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Full text of "Anton Schindler's Beethoven-Biographie;"

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— J-J^ 

MUSIC  -  UNIVERSITY  OF  TORONTC 

3  1761  07195  341  I 

Digitized  by  the  Internet  Archive 

in  2011  with  funding  from 

University  of  Toronto 


http://www.archive.org/details/antonschindlersbOOschi 


ANTON  SCHINDLER'S 
BEETHOVEN-BIOGRAPHIE 


ANTON  SCHINDLERN 

BEETHOVEN- 

BIOGRAPHIE 


NEUDRUCK  HERAUSGEGEBEN  VON 
DR.  ALFR.  CHR.  KALISCHER 


1909 

BERLIN  UND  LEIPZIG 

VERLAG  SCHUSTER  &  LOEFFLER 


Alle  Rechte 

bezüglich  der  Ergänzungen  und  Erläuterungen 

behält  sich  der  Herausgeber  vor. 


ML 

410 
34$ 3 33 


LIBRARY 

750482 

UNIVERSITY  OF  TORONTO 

Vorwort  des  Herausgebers 

zum  Neudruck  der  Anton  Schindlerschen 

Beethoven-Biographie 

Gewiß  wird  der  Neudruck  der  Beethoven-Biographie  von 
Schindler  von  allen  Seiten  mit  großer  Ungeduld  erwartet. 
Wer  etwas  von  der  Beethovenforschung  versteht,  wird  so- 
gleich einsehen,  daß  ein  Neudruck  der  Beethoven-Biographie 
von  A.  Schindler  zu  den  allermühevollsten  Arbeiten  der 
Forschung  gehört.  Die  379  erklärenden  und  ergänzenden 
Anmerkungen  mögen  den  Beweis  liefern.  Es  ist  nunmehr 
keine  der  mannigfachen  Beethovenfragen,  die  mit  dem 
Namen  Anton  Schindler  im  Zusammenhange  stehen,  ohne 
genügende  Beantwortung  geblieben.  Schindler  als  der  dritte 
große  Augenzeuge  des  Lebens  und  des  Leidens  Beethovens  — 
er  ist  und  bleibt  der  wichtigste  Kenner  aller  geistigen  wie 
materiellen  Angelegenheiten  des  Meisters.  Der  Herausgeber 
ist  bestrebt,  alles  auf  der  Höhe  der  Beethovenforschung 
zu  repräsentieren.  Es  steht  zu  hoffen,  daß  Schindlers 
Beethoven  einen  vornehmen  Rang  in  der  Beethovenforschung 
bewahren  wird. 

Zur  technischen  Anordnung  ist  zu  sagen :  Der  Schindlersche 
Text  ist  genau  erhalten  worden,  Schindlers  eigene  An- 
merkungen sind  mit  deutschen  Typen  gegeben,  die  zahl- 
reichen Anmerkungen  des  Herausgebers  sind  mit  lateinischer 
Schrift  vorgeführt  worden. 


—  VIII  — 

Es  bleibt  zu  hoffen,  daß  das  Schindlersche  Beethoven- 
buch auch  in  Zukunft  allen  Beethovenforschern  ein  sicherer, 
guter  Führer  bleiben  wird.  Dazu  gebe  der  Geist  Beethovens 
seinen  Segen. 

Beherzigen  nun  alle  ein  Beethovenwort,  das  uns  Schindler 
nach  einem  Konversationsheft  (No.  112  vom  Februar  1823) 
aufbewahrt.  Es  steht  auf  Blatt  IIa:  „Das  Neue  und  Originelle 
gebiert  sich  selbst"  —  sagten  sie  uns  letzthin  —  „ohne  daß 
man  daran  denkt."  Für  diesen  Schlüssel  zur  Erkenntnis  des 
geistigen  Beethoven  wollen  wir  Schindler  beim  Lesen  seines 
Buches  stets  dankbar  bleiben.  „Das  Neue  und  Originelle 
gebiert  sich  selbst,  ohne  daß  man  daran  denkt." 

Berlin,  im  April  1909. 

DR.  ALFR.  CHR.  KALISCHER. 


BEETHOVEN 

nach  Louis  Letronne 


SSiograplw 


tton 


guDit)tg  un  söeet^om 


Serfagt 


son 


5(nton  ©c^in&ler. 


'S) r i 1 1 e ,  neu  bearbeitete  unt)   öermeljrte  Auflage. 


SJtönfter, 

<2>uicf  unb  Verlag  ber  Slfctjenbcuff'fcJjett  33uc^t|anMun^ 
1860. 


®ae  9Jc*t  ttt  #erau&jafce  in  engltutyer  unfc  franj6ftf*et  Uffrevfffcung. 
bat  ttt  93  er  f  äff  er  fia)  tjotffljalten. 


©einer  6d)u(erm  unb  ^reanbin, 

bem  $rdu(dn 

9&ertf)a  Jpanfemann 

in  Berlin 

wifcmet  biefeS  23udj 
ber  SSerfaffer, 


3n(>ctlt^93er3eid)m§ 


©eite 

33oriüort 9 

(Stnieitung 18 

ßrfie  $eriobe.     $on   SBeet^otoenS    ©eburt    6t3    p    (Snbe   1800. 

3n  jtoei  Hbfänitten 29 

2(nb,ang. 

I.  3"i  S^avafterifttf   be3  muficalifd}en  28ien§   ju  2tu§gang  be$ 

acfjtjeljnten  unb  ju  Anfang  be§  neunje^nten  SabJ^unbertS     .  82 

II.  £atalogifcf)er  Sorbertd&t 87 

III.  58erjeid)ni&  ber  t>on  1795  bi§  incl.  1800  erfdjtenenen  SSerfe  .  92 

IV.  £f)arafteriftifd)e3  TOerÜmal   ber  Äunftfritif,   unb  23eurtr)eihtng 
93eetf)otien'fd)er  SBerfe 99 

Zweite  Sßertobe.    33on  1801  biä  (Snbe  1814.    3n  fünf  Slbfcömtten  108 
Slnfjang. 

I.  Äaiatogtfcf)e§ 250 

II.  ^erjeidjnife  ber  in  bie  gtrette  ^ertobe  fattenben  SSerfe  .    .    .  254 

III.  33eertjot>eu'»  muficatifdjer  (Jljarafter 261 

IV.  Sorroürfe  ber  ©cfjnüerigteit  unb  Untierftänblidjfeit     ....  267 

©ritte    Sßeriobe.      S3on    1815    bi§    sunt    Sobe.     $n    fünf   9Ifc 

fdjnitten 271 

2(nf)ang. 

I.  9lu<§  bein  Dbbucttonä=93ericr)t 486 

II.  Jeftamente  unb  SßermögenSftanb 487 

III.  Sin   SBrief   üon  Stephan  Oon  33reuning.    ©efidjt§ma§fe  öon 

Sannfjaufer 490 


—     6     — 

Seite 

IV.  SBerjeidjniB  ber  in  biefe  Sßeriobe  fatlenben  SSerfe 492 

V.  2>er  ferner  gefaxte  Sntfd)tuB 500 

ßfjarafterjüge,  Eigenheiten,  Notfälle  unb  ©onfiigeS 

1.  Religion,     ©eneralbaß.    2tefü)etif 505 

2.  3ettgenoffen.    Reiftet  unb  jünger 513 

3.  ©ebädjtntB 526 

4.  fcanbbtbliotfjef 527 

5.  SBanbetfuft 532 

6.  3ugenblicf)et  9Rutb>ilIe 536 

7.  Seben^jeugniß 537 

8.  Srüberlidjer  GJegenfafe .  537 

9.  Qn  ber  Slbenbbämmerung 538 

10.  Seitantuenbung 539 

11.  Momente  tieffter  SDJebitation 540 

12.  (Sffen  unb  Srinfen       540 

13.  ©ine  Sanffagung,  ober  33eetf)o»en  unb  §ummei       ....  542 

SKuficalifdjer  Stjett 549 

Ergänzungen 

A.  Seertjotten'S  Silbniffc 639 

B.  33eetf)ot>en  unb  fein  legtet  2trjt  Dr.  SSamrud) 650 

C.  33eetf)Oüen  unb  gürfl  ^icoIauS  93ori£  ©alifcin 653 

D.  „93eetIjoüen'§  ©tubien  im  ©eneralbafj,  Gontrapunci  unb  in 
ber  Gompofition",  ober  Sguaj  SKitler  üon  Serjfrteb  unb  2obia§ 
§a§tinger 663 

E.  öeet^oüen  unb  Garl  ^oij 679 

F.  Gart  iüiaria  üon  SBeber  alä  Sritifer  33eet&oDen'3      ....  68~ 

G.  Qmn  Xacte  im  Sdjerjo  ber  C  nioll=©infonie  werben  SSer= 
onloffung  ju  Streit  unb  anbanernber  3Keinung§Derfd)iebent)eit  694 

H.  Sn  <5ad)en  be§  ^ßtoceffeS  mit  bem  9Jiedjanifer  ^Jiael^cl     .    .  699 

I.  S)ret  Briefe  Don  Öeettjorjen  an  S3ettina 704 

K.  S3eet^ouenT§  Sriefconcept  an  Gfjerubini  au§  bem  %at)vt  1823  709 


—     7     — 

©rite 

L.  3)a§  Sftotiü   §um   legten  ©a£e   be<§  Quartetts   in   Cis  moll, 

Op.  131 711 

M.  9lu3  ber  ©onate  patfjettque 716 

N.  @eföi$tliäeg  über  ©nffifrung  Seetfjo&en'fäer  2Rufif  in  $ariS  721 
0.  ©in  9?üdbtid  auf  23eet{jot>en'3  .Spanbbibliottjef  unb  bie  öffentUdje 

SBerfieigerung  be§  muficaüfdjen  9{adjlaffe§  im  9ßot>etnber  1827  726 

P.  SSorljanbene  Reliquien  öon  Söeettjoüen 730 


Q3orft>ort 

©ine  neue  Sluffage!1)  —  ©etoöljnlidj  mirb  üon  einer  foldjen 
gefagt,  fie  fet)  bie  $reube  be§  Verlegers»,  ber  ©totj  be3  Sßet> 
faffer§.  9D?id)  anlangenb  barf  id)  mofjt  offen  unb  freimütig 
geftefyen,  bafj  tcf)  öom  ©totje  nid}t§  tierfpüre,  hingegen  mit  ge= 
rüljrtem  fersen  ber  SSorfefjung  banfe,  hak  fie  meine  Sebenötage 
fo  lange  gefriftet,  um  tiorliegenber  ©djrift  bie  gegenroärtige  ©e= 
ftaltung  geben  51t  tonnen,  inbem  bie  frühere  in  Oielem  23etrad)te 
eine  §u  befdjränfte  getoefen;  ba$  tag  jebod)  §umeift  in  ben  Um= 
ftänben  unb  SBebingungen,  unter  benen  e§  geftattet  mar,  fte  in 
bie  DeffentHdjfeit  treten  (^u  laffen.  (53  folt  inbefc  nidjt  gefagt 
fetjn,  bafe  ba§  SSorliegenbe  meine  Ooüe  3ufriebenf)eit  ^a^,  im 
©egenttjeit  finbe  id)  aud)  an  biefer  Sßerbeffernng  nodj  fo  tüe(e§ 
§u  änbern  unb  ju  tierbeffern,  bafj  id)  ba§>  ©anje  öernidjten 
möd)te,  füllte  id)  tnidj  im  ©tanbe  fogletcf)  etma§  %ltuz$  an- 
zufangen unb  in  gleichmäßiger  ©timmung  einem  getuünfdjten 
ßiete  ^uzufü^ren.2)     £>a3  oft  befdjriebene  ©efüfyl  eine<§  ©djrift* 


1)  Die  erste  Auflage  der  Schindlerse.hen  Beethoven-Biographie 
erschien  zu  Münster  1840  bei  Aschendorff.  Bereits  fünf  Jahre  darauf 
(1845)  war  eine  II.  Auflage  der  berühmt  gewordeneu  Biographie 
Beethovens  erforderlich.  Der  "Verlag  war  derselbe.  Diese  (2.)  Aus- 
gabe enthält  zwei  Nachträge:  a)  Auszüge  aus  Beethovens  Konversations- 
heften (S.  275—292).  b)  Zweiter  Nachtrag.  Beethoven  in  Paris. 
Nebst  anderen  den  unsterblichen  Tondichter  betreffenden  Mitteilungen, 
XII,  178  S.  —  Dieser  wichtige  umfangreiche  Nachtrag  ist  in  meinem 
Exemplar  unmittelbar  an  die  II.  Ausgabe  angebunden.  Der  Nachtrag 
erschien  jedoch  bereits  1842  als  selbständige  Schrift:  Beethoven  in 
Paris.  —  Dann  dauerte  eä  15  Jahre,  ehe  die  dritte,  verbesserte  Auf- 
lage herauskommen  konnte  (1860).  A.  d.  H. 

2)  Wir  nehmen  hiermit  Schindlers  eigenes  Geständnis  dankbar 
auf,  daß  er  selbst  für  die  dritte  Auflage  „noch  so  vieles  zu  ändern  und 


—     10     — 

ftellerS,  ben  fein  eigenes,  fertiges  2Berf  anroibert,  ber  eine  Zeit- 
lang eS  nidjt  mefyr  fefjen  nnb  nichts  barüber  fjören  mag,  fjat 
mitf)  gleichfalls  bei  jeglicher  Arbeit  mit  einfdmeibenber  Schärfe 
befallen,  bie  ben  @ennJ3  über  baS  SSoltenbete  nafjejn  uöttig  ver- 
nichtete. 5erner/  °iß  Je^  no&)  ftzit  me^r  benn  früher  ge= 
tuonnene  Ueberjeugung,  mie  fo  aitfjerorbentticf)  fdjroierig  eS  ift, 
ü6er  Seertjoüen  ©enügenbeS  gu  fctjreiben  nnb  feiner  Snbiuibualität 
nad)  allen  Stiftungen  t)in  gered)t  ju  merben,  nid)t  in  £)l)potf)efen, 
5(6ftractionen  nnb  gesagten  Kombinationen  fid)  gu  ergeben  unb 
fid)  ba6ei  geberben,  als  t)ätte  man  alleS  SluSgefagte  mit  eigenen 
©innen  gefefjen  nnb  gehört,  —  and)  nid)t  in  2Seitfd)meifigteiten 
auSguarten,  fonbern  baS  Söefentlidje  mögtidjft  furg,  bünbig 
unb  überfid)tlid)  öorgidegen:  aud)  biefeS  fdjmätert  nodj  bie 
$reube  an  ber  <&ad)e,  benn  (entere  33ebingnngen  mögen  ja  aud) 
öon  mir  nidjt  immer  erfüllt  morben  ferjn.  Selbft  baS  be= 
fdjnndjtigenbe  SBettmjjtfetjn,  ben  bei  meitem  größeren  £f)eil  beS 
begebenen  an  ber  (Seite  beS  großen  SlünftlerS  mit  eigenen 
(Sinnen  malgenommen,  bemnad)  nidjt  bloS  nad)  nortjanbenen 
papieren  ober  nad)  SluSfagen  batb  an  ber  <Sacf)e  intereffirter, 
ober  gar  if)r  fern  geftanbener  ^erfonen  gefdjrieben  §u  tjaben, 
eS  gleidjt  aud)  nur  einem  ^alliatiö. 

Sßie  a6er  immer,  baS  Q3udj  in  jmeiter  Auflage  ift  tter= 
griffen  unb  eine  neue  gemünfdjt.  |)ier  ift  fie,  metfad)  üermetjrt 
unb  ergänzt,  unb,  roaS  bem  ^Berfaffer  baS  allein  ^(ngenetjme: 
nid)t  menige  bort  irrtt)ümtid)  angegebene  Säten,  öon  öer= 
fdjiebenen  Sdjriftftetlern  roieber  meiter  öerbreitet,  erfdjeinen 
fjieriu  berichtigt,  Steffen  ungeadjtet  lebe  id)  nid)t  in  bem  ©tauben, 
bafj  bamit  alles  erfdjöpft  fet),  maS  ficf)  über  ben  9)?enfd)en  unb 
ftünftler  öeetfyoüen  fagcn  läjjt,  ja  fetbft  meinerfeits  nacf)  Verlauf 
öon  einiger  3eit  —  geftüttf  auf  nod)  unberührte  ©ocumente  — 
gejagt  merben   tonnte;  bie  $8erfid)erung  barf  id)  jebodj  tjiemit 

zu  verbessern"  fand,  so  daß  nach  seinem  Tode,  erst  nach  ca.  48  Jahren 
ein  Neudruck  als  wirklich  vierte,  verbesserte  Auflage  «"forder- 
lich erscheint.  A.  d.  H. 


—   11   — 

au§fpred)en,  ba$  alle  mistigeren  Gegebenheiten  au3  be§  9)teifter§ 
ßeben  unb  SBirten  in  biefem  Gucfje  niebergetegt  finb,  barnad) 
fid)  ein  beftimmte§  unb  teidjt  51t  überbtidenbeS  (Sljarafterbitb 
gufammenf  äffen  läfet.3) 

Um  jebodj  ben  Sefer  in  ©tctnb  $u  fetjen,  biefe  ©djrift 
nid)t  bto3  üom  affgemeinen  fritifdjen  ©tanbpuncte,  fonbern  üor 
allem  üon  ber  «Stellung  be§  GerfafferS  §u  feiner  Aufgabe  gu 
beurteilen,  mirb  e3  unabtüei3tid)  notfymenbig,  gemiffer  Gorgänge 
in  gebrängter  ^ürge  gu  ermähnen,  bie  herbeigeführt,  bafi  fie  in 
erfter  Auflage  erfdjeinen  burfte.  2)ie  Unterlaffung  biefer  Sücit* 
tfyeitung  bort,  febiglid)  au3  9tüdfid)ten  für  einen  Sebenben,  rjatte 
id)  im  Sutereffe  bon  53eett)oüen'£  ©ad)e  feljr  gu  befragen. 

23atb  nadj  be§  9Jceifter§  §infd)eiben  überfd)idte  mir  ber 
geheime  SfiegierungS*  unb  SDcebicinatratf),  Dr.  SSegeter  in 
Gobleng,  üftotigen  über  Seettjoüen'S  3ugenbjaf)re,  überhaupt  über 
beffen  in  Sonn  üerlebte  3eit,  nadjbem  er  üon  feinem  <3d)roager, 
bem  faif.  fönigL  mirttidjem  §ofratt)e,  «Stephan  üon  Greuning, 
erfahren  t)atte,  roeldjen  Auftrag  ber  fterbenbe  SJceifter  un3  Geiben 
in  Setreff  einer  Siograptjie  üon  ifjm  gegeben.  25ei  einem  im 
Saljre  1833  bem  mürbigen  SOcanne  gemadjten  Gefudje  gu  ßobleng 
fam  aud)  bie  9?ebe  auf  bie  iljm  bereite  üon  SBien  au§  gemetbete 
Slbletjnung  üon  griebrid)  Ütodjlitj,  fid)  ber  iljm  gugebadjten 
Stbfaffung  nidjt  untergietjen  511  tonnen.  (©iet)e  barüber  au3= 
für)rttd^e§  in  ber  (Einleitung.)  ©a  äußerte  SBegeler:  2)a§  Sefte 
für  eine  53iograpt)ie  Geetfyoüen'S,  unfer§  gemeinfctjaftlictjen 
greunbeS  unb  begieljungSmeife  £ef)rer3,  märe,  menn  mir  2)rei, 
näm(id)  SBegeter,  gerbinanb  9tie§  unb  ber  Untergeidjnete,  un§ 
gu  biefer  Verausgabe  üerbünben  mollten;  gugteid)  forberte  er 
mid)   auf,  biefen   ^(an   mit  9tie§,   ben  id)  fdöon  nad)   menig 


3)  Diese  Tatsache  der  persönlichen  Gegenwart  des  Verfassers  an 
allen  Vorkommnissen  des  Beethovenschen  Daseins  seit  ca.  1815  —  also 
während  der  Zeit  der  Mannesreife  bis  zum  Hinscheiden  1827  —  hat 
dieser  Biographie  den  einzigartigen  hohen  dokumentarischen  Wert  ver- 
liehen —  und  verleiht  ihn  auch  heute  noch.  A.  d.  H. 


—     12     — 

Magert  ju  gfranffurt  am  SDtain  fetjen  foHte,  be3  weiteren  gu 
befpredjen,  roa§  aud)  gefdjat).  9iie§  ging  fogteict)  barauf  ein; 
inbefj  fdjon  bei  Vorlegung  bcr  33eetl)oüenfd)en  ^Briefe  an  if)n 
unb  9Jcittt)eitung  üerfdjiebener  mir  jumeift  belannter  (Srlebniffe 
mit  bem  9J2eifter  Wollte  e§  mir  fdjeinen,  cd§>  merbe  ein  gemein= 
fd)aftlidje§  ^ufammenwirfen  nad)  2öegeter§  ^3(an  fanm  möglid) 
fetjn.  9tie§  legte  nämlid)  SBertf)  auf  SDinge,  bie  tljeilS  intereffetog, 
tl)eit§  üerletjenber  Strt  waren,  barum  !eine§fat(§  üor  ba%  öffcnt« 
tidje  $orum  gehörten.  ®r  trug  einen  lang  genährten  ©roß 
gegen  feinen  Setjrer  unb  $reunb  im  £>ergen,  ben  5U  6e[ct)rDict)tigen 
mir  nid)t  gelingen  Wollte,  weit  er  fiel)  auf  ©rünbe  geftüijt.4) 
Sm  (Sonterte  mirb  baoon  bie  9vebe  fetjn  muffen,  um  beiben, 
Setjrer  unb  <3d)üler,  gerecht  fetjn  51t  fönnen.  Ueberfyauöt  uer= 
ttjeibigte  9tie3  ben  @a§:  über  grofee  Sftänner  barf  atle§  au§~ 
gefagt  werben,  e§  fdjabet  iljnen  nid)t. 

3)iefe  Wenig  erfreulichen  (Srgebniffe  meiner  ©otlicitationen 
Würben  auf  meiner  ^üdreife  nad)  bem  9cieberrl)ein  Söegeter 
mitgeteilt,  bon  ifjm  jeboct)  otjue  fonberlidje  Ueberrafdjung  an= 
gehört.  3d)  fafete  ÜDrutt)  mir  feine  guftimmung  §u  erbitten  in 
ber  in  9fabe  fteljenben  ©adje  mit  iljm  aEein  üorgugeljen.  %n- 
fängtief)  Soeben  fen  finbenb  willigte  er  enbtid)  unter  ber  $Se= 
bingung  ein,  bafs  öon  beiben  «Seiten  unüerjüglid)  an  bie  9tu§* 
arbeitung  gefdjritten  Werbe.  Sd)  öerfprad)  e§.  Mein  fdjon  beim 
erften  SSerfucf)  gewünfdjte  5Iu§fünfte  über  mandjertei  ^unete 
öermittelft  (Sorrefponbeng  au§  SBien  fjabljaft  ju  Werben,  geigten 
fiel)  £>inberniffe   unb   lange  ,ßügerungen,   °^e   o11  einem   si*er* 


4)  Der  Hauptgrund  wird  in  der  Angelegenheit  der  Dedikatiouen 
des  Meisters  zugunsten  des  Schülers  Ries  und  von  dessen  Frau  liegen 
Daß  es  zu  keiner  Dedikation  kommen  durfte,  das  hat  uns  Schindler 
iu  seinem  Artikel:  „Memorabilien"  in  Hirschbachs  Repertorium  der 
Musik  mit  ungemeiner  Schärfe  dargetan.  Das  Notwendigste  ist  dar- 
über mitgeteilt  in  des  Herausgebers  kritischer  Ausgabe  von  Beethovens 
Sämtlichen  Briefen  bei  den  Erklärungen  zu  Brief  No.  930  (Band  IV). 

A.  d.  H. 


—     13     — 

fdjieben  ber  Stt&eit  nötigten.  SSegeter  berlor  barü6er  bie 
©ebulb.  Unterm  28.  Dctober  1844  machte  er  mir  bie  Sinnige, 
ben  2)rud  fetner  Stufzeidinungen  fofort  besorgen  $u  motten. 
©a^u  ift  e§  inbefs  nidjt  gefommen,  bielmerjr  mürbe  mit  SRieS 
meiter  unterfyanbelt. 

£)a3  9^ieberrt)einifd]e  äWttjtffeft  18  37  gu  Slawen  fütjrte 
$ie§  nnb  ben  Unterzeichneten  31t  Vereintem  2Sirfen  an6ei  auf 
botte  fünf  2£od)en  gufammen.  2öege(er'3  *ßtan  marb  bafelbft 
merjrfad)  bon  un§  befbrodjen,  bie  Sftefuttate  blieben  aber  nidjt 
merjr  mie  etjebem  im  ßroeifet,  im  ©egentfyeit  9?ie§?  rjartnädigeS 
gehalten  an  feiner  SßtHenSmeinimg  fjätte  beinahe  einen  Qm\& 
fbatt  smifdjen  un£  gur  golge  gehabt.  Äurj,  fcfjon  im  nädjften 
8af)r,  batb  nad)  feinem  b(ö£tid)en  2)af)infd)eiben,  erfd)ienen: 
„öiograbrjifd)e  Zotigen  über  Submig  ban  SSeerfjoben"  bon 
Tegeler  unb  9?ie§. 

Sn  Sßien  befanb  jtdj  ber  §of*  unb  ©eridjtöabbocat, 
Dr.  Sotjann  SBaptift  23 aü),  mit  beffen  $erfönlid)feit  ber 
Sefer  n>eiterrjin  näljjer  befannt  merben  mirb.  §ier  am  Orte  ferj 
b(o§  angeführt,  baß  berfelbe  eine  ber  tjerborragenbften  furiftifdjen 
Stutoritäten  ber  Äaiferftabt  unb  33eet^oben'§  Vertreter  in  SRecfjtS* 
fadjen  gemefen;  aber  aud)  in  muftcatifdjen  Stngclegentjeiteit 
hndjtiger  2Irt  marb  er  bom  ütteifter  mit  ju  SRat^e  gebogen, 
©er  SSerfaffer  burfte  biefen  ausgezeichneten  Sftann,  in  beffen 
©angtei  er  toäljrettb  feiner  ©tubiengeit  gearbeitet,  31t  feinen 
befonbern  ©önnern  sägten.  2Beil  berfelbe  ftcfj  lebhaft  für 
batbigeS  3ufianoef°mmen  e^ner  Sebenäfdjilberung  be§  9J?eifter§ 
interefftrte,  überbieS  berjenige  mar,  ber  unter  allen  Umftänben 
als  fd)ü|enbe  Slegibe  bei  biefem  Unternehmen  gelten  burfte, 
menn  e§  nad)  bem  bucfjftäblicfjen  Verlangen  23eetrjoben'3  au£* 
geführt  merben  fotlte,  fo  mufjte  er  bon  ben  Vorgängen  mit 
Tegeler  unb  !Kie3  unterridjtet  merben. 

©ans  unermartet  ermiberte  er  mit  ber  Slufforberung,  bafj 
id)  allein  unb  unberjüglic^  an  bie  3lbfaffung  einer  biograp£)ifd)en 
©djrift   geljen   fotle,  er  merbe  mid)  in  jeber  möglichen  Sßeife 


—     14     — 

babet  unterftütjen ;  gugleid)  äußerte  er  ben  SBunfd),  baS 
SKanufcript  gu  fritifdjer  ©urdjftdjt  511  erhalten.  3)ieS  trar  ber 
(Sporn  midj  atsbalb  an  ben  ©djretbttfdj  gu  fetjen,  fern  jebod) 
oon  jeber  ©pur  eineS  Furor  biographicus. 

9fid)t  otjne  Sangen  manberte  bie  Ausarbeitung  gur  Senfur 
nad)  SSien,  fanb  inbefj  im  ©angen  feine  ungünftige  Slufnafjme 
bafetbft,  nur  tjat  beS  ©önnerS  9Rot^ftift  roiber  alle  ©rmartung 
arg  barin  gekauft.  2)em  greunbe  bon  Äürge  unb  SBünbigfeit 
in  ber  2)arftellung  —  im  ©egenfatje  gur  üblidjen  5Ibbocaten= 
SßrajiS  —  erfd)ien  manches  gu  ausführlich;  £f)atfäd)lid)eS,  mit 
ber  ©efd)id)te  ber  $eit  coüibirenbeS,  menngleid)  in  Segug  auf 
unfern  sJMfter  als  gang  befonbereS  Gfjarafterifticum  gu  be= 
tracfjten,  erklärte  er  als  gefaljrbringenb  für  unS  93eibe.  3)arum 
marb  nad)  denforen^trt  olme  SRücfftdjt  auf  inneren  gufammen* 
ijang  unb  SJiotioirung  geftricfjen.  9Jcand)eS  nun  üftacfjgefjotte 
mirb  geigen,  roaS  ber  §of=  unb  ©eridjtSabtiocat  auS  bem  Sucfje 
entfernt  tjat.  UeberbieS  teilte  Dr.  2ßa§  fjinfidjttid)  Äünftfer* 
unb  ©elef)rten=23iograpl)ien  mit  tiielen  Ruberen  eine  5lnfid)t, 
bie  fid)  ungefähr  fo  formuliren  läßt: 

Sie  Sfjaten  großer  gelbfjerrn  unb  (Staatsmänner 
finb  meift  auf's  engfte  mit  ber  ©taatengefd)id)te  im 
Allgemeinen  unb  ©pegiellen  öerfnüpft,  fie  finb  eS  ja 
meift,  aus  meldjen  biefe  ©efd)id)te  befielt.  £>arum 
muffen  it)re  £ebenSfd)ilberungen  immer  mit  bem  großen 
©angen  üereint  gufammengefjen.  ©ei  Äünftlern  unb 
©eleljrten  aber  ift  bieS  mefentlid)  anberS.  SEßeil  itjre 
Sßerfe  in  ben  Rauben  beS  ^ublicumS  finb,  fann  unb 
foll  if)re  QSiograpl)ie  fid)  borgugSmeife  an  bie  bem 
SSerfaffer  mol)tbefannte  $erfönlid)feit  galten  unb  öon 
if)ren  23er!en  bloS  baSjenige  berühren,  maS  gum  all» 
gemeinen  Sßerftänbnifc  notfymenbig  ift. 

Sftag  biefe  Anfictjt  in  Segieljung  auf  baS  Altgemeine  un* 
beftritten  bleiben,  auf  33eetf)oüen  pafct  fie  nidjt,  benn  hierbei 
tjaben  mir  eS  nictjt  allein  mit  ber  ^erfon  beS  SlünftlerS  unb 


—     15     — 

ben  $)3robucten  feines  ©enieS,  fonbern  mit  einem  er^ptionelten 
(Sfjarafter  ju  tfyun,  ber  nidjt  bloS  im  rein  SRenfdjlidjen,  tief 
ÜMigiöfen  unb  fittfid^em  «Streben  ju  Betrachtungen  aufforbert, 
fogar  auf  roiffenfdjaftlidiem  unb  potttifdjem  $etbe  (9D?ufifern  in 
ber  Sieget  frembe  ©ebiete)  üermag  er  unfere  Stufmerffamleit  in 
fettenem  ©rabe  $u  erregen. 

$ur§,  unter  üorbenannten  lauteten  unb  33efd)rän!ungen 
tonnte  ba§  Budj  in  erfter  5luf(age  erfdjeinen.  Bor  ©atgen  unb 
9fab  mar  ber  Q5erfaffer  Ijinreidjenb  ficfjer  geftettt,  nid)t  aber  Oor 
Berbäcfjtigungen  nnb  hänfen,  bie  aüfogteid)  bemütjt  getoefen, 
ber  &ad)e  in  meiten  Greifen  $u  fdjaben,  otjne  jeboct)  offen 
bagegen  aufzutreten.  £)iefe§  §u  enthüllen  gebietet  BeetfjoOen'S 
&aii)t,  aber  aud)  ba§>  Sntereffe  be§  muficalifdjen  ^ubticum§. 
(£§  folt  in  bem  Ch'gängungSauffatje  „Beetljoüen'S  ©tubien" 
gefcfjefjen. 

©cfjtiefjlid)  fet>  nod)  an  bie  muficatifdjen  ©djriftfteHer  eine 
Bitte  auSgefprodjen. 

(£§  mag  mof)t  für  ben  Berfaffer  irgenbeiner  ©djrift  nicfjt 
gleichgültig  fetjn,  fetbe  oon  ad)tung3roertf)ett  ©crjriftftellera  als 
öertäfettdje  Quelle  benutzt  31t  fefyen.  (£S  mirb  jebocf)  anbei  ber 
llnterfcfjieb  gu  madjen  fetyn  äroifdjen  ©d)riften,  bie  bereite  Der* 
griffen,  unb  foldjen,  bie  nod)  im  Bud)f)anbet  ejiftiren.  £)inficb> 
lid)  teuerer  fönten  aber  Oon  ehrenhaften  Kollegen  aEgeit  3ftüd= 
fidjten  nad)  bem  TOoratfa^e  beobachtet  merben:  „2öaS  2)u  rttctjt 
roiUft,  baS  £)ir  gefdjefje,  ttjue  5(nbern  nid)t!"  —  9?id)t  balb  mag 
ein  Bud)  mäfyrenb  feines  SurfirenS  im  §anbet  fo  auSgefcfjrieben 
morben  fetjn,  als  e§  biefem  miberfaljren.  §err  ©taatSratt) 
Sßüljetm  oon  ßen^  in  ©t.  Petersburg  bad)te  gettrife  nid)tS 
unangenehmes  5U  metben,  als  er  mir  1852  nad)  Gsrf feinen 
feines  SSerfeS:  „Beethoven  et  ses  trois  Stiles"  fcfjrieb:  ,,©ie 
ftnb  233  mal  in  meinem  Bucfj  gtttrt,  benn  ©ie  finb  unb 
bleiben  bie  Queue  für  bie  SWet^af)!  ber  midjtigften  £)aten.6)  — 

5)  In  meinem  Neudruck :  „Wilhelm  von  Lenz:  Beethoven,  eine 
Kunststudie,    erster   Teil,    190Ö,    mußte    ich    die    Differenz    zwischen 


—     16     — 

ßmei  fyunbert  brei  unb  breifeig  Gitate,  barunter  rricfjt  menige 
Don  einer  falben  Seite!  Ueberfteigt  fo  brüberlidje  Xl)eilnal)me 
nid)t  ba$  äftafj  coUcgia[i)"d)er  ^üdfidjten?  2>aö  nädjftgefotgte  $ud) 
bei  §errn  (Staatsrates:  „$eetl)ODen,  eine  Shmftftubie,"  ift  aber 
im  erften  53anbe:  „QaZ  fieben  beö  üMfterS,"  üöllig  eine  Um* 
fdrreibung  beö  biograpl)ifd)en  £f)eü8  meines  Sudjel,  ein  Stücf 
fd)riftftellerifd)er  Äunftroeberei. 

$u  roefentfid)  t>erfd)tebenem  ©ebraudje  biente  biefe  Schrift 
bem  anbern  Stoffen,  2lte;ranber  lUibifdjeff,  in  feinem  SSerte: 
„Beethoven,  ses  Critiques  et  ses  Glossateurs/' 6)  bal  nun 
aud)  in  beutfdjer  Ueberfeftung  unter  bem  Sitel:  „Seettjooen, 
feine  Äritifer  unb  feine  2(ulteger,"  öon  Subroig  33ifd)off, 
erfd)ienen  ift.  %{%  ©egner  bei  großen  Sonmeifterl  fanb 
Ulibifdjeff  für  3roedentfpred)enb  5itr  Unterlage  üieler  2IeuBerungen 
unb  ^Behauptungen  meift  fotdje  Stellen  meiner  Sdjrift  gu  ent* 
nehmen,  bie  fid)  bret)en  unb  roenben,  fonad)  $u  Folgerungen 
führen  laffert,  mie  fte  fiel)  allein  im  $opfe  beö  üerbiffenen  unb 
blol  nad)  einer  Seite  fjängenben  ©egnerl  geftalten. 

©inen  nid)t  minber  umfaffenben  ©ebraud)  rjat  baüon 
§1.  23.  9J?ar;r  in  feinem  2Serfe:  „öeettjoüen,  Seben  unb  Schaffen" 
gemacht,  bieg  aber  erft,  all  bie  Auflage  nafjegu  gan^  nergriffen 
mar.  9J?it  magrem  Vergnügen  erfenne  id)  jebod)  bie  meife  %lni$' 
anroenbung,   bie   ber  aulge^eidjnete  Äunftgeletjrte  unb  Sd)rift= 


Schindler  und  Lenz  berühren  (cf.  S.  328 ff.).  Schindler  berief  sich  auf 
Lenz'  Zeugnis  in  seinem  Werke:  Beethoven  et  ses  trois  Stiles:  „Sie 
sind  233  mal  in  meinem  Buch  zitiert,  denn  Sie  sind  und  bleiben  die 
Quelle  für  die  Mehrzahl  der  wichtigsten  Daten."  Und  nachher 
bei  der  Beethoven-Galitzin-Angelegenheit  nimmt  sich  Lenz  heraus, 
Schindler  wie  eine  quantite  negligeable  zu  behandeln.  Schindler  blieb 
ihm  nichts  schuldig.  Im  Zusammenhange  ist  die  Sache  in  meiner 
kritischen  Briefausgabe  behandelt,  als  der  damals  einzige  Brief  an  den 
Fürsten  v.  Galitzin  vorgeführt  wurde,  No.  1094  nebst  Erklärungen, 
Band  V,  p.  162  f.  A.  d.  H. 

6)  AI.  Ulibischeffs  Buch  gegen  Beethoven  erschien  deutsch  aus  dem 
Französischen  von  Ludwig  Bischoff  1859.  A.  d.  H. 


—     17     — 

jteüer  öon  bem  fteltenroeife  nur  bürftig  (begebenen  §u  machen 
nerftanb.  @§  roirb  fiel)  ©elegenfjeit  unb  Veranfaffung  finben, 
«in  unb  anbereä  au3  bem  SSudie  bes>  ^Berliner  $rofe[for§  im 
Sntereffe  ber  betreffenben  ©adje  tjier  berühren  gu  f'önnen;  feine 
Arbeit  ift  in  ber  23eett)oüen=£iteratur  überhaupt  Don  fjerüor* 
ragenber  Sebeutung.7) 

Steine  unb  meinet  Verleger^  tiereinte  Söitte  an  bie  geehrten 
muficatifcr)en  ©djriftfteller  gefyt  nun  baljtn,  ba%  neu  Vorgelegte 
mit  9tücffict)t  unb  ©djonung  beS  (£igentf)umsred)te3  betrachten 
511  motten. 

95ocfent)eim  (bei  granlfurt  am  9Jcain) 
im  ©ecember  1858. 

9(ntoit  Sambier. 

7)  Die  namentlich  in  ästhetischer  Beziehung  hervorragende 
Beethoven-Biographie  von  A.  B.  Marx  kam  1859  heraus;  sie  hat  ihre 
VI.  Auflage  durch  Prof.  Dr.  Behncke  erreicht.  A.  d.  H. 


tt.  ©djtnbler»  a3eetfjoüen=33iogva£tjie. 


Einleitung- 

9H§  im  Verlaufe  ber  ®ranff)eit,  tueidjer  Submig  Oan 
53 eet (jouen  nad)  üollem  tiiermonatlidjen  Seiben  erlegen,  biefcr 
fidj  mit  ©tepfjan  oon  Sßrenning  mib  bem  SScrfaffcr  biefer 
©cfjrift  über  bie  33iograf)ieen  be§  griedjifcrjen  s$lutard)  nntcr= 
rjielt,  benu^te  SBreuning  bie  längft  ermünfd)te  ©etegenfjeit,  ben 
5D?eifter,  fdjeiubar  orjne  alle  5lbftd)t,  5U  fragen,  men  er  ftcf> 
tuotjf  unter  feinen  geitgenoffen  31t  feinem  23iograpf)en  ermärjlen 
mottle.  Dfjne  fid)  3U  bebenfen,  antwortete  er:  „SRocfjfitj,  roenu 
er  micf)  überleben  fottte."  Leiter  fprad)  er  nod),  bajj  t§>  fid)er 
§u  bermuttjen  fei),  bafe  Diele  gefällige  gebern  fid)  aud)  nad) 
feinem  3)at)infd)eiben  beeilen  mürben,  bie  2£elt  mit  einer  Un* 
5af)(  non  Slnecbotem  unb  £>iftörd)en  über  ifm  31t  unterfialten, 
bie  oller  äßafjrfjeit  ermangeln,  —  mie  eS  übertäubt  Männern 
3U  ergeben  bflege,  bie  einigen  (Sinftuft  auf  irjre  ßeit  gefjabt. 
2)al)er  fei)  fein  aufrid)tiger  933unfd),  ba%  ma§  man  cinftenS 
über  if)n  fage,  nad)  allen  S3ejiel)ungen  §in  ftrenge  ber  SBafjrrjeit 
getreu  gefagt  merbe,  gleidjoiel,  ob  tiefer  ober  Scner  fid)  ba* 
bnrd)  getroffen  füfote,  ober  eS  felbft  feine  eigene  Sßerfon  betreffe. 

Siefe  5(eu^erung  in  einem  Momente  aulgefprodjen,  mo 
be3  greunbeä  51uflöfung  a(3  nalje  beöorftefjenb  fdjien,  mar  für 
un§  5U  midjtig,  als  ba$  mir  irjr  feine  meiterc  $otge  tyättw 
geben  folleu.  2)od)  mufete  fjiemit  bie  gröfttmögficfjfte  ^orfidjt 
beobachtet  merben,  mie  mit  allem,  roaö  nur  entfernt  auf  Stob 
iße^ug  fjaben  fonnte,  benn  feine  ^Stjantafie,  aufgeregter  m*e 
feiten  im  gefunöen  $uftanbe,  fdjmeifte  burd)  alle  SBelträume, 
entmarf  $(äne  §u  Reifen,  3U  großen  (£ompofitiouen,  u.  f.  m., 
iurj,  an  einen  nafjen  Hob  bad)te  er  in  jenem  Momente  nocf) 
nid)t,  mottle  aud)  burd)  nid)t!§  baran  gemannt  fet)n.  S3eben 
mollte  er,  benn  e§  mar  nod)  fo  oieleS  511  f Raffen,  mop  siel* 


—     19     — 

(etd)t  feinem  aufeer  itjm  bie  föraft  berliefjen  war.  T)ic  3Sor- 
fid)t  gebot  un§  bemnad)  mit  unfern  SBünfdjen  eine  öaffenbere 
Gelegenheit  abzuwarten,  um  if»n  auf  biefen  Sßuwct  wieber  ju* 
rüd  führen  $u  tonnen.  ®iefe  ergab  fid)  leiber  nur  51t  balb, 
inbem  er  fetber  in  gotge  fühlbarer  Slbnabme  ber  pfjijftfdjen 
Gräfte  bie  Hoffnung  5U  einer  ©enefung  eitel  nannte  unb  an= 
fing  mit  ftoifd)er  2Bei3t)eit  feiner  9tuflöfung  entgegen  511  fefjen. 
$(utard)  unb  anbere  ber  griedjifdjen  SieblingSfdjriftfteKer  tagen 
um  it)n  fyerum,  a(§  er  eine§  S£age£  mieber  auf  feinen  öielbe= 
Wunberten  Suciu§  SrutuS  (beffen  Statuette  üor  i£)m  ftanb)  §u 
fpredjen  fam,  ber  für  un3  btö  ©tidiwort  ab^ab,  ben  abge= 
brodjenen  $aben  in  Setreff  feinet  23iograöf)en  Wieber  $u  er= 
faffen.  Ergeben  in  fein  ©djicffal  fa§  $eetlj)ooen  ba$  üon 
Sßreuning  ©efdjriebene  mit  gekannter  5(ufmerffamfeit  unb  jagte 
bann  getaffen:  „'Dort  liegt  biefeS,  bort  jene£  Rapier,  netjmet 
e§  unb  madjet  ben  beften  ©ebraud)  baoon,  bodj  in  Mem  ftreng 
bie  Sßatjrtjeit,  bafür  madje  id)  (Sud)  23eibe  Oerantworttid),  unb 
fdjreibet  an  9?od)üt$."  8) 

Unfere  SBünfdje  waren  erreicht,  lieber  einige  ber  be= 
^eidjneten  Rapiere  gab  er  nod)  befonbere  2luffd)tüffe  unb  9?oti$en. 
393a8  nod)  in  jener  widjtigen  Stitnbe  auf  fein  Verlangen  ge* 
fdjetjen,  mar,  bafj  id)  fämmilidje  oorl)anbene  (Eorrefüonben^, 
SBreuning  aber  alte  gamitieu*  unb  fon fügen  2)ocumente  in  ®e= 
wafjrfam  nefjmen  fotlte. 

yfJad)  be3  33?eifter§  £)infd)eiben  waren  mir  entfdjtoffcn, 
oereint  ben  SBunfdj  mtferä  oeremigteu  $reunbe3  an  §ofratt) 
9tod)IÜ3  gelangen  51t  (äffen,  al§  33reuniug  erfranfte  unb  fdjon 
nad)  jmei  Monaten  feinem  ^ugenbfreuube  nad)  Senfeitö  folgte,  — 
ein  in  üielfad)er  Se^ieljung  tjödjft  betrübter  $att,  ber  mid)  in 
ber  gemeinfdjaftüdjen  &ad)t  für  Sßeettjoöen  in  eine  unangenehme 
£agc  Oerfeitfe,  inbem  id)  ben  einzigen  Gefährten  oertoren  fjatte. 

8)  Anton  Schindler  und  Stephan  von  Breuning  werden  also  für 
die  beiden  Großsiegelbewahrer  der  Beethovenseben  Hinterlassenschaft 
angesehen.  A.  d.  H 

o* 


—     20     — 

SDie  Sßittroe  bon  33reuning  übergab  mir  alsbatb  bie  bon  intern 
beworbenen  ©emafjl  aufbemaljrten  Rapiere  —  mit  2lu3nafjme 
ber  gamilien*2)ocumenre,  roetdje  ber  ßurator  ber  Sßertaffenfcfjaft, 
Dr.  SBad),  an  fid)  gebogen  —  itnb  fo  lag  e§  nun  mir  allein 
ob,  3Rod)Cit^  mit  bem  SBunfdje  23eett)oben'3  befannt  ju  madjen, 
roa£  fdjon  unterm  12.  (September  1827  gefcfjeljen.  Unterm 
18.  beffelbeu  Monats  erhielt  id)  nadjfterjenbe  Sfctttöort: 

„23cm  jefjer  tjaben  bie  (Sonberbarteiten  unb  fdjroffen 

©den  in  unferci  bereiten  Seetrjoben'S  SSefen  ba$  ©roftarttge 
unb  (Sbte  in  feinem  ßtjarafter  mir  nid)t  berborgen;  unb  menn 
id)  bei  meiner  Sfnroefentjeit  in  SBien  im  Sarjre  1822  mit  it)m 
nur  einige  Mal,  bann  aber  mit  Offenheit  unb  Vertrauen, 
gufammenfam:  fo  lag  ba§>  blo§  an  bem  Uebel,  ba3  it)n  brüdte 
unb  jebe  Unterhaltung  fo  ferjr  erfcfjtoerte.  3ene3,  in  Sßer= 
binbung  mit  frofjer  Slnerfennung  feiner  ©enialität  unb  t)of)en 
SBcrbienftc  al3  Slünftter,  roaren  nun  aud)  Urfadje,  bajj  id)  bem 
©ange  feinet  ©eifte§  unb  gefammten  innern  2eben§,  in  roie= 
fern  jener  fid)  in  feinen  Seifen  abfbiegett,  bon  feiner  Sugenb 
bis  gu  feinem  £obe  nad)  beftem  Vermögen  gefolgt  bin.  Unb 
ba  id)  aud)  jebe  Gelegenheit  roafjrnarjm,  bon  $eit  8*  3?ü 
etma§  3uberlüffige3  üon  feinem  äußeren  Seben  ju  erfahren: 
fo  fjielt  id)  mict)  für  nicfjt  gang  unfähig,  aU  er  ftarb,  fein 
Söiograpt)  gu  merben;  mo^u  icf)  mid)  aud)  entfcfjtofj,  unb  jroar 
in  ber  SBeife,  ba$  Seettjoben'-o,  roie  Maria  bon  SBeber'S  Seben, 
äu  <paubtartifeln  be§  3.  SSanbeS  meinet  £hid)3:  „gür  greunbe 
ber  Stonlunft"  beftimmt  mürben.  Setrt  tommt  Ijie^u  nun  nodj 
Sfjre  3ufa9ef  m^  mit  Materialien  gu  unterftütjen,  unb  ber 
mir  bon  Srjnen  mitgeteilte  Sßunfd)  Seet^oben'ö  felbft:  urteilen 
©ie  au§  biefem  Stilen  jufammengenommen,  ob  id)  geneigt  fetyn 
mag,  Sfyrer,  fo  mie  berfcfjiebener  anberer  greunbe  33eetf)oben'3, 
31ufforberung  gu  folgen!  ©efto  trauriger  aber  ift  e§  für  mid), 
bafe  id)  bieö  bennod)  nicfjt  bermag.  Sin,  bon  frühen  Sauren 
an  faft  unabläffig  in  SInftrengungen  Eingebrachtes  Seben  räcrjt 
fid)  an  mir  in  letzter  3e^  äiemlid)  rauf) 2)a  bin  id)  nun 


—     21     — 

enbitrf)  gelungen,  51t  einer  faft  gänättcrjen  3Ibänberung  meinet 
bisherigen  SebenS  mid)  5U  bequemen,  unb  baS  2$id)tigfte  in 
biefer  ?(bänberung  mufj  feljn,  bafj  id)  meit  meniger  fifce  unb 
arbeite:  bamit  id)  aber  f)ier5u  nid)t  öon  Weitem  genötigt  ober 
bocfj  gereift  merbe,  mid)  gur  Uebernafyme  gar  feiner  neuen  be= 
beutenben  arbeiten  Oerbinbtid)  gu  machen.  Unb  fo  mufe  id) 
aud)  ber  Erfüllung  jenes  SfyreS,  mie  meines  2ßunfd)eS  notfj= 
menbig  entfagen  —  3d)  mag  Sfjnen  nidtjt  fageu,  mie  leib  eS 
mir  trjur,  Stjnen  biefe  Stntroort  §u  geben:  aber  in  baS,  maS 
notljmenbig  ift,  mu§  man  fid)  fügen.  —  Steinten  @ie  jetjt  noctj 
meinen  2)anf  für  3§r  3lltrau^»"  *& 

Ungeacfjtet  biefer  beftimmten  $tb(ef)nung  raagte  id)  eS  bennod) 
meinen  2Sunfd)  gu  mieberfyoteu  mit  bem  SSerfpredjen,  aud)  meine 
perfönlidjen  ©rtebniffe  mit  Söeettjoüen  51t  feiner  Verfügung 
ftetten  ju  motten. 

©djon  unterm  3.  Dctober  1827  beehrte  mid)  $od)U§  mit 
einer  ©rmiberung,  in  ber  er  ©ingangS  für  baS  it)m  überfdjidte 
Steftament  Oon  23eetf)oüen  (auS  bem  Sa^re  1802)  banft  unb 
fo  fortfährt: 

,,3d)  fann  eS  Seinen  nid)t  befdjreiben,  mie  fefjr  micij  bie 
barin  untierfennbare  innige  unb  finblid)e  §ergenSgüte  erfreuet, 
baS  frf)mer§[icr)e  Seiben  ber  guten  ©ee(e  gerührt  fjat.  Unb 
gang  geroifj  mirb  biefeS  ©ocument  auf  2lüe,  bie  eS  fennen 
lernen  —  bie  offenbar  <2d)led)ten  aufgenommen  —  eine  gleidje 
SBirfung  madjen.  2)emnad)  müfjte  id)  nict)tf  maS  bem  $er= 
ftorbenen,  menn  üon  ifjm  nidjt  als  ®ünft(er,  fonbern  als 
äRenfdjen  gefprodjen  mirb,  künftigeres  nnb  UebergeugenbereS 
nacfjgefagt  merben  tonnte.  —  S^'en  gmeiten,  mir  mieberfjotten 
Sßunfd)  fann  id)  nitfjt  auSaufüfjren  übernehmen;  unb  eS  f)üft 
unS  Seiben  nidjtS,  menn  id)  t)in§ufe^e:  leiöer!" 

3(uf  biefe  (Srflärungen  f)in,  unb  ben  früher  gefaxten  @nt= 
fdjhtft  im  3(uge  befjaltenb,  bie  in  meinen  §änben  befinbficfjen 
Rapiere  ^iemanbem  anvertrauen,  fattS  9?od)(ii$  nid)t  §u  be= 
megen  märe,  tt)at  id;   meiter    feinen   Schritt   mefyr,  $eit   unb 


—     22     — 

Umftcinbe  abtoartenb.  2Bie  biefe  beiben  gactoren  fpäterfjin  in 
biefer  &ad)e  gemirft,  marb  im  SBortuort  aufgejagt,  unb  ma3  fie 
bewirft,  baüon  gibt  ba§>  Vorttegenbe  luieberljolteS  ßeugnifc. 

(Soll  Don  einer  SebenSbefdjreibung  S8eetrjot»enr^  bie  Üiebe 
fetjn,  be3  Sünftto,  ber  bie  (Spitze  ber  festen  beut[ct)en  Wü\iU 
©podje  bilbet,  fo  Rubelt  eö  fid)  bor  eitlem  barum,  gu  geigen, 
unter  meieren  Umftänben  unb  in  roefd)en  9Sert)äftniffen  ber 
Wann  ben  ©ipfetpunct  feiner  ^unft  erftiegen  unb  fo  ©rofjeä 
unb  UnüergänglidjeS  fjeroorgebradjt  rjat.  (£§  Rubelt  fid)  ferner 
um  riditige  ßeidjnuug  eineö  GfjarafterroefenS,  baZ  fid)  am  aller* 
roenigften  bei  biefer  $ßerföntid)feit  nadj  üorliegenben  papieren 
unb  Stfitttjeitungen  ?lnberer  geben  läßt.  Um  über  53eett)oöen 
§u  fdjreiben  —  menn  e§  nicrjt  bto3  ba$  £ünftlerifd)e  betreffen 
foll  —  mufe  man  ifm  perföntid)  gerannt,  Satire  lang  ifjn 
beobachtet,  ßuftönbe  unb  Verljältniffe  felbft  geferjen  fjaben,  um 
bereit  Ginnnrfung  auf  ibn  richtig  beurteilen  ju  tonnen,  fur§, 
man  muf3  $reub  unb  £eib  mit  i|m  getragen  fjaben.  Sn  fofcrjer, 
roarjrtjeitggetreue  2)arfteflung  unb  ©(aubmürbigfeit  ber  ZfyaU 
fad)en  bebingenben  Stellung  ift  gegenmärtig  au§  bem  Greife 
feiner  langjährigen  Umgebung  feiner  metjr  aujjer  mir  am 
Seben,9)  unb  idj  fü^te  e§  marjrlid)  tief,  roeldje  Verpflichtungen 
ba$  mir  auferlegt.*) 

*)  Ueber  i>a$  Söefen  be§  ätüifrfjen  33eetb>nen  unb  bem  SBerfaffev  be= 
fianbenen  S3erbättm[fe3  geben  2üt§funft:  bie  SlHgemeine  9)hificalifd)e 
Teilung  oon  1827,  ©eile  368,  be§gletd)en  bie  ^Berliner  9)Jufif=3eitung  ücn 
1827,  (Bette  244.  3m  gnterefje  norliegenber  ©djrtft  mufs  gleidj  bier  barauf 
Ijingennefen  roeiben. 

9)  Hier  durfte  wohl  der  jugendliche  directeur  des  Concerts 
spirituels  Carl  Holz  nicht  übergangen  werden.  Er  galt  als  der  eigent- 
liche Rivale  Schindlers  in  der  Sphäre  Beethovens.  Ihn  gerade  hatte 
Beethoven  als  seinen  Biographen  ausersehen.  Es  sei  an  den  letzten 
Brief  des  Meisters  an  Holz  erinnert,  der  mit  den  Worten  beginnt: 
„Mit  Vergnügen  gebe  ich  meinem  Freunde  Carl  Holz  die  gewünschte 
Erklärung,  daß  ich  ihn  zur  dereinstigen  Herausgabe  meiner  Biographie 
für  berufen  halte"  usw.  (cf.  des  Herausg.  Briefausgabe  No.  1170,  V.  Band). 

A.  d.  H, 


—     23     — 

$>ie  @intf)eitung  beS  33iograpf)ifd)en  in  brei  Venoben 
foft  Derblei6en,  jebod)  nicfjt  ofyne  eine  bie  jtueite  ^Sertobe  treffenbe 
2(bänberung.  2)te  früher  beftanbene  (Sintfjeitung  mar  nid)t  nad) 
$3af)l  be§  SBerfafferS  aufgeteilt,  fie  mar  üielmelir  bei  (Megenl)eit 
bei*  am  Krankenbette  unferS  $reunbe3  ftattgetjabten  Söefprec^ung 
fcon  ©reuning  tiorgefdjlagen  unb  tion  SBeetljoüen  gutgeheißen. 
335eit  e§  ficf)  tebigtid)  um  2)arfteUung  be3  äußern  SebewS  tjanbeln 
fottte,  fo  mar  ber  Slbfcrjtuß  ber  jtuetten  ^ßeriobe  mit  Dctober  1813 
gatt5  richtig  bezeichnet.  @3  mar  im  Saufe  ber  ©inge  ber 
Moment  be3  tiefften  SBerfunfenfetynS  be3  9Keifter3  in  feine 
Äunft,  fonadj  üottftänbigeö  SSergeffen  auf  alle§  Materielle, 
—  fanget  an  SBebürfniffen  jeber  SCrt  bie  unau$6fei6udje  $otge. 
SBetdjen  Slntfyeil  baran  ©emütpzuftänbe  gehabt,  ift  fdjmer  gu 
6eftimmen;  jebenfalfö  tjaben  fie  mitgetoirft.  5(m  geeigneten  Drte 
mirb  biefer  Moment  be§  üftäljern  berührt  merben.  —  Sie  Ber- 
einigung be§  äußern  mit  bem  tunftlerifcrjen  Seben  erforbert  baZ 
Verlängern  biefer  ^eriobe  bi§>  gu  @nbe  1814,  med  gerabe  in 
bie  fem  SJatjre  unfer  Meifter  ben  t)öd)ften  ©ipfel  feinet  ßünftfer* 
ruljmeS  erreicht  tjat.  Snbeffen  nid)t  blo£  biefer  Umftanb  er= 
Ijeifcrjt  bie  bezeichnete  ^öegrän^ung  ber  zmeiten  ^ßeriobe,  aud)  bie 
im  Saljre  1815  eingetretenen  gamitienereigniffe  unb  barau§ 
tjerüorgegangene  Umgeftaltung  aller  Seben3öcrf)ä(tniffe  bilben 
eine  auffatlenbe  @cfjeibemanb  unb  bictiren  bem  33iograpt)en  bm 
3eitpunct  ber  ©onberung  biefer  beiben  Venoben. 

£>ie  2I6tt)eitung  ber  Venoben  ergibt  ficf)  bemnacr)  in 
folgenber  SBeife:  2)ie  erfte  beginnt  mit  ber  (Geburt  unb  reicht 
bis  (Snbe  1800,  —  menngleid)  ein  langer  ßcitraum,  bennoct) 
nur  bie  Sern*  unb  SSorbereitungSgeit  %u  nennen;  bie  §meite, 
bei  beren  beginn  23eeu)oüen  afö  <5infonien=(Somponift,  ü6er= 
tjaupt  al§  ©ctjööfer  großer  SSerfe,  in  bie  Sauf6afm  tritt,  um* 
faßt  bie  Sal)re  öon  1801  bis  @nbe  1814.  „Meine  Sugenb, 
ja  id)  fütjle  e§,  fie  fängt  jettf  erft  an."  ($eetl)oüen  an  Tegeler, 
am  16.  9?oOember  1801.)  —  ®ie  b ritte  ^ertobe  enbtict) 
fcfjließt  fein  Xob  1827  ab. 


—     24     — 

T>ie  9Jcittf)eüung  ber  S^fjatfacCjert  au§  Söeettjoben'ä  Sugenb* 
§eit  ftütjt  fid)  ^aitftyäcf)U(f)  auf  SSegeter,  ben  ^Begleiter  be§ 
jungen  9(mbf)ion§  bi§  1796.  Sie  borliegenbe  (Sorrefbonbeng 
33eetf)oben'3  an  biefen  $reunb  nebft  6eigege6enen  Zotigen  be» 
teueren  ergänzt  bie  fotgenben  Satire  bi§  gum  Uebergang  in 
bie  §tt»eite  ^eriobe.  —  $u  ®etoät)r§mcinnern  für  nttfjt  öer- 
briefte  Singe  unb  Xfjatfadjen  au§  ber  §roeiten  ^eriobe  fjatte 
id)  ben  ÄreiS  ber  3a'euK°e  53eetl)oben'3,  aber  für  SßieteS  ifjn 
fe(6er;  mit  mehreren  biefer  Scanner,  bie  ber  Sefer  alle  fennen 
lernen  mirb,  ftanb  id)  6i§  lange  nad)  be§  2J?eifter3  Stöbe  in 
nafjer  33egieljung.  —  £en  ^Begebenheiten  ber  britten  ^eriobe 
aber  fe6te  id)  ^erfönticr)  naf)e  unb  tt)ar  an  ben  meiften  in 
irgenbeiner  2Seife  beteiligt. 

©in  muficalifrfjer  Streit  roirb  fid)  mit  ben  3(nforberungen 
unb  Mitteln  §u  richtiger  5tuffaffung  unb  Vortrag  bon  S3eet= 
f)oben'§  ÜDcufif,  bornefymtid)  ber  für  ^ßianoforte,  befd)äftigen 
unb  ficf)  nict)t  bto3  auf  bie  Strabition,  aud)  auf  fefte  Seb,rfä§e 
ftü^en.  Streiflichter  auf  fünftlerifcfje  <ßerfönlid)feiten  früherer 
3eit  unb  ber  ©egenroart  fallen  51t  laffen,  ift  unerläfeftd),  toeil 
fie  ber  Sacfye  jur  3lufftärung  bienen.  —  2tm  ©djtuffe  biefeä 
Sü/eite  fott  eine  Ueberfidjt  ber  ?(näat)t  bon  2tu§gaben  ber  28erfe 
unfereS  STonbidjterö  angefügt  toerben,  bie  geigen  roirb,  ta%  eine 
Verbreitung  fotdjer  3(rt  in  feiner  Siteratur  nod)  bagetoefen. 

2lt3  fet)r  fdjätjbare  23ef)elfe  bei  «Sdjitberung  öon  (£§arafter=" 
©igenfjeiten  unb  religiöfen  (Smpfinbungen  bieten  fid)  brei  Sucher 
au§  23eet£)oben'3  §anbbib(iotf)ef  bar,  bie  ©tebfjan  bon  SBreuning 
unb  ber  Sßerfaffer  unter  alten  borfjanbenen  oorgug^nieife  ber 
5htf6ett>aljrung  tnertt)  erachtet  tjaben.  Siefe  finb:  ^>omer'§ 
Odussee,  in  ber  Ueberfe^ung  bon  $of$,  CEtjriftian  @turm'§ 
„^Betrachtungen  ber  Sßerfe  ®otte§  im  9^eict)e  ber  Sftatur,"  ein 
Sef)r-  unb  @rbauung§bud)  in  groei  Sänben;  bann  nod)  ©oetf)e'<S 
SQ3eft=öftacr)er  £)iban. 10) 

10)  Die  hier  genannten  Bücher  aus  Beethovens  Handbibliothek 
befinden  sich  zur  Zeit  in  der  Königlichen  Bibliothek  zu  Berlin  (Musik- 


—     25     — 

Unfer  ÜDtofter  fjatte  fdjon  in  feinen  früheren  Safjren  bie 
©ewoljnbeit  angenommen  unb  fortan  beibehalten,  äffe  auf  fein 
©enfen  unb  $üf)fen,  auf  feine  Äunft,  Wie  auf  feine  fiebernd 
t>erf)ältniffe  unb  ßuftänbe  na^e  33egief)uiig  fjabenben  Steffen 
bei  ber  Seetüre  anäuftreidjen,  oft  noefj  51t  unterftreidjen,  über= 
bieö  noefj  recfjt  oft  biefetben  in  fein  Stagebud)  eiuäitfdjreiben. 
2)a§  gibt  eine  anfefjnticrje  gafjf  finnreidjer  Sätje,  bie  ^Weiten 
Wie  oom  Sfteifter  fetber  erfunben  erfdjeinen;  manetje  (Situation 
in  feinem  Seben  wirb  baburd)  Weit  fdjärfer  befeuchtet,  als  bie3 
in  anberer  Sßeife  fo  feicfjt  mogfid)  märe.  9fud)  an  eigeu= 
f)änbigen  SRanbbemerfungen  fefjtt  e§  in  biefen  intereffanten 
hefteten  nid)t. 

£)a§  (ängft  gewünfdjte  25eräeid)nif3  alter  £>auptwerfe 
(aud)  ber  meiften  Heineren)  fjinfidjttid)  ber  ßeit  tt)rer  ©nt- 
ftefjung,  erften  5fuffüf)rung,  it)re§  (£rfd)einen§  im  ®rude, 
Wie  aud)  be§  erften  SS  er  leg  er  §  wirb  fid)  im  5(nt)ange  $1  jeber 
^eriobe  oorfinben.  Sei  ber  beftefyenben  fatafogifcfjett  Unorbnung 
mar  bie  geftftettung  biefer  £)aten  ein  ganj  befonber3  fcfjwieriger 
Stfjeif  meiner  Aufgabe.  SDte  beigefjenben  (Sorrecturen  unb  9iat^= 
fd)täge  gur  ißefeitigung  biefeä  genannten  Uebetftaubeö  —  in* 
fomeit  jet}t  nod)  tfjunfid)  —  wirb  man  öietfeidjt  ntd)t  ungern 
ferjen.  —  Sfber  aud)  ber  muficatifdje  (Sfjarafter  beS  geitatterä, 
©efinnung  unb  23i(bung§3uftanb  ber  9ftufifer,  SSerfag^uftänbe, 
unb  anbre§  nod),  Werben  ber  £eben£fd)Uberung  gur  «Seite  gefjen. 
®8  foff  bieg  ber  befonberen  Sfnforberung  an  bie  53iograot)ie 
eines?  großen  Äünftferö  entfpreerjen,  ba^  biefefbe  gugfeicr)  ein 
©efd)icrjt§ft)iegef  feiner  Qtit,  nicfjt  minber  aud)  ein  Sefjrbud)  für 
Sene  fet),  bie  barau§  fernen  Wollen. 

^ritifdje  23  eurtf)  eilungen  üerf  ergebener  Sßerfe,  f)erau3= 
gegriffen  au3  ber  $ät  bei  erften  Sfuffüfjrungen,  ober  nad)  ifyrer 


Abteilung)  unter  den  zu  Schindlers  Beethoven-Nachlaß  gehörenden 
Dingen.  Den  Katalog  darüber  enthält  des  Herausgebers  Artikel  in  den 
„Monatsheften  für  Musikgeschichte":  Die  Autographe  usw.  1895  und 
1896.  A.  d.  H. 


—     26     — 

SBeröffentftdjung  im  £>rud,  werben  aU  integrirenber  STfjeit  ju 
beö  SWeifterS  2eben3gefd)id)te  in  biefer  Bearbeitung  bie  frühere 
£ütfe  ouSfittten.  Sie  gelten  ntctjt  blo§  at§  3eu9n^ffe  üon  Äu»ft* 
anfdjauung  ber  ©poclje,  audj  als  oftenftbte  Beraeife  üon  an= 
bauevnben  ©egenroirfungen,  ü6erbie<3  noefj  als  erroünfdjte  (Stoffe 
ju  Stnfeinbungen  unb  Äränfungen,  bie,  üon  bem  jugenblidjen 
ftünftler  oft  ignorirt,  bem  herangereiften  fidj  als  immer 
iuud)tigere  £>emmniffe  auf  feine  Saufbarjn  gelagert  Ratten  unb 
51t  überwinben  maren. u) 

Sie  fetjr  erfreiiüdje  £ljatfad)e,  bafj  fid)  gegenwärtig  bie 
%t)ei(nafjme  alter  (Suttur*SBötfer  an  $öeetrjor>en'S  Sdjöpfungen 
in  mett  Ijöljerem  ©rabe  nodj  gefteigert  tiat,  madjte  eS  rattjfam, 
nun  auf  einen  gemifdjten  SeferfreiS  Bebadjt  §u  nehmen. 
DJcüge  bem  SSerfaffer  aus  biefem  ©runbe  baS  Beftreben  nad) 
einfadjer  S)arftettuug  aller  mitäutljeUenben  2)inge  gelungen  feün, 
aufbafj  aud)  ber  förttif  ,^u  ©rneuerung  beS  ber  erften  öe= 
avbeitung  gemadjten  &xormurfS:  als  fjutbige  er  auS  Begeiferung 
für  ben  grofjen  S£onbicf)ter  $u  gern  ber  rrjetorifdjen  $f)rafe, 
ntdjt  tiüeber  ©runb  gegeben  feti.  SQZöge  überhaupt  baS  Bor- 
Uegenbe  aud)  bie  Befriebigung  beS  ernften  $ad)manneS  einiger* 
mafjen  $u  erreidjen  im  ©taube  ferjn,  bemt  erft  burd)  ^nftimmung 
non  in  ütelfeittger  Bilbung  unb  et)renroertt)er  ©eftnnung  auS= 
ge^eidjneten  Äünfttern  unb  Slunftgeterjrten  ertjäft  eine  bertei 
Arbeit  ben  befteu  £oijn. 

?(uf  baS  §eer  ber  SJhtfifer,  baS  notorifd)  5U  aller  ßeit 
büd)erfd)eu   geroefeu,    barum  jeber  tjorjeren,  ben  befdjränften 


11)  Das  Studium  der  Leipziger  Allgemeinen  Musikalischen  Zeitung 
von  ihrem  Anbeginn  Ende  des  18.  Jahrhunderts  bis  zu  Beethovens 
Tode  hin  bleibt  dem  ernsten  Beethovenforscher  eine  unerläßliche  Auf- 
gabe, um  die  gesamte  Zeitgeschichte  der  Beethovenschen  Kunst  kennen 
zu  lernen  und  zu  würdigen.  —  Eine  Probe  bieten  des  Herausgebers 
Artikel  in  den  „Hamburger  Signalen"  im  ersten  Jahrgange  1889 
dar:  „Wie  mau  über  den  Komponisten  Beethoven  in  den  ersten  Zeiten 
seines  Auftretens  urteilte"  (Nummern  7,  8,  9  u.  11).  A.  d.  H. 


—     27     — 

^orijont  erioeiternben  23etel)rung  qu§  bem  SSege  gegangen  unb 
nur  ben  (Stnftnrtungen  ber  Routine  folgt,  t)at  ber  SBerfaffcr  nictjt 
lieber  9?üdfid)t  nehmen  trollen.  3m  ©egenttjeit  fütjrt  e§  feine 
Stufgabe  mit  ficf),  aus  bem  l)iftorifd)=getreuen  2(6bitbe  biefer  (Staffe 
au§  früherer  @pod)e  ben  nod)  immer  gleichen  Snbifferenti3mu§  in 
ber  gegenmärtigen  ernennen  51t  laffen.  @s  gehört  aber  5U  ben 
munberlictjen  ©rfdjeinungen  in  ber  ©innenroelt,  baf$  mandje  2)inge 
itjren  ©runbdjarafter  oiele  (Generationen  tn'nburd)  unüeränbert 
bemafyren,  mät)renb  ringsum  5tEe§  bemüht  ift,  eine  ben  3eit= 
erforberniffen  entfpredjenbe  Reform  in  ©runbfätjen  unb  9Jcarünen 
anguftre&en,  miffenfdjaftlidjer  53itbung  nad)  jegtidjer  ©eite  J)in 
bie  Xf)ore  5U  öffnen  unb  felbft  bie  9}cerfmale  altbeutfdjen 
$t)iliftermefen3  au§  ben  SebenSlreifen  §u  üermifdjen.  Sn  ben 
Greifen  ber  STonlünftter  aber  fteljt  folct)e§  SBefen  immer  nodj 
in  fdjönfter  ^ölütt)e  (mit  9tu3nal)me  be§  nidtjt  fleinen  ®reife§ 
ber  autonomen  unb  inbuftri eilen  2(riftofratie),  unb  untere 
fd)eibet  fid)  nur  in  23e5ug  auf  Plus  ober  Minus  nad)  ben  ber* 
fdjiebenen  §immel§gegenben  be3  muficalifdjen  ®eutfd)tanb3. 


2)a  im  (loniejrte  tmeberfjolt  Don  öftreicfjifdjer  23aluta  bie  Siebe  ift,  bie 
beianntlid)  im  Saufe  ber  Satjrjefjenbe  mannigfache  llmmanblungen  ju  er= 
fahren  gehabt,  fo  mirb  ein  ©egemiberfteüen  anberer  beutfdjen,  audsj  fran$b= 
fifdjen  SJiünjüer^altniffe  rättjlid),  um  ein  rid)tige§  SSerftänbnife  ju  ermög* 
lidjen.  2)ie  9lnnaf)me  einer  runben  «Summe,  3.  33.  ein  Imnbert  ©ulbeii, 
bürfte  am  leidjteften  511m  Qwed  führen. 

100  ©ulben  2B.  SB.  (SSiener  SBcüjrung,  ^atoiergelb,  nad)  bem 
5inan3=5ßatente  t>on  1811)  finb  gleid) :  IS  £f)lr.  8  ©gr.  öreufeifdi;  ober 
24  ©ulben  rfjeinifdj;  ober  51  grancS. 

100  ©ulben  d.  2tt.  (©onoention^SDMnse,  ©über,  erft  im  brüten 
Sö^setienb  in  Umlauf  gefommen,)  finb  cjleidr) :  68  Zfylx.  px.;  ober  120  ff. 
r^etn.;  ober  257  grc§. 

®ie  im  erften  Saljrjeljenb  curfirenben  „SSanco-geitel"  (aud)  SBiener 
SBäfjrung  genannt)  roaren  fortmcUjrenben  ©düoanfungen  unterworfen,  fo 
bafj  fdjon  um  1805  ber  ©ulben  —  ä  60  $reujer  —  faum  bie  &ä(fte  be§ 
Komin afroertljeS  erreicht  I)attet  weiterhin  aber  uod)  tiefer  gefunfen  mar. 
®ie  SSaluta  biefe§  ©djeingelbeS  ift  barum  faum  beftimmbar. 

©iefe  SRotijen  merben  ben  Sefer  in  ©tanb  fegen,  bie  in  ber  2.  unb 
3.  SJSeriobe  balb  in  SBiener  SBäfjrung,  balb  in  Sonöention&^tünje  angeführten 
©ummen  nad)  llmftänben  entiueber  ju  erniebrigen  ober  ju  erljöljen. 


^on  33eet()0üen$  ©eburt  bi$  $u  (£nbe  1800. 

©in  Sttenfd)  ift  bie  SRcnf^|eit. 
St.  TOeifcner. 
I. 

Submig  Dan  SeetrjoOen  mürbe  ben  17.  $>ecember  1770  gu 
Sonn  geboren.12)  @etn  Sater,  Sodann  üan  Seettjooen,  mar 
Stenorift  in  ber  curfürfttitfjen  ßapefte,  unb  ftar&  1792  in 
Sonn,  ©eine  Sttutter,  9J?aria  ÜJtogbalena,  ge6.  toericrj  (and) 
Äeferid}),  au§  (Srjrenbrettftein  bei  (Soblens,  mar  bereite  1787 
im  Stöbe  oorangegangen.  ®er  ©rofetiater,  Submig  üan  Seetfyoüen, 
[teuerem  Sernutt^en  nadj  au§  SOfaeftridt)t  gebürtig,  mo  biefer 
Familiennamen  nodj  Oorfommt,*) 13)  mar  Safjfänger  unb  gulet^t 


*)  3m  Zscifyxe.  1840  faf)  ber  SSerfaffev  felber  auf  bem  ©cöilbe  eineö 
£aben3  mit  SoloniaI=3Saaren  §u  9Waeftrid)t  ben  üoüen  tarnen  unfete§ 
(Xompomften:  2out§  Dan  23eetf)oben. 

12)  Auch  Schindler  beginnt  mit  der  ungenauen  Angabe  des 
Beethovenschen  Geburtstages.  Verbürgt  ist  nur  des  Helden  Tauftag: 
16.  Dezember.  Drei  Tage:  15.,  16.  und  17.  Dezember  kommen  bei  der 
genauen  Feststellung  des  Geburtstages  in  Betracht.  Die  Beweis- 
führung ist  nicht  selten  vom  Herausgeber  unternommen  worden.  Man 
vergleiche  besonders:  Neudruck  der  Biographischen  Notizen  von  Wegeier 
und  Ries  durch  den  Herausgeber,  I.  u.  II.  Aufl.  1906,  p.  2,  5,  6. 
Ferner:  Beethovens  Sämtliche  Briefe  des  Herausgebers,  No.  1  (I.  Band); 
dann  ebendort  Brief  No.  215  an  Dr.  Wegeier  vom  Jahre  1«10  (1.  Band 
S.  312);  irrtümlich  aber  ist  im  Register  noch  S.  339  angegeben,  das 
ist  zu  streichen;  es  muß  dafür  296  stehen.  A.  d.  H. 

13)  Die  hier  von  Schindler  als  ganz  authentisch  angegebenen 
Worte  über  den  Stammbaum  des  Tonhelden  sind  von  der  späteren 
Forschung  noch  zu  wenig  beachtet  worden.     Unser  Autor  hält  daran 


—     30     — 

Gapellmeifter  in  ber  curfürftücfjen  Gapette  ju  SSonn,  unb  folt 
unter  bem  pracrjttiebenben  Surfürften  ßlemeng  9luguft  Opern 
tum  feiner  Gompofition  aufgeführt  rjaben.  (Sr  ftarb  1773.  3>ie 
Erinnerung  an  feinen  ©rofctiater  f)at  fitf)  in  feinem  berühmten 
(Sntel  fortan  tebenbig  erhalten,  unterftü^t  burd)  ein  guteä 
Portrait,  in  Del  ausgeführt.14) 

£>a§  ©eburt3f)au§  in  $onn  betreffend  bemerft  Dr.  Söegeter 
«Seite  6  feiner  biograprjifcfjen  ^otijen  über  Subroig  üan 
SBeerrjoüen,  baf$  e§  affer  9Sar)rfcf)etnticrjfeit  nacf)  ba§  mit  Sßro. 

fest,  daß  der  Großvater  Ludwig,  der  nach  Bonn  einwanderte,  in 
Maestricht  geboren  ist;  er  erklärt  dabei  aus  Autopsie,  daß  er  selber 
auf  dem  Schilde  eines  Ladens  mit  Kolonialwaren  zu  Maestricht  den 
vollen  Namen  unseres  Komponisten:  Louis  van  Beethoven  gesehen  habe. 
Die  recht  ergiebige  Forschung  über  die  Genealogie  Beethovens  — 
man  beachte  hier  Thayer-Deiters  im  ersten  Bande  des  umfangreichen 
Beethoven- Werkes,  siehe  besonders  des  ersten  Bandes  IL  Auflage,  von 
Deiters  herausgegeben,  S.  95  ff.  — ,  diese  Forschungen  gehen  auf  diese 
Schindlerschen  Bemerkungen  gar  nicht  ein.  Von  Maestricht  ist  da 
gar  keine  Bede.  Der  Beethovensche  Stamm  wird  da  ganz  allein  der 
Stadt  Antwerpen  als  Entstehungsort  zugewiesen.  —  Diese  positive  Be- 
merkung Schindlers,  daß  der  Großvater  des  Tondichters  aus  Maestricht 
gebürtig  ist,  bedarf  also  noch  weiterer  Untersuchung.  —  Auch  die 
neuesten  genealogischen  Forschungen  von  Werner  Hesse:  „Die 
Familie  van  Beethoven  in  Bonn  und  ihre  Beziehungen"  erwähnen  dies  und 
Maestricht  gar  nicht.  Dem  Erforscher  des  Beethovenschen  Stamm- 
baums sei  dieser  wichtige  Artikel,  in  dem  besonders  der  Ort  Mecheln 
vorgeführt  wird,  nahegelegt.  Die  Studie  steht  in  der  „Monatsschrift 
für  die  Geschichte  Westdeutschlands  mit  besonderer  Berücksichtigung 
der  Rheinlande  und  Westfalens",  herausgeg.  von  R.  Pick,  V.  Jahrgang, 
1879,  Trier,  S.  200—215.  Besonders  beachtenswert  erscheint  die  Mit- 
teilung, wonach  ein  Beweis  vorhanden  ist,  daß  Beethoven  am  16.  De- 
zember geboren  ist;  1. 1.  p.  215.  A.  d.  H. 

14)  Von  diesem  Porträt  des  Großvaters  spricht  der  Enkel  in 
seinem  Briefe  an  Dr.  Franz  Wegeier  vom  29.  Juni  1800,  in  No.  36 
der  Gesamtausgabe  (I.  Band):  „Statt  des  Portraites  meines  Großvaters, 
welches  ich  dich  bitte,  mir  sobald  als  möglich  mit  dem  Postwagen  zu 
schicken,  schicke  ich  dir  das  seines  Enkels."  —  Beethoven  bekennt  ge- 
legentlich selbst,  daß  er  Ähnlichkeit  mit  seinem  Großvater  besitze,  so 


—     31     - 

515  bezeichnete  in  ber  Sonngaffe  fei).  3)afür  erflärt  fid)  aucf) 
bie  Don  ü)m  genannte  grau  9tterten3,  geb.  ßengersborf,  bie 
jenem  £aufe  gegenüber  gemotzt  f)at.  Später  fjat  ein  bortiger 
Seljrer,  Dr.  £>enne3,  ber  ©aclje  weiter  nad)gefpürt,  mobnrd) 
SSegeter'ö  Angabe  bolle  Seftätigung  ermatten,  llngeadjtet  joldjer 
©en>if#eit,  10051t  ba§  Saufbudj  ber  betreffenben  ^favrfirdie 
oerf)otfen,  entftanben  über  baS  @eburt$f)au3  unferä  £onbid)terv, 
bei  (MegenJjeit  ber  Inauguration  feinet  (StanbbilbeS  iji  Sonn 
1845,  heftige  Sontroüerfen.  üfteib  unb  ©eminnfud)t  gaben  fid) 
bie  größte  SRü^e,  baZ  §au§  9?ro.  934  in  ber  3tf)eingaffe,  in 
metdjem  bie  $amilie  Seetfjoüen  um  bie  adliger  Saf)re  roirflid) 
geloofjnt,  für  ba§  ©eburtSt)au3  au^urufeu.  ©elbft  2Öege(er  » 
miebertjoite  Sefräftigung  in  bem,  im  genannten  3a£>re  er= 
fd)ienenen  „9cad)trag  ju  ben  biograpf)ifd)en  ^toti^en",  bafj  btö 
eigentliche  ©eburtSljauä  unbeaiueifett  ba§  früher  bejcidjnete  in 
ber  Sonngaffe  fei),  tonnte  bie  fdjreienben  ©egner  nid)t  jum 
Sdjmeigen  bringen.15)  5Iuf  fc^riftticfjeö  Srfudjen  bei  (£igen= 
tt)ümer£  biefeS  §aufe§,  Med.  Dr.  <Sd)übt,  manbte  fid)  ber  83er* 
faffer  bev  oortiegenben  (Schrift  an  Sodann  oan  Seetfyooeu 
(©ruber  be§  großen  SlüttfiferS)  nad)  SBien  mit  ber  anfrage,  ob 
er  in  biefem  Streitpunkte  nid)t  entfdjeiben  fönne  unb  molle. 
©eine  CSnoieberung  tautete  baljtn,  bafj  er  fid)  ber  Senennung 
ber  ©äffe,  in  luetdjer  btö  @e6ttrt§|a»§  feines  SruberS  Subttng 
gelegen,  nid)t   mit  ©eanjjljeit  mefyr  erinnern  fönne,  luofjt  aber 


iu  einem  Briefe  au  seinen  Freund  und  Rechtsbeistand  Dr.  juris 
Dr.  J.  B.  Back  (1824),  wo  es  heißt:  „Ich  glaube  wohl  einmal  vom 
Schlage  getroffen  zu  weiden,  wie  mein  biederer  Großvater,  mit  dem 
ich  Ähnlichkeit  habe."    (Beethovens  Sämtl.  Briefe  No.  J018,  V.  Band.) 

A.  d.  H. 
15)  Bekanntlich  ist  der  Streit  um  Beethovens  Geburtshaus  längst 
so  gründlich  zuguüsten  der  Bonngasse  515  entschieden,  daß  dort  das 
Beethovenhaus  installiert  werden  konnte,  wohin  seitdem  aus  allen 
Ländern  viele  Verehrer  Beethovens  pilgern.  —  Daß  auch  Beethovens 
Bruder  Johann  in  diese  Streitfrage  hineingezogen  wurde,  erfahren  wir 
hier  aus  Schindlers  Munde.  A.  d.  H. 


—     32     — 

erinnere  er  fiel),  baf3  baffetbe  loeit  bom  Steine  entfernt  gefegen. 
2)er  ©treit  über  biefen  an  ftd£)  fo  unwichtigen  @egenftanb,  in 
roetdjem  fogar  angefeljene  SDMnner  ber  ©tabt  als  SBortfüfjrer 
für  baS  alte  £)au3  in  ber  9it)eingaffe  STtjeil  genommen,  roarb 
buret»  ben  S53in!  quo  SSien  nicfjt  Beigelegt,  bietmerjr  f)at  bie 
©pecutation  in  ber  öffentlidjen  Meinung  gefiegt,  fo  ba^  bie 
2Sat)rt)eit  Oerftummen  mufjte. 

SDaS  @erüd)t,  bafj  Söeettjoben  ein  natürtidjer  ©otjn  bon 
griebrid)  SBittjefm  IL,  Äönig  bon  ^reufien,  gemefen  fet),10)  §uerft 
bon  geholte  unb  (Sljoron  auSgeftreut,  ba£  bann  fogar  in  fieben 
9luftagen  beS  23rodrjau§'fd)en  (Sonberfation§=ßejicon§  nad)= 
gebrudt  roorben,  fjat  35eetf)ooen  biet  Mntung  berurfadjt. 
Unterm  7.  Dctober  1826  fjat  er  feinen  Sugenbfreunb  Sßegeter 
brieftief)  erfudjt,  bieSfattö  einfdjreiten  ju  motten,  „unb  bie 
9iedjtfd)affent)eit  feiner  (Sftern,  bejonberä  feiner  Sftutter,  ber 
2Mt  befannt  51t  madjen."  28arum  biefes  (Srfudjen  an  2Begeter 
nidjt  biete  Safjre  bor  bem  genannten  Saturn  gefd)etjen,  erftärt 
ftet)  au§  bem  Umftanbe,  baf3  biefeS  Serkon  in  Deftreict)  bi§ 
gu  jenem  geitpunfte  faft  gang  unbefannt  geblieben,  toafjrfdjein* 
lid)  au§  (Senjur=©rünben.  Tegeler  glaubt  ©eite  5  feiner 
Kotigen,  bafe  biefeS  @erüd)t  feiner  SSiberlegung  bebürfe,  inbem 
biefer  preuf3ifd)e  Äönig  bor  SeettjobenS  ©eburt  nid)t  in  33onn 
gemejen,  feine  9Jhttter  aber  mäf)renb  iljrer  ©Ije  biefe  ©tabt 
niemals  berlaffen  tjatte.  9cid)t  alfo  bad)te  ber  SBerfaffer  biefer 
©cfyrift.  9(13  bie  leipziger  QSer(ag§t)anbliing  bie  adjte  Sluftage 
biefeS  ßejiconö  angetünbigt  rjatte,  fanb  berfelbe  e§  an  berßeit, 
fie  unterm  17.  gebr.  1833  auf  jenes  fatfdje  @erüd)t  aufmerffam 


16)  Über  die  vermeintliche  Abstammung  Beethovens  vom  König 
Friedrich  Wilhelm  II.  von  Preußen  habe  ich  mich  im  Laufe  der  Jahre 
vielfach  geäußert;  alles  im  Zusammenhange  ist  jetzt  in  meinem  neuesten 
Beethovenbuche  „Beethoven  uud  Berlin"  enthalten,  S.  31 — 38,  1908. 
Auch  die  neue  Mär,  daß  der  Meister  von  Friedrich  dem  Großen  ab- 
stammt, konnte  auf  Grund  der  Kouversatioushefte  augemerkt  werden 
fib.  p.  33).  A.  d.  H. 


—     33     — 

gu  machen  mit  Söe^ugnarjme  auf  23eetljoüen<§  S3rtef  an  Tegeler 
au3  bem  Satire  1826.  (Sofort  rourbe  bie  betreffenbe  ©teile  in 
ber  neuen  Auflage  corrigtrt. 

lieber  33eetrjoüen§  (Srgietjung  unb  erfte  Sitbung  mufj 
Tegeler  allein  gehört  merben.  ®r  fagt  Seite  9  feiner  ^oti^en: 
„58eet^oöen§  ©rgietyung  mar  roeber  auffaEenb  oernact)läfftgt, 
nocfj  oefonberä  gut.  Sefen,  Schreiben,  9?ectjnen  unb  ettua§ 
Satein  lernte  er  in  einer  öffentlichen  Scfjute,  9J?ufif,  ju  ber  itjn 
fein  Später  ununterbrochen  unb  ftreng  antjtelt,  511  §aufe.  §ier 
fjatte  man  fiel),  aufjer  bem  ©efjalt  beö  93ater3,  feinet  (SrmerbS* 
3meig3  5U  erfreuen,  mithin  fanb  überall  Sßefcrjränfung  ftatt. 
Saljer  bie  (Strenge  be§  geiftig  unb  fittlicfj  roenig  auSgebilbeten 
$ater3,  (er  mar  bem  £runl*e  ergeben)  um  fiel)  in  bem  älteften 
So§ne  balb  eine  £mtfe  §ur  ©r^ieljung  ber  übrigen  %\i  bilben." 
—  3U  Vorfterjenbem  miffen  mir  {jinpsufe^en,  ba$  ber  feurige 
unb  oft  ftörriferje  Knabe,  ber  leinen  Cal  de  plomb  gehabt,  ftetS 
mit  altem  ©ruft  an  baZ  Glaüier  getrie6en  merben  mufjte.  ßum 
SBiolinfpiel  fjatte  er  noct)  weniger  Suft,  unb  barauf  begügtid) 
mufe  ba§>  fdjöne  poetifdE)  erfunbene  unb  oft  nad)er§äfjlte  9Kätjrd)en 
oon  einer  Spinne,  bie  —  „fo  oft  ber  Heine  Subroig  in  feinem 
Kämmerlein  Biotin  fpielte,  fid)  oon  ber  SDecfe  Ijerabtiejs  unb  auf 
bie  ©eige  fetjte,  melcfje  bann  bie  Butter,  al§>  fte  bie  ©efeH- 
fetjafterin  itjreä  ©ötjncfjens?  raaf)rgenommen,  tobt  fctjlug,  morauf 
ber  Kleine  feine  Violine  gertrümmerte"  —  für  ba%  erllärt 
merben,  roa3  e§  eigentlich  ift.  2)er  grofje  ßubmig  mollte  fiel; 
eineä  äfjnlicfjeit  Vorfalles  nicfjt  entfinnen.  Dbgleict)  fdjon  be= 
fannt,  fyat  boefj  erft  ein  biograpljifcrjer  2luffat5  ü6er  Söeetljooen 
au§  ber  $eber  oon  Dr.  (Srjriftian  9#ültet  in  Bremen  biefem 
üftäljrcfjen  allgemeine  Verbreitung  gegeben.  (Sltlgemeine  9J?ufi= 
faliftfje  ßettung,  29ter  ^at)rgang,  S.  346.) 

2)en  um  eine  Stufe  l)bt)eren  Unterricht  in  SDcufif  erhielt 
Seetlmüen  burefj  einen  gemiffen  Pfeiffer,  melier  Sftuftfbirettor 
unb  Dboift,  überhaupt  al§  trefflictjer  Künftler  unb  genialer 
Sftann  befannt  mar.    SSegeter  fagt:  „SBeetrjoüen  berbanft  biefem 

31.  ©cfjittMerS  iBectfioöen-SBtogvapljie.  3 


—     34     — 

Setjrer  ba§>  9D?eifte  unb  mar  aud)  fo  erfenntlid)  bafür,  baf;  er 
ifym  nod)  oon  2Bien  au§  burd)  £>errn  ©imrod  eine  ©elbunter= 
ftütjung  ankommen  tiefe."  Saft  ber  curfürfttidje  §of=Drganift 
öan  ber  @ber17)  unferm  &unft=2tföiranteu  mirftid)  bie  93e= 
fjanblung  ber  Orgel  gelehrt,  tute  SBegeler  b(o3  üermuttjet,  ift 
geroi^.  23eett)ot>en  toufete  in  fpüteren  Sauren  nod)  mandje 
2tnefbote,  Dornefjmtid)  in  Segug  auf  §anbfütjrung,  biefem  bon 
iljm  für  fo  midjtig  gehaltenen  Quillt  an  ber  Orgel,  met)r  nod) 
am  (Slamer,  au§  jener  Setjr^eit  §n  ergäljlen.  3Bir  merben  un£ 
beffen  im  muftfalifd)en  £t)ei(  biefer  <2d)rift  mieber  erinnern, 
gerner  bemerft  Sßegeler:  „®et  früher  al§  9ttufif=2)irector  bei 
ber  @rof3mann'fd)en  ©d)anfpie(=©efetlfd)aft,  fpäter  at§  £of= 
Drganift  angef teilte,  aud)  at3  Stonfetser  bekannte  Sftufifer  Üfteefe 
Ijatte   menig    (Sinftufi   auf  ben   Unterridjt  unfereS  Submig;18) 


17)  Der  Name  des  Lehrmeisters  Beethovens  auf  der  Orgel  ist: 
Van  den  Eeden.  A.  d.  H. 

18)  Über  C.  G.  Neefes  Einfluß  auf  Beethoven  ist  Schindler 
offenbar  im  Irrtum.  In  Wahrheit  muß  Neefes  Einfluß  auf  den  Ton- 
dichter bedeutend  gewesen  sein.  Im  Jahre  1793  schrieb  er  an  seineu 
alten  Lehrer:  „Ich  danke  Ihnen  für  Ihren  Rath,  den  Sie  mir  sehr 
oft  bei  dem  Weiterkommen  in  meiner  göttlichen  Kunst  ertheilten. 
Werde  ich  einst  ein  großer  Mann,  so  haben  auch  Sie  Theil  daran." 
—  Die  Mitteilung  aus  Spaziers  Berlinischer  Musikalischer  Zeitung 
wird  wohl,  soweit  eine  bekannte  Briefstelle  Beethovens  an  Neefe  vor- 
kommt, erwähnt  (s.  Thayer  I,  119),  die  ganze  Stelle  ist  für  den  jugend- 
lichen Beethoven  doch  zu  wichtig  und  unbekannt,  daß  sie  gerade  hier 
beim  Schindler-Neudruck  nicht  mitgeteilt  werden  soll:  Bei  Spazier  im 
39.  Stück  vom  26.  Oktober  ist  ein  Artikel:  „Musikalische  Nachrichten 
aus  Bonn"  enthalten,  wie  es  im  „Beschluß-Artikel"  heißt:  „Im  November 
vorigen  Jabres  (also  1792)  reiste  Ludwig  v.  Beethoven,  zweiter  Hof- 
orgauist  und  unstreitig  jetzt  einer  der  ersten  Klavierspieler, 
auf  Kosten  unseres  Churfürsten  (von  Colin)  nach  Wien  zu  Haydn,  um 
sich  unter  dessen  Leitung  in  der  Setzkuust  mehr  zu  vervollkommnen.*) 
Haydn  wollte  ihn  bei  seiner  zweiten  Reise  nach  London  mitnehmen; 
noch  ist  aber  aus  dieser  Reise  nichts  geworden."  A.  d.  H. 


*)  Da    dieser    L.  v.  B.    mehreren  Nachrichten    zufolge    große   Fortschritte    in    der 
Kunst    machen    soll    und  einen  Teil  seiner  Bildung  auch  Herrn  Neefe  in  Bonn  verdankt, 


—     35     — 

festerer  fragte  fogar  über  9ceefe'§  §u  Ijarte  fö'ritif  feiner  erften 
^ßerfucrje  in  ber  (Sompofition.  Sm  ^a§re  1785  toarb  Seetljouen 
öom  (Surfürften  Wl  ar.  ftrani,  Vorüber  be<§  $aifer§  Sofepl),  afö 
Drganift  bei  ber  curfürftlicf)en  ßcrpeUe  angeftellt,  too  er  nun 
mit  Sfteefe  abruecrjfenb,  ben  eben  nid)t  fetteren  ©ienft  üerfal). 
$)er  gürft  fcfjeint  bei  biefer  Ernennung  nur  ben  3*^  einer 
Unterftütmng  cor  Augen  gehabt  ^u  fyaben. 

Stn  erften  Satjrgang  ber  öligem.  9J?uf.=3tg.  (uom  3.  €ft. 
1798  big  25.  ©eptemb.  1799)  finbet  fid)  „£  ©.  üfteefe'S 
SebenStauf,  öon  it)tn  felbft  befd)rieben",  batirt  au§  gfranffurt, 
ben  30.  ©eptember  1782.  $)a  ber  ftünftter  feine  ©teile  ^u 
93onn  bereits  berfaffen  unb  in  granffurt  bomicitirte,  fo  toill 
ba§  mit  ber  gleichzeitigen  Aufteilung  als  Drganift  mit  bem 
Jüngling  Söeett)oüen  nicfyt  übereinftimmen.19)  Aber  9ceefe'<§  „§u 
fyarte   Skxtit   ber    erften    Sßerfuclje  in   ber  (Sompofition"   ift 


19)  In  der  Neefe- Angelegenheit  verdient  gegenüber  Wegeier  und 
Schindler  noch  ein  unklarer  Punkt  hervorgehoben  zu  werden.  Be- 
kanntlich enthält  schon  der  I.  Jahrgang  der  Leipziger  Allgemeinen 
Musikalischen  Zeitung  von  No.  16  ab  (Januar  1799)  eine  ausführliche 
Selbstbiographie  von  Neefe  unter  dem  Titel:  „Christian  Gottlob  Neefes 
Lebenslauf  von  ihm  selbst  beschrieben  bis  zum  Jahre  1782."  Die 
letzten  Worte  Neefes  geben  zu  denken.  Neefe  beschreibt,  daß  er  mit 
der  Goßmaunschen  Theatergesellschaft  reist,  nach  Pyrmont:  „Wieder 
nach  Bonn  bis  20.  Juni  1782,  dann  nach  Münster.  Den  Tag  zuvor 
ward  mein  Vorgänger  der  Hoforganist  Van  den  Eden  (d.  i.  der  ge- 
nannte Lehrer  Beethovens)  begraben.  Ich  erhielt  aber  Erlaubniß,  daß 
ich  meine  Stelle  durch  einen  Vikar  verwalten  lassen,  nach  Westphalen 
und  von  da  nach  Frankfurt  zur  Michaelismesse  mitreisen  durfte,  wo 
wir  das  vom  Magistrat  ueuerbaute  Komödienhaus  einweihten."  — 
Wenn  wir  dieses  Neefesche  Vicariat  auf  den  jungen  Beethoven  deuten 


dem  er  selbst  schriftlich  dafür  dankbar  geäußert,  so  mögen,  Herr  N.s  Bescheidenheit  mag 
dies  erlaubt  sein  lassen,  einige  Worte  hier  angeführt  stehen,  da  sie  dem  Herrn  B.  zur 
Ehre  gereichen:  „ich  nanke  Ihnen  für  ihren  Kath,  den  Sie  mir  sehr  oft  bei  dem  Weiter- 
kommen in  meiner  göttlichen  Kunst  ertheilten.  Werde  ich  einst  ein  großer  Mann,  so 
haben  auch  Sie  Theil  daran.  Das  wird  Sie  um  so  mehr  freuen,  da  Sie  überzeugt  sein 
können  u.  s.  w."  —  Hätte  uns  Spazier  doch  den  ganzen  Beethovenbrief  mitgeteilt.  Wo 
mag  der  jetzt  unter  Neefes  Nachkommen  noch  versteckt  sein?  Wir  würden  eines  der 
interessantesten  Brief-Dokumente  erhallen!  Der  Redakteur  Carl  Spazier  scheint  diese 
Zeuung  mit  dem  Ende  des  Jahres  1793  aufgegeben  zu  haben.  A.  d.  H. 


—     36     — 

baburdj  nid)t  beseitigt,  Denn  ber  ftnabe  SBeettjoüen  f)atte  bereits 
eine  jiemiicfje  Stn^a^I  $erfud)e  (^u  Rapiere  gebraut.  2)ie  bei 
2(rtaria,  angebiid)  „au§  bem  9?ad)taffe  $eeti)oDen§",  erfdjienenen 
„3)rei  Driginat-Guartette  für  ^ianoforte,  Violine,  $io(a  unb 
$io(oncelt  —  componirt  im  2Hter  Don  13  Sauren"  —  mögen 
jur  ßeit  it)rer  (Sntftefyung  tuo^t  flu  harter  Äritif  nad)  meljr  atö 
einer  Seite  t)tn  ?(nfati  gegeben  Ijaben.  SBenn  ober,  mie  Tegeler 
anführt,  ber  curfürftlidje  £)offatenber  auf  bas  Satjr  1790 
(Etjriftian  Dceefe  unb  Submig  Dan  93eett)ODen  ot§  Drganiften 
angibt,  gur  geit,  tü0  festerer  über  bie  „erften  $erfud)e"  fdjon 
fjinanä  mar,  fo  fdjeint  bamit  ber  $rrtt)um  nod)  Dermeljrt  flu 
feDn.    Snbefj,  ein  §offa(enber  fann  ja  nid)t  irren.*) 

<2otoof)(  bie  Ernennung  gum  Drganiften,  mie  aud)  feine 
fpäterfyin  erfolgte  ©enbung  §u  meiterer  Sfu^bitbung  nad)  SSien, 
t)atte  23eetljoDen  Dorflug^raeife  bem  ©rafen  Don  3Ba(bftein  gu 


*)  Qit  einer  Gorrefponbens  über  bie  TOufif^uftäube  ju  33onn  für  ba£ 
3ftärä-§eft  Dom  3a^e  1783  be§  Hamburger  SRagaäinä  ber  SRufif  r>on 
(£.  g.  (£ramer,  üon  ber  9?ieberrf)einifcf)en  sDluftf=3e'tunS  ™  ^ro-  25  »ort 
1858  anzüglich,  mitgetfjeilt,  lieft  man:  „SouiS  Dan  Söeetfjoöen,  Soljn 
be£  oben  angeführten  lenoriften,  ein  Änabe  oon  1 1  3^ren/  unb  Don  Diel? 
nerfprechenbem  Talent.  (Sr  fpielt  fet)r  fertig  itnb  mit  Straft  ba%  (Xlamer, 
lieft  fer)r  gut  00m  Slatt,  unb  um  aüe§  in  Einem  ju  fagen:  er  fpielt  grbBteiu 
ttjeif^  i>a§>  rooljltemperirte  ßlaoier  üon  3-  ©•  33ad),  tuelä)e§  iljm  £>err?ceefe 
unter  bie  §änbe  gegeben.  28er  biefe  Sammlung  uon  Sßrälubien  uub  trugen 
burd)  alle  2üne  fennt  (tuefdje  man  faft  t>a%  non  plus  ultra  nennen  fönnte) 
roirb  roiffen,  mag  ba3  bebeute.  §err  92eefe  Ijat  ihm  aud),  fofern  eS  feine 
übrigen  ©efcbäfte  erlaubten,  einige  Einleitung  jum  ©eneralbafe  gegeben. 
I^etjt  übt  er  ir)n  in  ber  (Jompofition,  unb  ju  feiner  Ermunterung  fjat  er 
9  SSariationen   Don   ihm   für'3  Glaoter   über  einen  Ütarfd)  in  9Jiannbeim 


dürfen,  dann  hat  also  Beethoven  Herbst  1782  bereits  seinen  Posten 
als  Stellvertreter  des  Hoforganisten  Neefe  versehen  dürfen.  —  Übrigens 
erwähnt  weder  Neefe  selbst  in  seiner  Autobiographie  den  Namen  seines 
Schülers  Beethoven  noch  auch  seine  Gattin  in  No.  23  derselben  Zeitung 
p.  360 ff.  im  Artikel:  „Neefes  Lebensgeschichte  von  seiner  hinterlassenen 
Witwe  fortgesetzt."  Nach  diesem  Bericht  starb  Neefe  am  26.  Januar  1798. 
—  ..Er  hinterließ  am  Leben  drei  Töchter  und  einen  Sohn."     A.  d.  H. 


—     37     — 

öerbanfen,  ber  —  nad)  Tegeler  —  fein  „erfter  unb  in  jeber 
§infid)t  Widjtigfter  9ftäcen"  gewefen.  ©raf  Sßatbftein  war 
3)eutfd)-Drben3==9xitter,  Siebting  nnb  beftänbiger  ^Begleiter  be§ 
jungen  ßurfürften,  fbäter  ©eutfdj=Drben§*©ommanbein:  §u 
SBirnSberg  unb  Kämmerer  be§  SlaiferS.  @r  war  nid)t  nur 
Kenner  ber  üKujif,  audj  9Iui§übenber.  Slf§  fotcljer  fonnte  er 
birecten  (Sinffufe  auf  bie  (Sntwidtung  be§  jugenbticijen  £alent3 
nehmen.  3n  gotge  feiner  Slnregung  entwidette  fidt)  SBeertjobenS 
Einlage,  ein  £t)ema  auö  bem  Stegreife  $u  üariiren  unb  au§= 
jufüfyren,  in  wetdjer  ^uuft  er  in  fbäteren  Sauren  üon  feinem 
ber  .ßeitgenoffen  erreicht,  nod)  weniger  übertroffen  worben. 
SBie  fjoct)  ©raf  bon  Söatbftein  ba§  Xatent  33eett)ot>en§  fcijon 
nad)  beffen  erften  ^unbgebuugen  gefd)ä|t,  Wetdje  gufunft  er 
itmi  0orau3gefagt,  fott  au§  einem  Briefe  üon  it)m  an  ben 
jugenblidjen  Äünftler  erhellen,  beffen  SSortlaut  weiter  unten  mit* 
geseilt  werben  wirb.  SDurd)  SBegeter  erfahren  wir  nod),  bafj 
biefer  watjrfjafte  ©betmann  mandje  (Mbunterf  tütjung,  bie 
meiftenö  al§>  eine  fteine  ©ratification  Oom  ßurfürften  betrachtet 
warb,  unferm  jungen  Sontjetben  mit  größter  (Schonung  feiner 
Dto^barfeit  §u  Streit  Werben  liefe.  3ur  ©teile  fott  nur  nod) 
berührt  Werben,  ba$  93eett)oOen,  bem  ©ipfetbunfte  feiner  Stünftter= 
t)öt)e  bereits  nat)eftet)enb,  biefem  ©önner,  Pfleger  unb  Wlit= 
bübner  burd)  SBibmung  feiner  großen  ©onate  in  C  dur,  Dp.  53, 
bie  im  Satjre  1806  erfdn'enen,  feinen  £>ant  öffentlich)  bar= 
gebradjt  ijat.20) 

flehen  laffen.  $>iefe§  junge  @enie  üerbiente  ttnterfiütmng,  bafj  e3  reifen 
fönnte.  (£r  würbe  getutfe  ein  jiüetter  Sßolfgang  2lmabeu§  9Jcoäart 
»erben,  wenn  er  fo  fortfd)ritte,  wie  er  angefangen." 

Wü  biefer  (Xorreföonben3=9cac&ric&t  ftefit  9Kegeler3  2iu§fage,  Seetfioüeng 
Sttter,  feine  befannten  SSerfudEie  in  ber  ©ompofition,  fogar  9?eefe'§  (£nt* 
fernung  üon  Sonn  unb  2lufentt)alt  511  granffurt  a.  -äJc.  im  SStberfprud). 
Stuf  wetdier  «Seite  ifi  2Ba^it)eit  ju  fudjen?  (£3  fd)eint  Bei  Tegeler,  unb 
n>a§  mit  feiner  SluSfage  im  guten  3ufammenbange  fielet. 

20)  Die  Versuche  A.  W.  Thayers,  sowohl  das  Freundschafts- 
verhältnis Wegelers  zu  Beethoven  als  auch  dasjenige  des  Grafen  von 


—     38     — 

(Sine  ben  jugenblidjen  Drganiften  djaracterifirenbe  $e= 
gebenfjeit,  faum  bafj  er  tion  ber  Drgelbanf:  Q3efit;  genommen, 
mag  nun  nad)  S33egeter'§,  aber  aucfj  nad)  93eetrjoöen'§,  Wit* 
tljeilung  tyiafy  ftnben;  fie  geroinnt  baburdj  an  Sntereffe,  ttieü 
93eibe  in  itjrer  2fo§fage  mefentlid)  abmeictjen.  ©iefer  $aß  bürfte 
in  ber  nid)t  unbebeutenben  Hn^arjl  Hon  5Biberftirüdjen  unb  a6= 
tt>eid)enben  ?fu3fagen  in  23eetrjot>en§  Seben  moljl  aU  ber  erfte 
§u  be^eidjnen  fetjn.  Uebertjaupt  merben  bem  Siograptjen  t)ier= 
burd)  ©teine  üon  fo  fdnoerem  ©emicbt  in  ben  Sßeg  gefegt,  bafj 
er  aufteilen  aufjer  ©taub  fetjn  ttrirb,  fie  üon  ber  ©teile  gu 
tjeben,  ^untat  ber  93?eifter  an  einigen  üerfönlicijen  2tntt)eil  fjat. 

,,^n  ber  fatrjolifcfjen  5lird)e  —  ergä^tt  SBegeler  —  loerben 
toätjrenb  breier  £age  in  ber  (Etjariuodje  bie  Samentationen  be3 
Sßroptjcten  Seremtaö  gefungen.  (9?idjt  überaß,  ja  nur  feiten 
ftnb  fie  §u  tjören.  ©er  SSerf.)  SMefe  befielen  befanntlid)  au§ 
fteinen  @ä|en  üon  Oier  big  fed)3  3e^en»  im0  Würben,  jebodt) 
nad)  einem  geroiffen  sJ\f)t)tt)mu§,  als  Gtjorate  Oorgetragen.  $)er 
©efang  beftanb  au3  oier  auf  einanber  folgenben  £önen, 
§.  93.  c,  d,  e,  i,  raobei  immer  auf  ber  £etg  mehrere  2öorte,  ja 
ganje  ©ätje  abgefungen  mürben,  bi§  bann  einige  9?oten  am 
©d)lufc  in  ben  ©runbton  gurürffüljrten.  S)er  ©änger  mirb,  ba 
bie  Drgel  in  biefen  brei  £agen  fd)lueigen  mu§,  (fie  fdjmeigt  nur 
meljr  am  (Srjarfreitag)  nur  üon  einem  (Elaüierfüieler  frei  be= 
gleitet."  (5(lfo  rootjl  an  einem  Glatter,  tua§  tjeut^utage  nirgenbS 
meljr  öorfommt,  inbem  ba$  ßlaoier  aU  ba§>  ungeeignetfte 
Snftrument  ju  irgenb  einer  fird)tid)en  Function  erflärt  ift.) 

3um  SBerftä'nbnifj  ber  Bad^  bürfte  bie  Dotation  be3  erften 
93erfifel§  biefer  Samentationen  bienen,  unb  ^mar  auf  einem 
fünflienigen,     nidjt    oiertienigen    ©üftem,     auf    meinem     ba§> 

Waldstein  der  Zeit  nach  ganz  umzugestalten,  ist  zur  Genüge  behandelt 
und  umgestürzt  worden.  Man  lese  in  der  II.  Ausgabe  der  von  Dr.  Deiters 
behandelten  Beethoven- Biographie  von  Thayer  nach:  Man  vergleiche 
auch  den  vom  Herausgeber  besorgten  Neudruck  von  Wegeier  &  Ries 
biographischen  Notizen  S.  XXIVff.  und  S.  40ff.  A.  d.  H. 


39     — 


Officium  Hebdomadae  sanctae  (Officium  für  bie  ©rjarrooctje) 
in  ben  alten  ^irdjenbücfjern  notirt  erfcfjeint.  $ur  SSerbeutticfmng 
be§  Sftrjrjtrjmifdjen  in  ber  9ftecitation  roerben  bie  bierecfigen 
^totengeicfjen  gu  befeitigen  fetjn. 


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if£fcjt*-^rf=5 


In     -     ci-pit    la-men-ta-ti  -  o     Je-re-mi-ae  Prophe     -     tae. 


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A        -        leph.     Quo   -   mo-do  se-det  so-la   ci-vi-tas  ple  -  na 


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po  -  pu-lo:  fa     -     cta  est     qua-si     vi-du-a     Do-mi-na 


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-0 — • — • — • — 0- —     •    • — •      P 


-i" 

gen  -  ti  -  um :      Princeps  pro-vin  -  ci  -  a-rum      fa-cta   est  sub 


tri-bu 


to.  Beth. 


Sßernefjmen  tutr  nun  SBegeler  roeiter. 

„%l%  einft  biefe§  ?tmt  (ber  Begleitung)  unferm  Beetfjooen 
oblag,  fragte  er  ben  fefjr  tonfeften  ©änger  §eüer,  ob  er  ifjm 
ertauben  motte,  ifjn  fjerauSjuroerfen  unb  benutzte  bie  roo§(  etroa§ 
311  fdmelt  gegebene  Berechtigung  fo,  bajj  berfelbe  burct)  9IU3* 
meicfjungen  im  2tccomOagnement,  ungeactjtet  Beettjotien  ben  bom 
(Sänger  anguljattenben  £on  mit  bem  fleinen  Ringer  fortbauernb 
anfcrjlug,  fo  au§  bem  Sone  tarn,  bajj  er  ben  ©cfjtufcfatl  nidjt 
merjr  finben  tonnte.  ®er  nod)  (ebenbe  bamatige  äRufifbirettor 
ber  curfürfttidjen  ßabette  unb  erfter  Biotinfoieler  Bater  9He§ 
erjätitt  jeijt  nocrj  auSfürjrlid),  mie  fefjr  ber  babei  gegenwärtige 
Gapellmeifter  Sucfjefi  burdj  Beetrjoben'3  ©biet  überrafcfjt 
geraefen  ferj." 

Sene,  bie  mit  bem  Ütituate  ber  ratrjolifcfjen  StHrcfje  betannt 


—     40     — 

finb,  merben  atSbatb  erraten,  bafj  e§  fid)  in  unferm  ^aüe  um 
nid)t§  anber§  rjanbeft,  a\§>  um  ?ru3fdnnüdung  ber  monotonen, 
in  brei  giemlid^  ausgebaute  „SecttoneS"  scrfallenben  2a= 
mentationen  oermittelft  mannigfaltiger  gigurationen  mit  fanftem 
9}egiftei^ug,  gang  in  berfefben  SBeife,  mie  bie  ^räfation  im 
§odjamte  uom  Drganiften  begleitet  tnirb,  beten  Dotation  oon 
ber  f)ier  oorfteljenben  nur  roenig  abmeiert.  @§  nerftefjt  fid), 
bafj  ber  begteitenbe  Drganift  fid)  feiner  fjarmoniferjen  (£jtra= 
oagan§en  fd)utbig  madjen  fotf,  mie  e§  'Bad^  unb  Ort  errjeifdjen. 
®ie3  mar  jebod),  nad)  Sßeetf)oOen'§  Sftitttjeitung,  in  SBonn 
mirftid)  ber  galt. 

2Iuf  jenen  Vorfall  gurüdbüdenb  merbe  nur  noefj  angeführt, 
bafj  ber  in  feiner  Äünftlereljre  fid)  gehäuft  fürjfeitbe  Gapell= 
(Sänger  ben  mutwilligen  Drganiften  beim  Gütrfürften  oerHagt 
rjatte,  ber  itjm  bann  aud)  „einen  fetjr  gnäbigen  $Berroei§  gegeben 
unb  für  bie  3lt^unft  oer^  ©eme*©treidje  unterfagte",  mie  fid) 
93eettjoOen  in  fpäterer  ,3eit  bar  über  auSgebrüdt  fjat. 

©ine  anbere  üon  Tegeler  ergätjlte  Gegebenheit  fdjeint 
größeres  Sntereffe  §u  fjaben,  inbem  man  barin  erfiefjt,  baf3 
S3eetf)oOen  fdjon  in  feinen  früijeften  (5ompofition3=$erfud)en  ber 
3eit  öorgegriffen  unb  fd)merau§fü§rbareg  niebergefdjrieben  fjat; 
baS  erfte  ©lieb  einer  langen  $ette  öon  mieberrjotten  Ätagen 
unb  Sßorroürfen,  bie  ben  Xonbidjter  auf  feiner  Saufbafjn  fortan 
begleitet  unb  lange  über  ba§>  ©rab  t)inau<§  roieberljoit  roorben, 
bie  bi§  pm  heutigen  %ag  nidjt  Oerftummt  finb. 

Tegeler  ergäbt  nämtid):  „WS  §at)bn  guerft  au§  (Snglanb 
jurüdfam,  warb  üjm  Dom  curfürftlicfjen  Drdjefter  ein  grütjftüd 
in  ©obeSberg,  einem  £uftorte  nai)e  bei  23onn,  gegeben.*)  93ei 
biefer  ^eranlaffung  legte  ifjm  Söeettjoben  eine  Kantate  oor, 
metcfje  öon   £)atjbn   befonberS   beacfjtet  mürbe,   ber  aud)  üjren 


*)  ©3  fenrint  bie§  im  $um  1792  gemefen  ju  feim,  bei  welker  ©e= 
legenljeit  roof)I  bie  Steife  S3eet£)ot>en'3  ju  föatybn  nad)  SSien  üorbeveitet 
»DDtben  fetjit  bürfte,  beim  fd)on  fünf  SCRonate  nad)fjer  feljen  mir  iljn  auf 
bem  Söege  baijin. 


—     41     — 

33erfaffer  §u  fortbauernbem  ©tubium  aufmunterte.  Später  fottte 
biefe  (Santare  in  ÜKergent^eim*)  aufgeführt  raerben,  aber 
mehrere  ©teilen  waren  für  bie  SB(a3*3nftrumente  fo  fc^roierig, 
bafj  einige  Huftier  erlfärten,  fotdje  nidjt  ausführen  51t  tonnen, 
unb  fo  roarb  auf  bie  Sluffüljrung  üer^id)tet." 

£>er  mit  biefem  ^unäcrjft  üerroanbte  galt  betrifft  bie 
Ounerture  51t  feiner  Düer  Seonore,  bie  auö  gleiten  ©rünben 
befeitigt  merben  muffte,  mie  mir  in  ber  gmeiten  ^eriobe  ha^ 
üftäljere  fjören  roerben.  Dbige  ©antäte  fcfjetnt  SBeetrjoüen  uer= 
morfen  51t  fyaben,  ha  man  niemals  etma§  barüber  gehört.21)  ©3 
barf  biefe  ftrenge  ©elbftfritif  root)(  auffalten,  ha  er  bocfj  anbere 
Gompofition^QSerfucrje  am  Seben  ermatten,  afö  bie  oben  er* 
roätjuten  brei  Quartette  für  ^ianoforte,  Violine,  53ratfd)e  unb 
$io(ouce((;  ferner  ein  £rio  in  Es-dur  für  ^ianoforte,  Biotine 
unb  SSioIonceü.  Seettjotien  nannte  e3  „einen  ber  l)öc£)ften  S5er= 
fucfje  in  ber  freien  <Scr)reibart",  unb  raiK  e§  im  SUter  bort 
15  Sauren  combonirt  rjaben.  ^ebenfalls  ermeifet  fid)  ber  ätneite 
@a§,  ©ctjerso,  alz  ber  ©mbrio  aller  fbäteren  ©djer^o'S.**)22) 

*)  TOergentljeim ,  ein  Stabilen  im  iuürttem6erg'fd)en  Sartfreife,  roar 
fett  1527  ber  ®i£  ber  §od)meifter  be§  Seutfdjen  Crben§,  bie  in  betn  babei 
gelegenen  ©djloffe  9ceu^an§  rejibirten.  ®ie  jeftige  Kefibenj  ber  „£>od)=  nnb 
©eutfcömeifier"  ifi  3Sten. 

**)  2)iefe<§  Srio  fübrt  bog  tcjematifd^e  Verseicrmifj  Don  SBveitt'opf 
&  §aertei  auf  ©.  127  an:  (£3  erfcbien  um  1830  bei  ®unft  in  granf= 
fürt  a.  9ft.  burd)  Vermittlung  Don  gerbtnanb  9?te§. 

21)  Das  ist  wahrscheinlich  die  Kantate  auf  die  Erhebung- 
Leopold  II.  zur  Kaiserwürde  (30.  Sept.  1790  gewählt)  gewesen.  Die 
Komposition  befindet  sich  seit  1887  im  Supplementband  der  Breitkopf 
&  Härteischen  Beethovenausgabe.  Vgl.  auch  Thayer-Deiters  II.  Aufl. 
des  I.  Bandes,  S.  274  ff.  Besonders  bedeutsam  ist  Dr.  Deiters  Hin- 
weisung, daß  die  No.  4  der  Kantate  „Rezitativ  und  Arie  für  Sopran" 
vom  Tonschöpfer  des  Fidelio  dort  Verwendung  fand   (Deiters  S.  277). 

A.  d.  H. 

22)  Es  ist  das  postume  Trio,  das  Nottebohm  im  Thematischen 
Verzeichnis  S.  143  der  2.  Auflage  verzeichnet.  Weiter  ist  dort  zu 
lesen:    „Auf  einem  beiliegenden  Blatt  steht:    ,Die  Unterfertigten  be- 


—     42     — 

üftacf)  2Begeler'S  SBfafüfjrwtg  roaren  Seetljoüen'S  allererften 
ßompofitionen  bie  in  ber  51t  ©petjer  herausgegebenen  „Q3(umeu= 
lefe"  abgebrudten  ©onaten,  (bie  ganj  oertoren  51t  febn  fdjeinen) 
bann  baS  Sieb:  „SBenn  jemanb  eine  SReife  trjut";  ferner  bie 
SJhifif  511  einem  oom  Stbet  im  ©arneoat  aufgeführten  Diitter- 
ballet,  mooon  ber  ©taoier^(u§5ug  an  ben  SJcufif^erleger 
SDunft  gekommen,  mafjrfcrjeinlid)  burd)  SSermittelung  oon  gerb. 
SRieS,  ber  2)unft'S  Unternehmen  ttjätigft  unterftüttf  rjat.  SBegeler 
fagt  banon:  „@s  muffen  fid)  barin  finben  ein  äftinneüeb,  ein 
beutfdjeS  Sieb,  ein  Xrinftieb,  u.  f.  m.  *3)iefe  (Eompofition 
ttmrbe  tauge,  ba  Q3eetrjooen  fid)  nicfjt  als  SScrfaffcr  genannt 
ijatte,  für  baS  2öerl  beS  ©rafen  SBalbftein  gehalten,  um  fo 
metjr,  als  biefer  aud),  in  SSerbinbung  mit  bem  SEanjmeifter 
§abid)  aus  9(ad)en,  baS  Stattet  organifirt  Fjatte."  Sann  lamen 
bie  Variationen  über  „Vieni  amore",23)  Stfjema  Don  Dtigtjini, 
(ber  ©räftn  oon  §a£fetb  gemibmet)  bie  bem  jugenbtidjen 
Gomponifien  Gelegenheit  gaben,  fein  fetteneS  Talent  5U  geigen, 
als  er  nämlid)  auf  einer  9ieife  oon  Sonn  nad)  Sftergentrjeim, 
ber  9f?efiben5  beS  ßurfürften  in  feiner  Qngenfdjaft  als  £ocfj= 
unb  ©eutfdjmeiftcr,  mit  bem  ganzen  Drdjefter  nad)  3lfdjaffen= 
bürg  gekommen.  Safelbft  mürbe  er  burd)  9?ieS,  ©imrod  (ben 
nadjfjerigen  9ftufif=$erteger  in  Sonn)  unb  bie  beiben  9?omberg, 
Stnton  unb  23ernt)arb,  bem  berühmten  ©laoierfpiefer  unb  ßapel(= 


stätigen  hiermit,  daß  das  Trio  für  Klavier,  Violin  und  Violoncello, 
welches  so  anfängt:  (hier  folgt  das  obige  Thema)  ein  authentisches 
Werk  von  Beethoven  sey,  das  Herr  Ant.  Schindler  in  eigner  Handschrift 
des  Autors  eigentümlich  besitzt.'"  —  „Wien  den  lten  Februar  J  830. 
A.  Diabelli.  Carl  Czerny.  Ferd.  Ries.  Die  ächte  ihm  sehr  wohl 
bekannte  Handschrift  Beethovens  bezeugt  Franz  Wegeier."    A.  d.  H. 

23)  Die  Variationen  auf  das  Thema  von  Righini  heißen  nicht 
„Vieni  amore",  der  Anfang  des  Textes  lautet  nach  Dr.  Deiters'  Fest- 
setzung: „Venni  Amore  nel  tuo  regno  ma  Compagno  del  Timor" 
(siehe  Thayer-Deiters  J.  Band,  2.  Aufl.  S.  301).  —  Die  Ariette  steht 
im  2.  Heft  der  „Sammlung  deutscher  und  italienischer  Gesänge  von 
Vincenzo  Righini";  Leipzig,  Hofmeister  &  Kühnel.  A.  d.  H. 


—     43     — 

meifter  am  cur^mainjifdjeu  §ofe,  ©terfet,  oorgeftellt,  „tuelc^er, 
ergäbt  Tegeler,  bem  ©efuct)  ?(lter  mittfafyrenb,  fic£)  gum  ©fielen 
fjinfeferte.  ©teilet  füielte  fefjr  leicht,  tjöd^ft  gefällig,  unb  tute 
Sßater  9tie3  fitf)  au3brüdt,  etmaS  bamenartig.  93eett)onen  ftcmb 
in  gefpanntefter  Stufmerffamfeit  neben  ifjm,  benn  ©terfet  mar 
ber  erfte  SSirtuofe  biefeä  Snftrumentä,  ben  er  bis  barjin  gu 
Ijören  (Megenrjeit  errjatten.  9cun  fottte  aud)  er  [bieten,  ttjat 
biefeS  jebod)  erft  bann,  als  ©terfet  irjm  gu  Oerftetjen  gab,  er 
gtoeifle,  bajg  fetbft  ber  ßomponift  obiger  Variationen  fie  fertig 
fpielen  fönne.  Setjt  fpielte  Veetrjoüen  nidjt  nur  biefe  Variationen, 
fo  ütel  er  fid)  beren  erinnerte  (©terfet  fonnte  ba§>  (Ejemplar 
nidjt  auffinben),  fonbern  gteid)  eine  3Xn§ar)l  anberer,  nicfjt 
meniger  fd)mieriger  unb  bieS  gur  größten  Ueberrafd)ung  ber 
ßurjörer,  üollfommen  unb  burdjauS  in  ber  nämtidjen  gefälligen 
Lanier,  bie  iljm  an  ©terfet  aufgefallen  mar.  ©o  leicfjt  marb 
eS  iran,  feine  ©pietart  nad)  ber  eine«  anberen  einguridjten."  *) 
©o  unfer  coblenger  ©emäf)r§mann,  ber  bei  Stnfütjrung 
biefer  Gegebenheit  nod)  befannt  l)at,  ba^  Veetfjoüen'S  (S(aüier= 
fpiet  bamalS  rauf)  unb  fjart  geroefen.  SBir  merben  auf  ben 
(Stjaracter  feines  ©pietS  im  Vertauf  ber  Singe  nod)  öfters  gu 
fpredjen  fommen;  oorauS  fet)  nur  bemerft,  baft  SBegeter'S  tet^te 
2Borte  fyier  üorfterjenb  bod)  etmaS  ftu|ig  madjett  fönnen,  meun 
man  ba§>  übereinftimmenbe  Urtrjeit  Sorjn  ©ramer'S  unb 
(Srjerubini'S  über  VeettjOuemS  ©piel  auS  ben  Sauren  1799 
unb  1805  baneben  [teilt.    £)anad)   ift   e£    nur  gu  gemifj,  ba$ 

*)  3n  alten  roie  audj  in  neuen  datalogen  merben  nod)  aufgeführt: 
9tu§  bem  Safjre  1780:  Weue  Variationen  in  C  moll  über  ein  9)krfa>3;r)ema 
tum  ®refffer.  5Iu§  betn  Satire  1794:  Sreiiefm  Variationen  in  A  dur, 
Sfiema  au<§  bem  Dtotfjfäpödjen:  @§  mar  einmal  ein  alter  Sttatm.  S3ei 
©imrocf.24) 

24)  Die  Reihe  der  Beethovenschen  Jugendkompositionen  ist  durch 
die  Nachschindlersche  Forschung  bedeutend  vermehrt.  Man  lese  in 
Thayer-Deiters  Beethovenbiograpbie,  besonders  das  Kapitel:  „Was  hat 
Beethoven  in  Bonn  komponiert?",  sehr  erweitert  in  der  II.  von  Deiters 
besorgten  Auflage,  das  achtzehnte  Kapitel  S.  272—313.      A.  d.  H. 


—     44     — 

e§  ifjm  nidjt§  weniger  als  feidjt  getnefen,  bie  (Spielart  eine§ 
anbcrn  p  aboptieren,  fo  wenig,  rote  feine  fünftferifdie 
Snbioibuatität  mit  einer  anbern  p  üertaufd)en.  ?tud)  S3em= 
t)arb  SKom&crg,  mit  bem  id)  1834  in  feiner  SBaterftabt  SDcünfter 
biete  9J?onate  51t  berfet)ren  @etegent)eit  getjabt,  tjat  über  Q3eet= 
fjoOen'3  ©piet  im  «Sinne  (Srjerubini'3  unb  (Sramer'§  geurtrjeitt, 
überhaupt  t)at  er  mir  über  ba§  gufammenferjn  m^  Seerrjooen 
in  23omt  nierjt  nnintereffante  SDcitttjeifungen  gemacl)t.  3t)nt 
Oerbanfe  id)  bie  perföntidje  93efanntfd)aft  mit  ber  Freifrau  oon 
33eoeroörbe,  geb.  oon  Sööfetager  au3  Sonn,  Q3eett)oüen'<§ 
(Spulerin,  Wetdjer  gteid)  näfjer  gebad)t  werben  h)irb.  23eetf)OOen 
fetber  fdjob  bie  ©djulb  feinet  bamaligen  tjarten  @piet3  anf  baZ 
oiete  Drgetfpiet.  (Sin  anberer  eben  fo  errjebtidjer  ($runb  mag 
roorjt  and)  ber  Abgang  eine§  guten  $Borbitbe3  geWefen  fein. 

(Siner  ©igenrjeit  23eetrjOüen'3  mufs  tjier  wortgetreu  nad) 
Tegeler  ©rwärjnung  gefd)et)en,  Weit  biefe  SOcitttjeitung  jum 
Verfolg  gleicher  "Singe  unb  ßuftänbe  in  fpäteren  Satiren  ?(u= 
tafj  gibt  unb  mit  anbern  (Sfyarafter^igenrjeiten  unferö  9Jceifter§ 
$erWanbtfd)aft  tjat:  näm(id)  feine  Slbneignng  gegen  Unter* 
ridjtgeben  unb  ba$  ©pieten  in  ©efettfefjaften.  „$rau 
Oon  Söreuning  —  fagt  Sßegeter  —  wollte  irjn  guweilen  zwingen, 
in  ba§  itjrem  §aufe  gegenüberftetjenbe  be§  üfterreicfjifdjen  @e= 
fanbten,  ©rafen  oon  SBeftptjat,  §u  gefjen,  um  feine  Sectiouen 
fortpfetjert.  ®ann  ging  er,  wie  ein  ©feiein, 25)  ba  er  ftet) 
beobadjtet  Wufete,  fort,  teerte  aber  oft  am  §aufe  felbft  noefj 
um,  tief  surüd  unb  berfprad)  bann:  er  motte  am  fotgenben  %a% 
jWei  ©tunbeu  Unterrid)t  gebeu,  tjeute  aber  fet)  e§  ifmt  unmögtiefj. 


25)  Bei  Wegeier  lautet  die  charakteristische  Stelle  genauer: 
„Dann  ging  er,  nt  iniquae  inentis  asellus,*)  da  er  sich  beobachtet 
wußte." 


*)  „Wie  ein  übellauniges  Es'lein''  (Horaz  nach  Voß),  Neudruck  S.  24,  neust  An- 
merkungen des  Herausgebers.  Die  Worte  sind  aus  Horazens  Satiren  (Liber  I,  Sat.  IX. 
Vers  20),  vollständig  also: 

Demitto  auriculas,  ut  iniquae  mentis  asellus, 

Cam  gravius  snbiit  onus.  A.  (J_  JJ, 


—     45     — 

©eine  eigene  bebrängte  Sage  trieb  ifyn  nictjt  an,  mof)t  aber  ber 
©ebanfe  an  feine  gamilie,  Oorgüglid)  ber  an  [eine  liebe  9Jhttter." 

9)?it  biefer  21u3fage  ftefjt  bie  ber  oben  genannten  grau 
öon  Seüeroörbe  ettoaä  in  SSiberfprnd).  ®iefe  Oerftdjerte,  baß 
fie  eben  forootjt  über  bie  regelmäßige  grequeng  ber  ©tunben, 
mie  and)  über  ben  Unterridjt  33eett)0Den'§  überhaupt  niemals 
gu  flogen  getjabt.  Sefjrer  unb  ©djülerin  befanben  fiel)  faft 
im  gleidjen  2üter,  unb  teuere  muß  in  if)ren  9ftäbd)enjaf)ren 
ein  SBitb  ber  ©d)önf)eit  getoejen  ferjn,  baüon  nodj  bie  (Spuren 
an  ber  Patrone  fidjtbar  maren.  SDiefe  Same  mußte  übrigeng 
nod)  manerjeso  über  ba§>  ernfte  unb  meift  nad)[innenbe  SSefen 
if)re3  jugenbtid)en  (£taüierterjrer§,  beSgleidjen  noefj  bietet  au§ 
bem  muficalifdjen  2zben  itjrer  SSaterftabt  um  bie  90  er  Saljre, 
roie  aud)  nod)  öon  irjrem  3ufammertfP^e^  wtt  £5.  Nürnberg  gu 
ergäben,  ba§>   biefem  Äunftüeteran   großes  Vergnügen   gemacfjt. 

2)iefer  SSiberfprud)  fotl  jebod)  2Segeter'§  SluSfage  feinen 
©intrag  trjun,  ba  biefe  (Sigentjeit,  Abneigung  gegen  Unterridjt* 
geben,  metf)obifd)en  unb  ft)ftematifd)en  Unterricht  nämtid), 
unfern  Xonbidjter  burdj'3  gange  Seben  begleitet  Ijat,  modjte  er 
g(eid)mof)t  bei  eingetnen  ©djülerinnen  au§  befonbern  ©rünben 
unb  9?üd'fid)ten,  mie  bei  ber  bonner,  bie  neben  förpertidjer 
©crjönfjeit  aud)  nod)  ein  fernes  latent  getjabt  rjaben  foli,  anberS 
getfjan  rjaben.  ©o  trjun  ja  aud)  anbere  Sefjrer,  ofjne  93eett)oöeit 
gu  fetm.  23on  biefer  Abneigung  mußte  aud)  gerb.  9fte3  gu  er= 
gälten,  ber  am  meiften  üielteicrjt  in  jener  (Spodje  üon  biefer 
(Sigentjeit  gu  leiben  tjatte.  ,,^d)  fpiette,  fagte  mir  9tie<§,  unb 
Seetrjoüen  comöonirte  ober  ttjat  anbere§,  unb  nur  fetten  fetjte 
er  fid)  gu  mir  unb  fjiett  e3  eine  rjatbe  ©tnnbe  au3."*)  $aum 
fünfgig  üollgiltige  ©tunben  mollte  9iie<o  mäljrenb  feiner  öier= 
jätjrigen  Serjrgeit  oon  S3eett)oüen  ermatten  rjaben.  5lbmeid)enb 
fpricfjt  er  über  biefeit  $ßunct  in  feinen  Zotigen. 

Ueber  ben  anbern  $ßunct  berichtet  Tegeler:   „©pärer,  al3 

*)  ®a3  erinnert  an  gleiches  SBerfdjren  Bei  (£arf  ©jerntj  mit  feinen 
©djülern. 


—     46     — 

SBeetljoüen  in  Söien  fdjon  auf  einer  Ijoljen  ©tufe  ftanb,  f)atte 
fid)  audj  ein  äfjntidjer,  mo  nid)t  nod)  ftärferer  Söibermillen 
gegen  bie  91ufforberungen  gum  (Spielen  in  ©efetlfdjaften 
enttt)ide(t,  fo  bafj  er  jebcSmot  baburd)  allen  g-roljfinn  öerlor. 
(£r  fam  bann  mehrmals  büfter  unb  oerftinimt  git  mir,  ftagte, 
bafe  man  it)n  jum  ©pielen  gtoinge,  menn  aud)  ba§  23tut  unter 
ben  üftägefn  itjm  brenne.  5111mäf)lig  entfpann  fid)  bann  gmifdjen 
un<§  ein  ©efpräd),  morin  id)  ifjn  freunblid)  gu  unterhalten  unb 
üöHig  §u  beruhigen  fucfjte.  SBar  biefer  ßroed  erreidjt,  fo  liefe 
id)  bie  Unterrebnng  fallen,  fetjte  mid)  an  ben  ©cfjrei&tifd)  unb 
23eetl)ooen  rnnfete,  mollte  er  metter  mit  mir  fpredjen,  fidE)  bann 
auf  btn  ©tut)!  bor  bem  (Eladier  fetjen.  Salb  griff  er  nun,  oft 
nod)  abgetoenbet,  mit  unbeftimmter  §aub  ein  paar  SIccorbe,  au§ 
benen  fid)  bann  nad)  unb  nad)  bie  fcfjönften  SMobien  ent* 
midelten.  D  marum  oerftanb  id)  nid)t  metjr  baOon!  9?oten= 
papter,  ba§>  id)  einigemale,  um  ettoa§  9J?anufcript  üon  iljm  §u 
beft^en,  anfdjeinenb  oljne  2(bftd)t  auf  ba§>  ^ult  gelegt  Ijatte, 
marb  Oon  it)m  befdjrieben,  aber  bann  audj  am  (Snbe  gufammen* 
gefatten  unb  eingeftedt!  üDftr  blieb  nur  bie  ©rlaubnifj,  mid)  felbft 
au§3ulad)en.  —  lieber  fein  ©piet  bnrfte  id)  nic^t§  ober  nur 
2öenige3,  gleidjfam  im  SBorbeigetjen,  fagen.  (Sr  ging  nun  gänglidj 
umgcftimmt  meg  unb  fam  bann  immer  gern  gurüd.  ©er  28iber= 
mitle  blieb  inbeffen  unb  marb  oft  bie  Quelle  bei*  größten  3er= 
ttmrfniffe  23eetl)oüen'3  mit  bem  ©rften  feiner  greunbe  unb  ©ömter." 
SBäre  e§  ftattljaft,  an  oorftefjenbe  Mitteilung  fogleid)  meine 
perfönlid)en  Srlebniffe  bieSfaltS  anknüpfen,  oornetjmtid)  au3 
ben  Sauren  1818  bi§>  1821,  mo  id)  aufteilen  Oon  bem  SCReifter 
mit  ben  SBorten:  ,,©ie  leidjtfinniger,  oberflädjlidjer  Dilettant," 
ober  fpöttifd)  mit:  „§err  llngrunb  unb  ot)ne  ©runb,"  im 
Spiele  unterbrodjen  unb  oom  ©itje  meggebrängt  mürbe,  um  fid) 
felbft  barauf  gu  fetjen  unb  ben  tion  mir  „miBfjanbelten"  ober 
„abgeftimperten"  ©onaten=©at3  ttjeitmeife  ober  gang  oorgufpielen 
unb  gu  erklären,  märe  bieg  tjier  gur  ©teile  ftattljaft,  fage  id), 
fo    ließen   fid)   bie  Sodungen,    ober  aud)  Sebinguugen,  toeldje 


—     47     — 

öeettjoben  §um  Sßotfpieten  unb  tbjapfobifdjen  Untetridjt  bringen 
fonnten,  jiemtid)  weitläufig  auSeinanber  fetjen.  2)iefe3  ®efd]äft 
mufe  jebod)  mit  anbeten,  wichtigeren  ^Begebenheiten  in  bitefter 
^ierjung  auf  99eett)ot>en'^  (£laöier=3Jcufif  in  SBerbinbung  ge= 
bradjt  werben.  §iet  fetj  nur  oorau3gefcf)idr,  bafj  ein  fofdjeS 
Sßorfpielen,  fetten  otjne  tiortjerige  (Emotion,  ober,  Wenn  wit 
wollen,  3tu%anfen,  bewerlfteüigt  werben  fonnte.  9htr  ©inet 
au§  feinem  Steife,  bet  bi3  311m  Saljre  1815  fjäufig  in  feinet 
näd)ften  Sftätje  gewefen,  rjat  e§,  gufotge  eigenet  $erfid)emng,  in 
biefem  ^uncte  anbete  erfahren:  ©raf  ^rang  Ü0U  23run3wicf. 
2Bir  wetben  ben  tarnen  biefe3  in  üietem  SBetradjt  augge^eidweten 
9ftanne3  noch,  öfters  an^ufü^ren  rjaben. 

Heber  ben  furzen  23efud),  ben  S3eet§oüen  pr  $rürjling3* 
§eit  be<$  3at)re3  1787  ber  ftaiferftabt  gemadjt,  fcfjweigt  Regelet 
gang,  aber  and)  ber  $erfaffer  toeijj  nur  wenig  barüber  ju  fagen. 
W\t  33eftimmtt)eit  barf  er  jebod)  bie  Sßarjrnefjmung  S3eet= 
fjooen'fd)er  greunbe  am§  früherer  3eit  nieberfd)teiben,  baf}  fid) 
bem  ©ebäcfjtniffe  be§  fed)£3et)njät)rigen  SüngtingS  bei  jenem 
jßefud)e  nur  gmei  ^erfönlicfjieiten  tief  unb  bauetnb  füt  fein 
ganzes  Seben  eingeprägt  rjaben:  Staifer  Sofept)  unb  üDfo^art. 
SDie  ptoprjetifcfjen  üB3orte  be3  letzteren  über  bie  .ßufunft  oe^ 
jungen  ®ünftler§,  nactjbem  biefet  ein  oon  it)m  aufgegebene^ 
9)cotiö  (eS  foti  ein  gugen^tjema  gewefen  fetin)  ex  tempore 
burdjgefürjrt  t)atte:  „  liefet  Jüngling  Witb  nod)  Oiet  in  bet 
2&ett  Oon  fid)  teben  machen"  —  finb  im  Saufe  bet  Qtit,  aucfj 
mit  Varianten,  oft  wieberfjott  Worben,  nur  blieb  e3  ungewif3, 
an  wetdjem  Orte  fie  ber  „Ä'önig  im  9\eidje  ber  SEonlunft"  ge= 
fprocfjen;  einige  wollten  wiffen,  e3  fet)  bei  Gelegenheit  gefd)et)en, 
al§  bet  ^aifer  ben  00m  ßurfürften  ÜWar.  Sran5  ^m  empfohlenen 
jungen  ftünftler  in  feinen  ©emädjern  in  Seifenn  äftogarf-c  ge* 
tjött  tjat.-6)     Db   aud)  bie  perfbnlicfje  S3elanntfd)aft  @tud'§ 

26)  Man  vergleiche  darüber  des  Herausgebers  Aufsätze:  Mozarts 
Beziehungen  zu  Beethoven  in  der  „Musik":  1.  Mozartheit  (IV.  Jahr- 
gang Heft  1  und  2).  A.  d.  H. 


—     48     — 

gemadjt  morben,  ber  berannttidi  fd)on  fdjmer  gugänglid)  unb 
am  15.  9toöem6er  beffelGcn  SaljreS  geftorben,  mußte  üftiemanb 
in  fpäteren  Sauren  $u  jagen.  ©iefe,  fo  mie  mandje  anbete  nicfjt 
unmidjtige  Vorgänge  lagen  bereits  51t  meit  äurikf,  Stuaen*  unb 
Otjren^eugen  maren  nidjt  mefjr  am  Seben,  53eetl)oDen  felber  über 
alte  längftuergangene  ©inge  in  ber  Siegel  fdjmeigfam,  bagu 
rjäufig  nod)  unftdjer  unb  Dermorren,  menn  er  je  'Darüber  ge= 
fprodjen,  —  bie3  bie  ©rünbe,  ba^  Derfdjiebeue  in  ein  ©unfel 
gefüllt  bleiben  merben.  ©afj  jebod)  alle  in  bie  erfte  Seben§- 
periobe  fatlenben  Gegebenheiten,  melier  5(rt  immer,  gegen  bie 
folgenben  meit  jurüdfteljen,  gleidjfam  nur  furge,  menig  be= 
beutenbe  Sßorfpiete  5U  bem  int)alt£>fd)meren  SebenSbrama  geroefen, 
barf  mof)t  aucr)  mit  Geftimmtrjeit  au3gefprodjen  merben.  ©arum 
mag  an  ibrem  ©unfel  ober  gnnjlidjem  SBerlufte  menig  ge= 
legen  fetju. 

?(nbermeitige,  ober  gar  nod)  fdjärfer  bjeroortretenbe  93e= 
gebenrjetten  au§  33eetl)o0en'3  ßeben  in  ber  SBaterftabt  finb  unö 
nid)t  befannt.  ©er  lange,  bi§  9fnfang§  ber  90er  $af)re  an* 
bauernbe  grieben  auf  beutfdjer  @rbe,  bie  geffellung  aller  SOhtfifer 
an  ibjre  Obliegenheiten  bei  beu  §bfen,  an  benen  burdjgeljenbS 
bie  Pflege  ber  SXRuftf  einen  ber  erften  ^lätjc  eingenommen, 
(Sorge  für  (Srmerb,  aber  aud)  nod)  ©rang  gur  gortbitbung, 
Darum  notljmenbigeS  5ttleinfet)n  mit  bem  aufftrebenben  (Senium, 
enblid)  gar  nod)  Mangel  aller  Üteclame  oermittelft  Soumalen 
unb  fonftiger  unferer  glorreichen  (Spotfje  molilbefannter  SDcittel 
unb  Söege,  auä  (Septem  fdmn  fertige  Äünftfer  gu  madjen,  — 
in  biefen  äußeren  unb  inneren  ßuftänben  bürfen  mir  bie  ©rünbc 
fucfjen,  ba^  bie  Sugenb  be3  Stonbicfjterä,  ber  einftenS  ber  beutfcfjen 
$unft=(£pod)e  feinen  Hainen  geben  follte,  fo  arm  an  funftt)iftortfd)= 
midjtigen  Gegebenheiten,  fo  baar  aller  SSunbertrjuerei  unb 
9?omantif  gemefen,  batjer  ber  junge  GeetljoDen  mit  fo  Dielen 
unferer  jugenblidjen  Straf  t=©enie'§,  bie  in  gleid)em  Filter  fdjon 
mit  Dpern  unb  ©infonieen  bie  3Selt  in  (Srftaunen  fetten,  nid)t 
oerglicfjen  merben  barf.    ä>ielleid)t  liegt  ein  ©runb  foldjer  Ge- 


—     49     — 

fdjrcmftljett  nocf)  barin,  bafj  unfer  junge  ©taüierfüieler,  Drganift 
nnb  ßomponift  fid)  öon  frütjefter  Sugenb  an  beftrebt  t)atte, 
Sftenfd)  in  ber  eigenttidjen  23ebeutung  be£  2Sort§  §u  fet)n, 
barum  immer  nur  9ftenfd)Ud)e3  gu  öerrid)ten,  im  puren  @egen= 
fatje  §u  ben  mufifatifcijen  Halbgöttern  unferer  £age.  Unb 
fonberbar,  in  biefem  23eftreben  rooltte  ber  9J?ann  bie  r)öct)fte 
Stufgabe  beS  SebenS  erfannt  fjaben,  barum  er  niemals  baöon 
abgelaffen.  §ören  mir  bod)  fogteid)  eine  baljitt  gielenbe  ©teile 
au§  feinem  ^Briefe  Dom  29.  Suni  1800  an  Sßegeler:  „@o  öiel 
mill  id)  eud)  jagen,  bafi  it)r  mid)  redjt  grofj  mieber  fetjen  merbet; 
rtictjt  afe  $ünft(er  follt  itjr  mid)  größer,  fonbern  aud)  aU 
Sftenfdj  follt  ifjr  mid)  beffer,  öoltfommener  finben,  unb  ift  bann 
ber  SSotjlftanb  etma§  beffer  in  unferm  SBaterfanbe,  bann  foü 
meine  ßunft  fid)  nur  gum  SSeften  ber  Firmen  geigen.  D  gtüd= 
lidjer  ?tugenbtid,  mie  glüdtid)  t)atte  id)  mid),  ba|3  id)  bid)  t)erbet= 
fdjaffen,  biet)  fetbft  fdjaffen  fann!"27) 

23i3  t)iert)er  tjatten  mir  e§  faft  tebiglid)  mit  bem  SJhtftfer 
511  tljun,  e§  ift  bat)er  an  ber  3^  auf  e*n  anbereö  ©ebiet 
hinüber  gu  bliden,  ba§  bem  fünftterifcfjen  ©möorftreben  gur 
#o(ie  bienen  mufj,  menn  ba$  latent  fid)  über  bie  Routine  ergeben 
mitf.  3Bir  meinen  3Öiffenfd)aftlid)leit  im  Slögemeinen,  inöbe- 
fonbere  aber  einen  gemiffen  ©rab  öon  Vertrautheit  mit  claffifdjer 
Literatur,  metdje  ber  $ߣ)antafie  üftaljrung  gugufüijren  geeignet 
ift.  2)ie  erfte  33efanntfd)aft  mit  beutfdjer  Literatur  machte 
ber  junge  23eetf)oüen  fdjon  in  ber  Vaterftabt,  unb  §mar  in 
golge  Anregung  ber  $amitie  öon  Skeuning.  <2ie  mar  e§,  bie 
Ujm  ©efcrjmad  an  gefunber  Seetüre,  gunäctjft  an  guten  S)id)ter= 
merfen,    beigebracht,   fid)    überhaupt    um    feine    fortfctjreitenbe 


27)  Es  ist  vortrefflich,  daß  Schindler  schon  hier  an  diesen  denk- 
würdigen Ausspruch  des  Meisters  erinnert,  den  man  als  Schlüssel  zu 
der  gesamten  Erkenntnis  seines  Lebens  ansehen  darf.  Siehe  diesen 
ganzen  Brief  an  Wegeier  nebst  Erläuterungen  in  des  Herausgebers 
Sämtlichen  Briefen  Beethovens  No.  36  vom  Jahre  1800,  I.  Band. 

A.  d.  H. 
SC.  ©djinMerl  83cetf)otoeti*a3iogr<H>f)te.  4 


—     50     — 

üöübung  nad)  mehreren  «Seiten  fyin  bekümmert,  unb  aufteilen 
aud)  burd)  bie  Zfyat  ben  gortfdjritt  bemirft  f)at.  2Md)'  fettene 
$rüd)te  biefe  ^nittatioe  in  ber  ^olge^eit  bei  unferm  £onbid)ter 
getragen,  merben  mir  ©etegenfjeit  nnb  SBerantaffung  nod)  met)r= 
fad)  finben,  gu  äetgen;  t)ier  am  Crte  fdjeint  eS  un£  inbeffen 
nict)t  gang  unpaffenb,  nod)  auf  eine  ©teile  in  bem  oben  an= 
geführten  ^Briefe  üom  29.  Sunt  1800  aufmerffam  311  madjen, 
bie  un£  belehrt,  mie  frü^eitig  öeetfyoöen  jur  alten  ctaffifctjen 
Literatur  ftdj  gemenbet  unb  metdje  Sefriebigung  er  barin  ge- 
funben.  5t(3  er  bem  greunbe  barin  üftad)rid)t  über  bie  $te= 
forgnife  erregenben  ©nmptome  feines  ©efyörS  gibt,  milbert  er 
bievbetrübenbe  9cad)rict)t  mit  bem  SSeifa^e:  „$ßtutard)  t)at  midj 
gur  9iefignation  geführt."  u.  f.  m.  Sßtutardj  mar  einer  ber 
ßlaffifer,  bie  unfern  53eetf)oüen  fein  ganzes  £eben  tjinburd)  be^ 
gleitet  tjaben.  2luS  ifjm  fdjöpfte  er  feine  tjiftorifdjen  ftenntniffe 
über  @ried)entanb,  beffen  ©taatSeinridjtungen  u.  f.  m. 

Um  nod)  einen  9?üdb(id  auf  bie  $amilie  üon  Q3reuning 
§u  madjen,  beöor  mir  mit  unferm  jngenblidjen  gelben  ba§> 
freunblidje  33onn  üertaffen  unb  nad)  ber  ofterreid)tfd)en  $aifer= 
)tabt  äietjen,  mu|  gefagt  merben,  baf$  Söeetfjooen  biefer  gamiüe 
bis  an  fein  SebenSenbe  mit  märmftem  ©ante  verpflichtet  gemefen. 

„®enn  Pflicht  ifl  bf<§  ©Uten  Vergeltung.'*) 

9?ocr)  in  fpäteren  STagen  nannte  er  bie  ©lieber  biefer 
gamitie  feine  bamatigen  ©djutjengel  unb  erinnerte  fid)  gern  ber 
öieten  üon  ber  $rau  beS  §aufeS  erhaltenen  3ul"ed)tmeifungen.28) 
„2)ie  üerftanb  eö,  fagte  er,  bie  Snfecten  Oon  ben  Stützen  ab' 
gufyatten."  @r  meinte  bamit  gemiffe  $reunbfd)aften,  metdje 
ber  naturgemäßen  gortbübung,  feines  Talents,  mie  aud)  beS 
rechten  SMafceS  fünftterifd)eu  SSemufetfetjnS  bereits  gefät)r(id)  ju 
merben   begonnen   unb   burd)  ßobljubelei  bie  (Sitelfeit  in   it)m 


*)  s2lu§geäogene  Stelle  üon  23cetbot>en  au3  ber  OdussGe,  Seite  459,  93oJ3. 

28)  Dem  Siune  nach  deckt  sich  das  sehr  wohl  mit  den  Mitteilungen 
Wegelers  über  Beethovens  Leben  im  Hause  der  Frau  von  Breuning^. 
siehe  auch  Wegeier  u.  Ries,  Notizen,  Neudruck  S.  14.       A.  d.  H. 


—     51     — 

ertüedt  tjatten.  ©ct)on  mar  er  natje  baran,  fiel)  für  einen  be= 
rühmten  ^ünftter  gu  galten,  fonact)  lieber  Senen  ©et)ör  gu 
ge6en,  meiere  ifyn  in  biefem  2Sal)n  beftärlt,  al§  @olct)en,  bie 
it)tn  begreiflich  gemaetjt,  ba^  er  noct)  aüe3  gu  lernen  t)abe,  roa§ 
ben  Sünger  ^um  Sfteifter  mac^t. 

SSorau^ge^enb  marb  bereite  eineä  Sriefe§  com  ©rafen 
SBatbftein  an  23eetf)oöen  gebaut,  beffen  SBortlaut  geigt,  toeldje 
Hoffnungen  biefer  ©önner  unb  görberer  auf  fein  eminente^ 
Talent  gefegt.    $)er  S3rief  lautet: 

„Sieber  Seettjoben!  <Sie  reifen  i£t  nadj  SSien  gur  ®*s 
füllung  Sljrer  fo  lange  beftrittenen  Sßüttfdje.  SDcogarfS  @eniu§ 
trauert  noct)  unb  bemeint  ben  Stob  feinet  3ögting§.  Sei  bem 
unerfcf)öpfiicf)en  §at)bn  fanb  er  3uftuct)t  aber  leine  Sefcfjäftigung, 
buret)  it)n  münfcljt  er  noef)  ein  9Jcat  mit  Semanb  bereinigt  §u 
Serben.  S)urct)  ununterbrochenen  $teifs  erhalten  «Sie  SttogarfS 
©eift  au§  §atibn'£  Rauben. 

Sonn  ben  29.  Dctober  1792. 

S^r  matjrer  $reunb 

Sßatbftein." 

SDtefe  etmag  mtjfttfcfje,  unferm  Äunftjünger  aber  eine  g(or= 
reid)e  ßufunft  in  2tu3ftct)t  fteüenbe  ßuftfpf**)  *)at  noc*)  0Q§ 
23eacf)ten$mertt)e,  baf$  mir  barau§  ba§>  (Snbe  üon  beffen  ^oüigiat 
in  53onn  unb  ben  geitpunet  erfahren,  mann  berfelbe  bie  freunb= 
tidjen  ©eftabe  be§  9ftl)ein3  üerlaffen  unb  bie  SSanberung  nact) 
bem  fang*  unb  ffangreicfjen  SBien  angetreten  f)at.  S)ort  merben 
mir  i§n  nun  auffuetjen. 

II. 

2)er  näct)fte  ßrned  üon  23eett)oben'§  SReife  nad)  SSien  mar: 
unter  Seitung  öon  Sofepf)  §at)bn  fiel)  in  ber  ®unft  roeiter 
fort^ubilben.     $ur  Söroerun9  °^efe§  Btoecle§  beließ  it)tn   ber 


*)  ®a§  Original  ejiftierte  in  ber  granj  ©räffer'fdjen  Siutogra^en* 
Sammlung  in  s2Sien.  ®ie  Güopte  bevbanft  ber  SSerfaffer  bem  gefragten 
«DiufiMntiquar  Slfotjg  gua^§  bafelbft. 

4* 


—     52     — 

Gurfürft  3Raj  grang  ben  üollen  öejug  feiner  (Smotumente  an 
ber  Gapeüe,  bie,  tuenn  and)  nid)t  bebeutenb,  bennorf)  einen 
gefiederten  $onb3  §u  feiner  ©ubfiftenj  bort  abgeben  tonnten. 
2)ie  «Reife  nad)  ber  Staiferftabt  gefd)at)  äufotge  be§  oorfietienben 
Briefes  üom  ©rafen  Sßatbftein  roat)rfcf)einritf)  im  SSftonat 
SftoDember  1792,  in  bem  frttifdjen  ßeitüuncte  nämlid),  too 
gang  <Süb=£)eutfd)tanb  nad)  SCuSbrudj  ber  franjöfifdjen  $eüo(ution 
mit  Gruppen  überfdjtnemmt  roar.  £od)  finb  feinerlei  Abenteuer 
banon  §u  ersten,  t)öcr)ften§r  ba§  fie  fefjr  tangfam  oon  Statten 
gegangen,  barum  bie  mitgenommenen  (Mbmittet  fdjon  auf  ber 
£ätfte  be§  2öege§  erfd)öpft  luaren.  Snoefj  t)atte  fidi  ein  au§= 
tjelfenber  greunb  gefunben,  fonad)  bie  Verlegenheit  eine  rafdj 
üorübergefyenbe  gemefen.  Safe  er  ferner  üom  curfürfttidjen 
§ofe  mit  brieflichen  (Empfehlungen  an  Ijolje  «ßerfonen  in  ber 
S)onauftabt  öerfetjen  toar,  üerftetjt  fid)  mol)l  Don  felbft;2*)  aber 
gefagt  barf  gur  ©teile  werben,  bafj  ber  bem  22.  £eben§jat)re 
nal)eftet)enbe  ftunftjünger  faum  fid)  in  bem   freunblidjen  SSien, 

29)  Ein  kurzes  Schreiben  des  Hoforganisten  Ludwig  van  Beethoven 
vom  Frühjahr  1793  an  den  Kurfürsten  Max  Franz  zu  Köln,  das  Ein- 
blicke  in   das   trübe  Verhältnis  Beethovens   zu  seinem  unglücklichen 
Vater  bringt  (siehe  Sämtliche  Briefe  No.  4,  I.  Band),  bildet  wohl  den 
Schluß  aller  direkten  Beziehungen  zwischen  Beethoven  und  dem  Kur- 
fürstentum am  Rhein.  —  Aber  in  Beethovens  Sämtlichen  Briefen  konnte 
aus   einem  Briefe  an  Hofmeister  in  Leipzig   mitgeteilt   werden,    daß 
Beethoven   noch  im   Jahre  1801  an  diesen  Kurfürsten  dachte,   als   es 
galt,  seine  erste  Symphonie  in  C  zu  widmen.     Die  dem  Freiherrn  van 
Swieten  gewidmete  Symphonie  trug  nach  dem  richtiggestellten  Briefe 
(Original  bei  Deiters)  diese  Dedikation:  „grande  Symphonie"  etc. 
composee  et  dediSe 
ä  son  altesse  serenissime 
Maximilien  Francois 
Prince  royal  d'Hongrie  et  de  Boheme 
Electeur  de  Cologne  etc. 

par 
Louis  van  Beethoven 
oeuvre  21 
(Beethovens  Sämtliche  Briefe  No.  44,  I.  Bandj.         A.  d.  H. 


—     58     — 

bem  bamatigen  2BoIjnfi|e  ernfter  Äunftpftege,  umgefefyen  unb 
eine  unb  bie  anbere  23efattntfd)aft  gemadjt  tyatte,  at§  er  fcfyon 
ben  $orfa£  fafete,  fyier  für  immer  feine  glitte  aufgetragen, 
menn  iljm  aud)  ber  fjofje  ©önner  ju  SSonn  fein  Drganiftem 
©efjalt  ent§iet)en  fottte. 

Sine  feiner  erften  unb  für  lange  einftufjreidjften  93etannt= 
fdjaften  mar  bie  be§  in  i)of)em  5tnfet)en  ftefjenben  $reif)erra 
©ottfrieb  Dan  ©mieten,  SSorftet)er§  ber  faiferlidjen  53i6tiotf)ef. 
Sin  biograbf)ifd)er  3lbrif$  öon  biefem  auggeseidjneten  9Jcann,  ber 
1803  oerftorben,  befagt:  „(£r  mar  ein  uertrauter  greunb  £>at)bn'3 
unb  SCJco^art'S,  unb  ermarb  fid)  unter  5lnberm  aud)  baburd)  ein 
grofceS  SSerbienft  um  bie  9Kufi!  in  2öien,  baf$  er  bie  SSerfe 
^aenbet'S  unb  83adj'8  $ur  Sluffüfjrung  bradjte  unb  gu  biefem 
93ef)ufe  ben  Ijoljen  2lbe(  in  eine  mufüatifdje  ©efellfdjaft  üer= 
einigte,  (darüber  meiter  unten  meljr.)  gür  Stftosart30)  be* 
arbeitete  er  „£)ie  ©djöpfung"  nadj  einem  engtifdjen  STejte;  aud) 
üerfaftte  er  ben  £ejt  §u  ben  „SajjreSäetten."  («Soll  fielen:  er 
überfeine  bie  engtifdje  2)id)tung  öon  Stljomfon.)  9fuf  feine 
$eran(affung  mürben  üon  Sttojari  oier  <paenbeffd)e  Oratorien 
(9Jceffia3,  §tri§  unb  ©atatea,  2tteranber=geft  unb  (Saecitia)  nad) 
bem  23ebürfnif$  ber  $eit  reidjer  inftrumentiert."  —  Sm  erften 
Safyrgange  ber  Seidiger  2(tlgem.  9D?ufif=3eitun9  ®e^te  252 
djaracteriftrt  fic£)  biefer  9J?uftffreunb  mit  nad)ftef)enben  SBorten 
f eiber:  ,,3d)  bin  überhaupt,  ma3  SKuftf  betrifft,  in  jene  gelten 
gurüdgetreten,  mo  man  e§  nod)  für  nötig  tjielt,  bie  Jtaft,  etje 
man  fie  ausübte,  orbenttid)  unb  grünblid)  §u  lernen.  ®a  finbe 
id)  9^at)rung  für  ©eift  unb  §er^:  unb  ba  tjole  id)  ©tärfung, 
menn  irgenb  ein  frifdjer  53emei§  öon  bem  Verfalle  ber  $unft 
mid)  niebergefd)(agen  f)at.  Steine  Sröfter  finb  bann  oor  aüen 
§aenbet  unb  bie  SSactje,  unb  mit  ifynen  aud)  bie  menigen 
SKeifter  unferer  Sage,  meiere  bie  $at)n  jener  SJhtfter  beä 
2Bat)ren  unb  ©rofcen  mit  feftem  gufee  manbetn,  unb  ba%  ßiet 


30)  Soll  heißen  „Für  Haydn".  A.  d.  H. 


—     54     — 

entroeber  gu  erreichen  —  berfbredjen,  ober  e§  fdjon  erreicht 
fyaben." 

tiefer  S!unft=9D?aeceit  mar  ber  Cicerone  be§  neuen  3ln* 
tommtingS,  ben  er  batb  an  feine  ^ßerfon,  mie  aud)  an  fein  §au£ 
3U  feffeln  berftanb.  ®ic  $erfamm(ungen  in  biefem  §aufe 
Ratten  im  Verlauf  für  23eetf)oben  ba§  Sefonbere,  bafc  er  nidjt 
nur  mit  ben  genannten,  ifjm  bisher  faft  gang  fremb  gebliebenen 
(Slaffitern  etmaö  begannt  mürbe,  aber  aud)  nod),  baft  er  ftets. 
am  tängften  au^atten  muf$te,  beim  ber  alte  §err  mar  ein 
muficatifdjer  üftimmerfatt.  ©o  lam  e§,  baf$  er  SBeetfjoben  in 
ber  Siegel  fbät  fortließ  meit  biefer  fid)  bequemen  mufjte,  nod) 
eine  Wnjat)!  $ugen  bon  ©eb.  Q3ad)  „jum  5lbenbfegen"  bor= 
gutragen,  ©in  üon  biefem  feltenen  Spanne  an  93eett)oben  ge= 
rtdjteteS  Sillet,  ba§>  in  ber  Urfdjrift  bortiegt,  lautet  roörttid): 
„2In  £)errn  SBeetfjoben  in  ber  Sltftergaffe,  9to.  45  bei  bem 
§errn  dürften  ßidntomsft).  SBenn  ©ie  fünftigen  SJtittrcod) 
nid)t  berfjinbert  finb,  fo  münfdje  id)  ©ie  um  Ijatb  nenn  Uf)r 
StbenbS  mit  ber  ©d)Iaft)aube  im  ©ad  bei  mir  31t  fefjen.  ©eben 
©ie  mir  unOergüglid)  $tntmort.    ©mieten." 

Unter  ben  nieten  S3et'anntfd)aften  au3  bem  fjotjen  5Ibet 
ftetjt  bie  mit  ber  fürftlidjen  $amitie  2idjnom§ft)  im  23orber= 
grunb.  tiefer  ©tüdöfall  im  Seben  unferl  23eetf)oben  ift  oon 
fo  mistiger  SBebeutung  unb  fo  mancherlei  folgen,  bafj  mir 
not^menbiger  SBeife  etma§  babei  berroetfen  muffen. 

SDie  ©lieber  biefer  benfmürbigen  $amitie  gehörten  in§= 
gefammt  jenen  feltenen  Naturen  an,  bie  für  al(e§  ©djöne  unb 
©ro^e  offenen  ©inn  t)aben;  über  atte§  t)errfd)te  in  biefer 
gamilie  ber  reine  begriff  bom  21bet,  nad)  ber  2)ebife:  La 
noblesse  oblige.  ©omit  ftanb  aud)  Mjtung  unb  Pflege  bon 
$unft  unb  28iffenfd)aft  barin  auf  gleicher  Sinie,  im  ©egenfatje 
§u  jenen  (Ebenbürtigen  it)rer  ßeit,  bie  ba%  bitterliche  in  feiner 
Sßerbtaffung  gum  alleinigen  ©egenftanbe  i§re§  ©treben§  gemacht, 
gürft  ®arl  ßidjnomäfb,  mar  ein  ©d)ü(er  bon  äftojart  unb 
ftanb  in  tedjnifdjer    ?tu§bi(bung   be§   (5(abierfbiet§   meit   über 


—     55     — 

ber  9)?ef)rgaf)t   ber   bamalS  tjertiorragenben  Äunft*  Dilettanten. 
$lod)   £)ötjer   ftanb   fein  ©ruber,  ®raf  9J?ori§   Sicfjnomäfrj, 
gleichfalls  Stto^arfS  <5d)üter,  ben  tt)ir  fogteid)   all   ben  immer* 
mäljrenben  Segleiter  23eett)otien'§  burd)  fein  gange§  Seben  be= 
äeidjnen  muffen.    SSir  merben  at§   folgen  feiner   nod)  oft  §u 
gebenden  tjaben.  —  ©on   gleicher  ©cfinnung  unb   muficalifcfjer 
©ifbung  mar  bie  gürftin  ßfjriftiane,  ge6orene  (Gräfin  tion  Xtjun. 
2ln  biefer  (Stätte  tion  Humanität   unb  feiner  ©ittc   fanb 
S3eetf)otien  ein  Slftit,  in  bem  er  mehrere  Satire  tiermeifte,  gumat 
er  tion  abetidjen  Vorurteilen  faum  beirrt  morben.    Der  $ürft 
marb  bem  jungen  üDfcmne   ein  tiätertidjer  $reunb,   bie  gürftin 
eine  gmeite  Butter.    2BaS   ber  gürft  für  feine  ©ubfifteng  ge- 
ttjan,  nad)bem  ©eetfmtien  nad)  ber  Vertreibung  be§  ßurfürften 
Sftaj  ^ranj  burd)  bie  frangöfifcfje  Dccutiation  be3  linlen  9fJt)ein= 
ufer§  feinet  £>rganiften=©et)aft<§  tängft  ticrtuftig  gegangen  mar, 
erfahren   mir  au§  feinem  mieberfjolt  angebogenen  ©riefe  tiom 
Safjre  1800  an  Tegeler.     Dort   tjeifjt  e§:   „Von   meiner  Sage 
mittft  Du  ma§  miffen;   nun,    fie   märe   eben   fo   fdjted)t  nicrjt. 
«Seit   tiorigem  Saljr   Ijat   mir   Sictjnomsfo,  ber,  fo   unglaublich 
eS  Dir  and)  ift,  menn  td)  Dir  e§  fage,  immer   mein  roärmfter 
$reunb  mar  unb  geblieben   ift,   ({leine  äRifetjetligreiten   gab   eS 
ja  audj  unter  un§,  unb  tjaben   eben  biefe  unfere  $reunbfdjaft 
nicf)t  befeftigt?)  eine  ftdjere  (Summe  tion   fedjStjunbert   ©utben 
auSgemorfen,  bie  ict),  fo  lange  td)  feine  für  micf;  tiaffenbe  ©teile 
finbe,  sieben  lann."31)     Die  Siebe  biefer   fürfttidjen  ^ßerfonen 
fjatte   unfern  Veettjotien    gleidjfam  tierfolgt  unb  miuberte  ftdt) 
fetbft   bann   nidjt,   menn   ber  oft   übellaunige   ober  mofjl   gar 
ftörrifcfje  ?tbotititi=(Sof)n  biefe    anberämo   fictjer   tierfdjergt   unb 
ernfte  9?üge   fidE)  guge^ogen  tjätte.     ©o   beurteilte  jene    Vor* 
gänge   ©raf  Sttoritj  Stdjnomsfti.    9lber  nad)  ©eet^otien'S  Ve= 
griffen  maren  eS  ja  blo§  „f  leine  äJäfjtjelltgfeiten,"  bie  obenbrein 
gu  Vefeftigung  ber  $reunbfd)aft  gebient  Ratten. 

31)  B.  S.  B.  (=  Beethovens  Sämtliche  Briefe)  No.  36,  I.  Bd. 

A.  d.  H. 


—     56     — 

3n3befonbere  mar  e<§  bie  gürftin,  bie  alle»  Slutn  unb 
£affen  an  bem  meift  in  fid)  gelehrten  unb  nad)  conOentionetlen 
Segriffen  roorjt  aucf)  berfetjrten  Äünftler  für  originell  unb 
tiebengroürbig  erflärt  fjatte,  itm  bafjer  bei  bem  ftrertgeren  unb 
anberen  2lnfid)ten  fjittbigenben  dürften  in  allem  §u  entfcrjulbigen 
mufete.  93eett)oüen  ijatte  fpäterljin  für  biefe  (Sräte|ung§* 
Sßrincipien  eine  treffenbe  Se^eidmung.  „9)cit  großmütterticfjer 
Siebe  t)at  man  micrj  bort  ergierjen  motten,  äußerte  er,  bie  fo  roeit 
ging,  bafj  oft  menig  gefegt,  bafj  bie  gürftin  ntcfjt  eine  @la§= 
gtode  über  mid)  machen  ließ,  bamit  fein  Unraürbiger  mid)  be= 
rütjre  ober  anrjaucfje."  —  Heber  bie  mandjerlei  Vorgänge  mit 
S3eettjoüen  in  biejem  fürftüct)en  Streife  blieb  überhaupt  ba$ 
©ebädjtniß  be»  ©rafen  SCRori^  Sidjnorüöf'i)  ein  treuer  Seroaljrer. 
9?ad)  2lu3fage  biefeä  ©eroäfjr^manneö  trug  fdjon  in  jenen  Sagen 
Seetfjoüen'il  Sruber  (Sari  bie  ©dmtb  an  oielen  9Jtißt)eltigfeiren 
unb  rool}l  aucfj  Un^iemtidjfeiten,  roeld)'  letztere  bann  auf  9?ed)nung 
be§  Gomponiften  gefdjoben  rourben. 

2)ie  folgen  einer  fo  nadjfidjtiSüollen  S5et)anblung  fonnten 
bei  einem  Spanne,  roie  unfer  33eett)oüen,  ber  mit  einem  feurigen 
Temperamente  begabt,  fremben  ©inflüfterungen  ©erjör  gebenb, 
babei  aucf)  fdjon  ftar!  abroeidjenbe  £eben§=9lnfdjauungen  offen* 
barte,  nidjt  ausbleiben;  31t  allem  nod)  bie  bereits  allgemein 
geroorbene  33erounberung  feinet  £alent3,  bie  feine  §altung  in 
CEonfücten  be§  Sebenö  aud)  nodj  roanfen  gemadjt,  —  Urfadje 
genug,  baß  ber  auflobernbe  SDcufenfofjn  fet)r  oft  mit  bem  Äopf 
gegen  bie  SSanb  rannte,  unb  fomit  fütjlen  mußte,  roeif  er  nidjt 
Ijören  mottle.  Sludj  Dan  dBroieten'ä  üerftänbiger  D^atl)  unb  @r* 
maljnung  blieben  fctjon  oft  unbeadjtet,  unb  biefer  fein  (Sinfütjrer 
in  bie  t)öl)ere  ©efellfdjaft  mußte  fid)  begnügen,  roenn  ber  eigen= 
roitlige  Äünftler  nur  5U  feinen  3lbenbmufifen  fam.  (Smancipation 
üon  allen  (Salon^Sonüenien^en  fctjeint  fdjon  früf)  fein  Seftreben 
geroe Jen  5U  fetin,  roenn  gfeidj  feine  perfön  lidjen  Sßerrjältniffe,  roie 
insbefonbere  fein  enger  ^ufammentjang  m^  oer  ®ß*e  Der 
muficatifdjen    ©efetlfdjaft,   bie    itjn    unerad)tet    nidjt    roeniger 


—     57     — 

focialer  Mängel  31t  bert  itjren  gegä^tt,  gemicfjtige  ©rünbe  tjätten 
fet)ti  follen,  fofdjeS  £rad)ten  nocfj  für  geraume  $eit  auggufetjen. 

önbeffen  tuerben  mir  afäbalb  bort  Singen  gu  berichten 
b,aben,  bie  afö  erftärenbe  üDfotibe  btefer  fcfjeinbar  ungettigen 
©eftrebungen  bieuen  merben.  SSertaffen  mir  einftmeiten  bie 
fürftfidjen  <Safon3  unb  menben  un§  nad)  einer  anberen  ©eite 
rjin,  bie  nidjt  minber  befonberer  23ead)tung  mertt)  ift:  jpredjen 
mir  nun  bon  23eett)oben'<§  Stellung  unb  SSerrjältnifj 
3U  ben  3Siener  äJhtfiÜem. 

@£  mirb  mofjl  Sciemanb  ermarten,  haft  ein  fo  rafdj  fid) 
empor  rjebenber  ßünftter,  mie  unfer  SSeettjoben,  obgleid)  faft 
auSfdjfiefjftdj  ftd)  in  ben  ßirfeln  ber  t)or)en  9lriftofratie  be= 
megenb  unb  bon  btefer  in  feltener  SSeife  getragen,  feiten^  feiner 
®unftgenoffen  otjne  Stnfedjtung  bleiben  foHte;  im  (Gegenteil 
barf  ber  Sefer  gefaxt  ferjn,  gerabe  in  2lnbetrad)t  ber  ftrafjtenben 
(Sigenfdjaften  unb  Semeife  bon  ©enie  bei  unferm  gelben,  im 
(Sontrafte  5U  beffen  fdmjerem  Söünbet  focialer  ©onberbarfeiten, 
mofjt  aud)  ©djroffljetten,  ein  ganseS  |>eer  bon  ©egnern  miber 
irjn  §u  gelbe  gießen  51t  feigen.  Heber  atteä  mar  e§  fein  Sleufeereä, 
feine  im  Umgange  mit  ftunftgen offen  §u  menig  bemeifterte 
föeigbarf'eit  unb  9?üdt)aIttofigfeit  im  Urtfjeil,  ma§  9?eib  unb 
Sdjeetfudjt  ntdjt  für  natürliche  Begleiter  be3  ©enie'S  moüten 
gelten  taffeu.  ©er  §u  geringe  ©rab  bon  9?ad)fid)t  für  bie 
mancherlei  Sigarrerien  unb  @ebred)en  ber  tjörjeren  ©efetlfcrjaft, 
anbern  :£t)eil3  mieber  feine  ju  rjot)en  2tnforberungen  bei  Sunft* 
genoffen  tjinfid)t3  metjrfeitiger  SMlbung,  fogar  fein  bonner  ©tateft, 
bieg  gufammen  lieferte  ben  (Regnern  Stoff  im  Ueberftuft,  mit  Übeln 
9?ad)reben  unb  morjt  audj  Sßerleumbungen  9^ad)e  an  irjm  gu  nehmen. 

Sn  ber  gmeiten  ^eriobe  mirb  Sßeranlaffung  ferjn,  biefen 
^unct  au3füt)rlid)er  51t  befbrecfjen.  §ier  fet»  nur  bemerft,  bafe 
übereinftimmenben  äRittrjeitungen  gufotge  bie  miener  9)htfiter 
bamatiger  Qtit,  mit  fetjr  geringer  2Iu3nat)me,  nictjt  nur  alter 
$unft=,  ja  aud)  ber  nottjmenbigften  ©dudbitbung  ermangelten 
unb  bom  £>anbmerr'3neibe  berma^en   burdjbrungeu  gemefen,  mie 


—     58     — 

i'v  gleidjjeitig  in  ben  günften  bct  $att  War.  Snsbefonbere 
Ijatte  man  c§  auf  bie  gremben  abgefefyen,  fobalb  ifyre  Slbftctjt 
lunb  geworben,  ftänbigen  9Sot)nfit3  in  ber  Slaiferftabt  §n  nehmen.*) 
Sn  einer  Sdjitberung  be§  SD^uftfruefen^  in  SBien  im  britten 
Saljrgcmg  ber  Mg.  ÜDcuf.  3*Sv  ©^  67,  finbet  fid)  hierauf 
be^üglid)  folgenbe  Stelle:  „Sollte  e$  iljm  (bem  fremben  Slünftter) 
einfallen  r)ier  bfet6en  §u  wollen,  fo  ift  ba§>  gange  Corpus 
masicum  fein  geinb."  (Srft  im  Saufe  bes  britten  3af)r* 
gefjenbs  rjabcn  fid)  biefe  Singe  bort  beffer  geitattet;  nur  ba% 
fünftterifdje  23ewuf5tfel)n  üerblieb  auf  ber  alten  Stufe, 
tvtö  freifid)  bie  gefetlfdjafttidjen  3ul"tanoe  im  ?ltlgemeinen  tier* 
urfadjen;  benn  wo  Stänbe=Unterfd)eibungen  beftefjen,  wirb  ber 
Sünftler  nid)t  fetten  bem  Sienftperfonafe  gleidjgeftetlt  bfeiben. 
SBeadjten  wir  bie§  in  öegug  auf  33eet£)oüen'3  fociate  Stellung 
in  bamafiger  Qeit,  ber  feinesfattS  ein  „in  tieffter  llnterttjänigfeit 
erfterbenber  Siener"  feün  wollte. 

S)te§  waren  jum  Sfjeit  bie  oeranlaffenben  ©rünbe,  baf; 
unfer  9Jceifter  unau§gefe|te  Verfolgungen  oon  jener  Seite  $u 
erbulben  gehabt,  bie  fid)  beinahe  burd)  fein  gangeS  Seben  t)in= 
burd)  gieljen,  wie  gegeigt  werben  wirb.  Seiner  Seit§  oergalt 
er  fie  burd)  offenbare  ©eringfdjäijung  feiner  ©egner  unb  perfön= 
tidje  Slbfonberung,  —  eine  Salti!,  bie  im  ftünftterfefcen  §u 
Snconfequengen  unb  Vermidelungen  fütjren  lann,  unb  in  unferm 
gatle  wirllid)  geführt  Ijat. 

23a§  SBeetljoüen'S  Verhalten  ber  ^unft=Äriti!  gegenüber 
betrifft,  fo  ferj  gur  Stelle  nur  bemerft,  baf?  er  in  Sob  unb 
Säbel  allezeit  ba§>  redete  sDcaf}  verlangt  f)at,  wa3  barüber 
rjinau§,  tiermodjte  it)n  nidjt  anberS  al§  flüchtig  jit  berühren. 
So  fjielt  er  «3  fein  ganzes  Seben  bamit.  2öir  werben  an 
geeignetem  Drtc  wieber  barauf  jurüdfommen.32) 


*)  SSon  Söiündjen  roetB  man  bafjelbe.  Sort  Ijat  fid)  foldjer  Seift 
6i3  in  bie  legten  ^a^re.  erhalten. 

32)  Vom  Verhalten  der  Kunstkritik  Beethoven  gegenüber  war 
bereits  oben  die  Rede,  man  vergleiche  Anmerkung  11.       A.  d.  H. 


—     59     — 

$u  biefen  (Sfjarafteräügen  gefeilte  fid)  nod)  ein  anberer, 
nid)t  meniger  für  feine  fünftterifdje  Saufbaljn  micfjtig,  mie  bie 
oben  aufgezeichneten,  nämtid):  9^ang  unb  9xeid)tt)um  fjielt  er 
für  gleichgültige  £)inge,  für  ßontiention  unb  ßufättigfeit,  batjer 
befonberer  sM)tung  nicljt  mertlj).  53or  SHIent  moltte  er  im  Stftenfdjen 
ben  äftenfdjen  ad)ten,  bann  erft  ben  dürften,  ben  Sanquier. 
SSor  bem  Sftammon  unb  beffen  §ütern  fid)  beugen,  £)iett  er  für 
Snjorrjeit,  für  bie  tieffte  (Srniebrigung  be§  geiftbegabten  9J?anne<c. 
©eine  ?Id)tung  oor  9kng  unb  9^eid)tt)um  mufjte  fid)  barum  auf 
Humanität  unb  3Sof)ltf)un  grünben.  SBenn  feine  SMtifer 
neuefter  Qtit  biefen  (Sfjarafterjügeu  einzig  unb  allein  <Stot§ 
als  äftotiü  unterftellen,  fo  finb  fie  im  Srrtljum;  im  ©egentljeit 
barf  man  barin  nid)t3  anberS  al§>  un§raeibeutige  SO?anifeftationen 
be§  fid)  felbft  erfennenben  @enie§  unb  feiner  SO^iffion  erbtiden. 
<So  rjarmonirt  e§  mit  bem  ganzen  SBefen  biefe§  Cannes.*) 

?(uf  gleicher  Sinie  mit  üorbenannten  ©runbfäfcen  ftanb 
fdjon  bamatö  ber  feiner  po(itifd)en  ?(nfd)auung  ber  §83eft= 
binge.  darüber  aber  fid)  be§  Weiteren  auSzulaffen,  ift  tjter 
nid)t  ber  geeignete  Ort. 

Söenben  mir  un§  nun  mieber  bem  ÜD?ufica(ifd)en  gu. 

@§  ift  gemifs,  ba$  S3eet^oüen'§  ^enntniffe  in  ben  fjarmonifdjen 
SSiffenfdjaften  zur  $nt,  a(§  ber  llnterridjt  bei  £mt)bn  begonnen, 
bie  ®eneratbaJ3=2erjre 88)  nid)t  überfdjritten  tjatte.  Sporen  mir, 
bafj  er  beffen  uneradjtet  fdjon  $ugen,  00er  fugirte  <Sä£e,  am 
$iano  51t  ejtemporiren  im  ©tanbe  gemefen,  —  ma§  bereite  1787 
nadj  üD?ozart'3  Aufgabe  gefdjeljen,  roie  mir  oben  Oernommen,  — 

*)  5Rittl)eilungen  au§  bem  2)?unbe  einer  parifer  ®ame  lnerben  in  ber 
folgenben  ^eriobe  biefen  Gfjarafterjua,  in  £)eHere§  Siebt  [teilen. 

33)  Das  darf  jetzt  nimmermehr  zugegeben  werden.  Wer 
vor  dem  Anbeginn  seiner  Wiener  Zeit  so  viele  umfangreiche 
Kompositionen  sogar  in  freien  Formen  geschaffen  hat  —  man  beantworte 
sich  nur  die  Frage:  „Was  hat  Beethoven  in  Bonn  komponiert?"  — 
von  dem  wird  man  wohl  nicht  weiter  sagen  können:  „Als  der  Unter- 
richt bei  Haydn  begonnen,  hatte  Beethoven  die  Generalbaßlehre  nicht 
überschritten!"  A.  d.  H. 


—     60     — 

fo  grünbete  jtdj  bie  gute  Söfung  foldjer  Aufgaben  bod)  Wotjl 
nur  auf  bie  burd)  üiele<§  (Spielen  contrapunctifdjer  Gompofitionen 
erworbene  Üioutinc  in  Sßerbinbung  mit  feiner  fdjon  frür^eitig 
ermatten  unb  gepflegten  2>mproüifation§*©abe. 

Ruberer  <Seit§  tfi  eä  befannt,  ba$  9Sater  §aljbn  fd>on 
lange  üor  bem  Satjre  1792  aufgehört  (jatte,  ftjftemattfcfjen  Unter= 
rid)t  in  ben  rjarmonifdjen  Sßiffenfdjaften  51t  ertfjeiten.  £)aran 
mar  er  nid)t  blo§  in  $ofge  üietjärjriger  33eruf^gefd)äfte  al£. 
Sapettmeifter  be§  dürften  Sfterbajtj  311  ©ifenftabt,  burd)  an» 
bauernbe  arbeiten  am  (Sdjreibtifcfje,  aber  aud)  megen  üor= 
gerüdten  SHterS  öerrjiubert;  überbieS  foli  eö  nodj  an  lern- 
begierigen ©djülern  in  jener  Qe'ti  gefegt  tjaben. 

Raffen  wir  biefe  ^Srämiffen  gufammen,  fo  wirb  e§  nid)t 
fdjtoer,  ju  ber  <Sd)tuf3fo(gerung  §u  gelangen,  haft  öon  öorntjer 
ein  fatfcfjer  (Sdjritt  gefcr)ct)en  war,  (Sdjüler  unb  Sefjrer  ^u  ge= 
meinfdjaftlidjem  gufammenwirfen  51t  bereinigen.  <Sotd)e  ^aftoren 
fonnten  im  Vereine  gu  feinem  erWünfdjten  9iefultat  gelangen, 
benn  ber  <Sd)üter  pafjte  jum  Sefjrer  nicfjt,  weit  fein  Renten 
unb  Strjim  bereite  $u  üiet  Oon  ber  angelernten  Routine  be= 
rjerrfdjt  gewefen  unb  aud)  bie  Serjrgeit  für  bie  t)öt)ere  Shmft= 
wiffenfdjaft  um  einige  Safjre  gu  fpät  begonnen  t)atte;  überbieS 
nod)  feine  funbgegebene  ©igenwitligfeit  unb  eigene  9Inftcfjt  ber 
Singe;  ber  fieljrer  wieberum  paffte  §um  Sdjüler  nidjt,  weil  bie 
Routine  in  ber  Sßrarjs»  ifjn  nidjt  metjr  gu  unterftüt^en  oermodjte, 
beibe  aber  im  innigften  Vereine  mit  bem  SBiffen  felber  gerjen 
muffen.  60  wenig  ber  gefdjicftefte  9D?atrjematifer  orjne  tiieljärjrige 
^3raji§  im  Serjramte  fclbft  ben  begabteften  »Scrjüler  in  bie 
mattjematifdjen  SBiffenfdjaften  einzuführen  im  <Stanbe  fetjn  wirb, 
ebenfo  wenig  wirb  ber  geleljrtefte  (Sontrapunctift,  orjne  bieljäljrige 
^raji§  al§  Sefjrer,  feinen  Sdjüter  in  bie  ®erjeimniffe  ber  fjörjeren 
®unftwiffenfd)aften  einzuführen  im  «Stanbe  fetjn.  kommen  nod) 
Mangel  an  ßeit  unb  äftufte  ^u  ft)ftematifd)em  Unterridjtgeben 
Ijinzu,  bann  fann  worjt  ber  willfährige,  auf  rjorjer  (Stufe  be3 
fen§  fteljenbe  Gomponift  ein   guter  Üktfjgeber   für  fpecieüe 


—     61     — 

gcille  fetjrt,  ein  Server  im  engften  äBortfinn,  ber  mit  ©ebutb 
unb  Eingebung  ber  ©djüter  öom  &icl)ten  gum  ©djmereren 
füt)rt,  ift  er  nidjt.  SBarb  aber  aller  biefer  ttmftänbe  ungeachtet 
SBeettmüen  bennoct)  £at)bn'3  ©djüler  —  mir  toiffen  ja,  bafc  bie£ 
burd)  SSiflen  unb  $ürforge  feiner  l)eimifcf)en  ©önner  gefcfyetjen  — 
fo  erfennen  mir  au§  biefer  Xr)atfacr)e,  baf$  ber  Aberglaube  im 
9ftufifleben  fctjon  gu  jener  $eit  berfelbe  gemefen,  (gleicfymofjl  e§ 
nod)  feine  Halbgötter  gegeben  unb  fjerüorragenbe  $ünftter  nod) 
nict)t  gu  ©öljen  gemadjt  morben)  mie  mir  it)n  in  unseren  Sagen 
ringsum  gu  gemäßen  ljaben.  2)iefer  Aberglaube  befunbet  fid) 
baburd),  bafj  ber  2)itettanti§mu§  inSgefammt,  bie  gadjmufüer 
gröfjtentfjeilä,  in  bem  SBaljne  leben:  ein  berühmter  (Somponift 
fet)  ber  Subegrtff  alte§  2Biffen§  unb  $erftef)en3,  feine  Äunft* 
epocfje,  biet  meniger  ein  einzelner  Autor,  liege  it)tn  fem,  otjne 
fie  bi§  in  it)re  tieffte  £iefe  burdjbrungen  gu  t)aben,  —  folglid) 
muffe  er  aud)  ein  au3gegeict)neter  Seljrer  fetm.8*) 

treten  mir  ben  ©ingen  mit  einem  ©djritt  gang  nalje. 

Unter  ben  Oon  $cetf)or>en  OorgugSmeife  geachteten  $ady 
genoffen  mar  aud)  Sodann  ©djenl*),  ber  Gomtoonift  ber 
aübefaunten,  faft  in  alle  eurotiäifcrjen  ©üradjen  überfeinen 
fomifdjen  Dper:  „£>er  3)orfbarbier",  ein  fanfter,  tieben^mürbiger 
(£§aracier    unb    grünbtidjer    Seljrer    ber   muftfalifdjen   Äunft* 


*)  ©eborcn  1761 35),  geftorfien  1836. 

34)  Diese  Streitfrage  läßt  sich  kurzerhand  beseitigen,  wenn  mau 
sich  ein  wenig  die  ersten  Sonateu  vergegenwärtigt,  die  Beethoven 
gewissermaßen  unter  Haydns  Leitung  erscheinen  ließ.  Was  haben  die 
Sonaten  op.  2  mit  den  meisten  Haydnschen  Sonaten  gemeinsam? 
Hier  ist  Tonspiel,  dort  bei  Beethoven  regt  sich  schon  allerorten  der 
Odem  der  Offenbarung,  überall  machen  sich  die  neuen  Wege  bemerkbar, 
die  nun  einmal  kein  Lehrer  mitteilen  kann.  So  erklärt  sich  Beethovens 
Wort  über  Haydn,  „er  habe  nichts  bei  ihm  gelernt,  obwohl  er  seinen 
Wert  wohl  zu  schätzen  verstand".  A.  d.  H. 

35)  Der  Komponist  ist  nicht  1761,  sondern,  wie  in  Beethovens 
Sämtlichen  Briefen  nachgewiesen  ist,  bereits  im  Jahre  1753  geboren, 
siehe  die  Briefe  No.  5,  I.  Band.  A.  d.  H. 


—     62     — 

nriffenfdjaften.  ©ines  ;£ages  begegnete  Scfjenf  unferm  £unft= 
jünger,  als  bieder  eben  mit  feinem  §efte  unter  bem  3trm  Don 
.parjbn  tarn.  <2d)enf  toorf  einen  23lid  in  bas  §eft  unb  ge= 
marjrte  ba  unb  bort  unrichtiges.  SSeetrjoDen,  barauf  aufmerffam 
gemacfjt,  Derfidjerte,  bafj  £>arjbn  biefes  Staborat  fo  eben  corrigirt 
fyabt.  2>er  Gomponift  bes  SDorfbarbier'S  blätterte  in  bem  £)efte 
gurücf  unb  fanb  gerjter  gegen  9?eget  unb  @efet3  in  giemlicfjer 
9(n3af)f  nicrjt  corrigirt.  sDcerjr  brauchte  es  nicrjt,  um  bei  Q3eetrjouen 
fog(eid)  ben  ^erbadjt  rege  roerben  §u  (äffen,  §at)bn  meine  es 
mit  itjm  nicrjt  rebüd).  ©t  fafete  fofort  ben  ©ntfdjtufj,  ben 
Unterridjt  bei  irjm  abzubrechen,  baoon  er  ftctj  jebod)  abbringen 
ließ,  bis  §at)bn's  näd)ftbeDorftet)enbe  §meite  9?eife  nadj  ßngtanb 
(1794)  fd)irf(id)e  ©elegentjeit  ba5U  gegeben.  Sdjenf  aber  blieb 
Don  jenem  5Iugenblide  an  bei*  33erbefferer,  Dielmeljr  ber  eigent» 
üdje  gürjrer  in  Gontrapunct  bei  33eet§ooen,  roenngleidj  biefer 
fortan  nod)  mit  bem  £>efte  §u  §anbn  gegangen;  es  läßt  ftcfj 
ermeffen  in  roetdjer  @emütf)sftimmung.  Safe  fernerhin  ätüifctjen 
beiben  feine  befonbers  freunbüdje  Sonne  merjr  gefdjienen,  roirb 
nidjt  auf  faden. 

@o  fjabe  icfj  biefe  Jfjatfacrje  aus  Scfjenf's  SJcunbe  über= 
fommen.  S(ber  es  folt  biefe  9Dcitteifung  nid)t  oerein^ett  ftefjen, 
ba  bie  Jtjatfadje  fo  fettfamer,  faft  unglaublicher  2lrt  ift,  barum 
ber  SBeftätigung  üon  anbrer  Seite  nictjt  entbehren  barf.  3%na% 
9f?ttter  Don  Serjfrieb  befpridjt  biefelbe  in  bem  biograpt)ifd)en 
^Ibri-ß  Don  Sofyann  Sdjenf  in  ©crjillings  Sejicon  ber  Sonfunft 
folgenbermafscn: 

„1792  fam  SBeetljoDen  nad)  SBien,  unb  Sdjenf  rjörte  itjn 
gum  erften  üDcale  in  Vlbbe  ©elinef's  Söorjnung  prjantaftren:  ein 
§od)genuB,  ber  lebhaft  9Jio§art's  Slnbenfen  ^urüdrief.  Unmutig 
beflagte  fid)  ber  lernbegierige  23eetfjoDen  oftmals  gegen  ©etinef, 
ttne  er  in  feinen  contrapunctifd)en  Stubien  bei  §anbn  nictjt 
Dormärts  fommen  fönne,  ba  biefer  SDceifter,  all^u  Dielfeitig  be= 
fdjiiftigt,  ben  irjm  Dorgetegten  ©taboraiionen  bie  gett>ünfd)te  Stuf* 
merffamfeit  §u  fcfjenfen  gar  nictjt  im  Stanbe  fetj.    Sener  fpract) 


—     63     — 

barü&er  mit  ©djenf  unb  befragte  ifjn,  06  er  nicrjt  geneigt  fen, 
mit  Sßeetijoben  bie  ©ompofitionSle^re  burd^umadjen.  tiefer 
erftärte  ftd)  t)öd)ft  millfäfjrig  ba^u,  jebod)  nur  unter  ber  £)obbet= 
SBebingung:  of)ue  irgenb  eine  Vergütung  unb  unter  bem  ©ieget 
unber&rüdjfidjer  3}erfd)miegeni)ett.  ©0  mürbe  benn  ber  gegen* 
fettige  ^rnctat  abgefd)(offen  unb  mit  gemiffentjafter  Streue  ge= 
Ratten,  anfangs  9luguft  1792*)  begann  ber  trjeoretifdje  Unter* 
ricfjt  unb  mäfjrte  &t§  (Snbe  9J?ai  be§  nädjften  Sa^reä  ununter* 
brocken  fort;  jebe  berbefferte  Aufgabe  nutzte  53eetl)oben,  um  audj 
ben  ©djein  fremben  ©inffuffeS  äu  bermeiben,  borerft  eigentjäubig 
abfdjreiben,  unb  bann  erft  §at)bn  jum  @utad)ten  borlegen. 
SE)iefe§  menig  befannt  geworbene  SBerljältnife  mirb  burd)  fotgenbe 
S£atfad)e  bocumentirt.  Slfö  nämtid)  ©djenf  in  ben  erften  Sunt* 
tagen  gur  gemotjnten  ©tunbe  fid)  einftettte,  fanb  er  ba§>  $öglein 
ausgeflogen  nad)  Ungarn,  auf  93efuct)  gum  dürften  ©fterrjagt), 
bafür  aber  ein  rjinter(affene§  SSriefdjen,  metdjeS,  bip(omatifct) 
genau  bibimirt,  atfo  lautete:  „Sieber  ©djenf:!  Sd)  münfctjte 
nid)t,  bafs  icfj  fdjon  fjeute  fort  mürbe  reifen,  nad)  ©ifenftabt. 
(Gerne  fjätte  id)  nodj  mit  Sfynen  gefbrocfjen.  Unterbeffen  redjnen 
©ie  auf  meine  ©anfbarfeit  für  bie  mir  erzeigten  (Gefälligkeiten. 
3dj  merbe  mid)  beftreben,  S§nen  alles  nad)  meinen  Gräften 
gutzumachen.  3cfj  t)offe  ©ie  balb  mieber  31t  fefyen  unb  ba$ 
Vergnügen  SfjreS  Umgangs  genießen  gu  fönnen.  Seben  ©ie 
mot)t  unb  bergeffen  ©ie  nicrjt  gang  St)ren 

Seetfjoben." 36) 
Sluffalten  lann  eS,  bafc  $erb.  9iie3  bon  bem  jmifdjen  biefen 
beiben  Scannern  beftanbenen  ^ertjättniffe  feine  Shtnbe  gehabt, 


*)  llnbejweifelt  mufe  bie§  1793  feigen,  benn  nur  hülfen,  ba&  !öeet= 
fionen  erft  im  ©pätfierbft  1792  in  SBMen  angelangt  ift,  unb  3U  ber  lleber= 
geugung,  ba\$  mit  §arjbn  nidü  üormärtä  ju  fommen,  mar  benn  bodj  ein 
genüffer  Zeitraum  erforberlid). 

36)  Die  Fassung  dieses  Briefchens  ist  bei  Schindler  die  korrektere, 
als  sie  andere  Editoren  enthalten,  und  so  ist  sie  auch  in  Beethovens 
Sämtlichen  Briefen  wiedergegeben  (I,  S.  12).  A.  d.  H. 


—     64     — 

er  rjtitte  in  feinen  biograbf)ifd)en  ^oti^en  ü6er  SBeettjoben  fdjiuer* 
lief)  umrjin  geronnt,  beffen  §u  ern)ät)nen.  Sollten  jur  geit  feinet 
Sßcrfe^rS  mit  53eetf)oben  —  Don  1800  bi§  1805  —  jene  ab* 
fonberlidjen  Vorgänge  fdjon  bem  ©ebädjtnifje  be§  SMfterS  ent= 
falten  ferjn?  ©ar  nidjt  unmarjrfd)einlid)  bei  feinem  fdjmacfjen 
©ebädjtniffe  für  alle»  tjinter  it)m  Siegenbe.  9üe3  befd)rän!t  fief) 
(Seite  86  auf  bie  jebenfallS  bicante  9?otig  fotgenben  SBortfautö: 
„•Jparjbn  tjatte  gemünfdjt,  bafj  23eetf)oben  auf  bem  Xitel  feiner 
erften  SSerfe  fetten  möd)te:  „„©cfjüler  üon  §abbn."" 
Söeetrjoben  mollte  Die§  nicfjt,  rneil  er  ^uar,  roie  er  fagte,  einigen 
Unterridjt  bei  §at)bn  genommen,  aber  nie  et  mag  bon  irjm 
gelernt  fjabe."  Sft  ba§>  nidjt  §u  biet  gefagt?  3)arf  man  nicfjt 
für  gettn|3  annehmen,  bah  95eetr)oDen  manchen  foftbaren  SJatt) 
au§  ^arjbn'S  SJtunbe  überfommen,  locnn  gteid)n?ot}l  ber  ftjftema* 
tifdje  Unterrid)t  fetjr  mangelhaft?  0Hc§  fär)rt  fort:  „^fuefj  bei 
Sllb  redjtsberger  rjatte  SBeettjoben  im  ßontrabunete  unb  bei 
©atieri  über  bramatifdje  DJcuftf  Unterridjt  genommen,  öd) 
f)abe  fie  alte  gut  gerannt;  alle  brei  fdw^ten  23eetl)oben  fef)r, 
maren  aber  audj  einer  SDceinung  über  fein  Sernen.  Seber  fagte: 
öeettjoben  feb  immer  fo  etgenfinnig  unb  felbftmoltenb  gemefen, 
bafj  er  9ftandje3  burdj  eigene  tjarte  (Srfarjrung  \)töz  lernen 
muffen,  xotö  er  frütjer  nie  al3  ®egenftanb  eines  Unterridjt^ 
fyaht  annehmen  motten.  23efonber§  maren  9llbred)t§berger  unb 
©alieri  biejer  Meinung;  bie  trodeuen  Regeln  be§  ßrftern  unb 
bie  unmidjtigeren  be3  Setjteren  über  bramatifdje  Gombofitionen 
(nad)  ber  ehemaligen  itatiänifdjen  ©djule)  tonnten  JBeettyoben 
nidjt  anfbredjen." 

SSir  Ijörten  fo  eben  Den  bitter  bon  ©etjfrieb  bemerken, 
bafj  SSeettjoben  lernbegierig  gemefen,  \va§>  boefj  nur  auf  bie 
2lu3fage  ©djenf's?  fid)  grünben  fann.  9Bar  bem  toirrtidj  fo,  unb 
toer  möchte  baran  jtoeifeln?  fo  liegen  ©rünbe  genug  bor,  bie 
Seljrjarjre  unferä  ©rojjmeifterä  ai§>  bon  argem  SJiifjgefdjid  ber* 
folgt  betrachten  gu  muffen;  benn  lein  grö'fjereS  9ftif3gefd)id  für 
ben   begabten   unb   lernbegierigen   ^unftjünger,   abä  burefj    bie 


—     65     — 

^pänbe  berfdjiebener  2e§rer  ju  gefeit,  sumat  raenn  bereit  ®unft= 
princibien  unb  Sftetfjoben  bon  einattber  abmeidjen,  (toa§  in  ber 
Üieget  ber  $all,)  unb  roenn  ber  jünger  fetber  fdjon  über  8el)r= 
fä|e  unb  Sefjrmetfjobe,  bielleidjt  nad)  borgefafeten  2(nftd)ten, 
Äritif  5U  üben  berftef)t.  ön  fotdj'  beflagen^tuerttjer  Sage  befanb 
fidj  33eetf)oben.  Sn  ber  ©eburt§ftabt  fanben  mir  guerft  feinen 
s#ater,  bann  Pfeiffer,  bau  ber  ©ber37)  unb  9?eefe  an  ber  garten 
^flanje  metfjobifd),  biefteidjt  aud)  nicfjt  ntettjobifct),  bifben,  in 
3öien  aber  §at;bn  unb  ©djenf  gleichzeitig,  bann  ?r(6redjt§6erger; 
ben  SSater  etoa  aufgenommen,  finben  mir  fomit  nidjt  weniger 
benn  fect)§  Sefjrer  ifjn  in  ben  5htnft=2£iffenfd)aften  f)in  unb  §er 
Serren.  Stiele  Äödje  üerfalgen  bie  ©ubbe.  Söenn  ber  SSerfaffer 
in  fbäteren  Sauren  93eett)obeu  ändern  gehört,  bafj  90?ogart'§ 
@enie  t)auptfäd)tid)  burd)  ben  einheitlichen  llnterridjt  feinet 
^ater§  §u  fo  t)of)er  9(u§bilbung  getaugt  ift,  fo  liegt  un3  in 
biefer  Steigerung  bie  ungmeibeutigfte  ^ritif  feinet  eigenen  ©d)ut~ 
gangeä  bor  9tugen.3S)  —  Sßeiter  unten  ttrirb  e§  SSeranlaffung 
geben,  nod)mat§  auf  biefeö  Sßnnftnm  gurüd^ufommen. 

(£§  fet)  nun  geftattet,  bie  STnmerfungen  über  ben  menig 
erfreutidjen  Sefjrgang  unferS  SReifterS  burd)  ?Iufseid)nung  etncS 
SBorfaffeS  gmifdjen  it)m  unb  feinem  ehemaligen  fjeimtidjen  $üf)rer 
©d)enf  gu  fdjtiefjen. 

häufiger  2öot)nung$roed)fel  jhrifdjen  ©tabt  unb  Sanb,  wie 
aud)  gurüdge^ogeneö  Seben  allenthalben,  maren  ©runb,  bafi 
unfer  SO^etfter  oft  Saljre  fjinburd)  biete  feiner  näheren  öefannten 
nict)t  gefefjen,  obfdjon  felbe  mit  it)tn  sugleidj  in  ben  9üng= 
mauern  ber  auSgebetjnten  laiferftabt  lebten.  §aben  fie  ftdj 
nidjt  jumeilen  bon  felber  bei  if)tn  angelünbigt  unb  iljn  bon 
ifjren  Sebenöberljältniffen  unterrichtet,  ober  f)at  fie  nid)t  ber 
3ufall  mit  if)m   sufammengefütjrt,   fo  eyiftirten  fie  laum  meljr 

37)  =  Van  den  Eeden.  A.  d.  H. 

38)  Doch  vergißt  Beethoven  nicht,  das  charakteristische  Wort 
hinzuzufügen:  „Aber  ich  hatte  Talent."    Und  das  bleibt  die  Hauptsache. 

A.  d.  H. 

SC.  ©djtnblctt"  SBeetfjoöcn^SSlogviUjTjie.  5 


—     66     — 

in  feiner  Erinnerung.  Es  mar  in  ber  ^cü^Iittg^eU  uon  1824, 
als  Seettjoüen  eines  Jages  in  meiner  Begleitung  über  ben 
(Graben*)  ging  unb  Sdjenf  uns  begegnete.  23eetb,oüen  außer  ftd) 
bor  $reube,  biefen  alten  greunb  lieber  gu  fet)en,  uon  bem 
er  feit  Sauren  nichts  gehört,  ergriff  feine  £>anb  unb  §og  it)n 
in  bas  natje  gelegene  (Gaftb/uis  „ßum  -Sägerrjorn"  unb  groar 
in  bas  fjinterfte  Zimmer,  bas  am  gellen  Xage  erfeucfjtet  toerben 
mußte.  Um  ungeftört  ju  bleiben  fcfjtoB  er  bie  21)üre  ab. 
9hm  begann  er  alle  galten  feines  £erjens  §u  öffnen.  Sftad)* 
bem  öorab  Silagen  über  9JciBgefd)ide  unb  erlebte  llngtütfsfälte 
mitgeteilt  unb  commentirt  mareu,  famen  aud)  bic  Vorfälle 
aus  ben  Salven  1793 — 94  in  Erinnerung,  barüber  SBeetljoüen 
in  ein  fdjatienbes  Sachen  ausbrad),  ba^  fie  beibe  ben  SBater 
§at)bn  fo  Untergängen  unb  biefer  immerhin  nidjts  gemerft 
rjabe.  Xiefe  Scene  gab  (Gelegenheit,  bau  id)  oon  bem  feltfamen 
SBerfjältniB,  bas  ^mifdjen  beiben  Männern  beftanben.  ,$um  er= 
ften  9)cat  fpredjen  gehört,  ©er  in  jenem  Momente  auf  bem 
©ipfetpunft  feiner  Straft  ftebjenbe  Beettjouen  überhäufte  ben 
befdjeibenen,  nur  oom  Ertrage  feiner  Sectionen  lebenben  Eom* 
poniften  bes  „Xorfbarbier's",  ferner  nod)  ber  großen  Cper 
„?(d)met  unb  5(Iman5ine"  unb  mehrerer  Singfpiele,  mit  lau- 
teftem  Xanfe  für  feine  irjm  in  feinen  Serjrjafjren  bemiefene 
Xb,eitnab,me  unb  freunbfdjaftlidje  Eingebung.  £er  ?lbfd)ieb 
^mifdien  Reiben  nad)  jener  benfmürbigen  Stunbe  mar  rüfjrenb, 
als  follte  er  für's  ganje  Seben  gelten,  unb  mirflid)  —  $eet= 
tjooen  unb  Sdjenf  tjaben  ftd)  feit  jenem  Sage  niemals  mieber 
geferjen. 

3Btr  uäljern  uns  nunmebr  einem  Kapitel  in  Seetljooen's 
i'eben,  bas  rjinficfjtlid)  ber  Xarftetlung,  menn  nicfjt  511  ben 
fdjroierigften,  fo  bodj  51t  ben  belifateften  jäf)lt,  es  betrifft  feine 
mandjerlci  &ie6esoer  Ijä  Itnif  f  e.  2ßer  rjättc  nod)  oor 
20  Satjren    aljnen    föunen,  baß  biefes  Äapitel    einftens    einen 

*)  Gin  iMa£. 


—     67     — 

grofjen  £f)eil  ber  mufifü(ifd)en  253eft  eben  fo  fefjr  befdjäftigen 
werbe,  rote  be§  StteifterS  Xonroerfe.  Unb  fo  ift  e§.  ©er  ^5er= 
faffer  glaubte  in  bm  früheren  ausgaben  genug  getrjan  gu  fjaben, 
roenn  er  biefen  ©egenftanb,  auf  ©ocumente  geftütir,  in  ge= 
brängter  ^ürje  jur  Spradje  bringe,  aud)  glaubte  er  bemfelben 
feine  größere  2ßid)tigteit  beimeffen  $u  folten,  at§  mandjer 
anberen,  nidjt  grabe  unintereffanten  (Spifobe,  —  einen  einzigen 
gatl  aufgenommen,  ber  tiefer  in  SBeetljooen'S  Seben  unb  Soeben 
eingebrungen  ift. 

®an§  anberer  2lnfid)t  mar  bie  fd)riftftellerifdje  SBelt.  Sfyr 
mar  ba$  barüber  ÜDätgetljeitte  biet  ju  menig,  aud)  51t  gemörjnticrj, 
barum  fie  für  gut  fanb,  ba§>  $actifd)e  auf  ba$  ©ebiet  be3 
SRomantifdjen  fnnüßer  51t  fpieten  unb  fomit  ben  tiefernften  %on* 
bidjter  in  bie  Kategorie  f)er5=  unb  gerjirnfranfer  9iomanf)e(ben 
§u  berfetjen.  2)enn  ber  üWuftfer,  in  beffen  Sßerfen  fo  (£jcen= 
trifdje§,  <pt)per=9f\omantifd)e§  entsaften  —  biefe§  fjören  nämtid) 
jene  Siteraten  auö  SBeetfjoben'io  SOhtfif  fjerauS  —  barf  aud)  in 
ber  Siebe  nicfjt  anberS  benn  ejcentrifd),  teibenfcfjaftlid)=grotey1 
gefd)i(bert  merben,  überhaupt  in  feinem  ^uncte  bey  rein 
9D?enfd)lid)eu  mit  ©emoijnlidjem  coltibiren.  £)ie  beftagemomerttjen 
(£rfd)einungen  in  ber  heutigen  SRobetten-,  9toman=  unb  Feuilleton- 
Siteratür,  nämlid)  bie  (Sigentjeiten  berühmter  Miltner  a(3  ^olie 
511  naturmibrigeu  Uebertreibungen  §u  benutzen,  S)inge  ifjnen 
an^ubidjten,  bie  in  ber  3Birflid)feit  nie  bageroefen,  Urtfjeife  unb 
Sentenzen  irjnen  in  ben  9Jhmb  51t  legen,  bie  ifjren  inbibibuetlen 
5tnfidjten  unb  ©runbfä^en  fdjnurftrad'y'  entgegenfterjen,  —  biefe 
mercantilifdje  ^rocebur  mit  bebeutenben  (Sbjaracteren  ift  aud) 
®runb,  ba$  bie  befanntcn  2iebe3oerf)ältniffe  unb  SiebeSteiben 
$8eetrj0uen'3  bon  bentfd)en  unb  fran^öfifd)en  ©djriftftelfern  öiel* 
fad)  ausgebeutet  unb  aufteilen  in  fdjamlofer  Steife  entftellt 
mürben.  —  3d)  bebaure,  biefem  ©egenftanbe  aud)  in  ber  bor* 
liegenben  9lu3gabe  faum  mefjr  9iaum  mibmen  jji  fönnen,  ali  er 
frür)ert)in  eingenommen,  ba  meine  Wnfidjt  barüber  unoeränbert 
biefelbe  geblieben.   Q£§  folt  aber  an  einigen  $ugaben  nid)t  feljlen. 


—     68     — 

Sgnaj  bon  Setjfrieb,  in  bem  uon  it)tn  bearbeiteten  unb 
bon  ^obiaio  §a§linger  1832  f)erau§gegebenen  SBerfe,  „93eet= 
f)oben'3  Stubien"  betitelt  —  Darüber  in  ben  Ergänzungen  eine 
fritifd)=f)iftorifd)e  Slbfjanblung  folgen  roirb  —  meifs  in  ben  bort 
angehängten  biograbljifdjen  Zotigen  über  SBeetfjoben  Seite  13 
§u  jagen:  „23eetf)oben  mar  nie  Verheiratet  nnb,  merfmürbig 
genug,  aud)  nie  in  einem  Siebeöberfjättnif?."  SD^etjr  meife  Stieg 
gu  fagen.  «Seite  117  feiner  Dcoti^en  Reifet  e§:  „93eetf)oben  fat) 
grauen^immer  feljr  gerne,  befonberä  fdjöne,  jugenblidje  C^eftct)teu . . '. 
6r  h)ar  fet)r  läufig  bertiebt,  aber  meiften§  nur  auf  fur^e 
2)auer."  SBegeler  nun  beantwortet  biefen  Sßunft,  mit  S3e= 
rufung  auf  ©teptjan  bon  Sreuning  unb  33ernf)arb  Nürnberg, 
©.  42  feiner  Stotijen  mit  folgenbem  Sa^e:  „33eett)oben  mar 
nie  ofjne  eine  Siebe  unb  meiften§  bon  ifjr  im  fjofjen  ©rabe 
ergriffen."  @r  nennt  bann  ein  $räutein  b'^onratf)  au3  (£öln, 
ta§>  oft  einige  Sßodjen  in  ber  Söreuning'fcrjen  gamilie  51t  $onn 
^ugebradjt  fjatte,  al§  S3eett)oüen7<§  erfte  Siebe,  darauf  folgte 
bie  liebeboltfte  Zuneigung  §u  einem  fdjonen  unb  artigen  gräulein 
bon  2B.,  bon  melcfjer  2öertb,er=Siebe  23ernf)arb  9tomberg  mir 
bor  brei  Sauren  uod)  Slnecboten  erjä^tte."  2)iefe  3)ame  mar 
Sugenbfreunbiu  bon  ber  oben  genannten  ©crjüterin  53eeti)oben'3, 
greif rau  bon  Seberbörbe,  bie  fiel)  1834  ju  fünfter  mit 
23ernb,arb  9iomberg,  in  meinem  Seifetjn,  biefer  Sie6e3angetegenl)eit 
erinnert  Ejat. 

Slnfdjltefeenb  an  borftetjenbe  Säjje  in  2Segeter'<3  9^oti§en 
bemerft  biefer  ®emät)r§mann:  „2)iefe  Siebfdjaften  fielen  jebocfj 
in  ba§>  UebergangSalter  unb  hinterließen  eben  fo  menig  tiefe 
©inbrüde,  al§  fie  bereu  bei  ben  ©cfjönen  ermedt  Ratten.  — 
3n  SBien  mar  23eetf)oben,  menigftenö  fo  lange  icb,  ba  lebte*), 
immer  in  Siebeöbertjältniffen  unb  trotte  mitunter  Eroberungen 
gemadjt,  bie  mandjem  ?(boni3,  mo  nid)t  unmögtid),  bod)  fet)r 
fdnoer  gemorben  mären." 

*)  Dr.  SSegeler  öenueilte  in  SBien,  Stubien  Ijafber  auf  ber  Slinif, 
toom  ga^re  1794  fci§  1796. 


—     69     — 

SBernerjmen  roir  nun,  roaö  33eetfjoben  felber  unterm 
16.  ÜKobember  1801  —  in  faft  botfenbetem  31.  SebenSjafjr  — 
über  biefen  ^unct  feinem  cobtenjer  $reunbe  fdjreibt:  „(StroaS 
angenehmer  lebe  id)  jetjt  roieber,  inbem  id)  micf)  merjr  unter 
9ttenfd)en  gemadjt.  ®u  fannft  e§  faum  glauben,  roie  öbe,  roie 
traurig  id)  mein  Seben  feit  jroei  Sauren  §ugebrad)t;  roie  ein 
©efpenft  ift  mir  mein  fdjroadjeö  ©et)ör  überall  erfdjienen,  uub 
id)  ftorj  bie  Sttenfcrjen,  mufcte  äftifantrob  fdjeinen  unb  btn'3 
bod)  fo  roenig.  —  2)iefe  Sßeränberung  f)at  ein  liebeS,  jauberifcrje^ 
SDcäbdjen  fjerborgebracfjt,  ba§  mid)  liebt,  unb  ba§  id)  liebe;  eS 
finb  feit  groei  Safjren  roieber  einige  fetige  5Iugenb(ide,  unb  e§ 
ift  ba§>  erfte  9J?a(,  bafc  id)  füt)(e,  ba$  fjeiratrjen  gtütftid)  madjen 
fönnte;  (eiber  ift  fie  nidjt  bon  meinem  ©tanbe,  —  unb  jetjt  — 
fönnte  idj  nun  frei(id)  nicfjt  Fjeiratfjen;  —  icfj  mufj  mid)  nun 
nod)  mader  rjerumtummetn."  ÜESeiter  im  ßonterj:  biefeä  53riefe§ 
ftofjen  mir  auf  folgenbe  ©teile:  „ffix  ein  füllet  Seben,  nein, 
id)  fürjl'3,  id)  bin  nid)t  metjr  bafür  gemacfjt."  2Sift  baZ  nidjt 
etma  fagen,  ba$  er  fdron  in  jenen  Satjren  ben  Borfatj  gefaxt, 
äße  §eiratrj§bläne  aufzugeben?  Sn  ber  fofgenben  Sßeriobe 
mirb  Sßerantaffung  fetjn  bermittelft  auttjertttfcf)er  Q3eroeife  biefem 
garten  ^uncte  närjer  zu  !ommen.  Vorläufig  fet)  bto3  bemerft, 
bajj  biefeS  „^auberif^eäJMbdjen",  ba$  in  bem  berftörten  Sfteifter 
„biefe  SBeränberung",  biefe  „fetigen  Slugenbtide"  fjerborgebradjt, 
baffetbe  ift,  burd)  ba3  irjm  balb  barauf  fcfjroereS  £>erze(eib  ber= 
urfadjt  morben39). 

üftadj  biefem  Sßorgefcrjmade  bon  Siebeä^reuben  unb  Seiben 
unfer§  9fteifter3  betreten  mir  roieber  ba3  ©ebiet  ber  Xonfunft, 
um  bie  Singe  barauf  nad)  ben  berfcfjiebenen  Beziehungen  zu 
feinem  Seben  unb  SBirfen  roeiter  zu  berfotgen. 


39)  Diese  Briefstellen  aus  Beethovens  Briefen  an  Dr.  Wegeier, 
worin  das  „zauberische  Mädchen"  vorkommt,  siehe  Beethovens  Sämt- 
liche Briefe  No.  38  im  ersten  Bande;  dann  den  Brief  an  Gräfin 
Giulietta  Guicciardi  mit  den  weiteren  Erklärungen  No.  4b,  I.  Band. 

A.  d.  H. 


—     70     — 

Sieben  bem  im  £aufe  be<§  ^reibjerrn  ban  ©mieten  mit 
Dratorien=$tfufif  befrfjäfttgten  herein  beftanb  fdjort  bei  Sfnrunft 
S3eet()ouen'i3  in  28ien  im  §aufe  be§  dürften  Garl  Sid)nom§ft) 
ein  fteinerer,  aber  au§ertt>ä{jltei  ÄreiS  öon  Äün[t(ern  nnb  Äunft* 
freunben,  ber  bk  ©utttmruttg  ber  Stammer=9)?ufif;  fid)  gur 
3(ufga6e  geftellt.  ®§  läßt  fid)  benfett,  hak  bem  Sfnfömmiing 
„au§  bem  9teidj"  aud)  in  biefem  Greife  al3ba(b  eine  9?olfe 
§uget^ei(t  morben.  Unter  ben  barin  ftitnmfüljrenben  föhtftlent 
ragten  befonberS  Ijerbor:  ber  SBtolinift  Sgna^  Scrjuppanaigt)*), 
ber  SBratfcfjift  ^ranj  Sßeifj**),  nnb  bie  beiben  SSiotoncelliften 
Stnton  traft***)  nnb  beffen  ©oim  Nicola u§  traft.****) 
SHefe  brei  erftgenannten  tünftler  ftefjeit  mit  bem  ßntmid(ung§- 
gange  Q3eetf)ouett'3,  überhaupt  mit  einem  großen  Xlrjett  feiner 
(£d)öpfungen  in  enger  Jsföedjfeinnrfung,  ba^er  djrer  nod)  öftere 
^u  gebenfen  ferjit  mirb.  Sttbeffeit  foE  nur  bemerft  werben,  bafe 
biefer  herein  practifcfj=gefd)utter  SOhtfifer  e§  mar,  bem  ber  auf* 
ftrebenbe  (Sompomft  bie  äroedmäftige  SBeljanbfung  ber  ©tretet)* 
Snftrumente  5U  banfen  gehabt.  Hufjer  biefen  ftnb  nod)  §u 
nennen:  Sofept)  grieblomöftif),  ber  unferm  S[T?et[ter  bie 
ftenntniB  be3  6(arinett=9J?ed)ani^muö  gelehrt,  nnb  ber  berühmte 
£>ornift  Sofjann  Söenset  ©tid)ff),  (ber  fid)  italienifd)  @iooanni 
Sßunto  genannt)  bem  53eett)Oüen  bie  Äenntnifj  be§  §ornfa^e§ 
üerbanft,  üon  ber  er  bereite  in  ber  (Sonate  mit  £orn,  Cp.  17, 
einen  ectatanten  öeireis  gegeben.  Sni  $föten*9Wedt)ani§mit§,  in 
beffen  (Eonftmirung  fo  niete  93eränbernngert  in  ben  erften 
Sarjrgerjnben  be3  3aljrrjunbert§  üorgegattgett,  blieb  (£art 
©djotlfff)  93eetf)00ett'§  beftättbiger  Snftructor. 

2)ie  jetjige  Generation  ber  ßomponiften  erfterjt  au§  $or= 
ftetjenbem,  auf  metdjem  Sßege  bie  Äomponiften  ber  früheren 
Gpodje,  tueldje  oon  ber  Shtnftgefdjidjte  bie  „ctaffifdje"  genannt 
mirb,    bie   tentunifj   be3   naturgemäßen   ®ebraud)e3    alter  Sn= 

*)  @eb.  1776,  f  1830.  **)  ©eb.  1778,  f  1826. 

***)  ©eb.  1751,  f  1820.        ****)  ©eb.  1778,  f  1853. 
t)  ©eb.  1775.        ff)  ©eb.  1775.        ftt)  ®eb.  1778. 


—     71     — 

ftrumente  ü&erfommen  rjat,  nämlid)  auf  bem  ber  münblidjen 
Uebertieferung,  ben  man  ben  practifd)=empirifd)en  nennt. 
£>ie§  mar  ber  SSeg,  auf  bem  bie  fogenannte  „Äunft  gu  inftru* 
mentiren",  baZ  ®unft=£anbmerf  überhaupt,  mol)l  gmet  3arjr= 
fjunberte  tjinburd)  gelehrt  morben,  mie  e§  in  allen  anbern 
fdjönen  fünften  ber  galt  geroefen,  unb  bi§  3U  biefem  £age 
nod)  ift.  (Sollte  bie  $rage  entfielen,  metdjer  2Beg  raorjt  gur 
(Srreidjung  fotdjer  ®unftgefcfjidlidjteit  ber  fixere  unb  groed- 
mäßigere  fet),  ber  frühere  practifd)=empirifd)e,  ober  ber  nunmehr 
eingefcfjtagene  üermittelft  gebrudter  SDxettjoben,  raetdje  fiel)  bis 
gu  fctaOifdjer  ÜJcacrjarjmung  gegebener  SQcufterbeifpiete,  fomit  bi§ 
gur  ©djablone,  oerftiegen  fjaben,  um  bie  ©rfinbung^gabe  be§ 
$unftjünger§  im  ®eime  fcfjon,  tuenn  nict)t  gang  gu  tobten,  fo 
bod)  fidler  unb  gemifj  nidjt  gu  fräftigen,  Oielmerjr  träge  gu 
madjen;  mir  raieberrjoten,  foHte  eine  berartige  $rage  geftettt 
merben,  fo  entfdjeiben  mir  un3  unbebingt  für  ben  2Beg,  ben 
unfere  9llttiorbern  gegangen,  meit  er  im  analogen  Sßerfjättnifj 
^u  bem  in  anbern  fünften  ftefyt,  oor  allem,  meit  er  ben  Slunft- 
jünger  gum  ©etbftbenf'en  aufforbert  unb  ifjm  bie  ©adje  nidjt 
fo  teid)t  madjt,  al§  e3  bermittelft  ber  beftet)enben  9ttetf)oben 
gefdjierjt.  2)afj  jener  SSeg  notrjtoenbig  ein  gebet)nterer  ferjn 
muffe,  alz  ber  moberne,  madjt  it)n  aud)  nodj  öorgugterjen,  meit 
bem  Sernenben  gu  naturgemäßer  (Sntroidlung  aller  inteüectueflen 
Gräfte  3eit  gelaffcn  unb  feinertei  ©prünge  getljan  merben 
fönnen.  SBürbe  man  auf  bem  Söege  ber  5lttüorbern  geblieben 
fetm,  auf  meinem  fo  oiete  Stünftter  bie  f)öd)fte  (Spitze  ber  £on= 
fünft  erreicht  fjaben,  unfere  $eit  f)ätte  ber  in  garter  Sugenb 
fdjon  öerfrüptielten  ©infonie-  unb  £)pera*(Sompomften  meuiger 
aufgumeifen. 

Wlati)  biefer  moi)t  bergetrjltcfjen  SRanbgtoffe  mieber  gum  Xejte 
gurüdfefjrenb  glaube  id)  gunäcfjft  auf  ben  llmftanb  fjtngeigen  gu 
f ollen,  mie  menig  ba%  Seben§alter  ber  namhaft  gemalten 
^ünftter  in  ber  SOcerjrgarjl  tion  $eetf)ot>en'3  Stttcr  bifferirte, 
ferner  auf  ba§  gactifdje,   mie  biefetben,  öornetjmlid)  ber  Slreiö 


—     72     — 

bei  Sidjnotoöft),  bie  ©eneftS  ber  „33eetf)oöeit=(£poc^e"  31t  aller* 
nädjft  Vorbereiten  geholfen  unb  bei  faft  allen  in  beffen  erfte 
Sebenäperiobe  (audj  irjettertjin  nod>)  faüenben  (Sr^eugniffen 
^Pattjenftetle  üertreten  fjabett.  @§  läfct  ftd)  benfen,  meiere  5ln* 
regung  unfer  Hfteifter  in  biefem  Greife  erhalten,  aud)  baf^  er 
Sßinfe  unb  9f?att)fct)täge  in  tf)etf§  biretter,  tljeüä  inbirefter  23e* 
^ietjung  auf  feine  Schöpfungen,  bie  großenteils  bei  £id)nomgfl) 
jum  erften  9J?al  §u  ©efjör  gebrad)t  loorben,  fid)  gu  üftutien 
gemadjt.  3ßir  merben  ifyn  felber  uon  feinen  gortfdjiitteit 
tyredjen  f)ören,  menn  and)  auSbrüdlid)  nur  in  S8e§iet)ung  auf 
i>a$  Streidiquartett.  Slber  grabe  ber  Suftitotrung  biefer  Stunft* 
gattung  in  jenem  Streife,  unb  gleichzeitig  in  einem  aubern,  oon 
bem  fogteid)  bie  9?ebe  fein  mirb,  t)atte  Seetfyouen  eine  grofje 
©umme  nü§lid)er  (Erfahrungen  für  ba§>  gefammte  Snftrumentat* 
Sereid)  gu  berbanfen.  Dljne  fotd)e  Sdjute  unb  fotdje  Anregung 
gu  Setbfiuerfudjen  märe  er  öießeidjt  nod)  lange  nidjt  an'§ 
Cuartett,  nod)  meniger  an  bie  (Sinfonie  gefemmen,  inbem  in 
beiben  ©attungen,  mie  befannt,  bie  ©poetje  burdj  §at)bn  unb 
SDZogart  uotlftänbig  betjerrfdjt  mürbe,  barum  jeber  3tnbere  a(£ 
unberufener  (Einbringung  gurüdgemiefen  morben  märe,  ^»abm 
bod)  bie  erften  Quartette  35eett)oOen'§  junädjft  au§  biefem 
©runbe,  fogar  in  feinem  Greife,  feiner  günftigen  Sfufnafyme  fid) 
gu  erfreuen  gehabt. 

(£3  ift  nun  am  Drte,  einen  anbern  5tunft=S0cäcen  ein* 
gufüfjren,  ber  nid)t  btoS  auf  ben  Äunftgefdmiad  in  ber  öftreid)if d)en 
^auotftabt,  uietmefjr  auf  ben  (SntmidluugSgang  ber  auf  §aöbn 
unb  Sftogart  gefolgten  (Epocfje  förbernben  (Einfluß  geübt  f)at 
63  ift  ©raf  Ütafumomsft)*),  meljr  benn  gmei  Sa^e^enbe 
tjinburd)  ruffifdjer  ©efanbter  am  miener  §ofe,  —  mieberum  ein 
9?ame  bleibenben  SInbenfenS  mertt). 

©raf  9iafumom§tt),  gleichfalls  auSübenber  ätfufifer,  unb, 
um  it)n  mit  einem  SSorte  treffenb  $u  femiäeidjnen,  ber  ^aupt= 

*)  Sit  ber  brüten  ^eriobe  roerben  nrir  i§n  in  ben  gürftenftanb  er^ 
fjoben  fernen. 


—     73     — 

träger  ber  £rabitionen  in  §at)bn'§  Snftrumental^Jhtfif,  oer* 
fammette  abloedjfetnb  mit  $ürft  ßicr)notD§ft)  oben  genannte 
Sfrinftfer  aud)  in  feinem  SßaÖafte  p  Sdröfüljrung  öon  Quartett* 
SQJufif,  morin  er  felber  bie  gmeite  Biotine  übernommen  fyatte. 
93a(b  aber  fam  er  51t  anberen  (Sntfdjtieftungen,  burdj  bie  feinem 
Greife  eine  f)öf)ere  Äunftbeöeutung  gegeben  merben  foltte;  er 
engagirte  nämücf}  ein  feftftetjenbeö  Quartett  mit  Ieben3(änglid)en 
(Sontracten.  3)ie§  ba§  erfte  unb  einzige  23eifpie(  in  Qeftreid). 
9cid)t,  baJ3  nid)t  anbere  reidje  ^unftfreunbe  tiefem  SSeifpiefe  in 
@rrid)tung  eineä  feftftefjenben  Quartette  in  i^rem  §aufe  gefolgt 
wären,  bereu  gab  eS  halb  mehrere,  aber  feiner  t)at  e§  bem 
ruffifdjen  üDcäcen  g(eid)getf>an,  bie  engagirten  ^ünftter  mit  einer 
^ßenfton  bi<8  an  iljr  Sebenäenbe  ju  bebenfen. 

£)iefe§  9ftufter=Quartett  mar  gebitbet  au§  btn  föünfdern: 
<ScrjUppan§igf),  I.  Violine,  <2ina*),  II.  Violine,  SSeifj, 
Öratfdje,  unb  Sinfe**),  SSioloncell.40)  Unter  ber  Benennung: 
„$)a<o  9kfumom3i;t)'fd)e  Quartett",  tjat  e3  einen  europäifdjen, 
aber  aud)  funftgefd)id)t(id)en  9tut)m  erlangt,  of)ne  jemafö  eine 
^unftreife  gemadjt  51t  fjaben,   \w§>  in  mefjrfadjer  £unftd)t  fet)r 


*)  ©eb.  1778,  nerffovben  in  Boulogne  sur  mer  ben  2.  Dctober  1857. 
**)  ©eb.  1783,  f  1837. 

40)  Die  ausübenden  Künstler  werden  trotz  Wegeier  und  Schindler 
von  den  Biographen  Beethovens  verschieden  angegeben.  Das  hängt 
mit  dem  Umstände  zusammen,  daß  die  Quartettvorträge  beim  Grafen 
Rasouniowsky  mit  denen  schon  früher  beim  Fürsten  Lichnowsky  ein- 
geführten abwechselten,  so  daß  die  Künstler  des  Lichnowskyschen  und 
die  des  Rasoumowskyschen  Quartetts  durcheinander  geworfen  werden, 
wie  ich  es  schon  beim  Neudruck  „Wegeier"  hervorgehoben  habe.  Die 
Verwirrung  ward  nicht  geringer,  als  einige  dieser  Künstler  auch  im 
Hausorchester  des  Fürsten  von  Lobkowitz  mitwirkten.  Beim  Lich- 
nowsky-Quartett  nennt  A.  W.  Thayer  (I,  278)  als  2ten  Violinisten 
Louis  Sina  statt  Weiß.  —  Trotz  der  hier  bei  Schindler  aufgeführten 
peremtorischen  Namen  des  Rasoumowskyschen  Quartetts  ergaben 
Thayers  neuere  eigene  Untersuchungen  dennoch  ein  anderes  Resultat. 
—  Der  Name  Sina,  der  später  in  Paris  so  eifrig  für  die  Einführung 
Beethovenscher  Musik  tätig  war,  fällt  bei  Thayer  fast  ganz  aus.    Er 


—     74     — 

$u  bebauern  ift,  ba  jur  SBeurtfjeUitng  äljntidjer  ^probuctionen 
foioofyt  in  öejug  auf  Wuffaffung  ber  clafftfdjen  Söerfe  nne  aud) 
ifjrer  Sarfteüung  ber  autt)entifd)e  SCtfa&ftab  geboten  morbett 
töäre,  ber  utiferm  ß^atter  leiber  mangelt. 

2Sir  f)örten  ben  ©rafen  9xafumoro§ft)  foeben  ben  §auöt= 
träger  ber  Ambitionen  in  £at)bn'3  Cuartett=9Jcuftf  nennen; 
raie  erfiärt  fid)  ba§?  ©ang  einf ad):  £at)bn  t)atte  nämtid)  an 
biefem  Siunftfreunbe  jenen  feinen  «Sinn  $u  richtiger  Srfaffung 
Dieter  nict)t  auf  ber  Dberf(äd)e  ttegenben  unb  burd)  üblictje 
3eid)en  aufgebrühten  (£igentt)üm(id)feiteu  in  feinen  Quartetten 
unb  (Sinfonien  eutbedt,  ber  Ruberen  abgegangen  ift,  barum 
er  e§  unternommen,  ben  ©rafen  junäc^ft  mit  biefen  Verborgenen 
Intentionen  oertraut  ju  nrndjen,  burd)  ben  fie  erft  auf  bie 
?(u<ofüt)renben  übertragen  morben.  (53  ift  biefe  Afyatfadje  atä 
eine  auf  bie  Stjaracteriftif  be§  9tafumorosft)'fd)en  Quartette  im 
allgemeinen,  auf  53eetf)otjen'<S  diiartett=9Jiufif  fpecieff,  micfjtige 
§u  oer^eidnteti,  bie  megen  be3  jugenbtidjen  Sttterä  be§  oben 
^ufammengetretenen  Vereins,  roetdjer  t)öt)erer  <Sdjiitung  nod) 
beburfte,  bie  Hon  Steueren,  im  ©efd)inad'e  it)n  Ueberragenben, 
fommen  mitfjte,  nod)  befoubere  ©rünbe  für  it)re  ©kutbroürbig= 
feit  erfjätt.  ©raf  9\afumoro§ft),  einer  ber  (Srften,  ber  ben  Sauf  be§ 
neuen  muftfalifdjen  ©eftirnö  mit  ©idjertjeit  beftimmt  t)atte,  tritt 
oon  nun  an  in  $ofge  be§  feften  (Sngagementä  biefe§  Quartett= 
herein!  ben  ©efdiirfen  23eett)ooen'3  näljer,  a(§  irgenb  ein  anberer 
feiner  ©öuner.  9iämüd):  ba§  9xafumoR>3ft)'fd)e  Ouartett  marb 
gleichzeitig  SBeetfjoüen'ä  Ouartett,  fo  gtuar,  a(3  tjabe  e§  ber  t)of)e 

erklärt,  daß  neben  dem  Grafen  Rasoumowsky,  der  gewöhnlich  selbst  die 
II.  Violine  übernahm,  wohl  Mayseder  hie  und  da  eingesprungen  sein 
wird  (III,  48).  Immerhin  gilt  auch  hier  das  non  liquet.  Jedenfalls 
aber  haben  wir  ein  festes  Zeugnis,  daß  das  spätere  Schuppanzighsche 
Streichquartett  außer  Sina  die  anderen  Künstler  des  Rasoumowskyschen 
Streichquartetts  in  sich  barg.  Den  zweiten  Violinpart  spielte  auch 
nicht  selten  des  Meisters  jugendlicher  Freund  Karl  Holz.  (Vgl.  das 
Promemoria  an  das  Schuppanzighsche  Quartett  aus  späterer  Zeit  1825, 
Beethovens  Sämtliche  Briefe  No.  1059,  V.  Band.)  A.  d.  H. 


—     75     — 

(Bonner  nur  511  beffen  SDienfte  engagirt;  e§  rcarb  iljm  gu  un= 
eingefdjränfter  ®i3pofition  gebellt. 

lieber  bie  2lrt  unb  Söeife,  tute  ber  fyodjftrebenbe  Sttnfifer 
biefe  ©etegenfyeit  eben  fotoo^t  51t  eigener  gortbitbung,  tüte  aud) 
511  Offenbarung  ber  in  feinen  £onmerfen  oerborgen  liegenben 
Intentionen  benutzt,  wollen  mir  Sgnag  üon  ©etifrieb  fpredjen 
tlören.  Sn  bem  biograpfyifdjen  5tbrife  öon  ©djuppanjigf)  im 
Uniöerfal=£erkon  ber  Stonfunft  brüdt  er  fid)  barüber  in 
folgenben  (Säijen  au§:  „2Bie  befannt,  mar  Söeet^ooen  im  fürft= 
lief)  $Rafumom3ft)'fd)en  £aufe  fo  $u  fagen  ipaljn  im  ®orbe; 
Me§  toa§  er  componirte,  mürbe  bort  brüfjmarm  au§  ber  Pfanne 
burd)probirt  unb  nad)  eigener  Angabe  tjaarfdjarf,  genau, 
mie  er  e§  ebenfo,  unb  fdjted)terbing§  n t et) t  anberä 
fjabenmollte,  ausgeführt,  mit  einem  QHfer,  mit  Siebe,  $o(gfam= 
feit  nnb  einer  ^ietät,  bie  nur  fold)  glü^enben  93eret)rern  feineö 
erhabenen  ©eniu§  entftammen  fonnte,  unb  einzig  bto§  burd) 
baZ  tieffte  ©inbringen  in  bie  gefyeimften  Intentionen, 
burd)  ba%  ootltommenfte  ©rfaffen  ber  geiftigen  Xenbenj 
gelangten  jene  Quartettiften  im  Vortrage  S3eetr;ot»en'fcr)er  £on= 
bidjtungen  gu  jener  unioerfeüen  23erüljmtt)eit,  morüber  in  ber 
ganzen  ^unftmelt  nur  eine  (Stimme  fjerrfdjte."*) 

SDiefe  bebeutung3t>oHen  SSorte  ©etifriebä,  be3  mitfjörenben 
ßeitgenoffen  jener  auf$erorbenttid)en  ^unftteiftungen,  fönnen  mie 
eine  (eljrreidje  SDcaljnung  an  unfer  mufifa(ifdje<§  3e^a^er/  tiid^t 
b(o§  in  fpecieEer  SSegtetjung  auf  23eett)ouen'fd)e  Xonbidjtungen, 
fonbern   auf  bie  gefammte  fjinter   un§   (iegenbe  ©podje,  be= 


*)  3m  fiebenten  $ab>gang  (1805)  ber  Seips.  «Kuf.  £tg.  finbet  fid} 
©eite  534  folgenbe  Sljaracteriftif  uon  ©djuppansigb/S  ©piel:  „Sdjuppanjigl) 
tuetfe  bei  feinem  öortrefflidjen  Guartetten=23oitrage  in  ben  ©eift  ber  ßom= 
pofitionen  genau  einjubringen,  unb  ba§  feurige,  kräftige,  aber  aud)  feinere, 
garte,  £mmorifiifd)e,  Sieblidje,  Sänbelnbe,  fo  bejeidjnenb  ^erau^u^eben, 
bajj  bie  erfie  Biotine  faum  beffer  befe£t  ferm  fönnte."  —  2)arau§  ift  fdjtm 
ju  ermeffen,  toai  weiterhin  bei  größerer  Steife  Don  iljm  unb  feinen  s^er= 
bünbeten  geleiftet  tuorben. 


—     76     — 

traditet  merben.  5(üein  fte  »erben  unmirffam  behauen,  tneit 
bereits  jebe  trabitioneüe  ©pur  ftd)  t>ern>ifcf)tf  überhaupt  ba$ 
ber  ctaffifcfjen  53?u[tf  im  allgemeinen  innemofynenbe  geiftige 
SSefen  ber  (ebenben  ©eneration  faft  ganj  abfjanben  gefommen 
tft  unb  man  in  ber  (Sorrectfjeit  be§  mcdjanifdjen  9?eprobuciren§ 
aüe§>  @rforbertid)e  finben  mitt. 

9hm  werbe  bod)  ein  23(id  auf  bie  öconomifcrjen  SSer* 
(jättnijfe  unferä  gelben  geroorfen,  bie  un§  fernerhin  nod) 
meljrfad)  befdjäftigen  merben,  mit  benen  fid)  bie  28e(t  bereite 
biet  unb  meit  au3einanber  geljenb  befdjäftigt  b,at. 

SSir  roiffen  burd)  Q3eetf)oüen  felber,  ba$  $ürft  £id)nott>3ft) 
iljm  ein  Saljrgeljatt  t>on  fed)3()unbert  ©ulben*)  au§getrorfen 
f)atte,  bis  er  eine  paffenbe  2(nfieüung  finben  merbe.  5fnfc^(iefeenb 
an  biefe  9?ad)rid)t  oom  29.  Suni  1800  an  SSegeter  fdjreibt 
23eetijoüen  meiter:  „teilte  (Sompofitionen  tragen  mir  üiel  ein, 
unb  id)  lann  fagen,  baß  id)  me^r  S3efteIIungen  Ijabe,  ai§>  faft 
mögüdj  ift,  bafj  id)  beliebigen  fann.  9(ud)  Ijabe  id)  auf  jebe 
©adje  fecfj§,  fieben  Verleger,  unb  nod)  mefjr,  menn  id)  mir'3 
angelegen  feljn  (äffen  nnH;  man  accorbirt  nicf)t  met)r  mit  mir, 
id)  forbere  unb  man  gatjtt."41)  —  Um  einen  $8orbegriff  non 
ben  bamaligen  Honoraren  %u  ermatten,  bie  er  geforbert,  bient 
unö  ttneber  fein  eigener  Sörief  uom  15.  Januar  1801  an  ben 
üDfuftfoerteger  £>ofmeiftcr  in  Seidig.**)  23cetljoüen  forbert  barin 
für  ba§  ©eptett,  Op.  20,  jtüansig  ©ucaten  (10  SouiSb'or),  für 
bie  erfte  Sinfonie  ätoanjig  Silicaten,  für  ba§  ^meite  (£taOier= 
Goncert  jetjn  Silicaten  unb  für  bie  große  «Sonate,  Op.  22, 
gmangig  Silicaten;  —  für  jene  $eit  öett)iB  fyofye  Honorare. 

33eiget)enb  bürfen  einige  SBorte  oon  Tegeler  über  58eetr)Ouen'3 


*)  (Sine  Summe,    bie   ljeutjutage   in  8roIge   ber   6e)tel)enben  SSaluta 
beinahe  auf«  doppelte  anjufcfilagen  ift. 

**)  Slbgebrucft  in  9?ro.  19  ber  «Reuen  3eitfc^rift  für  Wutf,  1837.  *2) 

41)  Beethovens  Sämtliche  Briefe  No.  36,  I.  Band.       A.  d.  H. 

42)  Siehe  den  charakteristischen  Brief  No.  40, 1.  Band  in  Beethovens 
Sämtlichen  Briefen.  A.  d.  H. 


—     77     — 

öconomifdje  Talente,  tote  er  fie  bamabS  fdjon  befunbete,  nid)t 
festen;  fie  bienen  als  §auötfd)tüffe(  gu  feinen  fpäteren 
öconomifdjen  3uftänben,  audj  jur  (£rfct)tie^ung  tiieter  2Siber= 
fprüdje  in  2Sort  unb  SHjat,  tt)ie  fie  un§  im  Verlauf  feiner 
£eben§gefd)id)te  begegnen  merben.  SBegeter  füt)rt  ©.  33 43)  an: 
„SeettjoOen,  unter  t)öd)ft  befdjräntten  Umftänben  erlogen  unb 
immer  g(eid)fam  unter  Sßormunbfdjaft,  menn  and)  nur  jener 
feiner  $reunbe,  gehalten,  fannte  nict)t  ben  Söertt)  be3  ©elbe§ 
unb  mar  babei  nidjtgs  meniger  ab§  öconomifd).  ©o  mar,  um 
nur  @tnige§  anjufü^ren,  bie  Qdt  3um  SOxHttageffen  bei  beut 
dürften  (Sidjnom^ftj)  auf  4  lUjr  feftgefettf.  „„Statt  fott  id), 
fagte  23eetf)oOen,  täglid)  um  Ijatb  4  ttf)r  gu  §aufe  fenn,  mid) 
etma§  beffer  angießen,  für  ben  S3art  forgen,  u.  f.  m.  £)a§  fjalt' 
id)  nidjt  au§!""  <So  !am  e§,  bafe  er  r)äufig  in  bie  ©afttjäufer 
ging,  ba  er  überbieä  Ijier,  mie  bei  alten  öconomifdjen  2(ngetegen= 
Reiten,  um  fo  fdjtimmer  baran  mar,  abo  er,  mie  gefagt,  fidj 
meber  auf  ben  SBertt)  ber  S)inge,  nod)  be^  (Mbe3  öerftanb." 
SSir  feigen  tjinju:  a(§  über  atte3  nod)  ber  ®rang  nad)  $rei  = 
fjeitunb  Unabhängigkeit  in  jegüd)er  «Situation  bei  Söeetljooen 
ein  fo  itnroiberfter)tict)er  mar,  baf$  ber  Abgang  öfonomifdjer 
Meute  al§  SJcinimum  gegen  ein  @uperptu3  gur  (£rfd)einung 
fommt.*)  ®iefe  fd)roffen  ©egenfät^e  in  unaufhörlicher  2Bed)fet= 
mirfung  unb  Jjänftg  mieberfetjrenbem  ft'amnfe  mußten  notl)= 
menbiger  SBeife  bie  Duelle  Oieler  SBibermärtigfeiten  unb  5Ser= 
ftimmungen  bleiben,  bie  unfern  Sfteifter  oerfotgt  tjaben.  Sern 
35iograpt)en,  ber  ben  ®ampf  gmifdjen  biefem  SQcinimum  unb  bem 
©uperptus  jahrelang  mit  anfetjen  unb  mat)rnet)men  nutzte,  mie 


*)  „3eu§  atlroattenber  9?at£)  nimmt  fdjon  bie  Raffte  ber  Sugenb 
Gittern  Statine,  fobalb  er  bie  Ijeitige  greirjett  Derliert."    ©.  333. 
(Sine  ©teile  au§  ber  Odussee,  öott  93eeÜ)ot>en  ausgesogen.44) 

43)  Neudruck  S.  43.  A.  A.  H. 

44)  Homer  Odyssee  XVII,  322  f. 

ijfiiov  yctQ  x   agETrjs  anoaivvrai  evsjvorca  Zeve, 

uveooz,  evr   äv  uir  y.aja  dovhtor    rtuao  e\t\oiv.        A.  d.  H. 


—     78     — 

nadjtljeüig  beffeu  folgen  nid)t  MoS  auf  bie  Snbtötbualität  be§ 
SDieifterS  nadj  jeglicher  Seite,  aber  audj  auf  bie  in  feiner  üftätje 
Sebenben,  eingeunrt't  rjatte,  finb  beibe  biefe  $actoren  flippen 
gefät)rlid)er  9frt,  Uteber  -ju  erklimmen,  nodj  51t  umgeben.  üftur 
©otdje,  bie  au<§  meiter  $erne  mit  bem  SuBuS  ^ur  §an0  felbe 
^u  befdjreiben  unternehmen,  !ommen  gut  babei  meg. 

Oben  bereite  fjaben  mir  oorübergcrjenb  ber  Snuiptome  er* 
märjnt,  bie  unferm  Sttfeifier  fd)on  bamatS  große  SBeforgnijj  f)in= 
fidjttid)  feinet  ©etjörjuftanbeS  eingeflößt  Ratten.  (53  roirb 
gur  ©teile  notljroenbig,  biefeS  Punctum  saliens  nätjer  lernten 
5U  lernen.  £)ie3U  üertjifft  un3  tuieberum  53eetf)oüen'3  merjrmal<3 
fdjon  angebogener  23rief  an  SSegeler46)  au3  bem  Safjre  1800. 
9?adjbem  er  bort  bie  ßufriebenrjcit  mit  feiner  öconomifcrjett  Sage 
au3gefprodjen,  fäfjrt  er  fort:  „Sfhtt  f)ct  ber  neibifdje  Dämon, 
meine  fdjltntme  ©efunbfjeir,  mir  einen  fdjledjten  Stein  in'3  93rett 
geworfen,  nämltdj:  mein  ©eljör  ift  feit  brei  Sauren  immer 
fcfjrrjäcfjer  geworben  unb  ju  biefem  ©ebredjen  fotl  mein  Unter« 
leib,  ber  fd)on  bamafö,  tute  bu  weißt,  elenb  mar,  fjier  aber  fid) 
uerfdjlimmert  f)at,  inbem  id)  beftänbig  mit  einem  Durdjfatl  be= 
tjaftet  bin,  unb  mit  einer  baburd)  außerorbentticfjen  Sdnnädje, 
bie  erfte  $eran(affung  gegeben  rjaben."  ferner  berichtet  er, 
weldie  SOcittel  bie  Siebte  3ra^  "1°  Gering  gegen  biefe3  liebet 
angeroanbt,  allein  ftet§  oergebtid).  Sann  äußert  er  lueiter: 
,,3d)  fann  fagen,  id)  bringe  mein  &dm\  elenb  511,  feit  ^mei 
3at)ren  faft  meibe  id)  alte  ©efellfd)aften,  weit'3  mir  ttidjt  mögtid) 
ift  ben  Seuten  51t  fagen:  id)  bin  taub.  Jpätte  id)  irgenb  ein 
anbereä  gact),  fo  gings  noct)  eijer,  aber  in  meinem  gacfje  ift  ba$ 
ein  fd)redlid)er  3«ftano;  oaoei  meine  $einbe,  bereu  3a^  nic^t 
geringe  ift,  was  mürben  biefe  fjie^u  fagen!  —  Um  Dir  einen 
begriff  Oon  biefer  nmnberbaren  Saubfjeit  51t  geben,  fo  fage  id) 
Dir,  baf?  id)  micr)  im  Sttjeater  gan^  bid)t  am  Drdjefter  anlehnen 
muß,  um  ben  Sdjaufpiefer  51t  oerfterjen.     Die  f)or)en  Jone  oon 

4ö)  B.  S.  Br.  No.  36, 1.  Band;  cf.  auch  den  Brief  No.  35  an  Amenda. 

