofeeS in biefem Sßiam war bio&: bogen*
meife SSe^a^Iung. Siabetti bemerft ba^u: „TO: bogentueifer
^egatjümg per Sucaten tft gar nicfjty, unb id) ratlje Sljne«
ÖurdjauS bauon ab. ®er Verleger bringt freitid) nad) feiner
löeredjnung 4000 ©utben f)erau§, allein uießeidjt in jeljn
ober mehreren Sauren .... 3dj ^offe gan$ fieser, ha% ber
Serleger S^re gorberungen eingeben toirb, toenn Sie iljm
fetbe abl Sfyren legten unb beftimmten SBillen bet'anut machen
tuerben."207)
Sie Unterfyanbtung mit £>offmeifter mürbe nidjt mit biplo--
matifdjer Sdnueigfamfeit betrieben unb tarn (eiber bei: mit
immer gleidjer &iebe unb Selbftaufopferung für bie Sntercffen
be§ grofjen sD£eifter§ fid) rjingebenben greunben im ^aternofter=
©äfcdjcn 51t 2öien ju Dfjren. Spekulanten mie ben sperren
Steiner u. (£omp. (b. fj. Steiner u. fta^tinger) tonnte e§ nict)t
entgegen, bafj fte bei 3uftan0ef°mmeu oe§ Seidiger ^iam
mit irjren $8eetljouen'fd)en $ertag3toerr'eu in 9cad)ttjeU gerätselt,
tu ber golgc^eit aber gar feine neuen Sföerfe meljr oon itjm
gu erhalten ferjn bürften. Sie traten bemnad) mit einem ät)n=
Hd)en ^(ane entgegen, münfdjenb, ber 9)?eifter möge ifmen nur
5»ei bi§ brei $arjre $eit gönnen, um ba§ Unternehmen
beginnen 3U tonnen. sJ0ät matfyematifdjer ©emi^eit bemiefen
fte ü)tn bie größeren 9Sortt)eile fomotjt in Seäug auf §onorar
a(§ überhaupt, menn alte arbeiten, (Sorrecturen u. f. ro. unter
207) Auch dieser Brief an Diabelli befindet sich, wie die beiden
iö B.S. Br. mitgeteilten Briefe in »Schindlers Beethoven-Nachlaß Mappe I.
No. 44a; vgl. B. S. Br. No. 1019 (V. Band). A. d. H.
— 367 —
feinen 51ugen ftattfiuben mürben. ®iefe djimärifdje Q}orfpiegetung
genügte, um ben £>offmeifter'fd)en $lan fogtcid) fallen 511 laffen.
(Sinige ßeit nadjljer legte biefe SBiener SSertagStjanblung
bem 9fteifter ein SSer^eid)ni^ oon allen 9Jcufttgattungen bor,
beginnenb mit ber (Sinfonie unb bem Oratorium bis fjerab
jum Siebe, barin jebe ©becieS tariftrt mar. 2>iefeS Sßerseidjnife
befinbet fid) in XobiaS VaStinger'S §anbfd)rift t)ier. S)arin ift
5. 93. eine «Sinfonie mit 60 — 80 S)ucaten tarifirt, ein „größeres"
Oratorium mit 300 ©ucaten, ein „f feineres " mit 200,
ein Requiem mit 120, eine Opera seria mit 300, eine
SSonate für ^ianoforte allein mit 30, eine große (Sonate für
*ßianoforte allein mit 40 $)ucaten. 2)aS ©anje mar ein fo
berfül)rerifd)er $ßtan, mie er bem sD?eifter niemals oorgemalt
morben. S)aJ3 er ein geneigtes Ot)r gefunben, begreift fidj
leidjt 9?ad)fteljenbe Stnmerfungen üon feiner §anb auf bem
Seräeidmifj bezeugen bieS: „Wcan tonnte fid) aud) borbeljalten
bie greife manchmal 511 änbern ober anberS §u beftimmen;
menn man betrachtet, baf} bergteidjen btoS für Oeftreidj,
f)öd)ftenS granfreid) märe, unb mir nodj (Sngtanb baju bliebe,
fo lönnte eS angenommen merben. 33ei mehreren behielte man
fid) bor, bie greife felbft gu beftimmen. 2BaS bie Verausgabe
fämmtlid)er SSerfe betrifft, fo ließe ftd) bielteid)t aud) ©nglaub
unb $ranf:reicf) für ben 2lutor abgietjen. Sie §u jaljlcnbe
©umme beS Verlegers märe 10,000 ©tttben (Sonb. SD?. 25a fie
fid) aud) eintaffen motten auf bie Verausgabe fämmtlidjer Söerfe,
fo mürbe meines SradjtenS ein foldjer (Sontract baS Söefte
fetm. — SMetleidjt für Sonbon unb ^ariS aushalten, beSmegen
an «Sdjtefinger einen Srief fdjreiben."
liefern mit raffinirter ^tugtjeit auSgefonnenen 'plane l)ing
jeboct) bie 33ebingung an, baf$ ftd) 23eetf)oben berbftidjten fotle,
alles in 3uhtnft ju ©djreibenbe auSfdjtiefclid) biefer SSiener
93erlagSljanbtung gu überlaffen, eine Sebingung, melier er ftd)
unterbieten mollte. Mein aud) biefer $ß(an tjatte baS <Sd)idfat
beS §offmeifter'fd)en : er mürbe berrattjen. StfSbatb erfdjoß
— 368 —
3eter unb Sßorbio im ©remio ber anbern SESiener Verleger.
©o mögen bem türfifdjen "Sultan einften§ megen beabfidjtigter
9}egierung3maf$regetn öon ben sperren ^3afd)a'3 bie Drjren öott
gefdjrieen morben feön, mie unferm äfteifter bama£3 öon ben
Slrtaria'3, 9ftoHo'§ nnb (Saööi'3 gegen ba§ ©teiner'fdje 9J?onopot=
(Softem. 2tud) ber muftcalifdje Sultan SBienö ließ fid) öon
ber Unfetjlbarfeit ber ©egenöorfteltungen biefer Ferren ($on=
currenten überzeugen, baft ber Steiner'fdje tylan 51t feinem
SRacijt^ett fet). 2Bie öorbem ber Seidiger, mnrbe aud) biefer
beseitigt unb fomit fafj ba$ bebräugte ©djifffein unb ber —
tro§ felbfteigener äJiafmuncj im £agebud)e öon 1816 — nacfj
allen SBinben rjinbtirfenbe ©teuermann roieber fcft auf bem
Strocfenen; aber ^reiljeit unb Unabljängigfeit, (entere freiließ in
fet)r glueifel^after Söeife, blieben gemaljrt. SBou biefer ^reiljeit
erhielt S)omtm! Sfrtaria ben elften 23emei3: bie grofse Sonate
in B dur, Op. 106.
9ftittetft biefer Sfjatfadjen füllen mir uitS genug gerüftet
hrieber ben ©oben be§ ^aljreä 1823 31t betreten, um bem
Cjiftorifcrjen Verlauf ber Singe meiter nacb^ugerjen.
(£3 ift fid) ^u erinnern, bafj 23eett)oöen jur Sedung feiner
SBebürfniffe ben bebauertidjen Sdjritt getrau, Saarfummen auf*
Sunefjmen, barunter fiel) aud) ?(nticiöationen öon jmeien feiner
Verleger, einem äöiener unb einem Seidiger, befanben. 2ludj
ift fid) 5U erinnern, baf? ber ©elbbebarf baburd) motiöirt mar,
um einen brängenben ©laubiger fid) öom <patfe §u fdjaffen.
©iefer ©laubiger mar bie merjrgenannte 2$erlag§t)anbtung
(Steiner u. (Somö. unb ba§> Dbject be3 fcfjulbigen 23etrage3
800 ©utben Wiener Sßätjrung.*) ®@ maren fomit jene
Scanner, beren Sftaniöutationen in ben Sntereffen unfern
SReifterS mir foeben au3 öorftefjenber S£ijatfad)e fennen gelernt,
meiere eine lange 9?eilje öon Sauren mit irjm in ©efdjäftä*
*) Sn ber etilen SluSgabe, <B. 121, Reifet e3 800 ©ulben (Sonto. 9ftünje.
Dr. SSad) Ijat tiefen Swttium erft nachträglich, üerbe&ert. 3m 9flanufcripte
Ijatte ev ifm überfein.
— 369 —
berbinbung getuefen, bie, wie feine anbeten, ijjm gu fdjmeidjeht
unb if)tt $u ifyren ßweden 51t benutzen oerftanben, gegen bie er
Saf)re fjinburd) (auteS äJcißtrauen gehegt unb bie $auft im Sad
gemalt, unb fid) bennod) Don ilmen nidjt gu emancipiren üer=
mochte, bis bieg erft 1823 auf faft gewaltfame 2Beife gef diesen
ift. 2>arum ifyr (Sinbrängen auf it)n, weil fie t'lar gefefyen, wie
ein neue§ SSerf um'S anbere anbern Verlegern übertaffen
warb. — Sdjon gu lange t)atte bie Slbfyängigfeit beS 9J?eifterS
öon biefen sperren gebaueri, benn bereite in bem trübfatOoEen
Saf)re 1813 t)atte fie ifjren Anfang genommen. Sie ©rünbe
laffen fid) faft erraten. @§ wäre bebenftid), biefer Vorgänge
mit fotdjer Offenheit 5U ermähnen, lebte nid)t nodj (Siner, ber
biefetben ganj in ber S^äfje mit beobad)tet t)at, auf ben id) mid)
berufen barf. (üsS ift ber Verleger ffl. Simrod in SBonn.
3tlS biefer im Satjre 1816 Q3eetl)ooen in SSien befudjte, konnte
ifjm beffen abhängiges SBertjältnife §u genannter SßertagSIjanblung
nicfyt oerborgen bleiben, ja, ber 90?eifter meiste it)n felber in
biefe 9Jft)fterien ein, als er it)n bei @in§änbigung beS 9J?anufcriptS
ber beiben (Sonaten, Op. 102, „gebeten, ben §erren (Steiner
unb §aSlinger gegenüber nictjtS Oertauten §u taffen, bafc er üjm
(Sompofitionen jum Vertag gegeben." 3n fo bebauerlid)er 2tb=
fyängigfeit muffen mir ben nad) anberen Seiten f)in fo ftarfen
(Sfyarafter erbliden! S)qb {'einerlei SSerfpredjen, meber ein münb=
lidjeS, tuet weniger fd)rifttid)eS, üon Seiten 23eettjoüen'S gegeben
Worben mar, feine ^unft nur bem Sienfte biefer Verlags*
Ijanblung §u mibmen, f)at ficf) batb §um STrofte feiner greunbe
mit ©emifsljeit tjerauSgeftellt.
Sn ben erften Monaten beS SafjreS 1823 mar biefeS
gerwürfnifj bereits fo Weit gebieten, bafj auS bem Jätern ofter=
©äsdjen mit gerid)tlid)er Silage gebrofyt morben. 9?ad)bem beS
StteifterS Sruber Sodann ftc| entfdjieben geweigert, für biefe
fo geringfügige Sdmtb nur fo lange SSürge fetin 5U wollen,
bis einige ber erwarteten §onorare für bie fubferibirten @£em=
ptare ber Missa eingegangen fetjn würben, fo bnrfte SBeetfyooen
St. SdjinMcr? 93cetf)ot>en=33iograpIjte. 04
— 370 —
nicfjt länger metjr fäumen, bie 9Ingetegent)eit ben §änben bei
Dr. Vöad) $ur ©djticrjtuug ju übergeben. Snbefj fanb ber
3J?eifter im ©inüerftänbniffe mit feinem Stbüocaten für notfj=
roenbig, üorfjer eine ©egenforberung an feine ungeftümen
(Gläubiger 5U ftetlen. Seit Sauren befanb fidj nämlid) biefe
9ttufttt)anbtung im 23efit;e ber Sftanufcriüte üon ber erften
Duüerture 51t Seonore, bie 1805 nad} einem ^Srobeüerfud) be=
feitigt morben mar, mie in ber gmeiten ^ßeriobe beS näheren
gemelbet ift; ferner üon ber Gantate: „£)er glorreiche 2tugen=
btid," 1814 aufgeführt, bann üon ber fünfftimmigen $uge in
D dar, für 2 Biotinen, 2 Violen unb SBtofonceU, bereite im
Sarjr 1816 gefc^ rieben; öon bem itatienifdjen ^erjett: „Empi,
tremate;" üon ber Duüerture 5U Slönig ©teüfjan; enblid) nod)
üon ber Ouüerture in C dar, Op. 115. 3)er 9J?cifter forberte
beren unüeräügtidje «perau£gabe, al§> 9?ed)t§grunb anfüfjrenb,
ba^ e3 foroorjt im geifttgen mie auct) materiellen Sntereffe be§
2tutor<o liege, beffen ©eiftesörobucte nidjt lange Satrre t)tnter
(Scfjto^ unb Siegel üerborgen 5U galten. 2)ie gegenteilige (£r=
roiberung lautete fur^ unb bünbig: „23ir Fjaben jene 9D?anufcriüte
gelauft unb bega^lt, folgtid) finb fie unfer (Sigenttjum unb können
bamit trjun, roaS mir motten." ©0 ftanb e3 in bamaliger ßeit
um ben Segriff üon ©eifteSprobucten unb 51utoren=9?ecf)ten in
©eutfcrjlanb. (Srftere glidjen einer SüBaare unb teuere ejiftirten
gar mdjt. Dr. S3acf), einfefjenb, bafj bei einem ernfteren ©djritte
für feinen Klienten nict)tö al§ bie fünftterifcije 2f)ätigfeit
fjemmenbe ©emüttjöbemegungeu refultiren mürbe, riet!) bemnad)
ju unüermeilter 2tu3g(eid)ung mittelft (Sntäufjerung einer S8ant=
Stctie, mo^u fid) unfer SWeiftcr aber erft nad) längerem (Sträuben
üerftanben tjat. £)ie 2Safjrf)eit biefer ©abläge mirb üoüenbS
ber gemonnene SBortlaut eine§ 23riefd)en$ üon Sßeetrjooen an ben
SBerfaffer biefer ©djrift belräftigen, roie überhaupt nod) feine
augenblidlid)en SSert)ä(tniffe auf's ©djärffte lennäeicfjnen. @r
fdjreibt: „Sieber ©djinbler, üergeffen ©ie nidjt auf bie 35. 31.
(23ant=5tctie). (£3 ift f)öd)ft nöttjig, idj möchte itidjt gern um
— 371 —
nidjtS unb roieber nid)tS bei ©eridjt »erfragt raerben. 2)aS 23e=
nehmen meines SruberS hierin ift feiner gang mürbig. — £eute
ift ber ©dmeiber beftettt, ben id) unterbeffen fjoffe mit ©üte für
fjeute abtoeifen §u fönnen." 208)
3u fotrfjen Vorgängen mufcte e§ enblicf) f'ommen, um ben
lange gefangen gehaltenen 3Jtofter auS ben Sttetjen biefer
„greunbe" gu befreien. $u richtiger Drientirung in ben
ÄatatogSnummern ift bemnad) §u miffen notfjtuenbig, bajj ge=
nannte $ertagSf)anbtung in ben legten gefjn Lebensjahren beS
9fteifterS fein neues 2Berl t>on if)m ermatten. Sie legten DpuS=
3af)Ien im $ata(og finb SBerlen au8 früherer $eit beigefeijt, bie
auS jenem SSertag ^eröorgegangen. @S mar taum gu bejmeifetn,
baft bie ©pecutation auf Seetfjorjen'S Ableben gerechnet, um
alSbann notf) mit einer Sfvei^e neuer SBerfe öon it)m Ijerüor*
treten 5U !önnen. «Somit erfrört fid) bie te^te DpuSgafjt 138
auf ber erften Dutierture gu £eonore=$ibelio.*)
Sn purem ©egenfatje ftanb baS S5enet)men beS Seipgiger
©läubigerS, ber bie anbere 5tnticipation geleiftet tjatte. GsS
*) ©§ barf fjier nid)t übergangen werben, bafj balb nad) Sserfteigerung
Don 23eetfioüen'!§ „$unft=Wad)laf$" im 9?ooemb. 1827 bie ^ad)rid)t burcö,
bie Slätter ging : „2obia£ §a§linger babe bei biefer ©elegenfjeit für einen
Spottpreis ein ^ätfd&en Sänje unb Sftärfdje erftonben, barin ftdc) aud) bie
Partitur nebft ausgesogenen £>rcbefter=8ttmmen einer ganj unbefannten,
großen djarafterifiifdjen Ouoerturc oorgefunben, lueldje ber 9JJeifter, wie ficb
Sd)uppan3igl) erinnert, root)I toor einigen Sauren probiren liefe, roa§ audj
bie eigenpnbig mit 9?otbfiift oerbefferten Scbreibfebler bejeugen." Siebe
Hüg. SRuf. 3tg. XXX, S. 111.
3u grünblidjer gerfiörung biefeS n>eitau§gebreiteten £ügengetnebe§
wirb eine öon beS 2)Jeifter§ §anb im 9Jionat Februar 1823 gemalte
ÄaIenber=9?oti§ — bie öorliegt — beljülflicf/ fefin. SDiefe bezeugt: „Stein er
baben bie Sachen alle öon 1814 unb 1816."209)
208) Siehe diesen Brief an Schindler B. S. Br. No. 897 (IV. Band).
A. d. H.
209) Man vergleiche die beiden bei Gelegenheit der Darstellung
des Fidelio gemachten Anmerkungen 102 und 103 hier, S. 172 f.
A. d. H.
24*
— 372 —
mar bie Sßertagsfjanblung 6. g. Sßeterä. Obgteid) biefe 9(n=
ticipation unter gegenfettiger Uebereinfunft oon $u (iefernben
SDJanufcripten erfolgt ift, Teö erfolgte nur eine unb roetdje?
meiter unten) fo ijctte ber ef)renmertt)e Verleger bennod) @e=
butb mit ber iftüd'erftattung 511 roarten, bi§ biefe unferm üDtofter
toefenttid) erleichtert mar. 2>ie Sftttttjeilung nadjftefjenber Quittung,
bie im Original uorliegt, mirb ben ©acrjüerrjalt beutlid) aufs
Haren, ©ie lautet mörtlid):
.'gerrn 2. Oan Seetrjooen in 2Bien erfucfje id) rjiermit, bie
im s21uguft 1822 Don mir empfangenen brei fjunbert unb fectjejig
©ulben 6onDentions=@etb, meiere ©ie, ba. feine @efd)äfte ^roifc^en
uns gu ©taube gefommen ftnb, jetjt mieber ju meiner 93er=
fügung ftelten, an föerrn ©tetner unb G., Stfufürjanbfung in
SSien, ^urüdgu^afilen unb gegenmärtiges, als Quittung Don mir,
bagegen gu empfangen."
Seibgig, am 30. Moocmber 1825.
(S. #. Meters,
9#ufifDerteger.21ü)
Sie ©mpfangsbeftättgung obiger 360 ©utben (E äJ?„ ober
900 ©ulben SBiener Söäfjrung, de dato 7. Secember 1825,
©ig. : 5. 5t. ©teiner unb (£.., befinbet fid) auf bemfef ben blatte.
2)as im §erbfte 1822 genannter Sftuftfrjanbtung in Seip^ig
überfdjidte sDcanufcript mar eines jener 2Berfcfjen, bie man am
geeignetften mit ber Benennung „@ebanfenfpäf)ne" bejeidmen
tonnte, märe biefe 9iubrit in ber muficatifdjen Siteratur ein-
geführt, ©olctjer ©pälme, mitunter mof)l recfjt geiftreid) unb
inftruetiü, eriftiren befannttid) Don unferm äfteifter jiemlic^
oiele, unb bürften meift alle mäfyrenb bes (Somponirens großer
SBerte abgefallen fetjn. 2)ie in Diebe ftefjenben betitelte er
„^Bagatellen", unb t)attc fie in ber t)od)begeifterten 3e^ oeg
210) Dieser Ausgang der Beziehungen zwischen Beethoven und
Peters (Musikalienhandlung) ist in B. S. Br. gut zu verfolgen; siehe
besonders Brief No. 1121 (V. Band). A. d. H.
— 373 —
©ntftet)en3 ber Missa solemnis, gteidjfam um auö^urutjen, ju
Rapier gebracht. 3)er ßeipjiger Verleger fdjidte fte jebod) fofort
fturücf mit ber SBemerfung: er tjatte [ie be§ $ßreife§ (id) glaube
10 £ucaten) für unraertl) unb 23eet£)ooeu fotte e3 unter feiner
Söürbe Rotten, bie $e\t m^ foldjen Äteinigfeiten, mie fte Seber
machen fönne, §u üerbringen. — SDiefe führte, aber ju guter
3eit fommenbe 33emerfung fanb bei bem SOfeifter eine äufjerft
unliebfame 2lufnaf)me. ©egen feine ©eroofjntjeit t)at er hm
Sag be» @rt)a(tenS — 19. 9Jcär§ — fogar im Äatenber notirt,
ber mir uorliegt. (£§ tjatte ttürflidj ben 2(nfd)ein, als gefiele er
ftd) in fo(d) geiftiger s}lbfpannung unb tjabe Suft nod) mehrere
bergleid)en ^Bagatellen au§ bem kantet §u fctjütteln. ©päter
fyat ba§> befprod)ene 2Berfd)en bie $erlag§t)anblung ©djott in
sJQ?ain5 an fid) gebracht unb ü)m bie (£t)re angettjan, e§ unter
ber Opu3gai)l 126 erfdjeinen (^u (äffen.*)
üftidjt otjne SSiberftreben berühre id) einen britten $aff,
ungteid) garterer Statur, aud) üon f)öl)erem Gelange, atö beibe
aufge^eidjnete, führte un3 beffen Urfprung nid)t bi§ gii bem
trübfalbollen öat)re 1813 gurüd, in meldjem ha§> @d)idfat um
ba$ ipaupt unfer<§ gelben einen fo feften knoten gefd)lungen
511 tjaben fdjeint, ben üoüftänbig aufgulöfen it)m niemals? mieber
gelungen ift. Slud) mit biefem <Sd)utbpoften roarb id) burd)
ben Sfteifter felber befannt gemadjt, jebod) über beffen Urfprung,
roie aud) über anbere in feine uerfd)iebenen SSerfjättniffe tief
*) 2)tefer gall mag bie ©rfinber dou 3lnet boten unb §iftörcf)en, iöeet=
tjooen betreffenb, belehren, rate fcfjioer e§ für iijn felbfi in feiner ©lanj«
periobe getoefen 10 Sucaten, oielroeniger 100, ju erholten. Siebter geit
Ijaben wieber einmal bie Journale — nad) bem Vorgänge ber KoDeüens
3eitung — unfern 50Jeifter bei einem Sanbaufentfjalte in ©elboerlegenljeit
geraden laffen. „©tnige mit 9?oten betriebene Sogen" foule ber SSiru)
ju einem Verleger nad) 28ien tragen, unb in feinem tarnen 100 ©ucaten
bafür forbern, — bie bem Ueberbringer be§ 23ed)fel§ roirtlid) bejarjtt
roorben, wie ber ©rfinber roeifj. SBaJjrfdjeinlicb, mar e§ bie $8erlag§ljanbtung
im $aternofter=©äBd)en, bie fo Ijof)e (Summen für !8eetf)oDen'fcf)e 1öcanu=
fcripte ftet§ in 33erettfd)aft gehabt.
— 374 —
einfcfjneibenbe ©titjel^etten jenes Uttgtüd3jaf)re3 bin id) erft
bei meinem längeren Aufenthalte gu $ranffurt am 9D?ain toer=
gemiffert morben. ;£)afelbft befinbet fid) nod) eine ber ältesten
greunbinnen uufer3 2Mfter§ am Scben, meiere er bereite bei
feiner Stnfunft in SBien 1792 im üätertidjen §aufe, öon 53 — ,
!ennen gelernt, bie fid) bann im Safjre 1798 nad) granffurt
tierl)eiratf)et fjat. ®tc grojje ©ntfernung ttermocfjte bie gegen=
feitigen (Gefühle toarjrer $reunbfcfjaft unb ^odjacfjtung nidjt $u
frfjtuäcfjen. £>iefe $ranffurter $amitie nannte ber Sfteifter in
einer ßufcfjrift an mid): „feine beften $reunbe in ber 2Mt." —
3n feinem S£agebud)e Don 1814, baüon Hbfdjriften ejiftiren,
fteljt bon feiner §anb bie 5Inmertung: „2300 ©ulben bin id)
bem g. 31 35 — t — 0 fcfmtbig,211) einmal 1100 8fr. unb
6044= (®ucaten.) " £)iefe öortrefflidjen Sftenfdjen ()aben ben
Sfteifter niemals an feine Sßerpflidjtung erinnert, im ©egenttjeU
fid) bemüht ifjm biefelbe au§ bem ©hm %\i fdjlagen, bi§ ganj
günftige Sage tarnen. „£>en (Sbetmutf) biefer $reunbe aber
nicfjt länger prüfen -m muffen", nrie er fiel) in ber ß^rif*
an mid) auSbrüdt, entfcfjtofj er fid) eine atoeite 33anl=2lctie gu
öerfaufen, roeldje 51ngelegent)eit id) if)tn gleichfalls orbnen fjatf.
(£<§ gefcfjal) bie£ unmittelbar nad) bem ermähnten (Sonflict mit
ber (gteiner'fdjen 9ftufiff)anbtung im Arg 1823, mie e§ mir
feine Äalenber=9?otate tiergegentoärtigen.
©in üierter ©djutbüoften, gleid)tt)ot)l an fid) f)üd)ft im*
bebeutenb, betrifft einen eigentrjümlicfjen galt, ift bagu noci) mit
ben Sntereffen eines 5Inbern eng öertnüpft. ©3 mirb ratcjfam
ferm, beffen 9ftittl)eilung für einen geeigneteren Ort gu öer=
froren. SDer freunbltcrje ©enfor in SSien t)atte iön in ber
erften Aufgabe befeitigt, unb bennod) ift er protofotlarifd)
211) Siehe das Fischhoffsche Manuskript Fol. 31b. Über Beet-
hovens hohe Verehrung der Familie v. Brentano in Frankfurt a. M.
geben die zahlreichen Briefe des Meisters einen unsterblichen Beweis.
Man lese u. a. B. S. Br. No. 815, 827, 828, 829, 880 usw. (IV. Band).
A. d. H.
— 375 —
öergeicCjitet, folglidj fein @erjeimniJ3. ®te StwSeinanberfetjung
mirb nun unertäfetid), ma§ gezeigt »erben foE.
Sßenn ©erjfrieb unter ben (Sljaractersügen 23eeu)otien'<o and)
ben anführt: „(Sr fannte ben eigentlidjen SBertf) be§ @etbe3
nidjt, metd)e§ er nur a(3 Mittel betrachtete, gur 5lnfd)affung
ber unumgänglid) notrjmenbigen 23ebürfniffe," fo barf nad) (£in=
ficfjt in üorfterjenbe £rjatfacrjen mof)( gefragt merben: oon meld)'
fern tiegenber ßeit fpricfjt benn ber 9titter oon ©etjfrieb? SJJan
foHte bod) meinen, bafj SBerrjättniffe, mie bie eben mitgeteilten,
morjl in bie ©djute fctjicfert tonnen, um ben SKSertt) be§ (Selbem
fennen gu lernen. 3n biefer ©cfjule mar unfer %onbid)ter
mirftid), lernte aucfj bie Xt)eorie oortreff(id), mit ber SßrartS
erging e§ irjm aber mie fo Dielen Slnbern; er fnauferte nur gu
oft bei ben nottjroenbigften SSebürfniffen, in Singen aber, bie
feine Siebfjabereien betrafen ober mit irgenbmetcfjen ©tgenrjeiten
coUibirten, ba gerieten Sljeorie unb fragte in ßmiefpalt. SBir
merben Oon berg(eid)en 5U fprecrjen traben.
SBerlaffen mir aber einftroeiten biefe unfreunbtidje ©tation
im Seben unferS 9J?eifter3 unb bege6en mir un§ mieber auf ba§
©ebiet feines $unftgeniu§.
Sn ben SSintermonaten üon 1823 Verbreitete ficfcj über baZ
muficatifd)e SBien eine 9^act)rtd)t fo gmeifettofen Snrjattä, bafj
äße 9ftufiffreunbe barob üon greube erfüllt mürben. Sie nad)
adjtjärjriger ^ßaufe im 9?oüember 1822 ftattgefunbene Söieber*
auffüfjrung beä gibetio, ber in ber %fyat mie $ßrjöbu§ ftrafjtenb
am muficalifd)en ^orisonte aufgegangen, ijatte in mehreren $or^
fteüungen einen fo aufjerorbentücrjen ©rfotg, bafj bie 3lbmini=
ftration be3 faif. Dpern=£fjeater§ ben $tutfj fafete, an unfern
Sfteifter ben Antrag betreffe einer neuen Oper für biefe§ 3n=
ftitut gelangen ju (äffen.*) Sßeetrjoöen bemitlfommte biefen 5tn=
*) 3)ie ^ünfifer, »Deiche in biefen SSorfteüungen ttirften, nmren:
SBilljelnune ©djroeber (gibelto), £>aijinger (gbreftan), gorti
(^ijarro), Seltner (Oiocco), ^eftroty (Son gernanbo), SRaufdjer
(Sacqutno) unb Ztjttia Setnmer (Warcettine).
— 376 —
trag unb roünfdjte untierjügtidj £ejte jur 9lu3roaf)t gu erhalten.
£>iefe famen aläbalb in nid)t geringer Stnsal)!, allein alle miß5
fielen.*) SSorab Ijatte er fid) für a(tgried)ifd)e unb rörmfdjje
(Stoffe au£gefprod)en, bie man üjm aber al3 öerbraudjt bar*
aufteilen fid) bemüht t)atte. 3)ie§ erfd)tuerte bie SÖarjt bermaften,
ba$ ber Reiftet* balb fetber nid)t metjr mußte, in tuefd)e ®ate=
gorie benn ber gu mätjlenbe ©toff eigenttid) gehören foüe. 'Sa
magte e§ — nidjt ofjne 3a9en — 3rail8 ©rülparger irjm
fein eben beenbigte§ Dpernbud) „SMufina" gujufdjiden. tiefer
Ijodjromanttfdje ©toff, öiete rairffame Situationen bietenb, unter
ben tjanbelnben Sßerfonen aud) eine fomifdje jätjtenb (ein ©iener
faft in Seporello'3 ©praeter) gefiel 2Seeti)ooen au<§net)menb unb
ftimmte it)n l)inftd)tiid) feinet früher geäußerten Sßunfcfjeg üöttig
um. ©idjter unb £onfe|er t)ietten mehrere ©onferengen, benen
id) ftetS beigerootjnt, tuo in 33eeti)oüen'3 ©inne 9lenberungen,
^ürgungen, überhaupt eine gebrängtcre 2(norbnung im
©cenarium oerabrebet unb Dorn £>id)ter bereitmiltigft 5ugejagt
roorben. 2)iefe Sßerantaffung führte beibe ebte ©änger §um
erften 5DM §ufammen unb gab ©etegentjeit, in mefjmutt)^
wollen Ätageüebern über bie politifdjen unb focialen 3uf^nbe
be§ gemeinfamen $ater(anbe§ gegenfeitig bie ^pergen ju er=
öffnen.212)
*) 21. $. 9Jtarj fübrt in feinem Seetbot-en, I, 379, an, bafs t>on
bortber ber 2lntrag gefommen ju einer breiactigen £>per, welche 33 i ebene
felb nad) 6d)ifler3 33iirgfd)aft gearbeitet hatte, bafj 23eetbot>en nicht ab-
gelebnt, aber Verlangt habe, ba$ bex 2. 5fct (baZ ^ocbjeitSfcfi) öon 28eigl
comöonirt werbe, weil iljrn felber „folcöe feiige §eiterfeit nicht äufage."
S)a§ ift (£rbid)tung, fcfjttierlid) aber r>on ^Jarj. 33eetbot>en Eiatte für
Sof. SEeigl, feinen alten Shtjfreunb, 3U grofee Sichtung, als bafj er fold)e
^leujjerung getban Ijaben tonnte, ^m ©egenttjeil ergriff er jebe ©elegen=
r)eit, bem au3ge,$eicfjneten Dt>ern=2)irector biefe 2ld)tung offen 3U bezeugen.
l£r betrachtete ilm als bie einjig lebenbe üErabition in Wlo^axt'^ Sftufif.
„SBetgl b.at'S gefagt? SDann glaubt c3 nur."
212) Die mannigfachen Beziehungen Grillparzers zur Musik
im allgemeinen und zu Beethoven im besondern mit besonderer Aus-
— 377 —
gaft gleidjjeitig mit bem antrage feiten^ ber 5lbminiftration
beö Dpern=£tjeater§ fam ein äfjnlidjer au$ 93erttn üon bem 3n=
tenbanten ber königlichen Sweater, (trafen 93 r ü f| t , bem gufolge
unferm Üötetfter ba§> Honorar felbft ju beftimmen übertaffen
mar. Otjne Semonbem ein ßeidjen ju geben, überfdjidte er bem
©rafen bie ©riflparäer'fdje Sftelufina ^itr (Einfictjt, unb jmar
mit beifälligen 9leuf3erungen barüber, toaä ficfj au§> bem 9lntioort=
fdjreiben be<§ Sntenbanten ergeben, baS SeettjoDen §u üerbergen
oergeffen. ©raf 25rüfjt fpenbete ber £>id)tung nidjt minber feinen
Seifall, bemerfte aber beigetjenb, ba^ auf ber ^önigl. Dpern*
bütjne ein 93allet „Unbine" in ©cene ferj, beffen Sntjatt einige
2lefjnlicfjfeit mit bem ber SMufina Ijabe. tiefer unbebeutenbe
Umftanb nebft ben alten unerfreulichen (Erinnerungen an bie
Vorgänge mit feinem gibelio raaren ©runb, bafj er feine 916=
ficfjt, eine beutfdje Oper ju f djreiben, ptö^lid) fallen liefe, uad)=
bem er manct) fjarteö SBort über beutfdje Dpernfänger aug=
geftofeen tjatte. 3n feiner (Erinnerung fctjienen nur bie $or*
gänge oom Satjre 1805 im Slrjeater an ber 26ien tjaften ge=
blieben 51t fet)n, leiber nictjt ba§ gefällige (Sntgegentommen
fämmtlid)er §of=£)pernfänger unb bereit auSgejeidjnete Seiftungen
au§> bem Satjre 1814, benen ja unbeftritten ein guter Sttjeil
be§ (Erfolget ^ugefdjrieben loerben tonnte. Sftidjt minber tjat er
über bie 9tuffüfjrungen feiner Dper im ©pätfjerbfte 1822 all*
feitig nur mit 21nerfennung fpredjen gebort. *£)a3 alles öer=
modjte aber feine Meinung bau beutfdjen ©ängern im 5111=
gemeinen feineSmegö 31t änbern. SBietfadjer Umgang in früheren
Satjren mit italienifcrjen Sängern tjat ben burctj unb burd)
beutfdjen ßomponiften unb beutfdjen ättann für beutfdje ©änger
nidjt günftig geftimmt. (£r oermifjte bei ifjnen bie bei Italienern
allgeit wahrgenommene Segeifterung für bie Shtnft unb (Eifer im
©tubium, er befctjulbigte ferner bie beutfdjen ©änger ber ©elbft=
nutzung der dahingehörigen Konversationshefte sind behandelt in des
Herausgebers Monographie .,Grillparzer und Beethoven" in „Nord und
Süd'' 1891. A. d. H.
— 378 —
genügfamfeit auf mittelmäßiger »Stufe ber 9lu3bi(bung.*) 3lt
ungüuftigeu 23erg(eid)en ga6 bie bamatige 9(nmefenf)eit ber erften
@efang§gröf$en Statten^ in ber Staiferftabt, al§: Sabladje, Sfiubini,
2)on5eüi, 5lmbrogt, 3)at>ib u. ct., bann ber ©amen: gobor=
SJcainüitle, 9Jceric=2a(anbe, £>arbanefli, ©derlin u. a., bie ben
@ntt)ufia§mu§ be3 2tubitorium§ in jeber SBorftellung auf£
§ötf)fte ju erregen tierftanben, täglidj ©etegentjeit. Sa, unfer
Sfteifter, ber öon biefer ©djaar auSerforner .tünftter 9ftofftni'§
„93arbi6re" aufführen gefefyen, (nadjbem er üorfyer (Sinfidjt in
bie Partitur genommen) fjatte in ber S£t)at für biefetbe fo ent=
fdjieben $euer gefangen, baf3 er ftdj auf Anregung ber funft=
begeisterten Caroline Unger (nun bereljeiidjte grau Ungtjer*
©abatier) teidjtlidj gu bem (Sntfd)tuffe bringen ließ, eine Düer
für biefe italienifdje ©änger^ljalanr. ju fdjreiben. Cfjne meitere
5Iufforberung r)atte er btefen ^ünftlern ba£ $erfpred)en gegeben,
fd)on im folgenben Saljre mit biefer Arbeit beginnen 31t roollen.
S5atb raerben mir bie ©rünbe üernetjmen, roeldje aud) biefen
fdjönen Sßorfat; 5U nidjte gemadjt.213)
*) 23elcf)e§ Urteil würbe tuob4 ber frrenge SDietfter über ben all;
gemeinen 33ilbung3ju[tanb ber heutigen Sänger, fomorjl bent|d)en »nie
ttaltenifcfjen, fällen, roenn er bamalS fdmn fo fdjarf biftinguirt Ijat?!
213) In Seite 49 des II. Bandes. Es ist schade, daß Schindler,
da er von Beethovens Enthusiasmus für die italienische Oper spricht,
unterlassen hat, einen Brief des Administrators des Kaiserlichen Hof-
operntheaters, Duport, an Beethoven mitzuteilen, der sich im Beet-
hoven-Nachlaß befindet. Das sei hiermit nachgeholt (Mappe I, No. 47) :
„Monsieur!
Je m'empresse de vous communiquer la reponse de Mr. Barbaja
que je viens de recevoir de Naples
il me charge de vous assurer qu'il se trouve bien Hatte de recevoir
un nouvel opera compose par vous et qu'il attend seulement pour vous
donner une reponse definitive par rapport au prix et au temps, s'il
conservera le bail (= Pachtkontrakt) du th^ätre imp. et de op.
d'aupres la poste d'Italie au delä du 1er döcembre 1824. Je saisis cette
— 379 —
Sn bie gxüJ)ttng§5eit biefeS SafjreS fallt eine (Spifobe, bie,
weit nicrjt of)ne djarafteriftifdjen Beigefd)macf, toofyt ber ©r*
rocUjnung wertt) ift. ©djon int üorauSgefjenben Sarjre erhielt
ber Sfteifter öon ber fönigt. fcrjtüebifcfjen 5tfabemie ber fünfte
nnb Sßiffenfctjaften ba$ in fet)r fd)metct)elr)aften SluSbrüclen ab=
gefaxte 3)iptom eines (StjrenmitgtiebS. SSorfctjriftSmäBig würben
bie nötigen «Schritte bei ber nieberöftreidjifcfyen Stegiernng um
(5int)otung ber Qnrtaubnifc gu beffen Sfnnatnne gettjan. üftact)
fefjr langem §arren tarn biefe enbticfj, nacfjbem Beettjotien bereits
mit Bearbeitung bes 2)iabetli'fd)en Söat^er^^ema'S pt §e£en*
borf befd)äftigt getoefen. S3et)ufö (Sinrüctung biefer 2tu§3eicf)nung
aus f)ot)em Sorben in ben Deftretcfjifcrjen Beobachter unb bie
SBiener ßeitfctjrift überfeinste er mir für ben SRebacteur be£
erfteren (§errn öon $ßitat) unb für ß. Vernarb betreffs beS
anbern BtatteS §roei Briefe in taunigfter 9tbfaffung unb burd)=
einauber geworfenen Sätjen.214) $n einem brüten, mir 5U-
occasion pour vous remettre ci -Joint le livre que vous m'avez fait la
grace de me preter.
j'ai l'honneur d'etre
Monsieur
Votve tres humble
et tres oböissant Serviteur
L. Dnport
p. p. Barbaja
Vienne le 20 avril 824."
Wie bedauerlich, daß mau keine italienische Oper von Beethoven
erhalten hat. Aber jetzt war der Meister zu voll von seiner großen
Akademie mit der Neunten und mit der Missa solemnis, als daß eine
Oper selbst mit den ersten italienischen Gesangesgrößen noch Keiz für
ihn haben könnte! A. d. H.
214) Der Brief an Pilat, Redakteur des „Österreichischen Be-
obachter", ist nach dem Originalmanuskript in Schindlers Beethoven-
Nachlaß, Mappe I, No. 30, in B. S. Br. No. 944 (IV. Band) veröffentlicht.
Der Brief an den Redakteur Carl Bernard ist nach dem Faksimile in
der Halbmonatsschrift „Der Erdgeist" ebenfalls in B. S. Br. No. 945
(IV. Band) veröffentlicht. A. d. H.
— 380 —
gehörigen, fpiegette firf) bie gorm ber anbern beftenä ab. tiefer
Brief Tautet:
,,©et)r Befter 2 — t— Don (Spiruö nidit meniger öoit
Brunbuftum! ©ebt ben Brief bem Beobachter, @3 mufe aber
fein üftame öon (Sud) brauf gefegt merben ... 3d) tjabe ge=
fdjrieben „511m ©rjrenmitgüeb", id) roeijj aber nid)t, ob e£ fo
fjeijjen foü, ob nidjt üielfeidjt bto3 „jum au§roärtigen 9J?it-
glieb", uniuiffenb unb nie beadjtenb bergleidjen. fragen Sie
bei beiben pl)tfofopt)ifd)en 3eitung3fd)reibern, ob bie§ eine @t)ren=
ober eine ©d)anbmitglieb§=@rnennung ferj." u. f. ro.*)''15)
£)iefe ©cfjrtftftücfe, nebft anbern berartigen ©rgüffen nod),
lieferten ben fpred)enbfien Bemeiö öon ben uergnügten ©tunben,
bie ber 9J?eifter mit Bariirung be3 SKal^erö „mit bem 3d)ufter=
fted" öerbrad)t Ijat. 2>er Sntjatt aber ber beiben anbern Briefe
bemegte fid) in meift beif3enben (Sarta^men begügtid) auf ba%
9iebaction<§=(#efd)äft, auf bie rjorje Regierung unb bie grofce
Befcfjmernifj, meldje itjr biefe, nid)t meniger benn fieben bi§
adjt Monate Qät erforbertidje Stnnaljme-Befdjliefjung oerurfacfjt
bjaben muffe.
3>m Saufe be§ 9}conat§ Suni mar biefe Bariationen^trbeit
beenbigt unb ofjne übüdje ,ßeitanmeubung jur legten ^eite fofort
bem Berleger Siabeüi übergeben. Unb nun ging e£ unüermeitt
mit öollen ©egetn auf bie neunte Sinfonie tol>, für bie
bereite einige üKotate ftcfjtbar gemefen. Urptö^tid) mar aber
aller Junior uerfcrjmunben, ber irjn biegfam unb in jeber §in=
fid)t gugängtid) gemadjt rjatte. Me Bejucrje mürben abgemiefen,
*) Sejjterer SerminuS möge nicfjt firenge tritifirt roerben. Sie t
fd^jneb. Slfabemic Ijatte bi§ gum Sarjr 1823, üorneljmlicf) in Sonfunfi, faum
nocb inerüicfje ©puren tljreö Sa[erjn!§ gegeben, unb felbfi gegenwärtig
fcrjeinen biefe Singe nocb immer in einem primitiöen guftanbe äu &er=
fjarren. Saß bie Dp er nictjt bamit gemeint ift, üerfterjt fid) »oorjl Don felbft
215) Dieser Brief an Schindler ist vom Herausgeber mehrfach
publiziert, u. a. in dessen „Neuen Beethovenbriefeu", zuletzt in B. S. Br.
No. 943 (IV. Band). A. d. H.
— 381 —
felbft meine, bie iljm biz bafyin nid)t oft genug fommen tonnten,
roünfctjte er üon nun an feltener. ©r fctjrieb mir bafyer:
„©amottjraäier!*) 23emüf)t eud) nid)t f}ierf)er, bis etrca ein
^pati=©t)erif erfctjeint, bie golbne ©dmur tjabt St)r unterbeffen
ntcrjt oerbient — 9}?eine fdjnettfegelnbe Fregatte, bie morjtebel*
geborne grau ©cfjnapS, wirb fid) meiftenS aüe 2 unb 3 Xäge
nad) Syrern 2öof)l'befinben erfunbigen. Sebt mof)(, bringt
autf) Sßiemanben, lebt mofuV'216)
$a§ unorbentlidjfte Seben in ber §aust)a(tung, in ben
legten 28od)en etroas beffer gemorbeu, begann roieber Don oorn.
SSienenartig burdjftrid) er mit bem ©r'i-föenbud) in ber §anb
gelber unb gturen, ofyne an bie feftgefegte ©tunbe ber 9JMgeit
gu beuten. 2Bas früher im fjödjften ©tabium geiftiger (Sjaltation
nie Dorgefommen, gefcfjaf) bermal, ba$ er roieberrjolt ofjne £mt
gurüdgef'efjrt tft. Sie um bie SRitte Sluguft fatj man bereite
ftarfe <pefte mit üftotirungen gu bem neuen 9Serle. 3)a über*
!am ü)n ber 9kütue, bie fdjöne SSiUa be3 53aron ^ronat) Oer=
(äffen 31t motten unb nad) S3aben §u überfiebeln, ©runb: „roeit
ber $arou immer tiefe (Sompümente oor itjtn mad)e, fo oft er
itjm begegne." fS&ix bürfen un§ an biefer ©teile tvoty. feiner
SBorte im ^Briefe an bie geliebte ©iulietta erinnern: „'Semutf)
be3 9ttenfd)en gegen ben 9J?enfdjen — fie fdjmerst mid)" u. f. ro.
SSorftellungen gegen biefen ©runb, mie überhaupt gegen bie ?(b=
ftdjt ben Stufentfjalt 5U raedjfeln, blieben ofme ©rfolg. 2)a er*
festen eineä 9ftorgen§ feine fdjneüfegelnbe gregatte, bie gute,
alte §au3t)älterin, auf meiner ©tube, (e§ mu| gefagt Werben,
bafj SBeettjoüen feit ©eOtember 1822 feine 2Bol[)nung in ber
*) 9ftü bem Sorte „©amottjrasier" foielt ©eetöoben r)ter, rote fonft
nodj oft in feinen Briefen an xn\§, auf bie famott)rafifdjen SJhjfierien an
(in ber nunf)ifa>t)eroifd)en geil, 2000 t>. (££).) bie jutn Sfieil auf 9Jiuft!
gegrünbet waren. (£§ foß bamit bie 9Kitroiffenfdjaft ber 93eeU)oöen'fd)en
SKöfterien angebeutet fettn.
216) Siehe dieses Billett nebst Erklärungen in ß. S. Br. No. 937
(IV. Band). A. d. H.
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s.ßfarrgaffe, 55orftabt Seimgrube mit mir geseilt Ijatte) unb
braute bie Botfdjaft: ber Sfteifter füljle ftdt) aufjer ©tanb in
§e|enborf roeiter §u arbeiten, muffe bafjer öon bort fort; er
ermarte mid) beS anbern £ageS um 5 U^r 9J?orgenS bei fid),
bamit id) ifym bei Sluffudjung einer Söoljnung in 23aben be~
f)ülftid) fet). 911S Beglaubigung famen nadjfieljenbe Qtiten öon
feiner §anb mit: „©amot^ra^ifdier S — t — SJcadjt, baS SSettcr
ift gerabe redjt. (SS ift aber beffer früher als fpäter, presto
prestissimo, man fät)rt öon f)ier."217)
£)iefe gatjrt öon £e£enborf nad) Baben unb baS bortige
®efd)äft gehören 51t meinen fcoffirlidjften (Srfebniffen mit bem
großen ©onberting. 2llSbatb fing er an bie lange SReifye bort
bereits gehabter Söoljnungen unb if)r UnangenefjmeS unb Un=
bequemes in ber (Srinnerung gu muftern. 35on allen blieb
nur eine einzige übrig, bie fo befdjaffen fet), mie er fie je£t
bebürfe; „allein bie Seute tjaben im Oorigen 8af)re erftärt,
midj nid)t mieber aufnehmen gu rooHen." ©oldje ©rftärungen
maren aber in anbern §äufern bort bereits metjrfad) erfolgt.
Sn Baben angefommen erfud)te er mid), als Parlamentär in
bie gemünfd)te Söoljnung mid) §u berfügen, unb in feinem
tarnen baS Berfpredjen befferer Drbnung unb 9?üdfid)t auf
bie fremben SJcitbemoljner (ein §auptan!lagepunct) ju geben.
SDiefeS Berfpred}en fanb aber feine Beachtung; id) marb ab-
gemiefen. £>er tjarrenbe $reunb mar barob tief betrübt, üftodj
einmal marb ber Parlamentär in bie gefte beS ©d)foffer=
meifterS mit neuen Betreuerungen beS 2Bof)tOert)attenS abgefanbt.
diesmal fanb er miHigereS ©etjör. @S mürbe jeboti» auS=
brüdlid) bie gorberung geftellt, Beetljoüen folle roieberum im
ßimmer nad) ber ©trafje mie im Oorigen Safjre genfterläben
anbringen laffen. Bergeblid) maren mir bemüht, ben ©runb
biefer fonberbaren gorberung ju erraten. Snbefj, ba bie
§erbeifd)affung biefeS 9iequifitS gur 2Ibf)altung beS grellen
217) Gedruckt u. a. in B. S. Br. No. 956 (IV. Band). A. d. H.
— 383 —
Sonnenlichtes für bie teibenben 2fugen be§ 2onbid)ter§ als
bringenb notl)toenbig fid) ertt)ie3, fo mürbe biefe gorberung
gerne sugeftanben. ©d)on nad) menigen Sagen erfolgte bie
Ueberftebetung.
Unb meiere SÖetoanbtntfe ^attc c§ motjt mit eben ermähnter
gorberung, bafj fie fogar als 53ebingung gur SBieberaufnafyme
uorangeftetlt morben? ©infadj biefe: Sßeettjoüen, bamatS frfjon
redjt oft Oon einem gemiffen £>ämon angetrieben, beffen nähere
SBefanntfdjaft mir erft meiter unten madjen merben, pflegte
fid) bei feinem üorjäfjrigen 2tufentt)alte in jenem §aufe gu*
meilen an einen ober ben anbern ber bloS behobelten $enfter~
laben gu ftellen unb nad) feiner 3Seife ellenlange 9fad)nungen,
3. 23. 50, 100, ober mot)t gar 200 3)ucaten, mie biete ©ulben
ftnb bieS? mitunter muftcatifdje Einfälle, überhaupt ein ®e=
banfen=93untertei mit ©leiftift aufguäeidmen, fo atoar, ba^ btefe
bünnen Sinbenliol^tafeln eine 5lrt oon SEagebud) bilbeten. Sm
(Sommer bon 1822 moljnte eine ^amilie auS jftorbbeutfd)*
lanb gegenüber, bie it)n bei biefer 23efd)äftigung beobachtet
unb nad) feinem Slbguge einen biefer Säben, tüat)rfct)einltcr)
curiositatis causa, bem ©djloffermeifter für ein ©tüd ©elb
abgefauft Ejatte. (Sinmal ben 2öertl) etneS fo bemalten $enfter=
labenS lernten gelernt, t)iett eS gar nid)t fdjtoer, alle bier ©tficE
an ßurgäfte $u berfaufen. S3ei ber oon bem Slpotfyefer %. in
33aben fpäter erhaltenen $unbe oon biefem getoif$ feltfamen
«<panbel fotl unfer Sfteifter in ein t)omerifd)e3 Sachen ausge-
brochen fetm.
3Benn eS ber $erfaffer oerantworten 51t tonnen glaubt,
biefem an fid) un6ebeutenben, boct) poffirtidjen Vorfalle 9kum
gegeben 51t Ijaben, fo gefdjat) eS, um ju geigen, mie \>a§> (£nt=
ftetjen, ©ebenen, überhaupt ^ßor^anbenfe^n mandjer guten,
bietleid)t aud) großen Stjat gumeilen ber 9ftittoirlung red)t ge=
ringfügiger üftebenumftänbe bebarf. 2)ieS tet)rt aud) bie @r=
faljrung. £)er Sferger über bie Komplimente be§ SöaronS ju
£>e£enborf mar ©runb, bafj bie Quelle ber (Srftnbung nidjt fo
— 384 —
reidjlid) fliegen ruollte, mie bei* Xonbtdjter e* geumnfdjt.
Starum ber 3)rang nad) Entfernung unb groar in jene
Sanbfdjaft, in roefdjer, nebft ber Don üftöbting unb £>eitigen=
ftabt, ber @emu§ am frudjtbrtngenbften ficfj erroiefen. (Sä
fcfjeint nid)t roeit fjergerjolt ju ferjn, bafe roir öieltetdjt ber WiU
lütrfnng be§ eigennützigen ^Bürgers Oon SSaben ba§ 53orrjanbeu=
fetm ber neunten (Sinfonie 311 nerbanfen tjaben; benn fanb 93eet=
Ipöen burd) ba3 Sttebium ber genftertäben nirf)t nrieber sXuf=
nafjme in bem ifjm ferjr bequem gelegenen £aufe, fo ftanb e3
feljr im ßroetfet, ob ber unruhige, bie fturgäfte ftörenbe 9J?eifter
irgenb anbereroo ©inlaf? unb fomit aud) SERufte ju feinen
(Stubien gefunben fyaben roürbe. Unb baz $8erfd)ieben irgenb
einer anftrengenben Arbeit auf fernere -läge toar bei irjm eine
gefät)rtidt}e <&a§e, befonberö in feinen testen Sebensjaljren. Sßir
roerben barüber batb 51t fpredjen ljaben. Vorläufig fet) eine
©teile au§ bem Briefe oon £$riebrttfj 3?od)ti§, de dato Vbabcn
ben 9. Suft 1822, angeführt, bie aud) letzteren ^unct berührt.
9iod)Ht3 fjatte bem SOtetfter im auftrage Don |>aertel in Seidig
bie Sbee mitgetrjeilt, 311 ®oetf)e'3 gauft eine 9#uft£ gu fdjreibeu,
ungefähr in ber 2Seife, roie bie ^um ßgmont. 9fod)litj beridjtet
23eetl)oüen'3 eigene SBorte an §aertel; unter anberen: „. . . . 5d)
trage mid) fd)on eine &\t *)er m^ ore* anbern großen SBerfen.
SBtel baju ift fdjon auSgerjedt; im ftoöfe nämtid). Siefe mufj
id) erft 00m §atfe fjaben: gtoei grofee ©infonien, unb jebe
anber§, at§ meine übrigen; unb ein Oratorium. Unb bamit
roirb'3 lange bauern; benn, fefjen <2ie, feit einiger $eit
bring' id) mid) nietet met)r leidjt gum ©djreiben. 3d)
fi£e unb finne unb finne; idj fyab'Z lange, aber eS roül
nidjt auf'3 Rapier. @£ grauet mir oor'm Slnfang fo
großer Söerfe. 35in id) bann brin, ba geht's roorjt."*)
(Srft mit ben legten itjrem SSinteraufentljalte guffiegenben
*) „Sür greunbe ber Sonlunft" üon griebrtcf) 9iod)ü&. IV.218)
218) Die außerordentlichen Schilderungen von Friedr. von Rochlitz
über Beethoven stehen im IV. Bande „Für Freunde der Tonkunst",
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guguögeln fam unfer gfleifter bieSmal mieber nact) SBten junid;
c§ mar bereite (Snbe Dctober§. @r be§og bie§mat eine SSorjnung
in ber llngergaffe (SSorftabt Sanbftrafje), nafye bem ©tabtttjore.
SDie neue (Sinfonie mar b\§> auf ben öierten @a| fertig, b. fj.
im Äoöfe, bie §auötgebanfen aber feftgetjalten in ben ©fi^en«
^peften. ©egen feine ©eworjnljeit liefe er mandje§ über biefe
neue ©djööfung fallen, fo aud), bafj er mit bem öierten @at>e
nod) nicrjt einig mit fictj fetber feto, junädjft t)infid)ttid) ber gu
mäfoknben ©tropfen am (Scrjiüer'S Dbe „An bie $reube." Sftit
aufjerorbenttidjem ^teifte f)iett er fid) an ber Aufarbeitung ber
erften ©ätje in Partitur, bie motjl unter alten feinen anbern
Partituren al§ Sftufter öon ©auberfeit, ;£>eutlid)feit gelten fann;
itict)t minber geidmet fie ficf) au§ burd) eine äufeerft geringe
SCngatjt öon Gorrecturen. An bie Aufarbeitung be§ öierten
©a^e§ gekommen, begann ein fetten bemerfter ®ampf. (££
tjanbette fid) um Auffinbung eines gefdjidten 9ftobu§ §u @in=
füljrung ber ©tf)iHer'fd)en Dbe. ($ine§ £age§ in'S gimmer
tretenb rief er mir entgegen: ,,8d) f)ab'<S, idj fjab'S!" Damit
rjielt er mir bciZ ©^en^eft uor, too notirt ftanb: „Safjt un§
ba§ ßieb be§ unfterblicfjen ©filier fingen," roorauf eine ©oto=
©timme unmittelbar ben §rjtnnu3 „an bie greube" begann.
(8ief) btö gacfimife.) — Allein biefe Sbee mufete föäter
einer unftreitig 5medentfpred)enberen meieren, nämlid): „Dgreunbe,
nid)t biefe £öne! fonbern laftt un£ angenehmere anftimmen,
unb freubenüollere."*)
*) ©intge bon ben bieten Ausfällen Ultbifdjeff'S gegen tiefen
öierten @a|, bie fid) in feinet 9Äosart=93iograpbte borfinben, »erbienen Ijter
angemerft jn werben. 9Jac&bem er gefagt, bafj 93eetboben bie erhabenen
SSrudjftürfe üon ©dntfer'S Dbe wie 3fe|en e{ne§ itatienifdjen Sibretto be=
Ijanbelt fiabe, fät)rt er fort: „Unb bie§ wollte wäbrenb feiner ftärfften
ptjrjfifcben unb rnoratifeben 9lbnabme ber gro&e Unglücflicbe componiren,
S. 355 f., 358; dasselbe auch in Rochlitz' anderer Schrift „Für ruhige
Stunden" II, S. 44. Man sehe auch Nohl: „Beethoven nach den
Schilderungen seiner Zeitgenossen" S. 158. A. d. H.
8t. ©djinMer« S3eetljo»en=8togr<n>t>te. 95
— 386 —
äflit biefer Slbänberung ift ber ©ingang $u biefem @a^e
ein böHig anberer geworben, at§ urfprünglidj im ^ßlane gelegen.
'Sie befeitigten 931ätter ber Sßartitur geigten e§. ©cfjabe, bafe
e3 un§ an @inftd)t gefehlt, felbe auf5ubemaf)ren, fie fönnten je|t
fo gute Singe leiften, mie bie üerfdn'ebenen ^Bearbeitungen
einzelner Hummern au3 gibelio. Seim aufarbeiten öon (5(at>ier=
(Sompofitionen pflegte ber SReifter fiäuftg an'§ Snftrument §u
treten, um einzelne ©teilen, oorneljmlid) ^Saffagen (mof)l nur
ber ©pietbarfeit megen) gu berfudjen. Sei foldjen Serfudjen
ignorierte er ben ober bie 5tnmefenben gang, tiefem Umftanbe
üerbanfe id) unter anbern bie Selanntfdjaft mit ben ©onaten
Op. 106, 109 unb 110 in allen Reiten, meniger mar tum
ber letjten ©onate, Op. 111, §u frören. Sei Aufarbeitung
aber Oon Partituren berührte er fein Snftrument, unb, meil
er e§ übel oermerfte, SSerfe in ber (Sntftefwng üor feinen Slugen
bur^ublättern, fo blieb felbft ben §au3genoffen beren Snfjalt
unbefannt, bi§ e§ ju ben groben fam. 2lu§ ben befeitigten
Slättern mie aud) au§ ben jufammengenäljeten ^artitur=§eften
mar erfidjttid), ba^ t>a$ Sftecitatiü für bie ßontrabäffe aud) erft
fpäter t)in5ugelommen ift. £)ie 9Mobie §ur erften ©tropfe
betreffenb, fanb fid) in ben ©fi^en eine oiermalige Abänberung,
unb barüber fein gemöf)nlid)e<o „Meilleur," mie im beigegebenen
$acftmite gu erfefjen.
ber fid) Seetljoöen nannte. SBermocbte er e§, alt, fränflidj, leiben b
unb tnenfcöenfcfieu, mie et mar?" — SBeetbooen jähtte 53 SebenSjabre
unb mit feiner ©efunbbeit ftanb e8 jur 3e't redjt gut. 5Sa§ bie aftenfdjen^
fdjeu betrifft, bie gottlob bei unferm SJJeifier niemals ftattgefunben, menn
er aud) gurtidgejogenbeit Hebte, fo ift nid)t leid)t §u begreifen, ma3 fie
bei ^eroorbringung eines 2flufifroerfe§ foö. 2)iefe einjige ©teile jeugt
ebenfo öon Unoernunft al§ aud) oon 33efangenbeit, mit ber biefer 3tntagonift
93eefboben'§ in beffen 93eurtbeilung ju SSerfe gegangen.219)
219) Dieser Verunglimpfer Beethovens sollte doch von keinem
Verehrer des Meisters mehr in den Mund genommen werden. Dem
gebührt nur schweigende Verachtung. A. d. H.
— 387 —
<Sd)on im 3ftonat $ekuar be§ folgenben Saljreg 1824
mar biefe cotoffare ©ct)öüfung bi§ jur legten geile fertig unb
ber 9fteifter fing wieber an, befferer Saune gu werben, ja fogar
©tunben ber ©rljolung fidj gu gönnen; man faf) it)n Wieber
burdj bie ©trafen fdjlenbem, mit feinem am fcfjmarjen Vänbdjen
Ijangenben „©tedjer" bie fdjönen 2lu§lagefäften 6elorgnettiren
unb mannen Vefannten ober greunb nact) langer Qtit lieber
einmal im Vorbeigehen begrüben. (Seit bem ßufammenfetm
mit feinem ©afte (Sari äftaria oon 3ße6er im Sftonat
9?oöember be§ oergangenen Safjreä (nad) 51uffüt)rung oon beffen
Dper ©urtjanttje) Ratten mir nidjt met)r $>a$ Vergnügen, hm
9J?eifter ein geuerwerf Oon fprüt)enben unb praffelnben 9ßtf5=
funfen unb <Sar!a§men a&brennen t)ören gu tonnen. 2lm meiften
freuten fidj 06 biefem ©tanb ber 2)inge ber £)ict)ter (Sari
Vernarb unb ber Vorftanb be3 üftuftf=Verein§, benn nun festen
mirflict) Hoffnung öortjanben gu feOn, bafj unfer SDtofter at§?
balb an bie 2lu§ar6eitung be§ Oratorium^ „£)er ©ieg be§
^reu^eS" für ben üü?ufif> Verein fct)reiten werben. Wlit ber
©idjtung oollfommen aufrieben, freute er fidj felber auf biefe
Arbeit. Veiben, bem 3)ict)ter wie bem SOfufiloerein§=Vorftanbe
würbe üietleidjt gum gwangigfien 9J?ale ba% Verfprectjen erneuert,
bafj e§ ifjm mit bem Oratorium ootler (Srnft fet) unb er in
ben nädjften üftonaten fidler an bie 2lr6eit getjen wolle.220)
Snbefe: Accidit in puncto, quod non speratur — in annis.221)
Unoertjofft trat ein (Sreignijj ein, ba§ ben gefaxten ©ntfctjliefjungen
Veetf)oüen'3 eine anbere SSenbung gegeben, nadjgerabe warb e§
birecte Veranlaffung, bafj alle bie frönen Vorfälle unb *ßlane
^u neuen, großen @d)ö^fungen einer nadj bem anbern ad calendas
220) Über Bernard und seine Textdichtung „Der Sieg des Kreuzes"
sehe man Beethovens denkwürdigen Brief vom Jahre 1824 in B. S. Br.
No. 982 (V. Band) an die Gesellschaft der Musikfreunde in Wien ; be-
sonders die Erklärungen daselbst. A. d. H.
221) Über die Quelle dieses Zitats läßt sich selbst Büchmann
nicht vernehmen. A. d. H.
25*
— 388 —
graecas üerfdjoben unb anbere arbeiten „einftroeilen" öor=
genommen mürben. 93efefyen mir un§ bie 35inge fammt ifyren
Urfadjen unb nachgefolgten SSirfungen in ber 9?äf)e.
1£)ie italienifdje Dper unter ßettung 'Somenico 58ar=
baja'3, refp. feineö SteüOertreter§ unb Verbünbeten ßoui§
©uport'S, fjatte am 13. Slprit 1822 mit föoffini'3 neuefter,
für SBien getriebener Oper „gehnira" °^e VorfteÖungen be-
gonnen. $orau3gefjenb fdjon finb bie S'ünftter genannt, metdje
bie Gruppe gebilbet. @s bleibt nur nod) %vl ergänzen, bafe
SRoffini perföntid) pgegen gemefen unb feine ©emat)(in (Sot-
bran in biefer erften ©aifon bie s$rima £)onna oorgefteüt §at.
©leid)mof)t biefe ben ©rmartungen beS s}3ublicum3 nict)t gan^
entfprod)en, fo maren bocfj bie anbem fämmt(id) fo auf$er=
orbenttidjer 9lrt, baf$ eS einem fo leidet erregbaren unb für
alleö $rembe eingenommenen Stubitorium, mie ba§ SSieuer, mot)t
ju üer^edien mar, ftdj oon ben ©efammtteiftungen biefer Gruppe
f)inreifjen 3U taffen. ©in meniger finnUcfj=erregbare§ mürbe
5meifet§o^ne rtadj ber erften Ueberrafdjung 5U einer gemeffeneren
Gattung jurücfgetommen feint, fonadj mürbe aud) bas dietjörte
gu ernfterer, bem ^origont ber Äunftanfdjauungen ermeiternben
Sitbung beigetragen Ijaben. 3n SKien mar bem nirfjt fo, oiet=
mefjr fteigerte fid) oon Vorfiellung §u Sßorfteüung ber unge=
jügette (SnttmftasmuS, bi£ er in einen entfdjiebenen (Sinnentaumel
ausgeartet ift, ber feinen @tad>et (ebigtid) in ber Virtuofität ber
©änger gefunben; SBertf) ober Unmertf) be£ vorgetragenen
^unftmerfeS lamen nid)t in $etrad)t. 3m Monat ^uti fanb
ber ©cfjlufe biefer <2aifon mit $offini'3 „Corradino" ftatt. 2)er
Referent ber Mg. 9Ruf. ^tg. fcfyitbert bie Vorgänge bei biefer
2Ibfcfjieb§üorfteflung f otgenbermafjen : ff2)a ging e§ benn in bet-
rat ooll unb totl genug gu; at§ ob bie ganje $erfamm(ung
Oon ber Tarantel geftodjen märe, gtid) bie gan^e SSorftettung
einer Vergötterung; baZ Carmen, Rubeln, Sandten, viva= unb
fora=23rüüen nafym gar fein @nbe."
35ie bisherige $erma(tung biefe§ ftriferl. IljeaterS, an beren
— 389 —
<5pi£e Der §ofratrj üon güljob*), ber §of=©ecretair Sgnaä
üon Sftofet, unb, als dritter im 9ktf)e, ber (Sapettmeifter
Sofepf) SBeigt, geftanben, Ijatte bie 3eit unb ifyre 2lnforbe=
rungen, nicfjt minber bie äöünfdje be§ ^ßublicumS burdjauS
unbeadjtet getaffen. üftacfjbem teureres fdjon 1816 burd) einige
Vorftettungen ausgezeichneter itatifdjer $ünftter, (barunter bie
(Sontra^lltiftin «Signora Sorgonbio, ber erfte Xancreb in
3)eutfd)(anb, unb ber ausgezeichnete Xenor £acd)inarbi)
SSorgefctjmad üon SRoffini'S Dpernmufif unb italienifdjer ©efangS=
Virtuosität ermatten, meiere Vorftellungen fid) um zraei Sarjre
fpäter auf berfetben §ofbürjne mieberrjott Ratten; nactjbem ferner
unter @raf gerbinanb ^ßalfi'S ^irection im Sweater an ber
2Bien alle big barjin erfctjienenen 9ftoffini'fd)en Dpern üon beut=
fcfjen ©ängern mit großem Sßeifaüe aufgeführt unb bie Stenge
angezogen rjatten, mar eS üon bem genannten ^riumüirat faft
trjöricfjt, fid) fortan nod) gegen Slufnarjme ber SKoffini'fdjen Dpern
ju ftemmen, gumat ein feljr adjtungSroertrjer $ünft(erüerein bort
gemirft, melcrjem ber auf ber benachbarten $orftabtbüt)ne in
jebem 58etrad)te nadjgeftanben. ©djetfucfjt aber unb SgoiSmuS,
trjeitS bie eigenen, trjeüS bie üon ber franjöfifdjen SSüfme über*
fommenen Dpem, nierjt üerbrängt zu ferjen, maren bie ®rünbe
folctjen (SntgegenftemmenS. £)ie leibigen g°*9en seigten fid)
mehrere Sarjre rjtnburd) in einem enormen deficit, ganz geeignet,
um bie feit langen Safjren ferjon beroiefene ®(eid)gü(tigfeit beS
ÄaiferS für feine Dpernbürme nod) zu ert)öt)en. 2)arum maren
bereite tauge oor bem ©rfdjeinen Söarbaja'S $)rof)ungen tjörbar,
ber $aifer motte baS gu foftfpielige 5Mrntnert()or=£rjeater einem
s,ßad)ter übertaffen.
SSon einem in fo tjorjem ©rabe funft,äftt)etifdt) üer!ommenen
publicum, roie baS SSiener jur 3e^ gercefen, mar faum ein
anftänbigereS Sßerrjatten gegen beutfdje Sftufif unb ^Jcuftfer
überhaupt ju ermarten, a(S fid) nad) Stb^ug ber itatienifdjen
*) 3« 3Sien ntd^t anbevS al§ „^teljub" genannt.
— 390 —
Gruppe im Suli 1822 ergeben; über bie ganse <Stabt l)atte
ficf) tiefe Trauer üerbreitet. Diefe SSerftimmung festen fid)
augenblidlidj nur burdj 23erl)ö£)nung ber beutfdjen (Sänger
einigermaßen (hteidjterung öon bem ©c^merge ü6er ben SSerluft
gehabter §od)genüffe gu Oerfdjaffen. Die begriffe öon ®efang§=
fünft maren auf ben S£f)eit be3 geläufigen (Solorirenö jufammen«
gefdjrumpft, unb ba bie beutfrfjen Operiften bie§ nid)t fo Per*
motten, fo marb iljnen bie frühere 2Sertt)fd)ät5ung entzogen.
Unter allen Opern tjatte fid) allein SSeber'3 $reifd)ütj ber ((Sdjau*
(uft megen) in @unft erhalten. ©rft nad) Verlauf oon 9Jconaten
erholte fidj ber gebiegenere Sttjett be3 $ublicum£ (biefer mar
nid)t ber Slbet) bon feinem §p,per=@ntt)ufia3mu3, fo ba^ man
e§ im ^oüember mit 26ieberaiiffüt)rung be§ $ibelio (mie öorauS
fdjon berichtet) magen §u bürfen glaubte.
Da3 Safjr 1823 aber faf) ben burd) bie italienifdjen
Opern =$orftetlungen mieber ermedten Taumel halb in einen
äd)t itatienifdjen „$anati§mo" übergetjen. Der fleine 9teft
oon Stdjtung für beutfdje ©efangmuftf mar gan§ öerfdjmunben.
9lu3 biefem Safjre batiren bie jammerüollen 3uftänbe in aller
unb jeber 9Jcuftf, bie fid) Sa^rje^enbe tjinburd) über bie
öftreidjifdje §auptftabt Verbreitet unb natürlid) alte <Stäbte ber
SOconardjie balb üollftänbig inficirt t)aben. 3roei Sollte fpäter
finbet fid) ber Slnfang biefer Depraöation in ber 21U. Sftuf.
3tg. au§ SBien in nad)ftef)enben SSorten gefctjilbert: „(Seit
3at)r unb £ag ift faum ein bebeutenb intereffanteS 9ftufif=
mert erfd)ienen, nichts al§ Ütoffini'fdje Opern in &laoier=2lu3äug.
2ltte§ liegt brad). 2Bo I)inau3?"
1824 Diefe gebrängte ßtjaracteriftif be<§ 3e^moment^ in tt>etd)em
bie nun gu öerfianbelnben Dinge einklagen, mußte boraus=
gefcfjidt merben, um ben richtigen (Stanbpunct 51t beren Sßer*
ftänbnifj 5U geminnen. @£ begreift fidj, bafj unfer erhabener
9fteifter üon biefen 3uf^noen ouf3 ^ärteftc getroffen mürbe.
Die Missa solemnis lag feit jmei Sauren ooltenbet ba, unb
bie neunte (Sinfonie mar bi§ 51t Anlegung ber legten $eite
— 391 —
fertig ; ttrie nun eine 9luffü!jrung beiber SföerÜe mit 9fu§fidjt auf
fünftferifcrjen raie pecuniären (£rfotg (legerer mit Serücffidjtigung
be3 ®oftenpuncte3) gu bemerfftettigen bei Sortjanbenfebn fo att»
gemeiner £>epraüation ? ©arum fjatte Seettjoöen ben 95rief=
medjfet mit bem ©rafen Srüt)t benu^t unb bei bemfetben an=
gefragt, ob er moljl unter feinen Slufpicien eine 5tuffüf)rung
biefer beiben SSerfe in Sertin bemirfen fönne unb motte, ©raf
33rüt)( ermutigte ben Sfteifter gur 2Iu§füt)rung biefer Sbee unb
üerfpradj guten Gsrfolg. 3)a§ ^unbmerben aber in 5ßien fpornte
eine fteine 3a^ gebiegener unb befonnen gebliebener Äünftler
unb Äunftfreunbe gu einer Bereinigung an, um bie ber $aifer=
ftabt brotjenbe ©tfjtnad) abgumenben. <53 mürbe tion biefer
(Süte eine 5lbreffe an ben 9)ceifter rebigirt unb bemfelben burd)
eine Deputation au§ tljrer SJZitte überreicht. §ier folgt biefe§
©djriftftücf mortgetreu:222)
„9In ben §errn Submig oan Seetljotieu.
w5lu§ bem meiten Greife, ber fidj um Sfyren ®eniu§ in
feiner jmeiten Saterftabt in berounbernber 2Seref)rung fctjüe^t,
tritt tjeute eine Keine Qafyl üon Äunftjüngern unb ^unftfreun*
ben üor ©te t)tn, um tängftgefüljlte SKünfdje au^ufpredien,
lange gurücfgetjattenen Sitten ein befdjeiben freiem SSort
§u geben.
w3)ocf), mie bie Stnjatjt ber SBortfüfyrer nur ein geringe^
95ert)ä(tni^ au§brücft §ur sJttenge berer, bie S^ren SBertE), unb
ma§ ©ie ber ©egenmart unb einer fommenben 3e^ gemorben
ftnb, freubig erfennen; fo befdjränfen autf) jene SSünfcfje unb
Sitten fttf) feine3meg§ auf bie Qaty ber ©pretfjer für fo Oiete
©teidjgefinnte, unb e§ bürfen biefe tarnen 5ltte, benen Äunft
unb SSermirltidjung ifyrer Sbeate metjr ai§> Wxtttl unb ©egen=
ftanb be§ 3eitt,ertretöe3 ftnb, behaupten, bajj, ma§ fie roünftfjen,
Don Unseligen gemünfd)t, ma§ fie bitten, Oon Sebem, beffen
222) Diese historische Adresse au den Tonmeister liegt im
Original in Schindlers Beethoven-Nachlaß. A. d. H.
— 392 —
Stuft ein ©efüfjt be§ ©öttlicfjen in ber SDcufif belebt, taut unb
im ©tiÜen mieberfyott roirb.
„Sßoraügticrj finb e§ bie Sßünfdje üaterlänbifdjer ftunft=
üerefjrer, bie mir Ijier üortragen, benn 06 audj 23eetrjotien'§
üftame unb feine ©djöpfungen ber gefammten ÜUiittoelt unb jebetn
Sanbe angehören, tno ber Shinft ein füt)(enbe£ ©emütf) fid)
öffnet, barf Oeftretdt) ifjn bod) §unäc^ft ben ©einigen nennen.
9?ocfj tft in feinen Setoorjnern ber ©inn nicfjt erftor6en für
bog, ma§ im ©cfjoofie ifjrer §eimatt) SO^art unb £>at)bn ©rofje§
unb Unfterbücr)e§ für alle ^olgejeit gefdjaffen, unb mit freubigem
©tot^e finb fie fid) behmfet, ba$ bie rjeüige £ria£, in ber jene
tarnen unb ber Steige aU ©innbitb be3 §öd)ften im ©eifter*
reirf) ber Xöne f trafen, fid) au§ ber ÜDfttte be3 uaterlänbifcrjen
23oben§ erhoben fjat.
„Um fo frf)mer3Üct)er aber muffen Sie e§ fügten, bafe in
biefe ®önig§burg ber (Sbetften frembe ©ettmlt fid) eingebrängt,
ba^ ü6er ben §ügetn ber Serblidjenen unb um bie Sßotjnftätte
be§ @in5igen, ber au§ jenem 53unbe un§ nodj erübrigt, @r=
fdjeinungen ben SReirjen führen, toetdje fid) feiner Serttxtnbtfcrjaft
mit ben fürfttidjen ©eiftern be§ §aufe§ rühmen tonnen; bafj
^lacrjrjcit tarnen unb 3e^en oer Äunft mifjbraucfjt, unb im
unmürbigen ©piel mit bem ^eiligen, ber ©inn für SReineS unb
einig ©djöneä fid) üerbüftert unb fdmnnbet.
„9J?et)r unb tebenbiger al§ je juöor fügten fie batjer, t>a§
gerabe in biefem 2(ugenblid ein neuer Wuffdntmng burd) fräftige
§anb, ein neues (Srfdjeinen be3 ^)errfd)er3 auf feinem ©ebiete,
ba$ (Sine fet), ma<§ 9^otf) tt)itt. £)iefe§ Sebürfnifj ift e£, roa§
fie tjeute ju Srjnen fütjrt, unb $otgenbe§ finb bie Sitten, bie
fie für Sllle, benen biefe SBünfdje treuer finb, unb im üftamen
naterlänbifcfjer ®unft an ©ie richten.
„©nt^ietjett ©ie bem öffentlichen ©enuffe, entjiefjen ©ie bem
bebrängten ©inne für ©rojjeä unb 3Menbete§ nid)t länger bie
5luffüt)rung ber jüngften Sfteiftertoerfe Sfyrer §anb. 3Bir
miffen, bafj eine grofje firdjtidje ßompofition fid) an jene erfte
— 393 —
angefdjloffen fyat, in ber Sie bie (Smpfinbungen einer, üon ber
Äraft be§ ©laubenS unb oom Sichte be§ Ueberirbifdjen bnrdj=
brungenen unb üerllärten ©eele oerenrigt fjaben. — 2Bir hriffen,
i>a$ in bem ^ran^e Sljrer fjerrlidjen nocl) unerreichten ©infonien
eine neue 53lume glänzt, ©eit Sauren fct)on, feit bie Bonner
be§ @iege§ oon Sßittoria üertjallten, Darren nur unb Ijoffen, ©ie
ttneber einmal im Greife ber Sljrigen neue ©aben au§ ber $ülle
S^reö 9?eicf)tf)um§ fpenben gu fefyen. 2äufd)en ©ie nidjt länger
bie allgemeine (Srmartung! ©rljötjen ©ie ben (Sinbrucf Slirer
neueften ©djöpfungen burcf) bie $reube, guerft burcl) ©ie felbft
mit S^nen 6efannt 5U merben! ©eben ©ie eö nict)t p, bafj
biefe 3f)re jüngften $inber an ifjrem ©eburtäorte einft öietleictjt
at3 $rembtinge, uielteicf)t üon foldjen, benen aud) ©ie unb Sfjr
©eift fremb finb, eingeführt merben! (Srfdjeinen ©ie balbigft
unter Sfyren $reunben, S^ren Verehrern unb SBemunberern ! —
2)ie§ ift unfere nädjfte unb erfte 53itte.
„?lber audj anbere 9Tnfprücf)e an Sfjren ©eniu§ finb laut
gemorben. — 25ie 2Bünfct)e unb (Sr&ietungen, bie bor länger
al§ einem Satyre oon ber Seitung unferer Hof-Dpernbüfme,
bann öon bem Vereine öftreid)ifct)er SJcufiffreunbe an ©ie ge-
langten, roaren §u lange ber fülle SSunfcf) alter Sßerefjrer ber
®unft unb 31jre3 üftamenä, erregten ber Hoffnungen unb @r-
Wartungen gu tiiete, aU baf; fie nidjt nafje unb ferne bie
fdjnetlfte Verbreitung gefunben, nicf)t bie allgemeinfte £f)ei(nal)me
ermecft tjätten. — 2)ie ^Soefie fjat ba§ $f)re getrau, fo fcf)öne
Hoffnungen unb äßünfdje 5U unterftü^en. (Sin mürbiger ©toff,
üon gefetzter 2)id)terf)anb, gemärtiget, bafc $f)re ^3r)antafie if)n
in'§ Seben saubere. Waffen ©ie jene innigen 5lufforberungen
ju fo eblem 3iele nictjt oerloren fetjn! ©äumen ©ie nicf)t
länger, uns bie entfdjrounbeneu Sage äurüd^ufüliren, mo
^lot)^mnien§ ©efang bie ©emeitjten ber ®unft, mie bie Herren
ber Sftenge gleidj mädjtig ergriff unb ent^üdte!
„©ollen mir $>l)nen fagen, mit mie tiefem ©ebauern S^re
3urüdge£ogenf)eit längft gefüllt roorben? 93ebarf e§ ber 3Ser=
394
ftdjerung, ba$, toie olle Surfe ftdj fjoffenb nad) Sfmen manbten,
2ttte trauernb gemaljrten, haft ber Mann, ben mir in feinem
(Gebiete bor Sitten a(3 ben §ödjften unter ben Sebenben nennen
muffen, e§ fdjmeigenb anfaf), mie fremblänbiftfie $unft ficf) auf
beutfrfjem Soben, auf ben (Styrenftk ber beutfcfyen SERufe lagert,
beutfrf)e SSerfe nur im 9eadj£)att frember £iebting§meifen gefallen,
unb mo bie £refflitf)ften gelebt unb gemirft, eine gmeite $inbf)ett
be§ ©efdjmacfeä bem golbenen 3eita(ter ber Sunft ju folgen brofjet?
„©ie allein uermögen ben Semüljungen ber SBeften unter
un§ einen entfdjeibenbcn ©ieg gu fiebern. SBon^fjnen ermarten
ber uaterlänbifdje Stunftoerein unb bie beutfd)e Oper neue
Stützen, Verjüngtes Seben, unb eine neue £eiTftf)aft be§ SBatjren
unb ©djönen über bie ©ematt, meiern ber 9)?obegeift be§ Xage§
autf) bie emigen ®efe£e ber ßunft untermerfen mitl. ©eben ©ie
un§ Hoffnung, bie Söünfrfje 2111er, ju benen je bie SHänge 3§rer
Harmonien gebrungen finb, balbigft erfüllt 51t fefjen! £>ie<5 ift
unfere angetegenttidjfte gmeite Sitte. — 9D?öge ba$ 3at)r, ba» mir
begonnen, nirfjt enbtgeu, otjne un§ mit btn grürfjten unferer
Sitten 5U erfreuen, unb ber fommenbe $rül)ting, menn er ber
erfefynten @aben eine ftrf) entfalten fiefjt, für un§ unb bie ge=
fammte $unftroelt gur gmiefatfien SötütJjengeit merben."
SBien, im gebruar 1824.
prft G. Sttfjnomäh).2"
2lrtaria unb Gomp.
ö. .£>aufcf>fa.
3R. 3- ßetbe&borf.
g. (§. toon SBoöna.
2lnbrea§ (Streiter.
Slnton §alm.
Slbbe Stabler.
öon gelSburg, ©ofi'efr.
gerb, ©raf öon Stocf=
Jammer.
Slnton SMabeOX
© e § e i d) n e t :
gerb, ©raf ti. Sßalft).
ob. grf). O. Sdjroeiger.
©raf Gäermn, Dberft-
Sämmerer.
93Jori£ ©raf b. grie§.
3. 5. (Softem.
$rof. 5)etnb>rbtfiein.
Gr). Suff n er.
3r. 9t- 9Mjamnter, ftänb.
Secretär.
Steiner non geläburg,
93anf-2tquibator.
S)JZ. ©r. ö. ®ietrid)ftetn.
3g. (Sbier öon SHofel,
f. f. §ofratl).
tarl Gsernt).
90?. ©r. t>. JJtdjnowSfu.
ti. gmegfatt.
§ofraU) SHefetuetter.
2. Sonnleitner, Dr.
Steiner unb Comp.
Seberer.
3. 9?. 93tf)Ier. 22*)
— 395 —
Sftan tjatte erwartet, Seetöoüen werbe oon bem Söortlaute
biefer 5tbreffe in ©egenwart ber beiben mitunterjeidjneten $)e*
putirten, ^offecretair bon getäburg unb 3. 9?. Siljter,
Äenntnift nehmen unb bamit ©etegenfjeit geben, oerfd)iebene
anbete ^uncte nod) $u berühren, fo wie if)n gu einer beftimmten
ßufage gu öermögcn. @8 warb bafyer gur @int)änbigung ber
<Sd)rift bie (Stunbe nad) bem 9Jcittag§mat)le gewählt, wo ber
9tteifter eine au§gebef)ntere (Sonöerfation ntct)t §u berfdjmäfjen
pflegte. Snbejj, man fyattt fid) berredmet. $eetl)orjen wollte
erft fefen, Wenn er allein fetj. SD3otjl barf angenommen werben,
baB er öon biefem Stete nid)t wenig überrafdjt gewefen, gumal
fein Vertrauen in bie ©eftnnungen 5fCfer gegen ifjn bereits ftar!
erschüttert, beäügtid) auf btö 6orp§ ber SKufifer aber fdjon
gänätid) gefcfymunben mar, barüber er fict) ja fdjon 1822 gegen
Jpofratf) Sftodjlitj unummunben auSgefprodjen fjatte, mie fid) bieä
in feinen mefyrfadj ermähnten Briefen au§ Söaben öotfinbet.
223ie fetjr idj meiner ©eit§ auf ben erften ©inbrud biefer Slbreffe
gefpannt mar, täfct ficr) erraten. ©§ brängte mid) batjer un=
mittelbar nad) beren Uebergabe §u bem Sfteifter. Sei) fanb ifyn
mit ber ©djrift in ber £anb. 9cad)bem er mir mitgeteilt,
ma§ fid) fo eben gugetragen, überreichte er mir ba3 S31att mit
©elaffenljeit, bie fein ©rgriffenfein öon beffen Snfyatte jU beut=
lief) bezeugte. SSäfjrenb id) (aS, ma§ mir fdjon berannt, trat
er an'3 $enfter unb berfotgte mit ben Soliden ben 3U9 oer
^Sollen, ©djmeigenb legte id) ba$ SBlatt §ur «Seite, abmartenb,
bi§ er bie ßonberfation beginnen merbe. ©r berfyarrte jebod)
in ber bejeidjneten (Stellung. (Srtbtict) manbte er fid) gu mir
223) Fürst C. Lichnowsky ist natürlich der Sohn des mit Beet-
hoven besonders befreundeten Fürsten, der bereits 1814 gestorben ist.
Ä. d. H.
224) Durchliest man die Namen der Unterzeichner, dann darf
man sich billigerweise wundern, daß Anton Schindler nicht in der
Eeihe der Beethoven- Verehrer steht; ist ja auch J. N. Bihler ver-
zeichnet. A. d. H.
— 396 —
unb fprad) in nitf)t eigentümlich) l)ol)em 2one: „@S ift bodj
recfjt frf)ön! — (£S freut micfj!" 2)ieS mar baS ©titf)mort, um
ifmt aurf) meine $reube — leiber fcfjriftlicf;! — au^ubrücfen,
(£r la§ eS unb fagte bann l)aftig: „®ef)en mir in'S greie!"
©rauften uerblieb er gegen feine ©emofjnfjeit einfitbig, mieberum
ein untrügliches äßerfäeicfjen, maS in feiner Seele eben oorging.
üftacbbem burd) befragen oerfctjiebener Seute um i^re
refpectiüen Meinungen fjinficfjtlicf) ber an ben äfteifter ergangenen
3Bünfcf)e ein anfet)ntict)eS Sunterlei oorgetegen unö nacrjbem man
enbfict) bei bem Sweater an ber 2£ien als ber größten unb
folgticfj graecfentfpredjenbften 9iäumficf)feit ju einer rein mufi=
ca(ifd)en geier fterjen geblieben, legte ber Sfteifter baS 5lrrange=
ment biefer Unternehmung in meine £uinbe. ©er nädjfte Stritt
gefcfjal) bemnadj mittetft eines GrebitioS an ben 3>irector biefeS
StjeaterS, (trafen gerbinanb ^atfl), ben mir unter ben Unter*
jeicfjnern obiger Slbreffe fel)en. ©raf $ßatft) geigte firf) fofort
bereit in bie SBünfdje öeetfyooen'S eingugeljen unb fpradrj aud)
ofjne langes 33ebenfen eine gorberung Don ^mölf tjunbert
(Bulben Wiener Söäljrung für tlebertaffung beS ganzen §aufeS
au§, fämmtlidje Gräfte ber Oper unb beS CrcfjefterS jur £)iS=
pofition ftetlenb. Sciemanb meljr als 33eett)oöen felber mar öon
fotcr/ mäßiger gorberung ü6errafdjt, benn er marb §err beS
£mufeS, fonnte bie (SintrtttSpreife mäßig erf)öf)en, unb eine
$8rutto=@innaf)me öon minbeftenS 3500 ©utben erliefen. SS
ftanb fomit 31t ermarten, bafj baS Unternehmen otjne meitere
ertjeblidje Umftänbe nocf) bei günftiger ^arjre^§eit jur 21uS=
füf)rung gebracht roerben mürbe, bieS um fo getoiffer, als ©eetljoben
nur bie Sßenutmng ber Cpernfräfte unb beS DrcfjefterS §u fo
Dielen groben, als er nötljig erachten roerbe, geforbert Ijatte.
£>afj er aud) in biefer für feine Sntereffen fiel) fo günftig
ftellenben 9tngetegent)eit mit unerwarteten ^üntergebanfen fjer=
oortreten merbe, moburdj mef)r als ein (Stein in'S S3rett ge=
morfen unb baS Spiel gänglid) geftört merben mürbe, mar nidjt
oorauS §u fetjen, obgleid) fcfjon bagemefen. 2ftan r)öre. 25eeu)oöen
— 397 —
Verlangte nichts toeniger af§ ba£ gurüdtreten ber beiben an
biefem Sweater functionirenben SDZufitbirigenten, 3g nag üon
©etjfrieb unb 3ranS Clement, beren ©teile ber (Eapeümeifter
Umlauf aus bem |>of=D})erntIjeater unb Sgna§ ©ctjUppanaigt)
einnehmen foHten. ©raf ^atfo mar nid)t abgeneigt feinen
(SapeÜmeifter jurücftreten gu taffen, beffen gefoannteä $erf)ä(t=
nifj gu 23eetf)ooen er gefannt, teine<BfaU§ aber feinen Drdjefter^
£>irector, beffen fünftlerifdje 93ebeutung mir bereits in ber
jmeiten ^ßeriobe rennen gelernt unb bort auctj erfahren tjaben,
meldje 2)ienfte er unferm 9tfeifter fomorjt a(3 ©olift mie aud)
in Segug auf Vereinte Seitung feiner SBerfe, (5. 93. $ßaftorat= unb
C moll=<Sinfonie 1808 im felben Sttjeater) geleiftet t)at. ?(Ueiu
©djuppangigl) fanb biefe (Megcntjeit ermünfdjt, fid) nad) feiner
^urüdtunft au§ ^ujjlanb mieberum al§> Drdjefter^ü^rer öor=
aufteilen, um bie in 1?lu§fid)t ftetjenbe $acatur ber <Steüe eines
erften Drd)efter-2)irector§ am Äärntnert^or=X^eater erringen §u
tonnen.*) ©arum fyatte er fiel) oon 23eetf)oüen baS Söerfprectjen
ermirlt, if)m bei ber beöorftetjenben ^eierlidjreit bie früher ein»
genommene ©tettung a(3 Drdjefter^Sljef, anäumeifen — unb
23eetf)ooen fyatte grofje Sßerbinblidjteiten gegen ©djuppan^ig^,
leiber aber feine SRüdfidjten gegen (Element.
2Ba§ 5ur SBefeitigung biefeS intrigirenben 3n>ifd)enfalte3
feitenS ber Umgebung 23eetf)Oüen;<o gefd)et)en tonnte, um ifytt §u
üermögen Oon biefem Verlangen im eigenen ^ntereffe absuftefjen,
ift gefcfjerjen, jebod) bie @egenmirfung mar eine ju mächtige.
®raf ^atftj feinerfeitS nridj nid)t oon bem auägefprodienen ©aije:
feinem genialen Drd|efter=2)irector fotdje Äränfung nict)t miber*
fahren taffen 51t bürfen. 9??er)r nod): er fteigerte bie materiellen
gorberungen, üielteictjt au§ bem ©runbe, um ber mef)rmöd)ent=
lidjen unb bennod) erfolgtofen Unter^anblung ein rafdjeS (Snbe
ju mad)en. 9(u3 biefem Vorgänge täfct ftet) abfegen, mie
*) liefen groect erteilte <Bä)uppan^\Qi) bei ber 1828 begonnenen
Slbminiftration be8 ©rafen GJaHenberg, bie aber fetjon ju Oftern 1830 ein
fläglidjeS (Snbe genommen.
— 398 —
23eetf)oben allein burdj) ftarre3 $eftt)alten an feiner gorberung
äunäctjft ba$ Verftreicfjen ber günftigen 3al)re§5eit für grofee
Sluffütjrungen berfdmtbet, ftd) felbft a6er in ein SSirrfat bon
Sntrtguen, unoerfefjämten ^umutlmngen unb £nnberniffen faum
benf6arer 2lrt berfe£t t)at.
^oct) bor ganäticfjem Stbbrucl) ber Unterfjanblung mit ©raf
Sßatfb, tjatte icl) ba§> Xerrain im ®ärntneru)or=£l)eater fonbirt,
06 ba§> Verfangen 33eeu)oben'§ t)infict)tlicf) ©djuppanaigtj'S bort
mof)l auf .frinberniffe ftofcen mürbe. SSiber Vermuten fanb
e§ feinerfei SBebenfen, bemnaelj nur bie materiellen *ßuncte jur
Vereinbarung §u gelangen brauchten. 9H3 nun alle§ (SrnfteS
bie Unterfjanblung bort angefnüpft merben mufcte, fteüten fiel)
bie $orberungen ber SIbminiftration auf ben erften 33ticf als
eigennützig unb bon ber Sage 23eetf)oben'§ profitiren mollenb bar.
tiefer erfannte balb btö Dilemma, in meldje§ er buref) eigene
©ctjulb geratf)en, allein e§ mar in bem großen SBien feine britte
Pforte §um 2lnf(opfen meljr borfyanben. £)emnact) in nid^t
geringe S3eängftigung berfetjt med)fe(te er metyr al§ gemöljnlicf)
2öünfef)e unb ^orberungen in allen £)etai{*$ßuncten be§ 5lrrange=
ment3; geftern 3. 23. tjatte er bie üftief)tauff)ebung be3 9lbonnemeut3
ber Sogen unb (Sperrte jugeftanben, f)eute aber miberrufen, —
geftern mar if)m ber 23aritonift $orti (ber atiein bie S3afe=^Sartie
im 4. ©a|e ber «Sinfonie fo 3U fingen im ©tanbe gemefen, mie
fie getrieben ftef)t,) ber recfjte 9ftann, f)eute aber münfdjte er
ben tiefen Saft ^Sreifinger für biefe Partie, beffen ©timmtage
ba§> eingetriebene d nidjt überfliegen, bem alfo e unb fis gur
Söfung feiner Aufgabe gefehlt, u. f. f. 2lnbererfeit3 fjatte ber
9lbminiftrator auct) feine ©rillen, bie fiel) aufjer bem SDfateriellen
5unäd)ft auf bie möglidjft geringe 5tn§at)I oon Vorproben besagen.
3J?an benfe fiel) einen S^eater^fjor, ber feit gmei Sauren au§~
fdjtiejjlict) nur SRofftni'fefje Dpern=9ftufif gefungen, gegenüber ber
enormen @ct)mierigfeiten in ber Missa solemnis, — unb fofcfje
Slufgabe genügenb gu löfen, glaubte ber ehemalige berühmte
Sänger 2)uport, feben 5 — 6 Vorübungen au3reicl)enb. Vegüg*
— 399 —
lid) auf bie £)rd)efters*)3roben Ijatte er oon üornfjer nur ^mei in
2lu§fidjt gefteüt, babei e§ t^atfäd)(id^ fein Verbleiben gehabt
Um unfern fcfjnjanfenben Sfteifter bei feiner 2BiÜen§meinung
feftjufjalten, mufjte eine Heine Sntrigue jum Qtved üerljelfen.
3d) erfuctjte nämtid) ben ©rafen Sicfjnorogfy unb (Sdjuppanäigf),
ftdj mit mir in einer unb berfetben ©tunbe bei Veetfjoüen,
fdjeinbar sufällig, einfinben gu mollen, bamit er feine 5lbftd)t
merfe. Sei biefer ©elegenfyeit foHte ber 9#eifter oerantafjt
foerben, ftcf» über bie fraglichen Sßuncte entf Rieben au3äufprecrjert;
biefeS foflte üon einem au§ unferm Greife fogteid) nieberge-
fdjrieben unb ber SReifter bann tjalb im ©djerg, tja(6 im Srnft
angehalten merben, ba$ Statt §u unterzeichnen. S)er Sßlan
gelang nadj SBunfd); ma§ erfolgte aber atSbalb? 2Iu3 bem
Vorgang unfere 5lbfid)t erratfjenb, unb barau§ ttrie gemöljntid)
nur galfcfjfjeit unb Verratlj mitternb, ertiefj ber SKeifter nod)
am felben Sage nad)ftet)enbe fuftanifdje §atti'@d)erife an un§:
„Sin ben ©rafen 9ttorifc 2id)nom!%225)
$alfd)f)eiten ueracfjte id). Vefudjen @ie micf) nidjt mef)r.
Stfabemie t)at nict)t (Statt. Veetbooen."
„2ln §errn ©crjuppanäigf).
Vefudje er midj nictjt metjr. Set) gebe feine Slfabcmic.
Veetfjoüen."
„5tn §errn «Sdjinbler.
Vefudjen ©ie mid) nidjt mefjr, bis id) Sie rufen taffe-
$etne 5lfabemie. ca u ^ „
Veetfjotoen."
3)ie feibene Schnur fjatte jebod) ber ergrimmte SD?etfter
oergeffen mitäuferjiden, mithin gefetjat) un§ roeiter nid)t§ §u
Seibe; mir entzogen it)m nur am fotgenben S£ag \>a$ Vergnügen,
225) Diese geharnischten Billetts an die genannten Adressaten,
die übrigens nicht abgesandt wurden, sind nach den Original-
manuskripten im Beethoven-Nachlaß Schindlers in B. S. Br. abgedruckt,
als No. 988, 989 und 990 (V. Band). A. d. H.
— 400 —
feinen ©rimm an einem oon uns auälaffen ju tonnen, nnb
bamit fjatte er $e\t UDer feinen öoreitigen 55erbncr)t Don ^alf^=
Ijeit nnb SSerratf) nad^itbenfen. 3)er Monat 9Iprit a&er, in
meiern bie llnterfjanblung mit 3)uport ftattgefunben, liebte eä
bamate in fettener SSeife übler Saune ju feton, ma§ Sßunber,
ba^ beren Sinroirfung ftd) aud) bei unferen Kontrahenten funb=
gegeben? SBäre and) ein notarieller 2(ct aufgenommen morben,
fo f)ätte man fid) beiberfeit§ bennod) Hbroeidjungen erlaubt, tpetl
ba$ gegenfeitige 3Jtif$trauen bereite einen ju Ijofyen ©rab erreicht
fyatte. (Snblid) ersten nod) bie ^inberniffe feiten^ ber ßenfur
megen be§ Xitelö „Missa" nnb be§ lateinifdjen ^ejte§ bie $er=
mirrung um ein anfetjnlict)e§. ®enn biefe ©teile, in befannter
©ngtjer^igfeit unb 9xüdfid)tnat)me auf bie nod) engherzigeren
9tnfid)ten ber geiftlidjen 53et)örbe, im abfingen bee ftirdjenteyteä
auf bem Sweater eine Sßrofanirung finben raollenb, legte otme
meiterö Verbot auf bie 5(uffüt)rung ber Missa.*) 9cur ein
fdjteuniger 9?ecur§ in ber legten ©tunbe an ben $ßoÜ5ei=
^jSräfibenten ©rafen ©ebtni§ft), roetdje 51ngelegent)eit ©raf
Sidjnom^ft) in bie £anb genommen, ermögtidjte bie 5iuffüt)rung
be§ SBcrleS.
?lm befielt roirb biefe Situation mit nadjftefjenber ©teile
au§ einer guftfpft oeg SHetfterS an midj gefenn^eic^net: „3$
bin nad) bem fed)3U)öd)entlid)en §in= unb £erreben fd)on gefönt,
gefotten unb gebraten. 2öas foll enbtid) merbeu au§ bem Oiet=
befprodjenen (Soncert, rcenn bie greife nidjt erf)öf)t roerben?
2öa3 foll mir bleiben nad) fo Oiel Unfoften, ba bie ßopiatur
allein fd»on fo oiel foftet?" u. f. m.22<i) Wlan erfief)t f)ierau§,
um ma§ e<§ fid) enbtict) nod) ge^anbelt. SBollte aber Seettjooen
*) 33ei 2)iitt&eilung eine§ ä^ntid>eti gatfeä im %at)t 1808 fjaben toit
üernommen, bajj bamal§ ber SSortrog Don Sirc&enmufif mit lateinifdjera
Xeyte im Xbeater nid)t beanfianbet mar, nur roaren bie lateinifdjen S8e*
nennungen auf bem 9lnfdjlagjettet »erboten.
226) Auch dieses Brieffragment an Schindler steht in B. S. Br.
No. 991 (V. Band). A. d. H.
— 401 —
toenigftenS feine gehabten Auslagen lieber erftattet fefyen, fo
muftte er ftd) nott)gebrungen ben gorberungen Duport'3 fügen,
metdje folgenbermafeen präcifirt maren: „Da§ ßoncert finbet
bei ben getr-öfjnlidien greifen im Abonnement ftatt,
unb bie Abminiftration erhält uon Seetfyooen für Ab*
iaffung be§ Xfyeaterä fammt ©fyor unb Drdjefter bie
Summe öon (Sin taufenb ©utben Söiener Söäijrung."
Damit mar ba$ Urzeit über ben (Srfolg beä Unternehmend in
materieller £>infid)t im OorauS gefprodjen.
Der 7. Wlai mar ber £ag ber Aufführung. — @in öor=
liegenber Anfdjlag-^ettet befagt:
„©rofee muficatifdje Afabemie oon §errn Subtuig öan
93eetf)Oüen."
„Die babei Oorfommenben 9Jiufifftüde ftnb bie neueften
3Ber!e be§ §errn Subroig Dan 23eetf)ooen."
„(Srftend. ©rofee Dutierture." (@8 mar bie „$ur Söei^e
be§ §aufe§" üom Safjre 1822, Op. 124.)
„ßmeitenö. Drei grofje §timnen, mit Soto= unb (£t)or=
Stimmen." (Kyrie, Credo, Agnus Dei unb Dona au3 ber
Missa solemnis. 3n S3eriidfid)tigung ber ßeitbauer beS ©angen
fjatte S5eetl)ooen öon oornJjer bciZ Gloria aufgegeben; bei näherem
Setradjte mufcte er au§ bemfelben ©runbe mit großem ^ßebauern
nod) Sanctus unb Benedictus befeitigen, baoon bereite bie
Sßorproben ftattgefunben.)
„Drittens, ©rofce Sinfonie, mit im finale eintretenben
So(o= unb ßfjor=Stimmen, auf SdjiHer'ä Sieb, an bie greube."
„Die Solostimmen merben bie Dlte3. So n tag unb
Unger, unb bie Ferren §aiginger unb Seipett öortragen.
§err Sd)uppan§igt) tjat bie Direction be§ Drd)efter§, §err
(Sapeflmeifter Umlauf bie Seitung be§ ©angen, unb ber
2Jfufi£= herein bie ^erftärhtng beS (Stjorä unb DrdjefterS aus
©efättigfeit übernommen."
„§err Subroig oan Seetfjooen felbft mirb an ber Seitung
be£ ©an^en Anttjeit nehmen." (@r ftanb bem Seiter be3 ©an^en
9t SdjinblevS 83eciijoueit-.S8tograpf)te. 26
— 402 —
gttl regten (Seite unb firirte bie SSetuegung bei Beginn jebev
Sa§e3.)
w£)ie (Sintritt§preife ftnb tote gemörjnlicfj.''
2)a§ §au§ geigte fid) in allen Räumen überfüllt, nur eine
üoge blieb unbefetit: bie faifertidje, obgleich ber SDtofter in
meiner Begleitung perfönlid) bie ©intabung bei allen anroefenben
©liebern ber $aiferfamitie gemacfjt unb einige üerfprod)en rjatten
31t fommen. Äatfer unb S'aijerin waren nicfjt in ber Siefiben^
anmefenb; ber (Sr^ergog 9?ubolpt) §ur Qtit nod) in Dlmüt3.
®ie Bruttoeinnahme betrug 2220 ©ulben Sßiener SSäfyrung.
2)aöon !amen in Stbjug: 1000 ©ulben an bie ^bminiftration
unb 800 ©ulben für bie (Sopiatur, — öerblieb für Beetrjooen
bie Summe oon 420 ©utben, bauon jebod) noct) oerfdjiebene
flehte Soften gu beftreiten maren. £>iefe£ 9xefultat fonnte
unter ben befannten Borbebingungen 9Jiemanben überrafdjen,
a(3 ben fc£)(erf)ten 9iecf)enmeifter S3eetr)ot>en allein. 2)ie (5in=
mirfung auf ifjn mar im Moment be§ Bernefjmenä eine nieber=
fcfjlagenbe. 2)er in SBien nod) lebeube Staatsbeamte, Sofepb,
^üttenbrenner, mar mir beim 9?ad)f)aufebringen be3 er-
fcfjüpften 9Jtofter3 befyütflid). 3d) überreichte ifjm ben (Soffen*
Rapport. Bei beffen 3(nblid brad) er in fid) gufammen. SBir
rafften if)n auf unb legten irjn auf ba$ Sopfja. Bi3 fpät in
bie Dlacfjt fjinein Oerroeilten mir an feiner Seite; fein Verlangen
naefj Speife ober anbereö, fein lautet SSort mar meb,r tjürbar.
©nblicfj, nadjbem mir merften, batf 90corpt)eu§ irjm fanft bie
Slugen jugebrüdt, fjaben mir un§ entfernt, Scrjlaf enb nod) in
ber Soncert^oitette fanben it)n am anbern 9Jcorgen auf ber*
felben Stelle feine 3)ienftleute.
2öa§ ben fünftlerifdjen örfolg biefeS benfmürbigen Slbenb*
betrifft, fo fonnte er morjl mit jebem bi§ barjin in biefen alt-
erjrmürbigen 9\äumen erlebten einen Bergleid) aushalten. Seiber,
ba^ ber allöereljrte SOJann, bem er gegolten, nid)t§ baöon gehört
t)atte. ©r jeigte bte3, inbem er bei beffen 51u3brud) am Scfjluffe
ber ?luffüf)rung ber begeifterten Bcrjammtung ben Sauden jju*
— 403 —
fetjrte. 2)a fjatte (5a roiine Unger ben guten ©ebanfen, beri
Htteifter nad) bem ^ßrofcenium umguroenben unb it)n auf bie
VeifaöSrufe be§ §üte unb £üdjer fdjmenfenben 9lubitorium§
aufmerffam gu madjen. ^urdj eine Verbeugung gab er feinen
$)anf gu erteunen. £>ie<S mar ba§ ©ignat gum Soäbredjen eine§
faum erfjorten, lange nid)t enben motlenben £sube(3 unb freubigen
'Sanfgefütjfö für ben gehabten ^odjgenufj.
©en fünftlerifd)en (Srfotg biefe<§ benfmürbigen 9)?aiabenb§
nad)brud30oller nodj bargufteüen oermögen einige ©ä§e au<§
bem SSiener S3erid)te in ber Mg. 9ttuf. £tg. 8. 437 u. ff.:
„2(ber mo fott id) SBorte tjernefjmen, meinen tt)ei(nef)menben
Sefern Verictjt gu erftatten über biefe SRiefenroerfe, unb gmar
nadj einer, tjinftcfjttid) ber ©efangpartie menigften§ nod) feinet
meg3 genugfam abgerunbeten -probuction, roogu aud) bie ftatt=
finbenben brei groben*) bei fo aujsergeroöfmlicfjen ©d)tüierig=
fetten nidjt tjinreid^ten, mithin aud) roeber öon einer imponirenben
©efammtfraft, nod) uon einer gehörigen Verleitung uon 2id)t
unb ©djatten, boöfommener ©idjertjeit ber Intonation, t>on
feineren hinten unb nuancirtem Vortrag eigentlich) bie SRebe
fetin tonnte. Unb bennod) mar ber (Sinbrud unbefdjreibtict)
grofj unb f)err(id), ber Subetruf enttjufiaftifd), roeldjer bem
erhabenen SOtfeifter au§ boller Vruft gegollt mürbe, beffen
imerfct)öpfHcr)eö @enie un§ eine neue 2ße(t erfdjtofc, nie ge=
tjörte, nie gealjnbete SBunbergefjeimniffe ber tjeüigeu ^unft
entfdjteierte! " —
|)ören mir biefe SBiener Stimme nod) fpegiell über ben
$inal=<Sa§ ber (Sinfonie ftcf) au§fpred)en. Uneracfjtet ungefüger
^feujjerungen barüber tjat biefe primitiüe bennod) iljr bleibenbeS
Sntereffe. £>iefe tautet: „(Sinem nieberfdjmetternben 2)onner-
ftreict) üerg(eid)bar fünbet fid) ba$ $inate (D moll) mit ber
grell burd)fd)neibenben fteinen ÜRone über ben S)ominant=3lccorb
an; *ßotpourri=arttg raerben in rurgen Sßerioben alle biäfjer
*) @§ fanben, tote fdjon fcemertt, nur ätnei ©efammtproben fiatt —
roeit baS Drdjefter eine SSaflet^ufi! einzuüben I)atte.
26*
— 404 —
gehörten ^muöttfjemata, tote au<§ einem ©piegel reftectirt, un£
nod) einmal in bunter ^Reihenfolge üorgefüfjrt; ba brummen
bie (Sontrebäffe ein SRecitatio, baS gleidjnifstoeife toie bie $rage
flingt: „SSa3 foll nun gefeiten?" unb beantworten fid) fetbft
mit einem leife toogenben 9J?oiio in ber $)ur=S£onart, toorauä
burcf) ben aflmäligen Seitritt fämmtlidjer Snftrumente in
hmnberljerrlidjen Söinbungen, ot)ne SRoffini'fdje Srillenbäffe227)
unb ^er^engänge, in gemeffenen SIbftufungen ein allgetoaltigeä
Crescendo fid) enttoidelt; at3 aber enblid), nadj einer 5luf=
forberung be3 <Soto=93affe3, audj ber OoIIe ©fjor in majeftätifctjer
^ßradjt ba$ Soblieb ber greube anftimmt, ba öffnet ba$ frol)e
§erg fid) toeit bem 3ßonnegefül)te be3 feeligen @enuffe§, unb
taufenb Petiten jaud^en: Jpetl! §eil! £>eit! ber göttlichen £on=
fünft! £ob! SßretS unb 2)anf beinern mürbigften tjotjeu ^riefter!
— Referent fitjt nun abgefüllt am <2d)reiboutte, bod) unoer*
gefettd) mirb if)m btefer Moment bleiben; $unft unb 2Bat)rr)eit
feiern tjter iljren glänjenbften Xriumpt), unb mit $ug unb
3?ed)t fönnte man fagen: non plus ultra! — 2öem möchte es>
toorjl gelingen, biefe unnennbare (Stelle nod) §u überbieten?
$)al)er liegt e3 im 23ereid) be§ Unmöglichen, baf$ bie übrigen
©tropfen be§ ©ebid)te3 tfjeitS für ©olo= tfyeilS für £l)or=
Partien in abmedjfelnbem 3e^mafeef ^on= un& ^actarten ge=
fetjt, fo auSgeäeidmet aud) bie einzelnen Streife bebjanbeft unb,
eine äfjnlid)e SÖirhtng Ijerüorgubringen fäf)ig feun follten; ja,
bie glütjenbften $erel)rer unb feurigften 23emunberer
be§ Xonfe§erö finb feft überzeugt, ba$ biefeS toaljr*
tjaft einzige finale in einer concentrirteren ©eftalt
nod) ungleich metjr imponiren müfjte, unb ber ©om=
227) Brillenbässe (occhiali) ist der Spottname der ganzen und
halben Noten, ferner der gebrochenen, in der Notenschrift brillen-
ähnliche Figuren bildenden Trommelbässe -J-
die von den modernen italienischen Komponisten ä la Rossini häufig
angewendet werden. A. d. H.
— 405 —
ponift fel6ft biefe 5tnfid)t treuen mürbe, menn bo§
graufame ©efd)id iljm nidjt ba§ SSermögen, feine
eigenen @d)öpfungen gu Ijören, geraubt tjätte." —
SDiefer gläu^enbe @rfo(g, unb mofyt aud) baö (autgemorbene
Verlangen im publicum, bemog ben geminnfücfytigen 2tbmini=
ftrator, unferm 9D?eifter eine 2öieber£)oIung ber Xonfeier t)or=
§ufct)tagert, mit SInerbtetuitg einer (Garantie öon 500 ©ulben
6on. Wl. = 1200 ©utben SBiener 2Sä£)rung. ®r münzte
ben SöegfaH aüer Sljeile auö ber Missa, (Srfatj bafür bnrdj
anbere ©efang'-ßompofittonen t>on 23eetf)oöen unb ^nngufügnng
nodj ^meier @ofo= Vorträge frember ©ompofitionen burdj
italienifdje ©änger. ©ämmtlidje Soften füllten au§ ber 2lb=
miniftration§=ßaffe beftritten, ba3 ©uperplu§ ber ©innafjme
hingegen in biefelbe gurücffliejsen. SBeettjooen fträubte ftcf) gegen
eine 2Bieberf)otung, auf ©runb be3 fo geringen @rtrage<§ be§
erften 2lbenb§. ©nbtid) fangen i£)n bie Umftänbe pr 5ln=
natjme be§ SBorfdjfageS, barin nur einiges abgeänbert mürbe.
?tm 23. 9J?ai um bie 9DZittag§ftunbe fanb bie SBieberfyotung
im großen 9M>outen = <Saale ftatt. 2lu§ ber Missa fam b(o§
ba§ Kyrie jur 9Iu§füt)rung. 2)ie anbern Söeftanbtljetfe maren:
2)ie grofje Duüerture mit ber £)oppe(=$uge, Op. 124, ferner
ba§> feit 1814 nid)t miebergetjörte Xerjett „Empi, tremate",
gefungen üon ©langfternen ber italienifcfyen Oper, ber $rau
Siarbanetü unb ben Sängern ©onjetti unb ©oticeüi,
unb bie neunte (Sinfonie, mit Sefetjung ber @oto=©timmen
mie bei ber erften ^luffü^rung. Henriette <Sontag gtän^te nodj
in einer öon ü)r beüorgngten 93raoour=5lrie öon SDtaabante.
(Sine gang befonbere 2tnäief)ung3fraft follte bemirfen ber Vortrag
ber für ben kontra =2llt gefdjriebenen Saüatine au§ ^offtni'ss
Xancreb „Di tanti palpiti", metd)e öon bem Vergötterten j£eno=
riften ber üatienifd)en Dper, 2)aöib, um mehrere £one t)öt)er
tran§ponirt, faft burdjmeg mit gatfet=©timme gefungen morben.
SDtefe ^ßarobie auf ben feierlichen ÜDfoment tjörte unfer Stteifter
gtüdtidjermeife nid)t. — Unb mie fyatte fid) tootjt nad) bm un$
— 406 —
befannten ©rgebniffen be3 7. 9ftai öoraeljmlid) her pecuniäre
erfolg be§ 23. gefteüt? £er Saat mar nidjt gur §älfte ge-
füllt, benn bie lieblid) fdjeinenbe (Sonne lodte bie SJfufiffreunbe
auf bie ^romenabe. 2)ie CSaffe ljatte bemnad) ein deficit öon
800 ©ulben 833. SB. gu tragen unb felbft ber gefpenbete SeifaQ
ftanb mit ber galjt ber SInmefenben im 2Jtif}üerl)ältnif3.*) 5tuf 'S
tteffte gefränft ftdj füljlenb burd) folc^ unermarteten SluSgang
üermeigerte SBeetljoben bie 5(nnaljme ber garantirten 500 ©ulben
unb fonnte nur burcf) einbringlidje SSorftetlungen bagu bemogen
toerben. —
2)er SBerfaffer öerfennt feine§meg§, mie fet)r er burd) bie
bereits au3gebet)nte (Sdjilberung ber ^Begebenheiten, bie fid) an
bie £age be3 7. unb 23. 9ftai fnüpfen, bie ©ebulb be3 Seferö
in 9Tnfprud) gu nehmen bemüfeiget mar; beStjalb trägt er faft
S5ebenfen, nocf) ©inigeS beizufügen, baZ if)eil§ in birecter 93e=
giefyung mit ben neuaufgefüljrten 2Serfen ftefjt unb ber SBeadjtung
mertf) ift, ttjeilö einen nidjt unintereffanten epifobifdjen Slnfyang
gu jenen ^Begebenheiten bilbet. Sn 33etrad)t jebod), ba% <Sd)ilbe=
rungen üon gefcfjfageuen Sd)lad)ten gemeinigtid) mit au£füt)r=
liebem detail üon ?lufftetlung ber Gruppen, üon $8or~, 9tüdroärts=
unb $lanfenbemegungen, allgemeinen unb fpegieüen SDiäpoftttonen
be§ oberften ^elbljerrn, mit (Gelingen unb 9cid)tgefingen einiger
(Eorp3=2In griffe, aber aud) mit begangenen gestern ftcf) befd)äftigen,
meil aüe§, felbft bie äufjerften Gonfequengen be3 (SrfotgeS ober
^id^terfolges, gur STufflarung unb Q3elef)rung be§ lefenben Kriegs*
mannet bient, — in 2tnbetrad)t beffen glaubt ber SSerfaffer, bajj
biefer epifobifdje Hntjang t)ter nid)t fetjlen bürfe, gumat ein unb
*) Seit im jroeiten Safyrjeljenb ba§ unbefangene ©eniefjen be§ SBiener
^ublicumS ein (Snbe genommen, tjat e3 wobl in feinet beutfdjen ©rofjfiabt
ein weniger juüerläfftgeS Slubitorium fjinficritlidj ber SeifaÜsbejeugungeu
gegeben, al§ ba§ SSiener, weil fünftem brücfe nidjt SButjeln 5U fdjlagen
unb nacrjl)altig ju Wirten üermoeftten. %et>tx SttofeftaB su geregter unb
Billiger 93eifaÜ?fjjenbe war üerforen. SeetfjoDen pflegte barum bie bortigen
Sunftfreunbe gemeinhin Äunftfeinbe ju nennen. —
— 407 —
anbereg bon djarat'teriftifdjer 23ebeutung pr Sßeruottftänbigung
be§ 33itbe§ öon unferm rurjmgefrönten 9D?arfcf)alt auf bem $etbe
ber Sonfunft bienen roirb.
(Sin Sßorfatt mit (Sari Sern arb mag bie 9^etJ)e beginnen,
batirt berfelbe bocf) au3 ben Sagen üor ber erften ?lfabemie.
Sic Slbfaffung ber Slngeige für bie öffentlichen 93(ätter
fyattt 33eett)ouen biefem greunbe übertragen, ber gur Qät ^i*5
arbeiter an ber gefegten nnb fange Safyre beftanbenen „Wiener
3eitfdjrift" mar. Sernarb mar ber Meinung, bafj bei @r=
mangelung oon Drben unb Sitein, fogar be§ @rabu§ eine§
S)octor3 ber $ßt)ilofopt)ie, ober menigftenS ber potitifdjen 2öiffen=
frfjaften, bie bem Xonbitfjter §u Streit gemorbenen 2tu§5eid)nungen
in biefer Hngeigc angeführt merben foüen. @§ ftanb bemnad)
§u lefen: „Submig öan 23eetrjooen, (Stjrenmitgtieb ber fönigt.
Slfabemie ber fünfte unb SBiffenfcfjaften gu (Stocftjolm unb
5Imfterbam, aud) (£t)rcnbürger ber t t QaupU unb 9?eftbenäftabt
3Bien, mirb" u. f. m. Äaum tjatte ber 9Jieifter bieg gelefen, at§
fofort ein £)atti=Sct)erif in fultanifd)en taftau§brüden an S3ernarb
ertaffen mürbe. £>erfetbe marb ermahnt, „fotd)' einfältiges, irjn
läd;erttct) madjenbeä Spielzeug" in<§ künftige bei «Seite §u taffen;
bamit bergleicrjen nidjt gar in bie 9Infd)fag$ettet gefegt merbe,
mufjte it)m ein fotctjer üor ber S)rud(egung §ur Gsinfictjt ge=
bracht merben.
(£in anberer ctjarafterifirenber Beitrag betrifft bie $or=
gänge beim ©inüben ber Soto=<Stimmen au§ ber Missa unb
bem oierten <Sa£ ber (Sinfonie gmifcrjen 23eett)oüen unb b^n
Sängerinnen ber Sopran= unb Sllt-Sßartie. SSorab mufj gefagt
ferjn, bah bie beiben nod) jugenblicfjen, bi§ batjin meift mit
italienifcfjer 3Kufi£ erlogenen (Sängerinnen uon ber ©röfje unb
Scgmierigfeit ber gu teiftenben Aufgabe nid)t ben richtigen S9e=
griff gehabt. 23eibe befanben fid) im ©tauben, ba$ bie itjrer
€>ttmme unbequemen Quoten mot)t in bequemer tiegenbe merben
umgefe|t merben tonnen. ®ie ^orproben mürben in SBeetrjoüen'ö
©erjaufung abgehalten unb biefer führte bie «Stimmen am
— 408 —
$lügel. 2)er SBunfd) ber Henriette ©ontag: für'S (Srfte mit
iljrem getoofjnten Mezza voce fingen gu bürfen, roarb gu=
geftanben, gteic^tüoijf bieg fjinbernb für bie Slltiftin unb an=
ftrengenb für baZ fd)mad)e Dt)r 53eetl)ODen'3 geroefen. 9113 e3
aber nadjgerabe mit ber ©arfje ernfter unb ernfter genommen
roorben unb ber SMfter bie öolle Q3ruftftimme gu fjören öer-
langte, al§ ba§> Christe im Kyrie ber Missa in feinem breiten
9if)t)tf)mu§ mit Sßfunbnoten intonirt merben follte, ba erlahmten
beibe „fd)öne §ejen" unb begannen mit bem ernften äfteifter
gunäcfjft um ba<3 £empo tiefet ©atje§ gu unterfjanbetn, eS be=
megter münfcßenb. 2lbgefd)(agen, mie begreiflich, unb gmar in
^eiterfter Saune. — 2113 e§ mit bem ©infonie-©at$ Srnft ge=
roorben unb ber äfteifter in gar feine ber gebetenen Slbänberungen
roilligen rootlte, ba trübte firf) ber §origont unb Caroline llnger
fjatte ben 9ftutrj, ben obftinaten SOteifter gevabe^u einen abrannen
aller ©ingorgane gu nennen. Söeetrjoüen erroiberte lädjelnb, fie
ferjen beibe burd) bie italienifdje Wu\it oerroörjnt, barum itjnen
foldje fdjroer falle. „?lber biefe §örje fjier" replicirte bie
©ontag, auf bie ©teile: „Äüffe gab fie un§ unb Sieben"
geigenb, „läftt fie ftd) nid)t abänbern?" — „„Unb biefe ©teile"",
bie Unger nad)folgenb, „„liegt für bie meiften 5llt=©timmen gu
rjocfj; läftt fie fid) ntctjt abänbern?"" — 9?ein! unb immer
üftein! — ,,©o quälen mir un§ benn in ©otteS tarnen weiter",
enbigte bie ©untag.
©leidje klagen mürben laut au§ ben groben mit ben
(£fjor=©ängern be§ SrjeaterS. ©er ©l)or=£>irector bat um einige
(Srleicrjterungen, bornefjmtid) für ben ©opran. 9lbgefd)(agen.
(Snblid) befdjränfte er feine Sitten nur auf SIbänberung ber
Dier b m ber groeigeftridjenen Cctabe, mit roeldjen ber ©oüran
ba§> gugen^otiö im Credo gu intoniren f)at (fiel) ^artttur,
©eite 167) als ©runb angebenb, bafs feine feiner ©ängerinnen
ba$ fjofje b gur ©iSüofition rjabe. (SapeUmeifter Umlauf
interöenirte gleichfalls. 5lüe§ jebod) öergebticfj, ber SDceifter
roiüigte in feine Slbänberung. — ®ie S0^ biefer ©törrigfeit
409
mar, bafj ©0(0= unb (Sf)or=@änger fid) felbft @rleicf)ternngen
gemacht, bafj befonber§ ledere ööüig gefdjttnegen, trenn bie öor=
getriebene Ij)of)e Tonlage nid)t gu erreidjen mar; fjörte bodj
ber in bitten ber Waffen ftefyenbe ßomponift nid)t§ üon allem.