A.  d.  H. 


—     79     — 

Snftrumenten,  ©ingftimmen,  roenn  id)  ettoa§  tocit  rueg  bin,  fjörc 
id)  nidjt;  im  ©predjen  ift  e§  §u  bertounbern,  bafs  e<S  Seute  gibt, 
bie  e§  niemals  merften;  ba  id)  meiften§  3er^reuungeu  fyatte, 
fo  rjätt  man  eS  bafür.  SDcancfjmat  aud)  jjör'  id)  ben  9tebenben, 
ber  leife  fpridjt,  faum,  ja  bie  S£öne  roorjt,  a6er  bie  SBorte  ntdjt; 
unb  bod)  fobatb  öemanb  fdjreit,  ift  e§  mir  unau3ftet)tid).  $ßa$ 
es"  nun  merben  roirb,  ba§  mei§  ber  liebe  Fimmel.  Gering  jagt, 
bafj  e§  gewif}  beffer  werben  wirb,  Wenn  aud)  nidjt  gan^.  Sd) 
tjabe  fdjon  oft  —  —  mein  ©afebn  berftudjt;  sJ3futardj  t)at 
mid)  jur  SRefignation  geführt." 

<Sd)on  in  jenen  Saljren  oefanb  fiel)  an  ber  9)tetropolitan= 
firct)e  51t  ©t.  ©tepf)an  in  Sßien  ein  ©eifttidjer,  Samens  fetter 
SBeifj,  ber  fid)  mit  ber  §ei(ung  be§  franfen  ©ef)br= Organa 
befaßt  unb  biete  glüdlidje  Huren  bewirft  fjatte.  Mityt  6fo§ 
(£mptriter,  fonberu  mit  ber  ^t)t)fiotogie  be§  Organs  wof)l  ber= 
traut,  bewerffteßigte  er  bie  Leitung  nur  mit  einfadjen  Mitteln, 
genofj  überhaupt  eineö  berbreiteten  Stufet  im  Sßu&fifnm,  neben* 
bei  aber  aud)  bie  9Id)tung  ber  practicirenben  Sterbe.  9)tit 
($enefjmigung  feinet  2ft#te3  blatte  fiel)  ifjm  aud)  unfer  geängfteter 
Xonbicfjter  anbertraut.  S)er  ©rfotg  war  ?(nfang§  ein  guter, 
fo  tauge  nämtid)  ber  ^atient  ftrenge  nad)  btn  ^orfdjriften 
bc§  geiftlicfjen  £errn  gelebt,  bie  fid)  mdjt  bloS  auf  Siät,  and) 
auf  mef)r  9xut)e  unb  ©djonung  be§  teibenben  ®er)ür3  belogen 
tjatten.  Sebod),  Weber  bermod)te  er  bem  erfteren  ^inbentifs 
auf  bie  SDauer  gu  Wiberftetjen,  11  od)  bay  anbere,  ba3  burd) 
feine  focialen  ^erljältniffe  bebingt  war,  51t  befeitigen,  fürs  bie 
Teilung,  bereit»"  in  gutem  ^ortfdjreiten,  warb  fortan  unter- 
brochen, inbem  ber  Patient  obeubrein  alle  ©ebulb  berforen 
blatte.  28ir  werben  in  ber  britten  ^eriobe,  unb  and}  fonft 
nod),  biefeä  Ijöcfjft  beffageitioWertljen  ©e|örgnfianb§  erwähnen 
muffen,  aud)  bon  bem  gefälligen,  an  ©eetfjoben'S  ©efd)id  wa£ir= 
t)aft  trjeUnetmtenben  ißater  SSeift  unb  bon  ber  nad)  metjr  benu 
jman^ig  Sauren  wieber  angeflehten  £ntfe  bei  irjm  51t  fprecfjen 
Ijaben.      316er    einer   Stelle   au§    einem   fpätern    ©riefe    bom 


—     80     — 

16.  üftoo.  1801,  aud)  an  Sßegeter,  mu§  f)ier  9kum  gegeben 
merben,  lueil  [ie  ein  gebefferteg  Stabium  biefe3  Uebe(<S  befprid)t, 
a6er  and)  geigt,  mie  roenig  ber  Patient  ber  är§tiid)en  93orfd)rift 
©eljör  gegeben.  (5r  fdjreibt:  „9J?einc  Sugenb,  ja  id)  füljle 
z%,  fie  fängt  erft  jet>t  an*);  mar  id)  ntdit  immer  ein  [iedjer 
9)cenfdj?  Steine  förpertidje  ®raft  nimmt  feit  einiger  3e^ 
metjr  afö  jemals  51t  unb  fo  meine  ©eifteSfräfte.  ^eben  STag 
gelange  id)  metjr  311  bem  $\t{,  roa§  id)  füt)(e,  aber  nicrjt  be= 
frf)reiben  fann.  9hir  tjierin  fann  ©ein  Seettjonen  leben. 
9?id)t£  uon  Dhtfye!  —  id)  roeifj  bon  feiner  anbern,  ab!  bem 
©djlaf,  unb  mefye  genug  tfyut  mirä,  baft  id)  ifjm  je£t  mef)r 
fdjenfen  mu|3,  als  fonft.  ü)cur  fyalbe  Befreiung  oon  meinem 
Hebel,  unb  bann  —  al§  nottenbeter,  reifer  Sttann  fomme  id)  51t 
eud),  erneuere  bie  alten  greunbfdjaftSgefütjle."  u.  f.  tu.46) 

£>em  9lbfd)luffe  ber  erften  Sßeriobe  fid)  nä^ernb  foH  nodj 
Don  einer  Slunftreife  Reibung  gemadjt  merben,  bie  Söeettjoneu 
gegen  (Snbe  biefeS  SebenSabfdjnitteS  nad)  bem  beutfdjen  Sorben 
unternommen,  batjin  ibjm  bereits  ein  guter  9ftuf  borangegangen 
mar.  ®i  befud)te  $rag,  Seipjig  unb  Berlin  unb  Ijat  burd)  fein 
Glabierfpiel,  gang  befonberS  burd)  feine  geiftboüen  Smprobifationen, 
^fjeitnarjme  unb  2(uffel)en  erregt,  ©afc  biefer  SluSflug  in  ba§> 
Saljr  1796  fällt,  (roaf)rfd)ein{id)  &ur  ^erbft^eit,)  barüber  merben 
mir  meiter  unten  burd)  Seettjooen  felber  bergemiffert.  2)em 
?lufentf)alte  in  ^ßreufcenS  §auptftabt  berbanfte  er  audj  bie  (Sr= 
laubnift,  bem  9)?ufit  liebenben  unb  felbft  auSübenben  Könige, 
^riebrid)  SBilfjelm  IL,  feine  beiben  «Sonaten  mit  Söioloncett, 
Op.  5,  mibmen  311  bürfen.  S)afe  biefe  erfte  Äunftreife  aber  gu= 
gleid)  bie  le^te  gemefen,  bürfte  rooljl  be§  ?tnmerfen§  mertlj  ferjn, 
fo  aud)  nod),  bafs  ficf)  in  33eerl)oben'3  (Erinnerung  faft  alle  ßr* 
tebniffe  auf  biefer  Sieife  unb  fonftige  ©inbrüde  bermifcfjt  Ratten, 


*)  G§  ift  jener  Moment,  in  bem  \vxx  unfern  Xonbidjter  weiter  oben 
»ort  einem  „lieben,  jauberifcrjen  9JMbd)en"  unb  „einigen  feiigen  91ugen= 
blicfen"  fpiechen  gehört. 

46)  B.  S.  Br.  No.  38,  I.  Band.  A.  d.  H. 


—     81     — 

baüon  er  im  Safyre  1822  bem  <pofratf)e  9?odj(i§  gegenüber  S5e= 
"tueife  gege&en.  ©ein  ©ebädjtnifc  für  3u^ütf(tegenbe§  fjat  ftdj 
immerhin  at§  fc^r  fd^tt)ad^  ertriefen.47) 


47)  Vgl.  das  Nähere  über  diese  Reise  in  des  Herausgebers  Buche 
„Beethoven  und  Berlin",  1908,  besonders  den  I.  Abschnitt:  Beethoven 
in  Berlin.  A.  d.  H. 


üt.  Sdjinbterä  ä3eet&oöen=39iograt>Ijte. 


I.  #ur  ß^arnftcriftif  be§  mujtfaltfifjen  äßicnö  ju  $(u*gang  bes 
adjtgeljnteii  unb  31t  Slnfang  be§  neunzehnten  3al)rf)unbert$. 

53i3t)er  6ebad)t,  ben  SebenSgang  SBeetljcmen'S  in  feinen 
nerfdjiebenen  Regierungen  unb  SSerljättniffen  51t  einzelnen  feilen 
ber  mufiralifdjen  ©efellfdjaft  in  ber  oftreidjifdjcu  Saiferftabt 
gu  fdjtlbern,  motten  mir  e§  am  Sdjdtffe  tiefer  Sßeriobe  »et* 
fudjen,  ein  möglidjft  getreues  ?tbbitb  biefer  ©ejellfdjaft  im 
(Großen  unb  ©angen  aufjubelten.  öS  ift  bieS  ein  notfjioenbige» 
©efdjäft,  med  bie  ©efammt=©f)araiteriftif  biefeS  ©rofeeit  unb 
©angen  nid)t  fomoljt  auf  bie  ©ntmidtuug  beS  ®ünftler§,  fonbern 
aud)  be£  SDienfdjen  in  bem  aufftrebenbeu  Seetf)ot>en  mächtigen 
©inftufe  übt.  @S  mirb  un§  biefeS  23Ub,  menng(etd)  nur  in 
Umriffen  §ur  5tnjd)auung  gebradjt,  gugleid)  in  etanb  fetten, 
ben  ^errfcfjenben  ©eift  unb  ©efdjmad  jener  (Spodje  bem  Sefer 
oor  3(ugen  51t  führen. 

$[{§>  oben  tiorübergel)enb  Don  bem  großen  SSerbienfte  bem 
omieten'S  um  bie  ÜJhifif  in  SBien  gef&rodjcn  mürbe,  Jjörtcn 
mir,  ba}3  er  ben  t)of)en  ?lbel  (511m  QMjufe  ber  ^luffütjrung  uon 
^aenbel'S,  95 ad) 'S*)  unb  Raffe'S  SSBerfen)  in  eine  „mufifal'ifdje 
©efellfdjaft"  Dereinigt  rjatte.  ©3  mirb  intereffiren,  mehrere  ber 
■Kamen  fennen  gu  lernen,  unter  bereu  Sßatronate  biefe  SKabemieen 
ftattgefunben.  ©in  Seridjt  in  Sfto.  34  ber  Stttg.  äRuf.  3t9- 
oon  1801  über  bie  erfte  Sfuffüfjrung  ber  „SatjreSgeiten"  oon 
.Sjunjbn,  unter  beffen  perföniidjer  Leitung,  füfjvt  fie  gieid^eitig 
an.      @S    finb     bie    dürften:     Siedjtenfiein,    ©fter^a^, 


*)  ©eb.  23aäV3  9Jcufif  aulangenb  mujj  bewerft  »erben,  bau  c3  nö) 
lebigltd)  um  StuSfüfjvung  einiger  Motetten  getjanbelt  fjat.  ©röfeere  22erfe 
biefcS  lomiefen  waren  lueber  bem  bamatigen,  nod)  bem  fpätern  Sien 
befannt,  —  aber  aud)  ber  gefammten  beutfd)en  äRuftttoeli  nid)i.  2r»e:ieII 
für  bie  SSiener  galt  fie  al§  „lutljerifdje  SKttfif",  —  bamit  mar  ber  Stab 
über  fie  gebrochen. 


—     83     — 

©djmaraenberg,  Eluer-operg,  Sobforoiij,  £id)nomsft), 
Trautmanityborf  unb  Einölt);  bann  bie  ©rafen:  ©gerntn, 
(Srböbp,  5r^e^;  Elpponp,  Stn^enborf,  Jparradj,  unb 
anbere  nod);  tarnen,  uon  benen  mehrere  auf  ben  Titelblättern 
ber  Söeetfjooen'fdjen  SBerfe  au»  biefer  mie  au£  ber  folgenben 
^eriobe  prangen.  2)iefe  ©ebicationen  jeigen  be3  ßompontften 
Söesiefjmtgen  31t  ifjnen,  —  ein  ©riinb,  felbe  bei  allen  Üföieber= 
auflagen  feiner  233erfe  in  ©fjren  51t  galten,  ba  fjierburcf)  äugleid) 
bie  Gfjaracteriftif .  beS  großen  ÄreifeS  angebeutet  wirb,  in  melctjem. 
unfer  SMfter  fidj  in  jenen  Jagen  311  altenneift  bemegt  fjat. 

Sn  ^öe^ug  auf  ben  in  jener  3eü  rjerrfd)enben  9lbel3begriff 
barf  fpe^ietl  üon  bem  beutfd)en  Elbel  DeftreidjS  gejagt  werben, 
baf}  ilnterridjt  unb  ©r^ieljung,  innere  unb  äujjere  23ilbung, 
bie  9vid)tung  auf  SSMflenS*  unb  ©fjaracter  =  l£ntmidlung  unb 
auf  Sutclligenj  im  Etllgemeiuen  int  tieften  ©leidjgenridjte  ge= 
ftanben,  barum  er  mit  9ied)t  ber  gemeinfame  Präger  beutfdjer 
SBilbung  unb  ©efittung  genannt  mürbe.*)  (Sin  fo  gearteter 
^ilbung^uftanb  in  ber  Fjöljeren  ©efellfdjaft,  bie  fidj  überbieö 
im  SBcfifte  unermefjlid)er  9veid)tt) unter  befinbet,  mirb  fidjerlid) 
geeignet  ferjn,  unter  oerfttinbiger  Einleitung  bie  Sntereffen  üon 
Äitnft  unb  Söiffenfdjaft  in  richtigem  Wla^e  5U  förbern  unb 
üjneit  Dpfer  §u  bringen.  SlteS  mar  in  ber  miener  Stbelä* 
gefellfdjaft,  üor$ug§toeife  jebodj  auf  Xonfunft  be^üglid),  mirflid) 
ber  $all.  Wlan  liebte  überhaupt  bie  9)iufif  ofnte  Oftentation, 
man  (iejs  fie  mit  iljrem  magifdjen  Oiei^e  auf  fidj  mirfeu,  ob  fie 
oon  Pier  ober  001t  f)itubert  EluSfüijrenben  tarn,  menbete  fie  aU 
fidjereS  SOcitteC  an,  @eift  unb  ©entü'tl)  3U  bilben  unb  fo  ben 
©efürjlen  eine  eble  9M)tung  31t  geben.  S)a§  beutfdje  ^olf 
aber  im  Etllgemeinen  uerftaub  e§  bamalö  gang:  einfache  @röBe, 
üd)te  (Smpfinbung  unb  rein  menfdjlidje  ©efüfjle  &*t§  feiner 
3J?ufi!  I)eratty3ufül)len.    S»  oerftanb  nod;  gang  bie  Shtnft:  btö 

*)  S"  ber  brüten  ^eviobe  wirb  e§  5>ercmlajiung  geben,  be$  o]U 
rcidjifdjen  ?tbel§  luieber  31t  gebenten,  unr  werben  ifjn  aber  roejentiid)  Der- 
änbert  firtben. 

6* 


—     84     — 

llnau§fpred)tid)e  unb  getftig  (Srtjabene  au§  bem  3auöerretä) 
ber  $öne  abzuleiten  unb  für  fiel)  311  gewinnen.  Unb  bennoct) 
mar  e3  fein  pt)ilofopf)ifct)e§,  fonberu  nur  ein  unbefangen  ge* 
niefeenbeä  geitalter,  tmn  bem  mir  fpred)en,  beffen  ßrjaracterifttf 
ficf)  nocf)  burd)  mehrere  Satjre  be§  erften  S)ecennium§  unferä 
3at)rljunbert§  rein  unb  ungefdjmädjt  erhalten  t)at.  „9ßer  ba$ 
muftcalifdje  SBien  nidjt  bamabo  gelaunt,  meife  nicfjt  mag  Sttufif 
unbefangen  f)ören  unb  genießen  rjeifjt."  ©o  fpradjen  bie  alten 
SKufifer  in  späterer  ßeit  imn  jenen  Sagen.  —  ®anf  bem 
©djidfat,  e§  gab  noct)  nid)t  £mnberte  mit  Sunfcftritif  fiel)  be= 
fcfjäftigenber  Journale! 

£>en  9flnfif=2)ilettauti3mu3  jener  (Spocfje  betreffend  fo 
miffen  mir,  bafe  er  ftd)  faft  au§fd)lief$tid)  auf  bie  gebilbeten 
©täube  befdjränfte,  beren  ©efinnung  unb  ©efittung  it)nen  bie 
(Stellung  in  bem  großen  ©an^en  angemiefen  t)at;  batjer  deiner 
fid)  eineö  ^ßla^eg  bemächtigte,  ber  bem  $act)tnanne  allein  ge= 
bütjrte.  lieber  2Bertl)fd)ä|ung  matjrrjaft  Derbienter  unb  gebilbeter 
^ünftler  üon  «Seiten  biefe§  Dilettantismus  genügt  eine  ©teile 
auZ  bem  brüten  Sa^rgange  ber  2tUg.  SOhtf.  3*0-  ®ort  fäfo 
e3:  „Wlan  fdjätjt  in  2öien  gu  fefjr  Talente,  um  üon  bem  Sfünftter 
gu  Verlangen,  baf$  er  niebrig  friedjen  füll;  man  mürbe  itjn  üiel= 
metjr  meniger  actjten,  fobalb  er  e§  tf)äte." 

Um  in  ber  ©d)itberung  be§  bamaligen  SBien  feine  Sude 
5U  laffen,  mufe  aud)  ber  bieten  unb  regelmäßig  abgehaltenen 
Goncerte  mit  üoüem  Drcfjefter  am  faiferlidjen  §ofe  gebadet 
merben,  mobei  Staifer  grang  faft  allzeit  an  ber  1  ften  SBioline 
mitgemirft,  bie  ^aiferin  SOZaria  Stjerefta  (eine  neapotitanifdje 
^rin^effin)  fid)  aber  immer  in  Strien  unb  mefjrftimmigen  ©e= 
fangftüden  au§  Dfcern  f)ören  liefe,  ©ie  mar  gang  Stünftterin  .*) 
Dirigenten  biefer  £)of*(Soncerte,  bie  großenteils  in  ber  ©ommer* 

*)  ©rfl  einige  Sahje  fpäter,  als  nad)  bem  Ableben  ber  Saiferin  (1807) 
biefe  Concerte  eingeteilt  luorben,  organifirte  $aifer  ^ranj  fein  ©treid)* 
Duartett,  bo§  if)n  befanntfid)  auf  allen  feinen  längeren  Reifen,  fogar  1815 
nad)  $ari3,  1818  sunt  ©ongrefc  nad)  Slawen,  begleitet  fiat,  —  ftet§  unter 


—     85     — 

jeit  §u  Sajenburg  ftattgefunben,  mo  ber  fjofje  9lbel  baZ  9Iubitorium 
gebilbet,  maren  <S altert,  gumeift  aber  SSeigt,  ber  Präger 
9fto3art'fdjer  £rabttionen,  Hon  ifjm  fetber  überfommen.  93eibe 
tjörte  ber  SBcrfaffcr  in  metjmutpootler  (Erinnerung  oon  bem  in 
jeber  SSe^ietjung  gotbenen  geheilter  ber  Sonfunft  im  atten 
SBien  fpredjen,  nadjbem  bie  $8orfef)ung  itjre  Sage  bi§  $u  üoll* 
ftänbiger  ^errfdjaft  be§  ehernen  gefriftet  t)atte. 

3fo§  ber  95efc£)affenf)eit  biefer  SSerfjältniffe  ergibt  fid)  tooljl 
ber  <3d)(uf$  öon  fetbft,  öafe  fie  auf  ©ntmidtung  be§  Patents 
bei  unferm  33eetf>oüen  nidjt  anberS  benn  förbernb  einmirfen 
fonnten,  fo  U)ie,  bafe  biefeS  für  Shtnft  unb  Sl'ünftfer  al§  gotben 
geüriefene  ßeitatter  aud)  in  S3e§ierjung  auf  feine  äußeren  23er* 
ijättniffe  ba§  golbene  genannt  werben  barf.  Unter  folgen 
Umftänben,  int  S3unbe  mit  ben  ©betften  itnb  heften,  burd)  bie 
fein  fcfjöüferifdjer  ©eniu§  Aufmunterung  unb  Pflege  erhalten, 
fjätte  er  glüdüdj)  unb  aufrieben  auf  feiner  Slünftterbafyn  fort* 
fdjreiten  lönnen,  menn  fiefj  nitf)t  fdjon  bamatS  ein  böfer  3)ämon 
in  bem  gu  feinem  93erufe  mid)ttgften  unb  unentbet)rtid)ften 
Drgan  eingefdjtidjen  f)ättef  burdj  ben  fein  ©emütp^uftanb 
getrübt  unb  bie  Sage  be3  fjeiterften  ©et)n§  unb  fünftlerifdjer 
SSirffamfeit  bauernb  üergälit  morben  mären,  —  leiber  Oiel 
burd)  eigene^  SSerfdmlben!  3Sitt  e§  bod)  f deinen,  als  t)a6e 
ber  Sfteifter  biefeS  3Serfd)ttlben  felber  erfannt  unb  eingeftanben. 
Unter  ben  in  feinem  ©jemplar  ber  Odussee  angeftridjenen 
aber  nodj  befonberS  ausgesogenen  ©teilen  befinbet  fid)  aud) 
nacf)fte£)enbe: 

„©telje,  fein  9Befen  ifi  fo  eitel  unb  unbeftänbig, 

9Il§  ber  SRenfd),  uon  allem,  roaS  lebt  unb  webet  auf  (Srben. 


Seitung  feine§  f  ammer=(Somöofiteur<§  granj  frommer.  Ser  Äaifer  fpielte 
bie  lfte  Violine,  fein  ©eneral=2Ibiutant,  geIb=<marfd}aIU2ieutenant  grei- 
fierr  toon  tutf^era,  2te  SSioline,  be<§  Satfer§  erfter  $ammerbtener 
SStola,  unb  ber  Dberfi=®ämmerer,  ©raf  Dtubofpfj  öonSBrbna  SSioIonceH. 
9?ad)  be3  ledern  Sobe,  ju  Anfang  ber  äioanjiger  Sabje,  befefcte  ber  ßaifer 
ben  öaeemten  Sßla$  mit  §crrn  ©ottlieb,  SNitglieb  feiner  $of=6apene. 


—     86     — 

Senn  fo  lange  bie  (Götter  Ujm  £>eil  unb  blüfjenbe  3ugenb 
Scnenfen,  troßt  er  unb  lDäfjnt,  iön  treffe  nimmer  ein  llngtücf. 
Slber  jütfitigen  ifjn  öie  feiigen  (Götter  mit  2rübfal, 
3>ann  erträgt  er  fein  Reiben  mit  Ungebnlb  unb  23er$roeiflung. 
Senn  wie  bie  Jage  firf)  änbern,  bie  Sott  Dom  Jpimmef  fenbet, 
Sienbert  fidj  audj  i>a$  £>er$  ber  erbebetnorjnenben  TOenfdien. 

3)rum  ergebe  fidi  nimmer  ein  SDJann,  unb  freute  nimmer; 

Soubern  geniefje,  roaS  ifjm  bie  ©ötter  befdjeren,  in  Semutt)!"  ©.  350.) 4S) 


48  J  Hom.  Odyssee  XVIII  v.  129  ff.  A.  d.  H. 


87 


II.  föatnlogifdjer  Vorbendjt. 

Sm  SBegriffe  nun,  bie  in  ba§>  letzte  Suftrum  biefer  ^}eriobe 
(barin  bie  fünftieriict)e  Sßtrf  famfett  SBeetfjoüen'S  ttjren  Anfang 
nimmt)  fatfenben  SBerfe  $u  üeräeidjnen,  roirb  e3  gur  befferen  Drien= 
tintng  erforberlidj,  einige  Hnmerntngen  üorau§gerjen  31t  (äffen. 

A.  Sie  SBerf'e  S3eett)oüen'io  Reifen  ftd)  in  groei  Statt- 
gorieen  ab,  bereit  eine  mit  Dpuggafjten,  bie  anbere  mit 
Stummem  berfefjen  ift.  (Srftere  rühren  Dom  (SomOoniften  fjer, 
bürfen  bemnact)  bi§  5U  einer  gemiffen  Jpötje,  fo  lange  nämtid) 
berfelbe  bie  ©eluorjnrjeit  feftgefjatten,  felbe  eigenfjänbig  auf  jebem 
Üöfanufcttyte  511  notiren,  al§>  jiemlid)  Dertä^ltct)  angeferjen 
merben.  2)iefe  Kategorie  umfaßt  pmeift  bie  größeren  unb 
großen  SJÖerf'e  jeber  ©attung.  SDie  mit  Hummern  üerferjene 
aber  mürbe  burtf)  Uebereinhtnft  ber  oerfd)iebenen  Verleger,  an- 
fäng(id)  im  ©iuuerftänbnifj  mit  bem  (Somponiften,  aufgeteilt  unb 
umfaßt  b(o§  Keine  SBerfe,  at£  Variationen,  %än^l  Keine  Sieber, 
Don  benen  nid)t  menige  erft  nad)  bem  5lbleben  VeetfjoOen'ä 
oeröffentlidjt  morben. 

Siefe  Unterfdjeibung  f>at  jebod)  lebigtid)  bei  Äatalogifirung 
ber  SBerfe  aus  ben  legten  fünf  Sauren  biefer  Sßeriobe  eine 
d)rono(ogifd)  ridjtige  (Mtung.  233eitert)in  mirb  ber  Verfaffer 
oon  einer  fatatogifdjen  Unorbnung  5U  berieten  fjaben,  mie  fie 
morjl  in  fo  {jorjem  ®rabe  niemals  bei  einem  5(utor  üorgefommen 
fetjn  bürfte.  9Iuf  ©eett)oöen  felber  fällt  nur  ein  geringer  £t)eil 
ber  ©djulb,  ber  größte  aber  auf  bie  Verleger  unb  aufjer  biefen 
nod)  auf  bie  ben  Stonbidjter  lange  3e^  t)inburct)  beüor* 
munbenben  ^erfonen,  bereu  nähere  Vetanntfdjaft  ber  Sefer  irt 
ber  folgenben  s$eriobe  macfjen  roirb. 

2)ie  Verleger  betreffenb,  fo  mar  e§  jumeift  fanget  an 
©inüerftänbnifi,  jumeiten  in  50^e  ö°n  gegenfeitiger  ©iferfudjt 
unb  Vetteibung,  burd)  roetd)e3  bie  bebauer(id)e  Vermirrung 
tjerbeigefürjrt  morben.  ©in  anberer  ©runb  finbet  fid)  in  ber 
unberechtigten,    §umeift    roillfurticrjen    ©infdjattung    fo    öieter 


arrangirten  Sßerfe  unter  bie  Doublen.  9?ur  burcr)  SefeitW 
gung  ber  2trrangement3  in  eine  abgefonberte  Kategorie  fönnte 
eine  beffere  Orbnung  bei  ben  Originalen  ergtuecft  merben. 

B.  Sinb  bie  SBerfe  unferS  ütteifterg  nidjt  immer  in  ber« 
fetben  Drbnung  ^ur  Sßeröffent(icr)ung  gelangt,  afö  fie  entftanben. 
(ginjefne  mürben  tljeifö  megen  fpäterrjin  noct)  ansutegenber 
$eife  jurücfgetjalten,  trjei(3  blieben  fie  au3  93ertag3*  ober  ricfj= 
tiger  ©peculationggrünben  triefe  Satjre  im  ^Sutte  be§  Verlegers 
verborgen.  S)a§  ber  brüten  ^ßeriobe  anrjängenbe  58er^eict)ni% 
mirb  berlei  com  Verleger  gurücfgetjattene  SBerfe  mehrere 
anführen.  §infitf)ttidj  ber  rfjronotogifcfjen  Üieirjenfolge  finbet  ftdj 
ftfmn  bei  CpuS  1  eine  Unritfjtigfeit.  £a§  Xrio  in  C  moll, 
me(cfje§  in  ber  Sammlung  an  b  rittet  ©teile  fteljt,  mar  ba& 
%u  aÜererft  oollenbete.  Steigerung  be§  @ffefte3  öon  ÜJcummer 
ju  Kummer  mar  ber  ©runb,  haft  e£  bem  in  Es  dur  unb  in 
G  dar  nacrjgeftellt  morben.  Dber,  ber  Gomponift  fat)  fidj  bei 
breien  in  ein  Dpu§  zusammengelegten  ^robucten  gleicher  (Gattung 
ueranfafet,  ba§  fctjrcäcrjere  in  bie  üftitte  §u  ftellen.  So  finbet 
e§  ficf)  bei  ben  brei  Sonaten,  Op.  2,  ferner  nocrj  bei  ben  brei 
(Sonaten  Op.  10  biefer  Sßeriobe  ungehörig.  2Seitert)in  erfdjeint 
ein  fotctjer  ®runb  nidjt  merjr  üortoaltenb. 

S3ei  bem  gegenmärtig  btütjenben  3uftan^e  oer  C£onjectural= 
Äritit  in  SBeetrjoüen'S  Sftuftf,  oornerjmlidj  in  ^ufelanb  unb 
granfreicf),  ift  metjrfad)  au3gefagt  morben,  bafj  einzelne  üon 
ben  Herten,  bie  mit  anbern  ^ufammen  unter  einer  Dpu§- 
3at)t  uorliegen,  unb  entmeber  im  Strjl  ober  im  ©ehalte  oon 
ben  mitgefjenben  fiel)  unterfetjeiben,  irjr  ©ntfterjen  einer  früheren 
ßeit  öerbanfen.  ®em  mufe  entfcfjieben  miberjprodjen  merbem 
©in  Satjr  früfjer  ober  füäter  niebergefdjrieben  ift  üon  feiner 
Sebeutung,  unb  mehrere  3at)re  lagen  niemals  baamifcfjen.  2(13 
gan^  juüerläffig  gilt,  bafj  feinet  ber  meiter  unten  oerseicrjneten 
äöerfe  bor  1794  öerfa^t  morben.49)    ©inline  biefer  im  Ueber* 

49)  Dieses  apodiktische  Urteil  ist  doch  wohl  zu  modifizieren. 
Schon  der  Artikel  im  I.  Bande  Thayer-Deiters  „Was  hat  Beethoven  in 


—     89     — 

mafe  grübetnben  unb  ttftefnben  (Sonjecturat^ritifer,  in  her 
©inbitbung,  bei  Beetf)oüen  ein  fteteS  $ortfdjreiten  ot)ne  9?üd= 
fdCjritt  auffinben  ju  motten,  tyaben  beffen  DbuScula,  a(§:  bie 
Bagatellen  unb  anbete  fteine  ©ad)en  für  ^ßianoforte,  ütete 
Sieber  u.  bergt.,  in  be§  9J?eifter3  Sngenb^eit  äitrüdoerroiefen. 
©ie  conjecturirten  unb  ütjitofopfyirtett,  ba$  nacf)  gibetio,  nad) 
ber  C-moll=  unb  ^aftora(=©infonie  ber  5(utor  fotdje  Meinig- 
feiten  nidjt  metyr  fdjreiben  gefonnt.  3>iefe  Derbiffenen  $unft= 
fdjmäijer,  bie  fid)  in  faft  bebauertidjer  Sßeife  abmühen,  ba$  2tuf= 
fteigen  be§  23eett)oüen'fd)en  @eniu§  trigonometrifd)  berechnen 
^u  fönnen,  mie  itjnen  gerabe  bie  Dpu3=3af)(en  in  oen  3?ram 
taugen,  mögen  üernetjmen,  bafc  nidjt  roenige  tiefer  DpuScuta 
roäljrenb  be§  3ufammenteben§  mit  Beetfjotien  üor  meinen 
Singen  entftanben,  unb  Don  einigen  nod)  5l6fd)riften  mit 
(Sorrecturen  be3  (Somponiften  üon  mir  aufberoaljrt  merben.  Sfi 
ber  Montblanc  nt«±>t  öon  mehreren  minber  tjotjen  Bergen,  fogar 
öon  gan$  niebrigen,  umgeben? 

§örten  mir  gteicfrtuofjt  einige  ©eitenäatjten  ^urüd  ben  eben 
breifcig  Se6en§jat)re  §ät)(enben  23eetf)oüen  aufrufen:  „9?id)t§  üon 
Smutje!"  fo  barf  bodj  berfidjert  merben,  bau  er  nad)  weiteren 
jmansig  Sauren  nid)t  metjr  fo  gebadjt,  bietmeljr  gefügt  fyabe, 
bafj  er  aufteilen  ber  9?uf)e  bebürfe,  nämüd)  einer  tätigen  SRiitje, 
ober  ruhigen  £t)ätigfeit.  S£u8  foldjen  Momenten  batiren  üer= 
fdjiebene  £(einig!eiten,  bereu  einige  au§  ©efälligfeit  für  ©önner 
unb  greunbe  gefd)rieben  roorben.  SSarum  motten  bie  ba§> 
innere  be§  @rbbafl3  burdjraüfytenben  $unftpt)tfofoph,en  nidjt 
lieber  au§  folgern  Berfafyren  ben  ©djtufe  gießen,  bafj  Beetfyoüen 
fid)  gumeiten  in  ein  jugenbtidjeä  Alfter  jurüdoerfe^te,  um  bann 


Bonn  komponiert?"  weiß  davon  zu  erzählen.  Besonders  sei  an  die 
Opuszahlen  52  und  104  erinnert.  Die  Lieder  op.  52  stammen  fast  alle 
aus  sehr  früher  Zeit,  man  sehe  in  Wegelers  Notizen  nach ;  im  Nottehohm : 
Verzeichnis  unter  op.  52.  Noch  auffallender  ist  die  Opuszahl  104  beim 
Oktett  in  Es-dur,  aus  sehr  früher  Zeit,  1792  oder  1793.  Das  Original 
erstand  aus  Artarias  Besitz  Dr.  Erich  Prieger.  A.  d.  H. 


—     90     — 

mieber  neugeftärft  mit  aller  SQStHenS*  unb  ©eifteSfraft  mehrere 
©diritte  nad)  bormärtS  tf)un  51:  fönnen?  Sftit  metdjem  ©pitljeton 
er  fetber  folcfie  ftfeinigfeiten  djarafteriftrt,  merben  mir  in  ber 
3ten  ^eriobe  oernefymen. 

C.  SGßirb  unter  oorbemerften  Umftänben  nur  um  bie  ßeit 
be*  Grfd)ienenfet)n3  ber  oerfd)iebenen  2Serfe  gefragt  merben 
bürfen.  allein  felbft  babei  fönnen  etnjelne  teife  ßtoeif^  nirfjt 
mit  'Sidjerfyeit  getöfet  merben.  Snbeß  finb  Differenzen  um  ein 
Safjr  früher  ober  fpäter  üon  feiner  Sebeutung.  Gc§  fonnte  mit 
©enrifefjett  nidjt  ermittelt  merben;  ob  ein  SBerf  ju  Ausgang  beö 
einen,  ober  bei  (Eingang  beö  fotgenben  3af)re3  ber  Deffentticfjfeit 
übergeben  morben.  £nnfid)tlid)  geftftettung  einer  djronologifdjen 
Drbnung,  menigftenS  bei  ben  größeren  SBerfen,  mar  ber  S8er= 
faffer  nod)  bei  Setijetten  be§  S)teifter§  unter  SDZitmirfung  ber 
Verleger  Slrtarta  unb  Diabelli  beftiffen.  Slntafe  tjie^u  fjatte 
eine  gufdjrift  mit  nieten  gragejeidjen  oon  (Srfterem  an  33eetf)oüen 
im  Safjr  1819  gegeben,  meldje  at§  23eteg  für  bie  fatafogifcfje 
Unorbnung  im  9(nf)ange  gnx  gmeiten  ^eriobe  mitgeteilt  merben 
fotl.  Seiber  aber  mar  fein  ?lu3meg  au§  biefem  gräulichen 
3}erf)aue  51t  ermitteln.  S)a§  Original  üon  2trtaria'3  ß11^1*^* 
liegt  oor. 

D.  8oIl  im  &er3eid)mJ3  ber  SBerfe,  mo  nur  tf)itn(id),  ber 
erfte  Verleger  genannt  merben,  unb  ^mar  auf  ©runb  oon 
beren  (Sorrectfjeit,  menigften§  im  ungemeinen.  @3  ift  ber  Badjt 
megen  midjtig  5U  miffen,  baf}  93eett)ot>en  feine  SBiener  ausgaben 
ftet3  fetber  corrigirt  tjat.  $on  au§märt§  gebrudten  SBerfen 
finb  mir,  nt§  Oon  if)tn  corrigirt,  nur  bie  legten  ©onaten, 
Op.  109,  110  unb  111,  im  @d)(efinger'fd)en  Verlage  §u  $art3 
befannt.  S)af$  fid)  inbefj  alte  bie  oon  ifjm  fetber  corrigirten 
ober  bfoy  reoibirten  ausgaben  burcf)  abfotute  9?einf)eit  au£= 
geidjnen  follten,  mirb  man  mof)l  faum  ermarten.  ©3  bleibt 
überall  nodj  gu  müufdjen.  Unter  ben  älteren  Wiener  Offizinen 
gab  e§  eine  unb  aubere,  bie  fid)  ber  üftadiläffigfeit  mie  and) 
Unfauberfeit  bieöfallö  nur   gar   51t   oft   fdjutbig  gemadjt  f)atte, 


—     91     — 

bem  ©eitenS  be3  ©omboniften  nicfyt  51t  fteuern  mar.  ©0  t)at 
man  3.  33.  in  ber  Sonate  pathetique  ben  Abgang  einer  anfef)n= 
liefen  Qafyi  oon  5ßortrag§seid)en  im  erften  unb  smetten  ©afj, 
midjtig  für  richtige  ?(uffaffung,  nidjt  b(o§  für  gärbung,  gu 
besagen.  Unb  biefe  Mängel  Taufen  burd)  alle  Sftadjbrude. 
SBag  bie  toietertei  ü)cad)brude  in  letzter  $eit  f)infid)tüd)  ber 
(Sorrecttjeit  nod)  überbieö  üerfdmlbet,  fott  beiget)enb  nur 
berührt  aber  offen  geftanben  merben,  bajs  einzelne  ber  SBerlagS* 
tjanblungen  ftarfen  Xabel  oerbienen. 

(Sine  $er(ag§f)attblung,  bie  fid)  um  Stuffinbung  aller  Original 
©ruefe  uon  6(aüier=9)?uftf  bemühen  unb  barnad)  einen  mit 
aüem  O-leifje  gefäuberten  9cad)brud  beraerfftettigen  raottte,  mürbe 
ftd)  um  23eett)ot>en'<§  Literatur  t)od)  öerbient  madjen.60)  Sit  ber 
23Sof)Ifeitt)eit  ber  2lu3gaben  barf  man  fo!d)e§  Sßerbienft  allein 
ni(f»t  ftnben  motten,  mie  man  in  unfern  Sagen  tfjut,  mitt  man 
fid)  nid)t  auf  gleite  «Stufe  mit  Söaummott^abrifanten  fteUett 
laffen.  (Sine  in  ber  jmeiten  ^ßeriobe  angeführte  „SBarnung" 
mirb  bie  §erren  Verleger  belehren,  mie  e§  ber  grofte  99ceifter 
mit  ber  Gorrectfjeit  feiner  SBerfe  fetber  gehalten  unb  aud)  bon 
anberen  gehalten  tjaben  mottte. 

®inb  gfeid)h)of)(  bie  meiften  ber  alten  Wiener  $ertag3= 
(janbtungen  erfofdjen  unb  itjr  Verlag  auf  anbere  übergegangen, 
a(§  3.  53.  ber  reidjfyaltige  beS  ®unft=  unb  $nbuftrie= 
ßombtoirg  fammt  bem  Don  (Sber,  SftoUo  u.  (Somb.  auf 
«Stein  er  u.  (Somb.  (gegenmärtig  £>a3tinger);  ferner  ber  Vertag 
bon  ßabbi  auf  2Bi§enborf,  fo  ift  eS  nid)t  mof)l  gtaub(id), 
bafj  beren  £)riginal=2)rude  fämmt(id)  bertoren  febn  fottten. 


50)  Die  große  Br.  &  H. -Ausgabe,  die  mit  dem  ganzen  philo- 
logisch-kritischen Apparate  gearbeitet  ist,  dürfte  dieser  Forderung 
vollauf  genügen.  A.  d.  H. 


92 


III.  SBersetdjnifj  btt  Don  1795  fcie  incl.  1800  erfdjienenen  äßerfe. 


£>pu3* 

3**1 
1 


©rfdjie= 

nett 

1795 


(Srfier 
SScrleger 
2(rtaria 


2)rei  Srio'S  (Es  dur,  G  dar,  C  moll) 
für  *pianoforte,  Violine  u.  SSiofoncetto. 
3ufolge  ?(nmerfung  ü6er  ba§  Xrio  in 
C  moll,  bie  fidj  (Seite  85  in  ben  Zotigen 
bon  gerb.  9tie<§  oorfinbet,  als  fjabe 
$ater  £>at)bn;  nadjbem  er  alle  brei 
£rio'§  bei  gfürft  SidjnomSfrj  gehört,  ju 
beffcn  Verausgabe  nidjt  geraden,  folt 
in  bem  (Somponiften  ber  Sßerbacfjt  üon 
üfteib  unb  (£iferfud)t  bei  §arjbn  ent= 
ftanben  ferjn.  9tu3  §at)bn'§  2eben§= 
gefd)id)te  ifi  befannt,  baf;  er  bie  beiben 
Sarjre  1794  unb  1795  faft  ganj  in 
(Sngtanb  »erlebt  fjat.  (Seine  9tbroefen= 
fjeit  uon  SSien  null  fidj  foroofjt  mit  bem 
Saturn  be§  Qn.'fd)einen§  biefer  £rio'§, 
a6er  aud)  mit  ber  irjm  äugefdjriebenen 
SKeufeerung  nid)t  roof)(  reimen  laffen. 
<pat  jebodj  §at)bn  auf  ^Befragen  beS 
nod)  f et)r  jugenbtidjen  9tie§  biefe 
3leuBerung  roirttid)  baf)in  erflärt,  mie 
biefer  anführt,  „bafj  er  nid)t  geglaubt, 
btefeö  £rto  mürbe  Dom  ^ubtifum  fo  leicht 
oerftanben  unb  günftig  aufgenommen 
merben,"  fo  ift  bamit  jebe  fdjiefe  Aus- 
legung befeitigt.  @3  mirb  aber  erlaubt  ferjn, 
über  §at)bn'§  ©rftärung  gu  fiufcen,  roenn 
man  feine  eigenen  Xrio'S  rennt,  deiner 
«Seite  ftefle  id)  biefen  Vorfall  in  bie  lange 
9t eirje  ber  SDcifjüerftänbniffe,  bereu  in  S3eet- 
fjoüen'S  ßeben  leiber  gu  öiele  bageroefen. 


93 


2 


Srfd)ie= 
tten 

1796 
1796 


1796 


1797 


(£rfter 

33erleger 

9lrtaria 
ungemifj 


Strtaria 


9lrtaria 


3)rei  ©onaten  (F  moll,  A  dur,  C  dur) 
für  Sßianoforte. 

©rof$e§   Strio  in  Es  dur  für  Violine, 
Viofa  unb  Violoncello. 

Von  biefem  2öerfe  marb  berichtet,  ba§ 
t§>  uor  ben  Strio'3,  Op.  1,  ja  fctjon 
1791,  gefdjrieben  fet),  aber  üom  (Som* 
poniften  §u  fdjmad)  befunben  tuorben, 
um  ju  atlererft  üor  bem  publicum  gu 
erfctjeinen.  ®<o  ift  aber  eine  öage  9tebe. 
Quintett  in  Es  dur  für  2  Biotinen, 
2  Violen  unb  Violoncello. 

S)iefe£  2Berl  ift  entftanben  au§  bem 
erften  Verfug  Veettjoüen'S  für  Vla3= 
inftrumente  ,$u  fdjreiben,  nämtict)  au§ 
einem  Octett  für  2  ©tarinetten,  2  Oboen, 
2  £>örner  unb  2  gagott3,  booon  fidj 
baZ  9J?anufcript  bei  Strtaria  befinbet. 
Der  neue,  fet)r  oerbienfttidje  Katalog  ber 
Veetfjotien'fdjen  SBerfe  bei  Vreitfopf  u. 
§ärtet  fet>rt  ba%  ©acfjüertjältnif}  um, 
wenn  er  angibt,  biefeä  Octett  fet)  au3 
bem  Quintett  tjeröorgegangen.  9lud)  ift 
in  jenem  Äatalog  bie  Opu3=3a^  103 
für  biefe3  Octett  irrttjümtid)  gefegt.  (£§ 
erjfiirt  meber  ein  Op.  103  nod)  ein 
Op.  104  aß  Originaler!,  ©runb: 
bie  ßonfufion  unb  iljre  Urheber.  (@iet) 
toeitertjtn  5lrtaria'£  oorftefyenb  berührte 
ßafc^rift  oon  1819  an  Veetljooen.) 
ßroei  grofje  (Sonaten  in  F  dur  unb 
G  moll  für  ^ßianoforte  unb  Violoncello. 


—  94  — 


6 


9 
10 
11 


@rjd)ie= 
nen 

1797 


1798 
1798 

1798 

1799 

1799 


(Srfter 
Verleger 

(£ber 


5trtaria 
9lrtaria 

Strtaria 

(Sber 

moUo 


£eid)te  ©onate  in   D  dur  für  $ßiano= 
forte  51t  4  Rauben. 

Von  ben  mit  Hummern  oerf ebenen 
Variationen  finb  im  Safyre  1797  er« 
fctjienen:      m 

a.  9?eun  Variationen  in  A  dur  über 
ein  Xfjema  au§  ber  Oper:  „Die  jdjöne 
aßüKertH."    Strtaria. 

b.  ©ecf)3  Variationen  in  G-  dur  über 
ein  %fyma  anä  berfelben  Oper:  „Wirf) 
fliegen  alle  greuben."    Slrtnria. 

c.  3ft>otf  Variationen  in  C  dur, 
%f)ema:  ein  Menuet  ä  la  Vigano. 
?lrtaria.B1) 

d.  ßmötf  Variationen  in  A  dar, 
£t)ema  aus  bem  Vatlet:  btö  SBatb« 
mäbdjen.    ?lrtaria.5'2) 

©rofee  ©onate  in  Es  dur  für  ^ianoforte. 

©erenabe  in  D  dur  für  Violine,  Viola, 

unb  Violoncello. 

Drei  Srio'S  (G  dur,  D  dur,  C  moll)  für 

Violine,  Viola  unb  Violoncello. 

Drei  Sonaten  (C  moll,  F  dur,  D  dur) 

für  Sßianoforte. 

©rofje§  %x'\o  in  B  dur  für  ^ianoforte, 

dlarinette  (ober  Violine)  unb  Violoncello. 


51)  Dieser  Titel  lautet  genauer:  „12  Variationen  über  das  Menuet 
ä  la  Vigano  aus  dem  Ballett:  Le  nozze  disturbate  von  J.  J,  Haibel. 

A.  d.  H. 

52)  Genau:   „12  Variationen  über  den  russischen  Tanz  aus  dein 
Ballett  ,Das  Waldmädchen'  für  das  Pianoforte  von  Paul  Wranizky." 

A.  d.  H. 


95 


3ot)i 
12 

13 

14 


(Srfd)ie= 
nen 

1799 
1799 
1799 


ßrfier 
Verleget 

?frtaria 

@ber 

äRoÜo 


15 


1800 


ÜÄoHo 


£)rei  ©ouoten  (D  dur,  A  dur,  Es  dur) 
für  ^ianoforte  unb  Steinte. 
Sonate  pathetique  in  C  moll  für  Sßtano* 
forte. 

ßtoei  «Sonaten  in  E  dur  unb  G  dur  für 
Sßtänoforte. 
Sn  bemfe(6en  Satyr  finb  erfdjtencn: 

a.  3  to  ö  1  f  Variationen  über  baS  £Jjema: 
@tn  SKäbdjen  ober  SBetbdjen.    Xraeg. 

b.  ^{d)t  Variationen  in  C  dur,  Secuta 
au§  Üiidiarb  Sötoett^erg:  9J?td)  6renut 
ein  rjeifjeS  gfteber.    Stweg. 

c.  ßetjn  Variationen  in  B  dur,  Xtjema 
aus  $attftaff  Oon  ©altert:  La  stessa,  la 
stessissima.    5frtaria. 

©rfteä  (Sortcert  in  C  dur  für  Sßtanoforfe 
mit  Drcfjefter. 

Sie  erfte  ?(uffürjrung  btefeä  3SBerfe§, 
uomGomponiften  fetber  öorgetragen,  fanb 
ftatt  5ur  grürjIingSjeit  1800  im  ßärnt* 
nertrjor=£ljeater,  unb  jroar  mit  großem 
VeifalL  ©teidjjeitig  probucirte  er  alä 
\Km  üföerfe  ba§  Sept ttt  unb  bie  erfte 
«Sinfonie  in  C  dur.  Cbenbrein  liefe 
er  ftcr)  nodj  in  einer  freien  Sßljantafie 
rjöreu.  lieber  bie  Sinfonie  fpradj  fid) 
bie  Ärtttf  fur5  barjin  au§:  „Viel  Äunft, 
9?eut)eit  unb  9veicf)tt)um  an  Sbeen;  nur 
roaren  bie  SBfaShtftrumente  gar  ju  tuet 
angemenbet,  fo  bafj  fie  mefjr  Harmonie, 
als  gan^e  Drdjefter=5öfuft!  mar."  ?ülg. 
ÜRuf.  3tg.  VI.  Sarjrg.  ©.  321. 


—     96     — 


Ml 


erföte* 
nen 


(ätfter 
SSctle'ger 


Sn 


bemfetben   Satyr    finb   nodj   er= 
fdjienen: 

a.  (Sieben  Variationen  in  F  dur, 
Xfyma  au§  bem  Dpferfeft:  ®inb  ttritlft 
bu  rutjig  fdjfafen.   Verleger  ungemifj.53) 

b.  Slcfjt  Variationen  in  F  dur,  £rjema: 
Xänbetn  unb  fc^er^en.    ©imrocf. 

Von  anbem  SBcrfen  biefer  Kategorie,  ai§>:  Variationen, 
hängen  unb  9J?enuett§,  mären  nod)  mehrere  ansufürjren,  beren 
Grfdjeinen  in  biefe  Safjre  fällt.  2)e£  9famme§  roegen  Ratten  mir 
un§  aber  an  größere  Söerfe,  bie  gteicfjfattg  au3  biefer  $eit 
batiren,  at§: 

1.  £>ie  erften  brei  Quartette  (F  dur,  G  dur  unb  D  dur), 
bie  etroaS  fpäter  mit  brei  anberen  nod)  unter  ber  £)pVL&Qafyl  18 
erfdjienen  ftnb,  fonatf)  erft  in  ber  2ten  ^ßeriobe  §u  tiergeicfjnen 
ferm  roerben.    ©ie  maren  bei  9J?olIo  feparat  gebrudt. 

2.  Von  ®efangftücfen  gehört  biefer  ^Seriobe  an:  Scena 
et  Aria  (Ah  perfido!)  Über  t)a§>  ©eburt3jar;r  biefe§  SBerfe* 
tritt  SllotjS  3fud)3  afö  ßeuge  auf.  Unterm  4.  2Rai  1852 
fd>reibt  er  mir  barüber  roörtücr):  ,,5d)  befitje  eine  gefdjriebene 
Partitur  rjietion,  auf  roelcfjer  ber  Sitel  ganj  eigentjänbig  öon 
Veetrjoüen  gefcfjrieben  ift,  unb  fo  tautet:  „Une  grande  Scene 
mise  en  Musique  par  L.  v.  Beethoven  ä  Prague  1796.  De- 
dicata  alla  Signora  Contessa  di  Clari."  3n  ber  Sßartitur 
fetbft  ift  Veetrjooen'3  §anb  fe§r  tjäuftg  ftd)tbar.  5luf  bem  £itet* 
blatt  ftefjt  uon  feiner  §anb:  Opus  46." 

£>iefe§  ©efangftüd  §ät)tt  fomit  §u  ben  erften  SBerfen  be§ 
jugenbticfjen  SD?eifter§  unb  geigen  ficrj  bie  in  ben  Katalogen  an= 
gegebenen  Dpu§=3af)len:   65   (Vreitfopf   unb  gärtet)   unb  48 


53)  Die  Ausgabe  Dezember  1799  trug  nach  Nottebohm  den  Ver- 
merk: „In  Vienna  presso  T.  Mollo  &  Co."  A.  d.  H. 


—     97     — 

(§ofmeifter)  a(3  unrichtig.  £)urd)  biefe  £itetauffd)rift  wirb  ju= 
gteid)  auct)  ber  ßettpuitet  bon  23eetf)oben'§  9xeife  nad)  Seidig 
rntb  SBertin  feftgefteüt.54) 

3(ber  auct)  bie  ?tbelaibe  gehört  biefer  ^ßeriobe  an.  <2ie 
warb  fd)on  1797  componirt,  unb  erfcfjien  atöbalb  im  £>rud  bei 
2trtaria.  Sie  angegebene  £)pu<o=3af)t  46  ift  mithin  ein  Srrttjum. 

SBeetfjoben'S  SBrief  an  ben  2>id)ter  SWatttjifon  bei  ®e~ 
tegent)eit  ber  Überfenbung  biefe3  ©efangftüdeg  (ber  £)id)ter  lebte 
bamalä  in  2)effau)  liegt  mir  in  einem  gacftmite  bor,  \)a%  bor 
langer  ßeit  einer  mir  nnbefannten  geitfdjrift  al£  Beilage  biente. 
2)iefe3  in  rjiftorifdjer  §infid)t  intereffante  @d)riftftüd  lautet 
wortgetreu : 

SßerefyrnngStuürbigfter! 

©ie  ermatten  tjier  eine  ©ompofttion  bon  mir,  meiere  be- 
reite fdjon  einige  Satire  im  ©ticl)  fjerauä  ift,  unb  bon  wetdjer 
©ie  bietteidjt  ju  meiner  ©djanbe  nodi  gar  nid)t§  Wiffen.  SJfict) 
entfdjutbigen,  unb  fagen,  warum  id)  Sfwen  etwa§  wibmete,  ma§ 
fo  warm  bon  meinem  ^erjen  fam,  unb  Sfynen  gar  nidjtä  babon 
befannt  machte,  ba§  fann  icfj  nidtjt,  bietteidjt  baburd),  ba$  idj 
anfänglich  %fyxm  3tufentrjalt  nidjt  Wufcte,  ^um  Stt)etl  aud)  Wieber 
meine  ©djüdjternljeit,  baf$  icl)  glaubte,  mid)  übereilt  $u  t)aben, 
Slmen  etwa3  gewibmet  5U  t)aben,  wobon  icl)  nid)t  wujgte,  ob  e§ 
Streit  Sßeifatt  rjätte.  $war  0UC^  je^t  fdjtde  id)  SI)nen  bie  Stbetaibe 
mit  2lengfttid)teit.  @ie  wiffen  fefbft,  ma§  einige  Safyre  bei  einem 
$ünftter,  ber  immer  meiter  gefjt,  für  eine  Söeränberung  Ijerbor* 
bringen,  je  größere  gortfdjritte  in  ber  $unft  man  mad)t,  befto 
weniger  befriebigen  einen  feine  älteren  SBerfe.  —  Sftein  tjeifjefier 
SSunfd)  ift  befriebigt,  wenn  Sfynen  bie  muficattfdje  ßompofition 
Stirer  rjimmtifdjen  Slbelaibe  nidjt  ganj  mißfällt,  unb  wenn  @ie 
baburd)  bewogen  werben,  balb  wieber  ein  ätynticrjeS  @ebid)t  §u 
fdjaffen,  unb  fänben  @ie  meine  Sitte  nid)t  unbefdjetben,  e§  mir 


54)  Man  beachte  diese  Schindlersche  durch  briefliche  Zeugnisse 
erhärtete  Rektifikation  zur  Arie  „Ah  perfido".  A.  d.  H. 

31.  ©tfjinbterS  Seet§oöen=83iogra^ic.  7 


—     98     — 

fog(eicf)  511  fdjicfen,  unb  icf)  tutE  bann  alle  meine  Gräfte  auf- 
bieten, Styrer  fdjönen  ^ocfie  naf)e  gu  fommen.  —  £>ie  ©ebication 
betrachten  ©ie  tfjeitS  als  ein  3eid)en  ^eg  Vergnügens,  meines 
mir  bie  (Sompofition  %f)xer  2t.  geroärjrte,  tljeitS  als  ein  3eidjen 
meiner  ©anHJarfeit  unb  ^odjadjtung  für  baS  feiige  Vergnügen, 
raaS  mir  $$re  ^ßoefie  überhaupt  immer  machte  unb  nod> 
machen  rcirb. 

SBien  1800  am  4ten  Sluguft. 

©rinnern  ©ie  ftcf)  bei  2)urd)fpie[ung 
ber  2(.  gumeiten  StjreS  ©ie 
mafjrfjaft  tierefjrenben 

Söeetfjoüen.55) 

55)  Das  Faksimile  dieses  herrlichen  Briefes  befindet  sich  in 
Schindlers  Beethoven-Nachlaß  auf  der  Königl.  Bibl.  zu  Berlin.  Genauer 
als  selbst  bei  Schindler  steht  der  Brief  nebst  Erklärungen  in  B.  S.  Biv 
No.  37,  I.  Band.  A.  d.  H. 


99 


IV.  Gfjarafteriftifäeg  9Herfmnl  ber  ßunftfrittf,  unb 
SBeurtfjeUung  SBcct^tHJCiff^cv  äßcrfe. 

$ur  SöerOotlftänbigung  ber  auf  biefe  ^ertobe  begügticCjen 
2)inge  unb  Stljatfacfjen  gefjört  aud)  bie  ^enntnife,  tuie  bie  äöerfe 
be§  jugenblicrjen  SD?eifter3  bei  itjrem  (Srfdjetnen  Oon  ber  Sfrmft* 
frttif  aufgenommen  morben.  Sa,  biefe  ^Beurteilungen  bilben 
in  ber  £§at  einen  ergän^enben  %t)eil  in  feiner  Seben§gefd)id)te ; 
benn,  meit  33eett)oöen  oon  2lnbeginn  fetner  Saufbafjn  eine  aufeer* 
gemöl)ntid)e  Stiftung  in  feinen  §erOorbringungen  funbgegebeu 
unb  biefetbe  confequent  tierfolgt  fjat,  fo  mürbe  aucfj  bie  Äntif 
in  eine  aufeergemörjntidje  (Stellung  gegen  ifjn  öerfetjt.  ®ie  unfern 
SDtofter  betreff enben  ^ritifen  ftnb  au3  biefem  ÖJrunbe  meift 
eine  pifante  SSür^e  in  feinem  Seben  unb  gefjen  it)m  mie  5£ra= 
bauten  mit  nur  trjeitmeife  Oera'nberter  Färbung  ftetö  ^ur  ©eite; 
mie  tefyrreid)  grof$entf)eil§  \fyt  Snfjatt,  mirb  fidj  oon  fetbft  er= 
geben.  @§  ift  barum  unerläfjticfj,  menigftenS  einzelne  23eifpiefe 
baüon  biefer  ©djrift  beizugeben.  ©ollen  aber  biefe  fritifcfjen 
9lu3fprüd)e  für  unfere  geit  oon  mel)r  Sebeutung  ferju,  als  folcrjen 
au§  unfern  Sagen  in  ber  9?egel  beigelegt  mirb,  fo  ift  oorab  ein 
Solid  auf  SSerf»äItniffe  unb  ßuftänbe  bamaliger  tatftfrittf  rätbjlid). 

Sn  gan§  2)eutfd)fanb,  ja  mau  barf  fagen,  in  ber  gangen 
sD?ufifmelt,  eyiftirte  in  jener  ßeit  nur  ein  einziges  fritifdjeS 
Tribunal  Oon  altgemein  anerkannter  Autorität,  nämlid)  bie 
allgemeine  9ftufilatifd)e  ßeitung  äufieip^ig,  bem  ©mporium 
alle§  üftufilrjanbete.56)  Sfyr  erfter  Safyrgang  getjt  Oom  9ftonat 
Dctober  1798  bi3  §u  (Snbe  September  1799,  unb  biefe  Drbnung 
finbet  fid)  nod)  groölf  3at)rgänge  meiter,  bis  in  ber  gortfetsung 
ber  eigentlid)e  3at)re3lauf  eingehalten  mirb.  5)a§  9M>actiom3= 
gefdjäft  leitete  ber  in  t)ol)er  Slcfjtung  ftetjenbe  muficalifdje  ©cfjrift* 
fteller  griebricf)  9?od)li§.  £>iefe§  Tribunal  beftanb  au§  lauter 
fadjfunbigen,  erfahrenen  unb  unabhängigen  Männern,  Oon  ben 


56)  Man  vergleiche   das   hierüber  bereits  in  Anmerkung  No.  ii 
Gesagte.  A.  d.  H. 

7* 


—     100     — 

^f(id)ten  itjreS  SlmteS  gegen  ®unft  unb  Stünftler  burd)brungen. 
(Sein  djarafteriftifdjeS  äfterfmal  mar:  Uebereinftimmung  im 
Urtfjeit.  ©ieS  i[t  inbefc  iridjt  bafjin  ju  üerftefyen,  als  fet;  nicfjt 
and)  mobificirten  ?fnfd)auungen  Raum  gegeben  morben,  öor= 
nerjmtid)  auSmärtige  ßunfileiftungen  betreffenb,  beren  55e= 
urttjeifung  gumeiten  nidjt  genugfam  befannten  Referenten  an= 
oertraut  merben  mutfte.  2)urd)  einheitliches  3ufammenimr^en 
nad)  feften  ©runbfätjen,  fern  üon  Sßarteilidjfeiten  unb  Rüdfid)ten 
auf  öerfönliclje  (Stellung  beS  S3eurtt)ei(ten,  erltärt  fid)  f)auöt= 
fäd)licfj  ber  grofee  ©nflujj  biefeS  DrganS  auf  btefe  (Süodje.  Sie 
Ijof)e  Slcfjtung  üor  ber  leipsiger  $rittf'  erhielt  ficf»  fpejieü  in  SSien 
unüeränbert,  obgteid)  bafelbft  im  ^meiien  Satjrge^enb  anfangs 
burd)  Sgna^  öon  9)Jofet,  fpätertjin  burdj  $.  21.  Stanne,  eine 
9ttuftfatifd)e  3e^tun9  m^  ©efdjid  —  bennod)  aber  of)ne  bie 
geringfte  Autorität  unb  (Sinmirfung,  rebigirt  mürbe.  3m  9lfl= 
gemeinen  tjat  fid)  biefe  2td)tung  in  ungefcfjmädjter  föraft  bis  §u 
Anfang  beS  üierten  3a£)V3el)nbS  ermatten,  bem  3^itpuncte  nämticf), 
mo  faft  alle  fünftlerifdjen  SBerfjältniffe  eine  anbere  ©eftalt  in 
ber  31u^enmett  an^unetjmen  begannen,  gang  befonberS  bie  mufi= 
catifdjen,  metdje  öon  ba  ab  fid;  mit  ben  inbuftriellen  ©e= 
batjrungen  immer  meljr  unb  meljr  ibentificirt  tjaben. 

5ÜS  ?ßarerttt)efe  feto  ein  bloS  rabirteS  ©egenbilb  öon  ben 
3uftänben  ber  Äunftfritif  unferer  (£pod)e  aufstellen  erlaubt. 
—  £>ie  auS  fo  üeränberten  SBerljättniffen  Ijeroorgegangene  unb 
barauf  fid)  ftüt^enbe  Sßietljeit  ber  9J?ufiforgane,  baS  ßin= 
mifd)en  fämmtlidjer  betletriftifdjer  unb  OoHtifdjer  ßeitungen  in 
baS  ®efd)äft  ber  föritif,  in  letjter  3eü  nod)  gar  bie  ^artei= 
53eftrebungen  ber  fogenannten  „ßufunftSmufif"  im  offenbaren 
53rud)e  mit  ber  tjiftorifdjen  Sdjule,  —  bieS  alles  öereint  mufete 
in  unöermeibtid)er  Sßeife  bie  2tnfd)auungen  gfeidjfatlS  üeroiet* 
faltigen,  öerflacfjen  unb  in  iljrem  ©runbmefen  corruinüiren; 
bafjer  bie  gex\afyxznfyeitl  folgerecht  Unmirffamfeit,  aller 
muficalifd)en  Slritif,  benn  im  ©an^en  ejiftirt  fte  bloS  gur  gor* 
berung    inbuftrietler   Qroedt   ©ingefnev.     $aum    eine   beutfdje 


—     101     — 

©rofeftabt  barf  fidj  gegenroärtig  rühmen,  nur  ^roet  unabhängige, 
nad)  einf)eittid)en  ©runbfätjen  berfatjrenbe  unb  jeber  (£r= 
fdjeinung  nacf)  befter  unb  fefter  Überzeugung  geregt  ferjenbe 
Drgane  gu  befitjen.  8n  Heineren  Stäbten  U)irb  eine  unbefangene 
Äritif  fd)on  biegen  bes  engen  gefeHfd)afttid)en  ßufammenlebenS 
be§  Urt^eitenben  unb  Söeurtrjeilten,  überhaupt  au3  bieten  fid)t= 
baren  unb  unfidjtbaren  ©rünben,  fd)ted)terbing3  unmögtid).  — 
Sn  unferer  ßeit,  roo  befonberg  ber  bornefjme  ^fjeit  ber  9J?u[ifer 
eine  ^ßrajiS  gu  befolgen  gelernt,  bie  Journale  gur  görberung 
feiner  runftlerifdjen  ,3roede  gu  benutzen,  ja  fie  förmtid)  com= 
manbirt  unb  biefe  ftd)  p  oft  gegen  bittigen  Sßergfeicfj  comman= 
biren  laffen,  mo  ferner  ber  Dilettantismus  eine  fo  Ijerborragenbe 
^Rotle  fbielt,  ftarfe  Söruct)tr)eite  babon  einen  rjofjen  @rab  bon 
®unftberftänbnife  fid)  gutrauen,  unb  boct)  bon  $unftroiffenfd)aft 
eben  fo  roenig  befi^en,  als  ber  in  früherer  $eit  ™  35efdjetben= 
fjeit  btoS  geniefjenbe  Dilettantismus,  felbft  roenn  er  roirffam 
aufgetreten,  (eS  barf  nur  auf  bie  garjtlofe  Strenge  bon  9ftänner= 
gefang=$ereinen,  it)re  gegenfeitigen  (5iferfüct)teleien,  Reibungen 
unb  ^parteiungen  fjingegeigt  roerben);  ba  roirb  eine  üon  jebem 
bivecten  (Sinftuffe  frei  unb  feft  ftetjenbe  Äritif  um  fo  not!)* 
menbiger,  roenn  fie  nidjt  bon  ben  bieten  2Sinbgügen  fiel)  bemegeu 
laffen   unb    allen  Parteien   gur  bienenben  9)?agb  roerben  null. 

DiefeS  gaftifdje  geigt  augenfcf)eintid)  bie  fjofje  Sßebeutung 
ber  allgemeinen  Sftufifatifcrjen  3e^tun9  fur  ienen  2tbfd)nitt  ber 
®unftgefd)id)te,  mit  bem  mir  eS  in  biefer  Schrift  gu  ttjun  tjaben. 
Die  Sftufirer  unferer  Sage,  bie  fjäufig  fo  gar  leidjt  gu  fünft« 
lerifc^em  9?ut)me  gu  gelangen  miffen,  menn  aucfj  nur  für  eine 
turge  Spanne  ßeit,  merben  aucfj  barauS  erfahren,  unter  meldjen 
53ebingungen  ber  roarjrrjafte,  über  baS  ©rab  rjinauS  reicrjenbe 
9?u^m  gu  ermerben  ift,  roobei  bie  miffenfd)afttid)e  unb  gerechte 
$ritif  atlerbingS  ein  ernfteS  SSort  mitgureben  rjat. 

25er  erfte  3af)rgang  ber  lüg.  Sftuf.  ßt.  enthält  bie  Strittf  über 
bier  2öerfe  unferS  jugenblidjen  gelben,  nämlid)  über  brei  ^artfjien 
Variationen,  bann  notf)  über  brei  Sonaten  für  ^ßianoforte  unb 


—     102     — 

Violine,  Op.  12.  Sie  nädt»fte  ®rttif  betrifft  bie  „ßroölf  äßaria* 
tionen:  ©in  9Jiäbdjen  ober  2&eibd)en",  bann  nod)  bie  „?ld)t 
Variationen:  9J?id)  brennt  ein  fjeifjeS  lieber."  Sa  Reifet  e£: 
„Saft  §err  oan  SSeetfjoOen  ein  fetjr  fertiger  Gtaoierfpieler  ift, 
ift  berannt,  nnb  tt)enn  eS  nidjt  befannt  märe,  fönnte  man  e3 
au§  biefen  Vetänberuugen  oermuttjen.  £)b  er  aber  ein  eben  fo 
gtüdtidjer  Stonfe^er  fet),  ift  eine  $rage,  bie,  nad)  üortiegenben 
groben  ju  urtfjeiten,  fdjtoerer  bejaht  »erben  bürfte.  9f?ec.  mitt 
bamit  nid)t  fagen,  ba^  irjm  ntdjt  einige  biefer  Veränberungert 
gefallen  fjaben  füllten,  nnb  er  geftetjt  e£  gern,  baJ3  bie  über 
ba$  £f)ema:  9Jcid)  brennt  ein  t)eifee§  gieber,  §errn  So.  beffer 
geraden  finb,  at<§  9D?05arten,  ber  baffelbe  Stjema  in  feiner 
frühem  Sugenb  gteid)fallg  bearbeitet  tjat.  51ber  toeniger  gtüdtidj 
ift  !qx.  $8.  in  ben  Veränberungen  über  ba$  erfte  Stfjema,  wo 
er  fidt)  3.  V.  in  ber  9J?obutation  Endungen  unb  gärten  ertaubt, 
bie  nid)t§  Weniger  aU  fd)ön  finb."  3um  Vernein  »erben  nun 
einige  SBeifpiefe  §ur  ?lnfd)auung  f)erüorgef)oben  unb  eine  nad)= 
brüdüdje  Söemerfung  über  bie  „ungeheuere  SDtenge  Variationen, 
bie  jeijt  fabricirt  unb  leiber  aud)  gebrudt  »erben,  otjne  ba§ 
mirr'tid)  gar  biete  Verfaffer  berfelben  51t  miffen  fdjeinen,  »a§  e§ 
mit  bem  guten  Variiren  eigenttidj  auf  fid)  §al"  Siefer  ©tid) 
bürfte  unferm  23eetf)ouen  ^ieintict)  tief  in'3  fyfetfcf»  gebrungen  fetyn. 

Sie  Sfritif  über  bie  brei  ©onaten,  Op.  12,  ift  eben  fo  curioS 
an  fid),  als  auffallenb  in  Ve^ug  auf  ba$  2Serl,  felbft  für  jene  3eit, 
barum  fie  ot)ne  Slbfür^ung  mitgeteilt  »erben  fott.    @ie  tautet: 

„SRecenfent,  ber  bi§f)er  bie  (Stauierfad)en  be3  Verfafferl 
nid)t  rannte,  mufj,  nadjbem  er  fid)  mit  oieler  ÜJ2üf)e  burd)  biefe 
gan^  eigene,  mit  fettfamen  <S^roierig!eiten  übertabene  (Sonaten 
burdjgearbeitet  fjat,  geftetjen,  bafj  itjm  bei  bem  mirüid)  fleißigen 
unb  angeftrengten  ©piele  berfelben  511  SDcutfye  mar,  »ie  einem 
9Jcenfd)en,  ber  mit  einem  geniaüfdjen  $reunbe  burd)  einen  an= 
todenben  Söatb  3U  tuft»anbetn  gebadjte  unb  burd)  feinbticfje 
Verbaue  alle  Slugenblide  aufgehalten,  enbtid)  ermübet  unb  er* 
fcfjöpft  otjue  $reube  f)erau§fam.    (£3  ift  unleugbar,  £>err  uan 


—     103     — 

VeetljüOen  gef)t  einen  eigenen  ©ctng;  aber  toa§  ift  bctS  für  ein 
bizarrer  müf)fe(iger  ©ang!  ©eteljrt,  geteert  unb  immerfort 
geteert  unb  feine  üftatur,  fein  ©efang!  3a,  menn  man  e§  genau 
nimmt,  fo  ift  autf)  nur  geteerte  9CR äffe  ba,  otjne  gute 
3)?ett)obe;  eine  ©träubigfeit,  für  bie  mau  menig  Sntereffe 
füf)(t;  ein  (Sudjen  nadj  feltener  9J?obutation,  ein  ©fettljun  gegen 
getuöfynliclje  Verbinbung,  ein  5tnf)äufen  öon  (Sdjmierigfeit  auf 
©djmierigfeit,  baf^  man  atfe  ®ebutb  unb  £yreube  babei  oertiert. 
3d)on  Jjat  ein  anbercr  $Rec.  beinahe  baffetbe  gefagt,  unb  9tec. 
mu|  i§m  oottfommen  beiftimmen.  —  llnterbeft  foü  biefe 
Arbeit  barum  nid)t  meggemorfen  toerben.  ©ie  tjat  ifyren 
2Bertf)  unb  fann  infonberfyeit  at§  eine  ©d)u(e  für  bereits  ge- 
übte Gfatüerfpieter  Don  großem  Deuten  fetjn.  @§  gibt  immer 
mandie,  bie  ba$  Ueberfdjraere  in  ber  ©rfinbung  unb  3itfammen= 
fteüung,  ba§>,  tt>a§  man  SJBiberfjaarig  nennen  tonnte,  lieben,  unb 
wenn  fie  biefe  ©onaten  mit  alter  ^räcifion  fpielen,  fo  fönnen 
fie,  neben  bem  angenehmen  ©etbftgefüt)!,  immer  audj  Vergnügen 
an  ber  ©adje  fetbft  empfinbeu.  —  SSenn  §r.  o.  53.  fitf)  nur 
metjr  fetbft  üerteugnen,  unb  ben  ©aug  ber  Siatur  einfdjtagen 
wollte,  fo  tonnte  er  bei  feinem  Talente  unb  $(eif3  uns  fidjer 
red)t  Diel  ©ute§  für  ein  Snftrument  tiefern,  beffen  er  fo  aufser= 
orbentüd)  mädjtig  51t  fetjit  fdjeint." 

Sie  SCritif  über  bie  5ef)n  Variationen:  La  stessa,  la 
stessissima,  ift  wotjl  in  ber  9?eif)e  ber  erften  ^Beurteilungen 
bie  abfonbertidjfte.     ©ie  tautet  bud)ftäblid): 

„Wlit  biefen  (Variationen)  fanu  man  nun  gar  nidjt  ju* 
friebert  feUn.  3Bie  finb  fie  fteif  unb  gefudjt  unb  Wetdje  un= 
angenehme  ©teilen  barin,  wo  tjarte  Kraben  in  forttaufenben 
fyatben  Xönen  gegen  ben  Vafc  ein  f)äf$tid)e§  Verf)ättnif3  madjen, 
unb  umgefetjrt.  üftein,  e£  ift  waf)r,  §r.  0.  25.  mag  pfyantafiren 
fönnen,  aber  gut  §u  oariiren  üerftet)t  er  nidjt."  —  £>ie§  fagt 
mau  einem  Somponiften,  ber  bereits  bem  30.  SebenSjafjre 
naf)eftet)t.  SBeldjer  ©porn  5U  gortfetmng  ber  Slnfeinbungen 
mag  nidjt  baburct)  ben  ©egnern  gegeben  worben  fetju! 


—     104     — 

(£tma§  freunbfidjer  fdjon  lautet  bie  ftritif  im  gtueiten 
Saljrgang  ber  3(tlg.  Sftuf.  3*9-  UDer  Op.  10:  bret  ©onaten  in 
C  moll,  F  dur  unb  D  dur  für  ^ßianoforte,  bie  b(o§  in  ityrem 
erften  Steife  f)ier  angeführt  roerben  fott. 

„@3  ift  nidjt  ju  leugnen,  ba^  §r.  ö.  23.  ein  Wann  öon 
@enie  ift,  ber  Drginaiität  fyat  unb  burcfjaug  feinen  eigenen 
SSeg  gefjt.  ©a^u  ftdjert  itjm  feine  nid)t  geroöt)n(id)e  ©rünblid)? 
feit  in  ber  t)ör)ern  Schreibart  unb  feine  eigene  aufjerorbentftctje 
©ewaft  auf  bem  Snftrumente,  für  ba§  er  fcfjreibt,  unftreitig  ben 
9?ang  unter  ben  beften  G(aöier=Qomponiften  unb  ©piefern  unferer 
3eit.  ©eine  $ü(le  öon  %been,  üor  bencn  ein  aufftrebenbe3 
©enie  geröötjnlict)  fid)  nicfjt  §u  laffen  raeij?,  fobalb  eö  einen  ber 
©arfteüung  fähigen  ©egenftanb  erfaßt,  üerantajjt  ifjn  aber  nodj 
5U  oft,  ©ebanfen  roifb  auf  einanber  §u  Raufen  unb  fie  mitunter 
öermittetft  einer  etma3  bizarren  SOcanier  bergeftalt  51t  gruppiren, 
baft  baburdj  nid)t  fetten  eine  buntte  &ünftüd)fett  ober  eine  fünft* 
üdje  SunMrjeit  f)eroorgebrad)t  mirb,  bie  bem  ©ffect  be§  ©an^eu 
erjer  9?ad)tf)eit  aU  ^ort^eit  bringt,  ^^antafie,  rcie  fie  Söeetrjoöen 
in  nidjt  gemeinem  ©rabe  f)at,  jumat  öon  fo  guter  Äenntniß 
unterftüttf,  ift  etma§  fetjr  <2d)ä^bare§  unb  eigenttid)  Unent= 
bet)rtid)e3  für  einen  Gomponiften,  ber  in  fid)  bie  3Öeit)e  51t 
einem  gröfeern  Äünftter  fütjtt  unb  ber  e§  üerfct)mäf)t,  f(ad)  unb 
überpoputär  gu  fdireiben,  öielmerjr  etroa§  aufftetleu  mill,  ba$ 
innere^  fräftigeS  Seben  fjabe  unb  audj  b^n  Kenner  $ut  öftern 
SBiebertjoIung  feinet  2Serfe§  eintabe.  Mein  in  alten  fünften 
gibt  e§  ein  Uebertaben,  ba$  öon  gu  ötetem  unb  rjäufigem 
SBirfungSbrange  unb  ©etetjrtt^un  rjerrürjrt,  mie  e§  eine  Sllar^ett 
unb  Stnmutfj  gibt,  bie  bei  alter  ©rünbtidjfeit  unb  50?annigfattig= 
feit  ber  ßompofition  gar  tuoljt  befielen  fann."  3n  Söegug  auf 
Deconomie  münfcfjt  ber  morjtöjollenbe  9?ecenfent,  ba$  ber  Gom= 
ponift  fid)  öon  if)r  leiten  laffen  möge  unb  tnüpft  nod)  9?adt)= 
ftef)enbe§  baran:  „@§  finb  lüofjt  roenige  Sünftler,  benen  man 
^urufen  muß:  fpare  beine  ©djätje  unb  get)e  f)au3t)cüterifdj  bamit 
um!  Senn  ntdjt  öiele  finb  überreid;  an  Sbeen  unb  fetjr  gemanbt 


—     105     — 

in  Kombinationen  berfetben !  (§3  ift  atfo  meniger  birecter  Xabel, 
\va§>  §ernt  o.  25.  f)ier  treffen  fotf,  ai§>  bielmefyr  ein  tvofyU 
gemeinter  $uruf,  ber,  menn  er  auf  ber  einen  (Seite  aHerbing§ 
tabelt,  auf  ber  anbern  immer  etma§  (SfyrentiolIeS  behält." 

SBeiter  in  bie  Aufarbeitung  ber  Sonaten  eingeljenb  ift 
metjr  £obe§  al§  STabetS  §u  finben.  D^ictjt  unintereffant  barin 
ift  bie  bem  Somponiften  ertfjeifte  SBarnung :  „  . . . .  aud)  mo§l 
untermeiten  fid)  Weniger  an  Sätje  ber  Drget  311  erinnern."  — 
2)er9iecenfent  Ijat  ben  ehemaligen  Drganiften  in  biefen  «Sonaten  ge- 
mittert!  @§  märe  bocti  ermünfdjt,  bie  betreffenben  Stellen  angegeben 
5U  fefjen.  £>eut  $u  Xage  mürbe  man  fie  felbft  mit  bem  fdjärfften 
£ete§fop  nidjt  auf  finben — toeit  berleiSätje  mirftirf)  nidjt  barin  finb. 

ßufeijt  noci)  au§  biefem  Sa^rgang  —  ber  ba§  ad^elnite 
vsaf)rt)unbert  abfdjtiefct  —  bie  Slritif  über  Op.  13,  bie  Sonate 
pathetique.  Sie  barf  fjier  nidjt  festen,  meit  barin  bie  erfte 
Spur  5u  finben  ift  üon  bem,  menngteid)  nodj  fet)r  uorfidjtigen, 
©ingefjen  ber  Shirt!  in  ben  poetifdjen  öntjatt,  unb  biefe  nidjt 
blo3  beim  ^edjnifdjen  beS  2öerfeö  ftetjen  bleibt,  mie  geitübtid). 
@§  ift  nidjt  unioatjrfdjeinlid),  bafc  ber  (Sompouift  burdj  ben 
djaraüteriftrenben  SSeifat;  „pathetique"  bem  SMtifer  ben  SBeg 
ge5eigt,  t)at  bort)  biefer  35eifat>  —  ber  §uüörberft  ber  Sonate  in 
C  moll,  Op.  10,  megen  entfrtjieben  traftigerer  Uebereinftimmung 
im  Gtjarafteriftifdjen  ^mifdien  bem  lften  unb  3ten  Sat;,  gebührt 
ptte")  —  fomotjt  auf  Äünftfer  mie  auf  ben  gefammten  Dilettantin 
mu$  eine  übermättigenbe  3Birfung  ausgeübt,  meil  er  eine  greife 
bare  £)anbr)abe  barbietet.  28a3  fagt  nun  motjt  bie  ®rttif  im 
Februar  1800  über  biefeg  Sßerl?   23udjftäb(idj  fotgenbeS: 


57)  Das  dürfte  eine  von  den  ästhetischen  Unglaublichkeiten  sein,  an 
denen  das  Schindlersche  Buch  nicht  gerade  arm  ist;  also:  das  Finale 
von  op.  10, 1  und  das  Finale  der  Sonate  Pathetique  sollen  im  Charak- 
teristischen übereinstimmen !  In  op.  1 0,  wo  das  bei  aller  straffen  Kürze 
überaus  leidenschaftliche  Finale  in  Prestissimo-G angart  steht  —  und 
beim  Finale  der  Sonate  Pathetique  in  4/4-Gangart!  —  Das  geht  nicht 
an!    Eine  Charakterzusammenstellung  bei  8/8-  und  4/4-Takt!    A.  d.  H. 


—     100     — 

„9?idjt  mit  Unrecht  fjeiftt  biefc  motjtgefdjriebene  (Sonate 
pattjetifdj,  benn  fie  üjat  mirfüd)  beftimmt  teibenfdjaft- 
tid)en  Gfjarafter.  @b(e  ©djmermuttj  fünbigt  fidj  in  bem  cffect^ 
botteu,  it>of)(  itnb  ftiefjenb  mobutirten  ©raüe  au§  C  moll  an, 
ba%  ben  feurigen  3föegro^@a^,  ber  biet  [tarfe  23eroegung  be§ 
ernften  ©emütt)3  anSbrüdt,  bisweilen  unterbricht.  Sn  bem 
Stbagio  au3  As-dur,  ba§  aber  nidjt  fdjtebbeub  genommen  roerbeu 
mufj,  unb  fomorjt  fdjöne  füeftenbe  9J?etobie  al§  9CRobufation  uub 
gute  Semegung  i)at,  miegt  ba§  ©emüttj  fidj  ein  in  Smutje  unb 
Stroftgefütjt,  au§  roeldjem  e3  aber  burd)  ba$  9?onbo  in  bem 
erften  i£on  be§  Megro,  in  beibertei  Sinne  be§  9£ort§,  toieber 
gemedt  mirb,  fo  hak  atfo  baS  ber  «Sonate  -jum  fcmbe  gelegte 
§aubtgcfüiyt  burdjgefüfjrt  mirb,  moburdj  fie  fetbft  (Sinljeit  unb 
inneres  Seben,  atfo  mirftidj  äfttjetifdjen  2Serit)  erhält.  So 
etma§  rjon  einer  Sonate  jagen  511  lönnen,  borau<§gefet$t,  mie  tjier 
ber  %aü  ift,  baft  jebeä  übrige  Gsrforbernifj  ber  muftcatifdjeu 
^unft  nidit  unerfüllt  gelaffen  ift,  bemeifet  offenbar  für  it)re 
Sdjöntjeit.  ©a3  ©injige,  roa§  9?ec.  einem  23eett)oben,  ber 
motjt  fetöer  erfinben  unb  neu  fetjn  fann,  menn  er  miß,  gerabe 
nidjt  a(§  £abet,  nur  als  Sßunfdt)  mehrerer  sßottfommentjeit  an= 
redjnen  möcijte,  märe,  ba^  ba§>  SUjema  bom  9ionbo  ju  biet  bon 
einer  Steminifcenj  an  fidj  tjat.  SBotjer?  fann  SfJecenfent  fetber 
nidjt  beftimmen,  aber  neu  ift  ber  ®ebanfe  menigfteuS  nidjt." 

9Bie  ber  Sefer  au§  biefen  menigen  SBeifbieten  erfietjt,  fo 
fann  ber  fortbauernbe  Äambf  unferS  3fteifter§  mit  bem  Sitten, 
(tfemoljnten,  ©ingetebten  allein  burd)  bie  Sritif  ber  (Spodje  gur 
?(nfdjauung  gebradjt  merben.  Sie  mar,  mie  natürtid),  it)r  §(u§= 
brud,  unb  nicfjt  bergeffen  barf  mau,  baf3  biefe  ßboctje  bie  tarnen 
^atjbn  unb  S£Ro§ar t  trägt. 

©af?  bie  Äritifen  in  ber  ?tt(g.  9Jhtf.  ,ßtg.  a^ier  niemals 
bie  ©ren^tinie  be§  Stnftänbigen  unb  5tdjtung§boüeu  gegen 
93eett)oben  überfdjritten,  fetbft  in  ber  sroeiten  Sßeriobe,  mo  nod) 
biet  fdjärfere  §u  finben,  baf}  fie  niemals  fo  gelautet,  mie  ein 
$Beettjoben=(Sntfjnfiaft  neufter  3e^  au^ufagen  fidj  erlaubte,  menn 


—     107     — 

er  unter  embern  anführt:  „Söunberbinge  lieft  man  bort  Dort 
ber  „„^mpertineng""  be3  „„talentlofen  jungen  ganten,""  ber 
ftdj  in  ben  „„tottften  Söigarrerien  roie  jutn  §olme  ber  Äunft 
ergebt,""  barf  üerfidjert  merben.  SSorftefjenbe  23eifpiefe  geigen 
ba§,  unb  alfo  lautet  bie  2lu§brud3tt)eife  in  alten  übrigen. 
Jöeetljoüen'iS  SBerfjatten  gegen  bie  Stritif  im  allgemeinen  ift  un§ 
bereits  6e!annt.  (£§  ift  ein  fotdjeS,  loie  man  e§  üon  einem 
fetbftbemuftten  ^ünfller,  ber  fid)  ein  r)ot)eö  3iel  geftedt,  nid)t 
anberö  erwarten  mirb.  2)ennod)  motten  mir  e3  if)tn  nidjt 
befonberg  üerargen,  menn  iljn  bie  oft  fefjr  unfreunbtidjen  unb 
ftrengen  Urteile  be§  leipziger  %xxbvmalä  gumeiten  berftimmt 
Ijaben  foltten,  meil  fie  feinen  ©egnern  SBorfdjub  geleiftet.  Sit 
melier  SSeife  aber  er  ftcf)  mieber  gu  faffen  Oerftanb,  geigt  eine 
Stelle   ait3   feinem  Briefe   öom    15.    Sanitär   1801    an    ben 

Verleger  ^ofmeifter,  barin  er  ftcf)  über  bie  „ÖeipgigerD " 

ausläßt.  (£r  fdjreibt:  „Saffe  man  fie  boefj  nur  reben,  fie  merben 
gettnfj  niemanb  burefj  iljr  ©efcfjmät;  unfterbtief)  maetjen,  fo  tuie 
fie  autf)  niemanb  bie  Unfterbtidjleit  nehmen  merben,  bem  fie  t»om 
2lpolt  beftimmt  ift."  §ofmeifter,  ber  biefe  §(nmerfnng  mal)rfcfjein= 
lid)  proüoctrt,  err)ä£t  barin  gugteid)  etmaö  Slröftitttg.  Sm  ©angen 
fabelt  aber  bie  „Seipgiger  £> "   nur  itjre  ^füdjt  gettjau. 

©nbtid)  nod)  bie  furggefajste  <Sd)itbernng  oon  33eett)oüen'£ 
^latiierfpiel  au§  bem  Safjre  1798,  mie  fie  auf  <S.  525  beö 
erften  Saf)rgang§  ber  3tltg.  Sftuf.  3*9-  au§  ^en  gegeben  ift: 

„QSeettjoüen'iS  (Slabierfpiet  ift  äufjerft  brillant,  bod)  meniger 
beticat,  unb  fdjlägt  gumeilen  in  ba$  Unbeittlidje  über.  (Sr  geigt 
fiefj  am  alleruortfjeiltjafteften  in  ber  freien  ^tjantafie.  Unb  tjier 
ift  e3  mirftid)  gang  aufjerorbentlid),  mit  tuelctjer  Seicfjtigfeit  unb 
gugleidj  geftigleit  in  ber  Sbeenfolge  $8eett)oüen  auf  ber  ©teile  jebeä 
ifjm  gegebene  £t»ema,  nidjt  etma  in  ben  giguren  oariirt  (momit 
mancfjer  SSirtuofe  ©tfief  unb  —  Söinb  macfjt),  fonbern  mirtlid)  au§= 
füljrt.  (Seit  SKogart'S  £obe,  ber  mir  f)ier  nod)  immer  ba§>  uon 
plus  ultra  bleibt,  Ijabe  id)  biefe  SCrt  be§  ©enuffeS  nirgenbä  in  bem 
9ftaf$e  gefunben,  in  metdjem  fie  mir  bei  Seetfjooen  guSfjeit  mürbe." 


3tt>eite  ^eriobe* 
33on  1801  bis  @nbe  1814. 

9?i$t8  bon  Zufiel 

Sßeeifjoben  an  SBegeler. 

SBor  Sßieberaufnaljme  be3  Ijiftorifdjen  gaben3  mirb  el 
notljmenbig,  einen  93üd  auf  ben  3?reunbe3frei§  §u  roerfen,  bon 
bem  ber  grofje  s?J^etfter  bei  beginn  biefer  ^eriobe  umgeben 
gemefen.  9Iud)  folt  fogieid)  auf  bie  3)auer  biefe§  freunbfcfjaft= 
liefen  Vereins  unb  feine  SBedjfetfätle  Sebadjt  genommen  werben, 
um  fpätert)in  ben  ©egnern  ©eetijoüen'S  aud)  in  biefem  Sßuncte 
ermibern  p  rönnen. 

?lu3  ber  oorauSgegangenen  Sßeriobe  rennen  mir  bereite 
ben  dürften  Start  2ict)nom$h)r,s)  als  Oäterüdjen  greunb  unb 
©önncr  be§  jugenblitfjen  8Mfter§,  —  gleichzeitig  t)atte  fid)  it)m 
aud)  beffen  ©ruber  ©raf  SRorig  2id)nom3ft)  angefccjfoffen. 
(Sin  dritter  mar  ber  taif erliefe  £)of=<2ecretär  9cifolau§  oon 
ßmeSfall.  —  tiefer  $rei3  toergröijerte  fid)  5«  Stnfang  biefer 
^ßeriobe  burd)  ^in^ntreten  be3  ©rafen  5ranä  Don  33*un3* 
mief,50)  83aron  Sofept)  oon  ©teidjenftein60)  unb  Söaron 
s^a§qua(ati.ü])  gumacljS  *)atte  er  bereits  burc^  bie  im 
5rüt)(ing    oon    1800    erfolgte   Slnfunft    oon    ©tepfjan    oon 


58)  Der  in  Beethovens  Leben   so   außerordentlich   einflußreiche 
Fürst  Carl  von  Lichnowsky,  geb.  1742,  starb  bereits  im  Jahre  1814. 

A.  d.  H. 

59)  Dieser  intime  Freund  des  Meisters,  etwa  9  Jahre  jünger,  ist 
im  Jahre  1779  geboren.  A.  d.  H. 

60)  Freih.  v.  Gleichenstein,  geb.  ?  A.  d.  H. 

61)  Baron  v.  Pasqualati,  geb.  ?  A.  d.  H. 


—     109     — 

93reuning62)  au3  Sonn  ertjatten,  ber  in  ber  9lbfid)t  nad) 
SBien  getommen,  um  in  ben  öftreidjifdjen  ©taatöbienft  3U  treten.*) 

SSon  gadjmufiiern  gehörten  biejem  engeren  $reunbfd)aft3= 
frei3  nur  ätoei  an,  nämtid)  ber  fdjon  früher  genannte  Sgnas 
(Sctjuppangigt)  unb  ber  at<§  Sinter,  ßomponift  unb  Äritifer 
bekannte  unb  bamatS  fet)r  gefdjä^te  g.  9t.  Äannc.63)  Sfadj 
gerbin anb  9lie§64)  mufe  biefem  Greife  ^ugefeKt  toerben.  @r 
fam  im  §erbfte  be§  SaljreS  1800  al§  fiebenje^n jähriger  3üng= 
(ing  nad)  SBien,  um  bei  [einem  2anb3manne  Seetijooen  Unter* 
rtdjt  im  (Staöierfpiel  gu  nehmen.  Sn  ber  gmeiten  §ätfte  biefer 
^eriobe  fetjen  mir  biefen  ÄretS  nod)  um  $mti  SDcitgtieber  oer= 
metjrt:  Dfioa05)  unb  farl  5öernarb,66j  erfterer  $f)itotog, 
ber  anbere  ©idjter  unb  bettetriftifdjer  ©ctjriftftetter.  2tlte  tiefe 
(benannten,  mit  2tu§nai)me  be§  dürften  unb  gerb.  9frie§,  ftanben 
mit  bem  Xonbidjter  faft  im  gleiten  2ttter.  tiefer  Slreiö  erlitt 
in  ber  §u  befpred)enben  ^ßeriobe  nur  burct)  Slbreife  öon  9iie3 
1805  eine  Sßeränberung.  3m  Safjr  1808  fam  berfelbe  auf  ber 
fRüdreife  au§  SRufctanb  mieber  nad)  äöien,  oermeitte  jebocf)  nur 
menige  SDconate  bafetbft. 

Stufeerfyalb  biefem  Greife  ftanb  ein  ©djmarm  üon  Äunft* 
freunben  unb  SSemunberern  beö  neuen  ®efiirn§,  beftiffen,  e§ 
alter  Orten    51t   umgeben,    um,    hrie    e§    bei   gtänjenben   @r= 


*)  (Sin  innige^  greunbfdjaftäüerbältnijj  beftanb  ännfcben  öeetboüen 
nnb  2tmenba,  einem  Surtänber,  ber  aber  fcf)on  um  1799  SBien  öerlaffen, 
um  in  ber  £>eimatf)  eine  ^afiorat  anzutreten,  ©r  mar  ein  guter  ÜDiufifer 
unb  fdjrieb  felbft  Quartette.  Sie  legte  (Sorrefponbenj  mit  biefem  Wanne, 
bie  nodb  norbanben,  batirt  au§  halfen,  20.  Wäx$  1815.67) 

62)  Der  treue  Stephan  von  Breuning  überlebte  den  Meister  nur 
um  ein  Jahr;  er  starb  1828.  A.  d.  H. 

63)  F.  A.  Kanne,  geb.  1774,  gest.  1833.  A.  d.  H. 

64)  Ries  ist  geb.  1784.  A.  d.  H. 

65)  Oliva,  geb.  ?  A.  d.  H. 

66)  Bernard,  Carl,  geb.  ?  A.  d.  H. 

67)  Diese  Briefe  an  Carl  Amenda  nebst  erforderlichen  Erklärungen 
stehen  in  B.  S.  Br.  No.  435  u.  f.,  II.  Band.  A.  d.  H. 


—     110     — 

fdjeinungen,  üornef)m(id)  auf  bem  ©ebiete  ber  SÜcufif,  allzeit 
ber  $ail,  feine  <Snmpatt)ien  burd)  9iatf)fd)täge  unb  allerlei 
Semonftrationen  gu  betEjätigen. 

$rägt  e£  fid),  06  bie  genannten,  bem  Slbelsftanbe  an= 
gehörigen  $reunbe  in  muficatifdjer  S9e§ieE)ung  eine  Sßebeutung 
gehabt,  fo  nriffen  mir  bereite,  \)a%  $ürft  Sidjnomöfn  SWojari » 
ßögting  gemefen.  ©teidjeä  rütjmte  fidj  fein  23ruber.  ©eine 
9(u3bilbung  auf  bem  Sßianoforte  mar  eine  fünftterifdje.  @raf 
SßrunSmid,  ber  ungarifdje  9J?agnat,  unb  Don  QmtätaU,  maren 
Viotoncelliften,  erfterer  einer  ber  aufeerorbenttidjften  im  Quartett. 
$on  biefem  feltenen  Spanne,  feinem  SSerfjättni^  5U  Sßeetfyoöen 
unb  5U1*  'Jonfunft,  mirb  nod)  miebertjott  bie  Siebe  fenn.  SBeniger 
fünftterifd)  gebilbet  maren  bie  beiben  33arone  (§err  Don  ©teid)en= 
ftein  mar  im  ©rofjfjeräogtljum  S3aben  begütert,  $ßa§quatati  ©roJ5= 
fjänbter  in  3Sien),  aber  and)  fie  fonnten  ba$  ©epräge  ädjter 
itünftternaturen  in  feiner  SSeife  üertäugnen.« 

£)afj  23eetf)ot>en  ba%  Anbeuten  an  biefe  üortrefftidjen  SOMnner 
für  alte  3e^  bema^rt  miffen  mottle,  mödjte  raofjl  auS  feinen 
Sebicationen  gu  entnehmen  fetjn.  S)em  fürftürfjen  greunbe  unb 
©önner  finb  öier  SSerfe  gemibmet,  barunter  fein  Dpu§  1,  bie 
brei  S£rio'3,  bie  Sonate  pathetique,  bie  (Sonate,  Op.  26,  unb 
bie  gmeite  «Sinfonie.  2)em  ©rafen  Sidjnotttöft)  finb  bie  $ünf= 
jetjn  Variationen,  Op.  35,  unb  bie  «Sonate,  Op.  90;  bem 
©rafen  23run3mid  bie  Sonate  in  F  moll,  Op.  57,  unb  bie 
gantafie,  Op.  77;  bem  SBaron  ©leidjenftein  bie  (Sonate  mit 
ViotonceH,  Op.  69;  bem  Saron  Sodann  üon  $a3quafati  ber 
(£tegifd)e  @efang,  Op.  118;  bem  (Stefan  öon  Sßreuning  ba§ 
ViotimGoncert,  Op.  61;  unb  bem  £>of=(Secretär  oon  gmeSfatt 
\)aZ  Quartett  in  F  moll,  Op.  95,  gemibmet. 

2)en  dürften  aufgenommen,  ber  fdjon  1814  ba§>  3eittid)e 
gefegnet,  tjaben  bie  anbern  SDfänner  alte  unfern  2onbid)ter 
überlebt  unb  maren  mir  alle  perfonlicf)  raof)(  befannt,  tt)ettv 
befreunbet.  ÜHit  bem  ©rafen  Sidjnomäfn  ftanb  id)  in  ftetem 
Verfetjr;   in  unmittelbarer  9cäf)e   beö  ©rafen  Srunsmid   der* 


—   111   — 

(ebte  id)  bie  beiben  SBinter  bon  1828  unb  1829  gu  $eftf),  mit 
®cmne  unb  ©djuppanjiglj  führten  micfj  bie  gemeinfamen  mufi* 
caüfdjen  Sntereffen,  fpe^iett  bie  Sntereffcn  $eetljou>en'3  §ufamraen. 
3)iefe  Scanner,  tüte  aud)  befonber§  nod)  Stephan  bon  23reuning, 
gelten  alz  bie  tebeubigen  Quellen,  auZ  baten  id)  einen  großen 
£f)eit  beö  bor  beginn  meiner  perföntidjen  SSe^ietjungen  51t 
23eetf)Oben  ßui'üdiiegenben  geköpft  fjabe. 

Sine  Umgebung  au§  lauter  gebUbetcn,  fid)  gegenfettig 
adjtenben  unb  bem  £onbid)ter  in  Siebe  unb  Xreue  ergebenen 
Männern  fonnte,  fefbft  bei  aufteilen  borgefommenen  9J?einung§= 
berfd)ieben()eiten,  nid)t  rootjt  geeignet  febn,  bie  £)inge  um  ifm 
tjerum  51t  trüben  ober  gar  5U  berroirren  unb  baburd)  Stnlafe 
ju  geben,  baZ  ljarmonifd)e  SBerJjältnijj  sunädjft  jum  SWadjtfjeUe 
öeettjoben'g  feCber  51t  ftören.  5(ud)  bie  auf$erfjal6  biefeä  Greifes 
9ftitrebenbeit  bermod)ten  nur  in  fo  toeit  gefä^rlict)  §u  merben, 
alz  biete  fö'öpfe  unb  biete  ©inne  fetten  eine  <&ad)e  gutn  ©uten 
führen.  2Ba§  mar  e§  atfo  benn,  ba3,  ungead)tet  eine§  fo 
ftarfen  SBoHmerfö  um  bie  $ßerfon  be§  großen  äfteifterä,  bennod) 
im  ©tanbe  gemefen,  bie  2)inge  ^u  bermirren  unb  it)n  fetber 
in  baZ  angerichtete  SSirrfat  f)inein  ju  gießen  V  2ßa§  mar  e§, 
baZ  fogar  bie  guten  unb  uneigennützigen  ©inmirfungen  foldjer 
J^reunbe,  mie  mir  fie  ehm  fennen  gelernt,  51t  ©djattben  gu 
machen  unb  biefe  auf  fürjere  ober  längere  £>auer  au»  SSeetrjoben'S 
9xät)e  ^u  entfernen  raupte?  (£in  Sörüberpaar  mar  eS,  bem 
Sfteifter  burdj  35anbe  ber  Sföatur  angefjörenb.  $n  bemfetben 
bereinigte  fid)  in  $otge  fcfyiefer  Stnficfjten,  geftiff entließen  2Biber= 
fprud)3,  §eud)e(ei  unb  ^ntrigue  eine  Wlad)t,  bie  burd)  bösmitlige 
©trebungen  bie  $ürforge  jener  Scanner  für  ben  $reunb  teicfjt 
51t  nidjte  machen  tonnte,  unb  mirfiid)  oft  gemad)t  t)at,  nietet  immer 
aber  otjne  taute,  aggreffibe  93efet)bung  ber  Parteien  unter  einanber. 

Offenbar  rjat  bie  üftatur  ein  fettfameS  ©piet  gefpiett,  alz 
fie  bem  f)od)finnigen,  öon  ber  9ftufe  ber  £ontunft  gemeinten, 
aber  nad)  einigen  (Seiten  Ijin  fdjmacfjeu  33eetr)oben  ein  S3rüber= 
paar  ^gefeilte,  baö  bon  gemeinem  Mmergeifte  beljerrfdjt  feiner 


—     112     — 

f)öf)eren  Üiegung  fätjig  geluefeu.  $n  biefem  Sörüberpaar  fefjen 
mir  bie  §tx>ei  ben  £onbid)ter  beüormunbenben  Sßerfonen,  auf  bie 
bereite  in  ber  erften  ^eriobe  rjiugebeutet  morben.  £er  ältere 
biefer  Vorüber,  Sart,  geb.  1774,  folgte  alöbatb  bem  Gomponiften 
in  bie  Äatfcrftabt  nad),  mo  er  burdj  beffen  Sermenbung  eine 
StnfteÜung  an  ber  9?ationa(--93anf  ermatten.  2>er  jüngere, 
Sodann,  geb.  1776,  nafym  aud)  feinen  2Beg  nad)  SBien,  nad)= 
bem  er  in  Sonn  bie  ?lpotf)eferfunft  erlernt  rjatte. 

Um  bie  (Sinnesart  biefe§  23rüberpaar3  bem  oben  bezeichneten 
greunbe§f reife  gegenüber  mit  einem  SSorte  au^ubrüden,  merbe 
it)m  bie  Benennung  „böfeS  ^Srincip"  beigelegt.  2(n  23egrünbung 
tiefet  Gijarafteriftifdjen  roirb  e§  in  biefer  ©djrift  rtict)t  fetjten. 
ßunädjft  fotl  gerbinanb  9?ie3  gehört  merben.  (Sr  fagt  auf 
©.  97  feiner  btograpfjifd)en  S^otijen:  „23efonber§  bemühten  fidj 
feine  33rüber,  alte  näheren  Jyreunbe  oon  iljm  fern  $u  tjatten, 
nnb  mag  biefe  aud)  immer  ©d)tedjte3  gegen  iljn  trieben,  moüon 
man  il)n  üotlftänbig  überzeugte,  fo  foftete  e3  itjnen  nur  ein 
$ßaar  Xrjränen  unb  gleid)  Oergaf3  er  alte3.  (Sr  pflegte  bann 
gu  fagen:  „ßö  ift  bod)  immer  mein  Vorüber,"  unb  ber  greunb 
befam  $ormürfe  für  feine  ©utmütrjigreit  unb  Offenheit.  2)et 
^raed  ber  SSrüber  mürbe  in  ber  Strt  erreidjt,  ba$  fid)  üiefe 
greunbe  oon  iljm  äurüd^ogen,  befonberS  al§  e3  feiner  £art= 
fjörigfeit  megen  fdjmieriger  mürbe,  fid)  mit  iljm  gu  unterhalten." 

3u  ziemlid)  flarer  Stnfdjauung  ber  53eüormunbung  33eet= 
fjooen'il  burdj  feine  ©ruber  mirb  bie  9ftittrjei(ung  eineä  23riefe3 
oon  ber  £anb  be3  älteren  üerljetfen,  beffen  SBortlaut  mor)t  at(e§ 
bekräftigt,  ma3  in  biefem  ^Betreff  Oon  roem  immer  auSgefagt 
mürbe,  tiefer  ©rief  ift  bie  ©rmieberung  auf  eine  Oon  ber 
Sotjann  Slnbre'fdjen  Sftufiftjanblung  gu  Dffenbadj  an  unfern 
£onbid)ter  geridjtete  anfrage  um  neue  Sftanufcripte  jur  §erau£= 
gäbe  in  itjrer  Offizin.  2)a§  Original  befinbet  fid)  in  ber 
2(utograpl)en*<2amm(ung  ber  grau  ©et(i=©ontarb  $i  ^xanU 
fürt  am  Sttain,  bie  e£  mit  biplomatifdjer  ©enauigfeit  eigen* 
fjänbig  copirt  tjat.    2)er  Wortlaut  ift  folgenber: 


—     113     — 

SBien  am  23.  9?ooemb.  1802. 
(Suermof)f  gebotener! 

§aben  un§  neufidj  mit  einem  ©djreiben  beehrt,  unb  bett 
Sßunfd)  geäußert  einige  2J?ufifa(ien  uon  meinem  23ruber  ju 
befitjen,  mofür  mir  ifjnen  fe^r  banfen. 

(Gegenwärtig  fjaben  mir  aber  nid)t§  al3  eine  Simphonie 
bann  ein  grofeö  Bongert  für  Planier,  für  bie  erfte  ift  300  ft, 
für  ha§>  gmeite  aud)  fo  öiel,  wollten  ©ie  3  Sltaüierfonaten,  fo 
!önnte  idj  biefe  nid)t  anberS  at§  900  ff  geben,  atte§  in 
3öienermät)r.,  aud)  biefe  tonnen  ©ie  nidjt  auf  einmal  er- 
Ratten,  fonbern  alle  5  ober  6  SBodjen  eine,  Weil  mein  35ruber 
ficf)  mit  fotdjen  Äleinigfeiten  nidjt  oiet  metjr  abgiebt  u.  nur 
Oratorien,  Opern  :c.  fdjreibt. 

£>ann  bekommen  mir  aud)  nod)  oon  jebem  ©tüd  ma£  ©ie 
üieteid)t  ftedjen  werben  immer  8  Exemplar.  Stuf  jebem  $at( 
aber,  bie  ©tüde  mögen  Sfjnen  gefällig  fetjn  ober  nidjt,  bitte 
idj  um  Antwort,  weil  id)  fonft  aufgehalten  mürbe  ©ie  an 
jemanb  anbern  gu  oerfaufen. 

Studj  tjaben  mir  nod)  2  Adagio  für  Violin,  unb  ganger 
Snftrumentatbegteitung,  metdje  135  fl  foften,  bann  aud)  nodj 
2  {(eine  leidjte  Sonaten  mo  jebe  nur  2  ©tüde  tjat,  me(d)e  um 
280  ft  51t  Sfjren  ®ienften  ftetjen.  ©onft  bitte  id)  alles  fd)öne§  an 
unfern  greunb  ®od)  gu  fagen.  St)r  unterttjänigfter 

Ä.  0.  93eet§ouen  l  t 
ßaffenbeamter. 

©rängt  biefeS  ©d)riftftüd  nictjt  gu  Kommentaren  ber 
fettenften  9Irt?  3ße(d)e  (Snttäufdjung  —  ben  erhabenen  £on- 
bid)ter  oon  einem  fo  gemeinen  ©djadjerer  beoormunbet  fefyen 
gu  muffen!  2)ie  SBinbbeutetei  barin  oon  „foldjen  Äleinigfeiten," 
—  „nur  Oratorien,  Opern,"  menngteid)  mefyr  als  täd)er(id),  miegt 
bod)  gegen  bie  ©efinnung  be§  (Gangen  ntd)t  fdjmer.68)    Sin  Opern 

68)  Das  Urteil  Schindlers  über  die  Brüder  des  Meisters  ist  nicht 
ohne  scharfe  Irrtümer,  wie  es  sich  noch  zeigen  wird.  Die  guten 
Seiten  beider  sind  nicht  genügend  hervorgehoben.  A.  d.  H. 

81.  Sambiers  58eetf)o&ert»93togrol>fjie.  g 


—     114     — 

fjatte  Seetfjoüen  1802  nodj  faum  gebacrjt,  unb  e6en  mocfjte  er 
mit  Aufarbeitung  ber  ©antäte  „S^rtftuS  am  Cetberg"  be= 
fcfjäftigt  geroefen  fetjn.  2öie  öiele  Briefe  ärjrttic^en  3nf)att§ 
mögen  nitfjt  bie  Slufmerffamfeit  auf  bie  gu  SBten  in  muftcalifcfjen 
9ttanufcripten  madjenbe  girma  ber  ©ebrüber  S3eett)onen  erregt 
{faben ! 

(£g  begreift  ftdj  nun  roofyl,  bafj  bie  Summe  be3  Un- 
angenehmen unb  SBiberiüärtigen  jegtid)er  2lrt,  bie  ftdj  im  Saufe 
ber  ßeit  burd)  ba§>  9J?ebium  be§  böfen  $rincip§  um  ben  9J?eifter 
angehäuft,  eine  grofje  geroefen  fet)n  muffe,  unb  barum  allein 
fdjon  geeignet,  ba§>  ©efcfjäft  beö  Siograprjen  im  f)ol)en  ©rabe 
ju  erfahrneren.  ®e3rjatb,  aber  nocfj  au3  tiefer  liegenben  ©rünben, 
fief)t  er  ficf)  bemüßigt,  biefe  3uf^rtbe  unb  23errjä(tniffe  fo  oief 
tfjunlid)  toie  ^öaHaft  %u  berjanbeut,  unb  fid)  an  bie  beffere  Seite 
ber  (Srfdjeinungett  in  be§  9)tofter3  Seben  unb  SSirfen  galten 
ju  motten;  benn  bortf)er  bürfte  für  bie  ättufifroelt  ein  größerer 
©emiun,  für  bie  $3eret)rer  aber  ber  SSeetljoüen'fdjen  Stonmufe 
mefjr  Sntereffe  gu  errieten  fenn.  @§  mirb  nur  uorrjer  bie  aü= 
fällige  $rage  gu  beantmorten  fetjn,  mie  ficf)  morjt  23eetf)ooen  für 
fein  Xtjeit  in  biefen  materiellen  ©efdjäft^angelegen^eiten  üer= 
tjatten  fyabe?  2Sie  ©iner,  ber  fotd)en  Singen  ftet3  ben  dürfen 
3ufet)rt,  meil  ifjm  bie  9ktur  jebe  Begabung,  jebe  (£inftd)t  barein 
uermeigert  f)at;  barum  mirb  ber  fid)  Sßorbrängenbe  leid)te£ 
Spiel  rjaben  unb  biefen  Mangel  an  (Sinfidjt  bei  jeber  ©elegen* 
Ijeit  ju  mi^braudjen  üerfterjen.  3(ud)  biefe  fd)tuad)e  Seite  an 
unferm  äHetfter  rennen  mir  bereite  fo  giemlid)  auö  ber  erften 
■periobe,  bafjer  SBeitereä  barüber  rjier  mofjl  überflüffig  märe. 
21  Hein  biefer  3uf*an0  oer  ®ingc  bleibt  nid)t  immer  berfelbe. 
ßu  2lu§gang  ber  brüten  Sßeriobe  mirb  ber  Sefer  öietfeidjt  nicfjt 
ot)ne  (Srftaunen  erfahren,  nm3  ber  grofee  9tteifter  in  ber 
§anbel!?fd)ule  feiner  S3rüber  gelernt  unb  mit  §ülfe  eine§ 
gefd)idten  9ied)enmeifterg  tf)eil§  au3gefüt)rt,  trjeilS  auszuführen 
terfudjt  t)at. 


—     115     — 


Sftacf)  biefem  gebrängten  $orberid)t  mit  ben  rjernortretenben,  1801. 
Seben  unb  Sunft  berürjrenben  ^Begebenheiten  biefer  ^Seriobe  be= 
ginnenb,  fällt,  aU  eine  ber  bebeutenberen,  bie  (Sntftetjung,  refp. 
2luffüt)rung  be§  23atfet3:  £>ie  @efcfjöpfe  be§  Sßrometrjeu'ä 
gu  aüererft  in  bie  Stugen.  2)er  SSerfaffer  befanb  fidj  in  ber 
erften  StuSgabe  biefer  (Schrift  im  Srrtfjum,  inbem  er  bie  erfte 
Stuffübjrung  biefeS  2öer!e§  um  ^mei  Sarjre  gurüd  oerfettf  rjat. 
@S  gefdjat),  med  alte  9?ad)ricfjten  barüber  fcfjmanften  nnb  3Us 
nerläffigeS  nicfjt  aufjufinben  mar.  S)a  lieft  fid)  r>or  fur^em  un= 
t)ert)offt  ein  X^eater^ettet  au§  bem  Saljre  1801  auffinben,  ber 
nidjt  nur  ba§>  SJatum  ber  er[ten  5tuffür)rung  bieje§  2kltet§  an- 
gibt, fonbern  pgteicfj  conftatirt,  bafj  baffelbe  mit  23eetrjor>en'§ 
Sftufif  roirHid)  in  @cene  getuefen,  morüber  3toeifef  erhoben 
morben  maren.  SBieberum  ein  fprecrjenber  $Bemei3  metjr,  mie 
fogar  Verbriefte  rjiftorifdje  £atfad)en  am  fetten  £age  üerloren 
getjen  fönnen,  fo  bajj  fctjon  in  ber  nädjften  ©podje  it)re  jemeitige 
@jiften§  beftritten  mirb.  2>a§  auffinben  biefe§  unmibertegticfjen 
3eugen,  nebft  beigetjenben  fjiftorifdjen  unb  int)altttcf)en  5(n= 
merfungen,  berbanfen  mir  bem  §errn  Dr.  Seopotb  ©onn= 
teit^ner,69)  §ofri(^ter  (Suftijamtmann)  be§  23enebictiner*8tift§ 
„5U  ben  ©Rotten "  in  SBien. 

ßufotge  biefe§  grauen  3euQen  uno  bw  t>om  genannten  @e= 
roäfjr§manne  beigegebenen  Zotigen  fjatte  bie  erfte  Stuffürjrung 
am  28.  9tfär§  1801  im  £ofburg=%rjeater  (Statt.  $n  biefem 
unb  aud)  im  fotgenben  Satyr  marb  ba%  Söallet  nod)  giemlid)  oft 
aufgeführt.  SSeiterfjin  berfdnt-anb  e3  für  biete  Satjre  unb  tarn 
erft  roteber  am  18.  Sftoüember  1843  im  $ärntnertrjor=£t)eater 
unter  bem  uormatigen  'Sitel  —  „in  2  5(ften  unb  6  ?lbtf)ei= 
lungen"  —  §um  SBorfdjein,  unb  §mar  mit  9ftufif  öon  33eet= 
rjoben,  SJJoäart  unb  Sof.  £>anbn.  2lu3  SBeetfjOben'S  Partitur 
maren  nur  bie  intereffanteften  «Stüde  benu|t.    @3  erlieft  fid) 

69)  L.  von  Sonnleitner  lebte  von  1765—1835.  A.  d.  H. 

8* 


—     116     — 

roieber  mehrere  Seigre,  ferner  befagt  jene  SDfittrjeilung,  bafe  ba§ 
am  22.  Wlai  1843  gu  9ftai(anb  im  Xbjeater  Alla  Scala  ge= 
gebene  galtet  unter  gleichem  Xitel  öon  Salvatore  Vigano,  in 
|)anblung  unb  Bearbeitung  öon  ber  erfteu  SSiener  Bearbeitung 
roefenttid)  abmeicfje.  Sind)  tjiesu  mürbe  $eett)oüen'3  9ttufif  be= 
nu£t,  aber  mit  (Sinfd)a(tung  mehrerer  Xonftüde  öon  Sof.  £at)bn 
unb  anberen  9J?etftern. 

2)ie  Aufarbeitung  ber  ^artitur  §u  biefem  d)oräograöl)ifd)ett 
Sßerfe  be§  bamatigen  Balletmeifierg  am  §of=£tjeater,  ©aloatore 
Bigano,  folgte  bemnaef)  unmittelbar  ber  erften  (Sinfonie.  £afc 
biefe  9ttufif  feit  bem  Burütf legen  beö  Mets  (1802)  bei  2eb* 
geiten  be§  (Eomöontften  nid)t  roieber  gehört  roorben,  ift  befannt. 
&efto  öfter  ift  ber  Duöerture  bie  (£rjre  roiberfaf)ren,  bie,  ben 
leid)t  au^ufürjrenben  Duüerturen  öon  SO^art  beigefellt,  öon 
ben  SSiener  Drdjeftern  in  jebem  Safjre  un^ä^lige  9J?at  öor= 
getragen  rourbe.  $d)  erroälme  biefe§  an  fiel)  toot)t  gleichgültigen 
$aüe3  nur  barum,  um  bie  fdjtimme  SBirfung  eines?  einzigen 
21ccorb3,  unb  groar  beffelben,  mit  bem  biefe  Duöerture  beginnt, 
anführen  gu  fönnen.  S§  ift  bod)  anmerfenSmertt),  raenn  ein  einziger 
9(ccorb  bie  3Sirl'ung  ^u  unöerfbrjnlid)er  geinöfdjaft  bei  (Sin^etnen 
im  Greife  ber  äftufifgelerjrten  §u  erzeugen  im  ©taube  getoefen. 

lieber  bie  $ata  biefeä  Slccorbä  tr-uftte  Beettjoüen  gu  ersten, 
baf$,  roaö  fid)  bis  babjin  im  ©remio  ber  alten  SSiener  Sonletjrer 
nod)  ntctjt  §u  feinen  erllärteu  (Gegnern  gejault,  biefer  Slccorb 
e§  beroirft  t)abe,  unb  groar  in  ber  ?trt,  baf$  einige  biefer  alten 
SKeiftex,  (befonberS  $reinbt  [geb.  1758,  geft.  1826],  6apeil= 
meifter  bei  ©t.  (Steötjan  unb  Sßerfaffer  eines  £ef)rbud)§  ber  2on= 
fetjfunft*)  )  ob  biefem  unerhörten,  fed  rjingefdjteuberten  gef)be= 
rjanbfdml)  in  ©eftalt  eineä  <2ecunb=2lccorb3,  irjm,  bem  öer* 
roegenen  bitter,  immerroäfjrenbe  geinbfcfjaft  gefdjmoren  unb  ben 

*)  Sarin  ttmb  aud)  nad)  alter  §au3orbmmg  gelehrt,  bafj  jebeä  Zon* 
ftücE  mit  bem  2)reiflang  auf  bem  ©runbton  ber  Sonart  anfangen  muffe, 
©ine  Slbtoeidmng  t»on  biefem  öefe£  mar  bis  auf  33eetfjot>en  nod)  nid)t  ba= 
geroefen.     C£r  beginnt  aber  biefe  £>ut>ertnre  fogar  mit  einem  biffonirenben 


—     117     — 

©ctjrour  gehalten  tjaben.  9J?an  fennt  ja  bie  Untier föf)nlicf)!eit 
ber  ©rammatifer.  Notf)  über  ba3  ©rab  f)inau§  berfotgen  fie 
ben  ©egenftanb  it)re§  §affe§.  23efonber§  tätige  ©enoffen  in 
SBefthubfung  fo(d)'  unerhörter  Neuerungen  fanb  Sofebfj  ^ßreinbt 
an  feinem  Kollegen  £>b,oni3  SS e ber70),  fbäterem  £)irector  be§ 
Sßrager  (Sonferbatortum§,  unban  9lbbe  ÜDfarjmUian  ©tabler, 
teuerer  einften§  mit  Stuart  befreunbet.  SÖeibe  t)aben  e§  in 
offener  93etambfung  ber  23eetf)oben'fd)en  Neuerungen,  überhaupt 
at§  feine  unberufenen  ©egner,  am  (ängften  aufgehalten,  lieber 
ben  5lbbe  roirb  e§  Gelegenheit  geben  nocr)  metjr  anäufüfjren, 
benn  er  fpiett  in  23e5itg  auf  SBürbigung  93eett)ot)en'fct)er  9ftufif 
in  einem  bebeutenben  Greife  bon  SDcufifern  au§  £)ab,bn'§  unb 
Sftoäart'S  @poct)e  eine  mistige  Notle.  Vorläufig  nur,  ba$  er 
unfern  Stteifter  um  fecfjS  Safyre  überlebt  fjat.  SSiel  länger  nod) 
lebte  £>t)oni3  SSeber70)  (geb.  1771),  er  ftarb  at§  f)of)er  (Siebenter. 

3lu§  bem  Safere  1802  roirb  bon  3(uffüf)rung  großer,  neuer  1802. 
SSerfe  rtictjt  bie  Nebe  febn,  bietteidjt  barum,  toeit  ftctj  ber  üfteifter 
in  borau§get)enber  $eit  bto§  mit  „Slteinigfeiten  abzugeben"  für 
gut  fanb  —  um  ben  £erminu<§  feine§  brüberlidjen  ©atf)roatter§  unb 
3$ormunb§  für  SSerfe  beizubehalten,  bie  borjugSroeife  für  bie  ©in- 
gemeinten  bie  tieffte  Sßoefie  bergen.  Qu  ben  in  biefem  3ab,re 
gebrucft  erfd)ienenen  SSerfen  §ät)(en  bie  ©onaten  mit  Biotine, 
Op.  23  in  A  moll  unb  Op.  24  in  F  dur,  bann  bie  ©onate  in 
As  dur  mit  bem  £rauermarftf),  Op.  26,  unb  über  aHe§  bie§ 
nod)   bie   beiben  ©onaten  (quasi  Fantasia)  in  Es  dur  unb  in 


Slccorb.  Seiner  Betet  unb  Sttotbio  übet  ben  ©efe^überttetet.  —  Uebetfiaupt 
etfdjeint  in  bem  ^reinbl'jdjen  Sebtbudje  (uon  Qgnoj  t>on  <5et)ftteb  untet 
bem  Xitel  „SStenet  Sonfdutle"  neu  in  2  93änben  betauSgegeben)  bie  %on- 
mijienfc&aft  auf  ein  Sttinimum  äitfammengefcbtumpft,  unb  enthält  getabe, 
ma§  ein  Söienet  Sonfefcer  füt'3  §au3  btaudjt.  Sßiel  SBiffen  mad)t  topf« 
meb.  28ie  fiele  ©etfeelbiebe  Ijat  niebt  biefe§  „Sonfe^letjtbucb,  be§  alten 
9?eicb>Gomponiften"  oon  93eetbouen  au^ubalten  gehabt!  ®amit  teüangitte 
er  fieb,  an  ben  Sßetücfenfiöcfen.  SSir  werben  nod)  öfters  bet  miener  Xon* 
roiffenfdjaft  ju  ermähnen  Ijaben. 

70)  Muß  Dionys  Weber  heißen,    f  1842.  A.  d.  H. 


—     118     — 

Cis  moll,  Op.  27,  beren  @ntftef)en  inbeß  um  ein,  ttjeUweife  um 
5»ei  Sarjre  jurücfliegt.  —  ®§  ift  intereffant  §u  rjören,  wie  bie 
Iei^5iger  Stritt!  biefe  SSerfe  beurteilt,  lieber  bie  «Sonate  in 
As  dur  unb  bie  beiben  Sonaten  unter  Op.  27  fet)en  t)ier  einige 
Sätje  barauS  angeführt,  weil  fie  ben  Spielern  bead)ten3Wertf)e 
SBinfe  gur  §anb  geben. 

(£3  Reifet  im  inerten  Saljrgang,  Seite  651  ff.: 
w$)a§  finb  bie  brei  ©ompofitionen  für  ba§>  Sßtanofortc, 
womit  §r.  b.  Q3eetrjoöen  oor  turpem  bie  auäertefenen  Samm= 
tungen  gebitbeter  SOZufifer  unb  geübter  Staoierfpieter  bereichert 
t)at.  33ereicr)ert  —  benn  fie  finb  warjre  öereidjerung,  unb  ge= 
rjören  unter  bie  wenigen  Sßrobucte  be§  jetzigen  3af)re§,  bie 
fd^tüerUd)  jemals  oeralten  werben,  unb  Don  benen  befonberS 
9?r.  3  gewi&  nie  oeralten  fann."  9Jiag  biefeö  Sßrognofticon  ben 
bamatigen  £onlel)rem  nietjt  Wot)t  wie  eine  fdjtecfjte  $rife  be= 
fommen  fet)n?  SBeiter  jebod)  in  ber  Seurttjettung:  „fftx.  1 
möchte  bod)  wofjt  fteltenweife  aKäufünfttid)  gearbeitet  fetjn.  £>a3 
folt  aber  feineSWegS  bon  bem  Waljrrjaft  großen,  büftern  unb 
pradjtüoHen  §armonie=Stürfe  gefagt  fepn,  baZ  ber  SBerfaffcr, 
um  ben  (Spieler  gteid)  auf  ben  redjten  Stanbpunct  §U  rjeben, 
übertreibt:  Marcia  Funebre  sulla  morte  d'un  Eroe:  benn 
fjier  gehört  aüe§  Schwierige  nnb  Äunftretdje  511m  2lu3brud  unb 
fotglid)  ^ur  §auptfad)e.  SBer  fid)  rjier,  fo  wie  in  Perfdjiebenen 
Stellen  ber  9fr.  2  unb  Wie  in  3  faft  gans,  über  Sd)Wierigfeit 
ber  Sbeen  ober  auet)  ber  2lu3füt)rung  befragt,  ber  gleicht  ben 
$oputarpfjitofopt)en,  bie  jebe  tiefgreifenbe  ?(bfjanbhtng  in  ber 
Spradje  einer  artigen  Gonuerfation  beim  Sttjee  toorgetragen  tjaben 
wollen." 

£>ie  SSeurttjeilung  aber  ber  Sonata  quasi  Fantasia  in 
Cis  moll  folt  faft  Wörtlid)  mitgeteilt  werben.  Sie  tautet: 
„£>iefe  ^tjantafie  ift  Don  Anfang  bi§  ^u  (£nbe  Sin  gebiegeneä 
©an^e,  mit  ©inemmat  aus  bem  gangen,  tiefen  unb  innig  auf* 
geregten  ©emütt)  entfprungen,  unb  nun  gleid)fam  au§  ©inem 
Warmorblod   genauen.    @3  ift  worjl  nietjt  möglid),  bafj  irgenb 


—     119     — 

ein  äftenfdj,  bem  bie  üftatur  nidjt  bie  innere  äftiiftt  Uerfagt  Ijat, 
nid^t  füllte  burdj  ba§  erfte  9lbagto  ergriffen  unb  allmälig  immer 
t)öt)er  geleitet  unb  bann  burdj  ba$  Presto  agitato  fo  innig  be= 
megt  unb  fo  t)odt;  gehoben  merben,  aU  er  burdj  freie  (Slaöier= 
9Jhtftf  nur  p  l)eben  ift.  SJftt  üoflfomtnenem  ©runb  finb  biefe 
beiben  §auptfä|e  in  bem  fdjauertidjen  Cis  moll  gefdjrieben: 
überall  l)at  aud)  ber  Sßerfaffer,  fo  meit  fo  @ttt>a§  mit  con= 
öentionetten  geidjen  auSgefagt  merben  fann,  ben  $or= 
trag,  unb  aud)  bie  §anbf)abung  be§  ©igenen  unb  SSorsügtidjeu 
be3  ^Sianoforte  ^injugefe^t  —  meldje  letztere  SSeetfjooen  nad) 
ben  53e5etd)nungen,  unb  nod)  ftdjtbarer,  nad)  ber  ganzen  3ln= 
läge  unb  §inftellung  feiner  Sbeen,  berftetjt,  roie  faum  irgenb 
ein  anberer  ßomüonift  für  bie§  Snftrument,  unb  mie  ?ߧ.  @m. 
$8aü)  ba$  eigentlidje  (SlaOier  $u  f)anbl)aben  öerftanb.  (Sin 
red)t  ferjr  gutes  Snftrument  muß  man  aber  befitien,  menn  man 
fid)  felbft  beim  Vortrage  mancher  feiner  ©ä§e  —  §.  93.  be§ 
ga^en  erfien  (Satzes?   üon  3,   einigermaßen  genügen  miß."  — 

©I  mirb  im  äRuficalifdjen  Sfjeil  biefer  ©djrtft  $eranlaffung 
geben,  fid)  biefer  fdjtitjbaren  Sßtnfe  über  ben  Vortrag  ber  S5eet= 
f)oben7fd)en  (Sfaütermuftf  mieber  ju  erinnern.  §ier  fet)  bei= 
geljenb  bemerft,  bafj  bie  SSorfdjrift  be§  Gomponiften,  ben  erften 
©a|  ber  Sonata  quasi  Fantasia  burd)au§  mit  gehobener 
^Dämpfung  (senza  sordini)  51t  füielen,  megen  ber  Tonfülle  in  ben 
Snftrumenten  unferer  $eit  gegen  bie  frühere  ifjre  (Geltung  berloren. 

316er  nod)  eine  „Slteinigfeit"  ift  fjeröor^u^eben,  bie  im 
Saf»r  1802  ba§>  Sicfjt  ber  3Mt  erbtidt  Ijat:  bie  tnt)attreict)e 
©onate  in  D  dur,  Op.  28.  §iebei  fetjen  mir  ben  leidiger 
Srittfer  faft  in  SSerlegenfjeit,  ma§  er  fagen  foll.  @r  Ijitft  fid) 
in  folgenber  Söeife:  „33eet^oOen  bleibt  feinem  (Sljaralter  unb 
feiner  Spanier  getreu;  unb  roirftid)  fann  aud)  ein  Äünftler,  nrie 
93.,  nidjtS  beffereS  tljun,  als  fid)  felbft  getreu  bleiben  . . .  SßaS 
!ömmt  benn  am  (Snbe  f)erau<3,  menn  man  an  Slunftttierfen  (Sin* 
5elne§  lobt  ober  tabelt?  Sn  ber  Shtnft  machen  ©in^el^eiten  fo 
menig  baZ  ©an^e,    mie  e§  fetjn  foll,   als  aufgehäufte  (Steine 


—     120     — 

einen  Reifen  macfjen.  ©ie  fönnen  feJjr  angenehm  fetyn  unb  ein 
tntereffatiteS  ^robuct  au£madjen:  aber  ein  t>ollenbete3  SSerf 
nie,  ba%  burct)  ben  ©inn  be§  ©anjen  befielen,  unb  ©inn  für 
ba§>  ©an^e   bei   £enen  finben  muf?,   bie  e§   genießen  f  ollen." 

$on  bem  SBerfjalten  ber  Stritif  gegen  unfern  Stteifter  fütjrt 
nun  unfer  2£eg  §ur  SBeranfdjaulidjung  be§  $erf)a(ten3  ber  2Ser* 
leger  gegen  ifjrt.  2>arau§  roirb  man  nicfjt  otjne  Sßermunberung 
ben  fdjutjlofen  3ufia110  9e^9en  ©icjentfjumS  erfefjen,  tote  er 
immerhin  in  £)eutfdjlanb  beftanben  unb  fiel)  bi§  in  bie  neuefte 
ßeit  erhalten  fjat.  äftan  toirb  ferner  au§>  ben  Angriffen  auf 
33eetf)oben3  ©eifteSürobttcte  üon  jener  Seite  ermeffen  fönnen, 
toie  bem  Sfteifter  ju  9Jiuu)e  getoefen,  biefe  burcf)  fein  ©efet)  t»er= 
üönte  Freibeuterei  fein  ganzes  Seben  rjinburd)  üor  feinen  Stugett 
üerüben  ferjen  51t  muffen,  of)ne  toirffamen  ©infürud)  bagegen  er* 
tjeben  ^u  fönnen.  Wan  toirb  feinen  Klageruf  für  begrünbet 
erfennen,  toefdjer  lautet:  „Sie  Verleger  mäften  fiel)  mit  meinem 
Wlaxk,  unb  id)  armer  Teufel  mufe  oft  barbenl"71) 

§ören  mir  ben  SSortlaut  feiner  erften  9vedamation  gegen 
einen  folgen  Eingriff.  £a§  SnteHigenjblatt  4  be§  feisten  $af)r= 
gange§  ber  Mg.  Mu).  3tg.  (^oüember  1802)  enthält  nac^= 
ftefjenbe  Sinnige:72)  ,,8d)  glaube  e§  bem  ^ßublifum  unb  mir 
felber  fd)ulbig  51t  feün,  öffentlich  ansteigen,  ba£  bie  beiben 
Quintetten  au§  C  unb  Es  dur,  tooüon  ba$  eine  (ausgesogen 
au§  einer  «Sinfonie  üon  mir)  bei  §errn  9J?ollo  in  SSien,  baS 
anbere  (ausgesogen  aus  bem  ©eütett  üon  mir,  Op.  20)  bei  §errn 
§offmeifter  in  Seip^ig  erfcfjienen  ift,  nictjt  Driginat=Duintetten, 
fonbern  nur  Ueberfe^ungen  ftnb,  toeldje  bie  <gerren  Verleger 
Oeranftaltet  fjaben.*)  —  £>a§  Ueberfe^en  überhaupt  ift  eine 
©acfje,  mogegen  fiel)  fjeut  5U  Sage  (in  unferm  fruchtbaren  ßdU 
alter  —   ber  Ueberfetjungen)  ein  ftutor  nur   umfonft  fträuben 


*)  ®afe  ha*  ot§  Duintett  arrangirte  ©eptuor  tiicfit  t>on  SSeetfiotoen 
ßerrüfjre,  tüte  g.  JRie§  Behauptet,  erfahren  wir  fitemü. 

71)  Man  vergleiche  B.  S.  Br.  No.  928,  IV.  Band.  A.  d.  H. 

72)  Vgl.  B.  S.  Br.  No.  59,  I.  Band.  A.  d.  H. 


—     121     — 

mürbe;  aber  man  lann  rcenigften§  mit  9ied)t  Oertangen,  bajj  bie 
Verleger  e§  auf  bem  StitetMatte  anzeigen,  bamit  bie  @f)re  be§ 
9lutor§  ntd)t  gefdjmäfert,  unb  ba§>  ^ßublifum  nid)t  fjintergangen 
merbe.  —  2)ie§  um  berg(eid)en  gällen  in  ber  gufunft  öor=: 
§ubeugen.  —  Set)  madje  äug(eid)  befannt,  bafe  et)eften§  ein  neues 
£)rigina(=Quintett  üon  meiner  (Sompofition  au§  C  dur,  Op.  29, 
bei  SSreitfopf  u.  gärtet  in  Seidig  erfdjeinen  rairb.  Submig 
öan  23eet£)oöen." 

£>er  S0?eifter  mofirt  fidj  über  ba§>  frud)t6are  ßeitatter  ber 
Ueberfetmngen,  unb  bod)  mar  e§  mit  biefer  grud)tbari'eit  erft 
im  beginne.  2ßa3  mürbe  er  nun  moi)t  beim  Stnbüd  ber  faft 
unääjjligen  Ueberfetmngen  —  jetjt  aber  üerftänbtidjer:  9(rran= 
gementS  benannt  —  feiner  Sßerfe  fagen?  2lefynüd)e  9?ut3an= 
menbung  üermittelft  3erfe^enr  Sranfcribiren  unb  3trrangiren 
t)at  fein  (Somponift  mit  feinen  ©etfteSprobucten  erfahren  muffen, 
rcie  unfer  S5eett)ooen.  SBafjrlid),  ber  Steiftet  märe  31t  materiellem 
SSotjlftanbe  gelangt,  menn  iljm  ein  ©efe§  nur  ju  einer  be* 
fd)eibenen  Tantieme  öon  jebem  Arrangement  üertjotfen  tjätte. 
SBie  aber  gar  nad)  feinem  £obe,  at§  bie  Arrangements  feiner 
«Sinfonien,  Quartette  unb  £rio'§  für  ^ianoforte  itjren  Anfang 
genommen  unb  gu  einer  ftaunenSmertljen  $lutt)  fict)  erhoben!? 
933enn  Könige  fäen  ....*) 

2öie  menig  S3ead)tung  obige  SRedamation  gefunben,  bezeugt 
eine  groeite,  nad)brüd(id)ere,  roefrfje  unfer  9#eifter  fd)on  im  9?o= 
oember  be§  fotgenben  $at)re§  im  öntelUgensblatt  ber  Aflg. 
9J?uf.  ßtg.  9?r.  3,  mit  ber  Ueberfdjrift  SSarnung  §u  üeröffent- 
lidjen  bemüfciget  mar;  ü)r  SBorttaut  ift  nadjftefjenber: 


*)  91.  93.  SDcarr.  ift  im  ^vvt^um,  menn  er  für  gemifj  annimmt,  bofe 
bie  ton  iljm  in  feinem  toortrefflic^en  93utf)e  „Seben  nnb  Schaffen  93eet= 
tjoDen'3"  I.,  158  u.  f.  aufgeführten  nenn  Arrangements  (bie  in  biefe  gett 
fallen)  fämmtlid)  öon  bem  üDieifter  felber  Ijerrüljren.  Unter  allen  be= 
ftefienben  Arrangements  finb  Ijöctjfieng  3  bi§  4  oon  feiner  £anb.  2)a§  mar 
feine  Arbeit  für  ben  fiet3  su  feuern  brängenben  <8d)öpfer. 


—     122     — 

„§err  (Sari  guterjner,  ein  9?ad)ftedjer  in  SDtaing,  tjat 
eine  9tu3gabe  meiner  fämmtlidjen  SSerfe  für  ba£  Sßianoforte 
unb  ©eigeninftrumente  angefünbigt.  3d)  tjalte  e§  für  meine 
^fticfjt,  allen  2J?ufitfreunben  hiermit  öffentlich  befanut  gu  madjen, 
bafj  id)  an  biefer  5Tu§ga6e  nidjt  ben  geringften  Stnttjeil  tjaOe. 
öd)  ^ätte  nie  5U  einer  ©ammlung  meiner  2Ser!e,  meldje  Untere 
nefymung  id)  fdjon  an  fid)  ooreitig  finbe,  bie  §anb  geboten, 
otjne  juüor  mit  ben  Verlegern  ber  einjelnen  SSerfe  9}ütffpracr)e 
genommen  §n  fyiben  unb  für  bie  Gorrectrjeit,  meiere  bert 
5(u3gaben  Oerfdjiebener  eingetner  SSerfe  mangelt,  ge* 
forgt  gu  rjaben.  lleberbie§  mufj  id)  bemerfen,  ba^  jene  miber- 
recfjttid)  unternommene  2tu3gabe  meiner  Sßerfe  nie  oollftänbig 
merben  fann,  ba  in  ^ur^em  üerfdjiebene  neue  SSerfe  in  $ari§ 
erfdjeinen  merben,  meldje  £>r.  gutefjner  a^  franäöfifc^er  Untere 
tfjan  nidjt  nadjftedjen  barf.  lieber  eine  unter  meiner  eigenen 
2(uffid)t,  unb  nad)  oortjergegangener  ftrengen  Sxeoifion 
meiner  SSerre,  51t  unternerjmenbe  ©ammtung  berfetben,  werbe 
id)  mid)  bei  einer  anbern  Gelegenheit  umftänblid)  erftären. 

Submig  oan  33eetrjot>en." 

Stttein  felbft  biefe  energifdje  23arnung  mar  aufeer  <2tanb, 
in  ben  Singen  etfoaS  gu  berbeffern;  bie  SSerfe  unfern  äfteifterS 
fanben  immer  metjr  SBerebjrer,  fomit  fteigerte  fid)  üon  Satyr  §u 
Satyr  bie  ©uetyt  ber  Verleger  nad)  ©eminn.  (£3  ereigneten  fid) 
im  Saufe  biefer  ^Seriobe  fogar  ^älfe  mit  üftacfjftecfjern,  bie  ben 
£onbid)ter  51t  nod)  emöfinblidjeren  3ui'ed)tmeifungen  gebrängt 
tyaben;  auety  fefjtte  e§  nid)t  an  öoffirlidjen,  bie  itym  (Stoff  §ur 
S3etuftigung  gegeben,  ^urg,  jebe§  neu  erfdjienene  2Berf  fdjien 
gteidjfam  üogetfrei  5U  fetjn.  Hub  unter  fotdj'  beflagenSmerttyen 
guftänben  feufate  Seettyoüen  fein  gaujeä  Seben  tyinburdj. 

Sft  be3  50?eifterö  gefammte  Literatur  in  unfern  Xagen 
gteictymotyl  red)ttid)ey  ©igenttyum  alter  Verleger,  fo  tyat  feine 
„SSarnung"  auS  bem  Satyre  1803  bennod)  ityre  Sßebeutung  für 
bie  ©egenmart  nidjt  Oerloren,  roeil  in  ityr  flar  unb  bentücty 
aulgefüroctyen  ift,  mie  er  e§  mit  ber  (iorrecttyeit  gehalten,  roenn 


—     123     — 

ü)m  bie  ©elegenljeit  bafür  gu  forgen  nidjt  entzogen  morben. 
2)a3  füllte  benn  bod)  gennffenljafte  2)arnad)ad)tung  gur  golge 
fjaben. 

£>a3  Saf)r  1802  üertief  ober  nicfjt  otjne  emüfinbticfje  (Störung 
im  @efd)äfte  unferS  2onbid)ter3,  fonft  märe  bie  3arj(  oer  ^n 
biefem  %ai}x  erfdjienenen  SSerfe  nod)  anferjntidjer.  23eetf)o0en 
roarb  nämlid)  üon  einer  bebeutenben  $ranft)eit  befaUen,  in  ber 
er  üon  bem  fefyr  gefeilten  5lrgte  Dr.  ©djmibt  befjanbett  nmrbe. 
liefern  freunbfct)afttict)en  Pfleger  mibmete  er  au§  2)anf6arfeit 
baä  üon  ü)m  felber  ju  einem  Xrio  arrangirte  Seütett.  3U 
üöüiger  SSiebertjerftelTung  roätjtte  er  ben  eine  ftarle  Stunbe  üon 
ber  §auptftabt  entfernten  33abeort  §ei(igeuftabt  jum  2lufentf)att, 
ber  Drt,  mo  in  ben  folgenben  Sauren  mandje§  [einer  großen 
2Ber!e  entftanben  ift. 

Sn  £>eitigenftabt  üerfafcte  er  bamafö  baä  nadjftefjenbe  %t* 
ftament,  richtiger  üieüeidjt  ^romemoria  —  für  feine  Vorüber. 
(Sin  benf'mürbigeS  Sdjriftftüd",  ba§>  nidjt  bto§  ßeugnif$  gibt  üon 
bem  ßuftanbe  tieffter  ©djroermutlj  ob  feinet  Dljrenübete,  aber 
aud)  bie  eble  ©efinnung  be§  äftannesl  nad)  mehreren  «Seiten 
üor  Singen  fegt.*)  Söorjt  ttnrb  jeber  Sefer  mit  ^riebrid)  Diodjtit, 
in  ber  33eurtljeUimg  beffelben  übereinftimmen,  ber  fidj  in  fo(= 
genben  SBorten  barüber  auSfprad): 

„. . . .  Unb  gemifi  tuirb  biefe§  Socument  auf  3töe,  bie  e§ 
rennen  lernen  —  bie  offenbar  ©djlecfjten  aufgenommen  —  eine 
gteidje  Söirtung  madjen.  SDemnadj  müfjte  id)  nid)t,  toa§  bem 
Verdorbenen,  menn  üon  ifjm  nidjt  aU  ®ünftler,  fonbern  afö 
äftenfdjen  gefürodjen  mirb,  künftigeres  unb  Ueberaeugenbereä 
nadjgefagt  merben  fönnte."     (Siefje  (Sintettung.) 

@3  tautet  mörttiefj:73) 


*)  ®a§  Original  befanb  ftd)  in  ber  ^ranj  öräffer'fdjen  Sammlung. 
Nunmehr  ift  in  beffen  SSefiije  ber  SSioIin=33irtuofe  ©rnfi. 

73)  Alles  mit  dem  „Testament"  Zusammenhängende  und  die  er- 
forderlichen Erklärungen  dazu  bietet  Mo.  55  von  B.  S.  Br.  (I.  Band). 

A.  d.  H. 


—     124     — 

gür  meine  Sßrüber  Gart  unb SSeettjotoen. 

D  it)r  Sttenfcfjen,  bie  i£)r  mid)  für  feinbfelig,  ftörrifcfc)  ober 
mifanttopifd)  galtet  ober  erkläret,  roie  unred)t  ttjut  ir)r  mir, 
it)r  ttrif3t  nidjt  bie  gefjeime  Urfacfje  bort  bem,  roa§  eud)  fo 
fdjeinet!  9J?eiu  Jperj  unb  mein  ©inn  roaren  bon  Äinbtjeit  an 
für  baZ  garte  ©efüt)l  beS  3Bot)troollen3.  ©elbft  grofce  §anb= 
lungen  511  berridjten,  baju  loar  id)  immer  aufgelegt.  9lber  be* 
benfet  nur,  bafe  feit  fed)§  Satjten  ein  tjeillofer  ^uftanb  mW) 
befallen,  burd)  unbernünftige  fegte  berfd)limmert,  bon  8at)r 
ju  Satjr  in  ber  Hoffnung  ge6effert  5U  roerben  betrogen,  enbtict) 
5U  bem  Ueberblict  eine$  baue r üben  Uebefö  (beffen  Teilung 
biedeidjt  Satjre  bauern  ober  gar  unmögtid)  ift)  gejbjungeu. 
Tat  einem  feurigen  lebhaften  Temperamente  geboren,  felbft 
empfänglich  für  bie  ßerftreuungen  ber  ©efellfdjaft,  mußte  ict) 
früt)  mid)  abfonbern,  einfam  mein  Seben  ^bringen;  roollte  id) 
aud)  aufteilen  midj  einmal  über  aöe§  ba§  tjinauSfetjen,  0  roie 
tjart  rourbe  id)  burd)  bie  berboppette  traurige  (Srfatjrung  meines 
fdjtedjten  ©erjörS  bann  äurüdgeftofjen,  unb  bod)  roar'3  mir  nod) 
nidjt  mögtid),  ben  2J?enfd)en  51t  fügen:  fpredjt  lauter,  fd)reit, 
benn  ict)  bin  taub!  5(ct)  roie  roäre  e§  möglid),  balß  id)  bie 
©dnoädje  eine§  @inne3  angeben  fotlte,  ber  bei  mir  in  einem 
oollf'ommenern  @rabe  all  bei  Hnbern  fetjn  follte,  einen  ©tmt, 
ben  id)  etnft  in  ber  größten  Vottfommenrjeit  befafj,  in  einer 
Vollfommenrjeit,  roie  it)n  roenige  bon  meinem  gacfje  geroifj  t)aben 
nod)  getjabt  tjaben!  —  D  id)  fann  e§  nid)t!  —  2)rum  bereit)!, 
roenn  it)r  mid)  ba  gurüdroeidjen  fefjen  toerbet,  too  id)  mid)  gerne 
unter  eud)  mifdjte.  doppelt  roet)e  ttjut  mir  mein  Unglüd,  inbem 
id)  babei  berfannt  derben  mitjj.  gür  mid)  barf  Srljotung  in 
menfd)(id)er  ©efetlfdjaft,  feineren  Unterrebungen,  njedjfelfeitigen 
(Srgiefsungen  ntcrjt  (Statt  tjaben.  ©an^  atiein  faft,  unb  fo  biet 
at§  e§  bie  t)öd)fte  üftotfjtüenbigfeit  forbert,  barf  id)  mid)  in  ©e= 
fetlfdjaft  einlaffen.  2Bie  ein  Verbannter  mufj  id)  leben.  ffiafye 
id)  mid)  einer  ©efellfdjaft,  fo  überfällt  mid)  eine  rjeifje  Slengft= 
Iid)feit,  inbem  id)  befürchte,  in  @efat)r  gefegt  gu  tuerben,  meinen 


—     125     — 

ßuftanb  merfen  §u  laffen.  —  @o  mar  e§  benn  aud)  biefeö 
tjatbe  3af)r,  ft>a§  id)  auf  bem  Sanbe  gubradjte.  SSon  meinem 
bernünftigen  Slrjte  aufgeforbert,  fo  biet  als  möglidj  mein  ©efjör 
gu  fronen,  fam  er  faft  meiner  jetzigen  natürlichen  £)i§bofition 
entgegen,  obfdjon,  bom  triebe  gur  ©efettfdjaft  manchmal  E»tn= 
geriffen,  id)  miclj  ba^u  herleiten  lieft.  2lber  meldje  S)emütf)igung, 
raenn  Semanb  neben  mir  ftanb,  unb  bon  meitem  eine  $löte 
fjörte  unb  id)  nichts  fjörte,  ober  ^emanb  ben  §irten  fingen 
(jörte,  unb  id)  aud)  nidjtS  f)örte!  ©oldje  ©reigniffe  brachten 
mid)  nalje  an  SSergmeiftung,  e§  fehlte  menig,  nnb  id)  enbigte 
felbft  mein  Seben.  —  Sftur  fie,  bie  Slunft,  [ie  tjiett  mid)  jurüd! 
$ldj  e§  bünfte  mir  unmöglich,  bie  2Selt  etjer  gu  berlaffen,  bis 
id)  ba§>  alles  t)erborgebrad)t,  mo^u  id)  mid)  aufgelegt  füllte. 
Unb  fo  friftete  id)  biefeö  elenbe  Seben,  fo  matnrtjaft  etenb,  ba$ 
mid)  eine  ettua§  fctjneüe  23eränberung  aus>  bem  beften  ^uftanbe 
in  ben  fd)led)teften  berfetjen  fann.  ©ebutb  —  fo  tjeifet  e§,  fie 
mufe  id)  nun  gur  $üljrerin  mät)ten!  Sd)  f)abe  eS.  —  2)auernb, 
t)offe  id),  foll  mein  (Sntfdjtuft  feb,n,  auSguljarren,  bi§  e§  ben 
unerbttttidjen  ^Sargen  gefällt,  ben  gaben  p  bredjen.  SSielteidjt 
geljt  e§  beffer,  bietleidjt  nid)t.  öd)  bin  gefaxt.  —  ©d)on  in 
meinem  28.  Saljre  gegmungen  $t)ilofobt)  ju  luerben.  ($3  ift 
nid)t  leicht,  für  ben  ^ünftler  fdjtoerer  als  für  irgenb  Semanb. 
—  @ottt)eit,  bu  fieljft  fyerab  auf  mein  SnnereS,  bu  fenuft  e£, 
bu  raeifet,  baft  SJcenfdjenliebe  unb  Neigung  gum  3Sof)ttt)un  barin 
Ijaufen!  D  3ftenfd)en,  menn  it)r  einft  biefes»  lefet,  fo  benft,  bafj 
if)r  mir  unred)t  getrau,  unb  ber  llnglüdlidje,  er  tröfte  fid) 
einen  feines  ©leidjen  gu  finben,  ber  trots  allen  §inberniffen  ber 
Statur  bod)  nod)  MeS  getrau,  \dü§>  in  feinem  Vermögen  ftanb, 
um  in  bie  9foit)e  mürbiger  Stünftter  unb  üüfenfctjen  aufgenommen 
hu  tuerben.  —  3§t  meine  Srüber  (£arl  unb  ....  —  fobalb  id) 
tobt  bin,  unb  ^rofeffor  <Sd)mibt  lebt  nod),  fo  bittet  ifjn  in 
meinem  tarnen,  bajj  er  meine  ftranttjeit  befdjreibe,  unb  biefeS 
tyier  gefd)riebene  SStatt  füget  iljr  biefer  meiner  ®ranfengefd)id)te 
bei,  bamit  menigftenS  fo  oiel  at<§  möglidj  bie  SSelt  nad)  meinem 


—     126     — 

Xobe  mit  mir  berföfynt  roerbe.  —  gugfeidj  erftäre  id)  eudj 
23eibe  r)ier  für  bie  (Srben  be3  {(einen  Vermögens  (menn  man 
e§  fo  nennen  fann)  non  mir.  %ljeüet  e£  rebtidj,  unb  üertragt 
unb  fjelft  eud)  einanber.  2öa3  iljr  mir  jumiber  getfjan,  baZ 
mifct  iljr,  mar  eud)  fdjon  längft  t)er§iet)en.  2)ir  Sruber  Gart 
ban!e  id)  nod)  in§befonbere  für  beine  in  biefer  (entern  gtit  mir 
bettnefene  2fnt)ängtict)feit.  Sftein  SBunfd)  ift,  bajj  eudj  ein  beffereä 
forgenfofereS  Seben  afö  mir  merbe.  ßmüfeljtt  euren  Äinbern 
Stugenb;  fie  nur  allein  fann  g(üdfid)  machen,  nicfjt  (Mb. 
3d)  fpredje  aus  ©rfafjrung.  ©ie  mar  e§,  bie  mid)  felbft  im 
©fenbe  gehoben;  i£)r  banfe  idj  nebft  meiner  ®unft,  bafe  id)  burrf) 
feinen  ©elbftmorb  mein  Seben  enbigte.  —  Sebt  mof)(  unb  (iebet 
eud)!  —  Men  greunben  banfe  idj,  befonberö  gürft  2id)  = 
nom^fl)  unb  ^rofeffor  ©djmibt.  —  2)ie  Snftruinente  üon 
gürft  £.  roünfdje  id),  bajj  fie  bod)  mögen  aufbetoafyrt  merben 
6ei  einem  üon  eudj;  bod)  entfiele  be§megen  fein  (Streit  unter 
eud).  <2obatb  fie  eud)  aber  5U  ettoa§  9?üt5Ud)erem  bienen  fönnen, 
fo  öerfauft  fie  nur.  2Sie  fro§  bin  id),  menn  idj  aucb  nod)  im 
©rabe  eud)  nützen  fann.  ©0  mär'3  gefct)et)en:  —  9J?it  greuben 
eile  id)  bem  £obe  entgegen.  Äommt  er  früher,  aU  id)  @e(egen= 
tjeit  gehabt  fyabt,  nod)  afle  meine  ^unftfäljigfeiten  §u  entfalten, 
fo  mirb  er  mir,  tro|  meinem  garten  8d)idfale  bod)  nod)  §u 
früf)  fommen,  unb  id)  mürbe  ifjn  moljl  foäter  münfdjen;  — 
bod)  aud)  bann  bin  id)  aufrieben,  befreit  er  mid)  ntctjt  oon 
einem  enblofen  feibenben  3uftaK°e-  —  ®omm'  toanu  bu  midft, 
id)  getje  bir  mutfjig  entgegen.  2ebt  mof)I,  unb  tiergejlt  mid) 
nid)t  gan^  im  £obe,  id)  \)ahQ  e3  um  eud)  berbient,  inbem  id) 
in  meinem  Seben  oft  an  eud)  gebadjt,  eud)  gtüdüd)  gu  madjen; 
feüb  e§! 

£edigenftabt  am  6.  Cctober  1802. 

Subroig  Oan  Söeetfjoüen. 
m.  p. 

(L.  S.) 


—     127     — 

(33 on  aufjen.) 

<g?  §eiligenftabt  am  10.  DctoBer  1802. 

|-s  ©o  net)tne  id)  benn  2lbfd)ieb  oon  bir  —  unb  gtoar 

«g  ff    traurig.  —  Sa   bie  geliebte  Hoffnung,  bie  id)  mit  ^tetjer 

.ges   naljm,  roenigften$   bi3  gu  einem  gemiffen  Sßuncte  geleitet 

**  S    ju  fetyn,   fie  mufe  midj  nun  gän^lid)  uertaffen.    3öie  bie 

g.^,    23lätter  be3  $erbfte3  herabfallen,  gemelft  ftnb,  fo  ift  auct) 

'S  ÜL    fie  für  midj  bürre  gemorben.    $aft  roie  idj  tjieljer  tarn, 

getje  id)  fort;  fetbft  ber  Ijofye  Sftutf),  ber  midj  oft  in  ben 

fdjönen  ©ommertagen   befeette,   er  ift   oerfdjmunben.    D 

Sßorfetjung,    lafj   einmal   einen   reinen   Xag   ber   greube 

g    mir  erfdjeinen!    ©o   lange  fdjon  ift  ber  magren  $reube 

&   inniger  Sßiebertjall  mir  fremb.    SSann,  o  mann,  o  ©ott= 

s.    Ijeit!   fann  id)  im  Tempel  ber  üftatur  unb  ber  iDZenfdjen 

§    if)n  roieber  fügten?  —  SRte ?  —  nein   e§  märe  §u  Ijart! 

©3  fällt  auf,  ben  tarnen  beS  jüngeren  SBruberS  in  biefer 
£)enffd)rift  nictjt  au§gefprod)en,  fonbern  mit  Runden  be^eidjnet 
§u  fet)en.  (£iu  fixerer  ©runb  ift  fdjmer  auf^ufinben.  Dh 
biefer  oielleid)t  in  bem  minbern  ©rabe  oon  ßuneigung  5U  fudjen, 
ber  fdjon  311  jener  $eit  merflid)  gemefen  feun  foll  ?  @§  ift  nur 
SDcutfymafeung.  <2o  oiet  ift  aber  gemifo,  bafe  mit  aunetjmenben 
Sauren  bie  ®luft  gmifctjen  bem  Xonbidjter  unb  feinem  ,,^ßfeubo= 
SBruber",  roie  er  il)n  gemeinhin  51t  benennen  pflegte,  immer 
meiter  gemorben,  raeit  er  fid)  burd)  Slnma&ung  im  äußern  S3e= 
nehmen,  mie  aud)  burd)  oftenfible  ©udjt  nad)  53ereict)emng  auf 
gar  mannigfache  SSeife  be3  bereits  gefeierten  üftamen§  Söeettjoöen 
mef)r  unb  mefjr  unmürbig  gemadjt  fyatte.  ^ebenfalls  fetjeit  mir 
in  biefem  SDcanne  ben  am  grellften  tjertiortretenben  (Staffage* 
(Sfjarafter  im  S3eetl)oben'fdien  gamiliengemälbe. 

(£3  marb  bemerft,  ba$  unfer  9J?eifter  burd)  bie  Sh-anHjeit,  1803. 
oon  ber  oben  bie  Sfobe,    bef)inbert  morben,    eine  nod)   größere 
grudjtbarfeit  feineö  fdjöpferifcljen  Talents  5U  entfalten,  at§  mir 
gefeljen.    £>ennod)   bezeugt  bie  am  5.  Slpril  1803  ftattgefjabte 


—     128     — 

erfte  Sfuffüljrung  oon  ber  (Santate:  „(SfjrtftuS  am  Delberg," 
bafj  bie  (Sdjmingen  be§  ©eniu§  burd)  biefe  ßranfijeit  nic^t 
für  lange  gelähmt  maren,  er  oielmeljr  in  gemolmter  SBeife  ftcf) 
balb  mieber  anftrengenben  arbeiten  raibmen  fonnte.  Snbefj 
toaren  bie  ©nttoürfe  51t  biefem  SSerfe  fct)on  1801  mäfjrenb  be§ 
©ommeraufentlja(t§  in  bem  naljen  ^etjenborf  §u  Rapier  ge* 
bradjt.  ©r  fetber  geigte  bem  SSerfaffct  nod)  im  Safyre  1823 
bie  im  SMcftdjt  be§  obern  Streite  im  ©djönbrunner  <&d)[ofc 
garten  üerborgene  ©teile,  mo  biefe  Vorarbeiten  entftanben;  e§ 
mar  eine  ©idje,  bie  ungefähr  §mci  gatfe  Oom  SBoben  in  §mei 
ftarfen  tieften  fid)  ert)cb  unb  einen  bequemen  ©t|  bitbete. 

3n  9cr.  29  be§  fünften  Sa^rgangeS  ber  Mg.  2Ruf.  3tg. 
mirb  biefer  erften  Sluffüfjrung  nur  in  menig  3ei^n  (Srmäfjnung 
getrau  unb  gejagt:  „@y  betätigte  mein  fdjon  lange  gefaßte^ 
Urtfjeil,  baf3  23eetf)o0en  mit  ber  3e^  eben  °^e  Sfteoofation  in 
ber  9#ufif  betoirfen  fann,  mie  Stuart.  3ftit  großen  ©djritten 
eilt  er  pm  Qkle."  —  tiefer  Referent  nennt  ba§>  SSerf  ein 
Oratorium,  aud)  fpridjt  er  oon  „außerorbentüdjem  ^Beifall," 
ber  beffen  elfter  3(uffuljrung  gu  Strjeit  geworben.  Spätere 
Referenten  nennen  e§  bagegen  eine  Gantate,  unb  bte§  ift  moljt 
unbegroeifeft  ber  eigentliche  Site!  be3  2Berfe§.  ®ennod)  märe 
e§  ermünfdjt,  bie  autt)entifdje  Benennung  bei  beffen  erften 
(Srfd)einung  $u  fennen.74)  ©ine  äf)nüd)e  Umtaufcfjung  beä  %itz\ä, 
im  SBiberfprudje  aum  Snfyalt,  ift  mit  einem  fpäteren  2£erfe 
üorgefonimen.  93ei  ber  erften  ©rfcfjeinung  lautete  biefer: 
©oncertino,  im  ©rud  aber  marb  bem  Söerfe  ber  £ite(  ,,©on= 
cert"  beigelegt,  unb  e3  ftefjt  feft:  gegen  ben  SSiüen  be§ 
Tutors.76)    äSir  merben  e§  am  redjten  Drte  nennen. 


74)  So  heißt  das  Werk  auch  jetzt  bei  allen  ernst  zu  nehmenden 
Forschern,  wie  in  den  zahlreichen  Briefen:  op.  85  „Christus  am  Ölberge"- 
Oratorium,  für  Solostimmen,  Chor  und  Orchester,  Text  von  Franz 
Xaver  Huber".  A.  d.  H. 

75)  Diese  Umänderung  betrifft  op.  56,  das  Triple-Konzert  in  C-dur. 
Beethoven  schrieb  an  dem  Werke  ca.  1804.    Eine  Abschrift  der  Piano- 


—     129     — 

äßarjr  ift  e<§,  bafj  bie  Urtljeile  ber  ©adperftänbigen  über 
richtige  ober  unrichtige  Sluffaffung  be3  erhabenen  @egenftanbe§ 
Dom  ©omponiften  bei  biefem  Sßerfe  immer  roeit  am§einanber 
gegangen;  tabetlofe  (St)arafteriftt£  unb  confequent  burd)bad)ten 
$lan  fjat  fein  £t)eil  bemfelben  §ugeftetjen  roollen.  (Sin  roiener 
Referent  t)at  fiel)  in  !iftr.  44  ber  Mg.  9ftuf.  ßtg.  fogar  beeilt, 
feinen  Vorgänger  $u  corrigiren.  (Sr  melbet:  „ßur  ©teuer  ber 
S55a^rrjeit  mufj  icfj  einer  9^ad)rict)t  ber  muficalifd)en  3e^lIn9 
roiberfprecfjen,  nämtid):  Veett)ooen'!§  (Santate  Fjat  —  nictjt  ge- 
fallen." liefern  Sitten  ftimmte  felbft  ber  (Somponift  in  fofern 
bei,  a(§  er  e3  in  fpäteren  Safjren  nodj  rücft)altto§  für  einen 
„geiler"  erklärte,  bie  Partie  be§  (Efyriftuä  in  moberner  ©mg- 
roeife  opernmäfjig  befyanbett  3U  Ijaben.  S)aä  Siegenbteiben  be§ 
3Serfe§  nad)  ber  erften  2tuffüt)rung,  fo  raie  beffen  ungeroörjnlid) 
üer^ögerteä  (Srfcfjeinen  im  3)rud  (um  1810),  laffen  aud)  nod) 
fdjtiefeen,  bafj  ber  Stutor  mit  ber  gelösten  Aufgabe  ntcr)t  be~ 
fonberö  aufrieben  geroefen  unb  luarjrfdjeinlid)  roefentlidje  Ver= 
änberungen  bamit  öorgenommen  rjat. 

Sn  biefem  Satjre  lieft  ber  fleißige  äfteifter  folgenbe  ßlaüier= 
SSerfe  erfdjeinen:  ®rei  ©onaten  mit  Biotine,  Op.  30.,  ferner 
2)rei  ©onaten  für  panoforte  allein,  Op.  31.,  nebft  ben  3ünf= 
gerjn  Variationen  mit  einer  $uge,  Op.  35.  3)ie  erfte  ber 
©onaten  mit  Violine,  in  A  dur,  roarb  üon  ber  leipziger  Sritif 
fefjr  ftrenge  beurteilt  unb  fogar  gefagt,  ba$  fie  Veetfjouen'ä 
nicfjt  mertf)  fei),  dagegen  mürben  bie  fünf^n  Variationen 
befto  fjötjer  gefteEt,  aber  aud)  nur  „ein  bebeutenbe3  25?erfct)en" 
genannt,  ©ogar  finbet  fid)  in  biefer  Veurttjeilung  eine  in'3 
detail  gerjenbe  Vetetjrung  über  ben  Vortrag  jeber  einzelnen 
Variation  betgegeben,  bie  feinem  ©pieler  unbefannt  fetjn  fotlte. 


fortestimme  im  früheren  Besitze  von  T.  Haslinger  hat  die  Überschrift 
von  Beethovens  Hand:  „Klavierstimme  vom  Konzertant-Konzert".  Die 
älteste  Ausgabe  in  der  Wiener  Zeitung  vom  1.  Juli  1807  hat  den  Titel 
u.  a.:  „Grand  Concerto  concertant  pour  Pianoforte,  Violon  et  Violon- 
cello" usw.  A.  d.  H. 
21.  ©tfjinbterS  29ectf)Oöen=23lo3r<H)Ijtc.  9 


—     130     — 

—  ((Sollte  eö  nidjt  woljl  afö  ein  üerbienft(id)e§  Unternehmen 
einer  BJhififtjanblung  genannt  werben,  eine  3lu§wal)l  ber  in  bet- 
eilig. SRuf.  ßtg.  über  bie  SSerfe  23eetl)oOen'§  enthaltenen  93e= 
urtfjeilungen  bem  ntuftcattfcfjen  ^ßublifum  in  bie  §anb  ju  geben? 
SSiele  barunter  bienen  als  SMerjrung  jum  SSerftänbnifj  be§ 
betreffenben  SBcrfeS  unb  erttfprecrjen  fomit  ber  erften  5ln* 
forberungen  an  eine  gnte  föritif.  Sn  einem  mäßigen  Sanbe 
üereint  wären  fie  Sebem  leidjt  5iigänglid),  tüäfjrenb  fie  beinahe 
in  fünf  unb  äroan^ig  Ergangen  gerftrcut  aller  SBelt  ber* 
borgen  bleiben.  ©djon  au§  ben  wenigen  l)ier  meift  nur  au§= 
äüglicr)  angeführten  Äritifen  bürfte  beren  bteibenber  Sßert  er= 
roiefen  ferjn,  abgefefjen  bon  bem  Umftanbe,  bafj  fie  ber  SebenS* 
gefd]id)te  unferS  9DMfter§  angehören,  unb  nidjt  letdjt  baüon  §u 
trennen  finb,  mie  fd)on  früher  bemerlt  worben.)76) 

2Bir  ftefyen  nun  im  5lngefid)te  eine§  3ncibenä=$uncte§, 
ber  bem  SSerfaffer  in  §infid)t  auf  3e^tDe^^mmun9  9rofee 
<Sd)Wierigfeiten  berurfacrjt  tjat.  ©3  wäre  bie  @efd)id)tfd)reibung 
ein  gar  angenehmes  @efd)äft,  Wenn  man  nidjt  bei  jebem  ©riff 
in  bie  djronologifd)  ftdj  berütjrenben,  unb  oft  bebingenben 
Stjatfadjen  in  beremptorifdjer  SSeife  um  ba§>  be^üglidje  23a  nu 
fragen  müfjte.  üftidjt  in  ber  £fjatfad)e  felber  unb  ifjrem  SSefen 
liegt  ba§  (Schwierige  bei  biefem  ©efdjäfte,  audj  ift  e£  nidjt 
gerabe  ba§  äRüfjfamfte,  bem  ®ern  ber  <Sadje  red)t  natje  §u 
fommen;  beibe§  liegt  in  ber  allen  ^weifet  befeitigenben  geft= 
fieüung  be3  <£age3,  ober  SaljreS,  an  unb  in  weldjem  fiel)  bie 
fraglidje  £rjatfad)e  sugetrageu  Ijat.  ®em  Jpiftorifer  in  ftaat* 
licfjen  fingen  bertjelfen  in  ber  9?eget  ©taat3=2lrd)ibe  gu  bräeifer 
Eingabe  ber  berfdjiebenen  2>aten,  woburd)  ein  fotgeridjttges 
SSorwärtöfd)reiten  in  feiner  Arbeit  fefjr  erleichtert  wirb.  SDer 
SSerfaffer  aber  einer  ^ünftler=S5iogrQprjie,  beren  einfdjtagenbe 
£aten  um  ein  fjalbes  Safn-Ijunbert  jurüdüegen  unb  im  ©e* 
bädjtniffe   nur   weniger   ßeitgenoffen   aufbewahrt    waren,    oon 


76)  Man  vergleiche  hierzu  das  in  Anm.  11  Gesagte.    A.  d.  H. 


—     131     — 

benen  fainn  ^met,  brei  nod)  unter  ben  Sebenben  roanbetn,  ber 
fief)t  fid)  bei  feinem  $orfd)en  nadj  beut  SEßann  atäbalb  in  ein 
©eftedjte  Don  2öiberfprüd)en  oerroidett,  au§  bem  ifmt  gittreifen 
nur  ein  lüfjuer  Schritt  ober  ^ufaü  oerfjetfen  !ann. 

2(ud)  in  93e§ug  auf  bie  nun  51t  befpredjenbe  Xtjatfadje 
ift  e§  mir  feiner  $eit  °n  oem  £)rte  aller  roirfjtigen  ©reigniffe 
in  Seetfjooen'io  Seben  unb  SSirfen  mijjtid)  ergangen,  deiner 
ber  Gefragten  mufete  baä  be^üglid^e  ^rage^eidjen  an  bie  redjte 
©teile  51t  feigen,  benn  Sitten  mar  ba$  ©ebädjtnifj  untreu  ge= 
morben.  8d)  mufete  erft  nad)  ^ariö  t'ommen,  bafelbft  bie  S3e= 
fanntfdjaft  mit  ©tjeritbini  madjen,  um  burd)  fotdjen  3ufatt 
auf  eine  ftdjere  (Spur  §u  biefem  in  Sßien  oergebtid)  gefügten 
Saturn  5U  getangen.  (Sfjerubini  unb  beffen  @emat)(in  Ijörten 
nämtid)  haib  nad)  ifjrer  im  Safjre  1805  erfolgten  Slnfrtnft  in 
2Bien  öon  biefer  Stngetegentjeit  a(§  fdjon  gmei  Satire  ^urüd= 
tiegeub  fpredjen  unb  mußten  mit  Seftimmttjeit  au^ufagen,  baf? 
beren  (Sinmirfmtg  auf  SSeettjooen'ö  ©emütt)  bereits  übermunben 
gemefen.  ($on  itjrem  näheren  23erfet)r  mit  bem  SBiener  Sfteifter 
weiter  unten.)  tiefem  SSinfe  meiter  nadjgefjenb,  fjat  e§  ftd) 
faft  unbejmeifett  t)erau3geftetlt,  bafj  biefe  in  ben  früheren  5tu§= 
gaben  bem  Safyre  1806  gugemiefene  cXfjatfad)e  in  btö  Sat)r 
1803  gurüd  51t  öerfetjen  fetj. 

2lt3  mir  in  ber  oorauägetjettben  Sßeriobe  ben  £onbid)ter 
in  einem  Briefe  an  Söegeter  üon  einem  „sauberifdjen  SDtäbdjen" 
berichten  gehört,  burd)  baZ  it)tn  „fetige  Slugenbtide"  gemorben, 
marb  bemerft,  bafs  biefe  gauberin,  b\e  in  bem  öerftörten 
©emüttje  25eetf)Oüen'3  eine  mof)(tt)nenbe  „Sßeränberung"  t)er- 
öorgebrad)t,  biefetbe  fet),  burd)  me(d)e  it)tn  batb  barauf  fernere«? 
^er^eleib  üerurfadjt  marb.77)  SBtr  motten  nun  bei  biefer 
§eräen§=$tngetegent)eit   etma§   üermeiten.     ©eit    itjrer    in    ben 


77)  Wir  treten  hiermit  in  die  Sphäre  der  „Unsterblichen  Ge- 
liebten" ein.  Die  Literatur  darüber  wächst  jetzt  geradezu  unheimlich 
an.  Im  allgemeinen  wird  man  darüber  nicht  über  Schindler,  Wegeier, 
Gerh.  v.  Breuning  und  den  Herausgeber  hinauskommen.  Ich  erinnere  an 

9* 


—     132     — 

früheren  3£u3ga6en  biefer  ©djrtft  (Srmärjnung  gefdjaf),  Jjaben 
beutfdje  unb  franaöftfdje  gebern  biefetbe  gang  befonberg  §um 
®egenftanbe  feuittetoniftifdjer  Sucubrationen  erforen  unb  roman= 
|aft  auSftaffirt.  @3  tt>ar  für  fotdje  ßmede  eine  um  fo  er= 
roünfdjtere  ®e(egentjeit,  a(8  fte  btefe  <per5en3gefd)id)te  mit  einer 
ber  gefannteften  £(at>ier=@onaten,  ber  in  Cis  moll,  Op.  27,  in 
SSerbinbung  bringen  konnten,  bie  mit  it)r  infofern  ßufammen* 
t)ang  t)at,  afö  auf  bem  Sitelblatte  bie  $>ebication  „Alla  Mada- 
migella  Contessa  Giulietta  G-uicciardi"  78)  gu  lefen  ift.  £>ie§ 
ber  öolle  9came  jener  gauberin.  ©rmarte  man  inbefj  ja  nict)t, 
bafc  über  biefe  Angelegenheit  umftänbtidjere?  üorgebracfjt  rcerbe, 
at§  im  Sßefentticfjen  frütjer  gefcrjerjett,  benn  fte  ift  parier  Statur 
unb  barf  mit  9tüdfttf)t  auf  Sebenbe  nur  berührt  roerben.  Qb 
roirflicfj  Untreue  ber  beliebten  allein,  mie  menigftenö  behauptet 
roorben,  ober  ob  Sntriguen  bon  anberer  Seite  ba§  ^ger^en^ 
banb  jerriffen  unb  bie  junge  2>ame  faft  plöfclidj  §ur  ©emabün 
be§  benannten  ßomponiften  ©rafen  üon@aüenberg  gemadjt, 
ift  mit  ©emiferjeit  nicfjt  511  fagen.  2)od)  barf  bon  ben  folgen 
biefeS  83rudje8  auf  ba§>  ®emütrj  unfer§  Oon  biefer  Siebe  t)od)= 
beglüdten  9fteifter3  eine§  weitem  bie  9?ebe  fevjn.  3n  ber  $er= 
gmeiftung  fudjte  er  Stroft  bei  feiner  betbäf)rten  unb  borsugS* 
roeife  bereiten  greunbtn  ©räfin  9J?arie(£rböbt)  (man  finbet 
biefen  tarnen  auf  ben   beiben  Strio'3,  Op.  70,    unb    aud)    bie 


des  Herausgebers  Monographie  „Beethovens  Unsterbliche  Geliebte", 
Dresden  1891,  an  B.  S.  Br.  No.  45  mit  den  dort  gegebenen  weitgehenden 
Aufklärungen.  Weiteres  wird  in  meinen  wohl  noch  in  diesem  Jahre 
erscheinenden  Büchern:  „Beethovens  Frauenkreis"  erfolgen. 

A.  d.  H. 
78)  Hierbei  verdient  noch  bemerkt  zu  werden,  daß  in  den  früheren 
Ausgaben  die  Phantasie-Sonate  op.  27, 2  in  Cis  moll  wie  die  erste 
Phantasie-Sonate  op.  27,1  in  Es  dur  die  gleiche  Widmung  trägt: 
„Sonata  quasi  una  Fantasia  per  il  Clavicembalo  o  Piano-Forte  Composta 
e  dedicata  a  Sua  Altezza  la  Siguora  Principessa  Giovanni  Liechtenstein 
nata  Langravia  Fürstenberg".  Also  früher  stand  nichts  von  der  Gräfin 
Guicciardi!  A.  d.  H. 


—     133     — 

beiben  «Sonaten  für  ^ianoforte  unb  Sßiolonced,  Op.  102,  finb 
ü)r  gemibmet)  auf  ifjrem  @ute  Sebterfee  im  ä)iard)fetbe,  um 
einige  £age  in  ifyrer  Üftäfje  5U  üerbringen.  £>ort  oerfd)tt>anb 
er  aber  unb  bie  (Gräfin  glaubte  ifm  nad)  SBien  §urüc!gefe^rt, 
a(§  am  brüten  Sage  barauf  ifyr  9ftufiftet)rer  93raud)(e  üjn  in 
einem  entlegenen  X^eite  be§  SdjtofjgartenS  gettmfyrte.  Stfefet 
ßmifdjenfall  blieb  lange  ein  feft  bemaf)rte§  ©ef)eimniJ3  unb 
marb  erft  nad)  Sauren  burd)  bie  beiben  SDfttmiffenben  näheren 
$reunben  Seettjoüen'3  anOertraut,  nadjbem  biefe  £iebe3angetegen= 
t)eit  längft  in  S8ergeffent)eit  geraten.  90frtn  fnüpfte  bie  2Ser= 
mutfjung  baran,  e§  fet)  be3  Ungtüdüdjen  9Ibfid)t  gemefen,  fidj 
burd)  (Sr^ungern  ben  £ob  5U  geben.  3m  (Stillen  beobadjtenbe 
greunbe  motten  bemertt  tjaben,  ba$  SSeetfjoüen  biefem  9)?u[i!- 
leerer  mit  aufserorbenttidjer  3(ufmer!famfeit  feitbem  begegnet  ift. 
(£)ie  Sefer  ber  Revue  des  deux  mondes  roerben  biefen  Vorgang 
§u  Sebterfee  bereite  1850  in  bem  9tuffat$e  t>on  ©cubo:  „Une 
Sonate"  gefunben  tjaben.  Stuf  ©rfucfyen  be§  §rn.  <5cubo,  ifym 
etroa§  nod)  ltnbe!annte§  mit^ut^eilen,  ma§  in  irgenb  einem 
ßufammentjange  mit  ber  ©onate  in  Cis  moll  fiet)t,  über  metdje 
er  eben  fd)reibe,  marb  ifjm  biefer  Vorfall  bon  mir  jugefdjidt. 
@r  tjat  jebod)  für  gut  befunben  it)n  etma§  um^ugeftatten,  toeit 
er  itjm  matjrfdjeintid)  5U  menig  romantifd)  gelungen.) 

®a^  biefe£  ©rtebnifj  nidjt  ©runb  gu  immerroät)renber 
föefignatton  auf  et)etid)e3  ©lud  geraefen,  bürfte  fidj  au§  9tafy 
ftet)enbem  ergeben.  (Sin  tjanbfdjrifttidjer  23eroei§  au3  bem 
Satjre  1817  ober  1818  batirenb,  lautet:79)  „9?ur  Siebe  —  ja 
nur  fie  üermag  bir  ein  gtüdtid)ere3  Seben  51t  geben!  D  ©Ott 
—  taf}  mid)  fie,  jene  enbtid)  finben,  bie  mid)  in  £ugenb 
beftärft  —  bie  mir  ertaubt  mein  ift.  SSaaben,  am  27ten  Suti, 
at§  bie  9tt.  tiorbeifutjr  unb  e§  fd)ien,  at§  btidte  fie  auf  mid)." 

79)  Dieses  sehr  fragwürdige  Dokument,  enthalten  in  Schindlers 
Beethoven-Nachlaß,  ist  nunmehr  als  apokryph  hingestellt,  besonders 
durch  die  beweiskräftige  Monographie  von  Dr.  Faust  Pachler.  Den  ge- 
nauen Sachverhalt  vergl.  man  in  B. S.  Br.  No.  691,  III.  Band.      A.  d.  H, 


—     134     — 

3)er  ©egenftanb  biefer  tjerbftfidjen  Siebe  mar  bem  93er= 
faffer  mofjl  befannt  unb  befinben  ftcf)  nod)  gtoei  Briefe  bon 
ber  fpäter  in  ©ra#  oeret)elid)ten  9)?arie  &  ^— r80)  an  93eet= 
fjooen  au§  ben  3af)ren  1825  unb  1826  in  feinem  Gorrefponben5= 
9cad)taffe  bei  mir.  ©ie  mar  eine  eben  fo  fd)öne,  al§  fünftterifd) 
gebilbete  SDame.  23eetf)ot>en  trug  fid)  mit  ber  Neigung  gu  ü)r 
—  bie  ifjr  nid)t  Verborgen  geblieben  —  oiete  Saljre  umfjer. 
Sie  unb  feine  anbere  bürfte  ba%  ©eftänbniB  betreffen,  baz 
Q}eetl)Oüen  an  ben  SBorfte^er  eine*  SnftttutS  für  Knaben, 
GHanatafio  bei  9?io,  im  «September  1816  getrau,  mie  Don 
beffen  £od)ter  in  ben  Zotigen  über  SBeetijoüen  ausgefagt  roirb, 
bie  (nebft  28  Briefen  oon  Seetfyoüen  an  ©ianatafio)  im 
2.  Ouartal  ber  ©ren^boten  öom  Satire  1857  abgebrudt  er= 
fcrjienen.  2)iefe§  ©eftänbnifj  lautet,  „bafj  er  unglüdfid)  liebe. 
$or  fünf  Sauren  Ijabe  er  eine  Sßerfon  rennen  gelernt,  mit 
melier  fid)  näfjer  ^u  uerbinben  er  für  ba§  größte  ©lücf  feine* 
Seben  gehalten  f)ätte.  @§  fei)  nidjt  baran  ^u  beulen,  faft  Un= 
mögiicrjfeit,  eine  Grjimäre,  bennocfj  fetj  eö  jetjt  nod)  roie  am 
erften  Sag.  ^iefe  Harmonie  t)a6e  er  nod)  mdjt  gefunben. 
£od)  fet)  e3  $u  leiner  ©rltärung  gefommen:  er  tjabe  e§  nocrj 
nidjt  au§  bem  ©emütf)  bringen  tonnen." 81) 

3Sir  roerben  auf  biefe  üWittfjeifungen  be§  ^räutein*  @iana= 
tafto  in  ber  brüten  Sßeriobe  jurüdfommen.  $)ie  gamtlie  mar 
mir  fefyr  mot)t  belannt. 

lieber  bie  roeiter  jurüdliegenbe  Siebenfache  fyabt  idj  burdi 
ßufall  auö  beö  2)ceifter3  Sttunbe  einige*  oernommen,  ba*  jur 
Beglaubigung  be§  barüber  2(u*gefagteu  um  fo  mistiger  fdjeint, 
at*  e*  tum  feinen  eigenen  ©djrift^ügen  feftgefjalten  ift.  @raf 
(Mallenberg  «erlebte  nämlid)  eine  9?eifc)c  Hon  Sauren  mit  @e= 
mat)tin  unb  Familie   in  Stauen,   rao   er    für   bie  Q5üt)ne  meift 


80)  Vergl.  das  unter  voriger  Nummer  der  Anmerkungen  Gesagte. 

A.  d.  H. 

81)  Man  vergl.  hierüber  u.  a.  B.  S.  Br.  No.  691,  III.  Band,  Er- 
klärungen. A.  d.  H. 


—     135     — 

3*aHet=9)htfit  componirt  §at  dlafybem  ber  berannte  Untere 
neunter  25arbaja  1821  ba%  &ärntnertt)or»5£f)eater  in  SBien 
gepachtet  unb  bie  itatienifdje  Oper  baf)in  gebract)t  t)atte,  erfdjien 
aud)  @raf  ©affenberg,  ber  bei  it)m  im  Engagement  geftanben. 
Safetbft  marb  itjtn  bie  Stjeater^ibliottjet5  gur  2luffid)t  an= 
uertraut.  1823  beburfte  $8eett)oüen  bie  bort  aufbemat)rte  Partitur 
feines  gibetio  jur  @infid)t.  Set)  manbte  mid)  be§tjaID  an  ben 
©rafen.  Sei  biefer  ©efegentjeit  tjatte  ftctj  biefer  anftöfjige 
3teufeernngen  über  ben  Sßeifter  ertaubt,  boöon  id)  it)m  einige 
mittt)ei(en  511  muffen  glaubte.  S)ie3  gab  it)m  Sßeranfaffung, 
ftct)  über  bie  SDinge  au§  bent  Satjre  1803  au^ufpredtjen,  unb 
jmar  meift  fdjrtfttidt),  meit  mir  un3  an  einem  öffent(id)en  Drte 
befanben,  mo  er  bem  ©pradjton  nict)t  gern  üertraute.  §ier 
einige  (Sätje  au3  biefen  Eröffnungen.  „Sdj  mar  fein  unfid)t= 
barer  25§or)(tr)äter  burd)  anbere  .  .  .  J'etois  bien  ahne  d'elle 
et  plus  que  jamais  son  epoux.  11  etoit  pourtant  plutöt  son 
amant  que  moi,  mais  par  eile  j'  apprenois  de  son  misere 
et  je  trouvois  un  homme  de  bien,  qui  me  donnoit  la  somme 
de  500  Florin  pour  le  soulager.  11  etoit  toujours  mon 
ennemi,  c'etoit  justement  la  raison,  que  je  fusse  tout  le  bien 
que  possible  .  .  .  Elle  est  nee  Guicciardi.  Elle  etoit 
l'epouse  de  lui  avant  son  voyage  en  Italie  .  .  .  Arivee  ä 
Vienne  eile  cherchoit  moi  pleurant,  mais  je  la  meprisois  .  .  . 
Unb  menn  id)  Ijcitte  meine  SebenSfraft  mit  bem  Seben  fo 
Eingeben  motten,  ma3  märe  für  ba§  Ebte,  Sßeffere  geblieben?"*) 
(lieber  ben  SBorrauSbrud"  in  fran^öfifc^er  ©prad)e  bürfte 
ber  SJceifter  fdjiuertid)  $u  beloben  fetjn.  £)a§  ©anje  nutzte 
umgefdjrieben  merben,  um  gut  frangöfifd)  p  fingen.  35a§ 
„que  je  fusse"  fott  motjl  tjeifeen:   que  je  lui  faisais,  unb   ber 


*)  (£ine§  ber  &onuerfaüon§=£>e[te  oon  1823,  bie  fämmtüdj  in  ber 
.£.  &of=93ibltotf)ef  gu  Berlin  aujbetüafyrt  ftnb,  enthalt  biefe  (Sröffmnigen. 82) 

82)  Dieses  Konversationsheft  ist  in  allen  wesentlichen  Teilen 
von  mir  genauer  mitgeteilt  bei  B.  S.  Br.  No.  45,  I.  Band.  Es  ist  das 
Heft  No.  10,  Februar  1823.  A.  d.  H. 


—     136     — 

©ermaniSmuS    „eile    cherchoit    moi"    ift    uingufcfjreiben    in: 
eile  m'a  fait  une  visite.) 

£)ie§  roirb  fjinreicfjen,  um  über  jene  Vorgänge  Sluffdjlufe 
gu  geben,  aber  audj  um  33eetI)Oüen'3  ^erjenöftimmungen  im 
^ßuncte  ber  Siebe,  geroifj  nur  511  feinem  SBorttjetfe,  51t  djarafte- 
rifiren.  ©3  ruerben  fid)  fomit  rüol)l  bie  üon  ©erjfrieb 8:J)  unb 
MkZ  Ueröffenttictjten  3tu§fagen  Hon  bem  liebeteeren  ^er^en 
be§  fon[t  fo  tief  unb  innig  fü^enben  £onbid)ter$  in  tljr  alberneg 
Sftidjtä  auflöfen.  Slber  brei  Hon  S3eett)ot»en'§  £anb  an  feine 
geliebte  (Siulietta  au§  einem  2Sabeorte  in  Ungarn  gerichtete 
Briefe,  bereu  Shttograülje  bei  mir  aufberoaljrt  liegen,  follen  noctj 
gur  SKütrjeitung  fommen,  roeil  fie  irjrem  Sntjalte  nad)  mo^l 
geeignet  fdjeinen,  ba§>  ©iegel  auf  bie  befprodjene  Srjatfadje  §u 
brüden.  SBetdjem  Sarjre  fie  angehören,  ift  mit  ©etuiferjeit  nicr)t 
51t  ermitteln,  ©tcptjan  uon  53reuning  fanb  fie,  nebft  anberen 
bem  $reunbe  roidjtigen  33rieffd)aften,  nad)  beffen  31bteben  in 
einem  geheimen  Säberjen  einer  ßaffette.  Db  felbe  nad)  bem 
Sörudje  1803  jurücf getieft  roorben?  2öer  faun  e§  fagen? 
3Seil  ir)re  Gsjifieng  begroeifett  roorben,  fo  foK  ber  jtoeite  mit 
bem  Saturn:  „Sttontag  ?(benb<§  am  6.  Suli",  im  gfacfimtle 
biefer  Sdjrift  beigegeben  werben. 


1. 

„31m  6.  Suti  ätforgenS. 
Sftein  (Sngel,  mein  21tte3,  mein  Sei)!  —  üftur  roenige  SBorte 
fyeute,  unb  groar  mit  Sleifttft  (mit  Seinem).  @rft  bis  morgen 
ift  meine  2Bot)nung  fieser  beftimmt.  SSeldjer  uüfjtötoürbige 
3eitöertreib  unb  b.  g.  (bergleidjen).  —  SSarum  biefer  tiefe 
©ram,    roo    bie   ^ottjlrenbigfeit    fpridjt!    ftann    unfere    Siebe 


83)  Das  unglaublich  oberflächliche  Wort  bei  J.  von  Seyfried  in 
seinem  bekannten  Buche  lautet:  „Beethoven  war  nie  verheiratet  und, 
merkwürdig  genug,  auch  nie  in  einem  Liebesverhältnis"  (Studien, 
Anhang,  II.  Aufl.  S.  II).  A.  d.  H. 


—     137     — 

anberS  Befielen,  ol§  burd)  Aufopferungen,  bitrc^  nid)t  5t£(e<§ 
verlangen?  Sfrmnft  Su  eö  änbern,  bafj  Su  nid)t  ganj  mein, 
id)  ntctjt  ganj  Sein  bin?  —  2(d)  ©Ott,  blitf'e  in  bie  fd)üne 
9?atur  uub  beruhige  Sein  ©emütf)  über  bciZ  SOcüffenbe.  — 
Sie  Siebe  forbert  2töe§  unb  gan^  mit  SRedjt,  fo  ift  e§  mir 
mit  Sir,  Sir  mit  mir;  —  nur  üergiftt  Su  fo  teid)t,  bafj 
id)  für  mict)  unb  für  Sid)  leben  muß.  SBären  mir  gan$ 
tiereinigt,  Su  mürbeft  biefe3  ©djmerjtidje  eben  fo  menig  at§  id) 
empfinben.  —  9J?eine  9?eife  mar  fdjrecfttdj.  Sd)  lam  erft 
9J?orgen§  4  Ul)r  geftern  f)ier  an,  ba  e§  an  Sßferben  mangelte. 
5tuf  ber  testen  Station  marnte  man  midj  bei  9?ad)t  51t  fatjren, 
machte  mid)  einen  Söatb  fürdjten,  aber  ba$  reifte  midj  nur, 
unb  id)  rjatte  Unredjt;  ber  333agen  mu&te  bei  bem  fdjrecfltdjen 
2$ege  bredjen,  grunbloS,  blofeer  Sanbmeg.  —  gürft  (Sfterfjagt) 
rjatte  auf  bem  anbern  28ege  !t)tet)er  baffetbe  ©d)idfal  mit 
8  $ferben,  ttjaS  id)  mit  4.  —  Sebod)  tjatte  id)  §um  Stjeü  mieber 
Vergnügen,  mie  immer,  menn  id)  ma§  gtüdlid)  überftetje.  — 
dlnn  gefcfjroinb  gum  Snnern  oom  Steueren.  Sßir  merben  uns 
morjl  balb  feiert.  2(ud)  fjeute  fann  id)  Sir  meine  SSemert'ungen 
nidjt  mitreiten,  metdje  id)  märjrenb  biefer  einigen  'Sage  über 
mein  2tben  madjte.  äöären  unfere  ^erjen  immer  bicfjt  an 
eiuanber,  id)  madjte  mofjt  feine  bergteicfjen.  Sie  SBruft  ift  üofl 
Sir  üiel  ju  fagen.  —  9(dj  —  e3  gibt  Momente,  mo  id)  finbe, 
hak  bie  ©pracfje  nod)  gar  nid)t3  ift!  —  (Srrjeitere  Siel)  — 
bleibe  mein  treuer,  einiger  &d)a§,  mein  2IKe§,  mie  id)  Sir; 
ba§  Uebrige  muffen  bie  ©ötter  fdjiden,  ma3  für  uns  fetjn  mufj 
unb  fein  fott.  Sein  treuer 

Subroig." 

2. 

„Montag  StbenbS  am  6.  Suti. 
Su  (eibeft  Su  mein  trjeuerfteS  SBcfen!  —  oben  je|t  nerjme 
id)  marjr,  baf$  bie  Briefe  in   aller  $rül)e  aufgegeben   merben 
muffen.    Su  teibeft!     3ld),  mo  id)  bin,  bift  and)  Su  mit  mir; 


—     138     — 

mit  mir  nnb  2>ir  werbe  id)  machen,  hak  id)  mit  ®tr  leben 
fann.  2Betdje§  Sebenüü  foü!  ofme  £)id).  —  Verfolgt  öon 
ber  ©üte  ber  3)?enfd)en  Ijier  unb  ha,  bie  id)  meine  eben  fo 
menig  oerbienen  31t  motten,  aU  fie  mirflid)  51t  öerbienen,  — 
SDemutf)  beS  9J?enfd)en  gegen  ben  9ftenfd)en  —  fie  jdjmcrjt 
mid)  —  unb  luenn  id)  mid)  im  ßufammen^ang  beö  ilnit>erfnms 
betrachte,  maS  bin  id),  unb  mag  ift  ber,  ben  man  ben  ©rösten 
nennt?  unb  bodj  ift  nneber  rjierin  bci%  ©ötttidje  im  ÜOienfdjen  — 
3öie  ®u  mid)  aud)  liebft,  ftärfer  liebe  idj  £>id)  bod),  —  bod) 
nie  oerberge  £)id)  Dor  mir.  ®ute  9cad)t!  —  2(13  Q3abeuber 
muß  icf)  fd)tafen  geljn.  2(d)  ©ort!  fo  natje!  fo  meit!  Sft  e£ 
nidjt  ein  maljreg  §immel§gebäube  unfere  Siebe,  aber  aud)  fo 
feft,  mie  bie  SSefte  be3  feimmeU."  — 


„©uten  borgen  am  7.  3uli. 
Sdjon  im  23ette  brängen  fid)  bie  Sbeen  311  £>ir,  meine 
unfterbtidje  ©eliebte,  f)ie  unb  ba  freubig,  bann  nneber  traurig, 
00m  @d)id)al  abmartenb,  ob  e§  un§  erhört.  —  Seben  fann  id) 
enltueber  nur  gang  mit  Sir,  ober  gar  nidjt;  \a  id)  fjabe  be= 
fdjtoffeu  in  ber  gerne  fo  lange  fyerum  51t  irren,  bi§  id)  in 
2)eine  ?(rmc  fliegen,  mid)  ganj  r)etmattjlict)  bei  ©ir  nennen, 
meine  Seele  Don  2)ir  umgeben  in'3  9veid)  ber  ®eifter  fd)ideu 
fann.  —  Sa  teiber  mufc  e§  ferjn!  —  ©u  totrft  S)id)  f äffen 
um  fo  meljr,  ba  Sit  meine  Xreue  gegen  S)id)  fennft;  nie  eine 
anbere  fann  mein  §er^  befitjen,  nie!  nie!  —  O  @ott,  marum 
fid)  entfernen  muffen,  ma§  man  fo  liebt?  unb  bod)  ift  mein 
&ben  fo  roie  jeijt  ein  fümmerlid)e£  Seben.  —  ©eine  Siebe 
marfjt  mid)  511m  ©tüdlidjften  unb  gum  Ungtüdlid)ften  sugleid). 
8n  meinen  Sauren  je£t  bebürftc  id)  einiger  Ginförmigfeit, 
©leidjtjeit  im  Seben;  fann  bie  bei  unferem  Sßerljältniffe  beftefjen? 
—  ©et)  ruf)ig;  nur  burd)  ruljige§  Sefdjauen  un[er§  ©afetjnS 
fönnen   mir   unfern  3med   §ufammcn    51t  leben   erreid)en.   — 


Ms  (EL  9^r  firfw. 


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—     139     — 

SSetcrje  ©eljnfudjt  mit  Sfjränen  nad)  Sit,  mein  Seben,  mein 
?lUe§!  Sebe  n>ot)t!  —  D  liebe  mid)  fort  unb  oerfenne  nie  baS 
treueftc  £er3  Seines  9eüebten  8ubnjifl.« 

„Senn  mdjtä  tft  befjer  unb  nmnfdjenSmeiU'jer  auf  l£vben, 

2113  menn  Wlann  unb  28eib,  in  5evältd^er  Siebe  bereinigt, 
Diufiig  i^v  §au§  üenoalten:  ben  geinben  ein  fränfenber  Slnblicf, 
Stber  SSonne  ben  Sfreunben;  unb  mefir  nod)  genie&en  fte  felber." 

58on  !Seetbot>en  in  ber  Odussee   ©.  121,  angeftridjen.84) 

©äs  Safjr  1804  braute  an  erftmatigen  Sßrobuctionen  bie  I8O4 
^meite  Sinfonie  in  D  dur  unb  gleichseitig  baS  *ßiano= 
forte=©oncert  in  C  moll  —  (in  ben  2lugarten=2lfabemien, 
3tfonat  Suti).  (5S  liegt  fonad)  ^oifdjen  ber  erften  Huffürjrung 
ber  ©infonie  in  C  dur  unb  biefer  neuen  ein  3e^raum  ÜOn 
oollen  Oier  Sagten,  lang  genug  für  ben  fd)öpferifd)en,  mäcfjtig 
aufftrebenben  Slünftter,  um  fiel)  gan§  Oon  SDfoäart'S  Stntmeife 
ju  emaneipiren  unb  feinen  eigenen  2Beg  gu  getjen.  ©0  geigt 
eS  biefe  neue  Sdjöpfung.  Smbefj  mar  in  nicfjt  menigen  it)r 
vorausgegangenen  SBerfen  für  Äammermufif  jeber  (Haltung  biefe 
©maneipation85)  fdjon  erfolgt,  ausgeprägte  (Sigentt)ümlid)feit 
in  SOMobie  unb  s}3eriobenbau  ftnbet  fiel)  fd)on  in  ber  Sonate 
Op.  2,  in  F  moll,  im  SIbagio  E  dur  ber  brüten  Sonate  beS= 
fetben  Söerfel;  ferner  in  ber  Sonate  Es  dur,  Op.  7;  nod) 
entfdjiebener  unb  bie  Sätje  etnrjeittidjer  im  (Stjarafter  oerbinbenb 
in  ben  Sonaten  C  moll  unb  D  dur,  Op.  10;  bann  nod)  in 
ber  Pathetique,  bie  fed)S  Duartette,  Op.  18,  nidjt  51t  Oergeffen, 
meiere  $8er!e  fämmttid)  frei  oon  Stt)l=3ieminifcen5en  ben  ur= 
eigenen  SupuS  Seetrjooen'fcrjer  Strjtmeife  fdjon  an  ber  Stirn 
tragen,  als  mären  fie  ^ßrobuete  fpäterer  Sarjre. 

©igen,   be^ierjungSmeife   feltfam,    lautet  baS  offenbar  oon 
^ogart'S  Stntmeife  ftart   befangene  Urttjeit  beS  Wiener  9fJefe= 


84)  Homers  Odyssee,  VI.  Gesang,  V.  181  ff.  A.  d.  H. 

85)  Ein  kleiner  Lapsus :  Schindler  wollte  wohl  Emanation  statt 
.,Emanzipation"  schreiben.  A.  d.  H. 


—     140     — 

reuten  in  ber  2((Ig.  üOcuf.  3*9-  uoer  ^efe  neue  ©infonie.  ©r 
begnügt  ftd),  fie  turjmeg  gu  nennen:  „(Sin  Söerf  Doli  neuer, 
origineller  Sbeen,  bon  großer  föraft,  feelenüoüer  Snftrumen* 
tirung  unb  geteerter  2(u£>füt)rung,  ba%  aber  ofjne  ^toeifet  ourc§ 
5Ibtüräung  einiger  ©teilen,  fo  mie  burd)  ?(ufopfernng  fo  mancher, 
benn  bocT;  gar  ju  fettfamen  SOfobutation  gewinnen  mürbe."  — 
dagegen  ruirb  ba$  neue  ^ßianoforte^Soncert  unbebingt  5U  ben 
fcfjönften  ßompofitionen  Q3eetf)oüen'3  ge-jäfjft  unb  beffen  „fetjr 
gebunbener  unb  au3brud3üotIer  Vortrag"  burct)  ^erbinanb  9vie§ 
bejonber§  Ijeröorgeljoben.  —  93eiger)enb  barf  bie  auäfüfjrftdje 
Beurteilung  btefe§  ßoncertö  im  fiebenten  Safyrgange  ber 
9Ißg.  9J?uf.  $tg.  nacfj  tieferer  (Sinftdjt  ftrebenben  ßlaoierfpietern 
beftenS  empfohlen  »erben.  (Sie  ift  meniger  eine  Shitif,  a(3 
oielme^r  eine  Ie£)rretci)e  3[6fjanbftmg. 

Sin  neu  f)erau3gegebenen  SSerten  ift  btefe§  3>arjr  eine§  ber 
ärmften,  üon  {(oberer  Söebeutung  ift  feineä  anaufübren.  Sn 
?(rtariaT3  Vertag  erfcr)ten  bie  Sttufif:  gutn  SBaHet  „$ßromert)eu§" 
für  ba<3  (Streichquartett  eingerichtet.  2Öeäüg(tct)  ber  Dcummerirung 
biefer  Gompofition  ift  31t  bemerfen,  bafj  ber  frühere  fcfjon  bei 
Gappi  u.  Somp.  gebrucfte  GfabierauSgug  31t  ä»ei  Spänben  bie 
CpuSjafjf  24  aufroeifet,  loelcfje,  in  Setradjt  ber  (Sntftefjung  be§ 
S33er!e§,  tuot)[  ofjne  3»eifet  °^e  re<fye  fe9n  bürfte.  3)emnacrj 
barf  bie  in  fpäteren  Katalogen  angegebene  Dpu^aljt  43  eine 
offenbar  iinridjtige  genannt  »erben. 86) 

II. 

Sn  mögfidjft  cbjrouologifdjer  Crbnung  mit  ©r^äb/lung  ber 
gejdjidjtlidjen  Gegebenheiten  unb  ifyrer  SBerantaf  jungen  fortfatjrenb, 
tritt  un§  nun  jum  erften  SDfaf  eine  oon  nicrjt  gemötjntidjer,  ja 

86)  Die  Wahrheit  ist,  daß  beide  OpusnuiDmern  24  und  43  ihre 
Berechtigung  haben.  Die  Zahl  43  bleibt  bei  dem  Gesamtwerke  besteben, 
wie  es  bei  J.  Cappi  &  Co.  erschien  1802  —  nach  Artaria.  Die 
Ouvertüre  mit  der  Opuszahl  24  erschien  1804  im  Verlage  von  Hof- 
meister &  Kühnel  in  Leipzig.  A.  d.  H. 


—     141     — 

öon  abfonberlidjer  5frt  entgegen,  barum  abfonbertid),  meil  fte 
weniger  bem  muficatifdjen  ©ebiete,  at§  öietmetjr  bem  ber  Staate 
polttif  angehört.  SSir  muffen  un§  aber  allmärjlig  geroöfjnen, 
nnfern  Sonbidjter  aucfj  auf  biefem,  feinem  eigenttictjen  2Birtung§= 
freife  gan§  fremben,  ©ebiete  aufeufudjen,  meil  eine  (Seite  feinet 
üftatnrette  unroiberfteljtid)  nacf)  biefer  SRicfjtung  gebrängt  unb 
poIitifd)e<o  (Gepräge  gur  ©djau  getragen  fjat.  Sßir  merben  ibm 
barum  nod)  mieberJjott  bort  begegnen. 

©efanbter  ber  fran^öfifctjen  SJiepublir*  am  öftreidjifdjen  £>ofe 
mar  bamalS  ber  ©eneral  23ernabotte,  nadjljeriger  ßönig  öon 
©dnoeben.  Sn  feinem,  ben  Sftotabilitäten  au3  allen  ©täuben 
geöffneten  ©alon  erfdjien  aud)  93eetboöen,  ber  fid)  6i§  bafrin 
bereite  al3  großer  SBemunberer  be§  erften  (5onfut§  biefer  9te= 
publif  gu  ernennen  gege6en  rjatte.  $on  biefem  ©enerat  ift  ber 
©ebante  ausgegangen,  53eetrjoüen  möge  ben  größten  gelben  be§ 
ßeitalterä  in  einem  £onroerfe  feiern.  üfticrjt  lange,  fo  t)atte  fid) 
biefer  ©ebanfe  gur  STtjat  entfaltet,  roeldje  ber  ^eifter  nadj  über* 
ftanbenent  Kampfe  mit  feinen  politifcfjen  $lnfcfjauungen  unter 
ber  Benennung  „Sinfonia  eroica"  ber  Shtnftioelt  übergeben  bat.*) 

3)ie  Semunberung  für  ben  ©enerat  Söonaparte  grünbete 
fid)  bei  $eetf)oöen  nidjt  bfo§  auf  beffen  garjlreidje  ©iege  an 
ber  ©pi|e  großer  Slrmeen,  fonbern  aucrj  barauf,  bafc  e§  bem 
aufserorbentlid)en  Wanne  in  wenig  fahren  fdjon  gelungen  mar, 
baZ  ßrjaoä   ber   gräuetoollften  9teöolution   mit  fräftiger  §anb 

*)  ©afj  ber  ©ebanfe  ju  biefem  SBerfe  urfprüuglid)  bem  ©eneral  23er» 
nabotte  angehöre,  tternafim  ber  SBerfaffer  au§  SSeetfioüen'S  eigenem  Wlunbe 
bei  ©elegencjeit,  als  ber  «ütetfter  1823  ein  (Scheiben  an  ben  König  öon 
©djroeben  gerietet,  beffen  am  paffenben  Orte  näfier  erroabnung  ge= 
fcbeben  wirb.87) 

87)  Man  vergl.  B.  S.  Br.  No.  878,  IV.  Band.  Über  Beethovens 
Republikanismus  ist  in  den  Briefen  viel  geschrieben  worden.  Trotz 
aller  zurückweisenden  Bemerkungen  bleibt  B.'s  Republikanismus  be- 
stehen. Es  hieße  „Eulen  nach  Athen  tragen",  wollte  man  diesem 
Streitpunkte  noch  näher  rücken.  Siehe  u.  a.  B.  S.  Br.  Band  III  S.  59 
und  passim.  A.  d.  H. 


—     142     — 

ttrieber  in  eine  ftaatüdje  Drbnung  äurüdjufütjren.  Unb  bab 
biefe  neue  Drbnung  ber  Singe  auf  repubtifanifdjen  Sßrincipien 
fufcte,  roenn  audj  urfprünglid)  bon  bem  erften  Gonful  felber 
nid)t  bictirt,  bie§  fonnte  bie  <Sb,mpatt)ien  Jßeet^ooen'g  für  53ona= 
parte  unb  ben  neuen  Staat  nur  ert)ö(jen,  toett  er  fid)  felber 
fd)on  ber  repubtifanifdjen  ©taat^form  gugemenbet  tjatte,  511 
toetdjer  er  gunädjft  burd)  feinen  borroiegenben  £)ang  nadj  un= 
eingefd)räntter  $reif)eit  unb  Unabtjängigfeit  modjte  geführt  tuorben 
febn.  Siefeä  hinneigen  511  freien  ©taat§berfaffungen  mußte 
ferner  im  anbauernben  ©tubium  ber  gried)ifd)en  <2d)riftfteüer, 
^lutard)  unb  Sßlato,  bie  fräftigfte  9cat)ruug  finben,  aber  auf 
biefen  SSegen  pgteid)  eine  9?id)tung  ermatten,  bie  mit  ber  gefd)affe= 
nen  Drbnung  in  $ranfreidi  faum  mefjr  ate  ben  tarnen  gemein  fyatte. 
©oetfje  fagt:  „Me  practifdjen  Slöpfe  fudjen  bie  SBett 
fjanbfeft  5U  madjen,  alle  Genfer  motten  fie  fopfred)t  f)aben." 
2e|3tere3  paf}t  auf  unfern  Sßeetfyoben.  föopfredjt  wollte  er  jebe 
ftaat(ict)e  Drbnung  tjaben,  menn  er  fie  mit  bem  SJeafcftabe  ge* 
meffen,  ben  er  burd)  pato'3  -tfyeorie  bom  Staat  in  bie  §anb 
befommen.  ®opfred)t  motfte  er  bie  Singe  junädjft  in  granf- 
reict)  georbnet  fetjen,  menn  er  bon  Napoleon  Sßonaparte  er= 
martete,  er  merbe  nad)  unb  nad)  bie  §auptprincipien  ber  ^Sta= 
tonifdjen  SRepubüf,  bteüeidjt  mit  einigen  äftobiftcationen,  bort 
5ur  ©eltung  bringen,  unb  fomit  —  nad)  feiner  (Sinbilbuug  — 
ben  ©runb  ju  einem  allgemeinen  2öetteng(üd  legen.  Surfte 
aber  nict)t  nod)  ein  anberer,  fefterer  ®runb  für  53eett)oben'3 
politifdje  ?(nftd)ten  ober  ©trebungen  anjunetjmen  fetyn,  ber  bei 
einem  Senfer,  roie  er,  nid)t  au&er  aüer  3Safjrfd)eintic^feit  liegt? 
SKod)te  er  nid)t  gemottt  fjaben,  bie  SBett,  unb  in  iljr  bie  £unft- 
toelt,  foüe  fid)  bei  einer  allgemeinen  poütifdjen  Umgeftaltung 
fo  geftatten,  bafe  itjr  eigentümliches  2Sefen  unb  it)re  SBeifen 
(unb  fomit  aud)  bie  Äünftler)  ju  tjol^erer  ©ettung  gelangen 
fönnen,  al§  bie§  bei  ben  beftetjenben  23erf)ältniffen  unb  guftänben 
möglid)?  2Bir  tjaben  un§  tjiebei  nur  bie  «Stellung  ber  3Tünftter 
in  focialer  Söe§iet)img   in  bamaliger  &\t  31t  bergegenmärtigen. 


—     143     — 

Sie  trittf  f)at  biefen  Snciben^unct  mdy  ©rfdjeinen  ber 
erften  Shi8ga6e  btefeS  93ud)eS  äiemtid)  fdjief  beurteilt,  tueil 
meiner  Seitä  51t  menig  motibirt,  aber  bieüeidjt  aud)  barum, 
weit  ben  23eurtf)eitern  bie  ©nmbäüge  ber  patonifdjen  £ef)re  Dom 
Staat  nidjt  mefjr  redjt  erinner(id)  gemefen.  9ceuerlid)  ift  ber* 
felbe  bon  einem  93eurtf) eiler  be§  Utibifd)efffd)en  23ud)e<§:  „S3eet= 
Ijobeu,  feine  Äritifer  nnb  feine  Ausleger,"  in  ben  Beilagen  pr 
ungemeinen  geitung,  %im\  1857,  mieber  beanftanbet  morben. 
©ort  fjeifet  e§:  „S)af$  Geetfjoben  bor  allem  ber  fRepubttf  be§ 
^(ato  ben  $or$ug  gab,  bie  auf  bie  ©emeinfdjaft  ber  ©üter  nnb 
SBetber  bafiert  mar,  unb  bie  Stünftter  ber  jagte,  baZ  fdjeint 
etma§  fernerer  gu  begreifen,  als  bafj  er  im  §er^en  9tepublifaner 
mar.  Safe  eraufter  ben  ©djriftftettern  be§  9((tert^um§  Sfyafefpeare, 
(^oetrje,  ©Ritter  nnb  alle  gnlen  bentfdjen  Sidjter  la§,  überbieS 
bie  allgemeine  ßeitung  feine  tägtidje  23efd)äftigung  bilbete,  — 
mie  reimt  fid)  ba§>  mit  ber  ^ptatonifd)en  SRepublif?" 

Sa  and)  biefem  fünft  fo  nmfidjtigen  53eurtt)eiler  ber  roaljre 
Sad)bert)alt  nidjt  mefjr  tren  im  ©ebädjtniffe  haften  geblieben, 
barum  er  bielleidjt  bem  SSrodtjauS'fdjen  (£onberfation§sßerkon 
nadjgefdjrteben,  mo  e3  fo  31t  (efeu  ftefyt,  fo  fd)eint  e§  unertäfelid), 
einige  ©teilen  au§>  *ß(ato'<o  (Staat  ber  Gegebenheit  mit  ber 
Sinfonia  eroica  borauSgefyen  5U  (äffen,  bie  §ur  StufÜärung  irr* 
tfyümlidjer  Slnffaffung  bienen  merben.  Ser  ©egenftanb,  an  fict) 
fd)on  bon  tjofjem  Sntereffe,  geminnt  nod),  ba  er  in  gutem  $u= 
fammenljange  mit  SSeetfjoben'S  potitifdjem  ©laubenSbefenntniffe 
ftefyt.ss)  Siefetbe  Ueberfetmng  öon  $.  Sdjteiermacfjer,  bie 
aud)  53eett)Oüen  jum  Stubutm  gebient,  liegt  mir  bor.  93orab 
ift  nur  51t  bemerfen,  bafy  afle  Steile  biefer  Sfjeorie  bom  Staate 


88)  Die  Ausführungen  Schindlers  über  Beethovens  Republikanismus 
glaubt  nun  A.  W.  Thayer  dadurch  zu  entkräften,  daß  er  mit  der 
Bemerkung  vorrückt,  Schleiermachers  Übersetzung  des  Plato  wäre  erst 
viel  später  herausgekommen,  als  Schindler  angibt.  In  Wahrheit  ist 
nun  erstens  Schleiermachers  Plato  in  der  ersten  Auflage:  1804—1810 
erschienen.    Dann  übersieht  Herr  Thayer  aber  den  Umstand,  daß  seit 


—     144     — 

in  ©efprädjäform  atmjdjen  SoirateS,  ©laufon,  £{jraftj* 
madio3  unb  anbern,  abgefaßt  finb. 

^ßlato  beabfidjtigte  nichts  »eiliger  al§  bie  Vertreibung  ber 
fünfte  au§  feinem  (Staate,  t>ietmef)r  nur  it)re  $)3urificirung, 
barum  er  fie  unter  9(uffid)t  (ßenfur)  gestellt  miffen  motlre. 
9fad)bem  er  im  ©ingange  be3  brüten  23ud)e§,  <S.  166,  über 
bte  ©ötter  p  fpredjen  beginnt,  „ma§  biejenigen  üon  &inbt)eit 
an  tjöreu  unb  ma§  fie  nicfjt  fyören  muffen,"  fefct  er  gleich  rjin^u: 
„Ü8ir  muffen  alfo  and)  über  biejenigen  Sluffidjt  führen,  bie 
tjierüber  (ärjätjtungen  üortragen  motten"  ....  „SDtefcS  unb  aUe§ 
berg(eid)en  motten  mir  bei  §omero§  unb  ben  anbern  S)id)tern 
beüonoorten,  un§  nicrjt  ju  ^ürnen,  loenn  mir  c§  auSftreicfjen, 
nid)t  al3  ob  e3  nid)t  bid)terifd)  märe  unb  bem  Voffe  angenefjm 
5U  björen,  fonbern  meit  e§  je  Mdjterifdjer  um  befto  meniger  barf 
gehört  merben  üon  Knaben  unb  Scannern,  metdje  foüen  frei 
geftnnt  ferjn  unb  bie  ftuecfjtjdjaft  met)r  fd)euen  a(§  ben  £ob." 
<&.  167.  —  Sinn  merben  nocfj  üiele  «Stellen  au§  §omero§  uub 
anberen  'Didjtern  tüörtlicr)  angeführt,  mie  üorauögetjenb  im 
gmeiten  58ud)  be§g(eid)en  fdjon  gefdjetjeii,  bie  a(3  fittengefät)r(id) 
geftrid)en  merben  foüen. 

Sn  ber  Unterfudjung  ber  fünfte  fortfaljrenb,  fommt  nun 
^(ato  äitnäc^ft  auf  bie  9(rt  unb  Steife  ber  ©efänge  unb  ifjre 
^Begleitung  gu  fprecfjen,  —  ein  fefyr  an^ieljenbeg,  für  D?aft& 
freuube  belel)renbe§  Gapitel.89) 


längeren  Zeiten  gründliche  Philologen  um  Beethoven  bemüht  waren, 
Beethovens  Hange  zur  Antike  eifrig  durch  Übersetzungen  zu  dienen. 
Dabin  geboren  die  philologischen  Freunde  Pinterics,  Stein,  Höhler 
und  andere.  Beethoven  brauchte  etwa  nicht  erst  seine  Kenntnis 
Piatos  aus  der  gedruckt  vorliegenden  Übersetzung  Schleierinacliers 
abzuwarten.  A.  d.  H. 

89)  Bei  allem  Bedeutsamen  und  Verdienstvollen,  das  Schindler 
auch  über  diese  Partien  aus  Plato  vorbringt,  muß  dennoch  behauptet 
werden,  daß  diese  Materie  aus  Plato  seitdem  viele  Erweiterungen  und 
Richtigstellungen  erfahren  hat.  Ganz  unabhängig  von  Beethoven  ist 
dieser  Gegenstand  —  die  moralische  Seite  der  Musik  —  bereits  vor  etwa 


—     145     — 

9?ad)bem  er  unter  bett  fünften  Tonarten  bie  jonifdje*) 
unb  Itybifdje**),  tt)efd>e  bie  roeidjen  genannt  merben,  bann  nodj 
bie  borifdje***)  nnb  p^rt)gtfct)e ****)  auSgemäljlt,  gibt  er  bon 
beiben  letzteren  folgenbe  intereffante  (Sljarafteriftif:  „Saffe  mir 
jene  Tonart  übrig,  meiere  bie  Xöne  unb  (Stjlbenmafee  35effen 
angemeffen  barftellt,  ber  fid)  in  friegerifdjen  Verrichtungen  unb 
in  allen  gemalttljätigen  ßuftänben  tapfer  beweiset,  unb  ber  aud), 
menn  e§  mißlingt,  ober  menn  er  in  SSunben  unb  Stob  gefjt 
ober  fonft  öon  einem  llnglüde  befallen  mirb,  in  bem  allen 
moljfgerüftet  unb  auSljarrenb  fein  ©djtcffat  befielt."  (£)ie 
borifdje  Tonart  ift  bamit  gemeint.)  „Unb  nodj  eine 
anbere  für  2)en,  ber  ftdj  in  frieblidjer,  nidjt  gemaltfamer, 
fonbern  gemäd)lid)er  Stljätigleit  befinbet,  fet)  e§,  bafe  er 
einen  9lnbern  roo^u  überrebet  unb  erbittet,  burdj  gießen  ®ott 
ober  burd)  SMeljrung  unb  (£rmatjnung  SRenfdjen,  fet)  e§  im 
©egentfjeif,  bafe  er  felbft  einem  5lnbern  bittenben  ober  be« 
lebrenben  unb  umftimmenben  ftiÜIjätt,  unb  bemgemäfj  öer= 
nünftig  fjanbelt  unb  ntdjt  ljod)faf)renb  fidj  betueifet,  fonbern 
befonnen  unb  gemäßigt  in  alle  2>em  fiel)  beträgt,  unb  mit  bem 
9lu§gang  aufrieben  ift.  ®iefe  beiben  Tonarten,  eine  gemaltige 
unb  eine  gemäd)tid)e  (mit  biefer  ift  bie  pjjrtygifdje  gemeint), 
meiere  ber  Unglüdlidjen  unb  ©lüd(id)en,  ber  Sefonnenen  unb 
tapferen  Xöne  am  fd)önften  nadjatjmen  merben,  biefe  laffe 
mir"    ....    (SSir   merben   un§   biefer  Xon=(5Ijarafteriftif:   be§ 

*)  Unfer  C.        **)  Unier  F,  aber  obne  b. 
***)  Unfer  D,  of)ne  fis  unb  eis. 

****)  Unfer  E,  obne  fis,  meber  aufroäriä  nod)  abwärts  fteigenb,  fo  aud) 
mit  fleiner  Sejte  unb  fleiner  (Septime. 

2  Jahrzehnten  vom  Herausgeber  dieses  Neudrucks  bebandelt  worden, 
worauf  ich  alle  Freunde  des  Griechentums  hinweisen  möchte.  Das 
geschah  in  meiner  Schrift:  „Musik  und  Moral,  kulturhistorischer  Essay," 
Hamburg  1 888,  in  den  Deutschen  Zeit-  und  Streitfragen,  herausg.  von 
Prof.  Franz  v.  Holtzendorff  in  München,  besonders  in  den  den  Hellenen 
gewidmeten  Kapiteln  III— VII,  S.  9—27  (über  Plato  und  Aristoteles). 

A.  d.  H. 
31.  <ScötnMer§  33eetf)Oöert=93iogtcH)fjic.  10 


—     146     — 

griedjifdjen  SBeifen  in  ber  SRubril  „Gtjaraf'teraüge"  erinnern,  menn 
öon  S3eetf)oüen'g  gehalten  an  ber  bon  neueren  2leftt)eti!era 
aufgeteilten  (Sfjaraftertftif  unferer  Tonarten,  jum  Streit  ge=' 
ftüfct  auf  jene  ©runbgüge,  bie  SRebe  fetjn  roirb.) 

Unb  nun  geljt  ^plato  jur  tlnterfudmng  ber  für  feinen  ©taat 
braud)baren  Snftrumente  unb  ber  ß^itmafee  ü6er.  $on  erfteren 
uermirft  er  bie  §arfe  unb  (Strubeln  roegen  ifyrer  nieten  (Saiten, 
auc|  bie  $töte  nrirb  üerroiefen  unb  nur  bie  Stjra  unb  bie  Sto= 
tt)ara  behalten  „für  bie  <Stabt";  ben  gurten  auf  bem  Sanbe 
gibt  er  „irgenb  eine  5Trt  Don  pfeife." 

33ei  ben  Xaftarten  unb  iljrer  Söraudjbarfeit  geigt  ficf)  $ßtato 
unfidjer.  (Sr  fügt  @.  188:  „©enn  ba$  e§  etwa  brei  5trten 
gibt,  au§>  benen  alle  Semegungen  äufammengefe^t  merben,  fo 
nn'e  6ei  ben  £önen  Oier,  an$  benen  alle  Xonarten,  bie§  fjabe 
itf)  angefdjaut  unb  lönnte  e§  fagen;  raa3  für  eine  £eben£roeife 
aber  jebe  barfteltt,  ba§  müfete  ict)  nictjt  §u  fagen  ....  ©o  ttmllen 
mir  bie§  erft  mit  2)amon  beraten,  roaS  für  53eroegungen  mofyl 
ber  ©emeinljeit,  beut  SKutljmillen,  ber  2?3ilbt)eit  unb  anberen 
2d)tecl)tigfeiten  angemeffen  ftnb,  unb  ma§  für  3e^trnaBe  ^r 
für  bie  entgegengefetjten  aufbewahren  muffen." 

@.  190.  „äWüffen  mir  atfo  bie  2)ict)ter  altein  in  Slusfidjt 
Ratten  unb  fie  nötigen  biefer  guten  @efinnung  33i(b  tt)ren 
Dichtungen  eingubitben,  ober  überall  bei  un§  ntd)t  $u  biegten? 
Ober  müften  audj  alle  anbere  arbeiten  unter  2luffid)t  ftetjen 
unb  abgehalten  merben,  bie§  bösartige  unb  unbänbige  unb  un= 
ebte  unb  unanftänbige  meber  in  Slbbitbungen  bes  Sebenä,  nod) 
in  ©ebäuben,  nod)  in  irgenb  einem  anbern  SBerte  anzubringen; 
ober  mer  baZ  nidjt  fönnte,  bem  märe  nid)t  51t  öerftatten  bei 
un§  §u  arbeiten  ....  <So(d]e  Hünftler  muffen  mir  fud)en, 
metdje  eine  glüdtidje  ®abz  befitjen,  ber  !ftatur  be£  ©djönen  unb 
Slnftänbigen  überall  nac^jufpüren,  bamit  unfere  Jünglinge,  mie 
in  einer  gefunben  ©egenb  mo^nenb,  üon  allen  (Seiten  geförbert 
merben,  moljer  ifjnen  gleidjfam  eine  milbe,  au§  tjeilfamer  ©egenb 
©efunbljeit  fjermetjeube  fiuft  irgenb  etmaä  oon  fdjönen  SBerfen 


—     147     — 

für  ba§  ©efidjt  ober  ®ef)ör  gufütjren  möge,  unb  fo  unuermerf't 
gteid)  oon  Äinbljeit  an  fic  gur  2(ef)n(id)feit,  greunbfdjaft  unb 
Uebereinftimmung  mit  ber  fdjönen  Sftebe  anleiten." 

„Sentit  nictjt  eben  be£ljalb  ba§  tüirfjtigfte  in  ber  (Srgie^ung 
auf  ber  Wu\it,  »eil  ßeitmafj  unb  28ot)lf(ang  üorgügtid)  in  bas 
Snneie  ber  ©eefe  einbringen,  inbem  fie  SBofjfanfiänbigfeit  mit 
fidj  führen,  unb  alfo  aud)  tüofjtanftänbig  machen,  toenn  einer 
richtig  erlogen  toirb,  lcenn  aber  nid)t,  bann  baZ  ©egentfyeil?" 
—  2)a3  ©efaräd)  über  SHufü  fcfjtiefjt  mit  bem  ©afce:  „£)a§ 
£CRufifatif(f)e  fott  nämlidj  enben  in  ber  Siebe  gum  ©djönen." 
SSettertjin  ftofcen  mir  auf  ben  <Sai$:  „9?äcf)ft  ber  äJhtftf  aber 
muffen  hnr  unfere  Jünglinge  burd)  ©tjmnafti!  ergießen"  u.  f.  f. 

S)a§  fünfte  Sud)  tjanbelt  über  ©emeinfdjaft  ber  Sßeiber. 

©.  264.  „2öetd)e3  bie  Strt  unb  Söeife  ber  ©emeinfd)aft 
fet)n  foü,  bebarf  ber  ©rflärung,  benn  e§  fann  ber  §Irten  gar 
öiete  geben."  —  3n  gotge  Stufforberung  bon  ©faufon,  fidj 
über  biefen  *ßunlt  ebenfalls  $a  erklären,  fragt  ©ofrateä :  „©agft 
bu  ba§  etma,  um  mir  9ftutf)  gu  machen?  —  greilid).  —  ©u 
benrirfft  aber  gan§  ba$  ©egentfjeil,  benn  toenn  id)  mir  zutraute 
ba3  5U  hüffen,  tuooon  id)  rebe,  fo  toäre  mir  biefe  3ufPra^^ 
gan§  nüßtommen.  £)enn  unter  bernünftigen  unb  lieben  Sftenfdjen 
audj  über  bie  toidjtigften  unb  tiebften  S)inge  bog  233aljre,  baä 
man  loeifj,  bortragen,  ba§  ift  gang  fidjer  ofyne  @efnt)rbe ;  aber 
felbft  nod)  ungettrijj  unb  fudjenb  pgleidj  etroa3  Vortragen,  tote 
id)  tfjun  fotl,  ba$  ift  bebenflid)  unb  unftdjer. 

2)ie§  geigt  rt)of)t  beuttid),  bafj  Pato  über  biefen  SEtjeit 
feiner  Sefjre  öom  <&taat  mit  fidj  nod)  nid)t  im  Staren  getoefen; 
g(eid)ioof)t  fpridjt  er  fid)  in  einer  2Beife  barüber  au§,  bafc  felbft 
ber  fittenridjtenbe  SSeetJjoüen  nidjt  Urfadje  t)atte,  2InftoJ3  baran 
nehmen  §u  muffen,  menn  er  fid)  ai§>  ©eftfn'djtöfunbiger  in  bie 
3tnfd)auungen  be3  Ijeibnifdjen  ßeitatterä  surüdüerfe^te.*)  —  (£§ 

*)  £)6  aud)  SBeettjoüen  über  ba§  G()et>err)ältnif$  nad)  firdjltdjen  unb 
ftaatlidjen  ©efegen  mit  fttf)  im  Klaren  mar,  ftetjt  ju  bezweifeln.  Sie  ©ame 
©ianotafio  ermähnt   in  itjren  2lufaetd)nungen  eine§  ©efpräctjeg  mit  ifjm 

10* 


—     148     — 

mag  fomit  genugfam  bargetegt  fetjn,  ba^  in  ber  £mlbigung 
biefer  ^latonifdjen  Stjeorieen  für  ben  ©ebitbeten  nidjtS  üer= 
fängüd)e3  liege,  folgtid)  audj,  bafj  biefen  £t)eorieen  gegenüber 
gtoifcrjen  93eetl)orjen  unb  feiner  Sßerefjrung  für  (Stjafefpeare, 
®oett)e,  @cr)iCter  nnb  ber  Seetüre  ber  Mgemeinen  3e^tun9  nid)t3 
ungereimtes  3U  ftnben.  SBeldje  2Banblung  aber  23eetl)oüen'§ 
reüubfifanifrfie  ©efinuungen  in  fpäteren  Satjren  erfahren,  nad)- 
bem  er  bie  englifdje  ©taatStierfaffung  nätjer  fennen  gelernt, 
tt)irb  in  ber  brüten  ^ßeriobe  gezeigt  merben. 

9lad)  biefer  notljmenbigen  ?Infüljrung  be3  gried)ifd)en  SSeifen 
ergreifen  mir  ttrieber  ben  gaben  unferer  ©r^ätjlungen  unb  fommen 
pr  üorbemerften  Segebenfyeit  mit  ber  Sinfonia  eroiea. 

®ie  9tetnfc£)rtft  ber  Partitur  mit  ber  ©ebication  an  ben 
erften  ßonfut  ber  frangöfifdjen  Dtepubtif,  bie  blo§  au§  ben 
beiben  SSorten  „Napoleon  Bonaparte"  beftanben,  follte  eben 
bem  ©enerat  S3ernabotte  gur  SIbfenbung  nad)  SßariS  übergeben 
merben,  als  bie  9^actjrict)t  nad)  SSien  tarn,  Napoleon  ©onaparte 
Ijabe   fid)   gum  ft'aifer   ber  gran^ofen   aufrufen  laffen.     ®em 


über  biefen  ^unft  unb  fübrt  an:  „2Sie  er  in  altem  ein  befonberer  9JJenfd) 
war,  fo  and)  in  feinen  Qbeen  unb  Meinungen  hierüber.  3ebe  5lrt  ge* 
bunbeneg  93ert)ättniö  bei  SKenfcben,  fagt  er,  fei)  iljm  unangenehm.  3$ 
glaubte  ir)n  ju  uerftetjen,  er  null  bie  5-reitjeit  be§  Wenfcben  nict)t  befebränft 
miffen;  fo  ifi  e§  ibm  weit  intereffanter,  roenu  ein  ireiblicr)c§  SSefen  ibm, 
ebne  an  ib,n  gebunben  ju  feim,  it)re  Siebe  unb  mit  ibr  ba§  £öd)fie  fdjenft." 

©tet)t  bie§  mit  feinen  oben  angeführten  Söorten  nidjt  in  einigem 
SBiberfprud)?  „0  ©ott  -  (afj  mitf)  fie,  jene  enblid)  finben,  bie  mid)  in 
Sugenb  beftärft  —  bie  mir  erlaubt  mein  ift."  ®iefe  Söorte  batiren  au% 
berfetben  geil,  in  melier  jene  ®ame  unfein  ÜCftetfter  oft  in  tbreS  SßaterS 
$aufe  ju  fet)en  unb  ju  hören  Gelegenheit  gehabt.90) 

90)  Man  vergleiche  die  breiten  Darlegungen  von  Frl.  Fanny 
Giannatasio  del  Rio  im  Buche  von  L.  Nohl:  Eine  stille  Liebe  zu  Beet- 
hoven, bes.  S.  126—1870.  —  Hierbei  ist  auch  an  die  Stelle  des  Tagebuches 
1812—1814  zu  erinnern:  „ Sinnlicher  Genuß  ohne  Vereinigung  der 
Seelen  ist  und  bleibt  viehisch,  nach  selber  hat  man  keine  Spur  einer 
edlen  Empfindung  —  vielmehr  Reue."  Fischhoffscb.es  Manuskript 
Fol.  40  b.  a.  d.  H. 


—     149     — 

Xonbidjter  warb  biefe  SRadjridjt  burctj  ($raf  SidjnoroSfü  unb 
gerb.  9tieS  über6rad)t.  $aum  tjatte  er  fie  angehört,  als  er 
mit  Jpaft  biefe  Partitur  ergriff,  baS  Xitelbtatt  abrifs  unb  fie 
mit  33ertoünf jungen  über  ben  neuen  granjofen^aifer,  „ben 
neuen  Xtjrannen",  auf  ben  93oben  warf. 

bringt  man  bie  bamalige  Entfernung  snnfdjen  ber  oft- 
reict)ifct)en  unb  fran§öfifd)en  §auptftabt  in  ©rmägung,  fo  läfjt 
eS  ficf)  tuoljt  begreifen,  baf$  bie  ©rtjebung  üftapoteon'S  auf  ben 
X£)ron  51t  3Bien  um  fo  metjr  überrafdjen  mufjte,  loeil  man 
bafetbft  öon  bem  oorauSgegangenen  SßlebiScit  feine  $unbe  ge= 
fyabt,  benn  neufter  $erfid)erung  sufotge  foß  jener  ©taatSact 
mit  eben  foldjer  ©Ufertigfeit  in'S  SSerf  gefegt  toorben  fet)n, 
rcie  ber  um  48  $at)re  fpätere. 

@rft  nad)  längerer  $eit  tjatte  ficfj  ber  fjeilige  ßorn  unferS 
bemofratifdjen  XonbidjterS,  ntctjt  ofjne  ßuttjun  feiner  greunbe, 
gelegt  unb  fein  aufgeregtes  ©emütf)  ruhigen  ^Betrachtungen  über 
baS  ©efdjefyene  mieber  ßugang  oerftattet.  @r  gab  bemnad)  5U, 
ba$  biefeS  neue  333er!  unter  bem  Xitel  „Sinfonia  eroica",  mit 
ber  barunter  fid)  befinblidjen  S)eüife:  „Per  festegiare  il 
sovvenire  d'un  gran  uomo"*)  ber  Deffentlid)ieit  üorgetegt 
werben  folle.  S)od)  erfolgte  bie  Verausgabe  erft  ootle  jtoei 
3at)re  nad)  biefem  Vorgänge. 

Stber  mit  ber  83ettmnberung  für  Napoleon  tuar  eS  für  atte 
$eit  auS,  fie  tjatte  fid)  in  tauten  §afj  öermanbett;  erft  baS 
tragifdje  @nbe  beS  $aiferS  auf  @t.  §e(ena  fonnte  SSeettjoOeu 
gur  SSerföfynung  ftimmen.  ©oüte  fid)  in  biefer  §artnädig!eit 
nid)t  ein  HeineS  (Srbtf)ei(  niebertänbifdjen  58ottS=ßt)aratterS  #x 
erfennen  geben?  Snbefj  aud)  in  biefer  Umftimmung  t)at  eS  an 
farfaftifdjen  Steuerungen  in  S3e3ug  auf  biefeS  mettfjiftorifdje 
©retgnifc  nid)t  gefegt,  3.  SB.  er  fyabz  ^u  biefer  ®ataftropt)e  bereits 
bie  paffenbe  Ww.\\t  componirt  —  ben  Xrauermarfd)  in  ber 
Eroica  meinenb.     Sn  ber  Deutung  biefeS  ©atjeS  ging  er  nodj 


*)  Um  ba§  Wnbenfen  an  einen  gtojjen  "iöJann  31t  fetern. 


—     150     — 

roeiter,  inbem  er  in  bem  äftotib  be§  SDftttelfafceS  in  C  dur  ba§> 
51ufleud)ten  eine§  £)offnung§=Sterne<0  in  ben  roibrigen  Sd)id= 
falen  9?apolecn'§  (ba§  2öiebererfd)einen  auf  bem  pofitifdjen 
Sdjauplatje  1815),  roeiterfn'n  ben  fräftigften  ©ntfdjtufe  in  ber 
Seele  beS  großen  gelben,  ben  ©efdjjiden  511  roiberftetjen,  fetjen 
roollte,  big  ber  9tugen6lid  ber  (Srgebung  fommt,  ber  £etb  r)in= 
ftnft  unb  ftd)  roie  jeber  Sterbliche  6egra6en  täfjt. 

SBenn  icr)  beffen  errciäijne,  fo  barf  e§  nidjt  orjne  bie  2tn= 
merfung  gefctjetjen,  ba^  Riebet  auSbrüdlid)  nur  t>on  Deutung, 
rtid)t  aber  bon  Stillegung  in  Lanier  ber  mobernen  33eett)oüen* 
StuSleger  bie  9tebe.  ®egen  fotd)e§  $erfaf)ren  mit  feiner  unb 
mot)l  jeglicher  Sftuftf  fjatte  fid)  unfer  SDceifter  allzeit  energifcf) 
au§gefprod)eu,  tt)ie  idj  bereite  am  anbern  Drte  nadjgennefen 
unb  aud)  rjier  barauf  gurüdfommen  merbe.  Sin  Slnbeutungen, 
aufteilen  ftüdjtig  tjingeroorfen,  aufteilen  aber  tiefer  in  bie  Sadje 
eingetjenb,  rjatte  er  es  befannttidj  511  feiner  geit,  in  unb  aujier^ 
l)a!6  feinem  Greife,  fehlen  laffen,  roenn  Q3eranfaffung  bagu 
gegeben  mar.  8n  biefem  fpecietlen  gaüe  a6er  ift  bor  allem 
bie  politifdje  (Stimmung  §u  bebenf'en,  menn  er  in  biefem  Xrauer* 
marfd)  einige  $e5Ügtid)feiten  auf  jene  tjodjbeanmberte  ^erfön* 
tid)feit  5U  finben  geglaubt.  Sßüjige,  farfaftifdje  ®öpfe,  roie 
unfer  Xonbicfjter,  laffen  oft  SXeuf3erungen  fallen,  bie  ben  be* 
treffenben  ©egenftanb  richtig  djarafterifiren,  bie  fte  aber  bennod} 
mit  ©ebadjt  ber  ^ublicität  nid)t  preisgeben  möchten,  roett  bie§ 
§u  ßonfequengen  führen  tonnte,  bereu  folgen  aügemeint)in 
menig  Sßortt)ett-  brädjten.  ©0  unb  nidjt  anber§  bürfen  bertei 
Steuerungen  33eett)oüen'3  aufgefaßt  werben. 
1805.  3)a3  Saljr  1805  berütjrenb,  muffen  mir  e3  üormeg  als 
eine§  ber  frudjtbarften  in  ^öe^ie^ung  auf  fcfjöpferifdje  2t)ätig- 
feit,  gugleid)  al§  ein  retdje§  an  mancherlei  Erfahrungen  be^eidjnen. 

Serjon  im  Sanuar  fam  bie  Sinfonia  eroica,  nadjbem  man 
bie  in  C  dur  üorau§get)en  laffen,  gur  erftmaligen  Stuffütjrung. 
Heber  biefe  neue  Schöpfung,  beren  intentionirte  ^öeftimmung 
bie  Stufmerffamfeit  be§  $ßubüfum§  in  Spannung  berfetjt  rjaben 


—     151     — 

fott,  lautet   baS  Urteil  in  ber  SCHg.  ERuf.  £tg.  Safjrg.  VII. 

©.  321 :  „"Diefe  lange,  äufcerft  fdjnriertge  ©ompofition  i[t  eigene 
liä)  eine  fetjr  meit  ausgeführte,  füllte  unb  mitbe  Sßtjantafte. 
@S  fetjlt  it)r  gar  ntdjt  an  frappanten  unb  fd)önen  ©teilen,  in 
benen  man  ben  energifdjen,  talentvollen  (Seift  itjreS  ©djöpferS 
erlennen  muf$:  fet)r  oft  fdjeint  fte  fiel)  in'S  SRegellofe  §u  ber* 
lieren  ....  9?ef.  gehört  gemife  5U  23eetl)oben'S  aufridjtigften 
SBeretjrern;  aber  bei  biefer  Arbeit  mufj  er  bod)  gefteljen,  beS 
©retten  unb  ©ijarren  attsubiel  §u  finben;  moburd)  bie  Heber* 
fid)t  äufeerft  erfdjmert  mirb  unb  bie  (Sintjett  Beinahe  ganj  ber* 
loren  getjt."  —  ©ogleict)  folgt  bie  größte  Sobpreifung  einer 
ebenfalls  neuen  (Sinfonie  bon  (Sberl*)  als  ©egenfatj  gur  Eroica. 
®a  mirb  unferm  SJceifter  51t  berfteljen  gegeben,  in  folgern  ©tble 
fd)rei6en  ju  follen. 

$laü)  ber  balb  barauf  ftatfgetjabten  feiten  5fuffüt)rung 
ber  Eroica  unter  perfönlic^er  Seitung  beS  Gomponiften  täfjt 
fidj  berfelbe  Shitifer  (@.  500)  alfo  bernefjmen:  „MerbingS  t)at 
biefe  neue  23eett)oben'fd)e  Arbeit  grofee  unb  fütjne  Sbeen,  unb 
tüte  man  bon  bem  ©enie  biefeS  (Somponiften  erwarten  fann, 
eine  grofie  Straft  ber  9luSfüt)ruug;  aber  bie  Sinfonie  mürbe 
unenblid)  geminnen  (fte  baitert  eine  gan§e  ©tunbe)  ioenn  fiel) 
JSeetfjoben  entfdjliefjen  mottle  fte  ab^ufür^en  unb  in  baS  ©anje 
metjr  ßidjt,  SHartjeit  unb  <5int)eit  5U  bringen  ....  ©0  ift 
t)ier  3.  $.  ftatt  beS  einbaute  ein  Xrauermarfd)  auS  C  moll, 
ber  in  ber  golge  fugenartig  burdjgefüljrt  wirb.  $lber  jeber 
gugenfatj  ergötzt  buref)  bie  malgenommene  Drbnung  in  fetjein* 
barer  $ermirrung:  menn  nun  aud)  bei  öfterm  21nt)ören  ber 
ßufammentjang  felbft  ber  angeftrengten  5lufmerlfam!eit  entgeht, 


*)  31« ton  ©berl,  geb.  1766  ju  SBien,  f  bafelbft  1807,  war  einer 
ber  beritljmteften  ßtabierfpieler  «nb  ©omponiften.  (£r  lebte  mehrere  ^afyvt 
in  @t.  Petersburg  unb  braute  bort  §at)bn'§  Sdjöpfmtg  suerft  jur  SIuf= 
füfjrung.  ^m  ^a^re  1800  roieber  nad)  SBien  äurücfgefotnmen,  toarb  er 
at§balb  ein  gefährlicher  Utebenbutjfer  SBeettjooen'i;  in  ßomp  Optionen  für 
©(ooier  unb  Drdjefter.    (£§  Ijctt  ftd)  nid)t§  baoon  am  geben  erhalten. 


—     152     — 

fo  muf3  bie§  jebem  uneingenommenen  ÜDcufillenner  fonberbar 
auffallen.  2lud)  fehlte  fetjr  t»ief,  bafc  bie  ©infonie  allgemein 
gefallen  Jjätte." 

3(u§  biefer  ^Beurteilung  ift  beuttid)  ju  entnehmen,  meld)' 
garten  Stampf  biefe  ©infonie  in  SSien  gu  befteljen  gehabt; 
jebod),  biefer  Äampf  Ijat  ftdj  an  allen  Orten,  roo  baZ  SBerf  nur 
erfdjienen,  in  gleicher  Sßeife  roieberfjott.  Sßelcf/  töbtficfjen  $ln= 
griffen  e3  Don  Seiten  ber  alten  STonleljrer  au§gefet}t  getoefen, 
bebarf  motjl  feiner  auf  geugniffe  gefüllten  93erfid)erung.  3)aö 
grofee  9(ergerniB,  baZ  unter  anbern  aud)  ©Doni-S  2Be6er  baran 
genommen,  fcfjien  unferm  SKeifter  in  fpäteren  Sauren,  nadjbetu 
alte  biefe  Slämpfe  511m  SBortfjetf  be§  2öerfe§  burdjgefämpft 
maren,  Diel  ©pafc  ju  machen.  Sm  ^ßrager  GonferDatorium 
war  nümlid)  bie  Sinfonia  eroica  a(y  baZ  am  meiften  „fitten* 
Derberbenbe"  Sßerf  Don  SBeetljoDen  Dcrpönt.  Sht§  biefem  ©runbe 
tonnte  e3  bafefbft  erft  §u  Slnfang  ber  Diesiger  Sa^re  §ur  erft= 
matigen  Sluffütjrung  gelangen,  nadjbem  ber  SHrector  biefer 
$unftfct)ule  alt  unb  für  bie  Seetrjoüen'fdjen  ^iffonan^en  ab* 
geftumpft  ber  eigenen  5luftöfung  natje  geftanben,  >>u  roetcfjer  er 
ftcfj  bereits  feit  70  Sauren  „vorbereitet"  tjatte.  —  2)te3  barf 
mof)(  aud)  ben  mancfjertei  ©cfjidfalen  biefeS  2öerfe§.  in  tüetdjem 
fid)  beffen  ©djöpfer  in  DoUfter  (Sigentt)ümlid)feit  geigt,  bet= 
gefegt  merben. 

2tber  nod)  möge  (SrmätjnenSmerteg  folgen. 

28a§  aujjer  ber  bi§  bafjirt  ungetooljnten  ^luöbeljnung*) 
einiger  ©ätje  in  biefer  ©infonie,  ferner  megen  ber  Dielen  für 
bie  bamattge  Organisation  ber  Ofyren  51t  grellen  ^iffonangen, 


*)  3>er  Gomponift  felber  erfannte  bie  ungeiuöfjnüdje  üänge  tiefet 
Sinfonie.  5>af)er  loünfdjt  er  in  einer  beigegebenen  2lnmerfnng,  baß  fie  bei 
2luffü§rungen  lieber  anbern  Sonftüden  öorauggelje,  al§  juie^t  vorgetragen 
inerbe,  bamit  fie  nidjt  bei  bem  bereite  ermübeten  3uf)brer  it)re  eigentfyümlirfie 
00m  Gotnponifien  beabfidjtigte  SBirfung  verliere,  ©egemoäriig  erfdjeint 
biefe  SSorfidjt  nid)t  tneb,r  unbebingt  notljroenbig,  lueil  ba§>  SSerf  allgemein 
getoürbigt  unb  oerfianben  ioirb. 


—     153 


bann  nocfj  be§  fugirtcn  Zty\k§>  im  £rauermarfd),  in  fcer 
Scfjaar  ber  ©egner  befonberen  9tnftof;  erregt  rjatte,  mar  bie 
9-Mobie  im  öierten  Satje: 

y-gj^=gg^gi^=91).....ro. 


dolce 

bie  au3  bem  finale  be£  93allet§  ,,^>romett)eus8"  nod)  in  guter 
Erinnerung  geroefen.  £>ie  Gabler  ber  Sinfonie  frugen, 
mie  biefelbe  SMobie  einmal  jum  Xanje,  aföbalb  mieber  gur 
geier  eine§  gelben  benutzt  roerben  tonne.  Viel  früher  aber 
mar  tiefe  9Kelobie  in  einer  'Sammlung  öon  Sontretän^en  t>a*) 
©ttuaS  fpäter  finbet  fie  fidj  a(§  Strjema  51t  Den  Variationen, 
Op.  35.  ©iefe  mehrmalige  33enutmng  eine§  9ftotiüe3  in  un- 
oeränberter  ©eftalt,  unb  §roar  §u  üerfdjiebenen  3meden,  finbet 
ftcf)  in  ÜBeetrjouemi  Siteratur  nicfjt  mieber  üor.  (Sin  anberer 
SßieberfjotungSfafl,  jenem  oorau§gegangen,  monad)  ber  SRenuett 
au§  bem  Septett,  Op.  20,  in  ber  flehten  Sonate  in  G  dur, 
Op.  49,  fid)  mieber  finbet,  unb  groar  bort  in  Es,  tjier  in  G, 
fann  faum  mit  bem  angeführten  in  SBergleid)  fommen,  meit 
er  an  beiben  Orten  Menuett  bleibt,  raenngleidj  in  ber  Sonate 
afö  ginatfatj  anberö  bearbeitet.  £)iefe  Sonate  gehört  jebod) 
ju  ben  frütjeften  ©ompofitionen  Seet^ooen'ö,  menn  fie  aucfj  erft 
1805  im  £>rud  erfd)ienen.  2)emnad)  bürfte  bie  ©eftaltung 
btefeS  9)2enuett=9ftotiü§  als  $inatfa£  juerft  ba  gemefen  fenn. 
2tn  tjerborragenben  SBerfen,  bie  in  biefem  ^afyre  ba$  Sid)t 
ber  SBelt  erbüd't,  ftnb  nur  §roei  namhaft  §u  madjen:  bie  Sonate 
mit  Biotine,  A  moll92),   Op.  47,   unb   Die   grofce   Sonate  in 


*)  <Bki)t  t£)ematifdje3  SBeräeidjmfc  bei  Söreitfopf  u.  §aertel,  Seite  138: 
©ed)§  (Sontretänje.     ©tmrocf. 

91)  Vom  Geiste  heiligen  Friedenshauches,   der  all  diese  Phasen 
des  Friedenswerkes  durchweht,  haben  jene  Kritiker  keine  Ahnung. 

A.  d.  H. 

92)  A-dur.  A.  d.  H. 


—     154     — 

C  dur,  Op.  53.  3n  erfterer  finbet  fid)  ber  Umfang  be§ 
Panoforte  Hon  fünf  Dctaüen  jum  crften  äftal  über* 
fdjritten  bis  511m  breigeftricfjenen  g,  in  ber  anbern 
a6er  fd)on  bi§  a.  Sie  Sonate  mit  SStoüne  mar  urfprüngtid} 
für  ben  mit  Q3eetrjoOen  Oiet  öerfefirenben  americanifcfjen  (2d)iffS* 
capitain  23ribgetomer93)  bcftimmt,  ber  fid)  längere  geit  tn 
ber  ÄQtferftabt  aufgehalten  nnb  ein  fertiger  9Sio(infpie(er 
gemefen.  3)aS  Grfdjeinen  jebocfj  Don  Siubolpt)  Äreutjer  in 
SSien,  bem  Stfitbegrünber  ber  mit  OoIIftem  9?ed)t  benannten 
„großen  gran^ofif djen  SBiotinfdjute,"  fjat  unfern  9D?eifter  jur 
SBibmung  biefeS  SßerfeS  für  ben  franjöfifctjen  9J?eifter  um* 
geftimmt.  (derlei  Umftimmungen  fiitb  mefjrfadj  bei  it)m  oor* 
gefommen.) 

®ie  tritif  im  fiebenten  Sarjrgange  ber  ?(llg.  SRuf.  3*9- 
.über  bie  (Sonate,  Op.  47,  gehört  unftreitig  in  bie  Kategorie 
ber  abftrufeften  über  SBeetljooen'fdje  üöfrtfif.  ©a  beißt  eS  u.  a.: 
„$br  innere^  SSefen  51t  entmidetn  unb  eS  mörtücfj  beftimmt 
^u  djarafteriftren,  ift  mir  unmögtid),  unb  erit  mihi  magnus  Apollo, 
ber  baS  befriebigenb  oermag  unb  mirflid)  teiftet.  Sd)  Ijabe, 
mit  ber  ?(djtung,  bie  man  biefem  (Eomöoniften  unb  in  ber  %t)at 
aud)  biefem  SSerte  fdjulbig  ift,  üerfudjt,  ben  Sbeengang  nur 
einigermaßen  genügenb  in  Umriffen  anfd)auüd)  gu  madjen,  l)abe 
einen  Sogen  ooll  nur  über  baS  erfte  ^refto  gefcbrieben:  aber 
id)  oerfdjone  bie  Sefer  ber  mufifat.  3e*tun9  bamir."  —  2Bie 
mögen  moljl  bergteidjen  SfuSfäde  auf  93eett)oöen  eingeroirft  rjaben. 
(5S  ift  nict)t  benfbar,  bafc  er  in  jenen  STagen  bereits  fo  üon 
<Stat)l  unb  öifen  gemefen,  um  nidjt  üon  bergteidjen  ^tbftrufitäteu 
tief  berieft  5U  roerben,  gumal  bie  ©djaar  feiner  ©egner  jebeSmat 
ein  greubengefdjrei  barüber  erhoben  bat. 


93)  Über  Polgreen  Bridgetower  und  seine  Beziehungen  zu  Beet- 
hoven ist  in  neuester  Zeit  eine  wertvolle  Studie  erschienen,  die  auch 
interessante  neue  Briefe  Beethovens  bringt.  Diese  Briefe  werden  in 
der  vorbereiteten  II.  Auflage  des  I.  Bandes  von  B.  S.  Br.  dargeboten 
werden.  A.  d.  H. 


—     155     — 

Sn  ber  stueiten  Raffte  beS  Suli  1805  erfotgte  (Stjeru* 
bini'S  Munft  in  Begleitung  feiner  ®emaf)tin  in  28ien,  um 
bafetbft  für  baS  Sweater  an  ber  SSien  eine  neue  Dper  (ganiSfa) 
gu  f djreiben. *) 94)  <Sdjon  unterm  5.  5tuguft  roirb  oon  bort 
ber  $Hg.  9ftuf.  3*9-  berichtet,  bafj  ber  berühmte  (Somponift 
feine  ältere  Dper  „©er  SSaff  er  träger"  bereits  fetber  birigirt, 
com  publicum  mit  (SntrjufiaSmuS  empfangen,  unb  manche 
ßorrectionen  in  ben  Xempi'S  Vorgenommen  fjabe,  als  %.  23.  baS 
Sltlegro  ber  Duüerture  la  ngfamer,  „tuoburdj  biefeS  fdjmierige 
SJcufifftüd  an  ©euttidjfeit  gemonnen." 

SBorauSgebjenb  roarb  bereite  bemerft,  bafj  mir  märjrenb 
meinet  2tufent§altS  §u  $ßariS  in  ben  Satiren  1841  unb  42 
bie  Stire  beS  Umgangs  mit  (Srjerubini  unb  feiner  ©emat)lin 
p  2rjeil  gemorben.  ©S  Iäf3t  fiefj  erwarten,  ba$  ba  nicljt  menig 
über  SBien  unb  aud)  über  Söeetrjoben  oertjanbett  mürbe.  sDcabame 
(Srjerubini  beroarjrte  nod)  it)r  Wiener  ^otigenbucrj,  barin  unferS 
SfteifterS  unb  ber  ©rlebniffe  mit  if)m  oft  ermähnt  mar.  @S 
foü  nid)t  öerfdjroiegen  bleiben,  bafj  93cabame  (5t)erubini  beinahe 
mit  jugenbtidjer  SebtjaftigMt  baS  nicfjt  immer  §u  tobenbe  35er* 
galten  Jöeetrjoüen'S  gegen  bie  fdjarfe  Ärittf  tf)reS  ©emarjlS  bis 
auf  einen  Sßunct  Oerttjeibigt  unb  fidj  nidjt  gefdjeut  r)at,  ifyre 
immer  nod)  madje  ©timpatrjie  für  ben  „brusquen"  Beettjoüen, 
mie  ir)n  ßrjerubini  fur^meg  fdjitberte,  aussprechen.  Uebertjaupt 
fcfjien  eS,  als  motte  ßrjerubini  mit  bem  2Borte  brusque  (rjitjtg, 
ungeftüm,  auffaijrenb)  ben  gangen  23eet()Ot>en,  unb  maS  brum 
unb  brau  t)tng,  getlennäeidjnet  bjaben,  benn  baS  „mais  il  etait 
toujours  brusque"  mar  ber  Refrain  aller  feiner  Steuerungen 
unb  (Sinmürfe  über  unb  gegen  irjn.  ©in  farbonifdjeS  Sädjeln 
um^og  feinen  feingeformten  SJcunb,  atS  eines  StageS  feine  grau 
mid)  um  ein  Slutograpt)  üon  bem  Wiener  Sfteifter  erfud)te. 
2£ie  ©tjerubini  bie  ÜJJcufe  beS  beutfdjen  geitgenoffeu  beurteilt, 

*)  SHefe  Oper  tft  in  ©cene  gegangen  am  6.  fyebruav  1806. 
94)  Über  Cherubini  und  Mad.  Cherubini  vergl.  B.  S.  Br.  No.  881, 
nebst  Anmerkungen  (IV.  Band),  No.  883;  No.  243.  A.  d.  H. 


—     156     — 

märe  allein  fcfjon  au3  feinen  Sftittljeitungen  über  gibetio  nadj 
feiner  3ur"cffunft  gu  entnehmen,  r)ätte  er  nictjt  feine  geringe 
Xfjeilnafjme  bafür  bei  jeber  (Megentjeit  rüdljattfoio  gU  erfenneu 
gegeben. 

3m  £>erbfte  1841  tarn.  Soljn  Gramer  au§  Sonbon  nad) 
$ari§,  um  bafelbft  längeren  Slufenttjalt  gu  nehmen.  35urd) 
Sacob  9tofent)ain  marb  mir  atäbalb  bie  (Stjre  feiner  Q3e= 
fanntfcfjaft  §u  Streif,  ©ramer  fjatte  ben  gangen  SBinter  üon 
1799  auf  1800  in  ber  öftreidjifdjen  £>auptftabt  üerbradjt  unb 
mit  SSeetljoöen  in  ftetem  SSerfetjr  geftanben;  bei  (£t)erubini  ging 
er  al§  £)an§freunb  ein  unb  au3,  bafelbft  mir  benn  öerfdjiebene 
SJtot  gufammentrafen  unb  un§  fammt  unb  fonberS  in  5\ütf= 
erinnernngen  an  3ßien,  befonberS  an  Sßeetljoüen,  ergingen. 
2)ie  ©elegenljeit,  bie  (Srtebniffe  unb  Urteile  gmeier  fo  gebiegener 
gadjmänner  mit  unb  über  $8eett>oüen  au§taufdjen  511  frören, 
bation  ber  eine  nur  geringe,  ber  anbere  aber  ljotje  51d)tung 
für  ilnt  im  §er^en  getragen,  mufete  barum  nod)  für  mid)  üon 
äBtdjtigfeit  fet)n,  meit  btö  ©an^e  auf  einen  fern  gurücftiegenben 
3eitraum  Segug  nafjm,  barüber  bie  Slusfagen  Ruberer  au§= 
einanber  liefen  unb  2ötberfpred)enbe<o  5U  £ag  geförbert  Ratten. 
Gramer'3  marmer  Xfjeifnaluue  für  23eetf)oben  berbanfe  idj  ba^ 
S&idjtigere. 

9J?ein  Stugenmerf  bei  biefen  Gonüerfationen  blieb  t)aupt= 
fäcpdj  auf  ^meiertet  gerichtet:  auf  SBeett)otien'3  ßtaüierfpiel 
in  jener  $eit,  unjj  Ql^  fejn  Sßertjatten  in  ©efellfd)aft;  a(le§ 
anbere  übertiefe  id)  bem  3ufafl,  ber  in  ber  £t)at  alles  ©emünfdjte 
Ijerbei  geführt  Ijat.*) 

Sn  öeurtljeitung  be3  (Staüierfpietss  ftimmten  beibe  Äünftfer 
uollfommen  überein;   bie  TOttjeüung  mirb  aber  am  beften  im 


*)  @3  »rirb  notfjwenbig  ju  bemerfett,  bofe  einet  ber  9cad)träge  jur 
crften  5lu3gabe  biefer  Schrift,  bann  ber  Unterrebungen  mit  ©tjerubini  unb 
beffen  ©emaljlin  gebaut  if±,  fd)on  im  Sftoüember  1841,  unmittelbar  t>or 
meiner  jroeiten  9Jeife  nad)  $ari3,  ausgegeben  worben,  batjer  (£ramer*§ 
unb  ber  .Sufammcnfünfte  mit  it)m  bei  ßfjerubini  nicfjt  ermähnet  ferjrt  fann. 


—     157     — 

muficatifdjen  Xfjetl  fctacirt  fetjn.  Sn  bem  focialen  $J3uncte  trat 
gramer  auf  «Seite  ber  9J?abame  (Sljerubini,  moburd)  bie  Debatte 
neue§  Sntereffe  gewonnen.  Leiber  21u3fagen  ftanben  in  gutem 
©inflange,  bafj  nämtid)  unfer  Stonbicfyter  in  gemifdjten  Greifen 
ein  eben  fo  gurüdljaltenbeg,  oftmals  fteifeS,  fünftlerftoljes  93e= 
nehmen  ju  beobachten  pflegte,  als  er  hneberum  im  öertraulidjen 
Sßerfefjr  brollig,  aufgetoedt,  gumetlen  fogar  fd)tt>a|f)aft  gemefen 
unb  e3  liebte,  aüe  Sänfte  be§  Sßitjeä  unb  ber  ©arfaSmen  fpieten 
gu  (äffen,  babei  er  jebod)  ntctjt  immer  Mugfjeit  öerrattjen,  in§* 
befonbere  in  politifdjen  fingen  unb  focialen  Söorurtfjeilen. 
liefern  mußten  93eibe  noct)  mandjeS  ü6er  feine  Ungefcfn'cflidjfeit 
im  Slnfaffen  öon  ©egenftänben,  al§  ©läfer,  Siaffeegefdjtrr, 
u.  bergt,  ^injujufügen,  mo^u  9tteifter  CEt)erubtni  mit  bem  Refrain: 
„Toujours  brusqueu  ben  Kommentar  lieferte. 

@§  marb  burd)  biefe  21u3fagen  beftätigt,  tt>a§  idj  über  baä 
feciale  SBerljalten  23eett)oöen'3  im  allgemeinen  öon  feinen  älteren 
$reunben  öernommen  fjatte.  3ur  3e^  unferS  SSerle()r§  in  ^ßari§ 
toaren  Soljn  (Sramer  bie  auffatlenben  Steuerungen  öon  $er= 
binanb  3tie3  über  biefen  Sßunct  bereite  befannt.  ®r  befämöfte 
fie  mit  allem  Sftadjbrude  unb  ftimmte  bei,  biefelben  öon  mir  als 
baS  ©rgebnifj  eineS  für  ridjtigeö  SßerftänbniB  au^ergemöl)nlid)er 
ßljaraftere  unreifen  Jünglings  erllärt  $u  fetjen,  ber  fid)  lebigtid) 
an  s21eufeerlid)feiten,  im  Unmutige,  lüot){  aud)  im  3om,  unb  5U- 
meilen  im  ÜJ?utf,mi(len  ausgeflogene  SBorte  gehalten,  unb  barauS 
btö  (S^arafterraefen  feines  SefyrerS  formirt  f)at.  ©0  nur  lonnte 
e3  iljm  öaffiren,  baffelbe  fo  fdjroff  barjufteHen.  S)te  betreffenben 
©teilen  in  feinen  biograöfyifdjen  ^coti^en  gleichen  bemnad)  Rieden 
auf  fauberem  ©runbe  unb  fotlen  £)ter  meiter  feinen  SRaum 
finben. 

316er  nod)  ein  (Srgebnifs  au§  bem  Sßarifer  Umgang  fdjeint 
mittljeilenStüertf),  meil  e3  einen  befonbern  Streit  be§  focialen 
SSerfetjrS  betrifft,  über  meldjen  §u  urteilen  öor^ugSmeife  ©amen 
für  comöetent  gehalten  merben.  31u§  ben  (Erinnerungen  ber 
üüfabame  ßljerubini  an   bie  <Saton3  ber  SBiener  Haute  volee, 


—     158     — 

üorneljmtidj  in  §inftd)t  auf  bie  Samenmett,  ging  fjeroor,  ba$ 
fie  biefen  STrjeil  ber  ©efeüfcfjaft  mit  Soliden  einer  gebitbeten 
Sßariferin  au§  ben  3>at)ren  ber  repubticanifctjen  ©leicfjrjeit  be= 
obad)tet  rjatte.  <£%  fott  nic£)t  bie  Siebe  ferjn,  baft  etma  über 
letztere  mit  ben  in  2)eutfd)(anb  alfenttjalben  beftanbenen  S3e= 
griffen  SSergfeidje  angeftetlt  raerben,  benn  mir  fjaben  ja  nod)  in 
jüngfter  ßeit  Seroeife  gehabt,  mie  fo  fdjroer  e§  t)od)abe(id)en 
®amen  roirb,  nur  ein  flehtet  Stt)ei(d)en  öon  trjren  trabitionetlen 
Sßorurtrjeilen  aufzugeben,  unb  fid)  menigftenä  im  ©otteStjaufe 
ben  anbern  (Haffen  gletdföufteßen:  mie  modjte  e§  bollenb§  im 
erften  ^ar^eljenb  unferS  8af)rf)unbert3  in  ben  köpfen  unb 
^er^en  ber  öftreicfjifdjen  gürftinnen  unb  (Gräfinnen  auSgefeljen 
fjaben?  S§  fotlen  einfad)  bie  Beobachtungen  einer  f'larferjenben 
Spariferin  über  SJteifter  Subroigö  SScrtjatten  gegen  biefen  %f)eit 
ber  ©efedfcfjaft  gur  Diebe  fommeu.  ®a§  3leufeertid)e  baüon  ift 
genugfam  mit  ben  SSorten  be^etdjnet :  „@t  Oer(ad)te  ifjre  t)oc^= 
fai)renben  2}orurtt)ei(e  fammt  unb  fonberl  unb  madjte  fid)  au§ 
einer  gürftin  fo  menig  mie  au$  einer  23ürger§frau;  mit  einer 
übüdjen  §öf(id)teit§p^rafe  mar  gemörjntid)  alleä  bei  if)tn  a6= 
gemadjt."     2)a§  9?id)täuBerüd)e  aber  liegt  anberämo. 

,,2)emutr)  be§  SDrenfdjen  gegen  ben  äftenfdjen  —  fte  fdjmerät 
mid)"  u.  f.  m.95)  fdjreibt  SSeettjonen  an  feine  geliebte  ©iulietta. 
5(u§  biefen  menigen  SSorten  ertjetlt  toorjt  flar  bie  cfjarafteriftifcfje 
©runbanfdjauung  Sßeetfjooen'S  in  ^nnficfjt  auf  ba3  gefammte 
fociale  Seben.  9Kabame  Gtjerubini  mod)te  mätjrenb  itjreä  neun 
Monate  langen  21ufentt)atte3  in  2öien  red)t  oft  5U  beobadjten 
Gelegenheit  gefjabt  fjaben,  ba$  SSeetfjoöen'ö  23enefjmen  gegen  bie 
gürftin  fid)  menig  ober  gar  nid)t  üon  bem  gegen  ©amen  au3 
anbern  Stänben  unterfdjieben  l)abe.  3lllein  nocfj  anbereä  tjat 
fie  beobadjtet,  mag  feineu  Umgang  mit  bem  fcfjönen,  aber  auct) 
§ätjen,  med  üorurttjeÜgootlften  ^tjetle  ber  ©efeltfdjaft  immerhin 
fet)r  erfdjmert  unb  fociale  $erfjältniffe  fortan  gteidjfam  in  ber 


95)  Siehe  B.  S.  Br.  No.  45  (I.  Band).  A.  d.  H. 


—     159     — 

©djroebe  gehalten  rjaben  mufete,  bie  öon  conträren  SSinben  leidjt 
Serftobert  Serben  tonnten:  feine  fjorjen  2Inforberungen  nämtid) 
an  ßopf  unb  ^erg  ber  tarnen,  hierauf  beäüglid)  f)at  bie 
Sßariferin  bem  SSiener  Xonbidjter  rücf^altloS  nadjgefagt,  bafj  er 
ju  toeit  gegangen  unb  barum  fo  roenig  23efriebigung  gefunben; 
baijer  fjabe  er  fid)  in  ©pott  unb  Sronie  Suft  gemalt. 

3)iefe3  ©eetrjoüen'fdje  SBertjalten  fcfjeint  bod)  too^l  au3  ben 
©runzligen  feines  SrjaracterS,  feiner  Sßeltanfdjauung  unb  aud) 
qu§  feinem  ^ünfttermefen  31t  refultiren.  ©in  Äünftter,  ber  in 
feinen  ©t^eugniffen  bem  ^Begriffsvermögen  feiner  geitgenoffen 
fo  njcit  boreilt,  als  mir  e3  bei  unferm  SJieifter  fet)en,  foll  aller* 
bingS  nid)t  gu  ftrenge  mit  ifjnen  in'S  ©eridjt  gefeit,  menn  er 
nid)t  nad)tt)eiltge  ßonflicte  rjerborrufen  raill.  2lu3  ben  WiU 
Rettungen  ber  geehrten  ^arifer  Same,  bie  §ur  ©tunbe,  at§  id) 
bie§  nieberfctjreibe,  nodj  am  ßeben,  läfjt  fid)  roieberum  ent= 
nehmen,  ba^  fo  mandjer  Sfaftofe  im  Seben  unferS  9fleifter3  in 
feiner  geringen  9?ad)fid)t  gegen  menfdjlicrje  ©d)roäd)en  unb  fociale 
©ebreetjen  feinen  ©runb  finbet;  lag  e§  bod)  überhaupt  in  feiner 
SBeife:  an  allgemeiner  Silbung  immer  metjr  $u  f orbern,  als 
bem  Snbtoibuum  gu  erreidjen  oftmals  möglid)  gemefen.  ©leid)e£ 
Ratten  mir  ja  bereits  bei  feinem  Sßerferjre  mit  ben  Sßiener 
9Jtttfifern  anpfürjren. 

9M)  9Jiittrjeilung  biefer  offenen  unb  unftreitig  anerfennenS» 
merken  Sßarifer  Urteile  fctjrette  id)  nun  gur  ©cfjitberung  ber 
Vorgänge  mit  jenem  SSerre  unferS  SDfeifterS,  baS  auf  ber  ©tufen= 
leiter  feiner  ©d)öpfungen  eine  ber  oberften  ©teilen  behauptet, 
ba§,  mie  rein  anbereS,  fein  Enfant  de  predilection  gemefen, 
nid)t  barum,  als  tjabe  er  bemfelben  einen  t)öt)eren  Äunftmertt) 
beigelegt,  fonbern  roeit  beffen  ©^eugen  unb  SnSlebenfücjren  il)m 
mie  fein  anbereS,  unfäglidje  50tüt)e  tierurfad)t,  aber  aud),  mie 
lein  anbereS,  gute  @rfarjrungen  nebft  üiel  SSerbrujj  eingebrad)t, 
unb  bennoct)  unoerbiente  3uru^felut19  uno  ©ct)idfale  mancher 
Strt  erlebt  t»at.    @3  fott  üon  ber  Dper  gibelio  bie  fRebe  fein. 

$u  biefem  ©efdjäfte  liegen  gegenmärtig  merttpotle  Sefjelfe 


—     160     — 

üor.  (Sin  SDfarnt,  ber  mit  Seettjouen  längere  geit  in  naljer  23e= 
giet)uncj  geftanben,  ber  bei  Stusbilbung  biefe§  mufifatifdj  — 
braraatifdjen  ©d)mer5enreid)  ttjeitroeife  perfön(id)  mitgeroirft,  tjat 
auf  roenig  Seiten  bie  (£ntftet)ung3gefd)idjte  biefer  Oper  nebft 
einigen  iljrer  erftertebten  <Sd)idfate  niebergefd)rieben  unb  bamit 
äugteid)  einen  beadjtenSroertljen  üftadjruf  bem  großen  9ffeifter  ge- 
mibmet.  $riebrid)  Xreitfc^fe  i[t  e§,  in  jenen  ^atjren  9Re* 
giffeur  unb  Stfjeater^idjter  ber  betben  £>ofbütjnen,  tettftid) 
Deconom  am  fatf.  2htrgtt)eater  in  SSien.  ©ein  9(uffa|,  „^-ibetio" 
übertrieben,  roarb  niebergelegt  im  „Drp{jeu3.  9ftufifatifd)e§ 
£afd)enbud)  für  btö  Safjr  1841/'  ben  Sfuguft  @cr)mibt  in  SSien 
herausgegeben.  @r  fott  un§  t)ier  nur  mit  feinem  roefenttidjen 
Sntjatte  btentid)  fetjn,  um  gegen  ben  aufgehellten  ©runbfafc: 
mögtidjft  gebrängte  ^ürje  in  2)arftettung  afler  £t)atfad)en 
nirgenbä  §u  berftofjen.  2)er  2(ugen=  unb  D^ren^euge  fdjreibt: 
„@3  roar  (£nbe  1804,  als  $rei§err  üon  ©raun,  ber  neue 
(Sigenttjümer  be3  t  t  priü.  XljeaterS  an  ber  SSien,  bem,  thtw 
in  Dotier  ^ugenbfraft  fterjenben  Subroig  öan  Seetjjouen  antrug, 
eine  Dper  für  jene  53üt)ne  §u  fdjreiben.  3)urd)  ba%  Oratorium: 
„(StjriftuS  am  Detberge"  tjegte  man  ben  ©tauben,  ba^  ber  äfteijter 
aud)  für  barftettenbe  Wlu\it,  mie  feittjer  für  Snftrumente,  ©rofeeS 
gu  teiften  im  ©tanbe  fet).  Sturer  einem  Honorare  bot  man  iljm 
freie  2öot)nung  im  £t)eatergebäube.  Sofept)  «Sonnleitner 
übernahm  bie  23ef orgung  be§  £ejte3  unb  mät)tte  ba§  fran^cfifdje 
Sud):  „L'amour  conjugal",  obgteid)  e§  fdjon  mit  Sftufif  oon 
©aoeauj  oerfeljen,  aud)  itatienifcf)  at3  „ßeonore"  bon  ^ßaer 
componirt90)  nad)  beiben  ^Bearbeitungen  aber  in  ba§  2)eutfd)e 
überfetjt  mar.    Seettjoüen  fürdjtete  feine  Vorgänger  nid)t,  unb 


96)  Von  allen  Biographen  Beethovens,  auch  von  Thayer,  wird 
Schindlers  erschöpfende  Darstellung  über  des  Meisters  „Fidelio"  an- 
erkaunt.  Zu  bedauern  bleibt,  daß  er  über  den  Schauplatz  der  Be- 
gebenheiten und  über  den  ersten  Textdichter  doch  noch  manche  Lücke 
gelassen  hat.  Diese  Lücke  hat  in  neuester  Zeit  nur  der  emsige 
Beethovenforscher  Dr.  Erich  Prieger  in  Bonn  ausgefüllt.    Ich  erinnere 


—     161     — 

ging  mit  ßuft  unb  Siebe  an  bie  Arbeit,  bie  SWittc  1805  jiemUdj 
$um  (Snbe  gelangte. 

Snbeffen  geigten  fict)  für  bie  Siuffürjrung  beträcrjtticrje 
ScrjmierigMten.  SRur  bie  meiblicfjen  Collen  fonnte  man  burdj 
$He.  9JcUber  u.  SWüttcr  genügenb  befe£en,  bie  Männer  liefen 
befio  meljr  51t  münfcfjen  übrig.*)  @3  erfdjienen  ferner  mehrere 
hänget  in  ber  Einrichtung  be§  XejtcS,  benen  boct)  nicfjt  ab* 
geholfen  mürbe;  —  aus  ber  $eme  mutete  ftc£>  aber  ba^  Un= 
gemitter  eine§  Krieges  gegen  2Bien  unb  raubte  ben  3uftf)auern 
bie  ^um  ©enuffe  eine§  ®unftroerfe3  erforbertict)e  9?ut)e.  2)ocf) 
eben  belegen  bot  man  ba<§  9Jcög(icrjfte  auf,  bie  füarfam  be= 
fugten  9iäume  be§  JpaufeS  gu  beteben.  „$ibetio"  fottte  ba§ 
Söefte  ttjun,  unb  fo  ging  bie  Ober,  unter  feineäroegä  gtücfücrjer 
6onfteIiation**)  am  20.  Storjember  in  <Scene.  9J?it  SBebauern 
embfanben  mir,  bafe  ba3  2öerf  feiner  3e^  borauägeeitt  mar, 
unb  bon  $reunben  unb  $einben  menig  begriffen  mürbe.  Wan 
gab  e§  nur  brei  Sage  nad)einanber  unb  unterließ  bie  2öieber= 
Lotung   bi§   §um    29.   «Wärj    1806.***)     Einige    unmefentUctje 

*)  63  tuaren  ber  6ereit§  ftimmlofe  Senonft  ©emmer  unb  ber  SSaffift 
Bieter,  mit  einer  eben  fo  raupen  ©timme  aU  raupen  Sföetfiobe. 

**)  ©amit  ift  roofjl  auä)  bie  Entfernung  be§  2tbel§  au§  ber  9tefibenj 
unb  bie  5"rd)t  ber  Söeüölferung  Cor  ben  feinblidjen  ©eftalten  gemeint. 
2e£tere§  ber  ©runb,  bafj  bie  Sweater  Dom  ^ublifum  gemieben  mürben, 
bemnaefj  bei  ben  ?luffüörungen  be§  ftibelio  jumeift  franjöfifc^eS  SUcilitair 
ba3  9lubitortum  gebilbet  t)at. 

***)  §iebei  Ijat  Xreitfcfife  uergeffen  511  bemerfen,  bafc  bie  Sßteber* 
auffürjrung  ber  Dper  unter  bem  neränberten  Xitel:  „Seonore"  fiatt= 
gefunben  r)at. 

an  seine  ebenso  umsichtige  als  erschöpfende  Studie,  die  jener  bei  seinei* 
Neukreierung  des  Fidelio  (Säkularfeier  im  November  1905)  herausgab. 
—  Sonderabdruck  der  Vorrede  zum  Klavierausz uge  Leipzig  1905,  be- 
sonders die  Seite  XXVI  ff.,  über  Bouillys  Erinnerung.  Erweitert  hat 
die  Schindlerschen  eingehenden  Mitteilungen  von  allen  Fidelio-Forschern 
nur  Dr.  E.  Prieger.  Auch  der  Hinweis  auf  Beethovens  Jugendwerk 
„Die  Trauerkantate  auf  den  Tod  Josephs  II."  nach  Dr.  Deiters'  Ent- 
deckung ist  dort  wenigstens  vermerkt  (S.  XXVIII).  A.  d.  H. 
3t.  ScfjinMev?  93eet^ot>en=33togcn^ic.  U 


—     162     — 

Sßercinberungen,  5.  35.  bie,  bah  ba§>  Sßorbjanbene  in  ^Wei,  ftott 
in  brei  9(uf§üge  getrjeüt  war,  fonnten  bie  beftefjenbe  ungünftige 
Meinung  tttcfjt  oerlitgen*).  9?ocfj  einma(,  am  10.  2Ipri(,  würbe 
e§  gegeben  unb  bann  bem  ©taube  ber  Sweater  =  33ibliotf)ef 
überantwortet.  ©inige  gleichzeitige  ^erfucrje  bamit  auf  ^rooin^ 
büfynen  Ratten  feinen  beffern  @rfo(g." 

§ier  wirb  eine  Berichtigung  notbjWenbig,  weit  bem  acfjtung§= 
wertrjen  ©ewärjr§mann  baö  ©ebäditnifj  etma§  untreu  geworben. 
SSenn  £reitfd)fe  jagt:  „einige  muftfaltfdjc  33eränberungen"  u.f.w., 
fo  fdjeint  benn  bod)  bie  ßufammen^iefjung  e^ne§  breiactigen 
Dpernwerfeg  in  jwei  3(cte  an  ficf)  fdjon  nictjt§  unwefent(icfje§. 
3u  ben  anberen  für  SSiebereinfürjrung  biefer  Oper  vorgenommenen 
Sßeränberungen  gehören  aber  nodj:  eine  neue  5(rie  für  ^arro 
mit  (Sljor,  weit  ber  Sänger  biefeS  ^art§  fidj  entfcfjieben  ge= 
Weigert  fjatte,  bie  beftetjenbe  in  B  dur  mit  6f)or  wieber  5U  fingen, 
ferner  würben  befeitigt  ein  2)uett  in  C  dur  §wifd)en  Seonore 
unb  SDcarcettine  mit  obligater  ü8ioün=  unb  $BiolonceU=Beg(ettung 
unb  nod)  ein  fomifcfjeS  Ser^ett  in  Es  dur  jmifcfjen  Diocco, 
SDiarceHine  unb  Sacquino.  üESenn  STreitfcfjre  meint,  baf?  biefe 
beiben  9cummern  erft  befeitigt  würben,  at§  er  1814  in  @emein= 
fcfjaft  mit  bem  ßomponiften  eine  Umgeftattung  mit  bem  Bucfje 
unb  bem  ©cenarium  üorgenommen,  fo  ift  bie§  ein  Srrtfyum. 
©eine  amtlichen  Functionen  rjatten  irjn  niemals  mit  bem  Srjeater 
an  ber  ÜKMen  in  Berührung  gebradjt,  barum  ift  irjm  fremb  ge= 
blieben,  Wa3  bafelbft  mit  gibetio  aufserbjalb  ber  Büfyne  öor* 
gegangen. 

(£<§  ift  für  unfere  (Bad)?  oon  großem  Sntereffe,  bafj  ber 
©änger  be§  gloreftan  De*  oer  ^Bieberaufnarjme  ber  Dper  1806, 
§err  Dtödet,  nod)  in  befter  ©efunbfjeit  unter  ben  Sebenben 
wanbett,  bor  Äußern  nod)  fid)  einige  $eit  \n  2gie§baben  unb 
SBür^burg   aufgehalten,   unb   nun   wieber  §u  SBatf)  in  (Sngtanb 

*)  3)er  23erid)t  über  biefe  Umgefiadung  lautet  in  ber  9lDg.  9Wuf.  QtQ. 
bon  1806,  ©.  4ö0,  tüörtlitf):  „3)a§  6tüc!  t)at  gewonnen  unb  nun  autf) 
beffer  gefallen."  3).  23. 


—     163     — 

mofynt.  21(8  aKittoirlcnber  mufete  er  ber  bei  gürft  Sid)nom8fb, 
ftattgeljabten  $8eratt)ung  ü6er  bie  borjunetymenben  23eränberungen 
in  ber  Dper  beitoofjnen  unb  betoatjrt  nod)  bett  ü)m  gugettjeitten 
^art  in  53eetf)oben'3  eigener  §anbfd)rift.  ®ie  betreffenben  $or* 
gänge  maren  mir  ftets  befannt,  toett  beren  in  unferm  Greife  — 
meift  burdj  ®raf  8idjnpto8ft)  beranlafct  —  öfters  gebadjt  morben. 
£)od)  mar  mir  it)re  Stuffrifdjung  burd)  SRörfet  fetjr  ttnÜ'fommen. 
2Ba8  gerb.  9Ue8,  nad)  SRötfel'8  äJHttfjeüuttg,  über  bie  gu* 
fammenfunft  bei  gürft  £id)noto8ft)  in  feinen  biegrapt)ifd)en 
Sftotigen97)  ©.  103  ff.  anführt,  toirb  ba8  Punctum  quaestionis 
ergänzen  unb  gegen  toeitere  @infprüct)e  fidjer  fteüen:  @r  be= 
richtet: 

„@8  beftanb  biefe  gufammenfunft  au8  bem  dürften,  ber 
gürftin  (bie  ba§  ßlabier  übernahm  unb  befannttid»  eine  au8= 
gewidmete  ©pieterinn  toar),  bem  §ofrat£)e  bon  (Sollin,  bem 
(Stephan  bon  23reuning,  toetdje  beiben  festen  ftd)  über  bie  2lb* 
lür^ungen  fdjon  befprodjen  fjatten,  —  bann  bem  Jpertn  Sfteier, 
erften  Söaffiften,  §errn  $iödä  unb  SSeettjoben.  9lnfänglid)  ber* 
ttjeibigte  biefer  jeben  £act;  at8  man  fid)  aber  allgemein  bat)in 
au8fprad),  bafj  gange  ©tüde  ausbleiben  müßten  unb  §err  üDMer 
erftärte,  fein  ©änger  fönne  bie  2lrie  be§  ^ßigarro  mit  (Sffect 
fingen*),  tourbe  25eett)oben  grob  unb  aufgebracht,  ©nbtid)  ber= 
fprad)  er  eine  neue  3Irie  für  ben  ^igarro  §u  componiren  (e8 
toar  jene,  melcfje  jetjt  9?o.  7  in  gibetto  ftetjt)  unb  ber  gürft 
bradjte  e8  gu(c|t  batjin,  ba$  er  gugab,  biefe  ©adjen  fottten  (aber 
nur  berfud)8roeife)  bei  ber  erften  2luffüf)rung  megbteiben;  man 
fönne  fie,  fyiejj  e8,  ja  immer  nneber  einlegen  ober  anber8  be- 
nutzen; fo  mie  bie  @ad>e  je£t  ftelje,  ferj  bod)  einmal  ber  (Sffect 


*)  ®en  eigentlichen  ©runb,  bie  23efeitigung  biefer  Slrie  ju  Derlangen, 
toerben  wir  aläfiaib  Demefjmen.  @3  ift  eine  ergötilidje  (Spifobe  in  ber  ©e* 
fdjichte  be§  gibelio,  ba§  einzig  fomifcfte  in  ben  Dielen  unangenehmen  unb 
ben  Qomponifien  bi§  jur  Trauer  berfümmenben  SSorfäüen  bei  ben  erften 
Aufführungen. 

97 j  Es  ist  S.  103  ff.;  Neudruck  S.  123  ff.  A.  d.  H. 

11* 


—     164     — 

berfefjtt.  üftacfy  langem  Unterreben  gab  23eetf)oben  nad),  —  unb 
bie  geftridjenen  ©tücfe  ftnb  nie  lieber  aufgeführt  morben.  — 
£>iefe  ©itmng  bauerte  bon  7  llfjr  5tbenb§  bi§  2  Urjr,  roo  ein 
frö^lidt)e§  9J?at)t  bie  ©acrje  befd)tof3." 

2öa§  9?ie3  roeiter  —  lieber  nad)  Abdels  Stfittrjeilung  — 
über  bie  crfte  ©eftattung  bon  gtoreftan'S  ?lrie  §u  Anfang  be£ 
gmeiten  91cte3  jagt,  bafj  fie  urfprüngtid)  feinen  21tlegro=@atj 
gehabt  unb  mit  bem  Slbagio  3/4  Xact  gefcijloffen,  ift  nid)t  6e= 
grünbet. 

griebrid)  Sreitfdjte:  „Sldjt  bolle  Satjre  fpäter  (1814)  er* 
fetten  bie  Snfpigienten  ber  f.  f.  |>of=Dper,  ©aal,  $oget  unb 
Söeinmülter,  eine  SSorfteKung  gu  irjrem  SBortrjeile,  mobei  ifjnen 
bie  2Öat)t  eine§  SBerfeS,  orjne  Soften,  übertaffen  blieb.  3)a§ 
51uffinben  mar  fdjtuierig  genug,  üfteue  beutle  (Sompofitionen 
lagen  ntdjt  borrätig;  ältere  berfpradjen  leinen  befonberen  ©e= 
minn.  3)ie  legten  franaöfifcfjen  Dpern  Ratten,  mie  im  SSertrje, 
fo  in  ber  SSeliebttjeit  bertoren,  unb  ben  £>ar  fiel  lern  feijlte 
ber  Sftutt),  ficfj  al§  ©änger  allein  in  bie  italienifcfjen  SBerfe 
51t  ftürjen,  roa3  bod)  einige  Satjre  barauf  felbftmorberifd)  gefdjab. 
inmitten  biefer  SSertegenrjeiten  gebadjte  man  $ibelio'<o  unb  ging 
Seetfjoben  um  bie  §erteirjung  an,  ber  mit  ber  größten  Uneigen* 
nü^igfeit  fid)  bereit  erklärte,  jeborf)  gubor  öielc  Sßeränberungen 
au§brüd(id)  bebingte.  gugleid)  f^S  er  nteine  Sßenigleit  §u 
btefer  Arbeit  bor.  8d)  tjatte  feit  einiger  3e^  fe*ne  nähere 
$reunbfd)aft  erlangt,  unb  mein  boppetteä  2lmt  atö  Opern* 
2)id)ler  unb  SRegiffeur  madjte  mir  feinen  Sßunfcfj  $ur  ttjeuren 
^flicfjt."  —  Sn  ba§  nun  folgenbe  detail  ber  borgenommenen 
Sßeränberungen  ben  Sefer  einzuführen,  mie  3.  93.  mit  23erfe£= 
ftüden  unb  9?equifiten  berfarjren  morben,  mie  bie  SSadjen  auf= 
marfct)irten,  mie  ber  SDftnifter  naljte,  bie  (Staatsgefangenen  bor 
^on  ^ernanbo  nieberfielen,  unb  bergleidjen  metjr,  !ann  lein 
Sntereffe  bieten. 

$riebricfj  STreitfdjfe  fpridjt  meiter: 

„®er  ^meite  Slufpg  bot  gleid)  anfänglid)  grofje  @cf)roierig= 


—     165     — 

feit.  $eetf)ot>en  feinerfeitS  roünfcfyte  ben  armen  $(oreftan  burdj 
eine  Strie  au^useidmen,  ict)  aber  äußerte  mein  23ebenfen,  ba$ 
ein  bem  ^ungertobe  faft  Verfallener  unmöglich  Srauour  fingen 
bürfe.*)  SSir  richteten  2)iefe3  unb  Sene§;  gute^t  traf  id)  nadj 
feiner  Meinung  ben  Sftagel  auf  ben  Äopf.  3dj  fcfjrieb  SSorte, 
bie  ba§  tetjte  Slufffammen  be§  Se6en§  oor  feinem  ©rlöfrfjen 
fdjilbem. 

„„Unb  fpür'  idj  ntctjt  tinbe,  fanft  fäufelnbe  Suft, 

Unb  ift  nicfjt  mein  ©rab  mir  errettet? 

Sdj  fefj',  roie  ein  Gsngel,  im  rofigen  ®uft, 

©idj  tröftenb  gur  ©eite  mir  ftetlet. 

(£in  (Snget,  Seonoren,  ber  ©attin  fo  gteicl)!  — 

£)er  füt)rt  mirf)  jur  greijjeü,  —  itt'3  f)immtifd)e  9teid).M" 

„2Sa3  icfj  nun  ergäbe,  lebt  eroig  in  meinem  ©ebäcfytniffe. 
23eetf)ot>en  fam  2Ibenb§  gegen  fieben  Uljr  gu  mir.  9?ad)bem 
mir  5lnbere3  bef^roctjen  fjatten,  ert'unbigte  er  fiel),  roie  e§  mit 
ber  Slrie  ftefje?  ©ie  roar  eben  fertig,  icf)  reichte  fie  tym.  ®r 
Ia§,  —  lief  im  ßimmer  auf  unb  abr  murmelte,  brummte,  roie 

*)  hierbei  fei)  ein  ftarfeS  SBebenfen  3U  äußern  ertaubt.  SBeetfjooen 
füllte  ben  ftlorefian  burd)  eine  33rauour=9lrie,  b.  Ij.  burd)  Dioulaben,  Sriller 
unb  bergleicben  §aben  au§äeid)nen  tooüen?!  —  Sa§  ftefjt  in  ooflem  SBiber* 
fprud)  mit  ben  öorfjanbenen  ?lutograp(jen  oon  biefet  Strie  cm§  ben  Siafjren 
1805  unb  1806  unb  e§  märe  gerabeju  bertejjenb  für  !öeetf)oüen  e3  jtt 
glauben,  ©iefe  2(rie  befinbet  fid)  im  älteften  ©tabier=2lu§äug  Don  ber 
Dper  (bei  23rettfopf  unb  föaertel)  in  iljrer  urfpriinglidjen  ©efialtung.  ©ie 
befielt  au3  bem  Otecitatio  (®ott!  roelcfj  ®un!et  Ijler!)  ferner  auö  bem  2lbagio 
3/4  As  dur  (3>n  be§  2eben§  grüljüngStagen,)  unb  au§  bem  britten  %i)t'ü: 
Andante  un  poco  agitato  (2ld)!  e§  waren  fd)öne  Sage.)  ©0  Ijat  fie 
wieber  Otto  Satjn  in  bem  bon  ifjm  nad)  s-8eett)oüen'§  2lutograpr)en  (mit 
aßen  SSarianten)  bearbeiteten  neuen  Glabier^lu^ug  be3  urfprünglidjen 
gibelio  aufgenommen.  (Sreitfopf  unb  §aertel.)  33er  mödjte  wof)t  bei 
einem  bieltfyeiligen  SBerfe,  wie  bie  fragliche  Oper,  baran  fo  biele§  —  unb 
sroar  in  swei  geiträumen  —  geänbert  tuorben,  behaupten,  baZ  unb  ba§  ift 
urfprünglid),  jene§  aber  ift  3lbänberung?  23telleid)t  ber  ©omponift  felber 
nid)t  mit  ©idjeröeit.  g.  Sreitfdjfe  ermangelte  aller  mufifalifdjen  23ilbung; 
banad)  wirb  feine  Sleufjerung  begreiflid). 


—     166     — 

er  getüölmfid),  ftatt  §u  fingen,  tfjat  —  unb  rife  bag  $ortepiano 
auf.     Stteine  $rau  Jjatte   if)n  oft  öergebtid)  ge6eten,  ju  fpielen; 

—  rjeute  legte  er  ben  2e;rt  üor  ficrj  unb  begann  rounberbare 
^pijantafien,  bie,  leiber,  fein  ßaub^niittet  feftrjatten  fonnte.  ?(ug 
ifjnen  fdjien  er  baö  9J?otio  ber  21rie  §u  befcfnoören.  Sie 
©tunben  fdjnxmben,  aber  Seetfjooen  ptjantaftrte  fort.  Sag 
9tad)teffen,  meldjeS  er  mit  un§  ttjeüen  mollte,  mürbe  aufgetragen, 
aber  —  er  liefe  für)  nicfjt  ftören.  Spät  erft  umarmte  er  mid), 
unb  auf  ba3  Sftarjt  üerjidjtenb,  eilte  er  narf)  <paufe.  £ag§ 
barauf  roar  ba§  trefflidje  SOhtfifftücf  fertig." 

„Sobalb  —  gegen  (Snbe  SOcärj  —  ba§  $ud)  beifammen 
mar,  fanbte  id)  e§  93eetrjoüen  in  Slbfdjrift,  unb  al<§  et)renbe§  3eu9= 
nife  jdjrieb  er  mir  ein  paar  £age  barauf,  roa§  Sfyr  r)ter  fe^et: 
„„ßieber,  roertfjer  %.l  sJD?it  großem  Vergnügen  \)dbz  idj 
S£)re  Sßerbefferungen  ber  Oper  gelefen.  G§  beftimmt  micfj,  bie 
beröbeten  Ruinen  eine§  alten  SctjloffeS  roieber  aufjubauen. 

Sijr  $reunb 

$eetf}0Den.""98) 

„Sie  Senefi^ianten  trieben  an  ber  Seenbigung,  um  bie 
günftigere  Sarjre^eit  §u  benutzen;  öeetrjooen  aber  fam  nur 
langfam  oorroärt<3.  3113  id)  it)n  ebenfalls  fdjriftlidj  bat,  ent= 
gegnete  er  eben  fo:  „„Sie  ©efd)id)te  mit  ber  Dper  ift  bie  müfj= 
famfte  oon  ber  Sßeft.    3d)   bin  mit  bem  Streiften  unjufrieben, 

—  unb  —  e§  ift  beinahe  fein  Stütf,  tooran  id)  ntcfjt  t)ier  unb 
ba  —  meiner  jetzigen  Un^ufriebenljeit  einige  3ufrieben= 
tjeit  rjätte  anfliden  muffen.  Sag  ift  aber  ein  großer  Unter= 
fcf)ieb  §ir>tfdjen  bem  gatle,  fidj  bem  freien  92acf)benfen ")  ober 
ber  ©egeifterung  überlaffen  ju  fönnen.""*) 


*)  lieber  ben  legten  Sag  ift  in  ber  (Site  bes  Schreibens  ein  Sunfel 
gefallen,  bas  alfo  jn  erretten  fein  bürfte:  lieber  ein  gang  neues  SBerf 
fdjaffen,  als  über  iöerbefferung  eines  bereits  nor  Sauren  gefd)riebenen  nacf}= 
benfen  ju  foflen. 

98)  B.  S.  Br.  No.  375  (IL  Band).  A.  d.  H. 

99)  Vgl.  B.  S.  Br.  No.  381  (II.  Band).  A.  d.  H. 


—     167     — 

„SDfttte  21prit  fingen  bie  groben  an,  obmot)!  nod)  9ttand)eg 
fehlte,  $ür  ben  23.  Üftai  mürbe  bie  ^Borftetlung  angetünbigt; 
"Xag3  5UU01*  mar  bie  Hauptprobe,  a6er  bie  üerfprod)ene  neue 
Duüertüre  (in  E  dur)  befanb  ficf)  nod)  in  ber  ^eber  be§  ©d)öpfer§. 
2Jfan  beftellte  ba§  Drdjefter  jur  $robe  am  borgen  ber  ?Iuf= 
füfjrung.  Seettjoüen  fam  nicfjt.  $lad)  langem  SBarten  fut)r  icfj 
§u  it)m,  il)n  abloten,  aber  —  er  tag  im  SBette,  fcft  fd)tafenb, 
neben  it)m  ftanb  ein  SBedjer  mit  SSein  unb  3roiebad  barin,  bie 
Sogen  ber  Duüertüre  maren  über  ba§  SBctt  unb  bie  ©rbe  jer= 
ftreut.  ©in  gang  aufgebrannte^  Sicfjt  bezeugte,  tafo  er  tief  in 
bie  Sftadjt  gearbeitet  fjatte.  Sie  llnmögticrjreit  ber  Söeenbigung 
mar  entfdjieben;  man  natjm  für  bie§mat  feine  Duüertüre  au3 
„  frontet  t)eu<§",  unb  bei  ber  5lnfünbigung:  „„megen  eingetretener 
§inberniffe  müfee  für  rjeute  bie  Duüertüre  megbteiben"",  erriett) 
bie  aatjtreidje  SSerfammtung  ofyne  9J?üt)e  ben  triftigen  ©runb." 

„2öa§  meiter  erfolgte,  miffet  Sljr.  Sie  Dper  mar  trefflid) 
eingeübt,  23eett)oüen  birigirte,  fein  $euer  rijj  it)tt  oft  au3  bem 
^acte*),  aber  (Eapettmeifter  Umlauf  lenfte  tjinter  feinem  9iüden 
SÜtteS  sunt  heften  mit  Solid  unb  §anb.  Ser  23eifall  mar  grofc 
unb  ftieg  mit  jeber  SBorftettung.  Sie  fiebente,  am  18.  Suli, 
mürbe  23eett)oüen  jum  Sßorttjette  ftatt  eines  §onorar§  überlaffen. 
Sn  biefe  legte  er,  p  größerer  gugtraft,  stoei  Sftuftfftüde,  ein 
ßieb  für  Siocco  unb  eine  größere  5trie  für  Seonore;  ba  fie  aber 
ben  rafdjen  ©ang  be§  Uebrigen  Ijemmteu,  blieben  fie  mieber  au<§. 
Sie  (Stnnatjme  mar  aud)  bieSmaf  fetjr  gut." 

2öaS  junädjft  bie  in  biefeu  Senefi^^orftellung  eingelegten 
„§toei  üftufifftücfe"  betrifft,  fo  erfahren  mir  au3  ber  Mg. 
SRuf.  3*0-  ©•  550,  baB  ba§>  eine  baS  ßieb  Sftocco'so  gemefen: 
,,©olb  ift  eine  fcf)bne  ©ac^e",  ba3  anbere  aber  Seonoren'3  grofje 


*)  ®tefem  muß  nnberfprodjen  werben.  Sie  Sljatfadjen  werben 
un$  Sketfjoöett  in  ben  ga^en  1813  unb  1814  mehrmals  an  ber  6pi£e 
großer  Drdjefier»  unb  (£Ijor=  2)2 äffen  geigen,  bie  er,  ungeachtet  feineä  ge= 
fct)iüäd)ten  ©erjörg,  mit  geftigfeit  geleitet,  fonft  ptte  er  einen  Slnbern  an 
t>a§>  SirectionSputt  gefteüt. 


—     168     — 

5lrie  in  E  dur  mit  bett  brei  obligaten  Römern,  ©rftereS  mag 
neu  getoefen  fet)n,  (ber  ältere  (Slaöier^tuSsug  enthält  eS  nidjt) 
ift  jeboct)  niemals  mieber  entfernt  morben.  3)ie  3trie  a6er  ge= 
f)ört  ber  erften  Bearbeitung  ber  Partitur  an,  unb  erfdjien  am 
18.  Sluguft  1814  nur  in  üeränberter  ®eftalt,  in  melctjer  fte 
feitbem  ftetS  gefungen  mirb.  Daß  ber  Referent  ber  5(tlg.  2)?uf. 
3tg.  barüber  beffern  S3efd)etb  mufete,  als  £reitfcf)fe,  biirfen  mir 
auf  fein  SSort  glauben. 

Sfber  £reitfd)fe  t)ätte  nid)t  unterlaffen  fotlen,  oon  ben 
Seiftungen  ber  Sänger  5U  fpredjen,  unb  gtoar  mit  jener  ?(n= 
erfennung,  mie  fie  ifjnen  öon  25eetf)oüen  felber  gu  ££)eit  ge= 
morben.  $f)nen  gunädjft  öerbanfte  ber  932eifter  bie  Rettung 
feineä  SBerfeS.  ©er  3Sat)rt)eit  bie  (Sfjre:  niemals  mieber  mirften 
in  biefem  SSerfe  fo  claffifd)  gefdjulte  Sänger  im  Vereine,  mie 
in  ben  Borfteltungen  1814,  toeber  auf  ber  SBiener  «pofbüfme 
nod)  auf  anberen.  $)ie  gewaltige  Silber  Hauptmann 
(Seonore),  bamalS  im  ßenitt)  ^reg  $Ru{)meS  ftetjenb,  ift  roofjl 
bem  gefammten  muficaltfdjen  SDeutfctjlanb  befannt,  außerhalb 
Sßien  aber  gar  nirfjt  befannt  finb  SJtidjael  Böget  Oßi^arro)  unb 
SBeinmülter  ($occo),  ätoei  Sünftfer,  $u  beren  Stjarafteriftü, 
fotnot)!  als  (Sänger  mie  als  ©arfteller  fein  anbereS  (£pitb,eton, 
als  „üollenbet",  gebraust  merben  barf.  Selbft  ber  Italiener 
9?abicd)i,  (in  ber  beutfdjen  Oper  befdjäftigt,  obgfeid)  baS 
SDeutfctje  etmaS  rabebredjenb)  mar  für  bie  Partie  beS  gloreftan 
burd)  Stimme,  9J?etf)obe  unb  @eftatt  mie  gefdjaffen.  9?id)t  bloS 
bem  Mangel  eines  geeigneten  SBerfeS  §u  einer  guten  Sßenefig^ 
BorfteHung  öerbanft  baS  beutfdje  unb  itatienifdje  Dpern=9teper= 
toire  gegenmärtig  bie  (Sjifteng  beS  $ibetio,  aud)  nid)t  ben  burd) 
Xreitfdjte  oorgenommenenSlbänberungen,  fonbern  fjauptfädjlid)  ben 
genannten  bier  Äünftlern  unb  feinem  inneren  2£ertt)e.100)  Sebod) 
oljne  SmputS  ber  brei  Snfpigienten  erjftirte  freute  fein  gibelio. 

100)  Hierbei  sei  an  meine  umfangreiche  Studie  über  Anna  Milder- 
Hauptmann  in  der  „Musik"  erinnert  (u.a.  im  I.  Beethovenbeft:  „  Beet- 
hovens Frauenkreis").  A.  d.  H. 


—     169     — 

2)er  ©djöpfer  tiefet  unfterbtidjen  äöerfeS  fotlte  fid)  inbefj 
nicfjt  lange  ber  greube  ü6er  beffen  SSiebergeburt  überlaffen 
bürfen.  ^aum  fjatte  er  einen  $orgefdjmad  öon  ©enugtfjuung 
in  golge  befferer  SBürbigung  feiner  mütjeboflen  Arbeit  5U  ge* 
niesen  bekommen,  afö  bie  ©ängerinn  9Jä(ber=£)auptmann  einen 
teben^tängtidjen  ©ontract  mit  ber  tönigt  Ober  in  Söertin  ab* 
fdjtofi  nnb  ben  Söienern  für  immer  Stbieu  fagte.  Sfyre  9?oüe 
im  gibetio  ber  großen  Aufgabe  entföredjenb  51t  befetjen,  blieb 
fortan  eine  Unmögtidjfeit.  ©0  ruljte  benn  bie  Dper  mieber, 
unb  mieber  bauerte  e§  adjt  üode  Safjre,  bi§  bie  5D?ögUd)fett 
oorljjanben  mar,  fte  in  ©cene  51t  bringen.  Sn  ber  brüten 
$eriobe  mirb  be§  Weiteren  baöon  bie  Dtebe  fetyn.  §ier  foß 
nur  nod)  ber  Söorttaut  einer  eigentjänbigen  ^tnmerfung  S3eet= 
fyoben'ö  Patj  ftnben,  bie  in  einem  feiner  Xagebüdjer  enthalten: 
„£>ie  Oper  gibetio  1814  üon  StRär§  bi§  15.  9Kai  neu  gef  einrieben 
unb  berbeffert."  —  2)er  9fteifter  erflärt  fomit  biefe  Arbeit  fetber 
für  eine  SSerbefferung  —  quocl  bene  notandum. 

Qua  foll  un§  nun  ba%  ©efdjtdjtfidje  ber  bier  51t  gibetio 
gefcfyriebenen  Dubertüren  befd)äftigen.  Sßier  Dubertüren  gu  einer 
unb  berfelben  Ober!  2)a§  fdjeint  benn  bocfj  in  ber  gefamten 
Dbern=£iteratur  ein  3(u§naf)mefatl  31t  febn.  „2öa§  mar  e§ 
toofjf,  ba§>  bem  biet6efdjä  fügten  SJtofter  gu  biefer  ^tn^arjt  SSer= 
antaffuug  gege6en?"  9ftöge  bie  23eanttuortung  biefer  im  mufi= 
fatifdjen  publicum  fo  oft  au3gefbrod)enen  $rage  genügenb  jur 
Slufftärung  biefeä  fpe^ieöen  galtet  beitragen,  auf  bafj  fernerhin 
t)infid)ttict)  ber  3lufeinanberfotge  mie  audj  ber  Unterfdjeibung 
in  biefem  bterbtätterigen  ®(eebfatte  feine  Srrung  metjr  ftatt= 
finben  fönne. 

£)ie  aöererfte    5U  $ibetio  gefdjriebene  Duberture  beginnt: 

Violino  1. 
Andante  con  moto. 


—     170 


&aum  beenbigt,  fjatte  ber  Gompomft  fetber  fein  red)te3 
Vertrauen  in  biefe  Arbeit,  ©leidjes  meinten  feine  ^leunbe. 
2Ran  üeranftattete  bemnadj  bei  $ürft  SitfjnoTOsfy  eine  Sßrobe 
baüon  mit  Keinem  Crdjefter.  £>a  warb  fie  ifjrem  ©efammt* 
infjalte  nad)  für  nid)t  entfpred)enb  befunben,  bem  SJÖerfe  alö 
Einleitung  uorau^ugefjen.  Sbee,  Stnl  unb  Gljarafter  wollten 
bem  barüber  §u  ©eridjt  fttjenben  Slreopag  nietjt  gefallen.  Sie 
warb  alfo  befeitigt.  £>ie  ^erlagebanblung  «Steiner  u.  Gomp. 
erwarb  alebalb  ba%  ßigentrjumsredjt.  ©rft  im  Verlauf  be3 
üierten  Sarj^erjenbä  ift  fie  im  2)rud  erfdjienen  unb  figurirt 
im  Katalog  als  aller let$te§  SSerf  unfern  9#eifter3. 

S)ie  nun  folgenbe  Duüerturc,  gleid)fall3  in  C  dur,  mit 
ber  bie  Oper  1805  wirflid)  in  Scene  gegangen,  beginnt  im 
2lUegro=Sa|j: 

Violoncello. 


S)arin  wiberfurjr   einem   wefentlidjen  %t)eil   baö  Sdjidfal,  oon 

ben  §ol5=5ölafeinftrumenten   ftetS   uerborben   §u   Werben.  3)ie 

im  ^ioloncetl  beginnenbe  $igur,   üorausgerjenb   fdjon   üon  ben 
Violinen  511  ©et)ör  gebradjt: 


^-tj^^^j^l^fj'fe^  abwed)felnb  mit  biefer: 


Werben  fofort  beibe  ben  Söläfem  jugeroiefen  unb  wecfjfelweife 
Don  ibjnen  ausgeführt,  wärjrenb  bie  erfte  Violine  (Sßiola  in  ber 
Cctaue)  mit  ber  fd)on  im  (ringang  bes  Satzes  üorfommenben 
©teigerungsfigur  , 


jur  (Seite  gebjt.     (Sielje  Partitur  uon  Seite  52  bi3  57.) 


—     171     — 

SInftatt  biefeö  §inbernif$  (31  £acte)  gu  guter  SfaSfüfjrung 
einfad)  gu  entfernen,  fanb  Beettjoüen  für  ratfjfam,  eine  Um= 
arbeitung  be§  ©angen  üorgunerjtnen,  U)ar  er  ja  bod)  fdjon  mit 
Umarbeiten  anberer  Stjetfe  beS  3Berfe§  beschäftigt.  l£r  berjctft 
bie  9)cotit>e  foroorjt  gur  Sntrobuction  toie  aud)  511m  3tttegro=©afc, 
läfet  letzteres  9)?otiü,  größerer  Mangfülle  roegen,  gugtetcf)  üom 
Biofonceü  unb  ber  erften  Biotine  üortragen,  unb  fütjrt  auf  ber 
©runblage  be3  bereits  Bort)anbenen  einen  Neubau  auf  —  mit 
@infct)altung  mehrerer  neuen  ©ebanfen.  Wxt  biefer  üeränberten 
Duüerture  ging  bie  umgeftattete  Dper  im  SD^ärg  1806  wieber 
in  ©cene.*) 

tiefer  Neubau  t)atte  inbeffen  eine  fo  ungeroörjnticrje  9(u3= 
betjnung  ermatten,  bajj  bie  Arbeit  üon  ©actjtunbigen  al3  (5in= 
leitung  gu  einer  Dper  für  gu  (ang  befunben  roorben,  unb, 
nad)  öerfdjiebenen  5(ngeid)en  gu  fcfjtiefeen,  üom  (Somponifien 
felber  aud).  ©agu  rjatten  fid)  nodj  bie  Reiften  unbebingt  gu 
©unften  ber  erften  Bearbeitung  erflärt,  al3  bie  £>aupt= 
ibeen  in  gebrängterer  gorm  511  ©erjör  bringenb,  überhaupt 
crjarafteriftifcrjer  als  Dpern=Duüerture,  roätjrenb  bie  gtoette 
Bearbeitung  eine  (Soncert=Duu>erture  genannt  roorben.  ©iefeä 
unb  ber  ilmftanb,  baß  nebft  ben  £)o(g=Blafeinftrumenten  aud) 
bie  ©treicfjer,  tn^befonbere  in  ber  taufenben  ^Saffage  beö 
©djtuffeS  (in  ber  groeiten  Bearbeitung  fogar  mit  ^ß  r  e  f 1 0  über= 
fcrjrieben)  bie  ßufriebenrjeit  be§  ßomponiften  nidjt  erringen 
fonnten,  roaren  Urfadje,  ba^  gur  Söiebereinfütjrung  ber  Dper 
1814  eine  Die rte  Duüerture,  bie  in  E  dur,  gefd)rieben  Sorben: 


*)  ßljerubini,  ber  ben  erftmaügen  Süuffüljmngen  bei  gibelio  1804 
unb  aud)  1805  beiwohnte,  fagte  ben  ^arifev  Rufifern  üon  biefer  £)uoer= 
ture,  bafe  er  roegen  Öunterlei  an  Regulationen  bartn  bie£>aupt  = 
tonart  niebt  ju  ernennen  r>ermod)t.  2)iefe3  ungeveebte  Urt^eil  ift  il)tn 
bort  niemals  toieber  oerjieljen  roorben. 


—     172     — 

bie  bem  Drdjefter  {einerlei  Sd)nrierigfeiten  mefjr  in  ben  2öeg 
ftedte.  §inftd)tüd)  be§  ßfjarafteriftifcfjen  aber  entfprid)t  biefe 
Dutierture  am  allermenigfteu,  benn  fte  trägt  nod)  ölet  meljr  ba% 
©epräge  einer  (Soncert=Duüerture.  9Bot)l  tonnte  man  an  bem 
Stteifter  irre  werben. 

2>te  Sßeröffentüdjung  ber  umgearbeiteten  Duöerture101) 
in  C  dar  erfolgte  fdjon  um  1810  bei  SBreitfopf  u.  .Jgaertet. 
©ie  ift  feitbem  ber  erflärte  Siebling  aller  Drdjefter  gemorben, 
roeü  [ie  bei  beren  Oorgefcfjrittener  2(u§bübung  (f)ter  unb  ba 
(eiber  fcfjon  bi§  in'3  Sßirtuofenrjafte!)  Oorgug^meife  ©elegenljevt 
gu  5tu^3eid)nung  bietet. 

Sie  Partitur  ber  urfprünglicrjen  gibelü>Cut>erture102) 
(in  ber  Speisenfolge  bie  gtoeite)  rjat  ©eettjoüen  furg  öor  feinem 
Stbteben  fammt  allen  oorrjanbenen  Reiten  ber  Oper  mir  über= 
geben,  mit  bem  auSbrüdlidjen  3Sunfdje,  für  2(ufbemarjrung  be£ 
gangen  (EonüoIut§  an  einem  fidjern  Ort  beforgt  §u  fedn.*)  @£ 
barf  bieö  ai§>  begeidjneub  angefeljen  ioerben,  ba  er  fid)  meiter 
um  5Iufbemat)rung  feinet  anbern  ber  nod)  Oorfjanbenen  9ftanu= 


*)  @3  befinbet  fid)  feit  1845  in  ber  ftönigl.  §of--33iblion)ef  ju  Serlin. 

101)  Es  ist  die  sogenannte  Ouvertüre  in  C  No.  3;  sie  erschien  im 
Juli  1810  bei  Br.  &  H.  unter  dem  Titel:  „Ouvertüre  ä  grande  orchestre 
de  l'opera  Leonora"  (Verlagsnummer  1 603;.  A.  d.  H. 

102)  Das  Ouvertüren-Gewerk  zum  Fidelio  behält  trotz  Schindlers 
autoptischer  Teilnehmung  an  Beethovens  Leben,  trotz  Thayer,  Deiters, 
trotz  Dr.  Priegers  Monographie,  trotz  meiner  und  anderer  Bearbeitungen 
dieses  Themas  mancherlei  Unklarheiten.  Das  Schlußwort  in  der  Reihen- 
und  Zeitfolge  der  vier  oder  gar  der  fünf  Leonoren- Ouvertüren  ist 
noch  immer  nicht  gesprochen.  Wie  soll  man  hier  das  Wort  von  der 
„ursprünglichen  Fidelio-Ouvertüre  (in  der  Reihenfolge  die  zweite)" 
verstehen?  Es  hätte  nur  einen  Sinn,  zu  sagen,  daß  die  ursprüngliche 
Fidelio-Ouvertüre  in  der  Reihenfolge  die  erste  ist.  Dann  käme  die 
große  Leonoren-Ouvertüre,  die  feurig-dramatische,  als  zweite,  die  in 
E-dur  als  dritte,  und  die  beiseite  gelegte,  in  den  dreißiger  Jahren 
von  Haslinger  publizierte,  als  vierte  (erste  Leonoren-Ouvertüre). 

A.  d.  H 


—     173     — 

fcripte  bekümmert  Ijat.  $n  tiefer  Partitur  fanben  fid)  aber  bei 
näherer  Unterfudjung  auffaltenbe  ^ürjungen  unb  $eränberungen, 
fo  fjatte  3.  33.  bie  Sntrobuction  einen  anberen  ©cfjlufj,  bie 
ttneberfeljrenbe  £rompeten*$anfare  im  9IIIegro=@at5  mar  ge= 
(trieben,  be^gleictjen  mar  bte  laufenbe  $igur  in  ben  @treid)= 
Snftrumenten  be£  finale  geftridjen.  Offenbar  famen  tiefe 
$ürgungen  üon  be§  sJ)?eifter§  §anb  felber  bjer.  2Ba3  itjn  Ijiegu 
üerantafjt  rjabett  mochte,  liefj  fid)  nid)t  erraten.  ^ebenfalls 
füllte  man,  bafj  ein  üerftümmetteS  SSerf  üortiege.  —  *£)a  Oerljatf 
ein  glüdtidjer  3ufaU  £>errn  Sßrofeffor  Otto  Safjn  bei  feinen 
im  Safae  1852  in  SBien  angeheilten  gorfd)ungen  gut  2Utf= 
finbung  ber  öoßftänbigen  Partitur  biefer  Duoerture  in  fauberer 
5lbfd)rift  bei  2trtaria.  9tl§6alb  erfctjten  biefetbe  bei  33reitfopf 
u.  ipaertet  im  ©ruef.  S)er  Sßergteid)  biefer  urfprünglidjen 
Duoerture  mit  ber  umgearbeiteten  mirb  bem  SD?ufifer  eben  fo 
großes  Vergnügen  geroäl)ren,  als  iljm  auS  einem  SSergteidje  be§ 
Dctett3  für  23ta3=3nftrumente  mit  bem  barau§  entftanbenen 
Guintett  in  Es  dur,  Op.  4,  für  <3treid)=3nftrumente,  gU  Sttjeil 
mirb.  Söeibe  Umarbeitungen  finb  ^um  (Stubtum  gu  empfehlen. 
SSenn  ber  feinfühlige  21.  23.  Sftarr.  in  feinem  „ßeben  unb 
©Raffen  Q3eerf)ooen'3"  fid)  für  bie  erfte  Duoerture  erftärt,  fo 
rebe  id)  meiner  ©eitö  ber  jmeiten  ba§  SSort.  Wlav%  fagt, 
I,  356:  „93egeiftert,  gan§  erfüllt  öon  feiner  Seonore  mar 
23eetIjooen,  al§  er  bie  erfte  Duoerture  fdjuf." 108)  —  SetjtereS, 
ba§>  ©rfüEtfeOn,  bleibe  unbeftritten,  bie  (Sinnigfeit  it)reö  önf)att§ 
jeugt  bafür;  bennod)  ift  ba§  (Sljaraftergepräge  nur  in  matten 
Umriffen  auggebrücft,  23egeifterung  aber,  SBeetljoüen'fdje  33e- 
geifterung,  gar  menig  barin.  2Betd)'  ein  gemattiges,  in  fid)  ab* 
gefd)loffene§  ßfyarafterbüb  hingegen  ift  bie  jtoeite  Duoerture, 
ein  53ilb   üoll  erhabener  3u9e'  (baoon   feiner  3U  üiel,  rote  in 

103)  Das  paßt  jedoch  beides  auf  die  sogenannte  erste,  wie  auf 
die  sogenannte  zweite.  Bei  beiden  hat  der  Tondichter  der  ursprüng- 
lichen Begeisterungsidee  nachgesonnen  und  den  Kern  der  Sache  er- 
schaut. A.  d.  H. 


—     174     — 

ber  Umarbeitung  rjörbar)  bie  ber  9tteifter  51t  einem  burdjgreifenben 
^aupteinbrnd  p  bereinigen  roufcre,  roie  fpäterfjin  ©teid)e§  in 
ben  Duüerturen   5U  (Sgmont   unb   §u  (Soriotan   nod)   gefdjerjen! 

SSor  allem  muf;  bem  ©cfjöpfer  jener  beiben  SSerfe  ba§> 
9?ed)t  31t  beren  SBeurttjeUung  eingeräumt  roerben.  £>n  33eptg 
auf  bie  erfte  CuOerture  bürfte  roofjt  bie  Stelle  au<§  23eett)ou>en'3 
93rief  an  SOtatttjifon  paffen,  ber  am  Sd)luffe  ber  erften  ^eriobe 
mitgeteilt  ift.  £>iefe  ©teile  tautet:  „3e  größere  gortfdrritte  in 
ber  Slunft  man  macfjt,  befto  weniger  befriebigen  einem  feine 
älteren  SBerfe."104)  SSarjr  ift  e§,  bafj  unfer  3Kciftcr  im  ^jSuncte 
ber  ßufriebenfyeit  mit  fiel)  fetber  oft  bi<§  511m  Uebermafs  fdjroierig 
geroefen,  batjer  Oerfd)iebenen  feiner  älteren  yBerfe  burd)  eigene 
©eringfd)ä^ung  fogar  roefje  getrjan,  fo  5.  53.  bem  Cuintett  für 
^ßianoforte  unb  93fa3inftrumente,  Op.  16.  2>iefer  Siigorofität 
bürfte  e§  ^ufdjreiben  ferjn,  hak  er  fid)  ber  (Sjiften^  ber  erften 
£eonoren=Duüerture  erft  roieber  im  Safjr  1823  erinnert  tjat, 
roie  mir,  bort  angefommen,  be§  üftäfjeren  tjören  roerben.  9)?an 
begatte  aber  rootjl  im  ©ebädjtnife,  bajj  e3  bie  groeite  DuOerture 
gemefen,  bie  er,  fammt  bem  ßonoolut  aßer  Xfyeite  ber  Dper, 
mit  bem  au3brüd(id)en  Sßunfcfje  mir  übergeben,  für  ir)re  5luf= 
bematjrung  Sorge  tragen  §u  motten. 

SBenn  SQiarj  ferner  ber  Sinroirtung  ber  greunbe  55eet= 
rjooen'3  bie  53efeitignng  ber  erften  Duüerture  beimißt,  als  tjätten 
fie  gettenb  gemad)t,  „bafo  man  üon  ifjm  nur  ©rofeeS,  (SrrjabeneS, 
@eroaltige§,  Unerhörtes  erroarte,"  —  menn  er  nod)  beifügt, 
„bafi  bie  ^roeite  unb  britte  Duöertüre  nict)t  metjr  Prologe  ber 
£>per,  fonbern  ft)mpt)onifcf)e  £>ict)tungen  finb,  burd)  ben  @e= 
bauten  an  bie  Dper  angeregt,"  fo  finb  bieS  fämmttict)  gemagte 
(Sonjecturen,  roie  bergleicfyen  bem  ^orfcfjer  öftere  entfdjtüpften. 
(Stimmte  53eetrjooen'S  eigene  9(bfid)t  ober  Neigung  $u  irgenbeiner 
Xfjat  mit  bem  SSunfdje  feiner  $reunbe  überein,  üielmeljr,  mar 
jene   bereite  t>on  ifym  auSgefprodjen,  roie  bieS  ber  $aß  bei  ber 


104)  Cf.  B.  S.  Br.  No.  37  (I.  Band).  A.  d.  H. 


—     175     — 


erften  Duberture  geroefen,  bann  bermodjte  eine  äußere  Anregung 
üjn  rcotjt  batb  an  ben  ©djreibtifd)  §u  bringen.  Slußerbem  !annte 
er  in  folgen  Singen  feine  ©efattigfeit  nod)  üftacfygiebigf  eit ;  am 
menigften  mar  mit  ©rängen  bei  it)m  auszurichten.  — 

Jpätte  SKarj  bod)  nur  ad)t  Sage  toerfönlid)  mit  ©eetlj oben 
öerfeljrt,  um  if)n  f eiber  reben  gu  Ijören! 

Sn  einer  borauSgetjenben  9?anbnote  roarb  tterfbrodjen,  ben 
eigentlichen  ©runb  ber  ^Beseitigung  ber  für  ^arro  guerft  ge= 
fcfjriebenen  9lrie  mit  ßfjor  anzugeben.  @S  mag  biefer  fomifdje 
Vorfall  mit  bem  Söaffiften  9J?eier*)  unb  biefer  Üfrie  bem  bereits 
Siemlid)  auSgebefjnten  ßabitet  über  gibelio  als  2lnt)ang  bienen, 
meil  er  benn  bod)  ein  djarafteriftifdjeS  9J?oment  bietet,  aud)  in 
ber  Sebensgefdn'djte  25eetf)ot>en'S  nietjt  gang  ofme  Stnalogon  ftet)t. 

©djon  oben  erfuhren  mir  burd)  Streitfd)fe,  hak  t)infid)tlic^ 
jtoedentfpredjenber  2Sefet$ung  ber  berfd)iebenen  Collen  „bie 
Mnner  gu  raünfd)en  übrigließen."  ©er  SBafftft  SDceier  Ijatte 
inbeffen  bon  feinen  gätyigfetten  eine  fyöljere  Meinung,  bietleidjt, 
meil  er  ein  guter  ©araftro  geroefen,  geroiß  aber  aud)  barum, 
meit  er  mit  ^ojart  berfd)roägert  mar.  @r  pflegte  bemnad)  bei 
SJtoäart  jit  fdjroören  unb  überhaupt  fid)  alles  zuzutrauen.  Sn 
SJegie^ung  nun  auf  biefeS  große  Selbftbertrauen  faßte  SBeetljoben 
ben  SSorfa|i,  ü)n  bon  fotdjer  ©d)roäd)e  gu  furiren.  £)urdj 
meldjeS  Mittel  foltte  bieS  rooljl  beroerfftefligt  merben?  Surdj 
ein  ganz  einfadjeS,  aber  fetteneS  unb  braftifd)  roirfenbeS.  Sn 
biefer  5trie  nämlid)  befinbet  fid)  folgenbe  ©teüe: 

Allegro  con  brio.        &. 


5SJ 


s^ 


~-& 


E 


^i^arro. 

Contrebass. 


SSalb    mirb  fein    S51ut  üer  =  rinnen, 


m>~- 


TfFF 


&£ 


±£E 


j^e 


*)  gviebrttf)  ©ebafitatt  «Meter  geb.  1773,  f  1835. 


176 


m^=p 


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m 


^^g 


balb      frümmet      ficf)  ber       SSurm! 


fcfe« 


löSa 


2öie  au§  biefem  SBeifpte£e  erficfjtüd),  betoegt  fid)  bie  ©ing= 
ftimme  ü6er  einem  Don  allen  ©treid)=3"ftrumenten  aufgeführten 
DctaOengang,  fo  jroar,  bafe  ber  ©änger  bei  jebem  gu  fingenben 
Xon  einen  23orfd)(ag  ber  {(einen  ©ecunbe  öom  Drd)efter  gu  rjören 
befommt.  ©in  roirftid)  fattelfefter  mirb  ficfj  Don  bertei  „fpanifcrjen 
Leitern"  nid)t  fonber(id)  imponiren  taffen.  2)er  Sßigarro  üon  1805 
jebod)  üermodjte  trotj  altem  Slrümmen  unb  ©efticuüren  bem 
gefäfjrtidjen  §inbernife  nictjt  au§guroeid)en,  gumat  bie  fd)aben= 
froren  ©pieler  ba  unten  bie  9J?a(ice  gehabt,  bie  ffeine  ©ecunbe 
burcfj  einen  2(ccent  noct)  mefjr  fjerüortreten  §u  machen;  fomit 
mufete  ber  nmtrjfcfjnaubenbe  Spi-jarro  bie  gange  ©teile  rjtnburct) 
am  Sogen  ber  ©pieter  fangen  bleiben.  2)a£  berurfadjte  ©e= 
tädjter.  darüber  erfyob  aber  ber  in  feiner  (Sinbübung  oerte^te 
©änger  ein  ©efdjrei  unb  nmrf  mit  Ingrimm  bem  (Somponiften 
unter  anbern  aud)  bie  SBorte  an  ben  Äopf:  „©olcfjen  Derfl — 
Unfinn  rjätte  mein  ©d)tt)ager  nid)t  getrieben!"*) 

9?ocf)  in  fpäteren  Sauren  !onnte  bie  Erinnerung  an  biefe 
brollige  ©pifobe  au§  ber  feineStoegö  ergö#tid)en  gibetio= 
@efd)id)te  bon  1805  unfern  9fteifter  redjt  erweitern,  befonbere 
roemt  er  biefem  feinem  ehemaligen  grimmigen  s,ßi§arro  auf  ber 
©trafce  begegnete.  Siegt  barin  nid)t  einige  2(efjutid)feit  mit 
bem  einftenS  gu  S3onn  öerübten  Sugenbftreid)  an  bem  ©änger 
geller,  beffen  in  ber  erften  s^eriobe  gebaut  mirb?  ^ebenfalls 
tjatte  ber  ernfte  ©pafc  mit  bem  ©änger  SOtaer  ba§>  ©ute  gut 
$o(ge,  baf$  an  ©teile   ber  im  gangen  unbebeutenben  9lrie  in 


*)  2>ie  ©emaljltn  be3  Sänget  war  bie.  älteftc  ©ctjtoeftei  ber  grau 
aKojait.    gür  jie  mar  bie  Partie  ber  Stöniflin  ber  %Kfjt  getrieben. 


—     177     — 

B  dur  eine  anbete  gekommen,  bie  ben  beften  ©lüden  in  ber 
Oper  ebenbürtig  gur  ©eite  fteljt. 

9lad)  9J?ittf)eilung  be§  QSorfteljenben  über  btefeö  in  unfern 
Sagen  fjodjgeftettte  Dpernmerf  bleibt  nur  nocr)  übrig,  einige 
Slnmerfungen  in  birecter  Se^iefjung  auf  ben  @efang=Somponiften 
95eetf)oüen  folgen  ^u  (äffen,  meit  fie  §ur  ©aclje  gehören. 

?lu3  ben  ©ingang§tuorten  be§  £reitfd)fe'fd)en  5Tuffa^e§  über 
gibelio  gefjt  fjeroor,  bafe  Seetfjotien  fid)  burdj  bie  (Sompofition 
be§  ©IjrtftuS  am  Delberg  pr  ßompofttion  einer  Oper  gut 
empfohlen  Ijabe,  b.  1).  nidjt  nur  f)at  er  bort  ©efdjicf  §u 
bramatifdjer  äföafif  gezeigt,  fonbern  äugteidj  ben  SBemeiS  ge* 
liefert,  bafe  er  überhaupt  für  ©efang  $u  fdjreiben  üerftelje,  ober, 
roa§  er  norf)  nid)t  oollenbS  üerftelje,  bei  im  ©rofeen  fid)  bar* 
bietenber  ®e(egenfyeit  erfernen  toerbe.  ©3  ift  betannt,  bafe  bie 
gäfjigleit,  gut  für  bie  ©ingftimme  §u  fdjreiben,  ben  Snftrumental- 
ISomponiften,  öornef)mtid)  menn  fie  (Slaüierfpieler  finb,  gu  aßen 
geiten  abgefprocfjen  roorben,  unb  meift  mit  üollem  Sftedjt.  etilen 
93eobad)tungen  nad)  fdjeint  e3  biefer  (Slaffc  üon  SD^ufifern  am 
fcfymerften  $u  merben,  fict)  mit  ber  ^fyüfiotogie  be§  ©timmorganä 
unb  ben  Regeln  ber  ©efangSfunft  fo  üertraut  3U  madjen,  ba$ 
bie  in  ber  $ocal=ßompofition  al§  erfte§  ^ßoftutat  entgegen* 
tretenbe  ©infdjränlung  fid)  mie  ein  notf)menbige§  9?aturgefe£ 
Oon  fetbft  ergibt  unb  nidjt  erft  an  ber  Partitur  fttjenb  er= 
groungen  merben  mufj.  2Ba3  im  letzteren  $atte  refultirt,  baoon 
liegen  un§  au3  unferer  (Spodje  nicfjt  menige  SBeifpiele  Oor,  mit 
S.  3Jc.  oon  Sßeber  beginnenb.  gaft  alle  beutfdjen  Somponiften 
nad)  SSeber  Ijaben,  balb  mefjr,  balb  meniger,  bie  ©ingftimme 
mie  ein  Snftrument  befjanbett. 

SJuf  unfern  SSiener  SDtofter  bamit  gurüdblidenb,  ift  e§ 
aufjer  ßtueifel,  bafj  er,  junädjft  burdj  natür(id)e  9M)tung  feinet 
©eniu$  5ur  3nftrumental=90hifif,  als  ber  ?ß^antafie  ben  freiften 
(Spielraum  geroäljrenb,  t)ingebrängt,  aber  aucf)  nod)  üon  ben 
(Sinroirfungen  öe3  ^ianoforte  fo  ftarl  befangen  mar,  bafj  iljm 
jene    ©infdjränlung    atö    bie    größte    ©djmierigfeit    bei    ber 

St.  ©djtnMeig  SBeetfjoöcn-Wograpljic.  12 


—     178     — 

ßompofition  für  ©ingftimmen  erfd)einen  muftte.  £)ie  ©etuo^rt- 
fjeit,  fid)  ben  (Eingebungen  ber  $f)antafie  frei  §u  überlaffen, 
eingefdjränrt  aüein  burd)  bie  ©efetje  ber  Harmonie,  be§ 
$Hrjt)tt)mu3  unb  Slenntnifc  ber  Statur  ber  Snftrumente,  biefe 
©erüot)nr)eit,  in  SSerbinbung  mit  nod)  einem  ß^eiten,  oem  Un= 
bermögen,  fetber  einen  guten  £on  Ijerboräubringen,  —  ba§ 
gufammen  (äfet  erraten,  loeldjen  $ampf  23eetrjot>en  beim  3fu§= 
arbeiten  biefer  Dpern=$j3artitur  mit  fid)  felber  $u  beftetjen  gehabt. 

S3ei  9(nf)örung  be§  $ibeüo  mottle  Gfyerubini  31t  bem  fidjern 
(Sdjtuft  gelangt  fetin,  ba^  beffen  5(utor  fid)  big  bat)in  nod)  t»tet 
§u  toenig  mit  bem  ©tubium  ber  @efang§funft  befaßt  fjabe,  rooran 
©atteri,  ber  einfüge  $üt)rer  in  biefer  Slbttjetlung,  nidjt  fdjulö 
gemefen,  beim  aud)  ßtjerubini  mitt  bon  biefem  gerjört  fyaben, 
roie  e§  itjm  mit  feinem  ©djüfer  ergangen.  S)er  um  bolte  $fyi 
Sarjre  ältere  frattäüfifdje  äfteifter  ertaubte  fid)  bemnadj,  bem 
SBiener  ba§>  ©efangStuefen  nad)brüd(id)  anzuempfehlen  unb  tiefj 
5U  biefem  $tt>ede  bie  ©d)u(e  be3  $ßarifer  (SonferbatoirS  fommen, 
um  fie  il)m  gu  berebjren.*)  ^Sefanntftct)  finb  9J?efju(,  9lbam, 
Sabin,  ©offef,  ßatet,  ©obert,  @(er  unb  ߧerubini  bie  SSerfaffcr. 

Unterfudjt  man  inbeffen  bie  bem  fyibetio  borau§gegangenen 
23ocal=(Sompofitionen  (bie  (Efjerubini  nid)t  gerannt  t)at),  bie 
9tbe(aibe,  6()riftu§  am  Detberg  unb  bie  @ect)3  Sieber  bon 
©eitert,  fo  ift  e3  augenfällig,  ba$  alle  ©titnmen  mit  befter 
ßenntni^  it)rer  (Eigenheiten  bet)anbelt  finb.  SSie  rid)tig  5.  SS. 
ift  bie  Unterfdjeibung  ber  SSocate  e  unb  i  im  ©ebraudje  für 
©opran  ober  £enor,  mobon  (S.  ffl.  ö.  SSeber  unb  bie  ©päte* 
reu  meift  Umgang  genommen  tjaben.  SSatjr  ift  e§,  im  $ibelio 
finbet  fid)  biefe  Unterfdjeibung  meniger  ftrenge  beadjtet,  aber 
bodj  nod)  mit  ülftafj.  —  2öa§  mar  e§  mot)(,  ba$  bie  ©änger 
51t  klagen   berantafjt  unb  berbiefjtidje  ßonfticte  für  alle  Sltjetfe 


*)  ®iefe§  @jemplar  Ijat  fid)  bi§  in  bie  legten  £eben§tage  unferS 
SD?eifter§  in  feiner  fleinen  33ibliotfjef  erhalten,  aber  aud)  bie.  beutfdje  lieber^ 
fe£ung  öon  biefer  ©djule  in  6  Slbtfjeilungen  (bei  Sreitfopf  u.  §aertel)  ftanb 
baneben. 


—     179     — 

fjerbeigefüljrt  fjat?  23eetrjoben'§  ^artnädigieit,  ba§  ©efcfjriebene 
für  gut  unb  fingbar  ju  galten,  biefe  mar  ber  ©teilt  bei  $Tn= 
ftofjeS,  ben  meber  befcfjeibene  Borftettungen  nocfj  bibfomatifcrje 
Unterrjanblungen  gu  befettigen  im  ©tanbe  gemefen.*) 

Bon  ben  ©ängem  in  biefer  Oper  gu  Sßien  mar  e3  gule^t 
grau  9)?über=§auötmann,  bie  bem  Berfaffer  1836  in  Sffacfjen 
über  jene  Vorgänge  ÜDftttrjeitungen  gemacfjt.  @ie  fagte  unter 
anberm  au§,  bafj  audj  fie,  rjaubtfädjtid)  megen  ber  unfcfjönen, 
unfang6aren,  itjrem  Organ  aucf)  noct)  miberftrebenben  ^ßaffagen 
im  Slbagio  ber  5trie  in  E  dur,  tjarte  kämpfe  mit  bem  SJfteifter 
gu  befielen  gehabt,  —  jebod)  üergebtid),  bi§  fie  1814  entf Rieben 
erhärte,  mit  jener  fo  gematteten  5trie  rtictjt  mieber  bie  Söütjne 
betreten  §u  motten.  ®a§  mirtte.  @in  SSergtetct)  ber  üorliegenben 
$rie  mit  ber  erften  Bearbeitung  mirb  nicfjt  minber  §u  SDanf 
gegen  biefe  ^ünftterin  aufforbern,  mie  in  bem  bermanbten  galle 
mit  bem  Baffiften  Sfteier.  —  S£)er  Surjalt  be§  an  Streitfälle 
gerichteten  Brief  cfjen§:  „£)ie  ganje  ©arfje  mit  ber  Dper  ift  bie 
mürjfamfte  üon  ber  2Be(t"  u.  f.  m.  mirb  nun  feiner  meiteren 
Auslegung  bebürfen  unb  berftanben  merben. 

S£)ie  mancherlei  Erfahrungen  aber,  bie  unfer  Fjartnäcfiger 
UReifter,  gum  Streit  miber  feinen  Sßiflen,  burcfj  alle  biefe  Bor- 
gänge  unb  Gonflicte  machen  mufcte,  maren  aus?  jebem  ©eftcfjt^ 
puncte  betrachtet  äufcerft  ermünfcfjt,  unb  rjätte  ftd)  (Megentjeü 
geboten,  aUbatb  eine  §roeite  Dper  fctjretben  gu  rönnen,  fo 
mären  fie  aucrj  ^meifetlotjne  nu^bringenb  gemorben. 

grägt  e§  fict)  enbüct)  um  bie  p  e  c  u  n  i  ä  r  e  n  Borttjetfe,  bie 
bem  ßomponiften  nactj  aßen  biefen  9J(üt)fa(en  §u  STfjeit  gemorben, 
fo  ftnb  biefe  tioitenb3  i(äg(ict)er  2lrt.  Bieüeicfjt  mar  e£  ber 
erfte  galt  in  Deftreicfj,  ba^  ein  Dpem=(5omponift  mit  ber 
Stfjeater=S£)irection  eine  ^Tantieme  Don  jeber  Borftetlung  at§ 
§onorar   bebungen    rjatte.     SSir   fjaben   aber   gehört,    mie   in 


*)  28otjl   ju  werfen,   e§  ifi  bon  ber   erften  Bearbeitung  bie  Diebe, 
nicfjt  öon  bem  fjibelio,  wie  er  gegenroärtig  üorttegt. 

12* 


—     180     — 

$otge  ber  feinblicfjen  SnOafion  bie  f)öt)ere  ©efettfcfjaft  bie  §aupt* 
ftabt  bertaffen,  ber  Xrjeaterbefud)  überhaupt  geftört  trat; 
abbiren  mir  bert  geringen  23eifall  f)inp,  ben  ba§  SSerE  in  nur 
brei  SSorftetlungen  im  Sftonat  ^ooember  1805,  in  e6en  fo 
toteren  ungefähr  im  9ftonat  SD?är§  1806  erhalten,  unter  benen 
nur  bie  je  erfte  ein  gut  befetjteS  §au§  gefetjen,  fo  tütrb  man 
faum  überrafcrjt  fer^n,  ju  üemerjtnen,  bah  ficrj  SBeetrjooen'ä 
STantiemen^ntrjeil  nid)t  auf  gmei  fjunbert  ©ulben  erhoben  fjat. 

©iefer  eben  abgerjanbette  3eüraum  öon  funf  Sauren,  in 
meinem  ber  Stünftler  unb  ber  SDcenfd)  fo  mancfjertei  ftfjroere 
Prüfungen  51t  befterjen  gehabt,  bürfte  burd)  eine  au§  (Stjriftian 
<Sturm'3  2erjr=  unb  (SrbauungSbudj  oon  be<§  3D?eifter§  £>anb 
aufgetriebene  ©teile,  in  btrecter  ©e^ierjung  auf  fein  reügtöfeS 
®emütrj,  anfcfjauticf)  tfjarafterifirt  »erben  tonnen.   3)iefe(be  lautet: 

,,3d)  mufe  e§  3Um  greife  Seiner  (Mte  befennen,  bafs  3)u  afle  Mittel 
öerfud)t  t)aft,  mid)  ju  3)ir  ju  gießen.  93alb  gefiel  e§  2)ir,  mid)  bie  fdjroere 
£anb  2)eine3  3orne3  empfinben  §u  laffen  unb  burd)  mannigfaltige  3üd)tU 
gungen  mein  ftoljeö  §erj  ju  bemüttügen.  Äranfbeit  unb  anbere  Unglürf3= 
fäüe  üertjängteft  3)u  über  micfj,  um  mid)  äum  9?ad)benfen  über  meine  ?lb= 

meidjungen  3U  bringen 9htr  ba3  einzige  bitte  idi  £id),  mein  ©Ott, 

b,öre  nid)t  auf  an  meiner  SBefferung  3U  arbeiten.  2afj  mid)  nur,  auf  roeldje 
SSeife  e3  moüe,  an  guten  2B;rfen  fruchtbar  fenn."    J   S.  197. 

$iel(eicrjt  läfjt  ftrf)  fdjon  in  nädjfter  getr  ein  SSenbepunct 
in  $ert)ä(tniffen  unb  ßuftänben  matjrnerjmen. 


in. 

1806.  STUeS  bie  Oper  gibetio  SBetreffenbe  mufete  im  ßufammen* 
rjange  gegeben  roerben.  @ö  mar  fomit  unoermeiblid),  baf$  nicfjt 
in  ber  djronologifdjen  5Xnorbnung  ber  Gegebenheiten  eine  5tö= 
rung  eingetreten  märe.  £)er  erfte  Sfyeü  btefer  Gegebenheiten 
batirt,  roie  mir  geferjen,  au3  ben  Sauren  1805  unb  180o;  bort 
fott  bemnacfj  ber  gaben  ber  2eben$gefd)id)te  be3  XonbidjterS 
roieber  angefnüpft  roerben.  SBenn  itjn  bie  Vorgänge  mit  ber 
Oper  etma3  ermübet  tjatten,  unb  er  ber  örtjolung  beburfte,  fo 


—     181     — 

ttrirb  e§  fid)  batb  geigen,  tote  roenig  $eit  J)ie§u  öon  üftötb,en  mar ; 
ja  bie  grucfjtbarfeit  bei  unferm  Sfteifter  geftattet  fid)  öon  fjier 
an  al§  eine  fo  retdje,  aU  märe  nod)  fein  Kröpfen  au§  biefem 
tiefen  Söronnen  tjerauSgefjott  morben.  ©rftaunlid)  müfete  btefe 
felbft  bann  nod)  erfdjeinen,  menn  §tt?ifdf)en  ber  Döer  $ibelio 
unb  ben  Dielen  neuen  2Berfen  ein  ßeitraum  öon  einigen  Sauren 
läge;  allein  e§  gäljlt  bie[er  faum  einige  Monate. 

£>a3  erfte  SBerf,  ba§>  auf  bie  2Inftrengungen  mit  ber  Döer 
gefolgt,  mar  bie  «Sonate  in  F  moll,  Op.  57;  jene  biet  be= 
munberte  ©icrjtung,  bie  f)infid)tticrj  djaratteriftifcfjer  @int)eit  nur 
Wenige  gang  ebenbürtige  in  ber  SReitje  ber  ©onaten  für  $ßiano= 
forte  allein  pr  (£eite  f)at.  £)er  90?eifter  fdjrieb  fie  mätjrenb 
einer  turnen  SKaft  bei  feinem  greunbe,  bem  ©rafen  23run§roid, 
in  einem  $uge  nieber.*)  <Sie  ift  befanntlid)  biefem  greunbe 
gemibmet.  $on  biefem  SBerf'e  üerbient  nod)  bemerft  gu  merben, 
baf$  barin  ber  Umfang  be§  ^ßianoforte  fdjon  ba§  öiergeftrid)ene 
c  erreicht.  Sei  biefer  ?(u§bet)mtng  ber  (Slaüiatur  nad)  oben  ift 
bie  ^abrication  über  setjn  Sarjre  fielen  geblieben.  —  (2)a§  mit 
Op.  58  bezeichnete  (Soncert  in  G  dur  für  Sßianoforte  bürfte 
nad)  einer  öon  g.  ÜiieS  gegebenen  £Roti§  in  ba§>  Safjr  1804 
gurüdfatten  unb  ber  (Somöofition  ber  Döer  Seonore^ibeUo 
unmittelbar  öorauägegangen  fetju.  (Sin  gang  fixerer  ßeitpunct 
feinet  (Sntftetjen^  mar  nictjt  aufjuftnben.) 

2)ie  üftadjnnrfungen  be§  erften  fran^öfifcljen  Krieges  lafteten 
ferner  auf  allen  gefeUfcfjafttidjen  Sßerljältniffen  ber  ^aiferftabt, 
bat)er  aud)  auf  ben  fünftlerifdjen.  S^tctjt  einmal  fonnten  bie 
fo  beliebten  9J?orgen=6oncerte  im  5tugarten  gehalten  roerben, 
meil  ber  3(bet  unb  ein  großer  Xtjeit  be§  mufitliebenben  SßublifumS 


*)  3iie3  fagt  6.  99  (Neudruck  S.  118/119  Ä.  d.  H)  in  feinen  9?otisen, 
ba&  er  ba§  finale  biefer  Sonate  ton  !öeetf)Oüen  felber  gehört;  mann  bie§ 
gefd)ef)en,  erfahren  mir  öon  ifjnt  nidjt.  (£§  barf  batjer  angenommen  werben, 
bafc  ba§  28erf  bereite  im  Äopfe  aufgearbeitet  gemefen,  beüor  e§  auf  bem 
fianbgute  be§  ©rafen  in  Ungarn  ju  Rapier  tarn.  £atte  ber  Sfteifter  boctj 
über  ein  »olteS  %afyx  öorljer  mit  ber  Döer  ju  fd)affen. 


—     182     — 

cwd)  nad)  bem  Sfbgug  be§  fran(^öfifd)en  £eere§  nod)  auf  bem 
Sanbe  öerbtieben.  23on  $riüat=ßoncerten  fonnte  ber  nirfjt  jit 
erfdjmingenben  Soften  roegen  um  fo  raeniger  bie  9tebe  fetin,  al§ 
ber  (Soncertgeber  mit  einem  moljtbefetjten  Orct)efter  oor'3  ^ßubtifum 
treten  mufjte.  ©3  tag  im  ©eifte  ber  (Spodje,  bie  tierfdjiebenen 
SRuftffttjfe  ftrenge  gefonbert  §u  Ratten,  bemnad)  e3  ben  ^ünftfern 
nict)t  fo  leidjt  gemadjt  mar,  ßoncerte  §u  geben,  mie  Ijeut^utage. 
£)ie  gegenmärtig  beftefyenbe  Unfitte,  ein  Sieb,  ein  ßtatiierftüd 
neben  eine  ©infonie  ju  ftetlen  unb  baS  Drdjefter  §um  müßigen 
gufdjauer  gu  machen,  mar  bamatö  unge!annt,  unb  [priest  bieg 
für  ben  mafyrtjaft  gebitbeten  @inn  ber  3eit,  ber  fofdje  $ßer- 
mirrung  nidjt  gebulbet. 

©d)on  bem  SBinter  nafye  fammelte  fid)  bie  ($efeUfd)aft 
mieber.  £>a  tjatte  e§  $ran5  (Element,*)  Drdjefter^irector 
im  £f)eater  an  ber  SSien,  einer  ber  geniatften  SD?ufifer  feiner 
ßeit,  guerft  unternommen,  mit  feinem  Drdjefter  ein  grofte£ 
(Soncert  gu  beranftatten.    23eetf)Oüen   gab  it)m  fjiergu  ba§  ebm 


*  3f*an5  Clement  (and)  Clement  gefdjrieben),  geb.  ju  SBten  1784, 
f  bafelbft  1842.  —  Mad)  TOojart  woljl  ba§  am  meifien  bewunberte 
mufifaliftfje  SBunberfinb  in  ber  Jpetmatlj,  tote  in  fernen  Sönbern.  ®a§ 
SSunberbarfte  an  itjtn  war  fein  ©ebätfitniB,  barin  er  aHe§  übertroffen,  ma§ 
bie  $htnftgefdiid)te  über  äfynlidje  Begabung  au^ufagen  weife,  ©erjfrieb 
fogt  unter  Stnbern  in  Sd)ißtng§  Gncrjclopäbte  hierüber:  „3f)n  unterftüjjte 
ein  ß)ebäd)tniij  fonber  QMeidjen,  wenige  groben  reidjten  I)in,  um  gange 
Partituren  ootlftänbig,  big  tn'g  fleinfte  SDetail  ber  Snftrumentation,  att& 
wenbig  gu  behalten,  u.  f.  id."  —  Sin  befannt  geworbener  Vorfall  mit 
G&erubini  im  Safjre  1806  mag  biefe  SSorte  befräftigen.  2)er  $arifer 
9Jcetfier  moKte  bau  über  ©.  SSernommene  fetber  prüfen.  3lad)  ber  3ten 
$robe  üon  feiner  Dper  ganigfa  forberte  er  ben  ßf)ef  be3  Drdjefier§  auf, 
iljm  eine  beliebige  9cummer  au$  biefer  Dper  auSwenbig  am  panoforte 
Dorsufpielen.  Slüein  nid)t  bto§  eine  Kummer,  fonbern  gleidj  bie  Jpälfte 
ber  Dper  rjat  iljm  S.  uorgefpielt.  Soffen  war  ba8  nidt)t  aHe§,  womit 
Gfjerubini  überrafd)t  werben  fönte,  ©en  folgenben  Sag  braute  if)m  ß. 
eine  ber  fdjtoierigften  Hummern  au§  ber  Dper  üollftänbig  in  Partitur  ge* 
fdjrieben.  Sb^erubtni  fpracfj  üon  biefem  SBorfatt  mit  mir,  bemerfenb,  niemals 
wieber  eine  Shtnäfjerung  folgen  ©ebäd)tniffe§  getroffen  ju  r)aben. 


—     183     — 

beenbigte  unb  für  feine  fünftterifdjen  ©genljeiten  (furger  Sogen, 
nad)  ber  <2cfjute  ber  att4ta(ienifcfjen  9fteifter,  Martini,  Sftarbini; 
Setjerrfcfjung  ber  f)ötf)ften  91bbticatur)  berühmte  (Sondert  für 
bie  Biotine  in  D  dur  gum  Vortrage.  @8  t)atte  fidj  jebodj 
feiner  beifälligen  Slufnaljme  51t  erfreuen.  Qtüav  tuar  ein  im 
fotgenben  Sarjre  iuiebert)otter  Vortrag  bem  SSerfe  günftiger, 
bennocf)  fanb  $eetr;oben  für  ratrjfam,  e§  fogleitf)  in  ein  (Slaoier* 
(Soncert  umäufdjreiben,  a(§  folcfjeS  e§  aber  botttommen  ignorirt 
morben.  ©oroorjt  $iofin=  als  aucfj  (Sfabierfpiefer  berfdjrieen 
ba$  323er!  als  unbanfbar  (mit  biefer  SBeseicrjnung  mürben  bie 
meiften  (Stabierroerfe  S3eetf)ouen'§  bon  ben  äftufirern  bi§  auf 
unfere  Sage  abgefertigt),  bie  $iotinfbieter  berffagten  eS  fogar 
al§  unausführbar,  tt)ei(  fie  bor  ber  häufig  barin  angetoaubten 
tjorjen  Slbbticatur  gurücf  bebten.  @rft  ber  jüngften  $eit  ^ar  eS 
borbel)atten,  biefem  ^errlidjen  SSerfe  in  feiner  urfbrüngtidjen 
©eftalt  gan§  gerecht  5U  merben.105) 

Sßon  größeren  SBerfen  ift  in  biefem  Saf)re  aufeer  ber  <So= 
nate  in  F  dur,  Op.  54,  !ein  anbereS  im  3)rii(f  erfcfjienen.  3)er 
Umftanb,  ba$  in  biefem  28erfe  ber  Umfang  öon  fünf  Dctaben 
iuct)t  Übertritten  ift,  mag  als  fbredjenber  23ettiei<8  gelten,  ba^ 
beffen  ©ntfteljen  um  mehrere  Satire  gurürfbatire,  folglich  in  ber 
Dpu§*3af)t  bor  47  gu  f  teilen  fomme.106)  2öie  müjjjte  ber  (einiger 
SRecenfent  über  fttf)  fetbft  böfe  roerben,  roenu  er  tjeute  feine 
fdjiefe  33eurt^eitung  biefer  ©onate  bor  STugen  befäme!  9^acr)= 
bem  ber  Sftann  gefagt,  bafc  bie  beiben  ©ä$e,  au§  benen  fie 
befterjt,  „hrieber  boller  hmnberiidjer  ©ritten"  ferjen,  fätjrt  er 
fort:  „©S  ift  ü6er  SBeetrjoben'S  (Sigenrjeiten,  bie  gu  rü^menben, 
mie   bie   $u   tabelnben,    fdjon   fo    oft   bon  31nbern   in   biefen 


105)  Heute  ist  sogar  Beethovens  Violinkonzert  (op.  61)  in  den 
populären  Symphoniekonzerten  eine  piece  de  prödilection.     A.  d.  H 

106)  Das  ist  eine  kühne,  durch  nichts  zu  unterstützende  Be- 
hauptung1. Die  Sonate  op.  54  in  P  gehört  zwar  nicht  zu  den  hervor- 
ragenden Werken;  doch  sind  solche  Bergschatten  nehen  Bergriesen 
noch  öfter  zu  konstatieren.  A.  d.  H. 


—     184     — 

blättern  gefprodjen  morben,  unb  aud)  aubertoärtS  fragen  fetbft 
bie  eifrigften  SSereljrer  feines  mafjrfyaft  tiefen  ®eifte§  barüber; 
er  geigt  jebod),  mie  er  alle  berg(eid)en  Stemerfungen  oeractjte: 
fo  bleibt  benn  freilid)  9Ref.  nidjtS  beizufügen,  at3  eben  bie  5ln= 
geige,  baß  biefeö  neue  2Ber£  mieber  gar  mandjen  Stoff  gur 
SSiebertjolung  be§  bon  2Inbern  ©efagten  barbietet."  Mg. 
2Ruf.  ßtg.  S.  639. 
1807.  SBir  betreten  nun  ben  33oben  be§  fefjr  fruchtbaren  Sa^reö 
1807,  um  ba  länger  üerroeilen  §u  fönnen. 

Unmittelbar  auf  ba§  $Biotin=(Soncert  folgt  bie  (Sompofition 
ber  Oierten  Sinfonie  in  B  dur,  —  bann  bie  sßeenbigung  ber 
brei  Streichquartette  in  F  dar,  E  moll  unb  C  dur,  Op.  59, 
bie  aber  bereits  unterm  „26.  9Jcai  1806  angefangen,"  (mie  auf 
bem  erften  Statt  be§  2ftanufcripte§  bemerlt  ftetjt)  jebocf)  nueber 
liegen  gelaffen  mürben.*)  hierauf  lommt  bie  Cuoertüre  gu 
(Eoriotan,  —  lauter  3Sinterarbeiten  oon  1806  auf  1807. 

3m  ßaufe  be§  9J(onat§  gebruar  mürbe  bie  neue  Sinfonie 
in  einer  (gegen  ben  beftetjenben  23raud))  auf  Subfcription  öer~ 
anftalteten  Slfabemie  gum  ißorttjeite  be3  (Somponiften  gur  9(uf* 
fütjrung  gebradjt,  unb  gmar  in  SBerbinbung  mit  ben  brei  oor- 
ausgegangenen  Sinfonien  in  C,  D  unb  Es.  —  @§  mar  bie3 
unbegroeifelt  eine  ftarfe  gumutfyung  Qn  0je  gufjörer,  unb  mürbe 
in  unfern  Xagen  noct)  al3  gemagt  erfdjeinen,  gteid)mof)l  biefe 
SSerle  fämmt(id)  bereits  (Gemeingut  be§  mufifatifd)=gebi(beten 
$ßublicum3  gemorben.**)  ©aß  aber  ein  foldjeä  Unternehmen 
in  jener  3^t  nid)t  abfdjredte,  fdjeint  met)r  benn  atle§,  ma£  bie 
Sfritif  über  £t)ei(naf)me  be3  größeren  *ßublicum§  an  33eett)ooen'3 
Drdjefter*äKufif  gugeftetjt,  ein  fpredjenbeS  ßeugnifs  fomotjt  be= 
güglid)  ber  bereite  erreichten  ©mpfängtidjfeit  für  beS  3Jceifter§ 


*)  ®ie  Gntftefntng  biefer  Sinfonie  roar  in  ber  elften  5tu§gabe  irr-- 
tljümlid)  aU  unmittelbar  auf  ben  $tbelto  folflenb,  in  ba$  %af)x  1806 
5urücfgefe£t. 

**)  SSalb  »uirb  uon  einer  nodj  weit  ftärferen  3»nuit^un9  on  oa* 
publicum  9?ebe  fein. 


—     185     — 

Xonbicfjtungen  überhaupt,  tüte  nidjt  minber  für  ben  gebitbeten 
(Sinn  im  Slllgemeinen  abjugeben.  23ei  btefer  neuen  (Sinfonie 
rjatte  ber  (Eomponift  bie  ©euugtrjuung  5U  fefjen,  baf$  fie  atö6alb 
meljr  als  bie  anbern,  faft  kräftiger  nodj  aU  bie  ad)t  ^arjre 
früher  bem  2tubitorium  üorgefülrrte  erfte  (Sinfonie  in  C  dur, 
burd)gefd)lagen.  2)ie  SBiener  5lriti!  fjat  biefel6e  orjne  gugefügte§ 
2tber  unb  SSenn  begrübt,  ein  bei  23eett)oOen'3  $nftrumentat= 
üDJufif  faum  nodj  bageroefener  gatl.  —  (£ine  anbere  (Sdjöpfung 
in  biefem  Safyr  ift  bie  9J?effe  in  C  dur  —  gefcf)rieben  für  ben 
dürften  ©fterfjagi). 

©3  wirb  am  Orte  fetjn  $u  feigen,  roie  f)oct)  23eetfjOüen'3 
ßompofitionen  feit  5Iu§gang  ber  erften  ^ßeriobe  bi§  nun  im 
greife  geftiegen  tuaren. 

(Sin  $erlag<^ßontract  §mifc§en  if)m  unb  bem  perfönlid) 
antoefeuben  9J?u§io  (Elementi,  (bem  rjocrjgefcljätjten  (Slaoier* 
fpieler,  (Eomponiften  unb  Segrünber  eines  großen  $0?ufifuer(ag3= 
gefdjäfteS  in  Sonbon,)  de  dato  SBien,  20.  Slpril  1807,  Oon 
beiben  unb  Saron  Oon  @teid)enftein  al3  Beugen  unter^eidjnet, 
liegt  im  Original  bor.  ®em  SBorttaut  biefeö  (Sontracte<§  511= 
folge  fjonorirte  (Dementi  bie  ©oubtetten  nad)ftet)enber  Sperre, 
ai$:  bie  Drei  Quartette,  Op.  59,  bie  bierte  (Sinfonie,  bie  Duber= 
türe  gu  ßoriofan,  ba§  üierte  $ßianoforte=(Soncert  in  G  dur,  ba§> 
üBiotin=(5oncert  in  D  dur,  baffetbe  aud)  ai§>  (Efabier=(Soncert 
arrangirt,  mit  groei  rjunbert  ^funb  (Sterling  §um  ®ebit 
für  (£n glaub,  ©leid^eitig  enthält  biefer  (Sontract  bie  $er= 
pftidjtung  für  (Elementi:  für  brei  nod)  gu  componirenbe  (Sonaten 
an  Q3eett)oben  bie  (Summe  oon  60  $ßf.  (St.  gu  begasten. 

SSertrjgefdjenle  erhielt  unfer  sD?eifter  fortan,  bie  aber  alle 
balb  roieber  berfd)rounben  finb.  £>ie  SJätgtieber  feines  engeren 
Greifes  mußten  au^ufagen,  bafc  ba§>  „böfe  ^Srincip"  nid)t  bto§ 
üerftanb,  freunblid)  geftnnte  9ftenfd)en  au§  feiner  9Ml)e  gu  ent= 
fernen,  fonbern  auclj  ^retiofen.  SBenn  bann  Söeetljoüen  gefragt 
morben,  roo  jener  9üng,  jene  llfjr  rjingefommen,  fotl  er  nad) 
einigem  Sftadjftnnen  getoörjntid)  geäußert  rjaben:   „Sd)  toetfj  e§ 


—     186     — 

nidjt."  (Sr  toufete  aber  redjt  tootjf,  mie  fie  ifjm  entnommen, 
motlte  jebod)  feine  93rüber  fotdjer  Saaten  ntrfjt  laut  anfragen. 

3um  Jper&fte  biefe§  SafyreS  f)tn  fefjen  mir  bie  in  gofge  ber 
5frieg3ereigniffe  gerftreut  geroefene  ®efeflfd)aft  ftdf»  lieber  §u 
erneuerter  Xfjätigfeit  üerfammetn,  unb  jmar  burd)  Gonftituirung 
eines  Vereins  für  grofje  Goncerte.  Der  als  fertiger  Vio(in= 
fpieter  allen  Stftufiffreunben  befannte  Vanquier  gering  ftellte 
fid)  ab§  güfyrer  an  bie  ®pit$e  eines  äafjlreidjen,  aus  faft  lauter 
Dilettanten  beftefjenben  DrdjefterS,  barunter  aud)  au§  bem 
rjöfjeren  2fbeL  Der  @aat  „ßur  SDceljlgrube"  (gegenmärtig  £öte( 
sJD?untfd))  biente  gum  VerfammlungS-Socale.  Snbefj  geigte  fid) 
biefer  etroaS  befctjränfte  $Haum  für  ben  großen  3uoran9  DCrt° 
nidjt  meljr  auSreidjenb  unb  ber  herein  marb  genötigt,  biefeS 
in  afuftifcrjer  §infid)t  günftige  Socal  mit  einem,  fotdjen  Vebürf= 
niffe  gan§  entgegengesetzten,  gu  Dertaufdjen.  9J?an  oertegte 
nämüd)  biefe  (Soncerte  in  bie  9Iuta  ber  Uniüerfität.  Dodj  fdjon 
nad)  wenig  23od)en  fat)  fid)  Vanquier  gering  in  golge  ent* 
ftanbener  SKif^eüigfeiten  uerantafct,  feinen  Paij  bem  routinirten 
Seiter  großer  Drd)efter=9J?affen,  ^ranj  ßtement,  su  übertaffen, 
burd)  metdjen  2öed)fet  bie  Dinge  roefent(id)  gewonnen  Ratten. 

9htn  trat  aud)  33eett)otien  mit  biefer,  (Sifer  unb  Siebe  jur 
&a<fyt  betfjätigenben  ©efeüfdjaft  in  Verbinbung.  £>u  einer  ber 
December-Verfammtungen  birigirte  er  fetber  bie  Sinfonia  Eroica 
unb  Iief3  barauf  jutn  erften  Wai  bie  Duüertüre  51t  Goriolan 
Ijören.  %n  einer  fpäteren  Verfammtung  fotgte  gleichfalls  unter 
perfönüdjer  Seitung  eine  Söieberljotung  feiner  Sinfonie  in  B  dur, 
bie  fid)  eines  nodj  (autern  SSeifalleS  311  erfreuen  gehabt,  als 
bei  ber  erften  9luffül)rung. 

3m  Saljre  1807  mürben  bie  Sinfonia  eroica  Op.  55., 
ferner  bie  grofje  (Sonate  in  F  moll,  Op.  57,  unb  bie  fünf  unb 
breifcig  Variationen  in  C  moll  ber  Deffentüdjfeit  über= 
geben.  3Bie  eS  gekommen,  bafj  festeres  SBerf  feine  Dpu^atjl 
ermatten  unb  mit  9fo.  36  in  ben  Katalogen  figurirt,  ift  ntcf^t 
gu  fagen.    Der  ©runb  mirb  moljl  nur  bei  ber  bamalS  fdjon 


—     187     — 

eingetretenen  Unorbnung  in  ber  Sftummerirung  ber  SSerle,  fo 
in  SRüdftcfjt  it)re§  (SntftefjenS  toie  Ujrer  9Seröffenttid)ung,  gu 
fudjen  fetjn.  —  £)ie  Jrtttfd^ett  ©jpectorattonen  ü6er  bie  beiben 
erftgenannten  SSerfe  in  ber  Mg.  9J2uf.  $tg.  ftnb  lieber  abfonber* 
tiefer  2trt.  S3ei  aller  9tüdftd)tnal)me  anf  ben  geitgefdnnad 
nrirb  e§  benn  bod)  etmaä  fd)toer,  fiel)  be§  UnnriHens?  über  bie 
Befangenheit  eines  ÄunftridjterS  §u  enthalten,  ber  über  eine 
pfjantafiereicfje  Schöpfung  ein  Urtfjeit  au§fprid)t,  tote  bort,  ben 
erften  ©at;  ber  F  moll  ©onate  betreffenb,  gefdjiefyt.  @8  mögen 
gur  (5rt)eiterung  nur  einige  ©teilen  barauä  folgen: 

„Siebennann  t'ennt  S3eet^ot>en'ö  SSeife,  bie  große  (Sonate  §u 
bearbeiten;  unb  bei  aller  —  bei  ber  größten  3J?annigfattigteit 
im  ©in^elnen,  bleibt  25eett)oüen  biefer  feiner  SSeife  im  (Sangen 
immer  ^iemlict)  treu.  Sn  bem  erften  ©a£e  biefer  ©onate  fyat 
er  einmal  ttneber  oiele  böfe  (Seifter  Io§  gelaffen,  mie  man  biefe 
au3  anbern  feiner  großen  ©onaten  aud)  fd)on  lennt:  aber 
maljrfjaftig,  e§  ift  f)ier  aud)  ber  9ftüf)e  mertt),  mit  ben  argen 
©djmierigfeiten  nid)t  nur,  fonbern  aud)  mit  mandjer  5lnmanb- 
lung  be§  UnnnUenS  über  gefud)te  3Sunberfid)teiten  unb 
Sßigarrerieen,  gu  fämpfen!  @§  ift  jeboct)  über  biefe  Eigenheiten 
ber  Saune  be§  HJceiftersS  fdjon  fo  oft  gefproetjen  morben,  bafj 
9Rec.  fein  Söort  meljr  barüber  fagen  mag."  —  dagegen  fiubet 
ber  ämette  @a|,  Andante  con  moto,  unb  aud)  ber  britte, 
Allegro,  ma  non  troppo,  ©nabe  bei  bem  geftrengen  §errn, 
ja  fogar  SBotjlgefalten.  Sn  biefem  britten  ©atje  ftnbet  ber 
$unftridjter  „nidjtS  öon  bem  gerfyadten,  $orcirten,  ba%  mehrere 
anbere  23eetl)ouen'fd)e  finalen  Oon  fotcfjer  Sebenbiglett  unb 
©tärfe  geigen."  (!?)  IX.  @.  433. 

2lu3  ber  Slritit  über  bie  Eroica  folleu  aud)  nur  einige 
©teilen  beigegeben  »erben.    $.  ^-: 

„©0  ftdjer  ber  Sßorrourf  aufteilen  übertriebener  Slünftetei, 
Sßigarrerie,  gefugter  ©djmierigleiten  ber  s2tu§fül)rung  2C.  23eetf)OOen 
bei  kleineren  ©lüden  trifft,  bie  entmeber  überhaupt  nicfjt  eben 
oiel  au§fagen,  ober  bod)  nid)t§,  raa§  nic£)t  auf  toeit  einfadjere, 


—     188     — 

natürlichere,  teidjtere  SSeife  eben  fo  gut,  roo  nid)t  beffer  gefagt 
roerben  f'önnte:  (sie)  fo  gerecht  ift  e§,  roenn  er,  bei  f  otcf)  einem 
SSerfe,  roo  faft  überall  bie  &ad)e  felbft  bie  (Scfjtuierigfeiten  für 
ben  ben!enben  3u*)orer  ober  auMbenben  äftufifer  herbeiführt, 
bie  Bormürfe  abmirft.  (Sine  Gonüerfation  über  geroörjnlidje 
©egenftänbe  fotl  nidjt  bunfel,  fdjroer,  lang  fenn;  roer  aber  oon 
ber  5lu3fürjrung  rjofjer,  abftracter  Materien  oertangt,  fie  foH 
erfdjöpfenb,  unb  boctj  fo  leidjt,  anmutig,  fnrj  fein,  roie  jene 
(Sonoerfation :  ber  öerlangt  ba3  Umnöglidje,  unb  roeife  gemeinig= 
lief)  felbft  nid)t,  roa§  er  eigenttid)  roill.  2)amit  fotl  jeboct)  nidjt 
gefagt  fetyn,  ba$  e3  nidjt  überall  ein  ^imium  gebe,  unb  bafe 
nietjt  33eetf)o0en'3  ©eniu§,  aud)  in  biefem  SSerfe  feine  (Stgenbeit 
geige,  fo  gern  an  biefe§  —  roenigften3  §u  ftreifen,  al§  —  ben 
medjanifdjen  unb  ted)nifd)en  ££)eit  betreff enb,  bie  Unmöglidjfeit 
ber  gehörigen  9fu£füt)rung,  roie  fie  au§  ber  üftatur  ber  Snftrumente 
ober  ber  §änbe  erroei^lid)  mirb;  unb,  ben  artiftifdjen  unb 
aeftt)etifd)en  £t)ei(  betreff  enb,  ber  ©eniu£  felbft,  ber  aud) 
rjier  nidjt  burd)  §erfommlid)e§  befdjräntt,  fonbern  nur  (roa§ 
t)iermit  gefdjerje!)  an  bie  unabänberlidjen  ©efetje  be§  aeftf)etifd)en 
3Sermögen§  be3  9J?enfd)en  überhaupt  —  unb  roenn  er,  ber 
©eniu§,  gerabe  bie  ©igenfjeit  t)at,  biefem  gern  met)r  guäumuttjen, 
alz  fid)  mit  jenen  ©efeljen  uerträgt,  aud)  an  biefe  (£igent)eit 
erinnert  roerben  barf,  bamit  er  fid)  felbft  ein  ©efet;  roerbe  unb 
nidjt  feine  ©qeugniffe  in  ba§  Blaue  rjinauS  üerfprenge.  — 
llebrigenä  roirb  e3  nidjt  festen,  bafs  nidjt  eine  Sdjaar  5lu^üge 
unb  Bearbeitungen  Oon  biefem  SSerfe,  fobalb  e3  berannt  roirb, 
gemacht  mürben."     IX.  ©.  331. 

Ob  fid)  rootjt  Beettjoüen  für  biefe,  roat)rfct)einIid)  auf  bem 
9tebaction§=Bureau,  gebredjfelte  Snfctjutjnatjme  feiner  ©igen* 
Reiten  bebanft  fjaben  mag?  Slber  mit  ber  ©djaar  üon  Slu^ügen 
unb  Bearbeitungen  t»at  e3  ber  ^ritifer  erraten.  £>er  Gatalog 
meifet  beren  nietjt  weniger  beim  fünfjefjn  oerfdjiebene  auf. 

(Sine  anbere,  oon  roefenttid)  üerfdjiebener  ©efinnung  unb 
$orm   geugenbe  ÄritiC   über   bie  Eroica  unb  gugleid)  über  bie 


—     189     — 

(Sinfonie  in  B  dar,   au3  ber  geber  Don  (Sari  Sftaria   Don 
SSeber,  erlernt  unter  ben  ©rgänjungen. 

$ür  ben  aufmerffamen  23eobad)ter  be§  (£ntmid{ung§gange3  1808. 
eine§  mächtigen  ©eniuö  ift  e§  ein  angenehmes  ®efd)äft,  oon 
(Stufe  5U  Stufe  ^u  folgen  unb  itjn  ber  Sßottenbung  fidj  nctfjem 
§u  fetjen,  bi§  biefer  an  einem  ^pöfyepunct  angelangt,  ben  gu  über* 
fdjreiten  faum  meljr  in  ber  SD?öglid)feit  liegt.  So  ergebt  e§ 
bem  SBanberer  in  Hochgebirgen.  $on  Stunbe  §u  Stunbe  ftefjt 
er  fid)  §öt)epuncten  gegenüber,  bie  bem  Stnfdjettte  nadj  nid)t 
met)r  überragt  merben  fönnen;  aber  im  Verfolge  feiner  9San= 
berung  ftet)t  er  p(ö^Iid)  bor  S3ergriefen,  bie  ba§>  freie  Wuge  ot)ne 
trigonometrifdje  Sfteffuugen  für  bie  I)öd)ften  Spieen  im  meiten 
Umfange  gu  ernennen  im  Staube  ift.  —  öS  miß  bem  SSerfaffer 
bebünfen,  tafo  mir  im  Verlaufe  be§  @ntmidetung§gange<§  be§ 
SBeetfyoüen'fdjen  @euiu§  an  biefem  ^uncte,  ben  man  in  ber 
Sinnenmelt  ben  ©ipfetpunct  §u  nennen  pflegt,  angelangt 
finb.  £)f)ne  $aft  fe|en  mir  ifjn  bon  einem  Sßerfe  jum  anbern 
eilen,  in  ben  meiften  einen  f)öt)eren  g(ug  neljmenb,  ba§>  mit 
Sönen  unb  §armonieen  möglich  gu  Seiftenbe  faft  erfdjöpfenb;  — 
Ratten  mir  un3  nur  an  bie  öier  Sinfonien,  um  einen  beftimmt 
abgegrasten  ^ori^ont  bor  fingen  §u  fiaben,  —  bennodj  finb 
e3  nur  bie  $orberge,  bie  mir  angeftaunt. 

Unbegmeifett  fällt  in  ba%  Saf)r  1808  ber  |>od)fommer  be§ 
geiftigen  ©ntmidetungSbro^eg  bei  unferm  SBeettjoben,  bie  fyödjfte 
Steife  feiner  $ßrobuction§!raft,  —  bie  Sßotlenbung.  9tütjrenb 
ift  e§,  au§  bem  mefyrgebadjten  Se^r=  unb  @rbauung§bud)e  bon 
(Stjr.  Sturm  nac^ftetjenbe  Stelle  in  einem  feiner  Sagebüdjer 
ausgesogen  ju  finben: 

„Salb  mirb  ber  ©erbft  meines  2e6en§  ba  fetjtt.  Unb  ba  tuünfcrjte  id) 
einem  fmdiibaren  93aume  gleich  ju  ferm,  meld)er  reidje  grüdjte  in  unfern 
Sd)ooJ3  Ijerabfdjüttelt.  916er  im  SBinler  meinet  Se&enS,  tuenn  id)  einmal  grau 
unb  lebenSfatt  merbe,  münfdjte  id)  mir  ba§  ©tücf,  bafj  meine  9tufi,e  fo  e§ren= 
tooü  unb  fo  motift^ätig  fettn  möge,  al§  bie  diufy  ber9?atur  im  SSinter  ifi."*) 

*)  9tu§  bem  2Iuffa£e:  „9tulje  ber  9?atur  im  Sötnter."    I.  49. 


—     190     — 

©oll  e§  benrt  tiidjt  fcfjeinen,  bafc  Seettjoben  biefen  feinett 
§od)fommer  nidjt  fetter  erfannt  f>a6e,  a(g  er  ficfj  biefe  ©teile 
ttorf)  befonber§  bor  21ugen  gefegt,  nadjbem  er  fte  bodj  im  S3uct)e 
angeftridjen  fjatte?  ®§  bebarf  inbeffen  mofjt  feiner  91nmerfung, 
bafe  bie  $eit  feiner  f)öd)ften  geiftigen  ^oteng  fid)  ntctjt  auf  bas 
Safyr  1808  befcfjränft,  biefmel)r  eine  SReilje  bon  Safjreu  auf 
gleicher  §öf)e  ficf)  ermatten  tjat. 

Sßermeifen  mir  etmaS  unter  bem  Saume,  ber  ben  tarnen 
unfer3  SDJetfterö  trägt,  unb  befetjen  mir  um§  bie  bon  ifjtn  in 
biefem  Safjr  fjerborgebracfjten  grüßte. 

Sn  ben  <5ommer=Goncerten  (im  Sfugarten)  fam  ba% 
„Concertino"  für  ^ianoforte,  Biotine  unb  Siotoncetl  §um 
erften  ÜDcaf  ^ur  2tuffüt)rung,  t)atte  ficf>  aber  gar  feines  ^Beifalls1 
5U  erfreuen,  meil  bie  Sßortragenben  e§  mit  ber  ©acfje  §u  leicht 
genommen.  ©3  blieb  barum  bi§  ^um  Satjr  1830  liegen,  mo 
e§  in  ben  Concerts  spirituels  bon  ben  Slünfttern  Soflet, 
9Jc a t) f  e b e r  unb  Üfterf  mit  großem  Seifalle  borgetragen  roorben. 
©efdjrieben  mar  biefe§  SSerf  für  ben  ©r^er^og  ^Rubotpt)  unb 
bie  tünftler  ©eibler  (Violine)  unb  ßrafft  (Siolonced). 

^Iber  erft  ber  22.  SDecember107)  £)at  bem  publicum  Semeife 
bon  ber  aufjerorbentlidjen  ^rutfjtbarfeit  biefes>  ^al)re§  gegeben. 
2lm  genannten  Sage  fjat  ber  SWetfter  im  Sweater  an  ber  2Bien 
eine  Slfabemie  beranftaltet,  in  melctjer  nad)ftef)enbe  SSerfe  gutn 
erften  SOcal  pr  2tuffüt)rung  gekommen.  ®a  bie  2111g.  9J?uf.  gtg. 
ben  genauen  SSorttaut  beg  Programms  aufbemarjrt,  fo  lönnen 
mir  un»  baran  galten.    2)iefe3  lautet: 

(Srfte  Stbtfjeitung. 

I.  $aftorat=©infonie.    (9fa.  5.)    SCRetjr  ?(ugbrucl  ber  ©m= 
bfinbung,  als  SDtaterei. 


107)  Von  dieser  großen  Musikakademie,  in  der  zum  ersten  Male 
die  epochemachenden  Symphonien  in  C-moll  und  F-dur  (Pastorale) 
vorgeführt  wurden,  sprechen  die  Beethovenbriefe  viel  und  weiteres 
über  Schindler  hinaus.  Man  vergleiche  B.  S.  Br.  No.  163  und  164 
besonders  usw.  (I.  Band).  A.  d.  H. 


—     191     — 

ßtoeite  2tbtl)eitung. 
I.  (Sinfonie  in  C  moll.    (9?r.  6.) 

II.  „heilig,"  mit  lateinifcfyem  Stejt,  im  ftirctjenfttjt  gefdjrieben, 
mit  (£t)or  unb  ©olo'S.*) 

III.  gantafie  auf  bem  (Staüier  allein. 

IV.  $antafte  auf  bem  (Staüier,  meiere  fid)  nad)  unb  nad)  mit 
eintreten  be§  DrdjefterS  unb  gule^t  mit  einfallen  tion 
(Stören  unb  finale  enbet. 

(£)er  Sefer  errätl)  tt>ol)t,  bafc  festeres  SSer!  bie  fogenannte 
(S6or=$antafie,  Op.  80,  ift.) 

S3eim  üeberbtid  biefeS  Programms  wirb  auffallen,  bie 
$ßaftorat=©infome  at§  üftr.  5,  bie  C  moll=©infonie  aber  als 
9fr.  6  angegeben  p  finben,  ba  bod)  auf  ben  gebmeften  £itet= 
blättern  biefe  Hummern  umgefetjrt  ju  tefen.  Unbegmeifett  ift 
obige  Drbnung  mit  ©runb  erfolgt.  2)a  23eetf)ouen  nicfit  fetten 
an  gmei,  fogar  an  brei  3Berten,  gumeilen  berfdjiebener  (Gattung, 
gteid)äeitig  5U  arbeiten  pflegte,  fo  fann  tooljt  angenommen 
merben,  baft  baffetbe  mit  biefen  beiben  (Sinfonien  ebenfalls 
ftattgefunben.  @§  bürfte  aber  nidjt  unroatjrfdjeintid)  fetjn,  bafj 
bie  C  moll  =  (Sinfonie  im  ©anjen  früher  öollenbet  geloefen, 
bemnad)  fie  bei  $eröffentlid)ung  ber  ^aftorale  borangefteEt 
morben.**) 


*)  (£3  mar  ba§  Sanctus  mit  Benedictes  au§  ber  9Jceffe  in  C  dur,  int 
öorauSgegangenen  %af)ic  bereits  gefd)rieben.  Qu  ben  fonberbaren  Wafc 
regeln  ber  SSiener  ©enfur  bamaltger  $eit  gehörte,  ba&  lateinifct)e  SBorte 
an§  bem  föhetjentejt  auf  ben  Slnfdjlagaetteln  »erboten  waren,  int  Strjeater 
aber  burfte  bie  (Jompofition  mit  bem  tateinifdjen  Xejt  otme  Slnftanb  ge= 
jungen  werben.  %m  3ab,re  1824  werben  mir  aber  bie  ©ngber^igfeit  ber 
ßenfur  um  t>ie(e§  oergröfeert  finben,  um£  aU  inbirecter  93emei§  gelten  fann, 
bafj  ba%  öftreidjifdje  ^olt  in  biefen  18  Sagten  in  ber  ßultur  nicfjt  üorwärt§, 
fonbern  rüdioärtS  gefcrjritten  ift.    Söarum  fonft  eine  Gen  für? 

**)  9<od)  im  3af)re  1813  wirb  bie  C  moll=©infonie  in  SBien,  fo  aud)  in 
ben  SBiener  5Berid)ten  ber  Mg.  9Jtuf.  £tg.,  mit  9er.  6  angeführt  (@.  416.), 
gleidjroofyl  fd)on  1809  beibe  SBerfe  gebrueft  rcaren,  erftereä  mit  9er.  6,  ba§ 
anbere  aber  mit  9er.  5  beseidmet. 


—     192     — 

£)ie  Slufnarjme  aller  biefer  SSerfe  bon  (Seiten  be§  9(ubi* 
toriumä  mar  feine  ermünfd)te  nnb  mochte  roorjl  ber  Stutor 
fetber  leinen  beffern  (Srfolg  erwartet  f)aben.  3)enn  für  fo 
SStefeö  unb  fo  ^lufjerorbentticrjeä  mar  ber  erforbertidje  ©rab 
bei  $affung£bermögen§  nitfjt  borrjanben,  ^ubem  mar  bie  91u3= 
fürjrung  eine  burdjmeg  mangelhafte,  batjer  baä  Slubitorium  %\x 
ungetrübtem  ©enuffe  nidjt  gelangen  fonnte.  Sn  ber  gantafie 
mit  6t)or  mürbe  fogar  umgemorfen.  Seftanbene  (unb  t)eitte 
bort  nod)  beftetjenbe)  SBertjättniffe  maren  für  Seetrjooen  bie 
äußere  9?ött)igung,  biefeä  SBiefe  unb  ?tuf;erorbent(id)e  auf  ein 
9fta(  ju  bieten.  @3  bebarf  nämlid)  511  miffen,  bah  ber 
(Somponift  großer  SSerie,  meiere  SKaffen  gur  21u3füt)rung  er* 
f orbern,  nnr  auf  gmei  Momente  im  ^afyveätauf  angemiefen  ift: 
auf  bie  erften  gmei  Sage  ber  2öod)e  üor  Dftern,  unb  auf  bie 
testen  oor  bem  3Seit)nad)t3fefte,  mo  ben  £l)eatern  ber  taifer* 
ftabt  nur  5tfabemien  su  beranftalten  gemattet  ift.  Stuf  biefe 
günftigen  Xage  reefmen  jebod)  gemötjntid)  9ftel)rere,  barunter 
eine  alte  ®ünftler*(Sorporation,  bie  biete  Gräfte  an  fid)  aieljt. 
@3  liegt  barum  faum  in  ber  9ftögtid)feit,  in  jebem  3at)re  nur 
ein  9J?al  eineä  folgen  Xageä  fjabrjaft  $u  »erben,  2)ie  un= 
erläjjlicfje  SSerftärfung  be§  (Sfjorä  unb  DrdjefterS,  bie  nur  in 
ben  fogenannten  „9?orma=£agen"  51t  ermöglichen  gemefen,  er- 
fdjmerte  in  bamaüger  geh  nod)  befonber§  jebeä  beriet  Unter* 
nehmen  für  unfern  SDJetfter.  3U  Q^em  nocfy  oer  unbetmeiolidj 
enorme  Stoftenpunct!  (Sinige  fpeeificirte  SRedjnungSauSroeife 
au§  bem  Satyr  1814  merben  bem  Sefer  meiter  unten  einen 
33egriff  oon  einem  23eett)oben'fd)en  6oncert=Unternet)men  ge* 
roätjren. 

(£3  fct)eint  faft  genug  an  ben  angeführten  ®d)roierigfeiten 
bei  einem  berlei  Unternehmen;  beunod)  fetjlt  nod)  eine,  in 
birecter  SSe^ierjung  auf  Söeettjoben'g  ©d)öpfungen  bie  micfjtigfte, 
ioeil  fie  über  Stob  unb  ßeben  eines*  Xonmerfö  entfcfjeibet:  e3 
ift  bie  (Srbfünbe  aller  beutfcfcjen  Drdjefter  bx§>  num  heutigen 
2ag    gemeint,    bie   ftcf)   in    mangelhaften,    ja    meift    fcf)led)ten 


—     193     — 

groben  befimbet.  SBoflte  aud)  23eetl)oöen,  ber  nid)t  oon  9Imt2i= 
wegen  über  ba3  Ordjefter  gu  gebieten  tjatte,  im  Sntereffe  feines 
2öerfeö  auf  jebeit  pecuniären  ©etotmt  üerjtc^ten  unb  alles  an 
beffeit  beftmöglidjfte  9tt3ffi$nmg  menben,  er  braute  e§  mit  bem 
£anbraeri3geifte  ber  SKuftfer  nid)t  fertig.  2öar  ba<§  correctc 
Stbfpielen  ber  9toten  in  einer,  wenn  e3  t)od)  ging,  in  gtuei 
groben  erreicht,  bann  mufjte  ftd)  ber  Slutor  mit  biefem 
9?efultat  begnügen,  gfür  Segriff  tiefer  liegenber  Intentionen 
fehlte  bem  SSiener  Ordjefter  fomotjl  Vermögen  mie  aud)  guter 
SSitte.  SiefeS  Gapitet  in  ben  perfünlidjen  ©rlebniffen  unferS 
©rofuneifterS  mar  eines  ber  fläglicfjften  unb  fonnte  nid)t  üer= 
festen,  üble  Dcadmürfungen  bei  iljm  gurüdgutaffen,  bie  fid)  bis 
an  baS  (Snbe  feiner  Xage  ermatten. 

Ueber  bie  gang  üerunglürfte  ©Ijor^antafie  [n  biefer 
2lfabemie  fpricfjt  fid)  ber  Referent  in  ber  21%  9Jcuf.  3*9-  a^ 
geraefener  3euge  f°  aug:  »®ie  23(aS=3nftrumente  oariiren  baS 
Xtjema,  meldjeS  Q3eett)ooen  Dörfer  auf  bem  ^ianoforte  öor= 
getragen  t)atte.  Sekt  mar  bie  »teifje  an  ben  Oboen.  Sie 
Klarinetten  Oer§ä^(en  ftd)  unb  fallen  sugteid)  ein.  (Sin  turiofeS 
©emifd)  Oon  Xönen  entfielt;  Söeetljoüen  fpringt  auf,  fucfjt  bie 
Klarinetten  gum  ©djmeigen  gu  bringen:  allein  baS  gelingt  iljm 
nid)t  efjer,  6iS  er  gang  taut  unb  giemlid)  unmutig  bem  gangen 
Ordjefter  prüft:  ©tili,  füll,  baS  get)t  ntrfjtl  üftodj  einmal  — 
nodj  einmal!  unb  baS  gepriefene  Ordjefter  muß  fidj  bequemen, 
bie  oerunglüdte  ^yarttafte  nod)  einmal  bou  oorn  angu= 
fangen."*) 

tiefer  ßeugenauSfage  foll  bie  (Sttoäljnung  biefeS  Vorfalls 


*)  3-  5-  Steidjarbt,  §ur  fetben  <3eit  in  SSien,  äußert  fid)  in  feinen 
„Dertrauten  ^Briefen  au§  SBien"  faft  in  gleicher  Seife  über  biefen  iBorfaH. 
3n  bem  Don  Ibm  angeführten  Programm  biefer  $lfabemie  am  22.  ®ecbr. 
roirb  notf)  ber  5Xrie  „Ah  perfido"  erwärmt,  gefangen  öon  gräulein 
SHlitfdjh),  (Wtdjte  Oon  <Sd)Uppan3tgt), )  bie  fpäter  juv  Äönigl.  Oper  nacfj 
"•Berlin  gegangen  unb  bafeibft  alä  grau  ©tfiulj  lange  Satire  511  ben  gilben 
biefer  Sunftanftalt  gehört  hat. 

91.  Sambiers  33cetf)oücu^iograp()ic.  13 


—     194     — 

in  ben  9tie§'fc£)en  9?ott5en  ©.  83 108)  gegenüber  geftetlt  roerben. 
©ie  lautet: 

„23eett)ot>en  gab  eine  grojje  9lfabemie  im  -Erjeater  an  ber 
Söien,  roo  feine  C  moll=  unb  feine  $ßaftoral=8infonie,  rote  aud) 
feine  $antafte  für  (Elaoier  mit  Crcfjefter  unb  (£f)or  gum  erften 
9J?al  aufgeführt  mürben.  S3ei  ber  Sedieren  machte  ber 
(Ilarinettift,  roo  ba%  letzte  freunblidje  £fjema  öariirt  fcfjon  ein* 
getreten  ift,  burdj  SBerfefjen  eine  Steprife  üon  adfjt  Xacten.  ®a 
nur  menige  Snftrumente  fpielten,  fo  fiel  biefe  falfdje  ©recution 
natürlid)  um  fo  fdjreienber  in'S  ©erjör.  23eetf)Oüen  fprang 
roüttjenb  auf,  brefjte  ficE)  um  unb  fdjimpfte  auf  bie  gröbfte  2lrt 
über  bie  Drcrjefter=9Jcitglieber  unb  ^roar  fo  taut,  ba&  ba§  gan^e 
Slubitortum  e§  rjorte.  (Snblid)  fcfjrie  er:  „Sßon  Anfang!"  2>a§ 
£t)ema  begann  mieber,  ?(lle  fielen  ridjtig  ein  unb  ber  Crfolg 
mar  glän^enb." 

Siefe  ©egenüberftetlung  ^eigt  bod)  in  unerfreulicher  SSeife, 
bafs  9iie<§  in  feinen  biograprjifdjen  ^Jotigen  mit  grellen  färben 
ju  malen  liebt,  sollte  man  nicfjt  glauben,  er  fprecfje  im 
Unmutlje  unb  rn'er  im  gälte  blo3  nad)  Sagentjören?  allein 
9üe3  befanb  fid)  bei  ber  Äunftfeier  am  22.  S)ecember  1808 
gleid)fall§  unter  ben  ßufjörern.  §ätte  e§  fid)  für  ben  ©d)üler 
unb  greunb  $eetl)ooen'£  nicrjt  Oielmerjr  geziemt,  über  bie  $or= 
gänge  babei  umftänblid)  ju  ,  berichten,  überhaupt  in  bie  neuen 
üföerfe  etroa§  ei^ugetjen,  beren  (Sinroirfung  menigftenS  auf  bie 
für  ben  SOcetfter  morjlgefinnten  Sftufifer  §u  notiren,  unb 
bergleidjen?     ©tatt  allem   biefen  jene   trodene  9coti§  —   mit 


108)  Neudruck  S.  100  f.  —  Man  vergl.  auch  Beethovens  Aus- 
lassungen über  Wiener  Orchester,  besonders  B.  S.  Br.  No.  164  an 
Br.  &  H.  (I.  Band).  Vieles  darüber  kann  der  freundliche  Leser 
auch  in  des  Herausgebers  neuestem  Buche  „Beethoven  und  Berlin" 
finden,  besonders  im  Aufsatz  „Beethoven  und  Reichardt",  S.  39  ff. 
—  Die  Streitigkeiten  zwischen  Ries  und  Schindler  dürfen  dabei  weit 
geringeres  Interesse  beanspruchen,  als  die  von  echtem  Heiligenzorn 
diktierte  Darstellung  bei  Beethoven  in  den  genannten  Briefen. 

A.  d.  H. 


—     195     — 

einer  Färbung,  all  fäme  fie  au§  ber  geber  eine!  (Gegner!. 
SßoflenbS  erft  ba§>  baran  .^angenbe!  SSaljrtid),  ba§  barf  geregtes 
Sebenfen  erregen. 

Söi^t)er  Ratten  mir  (Megenljeit,  an  unferm  SEonbidjter 
C£f)aralter=@igenfd)aften  fennen  $u  lernen,  bie  batb  meljr  balb 
minber  auf  feinen  (Seift  unb  beffen  Äunbgebungen  eingemirft 
fjaben.  Sßir  t)aben  it)n  bereits  auf  retigiöfem  unb  auf  politifdjem 
©ebiete  beobachtet  unb  erfannt,  baf$  feine  @efinnungen  biesfaül 
auf  fefter  ©runbtage  ruhten;  mir  fennen  ebenfalls  feine  fociaten 
(£igenfdjaften,  bie,  menn  aud)  giemtid)  abmeidjenb  üon  benen 
anbrer  ftlünftter,  bennod)  ad)tung§mertf)  genannt  merben  muffen, 
med  fie  auf  fitttidjer  SSafil  fugten  unb  mit  ber  SEotat=©umme 
feiner  (Sl)arafter=(£igenfd)aften  nid)t  in  SBiberfprud)  geftanben. 
Sftun  fotlen  mir  eine  neue  (Sigenfdjaft  an  if)m  fennen  lernen, 
bie  nid)t  minber  auf  fein  ®emütt),  auf  fein  ftünfttermefen,  unb 
als  beffen  3(ulf(ufe  aud)  auf  feine  ^robuctionen  ©inffufj  gehabt 
f)at.  2Bir  motten  nun  oon  58eetf)ooen  bem  D^aturfreunb 
fpredjen. 

Sßieberum  mirb  unl  hierbei  feine  ^aulpoftiüe,  ba§  met)r= 
genannte  23ud)  öon  St),  ©türm,  ab§  fieserer  Seiter  bienen. 
9tus§  ber  5(bt)anbtung  „£>ie  Statur  all  eine  ©djute  für  ba§> 
§er5,"  II,  493,  finbet  fid)  unter  ben  aufgewogenen  ©teilen  — 
aber  auc§  angeftridjen  im  Sßudje  —  bie  nadjftefjenbe: 

„sUcan  fünn  bie  9catur  mit  5Red)t  eine  ©cfjule  für  bas1  §erj  nennen, 
»eil  fie  un3  auf  fet)r  einleud)tenbe  5lrt  bie  $flidjten  Iet)rt,  weltfje  wir  fo= 
woljl  in  9Ibfidjt  auf  ©ott,  at§  auf  uns"  felbft  unb  unfere  9?ebenmenfd)en 
auszuüben  fdmlbig  finb  ....  3Sot)lan,  itf)  miß  ein  8d)üler  biefer  6tf)ule 
werben,  unb  ein  lernbegierige»  §erj  ju  ifjrem  Unterrichte  barbringen. 
£ier  werbe  td)  Söet§t)ett  lernen,  bie  nie  mit  (Sfel  üerbunben  ift.  £ier  werbe 
td)  ©ott  fennen  lernen,  unb  in  feiner  Gsrienntnifj  einen  3Sorgefd)mad  be§ 
£>immel§  finben." 

SDtan  mürbe  fetjr  irren,  mollte  man  aus  53eetl)oOen'3 
orange,  fid)  öiet  in  freier  üftatur  ju  bemegen,  fdjtiefeen,  el  fet) 
bieg  btol  aul  Vorliebe  für  fdjöne  Sanbfdjaften  gefdjefjen,  ober 
geboten  burd)  förperlidjel  Sßebürfnifj.    Rotten  mir  feine  auberen 

13* 


—     196     — 

Belege,  afö  bie  ?trt  unb  äßeife,  tüte  er  bie  ©rftärungen  ber 
oielen  unb  mannigfadjen  9?aturerfdjeinungen  im  genannten 
ßefjrfeudje  feinem  ©tubium  unterzogen,  eä  mürbe  genügen,  um 
mit  öoller  ©idjerrjeit  auäfagen  gii  bürfen,  baß  er  fid)  frühzeitig 
fd)on  bie  Shmft  $u  eigen  gemad)t,  in  bem  großen  S5ud)e  ber 
Statur  lefen  unb  bieje  in  jeber  irjrer  ©rfdjeinungen  öerftetjen 
ju  föunen .*)  2)er  Sßerfaffer  biefer  ©djrift  aber,  bem  baZ  ©lud 
•$u  Xfjeil  gemorben,  unzählige  5D^?at  an  ber  Seite  be§  SfteifterS 
burd)  gelb  unb  glur,  über  Serg  unb  SDjat  ju  manbern,  barf 
benennen,  bafe  ©eetljoüen  iljm  bort  oft  ein  Setjrer  mar  unb  in 
biefem  Unterrichte  üon  größerer  Suft  unb  SluSbauer  unterftütjt 
gemefen,  at§>  bei  bem  muficalifdjen. 

3u  befferem  SSerftänbni^  merbe  gefagt,  ba$  mir  unS  in 
23eett)oöen  einen  Sftenfdjen  üorzuftetlen  tjaben,  in  melcfjem  fid) 
bie  äußere  Statur  Oöllig  perfoniftcirt  f)atte.  Sfadjt  itjre  ©efetje, 
bielmeljr  bie  elementare  9?aturmad)t  tjatte  ifm  bezaubert,  unb 
ba§  einzige,  ma<§  iljn  in  feinem  mirffamen  ©enufj  ber  üftatur 
befdjäftigte,  maren  feine  (Smpfinbungen.  Stuf  biefem  SBege  ift 
e§  gefommen,  ba$  ber  ©eift  ber  üftatur  ftc£)  in  aö  feiner  Äraft 
iljm  geoffenbart  unb  jur  ©djöpfung  eineä  SBetfeg  befähigt, 
bem  in  ber  gefammten  9)?ufit'=2iteratur  lein  är)ntid)e<§  %at  ©eite 
geftellt  merben  fann,  ju  einem  Stongemälbe,  in  toeldjem 
Situationen  aus  bem  gefeitigen  Seben  in  SSerbinbung  mit  ©cenen 
au§  ber  Statur  öor  bas>  geiftige  ?luge  be3  3urjörer>§  gebradjt 
ftnb:  bie  $ßaftoral=©inf  onie. 

lieber  biefeS  Söerf  fünftterifcfjer  2Sei3t)eit  gu  fpred)en,  ift 
für  midj  tiertodenb,  meit  idj  über  beffen  (Sntftefyung  unb.fpezielle 
Sigentjeiten  üon  bem  2Iutor  felber  unterrichtet  bin,  ja  aud)  an 
feiner  ©eite  bie  ©teilen  betreten  f)abe,  mo  ber  8mpuf<§  t)iep 
gegeben  morben.  (£<§  märe  merjr  al3  überflüffig,  fid)  in  (£r= 
tlärungen  biefe§  3Serfe§  ein^ulaffen,  ba$  fid)  im  ©an^en  felbft 

*)  gjebft  ber  KeuÜinger  9lu<§gabe  be3  ©turm'fdjen  23ud&e3  (1811) 
befafe  unfcr  Reiftet  rtocfj  eine  ältere  baüort.  SDie  gätiätidje  ?lbnufturtg  be$ 
23ud)e3  geigte,  wie  üiel  er  fid)  bamit  nefcfjäf'tigt  fjatte. 


—     197     — 

erllärt  unb  tängft  (Sügentljutn  atter  gebttbeten  SWufiffreunbe 
geworben;  aber  e§  wirb  nicfjt  übcrffüfftg  fetjn,  einige  Stotijen 
$u  geben,  bie  geeignet  ftnb,  bie  Intentionen  beö  (Somponiften 
bei  §Wei  feilen  in  etwas  §u  üerbeuttidjen,  um  fo  metjr,  a(§ 
barüber  nod)  nirgenb§  gefproctjen  Sorben. 

Sowohl  bie  $ßaftorat=  tote  aud)  bie  C  moll*@infonie  ftnb 
in  £>eitigenftabt  gefdjrieben,  an  bem  Drte,  ber  bem  Sefer  au§ 
ben  Vorgängen  be§  SafjreS  1802  bereite  begannt  tft.  ®tefe§ 
am  rechten  Ufer  ber  Stonau  gelegene  2)orf  war  in  jenen  Sauren 
ber  geroötjnUcfje  «Sommeraufentrjatt  unfer§  9fteifter§,  itnb  erft 
mehrere  Safjre  fpäter  Wählte  er  bie  Umgebungen  ber  ^tefibenj* 
ftabt  nacf)  ber  ©übfeite,  afä:  §et}enborf,  äftöbting  ober  23aben, 
gu  feinem  Stuöcutum  —  beibe  (entere  Drte  ber  är^ttidjer  ©eit§ 
empfohlenen  STijermen  Wegen. 

3n  ber  ^weiten  Raffte  beö  Slprit  1823,  §ur  3eit  me^er 
ÜJJütjfale  unb  Söiberwärtigfeiten,  fdjlug  $8eetf)ouen  eine§  %age3 
gur  ©rljotung  einen  9fit§flug  nadj  ber  ^orbfeite  oor,  baljin  iljn 
fein  $uf$  feit  einem  ©ecennium  nidjt  metjr  geführt  t)atte. 
3unäd)ft  foüte  §etfigenftabt  unb  beffen  reigenb  fdjöne  Umgebung 
befudjt  werben,  wo  er  fo  üiete  Söert'e  51t  Rapier  gebracht,  aber 
aud)  feine  üftaturftubien  betrieben  fjatte.  Sie  ©onne  fdjien 
fommertid)  unb  bie  Sanbfdjaft  prangte  bereits  im  fdjönften 
grüjjlingSftetbe.  9?adjbem  ba$  53abeJjau§  §u  ^eiligenftabt  mit 
bem  anftoJBenben  ©arten  befefyeu  unb  mand)'  angenehme,  aud) 
auf  feine  ©djöpfungen  ^Be^ug  neljmenbe  (Erinnerung  jum  9(u§~ 
brud  gekommen  war,  festen  wir  bie  SBanberung  nad)  bem 
^aljlenberg  in  ber  Stiftung  über  ©riujing  fort.  S5a§  anmutige 
SSiefenttjat  gwifdjen  £eiligenftabt  unb  legerem  £)orfe  burd)= 
fcfjreitenb,  ba§  üon  einem  bom  nafyen  ©ebirg  rafd)  baljer  eilenben 
unb  fanft  murmetnben  SBadje  burd)§ogen  unb  ftredenweife  mit 
t)ot)en  Utmen  befetjt  war,  blieb  Q3eetf)oben  Wieberljolt  ftefjen  unb 
tiefe  feinen  2Mid  boll  Oon  fetigem  SSonnegefüfjt  in  ber  tjerrüdjen 
Sanbfrijaft  umtjer  fdjweifen.  ©idj  bann  auf  ben  äßiefenboben 
fetjenb   unb   an   eine  Ulme  tetjnenb,  frug  er  mid),  ob  in  ben 


—     198     — 

32Sipfetn  biefer  Zäunte  feine  (Mbammer  gu  fyören  fet).  @S 
mar  a6er  aüeö  ftitte.  darauf  fagte  er:  „£ner  fyaht  id)  bie 
©eene  am  33ad)  gefdjrieben  unb  bie  ©otbammern  ba  oben, 
bie  2öad)te(n,  ^adjtigatten  unb  Sufufe  ringsum  fjaben  mit 
componirt."  Stuf  meine  $rage,  marum  er  bie  (Mbammer 
nidjt  aud)  in  bie  ©cene  eingeführt,  griff  er  nacfj  bem  ©fi^ir= 
bud)  unb  fdjrieb:  +_ 


Ö 


„SaS  ift  bie  (Somponiftin  ba  oben,  äußerte  er,  t)at  fie  nid)t 
eine  bebeutenbere  9?oQe  auszuführen,  als  bie  anbern?  SJcit 
benen  foll  eS  nur  ©d)er§  fein."  —  2Saf)rlid),  mit  Eintritt 
biefeS  SftotiüeS  in  G  dur  erfjätt  baS  Xongemätbe  neuen  SReig. 
©id)  meiter  über  baS  ©an^e  unb  beffen  Steile  auSlaffenb, 
äußerte  Seetlmöen,  bafj  bie  "Jonmeife  biefer  3(bart  in  ber 
©attung  ber  (Mbammern  äiemlid)  beutlid]  biefe  niebergefdjriebene 
©cala  im  2lnbante=9tt)t)tl)muS  unb  gteidjer  Montage  tjören  (äffe. 
2113  ©runb,  marum  er  biefe  9ftit=Gomponiftin  nid)t  ebenfalls 
genannt,  gab  er  an:  2)iefe  Nennung  t)ätte  bie  grofje  5ln§at)t 
böSroittiger  Auslegungen  biefeS  ©a£eS  nur  bermetjrt,  bie  bem 
3Serfe,  nid)t  btoS  in  Sßien,  aud)  an  anbern  Orten  (Singang  unb 
3Bürbigung  erfdjtuert  l)aben.  9?id)t  fetten  mürbe  biefe  «Sinfonie 
megen  beS  feiten  ©a§eS  für  ©pielerei  erftärt.  ?ln  einigen 
Drten  t)atte  fte  baS  ©djidfal  ber  Eroica.  Sn  Seipgig  glaubte 
man  fogar,  baf}  für  baS  3Ser!  bie  Benennung  „Sßfjantafiett 
eines  SonlünftterS"  anftatt  ©infonie,  paffenber  märe.  S)amit 
füllte  bem  SBerfe  beffer  nachgeholfen  fetin.  Mg.  3Huf.  ßtg.  XI.  437. 

Sie  anbere  Sftotiä  betrifft  ben  britten  ©a|:  „duftiges  3l,s 
fammenfetin  ber  Sanbteute." 

2)ie  Söiener  üftufitfreunbe  bamatiger  3^t  fjatten  ofjne  (Sr= 
ftärung   beS  (Somponiften   bie  Intention    bei  biefem  ©a|e   fo 


*)  Partitur  ©.  75. 


—     199     — 

äiemtid)  errattyen.  ©ie  mollten,  borneljmlid)  in  ber  ©eftaltung 
be§  erften  £t)ei(e§  im  3/4  %act,  eine  Nadjbitbung  ber  öftreidji* 
fd)en  ^on^muftf  auf  bem  Sanbe  erfannt  fjaben,  menn  nicfcjt  gar 
eine  ^arobie  berfetben,  roie  fie  öon  einem  23eetljoöen  gegeben 
merben  lönne.  —  Sn  jener  3e^  Qa&  eg  ncunlidj  in  Deftreid) 
nodj  eine  djarafter=eigentt)ümtid)e  SSolfömufir^  beren  (Gepräge 
f)infid)tlidj  be§  9^t)t)t^mifd)en,  ^armonifdjen,  aber  aud)  ber  2lu§= 
fütjrung  felbft  auf  ben  gebilbeten  Sftufifer  großen  9?ei§  au3= 
juüben  nidjt  oerfeljten  tonnte.  2Ba§  fict)  in  ben  @ebirg3gegenben 
9?ieber=£)eftreid)§  unb  ber  ©tet)ermarf  feit  8al)rf)unbertert  im 
SBolfe  erhalten  tjatte,  e§  erjftirt  nidjt  meljr,  unb  mit  biefem 
Sßerlufte  ging  audj  bie  SMföpoefte  5U  @runbe,  raenngleidj  nod) 
&erfe  in  ber  Sßolföfpradje  gemalt  tnerben.  Sludj  bort,  mie 
aüentfialben,  l)at  gunädjft  bie  ©reljorget  alte§  Ureigene  in 
QMf§mufif  untergraben,  iljr  folgte  bie  metf)obifd)=inbuftrieHe 
(EiüUifirung  bitrd)  9JMnnergefang==Sßereine,  burd)  bie  öolIenb§ 
bem  eljrroürbig  Nationalen  ein  Snbe  gemalt  Würben.  ^)a§> 
©ebräge  beä  $olfött)ümtict)en  aber  einmal  Oermifdjt  Iäfjt  fid) 
fdjmerlidj  mefyr  burd)  irgenbtoetdje  ^ngrebiengien  auffrifdjen. 
2)a§  mirb  fid)  am  meiften  bei  ber  Wu\it  beroaljrljeiten,  bie  im 
2)enfen  unb  gütjfen  be§  5M£e3  i§re  Quelle  finbet. 

S25efdc)'  particutare<§  Sntereffe  bei  SBeetljoben  öor^ug^meife 
bie  öftreidjifdje  Stanjmufif  gemann,  barüber  fpredjen  £tjatfad)en. 
$i§  gu  feiner  5(nf'unft  in  2Bien  (1792)  mar  ilmt,  nad)  eigener 
2tu§fage,  aufjer  ben  bergifdjen  SBotföliebern*)  mit  iljren  eigen= 
tfyümticfHeltfamen  9?fjt)tt)mett  feine  anbere  $otfömufif  befannt 
gemorben.  SSie  üiel  er  fid)  fbäterfjin  felbft  mit  Slangmufif  be= 
fdjäftigt,  bezeugt  ber  Statalog  feiner  Söerfe.  ©ogar  in  öftreidji* 
fc£)er  Xangmufil:  Ijatte  er  fid)  öerfud)t;  inbefj  moEten  bie  @pie(= 
leute  biefen  $erfudjen  ba%  öftreidjifdje  23ürgerredjt  nidjt  gu= 
ernennen.    £>er  le^te  Sßerfud)  batirt  aus  bem  Saljre  1819   unb 

*)  ®a3  ^ersoglfjum  S3erg  unb  ©leüe  am  Wieberrljein.  SBerfdjttmnben 
ift  aucf)  bafelbft  ba%  Sieb  au§  bem  S3olf§(eben  unb  nur  mefyr  in  <Samm= 
Jungen  jit  finben.     Ein  feltener  ©a^aft. 


—     200     — 

fällt  munbertidjerroeife  inmitten  ber  C£ompofition  ber  Missa 
solemnis.  S^äJjereS  barüber,  ba$  auf  gerabem  SBege  gut  SJSafiorat« 
Sinfonie  gurürffü^rt,  tüirb  nidjt  unroillfommen  fet)n. 

^m  ©aftfyofe  „$u  ben  brei  Stäben"  in  ber  „Dorbern  SBrü^l" 
bei  Sftöbting  fpielte  fett  langen  Soweit  eine  ©efettfdjaft  Don 
fieben  ÜIRann.  $)tefe  mar  eine  ber  erften,  bte  ben  Dom  Steine 
gekommenen  jungen  äRufifer  bte  ÜJcationat^SSeifen  ber  neuen 
£)eimatf)  unoerfälfdjt  tjören  liefe.  9J?an  mochte  gegenfettig  33e= 
fanntfdjaft  unb  atöbalb  mürben  für  biefelben  einige  Partien 
„Sanbler"  unb  nnbere  Sänge  componirt.  3m  oben  genannten 
3atjre  t)atte  35eett)oöen  mieberum  bem  Slnfudjen  biefer  ©efett= 
fdjaft  millfatjrt.  33et  Ueberreidjung  be<§  neuen  Dpu3  an  ben 
Sljef  ber  ©efellfcljaft  ju  SWöbting  mar  td)  anmefenb.  S)er 
SReifter  äußerte  unter  Stnbern  in  r)etterfter  Stimmung:  er  fyabt 
biefe  2än§e  fo  eingeridjtet,  ba^  ein  SKufifer  um  ben 
anbern  ba§>  Snftrument  aufteilen  nieberlegen,  au<o  = 
rutjen,  ober  fdjlafen  fönne.  9cacr)bem  ber  grembe,  Oott 
greube  über  ba§>  ©efdjenf  be§  berühmten  (Sompontften  fid)  ent= 
fernt  l)atte,  frug  23eetf)oüen,  ob  id)  ntct)t  bemerft  Ijabe,  mie  bie 
2)orf~3)cufifanten  oft  fdjlafenb  fpieten,  jumeilen  ba$  Snftrument 
ftnfen  (äffen  unb  gan§  fdjmeigen,  plöijlid)  ermaßen,  einige  f)er§= 
ijafte  Stöfje  ober  Stridje  auf's  @eratl)emof)l,  bod)  meift  in  ber 
redjten  Xonart,  tfjun,  um  fogleid)  mieber  in  Schlaf  §u  fallen, 
—  in  ber  $ßaftora(=Stnfonie  fyabe  er  „biefe  armen  Seute  §u 
copiren"  Oerfud)t. 

9cun,  £efer,  nimm  bie  Partitur  jur  ipanb  unb  befetje  bir 
„bie  @inrttf)tung"  auf  ben  Seiten  106,  107,  108  unb  109. 
Sietje  bie  ftereottype  Q3egtettung3figur  ber  betben  Violinen  auf 
©.  105 ff.,  fieije  ferner  ben  fdjlaftrunfenen  fetten  $agott  mit 
ben  miebertjott  abgefegten  paar  Xönen,  mäfyrenb  ßontrebafe, 
ißioloncell  unb  $8tota  gan§  fdjmetgen;  erft  auf  Seite  108  fe^en 
mir  bie  SStola  ermaßen,  fte  fdjetnt  ben  Wafybax  Sßiotoncell  ju 
raeden,  —  aud)  ba§>  ^mette  Sgoin  mad)t  mieber  brei  Stöfee,  rutjt 
aber  gleid)  mieber.     3lm  legten  ermannen  fid)  §u  frtfdjer  STt)ätig= 


—     201     — 

feit  ber  ßontrebafc  unb  bie  beiben  gagottg.  ?(ud)  ber  ©forinette 
ift  geit  u^b  SRaum  -jur  9iuf)e  gelaffen.  — 

216er  aud)  ber  auf  (Seite  110  fiel)  anfdjliekenbe  2/4  Saft 
„?IHegro"  beruht  in  $orm  unb  Gijarafter  auf  bem  SSefen  ber 
ehemaligen  öftreidjifdjen  Sanäinufif.  ©3  ga6  Sän5e,  roorin  ber 
3/4  Saft  ptöfctidj  in  einen  2/4  Saft  umfcfjtug.  S^ocfj  im  Saufe 
be§  britten  ^arjräerjenbä  far)  id)  fefber  in  ben  wenige  <Stunben 
oon  ber  |)auptftabt  entfernten  Sföalbbörfern  2aah,  $aftentent= 
geben  unb  @aben  beriet  Sänge  ausführen. 

ferner  gehört  im  erften  (Sat$e  noef)  biefe  Sonfigur  ber 
öftreidjifdjen  $o(f$mufif  an: 


>) 


$ßaftorai=<Sinfonie!  SBie  ber  Watev  feine  Sanbfdjaft  in  allen 
Partien  abrunbet  unb  Uebereinftimmung  in  ba§>  ©an^e  bringt, 
fo  aud)  SBeetrjoöen  in  biefem  Songemätbe.  Dxurjig  beginnt  e§ 
im  SSorbergrunb,  bie  mannigfaltigen  Partien  löfen  fief»  immer 
fauft  ah;  beruf)igenb  hrieber,  nad)  gurerjt  unb  Sangen  erregenber 
(Sdjilberung  be§  @ett>itter3  mit  (Sturm,  fdjtiefjt  ber  *pintergrunb, 
unb  ba§>  in  ber  gerne  öerrjaltenbe  SBalbljora  miß  un3  nod)  in 
ben  testen  Saften  täufdjen,  a(§  mären  mir  in  bem  großen 
(£oncert=@aat  ber  D^atur  geiuefen. —  $ßreiS  bir,  erhabener  SHeifter! 

Sm  Stange  ber  finfonifcfjen  £>id)tungen  unferS  9J?eifter3 
ftefjt  ber  ^ßaftorate  bie  C  moll  (Sinfonie  btctjt  §ur  (Seite,  ja, 
al§  freie  S)id)tung,  bie  fiel)  an  nid)t3  2teu^erlid)e§  anlehnt  ober 
biefem  ifjre  ©ntfterjung  üerbanft,  überragt  fie  jene  nod),  bilbet 
überhaupt  ben  bi§  barjin  l)öcrjften  Sriumpf)  inftrumentaler  SHuftf. 
SSenn  unter  ben  ipunberten  Oon  9J?eifterf)anb  geferjaffenen  Son= 

*)  Wod)  wirb  auf  einen  Wange!  in  ber  Partitur  rjinäuweifen  fetjn. 
3m  erften  ©a^e,  ©.  35,  finb  bie  brei  Saftpaufen  in  ber  erfien  Violine 
mit  ber  Sriolenfigur  be§  3ten  £a!te§  auszufüllen.  ®iefe  mu§  üter  Saite 
fjinburd)  jit  jjören  ferjn.  SSon  ber  Violine  übernimmt  fie  bie  SSiota  unb 
fe|t  fie  burtf)  4  Safte  fort. 


—     202     — 

toerfen  feines  ben  Satj  in  unbeftreitbarer  Steife  belDat)rt)eiten 
füllte,  bafj  jebeS  tuaf)rt)aftc  ®unfttt>erf  als  Bergegemoärtigung 
beS  ©öttltdjen  gelte,  nnb  fein  ßttted  fei:  nur  flicke  99efe= 
ligung  beS  90?enfd)en,  eben  fotuo^I  burdj  Berflärung 
beS  Srbifdjen  nnb  Bergeiftigung  beS  Sinnlichen,  a(^ 
burd)  Berfinnlidjung  beS  beifügen,  fo  tiermag  bteö  S5cet= 
fjoben'S  C  moll  (Sinfonie.  SBeld)'  ttmnberbare  Bereinigung  üon 
>Patt)oS,  SBürbe,  Sfttjftff  nnb  @rt)abent)eit  in  ben  trier  Sätzen! 
SSetcf)'  ein  Seben  ootl  ^3oefie  enüuidelt  ficf)  öor  unfern  Sinnen 
in  biefem  SSerfe  nnb  läfet  un§  in  feine  liefen  flauen!  S)en 
Scfjtüffet  51t  biefen  liefen  ga6  beffen  Sdjöüfer  felber,  als  er 
eineö  XageS  mit  bem  Berfaffer  über  bie  benfelben  §unt  ©runbe 
tiegenbe  Sbee  fpracfi,  mit  ben  SBorten:  „(So  pod)t  baS  Sd)id  = 
fat  an  bie  Pforte!"109)  inbem  er  auf  ben  Anfang  beS  erften 
©atjeS  rjimuieS.  Sn  gergliebenmg  unb  StuSlegung  biefer  Sin= 
fonie  ljaben  ftd)  Äritifer  unb  Slefttjetiter  feit  lange  erfdjöbft. 
Sluf  baS  Borjüglidjjfte,  in  baS  2Befen  ber  £)id)tung  (Singetjenbfte 
unb  ot)ne  überflüfjigeS  SBortgepränge  ©egebene  fotl  toenige 
Seiten  tueiter  unten  tjingetutefen  loerben.  öS  toäre  Bermeffen= 
fjeit,  burd)  irgeubtoeldje  Berfudje  bieS  überbieten  51t  motten. 

Bon  großen  im  Saufe  biefeS  3at)reS  im  SDrud  erfcfjienenen 
$ßerten  finb  51t  nennen: 

a)  BterteS  ßoncert  (G  dur)  für  Sßianoforte  mit  Drcrjefter, 
Op.  58; 

b)  Vierte  Sinfonie  (B  dur)  Op.  60; 

c)  (Eoncert  für  bie  Biotine,  D  dur,  mit  Drdjefter,  Op.  61; 
gleichzeitig  erfdjien  baSfelbe  arrangirt  als  Goncert  für 
^ianoforte. 

S«  baS  Sat)r  1808  fällt  eine  für  bie  bamalige  @üod)e 
intereffante  Begebenheit,  bie  als  djaraf'teriftifdje  (Spifobe  aud)  in 
Beetfjooen'S  Seben  mit  tjineinflingt,  unb  um  fo  metjr  ©rioätjnung 

109)  Hier  erfahren  wir  doch  wenigstens,  zu  wem  und  über 
welches  Werk  Beethoven  das  Wort  über  die  Schicksalssymphonie  — 
also  die  in  C-moll  —  gesprochen  hat.  A.  d.  H. 


—     203     — 

nerbient,  cit§  iljr  9tact)flang  fid)  bei  unferm  SJfeifter  nodj  nad) 
Sauren  roirffam  erhalten  unb  au§  biefem  ©runbe  inbirect  $er~ 
anlaffung  gur  (5ntftef)ung  eines  feiner  bebeutenbften  SBerfe  für 
^ßianoforte  gegeben  Ijat.  £>ie§  madjt  bie  ©acfje  frevelt  für  uns 
intereffant.  $ür  Slufberoafjrung  biefer  Gegebenheit  in  großer 
2Iu3fül)rlid)feit  f)at  bie  Mg.  «föuf.  ßtg.  geforgt.  XI,  «Kro.  3. 
2tn  biefe  miH  ficf)  ber  SBerfaffcr  nur  in  fo  toeit  galten,  a(§  e§ 
für  unfern  Qmed  erforberlid).  ©ibt  fie  boct)  Sürgfctjaft  für  bie 
©acrje,  inbem  fie  biefetbe  gugtetdE)  fritifd)  beurteilt.  Sßir  lefen  bort: 

„(Sine  ber  erften  £>amen  SBien'3  tjatte  ben  @ebanfen,  gu 
einem  getttiffen  italienifdjen  £iebling3liebcfjen,  ba$  poetifdj  gar 
nid)t  übet  unb  für  au§brud«§t>oIle  9J?ufif  fetjr  geeignet  ift,  eine 
©oncurrenj  oon  (Sompofitionen  mögttct)[t  öieter  Siebfjaberinnen 
unb  Siebljaber,  unb  faft  aller  je^t  beliebten  SJJeifter  Steutfdj* 
lanb'S  unb  3talien'<§  §u  oeranlaffen;  biefe  (Sompofitionen  liefe  fie 
fyernadj)  fammeln  unb  auf  iljre  Soften  ftecfjen,  um  mit  ben 
(Sjemplaren,  aufeer  ben  £t)eilnet)mern,  norf)  manchen  anbern 
^reunben  ber  Stunft  ©efdjenfe  §u  machen.  $)iefe  (Sammlung 
blieb  $ßriüat=@igentf)um  unb  fam  nie  in§  ^ubüfum." 

2)er  Stejt  §u  ben  öerfctjiebenen  Gomnofitionen  ift  nacfjfteljenber : 

In  questa  tomba  oscura 
lasciami  riposar. 
Quando  vivo  era,  ingrata, 
dovevi  a  me  pensar. 
Lascia  che  l'ombre  ignude 
godansi  pace  almen, 
e  non  bagnar  mi  ceneri 
d'inutile  velen. 

3n  beutfct)er  Ueberfetmng: 

Safe'  ru^en  micfj  in  ^rieben  (£ntroeid)e,  baf$  mein  (Schatten 
3n  bunffer  @rabe3nacl)t !         ^n  ^rieben  enbtid)  rufjt, 

0  f)ätt'ft  bu  Unbanfbare  9Kdjt  roecft  bie  falte  Slfdje 
£>e£  ßebenben  gebaut!  £>er  gift'gen  greinen  ^titttj. 


—     204     — 

$on  ben  @tnen  mit  f)öd)ft  einfacher,  ebter  Declamation 
(attbeutfd),)  üon  ben  31nbern  in  anmutrjiger,  mefobifd)  att= 
itatienifdjer  üföeife  aufgefaßt,  Ratten  ftcf)  Q3erfd)iebene  auf  jenem 
2Bege  bis  %\x  fefjr  munbertidjer  Äünftefet,  gu  fdjroerfätliger  lieber* 
tabung,  ju  abenteuerlichem  Scrjroulft  oerirrt;  auf  biefem  SBege 
bi§  -utr  gemöf)nticf)en  Cpern=9lrie.  Dramatifd)  betjanbett  maren 
bie  meiften. 

Unter  ben  Gomponiften  unb  (Xomponiftinnen  befanben  ftdj 
Damen  bon  rjorjem  9tange,  mehrere  dürften,  ©rafen,  Maronen 
unb  anbere  Dilettanten.  Sßerfcfjiebene  Gomponiften  Ratten  ben 
ZtXj  merjrfad)  bearbeitet,  §.  $.  3^9are^  1°  SKal,  in  gorm 
neuefter  lian^onetten,  ?lrietten  unb  Dpern=5(rien,  ©altert  2  Wai, 
Sterlet  3  9M,  $aer  2  $M.  5(ud)  einige  Mettanten  Ratten 
ben  £ej:t  merjrmat  componirt.  SfnS  ber  3af)[  oer  Gompontften 
finb  nod)  51t  nennen:  21.  (Sberf,  @.  $örfter,  25.  $igrjini, 
&  gelter,  SS.  Somaftfjeri,  Dnonis  Seber,  &  Sgernti,  gf.  SBeigl, 
enbtid)  33eetf)ot>en,  feine  Gompofitton  tjatte  bie  letzte  Stummer, 
nämiid)  63. 

23is  rjierjer  alles  gut  —  aber  ber  9lnt)ang!  „Diefer  mar 
eine  anwerft  fartftrte  s}krobie  bes  28er f es,  feinet  tragifdjen  §n= 
fjatts  unb  ber  baburd)  eingeflößten  Gmpfinbungen.  S(uf  einer 
großen  Siupferplatte  fanb  man  eine  läd)erüdj=fteife,  fjollänbifd)* 
frangöftfdje  ©artenpartte  bargeftetlt,  roo  in  einem  £rauerrjain 
uon  iöudjsbaum  ausgefdjnitten  ein  äierlidjes  9)?onumeut  mit 
-Tobtenurne  unb  anwerft  gemeinen  Gnget=3ungen  aufgerichtet 
ftanb;  eine  trauernbe  ©attin  in  meitausgreifenbem  Dtetfrocf, 
5eberfd)mud  unb  aller  geroidjtigen  ^arure  ber  fjodjfeltgen 
ancienne  Cour,  fafj  man  rcorjlgemeffen  aufs  Ante  niebergelaffen 
bas  £rjränentud)  r>or  bie  ©tirn  fjalten  —  roaf)rfd|eintid),  um  bie 
©djminfe  nicr)t  51t  oerroifd)en  —  u.  f.  m.  2lber  and)  hierbei 
mar  für  ÜDtufif  geforgt;  Safob  §edel  fjatte  ba^u  eine  fteife, 
f(^roerfällig=täppifd)e  kennet  aus  H  moll  componirt." 

Diefe  ^arobie  fjatte  jämmtlidje  ÜZÖiener  Somponiften  in 
^arnifd)   gebracht,   meil  fie   barin   eine    bosrjafte   unb  gemeine 


—     205     — 

^erfiftage  finben  roottten.  3ufotge  SBmtfdjeS  aller  marb  be= 
fcf)toffert,  einen  ^roteft  gu  Veröffentlichen,  ©atieri,  Söeettjooen 
unb  SSeigt  mürben  erfuctjt  ba$  SBort  51t  führen.  üftacr)  einer 
bie§fall3  gepflogenen  SSeratfjnng  roarb  e§  jebod)  für  ungeeignet 
befnnben  öor  bie  Deffentlidjfeit  gu  treten,  inbent  ba§>  betreffenbe 
Sßerf  bem  publicum  ntctjt  befannt  fet);  nocfj  meljr,  e§  ftanb  im 
gälte  eines  öffentlichen  $ßrotefte§  51t  befürchten,  bafj  man  ©e= 
legenljeit  nehmen  fönne  felbft  tiefen  ju  parobiren.  S)te  (Srfarjrung 
{jatte  ja  bi§  barjin  genugfam  gefetjrt,  bafj  felbft  ba§  (Srfjabenfte 
ba§  parobiren  unb  ^erftftiren  ftcf)  bort  gefallen  (äffen  muffe. 
%Ran  fanb  bemnacr)  für  rattjfam,  ficf)  auf  eine  mifjbtlügenbe 
gufctjrift  an  bie  $erantafferin  biefeS  (SammelmerfeS  51t  be= 
fcfjränlien,  im  Uebrigen  ben  Vorfall  auf  fiel)  berufen  gu  taffen. 
—  ©iefe§  Vorfalles  unb  feiner  nad)t)attigen  (Sinroirfung  auf 
unfern  sJfteifter  ftdj  5U  erinnern,  roirb  erft  in  ber  brüten  ^eriobe 
(1828)  ©runb  unb  SSerantaffung  fetjn. 

IV. 

Wü  ©rjä^ung  ber  Gegebenheiten  fortfaljrenb,  att§  benen  1809. 
fid)  ber  roicfjtigere  Streit  ber  ßeben§gefcf)id)te  23eeu)oöen'<§  bitbet, 
ftofcen  mir  fogteict)  gu  Eingang  be§  3af)re§  1809  auf  eine  öon 
foldjer  Sefdjaffen^eit. 

3)er  bisherige  Verlauf  ber  3)inge  in  beS  ^Ocetfterö  Seben 
tjat  gegeigt,  baf$  feine  fociate  (Stellung  eine  priöate  geblieben, 
nidjt  ettna,  meil  er  neben  feiner  23efcf)äftigung  am  ©djrei&tifdj 
nid)t  nocf)  eine  anberrceitige  angeftrebt  §abe,  bie  itjm  nebft  einer 
entfprecfjenben  Söirtfaml'eit  nad)  aufceu  aucfj  einen  gefidjerten 
Sebenäunterfjaft  geboten  rjätte,  fonbern  au§  ©rünben,  bie  tfjetfö 
in,  tt)eit3  aufjer  if)m  gelegen.  Stafc  auf  eine  fotctje  (Stellung 
fdjon  öor  Satjren  tjingegielt  morben,  bemeifet  bie  ^laufet  in  bem 
öom  gürften  SidjnoroSt'ö,  irjm  1800  anägemorfenen  Satjrge^alt  öon 
600  ©utben,  bie  er,  raie  e§  in  ber  fdjriftlidjen  3nficr;erung  rjeifet, 
fo  lange  begießen  fonute,  afö  er  otjne  „paffenbe  2(nftetlung"  fet). 


—     206     — 

(Somit  fe§en  mir  unfern  Xonbicfjter  nod)  big  gum  Safjre  1809 
(fein  39te§  SebenSjarjr)  mit  feinen  Sebürfniffen  tebigtid)  auf 
biefe§  Satyrgerjatt  unb  auf  ba$  (Srträgniü  feiner  (Sompofitionen 
angemiefen. 

S3ei  fotdjem  ©tanbe  ber  $erf)ättniffe  unb  Hoffnungen  fragt 
e3  fid)  sunädjft,  melier  Slrt  mof)l  eine  „paffenbe  51nftetlung" 
für  SBeetljoöen  t)ätte  ferjn  füllen?  Äeine  anbere,  a(§  bie  eine§ 
SBorftanbeS  einer  großen  (Sattelle.  2)a  fragt  e3  fid)  aber  mieber: 
burfte  Söeetrjooen  bei  bem  mifjtidjen  3uftan0e  feineö  ©eljöreg 
auf  bie  ©teile  eine§  Gapettmeifter3  reflectiren?  ©eine  bereite 
erreichte  SRangftufe  a(3  fdjopferifdjer  Äünftter  im  2tuge  befyattenb 
fragt  e§  fid)  meiter  nod):  tiefte  fid)  mot)(  eine  paffenbe  5(nftetlung 
(im  auSgebeljnten  Segriffe  be§  9Sorte3)  für  ifjn  anberSmo  er= 
mittetn,  al3  an  einem  großen  §ofe?  5tber  bie  potitifcfjen  ©runb= 
fätje  be§  9ftanne§,  ber  üut  unmiberftetjüd)  betjerrfctjenbe  ©inn 
gu  uneingefd)ränfter  $reif)eit  unb  ©etbftänbigfeit,  geben  biefe 
(£t)aracter=(£igenfd)aften  motjt  bem  ©ebanfen  Dfaum,  bafj  ber 
9)?eifter  an  einem  faifertid)en  ober  föniglidjen  §ofe  rjatte  gefallen 
tonnen,  er,  ber  pure  ©egenfatj  öon  einem  §ofmann,  ber  lauten 
£>af3  gegen  „(iebebienerifdje,  bie  §oftuft  ergengenbe  §öf(inge" 
im  §er§en  getragen?  —  $u  oer  3e^  ie°od),  bon  ber  mir  eben 
fprecfjen,  ftanb  e§  mit  feinem  ©eljör  nod)  nicfjt  fo  fdjlimm,  ba3 
Uebel  geigte  fid)  nur  periobifdj,  unb  bie  anbern  in  if)m  liegenben 
©rünbe,  betreffe  ber  ßroeifettjaftigfeit,  practifdje  Functionen  aus- 
üben 5U  tonnen,  rannte  öeetfyoüen  felber  am  menigften;  bemnad) 
mürbe  bie  Hoffnung  nad)  einer  ©teile,  bie  eine  gefidjerte  2eben§= 
ejifteng  mit  fid)  füljrt,  feftgetjalten.110) 

(£3  mürbe  aber  foeben  nod)  gefagt,  bafj  bie  bisherige  ^ribat* 


110)  Die  Bewegung,  die  etwa  seit  1808—1809  in  Beethovens 
Leben  wegen  der  Kapellmeisterstelle  am  Hofe  des  Königs  Jerome  von 
Westfalen  entstand,  schildern  besonders  originell  und  anschaulich  die 
Briefe  an  den  Freund  J.  v.  Gleichenstein  und  an  die  Verlagshandlung 
von  Br.  &  H.  in  Leipzig.  Man  wolle  im  I.  Bande  von  B.  S.  Br.  nach- 
lesen. A.  d.  H. 


—     207     — 

(Stellung  93eettjooen'3  attd)  cmS  ©rünben  fjerrütjrte,  bie  aufeer 
it)m  lagen.  £)ie§  bebarf  einer  näheren  23efdjauung  ber  *£)inge 
um  it)n  t)erum.  @§  bürfte  überragen  gu  oernetjmen,  ba^  bie 
3at)t  aufeerorbentndjer  Sßerfe,  mit  benen  ba§  ©entc  Seettjoüen'S 
bie  ®ttnftroelt  b\§>  5U  btefem  geitpttncte  bereichert  t)atte,  roeber 
bie  offenbaren  nod)  bie  oerftecften  Gegenparteien  in  SSien  — 
letztere  unter  ben  SKufifern  Dort  Sßrofeffion  —  5U  befferen  @e* 
finnungen  gegen  unfern  Hfteifter  geführt  t)abe.  gut  letztere 
Partei  inSbefonbere  gab  fogar  bie  C  moll  Sinfonie  neue  ©c* 
tegentjeit  §u  Sfrtgriffett  unb  Verteuerungen,  benn  nacl)  bem 
§at)bnTfd)en  unb  SQ^o^art'frfjen  ÄatedjiSmuS  fanb  fid)  für  ba§> 
©pät)erauge  ber  atten  Sdjulrnaben  gar  mand)e3  in  biefer  Sinfonie, 
ba§>,  roeit  nod)  nid)t  bageiuefen,  ober  oon  ber  Sd)utreget  öerpönt, 
rtict)t  nur  gefabelt,  aud)  nod)  (äd)er(id)  gemadjt  toorben.  Set^tere§ 
roiberfutjr  üorjug^rueife  bem  Dur-<Sat5  im  ©dtjerjo.*) 

2Benn  nur  un3  aber  be§  früher  fdjon  gefdjilberten  33i(bung§* 
guftanbeä  ber  Söiener  Sftufif'er  erinnern,  fo  roirb  e§  bei  tieferem 
(Singetjen  in  biefe  $)inge  tootjl  balb  einleuchten,  roie  in  (£r= 
mangelung  eine§  ridjtigett  23egriffe§  üom  SSefen  ber  Äunft  üon 
bem  barirt  liegenben  fitttidjeu  Momente,  Oon  it)rer  SSeftimmttng 
im  Seben,  jebe3  ber  größeren  SSerte  S3eett)ooen'§  ben  ^ori^ont 
fämmtlidjer  9)?ufir'er  bamatiger  3eit  mit  entwerft  geringer  9(u3- 
natjme,  roeit  überfteigen  muftte.  äöer  in  ber  Sftufif;  nur  (£r~ 
Weiterung,  Sin*  unb  Stufregung  31t  fuctjen  pflegt,  bie§  nod)  in 
einem  gerootjnterr  $ormali3mu3,  ber  roirb  bei  Q3eett)oüen'3  SÜcufif 
oor  Slltem  ba§>  formale  ber  ^ritif  unterbieten;  ferner  tnirb  er 
baZ  ^edjnifdje  be§  t)armonifd)=rt)t)tl)mifd)en  23aue3  prüfen,  ob 
feine  Slbroeidjung  ober  gar  Verftöfce  gegen  atttjergebracrjte  ©efetje 
barin  enthalten,  er  roirb  roeiter  ba$  attgeroolmte  9xid)tfd)eit  an 
öerfdjiebene  Sätje  anlegen  unb  loirfttd)  finben,  bafj  beren  Sängen= 


*)  3)er  Sericfjt  in  ber  SlCtg.  SKuf.  3tg.  XI.  269,  über  bie  erfie  auf* 
füljrung  am  22.  ®ec.  1808  fdjliefet  mit  bem  Sa£e:  „Uebert)aupt  ift  e§ 
befannt,  ba%  Don  53ien  nod)  metjr,  al§  Don  ben  meiften  anberen  ©labten, 
jener  SluSfürudj  be§  (£üangelinm3  Dom  $ropl)eten  in  feinem  SSatertanbe  gilt." 


—     208     — 

mafj  ba$  Jparjbn'sSDfoaart'fdje  überfdjreite;  er  roirb  ftcf)  bemnacf) 
Uo§>  mit  bem  Steufterüdjen  be3  Äunfttoerfö  befcfjäftigen,  roeit  gur 
£mrd)forfd)ung  feines;  Innern  ber  erforbertidje  @rab  fünftterifcfjer 
Bilbung  gebridjt.  Stu§  biefem  ©runbe  mirb  er  aud)  nicfjt  %u* 
gefielen  tonnen,  baf$  ba§>  ©enie  in  fotdjer  Motens,  tote  e§ 
53eett)oOen  befafj,  ©etbftregel  ift,  folglid)  beanfprudjen  bürfe, 
bafe  feine  Sßrobucte  nur  mit  bem  üon  itjm  fetber  gegebenen  Waafc 
ftabe  gemeffen,  überhaupt  beurtfjeitt  merben  fotten.  Bon  allem 
biefem  Ratten  bie  Sdcuftfer  bamatiger  $eit  fein  Berftänbnifj,  unb 
fann  biefe  £>unfett)eit  in  ben  meiften  köpfen  bi§  in  unfere  £age 
nerfolgt  »erben,  ©precfjenbe  geugniffe  für  foldje  Stnfdjauung^- 
meife  jeber  $eit  liegen  in  ben  meiften  S^ritifen  über  93eett}onen'fd)e 
SBerfe  jeber  (Gattung  in  ber  Mg.  9#uf.  3t9-  üor>  ^e/  man  oai1 
e§  für  gemifj  annehmen,  bei  SBeitem  nidjt  aüe§  fagen,  mag  bereit 
Berf  affer  auf  bem  ^er^en  gehabt.  Sßir  merben  bertei  ©pecimina 
oon  Unöerftanb  unb  Befangenheit  in  faft  uerfteinerten  Srabitionen 
nod)  anäitfürjren  tjaben  unb  bei  einzelnen  üielleicfjt  ©ebutb  unb 
Berüdfidjtigung  be§  ßeitgefdjmacfeg  Vertieren. 

Snbefj,  bie  öftreid)ifd)e  .'pauptftabt  für  fid)  altein  betrachtet, 
ift  es  ja  notorifd),  bafj  ber  @mpiri3mu3  in  ber  SEonfunft  oon 
jetjer  feinen  §auptfit3  bafetbft  aufgefdjlagen  tjatte.  Sie  iljrer 
£)ot)lf)eit  unb  @d)raäd)e  fid)  roor){  benutzte  empirifdje  Slnfdjauung 
trat  ber  SBiffenfdjaft  allezeit  rote  eine  feftgefdjtoffene  ^ßtjalanj 
gegenüber  —  (beägteidjen  moljt  aud)  in  ben  anbern  fdjonen 
fünften).  Sn  birecter  Be5iel)ung  auf  Beeitjooen  motlte  biefe  ifym 
gegenüberftetjenbe  Söiadjt  nod)  immer  nidjtö  auberS  in  irjm  er* 
rennen,  aU  einen  ^eüotutionär  in  ber  Äunft,  ber  in  eigenem 
2)ünfet  befangen  unb  üon  ungezügelter  £eibenfd)aft  angetrieben, 
nur  oon  fid)  reben  machen  motte.  SBeldjen  5Xntt)etf  an  fotdjem 
©ebaljren  in§befpnbere  9?eib,  ©djeelfudjt,  ober  roirttidje  ßurüef* 
fetmng  gegen  baS  ©enie  unferS  äfteifterS  gehabt,  täfet  fid)  er= 
ratzen.  2)iefe  @egenftrebungen  mären  um  fo  fütjner  fjerbor« 
getreten,  menn  Beettjouen  SQftene  gemadjt  Ijätte,  am  faifertidien 
§ofe  eine  Hnfteüung  31t  fudjen.    ©d)on  ber  gaü,  ba|3  ber  @r5= 


—     209     — 

tjerjog  9iubo(pt)*)  feine  mujtfalifdje  $ort6Ubung  ba%  Safjr  guüor 
33eetrjot>en'§  £)änben  anüertrant  l)atte,  tief}  bie  ©egner  befürchten, 
„ber  Steuerer"  —  „ber  Stepubtifaner",  fönne  bod)  einften§  an 
ben  faiferl".  §of  fommen.**) 

3)a§  2)tfemma,  in  roetdjeS  fein  äuftereS  unb  inneres  Seben 
burd)  biefe  SRtBftänbe  tierttridett  gemefen,  lannte  23eetl)Ot>en  redjt 
rool)(,  nid)t  minber  aber  cutct)  beffen  fdjnrierige  Söfnng.  (£3  roarb 
barum   ber  (£ntfd)(nfc  gefaxt,  uorerft   eine   größere  Steife   nad) 


*)  9htbolpb,  ®r5$erjog  öon  Defterreid),  geb.  1788,  f  1831  al<§  (£15= 
bifdjof  unb  (Sarbinal  öon  Dtmüfc. 

**)  Sterbet  fet)  einer  faft  unglaublichen  Slfjatfadje  Dtaum  gegeben,  für 
beren  SSabrfjeit  aud)  bie  Mg.  9)hif.  $tg.  einfielen  wirb.  ©iefetbe  ntag 
Sitgleid)  bie  9)cad)t  be§  2Utbergebrad)ten,  aber  nebenbei  audj  bie  geringe 
Autorität  23eetb>öen'§  bei  ben  Siener  IDcuftfern  auf's  ßclatantefie  bemetfen. 
Sie  Sinfonia  eroica  mar  bei  einigen  öom  föomponiften  in  ben  Sabren  1805 
unb  1806  felber  geleiteten  ?htffübrungen  ftet§  —  rote  ganj  in  Drbnung  — 
al§  au3  Es  dur  geljenb  auf  bem  3lnfct)(agejettet  angezeigt.  Xie  Benennung 
E8  dur  für  ein  Xonftücf  mit  58oräeid)nung  be§  britten  b  mar  febod)  in  jener 
3ett  ju  ?8ien  (möglid)  aud)  an  anbern  Drten)  ungefannt.  SDcan  nannte 
biefe  Tonart  —  mie  5U  fetten  Sübal'8  _  Dis.  §118  nun  bie  Eroica  in 
gebrucften  Stimmen  ben  bortigen  9Jhififern  in  bie  £)änbe  gefommen,  beeilten 
fte  ftd),  bie  „Weiterung"  58eetb,otien'3  ju  befeitigen  unb  biefe  ©infonte 
bei  aßen  5luffüftrungen  auä  Dis  gefjen  3U  laffen.  @3  öerftebt  fid),  bajj 
biefe  ^Benennung  bei  £at)btt'fd)en  unb  90coäart'fd)en  Sßerten  gleichfalls  (Mtung 
gehabt.  Qn  ben  Renditen  au§  SBten  in  ber  2111g.  9)?uf.  $tg.  1°"°  ™ebr= 
maf§  auf  biefeS  Guriofitm  btugeioiejen,  5.  33.  „3n  ber  £fiarrood)e  üon  1808 
mar  im  Stjeater  an  ber  SBien  grofeeS  (£oncert  mit  SttojarfS  Davide 
penitente  unb  33eetfjouen3  Sinfonia  eroica,  festere  (nad)  bem  2(nfdjlage= 
jettel  au§  Dis.)"111)  ?Mg.  3Ruf.  3tg.  X.  Seite  540.  —  ©irigenten  biefeS 
©oncerts  waren:  ®er  Sapeümeifter  3gnaj  3titter  öon  ©enfrieb  unb  ber 
£)rd)efter;®irector  granj  ötement.  —  %od)  im  britten  Safjtjetjenb  erjftirte 
in  SSien  bie  Tonart  Dis  für  Es.  Überhaupt  mar  bie  „SBiener  Sonfdjute" 
fortan  ein  'iDcijtum^ßompofitum  öon  unglaublichen  ?lbfonberIid)teiten.  sJ9can 
tonnte  ftd)  barüber  ärgern,  aber  aud)  tad)en. 

111)  Mau  denke  sich  vom  modern- theoretischen  Standpunkte  eine 
Tonart  in  Dis -dur,  das  wäre  eine  Kreuztonart  mit  9  Kreuzen.    Hat 
jemand  eine  solche  Tonart  gesehen?    Wäre  eine  solche  einem  Orchester- 
spieler wohl  spielbar?  A.  d.  H. 
9(.  3djinbler3  33ectf)crt)ctt=33io3rapfjic.  14 


—     210     — 

Stauen  §u  unternehmen,  um  ben  ©egnern  für  längere  $eit  au§ 
ben  klugen  p  gefjen,  aber  aud)  um  ftd)  ju  erboten,  benn  jarjre* 
lange  2(nftrengungen,  beSgleicfjen  bie  9iänte  ber  karteten,  Ratten 
nict)t  üerferjlt,  auf  Körper  unb  ©eift  nacrjtrjeilig  etnjumirfen. 
S^arf)  ber  ßiirücffunft  aus  Stauen  füllte  über  Verlegung  feines 
SSorjufitjeS  in  eine  anbere  beutfct)e  «Stabt  ©ntfdjeibung  getroffen 
werben. 

®a  erfcfjieu  inmitten  biefer  SDtififtänbe  unb  ^erftimmungen 
urpfö^tidt)  ein  Deus  ex  machina,  um  ben  fingen  nacfj  jeber 
(Seite  rjin  eine  anbere  SSenbung  &u  geben.  93eett)oüen  erhielt 
burcfj  ben  ©rafen  S£rud)feJ3=SBatb6urg,  Oberft=®ämmerer  beS 
ftönigS  üon  SSeftfaten,  ben  Eintrag,  bie  ©teile  eineS  (SapellmeifterS 
beS  Äönig§  51t  übernehmen.112)  SBunberftdje  Sronie  beS  (Sd)itf= 
fals!  roirb  ber  &efer  üietfeidjt  ausrufen,  menn  er  ftd)  bie  $ßor= 
gänge„auS  bem  Safjr  1804  mit  ber  Sinfonia  eroica  üergegen= 
märtiget  unb  ben  bamalS  üon  fjeiligem  30rn  burcrjglütjten 
S£onbid)ter  nun  als  ßapeümeifter  beS  33ruberS  beS  frangöfifd^en 
ÄaiferS  ftd)  üorftellt;  munbertidjer  nocfj,  menn  man  baS  in  53e= 
jicfjung  auf  eine  berlei  9(nfteltung  oben  eingeführte  mit  bem 
Ütufe  an  ben  fönigt.  £)of  51t  Gaffel  gufammenftettt.  Sebod), 
biefer  9tuf  mar  ein  factum,  baS  nidjt  üerfel)ten  tonnte,  in  allen 
Greifen  ber  Äaiferftabt  großes  5fuffetjen  gu  machen.  2ßie  immer, 
bafc  baS  publicum  ben  Söefilj  eines  StünftlerS  erft  bann  mertrj- 
gufcrjäfcen  meifj,  menn  eS  mit  beffen  SBerluft  bebrorjt  mirb,  fo 
aud)  im  oorliegenben  gatle.  SSorgugStoeife  maren  bie  Greife 
feiner  ©önner  üon  biefer  Shtnbe  betroffen,  benn  jeber  füllte, 
baf;  Seetrjoüen,  ben  man  mit  geredjtem  ©totg  ben  «Seinen  nannte, 
im  ^auptfitse  beutfdjer  Sontunft  üerroeiten  unb  otjne  frembe 
©inflüffe  feinen   fetbftgebrocrjenen  ^Sfab   meiter  manbeln  muffe. 

Sftacf)  ©rmägung  biefeS  Snciben^uncteS  bereinigten  ftd) 
ber  ©rg^erjog  SRubolpf),  ber  $ürft  Sofept)  üon  Sobfomifc, 
^er^og   jju   9iaubnit5,   unb   gürft    gerbinanb   ÄinSfn,    um 

112J  Man  vergl.  den  Brief  an  Br.  &  H.  No.  180  in  B.  S.  Br.^ 
I.  Band,  vom  April  1809.  A.  d.  H. 


—     211     — 

aKein  §u  ttjun,  roa§  bie  @§re  ber  Äaiferftabt  ertjeifc^te.  (Sie 
unter^eidineten  unterm  1.  Wläx%  $u  (fünften  23eetf)oüen'§  nad)= 
fterjenbe  Urfunbe:113) 

„£>ie  täglichen  SSeroeife,  roeldje  <gerr  Subroig  Dan  SSeetrjoOen 
öon  feinem  auf$erorbent(id)en  latente  unb  @enie,  al§  Xon= 
funftler  unb  ©omöofiteur  gibt,  erregen  ben  SBunfd),  ba^  er 
bie  größten  ©rroartungen  übertreffe,  roo^u  man  burclj  bie  bi3= 
tjer  gemachte  ©rfafjrung  berechtigt  ift. 

2)a  eö  aber  erroiefen  ift,  ba^  nur  ein  fo  üiel  möglich 
forgenfreier  9J?en[cf)  ficfj  einem  gac£)e  atiein  roibmen  fönne, 
unb  biefe,  öon  allen  übrigen  SBefdjäftigungen  auäfdjliefjlicfje  5ßer= 
roenbung  allein  im  ©tanbe  fet),  grofje,  erhabene  unb  bie  ßüunft 
üerebetnbe  SSerfe  $u  erzeugen;  fo  rjaben  Unterzeichnete  ben 
@ntfcfjiuJ3  gefaxt,  £errn  Subroig  oan  25eetf)oüen  in  ben  <Stanb 
ju  fernen,  bafe  bie  notrjroenbigfren  53ebürfniffe  if)n  in  feine  $er= 
tegenrjeit  bringen,  unb  fein  IraftootteS  ©enie  rjemmen  foöen. 
2)emnadj  öerbinben  fie  fid),  irjm  bie  beftimmte  (Summe  öon  4000, 
fage  biertauf enb  ©utben  järjrlid)  au^ugarjlen,  unb  §toar: 

<Se.  faiferlidje  §ob,t)eit  ber  (Srgrjerog  SRubolprj   .  .   gfL  1500 

3)er  fjocrjgebome  gürft  Sobforoi§    „      700 

©er  fjodjgeborne  gürft  $erbinanb  ÄinSfö     ....     „    1800 

3ufammen  .  .     „   4000, 

roelcfje  §err  Subroig  Oan  Söeetrjooen  in  rjalbjäljrigen  ^aten,  6et 
jebem  biefer  Sfjeitnerjmer,  nad)  SJtaftgabe  be§  23eitrage3  gegen 
Quittung  ergeben  fann. 

5lud)  ftnb  Unterfertigte  biefen  Sarjrgefjalt  §u  erfolgen  er= 
bötig,  bi§  £>err  Subroig  oan  53eetrjooen  §u  einer  Slnftellung 
gelangt,  bie  irjm  ein  Slequiüalent  für  obbenanute  (Summe  gibt. 
(Sollte  biefe  Slnftettung  unterbleiben  unb  §err  S.  Oan  29eet= 
fjoöen   burd)   einen  ungtüdtid)en  3ufa^  ooer  ^^er  oerrjinbert 


113)  Man  sehe  den  „Entwurf  einer  musikalischen  Convention" 
an  Freund  v.  Gleichenstein  vom  I.  Quartal  1809  in  B.  S.  Br.  No.  167, 
I.  Band.  A.  d.  H. 

14* 


—     212     — 

fetjn,  feine  Slunft  auszuüben,  fo  bemiifigen  if)tn  bie  Ferren 
£ljeUnef)mer  biefen  ©efjatt  auf  £eben§(änge.  £afür  aber  oer= 
bürgt  fid)  £err  £.  üan  23eetf)otien,  feinen  2(ufentf)att  in  SSien, 
too  bie  Ijoljen  gertiger  biefer  Urfunbe  fidj  befinben,  ober  einem 
anbern,  in  ben  ©rbfänbern  ©r.  öftreid)ifd)4aifertid)eu  SDcajeftät 
Hegenben  ©tabt  gu  beftimmen,  unb  biefen  2iufentt)att  nur  auf 
griften  §u  oertaffen,  meld)e  ©efdjäfte,  ober  ber  Äunft  Sßorfdjub 
leiftenbe  Urfadjen  oerantaffen  fönnten,  moüon  aber  bie  Ijotjen 
Kontribuenten  öerftänbigt  unb  momit  fie  einüerftanben  fetjtt 
müßten."  — 

33eett)ooen  mar  fonad)  in  eljrenöotffter  SSeife  an  2Bien, 
aber  aud)  an  feine  ©önner  mit  23anben  gefeffeft,  mie  fie  nur 
oon  gegenfeitiger  5id)tung  unb  2Bertf)fd)ät3ung  gefdjlungen  mer= 
ben.  233elcr)e  Dliebertage  burcf)  biefe  au§3eid)nenben  ©emeife 
oon  Anerkennung  feiner  ßünftlerbebeutung  ber  @d)aar  feiner 
bortigen  (Regner  beigebracht  roorben,  bebarf  mofjl  feiner  meu> 
läufigen  AuSeinanberfetjung.  3n  ber  SDxe^r^at)!  meniger  bö3= 
artig  als  oerbtenbet  unb  in  einfeitigen,  Oeratteten  Äunftan= 
fdjauungen  befangen,  fügten  fie  fidj  in  ba§>  ©efdjefyene.  33on 
ba  an  Ijatte  unfer  Sfteifter  geraume  3eit  feine  Verfolgungen 
oon  ben  Wiener  SJcufifern  §u  erfahren,  benn  fie  fanben  e§ 
bei  ber  SBenbung  ber  2)inge  geratener,  fid)  gleidjgültig  §u 
üerljatten,  füllten  fie  bod),  bafe  fie  it)m  in  materieller  ^nnjtdjt 
nidjt  mefjr  fdjaben  fonnten.  33ieltetd)t  mürben  fie  fid)  enblidj 
nid)t  miberfetjt  fjaben,  menn  if)m  eine  auf  ßunft  unb  Slünftfer 
einflußreiche  Stellung  am  faiferüdjen  §ofe  ju  XljeU  gemovben 
märe.  2)amit  f)atte  e3  jebod)  feine  guten  üföege.  31m  geeig= 
neten  Orte  in  ber  britten  £eben§periobe  roirb  (Gelegenheit  fetjn, 
bie  unüberfteigttdjen  §inberniffe  oor  Slugen  ju  legen,  bie  fid) 
für  alle  3*it  oor  ben  $ugängen  ^ur  ^aiferburg  für  3}eetf)ooen 
aufgetürmt  tjatten.  Sßorerft  glaubt  ber  Verfaffer  aber  an= 
beuten  ju  folten,  bafj  Seetfjooen  nur  fetjr  furje  ße^  im  ^°^= 
genuffe  feiner  Safjre^rente  Oerbliebeu.  2)enn  fd)on  im  Satyr 
1811  trat  in  Deftreid)  ein  ©reignif3  ein,  ba3  alte  öfonomifd)eu 


—     213     — 

Berljältniffe  tief  erfcfjüttert  unb  aucfj  unfern  £onbid)ter  fdjtuer 
betroffen  tjat. 

9tu§  biefen,  aber  noct)  au§  anbern  narje  oermanbten  Ur- 
fachen,  tjaben  obige,  eine  forgenlofe  ßufunft  in  2tu3fid)t 
ftetfenben  Stipulationen  ©djidfale  erfahren  muffen,  öon  benen 
erft  weiterhin  be£  näheren  p  fprecfjen  fetin  roirb.  SBir  merben 
fetjen,  wie  bie  üon  2(d)tung  unb  2Bertt)frf)ä|ung  gefdjtungenen 
Banbe  in  ber  golge^eit  ©runb  $u  SSiberroärtigfeiten  unb  $er= 
ftimmungen  gege6en  tjaben,  bie  in  ®emeinfct)aft  mit  anberen 
fo  gearteten  notrjtoenbigermeife  fogar  auf  be§  9fteifter§  $ro= 
buctionen  ©inflüffe  3U  üben  nid)t  tierferjfen  fonnten. 

SBeldjer  ©porn  aber  bem  p  Staaten  brängenben  ©eniu<o 
burcf)  ba§>  ©efdjetjene  gegeben  toorben,  geigt  bie  (Staunen  erregenbe 
$rud)tbarfeit  ber  näcfjften  Sa^re,  roooon  ber  Sefer  atäbatb  ben 
Stugenfdjein  ermatten  fofl.  28ir  ferjen  bamit  ben  fct)on  früher 
angeführten  §erjeni§munfd)  be§  Üfteifter3  beinahe  üollftänbig  in 
Erfüllung  gegangen,  roeld)er  lautet:  roenn  ber  iperbft  feine§ 
Sebenä  ba  ferj,  einem  frudjtbaren  Baume  gu  gleichen,  roetdjer 
reidje  grüdjte  in  unfern  ©djoofs  rjerabfdjüttett  SSafyrlid),  menn 
man  bie  öon  nun  an  bi§  um  ba%  Satjr  1815  in  ununter= 
brocfjener  $olge  gu  Rapier  gebradjten  ßompofitionen  fomorjt 
nad)  Quantität  at3  Dualität  in  Betrachtung  gierjt,  fo  ergibt 
fid)  biefe§  ©leidjnifj  augenfdjeintid),  unb  tonnte  man  Oerfudjt 
roerben  gu  glauben,  biefer  Baum  t)abe  oor  bem  3»ar)re  1809 
uod)  keinerlei  grüßte  in  unfern  ©djoofj  t)erabgefd)üttett. 

3)arum  mirb  e§  erforberlid),  ben  Sefer  aufmerffam  gu 
madjen,  bajj  öon  biefem  3e^Puncte  an  b\§>  8U  Ausgang  ber 
gmeiten  Seben§periobe  roenig  ertjeblidje  Xtjatfadjen,  befto  metjr 
oftenfible  Xtjaten  namhaft  gu  madjen  fetm  roerben.  2Sir 
muffen  um§  gemötjnen,  ben  Sfteifter  einige  Salire  rjiuburcfj  faft 
ununterbrochen  an  ben  5lrbeit§tifd)  gefeffelt  gu  feijen,  gteid)= 
root)t  feine  fefjr  angegriffene  ©efunbljeit  eine  längere  9kft 
bringenb  beburft  tjätte.  £>iefer  Umftanb  mirb  gum  unab- 
roei3ltd)en  ©runb,   baf$  bie  Arbeit  be3  Biographen  bie  näcfjften 


—     214     — 

Satjre   berütyrenb   fo  §iem(id^  ben  ©tjaratter  einer  (Stjrontf  an* 
nehmen  mufe. 

®em  laufenben  Safjre  gehört  eine  faum  erroätjnenälüertfye 
(£üifobe  an,  bie  gerb.  3tte§  aber  für  tüid)tig  gefunben,  um  fic 
in  bie  (Sammlung  feiner  Zotigen  über  23eetl)oüen  aufzunehmen. 
@S  fet)  barum  it)rer  furj  ermähnt.  @S  Reifet  bort  ©.  121 :1M) 
„Sei  ber  Jürgen  SSefdjiefeung  2Öien§  burd)  bie  granjofen  im 
Sa|r  1809  mar  Veettjoüen  fetjr  ängftlicfj,  er  brad)te  bie  meifte 
ßeit  in  einem  Heller  bei  feinem  Sruber  Gaöüar  §u,  mo  er  nod) 
ben  ®oüf  mit  föiffen  bebectte,  um  ja  ntctjt  bie  Kanonen  §u  t)ören." 

2)iefe  Slnfüfjrung  be3  <2djüler§,  ber  nod)  tior  3Innaf)erung 
ber  fran§öfifd)en  £)eere  Sßien  üertaffen,  um  nad)  Sonbon  §u. 
reifen,  scitjt  ben  Sefjrer  bod)  ju  offenbar  ber  gurrfjt,  menn 
nidjt  gar  ber  geigfyeit.  9tieö  t)ätte  bod)  aud)  an  biefem  Orte 
einen  ürüfenbcn  S31id  auf  ba$  üon  Slnbern  Vernommene  toerfen 
füllen,  beöor  er  e§  ben  „ächten  Duellen"  gu  einer  üodftänbigen 
23iograpf)ie  Veetfyooen'ö  angereiht;  er  tjätte,  ungeachtet  feiner 
Sugenb  sur  Qixt  beS  SBerfc^rä  mit  bem  9)?eifter,  beffen  ßfyarat'ter 
aud)  üon  ber  «Seite  be3  perfüntidjen  9Jhttt)e§  unb  Unerfd)roden= 
fjeit  fennen  lernen  tonnen,  menn  er  in  feiner  23eurtf)eitung  ftet§ 
unbefangen  geblieben  märe.  £)ätte  Veetfjoüen  bie  mögtidje 
©efafjr  im  gatle  einer  Belagerung  ber  <pauütftabt  gefürdjtet, 
fo  ftanb  e§  ifjm  ja  frei,  gu  jebem  £f)or  tjinan^ugetjen,  ttrte 
Rubere  getfjan,  um  ber  ©efatjr  &u  entfliegen.  @r  üerblieb 
jebod)  mieber  fo  feft,  mie  mir  it)u  luäfyrenb  ber  erften  frangöfifdjen 
Dccuüation  1805  am  Drte  ber  mögtid)en  ©efatjr  gefunben, 
fogar  mit  Snfcenefe^ung  feineö  gibetio  befdjäftigt.  SBenn  fict» 
ber  äfteifter  mätjrenb  ber  $efd)iefmng  ber  ©tabt  in  ben  Steuer 
geflüdjtet,  fo  l)at  er  nur  gett)an,  ma§  im  Momente  fotdjer 
Kalamitäten  jeber  Vernünftige  gu  tf)un  pflegt. 

©elbft  SSegeler,  ber  bod)  alles  üon  9tie§  5ln§gefagte  für 
gute  Sftünge   anjunetjmen  pflegt,  üermag  über  biefe  Scotig  nietet 


114)  Neudruck  S.  143.  A.  d.  H. 


—     215     — 

ftiöfdjhjetgenb  tjinrüeggugerjen  unb  ftettt  bie  $rage  bane6en: 
„konnte  ntdjt  aud)  ber  Slanonenbonner  fcfjmergljaft  auf  fein 
franfeS  ®et)ör=Drgan  mirren?"  —  (53  barf  nicfjt  ungefagt 
bleiben,  ba$  rool)t  nicfjt  batb  roieber  über  Otiten  großen  SDcann, 
beffen  (Srjaratreriftif;  nad)  jeber  ©eite  offen  gu  *£ag  gelegen,  fo 
Oiele  Albernheiten  unb  ©eringfügigfeiten  ber  öffentlidjen  S3e= 
urttjeilung  öorgetegt  morbcn,  als  fid)  in  ben  9tie3'fd)en  Zotigen 
über  23eetf)oben  oorfinben.  ^)er  $erfaffer  begießt  fid)  bieSfaHS 
auf  fein  QSortuort  5U  biefer  Ausgabe. 

QMona  Jjatte  ausgetobt,  ein  frieblidjer  §immel  breitete 
fid)  roieber  über  baS  fdjöne  Deftreid)  unb  gang  2)eutfd)lanb 
auS  unb  lub  bie  gerftreute  ©efetlfdjaft  gu  ben  tiebgeloolmten 
©efcfjäftigungen  in  (Suttioirung  ber  fünfte  in  bie  ©räbte  gurüd. 

Sttfittlerraeile  luar  aber  bie  Offi§in  ber  Ferren  23reitfopf 
unb  ^aertel  gu  Seidig  beforgt,  bie  Aufgabe  Don  SSerfen  üor= 
gubereiten,  auf  mefcrje  bie  23lide  ber  gefammten  beutfdjen  S0?uftf= 
melt  mit  ©etjnfucrjt  gerietet  maren.  Salb  nad)  Abgug  ber  feinb= 
lidjen  Speere  erfolgte  bie  ^erfenbung  ber  Sinfonia  Pastorale, 
unb  ber  C  moll=®infonie.  ©3  täftt  ficf)  leidjt  beulen,  mit 
meldjer  ©ier  fämmtlidje  Drdjefter  fid)  biefer  neuen  ©rfdjeinungen 
bemädjtigt  tjatten.  £)ie  Seridjte  in  ber  Allg.  9)cuf.  $tg.  aug 
biefem  unb  bem  fotgenben  öafjr  über  bie  aller  Orten  ftatt= 
gefunbeueu  Aufführungen  geigen  bie§  in  guroeilen  gar  munber* 
liefen  ^pectorationen. 

Aber  nebft  biefen  finfonifdjen  (Soloffen  erfdjien  aud)  nod) 
in  biefem  Sabjr  bie  t)errticr)e  ©onate  mit  Sßioloncetl  in 
A  dur,  Op.  69. 

3)cit  @rfd)einung  biefer  beiben  «Sinfonien  tritt  in  ber 
Seidiger  Uritif  gu  ©unften  ber  33eett)oöen'fd)en  Xonbicfjtungen 
faft  jeber  ©attung  offenbar  ein  SBenbepunct  ein.  9xid)t,  i>a^ 
bie  SBerle  für  Drcfjefter  ber  9?eit)e  nad)  eine  unfreunbtidje  33e= 
grüfeung  oon  jenem  ftunfttribunale  erfahren  fjätten,  tua§  in 
biefer  ©djrift  fdjon  mit  Söetoeifen  bargetegt  roorben;  allein  bie 
(£laoier=ilhifif,    gerabe    bie   ^errünberin    ber   tiefoerborgenften 


—     216     — 

©erjeimniffe  be§  SSeetrjoDemfdjen  ©eniue,  bjatte  bisher  bort  ba% 
Sd)idfal  in  it)rer  (£igentt)ümlid)fett  roenig  üerftanben  511  roerben 
unb  muffte  fid)  mit  oft  unbegreiflicher  Unterfcrjätmng  begegnen 
(äffen,  baoon  ut'8  künftige  nur  bi3meilen  metjr  ettuas  Dor= 
fommt.  Sin  tiefet  (Singetjen  aber  biefer  föritif.  in  ben  poetifcrjeii 
©efjalt  ber  finfonifdjen  SSerfe  mar  bisher  audj  nod)  nidjt  uor* 
gefommen,  uielmefjr  tjatte  ber  grammaticalifcfje  3°Pf  faf* 
burdjroeg  bie  Urttjeüe  in  bie  geber  bictirt. 

2)amit  roirb  e§  tion  nun  an  beffer.  2;ie  ^Beurteilungen 
ber  Sßaftorale  unb  ber  C  moll^Sinfonie  im  groötften  v5al)r= 
gange  liefern  bie  erften  ßeugniffe,  ba$  bie  mit  alten  Sd)ul= 
regeln  gefcfjroängerten  2Solfen  31t  Seipjig  fid)  511  jerttjeifen 
begonnen.  3Bie  33eetrjooen  in  (Srfafjrung  gebradjt,  fo  floffen 
jene  SBeurtfjeilungen  au§  ber  geber  Don  Slmab.  Söenbt,115) 
einem  ber  erften  au§>  bem  Greife  ber  bortigen  ßunftridjter,  ber 
fid)  mit  ben  mannigfaltigen  Äunbgebungen  be§  muficalifdjen 
„teuerere"  5U  SBien  nict)t  nur  auSgeföfjnt,  aber  aucfj  balb  mit 
ganzer  Seele  befreunbet  f)atte,  roa§  einige  Slnfürjrungen  bei* 
geljenb  bezeugen  merben. 

21u3  ben  fritifdjen  91brjanb(ungen  be§  oortrefflidjen  SDfaimeS 
über  biefe  beiben  genannten  Sinfonien  füllen  äunädjft  nur 
menige  Sä§e  fjier  ^piat$  finben,  roeil  fte  geeignet  finb,  bem  öefer 
einen  belefjrenben  Q^lid  in  biefe  SSerfe  $u  eröffnen. 

lieber  bie  ^aftorale,  guerft  mit  9?o.  6  be^eidjnet,  ber  anbern 
aber  bennodj  üorau^gerjenb: 

„S)a§  SSerf  enthält  in  Sinfonien=$orm  ein  ©emälbe  be§ 
Sanblebem5.  „„©in  ©emälbe?  —  Soll  benn  bie  SDxufif  malen? 
unb  finb  mir  nidjt  fcfjon  längft  über  bie  Reiten  rjinau*,  mo 
man  fid)  auf  muftcalifdje  Malerei  etmas  ju  ©ute  tJjat?" "  911ter= 


115  Es  sind  dies  die  bedeutenden  ästhetischen  Aufsätze  in  jeuer 
Zeitung  von  Prof.  Amadeus  Wendt,  besonders  auch  über  Fidelio,  in 
denen  Beethoven  wohl  zum  ersten  Male  als  der  „musikalische  Shake- 
speare" gepriesen  wird;  cf.  Brief  No.  454,  Erklärungen,  in  Band  II. 

A.  d.  H. 


—     217     — 

bing§  finb  roir  je|t  fo  äiemtid)  bamit  im  deinen,  ba^  bie  $)ar= 
ftellung  äußerer  ©egenftänbe  burd)  bie  SO^ufif  fjödjft  gefd)madto§, 
unb  oon  ber  äfttjetifctjen  ^Beurteilung  beffen,  ber  fid)  folget 
9Iftermittel,  ©ffect  511  erregen,  bebient,  toenig  5U  galten  jeti. 
Sfttein  btefer  5(u3fprud)  paßt  gar  nicfjt  auf  üortiegenbe3  SBerf, 
toeld)e3  nicfjt  eine  ©arftellung  räumlicher  ©egenftänbe  be§ 
2anbe§,  fonbern  üietmefjr  eine  Starftettung  ber  (Smpfinbungen 
ift,  meiere  tnir  bei  bern  Slnbtide  (änblicljer  ©egenftänbe  fjaben. 
Stafe  ein  fotdjeS  ©emälbe  nicfjt  gefcfjmadfoS,  unb  bem  gtoede 
ber  9ftufif  nicfjt  entgegen  fet),  fiefjt  jeber  ein,  ber  über  biefe 
Äunft  fotoofjt  als  über  bie  Statur  ber  (Smpfinbungen,  bie  burefj 
jene  au§gebrüdt  toerben  fotten,  nadjgebacfjt  t)at." 

§fa§  ber  (Einleitung  51t  ber  nicfjt  weniger  benn  20  ©palten 
einnefjinenben  2(bt)anb(ung  über  bie  C  moll=©infonie,  9?o.  5: 

„33eetfjOüen'§  9J?uftf  beraegt  bie  §ebet  be§  ©d)auer§,  ber 
$urd)t,  be§  @ntfet$en3,  be§  ©djmer^eä,  unb  ertoedt  jene  unenb= 
tidje  ©efjnfucfjt,  bie  ba<S  SSefen  ber  SJomantif  ift  ...  .  Sttef 
im  ©emüt^e  trägt  SeetfjOOen  bie  SRomautif  ber  äKufif,  bie  er 
mit  fjotjer  ©eniatität  unb  SBefonnenfjeit  in  feinen  SBerfen  au§= 
fpricfjt.  Sebfjafter  tjat  9tecenfent  bieg  nie  gefübtt,  atö  bei  ber 
oortiegenben  ©infonie,  bie  in  einem  6t§  ^um  @nbe  fortfteigenben 
(Stimaj  jene  9?omantif:  23eett)oOen'3  mefjr,  afe  irgenb  ein  anbere§ 
feiner  SSerfe  entfaltet,  unb  ben  ßnfjörer  umoiberftefjticfj  fortreifet 
in  ta§>  iounberoolte  ©eifterreidj  be§  Unenblidjen." 

$on  Stmab.  2Benbt'§  ©inbringen  in  ben  ©eift  ber  93eet= 
fjoüen'fcfjen  Xonbidjtung  fotl  am  ©cfjtuffe  biefer  ^eriobe,  at§ 
bem  fjteju  geeigneten  Orte,  bie  üor^üglic^fte  23etoei3ftetIe  an= 
geführt  toerben.  @§  brängt  ben  Sßiograpfjen,  auf  bie  allererften 
grünblictjen  unb  meift  aud)  getroffenen,  barum  feiner  5(nfedjtung 
aufgefegten  (Srfcfjliefmngen  ber  tiefen  gunbgruben  unfer§  STon= 
bidjter§  aufmerffam  5U  madjen,  bie  funfttjiftorifdjeS  Sntereffe 
tjaben,  leiber  aber  im  ©taube  ber  SBibliotrjelen  oergraben  liegen. 
2Bot)t  aEe  nachgefolgten  (Srflärungen  (bi§  5U  ben  in  letzter  3eit 
tjeroorgetretenen  e,rcentrifd)en  ÜBerirrungen  in  Stillegung  53eet= 


—     218     — 

rjoüen'fdjer  £onbid)tungen  öon  Chorführern  ber  „gutunftt* 
mufif")  grünben  fidj  auf  feine  Sßorte  unb  Oer^aften  jtdj  rcd)t 
oft  §u  ifjnen,  mie  Variationen  gu  irjrem  Sfjema,  — fonad)  aud) 
in  fotdjer  §infid)t  intereffant. 
1810.  Sm  Satire  1810  [inb  nadjfterjenbe  grüdjte  öon  bem  Saume 
„Veettjoüen"  in  ben  Sdjooft  feiner  -ja^ttofen  SSerefjrer  „rjerab= 
gefdjüttelt"  morben: 

a)  3mei  grofte  Zx'w'ä  (D  dur  unb  Es  dur)  für  Sßianoforte, 
Violine  unb  Viotoncell,  Op.  70.*) 

b)  ©ejtett  (Es  dur)  für  2  (Starinetten,  2  §örner  unb 
2  gagottS,  Op.  71.  —  S)ic  ©enefiS  biefeS  $ßerfeä  batirt 
jebod)  um  mehrere  Saljre  gurüd.  3um  erfteu  ^a^ 
mürbe  e§  im  Slpril  1805  in  einer  Quartett*®i|ung  §um 
SBcneficc  öon  ©djuppansigt)  gu  ©efjor  gebradjt.  ©onacf) 
ergibt  ficr)  bie  beigefe^te  Dpu3=3a^  a^  unridjtig.116) 

c)  Ouartett  (Es  dur)  für  2  Violinen,  Viola  unb  Viotonceü, 
(9Go.  10.)  Op.  74.  —  Sn  fpäteren  Sauren  fjat  bie  liebe 
©infalt  biefem  SSerfe  ben  Veinamen  „^arfen^duartett" 
beigelegt.  (Sinen  fjattbaren  ©runb  müfete  roofjt  9aemanb 
bafür  anzugeben. 

d)  @ed)3  ©efänge  üon  ©oetfje  für  eine  ©iugftimme.   Op.  75. 

e)  Variationen  (D  dur)  für  «ßianoforte.     Op.  76. 117) 

f)  gantafie  (G  moll)  für  «ßianoforte.     Op.  77. 
g)  ©onate  (Fis  dur)  für  Sßianoforte.     Op.  78. 


*)  ©Ute  tief  eingebenbe  unb  betcfirenbe  Sittif  tiefet  SSetfeS  enthält 
Wo.  9  ber  Mq.  SRuf.  8*0-  xv-118) 

116)  Dem  widerstreitet  nicht  G.  Nottebohm,  Thematisches  Ver- 
zeichnis unter  Opus  71.  A.  d.  H. 

117)  Es  sind  die  dem  Freunde  Beethovens  und  Varnhagen 
v.  Enses  gewidmeten  Klaviervariationen  (Oliva).  A.  d.  H. 

118)  E.  Th.  A.  Hoffmann  war  also  Amad.  Wendts  genialer 
Nachfolger  in  der  Ästhetik  an  der  Leipziger  musikal.  Zeitung  (seit 
1809),  dessen  Darstellung  über  Beethovens  C-moll-Symphonie  so  ge- 
rechtes Aufsehen  erregte.  Man  vergl.  über  ihn  des  Herausgebers  Buch 
„Beethoven  und  Berlin"  S.  242  ff.  A.  d.  H. 


—     219     — 

h)  ©onatine  (G  dur)  für  *ßianoforte.    Op.  79. 

i)  gibetio  (Seonore).    (Srfte  unb   gleite  Bearbeitung  (auS 

ben    Sauren    1805    u.    1806).    Bottftänbiger   ©fauter* 

?Iu§äug.     Op.  79.119) 
k)  Duöerture  gu  gibetio  in  ^roeiter  Bearbeitung  (auS  bem 

Satjr  1806)  für  Drdjefter. 
1)  ©ejtett  (Es  dur)  für  2  Biotinen,  Biota,  Biotoncetl  unb 

2  obligate  §örner.     Op.  81b. 
m)  ©oncertino    in    C    dur    für   Sßianoforte,    Biotine    unb 

Biotoncett.  Op.  56. 
2)aS  Soeben  unferS  SfteifterS  in  feiner  füllen,  bem  äußern 
©eräufdje  entrücften  SBerfftätte  rourbe  im  Saufe  biefeS  SatjreS 
oon  einem  groifctjenfall  unterbrochen,  mit  bem  bie  Seferoett  ficfj 
fdjon  feit  geraumer  ßeit  lebhaft  befcfjäftigt  tjat.  2tudj  in  ben 
erften  ausgaben  biefer  ©djrtft  mar  bemfefben  Dtaum  gegeben, 
toeit  er  im  Sßefentlidtjen  mit  Beetf)oOen'S  (St)arafteriftif  collibirt. 
©r  betrifft  beS  5£onbict)terS  Befanutfdjaft  mit  Bettina  Bren= 
tano  (grau  oon  ?trnim,)  unb  bie  mancrjertei  gefolgten  ßon= 
fequengen.  SBelct)'  be[onbereS  Sntereffe  bie  fctjriftfteüerifcfje  Söelt 
an  teureren  genommen,  roie  oft  biefetben  in  „®oett)e'S  Briefe 
roedjfet  mit  einem  $inbe"  befprodjen  unb  ^erlegt,  roie  bann 
meiter  ba§>  Befannttoerben  üon  brei  Briefen  oon  Beettjoüen  an 
Bettina  (anfangs  bei*  üiergiger  Satire)  bie  9JtotiOe  gu  angüg* 
ticken,  aber  artet)  biffonirenben  Sontrapunctirungen  geloorben, 
bebarf  rootjt  nur  einer  fnnbeutung.  SBätjrenb  bie  fct>rift= 
ftetierifcfrje  SBeft  bie  Sledjtljeit  biefer  brei  Briefe  in  $rage  gefteltt, 
begnügte  icfj  mict)  meiner  ©eitS,  bie  in  jenem  Briefroectjfet  bem 
SBiener  SJceifter  in  ben  SOcunb  getegten  Steuerungen  gu  be= 
§roetfetn.  £>ie  (Srfotge  roaren  jeboct)  feine  anbere,  als  roenn  fid) 
bie  $ritit  tjeutgutage  mit  fct)loert)örigen  Birtuofen,  (Sängern  unb 
©djaufpietern  befaßt.    2)abei  fott  eS  inbefj  nidjt  fein  Beroenben 

119)  Diese  Opuszahl  ist  unrichtig,  während  das  Erscheinungs- 
jahr stimmt.  Die  erste  und  zweite  Bearbeitung  vom  Fidelio  (Leonore) 
hat  und  behält  die  Nummer  72  b.  A.  d.  H. 


—     220     — 

behalten,  Dietmar  mufj  biefer  ©egenftanb  Ijier  mieberum  jur 
©prad)e  gebracht  werben,  weil  meine  perföniid)e  Stellung  ju 
bem  gragepuncte:  äd)t  ober  nid)t  äcfjt?  in^wifcrjen  eine  anbere 
geworben,  bemnad)  e§  mir  obliegt  ben  ©egenftanb  praecifer  auf* 
5uf äffen,  als  oormatS  gefcrjerjen.120) 

2Sie  ber  ©orjn  bie  9tebe  feines  VaterS  in  50^9e  genauerer 
Vertrautheit  mit  beffen  ©efinnungen,  fo  aud)  mit  ber  irjm  eigenen 
Stu§bru(f§öjeife  in  jeglidjer  ©eftalt,  gefdjrieben  ober  münbüd) 
überliefert,  mit  Sidjerrjeit  für  auttjenttfct)  anerfennen  wirb, 
ober  nidjt,  fo  barf  man  mofjt  ®(eid)e3  oom  Jreunbe  erwarten, 
bem  fid)  bei  jahrelangem  53erfet)r  jebe  ^er^enöfatte  bei  Q3eet= 
Rotten,  oft  in  5°^9e  äußern  8lnlaffe§f  geöffnet  unb  jeber  Sßort* 
auSbrud  fo  befaunt  geworben,  haft  felbft  beffen  Sdjriftworte 
wie  gefprocfjen  an  fein  Ctjr  fdjfagen.  93eibe,  Sorjn  unb  greunb, 
werben  bemnad)  in  oorfommenben  ^fällen  unfd)wer  unterfdjeiben 
tonnen,  \va$  Oon  bem  Vorgehaltenen  mit  beS  9Sater§  ober  bes 
greunbeS  ©efinnungen  unb  Siebeweife  übereinftimmt  ober  nid)t, 
unb,  Wenn  nidjt  ganj  falfd),  fo  bod)  atö  gweifettjaft  fid)  bar* 
fteflt.  9Jät  Sidjerrjeit  tonnte  id)  mid)  barjer  in  ber  erften  ?tu£= 
gäbe,  ©.  80,  folgenbermaßen  auStaffen: 

„9Ser  in  „®oett)e's  Vriefwedjfel",  II.  190,  bat  tieft, 
tütö  bie  anfcrjeinenb  etwas  überfpannte  Bettina  in  bem  ^Briefe 
öom  28.  ÜDcai  1810  unfern  Veetrjcwen  fagen  täfet,  ber  fann 
nidjt  umrjin,  fid)  in  ifjm  einen  8d)öngeift  unb  monftröfen 
2Sorti)e(ben  §u  beuten,  —  unb  fet)r  irrig.  S)ie  Slrt  unb  SSeife 
Vectrjoüen'S  fid)  in  2(flem  unb  Gebern  au^ubrüden,  war  fein 
gan^e»  Seben  fjinburd)  bie  einfadjfte,  für^efte  unb  bünbigfte, 
fo  in  ber  Siebe  Wie  in  ber  <2d)rift,  was  burd)  bie  bieten  oon 
irjm  befaunt  geworbenen  93riefe  bezeugt  wirb,  %n  gezierten 
^5t)rafen  reben  31t  rjören,  ober  berlei  ©efd)riebeneö  ^u  (efen, 
war    it)in    unangenehm,    weit    überall,    einfad),    fd)lid)tf    of)ne 

120)  Alles  im  Zusammenhange  und  kritisch  über  Bettina  enthält 
meine  Monographie  „Beethoven  und  die  Sibylle  der  romantischen 
Literatur",  in  „Beethoven  und  Berlinu,  1909,  S.  67 ff.        A.  d.  H. 


—     221     — 

(Spur  eines  ®epränge§.  Stafe  öeettjotoen  über  feine  $unft  fo 
bact)te,  mie  Bettina  fdjret&t,  bafj  er  in  tt)r  eine  £)öt)ere  Offen* 
barung  erfannte  unb  fie  über  alle  ^S^iCofopt)te  ftellte,  ba§ 
mar  ein  £t)ema,  über  btö  er  ä)o|I  öfter  fprad),  aber  e§  ftctS 
mit  Sßenigem  abtrat.*)  9Bie  mürbe  nun  Seettjoben  über  ba§> 
fdjöne  ©erebe  erftaunen,  ba§>  bie  angenehm  fdjmatjenbe  Bettina 
iljm  in  ben  SD^itnb  legt!  (Sr  mürbe  unbe^eifelt  fagen:  „Steine 
liebe  mortreidje  Bettina!  <3ie  Ratten  einen  9iaptu§,  al§  fie 
jene§  an  ©oetfje  fdjrieben."  Settina  er^äfjtt  nämtid)  unter 
Slnbern  in  ifjrem  Briefe  Dom  28.  Wai  1810  bem  2Htmeifter 
§u  SSeimar,  ba%  fie  Seetljoüen'3  ^feufjerungen  über  Stunft 
u.  f.  m.,  bie  er  XagS  oorljer  auf  einem  (Spaziergange  mit  üjr 
Ijören  ließ,  nieberfdjrieb  unb  itjm  ju  tefen  gab,  morauf  er  fie 
üermunbert  gefragt:  „„Unb  ba§>  atteS  fyätte  idj  gefagt?  S)a 
muB  icf)  einen  9iaptu§  gehabt  tjaben.""  —  SJcit  biefen  Sßorten 
Seettjjoben'S  bürfte  mofyt  bie  treffenbfte  Ärttif  über  bie  an  fid) 
unftreitig  gutgemeinten  ©rgiefutngen  Settina'3  auSgefprodjen 
unb  jebe  meitere  Semerfung  überftüfjig  fein.  Sftidjt  fo  in  Sejug 
auf  bie  Briefe  fetbft,  bereu  $orm,  feineStuegS  aber  itjre  ©jifteng 
beanftanbet  mirb.**)121) 

Sei  meinem  giemlid)  fangen  9(ufentt)att  1843  $u  Sertin 
marb  mir  bie  (Stjre  ber  Setanntfdjaft  mit  grau  bon  5(rnim 
§u  i£f)ei(.  8d)  Derbanfe  it)r  mandje  intereffante  Sftittfjeituug 
über  it)r  fdjriftftetterifdje*  ©treben,  über  (Srreid)te§  unb  nidjt 
(SrreidjteS.  lieber  it)re  einftige  Stellung  aber  ju  Seetfyoben 
mar  id)  nid)t  fo  glüdlid),  aud)  nur  ein  3Sort  au§  itjrem  SJfrtnbe 
ya.  bernetjmen,   unb    bennod)  mar  it)r  meine  ©djrift  über  ben 

*)  iBon  Selbftlob,  baöon  [ein  9J2unb  bei  Bettina  überfdjäuntt,  mar 
nie  bie  geringfte  ©pur  an  SBeetboüen  5U  entbecfen. 

**)  2)iefe  biet  33riefe  finb  in  ben  Beilagen  mit  aufgeführt. 

121)  All  diese  Auslassungen  Schindlers  über  Bettina,  auch  die 
Briefangelegenheit,  sind  längst  von  der  Forschung  über  Bord  geworfen. 
Man  lese  die  neuesten  Forschungen;  ich  habe  bereits  auf  meine  kriti- 
sche Monographie  verwiesen ;  die  Briefe  cf.  B.  S.  Br.  No.  220,  228  und 
300  (I.  und  II.  Band).  A.  d.  H. 


—     222     — 

Wann,  fofgtid)  aud)  ba§>  fte  perföntid)  barin  Söetreffenbe, 
befannt.  Dirne  ben  2Bunfd)  offen  auSgefprocfjen  §u  fjaben,  (Sin= 
fitfjt  in  biefe  Briefe  mir  gu  gemäfjren,  tiefe  icrj  e£  bod)  nietjt  an 
Slnbeutnngen  fehlen,  mie  toidjtig  e§  für  mid)  märe,  bie  Originale 
baüon  §u  rennen,  allein  bie  gefd)ä|te  $)ame  blieb  feft  gefüllt 
in  tiefe§  «Sdjmeigen  unb  ü6ert)örte  atteS. 

Sßomerjmttd)  war  unb  ift  e§  ber  Sßortlaut  be§  britten 
SrtefeS  „XepH|,  Stuguft  1812,"  ber  ftarfe  Sebenfen  in  mir 
erregt  t)at  unb  immer  erregen  mirb,  fo  lange  nidjt  ba§>  gange 
<5d)riftftüd  menigftenö  in  einem  $acfimile  üorliegt.  ©er  ©runb 
gu  folgern  Sebenfen  finbet  fid)  in  23eetf)oüen'3  Steuerungen 
barin  ü6er  fein  $ert)atten  (an  ©oetf)e'3  Seite)  ber  faifertidjen 
$amitie  gegenüber.  2)a  brängt  fid)  bie  $rage  auf:  roenn 
23eetf)oüen  in  btefem  ungemörjntidjen  Momente  äunädjft  bie 
9\ütfftd)t  ber  Sßorjfanftänbigieit  gegen  feinen  erhabenen  ^Begleiter 
auf  bem  Spaziergange,  ferner  gegen  bie  gefammte  Staiferfamitie 
in  ber  Oon  23ettina  gemelbeten  Sßeife  außer  9Cct)t  getaffen  tjaben 
füllte,  mie  mar  e£  mofjl  möglid),  fofdjeS  fpecietl  gegen  ben 
gleichfalls  anmefenben  ©rgrjergog  Ütubolprj,  feinen  Oon  itjm 
felber  allzeit  fjodjüereljrten  Sdjüter  unb  ©önner  gu  begeigen, 
ber  irjm  erft  i>a§>  3at)r  gutior,  roie  mir  aläbalb  ba§>  9^ät)ere 
fjören  merben,  fo  fpredjenbe  S3emeife  Oon  Stjeilnatjme  gegeben, 
in  beffen  Umgebung  ber  SDtofter  gu  jener  $e\t  f°  häufig  gu 
meilen  gemorjnt  mar?  §ätte  23eett)ooen  fid)  mirttid)  fotdjen 
Mangels  an  Urbanität  fdjulbig  gemacht,  fo  märe  ©oettje  nidjt 
gang  im  Unredjt  gemefen,  bie  (Srinnerung  an  it)n  au§  feinem 
©ebädjtniffe  gu  bermifdjen,  aber  aud)  bie  fatf.  $amitie  tjätte 
©runb  getjabt  foldjer  S)emonftration  eines  ftünftlerS  fühlbare 
©leicfjgültigfeit  entgegengufefjen.  2£enn  legiere  in  ber  £t)at 
fortan  beftanben,  fo  tagen  Urfacfjen  unb  ©rünbe  bod)  nad)  einer 
gang  anbern  Seite  unb  maren  gang  anberer  ÜRatur,  ai§>  e§  ficrj 
au§  bem  SSorttaute  jene§  53riefe3  bebuciren  liefte.  $rau 
oon  Strnim  roirb  fonadj  im  Sntereffe  unferS  SKeifterS,  aber  aud) 
in  23egug  ber  2Bat)rrjaftigfeit  ifjrer  felbft,  nietjt  länger  fäumen, 


—     223     — 

ben  SBrtef  üom  Sluguft  1812  in  einem  gacfimile  51t  beröffent= 
liefen,  um  fernerhin  jebe  Deutung  5U  erfttdfert.*)  «Sollte  biefe§ 
jeboef)  unterbleiben,  fo  mirb  man  bemüf$iget  ferjn,  „ben  fcfjranfen* 
tofen  glug  iljrer  SinbilbungSlraft"  aud)  in  ben  brei  $eet= 
fjoüen'fdjen  Briefen  an  fie  §u  ernennen,  moburd)  beren  Sßebeutung 
unb  SSirtnng  für  alle  ßeit  üaratrjfirt  fetm  bürfte.  Sie  follen 
nidjt  merjr  al§  „felbftauSgeftellte  ßeugniffe  31t  feiner  ©rjaralteriftif" 
gelten**) 

2)a§  folgenbe  Saljr  1811  mar  ber  ©ringer  beS  für  1811. 
Deftreid)§  SBölfer  untjeilüoUen  ginan^atentS,  oermöge  roeld)e§ 
ber  9?ominat=28ertf)  be§  ©utbenS  auf  ein  fünftel  rjerabgefeljt 
morben.  2öie  ferner  unfer  £onbid)ter  baöon  betroffen  marb, 
erhellet  au§>  bem  Umftanbe,  bafj  nidjt  minber  alle  contractticfjen 
(Stipulationen,  in  fofern  fie  ^apiergetb  511m  ©egenftanb  gehabt,  auf 
ein  fünftel  ber  tautenben  Summe  t)erabgefe|t  roaren.  ©emnacfj  mar 

*)  Sßäbrenb  biefer  Sfjeil  unter  ber  treffe  gelegen,  fjat  bie  gefcr/äfcte 
Sdjriftfieümn  ba§  geitlicbe  gefegnet.  ^öffentlich  nnrb  burd)  bie  (Srben 
iljre§  Itterarifc^en  9?ad)laffe3  in  unferer  ©ache  ein  genügenber  Sluffctjlufj  übet 
bie  ÜJlitt^etlung  be§  betreffenben  Briefes  im  gacfimile  erfolgen.122) 

**)  S«  jüngfier  $eit  »iE  Setnanb  §u  £er>li£  ein  ©onett  gelefen  Ijaben, 
ba§  58eett)ODen  jur  S3ermäf)lung§feier  33ettina'§  t>on  Slrniin  gebtdEjtet  baben 
foK.  2)ie§  TOäbrcben  finbet  fid)  in  ben  „Unterhaltungen  am  rjäuSlidjen 
§eerb",  9?o.  7,  93b.  4  —  1858.  —  33eefbooen,  ber  große  SReifier  in  ber 
9tl)t)tljmif  war  in  ben  ©efejjen  ber  SKetrii  ganj  uneifafyrcn  unb  r>at  in 
feinem  Sieben  feinen  orbentlicfjen  &er§  gu  ©tanb  gebracht.  (Sjifiirt  ein 
berlei  ©onett  bon  feiner  Jpanb  nnrflidj,  fo  ift  e§  nur  eine  Kopie.  (£igen= 
fiänbige  Sopien  oon  üerfctjiebenen  ©ebiebten  befannter  unb  unbefannter 
^oeten  finb  nod)  ici  mir  aufbeiuabrt.  SSie  lange  übrigens  feine  Neigung 
für  53ettina  gebauert,  läfjt  fid)  an§  bem  biefent  Steile  beigegebenen  gacfimile 
Sfto.  2  erfehen.  ©d)on  ift  früher  barauf  Söejug  genommen,  unb  fomit  bie 
aüfäüige  g-rage  um  bie  ®auer  ber  Neigung  für  Bettina  beantwortet.123) 

122)  Einer  dieser  Briefe  (der  zweite)  ist  inzwischen  im  Faksimile 
veröffentlicht  worden;  siehe  u.  a.  A.  B.  Marx'  Beethovenbiographie, 
IV.  Aufl.,  von  Prof.  Behncke.  A.  d.  H. 

123)  Auch  über  Beethoven  als  Sonettdichter  hat  sich  der  Heraus- 
geber in  seiner  genannten  kritischen  Monographie  zur  Genüge  ge- 
äußert (a.  a.  0.  S.  85  ff.)  A.  d.  H. 


—     224     — 

audj  Beett)oüen'>§3at)re3rente  oon  4000  (Bulben  in  ©ancojettefa  ber 
SRebuction  oerfatten.  (Sie  fteftte  fid)  auf  800  (Bulben  Rapier  gelb. 

Sn  biefer  alle  öconomifdjen  $erf)ä(tniffe  tief  erfdjütternben 
©atamität  ^atte  fid)  ber  (Sr^eräog  9vubotpt)  Deeilt,  feinem  burd) 
biefen  (Schlag  gleichfalls  niebergebeugten  ßefyrer  eine  Urfrtnbe 
gu  übermitteln,  beren  S&orttaut  pfotge  iljm  bie  feiner  <3eit§ 
ftiputirte  (Summe  üon  1500  ©ulben  in  Sanco^etteln  üolt  in 
ßintöfungSfdjeinen  §ugefid)crt  mürbe.  (Sin  toaljrfjaft  faifertid)e§ 
©efdjent,  ba%  nidjt  oerfetjten  fonnte,  ben  (Sdjmingen  be§  ®eniu3 
neue  ®raft  §u  geben,  um  fid)  über  bie  irbifdjen  (Sorgen  einft= 
meilen  ju  ergeben.  (9^actj  menig  Sauren  fdjon  mürbe  biefe 
SSeftimmung  in  eine  tebengtänglidje  9lente  öon  600  ©utben  in 
(Silber  —  Oon  jeber  93ebingung  entbunben  —  abgeänbert.) 
Stuf  23eett)ot>en'<§  (Srfuctien  miüigte  auclj  $ürft  Sobtomi^  ein, 
bafj  fein  9tntljeit  oon  700  ($mlben  gleichfalls  in  @tnlöfmtg§= 
fcfjeinen  auäbeja^tt  merben  fotte.  9cur  in  Setreff  be§  ?(ntljeits 
Oon  1800  Bulben  ©eiten§  be3  gürften  5tin§fo  blieb  bie  (Sadjc 
einftmeiten  in  ber  (Sdjmebe. 124) 

§at  ba%  $inan§=^atent  bem  Sfaidje  an  irbifdjem  @ute  fo 
üiete§  entzogen,  fo  f)at  S3eett)oüen  feiner  <Seit§  ber  SSett  an 
geiftigem  roieber  fo  Oiete§  gegeben,  al3: 

a)  ßoncert  (Es  dur)  für  ^3ianoforte  (9co.  5)  mit  Begleitung 
be§  Drd)efter§.     Op.  73. 

b)  gantafie  (C  moll)  für  ^ianoforte,  Gfjor  unb  Drdjefter. 
Op.  80. 

c)  «Sonate  (Es  dur)   für  Sßianoforte  (Les  adieux,   l'ab- 
sence  et  le  retour).     Op.  81. 125) 


124)  Mit  deii  Kinskyscheu  Erben  gab  es  schreckliche  Brief- 
und  Preßfehden,  worüber  B.  S.  Br.  (II.  Band),  u.  a.  No.  314,  317,  318, 
viel  Trauriges  zu  erzählen  wissen.  Dutzende  von  Rechtsanwälten 
wurden  mit  dieser  leidigen  Affäre  betraut.  A.  d.  H. 

125)  Die  dem  Erzherzog  Rudolf  gewidmete  Klaviersonate  (Les 
adieux)  hat  die  Opuszahl  81a,  aber  das  kurz  zuvor  genannte  Sextett 
in  Es  (op.  71)  hat  die  genauere  Opusbezeichnung  81  b.       A.  d.  H. 


—     225     — 

d)  Bier  Slrietten   unb  ein  2)uett  (itatienifd)  unb  beutfdj) 
mit  Begleitung  be3  ^ßianoforte.     Op.  82. 

e)  SDrei   ©efänge  öon  ©oetlje  für   eine  ©ingftimme   mit 
Begleitung  be§  ^ionoforte.     Op.  83. 

f)  Duüertüre  gu  @oett)e'3  ©gmont,  in  Partitur.    Op.  84. 

g)  ߣ)riftu3  am  Delberg,  Oratorium,  Partitur  unb  (Staüier= 
SCuSjug.     Op.  85. 