Sftiemanb fonnte fid) fotdjen SSefenS bei it)m aus früherer geit
erinnern. Sgnag tion ©etjfrieb fagt in ben ßfjaracterjügen unb
5tnecboten in „33eetf)otien'3 ©tubien" bie»fafl£: „Unfer S3eet=
fjoöen gehörte fdjtedjterbingd nidjtgu ben eigenfinnigen (Somponiften,
beut fein Drdjefter etmaö gu £>anf machen fann" u. f. m. 333ie
öertjalten fid) aber bagegen bie (Srtebniffe tiom Satyre 1824,
nod) bagu mit ©ingfiimmen? Sßenn jebotf) ein ßomponift
gegen fein beffereö SSiffen nnb Sßerftefjen bie menfdjüdje ©timme
roie ein Snftrnment betjanbett, bann fann er folgerecht ntcr)t^
flügere§ tfjun, als foldje 2öiHfür ftörrifd) tierttjeibigen. ütfur
eine einzige unb gtoar bem Safftften ^Sreifinger gemadjte 3tb=
änberung im 9?ecitatit> be3 4. ©atjeg ift Xfjatfadje unb fann
gu üftutj unb frommen aller tiefen Söffe, bie mit biefem
SRecitatiü in ßoEifion fommen, f)ier öergeidjnet roerben. Sn ber
Partitur fjeifet e§ (Seite 112:
unb freu
ad lib.
girimr^^E^EE?_EE9
ben= öol=le = re.
S)ie gemalte @rleid)terung ift nadjftetjenbe:
"1*^ jg
£:
Ö
ben=
üol * te » re.
— 410 —
2>iefe 5lbänbcrung mar jebotf) nidjt genügenb, genannten
Sänger öor (Erlahmung feines DrganS gu fd)ütjen. %ladi fort-
gefe|ten groben erfolgte biefe toirflid), unb ber ftarf näfetnbe
SSafftft ©eipett üom ^fjeater an ber 2öien mar fo gefällig
mit einer einigen Sßrobe bie 2lu3füf)rung ber BafcSotoftimme
$u übernehmen.
Unb nun bie Missa solemnis BetreffenbeS.
?H§ borcm§get)enb ba§ ©efd)id)tlid)e öon ber (Sntftef)ung
biefeS cotoffalen SßerfeS befprodjen morben, marb (8. 322 ff.)
bemerft, bafe ber 2Iutoi all feinen 9teid)tt)um an Äunftmiffen^
fdjafi barin ju oollfter ©eltung gebracht, roie eS itjm aber
bennod) nur ein öertjältnifjmäBig geringes Honorar eingetragen
fjabe. Sie ßiffer ra^r0 netter unten angegeben werben. Slber
audj ber Ä'unftroett t)at biefeS 2öerf bt§t)er nod) feinen ent^
fpredjenben ©eminn gebradjt; über aüe§ bie§ bleibt nod) 51t
beflagen, bafj eS gu meit auSeinanbergeljenben Beurteilungen
9Mafj gegeben. Siefe beiben letzteren ^uncte ftnb einer näheren
Betrachtung mertfj, bafür t)ier ber geeignete Ort gu fetyn fdjeint.
2öitl man unbefangen über ha§> Sßerf urttjeiten, fo lüirb
gugeftanben merben muffen, bafj Beetfyooen in 9ttd)tbead)tung
ürdjltctjer ^rincipien nod) weiter gegangen a(3 ©t)erubini Iur§
borfyer in feiner feiten ÜReffc in D, mefdje in §infid)t auf
3eitbauer baö 2Serf be3 beutfd)en 80?eifter3 um ein bebeutenbeS
nod) überfd)reitet. Sine ftrenge Prüfung wirb um fo unöer*
fäng(ict)er fetjn, aU Beettjoüen fetber in bem ©atje feinet Briefe^
an fetter: „UebrigenS tommt ot)net)in ein ©tüd gang a capella
bei biefem 2Berfe öor, unb mödjte gerabe biefen ^fgl
borgugömeife ben wahren £irdjen = @tt)l nennen", —
(©. 344) ba§> §aupt^riterium jur £anb gibt. Bornetjmtirf)
bürfen in ber Missa bie <2ät}e Agnus unb Dona ber ©egenftanb
faum 5U fdjlidjtenben (Streitet uerbteiben, med burd) fetbft au<§=
gefprod)ene Intention be3 SlutorS bargelegt ift, bajj er ftdj
hierbei auf einen ©tanbpunct geftettt, wofjin fein frommes
©emüttj fo leicht ju folgen üermag. Sie beim Beginn beS
— 411 —
Dona gegebene Stnbeutung: „Öitte um inneren unb äußeren
^rieben" tjätte hm (Somüoniften fetne^roegS öerteiten f ollen,
biefen Streit bem Sereid) ber ®ird)enmufii; ganz ju ent^ie^en,
inbem er ilm mit Srompeten^cmfaren, SKecitatiüen, obenbrein
nod) mit einem antjangenben <Stnfonie=Satj in tempo Presto
auszumalen befliffen mar. Somit mar ber ^Begriff öon ®irdjen=
mujtf (unferer 3eit) nidjt Uo§> auf bie fjöd)fte Spi|e getrieben,
üielmerjr ganj umgeflogen, mofür bie t'unftreicfje Slrbeit nid)t
^u entfd)äbigen oermag. (Sben fo menig üermag be§ 2lutor§
SBeifung üerföfjnenb gu ftimmen, ber sufofge ba§> SBert aud)
üU Oratorium gebraust merben lönne, benn aud) im Soncert=
©aal mirb ein gebitbeter §örerf'reiö an richtiger Sluffaffung
unb SBerjanbtung be§ ®ird)ente£te§ fe[tt)atten mollen. £)eä
2lutor3 SBorte in feiner Subfcription§=(£inlabung, roetdje biefe§
Söerl fein gelungenfteä, oollenbetfteä nennen, bürfen un3
bei beffen 25eurtf)eitung nid)t beirren, üietmerjr barf man barin
einen offenen 2öiberfprnd) mit fetner Sefbfttrittt' erfennen, bie
er in bem eben citirten ©a£e an Qdtcx UDer f«n 3Ber!
augfpridjt.
Um biefen bei jebeSmaligcr 2luffüt)rung ber Missa neu
ertoedten 'Streit ju befeitigen, märe rattjfam, nad) Sinologie
bei bramatifdjen SBerf'en ber größten (Somponiften, felbft bei
^aenbel'3 Oratorien, bie mit ©runb anftöfjige bramatifdje
©pifobe au§ bem Dona 51t ftreidjen unb fomit bem ©an^en
$u nützen. $ällt e3 aud) nidjt teicfjt in biefem breiten, unb
bennod) gettjeüten Strome eine paffenbe gufjrt zum liebergang
anfäufinben, fo täfjt fiel) bie3 mit aufgeben einiger fdjönen
'Stellen bod) beroerlfteÜigen: menn man nad) bem 2ten Stade
auf ^5ag. 252 ber Partitur $u bem erften Stact auf $ßag. 289
übergebt, mo ber ootle ßf)or unb bau Drdjeftcr im fjerrfdjenben
D dar eintreten unb ber Sa£ «$u (Snbe geführt mirb. $ür bie
eretuftoen S3eett)oüenianer ift biefer 9tatf) nict)t gegeben, meil fie
nid)t öon bem Srrtrjum be§ großen ßomponiften, atfo aud)
nid)t öon ber 9?ott)roenbtgtot ifjn ju befeitigen, 31t überzeugen finb.
— 412 —
2ßie e§ um bie Seurtrjeitung gerabe biefeö <3at$e3 nacf)
mehrmaligem Stnrjören 1824 bei allen llrtt)eit§fät)tgen in 28ien
ftanb, fjat ber 23erid)terftatter ber Mg. 9J?uf. 3*9- getreuüdj
au3gefprod)en: @r fagt: „S)er (Srjarafter be§ Agnus Dei (H moll)
ift 6ange ©djbermutfj unb tiefe Trauer; bie frembariige 5ln=
roenbung ber mer SBalbtjörner bringt r)ier eine gang eigentrjümüd)e
Sßirfung fjeruor. Sftit bem Dona fällt ein gemütt)üd)e§ Allegretto,
D dur 6/8, ein, roe(d)e3 mit fd)önen üftacfjarjmungen fortgefoonnen
mirb, bi§ plöttfid) ber <2at3 fid) nad) B dur roenbet, bie ^au!e,
gleid) einem fernen Bonner, auf ber Dominante §u roirbeln
anfängt, ber 3o(o=2Ut, ofyne binbenben 9t£)tjtt)mu3, recitatioartig
uod)mats>: Agnus Dei, qui tollis peccata mundi, intonirt,
roe(d)en 5tu<§ruf bie trompeten mit einer leifen antrabe in B
beantworten, bi£ enb(id) ber tiolle (Stjor in ba3 furchtbar gräfelidje:
Miserere nobis loSbricfjt. 2$a§ ber Sonfetjer mit biefer $ßi)rafe
eigentlich beabfidjtigt fyabe, möchte fcrjroer gu entziffern fenn!*)
^hm fo roenig burfte ein 5ureid)enber ©runb aufgefunben
roerbcn, roogu ber föäter fotgenbe Snftrumentatfa|, ein fugirteä
^refto im 2/4, roorjl t)ier eingefdjattet roirb, bei roeldjetn alle
©ingftimmen fdjtueigen, unb erft mit ber 9?ecapitu(ation be§
Dona, at§ ©d)(uBftein be§ (Sangen, mieber in Söirffamfeit
treten. Me§ etroaö gebrängter unb roeniger gerftürft, ift
ein frommer 2öunfd>" XXVI, 439. 2"J8)
(Sin anberer nidjt minber errjeblidjer (Streitpunct betrifft
bie SBetjanbtung ber ©ingftimmen, foroot)! in 23egug auf
übermäßige HuSbefjnung it)re§ natürlidjen 23ereid)e3, roie aud)
*) S5em Slubitortiim war bie Ueberfcövift beim Dona: „93itte um
inneren unb äufeeren ^rieben" unbefannt geblieben, nue ©leidieS bei 91ufs
fübrungen aller Dtten ber gaü ift.
228) Hierbei muß an die glänzende Darstellung von H. Deiters
erinnert werden, die er in Thayer- Beethoven gerade von diesen Teilen
der Missa solemnis dargeboten hat (Thayer, IV. Band, S. 349 ff.). Auch
an die Monographie über die Missa von Heimsoeth, Bonn, sei hiermit
dankbar erinnert. A. d. H.
— 413 —
auf bereit tunftgemäjje Sßermenbung. Sterin liegt moljl ber
£>auptgrunb, warum baä SSerf ber Sftufifmett nic£)t bie ermünfcljten
93ortl)eite bringen fann, ba ju beffen 2Iu3fül)rung Strafte er-
forbert roerben, bie ungeadjtet türfjtiger 5tu3bi(bung im 6tjcn>
©efang nur an roenig Orten auf^ufinben finb. SDarum i[t c§
nacfj brei&igjätjrigem 5Seftet)en in mehreren großen ©täbten noctj
immer ein grembling geblieben, 3)en Urfadjen biefer auffaflenben
Stjatfadje nacl^ufpüren ift morjt eine<§ furzen 5Sermeiten3 roertfj.
2)ie ber Missa oorau3gegangenen ©efang=ßompofitionen be5eugen
alle, bafj unferm Weifter ber richtige ©ebraud) ber ©timme
beftenS befannt mar. Sie üerfdjiebenen über ©efang ijanbelnben
SBerfe in feiner §anb=53ibüot^ef trugen alle Stferrmale an fid),
bie feine fleißige 23efd)äftigung bamit öerrietrjen. 9tuct) rjatte
fiel) bie ßritif über bie 33ef)anblung ber (Stimmen meift nur
lobenb auSgefprodjen. (££ fet) geftattet au£ ber Beurteilung
über ba% ber Missa menige Safjre üorawSgegangene ©efangmerf :
„$ln bie entfernte ©eliebte", — gefcfjrieben 1816 unb erfcrjienen
1817 — nur bie Scrjtujjftelle §u citiren: . . . „Unb foll nur
nod) erinnert ferjn, hak ber SCReifter rjier überall öollfommen
bargetljan tjat, er oermöge, menn er moHe, nicfjt nur, mie irgenb
(Siner, für ben ©efang $u fdjreiben, — moran ot)nel)in morjt
SRiemanb sroeifeln mirb — fonbern aud) für'S ©in gen: 2)enn
fliefcenber unb aud) ben Organen gemäßer fann man, faum
einige ©teilen abgeregnet, gar nidjt fcfjreiben." 91Hg. SCtfuf.
3tg. XIX, 73.
SBenn aber bie ©rünbe 51t fo unfanglidjer Setjanbtung
ber ©timmen in ber Missa nid)t in Unlenntnifj ber Regeln,
aud) nid)t ber Organe 311 fudjen finb, mo benn? 9Kan £)at fte
in ber ^ur $eit ber nod) nid)t gefdjroädjten SReceptibitität feinet
Of)re§ rool)t um einen fealbton tiefer (gegen je^t) geftanbenen
Drd)efter=©timmung finben mollen, bie fidj bem ganjen 2Befen
be§ SReifterS feft eingeprägt fyabe. 9J?an bebenfe aber bie
mancherlei Vorfälle bei ben groben 1824, gur 3e^ ™° 0*e
SBiener (Stimmung unbe^meifelt nod) um feinen SBiertelton t)öt)er
— 414 —
geftanben gegen 20 Seigre jurücf, unb bod) bie gegrünbeten
klagen fdjon bamaiZr) Unb motten mir un§ aud) bie Dtdjefiet*
Stimmung um einen föatbton tiefer benfen, als fie bermat ftefjt,
merben mir mot)l fetbft in fotetjem gälte für feict)t ausführbar
galten, ma§ ben ©ingftimmen im ßrebo gugemutfjet ift? 2öie
läfjt fid) in biefem Satje, ungeachtet unerhörter Scrjmierigfeiten
in §infid)t auf £ont)öt)e unb güfjnmg ber Stimmen, o6enbrein
nod) bie Unjafyt Sforzato=©crj(äge in ben ©ing- unb gugteiefi
in faft aüen Crrijefter=®timmen erfrören, meiere öon Stn=
forberungen geigen, bie im fcfjreienbften 2öiberfpruct)e mit ben
Regeln ber ©efangfunft fielen, üom (£t)or auszuführen fd)led)ter=
bingS unmögüd)? gerner nod) ba% fo tjäuftge fprungroeife
3?ortfdjretten ber Snteroatle in atfen (Stimmen, mie fofl biec>
.^inbernife 31t teidjter Stusfütjrung bei einem gefangSfunbigen
(Jomponiften ju erfrören fevjn ? £)ie unbebingten S3eret)rev
23eett)Oüen'£> motten über biefe Uebetftänbe fjinmegfeljen, meif
mehrere in ber gufammentuirfung menig ober faum bemerfbar
merben, berüdficfjtigen aber nid)t bie fd)ümmen folgen ber über=
mäßigen 9(nftrengung ber Organe bei gegenmärtiger enormer
§öf)e ber Drcfjefter.
2)iefe factifcfjen Uebetftänbe unparteilich in (Srmägung ge=
^ogen, mirb ber SSeurttjeiter nidjt gu ftrenge fetin, für beren
Duelle einjig unb allein bie Söiüfür anpnetjmen.229) S5et
fpäteren ^ßrobueten bes SO^eifterö aber mirb fotdje 51nnat)me
faum ausreichen. 2)ort liegen bie ©rünbe auf anbern Seiten
nod). SDcit bem fronten @et)ör (mie man faft atlfeitig annimmt)
tjaben fie nidjtS 5U fcfjaffen, benn ber 9fteifter brauchte ba?
*) %m brüten Safirgang (1855) ber 9?teberrt)eintfcf)en 50?unf=3e^ung,
9?ro. 8 unb 9, bat ber 35erfa)fer baZ ©efcrjicfjtlicrie über bie im Sabje 1816
begonnenen unb balb barauf foitgefctjten Ueberfcfjreitungen ber bis babra
iu 28ien be[tanbenen £)rd)efter=(5timnuing mitgeteilt.
229) Man hat nachgerade gelernt, hierfür nimmermehr Willkür
des Tondichters anzusehen, sondern ganz allein die Macht der künst-
lerischen Idee, der sich jetzt gern alles beugt. A. d. H.
— 415 —
üftiebergefdjriebene fo raenig mit bem äußern Dljr 51t prüfen,
ttrie irgenbeiner ben eben gefdiriebenen ©rief fid) laut üor^utefen.
©er ©Ott, ber in bem Äünftler fdjöpferifdj mattete, chatte üjn
in feiner fpäteren 3e^r sumeiten bertaffen, unb ber 9J?enfdj, mit
mancherlei ©djroädjen unb ©ebredjen behaftet, blieb gurüd. 2öie
t)ätte nicüjt biefen ba$ 9ttenfd)lid)e in mannigfacher SSeife be=
rühren fallen? dagegen bie klugen ^u öerfcfyHefjen, fann nur
§u gefäfyrlidjen ber ftunft unmittelbar 9?ad)tf)eit bringenben
^rrtpmern führen.
9?od) aber mufc bie 9^eit)e ber ?lnmerfungen über biefe$
Opus summum viri summi eine ^ortfeljung ertjatten.
3n ber üom 3tutor bem Verleger überfd)idten 9?einfd)rift
non ber ^artitur mar bie Eingabe beö Sempo beim Benedictus
öergeffen morben. ©er 9tteifter beeilte fid), felbeS brieflid) nacfj*
gufenben, al3 e§ bereits $u fpät unb ba§ SSerf im ©rüde gu
roeit t>orgefd)ritten mar. Slber aud) bie $ertag§r)anbtung bjat
itjrerfeitä üergeffen, biefe Sinnige nact)träglic£) ju öeröffentlidjen.
Wafy fo mandjen, ben (praeter biefcä Sat>e§ uoüftänbig öer*
nicfcjtenben Srrtt)ümern bei ftattgeljabten 21uffüf)rungen, med bie
Dirigenten ba§ bem üorauggerjenbeu ^raelubium beigefetjte
Tempo sostenuto aud) bem Benedictus jugeljörig tiermeinten,
fjaben mir erft 1853 nad) ©tnftcfjt ber SBeetfjoüen'fdjen Briefe
an ben Verleger burcl) Dtto 3at)n erfahren, bafj ber SOteifter
baö £empo bei biefem ©atie mit Andante molto cantabile
e non troppo mosso be^eidjnet Ijat. ©er SSerfaffer fäumte
nid)t, biefe irjtn mitgeteilte ©ntbedung alöbalb burcl) bie 9lieber=
rfjeinifctje 9Jiufi!=3e^unÖ 5ur Senntntfe gu bringen unb fott
biefelbe aud) in biefer <2d)rift ?ßla§ finben.
©ei (Gelegenheit ber SSerfammlung beutfd)er Sftaturforfdjer
unb Sterbe im September 1857 gu SSonn marb ©eitenS bei-
gabt eine muficatifetje gefttidjfeit unter bem Sitel: „Seetrjoüen*
(Soncert" üeranftattet, mobei aud) bie Sfä|e Kyrie, Sanctus unb
Benedictus au3 ber Missa gur Stuffütjrung famen.
3n bem Iritifcljen Seridjte barüber fteHte ber SHebacteur
— 416 —
ber SNteberrfjeinifdjen 3ftuft!*8eitmtg, Submig 93if c^of f , bie
$rage: „§at Söeetljoüen bie groei ©ätje Pleni sunt coeli unb
Osanna mirftidj für üier ©oloftimmen bei fo furchtbarem
Drdjefter=£ärm getrieben? 2Bir meinen irgenbmo gelefen §u
Jjabeit, bafc er fte für (Sljor beftimmt Ijabe. $8iel(eid)t fann
31. ©djinbter 2lu§funft geben, ber hiermit barum freunblid)ft
erfudjt mirb. 2öir unferi3tt)ei(§ mürben e£ un3 nict)t al§ 93er=
bredjeu anrechnen, biefe ©ä£e üom Gljor fingen ju (äffen."
(9cro. 39.)
SDie 9h". 41 berfelben 2ftufif=3eitun9 bradjte meine Q3e=
antmortung, bie in ber §auptfad)e alfo tautet:
„®ie 2lu§ftmft, bie id) über biefe ©ät$e gu geben üermag,
befdjränft fid) — üom trabitioneflen ©tanbüuncte befet)en —
auf ein fefyr Steines .... 2Ba§ bei ber Sorrectur ber für bie
©ubfcribenten abgefd)riebenen Partituren gnnfdjen 93eettmüen unb
mir, biefe ©äße betreffend üorgefommen, ift golgenbeS: id)
madjte bie Sleufjerung, mie e3 mir fd)iene, bajj biefe beiben ©ä£e
oom üotlen (Sljor gefungen größere Sföirlung erzeugen mürben,
aU üon üier ©oloftimmen. 3d) ftü^te mid) nod) auf bie geringe
Öefdjäftigung beö 6t)or§ im Sanctus unb Benedictus, unb be-
bauerte, bafj biefer anbei bloS ßu^rer felut foHe. Sßeetfjoüen
reülicirte meit unb breit. S)a§ gacit lautete: „(£3 muffen
©oloftimmen feü,u."
93eett)oüen, biefer oftmals emüfyatifdje Sobrebner früherer
3eiten befonber3 in muficatifdjen Singen, liebte eö, an bie
©efang£gröf$en feiner 3eit äu benfett. 2Benn er beim 9cieber=
fcfyreiben biefer beiben ©ä£e — ja bei ber Missa überhaupt —
eine Xomeoni, eine 23ud)miefer, ober gar eine SDcitber (feine
Seonore in gibelio nod) 1814), eine ßamüi, Slnna SBranitjfti,
unb nod) anbere üon gleicher Qualität, im ©inne gehabt, fo
rechtfertigt bie§ feine Intention — 2lusbrud t)öctjfter 53e-
geifterung — faü3 er ben ©äugern ein fleineä Drdjefter
gegen überfteöt, mie e§ in ber ftirdje aHentljalben beftefjt. S)a
jeboct; unfere ISpodje berlei ©röfjen faum met)r aufeutoeifen t)at
— 417 —
unb iüatjrljaft fürdjtertidje Drd)efier=9ft äffen einer fd) machen
©timme im @oncert=©aat gegenüber fielen, fo forbert fotd)e§
9tfif5üerf)ältniB toot)! 23erüdftd)tigung. ©djon ein Heiner &f)or
bürfte erliegen, ha jebe ber üier «Stimmen üon einigen 3n=
ftrumenten int $orte unb gortiffimo begleitet, ja, in ber X&at
mit fortgeriffen mirb. DieS roirb al3 ein innerer SSiberfprud)
gelten bürfen. ©inen äufeeren finbe iclj in ber £empo=33eäeid)=
nung Beim Pleni. ©in leicht befdjroingter 9ftjt)tljmu3 ftefyt in
ben Koloraturen aller Stimmen oor Slugen, unb babei Reifet
e3: „Allegro pesante." ©in 23leigeraid)t an ben ©Urningen.
2Ba§ fotl biefeS im SSer^eidjniffe ber üblichen 2empo=23enennungen
faum gekannte Sßort pesante (fdjroerfällig, audj gewichtig) fyier
am Ort? Äein SBunber, menn bie Dirigenten baburd) irre*
geleitet bie SluSfüljrung ber uier ©oloftimmen nod) erfdnueren.
©in gemäßigtes Megro, nad) SSerftänbnife ber ßlaffifeu, nrirb
unter allen Umftänben bie richtige Bewegung biefe3 ©at$e§ be=
5eid)nen.
Sollte biefem rtefigcn SSerfe einften§ ein beutfdjer £e;rt
unterlegt werben, wie ber Missa in C roiberfarjren, fo wirb ber
allenfalls funbige Bearbeiter bie barin erfcfjeinenben Srrtrjümer
mit £eid)tigfett befeitigen. Dann wirb aucfj bem im Dona ent=
tjalienen ©infonie=©at3e (Partitur, ©. 276) bie entfpredjenbe
Begrünbung feines DafetinS 51t jtrjeit Werben, weldje irjm in einem
$ird)enmerfe, wie foIcfjeS bie Missa §u aHernäd)ft bod) ferjn
will, offenbar mangelt."
Sftögen barjer alte Sebenfen fallen unb bie ©äj3e Pleni
unb Osanna — wenigftenS im ©oncert=©aaI — allzeit öom
Ooöen ßtwr aufgeführt Werben. Die SSBirtung, gewiß im ©eifte
beS (fangen, wirb eine aujjerorbentlicrje fet)n.230)
Ruberer im Saufe ber Sahre an ben Berfaffer gekommenen
5lufforberungen um 3luftlärung trjeitS über ba3 gan^e 2ßerr",
23Ü) Bei Beethovens entschiedenem Willen, es hier bei Solo-
stimmen bewenden zulassen, dürfte es docb höchst gewagt und un-
künstlerisch erscheinen, Chorstimmen eintreten zu lassen. A. d. H.
31. ©djinblcrS Seetfjo»en=ä3iogra})f)ic. 27
— 418 —
t^eilä über (Sin^elneS barauS, nocfj $u erroätjnen, märe ^u tr»eit=
läufig, nicfjt aber ofjne Sntereffe, meit faft in ollen unoerljefjlte
$urd)t au^gefprodien mar, ben Äampf mit bemfelben auf=
äunetjmen. ©ine ftatiftifdje Ueberficfjt jebod) ber feit bem
Sefte^en be§ 2öerfe3 in ber £)effentlid)feit (1827) big nun in
2)eutfd)lanb ftattgefjabten oottftänbigen Aufführungen
fott gegeben merben, med ftc fjiftorifdjeS Sntereffe bietet.
£>ie erfte Aufführung mar jene bei ber Snauguration3=
feier öon SeetljoOen'ä «StanbbUb 1845 51t Söonn unter ßeitung
oon Submig «Spoljr. Wt biefer Aufführung mar am
muficatifdjen üftieberrfjein, unb motjl aud) für fernere muftcaüfdje
Greife, bie bide Siörinbe gebrochen. 2>a3 SSerbienft nid)t b(o3
um bie ättögtidjfeit einer Aufführung, fonbern, mag nod) meit
mefyr, um eine in jeber SSegietjurtg vollen bete, gebürt in ber
.^auptfadje bem Röntgt. SKuftfbirector ^ranj SBeber in (Solu.
Wlit uncrmübtidjem ©ifer tjat berfetbe ade an ber geier tfjeil=
neljmenben ©efangOereine ber SRtjeinproöinä an djren refpectiöen
Drten monatelang vorbereitet, unb fo eine ©idjertjeit unb
©inigfeit erhielt, bie in ben Oielen ^aufenben ber ßutjörer au§
allen Staaten @uropa'§ gerechte SSemunberung erzeugen mufete.
SBotte §etjn Safjre fpäter erfolgte bie §meite ootlftänbige
2(uffüfjrung am sßalmjountag ben 1. April 1855 burd) bie
ßoncert=®efellfd)aft 511 (Söln unter Seitung Oon ^erbinanb
Ritter, üermittelft gufammenmirfen a^er muficatifdjen $er=
eine ber ©tabt — jum Söeften ber Ueberfdjmemmten am
üftieberrtjein.
Sm ©pätjafjr oon 1855 t)atte ber SDhtfifbirector Rüljl
£u granffurt am 9Ö?ain mit feinem faum in'3 Seben getretenen
©efangüerein gewagt, ba§ Sßerf mit ßujietjung be§ Xtjeater^
Drdjefterö äur Aufführung 5U bringen. £>ie Seiftung mar burcu,=
meg t)öd)ft lobenswert!). 3n ber Reihenfolge mar biefe Auf=
füfjrung bie britte.
Sm Sftonat SDMrg 1856 fanb bie üierte Aufführung burd)
ben ©tern'fc^en ©efangöerein in SSerlin ftatt, unb am
— 419 —
1. üßoüember beffetben Safjreä erfolgte bie fünfte im Dbeon
gu 9J?ünd)en burd) $ranj Sadjner.
3Biebert)oIte Aufführungen §u (Söln, granffurt am 9Jcain,
Berlin unb 9Jcünd)en folgten batb ber erften unb borttegenbe
Sericfjte fcrjitbem bie Sßürbigung beS SBerfeS bei ber fflltyx%afy.
ber 3ur)örer als eine entfdjiebene.
9^oct) aber ift eine öoüftänbige Aufführung gu öergeidwen,
welche am 4. Auguft 1857 im 2)om §u $reiburg in S3aben
bei (Gelegenheit ber <3äcutar=$eier ber bortigen Uniöerfität
ftattgefunben. ®iefe bef erliefet bie Reihenfolge a(§ fedjäte,
at§ Aufführung aber beim ^odjamte ift fie bie — erfte.
Aüe§ üftacrjforfcfjen in muftcalifdjen ßeitbtättern nadj weiteren
ootlftänbigen Aufführungen blieb erfolglos. ®te Reue 3eit=
fdjrift für äftuftf ermähnt im 11. 25anbe, ©. 36, einer Auf=
füfjrung 1830 ^u 2Bärm§borf bei Rumburg in SBörjmen, ob
aber OoUftänbig ober nur ttjeiltoeife, ift nicfjt gu entnehmen.
Srjeitmetfe ift ba$ SSer? 1838 im 2)om §u (Solu beim §od)=
amte jur Aufführung gefommen, unb jroar in ben «Sä^en
Kyrie, Gloria unb Credo; bie anbern ©ätje mürben ber erften
Missa in C entfernt. Aud) ^u S3re§tau unb öom (Säciüen=
herein §u granffurt am 9ftain mürben im Saufe ber Safjre
nur einselne £tjeite barauS gu ©erjör gebraut. 3Jät bem
Credo l)at e§ festerer ©efangöerein nidjt einmal üerfuc£j§Weife
nodj aufgenommen. Um ba§ %afyx 1840 rjatte eine Aufführung
bei einem SDfrufiffefte in ber Saufi| ftatt, aber e§ bleibt 5WeifeI=
fjaft ob oottftänbig ober gteid)faE§ nur in einzelnen ©ätjen.
Au§ bem mufifreidjen öftreicfjifdjen Äatferftaate ift bis jettf,
ungeadjtet 5 6t§ 6 beftetjenber (Sonferöatorien, Oon SSerfuctjen
mit bem SSerfe nid)t§ begannt, jenen in Sörjmen aufgenommen.
Au§ biefer ftatiftifcfjen Ueberfidjt ergibt ftdj bie geringe
(Summe ©ewinneä, welche bie Missa solemnis nad) metjr benn
breifjigjäf)rigem SBefteljen ber ®unftmett gebrad)t tjat. hoffen
mir, ba§ nad) abermat breifeig Satiren ba§> Refultat ein er*
freutid)ere3 feü,n werbe.
27*
— 420 —
3)iefe fritifrfjen Slnmerlungen, bie, menn aud) nidjt in bei
©egenmart, fo erft in fpäterer $eit oer Stufmerffamfcit mertl)
erad)tet Serben bürften, tjaben in 2(nfüt)rung ber an bie benf*
mürbigen £age bes 7. unb 23. 9flai 1824 ftct) fnüpfenben
Gegebenheiten einen Stillftanb bewirft. Beeilen mir un3 bereit
Reihenfolge mit bem testen Vorfalle ju fdjließen, ber in mein
Berfjältnif; $u bem Sfteifter nad) meljr benn ad)tjä(jrigem.
ununterbrochenen SSerferjr bie erfte empfinbtidje Störung ge=
bracht, aber aud) fonft nod) in bem fteinen Greife treuer fyreunbe
unb $tnt)änger eine grelle ©iffonang erzeugt r)at.
Beettjoüen glaubte, Umtauf, Scfjuppangigt) unb mir für
bie gehabten SJiütjen einigen 3)anf fd)u(big §u fetin. @r beftellte
bafjer menige 'Sage nad) ber ^meiten Sttabemie ein S!Jiat)l beim
„milben 9Jfamt" im Krater. ÜÄit einer Don büftern SSolten
umtjangenben Stirne erfdjten er in Begleitung feincä Steffen
unter uns, benahm ficf) fair, biffig unb frittlid) in alten feinen
SSorten. ©ine ©jptofion mar ju gemärtigen. Slaum tjatten
mir an ber £afel ^tat3 genommen, als er aud) fdjon bas @e=
fpräct) auf ben pecuntären Grfotg ber erften 3Iuffüt)rung im
Stjeater fenfte, ofjne Umfdjtueife rjerausfaljrenb, ba$ er tjierbei
Dorn 5lbminiftrator 2)uport in ©emeinfctjaft mit mir betrogen
morben feti. Umtauf unb Scrmppanäigfj bemühten fiel) it)m bie
Unmögticfjfeit irgenb eines Betrugs bamit §u beroeifen, bajj
jebes (Mbftüd buret) bie £>änbe ber betben Stt)eater*(5affirer
gegangen, bie Rapporte genau übereinftimmten, überbies nod)
fein Reffe gufotge Auftrags bes Gruben 5lpott)efers ben (Saffirern
gegen alle Sitte als ßontroleur §ur Seite bleiben mufjte.
Beett)oüen öerbtieb jeboef) bei feiner Befdjulbigung mit bem 3u=
fa|e, er fet) Oon bem ftattgefunbenen Betrug üon juüerläfftger
Seite benachrichtigt. Run mar e§ $eit, für biefe Slränfung fid)
®enugtt)uung gu geben. (Siltgft entfernte icfj mid) mit Umlauf,
Sdmppanäigr) aber, nadjbem er aud) einige Salden auf feine
umfangreiche ^Serfon ausgemalten, folgte batb nad). $m ©aftfyaufe
gum golbenen Saturn in ber Seopolbftabt fanben mir uns gu
— 421 —
ungestörter gortfe^ung be§ unterbrochenen yjlafyhZ jufammen.
35er furiofe 9)?eifter aber !onnte feinen 3orn an oen ÄcHncrn
unb Säumen austoben, §ur ©träfe nocfj btö opulente 9J?arjt mit
bem Steffen allein oerjetjren.231)
3n biefem Vorfalle mag ba§ ^ßertjalten 33eetboüen'3 gegen
feine greunbe refumirenb bargetegt feton, um e3 nie hrieber
berühren §u muffen, lieber bie erften ^unbgebungen im 55e=
ginne feiner ^meiten SebenSperiobe gibt $erbinanb 3vie§ 3cu9en::
fdjaft. Se mef)r ftct) aber äußere ©rängniffe unb innere 35er=
ftimmungen im Verlaufe ber britten ^ßeriobe gehäuft, befto
größere 9tücfftcrjt3lofigfeiten tjatten bie erprobteren $reunbe, fein
©rätjergog nictjt aufgenommen, mie oorau§ angeführt, üon ifcjm
gu befahren. Unb immer maren e§ ©fjrenfränfungen, bie feine
greunbe au§ feiner SRätje entfernt rjaben. Seidjtgtäubig, un=
erfahren, mifjtrauifcr), mie er mar, tjatten etenbe Sftenfdjen immer
teicrjteS @pie(, jeben au3 feinem Greife an^uf (^morgen; unb
foldje (Sreaturen maren außer feinen Srübern fortan um ifm
gefctjäftig. Sfynen öerbanfte er eine anferjnlicrje Summe bitterer
Erfahrungen. 2luf feinem legten tanfenlager legte er üor
Söreuning unb mir eine ©enerat=23eid)te über biefe begangenen
©ünben ab mit üftamrjaftmatfwng üerfctjiebener fpegieUer $ätte.
Oft bemirfte aber autf) bie 2trt unb SSeife feiner SBieberannärjerung,
231) Höchst bedauerlich bleibt es freilich, daß der arme Schindler,
der wahrhaft unsterbliche Verdienste um das endliche Zustandekommen
der welthistorischen Akademien im Mai 1824 besitzt, derartig schwere
Kränkungen von seinem angebeteten Meister erdulden mußte. Es
hatte sich in Beethoven gerade in dieser Zeit gar zu viel Stoff
gegen Schindler angesammelt, der einen Ausbruch der elementaren
Natur des Meisters gegen Schindlers im Vergleich mit Beethoven
inferiore Natur erwarten lassen mußte. Der Brief an Schindler: „Ich
beschuldige Sie nichts Schlechtem", B. S. Br. No. 1050 (V. Band), spricht
bereits von diesem Gewitter. Ein Trost bleibt es, daß auch diese
Trübungen bald vorüber gingen und dass das alte Einvernehmen zwischen
dem Meister und seinem getreuen Pylades herrschte und so bis ans
Ende Beethovens verblieb. A. d. H.
— 422 —
fo fjerätid) unb guüorfommenb, ben $et)ler offen eingefteljenö,
bafj man bie ^ränfung fogteid) oergeffen tjatte. 3n folget
2Beife näherte er ftrf) mir nneber natf) fetner 3uriic^^unft au^
Söaben im Scoüember biefe§ Safyreä, unb atle§ Sßorgefattene mar
gur ©tunbe im Settje berfenft. — 9Bo biet £id)t, ift audj biet
'Statten, unb @oetf)e'§ SSorte: „@3 ift gonj einerlei, borneljm
ober gering fetm, ba§> 9Dcenfdj)lict)e mufj man immer au§baben,"
finben in metjr al3 einer Schiebung iijre Slntoenbung aud) auf
23eett)oben.
SSor roeiterem $ortfd)reiten im Slufgeidjnen ber fjiftorifdjen
2)inge tootlen mir beigetjenb oon abermaligen 9xeifebrojecten
nacf) Sonbon fpredjen. ©erabe in ben Stagen ber oben er=
^äbüen SSirren mit ben Slfabemieen tarn Oon bem Sonboner
£onfünftler (Et)arteS Sfteate, ber in früheren Satjren fidj
längere $eit in SSien aufgehalten, bie (Sinlabung gu einer Sfieife
nad) (Snglanb. 2Itfogteid) tuarb ber (Sntfd)fuB gefaxt biefelbe
im nädjften ^erbft anäutreten unb ber SSerfaffer biefer ©cfjrift
follte ber Segleiter fetjn. 3)ie immer bienftfertige ^fjantafie
fyalf gur ©teile ben Sieifeblan entwerfen, bem jufolge aud)
«Stationen bei feinen alten greunben im §eimatt)(anbc, bei
SBegeler in (Sobtenä, bei QSater Dtie§ unb SDcuftfoerfeger ©imrod282)
in S5onn, bie fid) in langen 3ttJi[<i)enraumen n°tf) um tyn De'
fümmert Ratten, gehalten toerben füllten. Sebod) bie ben ?tfabe=
232) Es ist hier der Ort, Beethoven in seinem Verhalten zum
alten Simrock in Bonn kurz zu erörtern. Im dritten Bande seiner
Beethoven-Biographie auf S. 870 unter der Note 106 schreibt L. Nohl:
„Von den kürzlich wieder aufgefundenen Briefen an Simrock,
17 an der Zahl und von 1804 beginnend, ist mir trotz aller Bemühung
nichts zugänglich geworden. Der jetzige Besitzer Herr N. Simrock
in Berlin schreibt, daß allerdings dieselben ein sehr großes Interesse
erweckt haben, daß er sich aber nicht zu einer Veröffentlichung habe
entschließen können aus Gründen, die lediglich auf eine aus dem Lesen
jener Briefe sich möglicherweise bildende falsche Vorstellung über den
Charakter Beethovens Bezug haben; der große Einsame sei tot und
könne nicht antworten. Und darin seien ihm zwei ganz intime Freunde,
— 423 —
mieen unmittelbar gefotgten 'Singe Ratten bieje 9ietfeab[icrjten
alöbatb nergeffen gemacht. Sa brachten bie (etjten Xage biefe§
3arjre§ ein luieberrjotteg (Sintabung§fd)reiben de dato 20. Secember
öon bemfetben 6t)arte§ 9?eate, unb frvav in birectem auftrage
öon ber pf)in)armonifd)en ©efeUfdjaft in Sonbon. 2Tucfj biefe§
©djreiben liegt r>or. Sarin Ijeifjt e§ unter anbera: „Sie pf)i(=
rjarmonifcfje ©efeflfdjaft ift gefonnen, S^nen für S^ren S9efudtj
300 ©uineen §u geben, unb erroartet bagegen, i)a$ «Sie bie Sluf^
die Herren Joachim und Brahms, beigestimmt." „Es ist beachtens-
wert", so fährt Nohl fort, „was für eine Anschauung diese Herren von
der Aufgabe des Biographen, und vor allem von der Kunst und dem
Künstler selbst haben. Ich hoffe, mau wird von dieser Biographie
Beethovens erkennen, daß der , große Einsame' solche völlig unberufene
Schützer seiner Ehre und seines Ruhmes in keiner Weise braucht. " Daß der
Herausgeber von Schindlers Beethovenbiographie diese Anschauung teilt,
ist wohl jedem ohne weiteres deutlich, der seine Beethovenbriefe ge-
lesen hat, namentlich im IV. Bande, worin Briefe Simrocks und Brentanos
zur Genüge behandelt sind. A priori konnte ich dartun, daß auf Beet-
hoven auch in dieser Affäre kein Makel haftet; die Briefe an Simrock
werden nichts dem Meister Nachteiliges an den Tag bringen können.
Vgl. B. S. Br. No. 815 an F. Brentano, Erklärung S. 109 im IV. Bande,
No. 827 an Brentano, S. 122 (IV. Band), an denselben No. 829 (IV. Band),
S. 125. Vgl. auch an Brentano den Brief No. 835, Erklärungen S. 135
(IV. Band). Für diejenigen, die sich im Falle Beethoven-Simrock ein
sicheres Urteil bilden wollen, bleibt es unerläßlich, all diese genannten
Briefe au Simrock und Brentano zu prüfen. Ferner an Brentanos von
Beethoven und von Simrock selbst No. 880, S. 205—207 im IV. Bande.
Als wichtigstes Wort habe ich das an Peters in Leipzig von Seiten
des Meisters festnageln müssen, nämlich Brief No. 928 (IV. Band,
S. 288): „. . . sejn sie versichert ich habe sie moralisch oder vielmehr
Merkantilisch erkannt denn ich bin Mann in vollem Verstände,
ich brauche nicht Ehren hintzuzusetzen. Beethoven." — In den
Erklärungen ist weiteres über die Simrocksche Handlung von mir er-
klärt. Auch nach der jetzigen Publikation der betr. Briefe durch
Dr. Leop. Schmidt ist nichts davon zu tun und nichts hinzuzufügen.
Die Sache bleibt so, wie ich es a priori erklärt habe. Wäre ein
wirkliches Ärgernis dabei gewesen, dann würde Schindler irgend etwas
davon erwähnt haben. A. d. H.
— 424 —
fürjrung Styrer eigenen SSerfe leiten, rooöon 6ei jebem (Soncert
roenigftenS eines gemalt roerben trirb. Studj erroartet fie, bafj
©ie eine (Sinfonie unb ein (Soncert fdjreiben, roetcfje roärjrenb
SfyreS Aufenthalts bei unS aufgeführt roerben, bann aber als
%\)v (Sigentfjum 5U betrachten ftnb . . . ©ie !önnten eine Afabemie
geben, roobei ©ie roenigftenS 500 ^3f. gewinnen mürben; über*
fjauöt finb ferjr üiele 2Bege, üon Syrern Talent unb 9?uf)m
Üftutjen gu gietjen. SBenn ©ie bie Duartetten mitbringen, fo
gibt baS roieber 100 Sßf., fo bajs ©ie üerftcfjert feun fönnen,
eine grofje ©umtne ©elbeS mit ficf) 3U nehmen, unb idj fefje
feinen ©runb, marum ©ie nicfjt genug mit ficf) nehmen foflten,
um $f)r fünftigeS Seben roeit angenefjmer ju machen. — 3dj
rjoffe, ©ie roerben ofjne Verzug fd)reiben, unb fagen, baß ©ie
bie SBorfcfjtäge annehmen, ßugteicfj benutse icfj bie (Megenfjeit,
3f)nen 31t fagen, bajj icf) %fyv aufrichtiger $reunb bin, unb ba^
©ie ficf) öon Sielen umringt fetjen roerben, bie jebe (Megenrjeit
erfjafcfjen roerben, $f)nen if)re Acfjtung unb Verehrung gu be-
3eigen, bem großen Seetfjooen, beffen SRufjm jetjt fjöfjer als je
juöor in biefem Sanbe ftrarjlt." 233)
SKaS roar eS roorjl, roarum 23eetrjoüen biefe fo günftigen
Vorfcfjtäge, eben fo 5U befferer ©jiften^ als aucfj 5U erfjörjeterem
SRufjme, uneracfjtet eigenen Verlangens nacf) bem Sanbe ber
„©olbfücfjfe," nicfjt feftgefjalten unb ^ur Ausführung gebracht?
Ausartungen feines überaus geliebten Steffen unb Aboötiufof)neS,
fcfjon äiemlicf) laut geroorben, fie gaben ©runb gur Sefeitigung
aller Üieifeölane. ©ie mancherlei f)öcl)ft betrübten Vorgänge mit
biefem Jüngling roerben unS roeiterfjin auSfürjrlid) befcfjäftigen.
ÜJZun, nacfjbem bie ^lacfereien bei Aufführung ber Missa
unb ber 9. ©infonie überftanben unb bie unerfreulichen @r=
gebniffe anbei ad Acta gelegt roaren; — nun, nacfjbem ftdj
233) Aus diesem Einladungsschreiben durch Ch. Neates Ver-
mittlung ist das Wichtigste in B. S. Br. No. 1052 (V. Band) enthalten.
Man vergl. auch die mitgeteilte Tagebuchuotiz No. 1037 mit Er-
klärungen, V. Band, S. 68 und öfter. A. d. H.
— 425 —
SBeetrjoben roieber an bem Don ifjm beborjugten 2(ufentrjaftöorte
23aben befunben, brängt fidj natürtid)ertr>eife bie $rage auf,
roeldjeS bon ben langprojectirten Sßerfen, bie 10. ©infonie, ober
ba% Oratorium „£)er ©ieg be§ ®reuge§" für ben 9Jhififoerein,
fjat er bjotjl 3imädjft in Singriff genommen? 2)enn, mir rjörten
ii)n ja fctjon 1822 auf gfodjtifc'S Antrag, 3J?ufil au ©oetlje'3
gauft ju fcfjreiben, eruribern, bafe er borfjer 5tuei grofje ©infonien,
unb jebe anberS at§ feine übrigen, unb ein Oratorium bom
^patfe fjaben muffe. 2)ie eine biefer (Sinfonien t)atte er nun
bom §atfe: er mirb alfo morjt gu aflernädjft, fomofyt au§ innerem
orange mie audj um be§ fo oft gegebenen $erfpred)en§ mitten,
ficrj gu bem Oratorium roenben unb fomit aucfj bem £)id)ter
geregt roerben, bem er bei 3ured)t(egung be<§ StegteS für feine
5lbfid)ten fo biet ju fdjaffen gemacht? — 2>af$ biefe§ Oratorium
in ber SSeetfjoben'fdjen Sitcratur nidtjt ejiftirt, unb eben fo
menig getrieben roorben, mie eine §et)nte Sinfonie, ift Seber-
mann befannt. £>iefe negatibe ^atfadje für bofitib genommen,
fönnte ja ftiüfdjmeigenb barüber rjinmeggegangen merben. ®af$
bie§ in ber erften Bearbeitung biefer ©djrift ber galt, baran
ift mein freunbücfjer (Eenfor fd)utb. Dr. 93act) gab ©rünbe für
ben SBegfalt biefer giemlid) mrjfteriöfen ©inge an, bie mir felber
gur ,ßeit blaufible gefdjienen.
üftun aber madjen e3 bon SSien ausgegangene unb 93er=
breitung gefunbene 5tu3fagen: SeetEmben feb, ber „©efeflfdjaft
ber Sftufiffreunbe beS öfterreidjifctjen Slaiferftaateä" eine nam=
fjafte Summe ©elbe§ fdjutbig geblieben, — -;ur ^flicfjt, ber
betreff enben ©acrjc 31t ermähnen, mobei „beutfdje ®rünblidjfeit"
nicfjt gu !urj fommen foll.234) ©d)on marb ©eite 374 bemerk
bafj biefer gragebunct brotocollarifcfj bergeidjnet fteljt, unb gmar
im Journal ber gebauten ©efeüfcfjaft. bereit Sßorftanb fjatte
nad) ben beiben ftattgefunbenen ?lfabemien feine &\t berftreidjen
234) Das umfangreiche Schreiben Beethovens an die Direktion
der Gesellschaft der Musikfreunde in Wien nebst eingehenden Er-
klärungen steht B. S. Br. No. 982, V. Band. A. d. H.
— 426 —
unb auf oerfdjiebenen Söegen bem SReifter fein oft gegebene*
SBerfpredjen 31t ©emütt) führen faffen, nun 51t atternädjft bie
Aufarbeitung be§ Oratoriums oornefjmen ju moflen. 2)iefe
©oßiciationen Ratten fdjriftlidje (Srmiberungen §ur gotge, roelcrje
in getreuen Slbfdjrtften üortiegen. 9ftöge e§ gelingen, burd)
Söiitttjeitung be§ betreffenben ^rotocoÖS'StuSjugeg biefe An-
gelegenfyeit fo 51t erörtern, mie e§ 5ur Rechtfertigung ber baran
beseitigten gemünfdjt derben mujj.
„^luSgug au§ bem ^rotocott ber ®efeüfd)aft ber 9Jcufü=
freunbe be§ öfterreidjifdjen ®aiferftaate§ gu SBien:
über bie ^Beftettung ber (Sompofition eine<§ Oratorium^
bei §rn. 2. tian Seetljooen.
1. „Sub No. 112 b. 3. 1815 mirb £err oon ßmegfaü er-
juct)t — 23eett)oOen 5U Oermögen — biefen SSunfd) ber
©efettfc^aft gu erfüllen, üftad) längerer Sßaufe antwortet
33eett)ooen bem gmeäfall briefüd): ba^ er bereit fei) biefem
efyrenüotten Auftrag nacfjäufommen unb fragt an: ob bie
©efeüfctjaft ifjm ein Honorar Oon 400 ©tücf 3)ucaten in
©olb bewillige.
2. „§ierauf mürbe im Saf)re 1818 sub ^rotocollnummer 191
§err Tineen 5 £mufd)fa bon ber ©efellfdjaft beauftragt
mit Seerfjooen gu untertjanbeln: bafj berfetbe ein Oratorium
f)eroifd)er Gattung für ben auSfctjliefclicfjen ©ebraud)
ber ©efeüfdjaft auf ein 3af)r, üom Sage ber erften Auf-
führung an gerechnet, gegen Se^atjlung oon 200 ©ucaten
in ©otb fdjreibe.
3. „55eetf)oben antmortete hierauf burd) ein eigent)änbige6
(Schreiben au§ 9#öbling 00m 15. Suni 1819 — protocotlirt
sub No. 254, ba$ er ^eräu t>öüig geneigt fei), unb be-
tätigte ^ugtetet) ben Empfang beS bemilligten SSorfd)uffe§
oon 400 ©utben Wiener SSäfjrung auf biefeä 51t compo-
nirenbe Oratorium.
4. „3m Satjre 1820, sub $rotoc. 9?o. 303, mürbe ber Sinter
— 427 —
33er narb*) burd) 3ufdjrif* ber ©efellfdjaft bom 21. ©ecemb.
1820 er[itd)t, fid) gu äußern: big mann er ben £ejt biefeS
Oratoriums für 23eetl)oüen abliefern lönne.
5. „darauf ermiberte SSemarb, ^ßrotoc. üfto. 384 öom Sal)re
1823, bajj er bereite öor gtuei Satiren bie erfte 2tbtf)eilung
biefeS StejteS nebft einem auäfüt)rlictjen (Sntmurf beS ©ankert
an 23eett)oben abgeliefert fjabe unb bafj biefer nun bie
©idjtung OoEftänbig befi^e. (22. Octob. 1823.)
6. „3m Satire 1825, ben 15. gebruar, ^rotoc. 9?o. 393,
rcirb §err §aufct)fa üon ber ©efeÜfctjaft beauftragt Jgrn.
23ernarb bie le^te $Kate beS Honorars für baS Oratorium
auszubeuten."
üftod) mögen ^mei Briefe üon 33eett)oüen in biefer %n-
gefegenljeit an ben Sttanbatar ber 9Jhifif=©efettfct)aft, §errn
SiedjnungSratt) Sßinc. ^aufdjfa, folgen.
a. „Sieber, mertt)er $reunb!**) Snbem id) SDir fdjreibe, bafj
id), fobatb idj in bie ©tabt gelangt bin, baS $Bernarb'fd)e
Oratorium fdjreiben merbe, bitte id) 2)ict) ebenfalls §errn
Sernarb baS Honorar erfolgen gu laffen. lieber baS
Söeitere, roaS mir brauchen unb nötljig tjaben, bereben mir
un§ in ber ©tabt, inbem id) 2)id) als grofjmädjtigften
Sntenbanten aller @ing= unb $r um m= Vereine, als t f.
©eneral^iolon^edo, als 1 f. Snfpicient aller t f. Sagben,
mie ©iaconuS meines gnäbigften §errn ot)ne ©omicil, ol)ne
SDad) unb ^atf), mie audj ol)ne Sßräbenbe (mie auct) id))
meines gnäbigften §errn treueften Wiener, münfd) id) @ud)
biefeS unb SeneS, morauS Stjr baS 23efte netjmen tonnt.***)
©amit lein Srrttjum ftattfinbet, melbe id) (Sud): bajj
mir baS 23ernarb'fd)e Oratorium ,,„£)er @ieg beS
*) 6. Sernarb ift aud) ber Siebter ju ©öof)r'3 „gauft."
**) ®a§ Original biefeS 93riefe§ Befanb fid) im Söefi^e Dort SUoüS
gvtdjS, beSglei^en ba§ be§ folgenben 93riefe§.
***) ©erfahrnen auf ben, fielen unb t)öct)ften §of6eamtcn fiet3 er«
gebenften SDiener, SStncenj öaufdjra.
— 428 —
5?reu§e§"M gang geroife in SCRuf i£ fetten unb batbigft
beenbigen merben, laut unferer Unterfd)rift unb
unferm Sieget.
Saben, ben 23. (September 1824.
2. öan Söeettjoben."235)
„SBefteä, erfteS Sßereinsmitgtieb, wie aud) ©ro^freuä be3
SSiolon — fctjetl — Drben§! $ein anbereS aiZ geift=
tidjeä ©ujet tjabc icfj, %§x rooltt aber ein f)eroifd)e£!
äfttr ift'3 aud) redjt — nur glaube, aud) Dom ©eiftlid)en
hinein $u mifcfjen, mürbe für fo eine 9J?affe gang am $ta£e
ferjn. — §err 33ernarb märe mir gang red)t, nur begatjtt
itjn aber aud); Oon mir rebe id) nid)t; — Sa 3t)r (Suct)
fctjon SJtufdfreunbe nennt, fo ift'3 natürttd), bafc Stjr
ÜD?and)e3 auf biefe sJ;ed)nung gebjen (äffen mottt! . . . 2Ba§
mid) angerjt, fo manble id) fjier mit einem (Stüd üftoten=
papier in Sergen — Klüften unb Jätern umtjer unb
fdjmiere Sftandjeä um be<§ 23robe§ unb Öetbe» mitten, benn
auf biefe §öt)e tjabe id) eä in biefem attgemattigen, fd)mät)=
ticken gaijafen=Sanbe gebradjt, bafj, um einige $eit für
ein grofjeg SÖSerf gu geminnen, id) immer üortjer fefjr tuet
furnieren mufj, um be§ ©elbeä mitten, bajj id) e§ au§=
fjatte bei einem großen Söerfe.*) UebrigenS ift meine ©e=
funbtjeit feljr gebeffert, unb menn e§ Site t)at, fo fann idj
eud) fdjon bienen.
Sn (Site Sein greunb S3eetf)oüen."23c)
*) S3eei&ot>en bürfte mit bem SBorte „fcömieren" bte (Sompofition bet
<5ed)3 öartirten Sternen, Op. 105, ferner ber 3efin normten Sternen,
Op. 107, »ieUetcfct aud} nod) bev fdjottiftfjen Sieber, Op. 108, bereit (£nt*
ftetjung in biefe geil fäflt, be^eictjnet fiaben rooüen.
235) Vervollständigt ist dieser Brief in B. S. Br. No. 1030 (V. Band)
zn finden. A. d. H.
236) Dieses derb humoristische Schreiben steht ebenso vollständig,
als auch genau nach dem Manuskript mit allen Notenbeispielen, die bei
Schindler gänzlich fehlen, in B. S. Br. No. 738 (III. Band). A. d. H.
— 429 —
©iefer SSrief trägt fein Saturn, fdjeint jebod) urt6e§tt>eifett
in baZ Safjr 1818 gu fallen unb bie ©rwiberung auf $. §aufd)fa'£
Eintrag gu feDn: für ben 9)?uftfoerein ein fyeroifdjeS Oratorium
gu fdjreiben. SDaS „SBanbetn in Sergen, Sltüften unb Sjjäfern"
geigt gang befonberS auf biefeS 3at)r t)in (beffen mancherlei
Vorgänge unS bereits belannt) wo ber SDfeifter bie Sommergeit
in Sftöbling Deriebt f)at. 2lbbe ©table r'S fjeroifdjeS Oratorium
wS)ie ^Befreiung Don Sierufatem", frirg guDor burd) ben SJfctfif»
Derein mit außerorbentlidjem Sßeifall lr>tebert)olt gur Sluffütjruug
gebracht, bürfte im Sdiooße ber ©efcßfdjaft ben SBunfd) nad)
einem gteidjen auö Seetfyooen'S geber angefadjt tjaben. —
SlngügtidjeS Sntereffe für unS fjaben aber im Dorfteljenben
Briefe bie ben üfteifter betreffenben Sleußerungen, Weil fte feine
mißlichen ginangoertjältniffe giemlid) flar buccfjbliden taffen.
Sluf ben 9tuSfafl gegen Defterreict) barf nid)t3 gegeben werben.
»Seine über biefeS „gaijafen=£anb" fo oft geäußerten Etagen,
in birecter 33egiet)ung auf feine Subfiftengmittet, waren grunb=
loS. Seweife bafür finb nid)t wenige ba. (Sin neuer liegt
in bem antrage beS SDJufiföereinä oor. $wei fyunbert
2)ucaten Honorar üon biefer ©efellfctjaft, brei fjunbert
S)ucaten (für ein großes Oratorium) oon ber 9J?ufitt)anbtung
Steiner unb ßomp. — aber aud) Don jeber anbern — trt
$luSfid)t, biefe fünffjunbert £)ucaten konnte ber SOZeifter nact)
Verlauf eineS SafjreS in feiner ©d)atulle fetjen. gerner bie
bereite 1818 projectirte SReife nad) Sonbon; ber Antrag 1823
für ben Äaifer eine 9J?effe nebft einigen Heineren ®ird)enwerfen
gu f ct)retben ; bie gleichzeitigen Einträge auS SBien unb Berlin
gur (Sompofition einer Oper; bie gur felben 3e^ beabfid)tigte
Verausgabe feiner fämmtlid)en SBerfe gewiß unter feljr oortf)eit=
haften Sebingungen; ber Eintrag ©iabefli'S 1824 — ber in
feiner §anbfd)rift üorliegt — gur (Sompofition einer Diertjänbigen
@onate mit bem Singebote Don adjtgig Sucaten, ber an^
genommen Würbe, enblid) bie glängenbe Offerte im felben Satire
feitenS ber pljiltjarmontfc^en ©efeüfdjaft gu Sonbon, — baS
— 430 —
QÜe§ finb füredjenbe S3elt>eife, bafj unferm 3J?eifter nidjt menig
Sftittel unb SSege geboten maren, feine SebenSüerljältniffe um*
3ugeftaften unb ganj ficf;er gu üerbeffern, nid)t gu geben!en ber
iljm burd) biefe Einträge geworbenen ©elegenfyeit feinen eigenen
2Bünfd)en entgegen gu fommen: nur grofje SBerfe fdjreiben ju
fönnen, nid)t „furnieren" §u muffen, unb fomit ber fo inbrünftig
geliebten Äunft größere 2)ienfte ju leiften, al<§ er bie§ atöbalb
mit einer ^ettje öon 2öerfen für ftammer=9#ufif üollfütjrt f>at.237)
2)iefer @tanb ber S)inge bei unferm £onbid)ter forbert
tt>ol)l auf, be§ SBortourfä 31t gebenfen, ber bem gefammten
beutfdjen Sßatertanb fo oft gemadjt morben, al§ (äffe e§
feine großen ÜJtänner barben ober gar oerfyungem,
nad) 23eetf)oüen'3 Sobc in alle SSelt f)inau§öofaunt, jüngft naef)
Sort§ing'3 unb (Sonrabin Äreutjer'S 9lbleben mieberum
in übertriebener Söeife mieberfjolt. ®ie böfen Saunen, ßaoricen
unb oft mit 93emuf$tfet)n begangenen $et)ler ber ®ünftfer, Siebter
unb (Mehrten gegen it)re materiellen Sntereffen merben öon
ben meift gebungenen ©freiem abfidjtlid) ignorirt unb bereu
mißlidje 9Sert)äftniffe etn§tg unb allein 3)eutfd)lanb als ©djulb
aufgebürbet. 2Bie in bem eingeführten in Sejug auf $eetl)oüen
mot)l jur ©üibeng gezeigt ift, bafj it)n allein bie ©djulb an
feinen bürftigen Sebenööerljältniffen trifft, in gleicher SBeife
öermödjte tdj bieg in Segug auf (ionrabin Äreut^er 511 geigen,
unb burd) Vorlegung tf)eil3 fetner eigenen 3u)"djriften an midj,
tfoeitS üon ber §anb feiner ©emaljlin (aber aud) be§ in feiner
9Mf)e öerföntid) Erlebten) bi§ gur (Söibeng gu bemeifen, baß
aud) feine böfen Saunen, oorgugSmeife fein §od)tnutf) unb
3ntriguen=$eift in ben klagen großen, unüerbienten ©lüde3,
— öon 1823 bi§ 1830 — meldjeä i^n fogar auf S3eetl)oöen
mit oftenfibfer ©eringfdjätjung Ijerabfef)en madjte, if)n in bie
trübfelige Sage öerfetste, in meldjer er, fern öon fjeimifdjer
237) Wenn Schindler die letzten großen Quatuors von op. 127
im Sinn hat, dann hat er diese sublimen Tonschöpfungen wohl gar zu
gering eingeschätzt. A. d. H.
— 431 —
Erbe, feine irbifdje Saufbarjn geenbigt §at. Er oerftanb es ber
©d)mieb feines ©tüdeS 5U fetjn, aber nidjt, firfj bort oben $u
ermatten.
©inlenfenb roieber in bie 93at)n muß junädjft auf $eet=
rjooen'S ferneres SSertjatten gegen bcn 2ßiener äftufitüerein,
beSgteicfjen gegen ben ®icr)ter SSernarb, feinen jahrelang bienft=
fertigen greunb, ein prüfenber S3tic! geworfen toerben. ©rfterem
Ijat er auf beffen fernere gufdjrift öoni Dctober 1824, barin
baS frühere Verlangen nad) einem rjeroifdjen Oratorium faden
gelaffen mar, feine Hntmort gegeben, überhaupt eS beim ©tili*
fcfjroeigen über ben fo oiet befprod)enen ©egenftanb beroenben
laffen; an ber £)id)tung Skrnarb'S aber motlte er oon nun an
md)tS merjr gut finben, baS (Sine tro§ feiner blieflidjen ßu=
fidjerung mit Unterfdjrift unb ©iegel, baS Stnbere tro| feiner
oietfadjen ^Betreuerung öoflfommner 3ufl^eoert^e^f ia» °^e ^er=
letjung beS bemärjrten greunbeS unb beffen Entfernung aus
feiner üftälje fd)ien irjtt menig 511 berühren. ®er Sßorftanb beS
SSereinS rjat feiner ©eitS biefe für irjn unbe^meifett üerbrießlicfje
Slngelegenrjeit gleichfalls auf ftdj berufen (äffen unb §ur 9?üd=
erftattung beS 1819 gemachten 23orfd)itffeS Don 400 (Stalten
niemals einen ©djritt geujan. — gür ben SBiograptjen, ber
biefen Vorgängen fo nalje geftanben, finb biefe Eröffnungen
1'eineSroegS angenehm, allein auS ©rünben ber SBat)rr)eit bürfen
fte nict)t Oert)eimiid)t merben. 2Sie biefetben protocollarifd) unb
briefüd) ber SSeurtljeilung oorliegen, fo gebührt bem 2Siener
SRufifoereine roegen feines offenen unb reblidjen 23enerjtnenS
nur Sob, SBeetrjoüen bagegen trifft gerechter ^abel,*88) unb mag
eS einigermaßen tröftenb ferjn beizufügen, baß im Verlaufe
feines gangen SebenS fein jmeiter ärjnlid)er Srjaracterjug aufeu*
238) Schindler ist hier sehr fix fertig mit der Verurteilung seines
Herrn und Meisters. So urteilte die Gesellschaft der Musikfreunde
nicht. Das Nötige darüber ist in den Erklärungen zum Briefe Beet-
hovens an die Gesellschaft der Musikfreunde vorgeführt worden in
No. 982 vom 23. Januar 1824, Band V, S. 6—7 namentlich. A. d. H.
— 432 —
ftnben ift. Sennod) ift fotdie Sßanbtung in ben bi^ßer in
©e^ie^ung auf äußern Sßerfetjr feftgemafjrten ©runbfätjen eine
pftid)o(ogifd) auffattenbe (Srfdjeinung unb oerbient Seadjiung.
SßetcfjeS maren roorjf aber bie ©rünbe, bie ben S0?ei[ter ju
fotdjer ?lbtueid)ung beftimmen fonnten? ^ofitiö laffen fid)
btefetben in sroei ^mieten jufammenfaffen, baöon einer in bem
Uebermafj Don Siebe 311 feinem Steffen, ber anbere aber in einem
Anträge §u duartett=6ompofitionen öon bem rufftfdjen dürften
Sftifolaus SBoriS ©atifcin gu fud)en ift; erfterer geigt fid)
Don nun an mel)r benn jemals beftimmenb auf Sfjun unb
Saffen bei unferm SJieifter. S^tcEjt unroaljrfdjeintid) finbet fid)
nod) ein britter ©runb in 33eetrjoDen'§ fünftterifdjer Snbioi=
buaütät, bie anbere als burd) mufteatiferje ©efe£e gebotene ©in-
fdjränfung nid)t feietjt ertragen fjat.239) Unb fotd)e ftanb bei
(Sompofition be§ Oratoriums in Au*ftd)t. Sie Diefen Sefdjroerben
©eiten§ ber Sänger unb ©efangSfunbigen ü6er bie Abnormitäten
in ber Missa unb 9. Sinfonie fonnten nidjt ofyne ©inbrud auf
it)n geblieben fet)n, loenn er g(eid)roorjl nichts baoon merfen
laffen. 33ei ber Snftrumentalmufif mar feine bid)terifd)e
SubjectiDität feiner anberen @infd)ränfung untermorfen, aU ber
Don ben fjarmonifdjen ©efeften auSgetjenben, unb biefe maren
längft mit feiner Snbioibualität (SinS gemorben. Sa rjinberten
ben Ausfluß feiner reidjen *pt)anrafte meber rjarte SBerfe, nodj
St)nta£, nod) unjäfjtidje anbere SRücffidjten. Sort allein befanb
fid) 23eetf)ODen in feinem ureigenen (Elemente, unb biefem geft=
galten an bem Angebornen öerbanfen mir feine tiefen, unt>er=
gänglicrjen Sichtungen.
Um jebod) ben d)rono(ogifdjen ®ang im Vortrage mögtidjft
einzuhalten, fotl bie Duartetten=Angetegenljeit erft im fotgenben
Abfdjnitte an bie 9}ei£)e fommen, ba fte einen mefentüc^en
239) Hier sieht man doch, daß auch in Schindler die bessere
Einsicht in bezug auf das Oratorium „Der Sieg des Kreuzes" auf-
leuchtet und warum es nicht zur Komposition dieser Auch-Dichtung
kommen konnte. A. d. H.
— 433 —
Beftanbtrjeit baüon au§mad)t. £)er gtütfc^en genanntem gürften
unb bem SSerfaffer 1852 unb 1853 besfaflS geführte ©treit,
an ttjeldjein bie Sefemett fo lebhaftes Sntereffe, jum größten
Streit aud) Sßartei für ben gürften genommen, beoor bie
SRepli! erfd)ieuen, folt pr Bermeibung t>on SBettfdjmetfigleit
im (Sontejte nur berührt, mof)t aber unter ben Ergänzungen
§u ftarer lleberficfjt vorgelegt merben, mie e§ Beettjooen'3 ©acrje
erforbert. Set) oerbanfe biefem ©treite bie Sftöglicfjreit, untnefent*
Iid)e ^unete nun berichtigen, aber gugteid) bie @enugtrjuung,
alleS «pauptfädjlidje, in ber erften Bearbeitung biefer ©crjrift
über biefe Slngelegenfjeit fcgefagte, aufrecht fjalten gu tonnen.
Sd) fcfjeue mid) nid)t tiorab baä ©eftänbnifj abzulegen, mie ber
nun abzurjanbetnbe 2(bfd)nitt nad) üerfdüebenen Beziehungen
f)in fid) at3 ber atterunangenefymfte für mid) geftaltet, barum
in ber erften Bearbeitung übergangen morben mar. Snbeffen
aud) hierbei mirb e§ jum ©ebot, Sfjatfadjen ju beteuerten, bie
meift bor meinen Stugen fid) ergeben unb meift in ©cripttS
borüegen. ®arau§ refuttirt eine faum glaubliche Ummanblung
in Hcarjmen unb ©runbfätsen bei unferm 9fteifter, bie ben
$ßfnd)ologen zur ©rgrünbitng be3 (SaufalneruS auf^uf orbern ge*
eignet märe. 3)a§ Snbioibuum tjattc fid) offenbar in gmei
mefenttid) tion einanber gefonberte §älften geiftigen 2eben§
Zerttjeüt, bie fid) jebod) in einem gemiffen ^ßunete mieber be=
rühren unb nad) Umftänben ergänzen. %lad) ber 9. ©infonie,
biefem aüert)öd)ften £riumpt)e ber Snftrumentatmufif
öielleidjt für ade 3eiten/ erfd)eint bie ©pontanäität be§
©cfjaffenS im ©djroinben begriffen, gernertjin mirb ber
SReflerjon ein grojge§ Terrain eingeräumt, ja biefe bet)errfd)t
in 2öarjrt)eit ben biStjer immer frei au£ bem ©eifte fyerau«^
bid)tenben $ünft(er faft gänztid). 9lnbererfeit§ tjatte bie Stritt)*
metif fief) in fo auffattenber SBeife be§ 50ceifter§ beinädjtigr,
ba$ ber 9?aum, ben fünft(erifd)e föeftejion freigetaffen, oon ber
mercantitiferjen ©pecutation auögefüttt morben. gür ein
SritteS mar faft nichts mefyr übrig geblieben, menn nid)t
81. ©djinMer§ 93eett}oöen=;8io8rapfiie. 28
— 434 —
ßeitungSlectüre unb Spolitif in 2lnfd)(ag gebracht roerben
foltten.
2)iefer in feinem ©runbroefen fettfame Söenbepunct ift im
Verlauf bes SarjreS 1824 üöHig in bie ©rfdjeinung getreten,
nadjbem ftd) in groei üorfjergegangenen Sauren fdjon manche
Vorbereitung ba^tt, audj in feinen fünftterifdjen ^robuctionen
(man fetje bcn smeiten ©at3 ber ©onate Op. 111) gezeigt
tjatte240). ©inen materiellen 23eroei§ bafür geben and) bie be=
.Offerten $enftertäben im ©cfjtofferfjaufe §u Sßaben, au^erbem
nod) üorbjanbene, in gleicher Söeife bezifferte Rapiere in grofe=
$otio. Sebe rjatbmegS geeignete gtädje roarb mit langen ^eitjen
uon ^afyten öebecft. üftur ein im Saljre 1826 eingetretenes
gamüienungtüd mar im ©tanbe, bem in ©peculatton ber=
funfenen SDfeifter im fategorifdjen Smperatiü „fealt ein!" $u=
gurufen. @r überhörte biefen guruf nidjt unb erljob ftd) mieber
gu ber angebotenen, feiner $üitftterbebeutung entfpredjenben ®e=
ftnnung in SSort unb £rjat; allein für älcandjeS fam biefeä
SBieberermadjen leiber 5U fpät.
240) Schindler beweist hiermit, daß er für den Transzendentalis-
nius in Beethovens Musik, wie ihn namentlich der zweite Satz der
C-moll-Sonate (op. 111) ausspricht, nicht das erforderliche Organ be-
sessen hat. — Bei solchen abfälligen Beurteilungen, die sich dem
letzten Stadium Beethovenscher Tonsprache gegenüber breit machen,
muß man wieder den genialen Bobert Schumann entgegenstellen,
wie man denn bei allen Beethovenfragen auf diesen Geniemann
zurückgehen muß, der das Tiefste und Wahrste in Beethoven erkannt
und ausgesprochen hat. Dieser Geist verkündet in seinen Schriften
über Musik (Zitat nach der eisten Ausgabe, I. Band, S. 34): „Es ist
albern zusagen: Beethoven begreife man in der letzten Periode nicht.
Warum? Ist's harmonisch so schwer? Ist's im Bau so wunderlich?
Sind die Gedanken zu kontrastierend? Nun, etwas muß es immer sein,
denn in der Musik ist überhaupt ein Unsinn gar nicht möglich. Der
Wahnsinnige selbst kann die harmonischen Gesetze nicht unter-
drücken." A. d. H.
— 435 —
IV.
$apitd ber äötbertyrüdje uttb ©egenfri^c.
2)er 3eitabfdjnitt ber mercantilifdjen ©pecutation, in roeldjem 1824
bie Sßoefie im ©ienfte SfterfurS geftanben, beginnt mit au3- unb
fdjKejjftc^er £mtfeteiftung be§ 53ruber§=„^[eubo" Sodann Dan 1825#
Veetfjoüen, be§ tieffinnigen nnb bielerfaljrenen SÜ^eifter^ in biefem
^unfaroeige, fct)on in ben erfien Neonaten be§ 8af)re§ 1824,
unb gmar inmitten ber Vorbereitungen gur Sluffüfyrung ber
Missa solemnis unb ber neunten ©infonie.
©egen f onftigen Vraud), ^ßtane jeber 5lrt im engeren greunbe£=
freife gur (Sprache gu bringen, tiertautete nunmehr fein 2$ort
über 31bfid)t ober Vorhaben; (Sorrefponben^en aber unb (Son=
oerfation^efte lagen mie immer gerftreut umfyer, beren @in=
fetjen für ben tägtid) Slnroefenben ein leid)te3 mar. S)a3 näcfjfte
3iel ber ©peculation mar: einen Verleger aufäuftnben, ber bie
Missa, bie 9. ©infonie, bie Duüerture in C dur, Op. 124, ein
©treidjquartett, ba$ er[t in ber Intention erjftirte, nebft einigen
SMeinigfeiten nodj, äufammen laufen moHe. S)e§t)atb roarb an
bie Vertag§t)anb{ungen S)iabeIIi in 3Sien, Sßrobft in Seip^ig,
©djott in SJJaing unb ©djtefinger in Verlin gefdjrieben; ob
audj noefj an anbere, blieb unbelannt.241) — 2)ie betreffenbe
©orrefponbeng öon ^Srobft liegt in brei SfJüdantmorten bor,
bereu erftc oom 22. SJcäxg 1824 batirt ift; jene oon ©djott
in fünf, (alle an ben §errn £)of=(Eapeflmeifter Veetfyooen
abreffirt) beren erfte Oom 24. Wläx^ 1824 batirt. Von ©djteftnger
§at ficf> nidjts öorgefunben.242) ®iabeüi fjatte ftet) bloi gunt
SInfaufe ber Missa bereit erflärt.
241) Cf. hierzu B. S. Br. No. 1019, 1020 und 1031 (V. Band); ad
Probst: No. 993, 1015, besonders No. 1023, 1043 und 1143 (V.Band).
Die Briefe an Schott in Mainz sind alle nach den Originalen abgedruckt.
A. d. H.
242) Ad Schlesinger cf. die Briefe No. 1096, 1108, 1115, 1194
(V. Band). A. d. H.
28*
— 436 —
$)er Seidiger Verleger erbittet ficf) bie Cuöertnre nebft
brei Siebern unb fedj§ ^Bagatellen, für bie Missa nnb (Sinfonie
banft er. 2lu§ feinem brüten Briefe r>om 16. Stuguft be§f.
3at)re3, afö ©rmiberung auf einen au§ 2öien öom 28. Sali
mag eine öofftrlid)e ©teile fjier Kaum finben, bie mörttid}
lautet: „(Sern f)ätte id) Sljre 9. (Sinfonie üerlegt, bod) rjoffe id)
mid) in ber $otge in Syrern Vertrauen unb $reunbfd)aft ftdjer
gu befeftigen. Seiber tjinbert ber überall unb befonberä in
Deftreid) ftattftnbenbe Dtodjbrud ben beutfdjen Verleger oft ein
Sßerl nad) SSürben §u rjonoriren, unb id) felje fd)on in SSien,
toie auf bie je|t eben Don 3f)nen gu begietjenben neuen 2Berte
bie 9taubfd)üt5en lauern, um mid) unter bem 8d)u^e ber
©efe^e §u beftefjlen; allein ba bürfte man gar md)t§ @ute§
tjerausgeben, um biefem 5U entgelten, unb, um bie SBett mit
(Sd)(ed)tem 5U bereichern, mürbe id) mat)rlict) lein 9#uftfDerleger."
3)iefe ©teile belehrt un§, haft ba§ greibeuterroefen unter
ben beutfdjen Verlegern im 2>at)re 1824 — §ur Scfjmact) für
alle Regierungen unb sunt 9tac^tt)eit für alle Tutoren — nod)
immer une gu Anfang be§ SafyrljunbertS in $8tütt)e geftanben.
Wa§ moljl nur einer erifttrt fjaben, ber fid) nicfjt (Singriffe in
ba§ (Sigentfjum eines (Sollegen erlaubt f)ätte?
Sie $erlag<§t)anb(ung Sdjott in SLtfaing erbittet fict) im
erften ^Briefe nur baö intentionirte Quartett, mofür 50
©ucaten fofort in SESien beöonirt merben follen bi§ jur %b-
lieferung be§ 9Jcanufcripts. 3>n betreff ber Missa unb ber
(Sinfonie madjt fie ben $orfd)lag, ba§ öertangte §onorar in
öier Terminen üon fedjö 5U fed)§ ÜWonaten gatjten §u motlen,
unb fät)rt fort: „Unter biefen SSertjättniffen magen mir ben
Sßerlag biefer fet)r großen unb fet)r mistigen 2öerfe, unb mürben
mit Stol^ ben Verlag berfelben mit aller nur möglidjen Scfjön*
t)eit au^ftatten unb $ur augenblidlidjen Sluffüfyrung in Stimmen
nebft Partitur ftec^en laffen." — Sn einem föäteren Briefe
öom 27. Slorit 1824 biefer $erlag§t)anblung tieft man: „2luf
unfere beiben ©riefe öom 24. Wäx^ unb 10. 5löril münfdjen
— 437 —
mir ferjnlidjft eine ^üdantmort;" barin mirb nod) ber SSunfdj
auSgefprocrjen, 23eett)ooen möge felber bie ^erminja^tungen be*
ftimmen.
(Sin $rief öon 93. ©ctjott'3 ©ölmen, de dato 2Mn5 ben
19. $uft 1824, befunbet ben Slbföfofe be§ ®efd)äfte§ in nad)=
fterjenben Söorten: „Sero öereljrte 3uftf)rift yom 3. °- 3U er*
mibern, motten mir nun nidjt länger Oerfäumen, ba mir mit
bortigem §anbet3l)au<§ §errn $rie<§ u. ©omü. bie @inrid)tung
getroffen, bafe biefelben bie 3a^ungen nac^) oen öon Sljuen
beftimmten Terminen auf unfere aufgehellten Sßecrjfet leiften,
meldje biefelben Stjnen aufteilen merben, mogegen ©ie bie @üte
fjaben motten, bie beiben üDcanufcripte, nämtid) bie grofje SOZeffe
unb bie neue grofee ©infonie, an ^perrn $rie§ u. (Somü. git
übergeben."
®ie gnrifdjen bem Äünftler unb biefer $ertag§f)anbtung
getroffene Uebereinfunft beftimmt für bie Missa 1000 ©ulben
in Gonü. Wl. (128 9?at>b'or.), für bie Sinfonie 600 ©utben
in Gono. 99?.
S)ie ben dürften ^kotauS SöoriS ©atitjin fd)on in
ber erften Ausgabe biefer ©crjrift betreffenbe ©teile, bafe er an
23eett)oüen bie ©umme öon 125 $)ucaten für bie sufotge feiner
3tufforberung für ir)n gefdjriebenen brei Quartette fdjutbig ge=
blieben, t)at biefen gürften eift im $af)re 1852 mit einer „au
§errn 23renbel, Dtebacteur ber 9?euen 3eüftf)rift fur 3Ku[if/
geridjteten ©rflärung" tjeroortreten gemacht, roeldje in %lx. 6,
üom 6. 5tuguft beffelben Saf)re3, abgebrudt erfdjien. Sebodj
fcrjon im Sarjre 1832 fjatte ©erjf rieb ©eite 12 ber (Stjaracter*
5üge unb Slnefboten in „25eett)ooen'3 ©tubien" auf biefen
„betrag öon 125 3)ucaten, roelcfje SBeetfjoöen für
gelieferte ßomüofitionen an einen au§tänbifct)en
gürftennodj §u forbern tjat" fiingemicfen. 2lu3 jener
„©rtlärung" erfuhren mir, bafj 93eett)Oüen ben $ßrei§ eineä
jeben Quartette auf 50 ©ucaten feftgeftellt unb $ürft (Mitün
ben $ßrei§ für baZ erfte berfelben nod) im Saljre 1822 ein*
— 438 —
gefanbt, refp. in bem SknfljjauS £>enidftein u. (Somp. angennefen
Ijat, um bei Ablieferung be§ 9ftanufcript§ erhoben merben gu
!önnen. Sn berfelben (Srftärung be§ dürften finbet firf) aucr)
nad)ftet)enber $affu§, ber in Ijofjem ©rabe ftutjen machen fann:
„©3 ttjut mir leib, Sfynen e§ jagen §u muffen, aber in meinem
35erfet)r mit S3eett)oöen tjabe id) bie ©eiri^r)eit baüon erlangt,
bafj feine Micateffe nidjt auf gleicher £)öf)e mit feinem ®enie
fianb." 248)
©er $ürft motiüirt fpäterfjtn biefen ehrenrührigen 5Tu§faß
gegen ben Sfteifter bamit, meit bie $ertag§fjanblung ©cfjott 31t
9J?ain§ ba§> erfte Duartett biet früher erhalten fyabt, a{% er
felber, „ber gang bei «Seite gefdjoben mürbe, mie er fidj au3=
brüdt, unb ba§ SBerE erft im Wäx-^ 1825 ermatten tjaben rottt."
@r fe|t nod) ^in^u: „58ei bem beften SGßiöen roirb man ein
fotd)e§ $erfat)ren nirf)t a(§ ben 2öpu§ eine§ beücaten 23enelj)men§
anfefjen tonnen." (9ceue 3eitfd)rift für SKufit 9?ro. 2, 1853.)
darauf ift einfad) $u ermibern, ba& ba§> fragliche Quartett
in Es dur, Op. 127, in ben erften 2öod)en beö 3at>re§ 1825
tioflenbet mar unb erft im Wlävö beffetben 3af)re3 jum erften
9JM üon ©cfjuppanäigf) öffent(id) üorgetragen morben. (35ergl.
Mg. SKuf. 3tg. 27. Safjrgang, (Seite 246.) (Srft nad) biefer
Sßrobuction ift ba$ 9Jcanufcript nad) SD^aing abgegangen. £>a=
burd) bertiert ber SSorrourf be§ dürften feinen 93oben.
3u fct)arfer (St)aratterifirung be3 mercantilifdjen $(bfdinitt§
mirb öorerft ein ©djritt in ba$ Satjr 1822 gurüd §u tljun
fetjn, um eüt>a3 in jebem 23etrad)te HbfonbertidjeS gu enthüllen,
baZ unbe^meifelt at§ $o(ge ber Stufforberung be§ dürften ©ati^in
gu Quartett; (Sompofttionen betrachtet merben tann unb ungtaub-
(id) fcfyeinen müfjte, läge ntctjt ber auttjentifdje $ett>ei§ öor.
tiefer beftetjt in bem SBorttaute eine§ in frangöfifdjer «Sprache
abgefaßten Briefes öon (Stjarteö 9ceate, de dato „Londres le
243) In Sachen des Fürsten v. Galitzin ist der Streit zwischen
Schindler und Galitzin zur Genüge in B. S. Br. No. 1094 (V. Band) er-
örtert worden, besonders S. 162 f. A. d. H.
— 439 —
2. Septembre 1822" an 33eetf}Oüen. @r bringt bie Hntroort
auf ein an it)n gefommene<§ 2(nfucf>en be§ SSJceifterg, bie 9ftanu=
fcripte öon brei neuen Quartetten in Sonbon gu berfaufen.*)
(£t). 9?eate roarb glauben gemacht, ba$ biefe 2Ber!e bereite fertig
boriiegen. ®a jeboct) im ©ommer Don 1822, nact) bem 3eu9=
niffe Don griebrid) 9Rocf)li|, bie 9lbfic&t laut auSgefbrocfjen mar,
groei neue Sinfonieen unb ein Oratorium gu fdjreiben, fo möchte
au3 bem ©dritte in Sonbon faft gu entnehmen fetyn, bafj biefe
brei Quartette ben genannten großen SSerfen Ratten borau§=
geben folten; benn bie $rüd)te auf bem gelbe §um $aufe an*
bieten, mo§u bej ©aamen erft nact) Verlauf bon §mei ober brei
Sahren in bie (Srbe geftreut roerben folT, erfcheint bocl) roorjt
gar §u roiberfinnig.
Sefehen mir un§ nun ben §aubtpttnct in bem 53riefe bon
üfteate. tiefer tautet: „. . . C'est une täche bien ingrate
pour moi, que de vous annoncer ce que j'ai ä vous dire.
Mon intention etait de prier quelques amis musicales de
s'unir ä moi pour l'achat du manuscrit de vos trois Quatuors,
n'etant pas assez riche moi meme pour m'en charger seul,
tont dispose que je suis ä souscrire pour ma portion de la
somme. Je ne prevoyais aucune difficulte ä faire cet arrange-
ment, mais je suis fache de dire que j'y en ai trouve plus
que je ne m'y attendais. Les uns disent qu'il faudrait etre
parfaitement sür de l'arrivee du manuscrit ; les autres preten-
dent qu'ils ne veulent pas en priver le public etc. Cependant
il me semble enfin que je suis venu ä bout de vous en
*) (£3 mag üieltetd)t auffallen, warum Seetfjoöen fid) in fo belicater
Slngelegenfjeit an einen gremben, nid)t einzig unb allein an gerbinanb
9?ie3 gewanbt, bev bod) bis bafyin mit 33eforgung be3 ^ercantilifdjen in
Sonbon beauftragt gewefen. 2)er SOceifter näljrte jebod) ftfjon feit längerer
3eit einen ©roll gegen feinen ©djüler unb greunb, unb t)atte 511 Diele
9tücffid)ten auf feine eigenen ^ntereffen, um fid) offen aussprechen. 3)ie§
Ijätte nid)t wenige Steine jwifdjen Reiben au§ bem 3Bege geräumt, unb
bie «Spannung oielleidjt gauj aufgehoben. @§ wirb paffenb fenn, biefe
3)inge im 5!Jcuficalifd)en Xtjeil biefer ©djrtft näfjer ju beleud)ten.
— 440 —
procurer la somme de 100 L. Sterling; mais je suis fäcb.6
d'ajouter que cette somme ne pourra pas etre payee, avant
que le manuscrit ne soit arrive ici; parce qu'il faut que j'en
recueille les fonds, et je suis certain que les amis auxquels
je me suis adresse s'empresseront de satisfaire ä leur engage-
ment, aussitöt que le manuscrit sera ici. II y a encore
une autre difficulte, c'est qu'on craint que les Quatuors ne
soint copies ä Vienne; je me fie que vous aurez soin de
l'empecher."*)244)
2)er le£te ©cfc befagt beutlidjer nod) als bie oorftef)enben,
bafj e§ bei biefem ©efdjäfte auf feinen Verleger, fonbent auf
einen $ßriüaten, ober mehrere uereint, abgefetjen tuar, bem ober
benen biefe Duartette für einige geit, meUeicfjt für ben Umfang
eines Safyreä — inte e§ aud) bei bem ©t. Petersburger 5tunft=
freunbe ber gatt fetjn fottte — junt alleinigen ©ebrauc£)e Ratten
überlaffen tuerben follen. 9fteine3 Zfytxtä uermag id) am biefer
*) Ueberfetjt: „tibi tft eine fefjr unangenehme Aufgabe für mid), Sbnen
golgenbeS melben ju muffen. ÜJJeine Slbfidjt mar, einige muficalifdje
freunbe jit bitten, fid) jum Anlauf be§ TOanufcriptS Sfcer brei Quartette
mit mir ju vereinigen, inbem id) felber nidjt fo nermögenb bin, e3 altem
unternehmen ju fönnen, gleidjwofjl id) bereit bin meinen STtjeil beizutragen.
Ü3ei biefem Arrangement blatte id) feine Sdjmierigfeiten üorauggefefjen, allein
id) bebaure fagen ju muffen, bafj fid) beren meljr uorgefunben, af3 id)
erwartet. ®ie ©inen fagen, man muffe ber Anfunft be3 9#anufcript3 ganj
fid)er ferjn, bie Anbern wieber, baß man biefe SBerfe bem publicum nid)t
entjieljen foüe, u. f. m. Sennod) fdjeint eg, ba'ß id) bal)in gelangt bin,
Seinen bie Summe uon 100 s^f. (Sterling uerfdjaffen §u tonnen; e§ tljut
mir aber leib Ijinäufügen ju muffen, bafj biefe Summe erft nad) eintreffen
be§ 9)2anufcript§ gejault werben fann, erft bann fann bie ©infammlung
beginnen, unb id) bin gewijj, bafs fid) i>k unteijeidineten greunbe beeilen
werben, tbjer Verpflichtung nad)äufommen. (53 gibt aber nod) eine Sd)Wterig=
feit babei; man fürd)tet nämlid), baJ3 biefe Quartette in SSien copirt werben
lönnten. 3d) erwarte jebod), bafj Sie Sorge tragen werben, bieg ju Der*
Ijinbern."
244) Vgl. B. S. Br. No. 876 (IV. Band), ferner No. 1152 (V. Band)
nebst Anmerkungen. A. d. H.
— 441 —
feltfamen, fdjmer ju begreifenben ©pecutation in Sonbon nur
bie (Eingebung beS $ßfeubo=5kuberS $u erblichen, in beffen Sopfe
allein berlei ben SEonbicfjter Ijerabraürbigenbe ^(ane ausgebrütet
»erben fonnten. 28ie berletjenb für Ujn erfdjeint fdjon baS in
biefem Sonboner Briefe offen auSgefprodjene Sftifetrauen in feine
SBorte!
33ei Eingabe ber fubfcribirten (Exemplare bon ber Missa
solemnis ift beigetjenb bemerft, bafj Sßeetfjoben aud) bem dürften
©atitjin ein (Sjemptar jugefdjidt unb bafür bie für baS erfte
ber beftettten Quartette in 3Sten beponirten 50 S)ucaten in
(Smpfang genommen fyabz. @§ läfet ftd) feineSfaÜS präfumiren,
ba^ bie^ otjne ißormiffen unb guftimmung beS gürften ge=
fdjeljen ift. 2IuS ber $polemi! beS dürften mit bem SSerfaffer
fjat ftd) baS factum ber lleberfenbung beS (Exemplars unb ber
(Empfangnahme ber genannten Summe bafür mit ©enriBfyeit
IjerauSgeftellt, mie aucfj, ba^ biefe entnommene ©umme atSbalb
burct) ein gleidieS S)epofitum auS (St. Petersburg erfetjt morben.
lieber ben (Smpfang beS (SjemplarS liegt bie Ueberfetmng eines
bom 29. üftooember 1823 bon bem dürften an 53eett)Oben ge=
richteten 23riefeS bor, ber atfo beginnt: „9ftit unauSfpred)lid)er
$reube, mein §err, ertjielt id) bie SKeffe, bie ©ie bor Äußern
componirt tjaben, unb ba id) felbe bis je§t nur burd) bie Partitur
beurteilen tonnte, fo fanb icfj jene (Erhabenheit barin, bie allen
3t)ren (Sompofttionen eigen ift, unb bie Sfyre 2Berle unnad)=
atjmlicfj macfjt. $d) befdjäftige midj biefeS fcfjöne SSerf auf eine
2lrt aufführen ^u laffen, raeldje mürbig feines SßerfafferS unb
berjenigen ift, meiere ftd) ein gcft barauS madjen, felbeS gu
t)ören." u. f. m.
3n einem anbern bortiegenben ^Briefe bom 11. dJläx^ 1824
matjnt ber gürft an baS $Berfpred)en mit ben Quartetten. Sarin
Ijeifct eS auSbrüdtid): ,,3d) bitte ©ie, mir gefälligft miffen 31t
laffen, um rceldje $eit id) bie Quartette i)offen fann, metdje id)
mit fo biet Ungebulb erwarte, unb toenn ©ie ©elb brauchen
füllten, fo begierjen ©ie gefälligft bie Summe, tneldje ©ie ber=
— 442 —
langen, Oon ben sperren ©tiegüt; u. (Somp. in @t. Petersburg,
ttjetdje auf S^en SSunfdj bebten derben." — 2)iefe SSeifung
trägt unftrcitig ba§ Slnjeidjen eine§ fürftticfjen (StjarafterS unb
mag für ben £onbid)ter, merjr nocfj für beffen $ßfeubo=33ruber,
ein mächtiger ©porn gemefen feon, einen fo gro&mütrjig ftdj
geigenben Äunftfreunb ab§ ©önner ftcf) 511 erhalten.
Sn einem britten öorüegenben Briefe t>om 8. 5fprit 1824
ergebt ftdj ber $ürft in entrjufiaftifdjen SobeSerrjebungen über
bie Missa, melcfje £ag3 Dörfer in (2t. Petersburg mit großen
Gräften 3ur Huffüfjjrung gebracht morben mar. GS fjeiBt barin:
„Wan fann fagen, haft 8(jr ©cmuS Safyrijjunberten oorauSgeeitt
ift nnb bafj eS bielteicfjt jetjt feinen 3u^)örer gibt, ber genug
erleuchtet märe, um bie gan^e ©djöntjeit biefer SO^uftf gu ge=
niesen. 5lber bie ÜJiadjfommen merben Sfjnen tjutbigen unb Sfyr
9lnbenfen merjr fegnen, a(3 eS bie geitgenoffen öermögen." ©er
23rieffteHer fcfjliefjt mit .bem ©a£e: „SSer^eitjen ©ie, bafe itf)
3fynen burd) meine S3riefe fo oft Sangeroette öerurfacfje, aber e§
ift ber aufrichtige Tribut eines %fyxex größten 23emunberer."
£>iefe 3)aten genügen, um unS in bem ruffifdjen dürften
einen ebehnütfyigen Äunftförberer ^u bergegenmärtigen, eine (£r=
fdjetnung, bie auf unfern Sfteifter einen tiefen Ginbrud ju mad)en
nidjt öerferjten tonnte, benn biefer 9iuffe rangirte in einiger
SSe^ierjung mit ben in ber Erinnerung (ebenben 3>eutfd)en unb
$ßolen, ai§>: SidmomSfy, 2obfonri§, HinSfO, ©c^toargenberg, feinen
SanbSmann Siafumorasft) nid)t 5U üergeffen, unb anbern nod),
bie in befferen Sagen in erfter 9\ett)e ber ^lunftförberer in ber
öftreid)ifd)en £)auptftabt geftanben. £)ätte nur biefer 9xuffe bie
fo fd)ön begonnene Sfolte in gteidjem (Etjaracter fortgefpielt,
bamit bem 93iograpt)en bie Sßflidjt geworben märe, feiner ^nftigation
3U neuen ©djüpfungen bei unferm iUteifter unb feines SßerfyaftenS
gegen itjn im ^puncte ber gemachten ßuftdjerungen für feine
arbeiten nidjt anberS als tobenb ermähnen %u muffen. Seiber,
bafj eS in teuerer §infid)t anberS gekommen: ber $ürft ift in
einen bebauerlidjen 3Biberfprud) Oerfaüen, ber eS nad) SeetfjoOen'S
— 443 —
2Ibteben guerft ben SSormunb oon bcffen Steffen, biet fpöter crft
feinem 33iograpt)en %ax ^ßfücfjt gemadjt, in Magen gegen irjtt
laut ju »erben.
SSertaffen mir jebocfc) einftmeilen biefeS Ouartett^rjema, 6i§
ber redjte SJcoment fommt um meiter barin oorfdjreiten gu fönnen.
SSenben mir un§ auct) ah öom ?tnbticl ber 23eett)oüen'fd)en
Siedjenftube, nadjbem Uorcjer nod) berührt merben mufc, ba^ bie
3eit ber SSorftubien gitm SBefjufe ber 9(uffüt)rung be§ erften
biefer Quartette unferm üKeifter einen neuen greunb jngefütjrt,
mie er einen foldjen fdjmerüd) gehabt nnb mie er ifjn nunmehr
bei feiner ©eifte3rid)tung bebnrft, einen $reunb, ber fogar ben
cafeutirenben ©ruber überftüfftg gemacht t)at. @§ mar ®art ^0(5.
S)urd) ba§ ^nficrßictjen biefeä jungen 2ftanne3,*) me(d)er
Beamter in einer .^anjtei unb gugleictj ©ecunbariuS be§
•Sd)u|)pan^igt)'fd)en Quartetts gemefen, t)at 23eetl)ou>en ba§> äftafr
ber aBiberfprücfje in SBort unb Stljat öotl gemadjt. ;£)aburd)
fyat er fitf) in eine ^ßofition oerfetjt, bie uon ben ättern grennben
tief betlagt merben nutzte, raeStjatb fie fid) auetj fo üiet mögltd)
t>on i§m entfernt gehalten tjaben. Start §0(5 mar ein acfjtung«?-
mertrjer 9J?ann, ber ctaffifdje ©djutftnbien gemadjt unb gute
mnficatifdje Slenntniffe befeffen, metd)' teueres ber eingenommene
^(at> in bem funftgefdjidjtttdjen Quartett=$Berein bezeugt. 2lnberer=
feitö aber mar an Start §0(3 jeber 3°ß e™ SBiener „$aiate"
fon erfter Qualität, gegen metct)e unfer 25eett)oüen immer eine
tief gemurmelte Stntipattjie offenbart rjatte;**) feine ©efinnung
*) ftarl §ola, geb. 1798.
**) Sm fünften ©efange ber Odussee wirb bev „(jervlirfje ©ulber" mit
•[einem ©cfnffe oon einem ©türm an bie Stuften eine§ unbefannten üanbe§
geworfen. (SS ift ba§ Sanb ber g-atafen, jüelctjeä §omer im fiebenten ©e-
fange fdntbert, alfo beginnenb:245)
Slflba fafjen ftet§ ber g-aiaten f)orje 33et)errfd)er
geftlid) bei ©peif nnb Sranf, unb fcrjmauf'teu Don Soge ju Sage.
ÜKan erfennt barau§ bie 2ütfpietung auf t>a$ SSiener Seben in 33eet=
booen'3 SBriefe an £>aufd)fa «Seite 428.
245) Homers Odyssee, VII. Gesang-, V. 98 f. A. d. H.
_ 444 —
fonnte natürlidjerroetfe nid)t barü6er ergaben fetjn. Mein bie[er
junge 9I?ann mar ein gang öor^ügüdjer ^ledjenmeifter, unb biefe
(Sigenfdjaft mar e3 gang allein, bie ben gaiafen, mie ben SJcufifer,
in ben Stugen 23eett)oüen'§ gan§ überfein machte; benn folget
(Sapacität beburfte er bei feinem ©eifte^miefpalt eben fo not^-
loenbig, mie Söaßenftein be§ Stftrologen <Seni beburft Ijatte.
Smmer meljr unb mefyr offenbarte fict) bei unferm Sfteifter bie
?lbfirf)t nadj (Mbbefitj, um ben geliebten Steffen einftenä §um
mofyttjabenben SDcanne gu madjen; batjer ba§ fcljon 1823 taut*
geworbene Verlangen, fein Sruber folle gu ©urtften be3 Neffen
teftiren. Um biefe Slbfidjt 511 erreichen, mar ein 3tedjenmeifter
nottjroenbig, ber tägfid) jur £)i§pofition ftanb, inbem ber Xon-
bidjter fetber nid)t über bie Slunft be§ SfbbirenS l)inaus=
gekommen mar. Seine platte aber oor ben älteren greunben
bloßlegen unb mit itjnen 51t beraten, fdjeutc er fid), meil er
mot)t einfaf), fein @et)ör bei ifjnen $u finben. llebrigen§ mar
feiner (2(nbrea3 Streiter aufgenommen, ber 1824 eine S5e=
redmung üon fidjer eingunefjmenben 10,000 ©ulben in ßonb.
9}?ün§e für bie Verausgabe ber fämmttidjen SBerfe oorgelegt
fjat, bie in Original üorfjanben) ein 9ted)enmeifter, mie if)tt
SSeelfjoocn eben beburft. — ©0 üiete hättet fjatten fid) bar=
geboten, mie mir tiorauS gehört, um ben 9J£eifter auf fünfte
lerifdjem 2Bege in ben 23efit3 großer (Summen 311 fetjen,
er uerfd)mät)t fie aber alle unb fudjt feine Slbftdjten burdj
calcutatorifdje Stempel §u erreidjcn, — mer fotlte in folgern
sD?obuö nidjt eine faft oernunftratbrige Slbirrung 00m natürlichen
SSege erfennen?
S)ie ©emeinfdjaft mit ®arf ^olj246) fyätte maljrfdjeinlid)
nidjt bie unangenehmen folgen für unfern 9)teifter geljabt, ntct)t
246) So interessant auch Schindlers Schilderungen über Carl
Holz und über dessen Beziehungen zu Beethoven sind, so kann man sie
doch nicht als objektiv anerkennen. Zunächst verweise ich hier auf das
S. 22, Anm. 9 Gesagte. Jetzt muß man abermals das feindselige Ver-
hältnis zwischen Holz und Schindler, der beiden Getreuen um Beet-
— 445 —
tljn 511 reueöotten 39elcnntniffen am Sflanbe be§ @rabe<§ ge=
nötigt, aud) nicfyt bie üblen üftadjreben nacl) bem Sobe nad)
fid) geäogen, wenn biefer junge 3J?ann bie 33ebeutnng be§
$ünftler3 Jjätte ermeffen formen, aber auc^ nod) fo biet Wad)t
ü6er ifm befeffen, um itjn in feinem faft tetbenfci)afttid)en ©treben
efjer gurüd ju galten, at§ ilm ba§u an^urei^en. SBenn $eti3
in feiner biograprjifdjen ?lbt)anblung 53eetf)ouen einen ©eijljate,
ja fogar einen gilg nennt, unb menn Dr. Söamrud), beö
SMfterS fester 2lr§t, itjn als Striin fenbotb be^eidmet, ber ftd)
auf biefem SSege bie töbtticfje 5?ran!f)eit jugegogen, fo bürfen
bie oeranlaffenben ©rünbe 511 foidjen ?(u£fagen, toenngletdj
einanber imberfpredjenb, nur in jener ©emetnfdjaft gefugt
ioerben. SSenn ferner and) Utibifdieff in feinem „^öeetfjouen,
feine Sfritifer unb feine 2tu§teger," ber legten Slage be§ sDtafter3
gebenft, mo berfel&e öon bem fleinen sJtefte tion greunben öer=
laffen getoefen, fo irrt er nur barin, bafj er ben SBerfaffer biefer
(Sdjrift at<§ ben atiein öerbtiebenen nennt. ?lud) id) tjatte ben
in aritmett)ifd)en ©pecutationen üerfnnfenen greunb unb Sefjrer
gemieben unb it)n tiom Sftonat 3ftärg 1825 bt§ -mm 5tuguft
be§ fotgenben 3at)re§ nur feiten gefprodjen. $on feinem S£lnm
aber blieb mir in ber ^auptfadje nidjt§ üerborgen; enblid) marb
id) burd) bie Itterarifdje §interlaffenfd)aft in oollftänbige Ä'ennt*
hoven, betonen. Holz war eine geniale Natur, der solche Einblicke in
des Meisters Genie zu machen verstand, wie sie dem sonst verdienst-
vollen Schindler durchaus verschlossen blieben. Beethoven ward von
Holz gerade im Studium der letzten Quartettschöpfungen aufs höchste
erkannt, und darum hatte er seine Herzensfreude an diesem jungen
Tongeiste. Die Konversationshefte von 1825 und 1826 bergen noch
wahre Schätze von Ideen über Beethoven und diesen jungen Freund,
die noch zu heben sind. Einen Teil habe ich ausgeschrieben und ge-
denke ihn demnächst zu veröffentlichen. Der gesellschaftliche Verkehr
Beethovens mit Holz, mitsamt allem was daran hängt, muß uns ge-
rade mit Freude darüber erfüllen, daß der große Dulder Beethoven
doch noch fähig war, solche Lebensfreuden durchzukosten. Es war
noch viel Lebenslust in dem „großen Einsamen". A. d. H.
— 446 —
nif; be§ in tiefem ßeilraum ©efd)el)enen gefegt. 9cid)t bio$ bie
oon ber §anb be£ ßarl §0(5 üerjetc^neten ^offen, nid)t bie
häufigen Sluäfätte gegen 2tttert)öd)fte ^erfonen unb Stnbere fallen
barin auf, tnetmefjr nod) ber Ijolje ®rab bon innerer Aufregung,
in roe(d)er ber ÜDceifter fortan erhalten roorben unb ftd) in fotdjer
Sßerfaffung fidjttid) gefiel. Sie 2(bmeid)ung Hon alten, tief*
gemurmelten ©runbfä^en ergab ficf) nod) baburdj, bafj 93eetr)oöen
bem jungen ^reunbe in üjm gang frembe Sßerfammlungen an
öffenttidjen Drten, 23ter= unb 2ßeint)äufern,-47) in bie £äben ber
öon ifjm protegirten Sftufitfjänbter folgte, ba§> alte3 nictjt ber*
fe()tt Ijat Slufjejjen ju madjen. & §0(3 fdjien bamit geigen
gu motten, baß er über ben fonft fo gurüdge^ogenen Stteifter
unb über beffen ©inn affe§ oermöge, unb ma&rtid) er ber*
mochte ba§> Unglaubliche. SM man einen nod) ftärferen 33e=
mei§ baoon al% ben, baf$ Q3eetljoOen in alt' bem Speculation^
taumcf, in metdjem er ftd) eben befanb, ^Sattje be§ erftgeborenen
Sot)ne§ biefeö neuen greunbeö geroorben?!24*) Saburd) offen-
barte fid) ber ©trnt unferö äMftcr§ in einer SOcetamorpfjofe,
bie Oerbtüffen tonnte. Saft unter foldjer Seitung bem 2Bein=
gotte aufteilen Opfer — bor fremben Stugen — gebraut morben,
ift teiber roabjr, unb bat gerabe biefeä ba§ 33ebauern alter treuen
^reunbe unb Slntjcutger nod) fteigern muffen. Dr. äöamrudj'ä
anfdjulbigeube SSorte: „sedebät et bibebat," finb nur auf jene
©emeinfd)aft ju besiegen.*) ©er geitraum, in roefdjen biefe
Ueberfcfjreitungen fallen, erftredt ftd) gottlob nur üom §erbft
1825 bi§ gur Sommerzeit 1826. SBetdje Sßerfe bemfelben ir)re
(Snftefyung oerbanfen, roerben mir uernelmten.
*) Stet) bie Grgänjung: 33eetljoben unb fein legtet 8lr§t Dr. SBaiurucf].
247) Weder Stephan von Breuning, noch dessen Sohn Gerhard,
noch Dr. Bach, noch irgend ein anderer haben an diesen Dingen etwas
auszusetzen gehabt, gewiß freuten sich alle, daß Beethoven noch so
für den Lebensgenuß empfänglich war. A. d. H.
248) Das beweist nur, daß Beethoven herzlichen Anteil an deu
Lebensschicksalen seines jungen Freundes Holz nahm. A. d. H.
— 447 —
SBenben mir wt§ nun mit biefen feine3fall§ erfreulichen
STnbeutungen gu ben legten ©djöpfungen be§ großen SDTcifterg,
5U ben fünf legten Quartetten, mo^u, mic roir bereite
roiffen, $ürft ©atitjin ben SmpulS gegeben, 51t jenen 2Berfen
atfo, bie in ber ©efamtliteratur 35eetrjot>en'3 bie 5at)tretd)ftett
2Biberfprüct)e unb ßontroüerfen hervorgerufen unb fdjroerlicrj
jemals eine Uebereinftimmung in ber 93eurtbeitung, über eine
§uftimmenbe Ütedjtfertigung, erleben merben, in bem ©inne
nämtid), mie biefelbe anbere au§ früherer 3eit er*eDt Ijaben.
(53 ift £t)atfad)e, ba^ in 9xücferinnerung an fotcfje SBerfe baä
Urttjeit ber geitgenoffen über biefe Quartette im ©anjen ein
Oorfid)tige§, referüirte3 gemefen. Mein fdjon bamatö fyat e§ an
unbefangenen Äunftfennern nicfjt gefehlt, bie nad) jahrelangem
©tubium biefeS SBermäcfjtniffeS gur Ueber^eugung gelangt, bafj
bie auf bem Söege ber 9iefterjou gefud)te Kombination in
einigen Reiten (nict)t in allen, mie beren Sefämpfer behaupten)
auf bie fjöcfjfte ©pi£e getrieben erfcfjeint, mobei gu aüernädjft
bie logifcfje 9?otrjmenbigfeit in ber Sbeenüerbinbung gefäfjrbet
roerben mu^te.249) $)af3 £)ait^tfäcl)licf) (euerer Umftanb ein nitf)t
ju befeitigenber ©tein be§ StnftofeeS 3U fidjerem SBerftänbnif;
ber bid)terifd)en Intentionen bleiben, nur §um zufälligen (£r=
rattjen ober gar deuteln bienen roirb, roirb roorjl Oon Sebem,
aufgenommen üon unbebingten ©laubigen, zugegeben roerben.
2)er $erfaffer fottte einige ber mit biefen SBerf'en perfönlid)
erlebten Vorgänge mit einflief3en laffen, allein e3 mürbe im
3Sefentlid)en nidjt3 in ber ©ad)c änbern. (Siner ber erleucfjtetften
Kenner öeetrjoüen'fd)er S0?ufi£ mar fein greunb ©raf $ranS
Oon ©runSmid in ^ßeftt); burfte er ftcCj bodj mit üottem 9ied)te
feinen 3°3^nÖ nennen. Unfer gemeinfameS ©tubium biefer
Quartette mit feinen au^gejeidjneten (Eomititonen burd) groei
öolle SBinter Ijiuburd) tjatte un» motjl bie tjarmonifdjen, über-
249) All dieses wird durch die erliebende Tatsache widerlegt,
daß gerade die letzten Quartette des Meisters im Laufe der Jahre
immer mehr zum Gemeingut der Gebildeten geworden sind. A. d. H.
— 448 —
fjaupt tedmifcrjen ©djönljeüen erfcfjfoffen, in Se^ug aber auf
(Srfennen ber logtfdjen Sftotfjtuenbigreit in ber Sbeenüerbinbung
blieb ba$ 9vefuttat tjier unb bort ein fd)tr>anfenbe§. ©raf
SBrunSttncf glaubte aufteilen mit feinem fdjarfen "Jete^cop ba$
©efucrjte aufgefunben p tjaben, aber al^batb oerlor fid) ba§
©cfunbene im ^ebet unb er fdjnft fid) abermals einen ,,©d)tuac£)=
fopf". %lad) Sauren metbete er mir, bah ba$ ©unfet in triefen
(Stellen nod) immer baSfelbe geblieben, rcie bei unferer Trennung
im grüfjting 1829.
©eetfjouen begann mit ber (Sonception be§ erften biefer
Quartette im ©ommer 1824 ju 33aben, im Qctober jurücf=
gekommen fefcte er fiel) fog(eid) an bie Aufarbeitung. (Sr begog
bie§mat nad) langer $eit mieber eine ©tabtmotjnung, bamit fein
Sfaffe, ber oon nun an ftetS bei it)m mo{)nen unb im näd)ften
©emefter bie ftörfäte ber pf)itofopf)ifd)en gacultät befudjen follte,
bem ©it?e ber 3ßiffenfd)aften nafye fett. üftodj rjatte bie Partitur
bie le£te geile nicfjt erhalten, at$ ber $?eifter in eine fernere,
Diele 2Bod)en anbauernbe Sfranftjeit Herfiel, melcfje iljren ©runb
in bem faft beftänbig leibenben Unterleib gehabt, ©eit bem
3ermürfnif5 mit Dr. SQJalf attt (1815) mar ber gleicfjberütjmte
SÜr^t Dr. ©taubenljeim fein DrbinariuS. S)a biefer auf 23e=
folgung feiner 23orfd)riften ftrengftenS gehalten unb be3faö§ mit
feinem unfotgfamen Patienten ein ernfteS SBort 31t reben fid)
erlaubte, fo fanb fid) biefer üerantafjt, nun ben ^Srof. Dr. S3raun =
fyofer an fein Krankenbett gu rufen. Mein biefer gab feinem
Vorgänger in ber 3M)anblung be§ eigenmilligen Seetljoüen nichts
nad), oietmeljr brad)te er einen ©rab tion mienerifdjer £>erbt)eit
mit, bie bem Traufen imponirte unb in Q3e3ug auf ©enefung
gute folgen gehabt. Snbefj roiet) ba§> Uebet erft ooUftänbig
mäljrenb feines ©ommeraufenttjattö in 53aben.
Sie erfte ^?robuction be§ erften biefer Quartette in
Es dur, burd) ©d)uppan^igt) unb ©enoffen, t)atte, mie üorfyer
bemertt, im Sftonat sItfärg 1825 ftatt, mifcglütfte aber faft üotl=
ftänbig, fo baft baZ mit tjotjer ©pannung gekommene 31ubitorium
— 449 —
giemlicf) öerbnjt ben *&aai Oertiefc. Wem frug ftd) gegenseitig,
raa§ man beittt eigentlich) gehört fyabt. 2htd) ber Referent
ber Mg. SDcuf. ßtg. fagt ©. 246, bafs ba§ SBerf üon ben
SBentgften berftanben unb ganj erfaf3t morben. @r geftetjt üon
fidj: „9?ef. raill ftd) fet&ft nidjt ausnehmen." £>ie Urf adje be§
SJiijjtingenS wollte man allein in ©d)uppan5igfj finben, ben man
5U correcter SluSfüfjrung, mie auef) gu geiftiger SCuffaffltitg ber
fdjmierigen Aufgabe nidjt metjr für fätjig erftärt fjatte. (£3
!am barum gtuifc^en it)m unb bem (Somponiften $u bitteren
(Sjpectorationen. 2)iefer rcottte e§ aber bei folgern 9lu§gange
nidjt betoenben laffen unb ttwnfdjte eine Stjrenrettung feinet
SßerfeS. @r erfudjte bemnad) ben Sßrofeffor am (Eonfertiatorium,
Sofepf) S3öf)tn, biefelbe an <2d)uppanäigf)'3 ©teile fyerbei gu
führen. % 23ötjm, met)r ßoncert* at§ Ouartett=(3pieter, fonad)
in Ueberminbung ted)nifd)er ©djmierigfeiten 33irtuo3, erreichte
mit bem SBerfe atterbing§ einen befferen ©rfotg; beffen un=
midjtet moüte fidt) ba§ tiefe ©unfet in einigen ©ätjen nid)t er-
hellen, ©er (Somponift aber mürbe teiber üon einem oollftänbigen
(Siege benadjridjtigt, al§ fei) baä SBerl; nun Sitten fo ftar er*
fdjtenen, mie jebe§ ber älteren tiefer (Gattung.
$or ber erften ^?robuction biefe* Quartette tjatte ber
SOZeifter nadjftefjenben (Srtafj260) an bie 9lu3füt)renben gerichtet,
ber im Original üortiegt:
„Söefte!
@3 nrirb Gebern tjiemit ba$ ©einige gegeben, unb roirb
hiermit in Sßflidjt genommen, unb gtuar fo, bafj man fief» an*
fyeifdjig madje, bei (Sfyre fidj auf ba§ S3efte ju üertjatten, au&
äitjeic^nen unb gegenfeitig guoor ju tt)un.
£iefe£ Statt tjat Seber 5U unterfdjreiben, ber bei ber be=»
mußten 'Badjt mit^umirfen fjat."
SSeettjoüen.
250) Dieser Erlaß ist genau nach dem Originalinanuskript publi-
ziert in B. S. Br. No. 1059 (März 1825, V. Band). A. d. H.
81. <Sd)tnMer3 33eetI)ODen=S3tograpI)te. 99
— 450 —
©djuppanäigt). m. p.
SBeifj. m. p.
Sinfe. m. p.
©e3 großen ä)?eifter3 öerftucfjte3 Violoncello.
§0(3. m. p.
©er letzte, bocfj nur bei biefer llnterfcfjrift.
©a3 streite ber Quartette in A moll erlebte bie erfte
Sßrobuction im -ftoüember 1825. ©er (Srfolg mar ein bei roeitem
günftigerer, al3 bei bem rjorau£gegangenen, inbem ©cfjuppanaigr)
unb ©enoffen e§ mit großem ^leifee oorbereitet Ratten, hierbei
befrf)ränfte fidj ba§ ©unfet faft au§fd)tte^tict) auf bie Variationen
ber „Canzona di ringraziamento in modo lidico, offerta alla
divinitä da nn guarito." 5ftan erfennt in biefer Uebeifcrjrift
(©anfWprjmne in tt)bifcf)er Xonart, ber ©ottf)eit bargebracfjt oon
einem ©enefenen) bie Ve^ierjung auf bie überftanbene ^ranlf)eit
be3 5tonbid)ter§. Snbefj fcbjon im Sluguft beöfelben Surjreä ^atte
Veetrjoöen biefeS neuefte SSert auf SSunftf) be§ Verleger^ SJtoritj
©d)tefinger pritiatim üor einem tleinen Greife bon ,3ul)örern
ausführen laffen, mobei bie erfte Violine t>on $. §ol§ üor=
getragen rcorben. ©er 9J?eifter faf* ben Spiefern gur Seite.
Scfjtefinger ermarb fofort ba§> (£igentt)um gum Vertag für $xax\U
reict» unb ©eutfdjtanb unb nafun ba§> SManufcript mit nad) Sßartö.
1826. ©a£ 3unäd)ft entftanbene Ouartett mar ba§ in B dur
mit fed)§ Saiden, — mit ©runb: ba$ SDJonftrum aller
duartett^äJcufil benannt, ©effen erfte ^3robuction bilbete ben
Scrjlufe ber s2lbonnement=Guartette im 9)Mr§ 1826. MeS, ma§
SBien an Ouartett^TJhiftt^reunben befeffen, fjatte ftd) öerfammelt,
um $euge oer erften Sluffüljrung biefer neueften ©djöpfung 311
ferjn, über bie bereits 2&unberlid)e§ auSgefagt morben. lieber
ben erfolg foE ber Referent ber Mg. 2Ruf. £tg. (Seite 310)
gerjbrt merben. @r berietet: „©er erfte, britte unb fünfte Sat>
finb ernft, büfter, mtjftifd), mofjl aucfj mitunter bigarr, fdjroff,
unb capriciöS; ber gmeite unb Oierte üoll 9J?utt)miflen, grotjfmn
unb Sd)alft)afttgfeit; babei Ijat ftd) ber £onfe§er, ber befonberS
— 451 —
in ben jüngften arbeiten feiten üDJafj unb Qui 5«
finben muffte, ungemöfynlid) tuv^ unb bünbig au3gefprod)en.
äftit ftürmifcfjem SßeifaE mürbe bie Sßieberljotung beiber ©ä£e
»erlangt. 5tber ben ©inn be3 fugirten finale magt Referent
nid)t gu beuten: für itjn mar e3 unöerftänblid), djinefifd).
2Benn bie Snftrumente in ben Legionen be3 ©üb* unb 9?orb=
pol<§ mit ungeheueren ©djmierigfeiten $u fämpfen fyaben, menn
jebeS berfelben anberä figurirt unb fie ftdj per transitum
irregulärem unter einer Ungatjt üon SDiffonan^en burcfjtreu^en,
menn bie «Spieler, gegen ficfc) felbft mifjtrauifd), mot)l aud) nid)t
ganj rein greifen, freilid), bann ift bie babt)tonifd)e ©ermirrung
fertig; bann gibt e3 ein (Soncert, moran fid) allenfalls bie
9}?aroffaner ergoßen fönnen. 9SieIteid6)t märe fo mandjeS nid)t
l)ingefd)rieben morben, tonnte ber Sfteifter feine eigenen ©d)öp=
fungen aud) (jören. ©od) motten mir bamit nid)t üoreilig ab*
fpredjen: üietleid)t fommt nod) bie 3eit, mo ba§>, ma3 un£ beim
erften 33üd trüb unb oerroorren erfcfjeint, flar unb in mot)l=
gefälligen formen erfannt mirb."261)
S)ie «Stimmung, in meldjer bie Slumefenben fid) entfernt
fjatten, läfet fid) nad) bin Sßorten biefeä in ber SRegel getreuen
©djilbererä be£ allgemeinen (£inbrud§ ermeffen, benn niemalö
roof)t finb in einem Snftrumentalmerfe fo fdjroff contraftirenbe
©egenjäfce neben einanber geftellt erfcfjienen, als in biefem
Quartette; bemnad) ber 3u^)örer nad) bem freubigften ©ntjüden
über ben Haren §immel über iljm fid) fogleid) mieber, menn
nid)t in ein mnftifdjeS 2)untet eingefüllt, fo bod) in tiefen
(Srnft üerfetjt fütjtt, al§ tjabe ber ßomponift mit feinen ©efütjten
ein ©piet ju treiben beabfidjtigt. $ottenb£ bie guge ai$ $inat=
251) Nun, diese Zeit ist längst erschienen. — Über die Neben-
umstände und Beethovens joviale Teilnahme an den Freudentagen bei
der Anwesenheit Schlesingers und Kuhlaus in Wien hat der Heraus-
geber eingehend geschrieben; cf. „Beethoven und Berlin", 1909, im
Aufsatz „Beethoven und der preußische Königshof unter Friedrich
Wilhelm III.«, S. 327 ff. A. d. H.
29*
— 452 —
©a§. SMefe Sompofition fdjeint ein S(nad)roni3mu3 flu fcrjn.
©ie fotlte jener grauen Sßor^ett angeboren, in metctjer bie Xon=
öerrjältniffe nodj üermittetft mattjematifdjer 33ered)nung beftimmt
mürben. Unbebenfüct) barf fotcfye Kombination als bie tiödjfte
^erirrung beS fpecutatioen SSerftanbeS betrachtet toerben, bereit
(Sinbrucf tüotjt in aüe ßeiten e^ier babt)(onifd)en ^ermtrrung
gleichen mirb. hierbei fann nid)t mefjr bon S)unfe( im ©egen*
fa$e jur Ätartjeit bie 9tebe ferjn.
lieber bcu Grfotg ber erften Sßrobuctton btefeö oielgebeuteten
unb nod) immer oietbeutigen SSerf'eS marb ber 5lutor mit meljr
?(ufrid)tig!eit benadjridjtigt, atS bieS mit bem erften Quartett
ber $att gewefen. 2)ieSma( mar cS ber Verleger SDiatijiaS
?trtaria, ber at§ Käufer beS SftanufcriptS bie Snitiatioe er-
griffen. (5r erftärte fid) bereit, biefe guge ot§ fetbftftänöigeS
Söerf ^u fjonoriren, menn 23eetIjoüen fid) entfdjtieften motte,
einen anbern ginat*<Safc in freiem ©tot an bereu ©tetfe ju
fetjen. 2)er 99?eifter gab ber entfdjieben fid) antünbigenben
gorberung nad) unb fcüjrieb ben im gebrudten ÜEBerfe üorttegenben
©atj. @S ift bie§ feine allerletzte Gompofition,'252) auS
bem SOconat Sftoüember 1826. ©eine emfigen ©tt)t*©onberer
mürben fidjerlid) gu ©djanben merben, märe bie (Sntftetjnngö*
geit biefer legten Gompofition fammt ber oeranlaffenben llrfadje
unbefannt, benn gteidjt itictjt biefer ginat=©at$ in öe^ug auf
©Ü)(iftifd)eS unb Sttarljeit uieten anbern ber in früherer Sßeriobe
gef Geriebenen Quartett=©äf3e? 2)affelbc gilt üom 4. unb 6. ©a£e
beS Quartette in Cis moll, nid)t minber üom 2., 4. unb 5. ©atje
beS in A moll. — SSer motlte leugnen, baji nid)t tiefet £>unfel
neben tageSljetter fötarfjeit in biefen testen SBerten $u treffen?
©Ü)toertoanbteS finben fid) nur in ben 4 ©ä|en beS Quartetts
in F, Op. 135.
9lm 22. ?(prit 1827, nad)bem ber 5lutor rttcrjt meljr unter
un§ gemanbelt, mürbe baS Quartett in B mit bem neuen
252) Über Beethovens letzte Komposition vgl. man auch B. S. Br.
Xo. 1031 an Diabelli (Band V, S. 60—61). A. u. IL
— 453 —
ginat*©a£ burdj ©djuppanäigf) §ur feiten Sluffüljrung gebraut.
Wlit Vergnügen gemann baS 9fubitorium bie Ueber^eugung, baft
ba3 ©an^e nun bem Sßerftänbnifj näfyer gerüdt erfdjeint ünb
bci$ 2)unfet ftdj nur mefjr auf ben 1. unb 3. ©a£ befdbränft.
2öot)t fonberöar, baf$ e§ ftdj um bie Sßertrauttjeit mit biefem
gewaltigen SBerfe big §ur ©tunbe in felber SSeife nod) oertjätt,
roie 1827, toeit fämmttid)e Duartett=$ereine, fogar ber ^Sarifer
ber sperren Sftorin unb (SfyeüiUarb nid)t aufgenommen,
gerabe oor biefem SDJonftrum immer am meiften ©djeu ge=
füt)tt fjabcn.
3U3 ergänsenb mag nod) bemerft fetjn, bafj ber 4. ©a^:
Alla danza tedesca, nun in 6 diu* fteljenb, urfprüngtid) in
A dar gefdjrieben ift, unb im Original üorliegt. 2)em %\\-
fdjeine nad) fottte er afö integrirenber Xljeü einem anberu
Quartett angehören, nid)t unmatjrfdjeinüclj bem in A moll, bem
Vorgänger be§ in 3^ebe fteljenben.
£>ie ©enefiä be§ öierten Quartette in Cis moll, gteid)=
fall§ mit fectjö ©ätjen, fällt in bie erfte §ätfte, ^umeift in bie
©ommergeit, be§ 3at)re§ 1826. Sine 5fuffüt)rung baoon burd)
©djuppangigt) fyat niemals ftattgeljabt, med bie menig erfreulichen
©rfolge mit ben brei früheren ieine3meg§ ermunternb gemefen.
©agegen Jjat e§ ©djuppanäigt) mit bem fünften in F dur
üerfucfjt, meld)e3, bereits gebrudt, im %ttäx% 1828 nicrjt oljne
SeifaE getjört morben, med ba§ SSerf meber in ftt)tiftifd)er,
nod) in rjarmonifd)=ted)mfdjer §infic^t Slbfonbertidjeö aufroeifet.
2Senn 83eetf)oöen'3 ©egner in feinen legten ©djöpfungen,
oornetjmlid) in biefen fünf Quartetten, nur Srrttjum unb 3S3iber=
fprud) erfennen motten, fo mufe üjnen ermibert merben, baf$
fetbft ber Srtttjum eljrroürbig erfdjeint, roenn er auf grofje unb
tbk Intentionen gebaut unb bon reinen SDfttteln getragen ift.
©3 mirb ficf> aber unferm äfteifter nid)t nadjmeifen laffen, baf$
feine Intentionen unb Mittel anberer 2lrt finb. Unb bie3
oermag oerfötjnenb unb gugteid) ermutfjigenb §u mirfen, nun
in bereit ©tubium ntcfjt gu ermüben.
— 454 —
S)te mehrmaligen SSerfucfye, meldjje ber SReifter mit bem
9J?otiü gum 4. <5a£ be§ Quartetts in Cis moll angeftettt, roie
ftcf) biefelben in ben ©ftggen oorfinben unb unter ben ©rgängungen
mitgeteilt finb, geigen augenfdjeintid), mie ffrupuloS berfetbe
mit ©eftattung ber erfunbeuen ÜUcotiüe Oerfafjren, 6i§ fie gur
Aufarbeitung, refp. ®urd)füt)rung, guredjtgelegeu. Ueberall
geigte fid) hierin eine fo ftrenge äftufterung fjinfidjttid) ber
23raud)barfeit, mie bei ber Sßaljt eines? ^ugen^otiöS. Qbige§
Sftotiö au§ bem Cis mollsQuartett mufjte bie SDcufterung fogar
nod) in oerfdjiebenen Xactarten paffiren. ßuerft finbet e§ fid)
fjingemorfen in 6lst fogteidj tueiter ausgeführt in 4/4, aisbann
mieber gtueimat in 6/8 (ba§> gtoeite 3J?a( mit „Meilleur" be=
geidmet); mieberum erfd)eint e§ in 2/4, gum fed)3ten Mai in i/il
enblid) gum legten Wal in i/i Xact mit Sßarianten. 3m
S)rude aber tritt e§ bod) nod) öeränbert auf.
35ie (Srftärung ber Auffdjrift „25er fdjroer gefaxte @nt=
fdjluf}" bei bem öierten <5a§e be3 legten Quartette in F mirb
fid) in bem biefer ^ßeriobe antyängenben S5ergeid^niffe üorftnben.
5ll§ notljmenbige Anmeldung folge nod) ein £)intt>eifen auf
bie Unrichtigkeit in Angabe ber Qpu§gat)len bei biefen Quartetten.
£)ie Reihenfolge iljrer (Sntfteljung erforbert bodj mofyt bie ifjr
entfpredjenbe QpuSgaf)!. SSieberum aber geigt e§ fid), ba%
bie brei Verleger, bie fid) in biefe SSerfe geseilt, oljne (£in=
tierftänbnif} Riebet tierfafjren finb. ®iefe 3a^en fofften geftetlt
fetyn, mie folgt:
Quartett in Es dur, Op. 127.
Quartett in A moll, Op. 130 anftatt 132.
Quartett in B dur, Op. 131 „ 130.
Quartett in Cis moll, Op. 132 „ 131.
Quartett in F dur, Op. 133 „ 135.
£He Dom (Somponiften afö fetbftftänbige3 2Serf i)ingefteHte
guge in B dur follte orbnungS^alber n a d) ben fünf Quartetten
eine ©teile einnehmen, unb at3 Op. 134 aufgeführt erfdjeinen.
®em Arrangement für ba$ ^Sianoforte gebütjrt !eine befonbere
— 455 —
Dpu§=3a^> toie feinem arrangirten SBerfe. 2)a§ in Dtebe
ftefjenbe rüt)rt nid)t einmal öom (Somponiften tjer, roie ber
Katalog befagt, fonbern üon 2tnton §alm; bod) Ijat e§ ber
sD?eifter einer 9iemfion unterzogen. $n ad ber $ät, in roeldjer
biefe fünf Quartette entftanben, l)at fid) 93eerf)ot>en mit ntd£)t^
anberm befdjäftigt; bennod) fdjieben bie Kataloge groei Äteinig-
feiten au§ gan§ früher 3e^ mit Dpu3=3°^en e^n: „2)er
^ufj", Triette, al§ Op. 128, unb Rondo a Capriccio, für
^ianoforte als Op. 129.
Ghtblid) märe nod) (Sinfpradje ju ergeben gegen ben 53eifa§
„21u§ bem Sftadjtaffe," ber fiel) auf ben SEitelblättern ber
Quartette in A moll unb F dur uorfinbet. 9#an l)at gehört,
bajj 3#- ©d)lefinger erftereS fd)on im Sluguft 1825 au§ be§
SHeifterä £*mnben empfangen; a6er auef) ba§ anbere ift iljm
fdjon in ber ^erbft^eit üon 1826 gugefdjidt roorben. Sludj
biefer an fiel) roenig bebeutenbe galt beroeift, roa§ bie Ferren
Verleger fidj aüe§ mit ben SSerten SeetljoOen'ö erlaubt Ijaben.
— Ueberfjaupt, roenn e<§ ja einerfeitS Srjatfacfje ift, bafj bie
Stteratur unfer§ 9fteifter§ in allen iljren 9l6tl)eilungen, bei allen
gebilbeten Böllern, fid) einer Verbreitung erfreut, roie feine
irgenb eine§ Glafftlerfä, fo ift e§ anbrerfeitS nicf)t minber %))aU
fad)e, hak leine anbere bie 3e^1e|nngen unb llmgeftaltungen,
roelctje fid) eben biefe Siteratur gefallen laffen mufcte, — freilief)
im alleinigen Sntereffe be3 ^ßublicumS, roie 3erfe£er unb
Verleger behaupten — §u leiben getjabt t)at. ©a§ „trjematifelje
Verseidjni^' bei Sreitfopf u. §aertel liefert bie augenfcfjeinlidjen
Seroeife.
Sycadjbem nun in betreff beS ®efdjicl)tlid)en ber legten
©cfjöpfungen £)offentüd) nichts llngenügenbeä mitgeteilt ift, roirb
eS Stufgabe, fid) au3fct)lief}lid) mit beS 3)?eifter3 ferneren Seben§=
oert)ältniffen unb ben auf biefelben, aber auet) auf feine ©e*
mütpftimmungen einroirfenben Familien guftänben ju be=
— 45G —
fdjäftigen. Severe üornefjmtid) finb eS, bei benen mir $unäd)ft
öertueiten muffen. (Sine öon bem 9fteifter au3 ber Odussee
ausgesogene ©teile roirb als (Einleitung bienen unb bie Stuf*
merffamfeit be§ SeferS auf biefen gurtet fjintenfen. ®iefe
©teile tautet:
„3Semge .fttnber nur finb gteicf> ben Tätern an 2atgenb,
(3ct)terf)ter als fie bte metfien, unb nur fef>r roenige beffer." (S. 37.)?63)
föur^ guvior Ijaben mir oernommen, baf$ S9eett)ot>en'ö 9ceffe
im £>erbfte 1824 bie Uniberfität belogen unb bei feinem Slbobtib-
SSater SSotjnung genommen tjatte. £>ie miffenfdjjaftlidje 9tid)tung
mar auf baZ ©tubium ber $t)i(o(ogie abgefetjen. 23efanntlid)
mürbe aber in biefem gadje an ben öftreid)ifd)en Uniberfttäten
Damaliger ßeit, unb aud) biet fpäter nodj, ntdjtä geteiftet, inbem
ber ©taat nur gute Beamte brauchte. s-föäre ber junge, grabe
für biefeS $ad) 6ega6te unb fdjon tüdjtig borbereitete 23eetb,oben
gut redjten duelle an eine auStänbifdje Setjranftalt gebrad)t
morben, fetjr roafyrfdjeinlid) fjütten eminente 9caturantagen unb
bereite (SrreidjteS beftenS mitgeroirft, um auS irjm einen b,erbor=
ragenben SßiffenfdjaftSmann gu madjen, mürbig feinet berühmten
9lamen§. Sei bem öftreid)ifd)en ©tubien^Sbftem, beffen fdjtaffer
9J?ed)ani3mu§ f'eineSmegs Goncentrirung ber ©eifteSfräfte, motjt
aber beren ßerttjeitung, richtiger gerfplitterung, besmedte, fonnte
fetbft ber ©trebfamfte 51t nidjtS, at§ ju mefjr ober meniger
Q3eamtenberftanbe gefangen, bie Functionen auf bem 5tatt)eber
faum ausgenommen. ®ie borgefdjriebenen ©emeftrat=^3rüfungen
mürben gmar 51t Dftern 1825 bon unferm ©tubenten abgelegt,
allein fcfjon mit ämeifelrjaftem (Erfolge, ja, ber bebeutungSbolle
bauten „23eett)Oben", b. tj. bie 9iürffid)t auf feinen Drjeim,
mufjte fdjon (Einfluß üben, um ba$ Sluffdjreiten in btö jmeite
©emefter 51t ermögtidjen. SSäfyrenb beö SfteifterS ©ommer^
aufentrjattS gu 33aben marb ber ©tubent einem berfäJ3tid)eu
SCRaune in Soft unb SSofjnung gegeben; berfelbe mar jebodj
253) Homers Odyssee, II. Gesang-, V. 276 f. A. d. H.
— 457 —
aufcer ©tanb, auf be§ SüngtingS ^ätigfeit unb redjtfdjaffene
güfjrung burdj Ermahnungen einjumirfen. Sftifebraud) Der
§rett)eit in gröblicher SBetfe, £ang gutn ©piet, tjäufiger 9Ser!el)r
mit feiner ungtüdtid)en SDMter, beren moratifdje $ßerfunfenf)eit
ben f)öd)ften ©rab erreicht Ijatte, waren Urfacfje, ba^ am ©djtufc
be§ gmeiten ©emefter3 gar feine Prüfungen gemacht roorbeu.
©omit mar bie beabftcfjtigte roiffenfd)aft(id)e Saufbarjn mit einem*
mal gerftört. S)a§ ^ergeteib unferS 9J?eifter§ in fold)' peintidjer
Sage treffenb gu fdjitbern, öermag am beften ber öon it)m au£
ber Odussee aufgewogene Klageruf, metdjer tautet:
„®ennt ibr einen, ber end» ber Unglütffeltgfte aller
©terblidjen [cfjeint; idj bin ifim gleich ju achten an ©lenb! (S. 135)254)
3)at5 e§ $eetf)oüen gteid) bei beginn ber 2tu3fd)reitungen
feine§ Neffen an eben fo ernften at§ Oätertidjen 9ftai)nmorten
nict)t fehlen gelaffen, bafür liegen f)anbfd)rifttid)e Semeife bor,
bie gugteid) aU ©ocumente feiner ebten, t)od)t}er§igen ^enlungS*
art gelten tonnen. 3U3 foldjeS bieten fte fjiftorifdjeS Sntereffe.
©ie befielen auö neun unb groangig Briefen, meiere ber
SQtofter im Saufe be§ ©ommerS 1825 au§ 23aben an biefen
Steffen gefdjrieben, bie aber in $otge einer m^ Dem Jull3en
tarnte im 31uguft 1826 üorgefallenen $ataftropf)e, Don roeldjcr
mir 9^ärjere§ oernebmen merben, mieber in feinen 23efii3 gurüd=
gekommen finb. 33eetf)oüen glaubte in it)rem Sutjalt bie befte
3ied)tfertigung feiner .^anblungsmeife gegen feinen 5(boptiri=©ot)n
gu finben, gu meldjem Snbgroed er fie furg öor feinem ©d)etben
au§ bem Seben bem Stephan bon S3reuning unb bem Sßerfaffer
gur $Darnacl)ad)tung empfohlen fjat.255) Sd) entfpredje fonad) bem
254) Odyssee, VII. Gesang, V. 210 ff. A. d. H.
255) Diese wundervollen Briefe, es sind 30, sind alle genau nach
den Originalmanuskripten auf der Königl. Bibliothek zu Berlin vom
Herausgeber in B. S. Br., Band V, von No. 1067 ab publiziert und er-
klärt worden. A. d. H.
— 458 —
Verlangen unfer<§ greunbes, totxm ^ biefetben, menngleidj nur
au§§ügUd), ber Beurteilung tiiermit unterbreite. (©iefe ©riefe
ttterben in ber Äöniglicrjen Söibliotrjei; §u Serltn aufbetualjrt.)
,,3d) freue mid), mein lieber ©ofjn, oafj ©u ©ir in biefer
(Sphäre gefäUft, unb ha biefeS ift, aud) alle§ üftöttjige ba£u
eifrigft angreifft. ©eine ©djrift tjabe id) nidjt erfannt. $\vax
frage id) nur nad) bem ©inne unb ber Söebeutung, ha ©u
nun bod) aud) ha$ fd)öne Sleufeere tjierin erreichen mußt. —
SBenn e§ ©ir gar §u fd)roer mirb t)iet)er 51t fommen, fo unter=
laffc e3. ®annft S5u aber nur möglicher SBeife, nun bann
freue id) mid) in meinem (Srd ein ättenfdjenljerä um mid) 5U
^a6en' Sd) umarme ©id) t-e^üd).
©ein treuer Sßater."
2.
21m 18. 9DM.
.... „(Sinem nun balb 19järjrigen Jüngling fann e§ nidjt
anberö at§ root)l anfielen, mit feinen ^3ftid)ten für feine Söübung
unb ^ortfommen aud) jene gegen feinen SSotjltrjäter, ©rnäfjrer
5U üerbinben. £)abe id) bod) biefeS aud) bei meinen armen
©Itern üollfüfjrt. Sd) war frolj, roie id) itjnen tjelfen fonnte.
SBelcfjer Unterfdjieb in Hnfebjung ©einer gegen mid)!
2eid)tfinniger!
Seb' mo£>l."
3.
«m 22. SKai.
„23i3t)er nur SKutfymajjungen, obfd)on mir öon Semanb
Derfidjert luirb, baft toieber geheimer Umgang groifdjett ©ir unb
©einer Butter — ©oll id) nod) einmal ben abfd)eulid)ften
Unbanf erleben?! ©oü ha3 S3anb gebrochen merben, fo fetj eS,
©11 mirft üon allen unpartrjeiifdjen sJ0?enfd)en, bie biefen Unbanf
— 459 —
fyören, getja^t werben, ©ie Steuerung be3 §erm 23ruber§,
unb ©eine geftrige Steuerung in 2lnfef)ung be3 Dr. © .... r,
ber mir natürlid) gram fetjn muß, ba ba§ ©egentljeit bei ben
Sanbredjten gefd^er)en üon bem, ma§ er Verfangt*); in biefe
Gemeinheiten follte idj mid) nod) einmal mifdjen? 9?ein, nie
meljr. — ©rüdt ©icl) ba§ factum? Sn ®otte<§ tarnen! 3d)
überfaffe ©icl) ber göttlichen 2Sorfel)ung, ba§ Steinige fjabe icl)
getfjan, unb fann belegen Oor bem §tHerf)öct)ftert aller ^idjter
erfdjeinen."
4.
.... „Unb hiermit 53afta! — SSermöljnt, mie ©u bift,
mürbe t§> nic^t fdjaben, ber Gnnfadjljeit unb 2Bat)rt)eit ©id)
enbtid) ju befleißigen, benn mein Jperj fjat 5U öiel bei ©einem
liftigen 33etragen gegen midj gelitten, unb ferner ift e§ mir, §u
Oergeffen. Unb moÜte icf) in SlKern mie ein Socfjocfjfe ofjne 51t
murren §iet)enf fo fann ©ein betragen, menn e§ fo gegen
3lnbere gerietet ift, ©ir niemals SDfenfdjen gubrtngen, bie ©id)
lieben merben. ©ort ift mein $euge, *$ träume nur, bon ©ir
unb biefem elenben Vorüber unb biefer meiner unroürbigen
gamilie gän^licf) entfernt gu ferjn. ©Ott ertjöre meine 2öünfct)e,
benn trauen fann icl) ©ir nie met)r.
öaben am 31. »i 1825.
Seiber ©ein 2Sater, ober beffer:
nidjt ©ein Sßater."
51m 18. Suni. (2öegen 9?ecr)nung3ablegen ü6er erhaltene (Selber.)
.... „Saß mid) nid)t nod) meiter 3urüdget)en. £eid)t ift
biefe§, aber nur frfjmergljaft für mid). 5lm ©nbe t)eifct e§ benn
*) 2>iefe ©teile begießt fidj auf ben ^Brojefe mit feiner ©cntoägerin
6etm Dbergeridjte.
— 460 —
aud) ba: ,,©ie finb bod) ein redjt guter SSormunb" it. f. m.
SSäre nur einige Stiefe in ©ir, fo müftteft ©u überhaupt immer
anberS getjanbett rjaben."
6.
5Tm 18. Suti
„Sieber ©ofjn!
53(eibe nur bei Sftäfjigfeit! ©a§ ©tue! frönt meine 93e=
mübjitngen; (äffe ja nid)t ©ein Ungtüd au§> fatfct)en 5£nftct)ten
Don ©ir grünben. ©et) roar)rr)aftig unb ja genau in ber An-
gabe ©einer Stu^gaben. ©a3 Sttjeater fafc jefct nod) ferjn. —
golge ©einem gübjrer unb Sßater, folge irjtn, beffen ©tdjten
unb Straften aü^eit für ©ein moralifdjeg SBorjl unb and) nidjt
gang ofyne für ba$ gemötjntidje ©aferjn ift. — ©et) mein
lieber ©ofjn! SSetdje unerhörte ©iffoncmg märe e<§, menn ©u
mir fatfd) märeft, tote e3 boct) 9J?enfd)en behaupten motten!"
7.
„Sdj merbe immer magerer, befinbe mid) ef)er übet af§
gut, unb feinen ^trjt, feine trjeituerjtnenbe ÜDfanfdjen! — Sßenn
©u nur immer fannft, fo fomme f)erau§; jebod) mitt id) ©id)
üon nidjtS abmatten. SBenn id) nur ficfjer märe, bafj ber ©onn=
tag otjne mid) gut gugebradjt mürbe. Sd) muJ3 mid) \a üon
3tüem entmörjnen, — menn mir nur biefe 2Sot)ttt)at mirb, bafr
meine fo großen Opfer mürbige grüßte bringen.
2Bo bin id) nid)t oermunbet, §erfdjnitten?! 3n §eimlid)=
feit mit bem §errn S3ruber (äffe ©id) nid)t ein. Uebertjaupt
fet) inctjt tjeimtid) gegen mid), gegen ©einen treueften 3iater.
äöenn ©u mid) aud) ftürmifd) fietjft, fo fdjreibe e» meiner
großen ©orge für ©id) äu, inbem ©ir leidjt ©efafjren brofjen.
©etje mid) nid)t in Stngft unb bebenfe mein Seiben! 23on
9M)t<8megen müjjte id) be§roegen gar feine ©eforgniffe fjaben,
allein ma§ fjabe id) fcfjon erlebt?!"
— 461 —
3 mal 8-
(fomm halb)
„©et) e<§! — SBorgeftern ber ©ignor gratetlo*) mit feinem
©drtrager; ma§ für ein elenber 9ftenfd)! — SBemt Gato
gegen ßäfar aufrief: Diefer unb mir, tuaS foü man gegen einen
folgen?! —
2öie immer Sein liebeüotfer für Did) forgenber Leiter."
$om September.
.... ,,3cf) roünfdje nidjt, ba^ Du ben 14. (September in mir
fommeft. (53 ift beffer, baß Du biefe ©tubien enbigft. — ©ott
Ijat mid) nie oertaffen. ©§ mirb ftd) fcfyun nod) Semanb finben,
ber mir bie Slugen ^ubrüdt. — (£3 fdjeint mir überhaupt ein
abgekartete^ SBefen in bem 5tllen, ma§ Vorgegangen, mo ber
£>err S5ruber (Sßfeubo) eine 9iofle mitfpiett. — £d) tneifj, ba^
Du fpäter aud) nidjt Suft ijaft bei mir ju fet)n, natürlid), e<§
geljt etmaS jn rein 51t bei mir .... Du braudjft aud)
©onntag nid)t gu tarnen, benn matjre Harmonie unb ©inflang
mirb bei Deinem 93enet)men nie entftetjen tonnen. SBo^u bie
£)eud)elei? Du mirft bann erft ein befferer Sftenfd); Du
braudjft Did) and) nidjt p oerftelten, nidjt $u (ügen, meldjeS
für Deinen moralifdjen (Sfyarafter enblid) beffer ift. ©ief)ft
Du, fo fpiegelft Du Did) in mir ab\ SSaS fjitft ba§ tiebe=
öoUfte 3ured)tmeifen!! ©^boft mirft Du nod) obenbrein. —
llebrigenS fet) nidjt bange, für Did) merbe id) immer mie
jel3t unauSgefetjt forgen. <2o(dje ©cenen bringft Du in mir
fyeroor! ....
Seb' mot)(! Derjenige, ber Dir ^mar nidjt ba$ Seben ge=
geben, aber gemifj bod) ermatten, unb roa§ metjr a(§ atteS Rubere,
für bie Silbung Deines ©eifteS geforgt tjat, oäterüd), ja metjr
*) 23eetfjoüen meint feinen Vorüber bamit.
— 462 —
abä ba$, bittet ©id) innigft, ja auf bem einigen Wahren SSege
alles ©uten unb ^edjten ju wanbeln.
©ein treuer, guter SSater."
10.
„9J?ein teurer ©of)n!
üftur nidjt weiter! — $omm nur in meine 5frme, fein
partes SBort wirft ©u rjören! O ©Ott, gebje nid)t in ©ein
@(enb! Siebenb wie immer wirft ©u empfangen werben. 3Ba§
5U überlegen, Wa§ §u tfjun für bie 3utunf*/ t)ie§ werben wir
liebeüott befpred)en. 9Mn (£I)renwort, feine Vorwürfe, ba fie
jetjt ofjnerjin itict)t metjr frucfjten Würben; nur bie üebeüottfte
©orge unb £)ülfe barfft bu erwarten. Äomm nur! $omm an
ba§> treue ^erj Seinem SßaterS SBeetboöen."
31m 5. Dctober.
„oben erhalte id) Seinen SBrief, fdwn öoll Slngft unb
fdjon fjeute entfd)(offen nad) SSien gu eilen. ©Ott fet) ©anf,
e§ tft nidjt nöttjtg! — gol'ge mir nur, unb Siebe wie ©lud'
ber (Seele mit irbifdjem ©lud gepaart, wirb un$ ^ux Seite
ferjn, unb ©u Wirft ein intenfioeS ©afetjn mit bem 2Ieuf$eren
paaren; bod) beffer, ba^ erftereS über festeres oben an=
ftetje .... Saufenbmal umarme id) ©id) unb füffe ©idj,
nidjt mein Oerlorener, fonbern neugeborener ©otyn. gür
©id) SSiebergefunbenen Wirb ©ein liebeboHer $ater immer
forgen."
31m 14. Dctober.266) 12'
,,3d) metbe ©ir eüigft, bafy id), aud) Wenn e3 regnet, ge-
ttrifj morgen 9?admiittag fomme, laß mid) ©id) bafjer fict)er finben.
— Sdj freue mid) ©id) wieberjufe^en, unb wenn trübe SMfen
256) Dieser letzte Brief an den Neffen, soweit sie Schindler mit-
teilt, vom 14. Oktober 1825, ist in B. S. Br. No. 1119 (V. Band), S. 198f.
A. d. H.
— 463 —
für ®tdj) erfcfjeinen, fo fd)rei6e fie nid)t üorfätjlidjer S8o§tjett
gu. ©ie roerben üöllig t>erfd)eud)t merben, burd) $)ein mir
üerfprod)ene§ beffere§ 9Sirfen für ©ein tuafyreS, reines, auf
^ptigfeit begrünbete§ ©lud .... 28er mirb ftd) oud) nid)t
freuen, roenn ber Srrenbe roieber in bie redeten gufeftapfen
tritt? Qa, bie§ fjoffe id) ju erleben."
9Sie mir eben gehört, fo §at ber ausgeartete Jyüngting bie
Prüfungen au§ bem gtoetten ©emefter an ber tlnitierfität nict)t
gemacht, barum ein Huffteigen in ben jroeiten Safyrgang ber
üf)itofoptjifd)en $acultät unmögtidj geworben. 2Ba§ foßte nun mit
itjm gefct)et)en? ßonfuttatiouen mit Fachmännern unb $reunben
abgehalten füllten einen entfpredjenben 2(u§meg ermittetn. Sfyr
Stefultat befcfyränfte fid) jebod) 6lo§ barauf: bie Ermittelung bem
jungen Spanne fel6er §u überlaffen. tiefer mahlte ben $auf=
mannSftanb, mo^u er nidjjt bie geringfte Neigung im (Sinne
getragen, Söefud) beö *}3ott)tectmifd)en SnftitutS foltte ilm baju
oorbereiten. —
SDtefe SSenbung ber ©inge Herantaste unfern SDZeifter feinen
Slufenttjalt in 33aben abjufür^en unb nadj SSien ju eilen. @u
be^og am ©Iaci§ ber ^orftabt SSätjring im fogenannten ©djroar-^
fpanier=§aufe im feiten ©todroerf eine geräumige SSofjnung
— bie letzte irbifdje. 2öeil biefe!6e aber öon bem ^ott)ted)ttifd)en
Snftitute meit ablag, fo roarb fein 9?effe in ber SSofynung jeneö
SSertrauen§manne§ getaffen, bie ganj natje gelegen. Salb fd)ienen
biefe fummeroollen Vorgänge oergeffen, fo ba^ fid) ber 9Mfter
roieber feinen ©tubien unb ©peculationen ungeftört übertaffen
tonnte. 3EH roefenttidje 33eruf)igung trug bei, bafc auf fein
?lnfud)en ber $ice=3)irector biefeö SnfritutS, $eif$er, bie 9Mit=
SSormunbfdjaft übernommen tjatte, unter beffen 5tufftd)t ber
sD?eifter feinen „roiebergefunbenen" ©of)n roof)t geborgen roätjnte.
©3 mar leiber nur SBatjn! Ungeachtet aller Siebe unb ©org=
falt üon (Seiten be§ Dt)eim§ unb 2Bad)famleit be§ 9ftit=93ormunbe$
betrat ber Säugling nur §u balb roieber bie faum berlaffene
— 464 —
fd)tüpferige 33af)n unb tarn batjin, ba% nad)bem er bie Prüfungen
aus bem ^netten Semefter alle fd)ulbig geblieben, er ^u bem
2{uc-funftsmittel be3 SelbftmorbeS griff. £a jebod) Das Attentat
mißlang, fo üerfiel er nadj ben 2anbe3gefe£en ben §änben ber
^ßoti^ei, inbem angenommen mirb, bafe folcfje £t)at nur aus
äRanget religiöfer begriffe öerübt merben fönne, menn nidjt
©eifteö* ober ©emüttjöftörung baju gefüfjrt. S)er 9icffc bes
3)?anne§, ben mir einftens für reügiöfe s-Bolföeräiet)ung fo leb*
Ijaft unb felbfttljätig fid) intereffircn gefeiert, mürbe bemnad) in
fidieren ©eroatjrfam gebrad)t, bamit t>a§> (Srforberlidje für ben
Abgang religiöfer 33ilbung gefd)et)en fönne. — Solches Unglüd
mußte ber große ftünftter an feinem, feit langen Sauren mit
fo biet Stufmanb unb Soften geförberten unb matjrlid) $u
fdjönen Hoffnungen beredjtigenben Neffen erleben! SSieberum
femtjjeidjnet eine öon itmi ausgesogene ©teile aus ber (Mussee
tiefe Situation:
„2>enn im Unglücf altem bte atmen (Sterblichen früt)e." 257)
SBeroeife tiefen Sdjmerses ob ber feinen -Kamen miber-
fatjrenen öffentlichen föränfung maren beullicf) in feiner ge=
beugten Haltung ju erbtiefen. Stafjin mar bas immer nodj
$efte, Stramme in allen feinen Störperbemegungen, ein ©reis
oon natje^u fieberig Sauren ftanb öor uns, raillenlos, fügfam,
jebem Suftjuge getjoretjenb.
3)as §er5eleib mürbe nod) öermetjrt, inbem öon tnattdje»
«Seiten bem SBormunbe bie Sdjulb beigemeffen morben, ben
9J?ünbel bis gu biefer Äataftroölje gebrängt ju Ijaben. Seben-
fatt§ tjei^t bieg üiet ju roeit gegangen; öon einem gemiffen
StntljeÜ an biefer Scfjulb bürfte jebod) ber Stfeifter nidjt frei-
gefprodjen merben tonnen. Sßormeg mirb man einem Spanne
bie erforberlidjen ©igenfdjaften gum @r,$iet)ungsgefc£)äfte nidjt
äuerfennen tonnen, (feö er auefj frei öon ptjrjfifcfjen ©ebredjen)
ber eben fo öon einem Uebermafj öon Siebe, mie öon §afj
257) Odyssee, XIX. Gesang, Vers 360. A. d. H.
— 465 —
unb üöftfctrcmen be^errfc^t ttrirb. Ueberbliden toir inbefe bie
beftanbenen ^errjättniffe, bie unfern Xonmeifter ^u biefem
©efdjä'fte Qefü^rt, ermägen mir ferner bie obgeroatteten <ptnber*
niffe babei mit SBerüdfidjttgung itjrer Quellen, fo werben fid)
un§ ©rünbe über ©rünbc ju unüerfjotenem ipaffe gegen bie
Butter be§ Steffen bor klugen ftetten, toetdje Dem 9Mfter fortan
(Stoff ju 2tu3iaffungen ü6er fte geben tonnten unb roirfticfj
gegeben fjaben, — leiber nur gu oft im SSeiferm it)reö ©ofjneS.
— SSerfetjlt roar e§ ferner üon Söeettjoüen, bafe er rjäuftg fdjon
bem Inaben üotfen ©tauben gefdjenft, obgteid) er benfetben
red)t oft auf groben Unttmrjrrjeiten, bei fünften ber Sßerftellung
unb £>eucfjclei, aber aud) nod) bei fd)timmeren ßrjaracter=(£igen=
fdjaften at§: grunblofeS Auflagen, fogar feiner Server, ertappt
tjatte; (£igenfd)aften, bie in fpäteren Sauren ficfj bis junt 23er=
läumben unb Stnfctjmär^en erprobter greunbe be3 DrjeimS au§=
bilbeten. Umftänbc unb SSertjättniffe in unferm gaUe roaren
in ber "Jrjat nad) jegtidjer Seite fo ejceptionetter 9trt, bafj
mandjer befonnene, nur fdnuer au§ ber rutjigen Raffung gu
bringenbe CSr§iet)er ober SSormunb an SSeettjoüen'S ©teile in
biefelben geiler üerfallen märe, aufgenommen beS beS lieber*
mafeeso üon Siebe §u feinem ßögttng. ®enn ränfeüotte ^nnber*
niffe in $örberung einer guten «Sadje üon offenbarer 23ö§=
rotUigteit unb ©d)ted)tigfeit in ben 2Beg gefteüt fetjen 5U muffen,
roirb roorjl taum üerfet)(en, bem roadjfenben Unmuttje Suft 5U
marken, toobei bie ©rängen ber ©djonung nur fcfjtüer einju*
galten ferjn roerben.268)
Sn ber trofttofen Sage, in metctje unfer SJceifter geraden,
erinnerte er fid) eines feiner bemärjrteften Sugenbfreunbe, be§
Cannes nämlid), ber eine lange Sfoirje üon Sauren in feiner
258) Über Beethovens Erziehungsmethode sind die Akten jeden-
falls noch nicht als geschlossen zu betrachten. Eine eingehende Ab-
handlung unter Berücksichtigung so vieler neuer Dokumente: „Beet-
hoven als Erzieher" ist noch eine würdige Aufgabe für einen ernsten
Beethoven-Forscher. A. d. H.
21. ©djinbletS 58cetl)oüen=33iograpfjic. 30
— 460 —
unmittelbaren Sftätje $euge oe§ M immer metyrenben 9\urnne§
geroefen, befjen ©rfarjrung, $!lugt)eit unb roeifer fKatfj il)m au§
mandjen SJserlcgenljeiten einen gnten 2(n§meg gezeigt, ben er ftd)
aber neun 3at)re §urüd in $otge einer föräufung entfrembet
tjatte, bei* nunmehr at§ faiferticfjer, roirtüdjer §ofrat() unb
birigirenber £E)ef eine<8 großen Departements am §of=ftrieg§ratt)
fid) an einer ©teile befanb, an metdjer er bem ge6eugten £on=
meifter mef entließe Dienfte §u teiften im ©tanbe mar. ©3 ift
©teü^an t>on Sßreuning, ein Wann öon meiner ©emütljS*
art unb feltener ©rjaracter^eftigfeit, bem bie Hftufe ber 2)id)t=
fünft, uneradjtet gehäufter 2Imt3gefcfjäfte, bis in füätere Satjre
treu geblieben. (£& barf in 28at)rt)eit ein unöer^ei^tidjer ^etjter
genannt merben, beffen ftcf) ber heißblütige föünftler fdjulbig ge=
maerjt, nid)t öor Sarjren fdjon ben erften ©djritt gut Verformung
gettjan §u rjaben.*) Sn biefem $afle — aber noefj ein anberer
gleicher 21rt nnrb ju nennen fetyn — tjatten bie eigenfjänbig
ausgesogenen Sßorte au§ ber Odussee feine SSirfung §u übm
üermodjt, (mie bod) fonft) roetdje lauten:
„Unb fiel ein fränfenbeS SSort bier
Unter mt§ nor, fo mögen i% fd)neü bie «Stürme nerröeben!" Oßag. 155.)259)
©er nadjftefjenbe SBrief an biefen $reunb, roenngteid) oljne
Datum, bod) gan^ fict)er au§ jenen Sagen öon 1826, ^eigt unS
Seetrjoüen'S erften ©djritt gur Verfötmung mit feinem getreuen
Steffen.**)260) @r fdjreibt: „§inter biefem ©emälbe, mein guter,
lieber Steffen, fet) auf eroig üerborgen, ma3 eine Zeitlang jmifdjen
*) Skeuning Ijatte nämlid) ber 2lbo|)tion be§ Steffen energifet) iv>iber=
ratzen, unb bamit bie öerumnbbarfie «Seite S3eet^oüen'§ getroffen.
**) S)a§ Original biefe3 93riefe§ beroafnt bie Familie Don Söreuning in
SSien.
259) Odyssee, VIII. Gesang, V. 480 f. A. d. H.
260) Dieser Brief an Stephan v. Breuning ist weit, weit älter,
als Schindler Wort haben will. Wie ich zu beweisen versucht habe,
gehört er ins Jahr 1804. Siehe B. S. Br. No. 94 (I. Band) die Er-
klärungen. A. d. H.
— 467 —
un§ borgegangen. Sd) mei§ e£, id) fyafc ©ein §erg gerriffen.
©ie 23emegung in mir, bie ©u gemife bemerfen mufjteft, t)atte
mict) genug bafür gef traft. 23 o 3 t) et t mar'§ nidjt, ma3 in mir
gegen ©ict) borging, nein, id) märe ©einer $reunbfd)aft nie
mef)r mürbig; £eibenfd)aft bei Stfr unb bei mir; aber SD?if$=
trauen gegen ©id) marb in mir rege; e3 ftetlten ficf) SDfenfdien
gmifdjen un£, bie ©einer unb meiner nie mürbig finb. — SJfein
Portrait*) mar ©ir fdjon lange beftimmt; ©u meifet e§ ja,
bafy id) e§ immer Semanbem beftimmt fjatte. SSem tonnte ict)
e§ mot)l fo mit bem märmften ^per-jen geben, als ©ir, treuer,
guter, ebler (Steffen! SBergeit) mir, raenn icf) ©ir metje ttjat; ict)
litt felbft ntdjt meniger.
2ll§ id) ©id) fo tange nicfjt met)r um mict) faf), embfanb
ict) e3 erft rectjt lebhaft, mie treuer ©u meinem ^erjen bift unb
emig fet)n mirft. — ©u mirft motjl aucf) mieber in meine Strme
fliegen, mie fonft."
93atb nad) 2ßieberbereinigung mit SSreuning fam aud) an
ben SSerfaffer üon bem üDtofter ba§> @rfud)en, ben früheren
$J3Ia§ in feiner Umgebung mieber einnehmen 5U motten, ma3
unberjüglid) gefdjefyen; benn in ©emeinfdjaft mit S3reuning tiefe
fid) erfpriefelidjeS für unfern greunb bemirfen unb nad)gerabe
mieber bie 2ttmo§pf)äre in feinem §aufe purtficiren, metdje feit
Monaten burd) faialtfdje <Selbftfud)t §iem(ict) gelitten tjatte.
2Betd)en Sftifcbraud) biefe üon ber Betäubung be§ SCRetfterö in
gotge be§ it)n getroffenen @d)tage§ 5U machen fid) erfütjnte,
fott in ben (Srgängungen bargefegt merben. — Salb Ratten mir
bie greube, bie unferm greunbe eigentt)ümlid)e ®raft be§ @eifte§
unb 2Bitten§ mieber erroadjen su fet)en unb überrafdjenbe SBe*
meife gu ermatten, mie t)od) ergaben er fid) über fein ©djidfat
gu fteEen berftef)t. 2Sa3 fid) feinem ©ebäd)tniffe au£ ber Seben3=
tenntnifj großer Scanner be§ $lttertt)um§, auf feine eigene Sage
*) ©§ war bie 2iu>a,ra:pl)te nad) ©tieler, bie ber Sfteifier etroaS fniEjer
fcfyon an Dr. Tegeler getieft tjatte.
30*
— 4G8 —
begüglidjeS, eingeprägt (jatte, führte er ficf) gum £rofte unb ^ur
(Srfjebung uor bie «Seele. 2>er Stoifer unb $eripatt)etifer fjiett
un§ fogar juweiten Vorträge über einzelne ber Setjrfätje au§
biefen pf)itofopl)ifd)en Srjftemen. 3n folcrjen Momenten jeigte
fein ganzes SBefen eine rüat)rtjaft antue SSürbe.
SWittterweife war ber ßeitpunct fyeran gefommen — un=
gefäfyr gegen ©nbe Dctoberö — bafo bie t>on StaatSwegen mit
bem Steffen oorgenommenen ^eligionSübungen beenbigt werben
füllten. 2öät)renb biefer ßeit t)atte ber junge 9J?ann ben Gnt*
fd)luf$ gefaxt, fiel) bem SJfilitärftanbe wibmen 511 motten, mo
feine (3emeftral=*ßrüfungen §u befielen finb. ©er $ice=2)irector
am Sßolrjtecrmicum tjatte [ein ?lmt al§ 9ftit>33ormunb nieber=
gelegt unb 33reuning trat an feine ©teile. Sie Uebergabe be§
(befangenen an bie beiben 95ormünber erfolgte Oon Seiten ber
Spolijeibeljürbe mit ber au§brüdtid)en SBeifung, ifjn nict)t länger
benn einen Xag nur in Söien belaffen §u bürfen. 2)a jebod)
Widjtige, geiterforbernbe Sßorbebingungen ^um (Eintritt in ben
äftilitärftanb gu erreichen waren, fo bot Sotjann Dan ©eetfjooen
bem SReifter Subwig unb bem 51t merbenben Slriegymanne fein
Sanbgut ©neijenborf, am linfen ©onauufer unweit ber Stabt
St'rem§ gelegen, 511m einftmeiligen ^tufenttjalt an, big e£ bem
§ofratl) werbe gelungen fetjn, einen 9iegiment§=3nl)aber au3=
finbig 5U macfjen, ber nidjt nur bie ?lufnat)ine be§ äftünbelS al§
Gäbet in fein Regiment bewilligen, aber aud) benfelben ber
(Sompagnie eineö Hauptmanns üon meljr als gewbt)nlid)er
Offi^ier^bilbung $utf)eilen unb einer befonberen Dbforge an*
empfehlen wolle. ©er 5e^0marf^)a^^eutenQnt/ ^rci^err
uon ©tuttertjeim, natjm ben jungen 9J?ann au3 9tüdftd)t für
beffen beibe SBormünber in fein Infanterieregiment unb Wählte
ben 6ompagnie=ßf)ef, Hauptmann üon 9J?ontluifant, jum
güfyrer be§ neuen ßabeten. ?lu§ ©anlbarfeit bebicirte öeet^ooen
biefem ©eneral baä Ouartett in Cis raoll. 2)ie)e feine (Snt=
fdjtiejjung batirt aber erft öom 10. 9JZär§ 1827 an bie $erlag§=
Ijanblung ©djott in SD^aing, nadjbem berfelben \>a% 9J?annfcript
— 469 —
Bereite im Dctober 1826 (taut einer Oortiegenben 51ngeige ü6er
beffen (Stfjatt, de dato 2J?aing ben 28. ^ooemb. 1826) gugefdjidt
toorben loar.261)
lieber be§ SOceifterg ^fufenttjatt in ber Umgebung feiner
gamilie gu ©neijenborf, (beftefjenb au§ feinem 93ruber, beffen
©emafytin unb ifjrer [natürlichen] Bereite ertoatfjfenen £od)ter,
bann feinem Steffen) enthielten bie Stagebüdjjer nnb enthalten
noef) anbere oorliegenbe Rapiere üon ber §anb be§ 23ruber<§
fo üiete ßontroüerfen, fo öiet be§ SSibertüärtigen, baJ3 e§ nidjt
geraten fdjeint in3 detail eingugefjen, fonbern bie ®inge mit
menig SSorten gu fenngeidjnen: ungtaublidje 9^üdftd)t§(ofigteit
auf be3 9fteifter3 empfinbltdje ®örperbefd)affentjeit, fo in 53egug
auf SBotjnung mie auf ÜRafyrung; ^auptfädjtict) aber Intimität
beö Neffen mit feiner Stante, bie in fittticfyer £nnfid)t giemtid)
auf gleicher ©tufe mit feiner 9ftutter geftanben, bemnad) gäng=
lidje 9^id)tbead)tung feines bekümmerten 2lboptio=$ater§.2G2) 3U
allem biefen nod): befdjränft fetin gu muffen auf bie 2Bot)nftube
megen falten, regnerifdjen 9(coüembertt)etter<§. llnb in biefer
Situation bidjtete Seetfyoüen fein (Sdjmanenüeb, ben legten
©a§ gum Quartett in B dur, Op. 130, OoE ernfter Suftigt'eit
unb £mmor3. Dbgteidj S3reuning'§ ©olliciationen nod) gu feinem
ertoünfdjten (Snbe gebieten nxtren, fo fanb fidj unfer 9J?eifter
au§ Oorftetjenben ©rünben genötigt, biefen Ort gu oerlaffen
unb ben üfteffen mit fic£) nad) SSien gu nehmen, letzteres auf
bie ©efaljr t)in, bafetbft mit ber ^otigeibet)örbe in (Sonflict gu
gerattjen. gum Ue6erftufj alter SRüdftdjtätoftgfeiten tiertoeigerte
ber $ßfeubo=Q3ruber feinen gefd)(offenen -Stabtroagen gur Sfteife
bis gu bem natjen Stremä, baf)er biefe in einer offenen $a(efd)e
261) Vgl. den Brief an B. Schotts Söhne in Mainz in B. S. Br.
No. 1212 (V. Band). A. d. H.
262) Darüber spricht eingehend der ungedruckte Brief Schindlers
an Beethoven, der im Anhang aus Schindlers Beethoven-Nachlaß mit-
geteilt wird. A. d. H.
— 470 —
gemalt merben mußte. Sie $otge mar eine Unter(eib3erfä(tung,
bie gleich im beginn mit ^eftigfeit aufgetreten ift.203)
?lm 2. Secember langte ber 9J?eifter mit feinem nid)t§*
mürbigen Neffen in SSien an. @rft nad) mehreren Sagen erfüll-
tet) feine gurücffunft nnb feinen 3u[tanb. %d) eilte fofort 51t
ifjm nnb Oernafym unter anbern aud) bie betrübenben 9J?ittf)eitungen,
bafe er feine früheren 5Ier§te 23raunf)ofer unb ©taubentjeim
roieberfjott bitten tiefe fid) feiner anjune^men, jebod) t>ergeben§,
erfterem fet) ber 2Beg 5U roeit, unb teuerer l)abe öerfprodjen $u
fommen, tarn aber nidjt; man Ijabe ifjm einen 9Irgt jugefdntft,
er roiffe nidjt mie unb burd) tuen, ber ifm unb feine 9catur
gar nidjt fenne. @3 mar Dr. Sßamrud), ^ßrofeffor an ber
SHinit. Sie Jjödjft fettfame Sßeife, mie berfetbe an 23eett)ouen'3
tanfenbett gefommen, öernafjm id) au§ feinem eigenen 9)£unbe.
Deämtidj: ein auf bie ^tinif gebrachter Siener (^arqueur) au§
einem Äaffeetjaufe ber @tabt fjat ifjm öertraut, bafj S3eetfjoüen'§
9ceffe, al£ er einige STage guoor bafelbft 23ittarb gefpiett, ifjm
ben Auftrag gegeben für feinen fronten Dfjeim einen SCr^t §u
fudjen, unb ba er ftdj megen Unmot)tfet)n§ biefeS Auftrages nidjt
entlebigen fonnte, fo tjabe berfetbe itjn nun erfudjt 5U 53eetf)otien
getjen gu motten. 5(n ba$ tanfenbett gefommen, fet) biefer
mirftid) nod) otjne är§tticl)e §ütfe geroefen.
Sie 23eurtrjeitung biefeS galtet, mie überhaupt aller öon
ber $amiüe be<§ 9D?eifter<S ausgegangenen Unbilben unb Stränfungen
barf roofjt bem ßartgefüfyt be<§ Seferö übertaffen merben. Sn
biefem ©ummarium finben bie eigcnttidjen llrfadjen feinet frütjen
SobeS eine tion fetbft fid) ergebenbe Srftärung. — 2(u*füt)rtid)e
©d)ilberungen öon Stjatfadjen, metdje it)re Duette in uneblen,
üerberbten ober gar fdjtedjten ^er^en tjaben, Oerteiben bem
Siograpfjen fein ©efdjäft: fte geftatten fid) §u maljrfjafter ^ein,
263) Über Beethovens letzte Lebenstage ist auf L. Nohls
wichtige, beachtenswerte Studie zu verweisen: „Beethovens Tod. Eine
dokumentarische Chronik im Buche „Musikalisches Skizzenbuch 1866.
No. IX". A. d. H.
— 471 —
menn ber SBerfaffer fic meift mit eigenen ©innen malgenommen
unb ifjre nadjtljetfigen SBtrfungen mit beobachtet t)at. 2öie ganj
anberS rairb ba3 ©efdjäft für ben 23iograpt)en, ber bon Gittern
mag er §u Rapier bringt, nidjtS felbft erle6t, bto§ nadj bor=
fjanbenen SQcateriatien arbeitet, bon benen nicfyt feiten manche
au§ unlauteren Duellen l)errül)ren, anbere roieberum aus einer
3eit batiren, roo Singe unb £t)atfadjen itjre Sebeutung ber-
loren, roeit bereu ©inmirt'ungen bielleidjt fdjort bergeffen, ober
gemilbert erfdjeinen, S^ebenfactjen überhaupt, mit geringer 9Tu§*
natjme, bereite ju bem überflüffigen Äram gelegt merben. Sn
fotdjer (Stellung ben Xtjatfacr)en gegenüber roirb bem 23iograpf)en
gu fubjectiber Sluffaffung unb meit abroeicljenber 25eurtt)eüung
ein freier Spielraum übertaffen; benn bie ferngerücfte ßeit f)at
ja 3uft°nbe unb SBerljattniffe be3 Reiben bereite roefentlid) um=
geftaüet. Sie ©efdjidjtsmerfe jeber 51rt bemeifen bie§ §ur ©e=
nüge. Um ein Seifpiel in Sejug auf unfern gelben angufüfjrett:
S^eettjoöen mar erft breifeig Sat)re au§ bem Seben gefdjieben, afö
man $u SSien über fein ^örpermafe in einen Srrtfjum Herfiel.
SMefer liegt im SDrucfe bor. 9^ac£j abermals breifeig Sauren
bürfte ber SEonmeifter an bem Orte feiner fünftterifctjen Staaten
bielleidjt fdjon bem 33ereidje ber SJcbtlje berfallen fetjn. ®a§
berbanft man ber Vornan- unb 9f?obetten=©d)riftfteüerei, bie
tjiftorifdje ^£)atfactjen jeglidjer ?lrt rüdfid)t3to§ 51t ifjrem groede
umgeftattet unb it)r SSefen bernidjtet. Unb befannttid) greift
bie 3ftenge nad) foldjer Seetüre, nier)t nad) gefdjtdjtlidjen SSerlen.
9^acf> biefen burdj SSertjättniffe unb gettäuftänbe ftd) auf=
bringenben ©eitenbemerfungen betreten mir mieberum ben immer
büfterer merbenben ^ßfab ber Gegebenheiten. 2)ie §anblung unferS
©rama ift bis §ur Peripetie borgefdjritten.
Sn ber gtueiten §ätfte beS Staats ©ecember tonnte entließ
bie Slbreife beS Steffen gu feinem 9?egimente nad) Sgtau in
Stfäfjrert erfolgen.*) Sßeber Greuning noct) ber SScrfaffer maren
*) 9<acfjbem biefe $erfönlid)feit nun Dom <&d)mpla$e abgetreten,
bürfte e§ angemeffen ferjn, beren fernere 2eben§t>err)ältmffe in wenig Um=
— 472 —
Beugen ber Trennung bort feinem SSoJjlttjäter. 2)qb biefelbe
auf (Seiten unfer§ SfteifterS mit teidjtem ^erjen ftattgefunben,
bezeugte bie ungetböfmtid) ^eitere (Stimmung, in melier mir üjn
trafen. ©3 motlte fdjeinen, at§ fei er bom böfen geinbe befreit
morben. 2)iefe ©timmung mar fetne§meg§ eine borübergetjenbe,
f)ielt bielmefjr gierntict) lange an; üjr mar eö guäufdjreiben, baf3
ber ^atient mit boller guoerfidjt feine balbige SBieberfyerfteflung
erhoffte, mancherlei $ßlane entmarf unb über bie §u fommenben
©ompofitionen fid) auslieft, — farj, er füllte fid) mieber im
©eift unb ©emütt) fo frei, fo „gang anfgefnöpft," mie in früheren
Sagen: ber Stoiber (jatte nun ßeit unb Stufte ft<±> in feinem
Set)rft)ftem nadi $ergen§uift 51t ergeben. ®ie§ atle§ märe ge=
eignet gemefen unfern S5erfet)r mit it)m red)t angenehm 511
madjen, tjätten mir nur un§ bie böfen 2U)nungen einer nidjt gu
fernen Äataftroptje au§ bem ©inne fd)lagen tonnen. ©tüdlid)er
in foldjer §infid)t mar ber eilfjäfjrige Sotjn 23reuning'3, ein
munterer unb berftänbiger Slnabe, ber burd) feine Unbefangenheit
unb 9?id)tfenntnif3 ber ©efatjr unfern greunb oftmals angenehmer
gu unterhalten mufjte, aU mir. ©erwarb bon Sreuning,
ber SieblingSgefetlfdjafter unb oortrefflid)e Pfleger be§ franfeu
riffen ju Berühren. Sari t>an 23eetboüen, juetft ^fiilotoge, bann
Saufmann in spe, balb aber bem SriegShanbtnerfe fid) roibmenb, Devüef}
and) biefe Saufbaljn unb naftm eine Stelle al§ Beamter eines ^riöaten
ein. ©eine au§ ben früheren ßonflicten mit SebenSDerfiältnifien geretteten
guten (Sigenfctjaften maebten fpäter einen adjtbaren gamilienöater au3 ibm,
ber fd)tt)er getragen an feinem berühmten tarnen, ©r fd)ieb Don binnen
am 13. Slprii 1858.264)
264) So schreibt auch Gerh. v. Breuning: Nachdem sein ihn so
nachsichtig behandelnder Oheim gestorben, er auch das Militär ver-
lassen hatte, ward er ein ruhiger, ordentlicher Mensch und guter
Familienvater. Er starb in Wien am 13. April 1854. Aber Beethovens
geradezu blinde Liebe, mit der er doch so gerne die ganze Welt um-
schlungen hätte ( — „Seid umschlungen, Millionen, diesen Kuß der
ganzen Welt" — ) hatte sich hier zu arg gesteigert. „Aus dem Schwarz-
spanierhause." Neudruck S. 104. A. d. H.
— 473 —
23eett)oben, nunmefjr toracticirenber Uv^t in SSien, £jatte
fid) lauten ®anf öon bem großen SDceifter ermorben, unb mirb
öietfeidjt gur ©tunbe nodj, nidjt otjne 9tüf)rung, an jene felbft
für finblicbe Segriffe mistigen Xage gurücfbenfen. dufter un3
dreien mollte ber Patient Sftiemanben um fid) bulben; felbft
fein 23ruber mar nid)t gerne gefefien — in Erinnerung ber
neuerlidjen SSorfätle ju ©neijenborf.265)
Sie tonftjeit, an tpetct)er 93eett)ot>en barniebertag, mar
anfängtid) eine au3 ber ©rfättung be3 Unterleibes fid) entmidelte
£ungenent§ünbung. S)iefe mürbe aber öon Dr. SBahmtdj üiel
ju fpät erfannt, unb afö bie richtige ©rlenntnifj ha mar, mar
bereits ba§> ©tabium ber 23aud)mafferfud)t eingetreten. 2Sir
merbcn in ben Ergänzungen f)ören, in meldjer Söeife biefer
Sfr^t ben begangenen geiler in ber S)iagnofe üon fid) ab§tt«
menben ftcf) ertaubt l)at. S)ie ©tjmptomc ber Stranfrjeit traten
in menig Sagen fo auffaltenb fjerbor, bajj fdjon am 18. ©ecember
bie erfte Function üorgenommen merben mufete; am 8. Sanitär
barauf bie gmeite unb am 28. beSfefben SKonatS bie britte.266)
265) Als Ergänzungen zu Schindlers Darstellung der letzten
Lebenstage des Meisters seien allen ernsten Forschern empfohlen
Gerh. v. Breunings Buch „Aus dem Schwarzspanierhause", wovon
der Herausgeber einen Neudruck besorgt hat, 1907; dann Thayer-
Deiters, Beethoven, V. Band: „Das Jahr 1827", 1908, herausgegeben
von H. Riemann S. 437 ff. A. d. H.
266) Trotz Thayers Versuchen, den Arzt Dr. Wawruch heraus-
zustreichen, bleibt hier Schindler doch im Recht und wird besonders
durch Gerh. v. Breuning unterstützt, der selbst ein angesehener Arzt
war. Darum bleibt es auch hier geboten, ein Wort Gerh. v. Breunings
aus dessen Schrift „Aus dem Schwarzspanierhause" zu wiederholen.
Gerh. v. Breuning schreibt: „Auch Dr. F. G. Wegeler bestätigt in
seinen Nachträgen der biographischen Notizen über L. van Beethoven
die Berichtigung Schindlers über die Verdächtigung Dr. Wawruchs:
Dr. Malfatti habe dem an Wassersucht Leidenden Punsch-Eis ver-
ordnet, weil er als langjähriger Freund Beethovens dessen vor-
herrschende Neigung für geistige Getränke zu würdigen verstand",
indem er Wawruchs Angabe ,als durchaus unbegründet erklärt'".
— 474 —
9J2it ben (Srgebniffen bes le^tgenannten Stages maren
nnfere fdjmadjen Hoffnungen üernid)tet. 2>ie 2lbnabme ber
tofjtyfifdjen unb geiftigen Gräfte erfüllte aud) bie «Seele unferS
Äranfen mit trüben Tönungen. 2)aS Vertrauen ju feinem
Strjte, tor mehreren Sßodjen fcfjon fdjmanfenb gemorben, inbem
er ü)n mit 93cebicamenten in fo großer Stenge überhäuft tjatte,
baf? bie Functionen bes of)nef)in gefd>mäd)ten Unterleibes geftört
tuerben mußten, mar nun gänjltd) gejdjmunben, fo baf3 es iljm
bor feinem ?lnblid graute. — Sn biefer mit ®runb be=
ängftigenben Sage erinnerte fid) 23eetf)oüen feines ehemaligen
£yreunbeS, beS nun fet)r berühmt gemorbenen Slr^teS, Dr. Wlai-
fatti, ben er bereits üor gtoötf Sauren fictj entfrembet unb
feit bem mit feinem SSorte mein: gefprodjen Ijatte. ?luf biefen
baute er nun bie Hoffnung 51t feiner Rettung. s2lber 9#alfatti
mollte bie burd) mid) iljm üorgetragene 93itte bes 9)tafters nid)t
Ijören, er mies fie falt ab. 2>d) magte einen §meiten unb fogar
einen brüten SSerfud), feine £l)eitnal)me für ben leibenben ;£on=
bidjter rege 31t madjen. (Snbtid) gelang eS, ifjn bafyin 5U bringen,
ben Patienten menigftens mit einem Söefudje erfreuen gu motten,
als träte er an bas Äranfenbett eines itym gan^ gremben.
SDiefer 53efud) follte auf fein Serlangen im 23eifet)n beS
orbinirenben Sfr^teS ftattfinben. ©ieS mar jebod) 33eetl)oüen'S
SSunfd) entgegen, ber feinen ehemaligen greunb allein feljen
„Ich (seil. Gerh. v. Br.) kann nur bezeugen, daß Wawruchs Mit-
teilungen, der weder ein langjähriger noch Freund Beethovens über-
haupt gewesen, so vollkommen aus der Luft gegriffen, als zum Zwecke
eigener Beschönigung geschrieben sich darstellen." — Diese Aus-
führungen von seiten Gerh. v. Breunings sind von besonderer Wichtig-
keit. Denn hier spricht ein Arzt gegen den Arzt Dr. Wawruch,
der sich herausgenommen hat, in so übler, man möchte sagen ver-
leumderischer Weise über des Tondichters Hang zu Spirituosen zu
schreiben. Wawruchs falsches Wort „sedebat et bibebat" hat nicht
wenige irregeleitet. Und so mag denn G. v. Breunings Wort zur
Reinigung und Klärung dienen (Aus dem Schwarzspanierhause, Neu-
druck von Dr. Kalischer S. 130.) A. d. H.
— 475 —
unb ftdE) mit irjm ausformen rcoHte. (£ine SJcotrjlüge führte gum
ßtued. 9)?atfatti erfdjien, fanb aber ben Kollegen nidjt, bafür
bie offenen Strme be§ reumüttjtgen um Söerjeüjung ftetjenben
grcunbeS.267) Sitte» Vorgefallene mar oergeffen. SBon nun an
ersten 3Ka(fatti faft tägtid) sugteict) mit Sßatorudj am Sranfen*
betr. 5)a» Regime be§ Sedieren roarb fofort befeitigt unb allein
$unfef)ei§ in äiemtidjer Quantität gereicht, rooburd) ber tränte
fid) erfrifd)t, bafb aber in fo {Jokern ©rabe ftc£) gekräftigt füllte,
bajj er fiel) mit (Sompofitionen beferjäftigen §u tonnen, ja, fid)
gerettet, glaubte. @» ioarb jebod) ärjttidjer ©eit§ unterfagt,
bagegen eine teidjte Sectüre empfohlen. S)te SB alt er
©cott'fdjen SKomane froren eben im ©erjtnange; ber ^atient
tiefe fiel) barjer leid)t bereben, bie Sefanntfdjaft be§ „großen
Unbetannten" gu madjen. Mein fcfjon roeitjrenb ber Seetüre
ber erften SBänbe öon „®enitroortt)" geriete) er im gorn un0
marf baZ S3uctj $u Söoben, au§rufenb: „Ser $ert fdjreibt bod)
61o§ für'ö @etb!" ßum (£rf atj umgab er fict) mit feinen
267) Über Beethovens letzte Krankheit lassen wir zur Ergänzung
der Worte Schindlers noch einmal Gerb. v. Breuning, den Arzt, reden:
„Daß die Krankheit, von welcher Beethoven befallen worden, eine
Bauchfell- und nicht Lungenentzündung, wie in den Biographien
irrtümlich zu lesen (Schindler wird II, S. 434 zitiert), läßt sich ärztlich
beweisen, und zwar aus folgenden Gründen: einmal weil nur eine
Bauchfell-, nicht aber eine Lungenentzündung eine Bauchwassersucht
schaffen kann, und dann, weil er, mag auch im Beginne der Er-
krankung immerhin gleichzeitig eine katarrhalische Reizung der
Atmungsorgane bestanden haben, während des Verlaufes seiner Krank-
heit nicht hustete, die kräftigste Stimme, nie Atmungsbeschwerden
hatte, außer insoweit später die übergroßen Wasseransammlungen
im Unterleibe beängstigend nach aufwärts drückten, und endlich weil
die Lungen schließlich während seines fast dreitägigen Todeskampfes
sich so vollkommen gesund und überaus kräftig erwiesen, daß von
einer vorhergegangenen Lungenerkrankung keine Rede sein konnte."
So Gerh. v. Breuning, dem. für die klare Diagnose der Todeskrankheit
Beethovens noch besonderer Dank gebührt (s. Aus dem Schwarz-
spanierhause, Neudruck S. 127 f.). A. d. H.
— 47G —
ätteften $reunben unb £ef)rern qu§ §effa§, mit ^ßtutard),
§omer, Sßtato, 9Iriftotete§ unb anbent beriet ©äften. Unb
ba üjm öon ^rang <3d)itbert'§ Gompofitionen nur menige
befannt tuarert, bie Siebebienerei überhaupt ftetS gefdjäftig mar
beffctt Talent gu üerbädjtigen, fo benutze id) ben günftigen
Moment, mehrere ber größeren ©efänge, afö: Sie junge 9?onne,
bie SBürgfdjaft, ber Sauger, (Sltjfium unb bte Dffianifd)«!
©efänge Oorjutegen, beren S5efanntfctjaft beut Sfteifter grof$e§
Vergnügen gemäfjrt fjaben, fo bafj er fein ilrtfjett barüber mit
ben Söorten auSgefprodjen: w2öaf)rtidj, in bem ©dmbert motjnt
ber göttlidje gfunfe" u. f. m. 3ur 3eit tvav jebod) erft eine
fleine Sln^t öon ©djubert'ä Werfen im Srud erfdjienen.
$aft in att' ber 3eit, in metdjer mir bea Sfteifter auf bem
ftüranfenlager fernen, marb er bon einem trüben ©ebanfen uer=
folgt, ber feine ferneren <Subfifteu3mitte( jum ©egenftanb gehabt.
(Srmedt mürbe btefer quüfenbe ©ebanfe burd) bie Steuerung
beö §fr§te§, bafj fein STranfrjeit^uftanb öon langer Stauer, baijer
aud) lange an geiftige 23efd]äftignng ntdjt ^u beuten fetm merbe.
Sie fid) it)m baburdj aufbrängenbe $rage: morjer bie Strittet
3um £eben3untert)att für fid) unb feinen Steffen netjmen, menn
btefer ä'rgttidje 2tu3fprud) gut Söaljrtjeit merben fotlte? entftanb
fonad) auf natürlidje SSeife, unb mürbe jeben anbereit Stünftler,
ober ©djriftfteller, in gteidjer Sage nid)t minber geängftigt fjabett.
3unäd)ft tonnte inbefj ben 9)ceifter ber Umftanb beruhigen, bafc.
er an ben dürften (Mithin für ba$ ^roeite unb britte ber für
üjn gefdjriebeuen Duartette, bann für bte £)ebication ber großen
DuOertiire in C dur, Op. 124, nod) ba» accorbtrte Jponorar
öon 125 ©ucatert ^u f orbern fjabe, ba§> mit jebem ^age erwartet
»erben burfte, benn bie 2lbfenbung btefer bret SSerfe an ben
gürften mar bereite in ber SBintergeit üon 1825 auf 26 ge=
fcfjetjen. (Srft nacfj geraunter 3e^t nad)bem bau (Srmartete
immer nidjt fommen mollte, manbte fid) S3eettjoüen an bat*
SSanftjauS ©tieglitj u. (Eontp. in ©t. Petersburg, ba§> nad) bem
un§ bekannten Wortlaut beS SBriefeö Oom dürften an SBeetljoöeit,
— 477 —
r-om 11. äJtörg 1824, auf Verlangen be3 SMfterS für ben
dürften 3a^er fetjn merbe. 2)ie SKüdanthmrt biefeS £aufe§
lautete aber, bafj gürft (Mithin sur Strmee nad) ^erfien ab*
gegangen fet) unb feinen Auftrag §ur 3Q^unfl au 23eetbouen
gegeben habe. SHöbatb nad) 3urüd£unft im tranfen 3uftanbe
2fnfang§ ©ecember fyatte 23eett)onen an ben öftreid)tfd)en ®e*
fanbten in <3t. Petersburg gefdjrieben unb um beffen üer=
mittelnbey (£infd)reiten in biefer ?lngefegent)eit gebeten, ©ielje
ba! Um bie äßitte be§ genannten Sonata fam ein 23rief üon
bem gürften de dato (Sfjarfoff 10/22. November 1826 fotgenben
Snt)att§: „Mon eher et digne Mr. de Beethoven, Vous devez
me croire bien leger et bien inconsequent de Vous laisser
sans reponse pendant si longtemps, surtout quand j'ai rec.ii
de Vous deux nouveaux chef-d'oeuvres de votre immortel
et inepuisable genie. Mais des circonstances malheureuses! ....
Maintenant j'habite le fond de la Russie et sous peu de jours
je partirai pour la Ferse pour y faire la guerre. Avant cela
j'expedierai absolument ä M. M. Stieglitz et Comp, la somme
de 125 Ducats et je De puis que vous offrir mes remer-
eiments pour vos chef-d'oeuvres et mes excuses d'avoir ete
si longtemps sans vous donner signe de vie." ($>n
beutfdjer ileberfeijung: ätfein lieber unb mürbiger §err oan
öeetbonen, ©ie muffen mid) für febr teichtfinnig unb fehr in*
confequent hatten, med id) ©ie fo lange ohne Slntraort laffe,
jumal ich bie §roei neuen SBerfe %fyxz§> unfterbtidjen unb un=
erfd)öpftid)en ©enie§ ermatten fjabe. Mein ungtüdlid)e Um=
ftänbe! ... 3dj mohne nun im §intergrnnbe non SKufctanb
unb merbe in menig Sagen nad) ^erfien abgeben, um ben Krieg
bort mitsumQd)en. 9Sort)er merbe id) aber gan^ beftimmt an
bie §. $. ©tiegtit} u. (Somp. bie ©umme üon 125 Sucateu
abfenben unb fann nur für jet}t Sfynen meinen Statt! für Sfyre
SO^eiftermerte barbringen, mie auch, meine @ntfd)ulbigung bei=
fügen, ©ie fo lange otjne Seben^eidjen getaffen $u tjaben.)*)
*) ®en SSefiJ? btefe§ ScfyuIbbrtefeS, ben Sebet au3 SSeetfjoüen'ö Um*
— 478 —
9?acf) 5(n fünft biefes Briefes mar ber trübe unb beängftigenbe
©ebanfe in bem Äranfen oerfdntmnben unb bem Eintreffen
biefer (Summe mürbe tägtid) entgegen geferjen, benn bie Söebürfniffe
für Slusftattung bcs Steffen 5U feinem fünftigen Staube, ats
and) bie üermetjrten 2(us(agen für Slranfenpftege tjatten bie
SBaarfdjaft bereite fütjtbar oerringert. 2Bod)e um SSocfje
öerging jebocl), otjne bafj aus St. Petersburg bas ferjnüd)
(Srmartete eintreffen mottte. 2)er Februar fam, aber immer
notf) nidjts öon ©ttegltfc u. (Somp. — S)a ermadjte in bem
Traufen bie Erinnerung an bas feitens ber ^3rjitrjarmonifcfjen
©efeltfdjaft 51t Sonbon irjm öor Satjren bereits gemachte
anerbieten, ein Goncert 31t feinem 23eneftce geben 5U motten.
9?ad) langer (Srmägung biefes ebetmütfjigen Anerbietens unb
beffen Q3eratrjung mit SBreuning unb mir, ob biefer 2Öeg
eingufdjtagen fet), uerrjerjtten mir unfer SBebenfen nicfjt |tits
ftdjtfid) bes übetn Ginbruds, ben biefer Schritt, früher
gebung gefannt, ben trf) bei §erüortreten be§ g-ürfien ©ali|in 1852 Der-
geblicf) in SSien aufhüben ließ, nerbanfe id) bem befannten 2)?ujifgelebrten,
§erm 33. 2>amcfe, ju jener 3e^ *n ©*■ Petersburg, gegenwärtig tat
Sjrüjjet roorjnenb. Seine beiben Dorn 7. Januar unb J3. gebruar 1853
auä Petersburg an mid) gerichteten ^Briefe, in ben Grgänjungen ab=
gebrueft, öerbreiten über bie Streitfrage mit bem dürften baZ Ijeüjie Siebt.
Seetboöen roirb baburd) in mehreren Sßuncten öoDftänbig gerechtfertigt.-05')
268) Berthold Damcke, der vielseitig gebildete Tonkünstler,
ist Februar 1812 zu Hannover geboren, ward auf den Rat seines
Pianofortelehrers Aloys Schmitt aus einem Studenten der Theologie
ein Musiker. 1833 ward er Bratschist in der Hofkapelle zu Hannover,
blieb dabei Pianist und Orgelspieler, studierte dann in Frankfurt a/M.
unter F. Ries und Schelble; ging dann als Musikdirektor nach
Kreuznach. Im Jahre 1837 ward er als Direktor der Philharmonischeu
Gesellschaft nach Potsdam berufen, wo er auch die Leitung des
Gesangvereins für Opernmusik übernahm. In Berlin trat er 1843 als
Pianist auf. 1845 begab er sich nach St. Petersburg, wo er sehr
erfolgreich als Pianist, Musiklehrer und Kritiker tätig war. Er reiste
viel. 1812 — 70 lebte er in Paris. Er hat auch viel komponiert. Wir
nennen nur seine Oratorien „Deborah" und „Die Geburt Jesu".
— 479 —
ober fpäter $ur Sßubticität gekommen, tjeroorbringen tonne, unb
tjatten ben SKutt) unfern tonten an fein Skfitjtljum üon (Staats*
papieren gu erinnern, baS nod) geraume $eit jebe frentbe Jpitfe
unnöttjig machte. Mein ba mußten wir üernefymen, bafe er
biefelben ntct)t mefyr als fein ©gentium, fonbern a(3 ba§> feinem
Neffen einfienS §u t)inter(affenbe ©rbgut anfefje. dagegen burfte
fein (Sinwanb laut werben unb waren nad) ber Sage ber 'Singe
nur bie SKänner 5U Wätjten, benen bie SBeforgung biefer 9ln=
getegentjeit in Sonbon in bie ^)anb §u legen ferj. Sßeetfjoüen
wählte ©ir ©eorge ©mart unb ben ^arfen^abriranten
©tumüff, unb auf meine (Smüfefjtung nod) §errn 8 g.
Sftofdjetes, ba mid) meine füecieüen Regierungen gu letjterm
in ©tanb festen, nod) RefonbereS mitteilen gu tonnen.*) 9?ad)=
bem mir ber 9)?eifter feine Sßüufdje bie3faH§ angegeben, fafcte
id) bie ,ßufd)riften an bie brei sperren ab, bie er bann eigen *
fjänbig untergeidjnet tjat.270) ©er wefentlicfye Snljatt fämmt=
üdjer mag au§ ber 3ufdjrift an ÜD?ofd)ete3, de dato SSien ben
22. $ebruar 1827, erfefyen werben. @r lautet wörtüd):
„Üftein lieber 9ftofd)eie§! Sd) bin überzeugt, bafj ©ie e§
nidjt übd nehmen, bafj id) ©ie ebenfalls Wie ©ir &. ©mart,
an ben fjier ein Rrief beiliegt, mit einer Ritte beläftige. 2)ie
&ati)t ift in ^ürge biefe: fd)on üor einigen ^aljren fjat mir bie
$ßrjitl)armonifd)e @efeüfd)aft in Sonbon bie fdjöne Offerte gemadjt,
5U meinem Reften ein ßoncert §u tieranftatten. damals war id)
gottlob! nidjt in ber Sage, üon biefem ebten eintrage ©ebraud)
matten ju muffen. ©an§ anberS aber ift e§ jetjt, wo id) fdjon
*) SBeetfiotoen felber fianb mit 2)Jofcfjele§ niemals in ber geringfien
Sesiefiung.269)
269) Diese Behauptung Schindlers ist sehr irrig. Mein Aufsatz
„Beethoven und Moscheies", der auf Grund zahlreicher Gespräche in
den Konversationsheften unternommen werden wird, soll das Gegenteil
von Schindlers Meinung erhärten. A. d. H.
270) Siehe B. S. Br. No. 1200 (an Stumpft), No. 1202 (Smart),
1203 (Moscheies), 1215 und 1218 (an denselben) V. Band. A. d. H.
— 480 —
balb üotle brei SSJconate an einer fangroierigen Slranfrjeit barnieber
liege. ©S ijt bie SBafferfudjt; Sd)inbfer roirb 3t)nen beiliegenb
merjr bation jagen. — Sie fennen feit fange mein Seben, roiffen
aud) roie unb oon maS id) lebe. 2In'3 Schreiben ijt jefct lange
nid)t ^u benfen, unb fo föunte idj leibet in bie Sage üerfe^t
werben, Mangel leiten ja muffen. — ©ie tjaben nid)t nur
ausgebreitete 33etanntfd)aften in Sonbon, fonbern aud) bebeutenben
©tnflufj bei ber $)31)i(rjarmonifd)en ©efettfdjaft. Set) bitte -(Sie
barjer, biefeS fo oiel als Srjnen mögliefj anproenben, bamit bie
©efcüfd)aft jettf oon Sxeuem biefen Gntfdjlufj faffe unb balb in
?lusfürjrung bringen möge. 2)eS SntjaltS ift aud) ber beiliegenbe
Srief an Sir Smart, fo mie id) einen bereits an §errn Stumpff *)
abfdjirfte. 3d) bitte Sie, bem Sir Smart ben 33rief ein5ut)änbigen
unb fict) gur 53eförberung biefeS groedeS m& ^m un0 Q^en
meinen greunben in Sonbon gu oereinigen.
St)r ^reunb
SSeetrjouen. m. p."
Unterm 14. 9J?är3 bictirte mir Seetljotien einen S9rief an
50?ofd)eleS in bie ^eber, ber nadjfteljenbe Stellen enthält: „91m
27. Februar mürbe id) §um Oierten ffllai operirr, unb jetjt ftnb
fd)on fidjtbare Spuren ba, baß id) balb bie fünfte Cperation
*) 3. 91. Stumpff, ein Seutfdjer au§ Üfyüringen, über 40 %afyre
in Sonbon lebenb, reo er e§ ju bebeutenbem S3of)lftanbe gebraut, öon
©oetfje perfönüd) gefannt unb fetjr gefcfjäfct, fam im September 1824
nad) SBien, um 33eelb,oüen pevjönlicf) fennen ju lernen. 3>n 3>ab,r 1826
t)at er fämmt liebe 23er fe Don £>aenbel in 40 golio=23änben unferm
sDleifter jum ©eftfjenf gemalt, toobei biefer nur eines ju bebauern gehabt,
ba% er au§ Mangel an föenntniß ber englifcfjen Spraye 2ejt unb SKufif
ju Dergleichen aufeer Stanb getoefen. 2>ennocfj mar bie greube an tiefem
in jeber Schiebung febr roertbooflen öefebenfe eine große. 3" &*r 2?er=
fteigerung ber mufica(ifd)en SSerfe au§ 23eetl)ot>en'$ Sftadjlaffe erftanb 2obta§
^aßlinger bie gange Goüection für ein tjunbert ©ulben in Gönn. SJcünje,
bie beim Stnfaufe in (Jnglanb nafje an fieben^ig $f. Sterling gefofiet.
StefeS eine 33eifpiel jeigt, um roeldjen $rei§ ©egenftänbe Oon minberm
23ertb,e in jener Skrfteigerung lo3ge|cf)lagen roorben.
— 481 —
§u ermarten Ijabe. 2Bo foEC ba$ J)in, unb ma§ fot£ aug mir
merben, menn eg nod) einige $eit f° fort Q^? SBa^rtid^,
€Üt fe6»r partes Soog fjat mid) getroffen! ©od) ergebe id) mid)
in bie Fügung beä ©djidfatg, unb 6itte ©Ott ftetg nur, er
möge eg in feinem göttlichen 3latf)fdj(uJ3 fo lenfert, bafj id), fo
lange id) nod) ijier ben S£ob im Seben erletben muß, öor
Mangel aefdjüfct »erbe. S)ie3 mürbe mir fo oiet Äraft geben,
mein Soog, fo fyart unb fdjrecfttdj eg immer fetjn möge, mit
(Srgebentjeit in ben 2Sitlen beg Sttterfjödjften ju ertragen. —
Rummel ift tjier."*)
Staunt mar biefeg ©djreiben ber Sßoft übergeben, alg ein
23rief öon SJcofdjeteg u. ©tumpff de dato Sonbon, 1. SOZär^,
einlief, ber unferm Äranfen bie 9Jce(bung brachte, me(d) tiefen
(Sinbrnd feine ,ßufd)rift öom 22- $eDruar bafetbft erzeugt.
(Srfterer metbete nod) ingbefonbere golbenbeS: „£)ie ©efeßfdjaft
oefd)(of3 bafyer Sfmen ifyren guten Söttten unb bie rege %\)<t\U
ualune baburd) 5U beäeigen, inbem fie Sie bittet, fjunbert *ßf. <St.
(1000 ©utben in ßon. 3K.) tion Hjr an^unefjmen, um fid) batnit
alle nötigen SBebürfniffe unb Sequemtid) feiten mätjrenb Sfjrer
$ranf(jeit §u tierfdjaffen. 2)iefeg ©efo mirb ^perr 9t au tiom
§aufe (Sgfeleg Sfynen ttjeitroeife, ober menn ©ie eg münfd)en,
auf einmal gegen Sljre Quittung übergeben." ferner be=
uadjridjtigt nod) 9Jcofd)eteg ben franfen Sfteifter, bafj bie $ßt)i(=
fjarmonifdje ©efeßfcfyaft gerne gu ferneren SDienften bereit fet),
unb Söeetfjoöen möge begljatb nur fdjreiben, menn er meitertjiu
nod) bebürftig fetin fottte.
%m Sage nadj ©rfjatt biefer 100 ^f. @t. (18. aJcürj)
bicttrte mir iöeetrjoDen 9rad)fte()enbeg an 9Jcofd)efeg in bie $eber:
„9)cit metdjen ©efüt)(en id) Sfjren 2ktef üont 1. 9ftär^
burdjtefen, faun tdj gar nidjt mit Sßouten fdjitbern. S)er Gübet*
*) ©in mtttf)eiten§roertf)er SSorfaE Beim erften Söefitd^, ben §iunmel
unferm Reiftet machte, fott unter ben „Sfjavactersügen unb Eigenheiten"
einen $la£ finbeit.
8t. ©cütnolcrd 3Scetljoticii=23ioc;va})I)tc. 3^
— 482 —
mutlj ber $ßrjüt)armonifd)en ©efeUfdjaft, mit bem man meiner
Sitte beinafje guborfam, rjat mict) in ba$ Snnerfte meiner Seele
gerührt. Sdj crfudje Sie baljer lieber 9Jtofd)ete<§, baS Drgan
gu ferjn, burdj metdjeS id) meinen innigften ©an! für bie be-
fonbere 2t)eitnat)me nnb Unterftütmng an bie pljitt). ©efeüfcbjaft
gelangen (äffe. — 3d) fonb midj genötigt, fogteid) bie gan>,e
Summe bon 1000 ©utben ©. 93c. in ©mpfang §u nehmen, in=
bem id) gerabe in ber unangenehmen £age mar, (Mb aufgu*
nefjmen . . . 9J?öge ber §tmme( mir nur redjt batb mieber
meine ©efunbbjeit fdjenfen, nnb id) merbe ben ebetmütfyigen
(Sngtänbern betoeifen, mie fet)r id) it)re Stjetfnarjme an meinem
traurigen (£cf)td;fal $u mürbigen meifj. — S>f)r ebte§ Senetjmen
mirb mir unöergefjlid) bleiben, fo mie id) nod) insbefonbere Sir
Smart unb £>errn Stumpff meinen S)anf näd)ften§ nad)tragen
merbe. SDte metronomifdje neunte Sinfonie bitte id) ber
pfjilfyarm. ©efeüfcfjaft gu übergeben. §ier liegt bie 53e5eid)nuug bei.
St)r Sie fjodj)d)ät}enber greunb
Seettjouen m. p.
3tu§ meinem ^Briefe an 2ftofd)ete§, (norftetjenbem beigelegt)
beffen ßmeef mar, bie Sonboner greunbe auf bsn natjen -tob
be§ 9D?eifter3 üorgubereiten, mögen nur einige (Stellen angeführt
merben:*)271) „©er 23rief an Sie üom 18. b. ift mörttid) üon
itjm bictirt, unb nmt)( fein letzter. (@r ift e§ in berStjat!) feilte
ftüfterte er mir nod) §u: „5üt Smart unb Stumpff fdjreiben."
Söirb e§ mögtid), ba|3 er biefe ^Briefe nod) unterzeichnen fann,
fo foll e3 morgen gteid) gefdjebjen. ((£3 mar nidjt metjr möglid),
batjer folgte id) feinem Sertangen, unb ttjetlte beiben mürbigen
Scannern ben Sant Seettjoüen'S fogteid) nad) beffen ^nnfdjeiben
mit.) @r füf)tt fein ©nbe, benn geftern fagte er mir unb
*) Um ben SSerlauf ber 23egebenb>iten ju bcobadjten, bielt id) für gut,
ben 23eett)ot>en'jd)en 5örief Dom 18. Wax^ einige läge fpäter abgeben ju
laffen.
271) Der Brief folgt noch im Anhange. A. d. H.
— 483 —
25reuning: Plaudite amici, comoedia finita est.272) ®ie legten
Sage roaren roieber überaus merfroürbig; mit toatjr^aft fotratifcfjer
S93ei§rjeit unb großer ©eetenrurje fie^t er bem Stob entgegen.
3Iud) roaren mir geftern fo gtüdücfj, mit bem Seftamente in
Crbnnng §u tommen. 2)rei Sage nacfj ©rtjalt irjreö 23riefe3
mar er anwerft aufgeregt unb moEte mieber bie ©fi^en §ur
gefjnten ©infonie rjaben, über bereu Vßlan er mir tiiel fagte.
(Sr beftimmt fie feft für bie titjitrjarmonifdje ©efetlfcfjaft. üöie
fid) biefe§ SSert je|t in feiner tränten Sßrjantafie geftattet, fo
bürfte e§ ein mu[icalifct)e§ Ungeheuer merben." it. f. m.273)
@§ mar aucfj am 18. äftärs, al3 SBeetrjotien micrj erfudjte,
für SDebtcation feinet legten Duartettä in F dur forgen yd
motten unb einen feiner mürbigften greunbe tjierju 51t märjten.
2)a icfj mufjte, mie rjod) er ben SSiener Kaufmann Sofjann
SSotfmarjer tiereljrte, unb biefer e§ in merjrfacfjer SSegierjung
um itm tierbient rjatte, (er mar einer ber ftiüften aber förbernbften
©önner unfer§ ÜDceifter§) fo geigte id) biefen tarnen halb barauf
ber Sßertagäfjanblung an. SSolfmatjer befanb ftd) im SBefitje
einer anferjntidjen 3af)I äftanufcritite tion großen SSerfen 53eet=
fjotien'3. Sriefe Srjatfadje marb erft um 1850 befannt, a(§ biefe
Sftanufcritite, ^ur $eit bereite in ben 93eft§ üon beffen Neffen
übergegangen, meiftbietenb in SSien tierlauft unb 5U fefjr geringen
greifen fjtntangegeben morben.
^adjbem ber Stteifter am 24. SWärj 9#orgen3 auf fein
Verlangen bie rjeitigen ©terbefalramente mit marjrer Grbauung
272) Man sehe „Die letzten Worte des sterbenden Beethoven",
die ich mehrfach zusammengestellt habe, u. a. im Neudruck „Aus dem
Schwarzspanierhause" S. 155f. — Vgl. den Aufsatz „Die letzten Worte
des sterbenden Beethoven" in der Unterhaltungsbeilage des Berliner
„Lokalanzeigers" vom 4. Mai 1899. Man sehe auch „Lenz, Beethoven"
Neudruck S. 104 f. A. d. H.
273) Soweit die Skizzen zur Zehnten Symphonie durch Hirsch-
bach in seinem Eepertorium vorliegen, femer die Skizzen davon durch
Schindler, soweit lassen Sie nichts von einem „musikalischen Ungeheuer"
verspüren. A. d. H.
31*
— 484 —
empfangen l)atte, geigten fid) bereits gegen 1 Ut)r SO^tttag^ bie
erften Slngeidjen feiner 9(ufiofung. (Sin furdjtbarer Stompf
gmifdjen Stob unb Seben begann (motjt in $o(ge feinet ftarfen
SleroenftiftemS, lote foldjeS feiten einem 9ftenfd)en gu Xljetf
mirb) unb märjrte ol)ne Unterbrechung fort bis jum 26. SRärs
ein Giertet oor 6 lltjr $lbenb§, als ber grofte Stonbidjter
luäljrenb eines ftarfen, unter gewaltigem £)age(fci)(ag
fiel) enttabenben ©emitterS — ben ®eift aufgegeben —
56 $at)re, 3 Monate unb 9 £age alt.
©er ©lücfUcfje, ber unferm greunbe in ber £obe3ftunbe
bie 5lugen gubrücfen getonnt, mar ber a(§ (Sompontft gefd)ä£te
SUJufiffreunb 2Cnfetm <püttenbrenner auS ©ratj in ©teuer*
marf, ber nact) SGSien geeilt, um 23eett)ouen notf)ma(3 §u fefjen.
©reuning unb ber SBerfaffer Ratten fid) am Nachmittage roegen
Ermittelung eines geeigneten $ß(a£e£ 3ur (elften Nufjeftätte nac£)
bem, bem 2)orfe 2Särjring §ugel)örigen $riebt)ofe begeben, unb
mürben burdj ba$ ©emitter an ber fcrjueüen 9^ücffet)r oerrjinbert.
SBir betraten bie ^ranf'enftube, als man unS gurief: „e£ ift
OotIbrad)t!*)"
2)ie §(norbnungen ju einem feierüdjen Setdjenbegängniffe
fyaben ©tept)an oon S3reuning unb ber SSerfaffer getroffen, ben
*) Sn 8. 33. SKars' Seeffjoöen finbet fid) II, 329, gemtß in golge
einer öon Slnfelm föüttenbrenner irgenbroo gemadjten 2lu3fage bie 2ftit=
Teilung, al§ Ijabe biefer unb ber Slr^t SjSarorud) 53eett)oöen gebeten, fid)
mit ben Jjeü. 6terbefaframenten üerfetjen gu laffen, unb nad)bem biet ge*
[diesen, t)abe 53eetf)ot>en ju £mttenbrenner unb ben urnftetjenben greunben
bie SBorte gefprodjen: „Plaudite amici, coinoedia finita est! |>ab' id)'§
nid)t immer gefügt, bafe e§ fo fommen roirb?"
hierauf muß erroibert werben, bafj §err 21. §üttenbrenner für 53cet=
tjoüen eine gauj unbefannte $erfon getuefen, unb g-rembe in ben leftten
jmei Sodjen ntd)t meljr jugetaffen worben, rua3 Dr. t>. JBrenning bezeugen
fann. §err §üttenbrenner begnüge fid) mit bem, moJ ber Unfall §ir>ifd)en
itjm unb bem an§ bem Seben fdjeibenben 2onbid)ter — wie eben gemelbet
— mirHid) jur 3Sar)rtjeit gemadjt. 53ei feinem i£rfd)einen in SBien unb
im ©terbefyaufe jaulten mir unfern greunb fd)on ju ben lobten, batjer
■Ffrembeu ber Eintritt geftattet werben tonnte.
— 485 —
muficatifdjen £ljett aber beforgte ber 23er(eger S£obia3 §a3tinger.
3Me 23eerbigung fanb am 29. ättär^ be3 9?ad)mittag§ ftatt. £er
SBatjre folgten junädjft Sodann üan 35eett)oben nebft feinem
©dimager, einem miener 23ädermeifter; an biefe fdjtoffen ftdj
an ber faif. roirftidje ipofratf) öon Söreuning mit feinem
©ofyne, bem nunmehrigen SD?ebi§tner, unb ber SBerfaffer biefe§
S3udje3, al§ „Seibtragenbe". 2)a§ SSa^rtudj trugen sur SRedjten
bie (SapeKmeifter: ©tjbler, Rummel, ©etjfrieb unb Hreutjer;
gur Sinfen bie ßaüettmeifter SBeigl, ©tyromets, ©ä'nSbadjer
unb SSürfel. SBoIjI an gmangigtaufenb SRenfrfjen Ijaben bem
ßug öon ber SSoljnung be§ großen lobten bi§ §ur ^ßfarrfirdje
in ber Stifter* SBorf tabt, mo bie (Sinfegnung erfolgte, ba§> (Meite
gegeben. £>a3 ©rab auf bem SSäfyringer ^riebfyofe begeidjnet
ein ©tein in Sßtjramtbenform, morauf bto§ gu tefen: „23eet~
rjoben."274)
<S§ wirft mit 2flad)t ber ebte Mann
^afirbunberte auf fetne§ ©feigen:
®enn ma$ ein guter 9QJenfd) erreichen fann,
3ft nicbt im engen Kaum be§ 2eben§ ju erreidjen.
©rum lebt er aud) nad) feinem ü£obe fort,
Unb ift fo nnrffam, als er lebte;
Sie gute Sfiat, ba§> fcböne SSort,
(£§ ftrebt unfterbtidj, wie er fterblid) ftrebte.
©o lebft aud) bu burd) ungemeff'ne Qtit
©eniefee ber Unfterblicbfeit!
©oetfie.
274) Beethovens sterbliche Überreste ruhen nunmehr auf dem
Wiener Zentralfried hofe. A. d. H.
I. 9(u§ beut D&buctum§*$eritf)t.
?Im 27. SDcärj fjat Dr. Sofjann SBagner bie Cbbuction
an ber Seidje 23eett)onen'!§ üorgenommen unb barüber einen
23erid)t beröffentüdjt. Ueber ben 23efunb be§ ©etjürorgan*
unb ©d)äbetbaue§ fbrid)t fidj berfelbe mit ben Porten au3:
„^ie ©efjörnerüen maren §ufammengefd)rumbft unb marftos;
bie läng§ benfelben berlaufenben ©ef)ör=Sd)(agabern maren mie
über eine 9xabenfeberfbute au3gebetjnt unb fnorpetidjt. S)er
Knie, fiel bünnere §örneröe entfprang mit brei fefjr bünnen,
graulichen, ber rechte mit einem ftärteren, kttroeiften Streifen
au§ ber in biefem Umfange biet confiftenteren unb blutreidjeren
©ubftang ber inerten ©eljirnfammer. 2)ie 3Sinbungen be§ jonft
biet meidjeren unb mafjerljältigen @et)irn2> erfcljienen nod) mal
fo tief unb (geräumiger) gafjlreidjer aU getrjötjntict). 2>as 8d)äbet=
gemötbe geigte burd)ge£)enb<§ grofte ©idjtljeit unb eine gegen einen
fjalben 3°ö betragenbe 2)ide."275)
275) Eingehender über die begleitenden Umstände bei der
Obduktion der Leiche Beethovens spricht sich G. v. Breuning aus
(1.1. S. 165f.). Da heißt es über das Verfahren Dr. Job. Wagners,
des Vorgängers Rokitanskys: „Zur genauen Untersuchung der seit
so lange schon verödeten Gehörorgane des Titanen im Reiche der
Töne wurden beiderseits die Felsenteile der Schläfenknochen durch-
wegs ausgesägt und mitgenommen". Hofrat Hyrtl erzählte an
Dr. v. Breuning, „er hätte diese Gehörorgane damals, als er selbst
noch Student war, in einem zugebundenen Glase geraume Zeit hin-
durch bei dem langjährigen Sektionsdiener Anton Dotter stehen
gesehen — später seien sie verschollen", a. a. 0. S. 166. A. d. H.
— 487 —
II. Seftamentc unb 3>crmögcit§jtcnb.
Unfer SDMfter tjat in feinen legten Sagen 510 ei Scfta*
mente abgefaBt, feinem jcbod) ba§ Saturn beigefetjt. Sa3 Saturn
be3 streiten bürfte ber 20. ober 21. SJMrj fetm;276) biefe§ würbe
in 23reuning'§ unb meinem SBeifetjn niebergefcfjrieben unb ^war
auf ©runb, weit Kurator unb sDHt=5Sormunb mit bem Sßortfaut
be§ um ben 15. ober 16. SKärg abgefaßten nicfjt einöerftanben
fel;n fonnten. Sa biefe Angelegenheit nid)t ofyne djarafteriftifdjeä
Sntereffe ift, fo fotl fte umftänbtid) miigettjeUt Werben. — Sie
Abfaffung be§ erfteren, in Briefform, „%n £>errn Dr. SBadj"
gerichtet, tautet wörttidj:
„üßereljrter $reunb, 3?d) erftäre cor meinem Stöbe (Sart
üan S3eetf)ooen, meinen geliebten üfteffen, al§> meinen einzigen
Uniüerfalerben oon meinem feab unb ©ut, worunter Ijauptfädjtid)
7 ©anfactien, unb ma$ fid) an SSaarcm oorfinben wirb. ©oEten
bie ©efetje tjier SJfobificationen tiorfcfjreiben, fo fnct)en ©ie fetbe
fo fefjr ai§> mögtidj $u feinem SBortfyeite §u öerwenben. — ©ie
ernenne idj ftu feinem Surator unb bitte ©ie mit §ofratf) 23reuning,
feinem Sßormunbe, SBaterftefle bei ifjm §u Oertreten. — ©Ott
ermatte ©ie — taufenb Sanf für S^te mir bewiefene Siebe unb
$reunbfdjaft."
Submig üan 23eetf)otien. m. p.277)
(L. S.)
SBeit biefe§ Seftament {"einerlei ©infcfjränt'ung, nodj S5or=
fidjtämafsreget, t)infid)t(id) be3 Uniferfalerben enttjätt unb biefer
nad) beenbigter SSertaffenfdjaftSabrjanbtung fofort in ben 93efi|3
be§ ©äugen Jjätte gefetjt werben muffen, $8ormunb aber unb
(Surator, in S3etracr)t be3 ejemptarifdjen Setd)tfinne§ biefeS @rben,
276) Nach Gerh. v. Breuning „Aus dem Schwarzspanierhause",
Neudruck S. 159, ist das letzte Testament Beethovens vom 23. März
1827 datiert. A. d. H.
277) Siehe B. S. Br. No. 1199 (V. Band). A. d. H.
— 488 —
attd) in beffen ^ntereffe, gercd)ten ©intoanb gegen biefe iefta*
mentarifdje SSeftimmung %u ergeben ©runb gehabt, fo matten
[ie bem SJfeifter ben SBorfdjIag, biefclbe bat)in abänbern 511
motten, bafc ba§ ©rbgut fibei=commiffarifd) angelegt unb ber
9ceffe ben 3infenÖenui3 b^iet)en fotte, ber nadj beffen 3l6le6en
auf feine efjelid)en Sftadjfommen überzugeben tjabe. 2kett)ooen
nannte biefe Stbänberung 2tnfang§ Vernünftig, meit begrünbet.
^Höbalb aber fanb er eine foldje (Sinfdjränfung feines im ^er^n
immer geliebten Neffen 511 Ijart unb remonftrirte bagegen, ja
er mad)te fogar bem Sreuning SBormürfe unb nannte it)n ben
©rfinber biefer l)arten äftafjreget. Gin oon 23reuning'§ <panb
oortiegenbe3 33riefd)en an Seettjooen ^eigt ben <Stanb ber 2)inge,
oerljarrt aber in gemeffenen 9lusbrüd'en bei ber für notJjmenbig
erfannten 9J?afjreget. Stfefe ©pradje fd)ien bem 90?eifter gu
imponiren, er üerfprad) nadj^ugeben. Stuf feinen SBunfd) legte
iljm SSreuning ben Sßorfcfjtag, in brei Qcikn abgefaßt, oor, unb
ber 9J?eifter madjte fid) fogleid) an'§ Hbfdjreiben, ba§> iljm nidjt
Ieid)t gemorben. fertig bamit äufjerte er: „3)a! nun fd)reibe
idj nichts metjr." — 9?id)t ot)ne ©taunen fatjen mir auf bem
Statte bie SSorte „et)elid)e 9lad)t ommen" in „natürtidje (Srben"
umgeänbert. SBreuning feilte irjm auseinanber, 5U roetdjen (Streitig*
feiten biefe SBeftimmung in ber gotge^eit führen tonne; Seettjooeu
aber entgegnete: £>a§ eine fet) fo oiel, tote baS anbere, e§ möge
nur babei öerbteiben. 2)ieä mar fein allerletzter 3Biber=
fprucfj. — 9lad) (Srmägen gmifdjen Gurator unb Sßormunb,
meldje oon ben beiben S3eftimmungen oon meniger liebet fet),
entfd)ieben fie fid) für bie erfte, metdje bann ^ur ©ettung ge=
brad)t morben. ©iefetbe marb mir Oon Dr. 23ad), leiber aber
erft nad) (£rfd)eitten ber erften 9tu3gabe biefer ©djrift, mit
ber magiftratifdjen ^präfentation unb ^erbefdjeibung, de dato
27. 9Mi"5 1827, §ugefd)idt unb mirb fammt anbern ©eridjtö*
acten aufbemaljrt bleiben.
Wlit ber £eftament3angelegenfjeit fterjt baZ GrgebniB ber
SBertaffenfd)aft3abf)anblung im 3uiamment)ange.
— 489 —
gufotge 2RitttjetIung be§ ßuratorS betrug ba§ gange 5tctib*
Sßermögen an S3aarfd)aftf an ®rtö§ für beräufeerte 9Hobüten
unb DJhtficalien, bann an fielen ©tücf Sanfactten, in Slüem
unb Sebem 10,232 ®u(ben S. Stf.
®abon mürben bie ^ajfttia an ßrattf*
Ijeitä* unb Setdjenfoften, fo tote
anbete gerichtliche ©ebütjren ab-
gezogen mit 1,213 —
fo bajj ein reiner SJcacfjtafe erübrigt
mürbe bon 9,019 ©utben & SO?.
Dr. S8a<$ begleitete biefe 9ftittf)eilung mit nadjftetjenber
2lnmerfung:
„S)afe biefer geringe Sßermögen^lDxadjtafe bem SSerbienfte
biefe§ großen 9J?eifter§ nidjt angemeffen mar, ift mot)l richtig,
unb mürbe auf feine geitgenoffen ein fd)Hmme§ Sicfjt merfen,
menn bie Urfadjen biefeS ßuftanbeä n^ ™ ^er ®«if= unb
£)anbtung3meife beffelben gefudjt merben müßten. (£r mar nur
SMfter, er fannte nur bie ftunft, bie SBortfjetfe babon tiefe er
SInbern übrig." —
SBemerft foll aber nod) fetm, ba% im borfteljenben „reinen
9?ad)(afe" baZ ©efdjenf bon 1000 ©utben ©onb. ^ünge au§
Sonbon mit begriffen ift. '£>iefe fanben fid) bei Ableben 23eet=
fjoben'3 nod) unberührt bor. S^act) bem SBorttaute be3 üüiofcrjeteg1*
fd)en SSriefeS bom 1. 9Mrg 9camen3 ber püjifljarm. ©efeHfd)aft
mar biefe berechtigt, genannte (Summe gurücf gu forbern. ©ie
tiefe bie§faH3 mirflid) (Schritte tfjun, meit fie biefetbe nidjt in
ben §änben ber unmürbigen SSermanbten be§ 9fteifter§ miffen
mollte. allein bei ber nad) beffen Stöbe ftattgefunbenen Sn*
bentur lam orbnungSgemäfe audj biefe Summe in geridjttidje
23ertt>at)rung, unb fpäterfjin miberfe^te fid) ber Kurator ifyrer
9tüderftattung. 2)a febod) bie Sonboner ©efettfdjaft beSljatb
feinen ^ßrogefe beginnen mollte, fo berblieb bie Sftaffe in it)rem
ungeftörten S3efi^e — gum SSorttjeite be§ Uniberfaterben.
— 490 —
III. (Sin Srief tum Stetem oon Söreutüng.
©eftditämaafe von Sanljaufer.
(£in befonberS nadjbrüdlid) geäußerter SSunfd) 33eerf)oVen'3
mar, bafj 23reuning in allen nicfjt vormunb)*d)aft(id)en (£ad)<m
gemeinfdjaftlid) mit bem SBerfaffer 51t SSerfe getjen fülle. ©d)on
bie Angelegenheit in ^Betreff feiner 23iograprjie, tute in ber
Einleitung gegeigt ift, tief} biefen SSunfdj in iljm entftefycn,
^iimal er fid) bie§faU§ im Auguft beö Vorausgegangenen 3af)re3
§u einer £)anblung tjatte Verleiten [äffen, bie ungefcfjeljen $u
madjen er fid) nun §u fdjtvad) gefügt. 9cät)ere§ barüber in ber
Ergänzung „33eetl)OVen unb (Jart Spolg." derlei Uebereitungen
tonnten nod) anberer Art Verborgen ferjn unb fpäterljin erft
§um 23orfd)ein fommen. 9iod) anbereä ftanb in Auefidjt,
Sertagsfadjen betreffenb, u. f. id., mo 33reuning, Volte 9 Sarjre
Von 33eetf)oVen getrennt, ben mit Allem S3efannten gu 9iatije
5U gießen veranlagt gemefen märe. 9J?it bem vortreffüdjen
(Sijarafter be§ §ofratl)3 mar ein Abmeidjen ber 50ceinungen
!aum benfbar. Allein bie ÜBorfeljung jjatte e§ anberS beftimmt.
©d)on gtvei SKonate nadj 23eett)OVen'3 £nnfd)eiben ging aud)
SBreuning au§ biefem Seben. S)er (Sbfe ftarb an gebrochenem
^perjen in $olge miebertjolter, fdjjroerer ^ränfungen oon Seiten
feinet SBorgefejjten, eine<§ ^ringen oon ^ot)en3ollcrm£)ed)ingen,
§ur 3e^ ^räftbent am §of4trieg§ratt), eine§ 9ftanne3, ber
fein fjorjeS Amt im mittefatterlidjen ©eifte vermaltet rjat.
23reuning fjatte ba§> fünfsigfte £eben3jarjr !aum überfcfjritten.
Dr. 23ad) lief; fid) nun gur SBarjl eineä 23ormunb3 für
ben Steffen 23eett)oven'3 au§ Der Sßermanbtfdjaft oon beffen
Butter beftimmen, mag rjödjüd) 3U bebauern gemefen. 3)ie£
mar tjinreidjenber ©runb, bafj id) fernerhin ntdjtö merjr mit
jenen Angelegenheiten 5U ttjun t)aben fonnte. %lid)t 2Benige§
märe anber§ gekommen, sDcand)e§ gar nid)t, menn Q3reuning
nur einige Saljre nod) am Seben geblieben märe. 9)£el)rere3
SBiditige, audi rein SQhtficatifdjeö, follte gefdjerjen, moäu gemein^
— 491 —
fdjafttidjeS gufammenmirfen ™ ^krbinbung mit bem ©rafen
Sftoriij Sidjnotuioft.) unb (Sari (ü^ernt) erforberüdj getoefen roäre.
— $on ben nädjften SBorfommmffen nad) £nnfd)eiben unfcr3
^reunbeö mag nur baZ erfte angeführt werben, raeit bamit
ber oben angebeutete SBunfd) 53eett)oüen'§ feine 23eftätigung
erljätt. £ag§ nad) ber erfolgten ^ataftroptje richtete SBreuning
nacrjftetjenbe geilen an mid):
,,©ie Slntunbigung ber ©tunbe ber Seidjenfetier unfereö
üerfcrjiebenett greunbeä gefdjietjt morgen ober bodj genrifc über=
morgen im 83eobad)ter, unb nielleicfjt aud) in ber Söiener Rettung,
ftatt jeber anbern ^ßarte. Set) tjabe barüber an §erm ö. 9ku
gefcrjrieben unb guftimmenbe Antwort ermatten.
borgen früt) njünfdjt ein gewiffer ©antjaufer einen
©t)p3abbrucf oon ber Seidje 511 nehmen; in 5, IjödjftenS 8 SOänuten
mit! er bamit fertig fetm. <2d)reiben (Sic mir mit Sa ober
9?ein, ob icr) es» gugeben foH. ©oldje Slbbrüde werben bei
berühmten Männern oft jjugefaffen, unb ba§> nidjt gutaffen
tonnte nadjljer als eine Seeinträdjtigung be§ SßubticumS an=
gefer)en werben.
2Bien, ben 27. äRära 1827. „ . „
33reuntng."
tiefer ©tjpSabbrudE (oon bem fpäter at3 95ilbt)auer be=
rütjmt geworbenen 2)ant)aufer)27S) ejiftirt. S)a§ tjier bei*
gegebene gaefimite ber Sreuning'fdjen ßufdjrift foll barauf
aufmerffam machen, äugteid) bie (Sdjriftjüge be£ bem grofjen
^onbidjter fo lange Satyre treu gur ©eite geftanbenen $reunbe§
neben feinen beroarjren.
278) Zur Persönlichkeit D a n h a u s e r s ist zu vergleichen
Th. Frinimels Studie „Josef Danhanser und Beethoven", Wien 1892;
ferner Thayer-Deiters „Beethoven", V. Band, S. 494. A. d. H.
— 492 —
IV. Sßcr^ct^ttiß in biefe Sßeriobe faKenber SBerfe.
(Dbgteid) einige ber in biefem SSerjeic^nife angeführten
SBerle bereits in bem ber §roeiten Sßeriobe antjängenben er*
fdjeinen, fo bürfen biefetben im üorHegenben rndjt fehlen, roeit
itjre Veröffentlichung in ber brüten erfolgt ift.)
A. (öefangmitlik.
Op. 123. Missa solemnis. (Srfte Shiffüljrung 1824,
erfdjien 1827 bei ©tfjott.*)
Op. 113. 114. Sie Ruinen üon Sitten, @ebid)t bon
Süiguft bon ®o|sebue. (Sin $eft= unb Dcadjfpiet mit (Sfjören
unb ©efängen; erfte Stuffüfjrung Bei ©röffnung be§ großen
£t)eater§ §u $ßeftlj 1812 unb, mie fct)on au§ ber — gemiB
feftfamen boppetten Dpu^a^t gu entnehmen, in berfctjiebenen
Zeiträumen tljeitmeife erfcfjienen bei Strtaria.
Op. 112. SDceereSftiüe unb gtürf(icf)e 5a*)rt- ®e=
biegte bon ©oetfje. gür 4 ©ingftimmen mit Begleitung be§
DrdjefterS, aufgeführt jum erften 9)cal 1815, erfct)ien 1822
bei ©teiner u. ßomp.280)
Op. 116. £ergett, „Empi, tremate." $ür (Sopran,
£enor unb Saft; gefctjrieben unb aufgeführt 1814, erfct)ten 1826
bei §a§tinger.
*) ©ie Gorrectur be§ 2)rude3 fotuofjf öon ber Missa wie öon ber
9. Sinfonie bat ber geniale unb gelehrte gerbinanb Seffler ju §ranf=
fürt am 9ttain beforgt. f 1856. ©ein SSerbienft um bie beiben SBerfe
erbeifdjt gerechte Stnerfennung. Seetljoöen fjat ibn für bie forgfältige
Gorrectur ber Sinfonie eigenljänbig belobt.279)
279) Über den Komponisten Ferd. Keßler vgl. den Brief an
Brentano vom Jahre 1817 in B. S. Br. No. 627, Erklärungen, III. Bd.
A. d. H.
280) Zu den genauen Nummern und Titulaturen von op. 113
und 114 siehe G. Nottebohm, Thematisches Verzeichnis usw. II. Aufl.
1864, unter op. 113 und 114. A. d. H.
— 493 —
Op. 118. ©tegifdjer @efang. $ür 4 ©ingftimmcn
mit Begleitung tion 2 Violinen, Biofa unb BiolonceHe, ober
be§ ^ßianoforte, ersten 1827 bei £a§tinger.
Op. 108. $ünf unb äroan^ig fdjottifdje Sieber mit
beutfdjem unb englifd)em £ert $ür eine Singftimme, begleitet
oon ^ianoforte, Biotine unb Biotoncello obligat, erfctjien 1825
bei <2d)tefinger.
Op. 121b. Dpf erlieb. ©ebid)t üon 2J?attrjifon. $ür
eine «Singftimme mit ©fjor unb Drcfjefter, erfdjien 1826 bei
<2rf)ott.
Op. 122. BunbeStieb. ©ebidjt Oon ©oetrje. $ür 2
©ofo= unb 3 ßt)or=<Stimmen mit Begleitung oon 2 (Klarinetten,
2 §örnern unb 2 gagotten, ersten 1826 bei ©djott.
Beibe borfterjenbe Sieber finb 1822 für ben Stenoriften
©rjterg ^u bcffen Benefice=<5oncert in ^refcburg gefdjrieben
roorben.281)
Op. 136. ©er glorreiche 5tugenbtid. ©antäte. @e=
bicfjt öon Sßeifjenbacfj. $ür 4 ©ingfiimmen unb Drdjefter,
aufgeführt 1814, erfdjien um 1836 bei §a§linger.
SSeil ber 2Bei§enbad)'fd)e ü£e$t ^um Belmfe ber $efttid)feiten
gu (Streit ber gum Songreffe 1814 in 2Sien berfammelten
9)conard)en gebid)tet roar, fo fanb fid) bie Bertag3fjanb(ung im
Sntereffc ber ©emeinnütjigfeit be§ SßerfeS oeranlafet il)n gu
bejeitigen, unb eine ©idjtung bon $riebricfj 9?od)tit3, „$ret§
ber 5t on fünft", ber 90?ufif unterzulegen. 2)iefe(be ®id)tung
marb bereite 1822 burct) S^ocrjtüj felber unferm Beetljouen gur
(Sompofition borgelegt.
Op. 98. 3(n bie ferne ©eliebte. ©in SieberfreiS,
bon 2ltob§ Settete§ gebietet, gür eine ©ingftimme mit Be=
gleitung be§ ^ianoforte, erfdjien 1816 bei «Steiner u. Somp.
281) Diese Behauptungen Schindlers sind sehr angezweifelt, wie
schon früher bemerkt wurde, cf. Thayer- Deiters IV. Band, S. 472.
A. d. H.
— 494 —
B. 3n|irumentalmiirtk.
(Sinfonien.
üfto. 7. (Sinfonie in A dur Op. 92. (Srfte 9(uffüfyrung
1813; erfd)ien 1816 bei Steiner u. ßomp.
üfto. 8. (Sinfonie in F dur Op. 93. (Srfte Sluffürjrung
1814; erfcfjien 1817 bei «Steiner u. ßomp.
9ro. 9. (Sinfonie in D moll, mit (Sd)ilter3 £)be an bie
greube. Op. 125. (Srfte Stuffüfjrung 1824; erfcfjien 1826 bei
©djott.
Duöertüren.
Op. 115 in C dur. ©efdjrieben unb aufgeführt, orjne
jeben 23eifat3 jum S£itet, 1815.
3m Safjre 1818 erhielten bie Äünfttcr 2tfarjfeber, SftofdjeteS
unb ©iuüani biefe Duüertüre bon ber $ertag§t)anb(ung
©teiner u. (Somp., bie bereite im SBefifc be§ SftanufcriptsS gewefen,
gum S3et)ufe einer 5Iuffüi)rung in tljrem gemeinfdjaftüdjen
(Soncert am 10. äftai. 33ei biefer Gelegenheit erfcfjien ba<3 äöetf
auf bem 9(nfd)tag5ettei mit bem 53eifat;e „ä la Chasse", wogegen
aber ber (Somponift proteftirt fjat. 2>er 23eifat3 „9?amen<3feier",
mit meinem biefe Duüertüre in ben neueften Katalogen auf=
geführt erfd)eint, ift eben fo menig autfjentifct), a(3 ber üor=
benannte. S)a§ Söerl ift um 1830 bei £m3iinger erfcfjienen.
Op. 117, in Es dur. 3U oem nngarifdjen 9cational=
©cfjaufpiete „König (Stephan, Ungarn^ erfter 2öot)(tt)äter",
bei ber (SröffnungSfeier be§ ^eftfjer ^fjeaterä 1812 aufgeführt;
erfcfjien um 1828 bei §a3linger.
Op. 124 in C dur, mit ber 2)oppelfuge. „gur 2Beit)c
beg §aufe3." 53ei Eröffnung be3 neuen Sofepfjftäbter £fjeater§
in Sßien 1822 aufgeführt, erfcfjien 1826 bei (Scfjott.
Op. 138, in C dur. $u gibelio 1805 getrieben, jebodj
befeitigt. 2)ie erfte Sluffüljrung fanb (Statt in23ernfjarb9tom =
berg'ö (Soncert, gebruar 1828, in SSien; fie erfcfjien im SDrud
um 1830 bei t<Qa3iinger.
— 495 —
Op. 97. ©rofeeS £rio in B dur für ^ianoforte,
Violine unb SBioIonceü, erfte Sluffüfjrung 1814, erfdjien 1816
bei ©teiner u. (Somp.
Op. 102, C unb D dur. ßroei (Sonaten für $ßiano =
forte unb SSiotonceü, erfdjien 1817 bei (Simrotf.
(Sonaten für ^ianoforte adein.
Op. 90, E moll, erfdjien 1815 bei Steiner u. Komb.
Op. 101, A dur, erfdjien 1816 bei Steiner u. ßomp.
Op. 106, B dur, erfdjien 1819 bei SIrtaria.
Op. 109, E dur, erfdjien 1822 bei Sdjlefinger.
Op. 110, As dur, erfdjien 1823 bei Sdjlefinger unb bei
©iabefli.
Op. 111, C moll, erfdjien 1823 bei Sdjlefinger unb bei
©iabeüi.
Op. 120. 33 Söeränberungen über einen 2Bal5er
oon ©iabeHi, für ^Sianoforte, erfdjien 1823 bei 2)iabetli.
Op. 119. 3toMf neue 93agatet(en für ^pianoforte,
erfdjien 1823 bei ©iabelli.
Op. 126. Sedjö SagateHen für ^5ianoforte, erfdjien
1826 bei «Sdjott.
Quartette
für 2 Biotinen, SSiola unb SSioloncell.
Op. 95, F moll, erfdjien 1815 bei Steiner u. ßomp.
Op. 127, Es dur, erfdjien 1826 bei Sd)ott.
Op. 130, B dur, erfdjien 1827 bei SCKattfjiaS Slrtaria.
Op. 131, Cis moll, erfdjien 1827 bei Sd)ott.
Op. 132, A moll, erfd)ien 1827 bei Sdjlefinger.
Op. 133. @roBe guge (urfprüngüdj al§ letzter ©afc jum
Quartett, Op. 130) erfdjien gegen 1830 bei ÜJc. Strtaria.
Op. 135, F dur, erfdjien 1827 bei Sdjlefinger.
Op. 137, $uge, D dur, (1816 gefdjrieben) für 2 Biotinen,
2 SSiolen unb SSioIonceCf, erfdjien um 1827 bei £a3(inger.
— 496 —
?(ußer ben in ben brei ^Ber^eic^niffett angeführten 3Serfen
mit Cpuc^at)[ ejiftiren nocfj üiete fteine obne biefelbe, aucrj
ofyne Kummer. 2)er größere %ty[{ baoon beftet)t au§ 3Ser=
fudien in ben üerfcfjiebeiten ©ottipofttionS*@attungen, batirt folglich
aus ber erften Sßeriobe. 9Jtet)rere, unb ^tuar bie 6ebeutenberen
barunter, ftnb etft nad) bem 5(b(eben be§ großen ÜfteifterS in
bie £)änbe ber Verleger gekommen unb erfdjienen; barum mögen
fie biefem SSerjetdjntfje beigelegt werben.
%üt Drdjefter: a) Megrerto,282) Es dur, erfct)ien bei
SIrtaria. — b) Xriumpbmarjd) au§ bem Xrauerfpiet „Xarpeja",
C dur, auS ber jroeiten v$eriobe, erfdjien bei ©tetner u. (£omp.283)
g-ür ©tretdjtnftrumente: Andante favori, F dar, mar
urfprünglid) für *ßtanoforte gefdjrieben, gehört ber feiten s^eriobe
an, erfdjien um 1805 im 8nbuftrie*§omptotre. 284)
gür SlaSinftrumente: a) 9ftonbino, Es dur, für 2 Dboen,
2 Klarinetten, 2 $a90tte unb 2 £>örner, erfdjien bei 2)iabetli.
— b) ©rei 2)uo'3, C dur, F dur, B dur, für Klarinette unb
gagott, erfdjienen bei 2(nbre.2S5)
282) Erschien November 1822 (nicht 1823) cf. G. Nottebohm
IL Aufl., S. 139. A. d. H.
283) Hier ist wieder Nottebohm zu befolgen. „Die revidierten
Orchesterstimmen im Besitz von T. Hasliuger in Wien sind bis auf
das Wort Marsch von Beethoven überschrieben „Triumph-Marsch aus
dem Trauerspiel Tarpeja. Christoph Kuffners Trauerspiel „Tarpeja"
(im 14. Bande seiner Werke gedruckt nebst dem Titel „Hersilia",
Schauspiel in vier Akten (wurde zum erstenmal mit dem „neu
komponierten" Marsch aufgeführt am 26. März 1813. Der Marsch
erschien i. J. 1819, für Pianoforte zu zwei Händeu bearbeitet, in der
vom Hoftheatermusikverlag in Wien herausgegebenen Sammlung „Die
musikalische Biene-*, Heft 5, No. 9 darauf nach Beethovens Tode für
Orchester bei T. Haslinger in Wien. Nottebohm 1. 1. S. 139. A. d. H.
284) Über dieses herrliche Andante favori in F weiß Ferd. Ries
sehr interessante Dinge zu erzählen, die man in den Biographischen
Notizen nachlesen mag, Neudruck S. 121 f. A. d. H.
285) Erschienen nach Nottebohm spätestens 1815 bei Lefort in
Paris und nach lö28 bei Andre in Offenbach. A. d. H.
— 497 —
$ür *ßianoforte mit Drdjefter: Dfonbo, B dur, erfdjien
bei ©iabefli.
©rei Quartette: Es dar, B dur, C dur, für $iano=
forte, Violine, $iola unb SSioloncetI, erfdjienen bei 2lrtaria.28,!)
£rio: Es dur, für ^ßianoforte, QStoline unb SStolottcett,
«rfdjien bei £)unft.
kleines Xrio in einem @a£e: B dur, (1812 feiner
fteinen $reunbin 9Jc. $8. — 9#arimiliana Brentano — gettribmet)
erfriert bei £>unft.287)
9tonbo: G dur, für ^ianoforte unb Biotine ober SSiotoncett,
€rfrf)ien bei ©imrocf.
S)rei ©onaten für ^ßianoforte allein: Es dur, F moll,
D dur, bem ßtjurfürften Tlajc $riebrid) geroibmet, 1781 com=
ponirt, erfdjienen in ©petjer bei Statt).
Seirfjte ©onate: C dur, für ^ianoforte, ber ©leonore
t)on SSreuning in S3onn gennbmet, erfdjien bei S)unft.
^raetubium: F moll, für ^Sianoforte, au§ ber 2. ^ßeriobe,
€rfd)ien um 1805 im 3nbuftrie=ßomptoire.
üftebft btefen SSerfen roeifen bie Kataloge eine bebeutenbe
SCnjat)! SSariationen für ^ianoforte unb %än%e jeber Slrt
für Drdjefter unb ^ianoforte auf, mooon bie meiften ber erften
^ßeriobe angehören, dagegen gehören bie bieten Sieber faft
fämmttidj bergroeiten unb britten ^ßeriobe an. ^Darunter ragen
burd) geniale Stuffaffung be§ SEejteS befonberä tjeröor:
286) Die Vorzeichnungen stimmen hier nicht recht. Es sind
die drei Quartette in Es, D und C (Br. & EL- Ausgabe Serie I,
No. 2, 3, 4 ; siehe auch Nottebohm 1. 1. S. 143. A. d. H.
287) Der Titel einer alten Abschrift im Besitz von W. Wildfer
in Mügertz (Mähren), Sonate von Ludwig van Beethoven mit Violine
und Violoncelle „Wien, am 2* Juni 1812. Für seine kleine Freundin
Max. Brentano zu ihrer Aufmunterung im Ciavierspielen". Das
Original-Manuskript soll sich im Jahre 1830 (vgl. Cacilia, Bd. 13,
S. 284) in den Händen der Familie Brentano in Frankfurt a. M.
befunden haben. Ähnlich lautet der Titel der im Jahre 1830
erschienenen Ausgabe. Vgl. Nottebohm 1. 1. S. 144. A. d. H.
91. ©djinMerä a3eetfjoöcn='8tograpf)k. 32
— 498 —
a) ©ed)3 beutfdje @ebitf)te: au3 Uciffig'S „QMümtfjen
ber öinfamfeit", um 1813 ober 1814 compcnirt, erfdjienen bei
Sfrtaria.288)
b) £)rei öefänge: 2Tn bie (beliebte;289) ba§ ©efjetmniB;290)
©o ober So,'21'1) urjptüngftdj ^Beilagen gur SSieuer 3eitjcl]rift,
erfdjienen bei (Simrocf.
c) Sieb au§ ber ferner „91(3 mir nodj bie £fjräne ber
<2eljnfud)t nict)t flofc", erfdjien bei Sreitfopf u. ^wertet.
d) 2lnbenfen (öon SDtottfytfon): „Sdj benle ©ein" erfdjien
bei SSreitfopf it. feiertet.
e) Gmpfinbungen bei StjbienS Untreue: erjcrjien bei
(Simrocf.292)
288) Im Juni 1814 erschien die Sammlung „Sechs deutsche
Gedichte", dem Fräulein Caroline von Bernuth hochachtungsvoll
gewidmet von C. L. Reißig. Reißigs „Blümchen der Einsamkeit".
A. d. H.
289) Komponiert 1811 im Dezember. Erschien Juli 1814 als
Beilage zur Zeitschrift „Friedensblätter" (Wien). Bei N. Simrock in
Bonn und Köln 1817 erschienen unter dem Titel „An die Geliebte".
Gedicht von J. L. Stoll. Dieses auch in der Sammlung „Das singende
Deutschland" (Leipzig, Reclam) mit der Bemerkung: „Geschrieben in
das Stammbuch der bayrischen Hofsängerin Regina Lang".
A. d. H
290) Gedicht von Wessenberg. Komponiert 1815. Erschien
nach Nottebohm als Beilage zur „Wiener Modenzeitung" vom
29. Februar 1816, dann (1817) bei Simrock in Bonn. A. d. H.
291) Gedicht von C. Lappe. Komponiert 1817. Erschien nach
Nottebohm als Beilage zur „Wiener Moden-Zeitung" vom 15. Februar
1817, dann (um 1819) bei N. Simrock in Köln und Bonn. A. <\. H.
292) Gedicht nach dem Französischen von St. von Breuning.
Erschien als Beilage zur Leipziger Allg. Musik. Zeitung vom 22. Novbr.
1819 mit der Überschrift: „Als die Geliebte sich trennen wollte1".
Dann als ein vermeintlich ungedrucktes, zum erstenmal bekannt
gemachtes Lied als Beilage zu Wegelers „Nachtrag zu den Biogr.
Notizen- (Koblenz 1845), Neudruck, IL Aufl., 1906. Der Text ist, nach
G. Nottebohms Angabe, nach dem Französischen des Gentil Bernard
oder des Hoffmann (Romanze): „Je te perds, fugitive esperance" usw.
— 499 —
f) gmei Siebet*. 9?efiguation.293) Slbenblieb,'294) erfdjienen
bei Äiftner unb £)iabetli.
Sßeibe gehören ber britten ^eriobe an unb hrnren 23ei=
lagen §ur Söiener ^eitfdjrift. @rftere§, „^efignation" tfvax
eineä ber furzten, in §infid)t aber be§ ®el)alteS eine ber
fettenften perlen in be3 2J?eifter3 Sieberfammlung. @r felber
tjat beffen befonberen SBertf) in einem Briefe an ben Sftebacteur
ber genannten 3eitfc^rift (©djtcf) bamit anerfannt, bajj er ben=
felben erjudjte, bem 2)ict)ter (trafen |)augn)i|) für ben Smpulö
5U fo „glüdlicljer Snftnration" feinen ®anl mitjutfjeilen. ©otctje
@f)re mar früher nur ben S)id)tern ÜDca tttjifon (Slbetaibe)
Stiebge (Sin bie Hoffnung) unb Seiteleg (Sieberfreiä) miber=
fahren. ®a§ Siebten, Steftgnation, birgt ein großes ©tücf
mu[icatijc^er SSeiSfjeit in fiel).
aus der um 1797 von Solie komponierten Operette: „Le secret", in
Wien unter dem Titel „Das Geheimnis", zum erstenmal aufgeführt
am 18. August 1808. Der Librettist heißt Soulie" (cf. Wegelers
Notizen, Neudruck, S. 226.) A. d. H.
293) Gedicht von Paul Graf von Haugwitz. Komponiert Ende
1817, nach op. 137, nach der Fuge in D-dur. Erschien als Beilage
zu der „Wiener Zeitschrift für Kunst" usw. vom 31. März 1818.
294) Gedicht von Heinrich Goeble. Komp. nach Nottebohms
Angaben, 4. März 1820. Erschien ebenfalls als Beilage der „Wiener
Zeitschrift für Kunst" am 28. März 1820 und Herrn Dr. Braunhof er
gewidmet. Das Lied, das dem bewährten Arzte des Meisters als
Anerkennung für geleistete Dienste gewidmet ward, erschien 1821
oder 1822 mit mehreren der genannten Lieder in einem Hefte unter
dem Titel: Vier deutsche Gedichte", in Musik gesetzt von
Ludwig van Beethoven. Op. 113 (!). Wien, Sauer & Leidesdorf.