Sn  Be^ug  auf  ba§  $iauoforte=(Soncert  in  Es  dur?  oeu 
öiöfelöunct  aller  ©oncert*ÜKufif  für  biefe3  Snftrumenr,  foroof)t 
feinet  geiftigen  ®eljalt§  afe  ber  tedjnifdjer  ©eit§  gu  töfenben 
Sdjroierigfeiten  megen,  ift  anjumerfen,  bafc  e§  unter  ben  (£om= 
öofitionen  biefer  (Gattung,  fo  aud)  unter  ben  meljrftimmigen 
für  $ammermufif,  bie  einige  mar,  bie  bor  feiner  Beröffent= 
Itcr)ung  burd)  ben  £)rud  nidjt  ju  (M)ör  gefommen.  S)iefe§ 
SBerf  mürbe  pm  erften  9J?at  am  12.  gebruar  1812  in  einer 
jur  ©eburtäfeier  be§  Slaiferö  im  Döern=£Ijeater  gegebenen 
?(fabemie  (mit  bargeftettten  Bitbern)  öon  Sari  6§ernt)  üor= 
getragen,  ber  e§  fid)  unter  5(nmeifung  Beett)oöen'£  beften§  gu 
eigen  gemacht  t)atte.  2)er  5(nfd)tag5ette(  melbete  auäbrüdüd) 
bie  SSibmung  be§  SSerfeS  „<5r.  faiferüdjen  £>ot)eit,  bem  @r^= 
rjer^og  9tubo(öt)."  @3  mödjte  au§  biefer,  gegen  (Sitte  unb 
Braud)  ftattgefunbenen  Äunbgebung  auf  ben  inneren  £)rang 
be§  SEonmeifterS  §u  öffentlicher  2)antfagung  an  feinen  burd)* 
laucfjtigften  ©öntter  roorjt  mit  @runb  gu  fd)tie^en  ferjn.  Bei 
?(nbtid  ber  ©ebicationen,  metdje  biefer  erften  nachgefolgt  finb, 
mtll  e£  fcfjeinen,  bafj  unfer  SD?eifter  öon  nun  an  eine  9?eit)e  öon 
Safjren  rjinburd)  faft  au§fd)lief$lid)  für  feinen  ©rgtjergog  com= 
öonirt  fyabe,  mie  biefer  mieberum  fid)  beftrebt  rjatte,  burd)  an* 
bauernbeS  ©tubium  ber  SEonroiffenfdjaften,  aber  aud)  burd) 
öffentliches  £>eröortreten  ai$  ßomöonift 126)  ad)tung<oroertrjer 
SBerfe  bem  Setjrer  unb  $ül)rer  $reube  §u   madjen.    @S  märe 

126)  Hierfür  mag  besonders  als  Zeugnis  der  Brief  No.  772  aus 
Mödling  vom  Jahre  1819  gelten;  siehe  B.  S.  Br.  No.  772  (IV.  Band) ; 
ferner  noch  No.  773  aus  Mödling  (IV.  Band).  A.  d.  H. 

3t.  ©tfjtnbter?  8eet§oben=lötogvcH}t)ie.  15 


—     226     — 

für  ben  ^erfaffer  tt>at)vfid)  ein  erfjebeubeS  ©efüljf  f)in5itfügen  gu 
bürfen,  hak  bie  gegenfeittge  Stimmung  5tuifd)en  Setjrer  unb 
©crjüler  fortan  biefelbe  geblieben.  SBon  ©eite  be§  (enteren  t)atte 
fie  trjatfäct)tid)  niemals  eine  9lenberung  erlitten.  £)e§  £erjrer§ 
SSerftimmungen  unb  übele  Saunen  aber  fjaben  in  fpäteren 
Satiren  felbft  ben  faifertidjen  8ö9^n9  uno  oornetjmften  feiner 
©önner  nid)t  üer[d)ont,  raaS  am  geeigneten  Orte  gezeigt 
merben  mirb. 

2öie  e§  um  bie  offen tlidje  SBürbigung  be§  Es  dur  (£oncert§ 
bei  beffen  erfter  Sluffiitjrung  auSgefefjen,  barüber  geben  menige 
SSorte  beS  Referenten  für  bie  Mg.  SJhtf.  $tg.  f)inreid)enbe  ?lu3= 
fünft.  @r  fagt  nid)t  metjr,  nid)t  weniger,  afe:  „©ie  übermäßige 
Sänge  ber  Sompofition  üerminberte  ben  £otal=@ffect,  ben  biefe§ 
rjerrtid)e  ©eifteSprobuct  fonft  gan^  gemiß  rjert>orgebrad)t  fjätte." 
—  Sßer  finbet  roorjl  biefeS  (Soncert  rjeutjutage  nod)  5U  lang, 
ober  gar  übermäßig  lang?  2Bieberum  geigt  biefe  fritifdje  53e= 
merfung,  baf3  in  ber  £)auptfad)e  bei  ben  23eett)ooen'fd)en  £on= 
bid)tungen  in  jener,  roie  in  fpäterer  ß^it  nod),  e§  ifjre  $orm 
gemefen,  baran  gumeift  Slnftoß  genommen  tuorben.  ginben  ftd) 
ja  bod)  in  unfern  Sagen  nocl)  gelehrte  Seute,  bie  ftd)  mit  9tb= 
gäljlung  ber  Sacte  einzelner  ©ä$e,  überhaupt  mit  9(u3meffung 
be<§  ^-läd)enint)alt§  23eett)oüen'fd)er  353erfe  unb  SSergteiclutng  mit 
ber  SJttnberaatjl  SäJcoäart'fdjei  ftubdfuße,  p  beschäftigen  SWiifee 
|aben.  SBeil  ber  (Spocfje  außer  £>at)bn  unb  9}(ogart  fein  anberer 
im  $ormroefen  abmeidjenber  (Slaffifer  befannt  mar,  fo  erflärt 
fiel)  ba§  fortgefefcte  Sträuben  gegen  33eetf)ooen'fd)e  formen  teid)t. 
93efanntfd)aft  mit  ©eb.  Q3act)'fd)er  Wu\\t  t)ätte  ba3  Vertraut* 
merben  mit  ben  (Sigenfjeiten  53eett)ooen'fd)er  im  allgemeinen 
früher  oermittelt.  äftan  t)ätte  erfahren,  baß  eS  außer  ben 
§at)bn  =  sDiOäart'fd)eu  formen  nod)  anbere  geben  fönne  unb 
mirflid)  gebe. 

lieber  biefe3  Opus  summum  in  ber  (£laüicrmufif  ift  ferner 
nod)  annullierten,  baß  e3  mäfjrenb  ber  Sebensbauer  feinet  ©d)öpferS 
nur  ein  eingigeä  SOZat  nod)  jur  51uefüt)rung  gekommen,  unb 


—     227     — 

groar  mieberum  burd)  (Sart  (Sgernt)  bei  (Megenfjeit  eine§  $)ßriüat= 
Qioncertg  be§  tüd)tigen  £)orniften  .Iprabetjn)127)  am  12.  3fprtt  1818. 
üebertjaupt  mufe  bemerft  werben,  bafe  ftdj  bie  SStrtuofen  jener 
©pod)e  ben  Seetljoüen'fdjen  ßoncerten  mit  unterbotener  ©djeu 
genähert,  gumat  aud)  ba3  publicum  feine  ober  nur  gu  geringe 
©Ompatljjie  bafür  311  ernennen  gegeben  Jjatte.  Da3  C  moll- 
(Soncert  unb  bie  $antafie  mit  ©fjor  aufgenommen,  bie  im  Verlauf 
oon  fünf^elm  Sauren  oiel(eid)t  je  2  Wlai  gehört  mürben,  ift  ba3 
$iolin*6oncert,  Op.  61,  mie  üorau§  gemetbet,  im  3at)re  1806 
gum  erften  9DM  öon  ^ranj  (Element  —  ofyne  allen  33eifatt  — 
oorgetragen  morben.  ©in  gtoeiter  Sßerfud)  im  fotgenben  3at>r 
fiatte  einen  günftigeren  ©rfolg,  atiein  toeit  entfernt,  um  baZ 
SBorurtbjeit  gegen  ba$  3Serf  §er[treuen  §u  tonnen.  (Sin  am 
3.  Wäic^  1816  bei  ©efegentjeit  eine§  „©efeHfdjaft3=(Soncert8" 
im  großen  Steboutenfaat  Oon  einem  Dilettanten  gemagter  britter 
SSerfuct)  —  blo3  mit  bem  erften  ©a§  —  fdjeiterte  gänjlid), 
mobnrct)  ber  ©taube  an  9Iu§füt)rbarfett  ftd)  uollenb^  feftgefteüt 
tjatte.  (£<§  barf  fonad)  roorjt  behauptet  merben,  bajs  biefe§  tn= 
fyaltreidje  3Serf  feit  1807  bt<§  auf  unfere  ßeit  tierfcfjolten  ge= 
mefen.  $n  ätjntidjer  Söeife  erging  e§  bem  $ianoforte=ßoncert 
in  G-  dar.  @§  blieb  an  groangig  Satire  nact)  ber  erften  ?tuf= 
füf)rung  liegen,  ba§>  S£ripet=@oncert  aber  nod)  länger. 

Der  ^auptgrunb  biefer  s#uf5erad)t(affung  ift  nirgenbä  anberö 
gu  fudjen,  afö  in  ber  üeränberten  SKidjtung  be§  ßtaoierfpielä 
burd)  §ummel,  9J?ofcf)e(e§,  ©art  (S^ernö  unb  Rubere.  Die  9ud)tung 
ftanb  ben  SBeetfjoüen'jdjen  £onbid)tungen  fomotjl  in  §inftd)t  auf 
$orm  mie  Snfyalt  oöüig  entgegen.  Sfyt  Ijeroorftedjenber  ßfyarafter, 
au§ge^eicb,net  burd)  (Slegang  unb  Sraoour  in  fdjöner,  abgeglätteter 
gorm,  oermodjte  bie  Sßeettjooen'fcfje  ßoncert=  mie  (SlamersäRufif 
im  allgemeinen  unb  93efonbern,  megen  it)re§  überroiegenb  geiftigen 


127)  Der  Waldhornist  Friedrich  Hradetzky  ist  im  Januar 
1776  zu  Swetleu  in  Böhmen  geboren.  Er  kam  frühzeitig  nach  Wien, 
wurde  später  k.  k.  Hof-  und  Kammermusikus.  Im  Jahre  1820  wurde 
er  pensioniert.  A.  d.  H. 

15* 


—     228     — 

SBefenS,  in  ben  Goncerten  meift  finfonifclt)er  $orm,128)  ofyne  be* 
fonbere  9J?üt)e  au§>  ber  Deffentticfjteit  gu  uerbrängen.  Snbeffen 
i)at  bie  jüngfte  3eit  °*efe§  SSergeljeit  einer  früheren  baburd) 
gefügt,  bah  e£  bie  bem  23ibttotf)etenftaube  überlieferten  Söerfe 
be§  S£onbid)ter3  ttrieber  in  Ujr  fRecrjt  eingefetjt  unb,  ttrie  e§  bem 
©eifte  gegenüber  ber  £ed)nif  gebüfjrt,  irjnen  ben  ^ong  nor  alten 
anbern  angemiefen  tjat. 

3u  ben  rjerüorragenbften  (Suriofitäten  in  ber  ^riti!  23ee> 
fjoüen'fcfjer  Söerfe  am  f)of)en  @erid)t§t)ofe  ^n  Seidig,  ber  be* 
ftänbigen  2Setterfar)ne  ber  9Inti=23eett)oüenianer,  barf  bie  33e= 
urtfjettung  über  bie  erfcfjienene  ©onate  (Les  Adieux  etc.)  gegärt 
merben.  3t)v  Söorttaut  mag  mieberum  ad  oculos  bemonftriren, 
roie  leichtfertig  man  bamat§  mit  SSerfen  umgegangen,  bie  nnfere 
$eit  nic£)t  mübe  mirb  §u  betuunbern.  SMefe  fritifdje  Suriofität 
lautet  fotgenbermafjen:  „(Sin  (MegenljeitSftüd,  (sie!)  aber  mie 
e§  ein  geiftreidjer  äfleifter  macfjt!  S)er  21bfd)ieb  fängt  mit  einem 
2tbagio  an,  beffen  einfacher  ^muptgebante  gteidjfam  lebe  mot)t 
au3fprid)t,  get)t  aber  batb  in  ein  t)eftigere§  unb  au3gefüt)rteä 
Megro  über,  ba3  ben  ©cfjtnerä  ber  Trennung  6ejeic£)nen  foll; 
ein  einbaute  espressivo,  üon  einiger  ©crjroere  im  ^auptgange, 
aber  unruhiger  SöeroegltcrjEeit  in  9?eben=$iguren,  beutet  auf  @m= 
pfinbungen  roätjrenb  ber  Slbmefentjeit  (e§  fetjeint  auf  lange  £)auer 
angelegt,  mirb  aber  balb  unb  unüermutfyet  geftört  —  ma§  eben= 
falls  redjt  artig  fiel)  beuten  läfct;)  [!?]  unb  ein  überrafetjenbes, 
fetjr  lebenbigeä  unb  freubenuotteä  Megro,  ba$  ^iemtid)  breit 
ausgeführt  mirb,  be^eietjuet  ba§>  Söieberfefyen."  2)a<S  ift  2ttfe£, 
ma§  man  über  biefeS  SSerf  5U  fagen  mujjte. 

Sn  S3e§iet)ung  auf  bie  in  9tebe  ftet)enbe  »Sonate  barf  root)t 
al§  ^ßarent^efe  gefragt  merben,  mot)er  e§  lomme,  ba$  berfelben 
in   einigen  Katalogen   (aud)   in   bem  tt)ematifd)en  bei  S3reitlopf 


128j  Dieser  Ausdruck  ist  hier  nicht  recht  klar.  Schindler  wollte 
wohl  bei  den  Konzerten  von  Hummel,  Czerny,  Moscheies  sagen  „bei 
den  Konzerten  meist  ohne  sinfonische  Form".  A.  d.  H. 


—     229     — 

unb  £mertel)  bas  @pitf)eton  „djarafteriftifcrj"  beigefetjt  erfcJjeint? 
Sinb  benn  alle  übrigen  Sonaten  23eett)ooen's  nichj  cfjarafteriftifc^, 
roeil  fie  feine  9tuffd)rift  tragen,  üermöge  metdjer  Dem  ©efüljfe 
eine  beftimmte  9ftd)tung  gegeben  roirb?  —  @ines  £ages  rjörte 
ber  SSerfaffer  ben  Sfteifter  fid)  beftagen,  bafj  er  ber  Sonate, 
Op.  13,  bas  ©ptttjeton  „pathetique"  beigefetjt  b,abe.  „511te  Söett, 
bemerkte  er,  greift  allein  nach,  biefer  Sonate,  meit  iljr  burct)  ben 
23eifa£  ein  au^eicfmenber  üftame  gegeben  ift,  ber  ben  Spielern 
5ur  ^anbrjabe  bient."  3)ie  9)?ufif&anbtungen  roiffen  aussagen, 
roie  oft  bei  bem  gegenmärtig  üermefjrten  23erbraud)  an  (£tabier= 
äftufif  bie  Sonate  pathetique  im  SSerbältnifj  51t  allen  übrigen 
gefauft  roirb.  Wxt  ©runb  fonnte  fid)  baber  ein  beutfdjer  35er= 
leger  5U  bem  SSerfaffer  äußern:  er  motte  gern  ein  Honorar  oon 
10  000  ©ufben  für  eine  neue  Sonate  pathetique  bejahten. 
Soldje  SSirfung  erjeugt  btos  ein  frembes  SSort,  beffen  begriff 
ber  9ftehr5ah(  im  (Staüier=fpietenben  publicum  immerhin  fremb 
geblieben!  Söie  oft  fjätte  mot)t  Seethoöen  bas  (Spitheton  „patfjetifd)" 
feinen  Sßerfen  aller  (Gattungen  an  bie  Stirne  fe|en  muffen, 
hätte  er  fid)  mieberijolen  motten?!  Söenn  mir  bie  allgemein 
gültige  (Srftärung  biefes  SSortes  jjur  £)anb  nehmen,  metdje  tautet: 
„Söahrljaft  pathetifd)  ift,  roas  eine  ftarle  @emütt)sberoegung 
mit  SBürbe  unb  (Srnft  ausbrüdt,"  fo  ergibt  fiel)  Daraus  bie 
Srjarafterifttf  bes  ©runbmefens  aller  23eetl)oöen'fd)en  9J?ufif  unb 
roirb  in  23ejug  auf  beffen  Sßerfe  für  ^ßianoforte  nur  noefj  ein 
@rgän§ungsmort  ^ingugufefeen  feint,  roetdjes  haßt:  rfjetorifcf). 
2)iefes  gehört  jeboct)  bem  Vortrag  an. 

£)as  Sahr  1812  zeichnet  fid)  unter  allen  im  Saufe  ber  1812. 
gmeiten  Sebensperiobe  bes  9J?eifters  baburd)  aus,  bafj  fein 
Katalog  um  fein  einziges  neues  SSerf  fid)  üermerjrt  fiet)t,  eine 
Anomalie,  ber  mir  in  ber  britten  $ßeriobe  miebert)oft  begegnen 
merben.  hingegen  roeijj  es  Oon  @ntftet)ung  mehrerer  neuen 
SSerfe  gu  berieten,  bie  ben  9iuf)m  ü)res  Schöpfers  um  ein 
anferjutidjes  oergröfcert  haben;  es  finb:  bie  Sinfonie  in  F  dur, 
ferner    bie    in    A   dur,    bie    äßufif    $u     „2)ie    Ruinen    Don 


—     230     — 

Sittjett"129)  unb  bie  Duberture  zu  bent  ungarifcljen  9?ational= 
Scfjaufpiele:  „föönig  Stephan/  llngarn'3  größter  Sßorjttfjäter." 
Sie  ©icfjtung  zu  betn  geftfpiele:  3)ie  Ruinen  oon  5ltt)en  lieferte 
2luguft  Don  Äo$e6ue.  @3  Jjatte  ben  gtuecf  ntit  23eetrjooen'£ 
Sftuftf,  unb  in  SBerbinbung  mit  e6en  genanntem  National* 
Scfjaufpiel  jitr  (Eröffnungsfeier  bes  neuen  Stabttrjeaters  in  Sßeft!) 
Zu  bienen,  roelcfje  51t  Einfang  bes  ."perbftes  ftattgefunDen. 

lieber  bie  geitfolge  ber  (Sntfterjung  biefer  2Berle,  nament* 
lief)  ber  betten  Sinfonien,  befanb  ficfj  ber  SBerfaffer  in  ben 
früheren  Slusgaben  im  Srrtfjum,  beffen  Q3efeitigung  er  nun  bem 
©rafen  SSrunsroicf  üerbanft,  ber  gu  jener  ßeit  oiel  um  ben 
SDteifter  geroefen.  3uf°^9e  feiner  ÜJiacfjricrjt  aus  bem  Setzte  1843 
fällt  bie  Gompofition  ber  Ruinen  oon  Sitten  in  bie  erften 
Monate  bes  SalrreS  1812;  gleichzeitig  gefcrjafjen  aber  bie  l£nt= 
roürfe  zu  ben  beiben  Sinfonien,  oon  benen  bie  in  F  dar  (Sfto.  8) 
roätjrenb  Seetrjoüen's  Slufentfjalt  ^ur  ^rüljling^eit  bei  feinem 
SSruber  Sofjann  51t  Sing  aufgearbeitet  roorben.  9?on  bort  begab 
er  ftd)  §ur  Stur  naefj  £ep(ii3,  roo  bie  Cuüerture  zu  ßönig 
Stephan  gefcfjrieben  marb.  9?acf)  ber  9}ücfterjr  ging  ber  ge* 
fräftigte  äReifter  an  bie  Ausarbeitung  ber  A  dur=Sinfonie  (ÜJco.7). 

—  Ss  tritt  fonad)  mit  beiben  Sinfonien  rjinficfjtticf)  ber  Um= 
taufdiung  ber  Stimmern  berfelbe  galt  ein,  roie  oon  ber  ^aftorale 
unb  ber  in  C  moll  an^umerfen  geroefen.  Heber  ben  23eroeggrunb 
hierfür  rou^te  ©raf  Srunsmicf  nicfjts  znberläffiges  mitzuteilen, 
deinerseits  fucfje  id)  benfelben  lebigltdj  in  ber  gleichen  ^on= 
art  (F  dur)  bei  ber  ^ßaftorafe  unb  ber  gunäcfjft  barauf  gefolgten, 
fpäter  mit  9?o.  8  bezeichneten. 

1293  Hierher  gehören  die  mannigfachen  Briefe  an  die  Firma 
Breitkopf  &  Härtel  und  andere,  in  denen  von  den  Ungarn  die  Rede  ist; 
bei  Beethoven  heißen  sie  gemeinhin  „die  Schnurrbarte*.  Die  erste 
Aufführung  der  Kompositionen  (op.  113  und  117)  fand  in  Pest  zur 
Eröffnung  des  neuen  (deutschen)  Theaters  am  9.  Februar  1812  statt. 

—  Hierher  gehören  ferner  Briefe  au  den  Kammerprokurator  Yarena 
in  Graz,  an  den  Dichter  Kotzebue  selbst  und  andere;  cf.  B.  S.  Br. 
No.  253.  268,  269,  273  usw.  (II.  u.  III.  Band).  A.  d.  H. 


—     231     — 

2lu§  33eetf)oben'§  ©orrefponben^  mit  Bettina  Brentano  ift 
unä  fein  Serweiten  gu  Xeplitj  1812  begannt.  5In  bie  D^eife 
batjin  bon  8in-$  au3  fnüpft  fiel)  nacf)ftet)enber  $all. 

23eljuf3  SReguiirmig  feiner  ötonomifdjen  SScrtjältniffc  fteffte 
23eetf)oben  an  ben  ju  ^ßrag  wofjnenben  dürften  StHnötb,  per= 
föntief)  ba§  ?tnfudjen,  ben  in  ber  9?ente=llrfunbe  bom  1.  9J2är§ 
1809  itjm  sufaHenbert  SCntljetf  gleich  ben  beibeu  anberen  tjotjen 
Sljeifnefjmern  in  Sintöfungyfdjeinen  nmfe|en  §u  wollen.  ®er 
$ürft  Wittigte  in  ba$  2tnfud)en  nnb  tjänbigte  bem  £onmeifter 
bie  Summe  bon  60  ©tücf  ©ulaten  aU  ä  (Sonto=3a^u"9  ein, 
mit  bem  ^Beifügen,  an  feinen  9?entmeifter  in  SSien  bie  SBeifung 
er(affen  31t  wollen,  bafj  unferm  Steiftet  bei  beffen  3urüdfanft 
in  bie  SReftbenj  bie  Weiteren  Diüdftänbe  fofort  au§be^af)tt  Werben 
fallen.  Sebodt)  nod)  wäfyrenb  33eetfjoüen'3  Sfufentljalt  51t  Stepti^ 
fjatte  ber  gürft  ba$  Ungtticf,  in  $otge  eines  ©tur^eS  bom  ^ßferbe 
ba$  Seben  $u  berlieren,  bebor  nod)  bie  beabfidjtigte  Söeifitng  an 
ben  SBiener  SRentmeifter  erfaffen  mar.  Sie  eingefetjte  $ormunb= 
fd)aft  über  feine  (Srben  refpectirte  be§  Verdorbenen  Verfprectjen 
an  SSeettjoben  nicfjt  nnb  wollte  fid)  tebiglid)  an  ben  SBorttaut 
be§  tfinanäpatenteS  —  SRebuctrung  ber  ftipulirten  Summe  auf 
ein  fünftel  —  Ratten.  Veettjoben  fat)  fiel)  bemnad)  berantafjt, 
fid)  mit  einer  ®lage  an  bie  6ö§mtfdjen  Sanbredjte  3U  wenben. 
2)urd)  Sprud)  bom  18.  Januar  1815  berurtf)eitte  biefe§  Ober* 
geriet  bie  fürfttidje  Vormunbfdjaft  jur  3a^un9  einer  jät)rlid)en 
SRente  bon  1200  (Bulben  in  (Sintöfung3fd)einen  —  anftatt  ber 
1800  ©ulben  in  Sauco^ettelu  —  angefangen  bom  3.  9?obember 
1812.  Gstntge  Satyre  fpäter  berwanbelte  fid)  biefe  Summe  in 
300  ©ulben  in  «Silber.    Sabei  tjatte  e§  fein  Verbleiben. 

Sie  eine  lange  SReilje  bon  Sauren  otjne  9?aft  unb  Smutje  1813. 
fortgelegten  ?tnftrengungen  am  2lrbeit§tifd)e  tonnten  auf  ben 
pl)t)fifc^en  3uftan°  unferS  SfteifterS,  inSbefonbere  auf  feinen 
fortan  teibenben  Unterleib,  nidjt  anberä  atö  öerberbüct)  ein* 
Wirten.  $£a%  bie  Stur  §u  2epli§  ©uteS  bewirft  tjatte,  Warb 
fd)on  in  Den  nädjften  Monaten  Wieber  ^erftört.   2>a3  Safjr  1813 


—     232     — 

ergibt  fid)  fonacr),  trie  faum  eines?  ber  früheren,  al3  ein  (eiben= 
öolleg.  3ufo(ge  ber  bem  SSerfaffer  geworbenen  sD?ittf)eüungen 
öon  9lnbreas>  ©treidjer  unb  beffen  ©ematjtin,  bie  beibe  al§ 
befonberö  trjeilnerjmenbe  $reunbe  jur  3^it  unferm  Sfteifter  nafye 
geftanben,  befanb  fid)  nid)t  minber  fein  ©emüttj^uftanb  in 
einer  Sßerfaffung,  roie  feit  bem  ^rüfungsjarjr  1803  nid)t 
bemerkt  morben. 

@§  foüte  barjer  auf  äratlidjen  9ktrj  im  Sommer  biefeS 
3arjre§  eine  $ur  in  bem  natjen  ©oben  nerfudjt  roerben,  unb 
fcrjeint  e§  au3  bem  Snrjatte  bes>  t)ier  folgenben  23riefe§  oon 
feinem  f'aiferücfjen  3ööüng,  (Sr^er^og  SRubolpt),  tjeroor  gu  gerjen, 
ba^  bie§  33eett)ot>en3  altererfte  Äur  an  biefem  Sabeorte  gemefen. 
S)er  ©rg^erjog  fdjreibt:*) 

„Sieber  23eett)ooen! 
Wxt  üietem  Vergnügen  fyabe  id)  au3  Syrern  Briefe  Dom 
27.  be3  oor.  3J?onv  ben  id)  erft  üorgeftern  9tbenb§  erfjielt,  3t)re 
3lnfunft  in  meinem  lieben  33aben  erfahren  unb  rjoffe  ©ie,  menn 
e§  Sfyre  3eü  ertaubt,  morgen  23ormittag3  bei  mir  gu  fetjen, 
ba  ber  Shtfenttjalt  Don  einigen  klagen,  ben  id)  tjier  gemacht, 
fdjon  fo  oortljeUtjaft  auf  meine  ©efunbtjeit  geroirft,  bafj  icf)  ofyne 
üftad)tt)eU  für  biefetbe  ju  befürchten,  SDhtftf  tjören  unb  mieber 
felbft  ausführen  fann.  2ftod)te  3t)v  2Iufentf)a(t  in  biefer 
gefunben  unb  fcfjönen  ©egenb  gteidje  Sßirfung  auf  Sfjren 
ßuftanb  rjerborbringen,  fo  märe  mein  3^^  °™  idj  burdj  Sorge 
für  Sfyre  Sßotmung  beabfid)tigt,  gän^lid)  erfüllt. 

Saben,  ben  7.  Suni  1813. 

S^r  $reunb 

3)iefe  3e^en  oeg  ©t^tjer^ogö  geroäljren  einen  ftaren  33(id 
in  ba§  freunbfd)afttid)e  95er^ä(tniJ3  gmifdien  ©d)ü(er  unb  SeJjrer. 
3)er  t'aifertidje  ^rinj   t)atte  fid)  in  liebebofler  £ljeUnaIjme  für 


*)  ®a§  Original  btefeä  3Brtefe§  Befanb  fid)  in  her  2(uiograpf)en-8amm= 
lung  üon  Sranj  öiäffer  in  SBien. 


—     233     — 

ben  leibenben  fieljrer  fogar  mit  2(uffud)en  einer  ^affenben 
SBolmung  in  feinem  „lieben  23aben"  befaßt.  ®iefe3  35ertjä(tniB 
erinnert  ^u  fefjr  an  Seopotb  ©d)efer3  üftoüefle  „Sfteifter  unb 
©dualer",  at§  bafj  id)  e§  mir  öerfagen  fönnte,  eine  ber  treffenb* 

ften    Stellen    barauS    t)ier    beizufügen SMefe    lautet: 

„Man  tritt  al§  Sunftjünger  mit  feinem  SCReifter  in  ein  im* 
6efd)rei&tid)e3  33erf)ä(rnift.  (Sr  fütjrt  un§  in  ein  grofee§  emigeS 
9?eid)  ein,  ba§>  in  ber  SBelt  boct)  ü6er  alle  SBelt  ftetjt  (Sr  madjt 
uns>  betannt  mit  Männern,  bie  längft  batjin  finb  unb  bocrj  nor 
un§  manbetn  unb  teudjten  in  ben  SBerfen,  unb  malten  unb 
rjerrfdjen.  (Sr  fcfjenft  un§  ben  ©eift  ber  ft'unft  burd)  feinen 
©eift  unb  fein  3Siffen  unb  können.  SBir  fdjauen  in  feine  un3 
offene  Seele  unb  burd)  unfern  Setjrer  roirb  uns»  erft  bie  ©röfje, 
bie  Sdjönljeit,  bie  £)otbfetigf:eit  ber  ganzen  SSelt  öerftänbtidj, 
unb  burd)  iljn  aufgefcfjloffen  unb  burd)  bie  Vernunft  uns  nadj= 
unb  üorgefdjaffen ,  wirb  fie  zulegt  felbft  unfer  (Sigentljum. 
Dber  magrer  un3  au§zubrüden:  mir  gefangen  burd)  it)n  erft 
ZU  unferö  eigenen  ©eljaltes?  23efii3  unb  tjeben  burd)  itjn  bie 
Sdjätje  unferö  @eifte§  unb  §er§en§.  (Sine  $er6inbung  gmifc^en 
sJReifter  unb  jünger  bauert  zeitlebens,  unb  nur  ein  Sftdjtä* 
mürbiger  legt  bie  (Stjrfurdjt  öor  feinem  Sfteifter  ab,  unb  menn 
er  itjn  ge^nmal  Ü6er6öte.  (Sin  2>anf6arer  6et)ätt  bie  freute 
an  feinen  SBerfen,  feinem  Sßirten  unb  SSorjlergetjen  in  aller 
2Irt,  mie  e§  einem  SJJenfdjen,  einem  Hünftler  nur  roofjlergefjen 
fann."  —  2>a3  Ijat  ber  faiferlidje  ^ßrinz  bi§  an  fein  Seben§= 
enbe  Oetljätigt. 

ßufolge  9)cittt)eitungen  tion  grau  (Streicher,  bie  im  Saufe 
be§  ©ommer<§  Don  1813  gleichfalls  in  Sßaben  roeitte,  befanb 
fidj  unfer  SEonbidjter  aud)  in  .£rinficfjt  auf  föörüerbebürfniffe 
aller  31rt  in  bermaf)rlofetem  ßuftanbe.  (SS  fehlte  an  guter 
Äleibung,  metrc  nod)  an  SBäfdje.130)  3Sem  bie  <Sd)ulb  folctjer 
Sßermatjrlofung  äujufdjreiben,   06   bem   gänzlichen  SSerfenfen  in 

130)  Die  zahlreichen  Briefe  an  Nanette  Streicher  vom  Jahre  1813 
im  III.  Bande  der  Briefe  legen  Zeugnis  davon  ab.  A.  d.  H. 


—     234     — 

feine  Stubien,  ober  bem  iljn  beOormunbenben  ©ruber  Gart, 
märe  mit  ©emifefjeit  nidjt  aus^ufagen.  23ielteid)t  fällt  bie  Sd)utb 
nad)  beiben  ©eiteu.*)  SDie  ttjeilneljmenbe  5reun0^n  toQr  oem= 
nad)  fogteid)  nad)  itjrer  Sxüdtunft  in  2öien  mit  £)ütfe  ü)re§ 
©ema£)l0  für  £>erbeifd)affung  be*  23enött)igten  beforgt.  9lad) 
beenbigtem  5Iufentt)atte  %u  SSaoen  bejog  nnfer  neubelebter  Weifter 
mieber  bie  für  ifyn  offen  getaffene  SBofjnung  im  £>aufe  feine§ 
$reunbe§  93aron  $ßa3quatati  auf  ber  5D?ö(fer=S3aftet,  in  meldjer 
itjrn  ber  23erfaffer  biefer  ©djrift  gu  ©nbe  fflläxfr  1814  gum 
elften  9D?at  gegenüber  51t  fteljen  bie  (£ljre  get)a6t.  (§§  ttmrb 
ferner  ein  ©ebieuter  angenommen,  ber  ein  ©djneiber  mar  unb 
im  SSorjimmer  be§  (Somponiften  fein  ^anbmert  ausgeübt  f)at. 
©erfelbe,  im  Vereine  mit  feiner  $rau,  bie  jebod)  nidjt  im 
§auf£  morjnte,  pflegte  ben  9J?eifter  mit  rüljrenber  ©orgfalt  6i§ 
in  ba§>  Saljr  1816,  —  unb  biefe  geregelte  SebenSmeife  befam 
unferm  5l'eunoe  fe^r  tttot)!.  §ätte  fie  nur  menige  3al)re  nod) 
fortbauern  tonnen. 

Sin  biefe  (Situation  fnüpfen  fid)  Sfterftnate  oon  Siebe  unb 
^ereljrung  «Seitens  be§  dürften  Sidjnom^ft),  bie  mot)t  einer 
näheren  Srraäijnung  merti)  finb.  ©er  $ürft  mar  e3  gemobnt, 
feinen  Siebting  redjt  oft  in  feiner  SBerfftätte  51t  befudjen.  dlad) 
beiberfeitiger  Uebereinfunft  foflte  oon  feiner  2lnroefenljeit  feine 
üftotij  genommen  merben,  bamit  ber  SÄeifter  nidjt  geftört  roerbe. 
©er  $ürft  pflegte  nad)  einem  SJtorgengmfe  irgenb  ein  9Jhtfii= 


*)  Unterm  15.  Wai  1813  finbet  fid)  t>on  be§  SKeifierS  £anb  in  feinem 
Sagebud)  folgenbe  Stefle  üerjeidjnet:  „Kine  grofje  ^anblurig,  meldie  fetjrt 
tann,  31t  unterlaffen  unb  fo  51t  bleiben  —  0  »ueldjer  llnterfcfjieb  gegen  ein 
unbeflifferteS  Seben,  meld)e£  fid)  in  mir  fo  oft  abbilbete  —  0  fctjredlidje 
llmftänbc,  bie  mein  ©efüt)l  für  §äu§lid)feit  nid)t  uuterbvüden,  aber  beren 
5lu§übmtg,  —  0  ©Ott,  ©ott,  fief)  auf  ben  unglüdlid)en  33.  berab,  lafj  eg 
nidjt  länger  fo  bauevn."  —  2)iefe  2ln§rufe  gelten  als  Kommentare  für  bie 
Situation.131) 

131)  Nach  dem  Tagebuche  im  Fischhoffschen  Manuskript  Folio  29  a. 
Siehe  auch  Nohl,  die  Beethovenfeier  und  die  Kunst  der  Gegenwart 
(Wien  1871),  S.  53.  A.  d.  H. 


—     235     — 

merf  burctjgubfättern,  bm  arbeitenben  Sfteifter  eine  SBeile  gu 
beobachten  unb  bann  roieber  mit  einem  freunbtidjen  „5tbieu" 
bie  Stube  gu  Oerlaffen.  SDemtodj  füfjtte  fid)  23eetl)ot>en  burd) 
biegen  23efud)  geftört  unb  öerfd)(oJ3  gumeilen  bie  Sttjür.  Un= 
oerbroffen  flieg  ber  ^ürft  roieber  3  ©todroerfe  tjinab.  9tl<3  aber 
ber  fcfjneibernbe  S3ebiente  im  Sßorgimmer  faJ3,  gefeilte  fid)  bie 
fürftlictje  £)urd)tauct)t  gu  i§m  unb  fyarrte  fo  lange,  6tS  fid)  bie 
Sttjür  öffnete  unb  fie  ben  dürften  ber  Stonfunft  freunblid)ft 
begrüben  tonnte.  S)a§  SBebürfnife  mar  fomit  geftitlt.  @<§  ift 
bie£  morjt  ein  fct)öne§  «Seitenftüd  51t  bem,  roa<§  mir  eben  erft 
öon  ben  ©efinnungen  be<§  ©rgtjergogä  SRubotpr)  oernommen 
{jaben.  @3  mar  jebocfj  bem  atterueref)rten  ^unft^äcen  be= 
fdjieben,  nidjt  lange  merjr  feinet  £iebling§  unb  beffen  ©djöpfungen 
fiel)  freuen  gu  fonnen,  benn  fcfjcm  am  15.  ?tprit  be3  folgenben 
SatjreS  tjat  er  ba§  3e^<^e  gefegnet! 

®a§  Satjr  1813  roeifj  oon  neu  erfdjienenen  SSerfen  nur 
ein  einziges  gu  nennen:  S)ie  erfte  $?effe  in  C  dur,  Op.  86. 
£>ie  (Sntftetjung  biefe§  ÄirdjenroerfeS  getjt  jeboct)  bi§  in'3  Satjr 

1807  gurüd,  mie  bort  bereits?  angegeigt  mürbe.  @§  marb  für 
ben  dürften  ©fterrjagt)  gefdjrieben  unb  im  Saufe  beS  ©ommer» 

1808  gu  (Sifenftabt  unter  Seitung  be§  (Eomponiften  aufgeführt. 
$Iu§  Sof.  §atjbn'3  £eben3gefd)icrjte  ift  Die  Vorliebe  biefe<S  ®unft= 
9J?äcen'3  für  $ird)enmufit  befannt,  üon  ber  er  feboct»  meniger 
erhoben  at§  unterhatten  fet;n  mottle.  ©ieS  ertlärt  ben  oft 
menig  firdjtidjen  ©eift  in  §atjbn'<§  Neffen,  barin  ber  (£apett= 
meifter  bem  ©efdjmade  feinet  dürften,  getüi^  nid)t  feiten  gegen 
fein  eigenes  beffereS  ©efürjt,  möglidjft  nafye  gu  fommen  beflrebt 
mar.  Stber  baburd)  mürbe  ber  $ürft  gu  üerroötjnt,  um  nidjt 
alle  anbere  (Sompofitionen  mit  §at)bn'fd)em  93?a$ftabe  gu  meffen. 
$ur  felben  ßeit  mar  ber  grof$e  Meifter  bereite  in  Diuljeftanb 
getreten  unb  80t).  9cep.  Rummel  funetionirte  al§  ©ape  ümeifter 
gu  (Sifenftabt. 

5ln  bie  Sluffüfjrung  biefer  SDceffe  in  ber  fürftlictjen  ffiefibeng 
fnüpft   fidE)   nad)ftef)enber   Vorfall.    (S§   mar  ©itte   an   biefem 


—     236     — 

|)ofe,  baf}  nadj  beenbigtem  ©otteSbienft  bie  f)eimifd)en  mie 
fremben  mufifalifctjen  Sxotabititäten  ficf>  in  bert  ©emädjem  be£ 
dürften  51t  öerfammetn  pflegten,  um  mit  üjm  ü6er  bie  auf- 
geführten SSerfe  §u  conberfiren.  S3eim  (Eintritte  Söeetrjoben'S 
menbete  fidj  ber  $ürft  mit  ber  $rage  an  iljn:  „9Iber,  Heber 
QSeetfjoben,  tt>a3  rjaben  ©ie  benn  ba  mieber  gemacht?"  £)er 
(Sinbrucf  biefer  fonberbaren  $rage,  ber  tnarjrfcrjeinlid)  nocfj 
mehrere  fntifdje  9lnmerfungen  nachgefolgt  finb,  mar  auf  unfern 
Stonbicrjter  ein  um  fo  empftnblid)erer,  at3  biefer  ben  gur  (Seite 
bei  dürften  fterjenben  ßapettmeifter  ladjen  farj.  'Sieä  auf 
ficfj  begierjenb,  üermodjte  itidjtS  merjr  irjn  an  einem  Orte  §u 
Ratten,  mo  man  feine  Seiftung  fo  üerfannt  unb  er  überbie3 
uocfj  eine  ©cfjabenfreube  an  feinem  ^unftbruber  roafjrnerjmen 
gu  muffen  geglaubt.     üftocfj  am  fetben  Jag  uertiefj  er  (Sifenftabt. 

35on  bort  batirt  bo.3  3erfa^en  m^  §umme(,  mit  bem 
jebod)  ein  üertrauüd)e§  3Sertjältni%  nid)t  beftanben  fjat.  Seiber 
mar  e§  niemals  gu  einer  (Srflärung  §mifd)en  Seiben  gekommen, 
mobei  e§  ftcf)  öielteidjt  rjerauggeftellt  tjätte,  bafj  ba3  fatale 
Sadjen  nicfjt  Seetfjoüen  gegolten,  öietmerjr  ber  fonberbaren  ?(rt, 
mie  §ürft  <Sfter£»aä^  bie  eben  gehörte  Sfteffe  fritifirte  (an  ber 
morjt  mand)e§  au§gufe^en  bleibt.)132) 

51ber  ©rünbe  anberer  2trt  Ratten  bem  §affe  23eett)oöen's 
nod)  befonberä  9?arjrung  gegeben.  3)er  eine  betraf  eine  mit 
<pumme(  gemeinfdjaftlidje  Neigung  §u  einem  9DMbd)en,  ber 
anbere  bie  3üd)tung,  roelcfje  bem  ßlaüierfpiel,  mie  audj  ben 
(Sompofitionen  für  biefeS  Snftrument,  31t  atlererft  burd)  £mmmet 
gegeben  morben,  mie  borau^gerjenb  ermähnt  ift.  (£rft  in  ben 
legten   Seben^tagen   Q3eett)oüen'<3,    post  tot   discrimina  rerum, 


132)  Das  Zerwürfnis  zwischen  dem  Fürsten  v.  Esterhazy  und 
Beethoven  und  die  daraus  resultierende  Feindschaft  zwischen  den 
Meistern  Hummel  und  Beethoven  waren  durchaus  nicht  so  tragisch  und 
intensiv,  wie  es  Schindler  darstellt.  Vgl.  Brief  No.  141  in  B.  S.  Br. 
(I.Band).  Vgl.  auch  Thayer,  II.  Band,  über  dieses  Zerwürfnis  beim 
Jahre  1807.  A.  d.  H. 


—     237     — 

ift  burcf)  §ummel<§  @rfcf)einen  am  tontenbette  bie  §tütfd)en 
beibe  $ünftler  fiel)  gelagerte  SBotHe  ptötjticl)  au3einanber  geftoben. 
üftät)ere3  barüber  unter  ben  (Stjarafterjügen. 

SSon  ber  9J?effe  in  C  dur  tierbient  nod)  angemerft  ju 
merben,  bafe  fie  in  ^otge  (Sigentl)um§  be3  dürften  ©ftertja^t) 
fo  fbät  ber  Deff  entlief;  feit  übergeben  merben  tonnte.  3n  SSien 
ift  fie  gar  erft  im  ^atjre  1816  gum  erften  9J?al  burd)  ©ebauer 
in  ber  21uguftiner=§ofrtrcfje  gur  Aufführung  gefommen. 


2Bir  fterjen  nun  üor  einem  ber  roicfjtigften  Momente  im 
Öeben  be3  9Jcei(ter§,  in  roetcfjem  alle  bi^er  biffentirenben  Stimmen, 
mit  9tu§nat)me  weniger  gacfjmänner,  fiel)  enblid)  batjin  geeinigt 
rjatten,  irjn  be3  2orbeer3  roürbig  5U  galten.  2ßir  fjaben  nämticf) 
über  bie  am  8.  unb  12.  ©ecember  1813  in  ber  Aula  ber 
Uniüerfität  ftattgefjabten  Aufführungen  ber  A  dur = «Sinfonie 
unb  ber  (Sinfonie:  „2Betlington'3  Sieg,  ober  bie  Sdjlactjt  bei 
^ittoria"  gu  f preisen,  roeldje  $eierlicl)l:eit  üon  bem  t.  t  §of~ 
medjanifer  bälget  gum  SÜortfjeite  ber  in  ber  Scfjlacfjt  bei 
£>anau  inüalib  gemorbenen  öftreicf)tfc£)en  unb  batierfdjen  Krieger 
üeranftaltet  roorben  mar. 

Heber  biefe  Gegebenheit  liegt  bie  gang  oon  $eetljoüen'3 
£>anb  gefctjriebene  Stanffagung^Urlunbe  an  bie  babei  mitgeroirft 
tjabenben  ^ünftter  üor,  meiere  gum  23ef)ufe  ber  $eröffentticf)ung 
abgefaßt  mar.  Stirer  SJfttttjeitung  mögen  jebocf)  einige  Stellen 
au§  bem  Gericht  über  biefe  geier  üorangefjen,  ber  fiel)  in  ber 
Mg.  9ttuf.  3tg.  XVI,  9b.  4,  üorfinbet,  meit  er  a(§  ber 
AuSbrucf  ber  öffentlichen  Meinung  in  ber  Slaiferftabt  betrachtet 
reterben  barf. 

@3  £>ei^t  barin:  „ßängft  im  8n=  unb  Auätanbe  aU  einer 
ber  größten  3nftrumentat=(£omüoniften  geehrt,  feierte  bei  biefen 
Aufführungen  §err  oan  Geettjoüen  feinen  Sriumüf).  ©in  gat)t= 
retcJ)e§  Drcf)efter,   burctjau§  mit   ben   erften  unb  öorjügticljften 


—     238     — 

fyiefigen  £onfünfttern  befei^t,  fjatte  firf)  roirftid)  au§>  patriotifcrjem 
(Sifer  unb  innigem  £)anfgefürjt  für  ben  gesegneten  (Srfofg  ber 
allgemeinen  Wnftrengungen  SteutfdjfcmbS  in  bem  gegenwärtigen 
Kriege  gur  SUfttnrirfung  ofyne  ©ntfd)äbigung  öereinigt  unb 
gemäfyrte,  unter  ber  Leitung  be3  ßomponiften,  burd)  fein  präcifeS 
ßufammenfpiet  ein  allgemeines  Vergnügen,  baS  firf)  bis  §um 
(SnttjufiaSmuS  fteigerte.  $or  aüem  üerbiente  bie  neue  ©infonie 
jenen  großen  SBeifall  unb  aufeerorbentlid)  gute  Hufnafjme,  bie 
fte  erhielt.  9#an  mu§  bieS  neuefte  2£erf  beS  ©enie'S  Söeetbooen'S 
fetbft,  unb  roofjl  and)  fo  gut  ausgeführt  rjören,  tote  eS  Ejier 
ausgeführt  mürbe,  um  gan§  feine  ©djönrjeiten  mürbigen  unb 
recrjt  üoüftänbig  genießen  $u  tonnen  ....  j£5aS  Stnbante*) 
mufete  jebeSmat  miebert)ott  merben,  unb  ent^üdte  Henner  unb 
Sfticrjtrenner.  —  2SaS  fobann  bie  ©djladjt  betrifft:  mit!  man 
nun  einmal  fte  burd)  Xöne  ber  SJcufif:  auSpbrürfen  oerfudjen, 
fo  roirb  man  menigftenS  eS  eben  auf  bie  §(rt  machen  muffen, 
röie  eS  f)ier  gefd)eljen.  (Einmal  in  bie  Sbee  eingegangen,  erftaunt 
man  freubig  über  ben  ^eidjtfjum,  unb  norf)  metjr  über  bie 
geniaüfdje  $8ermenbung  ber  Äunftnüttel  ju  jenem  ßmecf.  £>er 
Effect,  ja  fetbft  bie  red)t  eigenttidje  Siäufdjung  ift  gan^  aufter* 
orbentlid);  unb  e§  täfjt  firf)  roobi  otjne  alteS  23ebenfen  behaupten, 
eS  ejiftire  gar  nid)tS  im  ©ebiete  ber  malenben  Xonfunft,  baS 
biefem  Sßerfe  gteid)  fäme." 

©in  Sßert  mie  bie  ©rf)(ad)t= «Sinfonie  mufete  rommen,  um 
bie  nod)  immer  auSeinanbergetjenben  Urteile  5U  oereinigen 
unb  fomit  ben  ©egnern  jeber  21rt  plöttfid)  ben  9)?unb  §u  ftopfen. 
2)aS  ift  gelungen;  ob  aber  für  immer,  foK  fid)  in  ber  britten 
^eriobe  geigen.133) 

*)  \Huf  bie  urfprüngtidje  Benennung  be§  §tuetten  <5a£e§  biefer  Sinfonie 
mit  Slnbante  ift  befonber3  aufmerffam  51t  madien  ©rfl  in  ben  gebrucflen 
Stimmen  erfcfoien  beffen  23ertaufd)ung  mit  „91üegvetto,"  ba§  aüet  Drten 
SDHfjüerftänbniffe  jum  9iact}t^eil  bee  (£t)araftertfttfc^en  erzeugt  fiat.  Qn 
fpäieren  Sa&ien  empfahl  banun  bet  Weiftet  mieDer  bie  erftere  Benennung. 

133)  Wie  Karl  Zelter  seine  Umwandlung  von  einein  Verächter 
Beethovens  zu  einem  Bewunderer  des  Meisters  gerade  an  der  Schlacht- 


—     239     — 

®er  SBortfaut  beö  ermähnten  £>anffc£)rei6en3  ift  folgcnber: 

„Sri)  Ijatte  e§  für  meine  Sßflidjt,  allen  ben  oerefjrten  mit* 
mirrenbcn  ©liebem  ber  am  8.  u.  12.  See.  gegebenen  2tfabemie, 
gum  Sßeften  ber  in  ber  ©djfadjt  bei  §anan  inüalib  geworbenen 
fatf.  öftr.  unb  fgt.  baner'fcfyen  Sieger,  für  il)ren,  bei  einem  fo 
erhabenen  ßroed  bargetegten  (Sifer  gu  banfen. 

„®§  mar  ein  feltener  herein  üorgüglidjer  STonfünftter, 
morin  ein  jeber  einzig  burd)  ben  ©ebanfen  begeiftert,  mit  feiner 
®unft  anet)  etmaä  gum  9cutsen  be§  SBaterlanbeS  beitragen  %u 
fönnen,  ofjne  alle  9iangorbnung  aitc£)  auf  untergeorbneten  ^ßlätjen, 
gur  oortrefflidjen  9lusfüljrung  be3  ©angen  mitrairfte. 

„Sßenn  £>err  ©ctjuppangigt)  an  ber  ©pitje  ber  erften 
^Biotine,  nnb  bnrd)  feinen  feurigen,  au§brud£üolIen  Vortrag  ba$ 
Drc^efter  mit  fiel)  fortriß  fo  fdjeuete  fiel)  ein  §r.  Dber=(Sapetl* 
meifter.  ©atieri  nid)t,  ben  ^act  ben  trommeln  unb  (Eanonaben 
gu  geben;  §r.  ©pofyr  unb  £>r.  Sftatyfeber,  jeber  burd)  feine 
Su-nft  ber  oberften  Leitung  mürbig,  mirften  an  ber  gmeiten  unb 
britten  ©teile  mit,  unb  £r.  ©iboni  unb  Giuliani  ftanben 
gleichfalls  an  untergeorbneten  ^(ätjen. 

„Wix  fiel  nur  betrum  bie  Seitung  be§  ©angen  gu,  roeil 
bie  Sftuftf  öon  meiner  ßompofiiion  mar;  märe  fie  üon  einem 
anbern  gemefen,  fo  mürbe  id)  mict)  eben  fo  gern,  mie  §r.  §ummel, 
an  bie  grofee  frommet  geftellt  tjaben,  ba  un§  5llle  nichts  als 
ba$  reine  ©efütjt  ber  SSaterlanbs  liebe  unb  be§  freubigen  Opfert 
unfrer  Gräfte  für  biejenigen,  bie  un§  fo  triet  geopfert  tjaben, 
erfüllte. 

„3)en  öorgüglicfjften  ®anf  Oerbient  inbeffen  §r.  Waigel, 
in  fofern  er  als  Unternehmer  bie  erfte  Sbee  biefer  5llabemie 
fafete,  unb  il)m  nadjtjer  burd)  bie  nötige  Einleitung,  33eforgung 
unb  5lnorbnung  ber  müt)famfte  £l)eil  be§  (Sangen  gufiel.  Sd) 
mufe  it)m  nod)  inSbefonbere  banlen,  meit  er  mir  burd)  biefe  öer= 

Symphonie  an  sich  vollzog,  ist  aus  dem  Briefwechsel  zwischen  Goethe 
und  Zelter  von  mir  illustriert  worden;  siehe  des  Herausgebers  „Beet- 
hoven und  Berlin",  S.  211  ff.  A.  d.  H. 


—     240     — 

anftattete  9lfabemie  (Gelegenheit  gab,  burd)  bie  ßomjmfition, 
einzig  für  biefen  gemeinnützigen  Qmed  berfertigt  unb 
itjm  unentgettlid)  übergeben,  ben  fdjon  lange  gehegten 
feljnlidjen  SSunfcfj  erfüllt  5U  fetjen,  unter  ben  gegenwärtigen 
ßeitumftänben  aud)  eine  größere  Arbeit  öon  mir  auf  ben  Httar 
be3  23aterfanbes>  nieberlegen  §u  tonnen. 

Submig  bau  SSeetrjoben."134) 

1814.  (Somit  mären  mir  bei  bem  Saljre  1814  angelangt,  mit 
meldjem  bie  §meite  ^ßeriobe  fcrjlieften  foll.  (S§  geftattet  fid)  btefes 
in  ber  £eben§gefct)id)te  23eetf)oben'3  unftreitig  ai§>  ba§  glan3= 
oottfte,  benn  mir  fetjen  ben  £onbid)ter  fid)  auf  bie  tjödjfte 
Spitze  feinet  ^Rutjmeg  ergeben;  nebftbei  ift  e§  aber  aud)  in 
materieller  |)infid)t  ba§  tucratiüfte.  £mben  mir  im  33orau§= 
gegangenen  oernommen,  bafj  e£  3mifd)enräume  üon  mehreren 
Sauren  gegeben,  mo  er  nidjt  baju  fommen  tonnte,  bie  3Rufif= 
freunbe  mieber  einmal  gu  einer  ®unftfeier  eingaben,  fo  merben 
mir  ifyn  im  Verlaufe  biefeä  $af)re<3  nidjt  meniger  benn  bicr 
SM  ba§>  publicum  in  großer  9ftaffe  um  fid)  berfammeln  fefjen. 
herbeigeführt  mürbe  bie§  burd)  ben  aufeerorbentlidjen  Beifall, 
ben  bie  A  dur  (Sinfonie  unb  bie  Sdjfad)t  bei  SSittoria  ertjatten, 
ferner  burd)  SBiebereinfürjrung  ber  Dper  $ibelio  in  üeränberter 
©eftatt,  aber  aud)  burd)  midjtige  ^eiteretgniffe. 

Sd)on  im  Saufe  be§  Sanitär^  erfolgte  bie  2öieberf)otung 
ber  A  dur  (Sinfonie  unb  ber  <Sd)tad)t  bei  Sßittoria,  unb  groar 
im  großen  9iebouten=Saale.  ©rft  in  biefem  ^Raume  bot  fid) 
(Gelegenheit  bar,  bie  mandjerlei  ^utentionen  bei  ber  Sdjtad)t= 
Sinfonie  in  s2lm§fül)rung  §u  bringen.  2lu§  langen  ßorriboren 
unb  entgegengefettfen  ©emädjem  tonnte  man  bie  feinblid)en 
§eere  gegen  einanber  anrüden  laffen,  moburd)  bie  erforbertidje 
£äufd)ung   in   ergreifenber   SSeife   bemertfteHigt   mürbe.     2)er 


134)  Genau  nach  dem  Manuskript  in  Schindlers  Beethoven-Nachlaß 
steht  diese  Danksagung  in  des  Herausgebers  S.  Br.  B.  No.  354  (II.  Band). 

A.  d.  H. 


—     241     — 

SBerfaffcr  biefer  Schrift,  mit  unter  ben  ßu^lörern,  barf  bie  $er= 
ftdjerung  geben,  baft  ber  baburd)  rjerüorgerufene  (£ntfjufia§mu3 
in  ber  Sßerfammlung,  gefteigert  nodj  burdj  bie  patrtotifdje 
(Stimmung  ber  großen  Xage,  ein  übermältigenber  gemefen.  — 
%{§>  geeignete  beigaben  famen  nod)  $ur  Aufführung:  ber  feiertidfc)e 
9JJarfd)  mit  ©Ijor  unb  bie  fidj  anfcfjliefcenbe  53a^5Irie  be§  Ober- 
üriefter£:  „Wlit  reger  $reube,"  au§  bem  geftfpiete:  2)ie  Ruinen 
üon  Atrjen. 

Am  27.  gebruar,  roieber  in  benfelben  Räumen,  erfct)ten  ber 
9J?eifter  abermale  mit  jenen  6eiben  großen  SSerten,  a6er  aud) 
nod)  mit  ber  acf)ten  Sinfonie  in  F  dur  —  biefe  gnm  erften 
9)?al.  2)ie  Drbnnng  be3  $J3rogramme3  mar:  a)  Sinfonie  in 
A  dur;  b)  9?eue3  Sterlett  für  Sopran,  Xenor  unb  S3a^  „Empi, 
tremate,"  üorgetragen  üon  $rau  SOHtber=§auptmann  nnb 
ben  9J?eifterfängern  Siboni  unb  Sßeinmülter;  c)  bie  neue 
Sinfonie  in  F  dur;  d)  2)ie  ©crjfacrjt  bei  SSittoria.  —  ®iefeö 
Programm  ^eigt  mieberum,  mie  Diel  unb  mie  üielerlei  ber  SJceifter 
bem  Aubitorium  §u  bieten  geroorjnt  mar. 

3öer  fid)  eine  Gerfammlung  üon  5000  3ut)örern  mit  er= 
tjobener  (Stimmung  in  $otge  furg  üorljergegangener  metter= 
fd)ütternber  ©reigniffe  auf  ben  Sd)tac£)tfetbern  Seipjig'ö  unb 
§anau'3,  aber  aud)  im  ®efüf)le  be§  rjorjen  2Sertt)e3  ber  gebotenen 
töunftgenüffe,  ^u  benlen  üermag,  mirb  fid)  ungefähr  eine  $or= 
fteUung  oon  ber  33egeifterung  biefer  großen  Sd)aar  üon  ®unft= 
freunben  madjen  fünnen.  £>ie  3;ubel=Au§brüd)e  märjrenb  ber 
A  dur  Sinfonie  unb  ber  Sd)tad)t  bei  Sßittoria,  in  meld)'  letzterer 
ade  ^T^eite  in  $olge  roiebertjolter  Aufführungen  fdjon  präcife  in 
einanber  griffen,  überftiegen  alle§,  ma§  man  bi3  bat)in  im  ßoncert- 
Saale  erlebt  tjaben  mollte. 

Seuor  in  2tuf§afjtung  ber  benfroürbigen  Gegebenheiten  biefe§ 
rutjmreidjeu  3at)re3  meiter  gefd)ritten  mirb,  foll  bie  @ntftel)ung§= 
gefd)id)te  be§  tjumortftifct)en  Altegretto  in  ber  ad) ten  Sin- 
fonie  ^latj  finben,  bie  in  ber  23eerfjoüen'fd)en  Literatur  ein 
particulareS  Sntereffe  bietet. 

ül  SdjiitMerS  'öect^oueu-33iogva^f)tc.  jg 


—     242     — 

Sn  ber  grfi^ttngSjctt  be3  SaljreS  1812  fajjen  S3eetf)0Den, 
ber  9Kedjamfer  üM^el,  ®raf  öon  SrunSroicf,  Stephan  Don 
23reuning  unb  Slnbere  bei  einem  5(b[c£)ieb§mat)te  jufammen, 
erfterer,  um  atgbalb  bie  9Reife  gu  feinem  53ruber  Sodann  nad) 
Sing  anzutreten,  bort  feine  adjte  ©infonie  auszuarbeiten  unb. 
fpäter  bie  börjmifcfjen  33äber  gu  befudjen  —  SM^el  aber,  um 
eine  Steife  nad)  (Suglanb  gu  mad)en  unb  bafetbft  feinen  berühmten 
Trompeter = Automaten  gu  probuciren.  Setjteres  SHeifeproject 
muffte  inbefe  aufgegeben  unb  auf  unbeftimmte  $eit  üerfcfjoben 
roerben.  £)ie  öon  biefem  9fted)anifer  erfunbene  £act*9J?afd)ine  — 
Metronom  —  mar  gut  $eit  bereits  fo  meit  gebieten,  bafj 
©alieri,  25eetf)ooen,  3Beig(  unb  anbere  mufifafifdje  9?otabüitäten 
eine  öffentlidje  (Srftärung  über  bereu  ^ütjtidifeit  abgegeben 
fjatten .*)  93eett)ov>en,  im  oertraulid)en  Greife  gemörjntid)  Reiter, 
nritjig,  fatt)rifd),  „aufgeknöpft,"  mie  er  e§  nannte,  rjat  bei  biefem 
2Ibfd)ieb!§marjle  nadjfterjenben  ßanon  improüifirt,  ber  fofort  non 
ben  SJjeilnetmtern  abgefungen  morben: 

M.  M.  72  =  £ 


ta  ta  ta  ta  ta  ta  ta  ta  ta  ta  ta  ta  ta  ta  ta  ta, 

&S 

-m^L ~m •■! r» —  — -b— I— • — • — • — • — • — • — • — •— I 


tie  =  ber,    (ie  *  ber  9J?ät  =  5e(,      ta  ta  ta  ta  ta  ta  ta  ta 


ta,     (e  =  ben  6ie  motjt,  feljr  toofjf,  ta  ta  ta  ta  ta  ta  ta  ta 


*)  2lud)  bie  2lflg.  Wv\.  3tg-  errccü)nt  biefer  (£rflänntg,  fo  aucf)  ber 
öon  ^öljct  beabftd)tigten  Keife  nad)  Sonbon.    XV,  785. 


243     — 


jr-^r 


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* 


s=£ 


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-*==&- 


-m — s 

p  f  ; 
"BS— BS— t*- 


14 


1 


ta,    23cm=ner  ber  geit,  23ctn=ner  ber  3eit,  ta  ta  ta  ta  ta 
SS 


— *— ^=?==ir-VH1- J-äH— W:    «       Li      j,      |jh— -fe 


M" 


t 


ta  ta  ta  ta  ta  ta  ta  ta,    großer,  großer  3fte=iro=nom, 


* 


5 


^~^-t 


i 


~t 


-*■ 


großer  ^e^tro^nom,  ta   ta   ta    ta   ta 

Slu3  biefem  (Sanon  ift  ba§>  Megretto  Ijerborgegangen:  bie 
erfte  ©timme  geigt  un3  fd)on  üftote  für  üftote  ba§  SQfotit)  gu 
biefem  ©atje,  bie  SSorte  ben  fjumoriftifcfjen  (Sfyarafter,  ba3  bei* 
gefegte  metronomifdje  3e^en  &a^  ^em  5Iüegretto=@a|e  ent= 
ffcrerfjenbe  Xempo.  Ta  ta  ta  ta  finb  bie  Sßenbelfcfjläge  be§ 
9ftetronom!o.  3n  ben  23eftt3  biefe§  (SanonS  bin  id)  burdj  23eet= 
fyoöen  fetber  gekommen,  inbem  er  mir  fdjon  um  1818  eine 
Stbfdjrift  ju  nehmen  gemattete. 

llnb  nun  meiter  in  üDZittfjeüung  ber  ^Begebenheiten  au§ 
biefem  Safjrgang. 

©d)on  am  11.  5Ipri(  finben  mir  unfern  3J?eifter  bei  einem 
öon  ©djupüansigt)    gu   einem  motjttfyätigen   Qvoe&e  im   ©aale 


*)  ©a§  TOiBüerfiefien,  öielmefir,  bie  9lbtje£ung  be§  SWegretto  in  ber 
achten  ©infonie,  felbft  öon  Notablen  unter  ben  TOufifbirectoren,  gab  mir 
SSeranlaffung  biefen  ©anon  fammt  feiner  (Sntflebung§gefd)id)te  bereite  in 
3lo.  49,  1854,  in  ber  92ieberrheinifcben  SDcufifsBeitung  befannt  ju  machen. 
3(fi  glaube  ober  ntctjt,  bafc  e§  §u  befferer  ©rfenntnife  üerbolfen  bat.135) 

135)  Die  Authentizität  selbst  dieser  Anekdote  ist  von  vielen,  so 
auch  von  Thayer,  angefochten  worden,  aber  jedenfalls  ohne  zu- 
reichenden Grund.  Sie  behält  Wahrheit  und  Wert.  Vgl.  Brief  No.  279 
an  v.  Zmeskall  in  B.  S.  Br.  (II.  Band).  A.  d.  H. 

16* 


—     244     — 

„3um  römifdjen  Äaifer"  oeranftafteten  Goncert  mieber  perfünlid) 
mitroirren.  Riebet  galt  e§  ba§  große  %x\o  (B  dur)  für  Sßiano* 
forte,  Violine  unb  Sßiotonceü  Op.  97  gum  erften  3JM  rjbren 
gu  laffen.  öeetrjooen  am  Sßianoforte,  «Sdjuppangigrj  an  ber 
^Biotine,  unb  Sinfe  am  SBiofoncett.  3m  fotgenben  9Jconat  SDtai 
toarb  ba^felbe  3Berf  in  einer  üon  ©djuppangigt)  im  Krater 
gegebenen  Quartett* Matinee  miebertjott.  Sftit  biefer  $ßro= 
buction  im  ^rater,  roeldjer  id),  fo  mie  aud)  ber  oorau£= 
gegangenen  am  11.  5(pri(,  beigeroorjnt,  fdjieb  23eett)oüen  aU 
auöübenber  (Staöierfpieter  für  immer  au§  ber  Qeffent= 
tid)feit.  —  3>n  biefer  SRatinee  gelangte  aud)  baö  neue  Quartett 
in  F  moll,  Op.  95,  §ur  erften  5Iuffüt)rung,  ba$  jebocf)  bereite 
1811  componirt  morben. 

2tm  23.  9ftai  erfolgte  bie  SBiebereinfütjrung  ber  mefent(icf) 
umgeänberten  Dper  $ibe(io  im  faiferlidjen  Qpern=^t)eater.  3)ar= 
über,  mie  aucfj  über  bie  am  18.  Suli  barauf  gum  Senefice  be3 
Slutorä  ftattgefunbene  33orfteHung  biefer  Oper  ift  bereite  im 
Verlauf  ber  ^Begebenheiten  in  ben  Sauren  1805  unb  1806  au§= 
fübrlid)  SD?ittf)eUung  gemadjt  unb  bemnad)  barauf  gu  berroeifen. 

Snbeffen,  alle  in  SafjreSfrift,  unb  root)I  barf  behauptet 
merben,  mätjrenb  ber  gangen  ®ünftler(aufbafjn,  unferm  9Heifter 
miberfarjrenen  ©f)ren  mürben  burd)  bie  (Srtebniffe  am  29.  9?o= 
bomber  beffetben  3at)re<§  überboten.  Sie  grofjen  potitifd)en 
©reigniffe,  toeldje  faft  alle  europäifcfje  9Jconard)en  gu  einem 
(Songreffe  in  2öien  gufammengefürjrt  Ratten,  mirlten  mefenttid) 
mit,  um  biefen  29.  9?obember  ju  bem  Xag  be3  t)öd)ften  ©langes 
unb  SRurjmeg  gu  geftatten,  ben  ein  Äünftter  mie  SBeettjoöen  er* 
(eben  tonnte. 

Sn  gotge  einer  üon  tjofjen  Äunftfreunben  an  Seettjooen 
ergangenen  Slufforberung,  bie  neuen  SSerfe  roärjrenb  be<§  ßon= 
greffeö  nodjmafö  gur  Stuffüfyrung  gu  bringen,  fafjte  ber  HJceifter 
ben  ©ntfdjtujs,  gur  ©rtjöfyung  be§  gefcr)tdjt(ic§  *  benfroürbtgen 
Moments,  bie  üon  Dr.  2((ou§  2Beiffenbad)  gebidjtete  ©antäte: 
„3)er   glorreiche  Stugenblid"    in  äJcuftf  gu  fe|en   unb  felbe  in 


—     245     — 

SBerbtnbung  mit  ber  A  dur  Sinfonie  unb  ber  Sdjtadjt  bei 
SSittoria  an  einem  2lbenb  ausführen  51t  (äffen.  ®er  3nf)a(t 
ber  ©antäte  toar:  bie  §ulbigung  ber  Stabt  SSinbobona  ben 
fremben  £Ronard)en  bargebradjt.  Wlxt  rüt)men§tt>ertljer  Bereit* 
ttnöigteit  nmrben  bem  ®ünftfer  Seitens  be§  Dberft=Slämmerer= 
amte§  beibe  taiferf.  9iebouten=Söle  fogar  für  stoei  Slbenbe  jur 
Verfügung  übertaffen,  inbem  man  Ijofjen  DrtS  biefe  muftfatifdje 
geierttdjfieit  gleidjfam  mie  eine  §ofsgeftlict)feit  betractjtete.  93eet= 
tjoöen  madjte  perfön(id)  bie  ©intabung  bei  öden  ÜKonardjen,  bie 
fämmtücf)  bei  ber  $eter  erfdjienen  maren.  (£)er  Berfaffer  befanb 
ftd)  unter  ben  SJfttttrirfenben  an  ber  2  ten  Biotine.)  S)ie  (Stimmung 
ber  na^e^u  au§  6000  ßuljörem  befteljenben  Berfammtung,  aber 
aud)  bie  in  ber  großen  Sdjaar  ber  im  Drdjefter  unb  ©Ijor  Wit- 
ttnrfenben,  (äfet  fiel)  nict)t  betreiben.  £>ie  etjrfudjtäüolle  ßurüd* 
Haltung  öon  jebem  lauten  93eifall§5eid)en  Oertiet)  bem  ©ansen 
ben  ©tjarafter  einer  großen  ^irdjenfeier.  Seber  festen  gu  fügten, 
ein  fotd)er  9J?oment  merbe  in  feinem  Seben  niemals  mieberfeljren. 
üftur  (SinS  tjatte  ber  $eier  gefehlt:  bie  2Tntt)efenf)eit  Sßettington'S, 
metdjer  mit  ©emi^eit  entgegen  gefeljen  morben.  £)er  fiegreidje 
gelbfyerr  tarn  erft  nad)  beenbigter  geier  in  Sföien  an.*) 

Sdjon  am  2.  ©ecember  barauf  erfolgte  bie  Söieberljolung  — 
bei  nur  mä^ig  gefülltem  Saale,  aber  befto  größeren  Beifalls 
be^eugungen. 

2)ie  Solo^Stimmen  in  ber  ©antäte  mürben  an3gefüt)rt 
oon  grau  90Zilber=§auptmann  unb  gräulein  Bonbra, 
bann  ben  sperren  SSilb  unb  gorti. 

93e§ügtic£)  auf  biefe  ©antäte  fei)  ertoäljnt,  ba^  Beetfyoüen 
ben  ©ntfci)(uf3,  felbe  in  Sftufit  gu  fetjen,  einen  Ijeroifdjen 
genannt,  tveil  bie  Berftfication  fdj(ed)terbing§  einer  mufifalifc^en 
Bearbeitung   entgegen   mar.     9cad)bem    er   felber  im    Vereine 


*)  (Sin  s2lnftf)lagsettel  biefer  s#fabemie  liegt  ttor.  Sarauf  if±  unter 
anberu  ju  lefeu:  „SDritienä:  ©ine  große  öottfiiminige  SnftrutncntaUßoms 
pofition,  getrieben  auf  Wellington?  Steg  in  ber  ©d)lad)t  bei 
SSittoria." 


—     246     — 

mit  bem  Didjter  barem  geänbert  unb  gefeilt,  ber  teuere  aber 
nur  bie  $erfe  „tierböffert"  r)atte,  marb  ba%  ©ebid)t  bem  Siart 
93er  narb  §u  gänslidjer  Ueberarbeitung  gegeben,  moburd)  ein 
großer  ßeitoertuft  t)erbeigefüf)rt  mürbe.  Diefe  Umftänbe  erklären 
beutlid)  marum  ber  @eniu§  be§  (Somponiften  fid)  in  biefem 
SBerfe  nicfjt  gu  gemoljnter  §öf)e  erhoben  fyat.  2tud)  maren  Ujm 
nur  menige  £age  -mm  ÜJäeberfdjreiben  tiergönnt.  Ueberbie§ 
nod)  mußten  bie  St)öre,  meil  üon  Dilettanten  gefangen,  fefjr 
leid)t  betjanbett  merben,  benn  in  jenen  klagen  allgemeiner  Stuf* 
regung  fetjtte  e§  üor  allem  an  £eit  uno  SWu&c  3"  groben. 
5lu§äU5eid)nen  bürfte  unter  allen  Hummern  mot)l  nur  bie  <2otiran= 
5trie  mit  ßfjor  unb  obligater  Violine  feUn.  —  Die  $ertag§* 
fjanblung  §a§linger  in  3Bien  l)at  barum  mol)t  gettjan,  ben 
2Beiffenbad)=53ernarb'fd)en  £e£t  ganz  gu  befeitigen  —  abgefefjen 
baoon,  bafe  er  nur  einem  beftimmten  Momente  gemibmet  mar  — 
unb  ber  «Wufif  ba§>  ©ebid)t  oon  fr  $od)ti§:  „$ßret§  ber  Xon= 
fünft"  unterzulegen,  eine  bead)ten3mertf)e  Diditung,  bie  $ftod)(ife 
bei  feiner  2tnmefenf)eit  in  2öien  1822  bereits  unferm  93eetf)OOen 
Vorgelegt  fjatte.136) 

Sn  9tüd"erinnerung  be§  öor  adjt  Sauren  fdmn  gefdjmäcfjten 
©efiörjuftanbeä  unfer§  Sfteifterä  bürfte  mof)t  gefragt  merben, 
mie  e§  it)tn  nunmehr  bei  Leitung  fo  großer  Drdjefter*  unb 
Gt)or=9Jcaffen  ergangen?  Diefer  grageOunct  folt  nun  um  fo 
mef)r  zur  33eantmortung  fommen,  als  mir  $riebricl)  £reitfd)fe 
bei  (Gelegenheit  feiner  SKittfjeilung  über  Sßiebereinfütjrung  be§ 
$ibelio  im  Sal)re  1814  auSfagen  geijört:  „öeetf)0üen  birigirte, 
fein  geuer  rifj  ttjn  oft  au§  bem  £acte."  2öa§  märe  ba§  mofjt 
für  ein  Dirigent,  ben  fein  geuer  oft  au§  bem  Xacte  rife  unb 
ein  tjinter  ober  neben  it)m  ©tefyenber  ba§  geftörte  ©leicrjgetoicfjt 
mieber  tjer^uftellen  fyätte?  —  Die  oon  SBeetljoOen  geleiteten 
2luffüt)rungen   am   8.   unb    12.  Dec.    1813  in  ber  Stula   ber 

136)  Mit  diesem  Texte  erschien  die  Kantate  im  Jahre  1836  bei 
Tob.  Haslinger  in  Wien  unter  dem  Titel  „Preis  der  Tonkunst 
(Kantate)  für  4  Solostimmen,  Chor  und  Orchester".  A.  d.  H. 


•  —     217     — 

Untüerfität,  ferner  bie  Slttffüfjrimgieit  in  ben  Monaten  Januar, 
gebruar,  üftooember  unb  £)ecember  1814  im  großen  9fabouten= 
@aa(,  wo  fein  DirectionSputt  meit  oorgefdjoben  mar  unb  üftiemanb 
it)m  au§f)elfenb  -\ür  Seite  geftanben,  finb  fprectjenbe  33emeife, 
bafc  er  im  Staube  getoefen,  Waffen,  fo  toie  itjre  einzelnen 
53eftanbt(jeite,  gut  51t  überhören.  2öer  öon  ben  ©djmierigfeiten 
bei  (Sinübung  unb  Seitung  ber  Sd)(ad)t=Sinfonie  einen  Segriff 
Ijat,  mag  üie((eid)t  an  einem  präcifen  Sneinanbergreifen  ber  gu= 
meiten  getrennten  Waffen  jmeifetn;  afö  SOJitrotrlenber  barf  id) 
jebod)  oerfidjern,  bafs  an  'Sßraecifion  nidjt§  gefefjtt  t)at,  unb 
matjrUd),  gegen  bie  Sdjroierigfeiten  in  genannter  Sinfonie  tier* 
fdjroinben  bie  bei  Seitung  be§  ^ibelio.  5tud)  bei  bem  5tnei= 
matigen  Vortrag  be3  B  dur  %xxo  in  ben  Monaten  9Ipri(  unb 
9J?ai  beffelben  £$at)re§  geigte  ftd)  23eetf)Ooen§  ©efjör  nodj  Ooü= 
fommen  bienftbar,  minber  bie  (Stafticität  ber  Ringer. 

2)ie  ^otgen  aber  üon  fo  großen  in  einem  furgen  3eitt°ume 
mieberfyolten  ?(nftrengungen  eines  fränfetnben  ©etjor^uftanbeS 
tonnten  nid)t  anber§  a(§  unfyeitbringenb  fetju.  SSon  biefem 
.ßeitpuncte  t)er  batirt  namentlich  bie  gän^lidje  Sdjmädjung  be§ 
redeten  Dljre<o.  —  $ragt  e§  fidj  um  bie  Ouatification  $eet= 
tjooen'ö  5um  Drdjefter=2)irector  überhaupt,  fo  mirb  bei  ben 
mufita(ifd)  ©ebitbeten  bie  3tu§fage  keinerlei  S3ebenfen  erregen, 
bafj  er  fein  unbebingt  guter  Dirigent  getoefen.  (Sin  fo(d)er 
bitbet  ftd)  betannt(id)  nur  bei  jahrelang  fortgefe|ter  Itebung 
am  fidjerften  im  ^tjeater,  menn  er  fonft  nod)  bie  natürlichen 
Anlagen  jum  Dirigenten  mitbringt.  2$ir  tuiffen  jebod)  au§ 
Söorfteljenbem,  loie  fetten  ber  grofje  £onbid)ter  mit  bem  Drdjefter 
unb  (SI)or  in  practifdje  Sßerüfjrung  gekommen  mar.  £>a§  2tmt 
eine§  9J?ufifbirector3  forbert  unter  allen  Umftänben  unau§gefe|te 
^rarjS. 

lieber  ben  @et)öräuftanb  nrirb  fpätert)itt  nod)  ©runb  unb 
SBerantaffung  fet)n  ju  fpredjen.    $ur  ©teile  ba§  nätjer  Siegenbe. 

9l(§  oben  tion  ber  5tuffü§rung  ber  ^aftorat=  unb  C  moll 
Sinfonie   gerebet  morben,  warb  in  ber  9Retf)e  Hon  §inberniffen 


—     248     — 

bei  jebem  bon  unferm  9J?eifter  ausgegangenen  (£oncert=Unter= 
nehmen  audj  ber  „enorme  $oftenbunct"  mit  in  23etrad)t  gebogen 
unb,  um  bem  Sefer  einen  anfdjautidjen  begriff  baüon  $u  geben, 
bie  Vorlage  einiger  aus  bem  Sarjre  1814  batirenben  $Red)nung<3= 
auSroeife,  bie  im  Original  üorrjanben  unb  mit  9?anbbemerfungen 
oon  SöeettjoOen'S  §anb  üerferjen  ftnb,  oerförod)en. 

Sm  ßoncerte  am  27.  gebruar  genannten  ^cfyTtä  tarnen, 
roie  bereite  gemetbet,  bie  Sinfonien  in  A  dur  unb  F  dur,  bann 
nod)  bie  ©djladjt  bei  QSittoria  unb  baS  Sterlett  Empi,  tremate, 
§ur  ?luffütjrung.  Die  (Soöiatur=$often  oon  ber  A  dur-  unb 
ber  ©d)lacfjt=Sinfome  roaren  bereits  bom  ©rtrage  ber  beiben 
am  8.  unb  12.  December  1813  ftattgefunbenen  stabenden 
beftritten,  tjier  im  $aü  otfo  bloS  bie  ßobiatur  für  ba$  Sterlett 
unb  bie  acfjte  ©infonie  auf  Sftecrjnung  33eett)oüen'S  5U  ftetten. 
Die  oorliegenbe  ©pecification  lautet  in  ©umma:  452  gefct)riebene 
Sogen  ä  12  ^reujer  macfjt  =  90  ©utben  24  Streiter.  — 
Der  föecificirte  Äoftenpunct,  baS  Crdjefter  aüein  betreffend 
ftellte  fidj  bei  biefem  (Soncerte  auf  344  Bulben.  Dennodj  finb 
an  ber  lften  Violine  nur  7,  an  ber  2ten  nur  6,  mit  je  5, 
trjeilroeifc  mit  7  ©ulben,  tjonorirte  äßufifer  nament(id)  ange= 
füljrt,  meil  an  jeber  ©timme  ^mei  Wlal  fo  öiel  Dilettanten 
mitgeroirft  tjatten. 

3n  bem  fbecificirten  5(u3roei3  über  (£opiatur  ber  ©antäte 
„Der  gtorreicfje  2(ugenbüd",  jur  Sluffürjrung  am  29.  9?oo.  fteüt 
ficfj  bie  Söogenaatjl  auf  1468  */,  ä  15  ^reu^er,  macfjt  =  367  ©ulben 
7  treuer. 

Die  ©efammtfoften  ber  ?(uffüt)rung  ber  $ßaftora(=  unb 
C  moll=(Sinfonie,  ber  $antafie  mit  ßtjor  unb  ber  Xtjeite  aus 
ber  erften  9)?effe  in  C  dur  am  22.  December  1808  im  Xtjeater 
an  ber  SSien,  fotlen  fid)  auf  1300  (Bulben  erhoben  fjaben. 

Seim  ?(nbüd  biejer  Ziffern  löfet  eS  ficf)  roorjl  unfdjroer 
erroägen,  auf  roie  Ijod)  ber  ^Bruttoertrag  eines  folgen  ©oncertS 
fic£>  freiten  muffte,  roenn  für  unfern  SWeifter  einige  tjunbert 
©utben    erübrigt   merben    follten.    $ornet)mtid)  roaren   es   bie 


—     249     — 

(Sopialien,  bie  einen  5U  großen  Streit  ber  (Sinnafjme  abforbtrten. 
2öie  gan5  anberS  fteüt  fidj  biefer  Äoftenpunct  feit  (Sinfürjrung 
ber  Sitrjograprjie.  2)arum  f'onnte  ber  pecuniäre  5lu3fa(I  nur 
bei  (Soncerten  im  großen  $Rebouten=<3aal  ein  günftigerer  fetin, 
falte  !ein  ©ing-Srjor  gebraucht  roorben.  Mein  in  biefen  Räumen 
rjaben  mir  ben  9Mfter  öor  bem  Sarjre  1814  niemals  geferjen. 
SJÖar  er  fo  gtüdüd),  burd)  bie  Unternehmungen  im  Saufe  be§ 
genannten  Safjreg  etroas  erübrigen  31t  tonnen,  fo  öerbanfte  er 
e§  §unäcr)ft  ben  politifdjen  (Sonftettationen,  in  $o(ge  bereu  mir 
bie  §errfd)er  ©uropa'ä  mit  irjrem  ^offtaate  in  biefem  $>arjre 
gu  Söien  öerfammelt  fefjen,  bann  aber  nod)  ber  aufjerorbent= 
ticken  2Birfung  feiner  ©d)(ad)t=@infonie  auf  bie  Waffen.  $)ie 
©efcrjenfe  ber  fremben  9J?onard)en  gumeift  festen  SSeeifjoben  in 
ben  ©tanb,  an  üftieberfegung  eineä  fteineä  ©apita(§,  au§  einigen 
öftretcE).  53ank$tctien  befterjenb,  benfen  §u  fönnen. 


I.   $ataIogtfd)e§. 

93or  2(ufftellung  be§  SSer^eidmiffeg  ber  in  bie  erfte  ^eriobe 
fotlenben  Sßerfe  rourbe  ber  fatatogifdjen  Unorbnung  erraärjnt, 
roeldje  in  Söeetrjoben'S  SSerfen  befteijt  unb  gesagt,  ba%  5lefcjn= 
licfjeS  rootjt  fetten  ober  niemals  bei  einem  9futor  borgefommen 
fetjn  bürfte. 

23eüor  nun  baZ  55er§eict)ntB  ber  in  bie  äroeite  ^eriobe 
faüenben  Söerfe  aufgeteilt  urirb,  ift  e3  unumgängücf)  notfymenbig, 
biefer  Unorbnung  nätjer  gu  treten,  meil  fie  in  biefer  ^Seriobe 
fdjon  einen  fjorjen  ©rab  erreicht.  Sie  roörtlidje  "tDftttrjeUung 
eines  üorttegenben  SriefeS  bon  bem  Verleger  Sominif  SIrtaria 
an  23eetf)ot>en  wirb  biefeu  bebaueriicfjen  ßuftanb  beftenä  con* 
ftatiren.     Strtaria  fd)reibt: 

SBien  ben  24.  £uü  1819. 

@uer  £>od)trjorjtgeboren!  Söeüiegenb  überfenbe  id)  bie  (Sor* 
rectur,  unb  glaube  feuerfrei.*)  Sn  bem  Katalog  Sfjrer  Söerfe 
fehlen  folgenbe  9cummern,  roetdje  id),  orjngeacfjtet  aller  9#ürje, 
nirgenbs  fyabe.  finben  fönnen,  at<§:  Dpu§  46.  48.  51.  65.  66. 
71.  72.  87.  88.  89.  103. 

Sagegen  rjaben  folgenbe  SBerf'e  gar  feine  Hummern  unb 
fein  Dpu3,  al§: 

^ibetto; 

Duberture  §u  Seonore;  (?(.  meint  unbejmeifelt  üfto.  3,  bie 
1810  bereits  üeröffentücfjt  morben.) 

(SdjfuBgefang  au§  bem  ©ingfpiet:  „bie  ©rjrenpforte"; 

^olonaife  für  ^ianoforte,  bei  SOJedjetti; 

tSdjIußgefang  au§  bem  Singfpief:  Sie  gute  üftadjridjt; 

*)  (S§  war  bie  dorrectur  ber  großen  Sonate  in  B  dur;  Op.  106. 


—     251 
9fonbo  in  C 


■  bei  ?frtaria: 
ytonoo  in  G   J 

©ed)3  Sieber  bon  ©eifert,  9(rtaria; 

?lbe(aibe  öon  Wattfjifon,  Slrtarta; 

Variations  ä  4  mains  in  C; 

Grand  Trio  pour  2  Oboe  nnb  engtifctj  §orn,  ^rtarict; 

Grand  Quintetto  pour  2  Violons,  2  Violas  et  Violoncell, 

Es  dur,  $rtaria; 

Prelude  pour  Pianoforte  in  F  moll,  hiebet; 


12  9iebout=£)eutfd)e  \  9f      . 
12  9febout*3Renuet3  J   ^rtaua; 


Quintetto  in  C,  pour  2  Violons,  2  Altos  et  Violoncello, 
äRotto; 

Scena  et  Aria  (Ah  perfido),  Cetera;137) 

Variations  sur  une  marche  de  Dressler,  ©teiner; 

Variations    pour  Pianoforte    sur    l'air:    La   vie    est   un 
voyage.     $ßarü§,  Sauet; 

Sextetto  pour  2  Clarinetts,  2  Cors  et  2  Bassons,  Sßreitfoüf ; 

Steber  oon  ©oetfye  unb  ätfattljtfon,  hiebet; 

Statienifdje  unb  beutfdfje  ©efänge,  4  £efte,  Cetera; 
unb   fotgenbe   auf   ben  Katalogen  rüdmärtä   nod)   betriebene 
SSerle. 

belieben  @.  Qofyto.  bafjer  51t  beftimmen  unb  5U  ertauben, 
roeldje  oon  biegen  SSerfen  in  bie  fetjlenben  Hummern  ein= 
gehaltet  merben  bürften. 

(Sben  fo  erfudjen  mir  foöflicfjft  um  eine  fdjnetfe  (Sjüebirung 
ber  (Sorrectur. 

Sn  ©rloartung  einer  gütigft  balbigen  Stnttoott  üerfiarren 
mit  §ocf)ad}tung  ic. 

Söeetrjouen,  31t  fetber  $eit  in  9ttöbling  mit  ber  Missa  in  D 


137)  Es  mag  auffallen,  daß  hier  bei  dem  als  No.  65  bekannten 
Werke  „Ab.  perfido"  der  Name  Peters  als  Verleger  erscheint.  Das  im 
Jahre  1805  erschienene  Werk  kam  bei  Hofmeister  «Sc  Kühnel  heraus, 
den  früheren  Eigentümern  des  Bureau  de  Musique.  A.  d.  H. 


—     252     — 

befcfjäftigt,  ermieberte  atebatb:  er  Ejabe  nun  feine  gett  fid)  m^ 
biefer  Sßermirrung  abjugeben,  fet)  überhaupt  aufjer  Stanb,  etraaä 
in  btefer  Sacfje  gu  tfjun,  bie  Ferren  Verleger  rjätten  biefe  lln= 
orbnung  fjerbeigefürjrt,  fie  follen  nun  feljen,  mie  fie  bamit  ;$ured)t 
fommen;  fdjliefeüd)  abreffirte  er  Slrtaria  an  feinen  (Kollegen 
(Steiner  u.  (Somö.  bef)uf3  ber  SJiitmirfung  ju  einer  allenfalls 
möglidjen  (Sntnnrrung.  SMeje  SSerlaggbjanblung  lehnte  jebodj 
bie  SUjeitnarjme  ab,  inbem  fie  bereite  mit  33eett)oüen  auf  nid)t 
befonberS  freunblicfjem  gufje  ftanb.  ^urj  öorbjer  Jjatte  biefelbe 
ein  abfonberlid)e§  SMfterftücf  mit  (Sinreifmng  groeier  fteinen 
Sieber  Don  33eetfjoöen  unter  bie  Dpu^arjlen  fertig  gebraut, 
objne  ben  Stteifter  früher  befragt  §u  fjaben;  e§  finb  bie  Siebten: 
„©er  Stfann  Don  SSort,"  mit  Op.  99,  bann  „ätferfenftein,"  mit 
Op.  100,  be^eidjnet,  ein  jebe§  blofc  au§  5m  ei  «Seiten  beftetjenb. 
Seetfjouen'g  ^roteftation  gegen  foldje  Söiüfür  mürbe  nid)t  be= 
adjtet.  9Bir  erfefjen  barau§  ben  gort beftanb  ber  öerlegerifdjen 
SRücffidjtSl'oftgfeit  gegen  äJcafjnungen  mie  aud)  gegen  Sntereffen 
ber  Tutoren,  mie  (£ingang§  ber  gmeiten  ^Sertobe  fdjon  gezeigt 
morben. 

(S.  (S^ernt/S  33emerfung  auf  Seite  60  be§  §meiten  ßaüitetS 
feiner  dlaüier  =  Sdjule  über  bie  Sßermirrung  in  23eetfjot>en'3 
Katalog  öerbient  mit  angeführt  $u  merben.  Sr  bemerft:  „Uebrigenä 
bjerrfcfjt  in  ber  üftummerirung  feiner  Gomüofitionen  eine  grofee 
Unorbnung,  morjer  e3  aud)  tommt,  baf;  bie  (S ^ i f t e n 5  mandjer 
intereffanten  SSerfe  faft  gang  unbefannt  blieb.''  2)ie3 
begreift  fid)  erft,  menn  man  erfährt,  ba$  einige  Hummern  brei, 
ja  fogar  öier  H)cal  norfommen. 

$ßo  tfjunlid),  foll  nun  bei  Sluffteflung  be§  $er3eid)niffe$ 
fomorjt  ber  ber  jroeiten,  mie  aud)  ber  brüten  ^eriobe  angefangen 
SSerte  auf  öorftefjenben  93rief  be3  £>.  5lrtaria  fjingemiefen  merben. 
SBieHeidjt  gelingt  e3  in  3uhmft  bocfj  eine  beffere  Drbnung  in 
ben  Katalog  5U  bringen,  maS  allein  fdjon  jur  §erfteüung  ber 
djronologifc^en  Orbnung  fet)r  ermünfdjt  märe.  Snbefe  of)ne  bie 
arrangirten  SSerfe   öon  ben  Originatien  ju  trennen  unb  fie 


—     253     — 

in  eine  abgejonberte  Kategorie  5U  [teilen,  bürfte  nidjtä  er= 
fbrie^tid)e§  ju  erroecfen  fetjn.  ©etbftüerftänblicl)  fommt  ben 
Arrangements  feine  anbere  Düu^aljt  §u,  aB  bie  be§  Originale. 
S)ie  burdj  fotcfye  Stbfonbemng  entftefyenben  Süden  in  ben  fort= 
laufenben  Hummern  mären  für  Drientirung  meniger  anftöjjig, 
alz  baZ  befteljenbe  ©urdjeinanber.  ©ine  $erfe|ung  ber  Hummern 
bei  ben  Originalen  ift  barum  faum  rätt)licf),  meil  baä  publicum 
fid)  mit  ben  befteljenben  Dpu§§al)len  längft  tietraut  gemalt  l)at. 


—     254     — 

II.  äkrjeidjnif} 

ber  in  bie  gtöette  ^eriobe  faüenben  $Berfe,  nidjt  in  djrono* 
togifdjer  Drbnung,  mie  e3  bei  ber  erften  Sßeriobe  tfjuntidj  mar, 
bietmefjr  au§  eben  angeführten  fatalogifdjjen  ©rünben  in@ruppen 
abgeteilt,  xoaä  gu  leichterer  tleberfidjt  öerfjelfen  mirb.  S)er 
Sßollftänbigfeit  megen  mufjte  bei  einigen  SSerfen  be^ügüd)  itjrer 
erftmaügen  ?Iuffütjmng  in  bie  rjorauägegangene  ^ertobe,  be- 
gügtict)  aber  ifjre§  @rfdjjeinen§  im  2)rud  in  bie  fommenbe  ge= 
fefjen  merben,  tote  e§  fidj  fdjjon  bei  ben  ©infonien  geigt. 

©infonien. 

9?r.  1.  (Sinfonie  in  C  dar,  Op.  21,  erfte  Sfaffüfjrung  1800, 
erfdjien   im  ®rud  1801,  erfter  Verleger  ^eterä188)  in  Seidig. 

9?r.  2.  ©infonie  in  D  dur,  Op.  36,  erfte  Sluffüfjr.  1804, 
erfdjien  1804  im  Snbuftrie=ßomptoir. 

9?r.  3.  Sinfonia  eroica,  Es  dur,  Op.  55,  erfte  Sluffüfjrung 
1805,  erfdjien  1807  im  3nbuftrie=(£omptoir. 

9?r.  4.  ©infonie  in  B  dur,  Op.  60,  erfte  3fafffi§r.  1807, 
erfct)ien  1808  im  önbuftrte=(Somptoir. 

•ftr.  5.  ©infonie   in    C  moll,    Op.   67,    erfte  2faffüfjrung 
1808,  erfdjien  1809  bei  23reitfopf  u.  §aerte(  in  ßeipgig. 

fftc.  6.  ©infonie  ^aftorale,  F  dar,  Op.  68,  erfte  Sluffityr. 
1808,  erfdjien  1809  bei  Sreitfopf  u.  £aerte(. 

9?r.  7.  ©infonie   in    A  dur,    Op.   92,    erfte    Sluffüfymng 

1813,  erfdjien  1816  bei  ©teiner  u.  6omp.  in  Sßien. 

9?r.  8.  ©infonie  in    F    dur,    Op.   93,    erfte   2(uffüfjrung 

1814,  erfdjien  1817  bei  ©teiner  u.  (Somp. 

2Mington3  ©ieg,  ober  bie  ©djtadjt  bei  QSittoria,  Op.  91, 
erfte  Sluffütjrung  1813,   erfdjien   1816   bei  ©teiner   u.  Gomp. 

(Soncerte  für  ^ianoforte  mit  Drdjefter  unb  bie  gantafie 

mit  Gtjor. 
91.  2.  (Soncert  in  B  dur,  Op.  19,  erfte  Sluffüfjrung  1800, 
erfdjien  1801  bei  £ofmetfter  u.  Äüljnet  in  Seipjig. 

138)  =  Hofmeister  &  Kühnel  (Bureau  de  Musique).    A.  d.  H. 


—     255     — 

Ta.  3.  (Soncert  in  C  moll,  Op.  37,  erfte  Sfaffüljr.  1804, 
erfcf)ten  1805  im  Snbnftrie-Somptoir. 

9^r.  4.  (Scmcert  in  G  dur,  Op.  58,  erfte  5tuffüt)rung  ?, 
erfcrjien  1808  im  3nbuftrie=(5omptoir. 

SRr.  5.  (Soncert  in  Es  dur,  Op.  73,  erfte  Auffuhr.  1812, 
erfdtjten  1811  bei  Sßreittopf  u.  ^wertet. 

gantafie  mit  (Sbjor,  C  moll,  Op.  80,  erfte  Sfoffüfa  1808, 
erfcfjien  1811  bei  Sörcitfopf  u.  Jpaertel. 

(Soncert  in  D  dur,  für  Violine,  Op.  61. 
@rfte  Aufführung  1806,   erfcfjien  1808   (§ugleict)  mit  oem 
Arrangement  at§  ßoncert  für  Sßianoforte)  im  Snbuftrie^omptoir. 

ßoncertino   in   C   dur,    für   ^3ianoforte,   Biotine   unb 
SSioIoncett,  Op.  56. 

(Srftc  Aufführung  1808,  erfcrjien  1810  im  3nbuftrie*(£omptoir. 

SBerfe  für  ®efang  unb  Drctjefter. 

A.  (StjriftuS  am  Detberg,  Santate,  Op.  85,  erfte  Auffüfj- 
rung  1803,  erfcrjien  1811  bei  23reitfopf  u.  §aertet. 

B.  gibetio,  Oper,  Op.  72,  erfte  Aufführung  1805,  erfcrjien 
tfjeüroeife  in  öerfcfjiebenen  Sauren  bei  53reitfopf  u.  ^wertet, 
bei  Artaria  unb  audj  bei  ©imrocf. 

C.  9J?effe  in  C  dur,  Op.  86,  erfte  Aufführung  1808, 
erfcfjien  1813  bei  Sßreitfopf  u.  §aertet. 

D.  £)ie  Ruinen  öon  Attjen,  Op.  113  u.  114,  erfte  Auf- 
führung 1812,  erfcrjien  tfjeüroeife  in  öerfcfjiebenen  Sauren, 
erfter  Verleger  Artaria. 

E.  S)er  glorreiche  Augenbüd,  @etegent)eit§cantate,  Op.  136, 
erfte  Aufführung  1814,  erfcrjien  um  1836  bei  §a§linger. 

Duüerturen  für  Drcfjefter. 
A.  ßu   bem   fallet   „«ßrometjjeuS",   Op.   43,   erfte   Auf- 
führung 1801,  bie  gan^e  9Jcufit  511  $|3rometfjeu3  in  öerfcfjiebenen 
Arrangements  erfcfjien  1802   unb   1805  guerft  bei  £>ofmetfter. 


—     256     — 

B.  ßu  (Soriolan,  C  moll,  Op.  62,  erfte  Stoffüfjrung  1807, 
erfdjien  im  3nbuftrie*(£omptoir. 

C.  3u  (Sgmont,  F  moll,  Op.  84,  erfte  Stoff  üfjr.  1808, 
erfdjien  1811  bei  33reitfopf  u.  Jpaertel. 

D.  ßu  gibetio,  Op.72,  SRo.l,  C  dur,  ersten  um  1836  bei 
£msiinger;  9?o.  2,  C  dur,  erfte  Stoff  üfjrung  gfeidjjeitig  mit  ber 
Dper  1805,139)  erfd)ieu  um  1842  bei  Sreitfopf  u.£aertet;  9?o.  3, 
C  dur,  erfte  Stoff  ütjmng  gleichzeitig  mit  ber  Dper  1806,  erfdjien 
1810  bei  Söreitfopf  u.  £aerte(;  9?o.  4,  E  dur,  erfte  Stoffüfjrung 
gleichzeitig  mit  ber  Dper  1814,  erfdjien  bei  Sreitfopf  u.  £mertel. 

E.  3u  $önig  ©tepfjan,  Es  dur,  Op.  117,140)  erfte  8tof* 
füfjrung  1812,  erfcfjien  1828  bei  §a3tinger. 

©eptett,  Es  dur,  Op.  20. 
(Srfte  Stoff  übjung  1800,  erfdjien  1801  bei  ßütjnet  u.  £of= 
meifter. 

©ejrtett,  Es  dur,  Op.  81b. 

©rfcfjien  1810  bei  ©imrod  in  93onn.141) 

Cuintette. 

Op.  16,  Es  dur,  für  ^ianoforte,  Oboe,  ©larinette,  £>orn 
unb  $agott,  erfdjien  1801  bei  üDMo. 

Op.  29,  C  dur,  für  2  Biotinen,  2  SütoS  unb  SSiolonceü, 
erfdjien  1803  bei  SBreitfopf  u.  feiertet. 


139)  Das  ist  vom  Standpunkt  der  Chronologie  noch  immer 
strittig.  A.  d.  H. 

140)  Das  Autograph  der  Ouvertüre  ist  überschrieben:  „Partitur 
zu  Ungarns  Wohlthäter".  Die  Ouvertüre,  im  Jahre  1815  dem  Verleger 
übergeben,  ward  im  Jahre  1826  als  erschienen  angezeigt;  sie  ist  be- 
titelt: „Große  Ouvertüre  (in  Es)  zu  König  Stephan.  Geschrieben  zur 
Eröffnung  des  Theaters  zu  Pesth".  A.  d.  H. 

141)  Nottebohm  teilt  unter  op.  81  b  mit:  „Eine  einzelne  ge- 
schriebene Stimme  (Corno  lrao),  im  Besitz  von  G.  Nottebohm,  ist  von 
Beethoven  überschrieben:  „6tett  von  mir".  Gott  weiß,  wo  die  andern 
Stimmen  sind.  Erschienen  im  Jahre  1810  bei  N.  Simrock  in  Bonn 
unter  dem  Titel:  „Sextuor  pour  deux  Violons"  usw.  A.  d.  H. 


—     257     — 

Ouartette. 

Op.  18,  F  dur,  G  dur,  D  dur,  C  moll,  A  dur,  B  dur*), 
crfdjien  1802  bei  WloUo. 

Op.  59,  F  dur,  C  moll,  C  dar,  erftfjteu  1807  im  Snbuftrie* 
(Somptoir. 

Op.  74,  Es  dur,   erfdjien  1810   bei  Sörettfopf  u.  §aerte(. 

■Jrio'ä  für  Sßianoforte,  Violine  unb  SStoIoncelX 

Op.  70,  (D  dur  unb  Es  dur),  erftf)ien  1810  bei  Sreitfopf 
u.  §aertet. 

Op.  97,  B  dur,  erfte  Stuffüfjrung  1814,  erfdjien  1816  bei 
©teiner  u.  (Somp. 

(Sonaten  für  ^ianoforte  unb  Biotine. 

Op.  23,  A  moll,  erftfjien  1801  bei  9Mo. 
Op.  24,  F  dur,  erfdjien  1801  bei  9Mo. 


*)  ®ie  brei  erften  biefer  Quartette  finb  im  Sa^re  1801  bei  93JoHo 
erfdjienen.  Sie  (Sompofttion  bativt  bemnad)  au§  ben  legten  Sauren  ber 
erften  ^Jeriobe.  Stuf  bie  folgenben  brei  in  C  moll,  A  dur  unb  ß  dur 
finbet  eine  ©teile  cm£  23eett)ot>en'§  Sßrief  au§  bem  ^afyxe  1801  an  feinen 
greunb  .tarl  Slmenba  in  Kurlanb  23eäug,  ber  fidj  bereits  1799  ton  ibm 
getrennt  t)atte.  (©tet)e  (Stngang  ju  biefer  ^Sertobe.)  SDiefe  Stelle  lautet: 
„Sein  Quartett  gib  ja  nicbt  rueiter,  tr>ei(  id)  e§  fet)r  umgeänbert  t)abe, 
inbem  id)  erft  je£t  redit  Quartette  ju  fdjreiben  weife,  roa§  ©u  fcrjon  feben 
wirft,  roenn  ®u  fte  erhalten  wirft." 142)  —  2Ba3  motzte  wobt  aber  23eetboöen 
befiimmt  rjaben,  biefe  fed)§  Quartette  unter  einer  Dpu&=3ab,l  berau35u= 
geben,  ba  er  bod)  nodj  bamalä  £>err  feinet  SBiUenS  war?  ©ola^er  Ueber== 
flufe  ftebt  bodj  root)l  im  fdjreienbeu  ©egenfajje  mit  ben  Kleinigkeiten,  benen 
fpäterbtn,  wo  fein  SBiße  nidjt  rnebr  beamtet  worben,  (wie  wir  geferjen)  bie 
©Ijre  wiberfafjren  unter  bie  Qpu&3ai)Un  aufgenommen  ju  roerben,  j.  33. 
Op.  99  unb  100  —  jroei  winjige  Sieber.  143) 

142)  Den  hier  von  Seh.  angezogenen  Brief  vgl.  man  B.  S.  Br. 
No.  35  (I.  Band).  A.  d.  H. 

143)  Op.  99  ist  das  Lied  „Der  Mann  von  Wort,  Gedicht  von 
Kleinschmied",  op.  100:  „Merkenstein-Lied  für  zwei  Singstimmen  mit 
Klavierbegleitung,  Gedicht  von  Rupprecht".  A.  d.  H. 

8t.  (Sambiers  Seet^oöen«53iogva^ie.  17 


—     258     — 

Op.  30,  (A  dar,  C  moll,  G  dar),  ersten  1803  im  5n= 
buftrie=ßomptoir. 

Op.  47,  A  dur,  erfdjien  1805  bei  ©imrod. 

Op.  96,  G  dur,  erfdjien  1814  bei  ©teiner  u.  ßomp. 

©onate  für  ^ianoforte  unb  SHotoncetl.1*4) 
Op.  69.    A  dur,  erfdjien  1809   bei  Sreitfopf  it.  £aertef. 

(Sonate  für  Sßianoforte  unb  §orn. 
Op.  17,  F  dur,    erfdjien  1801   bei  §ofmeifter   u.  ÄüJjneL 

(Sonaten  für  ^ianoforte  allein, 
(üftebft  1  ©onatine  unb  1  ^antafie.) 

Op.  22,  B  dur,  erfdjien  1801  bei  Ä'üfjnel. 

Op.  26,  As  dur,  mit  bem  STrauermarfd),  erfdjien  1802 
bei  Sot).  (Eappi  in  SSien. 

Op.  27,  (Es  dur,  Cis  moll),  erfdjien  1802  bei  Solj.  Sappi. 

Op.  28,  D  dur,  erfdjien  1802  im  3nbuftrie*6omptoir. 

Op.  31,  (G  dur,  D  moll,  Es  dur),  erfdjien  1803  bei 
üßägeli  u.  ©imrod. 

Op.  49,  (G  moll,  G  dur),  erfdjien  1805  im  Snbuftrie- 
ßomptoir. 

Op.  53,  C  dur,  erfdjien  1805  im  8nbuftrie=Gomptoir. 

Op.  54,  F  dur,  erfctjien  1806  im  3nbuftrie=(Somptoir. 

Op.  57,  F  moll,    erfdjien   1807   im  3nbuftrie=Gomptoir. 

Op.  77,  (ftantafie),  G  moll,  erfdjien  1810  bei  SBreitfopf 
u.  ^aerteL 

Op.  78,  Fis  dur,  erfdjien  1810  bei  Sreitfopf  u.  £>aertel. 

Op.  79,  (©onatine),  G  dur,  erfdjien  1810  bei  Sreitfopf 
u.  §aertel. 


144)  Diese  Sonate  op.  69,  die  Gleichenstein- Sonate,  ist  vom. 
Sommer  1809;  auf  das  seinem  Freunde  übergebene  Exemplar  schrieb 
der  Komponist  die  wehmütigen  Worte  auf:  „Inter  Lacrimas  et  Luctum": 
vgl.  Thayer  II,  83  und  B.  S.  ßr.  No.  198  (I.  Band).  A.  d.  H. 


—     259     — 

Op.  81a,  (Les  Adieux),  Es  dur,  erfdjien  1811  bei  Vreitfopf 
u.  £aertel. 

Variationen    für    ^ianoforte    allein    unb    aucfj    mit 
Segleitung. 

Op.  34,  fectjä  Variationen  ü6er  ein  Driginal*£fjema,  F  dur, 
erfdjien  1803  bei  Vreitfopf  u.  £aertet. 

Op.  35,  fünfaerjn  Variationen  mit  einer  $uge,  Es  dur,  er= 
fcfjien  1803  bei  Vreitfopf  u.  £>aertel. 

Op.  76,  Variationen,  D  dur,  erfdjien  1810  bei  Vreittopf 
n.  §aertet. 

Op.  44,  üierserjn  Variationen,  Es  dur,  für  ^ßianoforte, 
Violine  unb  Viotonceß,  ersten  1804  bei  $ßeter§.146) 

Op.  66,  jttjötf  Variationen,  F  dur,  für  ^ßianoforte,  Vio= 
line  unb  Violoncelt,  erfdjien  1799  bei  5lrtaria. 

(2luf  beibe  teuere  SBerfe  tneifet  Der  borfteljenbe  Vrief 
2Irtaria'3  gleichfalls  f)in.  3öie  in§befonbere  bie  „ßwölf  Varia= 
tionen"  §ur  Dpu^arjl  66  fommen,  ift  rätljfelf)aft,  ba  fie  gu 
ben  früljeften  (Sompofitionen  unfer§  WztfttxZ  gälten,  unb  barüber 
im  erften  Sarjrgang  ber  9lttg.  9ttuf.  3*9-  bereite  eine  fritifdje 
Slnjeige  enthalten  ift.  —  £>a3  SErio  für  2  Dboen  unb  englifdj 
£>orn,  mit  Op.  87  be^eicfynet,  gehört  unftreitig  aud)  in  bie  erfte 
sßeriobe  gurücf.)146) 


145)  Peters  =  Bureau  de  Musique  =  Hofmeister  &  Kühnel. 

A.  d.  H. 

146)  Das  Trio  für  zwei  Oboen  und  Englisches  Hörn,  als  op.  87 
erschienen,  stammt  aus  früher  Zeit.  In  Thayers  Chronol.  Verz.  No.  52, 
S.  25  ist  vermerkt:  „Aufgeführt  in  Wien  23.  Dez.  1797".  Das  Werk 
hatte  ursprünglich  die  Opuszahl  29.  Aloys  Fuchs  gibt  1794  als  Ent- 
stehungsjahr an.  Es  ist  angezeigt  von  Artaria  &  Co.  in  der  Wiener 
Zeitung  vom  12.  April  1806  (cf.  Thayer  1.  c):  „Beethoven  Grand  Trio 
pour  2  Violons  et  Viole  tire  d'un  Trio  pour  2  Hautbois  et  Cor  Anglais 
(op.  29)."  Nach  Nottebohm  (unter  op.  87)  „ist  die  Übertragung  des 
1.  Satzes  für  2  Violinen  und  Bratsche  von  Beethoven  revidiert". 

A.  d.  H. 
17* 


—     260     — 

Ütomanjen  für  Biotine  mit  Begleitung  eineä 
Heinen  Drdjefterä. 

Op.  40,   G  dur,   erftfjien  1803  bei  Äitynet  u.  £ofmeifter. 

Op.  50,  F  dar,  erfdjien  1805,  erfter  Berteger? 

Op.  25,  ©erenabe  (D  dur)  für  $löte,  Biotine  u.  Bratfdje, 
erfd)ien  1802  bei  (Simrod 

£)ie  in   biefe  Sßeriobe  fallenben  Sieber  unb  ©efänge  finb 
meift  fct)on  im  Sontejtc  mit  aufgeführt. 


—     261     — 

III.  SBectyotoen'g  mufifalif^cr  (Sfiaralter. 

2öer  möchte  ntcijt  bei  21nbtict  biefeS  ^ergeidjniffeg  über 
bie  beifpietlofe  $rud)tbarfeit  be§  23eett)oüen'fcljen  ®eniu§  in  aßen 
©attungen  muftcatifctjer  (Sompofition,  aber  auct)  über  ben  raft* 
lofen  ^lei^,  ber  im  geitraume  öon  nur  t)ierget)n  Satiren 
biefe3  alle§  t)erüorgebract)t,  in  Gürftaunen  geraden?  SBäre 
biefem  audj  nict)t  met)r  gefolgt,  fo  t)ätte  fidE)  ber  3fteifter  burdj 
ba%  $ort)anbene  fetjon  einen  ?ßla§  nnler  ben  in  ber  Sfttnft* 
gefct)icf)te  tjeröorragenbften  Scannern  gefiebert,  beim  bie  SSölfer 
@urotoa'§  Ratten  in  it)tn  fetjon  einen  ber  oberften  Vertreter  i£»rer 
Gtuttur  unb  tt)re§  9?ut)me§  in  (Sactjen  ber  STonfunft  erfannt 
unb  öeretjrt.  SSie  roenig  bie  Shtnftfritif;  im  (fangen  gu  biefem 
Gürgebnifj  beigetragen,  ift  buret)  bie  angeführten  ©teilen  barau§ 
fattfam  bargelegt  morben.  ®arum  öerbient  aber  gerabe  ber 
SKann  unter  allen  feinet  ©leiten  tjerüorgetjoben  gu  »erben, 
ber  \\ä)  einer  ber  erften  bom  (Sf)oru§  getrennt,  bie  alten  Sßor= 
urteile  für  §er!ömmlict)e§  unb  (SingefebteS  mögtictjft  abgefdjüttelt 
unb  fid)  beftrebt,  bem  ©eifte  ber  23eett)oben'fd)en  S£onbid)tung 
im  allgemeinen  unb  ©pecieüen  redjt  nat)e  $u  tommen  unb  fomit 
bie  $adel  gu  beffen  ©rlenntnifj  t)od)  aufmridjten.  2Sorau§geIjenb 
fdjon,  aB  ber  fritiftfjen  33eurttjeilung  ber  C  moll-<5infonie  in 
ber  5tllg.  9)?uf.  ßtg.  (Srtoätjnung  gefd)at),  toarb  $lmabeu§2öenbt 
genannt.  §ier  foll  nun  bem  SSerefjrer  S3eett)ot)en'ö  ein  9Ucet)rere§ 
au§  ben  ©tubien  biefe£  erleuchteten  Sßorgängerä  üorgelegt  unb  ba= 
mit  äugleid)  ber  ®an!  gegoltt  merben,  ben  Seber  if)m  fctjulbet.  ®enn 
i|m  gebührt  ber  9Rut)m,  ben  b\§>  batn'n  öerfannten  unb  angefeinbeten 
Sonbidjter  in  feiner  SSef enl)eit  ben  ßeitgenoff  en  tennen  gelehrt  unb  ba= 
mitgteicfjfamein  benfnmrbige§$erfö§nung§tt)erf  üoEbradjt  §u  tjaben. 

2)er  fiebenje^nte  Saljrgang  (1815)  ber  2111g.  9ttuf.  3tg. 
betoafjrt  in  6  Hummern:  „©ebanfen  über  bie  neuere  £on= 
fünft,  unb  öan  SBeetfjoöen'ä  Sftufif,  namentlich  beffen 
gibelio,  öon  *ßrof.  5lm.  Sßenbt."1*7) 

147)  Die  Gerechtigkeit  erfordert  es,   daß  neben  und  vor  Wendt 


—     262     — 

SfuS  biefer  umfaffenbcn  2(bt>nb(ung  möge  tjier  nur  ein 
Keiner  93rucf>tt)ei(  an'8  £age§Iid)t  ge5ogen  werben,  ber  btö  SM* 
gemeine  ber  SBeetfjoben'fdjen  9Jcufif  betrifft. 

Wadjbem  fic£)  SSenbt  ü6er  Stjarafteriftif  in  Sejug  auf 
Cper  einteitenb  au§gefprodjen  unb  Stto^art  ben  gebüfjrenben 
(£f)renplat5  angemiefen,  get)t  er  unter  ber  beförderen  Ueberfd)rift: 
„SBeetfjoöen'ä  muficatifdjer  ßfjarafter"  gu  feinem  eigent= 
(idjen  ferner  über  unb  fätjrt  fort: 

„Obige  ©ebanfen  oerantafjte  ba§  SBerf  eines  ÜMfterS, 
beffen  reifer  cotoffater  ©eift  burd)  äRojart  unb  §at)bn  mU 
§ünbet,  au§  ber  romantifd)en  Snftrumentalmufif  fid)  g(eict)fam 
einen  2)om  big  in  bie  SSolfen  erbauet  r)at  ©djmerlid)  ruirb 
it)n  ein  nod)  (ebenber  (Somponift  an  9?eid)tf)um  großer  unb 
ernfter  muficatifetjer  Sbeen  übertreffen,  bie  nid)t  burd)  Seetüre 
ober  5tnt)örung  ber  Stonftüde  SCnberer,  fonbern  burd)  felbfteigene 
(Srtjebung  in  ein  nod)  nie  Betretenes  ©cbiet  erzeugt  gu  fetjn 
fdjeinen;  fdjmerlid)  einer  an  ft'üfjnljett  ber  ^Ijantafie,  beren  gtug 
un§  (ruie  in  ber  Sinfonia  eroica)  balb  auf  ba$  ©djtadjtgefübe 
trägt,1*8)  roo  bie  golbenen  Hoffnungen  ber  Golfer  unb  eine 
glorreidje  ^etben^eit  untergetjen,  tuäljrenb  eine  anbere  iljren 
2luferftet)ung3tag  feiert,  balb  in  ben  <2d)Oo3  ber  Reitern  Sftatur 
unb  in  bie  muntern  9teit)en  ber  fröljüdjen  §irten,  mie  in  ber 
länb(icr)en  ©infonie.  2ßir  motten  bamit  feine§meg3  bie  be= 
fdjreibenbe  ober  malenbe  SO^ufif  in  (Sdjutj  nehmen,  gu  metdjer 
$eetf)otien,  ttrie  fein  Seigrer  §at;bn,  t)injuneigen  fd)eint;  benn 
einige  (Sinfätte  fdjer^after  Saune  abgeredjnet,  bleibt  Sßeettjooen, 

zwei  Namen  genannt  werden,  die  mit  Erkenntnis  das  Bauner  Beet- 
hovens hoch  getragen  haben:  Bettina  von  Arnim  und  E.  Th. 
Amadeus  Hoff  mann.  Deren  Bedeutung  ist  geschildert  in  des 
Herausgebers  neuestem  Buche  „Beethoven  und  Berlin"  1909. 

A.  d.  H. 
148)  Wohl  zu  beachten  ist  es,  daß  Beethoven  uns  in  der  Eroica 
nicht   auf  ein   wirkliches   Schlachtfeld   führt,    sondern    „geistige" 
Schlachten  ausführt.    Wie  Wendt,  so  huldigt  auch  noch  A.  B.  Man 
diesem  Irrtum.  A.  iL  li. 


—     263     — 

ma§  ber  Stfufifer  feint  fann  unb  fott,  3Mer  be$  ©efürjts,  unb 
tüie  baä  ©efütjt  überhaupt  nidjt  orjne  ©ebanf'en  ift,  fo  derben 
bie  in  £önen  feftgef)a(tenen  (Stimmungen  ber  $ߣ)antafte  be<§ 
gentaten  Xonfünftterg  aud)  in  Silbern  gegenftänblid);  er  fcfyaut 
bie  (Situationen,  beren  (Stimmung  er  fcfjilbert,  unb  bie  Sin* 
fc^aulidjfeit,  meldje  feine  Sonbitbungen  in  tt)rer  Erregung  unb 
©ntfterjnng  für  it)n  rjaben,  fann  mofjt  oft  ben  ©rab  erreichen,  ba^ 
er  btö  Sidjtbare  unb  örtlidj  SSeftimmte  gefdjUbert  ^u  fjaben  meint. 

3n  ber  S|at  aber  ift  23eetf)oOen'3  äRufif  fo  menig  @d)il* 
berung  be3  SStrfücfjen  unb  (begebenen,  baf$  fte  oietmerjr  jebem 
©efübjte  einen  unbefdjreibtidjen,  unb  ungemölmlidjen  ®rab  ber 
3nnigfeit  unb  Xiefe  erttjeitt,  unb  ber  mufit^funbige  <See(en= 
forfdjer  an  Q3eetrjotien'3  Sftufit'  redjt  mafjrnerjmeu  tonnte,  meldjeä 
Umfanget  unb  metcfjer  SKannigfattigteit  Oon  ©efütjlen  ba$ 
menfdjiidje  ^>er§  fäfjig  ift.  Sa  roenn  man  SBeetfyooen  aud)  nur 
barnad)  meffen  motlte,  fo  mürbe  er  üiefteicfjt  t)ierin  Oor  allen 
feinen  mufteafifdjen  3e^Se"°[fen  fjeroorragen.  ©eine  ©efürj(3= 
maunigfatttgfett  ift  unermefe(id),  feine  £öne  üerfünben  immer 
eine  nie  empfunbene,  nie  genoffene  SBonne,  ba§>  Ueberirbifdje 
ober  Uuterirbifdje  mirb  an  ben  irbtfdjen  Sliang  get'nüpft,  unb 
ftet§  erfdjeint  er  neu  unb  unerfdjöpfiid). 

£>od)  mirb  man  batb  bemerfen,  bafj  in  feinen  muficalifdjen 
3)arfteflungen  ba$  @rof$e  unb  (Sotoffate  öor^errfc^enb  ift. 
35enn  ob  mir  itjn  g(eid)  barin  ben  muficatifdjen  Srjafe3peare 
nennen  möchten,  bafe  e§  if)m  eben  fo  roofjl  mögtidj  ift,  ben 
tiefften  Slbgrunb  be§  fämpfenben  ^ergenS,  mie  ben  füfjen  Siebet 
Sauber  be§  unfdjutbigften  ®emütf)e§,  ben  tjerbften,  tiefften 
©cfjmera,  mie  baZ  fjimmetf)od)  jaudjgenbe  (Sntjüden,  ba§>  (Sr* 
tjabenfte,  mie  ba%  2iebtid)fte  in  £önen  ju  fd)ilbern  unb  au§= 
gufpredjen,*)   fo   neigt   bod)    fein   ©eift  $u   ben  £)arftelTungen 

*)  SBeldie  SSerfc^ieben^eit  üon  bei-  nmnberfüfeen,  tieffinnigen  Gelobte 
jit  betn  ©oeüje'fdjen  ,,3d)  beult  ©ein,"  ober  bon  ber  tueljmutljSt'OÜ'en 
Stbelatbe  an,  bis  31t  bem  5litanen!ainpfe  in  ber  genannten  Sinfonia  eroica, 
bet  tein  Mofeer  gauftfamöf  ift!  8.  SB. 


—     264     — 

tieffinnigen  ®rnfte§,  feuriger  ©dnoärmerei  unb  erhabener  $rad)t 
mit  öoräügticrjer  Siebe  Ijin,  unb  fetjt  bie  t)öct)ften  Effecte  in 
fyarmonifdje  23etuegung.  SSir  erklärten  un§  biefe<§  bafjer,  ba^ 
SBeetljoüen'ä  ©eniug  bie  STonfunft  unter  §arjbn'<S  unb  9J?o,}art'§ 
güfjruug  suerft  im  ©lan^e  ber  Snftrumentatmufif  er6licfte;  fte 
mit  originellem  ©eifte  nod)  meiter  au^ubüben,  mar  it)m  bie 
nädjfte  Stufgabe  feinet  £eben£.  (Sein  tiefet  geniales  Stubium 
erforftfjte  ben  öerborgenen  ©etfi  jebe§  3nftrumente<§,  unb  menn 
mehrere  feiner  ^eitgenoffen  nur  biefes  ober  jenc§  öortt)ei£t)aft 
anjuroenben,  unb  bie  SSirfung  §u  benutzen  oerfteljen,  fo  fennen 
mir  feinen  tebenben  £onfe£er  aufter  il)m  unb  üielleidjt  Gljerubini, 
ber  jebe§  Snftrument  nacf)  feinem  eigentt)ümlid)en  ©eifte  in  fo 
origineller  ÜDfannigfattigfeit  unb  munberbarer  S3erbinbung  an- 
gumenben  üerftetjt. 

SBer  biefe  9J?ad)t  über  bie  ©eifter  ber  £öne  errungen  §at, 
mufj  aud)  nottjmenbig  ben  fräftigen  £rieb  füllen,  biefe  §err= 
jdjaft  ju  üben;  biel  fann  auf  bie  t)öd)fte  3£eife  nur  bei  ber 
3nftrumentat=9)cufif  gefdjefjen,  meldte  mieberum  nict)t  um  jeber 
$leinigfeit  mitten,  fonbern  nur  burd)  bebeutenbe  unb 
mächtige  ©emüttjSbemegungen  in  Seiuegung  §u  fe|en  ift. 
2Bo  er  fidj  aber  ber  ganzen  9ftad)t  unb  ^ütte  ber  $>nftrumentaf= 
mufif  bebient,  ba  mirb  aud)  ba§>  Unerhörte  in  ber  üftufif  möglid), 
unb  eine  überirbifcfje  ®raft  fommt  in  ben  9J?enfd)en,  fo  bajj  er 
fid)  in  folgen  Momenten  ber  Semotjner  einer  t)öf)eren  Sßett  3U 
fetjn  mäf)nen  fann.  9cid)t  um  bie  frafttofe  fölage,  nidjt  um  bie 
fd)tt>äd)tid)e  ©mpfinbfamfeit,  mit  einem  9Infdjein  öon  Slraft  $u 
übertüncfjen,  nid)t  (mie  ba%  Wlotto  mehrerer  neueren  3>nftrumental= 
Somponiften  fjeifjen  fönnte,  bie  fefbft  jur  Smpfefjlung  eine§  ge= 
meinen  $töten*@oncert3  bie  ^eiligen  ^ßofaunen  unb  alle  3n= 
ftrumente  in  33eraegung  fe§en),  um  mit  ^Bietern  menig  $u 
tt)un,  fonbern  um  bie  mannigfaltigen  ©einölten  ber  SOcufit  in 
einem  unerhörten,  ungeheuren  ©inbrud  ^u  nerbinben,  bie  $ßer= 
lieifjungen  be§  romantifdjen  ©eifteso  in  ber  Sftufif  ^u  erfüllen, 
bie  uns  üorgüglid)  9#0  3art  gab,  muffen  alle  Snftrumente  ftd) 


—     265     — 

bereinigen,  ja  ber  Sfteifter  fetbft  6et)errfc^t  fte  mit  berfelben 
9J?ad)t,  tüte  ber  Virtuos  fein  einzelnes  Snftrument.  Unb  in 
ber  STfjat  fc^eint  audj  bie  3nftrumentat=9föuftf:  i§ren  Ijödjften 
©taug  erreicht  31t  fyaben,  mo,  mie  bei  *8eetf)oben,  alle  Snftrumente 
feiner  £ontt>erte,  ja  alle  Snftrumente  be§  gangen  Drd)efter§  — 
g(eid)  bem  einzelnen  SSirtuofen  auf  feinem  Snftrumente  gu= 
fammenfpielen  muffen.  £>ier  ftefjt  fein  eingetneS  für  ftd),  aüe 
bilben  in  unenbfidjer  2tbmedj§Iung  unb  SSerfnüöfung  gteidjfam 
ein  (ebenbige§  S£on=Uniüerfum.*) 

@o  glauben  mir  23eerf)oben'3  größte  $nftrumentat=@ompo= 
fitionen  gefdjilbert  gu  t)aben.  2e^tere§  a6er  bem  9J?eifter  gum 
53ormurfe  machen,  fann  nur  ber  Saie,  ober  ber  9)?ufifer,  ber 
bie  $raft  unb  53ebeutung  feiner  Äunft  mifjtierfteljt.  £>enn  mie 
überhaupt  bie  ©djtoiertgfeit  nur  eine  retatibe  ift  —  benn 
fonft  mürbe  man  ftatt  gu  ÜDlo$art,  §at)bn,  dfjerubini  fortgu* 
fdjreiten,  bei  filier,  23enba,  Sßanfjatt  u.  f.  m.  ftetjen  geblieben 
fetm:  —  fo  ift  ba§>  ®efe§  ber  $unft:  mit  menigem  SSiel  aud) 
nidjt  ba§  t)  ö  (f)  f t  e  ber  Sfrmft  —  fonft  mürben  bie  leidjteren 
Gattungen  ber  SCRufit,  5.  $.  Sieber  gum  (Statrier,  bie  f)öd)ften 
fetjn,  unb  bie  italienifdje  9)Jufif  unbebingt  ben  23orgug  öer= 
bienen;  —  im  ©egenttjetf  mufj  e§  in  jeber  Äunft  eine  ©attung 
geben,  me(d)e  ber  ergebenen  .^unftmittet  ftd)  in  iljrem  gangen 
Umfange  bebienen  unb  baburd)  bin  umfaffenbften  (Sinbrud  ifjrer 
Äunft  geigen  mufc."149) 


*)  SSöre  e§  bodö  bem  trefflid^en  üftttgltebe  be§  leipziger  Äunfitribitnate 
öergönnt  geroefen,  aud)  bie  neunte  ©tnfonte  pt  Ijören! 

149)  Schindler  hat  dafür  gesorgt,  daß  das  Wort  von  den  Leip- 
ziger 0 in  alle  Welt  getragen  ist  und  wird.    Seh.  hat  aher  zu 

erklären  vergessen,  daß  den  Leipzigern  damit  schon  deshalb  unrecht 
geschieht,   daß  er,  wie  Beethoven  selbst,    sie   allein   als  beschränkte 

Geister  hingestellt  hat.    Denn  jede  Großstadt  hat  ihre  0 Der 

Tiergarten  jeder  Kapitale  ist  —  äußerlich  wie  innerlich  —  gewaltig 

groß.    So  hat  Wien,  Paris  seine  0 ,  und  nun  erst  Berlin,  wo 

man  ja  sprichwörtlich  sagen  darf:  0  Gott,  wie  groß  ist  dein  Tier- 
garten! Und  darunter  muß  besonders  die  Erkenntnis  Beethovens  leiden. 


—     266     — 


Was  für  Tintenkulis  nehmen  da  die  papierne  Sella  curulis  ein?  Diese 
Spezies  ist  ja  die  inkarnierte  Streberzunft.  Von  Geist  ist  bei  ihnen 
kein  Hauch  zu  spüren.  Der  Gang  dieser  Tintenkulis  ist  gewöhnlich 
folgender.  Sie  stecken  sich  hinter  einen  namhaften  Mann,  dem  gegenüber 
sie  das  Speichellecken  bis  zum  Ekel  erfüllen.  Und  so  strebert  sich  das 
durchaus  rückständige  Kulivolk  von  Staffel  zu  Staffel  empor.  Von 
Kunst,  zumal  von  Beethoven,  hat  das  keine  blasse  Ahnung;  dafür 
sitzen  sie  auf  ihrer  papiernen  Sella  curulis,  und  verhängen  Tod  über 
alles  Neue,  Bedeutende,  denn  sie  verstehen  absolut  nichts.  Sie  be- 
kommen's  sogar  fertig,  heute  über  ein  und  denselbigen  Mann  Hosianna 
und  morgen  über  denselbigen  aus  irgend  einem  äußeren  Grunde  das 
Kreuzige  zu  rufen.  Aber  schnell  genug  ist  der  Tintenkuli  fort- 
geblasen, und  ein  anderer  ähnlichen  Gelichters  folgt  ihm.  Und  dann 
kräht  kein  Hahn  nach  einem  solchen  Nichts.  Der  Tintenkuli  behält 
den  traurigen  Ruhm,  diesem  oder  jenem  verdienten  Geiste  die  Lebens- 
tage verbittert  zu  haben.    Aber  der  Tintenkuli  stirbt  nicht  aus. 

A.  d.  H. 


—     267     — 

VI.  äSormürfe  bcr  ©djttHeriajfeit  unb  UntJerftänblidjfeit. 

„$ßa3  bie  muficalifdje  ©ctjmierigteit  anlangt,  fo  miffen 
niete  unter  un£  fidj  nod)  ber  ßeit  jju  erinnern,  mo  in  mandjen 
Drctjeftern  bie  Klarinette  nod)  gan^,  bie  ^ßofaune  überall  fehlte, 
unb  mo  man  3nftrumentat=<3tüde  taugfam  einftubieren  mu&te, 
bie  Ijeut  gu  £age  jebeS  flehte  Drdjefter  oljne  3>?üt)e  faft  com 
blatte  fpiett,  anbere  als  unausführbar  gurüdgelegt  würben,  an 
benen  man  fict)  jefct  überall  ergoßt.  Sa,  oon  9J?05art'S  äftufit 
ift  eS  un£  uor^üglid)  befannt  unb  in  frifctjem  9tnbenfen,  baf$ 
[ie  anfangt  öon  dielen  Drdjeftern  unroitlig  bei  (Seite  gelegt 
mürbe,  unb  bei  benen,  roeldje  bie  itatienifdje  SHuftE  2(Hem  üor- 
gietjen,  nod)  fjeute  übet  berüdjtigt  ift.  ©etbft  mürbige  SDMnner, 
mie  Ritter  nad)  2lnt)örung  tion  Sftogart'S  Cosi  fan  tutte, 
mußten  auf  ifjrem  befdjränften  ©tanbpuncte  bamafö  fagen,  e§ 
tonne  au§  bem  Sftanne  mofjl  nod)  etraaS  raerben,  aber  er  arbeite 
§u  fctjmütftig. 

SBtr  bürfen  fjierin  nictjt  uergeffen,  bafe  eS  ©eifter  gibt, 
meld)e  irjrer  $eit  mit  bem  ©eniuSflüget  §uüoreilen,  unb  erft 
nact)  fpäterer  3e^t  bietteidjt  erft  bon  ber  üftadjmett,  ba§>  böltige 
unb  tieffte  SBerftänbntfc  ifyrer  Söerfe  ermarten.  $ant'S  S3ei= 
fpiet  in  ber  pjitofopljie,  SHooftorf'ö,  ©et)  tu  er 'S  unb 
©oetlje'S  25eifbiet  in  ber  ^oefie,  beren  erfteS  3tuf treten  üom 
publicum  fo  menig  begünftigt  mar,  baJ3  bie  gemeinen  SHecen= 
fenten  bamatiger  ßeit1B0)  biefelben  mie  ifjreS  ©teilen  betradjteten 
unb  befjanbetten ,  fetbft  9tto§art'S  angeführtes  SBeifptel,  beffen 
£)on  Suan  u.  f.  m.  tjeut^utage  bem  muficatifdjen  publicum 
jebeSmat  einen  muficalifdjen  unb  tfyeatratifcfjen  f^efttag  bereitet, 
ba  man  früt)ert)in  bem  untjeimüctjen  ©eifte,  ber  in  biefer  er= 
tjabenen  Oper  maltet,  gteicfjfam  aus  bem  2öege  §u  gefjen  fdjien, 
jeugt  baüon. 

ßu  ben  ©eiftern  biefer  3lrt  gehört  auet)  Q}eett)oOen.  99?ef)rere 


150)  Das  sind  die  rückständigen  Tintenkulis  ihrer  Zeit. 

A.  d.  H. 


—     268     — 

feiner  Snftrumentat^ompofitionen  (aufeer  ben  angeführten  5.  35. 
bie  grofee  C  moll  Sinfonie)  beftätigen  bie§  fcrjon  jetjt,  unb  fein 
gibelio  —  mir  magen  bie3  ju  proptjeseifjen,  mirb  eö  autf) 
fünftig  beftätigen,  je  met)r  er  in  meifter haften  Aufführungen, 
bie  er  eben  fo  fetjr  tierlangt  als  öerbient,  roirb  genoffen  unb 
«ietfeitig  betrautet  roorben  ferjn.  ®enn  ba§  ift  ba$  matyrrjafte 
tanaetdjen  großer  Sßerfe,  bafj  fie  mieberljott  gen  offen,  immer 
meljr  befriebigen,  unb  burct)  Betrachtung  ber  unenbticfjen  ©djön* 
f)eit,  metdje  ba§>  ©an^e  umfdjftefet,  immer  reicheren  ©eiiuft 
gemäßen,  fo  roie  ba3  aufmerffame  Auge  am  unberoötften 
§immet  immer  mehrere  SBelten  finbet  unb  entbecft." 

Sn  roefcty  rjorjem  @rabe  biefe  im  Sarjre  1815  au§ge= 
fprocfjene  ^roprjeäeirjung  be§  Seidiger  Stunftgetetjrten  in  (£r* 
fütlung  gegangen,  meif$  bie  ©egenmart  au^ufagen.  Sn  fpe^ietter 
Be^ierjung  auf  gibelio  ift  2t.  SSenbt  tmdj  reiflicher  Prüfung 
unb  Bergteicfjung  ber  urfprüngtierjen  ©eftattung  ber  Dper  mit 
ber  in  groei  Acte  gufammengegogenen  ju  einem  AuSfprud)  ge= 
fommen,  ber  gteicfjfaflg  in  (Srinnerung  gebracht  ju  merben  öer* 
bient.  (Sr  tautet:  „2)ie  Duüertüre  abgerechnet,  finb  bie  Ber= 
änberungen  ber  beibehaltenen  ©tücfe  gan-j  unmefenttitf),  fofern 
fie  nidjt  mit  jener  llmftettung  ber  ©cenen  in  Berbinbung  fielen. 
£>a  nun  aud)  burefj  biefe  Umftetlung  ber  ©cenen  für  ba% 
£)ramatifd)e  ber  Dper  menig  gemonnen,  ja  ba§>  Sftifcoerrjättnifj 
ber  Stete  nur  Dergröfjert  roorben  ift,  fo  mürben  mir  auefj  jeber 
3)irection  ratzen,  biefe  Dper  im  Sßefentticfjen  lieber  in  ber 
urfprünglicrjen  Bearbeitung  aufführen  gu  taffen,  unb  finb  gemifj, 
bafj  bei  miebertjottem  ©enuffe  präeifer  unb  begeifterter  Auf- 
führungen berfetben,  fomotjl  üon  (Seiten  ber  «Sänger  at£  be3 
Drd)efter§,  bie  matjren  ^ftufiffreunbe  fie  immer  allgemeiner  an* 
erfennen,  unb  ifjren  tarnen  banftar  in  ba§>  üftationaf^eitig* 
tf)um  eingraben  merben,  in  meinem  SöcogartS  göttliche  Dpern 
prangen." 

SDafe  jeboef)  ber  ©djarfblid  be§  forfdjenben  ©d)riftfteiler§ 
in  biefer  Abrjanbtung  ein  nad)  jeber  ©eite  toöflig  unbefangener 


—     269     — 

Wäre,  ba$  SSenbt  nictjt  nadj  mehreren  Segierjungen  f)in  bennoer) 
ben  3ögting  feiner  $eit  nnb  ifjrer  atigemeinen  Befangenheit 
öerrietlje,  barf  oernünftigerweife  laum  oorauSgefetjt  werben. 
Offenbare  23eWeife  üon  3eit=Srrtpmern  liegen  in  bem  2lb= 
fctjnitte  „23eetf)ooen'3  Lanier"  gu  Sage,  bie  gegenwärtig  befferen 
Ueberjengungen  meidjen  mußten.  (Sin  SSeifptet  öon  3eit=3rrtt)um 
in  anberer  S5e^iet)ung  mag  ßeugnift  geben.  2öenbt  fagt:  „SBiete 
Sßerfe  S3eetf)oüen'§  5.  23.  mehrere  feiner  (Sinfonien,  (Sonaten, 
tonnen  nnr  al£  muficatifcfje  gantafien  gefaxt  unb  gewürbigt 
Werben.  Sn  it)nen  Oerliert  aud)  ber  aufmerffame  3u^)örer  ben 
©runbgebanfen  oft  gan§  au3  ben  2tugen;  er  finbet  fid)  in  einem 
rjerrlictjen  Sabrjrintrje,  wo  auf  allen  Seiten  üppige^  @ebüfd) 
unb  wunberfettene  ötumen  ben  Solid  auf  fid)  gießen,  bod)  otjne 
ben  gaben  in  bie  ruhige  §eimatt)  Wieber  §u  gewinnen;  be§ 
$ünftler§  gantafie  fliegt  unauftjattfam  weiter  fort,  ^utjepuncte 
ftnb  fetten  gewährt,  unb  ber  (Sinbrud,  wetcfjen  ba3  grütjere 
rnadjte,  Wirb  buret)  baZ  «Spätere  nietjt  fetten  ausgetilgt;  ber 
©runbgebanfe  ift  gan§  öerfdjwunben,  ober  fdjimmert  nur  auä 
bunfter  gerne  in  bem  gtuffe  ber  bewegten  Harmonie  rjerüor." 

Sängere  ßeit  nad)  bem  (5rfd)einen  biefer  5lbrjanbtung  ergab 
fid)  eine  paffenbe  Sßerantaffung  berfetben  in  einem  @efpräd)e  mit 
S3eett)ooen  51t  erwähnen.  ®a  erwieberte  ber  SOceifter:  „(S§  ift 
biet  2Bei3t)eit,  aber  aud)  diel  Sdjutüerftanb  barin.  Sie  fottten 
fie  balb  wieber  tefen,  unb  nad)  einigen  Satiren  wieber."  Sßeiter 
feinertei  Stnmertung,  fein  SSinf.  — 

33Selc6e§  war  Wot)l  ber  redjte  Sinn  biefer  oratelljaften 
SBorte?  (Sollte  mit  bem  $orberfa£  (2©ei^t)eit)  bie  ewig  un* 
wanbetbare  2ßat)rtjeit,  —  aud)  in  Segug  auf  feine  SSerte  — 
mit  bem  üftad)fat$e  (Scfjulöerftanb)  etwa  ba3  gemeint  fenn,  Wa§ 
eine  fpätere  $eit  mobificiren,  reformiren  werbe?  Sßielleicfjt! 
<perber  fagt:  „2ßo  für  alle  Reiten  ^e  gorm  0aftet)t,  (wie  in 
S3itbt)auer=  unb  SJMertunft)  ba  raufe  fid)  nottjwenbig  ba§  itr* 
ttjeil  fortwätjrenb  an  it)r  fdjärfen,  berichtigen,  ergänzen.  SlnberS 
fd)eint  eS  aber  mit  bem  §u  fein,  xoaä  in  ber  Suft  üertjattt  — 


—     270     — 

mit  SOZuftf  unb  ©pradje.  2£er  fann  bieg  roeUenergiefcenbe  9#eer, 
mo  jebe  SSoge  mit  bem  9Iugenbtid  üerfcrjtoinbet,  unter  (Sitten 
23lid  f äffen,  in  ©ine  g°rm  befdjränfen?  ©afjer  urteilen 
Nationen,  3e^ten^  SKenfdjen,  über  9J?ufif  unb  Sßoefie  fo  üer= 
fdjieben!  2)af)er  ueränbern  fid)  biefe  fo  fef)r  mit  Nationen, 
ßeiten,  3Renfd)en!  <So  fdjeint  eS,  bie  Regeln  be§  (£in- 
üerftänbniffe§  liegen  aber  bennod),  fomoljl  im  Material  bet 
SÜuttft,  at§  im  ©ubject  ber,  biefe  fünfte  geniefjenben,  immer 
nur  menfd) tidjen  (Smpfinbung.  £)ie  Sßerfyältniffe  ber  Harmonie 
finb  allen  SSölfern  biefetben;  bie  @mpfättg(id)feit  unfern  Drganä 
fann  grabroeife  geübt,  atfo  aud)  berechnet  unb  compenfirt 
toerben:  mittjin  ift  ein  allgemeiner  Sftafjftab,  ein  (Sinüerftänbnifs 
mögtid)." 


©ritte  ^eriobe. 

OSon  1815  m  pm  Sobe. 

Itnb  btö  ©djicffal  lafiet  fc&toer 
unb  immer  fernerer  auf  iljm. 

Sm  Sßorroorte  gu  £)id)tung  unb  Sßafjrljeit  gibt  ©oetlje 
bem  SSiograpljen  fotgenben  SSin!:  „(£§  fcfyeint  bie  Hauptaufgabe 
ber  23iograpf)ie  gu  fetjn,  ben  SDcenfdjen  in  feinen  ,3eitüerf)ält= 
niffen  barguftetten,  unb  gu  geigen,  in  liefern  if)m  ba§  ©ange 
miberftrebt,  in  roiefern  c§  ü)n  begünftigt,  tt)ie  er  fid)  eine  3BeIt= 
unb  9Jcenfd)enanfid)t  barau§  gebitbet,  unb  liefern  er  fie,  roenn 
er  $ünft(er,  £)ict)ter,  ©cfyriftfteHer  ift,  roieber  nad)  2lufjen  ab* 
fpiegett." 

Der  SSerfaffer  glaubt  biefen  2Binf  öerftanben  unb  in  ben 
abgetjanbetten  Venoben  treu  befolgt  gu  §aben.  3Me  mancherlei 
(Situationen,  in  benen  mir  unfern  Reiben  getroffen,  bie  (Sonflicte 
balb  mit  £ergen3angetegenlj)eiten,  batb  mit  Verlegern,  mit  feinen 
Sörübern,  $reunben,  ober  mit  ben  2Beltt)änbetn  im  allgemeinen, 
maren  in§gefammt  ber  5(rt,  ba^  fie  motjt  nicf)t  ben  abfonber* 
lidjen  gugegäljtt  werben  tonnten,  ffllit  alleiniger  2tu3nat)me  be§ 
galleS,  ber  un§  in  bem  9ftuftfer  gug(eict)  einen  Sßotitifer  bor= 
geführt  unb  fürbertjin  a(3  folct)er  nod)  unfere  5(ufmer!famfeit 
in  Stnfprud)  nehmen  mirb,  fjaben  bie  anbern  bodj  manches  mit 
ben  SBorfommniffen  in  anberer  Sücänner  SebenSöerfjättniffen 
gemein.  £>a3  oben  gefefjene  SSergeidjnif;  ber  Sßerfe  au§  ber 
groeiten  ^ßeriobe  bemeifet  gur  ©enüge,  mit  raetdjer  geftigfeit  ber 
ÜDtofter  feinen  ureigenen  2Seg  berfotgte,  ofjne  fid)  burd)  ben  oft 
geringen  Seifalt  feiner  ^eitgenoffen   beirren  gu  taffen.     5tud> 


—     272     — 

Reiben  bie  mandjertei  SSiberfprüdje  in  3öort  unb  Xfyat  bei 
unferm  Weifter  nod)  nidjt  bie  ©eftatt  angenommen,  bafj  fte  in 
bie  Kategorie  be3  StufjergemöijnHdjen,  5(uffaUenben,  menn  aud) 
nidjt  MtägUdjen,  5U  ftellen  mären.  Snbefj:  Tempora  mutantur, 
et  nos  mutamur  in  Ulis.151)  2)iefe§,  mie  aud)  be§  obigen 
<5a£e§  öom  SOceifter  ©oetfye,  merben  mir  unä  im  Verlauf  biefer 
Sßertobe  öftere  gu  erinnern  ©runb  Ijjaben. 

£)iefe  ^ßeriobe  mirb  23eetf)oDen  in  gan§  oerfdjiebenen 
(Situationen  aufftnben  (äffen,  ^ßroceffe  ber  mibertidjften  ?frt 
unb  bortfjer  entftanbene  (Sonflicte  mit  ©erid)t3t)öfen;  Attentate 
auf  feine  ©eifteäprobucte  Don  greunbe3f)anb  ausgegangen; 
gamilienungtüd;  fctjnöber  Unban!  unb  anbere§  nod)  auf  feine 
@emütt)3oerfaffung  nadjtfyeüig  ©inmirfenbe,  —  ba§  maren  bie 
©cfjidungen,  bie  faft  in  ununterbrodjener  Reihenfolge  itjm  be= 
gegnet  finb;  5U  btefe  ber  ürfadjen,  burd)  meldje  anbauer nbe  $er= 
ftimmungen  herbeigeführt  morben.  £>ortf)er  ergeben  fidj  aud) 
für  ben  53iograpb,en  bie  SSemeggrünbe,  bei  Slufäeidmung  ber  S3e= 
gebenfyeiten  grofcenttjeUö  ein  anbereS  SBerfaljren  einfd)lagen  ,^u 
muffen,  inbem  bie  frau3  burd)einanber  (iegenben  Singe  eine 
djronotogifdje  üftebeneinanberfteüung  nidjt  burdjmeg  gulaffen. 

5tu§  biefer  (Sjpofition  erftefjt  man,  meld)'  unangenehme, 
aber  aud)  fdjmierige  Aufgabe  §u  töfen  fetin  mirb.  2)iefe  ber 
SBatjrtjeit  entfpredjenb  31t  löfen  märe  unmögtid),  f)ätte  nidjt  ba§ 
©efdjid  ben  SSerfaffer  biefen  Singen  in  unmittelbare  9^är)e  ge= 
bradjt  unb  märe  ii)tn  nidjt  befdjieben  gemefen,  in  $otge  eine§ 
freunbfdjaftttdjen  Sßerfyättniffeä  gu  bem  £onbid)ter  bei  ben  metften 
95ortommniffen  mit  tljätig  feUn  gu  fönnen.  SSie  biefeS  3}erf)ä(t= 
nifi  entftanben  unb  mie  e§  fid)  im  £aufe  ber  Safjre  geftaltet 
Jjat,  foll  bie^mat  im  ^ntereffe  ber  ^u  löfenben  Aufgabe  au3= 


151)  Das  Wort  wird  in  der  folgenden  Form  zitiert:  Tempora 
mutantur,  nos  et  mutamur  in  Ulis;  es  wird  auf  Lothar  I.  (795  —  855) 
zurückgeführt,  der  aus  einem  Kaiser  zum  Mönch  wurde.  Nach  dem 
überliefernden  Schriftsteller  Borbonus  heißt  das  ursprüngliche  Kaiser- 
wort „Omnia  mutantur,  nos  et  mutamur  in  illis".  A.  d.  H. 


—     273     — 

für)rtid)er  mit-jutfieUen  nidjt  unterlaffen  toerben,  löte  in  ber 
erftett  Bearbeitung  gefct)et)en. 

Bor  ©rgreifung  be§  f)iftorifd)en  $aben3  nrirb  e»  x&tfßfy, 
einen  Büd  auf  Beetljoüen'3  näheren  $reunbe3frei§  ^u  werfen, 
um  §u  feljen,  tüetct)e  öon  ben  (£tngang§  ber  graeiten  s$eriobe  ge~ 
nannten  9Jiitgtiebern  tt)rt  nod)  umgeben,  metdje  im  gortfdjreiten 
ber  $eit  abgegangen,  unb  roetdje  biefe  letzteren  mieber  erfettf 
hatten,  überhaupt  au§  metdjen  Männern  biefer  ÄreiS  bei  S5e= 
ginn  unb  im  Bertaufe  ber  Sßeriobe  beftanben.  2)ie  ©egner 
Beetf)Oüen'<o  tjaben  biefen  $unct  befonber§  ftarf  betont  unb  erft 
neulich,  tjat  Sttejanber  11(16 tfdt)eff  in  feinem  Budje:  „Beet- 
hoven, ses  critiques  et  ses  glossateurs",  barüber  auSgefagt: 
„©djinbler  t)atte  fid)  Beethooen  ergeben,  mie  man  fid)  fonft  bem 
Teufel  ergi6t,  mit  Seib  unb  ©eete.  (£r  blieb.  5fnbere  maren 
weniger  au§bauernb,  unb  aßmähtig  bitbete  fid)  (Siufamfeit  um 
ben  großen  Äünftfer.  @r  faf)  fid)  öertaffen  öon  feinen  beften 
unb  ätteften  greunben,  öon  benen  er  nur  einige  auf  feinem 
Stobbette  löieberfah." 

2)a§  2BaIj)re  an  biefer  5lu§fage  mirb  au§  ben  fotgenben 
äftittfjetfungen  fid)  ergeben.     Vorläufig  feti  bemerkt: 

Sei  ©d)itberung  ber  Borgänge  im  Sfohre  1813  gab  e3 
Berantaffung,  ben  dürften  ßidjnomäfy  mit  feinen  unoeränbert 
liebreidjen  ©efinnungen  gegen  unfern  9#eifter  an^ufütjren.  9ttit 
gteidjer  Stjeitnahme  umgaben  ibn  nod)  immer  bie  bemätjrten 
greunbe:  @raf  äftoritj  ßtdjnotoSftj,  Baron  $ßa3qua(ati, 
Stephan  oon  Breuning,  oon  QmeZtall,  ©treidjer, 
©c^uppan§igt),  Äanne,  unb  bie  fpäter  hinzugekommenen: 
9JJae(äet,  Dliüa  unb  $art  Vernarb.  Sfcur  ©raf  BrunS* 
töid  unb  Baron  ©teidjenftein  maren  bei  Beginn  biefer  ^ßeriobe 
au§  bem  Greife  gefdjieben,  erfterer,  um  feinen  9Bot)nj"i§  in  Sßeftlj, 
ber  anbere  aber,  in  feinem  §eimatt)tanbe  Baben,  §u  nehmen, 
©rftercn  greunb  fah.  unfer  3fteifter  feitbem  noclj  oft  in  3Sien, 
ben  anbern  nur  mefjr  1824  bei  feinem  ber  öftreicfjifdjen  §aupt* 
ftabt  gemalten  Befud)e.    gerbinanb  9vie3  t)atte  fdjon  1805 

S(.  @djtnb(cr§  5Beetfjot>cn=8iogra))0ic.  jg 


—     274     — 

SSSien  üerlaffen.  Sei  feiner  9?üdfefjr  au§  SHufetanb,  im  Spät* 
fjerbft  1808,162)  üermeitte  er  6to§  bie  erften  SSintermonate  bafetbft. 
SlöeS  rjienieben  ift  \a  ber  Sßeränberung  untermorfen,  mie 
rjätte  nidjt  audj  biefer  fdjöne  $reunbe3frei3  ©leidjeä  erfahren 
füllen!  ©d)on  1814  Ijaben  mir  ben  (Senior,  ben  dürften 
SidjnotoSft),  au§>  bem  Seben  fdjeiben  geferjen,  nadjbem  ifym  bie 
$reube  gemorben,  feinen  Siebling  auf  bem  fjöcrjften  ©ipfet  be§ 
9?urjme3  erbliden  %u  !önnen.  Snt  Saljre  1816  berliefj  ©d)up= 
pan^ig^  SBien,  um  bie  Seitung  einer  Sapelle  bei  einem  2(be(icrjen 
in  9?uf$(anb  $u  übernehmen.153)  @r  fetjrte  erft  1823  mieber  in 
bie  £>eimatfy  gurüd.  Um  1817  üertiefe  and)  Oliüa  bie  Slaifer* 
ftabt  für  immer,  um  in  ©t.  Petersburg  eine  Sßrofeffur  ber 
©eutfdjen  Siteratur  anzutreten.  Snt  Seilte  1817  erfolgte  bie 
(Snt^meiung  mit  bem  getreuen  greunbe  S3reuning.  2>ie3  mar, 
nebft  ©djuppanjigr/g  Entfernung,  ber  fjärtefte  SBerfuft  für  33eet= 
tjoben.  2Bar  ©rfterer  ber  oftmalige  Anreger  (aufteilen  aud) 
©ränger  im  eigenen  Sutereffe)  §u  (Sompofitionen  ober  2Iuf= 
füfjrungen,  fo  mar  bagegen  ber  5Inbre  ber  ftets  befonnene  unb 
uneigennützige  äöegmeifer  unb  Reifer  in  bebrängten  Momenten. 
S)ie  SBieberoereinigung  mit  biefem  alten  $reunbe  erfolgte  erft 
im  Safyre  1826;154)  mitttermeile  mar  man  aber  beiberfeit§  um 

152)  Ferd.  Ries  hatte  auf  seiner  Heise  nach  Rußland  manches 
Abenteuer  zu  bestehen.  So  wurde  das  Fahrzeug,  auf  welchem  sich 
Ries  in  Schweden  eingeschifft  hatte,  unterwegs  von  den  Engländern 
angehalten.  Sämtliche  Reisende  mußten  als  Gefangene  acht  Tage  auf 
einer  wüsten  Felseninsel  zubringen,  bis  Ries  endlich  in  St.  Petersburg 
anlangte,  von  wo  er  in  Gemeinschaft  mit  Bernhard  Romberg  eine 
Konzertreise  ins  Innere  Rußlands  unternahm.  A.  d.  H. 

153)  Über  Schuppanzighs  Rückkehr  aus  Rußland  und  Beethovens 
launige  Begrüßung  des  getreuen  Kunstgenossen  konnte  ich  bei  Ge- 
legenheit der  Mitteilung  des  drastischen  Kanons  von  Beethoven: 
„Falstafferel,  Falstafferel  usw.  laß  dich  sehen"  vieles  aus  den  Kon- 
versationsheften des  Jahres  vorführen.  Vgl.  den  Kanon  vom  26.  April 
1823  in  B.  S.  Br.  No.  965  (IV.  Band)  nebst  Erklärungen.    A.  d.  H. 

154)  Die  Wiedervereinigung  des  Meisters  mit  seinem  bewährten 
Jugendfreunde  Stephan  von  Breuning  erfolgte  weit  früher,  als  es 


—     275     — 

neun  Sat)re  älter  geworben.  —  $n  ben  perföntidjen  $8ert)ätt= 
niffen  ber  anbern  greunbe  fjatte  fid)  nad)  unb  nad)  auct)  manches 
öeranbert,  ba§  Sßeranlaffung  gemefen,  fid)  gegenfeitig  feftener  gu 
fet»en.  (So  mujjte  SSeetljoben  be§  Umgangs  mit  ßmelfatl  ent= 
beeren,  roeit  biefer  eine  9^eif>e  üon  Sauren  burd)  ©id)tteiben 
an'3  ftranfenbett  gefeffeCt  mar,  unb  ®anne  gog  fid)  in  fpäteren 
Sauren  auS  if)n  allein  betreffenben  ©rünben  üon  aller  ©efell* 
fc£»aft  gurüd.  £)od)  üerbüeb  er  nod)  Äririfer  quand  meine, 
aud)  Hefj  er  ftd)  nod)  gumeiten  üon  33eetf)oüen  gu  £ifd)  eintaben. 
SO^it  biefem  ©onberting  ot)ne  ©teilen  üerloren  fid)  bie  8m= 
üulfe  gu  oft  fyartnädigen,  für  bie  Stnmefenben  fet)r  intereffanten 
unb  befeljrenben  Gontroüerfen  groifcfyen  beiben  Äünftlern,  Oon 
benen  ber  eine  Oormärt§,  ber  anbere  aber  rüdroärtä  gu  flauen 
liebte,155)  bereu  funfttfjeoretifdie  mie  äfttjetifdje  2lnfid)ten  nur 
fetten  übereinftimmen  rooUten.  (<Siel)e  9Mf)ere3  unter  1  ber 
„ßtjaraftergüge,  (Eigenheiten,  u.  f.  m.") 

(Einige  biefer  Süden  mürben  a(3balb  mieber  aufgefüllt,  unb 
groar  burd)  ben  £of*  unb  ©erid)t§aboocat  Dr.  Sofjann  23aüt. 
$8a<§  unb  ben  SSerfaffcr  biefer  ©cfjrift,  enbtid)  gu  9lu§gang  ber 
Sßeriobe  1825  nod)  burd)  Gart  §olg. 

Unb  nun  fet)  e§  geftattet  in  gebrängter  Äürge  Oon  ben 
gufäüen  gu  füredjen,  meiere  ben  Sßerfaffer  in  unmittelbare  9?äl)e 
23eetf)oüen'§  gebracht.  3lu§  ber  ©djilberung  ber  ben  Sfteifter 
betreffenben  SSertjältniffe  unb  £)inge  mirb  fief)  aud)  beigefyenb 
ergeben,  mie  nad)  unb  nad)  id)  mir  beffen  £t)eitnaf)me,  23er= 
trauen  unb  ßuneigung  ermorben  tjatte. 


Schindler  hier  angibt.  Bei  Gelegenheit  des  Briefes  an  dessen  Freund, 
der  mit  den  Worten  beginnt:  „Hinter  diesem  Gemälde,  mein  guter, 
lieber  Steffen"  (No.  94, 1.  Band),  habe  ich  die  Beweisführung  —  Tbayer 
folgend  —  unternommen,  daß  diese  Aussöhnung  lange  vor  1826  statt- 
gefunden haben  muß.  Man  darf  Aussöhnung  und  Brief  getrost  ins 
Jahr  1804  verlegen;  cf.  B.  S.  Br.  1, 147 f.  A.  d.  H. 

155)   Der   rückwärtsschauende    Kunstbruder    war   natürlich   F. 
A.  Kanne.  A.  d.  H. 

18* 


—     276     — 

@in  roorjtrjabenber  9ftufiffreunb,  9camen§  ^ettenfofer, 
rjatte  im  Verlauf  be3  SßinterS  öon  1813  auf  14  einen  an= 
ferjnlid)en  Sh:ei3  öon  jungen  £euten  alle  (Samftage  in  feinem 
§aufe  gur  5lu§füt)rung  öon  Snftrumentalmufif  mit  öotlem  Dr* 
cfjefier  üerfammelt.  liefern  Greife,  bem  mehrere  meiner  llni= 
öerfität§=greunbe  angehörten,  (barunter  aud)  §err  Dr.  Seopolb 
©onnleitrjner,  ben  ber  Sefer  bereite  ©ingangg  ber  groeiten 
^ßeriobe  fennen  gelernt  rjat,)  rjatte  idj  mid)  gleichfalls  ange* 
fdjloffen.  Sn  einer  Verfammlung  gu  ßnbe  9J?är§  1814  erfudjte 
mid)  einer  meiner  ycadjbarn  am  ^ßulte  um  bie  ©efäüigfeit,  am 
folgenben  Vormittage  Veettjoöen  ein  bittet  üon  feinem  ßerjrer 
(Sdmppanäigf)  übergeben  $u  motten,  ba  er  felber  üerrjinbert  ferj; 
in  bem  bittet  fei  öon  einer  beabf tätigten  $robe  bie  9tebe, 
unb  Veetljoöen,  al§  Sttjeitnetjmer  baran,  tjabe  barauf  bloä  mit 
Sa  ober  üftein  §u  antroorten.  üKit  greuben  übernahm  id)  ben 
Sluftrag.  2)er  SBunfd),  bem  Spanne  nur  einen  Stugenbticf 
narjeftetjen  gu  tonnen,  beffen  üSßerfe  mir  feit  einigen  Satjren 
fcfjon  bie  t)öd)fte  ©tjrfurdjt  für  itjren  ?Iutor  eingeflößt  rjatten 
(id)  äätjtte  bereite  18  Satjre),  er  fodte  nun  fo  unüerrjofft  unb 
in  fo  feltfamer  2öeife  in  Erfüllung  getjen.  5lm  anbern  borgen 
ftteg  bemnad)  ber  23tlletträger  mit  flopfenbem  §er5en  bie  üier 
treppen  im  ^asqualati'fcfjen  £)aufe  tjinauf  unb  roarb  fogleicf) 
burd)  ben  fdjneibernben  S3ebienten  $u  bem  am  ©djreibtifd) 
fitjenben  äfteifter  geführt.  9rad)bem  biefer  ba£  Statt  eingefetjen, 
teanbte  er  fidj  §u  mir  unb  fagte  „Sa";  nad)  einigen  rajcf) 
nod)  fjinjugefügten  5raSen  toar  0*e  ^fubien^  §u  &töt.  2tber 
an  ber  £t)ür  ertaubte  id)  mir  ein  SSeitcfjen  $u  öerfjarren,  um 
ben  Sftann,  ber  bereite  im  ©ctjreiben  fortgefahren,  fctjarf  gu 
beobachten. 

tiefem,  in  bem  £eben£lauf  be§  armen  ©tubenten  bi§  barjin 
faft  roicrjtigften  ©reigniß  folgte  bau)  bie  S3efanntfct)aft  mit 
©d)uppanäigrj.  @r  bereite  mir  eine  (Sintrittsfarte  §u  bem  Don 
irjm  am  11.  5lpril  oeranftalteten  ßoncerte,  mobei  Seetrjoüen 
fein   grofteä  £rio   in  B  dar,  Op.  97,   §um   erften  SCftal  fetber 


—     277     — 

üortrug.  Söet  biefer  ©elegenfjeit  trat  id)  fd)on  mit  mef)r  $vl= 
üerfidjt  bem  großen  Reiftet  nalje,  irjn  erjrfurd)t§öolI  grüfjenb. 
©r  erroieberte  freunblid)  unb  geigte,  bafj  er  fidj  be§  23illet= 
bringet  erinnere.  $u  oen  9roBen  5(fabemien  am  29.  üftobember 
unb  2.  SDecember  beffelben  3afjre§  erhielt  id)  burd)  ©dmöpan- 
gigt)  bie  (Sinlabung  gur  9ftitmirfung.  $)abei  ergab  fidj  mieber- 
fjoft  bie  fcf)idfticf)e  (Gelegenheit  bem  ©cfjööfer  ber  A  dur-@infonie 
recfjt  naf)e  51t  fetjn.  —  2)ie3  mar  bie  ungefucfjte  (Einleitung  §u 
fernerer  21nnät)erung.  ^neju  märe  jebodf)  fdjroertidj  fobalb  ein 
©djritt  gefdjerjen,  rjätte  nidjt  fur§  nacfjtjer  ein  mid)  rjart  ge= 
troffeneä  äftifjgefdjid  SSerantaffung  gegeben. 

SSir  befinben  un§  mit  unferer  ©räärjlung  in  ben  Sagen, 
mo  ber  (Sarbonari3mu§  in  Stalten  §u  fpufen  begonnen,  in  golge 
beffen  Seber,  ber  fidj  oon  einem  Orte  gum  anbern  beraegt,  baZ 
Sftifjtrauen  ber  $oti5ei=33ef)örben  erregt  rjatte.  ©efteigert  mürbe 
btefeS  äftifetrauen  burdj  bie  im  öftreidjifdjen  %$oik  etraag  %u 
taut  au§gefürodjene  @t)möatt)ie  für  Napoleon  bei  Setanntmerben 
feiner  (Sntmeidjung  bon  Gtlba.  $n  biefem  ßljor  fjat  bie  ge= 
fammtc  Sugenb  ejcellirt,  unb  ber  SSerfaffcr  madjte  feine  2tu3= 
narjme.  ©emifc  nur  burd)  QufaU  fanb,  mit  legerem  (Ereignift 
äufammentreffenb,  ein  an  fiel)  unbebeutenber  Tumult  in  einer 
ffeinen  graction  ber  Wiener  ©tubenten  ©tatt,  ber  aber  nidjts 
befto  meniger  21uffeljen  bei  ben  $öel)örben  erregte,  fo  ba§  fogar 
ein  öon  allen  ferjr  bereiter  ^rofeffor  öon  feiner  Seljrfansel 
entfernt  morben. 

©egen  (Enbe  gebruar§  1815  folgte  id)  einem  antrage  §ur 
Uebernaljme  einer  @r§iet)erftette  nad)  93rünn.  ®aum  bafetbft 
angelommen  erhielt  id)  eine  SSortabung  gur  ^oli^ei.  Sd)  mürbe 
befragt,  in  roetdjer  Sßerbinbung  id)  mit  einigen  ber  Sumuttuanten 
an  ber  SBiener  Uniüerfttät  ftefje,  id)  follte  ferner  SluSfunft  geben 
über  einige  Italiener  in  SSien,  mit  benen  id)  öfters  jufammen 
gefefjen  morben.  ®a  nodj  meine  £egitimation3=$ßabiere,  üor- 
nerjmücfj  ber  2tu3roei3  über  frequentirte  (SoHegia,  ntc£)t  in  guter 
Drbnung  geroefen,  legerer  roirflid)   mangelhaft   mar  —   nid)t 


—     278     — 

burdj  meine  @d)utb  —  fo  marb  id)  festgehalten,  ungeachtet  ein 
rjodjfteljenber  (Staatsbeamter  für  mid)  93ürgfd)aft  gu  leiften  ftcfj 
erboten  £)atte.  ©urd)  §in=  unb  <perfd)reiben  mürbe  nadj  einigen 
2Sorf)en  ermittelt,  ba$  id)  fein  Sßropaganbamadjer,  fonad)  ber 
greifyeit  mieber  gu  geben  fet).  ?fber  ein  öotteä  Saljr  in  meiner 
afabemifd)en  ßaufbatjn  mar  Oertoren. 

SBieber  nad)  Sßien  gurüdgefommen  erhielt  id)  aföbatb  uon 
einem  nähern  Sefannten  23eetlj)oüen'3  bie  ©intabung,  mid)  an 
einem  beftimmten  Drte  einjufinben,  inbem  ber  Stteifter  ben 
Vorfall  in  Q3rünn  au§  meinem  Sftunbe  fjören  motte.  $ei  biefer 
äWittfjeUung  offenbarte  23eetf)Oüen  eine  fo  moljtrootfenbe  %tyiU 
nafyme  an  meinem  mibrigen  (Srlebnife,  baf3  id)  mid)  ber  Xfyränen 
nid)t  ertueljreu  fonnte.  ©r  forberte  mid)  auf,  mid)  öftere  an 
bemfetben  Drte  unb  gur  felben  ©tunbe,  4  Uf)r  Nachmittags, 
einfinben  $u  motten,  mo  er  faft  tägtid)  31t  treffen  fet)  —  um 
ßeitungen  gu  lefen.  (Sin  §änbebrud  befagte  nod)  meitereS. 
tiefer  Ort  mar  ein  abgelegenes  Zimmer  ^n  oei'  25iertuirtt)fd)aft 
pm  SBIumenftod166)  im  23aKgäf3d)en.  3d)  fanb  mid)  red)t  oft 
ein,  unb  eS  bauerte  nicfjt  lange,  fo  lernte  id)  biefeS  Socal  at§ 
eine  Duafi=$rrmta  einer  f leinen  §(1150^  ^ofepfyiner  oon 
reinftem  SSaffer  fennen,  5U  benen  unfer  £onmeifter  eben  feine 
3)iffonan5  gebitbet,  benn  fein  repubticanifdjeS  ©faubenSbefenntnifi 
!t)atte  burd)  nähere,  in  biefe  3e^  faßenbe  23et"anntfd)aft  mit  ber 
engtifdjen  ©taatSoerfaffung  bereits  einen  empfinbtidjen  ©tofe 
erlitten.  @in  (Eapitain  oon  ber  2trcieren=Seibgarbe  beS  ÄatferS, 
unb  ber  bem  muficatifcfjen  SBien  allgemein  befannte  ^)err 
$Pinteric£,  ber  in  gran^  ©djubert'S  Eünfterleben  eine  midjtige 


156)  In  den  Zeiten  der  Vormundschaftsprozesse  wohnte  Beethoven 
hier  in  der  Nähe,  „im  Blumenstöckel  neben  dem  Wiener  Zeitungs- 
Comtoir".  So  lautet  die  Adresse  des  Wiener  Magistrats  auf  einer 
Eingabe  des  Meisters  vom  30.  Oktober  1819:  „Ludwig  van  Beethoven 
Kapellmeister  und  Compositeur  wohnhaft  im  Blumenstöckel"  usw., 
enthalten  in  Schindlers  Beetboven-Nachlaß  Mappe  I;  cf.  B.  S.  Br.  No.781 
(IV.  Band).  A.  d.  H. 


—     279     — 

9Me  fpiett,  roaren  be§  9#eifier§  näcfjfte  ©efeUfdjafter  unb  im 
fetaufd)  pottttfdjer  Stnfidjten  foroorjt  anregenbe,  tüte  and) 
ü6ereinftimmenbe  Secunbanten.  SSon  btefem  Orte  aus  folgte 
td)  tf)m  aföbatb  oft  auf  feinen  (Spaziergängen.  Sdjon  1816 
farj  er  ftdj  in  SSerpItmffe  öerroidelt,  bie  ü)m  öiele  Sd)reibereien 
oerurfad)ten.  Dr.  SBadj,  in  beffen  (Sanjtei  idj  tägtid)  einige 
Stunben  gearbeitet,  empfarjt  if)m  alles  mir  anvertrauen.  3d) 
rourbe  atfo  SBeetrjOüen'S  ©erjeimfecretär  —  ofjne  ®erjatt.  £)iefe§ 
^errjättnifc  führte  ba(b  anbere  gerbet.  Ueberrjaupt,  if)m  natf) 
Gräften  gefällig  gu  fetm,  jätjtte  id)  üon  jener  ßeit  bis  §u  feinem 
§infd)eiben  gu  meinen  ^fticfjten.  Sarin  mar  nur  gegen  (Snbe 
feine§  ßebenS  eine  rurz  anbauernbe  (Störung  eingetreten,  üon 
melier  am  geeigneten  Drte  ber  ©runb  angegeben  roirb.  Unb 
foldje  Eingebung  nennt  ber  burd)  unb  burcr)  bem  großen  %on= 
bitter  feinbtid)  gefinnte  Ulibifdjeff:  „Sicfj  mit  Seib  unb  Seele 
bem  Teufel  ergeben." 


I. 

©er  2lu§gang  ber  ^roeiten  ^eriobe  rjat  uns  ben  £onbid)ter  1815 
auf  einer  Stufe  be§  9iurjme3  erbtiden  laffen,  bie  roorjt  als  eine   6t© 
ber  erfjabenften  be^eidjnet  roerben  barf,  bie  je  bon  einem  9J?ufifer  1820, 
im   Verlaufe  feines  ShtnftftrebenS   erreicht  roorben.    SSergeffen 
mir   aber  nicfjt,   bafj  e§   bie  $rud)t  §roan5igjä§rtgen  raftlofen 
SftüljenS   geroefen.     £>er  roeltrjiftorifcfje  Moment,   mit  roetd)em 
biefe  SRufjtneSfeier  gufammentraf,  fonnte  ntdjt  üerfetjten  baZ  @r= 
eignifs  §u   ben  gtan^Ootlften   51t  geftatten,  meiere  bie  @efd)idjte 
ber  Xonfunft  je  ju  öerjeidjnen  rjaben  roirb.    SOcan  üergebe  ba% 
fdjeinbar  Ueberfd)roänglicfje  be§   2lu3brud§,    menn   hinzugefügt 
roirb,  bafc  faft  alle  am  SBtener  (Songreffe  oerfammetten  §errfd)er 
©uropa'3  bie  9?ul)me3urr"unbe  unfereä  Stfeifterä  befiegett  fjaben. 

©erabe  in  jenen  Sagen  roarb  ber  rufftfdje  ©efanbte,  ©raf 
$afumoro§ft),  oon  feinem  beim  (Songreffe  anroefenben  ®aifer 
in  ben  gürftenftanb  erhoben.   2)ie3  gab  nebft  ben  geroörjnticfjen 


—     280     — 

„Reunions"  im  Sßalcifte  biefe§  ®unftmäcen3  am  £>onaucanat 
23eran(affung  51t  $eft(td)t>iten  auf;erorbentlid)er  2lrt,  gu  bcnen 
imfer  23eett)ooen  ftetö  fjinjuge^ogen  morben.  ©ort  mar  ber 
SÜJMfter  ®egenftanb  allgemeiner  Slufmerffamfeit  oon  ©eitert  aller 
$remben;  benn  e§  ift  (Sigenfd)aft  be3  fctjöpferifctjen,  mit  einem 
gemiffen  £)eroi3mu3  üerbunbenen  @enie§  bie  2tufmerffamfeit 
aller  (Sbten  auf  fiel)  51t  gietjen.  Ober,  ift  e§  nietjt  £)eroi§mu£ 
l\x  nennen,  ruenn  mir  ben  Stonbtct)ter  mit  SBorurttjeiten  jeglicher 
2trt,  mit  3tttt)erfömmtid)em  in  ^infidjt  auf  feine  Äunft,  mit 
üfteib,  ©djelfudjt  unb  S5ö§roitligfeit  ber  SDcufifer  in  9D?affe,  über 
atteS  bieg  nod)  mit  bem  5U  Ausübung  feiner  ^unft  nadj  üer= 
fd)iebenen  Seiten  t)in  unentbet)rtid)ften  ©inn,  bem  ©et)ör,  in 
ftetem  Kampfe  getoafyren,  unb  ben  nod)  bie  erhabene  ©tettnng, 
bie  er  fidj  erftritten?  Stein  SBunber,  bafj  ein  Seber  fid)  be= 
mutete,  it)m  feine  ^ulbigung  barjubringen.  $on  bem  dürften 
9?afumorü§ft)  ttarb  er  ben  anruefenben  9J?onard)en  oorgefteltt, 
bie  i£)m  in  ben  fdjmeidjetfyafteften  2(u§brüden  iljre  5(d)tung  gu 
erfennen  gegeben.  £>ie  ßaiferin  üon  Sauf^tanb  münfdjte  ifjn  be= 
fonber§  gu  becomptimentiren.  2)ie  s$orftettung  fanb  in  ben 
©emädjern  be3  (£r§rjer3og^  9iubotttt)  ftatt,  in  benen  er  aud)  nod) 
bon  anberen  Ijotjen  $j3erfonen  begrübt  morben.  ©3  fdjeint,  at3 
fyabe  ber  (Srgtjergog  ben  Xriumpt)  feinet  erhabenen  Setjrers  ftetS 
mitfeiern  motten,  inbem  er  bie  fremben  £>errfd)aften  §u  ßu= 
fammenfünften  mit  93eett)oOen  in  feiner  SÖSotjnung  eingetaben 
tjat.  Täfyt  ot)ne  9iüt)rung  gebadjte  ber  grofce  SJtofter  jener 
Sage  in  ber  faifertidjen  33urg  unb  im  ^Satafte  be§  ruffifdjen 
dürften,  unb  fagte  einftmat§  mit  einem  gemiffen  ©totge,  er  t)abe 
fid)  oon  ben  tjotjen  ^äuptern  bie  Gour  machen  taffen  unb  fid) 
babet  ftetS  borneljm  benommen. 

3m  ?tnbtid'e  biefer  in  einem  Äünftterteben  fo  fettenen 
Situation  redjt  lange  31t  uermeiten,  märe  mot)t  erfreutief),  atiein 
bie  23egebent)eiten  brängen  oormärtg.  £>arum  mufc  bie  Strennung 
fdjon  jur  ©tette  erfolgen,  mic  e§  $)inge  unb  Llmftänbe  er= 
f)eifd)en.    £)iefe  t)atten  fid)  alZbaib  berartig  geftattet,   bafj  nid)t 


—     281     — 

etma  öon  einer  fucccffitoeit,  in  ßrcifdjenräumen  erfolgten,  fonbern 
üon  einer  ütötjlidjen  Sßeränberung  her  (Situation  gefürodjen 
merben  mu^.  £>,  roie  fur§  mar  bie  Stauer  ber  ungetrübten 
greube  an  bem  frifcfj  buftenben,  fo  fdivoer  errungenen  orange! 
2Md)'  rjerbes?  @d)idfal  für  einen  in  reinfter  ^Soefte  bafjin  tebenben 
Äünftter  urülötjlid)  ficfj  in  einen  ®amüf  mit  gemeinen  SBelt* 
Rubeln  üermidelt  ^u  ferjen,  ber  nottjmenbigermeife  33erftimmungen 
be3  ©emüttjä  herbeiführen  unb  aud)  nocfj  anberroeitige  folgen 
nad)  fidj  §tet)en  mu&te!  — 

Um  mit  ^lufäeicfjnung  ber  üon  unferm  9)Mfter  erbutbeten 
£anta(u£=£lua(ert  51t  beginnen,  mirb  poörberft  ein  SHüdbtid  auf 
bie  gtorreicfjen  Sage  be§  8.  unb  12.  Secember  1813  nottyroenbig, 
an  benen  nebft  ber  ©infonie  in  A  dur  aud)  bie  ©d)(ad)t  bei 
SSittoria  gur  erften  3(uffüt)rung  gekommen,  gerner  tjaben  mir 
un§  §u  erinnern  an  23eetf)oben'3  bei  biefer  ©etegentjeit  üer= 
öffentlid)te§  £)anf'fd)reiben,  in  metdjem  am  ©djluffe  au^brüdüd) 
gefagt  ift,  bafe  ber  §of=9)?ed)anifer  Wlaelftei  biefe  3lfabemien 
üeranftaltet  unb  ba$  33eettjoüen  bie  <Sd)tad)t=©infonie  einzig 
für  biefen  groed  üerfertigt  unb  bem  üftedjanifer  unent- 
getttid)  übergeben  fyabe.  2ludj  ift  bereite  non  einer  6eabftc£)= 
tigten  Steife  biefeö  9tfanne3  nad)  ©nglanb  ©rmärjnung  getljan 
morben. 

Qu  meiterer  Drientirung  in  bem  §tüifd)en  biefen  beiben 
greunben  Vorgefallenen  bebarf  e§  aber  nod)  eineä  mehreren. 
@d)on  im  3at)re  1812  tjatte  SO^aetjet  bem  Stonbicfrjter  ba§>  3Ser= 
füredjen  gemacht,  ©etjörmafcfjinen  für  itjn  anfertigen  51t  moüeu. 
Um  ifjn  r)ier§u  an^ueifem,  comüonirte  Söeetrjoüen  für  bie  üon 
Wadftt  neu  erfunbene  „$JSanf)armonica"  ein  ©tüd  „@d)tad)t= 
©infonie."  £)er  ©ffect  biefeö  ©tüde§  mar  fo  unerroartet,  bafj 
ber  äftecfjantf'er  unfern  SBeetrjoüen  aufforberte,  e§  für  Drdjefter 
§u  inftrumentiren.  tiefer,  längft  mit  bem  $(ane  befd)äftigt,  eine 
grofje  ©d)(ad)t=©infonie  §u  fcfjreiben,  mitligte  in  ben  $orfd)lag 
unb  fcfjritt  fog(eid)  jur  Ausarbeitung  beö  ganzen  Sßerfeö.  Sftacf) 
unb  nad)  mürben  aud)  oier  ®er)örmafd)inen  fertig,   üon  benen 


—     282     — 

jebod)  nur  eine  braudjbar  befunben  morben  unb  gtoar  bie 
fleinfte  unb  einfad)fte  oon  allen. 

2)er  erfte  3ufawmenftof3  ber  Beiben  greunbe  erfolgte  fdjon 
1813  baburdj,  bafi  ättael^et,  allein  mit  bem  Arrangement  ber 
Afabemie  für  ben  8.  £>ecember  befd)äftigt,  auf  bem  Anfd)tag= 
fettet  §u  bemerfen  fid)  erlaubte,  biefe  <2d)lad)t=<Sinfonie  fet)  fein 
(Stgenttjum,  irjtn  üon  23eett)oöen  gefdjenft.  ©iefer  fäumte  nirfjt 
mit  einer  ^roteftation  gegen  fofd)e  Anmaßung  aufzutreten, 
ätfaelzel  bagegen  replicirte  mieber  öffentlich),  bafj  er  ba§>  fraglidje 
SBer!  für  bie  gelieferten  @efjürmafd)inen,  überbieS  nod)  für  eine 
bebeutenbe  ©elbfdjutb  in  Anfprud)  nelnne.  —  tiefer  unerquid= 
lidje  (Streit  bilbete  ba§>  ^orfpiet  gu  ber  beborftetjenben  $unft= 
feter.  2)a3  Söenetjmen  be-3  <pof=9M)aniter§  gegen  feinen  grcunb 
mar  überhaupt  unter  ber  SSürbe  eines  gebitbeten  9Kanne§  unb 
blieb  längere  $eit  ber  ©egenftanb  allgemeiner  9)?tf$bittigung. 

©d)on  nad)  ber  erften  Aufführung  am  8.  2>ecember  mürbe 
Söeetbjooen  aufmerffam  gemadit,  bafj  ^DZaelsel  Gelegenheit  fudje 
fiel)  ber  Partitur  51t  bemäd)tigen.  2)a  i|m  jebocf  bie§  nid)t 
gelang,  fo  richtete  er  feine  Solide  auf  bie  Drcfjefter=©timmeu, 
bie  gu  bemadjen  man  bei  Qtiten  oerfäumt  bjatte.  $on  biefen 
bradjte  er  mehrere  bei  Seite  unb  ließ  fie  bann  in  Partitur 
f  eisen;  ba§>  Abgängige  roarb  burd)  irgenb  einen  9ftiett)<§maun 
hinzugefügt. 

Snt  9ftonat  April  be§  SaljreS  1814  erhielt  93eetf)oüen  auS 
äftündjen  $unbe  oon  ber  erfolgten  Aufführung  ber  ©d)lad)t= 
(Sinfonie  bafetbft  burd)  9)?ael,3el,*)  fo  mie  äugleid),  bafj  biefer 
bort  augfage:  er  muffe  fid)  mit  biefem  SSerle  für  eine  ©d)utb= 
forberung  Oon  400  £)ucaten  an  23eett)oüen  bezahlt  madjen. 

9cun  mar  eS  an  ber  3e^  @ct)ut3  für  SSafjrung  feineö 
@igentrjitm$  bei  ben  ©eridjten  5U  fudjen.  Sn  ber  für  feinen 
Aboofaten  niebergefdjriebenen  Sepofition  —  bie  im  Original 
borliegt  unb  unter  ben  Ergänzungen  wortgetreu  aufgeführt  er- 

*)  Sie  5Wg.  9Kuf.  Btg.  XVI,  291,  enthält  einen  93erid)t  aus  Wunden 
über  biefe  Muffütyrung. 


—     283     — 

fdjeint  —  erffärt  ficfj  ©eerrjouen  barjin:  „W\x  famen  überein, 
gum  23eften  ber  Krieger  btefeö  SBerl;  unb  nod)  mehrere  anbere 
bon  mir  in  einem  (Soncert  gu  geben.  SSärjrenb  biefeS  gefdjaf), 
fam  id)  in  bie  fdjrecflidjfte  (Mbberlegentjeit.*)  iBertaffen  bon 
ber  gangen  2öe(t  rjier  in  2Bien,  in  (Srroartung  eine§  SBedjfefö  :c, 
bot  mir  9J?ae(get  50  ©ucaten  in  ®otb  an.  Set)  nafjm  fie  unb 
fagte  itnn,  baf3  id)  fie  it)m  t)ier  miebergeben,  ober  itjm  baä 
SBerf  nad)  Sonben  mitgeben  motte,  faH§  id)  nietjt  felbft  mit  iljm 
reifte  —  mo  id)  it)n  im  letzteren  gälte  bei  einem  engtifdjen 
Verleger  barauf  anroeifen  merbe,  ber  it)tn  biefe  50  Ducaten  be= 
5a^en  folle."157) 

gerner  ift  einer  bon  S3aron  ^agquatati  unb  bon  bem  £>of= 
unb  ©erid)t3=2(bbofaten,  Dr.  oon  Slbtergburg  anSgefteltten  (£r= 
ftärung,  fo  mie  nod)  einer  9tufforberung  93eet§ooen'§  an  bie 
Stontünftter  in  Sonbon  51t  ermähnen.  2lu§  erfterer  im  Original 
bortiegenben,  00m  20.  Dctober  1814  batirten  Urfunbe  gefjt 
Ijerbor,  bafe  Seettjoüen  fid)  feinet  @tgentrjum<§red)te3  auf  baZ 
fragliche  SSert  in  nichts  begeben  Ijabe.  $n  ber  9tufforberung 
an  bie  Sonboner  STonfünftter  geigt  SBeetfjoben  ba§>  51t  9ftünd)en 
©efdjerjene  an,  unb  erttärt  meiter:  „£)ie  5luffürjrung  bieferSöerfe 
(bie  ©iege3=©infonie  unb  bie  ©crjtadjt  bei  SStttoria)  burd)  §errn 
SDcaetget   ift  ein  23etntg   gegen   ba§>   publicum   unb   eine  93e= 


*)  tte&ev  biefe  guftänbe  im  ^afire  1813  ift  toorgefjenb  fefion  ein  grau 
in  grau  gemattet  SBilb  aufgefieüt  luorben. 

157)  Die  Briefe  in  Sachen  Mälzeis  stehen  nach  den  Originalen 
aus  Schindlers  Beethoven-Nachlaß  als  „Erklärung  und  Aufforderung 
an  die  Toukünstler  in  London"  vom  25.  Juli  1814  in  B.  S.  Br.  No.  395 
(II.  Band);  dort  befindet  sich  auch  die  von  den  Herren  v.  Pasqualati 
und  Advokat  C.  Edler  von  Adlersburg  abgegebene  Ehrenerklärung 
(S.  203  des  Bandes).  Dahin  gehört  ferner  das  Schreiben  „Für  seinen 
Advocaten  Hr.  v.  Adlersburg"  (Juli  1814),  worin  die  ganze  Mälzel- 
Sache  vorgeführt  wird  (B.  S.  Br.  No.  394,  II.  Band).  Dieses  Schreiben 
deckt  sich  im  ganzen  mit  dem  Dokument  aus  Schindlers  Beethoven- 
Nachlaß  Mappe  I,  No.  10,  betitelt:  „Depositum"  (cf.  Nohl,  Briefe, 
No.  113,  S.  108f.).  A.  d.  H. 


—     284     — 

einträd)tigung  gegen  mid),  inbem  er  ficf)  it)rer  auf  einem  trtber- 
red)ttid)en  SBege  bemädjtigt  Ijat,"  unb  marnt  enblidj  gegen  biefe 
r,t>erftümme(ten"  SSerfe.*) 358) 

2)iefe  ?lufforberung  f)atte  gur  ^ofge,  ba^  9J?aetjet  eine 
STuffüfyrung  biefer  SBerfe  in  Bonbon  gu  unternehmen  nid)t 
gemagt  tjat.  2)ie  gerichtliche  ©infdjreitung  aber  in  SBien  blieb 
erfolglos,  inbem  ber  SSerffagte  in  roeiter  $erne  getuefen,  unb 
fein  Vertreter  ben  9fted)t3E)anbet  in  ungemeffene  Sänge  IjinauS 
ju  fdjieben  üerftanb,  moburd)  bem  Kläger  namhafte  Soften  unb 
immer  neue  Sßerbriefjtidjfeiten  ermacfjfen  ftnb.  2)arum  ftanb 
unfer  SDtofter  üon  weiterer  Verfolgung  ab,  ba  mitttermeUe  bie 
Sttjatfadje  ftrf)  Verbreitet  unb  ben  fd)ted)ten  $reunb  üon  neuen 
$erfud)en  abgefcfjredt  tjatte.  ©ie  ©erid)t§foften  mürben  „ju 
gleichen  Streiten  aufgehoben."  SJZaet^et  fam  niemals  meljr  nad) 
SSien  gurüd,  fud)te  aber  ben  Hintergangenen  $reunb  fpäterrjin 
norf)  brief(icr)  auf,  a(3  er  beffen  @mpfei)lung  für  fein  Metronom 
31t  bebürfen  glaubte,  ©iefer  Srief  Oom  19.  Slpril  1818  aus 
$)3ari§  befinbet  fict)  tjier.  Sarin  füiegett  er  Seetfjoben  üor,  er 
§abe  eine  ©efjörmafdjine  behufs  be§  £>irigiren§  (!)  für  it)n  in 
Arbeit,  ja,  er  forbert  if)n  fogar  ju  einer  mit  it)m  5U  madjenben 
Steife  nad)  Sngtanb  auf.  ©eine  gufriebentjeit  mit  bem  Metronom 
ttjeitte  ber  Sfteifter  bem  9#ed)anifer  mit,  oon  jener  9#afd)ine 
aber  §at  er  niemals  mieber  gehört.159) 

2öar  biefer  Vorfall  für  unfern  SJceifter  gleidjfam  bie  Vor= 
fd)u(e  ju  einer  großen  ©umrne  ifjm  roeiterfjin  nod)  beOorftef)en= 

*)  SDiefe  tlrfunbe  erfdjeint  unter  ben  (Srgänjungen. 

158)  Cf.  B.  S.  Br.  No.  395  (II.  Band).  A.  d.  H. 

159)  Alle  Mälzel-Dokumente  beweisen  nur,  daß  Schindler  diese 
Angelegenheit  sehr  richtig  dargestellt  hat.  Die  Parteinahme  Thayers 
zugunsten  Mälzeis  nützte  diesem  durchaus  nichts.  Es  kam  dahin,  daß 
sogar  Prof.  Behncke  in  seinen  neuen  Auflagen  der  Marxschen  Beet- 
hoven-Biographie sehr  stark  gegen  Thayer  zu  Felde  ziehen  mußte. 
(Cf.  Marx-Behncke,  Beethoven,  V.  Aufl.,  S.  211  ff.)  —  Beethovens  ver- 
söhnlichem Charakter  stellt  es  jedoch  das  herrlichste  Zeugnis  aus,  daß 
er  trotz  aller  stattgehabten  Fehden  mit  Mälzel  doch  wieder  in  freund- 


—     285     — 

ber  Erfahrungen  auf  einem  $elbe,  auf  meinem  'iftiemanb  gerne 
Erfahrungen  §u  machen  toünfdjt,  fo  bietet  er  un§  einen  teifen 
23orge|d)mad  bon  bem  batb  Äommenbeu.  Slfö  nädjfteS  SRefultat 
au§  biefem  Erlebnifj  ergab  fid)  bei  Söeetfjoüen  ein  in  toett 
f)öt)erem  ©rabe  gefteigerte§  äRifjtrauen  gegen  öebermann  in 
feiner  Umgebung.  @§  offenbarte  fid)  aud)  in  ber  Verfügung, 
Oon  nun  an  ha**  Steifte  in  feiner  SSofynung  copiren  5U  taffen. 
3)a  biefe§  jeborf)  nidjt  immer  t[;unlict)  gemefen,  fo  controlirte 
er  feine  (Sopiften  felber,  ober  tiefe  fie  burd)  5(nbere  überteueren, 
gumat  bereite  gälte  oorgetommen,  ba}$  felbft  biefe  Seute,  öerfütjrt 
burd)  Verleger,  feine  9#anufcripte  Oerfauft  Ratten.  SBie  fetjr 
er  fortan  oon  ber  93eforgnife  gequält  morben,  e§  tonne  burd) 
bie  Verleger  Unfug  mit  feinen  SRanufcripten  gefct)et)e»,  bezeugt 
aud)  eine  ßufdjrift  au  m^d)  oom  1.  Suni  1823  au3  £>e£enborf. 
®iefe  tautet:  ,,©inb  bie  Variationen  (Op.  120)  fdjon  nad) 
Sonbon  abgegangen?  NB.  <So  biet  idj  midj  erinnere  ftef)t  in 
ber  an  ben  gürften  ©fterlja^t)  ergangenen  (Sintabung  nid)t§  ba~ 
bon,  bafe  bie  Sfteffe  bto3  im  Sftanufcript  mitgeteilt  tirirb,  roetcljer 
Unfug  fann   baburefj  entfielen,   idj  bermutfye,  bafj  hierauf  ber 

Eintrag  §ie(te  be§  £>errn  % bem  gürften   bie   SO^effe 

umfonft  anzutragen,  zc.  bamit  £>r.  % —  gum  brüten  s3Me  ein 
SSerf  oon  mir  fteljte;  2Bod)er*)  mufj  tjierauf  aufmertfam  ge= 
madjt  loerben."  —  £>iefe  berbädjtigenbe  3tnmerlung  ftefjt  aber 
nidjt  im  Briefe,  fonbern  oon  STufcen,  unb  ber  S^ame  be§  bie 
Stngetegentjeit  mit  bem  dürften  beantragenben  9}2ufifoerteger§  ift 
beuttid)  au§gefd)rieben.160) 

*)  Sefretair  be§  gürfien  (Sfierfiast). 

liehen  Verkehr  mit  diesem  Kunstmechanikus  treten  konnte.  Ein  Be- 
weis ist  der  auch  hier  von  Schindler  erwähnte  Brief  Mälzeis  an  den 
Meister  vom  Jahre  1818  (April).  Dieser  Brief  soll  noch  zur  Charak- 
teristik Beethovens  in  einer  voraussichtlichen  zweiten  Auflage  der 
Briefe  vom  Jahre  1818  mitgeteilt  werden.  A.  d.  H. 

160)  Siehe  den  Brief  in  des  Herausgehers  „Neue  Beethovenbriefe" 
S.  116.  A.  d.  H. 


—     286     — 

©inen  groeiten  £rjei(  gu  biefer  $ßorfd)ute  6etrübenber  (Sr= 
fafjrungen  unb  folgerecht  audj  erfdjütternber  ©emütrjSbemegungen 
bitbete  ein  anberer  9?edjt3faII,  ber  fiel)  unmittelbar  bem  mitge* 
ifjeitten  angeredet  rjat. 

$ürft  Sobforoitj,  ber  grofee  $unft=9JMcen,  ber  feine  Kenner 
üornetjmlid)  be§  ©efangSmefenS,  rjatte  fiefj  in  feiner  Äunfttiebe 
gu  meit  üon  jener  i^inte  entfernt,  bie  ber  üorfidjtige  §au§rjalter 
gtoifdjen  |mben  unb  ©oü  niemals  aus  ben  klugen  üerliert.  SSas 
Stauen  immer  an  ©efang$=$irtuofen  befeffen,  liefe  er  fommen; 
unb  in  feinem  Sßalafte  ben  SOcuftffreunben  rjören.  Srjtn  üer= 
banften  fie  bie  £>ocfjgenüffe,  meiere  burefj  bie  Vorträge  Don 
GreScentini,  ©riggi,  ber  beiben  ©efji,  unb  nodj  burd)  eine  (ange 
SReirje  anberer  itaiienifdjer  Äunftgröfeen  geboten  mürben.  8m 
Sat)re  1816  marb  biefen  §errtid)(:eiten  burd)  ba§>  Ableben  beS 
dürften  ein  $iet  gefe|t.  $ür  unfern  Xonmeifter  aber  rjatte 
biefer  SobeSfatl  nocij  eine  meitere  SSebentung;  eS  mürbe  nämtiefj 
über  fämmtüdje  @üter  be§  dürften  bie  gericfjtiicrje  ©equeftration 
üertjängt  unb  bem  sDceifter  bie  fernere  STuSbegarjtung  beS  ?(ntrjeii3 
üon  700  ©utben,  ben  ber  üerftorbene  $ürft  in  ber  9fJenten*Ui> 
fnnbe  oom  1.  9D?ärg  1809  an  Söeettjoüen  gu  begasten  fiefj  üer= 
pflichtet  rjatte,  ftreitig  gemalt,  (£r  trat  bemnadj  gegen  ben 
©equefter  alz  Kläger  auf.  Mein  ba§>  9?efu(tat  mar  ein,  üon 
bem  früher  bereits  ftreitig  gemachten  2(ntf)ei(  ©eitenS  ber 
fürftttdt)  ÄinSfr/fcrjen  SSormunbfcfjaft,  gang  entgegengefefcteS.  Sn 
biefem  9ted)t3ftreit  blieb  Söeetrjoüen  ber  untertiegenbe  Streit;  er 
rettete  nid)tS.  3um  erften  SM  w  feinem  Seben  fjatte  er  ©e= 
tegenrjeit  gu  fetjen,  mie  ffar  abgefaßte  SftecrjtSpuncte  üon  bem 
einen  9Ric£)ter  für  raeifj,  üon  bem  anbern  für  fdjmarg  erflärt 
merben  fönnen,  unb  mie  gang  unfcfjetnbare  ®inge  gu  einem 
9fted)t3fprud)e  führen,  üermöge  meinem  ein  lange  aufrecfjtfterjenbeS 
9fod)t  plötjlicfj  gu  einem  Unredjt  umgemanbett  mirb;  er  (ernte 
bie  roädjferne  üftafe  beS  ©efe£e£  fennen. 

S)ie  bis  nun  geführten  ^roceffe  mit  ber  fürftlid)  frinSfr/* 
fetjen  ^Bormunbfdjaft,  mit  bem  §of=9J?ed)anifer  Wladtfi  unb  mit 


—     287     — 

bem  fürfttidj  Sobfomitj'fcrjcn  ©üter=Sequefter  Ratten  unfern 
9fteifter  mit  ben  9ftt)fierien  ber  Xtjemiä  in  fo  fjotyem  ©rabe 
befannt  gemadjt,  bafj  man  annehmen  foHte,  er  merbe  au3  9ftüd= 
fidjt  auf  feine  fünftterifd)e  SßirffamMt  unb  pf)t)fifcrje§  2Solj)^ 
beftnben  in'3  künftige  jeber  Sßeranlaffung  auömeidjen,  biefe 
Söefanntfdjaft  $u  erweitern,  um  feine  QSerrjättniffe  nacrj  jeglidjer 
Seite  tjin  nidjt  nod)  metjr  511  gefät)rben.  ®em  ft>ar  jebocf)  nidt)t 
atfo.  2)a3  ©djidfal  t)atte  ifym  nod)  fdjmerere  Prüfungen  öor= 
behalten  unb  felbft  über  fein  beffereg  SSotlen  beftimmt. 

Sfje  mir  un3  aber  biefen  fingen  5umenben,  um  ben 
Sfteifter  auf  feinen  ©ängen  in'3  Snnerfte  biefer  äfttifterien  51t 
begleiten,  motten  mir  einen  33Iicf  auf  bie  (Sr^eugniffe  feiner  DJhtfe 
au§  (etster  $eit  merfen  unb  berühren,  maS  bamit  in  Sßerbinbung 
ftetyt.  (£3  mirb  öon  Sntereffe  fetyn  gu  öernefymen,  ma3  nad) 
bem  ereignifjreidjen  Satyr  1814,  überhaupt  nad)  biefem  unru()e= 
öotten  unb  fo  fefyr  aufgeregten  geitmoment,  5U  ^ßap^r  ge= 
fommen. 

3unäd)ft  mar  e§  bie  ©onate  in  gmet  <Sä§en,  E  moll, 
Op.  90.*)  siBenn  mir  fomofjt  ©attung  mie  ©tyarafteriftif  ber 
ifm  OorauSgegangenen  Schöpfungen,  (bie  7.  unb  8.  (Sinfonie, 
bie  (Sd)(act)t=Sinfome,  bie  (Santate  „ber  glorreiche  9Iugenbtid") 
in  ©rmägung  sietjen,  fo  ergreift  un§  motyt  Ijotje  SBermunberung 
bei  2lnb(id  ber  jüngften  ßompofttion  ob  ber  innemofynenben 
ßarttyeit  unb  Snntgfeit  im  ©egenfatje  31t  bem  bancbcn  geftettten 
(Snergifdjen  unb  ÄraftüoHen;  fofdje  Snnigfeit,  tote  im  feiten 
<Sa§e  enttoicMt  ift,  märe  in  früheren  Werfen  fdjmer  aufjufinben. 
(Srljöfyen  mirb  fid)  unfere  ^ermunberung  über  bie  feftgerjaltene 
Stimmung  in  ber  unmittelbar  nachgefolgten  Sonate  in  A  dur, 
Op.  101,  üon  äftarr,  „bie  Senfittüe"  genannt.  SSon  biefer  ift 
bemerfenSmertt),  bafj  fie  unter  allen  Sonaten  S3eetf)oben'§  bie 
einzige  mar,  metdje  51t  Seb^eiten  be§  üMfterä  öffentlid)  oor= 
getragen   morben,   unb  §mar  in  einem  oon  Sdjuppanjigt)  im 


*)  ®tefem  SBerfe  gebührt  mt&ejroetfelt  bie  DpuSjab,!  100. 


—     288     — 

gebruar  1816  üeranftatteten  (Soncerte,  bem  audj  ber  Stutor  bei* 
gemotjnt  f)at.  (£r  t)atte  ben  Vortrag  einem  fünftterifd)  gebübeten 
Stfettanten,  ©tainer  üon  getSburg,  anüertraut,  nadjbem  er 
üjtt  juöor  in  ba§>  poefiereidje  unb  im  crften  unb  brüten  ©a£e 
ungemölmlid)  ferner  barjnftellenbe  2ßerf  eingeführt.  2)iefe 
beiben  ©ä£e  bezeichnete  ber  SRetfter  mit:  „Sträumerifdje  Gm= 
pfinbungen;"  it)r  Vortrag  erforbert  freie  SBeroegung. 

£)iefe  ©onate  trägt  bie  ©ebication  an  bie  grau  Saronin 
SDorotfjea  üon  (Srtmann,  ein  S^ame,  bei  bem  mir  etma§ 
üertoeiten  motten,  inbem  biefe  £>ame  im  mufifalifdjen  SBien 
bamaliger  ßeit  einen  ber  erften  ^Stä^e  at§  ^ünftlerin  auf  bem 
$ßianoforte  behauptet  t)at.  grau  üon  (Srtmann,  geb.  ©rau= 
mann  au3  granffurt  am  9J?ain,  mar  bie  ©emafjtin  beä  Dberften 
üom  !.  t  3nfanterie=9?egiment  „§odj=  unb  2)eutfd)meifter,"  ein 
9Jcann,  ber  einerfeitä  ein  ganzer  ©otbat,  anbererfeitS  mieberum 
ein  ganjer  Stünftter  gemefen,  bem  bie  Söiener  in  gotge  muftei> 
Softer  SfuSbtfbung  feines  9ftufii>(5orp§  üiete  Satjre  tjinburd) 
au^ge^eidjnete  ©enüffe  51t  üerbanfen  gehabt*) 

£)iefe  Stünftterin  im  eigentlidjften  SBortfinn  ejceltirte  ganj 
befonberS  im  9tusbrude  be3  2fnmutt)igen,  garten  un0  9toiyenr 
aber  aud)  im  liefen  unb  (Sentimentalen,  bemnad)  fammtttdje 
Sßerfe  üom  ^rin^en  Soui§  gerbinanb  üon  ^ßreujjen  unb  ein 
Sttjeit  ber  23eetf)Oüen'fd)en  it)r  Repertoire  gebdbet  t)abeu.  3Sa§ 
fie  t)ierin  geleifiet,  mar  fd)tect)terbing§  unnad)at)mtid).  ©elbft 
bie  üerborgenften  Intentionen  in  S3eett)oüen§  SBerfen  erriete) 
fie  mit  fotd)er  ©idjerljeit,  af3  ftänben  fetbe  gefdjrieben  üor  iljren 
SUtgen.  3m  ©teidjen  tt)at  e§  biefe  §od)finnige  mit  ber 
Sftuancirung  bes  geitmafeeg,  oag  befannttidj  in  üieten  gälten 
fid)  mit  SSorten  nietjt  begeidjnen  ßifjt.  ©ie  üerftanb  e»,  bem 
©eifte  jegtidjer  ^Sfjrafe  bie  angemeffene  93emegung  gu  geben  unb 
eine  mit  ber  anbern  fünftterifd)  $u  üermittetn,  barum  altes 
motiüirt  erfdjien.    Somit  ift  e£  itjr  oft  gelungen,  unfern  Qbxofc 


*)  $)aß  genannte  üiegiment  $at  in  Sßien  feinen  Serb^e^r!. 


—     289     — 

meifter  51t  tjotjer  Semunberung  §u  bringen.161)  2)er  richtige 
^Begriff  oon  Xactfrci^eit  im  Vortrage  fct)ten  Ujt  angeboren 
§u  fetm.  SIber  aud)  mit  ber  ßolorirung  faltete  fic  nadj 
eigenem  ©efüfyle  nnb  umging  bi§meilen  bie  SSorftfjrift.  £)er 
(£e(bftbitf)terin  mar  bteSfattS  manctjeä  nad)  eigenem  (Srmeffen 
gu  tt)un  geftattet.  ©ie  braute  in  berfdjiebenen  üon  Slnbern 
toerfamtten  ©ä£en  faum  geahnte  SBirlungen  tjeröor;  jeber  ©aij 
mürbe  511m  Silbe.  SSergafc  ber  3u*)örer  oa§  Seinen  beim 
Vortrage  be§  mtjfteriüfen  Sargo  im  £rio  D  dur,  Op.  70,  fo 
berfetjte  fic  iljn  mieber  im  2.  ©a£  ber  «Sonate  in  E,  Op.  90, 
in  Siebe^monne.*)  2)a§  oft  mieberfe^renbe  «pauptmotiü  biefeä 
©atjeS  nuancirte  fie  jebeSmat  anber§,  rooburtf)  e§  batb  einen 
fdjmeidjelnben  unb  liebfofenben,  halb  mieber  einen  metandmtifctjen 
(Sljarafter  ertjiett.  3n  fotdjer  SSeife  üermodjte  biefe  Stünftlerin 
mit  ifjrem  Slubitorium  51t  fielen.  Mein  btefe  ftunbgebungen 
feltener  ©eniatität  maren  feine§roeg§  9Refuttate  eigenmilliger 
©ubjectioität,  fufeten  btelmetjr  gan§  auf  SSeettjoöen'ä  2(rt  unb 
SSeife  im  ©etbftoortrage  feiner  SBerfe,  überhaupt  auf  feiner 
Setjre  infyatttjabenbe  (Sompofitionen  §u  bet)anbeln,  bie  üftiernanb 
in  bamatiger  $eit  fidj  met)r  angeeignet  tjatte,  als  biefe  2)ame. 
Safyre  tjinburd)  —  bi3  Dberft  bon  ©rtmann  1818  ab§  ©enerat 
uact)  9)tai(anb  öerfet^t  roorben  —  oerfammelte  fie  entmeber  in 


*)  ®er  feine  Sinn  be§  ©rafen  2icbnott)§frj,  bem  btefe  ©onate  ge= 
mibmet  ift,  liefe  ibn  Bei  näherer  23efanntfd)aft  mit  bem  28er!e  befonbere 
Intentionen  barin  öermuttjen.  Stuf  feine  anfrage  bie§faC§  erioieberte  ber 
9Iutor,  er  ^abe  ibm  feine  Siebesgefcbidjte  in  2ßufif  fe£en  motten  unb 
inünfcfie  er  Ueberfduüften,  fo  möge  er  über  ben  elften  ©a|5  fcbreiben:  Samöf 
ätnifdjen  $opf  unb  §er§,  unb  über  ben  ^weiten:  ©onöerfation  mit  ber  ©e= 
liebten.  —  ©raf  Sic^now^fn  tjatte  fid)  nad)  bem  Sobe  feiner  erften  ©e= 
mabtin  in  eine  fet)r  gefc£)ä£te  Dpemfangerin  bertiebt,  feine  Agnaten 
»roteftirten  jebod)  gegen  eine  ebeticbe  SBerbinbung.  @rft  nad)  mehrjährigem 
Kampfe  gelang  e3  ibm  1816  atte  föinberniffe  ju  befiegen. 

161)  Eine  sehr  ausführliche  Monographie  über  diese  Künstlerin 
erschien  vom  Herausgeber  in  der  Deutschen  Musikerzeitung  vom  4.  Juni 
1906  ab  bis  August  des  Jahres.  A.  d.  H. 

2t.  ©d)tnMer§  23eetfjoucn--93toava|)t)ic.  19 


—     290     — 

iljrer  SSoljnung  ober  an  anbern  Drten,  aud)  bei  ßart  (S^ernt}, 
einen  ®rei§  bon  ädjten  9ttufiffreunben  um  fid),  fjatte  überhaupt 
um  Spaltung  uiib  gortbitbung  be3  reinften  ©efdjmatfeö  in  ber 
©Ute  ber  ©efettfdjaft  grofee  SBerbienfte.  ©ie  aflein  mar  ein 
Sonferüatorium.  Dtjne  grau  öon  (Srtmann  märe  23eett)oüens 
(Stabiermufif  iu  Sffiien  notf)  früher  bom  Repertoire  berfdjtounben, 
allein  bie  sug(eid)  fd)öne  grau  ÖOn  f)°*)er  ©cftalt  unb  feinen 
£eben§formen  betjerrfdjte  in  ebetfter  Wbfidjt  bie  ©efinnung  ber 
SBeffern  unb  ftemmte  fid)  gegen  baZ  §eranbrängen  ber  neuen 
Ridjtung  in  (Sompofition  unb  ©piet  burdj  §ummet  unb  feine 
Epigonen.  33eett)oben  f)atte  barum  boppetten  ©runb,  fie  mie 
eine  Sßriefterin  ber  Sonfunft  ju  bereden  unb  fie  feine  „3)orot£)ea- 
Gaecüia"  5U  nennen. 

Sin  anberer  <2d)(üffet,  ba§>  fünftterifd)e  Vermögen  in  ber 
Reprobuction  5U  fo  fjotjem  ©rabe  ju  fieigern,  ftnbet  fid)  bei 
grau  öon  (Srtmann  nod)  in  ber  ct)ara!terifttfcr)en  ©tgent)ettr 
atteS,  ma§  ifyrer  Snbibibualität  nict)t  entfprad),  nid)t  auf  Ujr 
*ßutt  5U  legen.  SBerfe,  mie  3.  23.  bie  Sonate  mit  Violine  iu 
A  moll,  Op.  47,  ba§  STrio  in  B,  Op.  97,  fpiefte  fie  niemals  oor 
Kennern  im  großen  Räume,  benn  fie  füllte  ir)re  ptjtjfifdje  ®raft 
für  bort  nid)t  au£reid)enb.  Sm  Sntereffe  foldjer  SBerfe  f)ieft  fie 
feft  an  bem  @a£e:  2lße§  pafjt  nid)t  für  Sffle.  2)ie  SSirtuofeu 
beibertei  ©efd)(ed)tö  in  unfern  Sagen  fennen  teiber  btefen  @aU 
nidjt,  pfufdjen  barum,  mie  in  allen  ©enreS,  fo  in  berfdjiebenen 
®unftepoct)en,  t)erum.  3>m  muftfaüfdjen  £f)eü  mirb  e§  Söeranlaff ung 
geben,  ber  tünftlerifdjen  ©otbatenfrau  im  Vereine  mit  einer  anbern 
Äunftpriefterin  aus  jenen  Sagen  mieber  gebenden  §u  muffen. 

SBetdje  (Rettung  biefe  ftünftlerin  bei  Sßeetfyoben  gehabt,  er= 
gellet  nid)t  b(o§  au§  ber  für  fie  unb  ifyre  ^8ortragS=(£igen= 
tf)  um  Herleiten  gefdjriebenen  ©onate,  aud)  feine  an  fie  gerichtete 
3ufd)rift  öom  23.  gebruar  1816  bei  Ueberfenbung  be3  ge= 
brudten  ©jemptareä  biefeä  22ßerfe§  befagt  e3.  2)a§  Driginat 
baoon  befinbet  fid)  in  ber  2lutograpf)en=<2amm(ung  it)re§  Reffen, 
Sllfreb  Ritter  öon  granf,  in  2Bien.    2>er  9)töfter  fdjreibt: 


—     291     — 

äfteine  liebe,  mertfje  £)orotfjea=(Saecilia! 

Dft  fjaben  ©ie  mid)  üerfennen  muffen,  inbem  idj  Sfynen 
gumiber  erfctjeinen  mufjte,  üiele§  lag  in  ben  Unftänben,  befonber<§ 
in  ben  früheren  ßeiten,  mo  meine  2öeife  meniger  at3  je£t 
anerkannt  mürbe;  ©ie  miffen  bie  Deutungen  ber  unberufenen 
9fyoftel,  bie  fid)  mit  gang  anbern  Mitteln  a(3  mit  bem  @oan= 
gelium  forthelfen,  hierunter  Ijabe  id)  nidjt  gerechnet  motten 
fetyn.  —  Empfangen  ©ie  nun,  toa§>  Seinen  öftere  gugebadjt 
mar,  unb  ma§  S^nen  einen  93emei§  meiner  Stntjänglidjleit  an 
Sl)r  Slunfttalent,  mie  an  Sfjre  $erfon,  abgeben  möge.  2)afj  id) 
neulicf)  ©ie  nid)t  bei  (£5.  [©jenilj]  fpielen  t)ören  fonnte,  ift  meiner 
^ränlücljfett  äujufdjreiben,  bie  enbtid)  fdjeint  cor  meiner  ©e= 
funbf)eit§rraft  gurücf  fliegen  gu  motten. 

3d)  fjoffe  balb  üon  Stmen  $u  Ijören,  mie  e3  in  ©t.  gölten 
mit  ben  —  fteljt,  unb  ob  @ie  etmaö  galten  auf  Sljren 

2Serel)rer  u.  greunb 
&  öan  23eetf)Oüen.162) 

21tte3  ©djöne  Syrern  merttjen  9)ta  nn 
unb  ©emal  Oon  mir.*) 

®er  erfte  5£t)ei£  biefe§  23riefe3  ift  in  ^öe^ug  auf  einzelne 
s$t)afen  ber  2eben§gefd)id)te  unfern  9J?eifter§  Oon  nid)t  geringem 
Sntereffe.  2Sir  üernetjmen  fein  eigene^  ©eftänbnijj  über  feine 
bamalige  unb  aucfj  frühere  ($emütl)3üerftimmung,  bie  Duette 
anbauernben  9JciJ3mutl)g,  unb  bürfen  au3  ben  SBorten,  bafj 
feine  SBeife  frütjer  meniger  aU  jur  $eit  anerkannt  morben, 
ben  ©djtufe  gießen,  bafj  er  bie3fatt§  mit  ber  ©egenttmrt  nidjt 


*)  §err  unb  grau  üon  (£rtmann  befanben  fi<f>  in  jenen  Sogen  511 
©t.  gölten,  6—7  ©tunben  öon  SSien  entfernt,  Safelbft  lag  eine  2tbtt)eituttg 
beS  3Snfanterie=s,Hegnnent§  in  ©ornifon,  beffen  £)berft  §err  t>.  ©rtmonn  mar. 
162)  Siehe  den  Cäcilienbrief  B.  S.  Br.  No.  496  (III.  Band).  Das 
Datum  wird  dort  anders  als  bei  Nohl  angegeben,  die  Beweisführung 
ist  in  obengenannter  Monographie,  auch  in  B.  S.  Br.  enthalten. 

A.  d.  H. 
19* 


—     292     — 

gang  unsufrieben  geroefen.*)  —  SDJit  ben  „Deutungen  ber 
unberufenen  Slpoftet"  mit!  ber  Sfteifter  ba§>  ©ebafjren  ber 
$ort)pf)äen  in  ber  neuen  9M)tung  be§  (SlatnerfpielS  be§eitf)nen, 
f)inter  meld)er  bie  Strenge,  $unftjünger  tüte  Dilettanten,  eben 
fo  atl)em=  unb  gebanfen(o§  ein  hergelaufen,  roie  um  Wenige 
Sat)re  fpäter  tjinter  ber  italienifdjen  Dpernmufif.  sparen  mir 
boct)  fd)on  §omer  im  erften  ©efange  feiner  Odussee  fagen: 

®enn  ber  neu'fte  ©efang  ert)ält  üor  aßen  ©efäugert 

3  mm  er  öa§  lautefte  £ob  ber  aufmerffamen  SBerfammlung.163) 

2öorte,  bereit  tiefer  ©inn  unferm  SDtofter  nicl)t  entgangen,  benn 
er  fjat  fie  im  23ud)e  angeftrid)en  unb  nod)  befonber§  au§gefd)rieben. 
2öetd)e  2tnmerfungen  mürbe  er  mol)t  über  ba%  ©uangelium  ber 
„3ufunft3mufif"  gemacht  fjaben,  mit  mefdjem  fid)  in  unfern 
Xagen  itjre  91poftel  fortgurjetfen  bemüht  finb?! 

2tn  bie  A  dur=©onate  reibet  fid)  unmittelbar  bie  @nt- 
fterjung  ber  beiben  ©onaten  in  C  unb  D  dur,  Op.  102.  Der 
9J?eifter  fjat  biefe  Didjtung  feiner  f)od)t)erel)rtett  $reunbin, 
©räfin  Sparte  (Srböbt),  geb.  ©räfin  üfti^ft),  gemibmet,  bie 
er  bereite  burd)  SSibmung  ber  beiben  großen  Srio'S  Op.  70, 
auägqeidmet  rjatte.  3Sa§  biefe  Dame  lange  Sarjre  rjinburd) 
für  Q3eetrjotien  gemefen,  be^eidinet  ein  2$ort,  er  nannte  fie 
feinen  „Q3eid)tüater."  Wit  bem  Slbet  ber  ©eburt  bereinigte 
fid)  bei  ifyr  51bet  ber  ©eftnnung,  roeldjer  bei  ben  anbern  @ben= 
bürtigen  nidjt  immer  im  gleiten  SKajje  ^u  ftnben  mar.  (Gräfin 
(Srböbrj  rjatte  in  il)ren.mal)rt)aft  freunbftf)afttid)en  (Sefinnungen, 
nidjt  minber  aber  aud)  in  ber  offen  befunbeten  ^ietät  für  ben 
9fteifter  niemals  gemanft,  mie  bie3  faft  alle  ttjreö  ©leidjen 
getljan,  unb  itjn  üerlaffen,  nadjbem  ein  neue§  ©eftirn  am 
italienifdjen  §immel  aufgegangen  mar.  Um  1820  narjm  fie 
il)ren  beftänbigen  Sßotjnft^  in  9ftünd)en;  ba%  3at)r  itjre§  216= 
lebend  mar  nid)t  gu  ermitteln.164) 

*)  Sßergt.  ba3  e.  185  it.  ff.  SluSgefagte. 

163)  Odyssee,  X.  Gesang,  Vers  351—352.  A.  d.  H. 

164)  Beethovens  Beichtvater,  Gräfin  von  Erdödy,  starb  im  Jahre 


—     293     — 

2(n  genanntes  9£erf  fnüofen  fid)  ©rtebniffe  unb  Vorgänge 
ungemürjnttdjer  Wrt,  bie  bafjer  gu  berühren  finb.  QSorab  fet) 
bemertt,  bafe  ber  nocfj  lebenbe  SCRufifoerfeger  ©imrocf  in 
Sonn  bei  feiner  ?lnmefenf)eit  1816  in  2Bien  ba$  9ftanufcript 
au§>  ben  Rauben  be§  ßomponiften  übernommen,  mie  aud),  baf$ 
in  einem  £agebud)e  33eetrjOüen'3  ba§  Saljr  1815  als  bie  3e^ 
be§  üftieberfdjreibenS  nottrt  mar.  @rfd)ienen  ift  ba$  2öerf  bei 
©imrod  1817. 

S3i§  nm  bie  3eit,  in  meiere  btefe  SCufgeicrjnitngen  reiben, 
ift  ber  üon  ben  ©rammatifern  unb  itjrem  2tnrjange  aufgeteilte 
@at$:  „53eetf)00en  fann  feine  $nge  fdjreiben,"  mie  ein  ®ogma 
feftgefjalten  morben.  9(tlerbtng3  tagen  feine  23emeife  öor,  roetdje 
benfelben  t)ätten  umftoften  ober  nur  gmeifelrjaft  madjen  fönnen. 
Sn  ßrjriftuä  am  Detberg,  beSgteidjen  in  ber  sJfteffe  in  C,  mar 
üon  einer  $uge  nid)t§  §u  rjbren,  mo  [ie  bodj  am  $ßta§e  ge= 
mefen  märe,  ja,  in  festerer  fjätte  fie  fdjon  barum  nidjt  festen 
fotten,  meit  gürft  ©ftertjagt),  für  ben  fie  befanntlid)  gefdjrieben 
morben,  at§  befonberer  ©djütjer  biefer  oberften  Shtnftform  be= 
fannt  mar,  bie  SCRufifroeft  aber  gerabe  in  biefem  SSerfe  einen 
@egenbemei§  auf  obigen  ©a§  ermartet  fjatte.  Sfofje  einlaufe 
barin  gu  einer  $uge  fonnten  ben  ©tauben  an  entfdjiebenee 
Unoermögen  nur  fteigern.  S)ie  $uge  im  Ouartett  C  dur, 
Op.  59,  fonnte  at<§  gültiger  SSemeiS  nidjt  aufgeftellt  merben. 
3)te  fugirten  ©teilen  im  Strauermarfd)  ber  Eroica,  fo  mie  int 
anbaute  ber  A  dur=©infonie,  unb  in  anbern  ÜÖSerfen  nod), 
fteigerten  nur  bie  gegnerifdje  SBerjauptung.  —  S)a  erfdjeint 
Op.  102  unb  bringt  als  ©d)tuf$fat3  in  ber  (Sonate  D  ein 
„Allegro  fugato."  Somit  mar  Del  in'S  geuer  gegoffen.  2113= 
balb  fa£)  man  beinahe  ba§>  gange  §eer  ber  ^tjilifter  mit  gäuften 
auf  biefen  Sa£  toSfdjtagen,  mobei  aud)  bie  anbern  %rjeite  biefer 
@onate,  Oon   benen  bornefjmlicfj   ba§>    Slbagio   gu  ben   gerjatt* 

1837  in  München.  Auch  über  sie  ist  eine  Monographie  vom  Heraus- 
geber erschienen  in  „Neue  Zeitschrift  für  Musik"  (J  890).  Vgl.  auch 
B.  S.  Br.  No.  786  (Erklärungen  zum  Kanon),  IV.  Band.      Ä.  d.  H. 


—     294     — 

oottften  unb  tiefempfunbenften  ber  23eetl)oben'fd)en  9#ufe  gu 
gätjlen,  nicfjt  berfdjont  mürben.  SSer  eä  gemagt  tjätte,  a(§ 
Vertfjeibiger  be§  Sßerfe3  aufgutreten,  märe  bon  ben  erbitterten 
Gegnern  gefteinigt  morben.  Offenbar  fjatte  e§  fict)  gegeigt,  bafe 
ber  §a^  gegen  ben  großen  SJceifter,  Don  beffen  «Scfjöpfungen 
big  bat)in  fcfjon  fo  mancher  in  SBien  (ebenbe  ßomponift  ber* 
bunfelt  morben,  nur  gefcfjlummert  unb  auf  Gelegenheit  gum 
£>erausfafjren  geroartet  tjatte,  foltte  biefe  gleidjmotjl  bon  ßaune 
gebrochen  »erben,  9ttemal3  mar  eine  Verfolgung  ungerechter, 
ai§>  biefe  letzte,  ©ie  biefe m  Fugato  gum  QSorrourf  gemachte  lln= 
ffarrjeit,  bon  ben  Gegnern  aber  „Vermirrnng"  genannt,  befdjräntt 
fiel)  ftrenge  genommen  auf  etma  20  Xacte  bor  bem  Dfttfjepuncte 
auf  bem  garten  ©reiflange  bon  Fis.  Söeniger  ftarf  gefärbte 
SRobulationen  mären  ber  Ätartjeit  minber  gefäfjrtid)  gemorben, 
gumal  ba<§  5£f)ema,  roenn  and)  gleichzeitig  in  ber  Umfefjrung, 
immer  gu  Gefjör  gebraut  mirb.  Sie  ©djmierigfeit  aber  in 
23emättigung  ber  Aufgabe  mufete  als  Sßorroanb  bienen,  ba$ 
Gange  für  fcfjlecfjt  gu  erffären  unb  meggutoerfen.  üftod)  bis  511 
biefem  Sage  rufjt  ein  Vorurttjeil  auf  bem  fjerrlidjen,  be3 
Samens  feinet  5futor»  mürbigen  2öerfe,  unb  gmar  auf  beibeu 
Dfrimmern.  @3  ift  mofjt  tjofje  ßeit,  bem  Gangen  enblicfj  gerecht 
gu  roerben.  ©in  in  beiben  Snftrumenten  gut  accentuirter  23or= 
trag  mirb  bie  21nerlennung  unfehlbar  ergielen. 

Sn  meld)'  tjotjem  Grabe  ba$  frttifct)e  Cber^Xribunal  gu 
Üeipgig  burd)  feine  Beurteilung  biefe§  2Serfe3  bie  gegnerifdje 
Behauptung  unterftü^t  fjat,  mirb  ftcfj  burd)  ?lngiefjen  einer 
Stelle  au§>  ber  föritif;  über  baä  GefammtmerÜ  erfennen  laffen. 
Diefetbe  lautet:  „2)iefe  beiben  Sonaten  gehören  gang  geroife 
gu  bem  Ungemötjnlicfjften  unb  ©onberbarften,  ma§  feit  langer 
3eit,  ntdjt  nur  in  biefer  $orm,  fonbern  überhaupt  für  ba% 
^ianoforte  gefcfcjriebert  morben  ift.  51tle§  ift  fjier  anber§,  gang 
anberS,  al§  man  e<§  fonft,  auefj  fogar  bon  bem  SO^eifter  felbft, 
empfangen  fjat;  möge  er  un§  aber  nicfjt  übel  beuten,  roenn 
mir  öingufefeen:  nicfjt  2öenige§  fcfjeint   and),  mie  e3  nun  fjier 


—     295     — 

ftefjt,  unb  tüte  e§  angeorbnet,  üertbeitt  ift,  atfo  geftattet  31t 
fetjn,  bamit  e3  gang  ungeraöt)nlid),  gang  fonberbar  f)erau3* 
fomme."  XX,  792.  —  2)ie  ®egner  bemühten  ftdj,  bie  2tu§* 
brüde  in  biefer  Veurt^eitung  nodj  ju  üerftärfen  unb  allertet 
©(offen  bagu  3U  madjen.  ©ie  ftreuten  btö  ®erüd)t  au3:  ber 
Verleger  fjabe  uom  (Somponiften  ©d)abenerfa§  beanfprudjt  unb 
5ur  Vefdmüdjtigung  {jode  t§m  biefer  bie  „3e^lt  oariirten 
SbemaV  Op.  107,  otjne  Honorar  gugefteftt.  ©ine  fcfyon  im 
3af)re  1818  bei  Strtaria  erfdjienene  9(u§gabe  biefer  ©onaten 
—  nidjt  mit  ©inöerftänbnifc  ber  Bonner  VertagStjanbütng  — 
mürbe  tion  ben  ©egnern  für  bie  Veftätigung  be§  Oon  ttjnen 
erfunbenen  ®erüd)t§  gehalten  unb  gu  neuen,  für  S5eetf)oüen 
oertetjenben  Unroabrfjeiten  benutzt.  $ur  Verbreitung  berfetben 
batten  fid)  aud)  gemiffe  SBiener  Verleger  brausen  taffen,  beren 
Offerten  unfer  ÜWetfter  roiebertjott  jurüdgemiefen  t)atte. 

2)ie  unmittelbare  ©inmirhtng  biefer  Umtriebe  auf  unfern 
9J?etfter  tjat  bie  SDhtfitroett  eben  tridjt  §u  beffagen,  benn  fie 
führten  it)u  ber  ?(nroenbung  ber  bisher  offenbar  nnberüdfidjtigt 
getaffenen  Stunftform,  ber  $uge,  gu.  Ab  hoste  discimus. 
(£3  tag  im  (Stjarafter  ber  ©podje,  biefetbe  nad)  ®ebüt)r  £)oc£)5u~ 
jteflen  unb  fie  bemnad)  ffeifjig  gu  cutttüiren.  ®a§  ©remium 
ber  9Jhififer  pflegte  batjer  nur  jenem  (Somponiften  ben  Veften 
unb  auf  ifjre  ?Id)tung  9(nfprud)  §abenben  bei5U§ät)fen,  ber  fid) 
and)  in  biefer  (Sphäre  mit  ($5efd)id  fjerüorgetljau.  Von  nun 
an  ftnben  fid)  atfo  mehrere  Sßerfe  Veetboöen'ö  mit  fleißig 
aufgearbeiteten  $u9en  öerfefjcn;  fdjon  bie  nädjft  gekommene 
grofce  ©onate  in  B  dur,  Op.  106,  imponirt  mit  einer  brei= 
ftimmigen,  bergteidjen  in  ber  (Staüiermuftf  nicfjt  roieber  gu 
finben.  SSenn  ber  SDtofter  hierbei  bemerft:  „Wxt  einigen  $rei= 
heiten,"  fo  miß  er  bamit  nur  geigen,  bafj  ibm  bie  Regeln,  bie 
er  umgangen,  redjt  rootjt  befannt  finb.  2Ba§  aud)  bie  ©djut- 
roei§f)eit  an  biefer  großen  Stjat  gu  mäteln  gemußt  unb  immer 
nod)  roei|3,  fo  ift  fie  benuod)  eines  Veetboben  mürbig  unb  bei 
Doöfommener  Vemätttgung  War  unb  öerftänbtid),  bie  at(erbing§ 


—     296     — 

einen  fjofjen  ©rab  üon  SBirtuofttät  nnb  sugleicl)  Äenntnife 
biefer  Slunftform  beim  Söortragenben  üorau§fe£t.  £)ie  Traube 
t)ängt  fef>r  t)od).  —  Leiter  finben  mir  fdjon  mieber  in  ber 
©onate  in  As  dur,  Op.  110,  eine  breiftimmige  $nge,  bie 
meber  „2Siberljaarige$"  nocf)  „einige  $reif)eiten"  enthält,  nidjt 
fdjmer  au^ufüfjren  unb  odH  rei^enber  ©djönfjeiten  ift.  darauf 
folgen  bie  gewaltigen  $ugen  ^m  Gloria  unb  Credo  ber  Missa 
soleranis;  enbtid)  bie  gro^e  $ugen  =  Duberture,  Op.  124. 
2)amit  |at  ber  9J?eifter  feinen  ©egnern,  fatl§  fie  feine  f)art~ 
näcfigen  Söadjianer  ober  SKojartianer  finb,  für  alte  Reiten  oen 
Wunb  geftopft. 

5(u§  bem  3al)re  1815  batiren  ferner  nodj  fotgenbe  2Berfe: 
„$ceere§ftitte  unb  ©lüdlidje  galjrt"  (Don  ©oettje) 
für  (Efjor  unb  Drcljefter,  Op.  112;  bann  bie  Duuerture 
in  C  dur,  Op.  115.  93eibe  mürben  (nebft  ber  Santate 
„(EljnftuS  am  Detberg")  am  ßfyrifttag,  ben  25.  2>ec.  beffelben 
SaljreS,  in  einer  Slfabemie  §um  93ortt)ette  be3  93ürgerfpita(§ 
im  großen  9fiebouten=<Saal  unter  Seitung  be§  2Keifter§  gum 
erften  SM  aufgeführt.  £)er  Sfnfcfjlag^ttet  geigte  bei  ber 
Duuerture  {einerlei  Seifatj.  £>ie  Kataloge  aber  nennen  fie  balb 
„gur  Staertöfeier,"  balb  „3aa>Duberture."  51m  10.  sD?ai 
1818  (bereits  ©tgentljum  ber  &erfag§l)anblung  ©teiner  u.  @p.) 
erfdjien  biefe  DuDerture  in  stoeiter  ?luffül)rung  im  (Eoncerte  ber 
Ferren  9ftat)feber,165)  aftofdjefeS  unb  Giuliani  mitvbem  53eifatje 
„ä  la  Chasse."  23eetf)oOen  frug  nad)  bem  @runb  foldjer 
^Benennung,  unb  mer  fid)  bieä  erlaubt.  (£3  mar  jebod)  nichts 
51t  ermitteln,  meil  ein  Streit  bie  ©djulb  auf  ben  anbern  ge= 
fdjoben.  2)er  23reitlopf  u.  Jpaertel'fdje  Katalog  benennt  biefe 
Ouüerture  „9ramen3feier,"  üielleidjt,  meil  fie  am  ßljrifttag  gur 
erftmaligen  Sfoffüfjrung  gekommen. 


165)  Die  einzige  Komposition,  die  Beethoven  als  „gedichtet" 
bezeichnete  und  dem  Fürsten  v.  Radziwill  widmete,  erschien  erst  im 
Jahre  1825  bei  Steiner;  cf.  Nottebohm,  Themat.  Verzeichnis  unter 
No.  115.  A.  d.  H. 


—     297     — 

£)iefe  9lfctbemie  am  25.  £>ec.  t)at  ben  nädjften  9(nftofj 
gegeben,  bafj  ber  SBtener  Sftagiftrat  ben  Befcfjfufj  gefaxt,  unfern 
ÜDfeifter  unter  bie  (Ehrenbürger  aufgunerjmen.  2)er  amtüdje 
S3eric£)t  in  ber  Rettung  rnetbet  ba§>  factum  in  fotgeuben  SSorten: 
„£)er  SJcagiftrat  ber  f.  f.  §aupt  =  unb  9iefibeng  = 
ftabt  2Bien  Ijat  §errn  Subroig  tian  Beetrjooen 
nu^  9tüdfid)t  auf  bie  BereitmiUigfeit,  mit  meld)  er 
er  gu  mieber Rotten  Sftaten  feine  (Sompofitionen 
rootjtt^ättgen  groeden  roibmete,  ba3  Diplom  eine§ 
©bjrenbürgerä  er tt) eilt."  —  5Ufo  b(o<S  für  geleiftete 
Süenfte  bei  morjlttjätigen  ß10^11'  SftidjtS  anbei  öon  3ln= 
erfennung,  SSürbigung  feiner  Bebeutung  alä  Sünftter!  9ridjt§ 
öon  feinen  Berbienften  um  bie  Äunft!  Sftidjt  eine  teife  %n= 
beutung  ungefähr  be§  SSortlautS:  Sßir  ftnb  ftotg,  3)idj  unfern 
Mitbürger  nennen  gu  bürfen.  2ßie  öon  Seiten  aller  Beworben 
be3  alten  2ßien§  Äunft  unb  Äünftfer  eigentlich)  geroürbigt 
roorben,  jene§  Socttment  bezeuget  e3  für  alte  3eiten.  Ob 
Beettjoöen  morjl  SBert  barauf  gelegt,  (Sfjrenbürger  ber  ©tabt 
üßien  gu  fevjn?  ®ie  5lntmort  bürfte  ftdj  au§  roeiter  unten 
angeführten  Srjatfactjen  unb  ßuftänben  üon  f eC£»ft  ergeben.166) 

Um  biefelbe  QtW  (1815  ober  1816)  begann  unfer  SDfeiftex 
ftct)  mit  Bearbeitung  —  ©timmenberme^rung  unb  Begleitung 
—  ber  ©djotiifdjen  Sieber  gu  befdjäf  tigert.  9(u3  ber 
mir  befannten  Gorreföonbeng  gtöifctjen  bem  ©ammter  unb 
Beranlaffer  gu  beren  Bearbeitung,  ©eorg  £f)omöf ort  in 
(Sbinburg  unb  Beetfjoöen,  get)t  fjemor,  baf$  oiet  über  f)unbert 
bearbeitet  roorbert.  ©ine  Stngatjl  mutrjmafjlid)  nodj  nidjt  ber* 
öffentlicher,  barunter  mehrere  breiftimmig  gefegt,  befinbet  fidj 
nod),  gtoar  of)ne  Stejt,  unter  bem  rjanbfdjrifttidjen  9iad)Iafj  in 


166)  Das  Originalschreiben  des  Magistrats  besagt,  genau  ge- 
nommen, nur,  daß  Beethoven  Bürger  der  Stadt  Wien  wurde,  kein 
eigentlicher  Ehrenbürger.  Der  Irrtum  mag  entstanden  sein,  weil  mit 
diesem  Bürgerbriefe  einige  nur  Ehrenbürgern  zustehende  Emolumeute 
verbunden  waren.  A.  d.  H. 


—     298     — 

ber  ftonigtidjen  Bibtiotfjef  ^u  Bertin.  (£g  war  nämüd)  aus 
bem  ttjematifdjen  9Ser§eict)m^  ber  in  (Snglanb  gebrudten  nidjt 
31t  ermitteln,  od  bie  Bertiner  ruirfficr)  nod)  Sftanufcript  finb, 
ober  and)  fdjon  üeröffenttidjt.  Sm  Satjre  1841  ergab  fidf>  eine 
©etegenfjeit  mid)  mit  anfragen  bie3fafl§  birefte  an  £fjompfon 
nad)  (Sbinburg  51t  luenben.  9tnftatt  aber  bie  getoünfdjte  2tu$= 
fünft  ju  geben,  metbete  er  fein  t)of)e§  Slfter  unb  bie  2(6fid)t, 
bie  ganje  Sammlung  51t  oerfaufen.  $)ie  ©oltection  au§ 
25  üftummern  beftetjenb,  für  eine  Singftimme,  mit  Begleitung  be§ 
^ßianoforte,  Biotine  unb  Biotoncett,  unter  Op.  108  bei  Scf)te= 
ftnger  in  Bertin  erfcfyienen,  ift  ein  2fu§3ug  au§  ber  engtifdjen 
®efammtau§gabe.  Ueberfyaupt  fdjeint  e§,  baf0  biefe  Ieid)te, 
abfpannenbe  Arbeit  unferm  9)cetfter  red)t  gelegen  gekommen, 
ba  fie  in  bie  Qtit  *an9e  anbauernber  ©emütf)§aufregungen 
fällt,  bie  §u  anftrengenber  Befdjäftigung  feines>n)eg3  geeignet 
getoefen.  2)er,  bie  8af)re  1816,  1817  unb  1818  umfaffenbe 
Katalog  läßt  gteid)falt§  merfen,  toie  e§  um  bie  Stimmung  be§ 
ÜMfterä  au§gefet)en.*) 

(53  mag  nun  eine  Spifobe,  menngfeid)  auf  BeettjoOen  nur 
inbirecte  Be^ietjung  netjmenb,  raotjt  aber  üon  funfttjiftorifctjem 
Sntereffe  ben  geeigneten  Drt  finben.  Sie  betrifft  bie  im  3atjre 
1816  erfolgte  (Sntlaffung  bes  berühmten  ^afumomsfn'fcljen 
Quartette.  Bormiegenbe  ©rünbe  3m*  (Sntlaffung  gab  e§  3tt)ei: 
ba$  fjot)e  5flter  be§  dürften,  mefyr  nod)  bie  3erf^rung  feine* 
mit  einer  $üHe  oon  föunftfdiätjen  au$  allen  Bereiten  ber 
^unft  unb  SBiffenfdjaft  angefüllten  ^ßalafteS  burd)  geuer. 
9cid)t§  tonnte  gerettet  werben.  Samit  waren  bie  Oornetjmften 
(Stemente,  bie  bem  dürften  ba$  Seben  angenehm  gemadjt, 
ptöttfid)  uerfdjwunben ;  felbft  bie  Siebting^werfe  ber  Xonfunft 
bermod)ten  ben  £rübfinn  nidjt  meljr  31t  oerfdjcudjen.    2>ie  Ber= 


*)  ©in  fiavfeS  £eft  mit  ungefähr  40  foldjer  Sieber  in  fauberer  2to= 
fd)ri[t  unb  eigenfjänbigen  Correcturen  üon  Seet^ooen  f)at  ber  SScrfaffer 
§errn  Sßrof.  Dtto  Safjn  tereijrt.  Stuf  bem  erften  Statte  fiefjt  t>on  be§ 
SReifierS  £anb  beutlicfi,  bie  ^a^reSja^l  18J0. 


—     299     — 

fjeiftungen  aber  be^ügütf)  ber  lebenslänglichen  ^ßenfionen  au 
bie  oerabfdjiebeten  Slünftler  mürben  bucfjftäblid)  erfüllt,  im 
©egenfajje  alfo  31t  bem  mitgeteilten  (Srtebniffe  gleicher  2trt 
6ei  $eetl)ot»en.  ©djuppanjigl)  begab  fiel)  fogfeid)  gur  Seitung 
einer  (Sapelle  nacrj  SRufilanb,  (mie  bereite  im  Eingänge  51t 
biefer  ^eriobe  angeführt)  unb  ©ina  nafjtn  feinen  2lufentf)ült 
in  ^ari§.    Sie  beiben  anbern  9J?itglieber  öerbtieben  in  SBien. 

(£§  mar  aber  aud)  an  ber  3eit,  berlei  Slunftprobuctionen 
auf  mehrere  Safjre  ^u  fu£penbiren,  meit  bereu  SBürbigung  oon 
Sag  31t  Sag  metjr  51t  fdjminben  begann.  Sie  ^3t)t)fiognomie 
ber  ®aiferftabt  tjaite  feit  ben  Sagen  be§  ßongreffeä  in  allen 
©djidjten  ber  ©efeKfcijaft  einen  9Iu3brucf  angenommen,  ber 
mit  bem  früheren  im  auffaÜenben  ÜESiberfprudje  ftanb.  Sa§ 
ben  (Soncert=©aal  unb  bie  Sweater  füllenbe  publicum  tjatte 
fomof)l  bie  erforberlidje  $uf)e  im  Äunftgenuffe,  mie  aud)  ben 
2lnftanb  in  ber  äußeren  Haltung  Oerloren.  23erfcfjrouuben  mar 
fogar  bciZ  (Sfjarafteriftifcrje,  ma§  bie  SSorte:  „Sag  gemütf)tid)e 
2öien,"  —  jebem  auf<§  Slngenetjmfte  üerftänblid)  gemadjt.  2tn 
bie  ©teile  biefer  lange  bemäljrten  (Sigenfdjaften  traten  9iot)t)ett 
unb  Safter  jegtidjer  2lrt,  al§  ©rbfdjaften  üom  (Songreffe  Ijer. 
(Srft  Weiter  unten  mirb  e§  Sßeranlaffung  geben  biefe  $ßt)t)fiognomie 
gans  (^u  enthüllen.  (Sinftmeilen  mögen  gur  SSefräftigung  be§  ©e= 
fagten  nur  einige  ©ä|e  über  biefe  gängtid)  oeränberten  ßuftänbe 
2Bien§  au§  ber  21%  SJhtj.  £tg.  XIX,  427,  $aum  finben. 

Sn  bem  53erid)te  üom  Stfonat  93M  1817  apoftropljirt  ber 
Referent  biefetben  mit  fofgenben  Porten:  „Uebertjaupt  bringt 
fid)  bem  unbefangenen  23eobad)ter  feit  einiger  $eit  °^e  feinet 
meg3  erfreutidje  23emerfung  auf,  bafs  fid)  unfer  publicum  nad) 
bem  parifer  unb  lonboner  §u  bilben  beftrebe.  Sie  Oielbelobte 
öftretcf)ifc£)e  ©utmütln'gfeit  unb  Urbanität,  bie  fo  gepriefene 
£oleran§  unb  Siberalität  fdjeinen  roenigftenä  au§  bem  Xtjeater 
üerfcfyrounben  51t  fetm;  an  itjrer  ©teile  finb  9Rol)f)eiten,  öortaute 
Urteile,  pfeifen,  öerfjöfmenbeS  £ad)en,  ungeftüme§  ^odjen,  unb 
ätjnlidje  9teufjerungen  ber  ©ittentofig!eit  getreten,  bie  un§  für 


—     300     — 

bie  3ufa»ft  twnultuarifd)e  Auftritte,  wo  nid)t  gar  ärjntid)  jenen 
im  ©ermanicug,  erroarten  (äffen,  roesftuegen  and)  jeber  friebüd) 
®efinnte  bon  ganzem  fersen  toünfdjt,  ba^  bodt)  eine  Ijbtjere 
23ef)örbe  biefem  Unfug  nod)  51t  rechter  $eit  fteuern  möge." 

3)ie  Serjbrben  aber  tjaben  alle  berfei  Sftaljnungen  ü6erl)ört, 
im  ©egentfjeit  ba§  Hebel  burcf)  bie  lajefte  (Senfur  ber  „SBiener 
£ocal=$ßoffe"  in'3  9J?a^lofe  Oergröfjert,  roätjrenb  bie  über  bie 
guten,  bübenben  ©lüde,  fo  mie  über  nnffenfcl)aftlid)e  2öerfe  üer* 
Fjängte  in  ifjrer  (Strenge  befanntlid)  feine  ©renken  gefannt. 
bringt  man  nod)  ba^u  bie  bekannten  Stljatfadjen  in  (Srmägung, 
bafe  SBien'iS  SBeüötferung  e£  im  firdjticfjen  SnbifferentiSmug  unb 
religiöfen  Unglauben  allen  anbern  ©rojjftäbten  feit  lange  3uoor= 
getfjan,  bafc  ferner  leine  ber  europäifdjen  .Spauptftäbte  311  finbifd)er 
üftadjäfferei  frember  ©itten  fo  geneigt  gemefen,  a(3  2Bien,  fo  Ijat 
man  barin  bie  nidjt  megjuläugneuben  ©rünbe  unb  Urf adjen 
511  einer  ©emoratifation  in  allen  ÜRtdjtungen,  bie  gtetdjfam 
metljobifd)  grofc  gebogen  morben.  ©ie  @efd)id)te  be§  3af)re3 
1848  fjat  biefe  ©emoralifation  auf  ifjrem  (EulminationSpunct 
gejeigt.  ß«  fotdjer  Steife  aber  be§  au^geftreuten  <2aamen3  maren 
3at)i*äel)enbe  erforbertid).  —  Sit  roelctjer  Se^iefjung  biefe  £)inge 
mit  bem  Reiben  biefeö  23ud)e§  fteljen,  in  miefern  fie  auf  iljn 
jurüdgemirtt,  rairb  fid)  ergeben. 

Sftun  mären  mir  am  (Singange  eines  langen  unb  frummen 
§of)tmege§  angelangt,  ben  51t  umgefjen  feine  Sttögtidjfeit.  3d) 
labe  baf)er  ben  Sefer  freunbtidjft  ein  mit  einiger  ©ebulb  unb 
9iüdftd)tnal)me  auf  unfern  Sftetfter  mir  §u  folgen.  (£<§  rjaubeft 
fid)  um  Darlegung  ber  üeranlaffenben  ©rünbe  51t  einem  fjart- 
nädigen,  Oier  oolle  Safjre  fic£>  Ijinjieljenben  ^rogefis,  in  metdjen 
unfer  SDcetfter  Oermidelt  morben,  unb  gteidjäeitig  um  bie  auf 
fein  ganzes  fünftlerifd)e§  ©etjn  barau3  entfprungenen  folgen. 
£)ie  <Sd)ilberung  biefer  Gegebenheiten  mirb  mir  gegenmärtig  um 
ein  Söebeutenbeö  erleichtert,  inbem  mitttermeile  eine  auf  biefe!6e 
fid)  be^ietjenbe  Gorrefponbenj  23eetf)oüen's>  §ur  Sßeröffentlidjung 
gefommen,  bie  alle  ©djranfen  auf  gehoben  fjat.    (£§  ftnb  bie  ad)t 


—     301     — 

unb  ätoattätg  Briefe  üon  SJeetfjoüen  (au§  ben  Sauren  1816 
unb  1817)  an  ©ianatafio  bei  SRio,  nebft  betgegebenen  ^ottjen 
über  $Beeti)ot>en  au§  jenen  £agen,  beren  bereits  in  ber  jweiten 
Sßeriobe  @rwäf)nung  gefd)ef)en.107) 

Sm  Sftonat  3tobem&er  be§  3af)re§  1815  ftarb  23eetf)otien'3 
älterer  93ruber  tat,  ben  tüir  als  (Saffenbeamten  an  ber  öftreidjifdjen 
9cationat=$anf  fennen  gelernt,  9ftit  bem  £obe  bicjeS  9#anneS 
beginnt  im  Seben  unferS  9fteifter3  ein  ?lbfd)nitt  üon  befonberer 
Sßidjtigfeit,  ein  9lbfd)nitt  arm  an  fünftlerifdjen  begangen,  reid) 
aber  an  erfjebenben  Momenten,  bie  un§  ben  ^onbtdjter  afö 
!>D?enfct)en  öon  ungemein  fittlidjer  SßSürbe  unb  Äraft  geigen,  wie 
nirfjtö  im  Sßorljergeljenben  e§  in  foldjem  ©rabe  oermodjt  t)at. 
2)urd)  biefen  nenen  Sonftict  mit  ^ßerfonen  unb  Sßerljältniffen 
tritt  unfer  SD^eifter  gum  er[ten  Wlal  in  eine  engere  SSerbinbung 
mit  bem  bürgerlichen  Seben.  2öie  er  bie  $robe  beftanben,  wirb 
ber  Verlauf  ber  Singe  teuren. 

3m  fünften  ^unete  feinet  SteftamentS  üom  14.  9xo= 
bember  1815  bat  tat  öan  23eett)oben  feinen  SBruber  um  Ueber= 
nafjme  ber  SSormuubfdjaft  über  feinen  fjintertaffenen  (2ot)n  fö'art, 
bamatö  8—9  3af)re  alt.  Ser  SBortlaut  biefeS  ^uncteS  ift 
folgenber:  „Seftimme  id)  gum  SSormunbe  meinen  Q3ruber  Subwig 
bau  SSeetljoben.  9?ad)bem  biefer  mein  innigft  geliebter  93ruber 
rnid)  oft  mit  wafyrfjaft  brüberlidjer  Siebe  auf  bie  grofemütjjigfte 
unb  ebelfte  Sßeife  unterftütjt  tjat,  fo  erwarte  id)  and)  fernerhin 
mit  tioKer  3UDer1^t  un0  *m  sollen  Vertrauen  auf  fein  ebteS 
§erg,  bafe  er  bie  mir  fo  oft  bezeigte  Siebe  unb  greunbfd)aft 
aud)  bei  meinem  ©olme  Slart  fjaben  unb  alles  anwenben  wirb, 
maS  bemfelben  nur  immer  gur  geiftigen  33ilbung  meinet  SofyneS 
unb  §u  feinem  ferneren  ^ortfommen  möglid)  ift.  Sd)  weife,  er 
Wirb  mir  biefe  meine  SSitte  nidjt  abfdjtagen."  3m  fedjften 
Erntete  ernennt  ber  Steftator  ben  §of=  unb  ©eridjtSabbofaten 
Dr.  ©djönauer  gum  Kurator  „für  bie  Sßflegung  ber  5tbl)anblung 

167)  Diese  Giaunatasio-Korrespondenz  wolle  man  im  III.  Bande 
von  B.  S.  Br.  nachlesen.  A.  d.  H. 


—     302     — 

foroorjl,  a(3  aud)  fonften  für  meinen  ©orjn  $art  mit  bem  33ei= 
fatje:  bafj  berfelDe  bei  allen  Angelegenheiten,  metd)e  ba$  SSer= 
mögen  meinet  <Sof)ne3  betreffen,  zu  Sftatrje  gebogen  merben  folt." 
(£)ie  ben  ®eritf)t3acten  beigegebene  Abfdjrift  tiefet  ^eftamenfrä 
liegt  r»or.) 