Bonn, bei N. Simrock. Leipzig bei Peters usw. A. d. H.
32*
— 500 —
V. „$er fajwer gefaxte @ntfdjtafj"
2tuffdjrift bei bem merten ©atje beS legten Quartetts, F dur,
Op. 135, nebft bem grage=9Jcotiö pm ©raoe: „aRufe eS fet)n?"
unb bem antroortenben §um 9lllegro: „SS mu| fel)n!"
.ßroeierlei fann als 23eroeggrunb angenommen werben.
2ße(d)eS aber baoon bem äfteifter als eigentlicher SmpulS gu
bem ernften ©cfjerg unb fdjergljaften (Srnft gebient, bürfte mit
S3eftimmtrjeit nidjt §u behaupten fein.
1. 2(ud) in 23eett)oüen'S IwuStjaltung gehörte eS jur
Drbnung, ber Haushälterin ein „SBodjengelb" gu berabfotgen.
SaS 5U rechter ßeit 3U erhalten l)atte oft ©cfjtt>ierigfeit, meil
ber SDceifter am ?IrbeitStifct) nid)t geftört ferm trollte. Sie
alte grau ,,(2d)napS" pflegte fid) in Dotier SQcarftrüftung an
ben iifcfj §u ftellen unb p märten, bis ein gefälliger ober
burdjbotjrenber 23(icf auf iljren ®orb fade. Sann erfcfjolt in
mancherlei Nuancen, aufteilen fingenb, bie $rage: äRujj eS
ferjn? roorauf bie Sitte mit bem Stopfe niefenb, ober mit bem
gufje ftampfenb jur Slnttoort gab: @S mufj fetm! Siefer
©c£)er§ roiebertjotte fid) faft an jebem ©amStag, unb toenn bie
Haushälterin mit bem SMenber betoeifen mufjte, ba$ tjeute
3at)ltag, fo mar ber SDceifter eben nur in guter Saune, in
roeldje er buref) ben Slnbtid ber fdjlauen, aber bod) treuen
Wienerin öerfe^t »erben tonnte.
2. Sn Sßien erjfiirte im §aufe beS Hof41genten üon
Sembfdjer eine lange Sfaifje bon Safjren rjinburcfj ein Quartett
mit SDcarjfeber an ber 1. Biotine. ?llS jener üDcufiffreunb
üon SBotlenbung beS Quartetts in Es dur, Op. 127, ®unbe
erhalten, münfd)te er bie (5t)re gu fjaben, eS in feinem £mufe
guerft §u @et)ör gu bringen; inbef3 tnar eS bereits als £)aupt=
gugmittel gu bem beborftetjenben 93enefice bon ©dmppan^igl)
beftimmt. Steffen uneracfjtet tjatte S. 9)?utt), ben (Somponiften
um bie ^Sergünftigung ber erften ^robuetion erfudjen gu taffen.
Siefer miüigte unter ber S3ebingung ein, bjenn S. an Scljup-
— 501 —
poit^igf) fünfätg ®u(ben aU Vergütung für abfälligen ©djaben
bei feinem SSeneftce fogteidj bejahen motte, ©er Duartett=
greunb liefe hierauf ben 9tteifter fragen, ob e3 iljm ©ruft bamit
fet). Sie 5lntmort lautete: (£3 mufe feön! 2)iefer peremptorifcfje
2Iu§fprud) foll bem £>of=2tgenten feinen anberen 2tu3meg offen
getaffen Ijaben, a(3 bie benannte (Summe an ©djuppanjigf) ju
be5at)ten. £>a§ neue Quartett mürbe aber mirf(td) in feinem
Greife $u aßererft gefpielt.
2In beiben $erfionen ift nur ba$ Sine fidjere SSafjrtyeit,
bafj faft jegtidjeil SSejatitenmüffen eineä benötigten ®egen=
ftanbeS bei unferm SDtofter ein ferner gefaxter @ntfcf)tufj
mar, bei bem £of=2Tgenten aber mochte bie§ mit bem 93egat)ten=
muffen öon 50 ©utben an ©tfjuppanäigf) ber gatt gemefen
ferjn. — ®ie frangöfifd^e Ueberfe^ung biefer 5luffcfjrift mit:
„Un effort d'inspiration" ift jebenfatt§ eine berfet)tte unb oiel
ju tief gefugt.296)
295) Als Ergänzung zu Schindlers Bemerkungen über den letzten
Satz im F-dur-Quartett, op. 135, mit der Aufschrift: „Der schwer
gefaßte Entschluß". Muß es sein? Es muß sein" verweise ich
auf meine mehrfach gemachte Darstellung, zuletzt in meinem Buche
„Beethoven und Berlin" im Abschnitt „Beethoven, die Schlesinger-
sche Musikalienhandlung und A. B. Marx" (S. 315 ff.). A. d. H.
Sfjarafterpge, ©genWten, QSorfäUe unb
©ontfigeS-
1. «Relfourn. ©cueraiöafj. Sleftfjetit
SeetrjOüen mar in ber fatfyoUfcfjen Religion erlogen,
©afj er mirf(id) innerlid)=retigiö3 mar, 6e§eugt fein ganger £eben§=
manbet unb finb in bem biograpfjifcfjen Xfytii nidjt menig Belege
büfür angeführt. 2)afi er niemals über SMigionSgegenftänbe,
ober über bie $)ogmen ber Oerfdjiebenen d)rifttict»en SHrdjen ge=
fproctjen, um feine $Infid)ten barüber mitäutljeüen, mar eine ber
befonberen Eigenheiten. 9ftit §iemlid)er ©eroifjfjeit fann aber
gefagt werben, bafj feine religiöfen Slnfdjauungen weniger auf
bem ®irdjeng(auben beruhten, at§ öietmetjr im 2)ei§mw3 itjre
Queue gefunben rjaben. Dbjne eine gemachte Xfjeorie öor Slugen
§u rjaben, erfannte er bod) $u offenbar ©ort in ber Söett, mie
aucfj bie SBelt in @ott. £)ie £fjeorie rjie^u bitbete fid) für itjn
in ber gefammten Statur unb fdjeint ba§> merjrfad) genannte
Sßud): (Sljriftian (Sturm'3 23etract)tungen ber 2öerfe ©otte§ in
ber Statur, nebft ben au§ ben prjitofoptjifdjen ©rjftemen ber
griedjifctjen SBeifen gefdjöpften ^Belehrungen gumeift fein 3Beg=
meifer auf biefer 33at)n gemefen gu feijn. @3 märe fdjmer ba§
©egenttjeil 3U behaupten, menn man gefefjen, mie er fid) ben
betreffenben Sntjatt jener ©djriften §u innerem Seben $u nu^e=
gemadjt t)at. Slufeer btefem augenfdjeintic^en 3^ugniffe öon ben
religiöfen ©runbfätjen unferö 9fteifter§ ift nod) ein anbereS öor-
Ijanben, baZ mit bem oben genannten in Harmonie ftet)t.296)
(So befcfjränft fid) bto§ auf nadjfterjenbe ©ätje: ,,3d) bin, ma§
ba ift." „Scfj bin 9(t(e3, roa§ ift, tua3 mar, maS fetjn mirb,
296) Vgl. auch des Herausgebers Aufsatz „Beethoven als
religiöser Mensch" in den Sonntagsbeilagen zur Vossischen Zeitung
vom Jahre 1883, abgedruckt im Klavierlehrer" 1883 (Juli und August).
A. d. H.
— 506 —
fein fterblid)er 9ttenfd) fjat meinen <2d)(eier aufgehoben." „(Sr
ift einjig üon tfjm felbft unb biefem (Sinnigen finb alle Singe
ifjr Safetin fdjulbig." — Siefe brei @S$e finb Snfcfjriften im
Sempet ber ©öttin 9?eitf) %a (£ai<S in Unter=(5gt)pten, üon
(E^ampolüon^^Öeac aufgefunben. (Sie finb mitgeteilt in
feinem „©emäfbe öon Ggrjpten," Seite 417. Sftidjt unmaf)r=
fdjetnttdj, baß MefeS f)öcf)ft intereffante 23ud) audj unferm SCReifter
ju Kugen gekommen mar. «öafelbft lieft man bei Sfnfüljrung
biefer Snfcfjriften: „@§ bürfte ferner feOn, eine erhabenere unb
retigiöfere Sßorftettung oon ber erfdjaffenben ©ottfjeit ju geben."
3ngteid) ftnbet fid) nodj fofgenbe l£rf(ärung bort: „Sie ©öttin
9ceitf) nafjm ^tjett an ber (sdjöpfung ber SGBeft, unb ftanb ber
Grjeugung ber Gattungen üor. ®te ift bie Stlteö bemegenbe
ftraft."
Siefe ^nfdjriften t)at 33eetf)OOen mit eigener §anb abge=
fdjrieben unb fie in einem Dkfjmen unter ®(a§ ftet§ oor fid)
auf bem '3cr)retbtifct)e gehabt. Sie foftbare Reliquie beünbet
fid) mof)( erhalten in meiner SBermafyrung. ©in gacftmile mar
ber erften Auflage beigegeben.
Siefelbe ©djmeigfamfeit, mie über $eligion§gegenftänbe,
beobachtete Söcettjoüen aud) über (^eneratbafe, ober richtiger, über
bas ganje ©ebiet ber t)armonifd)en 2Biffenfd)aften. ßr
erftärte Religion unb ©eneralbaft für in fid) ab =
gefcrjloffene Singe, über bie man nicfjt meiter bisputiren
foll. SHlein außer ben rjarmonifd)en SBiffenfdjaften gibt e3 ja
nod) eine anbere, bie für ben benfenben ^cuftfer oon 2ßid)tigfeit
ift: bie 9(eftljetif. SDftt biefer fjat e3 unfer SWeifter ganj anberS
gehalten, ate mit bem (Sober, ber barmonifdjen Regeln unb
©efetje. Sie 2Ieftf)eti! mar ein beöorjugteS Hapitet in feiner
(Eonoerfation über Singe ber föunft, menng(eid) e§ fid) nur auf
einzelne Steile, barunter 3. 33. über (Efyarafteriftif ber £on =
arten, erftredt t)atte. 2(u§ biefem Sfjeil aber fyatte er ein be=
fonbere^ Stubium gemadjt.
Sn feiner fet)r befdjeibenen §anbbibliot§ef befanben fid)
— 507 —
aud) (Sdjubart'3 „Sbeen gut Sleftljetif ber 'Sonfunft," ein 23ud),
ba§ 1806 erfdjienen mar, gur $eit citfo, mo SBeetijoDen bereits
aeftljetifd)e SBorftubien in ben alten ©riechen unb Römern ge=
madjt ijatte. S33a§ er au§ Sßfato für feine Äunft abftraf)iren
tonnte, fyaben mir gum %$e\l fcfyon in ben angegogenen ©teilen
au§> beffen „(Staat" erfetjen. ^Begreiflich genügte ba§> nidjt, e§
biente bielmefyr nur gu größerer 5lnfad)ung ber SSifebegierbe.
^3interic§, ben mir al§ feinen ©efeflfdjafter unb ©ecunbanten
in ber (Sonüerfation über ©taatSpotitif fennen gelernt, teiftete
it)m aucl) gur ©rroeiterung ber Senntniffe auf biefem bi§ baljin
noct) giemlicl) brad) tiegenbem ©ebiete tjüifreid)e §anb.*) 91(3
^ßtjitotog toax er mit ben üon ben ?Uten in 33egug auf Slefttjetit;
gezogenen Sineamenten befteng befannt. @r macrjte bemnact) für
Seettjoüen 2tu§güge au§ 2l~rifiotete§,**) Sudan, Quintilian unb
SBoet^iuS.***) 2öie anregenb muffte nid)t 2triftote(e§ auf unfern
©riecfjenfreunb mirfen, menn er g. $$. auf fofgenbe ©ätje barin
f tiefe : „(58 gibt außer ber Statur nid)t§, morin ßfrn unb ©anft=
mute), STapferfeit, ÜÜMfeigung unb alle fitttidjen (£igenfd)aften
nebft itjrem (Sntgegengefet^ten ftd) fo beuttid) unb ätjntid) ab'
bitbeten, a(§ im 9ttjfit()mu§ unb SKelobie. (£<§ ift gang offenbar,
*) Slucfj für gtanj ©Hubert mar ^ßintericS in berfelben SSeife tt)ättg.
**) StriftoteteS' „^olitif" !annte 33eetrjotien genau; im ©feidjen c)atte
er fid) §oraj' „(Spiftel an bit s$ifonen" auf'§ 23efte 3U eigen gemalt unb
t>ermocf)te ganje ©teilen barau£ ju citiren.
***) $ßoetI)tu§ mar römifd)er (Jonful unter £beoborid) bem ©rofjen.
2$on feinen g-einben am £>ofe fntfcf)iicf) angeflagt, mit bem grieefnfeben ^aifer«
Ijofe einen öerrätfyerifctjen 23riefmed)fet 31t unterhalten, mürbe er au3 9Jom
berbannt unb 524 ober 526 (djriftlidjer geitredmung) hingerietet. Unter
feinen ja^lreict) fjinterluffenen ©Triften befinben fict) aud) 5 Söüctjer über
bie TOufif ber ©riedjen. 9cacb §amfin§ (®efd)id)te ber 9)iufi!) Ratten bie
llniüerfitäten ju Djforb unb (£ambribge ba§ Sefen tiefet 3Berfe3 gebem
unterfagt, ber nod) nidjt 93accalaureu§ ber 9J?ufif geroorben mar, raeil I;te3U
nidjt allein Setanntfdiaft mit ber Äunfi im Slügemeinen unb Äenntnife ber
lateinifcfjen ©pradje, fonbern aud) gute Söortenntniffe Don ber alten grie=
ctjif(^ert SJcufif erforberüdj gemefen.
— 508 —
bafj in ben Xönen unb i^rer Sßerbinbung ein 51u§brud oieter
fittlicfjer (Sigenfdjaften liegt" it. f. tr».; menn ber ©riedjenfreunb
ferner nod) Sudan ausrufen fjörte: „(53 liegt ein göttlicher
Stnrjaucf) in ben Xonarten!" Sudan djarafterifirt mehrere ber=
felben; im ©teidjen finben mir ba3 bei 2ttt)enäu§ unb aud) bei
StriftibeS Quintilianuö.
Sßeiter im Sluffudjen be§ Sßjtjdjifdjen in ben Xonarten ift
(Scfjubart gegangen, lag irjm bodj bereits Material in Sftenge
ju biefem Stubium öor. ganb unl"er Stifter gteidnoot)! menig
53ef)agen an feinen funftp{)ilofopf)ifcf)en 2tnfid)ten, roeit er nun
einmal einen entfdjiebenen ÜBSiberroiHen gegen alle ®unftpt)ilofopt)ie
empfanb, fobalb fie fid) in ba3 ©ebiet De§ 9)2etapl)t)fifd)en üer=
ftieg unb aufhörte, practifdjen 9?ut3en 5U gemäßen, fo füllte
er bem genialen Saline in Sejug auf ba§> über ßrjarafteriftil
ber Xonarten Stu^gefagte lauten 23etfalt, roenn er aud) nierjt
gu allem feine 3uftimmung geben tuoltte. Stimmte er i£)m bei
ben Molltonarten im SSejentlidjen bei, (barin freilief) bie
©rieben fdjon öorgearbeitet Ijaben) fo erlaubte er fid) bie einigen
X)m>Xonarten gugefprodjene (Sljarafteriftif ju bezweifeln, ober
oietmetjr, er fd)ränfte itjren pft)d)ifd)en 51u§brud je nad) S5e=
megung unb SBollftimmigfeit beS Xonftüde3 in ber 33ocat =
SDiufif in engere ©rängen ein. Sn Sejug aber auf ha*»
Snftrumentale, üornetjmlid) Quartett* unb £)rcfjefter=9#ufif,
roollte 33eetf)oüen bie ©dmbart'fdjen ©djilberungen ber £)ur=
Xonarten, rjauptfäd)tid) megen Vietbeutigfeit mehrerer buret) ben
©ebrauef), nid)t gelten laffen. dagegen legte er irjnen in ber
fölaüter^ufif, aud) im Xrio, einige ©eltung bei. 33orab
unterfdjieb er aber jmifdjen finnigem Snljalt unb SntjaltSlofigfeit
be$ XonftüdS. %m erfteren gatle rairb fid) ein genriffer
(Stjarafter oon felbft ergeben, ber bei $erfe£ung in eine anbere
Xonart fein ©pecififdjeä oerliert. SBeetrjooen'g Sichtung oor
<2d)ubart'S S3uct) mar beffen ungeadjtet eine fo grofje, baft er
e3 in muficalifdjer Sßitbung bereits Vorgerückten §u angelegen^
lidjem ©tubium empfohlen f)at.
— 509 —
tiefer 3meig oer Äunftmiffenfdjaften mar e§ öor^ugSmeife,
ü6er ben fid) Seetrjooen mit ©ebitbeten gerne unterhalten t)at,
gab er irjtn bod) ©toff 51t Semunberung beffen, maS feine
großen Vorgänger, ©lud, £>arjbn unb Sftojart, im fünfte 2(n=
menbung djaracterifirenber £onfarben nermittelS (Singebung
ifyreS ©eniuS geteiftet rjaben. ©teilte $eett)ot>en unter anbern
SJco^artS 3au^erf^^te auS bem ©runbe am f)öd]ften, toeif barin
faft jebe Gattung, nom Siebe bis 311m Choral unb ber $uge,
^um 2lu3brud fommt, fo beftanb ein §raeiter (Sjrunb bafür nod)
in ber barin angeroanbten $Pfrjcr)e oerfcr)iebener Tonarten,
©ottte jebod) unfer 90?et[ter in 93efbred)ung biefeS intereffanten
©toffeS roarm merben, foHte man baS Vergnügen tjaben, ben-
felben öon ifun mie einen ©taubenSartitet mit 33emeifen Der*
tfjeibigen ^u tjören, fo mufete er burd) bie ©feöftS ober burd)
offenbaret Säugnen ba(^u rjerauSgeforbert merben. ©feptifer
fomorjl mie Sängner biefeS %fyti{§> in ber 5?unftäftrjetif gab e£
aber in früherer Qeit rjiet metjr a(§ gegenmärtig. SSaS follte
roorjt baö ba malige Corpus musicum mit ©djnbart'S Sbeen §ur
9teftr)etif beginnen, ba§> aüe§ §eil ber Xonfnnft auSfcrjtiefelid)
im ©eneratbafe unb (Sontraüunct gefud)t unb jebe anbere Jpülf§*
miffenfdjaft pertjorreScirt tjatte? 3Beil SKo^art fein SBüctjerlefer
mar unb beim od) „grofce ©adjen gemad)t tjat," fo ftanb e£
feft, baf$ ba§ Sefen gan^ unb gar nictjt nötrjig ferj — um ein
muficalifdjer ^anbmerfer 5U merben. S)iefer ©taube ift jmar
nod) bi§ gum heutigen £age unter SDcufifern üort)errfd)enb, unb
je|t, mie bamalS, fürcrjten fid) nod) üiete oor bem ©eifte, ber
ifjnen an§> einem guten S3ud) ober aus guten ßeitfdjriften
malmenb entgegentreten tonne, bcife eS an ber 3e^ fe*)> na(*)
anbern Sbeen §u forfdjen, als im £ürf, SllbrecfjtSberger unb
Sftarr, 51t ftnben, menn fie ja nod) bort gefud)t merben, ntct)t
auSfcrjtiefjiid) in Sftoten.
Unfer SOceifter moöte alfo öon irgenbeinem Säugner beS
(Sfjarafterifttfdjen in ben Tonarten gu beffen SSertfyeibigung
rjerauSgeforbert merben. ©inen foldjen fanb er an feinem
— 510 —
$reunb $riebricl) 5(uguft ftanne,297) ber bie perfonificirte
©fepfte geraefen. ®anne, überhaupt einer ber munberlidjften
©onöertinge, war ein SDtfami öon uniüerfefler. Silbung, ber,
beuor er (Eomponift unb muficalifdjer «Sdjriftftetter geworben,
guerft Geologie, bann äftebirin ju Seipgig ftnbirt t>atte. 3U
Anfang be§ SafjrfyunbertS nad) 2Bien gefommen, fyat er für
bie borttgen SEfyeater an jtoötf Opern unb ©ingfpiefe (and)
SRufif 51t Pantomimen) componirt, baruuter DrpijeuS unb
(Sapptjo für ba§> $ärntnerrt)or=£ii)cater bie tjeröorragenbften
ttjaren. (£r fetber t)atte biefe Serte gebietet. ÜHit 93eetf)oben
Ijatte er bie ^artnädigfeit in Slnfidjten unb @runbfä|en ge=
mein, baljer ein £>iSput äroifdjen beiben über ©egenftänbe, in
bereu ^Beurteilung fte a principio nid)t übereinftimmten, nidjt
b(o3 ergöfjlidj, für ben ßufyörer aber aud) belefyrenb gemefen,
benn beibe beftrebten fid) tfjr Sidjt leuchten 5U (äffen. SSorfcrjub
leiftete ber rüdt)a(t3(ofen Steuerung, ba$ beibe fid) mit bem
brüberlidjen ©u angureben pflegten.
Äanne ftü|te fein Säugnen in ber §auptfad)e auf ben
llnterfdjieb ber Drd)efter=©timmung einer früheren 3eit mit
297) Der talentvolle vielseitige F. A. Kanne, ein „Dichter-
komponist" vor R. Wagners Zeiten, ist am 8. Mai 1778 in Delitzsch
(Sachsen) geboren, studierte Jura in Leipzig und Wittenberg; Kom-
pohitionsstudien betrieb er nachher, wie R. Wagner, beim Kantor
Weinlig. Die erste öffentlich mit großem Beifall aufgeführte Kom-
position war seine Kantate „An die Tonkunst", von ihm gedichtet,
wie auch alle seine Opern (u. a. Orpheus, Fernando und Miranda), in
Wien 1807 mit großem Beifall aufgeführt. 1809 ward er Theater-
kapellmeister in Preßburg. Er verließ diese Stellung bald wieder, wie
zahlreiche andere. Es litt ihn nirgendwo auf die Dauer. Er darf als
ein verbummeltes Genie bezeichnet werden. Er starb an Beethovens
wahrscheinlichem Geburtstage, 16. Dezember 1833. Kanne, Beethovens
Duzbruder, hat noch viele, meist selbst gedichtete Opern, Singspiele,
Dramen komponiert, als: Die Elfenkönigin, Die Belagerten, Deutscher
Sinn, Sappho, Die eiserne Jungfrau, Lindana, Malwina, Schloß Theben,
Der Untergaug des Feenreichs, Die Zauberschminke. Auch schrieb er
viel Orchester- und Kammermusik. A. d. H.
— 511 —
ber ©egen»arr, unb, als leijteg 3£u§fnnft§tmttet, auf bie Strand
pofition, er betampfte mithin feinen ©egner in letzter Snftanj
mit benfelben 5Baffen, »ie man ©leict)e3 erft jüngft »ieber in
bem SBerfe eines natjmrjaften Sßl)t)fifer§ gefeEjen rjat.29S) ®er
non Söeettjoüen aufgeftedte ©egenberoei3 fufjte auf bem fictjeren
Srfennen jeber Tonart, bie ©timmung möge einen ganzen %on
tiefer ober tjöljer ftetjen, al£ ba§> Ol)r getoofjnt ift ^u t)ören,
fomit fafie bie @tir|e auf bie 2ran§pofition Ijinmeg, bie barum
nod) nidjt in 23etrad)t fommen bürfe, »eil ber üftittetpunct be§
^onftjftemS feine, »enn aud) nidjt unuerrüdbare (Stelle Ijat.
Sie Drdjefter* Stimmung fet) in unmafjrnefjmbarer gort*
fdjreitung t)öl)er gcmorben, in gleid)er SBeife unfer ©efüfyl für
bie $pft)d)e ber Tonarten, bie juoörberft in ber Scala jeber
Tonart ityren Sit; tjabe, »aö fdjon bie 5llten richtig erfonnt.
©ie SranSpofition fet) aber ein ptö£lid)e3 5lbroeid)en um einen
Ijalben, »ot)t audj um mehrere Stöne tjöljer ober tiefer, mobei
ba<§ ©efüfjl eben fo ptöttfid) in eine anbere Spfäre oerfetjt
»erbe, »eil bie $ßft)d)e aitö ber urfprüngtidjen -tonuerbinbung
ge»attfam in eine anbere geblängt »orben. 23eett)oüen be=
fjauptete, »enn e§ feiner Sd)»ierigleit unterliege, Cis dur öon
bem enrjarmonifcfjen Des-dur mit Sid)ert)eit $u unterfdjeiben,
fo fet) ba§> Dljr fjiebei in 5»eiter Öinie entfdjeibenb, in erfter
aber ba§> ©efüljt für ben fubtilen Unterfdn'eb ^»ifdjen tjart unb
meid), barin atfo §unäct)ft ba$ djaracteriftifdje SRerfmal jeber
biefer beiben Dur^onarten liege; ber gute, 3»edmäf}ige ®e=
braud) mirb ba3 SSeitere bi§ §ur Güoibeng tjerauäfteHen. „®u
tjaft unter anbern ben ^arlefin in Des dur langen laffen, idj
»erbe it)tn in D dur auffpieten. 2)u tjaft behauptet, e§
feö einerlei, ob ein Sieb in F moll, E moll ober G moll ftetje,
id) nenne e§ einen Unfinn, »ie bie $8et)auptung, bafj 2 mal 2
fünf ift. SBenn id) ben ^i^arro bort, »o er feine üerrudjtcn
?(nfd)täge auf gtoreftan bem Äerfermeifter offenbart, in grellen
298) Dieser Physiker mag Chladni oder gar Helmkoltz gewesen
sein. A. d. H.
— 512 —
Tonarten (audj in Gis-dur) fingen (äffe, fo Hegt ber pfndjifdje
@5runb in feiner inbioibuetten ßrjarafteriftif, bie ficfj in bem
£>uett mit SKocco in notier Sölöfje entfaltet, für meieren ?(u<o=
bruef jene Tonarten mir bie entfpredjenbften ^ar6en gegeben."
Sn foldjer 2lrt ging e<§ mit ungemörjntidjer £)ia(ecti! fort.
Um ein möglidjft djaracteriftifdjeS ©emätbe üon länbtidjer
9f?uf)e aufstellen, bnrfte mofyl Seettjoüen eine onbere Xonart
als F dur ^ur oorf)errfd)enben in feiner ^ßaftorat=<3infouie
tuäfylen? Sßorin liegt ber ©runb, bafj $um Slnöbrucf be3
geierüdjen Dor^ugöroeife E dur geeignet ift, anbere Dur=
Tonarten meniger, F unb G gar ntdjt? 9Kan üerfudje ben
^riefter=ßt)or in ber ßauberflöte au3 E nad) D ober F dur gu
tranöponiren unb prüfe.299) S)er 53eurtt)ei(er ber Cis moll
©onate, Op. 27, fagt in ber Mg. »f. ßtg. VI. üom erften
unb brüten ©utje: „Sftit öollfommenem ©runb finb bie beiben
<pauptfä£e in bem fcfj au er liefen Cis moll getrieben."
(^ergf. I, 82.) Wlan tran§ponire beibe ©ä^e in bie näd)ft=
angränäenben 9JM=£onarten C unb D, ober in ferner tiegenbe,
unb f)öre bie gan§ öeränberte SSirfung.
2ln§ Sßorftenenbem rairb fid) $ngteid) ergeben, ob unfer
9#eifter bie Slran^pofition ü6ert)aupt jugelaffen §abt. 2öer eS
gewagt tjätte, in feiner ©egenmart ein fleine§ Sieb Oon feiner
(Eompofition in eine anbere Xonart §u üerfetjen, an bem f)ätte
er fid) oergriffen. ©r mar erbittert, menn er gehört, biefe ober
jene Kummer auö einer SDJo^art'fc^en Dper ferj in einer anbern
Stonart oorgetragen morben, aU fie gefdjrieben fterjt. ^Derlei
Unfug ift burd) eine caprieiöfe Sängerin (©rünbaum) in 3Sien
um bie ^man^ger Saljre ijäufig üorgelommen. Söeettjooen
299) Diese Kontroversen sind gewiß höchst interessant und be-
lehrend; sind sie aber überzeugend? Nimmermehr. Der Streit um die
Erkennbarkeit, um die Psyche der einzelnen Tonart wird bis zur Gegen-
wart trotz Beethoven, Marx und Helmholtz weiter geführt, ohne daß
es gelingen will, hier zur Einigung zu gelangen. Bis jetzt haben die
Skeptiker dabei noch immer Recht. A. d. H.
— 513 —
natjm feinen Slnftanb §u Gelernten, ba$ üor Aufarbeitung,
eine§ Xe£te§ er getüi[[enc)aft mit fidj über bie ber
(Situation am beften entfpredjenbe Xonart §u Sftat^e
gei)e. Um ba§ ©runblofe in Verneinung be§ (Et)aratteriftifd)eit
in ben Xonarten recfjt ju fenngeic^nen, oergtid) er e§ mit bem
Säugnen ber ©omt= unb 9ftonbeinmirfung auf &bbe unb glutt)
be§ äReereS, roeldje ben 9Ilten fdmn befannt unb burd) bie
Unter judjungen tion Sa place unmiberlegtid) §um 2lbfd)lufe ge*
bracht ift. &b ftd) unfer SOZeifter öon ben roeitläuftgen
©ebuctionen ber beiben ^rofefforen Vifdjer unb ßam miner
(erfterer im britten Xtjeile feiner 9leftrjetif, ber anbete in feinem
Söerfe „£>ie 3)?ufi! unb bie muficalifdjen Snftrumente" über,
refp. gegen bie (Sfyarafteriftü ber Xonarten) rjätte überzeugen
laffen, bafe fein gteidimofjt bebingter ©taube baran ein üer*
alteter unb irrtf)ümtid)er fet), begmeifle idj ftarf, möchte im
©egenttjeit annehmen, bafs er ben t)oct)geter)rten §erren mit
©rünben entgegengetreten märe, bie ifyren muficatifd)en ©efürjl-
Xrjermometer meit überftiegen Ijabeit mürben. Unb mittels
biefeS 3nftrnment<§ mufj man btö (St)ara£terifttfcf)e in ben
Xonarten gu beftimmen fndjen, nidjt aber au§fct)(ie^(icr) burd)
.pl)rjficatifd)e ©rünbe.*)
2. gettgenoffen. -ötetfter unb jünger.
SSie e§ um bie gegenfeitige 5Id)tung gmifdjen 23eetrjoöen
unb ben SBiener Sftufifern im allgemeinen geftanben, tjaben
mir in allen Venoben be§ biograpf)ifd)en XfyeitS fattfam er*
fahren. Sßäre Gebern au§ bem Sftufiferfreife fünftlerifdje ®e=
finnung, rjerüorgegangen au§ fünftterifdjem Seroufjtfetjn, eigen
geroefen, fo märe ber bem Xonbidjter fo ^äufig gemachte SSor*
*) $8eatf)ten§toertf) ftnb bte§fafl§ bie 23etnerfungen Don 21. 33. Wlax £
in ber Slbfjanblung „©riedjifdje Tonarten" in ©ä)iüing§ ©ncl)dopäbie,
©. 344 unb ff.
8t. ©djinötcrä 58eet5oöen»58iogrop^ie. 33
— 514 —
murf: er fjafce fidj ber ftünftterroelt f cfjrof f gegenübergefteüt,
§u feinem ?iad)tf)ei(e begrünbet. 2Öir rjaben aber aud) biefe
Seite im 9\cf(ectir= Spiegel mit einer ftarfen 33eimifd]img oon
9J?ufifanten=@efinnung gefefjen, unb miffen folglich barüber 53e=
fcfjeib. £ner muf$ tebocr) nottnoenbiger Söeife ber 5(u§narjmen
ermähnt merben, roetcrje aud) biefe Siegel gehabt, ma§ oon ben
?Inf(ägern ftet§ ignorirt mürbe. Sn öor§üglid)er 2ld)tung ftanben
bei 23eetrjoöen: (Salieri,300) ferner bie brei Gapetlmeifter am
$ärntrjnertf)or=£f)eater: 2öeigt, ©tirometj unb Umlauf,
bann nod) Siabetli, bie beiben S^ernt), ßarl unb Sofept)
(nur namenSöermanbr), (Schott, griebtom§frj, ßlement
(letjtere brei au§ bem Seben be§ 9Qieifter3 fdjon befannt), —
unb bie 9J(itg(ieber be§ (Sdjuppan^ig^fdjen £luartett§. Siefer
fteinen ^Cn^afjt mu§ nadjgefagt roerben, bafj e§ Äünftter in ber
engften 53cbeutung be§ 22orte3 gemefen, metdje bie Gtjrfurdjt
oor bem großen 9tteifter niemals aufeer 2(djt gelaffen, bagcgen
mieber bon irjm mit offenbarem Söorjfmotten unb je nad) @e*
tegenfjeit burd) perfönticrje görberung üjrer gxüedz ausgezeichnet
mürben. £)ie Stenge ber älteren 9ttufifer, bie bei £)at)bn'S
unb äftoäart'3 5D?ufil rjerangemad)fen, pflegte in ber brüten
^eriobe «Snmpatfjie unb 9(ntipatt)ie für unb gegen 53eett)oüen'jd)e
SKufif bjäufig nod} nad) bem geringeren ober öermetjrten
$opfroadeln be§ alten 21b be ©tabler 31t bemeffen, ber feine
9(ntipatrjie gegen biefetbe in oftenftbter SBeife gu erfennen ge*
geben.*) tiefer 9?eftor fjat bei allen ^probuctionen be*
©djuppanäiglj'fdjen DuartettS niemals gefehlt, fiel) jebodi allzeit
*) ©ielje I, ©. 80.; fteubruef S. 117.
300) Alles wahr und schön. Unter diesen Künstlern darf über
Salieri nicht vergessen werden, daß Salieris Feindseligkeit gesren
Mozart dem Meister wohl bekannt war, daß auch über die Legende,
Salieri habe sich schließlich den Hal3 abgeschnitten, in den Kon-
versationsheften vielfach die Rede ist. Daraus ist das Meiste bereits
in meinen „Beziehungen zwischen Mozart und Beethoven" (siehe
„Die Musik") mitgeteilt worden. A. d. H.
— 515 —
oor ^Beginn beg 93eetfjoben'fdjen 2Berleg, bag ftetg nad) einem
£at)bn unb einem ätfo^art gegeben roarb, entfernt. Sftarrmitian
«Stabler mar 1748 ge6oren, mithin nm adjt Sarjre älter alg
Stto^art; er berliefj bie Sßclt 1833. §lu§ biefen 3aljre§äaf}len
lä&t fid) ber ©runb beg Sßerfenneng beg neuen ©eftirng er*
ratzen. @r üermod)te [einen 35tid big ju il)m nidjt met)r gu
ergeben, gut bie 9ftenge ber ©teidjgefinnten genügte eg aber,
biefen tebenben 9f?eft aug SKojart'g $eit unb beffen Slreig fid)
gum £t)ermometer für Sßeurtrjeilung Söeetrjoüen'fdjer Wu\\t 311
erliefen.
Stujjer obigem 33ormurf muffte man a6er nod) tjören, bafj
SBeettjooen fid) gegen bie jüngeren Söhififer unfreunblid) be*
nommen fjabe, mag fogar 9tieg in feinen biograprjifdjen Zotigen
burdjbliden läfjt. tiefer SSorrourf larnt mit nidjt menigen
roiberfpredjenben Seifpieten entfräftet, anbrerfeitg, menn ja ber*
gleiten oorgefommen, mit inneren unb äußeren ©rünben
entfdjulbigt merben. (Srftere lagen in feiner großen Sfteigbarfeit
unb in ^u häufigem SSedjfel ber (Stimmungen, beibe Ratten ftu
oft itjre Duette in bem ungtüdlicfjen ©erjör^uftanbe, folgerecht
in ber Sßefcfjrüerlidjfeit ber (Sonberfation. $om Sarjre 1816
big 1818 bebiente fic£) ber ÜDceifter eineg <Sbrad)rot)rg, üon
jener ßett an fonnte bie (Sonberfation nur merjr auf fdjriftlidjem
SSege gepflogen merben.
S)ie äußeren ©rünbe fanben aber gumeift itjre Duelle
in ben jüngeren SD^ufilern felber, toeldje bem ©etoaltigen in
bie 9^ät)e gelommen. llnerfarjrenrjeit in allen ©ingen, bie bag
Sntereffe beg 9)Mfterg in ber Gonberfation Ratten ermeden
tonnen, über alleg aber itjre SBeffommenljeir, bie itjnen oftmals
bie ©ruft gufammengepre^t, bafj fie felbft mit §üife eineg ©ritten
lein 2Bort fyeraugbringen lonnten, bag maren bie Urfadjen, ha^
eg immer unb alljeit bei einmaligem QSorftetten berbtieben; bie
meiften lamen erft mieber gu 21tf)em, menn fie irjm aug bem
©efidjte maren, modjte ftcf) ber Stteifrer nod) fo freunblid) gegen
fie beseugt tjaben. Wlan muffte aber an biefe imbonirenbe
33*
— 516 —
$erföntid)leit gemötjnt fetjn, menn fie im Vereine mit ifyrer
fünftlerifcfjen ©röjje nidjt erbrüdenb roirfen fottte. SBaä fottte
e§ ferner mit it)m gur ^Beurteilung borgefegten Gompofttionen
junger latente für Seroanbnife fjaben, ba er im Stufe ftanb,
bie Regeln ber Sdjule gu mifjadjten unb tebigtidj ben Gin-
gebungen feiner Sßljantafie SU folgen? tiefer böfe 9hif fdjüftte
it)n bor berartigen ©infenbungen unb nu|lofer ßeüberfäumniH
bamit. Aber audj biefe Üteget t)atte ifyre Ausnahmen. Unter
Anberen t)atte iljm ein in Sftaing combonirenber SBaron ber*
fdjiebene feiner Sßerfudje gur ^Beurteilung eingefanbt, bie trotj
großer Sdjüterböde bem 9D?eifter bennoct) Vergnügen gemacht.
„(S§ ift ein §err Saron, äußerte er, ber nicrjtS meljr ju lernen
brauet. 3)er roeife fd)on gu Diel, menn er biefes Quartett
tüirfttct) gefdjrieben." £)a§ geigt bodi, baf$ unfer 9J?ann bie
©omboniften in Kategorien abgutfyeilen oerftanb.
kennen mir nur einige aus ber 3^1)1 ber jüngeren SQcuftfer,
bie mit Aufarbeitungen, ober auefj ot)ne biefelben, in 23eet*
fjobenM 9rät)e gefommen.
$or allen mirb fid) SDcofdjeleS ber liebreichen Aufnahme
erinnern, ab! er bem 9JMfter bie ifym bebicirte ©onate in E
überreicht t)at. @r mirb fiel) audj) erinnern, mit tueldjer ©ebulb
unb Sftadjfidjt it)m 23eetf)Oben feinen für 2). Artaria arrangirten
(EtabierauSgug Oon $ibetio corrigirt unb ifjn fo lange aufgemuntert
fjat, bi§ er mit biefer fdjnnerigen Arbeit gang aufrieben geiuefen.
äftofdjeleS mufete barauf ba$ Arrangement eines «Stüdeö au§
biefer Dper übernehmen, roeldjeS oon §ummel bereits für Artaria
arrangirt mar, ba$ aber ©eettjoben gerriffen tjatte, nidjt miffenb,
mer bie berfetjtte Arbeit gemadjt. Am ©djfuffe jenes ®tücfe£
fdjrieb 3ftofd)ele<S, oieüetdjt in ber Sßeforgnifj, e§ merbe it)tn bamit
mie feinem Vorgänger ergefjen, bie SSorte: „Fine mit ©otteS
£mtfe" — unb 23eett)oben fdjrieb barunter: ,r9J?enfct), f)ilf bir
fetbft."
Siefe auf ©etieif; be§ Verlegers oerrid)tete Arbeit batirt
au3 bem Scujre 1814, als 3Kofd)e(eS eben ätoangig 3al)re gcgäfjlt.
— 517 —
3ßa§ aber ber 33erfaffer bem Sßorftebjenben at3 $ßarantf)efe
anfügen mu§, gehört 51t ben unangenerjmften Sßertifticfjtungen,
beren er fid) bi§t)er <$u entlebigen gehabt.
2)ie SluSgabe ber 23eerf)otien'fd)en Monaten bei ^attberger
in (Stuttgart bringt jur 1. Sieferung einen „s-8orberid)t" tion
SD?ofd)ete§. ©erfelbe beginnt: „$on bem Verleger biefer 5(u§=
gäbe mit bem antrage beehrt, bie 9?ebaction berfetben gu über*
nehmen, mödjte id) meine Sefugntfe git biefcm SImte bem publicum
gegenüber baburd) behtnben, bafe id) midj auf meine im Satire 1806
begonnene 53efanntfd)aft mit 23eetrjot>en'3 2Berfen berufe unb
auf meine in SBien verlebten Satire — tion 1808 big 1820 —
Ijinmeife, in benen id) feinen perföntidjen Umgang genofe, unter
feinen Stugen ben erften &(atiier=2lu§5ug be3 $ibeüo machen
burfte, , bie ©ntftefyung feiner 2Berfe, feine eigenen Vorträge
bemunberte — unb mo mir ba§> ©tubium aüer biefer ©erjage,
bciZ id) äugteid) mit ber ganzen £iebt)aber= unb ^ünftleüoett
2ßien§ unternahm, ein reifer SSorn ber $reube unb be3
9cu§en§ marb."
2tu3 biefem 23orberid)te erfahren mir atfo, baf$ 9J?ofd)e(e§
tion 1808 bi§ 1820 ben tierfönticfjen Umgang mit 93eet=
fyotien genoffen.301) ^Darüber tann 9ciemanb merjr erftaunen,
al§ ber Sßcrfaffer biefer (Schrift, ber mit SDcofcfjeleä tiom Satjre 1815
big gu feiner Slbreife nad) ©nglanb 1820 in ununterbrodjenem
SSerferjr, öon ba an aber in fteter (Sorreftionbenj geftanben,
toie bie§ ein borrjanbener fernerer ^ßad Briefe tion SD?ofcrjele£
an mid) §u bezeugen tiermag. ®iefe Briefe enthalten meiftenä
301) Hier scheint Schindler leider ebenso befangen zu sein, wie
beim Punkte Carl Holz. Vielmehr ist Moscheies vollkommen im Recht,
wie es die zahlreichen Konversationskefte und die vorgeführten Briefe
dartun. Im allgemeinen habe ich die Beziehungen zwischen Beethoven
und Moscheies bereits beschrieben (Vossische Zeitung, Sonntagsbeilage,
April 1893). Erweitert mit Hilfe der Konversationshefte wird diese
Arbeit in Buchform erscheinen, und dann wird jeder Einsichtige urteilen
könneii, auf wessen Seite die „unerhörte Dreistigkeit" liegt. A. d. H.
— 518 —
eine ausführliche Sftittrjeitung aller feiner Grlebniffe unb -Ltjaten
in Sonbon mie auf feinen Reifen, unb fonnen feinem Siograprjen
einften§ treffliche £)ienfte leiften. ©afj §err 90?ofd)ete<§ Seet=
fjouen'3 Umgang genoffen, bieg bei meinen öebjeiten aus^ufpreccjen,
ift eine fo unerhörte 2)reiftigfeit, bergleicfjen bisher bon
feiner Seite bemerkbar gemorben. Wit Sapibarfdjrift muß e§
im Sntereffe ber Seettjoöen'fdjen 9J?ufif gefagt feün, bafj — obige
gälte aufgenommen — £>err SDcofdjeteS nur nod) im 9?otiember
1823 bei feinem furgen Sefudje in SBien in bie üftärje 23eet=
fjooen'ö gefommen, nacfjbem id) irjn bei bem Sfteifter eingeführt
unb mir beibe mit ifjm §u ^ifdje fafeen. 2)iefe ©infütjrung
tjatte aber pm ©runb, bafc S^ofdjeleS ben äfteifter perföntitf)
um feinen engüfdjen glüget 5um ©erjufe eines» öffentücfjen
(SoncerteS (baS im 5tärnttjnerttjor=^t)eater ftattgefunben) erfudjen
rooüte, roa§ id) bereit« befürwortet rjatte. Unb fonberbar, ba^
ber ÜKeifter jur ©teile bie 23ermutf)ung auSfpradj, 9J?ofd)ete§
möge rooljl nur eine ©pecutation bamit beabfid)tigen, ba er ben
glügel megen feinet befdjränf'ten Cctat>en=Umfang§ bod) nidjt
gebraudjen fonne. Snbefe gab er i£)m baZ Snftrument, unb
sH?ofdjete3 benu|te e3 b(o3 gu einer Smproüifation, inbem itjm
Sonr ab ®raf einen üon feinen glügetn Ijergeridjret fjatte.
©ben fo mufe id) bezeugen, bafj in allen ben Saljren feines
Sßiener SlufentfjaltS §err SftofdjeteS auSfcrjIiefslicf) mit feinen
unb ifynen üermanbten Gompofitionen befdjäftigt getuefen, unb
bafj id) niemals eine 9?ote oon SBeetrjouen'» SKitfil üon itmt
gehört, ja, ba)3 er biefer 9J?uftf mit eben fo(d)er Gonfequeng auS
bem SSege gegangen, mie aße anberen ^Birtuofen ber neuen
9?id)tung, benen biefe roie jebe anbere ctaffifdje SKufif in ber=
fetben SSeife ein „übermunbener ©tanbpunet" gemefen, mie ben
heutigen ^u^nftSmufifern alte prüdtiegenbe SDZufif. SSeträftigen
mirb biefe 2lu3fage eine ©teile auS bem biograprjifcfjen 5Ibrifj
über StfofdjeteS in ©djitting'S ©netictopabie. 2>iefetbe fdjtiefjt
fid) an ben bei 2IIbred)tSberger unb ©aüeri genoffenen ©d)ut=
unterridjt an unb lautet: „^ngteid) entfaltete fid) feine SSirtuofität
— 519 —
g(eid)fam üon Sag 51t Sage in einer SBeife, bie ben 23eobad)ter
in (Srftaunen fefcte, unb ben Jüngling in bürgern gum 9ttittef=
puncte be§ Sßiener (Soncerttebenö unb gu einem Siebting be§
bort fo muftftuftigen unb feit lange an ba§> SSefte getoötjnten
*ßubticum§ madjte."
SSer erfennt nidjt barau§ ben Slntipoben Seet^ouen'ö, mit
beffen 9Jfr;fif: im gleiten Safyrgefyenb fid) 9?iemanb 311m Siebling
be3 ^pubttcumS fyinauf gu fdjmingen üermocfjt t)ätte? 216er nod)
ein anberer gettnd)tiger Umftanb inufj bei biefer (Megenfjeit
pr (Sprache fommen, ber tute eine tl)urml)ot)e ©arre gtt>ifd)en
9J?ofdjete§ unb 23eetf)oben jeben Umgang unmöglich gemadjt:
bieg mar 23eetf)oüen'3 Jpajj gegen bie Ä'inber Sfraefö in ber
®unft, benn er fat), mie alle fidj ber neueften 9tid)tung gu=
gemenbet unb aföbatb ben tucratioften ©djadjer bamit getrieben
t)aben*) SSären feine ^ßropfjegeiungen aufgefdjrieben morben,
ber „greigebant" in ber 9?euen ßeitfdjrift für Sftufif 1850 tjätte
auefj in biefem ^unete einen Vorgänger gehabt.302)
®ie gegenwärtige ^nfinuation be3 §errn ^rofeffor 9Jfofd)ete3
tjat jebocfj bereite ein ^ßräcebenö oon nod) größerem Umfange
unb Sebeutung.
©ämmtlidje bei bem Seetfyooen^efte 1845 gu Sonn an=
mefenbe S3erid)terftatter Sonboner ßeitungen, barunter 9ttr. §0*
gartt) für Moruing chronicle, 9#r. ©rüneifen für bie
Britamria u. f. tu., ber Äunft=23eteran ©ir ©eorge ©mart
unb ber berannte SSiolinift sRx. Uri**) — gufammen elf an
*) ^euefter $eit baben roobl bie Gbriften ben 3u°en in ©adjeu bec
DJufif nid)t§ mebr tior^muerfen.
**) Sßerläfeiidien Sftittbeilungen jufotge finb tiefe biet ©enannten nod)
unter ben Sebenben.
302) Schindler meint hier Freigedanks, das ist Richard Wagners
Aufsatz „Das Judentum in der Musik", das dann als selbständige Schrift
1869 erschien. Es kann nicht meine Absicht sein, über diese Schrift,
worüber eine ganze Literatur vorliegt, noch weiteres vorzubringen;
darüber ist nicht so leicht entscheidendes zu sagen. Ich lasse das auf
sich beruhen. A. d. H.
— 520 —
3af)t — Ratten midi) ju einer SBefpredjuug eingetaben, mobei
mir folgenbe fragen gejMt mürben: a) „Stanb £err 9Jfof djetee
mit 23eett)oöen in Verbinbung? — b) Sft e§ toafyx, bafj §err
SQZofcfjefeö bie Srabition bejüglidj aller SSerfe 25eett)oüen'<§ un=
mittelbar üon itjm übertommen?" — SefctereS tjatte nämlid)
9J?ofd)ele§ in einer Hauptprobe ber pt)i(t)armonifd)en ©efellfcfjaft
im Saufe ber bamatigen Saifon laut berfidiert. Sa ber 9cad)=
trag „SBeetfjoüen in ^arid" bei ber feiten Auflage bieder
Sdjrift in Sonbon mdjt befannt mar, barin biefeg Punctum
saliens bereits abgetjanbelt ift, fo brauchte idj mid) in Veant=
mortung obiger fragen blo§ bar auf gu begießen. Sie Ver=
fammtung befdjlof}, ba§ Vernommene in Sonbon befannt $u
machen. 3>d) mürbe aufgeforbert, biefen Vorfall unb beffen
Verantaffung in einer Seutfdjen 3eitung mitzuteilen. Unterm
25. Dctober beffetben SafyreS bot fid) Gelegenheit, ba§ factum,
mit anberen bergleidjen, in ber ^Beilage gur Sölnifdjen Leitung
gur Deffentlidjfeit gu bringen. Von meldjer SStrfung e3 gemefen,
geigt bie neuerlidje £t)atfad)e in Stuttgart.
9?ad) Stuefage ber §erren Reporters gu 23onn marb £>err
ÜDtofcfjeteS gu fotdjen Stnmajjtttigeit, refp. Speculationen, in 5D^Öe
ber großen Senfation angefpornt, meldje bind) bie beiben 33eet=
t)oüen'fd)en Briefe au3 beffen legten SebenStagen, an 9ftofd)ete§
gerichtet, in (Snglanb t)eroorgebrad)t mar. 2Ba3 e§ mit biefen
Briefen auf fid) tjat, Ijat ber Sefer gum @d)lufe ber brüten
^periobe erfahren. 23eibe finb oon meiner £>anb gefdjrieben,
öon Veettjoüen bto<3 unter§eid)net. ©in Vergleich beiber mirb
geigen, bafj e§ öeettjoüen'so Stul nid)t ift. ©leidnootjt ift ber
gmeite öom 18. 9JMrg üon it)m in bie geber bictirt, b. l> mie
ein ©terbenber gu bictiren öermag.
Ser 9J?utt) beS §errn SttofdjeleS, ber Söelt nun glauben
gu madjen, bafj er mit alten Glaffirern Sruberfdjaft gefdjloffen,
erftredt fid; aud) auf 9ftogart, §at)bn unb (Stementi. Sn einem
bie «Stuttgarter 2tu3gabe biefer (Etaffifer empfefjlenben Sluffa^e
in ber Seilage gur Sltlgemeinen 3e^un9 ü°m 1& 2>ecember 1858,
— 521 —
(ber 9?. SKündjener 3tg. entnommen), ber sugteid) bie S3e=
t^eifigung üon 9ftofd)e(e3 gu rechtfertigen ben 3»>ecf *)at> Reifet
e3: „3Kit (Stementi bertebte SDiofdjeteä biete muficatifctje ©tunben,
guerft in 2öien, mo ber männtid) reife (Somponift itjm at3
$orbitb biente, bann in ßonbon, mo ber ©reis, nod) com
geuer ber Sugenb befeelt, fid) feine (Sompofitionen bon ü)m
borfpieten tiefj."
9?act)ftet)enbe SDaten mögen biefer Seipäiger Snfpiratton aU
Kommentar bienen: Stfoftf)ete§ fam 1808 al§> toier^efmjärjriQer
$nabe nad) äBien. (Stementi mar aber nid)t in biefem Safjr,
fonbern 1807 bafetbft, b(o§ in ber 2lbfid)t, um mit 23eetrjoben
einen SßerlagSbertrag absufdjtiefsen, beffen Saturn (im bor*
tiegenben Original) ber 20. 5Iprit ift. 3)er bamatS bereite
59 Satjre §ät)(enbe (Elementi tjatte ba§> (Habierfpiet fd)on auf*
gegeben. 1820 fam 9ttofd)ete§ nad) ßonbon, aU (Stementi ein
bitter Don 78 Setzen erreicht tjatte. Ttan benfe fid) ba§
„$euer ber Sugenb, ba§ ben ©rei§ befeelt t)aben fotl!" 9J?an
beute fid) aber aud) ben mobernften ber mobernen (Etabicrfpieler
SDtofct)ele§ $ur Qtit nur mit SSermetjrung feinet 9tut)me3 be=
fdjäftigt unb — (Hementi'fdje ©onaten bem 9Q?eifter borfpieten,
ber bor allen mobernen 35irtuofen eben fo grofce ©djeu gehabt,
mie 33eett)ouen. 2)iefe fjaben auf feine ©onaten mit berfelben
@eringfd)ä|ung fjerabgefebjen, mie auf 23eett)Oben'§ gefammte
ßtaoiermufif. darüber tjat fid) (Etementi bei feiner testen 2tn=
töefentjeit in SBien — im ©ommer 1827 — nur 51t beutüd)
au§gefprod)en. — @§ mirb ben SSerfaffer nict)t überrafdjen
oiet(eid)t batb gu bernefjmen, £err 9ttofd)e(e3 fet) unter bie
gat)ne ber 3lIfuttft3muftfer getreten, loeÜ bort nun am meiften
9fJut)m unb aud) (Mb §u ermerben.303)
@an§ ermünfd)t ift bie 9?ad)rid)t bon "peinrtd) 9ftarfd) =
ner'3 erftem 3ufammeutreffen m^ Seet^oüen, metdje üon
^rofeffor £. Sifcfjoff in einer Seben^ffi^e bon bem 5tönigt.
303) Über all diese Fragen wird der Aufsatz „Beethoven und
Moscheies" Antwort geben. A. d. H.
— 522 —
£annooer'fdicn £)of=Gapeltmeifter in Sftro. 2, 3 unb 4 ber
$ftieberrl)einifd)en 9Jcnfif=3e^tunS 1857 mitgeteilt trirb. ©iefeä
3üfammentreffen geigt beutlid), mie eä ßunft^oöi^en mit
Söeetfyoüen erging. Bifdioff fügt bort: „«Sein erfteä ßufammen*
treffen mit Sßeettjooen fdjilberte 2)farfdjtter fpäterfyin öfter mit
£mmor 'unb geretteter Sßürbigung, al§ biejenige mar, mit
roetdjer er e§ im ?(ugenbtide felbft auffaßte. 2)er 21 jährige
Süngting mod)te freitid) üon bem Dberpriefter ber Sonfunft
ein tieferes (Singeljen auf bie mitgebrachten Sftanufcripte er*
märtet Ijabcn, unb fetjnte fid) nad) ?(ufjd)lüffen über bie ©e=
fjeimnifje ber Siunft, bie er nur f)ier $u finben Jjoffte. allein
Söeettjoüen liebte e§ nidjt, oiele SBorte gu madjen. ßr nafjm
ben jungen 3Harfd)ner inbefe gan§ gut auf, falj bie Sftanufcrtpte
flüchtig burd), gab fte mit einem „ipm!", ba§ meljr 3"fl"ieben-
fyeit aU ba$ ©egeniljeil auSbrütfte, gurüd unb fagte: ,,3d) Ijab'
nid)t biet $eit — nid)t 5U oft lommen — aber mieber mag
mitbringen."
©djlimm ift e§ 1822 gran5 ©djubert bei Ueberreidjung
feiner bem äReifter getoibmeten Variationen ju üier i^änben
ergangen. S)er fd)üd)terne unb gugteid) mortfarge 9Jcufenfoljn
l)at, ungead)tet Siabelli'S Begleitung unb $erbolmetfd)ung
feiner ©efüljle für ben Sfteifter bei ber SSorfteüung, eine ü)m
felber mifsfäüigc 3iolle gefpielt. £)ie bis an'3 §au§ feftbeiuatjrte
(Sourage Ijat itjn im 2lngefid)t ber £ünftter=9}?ajeftät gan^ öer=
taffen. Unb aU $eett)oüen ben !föunfd) geäußert, (Schubert
möge fetber bie Söeantmortungen feiner 3ra9en nieberfdjreiben,
mar bie §anb mie gefeffett. SBeettjouen burdjüef ba$ überreidjte
d^emptar unb ftiefj auf eine Ijaimonifdje Unridjtigfeit. SOät
fünften Porten madjte er ben jungen 9Jiann barauf aufmerffam,
aber fog(eid) beifügenb, ba$ fet) feine £obfünbe; inbejj ift
<2d)ubert, oielleidjt grabe in 5°fQe biefer begütigenben 93emerfung,
boßcnbS au§ alter Raffung gekommen. (Srft aujjer bem £muje
raffte er fid) mieber jufammen unb fcfjatt fid) fetber berbe au§.
@r t)atte niemals mieber ben üftutf), fid) bem 9J?eifter Ooräuftelten.
— 523 —
@iit mit $eetf)otien gu berfeljren berfianb ber gefegte
(Staoierfpteler unb ßomponift Slnton §alm, unb SMfter
Submig freute fiel) ob beffen frifdjen, fotbatifcfjen SBefenS. §alm
mar früher Dffigier in ber Slrmee; Siebe gur Stonlunft unb
audj STalent matten am§ if)m balb einen madern Stünftter.
53eetl)oben bertraute ifjm eines ber aUerfdjmierigften SIrrangementS,
nämlid) ber $uge auS bem großen Quartett in B dar für
Sßianoforte, bie als Op. 133 befielt, unb mar mit Söfung
ber Stufgabe gang aufrieben. Gart (S^ernt) I)at bergeblid) feine
©efdjtcflicfyfett baran erproben moHen. £)er SJceifter l)at feine
Slrbeit bermorfen.
1824 marb ber jüngft erft auS 9ftünd)en gekommene
3?ranj Sadjner burd) 91nbreaS ©treidjer bei Sßeettjoben ein*
geführt. S)ie 2tufnat)me mar eine freunbticr)e, bennodj mirb
öadjncr §u jagen mifjen, mie üjm tro| beS fieberen (MeitS=
manneS in ber 9cäf)e beS SDteifterS um'S §er§ mar, beim Sadjner
gätjlte eben erft 21 Saljre. 2lud) er fam fernerhin niemals
mieber mit SSeetijoben in $erül)rung.304)
SDiefe £yälle geigen, maS oon ber fo oft gerühmten (2d)üler=
fcfjaft 23eett)oben'S gu fjatten. $on benen bieS auSgefagt mirb,
t)at bielteidjt feiner jemals mit 53eetf)oben mef)r als ein paar
Sßorte gemedjfett. Um etmaS öon if)m §u lernen, mufcte man
mit iljm leben unb berfeljren, ba aber nod) bie gün fügen
Stimmungen §u foldjem gmede gu erfjafdjen miffen. SSor
Mein maren ein gemiffeS männliches Sllter unb männlidje
SebenSanfdiauungen erforberlid), um ber ©fjre feines Umganges
tfjeilljaftig 51t merben. 3SaS follte ber grofte Süceifter mit
304) Viel später als die III. Auflage des Schindlerschen „Beet-
hoven" erschienen ist, hat Franz Lachner selbst seine Erlebnisse
mit Beethoven aufgezeichnet und publiziert. Diese „ Erinnerungen"
Lachners an Schubert und Beethoven verdienen aufs neue gedruckt zu
werden. Die sehr interessanten Erinnerungen stehen in Lewinsky:
„Vor den Kulissen. Originalblätter von Zelebritäten des Theaters und
der Musik", IL Band. A. d. H.
— 524 —
jungen Seilten beginnen, bie ben ©djulftaub faum abgefdjüttelt
tjatten?
sJlod) finb au§> ber Meinen garjt jüngerer Äünftier 3 ofepf)
S3ö^m,30B) Sotjann §oräaifa306) unb Seopotbine
93tatjetfa307) §u nennen, bie fid) ber bebten Slufnatjme üon
23eetrjor>en gu erfreuen getjabt. Ueber ©rfteren, ber nod) afö
sßrofeffor ber Violine am Söiener (Sonferüatorium308) fungirt,
ift bereits bei ©elegentjeit be§ 1825 mit bem neuen Duartett,
Op. 127, SSorgefatlenen ein SDcerjrereS auSgefagt. —
$on einer Slufnarjme, bie mit bem ©pitrjeton „freunblid)"
nicfjt 5U be(^eid)nen, ift bem Sßerfaffer nur eine befannt. <3ie
betraf ben Meinen ^rang Sifgt, ber in Begleitung feines SSotcrS
üon mir üorgefiellt roorben. £)iefe Unfreunblicfjreit entfprang
au§ ber übertriebenen SSergötterung beS jebenfallS Stuffel)en
erregenben Patents, in ber §auptfadje aber tjatte fie irjren
©runb in bem an ben 9J?eifter gefteUten 2Infud)en, ben 12järjrigen
Knaben 511m 53ef)ufe einer freien s$t)antafie in feinem beüor=
ftebjenben ?(bfd)ieb3=Goncerte ein Stjema aufgeben §u rootlen,
ein Stnfudjen, ba§> eben fo unbebadjt a(§ unoernünftig geroefen.
Snbeft ^eigt ja ber <prjper=@ntl)ufia3muä allenthalben b^rx fanget
einer oernünftigen Safiö in feiner (Gebarung, üftidjt unmügüd),
305) Über den Violinkünstler J. Böhm vgl. man Brief No. 1077
an Ferd. Piringer und No. 1092 an den Neffen in B. S. Br. (V. Band),
S. 152—153. A. d. H.
306) Horzalka, Klavierspieler und Komponist, ist 1778 zu Triesch
in Mähren geboren, kam 1799 nach Wien. Seine Lehrer waren da
Moscheies und Em. Förster. Er starb September 1860 zu Penzing bei
Wien. Hier sei an Schindlers ergreifende Mitteilungen über Horzalkas
Besuch bei Beethoven in Mödling, während dieser am Credo der Missa
solemuis schrieb (Schindler, Biographie II, 321 f., Neudruck 524).
A. d. H.
307) Die talentvolle Komponistin Leopoldine Blahetka ist
stark in den Konversationsheften vertreten, wo sie mit ihrem Vater
auftritt. — Im projektierten Buche „Beethovens Frauenkreis" wird ihr
ein Kapitel gewidmet sein. A. d. H.
308) Prof. J. Böhm ist 1863 in Wien gestorben. A. d. H.
— 525 —
ba$ btefer ©ntrjuftaSmug e3 geroagt, nad)bem SBeetljoüen biefe3
Slnfucrjen mit merflidjem Unroiflen abgelehnt, oom Satfer $ran§,
minbeftenS bod) tiom (Srgljeräog 9tubolp(), ein £rjema §u einer
freien ^St)antafie für bm fleinen ^irtuofen ^u erlangen. ®ie
mit bem „2öunberfnaben" getriebene ^bolatrie fjat übrigen^
bem burcf) eine fo ernfte ©djute ber Erfahrungen gegangenen
2J?eifter (Stoff gu mandjerlei 23etradjtungen geboten über bie
§inberniffe unb Hemmungen für rurjige (Sntmidelung au3=
gezeichneter latente, fobatb fie üon ber Sftenge gum ©dioofe*
finbe erforen ftnb. SebenSabriffe über Öifet f)aben auSgefagt,
bafj 53eetrjoben bem 2lbfd)ieb<^(Soncerte 1823 beigeroorjnt; in
©cfjitling'ä ©ncrjctopäbie roirb fogar nodj tjin^ugefetit, ba^ 93eet-
fjoüen bem fleinen Sifjt in biefem (Soncerte bie £>anb gebrüdt
imb bamit irjn roürbig geidmete be<§ Samens ^ünftter.
Beetrjooen fjat biefem (Eoncerte nidjt beigeroof)nt, mie überhaupt
feinem ^ßrioatconcerte feit 1816.309)
$on 9tblerjnung eines bem Stteifter gugebadjten Befucfjeg
ift nur eine anmerfenSroertrj. 3roei 2>?al rjatte S^offini310) in
Begleitung be§ Slunftt)änbler§ S). 2(rtaria oerfudjt bei 23eetl)0üen
(Eintritt §u erlangen, nadjbem 9(rtaria bereits ^tnet SOcat an=
fragen liefe, ob er mit bem SDtaeftro fommen bürfe, allein 53eet=
fjoben rjai fiel) ftet* entfdjulbigen laffen. @§ barf nierjt unerroätjnt
bleiben, bafj ba§ Verlangen, bem beutfdjen ütfeifter feine §ulbiguug
bar^ubringen, in 3?offini roefentlid) 9?at)rung gefunben Ijaben
bürfte, nadjbem er alle Quartette 23eetl)ou>en'3, burdj sD?at)feber
norgetragen, gum erften Wal gehört unb baoon begeiftert
geroefen fetyn foll. ©enug, ba§ £8ert)atten 33eetf)oüen'3 roarb
üietfacfj befprodjen unb commenttrt. 2ßer jebod) mit ben be=
309) Beethoven und der kleine Liszt ist auf Grund der Kon-
versationshefte wahrheitsgetreu vom Herausgeber in der „Neuen Zeit-
schrift für Musik" im Jahre 1880 dargestellt worden. A. d. H.
310) Längere Abhandlungen hat der Herausgeber über Beethoven
mit Rossini auf Grund aller vorhandenen Quellen in der „Neuen Ber-
liner Musikzeitung" vom Jahre 1892 veröffentlicht. A. d. H.
— 526 —
ftetjenben 3ufmn0en *n birecter Q3e^ief)ung auf alle beutfdje
äftufif, herbeigeführt burcrj ba3 SDcebtum roffinifctjer ÜJcuftf,
rtid)t genug befannt mar, ober e£ bamit letcrjt genommen, unb
roer biefe guftänbe in it)ren nadjtjaltigeu SBirfungen nidjt 31t
bemeffen oerftanb, fjat unfern SKetfier gefabelt, Dioffini nict)t
empfangen 3U tjaben. 33emerfensroertt) ift norf) in§befonbere,
baf3 SBeetrjooeit in feinem Greife biefeS SßorfaHä mit feiner <2t)t6e
erruäfjnt miffen moltte, mie er felber 51t üftiemanb barüber ge-
fprodjen. Sgätte Slrtaria gefdjmiegen, ber fidj öiet(eid)t metjr
»erlebt füllte afe SRoffim, ba§ ©efdjefjene märe nicfjt in'§
publicum gefommen.
3. ©eb&djtmfs.
©d)on im erften Stjeit ift bewerft, bafj Seettjoben'S ®e*
bädjttttjj für 3UI"ücf'üegenbeö fid) immerhin af§ ferjr fdjroad) er=
rötefett tjabe. ©<§ ift nid)t otjne Sntereffe, biefer ©rfdjeinung
nätjer gu treten, um 5U fetjen, ob biefetbe bfo§ auf ttjn perfön*
tid) 53e^ug §abenbe§, @rtebte§, eingefcirränft bleibe, ober ob bie=
fetbe fic| aud) auf ba§> SKuficaitfdje auöbetjne. 9cactj beiben
©eiten t)tn. 2Sar man nicfjt baran gemötjnt, fo mußte e§ auf*
fallen, roie bem 9J?eifter fcfjott feine lernte ©ctjöpfung in itjren
(Sinäelrjeiten gan^ au§ bem ©ebäctjtniffe entfdmwnben mar, bieö
nicrjt etma bei großen Herten in Partitur, fonbern aud) für
^3ianoforte allein, ©afj er mit einer neuen Sompofition be=
fetjäftigt, fo lebte fein ganzes Set) augenfällig nur barin, unb
eben erft SBoHenbeteS lag il)m fdjon fo meit jurüd, af3 gehörte
e§ einer früheren ^eriobe an. derlei SBemeife ergaben fiefj nur
§u oft mit Gopiften ober bei ©elegenfjeit üon 2(nf ragen. @r
marb unmillig, roenn man nid)t mit ber ©djrift in ber §aub
um irgenbmetdje 25e(el)rung erfudjte. 9Jcit fremben SBerfen
mar e§ baffelbe; alles nwfcte itjm üor Slugen gelegt teerten,
follte e§ in feiner (Srinuerung mieber aufleben. üftur mit JgatybiCä
unb SRo^art'ö SBerfen gematjrte man 9(uänatjmen oon ber 9teget.
— 527 —
£)iefe§ fdjeinbar fdjtoacfje ©ebädjtnif} ftcfjt im SBiberfbrucfje mit
bem $ut)a(te ber griedjtfdjen Staffifer. 3Bie erfrört e<§ ftcf) mof)(,
bafi er lange Stellen barau§ gu citiren bermod)te? $ra9te e$
ftd) gu toiffen, too öiefe ober jene ©teüe ftetje, fo mar ifjm ba$
Sluffinben ein fo (eid)te§, mie einer ©teüe in einem feiner Söerfe.
SSietleicfjt (äf$t eS fid) erftären mit bem in feiner ßeit b,errfd)enben
23raud), alle Stonroerfe in ©egentoart einc3 ßuljörerfreifeS au§
ber ©timme borgutragen, bemnacfj ber 9J?ed)am§tnu§ be§ ®e=
bäcfjtniffe§ burcr) 3lu§tt)enbig(ernen uncuttibirt geblieben. Unfere
3eit geigt in biefem ^JSuncte ben ($5egenfa|. ®ie ßuttibirung
be§ ©ebädjtniffeS burcr) 2tu§bjenbig(ernen auf Soften be§ geiftigen
£)urdjbringen§ ift borfyerrfcfjenb. Sa früherer ©bodje f)at fclbft
ber (Sombonift ba§> eigene 333erf niemals au§menbig borgetragen.
2)a§ Äofettiren mit bem äJ?edjam§mit§ fomofjt im Stobf mie in
ben ^pänben lag nid)t im (Steifte be3 Qtitaltex§. ^n unfercn
£agen hingegen mirb bielfältige (Megentjeit geboten, nid)t btoS
über ben 3ftedt)amSmu§ ber §änbe, fonbern and) be§ Sotofe§
erftaunen gu follen. Dftcrjt menige Sßirtuofen bemat) ren in ifyrem
©ebädjtniftfdjrein eine grofee 2frt§a£)t bon SSatgen mit S0?ufif
bon bem alten ©carlatti an bi§ auf ben jüngften ber (Sfaffifer,
Sotjanneä 23rat)m§, unb laffen felbe nad) belieben taufen.
(Stubium ber Snnerlicfjfeit foftet fte meber 5tnftrengung be3
(Steiftet nodt) geitauftoanb, bat)er fie teitfjtlidj Oon einer ßombofition
gur anbern übergeben tonnen.
4. ^attbötölionjef.
®er befdjeibenen §anbbib!iott)e! unferS 3Weifter§ ift bor*
übergetjenb fdjon gebad)t. ©3 bertotjnt inbeß ber 90?üt)e, fid) ettoaS
metjr barin umgufeoen. W&dty bon ben befonber3 tjerborragenbcn
gried)ifd)en ©djriftftettern barin ben ©Jjrenplafc behauptet, ift
gegen ben ©djlufj feine<3 2eben§ bemerlt. 2tt§ ©rgängung beffen
mag btenen, bajs §omer in beiben feiner ewigen @ben barin
bertreten mar. 3Inmerfen§toertij ift, bafe in öeettjoben'S SSertb-
— 528 —
fdjäfoung bie Stiabc ber Dbüfföe311) toeit nad)geftanben. 2>a§
ürerfterei gefdjtlberte ftMegerteben, baSQtennifyt ber $elbfd)tacfjteu,
bie s£>eife 511 fämpfen, bie üföaffen» unb SBefeftigungSart, unb ber=
gleiten mefyr, fonnte auf unfern 9lmprjion nidjt anjieljenb mirfen;
bagegen t)at ba3 au§ ber Dbüff6e entgegentretenbe 93itb beö frieb=
lid)en 2ebeit§ nad) allen feinen Schiebungen, bie Sauber unb 2Sölfer=
fdjitberung, bie Dielen Stlugt)eit£>= unb ©rfaljrungsfütje, alles im ibeaten
©lan^e ber ©d)önt)eit üorgetragen, iljm fortan neue Steige geboten.
SSäre be^üglid) ber inbioibuellen 3Bertt)fd)ä^ung biefer beiben (Spen
t>on ©etten unfern sJJ£eifter3 ein iöergleidj mit einer inbiüibuetlen
2ßert^fd)ä|ung ätöeter oon feinen (Sinfonien, Dietleidjt ber in C moll
unb ber neunten mit ßfjören, nid)t §u Ijinfenö, fo bürfte bennod)
bie 5D(Otioirung fotrfjer Vorliebe fid) nid)t minber au§ ber 'Baö^t
felbft, ofyne 9rad)tbeil für ba§> gurüdgefe^te SBerf, erftären taffen.
Sn ©fd)enburg'§ Ueberfetjung ftanb ber gange (Sl)afe§=
peare ba. S)ie meiften $änbe maren bon fiditbaren ©puren
fleißiger Seetüre fo angefüllt, roie e§ bie Dbüffee, ber SBcft*
öftttetje £>ioan unb ©turm'ö ^Betrachtungen ber 3Serfe ©otteS
aufmeifen. Son ber ©d)teget'fd)en Ueberfetjung be3 großen
Griten roollte er burdjauö nid)t§ roiffen. @r erklärte fie für
fteif, gelungen unb ftellenmeife 31t abmeidjenb, tua3 er bto§
au§ bem ^ergleidje mit (Sfdjenburg fditiefsen fonnte. SSon ©oetlje
mar aufeer bem S)iüatt nur Sföitljelm äftetfter, $auft, unb bie
©ebicfjte ba; oon Sctjüler nur bie ©ebidjte unb einige ©ramen;
Oon Xiebge bie Urania, bie ©ebid)te oon Seume, Sftattljif on,
unb einige nod) üon gleid^eitigen £)id)tern. 3tt§ ein oon iljm
feljr gefd)ät3te§ unb Piel empfohlenem 33ud) barf in ber Samm-
lung nod) genannt roerben: „Briefe an Sratalie über ©efang"
Pon ÜJHna b'5lubignp=@ngelbrunner.312)
311) Zum Beweise mögen die vielfachen Zitate gerade aus der
Odyssee dienen, während die Ilias gar nicht vertreten ist. A. d. H.
312) Die hier genannten Bücher sind zumeist noch im Schindler-
schen Beethoven-Nachlaß der kgl. Bibliothek aufbewahrt. Man sehe
im dazugehörigen Verzeichnis nach. A. d. H.
— 529 —
<Sef)r bürftig ftanb e§ um feine muficaltfdje SHbtiotjjef.
$on eigenen SSerfen war nur eine geringe 9tn$af}( barin ^u
finben. $on ben alten Italienern fannte er — rote feine $eit
überhaupt — ntdjts mefjr, als bie flehte (Sammlung fur^er
<5tücfe öon ^ateftrina, Sftanim, SBittoria, unb anbern, Wetdje
greüjert ü. £udjer um 1824 bei Slrtaria bruden liefe. £)iefe roar
ba. $on Sof. £at)bn unb ßljerubint roar feine Sftote ha;
twn Sftojart ein %f)til ber Partitur oon £)on ©ioüanni unb
Diele (Sonaten. S5on (Stementi waren faft alle (Sonaten üor=
rätfyig. gür biefe t)atte er bie gröfttmögtidjfte Vorliebe unb
fteüte fte in bie erfte 9Reit)e ber gu einem fcfyönen (Slaüierfpief
geeigneten 2$erfe, bte§ eben fowof)! wegen ber fdjönen, gefälligen
unb frifd)en SDMobten, at§ wegen ber feften, barum tetdjtfajjHdjett
gönnen, in benen ftd) alle ©ä|e bewegen, $ür 9Jt05art'3 ßlaoier*
mufif t)atte SBeettjoüen nur geringe (Snmpatljie. £)arum ttejj
ber äfteifter bie muftcalifdje ©r^ietjung feines geliebten Neffen
mehrere Sa^re fjinburd) faft au§f{±)tiefeltct) mittelft (Slementi'fd)er
(Sonaten fortfetjen. S)te§ wollte bem oiel weniger für biefelben
eingenommenen ßart (Säernt), bamaligem Setjrer be§ ÜJceffen,
ntdjt beijagen, barum fjauptfädjlidj — aber audj anberer ©r*
giel)ung§fragen wegen — ift e<§ $hn[djen it)tn unb ^öeettjooen -$u
(Srflärungen gefommen, in gotge beren fein llnterridjt ein @nbe
genommen, darauf übernahm Sofept) (S^ernü, ein Oiel befferer
^jSäöagog at§ fein ÜJcamengoetter — „ber ?lbrid)ter auf ben ©tanj"
— ben (Sdjüler, unb tjat iljn auf bem üom Dfyeim Oorge^eit^neten
23ege Weiter geförbert. S)iefer gall Wirb nur ab§ S3eleg für
Söeetljooen'ä befonbere ?ld)tung für Glementi'3 SBerfe angeführt
gerner waren üortjanben bie b\§> baljin herausgegebenen
•$Wei §efte (Stuben öon Sofnt (Er am er. S)iefe Stuben er*
tlärte unfer 9)ceifter at§ bie £auptbafi§ gum gebiegenen (Spiel.
SSäre e§ je §u 2lu3fü£)rung feiner 2tbfid)t gefommen, felbft
eine (Etaüier=(Scf)ule §u fdjreiben, fo tjättert biefe (Stuben ben
wicljtigften lljeit ber practifd)en 23eifpiete barin au§gemad)t,
benn er betrachtete fte a(§ bie gceignetfte Sßorfdjule gu feinen
2t. @cf)inblcr§ 33cettjoöctt=5ßiogvapI)ic. 34
— 530 —
eigenen SSerfen, ob bcr in bieten fyerrfdjenben ^oüjbljonic.
Sßie er fie in biefer £ünftd)t berfianben unb in ^tnanjig Hummern
gum ©tubium für feinen Steffen bibactifdj borbereitet, überall
bie bietfältigen ÜWittel be§ 5tu3brud'y burdj eine uevfd)iebent(id)e,
immer unter eine fefte Sieget gebraute 5lccentuation
ju @rreid)ung be3 ^aupt^medeS anjeigenb, bie§ ift atö eine
ber brätiofeften £)intertaffenfd)aften oorfjanben.813) — S)nB
unfer SDceifter mirftid) im ©inne gehabt, eine (Slabier=©d)ide
51t fd)reiben — er gab bie3 guerft um 1818 §u ernennen —
um feine 2öerfe bor SSer^unjung ju fdjüjjen, bezeugt nod>
Dr. ©erwarb bon SBreuning in 2Begeler'3 9?ad)trag gu ben
biograbf)ifd)en Srotiaen. £)ort äußert er ftdj ©eite 23 fofgenber*
maßen barüber: ,,5d) t)atte bie pebel'fdje ßtabier=©d)ule; mit
biefer, toie mit alten anbern, mar er (Seetfjoben) nidjt 511=
f rieben. @t fagte einft 51t mir, als id) an feinem SBcttc fafj:
,,„Sd) tjatte Suft, felbft eine Glabierfdjule $u fdjreiben, bod>
fanb ict) nidjt Qdt baju; id) l)ätte aber etroaS ganj 2tbmeid)enbe3
gefdjrieben."" Starauf berfprad) er bem SSater, eine ©djute
für midj gu beforgen. (Sinige ßtxt fjernadj fdjitfte er mir bie
betriebene, t)ier (in SBien) nid)t p Ijabenbe Gtementi'fdje, unb-
^mar mit fotgenbem Sriefdjen: „„ßieber SBertfjer! ßnblidj rann
id) mid) meiner SSinbbeutelei entminten. Spier folgt bie ber*
fbrodjene (Etementi'fdje ßlabierfdjule für ©ertjarb. SSenn er
fie fo gebraudjt, mie id) iljm fdjon geigen merbe, fo mirb fie
gemiß guten (Srfotg teiften.""314)
313) Das Briefchen siehe in Wegelers Nachtrag zu den Bio-
graphischen Notizen, Neudruck, II. Aufl., S. 220. Siehe auch G. v.
Breuning, „Aus dem Schwarzspanierhause", der das Briefchen ebenfalls
darbietet (Neudruck S. 105 f.) A. d. H.
314) Diese Hinterlassenschaft hat endlich einen geschickten
Herausgeber gefunden in J. S. Shedlock, dem Übersetzer meiner
Beethovenbriefe, die eben in zwei starken Bänden bei Dent & Co. in
London erschienen sind. Die Schindlersche Hinterlassenschaft kam
unter dem Titel heraus: „The Beethoven Cramer Studies by J. S.
Shedlock, 1893, London, Augener & Co. A. d. H.
— 531 —
2Sie mandjer f Rüttelt Oielleicfjt ben Äoöf über 33eetrjoöen'g
Söertfjfdjätjung ber fteinen, furggefa^ten Sctjule beg „alten"
Glementi, befonberg roenn er ba§> §eil in irgenb einem mobernen
Folianten gu finben glaubt, ber Oon ben 3ritf>ftittent roie eine
9?anacea angepriefen rairb! 3n unferm gaüe fjanbelt eg fidf»
aber gunädjft um ©tementar4Interrid)t. SSenn man jebocfj beg
9Jceifterg entfdnebene 3lbneigung gegen alle tljeoretifcfje 2Seit=
fcfjmeifi gleiten fammt iljren nocf) meitfcfjtoeiftgeren practifdjen
5tnt)ängfeln in ©tuben^orm fennt, bie ben ©cfjüler unbermeiblitf)
gum Slutomaten machen muffen; wenn man ferner fein $obf=
fcfjüttetn über §ummel'g üofuminöfe unb bennocf) fet)r leid)t
roiegenbe ßlabier=<Sct)ule gefetjen; menn man fein 9tnat§ema
über Seljrer ber £onroiffenfd)aften bonnern gehört, bie jeben
möglichen $atl §um ©egenftanb ber ©djreiberei machen, baf)er
gum „£)urcl)fcf)teppen" blog burcfj ben ©eneralbafj ntcrjt roeniger
benn ^mei big brei £af)re brauchen, big bie ^^antafie beg
©cfjüterg ertöbtet ift, — bie nicfjtg ber fiel) ergebenben @r=
fafjrungen überlaffen toollen, bie foroot)l bag ©rfinben mie
©eftalten bermittelft ber ©cljablone erlernen laffen, (all' biefer
Unfug tjatte fcfjon bamalg feinen Stnfang genommen,) fo mürbe
unfer SKeifter fet)r raatjrfcfjeinticl) aud) in einem anbern $atle
ber (Slementi'fcfjen Glaüier=©djule ben Sßorgug gegeben f)aben.
SBon bem (Srjbater, Sot). ©eb. 23acrj, mar ber Vorrat!)
nur ein ferjr Heiner, ©inige 90?otetten aufgenommen, bie
meifteng im t)äuglid)en Streife bei üan ©mieten gefungen roorben,
befanb fidj in biefem Sorratrje roof)l bag Steifte, mag bie
bamalige (Spocfje üon ©ebaftian gelaunt, nämlicfj: bag mot)l=
temperirte ßtaüier, mit ficfjtbaren ßeidjen fleißigen ©tubiumg,
brei §efte oon ben Exercises, fünfäetjn Inventions, fünfgetjn
Sinfonien unb aud) eine Toccata in D moll. Siefe (Sammlung
in einem S3anbe befinbet fid) in meinem ©eroafyrfam. ©arin
mar ein Statt feftgemadjt unb barauf oon frember §anb eine
©teile aug „©ebaftian 23ad)'g Seben, ®unft unb ®unft*
merfe oon S. %l. gorfei" gu lefen, meiere lautet: „Sie
34*
— 532 —
*|3rätenfion, bafc bie Sonfunft eine ftunft für alle Dljrett feti,
fann bei 3kd) mtfjt ftatuirt roerben, unb ift burcfj ba3 6toße
£>afetjn unb bie Gin^igfeit feiner SSerfe, bie bem Kenner mie
geioad)fen erfdjeinen, fogar factifd) abgetoiefen. üftur ber Kenner
affo, ber in einem Sßerfe ber Äunft bie innere Drganifation
ajjnet, füljtt, unb in bie Intention be3 ftünftlerS bringt, bie
mdjtö umfonft toiH, barf bjier urteilen. Sa, man fann bie
Stärle eines aftufiffennerS nid)t beffer prüfen, als roenn man
gu erfahren fudjt, mie roeit er in ber Sdjätmng ber Sadj'jdjert
Sßerfe gekommen."
3u beiben Seiten biefer «Stelle ftanben große mit ber
btdften 9?otenfeber üon 23eetf)oüen'ö §anb gemalte ^rage^eirfjen
unb glotjten bie Sentenj beS gelehrten ©efd)id)ifd)reiber3 unb
SSorneljmften ber Sadjomanen an. ßetn §ogartf) Ejätte in ein
grage,5eid)en einen grimmigeren 231id, überhaupt einen meljr
üernidjtenben Stusbrucf legen fönnen.
5. äßanberluft.
Ue6er ben miBlidjen StanD ber peeuniären 3serr)ättniffe
unferS 9)?eifter§ ift in ber jroeiten unb brüten ^eriobe üielfad),
mit Angabe ber ©rünbe, gefprodjen roorben; in ben festen
3ei(en ber brüten $J3eriobe wirb fogar nod) gejagt, ba$ faft
jeglidjeS Se^atjtenmüffen eine! benötigten ©egenftanbeS
bei iljm ein ferner gefaßter Gntfdjlufj gewefen. 2)ie<3 beutet
offenbar auf einen ©egenfa§ f)in. 23efef)en mir un§ benfelben
redjt nalje.
@§ bürfte aufgefallen feton, jebeS Satyr, üornerjmlid) in ber
britten ^?eriobe, üom 93e5iet)en einer anbern SSobjnung fpred)en
gehört gu tjaben. ©iefe SSanbcrluft oon einer SSotjnung
§ur anbern, mie oon Stabt gu Sanb, entfpridjt bem unfreien
unb un^ufriebenen 2Sefen unferö SXeifterS. 23ie rjätte fid) in
bem grof3en SBien eine 2Sot)nung aufftnben (äffen füllen, mit
ber er ootlfommen gufrieben auf einige Sarjre Miance gefdjloffen,
— 533 —
ha fid) bod) fein ätfenfdj bort öorgefunben, beffen Umgang iljn
auf bie Sauer befriebigt Ijätte, mit bem e£ nidjt, je näf)er man
beifammen mar, 5U ©treit unb für^crcm ober längerem $er*
mürfntB gefommen märe. 23eifpiete ftnb gegeben. 93erjatten
mir a6er biefe ßonfequeng in ber Snconfequenj fcft im $luge.
SSenn mir gehört, mie Söeetfyouen im Unnütze fogar berletienbe
anfragen gegen feinen ©rä^erjog geführt, menn mir iljn bei
(Megenljeit feines «ßrojeffcä mit SOfael^et in ber £)ebofition an
feinen Slbüolaten fagen f)ören: „Sßerlaffen bon aller 2öelt f)ier
in SSien," nnb menn er ferner nod) bie gamilie 23. 31t granf=
fürt am SDfain feine beften greunbe in ber SGßett nennt, —
moljl nur, meit bie grofce ©ntfernung bon itjr nähere Berührungen
nidjt jufie^, — fo gleicht ber ©inn biefer 9?eben ungefähr bem
belannten ©atje: @r fietjt ben SSalb bor (auter Säumen ntdjt;
fo biefe SSerefjrer bie Shinftroerle 33eett)oben'S gehabt, fo biete
fonnte er aud) feine greunbe nennen. Unfern SDceifter bermod)te
aber bis in fein bierunbfünfeigfteS SebenSjafjr nur allein bie
Statur gan§ $u befriebigen unb nebft feiner Äunft umfangen $u
galten, SÖcenfdjen unb 2ßol)nungen nur fetten, benn baran mar
gu biet auszufeilen. $n SSe^ug auf erftere ift genugfam gezeigt
morben, mie bie ©rünbe t)iefür §umeift in feiner (Sinbitbung
ober in feinem äftifetrauen gelegen, fein BerfötjnungSbrtef mit
Breuning auS bem 3af)re 1826 befagt Diesfalls atleS.315) ©ein
ßermürfnift mit ben 2Sof)nungen berutjt gleichfalls auf foldjen
©rünben. 3n ber einen ergab eS ftd), bafj bie ©onne meniger
ßugang gefunben, als er getüünfdjt, in einer gmeiten besagte
itmt baS Brunnenmaffer nid)t, 31t einer brüten fütjrte eine bunfte
Srebbe, — lauter gemictjtige ©rünbe um felbe aufeulünbigen
unb mäfjrenb beS ©ommeraufenttjattS auf bem Sanbe bloS gur
SSermaijrung einiger Raufen SDcuficalien unb ber Heilten 23ibtio*
315) Daß dieser Brief an Stephan v. Breuning aus weit älterer
Zeit (1804) stammt, ist wiederholentlich vom Herausgeber nach-
zuweisen versucht worden. Siehe B. S. Br. No. 94 (I. Band).
A. d. H.
— 534 —
trjef gu berufen, fotgtid) aud) gu begasten, ©eine 2anbrao!j)nungen
Ijaben ifjm cnfeljntidje (Summen gefoftet. Stilein aud) ba J)at
er e§ nicf)t immer ben gangen (Sommer in einer aufgehalten.
SBetdj' fonberbare, faft fomifdje ©rünbe it)n gum SBanbern üer=
antajjt, fjaben mir unter ben äftittljettungen au3 bem Satjre 1823
öernommen. Sie tiefen Gompümente be§ abelidjen §au§eigen-
tljümerä gu ipefcenborf, bie fogar bem leisten $(uffe feiner
^fjantafie rjinbertid) gemefen, trieben if)n fort. (£3 tjätte t>ietteid)t
feine neunte Sinfonie gegeben, rjütte er bort anchatten muffen.
Sdjon im fotgenben Satjre Ratten mir ba3 Vergnügen 2(erjn[icfje§
mieber gu fefyen. @r mietete gu ^enging nädjft Sdjönbrunn
in einem ifotirt unb freunbtid) gelegenen £mufe am SSienftufj.
Stuf bem btdjt neben biefem §aufe über ben $fuf$ gefegten
Steg ertaubten fid) aber bie Sßaffanten au§ Sfaugierbe ober
Sutereffe ftetjen gu bleiben unb nad) feinen genftern gu fdjauen.
9(bermat3 ein gemidjtiger ©runb, um biefe fdjöne SSoImung
"du üerlaffen unb mieberum mit Sad unb Sfiad, Äüdjengerätlj*
fdjaften, äkoabtuoob^lüget unb §üt)nerfteigen gegen 93aben gu
gießen. SBiefteidjt tjaben bie neugierigen &eute ben teid)ten gtufj
feiner ^5tjantafte bei (Soncitnrung be§ erften ber fünf Quartette
gefyinbert. S3eibe biefe Sommerwohnungen gu §e§enborf unb
^enging maren jebe mit 400 ©utben 2S. 2B. begafjtt. 9ied)net
man gu biefen 800 ©ulben nur 400 ©utben in biefen bciben
Sauren nod) gu Saben fjingu, fo gibt bie Sotatfumme ben ooüen
Setrag für bie 9J?iett)e einer red)t anftänbigen 28of)nung für
gWei öotle Sa^re in Söien. ©iefe foftfpieüge ^affion beginnt
fdjon mit ber gmeiten ^ßeriobe. $erbinanb 9tie§ gibt in feinen
Zotigen, Seite 112 u. ff.316) aus bem 3af>re 1805 ein Seifpiet,
mo 83eetf)oüen oier 3Bot)nungen gug(eid) gehabt, nämtid) eine
im 5£tjeater an ber SSien, eine im rotten §au§ an ber 2üfter=
faferne, eine in Sobüng unb enb(id) eine im ^aöquatati'fdjen
§aufe auf ber 9Kotfer=Saftei. 2)a£ fjeifit boct) leben mie ein
316) Neudruck S. 133—134. A. d. H.
— 535 —
grofjer $err, ober roie ein großer ©onberting. ®a§ letztgenannte
ipau§ mar faft bie gange groeite ^eriobe rjinburd) ba$ 9tefugium
für ben SRetfter, roenn er feine SBotjnung anffinben formte.
9üe3 bemerft: M@r 50g au§ letzterer mehrmals? au§, farn aber
immer roieber batjin gurücf, fo bafs, loie id) fbäter Jjörte, ber
SBaron ^aSquatati gutmütig genug, roenn 33eett)oOen au§gog,
jagte: £)a3 Sogtl roirb ntdjt Oermietfjet; SBeettjoben !ömmt fdjon
mieber." Sludj tjierbei befnnbet fiel) bie ßonfequeng in ber
Snconfequeng. llnfer SBanberer rootlre nur SBofjnungen mit
ber ©übfeite begießen, jene aber auf ber 9J?ötfer=33aftei Ijatte
bie üftorbfeite.
Sft üon bergteidjen S)ingen bie Diebe, fo gibt e§ aud) ®e=
legentjeit gu geigen, roie biet in bem tiefernften unb benfenben
9J?anne nodj immer bon einem $inbe geroefen, ba§> feine Sieb-
tjabereien getjabr. £>ie ferneren <Sd)idfat§fd)täge fjaben groar
biefe Siebljabereien, wie bie guroeüen finbifdjen Saunen, bebeutenb
geminbert, bennod) gab e§ nod) Momente, roo er gang teicfjt
gu ^offen unb ©djnaden gu ftimmen mar. SSatb ein Sßeifpiet
babon. $ur ©teßc motten mir nur geigen, bafj aud) biefe Sieb-
tjabereien mandjen ©ulben gefoftet, ber beffer anguroenben ge=
roefen märe; adein ba§ gro^e Slinb liebte einen 9?ibbtifd) gu
rjaben mit mandjerlei ©egenftänben befetjt, bie gur üurgmeit,
bietteidjt aber aud) l)öt)eren 3roedeu bienten. ©ein ©djreibtifdj,
in früheren Satjren bon großem Umfange, ftellte gugteid) einen
foldjen 9?ipptifd) bor. darauf maren alö SSriefbefdjmerer gu
fetjen Äofafen unb Ungarifdje §ufaren, einige Seudjter oon ber*
fd)iebenen formen, mehrere ©djellen, bom ©über* bi§ gum
@d)afg(odenton, einige (Statuetten alter ©rieetjen unb Körner,
babon fidj nur merjr bie bon SörutuS erhalten, ben er fo fetjr
bemunbert l)at, unb (Sdjreibutenfüien bon neuefter ©rfinbung.
gerner fat) man ©(odengüge, in einem ßimmer mit einer foftbaren
biden ©eibenfdinur, im anbern mit einem tjanfenen ©trid u. f. ro.
gür 9ftöbe( jeber %xt t)at ber Stfeifter nid)t met)r bermenbet,
roie ber ärmfte §anbroerler. (Sr raufte fie ftety beim Xröbler.
— 536 —
23ei feinett <2tabt=^3romenaben üerlueitte er Hör biefem ober
jenem Saben bie 9lu§(agen fo lange belorgnettirenb, bi<3 er fidj
in irgenb etmaS uertiebte unb e§ faufte. 2J?and)e biefer ©egen=
ftänbe maren für ben Steffen beftimmt. ®a§ beftänbige 2Sanber=
leben, (Stnparfen nnb StuSpadfett, f)at jebod) biefe§ mitunter ernfte
©pietjeug immer balb mieber au§ bem ©efirf)t§freife berfdjnnnben
gemacht. 9?ur einiget fonnte aufberoafjrt merben.
SSenn man mit btefen Säten bie Sßorttmrfe 3ufammenf)iüt,
bafj bie SBiener Seetijoüen fjaben barben laffett, ober, menn ber
Unfinn fo roeit gef)t, ganj ©eutjdjlanb für bie imfeliclje Sage
be£ großen StonbidjterS üeranttuortlid) madjen gu mollen, fo
bürfte mit Söorftcfyenbem barauf geantU)ortet werben tonnen.
Snbefj fjat ber SSerfaffer bereite in ber brttten ^eriobe biefen
$ragepunct, mit Diüd'ftdjt auf nod) anbere berlei ä}orit>ürfe,
ebenfalls ba$ ganje ©eutfd)(anb betreffenb, fjoffexitticT; au3retd)eub
erörtert.
6. Sugenblidjcr Sftntljuriu'e.
Soeben marb ein 2$eifpiel anäitfütjren berfprodjen, tote
unfer DJtafter troij SCßifjgefcfjid unb SJRifsmutf) ju ^offen unb
©djnaden teidjt 51t ftimmen geroefen.
S)ie ©etnafyftn be§ ©eite 523 genannten 5Uat>ierfpteterö
unb Gomponiften £)a(m317) münfcfjte eine §aar(od'e üon 23eet=
Ijoben^ Raupte. sJRan manbte fid) bie^fattö an 5?art §0(3.
Stuf beffen $orfd)lag miHigte ber SCFceifter ein, feiner großen
SSeret)rerin ein S3üfd)el §aare au3 bem 25arte eines ßiegenbody
3U fdjiden, beim ha§> graue unb ftarfe <paar S3eet^ot>en'g fonnte
retfjt gut einen folgen $erg(eid) aushalten. Sie Same, fjodj*
erfreut über biefe Reliquie itjreö ShtnftfyeUigen, rühmte fief) mit
biefem ©efd)en!e; halb aber ertjielt fte Siunbe, ma§ man fidj mit
tfjr erlaubt tjatte. £>er ©emaljl, bem ba3 point d'honneur
317) Cf. über Halm u. a. B. S. Br. No. 406 Erklärungen (II. Band).
A. d. H.
— 537 —
eines Offiziers nod) gan^ im Seibe ftedte, melbete in einem
empfinblidjen (Schreiben an unfern äfteifter ba§ Vernommene.
SMefer, bie zugefügte SMeibigung erfennenb, machte bo§ Vor*
gefallene bamit gut, bafe er fetber eine Sode öon feinem §aare
abfdjnitt unb biefe in einem 93ület ber Same jufdjicfte, in
me(d)em er fte gug(eid) um Vergebung gebeten. — 3)iefer Vor*
fall batirt au§ bem Safjre 1826.
7. Sefienäjeupifs.
3ur (Srrjebung feiner Seibrente, meldje tnertetjäljrftdj gefdjat),
beburfte e§ eine§ 2eben§5eugniffe3, au3geftetlt com Pfarrer, in
beffen Strenget er eben gemeint. Vefanb ftd) ber SMfter
auf bem Sanbe, fo marb ber Verfaffer, ober ein anberer er*
fudjt, biefe§ ßeben^eugnife ausfertigen gu laffen unb bann ba§
(£rforberlid)e bamit oorjunetjmen. Serlei 5lnfud)en famen feiten
ofine beigefügte 3ßitje auf feine @£ifteng unb itjre Vefcfjaffenfjeit;
aud) an ©cfmaden liefe er e3 nid)t festen. SSiffenb, baß er
üerftanben fetjn merbe, fdjidte er einftmalS einen fettet, darauf
gotgenbeä ganj fauber gefdjrieben:
Seben^eugnifj.
©er gifd) lebt!
Vidi
Pfarrer
9f\omualbu§.
8. Sövüberlidjcr ©egettfatj.
2tm 9?eujafjr§tage 1823 fafeen Veetfjoben, beffen SReffc
nnb ber Verfaffer eben am 9)ftttag§tifd)e, ai§> bem 9tteifter
oon feinem nebenan motjnenben Vruber eine 9?eujarjr3farte über*
geben mürbe, morauf ftanb: „Sotjann üan Veetfyoüen — ©ut§*
befi^er." ©d)nett fdjrieb ber Hfteifter rüdmärtS auf bie ®arte :
„ßubmig öan Veetljoüen — §irnbefi£er" unb fdjidte fte an
ben ©ut§befi£er gurüd.
— 538 —
liefern Vorfalle ging roenige £age t>orau3, ba$ fid) biefer
©ruber gegen ben sDMfter Submig rühmte, er roerbe e§ nirfjt
fo weit bringen, a(§ er ber frühere ^Tpottjefer e§ gebradjt ljabe.
<£§ lajst fid) beuten, roie fetjr biefe ^rafjlerei ben Jpirnbefitjer
betuftigt f)at.
Um aber einen ernften 23(id auf bie SS5otj[t)abenr)ett biefe§
SDtonneS 5U rcerfen, mu| auf if)ren Urfürung tjinge^eigt trerben.
Sei bem Kriege 1809 tjatte ber Sinjer Stpottjefer Sodann
Dan 23eetf)ooen bie Hpprouifionirung fämmtttcfjer (Spitäler ber
fran^üftfcljen 3(rmee in Dber=Deftreidj unb Salgburg mit
9Jtebicamenten unternommen. Saran fnüpfen fid) entfetjüdj
ta utenbe SSortofirfe, bie ber ftet§ rebtidje unb geroiffen^afte
Submig feinem $ßfeubo*93ruber gemadjt, unb bie fiefj auf £§at*
fadjen grünben foüen. ®er mit £ieferung§=llnternet)mungen
Mannte mirb unfd)roer erraten, ma§ fid) nicfjt auSfagen föfet.
3(n biefer ©teile tä'fet fid) nod) einer l)eruorfted)enben
Gigenljeit öeetfjoben'a gebenden, bie jegüdje Slri Oon übtidien
©ratutationen betrifft. Dftemanb burfte il)tn mit einer ©eburt§=
tag§= ober SRamen§taa,&=©ratulatton fommen, rooltte er ü)n
nid)t gegen alte „fociafe Sdberntjeiten unb gegenfeitigeö ^Belügen"
in ^arnifd) bringen.
9. Sn ber Wbcnbbämmeniua,.
33eett)ot>en liebte befonberS in ber 5(benbbämmerung fid)
an ben $(üge( 5U fetten unb 5U pljantafiren, öfters aud) Biotin
ober &iola 511 fpieten, 51t metdjem ßtuede biefe ^nftrumente
fiet§ auf bem glüget tagen. 2öie biefeS ©piel gelungen, ba
ber äußere Sinn gar nidjt merjr mitmirten tonnte, ift ü6erf(üffig
ju fagen; befonber§ auf ben ©treidjinftrumenten, bie er nid)t
gu ftimmen oermodjte, mar e§ für bie SDfttbemoljner eine Df)ren=
pein. 2)a3 (Sjtemporiren auf bem ^iü^d roar nur ^umeiten
beut(id), bann meift Oon großem 9^ei§e; in ber 9ieget mürbe bie
Unbeuttidjfeit burd) bie ©emotjnfjeit ber Unten §anb fjerbei*
— 539 —
geführt, ftd) mit aller ^Breite auf bie Xaftatur §u legen unb
tärmenb ju öerbeden, ma§ bie rechte oft all 51t gart auägefüfjrt
Ijat. Sn ber legten ßeit Ijatte itjm ber $J3ianoforte=$abrifant
(Sonrab ©raf einen ©djallbedet öerfertigt, ber auf ben ^u9e^
geftettt, bie SDne bem D|re letzter gufütjren fofite. SDftt einjelnen
STönen mar ber Qxoed erreicht, allein ein l)armonifd)e3 ©piet
fjat ba§> Dl)r öollftänbig überlr-ältigt, meil bie Suftfcfjmingungen
auf ben engften Naum befdjränfit betäubenb mirfen mußten.
10. ^cttanuienbung.
4?infidjtlidj ber 3eitantoenbung ift tion unferm sJJ?eifter ju
berieten, baß er in jeber 3at)re§3eit mit S£age3anbrud) auf=
gufte^en unb fogleid) an ben ©djreibtifd) §u geljen pflegte. @o
arbeitete er b\§> 2, 3 Ut)r, bie ©tunbe feinet SüftrtagSttfdjeS.
Sn ber ß^if^cnäeit lief er meift ein- ober jtoeunal in'3
$reie, mo er aber ebenfalls — mit ©apljir gu reben —
fpagieren arbeitete. @otd)e 9lu§ffüge überfdjritten fetten bie
Sauer einer ootlen ©tunbe, unb glidjen ben 5lu§flügen ber
Sienen, um §onig gu fammeln, fie blieben fidj aud) in jeber
Sat)re§§eit gleidj, unb meber teilte noct) Söärme mürben beadjtet.
Sie Nachmittage maren 31t regelmäßigen «Spaziergängen
beftimmt; $u fpäterer ©tunbe pflegte man ein beüor^ugteg
SöterljauS aufgufndjen, um bie Sagelliteratur ftur §anb 5U
netjmen, menn biefe$ Skbürfniß nidjt bereite in einem Kaffee*
f)aufe befriebigt morben. ßur Qeit ber engtifdjen ^Parlamenten
fitmngen aber marb bie allgemeine ßeitung wegen ber S5er=
Ijanbtungen regelmäßig gu £>aufe getefen. Saß ftdj unfer ^olitit'uä
mtf bie (Seite ber Dppofition gefteüt, mirb man begreiftid) finben.
SDagu beburfte e§ nidjt feiner großen Vorliebe für Sorb 23roug§am,
4?ume unb anbere Dppofition§rebner. Sie SSinterabeube öer=
bradjte 23eet£)oüen ftet§ §u §aufe, fie maren ber ernften Seetüre
gettiibmet. Nur feiten fafj man it)n 2lbenb3 mit üftotenfdjrift
befdjäftigt, meil biefe ju angreifenb für feine 5lugen mar. £n
— 540 —
früheren Sauren modjte bieö anberä gemefen fetjn; bofe er jebod}
bte 2(benbftunben 511 fetner 3eit 5ur ßombofitiou (Srfinbung)
bemtfct, ift gemif;. SängftenS 10 Ufjr begab er firf) gut 9tof)e.
11. SWomcnte ticfftcr 9Webitaium.
Sßafdjen unb SBaben gehörten 51t 33eeti)oben'<3 unentbetjr*
tieften SebenSbebürfniffen. £)ierin war er gan3 Orientale.
$ür ifjn tjatte 9ftaf)omeb JeineStoegS 31t biete S£afd)ungen
borgefdjrieben. ©ing er toäljrenb ber Arbeit in ben 25ormitiag3=
ftunben nidjt aug, um fid) lieber 3U fammetn, fo ftettte er
fict), oft im tiefen keglige, an'3 Sßafdjbeifen nnb gofc grofte
Slrüge bot! SBafjer auf feine ipänbe, anbei bie ganje (Scata
auf* unb abttärtS tjeulenb, ober jur Slbbjedjfetung brummenb;
batb burdifdjritt er ttneber mit roüenben ober fiteren Stugen
ba$ ßtmmer, notirte einiges, unb fefcte bann baZ 9tufgiefjen
nnb §eu(en meiter fort. S)ie§ maren Momente tieffter 9D?e=
bitation, babon fein befonbereS 5luff)eben %vl machen märer
fjätten fie nictjt nad) ^mei (Seiten tjin unangenehme folgen
gehabt. gunädjft beroirften fie oft Sachen bei feinen Sienft*
teuten, unb bie§ gematjrenb geriete) ber Stteifter in 3orn, ber
ifjn bi§mei(en §u lächerlichen 5(u§brüct)en gebraut. Ober er
geriet!) mit ben §au3eigenu)ümern in ßonfttete, menn ba$
SBaffer burdj ben öoben gebrungen, ma§ teiber oft borgefommen
ift. S)ie§ mar ein ^auptgrunb, bafj 93eett)oben allenthalben
ein unbeliebter (Sintuotjuer gemefen. ©er 53oben feiner SSofjn*
ftube tjätte mit ©rbped) belegt fetjn muffen, um ba§ ©urdjbringen
be§ bieten SBafferS gu berfjinbern. Unb bon biefem Ueberflufc
an Segeifterung unter ben güfjen merfte ber äfteifter nidjtS!
12. dffett unb Srinfeu.
9ßie e§ ber SJJeifter mit offen unb Xrinfen gehalten, bürfte
fdjon au§ 9xüdfid)t feiner muubertidjen £au§f)attung bemerfen£=
roertf) fetjn.
— 541 —
3um grüt)ftiid narjm er Kaffee, ben er fidj meift fefbft in
einer ©laSmafdjine bereitet tjat. Kaffee fdjeint fein unentbefjr*
ItdjfteS 9carjrung3mittet getoefen 5U ferjn, roomit er benn auct)
fo fcruputoö Oerfuljr, mie öon ben Orientalen befannt. Sechzig
93of)nen mürben für eine £affe gerechnet unb oft abgejagt,
befonberä roenn ©äfte antoefenb maren. $u feinen ßieblingS*
gerieften gehörten Sftacarom mit Sßarmefan=®äfe. Siefe mußten
auBerorbentlid) fdjlecfjt geraten fetjn, bi£ er felber fie fd)led)t
fanb, unb baß fie bei ber ungeroiffen Stunbe be§ SeruirenS
öfter fdjledjt als gut maren, läfjt fid) beuten, dagegen mürben
über anbere ©ericfjte bitterböfe Urttjeüe gefällt unb bie £)au§=
fjtitterin beS^alb gur SRedjenfdjaft gebogen, menn fie aud) leine
Sdjmtb trug, Sie entfctjulbigen, rcarb mie ein SSergetjen gegen
gute «Sitte gerügt, „Sie Suppe ift fd)led)t!" bagegen gab e<8
leine Slpellation. darüber anberer Meinung ferjn, rjiefe:
feinen ©efdjmacf, !ein Urttjeit f)aben. ©inen Söiberfprudj in
foldjen Singen tonnte er nod) meniger bertragen, als in meit
mistigeren, ja, er tjatte bie Sd)tüacf)t)eit, feinen Sngrimm barüber
nod) nad) Stagen laut merben p laffen, ober gar in einer
<3ufd)rift ^ngufc^icfen. (Sine foteeje liegt mir oor. Sarin mirft
er mir am Sdjtuffe folgenbe§ an ben Kopf : „Sa§ Urttjett über
bie Suppe actjte icl) ntdjt im minbeften, fie ift fd)led)t! "318)
21ucr) in biefer ©eringfügigteit begegnet un3 ber fetjon berannte
§lbfoluti§mu§. — ferner gehörten alle gifcfjfpeifen ftu feinen
SiebtingSgericrjten. Saljer mürben ©äfte meift am $reitag
gelaben, um einen ferneren Sctjill (ein Sonaufifd), bem SdjetU
fifet) ärjnlid)) mit Kartoffeln präfentiren gu tonnen.
$on einem Souper mar feiten bie 9iebe. (Sin Heller
318) Beethovens Suppentheorie spielt auch in den Konversations-
heften keine seltene Rolle. Daraus ist manches Interessante besonders
in den „Neuen Beethovenbriefen" in Gesprächen zwischen Onkel und
Neffen geboten S. 100 Brief an Schindler; cf. B. S. Br. No. 894 (V. Band).
A. d. H.
— 542 —
©ubbe unb ttroaZ bon ben heften be§ ÜJcittagS mar aüe§, roa§
er §u nehmen pflegte.
©ein £iebting3getränf mar frifdjeS 35runnenroaffer, ba3 er
jur (Sommerzeit faft unmäßig gu fic£> natnn. 93on Söeinforten
mar e§ ber Cfener ©ebirgömein, ben er borgegogen. Seiber
munbeten irjn am beften bie öerfätfcrjten 2Beine, bie in feinem
gefdjmädjten Unterleib biet Unrjeit angerichtet. Sagegen t)atf fein
SSarnen. Siefe Sfjatfadje möchte röotjt allein alz ftätffteS
SetteiSmittel gelten, baf? 23eetf;oben lein Srinter gemefen, alz
roetcfjer er bon feinem testen Ärgte rjingeftellt morben. (©ierje
in ben ©rgänjungen.) — 5tud) liebte unfer ÜDceifter ein gutes
©Ia§ SBier be§ 5(benb3 §u nehmen, roobei eine pfeife Zabad
unb bie geitungen ©efeflfcfjaft getriftet.
©aftrjöfe unb Äaffeerjäufer befugte 23eetrjoben in ben testen
Sauren nod) oft, in festere mufete er aber burcfj eine <pintertt)ür
gelangen unb in einem abgefonberten 3immer ffia% nehmen
fönnen. grembe, bie itjn gu ferjen münfdjten, mürben barjin
gemiefen, benn er roedjfette nidjr, unb roäf)ite ftets ein feiner
2Sot)nung narje gelegenes ÄaffeeljauS. 9ftit borgeftettten gremben
tiefj er ficf) an biefen Orten nur tjödjft fetten in ein ©efpradj
ein. 2)a§ tefcte 3e^unS^^ott burdjgetaufen ging er mieber
etfigft §ur §intertt)ür rjinauS.
13. (Eine Sanfiagung, ober Seetljoben unb Rummel.
Um bie t)ier angeführte Sfjatfadje mit irjren ©rünben
rtdjtig aufgufaffen, fjaben mir un§ in bie legten SebenStage
öeetrjoben'S gurüd gu beuten, mo er im SSorgefüt)! feiner
balbigen Sluftöfung begonnen t)atte, mit allem Srbifdjen ab*
gufcfjiieften unb bie nötigen Verfügungen foroorjt in feineu
eigenen SBerfiättniffen, mie auefj im ^ßunete feiner Verbfiicfjtungen
gegen Stnbere, gu treffen, ©iner biefer ^Suncte begog fid) auf
ben Verfaffer biefer ©djrift. ©er ÜDceifter mar nämlid) nod)
in ben Sagen, mo er böllige 2Biebert)erftettuug t)offte, mit Stuf-
— 543 —
ftnbung be3 SDcobuS beschäftigt, tote er ftdj mir für bie tatig«
jährigen ©ienfte unb Slufobferungen bantbar bezeigen fönne.
©ctyon im Satire 1823 bei (Megentyeit meiner äJnittrirfung in
ber <Subfcribtion§=2lngetegent)eit mit ber Missa solemnis fjatte
er mir eine fteine (Summe (Mbe§ al§ (Sntfctyäbigung für bie
baburcty berurfactyte SBerfäumnifj in meinen eigenen ©efctyäften
jugefidjert, bie jebocty nictyt erfolgt ift. ©3 tnufete fomotyt in
biefem tote aucty nod) im fotgenben Satyr mein $ßriöat=Unterrid)t
gänjticty aufgegeben merben. 9tuf bem ®ranrentager marb er
um fo metyr bon bem ©ebanfen gequält, mie er nun ber ber«
grö^erten SSerbftictytung gegen micr) ftdj enttebigen tonne, "öa id>
längft erftärt tyatte, baareä ©elb nictyt annehmen 51t motten,
belehrt burcty lange 33eobad)tmtg, bafs biefer S^erb bei itym ber
atterembftnblictyfte ferj. ®a eröffnete ftd) gegen (Snbe Sanuar§
eine Sfuäfidjt, feine S5an!6ar!eit auf eine eben fo ungemötyntidje
al§ aud) feierliche SBeife betätigen 51t tonnen.
Sn bem mit ber ©irection beö Sofebtyftäbter StyeaterS
1822 abgefdjtoffenen ©ontracte mar bem SSerfaffer ata Drdjefter*
Sirector jätjrlid) ein §albe§> Senefice burd) ein ßoncert ober
eine Dpern=23orfteHung gugefidjert. Sie großen StuSgaben be§
neuen Unternehmens berantaftten jebocty ben ©irector, mid) bei
51b(auf be§ erfien Satyre§ 51t erfuctyen, mein 9?ectyt auf biefeö
tyalbe 33eneftce auf baS nädjfte Satyr 5U übertragen, mo mir
bann ein ganzes gu Styeit merben fotte. £>a§ gmeite (Sontract=
jatyr mar abgelaufen unb mieberum tyiefj e§, bafj feine Sftögtictyr'eit
bortyanben, im Sauf ber guten Satyre^eit bie botte ©innatyme
eine§ HbenbS ber (Saffe $u ent^ietyen. S)a icty bie angebotene
©ommergeit al§ contractmibrig jurüdmieS, fo marb id) auf ben
britten Sßinter bertröftet. 516er aud) bann gab e3 bei ber
Sirection ber ^ünberniffe §ur Erfüllung ityrer rüdftänbigen 95er-
bfttctytungen nod) fo biete, ba^ ityrerfeit§ eine Sfbfinbung mittelft
einer SSaarfumme borgefdjlagen mürbe. Saum mar biefer 3Sor=
fd)lag gemactyt, afö ber ©irector bem Snftitute bttrd) einen
blö^ltctyen £ob entriffen mürbe, ©eine ©rben, bie fofort bie
— 544 —
Setümgbeä 5£ljeater§ übernommen, bertoetgerten jebe AuSgteidjung
mit mir, inbem fie im oorliegenbeu $atte eine Sßerjärjrung ber
©d)itlb finben moüten. Set) üerliefs batjer ba% Stjeater unb
übergab bie Angelegenheit bem Dr. 23ad), um [ie auf ben S^ed)^
roeg $u bringen. 9cact) Sot)r unb Sag rjatte ich bie ©enug=
tfyuung, ein magiftratifdjeS Urteil ermirft gii feljen, fraft beffen
mir baS Sofep^ftäbter Sljeater mit allem, raa§ brum unb bran
l)üngt, für ben 7. April 1827 §ur freien Verfügung geftellt mar.
SBiffenb, meld)' innigen Anteil 25eetIjooen an foldjem Au§*
gange biefe§ ^roceffeS nehmen roerbe, üerfügte fid) Dr. 33adj
mit bem gerid)tlid)en Urteile unoerroeilt ju ifjm. Äaum
gelefen erflärte er, an biejem 7. April im 3ofepl)ftäbter Stljeater
eine 9totte übernehmen (^u motten. Al3 id) in fpäterer ©tunbe
bei it)m eintrat, überreidjte er mir mit fjer^icrjem ©lüdrounfctje
ba$ Urtljetf unb äußerte, bafj er gu biefem 95et)ufe bie feit bem
Satjre 1822 in petto tragenbe Duüerture, bie jener mit ber
©oppelfuge in C dur meidjen muffte, aufarbeiten unb felber
birigiren motte; bieö fei) überhaupt eine erroünfd)te Gelegenheit
für üjn, fid) gegen mid) banlbar §u bezeugen. £>ie begonnene
©fi^e §u biefer ©uoerture mürbe foglcid) fjerüorgefudjt.
8m Verlaufe ber näcrjften SSodjen aber, als er §u füllen
begann, baft eine 3Bieberrjerftetlung bi3 §um 7. April nid)t er=
folgen roerbe, befd)äftigte er fid) mit Auffiubung eine3 9Jiittel3
mir bennoci) nütilid) ^u fetin, menn aud) nid)t mit einer neuen
(Eompofition unb perfönlid)er Stfitmirfung. 2Bäl)renb biefe§
Aufjud)en£ brad)ten öffentlid)e S3lätter bie 9radjrtd)t, §ummel
roerbe batb in 3Bien eintreffen. 93ei ber Äunbe baoon äußerte
23eetrjooen: „3Benn er mid) nur befud)en mottle, id) mürbe if)n
bitten, mid) in bem Goncert am 7. April $u Oertreten." Um
9J?itte be<3 TOr-^monatS traf Rummel in SBien ein. ©d)on am
Sage nad) feiner Anfunft erfd)ien er in Segleitung Oon Anbreaö
©treidjer unb feinem ©ctjüter $erbinanb filier an S3eet=
rjooen'ö Äranfentager. Seit 1814 Ijatten fid) beibe ^ünftler nid)t
mefjr gefetjen. Rummel, entfetjt bei bem Anblid ber £eibeu3=
— 545 —
geftalt 23eett)oben'3, brad) in tjelle £t)ränen au§, btefer aber
fud)te it)n gu befd)mid)tigen, inbem er it)m eine tion SDiabelli
§ugefd)ic£te 9?abirung üon £>at)bn'3 ©eburt<§t)au§ 5U 9?ol)rau mit
ben SSorten oort)ielt: „<5iet), lieber £mmmet, ba$ @e6nrt§t)au§
tion §at)bn; Ijeute tjabe id) eS ^um ©efdjenf ermatten, e3 macfyt
mir grofje $reube; eine fdjtedjte 23auernt)ütte, in ber ein fo
großer sJtfann geboren tourbe!" 91l3bafb aber tenfte er ba$ ©e=
fpräd) auf ba& geridjttid) becretirte (Eoncert im So[ept)ftäbter
5tf)eater unb bie tiereitette 2(bfid)t babei mitäumirüen, unb fdjlojj
mit bem (£rfud)en: „Rummel, id) redjne auf 2)id), öertrete $)«
meine ©teile babei, id) merbe e3 £)ir ©anü miffen." §ummet
xeidjte it)m bie £>anb unb Seettjoüen mar üon biefer 2Sittfät)rigfeit
fidjtbar überrafdjt. Sn ber %fyat mar biefer Moment, in 33e=
tradjt ber fonft menig ftimüattjifirenben @efüt)(e gmifctjen beiben
fjod)ftef)enben SÜinfttern, ein erl)ebenber, an ftct) fdjon ber Stuf*
jeidjnung mertt), mürbe au6) nidjts anbere§ bamit in 23er-
binbung fteijen.
<Sd)on mettige £age nad) biefem Vorfall tjaben mir bm
großen Sonbidjter jur legten 9vut)eftätte geleitet, mobei §ummel
ba£ 23at)rtud) mitgetragen. ©ein Sßerfpredjen bat er am 7. Würit
barauf getreulich erfüllt. Stuf fein Verlangen t)at ber 2lnfd)lag=
fettet ba§ GüreigniB mit folgenben ^Sorten angezeigt:319)
„§err Rummel, grojjtjerjoglid) ©ad)fen=!2öeimar'fd)er §of=
©aüetlmeifter, mirb bie @t)re tjaben, ftct) §um legten 9#at üor
319) Die Leipziger Allgem. Musikal. Zeitung, No. 22 vom 30. Mai
1827 schreibt über dieses Hummelsche Konzert: „Tagebuch vom Monat
April, S. 368f. Am 7ten im Josephstädter Theater Musikalische
Akademie zum Benefice des vormaligen Orchesterdirektors Herrn Anton
Schindler: ein Name, der in der Kunstwelt nicht untergehen soll, da
ihn ein Mann trägt, der Beethovens wärmster Verehrer, Anhänger und
treuer Wärter bis zur Todesstunde war. Der dankbare Meister hoffte
früher, seinem Freunde durch eine Komposition nützlich werden zu
können, doch die nahe Auflösung fühlend (369), übertrug er Hummel
die Tilgung der verjährten Schuld, und bat ihn dringend, an seiner
Statt den erprobten Freund zu unterstützen. Die Erfüllung dieser
SC. @djijiMer§ 5Bccif)ODcn=S3iO|)rcipfjic. 3^
— 546 —
feiner 5lbreife auf bem ^ianoforte f)ören gu laffen, unb e§
gereidjt ilmi gum befonberen Vergnügen, ben 2Bunfct) feinet
bereinigten gfreunbeS 23eet£)Oüen, ber itjn nod) auf bem Sterbe*
bette erfuctjt fyat, an feiner (Statt ben Untergeid)neten bei biefer
Senefice^orftellung §u unterftü^en, erfüllen gu rönnen."
©er 9lbenb mar ein tjödjft feierlidjer unb Sfteifter Rummel
fat) fid) üon mehreren morjlrenomirten ftünftlern umgeben, ©iefer
feltfame 3tu^c^)enfa^ *)Qtte e*n gat)lretd)es Slubitorium gteictjfam
gu Beugen be£ mirflict) gefdjloffenen ^erfofmunggacteS groifdjen
23eett)oDen unb Rummel herangezogen, ©ie offen tlidjen Sichrer
tjaben ber (&ad)t bie erforberlidje ^ublicität gegeben. 9cr. 30
ber ^Berliner 8RujUj$eitung r>on 1827 (unter 9tebaction toon
8. 53. Wlavt) berichtete:
,,©as SBatete gab un<§ §ummel im Sojepjjftäbter Sweater
bei einem (Soncerte, ti>etd)e£ bem uormaligen Ordjefters©irector
(Sctjinbter, laut früherem Sontracte, nadjträgtid) gugeftanben
merben mufjte. §err Sdjinbler mar im gangen (Sinne be»
28orte3 unferä üeremigten ©eettjoben getreuer $)3olabe3, ber feit
Sauren beffen r)äus>lid)e ©efd)äfte beforgte unb bi3 gum legten
Slttjemguge nidjt öon feiner Seite mid). ©er entfdjlafene SJteifter
roollte, in Hoffnung ber SSiebergenefung, feine (£rlenntlid)!eit
burd) eine neue (Sompofition beroeifen, meiere bei biefem Slnlaffe
gum erften SOcale probucirt merben füllte. 2113 er jebod) gu
füllen anfing, mie e§ gang anber§ im 18üd)e be3 Sct)idfal3
Bitte verschaffte uns einen genußreichen Abend. Holbeins Lustspiel ,Der
Vorsatz' wurde durch die noch wenig bekannte und gehörte Beethoven-
sche Ouvertüre in C, 6/g-Takt, eingeleitet (op. 115), die zur Einweihung
der Pesther Bühne komponierte Ouvertüre desselben Meisters in Es
(op. 117, König Stephan) eröffnete das Konzert selbst, welches Hummel
mit einer freien Phantasie auf dem Pianoforte schloß; diese hatte die
Form eines Potpourri, was der ungemein zahlreichen und also ge-
mischten Versammlung wohl am meisten zusagte und des Künstlers
Umsicht bekundete, der genau erwägt, wem er seine Gaben zu reichen
hatte. Nach 24 Stunden verließ Meister Hummel unsere Stadt. — "
A. d. H.
— 547 —
befdjloffen ftelje, übertrug er [eine SBerpfticfjtung an fummeln,
roelcfjen er nocrj in ben legten Sebenäftunben aufforberte, on
feiner Statt gegen ben fiel) grofemütfjig aufoofernben ^reunb ben
ßoü ber ©anfbarfeit §u entrichten. Rummel gab mit gebrochenem
^erjen §anb unb SSort, unb üerftfiob feine Stbretfe, um bie
geteiftete 3ufa9e Su erfüllen." u. f. ro.320)
Sm gleichen ©inne fpricfjt öon biefem factum unb beffen
95eranlaffung bie Seidiger allgemeine äftufif^eitung in ÜRr. 22
öon 1827.
320) Über Schindlers Gedenkfeier, von Beethoven veranlaßt, ent-
hält die von A. B. Marx redigierte Berliner Allgemeine Musikalische
Zeitung einen enthusiastischen Bericht, dem daneben von Schindler
gegebenen Worten noch folgendes hinzuzufügen ist (No. 30 vom 25. Juli
1827): „ Er (Hummel) spielte das von ihm noch nie öffentlich
gehörte Quintett in Es-moll nebst — — — und schon der bloße
Name war hinreichend, dem Benefizianten ein übervolles Haus zu ver-
schaffen, wiewohl ihm die Direktion aus Knickerei den unvorteil-
haftesten Abend im ganzen Jahre, am Samstag vor den Osterferien
aufgedrungen hatte!" — Es darf bei dieser Gelegenheit nicht un-
erwähnt bleiben, daß Schindler von Beethoven an Manuskripten (Noten
und Dokumente) so unendlich viel geerbt hatte, daß er all jene Schätze
an die preußische Staatsregierung verkaufen konnte, wofür er außer
einer stattlichen Barsumme eine Leibrente empfing, die ihn aller
Sorgen iür sein weiteres Dasein überhob. — So dankt Beethoven.
A. d. H.
35*
9Kufica(ifrf)er Ztyil
„Sudjftaß' unb Wotenfdjrtft ftnb tobte Setzen; aber
aucf) §erunterfpielen bet 9?oten wie ^erjagen bet ttber=
lieferten SBorte, ba$ tft tobte« ©eroerfete, menn ntd^t
ber ©eifr, ber ftd) in iljnen Ijat offenbaren motten, öon
un3 aufgefaßt unb burd) un§ tnirffam wirb, — ber«
felbige ©eift, fein anberer, nid)t unfer eigen =öer=
fönlicber, nicf)t ber Sinn allgemeinen Uebereinfommen'S,
ober Ijerfömmfidjer <Sdmlfa£ung, fonbern ber ©eift
SBeetfjoöen'S."*)
«Seit ber erften Aufarbeitung bieder ©d)rift finb öoüe
jtoanjig 3afjre im ©trome ber ßeitert bat)in gefloffen, ein genug-
fam langer 3e^raum/ um toarjräuner^men, ob ba$ SBort ben
©eift ber Slunft nodj meljr in ben ,'pintergrunb gebrängt fjabe,
a(<§ e§ bamal§ bereite ber $aö geroefen. Sftit freubigen ©efürjten
roirb man ^ugefterjen muffen, ba^ feitbem in ßultiüirung be§
Oratoriums burrf) gro&e Vereine ein nocfj größerer 3luffrf)mung
ftattgefunben, ber aU fefte ©tütje ^ur (Spaltung btefe§ bon
ben ßtaffiiern überfommenen groeigeS bienen fann. dagegen
tft e§ in allen anbern fcrjtimmer geworben, al§ e§ Oorbem
toar; in allen jenen gmeigen, in§befonbere in aller Snftrumen=
tatmuftf, ift burd) ben feit oier SDecennien immer meljr unb
merjr cuftioirten, enblicfj p boüftänbiger §errfd)aft gelangten
StRectianiSmu» be§ ^Sianoforte unb ber @atten=3nftrumente,
eine Umroäläung beroirrt morben, burcfj roekfje beinahe jebe
*) St. 58. 9Karr. „über ©tubium unb Vortrag ber Seettjoüen'fdjen
©[aüierwerfe" im 3lnbange feine§ „Sehen unb ©cfmffen öon 2. b. 5beet=
hoben", ©ehe VI.821)
321) Diese klavierästhetischen Betrachtungen erschienen später-
hin als selbständige Schrift unter dem Titel: „Anleitung zum Vortrage
Beethovenscher Klavierwerke" von A. B. Marx, II. Auflage, heraus-
gegeben von Dr. G. Behncke, Baden 1875. A. d. H.
— 552 —
©pur getftigen ©efjalteä eines £onmerfe§ oernidjtet tüirb. <Sdjoit
im Sa^re 1823 äußerte ficf) Seetfjoüen 51t $erbinanb 8Kp§:
„9ftit ben Allegri di bravura mufe idj bie Sljrigen nad)fet)en.
— 2lufrid)tig 51t fagcn, id) bin fein greunb bon bergleidjen,
\>a fie ben 9J?ed)am3mu8 nur gar 511 feijr beförbern; menigftenä
bie, meldje id) fenne."*) — £)er grofee ^$ropt)et tneiffagte fcfyon
bamaU, ba$ ber 9J?ed)ani§mu§ alle 2öat)rf)eit ber @mpfin=
bung au§> ber Sftufif üerbannen toerbe. Mein nidjt Uo§>
ber ©eift, audj bie [yorm mirb burd) ben übern>ud)ernben
9Jced)ani3mu3 gerftört. 2)iefer moberne £>ämon fet$t fid) über
bie bon ben claffifdjen SDteiftern überfommenen Segriffe tion
geiftburd)mef)tem Vortrag unb ben Ijiergu geeigneten Mitteln
fjinttteg unb folgt tebiglid) bem angemahnten ©ränge: feine
(Subjectiüität pr ©eltung ju bringen. Sie fjunbertgüngige
Slritif, gum größten £f)ei( gerjanbtjabt üon Scannern, bie in-
mitten biefer SBerirrungen aufgelaufen unb itjre 5tnfd)auungen
mit benfelben ibentificirt Ijaben, fie beftärft bie 9ftufifer in
if)rem SBatjne, aUgeit ba§ $ecf)te gettjan p Ijaben. SSafjrltd),
bie auf ÜBölferbeljerrfdjer angettanbten SBorte: Divide et impera,
finben nidjt minber paffenbe Stntnenbung auf bie treffe in
^unftfadjen. 2)ie eingeriffene (Spaltung in ben fritifdjen tfe*
fdjauungen mufete nott)tuenbigermeife bie nun beftetjenbe 3er=
fatjrenljeit unb SSermirrung in allen feftftcljenben Gegriffen
herbeiführen. Safe bei foldjen .ßuftänben 5(lle§, fogar ba$
offenbar ©djledite, feine 23ertl)eibiger finbet, überhaupt alle unb
jebe beabfidjtigten SSortJjeife barauS gieijt, ift bie notljmenbige
golge. (Singelne feile 2ocat=331ätter ^eiligen alle§. ©eljt e§ fo
fort, fo merben felbft bie wenigen gebiegenen, bem iföaijren,
9fad)ten unb ©efetjlidjen Imlbigenben $ad)blätter nad) Verlauf
einiger Satjre feine £efer finben, tueil ©lauben unb Vertrauen
•) SBiograp^ifc^e ^oti^en bon g. 9fte§ 6. 157. 322)
322) Neudruck S. 186. — B. S. Br. No. 930 (IV. Band).
A. d. H.
— 553 —
gur Shmftf'ritif gerabe in ben Greifen frjmVatrjifirenber SOtfufif-
freunbe, benen [ie bie ^ögticf/feit iljre3 23eftet)en3 gu allermeift
verbanden, faft gang untergraben finb. 2)en aufmerffamen
^Beobachtern be<§ muficalifdjen £5arometer§ fann e§ nicfjt ferner
roerben biefen 2lm3gang mit 3uöerf^* Vorau^ufagen. Sft e§
bocr) augenfällig, bajj bie Sftufifer in corpore für Sßofjl unb
2Bef) itjrer $unft feine, ober bod) nur §u geringe Xrjettnarjme
fügten unb bemnad) in einem rt)at)rr)aft ftuviben 3nbifferenti3=
mu§ verharren, fanget an Pietät unb 53egeifterung für bie
$unft nebft geroiffenlofer Verfolgung Verfönlidjen 9^u^en§ finb
bie leitenben SftotiVe bei ben meiften, tn<§befonbere bei ber
®ünftler=9lriftofratie, biefem neuen Genus in ber ®unft. Seiber
roaren bieg bie djarafteriftifdjen Sfterfmale bei ber äftetjrgarjl §u
allen ßeiten. (©iebje Einleitung.)
23ei folgern Sßerfjältnijj ber SDinge gleichen vereinzelte
©timmen ^jirebigern in ber SSüfte. (Sine Segion 2lnber3benfenber
gafft fie fragenb an: roej^atb iljr SBarnen ober gar Sßelerjren?
Sie bem erften ©rfctjeinen biefer ©cfjrift angefügten 53eifviete,
roie S3eett)ooen feine Wn)\t Oorgetragen roiffen roollte, tjaben
baöfelbe ©d)idfal erfahren, ©ie mürben wie ein frembartigeg,
5lflen unverfiänblid)e§ ®ing angegafft, für ©rfinbungen be§
SBerfafferä erklärt unb — ignorirt. ©djon bamal£ roaren ber
laufenben ©vodje bie funftroiffenfdjaftlicfjen S3ebingungen fremb
getnorben, auf roetdjen 5iuffaffung unb S^eprobuction eines
gehaltvollen XonroerleS §unäd)ft berufen, tvie follte bie3 gegen-
märtig anberä fetjn tonnen? 9ttan fjöre bie mafjtofen, oft in
SSilbbjeit ausartenben Uebertreibungen ber Tempi in ber ©in*
fonie, im Ouartett, im £rio unb in ber ©onate unb Ijabe
Wlutf), ein marnenbeä ober belerjrenbeä 3Bort fallen ju laffen.
(£§ roäre bat)er vollfommene Verfennung ber ©egenroart,
roollte man äftütje unb 3eit anroenben, fie über itjre SSerirrungen
Vom Sßege be§ S'lectjten unb ©cfjönen ju belehren. Sn foldjen
3Sat>n roirb feiner verfallen, ber burd) eigene, Safere lang an=
bauernbe SSirffamfeit in ßeitblättern fid) enbtictj Von ber Wuiy
— 554 —
lofigfeit aHe§ j£t)un§ überzeugt fyar. ^n§befonbere merben
beriet 3uftänbe ©runb geben, einen faum ,^u befdjtDtc^tigenben
SSibermilien im ^ergen be§ 9ftanne3 gu erzeugen, ber ba§> ©lücf
genoffen, ba§ befd)eibene 9J?af$ üon Söiffen unb SSerftet)en in
©adjen, über njeldje er fürid)t, an tnat)rrjaft Ijeiliger Quelle
gefcfjöüft gu rjaben. 3)ie3 unb ber Umftanb, ba^ fid) ber Sßer^
faffer au3 bem $reunbe§treife $eett)oüen'3 nunmehr al§ ben
Seiten ber Sebenben fieijt, macfjen e§ irjm ^ur unabmeiSticfjen
$Pflid)t, biefe 3e^e" nieber^ufdjreiben unb felbe als ein nott)=
menbigeS integrum ^u be£ üfteifterS Seben§gefd)id)te §u
betrachten. ©§ foll mein Söeftreben fet)n, einem fpäteren, biet*
leid)t getftig gefammelteren 3e^ta^er m gebrängter ftür§e bie
SSebingungen unb 35orau§fet3ungen üor^utegen, meldje ein großer
£I)eit üon Q3eetl)oüen3 Ätaoiermufif ^ur SReürobuction ib,re§
eigentt)ümlicfjen @eifte§ beanfprud)t. 2)iefe3 mirb fid) atSbann
auf bie anbern (Gattungen feiner ^onbidjtungen leidjt übertragen
laffen. 2Sa§ ber erhabene 9)?eifter üermittefft be§ SBorteS in
feiner ©adje felber 31t tun beabfidjtigt, blieb au§ äufjern ©rünben
unausgeführt, unb tnaS er burd) üerfönticfjen Unterridjt mirllid)
gett)an, um menigftenS ein lebenbeS dufter fjinjuftellen, baS
mar nur für feljr turge $eit nad)t)attig. @§ mirb ber Ort
fommen, biefeö üon iljm oft §ur ©pradje gebradjten ÄlageüunfteS
ausfuhr lid) 511 ermähnen.*)
*) ©in Äfagefieb, wie $eetb,ot>en angefiimmt, barf audj ber Sßerfaffer
laut werben laufen, (üleic^e £enbenä lag aud) meinen Söeftrebungen mit
einem jutn (Srfafjen aller Gigentt)ümltd)feiten in 23eetbot>en'3 tieffier ^oefie
begabten Üalenle ju ©runb. $n einem fed)»jäb,rigen ßurfuS rourbe
biet gegeben unb ba§ ^JJeifie rid)tig begriffen, fo ba% ber 3ögling un=
besmeifelt al§ gutes SOJufter roeiten Greifen rjätte horleudjten tonnen.
3ft ber junge sDJann gteidjroot)! ein aditungSmertber Äünftler geroorben,
unb mirb er ätoeifelSorme fortan bem £>öt)eren unb £öd)fien nadjfireben,
fo bat er bod) bie SBebingung eine3 müfyeüollen Unterrichts nad) jener
<5eite t)in nid)t erfüllt. 23ar e§ Mangel an SRutb, fid) bem SSirtuofen=
©efd)led)te unb einjelnen gerabe in s-8eetbot>en'§ 9)cufit für mufiertjaft au3=
gefdjrienen Snbiötbuen entgegen ju ftetten unb trog SSiberfprüdjen, Dietleidjt
— 555 —
SSeit nun öon eigentjctnbigen 2tuf5eid)nungen be3 90?eifter§
ntd)t§, ober bod) nur roenige3 bortiegt, unb biefeä fidj bto§
auf feine äftettjobe (Stabier gu fpieten besiegt, (bie öon iimt
be§eid)nete 9?ut$antt>enbung ber Sotjn ©ramer'fd)en ©tuben) fo
bleiben mir nur ber bom 50?eifter unmittelbar erhaltene Unterricht
unb bie STrabition überhaupt al§> bittet übrig, bie jenen Abgang
erfe^en füllen. 2tber aucf) ©ort (Sgernb, ift ein mistiger
3euge in ©acfjen üon 23eetrjoben'§ (Stabiermufit". 2lud) er rjatte
fid) persönlichen Unterrict)t§ öom StReifter gu erfreuen, unb gtoar
pm SBefjufe öffentlichen Vortrages, 5. 23. be§ Es dar (SoncertS
1812, ober für ^riüat^reife. ©eine Erfahrungen biedfaltö tjat
er in feiner (I(abier=©dju(e niebergetegt, bie bor ungefähr
25 Satjren erfdjienen, feitbem aber burcfj biete anbere berbrängt
morben. Äein SJtenfd) nimmt metjr S^otig baüon. 2Iber noct)
anbere bon ber ©egenmart meift ignorirte Männer bon tjofjer
!ünftlerifd)er Sebeutung foßen angeführt tuerben, beren 2Tu§fagen
für 3eugniffe gelten, roie bie gurüdliegenbe Grpocfje, bie „ctaffifdje"
genannt, gute £D?uftf überhaupt !unftgemä§ borgetragen. @§
roirb bamit ber inbirecte 53etoei3 geliefert roerben, bafj Seett)oben'§
Tlu\\t im ©an^en roorjl ber allgemeinen 5Sortrag§norm gu
unterbieten ift, im ©pecieüen aber mefenttidje Slbroeidjungen
bebingt. 2)aJ3 biefe<S mit SSorten nur ungenügenb ober !aum
ge5eigt merben tann, §at (S. (S^ernn am angeführten Drte
mieberrjolt au3gefagt. ©ennod) ift e§ bem in Q3eetrjoben'§
Sftufif tief eingebrungenen St. 33. 90?arr, gelungen, biefe
©djroierigfeit burd) gtüdtid)e§ treffen be3 9iidjtigen in einsetnen
fogar S3erljöfjnungen, benttocf) aU 3euge für bie ber gefammten Kunfitoett
angetjörige ©adje ju fpredjen? %$ weife e§ nidjt. S)ie Hoffnung, ba§
geifttge (Jrbe bort bem grofjen SDMfter nid)t mit in'3 ©rab nehmen ju
muffen, fd^ieit nod) cor brei Sa^en eine geroiffe, nun ift fie jur Jäufdjung
geworben. 3)a§ mufj gefagt werben, um anfälligen Slnmetfungen ober
S8ornmrfen ju begegnen, al§ t)ätte id) auf »ractifdjen 5öegen uid)t§ für
bie <5ad)e getfjan. 9ftag aber aud) mit biefem Srlebnife ein Beitrag ju ben
öielertei <5d)idfafen ber 33eetf)oöen'fd)en ©iufif gegeben ferm.
— 556 —
fünften p befiegen. Sdj fcmn e§ mir ntcfjt berfagen, über
ba3 im Anfange feines SBeett)ot»en=S5ucr)e§ (begebene meine botle
SSemunberung au§zufpred)en. ©a§ muficalifcf)e sßf)iliftertf)um
unb roofjt aucf) bie meift in trodenen Sfjeoremen fid) bertierenbe
^unftpljitofoptjie merben mafjrfdjeintict) bie 9cafe barüber rümpfen
unb e§ balb bergeffen fjaben. (5§ mirb aber tto| bem befielen
bleiben nnb erft in fpäteren Sagen bie ermünfd)ten gfrüdjte
bringen, menn erft bie fjerrfdjenben Sßirrniffe im S!unftteben
befeitigt unb, fo ©ott miß, eine geläuterte (Spoctje begonnen
fjaben mirb. (£§ ift ja ber natürliche Verlauf jebeS bom ©runb-
mefen ber $unft fidj entfernenben unb auf Uebertreibung, ober
gar auf Süge unb ^peudjetei bafirenben ©ebafjrenS, bafs e3 ftct)
fetber ben STob bringt.
Seicht minber gute (Srfolge bei guten Drganifationen
merben au£ berfdjiebenen ber SJcarj'fctjen 5TnaIt)fen einzelner
Gfabiermerfe ermacfyfen, benn ber geteerte Wcann fjat fid) fluger*
meife in biefer ©ibarte meift auf nur furze Deutungen ober
Fingerzeige befdjränfr, fonad) ber ^f)antafie ber ©tubirenben
nod) ein anfetjntidjer Staum jur ©elbfttfjätigfeit berbteibt.*)
?Ina(nttfdje (Srflärungen ftnnreidjer SEonroerfe jeber ©attung
füllten fief) fretfict) in unferer 3e^ nidjt m^x auäfdjtiefefidj nur
in Südjer ober in gfadjblätter flüchten muffen, fonbern ber
claffifdjen Siteratur gteid) auf alten f)öt)eren Sef)r =
anftatten zum tebenbigen Vortrag gebracht merben.
3m 33ud)e, mie im gadjbtatt, ßinjetnen preisgegeben, tjaben
biefelben in ber 9?eget ba$ ©djidfat ber SageSliteratur, meil
fetbft 9)fttfiffreunbe Don metjrfeitiger SSübung bamit nichts
anzufangen miffen unb feitenS ber $acf)mufifer für it)re 9^u|-
anmenbung in größeren Streifen, meldje biefelben bodj betjerrfcfjen,
nidjtö gefdjiefjt.
@3 bleibt an geeigneter ©teile nod) anzuführen übrig, roa§
93eett)oben öon aufgeführten Auflegungen — im ©egenfat;e gu
*) ?0Jit Deutungen b,at 93eet^oüen ja felber Söetfptele gegeben. Sie^e
6. 149 über bie Eroica.
— 557 —
befdjeibenen Deutungen — unb llntertegung oon Silbern feiner,
überhaupt jegttdjer Snftrumentalmufif gehalten tjat. SRadtftetjenbe
SHjatfadjen merbeu bieS unfehlbar barttjun.
Unter ßettung üon Dr. (Sfyriftian Füller, (ben ber
Sefer bereits aus ber 3. ^eriobe !ennt,) beftanb in Bremen ein
„ Familien =(Soncert", baS berfelbe bereits im 3a§re 1782 ge=
grünbet f)atte. ©d)on im erften Satjräefyenb beS SafyrljunbertS
tarn 23eet£)oüen'S Gtamermufif bafelbft auf's Repertoire, bie an
ber einzigen £od)ter beS ©rünberS biefer 5lnfta(t eine tion ber
Sttufe ber Sonfunft infpirirte ©arfteflerin gefunben. SSatb
Jjatte fidj in biefem Greife ein nmljrfjafter SuItuS für SBeetljoüen'g
Wu\it fjerangebitbet, mie er in jenen Schreit, unb fetbft im
gtoeiten Sa^eftenb nodb nirgenbS in ©eutfdjtanb gu finben
mar. ©inen mefenttidjen Stntljeit baran tjatte ein junger £>id]ter,
Samens Dr. Gart S fem323) ©erfelbe Ijatte eS ftcf) §ur Auf-
gabe gemadjt, ju öerfdjiebenen Werfen Sßeetfjoüen'S ©rftärungen,
mitunter aud) bilblidje Programme, ab^ufaffen, bie öor Stuf*
füijrung beS betreffenben SBerfeS öorgetragen mürben. (5S
fdjeint faft fein 3tteife^ oafe oiefem Spanne bie @t)re ^ufornme,
ber (Srfte gemefen §u fetyn, ber ben unroiberftet)tid)en ©rang
gefüllt, feine burdj Seetfyoüen'S SJcufif ermedten btdjtertfdjen
(Smpfinbungen in foldjer SSeife funb ^u geben*). SDfofyrere t>on
biefen Ausarbeitungen fcfyidte Dr. SDtütler an unfern Sfteifter
nad) SSien, bei bem jebod) üornefymlid) bie Programme eine
entgegengefe|te SBirfung gefunben, als feine Verehrer in ber
alten §anfeftabt öermeint tjaben, benn fie maren nid)t immer
frei öon Plattheiten, minbeftenS bon Ueberfd)mäng(id)feiten, bie
ben ernften Sfteifter biSmeüen üerbittern fonnten. üftod) befinben
*) SBte Diel anbete finb feitbem in biefen SSeftrebungen bem SBremer
5)id)ter nachgefolgt?! 2Ber öermag fie aufju^len?
323) Die von Dr. Iken an Beethoven eingesandten poetischen
Darstellungen über große Tonschöpfungen des Meisters, darunter die
Symphonie in A-dur, befindet sich mit in Schindlers Beethoven- Nachlaß,
Mappe IV. A. d. H.
— 558 —
jidj im Gorrefponben-^acfjlaffe be§ greunbe§ öier folget SCuS*
arbeitungen in meinem ©eroarjrfam. (5§ fet) geftattet, au§ ber
über bie A dur=Sinfonie, roeldje SBeetljoüen in ben erften 2J?o-
naten üon 1819 gugefdjirft morben, nur eine ©teile öorjulegen;
fie üermag bie ©efüt)(e im §er§en bes 21utor§ über bie feinem
SSerfe unberfatjrene 5(ufmerffamfeit erfennen gu laffen. ©er
SBremer ?lu§(eger pijantafirt mie folgt:
„9Kir fd)ien in ber ftebenten (Sinfonie324) ein §aupt=
gebanfe §um ©runbe gu liegen. Sn einem SBotföaufftanbe,
roo ßeidjen gum 2Iufruf)r gegeben Serben, mo 2We§ burd)ein=
anber läuft unb fcfjreit, roirb ein Unfdjulbiger ober eine ^artei
umringt, nad) einem Kampfe gefeffett üor'3 ©eridjt gefd)leppt.
Sie Unfdjulb meint, ber 9iid)ter fpridjt ein t)arte§ Urteil.
£t)eilnet)menbe Stimmen, SSittroen, Sßatfen mifcfjen ftdj barein.
3m jtoeiten Sfyeile be§ erften ©afceS merben bie Parteien gteidj
— ben neuen oerroirrten Tumult oermögen bie 9tid)ter laum
gu befd)tüid)tigen. ©er tobenbe Sturm roirb unterbrüdt, aber
nictjt beruhigt, ©ingelne regen fidj in Reitern (Srmartungen,
bi£ plö^tid) bie allgemeine Stimme be§ Sßolfö entfdjeibet —
im t)armonifd)en Vereine . . . SIber nun mifd)t fiel) im legten
Sa|e 23ornet)me§ unb @emeine§ in bunter ?lu^gelaffen^eit.
©od) geigt fid) baS &ornef)me in ben 331a§=3nftrumenten immer
nod) gefonbert. Seltfam badjantifdje StottJjett in öermanbten
Slccorben — balb ba, balb bort feftgeljatten — balb auf einem
Reitern £>ügel, balb auf blumiger SSiefe, mo im fröfjtidjen äftai
alle jubelnben ftinber ber Statur in greubenllängen roetteifern
— fdjmebt ber $ßljantafie borüber."*)
*) 2)iefe poetifc^e 2Iu§gelaffenbett erinnert an eine äbnltdie über ben
Smeiten <3a£ ber ©Dnate Op. 111, ©.327.
324) Gerade die A-dur-Symphonie hat vieler Federn in Bewegung
gesetzt; es sei gestattet, meine eigene besonders ausführliche Dar-
legung in Erinnerung zu bringen; siehe des Herausgebers „Macht
Beethovens", Berlin 1903, VII. Kapitel, S. 125ff. — In Dr. Ikens Dar-
stellung sind doch manche der Wahrheit wohl entsprechende Momente.
A. d. H.
— 559 —
®S fdjeint, bofe biefe (eijteingefanbte ^Sfjantafterei bie ©ebutb
be<§ S£onbid)ter§ erfd)öpft fyatte, beim gur ^erbft^eit beffetben
SaljreS bictirte er mir gu SJiöbüng eine an Dr. Füller ge=
richtete ©rmiberung beSfaSS in bie $eber. @£ tuar §mar ein
freunbfdjaftlidjer, gleidjrooljt energischer ^Sroteft gegen @r=
Körungen unb Unteriegnngen bon Silbern feiner unb jegtidjer
SJcufif. Seetfyoben nrieä auf bie ^rrtfyümer t)in, bie baburd)
unfehlbar erzeugt toerben muffen, ©etjen ©rftärungen
notfjmenbig, fo follen fid) biefe tebiglid) auf bie
(Sljarafterifttf beö £onftütf§ im ungemeinen be*
fc^ raufen, meiere gebitbeten sJRufifern nid)t fdjroer fallen
bürfte richtig 5U geben.
SBenn aber bie ^antafie beö @rüärer§ eine ferner in
©djranfen 51t tjattenbe, mo finbet fie, fetbft in einer nur aü=
gemein gegebenen (Ef)arafter=<3d)ilberung, it)re ©renje? Dbiofe
Seifpiele bon 2(u§fd)reitungen in jüngfter ßeit gaben bem
SScrfaffer ©runb, ben Seetfyoben'fdjen ^roteft au§ bem Safyre
1819 5U Eingang beä SatyreS 1856 bermittelft ber lieber»
rtjeinifctjen 9D^uftf*3ettun9 $fr« 2) Ui Bremen aufäufudjen.
§err (Senator § er r mann 21". ©d)umad)er bafelbft beehrte
mid) unterm 9. 9Äär$ beffetben öafjrä mit einer umftänbttdjen
5lu§einanberfet$ung über bie Sermenbung be§ titerarifdjen ÜJcad)=
laffeS bon Dr. ßt). SOcüüer. 21(3 gmeitnadjgefofgter £eftamentö=
(Sjecutor be3 1849 beworbenen $räu(ein3 (Stife Mütter,
£od)ter be§ eben genannten, toufete ber §err (Senator gu melben,
ba^ fdjon mäfjrenb ber 9lmt3t)anbtung feinet SorgängerS in
biefer ©ad)e, be3 Senators Sfen, (Sruber be3 in Tübingen
berftorbenen ©id)ter3 Dr. (S. Sfen) über bie „reiche" Gorrefbon-
beng bigponirt tborben. £)odj berfprad) er in Setreff ber
£3eett)ooen'fd)en ßorrefponbeng — bie fid) nitf)t blo3 auf jenen
^roteft befdjränft — roeitere 9cad)forfd)ungen madjen flu motten,
äftöge fid) biefeä ©djriftftüd auffinben laffen, benn e3 ift —
mie e§ meiner Erinnerung nod) beuttid) borfdnoebt — an fid)
ein preeiöfeä ©ocument, für unfere in Ueberfd)tt>ängtid)teiten
— 560 —
fo Ijäufig auSartenbe (Spodje aber nod) inSbefonbere tiort
2Sid)tigfeit. @3 tiefee fidj bamit ein t)oc)er Stamm bagegen
aufrichten.325)
Sn ber britten ^eriobe mürbe bon ber 9Ibfid)t Q3eett)0üen'§
gefprodjen, eine neue §erau3gabe feiner (Elaoiermufif §u ö.er=
auftauen, unb ^roar in $otge Anregung be§ SDtfuftfuerlegerä
<poffmeifter in Seip^ig. ®ie in ba$ Safjr 1816 fallenben Unter*
tjanblungen finb bort nad) bem SBorttaut eines uortjanbenen
53riefe§ non bem ^u 9^atfje gezogenen intern ©iabelli augfürjrlict)
mitgeteilt. 91uf3er bem materiellen ^unete lag biefer 91bfid)t
nod) eine geiftige Sftötfjigung gum ©runbe, nämfidj: bie öer-
fdjiebenen 28er ten innemofjnenbe poetifdje Sbee*) anzugeben,
öon melier ftcf) ber Xonbid)ter leiten liefe, ©aburdj foüte ba3
richtige Serftänbnife be§ Sßerfeä ermöglicht werben. 3n §infid)t
aber auf richtigen Vortrag ber fiel) baburdj eröffneten Intention
mar nod) meit met)r gu tf)un, al3 bem leiblichen 2Iuge an^u-
*) ©iefer SerminuS gehört SSeetfjoben'ä ßpodje an unb nmibe Don
tfjm eben fo oft gebraust, wie anbete, j. 93. „poettfdjer Snljalt", — im
©egenfajje ju Söerfen, au§ benen nut ein Ijarmonifdj unb rfyßttmüfd) roobt=
georbneteS Sonfpiel etflingt. Sleftbetifer uufeter 2age eifetn gegen leiteten
SerminuS; mit ©runb, menn fie felben auf 93rogramm=$)hifif besiegen,
obne ©tunb, mmn fie if>re Negation aud) auf alle Seetbooen'fdje SJJufif
au§bebnen unb ifjr poettfdjen ^nfialt abfpredjen. Söoher foDte raofjt bie fo
häufig fid) fnnbgegebene Anregung unb Sufi ju btlblidjer (Srflärung, über*
haupt ju Stillegung ber 93eetb>üen'fd)en Sinfonien unb Sonaten fommen,
menn biefelben ntd)t§ al§ ein blo§ rjarmonifd) unb rbütbrnifd) it>of)lgeorbnete3
Sonfpiet enthielten, roenn ihnen — roenigfien§ einzelnen batunter — feine
befonbere ^bee ju ©runbe läge?! 23ei weldiem (Somponiften gewahrt man
foldje, na^eju untr>iberfte{jlid)e Suft mieber?326)
325) Bis jetzt hat sich von der Bremer Korrespondenz zwischen
Dr. Müller, Vater und Tochter Elise, Dr. Iken und Beethoven noch
nichts aufgefunden. A. d H.
326) Dies ist vortrefflich gesagt, Herr A. Seh. A. d. H.
— 561 —
flauen oorüegt. 2)er 9Jceifter mnfjte eine aa§füt)rlid)e 9Jcetr)obe
über bie Söeljanbtung be§ 3nftrumcnt§ oorau§fd)tden, (nur nriffen
au§ bem früher mitgeteilten Briefe oon Dr.$ert)arb oon Q3reaning,
ba£ bie Stbfaffung einer (£taoier=©d)u(e auef) in feiner SC6fid£)t
gelegen, bie oon allen anbern abroeietjenb geroefen wäre,) er
mufjte ferner feine ©ranbfätse über bie 33et)anb(ung be3 mannig=
fachen ibealen SnljattS im Mgemeinen unb ©peciellen Oor=
legen. SSermittetft feineö 8erjrfal3e§ in öe^ug anf ben Vortrag
im ungemeinen, ber fiel) in nacfjfterjenber SBetfc formuliren täfjt:
„©teidjnrie ber *£)id)ter feinen Monolog ober ©iatog in
einem beftimmt fortfdjreitenben S^rjtjttj rrtu§ t)ä(t, ber
'Sedamator aber bennod) ;$u fidjerem SBerftänbnifj be§
©inneö ©infdjnitte unb 9tut)epuncte fogar an ©teilen
machen mu|, wo ber ©icfjter fte buret) feine Snter*
Function anzeigen burfte, eben fo ift biefe 2lrt $u
beetamiren in ber 9J?ufif antoenbbar unb mobificirt
fiel) nur mit ber gafjl ber ein Sßert 2tu§fürjrenben," —
mit biefem Setjrfa^e, fage id), orme erläuternbe Öeifpiete ift für
bie ©adje fo gut al§ nid)t§ getfyan. £)enn ergebt fid) ba§> Stirifdj*
^ßatt)eti|d)e in 93eetf)oOen'3 (Sonaten ftelfemoeife fogar bi§
ptn 9tt)etorifd)en, fo toirb fid) folgerest aud) ber SluSbrucf
über baS 2)eclamatorifd)e ergeben muffen. @S mirb fid) bem=
nad) eine SJarftettungSloeife ergeben, oermittelft ttetdjer aud) otjne
ba% mitroirfenbc SBort ber (Schein ber Äunftroafjrljett erreicht
»erben fann. @3 unterfdjetbet fid) ba§ tRtjetorifdje im muft=
catiferjen 2lu3brude oon ber ©eclamation tote bie 9xebner!nnft
oon ber SRebefunft. STactf rett)eit mit tiefer (Stnfidjt in ben
befonbern ©inn fotdjer ©teilen ift bie erfte Söebingung be§
SSortragg in beiben Kategorien.
3»ei ber prägnanteren 23eifpiele, bie in biefe Kategorie
gehören, »erben bem t)öt)er gebUbeten SDcufifer oljne ßtoeifet ben
©djlüffet §um SBerftänbntjj ber &ad)t üor 5tugen legen. S)a§
eine ift ber ©eitenfatj in Es dur au§ bem finale ber C moll=
©onate, Op. 10:
St. ©äjtnbterS S3cetfjoüen=93togtaj)ijtc. 3ß
562 —
fl i J J IV
StRit bem gortiffimo im fünften Xacte tritt mieber ba§ fefte
3eitmaJ3 ein. &er Scitenfat> aber in C dur im groeiten £{jeit
beffetben $inate gehört feiner Tonart megen nid)t in biefelbe
Kategorie, wirb fofglict) nidjt mit fo Ijodj gefteigertem *ßatt|o§
öoräutragen fetyn, gteicr)ruot)t otjne STactätr-ang. 2)ie <Sd)attirung
bleibt betbemal bem Sßortragenben überlaffen. 3)ie Sßetoegung
hrirb ber tunftterifdje ^erftanb bictiren.
£)as anbere biefer Seifpiete ift bie gcfyeimniftbergenbe ©teile
im erften <2ai3e ber D moll=<3onate, Op. 31:
SIT
ü^=W-5=5=^g
Sftarr, Ijat biefe tuunberbare ©teile gteid)faü3 fferüorgeljobcrt
unb bemerft: „ . . . bon n?o er (ber (Seiten fafc) ingrimmig g(eictj=
fam fjinab fic£> fdrttnngt ju jenen 93cad)tfdi(ägen, bie nur bei
bebeutenbem 3ur"cf^atten §u ö oller ÜESirfung fommen. S5er=
weiten unb ®raft gebütjren am SQtoften bem erften auftreten,
gcmilbert mirb ber @ebanfe beim erften Shiffdjritt in bie tjörjere
Dctaüe, bie Setoegung mirb gleicher, ungefähr im Wlafo be§
§auötfafceS, bi§ §um ©djlufc in A moll." XLVII.827)
©er mit bem fünft lerifdjen Vortrage bereits Vertraute
mirb mit biefer SBeifung an i)a§> ©tubium biefer aller =
fdjmierigften (Stelle in ber gangen ©onate gefjen unb bieUeid)t
9M)tige3 erftreben. ©djmanfenb, unruhig ift bie 33eft)egung, im
Stuffteigen etmaö präcipitirenb, im ^üdgefjen etina§ ritarbirenb,
feineSfaüö fd)(eppenb, im ©anjen leibenfdjafttid) erregt; erft mit
327) Die Stelle ist in Marx-Behnckes Anleitung zum Vortrag
Beethovenscher Klavierwerke, IL Aufl., S. 126—127 enthalten. A. d. H.
— 563 —
bem 15. Sactc wirb bem 9TuSbrude beS Seibenfdjafttidjen ootle
greitjeit gegeben, baS SWegro fommt wieber 5ur (Mtung.
©in anberer @runb 51t einer neuen Verausgabe ber (Staöier*
mufif roar burcfj bie bis barjin erreichte 2(uSberjnung ber ßtabiatur
gegeben, benn fcfjon mar biefe feit bereits ^etju bis gtoölf Sauren
bis in bie oiergeftridjene Dctatie erweitert.
$8iS einfcfj(ief$(id) ber brei (Sonaten, Op. 31, (beSgteidjen
bie um mehrere 3a§re nad) irjrer (Sntfteljung Oeröffenttidjte
©onate, Op. 54,) bewegt fid) bie SSeetrjooen'fcfje ßtaoiermufif
in bem engen 9\aum üon nur fünf Dctaoen. 3SMdje §inber=
niffe §u beabfidjtigter, aber audj regelrechter ?tuSfüfjrung mancher
©teilen fid) bem (Eomponiften entgegengefteltt, erfietjt man %. 23.
in ber ©onate C dur, Op. 2, (bie Sßaffage im erften ©aij mit
auffteigenben Cctaüen, £act 4); ferner in ber «Sonate D dur,
Op. 10, (ber unterbrochene Dctaoengang am ©djtufj beS erften
©at^eS erften SrjeilS üor bem SInljange, reo bem (Somüoniften
fis, gis unb a ber breigeftridjenen Dctatie gefegt; beSgleidjen
wieber im ^weiten Xljeü ber unterbrodjene cfjromatifcfje @ang,
ber bis gum breigeftricfjenen a aufzeigen foll,) u. f. f. 2Bie
nad) ber §örje, fo nad) ber £iefe. Studj in teuerem Sereidje
fiubet fief) £nnberni)3 an £)inbermJ3. @S erWeifet fid), ba^ in
nieten Kerlen nidjt eine l^adjrjütfe bfoS mit wenigen 9coten
SBebürfnifj ift, fonbern gan-je ©teilen umgefdjrieben Werben
muffen, ein ©efcfjäft wichtiger nodj bei ben öielftimmigen SSerfen,
bei Soncerten unb anbern, als bei ben ©onaten für ^ßianoforte
atiein.
©urd) welche Sntriguen biefe beabfidjtigte Verausgabe 1816
hintertrieben Würben, ift am angeführten Drte auSfütjrüd) mit*
getrjeüt.
Sm Safyre 1823 ift biefeS §erauSgabe=^3roject, baS einige
3eit oorrjer ein gweiteS ©Reitern mit einer SSieuer 23ertagS=
Ijanblung erfahren, (biefetbe, bie baS erfte rjerbeigefütjrt) neuer*
bingS aufgetaudjt, unb groar gumeift auf Anregung bon 5InbreaS
©treid)er. üftadjbem in ber 3. ^eriobe fowot)I über biefeS
36*
— 564 —
©Reitern, tüte audj 'über ba§ Sföieberauftauctjen be§ ^rojectS
auSffiljrßdj gefprodjen morben, fo bleibt Ijier nur nod) gu er-
gänzen, baf; ftd) ba§ Sßroject nun auf bie ©efammttiteratur
be§ Sfteifterä erftreden foUte. 51nbet ift nod) ein befonbere3
9lcciben§ an^ufüfjren, nämtid), bafj 23eetf)oöen bei. biefer neuer*
tidjen SSerrjanbtung fidj üernetjmen liefe, toie er nadjgebacfjt f)abe,
06 nid)t §u (Srgtetung größerer (Sinfjeit einige ber öier=
fähigen ©onaten att§ früherer ßeit, in roetdjer bie 23ietfä£igteit
nur angenommener 33rauct) mar, in breifätüge umgutöanbeln
fetjcn. ffllit 23eftimmtl)ett rjatte er ftd) aber nur für (Entfernung
be§ ©crjerjo Megro au§ ber t)oct)patc)etr)tf(^en (Sonate C moll
mit Biotine, Op. 30, afö mit bem ßfyarafter be§ ©an^en im
SBiberfpruct), erflärt. @egen biefen ©at$ mar er ftetS unb rtetf)
if)n au§ öorftetjenbem ©runbe meg^utaffen. 9ßäre bie §erau§=
ga6e je %u «Staub getommen, fo märe tiie(leid)t eine Heine
2(n§af)t „üerabfdjiebeter" ©djerjo'ä, 3lllegro'§ unb ätfenuett'ä
abgefonbert erfdjienen. Snbefj blieb biefe 5lbfid)t in unferm
Greife rticfjt o^ne 5Infedjtung, benn Seber Ijatte unter ben
©djeräo'ä u. f. tu. feine Sieblinge, barttm er fte öon ber lange
behaupteten ©teile ntct)t entfernt miffen moltte. ©er 3J?eifter
bermieS jebod) an bie brcifätjigen ©onaten, Op. 10 C moll,
Op. 13, Op. 14, Op. 31, 9?ro. 1 unb 2, Op. 57, unb anbere
nod). Sie legten meljrfäfttgen ©onaten, Op. 106 unb 110,
ftnb mefenttid) anberS gu beurteilen, al§ bie meiften ber öoraue=
gegangenen.
©ollte ettua ber (Sinrourf gemad)t merben: roenn S5eett)oOen
einige ©d)er5o'3 unb äftenttett'ö auf ©runb ber 23eeinträd)ttgung
ber djarafteriftifdjen Einheit au§ ben ©onaten rjabe entfernen
motlett, marutn nicfjt @teid)e3 au§ ben Quartetten, Quintetten,
11. f. f.? ©otdjer (Sinmurf läfjt fiel) beautmorten mit ben in
Dielen ©onaten gefdjilberten ©eelen^uftänben; fie allein behaupten
ben ©tanbpunet mal)rt)after £)id)tungen, fte allein finb ©eelen*
gemälbe in be^ 2Borte§ eigentlidjem ©intte, fofgtid) in entere
iKarjmeit eirtjitfctjließen, at3 jebe anbere ©attung, bie in ©efett*
— 565 —
fdjaft ausgeführt toirb. Sftit ber (Sonate fonbert fid) ber greunb
muftcatifdjer $>oefie bon jeber äußern ©intuirlung ober (Störung
auf feine ©efütjte ab, unb befinbet fid) gteidifam mit feinem
tfjeuerften greunbe (ober greunbin) allein; follte er ba$ SSerf
gteid)tt>ot)l mangelhaft bem äußern £)t)r bermittetn, ba§ Df)r ber
©eete t)ört e£ anberS unb bie burdj SEöne unb Harmonien
ermecfte ^tjantafie berbeffert ba§> tedjnifdj SBerfefjlte. 2)ie (Sonate
bermag Oor alten bie Seele §u magrer 2lnbad)t gu ftimmen unb
oft bi§ §um Gebete gu ergeben.*) ©arum fteflen fiel) in if)r
bie formellen Stnforberungen anberS, afö in Sßerfen, bie im
Greife bon bieten genoffen merben.
@§ bebarf feiner $8erftdjerung, ba^ fid) 23eett)oben Oon ber
■Sftotjjroenbigfeit ber Sßerbefferung in fo bieten Sßerfen gern
überzeugen liefe, bodj ftellte er mancherlei Söebenfen gegenüber,
an beren Sbi|e ber 9?efbect üor bem (Sigentf)um3red)te ber
Verleger ftanb. Uebertjaupt liefe e§ feine allzeit bemiefene Un=
fd)lüffigfeit328) aud) bei biefer Gelegenheit an faft linbifdjen
gtoeifetn über ba§> Gelingen iridjt fetjten, (entere gumeift auf
@runb ber faft gänjlidjen Entfernung feiner Glabierroerfe bom
üxepertoire. Su biefem llmftanbe finben fiel) bie befonbern
Sftotibe beS 3erfQöenö mit feiner geit, baljer aud) be§ 51t geringen
SSertrauenS gu berfelben. 2113 nun gar fein 33ruber mit einem
neuen ^ßlan bagnrifdjen trat, unb bem 9J?eifter bie @elbft=
Verausgabe fämmtlidjer SSerfe mit einem nodj oiel gröfeeren
*) %n ber beifptellofen SSerbrettung ber 33eetbotoen'fd)en Sonaten
moöon am ©bluffe biefeä %t)tite§ eine Iteberficrjt gegeben roirb, erfebeint
boef) rcof)l eine inbtrecte 23efväfttgung, toeldje ®ien(te in obigem Sinne
biefelben utetteiebt Saufenben lei[ten.
328) Schindler ist hiermit an einen sehr heiklen Punkt seiner
Ästhetik in Beethoven angelangt: die formelle und gedankliche Um-
gestaltung Beethovenscher Tonschöpfungen. Danken wir Gott und
Beethovens sogenannter „Unschlüssigkeit", daß es zu keiner derartigen
Neuherausgabe der Klaviersonaten und anderer Werke gekommen ist !
A. d. H.
— 566 —
als bem Don ©treicfjer berechneten @eminn in ben ®opf gefegt
tjatte, ba ftieg bie $8ermirmng batb aufS £)öd)fte.
Äur^, baS lang unb biet besprochene ^ßroject tft an 51t
Dielen flippen abermals gefdjeitert unb als unfer SDZeifter
mieber befonnenen 91nmerlnngen ©eljör gefcfjenft, mar eS in
feinem £opfe fammt allen baran fjängenben STaufenben bon
©ilbermünjen bereits auf fernere Siage berfdjoben, benn fctjon
mar bie ©enefiS ber 9. ©infonie an beffen ©teile getreten.
(SS fjalf bem greunbe ©treidjer nid)tS, baffelbe 1824 abermals
anf'S £apet 31t bringen. 3ur 8e^ Ratten bereits bie fcr)meict)e(=
fyaften 5tnerbietungen beS dürften ©atitün feinen ©inn ein*
genommen unb fct)on mar er mit Ausarbeitung beS erften für
il)n beftimmten Quartetts befdjäftigt. (Srft 1826 fanb er
mieber $eit, an biefeS ^Sroject §u benfen unb ber 9ftufif£)anblung
<Sd)ott in SD?ain§ ben Verlag fämmtlid)er SBerfe anzutragen.
<pören mir itjre ©rmiberung bom 28. 9cobember beffelben 8af)reS,
bie borliegt: „2Ba§ ben Verlag fämmtlidjer SBerfe anlangt, fo
tonnen mir jetst nod) feinen @ntfd)lu§ faffen, inbem mir nod)
für anbere ^erbinblid)feiten eine freie $eit nöttjig tjaben." — 329)
@S fet) nun aber biefeS burd) Oolle geljn Satire ftdj fort*
fpinnenbe (Sapitel beS §erauSgabe=s$rojectS mit ber $erftd)erung
gefcljtoffen, bafj ber grofje 9)ceifter mit biefer Sbee unb ifjrer
2fuSfüt)rung §u ©rabe gegangen. £>iefe Vorgänge geigen augen=
fd)einlid) unb gugteid; in betrübenber Sßeife, maS eS bei Söeet*
fjoben Ijiefj, einen ©ntfdjtufs faffen unb Ujn ausführen. Sie
unauft)örlid)en 53eredjnungen unb barüber gepflogenen 33erf)anb=
lungen mit feinen 9ted)enmeiftern, mof)t aud) ber unmiberfteljüdje
©rang 5U neuen ©djöpfungen, ber üjm jeben 9vüdbtid auf
bereits S?orf)anbeneS erfct)merte, mürben bielfeidjt nad) abermals
,^et)n Sauren baS §erauSgabe=^3roject ju feinem ermünfc^ten
3iele geförbert fjabcn. SaS eingig $otgemid)tige, maS für uns
329) Cf. B. S. Br. vom September 1826, No. 1186 (V. Band), worin
Beethoven seine Verleger B. Schotts Söhne bittet, „die Herausgabe
seiner sämtlichen Werke zu beschleunigen". A. d. H.
— 567 —
^tjeittjaber ctu§ ben bietfadjen ©rmägungen, (Sinmürfen unb
groeifeln biefeä anbern Fabius cunctator330) ermudjfen, beftanb
in ben oft intereffanten Steuerungen über einzelne feiner 2£erfe,
ober über eingetne ©teilen. 253ot)l barf e§ at§ ein bebeutfame§
9J?ißgefrf)icf 6e§eict)net toerben, hak mir Uebertebenbe mä) bem
£obe be§ 2fteifter§ atSbalb au§einanber geftoben mürben, beoor
ein gemeinfct)aftlicr) beabfid)tigte3 Unternehmen im Sntereffe ber
(Elaüiermufif: begonnen merben tonnte, mie im Slntjange gur
3. sßeriobe bereite angebeutet morben. Unb ein $euge fyQt
menig ober gor feine ©ettung. S)arum ftetjt fic£) biefer gegen*
märtig bemüßigt in ber betreffenben ©ac£)e meit au§guf)oten,
ba im anbern gatte ba$ @i be§ SotumbuS als OofttiOeä Seifpiet
für alle Mitarbeiter gebient fja&en mürbe.
IL
Sie in jebem öetradjte midjtigfte unb fettenfte (£igenf)eit
unfer3 £onbid)ter3 beftanb barin, ftcf) burd) eine Sbee entmeber
am§ ber 9?atur ober au§> einem ©ebidjte, fofern biefelbe auf
feine ^tjantafie einen tiefen (Siubrud gemacht, gu einer (Som=
pofition anregen, ober gang oon itjr leiten gu taffen unb
biefe allgeit in fefte, beftimmt ausgeprägte formen gu bringen,
bie mit bem tjerfömmticEjen, aber aud) unter einanber, menig
gemein f)aben. üßefetjen mir uns ben erften ©a*5 feiner erften
©onate in F moll in feinem gormmefen, mie üerfdjieben ift
biefeS öon bem be3 erften ©atje§ ber ©onate in Es dur, Op. 7!
Söie üerfdjieben biefe3 mieber bon ben erften ©ä|en ber ©onate
in C moll, Op. 10, ber Pathetique, Op. 13, u. f. f. bi§ gu
ben munberbaren Snfpirationen in ben ©onaten Op. 57 (F moll),
330) Heil uns, daß wir einen solchen Fabius Cunctator erhalten
haben, der seine abgeschlossenen Werke nicht selbst verstümmeln
wollte. Am Ende hätten wir gar noch in Beethoven einen Heauton-
timorumenon bekommen! Es war der höchst geniale Instinkt, der
unsern Meister davor bewahrte. A. d. H.
— 568 —
Op. 90 (E moll), Op. 101 (A dur) imb fo big gur testen!
Ueberatt anber§, unb bod) fütjrt un§ ber 9D?eifter in feinem
$ormenau§brutfe einen fo feften, fixeren 2öeg, bafe roenig
^ßfjantafte erforberlid) mirb, falte nur ber Vortrag bem Snljalte
angemeffen ift, ben gaben ber ©idjtung feinen 2lugenbfid §u
verlieren. SBer im ©taube ift, bem $ormmefen in ben 33eet=
^ooen'fdjen ©onaten big auf ben ©runb nacf^ugeljen, mirb gur
Ueber^eugung fommen, baf; in fotdjem 23etrad)te feine anbere
SDtufif berfelben ©attung mit jener einen Vergleich, aushalten
fann; bort ift ba% Slufjerorbenttidjfte geleiftet unb al§ muftcalifd)e
^Soefie au3gefprod)en. 3®enn batjer Don (Srfd)öpfung ber
formen burd) 23eetf)ot>en bie Siebe, fo fann biefe fjauptfädjtid)
nur in ben ©onaten it)re 93egrünbung finben. £>a§ lieber»
f d) r e i t e n biefeS Nee plus ultra liegt in einigen ©äßen fetner
legten Cuartette uor Slugen.331) %n ben be^eidjneten ©onaten,
aber aud) in anbern nod), finbet fid) ber muficatifd)e
©f)afe§peare — um 5Imab. 3Benbt'3 S8ergteid) §u gebrauchen
— ber gu allermeift f)ierin ben tiefften Slbgrunb be§ fämpfenben
^pergenS, roie ben füfjen SiebeSjauber be3 unfd)utbigften ©e-
mütt)e§, ben fjerbften, tiefften ©d)mer§, mie ba§> t)immelf)od) auf»
jaud^enbe (Sntjücfen, tteffinnigen ©ruft unb feurige ©djmärmerei,
ba§> (Srfjabenfte, mie ba§ Siebtidjfte in £önen gefd)ilbert unb
au^gefprodjen t)at. (£<§ bürfte eben fein großes 3Sageftüd ju
nennen fet)n, bie ©arfteltung biefer ©onaten, balb in alten,
balb nur in einsetnen ©ätjen, mit ber ©d)tt)ierigfeit einjelner
in ben ©fjafeSpeare'fdjen ®ramen tjeroortretenben ©tjaractere
in parallele 51t fteHen, tuenn unfer 3tugenmerf, mie e§ gefc^efjen
fott, auf (Srgrünbung ber Snnerlidjfeit unb itjre fogifcfcridjtige
5lu§einanberfet$ung geridjtet mirb. 2öie bei ©f)afe§peare bie
meiften ©cfjaufpieler nur ba$ 28ort, nietjt aber ben ©eift er=
faffen, fo begreifen bie ÜJJtuftfer bei 93eetfjoüen'§ ©onaten if)re
331) Das ist bereits rektifiziert worden! Cf. hier die An-
merkungen 230, 237 und öfters noch, besonders No. 240 mit Zitaten
aus Schumann. A. d. H.
— 569 —
Aufgabe einzig unb allein oon ber ted) nifdjen (Seite, toeil tueber
in itjrem $opfe nod) in it)rem bergen bie Mittel gu finben, fict)
ben'SSeg in biefe liefen §u batjnen.*)
$erbinanb S^ieS fagt in feinen Zotigen, <S. 77 :332)
„23eett)oöen backte fid) bei feinen (Sompofitionen oft einen be*
ftimmten ©egenftanb." 2)iefe SSorte »erben nad) bem t)ier
23orau3gefd)idten $u interpretiren fetjn.
SinbrinaKdjer nnb fafcüdjer erflärt fief) (Sart ©jernt) im
2. (Sapitel be§ 4. 3;tjette§ feiner Gtabierfdjute <S. 62, als er
über (Stjarafter nnb Vortrag ber (Sonate in F moll, Op. 57,
fpridjt. ©r äufeert fidf> t „9J?ag fid) SBeetfjouen (ber fo gerne
üftaturfeenen fd)i(berte) babei oielleidjt ba§ SBogen be3 9J?eere§ in
ftürmifdjer üftacfjt gebadjt tjaben, mätjrenb oon gerne ein ^ütferuf
ertönt, immer fann ein foldje§ 23üb bem (Spieler eine angemeffene
Sbee pm richtigen Vortrag biefeS großen XongemälbeS geben. @§
ift getorB, baf? 53eett)oOen fid) &u bieten feiner fdjönften SSerte
burd) ärjnlidje, au3 ber Seetüre ober au§ ber eigenen regen
^fyantafie gefdjöpfte Sßifionen unb Silber begeifterte, unb ba^
mir ben magren <Sd)lüffet 31t feinen (Sompofttionen unb $u
bereu Vortrage nur burdj bie fidjere tantnifc biefer llmftänbe
ermatten mürben, menn biefeS nod) überall mögtid) märe."
Sn einer Sxanbnote bemerft 6. (ü^ernt) f)ier§u: „@r (39eet=
fjoüeu) mar hierüber nidjt gerne mittfjeitfam; aber bod) bi§=
meilen, bei bertrautidjer Saune. (So 3. 55. lam itjm bie Sbee
beS Slbagio in E dur, (im Sßiotin=Quartett, Op. 59, 9?o. 2)
al§ er einmal 9?ad)t3 lange ben geftirnten §immel betrachtete
*) 9Jhtfifern unb SJiufiffreunben, beten Sopf unb ^erj nod) gefunb
finb, ift ba% GTapitel: Mgemeine Sluffaffung be§ SSerfeS" im 9Inb>nge be§
9Karj'fd)en $8ud)e§ ganj befonber§ ju empfehlen. SBirtuofen aber mobernen
©d)lage§ ift barin ein «Spiegel ihjeS £reiben§, roie aud) ib>er Unrotffenfyeit
unb Unbilbung toorgetjalten. SSie Wax% ferner im Sapitel: „$er 5lnfprud)
auf Sedjnif" bie ©onaten Op. 2 naefj Op. 13, Op. 7 narf) 28, Op. 57
nad) 110, Op. 53 nad) 109, u. f. f. fieHr, jeugt öon feinem au&ergeroöfjn*
Iidjen ©tubium aüer biefer ewigen ^oefien.
332) Neudruck S. 92 f. A. d. H.
— 570 —
unb an bie Harmonie ber ©paaren backte. 3« feiner 7. ©in*
fonie in A dur mürbe er burdj bie (Sreigniffe ber Safyre 1813
unb 1814 angeregt (roie §ur ©d)(ad)t Don SSittoria.) 5lber er
mußte, ba^ bie SRufil nidjt immer Don bem §örer fo unbefangen
gefüllt mirb, ' menn ein beftimmt au£gefprod)ener Qwed Deren
(5tnbilbung3fraft fd)on Dorauä feffelt."
9D?it ber Anregung in 93e§ug auf bie genannte ©infonie
befinbet fid) (E^ernt) im Srrtfjum, meü ba§> 3Serf bereite Dor
beginn ber grofjen (Sreigniffe 1813 faft Dollenbet mar. Sind)
finöet ftdj barin nid)t ber teifefte Wnffang Dom Sfyarafter einer
friegerifdjen SJhtftL 9ctd)t minber batirt bie $bee §ur <Scf»ratf)t
Don S5ittorta, meldte aHerbingS 1813 getrieben morben, meiter
gurüd, tüte au3 Seetf)oUen'§ £)epofttion in ber ^ro^eüfadje mit
Waätfl §u fdjlieften tft 2>ort fagt er: ,,3d) tjatte fdjon Dotier
bie Sbee gu einer ©d)fad)t gefaxt" u. f. m.
GineS Xage§, aU id) bem Weifter ben tiefen (Sinbrud ge=
fd)i(bert, ben bie Sonaten in D moll unb F moll (Op. 31
unb 57) in ber Serfammtung bei S. (^ernt) t)erDorgebrad)t unb
er in guter «Stimmung mar, bat id) ifyn, mir ben ©cfjtüffet gu
biefen ©onaten 31t geben. (Sr ermiberte: „ßefen ©ie nur
©f)afe*peare'§ ©türm." ©ort atfo fotl er $u finben fetin; aber
an meldjer ©teile? ^rager, lefe, ratfye unb erratfje! Gingeljenber
miüfafjrte er meiner Sitte in Setreff beS Sargo in ber ©onate
D dur, Op. 10. ©r äufserte fid) bat)in, haft bie ßeit, in meldjer
er bie meiften ©onaten gefdjrieben, poetifdjer (finniger?) getuefen,
alz bie gegenmärtige (1823), baf)er Angaben ber Sbee nid)t
rtött)ig maren. Sebermann, fufjr er fort, füllte au§ biefem Sargo
ben gefd)itberten ©eelenjuftanb eineö 9JMand)otifd)en f)erau$ mit
allen ben Derfd)iebenen Nuancen Don ßtcfjt unb ©djatten im
Silbe ber 2)Mand)otie, fo mie ^ebermann in ben gmei ©onaten,
Op. 14, ben ©treit 3tüifd)en §toei ^rincipen in biatogifdjer gorm
erfannt f)at, oljne 9luf[djrift, u. f. m.
(Wav£ unterjieljt ba§> über biefe beiben ©onaten in ben
rüderen 2tu§gaben eingeführte einer ®ritif — (I, 157 ff.) —
— 571 —
unb trifft unbeameifett ba$ 9tid)tige bamit. ©3 ift aber entgegen
§u Ratten, tüte menig nod) in jener ©podje bie funftäftf)etifd)en
Segriffe feftgeftellt maren, batjer nur gu oft ein quid pro quo
gebraucht morben. 3ft bodj bie Sleftfjetif als SBiffenfdjaft nodj
gar fefyr jung. So Oerftanb 5. 35. Seetfpben unter „principe"
nid)t <pauptftimmen, mie Sttarr, ba3 SSort überfefct, fonbern
©egenfätje. ®emnad) bürfte aud) feine anbere ^Benennung
„Dialog, btafogifcffe gorm" öerftänblicf) uub mol)t aud) 51t redjt*
fertigen fetin. ©djärfer ausgeprägte ©egenfätje (Sßringipe), al§
beibe (Sonaten unter Op. 14, meifet bie Sonate in C moll, Op. 10,
auf, (barum fie §u ben alterfdjmierigften in ber SiuSfüljrung
jäljlt), allein biefe finb Weniger leid)t als Söeifpiete 5ur ©rflärung
•$u bienen, a(§ jene. Heber biefe C moll (Sonate fid) einiger*
mafjett genügenb §u erflären, bebarf e§ einer Slbtjanbtung. Unb
boctj mirb fie gemötjnlid) nur §u ben „flehten" geftellt!)
£>b 23eett)otien foldje Ueberfdjriften mirftid) fetber ber Oeffent*
lidjfeit übergeben fjaben mürbe, tote er fie im $reunbe£freife au§-
gefprodjen, ftet)t bat)in, unb bejietjt fid) ber SBerfaffcr bieSfatbo
auf ba§ Seite 150 biefeS 93utf)e§ Stngefütjrte. 2Rit ©runb
fagt alfo ©sernti, ber langjährige 23eobad)ter be§ großen 9J?eifter3,
mie biefer mof)t begriffen, ba^ bie ÜEtfufit nid)t immer üon ben
^örern unbefangen gefügt merbe, menn ein beftimmt au§=
gefprod)ener 3med beren ©inbilbungSfraft fd)on tiorauS feffett.
©<3 mürbe barum mofjt fcljmere 93ebenfen bei ber beabfid)tigten
Singabc ber #eit=3bee gefoftet Ijaben. Sebod) nidjt unmaljr=
fdjeintid), bau biefetben bei einigen Söerfen, ober nur Sätzen,
fid) tjätten befiegen laffen. Smmerljin bleibt e3 ju bebauern,
ba£ oon bem 33eabfid)tigten nidjtS gur S£f>at geworben.
Stuffallen mufj bie Säfu'gfeit ber Sfteifier ber etaffifdjen
©podje in Se^iefjung auf gu gebenbe (Erläuterungen, menn e§
nid)t baS 2ed)nifd)e betroffen. ©0 aud) ©lerne nti mit feiner
Sonate „Didone abbandonata, Scena tragica." ©r tjat aber
nict)t minber mie 53eett)ouen auf bie Sntelligenä feiner Qdt 9es
redjnet, ba£ man folglid) feine Intentionen unfehlbar erraten
— 572 —
treibe. $n erfreulidjer, aber aud) fet)r beleljrenber SBeife f>at fie
griebridj 9^ocf)tiö au§ bem SSerfe fjerauSgelefen unb in feiner
fritifd)en 2lbt)anblung auSeinanber gefegt. 9ltlg. Üftuf. 3*9- 1822,
©. 631 ff. ©anj richtig bemerft ber ^ritifer im (Eingange:
„(Sine tragifdje Scene ift fte in ber Xljat, unb gtoar eine fo ffar
gebaute unb fo beftimmt auSgebrüdte, haft e§ gar nidjt fcrjroer
fällt — nict)t ettoa nur bei jebem ^muptfafee, fonbern aud) bei
jebem £)aupttf)eile eine§ foldjen — ben Verlauf medjfelnber ©e=
füfjle, ber tjier entmitfelt roorben ift, mörttid) nad^umeifen." Unb
er meifet ü)n mirflid) nad). — 28er toerftetjt biefe§ muficalifdie
©eelengemälbe ((eiber in ber ftereottjpen ©onatenform ber 2llten
gefdjrieben!) fjeutgutage nod) 31t interpretiren? £>öd)ften§ gelangt
nod) einer, ber ffücfjtig baran borüber ei(t, gu bem leichtfertigen
2Iu*fprud)e: „2)er poetifd)e Snfjalt biefer ©onate fommt nur im
£itel 511m 2Iusbrude." S)iefer 2lu§fprud) gebort einem Beet*
f)oöen=gorfd)er an. (Elementi tjat mir im $at)re 1827 §u SBaben
bei 2Bien über Snfyalt unb Vortrag biefer £onbid)tung eine au3*
füfyrüdje Slmueifung gegeben. Sie Gelegenheit einer neuen
Auflage be§ 3Serfe3 in ber Sofjann 2Tnbre'fd)en Offizin ju
Cffenbad) 1856 benuftenb, fyabz id) {jiegu ein SSormort mit ben
Belehrungen be§ greifen 9J?eifters beigelegt. Slufjer biefem mit
Seelenguftänben fid) befdjäftigenben Songemälbe müBte ict) unter
bem Sutet „©onate" fein gmeitei fo fdjarf ausgeprägtes §u
nennen, ba§ in fotdjer SBegiefyung ben Seetfjioöen'fdjen jur
«Seite geftellt merben bürfte.*)
Siefe Slnfütjrungen genügen, um geigen gu fönnen, ba^
33eett)ot)en'3 gefammte ßlaüiermuftf, menige 23erfe aufgenommen,
*) Ser SBerefjrer dtementi'fcrjer Sonaten, 23. §. Dtielji, nennt bie
Ileber[(Srtften Bei ber 2>ibone „3opf." un° bod) fjat „ber SMfter ber Sonate,"
(üon 3ttet>l mit allem Diedjte fo begeicijnet,) biefen gopf in ooüfier &ünftler=
reife root)[6ebad^t feinem SBerfe angehängt. Sonberbar! 2)iefe Sonate,
nebft jroei anbern, in D moll unb A dur, Op. 50 bübenb, ift ?lnfang§
be§ britten SatmtyenM erfcfcjienen, bemnad) faft unmittelbar auf ben
Graclus ad Parnassum gefolgt.
— 573 —
auf SSorauSfetjungen beruf):, bie bei feiner anbern eintreffen,
batf fomit itjr Vortrag nictjt minber Don jeher anbern abmeid)t;
biefetbe in allgemeiner SBeife 5U fpieten, b. t). baS SBcfonbere
biefer SJfufif öom Mgemeinen nid)t gu fd)eiben miffen, ftünbe
in parallele mit italientfrfjer Sftufif: in beutfdjer 2ßeife gefungen.
(S^ernn, fagt bafjer (Seite 34 a. a. Ö. mit ©runb: „23eett)Oüen'3
(Sompofitionen muffen anber§ gefpielt merben, at£
jene bon Sftogart, ©tementi, §ummet u. f. ro. SSorin
biefer Unterfd)ieb beftefjt, ift nid)t Ieid)t burd) SSorte
au^ubrüden." — ferner finbet fidj bort auf ©eite 70
fotgenbe bead)ten§mertt)e Stnmerfung: „33eetrjoben lebte unb
fct)rie6 atte feine SBerfe in 2öien. (53 ift natürtid), bafj ber
©inn für beren SBerftänbntfj unb richtigen Vortrag fjier bor=
jugSroeife — mie burd) Strabition — bemarjrt merben fonnte,
unb bie (Srfatjrung t)at bemiefen, ba^ ba§> tüirfüctj ber gatl ift.
®enit mie oft mag in anbern ©egenben, fomorjl ba§ %tmpo,
mie ber (Srjarafter biefer (Sompofitionen berfebjtt morben ferm!
Unb für bie 3u^unft fröre biefe§ nodj metjr §u beforgen."
2)ie§ fjat (E^ernn, 5U Anfang be3 oierten Satj^erjenbä
niebergefcfjrieben, nadjbem fcfjon feit jerju botten Satjren faft
fämmtttdje ©tabiermufif $eetl)oben'3 in SBien bom Repertoire
berfdjrounben mar, mie borau§ bemerft. §öd)ften3 mar im
brüten Sarjrgerjenb noct) bei ©d)uppanjigt)'§ Quartetten unb in
ben Concerts spirituels ein ober bas> anbere ber bielftimmigen
Söerfe gu t)ören, bie (Sonate, bie Trägerin tieffter ^ßoefie, ejiftirte
nidjt met)r. 2ßie modjte ß^ernt) nur nod) lebenbe ©puren oon
Srabition in ^ünftterfreifen finben motten, ba er in $o(ge
feiner beifpiettofen SSietfcfjreiberei bie Seettjoben'fdje Siteratur
feit langen 3at)ren nicbjt metjr cultibirt unb trjatfäd)tid) fei ber
bereite barin irre gemorben mar. SSie e§ fdjon um jene $eit
um ba§> SBerftänbnijs ber 23eetrjoben'fd)en 9J?ufif in ber ge=
fammten ^'unftmett au§gefet)en, barüber legte §ector 93ertio-$,
ber atte ©roftftäbte (£uropa'3 fennen gelernt, im Journal des
Debats bom 11. 2lug. 1852 geugnijj ab. (£r geftetjt bort, bafj
— 574 —
er unter ollen üjm oorgefoinmenen SSirtuofen faum fed)3
namhaft gu madjen inüßte, bie 33eetrjooen'3 SDtufif in ifjrem
(Steifte gu fpiefen öerftänben. 2Sir roiffen aber au3 feinem
9xeiferoerf, roie fein Sdjarfbüd aud) bie Singe in ber öftreicfjifcfjen
§auptftabt gemuftert t)at.
§ä(t e3 in ber Ztyat fdjroer, ba$ (Sigentfjümüdje ber 33eet=
rjonen'fdjen Giauierroerfe mit SBorten fo §u erklären, baß ein
fidjerey SBerftänbnijj alter "Jrjeife bi§ gur ©oibeng ergiett roerben
tonnte, fo mufj benn bocf) ein 2ßeg aufgufinben feon, biefen
groed roenigftenS annärjernb gu erreichen. 9Jceinerfeit§ glaube
icfj biefen 2i>eg in ber Sebje Oom freien Vortrage gu finben,
ba gerabe bie Srabition fidi 511 atlernäcrjft an biefe £et)re an»
tetjnt. SDcan erinnere fidj nur be3 ü6er bie Vorträge ber grau
öon (Srtmann SluSgefagten. SDcit ©runb entgegnet man, bafe
ber richtige 53egriff Dom freien Vortrage ber laufenben Spodje
gang abtjanben gefommen. sDcan läßt batjer ß^eifet taut roerben,
06 oermittetft 3tnroenbung biefer 23ortragsroeife otjne öorau*=
gegangene^ Stubium ber Snnerlidjfeit ber tiefe ©eift, ins*
befonbere au§> ben Sonaten, gum $luöbrud gebracht roerben
fönne; man rocifet auf ben ooltftänbigen fanget an guten
9)cuftern tjin, bie ernfttid) Strebenben mit practifcfjen Seifpielen
ooran geljen foüten, unb bergleidjen geroidjtige ?fnmertungen
merjr. Sie aber alle fotlen nicfjt abfd)reden, ba§> 9)?ög(id)e für
bie Sadje gu ttjun, gefd)iet)t e3 \a bod) lebigticf) au£ r)iftorifct)en
©rünben.
SSie eö um ben Segrieff be3 freien Vortrags in ber
früheren (flafftfdjert) Siunftepodje au^gefetjen, bie§ gu geigen f ollen
einige 5Xutoritäten eingeführt roerben. Sßorab muß jeboct) be=
merft roerben, ba$ ber Spermiums „freier Vortrag" bort in
irrtrjümlidjer SSeife mit bem Tempo rubato beä itatienifdjut
Sänger§ al3 g(eid)6ebeutenb gehalten roarb. Serjon ber Um*
ftanb, bafj letzteres» gumeift nur in ber Opera buffa fein Sfacrjt
behauptet, roärjrenb es in ber seria faum gefannt ift, geiget,
bafj ein folctjer Segriff minbeftens fdjroanfenb ift. öeetfjooen
— 575 —
proteftirte gegen Slnroenbung biefeä £erminu§ bei fetner SCftufif,
menng(etd) bergeb(id), roeü bie itatienifdien Termini feine ©podje
gang unb gar befyerrfcrjt fjatten, mitunter ifyn fetber. S)ot»on
fog(eid) ein SBeifpiet.
Sgnaj bon ©etyfrieb in bem apocrtjpfyen SBerfe „93cet=
f)oben'3 ©tubien" fagt in ber SRubrit „(Stjarafteräüge unb
3tne!boten" ©. 18: „Unfer 53eetf)Oben gehörte fd)(ed)terbingö
nid)t §u ben eigenfinnigen (Eomponiften*), bem fein Drcrjefter in
ber Sßelt etroa§ ^u 2)anf madjen fann; ja aufteilen mar er gar
§u nad)fid)t§üoü unb lieft nid)t einmal ©teilen, bie bei ben
SSorproben berungtüdten, roieberf)olen; „ba§ nädjfte mal roirb'§
fdjon getien!" meinte er. — SBejüglid) be§ 5(u§brud'§, ber
fteineren Nuancen, ber ebenmäßigen 35erttjei(ung bon Sidit unb
©djatten, fo tote eine§ roirffamen Tempo rubato**), t)ielt er
auf grofte ©enauigfeit unb befprad) fiel), ofme Unmiüen 51t ber*
rat§en, gern einzeln mit Gebern barüber. 2Benn er nun ge*
roafjrte, mie bie Sftuftfer in feine Sbeen eingingen, mit madjfenbem
$euer §ufammenfpietten, bon bem magifd)en 3aubeiSiS) feiner
£onftf)öpfungen ergriffen, begeiftert mürben, bann berflärte
freubig fid) fein 9(ntlit3, au£ allen feinen ßügen ftrat)tte SSer=
gnügen unb ßufri^n^^ ein roo§tgefällige3 Sädjeln umfpielte
bie Sippen unb ein bonnernbeä „Bravi tutti" belohnte bie ge=
tungene ^unftteiftung." — S)er SDfeifter fpenbete atfo aud) fein
Sob in itatienifdjer ©pradje.
*) SBte e§ um feinen (Sigenfinn ei g entlief) befebaffen getnefen, baS
bezeugen bie öielettei Vorgänge mit ©djuppanjigfj'ä Quartett. <Set}frieb
fetber fpriefit barüöer.
**) ©in Tempo rubato fogar in £)rcb,e)"ter='üDiufif!
333) Das einzig Wahre vom „mächtigen Zauber" der Beethoven-
scheu Tonschöpfungen hätte nur Schindler etwas betonen sollen, wie
es v. Seyfried und H. Berlioz taten; er würde uns dann mit allerhand
Schiefheiten und sich selbst vor allerhand Mißhandlungen von seiten
vieler Musiker bewahrt haben! Wir werden noch davon zu reden
haben. A. d. H.
— 576 —
$)er Gr^DQter be3 mobernen (Elauierfpietä, ^ßljitipp
©manu et 35a et), äußert fic^ in feinem „Sßerfud) über bie
wafjre %xt ba§> Glaüier gu fpieten" tote folgt : „3ur richtigen
Süisfüijrung be3 Tempo rubato getjört biet Urttjeitsfraft unb
aan,$ befonberS biel ©mpfinbung. 2Ser beibe§ fjat, bem wirb
e<§ nid)t fdjroer fallen, mit aller $reit)eit, bie nid)t ben
geringften $wang wegträgt, feinen Vortrag einzurichten
unb er mürbe, roenn e§ febn müßte unb bürfte, alle ©ebanten
ter^ieljen tonnen. 2lnber3 aber mirb bei aller 9Jcüt)e otjne t)in=
längtidje Gmpfinbung nidjtö 9?ed)te3 ausgerichtet »erben tonnen.
Sobalb man fiel) mit ber Dberftimme fetabifd) an ben £act
binbet, üerliert jebeS "Jempo (@a§?) fein 2öefentltd)fte3 (ba§
(Xtjarafteriftifdje?), weit alle Stimmen auf '3 ©trengfte nad) bem
Xacte ausgeführt werben muffen."
£uebei ift §u bemerten, bajj ber grof?e SDtofter bie Glabier*
mufit feiner ßeit *m ^luge t)at, bie btetletdjt eine fotdje 93e=
tjanblung §ugelaffen. 2SMe mag er wot)( feine „(Elaoier=3onaten
unb freien ^fjantafien nebft einigen 9?onbo'3" borgetragen tjaben,
über welche ftd) Gart ^riebrid) Gramer in feinem „9J?aga,$in
ber SDcufit" in fo an^ietienber SSeife auSgefproctjen t)at, wie
un§ in üftr. 32 ber üftieberrtjeinifdjen 9ftufit Leitung 1858
vorgelegt warb! —
ßinen gan§ befonberS intereffanten Beitrag ^u unferm
gragepunete liefert 6. 9JL oon ÜESeber. $on bem leipziger
9Jixufttbirector ^Sräger 1824 um bie Sempi gur ©urrjanttje
befragt, überf durfte if)m ber Gomponift ein berlei SBeräeicfjniB
unb legte einen 51uffa§ bolt widjtiger unb allgemein giltiger
SSemertungen bei, ber fid) in 9er. 28 ber berliner 9Jcufif=
3eitung bon 1827 norfinbet. Sarin fagt er unter anberem:
„3)er Sact, ba» £empo, foll nicfjt ein tbrannifd) tjemmenb —
ober treibenber 9)(üt)tent)ammer febn, fonbern bem 9Jcufitftütfe
ba§, wa3 ber $ßutsfd)tag bem Seben beS 9D?enfd)en ift. ©3
gibt fein tangfameS Stempo, in bem nicfjt ©teilen oor tarnen,
bie eine raferjere Bewegung forberten, um ba§> ©efü§t be£
— 577 —
©djfeppenben §u üerfyittbern. SS gibt fein 5ßrcfto, ba§
nidjt eben fo, im ©egenfatje, ben ruhigen Vortrag mandjer
©teile oerlangr, um nidjt burd) Uebereilen bie SJtittet gum
2luSbrud 51t benehmen .... 2)aS SSormärtSgerjen im Stempo,
mie baS 3urüdl)alten, barf nie baS ©efütjl beS 9tüdenben
ober ©etoaltfamen erzeugen. @S fann alfo — in mufifatifdjer
unb poetifct»er SBebeutung — nur $erioben= unb Sßtjrafen*
toeife gejcfjerjen: bebingt burd) bie Seibenfcf)aftlid)feit beS 2luS=
brudS .... $ür alles biefeS fjaben mir in ber äftufif feine
SBcjetdinuitgSmittel. SHefe liegen allein in ber füllen ben
Sftenfcfjenbruft, unb finben fic fiel) ba nicfjt, fo rjilft meber
ber grobe SJftfjgriffe tierrjütenbe ÜRetronom, nod) bie fo rjödjfr
unüollfommenen Einbeulungen, bie id) in ber Sveictjrjattigfeit beS
(Stoffes um öieteS meiter auszuführen tierfudjt ferjtt möd)te,
marnten midj ntdjt aufgebrungene Erfahrungen, in beren $otge
id) fic jefct fcrjon als überftüffig unb nutjtoS betradjte, unb
gemifjbeutet I)offe. 9ftögen fie nun aber bafterjen: einzig
öeranlaJ3t burct) freunblidje Stnfrage.*)
Slber aud) be^üglidje StuSfürücfje Oon 51 eftf) etilem follen
«ßfofc finben.
§anb äußert fid): „Sern Vortrag barf bie $reirjeit nidjt
fehlen, meiere bie ©djönfjeit überall erfyeifdjt. Stactf rettjett ift
nid)t Sacttofigfeit. ©d)ön mirb batjer ber jenige öortragen,
melier ben Stact nidjt als angulegenbe ^effel, fonbern frei
beljanbelt, oljne jemals auS bem Xact 3U fommen. 3)ieS ber*
ftefjen aber biejenigen 9D?ufifer falfct), meiere burd) ein null*
*) 35er rrefffidje Reiftet ferjeint aud) triele tuibrige Erfahrungen in biefem
gaüe gemalt gu Ijaben. Seljr tüacjrfc^etttltd^ backte er anbei an bie ein=
gebilbelen Dirigenten, bie trofc blo&er Routine bennoeb, jebe SBetefjrmig
mifsadjten; auä) badjte er toatjrfc&ernlicb an bie grofje 9ftenge üerfnödjerter
Glat>ierle&,rer, benen correcteä Stbfpielen ber 9?oten ba$ &öd)fte ift. gür
beibe (Slaffen ift freilief) aüeS überftüffig unb nujjloS. 35ennod) magen fie
aüe§ ju betatupfen, toa§ itjren befdjränften ^orijont überfteigt. Stucfj
©elebritäten au% ber 23irtuofen=(S(affe finb i^nen anjureifien.
2t. ©djinblerä 83eetfjoticn=Siogra:pfite. 07
— 578 —
fürticf)e£> 3^3ern un^ ®^en einen inbiuibuellen StuSbrudE erzielen
unb babei oftmals Gljaraiter unb Sinn eine3 2Serfe3 gerftören."
©djitttitg fagt: „Sei jebem Xonftücf muffen bie befonberen
inneren unb äußeren Sßcr^ättntffc unb (£igenfd)aften beffetben
in forgfältige 33etradjtung gegogen merben, um rjinfidjtlid) ber
9J?obification be3 in fo un&eftimmter Söeife allgemeinem feft=
geftellten Xempo'3 grabe ba$ SRedjte, unb groar bei jeber
einzelnen ©teile fetbft ba§> 9?edf)te gu treffen." ©. 367.
£er in unferer ©adje roader unb mit tiefer ©inficfjt mit*
fämpfenoe St. 53. 2Karr. erftärt fid) in feiner allgemeinen
50?u[iftet)re mit fotgenben SBorten: „2Bir überzeugen un§ alfo,
baß gmar nädjft ber ted)nifcfjen ®efdjicf[icr)feit eine boEfommene
Äenntniß unb SSeadjtung ber <Sct)rtft§eicr)en gu red)tem Vortrage
unentbet)r(id) ift, ba^ mir aber außer bem nod) (Smpfä'nglidjfeit
unb (Sinfidjt für baSjenige nötljig Ijaöeit, ma§ burd) feine
(Scrjrift erfcfjöpfenb auägefprodjen merben fann: für ben (Sinn
unb bie Senbeng be§ gangen ®unftroerf3, roie aller
feiner Steile, fie mögen niebergefdjrieben unb be =
ftimmt, ober au§ unfern ©mpfinbungen gu ergangen
fetjn. 3U9^W) ^ann utt§ nidjt entgegen, baß ade einzelnen
güge iljre üöeftimmung nur au3 ber Sbee unb bem ßroede be§
gangen St'unftmerfö empfangen f)aben fünnen, unb ba^ and) mir
bei ber Stuf f äff ung, bei bem (gtubium unb Vortrag eineö 3£erfe§
nur öon beffen ©runbibee auSgeljen bürfen. — (Sin SSerf non
biefer ©runbibee au§ in allen feinen Steilen öotlfommen auf*
faffen unb barftellen: ba§ ift bie Aufgabe be§ fünftlerifdjen
Vortrages."334)
(Snblid) ift nadjftebjenbe (Srflärung eine§ unbefannten 5ßer=
fafferi über Dbjectiüität in birecter Söegiefjung gu unferm
©egenftanbe benlenben DJhtfiffreunben gu empfehlen:
334) Mir liegt die 7. Auflage von Marx' Allgemeiner Musiklehre
vor (Leipzig 1863). Dort in der 6. Abteilung „Der kunstgemäße Vor-
trag", S. 311 ff. wird man solche von Schindler zitierte Stellen dem
Sinne nach auffinden. A. d. H.
— 579 —
„£)ie neuere STeftfjetif forbert in ben $)arftel(ungen ber
fcfjönen fünfte ebenfalls Dbjectioität, als ba§jenige, vorauf fid)
aud) ber ©trjt begießt; bafjingegen ©ubjectiüität be§ $unftroerf§
bie (Sigenfdjaft ift, bie auf perfönticfjer 5tuffaffung unb 3nbioi=
buatität berufjt, unb au§ bloßer Lanier beftebjt, bort alfo ettoaä
allgemein 2Barjre3, 9?ott)roenbige3, tjier nur ein bebingt 28arjre3
unb 3ufäCtige§. 2)ie Dbjectioität atiein betoirft eine roafjre
SDarftellung, bie (Subjectiüität eine btofje $orftellung; jene gibt
SBUb, ©eftalt unb 2Inftf)aultct)feit, unb ift barjer ber «ßfaftü
Oerroanbt; biefe ift gerftießenber, bunfler unb gleicht met)r bem
(Sinbrucfe ber SRufif. Slber aud) im 9)?uficatifd)en folt
Dbjectioität ferjn; mittjin aucfj im Srjrtfdjen; ber
ßünftter folt fidj in einem ©egenftanbe außer ficfj i)in =
ftetten. Offenbar fann nidjt jebem Slünftfer ba§> ®efe| ber
Dbjectioität gteid) ftreng üorgefdjrieben fetjn, aud) fann unb
fott bie Dbjectioität bie ©ubjectioität nidjt unterbrücfen, inbem
fie bem SSerfe 5(ntt)eit unb Sßärme oerteifjt."
£)er SSerf affer muß mit allem 9?ad)brucfe beftä*
tigen, baß, roa3 immer er üon 33eett)Oüen oortragen
gehört, mit roenig $lu§nafjme gang biefen oorfterjenben
Sei)rfä|en entfprocrjen rjat; e3 roar frei alte§ 3toange§
im ßeitmaße, loie e§ eben ber @eift ber Sompofition
erforbert fjatte.
Sm ungemeinen läßt fic£> üom freien Vortrag ber
(Slaüiermuftf; in ber jurücfüegenben (Spodje fagen, bah w ftdj
meift nur auf ein üeränberte<§, beruhigtere^ 3e^mafe ™ oen
(£antabite=<3telten ber 3HIegro=<Sät5e, (im ©eitenfatj unb im
Stnfjang faft regelmäßig) befdjränft fjat. Sn fotcf)er §infid)t
finb Rummels Angaben über 2öed)fel be3 geitmaßeä De* Den
(Santitenen feinet großen Soncert§ in A moll afö muftergiltige
SBeifpiete anjufe^en. £aß fid) biefetben aber nidjt in ber
§auptftimme be§ 2öerle§ fetbft, fonbern nacrjträgUct) erft in
feiner (Staüier=(Sd)ute üorfinben, geigt roieberum bie 2trt jener
SCRetfter, bie tentniß be3 au§brud<§üoIIen Vortrags bei ben
37*
— 580 —
SSirtuofen tiorau§aitfefcen. 2Werbing§ ging fctbft in ber burcfj
Rummel bemirften neuen 9?id)tung beä (S(atüerfpiel§ ba§ 93e=
ftreben babjin, ber (SantUene überaß geredjt 5U merben, unb
gmar meift nad) italienifdjer ©efangmett)obe, im ©egenfatje $u
unferer v^eit, bie bie GantUene at§ überf(üffige§ SSehoerf be*
rjanbett. 9?et5enb mar <pummet§ Vortrag feiner „La bella
capricciosa". 3)ie capriciöfe ©djöne fang unb fprad) $u unö
au§ biefem finntootten Xongemätbe gegenfätjtidjer (Stimmungen
unb ©efürjle.
2Benn §ummel in feiner ©cfjute ber freien, beclamatorifcfjen
SBortragStoctfe lein befonbere3 Gapitet roibmet, fid) üietmerjr
au§fcr)üefetict) nur auf feine ©ad)e befcfjränft unb babei nodj
fet)r oberf(ärf)ütf) 51t SBerfe gerjt, fo Ijaben mir befto me§r (Sart
(ü^ernt) gu üerbanien. £)a§ Gapitel „üon ben SBeränberungen
be§ 3eitmafee§" im 3. Sfyeit feiner ©djufe fteHt eine anfdjautidje
Setjre fjin. ©leid) § 1 nennt er biefe Sßeränberung mit 9ied)t
„ba$ midjtigfte Mittel be§ Vortrages". Safe jebod) at(e3 bort
©egebene bei SBeetfjotien'ä 9)tufif nod) unjutängftd) tft, geigt
©5ernt) im 2. (Sapitel be§ 4. Streite. ©inigeS barau§ foft unS
tjter 3)ienfte leiften. SSorab mirb eö aber erforberüd), un§ um
bie ©pieimeife 23eett)ou>en3 gu befümmern, um biefe in ifjren
(Stgentrjümücrjfeiten, fofern biefe mit SSorten fid) beftimmen
taffen, fennen ju lernen.
S)ie ©djlufnuorte ber erften Sßeriobe geben ba§> Urtfjeit
über Seetrjoüen'ä ©piet au§ ber ßeit, in meld^er ber SSirtuofe
ben Gomponiften nod) überragt fjatte, roenigftenS in ber öffent*
ticfjert Meinung. 2)iefe3 Urtt)ett ift blo3 mittelft be<§ @pitrjeton§
„©tarffpieler" 51t ergänzen, metdjeS man bamalö fomofjl unferm
SOieifter, aU aud) einigen anbern auf jiemlid) gteidjer §öfje
ftefjenben Scalen, ai§ Hnton (£bert,335) grau 2Iuer*
335) Anton Eberl, Komponist und hervorragender Klavierspieler,
ist im Juni 1766 in Wien geboren, Freund Glucks und Mozarts. Er
starb bereits 1807. Er galt als Bivale Beethovens, er komponierte
Opern, unendlich viele Werke aber für Instrumentalmusik, von denen
— 581 —
Jammer336) unb Sofeplj 2öMf(,837) 6etgufe|en pflegte. $)a§
Snftrument mit männlidjer Straft gut bemänteln, blieb bem
Sfteifter bi§ an fein £eben§enbe eigen.*) ^oct) im Sa£)re 1822
bemerkt ber Referent ber 5Ittg. 3)?uf. ßtg. ©. 310 mit ©runb:
„Unfer 23eett)oüen fdjeint roieber für 9D?uft£ empfänglicher 51t
roerben, — (in ber SESirHidjfeit tjatte er ja nidjt aufgehört e3 «$u
fetjn) er pljantafirte bereite einige Sftafe in einem gefeüigen
(Strfet gang meiftertict) gur atigemeinen greube unb bemieS, bafj
er nod) immer fein Snftcument mit föraft, ßuft unb Siebe
5U betjanbetn öerftet)e." @§ gefdjjat) bie3 im £aufe feiner
grennbin, ber grau Baronin öon ^ßutfjon.338)
*) Sfteubrucf <S. 80 roarb ber SBorömrfe ertoäbnt, welche ber SKeifter
mir am Sßianoforte ju macben pflegte. Sftein klimpern gab ben meifien
Slnlafj baju. „So grofe unb fo ftarf, unb bocf) fo unmännliche SBebanbhmg
bei QnftrumentS", waren nodj, nebfi bereite bort angeführten, bie (Spitbeta,
mit benen er mitt) regalirt, aber mit gutem Erfolge corrigirt bat.
noch anfangs des XIX. Jahrhunderts vieles von ihm lebte; jetzt ge-
hört er zu den Verschollenen (Toten). A. d. H.
336) Josephe Auerhammer oder Aurenhammer war eine hervor-
ragende Pianistin, die auch komponierte. Sie war ca. 1776 in Wien
geboren, Schülerin von Mozart und Kozeluch; sie konzertierte viel,
alljährlich trat sie mit einem Konzert im Burgtheater auf. Sie war
unmäßig dick. Auch zu Beethoven trat sie in Beziehungen, wovon
„Beethovens Frauenkreis" noch zu erzählen haben wird. Mozart soll
von ihr gesagt haben: „Das Fräulein ist ein Scheusal, spielt aber zum
Entzücken" usw. Sie starb 1841. A. d. H.
337) Josef Wölfi, Klaviervirtuose und Komponist, hekannt als
eigentlicher Kivale Beethovens zur Zeit, als dieser nur erst als Pianist
glänzte. Wölfl ist 1772 in Salzburg geboren, war Schüler von Leop.
Mozart und Michael Haydn. Nach 1792 mußte er seinen Aufenthalt
in Warschau aufgeben und kam nach Wien, wo er von vielen neben
und über Beethoven gestellt wurde. Er hatte ungeheuer große Hände,
so daß Beethoven seine Mühe hatte, über diesen Klavierriesen zu
siegen. Aber es gelang ihm. — Die Biograpbien wissen viel
Interessantes von diesen Wettkämpfen zu erzählen. Er starb bei
London 1814 (?). A. d. H.
338) Die Frau Baronin von Puthon ist bereits vielfach in Beet-
— 582 —
Sei ©elegenrjeit ber üftittljeilungen bon Grjerubini unb
Gramer über Seetrjooen in ber 2. Sßeriobe ift auf bie nocfj ya
gebenben llrtt)eite biefer ^orjen 5lutoritäten über be§ ÜD?eifter§
Glabierfpiet rjingewiefen, bie gur «Stelle folgen füllen. 2)er fur§
angebunbene G§erubini ct)aracteri[irte e§ mit einem SSorte:
raub. £)er ©entfernen Gramer wollte jebocf) Weniger Slnftofe
an bem ^Raurjen be§ Vortrages gefunben rjaben, al3 bielmerjr
an bem unguberlä^igen SSiebergeben einer unb berfelben
Gompofition, tjeute geiftreid) unb ooll djarafteriftifcijen 3lu§brud§,
morgen aber taunentjaft bi§ $ur Unflarrjeit oft berworren.*)
5lu§ biefem ©runbe Ratten einige greunbe ben SBunfcfj ge=
äußert, mehrere 2Berfe, einige nod) im Sftanufcript, Oon Gramer
offentlid) vortragen gu laffen, Womit eine fe£)r empfinblidje
Seite 23eetrjoben'3 berührt morben: bie Giferfud)t Warb erwedt,
ber, nadj) Gramerg Söorten, gegenfeitige (Spannung gefolgt ift.339)
Ueberfjaupt Wollte e§ mir fdjeinen, bafj ber bereits mit euro=
päifdjem 9fttf)me gelrönte Grjerubini, im Sllter aucfj um ootle
äeön Sal)re borauS, unferm 93eetlwben gewaltig imponirt tjaben
muffe, Wofür £Serfd)iebene3 fpridjt. G^erubini äußerte bei
unfern 3ufammenfünften, er rjabe nidjt unterlaffen fönnen,
Q3eetl)oben'3 Sfufmerffamreit auf bie Gtementi'fdje Sdjule, b. tj.
auf beffen 2trt Gtabier 31t fpielen, gu lenfen, unb fjabe biefer
*) (£. (Säernt) bemerft über tiefen 'Jßunct § 7, bafj S3eetboben'§
©pteliueife in S3ejug auf Steinzeit unb ©eutlicbfeit ntcbt immet al§ ÜÖJufier
bienen tonnte. — (£§ blieb ifim feine ßtit ju Fingerübungen.
hovens Briefen vorgekommen. Mit v. Bihler, der u. a. ihren Sohn er-
zog, ward sie vielfach in Verbindung gebracht. Vgl. B. S. Br. No. 640
(an Zmeskall), No. 648 (an v. Wartensee) (III. Band), No. 714 (IV. Band)
usw. In „Beethovens Frauenkreis" wird ihr ein Abschnitt gewidmet
sein. A. d. H.
339) Auf dies gespannte Verhältnis scheint die Stelle eines Briefes
an F. Eies anzuspielen: „Grüßen Sie mir Neate, Smart, Cr am er — ob-
schon ich höre, daß er ein Contrasubject von Ihnen und mir ist."
B. S. Br. No. 733 (III. Band). A. d. H.
— 583 —
beriet Söinfe immer bcmfenb Eingenommen, mit bem SSerfpredjen,
beim nädjften Vortrag merbe er iljn ijoffentticf) aufrieben fetjen.
— (Stementi'§ Urttjeit über 33eett)Oüen ben ßlauierfpieler, bem
SSerf affer 1827 in 93aben mitgeteilt, befdjränft ftd) aud) nnr auf
menige SBorte; er fagte: „£>a§ «Spiel mar nur toenig auögebitbet,
nid)t feiten ungeftüm, mie er felber, immer jebocl) üoü ©eift."
(SIementi t)at nod) im ^aljre 1807 in SSien Seetrjoben ber*
fcfjiebene SSerfe vortragen gehört.
(Srfreulid) barf e§ genannt merben, baß ber jüngere 9tteifter
ben gegebenen SSinfen be§ älteren gefolgt ift. 3n feinen ßeilen
an ©teprjan üon 93reuning au§ ben legten SebenStagen, unter-
es" bei ben ©^arafter^ügen angeführt, 6emeifet 23eett)oöen ba§>
treue gehalten an (SIementi'3 9ftett)obe. §atte it)n ber 3Us
ftanb feines @er)ör§ getjinbert, burd) eigene $ßraji§ jene ©runb-
fätje 51t bemäfjren, fo üermodjte er bennod) Sernbegierige barauf
fjingumeifen. SSon (Sfementi unmittelbar fjatte SSeettjoöen ge=
f)ört, mie er nad) langem Umt)erfud)en unb ^orfdjen nacfj poft=
tiüen Regeln über Vortrag enblid) in ber ©efangfunft bie
bittet fjierju gefunben Ijabe. <2etbft aud) ©änger berfud)te er
bie Regeln ber ^ßrofobie bi3 in eiugelne S£ongruppen ber Snftru*
mentalmufit' hinüber gu tragen u. f. m. Stuf biefem 3Sege ge-
langte er 51t bem fingenben Vortrage, felbft in ^ßaffagen, mo
Bürgen unb Sängen in unenblidjer Slbftufung eine midjtige 9?oIIe
fielen.*)
*) Unter „1" in ben ©fjaraftersügen ttmrbe angeführt, tca§ 23eeU)oben
cm§ griedjifdjen nnb latetnifdjen ßlaffifern für feine Shutft abftraf)irt Dat.
©ine ftadjridjt über (Hementi au3 „Sern im Dctober 1784" — in
^Ixo. 36 ber 9?ieberrf>eimfd)en Luftleitung öon 1858 mitgeteilt — ent=
fjält unter Dielem Sntereffanten aud} fotgenbe Stelle: „3>n fetner &ompo=
fition, abfonberlidj im Sangfamen, geigte er mir, mie bie SDiittelfiimme ben
©efang füfjre; ba% x)abt er bem 9Jameau abgelernt. Sn ben lateinifdjen
Tutoren f)abe er gefunben, feiner ©ompofition bie eigene SBenbung §u
geben; auö ber ©eometrie bie donfiftenj ber ©ebanfen. Sie Strt, it)re
(Spifoben an einem unbiegfamen Orte anäubringen, fet) feljr merfroürbig
für einen Gomponifien, unb ber ©prud) besä üuintiliamtS: Si non datur
— 584 —
SSSemt bort Glementi'3 ßunft im Vortrage bie Sßebe ift, bie
unfer 9J?eifter bi§ $u ber ©renglinie abobtirt t)atte, roo feine
fünftlerifdje Snbibibualität begonnen, wirb e§ root)l a(§ Sparen-
tfiefe geftattet fetjn, auf äftogart'ä Urtljeil über ba§ 8biet be§
itafienifctyengtifdjen 9)?eifter3 äurüd^ubtiden, ba3 ber beutfdje
Wmbrjton „gefd)mad= unb embftnbung§to3" genannt. (£3 gibt
Gelegenheit ber „Erläuterung" biefe§ Urti)eit§ burd) Stementi'S
<Sd)üter, Subroig 93 er g er 5U gebenden, rooburcfj ba§ oben
gejagte eine Iräftige ©tütje ertjätt.
23erger bradjte feinen Seljrer auf beffen ßufammentreffen
mit Stfosart 1781 bor bem Äaifer Sofebl) gu fbrectjen. darüber
äußert er fid) fotgenberma^en: . . . „2tu<o bem Fortgang ber
(Sräärjlung ßtementi'3 ging tjerbor, roie ferjr irjn bie S^unft-
leiftungen Tlo^axfä ergriffen unb entgüdten. ,,„3d) rjatte bi§
batjin üftiemanb fo geift= unb anmutpboll bortragen gehört.
Q3or5ug3roeife überrafdjten micfj ein 5tbagio unb mehrere feiner
ejtemborirten Variationen, mo^u ber föaifer ba§> £t)ema roärjfte,
ba<§ roir roedjfetfettig , einanber accombagnirenb, bariiren
mußten."" 2luf meine $rage, 06 er bamal§ fd)on in feinem
jetzigen ©ttjte (e§ roar im Satire 1806) baZ Snftrument be=
tjanbett rjatte, berneinte er bieg, I)in§ufe^enb, bafc er in jener
früheren ßeit fid) bor^ugSroeife nod) in großer, britlirenber
gertigfeit unb befouber<§ in ben bor irjm nidjt gebräuct)lict) ge=
roefenen ©obpetgriff^affagen unb erjemborirten 3tu§füt)rungen
gefallen, unb erft fbäter ben gefangbolleren, ebteren ©ttjt im
porta, per murum erumpendum.340) ©lententi roar alfo ebenfalls ein
gögling ber Sateiner, roie jnm £t)eil unfer Söeetfioben. Sie öon ib,m in
ben äroanjig Sluramem ber (Sramer'fdjen ©tuben angezeigten prof obifcfjen
Bürgen unb Sängen finb fprecfjenbe 23eroeife oon 2tbüption ber ßlementi'fct)en
Sebre nad) biefer ©eite t)in.
340) Diese Quintilianischen Worte haben sich dem Meister also
derartig eingeprägt, daß er sie zu Worten für den Marx-Kanon: „Si
non per portas per muros" verwendete (seil, erumpendum). Siehe
B. S. Br. No. 1115 (V. Band). A. d. H.
— 585 —
Vortrage burdj aufmerffameg §ören bamatiger berühmter ©änger,
bann audj burd) bie aHmäljtige Sßerüoülommnung befonberö ber
engüfdjen $(üget = $ortepiano'§, beren frühere mangelhafte
©onftruction ein gefangoottereä, gebunbenere§ ©piet faft gän^lid)
auSgeftfjloffen, ficf) angeeignet fjabe." Mg. Stfuf. £tg. 1829,
©. 467.
Cs§ tüirb nun nodj einiger SSor^üge im ©piete itnfere§
9tteifter§ gu ermähnen fet)n, bie im beften ©inHange mit
(£ramer'§ and) (S(ementi'3 9Iu§fagen fielen. SDiefe mcren:
ruhige Gattung ber igänbe mie be3 OberförperS, ge=
bunbener ©tt)t unb überaus merfroürbige 9lccentuation.
8n Sejug auf gebunbenen ©tt)t, moburd) fid) ber ehemalige
Drganift 51t ernennen gegeben, fott ber üöceifter in früherer ßeit
fogar Rummel übertroffen tjaben, ber tjierin a(§ grofjeg SDJufter,
gleich Sofyn $ietb, fic£) auägejeidjnet §at 5lud) barum nodj
nafym 23eett)oüen an ber mobernen 5Rid)tung be§ @(amerfpiete§
ein 2IergerniJ3, meil — mit 2Iu3nat)me £mmmet§ — ber gebunbene
©tt)l it)r gang abgegangen. Sebod) — tt>unberlid)e§ ©efdjid! —
ber 2lutor fo bieler erhabener Sßerfe in allen ß^eigen ber £on=
btctjtung, mit feinem lauten Sßibermitten gegen atMörperminbungen
am ^ßianoforte, muffte aufrieben fetin, ba^ bod) nodj ein beriet £ete*
grapf) fid) für feine (Stamertuerfe intereffirt unb xt)r Söerfdjminben
üom Repertoire um einige Safjre gurüdgefjatten t)at; ba§> mar
(Sart 6§ernt), beffen SSerbienft bieäfatbS laut gerühmt merben
inujj, ma§ aud) ber grofte SDceifter gegen fein ©(atiierfpiet
einjumenben gehabt. 9cid)t minber bleibt e3 Xrjatfacrje, bafj
(Sgernt) ber einzige unter ben SSiener 95irtuofen getoefen, ber
fid) bemütjt t)atte 23eetf)oöen in feiner guten 3e^ °ft Su ^ören.
S)arum oerbient er SBeadjtung bi3 gu bem ^ßuncte, roo er beginnt
$eetf)ooen'3 Sompofitionen mit ßuttjaten be§ mobernen SSirtuofcn
gu öerbeffern unb bamit fid) baran gu oerfünbigen. £>iefe
3ut§aten beftanben im mafjtofen @ebraud)e be§ $ßebat§, in
Verlegung ber ©antitene auS ber ein= unb gtueigeftricljenen Dctaüe
in bie brei= unb biergeftricfyene, — man fennt ßjernt)^ Vorliebe
— 586 — '
für bie tjödjften Dctaüen auS allen feinen Gompofitionen —
in ber 5tnmenbung üon SErittern unb anbern 95er5ierungen,
enbticfj in ber Sftetronomtfirung. ©in nad) feinem Slbteben
1857 Veröffentlichter 23rief von 23eetf)oVen an it)n auS bem
Satjre 1812 §eugt fdjon von feinen $irtuofeu=(Müften in fo
früher geit. 3)er SSorttaut biefeS SriefeS ift:
„Sieber (ü^ernt)! §eute fann id) <Sie nidjt fet)en, morgen
lverbe icl) fe!6ft §u Sfjuen fommen, um mit Stjnen §u fvrecfjen.
Sdt) Vtattfe geftern fo fjerauS; eS mar mir feljr leib, a(S eS
gefdjefjen mar, allein bieS muffen ©ie einem Slutor Verden,
ber fein SSert lieber getjört jjätte, gerabe mie er eS gefd)rieben,
fo fctjön ©ie auctj übrigens gefvielt."341)
2)er SEabet im (Soncert=©aat betraf, mie ber Herausgeber
biefeS unb nod) gmei anberer 93riefe oon 23eett)oven an (S^ernt)
(au§ bem Saf)re 1816, nidjt 1815) bemerft, bie im Es dur
Quintett mit 23laSinftrumenten ficf) erlaubten „Slenberungen,
(Srjdnoerung ber s,J3affagen, öenutmng ber r)öljem Dctave k."
Unb bergleid)en tonnte ficfj ber bamatS 21 jährige ^Sianift in
@egenmart beS äfteifterS erlauben! Um mie viel meljr tfyat
fjierin ber fertige SSirtuofe! SSeld) ein $8orbitb für feine
©cfjüter, nebft anbern (Eigenheiten noct)!
2£er §errn granj Stfjt Glavier f Vielen gefetjen, ge=
minnt teicfjt ben recfjten Segriff Von ben Sanieren feine»
£et)rerS Gsernlj, nämlirfj: bie §änbe ftetS in ber Suft, aufteilen
bis über ben $opf gemorfen, ben Slnfdjtag ber Xafte auS einer
£>öf)e öon ^mei gufc, u. f. m. Sifot ift nur Sftadja^mer beffen,
tuaS er als Sfriabe gmei Safyre t)inburd) als bibactifdjeS dufter
Vor fid) gehabt. SBenn 23eett)oVen 1816 feiner bereiten grau
Von (Srtmann gefdjrieben, (mir rennen biefen S3rief auS ber
brüten ^Seriobe) Äränflidjfeit fei) fctjutb, ba^ er fie neulid) nidjt
bei (ü^ernt) fvieten tjören tonnte, fo barf nod) als mat)rfd)ein=
341) Vgl. B. S. Br. No. 506 (III. Band), wo dieser Brief nach
anderen Vorlagen dem Jahre 1816 zugeschrieben ist. A. d. H.
— 587 —
lieberer ©runb fein Söibertoitle gegen ©sernr/ä Unmaniren an=
genommen »erben. Siefc er ftd) aber bennod) bemegen, ben
$ortragenben unb beffen gufjörer im rjäuäticfjen Greife mit
feiner 2tntüefent)eit §u erfreuen, wa§ im SBinter uon 1818 öfters
gefdjeljen, fo füllte er fid) burd) anbere ©rünbe baju öerantafct.
<&üt iebodj für bie finnigen 3u^örer> oafe fo' an ^5ern^'§
äBeife gemöt)nt, fid) im ©enuffe nid)t ftören tiefen, ©etbft be§
ftrengen 9#eifter3 oft nnebertjotter Säbel: „©äernt) tjat feine
SSinbung unb accentuirt falfd)," t)ätte ben (SuftuS nidjt ju ftören
öermoerjt, roeit e§ bem gefammten Greife an tiefer (Sinfic^t ge=
fet)tt. gür ben SSerfaffer fpecieE maren (S^ernt/S Vorträge eine
ermünfdjte ©diute, bes 9fteifter3 tritifdje Stnmerlungen barüber
Ilödjft intereffante unb betetjrenbe Erläuterungen unb 2luffd)lüffe
ü6er fo manches 2öert, bie olme folcrje t)erau§forbernbe 93er*
antaffungen faum erfolgt mären.*)
3ßa§ Seet|otien'S Sigenrjeit in ber Stccentuation betrifft, fo
fann ber SBerfaffer anführen, ma§ ftcfj tt)eitö au§ ben trttifdjen
3tnmerlungen ü6er %rnr/3 Vorträge, tt)eit§ au§ ben unmittel-
baren Belehrungen am ^ßiano ergeben. SSor^ugSmeife mar e§
ber rt)t)trjmifd)e Stccent, ben er meift fräftig f)er0ort)ob unb
rjeroorgerjoben miffen looEte, bagegen befjanbette er ben meto*
*) SHefe $robuctionen, auSfcfjliefjiid) 33eetf)ot)en'ä ©laDiermuftf ge=
wibmet, gab ©jenü) in ben Wintern öon 1818, 1819 unb 1820 aüfonn*
tägtict) öon 11 b:§ 1 Ubr 93ormittag§ in feiner SSo^nung. SSer boren
ttiotrte, bem ftanb bie Satire offen. SSon ben bei ber Stenge in bobem
Slnfefien ftefienben SSirtuofen bat feiner ben befctjränften 9taum beengt;
bagegen baben alle fremben ßünftter biefe benfroürbigen 2Serfammlungen
fteifetg befugt, £u mürbigen SDlitge^ülfen in ber ^ianoforte^artie l)atte
esernh bie bofte ^riefiertn ber Sonfunft, grau uon ©rtmann, ferner
bie Ferren ^faüer unb ©tainer öon gel§burg,342) faiferlicfje Staate
beamte. £e£terer ift ber Gonciöient ber 1824 an Seetfioöen gerichteten
$enffcbrift.
342) Über Stainer von Felsburg, den Verfasser der berühmten
Adresse vom Jahre 1824, vgl. man B. S. Br. No. 1049 an Haslinger
(V. Band), besonders die dortigen Erläuterungen S. 89 f. A. d. H.
bif cEjen (geroöf)nlitf) ber grammatifdje genannt) meift nad)
(Srforbermfc, pftegte nur alle 3Sort)afte, ben ber fleineu ©ecunbe
im Gantabile gan§ befonber§, immer mefyr gu Betonen, als man
e<§ bon Stnbern getjört. ©aburcf) ertjieft fein Sbiel ein prägnant*
G£)arafteriftifd)e§, fern bon bem (blatten, tfladjen, ba§> fid) nie*
ma(3 gur Sonfbr adje ergebt. Sei ber (Samitene berroieä er
auf bie 9ftetfyobe ge6ilbeter Sänger, bie nitfjt §u biet unb
nidjt ju menig ttjun, rietfj ferner biSroetfen baffenbe Sßorte einer
ftreitigen ©teile unterzulegen unb fie gu fingen, ober aud) fotdje
(Stellen bon einem gebilbeten 33ioliniften ober 53läfer §u fjören.
@ro^e§ l)iett er auf ben 2lnfd)tag unb beffen 3)obbelbebeutung:
ber bt)t)fifd)e ober materielle unb ber bft)d)ifd)e, barauf
Glementi bie 3lufmerffam!eit gelenft. Unter letzterem öerftanb
biefer bie im ©efütjle beredmete Tonfülle, bebor nod) ber Ringer
bie Xafte Serütjrt. SSem biefeä fremb ift, mirb niemals ein
5lbagio feelenbotl bortragen. Uebertjaubt mar unfer Meifter ein
erklärter ©egner ber Miniaturmalerei in aller muficalifcfjen
©arftellung unb forberte bemnatf) überall fräftigen 2tu»brud.
5tuct) bie Vorträge beS Sdjubbanäiglj'fdjen OuartettS gaben
baoon geugnifj. 3)te toier ÜDcänner brauten im Forte bie
SSirfung eine§ ffeinen Drd)efter§ Ijerbor, im üotlen ©egenfa^e
gu bem Matten unb ©üBlidjmanirirten t)otf)berül)mter Quartette
unferer Sage.
©in nod) rokfjtigerer £t)eil ber 58eet£)otien'fc^en 9?ebefunft
am ^3ianoforte betrifft bie bon Ujm oft gebraudjte Gäfur unb
bie rljetorifdje ^aufe, beibeS bon Glementi überfommen.
Um biefen Stt)eil aber nidjt §u mifeberftetjen, muffen mir un0
Seettjoben'S oben angeführten Setjrfatj in 33e-$ug auf bie $unft
ju bectamiren in3 ©ebädjtnift gurürfrufen. £>ie (Säfur, ein
plötjlidjeS Slbbredjen be§ Sfobefluffes, ift in ber Sonfunft bem
begriffe nad) mefjr bermanbt mit ber rtjetorifdjen Sßaufe ai$ in
ber 2)id)tfunft, mo fie auf einem beftimmten gufje be§ 23erfe3
erfrf)einen mufj, 5. 25. im Pentameter be<§ 2)iftid)on§ immer auf
bem britten $u|3e. ®er begriff ber rfjetorifdjen Sßaufe f)at
— 589 —
nad) Seettjooen nur baZ (SigentljümKdje, als Verlängerung einer
getriebenen gu gelten otjne auSbrücflicl) angezeigten $Kut)epunct
(§att). Veibe biefe Vortragsmittel, im begriffe nidjt gar §u
meit gerieben, t)aben $am Ömtd, bem gotgenben eine ert)öfc)te
SBirfung gu geben, ©elbftoerftänbiict) gilt bieg nur bon ge*
eigneten trafen (©teilen), unb tjiebei mirb mieber üon meljr
ober meniger Vebeutung (©inn) berfelben bie Sßebe ferjrt
tonnen. Veifpiele merben beibeS geigen.
Sitte ©igen^eiten ber 23eett)oüen'fct)ett ^ebefunft im ©etail
laffen fiel) in feinen erften ©onaten auffinben, at§: im erften
©a£ ber erften ©onate in F nioll, in allen bier ©ä^en ber
in Es dur; Op. 7, in allen brei ©ätsen ber in C moll, Op. 10,
in allen bier ©ä|en ber in D dur beffelben Dpu§, in ber
Pathetique unb in beiben ©onaten Op. 14. Sitte ctjarafteriftifdjen
Slbftufungen üom Saiden, ©entimentalen, ©ruften unb Reitern
bi§ gum 2eibenfct)aftlid)en fommen in biefen genannten ©onaten
gum SluSbnuf. ©inige ©liefe in ben erften ©atj ber C moll*
©onate unb in ben erften ber Pathetique merben bie begriffe
bon rt)etorifct)er $aufe unb (Säfur üerfirtnlictjen. ®ie ©teilen
au§ legerer ©onate finben fidi unter ben ©rgängungen.
2)ie gleich bei beginn ber C moll=©onate fiel) offenbarenbeu
@egenfä§e üon ©tärle unb SKilbe, begeidjnenber, üon ßeibenfdjaft
unb ©anftmutl)*), finb bie fpredjenben principe, bie im 1. unb
3. ©a§ gum 2lu§brud lommen unb im angemeffenen Sßedjfet
be§ 3eitmaBe§ fify neben einanber bemegen. @8 ift einer ber
gefäfjrtidiften Sßettfämpfe gtotfetjen ©efüt)t unb Verftanb, ber,
roenn er glüdt, bon unbefct)reibUc^ äftt)etifd)er, aber auef) feelen*
malerifctjer Söirlung ift.
*) ©oute tooljl bei 23eeü)oüen'<§ Sttttfif, fcornefjmütf) bei ben ©onaten
unb Xrio'3, bie SJejetdjmmg mit ^attjoä unb (JtfjoS unfiattfjaft er*
fcfjeinen? Unftreitig liegt barin eine etf)tfd)e SBebeutung, benn fte fot(
ntä)t 6Io§ erweitern, beruhigen, an* unb aufregen, fonbern audj förbern, auf
bem SBege neuer, aber bod) funfigemäfeer, fefter formen uortüärtS bvängen
unb befreien bon bem meift t>erbraud)ten gormroefen früherer ©podjen.
— 590
33om 13. £act an bi§ einfcrjtiejjticl) 21. finben mir bie
r^etortfd^e ^ßaufe. §ier bie ©teüe:
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3)te getriebenen 23iertelpaufen in ber Dberftimme finb
alle um ungefähr 3m ei ya üermerjren unb bie abgeriffene
Sßfjrafe mit llngeftüm ^injumerfen. SBermetjrte Spannung
ift ber groecf. Wlit bem 22. £acte tritt bie gortfetumg ber,
fieibenfcfjaft atrjtnenben 9?ebe in feftem geitmafje e^n m§ Sur
allgemeinen $ßaufe mit bem 30. £acte. SBa§ öon ba ab alleö
6i§ sur ßantilene in Es dur (TOtetfats) im Vortrage ju
gefcfjeljen tjat, mufc übergangen roerben, „roeit e§ mit SBorten
nic^t leicht au^jubrüden ift," — jagt ©gerat). 2)od) barf auf
5ߧ. S. 2Sacr/3 £ef)rfat$ rjingeroiefen roerben.
591 —
£)ie (Sabenj tior bem 2lnf)ange im 1. ££)eU biefeS <2a£e§
fammt bem beginn be§ 9tnrjange3, geigt bie 5Intuenbung be§
Seet^ooen'fdjen 2e£)rfat3e§, nämticfj 9tulj)er>uncte, too fie ber
©omponift nidjt au§brücfttcfj fjingeftellt fjat. ©iefe fjaben ttodj
ben groecf, ben 9tnt)ang m er EH er) 5U trennen. ©ie betreff
fenbe ©teü'e ift:
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©er ®ang beroegt ftd) mit Ungeftüm nadt) ber £iefe unb
ftocft plöfclidj auf bem B. ©er Stnjjaitg befänftigt, fjäft ftefj
barum in ruhiger 23etoegung, bem Megro angemeffen.
SBet beginn ber ©efangftetle in F moll mit bem 13. £acte
im 2. £rjei( ift bie Sßiertelpaufc im 12. £acte mit einem
SRujjepuncte gu öerfetjen. S)ic ßäfur ift in biefem Xacte offen»
bar. ®a§ ©anfte erforbert bie mert(id)e Trennung t>om Sei*
benfd)afttict)en.
$on bem 3. ©a|e biefer ©onate bemerft (S^ernt): „©ie*
fcS finale ift bereits gan§ in jenem fantaftifefjen Jpitmor ge*
fcrjrieben, ber SBeettjoOen fo eigen mar."*) — $antaftifdjer
<pumor! SSer öermag eine fajsttcfje Definition biefer SSorte
*) ejernt) gebraust bie SBorte: „fmmor, ^umorifttfcö, fantafttfd}"
in 33esug auf ben ß^arafter einseht« <3ä£e gar oft, o^ne je nur einen
— 592 —
gu geben? tiefer ©onaten=<Sat$ gibt fie roarjrticfj nicfjt, fonft
müfete jeber leiben fcfjaftüdje 2lu§brud in ber Wlu\\t fantaftifcfj
ferjn. 2)er Vortrag big gur Saricatur getrieben, üor roelcfjer
aber (ü^ernt) [eiber roarnen mitt, mirb alterbingS bem Seiben*
fdjaftlidjen, baS immer nod) gorm unb SCRafs behalten mufe,
baZ $antaftifd)e aufbringen, ba§> aber form* unb ma£to§
tft. Sn ben SBerfen be§ mat)rt)aften £onbid)ter§ mirb ftcf)
überall Starrheit, (£int)eit unb Originalität in rool)tgeorb =
neter $orm üorfinben, ob audj) in ben Sßerten bei Träu-
mers, beö gantaften, be§ (Mfteöüerrücften? (Jpört SSeimar'fcije
3ufunft3mufif!) 2)er £>umor in ber ^tonfunft roirb fid) mit
bem Srnfte, bem «Sentimentalen eben fo mofjl paaren, a(§
mit bem üftaiüen, ^eiteren unb Seibenfdjaftticfjen, niemals aber
mit bem $antaftifd)en, ba3 fid) überall oerftattet bie ©efetje
ber ©diöntjeit §u üerletjen. Snbeft tjat (S^ernt) mit jenem
SterminuS bocf) gegeigt, ba^ ber Vortrag biefeä ©atjeä ein
gang ejceptioneller fetjn muffe. S)iefe§ gilt aud) Oom erften.
(Eäfuren treten un§ im 1. <3ai3 ber Pathetique §mei öor
klugen, eine Oor (Eintritt be§ ©eitenfatjeö in Es moll, bie
anbere an beffen ©djtuffe. SSenn man fid) an beiben Orten
einen SRutjepunct über ben Sactftrid) benft, fo mirb bie ßäfur
merfbar unb bie SBirfung beS 5°^8enoen erf)öt)t. Unter ben
Ergänzungen mirb fid) eine 2(nfd)auung biefe<§ ©eitenfat$e§
fammt Angabe ber in allen ©rüden ferjtenben btjnamifdjen Soor*
tragSjeidjen oorftnben. ©benfo mirb bort borgelegt merben, mie
Söeettjooen bie (SingangStacte (Grave) gum erften ©a|e ber
Pathetique öorgetragen rjat.
(Eäfuren unb rhetorifcbe Raufen treten unS in SBeetljoüen'S
©onaten l)äufig entgegen, (teurere aber nod) öfter ai$ erftere) unb
fjaben meift ba§ 5lu<§einanbert)atten ber ©egenfätje §um ßmed.
SSinf ju geben, wie ein folget Gftarafter bnrjnfienen fety. 2(n einer ©teile
fagt et rootjl: „®urcrj bie meifiertjafiefte 23eberrfd)ung aller mecrjanifcfjen
©diroierigfeiten." 3)a gäbe eS ja tjeutäutage £mnberte üon ed)ten SBeetfyoöens
©pielern.
— 593 —
Sftit biefen Stnfübjrungen über Veett)oüen')o eigentrjümiicrje
löortragStueife, refö. über bie unerläfjltdjen (Srforbemiffe im
Vortrage feiner ß(atiier=9ftuftf überhaupt, finb nur gleicrjfam
äußere Umriffe be3 (Sanken gegeben. 2lHe§ auf it)r innere^
SSefen unb beffen Verlebenbigung Ve^ügiicfje fann nur auf
münblidjem 2Sege am ^ßianoforte bem gehörig Vorbereiteten
unb (£mpfäng(id)en gegeben werben. Snbefj ioirb ber Sefer boct)
barauS entnehmen, toa§ unfer 2fteifter in ber gu fdjreiben be=
abficfjtigten ßlaüierfdjule „2ibmeicfjenbe3" Don SInbern au§äu=
jagen getjabt tjätte, märe bie 2Ibfidjt gur 5lu§füf)rung gefommen.
@£ toirb nun am Orte ferjn, VortragSbemerfungen au§
(E3ernr/3 (S(aoier=©d)ute über einige ©äfcje ber Veetf)oöen'fd)en
©onaten einfließen %vl laffen. 3m ©an^en merben biefetben
Vorau3gefagte§ bekräftigen unb nod) befonbere SBtnfe geben,
aber aud) al§ Velege bienen, mie unbeuttidj unb irrefüt)renb fie
im (Sinjeinen finb.
Vom erften ©atje ber erften ©onate in F moll fagt (S^ernt):
„3)er (Sfjararter ift ernft unb leibenfcrjafttid) aufgeregt,
fräftig unb unentfcfjieben, unb otjne alle jene giguren bon
ßlaüierbaffagen, metdje fonft gemötjntid) bie Sbeen bon einanber
trennen. £>a3 £embo ift ein lebhaftes, bod) ntdjt aHäufdjnetteg
alla breve. — Vom 4. Xacte fängt ein Keinem Ritardando unb
Crescendo an, (beibe ntdjt borgefdjrieben) toetdjeg big gur
Gattung im 8. Xact gunimmt. S)te Xacte 41 big 44 be3 erften
%fytil§> finb mit 5unet)tnenbem Ritardando üor^utragen, unb erft
in ber §meiten §atftc be3 45. £acte3 tritt ha§> £embo mieber
entfcrjieben ein. Vom 20. Xacte be§ feiten %§til§> finb bie
nadjfolgenben 22 Sacte mit immer §unel)menber ^raft unb
Sebfjaftigteit, fet)r legato, unb babei im Vafs bor^üglid) au3=
brudSbotl au35ufüfjren."
Vom bierten &a§ biefer ©onate Reifst e§:
„©türmifdj aufgeregt, beinahe bramattfdj, nrie bie ©d)i(=
berung irgenb eine§ ernften (Sreigniffeä" u. f. \v. SSie man
3L ©djtnblerS Sßcct^oüen^SBiogra^^ie. 3g
— 594 —
fteljt, finb ber 9tnmerlungen — tüirffic^ im (Sinne $8eetl)0üen'S
— nidjt raenige, allein olme fantnif} aller oben entmidetten
Setjrfä^e ttrirb ber (Spieler bamit bod) fdjnjerlid) etmaS anbetet
als eine SBer^errung p <53et)ör bringen.
SSom 9tbagio E dur ber gtoeiten (Sonate in Op. 2 lagt
(E§ernt):
„Sn biefem 51bagio entroid'elt fiel) bereits bie romantifdje
5Rtct)tungf burd) bie 23eetl)oöen fpäter eine (SompofitionS=©attung
fdjuf, in ber bie Snftrumentalmufif ftd) bis pr Sftalerei unb
$oefie fteigerte. @S ift nictjt meljr btoS ber WuSbrud oon
@efüt)len, maS man Ijört, man fieljt ©emätbe, man t»ört bie
©r^ätjlung öon Gegebenheiten. 9tber babei bleibt baS Stonftüd
aud) at§ SCRufif immer fd)ön unb ungezwungen, unb jene
SBirfungen luerben immer in ben ©renken ber regelmäßigen
$orm unb confequenten £>urd)füt)rung erreidjt."
lieber baS Sargo ber D dur (Sonate, Op. 10, baS bie
9Mand)olie in allen ü)ren $ßf)afen fdjtfbert, mie 93eetf)oöen fid)
geäußert, madjt ßjernt) ganj befonberS gu empfefytenbe 5ln-
merfungen. ©r gibt folgenben 333tn!: „23eim Vortrage Don
*£onftüden biefer Slrt genügt eS nidjt fid) in bie geeignete
©timmung gu üerfetjen: aud) bie ginger unb §änbe muffen mit
einem anbern, fd)tt>ereren @ett>id)te bie SEaftatur beljanbeln, als
bei muntern, ober gctrtitdj gefüf)fooflen Sompofitionen nötljig ift,
um jene bebeutenbere 21rt beS SCon'S fjeroorpbringen, bie ben
langfameu ®ang eines ernften Stbagio gehörig beleben fann.
Sn biefem Sargo muß aud) ein tooljt berechnetes RAtardando
unb Accelerando bie SBirfung öergrüßern. (So §. 23. ift bie
2. £älfte [nur?] beS 23. SacteS etmaS fdjneller gu fpielen.
(£ben fo bie 2. £älfte beS 27. unb ber 28. £act. ©ben fo
Dom 71. £act bis gum 75. ein (Steigern ber £ebl)aftigfeit unb
ber ®raft, bis beibeS im 76. Xact mieber gur früheren Dxulje
gurücfferjrt."