9Iu3  einem  ^Briefe  com  22.  Sftoüember  beäfetben  Safjreä  an 
gerbinanb  $ik§>,  barin  SBeetljotien  ben  Xob  biefe§  ©rubere 
metbet,  entnehmen  mir  folgenbe  ©teile:  „Um  iljm  ba§  Seben 
leichter  ^u  madjen,  fann  id)  morjl  ba§,  ma§  icfj  itjm  gegeben, 
auf  10,000  Bulben  83.  333.  (Wiener  2Bäf)rung  =  10,000  grS.) 
anfdjtagen."  gerner  fagt  53eett)ou>en  in  biefem  ©riefe:  „@r  Ijatte 
ein  fd)(ed)teS  233eib." 16S) 

Um  bie  SBitte  feines  üerftorbenen  33ruber§  im  üotlften 
dJlafc  in  Erfüllung  gerjen  51t  machen,  t)ie(t  ©eetrjoöen  gn  aller* 
näcrjft  für  nottituenbig,  feinen  Neffen  ben  fdjlimmen  ©inflüffeu 
feiner  sDcutter  gn  entziehen,  ja,  er  ging  in  feiner  ©orforge  für 
beffen  SSofjl  roeit  über  ben  SSortlaut  ber  93ttte  feinet  ©ruber» 
fjinau<§,  er  faßte  näm(id)  ben  @ntfd)tufc,  ifjn  5U  aboptiren,  ein 
(Sntfdjtufe,  ber  fotr-ol)!  mit  feinen  9Sert)ättniffen  mie  aud)  mit 
feinem  Äünftlermefen  in  grellem  SSiberfprud)  geftanben.  ©iel= 
feitige§  Abmarjnen  feiner  greunbe  tiermocfjte  nictjt  it)n  Neroon 
abzubringen;  er  ermieberte  mit  ber  Verpflichtung  au§  feinem 
Steffen  einen  guten  Sftenfcfjen  unb  Staatsbürger  erziehen  511  follen. 

Um  aber  biefen  ©orfatj  ofjne  Verzug  in  Ausführung  §u 
bringen  unb  um  bei  ber  ©ormunbfdjaftsberjörbe  fixerer  bamit 
burcrjäubringen,  mar  aU  erfter  ©djritt  erf orberlid) :  fein  bi3= 
t)erigeö  SunggefeHen=Seben  aufzugeben  unb  eine  eigene  §au§= 
tjaltung  einzuridjten,  ba$  anberfeit§  foüiel  rjeifjen  mollte,  als 
bie  $unbamente  feiner  inbimbuellen  aber  aucfj  fünftlerifdjen 
greiljeit  unb  llnabl)ängigleit  mit  eigener  §anb  gu  untergraben, 
ba§  zu  zerftören,  ma§  für  feinen  ©eniuio  bie  eigentliche  ^eimatf) 
mar,  in  ber  allein  er  fdjöpferifd)  nrirten  fonnte. 


168;  Vgl.  B.  S.  Br.  No.  476  (II.  Band).  A.  d.  H. 


—     303     — 

Sßie  ber  Meifter  bei  (Sinridjtung  feiner  §au3l)attung  31t 
SBerfe  gegangen,  bation  eine  Sßrobe.  ©ine  Information,  unbe* 
groeifett  bei  einem  erfahrenen  §au3nrirtf)  eingeholt,  liegt  in  $orm 
eines  $rotocolt§,  linfö  bie  fragen,  redjtS  bie  21ntmorten,  in 
Original  tior. 

S3eetf)ouen  fragt: 

1.  „SSaS  gibt  man  jmei  $)ienftteuten  §D?ittag§  unb  21benb§ 
gu  effen,  foroot)!  in  ber  Dualität,  als  in  ber  Quantität?" 

2.  „2öie  oft  gibt  man  ifjnen  traten?  ©efdjtd&t  bieg  mt* 
tag§  unb  SlbenbS  ^ug(eicE)?" 

3.  „£)a3,  ma£  ben  SDienftboten  beftimmt  ift,  Ijaben  fie  biefeS 
gemein  mit  ben  ©Reifen  beS  §errn,  ober  mac|en  fie  ftd) 
fofctje  befonberS,  b.  t).  madjen  fie  fid)  anbere  ©peifen, 
als  ber  |>err  fyat?" 

4.  „2Bie  üiel  ^3funb  pfeifet)  redjnet  man  für  brei  ^)Ser= 
fönen?"  u.  f.  m.169) 

SSie  mag  rooijt  bem  in  überirbifdjen  Legionen  gu  (eben 
gemeinten  £onbid)ter  bei  £>urd)tefung  ber  in'S  detail  beant= 
morteten  $üd)en=9?ecepte  gemorben  fet)n?  (Sollte  man  nidjt  er* 
märten,  bafc  itjn  beim  2tnblid  ber  ötelen  $ol)tarten,  gelben  unb 
meifjen  Gliben,  ©auerfraut  unb  ©pedfnöbel,  Sßödelfteifcf)  unb 
Kartoffeln,  ein  ©rauen  Oor  feinem  Unternehmen  überfdjtidjen 
unb  abgefdjredt  fyabe?  Siebe  unb  $Pfüd)tgefü§t  Oerfdjeudjten 
jeboer)  alle  in  2tu3fid)t  geftellten  SSibermärtigteiten  unb  'jßtatfereien 
mit  Srienftteuten,  falls  biefe  nid)t  öon  einer  §au£frau  über* 
mad)t  roerben. 

©d)on  im  $ebruar  1816  entzog  SBeettjooen  feiner  ©cljmägerin 
ben  ©ofyn  unb  übergab  it)n  bis  auf  meitereS  bem  (Sr3iet)ungS= 
Snftitute  beS  oben  genannten  ©ianatafio  bei  SRio.  @S  mar  bieS 
ein  ©emattfdjritt.     ©ofort   trat   bie   ©djtoägerin  riagenb  auf. 


169J  Ein  vollständiges  Promemoria  „Zur  Einrichtung  einer  eigenen 
Haushaltung"  aus  Schindlers  Beethoven-Nachlaß  habe  ich  in  den  Beet- 
hovenbriefen mitgeteilt  bei  einem  an  v.  Zmeskall  gerichteten  Bedienten- 
briefe No.  518  vom  Jahre  1816  (III.  Band).  A.  d.  H. 


—     304     — 

2)er  Sßrocefe  tuctrb  bei  beut  Dber;©ericfjt,  „ba§  meberöftreidjifdje 
Sanbredjt"  genannt,  anhängig  gemacht,  üor  beffen  gorum  bie 
9ted)t§facE)en  be3  ?(be(<§  nnb  ber  ©eiftlidjfeit  gehörten;  man 
fjatte  nämtid)  bt§  baljin  unfern  83eetljouen  wegen  be§  feinem 
tarnen  borgefe$ten  u  a  n  für  abetid)  gehalten.  £>em  23erftagten 
marb  gunädjft  bte  Aufgabe  geftettt,  §u  bemeifen,  ba$  feine 
©djtoägerin  ein  fittentofeg  Sßeib,  barum  jur  SD^iter§iet)ung  irjreS 
©ofjneS  nidjt  geeignet  fet),  getmjj  eine  peintidje  Aufgabe  für 
einen  9}?ann,  ber  bie  Uebelftänbe  in  feiner  $amtfie  bic>t)er  ftet§ 
mit  ©d)onung  ertragen  fjatte. 

Sßie  e§  bei  gübjrung  tion  ^ßroceffen  fo  oft  üorfommt,  ba^ 
burd)  bie  Vertreter  bie  Seibenfdjaften  ber  ftreitenben  Parteien 
nur  met)r  gegen  einanber  gereift  merben,  ©teid)e§  mar  tjier  ber 
galt.  S)er  §of=  nnb  @erid)t£aboocat  Dr.  Don  2tbter3burg,  eine 
berbe  Statur,  fdjeint  gunädjft  uergeffen  p  fjaben,  metdje  9?üd= 
fidjten  er  —  bei  alter  (Stuben^  ber  aufgebedteu  £t)atfad)en,  — 
ats>  Vertreter  Seetrjoüen'g  gegen  biefen  fetbft  51t  beobachten  rjabe. 
®er  gegenseitige  ©adjluatter  aber,  Dr.  (Sdjönauer,  ein  im  9fufe 
fterjenber  Sntriguant,  ging  vice  versa  nocfj  Oiet  meiter.  (£§ 
taut  fonad)  in  ^o(ge  ber  aboocatifctjen  §e^ereien  §u  Sjpectorationen, 
oerftefjt  ftd)  auf  Soften  ber  Parteien,  mie  fie  in  bamaliger  $eit 
bort  at§  Stilus  curiae  übtid)  gemefen.  @emeine§  ©dampfen 
unb  Wank  jeber  5lrt,  fomotjt  in  bieten  mie  in  ©egenmart  be§ 
$id)ter§,  gehörten  5U  ben  SBorredjten  ber  Stböocaten.  ?lber  fte 
oerfefjtten  nid)t  böfe§  59(ut  §u  madjen.  ®ennod)  ging  barauS 
für  unfern  Stfeifter  ber  ©eminn  rjeruor,  bafj  feitewS  ber  Sebjörbe 
ber  obige  ©eroaltfdjritt  für  gut  gereiften  unb  ber  9?effe  bi§  §u 
2tus>trag  be§  *ßroceffe§  i£)m  in  proüiforifd)er  Dbrntt  getaffen 
mürbe. 

Unter  ben  oben  ermähnten  Scotijen  ber  Staute  ©ianatafio 
bei  9tio  (©rensboten,  2te§  Quartal,  1857,  ©eite  29)  tautet 
eine  mörttid):  „2)ie  üon  $eett)otien  fogenannte  Königin  in  ber 
Sfadjt,  feine§  Neffen  Butter,  tjatte  e§  enbtid)  batjin  gebracht, 
ba^  man  feinen  Stbet  al§>  oan  Söeettjoüen   ftreitig  machte  unb 


—     305     — 

feine  <&ad)t  jum  äftagiftrat  tarn,  roa§  itjn  fer)r  fränfte,  tueit 
man  an  erfterer  ©teile  i§n  merjr  gu  mürbigen  üerftanb;  auct) 
!am  e§  enblicfj  barjin,  bafj  er  ber  9Sormunbfd)aft  enthoben 
unb  fein  üfteffe  jur  Sftutter  surücffefjrte-  2Seld)er  ©c^merj 
für  if)n!" 

Die  »eitere  9tu3füt)rung  in  biefer  beadjten^mertrjen  5Tu§fage, 
fo  gettndjtig  in  ber  ©acfje,  tuie  ein  9lctenftüd,  meil  eine  aßen 
Parteien  frembe  (Stimme  fpridjt,  foü  un§  nun  §ut»örberft  6e= 
fdjäftigen.  Denn  bie  üerlaffenbe  Urfadje,  marum  ber  ^ßrocefj 
öom  Obergeridjt  an  ba§  Untergeridjt  üerroiefen  roorben,  bietet 
unter  mancherlei  uorgefommenen  ©erei^tfjeiten  unb  Un$iemticfj= 
leiten  ein  d)arafteriftifd)e3  Moment  bar. 

9cacfjbem  bereits  über  ein  t>olle3  Safjr  t)in  unb  rjer  öer= 
§anbelt  morben,  mürbe  —  mie  e3  tjiejj  —  in  ^olge  Denunciation 
be§  gegenteiligen  5tbbocaten,  baä  Obergeridjt  aufmerffam  ge= 
macrjt,  bafj  ba§  bem  niebertänbifdjen  gamitien^amen  beigefe^te 
Dan  nid)t  ben  9lbet  beäeicrjne,  23eetrjot>en  fonacfj  nidjt  abelidjer 
^erfunft,  biefeö  Obergeridjt  folgtid)  im  üorliegenben  9?ed)t3ftreite 
nidjt  bie  competente  53et)örbe  fetj.  (£§  marb  bemnad)  becretirt, 
Seetfjoüen  folle  feinen  ?lbel  bocumentiren.  3n  bem  anberaumten 
Xermin  erfdjien  er  perfönlictj  uor  ©eridjt  unb  erffärte:  fein 
9tbel  fet)  tjiet  unb  ba,  auf  Slopf  unb  ^erg  jeigenb.*)  17°) 
gür  foldjen  9lbel  a6er  ga6  e§  meber  in  Deftreid)  nod)  in  anbevn 
Staaten,  6i3  511m  heutigen  "Jag  eine  rtdjtenbe  Sßerjörbe.  Da§ 
nieber=öftreid)ifd)e  2anbred)t  fonnte  mithin  nidjt  anber§,  a(3 
biefen  ^edjtsftreit  ju  meiterer  ^erljanblung  an  ben  Sftagiftrat 
ju  Derroeifen,  bie  für  bie  3iänfe  unb  ©dmxinfe  be3  gegnerifcben 
Slbuocaten  erroünfdjte  ©teile.  Dort  mar  für  Seettjoüen  nur 
bann  erfprieJ3tid}e3  5U  erreichen  möglich,  menn  er  feinen  $ei> 
treter  t>erabfd)iebet,  unb  eine  ganj  anbere  ^Serfönlidjfeit  bem 
©egner  gegenüberfteUt.    ©eine   SBarjt   fiel    auf   Dr.   Ssotjann 

*)  35er  3Jieift«   ptte   nod)   mit   ben   Gerannten  SBorten   Napoleon 
58oncrparte'§  erroiebern  foHen:  „%d>  ruiö  meinen  3lbef  nur  üon  mir  batiren." 
170)  Vgl.  B.  S.  Br.  No.  579  (III.  Band).  A.  d.  H. 

31.  SdjmMetä  53cet^otica=S?{ograj)Ijte.  20 


—     306     — 

Öaptift  33 ad),  ber  ebtn  in  bie  9}eit)e  ber  §of=  unb  ©eridjt^ 
SIbüocaten  getreten  nnb  a(3  ©egner  önn  feinen  (Sottegen  ge= 
fürchtet  mar,  ein  9Rann  Don  oielfeitiger  SSifoung,  o6enDrein 
ein  fel&ft  auSübenber  üDcufiffreunb,  ber  oornetjmlid)  im  Cluartett 
aU  SSioloncellift  mefyr  als  ^Ditettan tif cfjeö  geleistet  fjat.  2>ie 
tjolje  9(d)tung,  meld)e  Dr.  23ad)  genofj,  ergibt  ftd)  aus  feiner 
breimaligen  (Srmäljtung  jum  Secan  ber  jnriftifd)en  gacuttät 
nn  ber  SSiener  Unioerfität. 

Sn  ^olge  ber  Sßermeifung  be£  SßroceffeS  an  ben  SWagiftrat 
filmte  ftd)  53eetl)oüen  tt>ie  Dom  tjärteften  Sdjtage  getroffen.  Ob- 
er etmaä  barauf  gehalten,  in  ber  Meinung  be£  Sßotfe3  für  einen 
9Ibelid)en  üon  (Geburt  51t  gelten,  mürbe  fdjmer  gu  behaupten 
fetjn,  mar  bod)  feine  2(bftammung,  mie  $amüien=93ert)ä(tniffe,. 
letztere  aud)  burd)  bie  bürgerliche  (Stellung  feiner  trüber,  genug= 
fam  befannt.  Snbefe  ift  bod)  fooiet  geroifj,  baf$  er  oiet  barauf 
gehalten,  feine  9iect)t§fact)e  üor  ber  eyceptioneüen  Dberbefyörbe 
oerljanbeln  gu  fönnen,  tfyetfs  barum,  metl  man  ifyn  tljatfäcpd} 
bei  biefer  Stelle  beffer  ju  mürbigen  üerftanb,  (toie  bie  'Same 
C^ianatafio  gan§  ridjtig  bemerit,)  tfjeife,  weit  ber  unüortrjettjafte 
9tuf  bes  genannten  Untergerid)t§  ifym  menig  §offnung  für  einen 
gemünfdjten  (Srfolg  eingeflößt  fjatte.  üftidjt  minber  barf  für 
gemifj  au3gefagt  merben,  hak  meber  fein  ©enie,  nod)  feine  $unft- 
merfe  i§m  bie  bi§f)er  eingenommene  beoorgugte  (Stellung  in 
ben  abeüdjen  Greifen  oerfdjafft  rjätte,  ofjne  bie  ^räfumption^ 
er  fet)  if)re3  ©leidjen.  S)ie§  fjot  fid)  burd)  mehrere  23eifpie(e 
ermiefen,  fobatb  ber  Vorfall  am  Dbergerid)t  im  publicum  be- 
fannt gemorben.  9äd)t  in  ber  9Jcittetftaffe,  mo§(  aber  in  ber 
oberen,  Ijat  ba§  2öörtd)en  „oan"  einen  offenbaren  ßauber  au§= 
geübt.  Stfö  ^t)atfacr)e  fteljt  feft,  bafj  feit  jenem  ^öorfaüe  am 
nieber=öftreid)ifd)en  Sanbredjt  ba$  grofte  2öten  unferm  geh'ünfteu 
Sfteifter  gu  enge  gemorben,  unb  tjätten  ifyn  nidjt  bie  au§  bem 
Sefiamente  feinet  93ruber3  übernommenen  $f(idjten  gehalten, 
eö  märe  bie  mieber()o(t  projectirte  Steife  nad)  (Sngtanb  51t  (Staube 
gef'ommen  unb  Oietteidjt  aud)  ein  bauernber  Stufentbatt  bafetbft,. 


—     307     — 

Ijiitte  er  bod)  bereits  mit  beffen  Politiken  Snftitutioneu  am 
meiften  fompatf)ifirt. 

$ur  93eträftigung>  wie  biefer  Vorfall  auf  33eett)Ouen  ge= 
wirft,  wirb  bie  wortgetreue  3Jcittf)eitung  eine«  ®efpräd)S  gtuifctjen 
it)m  unb  feinem  greunbe  $ßeter§  bienen,  bie  fiel)  in  einem  ber 
-Tagebücher  au§  jener  $eit  üorfinbet.*)  ®af  ©efpräd)  fanb  an 
einem  öffentlichen  Orte  ©tatt,  mufete  barum  wegen  $eetf)oüen'3 
©djWertjörigfeit  oon  beiben  fcfjriftttd)  geführt  Werben,  ®teid) 
bie  erften  SBorte  beS  SfteifterS  geigen,  welche  (Stellung  er  fid) 
fetber  in  ber  ©efettfdjaft  öinbicirt  fjat.  üftur  entfdjiebene  (Gegner 
werben  fie  falfd)  auflegen. 

$eter3.     ,,©ie  finb  fjeute  fo  unjuf  rieben,  wie  id)." 

Söeetfjouen.  „21bgefd)loffen  foft  ber  Bürger  t>om  f)öt)ern 
9}tenfd)en  fetjn,  unb  id)  bin  unter  if)n  geraden."  **) 

Meters.  „3n  brei  SBodjen  Reiben  ©ie  mit  bem  Bürger 
unb  bem  SWagiftrat  nid)t3  mef)r  ju  tfmn.  äftan  wirb  ©ie  nodj 
um  3§re  Unterftüfcung  erfinden  unb  31jnen  wor  ber  Appellation 
bie  freunbtidjfte  Aufteilung  macfjen." 

Seetfjoöen.  „©otlte  eS  gefcl)el)eu,  fo  Will  id)  lieber  in 
einem  fotdjen  Sanbe  nid)t  bleiben.  @§  wirb  Weber  SBormünber 
noefj  Dtjeime  geben  meines  ©leiten.  —  £)ent'fd)rift!"  1T1) 


:;:)  33iefe§  lagebud)  befinbet  ftch  nebfi  üielen  anbeut  in  ber  ®gl. 
-Bibliot^el  ju  Serltn. 

**)  ©iefer  ©a£  roürbe  bie  rjotfSttjümlicben  $efinnungen  Sßeetboben'ä 
»erbädjtigen  unb  tljn  aB  Slriftofraten  blo§fteflen,  wenn  man  feinen  6'inn 
iüd)t  au§fd)lieBlii^  auf  ben  SBiener  33ürger  unb  beffen  bamaligen  Güütuv= 
^ufianb  begeben  wollte.    SDarauf  allein  befdjränft  et  fteb. 

171)  Worte  dieses  Gespräches  aus  den  Konversationsheften  sind 
nach  Schindler  unendlich  oft  wiedergegeben  worden.  Wiederholte 
Prüfungen  des  Originals  wollen  jedoch  wahrnehmen  lassen,  daß  die 
Worte  nicht  stimmen  wollen.  Eine  Nachprüfung  ist  aber  bei  der 
Wichtigkeit  des  Inhalts  durchaus  nötig.  Der  Gesprächsinhalt  ist  dem 
starken  (91  Blatt  starken)  Heft  No.  22  entnommen,  das  Schindler 
der  ersten  Schachtel  1819  zugewiesen  hatte.  Eine  Nachprüfung  durch 
Thayer  versetzte  das  Heft  ins  Jahr  1820,   ob  stichhaltig,   soll   hier 

20* 


—     308     — 

3ur  ßett,  als  Dr.  Söad)  bie  Seitung  beS  ^iroceffe^  in  bie 
£anb  genommen,  roaren  bie  Dinge  bereite  gang  öerfafjren, 
S3eett)0Den  oon  5u^runfl  ber  $ormunbfrf)aft  fufpenbirt  (auf 
ben  üorgebltcfjen  ©runb  feiner  @ct)tt>err)örigfeit)r  unb  ein  Sn= 
terimS=93ormunb  in  ber  SJSerfon  eines  magiftratiftfjen  Beamten, 
beS  (Stabt=(Sequefters  9cuf$böci,  aufgeteilt;  junt  lleberflufe  t)atte 
ber  9J?agiftrat  in  feiner  oielbelobten  SBeföfjeü  bie  oon  ber 
.tlägerin  beanfprucfjten  9?ec§te  t)infitf)tlict)  ber  Ortung  itjreS 
©ofyneS,  mit  gänjücfjer  Umgebung  be£  obergertcfyttictyen  UrtfyetlS, 
anerfannt  unb  becretirt,  haft  if)r  ber  ftnabe  gurücfjugeben  feu. 
Sie  bafyin  fyatte  biefer  gemifj  beflagenstoert^e  ©egenftanb  beS 
Streites  ^mei  ootle  ^af)re  fjinburd)  —  oon  gebruar  1816  bis 
gebruar  1818  —  im  Snftitute  beS  ©tanatafio  auf  Soften 
feinet  Dfjeims  eine  gute  th^ieljung  genoffen,  bann  marb  er 
längere  3e^  in  oer  2£oljnung  beS  DfjeimS  unterrichtet,  bis  er 
oon  biefem  mieber  einem  für  ©t)mnafial=(£laffen  eingerichteten 
Snftitute  (23töct)(inger)  anüertraut  morbcn.  tiefer  ausgezeichneten 
unb  aud)  foftfpieligen  Slnftalt  fottte  nun  ber  fet)r  begabte  unb 
feine  Se^rer  gufriebenftetlenbe  Slncbe  jufolge  magiftrattfcben 
Urteils   entzogen    merben,    nnbefümmert   um   feine  bereinftige 


offene  Frage  bleiben!  Genug,  in  diesem  Hefte  kann  jedermann  das 
denkwürdige  Gespräch  zwischen  Beethoven  und  dem  Lobkowitzschen 
Rat  Peters  nachlesen  (besonders  Seite  48  f.). 

Unmittelbar  vor  den  von  Schindler  mitgeteilten  Worten  schreibt 
Peters:  „Meine  Frau  (wovon  „Beethovens  Frauenkreis t:  weiteres  darbieten 
wird,  ist  bei  Zizius,  die  ich  noch  abholen  werde,  ist  Musik  und  Ball 
—  wenn  noch  Zeit  übrig  bleibt,  mach  ich  auf  die  Redoute. u 

Erstaunlicher  weise  steht  der  Schind  lersche  Schlußsatz  von  einem 
Vormunde  ä  la  Beethoven  gar  nicht  dort.  Meine  abermalige  Prüfung 
(Anfang  März  1909)  ergab  dieses.  Ich  füge  noch  folgendes  daraus 
hinzu:  Bl.  50a  Beethovens  Worte :  „Lassen  Sie  den  Ball  absagen1-  und 
Bl.  50 b  Peters:  „Der  Salon,  die  Bälle  der  Gesellschaft  sind  nur  für 
d.  Fr.  Pepi  ebenso  in  Bezug  auf  Erziehung  verfaßt  als  es  Ihnen  der 
Magistrat  wie  (Beethoven.)  Wer  ist  dieser  Mensch  obscurus?  — 
Rechnungsrath  bei  der  Stiftsbuchhandlung  in  Lerchenfeld. u 

A.  d.  H. 


—     309     — 

öjiftenj.  SDcit  ©rnnb  ruft  bie  2)ame  (^ianatafio  oben  au3: 
tr33Setct)er  8d)mer5  für  Seetfjoüen!"  2)a§  mar  in  ber  Zfyat 
nacf)  fo  tneten  gebrauten  Opfern  unb  fo  uieten  erlittenen 
Mnfungen  be§  StfiBgefdjicfS  %vl  biet.  Vergebens  rectamirte 
23eett)ouen  mieberljolt  fein  alleinige^  SRedjt  auf  bie  Sßormunbfdjaft. 
2)ie  (etrteingereidjte  energifd)  abgefaßte  9iedamation  mit  bem 
$ßräfentation§*2)atum  üom  30.  October  1819  liegt  in  bm 
@eritf)t<§acten  nor,  bie  nebft  anbern  Slcten  unb  £>ocumenten  non 
Dr.  VSad)  mir  §ur  Senutmng  gugeftfjidt  morben.  £)er  magiftratifcfye 
söefdjeib  Dom  4.  ÜRouember  beffetben  Saljreä,  fid)  auf  frühere 
Sefctjeibe  be§ier)enb,  lautet  toieberum  abroeifenb.172) 

9tun  erft  mürbe  ber  SSeg  beS  9?ecurfe§  an  ba§  2lppeUation3= 
geriet  betreten.  SDie  erfte  Eingabe  mit  bem  $ßräfentation§-'S)atum 
üom  7.  Sanitär  1820  liegt  gleichfalls  in  ben  ©eridjtSacten  oor. 
$)a  Reifet  e§  im  s$unct  2  roörttidj:  „Stritt  mein  ^effe  in  bie 
3at)re,  in  benen  er  einer  tjöfjeren  93ilbung  pgefü^rt  merben 
mufe.  $ßeber  bie  Butter,  nod)  ber  bermaüge  SSormunb  ftnb 
rjie^u  geeignet,  ben  Knaben  auf  bie  roiffenfct)aft(icr)e  S3a§n  §u 
leiten,  ©rftere  nidE)t,  meil  fie  ein  SBeib  ift,  unb  roa§  acten= 
mä&ig  uorliegt,  öott  ©eite  ifyrer  ßonbuite,  otjne  mef)r  51t  fagen, 
feine  empfefylenbe  ^cugniffc  auf^umeifen  f)at.*)17:V)    SDatjer  fie 


*)  S8ietteict)t  barf  ber  öiograpl)  über  bie  donbuite  biefer  ^rau  jur 
"}te<±)tferttgung  33eetl)oöen'§  mefir  fagen:  nod)  roäfirenb  be§  &aufe§  ber  ©e= 
rid)t§c>erbanbhmgen  tjatte  fie  9?ad)iommenfd)aft  erhalten  u.  f.  tu. 

172)  Die  hier  erwähnte  Eingabe  ist  nach  dem  Original  in 
Schindlers  Beethoven- Nachlaß  (Mappe  I,  No.  14),  in  B.  S.  Br.  dargeboten 
in  No.  781  (IV.  Band).  A.  d.  H. 

173)  Auch  diese  Eingabe  an  das  Ö.  Appellationsgericht  vom 
7.  Januar  1820  ist  nach  Schindlers  Beethoven-Nachlaß  (Mappe  I,  15) 
in  B.  S.  Br.  mitgeteilt  und  erklärt  (No.  801,  IV.  Band).  Danach  er- 
gab sich  für  den  musikalischen  Rechtsbeistand  Dr.  jur.  J.  B.  Bach 
das  berühmte  Wort  über  unsern  Meister:  „Kein  Zug  dieser  großen 
Seele  darf  verloren  gehen!''  Der  Herausgeber  ist  stets  bemüht,  dafür 
zu  sorgen,  daß  kein  Zug  dieser  großen  Seele  verloren  gehe!  —  Cf. 
B.  S.  Br.  IV.  Band,  S.  76.  A.  d.  H. 


—     310     — 

aitdj  bie  (jofjen  Sanbrecfjte  gan§  üon  ber  SBormunbfdjaft  ait!c= 
gefcf/toffeu  rjaben.  2öie  ber  löbfid^e  SOcagiftrat  fie  bemnad) 
roieber  beftetten  tonnte,  ift  nid)t  311  begreifen." 

5(ber  nod)  eine  anbere  befonben?  djarafteriftifdje  Stelle 
möge  biefem  appetlatorifdtjen  ©efucfje  entnommen  merben.  (Sie 
lautet:  „9Jcein  SSiüe  nnb  (Streben  getjt  nur  bafvin,  bafj  ber  ftna&e 
bie  beftmöglicfjfte  ©r^ierjung  ermatte,  ba  feine  3(nfagen  §u  ben 
frofjeften  Hoffnungen  berechtigen,  nnb  baf$  bte  (Srroartung  in 
Erfüllung  gerjen  möge,  bte  fein  Später  auf  meine  23rubertiebe 
baute.  9(od)  ift  ber  Stamm  biegfam,  aber  roirb  nod)  eine  3^it 
üerfäumt,  fo  entroädjft  er  in  frummer  9M)tung  ber  <panb  bes 
bitbenben  Gärtner«,  nnb  bie  grabe  Gattung,  2öiffenfcfjaft  nnb 
Gfjaracrer  ftnb  für  emig  oertoren.  Sd)  fenne  feine  Zeitigere 
Sßftidjt,  als  bie  ber  Dbforge  bei  ber  (Sr^ietjitug  unb  23iibuug 
eineg  Stinbe§.  9^ur  barin  fann  bie  Sßftidjt  ber  Oberoormunb^ 
fdjaft  beftefjen,  ba§>  ©ute  31t  mürbigen  unb  ba%  gmedmäfjige  ju 
oerfügen;  nur  bann  tjat  fte  ba§>  SSofjt  be§  ^upiöen  u)rcr  eifrigen 
9(ufmerffamfeit  geroibmet;  ba%  ©ute  aber  gu  rjinbern,  f)at  fte 
ifjre  $ßftid)t  fogar  überfeinen."  Offenbar  fpridjt  £)ier  Söeetrjoueu 
felber,  ber  feine  ©ebanf'en  fortan  fcfjriftlid^  feinem  2ibuocaten 
gugefdjidt  t)atte.  £>arum  tonnte  Dr.  $8ad)  in  feinem  Briefe  an 
micfj  bom  9.  ^uni  1839  befonberä  auf  biefe  Steife  rjinmeifen 
unb  bemerfen:  „$ein  $ug  biefer  großen  Seele  barf  oertoren 
gefjen,  toeil  e§  bemeifet,  bafj  mit  einem  unerfdjöpflidjett  ©eiftc 
jugteid)  ein  eb(e§  ©emütrj  Oerbunben  ferju  fann." 

ferner  oerbienen  nod)  §roei  Stellen  au§  biefem  ©efudie 
angeführt  51t  merben,  roeil  fie  5U  um  fo  ftdjerer  Ueberficfjt  ber 
•Sachlage,  mie  aud)  $u  ridjtigem  ^erftänbniffe  ber  folgen  biefe* 
^ßro^effeS  für  unfern  9Jceifter  berfjelfen.  Sie  eine  biefer  Stetleu 
tautet: 

„Sa,  nur  ba3  33efte  be§  Ä'naben  im  Stuge  bin  id)  nicfjt 
entgegen,  bafj  ber  SOrutter  fernerhin  eine  s2lrt  $citbormunbfd)aft 
5ufommen  möge,  bie  barin  beftefjen  mag,  baß  fte  ben  Änaben 
befudjen,  ferjen,  unb  bon  alten  (h^ierjungSbort'erjrungen  3Siffen= 


—     311     — 

ftfjaft  nehmen  möge;  allein  itjr  fernerhin  allein  bie  SBormunbfdjaft 
31t  überlaffen,  otjne  ba$  ein  luftiger  SSormnnb  an  ifjre  ©eite 
gebellt  ift,  baZ  fliege  baä  Sßerberben  be3  £inbe§  unau§b(etbtid) 
herbeiführen." 

S)ie  anbere  ©teile  ift  bie  nadjfteljenbe :  ; 

„Set)  t)abe  bei  bem  lobt.  üDcagif träte  commissionaliter  erfteirt, 
bau  ict)  ben  Slbgang  ber  Soften  für  fein  bermaligeä  ©rsieljungä* 
Snftitut  an§  Eigenem  tragen,  unb  felbft  jur  Gattung  mehrerer 
äßeifter  ba§>  9<ött)ige  fjerbeifdjaffen  motte;  ict)  fyabe,  ba  ict)  etraa§ 
fcfjmerrjörig  bin,  ba§>  bie  äftitttjeilung  t)inbert,  mir  einen  9Jcit= 
oormunb  erbeten,  ben  idj  in  ber  Sßerfon  be§  §errn  ^eter§, 
fürft(ict)  ßobtomitVfdjen  3iatl)e3,174)  öorgefctjtagen  fyate,  fo  bafe 
pgletcfj  ein  Stftann  an  bie  ©pitje  ber  ©rgiefyttng  unb  Seitung 
meines  Steffen  gefteltt  mürbe,  ber  feiner  fantniffe  eben  fo,  als 
feiner  9tforalitüt  megen  bte  allgemeine  9(d)tung  befitjt,  unb  beffen 
öinfdjmten  mir  unb  Sebem,  bem  btö  2öof)t  biefe§  Knaben  am 
^erjen  liegt,  bie  23erufyigung  geraätjrt,  bcifo  ber  Sfrtabe  eine 
feinen  gätjigfeiten  entfpredjenbe  @r§ie^ung  unb  SMlbung  ermatten 
tonne  unb  roerbe." 

tiefer  appettatorifdje  ,3ug  fear  für  unfern  Reiftet-  günftig,, 
inbem  alte  feine  $orfct)läge  gutgeheißen  unb  fomit  alte  feine 
2Sünfct)e  bucrjftäblict)  in  (Erfüllung  gegangen.  S)aS  Appellation^ 
gerieft  tjat  bie  Wuffaffung  be3  DbergeridjtS  aboptirt.  £)emnact] 
mürbe  bie  SSittroe  üan  Söeetfjoöen  üon  jeber  9flitroirfung  bei 
©r^ierjung  irjreS  ©otmeS,  überhaupt  öon  jeber  birecten  (£in= 
mirfung,  au§gefcr)loffen  unb  unferm  äfteifter  Holte  ©emalt  über 
feinen  SJcünbel  gugefproerjen.  — 

@o  enbigte  biefer  ^roge^,  an  bem  ba§>  gange  muficatiferje 
Sffiien  ben  tebt)afteften  Slnttjeil  genommen  fyatte.  —  Ungeachtet 
aller  biefer  äSecfjfelfätte  in  (Srgiefwng  unb  Unterricht  entfpradjen 
bennoct)   bie  gortfdjritte   be§  Neffen   im  SBiffenfdjaftlicrjen   roie 

174)  Das  ist  derselbe  Rat  Peters,  von  dein  die  kurz  zuvor  er- 
wähnten Worte  in  Sachen  des  Beethovenschen  Adels  im  Konversations- 
hefte  22  herstammen.  A.  d.  H. 


—     312     — 

in  ber  9)?uftf  ben  eminenten  Einlagen  aufs  $8efte.  Unb  fo 
festen  eS,  bafj  ber  eble  Sfteifter  für  bie  jahrelang  anbauernben 
Sßladereien  unb  ®ränfungen,  für  bie  beifpietlofe  Siebe,  (Sorgfalt 
unb  Aufopferung  einftenS  ben  mofjlüerbienten  S)anf  ernten  unb 
nichts  als  $reube  an  feinem  Steffen  erleben  merbe.  06  eS  fo 
gefommen,  06  feine  Hoffnungen  in  (Erfüllung  gegangen,  mirb 
bie  golgejeit  teuren. 

£)iefe  jjödjft  unerquidlidje  ®erid)tSftuben=©pifobe  fett  mit 
einer  2tnefbote  gefdjtoffen,  bie  als  djarafteriftifdjer  Seitrag  5ur 
(Säuberung  ber  SSiener  Untergeridjte  bamatiger  $eit  bienen  fann. 

S)er  titellofe  53eetf)oOen  figurirte  in  ben  Acten  biefeS  SjSroceffeS 
bloS  als  (Sompoftteur.  AIS  Dr.  3kd)  bie  Leitung  in  bie  §anb 
genommen,  erflärte  er:  fein  ßlient  muffe  üon  nun  an  mit  bem 
Stitel  als  (Sapellmeifter  auftreten,  meil  bie  sperren  9DcagiftratS= 
rättje  jumeift  53öotier  fetjen,  bafjer  ein  Sompofiteur  ifynen  fo 
oiet  als  nidjtS  gelte;  in  Deftreicf)  muffe  überhaupt  Seber  mit 
irgenb  einem  AmtStitet  beim  Untergerid)t  auftreten,  tootle  er 
beamtet  fetyn,  ein  9cad)tmäd)ter  fet;  bort  augefeljener,  beim  ein 
(Sompofireur  ober  ein  ^oet;  belüge  man  fief)  im  gefetligen  58erfel)r 
gegenfeitig  mit  AbelStitutatureu,  fo  muffe  eine  gemiffe  AmtS= 
mürbe  beS  Klienten  feiner  ©adje  üor  (S^eridt)t  um  fo  mefjr  An= 
fet)en  geben.  —  Vergebens  fträubte  fiel)  $eett)00en  gegen  An= 
naljme  beS  (5apel{meifter=£ttelS,  meit  er  beforgte,  man  fönne, 
mie  juoor  bie  Vorlage  eines  AbetSbiptomS,  nun  ein  AnfteltungS= 
beeret  als  AuSmeiS  Oerlangen;  allein  ber,  Sanb  unb  Seilte 
fennenbe  Aboocat  faf)  über  biefen  ©crupel  Ijinmeg  unb  ertjob 
ofyne  meiterS  ben  fo  toenig  bebeutenben  (Sompofiteur  $um  (SapeÜ= 
meifter,  „in  partibus  infidelium,"  mie  ber  äReifter  biefe  feine 
©rfjebung  fpöttifd)  befinirt  r)at.175)  Stuf  allen  üon  Dr.  SBact) 
fignirten  Actenftüd'en  figurirt  23eetl)ouen  als  „ßapetlmeifter  unb 
ßompofiteur."  Scadj  bem  ermünfd)ten  Ausgange  äußerte  JBari) 
f^erjmeife,  eS  fei)  berfelbe  nur  bie  nottjmenbige  2Birfung  beS  Titels. 

175)  Soviel  wie  Titularkapellmeister,  ohne  Gebalt,  ähnlich  den 
Titularbischöfen  in  der  katholischen  Kirche.  A.  d.  H. 


—     313     — 

28ie  e§  mit  bem  finanziellen  fd)on  im  gtoeiten  Saljre  be§ 
SjßroceffeS  auSgefeljen,  ba§  erfahren  mir  bom  Reiftet  fefber. 
Unterm  12.  9?o0ember  1817  fdjreibt  er  an  ©ianatafio:  „Ver^ 
änberte  Verfyältniffe  fonnten  toot)!  machen,  bafj  id)  ßart  nid)t 
länger  als  bis  zum  (Snbe  biefeS  Vierteljahres  bei  Sfjnen  laffen 
fann,  in  fofern  bin  id)  gezwungen,  Sfynen  für  baS  fünftige 
Vierteljahr  aufzufagen;  fo  f)art  mir  tiefe  Sluffünbigung  ift, 
fo  leibet  bie  Vefdjränftfjeit  meiner  Umftänbe  nicfjt,  ©ie  beffen 
entheben  §u  fönnen,  roeit  id)  fonft  gern  unb  als  geringen  QoH 
meiner  3)anfbarfeit  Sfmen  in  bem  Slugenbtide,  mo  id)  ßart  öon 
öijnen  genommen,  gern  aud)  ein  ganzes  Vierteljahr  ©elb  mit 
größtem  Vergnügen  eingerjänbigt  fjätte  ....  ®enief$e  id)  immer 
oollfommener  ®efunbf)eit,  fo  baf3  id)  ntieber  mefyr  öerbienen 
fann,  fo  merbe  id)  Sbjnen  nod)  aufjerbem  meine  ©antbarfeit 
erzeigen  ....  SJÖirflid)  tann  id)  fagen,  ba^  id)  hierin  mein  Un= 
oermögen  in  biefem  5tngenbtid  befennen  mujj." 

2öar  aber  ber  ©tanb  ber  finanziellen  Verfjältniffe  fdjon 
gegen  (Snbe  beS  SaljreS  1817  ein  mißlicher,  fo  fteigerte  er  fid) 
bi§  in'S  3al)r  1820  unb  barüber  nocf)  in  Uiet  f)öf)erem  ©rabe; 
unb  fefjr  begreiftid),  ttnr  l)aben  nur  gu  ermägen,  bafs  in  biefem 
für  VeetfyoOen'S  ©d)üpfungSoermögen  nicfjt  furzen  3^traum 
aufjer  ben  Sonaten,  Op.  102  unb  Op.  106,  ferner  ben  3eljn 
üariirten  Sternen,  Op.  107,  unb  ben  fdjottifcrjen  Siebern  fein 
anbereS  3ßerf  gefcfjrieben,  fotgtid)  fein  meitereS  Honorar  be= 
Zogen  Sorben.  SSelcfje  SBege  unfer  Reiftet'  eingefdjlagen,  um 
bic  täglid)  fid)  mefjrenben  Vebürfniffe  für  fid)  unb  feinen  Neffen 
Zu  beden,  merben  nur  atSbalb  öerneljmen.  £)b  tirir  il)it  bieSfatlS 
beftagen  ober  gar  bemitleiben  fotien,  fieljt  in  $rage,  benn  wir 
roiffen  ja,  baf3  in  $otge  ber  ergiebigen  (Soncerte  im  Sat)re  1814 
ein  namhaftes  ©ümmdjen  erübrigt  unb  in  Vaiil>21ctien  zurüd= 
gelegt  fear. 

Mein  anftatt,  nrie  gemoljnt,  biete  üftoten  z»  fd)reiben,  fjat 
unfer  Xonbicfjtcr  nxifjrenb  biefer  3af)re  oiele  ^Briefe  gefdjrieben, 
bie  tfjeilS  feine  f)tiuSlid)e  Gnnridjtung,  tfjeüS  ben  ^rocejj,  tt)eilS 


—     314     — 

bie  (äräierjungSangetegenrjeiten  feine*  Steffen  jum  %nfyait  rjaben, 
unb  im  allgemeinen  51t  ben  unerquidlicfjften  unb  befragend 
mertljeften  3eu9niffen  innerer  (ärregtljeit  nnb  teibenfdjaftlidjen 
Verfolgen*  biefer  Singe  5U  5äf)(en  finb.*)  Sene  feiner  grennbe 
unb  näheren  brannten,  bie  fid)  nad)  biefen  brei  Stiftungen 
rjin  in  9}?ittf)ätigieit  gießen  tieften,  mürben  mit  gufdjriften  unb 
Aufträgen  überhäuft,  fo  bafj  fte  bie  ©tunbe  fegneten,  in  roeldjer 
bem  ^roceffe  ein  (Snbe  gemadjt  morben.  könnte  bod)  ber  größte 
Xbjeit  jener  Briefe  ber  ^ernidjtung  preisgegeben  merben,  benn, 
an  unb  für  fid)  ofjne  anberroeitigeS  Sntereffe  a(g  bto§  9luto= 
gra^e  taut  einem  großen  Spanne,  finb  mandje  bamnter  geeignet, 
ein  menig  vorteil t)afte§  3eu9lu§  fur  ^ren  SBerfaffer  abzugeben, 
menn  man  nidjt  beffen  augenblidlidje  Serftimmnng  unb  iljre 
Urfadjen  at§  ßntfdjulbigung  gelten  (äffen  mitl,  ober  OieUeid)t, 
(gleid)  gerb.  9ueS,)  an  bem  fef)r  ämeifelljaften  @at3e  feftf)ä(t, 
ba^  oon  großen  Männern  atte§  au§gefagt  merben  bürfe,  e§ 
fcfjabe  itjnen  ntcr)t.  Um  ber  nad)teitigen  Auslegung  einer  fold)en 
Srieffteöe  norjubeugen,  bie  meines  2Biffen§  51t  ben  am  meiften 
beffagenStoertrjen  gehört,  möge  fie  lieber  gleid)  tjter  ben  Ort  ber 
^eröffentlidjnng  finben.  ?(m  5.  SOtärj  1818  fdjreibt  Q3eetf)Oüen 
nnter  anbern  an  gerbinanb  9tieS:  „  .  .  .  3d)  münfdje  unb  tjoffe 
für  <5ie,  baft  fid)  3f)re  ©tüdSnmftänbe  tägtid)  oerbeffern,  feiber 
fann  id)  baS  nid)t  Hon  mir  fagen;  burd)  meine  nng(üd'tid)e 
^erbinbung  mit  biefent  ßi^tjergog  bin  id)  beinahe  an  ben 
SBettetftab  gebradjt,  barben  fann  id)  nid)t  febjen,  geben  mufe  id), 
fo  fönneu  Sie  benfen,  mie  id)  bei  biefer  Sage  nod)  merjr  teibe  — 
$8enn  e§  mir  nur  möglidj,  madje  idj  mid)  nod)  früfjer  öon  l)ier 
meg,   um  meinem  gänjticrjen  9?uin  31t  entgegen,  id)  treffe  at£= 


*)  Söei  biefer  Gelegenheit  läfet  fictj  auf  eine  2(cljnlicrjfeit  §tr<ifcrjeiT 
%  $.  9iubens§  unb  SSeet^oDen  ^iuroeifeu.  ®ie  2eben§gefdnd)te  be8 
grojjen  g-arbentünfilerS  weiß  ,}u  fagen,  baji  in  ben  öielen  üon  ü)m  toor= 
Ijanbeneu  Briefen  nitf)t§  über  feine  ihtnft  uorfonwtt,  inaä  ferjr  bebauerlitf). 
3n  ber  Unjarjl  öon  S3eetl)oDen  eriftirenber  Briefe  bürften  nur  äufjcrft  »penige 
eine  Steife  über  Sliufif  enthalten. 


—     315     — 

bann  im  SSinter  fpäteften£  in  Sonbon  ein.  Sdj  weijs,  bof?  <2ie 
einem  unglüdlidjen  greunbe  beiftefjen."*)176) 

©itfjerttdj  f)ätte  bei*  grofemüttyige  @r$ergog  Üiubofylj  biefeu 
nngegrünbeten  STuSfatt  auf  feine  'jßerfou  nicfjt  übet  genommen 
unb  itjn  gerne  ben  brücfenben  ^erfyältniffen  be§  SerjrerS  ju- 
gefdjrieben,  bic  nur  burd)  9(u8fül)rung  feine-S  9teife|)ian3  nacfj 
Sonbon,  in  $ofge  brillanter  Offerten  (Seiten^  ber  SßfjiUjarmo* 
nifcfyeu  ©efetffcrjaft,  51t  oerbeffern  waren.  2)er  (Srgfjergog  mürbe 
ifut  nm  menigften  an  ber  Steife  getjinbert  imben,  gumal  feine 
Ernennung  511m  (Srjbifdjof  oon  Dfmüt*,  fomit  aud)  feine  @nt= 
fernung  Oon  2öien,  fdjon  um  bie  Wüte  be§  Saljreg  1818  be= 
Sännt  geWefen.  Sßoburd)  auberS  fjat  er  fid)  üou  9(u3fürjrung 
biefe§  9?eifeplan§  abbringen  (äffen,  at§.  burd)  feine  maf'lofe  Siebe 
gu  bem  Steffen?  —  Ueberrjaupt  barf  auf  bie  Sl'iageaugbrüdjc 
unferö  9)?eifter§  tjiufidjtttd)  fetner  üconomifdjen  ^uftänbe,  wie 
aud]  in  93e5ug  auf  feine  $reunbe  nidjt  ba§>  geringfte  ©ewidjt 
gelegt  werben;  erftere  inSbefonbere  waren  fein  beftänbige^ 
^tedenpferb  unb  letzterer  bebientc  er  fid)  nur  gar  5U  oft  al§ 
Sünbenböde  in  fetbft  angerid)teteu  SBirrniffen.  2BU(  man  offen 
fei)n,  fo  barf  ba%  au$  jenen  ßuftänben  hervorgegangene  SDZaf? 
auffallenber  Sßiberfprüdje  jwifdjen  SBort  unb  %§at  nidjt  un= 
berührt  bleiben,  baüou  fid)  nod)  mancherlei  Söeifpiele  ergeben 
werben. 

SSie  notljwenbig  unfer  90?eifter  felber  \)a%  Steifen,  fowoljt 
%vl  görberung  Oon  $unft5Weden,  wie  gur  93erbefferung  feiner 
oconomifdjen  33ert)äitniffe,  gehalten,  bie§  bezeugen  feine  eigen= 
rjänbigen  5(uf;*,eid)uungen,  511m  XljeU  äftafynmorte  an  fid) 
fefbft  geridjtet,  in  feinem  Stagebudje  au§  ben  oorau§- 
gegangenen  Sauren.     8n  bem  oon   1814   finbet  ftc£)  folgenbe 


*)  ®er  flegeniüätttge  23eft$-er  btefe§  Briefes  ift  ber  ÜÖhtftfev,  §err 
Shtguft  33 u t)  1 ,  31t  granffurt  am  Wiam,  ber  ifin  t>on  ber  SSttiue  9tie§ 
iiberfommen  fiat. 

176)  Vgl.  den  Brief  mit  eleu  bedauerlichen  Worten  über  den  Erz- 
herzog Rudolf  in  B.  S.  Br.  No.  733  (III.  Band).  A.  d.  H. 


—     316     — 

©teile:  „£)ie  Dfjrenmafcrjinen  too  mögtictj  gur  SKeife  6ringen, 
abobann  reifen  —  biefe§  6ift  bu  bir,  ben  SDZenfctjen  unb  ibm, 
bem  Sltfmädjtigen  fc^utbig,  nur  fo  fannft  bu  nod)  einmal  aüe§ 
entmidetn,  ma3  in  bir  oerfdjloffen  bleiben  mufe  —  —  —  unb 

ein  ffeiner  £of eine  Keine  (Sa^ette öon   mir,  in 

if)r  ben  ©efang  gefdjrieben,  angeführt,  gur  (£f|re  be3  Stil- 
mächtigen  —  be§  (Smigen,  Unenblidjen.  —  So  mögen  bie 
legten  £age  berftiefsen  —  —  unb  ber  fünftigen  3Jcenfd)f)eit. 
£aenbet,  5öact),  ®tud,  9J?ogart,  §at)bn'§  ^ortraite  in  meinem 

ßimmer fie  tonnen  mir  auf  £>ulbung  Sfnfprudj  machen 

Reifen." 177) 

3m  £agebucfje  oon  1816  ftnben  fid)  groei  ©teilen,  bie  ine= 
befonbere  geigen,  mie  fet)r  er  felber  511  einer  9\eife  gebrängt  f)at. 

1)  „Stttmö  mufe  gefdjetjen  —  entmeber  eine  Steife  unb 
gu  biefer  bie  nötigen  äöerf'e  fdjreiben,  ober  eine  Dper  — 
follteft  bu  ben  fünftigen  Sommer  nod)  f)ier  bleiben,  fo  märe 
bie  Dper  oorgugtefyen,  im  gälte  nur  teibtidjer  Sebiugniffe  — 
ift  ber  Sommeraufentfjatt  f)ier,  fo  mufc  jet^t  fcfjon  befdjloffen 
merben,  mie,  mo?  —  @ott,  f)etfe,  bu  fiefjft  mid)  oon  ber  gangen 
9Dtenfd)f)eit  oerlaffen,  beim  Unred)te3  mit!  id)  nichts  begeben, 
erfjore  mein  gießen  bodj  für  bie  3ufanft  nur#  mii  meinem 
(Sari  gufammen  51t  ferjn,  ba  nirgenb3  jetjt  fiel)  eine  9#ögticf)feit 
bagu  geigt  —  0  f)arte§  @efd)id,  0  graufameS  $erf)ängnif3,  nein, 
nein,  mein  ungtüdtidjer  3uftaK°  enoet  i"c-" 178) 

2)  „SDict)  gu  retten  ift  fein  anbereS  Mittel  al£  Oon  fn'er, 
nur  baburd)  fannft  bu  mieber  fo  gu  ben  §öf)eu  beiner  SPunft 
entfdjmeben,  tto  bu  fjier  in  ©emeinfdjaft  uerftnfft,  nur  eine 
Sinfonie  —  unb  bann  fort,  fort,  fort  —  bertoeil  bie  ©ehalte 
aufgenommen,  melcrjeä  felbft  auf  Satire  gefdjefjen  fann.  lieber 
ben  Sommer  arbeiten  gum  Reifen,  baburd)  nur  fannft  bu  ba» 


177)  Im  Fisch  hoff  sehen  Manuskript  Fol.  32  a,  wo  „den  Gesang" 
statt  „der  Gesang"  steht,  letztere  Lesart  auch  bei  Nohl  in  „Die 
Beethovenfeier  und  die  Kunst  der  Gegenwart",  S.  58.        A.  d.  H. 

178)  Im  Fischhoffschen  Manuskript  Fol.  39b  und  40a.  A.  d.  H. 


—     317     — 

grofje    28erf    für    beuten    Neffen    uoflfütjren,    fpäter    Stalten, 
Stauen  burdjroanbern  mit  einigen  Äünfttern  —  madje  ^?(äne 

unb  fei?  getroft  für  S ",79j 

ߧ  ift  nun  an  ber  geit,  einen  93(icf  auf  be3  SMeifterS 
JpauStoefen  31t  merfen,  um  audj  barau§  gu  entnehmen,  in  mie= 
fern  e3  geeignet  mar,  ba§  SBefdjtoerlidje  ju  befettigen,  nun  in 
bereit*  oorgerütfterem  Filter  alle  ßebens>bebürfniffe  nodj  jumeift 
im  ©afttjofe  $u  befriebigen,  ober  06  e§  baä  Seben  bequemer 
gemalt  unb  aud)  für  feine  t'ünftterifdje  SBirffamfeit  förbernber 
gemefen.  9Iucrj  (euerer  Umftanb  mar  ein  SSeftimmungSgrunb 
metyr,  eine  §au3f)a(tung  ein5urid)ten.  23eetrjoben'3  löbliche  ($e= 
rootmrjeit,  Nötigen  über  ftcfj  fetber,  fein  Renten  unb  $aibien, 
nieberäufc£)rei6en,  erftrecfte  ftdj  gleichfalls  auf  feine  £au§ange(egen= 
Reiten,  ^ie^u  mürben  jumeift  bie  teeren  Slätter  im  Satenber 
benutzt,  ber  in  fötaler  £nnfid)t  als  Stagebud)  gegolten,  Sterlet 
£agebüdjer  fjaben  fid)  oollftänbig  au<§  ben  Sauren  1819,  1820 
unb  1823  oorgefunben.  (Srftere*  (1819)  enthält  bloS  nadj= 
ftetjenbe  21nmerfungen: 

?tm  31.  Sanuar  ber  £au§f)ättertn  aufgefagt. 
=     15.  gebruar  bie  Äücrjenmagb  eingetreten. 

8.  STtärg  f)at  bie  Äüdjenmagb  mit  14  klagen  aufgefagt. 
*    22.  Sftärä  ift  bie  neue  £mu3t)ä[terin  eingetreten. 
=     12.  Sttai  in  9ftöbting  eingetroffen. 

Miser  et  pauper  sum. 
=     14.  ÜDM  ift  bie  ^tufmärterin  eingetreten  mit  monatlid) 

6  ©ulbett. 
-     20.  Suli  ber  ipauSrjätterin  aufgefagt.180) 


179)  Ebendort  Fol.  40a.  Statt  „für  deinen  Neffen"  hat  das 
Manuskript  „für  deinen  armen  Neffen".  Den  Schlußbuchstaben  „für  LZ 
will  schon  Nohl  (1. 1.  S.  68)  als  „Cu  (=  Carl)  gelesen  wissen.  Danach 
folgen  im  Manuskript  vier  Zeilen  mit  Strichen .    A.  d.  H. 

180)  Aus  den  in  den  Kalendern  aufgezeichneten  zum  Haushalt 
gehörenden  Bemerkungen  sind  für  uns  noch  wichtig  genug,  um  fest- 
gehalten zu  werden:   a)  unterm  22.  März  (1821??):   „im  März  ist  K 


—     318     — 

£)et  Saf)rgang  1820  ift  aber  fdjon  an  JjauSgefdjidjttidjeu 
Zotigen  reidjer.    3-33- 

Stm  17.  April  bie  Äütfjenmagb  eingetreten. 
=     19.  April   fdjledjter  Sag   (b.  tj.   ber   SRciftcr    bet'am 
niäjt§  ©eniefebarcS  auf  ben  £ifdj,  weil  infolge 
be§  langen  <Si|en§  in  ber  SSerfftätte  bie  (Speifcn 
bereits  üerfod)t,  ober  ganj  üerborben  Waren). 
=     16.  9ftai  bem  Slüdjenmäbdjen  aufgefagt. 
=     19.  9J?ai  bie  ftüdjenmagb  ausgetreten. 
=    30.  äftai  bie  grau  eingetreten. 

1.  Suft  bie  Äüdjenmagb  eingetreten. 
=    28.  Suli  AbenbS  ift  bie  $üd)enmagb  entflogen. 
=     30.  Suti  ift  bie  $xan  Don  Unter- 2)öbling  eingetreten. 
Sie  4  böfen  £age,  10.,  11.,  12.,  13.  Auguft  in 
£erd)enfelb   gegeffen.     (Sine  $orftabt   aufeer  ben 
Sinien  [Karriere]  2Bien§). 
=     28.  ber  SKonat  Hon  ber  $rau  au§. 
=       6.  (September  ift  ba3  SJMbdjen  eingetreten. 
=     22.  Dctober  btö  9Jcäbd)en  ausgetreten. 
=     12.  2)ecember  ba$  ^üdjenmäbdjen  eingetreten. 
18.  ©ecember  bem  Äüdjenmäbdjen  aufgefagt. 
=     27.  Secember   ba$   neue  ©tubenmabcfjen    eingetreten. 

®ibt  fdjon  !öorftef)enbe3  üon  ber  §äu§tid)feit  eines  mit 
bem  (Reifte  arbeitenben  9)?anne3  ein  maf)rt)aft  abfdjredenbeS 
53ilb,  fo  fielen  bod)  bie  Vorgänge  au§  oorbenannten  Sauren 
benen  üon  1823  gegenüber  ruie  eine  SDftmätur  bem  al  Fresco. 
2)a  finbet  ftdj  im  ganzen  Salrr  fein  ÜDfonat  orjne  ein*  audj 
zweimaligen  2Sed)fe(  ber  Sienftlcute,   oft  üon  argen  Auftritten 


(Karl)  schon  bey  Kudlicb  ganz  eingetreten."  Das  scheint  ein  Hinweis 
zu  sein,  daß  der  Neffe  jetzt  ins  Kudlichsche  Lehrinstitut  eingetreten 
ist.  Man  vergl.  B.  S.  Br.  im  IV.  Bande  vom  Jahre  1819  ff.  bes.  S,  13ff.; 
b)  „Dienstags  am  22.  Juny  ist  mein  Neffe  in  das  Institut  des  H.  Blöch- 
linger   eingetreten,   mit  Monathl.  Vorausbezahlung  von  78  fl.  w.  w." 

A.  d.  H. 


—     319     — 

begleitet.  9(ug  ben  Slufseidjnungen  ber  Same  ©ianatafio  er= 
fahren  mir  oon  einem  §anbgemenge  ätoifrfjen  bem  äfteifter  unb 
feinem  Wiener  1816  §u  23aben,  bei  (Megentjeit  eineg  93e= 
fucfjeg  beg  §erm  ©tanatafto  mit  feinen  £örf)tern.  Sa  trat 
ber  rutjmgefrönte  Stünftter  mit  §erfra^tem  ©eficfjte  üor  feine 
©äfte,  fagenb:  „Serjen  ©te,  fo  fjat  er  mid)  zugerichtet."  — 
tiefer  rauftuftige  Söebientc  mürbe  fortgefdncft  unb  ein  anberer 
menig  befferer  engagirt.  Sie  ©nttaffung  biefeg  letzteren  er= 
folgte  am  17.  SOtat  1817,  mie  bag  Xagebudj  augmeifet. 
33on  ba  an  tarn  fein  männlicher  Siener  metjr  in'g  §aug. 
3»n  ber  S^ätje  biefer  9cotirung  finbet  ficE)  im  Xagebudje  nacfj* 
ftetjenbe  ©teile:  „Sag  Stlteinteben  ift  mie  ©ift  für  Sicfj  bei 
beinern  gerjörlofen  3llftan°c/  ?lrgtoorjn  mufc  bei  einem  niebern 
ÜDcenfctjen  um  Sid)  fiets  gehegt  merben." 
;  Dt)ne  ß^eifet  brängt  fid]  bem  Sefer  bie  $rage  auf,  meldjem 
Xrjeit  mof)t  bie  Sdjulb  an  biefen  rjäuglicfjen  SBirrniffen  ju= 
■jumeffen,  bem  £>errn  ober  feinen  Sienern?  Reiben  Reiten, 
jebodj  nict)t  gu  gleicher  §ätfte.  $lui  bie  minbere  §älfte  fällt 
auf  Sßeetrjoöen'g  Seite,  ßu  groj^e  9?ei|barfeit,  eben  foroot)! 
^em|)erament<3fel)ter,  atg  aud)  bnrdj  geiftige  Stimmungen  fortan 
genärjrt,  SDäfjtrauen,  tfjeilg  in  $ofge  eigener,  tfjeilg  frember 
©rfaljrungen  ermorben,  iugbefonbere  beäüglid)  auf  bie  bienft= 
trjuenbe  Glaffe,  ferner  nod)  bie  Unmoglidjt'eit  fid)  mittetft  ber 
Sprache  mit  ben  Seilten  311  ücrftänbigen  —  biefe  brei  Singe 
im  medifelnben  Vereine  mußten  unaugbleibtict)  ben  rjäuglidjen 
^8erüet)r  erfduoeren,  ja  gefäljrben.  üftur  et  mag  ©cfjltff  bei 
ben  Sienern,  nur  et  mag  Oon  jener  (Sigenfdjaft  biefer  (Stoffe 
in  norb=  unb  meftbeutfdjen  Stäbtcn,  bie  einen  gemiffen  ©rab 
öon  (Srsierjung  üerrätf)  unb  nicfjt  feiten  mit  feiner  ©itte  oereint 
ftcf)  offenbart,  bieg  fjätte  nnfefjtbar  bie  mot)ttf)iienbfte  ©in* 
mirtnng  auf  unfern  äKeifter  fjerüorgebradjt  unb  atteg  um  itjm 
f)erum  beffer  geftaltet.  Stfit  gutem  ©raube  tonnte  er  bie  aug- 
feiner §eimatl)  biegfatlg  mitgebradjten  (Erinnerungen  entgegen* 
ftellen.    allein  man  befaub  fiel)  eben  in  Sßien,  bem  ®ammel= 


—     320     — 

pta£e  ber  craffeften  9tof)t)eit  unb  Sd)(ed)tigteit  ber  bienenben 
Staffe  au3  aden  3?ö(ferftämmeu  ber  9Jconard)ie,  of)ne  Unterridrt, 
ofjne  religiöfe  begriffe,  o§ne  fittüdjen  £>att.  $arf  Don  großen 
Stäbten  immer  gefagt  merben,  fie  fetjen  in  gemiffen  Sejiefjnngen 
(Spulen  für  jegtid)e3  Safter,  fo  gebührte  ber  öftreidi)ifc&en 
Siaiferftabt  Diesfalls  ber  ^öorjug!  nur  äufeerft  menige  QauZ* 
Haltungen  maren  fo  gtütftid)  ben  f)äu3(id)en  5r^eoeu  *n  5°ffle 
Sittentofigfeit  if)rer  Wiener  nidjt  geftört  ju  fe^en.  3?ie(teid)t 
ift  e3  bermal  beffer  bamit  gemorben. 

9Jcöge  biefe  .'pinmeifung  auf  bie  llrfadjcn  fo  betrübeuber 
SBirrniBe  in  93eetf)otiens  £>äue(id)feit  einftmeiten  genügen, 
fommen  mir  bod)  meiter  unten  auf  bie  ©runbqueüen  biefer 
3uftänbe  in  Sejietjung  auf  bas  %{[ gemeine  be3  näheren  ju 
fpredjen. 

(*§  marb  fo  eben  bemertt,  bafj  bie  Srnenuung  be3  ©1*5= 
^er^ogg  9?ubo(p^  511m  (Sr^bifdjof  oon  C(müt3  bereite  um  bie 
Wüte  bes  3af)re3  1818  eine  bef'annte  J^atfad)e  gemefen. 
Sttöbatb  marb  aud)  ber  Jag  feiner  SnftaHation  auf  ben  9.  Warj 
bes  3at)re5  1820  feftgefe^t,  als  ber  aüjäfjrlicrj  gefeierte  ®e* 
bädjtniBtag  ber  tjeif.  ?(pofte(  Gl)ri((us  unb  93cetf)oöiu§,  2anbs= 
patrone  oon  sJD?ät)ren. 

Cfjne  irgeubmetdje  ^lufforberuug  faf^te  33eetr)ot>ctt  ben  Gnir» 
fd)luf3  ^u  biefer  Jeierüdjfeit  eine  Weffe  ju  fdjreiöen,  ftd)  fomit 
nad)  langen  Sauren  mieber  bem  3ll)ei9e  feiner  ftunft  jujumenben, 
ju  bem  er  ftd)  —  mie  er  oft  geäußert  —  neben  ber  Sinfonie 
am  meiften  ^inge^ogen  füllte,  tiefer  @nt]d)tu&  möchte  motjt 
beut(id)  3eigen,  haft  er  oben  angeführte  ?(u3fatt  gegen  „biefen 
(Sr^fjer^og"  nur  einer  oorüber^ietjenben  Spotte  Oergleidjbar, 
müßten  mir  überbieS  nid)t,  bafj  ber  äfteiftet  feine  (Megenfyeit 
berfäumt  §atte,  um  feinem  burdjtaudjtigften  ßbflttnge  bie  Ooüfte 
Stnrjängticrjfeit  ju  bemeifen.  3m  Spätfjerbft  oon  1818  falj 
tdj  biefe  Partitur  beginnen,  uadjbem  fo  eben  bie  9tiefen= 
Sonate  in  B  dur,  Op.  106,  beenbigt  mar.  £>en  Sommer 
üon  1819  uerlebte   unfer  SRetftcx  mieber  in   SRebitng.    3)ort 


—     321     — 

6efucf)te  id)  ifjn  fjäufig  unb  fafj  bie  SOZeffe  fortfcfjretten, 
aud)  fjörte  idj  ifyn  .ßtoeifel  äußern  an  bei*  mögtidjen  23e= 
enbigung  be§  2Berfe§  jum  feftgefteüten  Termin,  toett  jeber  <Sa§ 
unter  ber  §anb  eine  biet  größere  Au3bel)nung  gewonnen  fjatte, 
afö  e§  anfängtid)  im  $ßtane  gelegen.  At§  weiterer  ©runb 
be§  langfamen  $ortfd)reiten§  bürfeu  nod)  bie  Vorgänge  mit 
ber  ^ßroceßfacrje  am  SBtener  9J?agiftrat  angenommen  werben, 
bie  ü)n  fo  fefjr  präoccuptrt  Ratten.  ©übe  Dctoberä  1819  nad) 
SSien  jurüdgefe^rt  6rad)te  er  ba$  ßrebo  fertig  mit,  unb  jur 
ßeit  al§  ber  (Srg^erjog  bie  Steife  §ur  SnftattationSfeier  nad) 
Dimüt;  angetreten,  mar  ber  Stfteifter  mit  feiner  Arbeit  6i§ 
gum  Agnu3  ®ei  oorgefdjritten.  SÖSirb  aber  in  ©rwägung 
gebogen,  wie  e§  S3eetf)ooen  mit  ber  $eile  eine§  jeben  SSer!e§ 
gu  galten  pflegte,  we(d)e  ©umme  öon  3e^  m<§  $errjä(tniJ3 
gu  Ssnljatt  unb  gorm  auf  jebe§  üerwanbt  Worben,  fo  barf  Woljt 
gefagt  Werben,  bajs  big  gum  £age  ber  SnftaUationSfeier  nod) 
fein  S^rjett  im  ©inne  be3  Autors»  tiottenbet  öorgetegen.  (Srft  im 
Safjre  1822  tonnte  bie  lefcte  $et(e  an  biefe3  Sßerf  gelegt  Werben, 
©ebenfe  id)  ber  (Srtebniffe  au£  bem  Safyre  1819,  oor= 
netjmticfj  ber  ßtit,  n^  oer  £onbicf)ter  im  .^afnertjaufe  gu 
Sftöbting  mit  Aufarbeitung  be3  (Srebo  befdjäftigt  gewefen,  ber= 
gegenwärtige  id)  mir  feine  geiftige  Aufgeregtheit,  fo  mufj  id) 
g,eftet)en,  ba^  id)  niemals  oor  unb  niemals  nad)  biefem  3^it= 
puncte  oöttiger  @rben-@ntcüdtt)eit  Wieber  Aet)nlid)e3  an  ü)m 
wahrgenommen  tjabe.  @§  fet)  geftattet  nur  ein§  angufüljren. 
(Segen  ©nbe  Auguft  tarn  id)  in  Begleitung  be§  in  SSien  nod) 
lebenben  9J?ufifer§  Sofjann  ^orgatfa  in  be§  3fteifter§ 
SSofynrjaufe  gu  äftöbling  an.  (£3  War  4  Utjr  ^ladjmittagS. 
<$(eid)  beim  (Eintritte  oernatjmen  wir,  bafj  am  fetben  borgen 
S3eett)oöen'§  beibe  Wienerinnen  bationgegangen  ferjen  unb  bafa 
e3  nad)  üüätternacfjt  einen  alle  §au§bewot)ner  ftbreuben  Auftritt 
gegeben,  weit  in  gotge  langen  SSartenS  beibe  eingefdjlafen 
unb  bie  zubereiteten  @erid)te  ungenießbar  geworben.  8n  einem 
ber    Sßoljngimmer    bei    üerfdjloffener    STt)ür    fjörten    Wir    ben 

U.  ©djinbterl  SBeeUjoDett^icßvapfjie.  21 


—     322     — 

üD?eifter  über  ber  $uge  gum  ßrebo  fingen,  Reuten,  ftrampfen. 
üftacfjbem  mir  biefer  nat^u  fdjauerlicrjen  Scene  lange  fdjon 
3ugef)ord)t  unb  unS  eben  entfernen  roolften,  öffnete  fid)  bie 
£pr  unb  33eetrjoüen  ftanb  Oor  unS  mit  berftörten  ©eficfjtS= 
äugen,  bie  SSeängftigung  einflößen  !onnten.  ör  farj  auS,  als 
fjabe  er  foeben  einen  $ampf  auf  Stob  unb  Seben  mit  ber 
ganzen  Sdjaar  ber  Qontrapunctiften,  feinen  immerroärjrenben 
2Biberfad)ern,  beftanben.  (Seine  erften  Steigerungen  maren 
confufe,  a(S  fütjle  er  fid}  Don  unferm  33ef)ord)en  unangenehm 
überrafcfjt.  SlfSbalb  fam  er  aber  auf  baS  SageSereignijj  ju 
fpredjen  unb  äußerte  mit  merf  barer  Raffung:  „(Saubere  3ßirtrj= 
fdjaft,  alle§  ift  baüongelaufen  unb  tcfj  fjabe  feit  geftern 
SKittag  nicr)t§  gegeffen."  Set)  fudjte  ibjn  $u  befänftigen  unb 
Ejalf  bei  ber  Xoüette.  93?ein  Begleiter  aber  eilte  üorauS  in 
bie  SKeftauration  beS  33abef)aufeS,  um  einiges  für  ben  auS= 
gerjungerten  SHetfter  ^bereiten  5U  laffen.  £ort  flagte  er  unS 
bie  SÖUfjftänbe  in  feinem  §auStt>efen.  dagegen  gab  eS  jetodj 
aus  oorbemelbeten  ©rünben  feine  2(bt)ü(fe.  Niemals  roof)t 
bürfte  ein  fo  großes  Stunfttoerf  unter  rotbertuärtigeren  2ebenS= 
üerfjältniffeit  entftanben  ferm,  als  biefe  Missa  solenmis!181) 

Safe  biefeS  cotoffafe  SSerf,  in  roeldjem  ber  Slutor  alt 
feinen  9xeid)trjum  an  ßunftrmffenfdjaft  51t  ooüfter  ©eltung  bringt, 
bemfelben  bennod)  nur  ein  üerrjältniBmäßig  geringes  Honorar, 
anbererfeitS  aber  auefj  ber  Stunfttoelt  bisher  immer  noct)  feinen 
entjprecrjenben  ©eroinn  eingetragen,  überbieS  nod)  $u  meit  auS* 
einanber  gerjenben  Beurteilungen  5lnlafe  gegeben,  baS  ftnb 
Jtjatfadjen,  über  meldje  an  biefer  Stelle  beS  näheren  $u  fpredjen 
nietjt  geeignet  ift.  5XüeS  ber  (2pe5ial-@efd)id)te  ber  Missa  5ln= 
gehörige  unb  mit  fjinein  fölingenbe  luirb  fid)  ben  Gegebenheiten 
bei  unb  nad)  ber  burdj  ben  5lutor  felber  oeranftatteten 
erften  Stuffürjrung  1824  groedentfpredienb  anreihen  laffen. 

181)  Dazu  rechne  man  die  ungeheure  Korrespondenz  wegen  der 
Messe  in  den  zwanziger  Jahren  des  Jahrhunderts;  man  befrage  den 
vierten  und  fünften  Band  der  Briefe.  A.  d.  H. 


—     323     — 

SRefumirenb. 

Dctö  Saljr  1820  geigt  un§  SBeetljoOen  auf  bem  ©ipfet 
fetner  fo  lange  belämöften,  enbticfj  bod)  erreichten  SBünfctje. 
„9ftit  feinem  (Sari  äufammenfeton  gu  fönnen,"  mie  mir  iljn 
oben  aufrufen  gehört,  fonnte  nun  in  (Srfüüung  get)en.  £)er 
©inbrucf  fotdjen  2tu3gange§  be§  $ßroceffe3  auf  fein  ©emütf)  mar 
in  jebem  23etrad)te  ein  übertoältigenber,  roeit  feiner  SeitS  immer 
be^meifett.  $or  lauter  greube  unb  ©tüdfetigfeit  ob  be§  er= 
rungenen  Siegel  über  93o§t)eit  unb  9?änfe,  a6er  aucf)  ob  üer= 
meinttidjer  ©rrettung  au§  leiblichen  unb  geiftigen  ©efafjren  feinet 
tatentöollen  Steffen,  toarb  bm  ganzen  Sommer  Ijinburct)  menig 
ober  faft  gar  nicl)t<§  gearbeitet,  —  bielfeid)t  nur  fdjeinbar,  toeit 
bie  Sfi^enbüdjer  fortan  nur  leere  Stätter  aufliefen.  $ttte 
feit  uier  Sauren  gefdjtagenen  SSunben  fd)ienen  Oergeben  unb 
Oergeffen.  Sogar  anbermeitige  folgen  au§  biefer  fdjlimmen  3eit, 
beren  nätjere  Sejeidjnung  oorläufig  unterbleiben  foll,  madjten 
tljm  feine  «Sorgen,  benn  auf  @ott  unb  feinen  fctjöpferifdjen 
©eniu§  Oertrauenb,  f)offte  er  in  fur^em  batjin  gu  gelangen,  feine 
fünftigen  Seben§tt>ege  öon  allen  ^emmniffen  befreit  51t  fetjen. 

3tber  and)  fein  Sßiograpt),  ben  Vorgängen  jener  £age  fo 
nafie  fteljenb  unb  an  greub  unb  Seib  be<§  teuren  $reunbe§ 
unb  SetjrerS  Streit  netjmenb,  beftnbet  fiel)  in  biefem  2tugen= 
blide  00E  freubigen  @efül)l§,  biefe  fturmbetoegte  3eit  t)inter 
fid)  5U  tjaben  unb  toieber  in  ben  breiten  Strom  be§  SebenS 
unb  2Birfen3  be3  aufserorbentticfjen  3J?anne3  einlenlen  j$u  fönnen. 
$on  nun  an  fann  alfo  eine  djronologifd)  georbnete  $ort= 
fdjreitung  im  ©rjä^len  ber  ^Begebenheiten,  einzelne  Stüdblide 
aufgenommen,  toieber  feft  eingehalten  tterben. 

II. 
Steuer  3m*mlä.    Skriüugte  traft. 

@3  liegt  in  ber  @emo£)nl)eit  ber  9ftenfd)en  nafje  $ergfpi£eu  1821. 
3U  beobachten,  um  nad)  ifjrem  Reitern  ober  umroölften  Sluäfetjen 

21* 


—     324     — 

auf  bie  beoorftetjenbe  SBttterung  fditiefeen  3U  fönnen;  eben  fo 
pflegen  fie  e§  mit  ben  ©pitjen  in  ßunft  unb  SSiffenfdjaft  §u 
machen.  23ei  ben  ©inen  gefdjieljt  e3  au3  btofeer  Sfteugierbe,  bei 
ben  9lnbern  aber  au§  magrem  Sntcreffc  für  bte  Sadjje,  bie  feine 
anbere,  a($  Vereiterung  ber  Sunft  ober  SBiffenfdjaft  um  ein 
neues  ^?robuct. 

STeffntidjeS  ergab  fidf)  in  SBegug  auf  unfern  £onbid)ter.  Sn 
früheren  Sauren  fyaüt  er  alle  Streite  oermöf)nt,  inbem  3Ser!  auf 
Sßerf  feiner  Sftufe  in  bie  Deffentftdjfeit  gekommen,  tooburd)  bie 
Neugierigen  nnauägefettf  befdjäftigt,  bie  ifju  ©rfennenben  f)in* 
gegen  freubig  überrafd)t  unb  angeregt  mürben.  33ereit§  finb 
©rünbe  mie  Urfadjen  Ooram§geljenb  entmicfett  morben,  bie  t)erbei= 
geführt,  bafj  in  ben  testen  fünf  Sauren  ein  (für  baä  größere 
publicum)  fcfyeinbarer  ©titlftanb  eingetreten,  unb  aufjer  ben 
SBerfen  für  ^ßianoforte,  Op.  101,  102  unb  106,  nidjts  Hon  33e* 
beutung  erfdjienen  mar,  oon  benen  ba§  eine  menigften3  ber 
SSiener  9ttufifmett  biet  51t  reben  gegeben,  mie  mir  fürs  äuüor 
gehört,  ba$  teuere  jebod)  nur  einem  feljr  fleinen  Greife  (burd) 
Vermittlung  oon  ©arl  G^ernt))  befannt  mürbe.  Sie  ©inmirfungen 
au'  ber  betrübenben  Vorgänge  mätjrenb  be§  Vormunbfd)aft§= 
$roceffe§  fjatte  ba§>  publicum  balb  üergeffen,  unb  meit  nid)t§ 
®emiffe3  5U  erfahren  mar,  ob  ber  ütteifter  ftd)  mit  irgenb  einem 
SSerfe  Oon  Vebeutung  befdjäftige,  (man  muf$  miffen,  ba^  e§ 
Sebem  au§  feiner  Umgebung  gleid)fam  gur  ?ßfttc£)t  gemadjt  mar, 
Oon  beut  au§  feiner  geber  ^ommenben  nichts  Dertauten  5U 
laffen,  beOor  e§  nid)t  üotlftänbig  aufgearbeitet  mar)  fo  mar  ein 
©runb  für  biefe§  ©tiUfd)toeigen  balb  aufgefunben,  e3  fjiefj 
nämtid):  „Veetljoüen  f)at  fidj  gang  aufgetrieben,  er 
Oermag  nid)t3  mefyr."  ©efto  i)öt)er  mar  fein  9Ruf  aU  Sßeiber- 
feinb  geftiegen,  ebenfalls  üftadmnrfung  jene3  ^roceffe§,  in 
metdjem  ein  anfet)nlid)er  £f)eü  be§  S)amen=Sorp§  aufsertjatb  ber 
©erid)t£ftube  mitgerebet  unb  meift  für  bie  ©djmägerin  ^artei 
genommen  tjatte. 

Sene,   bie  i|n  für  erfdjöpft   mahnten,   ftüttfen  ftd)   neben 


—     325     — 

mancherlei  eingebübeten  ©rünben  auf  ba§>  ©rtebnifc  üom  17.  $a= 
nuar  1819.  31m  fetbett  £age  fjatte  fic£)  23eetf)ouen  bei  (Megen- 
Ijeit  etne§  großen  Soncertö  5um  Sßoxttjeite  ber  Sßittmen  unb 
SSaifen  ber  juxtbi[ct)en  gacultät  §ur  Seitung  feiner  A  dur  Sinfonie 
6eftimmen  laffen.  §)ie  Sluffüfyrung  fanb  im  Unitierfität3=<Saale 
ftatt,  Don  beut  mir  bereits  in  ber  oorauSgeljenbeit  Sßeriobe  Der* 
nommen,  bajj  er  einer  guten  Stfuftif  entbehre,  bemnad)  ©t)or= 
unb  Drd)efter=sJftaffen  fetbft  auf  ein  gefunbeS  Dfjr  betäubenb 
mirfen.  StBte  Ijätte  toofjt  bie  Sföirfung  auf  be§  9tteifter3  be= 
beutenb  öorgerüdte  ©djmadje  biefeS  Drgan§  eine  anbere  fetyn 
fönnen!  @§  ergab  fid)  bort  nur  51t  offenbar,  bajs  er  fürberljin 
feine  eigenen  ©djopfungen  ju  birigiren  aufeer  ©tattb  fei).*)  2U3 
aber  bie  Mg.  sU?uf.  3*9-  °^e  9?ad)rid)t  gebraut  —  bie  üon 
Wiener  blättern  aufgenommen  morben:  „SBeetJjoöen  befdjäftigt 
fid),  mie  einft  $ater  £at)bn  mit  ^otiren  fcfjottifdjer  Sieber,  für 
größere  arbeiten  fdjeint  er  gän^lid)  abgeftumpft  $u 
fetjn,"  (XXIII,  539)  fo  fjatte  e3  mit  ber  bereits  umgeljenben 
5lu3fage:  93eett)otoen  t)at  fid)  auSgefdjrieben  —  bolte  9iicfjtigt;eit. 
£)em  SRetfter  fcbienen  fo  beftimmte  2lu£fagen  über  feine 
geiftige  ©rfcfjöpfung  ©pafc  §u  madjen;  in  ber  Slljat  maren  fie 
aber  ein  unberfennbarer  SmputS  $u  neuem,  frifdjem  ©eifteä* 
leben.  @r  tief*  e§  nidjt  an  Steuerungen  festen,  a(<S:  märtet 
nur,  ifyr  foltet  halb  eine§  anbern  belehrt  merben.  Snt  (Spät* 
fjerbft  bon  feinem  ©ommeraufenttjatt  in  äftöbting  gurüdgefeljrt, 
too  er  in  gemotjnter  SBeife  bienenartig  Sbeen  eingefammelt  Ijatte, 
fe|te  er  fid)  an  ben  ©djreibtifd)  unb  fcfyrieb  bie  brei  ©onaten 
für  Sßianoforte,  Op.  109,  110  unb  111  „in  einem  ßuge"  nieber, 
mie  er  fid)  in  einem  Briefe  an  ben  ©rafen  93run3mid  auSgebrüdt, 
um  biefen  greunb  über  feinen  ©eifteSguftanb  5U  beruhigen.182) 


*)  @tn  freffereS  SRefuItot  fetner  ©irection  fimficfitlid)  be§  Dtjteä  tnerben 
wir  au§  bem  Siafire  1822  mitjut^etlen  fiaben. 

182)  Dieser  Brief  scheint  nicht  vorhanden  zu  sein.  Andeutungen 
siehe  B.  S.  Br.  (Brief  vom  12.  November  1821  an  Senator  Fr.  Brentano) 
No.  827,  Erklärungen,  IV.  Band.  A.  d.  H. 


—     326     — 

3)ie  Äenner  biefer  2Berre  merben  §u  ermägen  miffen,  ma§  ba§ 
„in  einem  guge"  ^B«i  tooffe.  2)ie  erftere  biefer  Sonaten, 
öon  beren  ©ntfterjung  mir  fdjon  im  abgettridjenen  SSinter 
90?erfmn(e  gemährten,  ift  1822  bei  ©cfjiefinger  eruierten, 
bie  beiben  anbern  aber  erft  §u  Anfang  be§  folgenben  Saures. 
9(n  biefer  SBerjögerung  trug  sunäcfjft  (5d)utb  bie  etma§  jtf)anerige 
Srmittetung  be§  Termins  §u  gleichzeitigem  (Srfdjeinen  in  23ertin, 
in  <ßari§  unb  in  SSien,  ferner  nodj  bie  öom  Sfteifter  fetbft  be- 
forgte  (Sorrectur;  bie  ^arifer  Aufgabe  muffte  gmei  mal  bie 
ffieife  nad)  SSien  madjen;  megen  ber  aitBerorbentiid)en  9J£enge 
oon  $et)lern  fetbft  noct)  in  ber  ^meiien  Gorrectur  üerlangte  ber 
Autor  öon  Op.  111  eine  nochmalige  9Rücffenbung,  moju  fid) 
jebod)  bie  $ertag§fjanblung  nidjt  öerftetjen  mottte.  ®arob  fcrjien 
ber  £)iminet  über  unfern  Stfteifter  einftürzen  ju  motten. 

^)ie  Dteinfdjrift  ber  öom  Autor  ausgesogenen  ^)rucffet)[er 
jur  Dtüdfenbung  an  bie  Verleger  mar  mir  übertragen.  Wlit 
biefer  menig  erquid(id)en  Arbeit  üon  ber  Sonate  Op.  111  be= 
fdjäftigt,  ertaubte  icfj  mir  in  meiner  UnfcfjUtb  ben  gegenüber- 
figenben  9J?eifter  gu  fragen,  mesrjatb  er  benn  nicrjt  einen  bem 
Grjarafter  be3  erften  ©atjes  entfpredjenben  brüten  gefcfjrieben? 
(Maffen  ermiberte  Seettjcmen,  es  fyaht  tfjm  §U  einem  brüten 
'3at$  an  3eü  öefe^Ct,  barum  fjabe  ber  §meite  biefe  AufSbeljnung 
erljatten  muffen.  2)a  id)  biefes  SSerf  bis  §u  jenem  -Tage  nie 
anbers  als  in  23rud)ftüden  mäf)renb  ber  Ausarbeitung  gehört, 
fo  genügte  biefe  ßrmiberung.  9tad)bem  es  fid)  aber  fpäterrjin 
mir  erfcfjtoffen,  fing  id)  an  über  ben  angegebenen  ©runb,  marum 
es  eines  brüten  @at>es  entbehre,  nacrjjubenfen  unb  geftelje  offen, 
bafj  id)  bis  gur  ©tunbe  benfetben  mafjrrjaft  bettage.  2>d)  t»er- 
mocfjte  unb  bermag  nod)  immer  nicfjt  einzufetten,  mie  bie  beiben 
t)infid)t(icf)  bei  Gt)arartertftifd)en  einanber  fdjroff  gegenüber 
ftetjenben  @ä|e  ein  in  fid)  abgesoffenes,  einheitliches  ©an^es 
barftetten  fotten,  benn  bort  ber  Ausbrud  faft  ungeftümer  Seiben= 
fdjaft  mit  nur  furzen  Unterbrechungen  üon  einigen  liebtict)  er- 
füngenben  SDMobien,  baneben  aber  ein  faft  burdjmeg  büfter  ge= 


—     327     — 

fyatteneS  jtongemätbe,  ba§>  in  ber  gefammten  Siteratur  unferS 
SKeifterS  bis  bat)in  nict)t  feines  ©teilen  finbet.183)  @g  molTte 
nnb  toitt  nodj  immer  fcfjeinen,  ber  Sonbicfjter  tjabe  fiel)  in  biefem 
@a|e  in  Se^ug  auf  Mannigfaltigkeit  im  formellen  nnb  3In= 
menbung  eines  UebermafjeS  öon  SSiffenfc^aftlicfjfeit  über  einen 
fo  einfachen  (Stoff  als  bie  „Strietta"  (baS  Stjema  §u  ben 
Variationen  :c.)  fetbft  überboten,  —  ©tmaS,  baS  unS  öon  nun 
an  in  nacfjfolgenben  (Schöpfungen  oft  entgegentritt.  £)ie  Seidiger 
Slriti!  macfjte  bei  biefem  «Satje  unter  anbern  aud)  nacfjftet)enbe 
Semerfung:  „@S  t)at  bem  ßomüoniften  gefallen,  fidtj  §ur  9luS= 
füt)rung  feines  fcfjönen  (Stoffes  meiftenS  nur  fotdjer  Slunftmtttel 
gu  bebienen,  bie  mir  feinem  f)ot)en  ©eniuS  nict)t  recfjt  mürbig 
finben.  ©r  ätjnelt  in  biefem  Songemätbe  einem  9J?aler,  ber  ben 
9Raum  für  ein  9lttarbfatt  einfarbig  (monoton)  mit  bem  9#imatur= 
ptnfei  ausfüllt."     XXXIV,  213.*) 


*)  Sen  erften  Sritifer  in  ber  SBerfinex:  3Kufu*s,3ettung  überfiel  bei 
biefem  (Safte  eine  SSifion  ber  nmnberltdjften  2lrt.  (Sr  gab  iljm  bie  lieber» 
fdjrift:  „2)er  Stob  bc§  großen  9Jianne3",  —  nämlid)  93eett)oüen'§  —  unb 
legte  ibn  fo  aaS:  „Scfjroetlen  ntcfjt  bie  Harmonien  baZ  Sfjema  fd)on  tüte 
bie  Srauermufit  be3  fern  fjeranfdjroanfenbett  i*eid)enjugeä  burd)  bie  9Jadjt? 
Sdjon  im  jiceiten  Xtjeil  ©rabgefaute.  9lun  ber  erfte  ütrupp  ber  Seic^ettJ 
begleiter  in  langen  Oflöven,  bie  fanft  Ilagenben  Steunbe,  mefir  nnb  mebt 
brängt  ficfj'3,  bai  rott)gelbe  gacfellicbt  maHt  ncüjer,  ©rabeSläuten  tönt  burdj 
—  Erinnerung  riicft  un§  an  ba£  ©djmerseniolager  äitrücf,  nod)  einmal 
burdj  bie  fortfnmmenben  ©tocfen  bore  tdj  baZ  leftte  fdjtnere  2lufafr)men  be§ 
(Sterbenben  u.  f.  f. 

©er  SSerfaffer  !ann  bezeugen,  bajj  ber  nodj  guter  ©efunbbeit  fidj 
erfreuenbe  Sonbidjter  bon  biefer  unb  anbern  bergleidjen  irrfinnigen  2ht3= 
legungen  feiner  Wu\it  unangenehm  berührt  morben.  —  Sie  2ln§Iegungen 
bei  33eetbouen'fd)en  SBerfe  fommen  bon  ba  ab  immer  mefir  unb  mefir  in 
bie  Ceffentfid)feit  unb  gleiten  balb  ben  33ibel=?(u§Iegungen. 

183)  Die  Einheit  ist  darin  zu  suchen,  daß  nach  den  leidenschaft- 
lichen Kämpfen,  wie  sie  der  erste  Satz  schildert,  endliche  Erlösung 
erklingt  und  aufs  breiteste,  reichhaltigste  und  mannigfaltigste  aus- 
geführt wird.  Was  sollte  auf  ein  solches  transzendentales  Ausklingen 
noch  ein  neues  Lied  besagen?  A.  d.  H. 


—     328     — 

3m  ©ingange  tiefer,  über  ba§>  SBefen  ber  legten  brei  Sonaten 
fid)  augfürjrlid)  ergetjenben  Äritif  bebient  fid)  ber  33erfaffer  eine§ 
finnigen  ©teidjniffeä  in  Se^ug  auf  23eetf)oüen'3  9ftufif  im  31(1= 
gemeinen,  ba§>  Ijier  roörtlid)  angezogen  roerben  fotl,  gumat  e§  bei 
^Beurteilung  einiger  nadjfotgenben  SSerfe  inSbefonbere  gute 
2)ienfte  §u  leiften  geeignet  ift.     ©§  lautet: 

„@in  [o  reidje§  St'unftleben  barf  man  rooljt  einem  Ijerrtidjen 
ßaubfctjaftSgarten  mit  trefftid)  geführten,  oft  gar  munberbar  ber* 
fcfjtungenen,  burd)  ©erjage,  SSiefen,  Sirjäter  unb  $elfenfditud)ten 
ftc^  roinbenben  Jföegen  bergteidjen.  (So  roie  in  bergteidjen  ©arten 
meift  auf  eine  überrafdjenbe  2Betfe,  ^uncte  mit  ben  ent^üdenbften 
21u§fid)ten  fid)  barbieten,  bie  freilief)  oft  nur  ba$  beroaffnete 
Stuge  botiftänbig  geniest;  fo  tjeben  fidj  aud)  in  einem  fo  rjerrfidjen 
muficatifdjen  ^unftgarten,  luie  in  bem,  ben  un§  SBeetljoben  fdjuf, 
geroiffe  ent§üd'enbe  Partien  gan§  ausgezeichnet  Ijerbor.  §ier 
audj  roie  bort  menben  Mitteilen  bie  SSege,  unb  oft  gerabe  an 
ben  be^aubernbften  9?urjebuncten,  fid)  fo  fctjneCt.  nad)  einer  ent* 
gegen  gefegten  Seite,  bafj  man,  in  ben  erften  3(ugenbtiden 
roenigftenS  meint,  man  fdjreite  5urüd  ober  bod),  man  roeidje  ab 
uon  ber  9fJid)tung,  auf  melier  nodj  mandjer  fd)öne  Äunftgenufj 
5U  erroarten  ftanb,  beffen  ©ntbeljrung  man  nun  beforgt.  Su* 
beffen,  bort  roie  tjier,  taffe  man  fid)  nur  roitlig  unb  rjingebenb 
(eiten  bon  bem  Sdjöbfer  be§  Slunftioerfö  —  roer  tonnte  auetj 
ein  befferer  gürjrer  fetjn,  als!  biefer  fetber?  —  unb  man  roirb 
§u  feiner  $reube  finben:  nietjt  jeber  SSenbebunct  fet)  ein  (£ut= 
minationSbunct." 
1822.  ®em  erften  Smbutä  gu  frifdjem  ®eifte*leben  folgte  ein 
groeiter  auf  bem  $ufje  nad).  tiefer  foltte  ben  Sfteifter  nad) 
jahrelanger  3ur"c^9eä°9en^e^  lieber  einmal  berfönlid)  öor  baZ 
publicum  bringen. 

(Sari  griebrid)  §en§ler,  ber  burd)  bie  gau^e  beutfetje 
£Ijeaterroelt  beliebte  SSotfSbetuftiger  burd)  feine  Stüde:  „®er 
Sitte  überall  unb  nirgenbä,  —  2)a3  2)onaumeibd)en,  —  Diinatbo 
l^inatbini,   —   £>er   £eufel§mütler,   —   geige   oon   Jöomfen," 


—     329     — 

u.  anb.,  feit  einigen  ^aljrcit  2)irector  bei*  bereinigten  33ütjnen 
§u  ^reSburg  unb  Jöaben  (bei  SBien),  mar  unferm  Seettjoüen 
non  feinem  häufigen  9tufentf)atte  in  letzterer  ©tabt  roof)t  befannt, 
ja,  ber  Xonbicljter  roie  aud)  ber  SSotföbidjter  unterließen  nidjt, 
in  mannigfacher  2Seife  fiel)  gegenfeitige  2ld)tung  unb  2(ufmer!= 
famfeit  51t  bezeigen.  ^Bereits  im  Saljre  1821  tjatte  §en§ler 
baZ  Sßrioilegium  beS  Sofeptjftäbter  £t)eater§  in  2öien  fäufücf) 
an  ficfj  gebracht.  ®3  unterfdjieb  fict)  biefeS  oon  ben  anberer 
iöorftabtbürjnen  baburci),  ba^  e3  auf  alte  3tt>eiQe  ttjeatralifct)er 
£>arftettungen  fid)  auSgebetjnt  unb  bemnad)  ben  faifertidien  53ül)nen 
gleidjgeftellt  mar.  ©teidjjeitig  faßte  Renaler  ben  ©utfdjluß,  ein 
üon  ©runb  auf  neues  §au3  aufzuführen,  ju  beffen  (Sröffnung 
ber  QSorabenb  be3  üftamenStageS  be3  Ä'atferS,  ber  3.  Dctober  be§ 
folgenben  Saf)re§,  feftgef teilt  morben.  31 13  geeigneten  (Stoff  gur 
©inmeiljungSfeier  roätjlte  man  „2)ie  Ruinen  tion  Sittjen,"  momit 
1812  bie  (SinmeifjungSfeier  be§  XfjeaterS  51t  ^eftt)  ftattgefunbeit 
rjatte.  3)er  Stotjebue'fdje  Sejt  fottte  öon  bem  bekannten  $ort'<§= 
bidjter  (Sari  SDceifl  tljeitmeife  umgeftaltet  unb  bem  neuen 
Snftitute  angepaßt  werben,  äftineroa,  au§  gmeitaufenbjäljrigem 
edjlafe  auf  ,ßeu§  5kfel)t  jum  Seben  erroadjt  unb  Oon  Hierfür 
in  bie  neu  erftanbene  £>anbet§ftabt  an  ber  ungarifdjen  ©onau 
geführt,  um  bafelbft  ben  SKitfen  einen  28ol)nfi£  5U  grünben, 
meit  itjr  alteS  £>eimatt)lanb  in  Barbarei  Oerfalten,  in  äöirfftdjfeit 
nidjt  mefyr  ejriftirt,  foüte  nun  and)  in  ber  Slaiferftabt,  unb  gtoar 
an  jener  ©teile,  mo  bie  feit  lange  in  tiefen  Verfall  geratene 
$unft  §ur  (Sntfittlidjung  be§  SBolfe£  mettjobifd)  benutzt  morben, 
ben  Stufen  eine  fidjere  ©tätte  erridjten. 

SBeettjooen  marb  erfud)t,  biefen  ßraetf  baburdj  §u  unter* 
ftütjen,  ba$  er  in  feiner  ÜDcufif  einzelne  Slbänberungen  treffe 
unb  neue  ©tüd'e  {jin^ufe^e.  £)en  ©ommer  üon  1822  in  S5aben 
meitenb,  mo  ber  SSerfaffer  ficf;  gleichfalls  befanb,  machte  er  ficf) 
nad)  üöllig  beenbigter  $eite  an  ber  Missa  solemnis  im  Saufe 
be§  äftonatS  Suli  an  biefe  neue  Arbeit,  bie  jeborf)  in  $olge  ber 
überaus  marmen  Temperatur  ber  SatjreSäeit  nidjt  fo  rafd)  üon 


—     330     — 

(Statten  getjert  mollte,  tüte  aller  Seit3  geroünfctjt  morben.  Unter 
anbern  gab  e§  einen  Gfjor  mit  abmecfjfelnben  Steinen  unb 
©ruppirungen  51t  componiren,  inbem  ber  neue  ©irector  aud)  ein 
Potlftänbigeä  23allet=(Sorp§  mit  Solo-Sän^en  probieren  mollte. 
SDftt  biefem  SOZufifftücf,  auf  beffen  SBeenbigung  am  meiften  ge= 
brungen  marb,  ging  e§  gar  nidjt  Pormärtä,  roeit  ber  ßomponift 
mit  bem  Sejrtöerfaffer  nicfjt  äurecrjtfommen  fonnte.  3n§6efonbere 
brängte  fiel)  ber  SöaHetmeifter,  ber,  felbft  nocf)  neu  im  SImte,  ein 
neu  gufammenge[teüte§  Sorp§  einzuüben  fjatte.  (Snblid)  mar 
aud)  biefe  Kummer  fertig,  aber,  fielje  ba!  ber  (Somponift  Per= 
meigerte  ftanbfjaft  bie  9lu3folgung;  felbft  Sitten  unb  $orftettungen 
be§  3)irector§  oermodjten  nid)t§.  S)er  äfteifter  ermieberte:  betior 
nid)t  ba§>  gange  SBerf  mieber  burd)gefel)en  unb  bie  Steile  mit 
bem  ©angen  5itfammengef)atten  fepen,  folge  er  feine  Sftote  au§. 
SBätjrenb  biefer  Vorgänge,  menig  nerfcfjieben  Pon  benen  mit 
Umarbeitung  Pon  gibetio  1814,  maren  Sßermünfdjungen  aller 
Sfyeaterbicfjter,  Baltetmeifter  unb  nodj  anbrer  9J?eifter  am  Stfjeater 
an  ber  Xage§orbnung.  @ine§  ber  (Epigramme  auf  ben  genannten 
SBotföbidjter  liegt  nodj  in  be3  Stonbidjterö  ^anbfdjrift  Por. 
S)amit  mad)te  er  feinem  ©rotte  Suft.  ©3  lautet:  „3um  SOTet^eC 
ift  er  gut,  aber  jum  Silbner?!" 184) 

Sftittleriueile  aber  mar  ber  September  fjerangefommen.  @3 
mar  batjer  an  ber  3eit,  an  Aufarbeitung  einer  neuen  DuPer= 
ture  51t  gelten,  benn  ber  Stteifter  fjatte  längft  bie  ben  Ruinen 
Pon  2(tf)en  äitgefjörige  au§  begreiftidjen  ©rauben  jut  bePor= 
ftetjenben  @roffuung3feier  für  nicfjt  geeignet  befunben.  (£ine§ 
SEageS  mit  it)tn  unb  feinem  Neffen  in  bem  fdjönen  £>elenen= 
tfjale  bei  Saben  un§  ergebene,  rjiejä  Seetljooen  un§  eine  Strede 
öorauö  §u  njanbern  unb  it)n  an  einer  beneidenden  ©teile  §u 
ermarten.  Üfticfyt  lange  tjatte  er  m\^  fdjon  eingeholt,  bemerlenb: 
er  tjabe  nun  jtuet  sD?otiPe  §u  einer  DuPerture  notirt.  Sofort 
äußerte   er  fiel)  aud)   über   ben   ^lan  ber   Bearbeitung  batjin, 


184)  Aufbewahrt  in  Schindlers  Beethoven-Nachlaß.    A.  d.  H. 


—     331     — 

bafj  baS  eine  in  freiem,  baS  anbere  aber  in  ftrengem  Sttyt,  unb 
groar  im  ^aenbeffdjen,  ausgeführt  merben  foü*e.  Sotriet  feine 
(Stimme  oermodjte,  fang  er  beibe  Sftotitie  unb  frug  bann, 
tueldjeS  unS  moljt  am  befteit  gefalle?  @S  mag  bieS  feine 
momentan  rofige  (Stimmung  Se^eidjnen,  in  meiere  er  bnrd) 
STuffinben  ^meier  (Sbeffteine  werfest  morben,  nad)  benen  ei 
öiefleidjt  fdjon  (ange  gefudjt  f)atte.  £)er  9?effe  entfctjieb  fid) 
für  beibe..  meiner  SeitS  fpradj  id)  ben  Söunfd)  auS,  baS  $ugen= 
Sftotiü  51t  obigem  3med  bearbeiten  51t  motten,  keinesfalls  f)at 
jebodt)  23eett)Oöen  bie  Duberture  „gur  Söeit)e  beS  ipaufeS"  auS« 
gearbeitet,  meit  id)  eS  gemünfcfjt,  fonbern  meit  er  fid)  tängft 
mit  bem  ^(ane  umgetragen,  eine  Duüerture  im  ftrengen,  unb 
gmar  auSbrüdtid)  im  §aenbet'fd)en  Strjte  51t  fdjreiben.  Sn 
miefern  ifjm  bieS  gelungen,  fatm  tjier  nid)t  ©egenftanb  ber 
Unterfudjung  merben.  9)?and)e  Oerneinenbe  Stimme  ift  bieSfatlS 
gegen  baS  Söerf  taut  gemorben.  llnftreitig  finb  aber  biefe 
^rititer  §u  meit  gegangen,  toenn  fte  bon  unferm  SJMfter  oer* 
langten,  er  fjätte  feine  Snbiüibuatität  babei  metjr  üerfeugnen 
f ollen.  Sidjertid)  lag  eS  nictjt  in  feiner  Slbfidjt,  eine  ßofcie 
nad)  |menbet  §u  madjen  unb  modjte  er  nur  an  eine  bem  großen 
Vorgänger  üermanbte  Strjfmeife  gebaut  tjaben.  $on  ber  S3e= 
ftimmung  beS  anbem  Duoerturen^otioS  mirb  in  ber  ^otge 
bie  9M>e  fel)n. 

StBte  fdjon  fo  oft  Ijatte  fid)  baS  ßaubew  mit  Seenbigen 
eines  SBerleS  §u  bem  befttmmten  Termin  gleidjfattS  mit  biefer 
Duoertnre  ergeben.  Seinatje  f)ätte  fid)  ber  $aH  aus  bem  Satjr 
1814  mit  ber  üierten  DuOerture  in  E  dar  §u  $ibe(io  erneuert, 
metdje,  mie  bereits  begannt,  jur  erften  SSorftetlung  nidjt  fertig 
gemorben,  barum  jene  ^romettjeuS  bie  Stelle  üertreten  mufete. 
2)aS  neu  §ufammengeftettte  Drdjefter  beS  Sofeüljftäbter  S^eaterS 
erhielt  bie  Duüerture  erft  am  üftadjmittage  Oor  ber  ©röffnung  mit 
ungültigen  Sdjreibfeljtern  in  jeber  Stimme.  2BaS  für  it)re  (Sin* 
Übung  bei  einem  natjegu  fdjon  gang  gefüllten  parterre  gefdjeben 
fonnte,  genügte  faum  gur  (Sorrectur  ber  gröbften  Sd)reibfel)ler. 


—     332     — 

53eett)ouen  tjatte  fid)  bie  Oberleitung  bei  ber  (SröffnungS* 
feter  oorbef)atten.  Demnad)  nafym  er  am  $iano  $ßu%  fo 
gloar,  ba^  er  ba§>  Drcfjefter  grö^tenttjeiö  im  @efid)te,  ber  33üf)ne 
hingegen  baä  linte,  nod)  einige  Dienfte  (eiftenbe  Dtjr  gugemenbet 
tjatte.  Der  (Sapetlmeifter  3ran8  ©läfer  (gegemnärtig  §of= 
(SapeUmeifter  in  (Soppentjagen)  ftellte  fidj,  ba3  ©ange  über* 
madjenb,  itjm  red)t<§  §ur  ©ehe,  unb  id)  führte  ba3  Drdjefter  an 
ber  (Spitze  ber  erften  Violine,  nadjbem  id)  furg  öortjer  bie 
juriftifdje  2tmt§ftube  üerlaffen,  fonad)  au3  bem  Dilettanten» 
Greife  gcfdjieben  toax,  an  metdjem  2Jßed)fet  unfer  Sonbidjter 
mefenttidjen  5tntf)eit  gehabt.  Den  muficatifdjen  Erfolg  biefer 
geier  anlangenb,  fo  tonnte  er,  uneradjtet  aüfeitiger  Segeifternng 
im  •  ßufammennrirfen,  fetbft  bnrd)  aufmunternbe  SBorte  be3 
SHeifterS  angefadjt,  im  ©an^en  fein  günftiger  genannt  tuerben. 
DeftereS  ©dnoanten  auf  ber  23üt)ne  mie  aud)  im  Drdjefter  in 
gotge  angeftrengten  £aufd)en§  unb  3urüdt)a(ten3  ber  Söemeguug 
oon  ©eite  ber  Oberleitung,  aufteilen  im  balligen  ©egenfatse 
mit  beibeu  Unterteile™,  üerfefcte  alles  in  grofee  SSeängftigung. 
$eerf)oöen  fütjlte  nidjt,  ba^  t)auptfäd)liclj  er  felber  ©djulb  bnran 
trage,  ©eine  Ermahnungen  betreffs  „su  üieten  EilenS"  tonnten 
barum  im  ©ange  nid)t§  änbern,  loeil  bem  nid)t  fo  mar.  Snbeß 
mürbe  bie  SBorfteHung  otjne  merflidjen  UnfaE  gtüdlidj  $u  (Snbe 
gebraut  unb  ber  erhabene  9)?eifter  oon  bem  aufS  fjödjfte  be= 
geifterten  5tubitorium  mieberfjott  auf  bie  S3ür)ne  gerufen.  (£r 
erfd)ien  an  ber  §anb  be§  mürbigen  Directory  £en£ler. 

Sm  Verlaufe  ber  Hauptprobe  5U  biefer  geier  Ijatte  ftct) 
etmaS  begeben,  baZ  bie  nieten  Stnmefenben  freubig  überrafct)te. 
3n  einem  Duett  smifdjen  ©opran  unb  Xenor  benahm  fid)  bie 
nod)  jugenblidje  ©ängerin  äagfjaft  unb  fdjleppte  merfbar.  33eet= 
tjoüen  mert'te  e3  gleichfalls,  liejj  bie  ©ängerin  §u  fid)  tjeran* 
treten,  fte  auf  jene  ©teilen  aufmertfam  madjenb,  in  benen  fie 
fid)  teidjter  bemegen  fotle,  fprad)  i£»r  fobann  5Dmtf)  §u  unb 
empfahl  it)r  fid)  feft  an  ben  gemanbten  Stcnor  anfdjtieften  §u 
motten.    Darauf  liefj  er  bie  Sxummer  miebert)olen  unb  äußerte 


—     333     — 

am  ©cfjluffe  feine  gufriebenljeit  mjt  oen  Porten:  „Sefct  roar 
e§  gut,  $räutein  jedermann!"  £>er  SEenorift  in  biefem  2)uett 
ttmr  ber  gegenwärtige  SHrector  be§  5Iacfjener  ©tabt=£rjeater3, 
£err  90?id)aet  ©reiner,  ben  unfer  SJtofter  bereits  öom 
Sabener  £t)eater  rannte.*)  S3ei  53eurtl)ei(ung  tiefet  Vorfalles 
t)infid)ttid)  beS  ©etjörjuj'tanbeS  roirb  nur  §u  Bemerfen  ferjn, 
bafy  e§  fid)  BloS  um  Uebertjören  gtoeicr  (Stimmen  gerjanbett, 
nicfjt  um  eine  ©orrectur  im  ©nfembte.  2öer  bie  Vorgänge 
fonft  in  ber  $ßro6e  unb  in  ber  ^luffütjrung  beobachtet,  mufete 
mit  großer  SBetrübnift  erfennen,  bafj  ber  SMfter  fernerhin 
unter  jeber  SBebingung  aufeer  ©taube  fei)  Waffen  gu  leiten. 

SDer  im  ©anjen  erfreuliche  SluSfall  ber  Sofepljftäbter  (Sr* 
öffnung§feier  mar  für  bie  5lbminiftration  beS  §of=Dperntt)eater§ 
$erantaffung,  ben  SU^eifter  um  bie  Seitung  bei  einer  bemnäct)ft 
in  jenen  atterjrroürbigen  ^unfttjalfen  beborftetjenben  $eierlict)feit 
5U  erfucrjen,  rüo6ei  itjtn  nod)  größere  §ulbigungen  Bereitet 
merben  fotlten.  %laä)  ad)tjät)riger  *ßaufe  Ratten  fid)  gut  3Bieber- 
auffütjrung  beS  gibetio,  mit  SBilljelmine  ©d)roeber  als  Seonore, 
aud)  anbere  ber  großen  Aufgabe  im  allgemeinen  genügenbe 
Gräfte  bereinigt  öorgefunben.  $)ie  $orftellung  füllte  im  SDtfonat 
üftooember  jum  33enefice  ber  ©djroeber  ©tatt  fjaben.  53eetr)ot»eit 
macfjte  Umfrage  in  feinem  Greife,  ob  er  bie  Seitung  ber  Dper 
unter   Seiftanb   beS   Oon   it)m    fet)r   gefeilten   (EapettmeifterS 


*)  Sßodj  mag  burd)  9(nfüf)rung  einer  anbern  £l)atfad)e,  beren  oft= 
maiiger  Satge  £>err  ©reiner  gleiä)faU§  geiuefen,  ber  ©rab  bon  S)ienft* 
fertigfett  be§  linfen  Dljr§  in  jener  geit  gegeigt  werben.  %n  ber  Oteftauration 
neben  bem  Sofepbjiäbter  Sweater  befanb  fid)  eine  bon  ben  bamalS  beliebten 
Spieluhren,  roeldie  Duberturen,  einzelne  Hummern  auä  guten  Dpern 
u.  bergt,  pren  liefe.  Söeetljoben  pflegte  ftetS  in  tt)rer  Mb,e  $la£  §u  nehmen 
unb  fid)  redjt  oft  fein  2iebling§ftürf  barau3,  bie  Oubertttre  ju  Tlebea  uon 
(Sljerubini,  bortragen  ju  laffen.  ©ein  Serjett  in  F  dur  au§  gibelio  wollte 
er  beä  etroaS  ju  langfamen  Xempo§  wegen  nidjt  t)ören.  ©r  üermodjte  jebeö 
©tücf  fogleicfj  beim  erften  Sacte  ju  ertennen  unb  ju  »erfolgen,  babon  er 
un§  SBeioeife  gegeben.  ®a3  redjteOtjr  ober  bem  SBaljemuerfe  jugemenbet, 
botte  fid)  atle§  in  ein  tönenbe§  ©Ijaoä  oertoanbelt. 


—     334     — 

Umlauf185)  gu  übernehmen  toagen  bürfe.  3lTte  rieben  ah,  ja 
mir  baten  bringenb  bem  eigenen  Sßunfdje  gu  raiberftefjen  in  (5r= 
innerung  be3  fcfyon  1819  im  Uniberfität§=©aate,  unb  neuer* 
bingö  mieber  im  Sofeptjftäbter  Sttjeater,  2Sal)rgenommenen.  yiafy 
bem  er  mehrere  'Jage  in  feinem  @ntfd)tuffe  gefcfjmanft,  erklärte 
er  ftcf>  gur  Seitung  bereit,  —  ein  in  bielem  Söetradjte  Ijödjft 
bebauertidjer  ©ntfdjtuß.  Stuf  fein  Verlangen  begleitete  id)  ifjn 
gur  Hauptprobe.  Die  Duberture  in  E  dur  ging  bortrefftidj, 
benn  bie  tapfere  Sßljatanr.  bemegte  ftd)  trotj  mandjer  unfidjeren 
Zeitangaben  be§  Dirigenten  in  feftgefcfjtoffenen  ©liebern  nadj 
gemotjnter  Sßeife.  allein  fd)on  bei  ber  erften  Srummer,  im 
Duett  ghrifdjen  ÜD?arcetline  unb  Sacqutno,  geigte  e§  fid),  ba^ 
23eett)oben  Don  bem,  roa§  auf  ber  Söüfjne  borget)!,  nichts  f)öre. 
©r  fjiett  bie  Sßemegung  angeftrengt  gurüd.  Da§  Drdjefter  ging 
mit  iljm,  bie  ©ingenben  aber  brängten  bormärtö,  unb  bei  ber 
©teile,  too  ba§>  ^3od)en  am  Sttjore  bes  @efängni^t)ofeS  ber* 
netjmbar  mirb,  fiel  aHe3  auSeinanber.  Umlauf  gebot  eingul)atten, 
bem  9#eifter  ben  ©runb  nid)t  angebenb.  ÜJcacf)  einigen  §in=  unb 
^erreben  mit  ben  (Sängern  l)ief}  e§:  Da  Capo.  Da3  Duett 
begann,  unb  tote  früher,  mar  aud)  nun  bie  Uneinigfeit  fogleid) 
mieber  bemerkbar,  bü  ber  ^odjfteüe  aber  alleö  auSeinanber. 
$3ieberum  marb  ©intjalt  geboten.  Die  Unmöglidjfeit,  mit  bem 
©djöpfer  be§  2Serle§  meiter  gu  geljen,  mar  ebibent.  SSie,  in 
melier  SBeife  aber  e§  iljm  §u  erfennen  gu  geben?  SBeber  ber 
31bminiftrator  Duport,  nod)  Umlauf,  mollten  ba§  betrübenbe 
SSort  auSfpredjen:  ©3  gefjt  nid)t,  entferne  Did),  Du  unglüd- 
lidjer  Sfftonn!  23eett)oben  auf  feinem  ©ttje  bereite  unruhig 
gemorben,  menöete  ftd)  balb  nad)  rectjtS,  balb  nad)  tinfö,  bie 
©eftcfjter  erforfdjenb,  \w§  e3  benn  für  ein  §inbernif3  gebe. 
Dumpfe§  ©djroeigen  überalt.    Da  rief  er  nad)  mir.    Sn  feine 

185)  Das  dürfte  Michael  Umlauf  der  Sohn  sein,  der  zu  Wien 
1752  geboren  ward  und  Operndirektor  in  Wien  nach  Weigls  Rücktritt 
ward.  Sein  Vater,  Ignaz  Umlauf,  war  bereits  1799  gestorben.  Michael 
Umlauf  starb  im  Jahre  1842.  A.  d.  H. 


—     335     — 

üftälje  an  ba§>  Drdjefter.  getreten,  reichte  er  mir  fein  Safcfjenbucfj 
fjin  mit  ber  SDeutung,  aufzutreiben,  ma§  e§  gebe.  Sdj  fdjrieb 
eiligft  ungefähr  bie  SSorte:  „Sei;  bitte  ntcfjt  meiter  fortzufahren, 
§u  £>aufe  ba$  SBeitere."  3m  9lu  förang  er  in  ba$  parterre 
hinüber  unb  fagte  bto§:  „©efdnoinbe  Ijinauä."  Unaufrjattfam 
tief  er  feiner  SBofmung  gu,  $farrgaffe,  ^orftabt  Seimgrube. 
Eingetreten,  roarf  er  fid)  auf  baZ  @opf)a,  bebedte  mit  beiben 
£)änben  ba$  ©eficrjt,  unb  berblieb  in  biefer  Sage,  bi§  mir  un3 
an  ben  Xifdj  fetjten.  51  ber  aud)  mätjrenb  be§  WlafyZ  mar  fein 
Saut  au3  feinem  Sftunbe  $u  oernerjmen;  bie  gan^e  ©eftatt  ba$ 
53itb  ber  tiefften  ©dntiermutf)  unb  9ftebergefd)(agenljeit.  2tt§  id) 
mid)  nad)  Stifd)  entfernen  toollte,  äußerte  er  ben  SSunfd),  iljn  nid)t 
ju  oerlaffen  bi§  gur  jfcfjeatergett.  Sm  3Iugenblide  ber  Trennung 
bat  er  mid),  ifyn  am  fotgenben  S£age  5U  Dr.  ©metana,186) 
feinem  bamaligen  Str-jte,  5U  begleiten,  ber  aud)  in  Äranfljeiten 
beö  ©ef)ör§  fid)  3Juf  erworben. 

tiefer  Sftooember^ag  tjatte  in  ber  langen  fRettje  meiner 
(Srtebniffe  mit  bem  gewaltigen  SRanne  nidjt  feinet  ©teilen. 
2ßa§  aud)  ungünftige  SBerljättmffe  unb  Umftänbe  Unangenehme^, 
2Siberroärtige§,  ©eift  unb  ©emütfj  @törenbe§  gebracht,  id)  faf) 
ben  Stteifter  bisher  nur  momentan  oerftimmt,  mot)(  aud)  äiüueUen 
ntebergebeugt.  Stl^bafb  fonnte  man  itm  mieber  ermannt,  ben 
®oüf  ftof^  erhoben,  nad)  getootjnter  SSetfe  feft  unb  ftramm 
einljerfdjreiten  unb  in  ber  SSertftätte  feinet  ©eniuä  rüftig 
malten  feljen,  aU  wäre  nid)t3  öorgefallen.  SSon  ber  ©inrairfung 
biefeS  ©d)tage§  aber  t)at  er  fid)  nie  meljr  gan§  erfrjott.  £reffenb 
fdjeinen  bie  beiben  Don  itjm  au3  ber  Odussee  aufgewogenen 
©teilen  t)ier  am  ^ßlatje  gu  ftetjen: 

„'üDcein  §erj  im  33u[en  ift  lärtgft  jum  Reiben  gemattet! 

SDenn  id)  babe  febon  bieleä  erlebt,  fdpn  bieleä  erbulbet."187)  (©.103.) 


186)  Dr.  Smetana  war  nicht  nur  Beethovens  Arzt  bei  seinem 
Gehörleiden;  besonders  war  er  des  Meisters  Arzt  während  seiner  lang- 
wierigen Augenkrankheit  im  Jahre  1823.  A.  d.  H. 

187)  Homers  Odyssee,  V.  Gesang,  V.  223  f.  A.  d.  H. 


—     33G     — 

§eitig  finb  ja,  aud)  felbft  unfterblicfien  (Göttern,  bie  SHenfdjen, 
2Bel$e  non  fietben  gebrängt  um  §ülfe  flehen!"198)    (©.  111.) 

Dr.  ©metana  berfc^rteb  9J?ebicamente  —  §um  (Sinneljinen. 
3)amit  fdjien  er  $u  geigen,  bafj  er  ben  um  Sinberuug  feinet 
@et)örteiben3  $feljettben  nur  m^  etroa§  befcfjäftigen  tuolfe,  ofme 
f eiber  bie  geringste  Hoffnung  für  33efferung  be3  SeibenS  51t 
fjaben.  ßubem  ttuftte  er  au§  ©rfafjrung,  mie  e§  biefer  l)öd)ft 
ungebulbige  unb  gerftreute  Patient  mit  är§tltd)en  SBorfdjriften 
gu  galten  pflege.  ®a  fteftt  gefdjrieben:  „5(lte  ©tunben  einen 
Teelöffel  ootl  5U  nehmen."  (5i,  tüa§  öermag  ein  Teelöffel 
toll  für  SSirfung  fjeröorpbringen!  £)er  Patient  corrigirt  ftug§ 
ba§  SRecept  roie  ©d)reibfef)ter  in  feiner  Partitur.  @in  (Sftlöffet 
öoü,  mujj  e§  tjei^en.  (£0  mirb  bie  SDcebicin  genommen.  SDenft 
er  ja  nod)  an'3  ©innetjmen,  fo  ift  bie  $lafd)e  \§on  *n  ^enig 
©tunben  geleert,  unb  bie  SKepetition  alfogleid)  ha.  ©0  treibt 
er  e§  einige  £age  fort,  otjne  bem  Slr^t  Ä'unbc  $u  geben,  mie  e3 
getjt,  falls  biefer  nidjt  felbft  anfragt.  Sn  ber  SReget  gef)t  e3 
fd)limm,  üiel  fdjtimmer  at§  Oor  bem  Sftebiciniren,  §umal  man 
fid)  nid)t  enthalten  fann,  gteid^eitig  anfetjntidje  Quantitäten 
SBaffer  $u  ftdj  51t  nehmen  unb  baburd)  bie  leifefte  Hoffnung 
auf  2Bat)rfd)eintid)feit  einer  guten  Sßirfung  be<§  SRebicamentS 
511  parattjfiren.  —  (Sin  foldjer  Patient  luar  unfer  23eetf)onen, 
roenn  er  fid)  beroegen  fonnte;  für  ben  tfjeilnefjmenben  SUr^t  nidjt 
ungefäfjrtid),  raeil  bei  fo  üor[djrift§nnbrigem  ©e&raitdje  ber 
SKebicamente  niefit  fetten  entgegengefetste  SBtrfungen  erzeugt  unb 
bie  folgen  itjm  gur  Saft  gelegt  mürben.  $ei  beginn  feinet 
Dt)renübet3  toarb  ber  ÜDMfter  Oon  feinem  rljetnifdjen  Sanb§* 
manne,  bem  faiferl.  (Stabsärzte  üon  SSeljring  bet)anbeft.  tiefer 
an  püncttidje  Dbfert>an§  ber  $orfd)riften  geroöfjnt  unb  eine 
getoiffe  Autorität  über  ben  Stünftler  auSübenb,  öerlangte  g(eid)e§ 
3Serrjatten  üon  if)tn;  allein  er  fjatte  gut  Oerlangen,  ber  Patient 
tfjat,    ttrie   e3   if)m    bequem   luar   unb    tieft   fid)  burd)  keinerlei 


188)  Ibidem  V,  447  f.  A.  d.  H. 


—     337     — 

33orfdjrift  in  ber  freien  Verfügung  ü6er  bie  üftebicin=gtafd)en 
foluie  über  feine  ^erfon  einfdjränfen.  2(bfotute  greif)eit189) 
im  Xrjun  unb  Waffen  nacfj  jegtidjer  (Seite,  roenngteidj 
öon  Sammern  nnb  2Bef)ftagen  begleitet,  einzig  unb 
altein  eingefdjränft  burcfj  ba3  ©ittengefetj,  barin  be= 
ftanb  bie  ßebenänorm  biefe§  ejceptionelten  ßrjarat'terS. 
$aum  rjatte  bie  (Sur  mit  Dr.  ©metana  begonnen,  ab§  ber 
Sföeifter  ftcfj  aud)  fdjon  be§  $ater  Sßeifc  bei  @t.  ©teprjan 
erinnerte,  ber  bem  Sefer  bereite  au§  ben  9Kittrjeitungen  ber 
Anfänge  be3  23eetrjoben'fcfjen  ©efjörteibenä  a(§  getiefter  Ofyren» 
ar5t  be!annt  ift.  Sludj  biefer  fottte  jefjt  roieber  confuttirt  werben. 
Sn  meiner  Begleitung  roarb  er  oon  bem  9)?eifter  aufgefucfjt. 
SRütjrenb  roar  bie  öon  bem  mürbigen  Spanne  irjm  beroiefene 
"Jrjeitnafjme,  unb  obg(eid)  nid)t3  öerfüredjenb,  fo  fünfte  fidj 
93eett)oüen  bennod)  fo  roorjttf)uenb  baburefj  geftärtt,  bafj  er  fetber 
Hoffnungen  auf  einigen  guten  ©rfotg  gefegt  rjatte,  bemnad)  3U 
erroarten  ftanb,  er  roerbe  fiefj  enblid)  allen  SBorfdjrtften  pünetlicf) 
unterbieten  unb  bem  Str^te  mit  ©ebutb  unb  5tulbauer  ent= 
gegenfommen.  Sßater  SSeifj  toenbete  äunäcfjft  bto§  Deleinfpritmngen 
an,  ma§  ber  ^atient  roorjtgefäßig  aufnahm.  ®er  beftetjenben 
SO?ebicinal=@efe^e  roegen  nmr  e§  aber  bem  geifttietjen  §errn  nur 
geftattet,  Patienten  in  feiner  SSorjnung  §u  berjanbetn.  Unfer 
SKeifter  mar  balJjer  eingetaben,  feinen  freunbtidjen  Strjt  tägtid) 
gu  befudjen.  Snbefj  fd)on  nad)  wenig  Stagen  blieb  er  au3. 
^5.  233eif3  ermahnte  fdjrifttid)  bie  (Sur  nidjt  51t  unterbredjen, 
inbem  er  einen  guten  (Srfolg  roenigften§  für  ba§  tinle  Dfjr  ftctj 
oerfprecfje.  StUein,  gteidjjttne  ba§  „übellaunige  (Sfetein"  einfteuo 
5U  Sonn  ben  2öeg  gu  ben  ©cfjülern  nur  fdrtr>er  gefunben,  fo 
fanb  e§  aud)  nun  ben  2öeg  nierjt  in'3  „^ßriefterrjauö"  bei 
©t.  ©tepfjan.  2ttlerbing3  gab'3  einen  äußern  ©runb,  ber  bem 
Patienten  ben  äöeg  ettuaä  unbequem  madjen   tonnte,  nämtid) 

189)  Eines  der  vortrefflichsten  Worte  aus  Schindlers  Munde,  das 
dieser  aus  seiner  vieljährigen  Erfahrung  mit  dem  Meister  schöpfte. 

A.  d.  H. 

St.  <3djiitbler§  2)cetljoDen=!8tograpfjie.  22 


—     338     — 

bie  bräugenbe  Arbeit  511  §aufe  am  (gdjreibtifd),  üon  bereu  Art 
fogleidj  baZ  üftärjere  gef proben  merben  fott;  biefer  rjätte  ifyn 
aber  feineeroegö  an  ber  ^ortfetuing  uerr)inbern  fönnen,  wenn 
nidjt  ein  innerer,  meit  mächtigerer,  gur  Unterbrechung  unb  ftiü= 
fdjmeigenb  jum  aufgeben  oder  SSerfudje  uerleitet  rjätte;  biefer 
Stoeite  ©runb  fprad)  fid)  aus  burd)  Ungebutb  unb  3D?anget  allen 
9?efpecte  für  är^ttidje  2}orfdjriften,  roenn  ber  beabfidjtigte  (h> 
folg  nidjt  fd)on  nadj  24  ©tunben  fid)  funbgegeben  fjatte. 

Sm  33orfter)enben  finb  bie  3ufmnbe  bes  ©efjörteiben*  im 
uoltften  Umfange  gefdjübert.  93?an  roirb  baraug  ernennen,  was? 
ber  Seibenbe  für  Sinberung  biefes  großen,  burd)  fein  ganzes 
Seben  faft  fortgefetjten  Ungtüds  getfjan,  mas  nntertaffeu.  @3 
barf  bemnad)  biefes  (Sapitef  mit  ber  Beifügung  gefdjtoffen  fehlt, 
ba$  biefer  Stampf  in  $otge  bt§>  jüngften  Sßorfalleö  im  Opern* 
Stjeater  ber  I  e  tj  t  e  biefer  Art  geroefen.  £yürberljin  a,ar^)  Einerlei 
^erfud)  mefjr  angefteftt;  nad)  bem  SSeifpiele  mandjes  SBeifen 
ber  58or§eit  fjatte  fid)  ber  StRetfter  in  fein  Ijartes  ©efdjid  gefügt, 
ot)ne  je  roieber  Älagefaute  uernefjmen  %xx  (äffen. 


III. 

1823.  9D?it  bem  feinesroegS  erfreulidjen  ^fan^e  ^er  öfonomi* 
fdjen  SBerrjcUtniffe  ©eetrjotien'ö  finb  mir  bereite  befannt. 
SBir  miffen,  baf$  fie  itjren  nüd)ften  ©runb  in  bem  hierjätrrigen 
Sßroceffe  um  feinen  Steffen  gehabt.  SBir  fennen  bie  uermeljrten 
Söebürfniffe  burd)  Aboption  btefes  Süngtings,  audj  fennen  mir 
bie  geringe  An^af)!  ber  feit  bem  Saljre  1815  bie  1822 
cntftanbenen  SBerfe,  bafc  folglid)  bie  ©efamtcinfünfte  biefer 
fieben  magern  Safere,  mit  @infäjluJ3  ber  Saljregrente  üoii 
900  ©utben  C£ouü.  9D?.,  %nx  Seftreitung  aller  SBebürfniffc  bei 
Weitem  nidjt  gureidjteit,  gumal  ifjm  bie  2öerfe  für  Sßtanoforte 
herfjältmfjmäfjig  51t  anbern  giemlid)  gering  fjonorirt  mürben. 
3)reifjig  bis  uiergig  Sucaten  (15 — 20  Ssb'or.)  mar  bas  bodjfte 
Honorar  für  eine  ©onate,  511  beren  Ausarbeitung  burd)fd)iutt= 


—     330     — 

lief)  biet  iüionate  für  je  eine  31t  rechnen  finb.  9iur  bei  ben 
{entern  brei  «Sonaten  [teilte  fiel)  ba§>  erhaltene  §onorar  nn= 
tjefä^r  auf  baö  doppelte,  ba  fie  in  ®eutfd)(anb,  ©ngfanb  unb 
^ranfreict)  Verleger  gefunben.  Wlit  ßompofitionen  für  $ßiano= 
forte  mar  b\§>  baf)in  in  gfranfretdj  md)t3  31t  machen,  in  ©ngtanb 
gelang  e§  nur  mit  einjetnen.*) 

Sei  fo  lange  anbauernber  ©bbc  in  ber  ßaffe  mufjten 
anbermeitige  Hilfsquellen  aufgefutfjt  merben.  3lf§  faum  31t 
entfcfjitlbigenber  Sctjritt  mufe  be§eid)net  merben,  bah  ber  bebrängte 
SKeiftec  oorgejogen  Saarfummen  aufjune^men,  anftatt  fid) 
einiger  Q3anf  =  ?lctien  31t  entäußern,  bie  bamatS  fd)on  einen 
ijofyen  ßur§  gehabt.  Heber  alle§  muf$  befragt  werben,  bah 
fief)  unter  biefen  Sßaarfummen  aud)  Hnticipationen  üon  gtueien 
feiner  Verleger  befanben,  einem  SSiener  unb  einem  Steiniger. 
*T)can  rennt  bie  9tücfficf)t§tofigt'eiten  biefer  §erren  gegen  Sene, 
bie  it)re  §ütfe  in  fold)er  SSetfe  in  5tnfprud)  nehmen.  Unfer 
ätfeifter  fjatte  genugfam  erfahren,  wie  einjelne  biefer  sperren 
feit  ben  Sagen,  mo  fein  sJxitf)m  3U  fteigen  begann  unb  mit 
feinen  ®eifte§probucten  fd)on  naml)afte§  31t  üerbienen  mar, 
mit  iljm  umgegangen,  er  Jjätte  fiel)  barjer  am  aöerwenigften 
irgenbeinem  au»  biefem  ©remium  gefangen  geben  follen,  — 
bemt  ber  ©efangenfdjaft  glief)  ba§>  Q3ert)ältnif3,  in  ba$  fid) 
ber  nur  $reit)eit  unb  llnabljängigfeit  atfjmenbe  ^ünftler  frei= 
willig  oerfetjt  fjatte. 

2)ie  9£ad)meljen  biefer  unbebadjten  Ueberantmortung  traten 
fcl)on  im  3al)re  1822  ein,  ai$  53eett)ODen  ben  9#utt)  gehabt, 
feine  brei  legten  (Sonaten  anbern,  beffer  Ijonorirenben  Verlegern 
(Scrjtefinger  unb  ©iabelli)  3um  Verlag  31t  geben,  morauf  ber 
SBiener  ©täubiger  allein  Sinfprud)  g«  fjaben  oermeinte.  Söeöor 
mir  jebod)  ba$  „$tinbe=$uf)=Spiet"  gmifdjen  unferm  rufjm* 
tjefrönten  Xonbidjter  unb  feinem  SSiener  ©laubiger  näl)er  be= 
tradjten,  mirb  e<s  ratfjfam  ferjn  31t  erfahren,  metdje  $B3ege  fid) 

*)  §eu  Sfjatfierg  f)at  naci)  eigener  9lu§fa.qe  gegen  ben  SBerfaffer  für 
jebe  fion  feinen  „^fjnntafien"  5000  grc§.  burd}fcf)nit<lidf)eö  Honorar  erhalten. 


—     340     — 

aufgefunben,  um  in  balbigen  Sefitj  einer  anferjnlidjen  Summe 
ju  gelangen,  bie  beu  SKetfter  in  Stanb  fetjen  fonnte,  wieberum 
§err  ber  Situation  511  werben.  ®r  felber  füllte  ju  ferjr  ba% 
UnWürbige,  aber  aurf)  bas  ßweibeutige  biefer  (Stellung,  in 
melier  er  gezwungen  einen  Sdjein  annehmen  mufjte,  ber  ü)m 
bei  feiner  Offenheit  unb  ($erabf}eit  (äftig  mar,  anbern  Verlegern 
aber,  bie  es  ftets  reblid)  mit  it)m  gehalten,  (ba*  traten  alle 
auslänbifcrjen)  unb  ftd)  nidjt  Oon  feinem  „Slcarle  mäfteten," 
berbädjtig  oorfommen  tonnte. 

33eett)oüen  führte  nämlid)  bm  lange  erwogenen  $)3lan  aus, 
bie  neue  üDfeffe  fämmtlicrjen  großen  unb  Keinen  £>öfen  auf 
(Subfcription  im  SOcanufcript  angubieten  unb  für  jebe3  G^emptar 
ein  Honorar  oon  fünfzig  Sucaten  fef aufteilen.  3)ie  23ef  orgung 
biefes  mit  Dielen  Formalitäten  unb  Untftänben  nerfnüpften 
®efcfjäftes  tjatte  er  ganj  in  meine  £>änbe  gelegt.  Sn  bem 
beutfdjen  (Sintabungsfcfjreiben  bezeichnete  er  biefeä  SSert  als 
fein  gelungenftes,  in  bem  aber  an  ben  franjöfifdjen  £>of 
abgegangenen  l)ief5  es  „l'oeuvre  le  plus  accoinpli,"  bas 
oollenbetfte;  in  fämmtltdjen  ftanb  bie  aii§brüdttct)e  Semerfung, 
bafe  bas  SBerf  audj  als  Oratorium  gebraud)t  werben  Eönne, 
bas  wollte  fjeifjen:  im  (Soncert=3aal. 

9lls  Dtefultat  biefes  Unternehmend  ergaben  fid)  in  allem 
fieben  fubferibirte  (Srnnplare,  fomit  ein  ^Bruttoertrag  oon 
350  Sucaten.  ©ummtrt  mau  jebod)  bie  Gopiatur-Äoften  ju 
je  fed)5äig  (Bulben,  fo  bleibt  ein  unbebeutenber  ©ewinn,  ber 
unmöglid)  als  t)inreid)enbe  öntfdjäbigung  für  gehabte  9)?ürje  mit 
bereu  Gorrectur  —  wobei  ber  s^erfaffer  neun  Monate  t)tnburct) 
mit  trjätig  gewefen  —  gelten  fann.190)  3U  oen  Subfcribenten 
^äfjlten  bie  atlerfjücrjften  §öfe  üon  9tufclanb,  ^reufjen,  Jyranfreid), 


190)  Die  Anzahl  der  subskribierten  Exemplare  auf  die  Missa 
solemnis  in  D  (op.  123)  scheint  doch  nicht  genau  angegeben  zu  sein. 
In  einem  Briefe  des  Meisters  an  B.  Schotts  Söhne  in  Mainz,  geschrieben 
vom  Neffen  am  25.  November  1825  (B.  S.  Br.  No.  1122  im  V.  Bande) 
enthält  die  Pränumerantenliste  diese  zehn  Nummern :  Kaiser  von  Ruß- 


—     341     — 

©acrjfen  unb  £effen=2)armftabt,  ferner  nod)  ber  gürft  9lnton 
9?ab$inrin,  (Souüerneur  non  ^iofen,  unb  ber  ©irector  be§ 
@aeci(ien=33erein§,  ©djelbte,  für  biefeg  Snftitut  ju  grantjitrt 
am  dJtam.  @in  ad)te§  (Sjemptar  überfd)idte  ber  93?eifter  1823 
an  ben  dürften  9?ifotau§  Q3ori§  ©alitjin  nad)  (5t.  Petersburg. 
2)iefe3  (SjempIarS  nnb  beffen,  h>a§  fid)  baran  fnüpft,  mirb  meiter 
unten  auSfürjrlid)  gü  ermähnen  ferjn.  $ur  Stelle  ift  e§  nur  er* 
forber(id)  51t  roiffen,  baf3  fid)  bie  S£otat=©umme  für  bie  fubfcribirte 
9J?effe  im  üOfanufcript  auf  400  $)ucaten  brutto  geftellt  Ijatte. 
2)em  öftreid)ifd)en  §ofe  marb  fein  Antrag  gemadjt,  mo^t 
a6er  bem  dürften  s$au(  (Sftertjaät),  (auf  befonbern  ÜBunfd)  öon 
bem  Verleger  £).  5(rtaria)  ber  $ürft  f)at  ifyn  jebod)  jutücfgc* 
miefen.  Salb  nad)  3ufenbung  be§  (£in(abungs>fd)reiben£>  an  ben 
fürftlidjen  ^unft=9J?aecen  fdjrieb  mir  ^eettjoDen  au§>  ^e^enborf : 
,,©ic  rönnen  fid)  nun  gütigft  um  ben  @rfo(g  einmal  anfragen. 
3d)  5loeifte  an  einem  guten,  ba  icfj  mid)  feiner  guten  2)entung§art 
üou  Unit  gegen  mid)  üerfelje,  roenigftenS  oon  ber  früheren  3ett 
511  fdjliefeen.  3d)  glaube,  bafe  bergleidjen  nur  burd)  SSeiber  bei 
irjm  gelingen."191)   —   50?od)te  fict)  SBeettjoöen  anbei  nid)t  audj 


land,  König  von  Preußen,  König  von  Frankreich,  König  von  Dänemark, 
Kurfürst  von  Sachsen,  Großherzog  von  Darmstadt,  Großherzog  von 
Toskana,  Fürst  Galitzin,  Fürst  Radziwill  und  Cäcilienverein  von  Frank- 
furt. —  Vor  längerer  Zeit  schrieb  in  höchst  liebenswürdiger  Weise  an 
den  Herausgeber  Herr  Bureauchef  Wilh.  Behrend  aus  Kopenhagen 
zunächst  über  die  Beethovenbriefe,  dann  aber  insbesondere  zur  Sub- 
skriptionsfrage ad  Dänemark:  „Ich  habe,  da  ich  meine  große  Illustrierte 
Musikgeschichte  ausarbeitete,  darüber  beim  damaligen  Reichsarchivar 
nachgefragt.  Es  ließ  sich  aber  leider  gar  nicht  feststellen,  ob 
der  König  von  Dänemark  wirklich  unter  den  Subskribenten 
gewesen,  eine  Korrespondenz  war  überhaupt  nicht  zu  finden.  Der 
Reichsarchivar  bezweifelte  die  Sache,  da  der  König  ohne  Mnsikinteresse 
wäre."  Da  Herr  Bureauchef  Behrend  in  dieser  Sache  weiter  forscht, 
können  wir  später  vielleicht  noch  neue  Aufklärungen  empfangen. 

A.  d.  H. 
191)  Vgl.  B.  S.  Br.  No.  936  vom  1.  Juli  1823  (IV.  Band),  siehe  die 
dortigen  Erklärungen  S.  305.  A.  d.  H. 


—     342     — 

ber  ffirftttd)en  ftritif  1808  gu  ©ifenftabi  nad)  S&iffiUjtung  feinet 
erftert  3Dceffc  bafetbft  erinnert  rjabenV 

©ie  erfte  2(nmeibung  auf  ein  Subfcriptions^emptar  f'am 
üom  preufeifdjen  &ofe  burd)  Vermittlung  beö  ronigiidjen  %t- 
fanbten  in  Sßien,  prften  öon  §a$fefl>.  ©aron  fnüpft  fidj 
nadjftefjenber  d)arafteriftifd)e  Vorfall.  2>ie  fönigtictje  (Snt* 
fd)üeBung  warb  bem  9fteifter  burd)  ben  Äan^tei^irector  bei 
®efanbfd)aft,  £mfratt)  SBerntjarb,  überbradjt.102)  Cb  gürft 
£a|felb  sufofge  Auftrages  au§  83er(in,  ober  au§  eigenem  an- 
triebe gefprodjen,  mufj  baf)in  geftettt  bleiben,  genug,  ber  £>of= 
rattj  fteüte  im  9camen  be§  dürften  an  ben  Stonbidrter  bie  ,"yrage: 
ob  er  nicfjt  geneigt  märe,  einen  rönigticfjen  Crben  ben  50  Sucaten 
oor^ugietjeny  Unbermeiü  antmortete  Veettjoben:  gfünföig  2)ucaten! 
©er  arme,  fd)toer  bebrängte  ÜWeifter  mar  be§  baaren  ©elbeS  )0 
fefjr  bebürftig,  unb  man  offerirte  iljm  ein  DrbenSbanb  auf  bm 
Siotf!  Sd)  mar  ßeuge  biefes  SJorfattS.  Arnim  tjatte  ber  ®anglei= 
©irector  ba$  gimmer  oeriaffen,  afö  ber  aufgeregte  Veettjoneu 
fid)  in  fart'aftifdjen  93emertungen  über  bat  Sagen  nad)  Drbens  = 
bänbern  tierfdjiebener  3e^9enoffen  vMsfy,  bie  nad)  feinem 
2>afürrja(ten  meiftens  auf  Soften  ber  öeiligteit  ber  ftunft  er= 
obert  fernen.  SSenn  mir  aber  im  ®egenfa§e  51t  biefen  Porten 
um  brei  Satjre  fpäter  au§  bes  9Jceifter§  ßufdjrift  an  Sßegeler 
(7.  Dctober  1826)  erfahren,  ba$  irjm  eine  ©ecoration  „in  biefetu 
Zeitalter  nidjt  unlieb  märe",  fo  finbet  biefe  geänberte  ?(nfid)t 
lebiglid)  ifjren  ®tunb  in  beftänbiger  Slnreigung  burd)  ftarl 
§ol§  unb  ben  bamats  in  Sßien  fid)  aufrjaitenben  Dr.  Spiefer 
au§  Serlin,  metd)e  beibe  e§  oerftanben,  —  nad)  3eu9n^B  oer 
(ionuerfation3=§efte  —  feinen  fonft  fo  feften  Sinn  gu  oerbrerjen. 

ÜJttt  bem  (Sinlabung^fdjreiben  an  ben  groBtjer^ogtidjen  §of 
in  Weimar  tief}  Veetrjoben  jugleid)  einen  örief  an  ©oetrje  ah- 
gerjen,   barin   ber  9((tmeifter  um   Vermenbung  in  biefer  Sub= 

192)  Das  Nähere  ist  dargestellt  in  des  Herausgebers  Buche 
„Beethoven  und  Berlin",  im  letzten  Autsatze:  „Beethoven  und  der 
preußische  Königshof'S  besonders  S.  335 ff,  A.  d.  H. 


—     343     — 

fcription^Hngetegenfjeit  erfudjt  toaxb.  Mein,  roeber  biefer  §of 
nod)  fein  Sftinifter  rjaben  ben  fjctrrenben  Stonbidjter  mit  einer 
(Srmiberung  beetjrt.  (Sin  ät)nlid)e§  (Schreiben  um  Sßerroenbung 
am  fönigt.  frangöfifdjen  §ofe  fjatte  SBeetrjoüen  au  (Sfjerubini 
gerichtet.  5tud)  bon  biefem  öerefjrten  Äunftbruber  erfolgte  feine 
©rmibernng.  ©er  ^ßarifer  ÜÄeifter  fprad)  aber  1841  baZ  leb- 
tjafte  iBebauern  gegen  midj  au§,  biefe  gufcfjrift  ntdjt  ermatten 
ju  rjaben.*)  —  ®er  (Sintabung  an  ben  fdjroebifcfjen  §of  legte 
53eetf)ooen  ein  ferjr  forgfam  abgefaßtes  Schreiben  an  ben  ®önig 
(Sart  XIV.  Sorjann  bei,  barin  in  parier  SKeife  früherer  Stage 
gebadjt  mar.  ^ebod)  auctj  üon  bort  fam  {einerlei  ©rroiberung. 
Snterefjant  aber  mar  bei  biefer  ©etegenrjeit  be3  9J?eifter§  SRütf^ 
erinnerung  an  ben  perföntidjen  SBetfetjr  mit  bem  norbifd)en 
SJtonardien  als  einftigen  ©efanbten  ber  fran^öfifdjen  ^Republit; 
in  Sßien  unb  bie  uon  ibjm  —  bem  ©eneral  Söernabotte  — 
jjuerft  ausgegangene  Sbee:  ben  größten  $etbf)errn  ber  ^eit  unb 
erften  (Eonfut  ber  fraitäöfifdjen  9Repubüf  in  einem  Xonmerfe  51t 
feiern.    Sortier  alfo  ber  Smüutä  gur  Sinfonia  eroiea.193) 

Sogar  an  fetter,  ben  ©irector  ber  ^önigt.  ©ingafabemte 
in  ^Berlin,  fjatte  fid)  23eeti)oüen  in  biefer  ©ubfcriptionS=@ad)c 
briefüd)  gemenbet,  mal  ben  S)rang  ber  $8erf)ättniffe  ganj  be= 
fonberS  ju  be^eieb^nen  oermag.  3)enn  3efter  gehörte  bei  unferm 
gortfdyrittSmann  51t  b^n  „alten  beutfcfjen  SReidj^Gomponiften," 
bie  er  gar  nidjt  gu  tiebfofen  pflegte.  Sn  ber  (Srroiberuug  auf 
ben  43eeü)ooen'fd)en  Eintrag  00m  22.  ^ebruar  1823  madjt 
ßelter  aufmertfam,  baß  in  bem  Oon  ifym  geleiteten  Smftitute 
nur  SBerfe  a  capella  (ofjne  Snftmmental=S5egteitung  nämtid)) 
geübt  roerben  unb  münfdjt,  baß  i>a§>  für  biefe  51fabemie  beftimmte 


*)  ®a3  Sonceöt  biefe»  33riefe§  üon  Sket§oüen'<§  §anb  bewahrt  bie 
fönigl.  Sibliotbef.  in  SBevitu.  9iad)  bemfelben  mivb  e$  mottgetmi  in  bm 
©rgiinjungen  mitgeteilt. 

193)  Beethovens  Briefe  an  die  königl.  Musikakademie  und  an 
den  König  von  Schweden  sind  seitdem  veröffentlicht  worden;  siehe 
B.  S.  Br.  No.  877  und  878  nebst  Erklärungen  (IV.  Banrl).     A.  d.  H. 


—     344     — 

(Sjemplar  gteicf)  fo  eingerichtet  roerbe,  inbem  Sßeetrjooen  bereit» 
bemerft  t)abe,  bafj  bie  Missa  beinatje  burd)  bie  ©ingftimmen 
allein  aufgeführt  merben  fönnte.  —  Unterm  25.  2)Mr§  fdjreibt 

ber  SSiener   an   ben  berliner  roieber:    „ 3d)   tjabe  nod) 

genau  nad)gebad)t  über  3t»ren  SBorfdjfag  für  Sfjre  ©ingafabemie, 
follte  biefetbe  einmal  im  ©tief)  erfdjeinen,  [?!]  fo  fcfjicfe  idj 
3f)nen  ein  6;remplar  orjne  etroaS  bafür  51t  nehmen,  geroife  ift, 
bafe  fie  beinahe  gang  a  capella  aufgeführt  merben  fönnte,  ba3 
©ange  müfete  aber  bodj  rjiergu  nod)  eine  Bearbeitung  finben 
unb  oietfeicfjt  fyabm  ©ie  bie  ©ebulb  fjiegu.  —  UebrigenS  fommt 
of)nef)in  ein  ©tüd  gang  a  capella  bei  biefem  SÖerfe  öor,  unb 
möcfjte  id)  gerabe  biefen  ©tt)l  tiorgug§meife  ben  einzigen  roabjren 
ftircfjenftrjt  nennen."  —  3>amit  roirb  mof)f  ba%  Kyrie  gemeint 
fenn.  Ueberfjaupt  fegt  ber  äWeifter  in  biefen  2Sorten  eine 
©etbftfritif  über  fein  323er!  ju  Sag,  bie  fjöcrjlid)  $u  beadjten 
ift.  S)ie§  fäfet  bie  SSeröffenttidjung  biefer  Gorrefponbeng  at§ 
uorgugSmeife  intereffant  erfdjeinen.394) 

inmitten  ber  großen  ©orgniffe  über  ben  Ausgang  biefes 
Unternehmens  erfdnen  pföijfid)  ein  geflügelter  53ote  t>om  fönig= 
liefen  |>ofe  au§  $ari§  unb  überbradjte  bem  befümmerten 
9#eifter  baS  Diefultat  feinet  ßinlabungsf djreiben»  an  Submig 
ben  adjt^eljnten.  £)er  erfte  ftämmerer  beö  Äönig§,  £>ergog 
b'2fcf)ät<§,  melbete  in  ben  fd)metct)e(f)afteften  Slusbrüden,  baj$ 
©e.  sD?ajeftät  bem  Slünftter  eine  golbene  SDcebaitle  mit  ifjrem 
Öruftbilbe  a(§  ©ubferiptionspreis  für  bie  Missa  gu  öeretyren 
geruht  fjabe.  2)iefe§  Glj)rengefd)enE  f)atte  ein  ©emid)t  uon 
21  Ssb'or.  unb  trug  auf  ber  3foer§=@eite  bie  önfdjrift: 
.,Donne  par  le  Koi  ä  Monsieur  Beethoven."  ©3  mar  bie* 
eine  ^lusgeicfmung,  mie  bem  93?eifter  in  feinem  gangen  Seben 
feine  bebeutungsuotiere  511  Sbeil  geworben.  ©0  läßt  fid)  er* 
ratfjen,   beiß  fie  nid)t   üerfeljlen   fonnte,   in  bem  föünftler   baZ 

■  194)  Vgl.  diese  Briefe  in  B.  S.  Br.  No.  776,  870,  883  (IV.  Band); 
dazu  den  Aufsatz  ..Beethoven  und  Zelter"  in  „Beethoven  und  Berlin", 
1908,  S.  226  ff.  A.  d.  H. 


—     345     — 

SSemufjtfeon  fetner  ©röfje  ju  ermeden  unb  iljn  Ejocf»  empor* 
äuricfjten.  21ber  e§  tonnte  foldje  Slu^eidmung  auch,  anberer= 
feit§  nid)t  verfehlen,  ba£  Sßerljalten  be§  SSiener  §ofe§  gegen 
ben  9fteifter  mit  bem  ^Barifer  in  parallele  $u  ftellen,  unb  über* 
tjaupt  ba$  faft  gängtidje  Sgnoriren  aller  Sntereffen  oon  ®unft 
unb  SBiffenfrfjaft  fettend  be<o  faifert.  .£ofe3  unb  ber  @taat3- 
oermattung  einer  fdjarfen  Äritil  5U  unterbieten.195)  Senn  in 
jenen  Xagen,  unb  nod)  lange  barüber  rjinauö,  mar  ber  öftreid)ifd)e 
©taat  ttjeibo  eine  blofee  9ied)t§anftalt,  tfyeitg  eine  grofee  (Saferne. 
S)en  Seitern  fehlte  ber  richtige  ^Begriff  Dorn  (Staate,  fte 
mußten  nid)t,  bafe  berfelbe  bie  Aufgabe  Ijat,  geiftige  unb  fact)- 
lid)e  ßroede,  überhaupt  vernünftige  3roecfe  oer  ©taatSan* 
gehörigen,  unmittelbar  §u  förbern;  nod)  meniger  mußten  fie, 
bafe  $unft,  mie  SStffenfdjaft,  §u  ben  ebetfteu  Stützen  nationalen 
@eifte§  gehören,  unb  forgfamen  ©djufceS  oon  oben  gum  @e= 
beitjen  verlangen. 

©o  mären  mir  bei  bem  mistigen  (Eapitel  ©taatäpolitif 
angelangt,  ©g  foEC  um§  nun  §u  aUernädjft  befcfjäftigen,  um 
bamit  gum  Slbfctjlufj  gu  tommen.  33eett)oüen'so  politifdje  Sin* 
fidjten  mürben  im  Verlaufe  feiner  ßebenSgeit  unb  aucfj  nad) 
feinem  Xobe  oon  berfcfjiebenen  ©ct)riftftettem  fo  üerfdjieben  unb 
au3einanberget)enb  beurteilt,  bafe  allein  fdjon  rjierin  bie  2tuf= 
forberung  liegt,  mit  einer  offenen  nnb  au3fütjrlid)en  3luf= 
flärung  biefer  Singe  fjeröotptreten,  läge  biefe  nid)t  sugtetd)  in 
ber  Iftotraenbigt'eit,  mancher  nod)  fommenben  ©rjdjeinung  bie 
fixere  Safiö  gu  geben.  (Sine  folcfje  Slufflärung  rjatte  mein 
Sftanufcript  gut  erften  Hingabe  biefer  ©djrtft  enthalten,  mürbe 
jebodj  Oon  Dr.  Söact)  au§  SBeforgnifi  für  mid),  nid)t  minber 
für  itjn   f eiber,  geftridjen.     Saburd)  mürbe  in  bie  ©efammt* 


195)  Die  Briefe,  die  Gerhard  von  Breuning  im  Original  wie  auch 
in  Kopie  verwahrte,  die  mit  dieser  Ehrung  von  seilen  Frankreichs 
zusammenhängen  und  von  besonderem  Interesse  für  die  ganze  Art  der 
Ehrung  sind,  enthält  der  Neudruck  „Aus  dem  Schwarzspanierhause" 
1907,  S.  140 ff.  A.  d.  H. 


-     346     — 

barfteünng  bie  empfinbüdjfte  £üde  gebracht,  bie  am  menigfteu 
itnferm  lonbicrjter  frommen  tonnte,  bcnn  de  mortuis  nil  nisi 
vere.  QaZ  genüge  Deftreict)  ift  aber  gotttob  ein  gan?5  anberes, 
afö  eS  in  33eett)oöen'3  Se&enSjaljren  getuefen.  @§  mirb  bafjev 
tooljl  nicfjt  meljr  üerpönt  fetjn,  freimütig  auSgufagen,  toaS  ber 
®efd)id)te  im  Mgemeinen  angehört  imb  fpeciett  in  25eetr)otien'3 
Seben3gefd)id)te  mit  l)ineinfüngt.  §ätte  Dr.  23ad)  aljnen  tonnen, 
baft  bie  geit  $u  DeftreidjS  ftaattidjer  Umgestaltung  eine  nid)t 
met)r  ju  ferne,  ja,  ba^  fogar  ein  Sfteffe  Oon  ibjn  in  boijer 
Stellung  befonbern  ?(ntt)etf  baran  31t  nehmen  berufen  fettn 
luerbe,  er  tjätte  in  feiner  mitftcrtjaften  ©rabfinnigfeit  btö  Diott^ 
ftift  gerabe  bei  biefem  gragepuncre  nid)t  angeloenbet.190)  allein, 
gteid)  Xanfenben  matjrtjaft  patriotifd)er  (Staatsbürger  tjatte  aud) 
er  an  ©efferung  ber  poütifdjen  ^erbjäitniffe  unb  ßuftänbe  (ängft 
oer^oeifett.  Sie  unerbittüdje  s^ar§e  jerfdjnitt  feinen  Seben^ 
faben  1847,  beinahe  unmittelbar  oor  Eintritt  be§  tängft  er= 
feinten  9J?orgenttd)te§  über  Deftreid)§  Götter. 

SSenn   ber  ©a£   practifdje   SBabjrbjeit   enthält,    ba^   jebe 
gefd)id)t(id)e  s$erfon   au3   it)rer  $t\t  f)erau§  begriffen 


19G)  Es  ist  nickt  recht  einleuchtend,  welchen  Bach  hiev 
Schindler  im  Sinne  hat.  Wir  erwähnen  den  österreichischen  Staats- 
mann Alexander  Freiherrn  von  Bach,  der  1813  geboren  ist  und  1893 
in  Unterwaltersdorf  bei  Wiener-Neustadt  gestorben  ist.  Er  übernahm 
1842  die  Advokatur  seines  Vaters  und  ward  selbst  einer  der  an- 
gesehensten Advokaten  Wiens.  In  den  Märztagen  1848  trat  er  in  die 
politische  Bewegung  ein.  Im  Ministerium  Wessenberg-Dahlhoff  ward 
er  Justizminister.  Das  gleiche  Amt  versah  er  im  Kabinett  Schwarzen- 
berg,  dann  war  er  Minister  des  Innern.  Dieser  Bach,  als  Mann  der 
offenbaren  Reaktion,  hatte  natürlich  nichts  mehr  mit  den  Wegen 
Beethovens  gemein.  Der  Unwille  über  den  Polizeidruck,  die  Ver- 
hinderung jeder  freien  Meinungsäußerung  ward  immer  größer;  die 
nach  Ungarn  entsandten  österreichischen  Beamten  nannte  man  be- 
zeichnenderweise „Bachhusarenu.  Im  Jahre  1859  ward  sein  Rücktritt 
herbeigeführt.  Er  wurde  Gesandter  beim  Päpstlichen  Stuhl  und  trat 
1857  in  den  Ruhestand.  —  Beethovenschen  Geist  scheint  er  nicht  gerade 
verraten  zu  haben.  A.  d.  H. 


—     347     — 

nnb  bargefteüt  merben  foll,  unb  oljne  ein  Unredjt  an 
it)r  %u  begeben,  fein  Urttjeü  barüber  gefällt  merben 
öarf,  raaslfie  unter  gang  anbern  SSerrjättniffen  gettjan, 
Äield)e  Stellung  fie  gegen  f)üt)ere  nnb  t)öd)fte  ?lutori= 
töten  eingenommen  tjaben  mürbe,  fo  finbet  er  and)  3ln= 
menbung  auf  unfern  SKeifter  in  Kuubgebung  feiner  potitifd)en 
©efimtungen  in  geraber  SRidjtung  jur  üftreictjifdjeu  ©taatäjjoltttf. 
S)ie  über  ^Beettjooen  aU  Sßolittfer  oeröffenttidjten  Urteile 
(aufeit  faft  atfe  barauf  f)inau§,  itjn  unter  bie  Qafy  ber  fo= 
genannten  fyarmlofeu  Kannegießer  §u  fteflen,  bie  nur  irgenb  ein 
©tidjmort  brauchen,  um  fogteict)  itjrem  ©ränge  freien  Sauf  51t 
(äffen.  3)ic  bergteidjen  aufgejagt,  maren  (auter  $rembe,  meldjc 
bie  in  Oeftreid)  rjerrfdjenben  ßuftänbe  oiet  51t  menig,  ©efittung 
aber  unb  ^öilbung^uftanb  beö  $olfe§,  üornelmilid)  in  beu 
grof3en  Stäbten,  gar  nid)t  gerannt  tjaben.  @6en  fo  menig 
fannteu  fte  23eetl)OOeu  oon  biefer  ©eite  unb  urttjeUten  frifdjroeg 
über  ba%  bei  ein=  ober  mehrmaligem  flud)tigem  ßnfammens 
treffen  auä  feinem  SÜcuube  Vernommene.  216er  unfer  SDtofter 
befafe  Mugtjeit  genug  unb  oerftaub  feine  gerjeimfteu  ©ebanten 
öor  gremben  redjt  motjt  31t  referoiren;  tonnten  fte  bodj  otjne 
fpecielte  ftenntnif}  ber  3)inge  ^iemanbeu  Oerftänblid)  merben. 
^aß  jebodj  in  feinen  Dkifonnements  9)cett)obe  gemefen,  tjaben 
nur  menige  Ocrfannt.  9£ic  tjätte  bieg  nid)t  fetjn  füllen  bei 
einem  äJtannc,  ber  fid)  mit  ber  (Staaten^  unb  Vötfergefdjidjte 
—   üorjugsmeife   ber  Otiten  —   fo   giemtidj  oertraut    gemacht 

^atte  y 

©reifen  mir  au$  ber  SDcenge  foldjer  Seurttjeitungen  nur 
brei  §erau£,  meit  fte  auS  befannten  nnb  gead)teten  gebern 
geff  offen.  Dr.  295.  G.  Wlüthx,  Segrünber  ber  @efetlfdjaft3= 
ßoncerte  in  Bremen,  ©rfinber  be§  §armonicon§,  SSerfaffer  ber 
intereffantcn  Sdjrift:  „?leftr;etifd)=t)iftorifdje  Einleitungen  in  bie 
Söiffenfctjafteu  ber  Xonlunft,"  unb  anberer  ©djriften  nod), 
befudjte  unfern  9)£eifter  1820  auf  feiner  Steife  uadj  Stauen 
ju   äfföbttng.    Sit  feinem  thjffatje   „(Stnxtö   über   Submig  ban 


—     348     — 

93eett)oüen"  in  ber  Mg.  äRiif.  ßtg.  uon  1827  ftnbet  ftc^ 
fotgenbe  ©teile:  „tiefer  Sinn  einer  mettbürgerüdjen  ^reifyeit 
unb  biefe  Schonung  3(nberet  (beäügtid)  auf  feine  öfonomifdjen 
$erljcütniffe)  mocrjte  rooljt  Urfadje  fetjn,  baß  er  in  Speifeljäufern 
ftetö  ba§  angefponnene  ©efpräd)  fortführte  unb  frei  unb  un= 
befangen  über  2(üeg,  aud)  über  bie  Regierung,  über  bie  ^oli^et, 
über  bie  Sitten  ber  (Großen,  fritifd)  ober  fattjrifcf)  fid)  auSfpracfj. 
Sie  ^otijei  raupte  e§;  aber  man  tiefe  it)n,  fet)  e§  nun  afö 
einen  ^t)antaften,  ober  auS  Strfjtung  für  fein  glängenbes  ShmfU 
genie,  in  9tut)e.  Xarum  mar  aud)  feine  Meinung  unb  ©e= 
fjauptung:  nirgenb3  tonne  man  freier  reben,  a(§  in  SSSien. 
©ein  Sbeat  einer  ^erfaffung  mar  jebodj  bie  Sngttfdje." 

griebrirf)  9?orf)tit3  faf)  23eet()ouen  im  Sommer  1822 
breimal.  33ei  5meien  biefer  .ßufammenfünfte  mar  id)  anmefenb. 
2(u3  feinen,  in  einigen  ^Briefen  mitgetfjeüten,  Srlebniffen  mit 
unferm  93ceifter,  abgebrudt  im  ^ormorte  jur  2(üg.  ÜJ?uf.  3*9- 
1828,  mie  and)  in  feinem  SBudje  „$ür  5'reu»oe  ber  ^onfunft", 
fet)  9?ad)ftet)enbey  entnommen:  „(Sein  ganzes  9teben  unb  Sfyuu 
mar  eine  ftette  öon  (5igenr)eiten,  unb  511m  SitjeU  rjöcfjft  munber= 
üd)en.  2(u§  allen  teudjtete  aber  eine  maljrljait  finbttcbe 
©utmütfjigfeit,  Sorgtofigfeit,  3utrautid)feit  gegen  $lüe,  bie  it)m 
nai)e  tarnen,  fjeruor.  Selbft  feine  feifenben  Kraben  —  tt>ie 
jene  gegen  bie  jetzigen  SSiener  —  finb  nur  Gjptofionen  ber 
^fyantafie  unb  augenbüdüdjen  Aufgeregtheit.  Sie  merben  oljne 
allen  £)od)mutt),  otjne  altes  (Erbitterte  ober  Gkfyaffige  ber 
©efiunung  —  fie  tnerben  mit  teidjtem  Sinne,  gutem  Sttfutlje, 
in  t)umoriftifd)er  Saune  Ijerausgepottert ;  unb  bamit  ift's 
au3."  —  2)a§  Reifet  bod)  noüt'ommene  Unfertntmf}  be§  £errain£ 
unb  ber  ^erfon!    Unb  9tod)li§  55eetb,oDeu'ö  ÜBiograpt)  ? ! 

liefen  üon  gremben  ausgegangenen  Urttjeiten  fet)  nun 
ein  SSiener  jur  Seite  gefteüt.  Set)frieb  brüdt  fid) 
über  biefen  gragepunct  in  „Seetfyoüens  Stubien"  alfo  am: 
„SefonberS  gern  fpradj  er  im  trautid)en  3^r^e^  "6er  potitifd)e 
©egenftänbc    fid)    au§>,    mit    fo(d)'    Ijetlem    Überbtid,    rid)tiger 


—     349     — 

Stuffaffung  unb  tiaxtx  Slnfidjt,  mie  mau  e§  bem,  nur  in 
unb  für  feine  Äunft  (ebenben  biplomattfcrjen  ^rofelnten  nimmer* 
mefjr  zugetraut  Ijätte."  —  28ofj(  gemerft,  ba$  biefe£  3eu9n^ 
Don  fefyr  lange  prüd  batirt,  benn  feit  bem  Safjre  1806  (jatte 
aller  perfönüd)e  Söerfet)r  jroifdjen  Seetrjooen  unb  ©enfrteb  auf= 
gehört.  (üftäfjereS  barüber  in  bem  (Srgän^ung^auffa^e  „Q3eet= 
rjouen'3  ©tubien.") 

Leiter  über  biefen  ©egenftaub  au^urjolen  njirb  überfttiffig 
jetin;  barum  merbe  er  nad)  beftem  SBiffen  unb  ©eroijfen  ofme 
9Inroenbung  biatectifdier  ftunft  gu  teictjt  überfid)ttid)er  £)ar* 
fteüung  gebracht. 

3)ie  Semeggrünbe,  me(d)e  unfern  33eett)otien  beftimmeu 
tonnten,  ein  confequenter  ©egner  ber  öftreicfjifcfjen  ©taat§tiotitit, 
ber  Regierung,  raie  aud)  bes  faifertidjen  £mfe3  51t  fetin,  (äffen 
fid)  in  fotgenbe  s$uncte  ^ufammenfaffen : 

A.  'Sie  9ied)t§tiflege,  tiornefjmtid)  bei  beu  Unter* 
gerieten,  ©eine  eigenen  ^roceffe  boten  öietfättigen  ©toff  5U 
Beobachtungen  unb  ftägtidjen  (Srfarjrungen.  Sßiüfür  unb 
93efted)tid)feit,  teuere  in^befonbere  nacfj  türtifd)em  Stfafse  bei  ben 
$atrimoniat=@erid)ten  auf  bem  Sanbe,  mo  bie  Snftig  tjäuftg 
bto£  Oon  Deconomie=25eamten  o(jne  juriftifdje  ©tubien  ausgeübt 
morben,  maren  burd)  uralte  93räud)e  g(eid)fam  fanctionirt. 
2)er  ungerjeuertidje  SSirrfat  „®erid)t§orbnung"  benannt,  t)atte 
ben  9?id)tern  5U  9ftif$braud}  it)rer  ?(mtsgema(t,  ben  Stbüocaten 
aber  ^u  jeber  Strt  gegenfeitiger  ^eration  auf  Soften  ber  Parteien 
£{jfir  unb  £rjor  offen  getaffen. 

B.  Sie  ^5  0  ü  5  e  i  roegen  mafelofer  Überfdjreitung  iljrer 
orjnerjtn  meitauSgeberjnten  Befugniffe.  ©ie  mar  nicfjt  bto§ 
©idjerrjeitöberjbrbe  im  allgemeinen  QSerftanbe,  mie  in  anberen 
©taaten,  es  maren  tfjr  aud)  nod)  bie  9(mt3t)anbtungen  ber  in 
anbern  Sänbem  befteljenben  $rieben3gerid)te  übermiefen,  moburd) 
beroirft  morben,  bafj  bie  Hnmafmngen  feitenö  biefer  Söerjörbe 
in  großen  ©täbten  feine  ©rängen  gerannt,  ^untat  ben  Unter* 
beamten  ein  meiter  2$irrung§h*ei§  eingeräumt  mar,  in  raeldjent 


—     350     — 

fie  äBittfürtidjfeiten  unb  perfönlidjc  ©elfifte  jeglicher  8Crt  uev= 
üben  burften,  für  bie  e§  feinen  92id)ter  gegeben,  meil  Sftiemanb 
geraagt  als  Kläger  aufzutreten.  9cid)t  fetten  mußte  bie  oberitc 
Suftt5fteKe  ber  ^oti^ei  gauin  nnb  @ebiß  anlegen. 

C.  £)as>  in  allen  ©taatSämtern  meift  in  raupen  formen 
fidj  gettenb  maetjenbe  burcau  fra  tif  die  3Befcn.  Sein 
Gcinffufj  mußte  allenthalben  um  fo  brüdenber  nrirfett,  als 
fä'mmtlidjen  ^Beamten  ber  redjte  ^Begriff  Don  Humanität  unb 
©taatc-bürgcrtrjum  gemangelt  unb  fie  nur  getjordjen  fotlenbc 
Untertanen  rannten,  ©o  nutzte  e»  tommen,  baß  ein  uou 
Regier  ungSbet)örben  ausgegangener  9(ct  mie  ein  ©nabenaci 
erteilt  morben,  bennod)  tjäufig  baar  be^arjlt  merben  mußte. 

I).  Sie  2)emoralifatiou  in  ber  9lriftofra  tie. 
jföeil  biefe  ,,©elb,  \a  tuet  ©etb  unter  bie  Seute  foinmen  tief?," 
bie  t)öd)ften  £)of=  unb  ©raatSämter  berleibete,  mittjin  nad)  uer= 
fdjiebenen  ©eiten  fjin  einflußreid),  ober  be5eid)nenber,  mäcfjtig 
mar,  fo  burfte  fie  fid)  ungefdjeut  ben  rofjeften  2tu3fct)meifungen 
überlaffen.  SBarjrfjeitSgetreu  barf  gefagt  merbeu,  ha^  feit  bem 
SSiener  (Songreffe  3uc§t  unb  ©Ute  au%  ben  oberften  ©täuben 
in  ber  ß'aiferftabt  oerfdjmunben  roaren.*)  333ie  e§  gefommen, 
ba$  biy  §u  biefem  geitpunet  in  ben  oberften  9iangftufen  be§ 
5lbet3  llnterridjt  unb  Orgierjuiig,  innere  unb  äußere  Söitbung  — 
gegen  fünf^etjn  ^atjre  gurücf,  mie  gegen  ©übe  ber  erften  s^eriobe 
gezeigt  morben  —  aus  bem  ©leidjgenridjte  geraten,  fann  für 
uns  nidjt  ©egenftanb  ber  Unterfudjung  merben.  ©od)  bürfte 
gu  einiger  ©ntfdjulbigung  beS  beutfdHftreid)ifd)en  Wbdv  bie 
3.\k-ir)rnef)mung  gegrünbet  fetin,  baf?  ber  f)ot)e  @rab  oon  @nfc= 
fittlidjung  in  biefer  Glaffe  gumeift  bitrd)  ben  reidjen,  menig 
gebilbeten,  in  beinahe  orientalifdjen  ©itten  5U  leben  gemorsten 
?tbel  ber  öftlidien  Sänber  ber  9J?onard)ie  eingefdjleptit  morben. 
2)a§  müßige  Seben  biefer  „Gatialiere,"  00m  3e^Qeift  unb  fatfdjer 

*)  Stuf  bie  emgeriffeue  Stttenloftgfeit  fjat  6ereit§  ber  Siener  Referent 
bev  3lflg.  9)fuf.  3tg.  1817  aufmerffam  gemadjt,  wie  ©.  299  u.  ff.  angeführt 
morben. 


—     351     — 

Sluffaffung  beö  2lbelsbegriff£  faft  bebingt,  Don  ben  lodern 
Sitten  aller  s$olf3fd)id)ten  nod)  begünftigt,  tonnte  im  natjen 
SBerfefjr  mit  bem  beutfdjeu  9lbet3=(£temente  nid)t  anberS  al£ 
oerberbenb  auf  baffelbe  einroirren,  uneradjtet  baö  SlYiifertjaug 
felber  immerhin  baö  mufterfjaftefte  Seifpiet  aud)  in  äußern 
Xugenben  gegeben  &,atte.  ÜJftt  poli^eilid)en  Stfafcregetn  maren 
biefe  fjodjftetjenben  äkrbredjer  au  ber  öffenttidjen  Sittlidjieit 
ntdjt  gu  erreichen,*)  beim  ba  fjiefj  eö:  Dat  veniam  corvis.197) 
Seit  bem  äBiener  (Songreffe  ftanb  Sarj^etjenbe  tjinbuid)  bie 
23?aitreffen=SSirt^fd)aft  bort  im  fdjönften  glor,  batjer  faft  9tiemanb 
$u  einer  23ebienftung  bei  £>ofe  ober  in  ©taatSämtern  gelangen 
tonnte,  ber  e3  oerfdjmätjte,  fiel)  burd)  eine  lange  9ieilje  mad)t= 
fjaberifcljer  Jpetaren  ben  2öeg  &u  ben  ©fceEenjen  unb  SDurcr)* 
laugten  gebatjut  gu  Ijaben.  —  9Jian  beule  fid)  einen  fo  ftrengen 
(£ato,  mie  53eett)oüen  im  Sßuncte  ber  Sittlid)feit  fortan  geluefen, 
in  ber  9?ätje  fo  abfdjeutidjer  3uf*aiibe. 

E.  3)ie  öffentlichen  51  ubi engen  be3  ftaiferS.  23eett)OOen 
nannte  fie:  „öffenttidie  £änfd)ungen."  2ln  jeber  9J(ittro.od)e  b<i\\ 
SBinter  t)inburd)  fonnten  200  6iS  300  Sittftelter  ans  allen 
Glaffen  baS  ®lüd  genießen,  it)re  ($efudje  unmittelbar  in  bie 
£mnbe  be<5  ®aifer§  311  legen,  Selbftoerftänblid)  tonnte  bei  foldjer 
^In^at)!  53ittenber  {einerlei  $erl)anbtung  über  jebeS  einzelne  Statt 
finben,  biefe  mürben  uietmetjr  ben  guftänbigen  ©teilen  jur  Unter* 
fudjung  unb  23erid)terftattung  übermiefen  unb  ben  Beamten 
baburd)  brüdenbe  Saften  aufgebürbet.  2)af}  nur  im  feltenfteu 
gatle  etmaS  erfprie>3licf)eö  für  btn  Söittfteller  —  auö  Sttjrol, 
aus  Sööljmen,  oielteidjt  gar  au§  Siebenbürgen  batjer  gebogen  — 
l)erau§gefommen,  begreift  fid)  leidjt.    £)iefe  öffenttid)en  Slubien^en 


*)  9?ur  einer  marb  au3  ber  SJienge  fjerauggegriffen  unb  üor  ©ericfjt 
gefteüt:  Surft  fcaunu)=9iittberg.  (£r  würbe  au£  ben  öftreietj.  Staaten  für 
immer  üerbannt. 

197)  Der  Juvenalsche  Vers  lautet  vollständig:  „Dat  veniam  corvis, 
vexat  censura  columbas."  (Verzeihung  erlangeu  die  Raben,  ewige  Qual 
den  Tauben.)  A.  d.  H. 


—     352     — 

(im  53eifet)n  einer  ^Ingatjt  ©arbiften)  batiren  aus  ber  patriae 
d)atifd)eu  3eit  Ceftreidjs,  itnb  mögen  bamals,  tno  bie  5Ked)ts= 
öertjättntffe  nod)  im  Sßerben  begriffen  unb  potitifd)e  Gefinnuug 
im  SBotfe  ein  ungenannter  £erminus  getoefen,  roorjlttjätig  auf 
ba$  grofje  ©an^e  eingemirft  rjaben.  Stein  ©emofrat  magte  nod) 
§u  rütteln  an  bem  Droit  divin  bes  Äaifers,  bas  mofyl  fein  Jürft 
perföntidjer  genommen,  als  gerabe  ^ranj.  2)arum  allein  fdjou 
bie  bemofratifdje  ©eftnnuug,  (trenn  ber  ^olijei  berannt,)  als 
poiitifcrjer  Ungerjorfam  öermerft  morben  unb  ber  aüertjötfjften 
^erfou  nidjt  narjen  burfte.  gür  biefe  gab  es  feine  ^ubienjen, 
fonft  aber  für  bie  geringfügigen  2)inge  unb  ?(lmofenöettetei. 
SÖeettjoüen  geriete)  in  Aufregung,  roenn  er  fid)  ben  $ad  bad)te, 
als  ©uppticant  in  einer  foldjen  sXubien^  figuriren  31t  muffen, 
ba  \a  notorifd),  mie  fetjr  ber  Äaifer  Genialität  nÜBad)te  unb 
nur  ben  „braud)bareu  9J?anu"  beUor^uge. 

F.  £>ie  &argt)eit  bes  faifertidjen  £mfes  in  ilnterftütjiutg 
oon  Äünften  unb  333iffenfd)aften,  refpectiüe  oollftänbige 
üftid)tbead)tung  alles  auBertjalb  ber  Äaiferburg  95eftet)enbeu. 
Sßas  aud)  2lnerfennensmertrjes  in  ©adjen  ber  äftuftf  —  jebocfy 
lebiglid)  jur  Unterhaltung  bes  .«pofes  —  in  früheren  Sauren 
gefd)et)en,  mar  mit  bem  Ableben  ber  feiten  ©ematjtin  bes 
ftaifers  gfratts,  bie  mir  in  ber  erfteu  ^Seriobe  als  ©efangs= 
fünftterin  fennen  gelernt,  erlofdjen.  SOiit  bem  Xobesjalire  biefer 
ftaiferin  (1807)  tjat  bie  buret)  beinaüje  jmei  Satyrrjunberte 
ununterbrodjene  9tot)e  benfroürbiger  (Sreigniffe  im  großen  ©trjl 
in  Sacfjen  ber  Stonfunft  (unb  itjre  forgfame  Pflege  am  -throne 
fetber)  am  faifertidjen  §ofe  it)r  Gnbe  erreidjt.  ©eitbem  erfdjien 
$oit)t)t)mnia  bort  nur  als  Bettlerin  bei  Gelegenheit  uon 
(Soncerten.  iHufjer  bem  lärgrjersog  SKubolpt)  menbeten  bie  anbern 
rjotjen  ©lieber  bes  Staifertjaufes  ber  §et)ren  ben  Ütüden  §u, 
benn  bafe  einzelne  barunter  eine  fleiue  2ln$al)t  (ioncert=53iüette 
äu  fjonoriren  pflegten,  aud)  ßoncerte  befugten,  motlte  bod)  gar 
gu  tuenig  bebeuten.  3)er  Äaifer  fetber  cultioirte  bas  Guartett* 
©piel,   unb  behielt  Sinn  unb  Siebe  für  Äird)enmufif,   für  jebe 


—     353     — 

anbere  mar  baö  ^ntereffe  gefdjmunben.  —  5(13  Seljrer  ber 
faiferlidjen  $inber  fungirte  guerft  ?lnton  2  an  ber,198)  fpäter 
aber  Sofeprj  @t)6ter.199)  Gsrfterer  bradjte  e§  bis  gum  §of= 
(Sompofiteur,  ber  anbere  6t3  gum  ersten  §of=®abellmeifter  nad) 
©atieri'3  2(bteben.  9)cit  ?lrgu3augen  beroadjte  jeber  bie  Pforten 
3um  ^ßattafte,  bamit  ja  fein  anberer  SWufifer  irjren  faiferlicfjen 
(Sieben  narje  fomme,  unb  e»  gtucfte  ilmen,  fetbe  bor  fdjäbtidjen 
(Sinroirfungen  ju  beroatjren.  23eibe  biefe  £)of=2ftufifer  ftanben 
fortan  in  ber  SSorberreirje  ber  23eett)oben'fc£)en  ©egner  unb  bei 
erftgenannten  berblieb  e§  nidjt  orjne  berletjenbe  StuSfäKe  gegen 
ben  großen  SDtofter  am  £)ofe.  ©in  Kammer  ^Gombofiteur  ftanb 
Ijod)  über  einem  Seetfjooen  unb  burfte  ungefdjeut  nad)  befter 
Saune  itjn  bort  läcfjerüd)  mad)en  unb  anfc^mär^en.  §ätte  man 
nur  im  geringften  bon  unferm  $0?eifter  9^oti§  genommen,  er 
mürbe  bielteidjt  oon  feiner  §artnädigfeit  ettt>a3  abgelaffen  fyabzn 
unb  eine  5Innät)erung  märe  burd)  Vermittlung  be§  ©rjfjerjog^ 
Ühibolbt)  mögtid)  geworben,  ©inen  bloßen  STitel  an§unel)men, 
mie  feine  $reunbe  in  früheren  Sauren  gemünfdjt,  5. $8.  „®aiferl. 
5tammer=$irtuofe,"  für  ben  fein  Pfennig  §onorar  üerabfolgt 
wirb,  ba§>  ertaubte  fein  üünfilerbemufjtferjn  nidjt. 

Sn  biefen  Sßuncten  ift  jebod)  33eetrjOben'3  fdjiefe  «Stellung 
rjofjen  unb  tjödjften  Slutoritäten  gegenüber  nirfjt  erfdjöbft. 
Sftocrj  bleibt  ein  roefentticrjer  $unct  ju  berühren  übrig,  ber  bie 
retigiöfe  SBolföeräierjung  betrifft. 

@3  mag  auffaltenb,  faft  unglaubtid)  erfdjeinen,  Oon  einem 
Slcufifer  gu  rjören,  ber  fid£)  außer  feiner  fünftlerifdjen  ©prjäre 
nocb  um   Singe   bekümmert,   bie  roeit  barüber  rjinroeg   liegen, 


198)  Anton  Tayber,  geb.  zu  Wien  September  1754,  gest.  November 
1822,  war  Kammerkomponist  des  Erzherzogs  und  der  Erzherzogin. 

A.  d.  H. 

199)  Eybler,  Joseph  von  (geb.  1765  zu  Schwechat  bei  Wien),  hat 
sich  als  Kirchenkomponist  einen  Namen  gemacht;  er  war  mit  Haydn 
und  Mozart  befreundet.  Nach  Salieris  Tode  ward  er  erster  k.  k.  Hof- 
kapellmeister.   Er  starb  im  Jahre  1846.  A.  d.  H. 

S.  Sdjlnbletä  Scet^oöcn-iBtogro^^ie.  23 


—     354     — 

ba  3>nbo(eng  befonber§  bei  9)cufi£em  in  ollem,  roaö  nid)t 
irgenbroie  mit  ber  9?ote  gufammentjängt,  notorifd)  ift.  Ü)er  Sefer 
Ijat  aber  t>on  bem  ejceptionetfen  SBefen  be»  9ftufifer§  23eetl)ot>en 
bereite  fo  üiele  23emeife  ermatten,  ba$  e3  üjm  bod)  nid)t  gar  fo 
abfonbertid)  erfdjeinen  bürfte,  menn  berfelbe  aud)  für  bie 
Ijetfigften  Sntereffen  be3  3}o(fe§  (Sinn  unb  §erg  geigen  follte. 
Gin  ^euergeift  mie  93eettjoüen,  mit  roeitem  £>origont  im  2Biffen 
nnb  SSerftetjen,  fonnte  an  feinem  ©egenftanbe  oon  23ebeutung 
ofme  %f)eihtaf)me  unb  fritifct)e  Stnmerfung  üorüberge^en.  ©ein 
tjäufiger  58erfet)r  mit  bem  Sanböolfe  gur  3eü>  roo  110(^  e"T 
2tu£taufd)  be§  2öorte3  möglid)  mar,  bie  mancfjertei  (Srtebniffe 
mit  feinen  eigenen  unb  ben  SHenfdeuten  in  6efreunbeten  §äufern, 
Ratten  ifyn  ja  genugfam  mit  ber  faum  erhörten  55ermafjrtofung 
ber  unteren  93oti!§fd)id)ten  in  religiöfer  §infid)t  befannt  gemacht. 
2)aS  3tuffaltenbe,  ©ettfame  liegt  aber  barin,  bafj  ein  fo 
melbefd)äftigter  9J?uftfer  ftc£>  ßeit  unb  93?üt)e  nimmt,  in  Sadjen 
religiöfer  SSotfSergiefjung  ^ßropaganba  gu  macfjen,  um  baZ  SSoß 
gu  befferer  ©rfenntnifj  ©otte<5  unb  feiner  Sdjöfung  gu  ergeben. 
£)iefe§  f)at  Seedjoüen  roirfüd)  getrau  unb  gmar  auf  gang  gerabem 
SBege.  9Biebert)ott  ift  be§  gtoeibänbigen  2Serfe£:  „C£tj.  (Stjriftian 
SturmS  93etrad)tungen  über  bie  SSerfe  (Lottes  im  9?etct)c  ber 
üftatur  unb  ber  $orfef}ung  auf  atfe  £age  bes  3>a§re3"  gebadet 
morben.  2)er  Snljaft  biefes  Sudjeg  in  ftarer  SIbfaffung  erfdjien 
bem  -Tonmeifter  a(3  Inbegriff  atteS  für  baZ  Ssolt:  3Biffenö= 
notljmenbigen.  2)a  er  bei  feinem  Sanbaufrjalte  aud)  mit  ©etft* 
lid)en  in  S3erü§rung  gefommen,  fo  unterlieft  er  nid)t,  it)re  S(uf= 
merffamfeit  auf  genannte^  Se§r=  unb  (Srbauungsbud)  gu  leiden, 
ja  er  empfahl  eS  fogar  gu  Vorträgen  auf  ber  fanget,  allein 
er  fanb  nur  taube  £)t)ren,  unb  at3  iljm  einftenä  ber  Pfarrer 
gu  SD^öbting 200)  ermiberte:  „Unfer  SSoÖ  braud)t  oon  ben  Cn> 
fc^einungen  am  ^irmamente  nur  gu  tuiffen,  bafj  Sonne,  9)ioub 

200)  Solche  Erlebnisse  mit  dem  Pfarrer  zu  Mödling  mögen  die 
besonders  heftige  Erbitterung  gegen  diesen  in  des  Meisters  Briefen  an 
Xanette  Streicher  beeinflußt  haben.    Siehe  z.  B.  in  B.  S.  Br.  den  laugen 


ÖOO 


unb  Sterne  auf=  unb  niebergetjen,  i\.  f.  tu.",  ba  fyatte  fid)  ber 
(Sifer  beS  s}3ropaganbiften  batb  geminbert,  fo  bafj  in  feinen 
legten  SebenSjafyren  aufcer  bittern  SarfaSmen  nad)  biefer 
9iid)tung  fyin  fein  äBort  mefjr  über  btefc  SSoÜ^uftänbe  bie 
Sippen  berührt  fjat. 

9cid)t  atfo  in  ben  anbern  Spuncten.  ©in  fo  unabtaffiger 
Verfolger  ber  2Settt)önbe(,  ein  Wann  üon  £'eine3tt>egS  „fdrtoadjcm 
Untertf)anen=2Serftanbe",  nrie  unfer  Sonbicfjter,  muftte  aHein  fdjon 
burdj  tägüdje  Seetüre  ber  allgemeinen  3e^ung  rjinreidjenb 
Stoff  finben,  fein  SSiffen  in  politifdjen  Singen  gu  erweitern. 
Dr.  2S.  6t).  äRüUer  fagt  ganj  toaijr,  ba$  SBeetfjoüen'S  3beat 
einer  ©taatSüerfaffung  bie  (Snglifdje  getoefen.  Um  bie  ^ßarla- 
mentS=$Bert)anbhmgen  mit  Sftufje  tefen  gu  fönnen,  liefj  er  fid) 
bie  allgemeine  Bettung  noc^)  §au^  fontmen.  Sorb  SörougfyamS 
hieben  ^a6en  if)n  nietjt  fetten  in  Sßegeifterung  üerfettf  unb  mandje 
trü6e  SSotfe  üon  feiner  Stirne  üertrieben. 

SSeim  Stufaeidmen  biefer  abfonbertidjen  Singe  fonnte  eS 
mir  §ur  23erut)igung  bienen,  loenigftenS  einen  ber  Scanner  nod) 
unter  ben  Sebenben  ju  roiffen,  gegen  ben  fid)  ber  äfteifter  als 
SDtttteibenben,  über  alte  biefe  s^uncte  in  meinem  SBetfeijn  au3= 
gefprodjen  fyat,  roetdje  berfetbe  mieber  auS  eigener,  bitterer  @r- 
fafjrung  nod)  5U  ergänzen  üermocfjte.  SS  ift  ber  Stdjter  beS 
nerpönten:  „Deftreidt),  bu  ßapua  ber  ©elfter"  —  ^ranj  ©ritt= 
parier.  (Sin  getreues  9I6bitb  öon  biefen  fdjroer  brüd'enben  ßu= 
ftänben  tjat  ©raf  5tuerSperg  aufgeteilt,  unter  bem  Xitel: 
„Spaziergänge  eines  Sßiener  ^oeten",  Hamburg,  1831.  SDafj 
unfer  Sfteifter  biefe  öffentliche  Slnffagc  nid)t  mefjr  erleben 
fonnte!  — 

Unter  93eet^oOen'S  greunben  war  eS  öornefimlid)  ©raf 
SKoril   SidjnotoSh),   ber   eS   fid)   angelegen  fet)n   lieft,  ben 


Brief  No.  747  vom  18.  Januar  1818,  worin  das  Wort  vorkommt:  „wo 
ich  dann  seiner  Hochwürd.  ihre  Geistlichkeit   mit   solchen   geistigen 

Prügeln  ■ so  erbärmlich  zurichten  werde,  daß  die  ganze  Pfarrei 

davon  erbeben  soll."    (III.  Band.)  A.  d.  H. 

23* 


—     356     — 

Sfteifter  bem  laiferüdjen  §ofe  einigermaßen  nafje  §u  bringen,  in 
ber  Hoffnung,  baß,  fei  einmal  ber  erfte  ©cfjritt  mit  einigem 
©rfolg  gefct)er)en,  bie  meitere  2lnnäf)erung  unb  bamit  oötlige 
51usföf)nung  erreicht  merben  mürbe.  S5orftei)er  ber  faif.  ^of* 
(Saöelte,  unter  bem  üblichen  Xitel  wJpof*3Hufifgraf,  mar  bamatS 
©raf  SRorilj  oon  2)ietrid)ftein,  gugteid)  ©ouberneur  be£ 
jungen  §erjogs  üon  3teid)ftabt,  ein  fpe^ieller  greunb  öom 
©rafen  ßicfjnomsflj.  SÜn  biefen  fjatte  fiel)  ber  treu  anfängliche 
£icrjnom§ft)  fdjon  früher  in  Setreff  Ermittlung  eine3  geeigneten 
9)?obu§  gemanbt,  um  feinen  Sßlan  in  Sluöfüfjrung  gu  bringen; 
allein  biefer  SftobuS  mar  roeber  fo  letcfjt  norf)  fo  gleid)  ju  er* 
mittein.  £>a  erfolgte  im  9?oüember  1822  ba$  Slbleben  be§  Oor= 
benannten  faif.  §of=(£ompofiteur£  9lnton  Stoiber.  S)ie§  gab 
bem  (trafen  erroünfdjte  ©elegentjeit  in  Seettjotien  §u  bringen 
betreffs  biefer  oacanten  ©teile  birect  an  ben  ©rafen  £>ietrid)ftein 
gu  fcfjreiben  unb  if)it  um  Eingabe  be§  einjufdjlagenben  2Bege§ 
an  ben  Äaifer  ju  erfudjen.  Saß  unfer  SMfter  bie§  mirllid) 
getrau,  barüber  merben  mir  fogleid)  ©eroißtjeit  erhalten.  —  2ll§= 
balb  famen  beibe  (trafen  überein,  bem  Xonbidjter  ben  2}orfd)lag 
gu  madjen,  für  ben  ®aifer  eine  äfteffe  ju  componiren,  beim, 
mie  oben  bemerkt,  bes  ftaifers  Sntereffe  für  föirdjenmufif  mar 
nod)  mad)  geblieben.  £>er  lunftüerftänbige  unb  mit  bem  ®e= 
fcfjmade  be§  Merrjücfjften  Jperai  berannte  §of=SD?ufitgraf  glaubte 
jebod)  in  9ftüdfid)t  auf  letztem  llmftanb  öorab  SBinfe  geben  $u 
folten,  nad)  melden  ftcf)  unfer  9-tteifter  bei  ©eftaltung  biefer 
(Sompofition  etmaS  ridjten  motte,  um  fieserer  ben  beabficfjtigten 
3med  gu  erreidjen.  (Sin  oon  itjm  an  ben  ©rafen  £tdmom§ft) 
biegfalte  gerichteter  23rief  Oom  23.  gebr.  1823  liegt  oor  unb 
lautet  Ootlftänbig: 

„Steber  greunb!  ©djon  längft  märe  e3  meine  ^flidjt  ge= 
mefeu,  bem  guten  S3eett)oüen  ju  antmorten,  ber  fiefj  bertrauenä- 
tooH  an  mid)  gemanbt  t)atte.  Stttein,  nacfjbem  id)  mit  Sir  ge= 
föroetjen,  befdjloß  ict),  mein  ©tittfe^meigen  erft  gu  bredjen,  menn 
ict)  beftimmtere  9£ad)rid)ten  über  ben  bemußten  ©egenftanb  ein= 


-    —     357     — 

gebogen  §aben  mürbe.  —  9?un  fann  id)  £>ir  aber  mit  ©emifjfjeit 
jagen,  bafj  bie  ©teile  be§  öerftorbenen  Satjber  —  meldjer  nid)t 
$ammer=  fonbem  £of=(5ompofiteur  mar,  —  nidjt  mefyr  befe^t 
merben  rotrb.*)  5dj  ntag  e§  83eetf)oüen  nicht  fdjreiben,  um  nidjt 
nngünftig  auf  einen  9J?ann  §u  mirfen,  ben  idj  fo  aufrichtig  öer= 
efjre,  unb  bitte  2)id)  bemnad),  e§  itjm  ge(egentlid)  borpftetfen; 
mir  aber  bann  §u  fdjreiben,  mann  unb  mo  id)  it)n  einmal  mürbe 
fbredjen  fönnen,  ba  id)  feine  SSofjnung  oergeffen  fyabe. 

5d)  fdjide  Sir  f)ier  äugleid)  bie  Partitur  einer  äfteffe  bon 
^Reutter,**)  meldje  33eettjot>en  §u  fetjen  roünfdjte.  SKatjr  ift  e8, 
bafe  ©.  9ft.  ber  Saifer  biefen  ©tt)t  liebt,  inbeffen  braudjt  $eet= 
fjoben,  menn  er  eine  SKcffe  fdjreibt,  fid)  nidjt  baran  §u  Ijatten. 
(£r  möge  nur  feinem  großen  ©enie  folgen  unb  btoS  berüdfid)tigen, 
—  bafj  bie  SOceffe  nicfjt  ju  lang,  nodj  §u  fdjmer  in  ber  2(u§= 
fütjrung  merbe;  bafe  e3  eine  £utti=9)ceffe  fet>,  unb  bei  ben 
oingftimmen  nur  ffetne  <2opran=  unb  9ttt=©otog  oorfornmen, 
(mofür  id)  gmei  brabe  ©ängert'naben  fyabe)  —  bod)  meber  Stenor- 
nod)  23afj=  nod)  Drge(=<Soto3  —  t)öd)ften§  für  ben  STenor,  meil 
33artt)  bann  fingen  mürbe.  —  SSei  ^nftrumenten  !önnte  ein 
Biotin*  ober  Dboe=  ober  Gtarinett=Solo  angebracht  merben, 
menn  er  e§  mollte. 

gugen  Heben  @e.  s30?ajeftät  fefjr,  gehörig  burd)gefüt)rt, 
bod)  nid)t  ju  fang;  baZ  Sanctus  mit  bem  Osanna  mögtidjft 
lurj,  um  nid)t  bie  3Sanb(ung  aufsutjalten ;  unb  —  menn  id) 
etttaZ  für  mid)  beifügen  barf:  —  ba$  Dona  nobis  pacem  mit 
bem  Agnus  Dei,  ofyne  befonbern  Slbfbrung;  —  ma§  bei  gmei 
ÜKeffen  öon  §aenbel  (au§  beffen  5(ntf)em3  jufammengefe^t)  — 


*)  „$ammer=(£ompofiteuT:"  war  %ixx  3eit  ^ranj  frommer.  SRa§ 
feinem  Slbleben  1831  roarb  cmdj  biefe  Stelle  nid)t  toieber  befefct.  2)iefe 
beiben  $äüe  fpredjen  fjiweidjenb  für  ba%  am  faiferl.  §ofe  erftorbene  Qntereffe 
an  SJhiftf  in  tocttcret  SluSbefjnung. 

**)  ©eorg  Don  3tentter,  geb.  1705,  roar  faifetl.  £>of=  unb  2>om=SapelI= 
meifier.  9?acfi,  ©afemann'ä  Xobe  ttmrbe  er  nntflicfyer  §of=(£apeIlmeifier. 
f  1772. 


—     358     — 

bei  ätoeten  bon  Naumann,  unb  bon  §1666  (Stabler  eine  befonber* 

fcfjöne  SBirfung  madjt. 

2)ie3  mären  in  $ür5e  meiner  (Srfarjrung  gemäß  bie  5U  be= 

obacrjtenben  SWdfidjten   unb  id)  mürbe  mir,   bem  §ofe  unb  ber 

$unft   ©lud    münfdjen,   roenn    unfer   großer   23eetf)oben    batb 

§anb   an'3  SSerf  legen  moüte.    <3ei)  fo  gut  nodj,  mir  einen 

Meinen  (Smbfangfdjein    über  bie  au3   bem  §ofmuftf>?lrd)ib   er= 

f)altene  Partitur  §u  fetteten.    Sd)  roerbe  bie  erfte  freie  3eit  be^ 

nutjen,  £)ir  münblidj  bie  SSerfidjerungen  meiner  alten  $reunb= 

fdjaft  »11  erneuern.    Qbam  _  .    -       , 

y      °  £>etn  $reunb 

Sftori§  S)ietrid)[tein." 

9?od)  liegt  bor  ein  SBrief  bom  ©rafen  SDietridjftein  au 
$eetf)Oben  de  dato  10.  ?JMr§  1823.  @r  überfdjidt  bem  äKeifter 
brei  £erte  311  ©rabunlen  unb  eben  fo  biete  ju  Dffertoricn,  alle* 
$um  Söelmfe  ber  ©ombofition  für  bie  faiferl.  (Sabelle.  Staritt 
rjeißt  eS  nod)  ausbrüdlid):  „Unenbtid)  bebaure  ict),  <3ie  berfäumt 
gu  tjaben,  al<§  «Sie  bie  ©üte  fjatten  mit  bem  ©rafen  SidjnotoSfi) 
mid)  ju  befudjen.  Sd)  roerbe  tradjten  <3ie  fobalb  afö  moglidj 
gu  treffen.  (Smpfangen  «Sie  bie  SSerfidjerung  meiner  auf* 
riditigften  §od)acrjtmtg." 

<5otd)'  offene^  unb  freunbtidjeä  ©ntgegenf'ommen  eineö  am 
faiferl.  §ofe  fjod)ftet)enben  unb  einflußreichen  3Jfamte3  r;arte 
unfer  Sfteifter  !aum  ermartet,  um  fo  metjr  füllte  er  fid)  an* 
genefjm  babon  überrafdjt.  öebenft  man,  baß  e<§  fid;  begügtidj 
ber  beabfidjtigten  ßombofitionen  für  bie  §ofburg=(£abefte  um 
©egenftänbe  getjanbelt,  bie  auf  ba3  SReffort  be§  §of=9Kufi!grafen 
gehörten,  fofjin  bon  biefem  unmittelbar  2(Iler|öd)ften  Orte  in 
@dju§  genommen  morben  mären,  fo  roirb  man  nierjt  anberä  er* 
märten,  at3  i>a^  SSeettjoben  anberloeitige  Sßläne  fogleid)  auf* 
gegeben  fyabe,  um  unber^üglid)  an  bie  9Iu3fürjrung  aud)  be§ 
eigenen  2öunfcf)e§  3U  fct)retten.  S)em  mar  jebod)  leiber  nierjt  fo. 
Sn  geroorjnter  Söeife  mürbe  feiner  <Seit§  bie  Slngetegenrjett  biet 
befbroerjen  unb   mit  rafd)  abmedjfelnben  färben  beleuchtet,  bi3 


—     359     — 

er  nad)  Staaten  mit  ber  befinitiüen  (ärtlfirung  tjerüortrat:  bie 
Gompofitionen  für  ben  $aifer  muffen  für  fpätere  Sage  fu§pen= 
birt  bleiben.  Unb  l)iemit  mar  ber  SBiberfprudj,  in  meinem  fid) 
ber  entfdjiebene  £)emofrat  ju  oertuidetn  im  begriffe  ftanb,  be* 
feitigt.  @r  öerblieb,  ber  er  bi£t)er  mar.  ©ein  ©runbfatj:  Un= 
abljängigfeit  abte  bie  (Seele  unb  ergebe  ben  ©eift,  eine  SSeile 
m'§  ©djtoanten  geraten,  ftanb  mieber  aufgerichtet  feft.  3)od), 
ma§  meiter,  ha  bie  begangene  ^nconfequeng  nun  offen  lag? 
£)en  beiben  fo  moljlrooHenben  (trafen  warb  fdjriftlid)  ge= 
banft  für  ü)re  Semüftung  unb  al§  (Srünbe  feines  SSerf)alten§ 
angegeben:  a)  Sie  (Sorrectur  ber  fubferibirten  (Sjemplare  bon 
ber  SRiff a;  b)  ®a§  bringen  ber  „©efelldmft  ber  9ttuftffreunbe 
be3  öftreid)ifd)en  SaifcrftaateS"  auf  Erfüllung  be3  öor  Sauren 
fd)on  gemachten  33erft)redjen§  ein  Oratorium  für  biefelbe  §u 
fct)rei6ert,  unb  e)  eine  foeben  eingegangene  Sßerpftidtt'ung  jur 
(iompofition  eine<S  9Berfe§  für  ^ianoforte  für  ben  Verleger 
Siabelli  bi§  §u  einem  feftgefe^ten  Termin.  9Jcit  allen  biefen 
Angaben  t)atte  e§  feine  töidjtigfeit.  SCffem  bie  beiben  (trafen 
fonnten  fiel;  oon  bem  ^eremptorifcfjen  biefer  ©rünbe  nid)t  über* 
zeugen,  batjer  e§  §mifc^en  bem  ©rafen  £id)nom§ft),  au§  beffen 
9D?unbe  unfer  SReifter  ntcrjt  feiten  ben  QSormurf  att=nieber* 
länbifcljer  ©törrigleit  fyören  mufcte,  ju  unfreunblictjen  ©rllärungen 
gefommen.  9tber  auf  beffen  Stnltage  beim  @r§^erjog  Siubotpt) 
famen  aud)  Oon  jener  Seite  berlei  SBormürfe,  toorauf  üom 
SReifter  mit  (£ntfd)ulbigungen  ermibert  morben.  9laü)  9Dftttl)eilung 
be§  er^eräogtidjen  Secretairä  SBaumeifter,  bem  bie  intimen 
Sejiefjungen  ^mifdjen  Sefjrer  unb  Sd)üler  mie  feinem  anbern 
befannt  roaren,  befanben  fid)  S3eett)oüen'§  ©rfläningen  in  ber 
bom  (Srätjergog  oertuafyrten  Sorrefponbeng,  in  beren  S3efi|  bie 
©efeltfdjaft  ber  SKufüfrcunbe  nad)  bem  Ableben  be§  6arbinal§ 
gekommen.201) 

201)  Die  Korrespondenz  zwischen  Beethoven  und  dem  Erzherzog 
Rudolf  ist  seit  1865  durch  Dr.  Ludwig  Ritter  v.  Köcheis  Publikation: 
„83  neu  aufgefundene  Originalbriefe   Beethovens   an   den   Erzherzog 


—     360     — 

3u  öor&enannten  brei  ©rünben  trat  alsbatb  nod)  ein  oierter 
rjingu,  nämtidj  eine  ©inlabung  beö  dürften  üßtfolauö  Soris 
©alitjin  in  ©t.  Petersburg  jur  (Sompofition  einiger  Quartette 
für  benfelben.  (Sigentticrj  gab  e§  aber  nur  einen  einzigen 
plaufiblen  ®runb  gum  einftroeiligen  SSerfcf)ie6en  ber  ju 
componirenben  Sfteffe  für  ben  $aifer,  nid)t  aber  ad  Calendas 
graecas,  unb  biefer  tuar:  augenblidtidjeö  SBebürfnifj  baaren 
©elbes,  um  einen  brängenben  ©laubiger  ftd)  batb  mögtictjft 
bom  §atfe  §u  fdjaffen,  überhaupt  um  alte  ©djulben  ju  tilgen. 
Slber  felbft  biefeö  t)ätte  ftd)  nertagen  taffen,  Ejätte  Seettjooen 
feine  tief  gemurmelte  Slbneigung  gegen  ben  faiferl.  §of  5U  be= 
fettigen  r>ermod)t.  ©einer  Unabrjängigteit  ftanb  burdj  bie  auf 
jenem  SSege  allenfalls  erreichte  2lnnät)erung  an  ben  ipof  {'einerlei 
Slbbrud)  in  2lu§fid)t.  Sn  ben  üftotirungen  aus  jenen  Etagen 
fanben  fid)  einige,  barüber  beutlid)  gefd)rieben  mar:  „3ur  9)?effg 
in  Cis  moll.202)  £>b  biefefben  gu  jenem  3^^  bienen  füllten, 
ift  ©efjeimnife  geblieben,  ©enug,  bes  angeregten  unb  Oiel  unb 
breit  befprodjenen  planes  ift  fernerhin  mit  feiner  ©ifbe  merji* 
gebacrjt  morben. 

SSir  aber  »erben  biefer  SScetrjoOen'fdjett  ©rünbe  notrjroenbig 
nod)  gebenfen  unb  felbe,  ben  unter  a)  angeführten  ausgenommen, 
beö  näfjeren  befpredjen  muffen.  2Sorab  fet)  nur  bemerft,  baf3 
einige  biefer  Sßnncte  fo  unerquidlidjer  aber  aud)  oerraidelter 
5lrt  finb,  bafs  fie  in  bem  ab^urjanbelnben  SebenSbrama  einer 
Shtotenfcrjürgung  nicrjt  gan5  itnaljnlidt)  feljen.  lieber  ben  mit 
„plausible"  bemeidjneten  ©runb  finbet  fidt)  in  ben  6onüerfation*= 


Rudolf"  usw.,  Wien  1865,  sehr  bekannt  geworden;  man  findet  viele 
dieser  Briefe  bei  Thayer,  bei  Noh],  alle  auch  in  B.  S.  Br.,  III.,  IV.  und 
V.  Band.  A.  d.  H. 

202)  Skizzen  zur  Messe  in  Cis-moll,  dona,  sind  zu  finden  in 
Band  9  (nach  der  Numerierung  des  Herausgebers)  in  den  Beethoven- 
Autographen  der  Königl.  Bibliothek  zu  Berlin)  der  Monatshefte  für 
Musikgeschichte  1895,  No.  11.  In  diesem  Band  9  im  II.  Hefte.  Dort 
Blatt  17  b:  „Skizzen  zur  Messe  in  Cis-moll,  dona".  A.  d.  H. 


—     361     — 

£eften  Dort  1823  üon  be3  3)Mfter§  §anb  eine  beutfidje  @r= 
flärung.  gr  ^atte  näm(itf)  in  felber  geit  öud)  °ie  ©intabung 
erhalten,  für  bie  $f)iIrjarmonifd}e  @efelifd)aft  ju  Soften  in 
SGorb*9lmertfa  ein  Oratorium  —  „für  jeben  $ßtet8M  $u  fetyreiben. 
Stuf  eine  üon  feinem  greunbe  SMfyter  geftetlte  anfrage  in 
betreff  biefe§  Oratorium^  ermibert  Seettjoben:  „3d)  fdjreibe 
nur  baZ  nietjt,  tuaS  tdj  am  (iebften  möchte,  fonbern  be§  @eibe§ 
roegen,  ma§  id)  braudje.  ©§  ift  belegen  nid)t  gefagt,  bafj  id) 
bod)  bloS  umS  (Mb  f treibe.  Sft  biefe  $eriobe  öorbei,  fo 
Ijoffe  id)  enblid)  $u  fcrjreiben,  ma§  mir  unb  ber  ®unft  ba§> 
§od)fie  ift  —  gauft."*)203)  ©iefeö  offenherzige  ©eftänbniB 
gibt  ben  ©djtüffel  31.tr  «Situation.  SBir  motten  fogleid)  3med= 
mäßigen  ©ebraud)  baüon  madjert. 

Sie  SBerlagSrjanbtung  £)ia belli  u.  (Eomp.  fyatte  in  ber 
SSintergeit  üon  1822  auf  23  einer  großen  %r\^i  (Eomponifien 
ben  $[an  $ur  £erau3gabe  eineS  Gloltectü>2Serfe3  üon  SSariationen 
für  ^Sianoforte  öorgetegt.  2)a3  £l)ema  im  (Sfjarafter  eines 
SSa^erS  mar  öon  £)iabelli  erfunbeu.  Seber  ©omüonift  follte 
nur  eine  Variation  beitragen.  2lud)  an  33eett)oOen  mar  eine 
(Sinlabung  ergangen,  ©iefetbe  erroedte  urptötjtid)  bie  (Erinnerung 
in  irjm  an  ba§  (SoIIectiO=@ef  anginer!  über  ben  £ejt:  In  questa 
tomba  oscura  etc.  im  Sarjre  1808,204)  barüber  in  ber  gmeiten 
^ßeriobe  gefprodjen  morben.  3u9^e^)  ertnadjte  mieber  in  bem 
Sfteifter  aÜ'  ber  Ingrimm  über  bie  jenem  Sßerfe  miberfarjrene 


*)  ©er  ©ebanfe  svtr  (Jompofition  be§  ©oeibe'fcfien  gaufi  roarb  buref) 
griebitd)  3vod)ü£  angeregt.  SSetterbin  werben  roir  SRocrjlifc  felber  barüber 
fpredjen  boren. 

203)  Von  Boston  und  der  Idee,  Faust  zu  komponieren,  ist  im  Kon- 
versationsheft No.  77,  Blatt  8a  und  9b  die  Rede.  Über  die  Unterhand- 
lungen wegen  des  Oratoriums  für  Boston  sehe  man  in  dem  umfangreichen 
Buche  „History  of  the  Haendel  and  Haydn  Society"  von  Ch.  P.  Perkius 
und  John  Artwight,  Boston  1883—1893.  Aber  als  negatives  Resultat 
ist  dort  zu  lesen  (I,  p.  88):  „we  must  conclude  that  it  was  never 
anything  more,  than  a  prqject  with  Beethoven."  A.  d.  H. 

204)  Cf.  Schindler  I,  S.  202ff.,  Neudruck  S.  248ff.      A.  d.  H. 


—     :362     — 

^ßerfiflage.  (Sr  erklärte,  baft  er  ben  Vorfatj  gefaxt,  niemals 
roteber  an  einem  (5otlectio=2Serte  ?fntt)eiC  ju  nehmen,  tjabe  matt 
bamate  ben  fjorjen  ©mft  bet  ©icfjtung  %u  perfifliren  gemagt, 
fo  fet)  im  oorliegenben  $alle  fdjon  burd)  ba$  Sttjema  ©elegen- 
tjeit  gegeben,  alle  Srjeilljaber  lädiertict)  ju  macfjen;  ba%  %f)ema 
mit  bem  „  <2d)ufterf  ted"  (9fo[atie)*)  gefalle  i§m  nierjt,  u.  f.  tt). 
Samit  mar  bie  (Sintabung  bejeitigt.  9lid)t  lange  nad)  biefer 
tategorifetjen  ©rflärung  erfudjte  er  mid),  Siabetli  gelegentlich)  311 
fragen,  ob  e§  tfjm  genehm  märe,  menn  er  ba$  Stjema  allein 
bearbeite,  nnb  melrfjeö  §onorar  er  trjm  morjt  bie3fati3  bieten 
trolle?  2>er  freubig  überrafcfjte  Verleger  fprad)  augenblitflid) 
80  £>ucaten  au§  unb  notificirte  pr  ©teile  bem  äfteifter  mittelft 
einiger  3e^cn  btefett  ©ntfdjhtfe,  nur  um  6  bis  7  Variationen 
bittenb.  33eetl)oüen  feiner  <Seit3  tticfjt  minber  freubig  überrafdjt 
burd)  ba§  ungeroöljnlid)  rjolje  §onorar  für  eine  Partie  Varia- 
tionen ermiberte  f(ug§  mit  einer  fdjriftlicfjen  ßufage,  anbei 
gegen  mid)  bemerl'enb:  „9ht,  ber  fotl  über  feinen  <Sd)ufterfted 
Variationen  rjaben!" 

anfangs  Wlai  be^og  ber  lOceifter  bie  oon  einem  ijerrtierjeu 
Sßarle  umgebene  unb  eine  ent^üdenbe  2lu3fidjt  geroät)renbe  SStUa 
be3  Varon  oon  ^ronao  ju  £)e§enborf.  Sic  sunäcfjft  üor= 
genommene  (lompofition  mar  bie  Bearbeitung  be£  S)iabeUi'fd)en 
Söül^er*,  bie  itjtt  in  feltener  SBeife  beluftigt  fyatte.  21t£balb 
maren  äefjn,  balb  nodj  ein  9JM  fo  Diel,  bann  gar  fdjon  fünf 
unb  sroanäig  Variationen  auf  bem  Rapier,  unb  immer  trieft  e»: 


*)  fyür  mdjt  muftcalifcfcgebUbete  Siefer  wirb  bie  ©rflärnng  nottjroenbig, 
baB  man  in  ber  Gompojttion§-2er)re  unter  9io)*alien  flehte  <Sä|e  Oon 
mer)r  ober  roeniger  Sacten  öerftetjr,  bie  fiufenroeife,  unb  meift  in  gleiten 
SnteröaHen,  auf  etnanber  folgen,  wie  bie  ©teine  im  9iofenfran$e.    3-  23- "• 

4SI 


i 


fS-^J^-^-T^ 


2 


* 


*-#- 


-1*-? 


tat=*: 


I*=T 


55t 


4r* 


iz=d 


Unter  itünftlern   roerben    beriet   Saferen   gemeinhin  „Sdjufterflecfe" 
genannt;  gflecf  neben  Sfletf. 


—     363     — 

„Xa§>  finb  nod)  nidjt  alle."  2)er  Verleger,  beforgt  megen  be* 
51t  großen  Umfangt  be§  9$erfe£,  folgtid)  ju  Kjoljett  SabenpreifeS, 
nmnfdjte  ben  ©d)IuJ5.  3)er  fdjreibluftige  (Somponift  aber,  bei 
ben  33eluei3  liefern  moHte,  tua§  fidj  alleä  au3  einem  ätemltct) 
orbinären  SESatger,  nod)  bap  mit  einer  SRofatie  bitben  faffc,*) 
erttriberte:  er  möge  nur  nod)  etroaö  ©ebulb  tjaben.  So  ent= 
itanben  bie  „33  Sßeränberungen  über  einen  Söa^er,  Op.  120," 
benen  man  e§  leidjtticf)  anfielt,  in  toetc^1  roftger  (Stimmung  fie 
«iebergefdjrieben  loorben.  3)e§  Sftetfterä  ©egner  tjaben  biefeS 
tum  ungett)öljnlid)em  £ntmor  fprubetnbe  SSerf  immer  ignorirt. 
Sie  Ratten  barauS  erfefjen  tonnen  —  menn  fie  gerooltt  —  in 
lueldj'  Weiterer,  oergnüglidjer  Stimmung  SBeetljoüen  aufteilen 
nod)  in  feinen  legten  2eben$jat)ren  getoefen,  nict)t  aber  „immer 
büfter  unb  brütenb,"  ttrie  fie  tfjn  51t  fcfyitbern  belieben.  2)ie 
aufcerorbentfirije  9)cannicl)fattigfeit  in  SSermenbung  be§  %f)ema§ 
—  e§  mufj  fid)  fogar  §ur  Umgeftaltung  tn  ba§>  SCRoäart'fdje 
„kleine  Dtulj'  bei  Sag  unb  ü)?ad)t,"  gteicf)  nneber  5ur  SBitbung 
einer  gugfjetta,  enblid)  fogar  §u  einer  regelrecht  geformten  $uge 
bequemen  —  gibt  ein  fpredjenbes  .ßeugnif},  m^  toetdjer  Suft 
unb  looljl  and)  Selbftbefriebigung  biefeä,  nur  Sßirtuofen  erften 
3?ange3  5ugänglid)e  3Berf  gefdjaffen  toorben.  3Senn  ja  bie 
^erfiftage  be§  6ottectio=2öerfe§  au§  bem  öatjre  1808  irgenb 
(stntoirfung  ober  2lnfto)3  51t  foldjer  @eftattung  biefe§  3Ber!c§ 
tßegeben  tjaben   foltte,  fo    loollen   mir   ifjr  2)agett>efenfetjn   mit 

*)  3)aS  erinnert  an  eine  ©teile  üon  be§  SDiEeifierS  Sjanb  in  einem 
Sagebudje  au§  bem  %at)xe  1815,  meldte  Reifet:  „Sie  Sd)ottifd}en  Sieber 
»eigen,  nm3  bk  unorbentlicfifie  SDielobie  uermöge,  wenn  fie  mit  Harmonie 
gut  befjanbelt  mirb."205) 

9?oct)  fie&t  folgenbc  ©teile  bort:  „^d)  mujj  ben  ©nglänbern  geigen, 
wa3  in  bem  God  save  the  Kiug  für  ein  ©egen  ift."206) 

205)  Siehe  die  Stelle  im  Fischhoffschen  Manuskript  Fol.  31  b,  die 
bei  Schindler  besser  gegeben  ist;  das  Pronomen  „was"  fehlt  dort,  wie 
auch  bei  Nohl  (1. 1.  p.  57).  A.  d.  H. 

206)  Cf.  Fischhoffsches  Manuskript  Fol.  31a.  Es  war  die  Zeit  der 
Komposition  der  Schlachtsymphonie,  op.  91.  A.  d.  H. 


—     364     — 

2)an!  begrüßen  unb  bog  factum  überE)au^t  in  33cetrjoüen'§ 
Sebenägefcfyictjte  nicrjt  al§>  btofje  CSpifobe  betrachten. 

SBenben  mir  un§  nun  51t  bem  <Sctjutben  =  ^Sunct,  ber  ge= 
rabe  im  Sarjre  1823  unfern  ütteifter  aufö  ^ödjfte  alarmirt  t)atte. 

(£3  mit|  morjt  at3  ein  unoerjei^üc^er  Scangel  an  58olT= 
ftänbigfeit  unb  ©rünblicfjr'eit  in  ben  Biographien  eines?  £)emo= 
ftrjeneö,  Cicero,  2)ante,  ©rjafeSpeare,  unb  anberer  großen  SJcänncr 
ber  SBorjeit,  bejeidjnet  merDen,  bafj  beren  SJerfaffer  it)re  refpectioen 
©elbfcrjulben,  nebft  ben  tarnen  itjrer  (Srebitoren,  ber  sJcad)ioe(t 
öcrrjeimlictjt  tjaben,  barüber  fie  bocf;  informirt  ferjn  mußten. 
@§  liegt  faft  außer  ß^eifet,  ba$  bie  Slenntniß  biefer  particutaren 
SSerrjättniffe  jum  ©rforfdjen  beö  tiefinnerften  ©eifteS,  ft>enigften§ 
einzelner  it)rer  SBerfe,  mefent(id)  beigetragen  unb  bie  ßegion 
itjrer  Kommentatoren  unb  (SonjecturakÄritifer  beöeutenb  öer= 
ringert  rjaben  mürbe,  menn  fie  mit  genauer  ^enntniß  be§ 
(Sdjulbenftanbeä  irjrer  Reiben  an  bie  befduuerücije  Arbeit  Ratten 
geljen  fönnen.  Sßorneljinticr)  märe  bei  ©Jjafeäpeare  feit  beinahe 
einem  üollen  Sarjrtjunbcrt  fetjon  feines  2Borte3  (Sinn  metjr 
ämeifettjaft,  menn  feine  sIu§leger  bie  SSerrjättniffe  5U  feinen 
©laubigem. 00m  ilrfprung  an  beffer  gelaunt  Ratten.  63  fcfjeint 
aber  in  jenen  ßeitaltern  ber  ©runbfatj  (eitenb  gemefen  31t  ferm, 
jebeö  ber  Sßacfjmelt  ju  übertiefernbe  ©tanbbitb  eines?  bebeutenben 
Cannes?  fo  oiet  als?  mög(id)  aus?  einem  Sßlocfe  tjerau^ubiiben 
unb  es?  oon  allen  S^ebenbingen  frei  51t  galten,  fofern  fie  nicrjt 
©runb^üge  bes?  ©rjarafters?  gemefen,  ruelmerjr  blos?  burd)  un= 
günftige  Sebens?oerf)ältniffe  fiel)  bem  Snbiüibuum  gieidjfam  auf= 
gebrungen  Ratten,  —  meil  9?ebenbinge  jeber  3frt  otjne  foldje 
SSaftö  einer  fpäteren  3eit,  bie  fidj  lebiglid)  an  bie  öorrjanbeneu 
233erfc  galten  miß,  fein  Sntereffe  $u  bieten  oermögen. 

@S  mar  gefehlt,  miefj  in  ben  früheren  2tus?gaben  biefer 
Sdjrift  ungefähr  oon  bemfelben  ©runbfa^e  im  Slttgemeineu, 
fpecielT  bei  93efprecfjung  bes?  ©djutbenpunetes?,  leiten  gu  taffen, 
unb  tiefen  fo  midjtigen  ©egenftanb  nicrjt  mit  gerühmter 
„beutfcfjer  ©rünbtidjfeit"   §u  erfcfjöpfen.     2lMe   mefent(id)    Jjätte 


—     365     — 

nitfjt  eine  redjt  auSeinanber  gebefjnte  @d)itberung  biefer  $ei> 
Ijattniffe  auf  eine  fixere  ©pur  be§  poetifdjen  Snljaftö  ber 
9.  (Sinfonie  üerfjetfen  tonnen,  metdje  inmitten  ber  ©elbbebräng= 
niffe  unb  aud)  inmitten  ber  aufjergeroötjnlidjften  2Birrniffe  in 
be§  9)ceifter§  §au3fjattung  aufgearbeitet  morben,  ttm§  sunt 
£ljeit  fdmn  gezeigt  tft.  2Sa§  märe  bis  gur  ©tunbe  nod)  ber 
gmeite  £fjeit  öon  gauft  für  ein  unburdjbringüdjeS  (Sf)ao3 
mtyftifdjen  ©unfels,  Ratten  nidjt  particutare  Söegietjungen  unb 
$erf)ättniffe  be§  2)id}ter§,  Seltomer  9iübd)en  unb  anbere  materielle 
©eringfügigfeiten  ben  ©iüinatoren  bie  ©djlüffef  gu  beffen  (£r* 
Öffnung  in  bie  §änbe  gefpiett.  «Solche  gtängenbe  ^efuttate 
foüen  mid)  gur  ^ac^eiferung  anfpornen.  33ief(eid)t  gelingt  e£ 
fogar  burdj  offene  aber  mögtidjft  bünbige  Darlegung  biefeS 
gragepuucteS  SöefentticfyeS  jux  geftfteltung  beS  Oon  ben  mobernen 
$unftpt)itofopt)en  unb  $eett)oüen*©rüblern  entbedten  „groeiten 
unb  brüten  <Sttjt§"  in  beS  SDtofterS  äöerfen  beisutragen. 
SBorauSgefyenb  tjat  unS  ber  SReifter  fetbft  fdmn  burd)  feine 
S5eantmortung  ber  $8it)ter'fd)en  grage  einen  ber  £auptfd)lüffet 
gu  feinen  ©tt)W£jtraöaganäen  gegeben.  SSatjr^aft  gtüdttdj 
mürbe  id)  mid)  aber  preifen,  burd)  2tu3einanberfetmng  biefeS 
Snciben^uncteö  bie  3ufrieoen§eü  Jener  23eetf)oüen=$8ere!jrer 
gu  errcidjen,  bie  mir  einftenS  in  jiemticl)  barfdjem  £one  ju= 
gerufen:  „@ib  öon  Allem  AlteS,  nidjt  aber  ?ttle§  nur  t)a!6!"  — 
2öot)tan! 

@d)on  im  Satjre  1816,  atfo  in  ben  Sagen  beS  ©eginnenS 
ber  fo  lange  anbauernben  Sßertegenfjeiten  unb  (Salamitäten 
mancherlei  SCrt,  legte  bie  Seipgiger  SBerlagSljanbtung  £)off* 
meifter  unferm  Sonbidjter  ben  Sßfan  gut'  Verausgabe  feiner 
fämmtlicrjen  ^ßianoforte=9)Juftt  üor,  unter  Sebingungen,  bie  im 
(Jansen  mit  feinen  gorberungen  nid)t  meit  auSeinanber  gegangen. 
3n  biefer  Angelegenheit  confultirte  er  2t n ton  2)ia belli, 
ber  bamatS  nod)  nid)t  felbft  Verleger  mar.  2)iabeÜT£  Iritifdje 
Unterfud)ung  unb  ^Beantwortung  be£  £>offmeifter'fd)en  planes 
liegt  in   feiner  ausführlichen  ßufcfyrift  an  Söeettjoöen,   de  dato 


—     360     — 

22.  Sluguft  1816,  t>or.  3ur  Örientirung  für  bert  Sejer  »erben 
jofgenbe  ©teilen  barau3  rjinreidjen:  ,,3d)  bäcfjte,  Sie  blieben 
auf  Sljrer  fd)on  gemachten  $orberung  ftetjen,  nämüd):  für  bie 
öffentliche  Slutorifation  jur  .^erauögabe  Srjrer  ®laüierfad)en, 
unb  ^ngteidt)  für  bie  9\ebaction  bauon  3000  (Bulben  (Sonueut. 
iDcünae,  für  bie  neuen  Sonaten,  bereu  311  einem  jeben  £>efte 
(Sine  bajulömtnt,  im  Surdjfdjnitt  für  jebe  40  Smcaten." 
3)er  Stein  be£  ^InftofeeS  in  biefem  Sßiam  war  bio&:  bogen* 
meife  SSe^a^Iung.  Siabetti  bemerft  ba^u:  „TO:  bogentueifer 
^egatjümg  per  Sucaten  tft  gar  nicfjty,  unb  id)  ratlje  Sljne« 
ÖurdjauS  bauon  ab.  ®er  Verleger  bringt  freitid)  nad)  feiner 
löeredjnung  4000  ©utben  f)erau§,  allein  uießeidjt  in  jeljn 
ober  mehreren  Sauren  ....  3dj  ^offe  gan$  fieser,  ha%  ber 
Serleger  S^re  gorberungen  eingeben  toirb,  toenn  Sie  iljm 
fetbe  abl  Sfyren  legten  unb  beftimmten  SBillen  bet'anut  machen 
tuerben."207) 

Sie  Unterfyanbtung  mit  £>offmeifter  mürbe  nidjt  mit  biplo-- 
matifdjer  Sdnueigfamfeit  betrieben  unb  tarn  (eiber  bei:  mit 
immer  gleidjer  &iebe  unb  Selbftaufopferung  für  bie  Sntercffen 
be§  grofjen  sD£eifter§  fid)  rjingebenben  greunben  im  ^aternofter= 
©äfcdjcn  51t  2öien  ju  Dfjren.  Spekulanten  mie  ben  sperren 
Steiner  u.  (£omp.  (b.  fj.  Steiner  u.  fta^tinger)  tonnte  e§  nict)t 
entgegen,  bafj  fte  bei  3uftan0ef°mmeu  oe§  Seidiger  ^iam 
mit  irjren  $8eetljouen'fd)en  $ertag3toerr'eu  in  9cad)ttjeU  gerätselt, 
tu  ber  golgc^eit  aber  gar  feine  neuen  Sföerfe  meljr  oon  itjm 
gu  erhalten  ferjn  bürften.  Sie  traten  bemnad)  mit  einem  ät)n= 
Hd)en  ^(ane  entgegen,  münfdjenb,  ber  9)?eifter  möge  ifmen  nur 
5»ei  bi§  brei  $arjre  $eit  gönnen,  um  ba§  Unternehmen 
beginnen  3U  tonnen.  sJ0ät  matfyematifdjer  ©emi^eit  bemiefen 
fte  ü)tn  bie  größeren  9Sortt)eile  fomotjt  in  Seäug  auf  §onorar 
a(§  überhaupt,  menn  alte  arbeiten,   (Sorrecturen  u.  f.  ro.  unter 

207)  Auch  dieser  Brief  an  Diabelli  befindet  sich,  wie  die  beiden 
iö  B.S.  Br.  mitgeteilten  Briefe  in  »Schindlers  Beethoven-Nachlaß  Mappe  I. 
No.  44a;  vgl.  B.  S.  Br.  No.  1019  (V.  Band).  A.  d.  H. 


—     367     — 

feinen  51ugen  ftattfiuben  mürben.  ®iefe  djimärifdje  Q}orfpiegetung 
genügte,  um  ben  £>offmeifter'fd)en  $lan  fogtcid)  fallen  511  laffen. 

(Sinige  ßeit  nadjljer  legte  biefe  SBiener  SSertagStjanblung 
bem  9fteifter  ein  SSer^eid)ni^  oon  allen  9Jcufttgattungen  bor, 
beginnenb  mit  ber  (Sinfonie  unb  bem  Oratorium  bis  fjerab 
jum  Siebe,  barin  jebe  ©becieS  tariftrt  mar.  2>iefeS  Sßerseidjnife 
befinbet  fid)  in  XobiaS  VaStinger'S  §anbfd)rift  t)ier.  S)arin  ift 
5.  93.  eine  «Sinfonie  mit  60 — 80  S)ucaten  tarifirt,  ein  „größeres" 
Oratorium  mit  300  ©ucaten,  ein  „f  feineres "  mit  200, 
ein  Requiem  mit  120,  eine  Opera  seria  mit  300,  eine 
SSonate  für  ^ianoforte  allein  mit  30,  eine  große  (Sonate  für 
*ßianoforte  allein  mit  40  $)ucaten.  2)aS  ©anje  mar  ein  fo 
berfül)rerifd)er  $ßtan,  mie  er  bem  sD?eifter  niemals  oorgemalt 
morben.  S)aJ3  er  ein  geneigtes  Ot)r  gefunben,  begreift  fidj 
leidjt  9?ad)fteljenbe  Stnmerfungen  üon  feiner  §anb  auf  bem 
Seräeidmifj  bezeugen  bieS:  „Wcan  tonnte  fid)  aud)  borbeljalten 
bie  greife  manchmal  511  änbern  ober  anberS  §u  beftimmen; 
menn  man  betrachtet,  baf}  bergteidjen  btoS  für  Oeftreidj, 
f)öd)ftenS  granfreid)  märe,  unb  mir  nodj  (Sngtanb  baju  bliebe, 
fo  lönnte  eS  angenommen  merben.  33ei  mehreren  behielte  man 
fid)  bor,  bie  greife  felbft  gu  beftimmen.  2BaS  bie  Verausgabe 
fämmtlid)er  SSerfe  betrifft,  fo  ließe  ftd)  bielteid)t  aud)  ©nglaub 
unb  $ranf:reicf)  für  ben  2lutor  abgietjen.  Sie  §u  jaljlcnbe 
©umme  beS  Verlegers  märe  10,000  ©tttben  (Sonb.  SD?.  25a  fie 
fid)  aud)  eintaffen  motten  auf  bie  Verausgabe  fämmtlidjer  Söerfe, 
fo  mürbe  meines  SradjtenS  ein  foldjer  (Sontract  baS  Söefte 
fetm.  —  SMetleidjt  für  Sonbon  unb  ^ariS  aushalten,  beSmegen 
an  «Sdjtefinger  einen  Srief  fdjreiben." 

liefern  mit  raffinirter  ^tugtjeit  auSgefonnenen  'plane  l)ing 
jeboct)  bie  33ebingung  an,  baf$  ftd)  23eetf)oben  berbftidjten  fotle, 
alles  in  3uhtnft  ju  ©djreibenbe  auSfdjtiefclid)  biefer  SSiener 
93erlagSljanbtung  gu  überlaffen,  eine  Sebingung,  melier  er  ftd) 
unterbieten  mollte.  Mein  aud)  biefer  $ß(an  tjatte  baS  <Sd)idfat 
beS  §offmeifter'fd)en :    er   mürbe   berrattjen.     StfSbatb   erfdjoß 


—     368     — 

3eter  unb  Sßorbio  im  ©remio  ber  anbern  SESiener  Verleger. 
©o  mögen  bem  türfifdjen  "Sultan  einften§  megen  beabfidjtigter 
9}egierung3maf$regetn  öon  ben  sperren  ^3afd)a'3  bie  Drjren  öott 
gefdjrieen  morben  feön,  mie  unferm  äfteifter  bama£3  öon  ben 
Slrtaria'3,  9ftoHo'§  nnb  (Saööi'3  gegen  ba§  ©teiner'fdje  9J?onopot= 
(Softem.  2tud)  ber  muftcalifdje  Sultan  SBienö  ließ  fid)  öon 
ber  Unfetjlbarfeit  ber  ©egenöorfteltungen  biefer  Ferren  ($on= 
currenten  überzeugen,  baft  ber  Steiner'fdje  tylan  51t  feinem 
SRacijt^ett  fet).  2Bie  öorbem  ber  Seidiger,  mnrbe  aud)  biefer 
beseitigt  unb  fomit  fafj  ba$  bebräugte  ©djifffein  unb  ber  — 
tro§  felbfteigener  äJiafmuncj  im  £agebud)e  öon  1816  —  nacfj 
allen  SBinben  rjinbtirfenbe  ©teuermann  roieber  fcft  auf  bem 
Strocfenen;  aber  ^reiljeit  unb  Unabljängigfeit,  (entere  freiließ  in 
fet)r  glueifel^after  Söeife,  blieben  gemaljrt.  SBou  biefer  ^reiljeit 
erhielt  S)omtm!  Sfrtaria  ben  elften  23emei3:  bie  grofse  Sonate 
in  B  dur,  Op.  106. 

9ftittetft  biefer  Sfjatfadjen  füllen  mir  uitS  genug  gerüftet 
hrieber  ben  ©oben  be§  ^aljreä  1823  31t  betreten,  um  bem 
Cjiftorifcrjen  Verlauf  ber  Singe  meiter  nacb^ugerjen. 

(£3  ift  fid)  ^u  erinnern,  bafj  23eett)oöen  jur  Sedung  feiner 
SBebürfniffe  ben  bebauertidjen  Sdjritt  getrau,  Saarfummen  auf* 
Sunefjmen,  barunter  fiel)  aud)  ?(nticiöationen  öon  jmeien  feiner 
Verleger,  einem  äöiener  unb  einem  Seidiger,  befanben.  2ludj 
ift  fid)  5U  erinnern,  baf?  ber  ©elbbebarf  baburd)  motiöirt  mar, 
um  einen  brängenben  ©laubiger  fid)  öom  <patfe  §u  fdjaffen. 
©iefer  ©laubiger  mar  bie  merjrgenannte  2$erlag§t)anbtung 
(Steiner  u.  (Somö.  unb  ba§>  Dbject  be3  fcfjulbigen  23etrage3 
800  ©utben  Wiener  Sßätjrung.*)  ®@  maren  fomit  jene 
Scanner,  beren  Sftaniöutationen  in  ben  Sntereffen  unfern 
SReifterS  mir  foeben  au3  öorftefjenber  S£ijatfad)e  fennen  gelernt, 
meiere  eine  lange  9?eilje   öon  Sauren  mit  irjm  in  ©efdjäftä* 

*)  Sn  ber  etilen  SluSgabe,  <B.  121,  Reifet  e3  800  ©ulben  (Sonto.  9ftünje. 
Dr.  SSad)  Ijat  tiefen  Swttium  erft  nachträglich,  üerbe&ert.  3m  9flanufcripte 
Ijatte  ev  ifm  überfein. 


—     369     — 

berbinbung  getuefen,  bie,  wie  feine  anbeten,  ijjm  gu  fdjmeidjeht 
unb  if)tt  $u  ifyren  ßweden  51t  benutzen  oerftanben,  gegen  bie  er 
Saf)re  fjinburd)  (auteS  äJcißtrauen  gehegt  unb  bie  $auft  im  Sad 
gemalt,  unb  fid)  bennod)  Don  ilmen  nidjt  gu  emancipiren  üer= 
mochte,  bis  bieg  erft  1823  auf  faft  gewaltfame  2Beife  gef diesen 
ift.  2>arum  ifyr  (Sinbrängen  auf  it)n,  weil  fie  t'lar  gefefyen,  wie 
ein  neue§  SSerf  um'S  anbere  anbern  Verlegern  übertaffen 
warb.  —  Sdjon  gu  lange  t)atte  bie  Slbfyängigfeit  beS  9J?eifterS 
öon  biefen  sperren  gebaueri,  benn  bereite  in  bem  trübfatOoEen 
Saf)re  1813  t)atte  fie  ifjren  Anfang  genommen.  Sie  ©rünbe 
laffen  fid)  faft  erraten.  @§  wäre  bebenftid),  biefer  Vorgänge 
mit  fotdjer  Offenheit  5U  ermähnen,  lebte  nid)t  nodj  (Siner,  ber 
biefetben  ganj  in  ber  S^äfje  mit  beobad)tet  t)at,  auf  ben  id)  mid) 
berufen  barf.  (üsS  ift  ber  Verleger  ffl.  Simrod  in  SBonn. 
3tlS  biefer  im  Satjre  1816  Q3eetl)ooen  in  SSien  befudjte,  konnte 
ifjm  beffen  abhängiges  SBertjältnife  §u  genannter  SßertagSIjanblung 
nicfyt  oerborgen  bleiben,  ja,  ber  90?eifter  meiste  it)n  felber  in 
biefe  9Jft)fterien  ein,  als  er  it)n  bei  @in§änbigung  beS  9J?anufcriptS 
ber  beiben  (Sonaten,  Op.  102,  „gebeten,  ben  §erren  (Steiner 
unb  §aSlinger  gegenüber  nictjtS  Oertauten  §u  taffen,  bafc  er  üjm 
(Sompofitionen  jum  Vertag  gegeben."  3n  fo  bebauerlid)er  2tb= 
fyängigfeit  muffen  mir  ben  nad)  anberen  Seiten  f)in  fo  ftarfen 
(Sfyarafter  erbliden!  S)qb  {'einerlei  SSerfpredjen,  meber  ein  münb= 
lidjeS,  tuet  weniger  fd)rifttid)eS,  üon  Seiten  23eettjoüen'S  gegeben 
Worben  mar,  feine  ^unft  nur  bem  Sienfte  biefer  Verlags* 
Ijanblung  §u  mibmen,  f)at  ficf)  batb  §um  STrofte  feiner  greunbe 
mit  ©emifsljeit  tjerauSgeftellt. 

Sn  ben  erften  Monaten  beS  SafjreS  1823  mar  biefeS 
gerwürfnifj  bereits  fo  Weit  gebieten,  bafj  auS  bem  Jätern ofter= 
©äsdjen  mit  gerid)tlid)er  Silage  gebrofyt  morben.  9?ad)bem  beS 
StteifterS  Sruber  Sodann  ftc|  entfdjieben  geweigert,  für  biefe 
fo  geringfügige  Sdmtb  nur  fo  lange  SSürge  fetin  5U  wollen, 
bis  einige  ber  erwarteten  §onorare  für  bie  fubferibirten  @£em= 
ptare  ber  Missa  eingegangen  fetjn  würben,  fo  bnrfte  SBeetfyooen 

St.  SdjinMcr?  93cetf)ot>en=33iograpIjte.  04 


—     370     — 

nicfjt  länger  metjr  fäumen,  bie  9Ingetegent)eit  ben  §änben  bei 
Dr.  Vöad)  $ur  ©djticrjtuug  ju  übergeben.  Snbefj  fanb  ber 
3J?eifter  im  ©inüerftänbniffe  mit  feinem  Stbüocaten  für  notfj= 
roenbig,  üorfjer  eine  ©egenforberung  an  feine  ungeftümen 
(Gläubiger  5U  ftetlen.  Seit  Sauren  befanb  fidj  nämlid)  biefe 
9ttufttt)anbtung  im  23efit;e  ber  Sftanufcriüte  üon  ber  erften 
Duüerture  51t  Seonore,  bie  1805  nad}  einem  ^Srobeüerfud)  be= 
feitigt  morben  mar,  mie  in  ber  gmeiten  ^ßeriobe  beS  näheren 
gemelbet  ift;  ferner  üon  ber  Gantate:  „£)er  glorreiche  2tugen= 
btid,"  1814  aufgeführt,  bann  üon  ber  fünfftimmigen  $uge  in 
D  dar,  für  2  Biotinen,  2  Violen  unb  SBtofonceU,  bereite  im 
Sarjr  1816  gefc^ rieben;  öon  bem  itatienifdjen  ^erjett:  „Empi, 
tremate;"  üon  ber  Duüerture  5U  Slönig  ©teüfjan;  enblid)  nod) 
üon  ber  Ouüerture  in  C  dar,  Op.  115.  3)er  9J?cifter  forberte 
beren  unüeräügtidje  «perau£gabe,  al§>  9?ed)t§grunb  anfüfjrenb, 
ba^  e3  foroorjt  im  geifttgen  mie  auct)  materiellen  Sntereffe  be§ 
2tutor<o  liege,  beffen  ©eiftesörobucte  nidjt  lange  Satrre  t)tnter 
(Scfjto^  unb  Siegel  üerborgen  5U  galten.  2)ie  gegenteilige  (£r= 
roiberung  lautete  fur^  unb  bünbig:  „23ir  Fjaben  jene  9D?anufcriüte 
gelauft  unb  bega^lt,  folgtid)  finb  fie  unfer  (Sigenttjum  unb  können 
bamit  trjun,  roaS  mir  motten."  ©0  ftanb  e3  in  bamaliger  ßeit 
um  ben  Segriff  üon  ©eifteSprobucten  unb  51utoren=9?ecf)ten  in 
©eutfcrjlanb.  (Srftere  glidjen  einer  SüBaare  unb  teuere  ejiftirten 
gar  mdjt.  Dr.  S3acf),  einfefjenb,  bafj  bei  einem  ernfteren  ©djritte 
für  feinen  Klienten  nict)tö  al§  bie  fünftterifcije  2f)ätigfeit 
fjemmenbe  ©emüttjöbemegungeu  refultiren  mürbe,  riet!)  bemnad) 
ju  unüermeilter  2tu3g(eid)ung  mittelft  (Sntäufjerung  einer  S8ant= 
Stctie,  mo^u  fid)  unfer  SWeiftcr  aber  erft  nad)  längerem  (Sträuben 
üerftanben  tjat.  £)ie  2Safjrf)eit  biefer  ©abläge  mirb  üoüenbS 
ber  gemonnene  SBortlaut  eine§  23riefd)en$  üon  Sßeetrjooen  an  ben 
SBerfaffer  biefer  ©djrift  belräftigen,  roie  überhaupt  nod)  feine 
augenblidlid)en  SSert)ä(tniffe  auf's  ©djärffte  lennäeicfjnen.  @r 
fdjreibt:  „Sieber  ©djinbler,  üergeffen  ©ie  nidjt  auf  bie  35.  31. 
(23ant=5tctie).    (£3  ift  f)öd)ft  nöttjig,  idj  möchte  itidjt  gern  um 


—     371     — 

nidjtS  unb  roieber  nid)tS  bei  ©eridjt  »erfragt  raerben.  2)aS  23e= 
nehmen  meines  SruberS  hierin  ift  feiner  gang  mürbig.  —  £eute 
ift  ber  ©dmeiber  beftettt,  ben  id)  unterbeffen  fjoffe  mit  ©üte  für 
fjeute  abtoeifen  §u  fönnen." 208) 

3u  fotrfjen  Vorgängen  mufcte  e§  enblicf)  f'ommen,  um  ben 
lange  gefangen  gehaltenen  3Jtofter  auS  ben  Sttetjen  biefer 
„greunbe"  gu  befreien.  $u  richtiger  Drientirung  in  ben 
ÄatatogSnummern  ift  bemnad)  §u  miffen  notfjtuenbig,  bajj  ge= 
nannte  $ertagSf)anbtung  in  ben  legten  gefjn  Lebensjahren  beS 
9fteifterS  fein  neues  2Berl  t>on  if)m  ermatten.  Sie  legten  DpuS= 
3af)Ien  im  $ata(og  finb  SBerlen  au8  früherer  $eit  beigefeijt,  bie 
auS  jenem  SSertag  ^eröorgegangen.  @S  mar  taum  gu  bejmeifetn, 
baft  bie  ©pecutation  auf  Seetfjorjen'S  Ableben  gerechnet,  um 
alSbann  notf)  mit  einer  Sfvei^e  neuer  SBerfe  öon  it)m  Ijerüor* 
treten  5U  !önnen.  «Somit  erfrört  fid)  bie  te^te  DpuSgafjt  138 
auf  ber  erften  Dutierture  gu  £eonore=$ibelio.*) 

Sn  purem  ©egenfatje  ftanb  baS  S5enet)men  beS  Seipgiger 
©läubigerS,    ber   bie   anbere   5tnticipation   geleiftet   tjatte.    GsS 


*)  ©§  barf  fjier  nid)t  übergangen  werben,  bafj  balb  nad)  Sserfteigerung 
Don  23eetfioüen'!§  „$unft=Wad)laf$"  im  9?ooemb.  1827  bie  ^ad)rid)t  burcö, 
bie  Slätter  ging :  „2obia£  §a§linger  babe  bei  biefer  ©elegenfjeit  für  einen 
Spottpreis  ein  ^ätfd&en  Sänje  unb  Sftärfdje  erftonben,  barin  ftdc)  aud)  bie 
Partitur  nebft  ausgesogenen  £>rcbefter=8ttmmen  einer  ganj  unbefannten, 
großen  djarafterifiifdjen  Ouoerturc  oorgefunben,  lueldje  ber  9JJeifter,  wie  ficb 
Sd)uppan3igl)  erinnert,  root)I  toor  einigen  Sauren  probiren  liefe,  roa§  audj 
bie  eigenpnbig  mit  9?otbfiift  oerbefferten  Scbreibfebler  bejeugen."  Siebe 
Hüg.  SRuf.  3tg.  XXX,  S.  111. 

3u  grünblidjer  gerfiörung  biefeS  n>eitau§gebreiteten  £ügengetnebe§ 
wirb  eine  öon  beS  2)Jeifter§  §anb  im  9Jionat  Februar  1823  gemalte 
ÄaIenber=9?oti§  —  bie  öorliegt  —  beljülflicf/  fefin.  SDiefe  bezeugt:  „Stein er 
baben  bie  Sachen  alle  öon  1814  unb  1816."209) 

208)  Siehe  diesen  Brief  an  Schindler  B.  S.  Br.  No.  897  (IV.  Band). 

A.  d.  H. 

209)  Man  vergleiche  die  beiden  bei  Gelegenheit  der  Darstellung 
des  Fidelio  gemachten  Anmerkungen  102  und  103  hier,  S.  172  f. 

A.  d.  H. 
24* 


—     372     — 

mar  bie  Sßertagsfjanblung  6.  g.  Sßeterä.  Obgteid)  biefe  9(n= 
ticipation  unter  gegenfettiger  Uebereinfunft  oon  $u  (iefernben 
SDJanufcripten  erfolgt  ift,  Teö  erfolgte  nur  eine  unb  roetdje? 
meiter  unten)  fo  ijctte  ber  ef)renmertt)e  Verleger  bennod)  @e= 
butb  mit  ber  iftüd'erftattung  511  roarten,  bi§  biefe  unferm  üDtofter 
toefenttid)  erleichtert  mar.  2>ie  Sftttttjeilung  nadjftefjenber  Quittung, 
bie  im  Original  uorliegt,  mirb  ben  ©acrjüerrjalt  beutlid)  aufs 
Haren,    ©ie  lautet  mörtlid): 

.'gerrn  2.  Oan  Seetrjooen  in  2Bien  erfucfje  id)  rjiermit,  bie 
im  s21uguft  1822  Don  mir  empfangenen  brei  fjunbert  unb  fectjejig 
©ulben  6onDentions=@etb,  meiere  ©ie,  ba.  feine  @efd)äfte  ^roifc^en 
uns  gu  ©taube  gefommen  ftnb,  jetjt  mieber  ju  meiner  93er= 
fügung  ftelten,  an  föerrn  ©tetner  unb  G.,  Stfufürjanbfung  in 
SSien,  ^urüdgu^afilen  unb  gegenmärtiges,  als  Quittung  Don  mir, 
bagegen  gu  empfangen." 

Seibgig,  am  30.  Moocmber  1825. 

(S.  #.  Meters, 
9#ufifDerteger.21ü) 

Sie  ©mpfangsbeftättgung  obiger  360  ©utben  (E  äJ?„  ober 
900  ©ulben  SBiener  Söäfjrung,  de  dato  7.  Secember  1825, 
©ig. :  5.  5t.  ©teiner  unb  (£..,  befinbet  fid)  auf  bemfef  ben  blatte. 

2)as  im  §erbfte  1822  genannter  Sftuftfrjanbtung  in  Seip^ig 
überfdjidte  sDcanufcript  mar  eines  jener  2Berfcfjen,  bie  man  am 
geeignetften  mit  ber  Benennung  „@ebanfenfpäf)ne"  bejeidmen 
tonnte,  märe  biefe  9iubrit  in  ber  muficatifdjen  Siteratur  ein- 
geführt, ©olctjer  ©pälme,  mitunter  mof)l  recfjt  geiftreid)  unb 
inftruetiü,  eriftiren  befannttid)  Don  unferm  äfteifter  jiemlic^ 
oiele,  unb  bürften  meift  alle  mäfyrenb  bes  (Somponirens  großer 
SBerte  abgefallen  fetjn.  2)ie  in  Diebe  ftefjenben  betitelte  er 
„^Bagatellen",  unb   t)attc  fie  in  ber  t)od)begeifterten  3e^   oeg 


210)  Dieser  Ausgang  der  Beziehungen  zwischen  Beethoven  und 
Peters  (Musikalienhandlung)  ist  in  B.  S.  Br.  gut  zu  verfolgen;  siehe 
besonders  Brief  No.  1121  (V.  Band).  A.  d.  H. 


—     373     — 

©ntftet)en3  ber  Missa  solemnis,  gteidjfam  um  auö^urutjen,  ju 
Rapier  gebracht.  3)er  ßeipjiger  Verleger  fdjidte  fte  jebod)  fofort 
fturücf  mit  ber  SBemerfung:  er  tjatte  [ie  be§  $ßreife§  (id)  glaube 
10  £ucaten)  für  unraertl)  unb  23eet£)ooeu  fotte  e3  unter  feiner 
Söürbe  Rotten,  bie  $e\t  m^  foldjen  Äteinigfeiten,  mie  fte  Seber 
machen  fönne,  §u  üerbringen.  —  SDiefe  führte,  aber  ju  guter 
3eit  fommenbe  33emerfung  fanb  bei  bem  SOfeifter  eine  äufjerft 
unliebfame  2lufnaf)me.  ©egen  feine  ©eroofjntjeit  t)at  er  hm 
Sag  be»  @rt)a(tenS  —  19.  9Jcär§  —  fogar  im  Äatenber  notirt, 
ber  mir  uorliegt.  (£§  tjatte  ttürflidj  ben  2(nfd)ein,  als  gefiele  er 
ftd)  in  fo(d)  geiftiger  s}lbfpannung  unb  tjabe  Suft  nod)  mehrere 
bergleid)en  ^Bagatellen  au§  bem  kantet  §u  fctjütteln.  ©päter 
fyat  ba§>  befprod)ene  2Berfd)en  bie  $erlag§t)anblung  ©djott  in 
sJQ?ain5  an  fid)  gebracht  unb  ü)m  bie  (£t)re  angettjan,  e§  unter 
ber  Opu3gai)l  126  erfdjeinen  (^u  (äffen.*) 

üftidjt  otjne  SSiberftreben  berühre  id)  einen  britten  $aff, 
ungteid)  garterer  Statur,  aud)  üon  f)öl)erem  Gelange,  atö  beibe 
aufge^eidjnete,  führte  un3  beffen  Urfprung  nid)t  bi§  gii  bem 
trübfalbollen  öat)re  1813  gurüd,  in  meldjem  ha§>  @d)idfat  um 
ba$  ipaupt  unfer<§  gelben  einen  fo  feften  knoten  gefd)lungen 
511  tjaben  fdjeint,  ben  üoüftänbig  aufgulöfen  it)m  niemals?  mieber 
gelungen  ift.  Slud)  mit  biefem  <Sd)utbpoften  roarb  id)  burd) 
ben  Sfteifter  felber  befannt  gemadjt,  jebod)  über  beffen  Urfprung, 
roie   aud)  über  anbere  in   feine  uerfd)iebenen  SSerfjättniffe  tief 


*)  2)tefer  gall  mag  bie  ©rfinber  dou  3lnet boten  unb  §iftörcf)en,  iöeet= 
tjooen  betreffenb,  belehren,  rate  fcfjioer  e§  für  iijn  felbfi  in  feiner  ©lanj« 
periobe  getoefen  10  Sucaten,  oielroeniger  100,  ju  erholten.  Siebter  geit 
Ijaben  wieber  einmal  bie  Journale  —  nad)  bem  Vorgänge  ber  KoDeüens 
3eitung  —  unfern  50Jeifter  bei  einem  Sanbaufentfjalte  in  ©elboerlegenljeit 
geraden  laffen.  „©tnige  mit  9?oten  betriebene  Sogen"  foule  ber  SSiru) 
ju  einem  Verleger  nad)  28ien  tragen,  unb  in  feinem  tarnen  100  ©ucaten 
bafür  forbern,  —  bie  bem  Ueberbringer  be§  23ed)fel§  roirtlid)  bejarjtt 
roorben,  wie  ber  ©rfinber  roeifj.  SBaJjrfdjeinlicb,  mar  e§  bie  $8erlag§ljanbtung 
im  $aternofter=©äBd)en,  bie  fo  Ijof)e  (Summen  für  !8eetf)oDen'fcf)e  1öcanu= 
fcripte  ftet§  in  33erettfd)aft  gehabt. 


—     374     — 

einfcfjneibenbe  ©titjel^etten  jenes  Uttgtüd3jaf)re3  bin  id)  erft 
bei  meinem  längeren  Aufenthalte  gu  $ranffurt  am  9D?ain  toer= 
gemiffert  morben.  ;£)afelbft  befinbet  fid)  nod)  eine  ber  ältesten 
greunbinnen  uufer3  2Mfter§  am  Scben,  meiere  er  bereite  bei 
feiner  Stnfunft  in  SBien  1792  im  üätertidjen  §aufe,  öon  53  — , 
!ennen  gelernt,  bie  fid)  bann  im  Safjre  1798  nad)  granffurt 
tierl)eiratf)et  fjat.  ®tc  grojje  ©ntfernung  ttermocfjte  bie  gegen= 
feitigen  (Gefühle  toarjrer  $reunbfcfjaft  unb  ^odjacfjtung  nidjt  $u 
frfjtuäcfjen.  £>iefe  $ranffurter  $amitie  nannte  ber  Sfteifter  in 
einer  ßufcfjrift  an  mid):  „feine  beften  $reunbe  in  ber  2Mt."  — 
3n  feinem  S£agebud)e  Don  1814,  baüon  Hbfdjriften  ejiftiren, 
fteljt  bon  feiner  §anb  bie  5Inmertung:  „2300  ©ulben  bin  id) 
bem  g.  31  35  — t  — 0  fcfmtbig,211)  einmal  1100  8fr.  unb 
6044=  (®ucaten.) "  £)iefe  öortrefflidjen  Sftenfdjen  ()aben  ben 
Sfteifter  niemals  an  feine  Sßerpflidjtung  erinnert,  im  ©egenttjeU 
fid)  bemüht  ifjm  biefelbe  au§  bem  ©hm  %\i  fdjlagen,  bi§  ganj 
günftige  Sage  tarnen.  „£>en  (Sbetmutf)  biefer  $reunbe  aber 
nicfjt  länger  prüfen  -m  muffen",  nrie  er  fiel)  in  ber  ß^rif* 
an  mid)  auSbrüdt,  entfcfjtofj  er  fid)  eine  atoeite  33anl=2lctie  gu 
öerfaufen,  roeldje  51ngelegent)eit  id)  if)tn  gleichfalls  orbnen  fjatf. 
(£<§  gefcfjal)  bie£  unmittelbar  nad)  bem  ermähnten  (Sonflict  mit 
ber  (gteiner'fdjen  9ftufiff)anbtung  im  Arg  1823,  mie  e§  mir 
feine  Äalenber=9?otate  tiergegentoärtigen. 

©in  üierter  ©djutbüoften,  gleid)tt)ot)l  an  fid)  f)üd)ft  im* 
bebeutenb,  betrifft  einen  eigentrjümlicfjen  galt,  ift  bagu  noci)  mit 
ben  Sntereffen  eines  5Inbern  eng  öertnüpft.  ©3  mirb  ratcjfam 
ferm,  beffen  9ftittl)eilung  für  einen  geeigneteren  Ort  gu  öer= 
froren.  SDer  freunbltcrje  ©enfor  in  SSien  t)atte  iön  in  ber 
erften  Aufgabe   befeitigt,  unb  bennod)  ift  er  protofotlarifd) 


211)  Siehe  das  Fischhoffsche  Manuskript  Fol.  31b.  Über  Beet- 
hovens hohe  Verehrung  der  Familie  v.  Brentano  in  Frankfurt  a.  M. 
geben  die  zahlreichen  Briefe  des  Meisters  einen  unsterblichen  Beweis. 
Man  lese  u.  a.  B.  S.  Br.  No.  815,  827,  828,  829,  880  usw.  (IV.  Band). 

A.  d.  H. 


—     375     — 

öergeicCjitet,  folglidj  fein  @erjeimniJ3.  ®te  StwSeinanberfetjung 
mirb  nun  unertäfetid),  ma§  gezeigt  »erben  foE. 

Sßenn  ©erjfrieb  unter  ben  (Sljaractersügen  23eeu)otien'<o  and) 
ben  anführt:  „(Sr  fannte  ben  eigentlidjen  SBertf)  be§  @etbe3 
nidjt,  metd)e§  er  nur  a(3  Mittel  betrachtete,  gur  5lnfd)affung 
ber  unumgänglid)  notrjmenbigen  23ebürfniffe,"  fo  barf  nad)  (£in= 
ficfjt  in  üorfterjenbe  £rjatfacrjen  mof)(  gefragt  merben:  oon  meld)' 
fern  tiegenber  ßeit  fpricfjt  benn  ber  9titter  oon  ©etjfrieb?  SJJan 
foHte  bod)  meinen,  bafj  SBerrjättniffe,  mie  bie  eben  mitgeteilten, 
morjl  in  bie  ©djute  fctjicfert  tonnen,  um  ben  SKSertt)  be§  (Selbem 
fennen  gu  lernen.  3n  biefer  ©cfjule  mar  unfer  %onbid)ter 
mirftid),  lernte  aucfj  bie  Xt)eorie  oortreff(id),  mit  ber  SßrartS 
erging  e§  irjm  aber  mie  fo  Dielen  Slnbern;  er  fnauferte  nur  gu 
oft  bei  ben  nottjroenbigften  SSebürfniffen,  in  Singen  aber,  bie 
feine  Siebfjabereien  betrafen  ober  mit  irgenbmetcfjen  ©tgenrjeiten 
coUibirten,  ba  gerieten  Sljeorie  unb  fragte  in  ßmiefpalt.  SBir 
merben  Oon  berg(eid)en  5U  fprecrjen  traben. 

SBerlaffen  mir  aber  einftroeiten  biefe  unfreunbtidje  ©tation 
im  Seben  unferS  9J?eifter3  unb  bege6en  mir  un§  mieber  auf  ba§ 
©ebiet  feines  $unftgeniu§. 

Sn  ben  SSintermonaten  üon  1823  Verbreitete  ficfcj  über  baZ 
muficatifd)e  SBien  eine  9^act)rtd)t  fo  gmeifettofen  Snrjattä,  bafj 
äße  9ftufiffreunbe  barob  üon  greube  erfüllt  mürben.  Sie  nad) 
adjtjärjriger  ^ßaufe  im  9?oüember  1822  ftattgefunbene  Söieber* 
auffüfjrung  beä  gibetio,  ber  in  ber  %fyat  mie  $ßrjöbu§  ftrafjtenb 
am  muficalifd)en  ^orisonte  aufgegangen,  ijatte  in  mehreren  $or^ 
fteüungen  einen  fo  aufjerorbentücrjen  ©rfotg,  bafj  bie  3lbmini= 
ftration  be3  faif.  Dpern=£fjeater§  ben  $tutfj  fafete,  an  unfern 
Sfteifter  ben  Antrag  betreffe  einer  neuen  Oper  für  biefe§  3n= 
ftitut  gelangen  ju  (äffen.*)    Sßeetrjoöen  bemitlfommte  biefen  5tn= 


*)  3)ie  ^ünfifer,  »Deiche  in  biefen  SSorfteüungen  ttirften,  nmren: 
SBilljelnune  ©djroeber  (gibelto),  £>aijinger  (gbreftan),  gorti 
(^ijarro),  Seltner  (Oiocco),  ^eftroty  (Son  gernanbo),  SRaufdjer 
(Sacqutno)   unb   Ztjttia  Setnmer  (Warcettine). 


—     376     — 

trag  unb  roünfdjte  untierjügtidj  £ejte  jur  9lu3roaf)t  gu  erhalten. 
£>iefe  famen  aläbalb  in  nid)t  geringer  Stnsal)!,  allein  alle  miß5 
fielen.*)  SSorab  Ijatte  er  fid)  für  a(tgried)ifd)e  unb  rörmfdjje 
(Stoffe  au£gefprod)en,  bie  man  üjm  aber  al3  öerbraudjt  bar* 
aufteilen  fid)  bemüht  t)atte.  3)ie§  erfd)tuerte  bie  SÖarjt  bermaften, 
ba$  ber  Reiftet*  balb  fetber  nid)t  metjr  mußte,  in  tuefd)e  ®ate= 
gorie  benn  ber  gu  mätjlenbe  ©toff  eigenttid)  gehören  foüe.  'Sa 
magte  e§  —  nidjt  ofjne  3a9en  —  3rail8  ©rülparger  irjm 
fein  eben  beenbigte§  Dpernbud)  „SMufina"  gujufdjiden.  tiefer 
Ijodjromanttfdje  ©toff,  öiete  rairffame  Situationen  bietenb,  unter 
ben  tjanbelnben  Sßerfonen  aud)  eine  fomifdje  jätjtenb  (ein  ©iener 
faft  in  Seporello'3  ©praeter)  gefiel  2Seeti)ooen  au<§net)menb  unb 
ftimmte  it)n  l)inftd)tiid)  feinet  früher  geäußerten  Sßunfcfjeg  üöttig 
um.  ©idjter  unb  £onfe|er  t)ietten  mehrere  ©onferengen,  benen 
id)  ftetS  beigerootjnt,  tuo  in  33eeti)oüen'3  ©inne  9lenberungen, 
^ürgungen,  überhaupt  eine  gebrängtcre  2(norbnung  im 
©cenarium  oerabrebet  unb  Dorn  £>id)ter  bereitmiltigft  5ugejagt 
roorben.  2)iefe  Sßerantaffung  führte  beibe  ebte  ©änger  §um 
erften  5DM  §ufammen  unb  gab  ©etegentjeit,  in  mefjmutt)^ 
wollen  Ätageüebern  über  bie  politifdjen  unb  focialen  3uf^nbe 
be§  gemeinfamen  $ater(anbe§  gegenfeitig  bie  ^pergen  ju  er= 
öffnen.212) 


*)  21.  $.  9Jtarj  fübrt  in  feinem  Seetbot-en,  I,  379,  an,  bafs  t>on 
bortber  ber  2lntrag  gefommen  ju  einer  breiactigen  £>per,  welche  33  i  ebene 
felb  nad)  6d)ifler3  33iirgfd)aft  gearbeitet  hatte,  bafj  23eetbot>en  nicht  ab- 
gelebnt,  aber  Verlangt  habe,  ba$  bex  2.  5fct  (baZ  ^ocbjeitSfcfi)  öon  28eigl 
comöonirt  werbe,  weil  iljrn  felber  „folcöe  feiige  §eiterfeit  nicht  äufage." 

S)a§  ift  (£rbid)tung,  fcfjttierlid)  aber  r>on  ^Jarj.  33eetbot>en  Eiatte  für 
Sof.  SEeigl,  feinen  alten  Shtjfreunb,  3U  grofee  Sichtung,  als  bafj  er  fold)e 
^leujjerung  getban  Ijaben  tonnte,  ^m  ©egenttjeil  ergriff  er  jebe  ©elegen= 
r)eit,  bem  au3ge,$eicfjneten  Dt>ern=2)irector  biefe  2ld)tung  offen  3U  bezeugen. 
l£r  betrachtete  ilm  als  bie  einjig  lebenbe  üErabition  in  Wlo^axt'^  Sftufif. 
„SBetgl  b.at'S  gefagt?   SDann  glaubt  c3  nur." 

212)  Die  mannigfachen  Beziehungen  Grillparzers  zur  Musik 
im  allgemeinen  und  zu  Beethoven  im  besondern  mit  besonderer  Aus- 


—     377     — 

gaft  gleidjjeitig  mit  bem  antrage  feiten^  ber  5lbminiftration 
beö  Dpern=£tjeater§  fam  ein  äfjnlidjer  au$  93erttn  üon  bem  3n= 
tenbanten  ber  königlichen  Sweater,  (trafen  93 r ü f| t ,  bem  gufolge 
unferm  Üötetfter  ba§>  Honorar  felbft  ju  beftimmen  übertaffen 
mar.  Otjne  Semonbem  ein  ßeidjen  ju  geben,  überfdjidte  er  bem 
©rafen  bie  ©riflparäer'fdje  Sftelufina  ^itr  (Einfictjt,  unb  jmar 
mit  beifälligen  9leuf3erungen  barüber,  toaä  ficfj  au§>  bem  9lntioort= 
fdjreiben  be<§  Sntenbanten  ergeben,  baS  SeettjoDen  §u  üerbergen 
oergeffen.  ©raf  25rüfjt  fpenbete  ber  £>id)tung  nidjt  minber  feinen 
Seifall,  bemerfte  aber  beigetjenb,  ba^  auf  ber  ^önigl.  Dpern* 
bütjne  ein  93allet  „Unbine"  in  ©cene  ferj,  beffen  Sntjatt  einige 
2lefjnlicfjfeit  mit  bem  ber  SMufina  Ijabe.  tiefer  unbebeutenbe 
Umftanb  nebft  ben  alten  unerfreulichen  (Erinnerungen  an  bie 
Vorgänge  mit  feinem  gibelio  raaren  ©runb,  bafj  er  feine  916= 
ficfjt,  eine  beutfdje  Oper  ju  f djreiben,  ptö^lid)  fallen  liefe,  uad)= 
bem  er  manct)  fjarteö  SBort  über  beutfdje  Dpernfänger  aug= 
geftofeen  tjatte.  3n  feiner  (Erinnerung  fctjienen  nur  bie  $or* 
gänge  oom  Satjre  1805  im  Slrjeater  an  ber  26ien  tjaften  ge= 
blieben  51t  fet)n,  leiber  nictjt  ba§  gefällige  (Sntgegentommen 
fämmtlid)er  §of=£)pernfänger  unb  bereit  auSgejeidjnete  Seiftungen 
au§>  bem  Satjre  1814,  benen  ja  unbeftritten  ein  guter  Sttjeil 
be§  (Erfolget  ^ugefdjrieben  loerben  tonnte.  Sftidjt  minber  tjat  er 
über  bie  9tuffüfjrungen  feiner  Dper  im  ©pätfjerbfte  1822  all* 
feitig  nur  mit  21nerfennung  fpredjen  gebort.  *£)a3  alles  öer= 
modjte  aber  feine  Meinung  bau  beutfdjen  ©ängern  im  5111= 
gemeinen  feineSmegö  31t  änbern.  SBietfadjer  Umgang  in  früheren 
Satjren  mit  italienifcrjen  Sängern  tjat  ben  burctj  unb  burd) 
beutfdjen  ßomponiften  unb  beutfdjen  ättann  für  beutfdje  ©änger 
nidjt  günftig  geftimmt.  (£r  oermifjte  bei  ifjnen  bie  bei  Italienern 
allgeit  wahrgenommene  Segeifterung  für  bie  Shtnft  unb  (Eifer  im 
©tubium,  er  befctjulbigte  ferner  bie  beutfdjen  ©änger  ber  ©elbft= 

nutzung  der  dahingehörigen  Konversationshefte  sind  behandelt  in  des 
Herausgebers  Monographie  .,Grillparzer  und  Beethoven"  in  „Nord  und 
Süd''  1891.  A.  d.  H. 


—     378     — 

genügfamfeit  auf  mittelmäßiger  »Stufe  ber  9lu3bi(bung.*)  3lt 
ungüuftigeu  23erg(eid)en  ga6  bie  bamatige  9(nmefenf)eit  ber  erften 
@efang§gröf$en  Statten^  in  ber  Staiferftabt,  al§:  Sabladje,  Sfiubini, 
2)on5eüi,  5lmbrogt,  3)at>ib  u.  ct.,  bann  ber  ©amen:  gobor= 
SJcainüitle,  9Jceric=2a(anbe,  £>arbanefli,  ©derlin  u.  a.,  bie  ben 
@ntt)ufia§mu§  be3  2tubitorium§  in  jeber  SBorftellung  auf£ 
§ötf)fte  ju  erregen  tierftanben,  täglidj  ©etegentjeit.  Sa,  unfer 
Sfteifter,  ber  öon  biefer  ©djaar  auSerforner  .tünftter  9ftofftni'§ 
„93arbi6re"  aufführen  gefefyen,  (nadjbem  er  üorfyer  (Sinfidjt  in 
bie  Partitur  genommen)  fjatte  in  ber  S£t)at  für  biefetbe  fo  ent= 
fdjieben  $euer  gefangen,  baf3  er  ftdj  auf  Anregung  ber  funft= 
begeisterten  Caroline  Unger  (nun  bereljeiidjte  grau  Ungtjer* 
©abatier)  teidjtlidj  gu  bem  (Sntfd)tuffe  bringen  ließ,  eine  Düer 
für  biefe  italienifdje  ©änger^ljalanr.  ju  fdjreiben.  Cfjne  meitere 
5Iufforberung  r)atte  er  btefen  ^ünftlern  ba£  $erfpred)en  gegeben, 
fd)on  im  folgenben  Saljre  mit  biefer  Arbeit  beginnen  31t  roollen. 
S5atb  raerben  mir  bie  ©rünbe  üernetjmen,  roeldje  aud)  biefen 
fdjönen  Sßorfat;  5U  nidjte  gemadjt.213) 


*)  23elcf)e§  Urteil  würbe  tuob4  ber  frrenge  SDietfter  über  ben  all; 
gemeinen  33ilbung3ju[tanb  ber  heutigen  Sänger,  fomorjl  bent|d)en  »nie 
ttaltenifcfjen,  fällen,  roenn  er  bamalS  fdmn  fo  fdjarf  biftinguirt  Ijat?! 

213)  In  Seite  49  des  II.  Bandes.  Es  ist  schade,  daß  Schindler, 
da  er  von  Beethovens  Enthusiasmus  für  die  italienische  Oper  spricht, 
unterlassen  hat,  einen  Brief  des  Administrators  des  Kaiserlichen  Hof- 
operntheaters, Duport,  an  Beethoven  mitzuteilen,  der  sich  im  Beet- 
hoven-Nachlaß befindet.    Das  sei  hiermit  nachgeholt  (Mappe  I,  No.  47) : 

„Monsieur! 

Je  m'empresse  de  vous  communiquer  la  reponse  de  Mr.  Barbaja 
que  je  viens  de  recevoir  de  Naples 

il  me  charge  de  vous  assurer  qu'il  se  trouve  bien  Hatte  de  recevoir 
un  nouvel  opera  compose  par  vous  et  qu'il  attend  seulement  pour  vous 
donner  une  reponse  definitive  par  rapport  au  prix  et  au  temps,  s'il 
conservera  le  bail  (=  Pachtkontrakt)  du  th^ätre  imp.  et  de  op. 
d'aupres  la  poste  d'Italie  au  delä  du  1er  döcembre  1824.    Je  saisis  cette 


—     379     — 

Sn  bie  gxüJ)ttng§5eit  biefeS  SafjreS  fallt  eine  (Spifobe,  bie, 
weit  nicrjt  of)ne  djarafteriftifdjen  Beigefd)macf,  toofyt  ber  ©r* 
rocUjnung  wertt)  ift.  ©djon  int  üorauSgefjenben  Sarjre  erhielt 
ber  Sfteifter  öon  ber  fönigt.  fcrjtüebifcfjen  5tfabemie  ber  fünfte 
nnb  Sßiffenfctjaften  ba$  in  fet)r  fd)metct)elr)aften  SluSbrüclen  ab= 
gefaxte  3)iptom  eines  (StjrenmitgtiebS.  SSorfctjriftSmäBig  würben 
bie  nötigen  «Schritte  bei  ber  nieberöftreidjifcfyen  Stegiernng  um 
(5int)otung  ber  Qnrtaubnifc  gu  beffen  Sfnnatnne  gettjan.  üftact) 
fefjr  langem  §arren  tarn  biefe  enbticfj,  nacfjbem  Beettjotien  bereits 
mit  Bearbeitung  bes  2)iabetli'fd)en  Söat^er^^ema'S  pt  §e£en* 
borf  befd)äftigt  getoefen.  S3et)ufö  (Sinrüctung  biefer  2tu§3eicf)nung 
aus  f)ot)em  Sorben  in  ben  Deftretcfjifcrjen  Beobachter  unb  bie 
SBiener  ßeitfctjrift  überfeinste  er  mir  für  ben  SRebacteur  be£ 
erfteren  (§errn  öon  $ßitat)  unb  für  ß.  Vernarb  betreffs  beS 
anbern  BtatteS  §roei  Briefe  in  taunigfter  9tbfaffung  unb  burd)= 
einauber   geworfenen  Sätjen.214)     $n   einem  brüten,  mir  5U- 


occasion  pour  vous  remettre  ci -Joint  le  livre  que  vous  m'avez  fait  la 
grace  de  me  preter. 

j'ai  l'honneur  d'etre 

Monsieur 

Votve  tres  humble 
et  tres  oböissant  Serviteur 
L.  Dnport 
p.  p.  Barbaja 
Vienne  le  20  avril  824." 

Wie  bedauerlich,  daß  mau  keine  italienische  Oper  von  Beethoven 
erhalten  hat.  Aber  jetzt  war  der  Meister  zu  voll  von  seiner  großen 
Akademie  mit  der  Neunten  und  mit  der  Missa  solemnis,  als  daß  eine 
Oper  selbst  mit  den  ersten  italienischen  Gesangesgrößen  noch  Keiz  für 
ihn  haben  könnte!  A.  d.  H. 

214)  Der  Brief  an  Pilat,  Redakteur  des  „Österreichischen  Be- 
obachter", ist  nach  dem  Originalmanuskript  in  Schindlers  Beethoven- 
Nachlaß,  Mappe  I,  No.  30,  in  B.  S.  Br.  No.  944  (IV.  Band)  veröffentlicht. 
Der  Brief  an  den  Redakteur  Carl  Bernard  ist  nach  dem  Faksimile  in 
der  Halbmonatsschrift  „Der  Erdgeist"  ebenfalls  in  B.  S.  Br.  No.  945 
(IV.  Band)  veröffentlicht.  A.  d.  H. 


—     380     — 

gehörigen,  fpiegette  firf)  bie  gorm  ber  anbern  beftenä  ab.  tiefer 
Brief  Tautet: 

,,©et)r  Befter  2 —  t—  Don  (Spiruö  nidit  meniger  öoit 
Brunbuftum!  ©ebt  ben  Brief  bem  Beobachter,  @3  mufe  aber 
fein  üftame  öon  (Sud)  brauf  gefegt  merben  ...  3d)  tjabe  ge= 
fdjrieben  „511m  ©rjrenmitgüeb",  id)  roeijj  aber  nid)t,  ob  e£  fo 
fjeijjen  foü,  ob  nidjt  üielfeidjt  bto3  „jum  au§roärtigen  9J?it- 
glieb",  uniuiffenb  unb  nie  beadjtenb  bergleidjen.  fragen  Sie 
bei  beiben  pl)tfofopt)ifd)en  3eitung3fd)reibern,  ob  bie§  eine  @t)ren= 
ober  eine  ©d)anbmitglieb§=@rnennung  ferj."  u.  f.  ro.*)''15) 

£)iefe  ©cfjrtftftücfe,  nebft  anbern  berartigen  ©rgüffen  nod), 
lieferten  ben  fpred)enbfien  Bemeiö  öon  ben  uergnügten  ©tunben, 
bie  ber  9J?eifter  mit  Bariirung  be3  SKal^erö  „mit  bem  3d)ufter= 
fted"  öerbrad)t  Ijat.  2>er  Sntjatt  aber  ber  beiben  anbern  Briefe 
bemegte  fid)  in  meift  beif3enben  (Sarta^men  begügtid)  auf  ba% 
9iebaction<§=(#efd)äft,  auf  bie  rjorje  Regierung  unb  bie  grofce 
Befcfjmernifj,  meldje  itjr  biefe,  nid)t  meniger  benn  fieben  bi§ 
adjt  Monate  Qät  erforbertidje  Stnnaljme-Befdjliefjung  oerurfacfjt 
bjaben  muffe. 

3>m  Saufe  be§  9}conat§  Suni  mar  biefe  Bariationen^trbeit 
beenbigt  unb  ofjne  übüdje  ,ßeitanmeubung  jur  legten  ^eite  fofort 
bem  Berleger  Siabeüi  übergeben.  Unb  nun  ging  e£  unüermeitt 
mit  öollen  ©egetn  auf  bie  neunte  Sinfonie  tol>,  für  bie 
bereite  einige  üKotate  ftcfjtbar  gemefen.  Urptö^tid)  mar  aber 
aller  Junior  uerfcrjmunben,  ber  irjn  biegfam  unb  in  jeber  §in= 
fid)t  gugängtid)  gemadjt  rjatte.    Me  Bejucrje  mürben  abgemiefen, 


*)  Sejjterer  SerminuS  möge  nicfjt  firenge  tritifirt  roerben.  Sie  t 
fd^jneb.  Slfabemic  Ijatte  bi§  gum  Sarjr  1823,  üorneljmlicf)  in  Sonfunfi,  faum 
nocb  inerüicfje  ©puren  tljreö  Sa[erjn!§  gegeben,  unb  felbfi  gegenwärtig 
fcrjeinen  biefe  Singe  nocb  immer  in  einem  primitiöen  guftanbe  äu  &er= 
fjarren.  Saß  bie  Dp  er  nictjt  bamit  gemeint  ift,  üerfterjt  fid)  »oorjl  Don  felbft 
215)  Dieser  Brief  an  Schindler  ist  vom  Herausgeber  mehrfach 
publiziert,  u.  a.  in  dessen  „Neuen  Beethovenbriefeu",  zuletzt  in  B.  S.  Br. 
No.  943  (IV.  Band).  A.  d.  H. 


—     381     — 

felbft  meine,  bie  iljm  biz  bafyin  nid)t  oft  genug  fommen  tonnten, 
roünfctjte  er  üon  nun  an  feltener.  ©r  fctjrieb  mir  bafyer: 
„©amottjraäier!*)  23emüf)t  eud)  nid)t  f}ierf)er,  bis  etrca  ein 
^pati=©t)erif  erfctjeint,  bie  golbne  ©dmur  tjabt  St)r  unterbeffen 
ntcrjt  oerbient  —  9}?eine  fdjnettfegelnbe  Fregatte,  bie  morjtebel* 
geborne  grau  ©cfjnapS,  wirb  fid)  meiftenS  aüe  2  unb  3  Xäge 
nad)  Syrern  2öof)l'befinben  erfunbigen.  Sebt  mof)(,  bringt 
autf)  Sßiemanben,  lebt  mofuV'216) 

$a§  unorbentlidjfte  Seben  in  ber  §aust)a(tung,  in  ben 
legten  28od)en  etroas  beffer  gemorbeu,  begann  roieber  Don  oorn. 
SSienenartig  burdjftrid)  er  mit  bem  ©r'i-föenbud)  in  ber  §anb 
gelber  unb  gturen,  ofyne  an  bie  feftgefegte  ©tunbe  ber  9JMgeit 
gu  beuten.  2Bas  früher  im  fjödjften  ©tabium  geiftiger  (Sjaltation 
nie  Dorgefommen,  gefcfjaf)  bermal,  ba$  er  roieberrjolt  ofjne  £mt 
gurüdgef'efjrt  tft.  Sie  um  bie  SRitte  Sluguft  fatj  man  bereite 
ftarfe  <pefte  mit  üftotirungen  gu  bem  neuen  9Serle.  3)a  über* 
!am  ü)n  ber  9kütue,  bie  fdjöne  SSiUa  be3  53aron  ^ronat)  Oer= 
(äffen  31t  motten  unb  nad)  S3aben  §u  überfiebeln,  ©runb:  „roeit 
ber  $arou  immer  tiefe  (Sompümente  oor  itjtn  mad)e,  fo  oft  er 
itjm  begegne."  fS&ix  bürfen  un§  an  biefer  ©teile  tvoty.  feiner 
SBorte  im  ^Briefe  an  bie  geliebte  ©iulietta  erinnern:  „'Semutf) 
be3  9ttenfd)en  gegen  ben  9J?enfdjen  —  fie  fdjmerst  mid)"  u.  f.  ro. 
SSorftellungen  gegen  biefen  ©runb,  mie  überhaupt  gegen  bie  ?(b= 
ftdjt  ben  Stufentfjalt  5U  raedjfeln,  blieben  ofme  ©rfolg.  2)a  er* 
festen  eineä  9ftorgen§  feine  fdjneüfegelnbe  gregatte,  bie  gute, 
alte  §au3t)älterin,  auf  meiner  ©tube,  (e§  mu|  gefagt  Werben, 
bafj   SBeettjoüen   feit   ©eOtember  1822   feine   2Bol[)nung   in  ber 


*)  9ftü  bem  Sorte  „©amottjrasier"  foielt  ©eetöoben  r)ter,  rote  fonft 
nodj  oft  in  feinen  Briefen  an  xn\§,  auf  bie  famott)rafifdjen  SJhjfierien  an 
(in  ber  nunf)ifa>t)eroifd)en  geil,  2000  t>.  (££).)  bie  jutn  Sfieil  auf  9Jiuft! 
gegrünbet  waren.  (£§  foß  bamit  bie  9Kitroiffenfdjaft  ber  93eeU)oöen'fd)en 
SKöfterien  angebeutet  fettn. 

216)  Siehe  dieses  Billett  nebst  Erklärungen  in  ß.  S.  Br.  No.  937 
(IV.  Band).  A.  d.  H. 


—     382     — 

s.ßfarrgaffe,  55orftabt  Seimgrube  mit  mir  geseilt  Ijatte)  unb 
braute  bie  Botfdjaft:  ber  Sfteifter  füljle  ftdt)  aufjer  ©tanb  in 
§e|enborf  roeiter  §u  arbeiten,  muffe  bafjer  öon  bort  fort;  er 
ermarte  mid)  beS  anbern  £ageS  um  5  U^r  9J?orgenS  bei  fid), 
bamit  id)  ifym  bei  Sluffudjung  einer  Söoljnung  in  23aben  be~ 
f)ülftid)  fet).  911S  Beglaubigung  famen  nadjfieljenbe  Qtiten  öon 
feiner  §anb  mit:  „©amot^ra^ifdier  S  —  t —  SJcadjt,  baS  SSettcr 
ift  gerabe  redjt.  (SS  ift  aber  beffer  früher  als  fpäter,  presto 
prestissimo,  man  fät)rt  öon  f)ier."217) 

£)iefe  gatjrt  öon  £e£enborf  nad)  Baben  unb  baS  bortige 
®efd)äft  gehören  51t  meinen  fcoffirlidjften  (Srfebniffen  mit  bem 
großen  ©onberting.  2llSbatb  fing  er  an  bie  lange  SReifye  bort 
bereits  gehabter  Söoljnungen  unb  if)r  UnangenefjmeS  unb  Un= 
bequemes  in  ber  (Srinnerung  gu  muftern.  35on  allen  blieb 
nur  eine  einzige  übrig,  bie  fo  befdjaffen  fet),  mie  er  fie  je£t 
bebürfe;  „allein  bie  Seute  tjaben  im  Oorigen  8af)re  erftärt, 
midj  nid)t  mieber  aufnehmen  gu  rooHen."  ©oldje  ©rftärungen 
maren  aber  in  anbern  §äufern  bort  bereits  metjrfad)  erfolgt. 
Sn  Baben  angefommen  erfud)te  er  mid),  als  Parlamentär  in 
bie  gemünfd)te  Söoljnung  mid)  §u  berfügen,  unb  in  feinem 
tarnen  baS  Berfpredjen  befferer  Drbnung  unb  9?üdfid)t  auf 
bie  fremben  SJcitbemoljner  (ein  §auptan!lagepunct)  ju  geben. 
SDiefeS  Berfpred}en  fanb  aber  feine  Beachtung;  id)  marb  ab- 
gemiefen.  £>er  tjarrenbe  $reunb  mar  barob  tief  betrübt,  üftodj 
einmal  marb  ber  Parlamentär  in  bie  gefte  beS  ©d)foffer= 
meifterS  mit  neuen  Betreuerungen  beS  2Bof)tOert)attenS  abgefanbt. 
diesmal  fanb  er  miHigereS  ©etjör.  @S  mürbe  jeboti»  auS= 
brüdlid)  bie  gorberung  geftellt,  Beetljoüen  folle  roieberum  im 
ßimmer  nad)  ber  ©trafje  mie  im  Oorigen  Safjre  genfterläben 
anbringen  laffen.  Bergeblid)  maren  mir  bemüht,  ben  ©runb 
biefer  fonberbaren  gorberung  ju  erraten.  Snbefj,  ba  bie 
§erbeifd)affung   biefeS   9iequifitS    gur   2Ibf)altung    beS    grellen 


217)  Gedruckt  u.  a.  in  B.  S.  Br.  No.  956  (IV.  Band).    A.  d.  H. 


—     383     — 

Sonnenlichtes  für  bie  teibenben  2fugen  be§  2onbid)ter§  als 
bringenb  notl)toenbig  fid)  ertt)ie3,  fo  mürbe  biefe  gorberung 
gerne  sugeftanben.  ©d)on  nad)  menigen  Sagen  erfolgte  bie 
Ueberftebetung. 

Unb  meiere  SÖetoanbtntfe  ^attc  c§  motjt  mit  eben  ermähnter 
gorberung,  bafj  fie  fogar  als  53ebingung  gur  SBieberaufnafyme 
uorangeftetlt  morben?  ©infadj  biefe:  Sßeettjoüen,  bamatS  frfjon 
redjt  oft  Oon  einem  gemiffen  £>ämon  angetrieben,  beffen  nähere 
SBefanntfdjaft  mir  erft  meiter  unten  madjen  merben,  pflegte 
fid)  bei  feinem  üorjäfjrigen  2tufentt)alte  in  jenem  §aufe  gu* 
meilen  an  einen  ober  ben  anbern  ber  bloS  behobelten  $enfter~ 
laben  gu  ftellen  unb  nad)  feiner  3Seife  ellenlange  9fad)nungen, 
3.  23.  50,  100,  ober  mot)t  gar  200  3)ucaten,  mie  biete  ©ulben 
ftnb  bieS?  mitunter  muftcatifdje  Einfälle,  überhaupt  ein  ®e= 
banfen=93untertei  mit  ©leiftift  aufguäeidmen,  fo  atoar,  ba^  btefe 
bünnen  Sinbenliol^tafeln  eine  5lrt  oon  SEagebud)  bilbeten.  Sm 
(Sommer  bon  1822  moljnte  eine  ^amilie  auS  jftorbbeutfd)* 
lanb  gegenüber,  bie  it)n  bei  biefer  23efd)äftigung  beobachtet 
unb  nad)  feinem  Slbguge  einen  biefer  Säben,  tüat)rfct)einltcr) 
curiositatis  causa,  bem  ©djloffermeifter  für  ein  ©tüd  ©elb 
abgefauft  Ejatte.  (Sinmal  ben  2öertl)  etneS  fo  bemalten  $enfter= 
labenS  lernten  gelernt,  t)iett  eS  gar  nid)t  fdjtoer,  alle  bier  ©tficE 
an  ßurgäfte  $u  berfaufen.  S3ei  ber  oon  bem  Slpotfyefer  %.  in 
33aben  fpäter  erhaltenen  $unbe  oon  biefem  getoif$  feltfamen 
«<panbel  fotl  unfer  Sfteifter  in  ein  t)omerifd)e3  Sachen  ausge- 
brochen fetm. 

3Benn  eS  ber  $erfaffer  oerantworten  51t  tonnen  glaubt, 
biefem  an  fid)  un6ebeutenben,  boct)  poffirtidjen  Vorfalle  9kum 
gegeben  51t  Ijaben,  fo  gefdjat)  eS,  um  ju  geigen,  mie  \>a§>  (£nt= 
ftetjen,  ©ebenen,  überhaupt  ^ßor^anbenfe^n  mandjer  guten, 
bietleid)t  aud)  großen  Stjat  gumeilen  ber  9ftittoirlung  red)t  ge= 
ringfügiger  üftebenumftänbe  bebarf.  2)ieS  tet)rt  aud)  bie  @r= 
faljrung.  £)er  Sferger  über  bie  Komplimente  be§  SöaronS  ju 
£>e£enborf  mar  ©runb,  bafj  bie  Quelle  ber  (Srftnbung  nidjt  fo 


—     384     — 

reidjlid)  fliegen  ruollte,  mie  bei*  Xonbtdjter  e*  geumnfdjt. 
Starum  ber  3)rang  nad)  Entfernung  unb  groar  in  jene 
Sanbfdjaft,  in  roefdjer,  nebft  ber  Don  üftöbting  unb  £>eitigen= 
ftabt,  ber  @emu§  am  frudjtbrtngenbften  ficfj  erroiefen.  (Sä 
fcfjeint  nid)t  roeit  fjergerjolt  ju  ferjn,  bafe  roir  öieltetdjt  ber  WiU 
lütrfnng  be§  eigennützigen  ^Bürgers  Oon  SSaben  ba§  53orrjanbeu= 
fetm  ber  neunten  (Sinfonie  311  nerbanfen  tjaben;  benn  fanb  93eet= 
Ipöen  burd)  ba3  Sttebium  ber  genftertäben  nirf)t  nrieber  sXuf= 
nafjme  in  bem  ifjm  ferjr  bequem  gelegenen  £aufe,  fo  ftanb  e3 
feljr  im  ßroetfet,  ob  ber  unruhige,  bie  fturgäfte  ftörenbe  9J?eifter 
irgenb  anbereroo  ©inlaf?  unb  fomit  aud)  SERufte  ju  feinen 
(Stubien  gefunben  fyaben  roürbe.  Unb  baz  $8erfd)ieben  irgenb 
einer  anftrengenben  Arbeit  auf  fernere  -läge  toar  bei  irjm  eine 
gefät)rtidt}e  <&a§e,  befonberö  in  feinen  testen  Sebensjaljren.  Sßir 
roerben  barüber  batb  51t  fpredjen  ljaben.  Vorläufig  fet)  eine 
©teile  au§  bem  Briefe  oon  £$riebrttfj  3?od)ti§,  de  dato  Vbabcn 
ben  9.  Suft  1822,  angeführt,  bie  aud)  letzteren  ^unct  berührt. 
9iod)Ht3  fjatte  bem  SOtetfter  im  auftrage  Don  |>aertel  in  Seidig 
bie  Sbee  mitgetrjeilt,  311  ®oetf)e'3  gauft  eine  9#uft£  gu  fdjreibeu, 
ungefähr  in  ber  2Seife,  roie  bie  ^um  ßgmont.  9fod)litj  beridjtet 
23eetl)oüen'3  eigene  SBorte  an  §aertel;  unter  anberen:  „. .  . .  5d) 
trage  mid)  fd)on  eine  &\t  *)er  m^  ore*  anbern  großen  SBerfen. 
SBtel  baju  ift  fdjon  auSgerjedt;  im  ftoöfe  nämtid).  Siefe  mufj 
id)  erft  00m  §atfe  fjaben:  gtoei  grofee  ©infonien,  unb  jebe 
anber§,  at§  meine  übrigen;  unb  ein  Oratorium.  Unb  bamit 
roirb'3  lange  bauern;  benn,  fefjen  <2ie,  feit  einiger  $eit 
bring'  id)  mid)  nietet  met)r  leidjt  gum  ©djreiben.  3d) 
fi£e  unb  finne  unb  finne;  idj  fyab'Z  lange,  aber  eS  roül 
nidjt  auf'3  Rapier.  @£  grauet  mir  oor'm  Slnfang  fo 
großer  Söerfe.  35in  id)  bann  brin,  ba  geht's  roorjt."*) 
(Srft  mit  ben  legten  itjrem  SSinteraufentljalte  guffiegenben 

*)  „Sür  greunbe  ber  Sonlunft"  üon  griebrtcf)  9iod)ü&.   IV.218) 
218)  Die  außerordentlichen  Schilderungen  von  Friedr.  von  Rochlitz 
über  Beethoven  stehen  im  IV.  Bande  „Für  Freunde  der  Tonkunst", 


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—     385     — 

guguögeln  fam  unfer  gfleifter  bieSmal  mieber  nact)  SBten  junid; 
c§  mar  bereite  (Snbe  Dctober§.  @r  be§og  bie§mat  eine  SSorjnung 
in  ber  llngergaffe  (SSorftabt  Sanbftrafje),  nafye  bem  ©tabtttjore. 
SDie  neue  (Sinfonie  mar  b\§>  auf  ben  öierten  @a|  fertig,  b.  fj. 
im  Äoöfe,  bie  §auötgebanfen  aber  feftgetjalten  in  ben  ©fi^en« 
^peften.  ©egen  feine  ©eworjnljeit  liefe  er  mandje§  über  biefe 
neue  ©djööfung  fallen,  fo  aud),  bafj  er  mit  bem  öierten  @at>e 
nod)  nicrjt  einig  mit  fictj  fetber  feto,  junädjft  t)infid)ttid)  ber  gu 
mäfoknben  ©tropfen  am  (Scrjiüer'S  Dbe  „An  bie  $reube."  Sftit 
aufjerorbenttidjem  ^teifte  f)iett  er  fid)  an  ber  Aufarbeitung  ber 
erften  ©ätje  in  Partitur,  bie  motjl  unter  alten  feinen  anbern 
Partituren  al§  Sftufter  öon  ©auberfeit,  ;£>eutlid)feit  gelten  fann; 
itict)t  minber  geidmet  fie  ficf)  au§  burd)  eine  äufeerft  geringe 
SCngatjt  öon  Gorrecturen.  An  bie  Aufarbeitung  be§  öierten 
©a^e§  gekommen,  begann  ein  fetten  bemerfter  ®ampf.  (££ 
tjanbette  fid)  um  Auffinbung  eines  gefdjidten  9ftobu§  §u  @in= 
füljrung  ber  ©tf)iHer'fd)en  Dbe.  ($ine§  £age§  in'S  gimmer 
tretenb  rief  er  mir  entgegen:  ,,8d)  f)ab'<S,  idj  fjab'S!"  Damit 
rjielt  er  mir  bciZ  ©^en^eft  uor,  too  notirt  ftanb:  „Safjt  un§ 
ba§  ßieb  be§  unfterblicfjen  ©filier  fingen,"  roorauf  eine  ©oto= 
©timme  unmittelbar  ben  §rjtnnu3  „an  bie  greube"  begann. 
(8ief)  btö  gacfimife.)  —  Allein  biefe  Sbee  mufete  föäter 
einer  unftreitig  5medentfpred)enberen  meieren,  nämlid):  „Dgreunbe, 
nid)t  biefe  £öne!  fonbern  laftt  un£  angenehmere  anftimmen, 
unb  freubenüollere."*) 


*)  ©intge  bon  ben  bieten  Ausfällen  Ultbifdjeff'S  gegen  tiefen 
öierten  @a|,  bie  fid)  in  feinet  9Äosart=93iograpbte  borfinben,  »erbienen  Ijter 
angemerft  jn  werben.  9Jac&bem  er  gefagt,  bafj  93eetboben  bie  erhabenen 
SSrudjftürfe  üon  ©dntfer'S  Dbe  wie  3fe|en  e{ne§  itatienifdjen  Sibretto  be= 
Ijanbelt  fiabe,  fät)rt  er  fort:  „Unb  bie§  wollte  wäbrenb  feiner  ftärfften 
ptjrjfifcben  unb  rnoratifeben  9lbnabme   ber   gro&e  Unglücflicbe  componiren, 


S.  355  f.,  358;  dasselbe  auch  in  Rochlitz'  anderer  Schrift  „Für  ruhige 
Stunden"  II,  S.  44.  Man  sehe  auch  Nohl:  „Beethoven  nach  den 
Schilderungen  seiner  Zeitgenossen"  S.  158.  A.  d.  H. 

8t.  ©djinMer«  S3eetljo»en=8togr<n>t>te.  95 


—     386     — 

äflit  biefer  Slbänberung  ift  ber  ©ingang  $u  biefem  @a^e 
ein  böHig  anberer  geworben,  at§  urfprünglidj  im  ^ßlane  gelegen. 
'Sie  befeitigten  931ätter  ber  Sßartitur  geigten  e§.  ©cfjabe,  bafe 
e3  un§  an  @inftd)t  gefehlt,  felbe  auf5ubemaf)ren,  fie  fönnten  je|t 
fo  gute  Singe  leiften,  mie  bie  üerfdn'ebenen  ^Bearbeitungen 
einzelner  Hummern  au3  gibelio.  Seim  aufarbeiten  öon  (5(at>ier= 
(Sompofitionen  pflegte  ber  SReifter  fiäuftg  an'§  Snftrument  §u 
treten,  um  einzelne  ©teilen,  oorneljmlid)  ^Saffagen  (mof)l  nur 
ber  ©pietbarfeit  megen)  gu  berfudjen.  Sei  foldjen  Serfudjen 
ignorierte  er  ben  ober  bie  5tnmefenben  gang,  tiefem  Umftanbe 
üerbanfe  id)  unter  anbern  bie  Selanntfdjaft  mit  ben  ©onaten 
Op.  106,  109  unb  110  in  allen  Reiten,  meniger  mar  tum 
ber  letjten  ©onate,  Op.  111,  §u  frören.  Sei  Aufarbeitung 
aber  Oon  Partituren  berührte  er  fein  Snftrument,  unb,  meil 
er  e§  übel  oermerfte,  SSerfe  in  ber  (Sntftefwng  üor  feinen  Slugen 
bur^ublättern,  fo  blieb  felbft  ben  §au3genoffen  beren  Snfjalt 
unbefannt,  bi§  e§  ju  ben  groben  fam.  2lu§  ben  befeitigten 
Slättern  mie  aud)  au§  ben  jufammengenäljeten  ^artitur=§eften 
mar  erfidjttid),  ba^  t>a$  Sftecitatiü  für  bie  ßontrabäffe  aud)  erft 
fpäter  t)in5ugelommen  ift.  £)ie  9Mobie  §ur  erften  ©tropfe 
betreffenb,  fanb  fid)  in  ben  ©fi^en  eine  oiermalige  Abänberung, 
unb  barüber  fein  gemöf)nlid)e<o  „Meilleur,"  mie  im  beigegebenen 
$acftmite  gu  erfefjen. 


ber  fid)  Seetljoöen  nannte.  SBermocbte  er  e§,  alt,  fränflidj,  leiben b 
unb  tnenfcöenfcfieu,  mie  et  mar?"  —  SBeetbooen  jähtte  53  SebenSjabre 
unb  mit  feiner  ©efunbbeit  ftanb  e8  jur  3e't  redjt  gut.  5Sa§  bie  aftenfdjen^ 
fdjeu  betrifft,  bie  gottlob  bei  unferm  SJJeifier  niemals  ftattgefunben,  menn 
er  aud)  gurtidgejogenbeit  Hebte,  fo  ift  nid)t  leid)t  §u  begreifen,  ma3  fie 
bei  ^eroorbringung  eines  2flufifroerfe§  foö.  2)iefe  einjige  ©teile  jeugt 
ebenfo  öon  Unoernunft  al§  aud)  oon  33efangenbeit,  mit  ber  biefer  3tntagonift 
93eefboben'§  in  beffen  93eurtbeilung  ju  SSerfe  gegangen.219) 

219)  Dieser  Verunglimpfer  Beethovens  sollte  doch  von  keinem 
Verehrer  des  Meisters  mehr  in  den  Mund  genommen  werden.  Dem 
gebührt  nur  schweigende  Verachtung.  A.  d.  H. 


—     387     — 

<Sd)on  im  3ftonat  $ekuar  be§  folgenben  Saljreg  1824 
mar  biefe  cotoffare  ©ct)öüfung  bi§  jur  legten  geile  fertig  unb 
ber  9fteifter  fing  wieber  an,  befferer  Saune  gu  werben,  ja  fogar 
©tunben  ber  ©rljolung  fidj  gu  gönnen;  man  faf)  it)n  Wieber 
burdj  bie  ©trafen  fdjlenbem,  mit  feinem  am  fcfjmarjen  Vänbdjen 
Ijangenben  „©tedjer"  bie  fdjönen  2lu§lagefäften  6elorgnettiren 
unb  mannen  Vefannten  ober  greunb  nact)  langer  Qtit  lieber 
einmal  im  Vorbeigehen  begrüben.  (Seit  bem  ßufammenfetm 
mit  feinem  ©afte  (Sari  äftaria  oon  3ße6er  im  Sftonat 
9?oöember  be§  oergangenen  Safjreä  (nad)  51uffüt)rung  oon  beffen 
Dper  ©urtjanttje)  Ratten  mir  nidjt  met)r  $>a$  Vergnügen,  hm 
9J?eifter  ein  geuerwerf  Oon  fprüt)enben  unb  praffelnben  9ßtf5= 
funfen  unb  <Sar!a§men  a&brennen  t)ören  gu  tonnen.  2lm  meiften 
freuten  fidj  06  biefem  ©tanb  ber  2)inge  ber  £)ict)ter  (Sari 
Vernarb  unb  ber  Vorftanb  be3  üftuftf=Verein§,  benn  nun  festen 
mirflict)  Hoffnung  öortjanben  gu  feOn,  bafj  unfer  SDtofter  at§? 
balb  an  bie  2lu§ar6eitung  be§  Oratorium^  „£)er  ©ieg  be§ 
^reu^eS"  für  ben  üü?ufif> Verein  fct)reiten  werben.  Wlit  ber 
©idjtung  oollfommen  aufrieben,  freute  er  fidj  felber  auf  biefe 
Arbeit.  Veiben,  bem  3)ict)ter  wie  bem  SOfufiloerein§=Vorftanbe 
würbe  üietleidjt  gum  gwangigfien  9J?ale  ba%  Verfprectjen  erneuert, 
bafj  e§  ifjm  mit  bem  Oratorium  ootler  (Srnft  fet)  unb  er  in 
ben  nädjften  üftonaten  fidler  an  bie  2lr6eit  getjen  wolle.220) 
Snbefe:  Accidit  in  puncto,  quod  non  speratur  —  in  annis.221) 
Unoertjofft  trat  ein  (Sreignijj  ein,  ba§  ben  gefaxten  ©ntfctjliefjungen 
Veetf)oüen'3  eine  anbere  SSenbung  gegeben,  nadjgerabe  warb  e§ 
birecte  Veranlaffung,  bafj  alle  bie  frönen  Vorfälle  unb  *ßlane 
^u  neuen,  großen  @d)ö^fungen  einer  nadj  bem  anbern  ad  calendas 


220)  Über  Bernard  und  seine  Textdichtung  „Der  Sieg  des  Kreuzes" 
sehe  man  Beethovens  denkwürdigen  Brief  vom  Jahre  1824  in  B.  S.  Br. 
No.  982  (V.  Band)  an  die  Gesellschaft  der  Musikfreunde  in  Wien ;  be- 
sonders die  Erklärungen  daselbst.  A.  d.  H. 

221)  Über  die  Quelle  dieses  Zitats  läßt  sich  selbst  Büchmann 
nicht  vernehmen.  A.  d.  H. 

25* 


—     388     — 

graecas  üerfdjoben  unb  anbere  arbeiten  „einftroeilen"  öor= 
genommen  mürben.  93efefyen  mir  un§  bie  35inge  fammt  ifyren 
Urfadjen  unb  nachgefolgten  SSirfungen  in  ber  9?äf)e. 

1£)ie  italienifdje  Dper  unter  ßettung  'Somenico  58ar= 
baja'3,  refp.  feineö  SteüOertreter§  unb  Verbünbeten  ßoui§ 
©uport'S,  fjatte  am  13.  Slprit  1822  mit  föoffini'3  neuefter, 
für  SBien  getriebener  Oper  „gehnira"  °^e  VorfteÖungen  be- 
gonnen. $orau3gefjenb  fdjon  finb  bie  S'ünftter  genannt,  metdje 
bie  Gruppe  gebilbet.  @s  bleibt  nur  nod)  %vl  ergänzen,  bafe 
SRoffini  perföntid)  pgegen  gemefen  unb  feine  ©emat)(in  (Sot- 
bran  in  biefer  erften  ©aifon  bie  s$rima  £)onna  oorgefteüt  §at. 
©leid)mof)t  biefe  ben  ©rmartungen  beS  s}3ublicum3  nict)t  gan^ 
entfprod)en,  fo  maren  bocfj  bie  anbem  fämmt(id)  fo  auf$er= 
orbenttidjer  9lrt,  baf$  eS  einem  fo  leidet  erregbaren  unb  für 
alleö  $rembe  eingenommenen  Stubitorium,  mie  ba§  SSieuer,  mot)t 
ju  üer^edien  mar,  ftdj  oon  ben  ©efammtteiftungen  biefer  Gruppe 
f)inreifjen  3U  taffen.  ©in  meniger  finnUcfj=erregbare§  mürbe 
5meifet§o^ne  rtadj  ber  erften  Ueberrafdjung  5U  einer  gemeffeneren 
Gattung  jurücfgetommen  feint,  fonadj  mürbe  aud)  bas  dietjörte 
gu  ernfterer,  bem  ^origont  ber  Äunftanfdjauungen  ermeiternben 
Sitbung  beigetragen  Ijaben.  3n  SKien  mar  bem  nirfjt  fo,  oiet= 
mefjr  fteigerte  fid)  oon  Vorfiellung  §u  Sßorfteüung  ber  unge= 
jügette  (SnttmftasmuS,  bi£  er  in  einen  entfdjiebenen  (Sinnentaumel 
ausgeartet  ift,  ber  feinen  @tad>et  (ebigtid)  in  ber  Virtuofität  ber 
©änger  gefunben;  SBertf)  ober  Unmertf)  be£  vorgetragenen 
^unftmerfeS  lamen  nid)t  in  $etrad)t.  3m  Monat  ^uti  fanb 
ber  ©cfjlufe  biefer  <2aifon  mit  $offini'3  „Corradino"  ftatt.  2)er 
Referent  ber  Mg.  9Ruf.  ^tg.  fcfyitbert  bie  Vorgänge  bei  biefer 
2Ibfcfjieb§üorfteflung  f  otgenbermafjen :  ff2)a  ging  e§  benn  in  bet- 
rat ooll  unb  totl  genug  gu;  at§  ob  bie  ganje  $erfamm(ung 
Oon  ber  Tarantel  geftodjen  märe,  gtid)  bie  gan^e  SSorftettung 
einer  Vergötterung;  baZ  Carmen,  Rubeln,  Sandten,  viva=  unb 
fora=23rüüen  nafym  gar  fein  @nbe." 

35ie  bisherige  $erma(tung  biefe§  ftriferl.  IljeaterS,  an  beren 


—     389     — 

<5pi£e  Der  §ofratrj  üon  güljob*),  ber  §of=©ecretair  Sgnaä 
üon  Sftofet,  unb,  als  dritter  im  9ktf)e,  ber  (Sapettmeifter 
Sofepf)  SBeigt,  geftanben,  Ijatte  bie  3eit  unb  ifyre  2lnforbe= 
rungen,  nicfjt  minber  bie  äöünfdje  be§  ^ßublicumS  burdjauS 
unbeadjtet  getaffen.  üftacfjbem  teureres  fdjon  1816  burd)  einige 
Vorftettungen  ausgezeichneter  itatifdjer  $ünftter,  (barunter  bie 
(Sontra^lltiftin  «Signora  Sorgonbio,  ber  erfte  Xancreb  in 
3)eutfd)(anb,  unb  ber  ausgezeichnete  Xenor  £acd)inarbi) 
SSorgefctjmad  üon  SRoffini'S  Dpernmufif  unb  italienifdjer  ©efangS= 
Virtuosität  ermatten,  meiere  Vorftellungen  fid)  um  zraei  Sarjre 
fpäter  auf  berfetben  §ofbürjne  mieberrjott  Ratten;  nactjbem  ferner 
unter  @raf  gerbinanb  ^ßalfi'S  ^irection  im  Sweater  an  ber 
2Bien  alle  big  barjin  erfctjienenen  9ftoffini'fd)en  Dpern  üon  beut= 
fcfjen  ©ängern  mit  großem  Sßeifaüe  aufgeführt  unb  bie  Stenge 
angezogen  rjatten,  mar  eS  üon  bem  genannten  ^riumüirat  faft 
trjöricfjt,  fid)  fortan  nod)  gegen  Slufnarjme  ber  SKoffini'fdjen  Dpern 
ju  ftemmen,  gumat  ein  feljr  adjtungSroertrjer  $ünft(erüerein  bort 
gemirft,  melcrjem  ber  auf  ber  benachbarten  $orftabtbüt)ne  in 
jebem  58etrad)te  nadjgeftanben.  ©djetfucfjt  aber  unb  SgoiSmuS, 
trjeitS  bie  eigenen,  trjeüS  bie  üon  ber  franjöfifdjen  SSüfme  über* 
fommenen  Dpem,  nierjt  üerbrängt  zu  ferjen,  maren  bie  ®rünbe 
folctjen  (SntgegenftemmenS.  £)ie  leibigen  g°*9en  seigten  fid) 
mehrere  Sarjre  rjtnburd)  in  einem  enormen  deficit,  ganz  geeignet, 
um  bie  feit  langen  Safjren  ferjon  beroiefene  ®(eid)gü(tigfeit  beS 
ÄaiferS  für  feine  Dpernbürme  nod)  zu  ert)öt)en.  2)arum  maren 
bereite  tauge  oor  bem  ©rfdjeinen  Söarbaja'S  $)rof)ungen  tjörbar, 
ber  $aifer  motte  baS  gu  foftfpielige  5Mrntnert()or=£rjeater  einem 
s,ßad)ter  übertaffen. 

SSon  einem  in  fo  tjorjem  ©rabe  funft,äftt)etifdt)  üer!ommenen 
publicum,  roie  baS  SSiener  jur  3e^  gercefen,  mar  faum  ein 
anftänbigereS  Sßerrjatten  gegen  beutfdje  Sftufif  unb  ^Jcuftfer 
überhaupt  ju  ermarten,   a(S   fid)  nad)  Stb^ug  ber  itatienifdjen 


*)  3«  3Sien  ntd^t  anbevS  al§  „^teljub"  genannt. 


—    390    — 

Gruppe  im  Suli  1822  ergeben;  über  bie  ganse  <Stabt  l)atte 
ficf)  tiefe  Trauer  üerbreitet.  Diefe  SSerftimmung  festen  fid) 
augenblidlidj  nur  burdj  23erl)ö£)nung  ber  beutfdjen  (Sänger 
einigermaßen  (hteidjterung  öon  bem  ©c^merge  ü6er  ben  SSerluft 
gehabter  §od)genüffe  gu  Oerfdjaffen.  Die  begriffe  öon  ®efang§= 
fünft  maren  auf  ben  S£f)eit  be3  geläufigen  (Solorirenö  jufammen« 
gefdjrumpft,  unb  ba  bie  beutfrfjen  Operiften  bie§  nid)t  fo  Per* 
motten,  fo  marb  iljnen  bie  frühere  2Sertt)fd)ät5ung  entzogen. 
Unter  allen  Opern  tjatte  fid)  allein  SSeber'3  $reifd)ütj  ber  ((Sdjau* 
(uft  megen)  in  @unft  erhalten.  ©rft  nad)  Verlauf  oon  9Jconaten 
erholte  fidj  ber  gebiegenere  Sttjett  be3  $ublicum£  (biefer  mar 
nid)t  ber  Slbet)  bon  feinem  §p,per=@ntt)ufia3mu3,  fo  ba^  man 
e§  im  ^oüember  mit  26ieberaiiffüt)rung  be§  $ibelio  (mie  öorauS 
fdjon  berichtet)  magen  §u  bürfen  glaubte. 

Da3  Safjr  1823  aber  faf)  ben  burd)  bie  italienifdjen 
Opern =$orftetlungen  mieber  ermedten  Taumel  halb  in  einen 
äd)t  itatienifdjen  „$anati§mo"  übergetjen.  Der  fleine  9teft 
oon  Stdjtung  für  beutfdje  ©efangmuftf  mar  gan§  öerfdjmunben. 
9lu3  biefem  Safjre  batiren  bie  jammerüollen  3uftänbe  in  aller 
unb  jeber  9Jcuftf,  bie  fid)  Sa^rje^enbe  tjinburd)  über  bie 
öftreidjifdje  §auptftabt  Verbreitet  unb  natürlid)  alte  <Stäbte  ber 
SOconardjie  balb  üollftänbig  inficirt  t)aben.  3roei  Sollte  fpäter 
finbet  fid)  ber  Slnfang  biefer  Depraöation  in  ber  21U.  Sftuf. 
3tg.  au§  SBien  in  nad)ftef)enben  SSorten  gefctjilbert:  „(Seit 
3at)r  unb  £ag  ift  faum  ein  bebeutenb  intereffanteS  9ftufif= 
mert  erfd)ienen,  nichts  al§  Ütoffini'fdje  Opern  in  &laoier=2lu3äug. 
2ltte§  liegt  brad).  2Bo  I)inau3?" 
1824  Diefe  gebrängte  ßtjaracteriftif  be<§  3e^moment^  in  tt>etd)em 
bie  nun  gu  öerfianbelnben  Dinge  einklagen,  mußte  boraus= 
gefcfjidt  merben,  um  ben  richtigen  (Stanbpunct  51t  beren  Sßer* 
ftänbnifj  5U  geminnen.  @£  begreift  fidj,  bafj  unfer  erhabener 
9fteifter  üon  biefen  3uf^noen  ouf3  ^ärteftc  getroffen  mürbe. 
Die  Missa  solemnis  lag  feit  jmei  Sauren  ooltenbet  ba,  unb 
bie  neunte  (Sinfonie  mar  bi§   51t  Anlegung  ber  legten  $eite 


—     391     — 

fertig ;  ttrie  nun  eine  9luffü!jrung  beiber  SföerÜe  mit  9fu§fidjt  auf 
fünftferifcrjen  raie  pecuniären  (£rfotg  (legerer  mit  Serücffidjtigung 
be3  ®oftenpuncte3)  gu  bemerfftettigen  bei  Sortjanbenfebn  fo  att» 
gemeiner  £>epraüation  ?  ©arum  fjatte  Seettjoöen  ben  95rief= 
medjfet  mit  bem  ©rafen  Srüt)t  benu^t  unb  bei  bemfetben  an= 
gefragt,  ob  er  moljl  unter  feinen  Slufpicien  eine  5tuffüf)rung 
biefer  beiben  SSerfe  in  Sertin  bemirfen  fönne  unb  motte,  ©raf 
33rüt)(  ermutigte  ben  Sfteifter  gur  2Iu§füt)rung  biefer  Sbee  unb 
üerfpradj  guten  Gsrfolg.  3)a§  ^unbmerben  aber  in  5ßien  fpornte 
eine  fteine  3a^  gebiegener  unb  befonnen  gebliebener  Äünftler 
unb  Äunftfreunbe  gu  einer  Bereinigung  an,  um  bie  ber  $aifer= 
ftabt  brotjenbe  ©tfjtnad)  abgumenben.  <53  mürbe  tion  biefer 
(Süte  eine  5lbreffe  an  ben  9)ceifter  rebigirt  unb  bemfelben  burd) 
eine  Deputation  au§  tljrer  SJZitte  überreicht.  §ier  folgt  biefe§ 
©djriftftücf  mortgetreu:222) 

„9In  ben  §errn  Submig  oan  Seetljotieu. 

w5lu§  bem  meiten  Greife,  ber  fidj  um  Sfyren  ®eniu§  in 
feiner  jmeiten  Saterftabt  in  berounbernber  2Seref)rung  fctjüe^t, 
tritt  tjeute  eine  Keine  Qafyl  üon  Äunftjüngern  unb  ^unftfreun* 
ben  üor  ©te  t)tn,  um  tängftgefüljlte  SKünfdje  au^ufpredien, 
lange  gurücfgetjattenen  Sitten  ein  befdjeiben  freiem  SSort 
§u  geben. 

w3)ocf),  mie  bie  Stnjatjt  ber  SBortfüfyrer  nur  ein  geringe^ 
95ert)ä(tni^  au§brücft  §ur  sJttenge  berer,  bie  S^ren  SBertE),  unb 
ma§  ©ie  ber  ©egenmart  unb  einer  fommenben  3e^  gemorben 
ftnb,  freubig  erfennen;  fo  befdjränfen  autf)  jene  SSünfcfje  unb 
Sitten  fttf)  feine3meg§  auf  bie  Qaty  ber  ©pretfjer  für  fo  Oiete 
©teidjgefinnte,  unb  e§  bürfen  biefe  tarnen  5ltte,  benen  Äunft 
unb  SSermirltidjung  ifyrer  Sbeate  metjr  ai§>  Wxtttl  unb  ©egen= 
ftanb  be§  3eitt,ertretöe3  ftnb,  behaupten,  bajj,  ma§  fie  roünftfjen, 
Don  Unseligen   gemünfd)t,  ma§  fie  bitten,  Oon  Sebem,  beffen 

222)   Diese   historische   Adresse    au    den    Tonmeister    liegt    im 
Original  in  Schindlers  Beethoven-Nachlaß.  A.  d.  H. 


—     392     — 

Stuft  ein  ©efüfjt  be§  ©öttlicfjen  in  ber  SDcufif  belebt,  taut  unb 
im  ©tiÜen  mieberfyott  roirb. 

„Sßoraügticrj  finb  e§  bie  Sßünfdje  üaterlänbifdjer  ftunft= 
üerefjrer,  bie  mir  Ijier  üortragen,  benn  06  audj  23eetrjotien'§ 
üftame  unb  feine  ©djöpfungen  ber  gefammten  ÜUiittoelt  unb  jebetn 
Sanbe  angehören,  tno  ber  Shinft  ein  füt)(enbe£  ©emütf)  fid) 
öffnet,  barf  Oeftretdt)  ifjn  bod)  §unäc^ft  ben  ©einigen  nennen. 
9?ocfj  tft  in  feinen  Setoorjnern  ber  ©inn  nicfjt  erftor6en  für 
bog,  ma§  im  ©cfjoofie  ifjrer  §eimatt)  SO^art  unb  £>at)bn  ©rofje§ 
unb  Unfterbücr)e§  für  alle  ^olgejeit  gefdjaffen,  unb  mit  freubigem 
©tot^e  finb  fie  fid)  behmfet,  ba$  bie  rjeüige  £ria£,  in  ber  jene 
tarnen  unb  ber  Steige  aU  ©innbitb  be3  §öd)ften  im  ©eifter* 
reirf)  ber  Xöne  f trafen,  fid)  au§  ber  ÜDfttte  be3  uaterlänbifcrjen 
23oben§  erhoben  fjat. 

„Um  fo  frf)mer3Üct)er  aber  muffen  Sie  e§  fügten,  bafe  in 
biefe  ®önig§burg  ber  (Sbetften  frembe  ©ettmlt  fid)  eingebrängt, 
ba^  ü6er  ben  §ügetn  ber  Serblidjenen  unb  um  bie  Sßotjnftätte 
be§  @in5igen,  ber  au§  jenem  53unbe  un§  nodj  erübrigt,  @r= 
fdjeinungen  ben  SReirjen  führen,  toetdje  fid)  feiner  Serttxtnbtfcrjaft 
mit  ben  fürfttidjen  ©eiftern  be§  §aufe§  rühmen  tonnen;  bafj 
^lacrjrjcit  tarnen  unb  3e^en  oer  Äunft  mifjbraucfjt,  unb  im 
unmürbigen  ©piel  mit  bem  ^eiligen,  ber  ©inn  für  SReineS  unb 
einig  ©djöneä  fid)  üerbüftert  unb  fdmnnbet. 

„9J?et)r  unb  tebenbiger  al§  je  juöor  fügten  fie  batjer,  t>a§ 
gerabe  in  biefem  2(ugenblid  ein  neuer  Wuffdntmng  burd)  fräftige 
§anb,  ein  neues  (Srfdjeinen  be3  ^)errfd)er3  auf  feinem  ©ebiete, 
ba$  (Sine  fet),  ma<§  9^otf)  tt)itt.  £)iefe§  Sebürfnifj  ift  e£,  roa§ 
fie  tjeute  ju  Srjnen  fütjrt,  unb  $otgenbe§  finb  bie  Sitten,  bie 
fie  für  Sllle,  benen  biefe  SBünfdje  treuer  finb,  unb  im  üftamen 
naterlänbifcfjer  ®unft  an  ©ie  richten. 

„©nt^ietjett  ©ie  bem  öffentlichen  ©enuffe,  entjiefjen  ©ie  bem 
bebrängten  ©inne  für  ©rojjeä  unb  3Menbete§  nid)t  länger  bie 
5luffüt)rung  ber  jüngften  Sfteiftertoerfe  Sfyrer  §anb.  3Bir 
miffen,  bafj  eine  grofje  firdjtidje  ßompofition  fid)  an  jene  erfte 


—     393     — 

angefdjloffen  fyat,  in  ber  Sie  bie  (Smpfinbungen  einer,  üon  ber 
Äraft  be§  ©laubenS  unb  oom  Sichte  be§  Ueberirbifdjen  bnrdj= 
brungenen  unb  üerllärten  ©eele  oerenrigt  fjaben.  —  2Bir  hriffen, 
i>a$  in  bem  ^ran^e  Sljrer  fjerrlidjen  nocl)  unerreichten  ©infonien 
eine  neue  53lume  glänzt,  ©eit  Sauren  fct)on,  feit  bie  Bonner 
be§  @iege§  oon  Sßittoria  üertjallten,  Darren  nur  unb  Ijoffen,  ©ie 
ttneber  einmal  im  Greife  ber  Sljrigen  neue  ©aben  au§  ber  $ülle 
S^reö  9?eicf)tf)um§  fpenben  gu  fefyen.  2äufd)en  ©ie  nidjt  länger 
bie  allgemeine  (Srmartung!  ©rljötjen  ©ie  ben  (Sinbrucf  Slirer 
neueften  ©djöpfungen  burcf)  bie  $reube,  guerft  burcl)  ©ie  felbft 
mit  S^nen  6efannt  5U  merben!  ©eben  ©ie  eö  nict)t  p,  bafj 
biefe  3f)re  jüngften  $inber  an  ifjrem  ©eburtäorte  einft  öietleictjt 
at3  $rembtinge,  uielteicf)t  üon  foldjen,  benen  aud)  ©ie  unb  Sfjr 
©eift  fremb  finb,  eingeführt  merben!  (Srfdjeinen  ©ie  balbigft 
unter  Sfyren  $reunben,  S^ren  Verehrern  unb  SBemunberern !  — 
2)ie§  ift  unfere  nädjfte  unb  erfte  53itte. 

„?lber  audj  anbere  9Tnfprücf)e  an  Sfjren  ©eniu§  finb  laut 
gemorben.  —  25ie  2Bünfct)e  unb  (Sr&ietungen,  bie  bor  länger 
al§  einem  Satyre  oon  ber  Seitung  unferer  Hof-Dpernbüfme, 
bann  öon  bem  Vereine  öftreid)ifct)er  SJcufiffreunbe  an  ©ie  ge- 
langten, roaren  §u  lange  ber  fülle  SSunfcf)  alter  Sßerefjrer  ber 
®unft  unb  31jre3  üftamenä,  erregten  ber  Hoffnungen  unb  @r- 
Wartungen  gu  tiiete,  aU  baf;  fie  nidjt  nafje  unb  ferne  bie 
fdjnetlfte  Verbreitung  gefunben,  nicf)t  bie  allgemeinfte  £f)ei(nal)me 
ermecft  tjätten.  —  2)ie  ^Soefie  fjat  ba§  $f)re  getrau,  fo  fcf)öne 
Hoffnungen  unb  äßünfdje  5U  unterftü^en.  (Sin  mürbiger  ©toff, 
üon  gefetzter  2)id)terf)anb,  gemärtiget,  bafc  $f)re  ^3r)antafie  if)n 
in'§  Seben  saubere.  Waffen  ©ie  jene  innigen  5lufforberungen 
ju  fo  eblem  3iele  nictjt  oerloren  fetjn!  ©äumen  ©ie  nicf)t 
länger,  uns  bie  entfdjrounbeneu  Sage  äurüd^ufüliren,  mo 
^lot)^mnien§  ©efang  bie  ©emeitjten  ber  ®unft,  mie  bie  Herren 
ber  Sftenge  gleidj  mädjtig  ergriff  unb  ent^üdte! 

„©ollen  mir  $>l)nen  fagen,  mit  mie  tiefem  ©ebauern  S^re 
3urüdge£ogenf)eit  längft  gefüllt  roorben?    93ebarf  e§  ber  3Ser= 


394 


ftdjerung,  ba$,  toie  olle  Surfe  ftdj  fjoffenb  nad)  Sfmen  manbten, 
2ttte  trauernb  gemaljrten,  haft  ber  Mann,  ben  mir  in  feinem 
(Gebiete  bor  Sitten  a(3  ben  §ödjften  unter  ben  Sebenben  nennen 
muffen,  e§  fdjmeigenb  anfaf),  mie  fremblänbiftfie  $unft  ficf)  auf 
beutfrfjem  Soben,  auf  ben  (Styrenftk  ber  beutfcfyen  SERufe  lagert, 
beutfrf)e  SSerfe  nur  im  9eadj£)att  frember  £iebting§meifen  gefallen, 
unb  mo  bie  £refflitf)ften  gelebt  unb  gemirft,  eine  gmeite  $inbf)ett 
be§  ©efdjmacfeä  bem  golbenen  3eita(ter  ber  Sunft  ju  folgen  brofjet? 

„©ie  allein  uermögen  ben  Semüljungen  ber  SBeften  unter 
un§  einen  entfdjeibenbcn  ©ieg  gu  fiebern.  SBon^fjnen  ermarten 
ber  uaterlänbifdje  Stunftoerein  unb  bie  beutfd)e  Oper  neue 
Stützen,  Verjüngtes  Seben,  unb  eine  neue  £eiTftf)aft  be§  SBatjren 
unb  ©djönen  über  bie  ©ematt,  meiern  ber  9)?obegeift  be§  Xage§ 
autf)  bie  emigen  ®efe£e  ber  ßunft  untermerfen  mitl.  ©eben  ©ie 
un§  Hoffnung,  bie  Söünfrfje  2111er,  ju  benen  je  bie  SHänge  3§rer 
Harmonien  gebrungen  finb,  balbigft  erfüllt  51t  fefjen!  £>ie<5  ift 
unfere  angetegenttidjfte  gmeite  Sitte.  —  9D?öge  ba$  3at)r,  ba»  mir 
begonnen,  nirfjt  enbtgeu,  otjne  un§  mit  btn  grürfjten  unferer 
Sitten  5U  erfreuen,  unb  ber  fommenbe  $rül)ting,  menn  er  ber 
erfefynten  @aben  eine  ftrf)  entfalten  fiefjt,  für  un§  unb  bie  ge= 
fammte  $unftroelt  gur  gmiefatfien  SötütJjengeit  merben." 

SBien,  im  gebruar  1824. 


prft  G.  Sttfjnomäh).2" 
2lrtaria  unb  Gomp. 
ö.  .£>aufcf>fa. 
3R.  3-  ßetbe&borf. 
g.  (§.  toon  SBoöna. 
2lnbrea§  (Streiter. 
Slnton  §alm. 
Slbbe  Stabler. 
öon  gelSburg,  ©ofi'efr. 
gerb,  ©raf  öon  Stocf= 
Jammer. 
Slnton  SMabeOX 


©  e  §  e  i  d)  n  e  t : 

gerb,  ©raf  ti.  Sßalft). 
ob.  grf).  O.  Sdjroeiger. 
©raf   Gäermn,  Dberft- 

Sämmerer. 
93Jori£  ©raf  b.   grie§. 
3.  5.  (Softem. 
$rof.  5)etnb>rbtfiein. 
Gr).  Suff n  er. 
3r.  9t-  9Mjamnter,  ftänb. 

Secretär. 
Steiner  non  geläburg, 

93anf-2tquibator. 


S)JZ.  ©r.  ö.  ®ietrid)ftetn. 
3g.  (Sbier  öon  SHofel, 
f.  f.  §ofratl). 
tarl  Gsernt). 
90?.  ©r.  t>.  JJtdjnowSfu. 
ti.  gmegfatt. 
§ofraU)  SHefetuetter. 

2.  Sonnleitner,  Dr. 
Steiner  unb  Comp. 
Seberer. 

3.  9?.  93tf)Ier. 22*) 


—     395     — 

Sftan  tjatte  erwartet,  Seetöoüen  werbe  oon  bem  Söortlaute 
biefer  5tbreffe  in  ©egenwart  ber  beiben  mitunterjeidjneten  $)e* 
putirten,  ^offecretair  bon  getäburg  unb  3.  9?.  Siljter, 
Äenntnift  nehmen  unb  bamit  ©etegenfjeit  geben,  oerfd)iebene 
anbete  ^uncte  nod)  $u  berühren,  fo  wie  if)n  gu  einer  beftimmten 
ßufage  gu  öermögcn.  @8  warb  bafyer  gur  @int)änbigung  ber 
<Sd)rift  bie  (Stunbe  nad)  bem  9Jcittag§mat)le  gewählt,  wo  ber 
9tteifter  eine  au§gebef)ntere  (Sonöerfation  ntct)t  §u  berfdjmäfjen 
pflegte.  Snbejj,  man  fyattt  fid)  berredmet.  $eetl)orjen  wollte 
erft  fefen,  Wenn  er  allein  fetj.  SD3otjl  barf  angenommen  werben, 
baB  er  öon  biefem  Stete  nid)t  wenig  überrafdjt  gewefen,  gumal 
fein  Vertrauen  in  bie  ©eftnnungen  5fCfer  gegen  ifjn  bereits  ftar! 
erschüttert,  beäügtid)  auf  btö  6orp§  ber  SKufifer  aber  fdjon 
gänätid)  gefcfymunben  mar,  barüber  er  fict)  ja  fdjon  1822  gegen 
Jpofratf)  Sftodjlitj  unummunben  auSgefprodjen  fjatte,  mie  fid)  bieä 
in  feinen  mefyrfadj  ermähnten  Briefen  au§  Söaben  öotfinbet. 
223ie  fetjr  idj  meiner  ©eit§  auf  ben  erften  ©inbrud  biefer  Slbreffe 
gefpannt  mar,  täfct  ficr)  erraten.  ©§  brängte  mid)  batjer  un= 
mittelbar  nad)  beren  Uebergabe  §u  bem  Sfteifter.  Sei)  fanb  ifyn 
mit  ber  ©djrift  in  ber  £anb.  9cad)bem  er  mir  mitgeteilt, 
ma§  fid)  fo  eben  gugetragen,  überreichte  er  mir  ba3  S31att  mit 
©elaffenljeit,  bie  fein  ©rgriffenfein  öon  beffen  Snfyatte  jU  beut= 
lief)  bezeugte.  SSäfjrenb  id)  (aS,  ma§  mir  fdjon  berannt,  trat 
er  an'3  $enfter  unb  berfotgte  mit  ben  Soliden  ben  3U9  oer 
^Sollen,  ©djmeigenb  legte  id)  ba$  SBlatt  §ur  «Seite,  abmartenb, 
bi§  er  bie  ßonberfation  beginnen  merbe.  ©r  berfyarrte  jebod) 
in  ber  bejeidjneten  (Stellung.    (Srtbtict)  manbte  er  fid)  gu  mir 


223)  Fürst  C.  Lichnowsky  ist  natürlich  der  Sohn  des  mit  Beet- 
hoven besonders  befreundeten  Fürsten,  der  bereits  1814  gestorben  ist. 

Ä.  d.  H. 

224)  Durchliest  man  die  Namen  der  Unterzeichner,  dann  darf 
man  sich  billigerweise  wundern,  daß  Anton  Schindler  nicht  in  der 
Eeihe  der  Beethoven- Verehrer  steht;  ist  ja  auch  J.  N.  Bihler  ver- 
zeichnet. A.  d.  H. 


—     396     — 

unb  fprad)  in  nitf)t  eigentümlich)  l)ol)em  2one:  „@S  ift  bodj 
recfjt  frf)ön!  —  (£S  freut  micfj!"  2)ieS  mar  baS  ©titf)mort,  um 
ifmt  aurf)  meine  $reube  —  leiber  fcfjriftlicf;!  —  au^ubrücfen, 
(£r  la§  eS  unb  fagte  bann  l)aftig:  „®ef)en  mir  in'S  greie!" 
©rauften  uerblieb  er  gegen  feine  ©emofjnfjeit  einfitbig,  mieberum 
ein  untrügliches  äßerfäeicfjen,  maS  in  feiner  Seele  eben  oorging. 
üftacbbem  burd)  befragen  oerfctjiebener  Seute  um  i^re 
refpectiüen  Meinungen  fjinficfjtlicf)  ber  an  ben  äfteifter  ergangenen 
3Bünfcf)e  ein  anfet)ntict)eS  Sunterlei  oorgetegen  unö  nacrjbem  man 
enbfict)  bei  bem  Sweater  an  ber  2£ien  als  ber  größten  unb 
folgticfj  graecfentfpredjenbften  9iäumficf)feit  ju  einer  rein  mufi= 
ca(ifd)en  geier  fterjen  geblieben,  legte  ber  Sfteifter  baS  5lrrange= 
ment  biefer  Unternehmung  in  meine  £uinbe.  ©er  nädjfte  Stritt 
gefcfjal)  bemnadj  mittetft  eines  GrebitioS  an  ben  3>irector  biefeS 
StjeaterS,  (trafen  gerbinanb  ^atfl),  ben  mir  unter  ben  Unter* 
jeicfjnern  obiger  Slbreffe  fel)en.  ©raf  $ßatft)  geigte  firf)  fofort 
bereit  in  bie  SBünfdje  öeetfyooen'S  eingugeljen  unb  fpradrj  aud) 
ofjne  langes  33ebenfen  eine  gorberung  Don  ^mölf  tjunbert 
(Bulben  Wiener  Söäljrung  für  tlebertaffung  beS  ganzen  §aufeS 
au§,  fämmtlidje  Gräfte  ber  Oper  unb  beS  CrcfjefterS  jur  £)iS= 
pofition  ftetlenb.  Sciemanb  meljr  als  33eett)oöen  felber  mar  öon 
fotcr/  mäßiger  gorberung  ü6errafdjt,  benn  er  marb  §err  beS 
£mufeS,  fonnte  bie  (SintrtttSpreife  mäßig  erf)öf)en,  unb  eine 
$8rutto=@innaf)me  öon  minbeftenS  3500  ©utben  erliefen.  SS 
ftanb  fomit  31t  ermarten,  bafj  baS  Unternehmen  otjne  meitere 
ertjeblidje  Umftänbe  nocf)  bei  günftiger  ^arjre^§eit  jur  21uS= 
füf)rung  gebracht  roerben  mürbe,  bieS  um  fo  getoiffer,  als  ©eetljoben 
nur  bie  Sßenutmng  ber  Cpernfräfte  unb  beS  DrcfjefterS  §u  fo 
Dielen  groben,  als  er  nötljig  erachten  roerbe,  geforbert  Ijatte. 
£>afj  er  aud)  in  biefer  für  feine  Sntereffen  fiel)  fo  günftig 
ftellenben  9tngetegent)eit  mit  unerwarteten  ^üntergebanfen  fjer= 
oortreten  merbe,  moburdj  mef)r  als  ein  (Stein  in'S  S3rett  ge= 
morfen  unb  baS  Spiel  gänglid)  geftört  merben  mürbe,  mar  nidjt 
oorauS  §u  fetjen,  obgleid)  fcfjon  bagemefen.  2ftan  r)öre.   25eeu)oöen 


—     397     — 

Verlangte  nichts  toeniger  af§  ba£  gurüdtreten  ber  beiben  an 
biefem  Sweater  functionirenben  SDZufitbirigenten,  3g  nag  üon 
©etjfrieb  unb  3ranS  Clement,  beren  ©teile  ber  (Eapeümeifter 
Umlauf  aus  bem  |>of=D})erntIjeater  unb  Sgna§  ©ctjUppanaigt) 
einnehmen  foHten.  ©raf  ^atfo  mar  nid)t  abgeneigt  feinen 
(SapeÜmeifter  jurücftreten  gu  taffen,  beffen  gefoannteä  $erf)ä(t= 
nifj  gu  23eetf)ooen  er  gefannt,  teine<BfaU§  aber  feinen  Drdjefter^ 
£>irector,  beffen  fünftlerifdje  93ebeutung  mir  bereits  in  ber 
jmeiten  ^ßeriobe  rennen  gelernt  unb  bort  auctj  erfahren  tjaben, 
meldje  2)ienfte  er  unferm  9tfeifter  fomorjt  a(3  ©olift  mie  aud) 
in  Segug  auf  Vereinte  Seitung  feiner  SBerfe,  (5.  93.  $ßaftorat=  unb 
C  moll=<Sinfonie  1808  im  felben  Sttjeater)  geleiftet  t)at.  ?(Ueiu 
©djuppangigl)  fanb  biefe  (Megcntjeit  ermünfdjt,  fid)  nad)  feiner 
^urüdtunft  au§  ^ujjlanb  mieberum  al§>  Drdjefter^ü^rer  öor= 
aufteilen,  um  bie  in  1?lu§fid)t  ftetjenbe  $acatur  ber  <Steüe  eines 
erften  Drd)efter-2)irector§  am  Äärntnert^or=X^eater  erringen  §u 
tonnen.*)  ©arum  fyatte  er  fiel)  oon  23eetf)oüen  baS  Söerfprectjen 
ermirlt,  if)m  bei  ber  beöorftetjenben  ^eierlidjreit  bie  früher  ein» 
genommene  ©tettung  a(3  Drdjefter^Sljef,  anäumeifen  —  unb 
23eetf)ooen  fyatte  grofje  Sßerbinblidjteiten  gegen  ©djuppan^ig^, 
leiber  aber  feine  SRüdfidjten  gegen  (Element. 

2Ba§  5ur  SBefeitigung  biefeS  intrigirenben  3n>ifd)enfalte3 
feitenS  ber  Umgebung  23eetf)Oüen;<o  gefd)et)en  tonnte,  um  ifytt  §u 
üermögen  Oon  biefem  Verlangen  im  eigenen  ^ntereffe  absuftefjen, 
ift  gefcfjerjen,  jebod)  bie  @egenmirfung  mar  eine  ju  mächtige. 
®raf  ^atftj  feinerfeitS  nridj  nid)t  oon  bem  auägefprodienen  ©aije: 
feinem  genialen  Drd|efter=2)irector  fotdje  Äränfung  nict)t  miber* 
fahren  taffen  51t  bürfen.  9??er)r  nod):  er  fteigerte  bie  materiellen 
gorberungen,  üielteictjt  au§  bem  ©runbe,  um  ber  mef)rmöd)ent= 
lidjen  unb  bennod)  erfolgtofen  Unter^anblung  ein  rafdjeS  (Snbe 
ju    mad)en.     9(u3    biefem   Vorgänge    täfct    ftet)    abfegen,    mie 

*)  liefen  groect  erteilte  <Bä)uppan^\Qi)  bei  ber  1828  begonnenen 
Slbminiftration  be8  ©rafen  GJaHenberg,  bie  aber  fetjon  ju  Oftern  1830  ein 
fläglidjeS  (Snbe  genommen. 


—     398     — 

23eetf)oben  allein  burdj)  ftarre3  $eftt)alten  an  feiner  gorberung 
äunäctjft  ba$  Verftreicfjen  ber  günftigen  3al)re§5eit  für  grofee 
Sluffütjrungen  berfdmtbet,  ftd)  felbft  a6er  in  ein  SSirrfat  bon 
Sntrtguen,  unoerfefjämten  ^umutlmngen  unb  £nnberniffen  faum 
benf6arer  2lrt  berfe£t  t)at. 

^oct)  bor  ganäticfjem  Stbbrucl)  ber  Unterfjanblung  mit  ©raf 
Sßatfb,  tjatte  icl)  ba§>  Xerrain  im  ®ärntneru)or=£l)eater  fonbirt, 
06  ba§>  Verfangen  33eeu)oben'§  t)infict)tlicf)  ©djuppanaigtj'S  bort 
mof)l  auf  .frinberniffe  ftofcen  mürbe.  SSiber  Vermuten  fanb 
e§  feinerfei  SBebenfen,  bemnaelj  nur  bie  materiellen  *ßuncte  jur 
Vereinbarung  §u  gelangen  brauchten.  9H3  nun  alle§  (SrnfteS 
bie  Unterfjanblung  bort  angefnüpft  merben  mufcte,  fteüten  fiel) 
bie  $orberungen  ber  SIbminiftration  auf  ben  erften  33ticf  als 
eigennützig  unb  bon  ber  Sage  23eetf)oben'§  profitiren  mollenb  bar. 
tiefer  erfannte  balb  btö  Dilemma,  in  meldje§  er  buref)  eigene 
©ctjulb  geratf)en,  allein  e§  mar  in  bem  großen  SBien  feine  britte 
Pforte  §um  2lnf(opfen  meljr  borfyanben.  £)emnact)  in  nid^t 
geringe  S3eängftigung  berfetjt  med)fe(te  er  metyr  al§  gemöljnlicf) 
2öünfef)e  unb  ^orberungen  in  allen  £)etai{*$ßuncten  be§  5lrrange= 
ment3;  geftern  3. 23.  tjatte  er  bie  üftief)tauff)ebung  be3  9lbonnemeut3 
ber  Sogen  unb  (Sperrte  jugeftanben,  f)eute  aber  miberrufen,  — 
geftern  mar  if)m  ber  23aritonift  $orti  (ber  atiein  bie  S3afe=^Sartie 
im  4.  ©a|e  ber  «Sinfonie  fo  3U  fingen  im  ©tanbe  gemefen,  mie 
fie  getrieben  ftef)t,)  ber  recfjte  9ftann,  f)eute  aber  münfdjte  er 
ben  tiefen  Saft  ^Sreifinger  für  biefe  Partie,  beffen  ©timmtage 
ba§>  eingetriebene  d  nidjt  überfliegen,  bem  alfo  e  unb  fis  gur 
Söfung  feiner  Aufgabe  gefehlt,  u.  f.  f.  2lnbererfeit3  fjatte  ber 
9lbminiftrator  auct)  feine  ©rillen,  bie  fiel)  aufjer  bem  SDfateriellen 
5unäd)ft  auf  bie  möglidjft  geringe  5tn§at)I  oon  Vorproben  besagen. 
3J?an  benfe  fiel)  einen  S^eater^fjor,  ber  feit  gmei  Sauren  au§~ 
fdjtiejjlict)  nur  SRofftni'fefje  Dpern=9ftufif  gefungen,  gegenüber  ber 
enormen  @ct)mierigfeiten  in  ber  Missa  solemnis,  —  unb  fofcfje 
Slufgabe  genügenb  gu  löfen,  glaubte  ber  ehemalige  berühmte 
Sänger  2)uport,  feben  5 — 6  Vorübungen  au3reicl)enb.    Vegüg* 


—     399     — 

lid)  auf  bie  £)rd)efters*)3roben  Ijatte  er  oon  üornfjer  nur  ^mei  in 
2lu§fidjt  gefteüt,  babei  e§  t^atfäd)(id^  fein  Verbleiben  gehabt 

Um  unfern  fcfjnjanfenben  Sfteifter  bei  feiner  2BiÜen§meinung 
feftjufjalten,  mufjte  eine  Heine  Sntrigue  jum  Qtved  üerljelfen. 
3d)  erfuctjte  nämtid)  ben  ©rafen  Sicfjnorogfy  unb  (Sdjuppanäigf), 
ftdj  mit  mir  in  einer  unb  berfetben  ©tunbe  bei  Veetfjoüen, 
fdjeinbar  sufällig,  einfinben  gu  mollen,  bamit  er  feine  5lbftd)t 
merfe.  Sei  biefer  ©elegenfyeit  foHte  ber  9#eifter  oerantafjt 
foerben,  ftcf»  über  bie  fraglichen  Sßuncte  entf Rieben  au3äufprecrjert; 
biefeS  foflte  üon  einem  au§  unferm  Greife  fogteid)  nieberge- 
fdjrieben  unb  ber  SReifter  bann  tjalb  im  ©djerg,  tja(6  im  Srnft 
angehalten  merben,  ba$  Statt  §u  unterzeichnen.  S)er  Sßlan 
gelang  nadj  SBunfd);  ma§  erfolgte  aber  atSbalb?  2Iu3  bem 
Vorgang  unfere  5lbfid)t  erratfjenb,  unb  barau§  ttrie  gemöljntid) 
nur  galfcfjfjeit  unb  Verratlj  mitternb,  ertiefj  ber  SKeifter  nod) 
am  felben  Sage  nad)ftet)enbe  fuftanifdje  §atti'@d)erife  an  un§: 

„Sin  ben  ©rafen  9ttorifc  2id)nom!%225) 
$alfd)f)eiten  ueracfjte  id).    Vefudjen  @ie  micf)  nidjt  mef)r. 
Stfabemie  t)at  nict)t  (Statt.  Veetbooen." 

„2ln  §errn  ©crjuppanäigf). 
Vefudje  er  midj  nictjt  metjr.    Set)  gebe  feine  Slfabcmic. 

Veetfjoüen." 

„5tn  §errn  «Sdjinbler. 

Vefudjen  ©ie  mid)   nidjt  mefjr,  bis  id)  Sie  rufen  taffe- 

$etne  5lfabemie.  ca  u  ^     „ 

Veetfjotoen." 

3)ie  feibene  Schnur  fjatte  jebod)  ber  ergrimmte  SD?etfter 
oergeffen  mitäuferjiden,  mithin  gefetjat)  un§  roeiter  nid)t§  §u 
Seibe;  mir  entzogen  it)m  nur  am  fotgenben  S£ag  \>a$  Vergnügen, 


225)  Diese  geharnischten  Billetts  an  die  genannten  Adressaten, 
die  übrigens  nicht  abgesandt  wurden,  sind  nach  den  Original- 
manuskripten im  Beethoven-Nachlaß  Schindlers  in  B.  S.  Br.  abgedruckt, 
als  No.  988,  989  und  990  (V.  Band).  A.  d.  H. 


—     400     — 

feinen  ©rimm  an  einem  oon  uns  auälaffen  ju  tonnen,  nnb 
bamit  fjatte  er  $e\t  UDer  feinen  öoreitigen  55erbncr)t  Don  ^alf^= 
Ijeit  nnb  SSerratf)  nad^itbenfen.  3)er  Monat  9Iprit  a&er,  in 
meiern  bie  llnterfjanblung  mit  3)uport  ftattgefunben,  liebte  eä 
bamate  in  fettener  SSeife  übler  Saune  ju  feton,  ma§  Sßunber, 
ba^  beren  Sinroirfung  ftd)  aud)  bei  unferen  Kontrahenten  funb= 
gegeben?  SBäre  and)  ein  notarieller  2(ct  aufgenommen  morben, 
fo  f)ätte  man  fid)  beiberfeit§  bennod)  Hbroeidjungen  erlaubt,  tpetl 
ba$  gegenfeitige  3Jtif$trauen  bereite  einen  ju  Ijofyen  ©rab  erreicht 
fyatte.  (Snblid)  ersten  nod)  bie  ^inberniffe  feiten^  ber  ßenfur 
megen  be§  Xitelö  „Missa"  nnb  be§  lateinifdjen  ^ejte§  bie  $er= 
mirrung  um  ein  anfetjnlict)e§.  ®enn  biefe  ©teile,  in  befannter 
©ngtjer^igfeit  unb  9xüdfid)tnat)me  auf  bie  nod)  engherzigeren 
9tnfid)ten  ber  geiftlidjen  53et)örbe,  im  abfingen  bee  ftirdjenteyteä 
auf  bem  Sweater  eine  Sßrofanirung  finben  raollenb,  legte  otme 
meiterö  Verbot  auf  bie  5(uffüt)rung  ber  Missa.*)  9cur  ein 
fdjteuniger  9?ecur§  in  ber  legten  ©tunbe  an  ben  $ßoÜ5ei= 
^jSräfibenten  ©rafen  ©ebtni§ft),  roetdje  51ngelegent)eit  ©raf 
Sidjnom^ft)  in  bie  £anb  genommen,  ermögtidjte  bie  5iuffüt)rung 
be§  SBcrleS. 

?lm  befielt  roirb  biefe  Situation  mit  nadjftefjenber  ©teile 
au§  einer  guftfpft  oeg  SHetfterS  an  midj  gefenn^eic^net:  „3$ 
bin  nad)  bem  fed)3U)öd)entlid)en  §in=  unb  £erreben  fd)on  gefönt, 
gefotten  unb  gebraten.  2öas  foll  enbtid)  merbeu  au§  bem  Oiet= 
befprodjenen  (Soncert,  rcenn  bie  greife  nidjt  erf)öf)t  roerben? 
2öa3  foll  mir  bleiben  nad)  fo  Oiel  Unfoften,  ba  bie  ßopiatur 
allein  fd»on  fo  oiel  foftet?"  u.  f.  m.22<i)  Wlan  erfief)t  f)ierau§, 
um  ma§  e<§  fid)  enbtict)  nod)  ge^anbelt.    SBollte  aber  Seettjooen 


*)  33ei  2)iitt&eilung  eine§  ä^ntid>eti  gatfeä  im  %at)t  1808  fjaben  toit 
üernommen,  bajj  bamal§  ber  SSortrog  Don  Sirc&enmufif  mit  lateinifdjera 
Xeyte  im  Xbeater  nid)t  beanfianbet  mar,  nur  roaren  bie  lateinifdjen  S8e* 
nennungen  auf  bem  9lnfdjlagjettet  »erboten. 

226)  Auch  dieses  Brieffragment  an  Schindler  steht  in  B.  S.  Br. 
No.  991  (V.  Band).  A.  d.  H. 


—     401     — 

toenigftenS  feine  gehabten  Auslagen  lieber  erftattet  fefyen,  fo 
muftte  er  ftd)  nott)gebrungen  ben  gorberungen  Duport'3  fügen, 
metdje  folgenbermafeen  präcifirt  maren:  „Da§  ßoncert  finbet 
bei  ben  getr-öfjnlidien  greifen  im  Abonnement  ftatt, 
unb  bie  Abminiftration  erhält  uon  Seetfyooen  für  Ab* 
iaffung  be§  Xfyeaterä  fammt  ©fyor  unb  Drdjefter  bie 
Summe  öon  (Sin  taufenb  ©utben  Söiener  Söäijrung." 
Damit  mar  ba$  Urzeit  über  ben  (Srfolg  beä  Unternehmend  in 
materieller  £>infid)t  im  OorauS  gefprodjen. 

Der  7.  Wlai  mar  ber  £ag  ber  Aufführung.  —  @in  öor= 
liegenber  Anfdjlag-^ettet  befagt: 

„©rofee  muficatifdje  Afabemie  oon  §errn  Subtuig  öan 
93eetf)Oüen." 

„Die  babei  Oorfommenben  9Jiufifftüde  ftnb  bie  neueften 
3Ber!e  be§  §errn  Subroig  Dan  23eetf)ooen." 

„(Srftend.  ©rofee  Dutierture."  (@8  mar  bie  „$ur  Söei^e 
be§  §aufe§"  üom  Safjre  1822,  Op.  124.) 

„ßmeitenö.  Drei  grofje  §timnen,  mit  Soto=  unb  (£t)or= 
Stimmen."  (Kyrie,  Credo,  Agnus  Dei  unb  Dona  au3  ber 
Missa  solemnis.  3n  S3eriidfid)tigung  ber  ßeitbauer  beS  ©angen 
fjatte  S5eetl)ooen  öon  oornJjer  bciZ  Gloria  aufgegeben;  bei  näherem 
Setradjte  mufcte  er  au§  bemfelben  ©runbe  mit  großem  ^ßebauern 
nod)  Sanctus  unb  Benedictus  befeitigen,  baoon  bereite  bie 
Sßorproben  ftattgefunben.) 

„Drittens,  ©rofce  Sinfonie,  mit  im  finale  eintretenben 
So(o=  unb  ßfjor=Stimmen,  auf  SdjiHer'ä  Sieb,  an  bie  greube." 

„Die  Solostimmen  merben  bie  Dlte3.  So n tag  unb 
Unger,  unb  bie  Ferren  §aiginger  unb  Seipett  öortragen. 
§err  Sd)uppan§igt)  tjat  bie  Direction  be§  Drd)efter§,  §err 
(Sapeflmeifter  Umlauf  bie  Seitung  be§  ©angen,  unb  ber 
2Jfufi£= herein  bie  ^erftärhtng  beS  (Stjorä  unb  DrdjefterS  aus 
©efättigfeit  übernommen." 

„§err  Subroig  oan  Seetfjooen  felbft  mirb  an  ber  Seitung 
be£  ©an^en  Anttjeit  nehmen."     (@r  ftanb  bem  Seiter  be3  ©an^en 

9t  SdjinblevS  83eciijoueit-.S8tograpf)te.  26 


—     402     — 

gttl  regten  (Seite  unb  firirte  bie  SSetuegung  bei  Beginn  jebev 
Sa§e3.) 

w£)ie  (Sintritt§preife  ftnb  tote  gemörjnlicfj.'' 

2)a§  §au§  geigte  fid)  in  allen  Räumen  überfüllt,  nur  eine 
üoge  blieb  unbefetit:  bie  faifertidje,  obgleich  ber  SDtofter  in 
meiner  Begleitung  perfönlid)  bie  ©intabung  bei  allen  anroefenben 
©liebern  ber  $aiferfamitie  gemacfjt  unb  einige  üerfprod)en  rjatten 
31t  fommen.  Äatfer  unb  S'aijerin  waren  nicfjt  in  ber  Siefiben^ 
anmefenb;   ber   (Sr^ergog   9?ubolpt)   §ur   Qtit  nod)  in  Dlmüt3. 

®ie  Bruttoeinnahme  betrug  2220  ©ulben  Sßiener  SSäfyrung. 
2)aöon  !amen  in  Stbjug:  1000  ©ulben  an  bie  ^bminiftration 
unb  800  ©ulben  für  bie  (Sopiatur,  —  öerblieb  für  Beetrjooen 
bie  Summe  oon  420  ©utben,  bauon  jebod)  noct)  oerfdjiebene 
flehte  Soften  gu  beftreiten  maren.  £>iefe£  9xefultat  fonnte 
unter  ben  befannten  Borbebingungen  9Jiemanben  überrafdjen, 
a(3  ben  fc£)(erf)ten  9iecf)enmeifter  S3eetr)ot>en  allein.  2)ie  (5in= 
mirfung  auf  ifjn  mar  im  Moment  be§  Bernefjmenä  eine  nieber= 
fcfjlagenbe.  2)er  in  SBien  nod)  lebeube  Staatsbeamte,  Sofepb, 
^üttenbrenner,  mar  mir  beim  9?ad)f)aufebringen  be3  er- 
fcfjüpften  9Jtofter3  befyütflid).  3d)  überreichte  ifjm  ben  (Soffen* 
Rapport.  Bei  beffen  3(nblid  brad)  er  in  fid)  gufammen.  SBir 
rafften  if)n  auf  unb  legten  irjn  auf  ba$  Sopfja.  Bi3  fpät  in 
bie  Dlacfjt  fjinein  Oerroeilten  mir  an  feiner  Seite;  fein  Verlangen 
naefj  Speife  ober  anbereö,  fein  lautet  SSort  mar  meb,r  tjürbar. 
©nblicfj,  nadjbem  mir  merften,  batf  90corpt)eu§  irjm  fanft  bie 
Slugen  jugebrüdt,  fjaben  mir  un§  entfernt,  Scrjlaf enb  nod)  in 
ber  Soncert^oitette  fanben  it)n  am  anbern  9Jcorgen  auf  ber* 
felben  Stelle  feine  3)ienftleute. 

2öa§  ben  fünftlerifdjen  örfolg  biefeS  benfmürbigen  Slbenb* 
betrifft,  fo  fonnte  er  morjl  mit  jebem  bi§  barjin  in  biefen  alt- 
erjrmürbigen  9\äumen  erlebten  einen  Bergleid)  aushalten.  Seiber, 
ba^  ber  allöereljrte  SOJann,  bem  er  gegolten,  nid)t§  baöon  gehört 
t)atte.  ©r  jeigte  bte3,  inbem  er  bei  beffen  51u3brud)  am  Scfjluffe 
ber  ?luffüf)rung   ber  begeifterten  Bcrjammtung  ben  Sauden  jju* 


—     403     — 

fetjrte.  2)a  fjatte  (5a  roiine  Unger  ben  guten  ©ebanfen,  beri 
Htteifter  nad)  bem  ^ßrofcenium  umguroenben  unb  it)n  auf  bie 
VeifaöSrufe  be§  §üte  unb  £üdjer  fdjmenfenben  9lubitorium§ 
aufmerffam  gu  madjen.  ^urdj  eine  Verbeugung  gab  er  feinen 
$)anf  gu  erteunen.  £>ie<S  mar  ba§  ©ignat  gum  Soäbredjen  eine§ 
faum  erfjorten,  lange  nid)t  enben  motlenben  £sube(3  unb  freubigen 
'Sanfgefütjfö  für  ben  gehabten  ^odjgenufj. 

©en  fünftlerifd)en  (Srfotg  biefe<§  benfmürbigen  9)?aiabenb§ 
nad)brud30oller  nodj  bargufteüen  oermögen  einige  ©ä§e  au<§ 
bem  SSiener  S3erid)te  in  ber  Mg.  9ttuf.  £tg.  8.  437  u.  ff.: 
„2(ber  mo  fott  id)  SBorte  tjernefjmen,  meinen  tt)ei(nef)menben 
Sefern  Verictjt  gu  erftatten  über  biefe  SRiefenroerfe,  unb  gmar 
nadj  einer,  tjinftcfjttid)  ber  ©efangpartie  menigften§  nod)  feinet 
meg3  genugfam  abgerunbeten  -probuction,  roogu  aud)  bie  ftatt= 
finbenben  brei  groben*)  bei  fo  aujsergeroöfmlicfjen  ©d)tüierig= 
fetten  nidjt  tjinreid^ten,  mithin  aud)  roeber  öon  einer  imponirenben 
©efammtfraft,  nod)  uon  einer  gehörigen  Verleitung  uon  2id)t 
unb  ©djatten,  boöfommener  ©idjertjeit  ber  Intonation,  t>on 
feineren  hinten  unb  nuancirtem  Vortrag  eigentlich)  bie  SRebe 
fetin  tonnte.  Unb  bennod)  mar  ber  (Sinbrud  unbefdjreibtict) 
grofj  unb  f)err(id),  ber  Subetruf  enttjufiaftifd),  roeldjer  bem 
erhabenen  SOtfeifter  au§  boller  Vruft  gegollt  mürbe,  beffen 
imerfct)öpfHcr)eö  @enie  un§  eine  neue  2ße(t  erfdjtofc,  nie  ge= 
tjörte,  nie  gealjnbete  SBunbergefjeimniffe  ber  tjeüigeu  ^unft 
entfdjteierte! "  — 

|)ören  mir  biefe  SBiener  Stimme  nod)  fpegiell  über  ben 
$inal=<Sa§  ber  (Sinfonie  ftcf)  au§fpred)en.  Uneracfjtet  ungefüger 
^feujjerungen  barüber  tjat  biefe  primitiüe  bennod)  iljr  bleibenbeS 
Sntereffe.  £>iefe  tautet:  „(Sinem  nieberfdjmetternben  2)onner- 
ftreict)  üerg(eid)bar  fünbet  fid)  ba$  $inate  (D  moll)  mit  ber 
grell  burd)fd)neibenben  fteinen  ÜRone  über  ben  S)ominant=3lccorb 
an;   *ßotpourri=arttg   raerben   in    rurgen   Sßerioben    alle  biäfjer 

*)  @§  fanben,  tote  fdjon  fcemertt,  nur  ätnei  ©efammtproben  fiatt  — 
roeit  baS  Drdjefter  eine  SSaflet^ufi!  einzuüben  I)atte. 

26* 


—     404     — 

gehörten  ^muöttfjemata,  tote  au<§  einem  ©piegel  reftectirt,  un£ 
nod)  einmal  in  bunter  ^Reihenfolge  üorgefüfjrt;  ba  brummen 
bie  (Sontrebäffe  ein  SRecitatio,  baS  gleidjnifstoeife  toie  bie  $rage 
flingt:  „SSa3  foll  nun  gefeiten?"  unb  beantworten  fid)  fetbft 
mit  einem  leife  toogenben  9J?oiio  in  ber  $)ur=S£onart,  toorauä 
burcf)  ben  aflmäligen  Seitritt  fämmtlidjer  Snftrumente  in 
hmnberljerrlidjen  Söinbungen,  ot)ne  SRoffini'fdje  Srillenbäffe227) 
unb  ^er^engänge,  in  gemeffenen  SIbftufungen  ein  allgetoaltigeä 
Crescendo  fid)  enttoidelt;  at3  aber  enblid),  nadj  einer  5luf= 
forberung  be3  <Soto=93affe3,  audj  ber  OoIIe  ©fjor  in  majeftätifctjer 
^ßradjt  ba$  Soblieb  ber  greube  anftimmt,  ba  öffnet  ba$  frol)e 
§erg  fid)  toeit  bem  3ßonnegefül)te  be3  feeligen  @enuffe§,  unb 
taufenb  Petiten  jaud^en:  Jpetl!  §eil!  £>eit!  ber  göttlichen  £on= 
fünft!  £ob!  SßretS  unb  2)anf  beinern  mürbigften  tjotjeu  ^riefter! 
—  Referent  fitjt  nun  abgefüllt  am  <2d)reiboutte,  bod)  unoer* 
gefettd)  mirb  if)m  btefer  Moment  bleiben;  $unft  unb  2Bat)rr)eit 
feiern  tjter  iljren  glänjenbften  Xriumpt),  unb  mit  $ug  unb 
3?ed)t  fönnte  man  fagen:  non  plus  ultra!  —  2öem  möchte  es> 
toorjl  gelingen,  biefe  unnennbare  (Stelle  nod)  §u  überbieten? 
$)al)er  liegt  e3  im  23ereid)  be§  Unmöglichen,  baf$  bie  übrigen 
©tropfen  be§  ©ebid)te3  tfjeitS  für  ©olo=  tfyeilS  für  £l)or= 
Partien  in  abmedjfelnbem  3e^mafeef  ^on=  un&  ^actarten  ge= 
fetjt,  fo  auSgeäeidmet  aud)  bie  einzelnen  Streife  bebjanbeft  unb, 
eine  äfjnlid)e  SÖirhtng  Ijerüorgubringen  fäf)ig  feun  follten;  ja, 
bie  glütjenbften  $erel)rer  unb  feurigften  23emunberer 
be§  Xonfe§erö  finb  feft  überzeugt,  ba$  biefeS  toaljr* 
tjaft  einzige  finale  in  einer  concentrirteren  ©eftalt 
nod)    ungleich   metjr   imponiren   müfjte,  unb  ber  ©om= 


227)  Brillenbässe  (occhiali)   ist   der  Spottname  der  ganzen  und 
halben  Noten,   ferner   der  gebrochenen,   in   der  Notenschrift   brillen- 


ähnliche   Figuren    bildenden    Trommelbässe     -J- 


die  von  den  modernen  italienischen  Komponisten  ä  la  Rossini  häufig 
angewendet  werden.  A.  d.  H. 


—     405     — 

ponift  fel6ft  biefe  5tnfid)t  treuen  mürbe,  menn  bo§ 
graufame  ©efd)id  iljm  nidjt  ba§  SSermögen,  feine 
eigenen  @d)öpfungen  gu  Ijören,  geraubt  tjätte."  — 

SDiefer  gläu^enbe  @rfo(g,  unb  mofyt  aud)  baö  (autgemorbene 
Verlangen  im  publicum,  bemog  ben  geminnfücfytigen  2tbmini= 
ftrator,  unferm  9D?eifter  eine  2öieber£)oIung  ber  Xonfeier  t)or= 
§ufct)tagert,  mit  SInerbtetuitg  einer  (Garantie  öon  500  ©ulben 
6on.  Wl.  =  1200  ©utben  SBiener  2Sä£)rung.  ®r  münzte 
ben  SöegfaH  aüer  Sljeile  auö  ber  Missa,  (Srfatj  bafür  bnrdj 
anbere  ©efang'-ßompofittonen  t>on  23eetf)oöen  unb  ^nngufügnng 
nodj  ^meier  @ofo= Vorträge  frember  ©ompofitionen  burdj 
italienifdje  ©änger.  ©ämmtlidje  Soften  füllten  au§  ber  2lb= 
miniftration§=ßaffe  beftritten,  ba3  ©uperplu§  ber  ©innafjme 
hingegen  in  biefelbe  gurücffliejsen.  SBeettjooen  fträubte  ftcf)  gegen 
eine  2Bieberf)otung,  auf  ©runb  be3  fo  geringen  @rtrage<§  be§ 
erften  2lbenb§.  ©nbtid)  fangen  i£)n  bie  Umftänbe  pr  5ln= 
natjme  be§  SBorfdjfageS,  barin  nur  einiges  abgeänbert  mürbe. 
?tm  23.  9J?ai  um  bie  9DZittag§ftunbe  fanb  bie  SBieberfyotung 
im  großen  9M>outen  =  <Saale  ftatt.  2lu§  ber  Missa  fam  b(o§ 
ba§  Kyrie  jur  9Iu§füt)rung.  2)ie  anbern  Söeftanbtljetfe  maren: 
2)ie  grofje  Duüerture  mit  ber  £)oppe(=$uge,  Op.  124,  ferner 
ba§>  feit  1814  nid)t  miebergetjörte  Xerjett  „Empi,  tremate", 
gefungen  üon  ©langfternen  ber  italienifcfyen  Oper,  ber  $rau 
Siarbanetü  unb  ben  Sängern  ©onjetti  unb  ©oticeüi, 
unb  bie  neunte  (Sinfonie,  mit  Sefetjung  ber  @oto=©timmen 
mie  bei  ber  erften  ^luffü^rung.  Henriette  <Sontag  gtän^te  nodj 
in  einer  öon  ü)r  beüorgngten  93raoour=5lrie  öon  SDtaabante. 
(Sine  gang  befonbere  2tnäief)ung3fraft  follte  bemirfen  ber  Vortrag 
ber  für  ben  kontra =2llt  gefdjriebenen  Saüatine  au§  ^offtni'ss 
Xancreb  „Di  tanti  palpiti",  metd)e  öon  bem  Vergötterten  j£eno= 
riften  ber  üatienifd)en  Dper,  2)aöib,  um  mehrere  £one  t)öt)er 
tran§ponirt,  faft  burdjmeg  mit  gatfet=©timme  gefungen  morben. 
SDtefe  ^ßarobie  auf  ben  feierlichen  ÜDfoment  tjörte  unfer  Stteifter 
gtüdtidjermeife  nid)t.  —  Unb  mie  fyatte  fid)  tootjt  nad)  bm  un$ 


—     406     — 

befannten  ©rgebniffen  be3  7.  9ftai  öoraeljmlid)  her  pecuniäre 
erfolg  be§  23.  gefteüt?  £er  Saat  mar  nidjt  gur  §älfte  ge- 
füllt, benn  bie  lieblid)  fdjeinenbe  (Sonne  lodte  bie  SJfufiffreunbe 
auf  bie  ^romenabe.  2)ie  CSaffe  ljatte  bemnad)  ein  deficit  öon 
800  ©ulben  833.  SB.  gu  tragen  unb  felbft  ber  gefpenbete  SeifaQ 
ftanb  mit  ber  galjt  ber  SInmefenben  im  2Jtif}üerl)ältnif3.*)  5tuf 'S 
tteffte  gefränft  ftdj  füljlenb  burd)  folc^  unermarteten  SluSgang 
üermeigerte  SBeetljoben  bie  5(nnaljme  ber  garantirten  500  ©ulben 
unb  fonnte  nur  burcf)  einbringlidje  SSorftetlungen  bagu  bemogen 
toerben.  — 

2)er  SBerfaffer  öerfennt  feine§meg§,  mie  fet)r  er  burd)  bie 
bereits  au3gebet)nte  (Sdjilberung  ber  ^Begebenheiten,  bie  fid)  an 
bie  £age  be3  7.  unb  23.  9ftai  fnüpfen,  bie  ©ebulb  be3  Seferö 
in  9Tnfprud)  gu  nehmen  bemüfeiget  mar;  beStjalb  trägt  er  faft 
S5ebenfen,  nocf)  ©inigeS  beizufügen,  baZ  if)eil§  in  birecter  93e= 
giefyung  mit  ben  neuaufgefüljrten  2Serfen  ftefjt  unb  ber  SBeadjtung 
mertf)  ift,  ttjeilö  einen  nidjt  unintereffanten  epifobifdjen  Slnfyang 
gu  jenen  ^Begebenheiten  bilbet.  Sn  33etrad)t  jebod),  ba%  <Sd)ilbe= 
rungen  üon  gefcfjfageuen  Sd)lad)ten  gemeinigtid)  mit  au£füt)r= 
liebem  detail  üon  ?lufftetlung  ber  Gruppen,  üon  $8or~,  9tüdroärts= 
unb  $lanfenbemegungen,  allgemeinen  unb  fpegieüen  SDiäpoftttonen 
be§  oberften  ^elbljerrn,  mit  (Gelingen  unb  9cid)tgefingen  einiger 
(Eorp3=2In  griffe,  aber  aud)  mit  begangenen  gestern  ftcf)  befd)äftigen, 
meil  aüe§,  felbft  bie  äufjerften  Gonfequengen  be3  (SrfotgeS  ober 
^id^terfolges,  gur  STufflarung  unb  Q3elef)rung  be§  lefenben  Kriegs* 
mannet  bient,  —  in  2tnbetrad)t  beffen  glaubt  ber  SSerfaffer,  bajj 
biefer  epifobifdje  Hntjang  t)ter  nid)t  fetjlen  bürfe,  gumat  ein  unb 


*)  Seit  im  jroeiten  Safyrjeljenb  ba§  unbefangene  ©eniefjen  be§  SBiener 
^ublicumS  ein  (Snbe  genommen,  tjat  e3  wobl  in  feinet  beutfdjen  ©rofjfiabt 
ein  weniger  juüerläfftgeS  Slubitorium  fjinficritlidj  ber  SeifaÜsbejeugungeu 
gegeben,  al§  ba§  SSiener,  weil  fünftem brücfe  nidjt  SButjeln  5U  fdjlagen 
unb  nacrjl)altig  ju  Wirten  üermoeftten.  %et>tx  SttofeftaB  su  geregter  unb 
Billiger  93eifaÜ?fjjenbe  war  üerforen.  SeetfjoDen  pflegte  barum  bie  bortigen 
Sunftfreunbe  gemeinhin  Äunftfeinbe  ju  nennen.  — 


—     407     — 

anbereg  bon  djarat'teriftifdjer  23ebeutung  pr  Sßeruottftänbigung 
be§  33itbe§  öon  unferm  rurjmgefrönten  9D?arfcf)alt  auf  bem  $etbe 
ber  Sonfunft  bienen  roirb. 

(Sin  Sßorfatt  mit  (Sari  Sern arb  mag  bie  9^etJ)e  beginnen, 
batirt  berfelbe  bocf)  au3  ben  Sagen  üor  ber  erften  ?lfabemie. 

Sic  Slbfaffung  ber  Slngeige  für  bie  öffentlichen  93(ätter 
fyattt  33eett)ouen  biefem  greunbe  übertragen,  ber  gur  Qät  ^i*5 
arbeiter  an  ber  gefegten  nnb  fange  Safyre  beftanbenen  „Wiener 
3eitfdjrift"  mar.  Sernarb  mar  ber  Meinung,  bafj  bei  @r= 
mangelung  oon  Drben  unb  Sitein,  fogar  be§  @rabu§  eine§ 
S)octor3  ber  $ßt)ilofopt)ie,  ober  menigftenS  ber  potitifdjen  2öiffen= 
frfjaften,  bie  bem  Xonbitfjter  §u  Streit  gemorbenen  2tu§5eid)nungen 
in  biefer  Hngeigc  angeführt  merben  foüen.  @§  ftanb  bemnad) 
§u  lefen:  „Submig  öan  23eetrjooen,  (Stjrenmitgtieb  ber  fönigt. 
Slfabemie  ber  fünfte  unb  SBiffenfcfjaften  gu  (Stocftjolm  unb 
5Imfterbam,  aud)  (£t)rcnbürger  ber  t  t  QaupU  unb  9?eftbenäftabt 
3Bien,  mirb"  u.  f.  m.  Äaum  tjatte  ber  9Jieifter  bieg  gelefen,  at§ 
fofort  ein  £)atti=Sct)erif  in  fultanifd)en  taftau§brüden  an  S3ernarb 
ertaffen  mürbe.  £>erfetbe  marb  ermahnt,  „fotd)'  einfältiges,  irjn 
läd;erttct)  madjenbeä  Spielzeug"  in<§  künftige  bei  «Seite  §u  taffen; 
bamit  bergleicrjen  nidjt  gar  in  bie  9Infd)fag$ettet  gefegt  merbe, 
mufjte  it)m  ein  fotctjer  üor  ber  S)rud(egung  §ur  Gsinfictjt  ge= 
bracht  merben. 

(£in  anberer  ctjarafterifirenber  Beitrag  betrifft  bie  $or= 
gänge  beim  ©inüben  ber  Soto=<Stimmen  au§  ber  Missa  unb 
bem  oierten  <Sa£  ber  (Sinfonie  gmifcrjen  23eett)oüen  unb  b^n 
Sängerinnen  ber  Sopran=  unb  Sllt-Sßartie.  SSorab  mufj  gefagt 
ferjn,  bah  bie  beiben  nod)  jugenblicfjen,  bi§  batjin  meift  mit 
italienifcfjer  3Kufi£  erlogenen  (Sängerinnen  uon  ber  ©röfje  unb 
Scgmierigfeit  ber  gu  teiftenben  Aufgabe  nid)t  ben  richtigen  S9e= 
griff  gehabt.  23eibe  befanben  fid)  im  ©tauben,  ba$  bie  itjrer 
€>ttmme  unbequemen  Quoten  mot)t  in  bequemer  tiegenbe  merben 
umgefe|t  merben  tonnen.  ®ie  ^orproben  mürben  in  SBeetrjoüen'ö 
©erjaufung    abgehalten    unb    biefer   führte    bie   «Stimmen    am 


—     408     — 

$lügel.  2)er  SBunfd)  ber  Henriette  ©ontag:  für'S  (Srfte  mit 
iljrem  getoofjnten  Mezza  voce  fingen  gu  bürfen,  roarb  gu= 
geftanben,  gteic^tüoijf  bieg  fjinbernb  für  bie  Slltiftin  unb  an= 
ftrengenb  für  baZ  fd)mad)e  Dt)r  53eetl)ODen'3  geroefen.  9113  e3 
aber  nadjgerabe  mit  ber  ©arfje  ernfter  unb  ernfter  genommen 
roorben  unb  ber  SMfter  bie  öolle  Q3ruftftimme  gu  fjören  öer- 
langte,  al§  ba§>  Christe  im  Kyrie  ber  Missa  in  feinem  breiten 
9if)t)tf)mu§  mit  Sßfunbnoten  intonirt  merben  follte,  ba  erlahmten 
beibe  „fd)öne  §ejen"  unb  begannen  mit  bem  ernften  äfteifter 
gunäcfjft  um  ba<3  £empo  tiefet  ©atje§  gu  unterfjanbetn,  eS  be= 
megter  münfcßenb.  2lbgefd)(agen,  mie  begreiflich,  unb  gmar  in 
^eiterfter  Saune.  —  2113  e§  mit  bem  ©infonie-©at$  Srnft  ge= 
roorben  unb  ber  äfteifter  in  gar  feine  ber  gebetenen  Slbänberungen 
roilligen  rootlte,  ba  trübte  firf)  ber  §origont  unb  Caroline  llnger 
fjatte  ben  9ftutrj,  ben  obftinaten  SOteifter  gevabe^u  einen  abrannen 
aller  ©ingorgane  gu  nennen.  Söeetrjoüen  erroiberte  lädjelnb,  fie 
ferjen  beibe  burd)  bie  italienifdje  Wu\it  oerroörjnt,  barum  itjnen 
foldje  fdjroer  falle.  „?lber  biefe  §örje  fjier"  replicirte  bie 
©ontag,  auf  bie  ©teile:  „Äüffe  gab  fie  un§  unb  Sieben" 
geigenb,  „läftt  fie  ftd)  nid)t  abänbern?"  —  „„Unb  biefe  ©teile"", 
bie  Unger  nad)folgenb,  „„liegt  für  bie  meiften  5llt=©timmen  gu 
rjocfj;  läftt  fie  fid)  ntctjt  abänbern?""  —  9?ein!  unb  immer 
üftein!  —  ,,©o  quälen  mir  un§  benn  in  ©otteS  tarnen  weiter", 
enbigte  bie  ©untag. 

©leidje  klagen  mürben  laut  au§  ben  groben  mit  ben 
(£fjor=©ängern  be§  SrjeaterS.  ©er  ©l)or=£>irector  bat  um  einige 
(Srleicrjterungen,  bornefjmtid)  für  ben  ©opran.  9lbgefd)(agen. 
(Snblid)  befdjränfte  er  feine  Sitten  nur  auf  SIbänberung  ber 
Dier  b  m  ber  groeigeftridjenen  Cctabe,  mit  roeldjen  ber  ©oüran 
ba§>  gugen^otiö  im  Credo  gu  intoniren  f)at  (fiel)  ^artttur, 
©eite  167)  als  ©runb  angebenb,  bafs  feine  feiner  ©ängerinnen 
ba$  fjofje  b  gur  ©iSüofition  rjabe.  (SapeUmeifter  Umlauf 
interöenirte  gleichfalls.  5lüe§  jebod)  öergebticfj,  ber  SDceifter 
roiüigte  in  feine  Slbänberung.  —  ®ie  S0^  biefer  ©törrigfeit 


409 


mar,  bafj  ©0(0=  unb  (Sf)or=@änger  fid)  felbft  @rleicf)ternngen 
gemacht,  bafj  befonber§  ledere  ööüig  gefdjttnegen,  trenn  bie  öor= 
getriebene  Ij)of)e  Tonlage  nid)t  gu  erreidjen  mar;  fjörte  bodj 
ber  in  bitten  ber  Waffen  ftefyenbe  ßomponift  nid)t§  üon  allem. 
Sftiemanb  fonnte  fid)  fotdjen  SSefenS  bei  it)m  aus  früherer  geit 
erinnern.  Sgnag  tion  ©etjfrieb  fagt  in  ben  ßfjaracterjügen  unb 
5tnecboten  in  „33eetf)otien'3  ©tubien"  bie»fafl£:  „Unfer  S3eet= 
fjoöen  gehörte  fdjtedjterbingd  nidjtgu  ben  eigenfinnigen  (Somponiften, 
beut  fein  Drdjefter  etmaö  gu  £>anf  machen  fann"  u.  f.  m.  333ie 
öertjalten  fid)  aber  bagegen  bie  (Srtebniffe  tiom  Satyre  1824, 
nod)  bagu  mit  ©ingfiimmen?  Sßenn  jebotf)  ein  ßomponift 
gegen  fein  beffereö  SSiffen  nnb  Sßerftefjen  bie  menfdjüdje  ©timme 
roie  ein  Snftrnment  betjanbett,  bann  fann  er  folgerecht  ntcr)t^ 
flügere§  tfjun,  als  foldje  2öiHfür  ftörrifd)  tierttjeibigen.  ütfur 
eine  einzige  unb  gtoar  bem  Safftften  ^Sreifinger  gemadjte  3tb= 
änberung  im  9?ecitatit>  be3  4.  ©atjeg  ift  Xfjatfadje  unb  fann 
gu  üftutj  unb  frommen  aller  tiefen  Söffe,  bie  mit  biefem 
SRecitatiü  in  ßoEifion  fommen,  f)ier  öergeidjnet  roerben.  Sn  ber 
Partitur  fjeifet  e§  (Seite  112: 


unb     freu 


ad  lib. 


girimr^^E^EE?_EE9 


ben=  öol=le  =  re. 
S)ie  gemalte  @rleid)terung  ift  nadjftetjenbe: 


"1*^   jg 


£: 


Ö 


ben= 


üol  *  te »  re. 


—     410     — 

2>iefe  5lbänbcrung  mar  jebotf)  nidjt  genügenb,  genannten 
Sänger  öor  (Erlahmung  feines  DrganS  gu  fd)ütjen.  %ladi  fort- 
gefe|ten  groben  erfolgte  biefe  toirflid),  unb  ber  ftarf  näfetnbe 
SSafftft  ©eipett  üom  ^fjeater  an  ber  2öien  mar  fo  gefällig 
mit  einer  einigen  Sßrobe  bie  2lu3füf)rung  ber  BafcSotoftimme 
$u  übernehmen. 

Unb  nun  bie  Missa  solemnis  BetreffenbeS. 

?H§  borcm§get)enb  ba§  ©efd)id)tlid)e  öon  ber  (Sntftef)ung 
biefeS  cotoffalen  SßerfeS  befprodjen  morben,  marb  (8.  322  ff.) 
bemerft,  bafe  ber  2Iutoi  all  feinen  9teid)tt)um  an  Äunftmiffen^ 
fdjafi  barin  ju  oollfter  ©eltung  gebracht,  roie  eS  itjm  aber 
bennod)  nur  ein  öertjältnifjmäBig  geringes  Honorar  eingetragen 
fjabe.  Sie  ßiffer  ra^r0  netter  unten  angegeben  werben.  Slber 
audj  ber  Ä'unftroett  t)at  biefeS  2öerf  bt§t)er  nod)  feinen  ent^ 
fpredjenben  ©eminn  gebradjt;  über  aüe§  bie§  bleibt  nod)  51t 
beflagen,  bafj  eS  gu  meit  auSeinanbergeljenben  Beurteilungen 
9Mafj  gegeben.  Siefe  beiben  letzteren  ^uncte  ftnb  einer  näheren 
Betrachtung  mertfj,  bafür  t)ier  ber  geeignete  Ort  gu  fetyn  fdjeint. 

2öitl  man  unbefangen  über  ha§>  Sßerf  urttjeiten,  fo  lüirb 
gugeftanben  merben  muffen,  bafj  Beetfyooen  in  9ttd)tbead)tung 
ürdjltctjer  ^rincipien  nod)  weiter  gegangen  a(3  ©t)erubini  Iur§ 
borfyer  in  feiner  feiten  ÜReffc  in  D,  mefdje  in  §infid)t  auf 
3eitbauer  baö  2Serf  be3  beutfd)en  80?eifter3  um  ein  bebeutenbeS 
nod)  überfd)reitet.  Sine  ftrenge  Prüfung  wirb  um  fo  unöer* 
fäng(ict)er  fetjn,  aU  Beettjoüen  fetber  in  bem  ©atje  feinet  Briefe^ 
an  fetter:  „UebrigenS  tommt  ot)net)in  ein  ©tüd  gang  a  capella 
bei  biefem  2Berfe  öor,  unb  mödjte  gerabe  biefen  ^fgl 
borgugömeife  ben  wahren  £irdjen  =  @tt)l  nennen",  — 
(©.  344)  ba§>  §aupt^riterium  jur  £anb  gibt.  Bornetjmtirf) 
bürfen  in  ber  Missa  bie  <2ät}e  Agnus  unb  Dona  ber  ©egenftanb 
faum  5U  fdjlidjtenben  (Streitet  uerbteiben,  med  burd)  fetbft  au<§= 
gefprod)ene  Intention  be3  SlutorS  bargelegt  ift,  bajj  er  ftdj 
hierbei  auf  einen  ©tanbpunct  geftettt,  wofjin  fein  frommes 
©emüttj    fo    leicht   ju  folgen  üermag.    Sie   beim  Beginn   beS 


—     411     — 

Dona  gegebene  Stnbeutung:  „Öitte  um  inneren  unb  äußeren 
^rieben"  tjätte  hm  (Somüoniften  fetne^roegS  öerteiten  f  ollen, 
biefen  Streit  bem  Sereid)  ber  ®ird)enmufii;  ganz  ju  ent^ie^en, 
inbem  er  ilm  mit  Srompeten^cmfaren,  SKecitatiüen,  obenbrein 
nod)  mit  einem  antjangenben  <Stnfonie=Satj  in  tempo  Presto 
auszumalen  befliffen  mar.  Somit  mar  ber  ^Begriff  öon  ®irdjen= 
mujtf  (unferer  3eit)  nidjt  Uo§>  auf  bie  fjöd)fte  Spi|e  getrieben, 
üielmerjr  ganj  umgeflogen,  mofür  bie  t'unftreicfje  Slrbeit  nid)t 
^u  entfd)äbigen  oermag.  (Sben  fo  menig  üermag  be§  2lutor§ 
SBeifung  üerföfjnenb  gu  ftimmen,  ber  sufofge  ba§>  SBert  aud) 
üU  Oratorium  gebraust  merben  lönne,  benn  aud)  im  Soncert= 
©aal  mirb  ein  gebitbeter  §örerf'reiö  an  richtiger  Sluffaffung 
unb  SBerjanbtung  be§  ®ird)ente£te§  fe[tt)atten  mollen.  £)eä 
2lutor3  SBorte  in  feiner  Subfcription§=(£inlabung,  roetdje  biefe§ 
Söerl  fein  gelungenfteä,  oollenbetfteä  nennen,  bürfen  un3 
bei  beffen  25eurtf)eitung  nid)t  beirren,  üietmerjr  barf  man  barin 
einen  offenen  2öiberfprnd)  mit  fetner  Sefbfttrittt'  erfennen,  bie 
er  in  bem  eben  citirten  ©a£e  an  Qdtcx  UDer  f«n  3Ber! 
augfpridjt. 

Um  biefen  bei  jebeSmaligcr  2luffüt)rung  ber  Missa  neu 
ertoedten  'Streit  ju  befeitigen,  märe  rattjfam,  nad)  Sinologie 
bei  bramatifdjen  SBerf'en  ber  größten  (Somponiften,  felbft  bei 
^aenbel'3  Oratorien,  bie  mit  ©runb  anftöfjige  bramatifdje 
©pifobe  au§  bem  Dona  51t  ftreidjen  unb  fomit  bem  ©an^en 
$u  nützen.  $ällt  e3  aud)  nidjt  teicfjt  in  biefem  breiten,  unb 
bennod)  gettjeüten  Strome  eine  paffenbe  gufjrt  zum  liebergang 
anfäufinben,  fo  täfjt  fiel)  bie3  mit  aufgeben  einiger  fdjönen 
'Stellen  bod)  beroerlfteÜigen:  menn  man  nad)  bem  2ten  Stade 
auf  ^5ag.  252  ber  Partitur  $u  bem  erften  Stact  auf  $ßag.  289 
übergebt,  mo  ber  ootle  ßf)or  unb  bau  Drdjeftcr  im  fjerrfdjenben 
D  dar  eintreten  unb  ber  Sa£  «$u  (Snbe  geführt  mirb.  $ür  bie 
eretuftoen  S3eett)oüenianer  ift  biefer  9tatf)  nict)t  gegeben,  meil  fie 
nid)t  öon  bem  Srrtrjum  be§  großen  ßomponiften,  atfo  aud) 
nid)t  öon  ber  9?ott)roenbtgtot  ifjn  ju  befeitigen,  31t  überzeugen  finb. 


—     412     — 

2ßie  e§  um  bie  Seurtrjeitung  gerabe  biefeö  <3at$e3  nacf) 
mehrmaligem  Stnrjören  1824  bei  allen  llrtt)eit§fät)tgen  in  28ien 
ftanb,  fjat  ber  23erid)terftatter  ber  Mg.  9J?uf.  3*9-  getreuüdj 
au3gefprod)en:  @r  fagt:  „S)er  (Srjarafter  be§  Agnus  Dei  (H  moll) 
ift  6ange  ©djbermutfj  unb  tiefe  Trauer;  bie  frembariige  5ln= 
roenbung  ber  mer  SBalbtjörner  bringt  r)ier  eine  gang  eigentrjümüd)e 
Sßirfung  fjeruor.  Sftit  bem  Dona  fällt  ein  gemütt)üd)e§  Allegretto, 
D  dur  6/8,  ein,  roe(d)e3  mit  fd)önen  üftacfjarjmungen  fortgefoonnen 
mirb,  bi§  plöttfid)  ber  <2at3  fid)  nad)  B  dur  roenbet,  bie  ^au!e, 
gleid)  einem  fernen  Bonner,  auf  ber  Dominante  §u  roirbeln 
anfängt,  ber  3o(o=2Ut,  ofyne  binbenben  9t£)tjtt)mu3,  recitatioartig 
uod)mats>:  Agnus  Dei,  qui  tollis  peccata  mundi,  intonirt, 
roe(d)en  5tu<§ruf  bie  trompeten  mit  einer  leifen  antrabe  in  B 
beantworten,  bi£  enb(id)  ber  tiolle  (Stjor  in  ba3  furchtbar  gräfelidje: 
Miserere  nobis  loSbricfjt.  2$a§  ber  Sonfetjer  mit  biefer  $ßi)rafe 
eigentlich  beabfidjtigt  fyabe,  möchte  fcrjroer  gu  entziffern  fenn!*) 
^hm  fo  roenig  burfte  ein  5ureid)enber  ©runb  aufgefunben 
roerbcn,  roogu  ber  föäter  fotgenbe  Snftrumentatfa|,  ein  fugirteä 
^refto  im  2/4,  roorjl  t)ier  eingefdjattet  roirb,  bei  roeldjetn  alle 
©ingftimmen  fdjtueigen,  unb  erft  mit  ber  9?ecapitu(ation  be§ 
Dona,  at§  ©d)(uBftein  be§  (Sangen,  mieber  in  Söirffamfeit 
treten.  Me§  etroaö  gebrängter  unb  roeniger  gerftürft,  ift 
ein  frommer  2öunfd>"  XXVI,  439. 2"J8) 

(Sin  anberer  nidjt  minber  errjeblidjer  (Streitpunct  betrifft 
bie  SBetjanbtung  ber  ©ingftimmen,  foroot)!  in  23egug  auf 
übermäßige  HuSbefjnung  it)re§  natürlidjen  23ereid)e3,   roie  aud) 


*)  S5em  Slubitortiim  war  bie  Ueberfcövift  beim  Dona:  „93itte  um 
inneren  unb  äufeeren  ^rieben"  unbefannt  geblieben,  nue  ©leidieS  bei  91ufs 
fübrungen  aller  Dtten  ber  gaü  ift. 

228)  Hierbei  muß  an  die  glänzende  Darstellung  von  H.  Deiters 
erinnert  werden,  die  er  in  Thayer- Beethoven  gerade  von  diesen  Teilen 
der  Missa  solemnis  dargeboten  hat  (Thayer,  IV.  Band,  S.  349  ff.).  Auch 
an  die  Monographie  über  die  Missa  von  Heimsoeth,  Bonn,  sei  hiermit 
dankbar  erinnert.  A.  d.  H. 


—     413     — 

auf  bereit  tunftgemäjje  Sßermenbung.  Sterin  liegt  moljl  ber 
£>auptgrunb,  warum  baä  SSerf  ber  Sftufifmett  nic£)t  bie  ermünfcljten 
93ortl)eite  bringen  fann,  ba  ju  beffen  2Iu3fül)rung  Strafte  er- 
forbert  roerben,  bie  ungeadjtet  türfjtiger  5tu3bi(bung  im  6tjcn> 
©efang  nur  an  roenig  Orten  auf^ufinben  finb.  SDarum  i[t  c§ 
nacfj  brei&igjätjrigem  5Seftet)en  in  mehreren  großen  ©täbten  noctj 
immer  ein  grembling  geblieben,  3)en  Urfadjen  biefer  auffaflenben 
Stjatfadje  nacl^ufpüren  ift  morjt  eine<§  furzen  5Sermeiten3  roertfj. 
2)ie  ber  Missa  oorau3gegangenen  ©efang=ßompofitionen  be5eugen 
alle,  bafj  unferm  Weifter  ber  richtige  ©ebraud)  ber  ©timme 
beftenS  befannt  mar.  Sie  üerfdjiebenen  über  ©efang  ijanbelnben 
SBerfe  in  feiner  §anb=53ibüot^ef  trugen  alle  Stferrmale  an  fid), 
bie  feine  fleißige  23efd)äftigung  bamit  öerrietrjen.  9tuct)  rjatte 
fiel)  bie  ßritif  über  bie  33ef)anblung  ber  (Stimmen  meift  nur 
lobenb  auSgefprodjen.  (££  fet)  geftattet  au£  ber  Beurteilung 
über  ba%  ber  Missa  menige  Safjre  üorawSgegangene  ©efangmerf : 
„$ln  bie  entfernte  ©eliebte",  —  gefcfjrieben  1816  unb  erfcrjienen 
1817  —  nur  bie  Scrjtujjftelle  §u  citiren:  .  .  .  „Unb  foll  nur 
nod)  erinnert  ferjn,  hak  ber  SCReifter  rjier  überall  öollfommen 
bargetljan  tjat,  er  oermöge,  menn  er  moHe,  nicfjt  nur,  mie  irgenb 
(Siner,  für  ben  ©efang  $u  fdjreiben,  —  moran  ot)nel)in  morjt 
SRiemanb  sroeifeln  mirb  —  fonbern  aud)  für'S  ©in gen:  2)enn 
fliefcenber  unb  aud)  ben  Organen  gemäßer  fann  man,  faum 
einige  ©teilen  abgeregnet,  gar  nidjt  fcfjreiben."  91Hg.  SCtfuf. 
3tg.  XIX,  73. 

SBenn  aber  bie  ©rünbe  51t  fo  unfanglidjer  Setjanbtung 
ber  ©timmen  in  ber  Missa  nid)t  in  Unlenntnifj  ber  Regeln, 
aud)  nid)t  ber  Organe  311  fudjen  finb,  mo  benn?  9Kan  £)at  fte 
in  ber  ^ur  $eit  ber  nod)  nid)t  gefdjroädjten  SReceptibitität  feinet 
Of)re§  rool)t  um  einen  fealbton  tiefer  (gegen  je^t)  geftanbenen 
Drd)efter=©timmung  finben  mollen,  bie  fidj  bem  ganjen  2Befen 
be§  SReifterS  feft  eingeprägt  fyabe.  9J?an  bebenfe  aber  bie 
mancherlei  Vorfälle  bei  ben  groben  1824,  gur  3e^  ™°  0*e 
SBiener  (Stimmung  unbe^meifelt  nod)  um  feinen  SBiertelton  t)öt)er 


—     414     — 

geftanben  gegen  20  Seigre  jurücf,  unb  bod)  bie  gegrünbeten 
klagen  fdjon  bamaiZr)  Unb  motten  mir  un§  aud)  bie  Dtdjefiet* 
Stimmung  um  einen  föatbton  tiefer  benfen,  als  fie  bermat  ftefjt, 
merben  mir  mot)l  fetbft  in  fotetjem  gälte  für  feict)t  ausführbar 
galten,  ma§  ben  ©ingftimmen  im  ßrebo  gugemutfjet  ift?  2öie 
läfjt  fid)  in  biefem  Satje,  ungeachtet  unerhörter  Scrjmierigfeiten 
in  §infid)t  auf  £ont)öt)e  unb  güfjnmg  ber  Stimmen,  o6enbrein 
nod)  bie  Unjafyt  Sforzato=©crj(äge  in  ben  ©ing-  unb  gugteiefi 
in  faft  aüen  Crrijefter=®timmen  erfrören,  meiere  öon  Stn= 
forberungen  geigen,  bie  im  fcfjreienbften  2öiberfpruct)e  mit  ben 
Regeln  ber  ©efangfunft  fielen,  üom  (£t)or  auszuführen  fd)led)ter= 
bingS  unmögüd)?  gerner  nod)  ba%  fo  tjäuftge  fprungroeife 
3?ortfdjretten  ber  Snteroatle  in  atfen  (Stimmen,  mie  fofl  biec> 
.^inbernife  31t  teidjter  Stusfütjrung  bei  einem  gefangSfunbigen 
(Jomponiften  ju  erfrören  fevjn  ?  £)ie  unbebingten  S3eret)rev 
23eett)Oüen'£>  motten  über  biefe  Uebetftänbe  fjinmegfeljen,  meif 
mehrere  in  ber  gufammentuirfung  menig  ober  faum  bemerfbar 
merben,  berüdficfjtigen  aber  nid)t  bie  fd)ümmen  folgen  ber  über= 
mäßigen  9(nftrengung  ber  Organe  bei  gegenmärtiger  enormer 
§öf)e  ber  Drcfjefter. 

2)iefe  factifcfjen  Uebetftänbe  unparteilich  in  (Srmägung  ge= 
^ogen,  mirb  ber  SSeurttjeiter  nidjt  gu  ftrenge  fetin,  für  beren 
Duelle  einjig  unb  allein  bie  Söiüfür  anpnetjmen.229)  S5et 
fpäteren  ^ßrobueten  bes  SO^eifterö  aber  mirb  fotdje  51nnat)me 
faum  ausreichen.  2)ort  liegen  bie  ©rünbe  auf  anbern  Seiten 
nod).  SDcit  bem  fronten  @et)ör  (mie  man  faft  atlfeitig  annimmt) 
tjaben   fie   nidjtS  5U   fcfjaffen,   benn   ber  9fteifter   brauchte  ba? 


*)  %m  brüten  Safirgang  (1855)  ber  9?teberrt)eintfcf)en  50?unf=3e^ung, 
9?ro.  8  unb  9,  bat  ber  35erfa)fer  baZ  ©efcrjicfjtlicrie  über  bie  im  Sabje  1816 
begonnenen  unb  balb  barauf  foitgefctjten  Ueberfcfjreitungen  ber  bis  babra 
iu  28ien  be[tanbenen  £)rd)efter=(5timnuing  mitgeteilt. 

229)  Man  hat  nachgerade  gelernt,  hierfür  nimmermehr  Willkür 
des  Tondichters  anzusehen,  sondern  ganz  allein  die  Macht  der  künst- 
lerischen Idee,  der  sich  jetzt  gern  alles  beugt.  A.  d.  H. 


—     415     — 

üftiebergefdjriebene  fo  raenig  mit  bem  äußern  Dljr  51t  prüfen, 
ttrie  irgenbeiner  ben  eben  gefdiriebenen  ©rief  fid)  laut  üor^utefen. 
©er  ©Ott,  ber  in  bem  Äünftler  fdjöpferifdj  mattete,  chatte  üjn 
in  feiner  fpäteren  3e^r  sumeiten  bertaffen,  unb  ber  9J?enfdj,  mit 
mancherlei  ©djroädjen  unb  ©ebredjen  behaftet,  blieb  gurüd.  2öie 
t)ätte  nicüjt  biefen  ba$  9ttenfd)lid)e  in  mannigfacher  SSeife  be= 
rühren  fallen?  dagegen  bie  klugen  ^u  öerfcfyHefjen,  fann  nur 
§u  gefäfyrlidjen  ber  ftunft  unmittelbar  9?ad)tf)eit  bringenben 
^rrtpmern  führen. 

9?od)  aber  mufc  bie  9^eit)e  ber  ?lnmerfungen  über  biefe$ 
Opus  summum  viri  summi  eine  ^ortfeljung  ertjatten. 

3n  ber  üom  3tutor  bem  Verleger  überfd)idten  9?einfd)rift 
non  ber  ^artitur  mar  bie  Eingabe  beö  Sempo  beim  Benedictus 
öergeffen  morben.  ©er  9tteifter  beeilte  fid),  felbeS  brieflid)  nacfj* 
gufenben,  al3  e§  bereits  $u  fpät  unb  ba§  SSerf  im  ©rüde  gu 
roeit  t>orgefd)ritten  mar.  Slber  aud)  bie  $ertag§r)anbtung  bjat 
itjrerfeitä  üergeffen,  biefe  Sinnige  nact)träglic£)  ju  öeröffentlidjen. 
Wafy  fo  mandjen,  ben  (praeter  biefcä  Sat>e§  uoüftänbig  öer* 
nicfcjtenben  Srrtt)ümern  bei  ftattgeljabten  21uffüf)rungen,  med  bie 
Dirigenten  ba§  bem  üorauggerjenbeu  ^raelubium  beigefetjte 
Tempo  sostenuto  aud)  bem  Benedictus  jugeljörig  tiermeinten, 
fjaben  mir  erft  1853  nad)  ©tnftcfjt  ber  SBeetfjoüen'fdjen  Briefe 
an  ben  Verleger  burcl)  Dtto  3at)n  erfahren,  bafj  ber  SOteifter 
baö  £empo  bei  biefem  ©atie  mit  Andante  molto  cantabile 
e  non  troppo  mosso  be^eidjnet  Ijat.  ©er  SSerfaffer  fäumte 
nid)t,  biefe  irjtn  mitgeteilte  ©ntbedung  alöbalb  burcl)  bie  9lieber= 
rfjeinifctje  9Jiufi!=3e^unÖ  5ur  Senntntfe  gu  bringen  unb  fott 
biefelbe  aud)  in  biefer  <2d)rift  ?ßla§  finben. 

©ei  (Gelegenheit  ber  SSerfammlung  beutfd)er  Sftaturforfdjer 
unb  Sterbe  im  September  1857  gu  SSonn  marb  ©eitenS  bei- 
gabt eine  muficatifetje  gefttidjfeit  unter  bem  Sitel:  „Seetrjoüen* 
(Soncert"  üeranftattet,  mobei  aud)  bie  Sfä|e  Kyrie,  Sanctus  unb 
Benedictus  au3  ber  Missa  gur  Stuffütjrung  famen. 

3n  bem  Iritifcljen  Seridjte   barüber   fteHte   ber  SHebacteur 


—     416     — 

ber  SNteberrfjeinifdjen   3ftuft!*8eitmtg,  Submig   93if c^of f ,   bie 

$rage:  „§at  Söeetljoüen  bie  groei  ©ätje  Pleni  sunt  coeli  unb 
Osanna  mirftidj  für  üier  ©oloftimmen  bei  fo  furchtbarem 
Drdjefter=£ärm  getrieben?  2Bir  meinen  irgenbmo  gelefen  §u 
Jjabeit,  bafc  er  fte  für  (Sljor  beftimmt  Ijabe.  $8iel(eid)t  fann 
31.  ©djinbter  2lu§funft  geben,  ber  hiermit  barum  freunblid)ft 
erfudjt  mirb.  2öir  unferi3tt)ei(§  mürben  e£  un3  nict)t  al§  93er= 
bredjeu  anrechnen,  biefe  ©ä£e  üom  Gljor  fingen  ju  (äffen." 
(9cro.  39.) 

SDie  9h".  41  berfelben  2ftufif=3eitun9  bradjte  meine  Q3e= 
antmortung,  bie  in  ber  §auptfad)e  alfo  tautet: 

„®ie  2lu§ftmft,  bie  id)  über  biefe  ©ät$e  gu  geben  üermag, 
befdjränft  fid)  —  üom  trabitioneflen  ©tanbüuncte  befet)en  — 
auf  ein  fefyr  Steines  ....  2Ba§  bei  ber  Sorrectur  ber  für  bie 
©ubfcribenten  abgefd)riebenen  Partituren  gnnfdjen  93eettmüen  unb 
mir,  biefe  ©äße  betreffend  üorgefommen,  ift  golgenbeS:  id) 
madjte  bie  Sleufjerung,  mie  e3  mir  fd)iene,  bajj  biefe  beiben  ©ä£e 
oom  üotlen  (Sljor  gefungen  größere  Sföirlung  erzeugen  mürben, 
aU  üon  üier  ©oloftimmen.  3d)  ftü^te  mid)  nod)  auf  bie  geringe 
Öefdjäftigung  beö  6t)or§  im  Sanctus  unb  Benedictus,  unb  be- 
bauerte,  bafj  biefer  anbei  bloS  ßu^rer  felut  foHe.  Sßeetfjoüen 
reülicirte  meit  unb  breit.  S)a§  gacit  lautete:  „(£3  muffen 
©oloftimmen  feü,u." 

93eett)oüen,  biefer  oftmals  emüfyatifdje  Sobrebner  früherer 
3eiten  befonber3  in  muficatifdjen  Singen,  liebte  eö,  an  bie 
©efang£gröf$en  feiner  3eit  äu  benfett.  2Benn  er  beim  9cieber= 
fcfyreiben  biefer  beiben  ©ä£e  —  ja  bei  ber  Missa  überhaupt  — 
eine  Xomeoni,  eine  23ud)miefer,  ober  gar  eine  SDcitber  (feine 
Seonore  in  gibelio  nod)  1814),  eine  ßamüi,  Slnna  SBranitjfti, 
unb  nod)  anbere  üon  gleicher  Qualität,  im  ©inne  gehabt,  fo 
rechtfertigt  bie§  feine  Intention  —  2lusbrud  t)öctjfter  53e- 
geifterung  —  faü3  er  ben  ©äugern  ein  fleineä  Drdjefter 
gegen überfteöt,  mie  e§  in  ber  ftirdje  aHentljalben  beftefjt.  S)a 
jeboct;  unfere  ISpodje  berlei  ©röfjen  faum  met)r  aufeutoeifen  t)at 


—     417     — 

unb  iüatjrljaft  fürdjtertidje  Drd)efier=9ft  äffen  einer  fd)  machen 
©timme  im  @oncert=©aat  gegenüber  fielen,  fo  forbert  fotd)e§ 
9tfif5üerf)ältniB  toot)!  23erüdftd)tigung.  ©djon  ein  Heiner  &f)or 
bürfte  erliegen,  ha  jebe  ber  üier  «Stimmen  üon  einigen  3n= 
ftrumenten  int  $orte  unb  gortiffimo  begleitet,  ja,  in  ber  X&at 
mit  fortgeriffen  mirb.  DieS  roirb  al3  ein  innerer  SSiberfprud) 
gelten  bürfen.  ©inen  äufeeren  finbe  iclj  in  ber  £empo=33eäeid)= 
nung  Beim  Pleni.  ©in  leicht  befdjroingter  9ftjt)tljmu3  ftefyt  in 
ben  Koloraturen  aller  Stimmen  oor  Slugen,  unb  babei  Reifet 
e3:  „Allegro  pesante."  ©in  23leigeraid)t  an  ben  ©Urningen. 
2Ba§  fotl  biefeS  im  SSer^eidjniffe  ber  üblichen  2empo=23enennungen 
faum  gekannte  Sßort  pesante  (fdjroerfällig,  audj  gewichtig)  fyier 
am  Ort?  Äein  SBunber,  menn  bie  Dirigenten  baburd)  irre* 
geleitet  bie  SluSfüljrung  ber  uier  ©oloftimmen  nod)  erfdnueren. 
©in  gemäßigtes  Megro,  nad)  SSerftänbnife  ber  ßlaffifeu,  nrirb 
unter  allen  Umftänben  bie  richtige  Bewegung  biefe3  ©at$e§  be= 
5eid)nen. 

Sollte  biefem  rtefigcn  SSerfe  einften§  ein  beutfdjer  £e;rt 
unterlegt  werben,  wie  ber  Missa  in  C  roiberfarjren,  fo  wirb  ber 
allenfalls  funbige  Bearbeiter  bie  barin  erfcfjeinenben  Srrtrjümer 
mit  £eid)tigfett  befeitigen.  Dann  wirb  aucfj  bem  im  Dona  ent= 
tjalienen  ©infonie=©at3e  (Partitur,  ©.  276)  bie  entfpredjenbe 
Begrünbung  feines  DafetinS  51t  jtrjeit  Werben,  weldje  irjm  in  einem 
$ird)enmerfe,  wie  foIcfjeS  bie  Missa  §u  aHernäd)ft  bod)  ferjn 
will,  offenbar  mangelt." 

Sftögen  barjer  alte  Sebenfen  fallen  unb  bie  ©äj3e  Pleni 
unb  Osanna  —  wenigftenS  im  ©oncert=©aaI  —  allzeit  öom 
Ooöen  ßtwr  aufgeführt  Werben.  Die  SSBirtung,  gewiß  im  ©eifte 
beS  (fangen,  wirb  eine  aujjerorbentlicrje  fet)n.230) 

Ruberer  im  Saufe  ber  Sahre  an  ben  Berfaffer  gekommenen 
5lufforberungen  um  3luftlärung   trjeitS  über  ba3  gan^e  2ßerr", 

23Ü)  Bei  Beethovens  entschiedenem  Willen,   es  hier  bei  Solo- 
stimmen bewenden  zulassen,  dürfte  es  docb  höchst  gewagt  und  un- 
künstlerisch erscheinen,  Chorstimmen  eintreten  zu  lassen.    A.  d.  H. 
31.  ©djinblcrS  Seetfjo»en=ä3iogra})f)ic.  27 


—     418     — 

t^eilä  über  (Sin^elneS  barauS,  nocfj  $u  erroätjnen,  märe  ^u  tr»eit= 
läufig,  nicfjt  aber  ofjne  Sntereffe,  meit  faft  in  ollen  unoerljefjlte 
$urd)t  au^gefprodien  mar,  ben  Äampf  mit  bemfelben  auf= 
äunetjmen.  ©ine  ftatiftifdje  Ueberficfjt  jebod)  ber  feit  bem 
Sefte^en  be§  2öerfe3  in  ber  £)effentlid)feit  (1827)  big  nun  in 
2)eutfd)lanb  ftattgefjabten  oottftänbigen  Aufführungen 
fott  gegeben  merben,  med  ftc  fjiftorifdjeS  Sntereffe  bietet. 

£>ie  erfte  Aufführung  mar  jene  bei  ber  Snauguration3= 
feier  öon  SeetljoOen'ä  «StanbbUb  1845  51t  Söonn  unter  ßeitung 
oon  Submig  «Spoljr.  Wt  biefer  Aufführung  mar  am 
muficatifdjen  üftieberrfjein,  unb  motjl  aud)  für  fernere  muftcaüfdje 
Greife,  bie  bide  Siörinbe  gebrochen.  2>a3  SSerbienft  nid)t  b(o3 
um  bie  ättögtidjfeit  einer  Aufführung,  fonbern,  mag  nod)  meit 
mefyr,  um  eine  in  jeber  SSegietjurtg  vollen  bete,  gebürt  in  ber 
.^auptfadje  bem  Röntgt.  SKuftfbirector  ^ranj  SBeber  in  (Solu. 
Wlit  uncrmübtidjem  ©ifer  tjat  berfetbe  ade  an  ber  geier  tfjeil= 
neljmenben  ©efangOereine  ber  SRtjeinproöinä  an  djren  refpectiöen 
Drten  monatelang  vorbereitet,  unb  fo  eine  ©idjertjeit  unb 
©inigfeit  erhielt,  bie  in  ben  Oielen  ^aufenben  ber  ßutjörer  au§ 
allen  Staaten  @uropa'§  gerechte  SSemunberung  erzeugen  mufete. 

SBotte  §etjn  Safjre  fpäter  erfolgte  bie  §meite  ootlftänbige 
2(uffüfjrung  am  sßalmjountag  ben  1.  April  1855  burd)  bie 
ßoncert=®efellfd)aft  511  (Söln  unter  Seitung  Oon  ^erbinanb 
Ritter,  üermittelft  gufammenmirfen  a^er  muficatifdjen  $er= 
eine  ber  ©tabt  —  jum  Söeften  ber  Ueberfdjmemmten  am 
üftieberrtjein. 

Sm  ©pätjafjr  oon  1855  t)atte  ber  SDhtfifbirector  Rüljl 
£u  granffurt  am  9Ö?ain  mit  feinem  faum  in'3  Seben  getretenen 
©efangüerein  gewagt,  ba§  Sßerf  mit  ßujietjung  be§  Xtjeater^ 
Drdjefterö  äur  Aufführung  5U  bringen.  £>ie  Seiftung  mar  burcu,= 
meg  t)öd)ft  lobenswert!).  3n  ber  Reihenfolge  mar  biefe  Auf= 
füfjrung  bie  britte. 

Sm  Sftonat  SDMrg  1856  fanb  bie  üierte  Aufführung  burd) 
ben    ©tern'fc^en    ©efangöerein    in    SSerlin    ftatt,    unb    am 


—     419     — 

1.  üßoüember  beffetben  Safjreä  erfolgte   bie  fünfte  im  Dbeon 
gu  9J?ünd)en  burd)  $ranj  Sadjner. 

3Biebert)oIte  Aufführungen  §u  (Söln,  granffurt  am  9Jcain, 
Berlin  unb  9Jcünd)en  folgten  batb  ber  erften  unb  borttegenbe 
Sericfjte  fcrjitbem  bie  Sßürbigung  beS  SBerfeS  bei  ber  fflltyx%afy. 
ber  3ur)örer  als  eine  entfdjiebene. 

9^oct)  aber  ift  eine  öoüftänbige  Aufführung  gu  öergeidwen, 
welche  am  4.  Auguft  1857  im  2)om  §u  $reiburg  in  S3aben 
bei  (Gelegenheit  ber  <3äcutar=$eier  ber  bortigen  Uniöerfität 
ftattgefunben.  ®iefe  bef erliefet  bie  Reihenfolge  a(§  fedjäte, 
at§  Aufführung  aber  beim  ^odjamte  ift  fie  bie  —  erfte. 

Aüe§  üftacrjforfcfjen  in  muftcalifdjen  ßeitbtättern  nadj  weiteren 
ootlftänbigen  Aufführungen  blieb  erfolglos.  ®te  Reue  3eit= 
fdjrift  für  äftuftf  ermähnt  im  11.  25anbe,  ©.  36,  einer  Auf= 
füfjrung  1830  ^u  2Bärm§borf  bei  Rumburg  in  SBörjmen,  ob 
aber  OoUftänbig  ober  nur  ttjeiltoeife,  ift  nicfjt  gu  entnehmen. 
Srjeitmetfe  ift  ba$  SSer?  1838  im  2)om  §u  (Solu  beim  §od)= 
amte  jur  Aufführung  gefommen,  unb  jroar  in  ben  «Sä^en 
Kyrie,  Gloria  unb  Credo;  bie  anbern  ©ätje  mürben  ber  erften 
Missa  in  C  entfernt.  Aud)  ^u  S3re§tau  unb  öom  (Säciüen= 
herein  §u  granffurt  am  9ftain  mürben  im  Saufe  ber  Safjre 
nur  einselne  £tjeite  barauS  gu  ©erjör  gebraut.  3Jät  bem 
Credo  l)at  e§  festerer  ©efangöerein  nidjt  einmal  üerfuc£j§Weife 
nodj  aufgenommen.  Um  ba§  %afyx  1840  rjatte  eine  Aufführung 
bei  einem  SDfrufiffefte  in  ber  Saufi|  ftatt,  aber  e§  bleibt  5WeifeI= 
fjaft  ob  oottftänbig  ober  gteid)faE§  nur  in  einzelnen  ©ätjen. 

Au§  bem  mufifreidjen  öftreicfjifdjen  Äatferftaate  ift  bis  jettf, 
ungeadjtet  5  6t§  6  beftetjenber  (Sonferöatorien,  Oon  SSerfuctjen 
mit  bem  SSerfe  nid)t§  begannt,  jenen  in  Sörjmen  aufgenommen. 

Au§  biefer  ftatiftifcfjen  Ueberfidjt  ergibt  ftdj  bie  geringe 
(Summe  ©ewinneä,  welche  bie  Missa  solemnis  nad)  metjr  benn 
breifjigjäf)rigem  SBefteljen  ber  ®unftmett  gebrad)t  tjat.  hoffen 
mir,  ba§  nad)  abermat  breifeig  Satiren  ba§>  Refultat  ein  er* 
freutid)ere3  feü,n  werbe. 

27* 


—     420     — 

3)iefe  fritifrfjen  Slnmerlungen,  bie,  menn  aud)  nidjt  in  bei 
©egenmart,  fo  erft  in  fpäterer  $eit  oer  Stufmerffamfcit  mertl) 
erad)tet  Serben  bürften,  tjaben  in  2(nfüt)rung  ber  an  bie  benf* 
mürbigen  £age  bes  7.  unb  23.  9flai  1824  ftct)  fnüpfenben 
Gegebenheiten  einen  Stillftanb  bewirft.  Beeilen  mir  un3  bereit 
Reihenfolge  mit  bem  testen  Vorfalle  ju  fdjließen,  ber  in  mein 
Berfjältnif;  $u  bem  Sfteifter  nad)  meljr  benn  ad)tjä(jrigem. 
ununterbrochenen  SSerferjr  bie  erfte  empfinbtidje  Störung  ge= 
bracht,  aber  aud)  fonft  nod)  in  bem  fteinen  Greife  treuer  fyreunbe 
unb  $tnt)änger  eine  grelle  ©iffonang  erzeugt  r)at. 

Beettjoüen  glaubte,  Umtauf,  Scfjuppangigt)  unb  mir  für 
bie  gehabten  SJiütjen  einigen  3)anf  fd)u(big  §u  fetin.  @r  beftellte 
bafjer  menige  'Sage  nad)  ber  ^meiten  Sttabemie  ein  S!Jiat)l  beim 
„milben  9Jfamt"  im  Krater.  ÜÄit  einer  Don  büftern  SSolten 
umtjangenben  Stirne  erfdjten  er  in  Begleitung  feincä  Steffen 
unter  uns,  benahm  ficf)  fair,  biffig  unb  frittlid)  in  alten  feinen 
SSorten.  ©ine  ©jptofion  mar  ju  gemärtigen.  Slaum  tjatten 
mir  an  ber  £afel  ^tat3  genommen,  als  er  aud)  fdjon  bas  @e= 
fpräct)  auf  ben  pecuntären  Grfotg  ber  erften  3Iuffüt)rung  im 
Stjeater  fenfte,  ofjne  Umfdjtueife  rjerausfaljrenb,  ba$  er  tjierbei 
Dorn  5lbminiftrator  2)uport  in  ©emeinfctjaft  mit  mir  betrogen 
morben  feti.  Umtauf  unb  Scrmppanäigfj  bemühten  fiel)  it)m  bie 
Unmögticfjfeit  irgenb  eines  Betrugs  bamit  §u  beroeifen,  bajj 
jebes  (Mbftüd  buret)  bie  £>änbe  ber  betben  Stt)eater*(5affirer 
gegangen,  bie  Rapporte  genau  übereinftimmten,  überbies  nod) 
fein  Reffe  gufotge  Auftrags  bes  Gruben 5lpott)efers  ben  (Saffirern 
gegen  alle  Sitte  als  ßontroleur  §ur  Seite  bleiben  mufjte. 
Beett)oüen  öerbtieb  jeboef)  bei  feiner  Befdjulbigung  mit  bem  3u= 
fa|e,  er  fet)  Oon  bem  ftattgefunbenen  Betrug  üon  juüerläfftger 
Seite  benachrichtigt.  Run  mar  e§  $eit,  für  biefe  Slränfung  fid) 
®enugtt)uung  gu  geben.  (Siltgft  entfernte  icfj  mid)  mit  Umlauf, 
Sdmppanäigr)  aber,  nadjbem  er  aud)  einige  Salden  auf  feine 
umfangreiche  ^Serfon  ausgemalten,  folgte  batb  nad).  $m  ©aftfyaufe 
gum   golbenen  Saturn   in  ber   Seopolbftabt  fanben  mir  uns  gu 


—     421     — 

ungestörter  gortfe^ung  be§  unterbrochenen  yjlafyhZ  jufammen. 
35er  furiofe  9)?eifter  aber  !onnte  feinen  3orn  an  oen  ÄcHncrn 
unb  Säumen  austoben,  §ur  ©träfe  nocfj  btö  opulente  9J?arjt  mit 
bem  Steffen  allein  oerjetjren.231) 

3n  biefem  Vorfalle  mag  ba§  ^ßertjalten  33eetboüen'3  gegen 
feine  greunbe  refumirenb  bargetegt  feton,  um  e3  nie  hrieber 
berühren  §u  muffen,  lieber  bie  erften  ^unbgebungen  im  55e= 
ginne  feiner  ^meiten  SebenSperiobe  gibt  $erbinanb  3vie§  3cu9en:: 
fdjaft.  Se  mef)r  ftct)  aber  äußere  ©rängniffe  unb  innere  35er= 
ftimmungen  im  Verlaufe  ber  britten  ^ßeriobe  gehäuft,  befto 
größere  9tücfftcrjt3lofigfeiten  tjatten  bie  erprobteren  $reunbe,  fein 
©rätjergog  nictjt  aufgenommen,  mie  oorau§  angeführt,  üon  ifcjm 
gu  befahren.  Unb  immer  maren  e§  ©fjrenfränfungen,  bie  feine 
greunbe  au§  feiner  SRätje  entfernt  rjaben.  Seidjtgtäubig,  un= 
erfahren,  mifjtrauifcr),  mie  er  mar,  tjatten  etenbe  Sftenfdjen  immer 
teicrjteS  @pie(,  jeben  au3  feinem  Greife  an^uf (^morgen;  unb 
foldje  (Sreaturen  maren  außer  feinen  Srübern  fortan  um  ifm 
gefctjäftig.  Sfynen  öerbanfte  er  eine  anferjnlicrje  Summe  bitterer 
Erfahrungen.  2luf  feinem  legten  tanfenlager  legte  er  üor 
Söreuning  unb  mir  eine  ©enerat=23eid)te  über  biefe  begangenen 
©ünben  ab  mit  üftamrjaftmatfwng  üerfctjiebener  fpegieUer  $ätte. 
Oft  bemirfte  aber  autf)  bie  2trt  unb  SSeife  feiner  SBieberannärjerung, 


231)  Höchst  bedauerlich  bleibt  es  freilich,  daß  der  arme  Schindler, 
der  wahrhaft  unsterbliche  Verdienste  um  das  endliche  Zustandekommen 
der  welthistorischen  Akademien  im  Mai  1824  besitzt,  derartig  schwere 
Kränkungen  von  seinem  angebeteten  Meister  erdulden  mußte.  Es 
hatte  sich  in  Beethoven  gerade  in  dieser  Zeit  gar  zu  viel  Stoff 
gegen  Schindler  angesammelt,  der  einen  Ausbruch  der  elementaren 
Natur  des  Meisters  gegen  Schindlers  im  Vergleich  mit  Beethoven 
inferiore  Natur  erwarten  lassen  mußte.  Der  Brief  an  Schindler:  „Ich 
beschuldige  Sie  nichts  Schlechtem",  B.  S.  Br.  No.  1050  (V.  Band),  spricht 
bereits  von  diesem  Gewitter.  Ein  Trost  bleibt  es,  daß  auch  diese 
Trübungen  bald  vorüber  gingen  und  dass  das  alte  Einvernehmen  zwischen 
dem  Meister  und  seinem  getreuen  Pylades  herrschte  und  so  bis  ans 
Ende  Beethovens  verblieb.  A.  d.  H. 


—     422     — 

fo  fjerätid)  unb  guüorfommenb,  ben  $et)ler  offen  eingefteljenö, 
bafj  man  bie  ^ränfung  fogteid)  oergeffen  tjatte.  3n  folget 
2Beife  näherte  er  ftrf)  mir  nneber  natf)  fetner  3uriic^^unft  au^ 
Söaben  im  Scoüember  biefe§  Safyreä,  unb  atle§  Sßorgefattene  mar 
gur  ©tunbe  im  Settje  berfenft.  —  9Bo  biet  £id)t,  ift  audj  biet 
'Statten,  unb  @oetf)e'§  SSorte:  „@3  ift  gonj  einerlei,  borneljm 
ober  gering  fetm,  ba§>  9Dcenfdj)lict)e  mufj  man  immer  au§baben," 
finben  in  metjr  al3  einer  Schiebung  iijre  Slntoenbung  aud)  auf 
23eett)oben. 

SSor  roeiterem  $ortfd)reiten  im  Slufgeidjnen  ber  fjiftorifdjen 
2)inge  tootlen  mir  beigetjenb  oon  abermaligen  9xeifebrojecten 
nacf)  Sonbon  fpredjen.  ©erabe  in  ben  Stagen  ber  oben  er= 
^äbüen  SSirren  mit  ben  Slfabemieen  tarn  Oon  bem  Sonboner 
£onfünftler  (Et)arteS  Sfteate,  ber  in  früheren  Satjren  fidj 
längere  $eit  in  SSien  aufgehalten,  bie  (Sinlabung  gu  einer  Sfieife 
nad)  (Snglanb.  2Itfogteid)  tuarb  ber  (Sntfd)fuB  gefaxt  biefelbe 
im  nädjften  ^erbft  anäutreten  unb  ber  SSerfaffer  biefer  ©cfjrift 
follte  ber  Segleiter  fetjn.  3)ie  immer  bienftfertige  ^fjantafie 
fyalf  gur  ©teile  ben  Sieifeblan  entwerfen,  bem  jufolge  aud) 
«Stationen  bei  feinen  alten  greunben  im  §eimatt)(anbc,  bei 
SBegeler  in  (Sobtenä,  bei  QSater  Dtie§  unb  SDcuftfoerfeger  ©imrod282) 
in  S5onn,  bie  fid)  in  langen  3ttJi[<i)enraumen  n°tf)  um  tyn  De' 
fümmert  Ratten,  gehalten  toerben  füllten.    Sebod)  bie  ben  ?tfabe= 


232)  Es  ist  hier  der  Ort,  Beethoven  in  seinem  Verhalten  zum 
alten  Simrock  in  Bonn  kurz  zu  erörtern.  Im  dritten  Bande  seiner 
Beethoven-Biographie  auf  S.  870  unter  der  Note  106  schreibt  L.  Nohl: 
„Von  den  kürzlich  wieder  aufgefundenen  Briefen  an  Simrock, 
17  an  der  Zahl  und  von  1804  beginnend,  ist  mir  trotz  aller  Bemühung 
nichts  zugänglich  geworden.  Der  jetzige  Besitzer  Herr  N.  Simrock 
in  Berlin  schreibt,  daß  allerdings  dieselben  ein  sehr  großes  Interesse 
erweckt  haben,  daß  er  sich  aber  nicht  zu  einer  Veröffentlichung  habe 
entschließen  können  aus  Gründen,  die  lediglich  auf  eine  aus  dem  Lesen 
jener  Briefe  sich  möglicherweise  bildende  falsche  Vorstellung  über  den 
Charakter  Beethovens  Bezug  haben;  der  große  Einsame  sei  tot  und 
könne  nicht  antworten.   Und  darin  seien  ihm  zwei  ganz  intime  Freunde, 


—     423     — 

mieen  unmittelbar  gefotgten  'Singe  Ratten  bieje  9ietfeab[icrjten 
alöbatb  nergeffen  gemacht.  Sa  brachten  bie  (etjten  Xage  biefe§ 
3arjre§  ein  luieberrjotteg  (Sintabung§fd)reiben  de  dato  20.  Secember 
öon  bemfetben  6t)arte§  9?eate,  unb  frvav  in  birectem  auftrage 
öon  ber  pf)in)armonifd)en  ©efeUfdjaft  in  Sonbon.  2Tucfj  biefe§ 
©djreiben  liegt  r>or.  Sarin  Ijeifjt  e§  unter  anbera:  „Sie  pf)i(= 
rjarmonifcfje  ©efeflfdjaft  ift  gefonnen,  S^nen  für  S^ren  S9efudtj 
300  ©uineen  §u  geben,  unb  erroartet  bagegen,  i)a$  «Sie  bie  Sluf^ 


die  Herren  Joachim  und  Brahms,  beigestimmt."  „Es  ist  beachtens- 
wert", so  fährt  Nohl  fort,  „was  für  eine  Anschauung  diese  Herren  von 
der  Aufgabe  des  Biographen,  und  vor  allem  von  der  Kunst  und  dem 
Künstler  selbst  haben.  Ich  hoffe,  mau  wird  von  dieser  Biographie 
Beethovens  erkennen,  daß  der  , große  Einsame'  solche  völlig  unberufene 
Schützer  seiner  Ehre  und  seines  Ruhmes  in  keiner  Weise  braucht. "  Daß  der 
Herausgeber  von  Schindlers  Beethovenbiographie  diese  Anschauung  teilt, 
ist  wohl  jedem  ohne  weiteres  deutlich,  der  seine  Beethovenbriefe  ge- 
lesen hat,  namentlich  im  IV.  Bande,  worin  Briefe  Simrocks  und  Brentanos 
zur  Genüge  behandelt  sind.  A  priori  konnte  ich  dartun,  daß  auf  Beet- 
hoven auch  in  dieser  Affäre  kein  Makel  haftet;  die  Briefe  an  Simrock 
werden  nichts  dem  Meister  Nachteiliges  an  den  Tag  bringen  können. 
Vgl.  B.  S.  Br.  No.  815  an  F.  Brentano,  Erklärung  S.  109  im  IV.  Bande, 
No.  827  an  Brentano,  S.  122  (IV.  Band),  an  denselben  No.  829  (IV.  Band), 
S.  125.  Vgl.  auch  an  Brentano  den  Brief  No.  835,  Erklärungen  S.  135 
(IV.  Band).  Für  diejenigen,  die  sich  im  Falle  Beethoven-Simrock  ein 
sicheres  Urteil  bilden  wollen,  bleibt  es  unerläßlich,  all  diese  genannten 
Briefe  au  Simrock  und  Brentano  zu  prüfen.  Ferner  an  Brentanos  von 
Beethoven  und  von  Simrock  selbst  No.  880,  S.  205—207  im  IV.  Bande. 
Als  wichtigstes  Wort  habe  ich  das  an  Peters  in  Leipzig  von  Seiten 
des  Meisters  festnageln  müssen,  nämlich  Brief  No.  928  (IV.  Band, 
S.  288):  „.  .  .  sejn  sie  versichert  ich  habe  sie  moralisch  oder  vielmehr 

Merkantilisch  erkannt denn  ich  bin  Mann  in  vollem  Verstände, 

ich  brauche  nicht  Ehren  hintzuzusetzen.  Beethoven."  —  In  den 
Erklärungen  ist  weiteres  über  die  Simrocksche  Handlung  von  mir  er- 
klärt. Auch  nach  der  jetzigen  Publikation  der  betr.  Briefe  durch 
Dr.  Leop.  Schmidt  ist  nichts  davon  zu  tun  und  nichts  hinzuzufügen. 
Die  Sache  bleibt  so,  wie  ich  es  a  priori  erklärt  habe.  Wäre  ein 
wirkliches  Ärgernis  dabei  gewesen,  dann  würde  Schindler  irgend  etwas 
davon  erwähnt  haben.  A.  d.  H. 


—     424     — 

fürjrung  Styrer  eigenen  SSerfe  leiten,  rooöon  6ei  jebem  (Soncert 
roenigftenS  eines  gemalt  roerben  trirb.  Studj  erroartet  fie,  bafj 
©ie  eine  (Sinfonie  unb  ein  (Soncert  fdjreiben,  roetcfje  roärjrenb 
SfyreS  Aufenthalts  bei  unS  aufgeführt  roerben,  bann  aber  als 
%\)v  (Sigentfjum  5U  betrachten  ftnb . . .  ©ie  !önnten  eine  Afabemie 
geben,  roobei  ©ie  roenigftenS  500  ^3f.  gewinnen  mürben;  über* 
fjauöt  finb  ferjr  üiele  2Bege,  üon  Syrern  Talent  unb  9?uf)m 
Üftutjen  gu  gietjen.  SBenn  ©ie  bie  Duartetten  mitbringen,  fo 
gibt  baS  roieber  100  Sßf.,  fo  bajs  ©ie  üerftcfjert  feun  fönnen, 
eine  grofje  ©umtne  ©elbeS  mit  ficf)  3U  nehmen,  unb  idj  fefje 
feinen  ©runb,  marum  ©ie  nicfjt  genug  mit  ficf)  nehmen  foflten, 
um  $f)r  fünftigeS  Seben  roeit  angenefjmer  ju  machen.  —  3dj 
rjoffe,  ©ie  roerben  ofjne  Verzug  fd)reiben,  unb  fagen,  baß  ©ie 
bie  SBorfcfjtäge  annehmen,  ßugteicfj  benutse  icfj  bie  (Megenfjeit, 
3f)nen  31t  fagen,  bajj  icf)  %fyv  aufrichtiger  $reunb  bin,  unb  ba^ 
©ie  ficf)  öon  Sielen  umringt  fetjen  roerben,  bie  jebe  (Megenrjeit 
erfjafcfjen  roerben,  $f)nen  if)re  Acfjtung  unb  Verehrung  gu  be- 
3eigen,  bem  großen  Seetfjooen,  beffen  SRufjm  jetjt  fjöfjer  als  je 
juöor  in  biefem  Sanbe  ftrarjlt." 233) 

SKaS  roar  eS  roorjl,  roarum  23eetrjoüen  biefe  fo  günftigen 
Vorfcfjtäge,  eben  fo  5U  befferer  ©jiften^  als  aucfj  5U  erfjörjeterem 
SRufjme,  uneracfjtet  eigenen  Verlangens  nacf)  bem  Sanbe  ber 
„©olbfücfjfe,"  nicfjt  feftgefjalten  unb  ^ur  Ausführung  gebracht? 
Ausartungen  feines  überaus  geliebten  Steffen  unb  Aboötiufof)neS, 
fcfjon  äiemlicf)  laut  geroorben,  fie  gaben  ©runb  gur  Sefeitigung 
aller  Üieifeölane.  ©ie  mancherlei  f)öcl)ft  betrübten  Vorgänge  mit 
biefem  Jüngling  roerben  unS  roeiterfjin  auSfürjrlid)  befcfjäftigen. 

ÜJZun,  nacfjbem  bie  ^lacfereien  bei  Aufführung  ber  Missa 
unb  ber  9.  ©infonie  überftanben  unb  bie  unerfreulichen  @r= 
gebniffe  anbei  ad  Acta  gelegt  roaren;  —  nun,  nacfjbem   ftdj 


233)  Aus  diesem  Einladungsschreiben  durch  Ch.  Neates  Ver- 
mittlung ist  das  Wichtigste  in  B.  S.  Br.  No.  1052  (V.  Band)  enthalten. 
Man  vergl.  auch  die  mitgeteilte  Tagebuchuotiz  No.  1037  mit  Er- 
klärungen, V.  Band,  S.  68  und  öfter.  A.  d.  H. 


—     425     — 

SBeetrjoben  roieber  an  bem  Don  ifjm  beborjugten  2(ufentrjaftöorte 
23aben  befunben,  brängt  fidj  natürtid)ertr>eife  bie  $rage  auf, 
roeldjeS  bon  ben  langprojectirten  Sßerfen,  bie  10.  ©infonie,  ober 
ba%  Oratorium  „£)er  ©ieg  be§  ®reuge§"  für  ben  9Jhififoerein, 
fjat  er  bjotjl  3imädjft  in  Singriff  genommen?  2)enn,  mir  rjörten 
ii)n  ja  fctjon  1822  auf  gfodjtifc'S  Antrag,  3J?ufil  au  ©oetlje'3 
gauft  ju  fcfjreiben,  eruribern,  bafe  er  borfjer  5tuei  grofje  ©infonien, 
unb  jebe  anberS  at§  feine  übrigen,  unb  ein  Oratorium  bom 
^patfe  fjaben  muffe.  2)ie  eine  biefer  (Sinfonien  t)atte  er  nun 
bom  §atfe:  er  mirb  alfo  morjt  gu  aflernädjft,  fomofyt  au§  innerem 
orange  mie  audj  um  be§  fo  oft  gegebenen  $erfpred)en§  mitten, 
ficrj  gu  bem  Oratorium  roenben  unb  fomit  aucfj  bem  £)id)ter 
geregt  roerben,  bem  er  bei  3ured)t(egung  be<§  StegteS  für  feine 
5lbfid)ten  fo  biet  ju  fdjaffen  gemacht?  —  2>af$  biefe§  Oratorium 
in  ber  SSeetfjoben'fdjen  Sitcratur  nidtjt  ejiftirt,  unb  eben  fo 
menig  getrieben  roorben,  mie  eine  §et)nte  Sinfonie,  ift  Seber- 
mann  befannt.  £>iefe  negatibe  ^atfadje  für  bofitib  genommen, 
fönnte  ja  ftiüfdjmeigenb  barüber  rjinmeggegangen  merben.  ®af$ 
bie§  in  ber  erften  Bearbeitung  biefer  ©djrift  ber  galt,  baran 
ift  mein  freunbücfjer  (Eenfor  fd)utb.  Dr.  93act)  gab  ©rünbe  für 
ben  SBegfalt  biefer  giemlid)  mrjfteriöfen  ©inge  an,  bie  mir  felber 
gur  ,ßeit  blaufible  gefdjienen. 

üftun  aber  madjen  e3  bon  SSien  ausgegangene  unb  93er= 
breitung  gefunbene  5tu3fagen:  SeetEmben  feb,  ber  „©efeflfdjaft 
ber  Sftufiffreunbe  beS  öfterreidjifctjen  Slaiferftaateä"  eine  nam= 
fjafte  Summe  ©elbe§  fdjutbig  geblieben,  —  -;ur  ^flicfjt,  ber 
betreff enben  ©acrjc  31t  ermähnen,  mobei  „beutfdje  ®rünblidjfeit" 
nicfjt  gu  !urj  fommen  foll.234)  ©d)on  marb  ©eite  374  bemerk 
bafj  biefer  gragebunct  brotocollarifcfj  bergeidjnet  fteljt,  unb  gmar 
im  Journal  ber  gebauten  ©efeüfcfjaft.  bereit  Sßorftanb  fjatte 
nad)  ben  beiben  ftattgefunbenen  ?lfabemien  feine  &\t  berftreidjen 

234)  Das  umfangreiche  Schreiben  Beethovens  an  die  Direktion 
der  Gesellschaft  der  Musikfreunde  in  Wien  nebst  eingehenden  Er- 
klärungen steht  B.  S.  Br.  No.  982,  V.  Band.  A.  d.  H. 


—     426     — 

unb  auf  oerfdjiebenen  Söegen  bem  SReifter  fein  oft  gegebene* 
SBerfpredjen  31t  ©emütt)  führen  faffen,  nun  51t  atternädjft  bie 
Aufarbeitung  be§  Oratoriums  oornefjmen  ju  moflen.  2)iefe 
©oßiciationen  Ratten  fdjriftlidje  (Srmiberungen  §ur  gotge,  roelcrje 
in  getreuen  Slbfdjrtften  üortiegen.  9ftöge  e§  gelingen,  burd) 
Söiitttjeitung  be§  betreffenben  ^rotocoÖS'StuSjugeg  biefe  An- 
gelegenfyeit  fo  51t  erörtern,  mie  e§  5ur  Rechtfertigung  ber  baran 
beseitigten  gemünfdjt  derben  mujj. 

„^luSgug  au§  bem  ^rotocott  ber  ®efeüfd)aft  ber  9Jcufü= 

freunbe    be§    öfterreidjifdjen    ®aiferftaate§    gu    SBien: 

über  bie  ^Beftettung  ber  (Sompofition  eine<§  Oratorium^ 

bei  §rn.  2.  tian  Seetljooen. 

1.  „Sub  No.  112  b.  3.  1815  mirb  £err  oon  ßmegfaü  er- 
juct)t  —  23eett)oOen  5U  Oermögen  —  biefen  SSunfd)  ber 
©efettfc^aft  gu  erfüllen,  üftad)  längerer  Sßaufe  antwortet 
33eett)ooen  bem  gmeäfall  briefüd):  ba^  er  bereit  fei)  biefem 
efyrenüotten  Auftrag  nacfjäufommen  unb  fragt  an:  ob  bie 
©efeüfctjaft  ifjm  ein  Honorar  Oon  400  ©tücf  3)ucaten  in 
©olb  bewillige. 

2.  „§ierauf  mürbe  im  Saf)re  1818  sub  ^rotocollnummer  191 
§err  Tineen 5  £mufd)fa  bon  ber  ©efellfdjaft  beauftragt 
mit  Seerfjooen  gu  untertjanbeln:  bafj  berfetbe  ein  Oratorium 
f)eroifd)er  Gattung  für  ben  auSfctjliefclicfjen  ©ebraud) 
ber  ©efeüfdjaft  auf  ein  3af)r,  üom  Sage  ber  erften  Auf- 
führung an  gerechnet,  gegen  Se^atjlung  oon  200  ©ucaten 
in  ©otb  fdjreibe. 

3.  „55eetf)oben  antmortete  hierauf  burd)  ein  eigent)änbige6 
(Schreiben  au§  9#öbling  00m  15.  Suni  1819  —  protocotlirt 
sub  No.  254,  ba$  er  ^eräu  t>öüig  geneigt  fei),  unb  be- 
tätigte ^ugtetet)  ben  Empfang  beS  bemilligten  SSorfd)uffe§ 
oon  400  ©utben  Wiener  SSäfjrung  auf  biefeä  51t  compo- 
nirenbe  Oratorium. 

4.  „3m  Satjre  1820,  sub  $rotoc.  9?o.  303,  mürbe  ber  Sinter 


—     427     — 

33er  narb*)  burd)  3ufdjrif*  ber  ©efellfdjaft  bom  21.  ©ecemb. 
1820  er[itd)t,  fid)  gu  äußern:  big  mann  er  ben  £ejt  biefeS 
Oratoriums  für  23eetl)oüen  abliefern  lönne. 

5.  „darauf  ermiberte  SSemarb,  ^ßrotoc.  üfto.  384  öom  Sal)re 
1823,  bajj  er  bereite  öor  gtuei  Satiren  bie  erfte  2tbtf)eilung 
biefeS  StejteS  nebft  einem  auäfüt)rlictjen  (Sntmurf  beS  ©ankert 
an  23eett)oben  abgeliefert  fjabe  unb  bafj  biefer  nun  bie 
©idjtung  OoEftänbig  befi^e.    (22.  Octob.  1823.) 

6.  „3m  Satire  1825,  ben  15.  gebruar,  ^rotoc.  9?o.  393, 
rcirb  §err  §aufct)fa  üon  ber  ©efeÜfctjaft  beauftragt  Jgrn. 
23ernarb  bie  le^te  $Kate  beS  Honorars  für  baS  Oratorium 
auszubeuten." 

üftod)  mögen  ^mei  Briefe  üon  33eett)oüen  in  biefer  %n- 
gefegenljeit  an  ben  Sttanbatar  ber  9Jhifif=©efettfct)aft,  §errn 
SiedjnungSratt)  Sßinc.  ^aufdjfa,  folgen. 
a.  „Sieber,  mertt)er  $reunb!**)  Snbem  id)  SDir  fdjreibe,  bafj 
id),  fobatb  idj  in  bie  ©tabt  gelangt  bin,  baS  $Bernarb'fd)e 
Oratorium  fdjreiben  merbe,  bitte  id)  2)ict)  ebenfalls  §errn 
Sernarb  baS  Honorar  erfolgen  gu  laffen.  lieber  baS 
Söeitere,  roaS  mir  brauchen  unb  nötljig  tjaben,  bereben  mir 
un§  in  ber  ©tabt,  inbem  id)  2)id)  als  grofjmädjtigften 
Sntenbanten  aller  @ing=  unb  $r um m= Vereine,  als  t  f. 
©eneral^iolon^edo,  als  1 f.  Snfpicient  aller  t  f.  Sagben, 
mie  ©iaconuS  meines  gnäbigften  §errn  ot)ne  ©omicil,  ol)ne 
SDad)  unb  ^atf),  mie  audj  ol)ne  Sßräbenbe  (mie  auct)  id)) 
meines  gnäbigften  §errn  treueften  Wiener,  münfd)  id)  @ud) 
biefeS  unb  SeneS,  morauS  Stjr  baS  23efte  netjmen  tonnt.***) 
©amit  lein  Srrttjum  ftattfinbet,  melbe  id)  (Sud):  bajj 
mir  baS  23ernarb'fd)e  Oratorium   ,,„£)er  @ieg  beS 

*)  6.  Sernarb  ift  aud)  ber  Siebter  ju  ©öof)r'3  „gauft." 
**)  ®a§  Original  biefeS  93riefe§  Befanb  fid)  im  Söefi^e  Dort  SUoüS 
gvtdjS,  beSglei^en  ba§  be§  folgenben  93riefe§. 

***)  ©erfahrnen  auf  ben,   fielen  unb  t)öct)ften  §of6eamtcn   fiet3   er« 
gebenften  SDiener,  SStncenj  öaufdjra. 


—     428     — 

5?reu§e§"M  gang  geroife  in  SCRuf i£  fetten  unb  batbigft 
beenbigen  merben,  laut  unferer  Unterfd)rift  unb 
unferm  Sieget. 

Saben,  ben  23.  (September  1824. 

2.  öan  Söeettjoben."235) 

„SBefteä,  erfteS  Sßereinsmitgtieb,  wie  aud)  ©ro^freuä  be3 
SSiolon  —  fctjetl  —  Drben§!  $ein  anbereS  aiZ  geift= 
tidjeä  ©ujet  tjabc  icfj,  %§x  rooltt  aber  ein  f)eroifd)e£! 
äfttr  ift'3  aud)  redjt  —  nur  glaube,  aud)  Dom  ©eiftlid)en 
hinein  $u  mifcfjen,  mürbe  für  fo  eine  9J?affe  gang  am  $ta£e 
ferjn.  —  §err  33ernarb  märe  mir  gang  red)t,  nur  begatjtt 
itjn  aber  aud);  Oon  mir  rebe  id)  nid)t;  —  Sa  3t)r  (Suct) 
fctjon  SJtufdfreunbe  nennt,  fo  ift'3  natürttd),  bafc  Stjr 
ÜD?and)e3  auf  biefe  sJ;ed)nung  gebjen  (äffen  mottt! . . .  2Ba§ 
mid)  angerjt,  fo  manble  id)  fjier  mit  einem  (Stüd  üftoten= 
papier  in  Sergen  —  Klüften  unb  Jätern  umtjer  unb 
fdjmiere  Sftandjeä  um  be<§  23robe§  unb  Öetbe»  mitten,  benn 
auf  biefe  §öt)e  tjabe  id)  eä  in  biefem  attgemattigen,  fd)mät)= 
ticken  gaijafen=Sanbe  gebradjt,  bafj,  um  einige  $eit  für 
ein  grofjeg  SÖSerf  gu  geminnen,  id)  immer  üortjer  fefjr  tuet 
furnieren  mufj,  um  be§  ©elbeä  mitten,  bajj  id)  e§  au§= 
fjatte  bei  einem  großen  Söerfe.*)  UebrigenS  ift  meine  ©e= 
funbtjeit  feljr  gebeffert,  unb  menn  e§  Site  t)at,  fo  fann  idj 
eud)  fdjon  bienen. 

Sn  (Site  Sein  greunb  S3eetf)oüen."23c) 


*)  S3eei&ot>en  bürfte  mit  bem  SBorte  „fcömieren"  bte  (Sompofition  bet 
<5ed)3  öartirten  Sternen,  Op.  105,  ferner  ber  3efin  normten  Sternen, 
Op.  107,  »ieUetcfct  aud}  nod)  bev  fdjottiftfjen  Sieber,  Op.  108,  bereit  (£nt* 
ftetjung  in  biefe  geil  fäflt,  be^eictjnet  fiaben  rooüen. 

235)  Vervollständigt  ist  dieser  Brief  in  B.  S.  Br.  No.  1030  (V.  Band) 
zn  finden.  A.  d.  H. 

236)  Dieses  derb  humoristische  Schreiben  steht  ebenso  vollständig, 
als  auch  genau  nach  dem  Manuskript  mit  allen  Notenbeispielen,  die  bei 
Schindler  gänzlich  fehlen,  in  B.  S.  Br.  No.  738  (III.  Band).    A.  d.  H. 


—     429     — 

©iefer  SSrief  trägt  fein  Saturn,  fdjeint  jebod)  urt6e§tt>eifett 
in  baZ  Safjr  1818  gu  fallen  unb  bie  ©rwiberung  auf  $.  §aufd)fa'£ 
Eintrag  gu  feDn:  für  ben  9)?uftfoerein  ein  fyeroifdjeS  Oratorium 
gu  fdjreiben.  SDaS  „SBanbetn  in  Sergen,  Sltüften  unb  Sjjäfern" 
geigt  gang  befonberS  auf  biefeS  3at)r  t)in  (beffen  mancherlei 
Vorgänge  unS  bereits  belannt)  wo  ber  SDfeifter  bie  Sommergeit 
in  Sftöbling  Deriebt  f)at.  2lbbe  ©table r'S  fjeroifdjeS  Oratorium 
wS)ie  ^Befreiung  Don  Sierufatem",  frirg  guDor  burd)  ben  SJfctfif» 
Derein  mit  außerorbentlidjem  Sßeifall  lr>tebert)olt  gur  Sluffütjruug 
gebracht,  bürfte  im  Sdiooße  ber  ©efcßfdjaft  ben  SBunfd)  nad) 
einem  gteidjen  auö  Seetfyooen'S  geber  angefadjt  tjaben.  — 

SlngügtidjeS  Sntereffe  für  unS  fjaben  aber  im  Dorfteljenben 
Briefe  bie  ben  üfteifter  betreffenben  Sleußerungen,  Weil  fte  feine 
mißlichen  ginangoertjältniffe  giemlid)  flar  buccfjbliden  taffen. 
Sluf  ben  9tuSfafl  gegen  Defterreict)  barf  nid)t3  gegeben  werben. 
»Seine  über  biefeS  „gaijafen=£anb"  fo  oft  geäußerten  Etagen, 
in  birecter  33egiet)ung  auf  feine  Subfiftengmittet,  waren  grunb= 
loS.  Seweife  bafür  finb  nid)t  wenige  ba.  (Sin  neuer  liegt 
in  bem  antrage  beS  SDJufiföereinä  oor.  $wei  fyunbert 
2)ucaten  Honorar  üon  biefer  ©efellfctjaft,  brei  fjunbert 
S)ucaten  (für  ein  großes  Oratorium)  oon  ber  9J?ufitt)anbtung 
Steiner  unb  ßomp.  —  aber  aud)  Don  jeber  anbern  —  trt 
$luSfid)t,  biefe  fünffjunbert  £)ucaten  konnte  ber  SOZeifter  nact) 
Verlauf  eineS  SafjreS  in  feiner  ©d)atulle  fetjen.  gerner  bie 
bereite  1818  projectirte  SReife  nad)  Sonbon;  ber  Antrag  1823 
für  ben  Äaifer  eine  9J?effe  nebft  einigen  Heineren  ®ird)enwerfen 
gu  f ct)retben ;  bie  gleichzeitigen  Einträge  auS  SBien  unb  Berlin 
gur  (Sompofition  einer  Oper;  bie  gur  felben  3e^  beabfid)tigte 
Verausgabe  feiner  fämmtlid)en  SBerfe  gewiß  unter  feljr  oortf)eit= 
haften  Sebingungen;  ber  Eintrag  ©iabefli'S  1824  —  ber  in 
feiner  §anbfd)rift  üorliegt  —  gur  (Sompofition  einer  Diertjänbigen 
@onate  mit  bem  Singebote  Don  adjtgig  Sucaten,  ber  an^ 
genommen  Würbe,  enblid)  bie  glängenbe  Offerte  im  felben  Satire 
feitenS   ber   pljiltjarmontfc^en  ©efeüfdjaft   gu  Sonbon,   —   baS 


—     430     — 

QÜe§  finb  füredjenbe  S3elt>eife,  bafj  unferm  3J?eifter  nidjt  menig 
Sftittel  unb  SSege  geboten  maren,  feine  SebenSüerljältniffe  um* 
3ugeftaften  unb  ganj  ficf;er  gu  üerbeffern,  nid)t  gu  geben!en  ber 
iljm  burd)  biefe  Einträge  geworbenen  ©elegenfyeit  feinen  eigenen 
2Bünfd)en  entgegen  gu  fommen:  nur  grofje  SBerfe  fdjreiben  ju 
fönnen,  nid)t  „furnieren"  §u  muffen,  unb  fomit  ber  fo  inbrünftig 
geliebten  Äunft  größere  2)ienfte  ju  leiften,  al<§  er  bie§  atöbalb 
mit  einer  ^ettje  öon  2öerfen  für  ftammer=9#ufif  üollfütjrt  f>at.237) 
2)iefer  @tanb  ber  S)inge  bei  unferm  £onbid)ter  forbert 
tt>ol)l  auf,  be§  SBortourfä  31t  gebenfen,  ber  bem  gefammten 
beutfdjen  Sßatertanb  fo  oft  gemadjt  morben,  al§  (äffe  e§ 
feine  großen  ÜJtänner  barben  ober  gar  oerfyungem, 
nad)  23eetf)oüen'3  Sobc  in  alle  SSelt  f)inau§öofaunt,  jüngft  naef) 
Sort§ing'3  unb  (Sonrabin  Äreutjer'S  9lbleben  mieberum 
in  übertriebener  Söeife  mieberfjolt.  ®ie  böfen  Saunen,  ßaoricen 
unb  oft  mit  93emuf$tfet)n  begangenen  $et)ler  ber  ®ünftfer,  Siebter 
unb  (Mehrten  gegen  it)re  materiellen  Sntereffen  merben  öon 
ben  meift  gebungenen  ©freiem  abfidjtlid)  ignorirt  unb  bereu 
mißlidje  9Sert)äftniffe  etn§tg  unb  allein  3)eutfd)lanb  als  ©djulb 
aufgebürbet.  2Bie  in  bem  eingeführten  in  Sejug  auf  $eetl)oüen 
mot)l  jur  ©üibeng  gezeigt  ift,  bafj  it)n  allein  bie  ©djulb  an 
feinen  bürftigen  Sebenööerljältniffen  trifft,  in  gleicher  SBeife 
öermödjte  tdj  bieg  in  Segug  auf  (ionrabin  Äreut^er  511  geigen, 
unb  burd)  Vorlegung  tf)eil3  fetner  eigenen  3u)"djriften  an  midj, 
tfoeitS  üon  ber  §anb  feiner  ©emaljlin  (aber  aud)  be§  in  feiner 
9Mf)e  öerföntid)  Erlebten)  bi§  gur  (Söibeng  gu  bemeifen,  baß 
aud)  feine  böfen  Saunen,  oorgugSmeife  fein  §od)tnutf)  unb 
3ntriguen=$eift  in  ben  klagen  großen,  unüerbienten  ©lüde3, 
—  öon  1823  bi§  1830  —  meldjeä  i^n  fogar  auf  S3eetl)oöen 
mit  oftenfibfer  ©eringfdjätjung  Ijerabfef)en  madjte,  if)n  in  bie 
trübfelige  Sage   öerfetste,   in   meldjer   er,    fern   öon    fjeimifdjer 

237)  Wenn  Schindler  die  letzten  großen  Quatuors  von  op.  127 
im  Sinn  hat,  dann  hat  er  diese  sublimen  Tonschöpfungen  wohl  gar  zu 
gering  eingeschätzt.  A.  d.  H. 


—     431     — 

Erbe,  feine  irbifdje  Saufbarjn  geenbigt  §at.  Er  oerftanb  es  ber 
©d)mieb  feines  ©tüdeS  5U  fetjn,  aber  nidjt,  firfj  bort  oben  $u 
ermatten. 

©inlenfenb  roieber  in  bie  93at)n  muß  junädjft  auf  $eet= 
rjooen'S  ferneres  SSertjatten  gegen  bcn  2ßiener  äftufitüerein, 
beSgteicfjen  gegen  ben  ®icr)ter  SSernarb,  feinen  jahrelang  bienft= 
fertigen  greunb,  ein  prüfenber  S3tic!  geworfen  toerben.  ©rfterem 
Ijat  er  auf  beffen  fernere  gufdjrift  öoni  Dctober  1824,  barin 
baS  frühere  Verlangen  nad)  einem  rjeroifdjen  Oratorium  faden 
gelaffen  mar,  feine  Hntmort  gegeben,  überhaupt  eS  beim  ©tili* 
fcfjroeigen  über  ben  fo  oiet  befprod)enen  ©egenftanb  beroenben 
laffen;  an  ber  £)id)tung  Skrnarb'S  aber  motlte  er  oon  nun  an 
md)tS  merjr  gut  finben,  baS  (Sine  tro§  feiner  blieflidjen  ßu= 
fidjerung  mit  Unterfdjrift  unb  ©iegel,  baS  Stnbere  tro|  feiner 
oietfadjen  ^Betreuerung  öoflfommner  3ufl^eoert^e^f  ia»  °^e  ^er= 
letjung  beS  bemärjrten  greunbeS  unb  beffen  Entfernung  aus 
feiner  üftälje  fd)ien  irjtt  menig  511  berühren.  ®er  Sßorftanb  beS 
SSereinS  rjat  feiner  ©eitS  biefe  für  irjn  unbe^meifett  üerbrießlicfje 
Slngelegenrjeit  gleichfalls  auf  ftdj  berufen  (äffen  unb  §ur  9?üd= 
erftattung  beS  1819  gemachten  23orfd)itffeS  Don  400  (Stalten 
niemals  einen  ©djritt  geujan.  —  gür  ben  SBiograptjen,  ber 
biefen  Vorgängen  fo  nalje  geftanben,  finb  biefe  Eröffnungen 
1'eineSroegS  angenehm,  allein  auS  ©rünben  ber  SBat)rr)eit  bürfen 
fte  nict)t  Oert)eimiid)t  merben.  2Sie  biefetben  protocollarifd)  unb 
briefüd)  ber  SSeurtljeilung  oorliegen,  fo  gebührt  bem  2Siener 
SRufifoereine  roegen  feines  offenen  unb  reblidjen  23enerjtnenS 
nur  Sob,  SBeetrjoüen  bagegen  trifft  gerechter  ^abel,*88)  unb  mag 
eS  einigermaßen  tröftenb  ferjn  beizufügen,  baß  im  Verlaufe 
feines  gangen  SebenS  fein  jmeiter  ärjnlid)er  Srjaracterjug  aufeu* 


238)  Schindler  ist  hier  sehr  fix  fertig  mit  der  Verurteilung  seines 
Herrn  und  Meisters.  So  urteilte  die  Gesellschaft  der  Musikfreunde 
nicht.  Das  Nötige  darüber  ist  in  den  Erklärungen  zum  Briefe  Beet- 
hovens an  die  Gesellschaft  der  Musikfreunde  vorgeführt  worden  in 
No.  982  vom  23.  Januar  1824,  Band  V,  S.  6—7  namentlich.    A.  d.  H. 


—     432     — 

ftnben  ift.  Sennod)  ift  fotdie  Sßanbtung  in  ben  bi^ßer  in 
©e^ie^ung  auf  äußern  Sßerfetjr  feftgemafjrten  ©runbfätjen  eine 
pftid)o(ogifd)   auffattenbe  (Srfdjeinung   unb   oerbient  Seadjiung. 

SßetcfjeS  maren  roorjf  aber  bie  ©rünbe,  bie  ben  S0?ei[ter  ju 
fotdjer  ?lbtueid)ung  beftimmen  fonnten?  ^ofitiö  laffen  fid) 
btefetben  in  sroei  ^mieten  jufammenfaffen,  baöon  einer  in  bem 
Uebermafj  Don  Siebe  311  feinem  Steffen,  ber  anbere  aber  in  einem 
Anträge  §u  duartett=6ompofitionen  öon  bem  rufftfdjen  dürften 
Sftifolaus  SBoriS  ©atifcin  gu  fud)en  ift;  erfterer  geigt  fid) 
Don  nun  an  mel)r  benn  jemals  beftimmenb  auf  Sfjun  unb 
Saffen  bei  unferm  SJieifter.  S^tcEjt  unroaljrfdjeintid)  finbet  fid) 
nod)  ein  britter  ©runb  in  33eetrjoDen'§  fünftterifdjer  Snbioi= 
buaütät,  bie  anbere  als  burd)  mufteatiferje  ©efe£e  gebotene  ©in- 
fdjränfung  nid)t  feietjt  ertragen  fjat.239)  Unb  fotd)e  ftanb  bei 
(Sompofition  be§  Oratoriums  in  Au*ftd)t.  Sie  Diefen  Sefdjroerben 
©eiten§  ber  Sänger  unb  ©efangSfunbigen  ü6er  bie  Abnormitäten 
in  ber  Missa  unb  9.  Sinfonie  fonnten  nidjt  ofyne  ©inbrud  auf 
it)n  geblieben  fet)n,  loenn  er  g(eid)roorjl  nichts  baoon  merfen 
laffen.  33ei  ber  Snftrumentalmufif  mar  feine  bid)terifd)e 
SubjectiDität  feiner  anberen  @infd)ränfung  untermorfen,  aU  ber 
Don  ben  fjarmonifdjen  ©efeften  auSgetjenben,  unb  biefe  maren 
längft  mit  feiner  Snbioibualität  (SinS  gemorben.  Sa  rjinberten 
ben  Ausfluß  feiner  reidjen  *pt)anrafte  meber  rjarte  SBerfe,  nodj 
St)nta£,  nod)  unjäfjtidje  anbere  SRücffidjten.  Sort  allein  befanb 
fid)  23eetf)ODen  in  feinem  ureigenen  (Elemente,  unb  biefem  geft= 
galten  an  bem  Angebornen  öerbanfen  mir  feine  tiefen,  unt>er= 
gänglicrjen  Sichtungen. 

Um  jebod)  ben  d)rono(ogifdjen  ®ang  im  Vortrage  mögtidjft 
einzuhalten,  fotl  bie  Duartetten=Angetegenljeit  erft  im  fotgenben 
Abfdjnitte   an    bie   9}ei£)e   fommen,    ba   fte    einen   mefentüc^en 

239)  Hier  sieht  man  doch,  daß  auch  in  Schindler  die  bessere 
Einsicht  in  bezug  auf  das  Oratorium  „Der  Sieg  des  Kreuzes"  auf- 
leuchtet und  warum  es  nicht  zur  Komposition  dieser  Auch-Dichtung 
kommen  konnte.  A.  d.  H. 


—     433     — 

Beftanbtrjeit  baüon  au§mad)t.  £)er  gtütfc^en  genanntem  gürften 
unb  bem  SSerfaffer  1852  unb  1853  besfaflS  geführte  ©treit, 
an  ttjeldjein  bie  Sefemett  fo  lebhaftes  Sntereffe,  jum  größten 
Streit  aud)  Sßartei  für  ben  gürften  genommen,  beoor  bie 
SRepli!  erfd)ieuen,  folt  pr  Bermeibung  t>on  SBettfdjmetfigleit 
im  (Sontejte  nur  berührt,  mof)t  aber  unter  ben  Ergänzungen 
§u  ftarer  lleberficfjt  vorgelegt  merben,  mie  e§  Beettjooen'3  ©acrje 
erforbert.  Set)  oerbanfe  biefem  ©treite  bie  Sftöglicfjreit,  untnefent* 
Iid)e  ^unete  nun  berichtigen,  aber  gugteid)  bie  @enugtrjuung, 
alleS  «pauptfädjlidje,  in  ber  erften  Bearbeitung  biefer  ©crjrift 
über  biefe  Slngelegenfjeit  fcgefagte,  aufrecht  fjalten  gu  tonnen. 
Sd)  fcfjeue  mid)  nid)t  tiorab  baä  ©eftänbnifj  abzulegen,  mie  ber 
nun  abzurjanbetnbe  2(bfd)nitt  nad)  üerfdüebenen  Beziehungen 
f)in  fid)  at3  ber  atterunangenefymfte  für  mid)  geftaltet,  barum 
in  ber  erften  Bearbeitung  übergangen  morben  mar.  Snbeffen 
aud)  hierbei  mirb  e§  jum  ©ebot,  Sfjatfadjen  ju  beteuerten,  bie 
meift  bor  meinen  Stugen  fid)  ergeben  unb  meift  in  ©cripttS 
borüegen.  ®arau§  refuttirt  eine  faum  glaubliche  Ummanblung 
in  Hcarjmen  unb  ©runbfätsen  bei  unferm  9fteifter,  bie  ben 
$ßfnd)ologen  zur  ©rgrünbitng  be3  (SaufalneruS  auf^uf orbern  ge* 
eignet  märe.  3)a§  Snbioibuum  tjattc  fid)  offenbar  in  gmei 
mefenttid)  tion  einanber  gefonberte  §älften  geiftigen  2eben§ 
Zerttjeüt,  bie  fid)  jebod)  in  einem  gemiffen  ^ßunete  mieber  be= 
rühren  unb  nad)  Umftänben  ergänzen.  %lad)  ber  9.  ©infonie, 
biefem  aüert)öd)ften  £riumpt)e  ber  Snftrumentatmufif 
öielleidjt  für  ade  3eiten/  erfd)eint  bie  ©pontanäität  be§ 
©cfjaffenS  im  ©djroinben  begriffen,  gernertjin  mirb  ber 
SReflerjon  ein  grojge§  Terrain  eingeräumt,  ja  biefe  bet)errfd)t 
in  2öarjrt)eit  ben  biStjer  immer  frei  au£  bem  ©eifte  fyerau«^ 
bid)tenben  $ünft(er  faft  gänztid).  9lnbererfeit§  tjatte  bie  Stritt)* 
metif  fief)  in  fo  auffattenber  SBeife  be§  50ceifter§  beinädjtigr, 
ba$  ber  9?aum,  ben  fünft(erifd)e  föeftejion  freigetaffen,  oon  ber 
mercantitiferjen  ©pecutation  auögefüttt  morben.  gür  ein 
SritteS   mar   faft   nichts   mefyr    übrig    geblieben,    menn    nid)t 

81.  ©djinMer§  93eett}oöen=;8io8rapfiie.  28 


—     434     — 

ßeitungSlectüre    unb    Spolitif    in    2lnfd)(ag    gebracht    roerben 
foltten. 

2)iefer  in  feinem  ©runbroefen  fettfame  Söenbepunct  ift  im 
Verlauf  bes  SarjreS  1824  üöHig  in  bie  ©rfdjeinung  getreten, 
nadjbem  ftd)  in  groei  üorfjergegangenen  Sauren  fdjon  manche 
Vorbereitung  ba^tt,  audj  in  feinen  fünftterifdjen  ^robuctionen 
(man  fetje  bcn  smeiten  ©at3  ber  ©onate  Op.  111)  gezeigt 
tjatte240).  ©inen  materiellen  23eroei§  bafür  geben  and)  bie  be= 
.Offerten  $enftertäben  im  ©cfjtofferfjaufe  §u  Sßaben,  au^erbem 
nod)  üorbjanbene,  in  gleicher  Söeife  bezifferte  Rapiere  in  grofe= 
$otio.  Sebe  rjatbmegS  geeignete  gtädje  roarb  mit  langen  ^eitjen 
uon  ^afyten  öebecft.  üftur  ein  im  Saljre  1826  eingetretenes 
gamüienungtüd  mar  im  ©tanbe,  bem  in  ©peculatton  ber= 
funfenen  SDfeifter  im  fategorifdjen  Smperatiü  „fealt  ein!"  $u= 
gurufen.  @r  überhörte  biefen  guruf  nidjt  unb  erljob  ftd)  mieber 
gu  ber  angebotenen,  feiner  $üitftterbebeutung  entfpredjenben  ®e= 
ftnnung  in  SSort  unb  £rjat;  allein  für  älcandjeS  fam  biefeä 
SBieberermadjen  leiber  5U  fpät. 


240)  Schindler  beweist  hiermit,  daß  er  für  den  Transzendentalis- 
nius  in  Beethovens  Musik,  wie  ihn  namentlich  der  zweite  Satz  der 
C-moll-Sonate  (op.  111)  ausspricht,  nicht  das  erforderliche  Organ  be- 
sessen hat.  —  Bei  solchen  abfälligen  Beurteilungen,  die  sich  dem 
letzten  Stadium  Beethovenscher  Tonsprache  gegenüber  breit  machen, 
muß  man  wieder  den  genialen  Bobert  Schumann  entgegenstellen, 
wie  man  denn  bei  allen  Beethovenfragen  auf  diesen  Geniemann 
zurückgehen  muß,  der  das  Tiefste  und  Wahrste  in  Beethoven  erkannt 
und  ausgesprochen  hat.  Dieser  Geist  verkündet  in  seinen  Schriften 
über  Musik  (Zitat  nach  der  eisten  Ausgabe,  I.  Band,  S.  34):  „Es  ist 
albern  zusagen:  Beethoven  begreife  man  in  der  letzten  Periode  nicht. 
Warum?  Ist's  harmonisch  so  schwer?  Ist's  im  Bau  so  wunderlich? 
Sind  die  Gedanken  zu  kontrastierend?  Nun,  etwas  muß  es  immer  sein, 
denn  in  der  Musik  ist  überhaupt  ein  Unsinn  gar  nicht  möglich.  Der 
Wahnsinnige  selbst  kann  die  harmonischen  Gesetze  nicht  unter- 
drücken." A.  d.  H. 


—     435     — 

IV. 
$apitd  ber  äötbertyrüdje  uttb  ©egenfri^c. 

2)er  3eitabfdjnitt  ber  mercantilifdjen  ©pecutation,  in  roeldjem  1824 
bie  Sßoefie  im   ©ienfte  SfterfurS  geftanben,   beginnt   mit   au3-  unb 
fdjKejjftc^er  £mtfeteiftung   be§   53ruber§=„^[eubo"  Sodann  Dan  1825# 
Veetfjoüen,  be§  tieffinnigen  nnb  bielerfaljrenen  SÜ^eifter^  in  biefem 
^unfaroeige,   fct)on  in  ben   erfien  Neonaten  be§  8af)re§  1824, 
unb   gmar   inmitten   ber  Vorbereitungen   gur  Sluffüfyrung    ber 
Missa  solemnis  unb  ber  neunten  ©infonie. 

©egen  f  onftigen  Vraud),  ^ßtane  jeber  5lrt  im  engeren  greunbe£= 
freife  gur  (Sprache  gu  bringen,  tiertautete  nunmehr  fein  2$ort 
über  31bfid)t  ober  Vorhaben;  (Sorrefponben^en  aber  unb  (Son= 
oerfation^efte  lagen  mie  immer  gerftreut  umfyer,  beren  @in= 
fetjen  für  ben  tägtid)  Slnroefenben  ein  leid)te3  mar.  S)a3  näcfjfte 
3iel  ber  ©peculation  mar:  einen  Verleger  aufäuftnben,  ber  bie 
Missa,  bie  9.  ©infonie,  bie  Duüerture  in  C  dur,  Op.  124,  ein 
©treidjquartett,  ba$  er[t  in  ber  Intention  erjftirte,  nebft  einigen 
SMeinigfeiten  nodj,  äufammen  laufen  moHe.  S)e§t)atb  roarb  an 
bie  Vertag§t)anb{ungen  S)iabeIIi  in  3Sien,  Sßrobft  in  Seip^ig, 
©djott  in  SJJaing  unb  ©djtefinger  in  Verlin  gefdjrieben;  ob 
audj  noefj  an  anbere,  blieb  unbelannt.241)  —  2)ie  betreffenbe 
©orrefponbeng  öon  ^Srobft  liegt  in  brei  SfJüdantmorten  bor, 
bereu  erftc  oom  22.  SJcäxg  1824  batirt  ift;  jene  oon  ©djott 
in  fünf,  (alle  an  ben  §errn  £)of=(Eapeflmeifter  Veetfyooen 
abreffirt)  beren  erfte  Oom  24.  Wläx^  1824  batirt.  Von  ©djteftnger 
§at  ficf>  nidjts  öorgefunben.242)  ®iabeüi  fjatte  ftet)  bloi  gunt 
SInfaufe  ber  Missa  bereit  erflärt. 


241)  Cf.  hierzu  B.  S.  Br.  No.  1019,  1020  und  1031  (V.  Band);  ad 
Probst:  No.  993,  1015,  besonders  No.  1023,  1043  und  1143  (V.Band). 
Die  Briefe  an  Schott  in  Mainz  sind  alle  nach  den  Originalen  abgedruckt. 

A.  d.  H. 

242)  Ad  Schlesinger  cf.  die  Briefe  No.  1096,  1108,  1115,  1194 
(V.  Band).  A.  d.  H. 

28* 


—     436     — 

$)er  Seidiger  Verleger  erbittet  ficf)  bie  Cuöertnre  nebft 
brei  Siebern  unb  fedj§  ^Bagatellen,  für  bie  Missa  nnb  (Sinfonie 
banft  er.  2lu§  feinem  brüten  Briefe  r>om  16.  Stuguft  be§f. 
3at)re3,  afö  ©rmiberung  auf  einen  au§  2öien  öom  28.  Sali 
mag  eine  öofftrlid)e  ©teile  fjier  Kaum  finben,  bie  mörttid} 
lautet:  „(Sern  f)ätte  id)  Sljre  9.  (Sinfonie  üerlegt,  bod)  rjoffe  id) 
mid)  in  ber  $otge  in  Syrern  Vertrauen  unb  $reunbfd)aft  ftdjer 
gu  befeftigen.  Seiber  tjinbert  ber  überall  unb  befonberä  in 
Deftreid)  ftattftnbenbe  Dtodjbrud  ben  beutfdjen  Verleger  oft  ein 
Sßerl  nad)  SSürben  §u  rjonoriren,  unb  id)  felje  fd)on  in  SSien, 
toie  auf  bie  je|t  eben  Don  3f)nen  gu  begietjenben  neuen  2Berte 
bie  9taubfd)üt5en  lauern,  um  mid)  unter  bem  8d)u^e  ber 
©efe^e  §u  beftefjlen;  allein  ba  bürfte  man  gar  md)t§  @ute§ 
tjerausgeben,  um  biefem  5U  entgelten,  unb,  um  bie  SBett  mit 
(Sd)(ed)tem  5U  bereichern,  mürbe  id)  mat)rlict)  lein  9#uftfDerleger." 

3)iefe  ©teile  belehrt  un§,  haft  ba§  greibeuterroefen  unter 
ben  beutfdjen  Verlegern  im  2>at)re  1824  —  §ur  Scfjmact)  für 
alle  Regierungen  unb  sunt  9tac^tt)eit  für  alle  Tutoren  —  nod) 
immer  une  gu  Anfang  be§  SafyrljunbertS  in  $8tütt)e  geftanben. 
Wa§  moljl  nur  einer  erifttrt  fjaben,  ber  fid)  nicfjt  (Singriffe  in 
ba§  (Sigentfjum  eines  (Sollegen  erlaubt  f)ätte? 

Sie  $erlag<§t)anb(ung  Sdjott  in  SLtfaing  erbittet  fict)  im 
erften  ^Briefe  nur  baö  intentionirte  Quartett,  mofür  50 
©ucaten  fofort  in  SESien  beöonirt  merben  follen  bi§  jur  %b- 
lieferung  be§  9Jcanufcripts.  3>n  betreff  ber  Missa  unb  ber 
(Sinfonie  madjt  fie  ben  $orfd)lag,  ba§  öertangte  §onorar  in 
öier  Terminen  üon  fedjö  5U  fed)§  ÜWonaten  gatjten  §u  motlen, 
unb  fät)rt  fort:  „Unter  biefen  SSertjättniffen  magen  mir  ben 
Sßerlag  biefer  fet)r  großen  unb  fet)r  mistigen  2öerfe,  unb  mürben 
mit  Stol^  ben  Verlag  berfelben  mit  aller  nur  möglidjen  Scfjön* 
t)eit  au^ftatten  unb  $ur  augenblidlidjen  Sluffüfyrung  in  Stimmen 
nebft  Partitur  ftec^en  laffen."  —  Sn  einem  föäteren  Briefe 
öom  27.  Slorit  1824  biefer  $erlag§t)anblung  tieft  man:  „2luf 
unfere   beiben  ©riefe  öom   24.  Wäx^  unb  10.  5löril  münfdjen 


—     437     — 

mir  ferjnlidjft  eine  ^üdantmort;"  barin  mirb  nod)  ber  SSunfdj 
auSgefprocrjen,  23eett)ooen  möge  felber  bie  ^erminja^tungen  be* 
ftimmen. 

(Sin  $rief  öon  93.  ©ctjott'3  ©ölmen,  de  dato  2Mn5  ben 
19.  $uft  1824,  befunbet  ben  Slbföfofe  be§  ®efd)äfte§  in  nad)= 
fterjenben  Söorten:  „Sero  öereljrte  3uftf)rift  yom  3.  °-  3U  er* 
mibern,  motten  mir  nun  nidjt  länger  Oerfäumen,  ba  mir  mit 
bortigem  §anbet3l)au<§  §errn  $rie<§  u.  ©omü.  bie  @inrid)tung 
getroffen,  bafe  biefelben  bie  3a^ungen  nac^)  oen  öon  Sljuen 
beftimmten  Terminen  auf  unfere  aufgehellten  Sßecrjfet  leiften, 
meldje  biefelben  Stjnen  aufteilen  merben,  mogegen  ©ie  bie  @üte 
fjaben  motten,  bie  beiben  üDcanufcripte,  nämtid)  bie  grofje  SOZeffe 
unb  bie  neue  grofee  ©infonie,  an  ^perrn  $rie§  u.  (Somü.  git 
übergeben." 

®ie  gnrifdjen  bem  Äünftler  unb  biefer  $ertag§f)anbtung 
getroffene  Uebereinfunft  beftimmt  für  bie  Missa  1000  ©ulben 
in  Gonü.  Wl.  (128  9?at>b'or.),  für  bie  Sinfonie  600  ©utben 
in  Gono.  99?. 

S)ie  ben  dürften  ^kotauS  SöoriS  ©atitjin  fd)on  in 
ber  erften  Ausgabe  biefer  ©crjrift  betreffenbe  ©teile,  bafe  er  an 
23eett)oüen  bie  ©umme  öon  125  $)ucaten  für  bie  sufotge  feiner 
3tufforberung  für  ir)n  gefdjriebenen  brei  Quartette  fdjutbig  ge= 
blieben,  t)at  biefen  gürften  eift  im  $af)re  1852  mit  einer  „au 
§errn  23renbel,  Dtebacteur  ber  9?euen  3eüftf)rift  fur  3Ku[if/ 
geridjteten  ©rflärung"  tjeroortreten  gemacht,  roeldje  in  %lx.  6, 
üom  6.  5tuguft  beffelben  Saf)re3,  abgebrudt  erfdjien.  Sebodj 
fcrjon  im  Sarjre  1832  fjatte  ©erjf  rieb  ©eite  12  ber  (Stjaracter* 
5üge  unb  Slnefboten  in  „25eett)ooen'3  ©tubien"  auf  biefen 
„betrag  öon  125  3)ucaten,  roelcfje  SBeetfjoöen  für 
gelieferte  ßomüofitionen  an  einen  au§tänbifct)en 
gürftennodj  §u  forbern  tjat"  fiingemicfen.  2lu3  jener 
„©rtlärung"  erfuhren  mir,  bafj  93eett)Oüen  ben  $ßrei§  eineä 
jeben  Quartette  auf  50  ©ucaten  feftgeftellt  unb  $ürft  (Mitün 
ben  $ßrei§   für   baZ   erfte   berfelben   nod)  im  Saljre  1822  ein* 


—     438     — 

gefanbt,  refp.  in  bem  SknfljjauS  £>enidftein  u.  (Somp.  angennefen 
Ijat,  um  bei  Ablieferung  be§  9ftanufcript§  erhoben  merben  gu 
!önnen.  Sn  berfelben  (Srftärung  be§  dürften  finbet  firf)  aucr) 
nad)ftet)enber  $affu§,  ber  in  Ijofjem  ©rabe  ftutjen  machen  fann: 
„©3  ttjut  mir  leib,  Sfynen  e§  jagen  §u  muffen,  aber  in  meinem 
35erfet)r  mit  S3eett)oöen  tjabe  id)  bie  ©eiri^r)eit  baüon  erlangt, 
bafj  feine  Micateffe  nidjt  auf  gleicher  £)öf)e  mit  feinem  ®enie 
fianb." 248) 

©er  $ürft  motiüirt  fpäterfjtn  biefen  ehrenrührigen  5Tu§faß 
gegen  ben  Sfteifter  bamit,  meit  bie  $ertag§fjanblung  ©cfjott  31t 
9J?ain§  ba§>  erfte  Duartett  biet  früher  erhalten  fyabt,  a{%  er 
felber,  „ber  gang  bei  «Seite  gefdjoben  mürbe,  mie  er  fidj  au3= 
brüdt,  unb  ba§  SBerE  erft  im  Wäx-^  1825  ermatten  tjaben  rottt." 
@r  fe|t  nod)  ^in^u:  „58ei  bem  beften  SGßiöen  roirb  man  ein 
fotd)e§  $erfat)ren  nirf)t  a(§  ben  2öpu§  eine§  beücaten  23enelj)men§ 
anfefjen  tonnen."     (9ceue  3eitfd)rift  für  SKufit  9?ro.  2,  1853.) 

darauf  ift  einfad)  $u  ermibern,  ba&  ba§>  fragliche  Quartett 
in  Es  dur,  Op.  127,  in  ben  erften  2öod)en  beö  3at>re§  1825 
tioflenbet  mar  unb  erft  im  Wlävö  beffetben  3af)re3  jum  erften 
9JM  üon  ©cfjuppanäigf)  öffent(id)  üorgetragen  morben.  (35ergl. 
Mg.  SKuf.  3tg.  27.  Safjrgang,  (Seite  246.)  (Srft  nad)  biefer 
Sßrobuction  ift  ba$  9Jcanufcript  nad)  SD^aing  abgegangen.  £>a= 
burd)  bertiert  ber  SSorrourf  be§  dürften  feinen  93oben. 

3u  fct)arfer  (St)aratterifirung  be3  mercantilifdjen  $(bfdinitt§ 
mirb  öorerft  ein  ©djritt  in  ba$  Satjr  1822  gurüd  §u  tljun 
fetjn,  um  eüt>a3  in  jebem  23etrad)te  HbfonbertidjeS  gu  enthüllen, 
baZ  unbe^meifelt  at§  $o(ge  ber  Stufforberung  be§  dürften  ©ati^in 
gu  Quartett;  (Sompofttionen  betrachtet  merben  tann  unb  ungtaub- 
(id)  fcfyeinen  müfjte,  läge  ntctjt  ber  auttjentifdje  $ett>ei§  öor. 
tiefer  beftetjt  in  bem  SBorttaute  eine§  in  frangöfifdjer  «Sprache 
abgefaßten  Briefes   öon  (Stjarteö  9ceate,   de   dato  „Londres  le 

243)  In  Sachen  des  Fürsten  v.  Galitzin  ist  der  Streit  zwischen 
Schindler  und  Galitzin  zur  Genüge  in  B.  S.  Br.  No.  1094  (V.  Band)  er- 
örtert worden,  besonders  S.  162  f.  A.  d.  H. 


—     439     — 

2.  Septembre  1822"  an  33eetf}Oüen.  @r  bringt  bie  Hntroort 
auf  ein  an  it)n  gefommene<§  2(nfucf>en  be§  SSJceifterg,  bie  9ftanu= 
fcripte  öon  brei  neuen  Quartetten  in  Sonbon  gu  berfaufen.*) 
(£t).  9?eate  roarb  glauben  gemacht,  ba$  biefe  2Ber!e  bereite  fertig 
boriiegen.  ®a  jeboct)  im  ©ommer  Don  1822,  nact)  bem  3eu9= 
niffe  Don  griebrid)  9Rocf)li|,  bie  9lbfic&t  laut  auSgefbrocfjen  mar, 
groei  neue  Sinfonieen  unb  ein  Oratorium  gu  fdjreiben,  fo  möchte 
au3  bem  ©dritte  in  Sonbon  faft  gu  entnehmen  fetyn,  bafj  biefe 
brei  Quartette  ben  genannten  großen  SSerfen  Ratten  borau§= 
geben  folten;  benn  bie  $rüd)te  auf  bem  gelbe  §um  $aufe  an* 
bieten,  mo§u  bej  ©aamen  erft  nact)  Verlauf  bon  §mei  ober  brei 
Sahren  in  bie  (Srbe  geftreut  roerben  folT,  erfcheint  bocl)  roorjt 
gar  §u  roiberfinnig. 

Sefehen  mir  un§  nun  ben  §aubtpttnct  in  bem  53riefe  bon 
üfteate.  tiefer  tautet:  „.  .  .  C'est  une  täche  bien  ingrate 
pour  moi,  que  de  vous  annoncer  ce  que  j'ai  ä  vous  dire. 
Mon  intention  etait  de  prier  quelques  amis  musicales  de 
s'unir  ä  moi  pour  l'achat  du  manuscrit  de  vos  trois  Quatuors, 
n'etant  pas  assez  riche  moi  meme  pour  m'en  charger  seul, 
tont  dispose  que  je  suis  ä  souscrire  pour  ma  portion  de  la 
somme.  Je  ne  prevoyais  aucune  difficulte  ä  faire  cet  arrange- 
ment,  mais  je  suis  fache  de  dire  que  j'y  en  ai  trouve  plus 
que  je  ne  m'y  attendais.  Les  uns  disent  qu'il  faudrait  etre 
parfaitement  sür  de  l'arrivee  du  manuscrit ;  les  autres  preten- 
dent  qu'ils  ne  veulent  pas  en  priver  le  public  etc.  Cependant 
il  me   semble    enfin   que  je   suis  venu  ä  bout   de   vous  en 

*)  (£3  mag  üieltetd)t  auffallen,  warum  Seetfjoöen  fid)  in  fo  belicater 
Slngelegenfjeit  an  einen  gremben,  nid)t  einzig  unb  allein  an  gerbinanb 
9?ie3  gewanbt,  bev  bod)  bis  bafyin  mit  33eforgung  be3  ^ercantilifdjen  in 
Sonbon  beauftragt  gewefen.  2)er  SOceifter  näljrte  jebod)  ftfjon  feit  längerer 
3eit  einen  ©roll  gegen  feinen  ©djüler  unb  greunb,  unb  t)atte  511  Diele 
9tücffid)ten  auf  feine  eigenen  ^ntereffen,  um  fid)  offen  aussprechen.  3)ie§ 
Ijätte  nid)t  wenige  Steine  jwifdjen  Reiben  au§  bem  3Bege  geräumt,  unb 
bie  «Spannung  oielleidjt  gauj  aufgehoben.  @§  wirb  paffenb  fenn,  biefe 
3)inge  im  5!Jcuficalifd)en  Xtjeil  biefer  ©djrtft  näfjer  ju  beleud)ten. 


—     440     — 

procurer  la  somme  de  100  L.  Sterling;  mais  je  suis  fäcb.6 
d'ajouter  que  cette  somme  ne  pourra  pas  etre  payee,  avant 
que  le  manuscrit  ne  soit  arrive  ici;  parce  qu'il  faut  que  j'en 
recueille  les  fonds,  et  je  suis  certain  que  les  amis  auxquels 
je  me  suis  adresse  s'empresseront  de  satisfaire  ä  leur  engage- 
ment,  aussitöt  que  le  manuscrit  sera  ici.  II  y  a  encore 
une  autre  difficulte,  c'est  qu'on  craint  que  les  Quatuors  ne 
soint  copies  ä  Vienne;  je  me  fie  que  vous  aurez  soin  de 
l'empecher."*)244) 

2)er  le£te  ©cfc  befagt  beutlidjer  nod)  als  bie  oorftef)enben, 
bafj  e§  bei  biefem  ©efdjäfte  auf  feinen  Verleger,  fonbent  auf 
einen  $ßriüaten,  ober  mehrere  uereint,  abgefetjen  tuar,  bem  ober 
benen  biefe  Duartette  für  einige  geit,  meUeicfjt  für  ben  Umfang 
eines  Safyreä  —  inte  e§  aud)  bei  bem  ©t.  Petersburger  5tunft= 
freunbe  ber  gatt  fetjn  fottte  —  junt  alleinigen  ©ebrauc£)e  Ratten 
überlaffen  tuerben  follen.    9fteine3  Zfytxtä  uermag  id)  am  biefer 

*)  Ueberfetjt:  „tibi  tft  eine  fefjr  unangenehme  Aufgabe  für  mid),  Sbnen 
golgenbeS  melben  ju  muffen.  ÜJJeine  Slbfidjt  mar,  einige  muficalifdje 
freunbe  jit  bitten,  fid)  jum  Anlauf  be§  TOanufcriptS  Sfcer  brei  Quartette 
mit  mir  ju  vereinigen,  inbem  id)  felber  nidjt  fo  nermögenb  bin,  e3  altem 
unternehmen  ju  fönnen,  gleidjwofjl  id)  bereit  bin  meinen  STtjeil  beizutragen. 
Ü3ei  biefem  Arrangement  blatte  id)  feine  Sdjmierigfeiten  üorauggefefjen,  allein 
id)  bebaure  fagen  ju  muffen,  bafj  fid)  beren  meljr  uorgefunben,  af3  id) 
erwartet.  ®ie  ©inen  fagen,  man  muffe  ber  Anfunft  be3  9#anufcript3  ganj 
fid)er  ferjn,  bie  Anbern  wieber,  baß  man  biefe  SBerfe  bem  publicum  nid)t 
entjieljen  foüe,  u.  f.  m.  Sennod)  fdjeint  eg,  ba'ß  id)  bal)in  gelangt  bin, 
Seinen  bie  Summe  uon  100  s^f.  (Sterling  uerfdjaffen  §u  tonnen;  e§  tljut 
mir  aber  leib  Ijinäufügen  ju  muffen,  bafj  biefe  Summe  erft  nad)  eintreffen 
be§  9)2anufcript§  gejault  werben  fann,  erft  bann  fann  bie  ©infammlung 
beginnen,  unb  id)  bin  gewijj,  bafs  fid)  i>k  unteijeidineten  greunbe  beeilen 
werben,  tbjer  Verpflichtung  nad)äufommen.  (53  gibt  aber  nod)  eine  Sd)Wterig= 
feit  babei;  man  fürd)tet  nämlid),  baJ3  biefe  Quartette  in  SSien  copirt  werben 
lönnten.  3d)  erwarte  jebod),  bafj  Sie  Sorge  tragen  werben,  bieg  ju  Der* 
Ijinbern." 

244)  Vgl.  B.  S.  Br.  No.  876  (IV.  Band),  ferner  No.  1152  (V.  Band) 
nebst  Anmerkungen.  A.  d.  H. 


—     441     — 

feltfamen,  fdjmer  ju  begreifenben  ©pecutation  in  Sonbon  nur 
bie  (Eingebung  beS  $ßfeubo=5kuberS  $u  erblichen,  in  beffen  Sopfe 
allein  berlei  ben  SEonbicfjter  Ijerabraürbigenbe  ^(ane  ausgebrütet 
»erben  fonnten.  28ie  berletjenb  für  Ujn  erfdjeint  fdjon  baS  in 
biefem  Sonboner  Briefe  offen  auSgefprodjene  Sftifetrauen  in  feine 
SBorte! 

33ei  Eingabe  ber  fubfcribirten  (Exemplare  bon  ber  Missa 
solemnis  ift  beigetjenb  bemerft,  bafj  Sßeetfjoben  aud)  bem  dürften 
©atitjin  ein  (Sjemptar  jugefdjidt  unb  bafür  bie  für  baS  erfte 
ber  beftettten  Quartette  in  3Sten  beponirten  50  S)ucaten  in 
(Smpfang  genommen  fyabz.  @§  läfet  ftd)  feineSfaÜS  präfumiren, 
ba^  bie^  otjne  ißormiffen  unb  guftimmung  beS  gürften  ge= 
fdjeljen  ift.  2IuS  ber  $polemi!  beS  dürften  mit  bem  SSerfaffer 
fjat  ftd)  baS  factum  ber  lleberfenbung  beS  (Exemplars  unb  ber 
(Empfangnahme  ber  genannten  Summe  bafür  mit  ©enriBfyeit 
IjerauSgeftellt,  mie  aucfj,  ba^  biefe  entnommene  ©umme  atSbalb 
burct)  ein  gleidieS  S)epofitum  auS  (St.  Petersburg  erfetjt  morben. 
lieber  ben  (Smpfang  beS  (SjemplarS  liegt  bie  Ueberfetmng  eines 
bom  29.  üftooember  1823  bon  bem  dürften  an  53eett)Oben  ge= 
richteten  23riefeS  bor,  ber  atfo  beginnt:  „9ftit  unauSfpred)lid)er 
$reube,  mein  §err,  ertjielt  id)  bie  SKeffe,  bie  ©ie  bor  Äußern 
componirt  tjaben,  unb  ba  id)  felbe  bis  je§t  nur  burd)  bie  Partitur 
beurteilen  tonnte,  fo  fanb  icfj  jene  (Erhabenheit  barin,  bie  allen 
3t)ren  (Sompofttionen  eigen  ift,  unb  bie  Sfyre  2Berle  unnad)= 
atjmlicfj  macfjt.  $d)  befdjäftige  midj  biefeS  fcfjöne  SSerf  auf  eine 
2lrt  aufführen  ^u  laffen,  raeldje  mürbig  feines  SßerfafferS  unb 
berjenigen  ift,  meiere  ftd)  ein  gcft  barauS  madjen,  felbeS  gu 
t)ören."  u.  f.  m. 

3n  einem  anbern  bortiegenben  ^Briefe  bom  11.  dJläx^  1824 
matjnt  ber  gürft  an  baS  $Berfpred)en  mit  ben  Quartetten.  Sarin 
Ijeifct  eS  auSbrüdtid):  ,,3d)  bitte  ©ie,  mir  gefälligft  miffen  31t 
laffen,  um  rceldje  $eit  id)  bie  Quartette  i)offen  fann,  metdje  id) 
mit  fo  biet  Ungebulb  erwarte,  unb  toenn  ©ie  ©elb  brauchen 
füllten,  fo  begierjen  ©ie  gefälligft  bie  Summe,  tneldje  ©ie  ber= 


—     442     — 

langen,  Oon  ben  sperren  ©tiegüt;  u.  (Somp.  in  @t.  Petersburg, 
ttjetdje  auf  S^en  SSunfdj  bebten  derben."  —  2)iefe  SSeifung 
trägt  unftrcitig  ba§  Slnjeidjen  eine§  fürftticfjen  (StjarafterS  unb 
mag  für  ben  £onbid)ter,  merjr  nocfj  für  beffen  $ßfeubo=33ruber, 
ein  mächtiger  ©porn  gemefen  feon,  einen  fo  gro&mütrjig  ftdj 
geigenben  Äunftfreunb  ab§  ©önner  ftcf)  511  erhalten. 

Sn  einem  britten  öorüegenben  Briefe  t>om  8.  5fprit  1824 
ergebt  ftdj  ber  $ürft  in  entrjufiaftifdjen  SobeSerrjebungen  über 
bie  Missa,  melcfje  £ag3  Dörfer  in  (2t.  Petersburg  mit  großen 
Gräften  3ur  Huffüfjjrung  gebracht  morben  mar.  GS  fjeiBt  barin: 
„Wan  fann  fagen,  haft  8(jr  ©cmuS  Safyrijjunberten  oorauSgeeitt 
ift  nnb  bafj  eS  bielteicfjt  jetjt  feinen  3u^)örer  gibt,  ber  genug 
erleuchtet  märe,  um  bie  gan^e  ©djöntjeit  biefer  SO^uftf  gu  ge= 
niesen.  5lber  bie  ÜJiadjfommen  merben  Sfjnen  tjutbigen  unb  Sfyr 
9lnbenfen  merjr  fegnen,  a(3  eS  bie  geitgenoffen  öermögen."  ©er 
23rieffteHer  fcfjliefjt  mit  .bem  ©a£e:  „SSer^eitjen  ©ie,  bafe  itf) 
3fynen  burd)  meine  S3riefe  fo  oft  Sangeroette  öerurfacfje,  aber  e§ 
ift  ber  aufrichtige  Tribut  eines  %fyxex  größten  23emunberer." 

£>iefe  3)aten  genügen,  um  unS  in  bem  ruffifdjen  dürften 
einen  ebehnütfyigen  Äunftförberer  ^u  bergegenmärtigen,  eine  (£r= 
fdjetnung,  bie  auf  unfern  Sfteifter  einen  tiefen  Ginbrud  ju  mad)en 
nidjt  öerferjten  tonnte,  benn  biefer  9iuffe  rangirte  in  einiger 
SSe^ierjung  mit  ben  in  ber  Erinnerung  (ebenben  3>eutfd)en  unb 
$ßolen,  ai§>:  SidmomSfy,  2obfonri§,  HinSfO,  ©c^toargenberg,  feinen 
SanbSmann  Siafumorasft)  nid)t  5U  üergeffen,  unb  anbern  nod), 
bie  in  befferen  Sagen  in  erfter  9\ett)e  ber  ^lunftförberer  in  ber 
öftreid)ifd)en  £)auptftabt  geftanben.  £)ätte  nur  biefer  9xuffe  bie 
fo  fd)ön  begonnene  Sfolte  in  gteidjem  (Etjaracter  fortgefpielt, 
bamit  bem  93iograpt)en  bie  Sßflidjt  geworben  märe,  feiner  ^nftigation 
3U  neuen  ©djüpfungen  bei  unferm  iUteifter  unb  feines  SßerfyaftenS 
gegen  itjn  im  ^puncte  ber  gemachten  ßuftdjerungen  für  feine 
arbeiten  nidjt  anberS  als  tobenb  ermähnen  %u  muffen.  Seiber, 
bafj  eS  in  teuerer  §infid)t  anberS  gekommen:  ber  $ürft  ift  in 
einen  bebauerlidjen  3Biberfprud)  Oerfaüen,  ber  eS  nad)  SeetfjoOen'S 


—     443     — 

2Ibteben  guerft  ben  SSormunb  oon  bcffen  Steffen,  biet  fpöter  crft 
feinem  33iograpt)en  %ax  ^ßfücfjt  gemadjt,  in  Magen  gegen  irjtt 
laut  ju  »erben. 

SSertaffen  mir  jebocfc)  einftmeilen  biefeS  Ouartett^rjema,  6i§ 
ber  redjte  SJcoment  fommt  um  meiter  barin  oorfdjreiten  gu  fönnen. 

SSenben  mir  un§  auct)  ah  öom  ?tnbticl  ber  23eett)oüen'fd)en 
Siedjenftube,  nadjbem  Uorcjer  nod)  berührt  merben  mufc,  ba^  bie 
3eit  ber  SSorftubien  gitm  SBefjufe  ber  9(uffüt)rung  be§  erften 
biefer  Quartette  unferm  üKeifter  einen  neuen  greunb  jngefütjrt, 
mie  er  einen  foldjen  fdjmerüd)  gehabt  nnb  mie  er  ifjn  nunmehr 
bei  feiner  ©eifte3rid)tung  bebnrft,  einen  $reunb,  ber  fogar  ben 
cafeutirenben  ©ruber  überftüfftg  gemacht  t)at.  @§  mar  ®art  ^0(5. 

S)urd)  ba§  ^nficrßictjen  biefeä  jungen  2ftanne3,*)  me(d)er 
Beamter  in  einer  .^anjtei  unb  gugleictj  ©ecunbariuS  be§ 
•Sd)u|)pan^igt)'fd)en  Quartetts  gemefen,  t)at  23eetl)ou>en  ba§>  äftafr 
ber  aBiberfprücfje  in  SBort  unb  Stljat  öotl  gemadjt.  ;£)aburd) 
fyat  er  fitf)  in  eine  ^ßofition  oerfetjt,  bie  uon  ben  ättern  grennben 
tief  betlagt  merben  nutzte,  raeStjatb  fie  fid)  auetj  fo  üiet  mögltd) 
t>on  i§m  entfernt  gehalten  tjaben.  Start  §0(5  mar  ein  acfjtung«?- 
mertrjer  9J?ann,  ber  ctaffifdje  ©djutftnbien  gemadjt  unb  gute 
mnficatifdje  Slenntniffe  befeffen,  metd)'  teueres  ber  eingenommene 
^(at>  in  bem  funftgefdjidjtttdjen  Quartett=$Berein  bezeugt.  2lnberer= 
feitö  aber  mar  an  Start  §0(3  jeber  3°ß  e™  SBiener  „$aiate" 
fon  erfter  Qualität,  gegen  metct)e  unfer  25eett)oüen  immer  eine 
tief  gemurmelte   Stntipattjie    offenbart    rjatte;**)    feine   ©efinnung 

*)  ftarl  §ola,  geb.  1798. 

**)  Sm  fünften  ©efange  ber  Odussee  wirb  bev  „(jervlirfje  ©ulber"  mit 
•[einem  ©cfnffe  oon  einem  ©türm  an  bie  Stuften  eine§  unbefannten  üanbe§ 
geworfen.  (SS  ift  ba§  Sanb  ber  g-atafen,  jüelctjeä  §omer  im  fiebenten  ©e- 
fange  fdntbert,  alfo  beginnenb:245) 

Slflba  fafjen  ftet§  ber  g-aiaten  f)orje  33et)errfd)er 
geftlid)  bei  ©peif  nnb  Sranf,  unb  fcrjmauf'teu  Don  Soge  ju  Sage. 
ÜKan  erfennt  barau§  bie  2ütfpietung  auf  t>a$  SSiener  Seben  in  33eet= 
booen'3  SBriefe  an  £>aufd)fa  «Seite  428. 

245)  Homers  Odyssee,  VII.  Gesang-,  V.  98 f.  A.  d.  H. 


_     444     — 

fonnte  natürlidjerroetfe  nid)t  barü6er  ergaben  fetjn.  Mein  bie[er 
junge  9I?ann  mar  ein  gang  öor^ügüdjer  ^ledjenmeifter,  unb  biefe 
(Sigenfdjaft  mar  e3  gang  allein,  bie  ben  gaiafen,  mie  ben  SJcufifer, 
in  ben  Stugen  23eett)oüen'§  gan§  überfein  machte;  benn  folget 
(Sapacität  beburfte  er  bei  feinem  ©eifte^miefpalt  eben  fo  not^- 
loenbig,  mie  Söaßenftein  be§  Stftrologen  <Seni  beburft  Ijatte. 
Smmer  meljr  unb  mefyr  offenbarte  fict)  bei  unferm  Sfteifter  bie 
?lbfirf)t  nadj  (Mbbefitj,  um  ben  geliebten  Steffen  einftenä  §um 
mofyttjabenben  SDcanne  gu  madjen;  batjer  ba§  fcljon  1823  taut* 
geworbene  Verlangen,  fein  Sruber  folle  gu  ©urtften  be3  Neffen 
teftiren.  Um  biefe  Slbfidjt  511  erreichen,  mar  ein  3tedjenmeifter 
nottjroenbig,  ber  tägfid)  jur  £)i§pofition  ftanb,  inbem  ber  Xon- 
bidjter  fetber  nid)t  über  bie  Slunft  be§  SfbbirenS  l)inaus= 
gekommen  mar.  Seine  platte  aber  oor  ben  älteren  greunben 
bloßlegen  unb  mit  itjnen  51t  beraten,  fdjeutc  er  fid),  meil  er 
mot)t  einfaf),  fein  @et)ör  bei  ifjnen  $u  finben.  llebrigen§  mar 
feiner  (2(nbrea3  Streiter  aufgenommen,  ber  1824  eine  S5e= 
redmung  üon  fidjer  eingunefjmenben  10,000  ©ulben  in  ßonb. 
9}?ün§e  für  bie  Verausgabe  ber  fämmttidjen  SBerfe  oorgelegt 
fjat,  bie  in  Original  üorfjanben)  ein  9ted)enmeifter,  mie  if)tt 
SSeelfjoocn  eben  beburft.  —  ©0  üiete  hättet  fjatten  fid)  bar= 
geboten,  mie  mir  tiorauS  gehört,  um  ben  9J£eifter  auf  fünfte 
lerifdjem  2Bege  in  ben  23efit3  großer  (Summen  311  fetjen, 
er  uerfd)mät)t  fie  aber  alle  unb  fudjt  feine  Slbftdjten  burdj 
calcutatorifdje  Stempel  §u  erreidjcn,  —  mer  fotlte  in  folgern 
sD?obuö  nidjt  eine  faft  oernunftratbrige  Slbirrung  00m  natürlichen 
SSege  erfennen? 