$la&) 23eetl)oüen ift ein nal^u neunmaliger SSecljfel mit
ber S3emegung gur £>arftet(ung biefeS intjaltreidjen (SatjeS er*
— 595 —
forbertid), meift nur bem feinen Df)t merf6ar.343) ©a§ §aupt=
9J?otiü beljätt feine erfte 33eroegung bei ber 2Sieberfet)r, alle
anbern unterliegen ber SSerättberung unb finb unter einanber
fo öermittett, mie e§ bon beren ©inn geboten roirb.
$on (Eart S^ernt), ber fid) befanntticl) bom ©eifrigen ber
£onfunft fo lüett entfernt f)at, mirb man barum feine anbere
Stuffaffung in alter DJtufil; ermarten bürfen, at3 öom ©tanb=
buncte be§ SSirtuofen. ©r mar ja SSirtuofe burd) unb burd),
menn audj nid)t in ber heutigen gängtid) berftadjten 9tid)tung.
£)a<§fetbe ©djidfat mufete mittjin aud) bie 33eetf)oben'fd)e SD^uftf
unter feinen ^änben treffen, obgleid) er ben Sfteifter fetbft oft
gehört, met)r nod), obgleid) er in ben Vorträgen ber $rau
bon (Srtmann gefd)roetgt unb biefe Äunftpriefterin bei feinen
^robuctionen 1818 §ur SJätgeljütfin getjabt, mie oben bemerft
morben. ©3 liegt aber teiber im SSefen ber SSirtuofität, aEe§
biefer müfjfam ermor6enen ©rrungenfdjaft unter^uorbnen unb
baZ ©eifrige burd) bie S£ed)nif erfeien ju motten, ©itetfeit,
©treben nad) lautem Seifall öon ber Stenge finb nod) bie be=
fonberen Sriebfebern fotctjer 2Iu§fd)reitungen. 2Bir fjaben oben
bereits bernommen, roa§ für SSerbefferungen in SSeetboben'S
SBerfen fid) ber Jüngling (S^ernt) erlaubt ljat, mir bürfen alfo
343) Das ist das echte goldene Wort Beethovens selbst, wie er
den freien Rhythmus denkt und verstanden wissen will. Also ein
Tempowechsel in verschiedenen Teilen eines und desselben Satzes.
Musterhaft darin ist die Weisung für das dramatische Largo (d-moll)
in op. 103. Schindler macht nicht selten eine Karikatur daraus. Aber
der Rhythmus ist etwas ehern Festes; man erinnere sich des Wortes
von Hans von Bülow: „Im Anfang war der Rhythmus". Ein Beet-
hovensches Wort kann diese Weisung unterstützen. „Religion und
Generalbaß sind fertige, in sich abgeschlossene Dinge, woran man
nicht rütteln soll! Man kann aber an Religion und Generalbaß eher
rütteln, als am Rhythmus." Selbst ein Beethoven kann an den rhyth-
mischen Maßen nicht rütteln. Auch solch ein Geist kann nicht aus
geschriebenen Achteln mit einem Male Sechzehntel oder gar 32tel
machen wollen. Solche Schindlerschen Dinge sind albern.
A. d. H.
38*
— 596 —
gefaxt fetjn, fpätert)in nocb, tieferen Eingriffen in biefe SDhtfif
gu begegnen. Unb bod) mag er baZ Reifte in gutem ©tauben
getfjan fjaben, it)r gu nützen. — SöoUte id) feine Sefyre „über
ben richtigen Vortrag ber fämmtticfyen 33eett)ooen'fd)en 9Berfe
für ba§ ^ianoforte altein" einer fritifdjen Prüfung unterbieten,
fo gäbe bie§ eine lange 3(bt)anbtung. (SS foüen barum nur
einige ^>uncte barauS berührt merben. $ür ben gebitbeten. unb
unbefangenen SDcufifer unb 9)cufiffreunb mirb bieg genügenb fetm.
SBefanntlid) l)at 23eett)oüen bei bem erften ©a$ ber Cis
moll ©onate, Op. 27, bie ?tnmer!ung gemacht: „Sempre
senza sordiui", — b. f). ba§> gange ©tuet fotl mit gehobenen
Kämpfern gefoiett merben, ma3 mit bem ®nie gefdjat). 2)a§
$ebal ejiftirte in jener &\t n0§ nW- ®*e fargtonigen
Glaüiere, meldje ba§ gemünfdjte gortftingen ber einfachen (bem
§ornttange ätjntid) feljn fotlenben) 9JMobie nidjt gutiefeen, ge=
boten biefen feine§meg$ gmedentfüredjenben 9?ott)bef)etf, meit
aße angeflogenen £öne gleichmäßig mitgesungen, ©ebitbete
©pieter ernannten bei ber fetjon im feiten Satjrgetjenb er=
reiften Xonfütle jene ?lnmerfung für ftörenb, unb gebrausten
ba$ bereite oortjanbene ^ebate mit meifer SJMfjigung. Sgerntj
aber, ber biefe SBerbeffernng be§ Snftrnmentä alfogleict) in
foldjem Uebermafce gebrauchte, loie fpätertjin Chopin in feinen
SDtagurfa'ä, fagt bei nod) größerer Xonfülle im öierten Sat)r=
§et)enb beim erften ©at>e biefer (Sonate: „3)a3 öorgejeic^nete
s£ebat ift bei jeber SBaBnote oon feuern gu nehmen." — gerner
begeidmet 93ectt)Oüen biefen ©atj einfad) mit Slbagio, (Sgernt)
aber oerbeffert ben Slutor unb letjrt: „23ei bem üorgegeidjneten
Alla breve^act ift ba§> gange Xonftüd im mäßigen ?tnbante*
Xemüo 51t fpieten." 3Md)er Stbftanb 3mifd)en 9lbagio unb Slnbante.
(Sin biefem natje Oertuaubter $aH tritt fdjon ein beim
brüten ©at3 ber ©onate in G dur, Op. 31
Rondo. Allegretto.
— 597 —
©er 2Sirtuofen*^äbagoge commentirt ben £onbid)ter atfo:
„®a ba§> 3IIfegretto alla breve ift, fo mufj baS (tage bebeutenb
fdmefl (Allegro molto) oorgetragen derben." 9ftan traut feinen
Singen mdjt, tuenn man biefe 5tu3fegung lieft. sparte 23eett)oben
roirf(icf) einen fo &efdjränft*fdjufmeifterifdjen begriff öon Alla
breve=Xact, um ifyn, ben %ad überhaupt, al§ erfte -Korm bei
Stuffaffung eines £onftücfe3 öoranjufteHen, ntct)t üietmef)r beffen
©^aracter=(Sigentt)ümticE)e§?*) @r f eiber fpiette biefe$ 9ionbo,
unb wollte e3 gezielt f)aben: „@emütt)ticr) eintjergerjenb." ©er
gange ®a£ trägt ungefähr ben (E^aralter einer ruhigen ©r^ä^tung.
Sn folctjer SBeife erftärt fiel) ©jernt) über biefe ^eiligen
SSerfe, reict) an loaf)r{)after unb tiefer ^ßoefie, ba§> größte Sabfal
für jebe§ it)ar)rt)aft poetifdje ©emütt) unter «Spielern unb §örern !
SBergleidjt man aber ben bon if)m jebem ©a|e beigegebenen
Metronom mit beffen 6§aracter=(5igentpmticf)feit, fo erfieljt
man erft bollenbä, ba^ all' unb jeber ^Begriff öon 5lbagio,
SInbante, SIHegro u. f. f. au§> ber claffifeljen (Spoctje über ben
*) SDurdj 23etfe£ung be§ Alla breve^acteS wollte 23eeu>Den offenbar
bte richtige Bewegung biefe§ Safceä ju erfennen geben. — SSenn man im
Megro^Xempo anftatt Xty[\$ unb 2irfi§ öier SactHjeUe martirt, fo geigt
ifjr fd)neHe§ 2htfeinanberfolgen ungefähr ein Allegro assai. SJcarfirt man
im Kyrie ber Missa solemnis, ba% ftd) jumeift im S3iertelnotenton bewegt,
cnfiatt jroei Dt er SEactttjeile, fo gibt e§ fein „assai sostenuto", tt>of)l aber
ein Allegro moderato, folglich einen anberen Sbaraüer. %n §at)bn'§
G£)or: „®ie ipimmel ersähen bte ©fjre ©otteö", ben Alla breve al§
normgebenb betrachtet, rotrb ein $iefto ju böten fefin. So bat itjn
9Jienbeilfobn beim Weberrljeinifcben SJcufiffefie 1846 ju Stadien »er*
ftanben, unb ben aus 500 Stimmen beftebenben ©efangdjor im Sturmfcrjritt
babingejagt, — wie er ©leidjeS fo rjäufig ju tfyun pflegte. 23eld) feine
Unterfdjeibung gewahrt man bagegen in ^Beurteilung ber 3eitntafee &ei
8t 93. SDcarrJ ©ans «3^9 bemerft er in feiner ^ritif über 33eetboöen'§
Sonate in As dur, Op. HO, («Berliner 9Dcufif=3eitung 1824), bajj ber erfte
Sag mit Slbagto bejeidmet werben muffe. S)er (Somponift febreibt:
Moderato cantabile. 3>a§ fann mijjüerftanben werben unb Wirb e8 in
ber 9tegel, weit ftdtj bie Spieler lebiglid) an ben bet!ömmlid)en 23egriff be3
SJcoberato rjatten, barunter gemeinhin ein gemäßigtes SlKegro oerfianben rotrb.
— 598 —
Raufen geroorfen tft. 3)ie betben angeführten <Sä^e jeigen bieS
gur ©enüge. §ier fterjt man eine ber §auütquetten, au§ meldjer
für bie S3eett)oben'fcf)e ßfat>ier*9Jhtftf fo großes $erberben ge=
floffen ift, weniger jebocfr, oermittetft be3 gefcfjriebenen 2Borte3,
al3 üietmeljr be§ inbibibuellen UnterridjtS.
(S^ernr/S ÜDZetronomiftrung ber 23eetrjot)en'fcf)en Staötermufif
füljrt un£ §u SD^aeljei'g £actmafct)ine gurücf, bei meldjer mir
ein fteineä ©tänbdjen macrjen muffen.
Sn bem titerarifcfjen !?£ad)faffe oon Sgna§ öon Sftofel in
2Sien f)at ftc£) ein 23rief üon SSeetfjOöen an 9ttofet üor=
gefunben, ber in ber $amitie aufbemarjrt roirb. Sine getreue
3lbfd)rift baüon üerbanfe idj bem berftorbenen 2tforj3 $ud)§.
Ser Sßorttaut ift nadjfterjenber:344)
„(Suer SSofjlgeboren! §er§üct) freut midj biefeI6e Slnfidjt,
melcfje ©ie mit mir trjetfen in 2Inferjung ber nodj au§ ber
Barbarei ber Sßufif rjerrürjrenben S5e§eidjnungen be3 QtiU
mafjeg, benn nur 3. 93. roa§ fann miberfinniger ferjin afe
9IEegro, roeldjeä bodj ein für altemal luftig rjeifet, unb mie
meit entfernt finb mir oft öon biefem begriff biefeä 3e^mQfee^
fo hüfa ba3 ©tüd: felbfi ba§ ©egentrjeil ber 93e5eid)nung fyatl*)
2Ba<§ bie öier §auptberaegungen betrifft, bie aber bei SBcitem
bie SBaljrljeit ober 9ftcfjtigfeit ber Oier §auptroinbe nicljt f)aben,
fo geben mir fte gern t)inban, ein anbereS ift e§ mit ben ben
(Srjararter beS ©tücfeä bejeicljnenben Söörtern, fotctje fönneu mir
nidjt aufgeben, ba ber £act cigenttid) meljr ber Körper ift,
biefe aber fcfjon felbft Se^ug auf ben ©eift be3 ©tücfeö fjaben.**)
*) Ser Reiftet meint mit bem „©egentfjeil" (Smft, 23ürbe, ßr =
fiabenfieit.
**) SSenn ein SSett Don 33eetfiouen 3111 Sluffü^rung gefommen, fo
mar feine erfie ^rage au^eit: „2Bie waren bie Sempi?" StüeS Slnbere
festen ibm feconbärer 3lrt ju fetjn.
344) Vgl. diesen Brief an v. Mosel nebst Erläuterungen in B. S.
Br. No. 663 (III. Band). Andere wichtige Gründe veranlaßten mich,
den Brief dem Jahre 1817 zu belassen. Siehe dort. A. d. H.
— 599 —
— 2Sa3 midj angebt, fo l)abe id) fd)on lange barauf gebaut,
biefe miberfinnigen Benennungen: Megro, ?lnbante, 2(bagio,
Sßrefto, aufzugeben, äJfaefael'ä Sföetronom gibt un§ fjiegu bie
befte (Gelegenheit — ict) gebe Stjnen mein SB ort fjier, ba^ ict)
fte in allen meinen ßompofitionen nicfjt met)r gebrauchen
merbe. — (Sine anbere $rage ift &, ob mir tjieburct) bie fo
nötf)ige 5lllgemeint)eit be3 Sftetronomä begiueden werben, id)
glaube faum! SDafj man un3 aber für 3w^n9^erren augö
fdjreien mirb, baran ^meifle id) nicfjt, märe nur ber ©ad)e fetbft
bamit gebient, fo märe e£ nod) immer beffer, aU un3 be3
$eubali<omu3 §u befdmtbigen.
S)al)er glaube id), ba3 befte fei), befonberö für unfere Sänber,
mo einmal Wn\it 9?ationaU25ebürfni^ gemorben, unb jebem
£>orffd)ulmeifter ber ©ebraud) be£ 9Jcetrouom3 geförbert merben
mujj, büfj DJ^ael^el eine gelniffe 5tn§at)t Metronome mit $rä=
numeration fudje anzubringen gu rjoEjeren greifen, unb fobalb biefe
3af)l iljn bed't, fo mirb er im ©tanbe feljtt bie übrigen nötigen
SJietronome für ba§ muficalifdje 9cational=BebürfniJ3 fo morjtfeit
§u geben, bafe mir fidjer bie größte 2Ittgemeint)eit unb Ber=
breitung baoon ermarten fönnen. — @3 oerfteljt fid) öon felbft,
bafj fid) einige hierbei an bie ©pitje ftellen muffen, ma§ an mir
liegt, fo fonnen ©ie fidjer auf mid) redjnen, unb mit Vergnügen
erroarte idj ben Soften, meldten ©ie mir rjierbei anmeifen
merben."
2)ie Stbfdjrift biefe§ Briefes trägt bie 3af)re^al)t 1817;
offenbar ein Srrtljum burd) frembe §anb entftanben. Belannt=
lid) mar eS bei unferm 9fteifter ©erool)nt)eit, feinen Briefen nur
feiten bie Sarjre^aljl bei^ufe^en, roaö in §infid)t auf ©id)erl)eit
ber £>aten ju bebauern, mie üorfteljenber gaU ^eigt. Unbe^meifelt
batirt er um mehrere Safyre gurüd, alö ber SDtafter nod) für
WaäftVä Sactmeffer fcfjroärmte unb aud) nod) öolt öftreid)tfd)=
patriotifdjer ©efinnungen geioefen. ®er fünfzehnte Saljrgang
ber 21Ug. SDhif. ßtg., ©. 785, ermähnt einer öon ©alieri,
Beetljoüen, SSeigl, u. 51. ausgegangenen (Srftärung über
— 600 —
bie Sftütjtidjfeit be§ SOtactgerfc^en 9)?etronom'§, bort aber Chrono*
meter genannt. S)ie§ gibt @runb, obigen 93rief au§> bem ^atjre
1813 ju batiren. ©in anberer ©rnnb für btefe ?lnnat)ine
finbet fidj in bei* Söefeitigung ber itafienifdjen Xembo=$8e3eid)=
nungen in ben nädjftentftanbenen ©onaten Op. 90 unb Op. 101,
barin jeber ©afc bie iljtn gu!ommeitbc SBemegung nebft SBinfen
über beffen CHjarafteriftif mir mit beutfdjen Porten ertjaltcn
fjat. ©o tragen §. 23. bie bier ©ätje ber te|teren ©onate
folgenbe lieber jdjriften: 1. „@tma§ lebhaft, unb mit ber innigften
©mbfinbung." 2. „Sebfyaft, marfcfjmäjjig." 3. „Sangfam unb
fetjnfudjtöboll." 4. „©efdmn'nb, bodj nid)t §u fet)r unb mit
@ntfd)(offent)eit." — S)ie bem 1. unb 3. ©a|e überbieg nod)
(im ^frewtbeSfretfe) beigegebene 6f)ara?ter=Se5eid)nung „STräu*
merifdje (Smbfinbungen" mirb ber richtigen Huffaffung nod)
befonber§ gut gu ©tatten tommen.
üftur gu batb mürben (Sinroenbungen gegen btefe Uo§> in
beutfdjer ©bradje beigefettfe £embo=33egeidmung bon engtifdjen
Verlegern laut. Slber felbft bie beutfdj gegebene erroie§ fict)
alSbatb nid)t minber unfidjer unb bage, mie bie italienifdje.
25eett)Oben fat) fid) baljet fdjon in ben beiben ©onaten, Op. 102,
gur Beibehaltung „ber nod) au§ ber Barbarei ber 9ftufif f)er*
rütjrenben 93egeidutungen be§ .ßeitmakeS" beranket.
Sn ipinfid)t auf ba§ ©efdjidjtfidje be§ 9#äfgel'fd)en 9Mro=
nom'3 mufj aber in Erinnerung gebradjt merben, bafj e3 5m ei
mefenttid) bon einanber abmeidjenbe Sonftructionen gibt. S)ie
erfte geigt eine ^3t)ramibe bon §roölf 30II £>öt)e, mit einem
auf ber SSorberfeite bon Stufjen ^angenben Sßenbet gur (Srmitt-
(ung ber roageredjten ©teflung. 3U fixerer @rreid)ung biefe§
ßmedeS befinbet fid) nod) an einem ber borbern 2)rat)tfüf$e
eine ©djraube. ?(uf bem btedjernen ©c^ilbe tieft man bie
girma ^Dtaetger ncbft ber Sat)re^at)( 1815. 2)ie ^Senbetfäule
geigt nur ßatjlen bon 50 bi§ einfdjtiefjtid) 160.*) — ©e§
tjofjen $oftenbreife§ megen (brei SouiSb'or ber ©tüd) fanb biefe
ßonftruction nur fetjr geringe S5ead)tung in £)eutfd)tanb. 2)er
— 601 —
SBerfertiger fdjeint 23eetljoben'§ patriotifdje ©eftnnung nidjt
gehabt ju Ijaben. Sdjon um bie gtoangtger Safjre liefe ber in
$ari§ mot)nt)afte SD^aelget bon feinem 33ruber in SSten bie
9J?afdj)ine in berHeinertem 3Kafefta6 — ungefähr actjt 3°ß
b,od) — für £)eutfd)(anb anfertigen, mobon ba§> Stüd gu einem
Soui§b'or abgegeben mürbe. SDie ^enbetfäufe geigt eine 3a^en=
auSbetjnung bon 40 bi§ 208. Slbtoeidjmigen biefer berfteinerten
bon ber urfprüngtidjen (Eonftruction Ratten aber bamal§ fdjon
SBeranfaffung gu klagen gegeben, meit bie Sempi ftdj nidjt mefyr
genau beftimmen liefen oljne Sßeifatj, nadj metdjer ber beiben
(Sonftructionen bie 9J?etronomiftrung ftattgefunben.
2tn borftetjenbe Sfjatfadjen foH fidj bie für un3 nict)t minber
bebeutfame anfd)tiefeen, ba$ S3eet§oben bie metronomifcfje SSegeidj*
nung feiner Sinfonien in allen Sä|en nadj ber erften Son=
ftruction ber 9fta[d)ine gemacht fyat £)iefelbe befinbet fid) im
neunzehnten Safogange (1817) ber Stffg. ÜKuf. ßtg. Seite 873.
SSßeldje ©ettung fte bei (Srfdjeinen ber gtoeiten ßonftruction
nod) behalten tonnte, ergibt ficf) bon felbft. 2£u§ biefem ©runbe
enthält bie im 3. Satyrgetjenb bei Steiner u. Somp. erfdjienene
Partitur bon ber A dur= (Sinfonie meift abmeidjenbe metro*
nomifctje £empo=2Seftimmungen — bon be§ 9iutor§ £>anb. Sie
finb nad) ber fteinen Sftafcfjine gemalt unb geigen burdnoeg
tangfamere Sßemegungen. 2)a§ betoeifet, bajj bie gteidje Qafy
auf ben beiben ^enbetfäufen nidjt nur nidjt übereingeftimmt,
fonbern bermittetft ber fleinen SJtafdjine meift biet fcrjnettere
25etoegungen angegeben morben. Sollten biefe Umftänbe Ttictjt
§ur ^Beantwortung ber fo oft lautgemorbenen $raSe bienen,
totäfyaib 23eett)oben ben Metronom unbenutzt getaffen? Sn ber
Xtjat finben fid) nur gmei SSerfe bon iljm fetber metronomifirt,
*) (Sin mofjIerftalteneS Gfemplat ber erften Gonftructton fanb ber
SSerfaffer bei bem £of=£>pernfänger Sromolini in ©armftabt. 345)
345) Über diesen Opernsänger enthüllen die Tagesblätter
neuester Zeit (1909) Mitteilungen über seinen interessanten Verkehr
mit Beethoven. A. d. H.
— 602 —
unb ätuar bie große Sonate, Op. 106, auf au§brüdlid)en SSunfrf)
oon 9?ie3 für bie Sonboner Sluggabe, bann nod) bie 9. Sinfonie
jufolge 3Bunfdje§ ber 23erlag§rjanblung Sdjott in ÜJtoing unb
ber *ßtjilt)armonifd)en ©efellfdjaft in Sonbon. Sin letzteres? @e-
fdjäft fnüüft ftcf) ein SBorfatf, ber be§ SWeifterä geringe 2Bert§=
fdjätjung be£ 9ftetronom§ flar unb beutlidj geigt. (Sr er«
fudjte mid), bie einige Sage borget für SJcaing gemadjte
ötotirung für Sonbon gu copiren, allein biefe mar üerlegt
unb liefe fid) nid)t auffinben. £>ie Slbfenbung brängte, er
mußte fid) bemnacfj §u abermaliger üßornarjme biefeS unan=
genehmen ©efdjäftö bequemen. Stber fiet)e, !aum mar bie SIrbeit
getfjan, als id) bie frühere üftotirung auffanb. @in ^erg(eid)
geigte bie SIbroeidjung be£ 3e^maBe^ bei allen ©ätjen. £)a rief
ber äßeiftet üoll Unroillen au§: ,,©ar fein Metronom!
Söer rid)tige£ ©efüfyl rjat, braudjt it)n nid)t, unb mer
ba$ nid)t l)at, bem nü|t er bod) nid)ts, ber lauft bod)
mit bem gangen Drdjefter baOon!"*)
Sn ben früheren Sluflagen biefer Sdjrift tjat ber SBerfaffcr
einen augenfcrjeinlicfjen 33eroei3 Oon SSerroirrung ber begriffe im
^uncte Sluffaffung ber Seetfjoöenfdjen Glaoiec=28erre bamit
geliefert, inbem er einige au8 ber Sonboner Slu§gabe mit
ätfetronomifirung öon 9)?ofd)ele<§ neben biefelben SBerfe au<§
§a§linger'ö Verlag mit 9J£etronomifirung üon einem lln=
genannten geftetlt Ijat. Slber (£. Ggernt) t)at auefj eine 9J?etro=
nomifirung aller (Sonaten be£ SO?eifter§ in feiner Glauier=Sdmle
gegeben, roeldje im Verlage Oon 2)iabelli erfdjienen ift. ®iefe
öffigin liegt auf ber SSeftfeite be§ ©rabenS in SSien, roäfirenb
bie §a§linger'fd)e ettoa3 fd)räge gegenüber auf ber Oftfeite fid)
befinber. So meit aber Oft unb siÖeft au^einanber liegen, fo
rceit geljen bie au3 beiben Offtginen ausgegangenen Sftetro«
nomifirungen au3einanber. SSetdje oon beiben ift bie richtige,
im roarjrt)aft getreuen Sinne be§ SIutor§? Ggernt; nimmt für
*) 6iel)e fcorftefjenb (£. W. Don SSebet'S iöemerfung über ben Metronom.
— 603 —
bie SBaljrfjaftigfeit feiner Slngabe bie ßuftucfjt gur Srabition,
unb barf bie§ afö ßeitgenoffe 23eetrjOüen'j§ unbebenflid) tf)un.
Mein feine £empo=sJ(ngaben geigen im $ergteidje mit ben
§a§(inger'fd)en t)äufig entfdjiebenen Sßaljnfinn, nnb fielen in
meitefter Entfernung öon ber Srabition. Sin fpredjenber
33etuei§, in metcf/ fyoljem ©rabe bie Erinnerung in bem mit
adjtrjunbert eigenen SSerfen angefüllten Stopfe bei
Gäernrj in Sßerroirrung geraden. — ©eit biefen fignalifirten
Saaten gmeier ^orrjprjäen im 9}irtuofen=©efd)ted)te, 9J?ofcrjete3
unb (S^ernt), finb nod) 9ttetronomifirungen ber SSeetrjoöen'fdjen
ßlaöiermufif in 9ftenge öeröffenttidjt morben, forootjl in ben
öerfdjiebenen 2Tu§gaben ber SBerfe, mie in muficatifdjen $eit=
fünften. £>ie bamit befunbete 3Serfcrjiebent)eit ber Slnfcrjauungen
läf^t ftcf) in parallele ftellen mit ber SBerfcrjiebenrjeit ber
Drd)efter=©timmung, öon roetdjer bie jur geftftellung einer
Format =©timmung gu ?ßax\§> niebergefefjte ßommiffion im
äßonat $ebruar biefe§ Saljrä ber Sttufifoett faft ungtaub=
ticfje SBeifpiele üorgetegt Ijat. ©cfjranfenlofeS üftadjmacfjen be§
SJtaet^et'fctjen 9)2etronom§ ofjne ßontrote in aüen Säubern Ijat
bie Unfidjerfjeit ber 9DZafd)ine nod) üermeljrt, bemnad) öoE=
fommen nutjtoä gemacht.346)
2)iefe ©aten merben genügen, um bie STopograpljie be§
muficalifdjen Q3abet3 in Söejug auf 23eetfjot>en'6 ©(aöiermerte
redjt anfrfjaufict) §u madjen unb bor allen 9#etronomifirungen
5U roarnen. S)iefe ©bifobe fdjlieftenb barf toorjt nod) gefragt
merben: ift morjt bie 23eetIjoben'fd)e St'ammer^ufif: überhaupt
megen itjrer befonberen Eigentljümtidjfeiten geeignet metronomifirt
5U merben? unb berrätrj nicfjt berjenige, ber gu biefem ©efdjäfte
bie §anb bietet, botlftänbige ilnfenntnijs biefer ©igentrjümlid)=
feiten, ja, fogar jebe§ fjötjeren ^Begriffes oon muficatifcfjer
Erjaratteriftif? —
346) Diese Bemerkungen über die Verschiedenheiten bei metro-
nomischen Bestimmungen derselben Werke sind besonders beachtens-
wert. A. d. H.
— 604 —
35ebor mir ba% mit gemeinfcfjtötidjen Srrtf)ümern tiermifcfjte
SBtrfen S^ernr/ö in S3eetf)oöen'§ Gfaöiermuftf: gan§ au3 bem
©eftd)t§freife öertieren, um un3 bem SJBirfen in gleicher
©p^äre öon Sebenben ju^umenben, muffen mir nocf) eine§
<5inne3= unb STfyatöermanbten öon iljm gebenden, ber nid)t
minber SSirtuofe tote er, audj nidjt minber in bem ©tauben
befangen mar, burd) 3(enberungen biefer 9J?uftf ju nützen.
($>3 ift bie§ fein anberer aU gerbin an b 9ftie§, ber fid>
rühmen burfte in ber Äunft be§ $ianoforte=©öiet§ (Schüler
öon Söeetfyoüen ju fet)n. ©er Unterfdjieb jtüift^en biefen beiben
SSirtuofen (batS SSort im befferen (Sinne) liegt bto§ barin,
bafj ©gerat) fein Xljun Satyre tjinburd) unter bun klugen beS
Stonbictjterö öractifd), nadj beffen £obe aber tfjeoretifdj oerübt,
motjingegen 9fte§ in Sonbon unb anbern Orten fein SSefenntnift
in 2kett)oöen'3 9J?ufif mit ber Semerfung abgelegt, feine
5Ienberungen g e f d) ä f) e n im (Sinüerftänbnifj mit
bem Sfteifter. Sn einem ^Suncte jebod) befielt bei Seiben
eine übereinftimmenbe 2(et)nlid)Mt, unb jmar: je meljr jeber
bon itjnen fe(bftfd)öüferifd) glänzen mottle unb, um biefeä im
üotten äftafje gu erreichen, fid) ber neuen 9tid)tung anfdjtiefjen
mufjte, befto mefjr t)atte er ftd) öon bem ctaffifdjen $orbilbe
entfernt. Reiben erging e§ ungefähr mie ber bübenben Shmft
in grcmfretd) feit Submig XIV. big um bie SKttte be§ ad)t=
getjnten 8aljrf)unbert§: je meiter fid) biefe com ©tubium ber
3lnti!e entfernt unb nur bem äußern Sffect fyutbigte, befto
fdjneller ift fie in mibrige Lanier unb ifyeatratifdje tleber=
treibung geraden, 6i§ S)aöib fie mieber gur Slntife surüd=
geführt t)at. — Söie ftet)t e§ mot)( tjeute fc^on um bie fo ge=
nannten Originat=(£omüofitionen üon (S^ernt)347) unb $Rie§!?S4S)
347) Nein! Carl Czerny gilt auch heute noch als einer der ge-
suchtesten theoretischen Klavierpädagogen, als Klaviertechniker par
excellence. Ohne Czerny auch gegenwärtig kein Klaviermeister. —
Hier hat Schindler wieder weit übers Ziel geschossen. A. d. H.
348) Neudruck (Schindler) mit der vermißten Stelle S. 181. A. d. H.
— 605 —
3SaS Wirb trtofjt nad) ^erjn Sagten fid) nod) bation am Seben
erhalten Ijaben? ÜtieS rjat an 200 folcfjer SBerfe tieröffentlidjt,
unb 5toar in allen (Gattungen muficalifcfjer (Somtiofition.
Sd)on im Vorwort warb bemerft, bafc jmifdjen 23eetrjotien
unb 9fteS im Saufe ber Saljre SSerftimmung unb Spannung
auS mancherlei ©rünben eingetreten; eS würbe bort gezeigt,
in Welcher 5$eife fid) in letzterem ber ©roll gegen 93eett)ot»en
bi§ an fein SebenSenbe erhalten rjatte. 3sn ber 3. ^ßeriobe
warb ber (Störung biefeS freunbfct)aftlicr)en 23errjättniffeS bloS
tiorübergefjenb erwäfjnt, Weil ber Ort ntctjt ber geeignete fcfjien
auf 5tuSeinanberfet3ung ber ©fünbe einjugeljen. Geeigneter
Wirb eS nunmeljr ferjn, gumal baS eben gefdjilberte Sötrfen
(Säernr/S barauf t)infüt)rt unb baS betreffenbe gum großen
Sttjeil muficatifdjer Statur ift. 2)iefe obwaltenben ®inge fjaben
neben bem funftrjiftorifdjen noefj ein cutturrjiftorifdjeS ©etmdjt,
wenn man in letzterer §infid)t baS tion 3>at)r $u iyafjr im
publicum fid) geminberte öntereffe an SSeetrjotien'S tieffter
^ßoefie in (Srwägung jiefjt unb weif3, bafe fdjon gu Stnfang
beS 3. Saljr^e^enbS bie (Staüiermuftf faft gänglicl) in bie
9htmtielrammer gelegt mar; Wenn man ferner ben Umftanb
nidjt für geringfügig betrachten Will, jWei begabte ^ünfiler
tion Sebeutung, bie beibe merjr ober Weniger in unmittelbarer
9cäf)e beS SonbicljterS gelebt, als Sßerbefferer biefer ewigen
Monumente auftreten §u febjen, anftatt mit ferutiulofer ©ewiffen*
fjaftigfeit an bem Gegebenen feftju^alten unb eS als getreue
21tioftet auf tiractifcfjem 3Bege weiter §u tierbreiten. 3U allem
bem nod) finb biefe obwaltenben S)inge in SSeäierjung auf
Seetfjotien unb 9tieS tion befonberS djaracterifttfdjem
SSeigef cfjmad, auS biefem ©runbe Wirb ein offenes 3)ar=
legen beS gactifdjen faft geboten. (SS erforbert aber genaue
Socalfenntnifs, gumal SRieS in feinen ü^ot^en biefe £)inge in
ber §autitfadje umgebt unb nur erraten läfct, aud) bie bort
abgebrudten Briefe tion 23eetf)otien an itjn ben Seurtljeiler
irreleiten tonnen.
— 606 —
@§ ift eben fo natürlich a(3 töblict), tafa 33eetl)oben Bei
bem 33eforgnife erregenben 3uftanoe feinet ($et)ör£> bebad)t
war, fid) in [einem ©djüter 9fe eine fräftige ©tü£e für bie
(Slabier=2öerfe nid)t nur §u bitben, fonbern it)n and) für
längere 3e^ Q^> dufter tjierin gu erhalten. 511lein, je mefjr
ber ©ctjüler, (ber bom 15. 6iS gum 21. £eben§jafir bei Söeetfjoben
geWefen) fid) beftrebt ijatte, fein eigenes compofttorifd)es' £id)t
(eud)ten gu laffen unb ber neuen 9\id)tung gu fjulbigen, bie
auf geiftigen ©etjatt ber <Sd)öbfungen wenig, ferjr biet aber
auf brillante unb im formellen abgeglättete Strbeit reftectirte,
befto früher nutzte es" bei ifjm bafjin fommen, bafe it)m bie
Xonbidjtungen feines" SefjrerS in itjrer Wat)rt)aften (£igentf)üm=
fidjfeit immer ferner unb ferner gerüdt finb. S3eben!t man,
wie bietet unb wie bietertei er atSbalb brobttcirt tjat, fo
tonnte ifjm unmögtid) $eit für SBerfe Ruberer übrig bleiben,
nidjt minber aud) für bie feines1 SetjrerS. 2)ie erfte 9fatd)rid)t,
Wie Wenig SfreS für feine 9#ufit in Sonbon tljue, unb,
wenn er öffentlich ober in ^ßribatf reifen bamit auftrete, wetdje
Henberungen unb SSeglaffungen ganger ©ä|e in (Sonaten
unb ^rio'§ er ftd) erlaube, fam bem 9J?eifter um 1814
fdjon bon feinem greunbe ©alomon. $u Einfang ber
brüten Sßeriobe erfctjien in SBien ber un§ bereits belannte
Souboner fiünftter Startes 91 täte, unb beftätigte ba§>
bon ©alomon ©emetbete. (Sin (SteidjeS trjat ber um 1817
nad) 3Sien gekommene Sonboner ^ünftler (Etybrian ^ßotter.
(£§ begreift fid), bafe biefe übereinftimmenben üftadjridjten bei
23eetf)oben böfeS SSlut erzeugt tjaben. ©ort aber liegen bie
erften llrfadjen, bie fbäterljin gu immer lauter Werbenben
Magen über feinen ©djüler unb greunb geführt Ijaben. Sßtdjt
gu loben ift 93eetl)oben'§ gängtidjes' 5>erfd)Weigen be§ 35er=
nommenen gegen dlk§>, Wol)t aber liefe er feinen Säbel über
beffen Slmn in Qu.\$dftm an 3Iubere laut werben, toa$
erfteren beriefen fonnte unb WirtTict) berieft l)at. £)er SBcrfaffcr
weife bieS au» 9fe' 9#unbe.
— 607 —
2lu§ folgen Anfängen entmidelten fid) roeiterljin ©rünbe
§u gegenseitiger Sßerftimmung unb (Spannung, diejenigen
®unftlerjrer, roetdje mit ärjnlidjen Srroartungen ©cfjüler gebilbet,
bafj biefe einft bie ©tütje einer großen ©acfje roerben mürben
nnb ifjre STäufdjung nod) erlebt rjaben, roerben biefe ©rünbe
am beften $u tarjren roiffen.
Slud) ben beatmen SBereljrem $eetl)oüen'§ fjat fiel) 9^ic§
burd) fein Sßerfarjren mit beffen 9Jiufif, be<?gteidjen burd) feine
fritifdjen Anmerkungen barü6er, an oerfd)iebenen Orten 6e*
!annt gemalt. Sn teuerer Söegieljung fjatte er 1830 mit
Subroig 53erger in Berlin einen fjarten ©traufe §u befielen,
mie bem SSerfaffcr bort bem baran Strjeit genommenen $ßrof.
®et)n berftdjert roorben. Unter anbern tabelte 9iie§ in ber
(Sonate „Les Adieux" Op. 81, bie ©teile gegen ben ©djfufe
be3 erften 9lHegro*@a§e3, in meldjer bie Konica* unb £)omi=
nate=§armonie §ufammenf(ingen, tootnit ungefähr ba§ letzte
Seberoorjt jttrifdjen bm bon einanber ©djeibenben au§ gemiffer
(Entfernung auSgebrüdt mirb; eine ©teile, bie rjinficfjttid) be§
befonberS ©igenttjümlidjett in aller 9ttufif roofjl fdjroerttd) ifjre§
©leiten ftnben bürfte unb im Vortrage bie größtmögtic^fte
3artt)eit erforbert, foll fie burd) it)r grembartige§ nietjt un=
angenehm mirfen. (£3 ift nacfjfterjenbe :
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©iefelbe ftang bem 9tie§'fdjen Dt)r nicfjt minber „abfcfjeulid)",
mie einften§ ber au§ ber $erne ertönenbe Jjpornruf bor 9Sie=
bereintritt be§ §aubtmotib'<§ im gmeiten Strjeil ber Sinfonia
eroiea. ©er fdjarfe ©ialectifer ©erger aber foH ben Stabler
fdjonung§lo§ befämbft t)aben. Um nod) eine3 gaHeö ^u er=
— 608 —
tonnen fet) auf bie SEBeglaffung eine3 STfjeiB au§ bem 5Ibagio
ber 9. ©infame bei ber Sluffüljrung am üftieberrfyeinifdjen
Söcitfiffefte 1825 gu s#ad)en fjingeroiefen, tote e§ bie geftridjenen
Crd)efter=Stimmen bezeugen. 3m Stilgemeinen t)atte e§ ^ieS
auf bie Slbagto'S abgeben; faft alle maren itjm ju lang
au<Sgefponnen. ($)enfel6en Stabe! über bie Stbagio'ö führte
6. Wl. Don s-föeber im SKunbe.) Seiber fe^tte bei 9üe3 ba§
©efüljt für Xtefe, unb fein fteineS «Spiet ba^u, mie märe e§
itjm mög(id) gemorben, bie großartigen Gtjaratterbitber in
S3eettjoüen'ö SWufif richtig auf juf äffen unb in baä gehörige
Sidjt 5U ftetten.*)
ßu Anfang ber gmanjiger Satjre tjatte ficf) aber nod) ein
anberer großer Stein groifdjen Sefyrer unb Sc£)üter gelegt, ber
bem beiberfeitigen ©rotl üftafjrung gegeben unb burcfj nid)t»
meijr 5U befeitigen gemefen. Sd)on 1816 tjatte Q3eett)Oüen
Stieg aufgeforbert, Ujm „ma§ £üd)tige§" $a bebiciren, morauf
benn ber 93ceifter aud) antroorten merbe unb ©teidjeS mit
®(eid)em üergetten.**) Sn einem ©riefe üom 6. Stpril 1822
*) Sie in Sd)tÜmg§ Gncrjriopäbie enthaltene Gfiarafterifiif ber 9tie3'fd)en
(Xompofitionen vermag ba§> 2lngefüt)rte ju erhärten. @3 Reifet bort: „$er
Grnft einer 93eett)0Den'fd)en «Sdjufe ift atterbingS ntctjt barin §u üerfennen,
aber an Siefe erreichen fie biefelben bei weitem nict)t, wie fie benn aud),
tüa§ SInmutb, unb lüJannigfaltigfeit in ber S3ef)anbluna. be<§ SnftrumentS
betrifft, felbft nod) hinter ben Werfen eine§ Sufjef äurüdbteiben. 9lud) auf
ben ©lanj ber mobernen Spielart eineS Rummel, SKofdjeleS, Salfbrenner
fönnen fie nidjt Stnfprud) madjen. ©od) galten fie eine gebiegene 2Jiitte,
ftaben ein große§ publicum für ftd) unb eben beSfjalb aui) in ber SSelt
unb namentlich in Gnglanb ba£ enorme ©lud gemacht. SRan barf wob,!
fagen, bah 9?ie§ bei feinen Gompofitionen biefe Grfolge ftet§ im Stuge ijat.
(5r greift nie tiefer, al§ man e3 in ber gemifdjten SSerfammlung be§ großen
s$ublicum§ Hebt, unb gibt anjiefienb, wa§ man ofjne Slnftrengung be3
Innern leidjt unb gern auffaßt. 3)a3 bebingt nun aber aud) fdjon, bafj
nidjt Sltleö neu unb originell ift, bielmeljr 2ftand)e§ auf ganj befannte
SJJotiüe gebaut fdjeint."
**) s-8iograpf)ifd)e ^otisen Don SSegeler unb 92ie§ S. 140 ff.349)
349) Neudruck S. 146—147. A. d. H.
— 609 —
bemerft SBeetfjoöen: „Von Sf)rer «Sinfonie f)abe id) nidjtö er*
galten." (£)iefe fdjeint nidjt gebrudt 51t fetjn.) 8n ber
ÜKadjfdjrift gu teuerem Briefe fctjreibt Veeirjouen: „9J?acfjen
Sie bod), bafj id) Sfyre ©ebication erhalte, bamit id) midj
luieber ebenfalls seilen fann, meldje» atfogleid) gefdjetjen foll,
nad) Empfang Sljrer." — Sdjon in bem folgenben Vrief
(beffen Anfang unb £>atum fetjlen, wie 0tte§ anmerlt,) ftefjt
5U lefen: „2)a «Sie, mie e§ fdjeint [?] eine ®ebication öon
mir batb münfdjen, mie gern roillfafjre tdj Seinen, lieber atä
bem größten großen §errn entre nous. ©er teufet raeife,
mo man nid)t in it)re §änbe geraten fann. Stuf ber neuen
Sinfonie (bie 9. mit (Sljören) erhalten Sie bie S)ebication an
Sie, — id) tjoffe, enblid) bie Steige an mid) §u erhalten." —
lieber ftetjt gu lefen in Veettjoüen'S Vrief öom 16. Sult 1823:
„3e£t merben bie Variationen (Op. 120) tootjl ba fetyn.350) —
"Sie ©ebication an Sfjre grau tonnte id) nidjt felbft madjen,
ba id) ifjren tarnen nidjt meiß. 9J?ad)en Sie atfo felbe im
tarnen %fyxt§> unb Stjrer grau greunbeS; überrafdjen Sie bie
Sljrige bamit, ba§ fdjöne ©efd)led)t liebt bie§." — ®a§ copirte
(Sjemptar biefer Variationen trug bei feiner Stnfunft in Sonbon
mirttid) bie 31uffd)rift üon Veetfyoüen'S §anb: „Dediee ä
Madame Ries," inbem 3iie§ früher fdjon hm Söunfdj an<3=
gefprod)en, bie t>om Sfteifter i£)m gugebad)te ©tjre feiner grau
äu Xfjett merben ju laffen. SllS aber 9liey ba§> angelommene
©jemplar bem Verleger Voofet) Uortegtc, ergab e§ fid), bafj
biefe Variationen bereite in einer Söiener unb ^parifer 2luf=
läge, mit ber £)ebication an Veetfjoöen'S grantfurter greunbin,
grau Vrentano=Virfenftod, öerfeljen, in Sonbon auf bem $utte
lagen. — lieber ben Snljatt eines fpäteren Vriefeö (ber mir
Oor ber Slbfenbung nad) Sonbon üon Veetljoüen mitgeteilt
marb) bemerft 9üeö S. 124 feiner Zotigen bto3: „lieber bie
boppelte ©ebicatiou entfdjulbigte er fid). §öcf)ft fonberbar
350) Cf. B. S. Br. No. 930 (IV. Band). A. d. H.
21. ©djinblerS 23eetf)ODen--8togval>f)ie. 39
— 610 —
madjte er ei fjiebei §u einer ausbrücfHcfjen SSebingung: ,,„id)
bürfe nie an ein ©efdjenf ober eine (SrfenntlidjfeU
bafür benfen!""351) ©ine auffallenbere SSenbung unb einen
grelleren 2Siberfprncf) rjätte man bod) nidjt teidjt finben fönuen!"
Unftreitig märe ber Sföiberfprud) ein greller unb in bel-
aufe^ (id)en 9?eif)e üon SBiberfprücfjen bei unferm SOZeifter ein
befonber£ fjerüortretenber 5U nennen, gäbe es» feine ßrflärung
für foldj' rätf)fcl£)afte§ SBeuerjmen in biefer 2)ebtcation§=©efd)id)te.
3)er Sßiberfprud) märe 511m %^\{ befeitigt, ba§ SRätfyfet aber
511m ^erftänbniB 5Xüer gelöf't, f)ätte $ie£ für gut befunben,
ben legten nur in bürf tigern 2(u§§uge angeführten Sßrief S9eet=
rioüen'S im Ooüftänbigen Söortlaute unb d)rono(ogifd)er
9ieit)enfo(ge 511 üeröffcntUdjen. S33ie biefe Stngelegentjeit üon
tf)m üorgefegt erfdjeint, fann fte nicfjt üerfef)(en, einen ftarfen
dBdjfagfdjatten auf Seetfjoüen'ö Grjarafter §u merfen. £irfd} =
bady§> „93?uficalifd)4'ritifd)e3 9?epertorium" üon 1844 fjat Rög=
lidje grüdjte biefer 23erf)eim(id)ung aufäumeifen. @§ gebietet fobjin
bem mit biefer rätl)feft)aft fcfjeinenben <&ad)t genau befannten
53iograpf)en bie Sßffidjt, ben ©djlüffel fjiesu gu geben, ba man
nid)t miffen fann, mie biefetbe aud) in ber ^ofge^eit nod)
commenttrt merben bürfte.
3m Saufe bc§ Satiren 1823 mürben bem SMfter burd)
eine üBiener üDiufiffjanblung einige ber neueften (Eompofitionen
üon 9f?ie§, barunter ha?- „?(bfdjieb^(Eoncert üon Soubon," ju=
gefd)irft- Sdjon feit mehreren Safjren fjatte 53ectf)oüen fein
SSerf üü§> ber geber feineö <2d)ü(er<§ unb $reunbe3 5U ®efid)t
bekommen, tocil in bem et^muficalifdjen SBien feine einzige
<Sortimentio=9)tuftff)anb(uug mit ausfänbifdjen (Sr^eugniffen ert=
ftirte, bafjer üon foldjen nur sumeilcn etma§ ftdjtbar gemorben,
ober auf bem Söege be§ 9Zadjbrud3. %u§> biefen Gompofitionen
351) Über diese Differenzen ist bei Gelegenheit des Briefes vom
Juli 1823: B. S. Br. No. 930 (IV. Band) unter den Erklärungen über
Schindlers Artikel in Hirschbachs Repertorium eingehend gesprochen
worden. S. 292 (V. Band). A. d. H.
— 611 —
fjatte ber sJ)?eifter bie Ueber^eugung gewonnen, bafe 9?ie§ fid)
nun gän^lid) ber mobernen 9Rid)titng angefcfjloffen unb in Dber=
fläd)tid)feit erxetlirt. £)ie§, unb bie Erinnerung an bie üor
Satjren fdjon funbgeroorbene 3(6trünnigfeit in ^ßepg auf feine
2Berte, brauten ben rjeiligen 3orn oeg §°*)en SßnefierS $um
öollen 5(uflobern. 53on bem $euer ber Seibenfd)aft liefe er fid)
§ur Slbfaffung eine§ ©d)reiben§ an bie 9?ebaction ber 5ltlg.
9D?uf. 3tg- rjirireifeen, barin 9tie§ üerboten mürbe, fid) fernerhin
nocfj feinen ©cfjüler gu nennen, ©lüdlicrjer SBeife ift bie $lb=
fenbung btefe£ ®cfjreiben§ in tfolge öon $orftet(ungen feiner
Umgebung unterblieben, adein bie 9f?üge ift bem Setreffenben
brieftief) nad) Sonbon gugefcfjidt roorben. £>aburcfj roar ber
Sftife in bem bereits burcfjtöcfjerten greunbfcrjaftioüerfjältmfe noct)
üergröjjert. Snbefe narjm 23eetrjor>en boct) SRüdficfjt auf bie
immer beroärjrte £)ienftbefliffenrjeit feinet $reunbe3.
9#öge fid) ber Sefer bei 23eurtrjeilung biefer £>inge in Sage
unb Stimmung be3 bejügtid) feiner ©(aöier-^ufif öon alten
ben ©einen oertaffenen 9J?eifter§ §u berfetjen fudjen. 9ludj
(£. (ü^ernt) fjat Dom Safjre 1820 an nid)t§ merjr bafür gettjan.
SGSie ftünbe e§ roorjt um btefelbe, fjätte nicfjt bie „Societe des
Concerts" im ^ßarifer ßonferüatoire ben @ntrjufta3mu!§ aud)
bei biefem Stfjeile ber 23eett)ooen'fd)en Stteratur angefacfjt, in
golge beffen ein neue§ Seben für bie gefammte Literatur be§
öon feinen 3eit9enoffen f° übel berjanbelten S£onbid)ter§ ermedt
roorben ift? £)ie§ gibt ®runb, bem §iftorifcfjen ber (£in=
füfyrung SBeetrjooen'fcfjer 90cufi! in ^ari§ aud) in biefer ?Iuf=
läge einen ^ßtatj anäuroeifen, roie e£ bereite im 5lnrjange gur
groeiten gefcfjeijen.
III.
SBenn man in jüngfter ßeit fo tjäuftg Etagen über SSerfaQ
ber ©cfjaufüieltunft begegnet unb SSeroeife bafür aufftellen f)ört,
bafj man roorjt ntcfjt roenige beadjteinoroertrje ©Regalitäten nad)
39*
— 612 —
23irtuofen=2trt fid) auf ber 23üt)ne belegen fetje, ba^ aber bie
$unft, grofee, erhabene (Erjaraftere orjne 3ut^aten W*fcä
2Sirtuofen=2Befen§ barpfteflen, unb ber reine ©inn, baZ
©eiftige in ben ©idjtermert'en ungetrübt aufjufaffen, tägtid)
fettener »erben : fo mirb biefe ©rfdjeinung unbejmjeifelt auf
eine ©runburfadjc fdjtiefcen (äffen, bie entmeber im gänjlictjen
SWangel, ober in ju geringer Stn-\Q^t muftergebenber
Sßorbitber befielen bürfte. Stuf muficatifcfjem ©ebiete, in^
befonbere in jener Stbtrjeitung, mit ber mir e§ fjier ^uitäcr)ft gu
ttjun rjaben, taffen fid) bie flägtid)en 3uftan0e ™ birecter S3e=
gieljung auf SKcprobuction beö (beifügen in ben SLonmerfen im
allgemeinen unb Speziellen au3 erfterer ©runburfacrje ableiten.
2ßenn bie frühere Äunftepocfje t)infict)ttid) ber 9?eprobuction be3
eigentf)ümtid)en ©eifteä in Seetrjoüen'3 (Slaoiermuftt gumeift
nur 3rrtt)ümer auf bie gegenmärtige übertragen, (mie gezeigt
morben,) ber <3inn in ben Sebeuben aber burd) practifdje
dufter an§ ber ©d)ule be3 SfteifterS für bie liefen feiner
©djöpfungen in feiner Steife erfdjloffen unb gebtlbet morben,
moljer foll bei itjnen ba§> richtige SSerftänbntfe kommen?
SBärett aud) bie Slnfdjauungen in alter SOcuftt nocfj biefetben,
mie einft, fo mürbe fid) biefeS Sßerftänbnifj, menn
aud) ben Intentionen beS ÜDteifters bto§ aunärjernb, bod)
nur in tuenig Snbiüibuen funbgeben, meit ba§> (Srgrünbeu
mit ganj befonberen ©djtüierigteiten unb SorauSfetmngen öer=
fnüpft ift.
£)ie laufenbe (£pod)e f)at in Sfjatberg, ßtjopin unb
Sifjt bead)ten§mertt)e SSirtuofen^^pegiatitäten gefeljen, Don benen
bie beiben erfteren nur in bem befdjrciutten Greife itvrer fünfte
terifd)en Snbimbuatität Stu^ge^eidjneteö getetftet unb beöt)atb
fügtid) ben Stunftegoiften juge^ätjtt merben tonnen, konnte bei
Sltjatberg ba$ 9ftarfige be§ £on§ at§ mufterljaft für alte ge=
biegene 9#ufit gelten, fo mar um fo metjr gu bebauern, ba^ er
biefe fettene (Sigenfdjaft augfdjliefjticrj nur auf feine getjatttofen
^onftüd'e oermenbet unb auf feinen Äunftreifen niemals irgenb*
— 613 —
ein 9fteiftermerf mit feinen Sonfarben tHuftrirt fyat. — Gfyopin'ä
Sbeatität beftmbete fid) befannttid) in ber eigentf)ümtid)ften,
fdj(ed)terbing3 unnadjaljmtidjen ®arfteÖung3roeife feiner po(nifd)=
nationalen Stonftüdfc, in toatyrljaft d}arafter=eigentpmtid)em
Gepräge. Garant tonnte er felbft in feiner Sftufif !ein nadj=
pa^menbeS SSoroilb fetjn. SBaS ftdf» bteSfaHS au§ bem Vortrage
feiner (Sdjüler funbgibt, nertjält fid) gum Original, mie eine
2itt)ograpt)ie gnm farbenftraljtenben Detbitbe. 23eibe genannte
Spezialitäten fyaben bie $unft be§ ß(aüierfpiet3 auf btö M*
genteine be^üglic^ nid)t nur nidjt geförbert, fonbern norf) tiefer
fjerabgebrürft, toenngleid) unabfirijtttd), beim 9J?and)er märe
feinen eigenen 2Beg gegangen unb üietleidjt ju einer ad)tungS=
merken ©ntmidhmg auf bemfelben gefommen, mäfyrenb er be3
©inen ober be§ 3(nbern SKadjafjmer nmrbe, ate foldjer aber
atSbatb ber Lanier unb bem §anbmer! oerfallen ift. Sie 3a^
iljrer üftadjafymer mar Segion.
2if§t ift au§ ©3ernt)'§ Schule fertig fjeröorgegangen, menn
man bei einem Stlter öon smölf Sauren bie 8d)u(e fd)on für
beenbigt galten miü. Sag miü aber tjei^en : bafj bie Segriffe
fid) fd)on feftgefteüt unb bie @r!enntni£ be§ Söafyren, ©uten
unb ©djönen fid) nid)t bto§ geläutert, fonbern ber ©efüt)(= unb
Senfroeife be3 <Sd)üler3 fid) öoltftänbig eingeprägt fjaben, bamit
bie mandjerlei ©türme im Äünftterteben nid)t§ 3Befentlid)e§ mefyr
baran oerrüden tonnen. Sarf man ba§> bei einem Sttter öon
gmötf Sauren ermarten? 2I(§ ber zehnjährige St'nabe §u Sgernt)
in bie ßetjre fam, befunbete er fd)on ben götttidjen Junten, ber
in tfjm mattete. @3 mar aber ein grofjeä SJcifjgefdjid, bafc er
ber güljmng biefe§ ÜDtanneä anöertraut morben. Sn ber öor*
ausgegangenen Säuberung biefeä $irtuofen=2tbrid)ter3 mirb
man 2lnt)alt§puncte genug finben, meldje biefen Stu^fprud) red)t*
fertigen, ©sernti'ä Unterricht Ijielt ben Knaben §mei Saljre
f)inburd) lebigtid) an 2lu3bi(bung ber S5raoour. Siefe §errfd)erin
umgab aUe§, ma§ bem ©d)ü(er ^u üben unb öffentüd) $u
probuciren auferlegt mar. ©ollen bie erften ©djritte auf bem
— 614 -
2Bege §um Sßarnafe atfo befdEjaffen fetm? S)a fid) jebod) in ben
SBedjfelfciUen beS ^ßarifer ©olontebenS bie (Sinnrirfung be£
$üt)rer3 batb a6gefd)tt)äd)t tyatte, fo tonnte fid) im Süngting bie
fünftlerifdje Snbiuibuaütät freier entmideln. Mein tiefe tjatte
fid) bereite im Knaben als eine gur (Srcentricität l)inneigenbe
erliefen, raa§ in jeber ber fogenanten freien gantaften über
gegebene SErjema'S, in benen ber ®nabe fid) befonberö gefiel mit
mogu er fortan anfgeforbert mürbe, offen rjeruorgetreten. $>er
Sefjrer farj nidjtS ©efärjrtidjeS babei. £>ie gotgegeit tjat aber
getetjrt, bis gu metdjem £)öfjepunct eS ber grofje SStrtuofe in
ber feinem ©eifte eigenttjümlicrjen Ridjtung gebracht Ijat. konnte
er fofjin ein reines Sftufter in ctafftfdjer SKufif ferjn, fte trage
roeldjen tarnen immer, gumat feine ©ortragSmeife im allgemeinen
auf feinem feften ©rjfteme beruhte, fonbern meift nur Don
«Stimmung, Saune ober 23eifatISfud)t abtjing? Önbeffen, ber
SBirtuofe mar nidjt fo einfeitig, roie öorbenannte finalen, er-
matte ftcf) ja aud) ber 53eett)otien'fd)en SJfotftf bemädjtigt unb fte
bitbete in mehreren feiner (äigentrjümlidjfeit entfpredjenben
Hummern einen £)auptbeftanbtt)eil feinet Repertoires ! 'SaS mar
ein SRiftgefdjid für biefe HJfufif, jeboct) nid)t baS größte, maS im
Saufe ber ßeit it)r miberfatjren, benn Sifgt entbehrte nidjt ber
poetifd)en ?lnfd)auung bei biefen SSerfen, bemnad) fanb er oft
ein Content fjerauS, baS, menn aud) meit entfernt, um S3eet=
bjoüenifd) gu fetjn, fo bod) beS §erren eigener ©eift mar, aber
niemals orbinär. Sa, er tjatte gumeiten gemütt)Srut)tge, fogar
mei^eüolle ©tunben, in benen er oielleidjt ben großen Stonmeifter
fetber gang befriebigt Ijaben mürbe, 5. SB. fein Vortrag beS
Es dur=@oncertS 1845 bei ber SnauguratiottS^eier beS SBeet=
t)ooen=90?onumentS in Sonn. Seit beiläufig geijn Saijren fjat
Sifgt bie SaufbaJjn beS Sßirtuofen mit ber eines 9JtufifbirectorS
unb (Somponiftcn oertaufd)t, batjer er unS fjier am Orte nicfyt
meiter befdjäftigeu fofl; unb ba er als Sefjrer beS StaöierfpietS
ben „überttmnbenen ©tanbpunet" feftrjätt, fo jdjeint aud) bie
clafftfdje Gtaoiermufif Oon itjm unb feinen ©djüfern wenig ober
— 615 —
nid)t§ mefyr gu befürchten §u fjaben. £)anf biefer (3d)idfafö=
fügung!362)
S)ie nadj Sifet am meiften bettmnberte ©rfcfjeinung auf
bem gelbe ber SBirtuofität ift grau ßlara (Schümann, ©eit
oieleu Saljren mar biefe ßünftlertn afö ba3 größte dufter in
33eetf)oöen'§ Sftujif üon ber gefammten beutfetjen ^ritit auf bem
©djitbe getragen, roa3 bei ber beftefjenben gerfafyrenjjeit \n liefet
Sritil boct) morjl als ein t)oct)roict)tige§ Moment aufgefaßt »erben
mufj. ©äbe e§ feine 5Inalogieen für beriet bie ©rengen be3
Vernünftigen toett überfteigenben (£ntfjufia§mu§ in ©acfjen ber
Sftufif, bafj auet) fonft befonnene SSeurttjeiler ben feften ©oben
unter ben güfjen öerlieren unb mit bem teidjt entgünbbaren unb
herleiteten £)ilettanti3muö einfjertaufen fönnen, (man bente nur
an bie 9tofftniftf)e DpernmnftE in 2)eutfd)tattb jurüdE,) fo müfcte
man am gefunben ©inne felbft be§ 2Betfeften in unferer Äunft
oerjrüeifeln. (S§ barf fonaefj nicfjt Söunber nehmen, raenn im
Dorigen 3al)r ein Krittler in ber „9J?onatfcfjrift für £rjeater unb
Sftuftf" aufrief: „Sie £rjeorie ber SJftiftf ift bie gefinnung§=
lofefte, mettertoenbifd)fte 2öiffenfd)aft ber 2öeft, meiere jeber^eit
ben SOtantel nad) bem SStnbe fjängt."
Sebe Unttjat finbet enbtidj iljren 9tid)ter. 5(ud) in unferm
galle bjat ftdj biefer ©pruefj betüat)rt;eitet- ©er eben genannten
9[fconatfd)rift*) gebührt ba§> Sßerbienft, ba$ allgemeine 55or=
*) SBefanntlidj trat biefe gebiegene unb tuafjrbaft unabhängige geil*
fdjrift erft 1855 in'§ Sieben. Seit bem beginn biefeä galjreS aber erfdjeint
fie al§ 2Bodjenfd)rift unter bem Site!: „Diecenfionen unb SJJittfjeihmgen
über Sbeater unb Sftufif."
352) Ein für allemal konstatiere ich, daß diese Partien des
Schindlerschen Buches, in denen der verdiente Beethovenbiograph sich
herausnimmt, über Kunstgenies wie Liszt, Clara Schumann, Mendels-
sohn und andere in unqualifizierbarer Weise abzusprechen, daß diese
Partien zu den schwächsten des Buches gehören; solche Partien haben
es auch zumeist zuwege gebracht, daß er heftige Angriffe erfahren
mußte. Ich bemerke nur kurz, daß ich ihm in diesen Dingen absolut
nicht beipflichten kann. A. d. H.
— 616 —
urtfjeU für $rcm ©djumcmn grünbüd) erschüttert unb ben feit
metjr benn sroanjtg Sauren üon tiefer Ä'ünftlerin arg mij$s
Baubeiten Sßiener £onbid)ter gefütjnt gu fyaben. Saburd) Ijat
bie 9#onatfd)rift beriefen, bafj fid) in SBien nod) ein tüchtiger
Ueberreft öon SBeetfjotien'fdjer £rabition, gepaart mit genereller
SBitbung in aller 9J?ufif, ermatten, metdjer natjegu an brei 3aljr=
geljenbe (jinburd) !ein $eid)en beö SebenS in ber Äritif gegeben
tjatte. Sie t)oct)gefeierte unb mafclog überfdjäfcte Äünftterin ging
1856, nad) ungefähr 17 bi§ 18 Sauren, gum gmeitenmat in bie
Äaiferftabt, üiedeidjt in ber (Srmartung, einen anbern ©rillparger
gu finben, ber fie unb it)re ßeiftungen nneberum tüte bamalö
befingen raerbe; allein fie ftiefj mit ber feitbem in genannter
üHonatfdjrift mieberertoadjten, unabhängigen, mit bem SBolfö*
glauben ntdjtS gemein tja&enben ftritif gufammen, bie ifjre ©e=
fange nid)t in ber fnappen $orm oeg ©onnet§ ertönen läfct.
(£§ gehört aber in ba§> Qkrgeidjnifj ber mibrigen ©d)id=
fate, meldje S3eetf)0üen'ö S(aluermufit tiom brüten Saljrgetjenb
an bi§ gu biefem Sage in ber Deffentlidjfeit erfahren unb bie
mit $rau ©djumann ben ©ipfetpunet erreicht fyaben, baß üon
ber Sßiener SBeurttjeilung aud) in biefer ©djrift 5tct genommen
merbe. SßorauSgegangeneS foll fid) anreihen, ba3 geigen wirb,
bafj bie Stiftungen biefer Äünftterin frütjer unb anberuxirte
fdjon competente Stimmen gegen ifjjr $erfat)ren Ijerüorgerufen
l)aben — oljne bie geringfte SBirt'ung jebod).
Sm $ebruarf)eft öon 1856 mürben bie Vorträge im
erften (Soncert ber ^'ünftterin einer eingefyenben Äritif: unter=
gogen. S)a3, 23eett)otien'3 (Sonate in D moll, Op. 31, 93etreffenbe
fott faft mörtlid) tjier Sßlatj finben. 33on bem gebrodjenen
Slccorb, mit bem ber erfte @a| beginnt, mie aud) öon bm
SRecitatiüen, tjeifjt eS: „$rau ©dmmann üefs biefe ©teUen fallen,
fpielte fie otjne ba§> minbefte 93eftreben, biefem ©ebanfen be£
9J?eifter3 bie ifyrn gufommenbe — ober nur überhaupt irgenb
meldje Sebeutung gu geben. 5It§ in ber Stuffaffung üergriffen
muffen mir aud) ba§ Slbagio nennen, ©in Slbagio unb fpegiell
— 617 —
ba$ in 9ftebe ftefjenbe tierlangt eine 28eit)e, eine geierticrjfeit,
eine ©röfje be§ Vortrages, meiere J)ier burd) ba% getollte
SCempo öon üornljerein unmöglich gemadjt unb burd) bie aller=
bing§ rufyige, gteidjtnäjjige, aber meber burd) ßartfjeit getoinnenbe
nod) burdi ®raft imponirenbe — unferer ©möfinbung nadj
maljrtjaft eifig falte Betonung nod) Weniger au3geörüdt
»erben fonnte. 2Ba§ enblid) ba3 finale anbelangt, fo fann
f)ier nidjt metjr öom 21u3brude einer persönlichen 9iid)tbefrie*
bigung, fonbern öon ber 9?üge eines unberantmortlidjen
fünftlerifdjen 9?ergef)en3 bie 9?ebe ferjn; grau <Sd)umann
öerroanbelte ba§> öorgefdjriebene Megretto in ein ^reftiffimo,
bafc e§ it)rer ftaunensroerttjen gingerfertigleit unmöglid) ift itjn
burd)5ufüt)ren . . . £)a§ Ueberftürjen ber ^Saffagen, mie in jenem
23eett)0üen'fd)en neuerfunbenen Sßreftiffimo unb im Söeber'fdjen
9tonbo au§> ber C dur ©onate ift bto§ bie leibige $otge jener
unmiberfierjtidjen ©ud)t ber gefammten jetzigen W\x\'\U
mett, jebe§ &empo fdjnetter §u nehmen, at3 ber ©om-
ponift unb bie einfadjften @eje|e ber üftatur, ber Shutft,
ber gefunben Vernunft e3 geftatten."353)
Sm 9)Mr§^ef t er[d)ien bie gmeite mit ber erften überein*
ftimmenbe Äritif über baZ gmeite (Soncert ber Äünftterin, in
meldjem jie unter anbern $eetf)ot>en'3 Sonaten, Op. 106 unb
81 gunt Vortrag gebracht. 9cur eine ©teüe barau3: „SDie
unbe5ming(id)e Suft am fdmetlften £empo, am fogenannten Sagen,
geigte ftet) unter anbern in bem ljieburd) unftar gemorbenen
Scherzo e Capriccio öon 9ftenbet3fot)n.
©enug färben §u bem fpredjenb ät)nüd)en 33itbe einer
ßünftterin, bie tauge 3at)re afö ^ßrototnp für richtiges &er=
ftänbnifj alter (Sfafjtfer gegolten. Snbefj erachtet e3 ber 2kr=
353) Mit dem Final - Allegretto der D-moll- Sonate op. 31 ist
Schindler neben seinem Gewährsmann wohl im Rechte. Am Finale
der D-moll- Sonate versündigt sich heute so ziemlich jeder Pianist.
Das Tempo überhastet da ein jeder. Alle möchten ihre Bravour dabei
entfalten. A. d. H.
— 618 —
faffer für Sßffidjt im Sntereffe einer rjodjiuicfjttgen ©adje nod)
einige färben §ur SBeröottfiänbigung biefe» 23itbe§ in ben Xoöf
§u tfyun — benti mir Ijaben ein ©tüd &unftgefd)id)te
auS unfern Stagen bot un§.
Sm SftoOember 1854 brachte genannte ftünftlerin an §mei
9tbenben gu granffurt am Sftain folgenbe Sompofitionen ju @e=
Ijör: (Soncert in Es dur unb ©onate in C dur, Op. 53, ton
Q3eetfjooen, 9fionbo auö ber C ©onate öon (E. 2ft. üon SBeber,
Yariations serieuses oon sD?enbefsfof)n, Saltarella ton <3t. fetter
unb jtoei ©äfce au3 ber F moll (Sonate Oon Sof). Srafjmö.
©er ©inbrud, oorneljmlidj bei ben Q3eett)ooenTfd)en SBerf'en unb
bem Sßeber'frfjen Sßonbo, mar bei allen SBerftänbigen ein petn*
lidjer unb nirfjt eine «Stimme magte ein biltigenbeS Urttjeit über
fold) unfunftlerijdjeS Serfatjren mit clafftferjer 9Jcufif taut
merben gu laffen, ausgenommen bie Sournate, bie überflogen
Don obligater Söerounberung. S)er aujjerorbentfidje 9tuf be=
redjtigte gur (Srroartung, bafc grau ©d)umann bie in unfern
Sagen faft gang Oerloren gegangene Slunft üerftetje, ctaffifcfye
Sföerfe da ffifd) auf guf äffen, fie in iljren Xiefen §u ergrünben
unb bem gemäfj jur 2)arftellung gu bringen. SSir täufd)ten
un§ aber fammt unb fonberS, unb famen gur Ueber^eugung,
bafj grau ©djumann in jebem 23etrad)t mit bem großen Raufen
ber SSirtuofen getje unb claffifdje äJcufif im bud)ftäbtid)en ©inne
be§ SBorteS nur ah^t^t, nidjt barftette. llnferen ©efüfjlen gab
id) ?lusbrud in SHro. 45 ber 9cieberrf)einifd)en SDcufif Leitung 1854-
Tcad) ben (Srgebniffen jener Slbenbe mufjte man gu bem ©cfjlufj
fommen, bafe grau ©dntmann in Segug auf £eid)tfinn in S3e=
tjaublung aller guten ÜJcufif, mie nidjt minber auf 33egriffs=
lofigfeit aller ßljarafteriftif, ber Stfenge gleid) ftelje, f)inftcf)tlid)
beS ©efüfjlS aber für bie ^ft)d)e beS £on£ unb be§ Abganges
mufica(ifd)=rt)etorifd)er ©djutbilbung ifjreS ©leidjen faum roieber
finbe.
Sn Slnbetradjt ber 3uf*änbe in ber ^unftfritit, bie bem
unbestritten großen Talente, ungeadjtet fo eclatanter Mängel,
— 619 —
ju einem ausgebreiteten Stufe berfmtfen, rooHte ber Sßerfaffer
ba§> ®et)örte mie ein bebentfameS gefdjidjtftdjeS Moment begriffen
unb in befonberer SSeife feftgefteüt fjaben. ©emnad) erbat er
fid) öon ^mei 511 granffurt lebenben Shtnft=93eteranen oon an=
erfanntem Sßerbienft bie ^Beantwortung nad)ftef)enber fragen,
bie ba% 33itb mit einem 9\aljmen umgeben füllten.
„©ubjectioität in 9(uffaffung unb 2Iu§füf)rung d)araf=
teriftifdjer SDhiftfroerfe big 5U einer gemiffen ©ren^inie 5itge=
ftanben, innerhalb metdjer ber ßfjarafter be§ £onftüde3 nod)
immer erfennttidj bleibt, roenngteidj ber Intention be3 @ompo=
niften in ettnaS entr üdt, fo entfielt bie $rage:
mar bie ?lu§füi)rung be§ Es dur (SoncertS unb ber
©onate, Op. 53 oon Seetfjoüen, meldje $rau (Sfara
©dmmann in iljren ^robuctionen im 9coüember tjier
in granffurt oorgetragen, nocl) innerhalb ber ©ren5=
tinie gelitten, bie ben eigentt)ümtid)en (Stjarafter biefer
SSerfe nid)t mefentlid) atterirt, na^eju unfenntlid) ge=
mad)t l)at?
„Sie Stuffaffung beiber SBerfe Seitens biefer $ünf tierin
inSbefonbere betreff enb, fragt e§ fid):
gingen mot)t au§ bem Vortrage Dbjectiüität unb 3n=
nerlid)feit fyeroor, ober mürbe nidjt oietmef)r, fyaupt-
fädjtidj in $otge ber genommenen £empi, baS 6t)a=
rafteriftifdje beiber jerftört? ÜQüite fpe^ietl bie ©onate
bei fotdjer SBetjanbtung nicfjt ben ßtjarafter ber @aton=
m\\it?"
Unabhängig oon einanber gaben beibe Äunft=SSeteranen
Ujr Urtr)eit in fotgenben ^Beantwortungen ab, bie bisher gurüd*
gehalten mürben:
A. „©0 menig man aud) baS grofce latent a(3 (Slaoier-
fpieterin ber grau ©djumann in Slbrebe ftetten !ann,
fo mufj id) bod) bie fragen be§ §errn ©d)inbler bafjin
beantmorten, ba§ biefetbe ba$ Seetfjoüen'fdje Es dur
ßoncert Oiel 5U fet)r übereilt t)at; eben fo bie ©onate
— 620 —
in C üon SBeettjotoen, tooburd) aller (Xtjarafter ju
©runbe ging, fobann macfjt biefe Stünftlerin oft einen
magren äJftfjörcuufj mit bem tyebai, roeldjeS fie E)äufig
an ungeeigneten ©teilen gebraucht unb — üerrairrt.
2)ie3 ift bie bottfte Ueberjeugung be§ Unterzeichneten
Dr. 2(fot)§ ©djmitt.
B. „üftacrj meiner 91nfid)t tjat $frau ©cfjumann im SBor=
trag be§ SBeetljoöen'fdjen (Soncert§ bie ©renglinie ber
gröfjtmöglidjen ©djnelligfeit in ber 2lu3füf)rung
besfelben, über mclcfje bie Intention be3 (Somponiften
üernicrjtet morben märe, nicf)t ü6erfcr)ritten, aber be=
rürjrt. SSeniger fdmell märe bocf) beffer geroejen.
2)te ©onate, Op. 53, hat fie hingegen im Allegro
con brio unb Rondo, Allegro moderato, üiel 5U
fdjneü, ba§> am (Snbe folgenbe Prestissimo öertyältnife*
mä^ig gu langfam, öorgetragen, rooburd) iljre Seiftuug
allerbing3 in ^Bejierjung auf bie beiben sutetrt genannten
©tüde ba§> SSerf üon 33eett)ot>en 5U einer 2lrt öon
©aton=9)cu[tf ftemüette.
©dmtiber tum Sföartenfee."
Ser ©taat t)at bie ©eraalt jebe§ 93ergel)en gegen Crbnung
unb @efe§ im Sntereffe be§ politifdjen ©anjen gut S3erant=
mortung 3U äierjen unb 511 al)nben. 3Ber aber öermag bie $er=
gelungen ber Äünjtler in ©adjen ber Äunft mirffam §ur SSer=
antmortung 3U sieben, tuenn biefe unter bem antriebe ober
©djutje einer unzählbaren sDcenge fogenannter Äunftfreunbe,
namhafter Slünftter unb obenbrein ber ftunftlriti! ifjre Untaten
5um ©c^aben ber Äunft, ja gut ©djmad) beä auf mufifalifdje
SSilbung 5lnfprud) madjenben 3e^alter§ öerüben bürfen? 33e=
Dor bie ÜDconatSfdjrift mit ber „Sftüge eines unüerantmortlidjen
SBergetjens" ber $rau ©djumann entgegen getreten, t)ätte ba&
jelbe fdran Diele 3at)re früher gefdje^en fotlen, benn fcfjon Sarjre
öotfjer Ratten Äunftüerftänbige au» ben Vorträgen biefer
ßünftlerin errannt, bafc foruoljl irjre erhaltene ©dmtbilbung, mie
— 621 —
ber geringe ©emütljSfonbS biefelbe nur für moberne SJcufif
befähige. Mein grau Schumann liefe ftäj üerteiten, alle
Staffüer auf tljr Spult §u legen, um fie alle gu moberni*
firen, b. 1). übel 31t befjanbetn.
Sn Seettjoüen'S äJfcifif mar fjauptfädjlidj 9JcenbetSfoljn
majjgebenb. DaS mar ein entfdjiebeneS UngCüdE für biefe äRujtf.
Sie SBunben, roelcfje burdj biefen Irodjftefyenben Slünftter, als
(Etaüierfpieter unb Dirigent, ieglidjer SDbtftf gefdjtagen roorben,
ber böfe ©amen, ben er auSgeftreut, f)at im Sorben unb ©üben,
im Dften unb SSeften beS muftcatifdjen Staates feine grüßte
getragen, bie mit nidjtS mef)r ju oertitgen ferjn merben, roie
fetjr fid) aud) einige Äunft*Drgane barum bemühen, benn bie
©inmirfungen finb bereite in pfeifet) unb S31ut ber ©eneration
eingebrungen. ■fttdjt etma, bafe eS nid)t fdjon oor 9ftenbetSfot)n
Dirigenten gegeben, bie, roie er, ßlaüier=SSirtuofen, bemnad} roie
er, jebe SUhifif febiglid) üon biefem Stanbpunct aufgefaßt unb
felbft grofce Waffen im Sturmfdjritt üor fid) t)ergejagt fjätten,
5. $8. (Sonrabin ^reutjer, allein it»re ©inroirtungen blieben auf
einen Ort befdjränft, über roeldjen IjinauS it)re Autorität ntct)t
.gereicht. 9)?enbefSfot)n aber trug bereite im jugenblidjen 5tlter
jeine fünftterifcfje Slutorität als ädjter ftunftariftofrate öon
Sanb ju Sanb, uon einem Üftufiffefte gum anbern, fomit lonnte
eS nidjt ausbleiben, bafe er allenthalben als t)öd)fteS Siftufter in
jeber ©attuug Sftuftl anerkannt rourbe, §umal feine Seiftungen
nod) burd) eminente Sigenfdjaften anberer 31rt unterftü^t
roorben. SttS ber SBerfaffer 1836 beranlafet roarb, gegen 3tfen=
belSfotm'S 23et)anbtung ber 9. Sinfonie auf bem Düffelborfer
DJcufitfefte in ber Sölnifdjen ßeitung aufzutreten, mar feine
(Stimme eine oerein^elte, bie gotge batjer Spott unb £)ot)n.
Damals mar eS aber noct) 3eit, mit ü er einten Straften ber
beginnenben g(utt) einen Damm entgegen §u ftellen unb eine
ber §auptquelten unfd)äbtid) 5U machen. Söo roaren jebod)
jene §u finben, bie mit befferer (Sinfidjt bem öom gefammten
Dilettantismus ber ^robin^ für unfehlbar erflärten $ünftler
— 622 —
otjne gurdjt unb Sangen entgegen getreten mären? — ©o er=
folgte ein ©ergeben im großen ©trjl nacrj bem anbern nnb mit
^mtpfommen anberer gleichfalls ju Halbgöttern erflärten
&Iatrier*33irtuofen mar ba$ (Srjaratter^epräge unferer ßeit eine
botlenbete 'Jrjatfadje, meiere bie ®unftgefd)id)te einftenS biet be=
fdjäftigen mirb.
Dtjne 3meifel M 3rau ©djumamt bie 1856 bon ber
üftpnatSfcijrift ausgegangenen grünbticfjen 23eurtt)ei{iiugen itjrer
Vorträge in gemiffenrjafte (Srmägung gebogen unb fiefj bemüfjt,
fo biet nur mbgtid) biefelben %a beachten unb bamit ben
33emeiS (^u tiefem, ba^ fte, mir t tief) bon einem t)öt)eren (SeniuS
befeett, ber 53elef)rung ein milligeS Dljr leibje, um in ber
(Srfenntnifj beS 2£at)ren unb (Sdjönen ftcf] metjr gu ergeben
unb als gutes dufter ber Sugenb borsuteucfjten.
2)er gefcfjätjte ?teftt)etifer Dr. (Sbuarb £ auslief gibt
in ber „treffe" bom 11. Januar b. & in feiner ^Beurteilung
beS 5toeiten SoncertS ber ftünftterin in SSien bavüber STuSlunft.
ßr fagt unter anbern: „25a ber (Sinftufc eines fotdjen SBeifpielS
auf junge latente fefjr grofc ift, motten mir auefj auS bem
legten ©oncerte ein 53eifpiet anführen. 2ßer bon ben 3Us
rjbrern märe im ©taube gemefen, bem erften ©tücfe ber
„SlretSleriana" in biefem £empo 3U folgen? (Schumann fcfjreibt
„gorte" bor unb begeictjnet überbieS ben 2fnfang jeber
Sriole mit einem 2lccent; ein ^ßrefto tote baS ber grau
Schumann läfet aber nid)t baS geringfte $ermeilen auf ber
Safte 5U, unb mürbe felbft einem 2)ret)fct)od ober Ütubinftein
baS gorte unb bie 5lccente unmögtid) madjen." — £>iefe
üföorte geigen, bafj grau Sdjumann felbft bie SJhtfii ifjreS
berftorbenen ©atten übel berjanbelt.
©djon in feiner ^Beurteilung beS bon ber ftünftterm
erftgegebenen (EoncertS fagt ber genannte 5Ü!ritifer: „ . . . gerner
fanben mir ibjre Neigung gur 33efd)teunigung ber SEempi
alt§ufet)r borge) dj ritten."
£)ie „Wecenfionen" erflären fiel) in 9er. 9 bom 2. 9Dcär$
— 623 —
b. S. über bie jüngften Vorträge ber grau ©djumann in bcr
Äaiferftabt barjin: „ 2Jcöge e§ nur gemattet bleiben, ben
@runbfa£ feftgufjatten, bafe bteö feine 9^ict)tung fet>, metd)e
angefjenben ßomponiften unb angerjenben Sßianiften $ur 28eiter=
Verfolgung empfohlen »erben fann. 2Benn grau Schumann
SKo^art ober ÜBeetrjoOen, SSeber ober (Sljopin fpiett, fo füljit
man jttar bie ©egenroart einer SDceifterin, allein rcirb un=
roitlfürlid) ju mandjertei 5tu§ftetlungen gebrängt. 23atb febjtt
bie ©röfje be§ Xon3, rcie fte grauen überhaupt nidjt gegeben,
balb fef)ft bie ©ragie, balb bie §er§ttd)fett, balb bie griffe,
balb tft an ber Stuffaffung etwa3 au§gu[e£ett." — Unb mit
biefen Mängeln behaftet fonnte biefe ^ianiftin für ba§ größte
SWufter in 23eetrjoOen'<§ 9Jtuftf procfamirt roerben!
SlHeS biefe§ ^eigt aber gur ©enüge, bafj grau ©crjumann
fjeute nod) biefetbe, bie fte oor 4 Sauren geroefen, \a, ba^
fte nad) §an§Iirf'§ SBefunb in irjrem ba<§ SSafjre unb (Sdjöne
ttjatfädjftdj öerrjöt)itenben treiben nod) Oorgefdjritten ift. Samit
befunbet fid) ber ©etft ber mobemen Shmft41riftofratie. Sn
ber ©emif^eit be§ Söeifallö fetteng ber in befferer ©rtenntnifj
gän^iid) Oerfommenen Stenge unb ber Q3eförberung ifjrer
s$riüat=3roede oon ber geftunung3lofen t)unbert5üngigen Stxiüt
oerfcrjliefet biefe oornefjme (Slaffe oon SDfrtfifern bie Ofjren
jeber üom ©itje ber SBiffenfcfjaft auSgerjenben SBelefjrung unb
gibt tebigtid) itjrer ©ubjectiüität ben fdjranfenlofeften «Spielraum,
©otdje 23eifpiele muffen nnoermeibtid) auf bem fürgeften Söege
baf)in führen, bie auf 2Siffenfd)aftlid)feit berutjenbe StunftfritiE
fetjr balb ooflftänbig in ben §intergrunb gu brängen, mie im
(Eingang biefeS XtjeilS fdjon berührt morben. Sftögen fid)
fämmtlidje gad)blätter gut Sefämpfung biefe3 Sä'monS bie
"Deüife mät)len : Viribus unitis, tuenn itjre ©rtfiettg nad)
raenig Satjren nod) eine 9Jcögtid)feit feün folt.
Söolten mir bie (Stjararteriftif alter oon einem Soncert*
©aal §um anbern getjenben SBirtuofen mit einem Solide über=
flauen, fo rjat uttö bie 9)couat3fd)rift im Slprilfjeft oon 1857
— (324 —
(ßonceri=23erid)t) eine getreue 3eid)nung geliefert. 2)ort tefen
mir unter Slnbern:
„ . . . @S gehört 31t ben oetrübenbften Erfahrungen fleifjiger
(Soncert^efudjcr, immer unb immer roarjrnerjmen 311 muffen,
roie fet)r bie Sfaibtlbung be» 51uffaffung3oermögen£
unb ber f^egiell muficatifdjen f^ätjigfeitert über jener
einer blo3 äufjerürfjen, oft gerabe§u anti = muficatifd)en
Xedjnif üernadjtäjfigt roirb. S)ie auffallenbften ©eifpiete bafür
liefern bie concertirenben ^ianiften. ®a ift 3. 93. gräulein £.
(Sie befitjt einen äiemtid) t)übfd)en $Infd)tag, Unabrjängigfeit
ber §änbe unb überhaupt genügenbe ^ingerfertigreit. Unb
roa§ roeiter? — Sßjjrjfijcije Äraft ift nid)t Gebern gegeben.
%Ran fann im Reitern, grajiöfen ©enre SBorttefftidjeS leiften —
bann ober üertege man fiefj aud) mit ganger Seele bar auf
unb getg'e audt) hierin nebft ben ted)nifd)en ©igenfdjaften @eift
unb ©emütf). 2Ba3 Reifet aber fo ein auf Glafftcität 5(nfprud)
macfjenbe» Programm, roie e§ jetjt üblid) ift: §eroifd)e (Sonaten
tion 23eet£)ooen, Skd/fdje $ugen, SOZenbelöfuljn'fctje 9}onbo'<o,
(Stuben oon (Stjopin unb bagu Sifjt'fdje Sransfcriptionen?
(Eine rjerrlicfje gufammenfteltung üon rootullingenben 9tamen!
3So aber blieb bie erfte unb roidjtige $rage, bie ein Stünftter
an fid) felbft ridjten füllte: — ma3 fann id) leiften? £. fpielt
bie unüermeiblidjen F moll- unb C dur = Sonaten. 5)aö
©rofjartige berfetben roiebergugeben, baju ferjlt ber rotte,
fräftige £on; ein 31bagio ober SInbante unferer Stofftier
einfad), anfprud)§to§, otjue Sdjleppen unb $erren, aDer m^
©emütfj, mit £on, mit richtiger ?lccentuirung gefänglich
f ctj ö n tior§utragen, ba§> mürbe man üon fämmtlid)en un§
betannten männlidjen unb roeiblidjcn Goncertanten üergebtid)
ermarten*), unb nun gar bie £empo*$rage, ba§> ridjtige ©efüt)t
be<§ £empo, mie e3 bie 23e3eidjnung felbft, ber ©tjarafter
be§ Sonftüd^, bie gefunbe SSeruuuft angibt! — Sft
*) ©iefer 2tu3fprud) fteljt im beften (Smflange mit bem oben bon
£>ector 33erli£»ü angeführten.
— 625 —
ba§ ein Sagen, ein drängen, ein Rubeln! afö ob eine SBette
beftünbe, mer früher bamit fertig nrirb, at§ 06 e§ ein
SSerbienft märe, aus Vierteln Sichtet, au§ Stdjtetn Secf^efintet
gu machen, als ob 5. 53. Söeetfjoüen ber heutigen ^ianiften*
Generation mit bem testen Satje ber F moll * «Sonate eine
93raOour=@tube jum $ßriöatgebraucf)e übermalt fjätte!"
3ur SSerüottftänbigung biefes geitbilbeS foll ber SSiener
©fijje eine ßeipgiger gur Seite geftettt werben. 2)ie
<$rengboten üon 1854 brauten in 9£r. 19 einen frttifdjen
S3erid)t über „Sie Seipgiger 2lbonnement=(5oncerte im SBinter
1853—54" aus ber geber üon Otto gajjtt, barin folgenbe
«Stelle erfct)eint:
„@in ®ruttbfdjaben für alle Seiftungen beS Drct)efter§ ift
baZ Ueber^e^en ber meiften Xempo'S, tuefcf)e§ — teiber nact)
9ftenbe(3fof)n'3 Vorgang — f)ier immer meljr um fiel)
gegriffen Ijat, unb mofür e§ einen fcrjfecfjten ©rfafc gemährt,
ba$ gelegentlich aud) btö £empo entfefcttdj oerfcfjteppt mirb.
®afe ein fotcfjeS fjaftigeS abjagen, ma§ bod) niemanb mit geuer
unb Seibenfdjaft üerroetfjfetn motte, meiftenS fcfjon an fief) einen
fanget an richtiger Stuffaffung betunbet unb ben ß^aratter
unb bie Söebeutung ber (Sompofition gar nicfjt 5ur ©rfcfjeinung
tommen Iäfet, berfteljt ftetj eben fo fefyr, aU bafe ber %on unb
SHang, roefenttict) beeinträchtigt, nie $u feinem föedjte fommt.
3ft biefe 9kpibität menigftenS eine Sßirtuofttät beS DrdjefterS,
fo mag man barüber ftaunen. allein bei unS fteljjt bie Sadje
gang anberS. £)a£ Drcfjefter ift nicfjt im Stanbe, fdjttrierige
Sachen in ber Scfjnettigfeit uotttommen fjerauSgubringen, fte
fommen nur J)alb §um SSorfdjein, baZ detail mirb öernad)=
läfftgt, unb biefe $rt gu mifdjen unb gu fd)(ottern, e§ nirgenbS
gang genau gu nehmen, reifet überhaupt ein, eine feine Sftuancirung
unb Scfjattirung finbet niii|t mef)r ftatt unb fann burdj berbe,
grobe Sdjtageffecte nidjt erfei$t werben. 2)iefe §aft unb (Site
üerbreitet ftcf) bann über bie gange 9luffaffung unb 5lu§füf)rung,
liebeootte Sorgfalt unb einfttf)tige3 (Stngefyen oermifjt man überall,
K. ©cfjtnblcrä SBeet^oeen.58tograp^ie. 4Q
— 626 —
eben fo feljr in ber fcrjarfen Beobachtung ber rrjtitljmifcfjer!
©tieberung afö in ber Sict)t= unb Scfjattenüertrjeilung bei
polrjpfjonen ©eftaftungen, morauf beren Berftänbnifc bor allem
beruht. 2Bo fo bie Srfenntnijj ber untergeorbneten S^erc)ättniffe
ferjtt, ift ein ©rfaffen unb 3)arftellen be§ tieferen ©el)alte3 nodj)
roeniger gu erroarten."
(Sn berfefben SSeife beurteilte ber SBerfaffcr ba$ Seipgiger
Drcfjefter neun Saf)re früher nad) 2lnf)örung groeier ©emanb=
fjau^Goncerte unter gerbinanb £nller3 Seitung. 9J?enbet§fof)n
mar fo eben in feine neue Stellung nacfj Berlin abgegangen.)
(So fterjt e3 um bie ©egenroart! 2Bat)rttcfj, roenn unfere
Slaffifer mit leiblichen ©innen in biefeS friüote ©etreibe treten
fönnten, fie mürben bie meiften irjrer SBerfe nirfit mieber er=
fennen. SSenn nicfjt bie großen muftcatifcfjen S'örperfdjaften,
namentlich) bie gemifdjten ©efangöereine, als unerfdjüttertidje
©runbfeften ba§ ©egengemicfjt Rieften unb bie eigentlichen
(Sonferoatorien (@r§altung§*8nftitiite be§ ©uten unb 2Sal)ren)
repräfentirten; menn nid]t ferner ein anfetjnlidjer 23rud)trjei(
be§ geniefjenben ^jSublicumS öon bem ©ebafjren jener ©(äffe
oon 9J?ufifern ermübet fidj bem Befferen guroenbete, ba$
fommenbe Sarjrfmnbert Ejätte nur meljr Ruinen auf bem ©e-=
biete ber claffifcrjen £onfunft anäufdjauen.
Sftöge jebod) biefer Xrjeit mit freunbticfjer ffingenben
5fccorben bem 9(bfd)(uffe nafje geführt merben, al§ bie nädjft=
öorftetjenben geflungen. Um biefe3 *u erreichen ferj juuörberft
ein S^üdbtid in bie fiebenstage unfern erhabenen £onbid)ter§
geftattet. Seiner ßlaüiermufif (bie ©oncerte aufgenommen)
mar ba§> feltfame £oo3 befdjieben, lebiglid) in §mei tarnen
bie mafjrften, in ifyren ©eift am tiefften eingebrungenen
Vertreterinnen §u befi^en, bie mit reinfter unb aufrichtiger
^Sietät fid) ben bjoljen ©ebitben genähert unb felbe burcfj feinerlei
Birtuofen = guttaten SW oerbeffern gemagt fyaben, inbem fie
Birtuofinnen in be§ SSorteg moberner Bebeutung nicfjt ge*
mefen, folgtid) aud) ben biefer Glaffe antlebenben (belüften
— 627 —
unb SSerfutfjungen nicrjt unterworfen nmren. ©ine biefer Samen
mar bie Freifrau 3)orotf)ea öon (Srtmann in SSien, bie
anbere bie ©räfin ©ibonie oon 23run§tt)icf354) in ^Sefttj.
£>ie SSirffamfeit ber erfteren — nnter Anleitung $eetf)oüen'3 —
fällt in ba§ erfte unb gtoeite Sarjräerjenb, bie ber anbern S)ame
in ba% britte unb üierte. lieber $rau üon Srtmann t)at ficfj
ber Sßerfaffer bereite in ber britten Sßeriobe augfü^rlict) au^
gefprocfjen. 3>ort ift unter anbern gefagt, bafc biefe £>itf)terin
im 5lusbrucE be§ Slnmutljigen unb üftatoen, aber auf im liefen
unb «Sentimentalen ejceßirte, ferner, ba$ fie bie ©renken biefe§
it)re§ befcfjränften @ebiete§ üor Kennern im großen ^aum nie=
mal§ Übertritten, bafj fie überhaupt an bem @a^e: „?ttle§
pafet nicfjt für Sitte", unberrücft feftgefyalten \)<xbt. %{§> be=
fonbereä d)arafteriftifc(je§ 9J?er!maI barf ber SJcutf) biefer
©otbatenfrau gerühmt roerben, mit metcrjem fie ben QSirtuofen
gegenüber getreten, Don benen fie ficfj, tro§ be§ SSotföjubete,
nicfjt im geringften imponiren tiefj.*) — 2tnber§ ftanb e3 um
bie grofce üüfteifterin in ^ßeftrj. SSenn in folgern $atte ein
§8ergleicf) mit @enre= unb .£nftorien=SDMerei paffenb märe, fo
bürften bie intenfiben mie ejtenfiüen ©igenfdjaften beiber
Äünftterinnen anfcrjautirf) neben einanber geftellt fetjn. Sm
©egenfatie §u ber SSiener £)ame mar nur ba% ©rofje unb
Stiefernfte ©egenftanb ber Snfpiration unb poetifcfjen 3ßieber=
gäbe bei ber ©räfin 23run3n)icf. S§re Seiftungen tjierin glichen
großen SBanbgemätben unb mirften oft fcfjtagenb. 3n S3eet=
*) SSeldjen Spielraum SBeetfjotien biefer Sünfilerm ju ©eltenbmadjung
tbrer ©ubjectitoität am pano gelaffen, unb unter tuetdjen S3ebingungen
ober 23orau§fe£ungen bieg gefdjefyen, ifi ©. 288 u. ff. bemerft.
3b4) Über Dorothea-Cäcilia ist bereits eine ausführliche Mono-
graphie in der „Deutschen Musikerzeitung" vom Herausgeber erschienen,
über die Gräfin Sidonie von Brunswick wird „Beethovens Frauenkreis"
eingehend zu reden haben. Über die dritte große Beethoven-Priesterin
Marie Pachler-Koschack wird ebenfalls noch genau zu sprechen
sein. Ä. d. H.
40*
— 628 —
§oben's SWuftf mar fie burcfj iljren ®emal)t eingeführt morben,
beffen eigentliche ©djjüterin fie gemefen. 3n mefentlidjen
^uncten trafen jebotf) beibe Samen §ufammen: in getreuer
üftadjempfinbung bes Xonbitfjters, unb richtiger Sr=
fenntniB i^rer ©tärfe unb (Sctjmädje. STuS erfterem
©runbe marb in bas reprobucirte 2Berf nichts hinein, aber autf)
mdjtä ljeraus gef)eimni^t, ma§ nicfjt barinnen lag — mie ber*
gleichen bem (Sin gemeinten mit allen Singen 511 ergeben pflegt, '■ —
aus" bem anbern ©runbe blieb man mit fcrupulofer ©eroiffen-
fjaftigfeit bem fünftlerifctjcn Vermögen getreu, ©räfin ©ibonie
mar granbios in 33eetf)oben's B dur=2rio, in ber F moll=
(Sonate, in <2pot)r'§ Ouintett C moll, be§g(eicf)en in einigen
Söerfen oon Dnstom, abftecfjenb bagegen in anbern, bie ät)nlid)es
©epräge nidjt getragen, ober benen burctj bie gemaltige föraft
tt)rer £)änbe ein etmas uneigentljümlicrjer (Efjarafter gegeben
morben. %m teueren $alte übte fie felber ftrenge Äritif itjrer
Seiftung, bie meift nur au§ ©efäßigfeit für ^Cnmefenbe ftatt=
gefunben. ©räfin Sibonie erfreut firf) noctj be3 Seben§ im
Greife ber itjren, itjre |)arfe jeboct) ift mit bem 1847 erfolgten
£obe it)reö ($emat)ls auf immer oerftummt. öeibe Ijaben bie
großen llmroanblungen auf bem ©ebiete ber (Joncert* unb
Äammermufif mit 511 beobachten bie unerfreuliche Gelegenheit
gehabt.*)
*) 2)a§ §au? be§ Ghafen ^ranj öon Srunäraicf gtid) einem
Gonferöatorium im fleinen ^Nafeftabe für einen au§erroäf)lten ßretS nadj
^öljerem firebenber Sftuufer unb ötufiffceitnbe. (Sin fieljenbeä Quartett in
mufterb,after 2Ut3bilbung mit 2abor§fn (au§ bem ^rager Gonferöatorium)
an ber erften Statine, ber ©raf felber am JBioIonceQ, bie ©räfin ba§ ^iano-
forte rjanbfja&enb — biefeS fünftlerifdje -Trifolium im 25erein leistete, roa§
man in SSien jur 3eü öergeblicb, gefudjt traben mürbe. SSeldj' ein Setjrer
unb Serbreiter be3 guten ©efd)macfe3 öraf SrunSroicf im großen s3ftafe=
ftab geiuefen, nürb 9?ad)ftel)enbe§ geigen. 1819 übernahm er bie Seitung
be§ ^eftfyer Stabttrjeaterö in ber löblichen ?lbficf|t, bem tief gefunfenen Qu-
ftanbe toieber aufzuhelfen. 3m erften %>at)xe ging aüe§ gut öon Statten,
bie 2)inge waren merfltcb, öorgerücft. %m jroeiten Sa^re aber »erlangte
— 629 —
Sßenben mir unä mit bicfen gemife aud) für ^ünftter Don
Getier nacrjat)mung3tt)ertf)en Seifpieten §u ben ®ornpljäen ber
neuen 9Rid)tung in jener 3e^^ toetdje im Saufe mehrerer
Sa^erjenbe forooEjt in ber öftreid)ifd)en <paur>tftabt ttrie aflent*
falben bie daoierfpietenbe Sßelt allein be^errfd)t fjatten, al§:
Rummel, attofdjeleS, $ßiji§ u. a. $urd) irjre $ro=
buctionen tjaben biefelben bemiefen, baft fie ifyrem ©enre —
ber 23rillance burd) 23raoour — getreu geblieben unb feinen
anbern in it)r Söereid) gebogen rjaben. £)arum teifteten fie
$oHfommene<§. 2Iud) fie gelten ben „übernmnbenen @tanb=
punct" feft, mie bie ,3itfunft8mufifer öon *)eute> benn aud)
fie mochten geglaubt fjaben, nne bie ©egenttmrt, fo gehöre
iljnen aud) bie £utunft. 2)a& fie SSeetrjoöen'3 Söerte unbeachtet
liefen, foü nict)t al3 ftrenger Xabel gelten, benn biefe übten
auf ein gemifcfjteä ßoncert=$ßublitum ntrfjt ben minbeften Steig
mefyr, ftanben überhaupt mit ben eigenen (Sompofitionen biefer
Äünftter im ©egenfatje. 2öiÜ man ftd) öon bem ©efagten
überzeugen, fo üerfotge man bie (5oncert=$rogramme ber ge=
fammten Stünftter in ber 3lttgemeinen Sftuficatifdjen geitung,
e£ bürfte barin nidjt ein einziges festen. S)er ftd) bortfjer
aufbrängenbe SSergleid) mit bem ©tanbe ber £>inge in unferer
ber silbel mefjr italienifctje Opern, ber anbere SDjett be§ ^ßublicuma metjr
SBiener Sofien. S5aS fjiefe auf ben alten ^lecf jurücfgetjen. SDie Don ber
SDirection gemalten (Sonceffionen genügten ben 23egeljrevn, oornefjmlicfj bem
älbet, nidjt, unb ba ©raf SbrunSroicf bei feinen gefaxten ©runbfä^en be*
fmrrte, fo fam e§ alSbalb batjin, baf$ fämmtlidje iiogen leer ftanben. ®a§
t)tnbette iftn feboct) feineSroegS, bie beften ©änger unb ©djaufpieler fommen
ju laffen unb fict) mit einer fleinen Slnjatjl ©ingelabener gefie in Oper
unb ©ctjaufpiel ju bereiten. Sßacft, 9?ieberlegung ber 2)irection 1822 mar
eine enorme Summe Derloren, aber bie ©fjre nidjt, aud) ttictjt ba% Seroufet*
ferjn, baä !öefte gerooüt unb e3 in einem fleinen Steile beä Sßublifum3
erreidjt ju fjß&en. @r Derbüeb immer ber reichbegüterte Magnat be§
ÄönigreidieS. 2lu3 jenen Sauren batirten einige intereffante abriefe Don
iöeettyooen an feinen greunb in s#efilj, in benen biefer ermutigt roorben, auf
ber eingefdjlagenen Söafjn fortjumirfen. ©efegnet ferj fein Slnbenfen!
— 630 —
3ett, (tüte itjn bie üEonatSfdjrift üor 5(ugen legt) ba$ Ch>
gebnife, ba^ ba§> in jenen £agen oben Stefjenbe (ängft üer=
Rungen, bagegen bie äurücfgefettfe SD^uftf unferS 3fteifter§ tote
ein ^Ijönir au3 feiner ?{fcfje roieber erftanben unb eine ©(orte
erlebt fjat, roie niemals 5U erwarten ftanb; ferner bie %fyaU
fatfje, bafj genannte Äünftler in fpäterer 3eit, afö üjt Stern
im Untergeben toar, ftd) mit 2lrrangiren üerfrfjiebener
Sßerfe be§ etnft unbeachteten 9fteifter§ befcfjäftigten (Rummel
bie ©infonien), enblicfj gar an neuen §erau§ga6en biefer iSBerfe
ficf) beseitigten unb tfjren tarnen barauf festen (ÜKofrf)ele§);
ba§ finb ©rfdjeinungen, bie in alter SD?ufi!=Siteratur feine
Sßarattete finben bürften.
üftadjfterjenbe Heberf tc^t ber üerfcfjiebenen ausgaben
üon Seetfjoüen'fcrjen 28er fen roirb ein fpred)enbe§ 3eu9n^B
üon ber beifpiettofen Verbreitung berfelben tiefern.
2>ie Originalausgaben ber (Haüier-SBerfe üer=
trjeiten fidj unter bie bermat befterjenben SBertagSrjanb*
hingen üon:
£a§linger in 2Bien, (im SSefttje beä gefammten Vertagt
be§ ehemaligen 3nbuftrie=(£omptoir§),
Spina in SSien, üomtal§ ®iabeüi u. (Somp., (im 33efi^e
be<§ Vertagt üon S£rjab. 2öetgt, iüftattb,. Slrtaria, ^Sennauer unb
Seibesborf),
2ßi|enborf in 2Bien, (im SBeftfce öe§ Vertaget bon Sappi
u. Sofepf) Saernti, £rentfdjen8ft) u. SSieroeg unb (£b. 9JMo),
©cfjfefinger in 23ertin,
SIrtaria u. Gomp. in SBien,
©imrod in Sonn,
$ßeter3 in Seipjig,
SSreitfopf u. §aertel in Seip^ig unb
^offmeifter in ßeipgig.
23emerfen3iüerrf) ift, ba% faft alle biefe §anbtungen fidj
gegenfeitig an btefem irjrent ©igentrjum »ergriffen unb melfadj
nadjgebrudt t)aben.
— 631 —
2Iu§gaben oon alten Sonaten (mit 5lu§na£)me öon
Op. 106, 109, 110 unb 111) Ijaben batb narf) S8eet^ot)en'§
£obe üeranftaltet:
§a§linger in SBien,
3ot). 3(nbre in Dffenbadj,
Simrocf in 93onn,
Sote u. SBocf in ©erlitt,
ßranä in Hamburg.
©ine meljr ober mettiger grofje 3Cn§at)( ber Sonaten ift
gebrucft bei:
Sreitfopf u. £>aertet in Seidig,
üftagel in §annoüer,
$ßeter§ in Seidig,
Schlesinger in Berlin,
Spina in 2Sien,
Spefyr in 23raunfd)toeig,
33ot)me in Hamburg,
Sßi^enborf in SBien,
5lrtaria u. (£omp. in SSien,
Scfjubertf) u. (Somp. in Hamburg,
2Seinf)o(t3 in Söraunfdjmeig,
23atf)mann in ^annober,
©{jallier in Berlin,
Scfjott in SJcainj,
@cf u. ßomp. in Sötn,
Söfjr in granffurt am Sftain,
©unft in granffurt am 9)tain,
üftägeti in 3ur^-
Seibe te^genannten 2tu3gaben ftnb faft gän^icr) Vergriffen.
Sn ber üon S)unft befanben fid) gugteicf) alle S£rio'3, Duartette,
£luintette unb alle ©oncerte, btefe meift and) in Partitur. —
£)e3g(ekrjen alle Sieber unb ©efänge.
§oüe in SBolfenbüttet läfct eine Stereott)p=2Tu§gabe
fämmttidjer SSerfe „unter Oteöifion oon Dr. gran§ Sifet"
— 632 —
erfreuten. ^Bereits finb eine ^Inja^I Sonaten unb einige «Sin-
fonien, arrangirt oon $. SB. äftarfull für ^ßianoforte gu 2 unb
4 ^pänben, im publicum.
^atlberger in Stuttgart fjat begonnen, fämmttidje
Sonaten „unter 9M>action bon SttofcrjeleS" fjerauSäugeben.
£>ecfel in 2J?annt)eim §at afle (Haöier^rio'S unb bie
Partituren fämmttidjer Quartette IjerauSgegeben, bie aufjerbem
aucfj bie Verleger ber Originalausgaben öeröffentlidjt Reiben.
Sn ^ßariS ejiftiren an -$et)n metjr ober toeniger oott=
ftänbige ausgaben aller 6(a0ier=2Berfe. 3Me Partituren
alter (Sinfonien finb bafe(bft in gnjei Offizinen gebrueft;
bie Partituren oon alten Goncerten I)at fRicfjauIt ijer*
ausgegeben.
Sn (Snglanb erjftiren fecfjS bis aetjt üoltftänbige 2(uS=
gaben alter 6(aoier=2öerfe;
in Belgien unb §oltanb fünf bis fedjS;
in üftorbamerüa oier bis fed)S;
in SRuftlanb enblid) ^mei bis brei.
Sm ©anjen ergebt jidj bie 3af)t oer ausgaben
Oon ber (£taoier=2ftufif über oterjin,. Sebe 511 taufenb
©jemplaren angenommen, mirb tooljt nicfjt übertrieben fetin.
(Sn jüngfier &it ift in ber 3lnbre'fd)en $er(agSt)anb(ung
ein Unternehmen mit 33eet§oüen'S Sonaten gu £ag getreten,
baS §u ben fettfamften unb beflagenStuerttjeften unferer främeriftf)en
©tiotfje in Sachen beS 9#ufifoer(agS ge^ä^tt merben mujj unb
fjier nidjt unbemerft bleiben barf. 2)iefe SkrtagSfjanbtung I)at
nämlitf) begonnen Sonaten auf 4 §änbe auS5uftrecfen. S3eteitS
finb bie Pathötique, bann bie in Cis moll unb D moll in
foletjer ßerfe^ung erfcfjienen. 5ttS Sßotlbringer biefer ^fjaten
nennt firf) auf bem Titelblatt SuliuS Stnbre.
5ltS üor ungefähr fünfeeljn Sauren bie SSertagStjanbtung
Schott eine buret) SSertini bemirfte 3e^fe^u»9 öon ©eb. S3ad)'S
mofyttemtierirtem ißlatiier auf 4 §änbe erfdjeinen liefc, t)örte
man alle 9J?ufifer oon fünftleriftfjer ©efinnung einen Schrei
— 633 —
beS Unwillen^ auSftoften über folgen nie bageroefenen freuet
an einem {^eiligen Sfrinftroerfe. §ätte eS §nr Qe\t nur ein ein*
gigeS unabhängige^ Organ in ©adjen tnuficaltfcfjer Kritif in
2)eutfd)lanb gegeben, biefeS ©acritegium märe nad) Sßerbienft
gebranbmarft anftatt angepriefen morben. — 9ftit bem Attentat
auf 23eetl)oöen'S ©onaten tl)ue id) hiermit, maS meines SlmteS
ifi Srgenbmelcfje biefer in fid> abgefditoffenen £onbidjtungen
auf 4 §änbe ausreden, fjeifjt nid)t meljr in bem ©inne arran*
giren, um ein urfprünglid) für Drdjefter ober Quartett ge=
fdjriebeneS 2öer! ben 9J?ufiffreunben näf)er gu legen, bamit eS
bem SSerftänbniB leictjter äugänglid) merbe, — eS Reifet öielmefjr
ein Stongemätbe in ber 5Irt gerftören, als roenn ber (Sopift
eineS garbengemälbeS gelb ober rott) gebraust, mo beffen
©djopfer blau angemanbt, unb mit fotdjer $ermed)felung ber
garben über alle Xrjeite feiner ßopie fortfährt.
3Bett bie Sö'ne jeber Cctaüe itjre eigenttjümlidje Klangfarbe
|aben, fo mirb natürtidjerroeife eine Sftelobie auS ber ein* in
bie äroei= ober gar breigeftridjene (ober aud) in eine tiefere)
Dctaöe oerfettf, ben öom (Somponiften gegebenen (Stjarafter eben
fo gemifj einbüßen, als burd) $ermed)fetung ber garben auS
bem ©emätbe etmaS ganj anbereS gemacht mirb, als baS Dri=
ginal aufroeifet Kann bemnad) baS gerfelen eines bem $ßub=
licum in feiner urfprünglid)en ©eftattung leidjt jugänglidjen
KunftmerlS, morin jeber £on an bem öom Autor angemiefenen
^la^e ju tjören, nur bie geringfte Berechtigung für fein S3e=
fielen beanfprudjen? £>iefe genannten (Sonaten finb bem Um*
fange öon fünf Dctaoen auf's genaufte angepaßt, barum an
feiner ©teile ein Bebürfnifj nad) 3luSmeitung. Sttan felje jeboct)
in ben Anbre'fdjen „Arrangements" bie unääljligen SSerboppelungen,
ja, SSerbreifadjungen öon SMobien gartefter 9?atur; man fet)e
ferner bie Sßerboppetungen fogar bon 93egleitungSfiguren für
2 £)änbe bei eben foldjen 9Jcelobien. 2)ie 3erfefeun9^ ndjtigw
$erfetjung, im 3. ©a|e ber Cis moll=©onate finbet mol)t
iljreS ©leidjen nidjt mieber. Unb gu fold/ ftrafmürbiger §in=
— 634 —
rid)tung Seetfjooen'fdjer ^ßoefien tonnten fidj giuei Söljne be3
gelehrten unb mit SNedjt fmd)gead)teten 3Jcufifer3 unb Sßecteger^
5(nton 5(nbre oerbünben! 5Iud) ba§ ift ein 3e^en unferer
pietätäfofen, befto meljr egoiftifdfjen üühtfifepodje.)
©djon oft mürbe oon Shinftfreunben an ben SBerfajfer bie
$rage geftellt, ob 23eett)ooen raobi jemals bie Hoffnung taut
»erben tief;, ba^ feinen Sßerfen einftenS bie oerbiente SSürbigung
3U Zi)di merben mürbe? SMefe Sra9e konnte mit öoüer ©emifc
tjeit mit DciemaU beantmortet merben. £ie muficaüfdjen
3uftänbe ber testen geljn Safjre feinet SebenS im Mgemeinen
mußten jeben ©ebanfen an eine 3ufunft feiner SSerfe tierjdjeudjen,
tjatte er bod) big auf bie (Sinfonien unb Cuartette faft aüe
übrigen <2d)öpfungen bereits fo gut mie tobt gefefjen. @§ (ebt
htbefj eine leife ÜBermuttmng in mir, er fbnne bennod) auf ein
SSiebererftetjen fämmtfidjer üfikrfe, menn and) in fernerer 3eü»
gehofft Ijaben, unb §roar fnüpft fidj biefe SBermut§ung an sJiad)=
ftet)enbe§:
©oett)e in ber Sinteitung ju bem Gapitet im 2öeft=ö filieren
25iöan, ba§ bie Ueberfdjrift „Sefferem 23erftänbnif3" trägt unb
ftcf) mit ber Sidjtfunft ber alten Hebräer, Araber, ^ßerfer, unb
mit ben £)id)tern be§ teueren 23o(fe3 befdjäftigt, füt)rt an: „Sd)
tjabe bie ©djriften meiner erften Satjre olme Sßormort in bie
23ett gefanbt, oljne aud) nur im minbeften an§ubeutcn, mie eö
bamit gemeint fett; bie3 gefdjaf) im ©tauben an bie üftation,
baft fte früher ober fpäter ba§ Vorgelegte benutzen merbe. Unb
fo gelang mehreren meiner arbeiten augenbtidüdje Sßirfung,
anbere, nid)t eben fo faßüd] unb einbringend beburften, um
anerkannt gu merben, mehrere Satire. Snbeffen gingen aud)
biefe oorüber unb ein äroeiteS, britte§ nad)road)fenbe§
©efdjtedjt entfd)äbigt mid) boppelt unb breifadj für bie
Unbitben, bie id) oon meinen früheren 3e^9ertofleu
5U erbutben fyatte."
35er tetste ©atj biefes Gitateä finbet fid) in bem Dortjanbenen
(Sj-emplar be£ ©oettje'fdjen Sudjeö oon Seettjooen'ä §anb jur
— 635 —
Seite angeftridjen, aber nod) befonberS in einem ber STagebüdjer
ü6gefd)rie6en. 9D2an erinnere fid) be§ in ber Einleitung ®efagten,
lüie 23eetrjoüen (^u lefen pflegte unb roelcfje SSebeutung beriet
21bfcfjriften fjaben. ©ottte bemnad) biefer ©atj nid)t einen
£roftgrunb $u eigener SSerurjigung über bie fetbft aud) erlebten
Unbilben feiner ßeitgenoffen enthalten? ®afür fetjft aüerbingä
(Serotfjfjeit, aber ^u ^roeifetn ift erlaubt.
Sftod) Slnbereä foll mit SSorftetjenbem in $erbinbung gebraut
roerben. Sei bem 51nbrängen ber italienifdjen Stonfluttjen 5U
Anfang be§ 3. Sarj^erjenb'sS unb in einem ©efprädie mit unferm
SD?etfter im greunbegfreife über biefe faft troftlofen ©rfdjeinungen
£)örten mir 23eetrjoüen mit ©mpfjafe ermibern: „üftun, ben Sßlatj
in ber $unftgefd)id)te fönnen fie mir bod) nid)t nehmen !" —
Dieö fd)ien alfo ber einzige <poffnung3anfer ju fetjn, an roeldjem
ber grofce Seetrjoüen roenigften3 feinen tarnen feftgebunben fafj
— unb.bamit fdt)ien er fid) 5U begnügen. §ätte er bod) nur
eine geringe Tantieme üon jeber 5Iu3gabe feiner 2Berte begießen
rönnen, fatt§ er einige ber umfangreichen nod) erlebt rjätte!
Sn bem Q3ud)e be§ ©cfjidfalS mar e3 jeboct) anberä beftimmt;
bie oftmals auägefprocfjenen Sßorte: ,,3d) fdjreibe üftoten auS
9^öt£>en", fottten für fein gangeS Seben eine 2öaf)rf)eit bleiben.
<£rgän$ungen.
A. SBeetfurten'ä SBilbniffe.
©oll ba§ Portrait fdjon an unb für fid) ßfjarafterbitb
fetyn, rcenn e§ nid)t au§ ber 9fteif)e äftljetifdjer *J3robuctionen
auggefcfjtoffen fetjn totff, fo rairb bieg bei ^iftortfcEjen $er=
fönen um fo ftrenger genommen roerben muffen, gumal menn
bie 2tbbitbungen bon ifjnen berbielfättigt unb §um ftefjenben
ipanbelSarttfel geworben. £er bljjbfiognomifdje 9lu3brud be§
$ortrait§, befonberg be§ gemalten, foü nidjt bto3 bte 51eljn{icrj=
feit getreu miebergeben, aud) bie Sebeutung ber ^?erfon foü er
burd) ba$ ©eiftige ben Sefdjauer leidjt erratfjen taffen. £>iefe
3Inforberungen machen e§ ben Herausgebern jur ^ftid)t, nur
fotdje in bie Deffenttidjfeit gelangen gu taffen, toetdje in jebem
S3etract)te entfbredjen, nidjt bietmefyr im augenfdjeintidjen Sßiber*
fbrudje mit ber ftct) offenbarenben üftatur ftetjen, fo bajj erft
ber betgefe|te tarnen be3 3tbgebilbeten §um ©rfennen berfjilft.
Sftit biefen unbeftreitbaren ©ätjen an bie SBeurtljeUung ber
anfet)nlid)en ßatjt bon abmeid)enben ©arftetlungen üon 53eet=
fyoben gegangen, wirb fidj ber Sßiograbf) ungefähr in berfelben
Sage befinben, a(3 Ijanbelte e§ fid) um 53eantmortung ber $rage:
meldje unter ben bieten 2tu3gaben bon be§ 9fteifter§ (Etabier =
mufft in 2)eutfd)(anb mot)( bie correctefte fet). 9ftit befter
Ueberjeugung mürbe er bie§fafl§ auf bie £a§finger'fd)e t)in=
roeifen, meit biefe fid) am genaueften an bie Driginat=©rude
gehalten, — matjrfdjeinlid) aud) moljt an bie berühmte ^aüi--
grabljie fätnmttidjer SSerfe 23eetljoben'3, metdje burd) SBermädjt*
nift be§ ©rgtiergogS 9f}ubo(bf) in ben 33efi£ be§ 9Jcufit'berein§ in
SSien gefommen, — fomit atfo ba§ Portrait g(eid)fam nad) ber
bom Sfteifter fetber corrigirten geidjnung gegeben Ijat, menn e§
aud) nidjt an bem ift, bafj Sßeetljoben jene 3MIigrabt)ie befonber§
— 640 —
ttodj einer SReütfton unterzogen fyatte, toogu ein öoöe§ 3aljr
auofdjtiefettdjer Arbeit erforber(id) getoefen märe. 2Sir !ennen
feinen ©rang $u neuen (Schöpfungen.
3)ie SBilbmffe t>on S3eett)oüen merben in ^tnei Kategorien
abzuleiten fetjn, uub jtoar: in nad} ber Statur gematte ober
blo£ gezeichnete unb bann in Kupfer geftodjene ober titljo*
grapfyirte; ferner in btofte Sßfjantafteftücfe, ober nad) einem au§
beiben Kategorien nad)gebilbete, mobei einzelnes abfid)t(id) Der-
änbert morben, um nidjt al3 getreue (Sopie fid) zu präfentiren
unb bem §erau§geber Unannet)m(id)feiten zuzuziehen.
SSenng(eid) jeber Xag an bem ßufäüigen ber menfdjüdjen
<$eftalt änbert, ber Künftler bemnad) bfo§ bie bteibenben §aupt=
güge auffaffen fott, fo behält bod) mancfjer Kopf fo biet eigen*
tt)ümlid)e§ ©epräge, nxi§ nur «Stümper ober in ber Arbeit nid)t
begünftigte Künftter serftören tonnen. Unter allen bekannten
muficalifdjen Kunftgröfeen t)at öietteidjt 33eetf)oüeu3 Kopf bie
eigentf)ümtid)ften 9)?erfma(e, bie mit bem üppigen §aarboben
beginnenb fidf) über Stirne, 9(ugen, 9J?unb unb Kinn üerbreiten
unb im t)armonifd)en SBerfjättniffe ftetjen, mobei nur bie etmas
breite üftafe eine teife tjeröortretenbe ©iffonanz bitbet. 2fn fotd)'
djaratteriftifdjem ©epräge mirb e§ ferner 28efentltd)e§ gu ber-
berben, ober gar eine (Saricatur barauS ju machen, ©er 2(ugen«
fdjein getgt beibe§ als üorfyanben. 23i3 zu üottenbetem fünfzigften
Sebensjafjr mar ber ©efammtauSbrud oon 23eett)oüen'3 ©eftatt
ba3 erfreutidjfte 23itb förperlirfjen 2öot)tbefinben3 unb ^öctjfter
©eifteSfraft; ein Jupiter fat) zuteilen au§ biefem Kopf §erau§.
Sm ein unb fünfzigften SebenSjafjr begann in £yotge anbauernben
llnterteib§(eiben§ bie 5(bna§me, bod) gab e3 bi3 um bie SDZitte
be§ fed)§ unb fünfzigften ber Snteroatle nod) biete, mefdje an
bie ßeit oor ber eingetretenen £ec(ination erinnert Ijaben. 2öir
merben barüber aud) einen anbern Beugen bernefymen.
Semerfensmertf) ift, baf$ nur brei Sßitbniffe, nad) ber üftatur
in De( gematt, bon 33eetf)ooen eyiftiren. 2)a3 erfte ift ein Knie=
ftüd, ber Sfleifter, ungefähr im 30. SebenSjaljre, fi^enb a&~
— 641 —
{jebitbet; eS befinbet fiel) in fetner gamilie unb roarb toegen
Unbebeutenbfjeit nidjt öerötctfättigt. 2)aS gtoeite ift btö 35ru[t=
bilb uon ©djtmon aus ber ^erbftgeit tion 1819, ber SDtofter
eben öofle 49 Safjre gäfjfenb. SaS leiber ftarf nadjgebunt'ette
Original, früher mein ©gentium, befinbet [idj nun in ber
^öniglitfjen 23ibtiotbef gu Berlin, eine mefenttid) berbefferte
(Sopie, bom Sßrofeffor ©cfjmib in 51adjen angefertigt, berblieb
in meinem 83efi|e. 2)aS britte 33itbnifj batirt aus bem Saljrc
1822, unb marb bon ©tiefer auS 9Jcünd)en gemalt. 23eetl)ooen
in feinem grauen §auSrod'e ift in einer Sßeintaube ftetjenb ab*
gebübet mit einem Rapier in ber Sinfen, barauf „Missa solemnis"
5U tefen, unb einen ©riffeC in ber SRedjten fjaltenb. ©er @runb
auffaüenber ÜBerfdjiebenjjeit gtDtfdjen bem ©d)imon'fcl)en unb
©tieler'fdjen ©emätbe erflärt ficf) burd) borauSgegangeneS
längere^ Seiben.
üftur borüberget)enb mag auf einen Äupferfttdj bon ©d)ef f ner
aufmerlfam gemacht merben, melier bem fechten Satjrgang (1804)
ber 2IHg. 9J?uf. 3^9- beigegeben ift.
©oll bie oftmals gefteltte $rage gu beantworten fetyn,
raetdjeS öon ben berfcljiebenen SSUbmffen auS fpäterer ßeit
al§ muftergiltig für bie 2Saf)rt)eit beS ©tjarafteriftifctjen an*
gufefyen, fo mufj unbebenfltct) bem ^upferftid) öon £)öfel, nadj
ber geidjnung bon Set rönne auS bem Saljre 1814 (bei
SIrtaria u. (Somp.) ber 5Sor3itg gegeben merben. 2)iefe 316*
bitbung jeigt unS ben SRetfter eben auf ber t)öct)ften ©pitje
feines SRuljmeg angelangt, (tute im biograpfjifdjen Sljeit auS*
geführt ift,) mit leudjtenben, fdjarf Ijerbortretenben 3lugen,
üotlen Söaden, überhaupt ftrotjenb öon ©efunbljeit. %laä) biefem
SBilbntffe ift baS Xitelfupfer beim neunzehnten Safjrgang (1817)
ber 2111g. 9Jcuf. 3*0- genommen, jebod) in etmaS üergrö&ertem
9J?afeftabe, tooburdj ber SG5at)rtjeit beS SluSbrudS (Sintrag ge*
fdjeljen. £>iefe (Sopie erfd)ten aud) bei ©reitfopf u. ^aertel
im ^panbel.
©er $eit nad) reibet fiel) an ben §öfeffd)en Shtpferftid)
St. <Stf)utMer§ 33eetIjoüni=S3io3ra))t)ic. 41
— 642 —
bie 2t)u)ograüf)ie bon 5ttoeber in Berlin. ?luf bem Stätte
jM)t 5U fefen: „Wad} ber Statur gegeidjnet 1817 in 9D?öb(ing."