S)ie  ©emeinfdjaft  mit  ®arf  ^olj246)   fyätte  maljrfdjeinlid) 
nidjt  bie  unangenehmen  folgen  für  unfern  9)teifter  geljabt,  ntct)t 


246)  So  interessant  auch  Schindlers  Schilderungen  über  Carl 
Holz  und  über  dessen  Beziehungen  zu  Beethoven  sind,  so  kann  man  sie 
doch  nicht  als  objektiv  anerkennen.  Zunächst  verweise  ich  hier  auf  das 
S.  22,  Anm.  9  Gesagte.  Jetzt  muß  man  abermals  das  feindselige  Ver- 
hältnis zwischen  Holz  und  Schindler,  der  beiden  Getreuen  um  Beet- 


—     445     — 

tljn  511  reueöotten  39elcnntniffen  am  Sflanbe  be§  @rabe<§  ge= 
nötigt,  aud)  nicfyt  bie  üblen  üftadjreben  nacl)  bem  Sobe  nad) 
fid)  geäogen,  wenn  biefer  junge  3J?ann  bie  33ebeutnng  be§ 
$ünftler3  Jjätte  ermeffen  formen,  aber  auc^  nod)  fo  biet  Wad)t 
ü6er  ifm  befeffen,  um  itjn  in  feinem  faft  tetbenfci)afttid)en  ©treben 
efjer  gurüd  ju  galten,  at§  ilm  ba§u  an^urei^en.  SBenn  $eti3 
in  feiner  biograprjifdjen  ?lbt)anblung  53eetf)ouen  einen  ©eijljate, 
ja  fogar  einen  gilg  nennt,  unb  menn  Dr.  Söamrud),  beö 
SMfterS  fester  2lr§t,  itjn  als  Striin  fenbotb  be^eidmet,  ber  ftd) 
auf  biefem  SSege  bie  töbtticfje  5?ran!f)eit  jugegogen,  fo  bürfen 
bie  oeranlaffenben  ©rünbe  511  foidjen  ?(u£fagen,  toenngletdj 
einanber  imberfpredjenb,  nur  in  jener  ©emetnfdjaft  gefugt 
ioerben.  SSenn  ferner  and)  Utibifdieff  in  feinem  „^öeetfjouen, 
feine  Sfritifer  unb  feine  2tu§teger,"  ber  legten  Slage  be§  sDtafter3 
gebenft,  mo  berfel&e  öon  bem  fleinen  sJtefte  tion  greunben  öer= 
laffen  getoefen,  fo  irrt  er  nur  barin,  bafj  er  ben  SBerfaffer  biefer 
(Sdjrift  at<§  ben  atiein  öerbtiebenen  nennt.  ?lud)  id)  tjatte  ben 
in  aritmett)ifd)en  ©pecutationen  üerfnnfenen  greunb  unb  Sefjrer 
gemieben  unb  it)n  tiom  Sftonat  3ftärg  1825  bt§  -mm  5tuguft 
be§  fotgenben  3at)re§  nur  feiten  gefprodjen.  $on  feinem  S£lnm 
aber  blieb  mir  in  ber  ^auptfadje  nidjt§  üerborgen;  enblid)  marb 
id)  burd)  bie  Itterarifdje  §interlaffenfd)aft  in  oollftänbige  Ä'ennt* 


hoven,  betonen.  Holz  war  eine  geniale  Natur,  der  solche  Einblicke  in 
des  Meisters  Genie  zu  machen  verstand,  wie  sie  dem  sonst  verdienst- 
vollen Schindler  durchaus  verschlossen  blieben.  Beethoven  ward  von 
Holz  gerade  im  Studium  der  letzten  Quartettschöpfungen  aufs  höchste 
erkannt,  und  darum  hatte  er  seine  Herzensfreude  an  diesem  jungen 
Tongeiste.  Die  Konversationshefte  von  1825  und  1826  bergen  noch 
wahre  Schätze  von  Ideen  über  Beethoven  und  diesen  jungen  Freund, 
die  noch  zu  heben  sind.  Einen  Teil  habe  ich  ausgeschrieben  und  ge- 
denke ihn  demnächst  zu  veröffentlichen.  Der  gesellschaftliche  Verkehr 
Beethovens  mit  Holz,  mitsamt  allem  was  daran  hängt,  muß  uns  ge- 
rade mit  Freude  darüber  erfüllen,  daß  der  große  Dulder  Beethoven 
doch  noch  fähig  war,  solche  Lebensfreuden  durchzukosten.  Es  war 
noch  viel  Lebenslust  in  dem  „großen  Einsamen".  A.  d.  H. 


—     446     — 

nif;  be§  in  tiefem  ßeilraum  ©efd)el)enen  gefegt.  9cid)t  bio$  bie 
oon  ber  §anb  be£  ßarl  §0(5  üerjetc^neten  ^offen,  nid)t  bie 
häufigen  Sluäfätte  gegen  2tttert)öd)fte  ^erfonen  unb  Stnbere  fallen 
barin  auf,  tnetmefjr  nod)  ber  Ijolje  ®rab  bon  innerer  Aufregung, 
in  roe(d)er  ber  ÜDceifter  fortan  erhalten  roorben  unb  ftd)  in  fotdjer 
Sßerfaffung  fidjttid)  gefiel.  Sie  2(bmeid)ung  Hon  alten,  tief* 
gemurmelten  ©runbfä^en  ergab  ficf)  nod)  baburdj,  bafj  93eetr)oöen 
bem  jungen  ^reunbe  in  üjm  gang  frembe  Sßerfammlungen  an 
öffenttidjen  Drten,  23ter=  unb  2ßeint)äufern,-47)  in  bie  £äben  ber 
öon  ifjm  protegirten  Sftufitfjänbter  folgte,  ba§>  alte3  nictjt  ber* 
fe()tt  Ijat  Slufjejjen  ju  madjen.  &  §0(3  fdjien  bamit  geigen 
gu  motten,  baß  er  über  ben  fonft  fo  gurüdge^ogenen  Stteifter 
unb  über  beffen  ©inn  affe§  oermöge,  unb  ma&rtid)  er  ber* 
mochte  ba§>  Unglaubliche.  SM  man  einen  nod)  ftärferen  33e= 
mei§  baoon  al%  ben,  baf$  Q3eetljoOen  in  alt'  bem  Speculation^ 
taumcf,  in  metdjem  er  ftd)  eben  befanb,  ^Sattje  be§  erftgeborenen 
Sot)ne§  biefeö  neuen  greunbeö  geroorben?!24*)  Saburd)  offen- 
barte fid)  ber  ©trnt  unferö  äMftcr§  in  einer  SOcetamorpfjofe, 
bie  Oerbtüffen  tonnte.  Saft  unter  foldjer  Seitung  bem  2Bein= 
gotte  aufteilen  Opfer  —  bor  fremben  Stugen  —  gebraut  morben, 
ift  teiber  roabjr,  unb  bat  gerabe  biefeä  ba§  33ebauern  alter  treuen 
^reunbe  unb  Slntjcutger  nod)  fteigern  muffen.  Dr.  äöamrudj'ä 
anfdjulbigeube  SSorte:  „sedebät  et  bibebat,"  finb  nur  auf  jene 
©emeinfd)aft  ju  besiegen.*)  ©er  geitraum,  in  roefdjen  biefe 
Ueberfcfjreitungen  fallen,  erftredt  ftd)  gottlob  nur  üom  §erbft 
1825  bi§  gur  Sommerzeit  1826.  SBetdje  Sßerfe  bemfelben  ir)re 
(Snftefyung  oerbanfen,  roerben  mir  uernelmten. 


*)  Stet)  bie  Grgänjung:  33eetljoben  unb  fein  legtet  8lr§t  Dr.  SBaiurucf]. 

247)  Weder  Stephan  von  Breuning,  noch  dessen  Sohn  Gerhard, 
noch  Dr.  Bach,  noch  irgend  ein  anderer  haben  an  diesen  Dingen  etwas 
auszusetzen  gehabt,  gewiß  freuten  sich  alle,  daß  Beethoven  noch  so 
für  den  Lebensgenuß  empfänglich  war.  A.  d.  H. 

248)  Das  beweist  nur,  daß  Beethoven  herzlichen  Anteil  an  deu 
Lebensschicksalen  seines  jungen  Freundes  Holz  nahm.       A.  d.  H. 


—     447     — 

SBenben  mir  wt§  nun  mit  biefen  feine3fall§  erfreulichen 
STnbeutungen  gu  ben  legten  ©djöpfungen  be§  großen  SDTcifterg, 
5U  ben  fünf  legten  Quartetten,  mo^u,  mic  roir  bereite 
roiffen,  $ürft  ©atitjin  ben  SmpulS  gegeben,  51t  jenen  2Berfen 
atfo,  bie  in  ber  ©efamtliteratur  35eetrjot>en'3  bie  5at)tretd)ftett 
2Biberfprüct)e  unb  ßontroüerfen  hervorgerufen  unb  fdjroerlicrj 
jemals  eine  Uebereinftimmung  in  ber  93eurtbeitung,  über  eine 
§uftimmenbe  Ütedjtfertigung,  erleben  merben,  in  bem  ©inne 
nämtid),  mie  biefelbe  anbere  au§  früherer  3eit  er*eDt  Ijaben. 
(53  ift  £t)atfad)e,  ba^  in  9xücferinnerung  an  fotcfje  SBerfe  baä 
Urttjeit  ber  geitgenoffen  über  biefe  Quartette  im  ©anjen  ein 
Oorfid)tige§,  referüirte3  gemefen.  Mein  fdjon  bamatö  fyat  e§  an 
unbefangenen  Äunftfennern  nicfjt  gefehlt,  bie  nad)  jahrelangem 
©tubium  biefeS  SBermäcfjtniffeS  gur  Ueber^eugung  gelangt,  bafj 
bie  auf  bem  Söege  ber  9iefterjou  gefud)te  Kombination  in 
einigen  Reiten  (nict)t  in  allen,  mie  beren  Sefämpfer  behaupten) 
auf  bie  fjöcfjfte  ©pi£e  getrieben  erfcfjeint,  mobei  gu  aüernädjft 
bie  logifcfje  9?otrjmenbigfeit  in  ber  Sbeenüerbinbung  gefäfjrbet 
roerben  mu^te.249)  $)af3  £)ait^tfäcl)licf)  (euerer  Umftanb  ein  nitf)t 
ju  befeitigenber  ©tein  be§  StnftofeeS  3U  fidjerem  SBerftänbnif; 
ber  bid)terifd)en  Intentionen  bleiben,  nur  §um  zufälligen  (£r= 
rattjen  ober  gar  deuteln  bienen  roirb,  roirb  roorjl  Oon  Sebem, 
aufgenommen  üon  unbebingten  ©laubigen,  zugegeben  roerben. 
2)er  $erfaffer  fottte  einige  ber  mit  biefen  SBerf'en  perfönlid) 
erlebten  Vorgänge  mit  einflief3en  laffen,  allein  e3  mürbe  im 
3Sefentlid)en  nidjt3  in  ber  ©ad)c  änbern.  (Siner  ber  erleucfjtetften 
Kenner  öeetrjoüen'fd)er  S0?ufi£  mar  fein  greunb  ©raf  $ranS 
Oon  ©runSmid  in  ^ßeftt);  burfte  er  ftcCj  bodj  mit  üottem  9ied)te 
feinen  3°3^nÖ  nennen.  Unfer  gemeinfameS  ©tubium  biefer 
Quartette  mit  feinen  au^gejeidjneten  (Eomititonen  burd)  groei 
öolle  SBinter  Ijiuburd)  tjatte  un»  motjl  bie  tjarmonifdjen,  über- 

249)  All  dieses  wird  durch  die  erliebende  Tatsache  widerlegt, 
daß  gerade  die  letzten  Quartette  des  Meisters  im  Laufe  der  Jahre 
immer  mehr  zum  Gemeingut  der  Gebildeten  geworden  sind.  A.  d.  H. 


—     448     — 

fjaupt  tedmifcrjen  ©djönljeüen  erfcfjfoffen,  in  Se^ug  aber  auf 
(Srfennen  ber  logtfdjen  Sftotfjtuenbigreit  in  ber  Sbeenüerbinbung 
blieb  ba$  9vefuttat  tjier  unb  bort  ein  fd)tr>anfenbe§.  ©raf 
SBrunSttncf  glaubte  aufteilen  mit  feinem  fdjarfen  "Jete^cop  ba$ 
©efucrjte  aufgefunben  p  tjaben,  aber  al^batb  oerlor  fid)  ba§ 
©cfunbene  im  ^ebet  unb  er  fdjnft  fid)  abermals  einen  ,,©d)tuac£)= 
fopf".  %lad)  Sauren  metbete  er  mir,  bah  ba$  ©unfet  in  triefen 
(Stellen  nod)  immer  baSfelbe  geblieben,  rcie  bei  unferer  Trennung 
im  grüfjting  1829. 

©eetfjouen  begann  mit  ber  (Sonception  be§  erften  biefer 
Quartette  im  ©ommer  1824  ju  33aben,  im  Qctober  jurücf= 
gekommen  fefcte  er  fiel)  fog(eid)  an  bie  Aufarbeitung.  (Sr  begog 
bie§mat  nad)  langer  $eit  mieber  eine  ©tabtmotjnung,  bamit  fein 
Sfaffe,  ber  oon  nun  an  ftetS  bei  it)m  mo{)nen  unb  im  näd)ften 
©emefter  bie  ftörfäte  ber  pf)itofopf)ifd)en  gacultät  befudjen  follte, 
bem  ©it?e  ber  3ßiffenfd)aften  nafye  fett.  üftodj  rjatte  bie  Partitur 
bie  le£te  geile  nicfjt  erhalten,  at$  ber  $?eifter  in  eine  fernere, 
Diele  2Bod)en  anbauernbe  Sfranftjeit  Herfiel,  melcfje  iljren  ©runb 
in  bem  faft  beftänbig  leibenben  Unterleib  gehabt,  ©eit  bem 
3ermürfnif5  mit  Dr.  SQJalf attt  (1815)  mar  ber  gleicfjberütjmte 
SÜr^t  Dr.  ©taubenljeim  fein  DrbinariuS.  S)a  biefer  auf  23e= 
folgung  feiner  23orfd)riften  ftrengftenS  gehalten  unb  be3faö§  mit 
feinem  unfotgfamen  Patienten  ein  ernfteS  SBort  31t  reben  fid) 
erlaubte,  fo  fanb  fid)  biefer  üerantafjt,  nun  ben  ^Srof.  Dr.  S3raun  = 
fyofer  an  fein  Krankenbett  gu  rufen.  Mein  biefer  gab  feinem 
Vorgänger  in  ber  3M)anblung  be§  eigenmilligen  Seetljoüen  nichts 
nad),  oietmeljr  brad)te  er  einen  ©rab  tion  mienerifdjer  £>erbt)eit 
mit,  bie  bem  Traufen  imponirte  unb  in  Q3e3ug  auf  ©enefung 
gute  folgen  gehabt.  Snbefj  roiet)  ba§>  Uebet  erft  ooUftänbig 
mäljrenb  feines  ©ommeraufenttjattö  in  53aben. 

Sie  erfte  ^?robuction  be§  erften  biefer  Quartette  in 
Es  dur,  burd)  ©d)uppan^igt)  unb  ©enoffen,  t)atte,  mie  üorfyer 
bemertt,  im  Sftonat  sItfärg  1825  ftatt,  mifcglütfte  aber  faft  üotl= 
ftänbig,  fo  baft  baZ  mit  tjotjer  ©pannung  gekommene  31ubitorium 


—     449     — 

giemlicf)  öerbnjt  ben  *&aai  Oertiefc.  Wem  frug  ftd)  gegenseitig, 
raa§  man  beittt  eigentlich)  gehört  fyabt.  2htd)  ber  Referent 
ber  Mg.  SDcuf.  ßtg.  fagt  ©.  246,  bafs  ba§  SBerf  üon  ben 
SBentgften  berftanben  unb  ganj  erfaf3t  morben.  @r  geftetjt  üon 
fidj:  „9?ef.  raill  ftd)  fet&ft  nidjt  ausnehmen."  £>ie  Urf  adje  be§ 
SJiijjtingenS  wollte  man  allein  in  ©d)uppan5igfj  finben,  ben  man 
5U  correcter  SluSfüfjrung,  mie  auef)  gu  geiftiger  SCuffaffltitg  ber 
fdjmierigen  Aufgabe  nidjt  metjr  für  fätjig  erftärt  fjatte.  (£3 
!am  barum  gtuifc^en  it)m  unb  bem  (Somponiften  $u  bitteren 
(Sjpectorationen.  2)iefer  rcottte  e§  aber  bei  folgern  9lu§gange 
nidjt  betoenben  laffen  unb  ttwnfdjte  eine  Stjrenrettung  feinet 
SßerfeS.  @r  erfudjte  bemnad)  ben  Sßrofeffor  am  (Eonfertiatorium, 
Sofepf)  S3öf)tn,  biefelbe  an  <2d)uppanäigf)'3  ©teile  fyerbei  gu 
führen.  %  23ötjm,  met)r  ßoncert*  at§  Ouartett=(3pieter,  fonad) 
in  Ueberminbung  ted)nifd)er  ©djmierigfeiten  33irtuo3,  erreichte 
mit  bem  SBerfe  atterbing§  einen  befferen  ©rfotg;  beffen  un= 
midjtet  moüte  fidt)  ba§  tiefe  ©unfet  in  einigen  ©ätjen  nid)t  er- 
hellen, ©er  (Somponift  aber  mürbe  teiber  üon  einem  oollftänbigen 
(Siege  benadjridjtigt,  al§  fei)  baä  SBerl;  nun  Sitten  fo  ftar  er* 
fdjtenen,  mie  jebe§  ber  älteren  tiefer  (Gattung. 

$or  ber  erften  ^?robuction  biefe*  Quartette  tjatte  ber 
SOZeifter  nadjftefjenben  (Srtafj260)  an  bie  9lu3füt)renben  gerichtet, 
ber  im  Original  üortiegt: 

„Söefte! 

@3  nrirb  Gebern  tjiemit  ba$  ©einige  gegeben,  unb  roirb 
hiermit  in  Sßflidjt  genommen,  unb  gtuar  fo,  bafj  man  fief»  an* 
fyeifdjig  madje,  bei  (Sfyre  fidj  auf  ba§  S3efte  ju  üertjatten,  au& 
äitjeic^nen  unb  gegenfeitig  guoor  ju  tt)un. 

£iefe£  Statt  tjat  Seber  5U  unterfdjreiben,  ber  bei  ber  be=» 
mußten  'Badjt  mit^umirfen  fjat." 

SSeettjoüen. 


250)  Dieser  Erlaß  ist  genau  nach  dem  Originalinanuskript  publi- 
ziert in  B.  S.  Br.  No.  1059  (März  1825,  V.  Band).  A.  d.  H. 
81.  <Sd)tnMer3  33eetI)ODen=S3tograpI)te.                                                    99 


—     450     — 

©djuppanäigt).  m.  p. 
SBeifj.  m.  p. 
Sinfe.  m.  p. 

©e3  großen  ä)?eifter3  öerftucfjte3  Violoncello. 
§0(3.  m.  p. 

©er  letzte,  bocfj  nur  bei  biefer  llnterfcfjrift. 

©a3  streite  ber  Quartette  in  A  moll  erlebte  bie  erfte 
Sßrobuction  im  -ftoüember  1825.  ©er  (Srfolg  mar  ein  bei  roeitem 
günftigerer,  al3  bei  bem  rjorau£gegangenen,  inbem  ©cfjuppanaigr) 
unb  ©enoffen  e§  mit  großem  ^leifee  oorbereitet  Ratten,  hierbei 
befrf)ränfte  fidj  ba§  ©unfet  faft  au§fd)tte^tict)  auf  bie  Variationen 
ber  „Canzona  di  ringraziamento  in  modo  lidico,  offerta  alla 
divinitä  da  nn  guarito."  5ftan  erfennt  in  biefer  Uebeifcrjrift 
(©anfWprjmne  in  tt)bifcf)er  Xonart,  ber  ©ottf)eit  bargebracfjt  oon 
einem  ©enefenen)  bie  Ve^ierjung  auf  bie  überftanbene  ^ranlf)eit 
be3  5tonbid)ter§.  Snbefj  fcbjon  im  Sluguft  beöfelben  Surjreä  ^atte 
Veetrjoöen  biefeS  neuefte  SSert  auf  SSunftf)  be§  Verleger^  SJtoritj 
©d)tefinger  pritiatim  üor  einem  tleinen  Greife  bon  ,3ul)örern 
ausführen  laffen,  mobei  bie  erfte  Violine  t>on  $.  §ol§  üor= 
getragen  rcorben.  ©er  9J?eifter  faf*  ben  Spiefern  gur  Seite. 
Scfjtefinger  ermarb  fofort  ba§>  (£igentt)um  gum  Vertag  für  $xax\U 
reict»  unb  ©eutfdjtanb  unb  nafun  ba§>  SManufcript  mit  nad)  Sßartö. 
1826.  ©a£  3unäd)ft  entftanbene  Ouartett  mar  ba§  in  B  dur 
mit  fed)§  Saiden,  —  mit  ©runb:  ba$  SDJonftrum  aller 
duartett^äJcufil  benannt,  ©effen  erfte  ^3robuction  bilbete  ben 
Scrjlufe  ber  s2lbonnement=Guartette  im  9)Mr§  1826.  MeS,  ma§ 
SBien  an  Ouartett^TJhiftt^reunben  befeffen,  fjatte  ftd)  öerfammelt, 
um  $euge  oer  erften  Sluffüljrung  biefer  neueften  ©djöpfung  311 
ferjn,  über  bie  bereits  2&unberlid)e§  auSgefagt  morben.  lieber 
ben  erfolg  foE  ber  Referent  ber  Mg.  2Ruf.  £tg.  (Seite  310) 
gerjbrt  merben.  @r  berietet:  „©er  erfte,  britte  unb  fünfte  Sat> 
finb  ernft,  büfter,  mtjftifd),  mofjl  aucfj  mitunter  bigarr,  fdjroff, 
unb  capriciöS;  ber  gmeite  unb  Oierte  üoll  9J?utt)miflen,  grotjfmn 
unb  Sd)alft)afttgfeit;  babei  Ijat  ftd)  ber  £onfe§er,  ber  befonberS 


—     451     — 

in  ben  jüngften  arbeiten  feiten  üDJafj  unb  Qui  5« 
finben  muffte,  ungemöfynlid)  tuv^  unb  bünbig  au3gefprod)en. 
äftit  ftürmifcfjem  SßeifaE  mürbe  bie  Sßieberljotung  beiber  ©ä£e 
»erlangt.  5tber  ben  ©inn  be3  fugirten  finale  magt  Referent 
nid)t  gu  beuten:  für  itjn  mar  e3  unöerftänblid),  djinefifd). 
2Benn  bie  Snftrumente  in  ben  Legionen  be3  ©üb*  unb  9?orb= 
pol<§  mit  ungeheueren  ©djmierigfeiten  $u  fämpfen  fyaben,  menn 
jebeS  berfelben  anberä  figurirt  unb  fie  ftdj  per  transitum 
irregulärem  unter  einer  Ungatjt  üon  SDiffonan^en  burcfjtreu^en, 
menn  bie  «Spieler,  gegen  ficfc)  felbft  mifjtrauifd),  mot)l  aud)  nid)t 
ganj  rein  greifen,  freilid),  bann  ift  bie  babt)tonifd)e  ©ermirrung 
fertig;  bann  gibt  e3  ein  (Soncert,  moran  fid)  allenfalls  bie 
9}?aroffaner  ergoßen  fönnen.  9SieIteid6)t  märe  fo  mandjeS  nid)t 
l)ingefd)rieben  morben,  tonnte  ber  Sfteifter  feine  eigenen  ©d)öp= 
fungen  aud)  (jören.  ©od)  motten  mir  bamit  nid)t  üoreilig  ab* 
fpredjen:  üietleid)t  fommt  nod)  bie  3eit,  mo  ba§>,  ma3  un£  beim 
erften  33üd  trüb  unb  oerroorren  erfcfjeint,  flar  unb  in  mot)l= 
gefälligen  formen  erfannt  mirb."261) 

S)ie  «Stimmung,  in  meldjer  bie  Slumefenben  fid)  entfernt 
fjatten,  läfet  fid)  nad)  bin  Sßorten  biefeä  in  ber  SRegel  getreuen 
©djilbererä  be£  allgemeinen  (£inbrud§  ermeffen,  benn  niemalö 
roof)t  finb  in  einem  Snftrumentalmerfe  fo  fdjroff  contraftirenbe 
©egenjäfce  neben  einanber  geftellt  erfcfjienen,  als  in  biefem 
Quartette;  bemnad)  ber  3u^)örer  nad)  bem  freubigften  ©ntjüden 
über  ben  Haren  §immel  über  iljm  fid)  fogleid)  mieber,  menn 
nid)t  in  ein  mnftifdjeS  2)untet  eingefüllt,  fo  bod)  in  tiefen 
(Srnft  üerfetjt  fütjtt,  al§  tjabe  ber  ßomponift  mit  feinen  ©efütjten 
ein  ©piet  ju  treiben  beabfidjtigt.    $ottenb£  bie  guge  ai$  $inat= 


251)  Nun,  diese  Zeit  ist  längst  erschienen.  —  Über  die  Neben- 
umstände und  Beethovens  joviale  Teilnahme  an  den  Freudentagen  bei 
der  Anwesenheit  Schlesingers  und  Kuhlaus  in  Wien  hat  der  Heraus- 
geber eingehend  geschrieben;  cf.  „Beethoven  und  Berlin",  1909,  im 
Aufsatz  „Beethoven  und  der  preußische  Königshof  unter  Friedrich 
Wilhelm  III.«,  S.  327 ff.  A.  d.  H. 

29* 


—     452     — 

©a§.  SMefe  Sompofition  fdjeint  ein  S(nad)roni3mu3  flu  fcrjn. 
©ie  fotlte  jener  grauen  Sßor^ett  angeboren,  in  metctjer  bie  Xon= 
öerrjältniffe  nodj  üermittetft  mattjematifdjer  33ered)nung  beftimmt 
mürben.  Unbebenfüct)  barf  fotcfye  Kombination  als  bie  tiödjfte 
^erirrung  beS  fpecutatioen  SSerftanbeS  betrachtet  toerben,  bereit 
(Sinbrucf  tüotjt  in  aüe  ßeiten  e^ier  babt)(onifd)en  ^ermtrrung 
gleichen  mirb.  hierbei  fann  nid)t  mefjr  bon  S)unfe(  im  ©egen* 
fa$e  jur  Ätartjeit  bie  9tebe  ferjn. 

lieber  bcu  Grfotg  ber  erften  Sßrobuctton  btefeö  oielgebeuteten 
unb  nod)  immer  oietbeutigen  SSerf'eS  marb  ber  5lutor  mit  meljr 
?(ufrid)tig!eit  benadjridjtigt,  atS  bieS  mit  bem  erften  Quartett 
ber  $att  gewefen.  2)ieSma(  mar  cS  ber  Verleger  SDiatijiaS 
?trtaria,  ber  at§  Käufer  beS  SftanufcriptS  bie  Snitiatioe  er- 
griffen.  (5r  erftärte  fid)  bereit,  biefe  guge  ot§  fetbftftänöigeS 
Söerf  ^u  fjonoriren,  menn  23eetIjoüen  fid)  entfdjtieften  motte, 
einen  anbern  ginat*<Safc  in  freiem  ©tot  an  bereu  ©tetfe  ju 
fetjen.  2)er  99?eifter  gab  ber  entfdjieben  fid)  antünbigenben 
gorberung  nad)  unb  fcüjrieb  ben  im  gebrudten  ÜEBerfe  üorttegenben 
©atj.  @S  ift  bie§  feine  allerletzte  Gompofition,'252)  auS 
bem  SOconat  Sftoüember  1826.  ©eine  emfigen  ©tt)t*©onberer 
mürben  fidjerlid)  gu  ©djanben  merben,  märe  bie  (Sntftetjnngö* 
geit  biefer  legten  Gompofition  fammt  ber  oeranlaffenben  llrfadje 
unbefannt,  benn  gteidjt  itictjt  biefer  ginat=©at$  in  öe^ug  auf 
©Ü)(iftifd)eS  unb  Sttarljeit  uieten  anbern  ber  in  früherer  Sßeriobe 
gef Geriebenen  Quartett=©äf3e?  2)affelbc  gilt  üom  4.  unb  6.  ©a£e 
beS  Quartette  in  Cis  moll,  nid)t  minber  üom  2.,  4.  unb  5.  ©atje 
beS  in  A  moll.  —  SSer  motlte  leugnen,  baji  nid)t  tiefet  £>unfel 
neben  tageSljetter  fötarfjeit  in  biefen  testen  SBerten  $u  treffen? 
©Ü)toertoanbteS  finben  fid)  nur  in  ben  4  ©ä|en  beS  Quartetts 
in  F,  Op.  135. 

9lm  22.  ?(prit  1827,  nad)bem  ber  5lutor  rttcrjt  meljr  unter 
un§   gemanbelt,   mürbe    baS  Quartett   in  B    mit   bem    neuen 

252)  Über  Beethovens  letzte  Komposition  vgl.  man  auch  B.  S.  Br. 
Xo.  1031  an  Diabelli  (Band  V,  S.  60—61).  A.  u.  IL 


—     453     — 

ginat*©a£  burdj  ©djuppanäigf)  §ur  feiten  Sluffüljrung  gebraut. 
Wlit  Vergnügen  gemann  baS  9fubitorium  bie  Ueber^eugung,  baft 
ba3  ©an^e  nun  bem  Sßerftänbnifj  näfyer  gerüdt  erfdjeint  ünb 
bci$  2)unfet  ftdj  nur  mefjr  auf  ben  1.  unb  3.  ©a£  befdbränft. 
2öot)t  fonberöar,  baf$  e§  ftdj  um  bie  Sßertrauttjeit  mit  biefem 
gewaltigen  SBerfe  big  §ur  ©tunbe  in  felber  SSeife  nod)  oertjätt, 
roie  1827,  toeit  fämmttid)e  Duartett=$ereine,  fogar  ber  ^Sarifer 
ber  sperren  Sftorin  unb  (SfyeüiUarb  nid)t  aufgenommen, 
gerabe  oor  biefem  SDJonftrum  immer  am  meiften  ©djeu  ge= 
füt)tt  fjabcn. 

3U3  ergänsenb  mag  nod)  bemerft  fetjn,  bafj  ber  4.  ©a^: 
Alla  danza  tedesca,  nun  in  6  diu*  fteljenb,  urfprüngtid)  in 
A  dar  gefdjrieben  ift,  unb  im  Original  üorliegt.  2)em  %\\- 
fdjeine  nad)  fottte  er  afö  integrirenber  Xljeü  einem  anberu 
Quartett  angehören,  nid)t  unmatjrfdjeinüclj  bem  in  A  moll,  bem 
Vorgänger  be§  in  3^ebe  fteljenben. 

£>ie  ©enefiä  be§  öierten  Quartette  in  Cis  moll,  gteid)= 
fall§  mit  fectjö  ©ätjen,  fällt  in  bie  erfte  §ätfte,  ^umeift  in  bie 
©ommergeit,  be§  3at)re§  1826.  Sine  5fuffüt)rung  baoon  burd) 
©djuppangigt)  fyat  niemals  ftattgeljabt,  med  bie  menig  erfreulichen 
©rfolge  mit  ben  brei  früheren  ieine3meg§  ermunternb  gemefen. 
©agegen  Jjat  e§  ©djuppanäigt)  mit  bem  fünften  in  F  dur 
üerfucfjt,  meld)e3,  bereits  gebrudt,  im  %ttäx%  1828  nicrjt  oljne 
SeifaE  getjört  morben,  med  ba§  SSerf  meber  in  ftt)tiftifd)er, 
nod)  in  rjarmonifd)=ted)mfdjer  §infic^t  Slbfonbertidjeö  aufroeifet. 

2Senn  83eetf)oöen'3  ©egner  in  feinen  legten  ©djöpfungen, 
oornetjmlid)  in  biefen  fünf  Quartetten,  nur  Srrttjum  unb  3S3iber= 
fprud)  erfennen  motten,  fo  mufe  üjnen  ermibert  merben,  baf$ 
fetbft  ber  Srtttjum  eljrroürbig  erfdjeint,  roenn  er  auf  grofje  unb 
tbk  Intentionen  gebaut  unb  bon  reinen  SDfttteln  getragen  ift. 
©3  mirb  ficf>  aber  unferm  äfteifter  nid)t  nadjmeifen  laffen,  baf$ 
feine  Intentionen  unb  Mittel  anberer  2lrt  finb.  Unb  bie3 
oermag  oerfötjnenb  unb  gugteid)  ermutfjigenb  §u  mirfen,  nun 
in  bereit  ©tubium  ntcfjt  gu  ermüben. 


—     454     — 

S)te  mehrmaligen  SSerfucfye,  meldjje  ber  SReifter  mit  bem 
9J?otiü  gum  4.  <5a£  be§  Quartetts  in  Cis  moll  angeftettt,  roie 
ftcf)  biefelben  in  ben  ©ftggen  oorfinben  unb  unter  ben  ©rgängungen 
mitgeteilt  finb,  geigen  augenfdjeintid),  mie  ffrupuloS  berfetbe 
mit  ©eftattung  ber  erfunbeuen  ÜUcotiüe  Oerfafjren,  6i§  fie  gur 
Aufarbeitung,  refp.  ®urd)füt)rung,  guredjtgelegeu.  Ueberall 
geigte  fid)  hierin  eine  fo  ftrenge  äftufterung  fjinfidjttid)  ber 
23raud)barfeit,  mie  bei  ber  Sßaljt  eines?  ^ugen^otiöS.  Qbige§ 
Sftotiö  au§  bem  Cis  mollsQuartett  mufjte  bie  SDcufterung  fogar 
nod)  in  oerfdjiebenen  Xactarten  paffiren.  ßuerft  finbet  e§  fid) 
fjingemorfen  in  6lst  fogteidj  tueiter  ausgeführt  in  4/4,  aisbann 
mieber  gtueimat  in  6/8  (ba§>  gtoeite  3J?a(  mit  „Meilleur"  be= 
geidmet);  mieberum  erfd)eint  e§  in  2/4,  gum  fed)3ten  Mai  in  i/il 
enblid)  gum  legten  Wal  in  i/i  Xact  mit  Sßarianten.  3m 
S)rude  aber  tritt  e§  bod)  nod)  öeränbert  auf. 

35ie  (Srftärung  ber  Auffdjrift  „25er  fdjroer  gefaxte  @nt= 
fdjluf}"  bei  bem  öierten  <5a§e  be3  legten  Quartette  in  F  mirb 
fid)  in  bem  biefer  ^ßeriobe  antyängenben  S5ergeid^niffe  üorftnben. 
5ll§  notljmenbige  Anmeldung  folge  nod)  ein  £)intt>eifen  auf 
bie  Unrichtigkeit  in  Angabe  ber  Qpu§gat)len  bei  biefen  Quartetten. 
£)ie  Reihenfolge  iljrer  (Sntfteljung  erforbert  bodj  mofyt  bie  ifjr 
entfpredjenbe  QpuSgaf)!.  SSieberum  aber  geigt  e§  fid),  ba% 
bie  brei  Verleger,  bie  fid)  in  biefe  SSerfe  geseilt,  oljne  (£in= 
tierftänbnif}  Riebet  tierfafjren  finb.  ®iefe  3a^en  fofften  geftetlt 
fetyn,  mie  folgt: 

Quartett  in  Es  dur,  Op.  127. 

Quartett  in  A  moll,  Op.  130  anftatt  132. 

Quartett  in  B  dur,    Op.  131       „       130. 

Quartett  in  Cis  moll,  Op.  132       „       131. 

Quartett  in  F  dur,    Op.  133       „       135. 

£He  Dom  (Somponiften  afö  fetbftftänbige3  2Serf  i)ingefteHte 

guge  in  B  dur  follte  orbnungS^alber  n  a  d)  ben  fünf  Quartetten 

eine  ©teile  einnehmen,  unb  at3  Op.  134  aufgeführt  erfdjeinen. 

®em  Arrangement  für  ba$  ^Sianoforte  gebütjrt  !eine  befonbere 


—     455     — 

Dpu§=3a^>  toie  feinem  arrangirten  SBerfe.  2)a§  in  Dtebe 
ftefjenbe  rüt)rt  nid)t  einmal  öom  (Somponiften  tjer,  roie  ber 
Katalog  befagt,  fonbern  üon  2tnton  §alm;  bod)  Ijat  e§  ber 
sD?eifter  einer  9iemfion  unterzogen.  $n  ad  ber  $ät,  in  roeldjer 
biefe  fünf  Quartette  entftanben,  l)at  fid)  93eerf)ot>en  mit  ntd£)t^ 
anberm  befdjäftigt;  bennod)  fdjieben  bie  Kataloge  groei  Äteinig- 
feiten  au§  gan§  früher  3e^  mit  Dpu3=3°^en  e^n:  „2)er 
^ufj",  Triette,  al§  Op.  128,  unb  Rondo  a  Capriccio,  für 
^ianoforte  als  Op.  129. 

Ghtblid)  märe  nod)  (Sinfpradje  ju  ergeben  gegen  ben  53eifa§ 
„21u§  bem  Sftadjtaffe,"  ber  fiel)  auf  ben  SEitelblättern  ber 
Quartette  in  A  moll  unb  F  dur  uorfinbet.  9#an  l)at  gehört, 
bajj  3#-  ©d)lefinger  erftereS  fd)on  im  Sluguft  1825  au§  be§ 
SHeifterä  £*mnben  empfangen;  a6er  auef)  ba§  anbere  ift  iljm 
fdjon  in  ber  ^erbft^eit  üon  1826  gugefdjidt  roorben.  Sludj 
biefer  an  fiel)  roenig  bebeutenbe  galt  beroeift,  roa§  bie  Ferren 
Verleger  fidj  aüe§  mit  ben  SSerten  SeetljoOen'ö  erlaubt  Ijaben. 
—  Ueberfjaupt,  roenn  e<§  ja  einerfeitS  Srjatfacfje  ift,  bafj  bie 
Stteratur  unfer§  9fteifter§  in  allen  iljren  9l6tl)eilungen,  bei  allen 
gebilbeten  Böllern,  fid)  einer  Verbreitung  erfreut,  roie  feine 
irgenb  eine§  Glafftlerfä,  fo  ift  e§  anbrerfeitS  nicf)t  minber  %))aU 
fad)e,  hak  leine  anbere  bie  3e^1e|nngen  unb  llmgeftaltungen, 
roelctje  fid)  eben  biefe  Siteratur  gefallen  laffen  mufcte,  —  freilief) 
im  alleinigen  Sntereffe  be3  ^ßublicumS,  roie  3erfe£er  unb 
Verleger  behaupten  —  §u  leiben  getjabt  t)at.  ©a§  „trjematifelje 
Verseidjni^'  bei  Sreitfopf  u.  §aertel  liefert  bie  augenfcfjeinlidjen 
Seroeife. 


Sycadjbem  nun  in  betreff  beS  ®efdjicl)tlid)en  ber  legten 
©cfjöpfungen  £)offentüd)  nichts  llngenügenbeä  mitgeteilt  ift,  roirb 
eS  Stufgabe,  fid)  au3fct)lief}lid)  mit  beS  3)?eifter3  ferneren  Seben§= 
oert)ältniffen  unb  ben  auf  biefelben,  aber  auet)  auf  feine  ©e* 
mütpftimmungen    einroirfenben   Familien guftänben   ju   be= 


—     45G     — 

fdjäftigen.  Severe  üornefjmtid)  finb  eS,  bei  benen  mir  $unäd)ft 
öertueiten  muffen.  (Sine  öon  bem  9fteifter  au3  ber  Odussee 
ausgesogene  ©teile  roirb  als  (Einleitung  bienen  unb  bie  Stuf* 
merffamfeit  be§  SeferS  auf  biefen  gurtet  fjintenfen.  ®iefe 
©teile  tautet: 

„3Semge  .fttnber  nur  finb  gteicf>  ben  Tätern  an  2atgenb, 

(3ct)terf)ter  als  fie  bte  metfien,  unb  nur  fef>r  roenige  beffer."    (S.  37.)?63) 

föur^  guvior  Ijaben  mir  oernommen,  baf$  S9eett)ot>en'ö  9ceffe 
im  £>erbfte  1824  bie  Uniberfität  belogen  unb  bei  feinem  Slbobtib- 
SSater  SSotjnung  genommen  tjatte.  £>ie  miffenfdjjaftlidje  9tid)tung 
mar  auf  baZ  ©tubium  ber  $t)i(o(ogie  abgefetjen.  23efanntlid) 
mürbe  aber  in  biefem  gadje  an  ben  öftreid)ifd)en  Uniberfttäten 
Damaliger  ßeit,  unb  aud)  biet  fpäter  nodj,  ntdjtä  geteiftet,  inbem 
ber  ©taat  nur  gute  Beamte  brauchte.  s-föäre  ber  junge,  grabe 
für  biefeS  $ad)  6ega6te  unb  fdjon  tüdjtig  borbereitete  23eetb,oben 
gut  redjten  duelle  an  eine  auStänbifdje  Setjranftalt  gebrad)t 
morben,  fetjr  roafyrfdjeinlid)  fjütten  eminente  9caturantagen  unb 
bereite  (SrreidjteS  beftenS  mitgeroirft,  um  auS  irjm  einen  b,erbor= 
ragenben  SßiffenfdjaftSmann  gu  madjen,  mürbig  feinet  berühmten 
9lamen§.  Sei  bem  öftreid)ifd)en  ©tubien^Sbftem,  beffen  fdjtaffer 
9J?ed)ani3mu§  f'eineSmegs  Goncentrirung  ber  ©eifteSfräfte,  motjt 
aber  beren  ßerttjeitung,  richtiger  gerfplitterung,  besmedte,  fonnte 
fetbft  ber  ©trebfamfte  51t  nidjtS,  at§  ju  mefjr  ober  meniger 
Q3eamtenberftanbe  gefangen,  bie  Functionen  auf  bem  5tatt)eber 
faum  ausgenommen.  ®ie  borgefdjriebenen  ©emeftrat=^3rüfungen 
mürben  gmar  51t  Dftern  1825  bon  unferm  ©tubenten  abgelegt, 
allein  fcfjon  mit  ämeifelrjaftem  (Erfolge,  ja,  ber  bebeutungSbolle 
bauten  „23eett)Oben",  b.  tj.  bie  9iürffid)t  auf  feinen  Drjeim, 
mufjte  fdjon  (Einfluß  üben,  um  ba$  Sluffdjreiten  in  btö  jmeite 
©emefter  51t  ermögtidjen.  SSäfyrenb  beö  SfteifterS  ©ommer^ 
aufentrjattS  gu  33aben  marb  ber  ©tubent  einem  berfäJ3tid)eu 
SCRaune   in  Soft  unb   SSofjnung  gegeben;   berfelbe  mar  jebodj 


253)  Homers  Odyssee,  II.  Gesang-,  V.  276 f.  A.  d.  H. 


—     457     — 

aufcer  ©tanb,  auf  be§  SüngtingS  ^ätigfeit  unb  redjtfdjaffene 
güfjrung  burdj  Ermahnungen  einjumirfen.  Sftifebraud)  Der 
§rett)eit  in  gröblicher  SBetfe,  £ang  gutn  ©piet,  tjäufiger  9Ser!el)r 
mit  feiner  ungtüdtid)en  SDMter,  beren  moratifdje  $ßerfunfenf)eit 
ben  f)öd)ften  ©rab  erreicht  Ijatte,  waren  Urfacfje,  ba^  am  ©djtufc 
be§  gmeiten  ©emefter3  gar  feine  Prüfungen  gemacht  roorbeu. 
©omit  mar  bie  beabftcfjtigte  roiffenfd)aft(id)e  Saufbarjn  mit  einem* 
mal  gerftört.  S)a§  ^ergeteib  unferS  9J?eifter§  in  fold)'  peintidjer 
Sage  treffenb  gu  fdjitbern,  öermag  am  beften  ber  öon  it)m  au£ 
ber  Odussee  aufgewogene  Klageruf,  metdjer  tautet: 

„®ennt  ibr  einen,  ber  end»  ber  Unglütffeltgfte  aller 

©terblidjen  [cfjeint;  idj  bin  ifim  gleich  ju  achten  an  ©lenb!    (S.  135)254) 

3)at5  e§  $eetf)oüen  gteid)  bei  beginn  ber  2tu3fd)reitungen 
feine§  Neffen  an  eben  fo  ernften  at§  Oätertidjen  9ftai)nmorten 
nict)t  fehlen  gelaffen,  bafür  liegen  f)anbfd)rifttid)e  Semeife  bor, 
bie  gugteid)  aU  ©ocumente  feiner  ebten,  t)od)t}er§igen  ^enlungS* 
art  gelten  tonnen.  3U3  foldjeS  bieten  fte  fjiftorifdjeS  Sntereffe. 
©ie  befielen  auö  neun  unb  groangig  Briefen,  meiere  ber 
SQtofter  im  Saufe  be§  ©ommerS  1825  au§  23aben  an  biefen 
Steffen  gefdjrieben,  bie  aber  in  $otge  einer  m^  Dem  Jull3en 
tarnte  im  31uguft  1826  üorgefallenen  $ataftropf)e,  Don  roeldjcr 
mir  9^ärjere§  oernebmen  merben,  mieber  in  feinen  23efii3  gurüd= 
gekommen  finb.  33eetf)oüen  glaubte  in  it)rem  Sutjalt  bie  befte 
3ied)tfertigung  feiner  .^anblungsmeife  gegen  feinen  5(boptiri=©ot)n 
gu  finben,  gu  meldjem  Snbgroed  er  fie  furg  öor  feinem  ©d)etben 
au§  bem  Seben  bem  Stephan  bon  S3reuning  unb  bem  Sßerfaffer 
gur  $Darnacl)ad)tung  empfohlen  fjat.255)  Sd)  entfpredje  fonad)  bem 


254)  Odyssee,  VII.  Gesang,  V.  210  ff.  A.  d.  H. 

255)  Diese  wundervollen  Briefe,  es  sind  30,  sind  alle  genau  nach 
den  Originalmanuskripten  auf  der  Königl.  Bibliothek  zu  Berlin  vom 
Herausgeber  in  B.  S.  Br.,  Band  V,  von  No.  1067  ab  publiziert  und  er- 
klärt worden.  A.  d.  H. 


—     458     — 

Verlangen  unfer<§  greunbes,  totxm  ^  biefetben,  menngleidj  nur 
au§§ügUd),  ber  Beurteilung  tiiermit  unterbreite.  (©iefe  ©riefe 
ttterben  in  ber  Äöniglicrjen  Söibliotrjei;  §u  Serltn  aufbetualjrt.) 


,,3d)  freue  mid),  mein  lieber  ©ofjn,  oafj  ©u  ©ir  in  biefer 
(Sphäre  gefäUft,  unb  ha  biefeS  ift,  aud)  alle§  üftöttjige  ba£u 
eifrigft  angreifft.  ©eine  ©djrift  tjabe  id)  nidjt  erfannt.  $\vax 
frage  id)  nur  nad)  bem  ©inne  unb  ber  Söebeutung,  ha  ©u 
nun  bod)  aud)  ha$  fd)öne  Sleufeere  tjierin  erreichen  mußt.  — 
SBenn  e§  ©ir  gar  §u  fd)roer  mirb  t)iet)er  51t  fommen,  fo  unter= 
laffc  e3.  ®annft  S5u  aber  nur  möglicher  SBeife,  nun  bann 
freue  id)  mid)  in  meinem  (Srd   ein  ättenfdjenljerä   um  mid)   5U 

^a6en'  Sd)  umarme  ©id)  t-e^üd). 

©ein  treuer  Sßater." 

2. 

21m  18.  9DM. 

....  „(Sinem  nun  balb  19järjrigen  Jüngling  fann  e§  nidjt 
anberö  at§  root)l  anfielen,  mit  feinen  ^3ftid)ten  für  feine  Söübung 
unb  ^ortfommen  aud)  jene  gegen  feinen  SSotjltrjäter,  ©rnäfjrer 
5U  üerbinben.  £)abe  id)  bod)  biefeS  aud)  bei  meinen  armen 
©Itern  üollfüfjrt.  Sd)  war  frolj,  roie  id)  itjnen  tjelfen  fonnte. 
SBelcfjer  Unterfdjieb  in  Hnfebjung  ©einer  gegen  mid)! 

2eid)tfinniger! 

Seb'  mo£>l." 

3. 
«m  22.  SKai. 

„23i3t)er  nur  SKutfymajjungen,  obfd)on  mir  öon  Semanb 
Derfidjert  luirb,  baft  toieber  geheimer  Umgang  groifdjett  ©ir  unb 
©einer  Butter  —  ©oll  id)  nod)  einmal  ben  abfd)eulid)ften 
Unbanf  erleben?!  ©oü  ha3  S3anb  gebrochen  merben,  fo  fetj  eS, 
©11  mirft  üon  allen  unpartrjeiifdjen  sJ0?enfd)en,  bie  biefen  Unbanf 


—     459     — 

fyören,  getja^t  werben,  ©ie  Steuerung  be3  §erm  23ruber§, 
unb  ©eine  geftrige  Steuerung  in  2lnfef)ung  be3  Dr.  ©  ....  r, 
ber  mir  natürlid)  gram  fetjn  muß,  ba  ba§  ©egentljeit  bei  ben 
Sanbredjten  gefd^er)en  üon  bem,  ma§  er  Verfangt*);  in  biefe 
Gemeinheiten  follte  idj  mid)  nod)  einmal  mifdjen?  9?ein,  nie 
meljr.  —  ©rüdt  ©icl)  ba§  factum?  Sn  ®otte<§  tarnen!  3d) 
überfaffe  ©icl)  ber  göttlichen  2Sorfel)ung,  ba§  Steinige  fjabe  icl) 
getfjan,  unb  fann  belegen  Oor  bem  §tHerf)öct)ftert  aller  ^idjter 
erfdjeinen." 

4. 

....  „Unb  hiermit  53afta!  —  SSermöljnt,  mie  ©u  bift, 
mürbe  t§>  nic^t  fdjaben,  ber  Gnnfadjljeit  unb  2Bat)rt)eit  ©id) 
enbtid)  ju  befleißigen,  benn  mein  Jperj  fjat  5U  öiel  bei  ©einem 
liftigen  33etragen  gegen  midj  gelitten,  unb  ferner  ift  e§  mir,  §u 
Oergeffen.  Unb  moÜte  icf)  in  SlKern  mie  ein  Socfjocfjfe  ofjne  51t 
murren  §iet)enf  fo  fann  ©ein  betragen,  menn  e§  fo  gegen 
3lnbere  gerietet  ift,  ©ir  niemals  SDfenfdjen  gubrtngen,  bie  ©id) 
lieben  merben.  ©ort  ift  mein  $euge,  *$  träume  nur,  bon  ©ir 
unb  biefem  elenben  Vorüber  unb  biefer  meiner  unroürbigen 
gamilie  gän^licf)  entfernt  gu  ferjn.  ©Ott  ertjöre  meine  2öünfct)e, 
benn  trauen  fann  icl)  ©ir  nie  met)r. 

öaben  am  31.  »i  1825. 

Seiber  ©ein  2Sater,  ober  beffer: 
nidjt  ©ein  Sßater." 


51m  18.  Suni.    (2öegen  9?ecr)nung3ablegen  ü6er  erhaltene  (Selber.) 

....  „Saß  mid)  nid)t  nod)  meiter  3urüdget)en.    £eid)t  ift 
biefe§,  aber  nur  frfjmergljaft  für  mid).    5lm  ©nbe  t)eifct  e§  benn 


*)  2>iefe  ©teile  begießt  fidj  auf  ben  ^Brojefe  mit  feiner  ©cntoägerin 
6etm  Dbergeridjte. 


—     460     — 

aud)  ba:  ,,©ie  finb  bod)  ein  redjt  guter  SSormunb"  it.  f.  m. 
SSäre  nur  einige  Stiefe  in  ©ir,  fo  müftteft  ©u  überhaupt  immer 
anberS  getjanbett  rjaben." 

6. 
5Tm  18.  Suti 

„Sieber  ©ofjn! 

53(eibe  nur  bei  Sftäfjigfeit!  ©a§  ©tue!  frönt  meine  93e= 
mübjitngen;  (äffe  ja  nid)t  ©ein  Ungtüd  au§>  fatfct)en  5£nftct)ten 
Don  ©ir  grünben.  ©et)  roar)rr)aftig  unb  ja  genau  in  ber  An- 
gabe ©einer  Stu^gaben.  ©a3  Sttjeater  fafc  jefct  nod)  ferjn.  — 
golge  ©einem  gübjrer  unb  Sßater,  folge  irjtn,  beffen  ©tdjten 
unb  Straften  aü^eit  für  ©ein  moralifdjeg  SBorjl  unb  and)  nidjt 
gang  ofyne  für  ba$  gemötjntidje  ©aferjn  ift.  —  ©et)  mein 
lieber  ©ofjn!  SSetdje  unerhörte  ©iffoncmg  märe  e<§,  menn  ©u 
mir   fatfd)   märeft,   tote  e3  boct)  9J?enfd)en  behaupten  motten!" 

7. 

„Sdj  merbe  immer  magerer,  befinbe  mid)  ef)er  übet  af§ 
gut,  unb  feinen  ^trjt,  feine  trjeituerjtnenbe  ÜDfanfdjen!  —  Sßenn 
©u  nur  immer  fannft,  fo  fomme  f)erau§;  jebod)  mitt  id)  ©id) 
üon  nidjtS  abmatten.  SBenn  id)  nur  ficfjer  märe,  bafj  ber  ©onn= 
tag  otjne  mid)  gut  gugebradjt  mürbe.  Sd)  muJ3  mid)  \a  üon 
3tüem  entmörjnen,  —  menn  mir  nur  biefe  2Sot)ttt)at  mirb,  bafr 
meine  fo  großen  Opfer  mürbige  grüßte  bringen. 

2Bo  bin  id)  nid)t  oermunbet,  §erfdjnitten?!  3n  §eimlid)= 
feit  mit  bem  §errn  S3ruber  (äffe  ©id)  nid)t  ein.  Uebertjaupt 
fet)  inctjt  tjeimtid)  gegen  mid),  gegen  ©einen  treueften  3iater. 
äöenn  ©u  mid)  aud)  ftürmifd)  fietjft,  fo  fdjreibe  e»  meiner 
großen  ©orge  für  ©id)  äu,  inbem  ©ir  leidjt  ©efafjren  brofjen. 
©etje  mid)  nid)t  in  Stngft  unb  bebenfe  mein  Seiben!  23on 
9M)t<8megen  müjjte  id)  be§roegen  gar  feine  ©eforgniffe  fjaben, 
allein  ma§  fjabe  id)  fcfjon  erlebt?!" 


—     461     — 

3  mal  8- 

(fomm  halb) 

„©et)  e<§!  —  SBorgeftern  ber  ©ignor  gratetlo*)  mit  feinem 
©drtrager;  ma§  für  ein  elenber  9ftenfd)!  —  SBemt  Gato 
gegen  ßäfar  aufrief:  Diefer  unb  mir,  tuaS  foü  man  gegen  einen 
folgen?!  — 

2öie  immer  Sein  liebeüotfer  für  Did)   forgenber  Leiter." 


$om  September. 

....  ,,3cf)  roünfdje  nidjt,  ba^  Du  ben  14.  (September  in  mir 
fommeft.  (53  ift  beffer,  baß  Du  biefe  ©tubien  enbigft.  —  ©ott 
Ijat  mid)  nie  oertaffen.  ©§  mirb  ftd)  fcfyun  nod)  Semanb  finben, 
ber  mir  bie  Slugen  ^ubrüdt.  —  (£3  fdjeint  mir  überhaupt  ein 
abgekartete^  SBefen  in  bem  5tllen,  ma§  Vorgegangen,  mo  ber 
£>err  S5ruber  (Sßfeubo)  eine  9iofle  mitfpiett.  —  £d)  tneifj,  ba^ 
Du  fpäter  aud)  nidjt  Suft  ijaft  bei  mir  ju  fet)n,  natürlid),  e<§ 
geljt  etmaS  jn  rein  51t  bei  mir  ....  Du  braudjft  aud) 
©onntag  nid)t  gu  tarnen,  benn  matjre  Harmonie  unb  ©inflang 
mirb  bei  Deinem  93enet)men  nie  entftetjen  tonnen.  SBo^u  bie 
£)eud)elei?  Du  mirft  bann  erft  ein  befferer  Sftenfd);  Du 
braudjft  Did)  and)  nidjt  p  oerftelten,  nidjt  $u  (ügen,  meldjeS 
für  Deinen  moralifdjen  (Sfyarafter  enblid)  beffer  ift.  ©ief)ft 
Du,  fo  fpiegelft  Du  Did)  in  mir  ab\  SSaS  fjitft  ba§  tiebe= 
öoUfte  3ured)tmeifen!!  ©^boft  mirft  Du  nod)  obenbrein.  — 
llebrigenS  fet)  nidjt  bange,  für  Did)  merbe  id)  immer  mie 
jel3t  unauSgefetjt  forgen.  <2o(dje  ©cenen  bringft  Du  in  mir 
fyeroor!  .... 

Seb'  mot)(!  Derjenige,  ber  Dir  ^mar  nidjt  ba$  Seben  ge= 
geben,  aber  gemifj  bod)  ermatten,  unb  roa§  metjr  a(§  atteS  Rubere, 
für  bie  Silbung  Deines  ©eifteS  geforgt  tjat,  oäterüd),  ja  metjr 


*)  23eetfjoüen  meint  feinen  Vorüber  bamit. 


—     462     — 

abä  ba$,  bittet  ©id)  innigft,  ja  auf  bem  einigen  Wahren  SSege 
alles  ©uten  unb  ^edjten  ju  wanbeln. 

©ein  treuer,  guter  SSater." 

10. 
„9J?ein  teurer  ©of)n! 
üftur  nidjt  weiter!  —  $omm  nur  in  meine  5frme,  fein 
partes  SBort  wirft  ©u  rjören!  O  ©Ott,  gebje  nid)t  in  ©ein 
@(enb!  Siebenb  wie  immer  wirft  ©u  empfangen  werben.  3Ba§ 
5U  überlegen,  Wa§  §u  tfjun  für  bie  3utunf*/  t)ie§  werben  wir 
liebeüott  befpred)en.  9Mn  (£I)renwort,  feine  Vorwürfe,  ba  fie 
jetjt  ofjnerjin  itict)t  metjr  frucfjten  Würben;  nur  bie  üebeüottfte 
©orge  unb  £)ülfe  barfft  bu  erwarten.  Äomm  nur!  $omm  an 
ba§>  treue  ^erj  Seinem  SßaterS  SBeetboöen." 

31m  5.  Dctober. 

„oben  erhalte  id)  Seinen  SBrief,  fdwn  öoll  Slngft  unb 
fdjon  fjeute  entfd)(offen  nad)  SSien  gu  eilen.  ©Ott  fet)  ©anf, 
e§  tft  nidjt  nöttjtg!  —  gol'ge  mir  nur,  unb  Siebe  wie  ©lud' 
ber  (Seele  mit  irbifdjem  ©lud  gepaart,  wirb  un$  ^ux  Seite 
ferjn,  unb  ©u  Wirft  ein  intenfioeS  ©afetjn  mit  bem  2Ieuf$eren 
paaren;  bod)  beffer,  ba^  erftereS  über  festeres  oben  an= 
ftetje  ....  Saufenbmal  umarme  id)  ©id)  unb  füffe  ©idj, 
nidjt  mein  Oerlorener,  fonbern  neugeborener  ©otyn.  gür 
©id)  SSiebergefunbenen  Wirb  ©ein  liebeboHer  $ater  immer 
forgen." 

31m  14.  Dctober.266)  12' 

,,3d)  metbe  ©ir  eüigft,  bafy  id),  aud)  Wenn  e3  regnet,  ge- 
ttrifj  morgen  9?admiittag  fomme,  laß  mid)  ©id)  bafjer  fict)er  finben. 
—  Sdj  freue  mid)  ©id)  wieberjufe^en,  unb  wenn  trübe  SMfen 

256)  Dieser  letzte  Brief  an  den  Neffen,  soweit  sie  Schindler  mit- 
teilt, vom  14.  Oktober  1825,  ist  in  B.  S.  Br.  No.  1119  (V.  Band),  S.  198f. 

A.  d.  H. 


—     463     — 

für  ®tdj)  erfcfjeinen,  fo  fd)rei6e  fie  nid)t  üorfätjlidjer  S8o§tjett 
gu.  ©ie  roerben  üöllig  t>erfd)eud)t  merben,  burd)  $)ein  mir 
üerfprod)ene§  beffere§  9Sirfen  für  ©ein  tuafyreS,  reines,  auf 
^ptigfeit  begrünbete§  ©lud  ....  28er  mirb  ftd)  oud)  nid)t 
freuen,  roenn  ber  Srrenbe  roieber  in  bie  redeten  gufeftapfen 
tritt?    Qa,  bie§  fjoffe  id)  ju  erleben." 

9Sie  mir  eben  gehört,  fo  §at  ber  ausgeartete  Jyüngting  bie 
Prüfungen  au§  bem  gtoetten  ©emefter  an  ber  tlnitierfität  nict)t 
gemacht,  barum  ein  Huffteigen  in  ben  jroeiten  Safyrgang  ber 
üf)itofoptjifd)en  $acultät  unmögtidj  geworben.  2Ba§  foßte  nun  mit 
itjm  gefct)et)en?  ßonfuttatiouen  mit  Fachmännern  unb  $reunben 
abgehalten  füllten  einen  entfpredjenben  2(u§meg  ermittetn.  Sfyr 
Stefultat  befcfyränfte  fid)  jebod)  6lo§  barauf:  bie  Ermittelung  bem 
jungen  Spanne  fel6er  §u  überlaffen.  tiefer  mahlte  ben  $auf= 
mannSftanb,  mo^u  er  nidjjt  bie  geringfte  Neigung  im  (Sinne 
getragen,  Söefud)  beö  *}3ott)tectmifd)en  SnftitutS  foltte  ilm  baju 
oorbereiten.  — 

SDtefe  SSenbung  ber  ©inge  Herantaste  unfern  SDZeifter  feinen 
Slufenttjalt  in  33aben  abjufür^en  unb  nadj  SSien  ju  eilen.  @u 
be^og  am  ©Iaci§  ber  ^orftabt  SSätjring  im  fogenannten  ©djroar-^ 
fpanier=§aufe  im  feiten  ©todroerf  eine  geräumige  SSofjnung 
—  bie  letzte  irbifdje.  2öeil  biefe!6e  aber  öon  bem  ^ott)ted)ttifd)en 
Snftitute  meit  ablag,  fo  roarb  fein  9?effe  in  ber  SSofynung  jeneö 
SSertrauen§manne§  getaffen,  bie  ganj  natje  gelegen.  Salb  fd)ienen 
biefe  fummeroollen  Vorgänge  oergeffen,  fo  ba^  fid)  ber  9Mfter 
roieber  feinen  ©tubien  unb  ©peculationen  ungeftört  übertaffen 
tonnte.  3EH  roefenttidje  33eruf)igung  trug  bei,  bafc  auf  fein 
?lnfud)en  ber  $ice=3)irector  biefeö  SnfritutS,  $eif$er,  bie  9Mit= 
SSormunbfdjaft  übernommen  tjatte,  unter  beffen  5tufftd)t  ber 
sD?eifter  feinen  „roiebergefunbenen"  ©of)n  roof)t  geborgen  roätjnte. 
©3  mar  leiber  nur  SBatjn!  Ungeachtet  aller  Siebe  unb  ©org= 
falt  üon  (Seiten  be§  Dt)eim§  unb  2Bad)famleit  be§  9ftit=93ormunbe$ 
betrat  ber  Säugling   nur  §u  balb   roieber   bie  faum  berlaffene 


—     464     — 

fd)tüpferige  33af)n  unb  tarn  batjin,  ba%  nad)bem  er  bie  Prüfungen 
aus  bem  ^netten  Semefter  alle  fd)ulbig  geblieben,  er  ^u  bem 
2{uc-funftsmittel  be3  SelbftmorbeS  griff.  £a  jebod)  Das  Attentat 
mißlang,  fo  üerfiel  er  nadj  ben  2anbe3gefe£en  ben  §änben  ber 
^ßoti^ei,  inbem  angenommen  mirb,  bafe  folcfje  £t)at  nur  aus 
äRanget  religiöfer  begriffe  öerübt  merben  fönne,  menn  nidjt 
©eifteö*  ober  ©emüttjöftörung  baju  gefüfjrt.  S)er  9icffc  bes 
3)?anne§,  ben  mir  einftens  für  reügiöfe  s-Bolföeräiet)ung  fo  leb* 
Ijaft  unb  felbfttljätig  fid)  intereffircn  gefeiert,  mürbe  bemnad)  in 
fidieren  ©eroatjrfam  gebrad)t,  bamit  t>a§>  (Srforberlidje  für  ben 
Abgang  religiöfer  33ilbung  gefd)et)en  fönne.  —  Solches  Unglüd 
mußte  ber  große  ftünftter  an  feinem,  feit  langen  Sauren  mit 
fo  biet  Stufmanb  unb  Soften  geförberten  unb  matjrlid)  $u 
fdjönen  Hoffnungen  beredjtigenben  Neffen  erleben!  SSieberum 
femtjjeidjnet  eine  öon  itmi  ausgesogene  ©teile  aus  ber  (Mussee 
tiefe  Situation: 

„2>enn  im  Unglücf  altem  bte  atmen  (Sterblichen  früt)e." 257) 

SBeroeife  tiefen  Sdjmerses  ob  ber  feinen  -Kamen  miber- 
fatjrenen  öffentlichen  föränfung  maren  beullicf)  in  feiner  ge= 
beugten  Haltung  ju  erbtiefen.  Stafjin  mar  bas  immer  nodj 
$efte,  Stramme  in  allen  feinen  Störperbemegungen,  ein  ©reis 
oon  natje^u  fieberig  Sauren  ftanb  öor  uns,  raillenlos,  fügfam, 
jebem  Suftjuge  getjoretjenb. 

3)as  §er5eleib  mürbe  nod)  öermetjrt,  inbem  öon  tnattdje» 
«Seiten  bem  SBormunbe  bie  Sdjulb  beigemeffen  morben,  ben 
9J?ünbel  bis  gu  biefer  Äataftroölje  gebrängt  ju  Ijaben.  Seben- 
fatt§  tjei^t  bieg  üiet  ju  roeit  gegangen;  öon  einem  gemiffen 
StntljeÜ  an  biefer  Scfjulb  bürfte  jebod)  ber  Stfeifter  nidjt  frei- 
gefprodjen  merben  tonnen.  Sßormeg  mirb  man  einem  Spanne 
bie  erforberlidjen  ©igenfdjaften  gum  @r,$iet)ungsgefc£)äfte  nidjt 
äuerfennen  tonnen,  (feö  er  auefj  frei  öon  ptjrjfifcfjen  ©ebredjen) 
ber   eben   fo   öon   einem  Uebermafj  öon   Siebe,  mie  öon   §afj 


257)  Odyssee,  XIX.  Gesang,  Vers  360.  A.  d.  H. 


—     465     — 

unb  üöftfctrcmen  be^errfc^t  ttrirb.  Ueberbliden  toir  inbefe  bie 
beftanbenen  ^errjättniffe,  bie  unfern  Xonmeifter  ^u  biefem 
©efdjä'fte  Qefü^rt,  ermägen  mir  ferner  bie  obgeroatteten  <ptnber* 
niffe  babei  mit  SBerüdfidjttgung  itjrer  Quellen,  fo  werben  fid) 
un§  ©rünbe  über  ©rünbc  ju  unüerfjotenem  ipaffe  gegen  bie 
Butter  be§  Steffen  bor  klugen  ftetten,  toetdje  Dem  9Mfter  fortan 
(Stoff  ju  2tu3iaffungen  ü6er  fte  geben  tonnten  unb  roirfticfj 
gegeben  fjaben,  —  leiber  nur  gu  oft  im  SSeiferm  it)reö  ©ofjneS. 
—  SSerfetjlt  roar  e§  ferner  üon  Söeettjoüen,  bafe  er  rjäuftg  fdjon 
bem  Inaben  üotfen  ©tauben  gefdjenft,  obgteid)  er  benfetben 
red)t  oft  auf  groben  Unttmrjrrjeiten,  bei  fünften  ber  Sßerftellung 
unb  £>eucfjclei,  aber  aud)  nod)  bei  fd)timmeren  ßrjaracter=(£igen= 
fdjaften  at§:  grunblofeS  Auflagen,  fogar  feiner  Server,  ertappt 
tjatte;  (£igenfd)aften,  bie  in  fpäteren  Sauren  ficfj  bis  junt  23er= 
läumben  unb  Stnfctjmär^en  erprobter  greunbe  be3  DrjeimS  au§= 
bilbeten.  Umftänbc  unb  SSertjättniffe  in  unferm  gaUe  roaren 
in  ber  "Jrjat  nad)  jegtidjer  Seite  fo  ejceptionetter  9trt,  bafj 
mandjer  befonnene,  nur  fdnuer  au§  ber  rutjigen  Raffung  gu 
bringenbe  CSr§iet)er  ober  SSormunb  an  SSeettjoüen'S  ©teile  in 
biefelben  geiler  üerfallen  märe,  aufgenommen  beS  beS  lieber* 
mafeeso  üon  Siebe  §u  feinem  ßögttng.  ®enn  ränfeüotte  ^nnber* 
niffe  in  $örberung  einer  guten  «Sadje  üon  offenbarer  23ö§= 
rotUigteit  unb  ©d)ted)tigfeit  in  ben  2Beg  gefteüt  fetjen  5U  muffen, 
roirb  roorjl  taum  üerfet)(en,  bem  roadjfenben  Unmuttje  Suft  5U 
marken,  toobei  bie  ©rängen  ber  ©djonung  nur  fcfjtüer  einju* 
galten  ferjn  roerben.268) 

Sn  ber  trofttofen  Sage,  in  metctje  unfer  SJceifter  geraden, 
erinnerte  er  fid)  eines  feiner  bemärjrteften  Sugenbfreunbe,  be§ 
Cannes  nämlid),  ber  eine  lange  Sfoirje  üon  Sauren   in  feiner 


258)  Über  Beethovens  Erziehungsmethode  sind  die  Akten  jeden- 
falls noch  nicht  als  geschlossen  zu  betrachten.  Eine  eingehende  Ab- 
handlung unter  Berücksichtigung  so  vieler  neuer  Dokumente:  „Beet- 
hoven als  Erzieher"  ist  noch  eine  würdige  Aufgabe  für  einen  ernsten 
Beethoven-Forscher.  A.  d.  H. 

21.  ©djinbletS  58cetl)oüen=33iograpfjic.  30 


—     460     — 

unmittelbaren  Sftätje  $euge  oe§  M  immer  metyrenben  9\urnne§ 
geroefen,  befjen  ©rfarjrung,  $!lugt)eit  unb  roeifer  fKatfj  il)m  au§ 
mandjen  SJserlcgenljeiten  einen  gnten  2(n§meg  gezeigt,  ben  er  ftd) 
aber  neun  3at)re  §urüd  in  $otge  einer  föräufung  entfrembet 
tjatte,  bei*  nunmehr  at§  faiferticfjer,  roirtüdjer  §ofrat()  unb 
birigirenber  £E)ef  eine<8  großen  Departements  am  §of=ftrieg§ratt) 
fid)  an  einer  ©teile  befanb,  an  metdjer  er  bem  ge6eugten  £on= 
meifter  mef entließe  Dienfte  §u  teiften  im  ©tanbe  mar.  ©3  ift 
©teü^an  t>on  Sßreuning,  ein  Wann  öon  meiner  ©emütljS* 
art  unb  feltener  ©rjaracter^eftigfeit,  bem  bie  Hftufe  ber  2)id)t= 
fünft,  uneradjtet  gehäufter  2Imt3gefcfjäfte,  bis  in  füätere  Satjre 
treu  geblieben.  (£&  barf  in  28at)rt)eit  ein  unöer^ei^tidjer  ^etjter 
genannt  merben,  beffen  ftcf)  ber  heißblütige  föünftler  fdjulbig  ge= 
maerjt,  nid)t  öor  Sarjren  fdjon  ben  erften  ©djritt  gut  Verformung 
gettjan  §u  rjaben.*)  Sn  biefem  $afle  —  aber  noefj  ein  anberer 
gleicher  21rt  nnrb  ju  nennen  fetyn  —  tjatten  bie  eigenfjänbig 
ausgesogenen  Sßorte  au§  ber  Odussee  feine  SSirfung  §u  übm 
üermodjt,  (mie  bod)  fonft)  roetdje  lauten: 

„Unb  fiel  ein  fränfenbeS  SSort  bier 
Unter  mt§  nor,  fo  mögen  i%  fd)neü  bie  «Stürme  nerröeben!"    Oßag.  155.)259) 

©er  nadjftefjenbe  SBrief  an  biefen  $reunb,  roenngteid)  oljne 
Datum,  bod)  gan^  fict)er  au§  jenen  Sagen  öon  1826,  ^eigt  unS 
Seetrjoüen'S  erften  ©djritt  gur  Verfötmung  mit  feinem  getreuen 
Steffen.**)260)  @r  fdjreibt:  „§inter  biefem  ©emälbe,  mein  guter, 
lieber  Steffen,  fet)  auf  eroig  üerborgen,  ma3  eine  Zeitlang  jmifdjen 


*)  Skeuning  Ijatte  nämlid)  ber  2lbo|)tion  be§  Steffen  energifet)  iv>iber= 
ratzen,  unb  bamit  bie  öerumnbbarfie  «Seite  S3eet^oüen'§  getroffen. 

**)  S)a§  Original  biefe3  93riefe§  beroafnt  bie  Familie  Don  Söreuning  in 
SSien. 

259)  Odyssee,  VIII.  Gesang,  V.  480  f.  A.  d.  H. 

260)  Dieser  Brief  an  Stephan  v.  Breuning  ist  weit,  weit  älter, 
als  Schindler  Wort  haben  will.  Wie  ich  zu  beweisen  versucht  habe, 
gehört  er  ins  Jahr  1804.  Siehe  B.  S.  Br.  No.  94  (I.  Band)  die  Er- 
klärungen. A.  d.  H. 


—     467     — 

un§  borgegangen.  Sd)  mei§  e£,  id)  fyafc  ©ein  §erg  gerriffen. 
©ie  23emegung  in  mir,  bie  ©u  gemife  bemerfen  mufjteft,  t)atte 
mict)  genug  bafür  gef  traft.  23  o  3  t)  et  t  mar'§  nidjt,  ma3  in  mir 
gegen  ©ict)  borging,  nein,  id)  märe  ©einer  $reunbfd)aft  nie 
mef)r  mürbig;  £eibenfd)aft  bei  Stfr  unb  bei  mir;  aber  SD?if$= 
trauen  gegen  ©id)  marb  in  mir  rege;  e3  ftetlten  ficf)  SDfenfdien 
gmifdjen  un£,  bie  ©einer  unb  meiner  nie  mürbig  finb.  —  SJfein 
Portrait*)  mar  ©ir  fdjon  lange  beftimmt;  ©u  meifet  e§  ja, 
bafy  id)  e§  immer  Semanbem  beftimmt  fjatte.  SSem  tonnte  ict) 
e§  mot)l  fo  mit  bem  märmften  ^per-jen  geben,  als  ©ir,  treuer, 
guter,  ebler  (Steffen!  SBergeit)  mir,  raenn  icf)  ©ir  metje  ttjat;  ict) 
litt  felbft  ntdjt  meniger. 

2ll§  id)  ©id)  fo  tange  nicfjt  met)r  um  mict)  faf),  embfanb 
ict)  e3  erft  rectjt  lebhaft,  mie  treuer  ©u  meinem  ^erjen  bift  unb 
emig  fet)n  mirft.  —  ©u  mirft  motjl  aucf)  mieber  in  meine  Strme 
fliegen,  mie  fonft." 

93atb  nad)  2ßieberbereinigung  mit  SSreuning  fam  aud)  an 
ben  SSerfaffer  üon  bem  üDtofter  ba§>  @rfud)en,  ben  früheren 
$J3Ia§  in  feiner  Umgebung  mieber  einnehmen  5U  motten,  ma3 
unberjüglid)  gefdjefyen;  benn  in  ©emeinfdjaft  mit  S3reuning  tiefe 
fid)  erfpriefelidjeS  für  unfern  greunb  bemirfen  unb  nad)gerabe 
mieber  bie  2ttmo§pf)äre  in  feinem  §aufe  purtficiren,  metdje  feit 
Monaten  burd)  faialtfdje  <Selbftfud)t  §iem(ict)  gelitten  tjatte. 
2Betd)en  Sftifcbraud)  biefe  üon  ber  Betäubung  be§  SCRetfterö  in 
gotge  be§  it)n  getroffenen  @d)tage§  5U  machen  fid)  erfütjnte, 
fott  in  ben  (Srgängungen  bargefegt  merben.  —  Salb  Ratten  mir 
bie  greube,  bie  unferm  greunbe  eigentt)ümlid)e  ®raft  be§  @eifte§ 
unb  2Bitten§  mieber  erroadjen  su  fet)en  unb  überrafdjenbe  SBe* 
meife  gu  ermatten,  mie  t)od)  ergaben  er  fid)  über  fein  ©djidfat 
gu  fteEen  berftef)t.  2Sa3  fid)  feinem  ©ebäd)tniffe  au£  ber  Seben3= 
tenntnifj  großer  Scanner  be§  $lttertt)um§,  auf  feine  eigene  Sage 


*)  ©§  war  bie  2iu>a,ra:pl)te  nad)  ©tieler,  bie  ber  Sfteifier  etroaS  fniEjer 
fcfyon  an  Dr.  Tegeler  getieft  tjatte. 

30* 


—     4G8     — 

begüglidjeS,  eingeprägt  (jatte,  führte  er  ficf)  gum  £rofte  unb  ^ur 
(Srfjebung  uor  bie  «Seele.  2>er  Stoifer  unb  $eripatt)etifer  fjiett 
un§  fogar  juweiten  Vorträge  über  einzelne  ber  Setjrfätje  au§ 
biefen  pf)itofopl)ifd)en  Srjftemen.  3n  folcrjen  Momenten  jeigte 
fein  ganzes  SBefen  eine  rüat)rtjaft  antue  SSürbe. 

SWittterweife  war  ber  ßeitpunct  fyeran  gefommen  —  un= 
gefäfyr  gegen  ©nbe  Dctoberö  —  bafo  bie  t>on  StaatSwegen  mit 
bem  Steffen  oorgenommenen  ^eligionSübungen  beenbigt  werben 
füllten.  2öät)renb  biefer  ßeit  t)atte  ber  junge  9J?ann  ben  Gnt* 
fd)luf$  gefaxt,  fiel)  bem  SJfilitärftanbe  wibmen  511  motten,  mo 
feine  (3emeftral=*ßrüfungen  §u  befielen  finb.  ©er  $ice=2)irector 
am  Sßolrjtecrmicum  tjatte  [ein  ?lmt  al§  9ftit>33ormunb  nieber= 
gelegt  unb  33reuning  trat  an  feine  ©teile.  Sie  Uebergabe  be§ 
(befangenen  an  bie  beiben  95ormünber  erfolgte  Oon  Seiten  ber 
Spolijeibeljürbe  mit  ber  au§brüdtid)en  SBeifung,  ifjn  nict)t  länger 
benn  einen  Xag  nur  in  Söien  belaffen  §u  bürfen.  2)a  jebod) 
Widjtige,  geiterforbernbe  Sßorbebingungen  ^um  (Eintritt  in  ben 
äftilitärftanb  gu  erreichen  waren,  fo  bot  Sotjann  Dan  ©eetfjooen 
bem  SReifter  Subwig  unb  bem  51t  merbenben  Slriegymanne  fein 
Sanbgut  ©neijenborf,  am  linfen  ©onauufer  unweit  ber  Stabt 
St'rem§  gelegen,  511m  einftmeiligen  ^tufenttjalt  an,  big  e£  bem 
§ofratl)  werbe  gelungen  fetjn,  einen  9iegiment§=3nl)aber  au3= 
finbig  5U  macfjen,  ber  nidjt  nur  bie  ?lufnat)ine  be§  äftünbelS  al§ 
Gäbet  in  fein  Regiment  bewilligen,  aber  aud)  benfelben  ber 
(Sompagnie  eineö  Hauptmanns  üon  meljr  als  gewbt)nlid)er 
Offi^ier^bilbung  $utf)eilen  unb  einer  befonberen  Dbforge  an* 
empfehlen  wolle.  ©er  5e^0marf^)a^^eutenQnt/  ^rci^err 
uon  ©tuttertjeim,  natjm  ben  jungen  9J?ann  au3  9tüdftd)t  für 
beffen  beibe  SBormünber  in  fein  Infanterieregiment  unb  Wählte 
ben  6ompagnie=ßf)ef,  Hauptmann  üon  9J?ontluifant,  jum 
güfyrer  be§  neuen  ßabeten.  ?lu§  ©anlbarfeit  bebicirte  öeet^ooen 
biefem  ©eneral  baä  Ouartett  in  Cis  raoll.  2)ie)e  feine  (Snt= 
fdjtiejjung  batirt  aber  erft  öom  10.  9JZär§  1827  an  bie  $erlag§= 
Ijanblung  ©djott  in  SD^aing,  nadjbem  berfelben  \>a%  9J?annfcript 


—     469     — 

Bereite  im  Dctober  1826  (taut  einer  Oortiegenben  51ngeige  ü6er 
beffen  (Stfjatt,  de  dato  2J?aing  ben  28.  ^ooemb.  1826)  gugefdjidt 
toorben  loar.261) 

lieber  be§  SOceifterg  ^fufenttjatt  in  ber  Umgebung  feiner 
gamilie  gu  ©neijenborf,  (beftefjenb  au§  feinem  93ruber,  beffen 
©emafytin  unb  ifjrer  [natürlichen]  Bereite  ertoatfjfenen  £od)ter, 
bann  feinem  Steffen)  enthielten  bie  Stagebüdjjer  nnb  enthalten 
noef)  anbere  oorliegenbe  Rapiere  üon  ber  §anb  be§  23ruber<§ 
fo  üiete  ßontroüerfen,  fo  öiet  be§  SSibertüärtigen,  baJ3  e§  nidjt 
geraten  fdjeint  in3  detail  eingugefjen,  fonbern  bie  ®inge  mit 
menig  SSorten  gu  fenngeidjnen:  ungtaublidje  9^üdftd)t§(ofigteit 
auf  be3  9fteifter3  empfinbltdje  ®örperbefd)affentjeit,  fo  in  53egug 
auf  SBotjnung  mie  auf  ÜRafyrung;  ^auptfädjtict)  aber  Intimität 
beö  Neffen  mit  feiner  Stante,  bie  in  fittticfyer  £nnfid)t  giemtid) 
auf  gleicher  ©tufe  mit  feiner  9ftutter  geftanben,  bemnad)  gäng= 
lidje  9^id)tbead)tung  feines  bekümmerten  2lboptio=$ater§.2G2)  3U 
allem  biefen  nod):  befdjränft  fetin  gu  muffen  auf  bie  2Bot)nftube 
megen  falten,  regnerifdjen  9(coüembertt)etter<§.  llnb  in  biefer 
Situation  bidjtete  Seetfyoüen  fein  (Sdjmanenüeb,  ben  legten 
©a§  gum  Quartett  in  B  dur,  Op.  130,  OoE  ernfter  Suftigt'eit 
unb  £mmor3.  Dbgteidj  S3reuning'§  ©olliciationen  nod)  gu  feinem 
ertoünfdjten  (Snbe  gebieten  nxtren,  fo  fanb  fidj  unfer  9J?eifter 
au§  Oorftetjenben  ©rünben  genötigt,  biefen  Ort  gu  oerlaffen 
unb  ben  üfteffen  mit  fic£)  nad)  SSien  gu  nehmen,  letzteres  auf 
bie  ©efaljr  t)in,  bafetbft  mit  ber  ^otigeibet)örbe  in  (Sonflict  gu 
gerattjen.  gum  Ue6erftufj  alter  SRüdftdjtätoftgfeiten  tiertoeigerte 
ber  $ßfeubo=Q3ruber  feinen  gefd)(offenen  -Stabtroagen  gur  Sfteife 
bis  gu  bem  natjen  Stremä,  baf)er  biefe  in  einer  offenen  $a(efd)e 


261)  Vgl.  den  Brief  an  B.  Schotts  Söhne  in  Mainz  in  B.  S.  Br. 
No.  1212  (V.  Band).  A.  d.  H. 

262)  Darüber  spricht  eingehend  der  ungedruckte  Brief  Schindlers 
an  Beethoven,  der  im  Anhang  aus  Schindlers  Beethoven-Nachlaß  mit- 
geteilt wird.  A.  d.  H. 


—     470     — 

gemalt  merben  mußte.  Sie  $otge  mar  eine  Unter(eib3erfä(tung, 
bie  gleich  im  beginn  mit  ^eftigfeit  aufgetreten  ift.203) 

?lm  2.  Secember  langte  ber  9J?eifter  mit  feinem  nid)t§* 
mürbigen  Neffen  in  SSien  an.  @rft  nad)  mehreren  Sagen  erfüll- 
tet) feine  gurücffunft  nnb  feinen  3u[tanb.  %d)  eilte  fofort  51t 
ifjm  nnb  Oernafym  unter  anbern  aud)  bie  betrübenben  9J?ittf)eitungen, 
bafe  er  feine  früheren  5Ier§te  23raunf)ofer  unb  ©taubentjeim 
roieberfjott  bitten  tiefe  fid)  feiner  anjune^men,  jebod)  t>ergeben§, 
erfterem  fet)  ber  2Beg  5U  roeit,  unb  teuerer  l)abe  öerfprodjen  $u 
fommen,  tarn  aber  nidjt;  man  Ijabe  ifjm  einen  9Irgt  jugefdntft, 
er  roiffe  nidjt  mie  unb  burd)  tuen,  ber  ifm  unb  feine  9catur 
gar  nidjt  fenne.  @3  mar  Dr.  Sßamrud),  ^ßrofeffor  an  ber 
SHinit.  Sie  Jjödjft  fettfame  Sßeife,  mie  berfetbe  an  23eett)ouen'3 
tanfenbett  gefommen,  öernafjm  id)  au§  feinem  eigenen  9)£unbe. 
Deämtidj:  ein  auf  bie  ^tinif  gebrachter  Siener  (^arqueur)  au§ 
einem  Äaffeetjaufe  ber  @tabt  fjat  ifjm  öertraut,  bafj  S3eetfjoüen'§ 
9ceffe,  al£  er  einige  STage  guoor  bafelbft  23ittarb  gefpiett,  ifjm 
ben  Auftrag  gegeben  für  feinen  fronten  Dfjeim  einen  SCr^t  §u 
fudjen,  unb  ba  er  ftdj  megen  Unmot)tfet)n§  biefeS  Auftrages  nidjt 
entlebigen  fonnte,  fo  tjabe  berfetbe  itjn  nun  erfudjt  5U  53eetf)otien 
getjen  gu  motten.  5(n  ba$  tanfenbett  gefommen,  fet)  biefer 
mirftid)  nod)  otjne  är§tticl)e  §ütfe  geroefen. 

Sie  23eurtrjeitung  biefeS  galtet,  mie  überhaupt  aller  öon 
ber  $amiüe  be<§  9D?eifter<S  ausgegangenen  Unbilben  unb  Stränfungen 
barf  roofjt  bem  ßartgefüfyt  be<§  Seferö  übertaffen  merben.  Sn 
biefem  ©ummarium  finben  bie  eigcnttidjen  llrfadjen  feinet  frütjen 
SobeS  eine  tion  fetbft  fid)  ergebenbe  Srftärung.  —  2(u*füt)rtid)e 
©d)ilberungen  öon  Stjatfadjen,  metdje  it)re  Duette  in  uneblen, 
üerberbten  ober  gar  fdjtedjten  ^er^en  tjaben,  Oerteiben  bem 
Siograpfjen  fein  ©efdjäft:  fte  geftatten  fid)  §u  maljrfjafter  ^ein, 


263)  Über  Beethovens  letzte  Lebenstage  ist  auf  L.  Nohls 
wichtige,  beachtenswerte  Studie  zu  verweisen:  „Beethovens  Tod.  Eine 
dokumentarische  Chronik  im  Buche  „Musikalisches  Skizzenbuch  1866. 
No.  IX".  A.  d.  H. 


—     471     — 

menn  ber  SBerfaffer  fic  meift  mit  eigenen  ©innen  malgenommen 
unb  ifjre  nadjtljetfigen  SBtrfungen  mit  beobachtet  t)at.  2öie  ganj 
anberS  rairb  ba3  ©efdjäft  für  ben  23iograpt)en,  ber  bon  Gittern 
mag  er  §u  Rapier  bringt,  nidjtS  felbft  erle6t,  bto§  nadj  bor= 
fjanbenen  SQcateriatien  arbeitet,  bon  benen  nicfyt  feiten  manche 
au§  unlauteren  Duellen  l)errül)ren,  anbere  roieberum  aus  einer 
3eit  batiren,  roo  Singe  unb  £t)atfadjen  itjre  Sebeutung  ber- 
loren,  roeit  bereu  ©inmirt'ungen  bielleidjt  fdjort  bergeffen,  ober 
gemilbert  erfdjeinen,  S^ebenfactjen  überhaupt,  mit  geringer  9Tu§* 
natjme,  bereite  ju  bem  überflüffigen  Äram  gelegt  merben.  Sn 
fotdjer  (Stellung  ben  Xtjatfacr)en  gegenüber  roirb  bem  23iograpf)en 
gu  fubjectiber  Sluffaffung  unb  meit  abroeicljenber  25eurtt)eüung 
ein  freier  Spielraum  übertaffen;  benn  bie  ferngerücfte  ßeit  f)at 
ja  3uft°nbe  unb  SBerljattniffe  be3  Reiben  bereite  roefentlid)  um= 
geftaüet.  Sie  ©efdjidjtsmerfe  jeber  51rt  bemeifen  bie§  §ur  ©e= 
nüge.  Um  ein  Seifpiel  in  Sejug  auf  unfern  gelben  angufüfjrett: 
S^eettjoöen  mar  erft  breifeig  Sat)re  au§  bem  Seben  gefdjieben,  afö 
man  $u  SSien  über  fein  ^örpermafe  in  einen  Srrtfjum  Herfiel. 
SMefer  liegt  im  SDrucfe  bor.  9^ac£j  abermals  breifeig  Sauren 
bürfte  ber  SEonmeifter  an  bem  Orte  feiner  fünftterifctjen  Staaten 
bielleidjt  fdjon  bem  33ereidje  ber  SJcbtlje  berfallen  fetjn.  ®a§ 
berbanft  man  ber  Vornan-  unb  9f?obetten=©d)riftfteüerei,  bie 
tjiftorifdje  ^£)atfactjen  jeglidjer  ?lrt  rüdfid)t3to§  51t  ifjrem  groede 
umgeftattet  unb  it)r  SSefen  bernidjtet.  Unb  befannttid)  greift 
bie  3ftenge  nad)  foldjer  Seetüre,  nier)t  nad)  gefdjtdjtlidjen  SSerlen. 

9^acf>  biefen  burdj  SSertjättniffe  unb  gettäuftänbe  ftd)  auf= 
bringenben  ©eitenbemerfungen  betreten  mir  mieberum  ben  immer 
büfterer  merbenben  ^ßfab  ber  Gegebenheiten.  2)ie  §anblung  unferS 
©rama  ift  bis  §ur  Peripetie  borgefdjritten. 

Sn  ber  gtueiten  §ätfte  beS  Staats  ©ecember  tonnte  entließ 
bie  Slbreife  beS  Steffen  gu  feinem  9?egimente  nad)  Sgtau  in 
Stfäfjrert  erfolgen.*)    Sßeber  Greuning  noct)  ber  SScrfaffer  maren 

*)  9<acfjbem  biefe  $erfönlid)feit  nun  Dom  <&d)mpla$e  abgetreten, 
bürfte  e§  angemeffen  ferjn,  beren  fernere  2eben§t>err)ältmffe  in  wenig  Um= 


—     472     — 

Beugen  ber  Trennung  bort  feinem  SSoJjlttjäter.  2)qb  biefelbe 
auf  (Seiten  unfer§  SfteifterS  mit  teidjtem  ^erjen  ftattgefunben, 
bezeugte  bie  ungetböfmtid)  ^eitere  (Stimmung,  in  melier  mir  üjn 
trafen.  ©3  motlte  fdjeinen,  at§  fei  er  bom  böfen  geinbe  befreit 
morben.  2)iefe  ©timmung  mar  fetne§meg§  eine  borübergetjenbe, 
f)ielt  bielmefjr  gierntict)  lange  an;  üjr  mar  eö  guäufdjreiben,  baf3 
ber  ^atient  mit  boller  guoerfidjt  feine  balbige  SBieberfyerfteflung 
erhoffte,  mancherlei  $ßlane  entmarf  unb  über  bie  §u  fommenben 
©ompofitionen  fid)  auslieft,  —  farj,  er  füllte  fid)  mieber  im 
©eift  unb  ©emütt)  fo  frei,  fo  „gang  anfgefnöpft,"  mie  in  früheren 
Sagen:  ber  Stoiber  (jatte  nun  ßeit  unb  Stufte  ft<±>  in  feinem 
Set)rft)ftem  nadi  $ergen§uift  51t  ergeben.  ®ie§  atle§  märe  ge= 
eignet  gemefen  unfern  S5erfet)r  mit  it)m  red)t  angenehm  511 
madjen,  tjätten  mir  nur  un§  bie  böfen  2U)nungen  einer  nidjt  gu 
fernen  Äataftroptje  au§  bem  ©inne  fd)lagen  tonnen.  ©tüdlid)er 
in  foldjer  §infid)t  mar  ber  eilfjäfjrige  Sotjn  23reuning'3,  ein 
munterer  unb  berftänbiger  Slnabe,  ber  burd)  feine  Unbefangenheit 
unb  9?id)tfenntnif3  ber  ©efatjr  unfern  greunb  oftmals  angenehmer 
gu  unterhalten  mufjte,  aU  mir.  ©erwarb  bon  Sreuning, 
ber  SieblingSgefetlfdjafter  unb  oortrefflid)e  Pfleger  be§  franfeu 


riffen  ju  Berühren.  Sari  t>an  23eetboüen,  juetft  ^fiilotoge,  bann 
Saufmann  in  spe,  balb  aber  bem  SriegShanbtnerfe  fid)  roibmenb,  Devüef} 
and)  biefe  Saufbaljn  unb  naftm  eine  Stelle  al§  Beamter  eines  ^riöaten 
ein.  ©eine  au§  ben  früheren  ßonflicten  mit  SebenSDerfiältnifien  geretteten 
guten  (Sigenfctjaften  maebten  fpäter  einen  adjtbaren  gamilienöater  au3  ibm, 
ber  fd)tt)er  getragen  an  feinem  berühmten  tarnen,  ©r  fd)ieb  Don  binnen 
am  13.  Slprii  1858.264) 

264)  So  schreibt  auch  Gerh.  v.  Breuning:  Nachdem  sein  ihn  so 
nachsichtig  behandelnder  Oheim  gestorben,  er  auch  das  Militär  ver- 
lassen hatte,  ward  er  ein  ruhiger,  ordentlicher  Mensch  und  guter 
Familienvater.  Er  starb  in  Wien  am  13.  April  1854.  Aber  Beethovens 
geradezu  blinde  Liebe,  mit  der  er  doch  so  gerne  die  ganze  Welt  um- 
schlungen hätte  ( —  „Seid  umschlungen,  Millionen,  diesen  Kuß  der 
ganzen  Welt"  — )  hatte  sich  hier  zu  arg  gesteigert.  „Aus  dem  Schwarz- 
spanierhause."   Neudruck  S.  104.  A.  d.  H. 


—     473     — 

23eett)oben,  nunmefjr  toracticirenber  Uv^t  in  SSien,  £jatte 
fid)  lauten  ®anf  öon  bem  großen  SDceifter  ermorben,  unb  mirb 
öietfeidjt  gur  ©tunbe  nodj,  nidjt  otjne  9tüf)rung,  an  jene  felbft 
für  finblicbe  Segriffe  mistigen  Xage  gurücfbenfen.  dufter  un3 
dreien  mollte  ber  Patient  Sftiemanben  um  fid)  bulben;  felbft 
fein  23ruber  mar  nid)t  gerne  gefefien  —  in  Erinnerung  ber 
neuerlidjen  SSorfätle  ju  ©neijenborf.265) 

Sie  tonftjeit,  an  tpetct)er  93eett)ot>en  barniebertag,  mar 
anfängtid)  eine  au3  ber  ©rfättung  be3  Unterleibes  fid)  entmidelte 
£ungenent§ünbung.  S)iefe  mürbe  aber  öon  Dr.  SBahmtdj  üiel 
ju  fpät  erfannt,  unb  afö  bie  richtige  ©rlenntnifj  ha  mar,  mar 
bereits  ba§>  ©tabium  ber  23aud)mafferfud)t  eingetreten.  2Sir 
merbcn  in  ben  Ergänzungen  f)ören,  in  meldjer  Söeife  biefer 
Sfr^t  ben  begangenen  geiler  in  ber  S)iagnofe  üon  fid)  ab§tt« 
menben  ftcf)  ertaubt  l)at.  S)ie  ©tjmptomc  ber  Stranfrjeit  traten 
in  menig  Sagen  fo  auffaltenb  fjerbor,  bajj  fdjon  am  18.  ©ecember 
bie  erfte  Function  üorgenommen  merben  mufete;  am  8.  Sanitär 
barauf  bie  gmeite  unb  am  28.  beSfefben  SKonatS  bie  britte.266) 


265)  Als  Ergänzungen  zu  Schindlers  Darstellung  der  letzten 
Lebenstage  des  Meisters  seien  allen  ernsten  Forschern  empfohlen 
Gerh.  v.  Breunings  Buch  „Aus  dem  Schwarzspanierhause",  wovon 
der  Herausgeber  einen  Neudruck  besorgt  hat,  1907;  dann  Thayer- 
Deiters,  Beethoven,  V.  Band:  „Das  Jahr  1827",  1908,  herausgegeben 
von  H.  Riemann  S.  437 ff.  A.  d.  H. 

266)  Trotz  Thayers  Versuchen,  den  Arzt  Dr.  Wawruch  heraus- 
zustreichen, bleibt  hier  Schindler  doch  im  Recht  und  wird  besonders 
durch  Gerh.  v.  Breuning  unterstützt,  der  selbst  ein  angesehener  Arzt 
war.  Darum  bleibt  es  auch  hier  geboten,  ein  Wort  Gerh.  v.  Breunings 
aus  dessen  Schrift  „Aus  dem  Schwarzspanierhause"  zu  wiederholen. 
Gerh.  v.  Breuning  schreibt:  „Auch  Dr.  F.  G.  Wegeler  bestätigt  in 
seinen  Nachträgen  der  biographischen  Notizen  über  L.  van  Beethoven 
die  Berichtigung  Schindlers  über  die  Verdächtigung  Dr.  Wawruchs: 
Dr.  Malfatti  habe  dem  an  Wassersucht  Leidenden  Punsch-Eis  ver- 
ordnet, weil  er  als  langjähriger  Freund  Beethovens  dessen  vor- 
herrschende Neigung  für  geistige  Getränke  zu  würdigen  verstand", 
indem  er  Wawruchs  Angabe   ,als   durchaus  unbegründet  erklärt'". 


—     474     — 

9J2it  ben  (Srgebniffen  bes  le^tgenannten  Stages  maren 
nnfere  fdjmadjen  Hoffnungen  üernid)tet.  2>ie  2lbnabme  ber 
tofjtyfifdjen  unb  geiftigen  Gräfte  erfüllte  aud)  bie  «Seele  unferS 
Äranfen  mit  trüben  Tönungen.  2)aS  Vertrauen  ju  feinem 
Strjte,  tor  mehreren  Sßodjen  fcfjon  fdjmanfenb  gemorben,  inbem 
er  ü)n  mit  93cebicamenten  in  fo  großer  Stenge  überhäuft  tjatte, 
baf?  bie  Functionen  bes  of)nef)in  gefd>mäd)ten  Unterleibes  geftört 
tuerben  mußten,  mar  nun  gänjltd)  gejdjmunben,  fo  baf3  es  iljm 
bor  feinem  ?lnblid  graute.  —  Sn  biefer  mit  ®runb  be= 
ängftigenben  Sage  erinnerte  fid)  23eetf)oüen  feines  ehemaligen 
£yreunbeS,  beS  nun  fet)r  berühmt  gemorbenen  Slr^teS,  Dr.  Wlai- 
fatti,  ben  er  bereits  üor  gtoötf  Sauren  fictj  entfrembet  unb 
feit  bem  mit  feinem  SSorte  mein:  gefprodjen  Ijatte.  ?luf  biefen 
baute  er  nun  bie  Hoffnung  51t  feiner  Rettung.  s2lber  9#alfatti 
mollte  bie  burd)  mid)  iljm  üorgetragene  93itte  bes  9)tafters  nid)t 
Ijören,  er  mies  fie  falt  ab.  2>d)  magte  einen  §meiten  unb  fogar 
einen  brüten  SSerfud),  feine  £l)eitnal)me  für  ben  leibenben  ;£on= 
bidjter  rege  31t  madjen.  (Snbtid)  gelang  eS,  ifjn  bafyin  5U  bringen, 
ben  Patienten  menigftens  mit  einem  Söefudje  erfreuen  gu  motten, 
als  träte  er  an  bas  Äranfenbett  eines  itym  gan^  gremben. 
SDiefer  53efud)  follte  auf  fein  Serlangen  im  23eifet)n  beS 
orbinirenben  Sfr^teS  ftattfinben.  ©ieS  mar  jebod)  33eetl)oüen'S 
SSunfd)   entgegen,   ber   feinen   ehemaligen  greunb   allein   feljen 


„Ich  (seil.  Gerh.  v.  Br.)  kann  nur  bezeugen,  daß  Wawruchs  Mit- 
teilungen, der  weder  ein  langjähriger  noch  Freund  Beethovens  über- 
haupt gewesen,  so  vollkommen  aus  der  Luft  gegriffen,  als  zum  Zwecke 
eigener  Beschönigung  geschrieben  sich  darstellen."  —  Diese  Aus- 
führungen von  seiten  Gerh.  v.  Breunings  sind  von  besonderer  Wichtig- 
keit. Denn  hier  spricht  ein  Arzt  gegen  den  Arzt  Dr.  Wawruch, 
der  sich  herausgenommen  hat,  in  so  übler,  man  möchte  sagen  ver- 
leumderischer Weise  über  des  Tondichters  Hang  zu  Spirituosen  zu 
schreiben.  Wawruchs  falsches  Wort  „sedebat  et  bibebat"  hat  nicht 
wenige  irregeleitet.  Und  so  mag  denn  G.  v.  Breunings  Wort  zur 
Reinigung  und  Klärung  dienen  (Aus  dem  Schwarzspanierhause,  Neu- 
druck von  Dr.  Kalischer  S.  130.)  A.  d.  H. 


—     475     — 

unb  ftdE)  mit  irjm  ausformen  rcoHte.  (£ine  SJcotrjlüge  führte  gum 
ßtued.  9)?atfatti  erfdjien,  fanb  aber  ben  Kollegen  nidjt,  bafür 
bie  offenen  Strme  be§  reumüttjtgen  um  Söerjeüjung  ftetjenben 
grcunbeS.267)  Sitte»  Vorgefallene  mar  oergeffen.  SBon  nun  an 
ersten  3Ka(fatti  faft  tägtid)  sugteict)  mit  Sßatorudj  am  Sranfen* 
betr.  5)a»  Regime  be§  Sedieren  roarb  fofort  befeitigt  unb  allein 
$unfef)ei§  in  äiemtidjer  Quantität  gereicht,  rooburd)  ber  tränte 
fid)  erfrifd)t,  bafb  aber  in  fo  {Jokern  ©rabe  ftc£)  gekräftigt  füllte, 
bajj  er  fiel)  mit  (Sompofitionen  beferjäftigen  §u  tonnen,  ja,  fid) 
gerettet,  glaubte.  @»  ioarb  jebod)  ärjttidjer  ©eit§  unterfagt, 
bagegen  eine  teidjte  Sectüre  empfohlen.  S)te  SB  alt  er 
©cott'fdjen  SKomane  froren  eben  im  ©erjtnange;  ber  ^atient 
tiefe  fiel)  barjer  leid)t  bereben,  bie  Sefanntfdjaft  be§  „großen 
Unbetannten"  gu  madjen.  Mein  fcfjon  roeitjrenb  ber  Seetüre 
ber  erften  SBänbe  öon  „®enitroortt)"  geriete)  er  im  gorn  un0 
marf  baZ  S3uctj  $u  Söoben,  au§rufenb:  „Ser  $ert  fdjreibt  bod) 
61o§   für'ö    @etb!"     ßum    (£rf  atj   umgab    er   fict)   mit   feinen 


267)  Über  Beethovens  letzte  Krankheit  lassen  wir  zur  Ergänzung 
der  Worte  Schindlers  noch  einmal  Gerb.  v.  Breuning,  den  Arzt,  reden: 
„Daß  die  Krankheit,  von  welcher  Beethoven  befallen  worden,  eine 
Bauchfell-  und  nicht  Lungenentzündung,  wie  in  den  Biographien 
irrtümlich  zu  lesen  (Schindler  wird  II,  S.  434  zitiert),  läßt  sich  ärztlich 
beweisen,  und  zwar  aus  folgenden  Gründen:  einmal  weil  nur  eine 
Bauchfell-,  nicht  aber  eine  Lungenentzündung  eine  Bauchwassersucht 
schaffen  kann,  und  dann,  weil  er,  mag  auch  im  Beginne  der  Er- 
krankung immerhin  gleichzeitig  eine  katarrhalische  Reizung  der 
Atmungsorgane  bestanden  haben,  während  des  Verlaufes  seiner  Krank- 
heit nicht  hustete,  die  kräftigste  Stimme,  nie  Atmungsbeschwerden 
hatte,  außer  insoweit  später  die  übergroßen  Wasseransammlungen 
im  Unterleibe  beängstigend  nach  aufwärts  drückten,  und  endlich  weil 
die  Lungen  schließlich  während  seines  fast  dreitägigen  Todeskampfes 
sich  so  vollkommen  gesund  und  überaus  kräftig  erwiesen,  daß  von 
einer  vorhergegangenen  Lungenerkrankung  keine  Rede  sein  konnte." 
So  Gerh.  v.  Breuning,  dem.  für  die  klare  Diagnose  der  Todeskrankheit 
Beethovens  noch  besonderer  Dank  gebührt  (s.  Aus  dem  Schwarz- 
spanierhause, Neudruck  S.  127  f.).  A.  d.  H. 


—     47G     — 

ätteften  $reunben  unb  £ef)rern  qu§  §effa§,  mit  ^ßtutard), 
§omer,  Sßtato,  9Iriftotete§  unb  anbent  beriet  ©äften.  Unb 
ba  üjm  öon  ^rang  <3d)itbert'§  Gompofitionen  nur  menige 
befannt  tuarert,  bie  Siebebienerei  überhaupt  ftetS  gefdjäftig  mar 
beffctt  Talent  gu  üerbädjtigen,  fo  benutze  id)  ben  günftigen 
Moment,  mehrere  ber  größeren  ©efänge,  afö:  Sie  junge  9?onne, 
bie  SBürgfdjaft,  ber  Sauger,  (Sltjfium  unb  bte  Dffianifd)«! 
©efänge  Oorjutegen,  beren  S5efanntfctjaft  beut  Sfteifter  grof$e§ 
Vergnügen  gemäfjrt  fjaben,  fo  bafj  er  fein  ilrtfjett  barüber  mit 
ben  Söorten  auSgefprodjen:  w2öaf)rtidj,  in  bem  ©dmbert  motjnt 
ber  göttlidje  gfunfe"  u.  f.  m.  3ur  3eit  tvav  jebod)  erft  eine 
fleine  Sln^t  öon  ©djubert'ä  Werfen  im  Srud  erfdjienen. 

$aft  in  att'  ber  3eit,  in  metdjer  mir  bea  Sfteifter  auf  bem 
ftüranfenlager  fernen,  marb  er  bon  einem  trüben  ©ebanfen  uer= 
folgt,  ber  feine  ferneren  <Subfifteu3mitte(  jum  ©egenftanb  gehabt. 
(Srmedt  mürbe  btefer  quüfenbe  ©ebanfe  burd)  bie  Steuerung 
beö  §fr§te§,  bafj  fein  STranfrjeit^uftanb  öon  langer  Stauer,  baijer 
aud)  lange  an  geiftige  23efd]äftignng  ntdjt  ^u  beuten  fetm  merbe. 
Sie  fid)  it)m  baburdj  aufbrängenbe  $rage:  morjer  bie  Strittet 
3um  £eben3untert)att  für  fid)  unb  feinen  Steffen  netjmen,  menn 
btefer  ä'rgttidje  2tu3fprud)  gut  Söaljrtjeit  merben  fotlte?  entftanb 
fonad)  auf  natürlidje  SSeife,  unb  mürbe  jeben  anbereit  Stünftler, 
ober  ©djriftfteller,  in  gteidjer  Sage  nid)t  minber  geängftigt  fjabett. 
3unäd)ft  tonnte  inbefj  ben  9)ceifter  ber  Umftanb  beruhigen,  bafc. 
er  an  ben  dürften  (Mithin  für  ba$  ^roeite  unb  britte  ber  für 
üjn  gefdjriebeuen  Duartette,  bann  für  bte  £)ebication  ber  großen 
DuOertiire  in  C  dur,  Op.  124,  nod)  ba»  accorbtrte  Jponorar 
öon  125  ©ucatert  ^u  f orbern  fjabe,  ba§>  mit  jebem  ^age  erwartet 
»erben  burfte,  benn  bie  2lbfenbung  btefer  bret  SSerfe  an  ben 
gürften  mar  bereite  in  ber  SBintergeit  üon  1825  auf  26  ge= 
fcfjetjen.  (Srft  nacfj  geraunter  3e^t  nad)bem  bau  (Srmartete 
immer  nidjt  fommen  mollte,  manbte  fid)  S3eettjoüen  an  bat* 
SSanftjauS  ©tieglitj  u.  (Eontp.  in  ©t.  Petersburg,  ba§>  nad)  bem 
un§  bekannten  Wortlaut  beS  SBriefeö  Oom  dürften  an  SBeetljoöeit, 


—     477     — 

r-om  11.  äJtörg  1824,  auf  Verlangen  be3  SMfterS  für  ben 
dürften  3a^er  fetjn  merbe.  2)ie  SKüdanthmrt  biefeS  £aufe§ 
lautete  aber,  bafj  gürft  (Mithin  sur  Strmee  nad)  ^erfien  ab* 
gegangen  fet)  unb  feinen  Auftrag  §ur  3Q^unfl  au  23eetbouen 
gegeben  habe.  SHöbatb  nad)  3urüd£unft  im  tranfen  3uftanbe 
2fnfang§  ©ecember  fyatte  23eett)onen  an  ben  öftreid)tfd)en  ®e* 
fanbten  in  <3t.  Petersburg  gefdjrieben  unb  um  beffen  üer= 
mittelnbey  (£infd)reiten  in  biefer  ?lngefegent)eit  gebeten,  ©ielje 
ba!  Um  bie  äßitte  be§  genannten  Sonata  fam  ein  23rief  üon 
bem  gürften  de  dato  (Sfjarfoff  10/22.  November  1826  fotgenben 
Snt)att§:  „Mon  eher  et  digne  Mr.  de  Beethoven,  Vous  devez 
me  croire  bien  leger  et  bien  inconsequent  de  Vous  laisser 
sans  reponse  pendant  si  longtemps,  surtout  quand  j'ai  rec.ii 
de  Vous  deux  nouveaux  chef-d'oeuvres  de  votre  immortel 
et  inepuisable  genie.  Mais  des  circonstances  malheureuses! .... 
Maintenant  j'habite  le  fond  de  la  Russie  et  sous  peu  de  jours 
je  partirai  pour  la  Ferse  pour  y  faire  la  guerre.  Avant  cela 
j'expedierai  absolument  ä  M.  M.  Stieglitz  et  Comp,  la  somme 
de  125  Ducats  et  je  De  puis  que  vous  offrir  mes  remer- 
eiments  pour  vos  chef-d'oeuvres  et  mes  excuses  d'avoir  ete 
si  longtemps  sans  vous  donner  signe  de  vie."  ($>n 
beutfdjer  ileberfeijung:  ätfein  lieber  unb  mürbiger  §err  oan 
öeetbonen,  ©ie  muffen  mid)  für  febr  teichtfinnig  unb  fehr  in* 
confequent  hatten,  med  id)  ©ie  fo  lange  ohne  Slntraort  laffe, 
jumal  ich  bie  §roei  neuen  SBerfe  %fyxz§>  unfterbtidjen  unb  un= 
erfd)öpftid)en  ©enie§  ermatten  fjabe.  Mein  ungtüdlid)e  Um= 
ftänbe!  ...  3dj  mohne  nun  im  §intergrnnbe  non  SKufctanb 
unb  merbe  in  menig  Sagen  nad)  ^erfien  abgeben,  um  ben  Krieg 
bort  mitsumQd)en.  9Sort)er  merbe  id)  aber  gan^  beftimmt  an 
bie  §.  $.  ©tiegtit}  u.  (Somp.  bie  ©umme  üon  125  Sucateu 
abfenben  unb  fann  nur  für  jet}t  Sfynen  meinen  Statt!  für  Sfyre 
SO^eiftermerte  barbringen,  mie  auch,  meine  @ntfd)ulbigung  bei= 
fügen,  ©ie  fo  lange  otjne  Seben^eidjen  getaffen  $u  tjaben.)*) 
*)  ®en  SSefiJ?  btefe§  ScfyuIbbrtefeS,  ben  Sebet  au3  SSeetfjoüen'ö  Um* 


—     478     — 

9?acf)  5(n  fünft  biefes  Briefes  mar  ber  trübe  unb  beängftigenbe 
©ebanfe  in  bem  Äranfen  oerfdntmnben  unb  bem  Eintreffen 
biefer  (Summe  mürbe  tägtid)  entgegen  geferjen,  benn  bie  Söebürfniffe 
für  Slusftattung  bcs  Steffen  5U  feinem  fünftigen  Staube,  ats 
and)  bie  üermetjrten  2(us(agen  für  Slranfenpftege  tjatten  bie 
SBaarfdjaft  bereite  fütjtbar  oerringert.  2Bod)e  um  SSocfje 
öerging  jebocl),  otjne  bafj  aus  St.  Petersburg  bas  ferjnüd) 
(Srmartete  eintreffen  mottte.  2)er  Februar  fam,  aber  immer 
notf)  nidjts  öon  ©ttegltfc  u.  (Somp.  —  S)a  ermadjte  in  bem 
Traufen  bie  Erinnerung  an  bas  feitens  ber  ^3rjitrjarmonifcfjen 
©efeltfdjaft  51t  Sonbon  irjm  öor  Satjren  bereits  gemachte 
anerbieten,  ein  Goncert  31t  feinem  23eneftce  geben  5U  motten. 
9?ad)  langer  (Srmägung  biefes  ebetmütfjigen  Anerbietens  unb 
beffen  Q3eratrjung  mit  SBreuning  unb  mir,  ob  biefer  2Öeg 
eingufdjtagen  fet),  uerrjerjtten  mir  unfer  SBebenfen  nicfjt  |tits 
ftdjtfid)     bes    übetn     Ginbruds,    ben    biefer     Schritt,    früher 


gebung  gefannt,  ben  trf)  bei  §erüortreten  be§  g-ürfien  ©ali|in  1852  Der- 
geblicf)  in  SSien  aufhüben  ließ,  nerbanfe  id)  bem  befannten  2)?ujifgelebrten, 
§erm  33.  2>amcfe,  ju  jener  3e^  *n  ©*■  Petersburg,  gegenwärtig  tat 
Sjrüjjet  roorjnenb.  Seine  beiben  Dorn  7.  Januar  unb  J3.  gebruar  1853 
auä  Petersburg  an  mid)  gerichteten  ^Briefe,  in  ben  Grgänjungen  ab= 
gebrueft,  öerbreiten  über  bie  Streitfrage  mit  bem  dürften  baZ  Ijeüjie  Siebt. 
Seetboöen  roirb  baburd)  in  mehreren  Sßuncten  öoDftänbig  gerechtfertigt.-05') 

268)  Berthold  Damcke,  der  vielseitig  gebildete  Tonkünstler, 
ist  Februar  1812  zu  Hannover  geboren,  ward  auf  den  Rat  seines 
Pianofortelehrers  Aloys  Schmitt  aus  einem  Studenten  der  Theologie 
ein  Musiker.  1833  ward  er  Bratschist  in  der  Hofkapelle  zu  Hannover, 
blieb  dabei  Pianist  und  Orgelspieler,  studierte  dann  in  Frankfurt  a/M. 
unter  F.  Ries  und  Schelble;  ging  dann  als  Musikdirektor  nach 
Kreuznach.  Im  Jahre  1837  ward  er  als  Direktor  der  Philharmonischeu 
Gesellschaft  nach  Potsdam  berufen,  wo  er  auch  die  Leitung  des 
Gesangvereins  für  Opernmusik  übernahm.  In  Berlin  trat  er  1843  als 
Pianist  auf.  1845  begab  er  sich  nach  St.  Petersburg,  wo  er  sehr 
erfolgreich  als  Pianist,  Musiklehrer  und  Kritiker  tätig  war.  Er  reiste 
viel.  1812 — 70  lebte  er  in  Paris.  Er  hat  auch  viel  komponiert.  Wir 
nennen  nur  seine  Oratorien  „Deborah"  und  „Die  Geburt  Jesu". 


—     479     — 

ober  fpäter  $ur  Sßubticität  gekommen,  tjeroorbringen  tonne,  unb 
tjatten  ben  SKutt)  unfern  tonten  an  fein  Skfitjtljum  üon  (Staats* 
papieren  gu  erinnern,  baS  nod)  geraume  $eit  jebe  frentbe  Jpitfe 
unnöttjig  machte.  Mein  ba  mußten  wir  üernefymen,  bafe  er 
biefelben  ntct)t  mefyr  als  fein  ©gentium,  fonbern  a(3  ba§>  feinem 
Neffen  einfienS  §u  t)inter(affenbe  ©rbgut  anfefje.  dagegen  burfte 
fein  (Sinwanb  laut  werben  unb  waren  nad)  ber  Sage  ber  'Singe 
nur  bie  SKänner  5U  Wätjten,  benen  bie  SBeforgung  biefer  9ln= 
getegentjeit  in  Sonbon  in  bie  ^)anb  §u  legen  ferj.  Sßeetfjoüen 
wählte  ©ir  ©eorge  ©mart  unb  ben  ^arfen^abriranten 
©tumüff,  unb  auf  meine  (Smüfefjtung  nod)  §errn  8  g. 
Sftofdjetes,  ba  mid)  meine  füecieüen  Regierungen  gu  letjterm 
in  ©tanb  festen,  nod)  RefonbereS  mitteilen  gu  tonnen.*)  9?ad)= 
bem  mir  ber  9)?eifter  feine  Sßüufdje  bie3faH§  angegeben,  fafcte 
id)  bie  ,ßufd)riften  an  bie  brei  sperren  ab,  bie  er  bann  eigen  * 
fjänbig  untergeidjnet  tjat.270)  ©er  wefentlicfye  Snljatt  fämmt= 
üdjer  mag  au§  ber  3ufdjrift  an  ÜD?ofd)ete3,  de  dato  SSien  ben 
22.  $ebruar  1827,  erfefyen  werben.     @r  lautet  wörtüd): 

„Üftein  lieber  9ftofd)eie§!  Sd)  bin  überzeugt,  bafj  ©ie  e§ 
nidjt  übd  nehmen,  bafj  id)  ©ie  ebenfalls  Wie  ©ir  &.  ©mart, 
an  ben  fjier  ein  Rrief  beiliegt,  mit  einer  Ritte  beläftige.  2)ie 
&ati)t  ift  in  ^ürge  biefe:  fd)on  üor  einigen  ^aljren  fjat  mir  bie 
$ßrjitl)armonifd)e  @efeüfd)aft  in  Sonbon  bie  fdjöne  Offerte  gemadjt, 
5U  meinem  Reften  ein  ßoncert  §u  tieranftatten.  damals  war  id) 
gottlob!  nidjt  in  ber  Sage,  üon  biefem  ebten  eintrage  ©ebraud) 
matten  ju  muffen.    ©an§  anberS  aber  ift  e§  jetjt,  wo  id)  fdjon 


*)  SBeetfiotoen  felber  fianb  mit  2)Jofcfjele§  niemals  in  ber  geringfien 
Sesiefiung.269) 

269)  Diese  Behauptung  Schindlers  ist  sehr  irrig.  Mein  Aufsatz 
„Beethoven  und  Moscheies",  der  auf  Grund  zahlreicher  Gespräche  in 
den  Konversationsheften  unternommen  werden  wird,  soll  das  Gegenteil 
von  Schindlers  Meinung  erhärten.  A.  d.  H. 

270)  Siehe  B.  S.  Br.  No.  1200  (an  Stumpft),  No.  1202  (Smart), 
1203  (Moscheies),  1215  und  1218  (an  denselben)  V.  Band.     A.  d.  H. 


—     480     — 

balb  üotle  brei  SSJconate  an  einer  fangroierigen  Slranfrjeit  barnieber 
liege.  ©S  ijt  bie  SBafferfudjt;  Sd)inbfer  roirb  3t)nen  beiliegenb 
merjr  bation  jagen.  —  Sie  fennen  feit  fange  mein  Seben,  roiffen 
aud)  roie  unb  oon  maS  id)  lebe.  2In'3  Schreiben  ijt  jefct  lange 
nid)t  ^u  benfen,  unb  fo  föunte  idj  leibet  in  bie  Sage  üerfe^t 
werben,  Mangel  leiten  ja  muffen.  —  ©ie  tjaben  nid)t  nur 
ausgebreitete  33etanntfd)aften  in  Sonbon,  fonbern  aud)  bebeutenben 
©tnflufj  bei  ber  $)31)i(rjarmonifd)en  ©efettfdjaft.  Set)  bitte  -(Sie 
barjer,  biefeS  fo  oiel  als  Srjnen  mögliefj  anproenben,  bamit  bie 
©efcüfd)aft  jettf  oon  Sxeuem  biefen  Gntfdjlufj  faffe  unb  balb  in 
?lusfürjrung  bringen  möge.  2)eS  SntjaltS  ift  aud)  ber  beiliegenbe 
Srief  an  Sir  Smart,  fo  mie  id)  einen  bereits  an  §errn  Stumpff  *) 
abfdjirfte.  3d)  bitte  Sie,  bem  Sir  Smart  ben  33rief  ein5ut)änbigen 
unb  fict)  gur  53eförberung  biefeS  groedeS  m&  ^m  un0  Q^en 
meinen  greunben  in  Sonbon  gu  oereinigen. 

St)r  ^reunb 

SSeetrjouen.  m.  p." 

Unterm  14.  9J?är3  bictirte  mir  Seetljotien  einen  S9rief  an 
50?ofd)eleS  in  bie  ^eber,  ber  nadjfteljenbe  Stellen  enthält:  „91m 
27.  Februar  mürbe  id)  §um  Oierten  ffllai  operirr,  unb  jetjt  ftnb 
fd)on   fidjtbare  Spuren   ba,   baß  id)  balb  bie  fünfte  Cperation 


*)  3.  91.  Stumpff,  ein  Seutfdjer  au§  Üfyüringen,  über  40  %afyre 
in  Sonbon  lebenb,  reo  er  e§  ju  bebeutenbem  S3of)lftanbe  gebraut,  öon 
©oetfje  perfönüd)  gefannt  unb  fetjr  gefcfjäfct,  fam  im  September  1824 
nad)  SBien,  um  33eelb,oüen  pevjönlicf)  fennen  ju  lernen.  3>n  3>ab,r  1826 
t)at  er  fämmt  liebe  23er fe  Don  £>aenbel  in  40  golio=23änben  unferm 
sDleifter  jum  ©eftfjenf  gemalt,  toobei  biefer  nur  eines  ju  bebauern  gehabt, 
ba%  er  au§  Mangel  an  föenntniß  ber  englifcfjen  Spraye  2ejt  unb  SKufif 
ju  Dergleichen  aufeer  Stanb  getoefen.  2>ennocfj  mar  bie  greube  an  tiefem 
in  jeber  Schiebung  febr  roertbooflen  öefebenfe  eine  große.  3"  &*r  2?er= 
fteigerung  ber  mufica(ifd)en  SSerfe  au§  23eetl)ot>en'$  Sftadjlaffe  erftanb  2obta§ 
^aßlinger  bie  gange  Goüection  für  ein  tjunbert  ©ulben  in  Gönn.  SJcünje, 
bie  beim  Stnfaufe  in  (Jnglanb  nafje  an  fieben^ig  $f.  Sterling  gefofiet. 
StefeS  eine  33eifpiel  jeigt,  um  roeldjen  $rei§  ©egenftänbe  Oon  minberm 
23ertb,e  in  jener  Skrfteigerung  lo3ge|cf)lagen  roorben. 


—     481     — 

§u  ermarten  Ijabe.  2Bo  foEC  ba$  J)in,  unb  ma§  fot£  aug  mir 
merben,  menn  eg  nod)  einige  $eit  f°  fort  Q^?  SBa^rtid^, 
€Üt  fe6»r  partes  Soog  fjat  mid)  getroffen!  ©od)  ergebe  id)  mid) 
in  bie  Fügung  beä  ©djidfatg,  unb  6itte  ©Ott  ftetg  nur,  er 
möge  eg  in  feinem  göttlichen  3latf)fdj(uJ3  fo  lenfert,  bafj  id),  fo 
lange  id)  nod)  ijier  ben  S£ob  im  Seben  erletben  muß,  öor 
Mangel  aefdjüfct  »erbe.  S)ie3  mürbe  mir  fo  oiet  Äraft  geben, 
mein  Soog,  fo  fyart  unb  fdjrecfttdj  eg  immer  fetjn  möge,  mit 
(Srgebentjeit  in  ben  2Sitlen  beg  Sttterfjödjften  ju  ertragen.  — 
Rummel  ift  tjier."*) 

Staunt  mar  biefeg  ©djreiben  ber  Sßoft  übergeben,  alg  ein 
23rief  öon  SJcofdjeteg  u.  ©tumpff  de  dato  Sonbon,  1.  SOZär^, 
einlief,  ber  unferm  Äranfen  bie  9Jce(bung  brachte,  me(d)  tiefen 
(Sinbrnd  feine  ,ßufd)rift  öom  22-  $eDruar  bafetbft  erzeugt. 
(Srfterer  metbete  nod)  ingbefonbere  golbenbeS:  „£)ie  ©efeßfdjaft 
oefd)(of3  bafyer  Sfmen  ifyren  guten  Söttten  unb  bie  rege  %\)<t\U 
ualune  baburd)  5U  beäeigen,  inbem  fie  Sie  bittet,  fjunbert  *ßf.  <St. 
(1000  ©utben  in  ßon.  3K.)  tion  Hjr  an^unefjmen,  um  fid)  batnit 
alle  nötigen  SBebürfniffe  unb  Sequemtid) feiten  mätjrenb  Sfjrer 
$ranf(jeit  §u  tierfdjaffen.  2)iefeg  ©efo  mirb  ^perr  9t au  tiom 
§aufe  (Sgfeleg  Sfynen  ttjeitroeife,  ober  menn  ©ie  eg  münfd)en, 
auf  einmal  gegen  Sljre  Quittung  übergeben."  ferner  be= 
uadjridjtigt  nod)  9Jcofd)eteg  ben  franfen  Sfteifter,  bafj  bie  $ßt)i(= 
fjarmonifdje  ©efeßfcfyaft  gerne  gu  ferneren  SDienften  bereit  fet), 
unb  Söeetfjoöen  möge  begljatb  nur  fdjreiben,  menn  er  meitertjiu 
nod)  bebürftig  fetin  fottte. 

%m  Sage  nadj  ©rfjatt  biefer  100  ^f.  @t.  (18.  aJcürj) 
bicttrte  mir  iöeetrjoDen  9rad)fte()enbeg  an  9Jcofd)efeg  in  bie  $eber: 

„9)cit  metdjen  ©efüt)(en  id)  Sfjren  2ktef  üont  1.  9ftär^ 
burdjtefen,  faun  tdj  gar  nidjt  mit  Sßouten  fdjitbern.   S)er  Gübet* 


*)  ©in  mtttf)eiten§roertf)er  SSorfaE  Beim  erften  Söefitd^,  ben  §iunmel 
unferm  Reiftet  machte,  fott  unter  ben  „Sfjavactersügen  unb  Eigenheiten" 
einen  $la£  finbeit. 

8t.  ©cütnolcrd  3Scetljoticii=23ioc;va})I)tc.  3^ 


—     482     — 

mutlj  ber  $ßrjüt)armonifd)en  ©efeUfdjaft,  mit  bem  man  meiner 
Sitte  beinafje  guborfam,  rjat  mict)  in  ba$  Snnerfte  meiner  Seele 
gerührt.  Sdj  crfudje  Sie  baljer  lieber  9Jtofd)ete<§,  baS  Drgan 
gu  ferjn,  burdj  metdjeS  id)  meinen  innigften  ©an!  für  bie  be- 
fonbere  2t)eitnat)me  nnb  Unterftütmng  an  bie  pljitt).  ©efeüfcbjaft 
gelangen  (äffe.  —  3d)  fonb  midj  genötigt,  fogteid)  bie  gan>,e 
Summe  bon  1000  ©utben  ©.  93c.  in  ©mpfang  §u  nehmen,  in= 
bem  id)  gerabe  in  ber  unangenehmen  £age  mar,  (Mb  aufgu* 
nefjmen  .  .  .  9J?öge  ber  §tmme(  mir  nur  redjt  batb  mieber 
meine  ©efunbbjeit  fdjenfen,  nnb  id)  merbe  ben  ebetmütfyigen 
(Sngtänbern  betoeifen,  mie  fet)r  id)  it)re  Stjetfnarjme  an  meinem 
traurigen  (£cf)td;fal  $u  mürbigen  meifj.  —  S>f)r  ebte§  Senetjmen 
mirb  mir  unöergefjlid)  bleiben,  fo  mie  id)  nod)  insbefonbere  Sir 
Smart  unb  £>errn  Stumpff  meinen  S)anf  näd)ften§  nad)tragen 
merbe.  SDte  metronomifdje  neunte  Sinfonie  bitte  id)  ber 
pfjilfyarm.  ©efeüfcfjaft  gu  übergeben.  §ier  liegt  bie  53e5eid)nuug  bei. 

St)r  Sie  fjodj)d)ät}enber  greunb 
Seettjouen  m.  p. 

3tu§  meinem  ^Briefe  an  2ftofd)ete§,  (norftetjenbem  beigelegt) 
beffen  ßmeef  mar,  bie  Sonboner  greunbe  auf  bsn  natjen  -tob 
be§  9D?eifter3  üorgubereiten,  mögen  nur  einige  (Stellen  angeführt 
merben:*)271)  „©er  23rief  an  Sie  üom  18.  b.  ift  mörttid)  üon 
itjm  bictirt,  unb  nmt)(  fein  letzter.  (@r  ift  e§  in  berStjat!)  feilte 
ftüfterte  er  mir  nod)  §u:  „5üt  Smart  unb  Stumpff  fdjreiben." 
Söirb  e§  mögtid),  ba|3  er  biefe  ^Briefe  nod)  unterzeichnen  fann, 
fo  foll  e3  morgen  gteid)  gefdjebjen.  ((£3  mar  nidjt  metjr  möglid), 
batjer  folgte  id)  feinem  Sertangen,  unb  ttjetlte  beiben  mürbigen 
Scannern  ben  Sant  Seettjoüen'S  fogteid)  nad)  beffen  ^nnfdjeiben 
mit.)    @r   füf)tt   fein   ©nbe,    benn   geftern    fagte   er   mir   unb 


*)  Um  ben  SSerlauf  ber  23egebenb>iten  ju  bcobadjten,  bielt  id)  für  gut, 
ben  23eett)ot>en'jd)en  5örief  Dom  18.  Wax^  einige  läge  fpäter  abgeben  ju 
laffen. 

271)  Der  Brief  folgt  noch  im  Anhange.  A.  d.  H. 


—     483     — 

25reuning:  Plaudite  amici,  comoedia  finita  est.272)  ®ie  legten 
Sage  roaren  roieber  überaus  merfroürbig;  mit  toatjr^aft  fotratifcfjer 
S93ei§rjeit  unb  großer  ©eetenrurje  fie^t  er  bem  Stob  entgegen. 
3Iud)  roaren  mir  geftern  fo  gtüdücfj,  mit  bem  Seftamente  in 
Crbnnng  §u  tommen.  2)rei  Sage  nacfj  ©rtjalt  irjreö  23riefe3 
mar  er  anwerft  aufgeregt  unb  moEte  mieber  bie  ©fi^en  §ur 
gefjnten  ©infonie  rjaben,  über  bereu  Vßlan  er  mir  tiiel  fagte. 
(Sr  beftimmt  fie  feft  für  bie  titjitrjarmonifdje  ©efetlfcfjaft.  üöie 
fid)  biefe§  SSert  je|t  in  feiner  tränten  Sßrjantafie  geftattet,  fo 
bürfte  e§  ein  mu[icalifct)e§  Ungeheuer  merben."  it.  f.  m.273) 

@§  mar  aucfj  am  18.  äftärs,  al3  SBeetrjotien  micrj  erfudjte, 
für  SDebtcation  feinet  legten  Duartettä  in  F  dur  forgen  yd 
motten  unb  einen  feiner  mürbigften  greunbe  tjierju  51t  märjten. 
2)a  icfj  mufjte,  mie  rjod)  er  ben  SSiener  Kaufmann  Sofjann 
SSotfmarjer  tiereljrte,  unb  biefer  e§  in  merjrfacfjer  SSegierjung 
um  itm  tierbient  rjatte,  (er  mar  einer  ber  ftiüften  aber  förbernbften 
©önner  unfer§  ÜDceifter§)  fo  geigte  id)  biefen  tarnen  halb  barauf 
ber  Sßertagäfjanblung  an.  SSolfmatjer  befanb  ftd)  im  SBefitje 
einer  anferjntidjen  3af)I  äftanufcritite  tion  großen  SSerfen  53eet= 
fjotien'3.  Sriefe  Srjatfadje  marb  erft  um  1850  befannt,  a(§  biefe 
Sftanufcritite,  ^ur  $eit  bereite  in  ben  93eft§  üon  beffen  Neffen 
übergegangen,  meiftbietenb  in  SSien  tierlauft  unb  5U  fefjr  geringen 
greifen  fjtntangegeben  morben. 

^adjbem  ber  Stteifter  am  24.  SWärj  9#orgen3  auf  fein 
Verlangen  bie  rjeitigen  ©terbefalramente  mit  marjrer  Grbauung 


272)  Man  sehe  „Die  letzten  Worte  des  sterbenden  Beethoven", 
die  ich  mehrfach  zusammengestellt  habe,  u.  a.  im  Neudruck  „Aus  dem 
Schwarzspanierhause"  S.  155f.  —  Vgl.  den  Aufsatz  „Die  letzten  Worte 
des  sterbenden  Beethoven"  in  der  Unterhaltungsbeilage  des  Berliner 
„Lokalanzeigers"  vom  4.  Mai  1899.  Man  sehe  auch  „Lenz,  Beethoven" 
Neudruck  S.  104 f.  A.  d.  H. 

273)  Soweit  die  Skizzen  zur  Zehnten  Symphonie  durch  Hirsch- 
bach in  seinem  Eepertorium  vorliegen,  femer  die  Skizzen  davon  durch 
Schindler,  soweit  lassen  Sie  nichts  von  einem  „musikalischen  Ungeheuer" 
verspüren.  A.  d.  H. 

31* 


—     484     — 

empfangen  l)atte,  geigten  fid)  bereits  gegen  1  Ut)r  SO^tttag^  bie 
erften  Slngeidjen  feiner  9(ufiofung.  (Sin  furdjtbarer  Stompf 
gmifdjen  Stob  unb  Seben  begann  (motjt  in  $o(ge  feinet  ftarfen 
SleroenftiftemS,  lote  foldjeS  feiten  einem  9ftenfd)en  gu  Xljetf 
mirb)  unb  märjrte  ol)ne  Unterbrechung  fort  bis  jum  26.  SRärs 
ein  Giertet  oor  6  lltjr  $lbenb§,  als  ber  grofte  Stonbidjter 
luäljrenb  eines  ftarfen,  unter  gewaltigem  £)age(fci)(ag 
fiel)  enttabenben  ©emitterS  —  ben  ®eift  aufgegeben  — 
56  $at)re,  3  Monate  unb  9  £age  alt. 

©er  ©lücfUcfje,  ber  unferm  greunbe  in  ber  £obe3ftunbe 
bie  5lugen  gubrücfen  getonnt,  mar  ber  a(§  (Sompontft  gefd)ä£te 
SUJufiffreunb  2Cnfetm  <püttenbrenner  auS  ©ratj  in  ©teuer* 
marf,  ber  nact)  SGSien  geeilt,  um  23eett)ouen  notf)ma(3  §u  fefjen. 
©reuning  unb  ber  SBerfaffer  Ratten  fid)  am  Nachmittage  roegen 
Ermittelung  eines  geeigneten  $ß(a£e£  3ur  (elften  Nufjeftätte  nac£) 
bem,  bem  2)orfe  2Särjring  §ugel)örigen  $riebt)ofe  begeben,  unb 
mürben  burdj  ba$  ©emitter  an  ber  fcrjueüen  9^ücffet)r  oerrjinbert. 
SBir  betraten  bie  ^ranf'enftube,  als  man  unS  gurief:  „e£  ift 
OotIbrad)t!*)" 

2)ie  §(norbnungen  ju  einem  feierüdjen  Setdjenbegängniffe 
fyaben  ©tept)an  oon  S3reuning  unb  ber  SSerfaffer  getroffen,  ben 

*)  Sn  8.  33.  SKars'  Seeffjoöen  finbet  fid)  II,  329,  gemtß  in  golge 
einer  öon  Slnfelm  föüttenbrenner  irgenbroo  gemadjten  2lu3fage  bie  2ftit= 
Teilung,  al§  Ijabe  biefer  unb  ber  Slr^t  SjSarorud)  53eett)oöen  gebeten,  fid) 
mit  ben  Jjeü.  6terbefaframenten  üerfetjen  gu  laffen,  unb  nad)bem  biet  ge* 
[diesen,  t)abe  53eetf)ot>en  ju  £mttenbrenner  unb  ben  urnftetjenben  greunben 
bie  SBorte  gefprodjen:  „Plaudite  amici,  coinoedia  finita  est!  |>ab'  id)'§ 
nid)t  immer  gefügt,  bafe  e§  fo  fommen  roirb?" 

hierauf  muß  erroibert  werben,  bafj  §err  21.  §üttenbrenner  für  53cet= 
tjoüen  eine  gauj  unbefannte  $erfon  getuefen,  unb  g-rembe  in  ben  leftten 
jmei  Sodjen  ntd)t  meljr  jugetaffen  worben,  rua3  Dr.  t>.  JBrenning  bezeugen 
fann.  §err  §üttenbrenner  begnüge  fid)  mit  bem,  moJ  ber  Unfall  §ir>ifd)en 
itjm  unb  bem  an§  bem  Seben  fdjeibenben  2onbid)ter  —  wie  eben  gemelbet 
—  mirHid)  jur  3Sar)rtjeit  gemadjt.  53ei  feinem  i£rfd)einen  in  SBien  unb 
im  ©terbefyaufe  jaulten  mir  unfern  greunb  fd)on  ju  ben  lobten,  batjer 
■Ffrembeu  ber  Eintritt  geftattet  werben  tonnte. 


—     485     — 

muficatifdjen  £ljett  aber  beforgte  ber  23er(eger  S£obia3  §a3tinger. 
3Me  23eerbigung  fanb  am  29.  ättär^  be3  9?ad)mittag§  ftatt.  £er 
SBatjre  folgten  junädjft  Sodann  üan  35eett)oben  nebft  feinem 
©dimager,  einem  miener  23ädermeifter;  an  biefe  fdjtoffen  ftdj 
an  ber  faif.  roirftidje  ipofratf)  öon  Söreuning  mit  feinem 
©ofyne,  bem  nunmehrigen  SD?ebi§tner,  unb  ber  SBerfaffer  biefe§ 
S3udje3,  al§  „Seibtragenbe".  2)a§  SSa^rtudj  trugen  sur  SRedjten 
bie  (SapeKmeifter:  ©tjbler,  Rummel,  ©etjfrieb  unb  Hreutjer; 
gur  Sinfen  bie  ßaüettmeifter  SBeigl,  ©tyromets,  ©ä'nSbadjer 
unb  SSürfel.  SBoIjI  an  gmangigtaufenb  SRenfrfjen  Ijaben  bem 
ßug  öon  ber  SSoljnung  be§  großen  lobten  bi§  §ur  ^ßfarrfirdje 
in  ber  Stifter* SBorf tabt,  mo  bie  (Sinfegnung  erfolgte,  ba§>  (Meite 
gegeben.  £>a3  ©rab  auf  bem  SSäfyringer  ^riebfyofe  begeidjnet 
ein  ©tein  in  Sßtjramtbenform,  morauf  bto§  gu  tefen:  „23eet~ 
rjoben."274) 

<S§  wirft  mit  2flad)t  ber  ebte  Mann 

^afirbunberte  auf  fetne§  ©feigen: 

®enn  ma$  ein  guter  9QJenfd)  erreichen  fann, 

3ft  nicbt  im  engen  Kaum  be§  2eben§  ju  erreidjen. 

©rum  lebt  er  aud)  nad)  feinem  ü£obe  fort, 

Unb  ift  fo  nnrffam,  als  er  lebte; 

Sie  gute  Sfiat,  ba§>  fcböne  SSort, 

(£§  ftrebt  unfterbtidj,  wie  er  fterblid)  ftrebte. 

©o  lebft  aud)  bu  burd)  ungemeff'ne  Qtit 

©eniefee  ber  Unfterblicbfeit! 

©oetfie. 


274)  Beethovens  sterbliche  Überreste  ruhen   nunmehr   auf  dem 
Wiener  Zentralfried hofe.  A.  d.  H. 


I.  9(u§  beut  D&buctum§*$eritf)t. 

?Im  27.  SDcärj  fjat  Dr.  Sofjann  SBagner  bie  Cbbuction 
an  ber  Seidje  23eett)onen'!§  üorgenommen  unb  barüber  einen 
23erid)t  beröffentüdjt.  Ueber  ben  23efunb  be§  ©etjürorgan* 
unb  ©d)äbetbaue§  fbrid)t  fidj  berfelbe  mit  ben  Porten  au3: 
„^ie  ©efjörnerüen  maren  §ufammengefd)rumbft  unb  marftos; 
bie  läng§  benfelben  berlaufenben  ©ef)ör=Sd)(agabern  maren  mie 
über  eine  9xabenfeberfbute  au3gebetjnt  unb  fnorpetidjt.  S)er 
Knie,  fiel  bünnere  §örneröe  entfprang  mit  brei  fefjr  bünnen, 
graulichen,  ber  rechte  mit  einem  ftärteren,  kttroeiften  Streifen 
au§  ber  in  biefem  Umfange  biet  confiftenteren  unb  blutreidjeren 
©ubftang  ber  inerten  ©eljirnfammer.  2)ie  3Sinbungen  be§  jonft 
biet  meidjeren  unb  mafjerljältigen  @et)irn2>  erfcljienen  nod)  mal 
fo  tief  unb  (geräumiger)  gafjlreidjer  aU  getrjötjntict).  2>as  8d)äbet= 
gemötbe  geigte  burd)ge£)enb<§  grofte  ©idjtljeit  unb  eine  gegen  einen 
fjalben  3°ö  betragenbe  2)ide."275) 


275)  Eingehender  über  die  begleitenden  Umstände  bei  der 
Obduktion  der  Leiche  Beethovens  spricht  sich  G.  v.  Breuning  aus 
(1.1.  S.  165f.).  Da  heißt  es  über  das  Verfahren  Dr.  Job.  Wagners, 
des  Vorgängers  Rokitanskys:  „Zur  genauen  Untersuchung  der  seit 
so  lange  schon  verödeten  Gehörorgane  des  Titanen  im  Reiche  der 
Töne  wurden  beiderseits  die  Felsenteile  der  Schläfenknochen  durch- 
wegs ausgesägt  und  mitgenommen".  Hofrat  Hyrtl  erzählte  an 
Dr.  v.  Breuning,  „er  hätte  diese  Gehörorgane  damals,  als  er  selbst 
noch  Student  war,  in  einem  zugebundenen  Glase  geraume  Zeit  hin- 
durch bei  dem  langjährigen  Sektionsdiener  Anton  Dotter  stehen 
gesehen  —  später  seien  sie  verschollen",  a.  a.  0.  S.  166.       A.  d.  H. 


—     487     — 

II.  Seftamentc  unb  3>crmögcit§jtcnb. 

Unfer  SDMfter  tjat  in  feinen  legten  Sagen  510  ei  Scfta* 
mente  abgefaBt,  feinem  jcbod)  ba§  Saturn  beigefetjt.  Sa3  Saturn 
be3  streiten  bürfte  ber  20.  ober  21.  SJMrj  fetm;276)  biefe§  würbe 
in  23reuning'§  unb  meinem  SBeifetjn  niebergefcfjrieben  unb  ^war 
auf  ©runb,  weit  Kurator  unb  sDHt=5Sormunb  mit  bem  Sßortfaut 
be§  um  ben  15.  ober  16.  SKärg  abgefaßten  nicfjt  einöerftanben 
fel;n  fonnten.  Sa  biefe  Angelegenheit  nid)t  ofyne  djarafteriftifdjeä 
Sntereffe  ift,  fo  fotl  fte  umftänbtid)  miigettjeUt  Werben.  —  Sie 
Abfaffung  be§  erfteren,  in  Briefform,  „%n  £>errn  Dr.  SBadj" 
gerichtet,  tautet  wörttidj: 

„üßereljrter  $reunb,  3?d)   erftäre  cor  meinem   Stöbe  (Sart 

üan  S3eetf)ooen,   meinen   geliebten  üfteffen,   al§>  meinen   einzigen 

Uniüerfalerben  oon  meinem  feab  unb  ©ut,  worunter  Ijauptfädjtid) 

7  ©anfactien,  unb  ma$  fid)  an  SSaarcm  oorfinben  wirb.    ©oEten 

bie  ©efetje  tjier  SJfobificationen  tiorfcfjreiben,  fo  fnct)en  ©ie  fetbe 

fo  fefjr  ai§>  mögtidj  $u  feinem  SBortfyeite  §u  öerwenben.  —  ©ie 

ernenne  idj  ftu  feinem  Surator  unb  bitte  ©ie  mit  §ofratf)  23reuning, 

feinem  Sßormunbe,   SBaterftefle   bei   ifjm  §u   Oertreten.  —  ©Ott 

ermatte  ©ie  —  taufenb  Sanf  für  S^te  mir  bewiefene  Siebe  unb 

$reunbfdjaft." 

Submig  üan  23eetf)otien.  m.  p.277) 

(L.  S.) 

SBeit  biefe§  Seftament  {"einerlei  ©infcfjränt'ung,  nodj  S5or= 
fidjtämafsreget,  t)infid)t(id)  be3  Uniferfalerben  enttjätt  unb  biefer 
nad)  beenbigter  SSertaffenfdjaftSabrjanbtung  fofort  in  ben  93efi|3 
be§  ©äugen  Jjätte  gefetjt  werben  muffen,  $8ormunb  aber  unb 
(Surator,  in  S3etracr)t  be3  ejemptarifdjen  Setd)tfinne§  biefeS  @rben, 


276)  Nach  Gerh.  v.  Breuning  „Aus  dem  Schwarzspanierhause", 
Neudruck  S.  159,  ist  das  letzte  Testament  Beethovens  vom  23.  März 
1827  datiert.  A.  d.  H. 

277)  Siehe  B.  S.  Br.  No.  1199  (V.  Band).  A.  d.  H. 


—     488     — 

attd)  in  beffen  ^ntereffe,  gercd)ten  ©intoanb  gegen  biefe  iefta* 
mentarifdje  SSeftimmung  %u  ergeben  ©runb  gehabt,  fo  matten 
[ie  bem  SJfeifter  ben  SBorfdjIag,  biefclbe  bat)in  abänbern  511 
motten,  bafc  ba§  ©rbgut  fibei=commiffarifd)  angelegt  unb  ber 
9ceffe  ben  3infenÖenui3  b^iet)en  fotte,  ber  nadj  beffen  3l6le6en 
auf  feine  efjelid)en  Sftadjfommen  überzugeben  tjabe.  2kett)ooen 
nannte  biefe  Stbänberung  2tnfang§  Vernünftig,  meit  begrünbet. 
^Höbalb  aber  fanb  er  eine  foldje  (Sinfdjränfung  feines  im  ^er^n 
immer  geliebten  Neffen  511  Ijart  unb  remonftrirte  bagegen,  ja 
er  mad)te  fogar  bem  Sreuning  SBormürfe  unb  nannte  it)n  ben 
©rfinber  biefer  l)arten  äftafjreget.  Gin  oon  23reuning'§  <panb 
oortiegenbe3  33riefd)en  an  Seettjooen  ^eigt  ben  <Stanb  ber  2)inge, 
oerljarrt  aber  in  gemeffenen  9lusbrüd'en  bei  ber  für  notJjmenbig 
erfannten  9J?afjreget.  Stfefe  ©pradje  fd)ien  bem  90?eifter  gu 
imponiren,  er  üerfprad)  nadj^ugeben.  Stuf  feinen  SBunfd)  legte 
iljm  SSreuning  ben  Sßorfcfjtag,  in  brei  Qcikn  abgefaßt,  oor,  unb 
ber  9J?eifter  madjte  fid)  fogleid)  an'§  Hbfdjreiben,  ba§>  iljm  nidjt 
Ieid)t  gemorben.  fertig  bamit  äufjerte  er:  „3)a!  nun  fd)reibe 
idj  nichts  metjr."  —  9?id)t  ot)ne  ©taunen  fatjen  mir  auf  bem 
Statte  bie  SSorte  „et)elid)e  9lad)t ommen"  in  „natürtidje  (Srben" 
umgeänbert.  SBreuning  feilte  irjm  auseinanber,  5U  roetdjen  (Streitig* 
feiten  biefe  SBeftimmung  in  ber  gotge^eit  führen  tonne;  Seettjooeu 
aber  entgegnete:  £>a§  eine  fet)  fo  oiel,  tote  baS  anbere,  e§  möge 
nur  babei  öerbteiben.  2)ieä  mar  fein  allerletzter  3Biber= 
fprucfj.  —  9lad)  (Srmägen  gmifdjen  Gurator  unb  Sßormunb, 
meldje  oon  ben  beiben  S3eftimmungen  oon  meniger  liebet  fet), 
entfd)ieben  fie  fid)  für  bie  erfte,  metdje  bann  ^ur  ©ettung  ge= 
brad)t  morben.  ©iefetbe  marb  mir  Oon  Dr.  23ad),  leiber  aber 
erft  nad)  (£rfd)eitten  ber  erften  9tu3gabe  biefer  ©djrift,  mit 
ber  magiftratifdjen  ^präfentation  unb  ^erbefdjeibung,  de  dato 
27.  9Mi"5  1827,  §ugefd)idt  unb  mirb  fammt  anbern  ©eridjtö* 
acten  aufbemaljrt  bleiben. 

Wlit  ber  £eftament3angelegenfjeit   fterjt   baZ  GrgebniB  ber 
SBertaffenfd)aft3abf)anblung  im  3uiamment)ange. 


—     489     — 

gufotge  2RitttjetIung  be§  ßuratorS  betrug  ba§  gange  5tctib* 
Sßermögen  an  S3aarfd)aftf  an  ®rtö§  für  beräufeerte  9Hobüten 
unb   DJhtficalien,  bann  an   fielen   ©tücf  Sanfactten,  in  Slüem 

unb  Sebem 10,232  ®u(ben  S.  Stf. 

®abon  mürben  bie  ^ajfttia  an  ßrattf* 
Ijeitä*  unb  Setdjenfoften,  fo  tote 
anbete  gerichtliche  ©ebütjren  ab- 
gezogen mit 1,213       — 

fo   bajj   ein   reiner   SJcacfjtafe    erübrigt 

mürbe  bon 9,019  ©utben  &  SO?. 

Dr.  S8a<$  begleitete  biefe  9ftittf)eilung  mit  nadjftetjenber 
2lnmerfung: 

„S)afe  biefer  geringe  Sßermögen^lDxadjtafe  bem  SSerbienfte 
biefe§  großen  9J?eifter§  nidjt  angemeffen  mar,  ift  mot)l  richtig, 
unb  mürbe  auf  feine  geitgenoffen  ein  fd)Hmme§  Sicfjt  merfen, 
menn  bie  Urfadjen  biefeS  ßuftanbeä  n^  ™  ^er  ®«if=  unb 
£)anbtung3meife  beffelben  gefudjt  merben  müßten.  (£r  mar  nur 
SMfter,  er  fannte  nur  bie  ftunft,  bie  SBortfjetfe  babon  tiefe  er 
SInbern  übrig."  — 

SBemerft  foll  aber  nod)  fetm,  ba%  im  borfteljenben  „reinen 
9?ad)(afe"  baZ  ©efdjenf  bon  1000  ©utben  ©onb.  ^ünge  au§ 
Sonbon  mit  begriffen  ift.  '£>iefe  fanben  fid)  bei  Ableben  23eet= 
fjoben'3  nod)  unberührt  bor.  S^act)  bem  SBorttaute  be3  üüiofcrjeteg1* 
fd)en  SSriefeS  bom  1.  9Mrg  9camen3  ber  püjifljarm.  ©efeHfd)aft 
mar  biefe  berechtigt,  genannte  (Summe  gurücf  gu  forbern.  ©ie 
tiefe  bie§faH3  mirflid)  (Schritte  tfjun,  meit  fie  biefetbe  nidjt  in 
ben  §änben  ber  unmürbigen  SSermanbten  be§  9fteifter§  miffen 
mollte.  allein  bei  ber  nad)  beffen  Stöbe  ftattgefunbenen  Sn* 
bentur  lam  orbnungSgemäfe  audj  biefe  Summe  in  geridjttidje 
23ertt>at)rung,  unb  fpäterfjin  miberfe^te  fid)  ber  Kurator  ifyrer 
9tüderftattung.  2)a  febod)  bie  Sonboner  ©efettfdjaft  beSljatb 
feinen  ^ßrogefe  beginnen  mollte,  fo  berblieb  bie  Sftaffe  in  it)rem 
ungeftörten  S3efi^e  —  gum  SSorttjeite  be§  Uniberfaterben. 


—     490     — 

III.   (Sin  Srief  tum  Stetem  oon  Söreutüng. 
©eftditämaafe  von  Sanljaufer. 

(£in  befonberS  nadjbrüdlid)  geäußerter  SSunfd)  33eerf)oVen'3 
mar,  bafj  23reuning  in  allen  nicfjt  vormunb)*d)aft(id)en  (£ad)<m 
gemeinfdjaftlid)  mit  bem  SBerfaffer  51t  SSerfe  getjen  fülle.  ©d)on 
bie  Angelegenheit  in  ^Betreff  feiner  23iograprjie,  tute  in  ber 
Einleitung  gegeigt  ift,  tief}  biefen  SSunfdj  in  iljm  entftefycn, 
^iimal  er  fid)  bie§faU§  im  Auguft  beö  Vorausgegangenen  3af)re3 
§u  einer  £)anblung  tjatte  Verleiten  [äffen,  bie  ungefcfjeljen  $u 
madjen  er  fid)  nun  §u  fdjtvad)  gefügt.  9cät)ere§  barüber  in  ber 
Ergänzung  „33eetl)OVen  unb  (Jart  Spolg."  derlei  Uebereitungen 
tonnten  nod)  anberer  Art  Verborgen  ferjn  unb  fpäterljin  erft 
§um  23orfd)ein  fommen.  9iod)  anbereä  ftanb  in  Auefidjt, 
Sertagsfadjen  betreffenb,  u.  f.  id.,  mo  33reuning,  Volte  9  Sarjre 
Von  33eetf)oVen  getrennt,  ben  mit  Allem  S3efannten  gu  9iatije 
5U  gießen  veranlagt  gemefen  märe.  9J?it  bem  vortreffüdjen 
(Sijarafter  be§  §ofratl)3  mar  ein  Abmeidjen  ber  50ceinungen 
!aum  benfbar.  Allein  bie  ÜBorfeljung  jjatte  e§  anberS  beftimmt. 
©d)on  gtvei  SKonate  nadj  23eett)OVen'3  £nnfd)eiben  ging  aud) 
SBreuning  au§  biefem  Seben.  S)er  (Sbfe  ftarb  an  gebrochenem 
^perjen  in  $olge  miebertjolter,  fdjjroerer  ^ränfungen  oon  Seiten 
feinet  SBorgefejjten,  eine<§  ^ringen  oon  ^ot)en3ollcrm£)ed)ingen, 
§ur  3e^  ^räftbent  am  §of4trieg§ratt),  eine§  9ftanne3,  ber 
fein  fjorjeS  Amt  im  mittefatterlidjen  ©eifte  vermaltet  rjat. 
23reuning   fjatte  ba§>  fünfsigfte  £eben3jarjr  !aum  überfcfjritten. 

Dr.  23ad)  lief;  fid)  nun  gur  SBarjl  eineä  23ormunb3  für 
ben  Steffen  23eett)oven'3  au§  Der  Sßermanbtfdjaft  oon  beffen 
Butter  beftimmen,  mag  rjödjüd)  3U  bebauern  gemefen.  3)ie£ 
mar  tjinreidjenber  ©runb,  bafj  id)  fernerhin  ntdjtö  merjr  mit 
jenen  Angelegenheiten  5U  ttjun  t)aben  fonnte.  %lid)t  2Benige§ 
märe  anber§  gekommen,  sDcand)e§  gar  nid)t,  menn  Q3reuning 
nur  einige  Saljre  nod)  am  Seben  geblieben  märe.  9)£el)rere3 
SBiditige,  audi  rein  SQhtficatifdjeö,  follte  gefdjerjen,  moäu  gemein^ 


—     491     — 

fdjafttidjeS  gufammenmirfen  ™  ^krbinbung  mit  bem  ©rafen 
Sftoriij  Sidjnotuioft.)  unb  (Sari  (ü^ernt)  erforberüdj  getoefen  roäre. 
—  $on  ben  nädjften  SBorfommmffen  nad)  £nnfd)eiben  unfcr3 
^reunbeö  mag  nur  baZ  erfte  angeführt  werben,  raeit  bamit 
ber  oben  angebeutete  SBunfd)  53eett)oüen'§  feine  23eftätigung 
erljätt.  £ag§  nad)  ber  erfolgten  ^ataftroptje  richtete  SBreuning 
nacrjftetjenbe  geilen  an  mid): 

,,©ie  Slntunbigung  ber  ©tunbe  ber  Seidjenfetier  unfereö 
üerfcrjiebenett  greunbeä  gefdjietjt  morgen  ober  bodj  genrifc  über= 
morgen  im  83eobad)ter,  unb  nielleicfjt  aud)  in  ber  Söiener  Rettung, 
ftatt  jeber  anbern  ^ßarte.  Set)  tjabe  barüber  an  §erm  ö.  9ku 
gefcrjrieben  unb  guftimmenbe  Antwort  ermatten. 

borgen   früt)   njünfdjt    ein    gewiffer    ©antjaufer   einen 

©t)p3abbrucf  oon  ber  Seidje  511  nehmen;  in  5,  IjödjftenS  8  SOänuten 

mit!  er  bamit  fertig  fetm.    <2d)reiben   (Sic  mir  mit  Sa  ober 

9?ein,   ob   icr)    es»   gugeben   foH.    ©oldje    Slbbrüde   werben   bei 

berühmten   Männern    oft   jjugefaffen,   unb    ba§>   nidjt  gutaffen 

tonnte  nadjljer  als   eine  Seeinträdjtigung  be§  SßubticumS  an= 

gefer)en  werben. 

2Bien,  ben  27.  äRära  1827.  „        .      „ 

33reuntng." 

tiefer  ©tjpSabbrudE  (oon  bem  fpäter  at3  95ilbt)auer  be= 
rütjmt  geworbenen  2)ant)aufer)27S)  ejiftirt.  S)a§  tjier  bei* 
gegebene  gaefimite  ber  Sreuning'fdjen  ßufdjrift  foll  barauf 
aufmerffam  machen,  äugteid)  bie  (Sdjriftjüge  be£  bem  grofjen 
^onbidjter  fo  lange  Satyre  treu  gur  ©eite  geftanbenen  $reunbe§ 
neben  feinen  beroarjren. 


278)  Zur  Persönlichkeit  D  a  n  h  a  u  s  e  r  s  ist  zu  vergleichen 
Th.  Frinimels  Studie  „Josef  Danhanser  und  Beethoven",  Wien  1892; 
ferner  Thayer-Deiters  „Beethoven",  V.  Band,  S.  494.         A.  d.  H. 


—     492     — 

IV.  Sßcr^ct^ttiß  in  biefe  Sßeriobe  faKenber  SBerfe. 

(Dbgteid)  einige  ber  in  biefem  SSerjeic^nife  angeführten 
SBerle  bereits  in  bem  ber  §roeiten  Sßeriobe  antjängenben  er* 
fdjeinen,  fo  bürfen  biefetben  im  üorHegenben  rndjt  fehlen,  roeit 
itjre  Veröffentlichung  in  ber  brüten  erfolgt  ift.) 

A.  (öefangmitlik. 

Op.  123.  Missa  solemnis.  (Srfte  Shiffüljrung  1824, 
erfdjien  1827  bei  ©tfjott.*) 

Op.  113.  114.  Sie  Ruinen  üon  Sitten,  @ebid)t  bon 
Süiguft  bon  ®o|sebue.  (Sin  $eft=  unb  Dcadjfpiet  mit  (Sfjören 
unb  ©efängen;  erfte  Stuffüfjrung  Bei  ©röffnung  be§  großen 
£t)eater§  §u  $ßeftlj  1812  unb,  mie  fct)on  au§  ber  —  gemiB 
feftfamen  boppetten  Dpu^a^t  gu  entnehmen,  in  berfctjiebenen 
Zeiträumen  tljeitmeife  erfcfjienen  bei  Strtaria. 

Op.  112.  SDceereSftiüe  unb  gtürf(icf)e  5a*)rt-  ®e= 
biegte  bon  ©oetfje.  gür  4  ©ingftimmen  mit  Begleitung  be§ 
DrdjefterS,  aufgeführt  jum  erften  9)cal  1815,  erfct)ien  1822 
bei  ©teiner  u.  ßomp.280) 

Op.  116.  £ergett,  „Empi,  tremate."  $ür  (Sopran, 
£enor  unb  Saft;  gefctjrieben  unb  aufgeführt  1814,  erfct)ten  1826 
bei  §a§tinger. 


*)  ©ie  Gorrectur  be§  2)rude3  fotuofjf  öon  ber  Missa  wie  öon  ber 
9.  Sinfonie  bat  ber  geniale  unb  gelehrte  gerbinanb  Seffler  ju  §ranf= 
fürt  am  9ttain  beforgt.  f  1856.  ©ein  SSerbienft  um  bie  beiben  SBerfe 
erbeifdjt  gerechte  Stnerfennung.  Seetljoöen  fjat  ibn  für  bie  forgfältige 
Gorrectur  ber  Sinfonie  eigenljänbig  belobt.279) 

279)  Über  den  Komponisten  Ferd.  Keßler  vgl.  den  Brief  an 
Brentano  vom  Jahre  1817  in  B.  S.  Br.  No.  627,  Erklärungen,  III.  Bd. 

A.  d.  H. 

280)  Zu  den  genauen  Nummern  und  Titulaturen  von  op.  113 
und  114  siehe  G.  Nottebohm,  Thematisches  Verzeichnis  usw.  II.  Aufl. 
1864,  unter  op.  113  und  114.  A.  d.  H. 


—     493     — 

Op.  118.  ©tegifdjer  @efang.  $ür  4  ©ingftimmcn 
mit  Begleitung  tion  2  Violinen,  Biofa  unb  BiolonceHe,  ober 
be§  ^ßianoforte,  ersten  1827  bei  £a§tinger. 

Op.  108.  $ünf  unb  äroan^ig  fdjottifdje  Sieber  mit 
beutfdjem  unb  englifd)em  £ert  $ür  eine  Singftimme,  begleitet 
oon  ^ianoforte,  Biotine  unb  Biotoncello  obligat,  erfctjien  1825 
bei  <2d)tefinger. 

Op.  121b.  Dpf erlieb.  ©ebid)t  üon  2J?attrjifon.  $ür 
eine  «Singftimme  mit  ©fjor  unb  Drcfjefter,  erfdjien  1826  bei 
<2rf)ott. 

Op.  122.  BunbeStieb.  ©ebidjt  Oon  ©oetrje.  $ür  2 
©ofo=  unb  3  ßt)or=<Stimmen  mit  Begleitung  oon  2  (Klarinetten, 
2  §örnern  unb  2  gagotten,  ersten  1826  bei  ©djott. 

Beibe  borfterjenbe  Sieber  finb  1822  für  ben  Stenoriften 
©rjterg  ^u  bcffen  Benefice=<5oncert  in  ^refcburg  gefdjrieben 
roorben.281) 

Op.  136.  ©er  glorreiche  5tugenbtid.  ©antäte.  @e= 
bicfjt  öon  Sßeifjenbacfj.  $ür  4  ©ingfiimmen  unb  Drdjefter, 
aufgeführt  1814,  erfdjien  um  1836  bei  §a§linger. 

SSeil  ber  2Bei§enbad)'fd)e  ü£e$t  ^um  Belmfe  ber  $efttid)feiten 
gu  (Streit  ber  gum  Songreffe  1814  in  2Sien  berfammelten 
9)conard)en  gebid)tet  roar,  fo  fanb  fid)  bie  Bertag3fjanb(ung  im 
Sntereffc  ber  ©emeinnütjigfeit  be§  SßerfeS  oeranlafet  il)n  gu 
bejeitigen,  unb  eine  ©idjtung  bon  $riebricfj  9?od)tit3,  „$ret§ 
ber  5t on fünft",  ber  90?ufif  unterzulegen.  2)iefe(be  ®id)tung 
marb  bereite  1822  burct)  S^ocrjtüj  felber  unferm  Beetljouen  gur 
(Sompofition  borgelegt. 

Op.  98.  3(n  bie  ferne  ©eliebte.  ©in  SieberfreiS, 
bon  2ltob§  Settete§  gebietet,  gür  eine  ©ingftimme  mit  Be= 
gleitung  be§  ^ianoforte,   erfdjien   1816   bei  «Steiner  u.  Somp. 


281)  Diese  Behauptungen  Schindlers  sind  sehr  angezweifelt,  wie 
schon   früher    bemerkt   wurde,    cf.  Thayer- Deiters  IV.  Band,    S.  472. 

A.  d.  H. 


—     494     — 

B.  3n|irumentalmiirtk. 

(Sinfonien. 

üfto.  7.  (Sinfonie  in  A  dur  Op.  92.  (Srfte  9(uffüfyrung 
1813;  erfd)ien  1816  bei  Steiner  u.  ßomp. 

üfto.  8.  (Sinfonie  in  F  dur  Op.  93.  (Srfte  Sluffürjrung 
1814;  erfcfjien  1817  bei  «Steiner  u.  ßomp. 

9ro.  9.  (Sinfonie  in  D  moll,  mit  (Sd)ilter3  £)be  an  bie 
greube.  Op.  125.  (Srfte  Stuffüfjrung  1824;  erfcfjien  1826  bei 
©djott. 

Duöertüren. 

Op.  115  in  C  dur.  ©efdjrieben  unb  aufgeführt,  orjne 
jeben  23eifat3  jum  S£itet,  1815. 

3m  Safjre  1818  erhielten  bie  Äünfttcr  2tfarjfeber,  SftofdjeteS 
unb  ©iuüani  biefe  Duüertüre  bon  ber  $ertag§t)anb(ung 
©teiner  u.  (Somp.,  bie  bereite  im  SBefifc  be§  SftanufcriptsS  gewefen, 
gum  S3et)ufe  einer  5Iuffüi)rung  in  tljrem  gemeinfdjaftüdjen 
(Soncert  am  10.  äftai.  33ei  biefer  Gelegenheit  erfcfjien  ba<3  äöetf 
auf  bem  9(nfd)tag5ettei  mit  bem  53eifat;e  „ä  la  Chasse",  wogegen 
aber  ber  (Somponift  proteftirt  fjat.  2>er  23eifat3  „9?amen<3feier", 
mit  meinem  biefe  Duüertüre  in  ben  neueften  Katalogen  auf= 
geführt  erfd)eint,  ift  eben  fo  menig  autfjentifct),  a(3  ber  üor= 
benannte.    S)a§  Söerl  ift  um   1830   bei  £m3iinger   erfcfjienen. 

Op.  117,  in  Es  dur.  3U  oem  nngarifdjen  9cational= 
©cfjaufpiete  „König  (Stephan,  Ungarn^  erfter  2öot)(tt)äter", 
bei  ber  (SröffnungSfeier  be§  ^eftfjer  ^fjeaterä  1812  aufgeführt; 
erfcfjien  um  1828  bei  §a3linger. 

Op.  124  in  C  dur,  mit  ber  2)oppelfuge.  „gur  2Beit)c 
beg  §aufe3."  53ei  Eröffnung  be3  neuen  Sofepfjftäbter  £fjeater§ 
in  Sßien  1822  aufgeführt,  erfcfjien  1826  bei  (Scfjott. 

Op.  138,  in  C  dur.  $u  gibelio  1805  getrieben,  jebodj 
befeitigt.  2)ie  erfte  Sluffüljrung  fanb  (Statt  in23ernfjarb9tom  = 
berg'ö  (Soncert,  gebruar  1828,  in  SSien;  fie  erfcfjien  im  SDrud 
um  1830  bei  t<Qa3iinger. 


—     495     — 

Op.  97.  ©rofeeS  £rio  in  B  dur  für  ^ianoforte, 
Violine  unb  SBioIonceü,  erfte  Sluffüfjrung  1814,  erfdjien  1816 
bei  ©teiner  u.  (Somp. 

Op.  102,  C  unb  D  dur.  ßroei  (Sonaten  für  $ßiano  = 
forte  unb  SSiotonceü,  erfdjien  1817  bei  (Simrotf. 

(Sonaten  für  ^ianoforte  adein. 

Op.  90,  E  moll,  erfdjien  1815  bei  Steiner  u.  Komb. 

Op.  101,  A  dur,  erfdjien  1816  bei  Steiner  u.  ßomp. 

Op.  106,  B  dur,  erfdjien  1819  bei  SIrtaria. 

Op.  109,  E  dur,  erfdjien  1822  bei  Sdjlefinger. 

Op.  110,  As  dur,  erfdjien  1823  bei  Sdjlefinger  unb  bei 
©iabefli. 

Op.  111,  C  moll,  erfdjien  1823  bei  Sdjlefinger  unb  bei 
©iabeüi. 

Op.  120.  33  Söeränberungen  über  einen  2Bal5er 
oon  ©iabeHi,  für  ^Sianoforte,  erfdjien  1823  bei  2)iabetli. 

Op.  119.  3toMf  neue  93agatet(en  für  ^pianoforte, 
erfdjien  1823  bei  ©iabelli. 

Op.  126.  Sedjö  SagateHen  für  ^5ianoforte,  erfdjien 
1826  bei  «Sdjott. 

Quartette 
für  2  Biotinen,  SSiola  unb  SSioloncell. 

Op.  95,  F  moll,  erfdjien  1815  bei  Steiner  u.  ßomp. 

Op.  127,  Es  dur,  erfdjien  1826  bei  Sd)ott. 

Op.  130,  B  dur,  erfdjien  1827  bei  SCKattfjiaS  Slrtaria. 

Op.  131,  Cis  moll,  erfdjien  1827  bei  Sd)ott. 

Op.  132,  A  moll,  erfd)ien  1827  bei  Sdjlefinger. 

Op.  133.  @roBe  guge  (urfprüngüdj  al§  letzter  ©afc  jum 
Quartett,  Op.  130)  erfdjien  gegen  1830  bei  ÜJc.  Strtaria. 

Op.  135,  F  dur,  erfdjien  1827  bei  Sdjlefinger. 

Op.  137,  $uge,  D  dur,  (1816  gefdjrieben)  für  2  Biotinen, 
2  SSiolen  unb  SSioIonceCf,  erfdjien  um  1827  bei  £a3(inger. 


—     496     — 

?(ußer  ben  in  ben  brei  ^Ber^eic^niffett  angeführten  3Serfen 
mit  Cpuc^at)[  ejiftiren  nocfj  üiete  fteine  obne  biefelbe,  aucrj 
ofyne  Kummer.  2)er  größere  %ty[{  baoon  beftet)t  au§  3Ser= 
fudien  in  ben  üerfcfjiebeiten  ©ottipofttionS*@attungen,  batirt  folglich 
aus  ber  erften  Sßeriobe.  9Jtet)rere,  unb  ^tuar  bie  6ebeutenberen 
barunter,  ftnb  etft  nad)  bem  5(b(eben  be§  großen  ÜfteifterS  in 
bie  £)änbe  ber  Verleger  gekommen  unb  erfdjienen;  barum  mögen 
fie  biefem  SSerjetdjntfje  beigelegt  werben. 

%üt  Drdjefter:  a)  Megrerto,282)  Es  dur,  erfct)ien  bei 
SIrtaria.  —  b)  Xriumpbmarjd)  au§  bem  Xrauerfpiet  „Xarpeja", 
C  dur,  auS  ber  jroeiten  v$eriobe,  erfdjien  bei  ©tetner  u.  (£omp.283) 

g-ür  ©tretdjtnftrumente:  Andante  favori,  F  dar,  mar 
urfprünglid)  für  *ßtanoforte  gefdjrieben,  gehört  ber  feiten  s^eriobe 
an,  erfdjien  um  1805  im  8nbuftrie*§omptotre. 284) 

gür  SlaSinftrumente:  a)  9ftonbino,  Es  dur,  für  2  Dboen, 
2  Klarinetten,  2  $a90tte  unb  2  £>örner,  erfdjien  bei  2)iabetli. 
—  b)  ©rei  2)uo'3,  C  dur,  F  dur,  B  dur,  für  Klarinette  unb 
gagott,  erfdjienen  bei  2(nbre.2S5) 


282)  Erschien  November  1822  (nicht  1823)  cf.  G.  Nottebohm 
IL  Aufl.,  S.  139.  A.  d.  H. 

283)  Hier  ist  wieder  Nottebohm  zu  befolgen.  „Die  revidierten 
Orchesterstimmen  im  Besitz  von  T.  Hasliuger  in  Wien  sind  bis  auf 
das  Wort  Marsch  von  Beethoven  überschrieben  „Triumph-Marsch  aus 
dem  Trauerspiel  Tarpeja.  Christoph  Kuffners  Trauerspiel  „Tarpeja" 
(im  14.  Bande  seiner  Werke  gedruckt  nebst  dem  Titel  „Hersilia", 
Schauspiel  in  vier  Akten  (wurde  zum  erstenmal  mit  dem  „neu 
komponierten"  Marsch  aufgeführt  am  26.  März  1813.  Der  Marsch 
erschien  i.  J.  1819,  für  Pianoforte  zu  zwei  Händeu  bearbeitet,  in  der 
vom  Hoftheatermusikverlag  in  Wien  herausgegebenen  Sammlung  „Die 
musikalische  Biene-*,  Heft  5,  No.  9  darauf  nach  Beethovens  Tode  für 
Orchester  bei  T.  Haslinger  in  Wien.   Nottebohm  1. 1.  S.  139.     A.  d.  H. 

284)  Über  dieses  herrliche  Andante  favori  in  F  weiß  Ferd.  Ries 
sehr  interessante  Dinge  zu  erzählen,  die  man  in  den  Biographischen 
Notizen  nachlesen  mag,  Neudruck  S.  121  f.  A.  d.  H. 

285)  Erschienen  nach  Nottebohm  spätestens  1815  bei  Lefort  in 
Paris  und  nach  lö28  bei  Andre  in  Offenbach.  A.  d.  H. 


—     497     — 

$ür  *ßianoforte  mit  Drdjefter:  Dfonbo,  B  dur,  erfdjien 
bei  ©iabefli. 

©rei  Quartette:  Es  dar,  B  dur,  C  dur,  für  $iano= 
forte,  Violine,  $iola  unb  SSioloncetI,  erfdjienen  bei  2lrtaria.28,!) 

£rio:  Es  dur,  für  ^ßianoforte,  QStoline  unb  SStolottcett, 
«rfdjien  bei  £)unft. 

kleines  Xrio  in  einem  @a£e:  B  dur,  (1812  feiner 
fteinen  $reunbin  9Jc.  $8.  —  9#arimiliana  Brentano  —  gettribmet) 
erfriert  bei  £>unft.287) 

9tonbo:  G  dur,  für  ^ianoforte  unb  Biotine  ober  SSiotoncett, 
€rfrf)ien  bei  ©imrocf. 

S)rei  ©onaten  für  ^ßianoforte  allein:  Es  dur,  F  moll, 
D  dur,  bem  ßtjurfürften  Tlajc  $riebrid)  geroibmet,  1781  com= 
ponirt,  erfdjienen  in  ©petjer  bei  Statt). 

Seirfjte  ©onate:  C  dur,  für  ^ianoforte,  ber  ©leonore 
t)on  SSreuning  in  S3onn  gennbmet,  erfdjien  bei  S)unft. 

^raetubium:  F  moll,  für  ^Sianoforte,  au§  ber  2.  ^ßeriobe, 
€rfd)ien  um  1805  im  3nbuftrie=ßomptoire. 

üftebft  btefen  SSerfen  roeifen  bie  Kataloge  eine  bebeutenbe 
SCnjat)!  SSariationen  für  ^ianoforte  unb  %än%e  jeber  Slrt 
für  Drdjefter  unb  ^ianoforte  auf,  mooon  bie  meiften  ber  erften 
^ßeriobe  angehören,  dagegen  gehören  bie  bieten  Sieber  faft 
fämmttidj  bergroeiten  unb  britten  ^ßeriobe  an.  ^Darunter  ragen 
burd)  geniale  Stuffaffung  be§  SEejteS  befonberä  tjeröor: 


286)  Die  Vorzeichnungen  stimmen  hier  nicht  recht.  Es  sind 
die  drei  Quartette  in  Es,  D  und  C  (Br.  &  EL- Ausgabe  Serie  I, 
No.  2,  3,  4 ;  siehe  auch  Nottebohm  1.  1.  S.  143.  A.  d.  H. 

287)  Der  Titel  einer  alten  Abschrift  im  Besitz  von  W.  Wildfer 
in  Mügertz  (Mähren),  Sonate  von  Ludwig  van  Beethoven  mit  Violine 
und  Violoncelle  „Wien,  am  2*  Juni  1812.  Für  seine  kleine  Freundin 
Max.  Brentano  zu  ihrer  Aufmunterung  im  Ciavierspielen".  Das 
Original-Manuskript  soll  sich  im  Jahre  1830  (vgl.  Cacilia,  Bd.  13, 
S.  284)  in  den  Händen  der  Familie  Brentano  in  Frankfurt  a.  M. 
befunden  haben.  Ähnlich  lautet  der  Titel  der  im  Jahre  1830 
erschienenen  Ausgabe.    Vgl.  Nottebohm  1. 1.  S.  144.  A.  d.  H. 

91.  ©djinMerä  a3eetfjoöcn='8tograpf)k.  32 


—     498     — 

a)  ©ed)3  beutfdje  @ebitf)te:  au3  Uciffig'S  „QMümtfjen 
ber  öinfamfeit",  um  1813  ober  1814  compcnirt,  erfdjienen  bei 
Sfrtaria.288) 

b)  £)rei  öefänge:  2Tn  bie  (beliebte;289)  ba§  ©efjetmniB;290) 
©o  ober  So,'21'1)  urjptüngftdj  ^Beilagen  gur  SSieuer  3eitjcl]rift, 
erfdjienen  bei  (Simrocf. 

c)  Sieb  au§  ber  ferner  „91(3  mir  nodj  bie  £fjräne  ber 
<2eljnfud)t  nict)t  flofc",  erfdjien  bei  Sreitfopf  u.  ^wertet. 

d)  2lnbenfen  (öon  SDtottfytfon):  „Sdj  benle  ©ein"  erfdjien 
bei  SSreitfopf  it.  feiertet. 

e)  Gmpfinbungen  bei  StjbienS  Untreue:  erjcrjien  bei 
(Simrocf.292) 


288)  Im  Juni  1814  erschien  die  Sammlung  „Sechs  deutsche 
Gedichte",  dem  Fräulein  Caroline  von  Bernuth  hochachtungsvoll 
gewidmet  von  C.  L.  Reißig.    Reißigs  „Blümchen  der  Einsamkeit". 

A.  d.  H. 

289)  Komponiert  1811  im  Dezember.  Erschien  Juli  1814  als 
Beilage  zur  Zeitschrift  „Friedensblätter"  (Wien).  Bei  N.  Simrock  in 
Bonn  und  Köln  1817  erschienen  unter  dem  Titel  „An  die  Geliebte". 
Gedicht  von  J.  L.  Stoll.  Dieses  auch  in  der  Sammlung  „Das  singende 
Deutschland"  (Leipzig,  Reclam)  mit  der  Bemerkung:  „Geschrieben  in 
das  Stammbuch  der  bayrischen  Hofsängerin  Regina  Lang". 

A.  d.  H 

290)  Gedicht  von  Wessenberg.  Komponiert  1815.  Erschien 
nach  Nottebohm  als  Beilage  zur  „Wiener  Modenzeitung"  vom 
29.  Februar  1816,  dann  (1817)  bei  Simrock  in  Bonn.  A.  d.  H. 

291)  Gedicht  von  C.  Lappe.  Komponiert  1817.  Erschien  nach 
Nottebohm  als  Beilage  zur  „Wiener  Moden-Zeitung"  vom  15.  Februar 
1817,  dann  (um  1819)  bei  N.  Simrock  in  Köln  und  Bonn.      A.  <\.  H. 

292)  Gedicht  nach  dem  Französischen  von  St.  von  Breuning. 
Erschien  als  Beilage  zur  Leipziger  Allg.  Musik.  Zeitung  vom  22.  Novbr. 
1819  mit  der  Überschrift:  „Als  die  Geliebte  sich  trennen  wollte1". 
Dann  als  ein  vermeintlich  ungedrucktes,  zum  erstenmal  bekannt 
gemachtes  Lied  als  Beilage  zu  Wegelers  „Nachtrag  zu  den  Biogr. 
Notizen-  (Koblenz  1845),  Neudruck,  IL  Aufl.,  1906.  Der  Text  ist,  nach 
G.  Nottebohms  Angabe,  nach  dem  Französischen  des  Gentil  Bernard 
oder  des  Hoffmann  (Romanze):  „Je  te  perds,  fugitive  esperance"  usw. 


—     499     — 

f)  gmei  Siebet*.  9?efiguation.293)  Slbenblieb,'294)  erfdjienen 
bei  Äiftner  unb  £)iabetli. 

Sßeibe  gehören  ber  britten  ^eriobe  an  unb  hrnren  23ei= 
lagen  §ur  Söiener  ^eitfdjrift.  @rftere§,  „^efignation"  tfvax 
eineä  ber  furzten,  in  §infid)t  aber  be§  ®el)alteS  eine  ber 
fettenften  perlen  in  be3  2J?eifter3  Sieberfammlung.  @r  felber 
tjat  beffen  befonberen  SBertf)  in  einem  Briefe  an  ben  Sftebacteur 
ber  genannten  3eitfc^rift  (©djtcf)  bamit  anerfannt,  bajj  er  ben= 
felben  erjudjte,  bem  2)ict)ter  (trafen  |)augn)i|)  für  ben  Smpulö 
5U  fo  „glüdlicljer  Snftnration"  feinen  ®anl  mitjutfjeilen.  ©otctje 
@f)re  mar  früher  nur  ben  S)id)tern  ÜDca  tttjifon  (Slbetaibe) 
Stiebge  (Sin  bie  Hoffnung)  unb  Seiteleg  (Sieberfreiä)  miber= 
fahren.  ®a§  Siebten,  Steftgnation,  birgt  ein  großes  ©tücf 
mu[icatijc^er  SSeiSfjeit  in  fiel). 


aus  der  um  1797  von  Solie  komponierten  Operette:  „Le  secret",  in 
Wien  unter  dem  Titel  „Das  Geheimnis",  zum  erstenmal  aufgeführt 
am  18.  August  1808.  Der  Librettist  heißt  Soulie"  (cf.  Wegelers 
Notizen,  Neudruck,  S.  226.)  A.  d.  H. 

293)  Gedicht  von  Paul  Graf  von  Haugwitz.  Komponiert  Ende 
1817,  nach  op.  137,  nach  der  Fuge  in  D-dur.  Erschien  als  Beilage 
zu  der  „Wiener  Zeitschrift  für  Kunst"  usw.  vom  31.  März  1818. 

294)  Gedicht  von  Heinrich  Goeble.  Komp.  nach  Nottebohms 
Angaben,  4.  März  1820.  Erschien  ebenfalls  als  Beilage  der  „Wiener 
Zeitschrift  für  Kunst"  am  28.  März  1820  und  Herrn  Dr.  Braunhof  er 
gewidmet.  Das  Lied,  das  dem  bewährten  Arzte  des  Meisters  als 
Anerkennung  für  geleistete  Dienste  gewidmet  ward,  erschien  1821 
oder  1822  mit  mehreren  der  genannten  Lieder  in  einem  Hefte  unter 
dem  Titel:  Vier  deutsche  Gedichte",  in  Musik  gesetzt  von 
Ludwig  van  Beethoven.  Op.  113  (!).  Wien,  Sauer  &  Leidesdorf. 
Bonn,  bei  N.  Simrock.    Leipzig  bei  Peters  usw.  A.  d.  H. 


32* 


—     500     — 

V.  „$er  fajwer  gefaxte  @ntfdjtafj" 

2tuffdjrift  bei  bem  merten  ©atje  beS  legten  Quartetts,  F  dur, 

Op.  135,  nebft  bem  grage=9Jcotiö  pm  ©raoe:  „aRufe  eS  fet)n?" 

unb  bem  antroortenben  §um  9lllegro:  „SS  mu|  fel)n!" 

.ßroeierlei  fann  als  23eroeggrunb  angenommen  werben. 
2ße(d)eS  aber  baoon  bem  äfteifter  als  eigentlicher  SmpulS  gu 
bem  ernften  ©cfjerg  unb  fdjergljaften  (Srnft  gebient,  bürfte  mit 
S3eftimmtrjeit  nidjt  §u  behaupten  fein. 

1.  2(ud)  in  23eett)oüen'S  IwuStjaltung  gehörte  eS  jur 
Drbnung,  ber  Haushälterin  ein  „SBodjengelb"  gu  berabfotgen. 
SaS  5U  rechter  ßeit  3U  erhalten  l)atte  oft  ©cfjtt>ierigfeit,  meil 
ber  SDceifter  am  ?IrbeitStifct)  nid)t  geftört  ferm  trollte.  Sie 
alte  grau  ,,(2d)napS"  pflegte  fid)  in  Dotier  SQcarftrüftung  an 
ben  iifcfj  §u  ftellen  unb  p  märten,  bis  ein  gefälliger  ober 
burdjbotjrenber  23(icf  auf  iljren  ®orb  fade.  Sann  erfcfjolt  in 
mancherlei  Nuancen,  aufteilen  fingenb,  bie  $rage:  äRujj  eS 
ferjn?  roorauf  bie  Sitte  mit  bem  Stopfe  niefenb,  ober  mit  bem 
gufje  ftampfenb  jur  Slnttoort  gab:  @S  mufj  fetm!  Siefer 
©c£)er§  roiebertjotte  fid)  faft  an  jebem  ©amStag,  unb  toenn  bie 
Haushälterin  mit  bem  SMenber  betoeifen  mufjte,  ba$  tjeute 
3at)ltag,  fo  mar  ber  SDceifter  eben  nur  in  guter  Saune,  in 
roeldje  er  buref)  ben  Slnbtid  ber  fdjlauen,  aber  bod)  treuen 
Wienerin  öerfe^t  »erben  tonnte. 

2.  Sn  Sßien  erjfiirte  im  §aufe  beS  Hof41genten  üon 
Sembfdjer  eine  lange  Sfaifje  bon  Safjren  rjinburcfj  ein  Quartett 
mit  SDcarjfeber  an  ber  1.  Biotine.  ?llS  jener  üDcufiffreunb 
üon  SBotlenbung  beS  Quartetts  in  Es  dur,  Op.  127,  ®unbe 
erhalten,  münfd)te  er  bie  (5t)re  gu  fjaben,  eS  in  feinem  £mufe 
guerft  §u  @et)ör  gu  bringen;  inbef3  tnar  eS  bereits  als  £)aupt= 
gugmittel  gu  bem  beborftetjenben  93enefice  bon  ©dmppan^igl) 
beftimmt.  Steffen  uneracfjtet  tjatte  S.  9)?utt),  ben  (Somponiften 
um  bie  ^Sergünftigung  ber  erften  ^robuetion  erfudjen  gu  taffen. 
Siefer  miüigte  unter  ber  S3ebingung  ein,  bjenn  S.  an  Scljup- 


—     501     — 

poit^igf)  fünfätg  ®u(ben  aU  Vergütung  für  abfälligen  ©djaben 
bei  feinem  SSeneftce  fogteidj  bejahen  motte,  ©er  Duartett= 
greunb  liefe  hierauf  ben  9tteifter  fragen,  ob  e3  iljm  ©ruft  bamit 
fet).  Sie  5lntmort  lautete:  (£3  mufe  feön!  2)iefer  peremptorifcfje 
2Iu§fprud)  foll  bem  £>of=2tgenten  feinen  anberen  2tu3meg  offen 
getaffen  Ijaben,  a(3  bie  benannte  (Summe  an  ©djuppanjigf)  ju 
be5at)ten.  £>a§  neue  Quartett  mürbe  aber  mirf(td)  in  feinem 
Greife  $u  aßererft  gefpielt. 

2In  beiben  $erfionen  ift  nur  ba$  Sine  fidjere  SSafjrtyeit, 
bafj  faft  jegtidjeil  SSejatitenmüffen  eineä  benötigten  ®egen= 
ftanbeS  bei  unferm  SDtofter  ein  ferner  gefaxter  @ntfcf)tufj 
mar,  bei  bem  £of=2Tgenten  aber  mochte  bie§  mit  bem  93egat)ten= 
muffen  öon  50  ©utben  an  ©tfjuppanäigf)  ber  gatt  gemefen 
ferjn.  —  ®ie  frangöfifd^e  Ueberfe^ung  biefer  5luffcfjrift  mit: 
„Un  effort  d'inspiration"  ift  jebenfatt§  eine  berfet)tte  unb  oiel 
ju  tief  gefugt.296) 


295)  Als  Ergänzung  zu  Schindlers  Bemerkungen  über  den  letzten 
Satz  im  F-dur-Quartett,  op.  135,  mit  der  Aufschrift:  „Der  schwer 
gefaßte  Entschluß".  Muß  es  sein?  Es  muß  sein"  verweise  ich 
auf  meine  mehrfach  gemachte  Darstellung,  zuletzt  in  meinem  Buche 
„Beethoven  und  Berlin"  im  Abschnitt  „Beethoven,  die  Schlesinger- 
sche  Musikalienhandlung  und  A.  B.  Marx"  (S.  315 ff.).         A.  d.  H. 


Sfjarafterpge,  ©genWten,  QSorfäUe  unb 
©ontfigeS- 


1.  «Relfourn.    ©cueraiöafj.    Sleftfjetit 

SeetrjOüen  mar  in  ber  fatfyoUfcfjen  Religion  erlogen, 
©afj  er  mirf(id)  innerlid)=retigiö3  mar,  6e§eugt  fein  ganger  £eben§= 
manbet  unb  finb  in  bem  biograpfjifcfjen  Xfytii  nidjt  menig  Belege 
büfür  angeführt.  2)afi  er  niemals  über  SMigionSgegenftänbe, 
ober  über  bie  $)ogmen  ber  Oerfdjiebenen  d)rifttict»en  SHrdjen  ge= 
fproctjen,  um  feine  $Infid)ten  barüber  mitäutljeüen,  mar  eine  ber 
befonberen  Eigenheiten.  9ftit  §iemlid)er  ©eroifjfjeit  fann  aber 
gefagt  werben,  bafj  feine  religiöfen  Slnfdjauungen  weniger  auf 
bem  ®irdjeng(auben  beruhten,  at§  öietmetjr  im  2)ei§mw3  itjre 
Queue  gefunben  rjaben.  Dbjne  eine  gemachte  Xfjeorie  öor  Slugen 
§u  rjaben,  erfannte  er  bod)  $u  offenbar  ©ort  in  ber  Söett,  mie 
aucfj  bie  SBelt  in  @ott.  £)ie  £fjeorie  rjie^u  bitbete  fid)  für  itjn 
in  ber  gefammten  Statur  unb  fdjeint  ba§>  merjrfad)  genannte 
Sßud):  (Sljriftian  (Sturm'3  23etract)tungen  ber  2öerfe  ©otte§  in 
ber  Statur,  nebft  ben  au§  ben  prjitofoptjifdjen  ©rjftemen  ber 
griedjifctjen  SBeifen  gefdjöpften  ^Belehrungen  gumeift  fein  3Beg= 
meifer  auf  biefer  33at)n  gemefen  gu  feijn.  @3  märe  fdjmer  ba§ 
©egenttjeil  3U  behaupten,  menn  man  gefefjen,  mie  er  fid)  ben 
betreffenben  Sntjatt  jener  ©djriften  §u  innerem  Seben  $u  nu^e= 
gemadjt  t)at.  Slufeer  btefem  augenfdjeintic^en  3^ugniffe  öon  ben 
religiöfen  ©runbfätjen  unferö  9fteifter§  ift  nod)  ein  anbereS  öor- 
Ijanben,  baZ  mit  bem  oben  genannten  in  Harmonie  ftet)t.296) 
(So  befcfjränft  fid)  bto§  auf  nadjfterjenbe  ©ätje:  ,,3d)  bin,  ma§ 
ba  ift."     „Scfj  bin  9(t(e3,  roa§  ift,  tua3  mar,  maS  fetjn  mirb, 


296)  Vgl.  auch  des  Herausgebers  Aufsatz  „Beethoven  als 
religiöser  Mensch"  in  den  Sonntagsbeilagen  zur  Vossischen  Zeitung 
vom  Jahre  1883,  abgedruckt  im  Klavierlehrer"  1883  (Juli  und  August). 

A.  d.  H. 


—     506     — 

fein  fterblid)er  9ttenfd)  fjat  meinen  <2d)(eier  aufgehoben."  „(Sr 
ift  einjig  üon  tfjm  felbft  unb  biefem  (Sinnigen  finb  alle  Singe 
ifjr  Safetin  fdjulbig."  —  Siefe  brei  @S$e  finb  Snfcfjriften  im 
Sempet  ber  ©öttin  9?eitf)  %a  (£ai<S  in  Unter=(5gt)pten,  üon 
(E^ampolüon^^Öeac  aufgefunben.  (Sie  finb  mitgeteilt  in 
feinem  „©emäfbe  öon  Ggrjpten,"  Seite  417.  Sftidjt  unmaf)r= 
fdjetnttdj,  baß  MefeS  f)öcf)ft  intereffante  23ud)  audj  unferm  SCReifter 
ju  Kugen  gekommen  mar.  «öafelbft  lieft  man  bei  Sfnfüljrung 
biefer  Snfcfjriften:  „@§  bürfte  ferner  feOn,  eine  erhabenere  unb 
retigiöfere  Sßorftettung  oon  ber  erfdjaffenben  ©ottfjeit  ju  geben." 
3ngteid)  ftnbet  fid)  nodj  fofgenbe  l£rf(ärung  bort:  „Sie  ©öttin 
9ceitf)  nafjm  ^tjett  an  ber  (sdjöpfung  ber  SGBeft,  unb  ftanb  ber 
Grjeugung  ber  Gattungen  üor.  ®te  ift  bie  Stlteö  bemegenbe 
ftraft." 

Siefe  ^nfdjriften  t)at  33eetf)OOen  mit  eigener  §anb  abge= 
fdjrieben  unb  fie  in  einem  Dkfjmen  unter  ®(a§  ftet§  oor  fid) 
auf  bem  '3cr)retbtifct)e  gehabt.  Sie  foftbare  Reliquie  beünbet 
fid)  mof)(  erhalten  in  meiner  SBermafyrung.  ©in  gacftmile  mar 
ber  erften  Auflage  beigegeben. 

Siefelbe  ©djmeigfamfeit,  mie  über  $eligion§gegenftänbe, 
beobachtete  Söcettjoüen  aud)  über  (^eneratbafe,  ober  richtiger,  über 
bas  ganje  ©ebiet  ber  t)armonifd)en  2Biffenfd)aften.  ßr 
erftärte  Religion  unb  ©eneralbaft  für  in  fid)  ab  = 
gefcrjloffene  Singe,  über  bie  man  nicfjt  meiter  bisputiren 
foll.  SHlein  außer  ben  rjarmonifd)en  SBiffenfdjaften  gibt  e3  ja 
nod)  eine  anbere,  bie  für  ben  benfenben  ^cuftfer  oon  2ßid)tigfeit 
ift:  bie  9(eftljetif.  SDftt  biefer  fjat  e3  unfer  SWeifter  ganj  anberS 
gehalten,  ate  mit  bem  (Sober,  ber  barmonifdjen  Regeln  unb 
©efetje.  Sie  2Ieftf)eti!  mar  ein  beöorjugteS  Hapitet  in  feiner 
(Eonoerfation  über  Singe  ber  föunft,  menng(eid)  e§  fid)  nur  auf 
einzelne  Steile,  barunter  3.  33.  über  (Efyarafteriftif  ber  £on  = 
arten,  erftredt  t)atte.  2(u§  biefem  Sfjeil  aber  fyatte  er  ein  be= 
fonbere^  Stubium  gemadjt. 

Sn  feiner  fet)r    befdjeibenen   §anbbibliot§ef   befanben   fid) 


—     507     — 

aud)  (Sdjubart'3  „Sbeen  gut  Sleftljetif  ber  'Sonfunft,"  ein  23ud), 
ba§  1806  erfdjienen  mar,  gur  $eit  citfo,  mo  SBeetijoDen  bereits 
aeftljetifd)e  SBorftubien  in  ben  alten  ©riechen  unb  Römern  ge= 
madjt  ijatte.  S33a§  er  au§  Sßfato  für  feine  Äunft  abftraf)iren 
tonnte,  fyaben  mir  gum  %$e\l  fcfyon  in  ben  angegogenen  ©teilen 
au§>  beffen  „(Staat"  erfetjen.  ^Begreiflich  genügte  ba§>  nidjt,  e§ 
biente  bielmefyr  nur  gu  größerer  5lnfad)ung  ber  SSifebegierbe. 
^3interic§,  ben  mir  al§  feinen  ©efeflfdjafter  unb  ©ecunbanten 
in  ber  (Sonüerfation  über  ©taatSpotitif  fennen  gelernt,  teiftete 
it)m  aucl)  gur  ©rroeiterung  ber  Senntniffe  auf  biefem  bi§  baljin 
noct)  giemlicl)  brad)  tiegenbem  ©ebiete  tjüifreid)e  §anb.*)  91(3 
^ßtjitotog  toax  er  mit  ben  üon  ben  ?Uten  in  33egug  auf  Slefttjetit; 
gezogenen  Sineamenten  befteng  befannt.  @r  macrjte  bemnact)  für 
Seettjoüen  2tu§güge  au§  2l~rifiotete§,**)  Sudan,  Quintilian  unb 
SBoet^iuS.***)  2öie  anregenb  muffte  nid)t  2triftote(e§  auf  unfern 
©riecfjenfreunb  mirfen,  menn  er  g.  $$.  auf  fofgenbe  ©ätje  barin 
f tiefe :  „(58  gibt  außer  ber  Statur  nid)t§,  morin  ßfrn  unb  ©anft= 
mute),  STapferfeit,  ÜÜMfeigung  unb  alle  fitttidjen  (£igenfd)aften 
nebft  itjrem  (Sntgegengefet^ten  ftd)  fo  beuttid)  unb  ätjntid)  ab' 
bitbeten,  a(§  im  9ttjfit()mu§  unb  SKelobie.    (£<§  ift  gang  offenbar, 


*)  Slucfj  für  gtanj  ©Hubert  mar  ^ßintericS  in  berfelben  SSeife  tt)ättg. 
**)  StriftoteteS'  „^olitif"  !annte  33eetrjotien  genau;  im  ©feidjen  c)atte 
er  fid)  §oraj'  „(Spiftel  an  bit  s$ifonen"  auf'§  23efte  3U  eigen  gemalt  unb 
t>ermocf)te  ganje  ©teilen  barau£  ju  citiren. 

***)  $ßoetI)tu§  mar  römifd)er  (Jonful  unter  £beoborid)  bem  ©rofjen. 
2$on  feinen  g-einben  am  £>ofe  fntfcf)iicf)  angeflagt,  mit  bem  grieefnfeben  ^aifer« 
Ijofe  einen  öerrätfyerifctjen  23riefmed)fet  31t  unterhalten,  mürbe  er  au3  9Jom 
berbannt  unb  524  ober  526  (djriftlidjer  geitredmung)  hingerietet.  Unter 
feinen  ja^lreict)  fjinterluffenen  ©Triften  befinben  fict)  aud)  5  Söüctjer  über 
bie  TOufif  ber  ©riedjen.  9cacb  §amfin§  (®efd)id)te  ber  9)iufi!)  Ratten  bie 
llniüerfitäten  ju  Djforb  unb  (£ambribge  ba§  Sefen  tiefet  3Berfe3  gebem 
unterfagt,  ber  nod)  nidjt  93accalaureu§  ber  9J?ufif  geroorben  mar,  raeil  I;te3U 
nidjt  allein  Setanntfdiaft  mit  ber  Äunfi  im  Slügemeinen  unb  Äenntnife  ber 
lateinifcfjen  ©pradje,  fonbern  aud)  gute  Söortenntniffe  Don  ber  alten  grie= 
ctjif(^ert  SJcufif  erforberüdj  gemefen. 


—     508     — 

bafj  in  ben  Xönen  unb  i^rer  Sßerbinbung  ein  51u§brud  oieter 
fittlicfjer  (Sigenfdjaften  liegt"  it.  f.  tr».;  menn  ber  ©riedjenfreunb 
ferner  nod)  Sudan  ausrufen  fjörte:  „(53  liegt  ein  göttlicher 
Stnrjaucf)  in  ben  Xonarten!"  Sudan  djarafterifirt  mehrere  ber= 
felben;  im  ©teidjen  finben  mir  ba3  bei  2ttt)enäu§  unb  aud)  bei 
StriftibeS  Quintilianuö. 

Sßeiter  im  Sluffudjen  be§  Sßjtjdjifdjen  in  ben  Xonarten  ift 
(Scfjubart  gegangen,  lag  irjm  bodj  bereits  Material  in  Sftenge 
ju  biefem  Stubium  öor.  ganb  unl"er  Stifter  gteidnoot)!  menig 
53ef)agen  an  feinen  funftp{)ilofopf)ifcf)en  2tnfid)ten,  roeit  er  nun 
einmal  einen  entfdjiebenen  ÜBSiberroiHen  gegen  alle  ®unftpt)ilofopt)ie 
empfanb,  fobalb  fie  fid)  in  ba3  ©ebiet  De§  9)2etapl)t)fifd)en  üer= 
ftieg  unb  aufhörte,  practifdjen  9?ut3en  5U  gemäßen,  fo  füllte 
er  bem  genialen  Saline  in  Sejug  auf  ba§>  über  ßrjarafteriftil 
ber  Xonarten  Stu^gefagte  lauten  23etfalt,  roenn  er  aud)  nierjt 
gu  allem  feine  3uftimmung  geben  tuoltte.  Stimmte  er  i£)m  bei 
ben  Molltonarten  im  SSejentlidjen  bei,  (barin  freilief)  bie 
©rieben  fdjon  öorgearbeitet  Ijaben)  fo  erlaubte  er  fid)  bie  einigen 
X)m>Xonarten  gugefprodjene  (Sljarafteriftif  ju  bezweifeln,  ober 
oietmetjr,  er  fd)ränfte  itjren  pft)d)ifd)en  51u§brud  je  nad)  S5e= 
megung  unb  SBollftimmigfeit  beS  Xonftüde3  in  ber  33ocat  = 
SDiufif  in  engere  ©rängen  ein.  Sn  Sejug  aber  auf  ha*» 
Snftrumentale,  üornetjmlid)  Quartett*  unb  £)rcfjefter=9#ufif, 
roollte  33eetf)oüen  bie  ©dmbart'fdjen  ©djilberungen  ber  £)ur= 
Xonarten,  rjauptfäd)tid)  megen  Vietbeutigfeit  mehrerer  buret)  ben 
©ebrauef),  nid)t  gelten  laffen.  dagegen  legte  er  irjnen  in  ber 
fölaüter^ufif,  aud)  im  Xrio,  einige  ©eltung  bei.  33orab 
unterfdjieb  er  aber  jmifdjen  finnigem  Snljalt  unb  SntjaltSlofigfeit 
be$  XonftüdS.  %m  erfteren  gatle  rairb  fid)  ein  genriffer 
(Stjarafter  oon  felbft  ergeben,  ber  bei  $erfe£ung  in  eine  anbere 
Xonart  fein  ©pecififdjeä  oerliert.  SBeetrjooen'g  Sichtung  oor 
<2d)ubart'S  S3uct)  mar  beffen  ungeadjtet  eine  fo  grofje,  baft  er 
e3  in  muficalifdjer  Sßitbung  bereits  Vorgerückten  §u  angelegen^ 
lidjem  ©tubium  empfohlen  f)at. 


—     509     — 

tiefer  3meig  oer  Äunftmiffenfdjaften  mar  e§  öor^ugSmeife, 
ü6er  ben  fid)  Seetrjooen  mit  ©ebitbeten  gerne  unterhalten  t)at, 
gab  er  irjtn  bod)  ©toff  51t  Semunberung  beffen,  maS  feine 
großen  Vorgänger,  ©lud,  £>arjbn  unb  Sftojart,  im  fünfte  2(n= 
menbung  djaracterifirenber  £onfarben  nermittelS  (Singebung 
ifyreS  ©eniuS  geteiftet  rjaben.  ©teilte  $eett)ot>en  unter  anbern 
SJco^artS  3au^erf^^te  auS  bem  ©runbe  am  f)öd]ften,  toeif  barin 
faft  jebe  Gattung,  nom  Siebe  bis  311m  Choral  unb  ber  $uge, 
^um  2lu3brud  fommt,  fo  beftanb  ein  §raeiter  (Sjrunb  bafür  nod) 
in  ber  barin  angeroanbten  $Pfrjcr)e  oerfcr)iebener  Tonarten, 
©ottte  jebod)  unfer  90?et[ter  in  93efbred)ung  biefeS  intereffanten 
©toffeS  roarm  merben,  foHte  man  baS  Vergnügen  tjaben,  ben- 
felben  öon  ifun  mie  einen  ©taubenSartitet  mit  33emeifen  Der* 
tfjeibigen  ^u  tjören,  fo  mufete  er  burd)  bie  ©feöftS  ober  burd) 
offenbaret  Säugnen  ba(^u  rjerauSgeforbert  merben.  ©feptifer 
fomorjl  mie  Sängner  biefeS  %fyti{§>  in  ber  5?unftäftrjetif  gab  e£ 
aber  in  früherer  Qeit  rjiet  metjr  a(§  gegenmärtig.  SSaS  follte 
roorjt  baö  ba malige  Corpus  musicum  mit  ©djnbart'S  Sbeen  §ur 
9teftr)etif  beginnen,  ba§>  aüe§  §eil  ber  Xonfnnft  auSfcrjtiefelid) 
im  ©eneratbafe  unb  (Sontraüunct  gefud)t  unb  jebe  anbere  Jpülf§* 
miffenfdjaft  pertjorreScirt  tjatte?  3Beil  SKo^art  fein  SBüctjerlefer 
mar  unb  beim  od)  „grofce  ©adjen  gemad)t  tjat,"  fo  ftanb  e£ 
feft,  baf$  ba§  Sefen  gan^  unb  gar  nictjt  nötrjig  ferj  —  um  ein 
muficalifdjer  ^anbmerfer  5U  merben.  S)iefer  ©taube  ift  jmar 
nod)  bi§  gum  heutigen  £age  unter  SDcufifern  üort)errfd)enb,  unb 
je|t,  mie  bamalS,  fürcrjten  fid)  nod)  üiete  oor  bem  ©eifte,  ber 
ifjnen  an§>  einem  guten  S3ud)  ober  aus  guten  ßeitfdjriften 
malmenb  entgegentreten  tonne,  bcife  eS  an  ber  3e^  fe*)>  na(*) 
anbern  Sbeen  §u  forfdjen,  als  im  £ürf,  SllbrecfjtSberger  unb 
Sftarr,  51t  ftnben,  menn  fie  ja  nod)  bort  gefud)t  merben,  ntct)t 
auSfcrjtiefjiid)  in  Sftoten. 

Unfer  SOceifter  moöte  alfo  öon  irgenbeinem  Säugner  beS 
(Sfjarafterifttfdjen  in  ben  Tonarten  gu  beffen  SSertfyeibigung 
rjerauSgeforbert   merben.     ©inen    foldjen   fanb    er   an    feinem 


—     510     — 

$reunb  $riebricl)  5(uguft  ftanne,297)  ber  bie  perfonificirte 
©fepfte  geraefen.  ®anne,  überhaupt  einer  ber  munberlidjften 
©onöertinge,  war  ein  SDtfami  öon  uniüerfefler.  Silbung,  ber, 
beuor  er  (Eomponift  unb  muficalifdjer  «Sdjriftftetter  geworben, 
guerft  Geologie,  bann  äftebirin  ju  Seipgig  ftnbirt  t>atte.  3U 
Anfang  be§  SafjrfyunbertS  nad)  2Bien  gefommen,  fyat  er  für 
bie  borttgen  SEfyeater  an  jtoötf  Opern  unb  ©ingfpiefe  (and) 
SRufif  51t  Pantomimen)  componirt,  baruuter  DrpijeuS  unb 
(Sapptjo  für  ba§>  $ärntnerrt)or=£ii)cater  bie  tjeröorragenbften 
ttjaren.  (£r  fetber  t)atte  biefe  Serte  gebietet.  ÜHit  93eetf)oben 
Ijatte  er  bie  ^artnädigfeit  in  Slnfidjten  unb  @runbfä|en  ge= 
mein,  baljer  ein  £>iSput  äroifdjen  beiben  über  ©egenftänbe,  in 
bereu  ^Beurteilung  fte  a  principio  nid)t  übereinftimmten,  nidjt 
b(o3  ergöfjlidj,  für  ben  ßufyörer  aber  aud)  belefyrenb  gemefen, 
benn  beibe  beftrebten  fid)  tfjr  Sidjt  leuchten  5U  (äffen.  SSorfcrjub 
leiftete  ber  rüdt)a(t3(ofen  Steuerung,  ba$  beibe  fid)  mit  bem 
brüberlidjen  ©u  angureben  pflegten. 

Äanne   ftü|te   fein  Säugnen   in    ber  §auptfad)e    auf  ben 
llnterfdjieb    ber  Drd)efter=©timmung    einer    früheren  3eit   mit 


297)  Der  talentvolle  vielseitige  F.  A.  Kanne,  ein  „Dichter- 
komponist" vor  R.  Wagners  Zeiten,  ist  am  8.  Mai  1778  in  Delitzsch 
(Sachsen)  geboren,  studierte  Jura  in  Leipzig  und  Wittenberg;  Kom- 
pohitionsstudien  betrieb  er  nachher,  wie  R.  Wagner,  beim  Kantor 
Weinlig.  Die  erste  öffentlich  mit  großem  Beifall  aufgeführte  Kom- 
position war  seine  Kantate  „An  die  Tonkunst",  von  ihm  gedichtet, 
wie  auch  alle  seine  Opern  (u.  a.  Orpheus,  Fernando  und  Miranda),  in 
Wien  1807  mit  großem  Beifall  aufgeführt.  1809  ward  er  Theater- 
kapellmeister  in  Preßburg.  Er  verließ  diese  Stellung  bald  wieder,  wie 
zahlreiche  andere.  Es  litt  ihn  nirgendwo  auf  die  Dauer.  Er  darf  als 
ein  verbummeltes  Genie  bezeichnet  werden.  Er  starb  an  Beethovens 
wahrscheinlichem  Geburtstage,  16.  Dezember  1833.  Kanne,  Beethovens 
Duzbruder,  hat  noch  viele,  meist  selbst  gedichtete  Opern,  Singspiele, 
Dramen  komponiert,  als:  Die  Elfenkönigin,  Die  Belagerten,  Deutscher 
Sinn,  Sappho,  Die  eiserne  Jungfrau,  Lindana,  Malwina,  Schloß  Theben, 
Der  Untergaug  des  Feenreichs,  Die  Zauberschminke.  Auch  schrieb  er 
viel  Orchester-  und  Kammermusik.  A.  d.  H. 


—     511     — 

ber  ©egen»arr,  unb,  als  leijteg  3£u§fnnft§tmttet,  auf  bie  Strand 
pofition,  er  betampfte  mithin  feinen  ©egner  in  letzter  Snftanj 
mit  benfelben  5Baffen,  »ie  man  ©leict)e3  erft  jüngft  »ieber  in 
bem  SBerfe  eines  natjmrjaften  Sßl)t)fifer§  gefeEjen  rjat.29S)  ®er 
non  Söeettjoüen  aufgeftedte  ©egenberoei3  fufjte  auf  bem  fictjeren 
Srfennen  jeber  Tonart,  bie  ©timmung  möge  einen  ganzen  %on 
tiefer  ober  tjöljer  ftetjen,  al£  ba§>  Ol)r  getoofjnt  ift  ^u  t)ören, 
fomit  fafie  bie  @tir|e  auf  bie  2ran§pofition  Ijinmeg,  bie  barum 
nod)  nidjt  in  23etrad)t  fommen  bürfe,  »eil  ber  üftittetpunct  be§ 
^onftjftemS  feine,  »enn  aud)  nidjt  unuerrüdbare  (Stelle  Ijat. 
Sie  Drdjefter*  Stimmung  fet)  in  unmafjrnefjmbarer  gort* 
fdjreitung  t)öl)er  gcmorben,  in  gleid)er  SBeife  unfer  ©efüfyl  für 
bie  $pft)d)e  ber  Tonarten,  bie  juoörberft  in  ber  Scala  jeber 
Tonart  ityren  Sit;  tjabe,  »aö  fdjon  bie  5llten  richtig  erfonnt. 
©ie  SranSpofition  fet)  aber  ein  ptö£lid)e3  5lbroeid)en  um  einen 
Ijalben,  »ot)t  audj  um  mehrere  Stöne  tjöljer  ober  tiefer,  mobei 
ba<§  ©efüfjl  eben  fo  ptöttfid)  in  eine  anbere  Spfäre  oerfetjt 
»erbe,  »eil  bie  $ßft)d)e  aitö  ber  urfprüngtidjen  -tonuerbinbung 
ge»attfam  in  eine  anbere  geblängt  »orben.  23eett)oüen  be= 
fjauptete,  »enn  e§  feiner  Sd)»ierigleit  unterliege,  Cis  dur  öon 
bem  enrjarmonifcfjen  Des-dur  mit  Sid)ert)eit  $u  unterfdjeiben, 
fo  fet)  ba§>  Dljr  fjiebei  in  5»eiter  Öinie  entfdjeibenb,  in  erfter 
aber  ba§>  ©efüljt  für  ben  fubtilen  Unterfdn'eb  ^»ifdjen  tjart  unb 
meid),  barin  atfo  §unäct)ft  ba$  djaracteriftifdje  SRerfmal  jeber 
biefer  beiben  Dur^onarten  liege;  ber  gute,  3»edmäf}ige  ®e= 
braud)  mirb  ba3  SSeitere  bi§  §ur  Güoibeng  tjerauäfteHen.  „®u 
tjaft  unter  anbern  ben  ^arlefin  in  Des  dur  langen  laffen,  idj 
»erbe  it)tn  in  D  dur  auffpieten.  2)u  tjaft  behauptet,  e§ 
feö  einerlei,  ob  ein  Sieb  in  F  moll,  E  moll  ober  G  moll  ftetje, 
id)  nenne  e§  einen  Unfinn,  »ie  bie  $8et)auptung,  bafj  2  mal  2 
fünf  ift.  SBenn  id)  ben  ^i^arro  bort,  »o  er  feine  üerrudjtcn 
?(nfd)täge  auf  gtoreftan  bem  Äerfermeifter  offenbart,  in  grellen 

298)  Dieser  Physiker  mag  Chladni  oder  gar  Helmkoltz  gewesen 
sein.  A.  d.  H. 


—     512     — 

Tonarten  (audj  in  Gis-dur)  fingen  (äffe,  fo  Hegt  ber  pfndjifdje 
@5runb  in  feiner  inbioibuetten  ßrjarafteriftif,  bie  ficfj  in  bem 
£>uett  mit  SKocco  in  notier  Sölöfje  entfaltet,  für  meieren  ?(u<o= 
bruef  jene  Tonarten  mir  bie  entfpredjenbften  ^ar6en  gegeben." 
Sn  foldjer  2lrt  ging  e<§  mit  ungemörjntidjer  £)ia(ecti!  fort. 
Um  ein  möglidjft  djaracteriftifdjeS  ©emätbe  üon  länbtidjer 
9f?uf)e  aufstellen,  bnrfte  mofyl  Seettjoüen  eine  onbere  Xonart 
als  F  dur  ^ur  oorf)errfd)enben  in  feiner  ^ßaftorat=<3infouie 
tuäfylen?  Sßorin  liegt  ber  ©runb,  bafj  $um  Slnöbrucf  be3 
geierüdjen  Dor^ugöroeife  E  dur  geeignet  ift,  anbere  Dur= 
Tonarten  meniger,  F  unb  G  gar  ntdjt?  9Kan  üerfudje  ben 
^riefter=ßt)or  in  ber  ßauberflöte  au3  E  nad)  D  ober  F  dur  gu 
tranöponiren  unb  prüfe.299)  S)er  53eurtt)ei(er  ber  Cis  moll 
©onate,  Op.  27,  fagt  in  ber  Mg.  »f.  ßtg.  VI.  üom  erften 
unb  brüten  ©utje:  „Sftit  öollfommenem  ©runb  finb  bie  beiben 
<pauptfä£e  in  bem  fcfj  au  er  liefen  Cis  moll  getrieben." 
(^ergf.  I,  82.)  Wlan  tran§ponire  beibe  ©ä^e  in  bie  näd)ft= 
angränäenben  9JM=£onarten  C  unb  D,  ober  in  ferner  tiegenbe, 
unb  f)öre  bie  gan§  öeränberte  SSirfung. 

2ln§  Sßorftenenbem  rairb  fid)  $ngteid)  ergeben,  ob  unfer 
9#eifter  bie  Slran^pofition  ü6ert)aupt  jugelaffen  §abt.  2öer  eS 
gewagt  tjätte,  in  feiner  ©egenmart  ein  fleine§  Sieb  Oon  feiner 
(Eompofition  in  eine  anbere  Xonart  §u  üerfetjen,  an  bem  f)ätte 
er  fid)  oergriffen.  ©r  mar  erbittert,  menn  er  gehört,  biefe  ober 
jene  Kummer  auö  einer  SDJo^art'fc^en  Dper  ferj  in  einer  anbern 
Stonart  oorgetragen  morben,  aU  fie  gefdjrieben  fterjt.  ^Derlei 
Unfug  ift  burd)  eine  caprieiöfe  Sängerin  (©rünbaum)  in  3Sien 
um    bie    ^man^ger    Saljre    ijäufig    üorgelommen.      Söeettjooen 


299)  Diese  Kontroversen  sind  gewiß  höchst  interessant  und  be- 
lehrend; sind  sie  aber  überzeugend?  Nimmermehr.  Der  Streit  um  die 
Erkennbarkeit,  um  die  Psyche  der  einzelnen  Tonart  wird  bis  zur  Gegen- 
wart trotz  Beethoven,  Marx  und  Helmholtz  weiter  geführt,  ohne  daß 
es  gelingen  will,  hier  zur  Einigung  zu  gelangen.  Bis  jetzt  haben  die 
Skeptiker  dabei  noch  immer  Recht.  A.  d.  H. 


—     513     — 

natjm  feinen  Slnftanb  §u  Gelernten,  ba$  üor  Aufarbeitung, 
eine§  Xe£te§  er  getüi[[enc)aft  mit  fidj  über  bie  ber 
(Situation  am  beften  entfpredjenbe  Xonart  §u  Sftat^e 
gei)e.  Um  ba§  ©runblofe  in  Verneinung  be§  (Et)aratteriftifd)eit 
in  ben  Xonarten  recfjt  ju  fenngeic^nen,  oergtid)  er  e§  mit  bem 
Säugnen  ber  ©omt=  unb  9ftonbeinmirfung  auf  &bbe  unb  glutt) 
be§  äReereS,  roeldje  ben  9Ilten  fdmn  befannt  unb  burd)  bie 
Unter  judjungen  tion  Sa  place  unmiberlegtid)  §um  2lbfd)lufe  ge* 
bracht  ift.  &b  ftd)  unfer  SOZeifter  öon  ben  roeitläuftgen 
©ebuctionen  ber  beiben  ^rofefforen  Vifdjer  unb  ßam  miner 
(erfterer  im  britten  Xtjeile  feiner  9leftrjetif,  ber  anbete  in  feinem 
Söerfe  „£>ie  3)?ufi!  unb  bie  muficalifdjen  Snftrumente"  über, 
refp.  gegen  bie  (Sfyarafteriftü  ber  Xonarten)  rjätte  überzeugen 
laffen,  bafe  fein  gteidimofjt  bebingter  ©taube  baran  ein  üer* 
alteter  unb  irrtf)ümtid)er  fet),  begmeifle  idj  ftarf,  möchte  im 
©egenttjeit  annehmen,  bafs  er  ben  t)oct)geter)rten  §erren  mit 
©rünben  entgegengetreten  märe,  bie  ifyren  muficatifd)en  ©efürjl- 
Xrjermometer  meit  überftiegen  Ijabeit  mürben.  Unb  mittels 
biefeS  3nftrnment<§  mufj  man  btö  (St)ara£terifttfcf)e  in  ben 
Xonarten  gu  beftimmen  fndjen,  nidjt  aber  au§fct)(ie^(icr)  burd) 
.pl)rjficatifd)e  ©rünbe.*) 


2.  gettgenoffen.    -ötetfter  unb  jünger. 

SSie  e§  um  bie  gegenfeitige  5Id)tung  gmifdjen  23eetrjoöen 
unb  ben  SBiener  Sftufifern  im  allgemeinen  geftanben,  tjaben 
mir  in  allen  Venoben  be§  biograpf)ifd)en  XfyeitS  fattfam  er* 
fahren.  Sßäre  Gebern  au§  bem  Sftufiferfreife  fünftlerifdje  ®e= 
finnung,  rjerüorgegangen  au§  fünftterifdjem  Seroufjtfetjn,  eigen 
geroefen,   fo  märe  ber  bem  Xonbidjter  fo  ^äufig  gemachte  SSor* 


*)  $8eatf)ten§toertf)  ftnb  bte§fafl§  bie  23etnerfungen  Don  21.  33.  Wlax £ 
in  ber  Slbfjanblung  „©riedjifdje  Tonarten"  in  ©ä)iüing§  ©ncl)dopäbie, 
©.  344  unb  ff. 

8t.  ©djinötcrä  58eet5oöen»58iogrop^ie.  33 


—     514     — 

murf:  er  fjafce  fidj  ber  ftünftterroelt  f cfjrof f  gegenübergefteüt, 
§u  feinem  ?iad)tf)ei(e  begrünbet.  2Öir  rjaben  aber  aud)  biefe 
Seite  im  9\cf(ectir=  Spiegel  mit  einer  ftarfen  33eimifd]img  oon 
9J?ufifanten=@efinnung  gefefjen,  unb  miffen  folglich  barüber  53e= 
fcfjeib.  £ner  muf$  tebocr)  nottnoenbiger  Söeife  ber  5(u§narjmen 
ermähnt  merben,  roetcrje  aud)  biefe  Siegel  gehabt,  ma§  oon  ben 
?Inf(ägern  ftet§  ignorirt  mürbe.  Sn  öor§üglid)er  2ld)tung  ftanben 
bei  23eetrjoöen:  (Salieri,300)  ferner  bie  brei  Gapetlmeifter  am 
$ärntrjnertf)or=£f)eater:  2öeigt,  ©tirometj  unb  Umlauf, 
bann  nod)  Siabetli,  bie  beiben  S^ernt),  ßarl  unb  Sofept) 
(nur  namenSöermanbr),  (Schott,  griebtom§frj,  ßlement 
(letjtere  brei  au§  bem  Seben  be§  9Qieifter3  fdjon  befannt),  — 
unb  bie  9J(itg(ieber  be§  (Sdjuppan^ig^fdjen  £luartett§.  Siefer 
fteinen  ^Cn^afjt  mu§  nadjgefagt  roerben,  bafj  e§  Äünftter  in  ber 
engften  53cbeutung  be§  22orte3  gemefen,  metdje  bie  Gtjrfurdjt 
oor  bem  großen  9tteifter  niemals  aufeer  2(djt  gelaffen,  bagcgen 
mieber  bon  irjm  mit  offenbarem  Söorjfmotten  unb  je  nad)  @e* 
tegenfjeit  burd)  perfönticrje  görberung  üjrer  gxüedz  ausgezeichnet 
mürben.  £)ie  Stenge  ber  älteren  9ttufifer,  bie  bei  £)at)bn'S 
unb  äftoäart'3  5D?ufil  rjerangemad)fen,  pflegte  in  ber  brüten 
^eriobe  «Snmpatfjie  unb  9(ntipatt)ie  für  unb  gegen  53eett)oüen'jd)e 
SKufif  bjäufig  nod}  nad)  bem  geringeren  ober  öermetjrten 
$opfroadeln  be§  alten  21b  be  ©tabler  31t  bemeffen,  ber  feine 
9(ntipatrjie  gegen  biefetbe  in  oftenftbter  SBeife  gu  erfennen  ge* 
geben.*)  tiefer  9?eftor  fjat  bei  allen  ^probuctionen  be* 
©djuppanäiglj'fdjen  DuartettS  niemals  gefehlt,  fiel)  jebodi  allzeit 


*)  ©ielje  I,  ©.  80.;  fteubruef  S.  117. 

300)  Alles  wahr  und  schön.  Unter  diesen  Künstlern  darf  über 
Salieri  nicht  vergessen  werden,  daß  Salieris  Feindseligkeit  gesren 
Mozart  dem  Meister  wohl  bekannt  war,  daß  auch  über  die  Legende, 
Salieri  habe  sich  schließlich  den  Hal3  abgeschnitten,  in  den  Kon- 
versationsheften  vielfach  die  Rede  ist.  Daraus  ist  das  Meiste  bereits 
in  meinen  „Beziehungen  zwischen  Mozart  und  Beethoven"  (siehe 
„Die  Musik")  mitgeteilt  worden.  A.  d.  H. 


—     515     — 

oor  ^Beginn  beg  93eetfjoben'fdjen  2Berleg,  bag  ftetg  nad)  einem 
£at)bn  unb  einem  ätfo^art  gegeben  roarb,  entfernt.  Sftarrmitian 
«Stabler  mar  1748  ge6oren,  mithin  nm  adjt  Sarjre  älter  alg 
Stto^art;  er  berliefj  bie  Sßclt  1833.  §lu§  biefen  3aljre§äaf}len 
lä&t  fid)  ber  ©runb  beg  Sßerfenneng  beg  neuen  ©eftirng  er* 
ratzen.  @r  üermod)te  [einen  35tid  big  ju  il)m  nidjt  met)r  gu 
ergeben,  gut  bie  9ftenge  ber  ©teidjgefinnten  genügte  eg  aber, 
biefen  tebenben  9f?eft  aug  SKojart'g  $eit  unb  beffen  Slreig  fid) 
gum  £t)ermometer  für  Sßeurtrjeilung  Söeetrjoüen'fdjer  Wu\\t  311 
erliefen. 

Stujjer  obigem  33ormurf  muffte  man  a6er  nod)  tjören,  bafj 
SBeettjooen  fid)  gegen  bie  jüngeren  Söhififer  unfreunblid)  be* 
nommen  fjabe,  mag  fogar  9tieg  in  feinen  biograprjifdjen  Zotigen 
burdjbliden  läfjt.  tiefer  SSorrourf  larnt  mit  nidjt  menigen 
roiberfpredjenben  Seifpieten  entfräftet,  anbrerfeitg,  menn  ja  ber* 
gleiten  oorgefommen,  mit  inneren  unb  äußeren  ©rünben 
entfdjulbigt  merben.  (Srftere  lagen  in  feiner  großen  Sfteigbarfeit 
unb  in  ^u  häufigem  SSedjfel  ber  (Stimmungen,  beibe  Ratten  ftu 
oft  itjre  Duette  in  bem  ungtüdlicfjen  ©erjör^uftanbe,  folgerecht 
in  ber  Sßefcfjrüerlidjfeit  ber  (Sonberfation.  $om  Sarjre  1816 
big  1818  bebiente  fic£)  ber  ÜDceifter  eineg  <Sbrad)rot)rg,  üon 
jener  ßett  an  fonnte  bie  (Sonberfation  nur  merjr  auf  fdjriftlidjem 
SSege  gepflogen  merben. 

S)ie  äußeren  ©rünbe  fanben  aber  gumeift  itjre  Duelle 
in  ben  jüngeren  SD^ufilern  felber,  toeldje  bem  ©etoaltigen  in 
bie  9^ät)e  gelommen.  llnerfarjrenrjeit  in  allen  ©ingen,  bie  bag 
Sntereffe  beg  9)Mfterg  in  ber  Gonberfation  Ratten  ermeden 
tonnen,  über  alleg  aber  itjre  SBeffommenljeir,  bie  itjnen  oftmals 
bie  ©ruft  gufammengepre^t,  bafj  fie  felbft  mit  §üife  eineg  ©ritten 
lein  2Bort  fyeraugbringen  lonnten,  bag  maren  bie  Urfadjen,  ha^ 
eg  immer  unb  alljeit  bei  einmaligem  QSorftetten  berbtieben;  bie 
meiften  lamen  erft  mieber  gu  21tf)em,  menn  fie  irjm  aug  bem 
©efidjte  maren,  modjte  ftcf)  ber  Stteifrer  nod)  fo  freunblid)  gegen 
fie  beseugt   tjaben.     Wlan   muffte   aber   an   biefe   imbonirenbe 

33* 


—     516     — 

$erföntid)leit  gemötjnt  fetjn,  menn  fie  im  Vereine  mit  ifyrer 
fünftlerifcfjen  ©röjje  nidjt  erbrüdenb  roirfen  fottte.  SBaä  fottte 
e§  ferner  mit  it)m  gur  ^Beurteilung  borgefegten  Gompofttionen 
junger  latente  für  Seroanbnife  fjaben,  ba  er  im  Stufe  ftanb, 
bie  Regeln  ber  Sdjule  gu  mifjadjten  unb  tebigtidj  ben  Gin- 
gebungen  feiner  Sßljantafie  SU  folgen?  tiefer  böfe  9hif  fdjüftte 
it)n  bor  berartigen  ©infenbungen  unb  nu|lofer  ßeüberfäumniH 
bamit.  Aber  audj  biefe  Üteget  t)atte  ifyre  Ausnahmen.  Unter 
Anberen  t)atte  iljm  ein  in  Sftaing  combonirenber  SBaron  ber* 
fdjiebene  feiner  Sßerfudje  gur  ^Beurteilung  eingefanbt,  bie  trotj 
großer  Sdjüterböde  bem  9D?eifter  bennoct)  Vergnügen  gemacht. 
„(S§  ift  ein  §err  Saron,  äußerte  er,  ber  nicrjtS  meljr  ju  lernen 
brauet.  3)er  roeife  fd)on  gu  Diel,  menn  er  biefes  Quartett 
tüirfttct)  gefdjrieben."  £)a§  geigt  bodi,  baf$  unfer  9J?ann  bie 
©omboniften  in  Kategorien  abgutfyeilen  oerftanb. 

kennen  mir  nur  einige  aus  ber  3^1)1  ber  jüngeren  SQcuftfer, 
bie  mit  Aufarbeitungen,  ober  auefj  ot)ne  biefelben,  in  23eet* 
fjobenM  9rät)e  gefommen. 

$or  allen  mirb  fid)  SDcofdjeleS  ber  liebreichen  Aufnahme 
erinnern,  ab!  er  bem  9JMfter  bie  ifym  bebicirte  ©onate  in  E 
überreicht  t)at.  @r  mirb  fiel)  audj)  erinnern,  mit  tueldjer  ©ebulb 
unb  Sftadjfidjt  it)m  23eetf)Oben  feinen  für  2).  Artaria  arrangirten 
(EtabierauSgug  Oon  $ibetio  corrigirt  unb  ifjn  fo  lange  aufgemuntert 
fjat,  bi§  er  mit  biefer  fdjnnerigen  Arbeit  gang  aufrieben  geiuefen. 
äftofdjeleS  mufete  barauf  ba$  Arrangement  eines  «Stüdeö  au§ 
biefer  Dper  übernehmen,  roeldjeS  oon  §ummel  bereits  für  Artaria 
arrangirt  mar,  ba$  aber  ©eettjoben  gerriffen  tjatte,  nidjt  miffenb, 
mer  bie  berfetjtte  Arbeit  gemadjt.  Am  ©djfuffe  jenes  ®tücfe£ 
fdjrieb  3ftofd)ele<S,  oieüetdjt  in  ber  Sßeforgnifj,  e§  merbe  it)tn  bamit 
mie  feinem  Vorgänger  ergefjen,  bie  SSorte:  „Fine  mit  ©otteS 
£mtfe"  —  unb  23eett)oben  fdjrieb  barunter:  ,r9J?enfct),  f)ilf  bir 
fetbft." 

Siefe  auf  ©etieif;  be§  Verlegers  oerrid)tete  Arbeit  batirt 
au3  bem  Scujre  1814,  als  3Kofd)e(eS  eben  ätoangig  3al)re  gcgäfjlt. 


—     517     — 

3ßa§  aber  ber  33erfaffer  bem  Sßorftebjenben  at3  $ßarantf)efe 
anfügen  mu§,  gehört  51t  ben  unangenerjmften  Sßertifticfjtungen, 
beren  er  fid)  bi§t)er  <$u  entlebigen  gehabt. 

2)ie  SluSgabe  ber  23eerf)otien'fd)en  Monaten  bei  ^attberger 
in  (Stuttgart  bringt  jur  1.  Sieferung  einen  „s-8orberid)t"  tion 
SD?ofd)ete§.  ©erfelbe  beginnt:  „$on  bem  Verleger  biefer  5(u§= 
gäbe  mit  bem  antrage  beehrt,  bie  9?ebaction  berfetben  gu  über* 
nehmen,  mödjte  id)  meine  Sefugntfe  git  biefcm  SImte  bem  publicum 
gegenüber  baburd)  behtnben,  bafe  id)  midj  auf  meine  im  Satire  1806 
begonnene  53efanntfd)aft  mit  23eetrjot>en'3  2Berfen  berufe  unb 
auf  meine  in  SBien  verlebten  Satire  —  tion  1808  big  1820  — 
Ijinmeife,  in  benen  id)  feinen  perföntidjen  Umgang  genofe,  unter 
feinen  Stugen  ben  erften  &(atiier=2lu§5ug  be3  $ibeüo  machen 
burfte, ,  bie  ©ntftefyung  feiner  2Berfe,  feine  eigenen  Vorträge 
bemunberte  —  unb  mo  mir  ba§>  ©tubium  aüer  biefer  ©erjage, 
bciZ  id)  äugteid)  mit  ber  ganzen  £iebt)aber=  unb  ^ünftleüoett 
2ßien§  unternahm,  ein  reifer  SSorn  ber  $reube  unb  be3 
9cu§en§  marb." 

2tu3  biefem  23orberid)te  erfahren  mir  atfo,  baf$  9J?ofd)e(e§ 
tion  1808  bi§  1820  ben  tierfönticfjen  Umgang  mit  93eet= 
fyotien  genoffen.301)  ^Darüber  tann  9ciemanb  merjr  erftaunen, 
al§  ber  Sßcrfaffer  biefer  (Schrift,  ber  mit  SDcofcfjeleä  tiom  Satjre  1815 
big  gu  feiner  Slbreife  nad)  ©nglanb  1820  in  ununterbrodjenem 
SSerferjr,  öon  ba  an  aber  in  fteter  (Sorreftionbenj  geftanben, 
toie  bie§  ein  borrjanbener  fernerer  ^ßad  Briefe  tion  SD?ofcrjele£ 
an  mid)  §u  bezeugen  tiermag.    ®iefe  Briefe  enthalten  meiftenä 


301)  Hier  scheint  Schindler  leider  ebenso  befangen  zu  sein,  wie 
beim  Punkte  Carl  Holz.  Vielmehr  ist  Moscheies  vollkommen  im  Recht, 
wie  es  die  zahlreichen  Konversationskefte  und  die  vorgeführten  Briefe 
dartun.  Im  allgemeinen  habe  ich  die  Beziehungen  zwischen  Beethoven 
und  Moscheies  bereits  beschrieben  (Vossische  Zeitung,  Sonntagsbeilage, 
April  1893).  Erweitert  mit  Hilfe  der  Konversationshefte  wird  diese 
Arbeit  in  Buchform  erscheinen,  und  dann  wird  jeder  Einsichtige  urteilen 
könneii,  auf  wessen  Seite  die  „unerhörte  Dreistigkeit"  liegt.    A.  d.  H. 


—     518     — 

eine  ausführliche  Sftittrjeitung  aller  feiner  Grlebniffe  unb  -Ltjaten 
in  Sonbon  mie  auf  feinen  Reifen,  unb  fonnen  feinem  Siograprjen 
einften§  treffliche  £)ienfte  leiften.  ©afj  §err  90?ofd)ete<§  Seet= 
fjouen'3  Umgang  genoffen,  bieg  bei  meinen  öebjeiten  aus^ufpreccjen, 
ift  eine  fo  unerhörte  2)reiftigfeit,  bergleicfjen  bisher  bon 
feiner  Seite  bemerkbar  gemorben.  Wit  Sapibarfdjrift  muß  e§ 
im  Sntereffe  ber  Seettjoöen'fdjen  9J?ufif  gefagt  feün,  bafj  —  obige 
gälte  aufgenommen  —  £>err  SDcofdjeteS  nur  nod)  im  9?otiember 
1823  bei  feinem  furgen  Sefudje  in  SBien  in  bie  üftärje  23eet= 
fjooen'ö  gefommen,  nacfjbem  id)  irjn  bei  bem  Sfteifter  eingeführt 
unb  mir  beibe  mit  ifjm  §u  ^ifdje  fafeen.  2)iefe  ©infütjrung 
tjatte  aber  pm  ©runb,  bafc  S^ofdjeleS  ben  äfteifter  perföntitf) 
um  feinen  engüfdjen  glüget  5um  ©erjufe  eines»  öffentücfjen 
(SoncerteS  (baS  im  5tärnttjnerttjor=^t)eater  ftattgefunben)  erfudjen 
rooüte,  roa§  id)  bereit«  befürwortet  rjatte.  Unb  fonberbar,  ba^ 
ber  ÜKeifter  jur  ©teile  bie  23ermutf)ung  auSfpradj,  9J?ofd)ete§ 
möge  rooljl  nur  eine  ©pecutation  bamit  beabfid)tigen,  ba  er  ben 
glügel  megen  feinet  befdjränf'ten  Cctat>en=Umfang§  bod)  nidjt 
gebraudjen  fonne.  Snbefe  gab  er  i£)m  baZ  Snftrument,  unb 
sH?ofdjete3  benu|te  e3  b(o3  gu  einer  Smproüifation,  inbem  itjm 
Sonr ab  ®raf  einen  üon  feinen  glügetn  Ijergeridjret  fjatte. 

©ben  fo  mufe  id)  bezeugen,  bafj  in  allen  ben  Saljren  feines 
Sßiener  SlufentfjaltS  §err  SftofdjeteS  auSfcrjIiefslicf)  mit  feinen 
unb  ifynen  üermanbten  Gompofitionen  befdjäftigt  getuefen,  unb 
bafj  id)  niemals  eine  9?ote  oon  SBeetrjouen'»  SKitfil  üon  itmt 
gehört,  ja,  ba)3  er  biefer  9J?uftf  mit  eben  fo(d)er  Gonfequeng  auS 
bem  SSege  gegangen,  mie  aße  anberen  ^Birtuofen  ber  neuen 
9?id)tung,  benen  biefe  roie  jebe  anbere  ctaffifdje  SKufif  in  ber= 
fetben  SSeife  ein  „übermunbener  ©tanbpunet"  gemefen,  mie  ben 
heutigen  ^u^nftSmufifern  alte  prüdtiegenbe  SDZufif.  SSeträftigen 
mirb  biefe  2lu3fage  eine  ©teile  auS  bem  biograprjifcfjen  5Ibrifj 
über  StfofdjeteS  in  ©djitting'S  ©netictopabie.  2>iefetbe  fdjtiefjt 
fid)  an  ben  bei  2IIbred)tSberger  unb  ©aüeri  genoffenen  ©d)ut= 
unterridjt  an  unb  lautet:  „^ngteid)  entfaltete  fid)  feine  SSirtuofität 


—     519     — 

g(eid)fam  üon  Sag  51t  Sage  in  einer  SBeife,  bie  ben  23eobad)ter 
in  (Srftaunen  fefcte,  unb  ben  Jüngling  in  bürgern  gum  9ttittef= 
puncte  be§  Sßiener  (Soncerttebenö  unb  gu  einem  Siebting  be§ 
bort  fo  muftftuftigen  unb  feit  lange  an  ba§>  SSefte  getoötjnten 
*ßubticum§  madjte." 

SSer  erfennt  nidjt  barau§  ben  Slntipoben  Seet^ouen'ö,  mit 
beffen  9Jfr;fif:  im  gleiten  Safyrgefyenb  fid)  9?iemanb  311m  Siebling 
be3  ^pubttcumS  fyinauf  gu  fdjmingen  üermocfjt  t)ätte?  216er  nod) 
ein  anberer  gettnd)tiger  Umftanb  inufj  bei  biefer  (Megenfjeit 
pr  (Sprache  fommen,  ber  tute  eine  tl)urml)ot)e  ©arre  gtt>ifd)en 
9J?ofdjete§  unb  23eetf)oben  jeben  Umgang  unmöglich  gemadjt: 
bieg  mar  23eetf)oüen'3  Jpajj  gegen  bie  Ä'inber  Sfraefö  in  ber 
®unft,  benn  er  fat),  mie  alle  fidj  ber  neueften  9tid)tung  gu= 
gemenbet  unb  aföbatb  ben  tucratioften  ©djadjer  bamit  getrieben 
t)aben*)  SSären  feine  ^ßropfjegeiungen  aufgefdjrieben  morben, 
ber  „greigebant"  in  ber  9?euen  ßeitfdjrift  für  Sftufif  1850  tjätte 
auefj  in  biefem  ^unete  einen  Vorgänger  gehabt.302) 

®ie  gegenwärtige  ^nfinuation  be3  §errn  ^rofeffor  9Jfofd)ete3 
tjat  jebocfj  bereite  ein  ^ßräcebenö  oon  nod)  größerem  Umfange 
unb  Sebeutung. 

©ämmtlidje  bei  bem  Seetfyooen^efte  1845  gu  Sonn  an= 
mefenbe  S3erid)terftatter  Sonboner  ßeitungen,  barunter  9ttr.  §0* 
gartt)  für  Moruing  chronicle,  9#r.  ©rüneifen  für  bie 
Britamria  u.  f.  tu.,  ber  Äunft=23eteran  ©ir  ©eorge  ©mart 
unb  ber  berannte  SSiolinift  sRx.  Uri**)  —  gufammen  elf  an 


*)  ^euefter  $eit  baben  roobl  bie  Gbriften  ben  3u°en  in  ©adjeu  bec 
DJufif  nid)t§  mebr  tior^muerfen. 

**)  Sßerläfeiidien  Sftittbeilungen  jufotge  finb  tiefe  biet  ©enannten  nod) 
unter  ben  Sebenben. 

302)  Schindler  meint  hier  Freigedanks,  das  ist  Richard  Wagners 
Aufsatz  „Das  Judentum  in  der  Musik",  das  dann  als  selbständige  Schrift 
1869  erschien.  Es  kann  nicht  meine  Absicht  sein,  über  diese  Schrift, 
worüber  eine  ganze  Literatur  vorliegt,  noch  weiteres  vorzubringen; 
darüber  ist  nicht  so  leicht  entscheidendes  zu  sagen.  Ich  lasse  das  auf 
sich  beruhen.  A.  d.  H. 


—     520     — 

3af)t  —  Ratten  midi)  ju  einer  SBefpredjuug  eingetaben,  mobei 
mir  folgenbe  fragen  gejMt  mürben:  a)  „Stanb  £err  9Jfof  djetee 
mit  23eett)oöen  in  Verbinbung?  —  b)  Sft  e§  toafyx,  bafj  §err 
SQZofcfjefeö  bie  Srabition  bejüglidj  aller  SSerfe  25eett)oüen'<§  un= 
mittelbar  üon  itjm  übertommen?"  —  SefctereS  tjatte  nämlid) 
9J?ofd)ele§  in  einer  Hauptprobe  ber  pt)i(t)armonifd)en  ©efellfcfjaft 
im  Saufe  ber  bamatigen  Saifon  laut  berfidiert.  Sa  ber  9cad)= 
trag  „SBeetfjoüen  in  ^arid"  bei  ber  feiten  Auflage  bieder 
Sdjrift  in  Sonbon  mdjt  befannt  mar,  barin  biefeg  Punctum 
saliens  bereits  abgetjanbelt  ift,  fo  brauchte  idj  mid)  in  Veant= 
mortung  obiger  fragen  blo§  bar  auf  gu  begießen.  Sie  Ver= 
fammtung  befdjlof},  ba§  Vernommene  in  Sonbon  befannt  $u 
machen.  3>d)  mürbe  aufgeforbert,  biefen  Vorfall  unb  beffen 
Verantaffung  in  einer  Seutfdjen  3eitung  mitzuteilen.  Unterm 
25.  Dctober  beffetben  SafyreS  bot  fid)  Gelegenheit,  ba§  factum, 
mit  anberen  bergleidjen,  in  ber  ^Beilage  gur  Sölnifdjen  Leitung 
gur  Deffentlidjfeit  gu  bringen.  Von  meldjer  SStrfung  e3  gemefen, 
geigt  bie  neuerlidje  £t)atfad)e  in  Stuttgart. 

9?ad)  Stuefage  ber  §erren  Reporters  gu  23onn  marb  £>err 
ÜDtofcfjeteS  gu  fotdjen  Stnmajjtttigeit,  refp.  Speculationen,  in  5D^Öe 
ber  großen  Senfation  angefpornt,  meldje  bind)  bie  beiben  33eet= 
t)oüen'fd)en  Briefe  au3  beffen  legten  SebenStagen,  an  9ftofd)ete§ 
gerichtet,  in  (Snglanb  t)eroorgebrad)t  mar.  2Ba3  e§  mit  biefen 
Briefen  auf  fid)  tjat,  Ijat  ber  Sefer  gum  @d)lufe  ber  brüten 
^periobe  erfahren.  23eibe  finb  oon  meiner  £>anb  gefdjrieben, 
öon  Veettjoüen  bto<3  unter§eid)net.  ©in  Vergleich  beiber  mirb 
geigen,  bafj  e§  öeettjoüen'so  Stul  nid)t  ift.  ©leidnootjt  ift  ber 
gmeite  öom  18.  9JMrg  üon  it)m  in  bie  geber  bictirt,  b.  l>  mie 
ein  ©terbenber  gu  bictiren  öermag. 

Ser  9J?utt)  beS  §errn  SttofdjeleS,  ber  Söelt  nun  glauben 
gu  madjen,  bafj  er  mit  alten  Glaffirern  Sruberfdjaft  gefdjloffen, 
erftredt  fid;  aud)  auf  9ftogart,  §at)bn  unb  (Stementi.  Sn  einem 
bie  «Stuttgarter  2tu3gabe  biefer  (Etaffifer  empfefjlenben  Sluffa^e 
in  ber  Seilage  gur  Sltlgemeinen  3e^un9  ü°m  1&  2>ecember  1858, 


—     521     — 

(ber  9?.  SKündjener  3tg.  entnommen),  ber  sugteid)  bie  S3e= 
t^eifigung  üon  9ftofd)e(e3  gu  rechtfertigen  ben  3»>ecf  *)at>  Reifet 
e3:  „3Kit  (Stementi  bertebte  SDiofdjeteä  biete  muficatifctje  ©tunben, 
guerft  in  2öien,  mo  ber  männtid)  reife  (Somponift  itjm  at3 
$orbitb  biente,  bann  in  ßonbon,  mo  ber  ©reis,  nod)  com 
geuer  ber  Sugenb  befeelt,  fid)  feine  (Sompofitionen  bon  ü)m 
borfpieten  tiefj." 

9?act)ftet)enbe  SDaten  mögen  biefer  Seipäiger  Snfpiratton  aU 
Kommentar  bienen:  Stfoftf)ete§  fam  1808  al§>  toier^efmjärjriQer 
$nabe  nad)  äBien.  (Stementi  mar  aber  nid)t  in  biefem  Safjr, 
fonbern  1807  bafetbft,  b(o§  in  ber  2lbfid)t,  um  mit  23eetrjoben 
einen  SßerlagSbertrag  absufdjtiefsen,  beffen  Saturn  (im  bor* 
tiegenben  Original)  ber  20.  5Iprit  ift.  3)er  bamatS  bereite 
59  Satjre  §ät)(enbe  (Elementi  tjatte  ba§>  (Habierfpiet  fd)on  auf* 
gegeben.  1820  fam  9ttofd)ete§  nad)  ßonbon,  aU  (Stementi  ein 
bitter  Don  78  Setzen  erreicht  tjatte.  Ttan  benfe  fid)  ba§ 
„$euer  ber  Sugenb,  ba§  ben  ©rei§  befeelt  t)aben  fotl!"  9J?an 
beute  fid)  aber  aud)  ben  mobernften  ber  mobernen  (Etabicrfpieler 
SDtofct)ele§  $ur  Qtit  nur  mit  SSermetjrung  feinet  9tut)me3  be= 
fdjäftigt  unb  —  (Hementi'fdje  ©onaten  bem  9Q?eifter  borfpieten, 
ber  bor  allen  mobernen  35irtuofen  eben  fo  grofce  ©djeu  gehabt, 
mie  33eett)ouen.  2)iefe  fjaben  auf  feine  ©onaten  mit  berfelben 
@eringfd)ä|ung  fjerabgefebjen,  mie  auf  23eett)Oben'§  gefammte 
ßtaoiermufif.  darüber  tjat  fid)  (Etementi  bei  feiner  testen  2tn= 
töefentjeit  in  SBien  —  im  ©ommer  1827  —  nur  51t  beutüd) 
au§gefprod)en.  —  @§  mirb  ben  SSerfaffer  nict)t  überrafdjen 
oiet(eid)t  batb  gu  bernefjmen,  £err  9ttofd)e(e3  fet)  unter  bie 
gat)ne  ber  3lIfuttft3muftfer  getreten,  loeÜ  bort  nun  am  meiften 
9fJut)m  unb  aud)  (Mb  §u  ermerben.303) 

@an§  ermünfd)t  ift  bie  9?ad)rid)t  bon  "peinrtd)  9ftarfd)  = 
ner'3  erftem  3ufammeutreffen  m^  Seet^oüen,  metdje  üon 
^rofeffor  £.  Sifcfjoff  in   einer  Seben^ffi^e  bon  bem  5tönigt. 