£)er (Sontraft jroifdjen biefem iTopfe in natürttd)er ©röfte unb
jenem bon 1814 ift ein fo großer, ba^ ber Unfunbige bei einem
Vergleiche in nid)t geringe Verlegenheit geraten mu|, benn er
fiefjt bie beiben $ßote bid£)t ne6eneinanber. Sn ber Moebeffdjen
3eid)nung ift nicfjt einmal bie Sontur richtig, niefoeniger er=
fennt man a\i§> ben groben 3ügen e*ne @put öon geizigem
Statte. £>a§ ift ba£ SCntti| eine§ ejjrudjen 23ierbrauer§, aber
feinet ÄfinftlerS, foHte e§ aud) eben fein Seetfjoben fetjn. Unter
ben fd)ted)ten Slbbilbungen bon unferm SDJeifter mujs tiefe
al3 bie gern ein fte be^eidjnet werben. Sm nörbficfjen, toof)! aud)
meftlidjen Seutfcfjtanb ift biefe bie berbreitetfte.355)
2)arauf folgt ©d)imon'3 Oelgemälbe. @§ ift be3 9xaumeS
roertf) mit^uttjeilen, unter toeldjert Sebingungen biefe§ 23ilb gu
©taube gefommen. Stuf meine gürfbradje erhielt ber nocl) fet)r
junge äftater bie ©rlanbniB, feine (Staffelei neben bei Sfteifierä
2lr6ett3gimmer aufftellen gu bürfen unb ba nadj Setieben gu
fcfjalten. (Sine <2it$ung t)atte Seetijoben ftanbfjaft bertoeigert,
benn eben im boftften 3uQe ™ü oer Missa solemnis erklärte
er feine ©tunbe 3eit entbehren §n fönnen. ©d)imon aber mar
if)m bereite auf 233eg unb (Steg nadjgefdjtidjert unb fjatte fdjott
355) Im allgemeinen hat Schindler natürlich auch über die Bild-
nisse Beethovens das Beste und Anschaulichste dargeboten. Über
Klöber ist sein Urteil zu verwerfen. Hierbei ist an des Herausgebers
Abhandlung in „Beethoven und Berlin", S. 179 ff., ebendort auch über
Schimon und Stielers Bildnisse, S. 193 ff. zu erinnern. Anschauliche Er-
weiterungen in Sachen der Beethovenbildnisse bietet Gerh. v. Breuning
in seiner Schrift „Aus dem Schwarzspanierhause", Neudruck S. 108 f.
Auch die Thayersche Beethovenbiographie beschert viele neue Beiträge
zur Geschichte der Bildnisse in allen Bänden. Erweiterung des Stoffes,
aber ohne jede Spur von Geist in der Auffassung, kann man in
Th. Frimmels „Beethoveniana" 1888, finden. Viel gute Porträts enthält
endlich auch Shedlocks englische Ausgabe meiner Beethoven-Briefe,
sowie die Beethovenhefte der „Musik". A. d. H.
— 643 —
mehrere ©tubtert sunt 33elmfe feiner Arbeit in ber 3Ro$)e, mar
barjer mit ber fo lautenben ©rtaubnift gang aufrieben. 2lt§ ba§
S3ilb bi3 auf ein SBefenttid)e3, ben Sttcf be§ Slugeg, fertig roar,
fc^ien guter 9iatt) treuer, roie biefeS 5XHerfd)roierigfte gu erreichen;
benn ba3 Slugenfpiel in biefem ftoüfe roar öon rounberbarer ?frt
unb offenbarte eine ©cata Dom roüben, trotzigen bi§ ^unt fünften,
Hebeootlften 5Iu§brude, gteidj ber ©cata feiner ©emütp=
ftimmungen; für ben SJcater atfo bie gefät)rtid)(te fötiböe. £>a
tarn ber SDfaifter felber entgegen. £)a3 berbe, naturroüdjfige
SBefen be<3 jungen 9l!abemi£er§, fein ungeniertes 23enerjmen roie
auf feinem 2f teuer, fein kommen otjne „guten Xag" unb ©etjen
otme „Sibieu" gu fagen, Ratten 25eetrjoben'3 9hifmerf famfett mebjr
rege gemacht, a(§ ba§> auf ber ©taffeiet ©terjenbe; furj, ber
junge Biaxin fing an irjn gu intereffiren : er lub itjn 511m Kaffee
ein. 2)iefe ©itjung am S'affeetifdj benutze ©djimon jur 3lu§*
arbeitung be§ 5(uge3. 5öei roieberfjolter (Sinlabung 5U einer £affe
Kaffee 51t 60 23ob,nen roar bem äftaler ©efegentjett gegeben, feine
Arbeit gu boKenben, mit roeldjer 33eettjoben gang gttfrieben geroefen.
2lu3 fünft(erifd)em ©eftd)t<§buncte betrachtet ift ©d)imon'<S
Arbeit lein bebeutfameä &unftroerf, bennod) boft d)arafteriftifd)er
9ßar)rt)ett. 3m SSiebergeben be3 fo eigentrjümüd)en S31tcfe§, ber
majeftätifcfjeu ©ttrn, biefer Seljaufung mädjttger, erhabener
Sbeen, be§ (Solorit*, im 3eid)nen oeg feftgefdjtoffenen 9ftunbe3
unb be§ mufd)etartig geftatteten ®inn§, t)at fein anbereä 23itbnif$
!>ftaturroaf)rere§ geleiftet; nalje SSerroanbtfdjaft mit bem ®ubfer=
ftid) an§ bem Safjre 1814 ift int (Sanken unberfennbar.
S^act) biefem Detgemätbe ift ba§> SEitetfubfer su biefem
23udje angefertigt [bem 9?eubrucf nid)t beigefügt]. 9?üt)mtid)ft
befannte ®ubferfted)er gu $ranffurt am 9ftain fjaben bie Arbeit
itjreö bertiner $ad)genoffen bem ©emälbe gegenüber einer Prüfung
unterzogen unb berfetben aHe§ Sob gefbenbet, aber aud) erfannt,
bafj, ma§ in biefem fö'obfe (nad) ©d)tmon'<o ©arfteßung)
enthalten, bermittetft be§ ©rabftidjelS faum in allen Steifen
roiebergegeben roerben fönne.
41*
— 644 —
3ur ^bftjeit Don 1821 präfentirte fid) bei SBeetfyoben
ber 9ftaler (Stielet au§ SDcunctjen mit guten Empfehlungen
unb bergteid)en ^ünftterrufe. (Sein perfönüdjeg SBefen fanb
auet) befonberen Seifall. £>iefer Sünftlet öerftanb e§ ben Iau=
nigen Sfteifter in fettener Söeife 511 feinem groeefe üerfügbar ju
maeljen. ©itjung auf ©i£ung marb bemiüigt unb nidjt eine
Äfage über 3eitüertuft laut. 2(t§ ^unftmerf ift ba§> ©tie(er'fd)e
Portrait bebeutfam, gleidjmot)! ba§> äufjertidj ©tängenbe, ober
mobern Gonoentionetle, mie gur ßtit f^on üblidt), nod) menig
SSirtuofität be^oedt; ba$ ©anje erfetjeint im einfachen ©ttyle
ausgeführt. $n betreff be§ djaratteriftifdjen ?lu3brud3 ift ber
Moment gut miebergegeben unb fanb 3ufümmung. hingegen
ftiefj bie bom ^ünftter beliebte 3(uffaffung be§ Titanen, am
meiften bie Neigung be<§ ®opfe§, auf Söiberfprud), meil ber
SDceifter ben Sttittebenben nidjt anberS begannt mar, al§ feinen
S^opf ftolj aufrecht tragenb, felbft in Momenten förperlidjen
Seiben3. (Sin mit feinem SBefen bekannter 9Mer mürbe it)tn
biefe (Stellung nid)t gegeben §aben.
®er erfte litt)ograpt)ifd)e Abbrud banaef) bei 9)?attf). Artaria
mar gut, ber nunmehrige bei ©pina ift gang matt, batjer ber
Slbgebitbete nod) fränf(id)er ausfielt, ab! ba§ Detgemätbe geigt.
2)a§ nädjftfolgenbe Portrait in €)d ift ein Skuftbilb oon
SBalbmütler. Heber ben Unmertt) biefe§ @emätbc§ unb bie
feltene Art be3 3uftaKbefommem3 fjatte id) SSeranlaffung be=
reitS in 9cro. 8 ber AITg. 9^uf. 3tg. oon 1835 51t fpred)en,
fann midj alfo barauf begießen. — 3U Anfang be§ $af)re§
1823 münfdjte bie SBreitfopf u. §aertel'fd)e SßertagSljanblung
ein Sßitbnifj Oon unferm SJccifter ju befitien unb SSatbmüller,
^rofeffor an ber Afabemie, marb gu beffen Anfertigung ge=
mätjlt. ilngünftige SBorbebeutungen gu feinem gwedz maren:
bringenbe Arbeiten unb anf)altenbe§ Augenleiben, baljer fortan
übte Saune, dlaü) langem £)int)alten mürbe enbtid) bie erfte
©itjung beftimmt. SSalömüller benahm fid) anbei ehrerbietig
unb atlgu fd)üd)tern, ein SSertjatten, ba§ in ben meiften gälten
— 645 —
mit $8eetl)0üen gu feinen ermünfcfjten (Srfotg führte. Sßir fjaben
ja eben bernommen, auf meld)' entgegengefetjtem Sßege bie beiben
oorau>3genannten Wakv gum gtütd gelangt, ©o feljr fiel) and)
SßatbmüHer mit ben Umriffen be§ ®opfe§ unb bem Untermalen
beeilte, fo mürbe bem gebanfenüoüen SMfter bennod) bie ßeit
§u lang, er üerliefj batjer alle 91ugenblide ben ©it$ unb ging
oerbrüfjtid) im ßimmer auf unb ab, aud) tn'§ Nebenzimmer an
ben ©djreibtifd). 9?od) mar bag Untermalen ntdjt beenbigt, als
SBeetfjoüen 31t beutltdje 3e^en 9a^ oaB er ^ ni^t länger
aushalten fönne. &I3 ber garbenlünftler fiel) entfernt fjatte,
ba bracfj ber .ßorn oe3 9J?eiftcr§ lo§ unb SMbmüller mürbe
ber fd)ted)tefte 9J?aler genannt — med er if)n mit bem ©efidjte
gegen ba§> $enfter fi^en liefj. §artnädig roie§ er jebe $er=
ti)eibigung gurücf. @§ fam 51t feiner ©itmng mein*. ®er
äMer arbeitete bemnad) ba£ Portrait au§ ber Sßfjantaftc fertig,
meil er — mie er auf meine ©egenüorftettungen repticirte —
ba% accorbirte ^onorar üon 20 ®ucaten nid)t miffen fönne.
Ob bie3 fünftlerifd)=reblid) geljanbelt mar, foCC baljin geftellt
bleiben, ^urj, bie 9ßatbmüller'fd)e ©arfteltung ift — mo mög=
lief) — nod) meiter öon ber SSafyrfjeit entfernt, mie irgenb eine;
ba§> ift ba§> konterfei eines efjrtnürbigen Pfarrers, in beffen
$opfe eben eine £)omitie gur (Srbauung feiner ßu^örer georbnet
mirb, mit bem £onbid)ter S3eetf)0üen, au§ beffen Stopfe §ur Qtit
ber 9tn3arbeitung biefeö 53itbe3 bereit» bie 9. (Sinfonie f)erOor=
gugefjen begann, tjat e§ fogar in ben äußern Umriffen niefjtS
gemein unb mufj e§ moljl SBerftmnberung erregen, mie bie
SBreitfopf u. £)aertet'fd)e SSertagSfjanbtung erft in jüngfter $eit
einen Shtpferftid) banacf) ben ^unftfreunben bortegen fonnte.
SBar ber SBerfaffer bebadjt für bie meiften roidjtigeren 2tn*
füfjrungen ^Belege ober ßeugenberoeife beizubringen, ober nad)
Umftänben blo§ barauf f)in;*,umeifen, — mie e§ bie ©efdjicb>
fd)reibung überhaupt erforbert — mar t§> if)m atö langjährigem
Begleiter be<§ großen $ünfiter3 ein leicf)te§, unter ben 3eu9=
niffen au^eit bie mit ber 28af)rf)eit übereinftimmenben mahlen
— 646 —
3it fönnen, fo ift ®teid)e3 in ber Sßortraitsgrctge ber galt. Sine
längft in $ergeffent)eit geratene $ßerfon3befd)reibung Don einem
unüerfäng(ic£)en geugen f0^ angeführt merben, tttelcfje ben 23er=
etjrern 23eett)oüen'3 al§ fid^erfte 9?idjtfdjnur bei ber SBafjl eine3
$ßortrait§ üon it)m bienlicr) fetjn möge. £)iefe getreue ©d)ilberung
üerbanfen mir griebrid) 9tod)tit3, ber biefelbe nad) mieber-
tjolten ßufammenfünften mit 33eett)oüen im ©ommer öon 1822
gu Saben bei ÜEßien an feinen $reunb ^aertet nad) Seipgig
gefenbet, fpäter aber im 4. Söanbe feinet 28er fe3 „%üx greunbe
ber £onfunft" (©. 350 ff.) aufgenommen f)at. §ören mir ifjn;
er fdjreibt:
„ . . . . SÖäre id) nict)t üorbereitet geraefen, fein 3üiblicf
ftmrbe aud) mid) geftört tjaben. üftidjt ba$ üernad)(äf$igte, faft
üertoilberte Sleufeere, nid)t ba§ bicfe, fd)ttar5e §aar, ba3 ftruppig
um feinen $opf fjing, unb bergt., fonbern baZ ©an^e feiner
©rfdjeinung. Stenfe S)ir einen 9D?ann öon ettta 50 Sauren*),
metjr nod) Heiner, aber fefyr fräftiger, ftämmiger (Statur, ge-
brängt, befonberö üon ftartem Slnodjenbau — ungefähr nrie
gidjte'S, nur fleifctjiger unb befonber§ üon üotlerem, runberm
©eftd)t; rottje, gefunbe garbe; unruhige, (eudjtenbe, \a bei
firktem Süd faft ftedjenbe Stugert; feine ober Saftige S8e=
megungen; im Stuäbrud be3 Slntü^e^ befonberä be§ geift* unb
lebengooEen 2luge3, eine Sftifdjung ober ein, guroeiten äugen*
btidtidjer 2Bed)fel Don f)er§lid)fter ©utmütb,igfeit unb üon ©djeu;
in ber gat^en Gattung jene (Spannung, jene§ unruhige, be=
forgte £aufd)en be§ Rauben, ber fetjr lebb/tft empfinbet; jetjt
ein frof) unb frei tjingetoorfeneS SBort: fogteid) nneber ein $er=
finfen in büftereä ©djtueigen**); unb 51t alte bem, tt>a$ ber
SSetradjtenbe fjin^ubringt unb toa§ immertt>äb,renb mit I)inein=
*) Söeetfjoüen jaulte ju jener 3"' bereits narje an 52 ^aljre.
**) 6§ fd)etnt moijl faft ü6erflüffig 31t bemerfen, bau ber SDceifier im
öertraulidjen Greife ein ganj abtueicfjenbeä SBerfjalten beobadjtet fjat. Sa
toar er „aufgetnöpft," bem gremben gegenüber jebod) meift „jugefnöpft,"
barum oft iuortfarg.
— 647 —
ftingt: SDaä tft ber 9#ann, ber Solutionen nur greube
bringt — reine, geiftige $reube."
$ergleid)t man biefe Sefdjreibung mit ben Stbbitbungen
<xuö gleicher ßeit, fo finbet ficf) Uebereinftimmenbe§ nur mit
©crjimon'S 53üb, mit beut öon ©tieter feine; bon bem 2Sa(b=
müfler'fdjen, ba§ fein boüe§ Satyr nad) bem ®atum be§ 9iocfj=
ütyfcfjen ^ßortraitö auf bie Seineroanb gefommen, roirb be=
greifHdjermeife gar nidjt bie 9?ebe fet>n bürfen.
3u boüftänbiger ©rgänjung ber ^ortrait=$rage foü nod)
eine ©teile au§ 9f?od)(it5' ©rief Sßfofc finben. fRod£)ti^ Berichtet,
roie SBeetfjoöen feinen SBorfdjtag in betreff einer Sftufif ju
$auft aufgenommen unb brüdt ftd) a(fo au3: „(£r (Seettjoben)
la§. £>a! rief er aus, unb marf bie §anb f)od) empor. 2)a§
mär' ein ©tue! Strbeit! ®a fönnt' e<§ mag geben! Sn biefer
$rt fufjr er eine Söeile fort, matte ben ©ebanfen ftdj fogleid)
unb gar nidjt übel au§, nnb faf) babei, gurüd gebeugten
Raupte 3, ftarr an bie £>ede."
2et$tere3 gehört gu bem borbemelbeten 2fugenfpiei in 2ket-
fjoben'3 Stopf. §äufig trat ba% fouft Hein fdjeinenbe ?luge grofe
f)erbor unb ber 2Mid, nad) oben geridjtet, blieb an ber 2)ede
ober am blauen SIetrjer lange geljeftet, bie§ entmeber in ber
Sftebitation, ober menn ifjn im ©efprädj etma3 befonberö afficirt
rjatte. ©d)imon allein fjat einen foldjen Moment bortrefftidj
ausgeführt, ©tieter iljn bto§ angebeutet. £)ie gu Stnfang 1825
überftanbene föranfrjeit f)atte aud) ben ©tanj be§ 9Iuge§ ber=
nidjtet, fo baf$, mie in biefer $eit fo mancfjeg im Snnern unb
tafjern fidj ju ntetamorpfjofiren begonnen, oon bem feltfamen
Slugenfpiel fernerhin nid)t§ mefyr 5U gemäßen mar. 9ftit biefer
SSeränberung im Steuern ftimmt ©tiefer'S ©emälbe trefflidf»
überein.
SSatb nad) 33eetfjoben'3 §eimgang begann bie Snbuftrie ber
$ünftter unb Verleger ftd) auf SSerbielfättigung feiner 93iib=
niffe 5U raerfen, bie bann in großer Sln^l)! unb 8d)led)tigfeit
feilgeboten morben. 2llS ^rototbp für mehrere galt bie Sitfjo*
— 648 —
graprjie bon ©teinmüiler bei 5Trtaria u. (Somb. 2>er fifjreienbe
(Sontraft giuifrfjen biefem ^ßhantafieftüd unb ber £itrjograbt)ie
nad) ©tiefer bei ÜDcattfjiaS 9(rtaria bermag aHein fdjon beffen
SBertt) gu beftimmen. 2)en 9Jceifter boHenbS mit furägefcfjnittenen
paaren abbitten, tjeijst ben Sötten mit abgefctmittener 9JMt)ne
barftellett. Sludj ftetlt biefeS 25ilbni% SBeetfjotoen biet §u alt bar
unb im djaracteriftifdjen SfuSbrude tjat eS mit einem Scfjöpfer
großer $unftroerfe nid)tS gemein. Sine 9cad)abmung tjat
^rierjuber, ber SKeifter im Sonoentionellen unb ber Sd)meid)etei,
bei §aStinger erfdjeinen laffen. Stuf biefer Sitbograprjie präfentirt
ficf) eine fdjroar^e ^palSbinbe. @S roarb fein 33ebenfen getragen
biefeS SlteibungSftüd nacf) ber neueften äftobe anzufertigen. 3)ie
toeifje §alSbinbe, ruorjt ein Sarjrtjunbert fjinburd) in Sftobe, in
metdjer man benn aud) unfern SBeetrjoben ftetS geferjen, fdjeint
bem Sitt)ograpt)en ein 35erfto^ gegen foSmetifdje 9nd)tigteit in
ber @eroanbung geroefen ju fet)n. — (Sine fernere üftadjbUbung
nacf) 6teinmü(ter'S Sitrjograpfjie ift bie bei 2>ot). 2tnbre in
Dffenbacfj. — ©cfjott in SDZaing muffte aud) ein eigenes Portrait
tion 33eetrjoben jum SBerfaufe aufbieten tonnen, ©er unfertiger
biefer Sitrjograpfjie ftanb eine SSeife bor ©dnmon'S Cetbübe in
meiner Söofjnung unb t)at gegeigt, bajj er bie (Sontur beS ÄopfeS
fo giemtid) im ©ebäcfjtnift behalten. 2WeS Stnbere aber ift ent=
fdjUiunben. — Saruette in 2(ad)en rjat ebenfalls eine SittjCM
graprjie herausgegeben, bie nidjt 51t ben bermerftidjen gefjört.
2)arin liegt einige Sßertoanbtfcfjaft mit ber 9(et)ntid)feit, nict)t
aber mit bem geiftigen SluSbrude — bis um baS 45. SebenSjarjr.
Sßieberrjolt berfünbigt fjat fid) bie ©cfjtefinger'fcfje 9J?ufif-
fyanbtung mit 2(bbitbungen bon unferm SDceifter. 2)ie guerft
fjerauSgegebene, mit groei äJcufiifätsen in Sßerbinbung, bon benen
einer fogar bie Ueberfdväft trägt: „Derniere pensee musicale
de Louis van Beethoven," ift eine (Earicatur, baS (konterfei
eines SBörfenjuben, ber mit grämlidjem ©eficfjte feinen Söerluft
5U berechnen fdjeint. £>ie anbere, eine Siujograpfjie bon Sftittag,
ftreitet um ben Vorrang an ©djtecrjtigfeit, aber aud) §ä^lid)teit.
— 649 —
SSarjrlict), SBerttn Ijjat rjinfid)t(id) ber Sßitbniffe üon 23eett)oüen
ba§> meifte ilngtüd. 93eibe biefe genannten fowofjt, tote aud)
t>a§> üon Ätoeber, foHten au£ Sßietät für ben £onmeifter gu
aflernädjft au§ bem Jpanbet entfernt werben, wenn bie Heraus-
geber nur etwaS üon ber 2Serüfücfjtung in fidj üerfpüren würben,
üon Jjiftortfdjen Sßerfonen mögttdjft 28aljrJjeit3getreue§, felbft in
iljren 33übniffen, gu üeröffentlidjen. Sie SJäfjgunft aber, bie
tjeutgutage mit jcfjledjter SSaare anerfannt guter Soncurreng
gu machen Wagt, gäljlt gu ben Wibrigen Sfterfmaten im ^anbet
mit Äunftürobucten.
£>ie üorrjanbenen S3üften üon Seettjoüen Würben audj
gumeift bie Prüfung nidjt befielen, gaft alle finb ülumüe
äßaffen. Süngft ift üon bem jungen SUbrjauer ®. (Sediert) of§
gu granffurt am Wlain eine SBüfte nadj einer Stelle angefertigt
morben, bie fidj öorttjeittjaft üon anbern unterfdjeibet unb 23e=
acljtung üerbient. ®er St'ünftter arbeitet nun biefelbe in fdjönem
Sftarmor.
Sei ber 2öac)l ber Xoitetten=©egenftänbe im Portrait einer
Ijiftorifdjen Sßerfon bürften boerj Wot)l mancherlei 9tüdfid)ten gu
beobachten fetin, wobei aud) gwifdjen Wodjen= unb fefttäglicfjer
Reibung, fogar gwifdjen guter unb fdjledjter Sa^reS^eit gu
unterfcfjeiben fetin wirb. (Sinem S3eett)oüen, ber fidj auf ber
©trafee wie im (Salon ftetä anftänbig gu Reiben üerftanb, wirb
nod) inSbefonbere Hufmerffamfeit gu Wibmen fetin. Sn foldjer
SBegieljung mufs üon bem 9tteifter gefagt werben, ba^ er eS bis
in feine legten ßebenötage liebte, nad) llmftänben forgfältige
Toilette gu macfjen, in welcher ftetS tjarmonifdje Ueberein=
ftimmung gu ftnben gewefen. @in $rad üon feinem blauen
Sucfje (bie beüorgugte garbe in jener ßeit) mit metallenen
Änöüfen fteibete itjn üortreffüdj. (Sin foldjer, nebft einem anbern
üon bunfetgrünem £ud)e, fetjtte in feinem ©djranfe niemals.
3ur ©ommergeit falj man iljn bei guter Witterung ftet§ mit
Weisen SßantatonS, ©djuljen unb weisen ©trumpfen (3)?obe ber
3eit). SBefte unb §al§binbe Waren in jeber Sa^reSgeit weife
— 650 —
unb aetdjneten fid) bei ifym fetbft an SBodjentagen burd) mufter=
(jafte 9?eintid)feit au<§. 3U °iefer Sefteibung f)at man fid) einen
leidjten ©ang unb gerabe Haltung, überhaupt teidjte Störper=
bemegungen 51t benfen, mie biefe unferm Sfteifter allzeit eigen
gäoefen, unb man tjat Seetrjooen'3 Sßevfönlidjfeit oor klugen.
SDZit biefem Segriffe roirb man fid) jebod) Ritten muffen oor
ba$ ©tanbbüb gu Sonn — nad) §ärjnef§ 9JcobetI — 5U
treten, benn baran ift nid)t§ übereinftimmenbeg §u entbeden.
B. Scetljoucn unb fein le^ter Strjt Dr. äBatoruä).356)
Sei Stufgeidjnung ber Segebenljeiten an Seetrjooen'ä ßranfen*
lager gefdjat) uorübergerjenb (Srroäljnung eine§ ?fuffatje§ mit ber
Heberfdjrift: „2ter§tüd)er 9?üdblid auf 8. Dan Seetljooen'3
letzte 2eben§tage," au3 ber $eber beS genannten Str^teS,
barin unfer äfteifter gum Slrunfenbotb gemadjt roirb. £)ie
erfte Seröffenttidjung biefeS 5(nffa|e§ fanb unterm 30. Sfyril
1842 in ber „SSiener 3e^f^rift" ftatt un0 9™9 atebafb in
ba§ granffurter ßonöerfationSMatt unb in anbere beutfctje
Stätter, fogar in parifer, über. S)ie Seröffenttid)ung in 2Sien
erfolgte jebod) nidjt burd) ben Serf affer, fonbern burd) SHorjä
gud)3, unb ghjar, nad) feinem erft unterm 10. $ebmar 1852
mir gemadjten ©eftänbniB, in nadjftetjenber SBeifc. Mafy 5(b=
(eben be§ Dr. SSarorud) mar 9tf. $üd)§> beftrebt, etroa§ aus
beffen muficatifdjem üßadjlaffe gu ermerben. „Sei biefer ®e*
legentjeit — fo lautet feine (Srflärung — geigte mir bie SSittroe
aucfj ba§ SJtanufcript it)re§ 2ftanne§ über ben fragüdjen ©egen=
356) Über den Arzt Dr. Wawruch, der zu Beethoven in seiner
Todeskrankheit berufen ward, und der nachher den ärztlichen Rück-
blick auf Beethovens letzte Lebenstage in die Welt sandte, ist bereits
mehreres hier veröffentlicht worden. All das dient zur Rechtfertigung
Schindlers und Gerhard v. Breunings. Vgl. den Brief No. 915 an
Schindler (IV. Band) nebst Erklärungen ebenfalls Brief No. 1207 an
Schindler (V. Band). Cf. besonders Wegeier und Ries, Notizen, Neudruck
Anra. 266, S. 475 f. A. d. H.
— 651 —
ftctnb unb bat mid), iljr bef)ütf(id) 51t fetytt, ba^ e§ gebrudt
roerbe unb fie bafür bodj (Straa3 befomme. 3»d) geigte e§
meinem ^reunbe Sßittfjauer unb bexfelbe brudte e§ in feiner
geitfdjrift q6 unb gab mir einen mäßigen ^Betrag für bie
Sßittme, mofür fie mir feljr ban!te. Sdj tjatte bei biefer ©ac^e
nur ben Qtüed bor 9lugen, einer mit gatjtretc^er $ami(ie hinter-
(offenen SSittme eine Heine Unterftütmng gugumenben." — ©a§
STnbenfen an einen großen Wann unbeftedt gu magren, ba3
tjat ber mnficatifd)e Antiquar, ber fidj mit 33eetf)Oüen fo üiel
3U befdjäftigen pflegte, nid)t cor 2tugen gehabt!
©ie *ßflidjt gebot mir, gegen bie eben fo untreren alz
öerle|enben Steigerungen SBamrud/3 unüermeitt einguf freiten.
£)a jebod) bie Entgegnung üon ber SKebaction ber SSiener Qz\t=
fdjrift ofyne jebe Slnmerfung gurüdgefdjidt morben, — fo tief?
id) fie im $rantfurter (EontierfationSblatt abbruden, 14. Suti
1842. Wxt 9Rec£)t bürfen bie $eret)rer be§ 9J?eifter3 forbern,
baf$ biefem ttnct)tigen ^ßunete and) in biefer ©djrift S^aum ge-
geben merbe.
(§5teicf) im (Eingänge feines S(uffa^e§ fagt Dr. SBamrud):
„«Seltene latente feiner (23eett)oöen'3) 2lrt finb gemeinigtid) bi§
gum §infd)eiben an intereff cuiten Momenten reid), bie üftiemanb
beffer aU ber befreunbete 2(rgt gu fammetn bermag."
3ur SBürbigung biefeg ©atjeg fjaben mir un§ au§ ber
mitgeteilten ^ranftjeitslgefctjidjte be3 9J?eifter3 gu erinnern, mie
Dr. SBamrudj) an beffen ®ranfenbett gefommen. £>ie bort
angeführte Steuerung $eetf)ot>en'§: man fjabe ifjm einen Slrgt
in'ö §au§ gefdjidt, er miffe nietjt mie unb burdj men, ber
if)n unb feine üftatur gar ntd)t fenne, — beletjrt un3 gur
©enüge, bafc SBamrud) nid)t§ meniger al§> mit Seetljoben
befreunbet gemefen. ferner miffen mir au§ ber ®ranft)eit!§=
gefd)id)te, hak be§ 9J?eifter3 ehemaliger $reunb Dr. 9Jcalfatti,
nadjbem er enbtidj) feinen Sitten ©efjör gegeben unb fid) im
Vereine mit SSamrudj feiner Pflege angenommen, ^unfd;ei§
Oerorbnet fyatte, um bem fetjr oerftimmten Drgani3mu3 einen
— 652 —
be(e6enben 2on gu geben. SBattirud) tragt bie§ mit fotgenbem
©at^e 5U motioiren: „2Ü3 langjähriger greunb Der*
ftanb 9ftalfatti Seetfyoöen'S Oortjerrfdjenbe Neigung
für geiftige ©etränfe §u toürbigen." — Söeiter
erlaubt fid) biefer SIrjt ^in^ugufügen: „sedebat et bibebat"
unb nod) anbere beriet er)renrütjrige Steuerungen, bie fämmt=
lid) 311m ©runbe fjaben, feine oerfeEjrte 53et)anb(ung3toeife unb
itjren fd)(immen Srfotg gu befdjönigen unb glauben §u madjen,
bie SSafferfudjt, an tt>e(d)er 33eettjoüen üerftorben, fen bie nct£)=
ttenbige $o(ge feinet unmäßigen ©enuffeS öon Spirituofen.
SSie unfer iDceifter aber e£ mit teueren gehalten, ift Ijier
bereits auSgefagt. 2)er Umftanb allein, ba$ er gugericfjtete,
refp. t)erfälfd)te SSeine liebte, tt)enn er aud) §umei(en bagegen
eiferte, mag geigen, bafj er fein SSeinfenner geloefen. 2)aJ3 er
jeboct) ftetS 9)to|3 §u Ratten mufjte, toirb Seber beftätigen muffen,
ber ifm lange bor 1826 näfyer gefannt. 3n biefem
Satyr finb allerbingS einzelne 2lu§naf)m3fäUe burd) frembe
SSerantaffung uorgefommen — raie im legten SIbfdjnitte be£
biograpt)ifd)en 2t)ei(3 ertoätynt — bie aber in 3^Qe ber batb
eingetretenen (Sreigniffe aud) balb roieber ein Snbe gefunben.
Ueber biefen $ragepunct follte fid) Dr. ©ertyarb öon
S3reuning oernefymen laffen, ba er unbe^roeifett aud) üon
feinem Später ©ültigeS barüber gehört fjaben bürfte; aud)
maren bie mancherlei Sßorfommniffe am ^ranfenbette unferS
greunbeS, ttne nid)t minber jene au§> ber testen ^ßeriobe über=
tjaupt, oft ©egenftanb unferer 23efpred)ungen im Greife feiner
gamilie.
sD2et)r a(§ meine SSorte bermbgen, mirb eine £t)atfad)e
geigen, ob SBeetfyoüen eine öortjerrfdjenbe Neigung für geiftige
©etränfe gehabt. %m Suni 1823 überfdjidte ein ÜDcufiffreunb
unferm SJceifter 6 gtafdjen ädjten Sofatier, mit bem SSunfdje,
fetben jur ©tärfung feines Unterleibs 5U gebrauchen. Mein
mid) in ber SSotynung befinbenb melbete id) S5eett)oüen nadj
§et$enborf, toetd)' foftbareS ©efd)enf für ifjn angekommen.
— 653 —
Einige Sage barauf fdjrieb er mir unb legte ein ^ßoftfcriptum
folgenben 3nf)att§ bei:
„®en Sofatier betreff enb ift berfelbe nidjt für ben
©omni er, fonbern für ben £>erbft, unb $mar für
einen Siebter, toetcEjer biefeS eb(e $euer §u ermibern
im ©tanbe ift, unb ben $uJ3 in Ungemittern tjatten
fann."357)
S)ie überbringenbe Haushälterin tjatte ben 5tuftrag bei^u*
fügen, id) möge mit bem Sofatier tfjnn, ma3 mir beliebe.
2)emnad) fdjidte fie i|m eine $tafd)e bacon, unb berfügte über
bie anbern. (Sin ^aefimde biefe§ Sßoftfcriötg lag ber (Sntgeg*
nung im (Sont>erfation3b(atte bei. £>a§ Original ift öorfyanben.
©efyr befrembenb mar e§, in ^Sari§ fo oft bie $rage an
miefj gefreut fjören §u muffen, ob e§ mafjr felj, bafj 93eetb,ooen
unb 3frang ©djubert bem %xunk ergeben gemefen unb fid) im
ftarfen SBeine ifyre S3egeifterung geholt tjätten ? (£3 jeigt bie3,
baf3 fcfjon Oor 3öamrucf/3 2Iuffat> biefe§ böfe ©erüd)t Verbreitet
mar. Söetdje Sefräftigung mu§ nicfjt aber fotd)' fatfdjer ©taube
burd) ?Iu§fage eines Strgteö ermatten, ber obenbrein nod) üor=
gibt, er fet) mit bem sD?eifter befreunbet gemefen!
C. JBeet^ücn unb ftürft 9luotou§ 23ori§ ©al^in.358)
S3ei nodjmatigem 2)urd)(efen be3 in ber 3. Sßeriobe über
ba$ 2Serf)ältniJ3 gnnfdjen Sketijoben unb bem dürften @aü§in
3(u§gefagten fd)eint gu Sßermeibung aller 2Seitfd)roeiftgfeiten
nid)t§ met)r erforbertid), at§ bie Vorlage bort fcfjon ermätjnter
357) Cf. B. S. Br. No. 915 (V. Band) nebst Erklärungen.
A. d. H
358) Auch die Differenzen zwischen Schindler und dem Fürsten
von Galitzin sind mannigfach vom Herausgeber behandelt worden.
Vgl. besonders B. S. Br. No. 1094 nebst Erklärungen, S. 156 ff. (V. Band).
A. d. H.
— 654 —
«Briefe tom bem SRuftf gelehrten 93. ©amcfe an ben SSerfaffer
gerietet. 2)er crfte brachte ben Don mir in SSien bergeblitf)
gefügten ©cfjutbbrief be§ dürften an 93eetf)oüen auS bem Sftonat
iftooember 1826, mefjr nod), er gab $unbe, baß ba3 (Streit*
object, 125 £)ucaten nämlict), an btw Steffen be§ großen 9Jteifter§
gegafjtt roorben, tt>ogu jebocfj nid)t roeniger benn 25 Safyre er*
forberltcf) gewesen, ©er gürft tjatte ftd£) §rn. Damcfe in ^eter§*
bürg jurn SBert^eibiger feiner @arf)e gegen 23eetrjot>en unb beffen
SSiograpIjen geroäbtt, baijer bemfetben bie ßorrefponbens mit
33eett)oben unb beffen Steffen unb ©rben eingerjänbigt. Sn ben
Briefen be§ (enteren an ben dürften fanb ftcf) ber gefugte
©djutbbrief fammt ber Stecfamation öon 125 ©ucaten cor.*)
Saburrf) gemann £r. Samcfe bie Uebergeugung, ba% be§ gürften
©acfje eine faule fet> unb gab feine roeitere SSertfjeibigung auf.
Um jebocf) 33eett)oöen'§ ©fjre gu magren, fjat er mir unter
frembem -Kamen bie §auptbata übermittelt, bei feiner 5tnroefen=
fjeit 1854 5U $ranffurt am Wlain aber ftct) bor 3eu9en a^
ber Sßerfaffer ber beiben Briefe genannt unb nod) oerfcfjiebene
biefen ©treitöunct betreffenbe 2)etai(3 mitgeteilt, roie er fte
au§ ben ifjm uorgelegenen papieren gefcrjöpft tjatte. §ier folgen
*) 2)er Sefer wirb fidi erinnern, baf$ Bereite bei 9tnfüt)xicng biefe§
galleS, S. 437, bemerft rcorben, wie fcfjon ©erjfrieb in ben 1832 fjerau§=
gegebenen „53eett)ot>en'3 Stubien" (btograöl)ifd)e Zotigen S. 12) biefeä
ScfmlbpuncteS ermähnt. Ski Angabe ber au3 ber föinterlaffenfcrjaft S3eet=
rjoöen'g erhielten iotalfumme fagt er in einer Stanbnote auäbrücftid) :
„9cid)t eingeregnet einen Setrag üon 125 6t. ©ucaten, roelcfje ber SSer=
ftorbene für gelieferte Eompofitionen an einen auSlänbifdjen dürften nodj
§u forbern fjat" — 2)iefen fürftlicfjen Sctjutbner mit öoflem tarnen ju
nennen, trar für Senfrteb nictjt nöttjig, benn er fdjrieb nur Scotijen, leine
SMograp&ie, in roeld)er bie fcfcjlimmen folgen beg fürftlicfjen 2Bortbrud)ö
mit allem, rua§ brum unb bran rjängt, gegeigt werben müfjen. Df)ne
biefen SSortbrudj !ein ©abritt bei ber pfjüljarmonifcben ©e =
fcllfdtjaft in SJonbon um llnterftüfcung unb feine üblen 9?aaV
reben, bie unfern SJieifter getroffen. Sediere rjauptfäctjltct) bilben ben
<S$raerpunct in biefer Slffaire.
— 655 —
nun bie ©ntbüttungert einer ©adje, bie bor roenig Sagten bie
Sftufifroett beiber §emiSprjären fo febr in ©pannung berfetjt
fjatte, Wortgetreu:
1.
©t. Petersburg, 7. Sanitär 1853.
„®eebrter £err! SSor einer jjiemttdj langen 9?eifje bon
Sauren fjatte id) in ©erlin bie (Sljre, Sbjre Sefanntfdjaft 51t
madjen. Sdj mar bamate nur ein unbebeutenber junger
©tubent, beffen ©ie fid) heute bietleicfjt faum noch, erinnern;
©ie rjaben mir aber eine mohtroollenbe greunbücfofeit bezeigt,
bie id) nicfjt bergeffen fjabe unb für roelcfje id) jetjt berfucrjen
»rill, mid) banfbar gu bereifen, inbem id) Shnen einiget ben
gürften (Mitjin unb fein ©erhättnifj 5U ©eetfjoben Söctreffenbc
mittheile, maS Sljnen {ebenfalls intereffant, bietteicrjt fogar nü>
lief) fetin roirb.
©alifcin grünbet feine ©erttjeibigung gegen bie in Syrern
Sudje auSgefprodjene Slnftage auf bie ©efyauptung, er fjabe bie
beiben legten Quartette erft bei feiner ^üdferjr au§ ^erfien bor=
gefunben, fte alfo bei Sehweiten 23eett)ooen'ö nicfjt galten fönnen.
@r märe entfdjutbigt, roenn biefe ©eljauptung roatjr märe; benn
bitligermeife fann man nidjt Verlangen, bafj Semanb gable, bebor
er ba§> §u 3a^enbe empfangen rjat. 2)ie ©eljauptung ©atitjin'3
ift aber untuatjr, mie fo mand)e§ Rubere in feinen $lu§fagen.
— (Sari ©eetfjoben, ber mirftid) in SBien, Sofephjtabt 221,
mofynt, befitjt an ätoangig ©riefe, bie ©atitjin eigenfjänbig an
SSeet^oben gefdjrieben Ijat. Unter biefen befinbet fid) einer,
meld)er golgenbeS enthält: Charkoff 10/22. Novembre 1821.
Mon eher et digne Mr. de Beethoven, Vous devez me croire
bien leger et bien inconsequent de Vous laisser sans röponse
pendant si longtemps, surtont quand j'ai reeju de Vous deux
nouveaux chef-d'oeuvres de votre immortel et inepuisable
genie. Mais des circonstances malheureuses! . . . Maintenant
j'habite le fond de la Russie et sous peu de jours je partirai
— 656 —
pour la Perse pour y faire la guerre. Avant cela j'expß-
dierai absolument ä M. M. Stieglitz et Comp, la somme de
125 ^j: et je ne puis que vous offrir raes remerciments pour
vos chef-d'oeuvres et mes excuses d'avoir ete si longtemps
sans vous donner signe de vie."*) 2>ie beiben legten Guar*
tette waren atfo bem dürften bor feiner 91breife zugegangen,
33eetl)oüen fjatte ba§ au§brüdlid)e 2>erfpred)en, bie 125 ^ füllten
ifym absolument (fofort) Übermacht raerben, er raar alfo böllig
berechtigt, ben befannten ©rief bom 21. 3Wärj 1827 an ©tieglitj
fdjreiben gu (äffen. Slmen mar raofjf nur 23eetf)ooen's letzter
S3rief befannt; ©ie irrten, inbem <Sie barau§ folgerten, bie
125^ fetyen ba§ §onorar ber brei Cuartette, fo rote, nie fjabe
SSeetrjotien eine ßaf)lung bon ©alitiin erhalten; aber bodj ift
ber ©runb Sljrer §(u§fage botlfommen roafyn ©atitun b,at ben
armen 23eet(joben um 125:$: betrogen!**) (5r fjat bie be=
ftellten ©ompofitionen erhalten, ift alfo berbflidjtet ju zahlen.
(5r gatjlt aber nidjt, fonbern gefjt nad] ^erfien, bleibt bort
Safjre lang, unb jablt fpäter nur 50^ oem ©rben 23eert)oben'§,
at3 ber $ormunb beffelben, §err £>otfdjeraar, fiel) be§f)alb an
bie ©efanbtfdjaft gemanbt fjat, unb ber @raf üfteffetrobe ü)n
ba^u zwingt. 2)as 3llle§ ift nnreblid) unb betrügerifdj. ?lfler=
bing§ fjat ßarl 53eet^ooen borigen Sommer aud) bie übrigen
75^ erhalten, ba§> beraeift aber nur, bafj ©alitjin ben Grben
für fid) geraumen raollte, um ungefjinbert feine unraafjre @r=
gäljlung bebitiren 5U fönnen. — (Sr raar aber Q3eetf)oben aufjer
ben 125 # nod) bie §onorare für mehrere anbere (Sombofitionen
fdjulbig, bie ifjm auf feinen au^brüdlidjen SSunfd) überfanbt
raorben raaren. 9J?and)e berfelben finb oeröffentlidjt raorben,
anbere blieben Gigentfjum ©a(i§in'£. 95on lederen ift mir ein
Quintett für ©trcicfjinftrumente befannt, eine fd)raadje Arbeit,
raafjrfdjeinlid) au§ ber früheren Qtit oe§ ätfeifterS. ©aligin
*) 2)iefer ÜBrief erfcfjetnt mttgeÜjeUt fonJD^I im CriginaUSejte wie in
ber Heberiefiung ©. 477.
**) Siefet s.Hu§brucf ift üon bem ^erfafjer nirgenbs gebraust luorben.
— 657 —
rüfymt fid) be§ Sßefitjeä beffefben, be^tt fjat er e§ aber nidjt.
(Sari SBeetrjOüen ift im ©tanbe, 3lHe§ btefeS au3 ben Briefen
be§ dürften §u betoeifen.
(Sie roünfcfjen nun natürlich) su erfahren, morauf ba§, roa§
idj Seinen mitgettjetlt fya6e, begrünbet ferj. 2)a§ roitt idj Sfjnen
jagen, ©allein rjatte alte auf fein Sßerrjältnifj gu Söeetrjoöen
be^üglicEjen Rapiere, barunter aitct) bie SSriefe (Sart 93eetrjoüen'3,
bei einem ntefigen äftuftrer beponirt, ben er bei feinem
literarifcrjen ©treite ju benutzen fjoffte, ber fid) aber feitbem öon
irjm loSgefagt rjat. SDort tjafie id) alle Rapiere unebertjott ge=
febjen unb ait§ einem (Schreiben (Sari SBeetrjoüen'3, batirt:
Sßien, ben 29. äftärg 1852, ben eben mitgeteilten Srief (ben
(Sari gitirt, um bem dürften gu betoeifen, er fet) öerpflicfjtet,
nocfj 75 ^ SU sat)len) copiren tonnen. 2lud) ba3, toaä icfj öon
ben SSerfen, bie ©alitjin aufcer ben Quartetten nocfj öon SSeet-
fjooen empfing unb nid)t bejahrte, fagte, ift au§ ben Briefen
(Sart§ entnommen, ber überall al§ Setoeife bie in §änben be=
finbltctjen Briefe be<§ dürften anführt. 2)er oben copirte ©rief
be§ dürften fdjeint mir befonberg mistig, inbem er bie jetzige
SluSfage be§ dürften miberlegt unb flar betoeift, bafj ©ie Dfacfjt
fjatten, menn «Sie fagten: 23eetl)oüen ift um 125 ^ betrogen
morben. SJBeber ©alitjin nod) (Sari Seetfjoöen werben im ©tanbe
fetjn, ben Sßrief Oom 10/22- ^oü- 1826 hu ^überlegen, menn ©ie
ifjn oeröffentlidjen."
®enerjtnigen ©ie, u. f. m.
2.
©t. Petersburg, 13. gebr. 1853.
„®eefjrter §err! ©ie bürfen unb merben baZ unroürbige
©djreiben ©alitjin'S in 9?ro. 3 ber ^Sarifer muficalifdjen Leitung
nidjt unbeantwortet taffen; benn märe ba$ barin SBefjauptete
mafjr, roa3 follte man benn oon bem fterbenben 23eett)oüen
benfen, ber eine ßafylung üerlangte, bie ü)m nid)t guftanb? 3dj
fjabe S§nen bereite in meinem öorigen ©cfjreiben ben 93rief
SL ©djtnölerä SBcet^oücn=53iograpf)ic. 42
— 658 —
©alitjin's an 23eetf)oüen mitgeteilt, roelctjer bartljut, bafj ber
$ürft bie brei Quartette bor feiner $breife in Rauben fyatte,
unb fid) berpflidjtet, feine ©djulb öon 125 44: fofort gu galjlen,
mas er aber, betrügerifdjer Sßeife, nictjt ttjat. ©iefes Schreiben
tirirft feinen ganzen, falfd)en SBertfjeibigungsplan über ben Raufen.
Slber aud) aufeerbem enttjätt feine Sßertljeibigung 2Biberfbrücfje,
bie genügenb ben unhaltbaren ©runb geigen, auf bem er fufjt.
@r fyat 50^4= borausbegatjlt; Seettjoben fenbet ilmt barauf bie
äfteffe, mit ber Sitte, fetbige für bie gegaste ©umme augu*
nehmen, mas er annimmt, ©emungeadjtet möchte er je£t bie
beiben erften Quartette als begabt, bie 99?effe aber als mc£)t
begabt f)infte(Ien. $n ber STtjat t)at er nur bie Sfteffe unb bas
erfte Quartett begatjtt, mie aud) ^olg ausfagt, unb ift, mie ©ie
gang richtig behaupten, 1254t fdjulbig geblieben, um bie er,
tro| feines förmlichen SSerfbredjens, ben armen 23eett)oben fdjä'nb*
lief) betrogen tjat. SSas feine Seljauptung betrifft, er fyabe nie
fo fleinticfj gebadjt, bie ©ebicace ber Quartette für fid) gu ber=
langen, fo fragen ©ie itjrt bod), ob er nictjt öon Petersburg
aus am 5. ffllai 1823 an Seerljoben getrieben l)abe: Je ne
demande pour moi que la dedicace et un exemplaire manu-
scrit des que vous aurez fini. — 5tud) ben Srief (Sari $eet=
tjoben's, ber bie legten feiner „pieces justificatives" bilbet, t)at
er gu feinem ßmede gugeftutjt. Garl 53eetl)oben berlangt (Mb,
ift aber bagegen $u Willem erbötig, mas man nur milt.
©0 erbietet er fid) aflerbings ben dürften burd) eine 3eitungs=
erftärung gu rechtfertigen, fügt aber tjingu: „fobatb Votre Altesse
mir bas (Selb gegaljlt Ijaben mirb," ^ptjrafe, bie ber noble gürft
bjof)(meislid) meggelaffen t)at. 5Iud) fpäter fjat er bem dürften
angetragen, ben SBanquiers ^enidftein u. ßomp., bie nichts mit
biefer <3atf)e gu tlmn fjaben mollen, einige Setoeisftüde gu über«
geben, bie er behauptet, mieber aufgefunben gu tjaben, bamit bie
Sanquiers biefe, bielleid)t unäcfjten, Schreiben ben üftadjfragenben
bortegen foüen.
^ebenfalls f)aben ©ie, mertfjer §err, gegen fid) felbft, tote
— 659 —
gegen 23eetf)oöen'3 Anbeuten, bie $ßftid)t, tiefe <SacE)e meiter $u
üerfotgen. Sfjr Srrtrjum betrifft nur einen üftebenumftanb, ®ie
glaubten, Seetrjoöen f;abe nie eine 3arj(ung üom dürften er=
galten, roäfjrenb ifjtn ba§ erfte Quartett gejar)tt rourbe. (2öenn
bie äfteffe gegast rourbe — befto beffer für ben dürften; aber
fic gehört gar nicljt rjiertjer, roo e§ fid) b(o3 um bie Quartette
fjanbeit.) Sn ber |muptfad)e, ber ©cfjulb bon 125 #, rjaben
2ne öoflfommen fRecfjt, unb biefeS Diecrjt muffen ©ie üertrjeibigen
unb aufter ßtoetfet fetjen.
§ier fterjt (Mithin im fcfjtimmften 9fafe. Sitte bie ifm
rennen, b. t). faft bie gan^e muficatifdje SSelt, §tr>eifelt nid)t im
©eringften an ber SSafjrrjeit Srjrer 5tu§fage.
£ann icfj Srjnen in irgenb etroa§ burcfj 3(u§fnnft bienen,
fo bin id) gern ba§u bereit.
SD^it üorgügtidjer §od)ad)tung" u. f. ro.
Unbegroeifett roirb fid) ber Sefer über bie §anbtung§roeife
eines? fo rjodjgefteHten Cannes? in einer (Sfjrenfacfje, roie bie
borliegenbe, f)öd)üd) öerrounbern. <3o niebrig aber and) biefetbe
an fid) ift, fo unttug unb gemein bie in ber Sßotemif mit bem
Sßerfaffer eingefd)tagenen 28ege ju bereu 23efd)önigung roaren,
fo übertreffen bod) bie barin gegen unfern Sfteifter gefcfjteuberten
Slnfdjulbigungen aße3, roa3 fic£> in ben öorfterjenben Briefen
£>amde'3 berührt öorftnbet. Unb biefe3 ftempett bie £)anb(ung3=
roeife be3 ruffifdjen dürften 5U einer fo au§ge3eid)net ptebeifdjen,
roie bergleidjen fid) roorjt niemals üon folcfjer §öt)e rjerabgelaffen
|aben bürfte. Safe baZ gefammte tefenbe publicum gteid) bei
bem erften §eroortreten be§ dürften gegen feinen „Pamphletaire"
Partei für it)n genommen, ift fdjon im biograprjifdjen £ijeii
ermähnt. 3)er ^orje ^ame unb ber um jebeS §aupt eineä
Slbligen fcfjimmernbe üftimbuS, ber ba§ %$ott in aßen ©(äffen
fjeute nod) fo blenbet, roie üor 50 Sarjren, erftären fotcfje btinbe
Parteinahme. ®afj aber aud) bie üarifer Gazette Musicale ben
dürften in ©cfjutj genommen unb feinen ©iatriben unbebingten
©tauben beigemeffen, uneracfjtet meiner ©egenberoeife, bafj fie
42*
— 660 —
fogar bie üftiebrigfeit begangen, meine ^tueite Dtepttf 5U üer*
ftümmeln, nadjbem fie überbies nod) ben roörttid) angeführten
©djutbbrief be§ dürften oottftänbig gu unterbrüden gemagt, barf
^ier nid)t oerfcbmiegen roerben, benn baburd) I)at biefetbe alle
Snüectioen be3 dürften gegen 23eett)oöen für begrünbet an=
erfannt, bie fo gefteftt maren, bafj ber Sefer irregeführt morben
unb glauben muftie, ber gürft fet) ber betrogene unb Steetljoöen
ber Betrüger.
©inen grellen 9c ad) Hang mibmete biefer unfürfttidrjen
©efd)id)te ein ÜDtann, ber fid) feit einigen Satjren als 3ketIjoüen=
$orfd)er unb 2Iu£>feger bem frangöfifdj unb beutfcf) lefenben
DJtufilpubticum befannt gemalt fjat. 2Sa§ £>err 2)amde, ber
§annoöeraner, nad) Prüfung aller einfdjtägigen Rapiere gu unter*
nehmen unter feiner Sßürbe gehalten, f)at ein £>a(bbeutfdjer unb
Öatbruffe of)ne fotd)e Prüfung gemagt. £iefer Ijatte ben SJcutJ),
ungeachtet be<8 il)m in meiner 9ieptif burd) bie ©patien ber
„9?euen 3e^tfc^)r^ft fur SOJufif" befannt geworbenen ©djutbbriefes
be3 dürften für benfelben eine Sänge einlegen. Sßütjetm
non Seng,359) ber Siülänber, ber groBe Sßirtuofe in ber
Gonjectural=$riti£, er ift ber füöne bitter. Seiner $ertljeibigung
be§ dürften, enthalten im 1. Xfjeile feinet 2hidje3 „23eett)oben.
(Sine föunftftubte", f ollen nur einige @ä§e entnommen merben,
bie oon ber Gljaracteriftif: be§ 9Kanne§ Ijinreidjenb 3eu9™B
geben. Sr fagt bort ©. 275 u. ff. unter anbern: „$üf)tte bie
beutfdje treffe fid) berufen, nad)trägtid) für einen ©eift in'§
gelb §u treten, an ben bei feinen Sebgeiten fo toenig gebaut
mürbe, fo lag SSien ü)r näljer, beffen £unftmärttirer 23eet§oüen
359) Man lese die übrigens befangene Darstellung von W. von
Lenz in seinem Beetboven, Neudruck S. 327 ff. Besonders der Satz:
„Der Fürst Galitzin wäre kaum einem Angriff ausgesetzt gewesen,
wenn dieser nicbt von einem Literaten ausgegangen wäre, der sein
Mütcben an einem böber Gestellten küblte." Das mußte sich
Schindler, der ganz von Lenz ausgeschrieben war, stark verbitten!
A. d. H.
— 661 —
35 Safjre lang ttmr. 2Bien Iäf$t fid) bom Seben, bon einer
Beurteilung 93eetr)ooen'§ nict)t trennen — toa§> tuen: für eine
fotdje ©rfenntnifj babon §u gewinnen, bo^ ein Elusotänber mit
Seibenfdjaft befd)ulbigt Wirb, 23eett)oben ttmtö fdjutbig geblieben
in fetm? — §eut gu £age, too man otjnefyin alle möglicCje 9J?üf)e
t)at fid) boräitftetten, baß 23eetI)oben ein Sftenfd) toie Slnbere ge=
mefen! — S)ie ftrenge ©crjeibnng ber ©tänbe, bie au§ biefem
i8err)ältniffe f)erborgef)enben 5Inimofitäten finb eine burcfjget)enbe
©rfdjeinung beutferjen 2eben<§. (!) 2)er gürft ©atitjin märe faum
einem Angriff ausgefegt getuefen, toenn biefer nid)t bon einem
Siteraten ausgegangen ttiäre, ber fein ,,„9ftütt)d)en"" an einem
r)öt)er ©efteüten fünfte. 2)er gürft t)ätte fetnerfeitö beffer
ben £>anbfd)un, gar nidjt aufgehoben unb bamit eine getjäffige
Sourna(bo(emif bermieben, melcfje ettoaS 33effere3 51t berfotgen
fjatte, at3 ba$ mifroSfobifcfye ©treitobjeet." u. f. to.
2)iefe§ tjatte f>err bon Senj bie ©tirn nieber^ufd^reiben im
3afyre 1855, gur 3ett, ftÖ er n"t bem gemeinten „Siteraten"
in faft ununterbrochener Gorrefbonben^ geftanben, (bafür geugen
gman^ig Briefe bon feiner £>anb an mid), meift eine 9?eif)e
bon fragen über SSeettjoben'fdje SSerfe gum 55et)ufe feiner
literarifdjen arbeiten enttjattenb); ber ©djriftftelter ferner fyatte
bie ©tirn ba§> bruden gu taffen, ber mie fein anberer mein
Sud) über SBeettjoben auSgefdjrieben. ©ielje ba§> im SSottoort
barüber eingeführte.
@3 ift fdjmerjtid) alz ©erränfter fid) fetber (Senugtljuung
berfdjaffen 511 muffen. §err bon Sen^ f)ätte e3 anberö tjaben
lönnen, menn er meiner Slufforberung jufotge unb feinem met)r=
maligen $erfbred)en gemäjj fie gegeben fjätte. @3 lag bei ifmt,
biefer Sfränfung jebeS geeignet fdjeinenbe äftotib unterstellen.
(£r r}at eS bennod) untertaffen, aber feine Eintragungen fort*
gefegt, um bon bereu Beantwortung öfters einen anbern @e=
braudj 5U madjen, als if)tn bon mir geftattet toar unb er ber*
fjeifjen tjatte. ^Sollen bie§ bie Sefer feines „fritifdjen StatatogeS
fämmtlidjer SSerfe SBeetljoben'S" gefätligft beachten.
662
■ftadjtrag.
(Um ein bolle§ 3af)r fpäter, al§ 93orftel)enbe3
§u Rapier gefommen.)
Selber fief)t fid) ber SBerfaffer in bie üftotfjbjenbigfeit ber=
fe£t, nad)träg(id) anmerfen ju muffen, bafc $ürft ©alitjin tro£
alles? SßorauSgegangenen fid) nod) immer nicfjt ru£)ig uerfjalten
miü. ®er Snfjalt eine§ an mid) gerichteten Briefes? de dato
7. ©ecember 1858 bezeugt e£. 9?ad)bem er barin ben ©treit=
punct in einer langen £)iatribe neuerbing§ a6fpu(t; nad)bem
er angeführt, bafj fein ©ofyn bie SSerteumber feines? Katers
bei ben ©ericfjten berfotgen toerbe, unb baf$ berfefbe bie
gu bem (Snbe beponirten 125 £>ucaten git einer bollftänbigen
Verausgabe aller SGßerfe ^Beetfjobeus opfern toiU; ttadjbem
er roetter behauptet, ba^, SBeettjoben i§m bie unnütje ( ! )
Partitur bon ber Missa solemnis of)ne fein Söortmjfen sugefcfjidt,
bie er einige Monate fpäter nm 5 &f)lr. gebrucft faufen
fonnte;*) (ber Sefer erinnert fid) bjofjt ber entfjufiaftifcfjen
2obe3erI)ebungen au3 be§ gürften Briefe an Seet^oben nad)
ber STuffü^rung biefeä Sßerfeä in ©t. Petersburg, ©. 441)
unb nadjbem er nod) gefagt, bafj id) feine ©enerofttät unb
feine üftobleffe rjätte rühmen folten, nidjt aber tfjn berleumben,
fommt er junt ©d)luf$ toie folgt: „®ur§, bjenn @ie tttollen,
ba^ id) meinen ©ofjn bon feinem SBorfjaben abgalten fotl,
fo überfdjiden ©ie unS auf§ fdjneüfte 31)ren SStberruf, benn
nur unter biefer Sebingung laffe id) biefe 2tnge(egenrjeit fallen.
(£<§ toirb bie3 nod) ein 9(ct meiner ©enerofität febn."
üDtan traut feinen Singen nic£)t beim Sefen fotöjer
(Sjpectorationen unb finbet einzig unb allein einen Slnljatt^
*) ®ie[e ©teile be§ fürfttidjen SriefesS öerbient roöttlicfj angezogen 311
werben. Sie lautet: „Reflechissez un peu; qui a agi plus noblement,
Beethoven ou moi? 11 m'envoie sans m'en prevenir, une partition
inutile, que je ne lui ai pas demandee, et la taxe oO^p, tandis que
quelques mois plus tard j'aurais pu l'acheter imprime'e pour 5 thalers.'
— 663 —
punct bafür in bem Umftanbe, ba$ ber Srieffteöer ein ruf fifdjer
gürft ift, getoörjnt immer 9Rec£)t 5U behalten. @8 üerftefjt
fic£), bafj ber SSerfaffer auf biefen jüngften $Bemei§ fürftüdjer
(Senerofität unb Sftobteffe nid)t§ erttribert rjat, tjter gur ©teile
aber irjn mit ©tiüfcfjroeigen übergeben, fjiefje eineö UnrecfjtS
an 35eetl)Oüen'§ ©ac^e fid) fdjutbig matten.
D. „23eetl)0ben'3 (Stubien im ©eneraloafj, ßontratmnct unb
in ber (Somjjofttion", ober Sflnaj bitter tum «Schrieb unb
$oMa§ &a§Unger.
2Boljl fetten, ober niemals nod), bürfte bie Sftufirroett
mit einem bem (Gebiete ber ^unftliteratur angerjörigen SSerfe
fo in bie Srre geführt morben ferjn, aU mit bem, beffen
Xitd oben genannt ift. ©eit einigen Sauren ift mancfjeä
barüber getrieben morben. 2)ie Snitiatiüe fyat ber Sßerfaffer
bereite 1835 begonnen. @r fjatte e§ unternommen, burd)
§erau3;$ierjen eineö ©teineä ben toorjlbefeftigten 55au ettt>a§
in'S SBanlen gu bringen, jebodj ofyne (Srfofg. Sn fpäteren
Satjren ift eä aber einem Slnbern geglüdt, benfelben boüftänbig
über ben Raufen p merfen unb ben augenfcfjeinticfjen 23eroei§
§u liefern, bafj „95eetrjoöen'io ©tubien" ein untergefdjobeneS
SBerf fet). 2öem ba§> $erbienft folcfjer ©nt^üüung §u!ommt,
foll in biefer ©rgän^ung geäeigt toerben. Sßorauägerjenb ift
jebocfj bie Vorlage be§ gefd)icfjtlid)en §ergange§ biefer 5tn=
getegenrjeit, fo roie noefj Neffen erforbertid), ma§ bamit in 93er=
binbung ftefjt. (53 foll bie§ in einer gebrängten 3ufammen=
fteöung ber betreffenben 2)aten gefcrjeijen.
Sm üftoüember be§ Satjreä 1827 fjat bie Sicitation be§
„muficalifcrjen !ftad)taffe3" bon Seetrjoüen ftattgefunben. 2)er
23erid)terftatter ber SfUg. äRuf. £tg. metbet baöon: „$). Slrtaria
unb £obia§ £m§linger fjaben babei einen orbentüd)en 28ett=
famof mitfammen gefämüft. Seibe teilten fiel) fo ju fagen
burd) namhafte äfteiftgebote faft gang au^fcfjtiejjtid) in ben
— 664 —
unfaßbaren üftadjlafc, inbem jeber wo nid)t bie §ätfte, bod)
minbeften§ ein SDrtttfjeit beffetben erftanb. Sa nun bielteicfyt
gegen öt ergig unbefannte SBerfe, rooljt gröfetenttjetfö im
blüfjenben Sugenbalter erfdjaffen, barin begriffen ftnb, fo
bürfen ftd) bie Seretjrer be§ t)errlid)en 9Jteifter§ allerbingg
nod) erfreuliche ©enüffe berfbredjen. Sftur ftetjt ju be=
fürdjten, baiß bei einer foldjen ©etegent)eit nur gar
§u Ieid)t mercantitifdjer <Sbeculation§=Unfug getrieben
merben !önne."
Unter anbern tjatte %. £>a3linger ein §eft bon frember
§anb gefdjriebener contrabunetifdjer 5lu3arbeitungen für einige
^reuger erftanben. Salb barauf frug mid) ber Verleger
Siabetli, ber gleichfalls bem ^icitation§=5Icte beigemoljnt, ob
id) moljl ein §eft, fo unb fo auSfetjenb, bei Seetfjoben je
bemerft t)abe. ®er ßufaü fyatte e§ erft in ben legten Sagen
bon 23eett)oben'£ Seben herbeigeführt, bafc mir biefeö £eft in
bie £mnbe gefommen; auf bie grage nad) bem llrfbrung be§
3nf)alt3 anttoortete ber äfteifter: „(£§ finb Setfbiele bon
2(tbrec^t§berger für feine ©d)üler aufgearbeitet." (£r behielt
bann ba§ §eft mehrere Sage in feiner üftälje unb mandje
SKüderinnerung an feine ©tubienjatjre toarb baburd) madt)
gerufen. Seim näheren Verfolgen biefes> ©egenftanbeS mit
Siabeüi maren mir beibe gemifs, bafj biefeS §eft mirftid) ba%
Punctum quaestionis fetj.
©egen @nbe 1831 bernatjm Siabelli, bafy ©etjfrieb fidt)
mit Bearbeitung bon in ber Sicitation be§ Beett)oben'fd)en
3tad)laffe§ gefauften Sßabieren befdjäftige, bie bei §aslinger in
einem Sanb erfdjeinen merben. Unfere Sermuttjung fiel —
auf ba§> ermähnte £)eft.
Sm Safyre 1832 erfdjien benn ba§ längft ange!ünbigte
SSerf mit einer borgebrudten üftamenlifte bon 1293 @ub=
feribenten unb bem Beifüge auf bem Sitelblatte: „%u$ beffen
(Seetfjoben'S) t)anbfd)rift(id)em 9^ad)(affe gefammett unb t)erau§*
gegeben bon Sgnag bitter bon <2et)frieb." — @d)on bei
— 665 —
flüchtigem durchblättern erfannte icf> einige bon ben brei=
ftimmigen $u9en m^ <Sid)erl)eit als alte Söefannte au§ jenem
§efte, unb melbete Qlf§6alb biefe ©ntbedung an 2)iabet(i. $u
SSeiterem muffte aber eine paffenbe (Megenrjeit abgekartet
merben. 9ttittlermeite ging ba% SSiid) reifjenb ab, benn Seber
bacfjte, Oon bem SBortlaitt be3 Titels geblenbet, eine t)on
33eetf)oben fetbft «erfaßte (Sombofttion§lefjre, ober etma§ ber=
gleichen, §u laufen, mar bod) in ben geitunggberidjten °ie
StuSgabe für ein autrjentifctjeS SSerf proclamirt; unb felbft
ber beim publicum in tjorjer 9td)tung ftetjenbe Herausgeber
jagt in feinem $ormort anSbrüdticfj: „%&) t)abe mid) öielmerjr
mit ber gemiffenljafteften Streue bemüht, atle§ genau, unb alfo
georbnet 51t geben, mie icl) e§ oorfanb; ja felbft be3 21utor§
eigene SBorte unb 21u«brüc!e grbfetenttjeitg beibehalten."
Sn dlxo. 2 ber Mg. 9Jhif. ßtg. bon 1835 la§ man
eine bombfjafte 31nfünbigung eineö üon S^rietjuber in SBien
titfjograpljirten „$öpfci)en§ öon SBeetrjoben, blo§ 1 $oU rjocC),"
bei §a§linger ju laufen. @§ mar al§ „ba<3 ärjnlidjfte SSitbnifj"
bon Söeetrjooen anempfohlen. ®iefer fonft gefdjidte Sitfjograprj
rjatte ben 9J?eifter nur Oon ber ©trajje gelaunt, unb erft
fieben Sarjre nacfj feinem Xobe bie 3e^nun9 gemadjt. @§
läfct fid) fonad) benten, mie e§ um bie Slerjnlicfjfeit auögeferjen.
tiefer neue SSemeiS mercantilifcfjer ©pecutation beranlafjte mid)
ein lautet Söort über bie ©ebarjrungen biefer Söiener SSerlagg*
fjanblung — atteö unter ftetä gerühmter „greunbfcfjaft"
mit bem großen lobten — in 9^ro. 8 ber 2111g. Stfuf. 3tg.
oon 1835 au^ufprecrjen unb jugleidj in ber <Sad)e mit ben
©tubien 23eett)pben'3 mid) „als Ungläubigen" gu erklären.
2tl3batb ging mir ein breifadjeS ©djreiben auf einem
Sogen ju, de dato SSien ben 28. gebruar 1835, barin
mid) £ob. i^aSlinger, ©erjfrieb unb ber nocfj lebenbe (Saftetli,
ber bamalS bie erfte ©timme in §a3linger'<§ muficalifdjem
21ngeiger führte, jeber in einer befonberen 2tnfprad)e 5um
2öiberruf ber über bie ©tubien gemachten Steuerung auf*
— 666 —
forberten. (Srfterer brorjte im 2öeigerungSfalIe Driginal=33riefe
Oon Sßeettjoüen oeröffentlidjett §u motten, bie mid) „auf eine
branbrnarfenbe 9trt" cfjarafterifiren mürben.
©er Wortlaut biefer brei Briefe üergeroifferte mid), bafy
mein ©djufc baS ©c^mar^e getroffen; nur in einem Sßuncte
blieb id) fdjmanfenb, ob nämlid) allen dreien gleiche (Scfjulb
an ber Unterfdjiebung beijumeffen ferj. Senn ^aStinger felber
befaß faum fo ausgebreitete Äenntniffe, um, im galle £anb=
fdjriftftdjeS Oon BeetfjOOen bei bem 9ftad)roerfe bod) benutzt fetyn
fotlte, biefeS als autfjentifcf) ober nidjt auttjentifd) erfennen ju
!önnen; er lonnte bemnad) leicfjt ber ©etäufcfjte fet)n, — unb
ben ®id)ter Saftelli betreff enb öerftetjt er oon SKuftf nidjtS,
fonnte atfo nod) teidjter getäufdjt merben. ®ie ftcfjere ©djulb
concentrirte fid) fomit auf ©etjfrieb, ber als langjähriger ßerjrer
ber contrapunctifd)en SBiffenfdjaften, überbieS nod) üertraut mit
allen (Stolen, allein gut Berantroortung gebogen merben fonnte.
Sn biefem @inne berichtete id) ben Vorfall an Dr. Bad) unb
legte für 'Job. §aSlinger ein offenes ©cfjreiben bei, barin id)
mid) unter ber Bebingung jum SSiberruf bereit erftärte, menn
fämmttidje S5eftanbtt)eile ber „©tubien" oon Beetfjoüen'S
eigener §anb gefdjrieben fetjen, unb biefeS oon mehreren mir
bekannten Männern, barunter Dr. Bact) ferjn muffe, bekräftigt
merbe.
Vergebens fjarrte id) auf eine fotdje Befräftigung, ober
nur auf irgenbeine (Srloiberung. „$sm Bau ber^-üdjfe"*) blieb
alleS ftill, felbft bann nod), als id) um 1841 in ber SSiener
j£t)eater=3eitung • über bie erfte Bearbeitung ber Dper gibelio
eine gemünfdjte Slntmort gab unb gleichzeitig unfern ©egenftanb
ftarf betont rjatte. Slllein bie betroffenen fanben (Gelegenheit
ftcf) in anberer SBeife §u infinuiren. %lad) (Srfcfjeinen meines
BudjeS über BeetfjoOen bemühte fid) Zok ^aSlinger Briefe an
feine ©efdjäftsfreunbe gu fcfjreiben, bie beffen ®efammtint)alt
*) :8eett)ot>en pflegte bie TOufittjanblung im ^aternofter-öäfedjen 311=
tueüen einen gudiäbau ju nennen.
— 667 —
üerbädjtigten, ben SSerfaffer aber nur fur^tr-eg „Q3eetf)otien'£
ßammerbiener" nannten. $)®ti foldtje Briefe finb mir öon
ben (Smpfängern mitgeteilt morben. fraget nidjt nad) ber
ÜESirfung biefer Sntrigue, §a§linger ftanb mit aüen Sortimente
Sftufifljanbtungen in gan§ S>eutfd)tanb in Sßerbinbung unb faft
alle (Somponiften unb Sßirtuofen gehörten §u feiner ßtientet;
befonberS biet gu ©efaüen traten itjm bie reifenben 23irtuofen,
mo feine Briefe nidjt fyinreidjten. Snbefc gingen S3ud) unb
Verfaffer iljre 2Bege meiter unb legerer ift im ©tanbe, in bief er-
neuen Auflage bie 9lbredjnung über biefe fämmtlidjen 23e-
mütjungen Dor^utegen.
1851 fünbigtc bie 9ftuftftjanbtung ©djubertlj u. (Somp.
in Hamburg eine gtoette Auflage öon S3eet£)oöen'§ (Stubien an.
3m Sntereffe be3 SßublicumS unb ber ©adje f)ielt id) und) für
öerpflidjtet, in 9?ro. 16 ber leiten $eitfd)rift für SJcitfif beöfetben
3aE)re§ auf biefeS gewagte Unternehmen aufmerffam gu madjen,
unb ba% betreffenbe 233er! offen für eine Sfttjftification, ober
ma§ baSfetbe, für ein untergefd)obene§ $a ertlären, mit gleidj=
zeitiger Anfügung einiger ber Ijier angeführten £)aten. Snbefe,
bie unternetjmenbe 9J?ufiff)anb(ung Ijat ftdj baburd) nidjt ftören
laffen, oielleicfjt grabe beSljalb redjt gute ©efdjäfte gemadjt; bie
Glorie um ben tarnen SSeetljotien üerbunfett ja alles um fid)
Ijerum. SDicfc ©lorie Ijat bem äftufililjänbter 3)?ori^ ©cfjlefinger
in $jßari<§ mit einer fratijöfifdjen Ueberfetmng ber ©tubien, nad)
eigener Sßerfidjerung, an 30,000 grc3. eingebracht. 99cein §er=
üortreten r)atte jebodj eine anbere SBirfung. @in gebiegener
3J?ufifer in $ö(n raarb baburd) angeregt ber 9D?t)fttficatiort auf
ben ©runb §u fommen. 2)a3 ©rgebnifc feiner $orfd)itng |at
er in 9?ro. 72 ber 9RE)eintfcrjen äRuftf Rettung*) üon 1852
niebergelegt. SDiefeä nod) fet)r junge SKufiforgan t)atte aber
gur Qtit n0(f) 3U wenig Verbreitung gefunben, batjer bie Ijödjft
midjtigen (ümtljütlungen $ran3 2)erdum;3 faft ber gefammten
*) SSorgftngerin ber mit Anfang 3uli 1853 begonnenen lieber*
rfjetmfcijen Wu\it .-Leitung, 6eibe unter 3tebaction üon $rof. SubnngSötfdjoff.
— 6(38 —
?J?ufiftuett unbelannt geblieben, felbft «Solchen, bie fid) um
muficalifdje Sttcratur bekümmern.
£öd)fid) 311 bebauern ift e§ aber, bajj fogar 5T. 23. Waxjc
feine ^enntnife bon aßen tiefen Vorgängen au§> öerfdjjiebenen
Zeiträumen erhalten Ejat, mag au3 feinem SBerfe: „Subroig öan
Skettjouen — Seben unb ©djaffen" flar erhellet. (3ournatiften=
Slrbeit äquale £>anaiben=2trbeit !) £)er mit fo fdjarfen ©innen
begabte ©etetjrte f)at in <Sel)frteb'3 23ud) nidjt bie Sontrebanbe
gemittert, au§> ber beffen tt>efenttid)er Snfyaft befielt; er t)at ber
unlauteren Quelle Glauben unb Vertrauen gefdjenft unb ba=
burdj ben ßrebit be§ apocrtjüljen 2Berfe§ nur nod) mef)r befeftigt,
ma§ furj bortjer Utibifcljeff gteidjfallg getfjan. SBie leicht es
nun ber ©beculation gemad)t ift, ben SSetrug mit bem 23ud)e
gum b ritten Wal §11 unternehmen, liegt auf ber <panb.
^>offentlitf» toirb aber mit ^adjftetjenbem ein fefter SDamm er*
ridjtet unb bie böfe !>ftad)n)irfung bon foldjem $ihtöal;)rf)aften
nalnnljafter mnficatifdjer Autoritäten für alle $eit parafyfirt ferjn.
/pier folgen bie (Sntfyültungen.
„SSeetfjoben'S (Stubien
ein ermiefen untergefdjobeneö Sßert360
(Sinige Safjre nad) 23eetl)oben'3 £obe erfd)ien in SBien bei
£a3linger ein SBer! unter bem Stitel: „2. Dan 33eetl)oben'3
©tubien im ©eneralbaffe, ©ontr abmiete unb in ber Somüofttion§=
leljre. 2tu§ beffen Ijanbfctjriftlidjem 9cad)taffe gefammelt
unb f)erau<§gegeben üon S. Sxitter bon ©etyfrieb." ©egen bie
360) Daß Schindler auch v. Seyfrieds apokryphes Buch „Beethovens
Studien im Generalbaß" unter seine besondere Lupe nehmen mußte
und. nahm, war ebenso selbstverständlich als anerkennenswert. Er
war aber einer solchen Aufgabe, die sehr viel Musikwissenschaft als
auch Ästhetik erforderte, nicht gewachsen. Ein nach ihm gekommener
Beethovenforscher, Dr. Gustav Nottebohm, hat diese mühevolle
Arbeit mit Erfolg getan. Hierbei ist auf dieses grundgelehrten Autors
Abhandlungen: „Generalbaßlehre und Konipositionslehre betreffende
Handschriften Beethovens" und J. B. v. Seyfrieds Buch: „Ludwig
— 669 —
9Ied)tt)eit biefeä 9Jcad)merfe3 erfjob fidj fdmn im Safjre 1835
51. ©djinbler, aber bie (Stimme be§ £üter§ mürbe trjeit§ über*
f)ört, tljeilS burd) bie bei ber ©ad)e beteiligten unterbrüdt:
ba§ muftcatifdje publicum ift roie bie SBelt, t>on ber baä ©pridj*
mort jagt: mundus vult deeipi; e§ faufte ba§> SBerf unb fein
(Mb flofe in bie £afd)en ber ©peculanten, meiere auf bie un=
mürbigfte SSeife ben rjeitigen tarnen SBeettjOöen'S gemiBbraucfjt
|aben. „Sßie? mit fotdjer SBeftimmtfjeit fpredjen ©ie ba§> au§?
fann ©djinbler fid) nid)t geirrt fjaben? bemeift nidjt bie SSer=
fidjerung eines rjödjft adjtbaren Cannes auf bem £itet be§
29nd)e§, baf$ biefe ©tnbien au3 $eetrjot>en'§ t)anbfd)rift(id)em
9^act)tajfe gefammett finb? Sefen <Sie bodj nur bie SSorrebe
be3 £erau§geber§!" — ©o mirb bietteidjt SDcandjer fragen.
3d) aber fage, bafj ©d)inbler auf ber gang richtigen ©pur ge*
mefen ift unb bafj mir itjm banfen muffen, bajs er bie ©acfje
je|t, mo bie 2ße(t burd) eine groeite Auflage nod) einmal
r)inter'<§ Sicfjt geführt merben foll, mieberum öffenttid) angeregt
f)at. Stber er t)at nur aufgebedt, ma§ e§ fjiftorifdj unb
van Beethovens Studien zu Generalbaß, Kontrapunkt" usw. als No. XIV
in Nottebohm, Beethoveniana, Leipzig und Winterthur, 1872, S. 144-203
zu verweisen. Schon hier konnte Nottebohm als Schlußsatz in
seinen Fußnoten vermerken: „Zur Zeit des Streites um die Echtheiten
des Seyfriedschen Buches erklärte sich der Herausgeber Schindler
(vgl. Biographie Beethovens II, 368 ff.) zum Widerruf bereit, falls nach-
gewiesen würde, daß sämtliche Bestandteile der Studien von Beethovens
eigener Hand geschrieben seien." Diese Forderung wurde nicht
erfüllt, und wäre es namentlich an Seyfried, als Herausgeber des
Buches gewesen, seine Sache zu vertreten und seinen Gegner durch
Erfüllung seiner Forderung zum Schweigen zu bringen. Seyfried
aber schwieg. Er schwieg, weil er schweigen mußte. War doch zu
befürchten, daß seine Fälschungen ans Licht kommen würden.
Schindler ist aber auch hierbei moralisch vollständig im Rechte, wenn
er auch wissenschaftlich unzulänglich erscheint, und um dessenthalben
Nottebohm den Ruhm belassen mußte, den er durch seine besondere
Schrift „Beethoven-Studien im Generalbaß" erzielte, ein Werk von
unglaublicher wissensch altlicher Befähigung! A. d. H.
— 670 —
äußerlid) für eine 23emanbtniß mit jenem gefjeimnißbollen
StRanufcript fjat: Staunen roirb itjn unb bie gan^e ftünftlermelt
ergreifen, trenn fie im $olgenben baä (Srgebniß meiner Waty
forf jungen über ba$ innere be§ 33ud)e3 tefen werben, monad)
jene Sßerfidjerung auf bem Titelblatt al§ eine Süge unb bie
SSorrebe als eine mafjre 23ert)öl)nung erfdjeint. ^ie ift eine
großartigere £äufd)ung be3 ^3ubticumä ertjört morben unb f.o
lange unentbecft geblieben, al3 biefe: benn ba$ SBerl ift nid)t§
als eine 3ufammenftoPPetunS au^ bereite im üorigen
3al)rf)unbert gebrudten £et)rbüd)ern.
(Sine foldje 33ef)auptung forbert iSeroeife; fjier finb fie.
9H§ id) in biefen blättern (Sftro. 70) bie 9?ad)rid)t öon
bem erneuerten ^proteft Sdjinbler'ä la3, erinnerte icE) mid), ba^
mir öor Sauren beim Kursblättern jener fogenannten S9eet=
tjoüen'fcfjen ©tubien eine guge auffiel, öon ber e§ mir friert,
al§ märe fie mir bei meinen ©tubien aud) fcljon einmal §u
@efid)te gekommen. Sdj netjme ba§ 35udj in bie £>anb, finbe
bie alte ©efannte glüdlid) mieber, unb je meljr id) blättere,
je meljr contrannnctifdje Scifpiefe id) lefe, je beutfid)er entmidelt
ftd) bei mir bie Erinnerung, bafj id) mid) in biefer 9tococco=
gefetffdjaft bei irgenb einem großen §errn ber 23orgeit fdjon
einmal befunben l)aben muffe. S)a berganäeSSertl) be§
fraglidjen S3ud)e§ auf ber Annahme beruht, baß bie
SSeiftoiele unb Aufarbeitungen mirfliclj oon 23eetl)ooen
finb,*) ba^ mir tjter bie intereffanten 35erfucfc)e eines jugenb*
lidjen ©euie'3 öor un§ f)abeu, fiel) bie 9iegeln feinet SefyrerS
anzueignen unb bie gefteüten Aufgaben $u löfeu, fo ließ mir
ber einmal angeregte gmeifel feine 9tul), unb mätjrenb id) üor
meinen 23 üdjergef teilen finnenb auf= unb abgetje, mar e£ mir,
al3 gtotjten mid) auf einmal au§ bem Stitet eineg alten Ouart-
banbe§ ein Sßaar große, mot)lbefannte Augen an. „Gradus ad
Parnassum" la§ icf) barauf, unb in bemfelben Augenblid fdjoß
*) 2)iefe§ befeuern ©etjfrieb'S feigen in ber Seipj. 9lllg. 2Ku[. 3*9-
— 671 —
e§ mir audj burd) ben Slobf: gefunben! Set) greife gu unb
Ijofe mir be§ ölten ^peroen Sodann Sofebt) $ur. Gradus ad
Parnassum sive Manuductio ad CompositioDem regulärem
ober Slnfüljrung §ur regelmäßigen (Sombofition — au§ bem
Sateinifdjen in'S SDeutfdje überfetjt Don Sorenj SD? intern;
Seipjig 1797 bei $. ©• §einfiu3 — herunter, labe ben e^r=
mürbigen (SapeÜmeifter Sfyrer faifertidjen äftajeftäten £eopolb'3 I.,
Sofepfy'S I., unb &art'§ IV. gu einem freunbtidjen ©efprädje
ein unb lege ifjm bie 93eifpiete ou§ Söeettjoben'S ©tubien §ur
Stnfidjt bor. SSer fdjitbert mein (Srftaunen, ai% er mit tjotjfer
©eifterftimme erioibert: „?Iüe3 fdjon bagetuefen — ift Me§ oon
mir — fjabe e§ mit meines $aifer§ ©nabe fd)on 2lnno 1725
burd) ben ©rud an'S Sidjt gebracht." — 3Ba 3 ift bas? rufe
id) au§: tüäre ba§> mögtid)? — SSatjrfcfjeinticr) Jjatte StlbredjtS*
6 er g er, ber in ben brei Sänben ber (Sebfrieb'fdjen SluSgabe
neben $ur, auf bem ©eftette ftanb, unfer ©efpräet) bernommen:
er ftedte ben $opf über meine ©dmltern toeg in bie 23eett)oben'*
fdjen ©tubien unb flüfterte: „£>m! t)tn!- mir gang rootjl befannt
— fdjon bagetoefen — ba§>, unb ba§>, unb ba$ ift oon mir —
in meinem brüten S3anb Dom bitter ©etjfrieb, meinem lieben
<3d)üler, fdjon Oor üielen Sauren in ®rud t)erau§gegeben."
2)a fprang id) entrüftet auf, fd)lug mit ber gauft auf ben
£ifd), baß bie beiben ©eifier berfd)tt)anben, unb gelobte mir bie
gürnenben Stauen SSeetfyoben'S pt berfötjnen burd) öffentliche
Stnflage Sener, bie unS ben 51bfaU bon ben geraden ber ge=
nannten obtt)of)t fefyr efyemuertfyen alten §erren für bie gunlen
feines teimenben ©eniuS oerlauft tjaben!
3>d) getje beSljatb nun gur gerid)tlid)en ©egeneinanber-
fteHung ber ©dmlbigen mit gur, unb SltbredjtSberger über,
unb laffe bie actenmäfjige 5Bebjei3füf)rung folgen. Sd) benutze
bon gu£ bie oben angeführte StuSgabe unb bon SllbredjtS*
berger beffen fämmtlidje ©driften über ©eneralbaß, <parmonie=
tefjre u. f. m, herausgegeben bon feinem <2d)üler 3- $• bon ©et)frieb.
3 23be. SBien bei Slnton ©traufj, oljne 3af)reSgat){.
— 672 —
£er crftc Slbfdjnitt ber ©tubien: £ef)re beä ®enemtbaffe£,
lömmt f)ter mdjt in Setrctdjt. ®r umfaßt 74 Seiten (fte^e
baüon nadjljer). ©er gleite: £§eorie ber (Sompofitionen, tft
berjenige Sfjeit be§ SBudjeS, ben hrir nn§ näfjer anfefjen tooüen.
5Iuf ©. 87 beginnen bie contrapunctifdjen 93eifpiete. 3Sa§
früher öon fleinen Plagiaten borfömmt, übergebe irf): aud) be=
merfe idj, ba§ in bm erften Seiföieten tjier unb ba eine ober
bie anbere Sftote bem Original gegenüber geänbert er[d)eint.
SSon ben ©tnbien finbet ftdj:
<8eite
87
bei
%*l
tafeln
n,
$*g.
13,
88
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it
n
H,
ff
16,
17.
89
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ii
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ff
1,
3.
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in,
ff
12,
15.
91
ii
fr
ii
in,
ff
13,
14.
92
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ff
ii
IV,
ff
6,
103
n
ff
ii
VH,
ff
22,
23.
104
ii
ff
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VIII,
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1,
2.
106
ii
ff
ii
IX,
ff
4,
2.
122
n
ff
it
XIV,
ff
5.
123
ii
H
„
XIV,
ff
2,
6,
125
ii
ff
ii
XVI,
ff
2.
126
ii
ff
n
XVI,
ff
3,
4,
136
ii
ff
ii
XIX,
ff
7.
136
ii
II
n
XX,
It
1.
137
ii
II
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XX,
II
2,
3.
139
II
II
ff
XXI,
ff
1.
140
ii
It
»f
XX,
II
6.
141
H
II
ii
XXI,
II
2.
249
II
II
ff
XXXI,
„
4.
250
II
II
II
XXXI,
II
5,
6.
251
II
II
II
XXXI,
II
6.
251
bei 2l(bre<i)t!§berger
95b. III, ©.
32.
252
ebenfo
ff ff »
38.
.
253
ii
II II II
39.
— 673 —
(Seite 254 bei 2ltbred)t3berger 8b. in, ©. 39.
255
259
XXXII,
afo
1.
XXXII,
n
1.
XXXI,
Sfc
9.
XXXIH,
n
1.
XXXHI,
ff
2,
4, 5
XXXIII,
II
3,
6, 7
XXXIV,
II
1.
260
261
„ 262 Bei 2I(bred)t3berger SBb. in, ©. 56, 57, 58.
„ 265 finbet ficf) Bei %vli Staf. XXXIII, gig. 8.
n 265 „ „ „ „ „ XXXIV, „ 2.
„ 265 unb 266 „ „ „ XXXV, „ 1.
„ 271 nebft mehreren folgenben ©exten finbet fiel) bei
2Itbred)t§berger 53b. III, @. 76. u. b. folg.
Scf) benfe, biefe gufammenftetlung genügt. &$> mag ftdj
nod) mefyr finben laffen, a6er id) bin be§ unerquidtidjen 9?ac^=
fd)Iagen§ mübe. Stafj aud) nur ba§> SSenige, ba§ nad) biefem
©ünbenregifter nod) übrig bleibt, lüirfüct) oon 23eett)Oöen f)er=
rüfjre, ift burdjauä unttiafjrfdjeintid). ©laubloürbiger ift bie
SJcittfjeitung ©d)inbler'3, bafc baZ ©an§e ein §eft 5llbred)t^
berger'3, öietleidjt nur eineä ©d)üler§ beSfelben, fetyn mag.
®iefer t)at ba3 2öer! oon $uj benutzt, au§ meinem aud) aufjer
ben Sfotenbeifpielen nod) folgenbe bemerfenStoertlje ©teile ab=
gefdjrieben ift. $U£en*3 Sud) ift nämlid) in bialogifdjer $orm
»erfaßt, unb fo ermahnt benn an ber betreffenben ©teile ber
Setjrer feinen ©ctjüler atfo: „£)u l)aft beine ©adjen gang gut
gemacht, ©o fann man burd) 9lad)ben!en unb arbeiten Diel
erlangen. S)u mufet biet) be3 ©prüdjleinö erinnern : ber Kröpfen
SBaffer burdjlöcfjert enblid) einen ©rein, nidjt mit (bemalt,
fonbern inbem er oft barauf faßt. <pierburd) toerben mir be=
tet)rt, ba^ 0*e SBiffenfdjaften nur burd) unermübeten $leifj er*
Ijalten merben, fo ba^ man nad) bem ©prüctmmrt feinen Xag
barf otjne Sinie öorbei geljen laffen." — SDiefe ©teile finben
mir in ben ©tubien ©. 92 mit unbebeutenben Steuerungen
3t. ©cfjinbterS S3eetf)o»ens33iograpfjte. 43
— 674 —
hrieber. Stuffattenb tft aud), bafe bon bem $ur/fd)en SSerfe,
lDtetxiof)t ber üftame $ur. nocfj ^mei 9J?at borfommt, nur ein
eingigeä 9J?af in ben ©tubien bie W&e ift, nämtid) <S. 96, h)o
e§ rjeifjt: „§icr tnirb in ber (Jabenj bon ber Sept in bie Cuinte
gesprungen, bie§ ift bie Bekannte ^ud)ft[ct)e 3$ed)fe(note, öon
irjrem (Srftnber*), bem f. f. Dbercapettmeifter Sodann $üd)Z
alfo gugenannt, metdjer ba§ erfte trjeorctifd)e 2eb,rft)ftem über
bie ^onfunft unter bem £itet Gradus ad Parnassum »erfaßte,
jenes berühmte 2ßerf, ba3 fein erhabener SJcäcen, Äaifer ßart VI.,
§um ©rüde beförberte." —
2tt§ id) biefe fcrjtagenben SBööcife für bie Unädjifjeit ber
23eetfjoben'fd)en Stubien £errn ^?rof. 33ifd)off mittrjeitte, erfudjte
mid) biefer, bod) nicfjt p erfahrnen im S)ienfte ber SSatjrrjeit
unb aud) ben erften Stbfdjnitt, bie ©eneratbafeterjre, nod)
einmal einer genauen Prüfung unb einer Bergteidjung etma
mit SttbredjtSberger'so ©enerafbafjfcfjute, §u roürbigen. Sd) ttjat
e3, jeboct) in Segug auf 2ttbrect)t§berger ofjne ©rfotg: bagegen
fanb id) in ©. ©. STürf'3 Anleitung gum @enera(6aB=
fpieten, §uerft erfdjienen im S- 1791, bie Quelle ber fo=
genannten 23eetrjoben'fd)en Stubien unb ba$ Original ber gangen
©enerat&aBleljre bi3 auf menige Stätter berfetben! Sdj fütjre
XM nad) ber brüten 2tu3gabe, £atte 1816, an. 2)ie 2t rt ber
Stbfdjreiberei ift gteid) au§ bem Anfang be§ erften ßapitefö in
ben Stubien ju erfefjen, roo e§ Reifet: „Stile Strien bon 3e^ert>
njetdje bie Begleitung angeben, fyeifsen Signaturen." Bei Stürf
©. 23: „£)ie $iffern unö 3e^enr ttetdje fid) auf ba$ ©enerat=
bafefpieten begießen, pflegt man in*gefammt Signaturen gu
nennen." Stuf biefe SBeife getjt e3 fort: bie Iftotenbeifptele
finb meiftenS gang fo mieber abgebrudt, mie fie in %üxt
fielen. SDtan bergteidje fotgenbe Stellen:
Stubien: ©. 5 unten, bei £ürf <B. 49, §. 26.
6 — — — 47, §. 30. @. 48, §. 31.
*) 2Ba3 beiläufig gefagt falfcb, ift, roie man bei guj nadjfefen farnt.
— 675 —
©tubien: ©.
7 unten,
bei Surf ©. 46, §. 28.
8 u. 9
—
- 46, §. 29.
9 unten
—
— 48, §. 32.
10 —
—
- 49, §. 34.
11 —
—
— 50.
12 —
—
— 51.
13 u. 14
—
— 52. u. 54.
95om gtoetten Kapitel (7 «Seiten lang) Ija&e id), aufjer in
einigen Äfetmgf eitert (©. 21, bei Surf ©. 59, §. 42) ben
ttrfprung noct) nictjt auffinben fönnen.
£>ritte§ (Sapttet:
©. 21, bei ZM ©. 57.
22, — — 61, 62, 63, 65.
23, — — 65, 102, 103.
24, — — 104.
darauf folgen 10 glätter, beren Duelle noct) im £)unfet
liegt: bann Ijttft aber für ©. 55 ZM mit ©. 322 u. 323,
für @. 58 berfetbe mit ©. 128, §. 88, 89 au§.
SBom fechten Kapitel an get)t bie ©actje in'S ©rofce.
£)iefe§ ift gan§ ba§ 6. Kapitel iürf'3, nur in üerfrüppetter
©eftalt. freilief) bebarf e3 eine§ geübten 9$licfö, um beftänbig
auf ber gätjrte gu bleiben; ict) gebe einige Slnbeutungen, roonact)
Seber, ben e§ intereffirt, bie anbern Kapitel burc£)get)en unb
öergleictjen lann. Wlan netjme 5. 93. bie erften 9?oten5eilen auf
©. 59 ber ©tubien. £)er erfte Zact berfelben fietjt bei Xürf
©eite 264 bei c. d. — ber 2. £act ©eite 265 e. — ber
3. 265 f. — ber 4. 465 g. unb ber 5. bei h. Mitunter gel)t
e§ ettt>a§ lrau§ burdjeinanber, aber e§ ift 2Me§ ba. ©oroie
baZ 6. Kap. ber ©tubien au§ bem 6. bon Züxt gemacht ift, fo
ift ba^felbe ber galt mit bem 7., 8. u. 9. Kapitel, tueldje in
benfelben Kapiteln bei Züxt if)re Quelle tjaben. 3um 10. Kapitel
üergteidje man Stürl ©eite 139 unb folg.
Knblid) t)at bie 21bt)anb(ung „s£om fR ecitatiöw in ben
©tubien (©. 338—348) ü)re Quelle in 3. ©. ©uljer'g £t)eorie
43*
— 676 —
ber frönen fünfte, Strittet „föecitatiü" %% IV. ©. 4 ber
2. Huflage, Seip^ig 1799. Siefer Strittet tjat 17 (Seiten unb
6 üftotentafetn: bie Plagiate ber ©tubien lann Seber teidjt barin
finben.
S)ocf) lange genug Ijabe idj bie Spuren ber gennffentofen
Schmuggler burdj <Sd)itf unb (Sumpf uerfotgt. 3dj tja6e ben
„33au ber $üd)fe" grünbtid) burd)ftöbert; eine unerfreuliche,
mütjeootte Arbeit — id) bin iljrer fatt. 5>ietteid)t finben SInbere
bei fortgefe^tem Stuf graben aller 9iöf)ren nod) meljr. (betrieben
\)dt mid) ba^u ba§ empörte ©efüljl über bie boppelte Scfjutb
ber Sßerfünbigung an Seetjjoüen unb an ber muficatifdjen £efe=
ftielt. SSte mandjer Äunftjünger mag e§ fid) üietteidjt an feinem
9Jcunbe abgefpart tjaben, um ben ^reis> für eine Reliquie Q3eet=
tjooen'ö §u erfdjnnngen! Unb ma§ befitjt ber arme nun, ba
mir feinen ©tauben rütffidjt§lo§ zertrümmern mußten? — Sdj
enthalte mid) meiterer 23etrad)tungen, bie fid) in gütte barbieten;
benn mie ein S)idjter ber Sttten fagt:
Si natura negat, fecit indignatio versum —
fo müßte and) tjier ein Zeitiger gorn uüer oen untoeranttoort*
tid)en greüet an einem grof3en Dramen bie $eber führen.
$ö(n. g. $erdum,
Seljrer an ber rf)eiiü|'cf)en Sftufiffdjule."
S)ie (SingangS üernommene 23efürd)tung be3 SSiener 35e=
ridjterftatterö in Setreff mercantitifdjen (Specutation§=
Unfugs? ift atfo nad) üortiegenbem (SrmeiS in cotoffatem SDfafje
luirfüd) auggefütjrt morben.
(53 bleibt nun nod) ein anberer gragepunet §u erörtern
übrig. SBiebertjolt nennt <Set)frieb unfern SDreifter feinen greunb,
unb madjt bemnad) ben Sefer glauben, baß gmifdjen SBeetfyooen
unb it)tn ein freunbfdjafttidje» 33ert)ältniB beftanben, barauf fidj
alle feine Stuöfagen begrünben (äffen unb glaubmürbig erfd)einen.
3ur (Steuer ber SSafyrtjeit muß (jierauf entgegnet roerben, bafj
jroifdjen beiben Stünfilern 5U feiner $eit irgenbeine Strt oon
— 677 —
Sßerrjcittnif} beftanben, im ©egentt»eit tjatte 23eetrjot>en auf ©eofrieb
einen §afj geworfen unb irjn jeber 5tcfjtung unroürbig erflärt.
©er §auptgrunb lag im fittticrjen SBanbel be§ (SapeEmeifterS,
in feinen efjelicfjen SSerrjättniffen, roomit er aU SSorgefetiter ein
fd)lecfjte3 Sßeifpiei gege6en .*) Söenn in bem fittentajen £)onau=
babet üftiemanb baran 2iergernif3 genommen, fo mar e§ bocfj
nnfer geftrenger ßato. 2öie fjätte 23eetrjooen ben rünft(erifcrj=
acfjtbaren Sapettmeifter 1824 bom ®irection§=$utte gleid)fam
im 5tngeficfjte be3 s$ublicum§ anSfcrjUeften fönnen — mie in
ber 3. ^ßeriobe gezeigt ift — menn er nur einige 9lcfjtung für
irjn gefügt rjätte? £>iefe SebenSöerfjäitniffe berf eisten ben 9ftann
nacfj feiner 23erabfctjiebung im £tjeater an ber SSien (1825) in
eine bebrängte Sage, roetcrje irjn genötigt, ©tunben gu geben
unb arbeiten für SSerteger^mecte gu unternehmen, bie mit ber
SBürbe eines rjocfjfterjenben 2öiffenfcfjaft§manne3, ber ©erjfrieb
roar, im Sßiberfprttcf) ftanben. £)iefe ßuftänbe führten irjn
enbücfj bi3 §u ber %$at, beren 33eurtfjeitung fo eben bem Sefer
unterbreitet morben.
@3 barf für geroife angenommen merben, ba^ feit ben im
Sarjr 1806 im SHjeater an ber SSien üon bem abgeänberten
$ibelio ftattgerjabten groben unb Sluffüfjrungen 23eetrjoDen unb
©erjfrieb fein 2öort metjr mit einanber geroecrjfeit rjaben. SSill
man baran äroeifeln, fo befrage man ben gegenwärtigen
©irector be§ ^(acfjener ©tabt^fjeaterS, SJHcfjaet ©reiner, ber
in ben Sauren 1822 unb 1823 nur gu oft ©elegenrjeit ge=
rjabt, beibe biefe SDMnner §n gleicher ©tunbe in berfelben
Sveftanration neben bem ^ofeprjftäbter £rjeater gu beobachten.
3u borbenanntem ©runbe tiefgerourgetter Üücifsacfjtung gefeilte
fict) aber nocfj einer: Söeetrjooen rjiett ben (Sapellmeifter ©erjfrieb
für ben ©elbft^ecenfenten atler feiner SJMobramen in ber
5t (fg. 9Jhtf. 3tg., baüon jebe $ritif auf 5 bi§ 6 (Spalten au§*
*) ©e^ftieb lebte lange Safjre in tuttber (Slje, unb probuctite bie
iljrem redjtmäfjig angetrauten SOfanne entlaufene ftxau an alten öffentlichen
Drten.
— 678 —
gebetjnt erfcfjeint, mit bereit 2lnalt)fe förmlid) Schule gehalten
toirb. 1822 bemühte fidj g. SRodjtifc in SSaben perfönlidj ifjm
btefett (Glauben ju benehmen, ofjne ben eigentlichen Urheber
jener auffallenben Sobfjubeleien namhaft ju madjen. öeetrjoüen
repticirte: „©agen Sie, roa§ ©ie wollen, er i|t e§ bennodj!"
3)er SBerfaffer roar $euge De* 0^eier Bw^mtbüing.
gatte ©erjfrieb fonacfj in Se^ug auf 33eetljot>eit'§ SebenS*
üerfjättniffe, fein Xfyvm unb Saffen, meift nad) Sagenden
gef einrieben, fo roar bieg nidjt gleidjer gall in S5e§ug auf be§
äftetfterS Sßerfe, beren Sluffütjrung er mit eigenen Dtrren
gehört rjat. £arum üerbienen feine Urteile alle Seacrjtung,
5itmal fie nid)t üon einem voreingenommenen Äünftter au3;
gegangen, aud) nicfjt üerein^ett baftetjen. SSaS aber bie unferm
9Mfter in ben 9)tunb gelegten Urtfjeite über §aenbel, ätto^art,
(Stjerubini unb SBeber betrifft, fo rjat fie ©erjfrieb ttjeife auf*
gerafft, tqeilä felbft erfunben. — 2£at)r ift e3, baf$ Seetfyooen
§aenbel für ben „unerreichten SOceifter aller SJceifter" erllärt
tjatte; unter ben 5llten roar er itjm ber befanntefte. 2Sie fo
gar roenigeS er toon @eb. SBctdj gefannt, roarb fdjort am anbern
Orte nacfjgeroiefeu. Ser ©runb ift in ben ßeitäuftänben gu
fucfjen, aber aud) barin, baß man in SJBien Don „tutrjerifcfjer
23hifif" nicfjtS roiffen mochte, ©ben fo ift e§ roatjr, bafs 93eet=
tjoüen bie $aub er flöte für baä allergrößte beutfdje Cpern*
roerf erfrört rjatte; er ftü§te fein Urteil aber tjauptfäcfjüct)
barauf, roeit in biefer Dper alle ©enre§, Dom Siebe bis jur
guge, in Jjödjfter Sßollenbung ausgeprägt erfdjeinen, roie bereite
«Seite 509 ermähnt roorben. äßenn ©etjfrieb Seetrjoüen oom
2)on Suan fagen läßt: „Ueberbie» fotlte bie tjeilige Äunft nie
gur gotie eineä fo fcanbalöfen ©ujetS ftd) erniebrigen laffen"
— fo bürfte ba3 ©ange auf 23eett)ouen'3 oft getraue Steuerung
gu rebuciren ferjn, „bafj er biefeä (Sujet nidjt fjätte componiren
fönnen." — 2>aB Q3eett)oüen auS (£t)erubini'3 Requiem fid)
„9J?anc^e§ ad notam netjmen mollte, menn er fetber eineä
fdjreiben roerbe," ift Setifrieb'sS (Srfinbung. Gin öeet^ooen
— 679 —
ttrirb fid) ein frembeS SCßufter ju irgenbeinem SSerfe nehmen!
SBeetljoöen fannte Gtjerubini'g Requiem ntdjt; oon ®ircl)enmufif
be§ großen ßeitgenoffen mar ü)m blo§ bie ütfeffe in D begannt.
(§r tonnte fid) bafjer in feinem Söriefe an (Sljerubini 1823 —
mooon ba§> etgenljänbige (Eoncept in ber llönigt. 33ibtiotJ)ef 51t
^Berlin aufbematjrt ift — matyrtjeit^getreu nidjt anber§ au§brüden,
als er getljan: „ inbem icf) Sfyre 2Berre über alle anbere
tl)eatralifd)e fd)ät$e" u. f. m. SSon 5Urd)enmufif gefct)ie^t feine
(Srmäbnung. — 2Ba3 23eetl)Oüen üollenbä über ß. 9ft. üon SJÖeber
gejagt fjaben fotl, ift abfurb unb ttrieber ©etyfrieb'3 (Srfinbung.
„SSeber fjabe ^u fpät angefangen 3U lernen, barum tonnte fid)
bie Äunft nimmer redjt natürlich entfalten, unb fein fid)tlid)e§,
einiges (Streben fet) baljtn gegangen, für genial gu gelten." —
Sßeettjooen mufcte redjt toofyt, ba$ Sßeber fdjon mit 20 Saljren
fid) in ber Dper üerfudjt Jjatte. — $>ie§ ^ufammen mirb nmt)!
genügen, um <Set)frieb'3 SSirf'famfeit in (Sadjen Söeettjoöen'ö
nad) jeglidjer Seite ttiürbigen 51t fönnen.
E. Seettjotoett unb Garl £ol$.
2113 in ber 3. ^eriobe be§ SBerfjältniffeö §mifc^en $eet=
Ijoben unb (Sari §ols361) ©rroäfynung gefdjat), mürbe auf bie
(£rgän§ung ijingemiefen, barin baffelbe mittelft Vorlegung
groeier llrfunben nad) beiben (Seiten f)in nätjer anfdjaulid)
gemalt merben folle. ©er SJatttjeilung biefer Urfunben muf$
jeboct) ein furjer SSorberidjt öorau§gefd)idt merben.
S5alb nad) ber 1826 erfolgten SSieberoereinigung mit bem
alten ^reunbe Stepfjan oon 93reuning oertraute $eetf)oOen
361) Über Schindlers Antagonismus gegen C. Holz habe ich
schon oft gesprochen; auch die beifolgenden Darlegungen sind sehr
anfechtbar; weitere Arbeiten über Holz auf Grund der Konversations-
hefte werden mehr darbieten. A. d. H.
— 680 —
bemfelben, er fjabe fürjlirf) auf Verlangen bon ß. ^olj tiefem
eine ©djrift auSgefteltt, fraft beren Snfyatt er ermächtigt merbe,
feine 23iograpf)ie f)erau§3ugeben; in ber Serloirrung aller Ser-
Ijättniffe um itjn f)er fjabe er bie ©actje nid)t überlegt, fet) ü6er=
fjaupt bon §otä'§ 9Infinnen überrafdjt morben, u. f. m. Sem
Sitten fügte er ba§> ?lnfud)en bei, Sreuning möge ben 6. §o(§
um 3uru^9a^e frefer ©djrtft angeben, mag biefer jebod) ent=
fdn'eben abgelehnt. SBeiterfjiit tuarb biefer Angelegenheit erft
mieber gebadjt, at§> mäfyrenb be§ 9fteifter§ ftranftjeit mit Sreuning
unb bem SBerfaffer im Setreff einer Siograbtjie berljanbett
tuorben, roie bieg bie ©intabung 6efagt. Sa !am Seetfjoben
mieber auf biefe Sdjrift gu fbredjen unb tiefe 3toeife( ^au*
merben, ob biefelbe, toeil btoä mit Sleiftift bon Jpofä'3 £anb
gefcfyrieben, ©ültigfeit tjaben fönne. @r fjatte feinen 9J?utf),
irgenbeinen geeigneten ©cfyritt felber §u ü)un, um §0(5 um
3urüdgabe ber Urfunbe 31t erfudjen.
3eit unb llmftänbe Ijaben inbeffen bewirft, bafe biefe Ur=
!unbe bem Serfaffer gu ©eftdjt gekommen, unb stoar auf
folgenbem SBege. Sie (Sommermonate oon 1850 in §eibelberg
berbringenb, erhielt tdj bafetbft ben Sefud) beS grofetjer^ogtidjen
£of=9ttufif=Sirector§ Dr. ©afjner au§ ^artöruije, beffen per*
fönlidje Sefanntfdjaft id) bereite bei bem 95eet^oüen*gefte 1845
3u Sonn gemadjt tjatte. Slu§ ben 3e^unÖen tüar m^x befannt
gemorben, ba^ ©afener beabftdjtige, eine Siograbfyie oon S3eet=
fjoben abjufaffen. ©ein Sefud) betraf biefen ©egenftanb. @r
ttjeitte mir mit, ba^ er in SBien Materialien 31t biefem Setjufe
gefammett unb jugteid) bie im Sefttje Oon (L §0(3 befinblidjen
Rapiere nebft Seettjoüen'ö Slutorifation Oon biefem ertoorben
fjabe, ungeadjtet beffen aber grofee ©djmierigfeiten finbe, med
bie aufgefunbenen Materialien nur einzelne Momente au£ ber
2eben3gefd)id)te be§ großen SßeifterS beträfen unb jur Ausfüllung
bieler Süden ifmi nod) alle Säten fehlen, fcnad) er bezweifle,
bajj e§ je §ur Ausführung feinet 33ort)aben§ fommen merbe.
Sie Autorifation Seetfjoben'S an 6. §0(3, auf einem (Stempel*
— 681 —
bogen öon fedjä ®reugern, legte mir ©afener im Original
cor, gugleid) bie (5effton341rfunbe öon (S. £)ot§ an u)n, bie auf
ber brüten ©eite beffetben 23ogen§ getrieben ftetjt. £>er Sigen=
u)ümer gemattete mir oon jeber eine 9lbfd)rift §u nehmen. S3e=
fannttid) ift biefer adjtungStoertfje Huftier unb ©djriftfteller fctjon
im Satjre 1851 öerftorben, nadjbem für feine Arbeit faum bie
erften Sinien gegogen maren. 2UIe Rapiere ^ie^u fammt jenen
Urlauben oerblieben im Sefitje feiner gamitie.
©ine 5U foldjem ßmde Don 23eetf)oöen aufgeteilte @rllä=
rung Ijat gu öiel 23ebeutung, al§> ba^ fie ad acta gelegt unb
ignorirt toerben bürfte. £>ie $eit ^rer SfuSfteHung, nämtict)
bie am ©djlnffe ber britten Sßeriobe gefcljitberte ftataftropt)e
mit feinem Neffen, meldte in biefelben Xage fällt, au§ benen
biefe (£r!lärnng batirt unb in ber £fjat alle Sßerljättniffe um
ben Stfeifter in SSermirrung, biefen felber auf'3 SEieffte erfdjüt*
tert unb niebergebeugt tjatte, biefe ©cfjmergenggeit be<§ 2)atum§
biefer llrfnnbe ift mefenttict) in'S 5tuge §u faffen. Sllle biefe
Umftänbe machen es? bem SSerfaffer §ur ?ßfficf)t, biefe§ bebeut=
fame ©djriftftücf mortgetreu mitguttjeilen, ba man aufserbem
nidjt miffen fann, gu melden 21u3tegungen ba^felbe einftenS
5tnlaJ3 geben fönnte. ©eggteidjen mag bie ßeffion an Dr.
©afmer tjier $j3ta|3 finben, iljre rjerauSforbernbe 23enrtt)eitung
jebocl) bem Sefer anfjeim gefteüt bleiben. üftur gm ei er Um-
ftänbe tuolle man fiel) babei erinnern: SBeetijoben'3 oft mieber=
ijotter Silage, in SBien feinen greunb 3U befifeen, ferner nocl),
ba% feine nätjre SBefanntfdjaft mit (S. §otg erft au§ bem
Safjre 1825 batire, ma§ burdj) bie in ber berliner §of=
bibtiotfjef aufbewahrten (Sonöerfationö^efte gegeigt mirb. —
Unb nun biefe Urlunben.
„9Jät Vergnügen gebe id) meinem greunbe (£arl ^polg bie
gemünfcfjte (Srflärung, bafj icfj itjn §ur bereinftigen £>erau<§-
gäbe meiner 93iograpt)ie für berufen Ijalte, menn id) überhaupt
annehmen fann, ba% man fie münfetjen folle, unb id) fdjenfe
U)m ba§> üotte SSertrauen, bajs er baä, ma§ id) il)m §u biefem
— 682 —
3*üecfe mitgettjeitt tjabe, nidjt entftetft ber S^adjtrett über*
liefern roirb.
Söien, am 30. Stuguft 1826."
Submig öan 93eett)oüen.
3)a3 gang üon ber £anb bon ©. §otg guerft mit SBteiftift
gefdjriebene Original362) ift mit Stinte überfahren, bie Unter*
fdjrift $8eett)ot>en'3 unbegroeifelt autt)entifct). Sn meldjer 28eife
§ol5 beftrebt mar, ba§> Ueber!ommene im Sntereffe ber 2Bat)r=
tjeit 5U oermerttjen unb fein Serufenfetjn gur Verausgabe
einer SSiograprjie gu bocumentiren, geigt ber Söortlaut ber
nad)ftet)enben, rticrjt weniger kenn fiebengetjn 3at)re fpäter
batirenben (Seffton:
„Snbem ict) bie in üorüegenber (Srflarung mir gugeftan*
benen 9?ed)te meinem greunbe Dr. ©afjner in (Sart3rut)e über*
trage, unb überzeugt bin, bafc bei feinem raor)tgeorbneten
SBorratlje Hon Materialien enblid) einmal eine autf)entifd)e unb
beftenS bocumentirte 23iograpt)ie SBeettjoüen'ä ber jätjrlict) tvady
fenben gafyi üon Staljrem be3 grofjen SCReifterS gugefidjert
»erben fann, madje id) mid) üerbinbtid), nid)t nur alle meine
gemiJ3 nidtjt unbeträd)tlid)en Beiträge bem §erra Dr. ©ajjner
gum S3er)uf ber öon ir)m beabfidjtigten ©bition abzutreten, fonbern
and) burd) meinen (Sinflufj auf jene t)ier nod) tebenben
greunbe 33eett)ooen'3, bie mit it)m in ttrie immer geartete nähere
23erüt)rung gefommen finb, bat)in gu mirfen, bajj nur neue
bi£t)er nod) nirfjt berannte Driginalbaten au3 ben (auterften
Quellen gugefütjrt, unb bie in ben bi§t)er erfctjienenen mangels
t)aften S3iograpt)ieen öerbreiteten Srrtfjümer berichtigt rcerben.
£)iefe meine eifrige Unterftütjung fage id) um fo miliiger gu,
ai§> §err Dr. ©aftner fid) bereit erHärt t)at, fein Sftanufcriöt
362) Was auch Schindler gegen Holz anführt, dies unantastbare
Dokument des Meisters sagt fest, daß Holz von Beethoven als sein
vertrauensvoller Biograph angesehen wurde. Cf. B. S. Br. No. 1170
nebst Erklärungen (V. Band, S. 255 f.). A. d. H.
— 683 —
fpäteftenä mit ®nbe Stuguft 1844 jjum £>rud übergeben p
fönnen, ma§ idj fdjon barum für leitet ausführbar {»alte, raeit
er burtf) gmeimatige ?Inmefenf)eit in SSien bie meiften 51t feinem
groed bientid)en perfönücfjen Söelanntfcfjaften anlnüpfte. SSBten,
ben 4. ftooember 1843."
ßarl ipolj,
2)irector ber Concerts spirituels.
SSelc^e 2(nmerfungen mürben roofjf bie alten $reunbe be3
9[Reifter§, ©tepfjan oon Sreuning, Dr. 23acfj, ©djuppanaigf),
u. a., 5U bem SBorttaute feiner (Srftärung gemacht t)aben,
unter melden Umftänben biefetbe aud) entftanben, ob burdj
Uebereitung ober Ueberrafcfjung, mie 33eett)oüen tiorgab! —
£ätt man fte mit ber Stjatfadje äufammen, ba$ Der fdjeibenbe
9Weifter fämmtlidje £)ocumente unb gamitienpaptere ben §änben
93reuning'3, fämmtlidje fid) üorfinblidie ßorrefponben§ aber
mir anüertraut, (morüber in ber (Einleitung gefprodien marb);
bringt man ferner baS in beiben obigen Urlunben 5lu3gefagte
mit ber oorbemerften Steuerung ©afmer'3 in Sergteid); fo
erfdjeint btö ©an^e eben fo rätt)fett)aft, mie anbereä au§ bem
Safjre 1826 im biograpt)ifd)en SJjeit SBerüfjrte, menn nidjt ber
23eetrjot>en'fd)e s^ofitiouö „mitgeteilt l)abe" aU Anticipatio facti
angenommen werben fotlte.363)
SKidjt minber rätl)fetf)aft erfd)eint aber nod) ein StnbereS.
Söefanntlid) mar (Sart §ola TOglieb be§ ©d)uppanäigf)'fd)en
Öuartettg mäijrenb beffen gmeiter s^eriobe, bie nad) ©djuppan*
^igp ßurüdfunft au3 SRufjlanb mit ber erften @i£ung am
12. Suni 1823 begonnen unb mit feinem £obe im 9D?är§ 1830
itjr (Snbe erreicht rjat. ©iefer ßeitraum tion fieben Sauren mar
genügenb, um 6. §o(§ in ben SBefifc ber Ambitionen 5U bringen,
bie in biefem Ouartett=33erein foroot)! in $eett)oüen'§, mie audj
in §atobn'3 SBerfen auf'8 Areufte bemalt mürben; nm§ beibe
363) Immerhin behält die Affäre Holz-Gaßner noch viel Dunkles,
Rätselhaftes. A. d. H.
— 684 —
5D?etfter fetber für itjre ©adje anbei gettjan, roarb fdjon im
biograprjifdjen %fytit ausgeführt. Unter ben ©d)uppan§ig£)
Überlebenben Sftitgtiebern roar §ot^ ber einzig SBermögenbe,
biefe £rabitionen — in Sejug auf STempo überhaupt, £empo=
2£ed)fe( bei einzelnen ©teilen ober ganjett Sßerioben, befoubere
Betonung, u. f. tu. — gu Rapier §u bringen unb fetbe, roenn
aud) nur im 2Befentfid)ften, bor bem Untergange gu retten.
®ie fctjon bei SSeginn beS liierten SafjrjeljenbS fid) funbgegebene,
alle§ bernünftige 9Jca^ überfdjreitenbe, ben geiftigen (Erjarafter
in jeglicher Äammermuftf §u SEobe fjetienbe 2M)anb(ung feitenS
ber §eranroad)fenben 9JJufifer=@eneration mar Slufforberung ge=
nug für bie (Singeroeirjten in jene SEonbidjtungen, um mit üjrem
befferen SSiffen einen £)amm folgern ©ebatjren entgegen §u
ftetlen. Sn ber Duartett*3Rufif genannter äfteifter bermocfjte
bieS Sftemanb grünblicfjer unb umfaffenber §u tfyun, als (Sari
§olg. @r aber fd)tr>ieg; er rührte fict) felbft bei bem Sluftreten
beS S3raunfd)ineiger DuartettS in SSien nicrjt, beffen 3Iuffaffung
ber bem borgetragenen SSerfe inneroofjnenben Stjarafteriftif oft
fdjnurftradS entgegen getoefen, roeil bemfetben felbft teife, auf
Srabition im allgemeinen unb SBefonbern S3e§ug tjabenbe,
SSinfe unbefannt geblieben roaren. SSie roar e§ §oI§ möglid),
5U folgern 23erfat)ren §u fdnoeigen? SDamalS rjätte fein 9?eben
ftcf)ertit±) nod) gefruchtet, benn eS fonnte fid) auf nod) biete
lebenbe unb intelligente SDZufifer au§ (Sdjuppanäigrj'S 3e^ ftüfcen.
5tuf men fid) jetjt, nad) OoUftänbig rjereingebrodjener $tutt) üon
SBerirrungen, ftüijen, roo mir bereits barjin gelangt, bafj (£manci=
pation üon ber * §errfd)aft ber Ueberlieferung alz bie %$at
eine§ fräftigen, feiner ©uperiorität betouftren ©eifteS gilt? —
Sn meinen kämpfen gegen ba§> immer brorjenber merbenbe Un=
gettjüm — $ßirtuofen-©ubjectibität an Snftrumenten unb am
3)irection3^ulte — t)atte id) roieberfjolt ©arl §ot§ öffenttid)
aufgeforbert, feine (Stimme bernerjmen gu laffen; er aber über=
tjörte ben 9#arjnruf, füllte fotjtn bie ü)m jufterjenbe SSerpftic^tung
nictjt, in ber roidjtigen ©ac^e mit gu interbeniren unb baburcfy
— 685 —
fein ©ebenfen ^8eet§oöen'§ gu betätigen. 2ßat)rtic£) ein rät£)fet=
fjafteS ©dnueigen!
5lnmerfung.
%la&) bem am 9. üftotiember 1858 erfolgten 5Ibteben öon
(Sari ipotj rjaben fiel) Wiener SBIätter mefjrfact) bemüht, ganft
irrige ^acrjric^ten über beffen SSerljältnife 511 Öeettjoben unb
fonftige groifdjen beiben ftattgefunbene ^artifutaritöten ju Der-
öffentlidjen, barunter einige au<§ erheblichen ©rünben tfjeilS
miberlegt, ttjeilä berichtigt merben muffen. Unter anberen lieft
man in ber „^reffe" öom 16. üftoüember:
„§0(5 mar e£, ber, al3 93eettjot)en bie berühmte ©onate
Op. 101 für ba§ „§ammerclatiier" gefcfjrieben, mit bemfelben
bie 3ufammettfteßut19 oer beutfdjen $unftau3brüde fertigte,
beren äftitttjeilung intereffiren bürfte. Slrie nannten fte: #uft-
fang, ©infang; 23af$, ©runbfang; (Sanon, ®rei3ftud)tftüd ;
^tjantafie, Saunenfüiel," u. f. f.
2ll§ bie ©onate Op. 101 im Safjre 1816 im 2)rud er*
fd)ien (üergt. SBeettjotien'S Sßrief an grau tion Qürtmann in ber
3. ^ßeriobe), fafj ber eben ad)t5et)njät)rige (£. §0(5 nod) auf ben
©cfjulbänfen ber Unioerfität unb fyatte ficfjerlirf) feine SItjnung,
baß er 9 %a§ve fpäter in ein freunbfcfjaftlid)e3 95ert)ättni^ §u
bem Somponiften biefer ©onate treten tuerbe. — SCRit Sßer*
beutfcfjung ber itatienifcfjen $unftau£brüde fjatten fidj öffentliche
23lätter, mie eingelne 9J?ufifer, lange öor 1816 balb im (Srnft,
balb im ©djer^ befdjäftiget. $n 23eetf)Oüen'3 6onnerfation§=
<peften bon 1825 ober 1826 fanben fidj Slufaeidjnungen öon
foldjen SSerbeutfdjungen, auf beren ©rfinbung foiootjt (5. §0(5
al§ aucfj be§ SD^eifterö üfteffe Stnfürud) gemacht. @ie Ratten
bto§ gum ßmed, ben Reiftet bamit §u unterhatten. Seftt be=
liebt e§ au§ bem ©djers (Srnft §u machen, unb fogar Seettjooen
a(§ 9J?iterfinber biefer 9Itbernl)eiten öarabiren §u laffen, wenn
er aucfj fcrjergmeife feine guftimmung baju gegeben.
Sn bemfelben SSiener Statte mirb ein launig abgefaßter,
— 686 —
©efd)äft3fadjen betreffenber Q3rief öon 33eetf)oüen (Sahen,
24. Sluguft 1825) an Sart .fpol^ — mit einem Gommentar —
abgebrudt, barin nacrjfterjenbe ©teile üorfommt: „©leicfjgültig
bagegen, roelcfjer ^öUenrjunb mein ©erjirn beledt ober zernagt,
ba e§ nun fcfjon einmal fetjn mufe, nur ba^ bie Slntroort nid)t
§u lange ausbleibe, ber ^öÜenfjunb in Seipjig fann märten unb
fid) berroeil mit 9)cept)i)*topr]ele§, bcm 9?ebacteur ber Seip^tger
muficattfdjen ßeitung, in 21uerbacfj'3 Heller unterhalten, roeldjen
(enteren näcfjftenS 23e^ebub, ber oberfte ber Teufel, bei ben
Dljren nehmen roirb.''364)
2)er (Kommentator commentirt, baft mit bem 9Jceprjiftoprjete§
„<gofratrj 9toct)tii3" gemeint fen. 53eetljoüen fjatte aber für
9xod)(it} gu Kki Sldjtung, alz ba$ er — fetbft bei ber 2öanb=
tung in fonft gemoljnter Q3eurtrjeitung öon Sßerfonen unb
©adjen in ben Saferen 1825 unb 1826 — (fterje 3. ^ßeriobe
unter III.) ein fo(d)e§ ©pitfjeton tiefem ©eterjrten beigelegt
fjaben fönne. SDagu fommt nod), ba$ if)n Sfocrjüt} 1822 §u
SBaben in meinem 33eifet)n öon [einem batbigen Dftidtritte öon
ber Sftebaction ber muficaüfdjen 3e^tunS unterrichtet Jjatte, ber
tuirflidt) fdjon in ber nädjften $eit erfolgt ift.
(Snbtidj ermähnt nod) biefe 23iener 3e^tun9 e^neg ^otigen^
budje3, ba$ Gart §ol§ rjintertaffen, in roeldjem bie „roertfj*
bollften Steten über bie Sftufifäuftänbe 2£ien3, inSbefonbere über
S3eetrjot)en, enthalten ferjen, jebodj fürdjte man menig üftu^en
für bie Deffentlidjfeit giefjen gu fönnen, ba ber größte %rjeU in
nur bem Sßerfaffer erfennbaren ©crjlagmorten unb Stbfüraungen
gefdjrieben ift."
©ollte ba§ an ^Mieten in Sejug auf 23eetfjoüen atteS
fetjit ? 2>a§ mürbe ba§> oben angebeutete 9tötf)fel nod) um
öiele§ erfdjroeren. 9ttag inbeffen bie Söfung ber 3e^ uöer'
laffen »erben.
364) Dieser ganze Brief nebst weitgehenden Erklärungen, selbst
gegen Schindler, steht B. S. Br. No. 1105 (V. Band). A. d. H.
— 687 —
F. Garl Wlana Don 23ßcöcr al§ Sfrittfer 23ectf)Otoett'3.
©oll ba3 tjier Vorgelegte, morauf bereite unter ben 2ln=
fürjrungen über bie Sinfonia eroica fjtngemiefen ifi, richtige
SBeurtfjeitung erfahren, fo rjaben mir un§ ;$ur ©teile in (S. 9JL
öon Sßeber nid)t ben (Somponiften ber großen Opern ^reifctjü^,
©urtiantrje unb Oberem oorguftetlen, fonbern einen jungen Wann
öon 23 ^arjren*), ber eben erft bie ©crmle bei 5lbbe Vogler
berlaffen unb in einigen (Sompofttionen Talent öerratfjen fjatte,
beffen üftame inbefe in roeiteren Streifen nod) gänglid) unbefannt
geblieben. ®afe e3 fcfmn üor Söeber ^unftjünger gegeben, bie
grofje, rurjmgetrönte SDfoifter in itjren Sßerfen getabelt unb fetbe
in ifjrer eigentrjümticfjeu SBeife üerfpottet fyaben, barf ebenfo für
geroift angenommen merben, al§ e§ SieutenantS gegeben, bie
einen au§ öielen ©djladjten at§ ©ieger tjerüorgegangenen getb=
rjerrn getabelt unb Verfd)iebene§ anber§, ja beffer gemadjt fjaben
mürben, aU biefer. Sn fofern märe öon 2öeber'§ Äritifen fein
2lufrjeben§ ,^u macfjen. 51 Hein bie tlmftänbe, bie fid) an berlei
SDinge fnüpfen, geben iljnen Sntereffe unb gefcfjidjtlicfjen Söertt),
unb gerabe biefe ftnb e§, metd)e bie SJättrjeilung biefer SMtifen
erfjeifdjen, abgeferjen, ba£ biefelben einen ergängenben Streit
ber 3eitbeurtf)eitungen unfer§ 9fteifter3 bon ©eiten einer
anfetjnlidjen graction 9)?ufifer repräfentiren. Saffen mir fogteid}
bie £t)atfad)en felber fprecfjen.
Unter ben 9?ad)laJ3papieren be§ 9ftufiföerleger3 £>an§
©eorg üftägeti in 3ürtct) l)at fid) ein Vrief üon (S. 9J?.
Oon SBeber, de dato 9#annl)eim ben 21. 9J?ai 1810, an biefen
Verleger öorgefunben, ben 2Iuguft §i£fc(jolb in 3ürid), *n
SKro. 20 ber 9^ieberrt)einifcr)en 9ftufit=3eüun8 1853 gUr §ßer=
öffenttidjung gebracht, ©erfelbe lautet im 2öef entließen:
P P
£)a meine Verljältniffe fid) üeränbert unb mtdj mieber
gang ber Shmft gemeint fjaben, fo ergreife id) ben erften Slugen*
*) S. W. öon 2ßeber mar geboten 1786 ben 18. Sccember.
— G88 —
blid geit, ber fid) mir barbietet, um bie burd) §errn bort
SSangentjeim üoi bereitete Verbinbung anjufnüpfen unb gug(eict)
für ba§> gütige Urttjeil, roeldjeS Sie ü6er meine (Sompofitionen
fällten — 511 bauten. 3)od) tann id) ntdjt umt)in, einen ^ßunct
gu berühren, ber mir gu roidjtig ift, a(§ bafs id) tt)tt mit ©tiu%
fdjroeigen übergeben tonnte, Sie fdjeinen au§ meinem Quartett
unb ber (Eaprice in mir einen 9iad)al)mer 93eet(joben'§ §u er=
bilden, unb fo fd)meid)etf)aft bie§ aud) SDtonctjem feb,n tonnte,
ift e§ mir gar nid)t angenehm. (Srftenö r)affe ict) atte§, mag
ben Stempel ber üftadjarjntung trägt, unb gmeiten§ bin id) 51t
fet)r in meinen 5lnfid)ten oon ©eett)oben berfdjieben, at§ bafj
id) je mit it)m gufammen flu treffen glauben tonnte. Sie feurige,
ja, beinahe unglaubliche ©rftnbung3gabe, bie itjn befeett, ift öon
einer fotdjen Verwirrung in Slnorbnung feiner Sbeen begleitet,
bat} nur feine früheren Gompofitionen mtdj anfpredicn, bie
letzteren hingegen mir nur ein bertoorreneS (Eb,ao§, ein unoer*
ftänblidje§ fingen nad) 9?eut)eit finb, au3 betten eingelne t)imm=
lifd)e ©enie*83(i§e t)erborteud)ten, bie geigen, mie grofe er feijn
tonnte, menn er feine üppige ^3t)antafie §ügeln mollte. 55a id)
mid) nun natürlid) nicrjt beS großen @eniu3 öeetfyoben'g er=
freuen fann, fo glaube id) menigften§ in logifd)er unb rebnerifdjer
£>infid)t meine 9D?ufif berttjeibigen gu tonnen unb mit jebem
einzelnen Stüd einen beftimmten (Sinbrud §u bemirfen. 2)enn
nur ba§> fdjeint mir ber Qxoed einer ®unftau3für)rung §u fetjn,
aus einem einzelnen ©ebanten ba§> ©ange gu fpinnen, bat3 in
ber größten ÜDcannigfaltigteit immer bie (£int)eit burd) ba$ erfte
^rincip ober Stfyema erzeugt, t)erborteud)te. &txoa§> ^omifdje^
herüber ftet)t im SDcorgenblatt 9?ro. 309 öom 27. 2)ecem6er 1809
abgebrudt, meldjeS Sfynen nod) gu einem weiteren 33eteg meiner
2tnftd)t bienen fann.
„3)er gufatt wollte, bafj nebft bem Quartette, meldjeä ict)
Stuten gu fd)iden bie (St)re tjatte, gerabe aud) nur bie (Saprice
abgetrieben mar, bafjer Sie mat)rfct)einlid) fdjloffen, bafc alle
meine Gompofttionen ben Stempel be§ Starren trügen. Sd)
— 689 —
rpffe aber, menn tdj baS Vergnügen fjaben fotlre, Stynen anbere
meiner arbeiten 5U5iifenben, bafe @ie roenigften§ mein (Streben
nad) S!larl)eit, Haltung unb (Smöfinbung nidjt üerfennen
roeröen." . . .
£)a§ Jpintoetfen 3Beber'3 auf ba§> „®omifd)c" im borgen *
61att öon 1809, ofnie fid) at3 beffen SBerfaffer gu erfennen gu
geben, fjat auf bie ^äfjrte roenigftenS einer feiner Ärititen
über Seetbjoüen geführt, öon benen fctjon in ber erften Auflage
biefer biograptjifdjen ©cfjrift geförodjen mürbe. 2luf bie auS
Bresben barauf erfolgte ^tutf) öon 5lnflagen unb SSormürfen
(@. 9?ro. 47 ber 91. ßeitfdjrift für 9ttufit, 1840) mit Setegen
in ber .£>anb ba§> ©efagte gu üertljeibigen mar id) aufjer ©tanb,
roeit alle !ftad)forfd)ungen nad) einem Species facti üergebtid)
gemefen. SBeber felber geigte ben Ort an, roo etroa§ öon bem
©efudjten gu finben, — unb e8 ^at fid) roirflidj bort öor=
gefunben. SSieöerum ein 23eleg meljr, mie bie $eit für (£nk=
fjüllung Verborgener 2)inge unb STljatfadjen ba§ 23efte tfjut. üftidjt
weniger benn brei foldjer @ntt)üHungen in ©adjen Seetljoüen'S
erfolgten rafdj auf einanber: bie (Srtlärung 93eetrjoüen'§ für
Gart §ot3 öon 1826, — ber ©djulbbrief be§ dürften (Mt$in
an 23eett)oüen au$ bemfelben Saljre unb (5. Tl. ü. 2öeber'3
Äritif au§ bem Saljre 1809. 9?ad)ftef)enb itjr SSortlaut:
„Fragment einer muficatifdjen Steife, bie öielteicfjt
erfdjeinen mirb.
„SSoll 3ufriebenf)eit über eine 93ormittag§ glüdlidj geenbete
©infonie unb ein öortrefffid)e§ 9ftittag3mal)t, entfdjlummerte id)
fanft unb falj mid) im Traume jjlöfcttdj in ben 6oncert=©aal
öerfettf, mo alle Snftrumente, belebt, grofje Stffembtee unter bem
Sorfi^e ber gefürjtöotlen unb mit naitier üftafemei§t)eit erfüllten
Oboe gelten. 9fad)t§ Ijatte fid) eine Partie au§ einer Viola
d'amour, SBaffetrjorn, Viola di Gamba unb Flute douce arran-
girt, bie über bie öerfloffenen guten alten guten f lagetönten;
linfö rjielt bie £)ame Dboe Sirfet mit jungen unb alten (Slari^
St. ©d)inb[er§ 23cctf)Oücn=S3ioava})l}te. 44
— 690 —
netten unb glöten, mit unb oljne unflätige Wobeflappen, unb
in ber Witte mar ba§> galante (Etatiier üon einigen füfcen $io=
(inen, bie fid) nact) ^5tet>el unb ©üromet^ gebilbet tjatten, um=
geben. Sie trompeten nnb Spanier jcdjten in einer Qfcfe, unb
bie Sßtccoloflöten unb glageotettdjen burcfjtmrrten ben ©aal mit
ifjren naioen, rinbtidien (Einfällen, tuoüon Warna §oboe burefp
au3 behauptet, e<§ ferj äctjt Sean ^aut'fdje Einlage, burdj ^efta=
10551 ^ur rjödjften 9?atürtid)feit erhoben, in iljren £önen. ?tüe§
mar feclcnüergnügt, al3 auf einmal ber grämliche (Sontrebaß,
üon ein paar üerroanbten Sßioloncelten begleitet, jur £t)ür ljerein=
ftürmte unb fid) üoll Unmutl) auf ben baftef)enben ©irectiomS*
©tut)l roarf, ba$ ba$ Gtaüier unb alle amoefenben ©eigene
Snftrumente üor ©djreden unmiflfürjrlid) mieberl fangen. 9?ein!
rief er auö, ba follte einen ja ber teufet t)o(en, menn täglid)
fotcfje ©ompofitionen üorfämen! ®a fomme id) eben auS ber
Sßrobe einer (Sinfonie eine§ unferer neueften ßomponiften, unb
obroot)! idj, roie belannt, eine jiemtid) ftarfc unb fräftige Statur
rjabe, fo fonnte id) e§ boct) faum mefjr aushalten, unb binnen
fünf Minuten märe mir unau£bteiblid) ber ©timmftod gefallen
unb bie Saiten meinet Sebenö geriffelt. §at man mid) nid)t
mie einen ©eiSbotf fpringen unb mutzen laffen, l)abe id) mid)
nicfjt jur Biotine unnoanbeln follen, um bie 9£id)t=Sbeen be£
§errn ßomponiften ju ejeeutiren, fo milt idj jur Sanggeige
merben unb mein Q3rob mit 9D?üller'fct)en unb Äaner'fäjcn Zaw^
®arftetlungen üerbienen.
©rftes SSioIoncell (fid) ben ©djmetjj abroifd)enb): Silier*
bing§ fjaben eher pere 9ied)t; id) bin aud) fo fatiguirt, baft id)
feit ben 6t)erubini'fd)en Dpern mid) feinet foldjen (Mjauffement*
erinnere.
51tle Snftrumente: Gsrjäjjten ©ie! ergäben ©ie!
3meite3 ißt o tone eil: Srgärjlen läßt fid) fo etnmS faum,
unb eigenttid) tuofjl nod) meniger rjören; bettn nad) ben 23e=
griffen, bie mir mein göttlicher SDceifter Dxomberg eingeflößt
Ijai, ift freilid) bie üon un§ eben ejeeutirte ©infonie ein mufi*
— 691 —
califd)e3 Ungeheuer, mo meber auf bie Statur irgenb eine§ Sn=
ftrumentg, nod) auf 21u3füt)rung eine§ ©ebanfen3, nod) auf
irgenb einen anbern 3med, aU ben be3 neu unb originell
©d)einenmolIen<§ Eingearbeitet märe. SOtan läfet un§ gleict) ber
Violine in bie §öl)e Vettern ....
(Srfteä 93io ton cell (iljtt unterbredjenb) : $ll§ ob mir baä
aurfj nidjt eben fo gut tonnten!"
(SBir befeitigen f)ier bie oieten nodj folgenben ©efprädje
ber anbern Snftrumente, beren faft jebeä einzelne mit anjüg^
licfjen 2ßit}en ober audj mit orbinären365) ^Bemerkungen unb 5lu3=
fällen feinen Beitrag liefert, unb fahren im Sonteyt meiter fort.)
„Stuf einmal trat ber (Satcant in ben ©aal, unb erfcfyroden
fuhren bie Snftrumente auSeinanber; benn fie fannten feine
gemaltige §anb, bie fie jufammenpadte unb ben groben ent*
gegentrug. SBartet! rief er: rebeüirt it)r fdjon mieber? SSartet!
gleid) mirb bie Sinfonia eroica Oon Seetljouen aufgelegt merben,
unb mer bann nod) ein ©lieb ober eine Etappe rühren fann,
ber melbe fid).
,,9ld), nur ba§ nidjt! baten alle. Sieber eine italienifdje
Dper; ba tann man bod) nod) jumeilen babei niden, meinte
bie S3ratfdje.
„Sartfari! rief ber (Safcant:366) man mirb tud) fdjon lehren,
©täubt i()r, ba$ in unfern aufgegärten ßeiten, mo man über
alle Sßertjättniffe megüoltigirt, euretmegen ein Somponift feinem
götttidjen, riefent)aften 3been=©d)munge entfagen mirb? ©ott
bemale! ©3 ift nidjt meljr Oon Äfartjett unb ®eutlid)feit,
Haltung unb ßeibenfcfjaft, mie bie alten St'ünftter ©lud, £aenbe(
365) Das ist genauer in Carl Maria von Webers Hinter-
lassenen Schriften zu lesen: I. Band „Tonkünstlers Leben". 2. Ausgabe.
Leipzig 1850. S.43ff. Zum 22. Kapitel zu lesen. Vergl. auch die von Georg
Kaiser besorgte Neuausgabe von Webers Sämtlichen Schriften. A. d. H.
366) Schindler hat lange nicht alles aus dieser ergötzlichen
Satire mitgeteilt. Vieles fehlt von den Worten der zweiten Violine.
„Ein jeder bleibe in seinen Schranken" usw. A. d. H.
44*
— 692 —
unb SKojart mahnten, bie 3Rebe. Stein, f)ört baS Sftecept ber
neueftcn «Sinfonie, ba§ id) fo e6en oon Sßien erhalten, unb
urteilt banad): GrfienS, ein tangfameä £empo, üolt fur^er, ab*
geriffener Sbeen, mo ja feine mit ber anbern ßufammenljang
fjaben barf; alle SBiertelftunben brei ober Pier jföoten! — 3)a8
fpannt! '£)ann ein bumpfer Sßaufennrirbel unb mpfteriöfe
©ratfdjenfäfce, 2lüe§ mit ber gehörigen Portion ©enerat^aufen
unb §alte gefdjmüdt; enblid), nadjjbem bie ßufjfrer Oor lauter
Spannung fdjon auf ba§> StÜegro SSerjidjt getrau, ein roüttjenbe^
Xempo, in meldjem aber f)auptfäd)tid) bafür geforgt fepn muf$,
haft fein ^auptgebanfe berüortritt unb bem guljörer befto mefjr
fctbft 0u fud)en übrig bleibt; Uebergänge üon einem 2one in ben
anbern bürfen nid)t festen, man braucht ficf) aber belegen gar
nid)t su geniren, man braucht 3. 33. mie $aer in ber Seonorc
nur einen Sauf burd) bie fjatben Xöne $u madjen unb auf betn
^one, in ben man gern null, ftefjen 5U bleiben, fo ift bie
Hftobulation fertig. Ueberfjaupt oermeibe man aüeä (Geregelte;
benn bie Siegel feffelt nur ba£ ©enie.*)
„2)a riß plötjlid) eine Saite an ber über mir fjangenben
©uitarre, unb id) ermadjte üolt Sdjreden, inbem id) burdj
meinen £raum auf bem 2Bege mar, ein großer ßomponift im
neueftcn ©enre ober — ein üftarr gu merben.
Gart SJtarie."367)
©0 beurteilte ber Äunftjünger SBeber ben 9J?eifter 23eet=
l)ouen, alä biefer ben ©ipfelpunct feinet Äünfilerruf)me3 na^u
erflommen fyatte. . ßur 3e^ a^ »^ar^ S^arie" biefen Spott
*) Cbne 3ttJeifeI foll biefer Spott junäcfjft ber Sntrobuction unb bem
etften Safce ber Sinfonie in B dur, 9?ro. 4, gelten.
367) Folgenden Schlußsatz aus Weber I, 47 hat Schindler unter-
drückt. „Dank der freundlichen Begleiterin des Gesanges für deren
Aufmerksamkeit; ich eilte schnell zu meinen eben vollendeten Arbeiten,
fand sie nicht nach den Regeln des gelehrten Kaikanten, und ging,
beruhigt und den Himmel im Busen vor Erwartung in die Aufführung
des Don Juan." (Siehe auch Kaisers Weber- Ausgabe.) A. d. H.
— 693 —
im borgen btatt abbrutfen tiefe, roaren bon unferm 9J?eifter
bereits 6 (Sinfonien, 9 Quartette, bon ben «Sonaten (bi§ ein*
fcfjtiefetict) ber in A dar mit S?iotonceII, Op. 69) eine lange
^eirje, nebft anbern SSerfen gleichen ©etjatteS nocfj, beröffent=
fid)t. üftadj o6igem Sbecimen bon 3?erbtenbung unb SDMice
mirb man an ber @ri[ten§ eine§ nodj biet fcf/timmeren nic£)t
5tt>etfefn bürfen, worin SSeber nadj ?tnt)örung ber A dur*<Sinfonie
unfern Sfteifter reif für'3 üftarrenf)au§ erflärt fjat. 5Tuct) biefe§
ift im 2)rud erfdjienen, unb mirb rootjt früher ober fbäter aud)
nodj aufgefunben metben. 3n ber Xfjat fbredienbe SBemeife bon
tranScenbentatem Semufjtfetjrt eines ÄunftjüngerS — um
mit Äant §u reben — metd)e§ bor alter ©rfatyrung borau3gef)t
unb 5U Sßerirrungen fütjrt, roie un§ bor Sfugen liegen!
£)af$ biefe fritifdjen Sucubrationen unb Xräume, bon beten
$etf äffet in bie fRu6rtf „SbmifdjeS" geftettt, bem SBiener £on=
meiftet nidjt unbefannt geblieben, ift in ben früheren Sluftagen
bereite auSgefagt. Sängete ßeit tjinbutd) ftanb 23aron bon Sannoh,
bet befannte (Sombonift unb Sdjriftftetter, im $erbad)t, itjr 5ßer=
faffet §u ferjn, biö um ba§ Satjr 1820 (Satt Stftarie bon SSeber
at§ Urfjeber fämmttidjer genannt morben. SDeffen unerad)tet tjat
2Beber im Sftobembet 1823 eine fteunbtidje 5tufnat)me bei 25eet=
rjoben gefunben, beten am geeigneten Orte botftebjenb ertbätjnt
ift, unb rjatte ficf) betfetbe übtv 33eett)oben in nidjtS anbetem ^u
beftagen, at3 übex ba§> nad) bem ungünftigen (Stfotge feinet Oper
(Surrjanttje an ben großen ßeitgenoffen geftetlte, bon biefem abet
abgelehnte ?tnfud)en: 3tenbetungen in bet ^attitut bon trief er
Oper nad) feinem ©utbünfen bornetjmen §u motten. 9lad) @in=
fid)t ber Partitur tjatte fid) jebod) SSeetbjoben bat)in erftärt, bafj
Söeber biefeS Stnfudjen bor bet Huffütjrung ber Ober fjätte
macfjen folten, jefct finbe et e3 $u fbät, aufeer SSeber motte fotdje
9\efotmen bamit bornerjmen, roie et mit feinem $ibetio getrjan.
Sterjntidje Reformen — beigerjenb bemetft — finb fbäterrjin roirf=
lid) bon ?tnbetn mit bet (Suttjanttje borgenommen morben.
(£in unbegmeifett erfjörjtereS Sntereffe geminnen bie 2Beber'=
— 694 —
fd)en Stritifen, menn man bie SSanblung in ben ßhunbfätjen
be§ (Somponiften Sßeber, mie biefe aus feinen großen Cpern
offenbar %u Xage tritt, mit feinen um ^eljn Saljre früher ge=
trjanen ?ieuf;erungen in Sßergleidj ftetlt. 3)arau3 ergibt fid) für
junge 9J?uftfer bie Sftoraf, fid) öor $eröffent(idjung irjrer
®unftan)"d)auungen bei fremben SBerfen t)üten ^u füllen, bamit
fie früher ober fpäter nidjt fetber trjun, tt>a3 fte einft getabett,
ober gar nod) 5(nbere in foldjem £ijun überbieten, toie öie§ ein
SSergfeict) ber SSerfe Söeber'§, bornef)m(id) ber Opern, mit benen
oon unferm 9J?eifter, (beffen legten etma aufgenommen,) nid)t
immer in erfreulicher SSeife bezeuget.
G. gtoci Zattt im Sdjerjo ber C molbSinfoutc
werben 3>eranloffuug su Streit unb nnbntiernber 9)tctmmg3«
toerftf)tebenl)ett.368)
23ei bem 1846 gu 2(adjen ftatrgefyabten 9^ieberrrjeinifcr)en
SDtofiffefte uerfünbete beffen Dirigent gelij 9Wenbe(sfof)n, bafc
fid) ein 53rief üon Sßeetrjooen an bie Verleger ber C moll-
(Sinfonie, SSreitfopf u. §aerte(, oorgefunben, barin ber 9Jceifter
auf jmei ungehörige Stacte im (Scrjer^o (ber ^bm im £rud er=
fd)ienenen Drd)efter=Stimmen) aufmerffam madjt unb felbe als
einen „großen 53od" bejeidjnet. ©3 betrifft nämfidj ben 235ieber=
eintritt bes §auptmotio3 nadj bem 5:t)ei(e in C dur. Sag ©an^e
präfentirt fid) auf (Seite 108 ber ^artttur, mit bem auf Seite 107
oorauygefjenben Sacte, in folgenber ©eftattung:
368) Der Streit um die zwei Takte im Scherzo der c-ruoll-
Symphonie hat die ganze Musikwelt lauge in Atem gehalten. Die
ganze Sache ist von mir auch auf Grund der Schindlerschen Darstellung
in den Briefen eingehend behandelt worden, vgl. B. S. Br. No. 222
vom 21. August 1«08 (1. Band) nebst Erklärungen S. 331 f.
A. d. H.
695 —
Pfj
=S
-T-
± — *-
Contrabass unb Violoncell.
2>oco rittard.
güig^H
Clarinetten unb Fagotte.
2)ie fragüdjen jtoei Sacte finb mit Ernteten begeidjnet.
28ir erfefjen bamit, bajj ber SCßeifter fie an biefer ©teile nicf)t
gebunben, fonbern abgeftoj^en rjaben toitf, toie e§ bie näcfjften
gtöet £acte aufmeifen. ©arnad) mären alfo bte gtoei gebunbenen
£acte ^u biel. 2>ie§ ber grofee 53od!
Sie ootte 36 ^afjre erft naef) Veröffentlichung be§ be*
treffenben SSerfeS burrf) 93?enbeteforjn gegebene 9^ad)ric£)t fonnte
tiidjt oerferjlen, grojjeS ?tuffet)en 51t erregen. 2>a§ näd)fte (Srgeb-
nifj in ber SD^etjrsatjt ber anmefenben SCRufifer mar ein SOftfetrauen
in ba§ Vernommene, ja, einige 9D?ufifbirectoren erflärten fog(eid),
btefe jmei £acte für feinen $ef)ter 5U galten, bemnaefj fie aud)
nid)t aufgeben 3U motten. Von mehreren ©eiten mit ber $ra9e
angegangen, ob idj oon 53eetf)Oüen fetber etma§ in biefer &a<fye
Oernommen, fonnte id) nur erroibern: niemals ein 3Bort.
5Cuct) bie muficatifdje treffe bjat fog(eid) für unb roiber
biefe jmei £acte Partei genommen. SSoran früher üftiemanb
ettoaS au§gufe|en fanb, marb nun mit Vemeifen für fefjlerrjaft
«Hart. Sn $)3ari3 rumorte biefe ©efdncfjte nidjt minber. §ector
Vertioft t)atte fid) im Journal des Debats für bie Integrität
biefer ©teile aitygefprodjen. ©irector £)abened machte mir bie
Reibung, biefe incriminirten Sacte nicfjt aufjugeben, ja, nidjt
aufgeben ^u bürfen, motte er nid)t einen ©türm im (Sonferüatoir-
Drdjefter erregen. 2)a§ Vebenftid)fte aber toar, bafj in $olge
biefeS internationalen ©treiteS bie Vaumtuottpreife in 3lmerifa
bebeutenb in bie §öt)e gegangen, ^ebenfalls offenbarte fid) aus
— 696 —
bett 3Birhtngen jener 92ad)rid)t ein in bet Sftufifmelt faum nod)
bageraefeneS Moment, näm(id) ein unoerrjoIeneS 2luflefynen gegen
ben erhabenen Sdjöpfer beS SSerfeS, ber ja biefe ätt>et Xacte mit
einem 2fnatrjema belegt ()atte. ß'urj, biefer altfeitig tjartnäcftg
geführte Streit rjatte oiele Stetjnücrjfeit mit Streitigfeiten unter
^3r)i(o(ogen, üerfteljt ftd) um äufjerft roid)tige S)inge, alS: um
bie richtige £efeart irgenb eineS SBorteS, um Stellung eineS
(Somma, u. bergt. — ©3 fet> barum gcftattet, ber (Erörterung
biefer Slngelegenrjeit rjier ben erforberlicrjen 9?aum gu geben.
2)ie ©jifteng beS 23eetrjotien'fd)en 33riefe§ an bie Verleger
be£ SöerfeS — fefjr roafjrfcfjeinlid) au§> bem Safere 1809 —
fott nid)t be^meifett merben, roie metjrfad) gefeiten unb fogar
tierlangt mürbe, berfelbe fotle im gacfimile öeröffentücfjt werben.
Safj ftd) ber 3J?eifter jebod) fpäterbjin, tnetteidjt alSbatb, eineS
anbern befonnen unb ben 53od gu ©naben aufgenommen, bafj
er bie Ueber^eugung gemonnen, bafj er eine rjumoriftifd)e 3Sirfung
erzeuge, bemnad) feft an bie Grippe §u binben fet), — baüon
fjat er bie Verleger gu benacfjridjtigen oergeffen. 93on ber ßeit
beS ©rfcfjeinenS biefer Sinfonie bis p beS 9)?eifter3 Heimgang
— öofle 18 Satjre — ift biefelbe oft in feiner 5(nwefent)eit
entroeber probirt ober aufgeführt roorben, ot)ne baß feinerfeitS
ein SSort gegen jene ©teile, beSgleidjen gegen bie gegenwärtig
ebenfalls beanftanbete ©enera(=$aufe im erften ©a$ (Sßart. S. 36)
bemerft morben märe, unb bod) rjörten mir Sgnati oon SeUfrieb
auSfagen, mie 53eet(joüen atteS „tjaarfdjarf, genau nad) feiner
Angabe" ausgeführt tjaben mottte. SSie fjäite er mot)l bie
fraglidjen Stacte unbemängett (äffen fönnen, märe feine Slnftdjt
baöon nod) bie frühere gemefen! 23efonber§ fdjarf ging er auf
alle feine Intentionen ein, a(S er biefeS unb anbere Sßerfe mit
ben ©irectoren ber Concerts spirituels öorgenommen, in benen
nicfjt menige barunter ein neneS Seben beginnen fotlten. ©(eidjeS
trjat er mit mir 1823 mit ber Sinfonie in C moll unb anbern
nod). Niemals eine Semerfung über biefe gmei SEacte. 5)ie
Xrabition lefyrt fomit eoibent, bafj beS StteifterS 5tnfid)t barüber
— 697 —
eine anbete geroorben. SSte rjätte öollenbg fein fcrjarfeS 2tuge
biefen „großen Sßod" in ber erft um jene ^xt (5tnfang§ ber
20ger Satjre) erschienenen Partitur überfetjen unb ungetilgt
taffen tonnen? liefet Umftanb tfi befonberä morjl gu beachten.
©nbgüttig fönnte biefer gragepunct entfdjieben roerben,
tnenn man 9?ad)ftef)enbe!§ beacfjten null. — Stimmt man 23eet=
f)oüen'fd)e 9ftanufcripte, befonber§ öon grofjen SSerlen, gut
£>anb, fo geroarjrt man nidjt feiten einen Äampf mit bet rfjtjtf)*
mtfdjen @efta(tung bet ^etioben. 3)a finbet fiel) 6alb einet,
balb groei, üier unb noerj metjr £acte butdjfttidjen, inmitten bet
©üfteme, obet gang oben, nod) 5lnmetfungen, §. $8. „au§," obet
roiebet: „gut" — „bleibt." Sßergleicrjt man biefe cottigitten
Sftanufcripte mit bem ©rud, fo ergibt e§ fid), halft bie butd)=
fttietjen geroefene, bann tuiebet füt gut etfannte ©teile üftote
füt 9?ote aboptirt ift. üftod) liegen folctje SDZanufcripte bei mit.
— SDftt Stenntnifc tiefet $etfat)ren§ an bie fritifdje ^Beurteilung
unfere§ galtet gegangen, ift e§ gat nierjt gu begtoeifeln, bafj
biefe gttiei £acte urfprünglid) oom Slutor niebergefdjrieben, fpäter
oon it)m beanftanbet, enbtid) abet füt gut befunben ruotben,
bafj überhaupt bie rtjt)tr)mifc£)e ©eftaltung biefet ^Setiobe fo Oot*
liegt, toie fie urfprüngltd) gebacfjt toar.
SBenn Äritifer angeführt tjaben, bafj aujger bem SBerftofj
gegen r^t)tt)mifct)e 5tnorbnung noefj bet get)ler Dor klugen liege,
ba$ bie grofce Septime fis im öietten Sacte biefet ©teile nicfjt
fogleicf), fonbetn etft im ftebenten aufwärts nact) g fdt)teite unb
fomit gegen bie Sieget berftofee, fo ift gu etroibern: wa§> ba§
9^t)t)t£)mifct)e im Sittgemeinen betrifft, fo offenbatt fiel) ja be=
fannttict) Sterin einet bet öorgügtid)ften fHeige in 23eett)oüen'3
3Hufif; tüelct)7 reigenbe3 Spiel mit ben 9?f)t)t^men %. 23. gleid)
im erften ©atje ber ©infonie in C moll! Sßelcljer SReicfjtfjum
in SDtannigfaltigteit ber rtmtt)mifd)en formen im gangen SSerfe!
Unb bennod) mirb biefe Sftannigfaltigteit in mehreren ©onaten
für ^ßianoforte allein noct) roeit überboten. 9ftan moHte ebenfo
wegen ber 2lu§betmung al§ roegen ber llngleid)t§eiligfeit ber
— 698 —
in SRebe ftetjenben ^eriobe einen ©runb finben, bafc biefet6e
bom Sfteifter nirfjt atfo gebaut ferjn fönne, nnb bcifa bie 6e-
5eicr)neten gtüei Xacte aus Sßerferjen be3 (Sopiften rjinsugetommen
ferjn mögen. SSir fetjen aber ba$ §uerft in 8 Laoten gegebene
Sftotiö bei beffen SSiebererfdjeinen nadj bem S^u^epitncte auf
ber 'Dominante fct)on auf 10 Stacte uerfängert; fdjeint boct) bie
einen ootten Stact aufgehaltene Konica im ©ingang be3 9ttotir>!o
an obiger ©teile — womit bie Ungleidjtrjeitigleit, 11 SEacte,
herbeigeführt ift — eine befonbere ©eftaltung berfelben oejtoeden
51t motten. Verlängerte sJ?r)t)tf)men, immer mit ben 33eftanb-
trjeiten ber 9J?elobie, finb ja bei 33eett)oüen fo tjäuftg 51t treffen.
2ßa§ ift bie ©teile, meiere in ber C moll=©infonie Oom ©erjerjo
gum 4. ©a^ ben llebergang bübet unb naci) Utibifcrjeff „eine
9trt bon abfdjeutidjem üDiiauen unb 93? i fett an g tjerborbringt,
bie felbft ba§ menigft empfinblidje Dt)r jerret^t (!!)" anbereS,
al§ ein öerlängerter ÜttjtjtlnnuS? — 23eäügtid) aber be<§ tjerüor*
gehobenen $zf)kx$ mit bem Seiteton fis barf ber fteife ©rammatifer
9xed)t behalten, menn e§ üjm möglich mirb, im $tufj ber 9tebe
mit feinem Dtjr an bem erften fis tjaften bleiben 51t tonnen.
3u bietteidjt üotlftänbiger 33eruf)igung ber groeifler mufc
nodj beigefügt merben, bafj ber, lange Satjre ben muficalifdjen
23egebenr)eiten in SSien gur ©eite gegangene ^ritiler Semin §fl)
alSbalb nad) bem Vorfalle §u 2Tad)en Umfrage bei nod) lebenben
2)cufifern au§ $8eett)oben'§ $eit angefteüt t)at. 3)a§ ©rgebnifj,
ba^ ftet) fein einziger ber in ben Concerts Spirituels trjätig ge=
mefenen irgenbeiner ?tenberung in ben gebrudten Drdjefter*
©timmen erinnern tonnte — bafür bie au§ jener 3eit nod)
borrjanbenen ©timmen felber fbredjen — t|at biefer $ritifer in
ber Sßiener 3eüfd)rift 1846 berannt gemadjt.
— 699 —
H. 3n ©tt^ctt be§ qSroccffe§ mit bcm «ötedwnifer aJiaeljel.369)
1.
©ebofition.
,,3d) Ijatte SO^aetäet auf eigenen antrieb ein ©tücf ©cfjtad)!*
©infonie für feine $ßanf)armonica oljne ©etb gefdjrieben .*) 5U3
er biefe§ eine SBeile fyatte, bradjte er mir bie Partitur, roornad)
er fdjon §u ftedjen angefangen, unb tt>ünfdjte e3 bearbeitet für
gange§ Drdjefter. 3d) Ijatte fdjon üorrjer bie Sbee einer <Sd)fadjt
(SKufif) gefaxt, bie aber auf feine $ßant)armonica nid)t an=
roenbbar mar. — 3Bir famen überein, §um heften ber Krieger
biefe§ SBer! unb nod) anbere bon mir in einem (Soncert 0u
geben. SBärjrenb biefe§ gefdjaf), fam id) in bie fcfjrecflicrjfte
(Mbbertegenfjeit. SSerfaffen bon ber gangen 2ße(t tjier in 2Öien,
in ©rtöartung eine3 2$ed)fet3 u. f. ro. bot mir 9J?ael^et 50 ®u=
caten in ©olb an. 3d) narjtn fie unb fagte ifym, bafe id) fie
if)m tjier roiebergeben, ober itjm btö 2öert nadj Sonbon mit=
geben tooHe, faH§ id) nictjt fetbft mit it)m reifte — roo id) it)n
im legieren gälte bei einem engtifcrjen Verleger barauf amueifen
merbe, ber ifjm biefe 50 ©ucaten begasten fotte. 9?un gingen
bie Stfabemien bor ficfj. SJBäljrenb biefem enttoidelte ficfj erft
§errn 9J?ae(5et'§ ^(an unb (Srjarafter. @r liefe oljne meine
ÖHnroitligung auf bie Slnfdjlagjettet fetjen, ba^ e3 fein ©igen-
tljum fet). ©mbört hierüber, mufete er biefe rcieber abreißen
laffen. üftun fefcte er barauf: „au§ $reunbfd)aft ju feiner 9ieife
nad) Sonbon;" biefe3 liefe id) ju, roeit id) mir nod) immer bie
*) ®iefe§ „oljne ©elb" foü roofil berfianben werben: ofine Honorar
bafüt §u üerlangen. 3). SS.
369) Auch die Mälzel-Affäre ist auf Grund der vorhandenen
Dokumente eingehend behandelt worden. Vgl. B. S. Br. No. 354
„Danksagung" (Dezember 1813), No. 394 „Für seinen Advocaten Hrn.
v. Adlersburg" (1810, Juli, IL Band), N. 395 „Erklärung und Auf-
forderung an die Toukünstler in London" (Juli 1814, IL Band).
A. d. H.
— 700 —
$reif)eit, unter mag für 53ebingungen id) iljm bo§ Sßerf geben
roollte, backte. Sdj erinnere mid) roäfjrenb ber 3ette^a^rüde
fyeftig geftritten gu fjaben, allein bie 51t furge 3eit — idj fdjrteb
nod) an bem SSerfe. öm $euer ber Eingebung gang in meinem
SSerfe badjte id) faum an 9ftaetgel. Unterbeffen gleich nad) ber
erften ?Ifabemie auf bem Uniöerfität§faa( rourbe mir öon allen
(Seiten, unb oon glaubmürbigen 9ttenfdjen ergäbt, baft 9Jcaelge(
überaß auSgefprengt, er f)abe mir 400 ©ucaten in (Mb ge=
liefen. 8d) tie^ hierauf $otgenbe§ in bie 3e^un9 einrüden,
allein ber 3eitung§fd)reiber rüdte e§ nidjt ein, \)a SDcaetget mit
allen gut fteljt. — ©leid) nad) ber erften ?Ifabemie gab id)
SOcaetgel feine 50 2)ucaten mieber, erltärte itjm, bafe, nadjbem
id) feinen Sfjarafter Ijier lennen gelernt, id) nie mit ü)m reife,
empört mit 9?ed)t, öafj er oljne mid) gu fragen auf bie 3ette^
gefegt, bafj alle 9tnftatten für bie Stfabemie öerfefjrt getroffen,
unb fetbft fein fd)(ed)ter patriotifdjer (Sfjarafter ftd) in fotgenben
SluSbrüden geigt: (id) fdj .... auf 2., roenn'3 nur in Sonbon
Reifet, bafi man tjier 10 ©utben begabt; nid)t ber $ermunbeten
r)abe id) bie§ getfyan, fonbern belegen — ) aud) gäbe id) itjm
ba§> SSerf nad) Sonbon nidjt anber£ mit ab§ mit ©ebingungen,
bie id) itjm befannt machen mürbe. — ©r behauptete nun, bafj
e§ ein greunbfdjaftägefdjenf; feti, tief$ biefen %ü§>bmd nadj
ber gtoeiten 3(fabemie in bie 3e^tun9 fefeen, ot)ne mid) im 9Jan=
beften barum gu fragen, ©a SJcaetget ein rofjer Hftenfdj, gäng*
üd) oljne (Srgie^ung, otjne Silbung ift, fo fann man benfen, mie
er fid) mäljrenb biefer 3^it gegen mid) betragen unb mid) baburdj
immer mefjr empörte. Unb roer moüte einem foulen 9J?enfd)en
mit 3roan9 e*n frennbfdjaftüdjefl ©efdjenf madjen? — üftan
bot mir nun bie ©etegentjeit bar, bem Sßringregenten*) ba$
SBerf gu fdjiden. (£§ mar alfo nun fdjon gar nidjt mögtid),
oljne SSebingungen if)tn biefe£ SBerf gu geben. (Sr
fam nnn gu Sljnen unb mad)te SSorfctjtäge. ©3 raarb tljm
K) 9?a^^eriger König ©eorg IV.
— 701 —
gejagt, an metdjen "Jagen er erfdjeinen fotl, um bie Slntmort
abgufiolen; allein er tarn nidjt, reifte fort, unb t)at in Stftündjen
i>a§> Sßerf rjören (äffen. 2Sie t)at er e§ ertjatten? — ©teilen
mar nicfjt mögfid), — atfo £>err SDkelget tjatte einzelne (Stimmen
einige Sage gu §aufe, unb f)ierau§ ließ er öon einem muficaüfcrjen
niebrigen £>anbmerfer ba§> ©ange gufammenfetjen, unb tjaufirt nun
bamit in ber SSett f)erum. — §err SCRaef^et t)atte mir ©et)ör~
mafdjinen üerfprodjen. Um it)n aufzumuntern, feijte id) ifjrn bie
©iege£finfonie auf feine ^ßantjarmonica. ©eine SCRafdjinen tarnen
enblid) gu ©tanbe, aber nidjt brauchbar genug für mid). $ür biefe
fleine SJZütje meinte £>err SD^aefget tjätte id) if)m, nacfjbem id)
bie <Stege3finfonie für großes Drdjefter gefegt, bie <Sd)lad)t
bagu comöonirt, gum auSfdjließlicfjen (£igentt)ümer biefeä
2Serfe§ madjen foEen. SBoEen mir nun fetsen, ba^ id) in
^üdfidjt ber ©etjörmafdjinen mid) it)m einigermaßen öerbinbüct)
füllte, fo ift biefe getilgt, bafj er mit ber mir geflogenen ober
öerftümmelt gufammen getragenen ©d)tad)t menigftenS 500 ©ulben
in Gonü. W. machte. @r t)at fid) atfo fetbft begabt gemacht.
(Sr fjatte fetbft f)ier bie ^redjtjeit gu fagen, baß er bie ©d)lad)t
tjabe; ja er geigte fie gefdjrieben mehreren 2)cenfd)en, — allein
id) glaubte e§ nidjt, unb tjatte aud) in fo ferne Sfccfjt, al3 ba$
©ange nid)t öon mir, fonbern öon einem anbern gufammen
getragen ift. lind) bie (Stjre, bie er fid) allein gured)net,
fönnte fdjon 5Mot)nung fetjn. SKeiner ermähnte ber §of=
friegSratf) gar nictjt, unb bod) mar aHe§, morauS bie beiben
2lfabemien beftanben, öon mir. — «Sollte £>err 'iDcaelget, mie er
fid) üerlauten ließ, megen ber ©d)lad)t feine Steife nad) Sonbon
öertängert fjaben, fo maren bie§ aud) nur ©cfjmänfe. £>err
9ftaelget blieb, biö er feine ©tüdroetjr (?) üoEenbet tjatte, nadj-
bem bie erften SSerfucfje nidjt gelungen maren.
Söeetfjoüen m. p.
702 —
(SrHärung unb Stufforberung an bie Xonfünftier
gu Sonbon üon Submig öan Söeetfjooen.
(©ielje 6eite 283.)
§err SOfael^e!, ber fid) gegenwärtig in Conbon befinbet,
Ijat auf feiner Steife batjin meine ©iegeSfinfonte unb
2BeIIington'3 <Scf)Iad)t bei QSittoria in 9ttünd)en auf=
geführt, unb roirb bem SBernefjmen nad) aud) ju Sonbon
9Ifabemien bamit geben, fo mie er e§ ebenfalls in granffurt
ju tf)im SSißeng gemefen mar. 2)iefe§ beranlafct mid) öffenttidj
§u erflären: bafj id) £>errn Steiget nie unb auf feine SSeife
bie genannten 2ßerfe übertaffen ober abgetreten fjabe, ba$
üftiemanb eine Slbfdjrift berfelben 6eft$t, unb tafe id) bie
einzige, bie üon mir üeräufjert morben, an ©c fönigl. ^potjeit
ben ^rin^en^egenten bon ©nglanb gefenbet Ijabe.
S)ie 2luffüf)rung biefer 28erfe burd) £errn äftaetget ift
bafyer entmeber ein betrug gegen ba3 publicum, inbem er,
ber t)ier gegebenen ©rftärung gufolge, fie nid)t befiijt, ober,
roenn er fie befiijt, eine ^Beeinträchtigung gegen midj, inbem
er fid) itjrer auf einem roiberredjtlidjen SBege bemächtigt fyat
?(ber aud) in bem fe|tern ^aUt 'mix'i) oag publicum
Untergängen werben, benn ba3, \m§> §err Sftaelgel unter bem
Xitel: 2ßettington'3 (Sct)lact)t bei SSittoria unb ©iege§ =
finfonie if)m gu f)6ren gibt, rnufc offenbar ein unäd)te3
ober öerftümmelteä Söerf fetm, ba er bon biefen meinen beiben
SEBerfen, aufeer einer einzigen ©timme auf ein $aar Xage, nie
etroaä öon mir ertjieCt.
tiefer SSerbadjt Wirb gur ©emi^eit, wenn id) bie 3Ser=
fidjerung fyiefiger Xonfünftier, beren tarnen id) nötfjigenfaCfö
öffentfid) 51t nennen ermächtigt bin, Ijier beifüge, bafj §err
SDcaetjel bei feiner Stbreife öon SBien gegen fie geäußert: er
befi^e biefe Sßerfe, unb bafj er ifjnen Stimmen babon gegeigt
— 703 —
lja6e, bie a&er, tüie idj fdjon erttriefert, nicfjt anberä, at3 üer*
ftümmett unb unädjt fetjn fönnen.
£)b $err 9J?aet§et einer fotdjen 23eeinträd)tigung gegen
midj fäfjtg feü? — beantwortet ber Umftanb: bafj er fiel)
allein als Unternehmer meiner t)ter in SBien ©tatt gehabten
9Habemien gitm heften ber im Kriege SSerttntnbeten,
roo b(o3 meine Söerfe aufgeführt mürben, in öffentlichen
blättern ofyne ©rmätjnung meinet ScamemS angeben ließ.
Set) forbre bafyer bie <£ontünft(er oon Sonbon auf, eine
fotetje S3eeinträd)tigung gegen mtd), at§ itjren Äunftgenoffen,
burd) eine üon |>errn äJiaet^et üeranftattete Sluffütjrung ber
©d)fad)t bei QSittoria unb ber ©iegeSfinfonie bort iücf)t
gu bulben, unb ju üerljinbern, ba$ ba§> Sonboner publicum
auf bie gerügte SBeife Oon if)m Untergängen merbe.
SSien am 25. Suti 1814.
8 e u g n i %
SSir (SnbeSgefertigte bezeugen jur ©teuer ber 9Bar)rtjett
unb tonnen e§ nötigen galle§ befdjmören: ba$ gmifdjen §errn
2oui§ üan 23eetf)oüen unb bem §ofmed)anifer £>errn 9J?ae(5et
aflt)ier mehrere gufammenfünfte bei bem unterzeichneten Dr. 6ar(
ü. 9Ib(er§burg ftatt fanben, metcfje bie üon erfterem üerfafjte
muftcatifdje ßomüofition: bie ©d)lad)t üon 95ittorta genannt,
unb bie Steife nad) (Sngtanb gum ©egenftanb tjatten; §err
üftaetset madjte tjierbei bem §errn üan SBeetfjoüen mehrere
SBorfdjtäge, um ba§ oben genannte SSerf, ober menigften§ ta§>
9ted)t ber erften 3tuffüf)rung für fict) §u erhalten. £>a ftd)
jebod) §err DJcaet^et bei ber tetjten üeranftatteten 3"fammen5
fünft nicfjt eingefunben fjatte, fo ift barüber nid)t§ ju ©tanbe
— 704 —
gekommen; ba er bie erfteren ifym gemad)ten 93orfd)(äge nitfjt
angenommen fjatte. Urfunb beffen unfere Fertigung.
SSien am 20. Dctober 1&14.
(L. S.) Sof). gredjerr ü. ^agquatati, f. f. prio.
©rofcljänbter.
(L. S.) Garl (Sbler Don 9(btersburg, §of= unb
@ertd)tg=5Ibt)0CQt, aud) f. f. öffentlicher
9?otar.370)
I. $ret Briefe bon 23eetljot>en an Bettina.371)
1.
Sßien, 11. Stuguft 1810.
Stt)euerfte Settina!
®ein fdjönerer $rülj(ing als ber fjeurige, ba§ jage id)
unb füt)fe e§ audj, med idj Styre Sefanntfdjaft gemalt fyahe.
(Sie fjaben mof)( fetbft gefefyen, bajj id) in ber ©efedfetjaft bin,
mie ein grofd) auf bem ©anb, ber röäl§t ftd) unb mäl^t fidj
unb fann nidjt fort, bi§ eine mofylmoüenbe @atatf)ee it)n mieber
in'3 gemattige 9fteer f)ineinfd)afft. Sa id) mar red)t auf bem
Xrotfenen, liebfte 23ettine, id) marb Don Seinen überrafd)t in
einem 9(ugenb(id, mo ber 90?iJ3mutf) gan^ meiner Sfteifter mar;
aber maljrüd) er üerfdjroanb mit Syrern Slnblid, id) f)ab'§
g(eid) roeg gehabt, bafj (Sie au3 einer anbern Sßett finb, a(§
au§ biefer abfurben, ber man mit bem beften SBitlen bie Dtjren
370) Es kam wieder eine Versöhnung zustande; der Brief Mälzeis
an Beethoven vom Jahre 1818, 19. April gilt als Beweis. Er ist aus dem
Beethoven-Nachlaß Schindlers im Neudruck Lenz mitgeteilt, S. 56 ff. und
beginnt: „Lieber Freund! Sie erwarten von mir — " A. d. H.
371) Die Bettina-Briefe und die dazu gehörigen Erläuterungen
sind bereits eingehend behandelt. "Vgl. B. S. Br. No. 220 (I. Band),
228, 300 (II. Band), I, 323, II, 311 f. A. d. H.
— 705 —
ntdjt cmftljim fann. 3d) bin ein elenber 9ftenfdj unb beflage
mid) über bie anbernü — 2)a§ Derben ©ie mir rootjt mit
Syrern guten fersen, baZ au§ Sfjren 5tugen fiel)t, unb 3§rem
SBerftanb, ber in 3f)ren Dfjren liegt; — sunt menigften Der*
fielen Sfjre Dtjren 31t fdnneidjeln, menn fie suljören. Steine
Dfjren finb leiber, (eiber eine ©cfjetbemanb, burct) bie idj leine
freunbfidje Sommunicatiott mit äßenfdjen leidet Ijaben lamt.
©onftl — SBieHetd)t! — rjätt' id) mefjr gutrauen gefaxt $u
Srjnen. ©o fonnte id) nur ben großen, gefdjeiten f&iid S^rer
3lugen üerftefjen, unb ber f)at mir ^ugefetjt, bafc id)'<§ nimmer-
mehr ocrcjeffen merbe. — Siebe 23ettine, tiebfte§ IDfäbcfjen! —
®ie Äunft! — 2Ber Derftetjt bie, mit mem fann man ficfj
bereben über biefe grojje ©öttin! — 3Sie lieb ftnb mir bie
roenigen Xage, mo mir gufammen fdjmäftten, ober Dietmeijr
forrefponbirten; id) tjabe bie flehten 3ette^ Qße aufbemaljrt,
ouf benen Sfyre geiftreid)en, lieben, liebften ?lntmorten fielen,
©o f)ab' id) meinen fd)(ed)ten iDrjren bod) gu Derbanfen, ba$
ber befte %I)eit biefer flüdjtigen ©efprädje aufgefd)rieben ift.
Seit ©ie meg ftnb, t)ab' id) Derbrieftlidje ©tunben gehabt,
©djattenftmtben, in benen man nidjtö tljun fann; icfj bin
mof)[ an brei ©tunbeu in ber ©d)ünbrunner 2tHee fjerum
gelaufen, a(8 ©ie meg maren, unb auf ber Saftet: aber
fein Sngel ift mir ba begegnet, ber mid) gebannt Ijätte, wie S)u
(Snget. Sßer^eiljen ©ie, liebfte 93ettine, biefe Slbmeidjung Don
ber Xonart; foldje Snterüatte muß id) Ijaben, um meinem
^)er5en Suft $u mad)en. lh\b an ©oetlje fyaben ©ie öon mir
gefcrjrieben, nid)t maljr? — bafj id) meinen ®opf möd)te in einen
©ad fteden, mo idj nidjtiS l)öre unb nidjtS fel)e Don allem,
ma§ in ber 9Se(t Dorgefjt, meil S)u, liebfter (Sngel, mir bod)
ntctjt barin begegnen wirft. Slber einen 23rief merbe id) bod)
oon 3f)nen ermatten? — £>ie Hoffnung näfyrt mid), fie nä()rt
ja bie Ijalbe 2Belt, unb id) tjab' fie mein Sebtag jur 9?ad)barin
gehabt, ma<§ märe fonft mit mir gemorben? — Sd) fd)ide fyier
mit eigner §anb gefd)rieben: „Äennft bu ba% Sanb," al§ eine
St. ©c^tnöterS 39eetfjoben=33ioßvapI)ic. «^
— 706 —
Erinnerung an bie Stunbe, mo id) (Sie fennen lernte, idj fcfjicte
and) ba$ anbere, roa§ id) componirt f)abe, feit idj Slbfcfjieb üon
S)ir genommen ^a6e, liebe», tiebftes .^erg! —
Jperg, mein §erj, ma§ foli ba§ geben,
2Öa£ beb ränget bidj fo fejjr?
3Setdj' ein frembe§, neues Seben!
Sd) erfenne biet) nierjt meljr.
Sa, tiebfte ©ettine, antmorten ©ie mir hierauf, fdjreiben
(Sie mir, tt>a§ e§ geben fotl mit mir, feit mein igerg ein fofdjer
Mette gemorben ift. Schreiben (Sie Syrern treueften greunb
©eetljoüen.
2.
2Bien am 11. $ebr. 1811.
©etiebte, liebe ©ettine !
Sd) Ijabe fcfjoit gtoei ©riefe üon Sfjnen unb fetje au§
Syrern ©riefe an Streit ©ruber, baß @ie ftd) meiner unb gtoar
üiet gu öortt)eilr)aft erinnern. — Sfyren erften ©rief f)ab' id) bm
ganzen Sommer mit mir tjerum getragen, unb er fjat mid) oft
feiig gemadjt. SBenn id) Sfynen aud) nietet fo oft fd)reibe, unb
(Sie gar nid)t§ üon mir ferjen, fo fcfjreibe id) Sfynen 1000 mal
taufenb ©riefe in ©ebanfen. — 2öie ©ie fiel) in ©erlin in
51nfeb,ung beö 2öeltgefd)tneif;e§ finben, tonnte id) mir nidjt
beulen, menn id)'3 nid)t üon 3>t)nen gelefen l)ätte; üieleö <sct)tt>ä§en
über Shmft ofjne Stjaten!!!!! Sie befte geidmung hierüber
finbet fiel) in (Sctjitfer'S ©ebidjt: „Sie glüffe," too bie Spree fprid)t.
Sie tjeirattjen, liebe ©ettine, ober e§ ift fdjon gefdjeljen,
unb id) Ijabe Sie nicfjt einmal äuüor nod) fet)en tonnen! fo
ftröme benn oHe§ ©lue! Stjnen unb Syrern ©atten §u, momit
bie (£f)e bie ©fjelidjen fegnet. — 2öa§ foll id) 3t)nen üon mir
fagen! — „©ebaure mein ©efdjid," rufe id) mit ber Sorjauna
au§; rette id) nur nod) einige £eben3jal)re, fo mili id) aud)
bafür, mie für atleS übrige 2Bof)t unb 2Set)e, bem alfe3 in fid)
— 707 —
gaffenben, bem £)öd)ften banfen. — 2In ©oettje, toenn «Sie itjm
Don mir fdjreiben, fudjen ©ie alle bie SSorte au§, bie ifjm
meine innigfte $ereljrung unb 23emunberung auöbrücfen. 3dj
bin eben im ^Begriff itjm fetbft flu fdjreiben megen ©gmont, mo^u
id) bie SKufif gefegt, unb ^mar bto§ am§ Siebe ^u feinen
Stfdjtungen, bie midj glüdlidj madjen; roer rann aber einem
großen ©idjter genug banfen, bem foftbaren föteinob einer Nation?
— üftun nicf)t§ metjr, liebe, gute Settine, id) fam biefen borgen
um 4 Uljr erft Don einem öactjanat, roo idj fo gar Diel tacben
mufjte, um tjeute beinalje eben fo Diel §u meinen; raufd)enbe
greube treibt micf) oft geroaftttjätig, mieber in midj felbft jurüd.
— SBegen (Element Dielen ©and für fein ©ntgegenfommen. —
9Sa§ bie Kantate betrifft, fo ift ber ©egenftanb für tjier nid)t
toicfjtig genug, ein anbereä ift fie in Berlin; mag bie 3uneigung,
fo tjat bie ©ctjmefter biefe fo fetjr eingenommen, bafj bem SBruber
nidjt Diel übrig bleiben mirb, ift itjm bamit aud) gebient? —
üftun lebe rootj!, liebe, liebe Settine, id) füffe £)id) auf
©eine ©tirne, unb brüde bamit, mie mit einem ©iegel, alle
meine ©ebanfen für ©id) auf. — ©djreiben «Sie balb, balb,
oft Äem ft-reunbe „ ir
$eetf)ODen.
SBeetbjoDen rooljnt auf ber Völler Saftet)
im $ßa§quatatifd)en ipaufe.
Siebe gute 23ettine!
Könige unb dürften fönnen rooljt ^rofefforen madjen unb
©erjeimerättje k. unb £itel unb Drbenäbänber umhängen, aber
grofte Sftenfdjen !önnen fie nidjt madjen, ©eifter, bie über btö
SSeltgefdjmeifs IjerDorragen, ba§> muffen fie motjl bleiben laffen
§u madjen, unb bamit mutj man fie in Sfafpect galten; roenn
fo gmei gufammen fommen, mie id) unb ber ©oetfje, ba muffen
aud) grofje Ferren merfen, roa3 bei unfer (Sinem al§ grofj gelten
45*
— 708 —
fann. SSir begegneten geftern auf bem jpeimroege ber ganzen
faifertidjen $amitte. 2Bir fafyen fic öon »eitern fommen, unb
ber ©oettje madjte fid) bon meiner «Seite Io§, um ftdj an bie
(Seite ^u fteHen; id) mod)te jagen »a3 id) »ollte, id) tonnte iijn
feinen ©djritt toeiter bringen; idj brüdte meinen £wt auf bzn
®opf, fnöpfte meinen Dberrod §u, unb ging mit unter-
gefdjtagenen Firmen mitten burd) ben bidften Raufen.
— dürften unb ©drangen rjaben ©palier gemacht, ber @r$=
fjerjog Stubotpfy fjat ben Jput abgezogen, bie grau Staiferin t)at
gegrüßt äuerft. — Sie ^perrfdjaften fennen mid). — Sd) faf)
5U meinem magren ©pafi bie Sßroceffion an (§5oett)e üorbei
befifiren. (Sr ftanb mit abgezogenem §ute tief gebüdt
an ber Seite. S)ann fyab1 id) ifjm aud) ben ®opf ge»afd)en,
id) gab feinen ^arbon unb tjab' itjm alte feine ©ünben oor=
gemorfen, am meiften bie gegen ©ie, liebfte Settine! »ir Ratten
gerabe oon 3l)uen gefprodjen. ©Ott! t)ätte id) eine foldje Qdt
mit Seinen tjaben tonnen, mie ber, \)a$ glauben ©ie mir, id)
l)ätte nod) üiet, tuet metjr ©rofeeö IjerOorgebrad)t. ©in SJcufifer
ift aud) ein 2)id)ter, er fann fid) aud) burd) ein paar Slugen
ptötjlid) in eine fd)önere SBett öerjejjt fütjten, mo größere ©eiftcr
fid) mit it)m einen ©pafj madjen, unb it)m red)t tüdjtige 2luf*
gaben madjen. 3Sa3 tarn mir nid)t ailtä in ben ©inn, mie id)
2)id) fennen lernte, auf ber fteinen ©ternraarte, toäljrenb beö
l)errlid)en SCßairegenS, ber mar aud) gang frud)tbar für mid),
bie fdjönften %f)ema'3 fd)tüpften bamat§ au3 Sljren 23liden in
mein §erg, bie einft bie SBelt nod) entlüden füllen, menn ber
Seettjoüen nid)t niefjr birigirt. ©d)enft mir ©Ott nod) ein
paar Saljre, bann mu§ id) 3)id) roieber fefjen, liebe, liebe S3cttine,
fo oertangt'S bie ©timme, bie immer redjt betjält in mir.
©eifter fönncn einanber aud) lieben, id) merbe immer um ben
3l)rigen merben. Stjr Seifall ift mir am liebften in ber ganzen
s-föelt. Sern ©oetfje tjabc id) meine ©Meinung gefagt, tote ber
93eifalf auf unfer (Sinen rinrt't, unb bafc man üon feines ©teilen
mit bem Sßerftanb gefjürt fet)n »ttl; 9?ül)rung pajjt nur für
— 709 —
grauenjtmmer (öeräeifj' mir'§), bem Sttann mujs SCRufiffeuer au§
bem ©eift fd)Iagen. 9ld) tiebfteö ÄHnb, rate lange tft'3 fdjon
Ijer, bafj toir einerlei Meinung finb über aü*e<§ ! ! ! — Sftdjtä ift
gut, al§ eine fcrjöne, gute ©eete Ijaben, Die man in allem er-
fennt, öor ber man fid) nidjt ju berfteden braudjt. Wan
muft »a§ fet)n, menn man ma§ fcrjeinen null; bie SÖett
muü einen ernennen, fie ift nidjt immer ungerecht. 2)aran ift
mir gtnar nid)t§ gelegen, fteit id) ein t)öl)ere3 giet Ijabe. — 3n
SSBien fjoffe id) einen 53rief üon Sljnen, fdjreiben ©ie balb, balb
unb redjt biel; in adjt Sagen bin id) bort, ber ipof getjt morgen,
ljeute fpielen fie nod) einmal. @r Ijat ber ®aiferin bie ^olfe
einftubirt, fein ^ergog unb er tuotlten, id) folle tt>a§ üon meiner
SQcuftJ aufführen, id) tjab'S beiben abgefd)lagen, fie finb beibe
öertiebt in d)inefifd) ^or^elan, ba ift 9?adjftd)t öon 9?ötf)en,
med ber SSerftanb bie Dberljanb Oerloren tjat, aber id) fpiele ^u
itjren Sßerfefyrtfjeiten nidjt auf, abfurbeg ßeug madj' id) nicfjt
auf gemeine Soften mit ^ürftlidjleiten, bie nie au§ ber 2trt
©d)ulben lommen. 51bieu, 51bieu Sefte, ©ein letzter SBrief lag
eine gange 9?adjt auf meinem §er§en unb erquidte micl) ba,
SO?u[icanten erlauben fid) alles.
©Ott toie lieb' id) ©ie!
Zepty, Stuguft 1812.
©ein treuefter $reunb unb tauber S3ruber
SSeettjooen.
K. 23eetf)oöett'3 33ricf=6oncc^t an ßljeruMm, nu§ bem
3a^re 1823. 372)
„§od)geet)rtefter §err!
SDftt großem Vergnügen ergreife tdj bie Gelegenheit mid)
Slinen fdjriftlid) au na^en. Sm ©elfte bin id) e£ fdjon oft
372) Auch darüber ward viel gesprochen und ergänzt. Cf. B. S. Br.
881, 883 (IV. Band), 903, an Schlösser (IV. Band). A. d. H.
— 710 -
genug, inbem id) Sfyre SBerfe ü6er ade anbete tljeatratifcrje
fd)ä^e. üftur mufe bie Shinftroett bebauern, ba% feit längerer
3eit, luenigftens in unferm SJeutfcrjtanb, fein neues tfyeatralifdjes
Sßerf oon Sfmen erfdjienen ift. ©o Ijod) aud) 3f)re anbern
Söerfe oon magren Kennern gefdjäfct roerben, fo ift es bod)
ein ttmfyrer SBerluft für bie Shmft, fein neues ^ßrobuct öljre§
großen ©eiftes für bas 'Xrjeater ^u befigen. SSaijre Shmft
bleibt unüergänglid), unb ber roatjre Äünftfer fjat inniges
Vergnügen an großen ©eiftesprobucten. (Sben fo bin id) aud)
entgücft, fo oft id) ein neues SSerf oon Sfjnen üernefnne, unb
nefune größeren ?fntt)etl baran, als an meinen eigenen; Eurg
irf) eljre unb liebe (Sie. 2Säre nur meine beftänbige Äränfüd)=
feit nictjt Sd)ulb, (Sie in $paris fefjen gu fönnen, mit roeld)'
aufserorbentlicfjem Vergnügen roürbe id) midj über £unft=
gegenftänbe mit $>f)nen befpredjen! ©tauben (Sie nid)t, baß,
meil" id) jefct im SBegriff bin, Sie um eine ©efäüigfeit p bitten,
bies blos ber ©ingang baju fet). 3d) tjoffe unb bin überzeugt,
baß Sie mir feine fo niebrige Senfungsrueife ^umutljen.
Sd) t)a6e fo eben eine große folenne ÜJZcffc uollenber, unb
bin SBillens, felbe an bie europäifdjen §öfe ^u fenben, raeif
id) fie öor ber £>anb nid)t öffenttid) im ©tidj herausgeben
roill. 8dj fjabe baljer burd) bie fran^öfifdje ©efanbtfdjaft fjier
aud) eine ©inlabung an (Se. üftajeftät ben ®önig oon ^ranf=
reict) ergeben (äffen, auf biefes 2Serf gu fubfcribiren, unb bin
überzeugt, bafj ber Sönig felbe auf Sfjre @mpfef)lung gewiß
nefjmen roerbe. Ma Situation critique demande, que je ne
fixe pas seulement comme ordinaire mes voeux au ciel, au
contraire, il faut les fixer aussi en bas pour les necessites
de la vie. 2Sie es aucfj gefjen mag mit meiner Sitte an Sie,
id) werbe (Sie bennod) ade 3e^ Heben unb oeretjren, et Vous
resterez tousjours celui de mes contemporains, que je l'estime
le plus. Si Vous mes voulez faire un estreme plaisir, c'etoit,
si Vous m'ecrivez quelques lignes, ce que me soulagera bien.
L'art uuit tout le monde, wie uiel meljr toarjre föünftler, et
— 711 —
peut-etre Vous nie dignez aussi, de me mettre auch, §it
rechnen unter biefe 3af)f.
Avec le plus haut estime
Votre ami et serviteur
Beethoven."
L. $a§ 9Jtottb pun legten @a^e beä Quartetts in Cis-moll,
Op. 131. 373)
Sn ber brüten ^eriobe marb auf bie mancherlei Sßerfudje
aufmerffam gemacht, tnetcfje S3eethoüen mit ben erfunbenen
Sftotiüen (3J2efobien) fyäufig anstellen pflegte, bi3 jebeä 6in=
fidjttid) feiner ©eftaltung fo jurecht gelegt mar, baJ3 cS gu
allen Intentionen in ber Aufarbeitung be3 betreffenben @atje3
nodfommen bientich fetin fonnte. (Sin 3$eleg bafür mirb mit
bem ^auptmotiü beö 4. ©a$e3 ber neunten (Sinfonie 51t
©djiller'S Dbe in einem gaefimile gegeben; ein noch intereffantere3
foü narfjfteljjenb mit bem SDcotio beS legten ©a|e§ gum Quartett
in Cis moll, Op. 131, getreu nach, ber üorljanbenen <Sft35e 5U
biefem Sßerfe, gegeben merben, bie fiel) unter fo öielen anbern
in ber Äönigt. Sibtiotfjef gu Berlin beftnbet. ©er Sßerfucrje
mit biefem SOcotih ftnb nidjt meniger benn fieben, Oiel(eid)t
bie tjötfjfte ftafy, mefdje je in ben ©fi^en unfern StteifterS auf*
373) Die Autographe der Königlichen Bibliothek in Berlin enthalten
als No. 8 (Kalischer) Skizzen zu den großen Quartetten in B-dur
und cis-moll. Auf Blatt 8 hat Schindler vermerkt: „Zum Quartett
in cis-moll von hier an, abwechselnd mit dem Quartett in B-dur und
der 10. Symphonie." Blatt 11 nach Schindler: „Diese Idee zum Anfange
des letzten Satzes im Cis-moll-Quartett. Alle anderen 6 bis 7 ver-
schiedenen Anfänge (vgl. die Schindlerschen Beispiele) mit einer
anderen Hauptidee folgen später." — In demselben Bande ein weiteres
Heft: „Skizzen zu dem Cis-moll von Beethoven" (Schindler). Auf
Blatt 4 „Anfang zum 4. Satz des Cis-moll Quartetts, jedoch verworfen"
(Schindler). Blatt 18: „Anfang vom 4. Satz des Cis -moll -Quartetts
jedoch verworfen." Hier Schindlers „Notenbeispiele". A. d. H.
— 712 —
gufinben getoefen. Sogar in einer anbern Stactart toarb bamit
ein SSerfud) angebellt; üftro. 5 geigt eö int 2/4 ^oct. ^ür
SRid)tigfeit einzelner Stoten unb aud) Sactftridje fann nidjt ein*
geftanben inerben, tt>eil alle ©fi^ett 2>eetfyoDen'3 fid)tbare Se*
tneife großer $(üd]tigfeit in 9totirung ber Sbee anfroeifen;
bemnad) and) ber 3etd)en batb mctjr, halb toeniger, al3 er-
forberüd).
Nro. 1. „Finale Cis moll."
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M. 2ht§ bcr Sonate Jmtpttque.374)
Grave.
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2)ie im erften, jtüeiten unb brüten Sacte nacfj ftarfem
Stnfdjlage beginnenben ?(ccorbe follen beinahe gang üerflingen,
ba$ gortfdjreiten in rjier angegeigten Sängen unb Bürgen
gefcfjierjt mit meidjem 5tnfd)lage in unbeftimmtem 3eitmafje,
bie ©edj§5et)ntelpaufe mit bem ^Suncte im SBaffe jebeS biefer
brei £acte ift um etttm§ gu verlängern; erft bie legten brei
Slccorbe im brüten £acte finb mit fettem Slnfdjtage unb in
gemeffener S3emegung gu geben, e6en fo bie im öierten £acte
fotgenben bi3 gur germate. 2)iefe ift in ifjrer <&tifta%$mppt
fo frei öorgutragen, tt>ie ber itatienifdje (Bänger jebe germate
374) Es folgen einige Beispiele aus der Sonate pathe'tique. Schon
hier ergeht sich Schindler über das Geschichtliche zur Einführung
Beethovenscher Musik in Paris. Wir müssen jedoch erwähnen, daß
Schindler uns eine große, bedeutende, selbständige Arbeit überliefert
hat, die betitelt ist „Beethoven in Paris". Die Schrift ist auch
selbständig gedruckt als „Zweiter Nachtrag" zur zweiten Ausgabe der
Biographie von Ludwig van Beethoven, Münster 1845. A. d. H.
— 717 —
in betjanbetn pflegt; bie SSorfdjrift be§ (Somponiften bewerft
:ko§ eine fidjere Xactgeftattuitg, ofjtte bem Vortrag ba3 9ftafc
ber £öne aufbringen ju motten, fo menig ber SDidjter ba3
©tylbenmaft bem ©ectamator öorf ^reiben mifl. 23eibe3 fofl nur
Dom gebilbeten @efd)mad be§ <3änger§, <Spieter3 unb ©edamator-S
beftimmt werben. (Srft bie im fünften STacte beginnenbe 5 arte
(Santitene mit it)rem f djroff en ©egenfatje/' bemegt fid) unoerrüdt
im feften 3e^tmaBe tner Sacte rjinburdj, ba§ gmeigeftridjene F
mit ber OctaDe im neunten, bann nod) ba§> breigeftridjene C im
Reimten £acte finb etma§ länger anhalten unb bie fid) an*
tnüpfenben ©nippen mit 3ar^e^ uno fdjöner Stbrunbung
gleicfjfam rjingutjaudjen. ©in Hauptaugenmerk muffen in biefer
ßantilene bie Bürgen ferjn, bamit ifjr GfjarafterifiifcfjeS nidjt
oertetjt rcerbe. ©ie finb bafjer meid) unb etma§ breit gu geben.
2)af$ biefer SBinf nid)t aud) bem ©egenfatje gilt, öerftebjt ftd)
mot)( tion fefbft.
5?teffact)e ©rfatjrung tjat micfj betetjrt, ba$ e§ felbft ge=
bitbeten SJhififern fd)tt>er mirb, irgenbmetdje Stelle, fet) fie Dorn
(Eomponiften nod) fo tief empfunben unb bem ridjtigen 3Ser=
ftänbnife natje gelegt, nicljt mie ein Ittjrmerf abpfpieten; bie
Sd)riftgeid)en beö iji %act§> fjaben batjer biefelben im gmang^
lofen 5tu§brud iljrel ©efütjbo fortan beirrt. 'Sie Umluanblung
aber biefer Sntrobuction in einen '2/i %act, tnoburd) bem oer=
mötjnten Singe bie breigefdmwnäten sJioten entzogen merben, Jjat
bi3meUen ein ermünfdjieS 9^efuttat getjabt. QtiQt ber 5lugen=
fdjein be§ in ber t>orau<§geIjenben ©rgöngung angeführten aftotiüä
auS bem Cis moll=Ouartett, mie S3eett)ooen mit feinem SDZoriü
$erfud)e in oerfdjiebenen Sactarten gum 23ef)ufe beabfidjtigter
©eftattung be§ gangen ©atjeS angeftellt, (tljematifd)e ©urcfj*
fü^rung,) fo fotl ber reprobucirenbe Äünftler ärjntidje $erfud)e
gum Seljufe richtigen Vortrages, menn aud) bto§ mit einzelnen
Reiten eines großen 2Berfe3, nid)t üerfdmtärjen. 3U fixerer
Sluffaffung fdjmieriger ©teilen oedjetfen pmeilen gar rounber*
licfye Sßerfudje auf ©eitenmegen.
— 718 —
@eitenfa§ aus bem erften Sütegro
pocco dimin.
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ufto.
(Srfcfjeinen bie beiben principe (©egenfä'jse) in ber 3>ntro=
buction nur erft angebeutet, fo björen mir fie in biefem <2eiten=
fat> in gebräugter $orm ftcfj neben einanber toieber^oft au3=
fpredjen. ©etbft ber üertrodnetfte ©fatoierfe^rer bürfte nicl)t
anftetjen, biefem ©a§e eine befonbere S3ebeutung aujuerfennen,
roenn irjm berfetbe in runfttertfct) burcrjbactjtem Vortrage §u
©et)ör gebraut loirb. £ie erforberlidje üftuancirung liegt mit
borftefjenber 83egeicf)nung offen 5U Stage. ©a§ öfter bor=
fommenbe 3eid)en v foü nid)t b(o§ einen üerftärften 3fccent, aucf)
nodj ein fteineS ^ertueiten auf ber betreffenben 9?ote anbeuten,
tnoüon aber bie begleitenben (Stimmen in ber Unten §anb
feine 9?oti3 netjmen; fie bemegen fid) in feftem ßeitmafj bi§
jum testen £act ber ^eriobe. (©iefje bie (Scr/ufemorte öon
*Jfy ®m. 93acr/3 ßet)rfat3, II, 227.)
Sin grceiten <3a£ ber Pathetique „Stbagio" festen öiele
btynamifdje SBe^eicrmungen in allen £)ruden. ©djon im S£rjema
erfjebt fid) ber SluSbrud üom piano (Eingang) bi§ ^um
mezzo forte im 6. £acte, unb fefjrt am ©djluffe (im 8.
Xacte) mit einem diminuendo jum piano gurüd. SBarnteS
©efüfyl im SSortragenben mirb bie ferjtenben ©egeidinungen an
ber red)ten (Stelle unfdjroer 3U erfe^en miffen. gurüdljalten
ber SBemegung, 5. $. bei ber ©efangftelte in F moll üom
17. bi3 23. %act, unb $ormärt3get)en mit ber S3emegung,
üom 37. Sacte an b\§> §um SSiebereintritt be§ £)auütmotiü3
in As dur, gehören tjier im galt, roie in jebem anbern 2lbagio,
— 720 —
gu ben roefenttidjen Grforberniffen ber SDarftetfung im ©eifte ber
Stoubid)tung. (©ielje 9)2 uficalif djen 3$ett oon Seite 575 bi§
579.) 9?ur ber gebilbete $unftgefdjmad roirb im 3ur"cf^alten
ttne aud) im &lormärt§gerjen ba$ richtige 3ftafs treffen, oft aber
erft liad) merjrfadjen Sßerfudjen. Sern ©efütjle aflein ift nidjt
3U öertrauen. — ferner finb in biefem ?(bagio fomorjt rfyetorifdje
Raufen mie Gäfurcn mctjrfacrj angumenben. Unerläfeüd) roirb
eine foldje Sßanfe fetin tior ^Beginn ber Gantilene in F moll,
unb eine Säfut Hör ber in As moll im 37. Sacte.
3m britten ©afte „9ionbo" feljlt feinet ber notfyroenbigen
SBortragSgeidjen, roenn man bjiegu blo§ bie übficfjen gäfjten roitt.
2)er benfenbe ©pieter roirb aber nad) bem fyier eingeführten
bie ©teilen balb auffinben, roo er bie, bie SBirtung nod) gu
ertjöfjenben äßittel muficalifdjer 9\ebefunft anguroenben f)at. 2)a§
4J>auptmottö biefe3 (5a|e§ in ber Jjumortfttfdjen Sßeife anfd)au=
üd) madjen gu rooften, roie es 23eett)ooen fetbft tiorgetragen,
roiberftrebt jebem Serfudjc mit SSorten unb 3e^en-
9Jcögen bie sperren „Glatiier=sJ)tafter" fortfahren, biefe
(Sonate foroof)! rote alle nnbern ber erften unb großenteils
aud) ber groeiten ^eriobe, toeil fte feine fingerbredjenben ^Saffagcn
enthalten, gu ben „fleinen" 511 gälten, unb au3 biefem ©runbc
felbe oon itjren ©d)ülern mit unb oljne latent abflimpern gu
laffen. ®§ fann nad) allem 9lu§gefagten nicfjt meine 2lbfid)t
fetin, fte eine! SBeffern belehren gu motten. Senn mer fid) nidjt
belehren (äffen roill, ober bie $affung3fraft für JBeffcreS nid)t
beftgt, an bem fdjeitert fogar ber pofttiofte SBeroeiS. 2)ie Gn>
folge oon 9)?antetreben in ben ÜBSinb gehalten tjabe id) bei mir,
mie bei Sinteren, fdjon oft genug gu beobachten ©etegenfjett ge=.
fjabt. ©§ feti gier nur nod) bemerft, baß e§ bie SSctt root)t
nod) nid)t gefetjen tjaben bürfte, baß ©djtfler'§ große ltirifd)e
©icfjtungett gu Vorlagen für ©d)üler auf ben unterften ©tufen
gebraucht roorben mären. 9J?it ^onbidjtungen aber, bie mit
jenen auf gleicher Jpölje ftetjen unb bie tjoctjften Slnfprüdje an
bie SBortragenben ftellen, pflegt mau e» anberS gu galten,
— 721 —
natürlich, man fiet)t ja nur geidjen uor f% toetöje Zone be-
beuten. Sn folgern $erfat)ren offenbart ftd) nitfjt nur ber
flägtid)e 23ilbung§grab bei bem allergrößten XtjeUe derjenigen,
bie fiel) mit bem Unterrichte ber Sugenb befaffen, e§ mirft über-
Ijcmtit ben ftärtften Scfjlagfrfjatten auf bie tion Stfterfritilern
fortan geuriefene intelligent unferS muficalifetjen ßeitalter§.
N. ©efdjid)tltdje§ über ßinfütyrung SBeeujotien'fdjer SÖtuftf
in Sßari§.
tiefer gefdjicfjttidje Umriß finbet in hm Einführungen beö
3)cuficatifd)en £rjeite§ (Seite 611 feine Segrünbung. Söiebertjolt
muß anerkannt merben, baß ot)ne ba§> ^Sarifer ßonfertiatoire
üorneljmlict) bie gefammte Slatiier^ufif unferS 3fteifter<§, bie
buret) bie fjeranbrängenbe $(utt) ber mobernen bereits um bie
SJtitte be§ äloeiten SafjrgctjenbS oom Repertoire gu tierfdjtoinbett
begann, niemals mieber it)re 2tuferftet)itng gefeiert tjätte. ©iefem
funftrjiftorifcl) tt>ic£)tigen (Sreigniß timrb im Sfadjtrag §u ben
früheren Auflagen biefer ©djrift eine auSfüfjrtidje ?tbt)anblung
gemibmet, bie fiefj gleichzeitig fritifcX)=6etract)tenb über bie außer*
orbentlidjen Seiftungen biefeS ^arifer SnftitutS tierbreitet tjatte.
@egenmärtige3 fott fiel) jebocfj b(o§ an ba§> ©efdjicrjtlidje galten
unb geigen, weldie ^ßrjafen bie 23eett)otien'fd)e SDJufif burdj*
gumaerjen gehabt, bis bie (Eonftituirung ber Societe des Concerts
eine £rjatfad)e gemorben. 3u9^e^ foff eS bie SJcänner narntjaft
madjen, meiere eine Reirje tion Sauren tjinburet) bemütjt gemefen,
bie Stuf nannte ber 23eett)otien;)d)en Snftrumentat-^tufil im (Son=
fertiatoire trofc alter §inberniffe anjubarjnen. £)iefe£ Sßerbienft
gebütjrt ju aUernäctjft brei 2)eutfd)en, bereu 9iamen in ber
9Jhrfinoelt tion gutem Stange finb. (Sie Reißen: llrtjan, ©ina
unb ©t o dt) au fen. (Srfterer, au§ SKontjoie im Regierung^
bewirte 3lad)en gebürtig, tuarb feinet feltenen latente! megen
fd)on al§ Snabe tion ber Saiferin Sofeptjtne nad) $ari3 ge=
2t. ScJ)tnMer§ 95eetijoöe:t=58io8rat>tjic. 4g
— 722 —
nommen unb im Sonferbatoire erlogen; Den tarnen be3 anbern
§at ber 2efer unter ben äKttgliebern be§ 9iafumom§fr/fd)en
Quartette in 2Bien nennen gehört, unb ©tocffjaujen mar Warfen«
birtuofe unb tjatte, ttrie Sina, feinen beftänbigen Sfufentfjalt in
$ßari§ genommen, liefen brei föünfttern berbanft ber SBerfaffcr
bie betreffenben £aten, bie bon ^abened, £utou, $b,üipb,
unb anberen 9)?ttbegrünbern ber Societe des Concerts, bem
S?crfafjer gegenüber als maf)r bekräftigt morben ftnb.
93i3 in'S Satjr 1800 mar Seettyoben'S 9came in ^ari§
nur einigen Duartett=Spie(ern befannt, barunter £>abened unb
^tjilipp. Sßaö (Eljerubini über bie in Sßien gemachte 33efannt=
fc^aft mit ben Crdjefter*2Berfen be3 beutfct)en äMfierä ben
^ßarifern mitgebracht, mar für biefetben nid)t§ meniger a(s bor=
tfyeiftjaft, — barüber fdjon be§ 9Mt)eren gefprodjen morben.
&ber gerabe biefe Sluäfagen maren Sßerantaffung 51t einem $erfucb,
mit ber erften Sinfonie, ber gum Sßorttjeit be§ SBerfeö auä=
gefallen. Sm Sa§re 1807 erhielt bie 2lllg. 3Ruf. £tg. auö <}Sari3
einen furzen Seridjt über ba$ (Sonferoatoire, beffen SJSortlaut
nad)ftet)enber ift: „Sfyerubini t)at feit feiner .ßurücf fünft au§
SBien, in ©efellfdjaft mehrerer treuer unb t)ocf)ad)tung§mürbtger
Sefjrer, bem (Eifer ber ßöglingc be§ GonferbatoireS nicf)t nur
einen neuen Sdjtuung, fonbern aud) eine befonbere, auf ba3
©rnfte, ©rofje unb Strenge gerichtete Sßenbung gegeben ....
Wad) mehreren, niemals bom publicum begünftigten, früheren
SBerfudjen, 5. 25. bie SJcoäart'fcfjen (Sinfonien befannter §u machen
unb iijnen ben berbienten (Eingang %u berfdjaffen, berfudjen Sie
bieö bod) immer röieber, unb e§ fängt nun an ifjnen gu glürfen —
befonberg aud), ha bie jungen äftufiler biefe Sinfonien, nadjbem
fte fte mit ben Seljrera einftubirt tjaben, gan§ bortrefflid) aus-
führen. 25or einigen SSodjen berfudjte man e§ nun aud) mit
23eett)Oben'§ Sinfonien unb gab bie erfte meiftertjaft. *3)a biefe
fet)r lebhaft unb meiftenS teidjt berftänbtid) ift, aud) manches
angenelmt4aunige f)at, fo ließ ftd) ber 93eifaü borauefetjen: aber
bod) ein fo auSge^eidjneter nid)t! . . . 3e£t ermartet man nädjftenS,
— 723 —
aufjer mehreren Sftojart'fcfyen, üftro. 2 ber ©infonien üon 93eet=
tjoOen, mit tuetdjer man aber etoa£ fdjmerereä ©piet fjaben
mirb, ba fie, bei fdjmierigerem rjarmonifdjem ^Cnttjeit, fo beträcrjt=
tid) länger ift, at§ man e§ fjier nod) gemotjnt tuerben fann.
Snbefe, ma§ ü)ut bei un§ ein einmal aufgeregter @ntt)ufia3mu§
ttidjt!" Stttg. 9)?uf. ßtgv 9. $af)rg., ©. 516.
2)er (Sorrefponbent f)atte bie flippen richtig üorauSgefefyen.
©er burd) bie erfte ©infonie aufgeregte @ntt)ufia§mu§ marb in
$otge ber Sänge einiger ©ä§e ber feiten ööüig mieber erfticft
unb ba§ 2Ber! fatlen gefaffen. ©eitbem backte Sftiemanb baran,
e§ mit ben fotgenben $u oerfuctjen.
®ie Dccupation ber oerbünbeten SDcäctjte braute 1815 einen
fönigt. preufcifdjen SBerpflegungSbeamten, 9?amen§ $ari3, in
bie frangöfifdje §auptftabt, öon bent ber näcfjfte SmputS im
Sntereffe ber 25eetl)oüen'fd)en 3nftrumentat=9Jcufif; ausgegangen
ift. ?tt§ befonberer 9Jcufiffreunb unb fetbft Stuäübenber fyatte
biefer Beamte halb einige beutfd)e 9)?ufiter an ftc£> gebogen,
barunter Urf)an unb ©todfjaufen. Stuf feine @mpfef)lung
ttefj ber teuere bie Siufonia eroica au§ £)eutfd)tanb fommen
unb übergab fie in Segleitung üon Urtjan an £abened*), ber
jur 3e^ ftf)°n °*e ßoncerte ber gögtinge be§ SonferüatoiresS §u
feiten gehabt, ©rft nad) längerer 3eit fcfrjritt biefer gu einer
^robe baöon. dlad) bem erften ©afce lachte atteS taut auf,
fo nacfj bem jmeiten unb e§ toftete ttic£)t menig Ueber*
rebung, ba§> Drd)efter gum ©urdjfpieten ber nod) fotgenben
©ä£e gu oermögen. ©omit fdjien ber 23eetljoben'fd)en 9ftufit
bafetbft ber ©tab für immer gebrodjen, unb ba fetbft §abened
ben 9ttuü) tiertoren, tootjt audj nod) 5U menig @tnfid)t in bie ©adje
getjabt fyaben mochte, fo mußten ade Weiteren $erfud)e aufgegeben
unb bie &\t ber fortgefcfjrittenen 23itbung, ober ein abermaliger
öon 5tu^en fommenber Smputö §u erneuerten SBerfucrjen, ab=
gemartet merben. Sn^mifdien marb mit ben bereite bekannten
*) §abenecf'§ SSater war aus sIRann()etm gebürtig, er fefbcr aber in
Sßari§ geboren unb üerfianb fein Sßort ©eutfcö.
46*
— 724 —
SBerfen greüet getrieben unb nur feiten gefdjal) es, ban man
irgenb einen %fyÜ a(§ Südenbüfcer gebraucht fjat. 23eetf)oüen
fjörte Don Duabriüen unb hängen, bie man auZ [einer SQcufif
in $ariS madjte.
©egen 1820 fam Sina nad) SßariS unb enifdjfoj} fidj
balb, feinen bteibenben 5lufentt)att bafelbft gu nehmen. SDie
ärgerlichen 3uf*änbe mit SeetfjOüen'S fämmttidjer DJcufif uer=
anlasten it)n, nad) längerer 3e^ m ©emeinfdjaft mit llrljan
nod) einen, oielleidjt ben testen Schritt bei §abenetf ^u tt)un.
9cad) feiner 2Inficf)t füllte ber näcfyfte Sßerfud) mit ber C moll=
Sinfonie gemalt toerben, üon beren ©jiften^ fogar bie ftortipl)äen
im Gonferüatoire nod) feine Slenntnift gehabt, ßin Ummeg
marb öorgefd)(agen, um menigftenS ^abened's Steugierbe nad)
bem SBerfe rege ^u machen. Ss> roarb ifjm nämtid) ein anonymer
23rief §ugefct)icft, ber üerfd)iebene Öcotijen über bie C moll=
(Sinfonie enthielt, mie fte nur Sina 5U geben öermodjt,
ber aud) biefeö SBerf unter be§ SD^eifterö perfön tidjer Leitung
fennen gelernt. §abened fjatte geuer gefangen unb münfdjte
bie Partitur §u fetjen, meldje Urf)an glüdttdjermeife in ber
fönigt. 23ibIiott)ef öorfanb. 9?ad) siemücr) langer 3°9^*ung
fam e§ gu einer ^Srobe baüon, bie befriebigenb auffiel; aber
erft in einer ber folgenben fing e§ in ben köpfen ber 9J?u[ifer
an §u bämmern. Unüerrceilt fdjritt man ju Sßerfudjen mit
ben anbern Sinfonien, bie nod) unbefannt geblieben, unb fiet)e
ha, ber (Srfotg mar gur Ueberrafdjung Mer bem mit ber in
C moll erreichten gteidj.
2)ie3 maren bie öerfdjiebenttidjen Anfänge mit 53eetf)ODen'§
Snftrumentat=9)?ufif im ^arifer Gonferöatoire. 2)ie immer
größeren (Srfolge bei öermefjrtem ^ertrautmerben mit berfetben
erzeugten in fämmtttd)en Äünfttern eine 53egeifterung unb ein
bi§ bafjin nod) nict)t gekanntes §od)gefüt)t, beffen fid) biefetben
nod) im 3af)re 1841 mit ebtem Sto^e erinnerten. 3d) fyörte
fie fagen: „33eett)ooen letjrte unö bie $oefie ber Sonfunft,
feine Sftufif ermedte in um§ guerft ba<S Semu^tfeftn ber 2Bürbe
— 725 —
unb öebeutung unfereS 23erufe§, unb nadjbem mir itjn jum
Srjeil begriffen Ratten, erfannten mir auctj bie un3 obtiegenbe
^fticfjt, bie Verbreiter feiner SOcuftf; roerben 31t f ollen. @r ift
unfere $reube, ober aucfj unfere Veräroeifhtng, roenn mir it)m
nadjftreben motten."
2)a§ $ebürfnif$ §ur SBegrünbung eines gefcfjtoffenen Vereines
§ur 9tealiftrung eine§ fo rwrjen Qroedtä füllte Seber; allein
£n'nberniffe mannidjfadjer 2frt traten beffen Gonftituirung
entgegen, h\§> bie ®unbe öon Veetfjoüen'» Stob aüe befeitigen
r)alf. ©djon im Sanitär 1828, neun ütfonate nadj be§
9Jieifter3 §eimgange, eröffnete bie Societe des Concerts itjre
©ituuigen. SDer SBettruf itjrer Seiftungen mact)t Ijeutäutage
jebe§ SSort p ifjrem Sobe überflüffig. 3ludj nad) bem §in=
fdjeiben §a6ened'3, ber bie ©eele be§ (fangen geroefen, be=
Rauptet ficb biefe feine ©djöpfung (bem ©eifte nad)) at§ ba§
erfte Snfritut ber SBett.
(3ur ©teile mirb e§ nidjt ofjne Sntereffe feint §u erfahren,
mie e§ ber SKuftf unferS SJceifterS in (Sngtanb ergangen ift.
©cfjon um ba§ Satjr 1812 Waren bie Sinfonien bon 1 bi§
inctnfine 6 auf bem Repertoire ber prjilfjarmonifcfjen ©efeü-
fcfjaft in Sonbon unb erfreuten fic£) alle gleichen SBeifattö; be=
äügtid) ber ^aftorale ift tjerooräurjeben, baf? biefelbe nirgenbS
weniger 2(nftoJ3 erregt rjatte, at§ eben bafetbft. Sd)on nad)
einigen SSieberrjotungen warb ifjr ooüfommene SBürbigung ju
%tytil SBenn fid) a6er beffen ungead)tet noctj einzelne ©iffenterS
gegen bie 3., 4., 5. unb aud) 6. fanben, roetctje bie beiben erften
Sinfonien aüein gelten laffen wollten, fo Wirb biefe (Srfdjeiuung
au§ jenen Sarjren wotjt weniger auffallen, als wenn man
llübifcfjeff fogar im fecpten Sarj^eljenb nod) ber 1. Sinfonie
ben SßreiS guerfennen rjört. (Sr nennt fie in feiner Sttojart*
Viograöfjie „bewunbernswürbig," — weit er äKogarFS Strjl
barin finbet. — 9tod) 1816 ift üon einem in SBien gewefenen
englifdjen ©eneral, Samens §am, (oorgebtid) im auftrage ber
pfjUtjarmonifdjen @efeHfd)aft) unferm 9D?eifter ber Antrag ge=
— 726 —
madjt morben, gfoei (Sinfonien im ©tt)(e feiner 1. unb 2. für
biefe ©efettjdjaft ju fdjreiben. @8 läfjt fid) benfen, meld)' un=
tiebfame Shifnaljme biefer Antrag gefunben. SllSbalb marb aber
SSeetljoöen in $otge birecter anfrage in Sonbon oergettnffert,
bau ber (General nur feine perföntidjen SBünfdje au§gefprod)en
Ijabe unb afö auäfdjftefeftdjer SBerefjrer 3J?05art'fd)er SOcuftf
befannt feto.)
0. ©in 9lütfblicJ auf SBeetljotoen'g ganbftftltotfje! unb bic
öffcntlidje SSerftetgentng bc§ mufUaltfdjen 9lnd)toffe3 im
9io*em*er 1827.37B)
SBer ba<§ früher tion mir über beS 9J?etfter3 93ib=
liotljef 2(ngefül)rte in Sßerg(eid) fteüt mit ber in „Seetljoöens
©tubien" ©.41 u. ff. gegebenen „geridjttidjen Snbentur unb
©djätmng ber ^ur SBerlaffenfctjaft gehörigen SOiuftcalien unb
SSüdjer be§ oerftorbenen 2onfe§er§,M mirb in ber muficalifdjen
?(btt)ei(ung einen auffallenben SSiberfprud) finben unb fragen:
auf metdjer ©eite ftefyt benn bie SSat)rt)cit ? 2Säf)renb ber
Siograpt) unter anbern augfagt: „93on Sof. §aübn unb
(Sljerubini mar feine üftote ba, u. f. m." fü£|rt jene§ SSer^eidjni^
in ber SRubrif „gefdjriebene 9J?ufif" bie Partitur üon ©t)eru=
bini'3 $ani£fa nebft 21 üerfcfjiebenen ^ßiöcen, ebenfo öon £mt)bn
unb üücojart öerfdjiebene 2öerfe auf. 2>e3g(eicfjen erfdjeinen in
ber 9tubrit „geftodjene 9Jcufif" brei SBerfe oon §at)bn unb
mehrere oon SD^ö§artr 9tod)a, ©atieri, (Sfjerubini, SKeljuI,
^SaefteEo, ©eb. 23ad) u. a.
lieber foldje !Retc^t)aCtigfeit allein in ber muficaüfdjen 51b*
ttjeilung (bei notorifdjem Stbgange felbft eines fleinen 9Jcufif=
ober S3üd)erfd)ranfe§ in be3 äfteifters? befdjeibener Söofmung)
375) Über die Versteigerung von Sachen Beethovens wolle mau
auch nachlesen: G. von Breuning „Aus dem Schwarzspanierhause".
Neudruck. S. 188 f. A. d. H.
— 727 —
fjat ber SSerfaffer atSbafb feine $errounberung unüerfmten au3=
gefproctjen, als it)m biefeg ^eräeidjnifj in SBicn ^u ©efidjjt ge=
fommen mar; mit üoller ©idjetfjeit lonnte er fidj äußern, ba^
biefe nnb jene in bemfetben mit aufgeführten 2öerfe 25eett)ooen
nictjt befeffen nnb ba% fetbe burdj trgenb jemanben miberred)t=
lief) eingefdjmuggett morben, um bei ber SSerfteigerung anfet)n=
lidje greife bafür §u e^ieten; baft bergleictjen bei Sfadjtaf^
oerfteigerungen berühmter Seute oft §u gefcf)er)eit pflegt, ift ja
befannt. SWidjtS feister aber afö ein (Sinfcfjtnuggetn frember
©egcnftänbc in ben ÜRadjtajj jegtidjer SXrt unferä 9Keifter§, ba
ber 33erIaffenfdjaft8*(Surator ba§ 3lbt)anbetn biefer mistigen
Slngelegenfyeit einem SDfanne übertragen Jjatte, ber mit ben
^panptagenten bei bem SSerf teiger ung§* Stete auf oertrautem gufje
geftanben unb in 9fted)t§fad)en überhaupt fetjr geringen $er=
trauend genoffen — menn nicfcjt mef)r gu fagen.
bereits fjaben bie Sefer au$ bem ©rgängunggauffa^
„Seetfyooen'ö ©tubien," mie nict)t minber au£ ber 9ftanb=
note (Seite 371 einen SSorgefctjmacf ermatten, mie mit bem
mufieatifdjen ^cadjlaffe bei beffen SSerfteigernng berfatjren
morben.*) Qu ftarer Gsinftdjt in biefe djarafteriftijdjen 2)inge
merben einige aus ber $eber be§ muficatifd)en 9tntiquar§ SltotiS
$nd)§> an ben Sßerfaffer gelangte 9Jäitt)eitungen bienen. Unterm
30. (September 1851 fcfyreibt ber mürbige, meiten Greifen be=
fannte SJcann:
„ . . . . 2Ba§ bie Driginal=^artitur oon 25eetf)oüen'3 $ceffe
in D# betrifft, fo fann ict) Sfynen gotgenbeS au§ eigenem (£r=
lebnift mitreiten:
®§ mar im §erbft be§ Sa^reS 1828, afö mief) ber Sfynen
gemifj aud) bekannte muficatifdje ©efd)id)t3forfd)er ©. ^ßöldjau
au§ Berlin befudjte, unb ba mir fdjon lange im autograptjifcljen
SSerfefjr ftanben, mid) fragte, ob ict) it)m nid)t ein fdjöneä
*) (£§ öerbient bemerft ju merben, ba$ ben au§tuärtigen Verlegern
biefer 9Serfteigernng§=9lft gänsltcf) unbefannt geblieben, barnm Don bortfjer
leine Soncnrren^ gefomrnen ift.
— 728 —
2Iutogro.pt) üon ^eetljoben üerfdjaffen tonnte? S5a id) 6et
33eetljoüen'3 STucticn Slugengeuge mar, mie bie Verleger Slrtana
unb ipaStinger 3Btte3 gufammenrafften, unb fetner armen (SI)riften=
feefe etma3 gufommen (offen moüten, fo rietf) id) §rn. ^ßötdjau
gu einem biefer Ferren 511 geljen, um fid) etmaS auögufudjen.
(£r entfdjieb fid) für 9(rtaria unb bat mid) ü)n bafjin ju führen.
@l mürben un§ mehrere Driginaüen üon Seettjooen oorge^eigt,
bie mir mit bem größten Sntereffe befdjauten. Unter biefen
befanb fid) aud) bie Partitur ber feiten Stteffe in D? in un=
geljeuerm gr. $o(io-gormat, unb Sßöldjau taufte ba§ gange
Kyrie um 4 (2t. 3)ucaten in (Mb. 3d) erinnere mid) nod),
bafc p Anfang be§ @tüde§ öon 23eetf)oüen'S ftano gefd)rieben
ftanb: „9§om feigen fam e3, §um Jpergen möge e§
gefjen."*) (SS geljört aber ein faufmännifdjer $anbali§mu*
baju, üon einem fotdjen SSerfe ba§ Kyrie einzeln gu üerfaufeu,
unb fo ba§> ©ange roie ein gefdj(ad)tete3 Samm pfunbmeife aui^
§ufd)roten. 9Sie mit ber ©ortirung be$ Q3eett)oüenfdjen %lafy
(affeg umgegangen mürbe, tjabe ict) felbft erfahren, inbem id)
mir unter an bem Stutograpfyen aud) ba3 Kyrie ber erften SOJeffe
in C taufte, nad) Sauren aber eben bei 9trtaria baZ Gloria
biefer 9J?effe fanb, meldjeg id) um fernere Opfer an mid) bringen
mußte, um biefes? fcfjöne SSerf nur einigermaßen gu ergänzen.
Seiber get)t ba§> Gloria nur bis> gum Quoniam, unb mo ber
9teft fet)n mag, miffen bie ©ötter. ?(tle angemanbten SBerfudje
ber Sluffinbung blieben frud)t(oö. $ietfeid)t miffen «Sie hierüber
Sefdjeib?"
Setber fonnte id) bem treffüdjen Spanne nidjt3 erfreulid)e*
ermibern, ba id) mid) §ur ßeit be3 $erfteigerung3=2Tcte3 in ^JSeftf)
befanb. (£§ gab metjr benn einen @runb bem 3ufa^e 3U
banten, ber mid) üom Sdjjauptatje fo ärgerüdjer Vorgänge fern
gehalten, fid)erüd) märe id) im Stampfe mit ben greütern allein
*) 2£Iot)§ gud^S bemerft tjier in einer 9tanbnote, bafc ftdj biefe§ Kyrie
gegenwärtig in ber berliner §of=23i61iot^ef befinbe fammt bem ganzen
^öidjau'id)en SRacfjlaffe. S)ort tjat e§ aud) ber 53erfaffer gefefjen.
t- 729 —
geftanbeu, roie fo oft im Saufe ber fotgenben Saljre. Snbefc
fyatte obige SJcittrjeilung fo 3J?and)eS in ber Erinnerung roieber
macfj gerufen, bem nun burd) ©efättigfeit bon 2lfot)S $ud)S
weiter nacfjgeforfdjt roerben tonnte. <5o fagte mir aud) bie @r=
innerung, bajj baS 9{ufnal)me=$8er5eid)nif$ beS 33eetrjoben'fdjen
9cacfjtaffeS bie Partitur üon ber Missa solemnis nidjt enthalten
unb iclj mid) bergebenS bemüht r)atte p erforfdjen, rooljin biefeS
anfeljnlid)e Sßolumen gefommen, baS bis §ur ©terbeftunbe beS
SKeifterS auf bem 3}üd)er~9tebofitorium 51t fetjen geroefen.
?(. $udjS erbat ftd) in ber Standet bon Dr. $8ad) Einfielt in
jene§ SSeräeidjnijs unb fanb genannte Partitur roirfticfj nidjt
barin. lieber biefeS Ergebnis berichtet er mir unterm 28. Dctober
1851 9cad)fte§enbeg:
„ 2tuf merdje SBetfe §x. % in ben 23efi§ beS
Originals bon Sßeetljoben'S 9)?effe Djf gefommen ift — biefeS
bermag icf) nidjt 51t erflären; man muji raoljl tjoffen auf feine
anbere $trt, aU burd) ben Stnfauf in ber Slucrion; hak biefeS
&tM im Snbentar nidjt berjeidmet mar, beroeifet nur aber=
matS, mit roefdjer ©adjfenntni^ jene Männer auSgerüftet roaren,
roeldje ben muficalifdjen Sfadjlafi 23eetrjoben'S georbnet unb
ber^eidjnet Ijaben. Sdj fjabe bie ©buren foldjer SIbfurbitäten
in £)änben, tote man mit biefen ©djätjen geroirtljfdjaftet rjat." u. f. ro.
9ttöge mit SSorftefjenbem nun aud) baS (Sabitel ber ber=
tegerifdjen grebel an ber ^erfon beS großen SDceifterS roie aud)
an feinen ©eifteSbrobucten gefdjloffen ferjn, obgfeid) eS beimeitem
nidjt erfdjöbft ift. Sie gereifte ©träfe bafür roirb jeber reblidj
"Senfenbe felber $u bictiren rjaben. 23ie(teid)t bemädjtigen fidj
bie literarifdien ipetferSljelfer biefeS gercif3 inljaltfdjroeren (SabitefS
unb merben e§ fo fdjön au^ufdjmüden berfterjen, bafj bie $reb(er
in adjtbaxz ^uuftförberer umgeruanbelt erfdjeinen, benen bie
gefammte 9Jcufifroeft 511 'Saufe berbfüdjtet febn folt. Sergleidjen
mar aud) bereits ba, roeit bie offieiöfen Söüdjter über Shtnft bei
rügenSroertljen Saaten einzelner Verleger feit beginn beS
4. 3arjr§efjenb§, als bie §errfdjaft ber mobernen 3Sirtuofen nnb
— 730 —
burd) [ie bie „<Salon=9)htfif" ijjreit Anfang genommen, immer
burcf) bie Ringer gefefyen, benfeHben bafyer freiet ©piel gefaffen
fyaben. ©urd) fo(d)' pflidjtmibrige§ ©djmeigen ift an ben SSefjer*
geftnnten biefe3 ©efdjäftäaroetgeS ein Unrecht begangen werben,
weil man nur gu geneigt mar, £)iefe mit Senen in gleiche Sinie
ju ftetten. Sine rüfjmtidje 2lu3naljme f)at allein ba$ ^> i r f et) =
bad)'fd)e w9?epertorium für Sftufif" toäljrenb feineö nur 5tt>ei=
jährigen 23eftef)en§ — 1844 unb 1845 — gemacht. @g I)at
jebod) üergebücf) SSHrfungen befämpft, bereu Urfacfyen e3 nid)t
§u entfernen üermodjte, inbem biefe bereite ben ganzen Äörüer
rote ein freffenbeö ©ift inficirt Ratten. Sei ben nunmehrigen
ßuftänben jenes 3roeige3, ber längft aufgehört einen „Sunft*
fjanbel" ^u betreiben, ftd) oielmefjr in einen bloßen SQ^uftftjanbel
mit gan§ üerfdjiebenen Gegriffen unb Qmdm umgeftaltet fyat,
mürbe fetbft bie üon jebem ©influffe öon jener (Seite unab*
gängige ^ritit* fid) Oergebenä bemühen, um eine 2tefferung im
SßerlagStoefen jum $8ortIjeiIe matjrtjafter $unft unb üerbienter,
3ufunft üerfjetftenber Äunftjünger 51t erftreben, — unb eine
©djmalbe madjt audj t)ier im $all feinen (Sommer, raenn man
ja auf 23egünftigung etma eine§ in biefe Kategorie gätjtenben
latentes tjinmeifen wollte, ha§> nietjt feine einer Ijöfjeren (Som*
pofition§=@attung angefjorenben SBerfe auf eigene Stoffen
bruden laffe. — §anbel mit fdjon berühmten 9camen, ofme
9tüdfid)t auf innern SBertt) it)ver s^robucte, ift in feinem ®unft=
^meige meljr ab§ in ber SOZitftf bie signatura temporis.
P. SBorljtrnbene Reliquien Don Seetljobctt.376)
©egenftänbe, bie großen Scannern bei rtjren täglichen 33er*
ridjtungen ftetö gur §anb maren, ftfeibungSftüde, Steile oon
ifjrem ^auSgerätfye, unb anbereS nod) au3 it)rer einfügen Um=
gebung, finb 5U allen Qdkn als merttjooße @rinnerung^eid)en
f)od) in @f)ren gesotten morben. 3n foldjem SBetradjte t)aben
376) Viele der hier von Schindler genannten Sachen Beethovens
werden im Verein „Beethoven-Haus" zu Bonn aufgehoben. A. d. H.
— 731 —
Stepfjan üon SSreuning, Dr. 95ad) unb ber SSerfaffer für
münfd)en§mertf) befunben, einige ®egenftänbe au§ $eetrjooen'§
.f)intertaffenfcr)aft, beren jeber an fiel) üon geringem, ober Don
gar feinem (Mbmertlje, a(§ (Srinnerung^eidjen an ben großen
ßünftler aufeubemarjren. Unsere Sßaljl fiel ^umeift auf Uten=
filien Don feinem <Sd)reibtifd)e, ber in früheren Satjren ein
9tepofttorium für üietertei ©adjen getoefen, bie ben SBefdjauer
trjeitS in bie alte ©rieben* unb Sftömerraett üerfe§ten, tljeity
3eitbegebenf)eiten üor Slugen fteüten, unb roenngteiefj aufteilen
aU (Spielereien auäfefjenb, für ben ernften (Sinn be3 9D?eifterS
bennod) feine maren. Seiber, bafj bie meiften biefer ©egen=
ftänbe nod) bei feinen Sebjeiten üerforen gegangen, raie am
anbern Drte bereits auSgefagt tuorben.
Unter ben öom 3Serf affer aufbewahrten Reliquien befinben ftd):
a) Sine $enbetuf)r in $orm einer umgeftürgten ^^ramibe
mit einem Keinen grauenfopfe oon ?tfabafter. (Sin ©efdjenf
ber gürftin £id)nom§fü.)
b) SSon ber <panb Seetfyooen'S copirte Snfcfjriften üü§> bem
Tempel ber ©öttin Sfteitl) in (Sgtipten, (in 3M)men unb unter ©laS.)
c) (Sine Heine SanDfdjaft au$ 23eetfjooen'§ paaren oer-
fertigt, unter ©la§.
d) (Sin meffingener Seuctjter mit einem ©ctjirm. ((Sin Slmor
in einem S^adjen fitjenb unb ben Seucfjter mit beiben §änben
fyaltenb.)
e) 3^e^ ^ofafen oon SBronje al§ 93riefbefd)toerer.
f) ©ine Heine Sifdjgtode.
g) (Sine grofje ^5apierfd)eere.
h) 3roei Siegel mit SSeetljoüen'S Initialen. S)a§ gro^e
nannte er fein «StaatSfieget.
i) gmei dritten in befonbern Futteralen; auf bem einen fteljt
oon SSeettjoOen'ö §anb gefdjrieben „alt", auf bem anbern „Oorbere."
k) (Sine Sorgnette, bie er lange Sat)re an einer f^mar^en
Schnur am £alfe rjängenb getragen.
1) (Sine «Statuette, örutuä Oorftellenb.
— 732 —
ni) Sine ©tafjt* unb eine @an§feber im f^mar^en gutteraL
3Rit (euerer fdjrieb er fein gmeiteä Xeftament. S» roaren
feine festen ©rf)rtftjüge.
n) Sin 9kfiermeffer.
o) Sin ©pagierftorf; ein 23ambu3roljr mit einem (Silber*
plätteten oben, worin fein 9?ame eingraüirt ift.
2öe(dje§ ber einfüge SdtfberoafyrungSort biefel flehten aber
bod) intereffanten Q3eett)ouen=9ftufeum§ fetin roirb, barüber bin
itf) gur ©tunbe nodj unfd)lüffig. SebenfaßS mirb nnb fott e§
üon ber anfefjnlidjen 3at)( üortjanbener fdjriftftdjen Reliquien
an 9futograpf)en unb £>ocumenten, fo an Suchern unb 2ftufi=
catien, auf meld)' (entere bereits aufmerffam gemacht roorben,
nidjt getrennt werben.377)
377) Zwei Gegenstände aus dem Schindlerschen Beethoven-
Nachlasse, die im Beethovenhanse Aufstellung gefunden haben, sind
ernster Erörterung wert: aj das Lichnowskysche Streichquartett,
b) das Beethovenporträt von E. Schimon. Wer hat die Lichnowsky-
schen Streichinstrumente nach Bonn verschenkt? Eine wohl aufzu-
werfende Frage. Diese kostbaren Streichinstrumente sind durch Schindler
vom Preußischen Staate angekauft und für die Königliche Bibliothek
erworben worden. Vgl. B. S. Br. No. 55: Das Heiligenstädter Testa-
ment, wo alles Bekannte und Wissenswerte über die Instrumente
gegeben ist (I. Band). Wer hat also das Eigentum der preußischen
Staatsregierung einem Privatverein verschenken dürfen? Die Instru-
mente gehören der Königlichen Bibliothek und müssen dieser Bibliothek
in Berlin wieder zugestellt werden. So verlangt es das ganz deutliche
Eigentumsrecht. Mit dem zweiten Punkt, dem Schindlerschen Schimon-
Ölgemälde, verhält es* sich natürlich ebenso. Das herrliche Schimonbild
hing im Musiklesesaal der Königlichen Bibliothek zu wahrer Erbauung
der dortigen Besucher. Mit einem Male verlegte die preußische
Staatsregierung das von Schindler angekaufte Eigentum in den
Bonner Privatverein Beethoven-Haus, was durchaus nicht angeht.
Das ist eine Eigentumsverletzung, gegen die die Berliner Königliche
Bibliothek protestieren muß. Das Schimonsche Beethovenporträt muß
dorthin zurückkehren. So will es Recht und Ordnung. Hören wir hier
den königlichen Philosophen Kant, den Biesenbruder Beethovens, der
die Gerechtigkeit himmelhoch hebt. Kant lehrt über das Strafgesetz die
— 733 —
goldenen Worte: „Das Strafgesetz ist ein kategorischer Imperativ, und
wehe dem, welcher die Schlangenwindungen der Glückseligkeitslehre
durchkriecht, um etwas aufzufinden, was durch den Vorteil, den es
verspricht, ihn von der Strafe oder auch von einem (Trade derselben
entbinde, nach dem pharisäischen Wahlspruch: ,es ist besser, daß ein
Mensch sterbe, als daß das ganze Volk verderbe'; denn wenn die
Gerechtigkeit untergeht, so hat es keinen Wert mehr, daß
Menschen auf Erden leben." Und auch diese xqvoeo. Im] lesen wir
da: „Denn die Gerechtigkeit hört auf eine zu sein, wenn sie sich für
irgendeinen Preis weggibt." (Cf. A. Chr. Kalischer, Immanuel Kants
Staatsphilosophie. 1904. S. 57.) A. d. H.
Anhang.
Ein Brief Schindlers an Beethoven.378)
Aus dem Schindlerschen Beethoven-Nachlaß (Mappe II. No. 73.
Autogr. 36). Schindler schreibt folgenden unbekannten, höchst wichtigen
Familienbrief an den Meister aus Hetzendorff 3. Juli 1823. Man ver-
gleiche den Neudruck Schindler S. 469 f.
„Gott zum Gruss! Der beigefügte Brief ist von H Schlöesser
aus Paris.*) Ein junger Mahler Nahmens Wust brachte ihn gestern
mit dem Bedeuten, dass ihm Schloessar den Auftrag gab, die allen-
fällige Antwort bei Ihnen zu übernehmen, u. selbe ihm nach Paris zu
senden. Er Hess mir deshalb seine Adresse zurück. Aus Gastein
Mittags schickte Fürst Hatzfeld heraus mit der ernsten Frage, ob er
die Messe itzt erhält, nachdem der Termin abgelaufen sey. Er werde
von Berlin deshalb so sehr bestürmt, dass ihm die ganze Sache schon
sehr zur Last falle. Sie möchten daher die Güte haben, ohne Verzug
dem Fürsten zu schreiben, wann er das Werk erhält, damit er sich
doch in Berlin mit Ihrer eigenen Handschrift ausweisen könne. Er
wohnt itzt zu Penzing Nro. 28, das 3*^ — 6te Haus links wenn man von
Wien aus ins Dorf geht.
*) Über Ihren Brud. u. seine theuren Angehörigen will ich mich
denn selbst bezwingen Ihnen so weit es die Umstände itzt erlauben, mit-
378) Vgl. B. S. Br. No. 903 vom 6. Mai 1823 und den sechsstim-
migen Kanon für L. Schloessar, Mai 1823, No. 904 (IV. Band).
A. d. H.
— 734 —
zutheilen. Er ist ein schwacher, leider zu schwacher Mensch, aber doch
höchst zu bedauern. Er ist Ihr Brud, folglich auch aller Ihrer Auf-
merksamkeit werth. — Diese Krankheit war u. ist der Probierstein,
was er für 2 Schlangen au seiner Seite hatte, und die, da ich täglich,
so lange er liegt, 3 — 4 Mahle ihn besuchte u. Stundenlang ihn unter-
hielt, so hatte ich Gelegenheit, diese 2 Personen genau zu beobachten.
Ich kann hier auf Ehre erfahren, dass diese Personen würdig wären,
die alte ins Zuchthaus, die junge, ins Correctionshaus gesperrt zu
werden. Wie man einen Gatten, u. Vater in seiner Krankheit be-
handeln kann, könnte man von Barbaren nicht erleben, nur solche
Menschen können es thun. Diese Krankheit kam ihnen Beide gerade
recht, um frei und unschenirt ihr Wesen treiben zu können. (Verfaulen
hätten sie ihn lassen, diese L. — , wenn sich nicht fremde Menschen
sein angenommen hätten. Hundertmahl hätte er sterben können, u. die
eine war im Prater oder in Nussdorf,^]: die andere beym Bruder
gewesen; ohne dass sie sich nur um ihn umgeschaut hätte. So blieb
er krank in der Hand der Dienstboten die ihn nicht hatten allein
Hessen, da er doch mehrere Wochen kein Glied bewegen konnte. Es
blieb also nichts übrig, als dass er sich einen eigenen Krankenwärter
nahm; obwohl da 3 weibliche Personen im Hause sind. Diese Kost
aber unglücklicherweise, sehr schwer: folglich, ist ihm mit ihr nicht
ganz gedient. Er hat oft geweint, über das Betragen seiner An-
gehörigen und bath mich einstens ganz in Schmerz versunken, ich soll
ihnen doch berichten, wie mau mit ihm umgeht, damit Sie herein
kommen, u. diese Beyden nach Verdienst hauen sollten; allein sein
eigenes Wohl befahl mir es nicht zu thun, u. Ihnen nichts von allem
zu sagen, was vorgeht. Letzten Freitag kam ich wieder wie gewöhnlich,
u. traf den Doctor bei ihm, dem er klagte, wie er die letzte Nacht
ganz ohne Hilfe liegen musste; wie die Wärtern die ganze Nacht so
hart schlief, dass er sie nicht erwecken konnte, es (was) auch kein
Wunder ist, da sie schon 14 Tage nicht geschlafen hatte. Die andern
liegen aber im letzten Zimmer und lassen ihm rufen. Ich konnte
meinen Unwillen nicht länger mehr zurückhalten u. brach samt dem
Doctor in ein lautes Fluchen aus. Ganz natürlich war die gnädige Frau
darüber ganz entrüstet, ich mir aber den Teufel daraus mache ( )
Es ist doch höchst unnatürlich, und mehr als barbarisch, wenn die
Frau, während der Mann krank liegt, ihren Liebhaber zu ihm ins
^ Die Tochter nämlich; sie war ein anHsereheliches Kind der
Frau van Beethoven, die diese ihrem Gatten in die Ehe mitgebracht
hatte, im Jahr 1823 bereits 18 bis 19 Jahr alt.
— 735 —
Zimmer führt sich in seiner Gegenwart aufputzt wie ein Schlittennest
dann mit ihr spazieren fäbrt und den kranken Mann zu Hause
schmachten lässt. Das hat sie sehr oft gethan. Ihr Bruder hat mich
selbst darauf aufmerksam gemacht, er ist der Narr, es so lange ge-
duldig ansehen zu können. Entweder müssen ihm seine Hände ge-
bunden sein, dass er diesen Frevel (!) dulden muss, oder wie immer,
kurz sein Benehmen in diesem Punkte ist mir durchaus ein Bätsei. —
Ich war seit dem letzten Vorfall am Freitag erst gestern wieder bei
ihm, denn nur seine Person und seine Umstände zwingen mich ihn
nicht zu verlassen, und ihn einige Augenblicke des Tags zu unter-
halten, weil sonst von seinen vielen Freunden auch nicht einer ihn
besucht. Eben höre ich, daß es ihm heute wieder schlechter geht
Sobald es nur möglich ist daß er sich ohne Gefahr hinaus wagen darf,
so bitte ich Sie u. seinetwillen ihn zu sich (Seh.) zu nehmen. Er
sagte mir selbst letzthin, daß er gern auf kurze Zeit zu Ihnen gehen
werde, wenn es sein Zustand gestattet. Dr. Saxinger ist sein Arzt;
Er ist ein sehr strenger Mann und behandelt ihn gut
Nun über dieses Thema einstweilen genug, obwohl noch viel darüber
zu sagen sein wäre. Ich muß Sie aber Ihres Bruders u. meinetwegen
inständigst bitten, nur jetzt nichts zu thun, weil man, weil man die
Sache nur noch verschlimmern würd. Das Factum ist da und Sie
können zur gehörigen Zeit Gebrauch davon machen. Für jetzt
ignorireu Sie alles, denn sonst könnte ich unter keiner Bedingung das
Haus Ihres Bruders mehr betreten, was doch jetzt nicht ratsam ist,
auch würde jeder Zorn dem Bruder nur schaden, denn den Beweis
habe ich von ihm, daß er nach jedem derartigen Auftritt immer
schlechter geworden ist. Auch hat ihm der Arzt streng verboten, sich
zu ärgern. Ebenso kann es jetzt nicht mehr schlechter werden, als
es schon war. — Schreiben Sie doch einige Zeilen au den russischen
Geschäftsträger Obreskow. Es reisen stets viele Küssen nach Peters-
burg, so könnte man das Paquet so sicher u. geschwind fortbringen.
Vielleicht könnte man das Paquet so sicher u. geschwind fort-
bringen, durch die Handelshause geht es auch sehr laugsam. Ich
gelbst habe im Jahre 1819 ein Paquet Bücher durch Geymüller nach
Riga geschickt, das erst nach 18 Monathen in Riga ankam. Denn es
ging über Warschau nach Danzig von dort zurück nach Lübeck u.
von da erst nach Riga. Überall blieb es mehrere Monathe liegen.
Am schnellsten geht es noch über Hamburg nach Petersburg. Was
die 30 fr. Postgeld für den Briefträger betrifft, so sind Sie selbst
schuld daran, wenn Sie die Briefträger erwähnen, denn ich hörte letzt-
hin auf der kleinen Post, daß die Briefträger sich laut rühmen, die
— 736 —
Ihnen an Briefe ergeben, daß wenn sie lauter solche splendide Herren
zu bedienen hätten, sie bald reich werden müßten, also sie schweigen
am Ende noch darüber. Sie könnten etwa wohl für jeden Brief 6 fr.
geben, aber nicht 30 fr. so viel giebt kein Fürst
So eben komme ich von der Polizey, die Haushält, war mit. Der
Hausherr ist auf Morgen 5 Uhr Nachmittag sammt mir bestellt
worden: Der Alte braucht nicht erst zugegen zu seyn. Der Polizei-
direktor H. Ungermann*) lassen sich Ihnen empfehlen — u. ihre Sache
sey schon im Voraus so abgethan wie Sie es wünschen. Nur wegen
der Beleuchtungsbetrag sollen Sie nicht die 6 fr. annehmen, damit
ihnen der Flegel von ihrer Seite nichts anhaben kann. Ich bereite
mich auf Morgen vor, denn ich bin gerade geneigt, ihm den Text zu
lesen, so gut das es vor der Behörde geschieht. Das Resultat werde
ich Ihnen alsogleich melden.
Übrigens bin ich in tiefster Sousmission Ihr
unveränderlicher treuer
A. Schindler.
Das Paquet für Fürst Galitzin dessen Inhalt die Messe C betrifft
(viel ausgestrichen.)
Dieser Schindlerbrief über die Misere in Bruder Johannes Heim
muß allen denen zu denken geben, die von den Familien tragödien in
Bernhard— Hajdecky'schen Papieren Kenntnis genommen haben. Diese
mysteriösen Papiere sind offenbar nach den Schindler'schen Papieren
im Beethoven-Nachlaß fabriziert worden; sie geben nichts Neues über
die hier dargebotenen Enthüllungen. Das Neue und Originelle enthalten
diese Schindler-Papiere. Das Mysterium der anderen Papiere bleibt
bestehen. Ich betone hierbei, daß Herr Hajdecky noch nichts auf meine
Anzweifelung eines seiner Beethovenbriefe an Bernard in der „Musik"
geantwortet hat. A. d. H.
*) Cf. B. S. Rj. No. 865 (IV. Band); ferner No. 954 an Bruder
Johann u. Erklärungen, Band IV, S. 324. A. d. H.
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Für eine der dankenswertesten und wichtigsten Publikationen halte
ich diese kritische Gesamtausgabe. Hier sind die literarischen Er-
zeugnisse Webers zum ersten Male, nach den Urdrucken revidiert,
vollständig vereinigt. Der „Freischütz"-Komponist war auch als
Musikschriftsteller von einer derartigen Bedeutung, daß eine Her-
stellung seiner Hinterlassenschaft in authentischer Lesart geradezu
ein Bedürfnis war. (Berliner Tageblatt.)
Daß C. M. v.Weber so viel und so vielseitig über Kunstfragen ge-
schrieben hat, und daß seinen Aufsätzen, die eingehend und treffend
sind, noch heute Wert und Bedeutung beizumessen ist, das wird
man mit Verwunderung und Dank aus dem ungemein sorgfältig
gearbeiteten, ausführlichen, durchaus vortrefflichen Werke Georg
Kaisers lernen können. Es mag auch erwähnt sein, daß Kaiser
eine Reihe von Aufsätzen gefunden bat, als deren Verfasser man
Weber, der oft unter Decknamen schrieb, bisher noch nicht kannte.
Sein Buch gehört zu denen, die eine Lücke ausfüllen, und zwar
in recht ausgiebiger Weise. (Nordd. Allgem. Zeitung.)
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Herrose * Ziemsen, G. m. b. H., Wittenberg.