303)  Über  all  diese  Fragen  wird  der  Aufsatz  „Beethoven  und 
Moscheies"  Antwort  geben.  A.  d.  H. 


—     522     — 

£annooer'fdicn  £)of=Gapeltmeifter  in  Sftro.  2,  3  unb  4  ber 
$ftieberrl)einifd)en  9Jcnfif=3e^tunS  1857  mitgeteilt  trirb.  ©iefeä 
3üfammentreffen  geigt  beutlid),  mie  eä  ßunft^oöi^en  mit 
Söeetfyoüen  erging.  Bifdioff  fügt  bort:  „«Sein  erfteä  ßufammen* 
treffen  mit  Sßeettjooen  fdjilberte  2)farfdjtter  fpäterfyin  öfter  mit 
£mmor  'unb  geretteter  Sßürbigung,  al§  biejenige  mar,  mit 
roetdjer  er  e§  im  ?(ugenbtide  felbft  auffaßte.  2)er  21  jährige 
Süngting  mod)te  freitid)  üon  bem  Dberpriefter  ber  Sonfunft 
ein  tieferes  (Singeljen  auf  bie  mitgebrachten  Sftanufcripte  er* 
märtet  Ijabcn,  unb  fetjnte  fid)  nad)  ?(ufjd)lüffen  über  bie  ©e= 
fjeimnifje  ber  Siunft,  bie  er  nur  f)ier  $u  finben  Jjoffte.  allein 
Söeettjoüen  liebte  e§  nidjt,  oiele  SBorte  gu  madjen.  ßr  nafjm 
ben  jungen  3Harfd)ner  inbefe  gan§  gut  auf,  falj  bie  Sftanufcrtpte 
flüchtig  burd),  gab  fte  mit  einem  „ipm!",  ba§  meljr  3"fl"ieben- 
fyeit  aU  ba$  ©egeniljeil  auSbrütfte,  gurüd  unb  fagte:  ,,3d)  Ijab' 
nid)t  biet  $eit  —  nid)t  5U  oft  lommen  —  aber  mieber  mag 
mitbringen." 

©djlimm  ift  e§  1822  gran5  ©djubert  bei  Ueberreidjung 
feiner  bem  äReifter  getoibmeten  Variationen  ju  üier  i^änben 
ergangen.  S)er  fd)üd)terne  unb  gugteid)  mortfarge  9Jcufenfoljn 
l)at,  ungead)tet  Siabelli'S  Begleitung  unb  $erbolmetfd)ung 
feiner  ©efüljle  für  ben  Sfteifter  bei  ber  SSorfteüung,  eine  ü)m 
felber  mifsfäüigc  3iolle  gefpielt.  £)ie  bis  an'3  §au§  feftbeiuatjrte 
(Sourage  Ijat  itjn  im  2lngefid)t  ber  £ünftter=9}?ajeftät  gan^  öer= 
taffen.  Unb  aU  $eett)oüen  ben  !föunfd)  geäußert,  (Schubert 
möge  fetber  bie  Söeantmortungen  feiner  3ra9en  nieberfdjreiben, 
mar  bie  §anb  mie  gefeffett.  SBeettjouen  burdjüef  ba$  überreidjte 
d^emptar  unb  ftiefj  auf  eine  Ijaimonifdje  Unridjtigfeit.  SOät 
fünften  Porten  madjte  er  ben  jungen  9Jiann  barauf  aufmerffam, 
aber  fog(eid)  beifügenb,  ba$  fet)  feine  £obfünbe;  inbejj  ift 
<2d)ubert,  oielleidjt  grabe  in  5°fQe  biefer  begütigenben  93emerfung, 
boßcnbS  au§  alter  Raffung  gekommen.  (Srft  aujjer  bem  £muje 
raffte  er  fid)  mieber  jufammen  unb  fcfjatt  fid)  fetber  berbe  au§. 
@r  t)atte  niemals  mieber  ben  üftutf),  fid)  bem  9J?eifter  Ooräuftelten. 


—     523     — 

@iit  mit  $eetf)otien  gu  berfeljren  berfianb  ber  gefegte 
(Staoierfpteler  unb  ßomponift  Slnton  §alm,  unb  SMfter 
Submig  freute  fiel)  ob  beffen  frifdjen,  fotbatifcfjen  SBefenS.  §alm 
mar  früher  Dffigier  in  ber  Slrmee;  Siebe  gur  Stonlunft  unb 
audj  STalent  matten  am§  if)m  balb  einen  madern  Stünftter. 
53eetl)oben  bertraute  ifjm  eines  ber  aUerfdjmierigften  SIrrangementS, 
nämlid)  ber  $uge  auS  bem  großen  Quartett  in  B  dar  für 
Sßianoforte,  bie  als  Op.  133  befielt,  unb  mar  mit  Söfung 
ber  Stufgabe  gang  aufrieben.  Gart  (S^ernt)  I)at  bergeblid)  feine 
©efdjtcflicfyfett  baran  erproben  moHen.  £)er  SJceifter  l)at  feine 
Slrbeit  bermorfen. 

1824  marb  ber  jüngft  erft  auS  9ftünd)en  gekommene 
3?ranj  Sadjner  burd)  91nbreaS  ©treidjer  bei  Sßeettjoben  ein* 
geführt.  S)ie  2tufnat)me  mar  eine  freunbticr)e,  bennodj  mirb 
öadjncr  §u  jagen  mifjen,  mie  üjm  tro|  beS  fieberen  (MeitS= 
manneS  in  ber  9cäf)e  beS  SDteifterS  um'S  §er§  mar,  beim  Sadjner 
gätjlte  eben  erft  21  Saljre.  2lud)  er  fam  fernerhin  niemals 
mieber  mit  SSeetijoben  in  $erül)rung.304) 

SDiefe  £yälle  geigen,  maS  oon  ber  fo  oft  gerühmten  (2d)üler= 
fcfjaft  23eett)oben'S  gu  fjatten.  $on  benen  bieS  auSgefagt  mirb, 
t)at  bielteidjt  feiner  jemals  mit  53eetf)oben  mef)r  als  ein  paar 
Sßorte  gemedjfett.  Um  etmaS  öon  if)m  §u  lernen,  mufcte  man 
mit  iljm  leben  unb  berfeljren,  ba  aber  nod)  bie  gün fügen 
Stimmungen  §u  foldjem  gmede  gu  erfjafdjen  miffen.  SSor 
Mein  maren  ein  gemiffeS  männliches  Sllter  unb  männlidje 
SebenSanfdiauungen  erforberlid),  um  ber  ©fjre  feines  Umganges 
tfjeilljaftig    51t    merben.     3SaS   follte   ber   grofte   Süceifter    mit 


304)  Viel  später  als  die  III.  Auflage  des  Schindlerschen  „Beet- 
hoven" erschienen  ist,  hat  Franz  Lachner  selbst  seine  Erlebnisse 
mit  Beethoven  aufgezeichnet  und  publiziert.  Diese  „ Erinnerungen" 
Lachners  an  Schubert  und  Beethoven  verdienen  aufs  neue  gedruckt  zu 
werden.  Die  sehr  interessanten  Erinnerungen  stehen  in  Lewinsky: 
„Vor  den  Kulissen.  Originalblätter  von  Zelebritäten  des  Theaters  und 
der  Musik",  IL  Band.  A.  d.  H. 


—     524     — 

jungen  Seilten  beginnen,  bie  ben  ©djulftaub  faum  abgefdjüttelt 
tjatten? 

sJlod)  finb  au§>  ber  Meinen  garjt  jüngerer  Äünftier  3 ofepf) 
S3ö^m,30B)  Sotjann  §oräaifa306)  unb  Seopotbine 
93tatjetfa307)  §u  nennen,  bie  fid)  ber  bebten  Slufnatjme  üon 
23eetrjor>en  gu  erfreuen  getjabt.  Ueber  ©rfteren,  ber  nod)  afö 
sßrofeffor  ber  Violine  am  Söiener  (Sonferüatorium308)  fungirt, 
ift  bereits  bei  ©elegentjeit  be§  1825  mit  bem  neuen  Duartett, 
Op.  127,  SSorgefatlenen  ein  SDcerjrereS  auSgefagt.  — 

$on  einer  Slufnarjme,  bie  mit  bem  ©pitrjeton  „freunblid)" 
nicfjt  5U  be(^eid)nen,  ift  bem  Sßerfaffer  nur  eine  befannt.  <3ie 
betraf  ben  Meinen  ^rang  Sifgt,  ber  in  Begleitung  feines  SSotcrS 
üon  mir  üorgefiellt  roorben.  £)iefe  Unfreunblicfjreit  entfprang 
au§  ber  übertriebenen  SSergötterung  beS  jebenfallS  Stuffel)en 
erregenben  Patents,  in  ber  §auptfadje  aber  tjatte  fie  irjren 
©runb  in  bem  an  ben  9J?eifter  gefteUten  2Infud)en,  ben  12järjrigen 
Knaben  511m  53ef)ufe  einer  freien  s$t)antafie  in  feinem  beüor= 
ftebjenben  ?(bfd)ieb3=Goncerte  ein  Stjema  aufgeben  §u  rootlen, 
ein  Stnfudjen,  ba§>  eben  fo  unbebadjt  a(§  unoernünftig  geroefen. 
Snbeft  ^eigt  ja  ber  <prjper=@ntl)ufia3muä  allenthalben  b^rx  fanget 
einer  oernünftigen  Safiö  in  feiner  (Gebarung,   üftidjt  unmügüd), 

305)  Über  den  Violinkünstler  J.  Böhm  vgl.  man  Brief  No.  1077 
an  Ferd.  Piringer  und  No.  1092  an  den  Neffen  in  B.  S.  Br.  (V.  Band), 
S.  152—153.  A.  d.  H. 

306)  Horzalka,  Klavierspieler  und  Komponist,  ist  1778  zu  Triesch 
in  Mähren  geboren,  kam  1799  nach  Wien.  Seine  Lehrer  waren  da 
Moscheies  und  Em.  Förster.  Er  starb  September  1860  zu  Penzing  bei 
Wien.  Hier  sei  an  Schindlers  ergreifende  Mitteilungen  über  Horzalkas 
Besuch  bei  Beethoven  in  Mödling,  während  dieser  am  Credo  der  Missa 
solemuis  schrieb  (Schindler,  Biographie  II,  321  f.,  Neudruck  524). 

A.  d.  H. 

307)  Die  talentvolle  Komponistin  Leopoldine  Blahetka  ist 
stark  in  den  Konversationsheften  vertreten,  wo  sie  mit  ihrem  Vater 
auftritt.  —  Im  projektierten  Buche  „Beethovens  Frauenkreis"  wird  ihr 
ein  Kapitel  gewidmet  sein.  A.  d.  H. 

308)  Prof.  J.  Böhm  ist  1863  in  Wien  gestorben.        A.  d.  H. 


—     525     — 

ba$  btefer  ©ntrjuftaSmug  e3  geroagt,  nad)bem  SBeetljoüen  biefe3 
Slnfucrjen  mit  merflidjem  Unroiflen  abgelehnt,  oom  Satfer  $ran§, 
minbeftenS  bod)  tiom  (Srgljeräog  9tubolp(),  ein  £rjema  §u  einer 
freien  ^St)antafie  für  bm  fleinen  ^irtuofen  ^u  erlangen.  ®ie 
mit  bem  „2öunberfnaben"  getriebene  ^bolatrie  fjat  übrigen^ 
bem  burcf)  eine  fo  ernfte  ©djute  ber  Erfahrungen  gegangenen 
2J?eifter  (Stoff  gu  mandjerlei  23etradjtungen  geboten  über  bie 
§inberniffe  unb  Hemmungen  für  rurjige  (Sntmidelung  au3= 
gezeichneter  latente,  fobatb  fie  üon  ber  Sftenge  gum  ©dioofe* 
finbe  erforen  ftnb.  SebenSabriffe  über  Öifet  f)aben  auSgefagt, 
bafj  53eetrjoben  bem  2lbfd)ieb<^(Soncerte  1823  beigeroorjnt;  in 
©cfjitling'ä  ©ncrjctopäbie  roirb  fogar  nodj  tjin^ugefetit,  ba^  93eet- 
fjoüen  bem  fleinen  Sifjt  in  biefem  (Soncerte  bie  £>anb  gebrüdt 
imb  bamit  irjn  roürbig  geidmete  be<§  Samens  ^ünftter. 
Beetrjooen  fjat  biefem  (Eoncerte  nidjt  beigeroof)nt,  mie  überhaupt 
feinem  ^ßrioatconcerte  feit  1816.309) 

$on  9tblerjnung  eines  bem  Stteifter  gugebadjten  Befucfjeg 
ift  nur  eine  anmerfenSroertrj.  3roei  2>?al  rjatte  S^offini310)  in 
Begleitung  be§  Slunftt)änbler§  S).  2(rtaria  oerfudjt  bei  23eetl)0üen 
(Eintritt  §u  erlangen,  nadjbem  9(rtaria  bereits  ^tnet  SOcat  an= 
fragen  liefe,  ob  er  mit  bem  SDtaeftro  fommen  bürfe,  allein  53eet= 
fjoben  rjai  fiel)  ftet*  entfdjulbigen  laffen.  @§  barf  nierjt  unerroätjnt 
bleiben,  bafj  ba§  Verlangen,  bem  beutfdjen  ütfeifter  feine  §ulbiguug 
bar^ubringen,  in  3?offini  roefentlid)  9?at)rung  gefunben  Ijaben 
bürfte,  nadjbem  er  alle  Quartette  23eetl)ou>en'3,  burdj  sD?at)feber 
norgetragen,  gum  erften  Wal  gehört  unb  baoon  begeiftert 
geroefen  fetyn  foll.  ©enug,  ba§  £8ert)atten  33eetf)oüen'3  roarb 
üietfacfj   befprodjen   unb   commenttrt.    2ßer   jebod)  mit  ben  be= 


309)  Beethoven  und  der  kleine  Liszt  ist  auf  Grund  der  Kon- 
versationshefte wahrheitsgetreu  vom  Herausgeber  in  der  „Neuen  Zeit- 
schrift für  Musik"  im  Jahre  1880  dargestellt  worden.         A.  d.  H. 

310)  Längere  Abhandlungen  hat  der  Herausgeber  über  Beethoven 
mit  Rossini  auf  Grund  aller  vorhandenen  Quellen  in  der  „Neuen  Ber- 
liner Musikzeitung"  vom  Jahre  1892  veröffentlicht.  A.  d.  H. 


—     526     — 

ftetjenben  3ufmn0en  *n  birecter  Q3e^ief)ung  auf  alle  beutfdje 
äftufif,  herbeigeführt  burcrj  ba3  SDcebtum  roffinifctjer  ÜJcuftf, 
rtid)t  genug  befannt  mar,  ober  e£  bamit  letcrjt  genommen,  unb 
roer  biefe  guftänbe  in  it)ren  nadjtjaltigeu  SBirfungen  nidjt  31t 
bemeffen  oerftanb,  fjat  unfern  SKetfier  gefabelt,  Dioffini  nict)t 
empfangen  3U  tjaben.  33emerfensroertt)  ift  norf)  in§befonbere, 
baf3  SBeetrjooeit  in  feinem  Greife  biefeS  SßorfaHä  mit  feiner  <2t)t6e 
erruäfjnt  miffen  moltte,  mie  er  felber  51t  üftiemanb  barüber  ge- 
fprodjen.  Sgätte  Slrtaria  gefdjmiegen,  ber  fidj  öiet(eid)t  metjr 
»erlebt  füllte  afe  SRoffim,  ba§  ©efdjefjene  märe  nicfjt  in'§ 
publicum  gefommen. 


3.  ©eb&djtmfs. 

©d)on  im  erften  Stjeit  ift  bewerft,  bafj  Seettjoben'S  ®e* 
bädjttttjj  für  3UI"ücf'üegenbeö  fid)  immerhin  af§  ferjr  fdjroad)  er= 
rötefett  tjabe.  ©<§  ift  nid)t  otjne  Sntereffe,  biefer  ©rfdjeinung 
nätjer  gu  treten,  um  5U  fetjen,  ob  biefetbe  bfo§  auf  ttjn  perfön* 
tid)  53e^ug  §abenbe§,  @rtebte§,  eingefcirränft  bleibe,  ober  ob  bie= 
fetbe  fic|  aud)  auf  ba§>  SKuficaitfdje  auöbetjne.  9cactj  beiben 
©eiten  t)tn.  2Sar  man  nicfjt  baran  gemötjnt,  fo  mußte  e§  auf* 
fallen,  roie  bem  9J?eifter  fcfjott  feine  lernte  ©ctjöpfung  in  itjren 
(Sinäelrjeiten  gan^  au§  bem  ©ebäctjtniffe  entfdmwnben  mar,  bieö 
nicrjt  etma  bei  großen  Herten  in  Partitur,  fonbern  aud)  für 
^3ianoforte  allein,  ©afj  er  mit  einer  neuen  Sompofition  be= 
fetjäftigt,  fo  lebte  fein  ganzes  Set)  augenfällig  nur  barin,  unb 
eben  erft  SBoHenbeteS  lag  il)m  fdjon  fo  meit  jurüd,  af3  gehörte 
e§  einer  früheren  ^eriobe  an.  derlei  SBemeife  ergaben  fiefj  nur 
§u  oft  mit  Gopiften  ober  bei  ©elegenfjeit  üon  2(nf ragen.  @r 
marb  unmillig,  roenn  man  nid)t  mit  ber  ©djrift  in  ber  §aub 
um  irgenbmetdje  25e(el)rung  erfudjte.  9Jcit  fremben  SBerfen 
mar  e§  baffelbe;  alles  nwfcte  itjm  üor  Slugen  gelegt  teerten, 
follte  e§  in  feiner  (Srinuerung  mieber  aufleben.  üftur  mit  JgatybiCä 
unb  SRo^art'ö  SBerfen  gematjrte  man  9(uänatjmen  oon  ber  9teget. 


—     527     — 

£)iefe§  fdjeinbar  fdjtoacfje  ©ebädjtnif}  ftcfjt  im  SBiberfbrucfje  mit 
bem  $ut)a(te  ber  griedjtfdjen  Staffifer.  3Bie  erfrört  e<§  ftcf)  mof)(, 
bafi  er  lange  Stellen  barau§  gu  citiren  bermod)te?  $ra9te  e$ 
ftd)  gu  toiffen,  too  öiefe  ober  jene  ©teüe  ftetje,  fo  mar  ifjm  ba$ 
Sluffinben  ein  fo  (eid)te§,  mie  einer  ©teüe  in  einem  feiner  Söerfe. 
SSietleicfjt  (äf$t  eS  fid)  erftären  mit  bem  in  feiner  ßeit  b,errfd)enben 
23raud),  alle  Stonroerfe  in  ©egentoart  einc3  ßuljörerfreifeS  au§ 
ber  ©timme  borgutragen,  bemnacfj  ber  9J?ed)am§tnu§  be§  ®e= 
bäcfjtniffe§  burcr)  3lu§tt)enbig(ernen  uncuttibirt  geblieben.  Unfere 
3eit  geigt  in  biefem  ^JSuncte  ben  ($5egenfa|.  ®ie  ßuttibirung 
be§  ©ebädjtniffeS  burcr)  2tu§bjenbig(ernen  auf  Soften  be§  geiftigen 
£)urdjbringen§  ift  borfyerrfcfjenb.  Sa  früherer  ©bodje  f)at  fclbft 
ber  (Sombonift  ba§>  eigene  333erf  niemals  au§menbig  borgetragen. 
2)a§  Äofettiren  mit  bem  äJ?edjam§mit§  fomofjt  im  Stobf  mie  in 
ben  ^pänben  lag  nid)t  im  (Steifte  be3  Qtitaltex§.  ^n  unfercn 
£agen  hingegen  mirb  bielfältige  (Megentjeit  geboten,  nid)t  btoS 
über  ben  3ftedt)amSmu§  ber  §änbe,  fonbern  and)  be§  Sotofe§ 
erftaunen  gu  follen.  Dftcrjt  menige  Sßirtuofen  bemat) ren  in  ifyrem 
©ebädjtniftfdjrein  eine  grofee  2frt§a£)t  bon  SSatgen  mit  S0?ufif 
bon  bem  alten  ©carlatti  an  bi§  auf  ben  jüngften  ber  (Sfaffifer, 
Sotjanneä  23rat)m§,  unb  laffen  felbe  nad)  belieben  taufen. 
(Stubium  ber  Snnerlicfjfeit  foftet  fte  meber  5tnftrengung  be3 
(Steiftet  nodt)  geitauftoanb,  bat)er  fie  teitfjtlidj  Oon  einer  ßombofition 
gur  anbern  übergeben  tonnen. 


4.  ^attbötölionjef. 

®er  befdjeibenen  §anbbib!iott)e!  unferS  3Weifter§  ift  bor* 
übergetjenb  fdjon  gebad)t.  ©3  bertotjnt  inbeß  ber  90?üt)e,  fid)  ettoaS 
metjr  barin  umgufeoen.  W&dty  bon  ben  befonber3  tjerborragenbcn 
gried)ifd)en  ©djriftftettern  barin  ben  ©Jjrenplafc  behauptet,  ift 
gegen  ben  ©djlufj  feine<3  2eben§  bemerlt.  2tt§  ©rgängung  beffen 
mag  btenen,  bajs  §omer  in  beiben  feiner  ewigen  @ben  barin 
bertreten  mar.    3Inmerfen§toertij  ift,  bafe  in  öeettjoben'S  SSertb- 


—     528     — 

fdjäfoung  bie  Stiabc  ber  Dbüfföe311)  toeit  nad)geftanben.  2>a§ 
ürerfterei  gefdjtlberte ftMegerteben,  baSQtennifyt  ber  $elbfd)tacfjteu, 
bie  s£>eife  511  fämpfen,  bie  üföaffen»  unb  SBefeftigungSart,  unb  ber= 
gleiten  mefyr,  fonnte  auf  unfern  9lmprjion  nidjt  anjieljenb  mirfen; 
bagegen  t)at  ba3  au§  ber  Dbüff6e  entgegentretenbe  93itb  beö  frieb= 
lid)en  2ebeit§  nad)  allen  feinen  Schiebungen,  bie  Sauber  unb  2Sölfer= 
fdjitberung,  bie  Dielen  Stlugt)eit£>=  unb  ©rfaljrungsfütje,  alles  im  ibeaten 
©lan^e  ber  ©d)önt)eit  üorgetragen,  iljm  fortan  neue  Steige  geboten. 
SSäre  be^üglid)  ber  inbioibuellen  3Bertt)fd)ä^ung  biefer  beiben  (Spen 
t>on  ©etten  unfern  sJJ£eifter3  ein  iöergleidj  mit  einer  inbiüibuetlen 
2ßert^fd)ä|ung  ätöeter  oon  feinen  (Sinfonien,  Dietleidjt  ber  in  C  moll 
unb  ber  neunten  mit  ßfjören,  nid)t  §u  Ijinfenö,  fo  bürfte  bennod) 
bie  5D(Otioirung  fotrfjer  Vorliebe  fid)  nid)t  minber  au§  ber  'Baö^t 
felbft,  ofyne  9rad)tbeil  für  ba§>  gurüdgefe^te  SBerf,  erftären  taffen. 
Sn  ©fd)enburg'§  Ueberfetjung  ftanb  ber  gange  (Sl)afe§= 
peare  ba.  S)ie  meiften  $änbe  maren  bon  fiditbaren  ©puren 
fleißiger  Seetüre  fo  angefüllt,  roie  e§  bie  Dbüffee,  ber  SBcft* 
öftttetje  £>ioan  unb  ©turm'ö  ^Betrachtungen  ber  3Serfe  ©otteS 
aufmeifen.  Son  ber  ©d)teget'fd)en  Ueberfetjung  be3  großen 
Griten  roollte  er  burdjauö  nid)t§  roiffen.  @r  erklärte  fie  für 
fteif,  gelungen  unb  ftellenmeife  31t  abmeidjenb,  tua3  er  bto§ 
au§  bem  ^ergleidje  mit  (Sfdjenburg  fditiefsen  fonnte.  SSon  ©oetlje 
mar  aufeer  bem  S)iüatt  nur  Sföitljelm  äftetfter,  $auft,  unb  bie 
©ebicfjte  ba;  oon  Sctjüler  nur  bie  ©ebidjte  unb  einige  ©ramen; 
Oon  Xiebge  bie  Urania,  bie  ©ebid)te  oon  Seume,  Sftattljif  on, 
unb  einige  nod)  üon  gleid^eitigen  £)id)tern.  3tt§  ein  oon  iljm 
feljr  gefd)ät3te§  unb  Piel  empfohlenem  33ud)  barf  in  ber  Samm- 
lung nod)  genannt  roerben:  „Briefe  an  Sratalie  über  ©efang" 
Pon  ÜJHna  b'5lubignp=@ngelbrunner.312) 


311)  Zum  Beweise  mögen  die  vielfachen  Zitate  gerade  aus  der 
Odyssee  dienen,  während  die  Ilias  gar  nicht  vertreten  ist.    A.  d.  H. 

312)  Die  hier  genannten  Bücher  sind  zumeist  noch  im  Schindler- 
schen  Beethoven-Nachlaß  der  kgl.  Bibliothek  aufbewahrt.  Man  sehe 
im  dazugehörigen  Verzeichnis  nach.  A.  d.  H. 


—     529     — 

<Sef)r  bürftig  ftanb  e§  um  feine  muficaltfdje  SHbtiotjjef. 
$on  eigenen  SSerfen  war  nur  eine  geringe  9tn$af}(  barin  ^u 
finben.  $on  ben  alten  Italienern  fannte  er  —  rote  feine  $eit 
überhaupt  —  ntdjts  mefjr,  als  bie  flehte  (Sammlung  fur^er 
<5tücfe  öon  ^ateftrina,  Sftanim,  SBittoria,  unb  anbern,  Wetdje 
greüjert  ü.  £udjer  um  1824  bei  Slrtaria  bruden  liefe.  £)iefe  roar 
ba.  $on  Sof.  £at)bn  unb  ßljerubint  roar  feine  Sftote  ha; 
twn  Sftojart  ein  %f)til  ber  Partitur  oon  £)on  ©ioüanni  unb 
Diele  (Sonaten.  S5on  (Stementi  waren  faft  alle  (Sonaten  üor= 
rätfyig.  gür  biefe  t)atte  er  bie  gröfttmögtidjfte  Vorliebe  unb 
fteüte  fte  in  bie  erfte  9Reit)e  ber  gu  einem  fcfyönen  (Slaüierfpief 
geeigneten  2$erfe,  bte§  eben  fowof)!  wegen  ber  fdjönen,  gefälligen 
unb  frifd)en  SDMobten,  at§  wegen  ber  feften,  barum  tetdjtfajjHdjett 
gönnen,  in  benen  ftd)  alle  ©ä|e  bewegen,  $ür  9Jt05art'3  ßlaoier* 
mufif  t)atte  SBeettjoüen  nur  geringe  (Snmpatljie.  £)arum  ttejj 
ber  äfteifter  bie  muftcalifdje  ©r^ietjung  feines  geliebten  Neffen 
mehrere  Sa^re  fjinburd)  faft  au§f{±)tiefeltct)  mittelft  (Slementi'fd)er 
(Sonaten  fortfetjen.  S)te§  wollte  bem  oiel  weniger  für  biefelben 
eingenommenen  ßart  (Säernt),  bamaligem  Setjrer  be§  ÜJceffen, 
ntdjt  beijagen,  barum  fjauptfädjlidj  —  aber  audj  anberer  ©r* 
giel)ung§fragen  wegen  —  ift  e<§  $hn[djen  it)tn  unb  ^öeettjooen  -$u 
(Srflärungen  gefommen,  in  gotge  beren  fein  llnterridjt  ein  @nbe 
genommen,  darauf  übernahm  Sofept)  (S^ernü,  ein  Oiel  befferer 
^jSäöagog  at§  fein  ÜJcamengoetter  —  „ber  ?lbrid)ter  auf  ben  ©tanj" 
—  ben  (Sdjüler,  unb  tjat  iljn  auf  bem  üom  Dfyeim  Oorge^eit^neten 
23ege  Weiter  geförbert.  S)iefer  gall  Wirb  nur  ab§  S3eleg  für 
Söeetljooen'ä  befonbere  ?ld)tung  für  Glementi'3  SBerfe  angeführt 

gerner  waren  üortjanben  bie  b\§>  baljin  herausgegebenen 
•$Wei  §efte  (Stuben  öon  Sofnt  (Er  am  er.  S)iefe  Stuben  er* 
tlärte  unfer  9)ceifter  at§  bie  £auptbafi§  gum  gebiegenen  (Spiel. 
SSäre  e§  je  §u  2lu3fü£)rung  feiner  2tbfid)t  gefommen,  felbft 
eine  (Etaüier=(Scf)ule  §u  fdjreiben,  fo  tjättert  biefe  (Stuben  ben 
wicljtigften  lljeit  ber  practifd)en  23eifpiete  barin  au§gemad)t, 
benn  er  betrachtete  fte  a(§  bie  gceignetfte  Sßorfdjule  gu  feinen 

2t.  @cf)inblcr§  33cettjoöctt=5ßiogvapI)ic.  34 


—     530     — 

eigenen  SSerfen,  ob  bcr  in  bieten  fyerrfdjenben  ^oüjbljonic. 
Sßie  er  fie  in  biefer  £ünftd)t  berfianben  unb  in  ^tnanjig  Hummern 
gum  ©tubium  für  feinen  Steffen  bibactifdj  borbereitet,  überall 
bie  bietfältigen  ÜWittel  be§  5tu3brud'y  burdj  eine  uevfd)iebent(id)e, 
immer  unter  eine  fefte  Sieget  gebraute  5lccentuation 
ju  @rreid)ung  be3  ^aupt^medeS  anjeigenb,  bie§  ift  atö  eine 
ber  brätiofeften  £)intertaffenfd)aften  oorfjanben.813)  —  S)nB 
unfer  SDceifter  mirftid)  im  ©inne  gehabt,  eine  (Slabier=©d)ide 
51t  fd)reiben  —  er  gab  bie3  guerft  um  1818  §u  ernennen  — 
um  feine  2öerfe  bor  SSer^unjung  ju  fdjüjjen,  bezeugt  nod> 
Dr.  ©erwarb  bon  SBreuning  in  2Begeler'3  9?ad)trag  gu  ben 
biograbf)ifd)en  Srotiaen.  £)ort  äußert  er  ftdj  ©eite  23  fofgenber* 
maßen  barüber:  ,,5d)  t)atte  bie  pebel'fdje  ßtabier=©d)ule;  mit 
biefer,  toie  mit  alten  anbern,  mar  er  (Seetfjoben)  nidjt  511= 
f rieben.  @t  fagte  einft  51t  mir,  als  id)  an  feinem  SBcttc  fafj: 
,,„Sd)  tjatte  Suft,  felbft  eine  Glabierfdjule  $u  fdjreiben,  bod> 
fanb  ict)  nidjt  Qdt  baju;  id)  l)ätte  aber  etroaS  ganj  2tbmeid)enbe3 
gefdjrieben.""  Starauf  berfprad)  er  bem  SSater,  eine  ©djute 
für  midj  gu  beforgen.  (Sinige  ßtxt  fjernadj  fdjitfte  er  mir  bie 
betriebene,  t)ier  (in  SBien)  nid)t  p  Ijabenbe  Gtementi'fdje,  unb- 
^mar  mit  fotgenbem  Sriefdjen:  „„ßieber  SBertfjer!  ßnblidj  rann 
id)  mid)  meiner  SSinbbeutelei  entminten.  Spier  folgt  bie  ber* 
fbrodjene  (Etementi'fdje  ßlabierfdjule  für  ©ertjarb.  SSenn  er 
fie  fo  gebraudjt,  mie  id)  iljm  fdjon  geigen  merbe,  fo  mirb  fie 
gemiß  guten  (Srfotg  teiften.""314) 


313)  Das  Briefchen  siehe  in  Wegelers  Nachtrag  zu  den  Bio- 
graphischen Notizen,  Neudruck,  II.  Aufl.,  S.  220.  Siehe  auch  G.  v. 
Breuning,  „Aus  dem  Schwarzspanierhause",  der  das  Briefchen  ebenfalls 
darbietet  (Neudruck  S.  105  f.)  A.  d.  H. 

314)  Diese  Hinterlassenschaft  hat  endlich  einen  geschickten 
Herausgeber  gefunden  in  J.  S.  Shedlock,  dem  Übersetzer  meiner 
Beethovenbriefe,  die  eben  in  zwei  starken  Bänden  bei  Dent  &  Co.  in 
London  erschienen  sind.  Die  Schindlersche  Hinterlassenschaft  kam 
unter  dem  Titel  heraus:  „The  Beethoven  Cramer  Studies  by  J.  S. 
Shedlock,  1893,  London,  Augener  &  Co.  A.  d.  H. 


—     531     — 

2Sie  mandjer  f Rüttelt  Oielleicfjt  ben  Äoöf  über  33eetrjoöen'g 
Söertfjfdjätjung  ber  fteinen,  furggefa^ten  Sctjule  beg  „alten" 
Glementi,  befonberg  roenn  er  ba§>  §eil  in  irgenb  einem  mobernen 
Folianten  gu  finben  glaubt,  ber  Oon  ben  3ritf>ftittent  roie  eine 
9?anacea  angepriefen  rairb!  3n  unferm  gaüe  fjanbelt  eg  fidf» 
aber  gunädjft  um  ©tementar4Interrid)t.  SSenn  man  jebocfj  beg 
9Jceifterg  entfdnebene  3lbneigung  gegen  alle  tljeoretifcfje  2Seit= 
fcfjmeifi  gleiten  fammt  iljren  nocf)  meitfcfjtoeiftgeren  practifdjen 
5tnt)ängfeln  in  ©tuben^orm  fennt,  bie  ben  ©cfjüler  unbermeiblitf) 
gum  Slutomaten  machen  muffen;  wenn  man  ferner  fein  $obf= 
fcfjüttetn  über  §ummel'g  üofuminöfe  unb  bennocf)  fet)r  leid)t 
roiegenbe  ßlabier=<Sct)ule  gefetjen;  menn  man  fein  9tnat§ema 
über  Seljrer  ber  £onroiffenfd)aften  bonnern  gehört,  bie  jeben 
möglichen  $atl  §um  ©egenftanb  ber  ©djreiberei  machen,  baf)er 
gum  „£)urcl)fcf)teppen"  blog  burcfj  ben  ©eneralbafj  ntcrjt  roeniger 
benn  ^mei  big  brei  £af)re  brauchen,  big  bie  ^^antafie  beg 
©cfjüterg  ertöbtet  ift,  —  bie  nicfjtg  ber  fiel)  ergebenben  @r= 
fafjrungen  überlaffen  toollen,  bie  foroot)l  bag  ©rfinben  mie 
©eftalten  bermittelft  ber  ©cljablone  erlernen  laffen,  (all'  biefer 
Unfug  tjatte  fcfjon  bamalg  feinen  Stnfang  genommen,)  fo  mürbe 
unfer  SKeifter  fet)r  raatjrfcfjeinticl)  aud)  in  einem  anbern  $atle 
ber  (Slementi'fcfjen  Glaüier=©djule   ben  Sßorgug   gegeben   f)aben. 

SBon  bem  (Srjbater,  Sot).  ©eb.  23acrj,  mar  ber  Vorrat!) 
nur  ein  ferjr  Heiner,  ©inige  90?otetten  aufgenommen,  bie 
meifteng  im  t)äuglid)en  Streife  bei  üan  ©mieten  gefungen  roorben, 
befanb  fidj  in  biefem  Sorratrje  roof)l  bag  Steifte,  mag  bie 
bamalige  (Spocfje  üon  ©ebaftian  gelaunt,  nämlicfj:  bag  mot)l= 
temperirte  ßtaüier,  mit  ficfjtbaren  ßeidjen  fleißigen  ©tubiumg, 
brei  §efte  oon  ben  Exercises,  fünfäetjn  Inventions,  fünfgetjn 
Sinfonien  unb  aud)  eine  Toccata  in  D  moll.  Siefe  (Sammlung 
in  einem  S3anbe  befinbet  fid)  in  meinem  ©eroafyrfam.  ©arin 
mar  ein  Statt  feftgemadjt  unb  barauf  oon  frember  §anb  eine 
©teile  aug  „©ebaftian  23ad)'g  Seben,  ®unft  unb  ®unft* 
merfe    oon   S.   %l.   gorfei"    gu    lefen,   meiere   lautet:    „Sie 

34* 


—     532     — 

*|3rätenfion,  bafc  bie  Sonfunft  eine  ftunft  für  alle  Dljrett  feti, 
fann  bei  3kd)  mtfjt  ftatuirt  roerben,  unb  ift  burcfj  ba3  6toße 
£>afetjn  unb  bie  Gin^igfeit  feiner  SSerfe,  bie  bem  Kenner  mie 
geioad)fen  erfdjeinen,  fogar  factifd)  abgetoiefen.  üftur  ber  Kenner 
affo,  ber  in  einem  Sßerfe  ber  Äunft  bie  innere  Drganifation 
ajjnet,  füljtt,  unb  in  bie  Intention  be3  ftünftlerS  bringt,  bie 
mdjtö  umfonft  toiH,  barf  bjier  urteilen.  Sa,  man  fann  bie 
Stärle  eines  aftufiffennerS  nid)t  beffer  prüfen,  als  roenn  man 
gu  erfahren  fudjt,  mie  roeit  er  in  ber  Sdjätmng  ber  Sadj'jdjert 
Sßerfe  gekommen." 

3u  beiben  Seiten  biefer  «Stelle  ftanben  große  mit  ber 
btdften  9?otenfeber  üon  23eetf)oüen'ö  §anb  gemalte  ^rage^eirfjen 
unb  glotjten  bie  Sentenj  beS  gelehrten  ©efd)id)ifd)reiber3  unb 
SSorneljmften  ber  Sadjomanen  an.  ßetn  §ogartf)  Ejätte  in  ein 
grage,5eid)en  einen  grimmigeren  231id,  überhaupt  einen  meljr 
üernidjtenben  Stusbrucf  legen  fönnen. 


5.  äßanberluft. 

Ue6er  ben  miBlidjen  StanD  ber  peeuniären  3serr)ättniffe 
unferS  9)?eifter§  ift  in  ber  jroeiten  unb  brüten  ^eriobe  üielfad), 
mit  Angabe  ber  ©rünbe,  gefprodjen  roorben;  in  ben  festen 
3ei(en  ber  brüten  $J3eriobe  wirb  fogar  nod)  gejagt,  ba$  faft 
jeglidjeS  Se^atjtenmüffen  eine!  benötigten  ©egenftanbeS 
bei  iljm  ein  ferner  gefaßter  Gntfdjlufj  gewefen.  2)ie<3  beutet 
offenbar  auf  einen  ©egenfa§  f)in.  23efef)en  mir  un§  benfelben 
redjt  nalje. 

@§  bürfte  aufgefallen  feton,  jebeS  Satyr,  üornerjmlid)  in  ber 
britten  ^?eriobe,  üom  93e5iet)en  einer  anbern  SSobjnung  fpred)en 
gehört  gu  tjaben.  ©iefe  SSanbcrluft  oon  einer  SSotjnung 
§ur  anbern,  mie  oon  Stabt  gu  Sanb,  entfpridjt  bem  unfreien 
unb  un^ufriebenen  2Sefen  unferö  SXeifterS.  23ie  rjätte  fid)  in 
bem  grof3en  SBien  eine  2Sot)nung  aufftnben  (äffen  füllen,  mit 
ber  er  ootlfommen  gufrieben  auf  einige  Sarjre  Miance  gefdjloffen, 


—     533     — 

ha  fid)  bod)  fein  ätfenfdj  bort  öorgefunben,  beffen  Umgang  iljn 
auf  bie  Sauer  befriebigt  Ijätte,  mit  bem  e£  nidjt,  je  näf)er  man 
beifammen  mar,  5U  ©treit  unb  für^crcm  ober  längerem  $er* 
mürfntB  gefommen  märe.  23eifpiete  ftnb  gegeben.  93erjatten 
mir  a6er  biefe  ßonfequeng  in  ber  Snconfequenj  fcft  im  $luge. 
SSenn  mir  gehört,  mie  Söeetfyouen  im  Unnütze  fogar  berletienbe 
anfragen  gegen  feinen  ©rä^erjog  geführt,  menn  mir  iljn  bei 
(Megenljeit  feines  «ßrojeffcä  mit  SOfael^et  in  ber  £)ebofition  an 
feinen  Slbüolaten  fagen  f)ören:  „Sßerlaffen  bon  aller  2öelt  f)ier 
in  SSien,"  nnb  menn  er  ferner  nod)  bie  gamilie  23.  31t  granf= 
fürt  am  SDfain  feine  beften  greunbe  in  ber  SGßett  nennt,  — 
moljl  nur,  meit  bie  grofce  ©ntfernung  bon  itjr  nähere  Berührungen 
nidjt  jufie^,  —  fo  gleicht  ber  ©inn  biefer  9?eben  ungefähr  bem 
belannten  ©atje:  @r  fietjt  ben  SSalb  bor  (auter  Säumen  ntdjt; 
fo  biefe  SSerefjrer  bie  Shinftroerle  33eett)oben'S  gehabt,  fo  biete 
fonnte  er  aud)  feine  greunbe  nennen.  Unfern  SDceifter  bermod)te 
aber  bis  in  fein  bierunbfünfeigfteS  SebenSjafjr  nur  allein  bie 
Statur  gan§  $u  befriebigen  unb  nebft  feiner  Äunft  umfangen  $u 
galten,  SÖcenfdjen  unb  2ßol)nungen  nur  fetten,  benn  baran  mar 
gu  biet  auszufeilen.  $n  SSe^ug  auf  erftere  ift  genugfam  gezeigt 
morben,  mie  bie  ©rünbe  t)iefür  §umeift  in  feiner  (Sinbitbung 
ober  in  feinem  äftifetrauen  gelegen,  fein  BerfötjnungSbrtef  mit 
Breuning  auS  bem  3af)re  1826  befagt  Diesfalls  atleS.315)  ©ein 
ßermürfnift  mit  ben  2Sof)nungen  berutjt  gleichfalls  auf  foldjen 
©rünben.  3n  ber  einen  ergab  eS  ftd),  bafj  bie  ©onne  meniger 
ßugang  gefunben,  als  er  getüünfdjt,  in  einer  gmeiten  besagte 
itmt  baS  Brunnenmaffer  nid)t,  31t  einer  brüten  fütjrte  eine  bunfte 
Srebbe,  —  lauter  gemictjtige  ©rünbe  um  felbe  aufeulünbigen 
unb  mäfjrenb  beS  ©ommeraufenttjattS  auf  bem  Sanbe  bloS  gur 
SSermaijrung  einiger  Raufen  SDcuficalien  unb  ber  Heilten  23ibtio* 

315)  Daß  dieser  Brief  an  Stephan  v.  Breuning  aus  weit  älterer 
Zeit  (1804)  stammt,  ist  wiederholentlich  vom  Herausgeber  nach- 
zuweisen versucht  worden.    Siehe  B.  S.  Br.  No.  94  (I.  Band). 

A.  d.  H. 


—     534     — 

trjef  gu  berufen,  fotgtid)  aud)  gu  begasten,  ©eine  2anbrao!j)nungen 
Ijaben  ifjm  cnfeljntidje  (Summen  gefoftet.  Stilein  aud)  ba  J)at 
er  e§  nicf)t  immer  ben  gangen  (Sommer  in  einer  aufgehalten. 
SBetdj'  fonberbare,  faft  fomifdje  ©rünbe  it)n  gum  SBanbern  üer= 
antajjt,  fjaben  mir  unter  ben  äftittljettungen  au3  bem  Satjre  1823 
öernommen.  Sie  tiefen  Gompümente  be§  abelidjen  §au§eigen- 
tljümerä  gu  ipefcenborf,  bie  fogar  bem  leisten  $(uffe  feiner 
^fjantafie  rjinbertid)  gemefen,  trieben  if)n  fort.  (£3  tjätte  t>ietteid)t 
feine  neunte  Sinfonie  gegeben,  rjütte  er  bort  anchatten  muffen. 
Sdjon  im  fotgenben  Satjre  Ratten  mir  ba3  Vergnügen  2(erjn[icfje§ 
mieber  gu  fefyen.  @r  mietete  gu  ^enging  nädjft  Sdjönbrunn 
in  einem  ifotirt  unb  freunbtid)  gelegenen  £mufe  am  SSienftufj. 
Stuf  bem  btdjt  neben  biefem  §aufe  über  ben  $fuf$  gefegten 
Steg  ertaubten  fid)  aber  bie  Sßaffanten  au§  Sfaugierbe  ober 
Sutereffe  ftetjen  gu  bleiben  unb  nad)  feinen  genftern  gu  fdjauen. 
9(bermat3  ein  gemidjtiger  ©runb,  um  biefe  fdjöne  SSoImung 
"du  üerlaffen  unb  mieberum  mit  Sad  unb  Sfiad,  Äüdjengerätlj* 
fdjaften,  äkoabtuoob^lüget  unb  §üt)nerfteigen  gegen  93aben  gu 
gießen.  SBiefteidjt  tjaben  bie  neugierigen  &eute  ben  teid)ten  gtufj 
feiner  ^5tjantafte  bei  (Soncitnrung  be§  erften  ber  fünf  Quartette 
gefyinbert.  S3eibe  biefe  Sommerwohnungen  gu  §e§enborf  unb 
^enging  maren  jebe  mit  400  ©utben  2S.  2B.  begafjtt.  9ied)net 
man  gu  biefen  800  ©ulben  nur  400  ©utben  in  biefen  bciben 
Sauren  nod)  gu  Saben  fjingu,  fo  gibt  bie  Sotatfumme  ben  ooüen 
Setrag  für  bie  9J?iett)e  einer  red)t  anftänbigen  28of)nung  für 
gWei  öotle  Sa^re  in  Söien.  ©iefe  foftfpieüge  ^affion  beginnt 
fdjon  mit  ber  gmeiten  ^ßeriobe.  $erbinanb  9tie§  gibt  in  feinen 
Zotigen,  Seite  112  u.  ff.316)  aus  bem  3af>re  1805  ein  Seifpiet, 
mo  83eetf)oüen  oier  3Bot)nungen  gug(eid)  gehabt,  nämtid)  eine 
im  5£tjeater  an  ber  SSien,  eine  im  rotten  §au§  an  ber  2üfter= 
faferne,  eine  in  Sobüng  unb  enb(id)  eine  im  ^aöquatati'fdjen 
§aufe  auf  ber  9Kotfer=Saftei.    2)a£   fjeifit  boct)   leben  mie  ein 


316)  Neudruck  S.  133—134.  A.  d.  H. 


—     535     — 

grofjer  $err,  ober  roie  ein  großer  ©onberting.  ®a§  letztgenannte 
ipau§  mar  faft  bie  gange  groeite  ^eriobe  rjinburd)  ba$  9tefugium 
für  ben  SRetfter,  roenn  er  feine  SBotjnung  anffinben  formte. 
9üe3  bemerft:  M@r  50g  au§  letzterer  mehrmals?  au§,  farn  aber 
immer  roieber  batjin  gurücf,  fo  bafs,  loie  id)  fbäter  Jjörte,  ber 
SBaron  ^aSquatati  gutmütig  genug,  roenn  33eett)oOen  au§gog, 
jagte:  £)a3  Sogtl  roirb  ntdjt  Oermietfjet;  SBeettjoben  !ömmt  fdjon 
mieber."  Sludj  tjierbei  befnnbet  fiel)  bie  ßonfequeng  in  ber 
Snconfequeng.  llnfer  SBanberer  rootlre  nur  SBofjnungen  mit 
ber  ©übfeite  begießen,  jene  aber  auf  ber  9J?ötfer=33aftei  Ijatte 
bie  üftorbfeite. 

Sft  üon  bergteidjen  S)ingen  bie  Diebe,  fo  gibt  e§  aud)  ®e= 
legentjeit  gu  geigen,  roie  biet  in  bem  tiefernften  unb  benfenben 
9J?anne  nodj  immer  bon  einem  $inbe  geroefen,  ba§>  feine  Sieb- 
tjabereien  getjabr.  £>ie  ferneren  <Sd)idfat§fd)täge  fjaben  groar 
biefe  Siebljabereien,  wie  bie  guroeüen  finbifdjen  Saunen,  bebeutenb 
geminbert,  bennod)  gab  e§  nod)  Momente,  roo  er  gang  teicfjt 
gu  ^offen  unb  ©djnaden  gu  ftimmen  mar.  SSatb  ein  Sßeifpiet 
babon.  $ur  ©teßc  motten  mir  nur  geigen,  bafj  aud)  biefe  Sieb- 
tjabereien  mandjen  ©ulben  gefoftet,  ber  beffer  anguroenben  ge= 
roefen  märe;  adein  ba§  gro^e  Slinb  liebte  einen  9?ibbtifd)  gu 
rjaben  mit  mandjerlei  ©egenftänben  befetjt,  bie  gur  üurgmeit, 
bietteidjt  aber  aud)  l)öt)eren  3roedeu  bienten.  ©ein  ©djreibtifdj, 
in  früheren  Satjren  bon  großem  Umfange,  ftellte  gugteid)  einen 
foldjen  9?ipptifd)  bor.  darauf  maren  alö  SSriefbefdjmerer  gu 
fetjen  Äofafen  unb  Ungarifdje  §ufaren,  einige  Seudjter  oon  ber* 
fd)iebenen  formen,  mehrere  ©djellen,  bom  ©über*  bi§  gum 
@d)afg(odenton,  einige  (Statuetten  alter  ©rieetjen  unb  Körner, 
babon  fidj  nur  merjr  bie  bon  SörutuS  erhalten,  ben  er  fo  fetjr 
bemunbert  l)at,  unb  (Sdjreibutenfüien  bon  neuefter  ©rfinbung. 
gerner  fat)  man  ©(odengüge,  in  einem  ßimmer  mit  einer  foftbaren 
biden  ©eibenfdinur,  im  anbern  mit  einem  tjanfenen  ©trid  u.  f.  ro. 
gür  9ftöbe(  jeber  %xt  t)at  ber  Stfeifter  nid)t  met)r  bermenbet, 
roie  ber  ärmfte  §anbroerler.    (Sr  raufte  fie  ftety  beim  Xröbler. 


—     536     — 

23ei  feinett  <2tabt=^3romenaben  üerlueitte  er  Hör  biefem  ober 
jenem  Saben  bie  9lu§(agen  fo  lange  belorgnettirenb,  bi<3  er  fidj 
in  irgenb  etmaS  uertiebte  unb  e§  faufte.  2J?and)e  biefer  ©egen= 
ftänbe  maren  für  ben  Steffen  beftimmt.  ®a§  beftänbige  2Sanber= 
leben,  (Stnparfen  nnb  StuSpadfett,  f)at  jebod)  biefe§  mitunter  ernfte 
©pietjeug  immer  balb  mieber  au§  bem  ©efirf)t§freife  berfdjnnnben 
gemacht.    9?ur  einiget  fonnte  aufberoafjrt  merben. 

SSenn  man  mit  btefen  Säten  bie  Sßorttmrfe  3ufammenf)iüt, 
bafj  bie  SBiener  Seetijoüen  fjaben  barben  laffett,  ober,  menn  ber 
Unfinn  fo  roeit  gef)t,  ganj  ©eutjdjlanb  für  bie  imfeliclje  Sage 
be£  großen  StonbidjterS  üeranttuortlid)  madjen  gu  mollen,  fo 
bürfte  mit  Söorftcfyenbem  barauf  geantU)ortet  werben  tonnen. 
Snbefj  fjat  ber  SSerfaffer  bereite  in  ber  brttten  ^eriobe  biefen 
$ragepunct,  mit  Diüd'ftdjt  auf  nod)  anbere  berlei  ä}orit>ürfe, 
ebenfalls  ba$  ganje  ©eutfd)(anb  betreffenb,  fjoffexitticT;  au3retd)eub 
erörtert. 

6.  Sugenblidjcr  Sftntljuriu'e. 

Soeben  marb  ein  2$eifpiel  anäitfütjren  berfprodjen,  tote 
unfer  DJtafter  troij  SCßifjgefcfjid  unb  SJRifsmutf)  ju  ^offen  unb 
©djnaden  teidjt  51t  ftimmen  geroefen. 

S)ie  ©etnafyftn  be§  ©eite  523  genannten  5Uat>ierfpteterö 
unb  Gomponiften  £)a(m317)  münfcfjte  eine  §aar(od'e  üon  23eet= 
Ijoben^  Raupte.  sJRan  manbte  fid)  bie^fattö  an  5?art  §0(3. 
Stuf  beffen  $orfd)lag  miHigte  ber  SCFceifter  ein,  feiner  großen 
SSeret)rerin  ein  S3üfd)el  §aare  au3  bem  25arte  eines  ßiegenbody 
3U  fdjiden,  beim  ha§>  graue  unb  ftarfe  <paar  S3eet^ot>en'g  fonnte 
retfjt  gut  einen  folgen  $erg(eid)  aushalten.  Sie  Same,  fjodj* 
erfreut  über  biefe  Reliquie  itjreö  ShtnftfyeUigen,  rühmte  fief)  mit 
biefem  ©efd)en!e;  halb  aber  ertjielt  fte  Siunbe,  ma§  man  fidj  mit 
tfjr   erlaubt   tjatte.    £>er  ©emaljl,   bem   ba3   point   d'honneur 


317)  Cf.  über  Halm  u.  a.  B.  S.  Br.  No.  406  Erklärungen  (II.  Band). 

A.  d.  H. 


—     537     — 

eines  Offiziers  nod)  gan^  im  Seibe  ftedte,  melbete  in  einem 
empfinblidjen  (Schreiben  an  unfern  äfteifter  ba§  Vernommene. 
SMefer,  bie  zugefügte  SMeibigung  erfennenb,  machte  bo§  Vor* 
gefallene  bamit  gut,  bafe  er  fetber  eine  Sode  öon  feinem  §aare 
abfdjnitt  unb  biefe  in  einem  93ület  ber  Same  jufdjicfte,  in 
me(d)em  er  fte  gug(eid)  um  Vergebung  gebeten.  —  3)iefer  Vor* 
fall  batirt  au§  bem  Safjre  1826. 

7.  Sefienäjeupifs. 

3ur  (Srrjebung  feiner  Seibrente,  meldje  tnertetjäljrftdj  gefdjat), 

beburfte  e§  eine§  2eben§5eugniffe3,  au3geftetlt  com  Pfarrer,  in 

beffen  Strenget   er   eben    gemeint.     Vefanb   ftd)    ber   SMfter 

auf   bem  Sanbe,   fo  marb  ber  Verfaffer,   ober  ein  anberer  er* 

fudjt,  biefe§  ßeben^eugnife  ausfertigen  gu  laffen  unb  bann  ba§ 

(£rforberlid)e  bamit  oorjunetjmen.    Serlei  5lnfud)en  famen  feiten 

ofine  beigefügte  3ßitje  auf  feine  @£ifteng  unb  itjre  Vefcfjaffenfjeit; 

aud)   an  ©cfmaden  liefe   er  e3  nid)t  festen.    SSiffenb,   baß  er 

üerftanben  fetjn  merbe,  fdjidte  er  einftmalS  einen  fettet,  darauf 

gotgenbeä  ganj  fauber  gefdjrieben: 

Seben^eugnifj. 

©er  gifd)  lebt! 

Vidi 

Pfarrer 

9f\omualbu§. 

8.  Sövüberlidjcr  ©egettfatj. 

2tm  9?eujafjr§tage  1823  fafeen  Veetfjoben,  beffen  SReffc 
nnb  ber  Verfaffer  eben  am  9)ftttag§tifd)e,  ai§>  bem  9tteifter 
oon  feinem  nebenan  motjnenben  Vruber  eine  9?eujarjr3farte  über* 
geben  mürbe,  morauf  ftanb:  „Sotjann  üan  Veetfyoüen  —  ©ut§* 
befi^er."  ©d)nett  fdjrieb  ber  Hfteifter  rüdmärtS  auf  bie  ®arte : 
„ßubmig  öan  Veetljoüen  —  §irnbefi£er"  unb  fdjidte  fte  an 
ben  ©ut§befi£er  gurüd. 


—     538     — 

liefern  Vorfalle  ging  roenige  £age  t>orau3,  ba$  fid)  biefer 
©ruber  gegen  ben  sDMfter  Submig  rühmte,  er  roerbe  e§  nirfjt 
fo  weit  bringen,  a(§  er  ber  frühere  ^Tpottjefer  e§  gebradjt  ljabe. 
<£§  lajst  fid)  beuten,  roie  fetjr  biefe  ^rafjlerei  ben  Jpirnbefitjer 
betuftigt  f)at. 

Um  aber  einen  ernften  23(id  auf  bie  SS5otj[t)abenr)ett  biefe§ 
SDtonneS  5U  rcerfen,  mu|  auf  if)ren  Urfürung  tjinge^eigt  trerben. 
Sei  bem  Kriege  1809  tjatte  ber  Sinjer  Stpottjefer  Sodann 
Dan  23eetf)ooen  bie  Hpprouifionirung  fämmtttcfjer  (Spitäler  ber 
fran^üftfcljen  3(rmee  in  Dber=Deftreidj  unb  Salgburg  mit 
9Jtebicamenten  unternommen.  Saran  fnüpfen  fid)  entfetjüdj 
ta  utenbe  SSortofirfe,  bie  ber  ftet§  rebtidje  unb  geroiffen^afte 
Submig  feinem  $ßfeubo*93ruber  gemadjt,  unb  bie  fiefj  auf  £§at* 
fadjen  grünben  foüen.  ®er  mit  £ieferung§=llnternet)mungen 
Mannte  mirb  unfd)roer  erraten,  ma§  fid)  nicfjt  auSfagen  föfet. 

3(n  biefer  ©teile  tä'fet  fid)  nod)  einer  l)eruorfted)enben 
Gigenljeit  öeetfjoben'a  gebenden,  bie  jegüdje  Slri  Oon  übtidien 
©ratutationen  betrifft.  Dftemanb  burfte  il)tn  mit  einer  ©eburt§= 
tag§=  ober  SRamen§taa,&=©ratulatton  fommen,  rooltte  er  ü)n 
nid)t  gegen  alte  „fociafe  Sdberntjeiten  unb  gegenfeitigeö  ^Belügen" 
in  ^arnifd)  bringen. 

9.  Sn  ber  Wbcnbbämmeniua,. 

33eett)ot>en  liebte  befonberS  in  ber  5(benbbämmerung  fid) 
an  ben  $(üge(  5U  fetten  unb  5U  pljantafiren,  öfters  aud)  Biotin 
ober  &iola  511  fpieten,  51t  metdjem  ßtuede  biefe  ^nftrumente 
fiet§  auf  bem  glüget  tagen.  2öie  biefeS  ©piel  gelungen,  ba 
ber  äußere  Sinn  gar  nidjt  merjr  mitmirten  tonnte,  ift  ü6erf(üffig 
ju  fagen;  befonber§  auf  ben  ©treidjinftrumenten,  bie  er  nid)t 
gu  ftimmen  oermodjte,  mar  e§  für  bie  SDfttbemoljner  eine  Df)ren= 
pein.  2)a3  (Sjtemporiren  auf  bem  ^iü^d  roar  nur  ^umeiten 
beut(id),  bann  meift  Oon  großem  9^ei§e;  in  ber  9ieget  mürbe  bie 
Unbeuttidjfeit   burd)   bie  ©emotjnfjeit   ber   Unten  §anb   fjerbei* 


—     539     — 

geführt,  ftd)  mit  aller  ^Breite  auf  bie  Xaftatur  §u  legen  unb 
tärmenb  ju  öerbeden,  ma§  bie  rechte  oft  all  51t  gart  auägefüfjrt 
Ijat.  Sn  ber  legten  ßeit  Ijatte  itjm  ber  $J3ianoforte=$abrifant 
(Sonrab  ©raf  einen  ©djallbedet  öerfertigt,  ber  auf  ben  ^u9e^ 
geftettt,  bie  SDne  bem  D|re  letzter  gufütjren  fofite.  SDftt  einjelnen 
STönen  mar  ber  Qxoed  erreicht,  allein  ein  l)armonifd)e3  ©piet 
fjat  ba§>  Dl)r  öollftänbig  überlr-ältigt,  meil  bie  Suftfcfjmingungen 
auf  ben  engften  Naum  befdjränfit  betäubenb  mirfen  mußten. 

10.  ^cttanuienbung. 

4?infidjtlidj  ber  3eitantoenbung  ift  tion  unferm  sJJ?eifter  ju 
berieten,  baß  er  in  jeber  3at)re§3eit  mit  S£age3anbrud)  auf= 
gufte^en  unb  fogleid)  an  ben  ©djreibtifd)  §u  geljen  pflegte.  @o 
arbeitete  er  b\§>  2,  3  Ut)r,  bie  ©tunbe  feinet  SüftrtagSttfdjeS. 
Sn  ber  ß^if^cnäeit  lief  er  meift  ein-  ober  jtoeunal  in'3 
$reie,  mo  er  aber  ebenfalls  —  mit  ©apljir  gu  reben  — 
fpagieren  arbeitete.  @otd)e  9lu§ffüge  überfdjritten  fetten  bie 
Sauer  einer  ootlen  ©tunbe,  unb  glidjen  ben  5lu§flügen  ber 
Sienen,  um  §onig  gu  fammeln,  fie  blieben  fidj  aud)  in  jeber 
Sat)re§§eit  gleidj,  unb  meber  teilte  noct)  Söärme  mürben  beadjtet. 
Sie  Nachmittage  maren  31t  regelmäßigen  «Spaziergängen 
beftimmt;  $u  fpäterer  ©tunbe  pflegte  man  ein  beüor^ugteg 
SöterljauS  aufgufndjen,  um  bie  Sagelliteratur  ftur  §anb  5U 
netjmen,  menn  biefe$  Skbürfniß  nidjt  bereite  in  einem  Kaffee* 
f)aufe  befriebigt  morben.  ßur  Qeit  ber  engtifdjen  ^Parlamenten 
fitmngen  aber  marb  bie  allgemeine  ßeitung  wegen  ber  S5er= 
Ijanbtungen  regelmäßig  gu  £>aufe  getefen.  Saß  ftdj  unfer  ^olitit'uä 
mtf  bie  (Seite  ber  Dppofition  gefteüt,  mirb  man  begreiftid)  finben. 
SDagu  beburfte  e§  nidjt  feiner  großen  Vorliebe  für  Sorb  23roug§am, 
4?ume  unb  anbere  Dppofition§rebner.  Sie  SSinterabeube  öer= 
bradjte  23eet£)oüen  ftet§  §u  §aufe,  fie  maren  ber  ernften  Seetüre 
gettiibmet.  Nur  feiten  fafj  man  it)n  2lbenb3  mit  üftotenfdjrift 
befdjäftigt,  meil  biefe  ju  angreifenb  für  feine  5lugen  mar.    £n 


—     540     — 

früheren  Sauren  modjte  bieö  anberä  gemefen  fetjn;  bofe  er  jebod} 
bte  2(benbftunben  511  fetner  3eit  5ur  ßombofitiou  (Srfinbung) 
bemtfct,  ift  gemif;.    SängftenS  10  Ufjr  begab  er  firf)  gut  9tof)e. 

11.  SWomcnte  ticfftcr  9Webitaium. 

Sßafdjen  unb  SBaben  gehörten  51t  33eeti)oben'<3  unentbetjr* 
tieften  SebenSbebürfniffen.  £)ierin  war  er  gan3  Orientale. 
$ür  ifjn  tjatte  9ftaf)omeb  JeineStoegS  31t  biete  S£afd)ungen 
borgefdjrieben.  ©ing  er  toäljrenb  ber  Arbeit  in  ben  25ormitiag3= 
ftunben  nidjt  aug,  um  fid)  lieber  3U  fammetn,  fo  ftettte  er 
fict),  oft  im  tiefen  keglige,  an'3  Sßafdjbeifen  nnb  gofc  grofte 
Slrüge  bot!  SBafjer  auf  feine  ipänbe,  anbei  bie  ganje  (Scata 
auf*  unb  abttärtS  tjeulenb,  ober  jur  Slbbjedjfetung  brummenb; 
batb  burdifdjritt  er  ttneber  mit  roüenben  ober  fiteren  Stugen 
ba$  ßtmmer,  notirte  einiges,  unb  fefcte  bann  baZ  9tufgiefjen 
nnb  §eu(en  meiter  fort.  S)ie§  maren  Momente  tieffter  9D?e= 
bitation,  babon  fein  befonbereS  5luff)eben  %vl  machen  märer 
fjätten  fie  nictjt  nad)  ^mei  (Seiten  tjin  unangenehme  folgen 
gehabt.  gunädjft  beroirften  fie  oft  Sachen  bei  feinen  Sienft* 
teuten,  unb  bie§  gematjrenb  geriete)  ber  Stteifter  in  3orn,  ber 
ifjn  bi§mei(en  §u  lächerlichen  5(u§brüct)en  gebraut.  Ober  er 
geriet!)  mit  ben  §au3eigenu)ümern  in  ßonfttete,  menn  ba$ 
SBaffer  burdj  ben  öoben  gebrungen,  ma§  teiber  oft  borgefommen 
ift.  S)ie§  mar  ein  ^auptgrunb,  bafj  93eett)oben  allenthalben 
ein  unbeliebter  (Sintuotjuer  gemefen.  ©er  53oben  feiner  SSofjn* 
ftube  tjätte  mit  ©rbped)  belegt  fetjn  muffen,  um  ba§  ©urdjbringen 
be§  bieten  SBafferS  gu  berfjinbern.  Unb  bon  biefem  Ueberflufc 
an  Segeifterung  unter  ben   güfjen  merfte  ber  äfteifter  nidjtS! 

12.  dffett  unb  Srinfeu. 

9ßie  e§  ber  SJJeifter  mit  offen  unb  Xrinfen  gehalten,  bürfte 
fdjon  au§  9xüdfid)t  feiner  muubertidjen  £au§f)attung  bemerfen£= 
roertf)  fetjn. 


—     541     — 

3um  grüt)ftiid  narjm  er  Kaffee,  ben  er  fidj  meift  fefbft  in 
einer  ©laSmafdjine  bereitet  tjat.  Kaffee  fdjeint  fein  unentbefjr* 
ItdjfteS  9carjrung3mittet  getoefen  5U  ferjn,  roomit  er  benn  auct) 
fo  fcruputoö  Oerfuljr,  mie  öon  ben  Orientalen  befannt.  Sechzig 
93of)nen  mürben  für  eine  £affe  gerechnet  unb  oft  abgejagt, 
befonberä  roenn  ©äfte  antoefenb  maren.  $u  feinen  ßieblingS* 
gerieften  gehörten  Sftacarom  mit  Sßarmefan=®äfe.  Siefe  mußten 
auBerorbentlid)  fdjlecfjt  geraten  fetjn,  bi£  er  felber  fie  fd)led)t 
fanb,  unb  baß  fie  bei  ber  ungeroiffen  Stunbe  be§  SeruirenS 
öfter  fdjledjt  als  gut  maren,  läfjt  fid)  beuten,  dagegen  mürben 
über  anbere  ©ericfjte  bitterböfe  Urttjeüe  gefällt  unb  bie  £)au§= 
fjtitterin  beS^alb  gur  SRedjenfdjaft  gebogen,  menn  fie  aud)  leine 
Sdjmtb  trug,  Sie  entfctjulbigen,  rcarb  mie  ein  SSergetjen  gegen 
gute  «Sitte  gerügt,  „Sie  Suppe  ift  fd)led)t!"  bagegen  gab  e<8 
leine  Slpellation.  darüber  anberer  Meinung  ferjn,  rjiefe: 
feinen  ©efdjmacf,  !ein  Urttjeit  f)aben.  ©inen  Söiberfprudj  in 
foldjen  Singen  tonnte  er  nod)  meniger  bertragen,  als  in  meit 
mistigeren,  ja,  er  tjatte  bie  Sd)tüacf)t)eit,  feinen  Sngrimm  barüber 
nod)  nad)  Stagen  laut  merben  p  laffen,  ober  gar  in  einer 
<3ufd)rift  ^ngufc^icfen.  (Sine  foteeje  liegt  mir  oor.  Sarin  mirft 
er  mir  am  Sdjtuffe  folgenbe§  an  ben  Kopf :  „Sa§  Urttjett  über 
bie  Suppe  actjte  icl)  ntdjt  im  minbeften,  fie  ift  fd)led)t!  "318) 
21ucr)  in  biefer  ©eringfügigteit  begegnet  un3  ber  fetjon  berannte 
§lbfoluti§mu§.  —  ferner  gehörten  alle  gifcfjfpeifen  ftu  feinen 
SiebtingSgericrjten.  Saljer  mürben  ©äfte  meift  am  $reitag 
gelaben,  um  einen  ferneren  Sctjill  (ein  Sonaufifd),  bem  SdjetU 
fifet)  ärjnlid))  mit  Kartoffeln  präfentiren  gu  tonnen. 

$on   einem   Souper   mar   feiten   bie  9iebe.     (Sin  Heller 


318)  Beethovens  Suppentheorie  spielt  auch  in  den  Konversations- 
heften keine  seltene  Rolle.  Daraus  ist  manches  Interessante  besonders 
in  den  „Neuen  Beethovenbriefen"  in  Gesprächen  zwischen  Onkel  und 
Neffen  geboten  S.  100  Brief  an  Schindler;  cf.  B.  S.  Br.  No.  894  (V.  Band). 

A.  d.  H. 


—     542     — 

©ubbe  unb  ttroaZ  bon  ben  heften  be§  ÜJcittagS  mar  aüe§,  roa§ 
er  §u  nehmen  pflegte. 

©ein  £iebting3getränf  mar  frifdjeS  35runnenroaffer,  ba3  er 
jur  (Sommerzeit  faft  unmäßig  gu  fic£>  natnn.  93on  Söeinforten 
mar  e§  ber  Cfener  ©ebirgömein,  ben  er  borgegogen.  Seiber 
munbeten  irjn  am  beften  bie  öerfätfcrjten  2Beine,  bie  in  feinem 
gefdjmädjten  Unterleib  biet  Unrjeit  angerichtet.  Sagegen  t)atf  fein 
SSarnen.  Siefe  Sfjatfadje  möchte  röotjt  allein  alz  ftätffteS 
SetteiSmittel  gelten,  baf?  23eetf;oben  lein  Srinter  gemefen,  alz 
roetcfjer  er  bon  feinem  testen  Ärgte  rjingeftellt  morben.  (©ierje 
in  ben  ©rgänjungen.)  —  5tud)  liebte  unfer  ÜDceifter  ein  gutes 
©Ia§  SBier  be§  5(benb3  §u  nehmen,  roobei  eine  pfeife  Zabad 
unb  bie  geitungen  ©efeflfcfjaft  getriftet. 

©aftrjöfe  unb  Äaffeerjäufer  befugte  23eetrjoben  in  ben  testen 
Sauren  nod)  oft,  in  festere  mufete  er  aber  burcfj  eine  <pintertt)ür 
gelangen  unb  in  einem  abgefonberten  3immer  ffia%  nehmen 
fönnen.  grembe,  bie  itjn  gu  ferjen  münfdjten,  mürben  barjin 
gemiefen,  benn  er  roedjfette  nidjr,  unb  roäf)ite  ftets  ein  feiner 
2Sot)nung  narje  gelegenes  ÄaffeeljauS.  9ftit  borgeftettten  gremben 
tiefj  er  ficf)  an  biefen  Orten  nur  tjödjft  fetten  in  ein  ©efpradj 
ein.  2)a§  tefcte  3e^unS^^ott  burdjgetaufen  ging  er  mieber 
etfigft  §ur  §intertt)ür  rjinauS. 

13.  (Eine  Sanfiagung,  ober  Seetljoben  unb  Rummel. 

Um  bie  t)ier  angeführte  Sfjatfadje  mit  irjren  ©rünben 
rtdjtig  aufgufaffen,  fjaben  mir  un§  in  bie  legten  SebenStage 
öeetrjoben'S  gurüd  gu  beuten,  mo  er  im  SSorgefüt)!  feiner 
balbigen  Sluftöfung  begonnen  t)atte,  mit  allem  Srbifdjen  ab* 
gufcfjiieften  unb  bie  nötigen  Verfügungen  foroorjt  in  feineu 
eigenen  SBerfiättniffen,  mie  auefj  im  ^ßunete  feiner  Verbfiicfjtungen 
gegen  Stnbere,  gu  treffen,  ©iner  biefer  ^Suncte  begog  fid)  auf 
ben  Verfaffer  biefer  ©djrift.  ©er  ÜDceifter  mar  nämlid)  nod) 
in  ben  Sagen,  mo  er  böllige  2Biebert)erftettuug  t)offte,  mit  Stuf- 


—     543     — 

ftnbung  be3  SDcobuS  beschäftigt,  tote  er  ftdj  mir  für  bie  tatig« 
jährigen  ©ienfte  unb  Slufobferungen  bantbar  bezeigen  fönne. 
©ctyon  im  Satire  1823  bei  (Megentyeit  meiner  äJnittrirfung  in 
ber  <Subfcribtion§=2lngetegent)eit  mit  ber  Missa  solemnis  fjatte 
er  mir  eine  fteine  (Summe  (Mbe§  al§  (Sntfctyäbigung  für  bie 
baburcty  berurfactyte  SBerfäumnifj  in  meinen  eigenen  ©efctyäften 
jugefidjert,  bie  jebocty  nictyt  erfolgt  ift.  ©3  tnufete  fomotyt  in 
biefem  tote  aucty  nod)  im  fotgenben  Satyr  mein  $ßriöat=Unterrid)t 
gänjticty  aufgegeben  merben.  9tuf  bem  ®ranrentager  marb  er 
um  fo  metyr  bon  bem  ©ebanfen  gequält,  mie  er  nun  ber  ber« 
grö^erten  SSerbftictytung  gegen  micr)  ftdj  enttebigen  tonne,  "öa  id> 
längft  erftärt  tyatte,  baareä  ©elb  nictyt  annehmen  51t  motten, 
belehrt  burcty  lange  33eobad)tmtg,  bafs  biefer  S^erb  bei  itym  ber 
atterembftnblictyfte  ferj.  ®a  eröffnete  ftd)  gegen  (Snbe  Sanuar§ 
eine  Sfuäfidjt,  feine  S5an!6ar!eit  auf  eine  eben  fo  ungemötyntidje 
al§  aud)  feierliche  SBeife  betätigen  51t  tonnen. 

Sn  bem  mit  ber  ©irection  beö  Sofebtyftäbter  StyeaterS 
1822  abgefdjtoffenen  ©ontracte  mar  bem  SSerfaffer  ata  Drdjefter* 
Sirector  jätjrlid)  ein  §albe§>  Senefice  burd)  ein  ßoncert  ober 
eine  Dpern=23orfteHung  gugefidjert.  Sie  großen  StuSgaben  be§ 
neuen  Unternehmens  berantaftten  jebocty  ben  ©irector,  mid)  bei 
51b(auf  be§  erfien  Satyre§  51t  erfuctyen,  mein  9?ectyt  auf  biefeö 
tyalbe  33eneftce  auf  baS  nädjfte  Satyr  5U  übertragen,  mo  mir 
bann  ein  ganzes  gu  Styeit  merben  fotte.  £>a§  gmeite  (Sontract= 
jatyr  mar  abgelaufen  unb  mieberum  tyiefj  e§,  bafj  feine  Sftögtictyr'eit 
bortyanben,  im  Sauf  ber  guten  Satyre^eit  bie  botte  ©innatyme 
eine§  HbenbS  ber  (Saffe  $u  ent^ietyen.  S)a  icty  bie  angebotene 
©ommergeit  al§  contractmibrig  jurüdmieS,  fo  marb  id)  auf  ben 
britten  Sßinter  bertröftet.  516er  aud)  bann  gab  e3  bei  ber 
Sirection  ber  ^ünberniffe  §ur  Erfüllung  ityrer  rüdftänbigen  95er- 
bfttctytungen  nod)  fo  biete,  ba^  ityrerfeit§  eine  Sfbfinbung  mittelft 
einer  SSaarfumme  borgefdjlagen  mürbe.  Saum  mar  biefer  3Sor= 
fd)lag  gemactyt,  afö  ber  ©irector  bem  Snftitute  bttrd)  einen 
blö^ltctyen  £ob  entriffen  mürbe,    ©eine   ©rben,  bie  fofort  bie 


—     544     — 

Setümgbeä  5£ljeater§  übernommen,  bertoetgerten  jebe  AuSgteidjung 
mit  mir,  inbem  fie  im  oorliegenbeu  $atte  eine  Sßerjärjrung  ber 
©d)itlb  finben  moüten.  Set)  üerliefs  batjer  ba%  Stjeater  unb 
übergab  bie  Angelegenheit  bem  Dr.  23ad),  um  [ie  auf  ben  S^ed)^ 
roeg  $u  bringen.  9cact)  Sot)r  unb  Sag  rjatte  ich  bie  ©enug= 
tfyuung,  ein  magiftratifdjeS  Urteil  ermirft  gii  feljen,  fraft  beffen 
mir  baS  Sofep^ftäbter  Sljeater  mit  allem,  raa§  brum  unb  bran 
l)üngt,  für  ben  7.  April  1827  §ur  freien  Verfügung  geftellt  mar. 

SBiffenb,  meld)'  innigen  Anteil  25eetIjooen  an  foldjem  Au§* 
gange  biefe§  ^roceffeS  nehmen  roerbe,  üerfügte  fid)  Dr.  33adj 
mit  bem  gerid)tlid)en  Urteile  unoerroeilt  ju  ifjm.  Äaum 
gelefen  erflärte  er,  an  biejem  7.  April  im  3ofepl)ftäbter  Stljeater 
eine  9totte  übernehmen  (^u  motten.  Al3  id)  in  fpäterer  ©tunbe 
bei  it)m  eintrat,  überreidjte  er  mir  mit  fjer^icrjem  ©lüdrounfctje 
ba$  Urtljetf  unb  äußerte,  bafj  er  gu  biefem  95et)ufe  bie  feit  bem 
Satjre  1822  in  petto  tragenbe  Duüerture,  bie  jener  mit  ber 
©oppelfuge  in  C  dur  meidjen  muffte,  aufarbeiten  unb  felber 
birigiren  motte;  bieö  fei)  überhaupt  eine  erroünfd)te  Gelegenheit 
für  üjn,  fid)  gegen  mid)  banlbar  §u  bezeugen.  £>ie  begonnene 
©fi^e  §u  biefer  ©uoerture  mürbe  foglcid)  fjerüorgefudjt. 

8m  Verlaufe  ber  näcrjften  SSodjen  aber,  als  er  §u  füllen 
begann,  baft  eine  3Bieberrjerftetlung  bi3  §um  7.  April  nid)t  er= 
folgen  roerbe,  befd)äftigte  er  fid)  mit  Auffiubung  eine3  9Jiittel3 
mir  bennoci)  nütilid)  ^u  fetin,  menn  aud)  nid)t  mit  einer  neuen 
(Eompofition  unb  perfönlid)er  Stfitmirfung.  2Bäl)renb  biefe§ 
Aufjud)en£  brad)ten  öffentlid)e  S3lätter  bie  9radjrtd)t,  §ummel 
roerbe  batb  in  3Bien  eintreffen.  93ei  ber  Äunbe  baoon  äußerte 
23eetrjooen:  „3Benn  er  mid)  nur  befud)en  mottle,  id)  mürbe  if)n 
bitten,  mid)  in  bem  Goncert  am  7.  April  $u  Oertreten."  Um 
9J?itte  be<3  TOr-^monatS  traf  Rummel  in  SBien  ein.  ©d)on  am 
Sage  nad)  feiner  Anfunft  erfd)ien  er  in  Segleitung  Oon  Anbreaö 
©treidjer  unb  feinem  ©ctjüter  $erbinanb  filier  an  S3eet= 
rjooen'ö  Äranfentager.  Seit  1814  Ijatten  fid)  beibe  ^ünftler  nid)t 
mefjr  gefetjen.    Rummel,   entfetjt  bei  bem  Anblid  ber  £eibeu3= 


—     545     — 

geftalt  23eett)oben'3,  brad)  in  tjelle  £t)ränen  au§,  btefer  aber 
fud)te  it)n  gu  befd)mid)tigen,  inbem  er  it)m  eine  tion  SDiabelli 
§ugefd)ic£te  9?abirung  üon  £>at)bn'3  ©eburt<§t)au§  5U  9?ol)rau  mit 
ben  SSorten  oort)ielt:  „<5iet),  lieber  £mmmet,  ba$  @e6nrt§t)au§ 
tion  §at)bn;  Ijeute  tjabe  id)  eS  ^um  ©efdjenf  ermatten,  e3  macfyt 
mir  grofje  $reube;  eine  fdjtedjte  23auernt)ütte,  in  ber  ein  fo 
großer  sJtfann  geboren  tourbe!"  91l3bafb  aber  tenfte  er  ba$  ©e= 
fpräd)  auf  ba&  geridjttid)  becretirte  (Eoncert  im  So[ept)ftäbter 
5tf)eater  unb  bie  tiereitette  2(bfid)t  babei  mitäumirüen,  unb  fdjlojj 
mit  bem  (£rfud)en:  „Rummel,  id)  redjne  auf  2)id),  öertrete  $)« 
meine  ©teile  babei,  id)  merbe  e3  £)ir  ©anü  miffen."  §ummet 
xeidjte  it)m  bie  £>anb  unb  Seettjoüen  mar  üon  biefer  2Sittfät)rigfeit 
fidjtbar  überrafdjt.  Sn  ber  %fyat  mar  biefer  Moment,  in  33e= 
tradjt  ber  fonft  menig  ftimüattjifirenben  @efüt)(e  gmifctjen  beiben 
fjod)ftef)enben  SÜinfttern,  ein  erl)ebenber,  an  ftct)  fdjon  ber  Stuf* 
jeidjnung  mertt),  mürbe  au6)  nidjts  anbere§  bamit  in  23er- 
binbung  fteijen. 

<Sd)on  mettige  £age  nad)  biefem  Vorfall  tjaben  mir  bm 
großen  Sonbidjter  jur  legten  9vut)eftätte  geleitet,  mobei  §ummel 
ba£  23at)rtud)  mitgetragen.  ©ein  Sßerfpredjen  bat  er  am  7.  Würit 
barauf  getreulich  erfüllt.  Stuf  fein  Verlangen  t)at  ber  2lnfd)lag= 
fettet  ba§  GüreigniB  mit  folgenben  ^Sorten  angezeigt:319) 

„§err  Rummel,  grojjtjerjoglid)  ©ad)fen=!2öeimar'fd)er  §of= 
©aüetlmeifter,  mirb  bie  @t)re  tjaben,  ftct)  §um  legten  9#at  üor 


319)  Die  Leipziger  Allgem.  Musikal.  Zeitung,  No.  22  vom  30.  Mai 
1827  schreibt  über  dieses  Hummelsche  Konzert:  „Tagebuch  vom  Monat 
April,  S.  368f.  Am  7ten  im  Josephstädter  Theater  Musikalische 
Akademie  zum  Benefice  des  vormaligen  Orchesterdirektors  Herrn  Anton 
Schindler:  ein  Name,  der  in  der  Kunstwelt  nicht  untergehen  soll,  da 
ihn  ein  Mann  trägt,  der  Beethovens  wärmster  Verehrer,  Anhänger  und 
treuer  Wärter  bis  zur  Todesstunde  war.  Der  dankbare  Meister  hoffte 
früher,  seinem  Freunde  durch  eine  Komposition  nützlich  werden  zu 
können,  doch  die  nahe  Auflösung  fühlend  (369),  übertrug  er  Hummel 
die  Tilgung  der  verjährten  Schuld,  und  bat  ihn  dringend,  an  seiner 
Statt  den  erprobten  Freund  zu  unterstützen.  Die  Erfüllung  dieser 
SC.  @djijiMer§  5Bccif)ODcn=S3iO|)rcipfjic.  3^ 


—     546     — 

feiner  5lbreife  auf  bem  ^ianoforte  f)ören  gu  laffen,  unb  e§ 
gereidjt  ilmi  gum  befonberen  Vergnügen,  ben  2Bunfct)  feinet 
bereinigten  gfreunbeS  23eet£)Oüen,  ber  itjn  nod)  auf  bem  Sterbe* 
bette  erfuctjt  fyat,  an  feiner  (Statt  ben  Untergeid)neten  bei  biefer 
Senefice^orftellung  §u  unterftü^en,  erfüllen  gu  rönnen." 

©er  9lbenb  mar  ein  tjödjft  feierlidjer  unb  Sfteifter  Rummel 
fat)  fid)  üon  mehreren  morjlrenomirten  ftünftlern  umgeben,  ©iefer 
feltfame  3tu^c^)enfa^  *)Qtte  e*n  gat)lretd)es  Slubitorium  gteictjfam 
gu  Beugen  be£  mirflict)  gefdjloffenen  ^erfofmunggacteS  groifdjen 
23eett)oDen  unb  Rummel  herangezogen,  ©ie  offen  tlidjen  Sichrer 
tjaben  ber  (&ad)t  bie  erforberlidje  ^ublicität  gegeben.  9cr.  30 
ber  ^Berliner  8RujUj$eitung  r>on  1827  (unter  9tebaction  toon 
8.  53.  Wlavt)  berichtete: 

,,©as  SBatete  gab  un<§  §ummel  im  Sojepjjftäbter  Sweater 
bei  einem  (Soncerte,  ti>etd)e£  bem  uormaligen  Ordjefters©irector 
(Sctjinbter,  laut  früherem  Sontracte,  nadjträgtid)  gugeftanben 
merben  mufjte.  §err  Sdjinbler  mar  im  gangen  (Sinne  be» 
28orte3  unferä  üeremigten  ©eettjoben  getreuer  $)3olabe3,  ber  feit 
Sauren  beffen  r)äus>lid)e  ©efd)äfte  beforgte  unb  bi3  gum  legten 
Slttjemguge  nidjt  öon  feiner  Seite  mid).  ©er  entfdjlafene  SJteifter 
roollte,  in  Hoffnung  ber  SSiebergenefung,  feine  (£rlenntlid)!eit 
burd)  eine  neue  (Sompofition  beroeifen,  meiere  bei  biefem  Slnlaffe 
gum  erften  SOcale  probucirt  merben  füllte.  2113  er  jebod)  gu 
füllen  anfing,   mie  e§   gang  anber§  im  18üd)e  be3  Sct)idfal3 


Bitte  verschaffte  uns  einen  genußreichen  Abend.  Holbeins  Lustspiel  ,Der 
Vorsatz'  wurde  durch  die  noch  wenig  bekannte  und  gehörte  Beethoven- 
sche  Ouvertüre  in  C,  6/g-Takt,  eingeleitet  (op.  115),  die  zur  Einweihung 
der  Pesther  Bühne  komponierte  Ouvertüre  desselben  Meisters  in  Es 
(op.  117,  König  Stephan)  eröffnete  das  Konzert  selbst,  welches  Hummel 
mit  einer  freien  Phantasie  auf  dem  Pianoforte  schloß;  diese  hatte  die 
Form  eines  Potpourri,  was  der  ungemein  zahlreichen  und  also  ge- 
mischten Versammlung  wohl  am  meisten  zusagte  und  des  Künstlers 
Umsicht  bekundete,  der  genau  erwägt,  wem  er  seine  Gaben  zu  reichen 
hatte.    Nach  24  Stunden  verließ  Meister  Hummel  unsere  Stadt.  — " 

A.  d.  H. 


—     547     — 

befdjloffen  ftelje,  übertrug  er  [eine  SBerpfticfjtung  an  fummeln, 
roelcfjen  er  nocrj  in  ben  legten  Sebenäftunben  aufforberte,  on 
feiner  Statt  gegen  ben  fiel)  grofemütfjig  aufoofernben  ^reunb  ben 
ßoü  ber  ©anfbarfeit  §u  entrichten.  Rummel  gab  mit  gebrochenem 
^erjen  §anb  unb  SSort,  unb  üerftfiob  feine  Stbretfe,  um  bie 
geteiftete  3ufa9e  Su  erfüllen."  u.  f.  ro.320) 

Sm  gleichen  ©inne  fpricfjt  öon  biefem  factum  unb  beffen 
95eranlaffung  bie  Seidiger  allgemeine  äftufif^eitung  in  ÜRr.  22 
öon  1827. 


320)  Über  Schindlers  Gedenkfeier,  von  Beethoven  veranlaßt,  ent- 
hält die  von  A.  B.  Marx  redigierte  Berliner  Allgemeine  Musikalische 
Zeitung  einen  enthusiastischen  Bericht,  dem  daneben  von  Schindler 
gegebenen  Worten  noch  folgendes  hinzuzufügen  ist  (No.  30  vom  25.  Juli 

1827):  „ Er  (Hummel)  spielte  das  von  ihm  noch  nie  öffentlich 

gehörte  Quintett  in  Es-moll  nebst  —  —  —  und  schon  der  bloße 
Name  war  hinreichend,  dem  Benefizianten  ein  übervolles  Haus  zu  ver- 
schaffen, wiewohl  ihm  die  Direktion  aus  Knickerei  den  unvorteil- 
haftesten Abend  im  ganzen  Jahre,  am  Samstag  vor  den  Osterferien 
aufgedrungen  hatte!"  —  Es  darf  bei  dieser  Gelegenheit  nicht  un- 
erwähnt bleiben,  daß  Schindler  von  Beethoven  an  Manuskripten  (Noten 
und  Dokumente)  so  unendlich  viel  geerbt  hatte,  daß  er  all  jene  Schätze 
an  die  preußische  Staatsregierung  verkaufen  konnte,  wofür  er  außer 
einer  stattlichen  Barsumme  eine  Leibrente  empfing,  die  ihn  aller 
Sorgen  iür  sein  weiteres  Dasein  überhob.  —  So  dankt  Beethoven. 

A.  d.  H. 


35* 


9Kufica(ifrf)er  Ztyil 


„Sudjftaß'  unb  Wotenfdjrtft  ftnb  tobte  Setzen;  aber 
aucf)  §erunterfpielen  bet  9?oten  wie  ^erjagen  bet  ttber= 
lieferten  SBorte,  ba$  tft  tobte«  ©eroerfete,  menn  ntd^t 
ber  ©eifr,  ber  ftd)  in  iljnen  Ijat  offenbaren  motten,  öon 
un3  aufgefaßt  unb  burd)  un§  tnirffam  wirb,  —  ber« 
felbige  ©eift,  fein  anberer,  nid)t  unfer  eigen =öer= 
fönlicber,  nicf)t  ber  Sinn  allgemeinen  Uebereinfommen'S, 
ober  Ijerfömmfidjer  <Sdmlfa£ung,  fonbern  ber  ©eift 
SBeetfjoöen'S."*) 

«Seit  ber  erften  Aufarbeitung  bieder  ©d)rift  finb  öoüe 
jtoanjig  3afjre  im  ©trome  ber  ßeitert  bat)in  gefloffen,  ein  genug- 
fam  langer  3e^raum/  um  toarjräuner^men,  ob  ba$  SBort  ben 
©eift  ber  Slunft  nodj  meljr  in  ben  ,'pintergrunb  gebrängt  fjabe, 
a(<§  e§  bamal§  bereite  ber  $aö  geroefen.  Sftit  freubigen  ©efürjten 
roirb  man  ^ugefterjen  muffen,  ba^  feitbem  in  ßultiüirung  be§ 
Oratoriums  burrf)  gro&e  Vereine  ein  nocfj  größerer  3luffrf)mung 
ftattgefunben,  ber  aU  fefte  ©tütje  ^ur  (Spaltung  btefe§  bon 
ben  ßtaffiiern  überfommenen  groeigeS  bienen  fann.  dagegen 
tft  e§  in  allen  anbern  fcrjtimmer  geworben,  al§  e§  Oorbem 
toar;  in  allen  jenen  gmeigen,  in§befonbere  in  aller  Snftrumen= 
tatmuftf,  ift  burd)  ben  feit  oier  SDecennien  immer  meljr  unb 
merjr  cuftioirten,  enblicfj  p  boüftänbiger  §errfd)aft  gelangten 
StRectianiSmu»  be§  ^Sianoforte  unb  ber  @atten=3nftrumente, 
eine   Umroäläung   beroirrt   morben,   burcfj   roekfje    beinahe   jebe 


*)  St.  58.  9Karr.  „über  ©tubium  unb  Vortrag  ber  Seettjoüen'fdjen 
©[aüierwerfe"  im  3lnbange  feine§  „Sehen  unb  ©cfmffen  öon  2.  b.  5beet= 
hoben",  ©ehe  VI.821) 

321)  Diese  klavierästhetischen  Betrachtungen  erschienen  später- 
hin als  selbständige  Schrift  unter  dem  Titel:  „Anleitung  zum  Vortrage 
Beethovenscher  Klavierwerke"  von  A.  B.  Marx,  II.  Auflage,  heraus- 
gegeben von  Dr.  G.  Behncke,  Baden  1875.  A.  d.  H. 


—     552     — 

©pur  getftigen  ©efjalteä  eines  £onmerfe§  oernidjtet  tüirb.  <Sdjoit 
im  Sa^re  1823  äußerte  ficf)  Seetfjoüen  51t  $erbinanb  8Kp§: 
„9ftit  ben  Allegri  di  bravura  mufe  idj  bie  Sljrigen  nad)fet)en. 
—  2lufrid)tig  51t  fagcn,  id)  bin  fein  greunb  bon  bergleidjen, 
\>a  fie  ben  9J?ed)am3mu8  nur  gar  511  feijr  beförbern;  menigftenä 
bie,  meldje  id)  fenne."*)  —  £)er  grofee  ^$ropt)et  tneiffagte  fcfyon 
bamaU,  ba$  ber  9J?ed)ani§mu§  alle  2öat)rf)eit  ber  @mpfin= 
bung  au§>  ber  Sftufif  üerbannen  toerbe.  Mein  nidjt  Uo§> 
ber  ©eift,  audj  bie  [yorm  mirb  burd)  ben  übern>ud)ernben 
9Jced)ani3mu3  gerftört.  2)iefer  moberne  £>ämon  fet$t  fid)  über 
bie  bon  ben  claffifdjen  SDteiftern  überfommenen  Segriffe  tion 
geiftburd)mef)tem  Vortrag  unb  ben  Ijiergu  geeigneten  Mitteln 
fjinttteg  unb  folgt  tebiglid)  bem  angemahnten  ©ränge:  feine 
(Subjectiüität  pr  ©eltung  ju  bringen.  Sie  fjunbertgüngige 
Slritif,  gum  größten  £f)ei(  gerjanbtjabt  üon  Scannern,  bie  in- 
mitten biefer  SBerirrungen  aufgelaufen  unb  itjre  5tnfd)auungen 
mit  benfelben  ibentificirt  Ijaben,  fie  beftärft  bie  9ftufifer  in 
if)rem  SBatjne,  aUgeit  ba§  $ecf)te  gettjan  p  Ijaben.  SSafjrltd), 
bie  auf  ÜBölferbeljerrfdjer  angettanbten  SBorte:  Divide  et  impera, 
finben  nidjt  minber  paffenbe  Stntnenbung  auf  bie  treffe  in 
^unftfadjen.  2)ie  eingeriffene  (Spaltung  in  ben  fritifdjen  tfe* 
fdjauungen  mufete  nott)tuenbigermeife  bie  nun  beftetjenbe  3er= 
fatjrenljeit  unb  SSermirrung  in  allen  feftftcljenben  Gegriffen 
herbeiführen.  Safe  bei  foldjen  .ßuftänben  5(lle§,  fogar  ba$ 
offenbar  ©djledite,  feine  23ertl)eibiger  finbet,  überhaupt  alle  unb 
jebe  beabfidjtigten  SSortJjeife  barauS  gieijt,  ift  bie  notljmenbige 
golge.  (Singelne  feile  2ocat=331ätter  ^eiligen  alle§.  ©eljt  e§  fo 
fort,  fo  merben  felbft  bie  wenigen  gebiegenen,  bem  iföaijren, 
9fad)ten  unb  ©efetjlidjen  Imlbigenben  $ad)blätter  nad)  Verlauf 
einiger  Satjre  feine  £efer  finben,  tueil  ©lauben  unb  Vertrauen 


•)  SBiograp^ifc^e  ^oti^en  bon  g.  9fte§  6.  157. 322) 

322)  Neudruck  S.  186.  —  B.  S.  Br.  No.  930  (IV.  Band). 

A.  d.  H. 


—     553     — 

gur  Shmftf'ritif  gerabe  in  ben  Greifen  frjmVatrjifirenber  SOtfufif- 
freunbe,  benen  [ie  bie  ^ögticf/feit  iljre3  23eftet)en3  gu  allermeift 
verbanden,  faft  gang  untergraben  finb.  2)en  aufmerffamen 
^Beobachtern  be<§  muficalifdjen  £5arometer§  fann  e§  nicfjt  ferner 
roerben  biefen  2lm3gang  mit  3uöerf^*  Vorau^ufagen.  Sft  e§ 
bocr)  augenfällig,  bajj  bie  Sftufifer  in  corpore  für  Sßofjl  unb 
2Bef)  itjrer  $unft  feine,  ober  bod)  nur  §u  geringe  Xrjettnarjme 
fügten  unb  bemnad)  in  einem  rt)at)rr)aft  ftuviben  3nbifferenti3= 
mu§  verharren,  fanget  an  Pietät  unb  53egeifterung  für  bie 
$unft  nebft  geroiffenlofer  Verfolgung  Verfönlidjen  9^u^en§  finb 
bie  leitenben  SftotiVe  bei  ben  meiften,  tn<§befonbere  bei  ber 
®ünftler=9lriftofratie,  biefem  neuen  Genus  in  ber  ®unft.  Seiber 
roaren  bieg  bie  djarafteriftifdjen  Sfterfmale  bei  ber  äftetjrgarjl  §u 
allen  ßeiten.    (©iebje  Einleitung.) 

23ei  folgern  Sßerfjältnijj  ber  SDinge  gleichen  vereinzelte 
©timmen  ^jirebigern  in  ber  SSüfte.  (Sine  Segion  2lnber3benfenber 
gafft  fie  fragenb  an:  roej^atb  iljr  SBarnen  ober  gar  Sßelerjren? 
Sie  bem  erften  ©rfctjeinen  biefer  ©cfjrift  angefügten  53eifviete, 
roie  S3eett)ooen  feine  Wn)\t  Oorgetragen  roiffen  roollte,  tjaben 
baöfelbe  ©d)idfal  erfahren,  ©ie  mürben  wie  ein  frembartigeg, 
5lflen  unverfiänblid)e§  ®ing  angegafft,  für  ©rfinbungen  be§ 
SBerfafferä  erklärt  unb  —  ignorirt.  ©djon  bamal£  roaren  ber 
laufenben  ©vodje  bie  funftroiffenfdjaftlicfjen  S3ebingungen  fremb 
getnorben,  auf  roetdjen  5iuffaffung  unb  S^eprobuction  eines 
gehaltvollen  XonroerleS  §unäd)ft  berufen,  tvie  follte  bie3  gegen- 
märtig  anberä  fetjn  tonnen?  9ttan  fjöre  bie  mafjtofen,  oft  in 
SSilbbjeit  ausartenben  Uebertreibungen  ber  Tempi  in  ber  ©in* 
fonie,  im  Ouartett,  im  £rio  unb  in  ber  ©onate  unb  Ijabe 
Wlutf),  ein  marnenbeä  ober  belerjrenbeä  3Bort  fallen  ju  laffen. 

(£§  roäre  bat)er  vollfommene  Verfennung  ber  ©egenroart, 
roollte  man  äftütje  unb  3eit  anroenben,  fie  über  itjre  SSerirrungen 
Vom  Sßege  be§  S'lectjten  unb  ©cfjönen  ju  belehren.  Sn  foldjen 
3Sat>n  roirb  feiner  verfallen,  ber  burd)  eigene,  Safere  lang  an= 
bauernbe  SSirffamfeit  in  ßeitblättern  fid)  enbtictj  Von  ber  Wuiy 


—     554     — 

lofigfeit  aHe§  j£t)un§  überzeugt  fyar.  ^n§befonbere  merben 
beriet  3uftänbe  ©runb  geben,  einen  faum  ,^u  befdjtDtc^tigenben 
SSibermilien  im  ^ergen  be§  9ftanne3  gu  erzeugen,  ber  ba§>  ©lücf 
genoffen,  ba§  befd)eibene  9J?af$  üon  Söiffen  unb  SSerftet)en  in 
©adjen,  über  njeldje  er  fürid)t,  an  tnat)rrjaft  Ijeiliger  Quelle 
gefcfjöüft  gu  rjaben.  3)ie3  unb  ber  Umftanb,  ba^  fid)  ber  Sßer^ 
faffer  au3  bem  $reunbe§treife  $eett)oüen'3  nunmehr  al§  ben 
Seiten  ber  Sebenben  fieijt,  macfjen  e§  irjm  ^ur  unabmeiSticfjen 
$Pflid)t,  biefe  3e^e"  nieber^ufdjreiben  unb  felbe  als  ein  nott)= 
menbigeS  integrum  ^u  be£  üfteifterS  Seben§gefd)id)te  §u 
betrachten.  ©§  foll  mein  Söeftreben  fet)n,  einem  fpäteren,  biet* 
leid)t  getftig  gefammelteren  3e^ta^er  m  gebrängter  ftür§e  bie 
SSebingungen  unb  35orau§fet3ungen  üor^utegen,  meldje  ein  großer 
£I)eit  üon  Q3eetl)oüen3  Ätaoiermufif  ^ur  SReürobuction  ib,re§ 
eigentt)ümlicfjen  @eifte§  beanfprud)t.  2)iefe3  mirb  fid)  atSbann 
auf  bie  anbern  (Gattungen  feiner  ^onbidjtungen  leidjt  übertragen 
laffen.  2Sa§  ber  erhabene  9)?eifter  üermittefft  be§  SBorteS  in 
feiner  ©adje  felber  31t  tun  beabfidjtigt,  blieb  au§  äufjern  ©rünben 
unausgeführt,  unb  tnaS  er  burd)  üerfönticfjen  Unterridjt  mirllid) 
gett)an,  um  menigftenS  ein  lebenbeS  dufter  fjinjuftellen,  baS 
mar  nur  für  feljr  turge  $eit  nad)t)attig.  @§  mirb  ber  Ort 
fommen,  biefeö  üon  iljm  oft  §ur  ©pradje  gebradjten  ÄlageüunfteS 
ausfuhr lid)  511  ermähnen.*) 


*)  ©in  Äfagefieb,  wie  $eetb,ot>en  angefiimmt,  barf  audj  ber  Sßerfaffer 
laut  werben  laufen,  (üleic^e  £enbenä  lag  aud)  meinen  Söeftrebungen  mit 
einem  jutn  (Srfafjen  aller  Gigentt)ümltd)feiten  in  23eetbot>en'3  tieffier  ^oefie 
begabten  Üalenle  ju  ©runb.  $n  einem  fed)»jäb,rigen  ßurfuS  rourbe 
biet  gegeben  unb  ba§  ^JJeifie  rid)tig  begriffen,  fo  ba%  ber  3ögling  un= 
besmeifelt  al§  gutes  SOJufter  roeiten  Greifen  rjätte  horleudjten  tonnen. 
3ft  ber  junge  sDJann  gteidjroot)!  ein  aditungSmertber  Äünftler  geroorben, 
unb  mirb  er  ätoeifelSorme  fortan  bem  £>öt)eren  unb  £öd)fien  nadjfireben, 
fo  bat  er  bod)  bie  SBebingung  eine3  müfyeüollen  Unterrichts  nad)  jener 
<5eite  t)in  nid)t  erfüllt.  23ar  e§  Mangel  an  SRutb,  fid)  bem  SSirtuofen= 
©efd)led)te  unb  einjelnen  gerabe  in  s-8eetbot>en'§  9)cufit  für  mufiertjaft  au3= 
gefdjrienen  Snbiötbuen  entgegen  ju  ftetten  unb  trog  SSiberfprüdjen,  Dietleidjt 


—     555     — 

SSeit  nun  öon  eigentjctnbigen  2tuf5eid)nungen  be3  90?eifter§ 
ntd)t§,  ober  bod)  nur  roenige3  bortiegt,  unb  biefeä  fidj  bto§ 
auf  feine  äftettjobe  (Stabier  gu  fpieten  besiegt,  (bie  öon  iimt 
be§eid)nete  9?ut$antt>enbung  ber  Sotjn  ©ramer'fd)en  ©tuben)  fo 
bleiben  mir  nur  ber  bom  50?eifter  unmittelbar  erhaltene  Unterricht 
unb  bie  STrabition  überhaupt  al§>  bittet  übrig,  bie  jenen  Abgang 
erfe^en  füllen.  2tber  aucf)  ©ort  (Sgernb,  ift  ein  mistiger 
3euge  in  ©acfjen  üon  23eetrjoben'§  (Stabiermufit".  2lud)  er  rjatte 
fid)  persönlichen  Unterrict)t§  öom  StReifter  gu  erfreuen,  unb  gtoar 
pm  SBefjufe  öffentlichen  Vortrages,  5.  23.  be§  Es  dar  (SoncertS 
1812,  ober  für  ^riüat^reife.  ©eine  Erfahrungen  biedfaltö  tjat 
er  in  feiner  (I(abier=©dju(e  niebergetegt,  bie  bor  ungefähr 
25  Satjren  erfdjienen,  feitbem  aber  burcfj  biete  anbere  berbrängt 
morben.  Äein  SJtenfd)  nimmt  metjr  S^otig  baüon.  2Iber  noct) 
anbere  bon  ber  ©egenmart  meift  ignorirte  Männer  bon  tjofjer 
!ünftlerifd)er  Sebeutung  foßen  angeführt  tuerben,  beren  2Tu§fagen 
für  3eugniffe  gelten,  roie  bie  gurüdliegenbe  Grpocfje,  bie  „ctaffifdje" 
genannt,  gute  £D?uftf  überhaupt  !unftgemä§  borgetragen.  @§ 
roirb  bamit  ber  inbirecte  53etoei3  geliefert  roerben,  bafj  Seett)oben'§ 
Tlu\\t  im  ©an^en  roorjl  ber  allgemeinen  5Sortrag§norm  gu 
unterbieten  ift,  im  ©pecieüen  aber  mefenttidje  Slbroeidjungen 
bebingt.  2)aJ3  biefe<S  mit  SSorten  nur  ungenügenb  ober  !aum 
ge5eigt  merben  tann,  §at  (S.  (S^ernn  am  angeführten  Drte 
mieberrjolt  au3gefagt.  ©ennod)  ift  e§  bem  in  Q3eetrjoben'§ 
Sftufif  tief  eingebrungenen  St.  33.  90?arr,  gelungen,  biefe 
©djroierigfeit  burd)  gtüdtid)e§  treffen  be3  9iidjtigen  in  einsetnen 


fogar  S3erljöfjnungen,  benttocf)  aU  3euge  für  bie  ber  gefammten  Kunfitoett 
angetjörige  ©adje  ju  fpredjen?  %$  weife  e§  nidjt.  S)ie  Hoffnung,  ba§ 
geifttge  (Jrbe  bort  bem  grofjen  SDMfter  nid)t  mit  in'3  ©rab  nehmen  ju 
muffen,  fd^ieit  nod)  cor  brei  Sa^en  eine  geroiffe,  nun  ift  fie  jur  Jäufdjung 
geworben.  3)a§  mufj  gefagt  werben,  um  anfälligen  Slnmetfungen  ober 
S8ornmrfen  ju  begegnen,  al§  t)ätte  id)  auf  »ractifdjen  5öegen  uid)t§  für 
bie  <5ad)e  getfjan.  9ftag  aber  aud)  mit  biefem  Srlebnife  ein  Beitrag  ju  ben 
öielertei  <5d)idfafen  ber  33eetf)oöen'fd)en  ©iufif  gegeben  ferm. 


—     556     — 

fünften  p  befiegen.  Sdj  fcmn  e§  mir  ntcfjt  berfagen,  über 
ba3  im  Anfange  feines  SBeett)ot»en=S5ucr)e§  (begebene  meine  botle 
SSemunberung  au§zufpred)en.  ©a§  muficalifcf)e  sßf)iliftertf)um 
unb  roofjt  aucf)  bie  meift  in  trodenen  Sfjeoremen  fid)  bertierenbe 
^unftpljitofoptjie  merben  mafjrfdjeintict)  bie  9cafe  barüber  rümpfen 
unb  e§  balb  bergeffen  fjaben.  (5§  mirb  aber  tto|  bem  befielen 
bleiben  nnb  erft  in  fpäteren  Sagen  bie  ermünfd)ten  gfrüdjte 
bringen,  menn  erft  bie  fjerrfdjenben  Sßirrniffe  im  S!unftteben 
befeitigt  unb,  fo  ©ott  miß,  eine  geläuterte  (Spoctje  begonnen 
fjaben  mirb.  (£§  ift  ja  ber  natürliche  Verlauf  jebeS  bom  ©runb- 
mefen  ber  $unft  fidj  entfernenben  unb  auf  Uebertreibung,  ober 
gar  auf  Süge  unb  ^peudjetei  bafirenben  ©ebafjrenS,  bafs  e3  ftct) 
fetber  ben  STob  bringt. 

Seicht  minber  gute  (Srfolge  bei  guten  Drganifationen 
merben  au£  berfdjiebenen  ber  SJcarj'fctjen  5TnaIt)fen  einzelner 
Gfabiermerfe  ermacfyfen,  benn  ber  geteerte  Wcann  fjat  fid)  fluger* 
meife  in  biefer  ©ibarte  meift  auf  nur  furze  Deutungen  ober 
Fingerzeige  befdjränfr,  fonad)  ber  ^f)antafie  ber  ©tubirenben 
nod)  ein  anfetjntidjer  Staum  jur  ©elbfttfjätigfeit  berbteibt.*) 
?Ina(nttfdje  (Srflärungen  ftnnreidjer  SEonroerfe  jeber  ©attung 
füllten  fief)  fretfict)  in  unferer  3e^  nidjt  m^x  auäfdjtiefefidj  nur 
in  Südjer  ober  in  gfadjblätter  flüchten  muffen,  fonbern  ber 
claffifdjen  Siteratur  gteid)  auf  alten  f)öt)eren  Sef)r  = 
anftatten  zum  tebenbigen  Vortrag  gebracht  merben. 
3m  33ud)e,  mie  im  gadjbtatt,  ßinjetnen  preisgegeben,  tjaben 
biefelben  in  ber  9?eget  ba$  ©djidfat  ber  SageSliteratur,  meil 
fetbft  9)fttfiffreunbe  Don  metjrfeitiger  SSübung  bamit  nichts 
anzufangen  miffen  unb  feitenS  ber  $acf)mufifer  für  it)re  9^u|- 
anmenbung  in  größeren  Streifen,  meldje  biefelben  bodj  betjerrfcfjen, 
nidjtö  gefdjiefjt. 

@3  bleibt  an  geeigneter  ©teile  nod)  anzuführen  übrig,  roa§ 
93eett)oben  öon  aufgeführten  Auflegungen  —  im  ©egenfat;e  gu 

*)  ?0Jit  Deutungen  b,at  93eet^oüen  ja  felber  Söetfptele  gegeben.  Sie^e 
6.  149  über  bie  Eroica. 


—     557     — 

befdjeibenen  Deutungen  —  unb  llntertegung  oon  Silbern  feiner, 
überhaupt  jegttdjer  Snftrumentalmufif  gehalten  tjat.  SRadtftetjenbe 
SHjatfadjen  merbeu  bieS  unfehlbar  barttjun. 

Unter  ßettung  üon  Dr.  (Sfyriftian  Füller,  (ben  ber 
Sefer  bereits  aus  ber  3.  ^eriobe  !ennt,)  beftanb  in  Bremen  ein 
„ Familien =(Soncert",  baS  berfelbe  bereits  im  3a§re  1782  ge= 
grünbet  f)atte.  ©d)on  im  erften  Satjräefyenb  beS  SafyrljunbertS 
tarn  23eet£)oüen'S  Gtamermufif  bafelbft  auf's  Repertoire,  bie  an 
ber  einzigen  £od)ter  beS  ©rünberS  biefer  5lnfta(t  eine  tion  ber 
Sttufe  ber  Sonfunft  infpirirte  ©arfteflerin  gefunben.  SSatb 
Jjatte  fidj  in  biefem  Greife  ein  nmljrfjafter  SuItuS  für  SBeetljoüen'g 
Wu\it  fjerangebitbet,  mie  er  in  jenen  Schreit,  unb  fetbft  im 
gtoeiten  Sa^eftenb  nodb  nirgenbS  in  ©eutfdjtanb  gu  finben 
mar.  ©inen  mefenttidjen  Stntljeit  baran  tjatte  ein  junger  £>id]ter, 
Samens  Dr.  Gart  S fem323)  ©erfelbe  Ijatte  eS  ftcf)  §ur  Auf- 
gabe gemadjt,  ju  öerfdjiebenen  Werfen  Sßeetfjoüen'S  ©rftärungen, 
mitunter  aud)  bilblidje  Programme,  ab^ufaffen,  bie  öor  Stuf* 
füijrung  beS  betreffenben  SBerfeS  öorgetragen  mürben.  (5S 
fdjeint  faft  fein  3tteife^  oafe  oiefem  Spanne  bie  @t)re  ^ufornme, 
ber  (Srfte  gemefen  §u  fetyn,  ber  ben  unroiberftet)tid)en  ©rang 
gefüllt,  feine  burdj  Seetfyoüen'S  SJcufif  ermedten  btdjtertfdjen 
(Smpfinbungen  in  foldjer  SSeife  funb  ^u  geben*).  SDfofyrere  t>on 
biefen  Ausarbeitungen  fcfyidte  Dr.  SDtütler  an  unfern  Sfteifter 
nad)  SSien,  bei  bem  jebod)  üornefymlid)  bie  Programme  eine 
entgegengefe|te  SBirfung  gefunben,  als  feine  Verehrer  in  ber 
alten  §anfeftabt  öermeint  tjaben,  benn  fie  maren  nid)t  immer 
frei  öon  Plattheiten,  minbeftenS  bon  Ueberfd)mäng(id)feiten,  bie 
ben  ernften  Sfteifter  biSmeüen  üerbittern  fonnten.    üftod)  befinben 


*)  SBte  Diel  anbete  finb  feitbem  in  biefen  SSeftrebungen  bem  SBremer 
5)id)ter  nachgefolgt?!    2Ber  öermag  fie  aufju^len? 

323)  Die  von  Dr.  Iken  an  Beethoven  eingesandten  poetischen 
Darstellungen  über  große  Tonschöpfungen  des  Meisters,  darunter  die 
Symphonie  in  A-dur,  befindet  sich  mit  in  Schindlers  Beethoven- Nachlaß, 
Mappe  IV.  A.  d.  H. 


—     558     — 

jidj  im  Gorrefponben-^acfjlaffe  be§  greunbe§  öier  folget  SCuS* 
arbeitungen  in  meinem  ©eroarjrfam.  (5§  fet)  geftattet,  au§  ber 
über  bie  A  dur=Sinfonie,  roeldje  SBeetljoüen  in  ben  erften  2J?o- 
naten  üon  1819  gugefdjirft  morben,  nur  eine  ©teile  öorjulegen; 
fie  üermag  bie  ©efüt)(e  im  §er§en  bes  21utor§  über  bie  feinem 
SSerfe  unberfatjrene  5(ufmerffamfeit  erfennen  gu  laffen.  ©er 
SBremer  ?lu§(eger  pijantafirt  mie  folgt: 

„9Kir  fd)ien  in  ber  ftebenten  (Sinfonie324)  ein  §aupt= 
gebanfe  §um  ©runbe  gu  liegen.  Sn  einem  SBotföaufftanbe, 
roo  ßeidjen  gum  2Iufruf)r  gegeben  Serben,  mo  2We§  burd)ein= 
anber  läuft  unb  fcfjreit,  roirb  ein  Unfdjulbiger  ober  eine  ^artei 
umringt,  nad)  einem  Kampfe  gefeffett  üor'3  ©eridjt  gefd)leppt. 
Sie  Unfdjulb  meint,  ber  9iid)ter  fpridjt  ein  t)arte§  Urteil. 
£t)eilnet)menbe  Stimmen,  SSittroen,  Sßatfen  mifcfjen  ftdj  barein. 
3m  jtoeiten  Sfyeile  be§  erften  ©afceS  merben  bie  Parteien  gteidj 

—  ben  neuen  oerroirrten  Tumult  oermögen  bie  9tid)ter  laum 
gu  befd)tüid)tigen.  ©er  tobenbe  Sturm  roirb  unterbrüdt,  aber 
nictjt  beruhigt,  ©ingelne  regen  fidj  in  Reitern  (Srmartungen, 
bi£  plö^tid)  bie  allgemeine  Stimme  be§  Sßolfö  entfdjeibet  — 
im  t)armonifd)en  Vereine  .  .  .  SIber  nun  mifd)t  fiel)  im  legten 
Sa|e  23ornet)me§  unb  @emeine§  in  bunter  ?lu^gelaffen^eit. 
©od)  geigt  fid)  baS  &ornef)me  in  ben  331a§=3nftrumenten  immer 
nod)  gefonbert.  Seltfam  badjantifdje  StottJjett  in  öermanbten 
Slccorben  —  balb  ba,  balb  bort  feftgeljatten  —  balb  auf  einem 
Reitern  £>ügel,  balb  auf  blumiger  SSiefe,  mo  im  fröfjtidjen  äftai 
alle  jubelnben  ftinber  ber  Statur  in  greubenllängen  roetteifern 

—  fdjmebt  ber  $ßljantafie  borüber."*) 

*)  2)iefe  poetifc^e  2Iu§gelaffenbett  erinnert  an  eine  äbnltdie  über  ben 
Smeiten  <3a£  ber  ©Dnate  Op.  111,  ©.327. 

324)  Gerade  die  A-dur-Symphonie  hat  vieler  Federn  in  Bewegung 
gesetzt;  es  sei  gestattet,  meine  eigene  besonders  ausführliche  Dar- 
legung in  Erinnerung  zu  bringen;  siehe  des  Herausgebers  „Macht 
Beethovens",  Berlin  1903,  VII.  Kapitel,  S.  125ff.  —  In  Dr.  Ikens  Dar- 
stellung sind  doch  manche  der  Wahrheit  wohl  entsprechende  Momente. 

A.  d.  H. 


—     559     — 

®S  fdjeint,  bofe  biefe  (eijteingefanbte  ^Sfjantafterei  bie  ©ebutb 
be<§  S£onbid)ter§  erfd)öpft  fyatte,  beim  gur  ^erbft^eit  beffetben 
SaljreS  bictirte  er  mir  gu  SJiöbüng  eine  an  Dr.  Füller  ge= 
richtete  ©rmiberung  beSfaSS  in  bie  $eber.  @£  tuar  §mar  ein 
freunbfdjaftlidjer,  gleidjrooljt  energischer  ^Sroteft  gegen  @r= 
Körungen  unb  Unteriegnngen  bon  Silbern  feiner  unb  jegtidjer 
SJcufif.  Seetfyoben  nrieä  auf  bie  ^rrtfyümer  t)in,  bie  baburd) 
unfehlbar  erzeugt  toerben  muffen,  ©etjen  ©rftärungen 
notfjmenbig,  fo  follen  fid)  biefe  tebiglid)  auf  bie 
(Sljarafterifttf  beö  £onftütf§  im  ungemeinen  be* 
fc^ raufen,  meiere  gebitbeten  sJRufifern  nid)t  fdjroer  fallen 
bürfte  richtig  5U  geben. 

SBenn  aber  bie  ^antafie  beö  @rüärer§  eine  ferner  in 
©djranfen  51t  tjattenbe,  mo  finbet  fie,  fetbft  in  einer  nur  aü= 
gemein  gegebenen  (Ef)arafter=<3d)ilberung,  it)re  ©renje?  Dbiofe 
Seifpiele  bon  2(u§fd)reitungen  in  jüngfter  ßeit  gaben  bem 
SScrfaffer  ©runb,  ben  Seetfyoben'fdjen  ^roteft  au§  bem  Safyre 
1819  5U  Eingang  beä  SatyreS  1856  bermittelft  ber  lieber» 
rtjeinifctjen  9D^uftf*3ettun9  $fr«  2)  Ui  Bremen  aufäufudjen. 
§err  (Senator  §  er  r  mann  21".  ©d)umad)er  bafelbft  beehrte 
mid)  unterm  9.  9Äär$  beffetben  öafjrä  mit  einer  umftänbttdjen 
5lu§einanberfet$ung  über  bie  Sermenbung  be§  titerarifdjen  ÜJcad)= 
laffeS  bon  Dr.  ßt).  SOcüüer.  21(3  gmeitnadjgefofgter  £eftamentö= 
(Sjecutor  be3  1849  beworbenen  $räu(ein3  (Stife  Mütter, 
£od)ter  be§  eben  genannten,  toufete  ber  §err  (Senator  gu  melben, 
ba^  fdjon  mäfjrenb  ber  9lmt3t)anbtung  feinet  SorgängerS  in 
biefer  ©ad)e,  be3  Senators  Sfen,  (Sruber  be3  in  Tübingen 
berftorbenen  ©id)ter3  Dr.  (S.  Sfen)  über  bie  „reiche"  Gorrefbon- 
beng  bigponirt  tborben.  £)odj  berfprad)  er  in  Setreff  ber 
£3eett)ooen'fd)en  ßorrefponbeng  —  bie  fid)  nitf)t  blo3  auf  jenen 
^roteft  befdjränft  —  roeitere  9cad)forfd)ungen  madjen  flu  motten, 
äftöge  fid)  biefeä  ©djriftftüd  auffinben  laffen,  benn  e3  ift  — 
mie  e§  meiner  Erinnerung  nod)  beuttid)  borfdnoebt  —  an  fid) 
ein  preeiöfeä  ©ocument,  für  unfere  in  Ueberfd)tt>ängtid)teiten 


—     560     — 

fo  Ijäufig  auSartenbe  (Spodje  aber  nod)  inSbefonbere  tiort 
2Sid)tigfeit.  @3  tiefee  fidj  bamit  ein  t)oc)er  Stamm  bagegen 
aufrichten.325) 


Sn  ber  britten  ^eriobe  mürbe  bon  ber  9Ibfid)t  Q3eett)0üen'§ 
gefprodjen,  eine  neue  §erau3gabe  feiner  (Elaoiermufif  §u  ö.er= 
auftauen,  unb  ^roar  in  $otge  Anregung  be§  SDtfuftfuerlegerä 
<poffmeifter  in  Seip^ig.  ®ie  in  ba$  Safjr  1816  fallenben  Unter* 
tjanblungen  finb  bort  nad)  bem  SBorttaut  eines  uortjanbenen 
53riefe§  non  bem  ^u  9^atfje  gezogenen  intern  ©iabelli  augfürjrlict) 
mitgeteilt.  91uf3er  bem  materiellen  ^unete  lag  biefer  91bfid)t 
nod)  eine  geiftige  Sftötfjigung  gum  ©runbe,  nämfidj:  bie  öer- 
fdjiebenen  28er  ten  innemofjnenbe  poetifdje  Sbee*)  anzugeben, 
öon  melier  ftcf)  ber  Xonbid)ter  leiten  liefe,  ©aburdj  foüte  ba3 
richtige  Serftänbnife  be§  Sßerfeä  ermöglicht  werben.  3n  §infid)t 
aber  auf  richtigen  Vortrag  ber  fiel)  baburdj  eröffneten  Intention 
mar  nod)  meit  met)r  gu  tf)un,  al3  bem  leiblichen  2Iuge  an^u- 


*)  ©iefer  SerminuS  gehört  SSeetfjoben'ä  ßpodje  an  unb  nmibe  Don 
tfjm  eben  fo  oft  gebraust,  wie  anbete,  j.  93.  „poettfdjer  Snljalt",  —  im 
©egenfajje  ju  Söerfen,  au§  benen  nut  ein  Ijarmonifdj  unb  rfyßttmüfd)  roobt= 
georbneteS  Sonfpiel  etflingt.  Sleftbetifer  uufeter  2age  eifetn  gegen  leiteten 
SerminuS;  mit  ©runb,  menn  fie  felben  auf  93rogramm=$)hifif  besiegen, 
obne  ©tunb,  mmn  fie  if>re  Negation  aud)  auf  alle  Seetbooen'fdje  SJJufif 
au§bebnen  unb  ifjr  poettfdjen  ^nfialt  abfpredjen.  Söoher  foDte  raofjt  bie  fo 
häufig  fid)  fnnbgegebene  Anregung  unb  Sufi  ju  btlblidjer  (Srflärung,  über* 
haupt  ju  Stillegung  ber  93eetb>üen'fd)en  Sinfonien  unb  Sonaten  fommen, 
menn  biefelben  ntd)t§  al§  ein  blo§  rjarmonifd)  unb  rbütbrnifd)  it>of)lgeorbnete3 
Sonfpiet  enthielten,  roenn  ihnen  —  roenigfien§  einzelnen  batunter  —  feine 
befonbere  ^bee  ju  ©runbe  läge?!  23ei  weldiem  (Somponiften  gewahrt  man 
foldje,  na^eju  untr>iberfte{jlid)e  Suft  mieber?326) 

325)  Bis  jetzt  hat  sich  von  der  Bremer  Korrespondenz  zwischen 
Dr.  Müller,  Vater  und  Tochter  Elise,  Dr.  Iken  und  Beethoven  noch 
nichts  aufgefunden.  A.  d  H. 

326)  Dies  ist  vortrefflich  gesagt,  Herr  A.  Seh.  A.  d.  H. 


—     561     — 

flauen  oorüegt.  2)er  9Jceifter  mnfjte  eine  aa§füt)rlid)e  9Jcetr)obe 
über  bie  Söeljanbtung  be§  3nftrumcnt§  oorau§fd)tden,  (nur  nriffen 
au§  bem  früher  mitgeteilten  Briefe  oon  Dr.$ert)arb  oon  Q3reaning, 
ba£  bie  Stbfaffung  einer  (£taoier=©d)u(e  auef)  in  feiner  SC6fid£)t 
gelegen,  bie  oon  allen  anbern  abroeietjenb  geroefen  wäre,)  er 
mufjte  ferner  feine  ©ranbfätse  über  bie  33et)anb(ung  be3  mannig= 
fachen  ibealen  SnljattS  im  Mgemeinen  unb  ©peciellen  Oor= 
legen.  SSermittetft  feineö  8erjrfal3e§  in  öe^ug  anf  ben  Vortrag 
im  ungemeinen,  ber  fiel)  in  nacfjfterjenber  SBetfc  formuliren  täfjt: 
„©teidjnrie  ber  *£)id)ter  feinen  Monolog  ober  ©iatog  in 
einem  beftimmt  fortfdjreitenben  S^rjtjttj rrtu§  t)ä(t,  ber 
'Sedamator  aber  bennod)  ;$u  fidjerem  SBerftänbnifj  be§ 
©inneö  ©infdjnitte  unb  9tut)epuncte  fogar  an  ©teilen 
machen  mu|,  wo  ber  ©icfjter  fte  buret)  feine  Snter* 
Function  anzeigen  burfte,  eben  fo  ift  biefe  2lrt  $u 
beetamiren  in  ber  9J?ufif  antoenbbar  unb  mobificirt 
fiel)  nur  mit  ber  gafjl  ber  ein  Sßert  2tu§fürjrenben,"  — 
mit  biefem  Setjrfa^e,  fage  id),  orme  erläuternbe  Öeifpiete  ift  für 
bie  ©adje  fo  gut  al§  nid)t§  getfyan.  £)enn  ergebt  fid)  ba§>  Stirifdj* 
^ßatt)eti|d)e  in  93eetf)oOen'3  (Sonaten  ftelfemoeife  fogar  bi§ 
ptn  9tt)etorifd)en,  fo  toirb  fid)  folgerest  aud)  ber  SluSbrucf 
über  baS  2)eclamatorifd)e  ergeben  muffen.  @S  mirb  fid)  bem= 
nad)  eine  SJarftettungSloeife  ergeben,  oermittelft  ttetdjer  aud)  otjne 
ba%  mitroirfenbc  SBort  ber  (Schein  ber  Äunftroafjrljett  erreicht 
»erben  fann.  @3  unterfdjetbet  fid)  ba§  tRtjetorifdje  im  muft= 
catiferjen  2lu3brude  oon  ber  ©eclamation  tote  bie  9xebner!nnft 
oon  ber  SRebefunft.  STactf rett)eit  mit  tiefer  (Stnfidjt  in  ben 
befonbern  ©inn  fotdjer  ©teilen  ift  bie  erfte  Söebingung  be§ 
SSortragg  in  beiben  Kategorien. 

3»ei  ber  prägnanteren  23eifpiele,  bie  in  biefe  Kategorie 
gehören,  »erben  bem  t)öt)er  gebUbeten  SDcufifer  oljne  ßtoeifet  ben 
©djlüffet  §um  SBerftänbntjj  ber  &ad)t  üor  5tugen  legen.  S)a§ 
eine  ift  ber  ©eitenfatj  in  Es  dur  au§  bem  finale  ber  C  moll= 
©onate,  Op.  10: 

St.  ©äjtnbterS  S3cetfjoüen=93togtaj)ijtc.  3ß 


562     — 


fl  i  J  J IV 


StRit  bem  gortiffimo  im  fünften  Xacte  tritt  mieber  ba§  fefte 
3eitmaJ3  ein.  &er  Scitenfat>  aber  in  C  dur  im  groeiten  £{jeit 
beffetben  $inate  gehört  feiner  Tonart  megen  nid)t  in  biefelbe 
Kategorie,  wirb  fofglict)  nidjt  mit  fo  Ijodj  gefteigertem  *ßatt|o§ 
öoräutragen  fetyn,  gteicr)ruot)t  otjne  STactätr-ang.  2)ie  <Sd)attirung 
bleibt  betbemal  bem  Sßortragenben  überlaffen.  3)ie  Sßetoegung 
hrirb  ber  tunftterifdje  ^erftanb  bictiren. 

£)as  anbere  biefer  Seifpiete  ift  bie  gcfyeimniftbergenbe  ©teile 
im  erften  <2ai3e  ber  D  moll=<3onate,  Op.  31: 


SIT 


ü^=W-5=5=^g 


Sftarr,  Ijat  biefe  tuunberbare  ©teile  gteid)faü3  fferüorgeljobcrt 
unb  bemerft:  „  . . .  bon  n?o  er  (ber  (Seiten  fafc)  ingrimmig  g(eictj= 
fam  fjinab  fic£>  fdrttnngt  ju  jenen  93cad)tfdi(ägen,  bie  nur  bei 
bebeutenbem  3ur"cf^atten  §u  ö oller  ÜESirfung  fommen.  S5er= 
weiten  unb  ®raft  gebütjren  am  SQtoften  bem  erften  auftreten, 
gcmilbert  mirb  ber  @ebanfe  beim  erften  Shiffdjritt  in  bie  tjörjere 
Dctaüe,  bie  Setoegung  mirb  gleicher,  ungefähr  im  Wlafo  be§ 
§auötfafceS,  bi§  §um  ©djlufc  in  A  moll."    XLVII.827) 

©er  mit  bem  fünft lerifdjen  Vortrage  bereits  Vertraute 
mirb  mit  biefer  SBeifung  an  i)a§>  ©tubium  biefer  aller  = 
fdjmierigften  (Stelle  in  ber  gangen  ©onate  gefjen  unb  bieUeid)t 
9M)tige3  erftreben.  ©djmanfenb,  unruhig  ift  bie  33eft)egung,  im 
Stuffteigen  etmaö  präcipitirenb,  im  ^üdgefjen  etina§  ritarbirenb, 
feineSfaüö  fd)(eppenb,  im  ©anjen  leibenfdjafttid)  erregt;  erft  mit 


327)   Die  Stelle   ist  in  Marx-Behnckes  Anleitung  zum  Vortrag 
Beethovenscher  Klavierwerke,  IL  Aufl.,  S.  126—127  enthalten.  A.  d.  H. 


—     563     — 

bem  15.  Sactc  wirb  bem  9TuSbrude  beS  Seibenfdjafttidjen  ootle 
greitjeit  gegeben,  baS  SWegro  fommt  wieber  5ur  (Mtung. 

©in  anberer  @runb  51t  einer  neuen  Verausgabe  ber  (Staöier* 
mufif  roar  burcfj  bie  bis  barjin  erreichte  2(uSberjnung  ber  ßtabiatur 
gegeben,  benn  fcfjon  mar  biefe  feit  bereits  ^etju  bis  gtoölf  Sauren 
bis  in  bie  oiergeftridjene  Dctatie  erweitert. 

$8iS  einfcfj(ief$(id)  ber  brei  (Sonaten,  Op.  31,  (beSgteidjen 
bie  um  mehrere  3a§re  nad)  irjrer  (Sntfteljung  Oeröffenttidjte 
©onate,  Op.  54,)  bewegt  fid)  bie  SSeetrjooen'fcfje  ßtaoiermufif 
in  bem  engen  9\aum  üon  nur  fünf  Dctaoen.  3SMdje  §inber= 
niffe  §u  beabfidjtigter,  aber  audj  regelrechter  ?tuSfüfjrung  mancher 
©teilen  fid)  bem  (Eomponiften  entgegengefteltt,  erfietjt  man  %.  23. 
in  ber  ©onate  C  dur,  Op.  2,  (bie  Sßaffage  im  erften  ©aij  mit 
auffteigenben  Cctaüen,  £act  4);  ferner  in  ber  «Sonate  D  dur, 
Op.  10,  (ber  unterbrochene  Dctaoengang  am  ©djtufj  beS  erften 
©at^eS  erften  SrjeilS  üor  bem  SInljange,  reo  bem  (Somüoniften 
fis,  gis  unb  a  ber  breigeftridjenen  Dctatie  gefegt;  beSgleidjen 
wieber  im  ^weiten  Xljeü  ber  unterbrodjene  cfjromatifcfje  @ang, 
ber  bis  gum  breigeftricfjenen  a  aufzeigen  foll,)  u.  f.  f.  2Bie 
nad)  ber  §örje,  fo  nad)  ber  £iefe.  Studj  in  teuerem  Sereidje 
fiubet  fief)  £nnberni)3  an  £)inbermJ3.  @S  erWeifet  fid),  ba^  in 
nieten  Kerlen  nidjt  eine  l^adjrjütfe  bfoS  mit  wenigen  9coten 
SBebürfnifj  ift,  fonbern  gan-je  ©teilen  umgefdjrieben  Werben 
muffen,  ein  ©efcfjäft  wichtiger  nodj  bei  ben  öielftimmigen  SSerfen, 
bei  Soncerten  unb  anbern,  als  bei  ben  ©onaten  für  ^ßianoforte 
atiein. 

©urd)  welche  Sntriguen  biefe  beabfidjtigte  Verausgabe  1816 
hintertrieben  Würben,  ift  am  angeführten  Drte  auSfütjrüd)  mit* 
getrjeüt. 

Sm  Safyre  1823  ift  biefeS  §erauSgabe=^3roject,  baS  einige 
3eit  oorrjer  ein  gweiteS  ©Reitern  mit  einer  SSieuer  23ertagS= 
Ijanblung  erfahren,  (biefetbe,  bie  baS  erfte  rjerbeigefütjrt)  neuer* 
bingS  aufgetaudjt,  unb  groar  gumeift  auf  Anregung  bon  5InbreaS 
©treid)er.      üftadjbem   in   ber   3.    ^eriobe    fowot)I   über   biefeS 

36* 


—     564     — 

©Reitern,  tüte  audj  'über  ba§  Sföieberauftauctjen  be§  ^rojectS 
auSffiljrßdj  gefprodjen  morben,  fo  bleibt  Ijier  nur  nod)  gu  er- 
gänzen, baf;  ftd)  ba§  Sßroject  nun  auf  bie  ©efammttiteratur 
be§  Sfteifterä  erftreden  foUte.  51nbet  ift  nod)  ein  befonbere3 
9lcciben§  an^ufüfjren,  nämtid),  bafj  23eetf)oöen  bei.  biefer  neuer* 
tidjen  SSerrjanbtung  fidj  üernetjmen  liefe,  toie  er  nadjgebacfjt  f)abe, 
06  nid)t  §u  (Srgtetung  größerer  (Sinfjeit  einige  ber  öier= 
fähigen  ©onaten  att§  früherer  ßeit,  in  roetdjer  bie  23ietfä£igteit 
nur  angenommener  33rauct)  mar,  in  breifätüge  umgutöanbeln 
fetjcn.  ffllit  23eftimmtl)ett  rjatte  er  ftd)  aber  nur  für  (Entfernung 
be§  ©crjerjo  Megro  au§  ber  t)oct)patc)etr)tf(^en  (Sonate  C  moll 
mit  Biotine,  Op.  30,  afö  mit  bem  ßfyarafter  be§  ©an^en  im 
SBiberfpruct),  erflärt.  @egen  biefen  ©at$  mar  er  ftetS  unb  rtetf) 
if)n  au§  öorftetjenbem  ©runbe  meg^utaffen.  9ßäre  bie  §erau§= 
ga6e  je  %u  «Staub  getommen,  fo  märe  tiie(leid)t  eine  Heine 
2(n§af)t  „üerabfdjiebeter"  ©djerjo'ä,  3lllegro'§  unb  ätfenuett'ä 
abgefonbert  erfdjienen.  Snbefj  blieb  biefe  5lbfid)t  in  unferm 
Greife  rticfjt  o^ne  5Infedjtung,  benn  Seber  Ijatte  unter  ben 
©djeräo'ä  u.  f.  tu.  feine  Sieblinge,  barttm  er  fte  öon  ber  lange 
behaupteten  ©teile  ntct)t  entfernt  miffen  moltte.  ©er  3J?eifter 
bermieS  jebod)  an  bie  brcifätjigen  ©onaten,  Op.  10  C  moll, 
Op.  13,  Op.  14,  Op.  31,  9?ro.  1  unb  2,  Op.  57,  unb  anbere 
nod).  Sie  legten  meljrfäfttgen  ©onaten,  Op.  106  unb  110, 
ftnb  mefenttid)  anberS  gu  beurteilen,  al§  bie  meiften  ber  öoraue= 
gegangenen. 

©ollte  ettua  ber  (Sinrourf  gemad)t  merben:  roenn  S5eett)oOen 
einige  ©d)er5o'3  unb  äftenttett'ö  auf  ©runb  ber  23eeinträd)ttgung 
ber  djarafteriftifdjen  Einheit  au§  ben  ©onaten  rjabe  entfernen 
motlett,  marutn  nicfjt  @teid)e3  au§  ben  Quartetten,  Quintetten, 
11.  f.  f.?  ©otdjer  (Sinmurf  läfjt  fiel)  beautmorten  mit  ben  in 
Dielen  ©onaten  gefdjilberten  ©eelen^uftänben;  fie  allein  behaupten 
ben  ©tanbpunet  mal)rt)after  £)id)tungen,  fte  allein  finb  ©eelen* 
gemälbe  in  be^  2Borte§  eigentlidjem  ©intte,  fofgtid)  in  entere 
iKarjmeit  eirtjitfctjließen,  at3  jebe  anbere  ©attung,  bie  in  ©efett* 


—     565     — 

fdjaft  ausgeführt  toirb.  Sftit  ber  (Sonate  fonbert  fid)  ber  greunb 
muftcatifdjer  $>oefie  bon  jeber  äußern  ©intuirlung  ober  (Störung 
auf  feine  ©efütjte  ab,  unb  befinbet  fid)  gteidifam  mit  feinem 
tfjeuerften  greunbe  (ober  greunbin)  allein;  follte  er  ba$  SSerf 
gteid)tt>ot)l  mangelhaft  bem  äußern  £)t)r  bermittetn,  ba§  Df)r  ber 
©eete  t)ört  e£  anberS  unb  bie  burdj  SEöne  unb  Harmonien 
ermecfte  ^tjantafie  berbeffert  ba§>  tedjnifdj  SBerfefjlte.  2)ie  (Sonate 
bermag  Oor  alten  bie  Seele  §u  magrer  2lnbad)t  gu  ftimmen  unb 
oft  bi§  §um  Gebete  gu  ergeben.*)  ©arum  fteflen  fiel)  in  if)r 
bie  formellen  Stnforberungen  anberS,  afö  in  Sßerfen,  bie  im 
Greife  bon  bieten  genoffen  merben. 

@§  bebarf  feiner  $8erftdjerung,  ba^  fid)  23eett)oben  Oon  ber 
■Sftotjjroenbigfeit  ber  Sßerbefferung  in  fo  bieten  Sßerfen  gern 
überzeugen  liefe,  bodj  ftellte  er  mancherlei  Söebenfen  gegenüber, 
an  beren  Sbi|e  ber  9?efbect  üor  bem  (Sigentf)um3red)te  ber 
Verleger  ftanb.  Uebertjaupt  liefe  e§  feine  allzeit  bemiefene  Un= 
fd)lüffigfeit328)  aud)  bei  biefer  Gelegenheit  an  faft  linbifdjen 
gtoeifetn  über  ba§>  Gelingen  iridjt  fetjten,  (entere  gumeift  auf 
@runb  ber  faft  gänjlidjen  Entfernung  feiner  Glabierroerfe  bom 
üxepertoire.  Su  biefem  llmftanbe  finben  fiel)  bie  befonbern 
Sftotibe  beS  3erfQöenö  mit  feiner  geit,  baljer  aud)  be§  51t  geringen 
SSertrauenS  gu  berfelben.  2113  nun  gar  fein  33ruber  mit  einem 
neuen  ^ßlan  bagnrifdjen  trat,  unb  bem  9J?eifter  bie  @elbft= 
Verausgabe  fämmtlidjer  SSerfe  mit  einem  nodj  oiel  gröfeeren 


*)  %n  ber  beifptellofen  SSerbrettung  ber  33eetbotoen'fd)en  Sonaten 
moöon  am  ©bluffe  biefeä  %t)tite§  eine  Iteberficrjt  gegeben  roirb,  erfebeint 
boef)  rcof)l  eine  inbtrecte  23efväfttgung,  toeldje  ®ien(te  in  obigem  Sinne 
biefelben  utetteiebt  Saufenben  lei[ten. 

328)  Schindler  ist  hiermit  an  einen  sehr  heiklen  Punkt  seiner 
Ästhetik  in  Beethoven  angelangt:  die  formelle  und  gedankliche  Um- 
gestaltung Beethovenscher  Tonschöpfungen.  Danken  wir  Gott  und 
Beethovens  sogenannter  „Unschlüssigkeit",  daß  es  zu  keiner  derartigen 
Neuherausgabe  der  Klaviersonaten  und  anderer  Werke  gekommen  ist ! 

A.  d.  H. 


—     566     — 

als  bem  Don  ©treicfjer  berechneten  @eminn  in  ben  ®opf  gefegt 
tjatte,  ba  ftieg  bie  $8ermirmng  batb  aufS  £)öd)fte. 

Äur^,  baS  lang  unb  biet  besprochene  ^ßroject  tft  an  51t 
Dielen  flippen  abermals  gefdjeitert  unb  als  unfer  SDZeifter 
mieber  befonnenen  91nmerlnngen  ©eljör  gefcfjenft,  mar  eS  in 
feinem  £opfe  fammt  allen  baran  fjängenben  STaufenben  bon 
©ilbermünjen  bereits  auf  fernere  Siage  berfdjoben,  benn  fctjon 
mar  bie  ©enefiS  ber  9.  ©infonie  an  beffen  ©teile  getreten. 
(SS  fjalf  bem  greunbe  ©treidjer  nid)tS,  baffelbe  1824  abermals 
anf'S  £apet  31t  bringen.  3ur  8e^  Ratten  bereits  bie  fcr)meict)e(= 
fyaften  5tnerbietungen  beS  dürften  ©atitün  feinen  ©inn  ein* 
genommen  unb  fct)on  mar  er  mit  Ausarbeitung  beS  erften  für 
il)n  beftimmten  Quartetts  befdjäftigt.  (Srft  1826  fanb  er 
mieber  $eit,  an  biefeS  ^Sroject  §u  benfen  unb  ber  9ftufif£)anblung 
<Sd)ott  in  SD?ain§  ben  Verlag  fämmtlid)er  SBerfe  anzutragen. 
<pören  mir  itjre  ©rmiberung  bom  28.  9cobember  beffelben  8af)reS, 
bie  borliegt:  „2Ba§  ben  Verlag  fämmtlidjer  SBerfe  anlangt,  fo 
tonnen  mir  jetst  nod)  feinen  @ntfd)lu§  faffen,  inbem  mir  nod) 
für  anbere  ^erbinblid)feiten  eine  freie  $eit  nöttjig  tjaben."  — 329) 

@S  fet)  nun  aber  biefeS  burd)  Oolle  geljn  Satire  ftdj  fort* 
fpinnenbe  (Sapitel  beS  §erauSgabe=s$rojectS  mit  ber  $erftd)erung 
gefcljtoffen,  bafj  ber  grofje  9)ceifter  mit  biefer  Sbee  unb  ifjrer 
2fuSfüt)rung  §u  ©rabe  gegangen.  £>iefe  Vorgänge  geigen  augen= 
fd)einlid)  unb  gugteid;  in  betrübenber  Sßeife,  maS  eS  bei  Söeet* 
fjoben  Ijiefj,  einen  ©ntfdjtufs  faffen  unb  Ujn  ausführen.  Sie 
unauft)örlid)en  53eredjnungen  unb  barüber  gepflogenen  33erf)anb= 
lungen  mit  feinen  9ted)enmeiftern,  mof)t  aud)  ber  unmiberfteljüdje 
©rang  5U  neuen  ©djöpfungen,  ber  üjm  jeben  9vüdbtid  auf 
bereits  S?orf)anbeneS  erfct)merte,  mürben  bielfeidjt  nad)  abermals 
,^et)n  Sauren  baS  §erauSgabe=^3roject  ju  feinem  ermünfc^ten 
3iele  geförbert  fjabcn.    SaS  eingig  $otgemid)tige,  maS  für  uns 

329)  Cf.  B.  S.  Br.  vom  September  1826,  No.  1186  (V.  Band),  worin 
Beethoven  seine  Verleger  B.  Schotts  Söhne  bittet,  „die  Herausgabe 
seiner  sämtlichen  Werke  zu  beschleunigen".  A.  d.  H. 


—     567     — 

^tjeittjaber  ctu§  ben  bietfadjen  ©rmägungen,  (Sinmürfen  unb 
groeifeln  biefeä  anbern  Fabius  cunctator330)  ermudjfen,  beftanb 
in  ben  oft  intereffanten  Steuerungen  über  einzelne  feiner  2£erfe, 
ober  über  eingetne  ©teilen.  253ot)l  barf  e§  at§  ein  bebeutfame§ 
9J?ißgefrf)icf  6e§eict)net  toerben,  hak  mir  Uebertebenbe  mä)  bem 
£obe  be§  2fteifter§  atSbalb  au§einanber  geftoben  mürben,  beoor 
ein  gemeinfct)aftlicr)  beabfid)tigte3  Unternehmen  im  Sntereffe  ber 
(Elaüiermufif:  begonnen  merben  tonnte,  mie  im  Slntjange  gur 
3.  sßeriobe  bereite  angebeutet  morben.  Unb  ein  $euge  fyQt 
menig  ober  gor  feine  ©ettung.  S)arum  ftetjt  fic£)  biefer  gegen* 
märtig  bemüßigt  in  ber  betreffenben  ©ac£)e  meit  au§guf)oten, 
ba  im  anbern  gatte  ba$  @i  be§  SotumbuS  als  OofttiOeä  Seifpiet 
für  alle  Mitarbeiter  gebient  fja&en  mürbe. 


IL 

Sie  in  jebem  öetradjte  midjtigfte  unb  fettenfte  (£igenf)eit 
unfer3  £onbid)ter3  beftanb  barin,  ftcf)  burd)  eine  Sbee  entmeber 
am§  ber  9?atur  ober  au§>  einem  ©ebidjte,  fofern  biefelbe  auf 
feine  ^tjantafie  einen  tiefen  (Siubrud  gemacht,  gu  einer  (Som= 
pofition  anregen,  ober  gang  oon  itjr  leiten  gu  taffen  unb 
biefe  allgeit  in  fefte,  beftimmt  ausgeprägte  formen  gu  bringen, 
bie  mit  bem  tjerfömmticEjen,  aber  aud)  unter  einanber,  menig 
gemein  f)aben.  üßefetjen  mir  uns  ben  erften  ©a*5  feiner  erften 
©onate  in  F  moll  in  feinem  gormmefen,  mie  üerfdjieben  ift 
biefeS  öon  bem  be3  erften  ©atje§  ber  ©onate  in  Es  dur,  Op.  7! 
Söie  üerfdjieben  biefe3  mieber  bon  ben  erften  ©ä|en  ber  ©onate 
in  C  moll,  Op.  10,  ber  Pathetique,  Op.  13,  u.  f.  f.  bi§  gu 
ben  munberbaren  Snfpirationen  in  ben  ©onaten  Op.  57  (F  moll), 


330)  Heil  uns,  daß  wir  einen  solchen  Fabius  Cunctator  erhalten 
haben,  der  seine  abgeschlossenen  Werke  nicht  selbst  verstümmeln 
wollte.  Am  Ende  hätten  wir  gar  noch  in  Beethoven  einen  Heauton- 
timorumenon  bekommen!  Es  war  der  höchst  geniale  Instinkt,  der 
unsern  Meister  davor  bewahrte.  A.  d.  H. 


—     568     — 

Op.  90  (E  moll),  Op.  101  (A  dur)  imb  fo  big  gur  testen! 
Ueberatt  anber§,  unb  bod)  fütjrt  un§  ber  9D?eifter  in  feinem 
$ormenau§brutfe  einen  fo  feften,  fixeren  2öeg,  bafe  roenig 
^ßfjantafte  erforberlid)  mirb,  falte  nur  ber  Vortrag  bem  Snljalte 
angemeffen  ift,  ben  gaben  ber  ©idjtung  feinen  2lugenbfid  §u 
verlieren.  SBer  im  ©taube  ift,  bem  $ormmefen  in  ben  33eet= 
^ooen'fdjen  ©onaten  big  auf  ben  ©runb  nacf^ugeljen,  mirb  gur 
Ueber^eugung  fommen,  baf;  in  fotdjem  23etrad)te  feine  anbere 
SDtufif  berfelben  ©attung  mit  jener  einen  Vergleich,  aushalten 
fann;  bort  ift  ba%  Slufjerorbenttidjfte  geleiftet  unb  al§  muftcalifd)e 
^Soefie  au3gefprod)en.  3®enn  batjer  Don  (Srfd)öpfung  ber 
formen  burd)  23eetf)ot>en  bie  Siebe,  fo  fann  biefe  fjauptfädjtid) 
nur  in  ben  ©onaten  it)re  93egrünbung  finben.  £>a§  lieber» 
f  d)  r  e  i  t  e  n  biefeS  Nee  plus  ultra  liegt  in  einigen  ©äßen  fetner 
legten  Cuartette  uor  Slugen.331)  %n  ben  be^eidjneten  ©onaten, 
aber  aud)  in  anbern  nod),  finbet  fid)  ber  muficatifd)e 
©f)afe§peare  —  um  5Imab.  3Benbt'3  S8ergteid)  §u  gebrauchen 
—  ber  gu  allermeift  f)ierin  ben  tiefften  Slbgrunb  be§  fämpfenben 
^pergenS,  roie  ben  füfjen  SiebeSjauber  be3  unfd)utbigften  ©e- 
mütt)e§,  ben  fjerbften,  tiefften  ©d)mer§,  mie  ba§>  t)immelf)od)  auf» 
jaud^enbe  (Sntjücfen,  tteffinnigen  ©ruft  unb  feurige  ©djmärmerei, 
ba§>  (Srfjabenfte,  mie  ba§  Siebtidjfte  in  £önen  gefd)ilbert  unb 
au^gefprodjen  t)at.  (£<§  bürfte  eben  fein  großes  3Sageftüd  ju 
nennen  fet)n,  bie  ©arfteltung  biefer  ©onaten,  balb  in  alten, 
balb  nur  in  einsetnen  ©ätjen,  mit  ber  ©d)tt)ierigfeit  einjelner 
in  ben  ©fjafeSpeare'fdjen  ®ramen  tjeroortretenben  ©tjaractere 
in  parallele  51t  fteHen,  tuenn  unfer  3tugenmerf,  mie  e§  gefc^efjen 
fott,  auf  (Srgrünbung  ber  Snnerlidjfeit  unb  itjre  fogifcfcridjtige 
5lu§einanberfet$ung  geridjtet  mirb.  2öie  bei  ©f)afe§peare  bie 
meiften  ©cfjaufpieler  nur  ba$  28ort,  nietjt  aber  ben  ©eift  er= 
faffen,   fo  begreifen   bie  ÜJJtuftfer  bei  93eetfjoüen'§  ©onaten  if)re 

331)  Das  ist  bereits  rektifiziert  worden!  Cf.  hier  die  An- 
merkungen 230,  237  und  öfters  noch,  besonders  No.  240  mit  Zitaten 
aus  Schumann.  A.  d.  H. 


—     569     — 

Aufgabe  einzig  unb  allein  oon  ber  ted)  nifdjen  (Seite,  toeil  tueber 
in  itjrem  $opfe  nod)  in  it)rem  bergen  bie  Mittel  gu  finben,  fict) 
ben'SSeg  in  biefe  liefen  §u  batjnen.*) 

$erbinanb  S^ieS  fagt  in  feinen  Zotigen,  <S.  77 :332) 
„23eett)oöen  backte  fid)  bei  feinen  (Sompofitionen  oft  einen  be* 
ftimmten  ©egenftanb."  2)iefe  SSorte  »erben  nad)  bem  t)ier 
23orau3gefd)idten  $u  interpretiren  fetjn. 

SinbrinaKdjer  nnb  fafcüdjer  erflärt  fief)  (Sart  ©jernt)  im 
2.  (Sapitel  be§  4.  3;tjette§  feiner  Gtabierfdjute  <S.  62,  als  er 
über  (Stjarafter  nnb  Vortrag  ber  (Sonate  in  F  moll,  Op.  57, 
fpridjt.  ©r  äufeert  fidf>  t  „9J?ag  fid)  SBeetfjouen  (ber  fo  gerne 
üftaturfeenen  fd)i(berte)  babei  oielleidjt  ba§  SBogen  be3  9J?eere§  in 
ftürmifdjer  üftacfjt  gebadjt  tjaben,  mätjrenb  oon  gerne  ein  ^ütferuf 
ertönt,  immer  fann  ein  foldje§  23üb  bem  (Spieler  eine  angemeffene 
Sbee  pm  richtigen  Vortrag  biefeS  großen  XongemälbeS  geben.  @§ 
ift  getorB,  baf?  53eett)oOen  fid)  &u  bieten  feiner  fdjönften  SSerte 
burd)  ärjnlidje,  au3  ber  Seetüre  ober  au§  ber  eigenen  regen 
^fyantafie  gefdjöpfte  Sßifionen  unb  Silber  begeifterte,  unb  ba^ 
mir  ben  magren  <Sd)lüffet  31t  feinen  (Sompofttionen  unb  $u 
bereu  Vortrage  nur  burdj  bie  fidjere  tantnifc  biefer  llmftänbe 
ermatten  mürben,  menn  biefeS  nod)  überall  mögtid)  märe." 

Sn  einer  Sxanbnote  bemerft  6.  (ü^ernt)  f)ier§u:  „@r  (39eet= 
fjoüeu)  mar  hierüber  nidjt  gerne  mittfjeitfam;  aber  bod)  bi§= 
meilen,  bei  bertrautidjer  Saune.  (So  3.  55.  lam  itjm  bie  Sbee 
beS  Slbagio  in  E  dur,  (im  Sßiotin=Quartett,  Op.  59,  9?o.  2) 
al§  er  einmal  9?ad)t3  lange  ben  geftirnten  §immel  betrachtete 

*)  9Jhtfifern  unb  SJiufiffreunben,  beten  Sopf  unb  ^erj  nod)  gefunb 
finb,  ift  ba%  GTapitel:  Mgemeine  Sluffaffung  be§  SSerfeS"  im  9Inb>nge  be§ 
9Karj'fd)en  $8ud)e§  ganj  befonber§  ju  empfehlen.  SBirtuofen  aber  mobernen 
©d)lage§  ift  barin  ein  «Spiegel  ihjeS  £reiben§,  roie  aud)  ib>er  Unrotffenfyeit 
unb  Unbilbung  toorgetjalten.  SSie  Wax%  ferner  im  Sapitel:  „$er  5lnfprud) 
auf  Sedjnif"  bie  ©onaten  Op.  2  naefj  Op.  13,  Op.  7  narf)  28,  Op.  57 
nad)  110,  Op.  53  nad)  109,  u.  f.  f.  fieHr,  jeugt  öon  feinem  au&ergeroöfjn* 
Iidjen  ©tubium  aüer  biefer  ewigen  ^oefien. 

332)  Neudruck  S.  92  f.  A.  d.  H. 


—     570     — 

unb  an  bie  Harmonie  ber  ©paaren  backte.  3«  feiner  7.  ©in* 
fonie  in  A  dur  mürbe  er  burdj  bie  (Sreigniffe  ber  Safyre  1813 
unb  1814  angeregt  (roie  §ur  ©d)(ad)t  Don  SSittoria.)  5lber  er 
mußte,  ba^  bie  SRufil  nidjt  immer  Don  bem  §örer  fo  unbefangen 
gefüllt  mirb, '  menn  ein  beftimmt  au£gefprod)ener  Qwed  Deren 
(5tnbilbung3fraft  fd)on  Dorauä  feffelt." 

9D?it  ber  Anregung  in  93e§ug  auf  bie  genannte  ©infonie 
befinbet  fid)  (E^ernt)  im  Srrtfjum,  meü  ba§>  3Serf  bereite  Dor 
beginn  ber  grofjen  (Sreigniffe  1813  faft  Dollenbet  mar.  Sind) 
finöet  ftdj  barin  nid)t  ber  teifefte  Wnffang  Dom  Sfyarafter  einer 
friegerifdjen  SJhtftL  9ctd)t  minber  batirt  bie  $bee  §ur  <Scf»ratf)t 
Don  S5ittorta,  meldte  aHerbingS  1813  getrieben  morben,  meiter 
gurüd,  tüte  au3  Seetf)oUen'§  £)epofttion  in  ber  ^ro^eüfadje  mit 
Waätfl  §u  fdjlieften  tft  2>ort  fagt  er:  ,,3d)  tjatte  fdjon  Dotier 
bie  Sbee  gu  einer  ©d)fad)t  gefaxt"  u.  f.  m. 

GineS  Xage§,  aU  id)  bem  Weifter  ben  tiefen  (Sinbrud  ge= 
fd)i(bert,  ben  bie  Sonaten  in  D  moll  unb  F  moll  (Op.  31 
unb  57)  in  ber  Serfammtung  bei  S.  (^ernt)  t)erDorgebrad)t  unb 
er  in  guter  «Stimmung  mar,  bat  id)  ifyn,  mir  ben  ©cfjtüffet  gu 
biefen  ©onaten  31t  geben.  (Sr  ermiberte:  „ßefen  ©ie  nur 
©f)afe*peare'§  ©türm."  ©ort  atfo  fotl  er  $u  finben  fetin;  aber 
an  meldjer  ©teile?  ^rager,  lefe,  ratfye  unb  erratfje!  Gingeljenber 
miüfafjrte  er  meiner  Sitte  in  Setreff  beS  Sargo  in  ber  ©onate 
D  dur,  Op.  10.  ©r  äufserte  fid)  bat)in,  haft  bie  ßeit,  in  meldjer 
er  bie  meiften  ©onaten  gefdjrieben,  poetifdjer  (finniger?)  getuefen, 
alz  bie  gegenmärtige  (1823),  baf)er  Angaben  ber  Sbee  nid)t 
rtött)ig  maren.  Sebermann,  fufjr  er  fort,  füllte  au§  biefem  Sargo 
ben  gefd)itberten  ©eelenjuftanb  eineö  9JMand)otifd)en  f)erau$  mit 
allen  ben  Derfd)iebenen  Nuancen  Don  ßtcfjt  unb  ©djatten  im 
Silbe  ber  2)Mand)otie,  fo  mie  ^ebermann  in  ben  gmei  ©onaten, 
Op.  14,  ben  ©treit  3tüifd)en  §toei  ^rincipen  in  biatogifdjer  gorm 
erfannt  f)at,  oljne  9luf[djrift,  u.  f.  m. 

(Wav£  unterjieljt  ba§>  über  biefe  beiben  ©onaten  in  ben 
rüderen   2tu§gaben   eingeführte  einer   ®ritif  —  (I,  157 ff.)  — 


—     571     — 

unb  trifft  unbeameifett  ba$  9tid)tige  bamit.  ©3  ift  aber  entgegen 
§u  Ratten,  tüte  menig  nod)  in  jener  ©podje  bie  funftäftf)etifd)en 
Segriffe  feftgeftellt  maren,  batjer  nur  gu  oft  ein  quid  pro  quo 
gebraucht  morben.  3ft  bodj  bie  Sleftfjetif  als  SBiffenfdjaft  nodj 
gar  fefyr  jung.  So  Oerftanb  5.  35.  Seetfpben  unter  „principe" 
nid)t  <pauptftimmen,  mie  Sttarr,  ba3  SSort  überfefct,  fonbern 
©egenfätje.  ®emnad)  bürfte  aud)  feine  anbere  ^Benennung 
„Dialog,  btafogifcffe  gorm"  öerftänblicf)  uub  mol)t  aud)  51t  redjt* 
fertigen  fetin.  ©djärfer  ausgeprägte  ©egenfätje  (Sßringipe),  al§ 
beibe  (Sonaten  unter  Op.  14,  meifet  bie  Sonate  in  C  moll,  Op.  10, 
auf,  (barum  fie  §u  ben  alterfdjmierigften  in  ber  SiuSfüljrung 
jäljlt),  allein  biefe  finb  Weniger  leid)t  als  Söeifpiete  5ur  ©rflärung 
•$u  bienen,  a(§  jene.  Heber  biefe  C  moll  (Sonate  fid)  einiger* 
mafjett  genügenb  §u  erflären,  bebarf  e§  einer  Slbtjanbtung.  Unb 
boctj  mirb  fie  gemötjnlid)  nur  §u  ben  „flehten"  geftellt!) 

£>b  23eett)otien  foldje  Ueberfdjriften  mirftid)  fetber  ber  Oeffent* 
lidjfeit  übergeben  fjaben  mürbe,  tote  er  fie  im  $reunbe£freife  au§- 
gefprodjen,  ftet)t  bat)in,  unb  bejietjt  fid)  ber  SBerfaffcr  bieSfatbo 
auf  ba§  Seite  150  biefeS  93utf)e§  Stngefütjrte.  2Rit  ©runb 
fagt  alfo  ©sernti,  ber  langjährige  23eobad)ter  be§  großen  9J?eifter3, 
mie  biefer  mof)t  begriffen,  ba^  bie  ÜEtfufit  nid)t  immer  üon  ben 
^örern  unbefangen  gefügt  merbe,  menn  ein  beftimmt  au§= 
gefprod)ener  3med  beren  ©inbilbungSfraft  fd)on  tiorauS  feffett. 
©<3  mürbe  barum  mofjt  fcljmere  93ebenfen  bei  ber  beabfid)tigten 
Singabc  ber  #eit=3bee  gefoftet  Ijaben.  Sebod)  nidjt  unmaljr= 
fdjeintid),  bau  biefetben  bei  einigen  Söerfen,  ober  nur  Sätzen, 
fid)  tjätten  befiegen  laffen.  Smmerljin  bleibt  e3  ju  bebauern, 
ba£  oon  bem  33eabfid)tigten  nidjtS  gur  S£f>at  geworben. 

Stuffallen  mufj  bie  Säfu'gfeit  ber  Sfteifier  ber  etaffifdjen 
©podje  in  Se^iefjung  auf  gu  gebenbe  (Erläuterungen,  menn  e§ 
nid)t  baS  2ed)nifd)e  betroffen.  ©0  aud)  ©lerne nti  mit  feiner 
Sonate  „Didone  abbandonata,  Scena  tragica."  ©r  tjat  aber 
nict)t  minber  mie  53eett)ouen  auf  bie  Sntelligenä  feiner  Qdt  9es 
redjnet,  ba£  man  folglid)  feine  Intentionen  unfehlbar  erraten 


—     572     — 

treibe.  $n  erfreulidjer,  aber  aud)  fet)r  beleljrenber  SBeife  f>at  fie 
griebridj  9^ocf)tiö  au§  bem  SSerfe  fjerauSgelefen  unb  in  feiner 
fritifd)en  2lbt)anblung  auSeinanber  gefegt.  9ltlg.  Üftuf.  3*9-  1822, 
©.  631  ff.  ©anj  richtig  bemerft  ber  ^ritifer  im  (Eingange: 
„(Sine  tragifdje  Scene  ift  fte  in  ber  Xljat,  unb  gtoar  eine  fo  ffar 
gebaute  unb  fo  beftimmt  auSgebrüdte,  haft  e§  gar  nidjt  fcrjroer 
fällt  —  nict)t  ettoa  nur  bei  jebem  ^muptfafee,  fonbern  aud)  bei 
jebem  £)aupttf)eile  eine§  foldjen  —  ben  Verlauf  medjfelnber  ©e= 
füfjle,  ber  tjier  entmitfelt  roorben  ift,  mörttid)  nad^umeifen."  Unb 
er  meifet  ü)n  mirflid)  nad).  —  28er  toerftetjt  biefe§  muficalifdie 
©eelengemälbe  ((eiber  in  ber  ftereottjpen  ©onatenform  ber  2llten 
gefdjrieben!)  fjeutgutage  nod)  31t  interpretiren?  £>öd)ften§  gelangt 
nod)  einer,  ber  ffücfjtig  baran  borüber  ei(t,  gu  bem  leichtfertigen 
2Iu*fprud)e:  „2)er  poetifd)e  Snfjalt  biefer  ©onate  fommt  nur  im 
£itel  511m  2Iusbrude."  S)iefer  2lu§fprud)  gebort  einem  Beet* 
f)oöen=gorfd)er  an.  (Elementi  tjat  mir  im  $at)re  1827  §u  SBaben 
bei  2Bien  über  Snfyalt  unb  Vortrag  biefer  £onbid)tung  eine  au3* 
füfyrüdje  Slmueifung  gegeben.  Sie  Gelegenheit  einer  neuen 
Auflage  be§  3Serfe3  in  ber  Sofjann  2Tnbre'fd)en  Offizin  ju 
Cffenbad)  1856  benuftenb,  fyabz  id)  {jiegu  ein  SSormort  mit  ben 
Belehrungen  be§  greifen  9J?eifters  beigelegt.  Slufjer  biefem  mit 
Seelenguftänben  fid)  befdjäftigenben  Songemälbe  müBte  ict)  unter 
bem  Sutet  „©onate"  fein  gmeitei  fo  fdjarf  ausgeprägtes  §u 
nennen,  ba§  in  fotdjer  SBegiefyung  ben  Seetfjioöen'fdjen  jur 
«Seite  geftellt  merben  bürfte.*) 

Siefe  Slnfütjrungen  genügen,   um  geigen  gu  fönnen,  ba^ 
33eett)ot)en'3  gefammte  ßlaüiermuftf,  menige  23erfe  aufgenommen, 


*)  Ser  SBerefjrer  dtementi'fcrjer  Sonaten,  23.  §.  Dtielji,  nennt  bie 
Ileber[(Srtften  Bei  ber  2>ibone  „3opf."  un°  bod)  fjat  „ber  SMfter  ber  Sonate," 
(üon  3ttet>l  mit  allem  Diedjte  fo  begeicijnet,)  biefen  gopf  in  ooüfier  &ünftler= 
reife  root)[6ebad^t  feinem  SBerfe  angehängt.  Sonberbar!  2)iefe  Sonate, 
nebft  jroei  anbern,  in  D  moll  unb  A  dur,  Op.  50  bübenb,  ift  ?lnfang§ 
be§  britten  SatmtyenM  erfcfcjienen,  bemnad)  faft  unmittelbar  auf  ben 
Graclus  ad  Parnassum  gefolgt. 


—     573     — 

auf  SSorauSfetjungen  beruf):,  bie  bei  feiner  anbern  eintreffen, 
batf  fomit  itjr  Vortrag  nictjt  minber  Don  jeher  anbern  abmeid)t; 
biefetbe  in  allgemeiner  SBeife  5U  fpieten,  b.  t).  baS  SBcfonbere 
biefer  SJfufif  öom  Mgemeinen  nid)t  gu  fd)eiben  miffen,  ftünbe 
in  parallele  mit  italientfrfjer  Sftufif:  in  beutfdjer  2ßeife  gefungen. 
(S^ernn,  fagt  bafjer  (Seite  34  a.  a.  Ö.  mit  ©runb:  „23eett)Oüen'3 
(Sompofitionen  muffen  anber§  gefpielt  merben,  at£ 
jene  bon  Sftogart,  ©tementi,  §ummet  u.  f.  ro.  SSorin 
biefer  Unterfd)ieb  beftefjt,  ift  nid)t  Ieid)t  burd)  SSorte 
au^ubrüden."  —  ferner  finbet  fidj  bort  auf  ©eite  70 
fotgenbe  bead)ten§mertt)e  Stnmerfung:  „33eetrjoben  lebte  unb 
fct)rie6  atte  feine  SBerfe  in  2öien.  (53  ift  natürtid),  bafj  ber 
©inn  für  beren  SBerftänbntfj  unb  richtigen  Vortrag  fjier  bor= 
jugSroeife  —  mie  burd)  Strabition  —  bemarjrt  merben  fonnte, 
unb  bie  (Srfatjrung  t)at  bemiefen,  ba^  ba§>  tüirfüctj  ber  gatl  ift. 
®enit  mie  oft  mag  in  anbern  ©egenben,  fomorjl  ba§  %tmpo, 
mie  ber  (Srjarafter  biefer  (Sompofitionen  berfebjtt  morben  ferm! 
Unb  für  bie  3u^unft  fröre  biefe§  nodj  metjr  §u  beforgen." 

2)ie§  fjat  (E^ernn,  5U  Anfang  be3  oierten  Satj^erjenbä 
niebergefcfjrieben,  nadjbem  fcfjon  feit  jerju  botten  Satjren  faft 
fämmtttdje  ©tabiermufif  $eetl)oben'3  in  SBien  bom  Repertoire 
berfdjrounben  mar,  mie  borau§  bemerft.  §öd)ften3  mar  im 
brüten  Sarjrgerjenb  noct)  bei  ©d)uppanjigt)'§  Quartetten  unb  in 
ben  Concerts  spirituels  ein  ober  bas>  anbere  ber  bielftimmigen 
Söerfe  gu  t)ören,  bie  (Sonate,  bie  Trägerin  tieffter  ^ßoefie,  ejiftirte 
nidjt  met)r.  2ßie  modjte  ß^ernt)  nur  nod)  lebenbe  ©puren  oon 
Srabition  in  ^ünftterfreifen  finben  motten,  ba  er  in  $o(ge 
feiner  beifpiettofen  SSietfcfjreiberei  bie  Seettjoben'fdje  Siteratur 
feit  langen  3at)ren  nicbjt  metjr  cultibirt  unb  trjatfäd)tid)  fei  ber 
bereite  barin  irre  gemorben  mar.  SSie  e§  fdjon  um  jene  $eit 
um  ba§>  SBerftänbnijs  ber  23eetrjoben'fd)en  9J?ufif  in  ber  ge= 
fammten  ^'unftmett  au§gefet)en,  barüber  legte  §ector  93ertio-$, 
ber  atte  ©roftftäbte  (£uropa'3  fennen  gelernt,  im  Journal  des 
Debats  bom  11.  2lug.  1852  geugnijj  ab.    (£r  geftetjt  bort,  bafj 


—     574     — 

er  unter  ollen  üjm  oorgefoinmenen  SSirtuofen  faum  fed)3 
namhaft  gu  madjen  inüßte,  bie  33eetrjooen'3  SDtufif  in  ifjrem 
(Steifte  gu  fpiefen  öerftänben.  2Sir  roiffen  aber  au3  feinem 
9xeiferoerf,  roie  fein  Sdjarfbüd  aud)  bie  Singe  in  ber  öftreicfjifcfjen 
§auptftabt  gemuftert  t)at. 

§ä(t  e3  in  ber  Ztyat  fdjroer,  ba$  (Sigentfjümüdje  ber  33eet= 
rjonen'fdjen  Giauierroerfe  mit  SBorten  fo  §u  erklären,  baß  ein 
fidjerey  SBerftänbnijj  alter  "Jrjeife  bi§  gur  ©oibeng  ergiett  roerben 
tonnte,  fo  mufj  benn  bocf)  ein  2ßeg  aufgufinben  feon,  biefen 
groed  roenigftenS  annärjernb  gu  erreichen.  9Jceinerfeit§  glaube 
icfj  biefen  2i>eg  in  ber  Sebje  Oom  freien  Vortrage  gu  finben, 
ba  gerabe  bie  Srabition  fidi  511  atlernäcrjft  an  biefe  £et)re  an» 
tetjnt.  SDcan  erinnere  fidj  nur  be3  ü6er  bie  Vorträge  ber  grau 
öon  (Srtmann  SluSgefagten.  SDcit  ©runb  entgegnet  man,  bafe 
ber  richtige  53egriff  Dom  freien  Vortrage  ber  laufenben  Spodje 
gang  abtjanben  gefommen.  sDcan  läßt  batjer  ß^eifet  taut  roerben, 
06  oermittetft  3tnroenbung  biefer  23ortragsroeife  otjne  öorau*= 
gegangene^  Stubium  ber  Snnerlidjfeit  ber  tiefe  ©eift,  ins* 
befonbere  au§>  ben  Sonaten,  gum  $luöbrud  gebracht  roerben 
fönne;  man  rocifet  auf  ben  ooltftänbigen  fanget  an  guten 
9)cuftern  tjin,  bie  ernfttid)  Strebenben  mit  practifcfjen  Seifpielen 
ooran  geljen  foüten,  unb  bergleidjen  geroidjtige  ?fnmertungen 
merjr.  Sie  aber  alle  fotlen  nicfjt  abfd)reden,  ba§>  9)?ög(id)e  für 
bie  Sadje  gu  ttjun,  gefd)iet)t  e3  \a  bod)  lebigticf)  au£  r)iftorifct)en 
©rünben. 

SSie  eö  um  ben  Segrieff  be3  freien  Vortrags  in  ber 
früheren  (flafftfdjert)  Siunftepodje  au^gefetjen,  bie§  gu  geigen  f  ollen 
einige  5Xutoritäten  eingeführt  roerben.  Sßorab  muß  jeboct)  be= 
merft  roerben,  ba$  ber  Spermiums  „freier  Vortrag"  bort  in 
irrtrjümlidjer  SSeife  mit  bem  Tempo  rubato  beä  itatienifdjut 
Sänger§  al3  g(eid)6ebeutenb  gehalten  roarb.  Serjon  ber  Um* 
ftanb,  bafj  letzteres»  gumeift  nur  in  ber  Opera  buffa  fein  Sfacrjt 
behauptet,  roärjrenb  es  in  ber  seria  faum  gefannt  ift,  geiget, 
bafj  ein  folctjer  Segriff  minbeftens  fdjroanfenb  ift.     öeetfjooen 


—     575     — 

proteftirte  gegen  Slnroenbung  biefeä  £erminu§  bei  fetner  SCftufif, 
menng(etd)  bergeb(id),  roeü  bie  itatienifdien  Termini  feine  ©podje 
gang  unb  gar  befyerrfcrjt  fjatten,  mitunter  ifyn  fetber.  S)ot»on 
fog(eid)  ein  SBeifpiet. 

Sgnaj  bon  ©etyfrieb  in  bem  apocrtjpfyen  SBerfe  „93cet= 
f)oben'3  ©tubien"  fagt  in  ber  SRubrit  „(Stjarafteräüge  unb 
3tne!boten"  ©.  18:  „Unfer  53eetf)Oben  gehörte  fd)(ed)terbingö 
nid)t  §u  ben  eigenfinnigen  (Eomponiften*),  bem  fein  Drcrjefter  in 
ber  Sßelt  etroa§  ^u  2)anf  madjen  fann;  ja  aufteilen  mar  er  gar 
§u  nad)fid)t§üoü  unb  lieft  nid)t  einmal  ©teilen,  bie  bei  ben 
SSorproben  berungtüdten,  roieberf)olen;  „ba§  nädjfte  mal  roirb'§ 
fdjon  getien!"  meinte  er.  —  SBejüglid)  be§  5(u§brud'§,  ber 
fteineren  Nuancen,  ber  ebenmäßigen  35erttjei(ung  bon  Sidit  unb 
©djatten,  fo  tote  eine§  roirffamen  Tempo  rubato**),  t)ielt  er 
auf  grofte  ©enauigfeit  unb  befprad)  fiel),  ofme  Unmiüen  51t  ber* 
rat§en,  gern  einzeln  mit  Gebern  barüber.  2Benn  er  nun  ge* 
roafjrte,  mie  bie  Sftuftfer  in  feine  Sbeen  eingingen,  mit  madjfenbem 
$euer  §ufammenfpietten,  bon  bem  magifd)en  3aubeiSiS)  feiner 
£onftf)öpfungen  ergriffen,  begeiftert  mürben,  bann  berflärte 
freubig  fid)  fein  9(ntlit3,  au£  allen  feinen  ßügen  ftrat)tte  SSer= 
gnügen  unb  ßufri^n^^  ein  roo§tgefällige3  Sädjeln  umfpielte 
bie  Sippen  unb  ein  bonnernbeä  „Bravi  tutti"  belohnte  bie  ge= 
tungene  ^unftteiftung."  —  S)er  SDfeifter  fpenbete  atfo  aud)  fein 
Sob  in  itatienifdjer  ©pradje. 


*)  SBte  e§  um  feinen  (Sigenfinn  ei g entlief)  befebaffen  getnefen,  baS 
bezeugen  bie  öielettei  Vorgänge  mit  ©djuppanjigfj'ä  Quartett.  <Set}frieb 
fetber  fpriefit  barüöer. 

**)  ©in  Tempo  rubato  fogar  in  £)rcb,e)"ter='üDiufif! 

333)  Das  einzig  Wahre  vom  „mächtigen  Zauber"  der  Beethoven- 
scheu  Tonschöpfungen  hätte  nur  Schindler  etwas  betonen  sollen,  wie 
es  v.  Seyfried  und  H.  Berlioz  taten;  er  würde  uns  dann  mit  allerhand 
Schiefheiten  und  sich  selbst  vor  allerhand  Mißhandlungen  von  seiten 
vieler  Musiker  bewahrt  haben!  Wir  werden  noch  davon  zu  reden 
haben.  A.  d. H. 


—     576     — 

$)er  Gr^DQter  be3  mobernen  (Elauierfpietä,  ^ßljitipp 
©manu  et  35a et),  äußert  fic^  in  feinem  „Sßerfud)  über  bie 
wafjre  %xt  ba§>  Glaüier  gu  fpieten"  tote  folgt :  „3ur  richtigen 
Süisfüijrung  be3  Tempo  rubato  getjört  biet  Urttjeitsfraft  unb 
aan,$  befonberS  biel  ©mpfinbung.  2Ser  beibe§  fjat,  bem  wirb 
e<§  nid)t  fdjroer  fallen,  mit  aller  $reit)eit,  bie  nid)t  ben 
geringften  $wang  wegträgt,  feinen  Vortrag  einzurichten 
unb  er  mürbe,  roenn  e§  febn  müßte  unb  bürfte,  alle  ©ebanten 
ter^ieljen  tonnen.  2lnber3  aber  mirb  bei  aller  9Jcüt)e  otjne  t)in= 
längtidje  Gmpfinbung  nidjtö  9?ed)te3  ausgerichtet  »erben  tonnen. 
Sobalb  man  fiel)  mit  ber  Dberftimme  fetabifd)  an  ben  £act 
binbet,  üerliert  jebeS  "Jempo  (@a§?)  fein  2öefentltd)fte3  (ba§ 
(Xtjarafteriftifdje?),  weit  alle  Stimmen  auf '3  ©trengfte  nad)  bem 
Xacte  ausgeführt  werben  muffen." 

£uebei  ift  §u  bemerten,  bajj  ber  grof?e  SDtofter  bie  Glabier* 
mufit  feiner  ßeit  *m  ^luge  t)at,  bie  btetletdjt  eine  fotdje  93e= 
tjanblung  §ugelaffen.  2SMe  mag  er  wot)(  feine  „(Elaoier=3onaten 
unb  freien  ^fjantafien  nebft  einigen  9?onbo'3"  borgetragen  tjaben, 
über  welche  ftd)  Gart  ^riebrid)  Gramer  in  feinem  „9J?aga,$in 
ber  SDcufit"  in  fo  an^ietienber  SSeife  auSgefproctjen  t)at,  wie 
un§  in  üftr.  32  ber  üftieberrtjeinifdjen  9ftufit  Leitung  1858 
vorgelegt  warb!  — 

ßinen  gan§  befonberS  intereffanten  Beitrag  ^u  unferm 
gragepunete  liefert  6.  9JL  oon  ÜESeber.  $on  bem  leipziger 
9Jixufttbirector  ^Sräger  1824  um  bie  Sempi  gur  ©urrjanttje 
befragt,  überf  durfte  if)m  ber  Gomponift  ein  berlei  SBeräeicfjniB 
unb  legte  einen  51uffa§  bolt  widjtiger  unb  allgemein  giltiger 
SSemertungen  bei,  ber  fid)  in  9er.  28  ber  berliner  9Jcufif= 
3eitung  bon  1827  norfinbet.  Sarin  fagt  er  unter  anberem: 
„3)er  Sact,  ba»  £empo,  foll  nicfjt  ein  tbrannifd)  tjemmenb  — 
ober  treibenber  9)(üt)tent)ammer  febn,  fonbern  bem  9Jcufitftütfe 
ba§,  wa3  ber  $ßutsfd)tag  bem  Seben  beS  9D?enfd)en  ift.  ©3 
gibt  fein  tangfameS  Stempo,  in  bem  nicfjt  ©teilen  oor tarnen, 
bie   eine   raferjere   Bewegung   forberten,    um  ba§>   ©efü§t   be£ 


—     577     — 

©djfeppenben  §u  üerfyittbern.      SS  gibt  fein   5ßrcfto,  ba§ 

nidjt  eben  fo,  im  ©egenfatje,  ben  ruhigen  Vortrag  mandjer 
©teile  oerlangr,  um  nidjt  burd)  Uebereilen  bie  SJtittet  gum 
2luSbrud  51t  benehmen  ....  2)aS  SSormärtSgerjen  im  Stempo, 
mie  baS  3urüdl)alten,  barf  nie  baS  ©efütjl  beS  9tüdenben 
ober  ©etoaltfamen  erzeugen.  @S  fann  alfo  —  in  mufifatifdjer 
unb  poetifct»er  SBebeutung  —  nur  $erioben=  unb  Sßtjrafen* 
toeife  gejcfjerjen:  bebingt  burd)  bie  Seibenfcf)aftlid)feit  beS  2luS= 
brudS  ....  $ür  alles  biefeS  fjaben  mir  in  ber  äftufif  feine 
SBcjetdinuitgSmittel.  SHefe  liegen  allein  in  ber  füllen  ben 
Sftenfcfjenbruft,  unb  finben  fic  fiel)  ba  nicfjt,  fo  rjilft  meber 
ber  grobe  SJftfjgriffe  tierrjütenbe  ÜRetronom,  nod)  bie  fo  rjödjfr 
unüollfommenen  Einbeulungen,  bie  id)  in  ber  Sveictjrjattigfeit  beS 
(Stoffes  um  öieteS  meiter  auszuführen  tierfudjt  ferjtt  möd)te, 
marnten  midj  ntdjt  aufgebrungene  Erfahrungen,  in  beren  $otge 
id)  fic  jefct  fcrjon  als  überftüffig  unb  nutjtoS  betradjte,  unb 
gemifjbeutet  I)offe.  9ftögen  fie  nun  aber  bafterjen:  einzig 
öeranlaJ3t  burct)  freunblidje  Stnfrage.*) 

Slber  aud)  be^üglidje  StuSfürücfje  Oon  51  eftf)  etilem  follen 
«ßfofc  finben. 

§anb  äußert  fid):  „Sern  Vortrag  barf  bie  $reirjeit  nidjt 
fehlen,  meiere  bie  ©djönfjeit  überall  erfyeifdjt.  Stactf rettjett  ift 
nid)t  Sacttofigfeit.  ©d)ön  mirb  batjer  ber  jenige  öortragen, 
melier  ben  Stact  nidjt  als  angulegenbe  ^effel,  fonbern  frei 
beljanbelt,  oljne  jemals  auS  bem  Xact  3U  fommen.  3)ieS  ber* 
ftefjen  aber  biejenigen  9D?ufifer  falfct),  meiere  burd)  ein  null* 


*)  35er  rrefffidje  Reiftet  ferjeint  aud)  triele  tuibrige  Erfahrungen  in  biefem 
gaüe  gemalt  gu  Ijaben.  Seljr  tüacjrfc^etttltd^  backte  er  anbei  an  bie  ein= 
gebilbelen  Dirigenten,  bie  trofc  blo&er  Routine  bennoeb,  jebe  SBetefjrmig 
mifsadjten;  auä)  badjte  er  toatjrfc&ernlicb  an  bie  grofje  9ftenge  üerfnödjerter 
Glat>ierle&,rer,  benen  correcteä  Stbfpielen  ber  9?oten  ba$  &öd)fte  ift.  gür 
beibe  (Slaffen  ift  freilief)  aüeS  überftüffig  unb  nujjloS.  35ennod)  magen  fie 
aüe§  ju  betatupfen,  toa§  itjren  befdjränften  ^orijont  überfteigt.  Stucfj 
©elebritäten  au%  ber  23irtuofen=(S(affe  finb  i^nen  anjureifien. 
2t.  ©djinblerä  83eetfjoticn=Siogra:pfite.  07 


—     578     — 

fürticf)e£>  3^3ern  un^  ®^en  einen  inbiuibuellen  StuSbrudE  erzielen 
unb  babei  oftmals  Gljaraiter  unb  Sinn  eine3  2Serfe3  gerftören." 

©djitttitg  fagt:  „Sei  jebem  Xonftücf  muffen  bie  befonberen 
inneren  unb  äußeren  Sßcr^ättntffc  unb  (£igenfd)aften  beffetben 
in  forgfältige  33etradjtung  gegogen  merben,  um  rjinfidjtlid)  ber 
9J?obification  be3  in  fo  un&eftimmter  Söeife  allgemeinem  feft= 
geftellten  Xempo'3  grabe  ba$  SRedjte,  unb  groar  bei  jeber 
einzelnen  ©teile  fetbft  ba§>  9?edf)te  gu  treffen."     ©.  367. 

£er  in  unferer  ©adje  roader  unb  mit  tiefer  ©inficfjt  mit* 
fämpfenoe  St.  53.  2Karr.  erftärt  fid)  in  feiner  allgemeinen 
50?u[iftet)re  mit  fotgenben  SBorten:  „2Bir  überzeugen  un§  alfo, 
baß  gmar  nädjft  ber  ted)nifcfjen  ®efdjicf[icr)feit  eine  boEfommene 
Äenntniß  unb  SSeadjtung  ber  <Sct)rtft§eicr)en  gu  red)tem  Vortrage 
unentbet)r(id)  ift,  ba^  mir  aber  außer  bem  nod)  (Smpfä'nglidjfeit 
unb  (Sinfidjt  für  baSjenige  nötljig  Ijaöeit,  ma§  burd)  feine 
(Scrjrift  erfcfjöpfenb  auägefprodjen  merben  fann:  für  ben  (Sinn 
unb  bie  Senbeng  be§  gangen  ®unftroerf3,  roie  aller 
feiner  Steile,  fie  mögen  niebergefdjrieben  unb  be  = 
ftimmt,  ober  au§  unfern  ©mpfinbungen  gu  ergangen 
fetjn.  3U9^W)  ^ann  utt§  nidjt  entgegen,  baß  ade  einzelnen 
güge  iljre  üöeftimmung  nur  au3  ber  Sbee  unb  bem  ßroede  be§ 
gangen  St'unftmerfö  empfangen  f)aben  fünnen,  unb  ba^  and)  mir 
bei  ber  Stuf f äff ung,  bei  bem  (gtubium  unb  Vortrag  eineö  3£erfe§ 
nur  öon  beffen  ©runbibee  auSgeljen  bürfen.  —  (Sin  SSerf  non 
biefer  ©runbibee  au§  in  allen  feinen  Steilen  öotlfommen  auf* 
faffen  unb  barftellen:  ba§  ift  bie  Aufgabe  be§  fünftlerifdjen 
Vortrages."334) 

(Snblid)  ift  nadjftebjenbe  (Srflärung  eine§  unbefannten  5ßer= 
fafferi  über  Dbjectiüität  in  birecter  Söegiefjung  gu  unferm 
©egenftanbe  benlenben  DJhtfiffreunben  gu  empfehlen: 


334)  Mir  liegt  die  7.  Auflage  von  Marx'  Allgemeiner  Musiklehre 
vor  (Leipzig  1863).  Dort  in  der  6.  Abteilung  „Der  kunstgemäße  Vor- 
trag", S.  311  ff.  wird  man  solche  von  Schindler  zitierte  Stellen  dem 
Sinne  nach  auffinden.  A.  d.  H. 


—     579     — 

„£)ie  neuere  STeftfjetif  forbert  in  ben  $)arftel(ungen  ber 
fcfjönen  fünfte  ebenfalls  Dbjectioität,  als  ba§jenige,  vorauf  fid) 
aud)  ber  ©trjt  begießt;  bafjingegen  ©ubjectiüität  be§  $unftroerf§ 
bie  (Sigenfdjaft  ift,  bie  auf  perfönticfjer  5tuffaffung  unb  3nbioi= 
buatität  berufjt,  unb  au§  bloßer  Lanier  beftebjt,  bort  alfo  ettoaä 
allgemein  2Barjre3,  9?ott)roenbige3,  tjier  nur  ein  bebingt  28arjre3 
unb  3ufäCtige§.  2)ie  Dbjectioität  atiein  betoirft  eine  roafjre 
SDarftellung,  bie  (Subjectiüität  eine  btofje  $orftellung;  jene  gibt 
SBUb,  ©eftalt  unb  2Inftf)aultct)feit,  unb  ift  barjer  ber  «ßfaftü 
Oerroanbt;  biefe  ift  gerftießenber,  bunfler  unb  gleicht  met)r  bem 
(Sinbrucfe  ber  SRufif.  Slber  aud)  im  9)?uficatifd)en  folt 
Dbjectioität  ferjn;  mittjin  aucfj  im  Srjrtfdjen;  ber 
ßünftter  folt  fidj  in  einem  ©egenftanbe  außer  ficfj  i)in  = 
ftetten.  Offenbar  fann  nidjt  jebem  Slünftfer  ba§>  ®efe|  ber 
Dbjectioität  gteid)  ftreng  üorgefdjrieben  fetjn,  aud)  fann  unb 
fott  bie  Dbjectioität  bie  ©ubjectioität  nidjt  unterbrücfen,  inbem 
fie  bem  SSerfe  5(ntt)eit  unb  Sßärme  oerteifjt." 

£)er  SSerf affer  muß  mit  allem  9?ad)brucfe  beftä* 
tigen,  baß,  roa3  immer  er  üon  33eett)Oüen  oortragen 
gehört,  mit  roenig  $lu§nafjme  gang  biefen  oorfterjenben 
Sei)rfä|en  entfprocrjen  rjat;  e3  roar  frei  alte§  3toange§ 
im  ßeitmaße,  loie  e§  eben  ber  @eift  ber  Sompofition 
erforbert  fjatte. 

Sm  ungemeinen  läßt  fic£>  üom  freien  Vortrag  ber 
(Slaüiermuftf;  in  ber  jurücfüegenben  (Spodje  fagen,  bah  w  ftdj 
meift  nur  auf  ein  üeränberte<§,  beruhigtere^  3e^mafe  ™  oen 
(£antabite=<3telten  ber  3HIegro=<Sät5e,  (im  ©eitenfatj  unb  im 
Stnfjang  faft  regelmäßig)  befdjränft  fjat.  Sn  fotcf)er  §infid)t 
finb  Rummels  Angaben  über  2öed)fel  be3  geitmaßeä  De*  Den 
(Santitenen  feinet  großen  Soncert§  in  A  moll  afö  muftergiltige 
SBeifpiete  anjufe^en.  £aß  fid)  biefetben  aber  nidjt  in  ber 
§auptftimme  be§  2öerle§  fetbft,  fonbern  nacrjträgUct)  erft  in 
feiner  (Staüier=(Sd)ute  üorfinben,  geigt  roieberum  bie  2trt  jener 
SCRetfter,   bie  tentniß   be3   au§brud<§üoIIen  Vortrags  bei   ben 

37* 


—     580     — 

SSirtuofen  tiorau§aitfefcen.  2Werbing§  ging  fctbft  in  ber  burcfj 
Rummel  bemirften  neuen  9?id)tung  beä  (S(atüerfpiel§  ba§  93e= 
ftreben  babjin,  ber  (SantUene  überaß  geredjt  5U  merben,  unb 
gmar  meift  nad)  italienifdjer  ©efangmett)obe,  im  ©egenfatje  $u 
unferer  v^eit,  bie  bie  GantUene  at§  überf(üffige§  SSehoerf  be* 
rjanbett.  9?et5enb  mar  <pummet§  Vortrag  feiner  „La  bella 
capricciosa".  3)ie  capriciöfe  ©djöne  fang  unb  fprad)  $u  unö 
au§  biefem  finntootten  Xongemätbe  gegenfätjtidjer  (Stimmungen 
unb  ©efürjle. 

2Benn  §ummel  in  feiner  ©cfjute  ber  freien,  beclamatorifcfjen 
SBortragStoctfe  lein  befonbere3  Gapitet  roibmet,  fid)  üietmerjr 
au§fcr)üefetict)  nur  auf  feine  ©ad)e  befcfjränft  unb  babei  nodj 
fet)r  oberf(ärf)ütf)  51t  SBerfe  gerjt,  fo  Ijaben  mir  befto  me§r  (Sart 
(ü^ernt)  gu  üerbanien.  £)a§  Gapitel  „üon  ben  SBeränberungen 
be§  3eitmafee§"  im  3.  Sfyeit  feiner  ©djufe  fteHt  eine  anfdjautidje 
Setjre  fjin.  ©leid)  §  1  nennt  er  biefe  Sßeränberung  mit  9ied)t 
„ba$  midjtigfte  Mittel  be§  Vortrages".  Safe  jebod)  at(e3  bort 
©egebene  bei  SBeetfjotien'ä  9)tufif  nod)  unjutängftd)  tft,  geigt 
©5ernt)  im  2.  (Sapitel  be§  4.  Streite.  ©inigeS  barau§  foft  unS 
tjter  3)ienfte  leiften.  SSorab  mirb  eö  aber  erforberüd),  un§  um 
bie  ©pieimeife  23eett)ou>en3  gu  befümmern,  um  biefe  in  ifjren 
(Stgentrjümücrjfeiten,  fofern  biefe  mit  SSorten  fid)  beftimmen 
taffen,  fennen  ju  lernen. 

S)ie  ©djlufnuorte  ber  erften  Sßeriobe  geben  ba§>  Urtfjeit 
über  Seetrjoüen'ä  ©piet  au§  ber  ßeit,  in  meld^er  ber  SSirtuofe 
ben  Gomponiften  nod)  überragt  fjatte,  roenigftenS  in  ber  öffent* 
ticfjert  Meinung.  2)iefe3  Urtt)ett  ift  blo3  mittelft  be<§  @pitrjeton§ 
„©tarffpieler"  51t  ergänzen,  metdjeS  man  bamalö  fomofjl  unferm 
SOieifter,  aU  aud)  einigen  anbern  auf  jiemlid)  gteidjer  §öfje 
ftefjenben    Scalen,    ai§    Hnton    (£bert,335)    grau    2Iuer* 

335)  Anton  Eberl,  Komponist  und  hervorragender  Klavierspieler, 
ist  im  Juni  1766  in  Wien  geboren,  Freund  Glucks  und  Mozarts.  Er 
starb  bereits  1807.  Er  galt  als  Bivale  Beethovens,  er  komponierte 
Opern,  unendlich  viele  Werke  aber  für  Instrumentalmusik,  von  denen 


—     581      — 

Jammer336)  unb  Sofeplj  2öMf(,837)  6etgufe|en  pflegte.  $)a§ 
Snftrument  mit  männlidjer  Straft  gut  bemänteln,  blieb  bem 
Sfteifter  bi§  an  fein  £eben§enbe  eigen.*)  ^oct)  im  Sa£)re  1822 
bemerkt  ber  Referent  ber  5Ittg.  3)?uf.  ßtg.  ©.  310  mit  ©runb: 
„Unfer  23eett)oüen  fdjeint  roieber  für  9D?uft£  empfänglicher  51t 
roerben,  —  (in  ber  SESirHidjfeit  tjatte  er  ja  nidjt  aufgehört  e3  «$u 
fetjn)  er  pljantafirte  bereite  einige  Sftafe  in  einem  gefeüigen 
(Strfet  gang  meiftertict)  gur  atigemeinen  greube  unb  bemieS,  bafj 
er  nod)  immer  fein  Snftcument  mit  föraft,  ßuft  unb  Siebe 
5U  betjanbetn  öerftet)e."  @§  gefdjjat)  bie3  im  £aufe  feiner 
grennbin,  ber  grau  Baronin  öon  ^ßutfjon.338) 


*)  Sfteubrucf  <S.  80  roarb  ber  SBorömrfe  ertoäbnt,  welche  ber  SKeifter 
mir  am  Sßianoforte  ju  macben  pflegte.  Sftein  klimpern  gab  ben  meifien 
Slnlafj  baju.  „So  grofe  unb  fo  ftarf,  unb  bocf)  fo  unmännliche  SBebanbhmg 
bei  QnftrumentS",  waren  nodj,  nebfi  bereite  bort  angeführten,  bie  (Spitbeta, 
mit  benen  er  mitt)  regalirt,  aber  mit  gutem  Erfolge  corrigirt  bat. 

noch  anfangs  des  XIX.  Jahrhunderts  vieles  von  ihm  lebte;  jetzt  ge- 
hört er  zu  den  Verschollenen  (Toten).  A.  d.  H. 

336)  Josephe  Auerhammer  oder  Aurenhammer  war  eine  hervor- 
ragende Pianistin,  die  auch  komponierte.  Sie  war  ca.  1776  in  Wien 
geboren,  Schülerin  von  Mozart  und  Kozeluch;  sie  konzertierte  viel, 
alljährlich  trat  sie  mit  einem  Konzert  im  Burgtheater  auf.  Sie  war 
unmäßig  dick.  Auch  zu  Beethoven  trat  sie  in  Beziehungen,  wovon 
„Beethovens  Frauenkreis"  noch  zu  erzählen  haben  wird.  Mozart  soll 
von  ihr  gesagt  haben:  „Das  Fräulein  ist  ein  Scheusal,  spielt  aber  zum 
Entzücken"  usw.    Sie  starb  1841.  A.  d.  H. 

337)  Josef  Wölfi,  Klaviervirtuose  und  Komponist,  hekannt  als 
eigentlicher  Kivale  Beethovens  zur  Zeit,  als  dieser  nur  erst  als  Pianist 
glänzte.  Wölfl  ist  1772  in  Salzburg  geboren,  war  Schüler  von  Leop. 
Mozart  und  Michael  Haydn.  Nach  1792  mußte  er  seinen  Aufenthalt 
in  Warschau  aufgeben  und  kam  nach  Wien,  wo  er  von  vielen  neben 
und  über  Beethoven  gestellt  wurde.  Er  hatte  ungeheuer  große  Hände, 
so  daß  Beethoven  seine  Mühe  hatte,  über  diesen  Klavierriesen  zu 
siegen.  Aber  es  gelang  ihm.  —  Die  Biograpbien  wissen  viel 
Interessantes  von  diesen  Wettkämpfen  zu  erzählen.  Er  starb  bei 
London  1814  (?).  A.  d.  H. 

338)  Die  Frau  Baronin  von  Puthon  ist  bereits  vielfach  in  Beet- 


—     582     — 

Sei  ©elegenrjeit  ber  üftittljeilungen  bon  Grjerubini  unb 
Gramer  über  Seetrjooen  in  ber  2.  Sßeriobe  ift  auf  bie  nocfj  ya 
gebenben  llrtt)eite  biefer  ^orjen  5lutoritäten  über  be§  ÜD?eifter§ 
Glabierfpiet  rjingewiefen,  bie  gur  «Stelle  folgen  füllen.  2)er  fur§ 
angebunbene  G§erubini  ct)aracteri[irte  e§  mit  einem  SSorte: 
raub.  £)er  ©entfernen  Gramer  wollte  jebocf)  Weniger  Slnftofe 
an  bem  ^Raurjen  be§  Vortrages  gefunben  rjaben,  al3  bielmerjr 
an  bem  unguberlä^igen  SSiebergeben  einer  unb  berfelben 
Gompofition,  tjeute  geiftreid)  unb  ooll  djarafteriftifcijen  3lu§brud§, 
morgen  aber  taunentjaft  bi§  $ur  Unflarrjeit  oft  berworren.*) 
5lu§  biefem  ©runbe  Ratten  einige  greunbe  ben  SBunfcfj  ge= 
äußert,  mehrere  2Berfe,  einige  nod)  im  Sftanufcript,  Oon  Gramer 
offentlid)  vortragen  gu  laffen,  Womit  eine  fe£)r  empfinblidje 
Seite  23eetrjoben'3  berührt  morben:  bie  Giferfud)t  Warb  erwedt, 
ber,  nadj)  Gramerg  Söorten,  gegenfeitige  (Spannung  gefolgt  ift.339) 
Ueberfjaupt  Wollte  e§  mir  fdjeinen,  bafj  ber  bereits  mit  euro= 
päifdjem  9fttf)me  gelrönte  Grjerubini,  im  Sllter  aucfj  um  ootle 
äeön  Sal)re  borauS,  unferm  93eetlwben  gewaltig  imponirt  tjaben 
muffe,  Wofür  £Serfd)iebene3  fpridjt.  G^erubini  äußerte  bei 
unfern  3ufammenfünften,  er  rjabe  nidjt  unterlaffen  fönnen, 
Q3eetl)oben'3  Sfufmerffamreit  auf  bie  Gtementi'fdje  Sdjule,  b.  tj. 
auf  beffen  2trt  Gtabier  31t  fpielen,  gu  lenfen,   unb  fjabe   biefer 

*)  (£.  (Säernt)  bemerft  über  tiefen  'Jßunct  §  7,  bafj  S3eetboben'§ 
©pteliueife  in  S3ejug  auf  Steinzeit  unb  ©eutlicbfeit  ntcbt  immet  al§  ÜÖJufier 
bienen  tonnte.  —  (£§  blieb  ifim  feine  ßtit  ju  Fingerübungen. 


hovens  Briefen  vorgekommen.  Mit  v.  Bihler,  der  u.  a.  ihren  Sohn  er- 
zog, ward  sie  vielfach  in  Verbindung  gebracht.  Vgl.  B.  S.  Br.  No.  640 
(an  Zmeskall),  No.  648  (an  v.  Wartensee)  (III.  Band),  No.  714  (IV.  Band) 
usw.  In  „Beethovens  Frauenkreis"  wird  ihr  ein  Abschnitt  gewidmet 
sein.  A.  d.  H. 

339)  Auf  dies  gespannte  Verhältnis  scheint  die  Stelle  eines  Briefes 
an  F.  Eies  anzuspielen:  „Grüßen  Sie  mir  Neate,  Smart,  Cr  am  er  —  ob- 
schon  ich  höre,  daß  er  ein  Contrasubject  von  Ihnen  und  mir  ist." 
B.  S.  Br.  No.  733  (III.  Band).  A.  d.  H. 


—     583     — 

beriet  Söinfe  immer  bcmfenb  Eingenommen,  mit  bem  SSerfpredjen, 
beim  nädjften  Vortrag  merbe  er  iljn  ijoffentticf)  aufrieben  fetjen. 
—  (Stementi'§  Urttjeit  über  33eett)Oüen  ben  ßlauierfpieler,  bem 
SSerf affer  1827  in  93aben  mitgeteilt,  befdjränft  ftd)  aud)  nnr  auf 
menige  SBorte;  er  fagte:  „£>a§  «Spiel  mar  nur  toenig  auögebitbet, 
nid)t  feiten  ungeftüm,  mie  er  felber,  immer  jebocl)  üoü  ©eift." 
(SIementi  t)at  nod)  im  ^aljre  1807  in  SSien  Seetrjoben  ber* 
fcfjiebene  SSerfe  vortragen  gehört. 

(Srfreulid)  barf  e§  genannt  merben,  baß  ber  jüngere  9tteifter 
ben  gegebenen  SSinfen  be§  älteren  gefolgt  ift.  3n  feinen  ßeilen 
an  ©teprjan  üon  93reuning  au§  ben  legten  SebenStagen,  unter- 
es" bei  ben  ©^arafter^ügen  angeführt,  6emeifet  23eett)oöen  ba§> 
treue  gehalten  an  (SIementi'3  9ftett)obe.  §atte  it)n  ber  3Us 
ftanb  feines  @er)ör§  getjinbert,  burd)  eigene  $ßraji§  jene  ©runb- 
fätje  51t  bemäfjren,  fo  üermodjte  er  bennod)  Sernbegierige  barauf 
fjingumeifen.  SSon  (Sfementi  unmittelbar  fjatte  SSeettjoöen  ge= 
f)ört,  mie  er  nad)  langem  Umt)erfud)en  unb  ^orfdjen  nacfj  poft= 
tiüen  Regeln  über  Vortrag  enblid)  in  ber  ©efangfunft  bie 
bittet  fjierju  gefunben  Ijabe.  <2etbft  aud)  ©änger  berfud)te  er 
bie  Regeln  ber  ^ßrofobie  bi3  in  eiugelne  S£ongruppen  ber  Snftru* 
mentalmufit'  hinüber  gu  tragen  u.  f.  m.  Stuf  biefem  3Sege  ge- 
langte er  51t  bem  fingenben  Vortrage,  felbft  in  ^ßaffagen,  mo 
Bürgen  unb  Sängen  in  unenblidjer  Slbftufung  eine  midjtige  9?oIIe 
fielen.*) 


*)  Unter  „1"  in  ben  ©fjaraftersügen  ttmrbe  angeführt,  tca§  23eeU)oben 
cm§  griedjifdjen  nnb  latetnifdjen  ßlaffifern  für  feine  Shutft  abftraf)irt  Dat. 
©ine  ftadjridjt  über  (Hementi  au3  „Sern  im  Dctober  1784"  —  in 
^Ixo.  36  ber  9?ieberrf>eimfd)en  Luftleitung  öon  1858  mitgeteilt  —  ent= 
fjält  unter  Dielem  Sntereffanten  aud}  fotgenbe  Stelle:  „3>n  fetner  &ompo= 
fition,  abfonberlidj  im  Sangfamen,  geigte  er  mir,  mie  bie  SDiittelfiimme  ben 
©efang  füfjre;  ba%  x)abt  er  bem  9Jameau  abgelernt.  Sn  ben  lateinifdjen 
Tutoren  f)abe  er  gefunben,  feiner  ©ompofition  bie  eigene  SBenbung  §u 
geben;  auö  ber  ©eometrie  bie  donfiftenj  ber  ©ebanfen.  Sie  Strt,  it)re 
(Spifoben  an  einem  unbiegfamen  Orte  anäubringen,  fet)  feljr  merfroürbig 
für  einen  Gomponifien,  unb  ber  ©prud)  besä  üuintiliamtS:    Si  non  datur 


—     584     — 

SSSemt  bort  Glementi'3  ßunft  im  Vortrage  bie  Sßebe  ift,  bie 
unfer  9J?eifter  bi§  $u  ber  ©renglinie  abobtirt  t)atte,  roo  feine 
fünftlerifdje  Snbibibualität  begonnen,  wirb  e§  root)l  a(§  Sparen- 
tfiefe  geftattet  fetjn,  auf  äftogart'ä  Urtljeil  über  ba§  8biet  be§ 
itafienifctyengtifdjen  9)?eifter3  äurüd^ubtiden,  ba3  ber  beutfdje 
Wmbrjton  „gefd)mad=  unb  embftnbung§to3"  genannt.  (£3  gibt 
Gelegenheit  ber  „Erläuterung"  biefe§  Urti)eit§  burd)  Stementi'S 
<Sd)üter,  Subroig  93  er  g  er  5U  gebenden,  rooburcfj  ba§  oben 
gejagte  eine  Iräftige  ©tütje  ertjätt. 

23erger  bradjte  feinen  Seljrer  auf  beffen  ßufammentreffen 
mit  Stfosart  1781  bor  bem  Äaifer  Sofebl)  gu  fbrectjen.  darüber 
äußert  er  fid)  fotgenberma^en:  .  . .  „2tu<o  bem  Fortgang  ber 
(Sräärjlung  ßtementi'3  ging  tjerbor,  roie  ferjr  irjn  bie  S^unft- 
leiftungen  Tlo^axfä  ergriffen  unb  entgüdten.  ,,„3d)  rjatte  bi§ 
batjin  üftiemanb  fo  geift=  unb  anmutpboll  bortragen  gehört. 
Q3or5ug3roeife  überrafdjten  micfj  ein  5tbagio  unb  mehrere  feiner 
ejtemborirten  Variationen,  mo^u  ber  föaifer  ba§>  £t)ema  roärjfte, 
ba<§  roir  roedjfetfettig ,  einanber  accombagnirenb,  bariiren 
mußten.""  2luf  meine  $rage,  06  er  bamal§  fd)on  in  feinem 
jetzigen  ©ttjte  (e§  roar  im  Satire  1806)  baZ  Snftrument  be= 
tjanbett  rjatte,  berneinte  er  bieg,  I)in§ufe^enb,  bafc  er  in  jener 
früheren  ßeit  fid)  bor^ugSroeife  nod)  in  großer,  britlirenber 
gertigfeit  unb  befouber<§  in  ben  bor  irjm  nidjt  gebräuct)lict)  ge= 
roefenen  ©obpetgriff^affagen  unb  erjemborirten  3tu§füt)rungen 
gefallen,   unb  erft  fbäter  ben  gefangbolleren,  ebteren  ©ttjt  im 


porta,  per  murum  erumpendum.340)  ©lententi  roar  alfo  ebenfalls  ein 
gögling  ber  Sateiner,  roie  jnm  £t)eil  unfer  Söeetfioben.  Sie  öon  ib,m  in 
ben  äroanjig  Sluramem  ber  (Sramer'fdjen  ©tuben  angezeigten  prof obifcfjen 
Bürgen  unb  Sängen  finb  fprecfjenbe  23eroeife  oon  2tbüption  ber  ßlementi'fct)en 
Sebre  nad)  biefer  ©eite  t)in. 

340)  Diese  Quintilianischen  Worte  haben  sich  dem  Meister  also 
derartig  eingeprägt,  daß  er  sie  zu  Worten  für  den  Marx-Kanon:  „Si 
non  per  portas  per  muros"  verwendete  (seil,  erumpendum).  Siehe 
B.  S.  Br.  No.  1115  (V.  Band).  A.  d.  H. 


—     585     — 

Vortrage  burdj  aufmerffameg  §ören  bamatiger  berühmter  ©änger, 
bann  audj  burd)  bie  aHmäljtige  Sßerüoülommnung  befonberö  ber 
engüfdjen  $(üget  =  $ortepiano'§,  beren  frühere  mangelhafte 
©onftruction  ein  gefangoottereä,  gebunbenere§  ©piet  faft  gän^lid) 
auSgeftfjloffen,  ficf)  angeeignet  fjabe."  Mg.  Stfuf.  £tg.  1829, 
©.  467. 

Cs§  tüirb  nun  nodj  einiger  SSor^üge  im  ©piete  itnfere§ 
9tteifter§  gu  ermähnen  fet)n,  bie  im  beften  ©inHange  mit 
(£ramer'§  and)  (S(ementi'3  9Iu§fagen  fielen.  SDiefe  mcren: 
ruhige  Gattung  ber  igänbe  mie  be3  OberförperS,  ge= 
bunbener  ©tt)t  unb  überaus  merfroürbige  9lccentuation. 
8n  Sejug  auf  gebunbenen  ©tt)t,  moburd)  fid)  ber  ehemalige 
Drganift  51t  ernennen  gegeben,  fott  ber  üöceifter  in  früherer  ßeit 
fogar  Rummel  übertroffen  tjaben,  ber  tjierin  a(§  grofjeg  SDJufter, 
gleich  Sofyn  $ietb,  fic£)  auägejeidjnet  §at  5lud)  barum  nodj 
nafym  23eett)oüen  an  ber  mobernen  5Rid)tung  be§  @(amerfpiete§ 
ein  2IergerniJ3,  meil  —  mit  2Iu3nat)me  £mmmet§  —  ber  gebunbene 
©tt)l  it)r  gang  abgegangen.  Sebod)  —  tt>unberlid)e§  ©efdjid!  — 
ber  2lutor  fo  bieler  erhabener  Sßerfe  in  allen  ß^eigen  ber  £on= 
btctjtung, mit  feinem  lauten  Sßibermitten  gegen  atMörperminbungen 
am  ^ßianoforte,  muffte  aufrieben  fetin,  ba^  bod)  nodj  ein  beriet  £ete* 
grapf)  fid)  für  feine  (Stamertuerfe  intereffirt  unb  xt)r  Söerfdjminben 
üom  Repertoire  um  einige  Safjre  gurüdgefjatten  t)at;  ba§>  mar 
(Sart  6§ernt),  beffen  SSerbienft  bieäfatbS  laut  gerühmt  merben 
inujj,  ma§  aud)  ber  grofte  SDceifter  gegen  fein  ©(atiierfpiet 
einjumenben  gehabt.  9cid)t  minber  bleibt  e3  Xrjatfacrje,  bafj 
(Sgernt)  ber  einzige  unter  ben  SSiener  95irtuofen  getoefen,  ber 
fid)  bemütjt  t)atte  23eetf)oöen  in  feiner  guten  3e^  °ft  Su  ^ören. 
S)arum  oerbient  er  SBeadjtung  bi3  gu  bem  ^ßuncte,  roo  er  beginnt 
$eetf)ooen'3  Sompofitionen  mit  ßuttjaten  be§  mobernen  SSirtuofcn 
gu  öerbeffern  unb  bamit  fid)  baran  gu  oerfünbigen.  £>iefe 
3ut§aten  beftanben  im  mafjtofen  @ebraud)e  be§  $ßebat§,  in 
Verlegung  ber  ©antitene  auS  ber  ein=  unb  gtueigeftricljenen  Dctaüe 
in  bie  brei=  unb  biergeftricfyene,  —  man  fennt  ßjernt)^  Vorliebe 


—     586     —      ' 

für  bie  tjödjften  Dctaüen  auS  allen  feinen  Gompofitionen  — 
in  ber  5tnmenbung  üon  SErittern  unb  anbern  95er5ierungen, 
enbticfj  in  ber  Sftetronomtfirung.  ©in  nad)  feinem  Slbteben 
1857  Veröffentlichter  23rief  von  23eetf)oVen  an  it)n  auS  bem 
Satjre  1812  §eugt  fdjon  von  feinen  $irtuofeu=(Müften  in  fo 
früher  geit.    3)er  SSorttaut  biefeS  SriefeS  ift: 

„Sieber  (ü^ernt)!  §eute  fann  id)  <Sie  nidjt  fet)en,  morgen 
lverbe  icl)  fe!6ft  §u  Sfjuen  fommen,  um  mit  Stjnen  §u  fvrecfjen. 
Sdt)  Vtattfe  geftern  fo  fjerauS;  eS  mar  mir  feljr  leib,  a(S  eS 
gefdjefjen  mar,  allein  bieS  muffen  ©ie  einem  Slutor  Verden, 
ber  fein  SSert  lieber  getjört  jjätte,  gerabe  mie  er  eS  gefd)rieben, 
fo  fctjön  ©ie  auctj  übrigens  gefvielt."341) 

2)er  SEabet  im  (Soncert=©aat  betraf,  mie  ber  Herausgeber 
biefeS  unb  nod)  gmei  anberer  93riefe  oon  23eett)oven  an  (S^ernt) 
(au§  bem  Saf)re  1816,  nidjt  1815)  bemerft,  bie  im  Es  dur 
Quintett  mit  23laSinftrumenten  ficf)  erlaubten  „Slenberungen, 
(Srjdnoerung  ber  s,J3affagen,  öenutmng  ber  r)öljem  Dctave  k." 
Unb  bergleid)en  tonnte  ficfj  ber  bamatS  21  jährige  ^Sianift  in 
@egenmart  beS  äfteifterS  erlauben!  Um  mie  viel  meljr  tfyat 
fjierin  ber  fertige  SSirtuofe!  SSeld)  ein  $8orbitb  für  feine 
©cfjüter,  nebft  anbern  (Eigenheiten  noct)! 

2£er  §errn  granj  Stfjt  Glavier  f Vielen  gefetjen,  ge= 
minnt  teicfjt  ben  recfjten  Segriff  Von  ben  Sanieren  feine» 
£et)rerS  Gsernlj,  nämlirfj:  bie  §änbe  ftetS  in  ber  Suft,  aufteilen 
bis  über  ben  $opf  gemorfen,  ben  Slnfdjtag  ber  Xafte  auS  einer 
£>öf)e  öon  ^mei  gufc,  u.  f.  m.  Sifot  ift  nur  Sftadja^mer  beffen, 
tuaS  er  als  Sfriabe  gmei  Safyre  t)inburd)  als  bibactifdjeS  dufter 
Vor  fid)  gehabt.  SBenn  23eett)oVen  1816  feiner  bereiten  grau 
Von  (Srtmann  gefdjrieben,  (mir  rennen  biefen  S3rief  auS  ber 
brüten  ^Seriobe)  Äränflidjfeit  fei)  fctjutb,  ba^  er  fie  neulid)  nidjt 
bei  (ü^ernt)  fvieten  tjören  tonnte,  fo  barf  nod)  als  mat)rfd)ein= 


341)  Vgl.  B.  S.  Br.  No.  506  (III.  Band),  wo  dieser  Brief  nach 
anderen  Vorlagen  dem  Jahre  1816  zugeschrieben  ist.         A.  d.  H. 


—     587     — 

lieberer  ©runb  fein  Söibertoitle  gegen  ©sernr/ä  Unmaniren  an= 
genommen  »erben.  Siefc  er  ftd)  aber  bennod)  bemegen,  ben 
$ortragenben  unb  beffen  gufjörer  im  rjäuäticfjen  Greife  mit 
feiner  2tntüefent)eit  §u  erfreuen,  wa§  im  SBinter  uon  1818  öfters 
gefdjeljen,  fo  füllte  er  fid)  burd)  anbere  ©rünbe  baju  öerantafct. 
<&üt  iebodj  für  bie  finnigen  3u^örer>  oafe  fo'  an  ^5ern^'§ 
äBeife  gemöt)nt,  fid)  im  ©enuffe  nid)t  ftören  tiefen,  ©etbft  be§ 
ftrengen  9#eifter3  oft  nnebertjotter  Säbel:  „©äernt)  tjat  feine 
SSinbung  unb  accentuirt  falfd),"  t)ätte  ben  (SuftuS  nidjt  ju  ftören 
öermoerjt,  roeit  e§  bem  gefammten  Greife  an  tiefer  (Sinfic^t  ge= 
fet)tt.  gür  ben  SSerfaffer  fpecieE  maren  (S^ernt/S  Vorträge  eine 
ermünfdjte  ©diute,  bes  9fteifter3  tritifdje  Stnmerlungen  barüber 
Ilödjft  intereffante  unb  betetjrenbe  Erläuterungen  unb  2luffd)lüffe 
ü6er  fo  manches  2öert,  bie  olme  folcrje  t)erau§forbernbe  93er* 
antaffungen  faum  erfolgt  mären.*) 

3ßa§  Seet|otien'S  Sigenrjeit  in  ber  Stccentuation  betrifft,  fo 
fann  ber  SBerfaffer  anführen,  ma§  ftcfj  tt)eitö  au§  ben  trttifdjen 
3tnmerlungen  ü6er  %rnr/3  Vorträge,  tt)eit§  au§  ben  unmittel- 
baren  Belehrungen  am  ^ßiano  ergeben.  SSor^ugSmeife  mar  e§ 
ber  rt)t)trjmifd)e  Stccent,  ben  er  meift  fräftig  f)er0ort)ob  unb 
rjeroorgerjoben  miffen  looEte,  bagegen  befjanbette  er  ben  meto* 


*)  SHefe  $robuctionen,  auSfcfjliefjiid)  33eetf)ot)en'ä  ©laDiermuftf  ge= 
wibmet,  gab  ©jenü)  in  ben  Wintern  öon  1818,  1819  unb  1820  aüfonn* 
tägtict)  öon  11  b:§  1  Ubr  93ormittag§  in  feiner  SSo^nung.  SSer  boren 
ttiotrte,  bem  ftanb  bie  Satire  offen.  SSon  ben  bei  ber  Stenge  in  bobem 
Slnfefien  ftefienben  SSirtuofen  bat  feiner  ben  befctjränften  9taum  beengt; 
bagegen  baben  alle  fremben  ßünftter  biefe  benfroürbigen  2Serfammlungen 
fteifetg  befugt,  £u  mürbigen  SDlitge^ülfen  in  ber  ^ianoforte^artie  l)atte 
esernh  bie  bofte  ^riefiertn  ber  Sonfunft,  grau  uon  ©rtmann,  ferner 
bie  Ferren  ^faüer  unb  ©tainer  öon  gel§burg,342)  faiferlicfje  Staate 
beamte.  £e£terer  ift  ber  Gonciöient  ber  1824  an  Seetfioöen  gerichteten 
$enffcbrift. 

342)  Über  Stainer  von  Felsburg,  den  Verfasser  der  berühmten 
Adresse  vom  Jahre  1824,  vgl.  man  B.  S.  Br.  No.  1049  an  Haslinger 
(V.  Band),  besonders  die  dortigen  Erläuterungen  S.  89  f.    A.  d.  H. 


bif cEjen  (geroöf)nlitf)  ber  grammatifdje  genannt)  meift  nad) 
(Srforbermfc,  pftegte  nur  alle  3Sort)afte,  ben  ber  fleineu  ©ecunbe 
im  Gantabile  gan§  befonber§,  immer  mefyr  gu  Betonen,  als  man 
e<§  bon  Stnbern  getjört.  ©aburcf)  ertjieft  fein  Sbiel  ein  prägnant* 
G£)arafteriftifd)e§,  fern  bon  bem  (blatten,  tfladjen,  ba§>  fid)  nie* 
ma(3  gur  Sonfbr  adje  ergebt.  Sei  ber  (Samitene  berroieä  er 
auf  bie  9ftetfyobe  ge6ilbeter  Sänger,  bie  nitfjt  §u  biet  unb 
nidjt  ju  menig  ttjun,  rietfj  ferner  biSroetfen  baffenbe  Sßorte  einer 
ftreitigen  ©teile  unterzulegen  unb  fie  gu  fingen,  ober  aud)  fotdje 
(Stellen  bon  einem  gebilbeten  33ioliniften  ober  53läfer  §u  fjören. 
@ro^e§  l)iett  er  auf  ben  2lnfd)tag  unb  beffen  3)obbelbebeutung: 
ber  bt)t)fifd)e  ober  materielle  unb  ber  bft)d)ifd)e,  barauf 
Glementi  bie  3lufmerffam!eit  gelenft.  Unter  letzterem  öerftanb 
biefer  bie  im  ©efütjle  beredmete  Tonfülle,  bebor  nod)  ber  Ringer 
bie  Xafte  Serütjrt.  SSem  biefeä  fremb  ift,  mirb  niemals  ein 
5lbagio  feelenbotl  bortragen.  Uebertjaubt  mar  unfer  Meifter  ein 
erklärter  ©egner  ber  Miniaturmalerei  in  aller  muficalifcfjen 
©arftellung  unb  forberte  bemnatf)  überall  fräftigen  2tu»brud. 
5tuct)  bie  Vorträge  beS  Sdjubbanäiglj'fdjen  OuartettS  gaben 
baoon  geugnifj.  3)te  toier  ÜDcänner  brauten  im  Forte  bie 
SSirfung  eine§  ffeinen  Drd)efter§  Ijerbor,  im  üotlen  ©egenfa^e 
gu  bem  Matten  unb  ©üBlidjmanirirten  t)otf)berül)mter  Quartette 
unferer  Sage. 

©in  nod)  rokfjtigerer  £t)eil  ber  58eet£)otien'fc^en  9?ebefunft 
am  ^3ianoforte  betrifft  bie  bon  Ujm  oft  gebraudjte  Gäfur  unb 
bie  rljetorifdje  ^aufe,  beibeS  bon  Glementi  überfommen. 
Um  biefen  Stt)eil  aber  nidjt  §u  mifeberftetjen,  muffen  mir  un0 
Seettjoben'S  oben  angeführten  Setjrfatj  in  33e-$ug  auf  bie  $unft 
ju  bectamiren  in3  ©ebädjtnift  gurürfrufen.  £>ie  (Säfur,  ein 
plötjlidjeS  Slbbredjen  be§  Sfobefluffes,  ift  in  ber  Sonfunft  bem 
begriffe  nad)  mefjr  bermanbt  mit  ber  rtjetorifdjen  Sßaufe  ai$  in 
ber  2)id)tfunft,  mo  fie  auf  einem  beftimmten  gufje  be§  23erfe3 
erfrf)einen  mufj,  5.  25.  im  Pentameter  be<§  2)iftid)on§  immer  auf 
bem   britten   $u|3e.    ®er  begriff   ber   rfjetorifdjen  Sßaufe  f)at 


—     589     — 

nad)  Seettjooen  nur  baZ  (SigentljümKdje,  als  Verlängerung  einer 
getriebenen  gu  gelten  otjne  auSbrücflicl)  angezeigten  $Kut)epunct 
(§att).  Veibe  biefe  Vortragsmittel,  im  begriffe  nidjt  gar  §u 
meit  gerieben,  t)aben  $am  Ömtd,  bem  gotgenben  eine  ert)öfc)te 
SBirfung  gu  geben,  ©elbftoerftänbiict)  gilt  bieg  nur  bon  ge* 
eigneten  trafen  (©teilen),  unb  tjiebei  mirb  mieber  üon  meljr 
ober  meniger  Vebeutung  (©inn)  berfelben  bie  Sßebe  ferjrt 
tonnen.     Veifpiele  merben  beibeS  geigen. 

Sitte  ©igen^eiten  ber  23eett)oüen'fct)ett  ^ebefunft  im  ©etail 
laffen  fiel)  in  feinen  erften  ©onaten  auffinben,  at§:  im  erften 
©a£  ber  erften  ©onate  in  F  nioll,  in  allen  bier  ©ä^en  ber 
in  Es  dur;  Op.  7,  in  allen  brei  ©ätsen  ber  in  C  moll,  Op.  10, 
in  allen  bier  ©ä|en  ber  in  D  dur  beffelben  Dpu§,  in  ber 
Pathetique  unb  in  beiben  ©onaten  Op.  14.  Sitte  ctjarafteriftifdjen 
Slbftufungen  üom  Saiden,  ©entimentalen,  ©ruften  unb  Reitern 
bi§  gum  2eibenfct)aftlid)en  fommen  in  biefen  genannten  ©onaten 
gum  SluSbnuf.  ©inige  ©liefe  in  ben  erften  ©atj  ber  C  moll* 
©onate  unb  in  ben  erften  ber  Pathetique  merben  bie  begriffe 
bon  rt)etorifct)er  $aufe  unb  (Säfur  üerfirtnlictjen.  ®ie  ©teilen 
au§  legerer  ©onate  finben  fidi  unter  ben  ©rgängungen. 

2)ie  gleich  bei  beginn  ber  C  moll=©onate  fiel)  offenbarenbeu 
@egenfä§e  üon  ©tärle  unb  SKilbe,  begeidjnenber,  üon  ßeibenfdjaft 
unb  ©anftmutl)*),  finb  bie  fpredjenben  principe,  bie  im  1.  unb 
3.  ©a§  gum  2lu§brud  lommen  unb  im  angemeffenen  Sßedjfet 
be§  3eitmaBe§  fify  neben  einanber  bemegen.  @8  ift  einer  ber 
gefäfjrtidiften  Sßettfämpfe  gtotfetjen  ©efüt)t  unb  Verftanb,  ber, 
roenn  er  glüdt,  bon  unbefct)reibUc^  äftt)etifd)er,  aber  auef)  feelen* 
malerifctjer  Söirlung  ift. 


*)  ©oute  tooljl  bei  23eeü)oüen'<§  Sttttfif,  fcornefjmütf)  bei  ben  ©onaten 
unb  Xrio'3,  bie  SJejetdjmmg  mit  ^attjoä  unb  (JtfjoS  unfiattfjaft  er* 
fcfjeinen?  Unftreitig  liegt  barin  eine  etf)tfd)e  SBebeutung,  benn  fte  fot( 
ntä)t  6Io§  erweitern,  beruhigen,  an*  unb  aufregen,  fonbern  audj  förbern,  auf 
bem  SBege  neuer,  aber  bod)  funfigemäfeer,  fefter  formen  uortüärtS  bvängen 
unb  befreien  bon  bem  meift  t>erbraud)ten  gormroefen  früherer  ©podjen. 


—    590 


33om   13.  £act   an  bi§  einfcrjtiejjticl)   21.  finben  mir  bie 
r^etortfd^e  ^ßaufe.    §ier  bie  ©teüe: 


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35 


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3)te  getriebenen  23iertelpaufen  in  ber  Dberftimme  finb 
alle  um  ungefähr  3m ei  ya  üermerjren  unb  bie  abgeriffene 
Sßfjrafe  mit  llngeftüm  ^injumerfen.  SBermetjrte  Spannung 
ift  ber  groecf.  Wlit  bem  22.  £acte  tritt  bie  gortfetumg  ber, 
fieibenfcfjaft  atrjtnenben  9?ebe  in  feftem  geitmafje  e^n  m§  Sur 
allgemeinen  $ßaufe  mit  bem  30.  £acte.  SBa§  öon  ba  ab  alleö 
6i§  sur  ßantilene  in  Es  dur  (TOtetfats)  im  Vortrage  ju 
gefcfjeljen  tjat,  mufc  übergangen  roerben,  „roeit  e§  mit  SBorten 
nic^t  leicht  au^jubrüden  ift,"  —  jagt  ©gerat).  2)od)  barf  auf 
5ߧ.  S.  2Sacr/3  £ef)rfat$  rjingeroiefen  roerben. 


591     — 


£)ie  (Sabenj  tior  bem  2lnf)ange  im  1.  ££)eU  biefeS  <2a£e§ 
fammt  bem  beginn  be§  9tnrjange3,  geigt  bie  5Intuenbung  be§ 
Seet^ooen'fdjen  2e£)rfat3e§,  nämticfj  9tulj)er>uncte,  too  fie  ber 
©omponift  nidjt  au§brücfttcfj  fjingeftellt  fjat.  ©iefe  fjaben  ttodj 
ben  groecf,  ben  9tnt)ang  m  er  EH  er)  5U  trennen.  ©ie  betreff 
fenbe  ©teü'e  ift: 


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3^S: 


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-6»— 


■z». 


S^FP*!^ 


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©er  ®ang  beroegt  ftd)  mit  Ungeftüm  nadt)  ber  £iefe  unb 
ftocft  plöfclidj  auf  bem  B.  ©er  Stnjjaitg  befänftigt,  fjäft  ftefj 
barum  in  ruhiger  23etoegung,  bem  Megro  angemeffen. 

SBet  beginn  ber  ©efangftetle  in  F  moll  mit  bem  13.  £acte 
im  2.  £rjei(  ift  bie  Sßiertelpaufc  im  12.  £acte  mit  einem 
SRujjepuncte  gu  öerfetjen.  S)ic  ßäfur  ift  in  biefem  Xacte  offen» 
bar.  ®a§  ©anfte  erforbert  bie  mert(id)e  Trennung  t>om  Sei* 
benfd)afttict)en. 

$on  bem  3.  ©a|e  biefer  ©onate  bemerft  (S^ernt):  „©ie* 
fcS  finale  ift  bereits  gan§  in  jenem  fantaftifefjen  Jpitmor  ge* 
fcrjrieben,  ber  SBeettjoOen  fo  eigen  mar."*)  —  $antaftifdjer 
<pumor!    SSer   öermag  eine  fajsttcfje   Definition  biefer   SSorte 


*)  ejernt)   gebraust  bie  SBorte:    „fmmor,  ^umorifttfcö,  fantafttfd}" 
in  33esug  auf  ben  ß^arafter  einseht«  <3ä£e  gar  oft,  o^ne  je  nur  einen 


—     592     — 

gu  geben?  tiefer  ©onaten=<Sat$  gibt  fie  roarjrticfj  nicfjt,  fonft 
müfete  jeber  leiben fcfjaftüdje  2lu§brud  in  ber  Wlu\\t  fantaftifcfj 
ferjn.  2)er  Vortrag  big  gur  Saricatur  getrieben,  üor  roelcfjer 
aber  (ü^ernt)  [eiber  roarnen  mitt,  mirb  alterbingS  bem  Seiben* 
fdjaftlidjen,  baS  immer  nod)  gorm  unb  SCRafs  behalten  mufe, 
baZ  $antaftifd)e  aufbringen,  ba§>  aber  form*  unb  ma£to§ 
tft.  Sn  ben  SBerfen  be§  mat)rt)aften  £onbid)ter§  mirb  ftcf) 
überall  Starrheit,  (£int)eit  unb  Originalität  in  rool)tgeorb  = 
neter  $orm  üorfinben,  ob  audj)  in  ben  Sßerten  bei  Träu- 
mers, beö  gantaften,  be§  (Mfteöüerrücften?  (Jpört  SSeimar'fcije 
3ufunft3mufif!)  2)er  £>umor  in  ber  ^tonfunft  roirb  fid)  mit 
bem  Srnfte,  bem  «Sentimentalen  eben  fo  mofjl  paaren,  a(§ 
mit  bem  üftaiüen,  ^eiteren  unb  Seibenfdjaftticfjen,  niemals  aber 
mit  bem  $antaftifd)en,  ba3  fid)  überall  oerftattet  bie  ©efetje 
ber  ©diöntjeit  §u  üerletjen.  Snbeft  tjat  (S^ernt)  mit  jenem 
SterminuS  bocf)  gegeigt,  ba^  ber  Vortrag  biefeä  ©atjeä  ein 
gang  ejceptioneller  fetjn  muffe.    S)iefe§  gilt  aud)  Oom  erften. 

(Eäfuren  treten  un§  im  1.  <3ai3  ber  Pathetique  §mei  öor 
klugen,  eine  Oor  (Eintritt  be§  ©eitenfatjeö  in  Es  moll,  bie 
anbere  an  beffen  ©djtuffe.  SSenn  man  fid)  an  beiben  Orten 
einen  SRutjepunct  über  ben  Sactftrid)  benft,  fo  mirb  bie  ßäfur 
merfbar  unb  bie  SBirfung  beS  5°^8enoen  erf)öt)t.  Unter  ben 
Ergänzungen  mirb  fid)  eine  2(nfd)auung  biefe<§  ©eitenfat$e§ 
fammt  Angabe  ber  in  allen  ©rüden  ferjtenben  btjnamifdjen  Soor* 
tragSjeidjen  oorftnben.  ©benfo  mirb  bort  borgelegt  merben,  mie 
Söeettjooen  bie  (SingangStacte  (Grave)  gum  erften  ©a|e  ber 
Pathetique  öorgetragen  rjat. 

(Eäfuren  unb  rhetorifcbe  Raufen  treten  unS  in  SBeetljoüen'S 
©onaten  l)äufig  entgegen,  (teurere  aber  nod)  öfter  ai$  erftere)  unb 
fjaben  meift  ba§  5lu<§einanbert)atten   ber  ©egenfätje   §um  ßmed. 


SSinf  ju  geben,  wie  ein  folget  Gftarafter  bnrjnfienen  fety.  2(n  einer  ©teile 
fagt  et  rootjl:  „®urcrj  bie  meifiertjafiefte  23eberrfd)ung  aller  mecrjanifcfjen 
©diroierigfeiten."  3)a  gäbe  eS  ja  tjeutäutage  £mnberte  üon  ed)ten  SBeetfyoöens 
©pielern. 


—     593     — 

Sftit  biefen  Stnfübjrungen  über  Veett)oüen')o  eigentrjümiicrje 
löortragStueife,  refö.  über  bie  unerläfjltdjen  (Srforbemiffe  im 
Vortrage  feiner  ß(atiier=9ftuftf  überhaupt,  finb  nur  gleicrjfam 
äußere  Umriffe  be3  (Sanken  gegeben.  2lHe§  auf  it)r  innere^ 
SSefen  unb  beffen  Verlebenbigung  Ve^ügiicfje  fann  nur  auf 
münblidjem  2Sege  am  ^ßianoforte  bem  gehörig  Vorbereiteten 
unb  (£mpfäng(id)en  gegeben  werben.  Snbefj  ioirb  ber  Sefer  boct) 
barauS  entnehmen,  toa§  unfer  2fteifter  in  ber  gu  fdjreiben  be= 
abficfjtigten  ßlaüierfdjule  „2ibmeicfjenbe3"  Don  SInbern  au§äu= 
jagen  getjabt  tjätte,  märe  bie  2Ibfidjt  gur  5lu§füf)rung  gefommen. 

@£  toirb  nun  am  Orte  ferjn,  VortragSbemerfungen  au§ 
(E3ernr/3  (S(aoier=©d)ute  über  einige  ©äfcje  ber  Veetf)oöen'fd)en 
©onaten  einfließen  %vl  laffen.  3m  ©an^en  merben  biefetben 
Vorau3gefagte§  bekräftigen  unb  nod)  befonbere  SBtnfe  geben, 
aber  aud)  al§  Velege  bienen,  mie  unbeuttidj  unb  irrefüt)renb  fie 
im  (Sinjeinen  finb. 

Vom  erften  ©atje  ber  erften  ©onate  in  F  moll  fagt  (S^ernt): 
„3)er  (Sfjararter  ift  ernft  unb  leibenfcrjafttid)  aufgeregt, 
fräftig  unb  unentfcfjieben,  unb  otjne  alle  jene  giguren  bon 
ßlaüierbaffagen,  metdje  fonft  gemötjntid)  bie  Sbeen  bon  einanber 
trennen.  £>a3  £embo  ift  ein  lebhaftes,  bod)  ntdjt  aHäufdjnetteg 
alla  breve.  —  Vom  4.  Xacte  fängt  ein  Keinem  Ritardando  unb 
Crescendo  an,  (beibe  ntdjt  borgefdjrieben)  toetdjeg  big  gur 
Gattung  im  8.  Xact  gunimmt.  S)te  Xacte  41  big  44  be3  erften 
%fytil§>  finb  mit  5unet)tnenbem  Ritardando  üor^utragen,  unb  erft 
in  ber  §meiten  §atftc  be3  45.  £acte3  tritt  ha§>  £embo  mieber 
entfcrjieben  ein.  Vom  20.  Xacte  be§  feiten  %§til§>  finb  bie 
nadjfolgenben  22  Sacte  mit  immer  §unel)menber  ^raft  unb 
Sebfjaftigteit,  fet)r  legato,  unb  babei  im  Vafs  bor^üglid)  au3= 
brudSbotl  au35ufüfjren." 

Vom  bierten  &a§  biefer  ©onate  Reifst  e§: 
„©türmifdj   aufgeregt,  beinahe   bramattfdj,   nrie  bie  ©d)i(= 
berung  irgenb  eine§  ernften  (Sreigniffeä"   u.  f.  \v.    SSie  man 

3L  ©djtnblerS  Sßcct^oüen^SBiogra^^ie.  3g 


—     594     — 

fteljt,  finb  ber  9tnmerlungen  —  tüirffic^  im  (Sinne  $8eetl)0üen'S 
—  nidjt  raenige,  allein  olme  fantnif}  aller  oben  entmidetten 
Setjrfä^e  ttrirb  ber  (Spieler  bamit  bod)  fdjnjerlid)  etmaS  anbetet 
als  eine  SBer^errung  p  <53et)ör  bringen. 

SSom  9tbagio  E  dur  ber  gtoeiten  (Sonate  in  Op.  2  lagt 
(E§ernt): 

„Sn  biefem  51bagio  entroid'elt  fiel)  bereits  bie  romantifdje 
5Rtct)tungf  burd)  bie  23eetl)oöen  fpäter  eine  (SompofitionS=©attung 
fdjuf,  in  ber  bie  Snftrumentalmufif  ftd)  bis  pr  Sftalerei  unb 
$oefie  fteigerte.  @S  ift  nictjt  meljr  btoS  ber  WuSbrud  oon 
@efüt)len,  maS  man  Ijört,  man  fieljt  ©emätbe,  man  t»ört  bie 
©r^ätjlung  öon  Gegebenheiten.  9tber  babei  bleibt  baS  Stonftüd 
aud)  at§  SCRufif  immer  fd)ön  unb  ungezwungen,  unb  jene 
SBirfungen  luerben  immer  in  ben  ©renken  ber  regelmäßigen 
$orm  unb  confequenten  £>urd)füt)rung  erreidjt." 

lieber  baS  Sargo  ber  D  dur  (Sonate,  Op.  10,  baS  bie 
9Mand)olie  in  allen  ü)ren  $ßf)afen  fdjtfbert,  mie  93eetf)oöen  fid) 
geäußert,  madjt  ßjernt)  ganj  befonberS  gu  empfefytenbe  5ln- 
merfungen.  ©r  gibt  folgenben  333tn!:  „23eim  Vortrage  Don 
*£onftüden  biefer  Slrt  genügt  eS  nidjt  fid)  in  bie  geeignete 
©timmung  gu  üerfetjen:  aud)  bie  ginger  unb  §änbe  muffen  mit 
einem  anbern,  fd)tt>ereren  @ett>id)te  bie  SEaftatur  beljanbeln,  als 
bei  muntern,  ober  gctrtitdj  gefüf)fooflen  Sompofitionen  nötljig  ift, 
um  jene  bebeutenbere  21rt  beS  SCon'S  fjeroorpbringen,  bie  ben 
langfameu  ®ang  eines  ernften  Stbagio  gehörig  beleben  fann. 
Sn  biefem  Sargo  muß  aud)  ein  tooljt  berechnetes  RAtardando 
unb  Accelerando  bie  SBirfung  öergrüßern.  (So  §.  23.  ift  bie 
2.  £älfte  [nur?]  beS  23.  SacteS  etmaS  fdjneller  gu  fpielen. 
(£ben  fo  bie  2.  £älfte  beS  27.  unb  ber  28.  £act.  ©ben  fo 
Dom  71.  £act  bis  gum  75.  ein  (Steigern  ber  £ebl)aftigfeit  unb 
ber  ®raft,  bis  beibeS  im  76.  Xact  mieber  gur  früheren  Dxulje 
gurücfferjrt." 

$la&)  23eetl)oüen  ift  ein  nal^u  neunmaliger  SSecljfel  mit 
ber  S3emegung   gur  £>arftet(ung  biefeS  intjaltreidjen  (SatjeS  er* 


—     595     — 

forbertid),  meift  nur  bem  feinen  Df)t  merf6ar.343)  ©a§  §aupt= 
9J?otiü  beljätt  feine  erfte  33eroegung  bei  ber  2Sieberfet)r,  alle 
anbern  unterliegen  ber  SSerättberung  unb  finb  unter  einanber 
fo  öermittett,  mie  e§  bon  beren  ©inn  geboten  roirb. 

$on  (Eart  S^ernt),  ber  fid)  befanntticl)  bom  ©eifrigen  ber 
£onfunft  fo  lüett  entfernt  f)at,  mirb  man  barum  feine  anbere 
Stuffaffung  in  alter  DJtufil;  ermarten  bürfen,  at3  öom  ©tanb= 
buncte  be§  SSirtuofen.  ©r  mar  ja  SSirtuofe  burd)  unb  burd), 
menn  audj  nid)t  in  ber  heutigen  gängtid)  berftadjten  9tid)tung. 
£)a<§fetbe  ©djidfat  mufete  mittjin  aud)  bie  33eetf)oben'fd)e  SD^uftf 
unter  feinen  ^änben  treffen,  obgleid)  er  ben  Sfteifter  fetbft  oft 
gehört,  met)r  nod),  obgleid)  er  in  ben  Vorträgen  ber  $rau 
bon  (Srtmann  gefd)roetgt  unb  biefe  Äunftpriefterin  bei  feinen 
^robuctionen  1818  §ur  SJätgeljütfin  getjabt,  mie  oben  bemerft 
morben.  ©3  liegt  aber  teiber  im  SSefen  ber  SSirtuofität,  aEe§ 
biefer  müfjfam  ermor6enen  ©rrungenfdjaft  unter^uorbnen  unb 
baZ  ©eifrige  burd)  bie  S£ed)nif  erfeien  ju  motten,  ©itetfeit, 
©treben  nad)  lautem  Seifall  öon  ber  Stenge  finb  nod)  bie  be= 
fonberen  Sriebfebern  fotctjer  2Iu§fd)reitungen.  2Bir  fjaben  oben 
bereits  bernommen,  roa§  für  SSerbefferungen  in  SSeetboben'S 
SBerfen  fid)  ber  Jüngling  (S^ernt)  erlaubt  ljat,  mir  bürfen  alfo 

343)  Das  ist  das  echte  goldene  Wort  Beethovens  selbst,  wie  er 
den  freien  Rhythmus  denkt  und  verstanden  wissen  will.  Also  ein 
Tempowechsel  in  verschiedenen  Teilen  eines  und  desselben  Satzes. 
Musterhaft  darin  ist  die  Weisung  für  das  dramatische  Largo  (d-moll) 
in  op.  103.  Schindler  macht  nicht  selten  eine  Karikatur  daraus.  Aber 
der  Rhythmus  ist  etwas  ehern  Festes;  man  erinnere  sich  des  Wortes 
von  Hans  von  Bülow:  „Im  Anfang  war  der  Rhythmus".  Ein  Beet- 
hovensches  Wort  kann  diese  Weisung  unterstützen.  „Religion  und 
Generalbaß  sind  fertige,  in  sich  abgeschlossene  Dinge,  woran  man 
nicht  rütteln  soll!  Man  kann  aber  an  Religion  und  Generalbaß  eher 
rütteln,  als  am  Rhythmus."  Selbst  ein  Beethoven  kann  an  den  rhyth- 
mischen Maßen  nicht  rütteln.  Auch  solch  ein  Geist  kann  nicht  aus 
geschriebenen  Achteln  mit  einem  Male  Sechzehntel  oder  gar  32tel 
machen  wollen.    Solche  Schindlerschen  Dinge  sind  albern. 

A.  d.  H. 
38* 


—     596     — 

gefaxt  fetjn,  fpätert)in  nocb,  tieferen  Eingriffen  in  biefe  SDhtfif 
gu  begegnen.  Unb  bod)  mag  er  baZ  Reifte  in  gutem  ©tauben 
getfjan  fjaben,  it)r  gu  nützen.  —  SöoUte  id)  feine  Sefyre  „über 
ben  richtigen  Vortrag  ber  fämmtticfyen  33eett)ooen'fd)en  9Berfe 
für  ba§  ^ianoforte  altein"  einer  fritifdjen  Prüfung  unterbieten, 
fo  gäbe  bie§  eine  lange  3(bt)anbtung.  (SS  foüen  barum  nur 
einige  ^>uncte  barauS  berührt  merben.  $ür  ben  gebitbeten.  unb 
unbefangenen  SDcufifer  unb  9)cufiffreunb  mirb  bieg  genügenb  fetm. 

SBefanntlid)  l)at  23eett)oüen  bei  bem  erften  ©a$  ber  Cis 
moll  ©onate,  Op.  27,  bie  ?tnmer!ung  gemacht:  „Sempre 
senza  sordiui",  —  b.  f).  ba§>  gange  ©tuet  fotl  mit  gehobenen 
Kämpfern  gefoiett  merben,  ma3  mit  bem  ®nie  gefdjat).  2)a§ 
$ebal  ejiftirte  in  jener  &\t  n0§  nW-  ®*e  fargtonigen 
Glaüiere,  meldje  ba§  gemünfdjte  gortftingen  ber  einfachen  (bem 
§ornttange  ätjntid)  feljn  fotlenben)  9JMobie  nidjt  gutiefeen,  ge= 
boten  biefen  feine§meg$  gmedentfüredjenben  9?ott)bef)etf,  meit 
aße  angeflogenen  £öne  gleichmäßig  mitgesungen,  ©ebitbete 
©pieter  ernannten  bei  ber  fetjon  im  feiten  Satjrgetjenb  er= 
reiften  Xonfütle  jene  ?lnmerfung  für  ftörenb,  unb  gebrausten 
ba$  bereite  oortjanbene  ^ebate  mit  meifer  SJMfjigung.  Sgerntj 
aber,  ber  biefe  SBerbeffernng  be§  Snftrnmentä  alfogleict)  in 
foldjem  Uebermafce  gebrauchte,  loie  fpätertjin  Chopin  in  feinen 
SDtagurfa'ä,  fagt  bei  nod)  größerer  Xonfülle  im  öierten  Sat)r= 
§et)enb  beim  erften  ©at>e  biefer  (Sonate:  „3)a3  öorgejeic^nete 
s£ebat  ift  bei  jeber  SBaBnote  oon  feuern  gu  nehmen."  —  gerner 
begeidmet  93ectt)Oüen  biefen  ©atj  einfad)  mit  Slbagio,  (Sgernt) 
aber  oerbeffert  ben  Slutor  unb  letjrt:  „23ei  bem  üorgegeidjneten 
Alla  breve^act  ift  ba§>  gange  Xonftüd  im  mäßigen  ?tnbante* 
Xemüo  51t  fpieten."  3Md)er  Stbftanb  3mifd)en  9lbagio  unb  Slnbante. 

(Sin   biefem   natje  Oertuaubter  $aH  tritt   fdjon  ein   beim 
brüten  ©at3  ber  ©onate  in  G  dur,  Op.  31 

Rondo.       Allegretto. 


—     597     — 

©er  2Sirtuofen*^äbagoge  commentirt  ben  £onbid)ter  atfo: 
„®a  ba§>  3IIfegretto  alla  breve  ift,  fo  mufj  baS  (tage  bebeutenb 
fdmefl  (Allegro  molto)  oorgetragen  derben."  9ftan  traut  feinen 
Singen  mdjt,  tuenn  man  biefe  5tu3fegung  lieft.  sparte  23eett)oben 
roirf(icf)  einen  fo  &efdjränft*fdjufmeifterifdjen  begriff  öon  Alla 
breve=Xact,  um  ifyn,  ben  %ad  überhaupt,  al§  erfte  -Korm  bei 
Stuffaffung  eines  £onftücfe3  öoranjufteHen,  ntct)t  üietmef)r  beffen 
©^aracter=(Sigentt)ümticE)e§?*)  @r  f eiber  fpiette  biefe$  9ionbo, 
unb  wollte  e3  gezielt  f)aben:  „@emütt)ticr)  eintjergerjenb."  ©er 
gange  ®a£  trägt  ungefähr  ben  (E^aralter  einer  ruhigen  ©r^ä^tung. 

Sn  folctjer  SBeife  erftärt  fiel)  ©jernt)  über  biefe  ^eiligen 
SSerfe,  reict)  an  loaf)r{)after  unb  tiefer  ^ßoefie,  ba§>  größte  Sabfal 
für  jebe§  it)ar)rt)aft  poetifdje  ©emütt)  unter  «Spielern  unb  §örern ! 
SBergleidjt  man  aber  ben  bon  if)m  jebem  ©a|e  beigegebenen 
Metronom  mit  beffen  6§aracter=(5igentpmticf)feit,  fo  erfieljt 
man  erft  bollenbä,  ba^  all'  unb  jeber  ^Begriff  öon  5lbagio, 
SInbante,  SIHegro  u.  f.  f.  au§>  ber  claffifeljen  (Spoctje  über  ben 


*)  SDurdj  23etfe£ung  be§  Alla  breve^acteS  wollte  23eeu>Den  offenbar 
bte  richtige  Bewegung  biefe§  Safceä  ju  erfennen  geben.  —  SSenn  man  im 
Megro^Xempo  anftatt  Xty[\$  unb  2irfi§  öier  SactHjeUe  martirt,  fo  geigt 
ifjr  fd)neHe§  2htfeinanberfolgen  ungefähr  ein  Allegro  assai.  SJcarfirt  man 
im  Kyrie  ber  Missa  solemnis,  ba%  ftd)  jumeift  im  S3iertelnotenton  bewegt, 
cnfiatt  jroei  Dt  er  SEactttjeile,  fo  gibt  e§  fein  „assai  sostenuto",  tt>of)l  aber 
ein  Allegro  moderato,  folglich  einen  anberen  Sbaraüer.  %n  §at)bn'§ 
G£)or:  „®ie  ipimmel  ersähen  bte  ©fjre  ©otteö",  ben  Alla  breve  al§ 
normgebenb  betrachtet,  rotrb  ein  $iefto  ju  böten  fefin.  So  bat  itjn 
9Jienbeilfobn  beim  Weberrljeinifcben  SJcufiffefie  1846  ju  Stadien  »er* 
ftanben,  unb  ben  aus  500  Stimmen  beftebenben  ©efangdjor  im  Sturmfcrjritt 
babingejagt,  —  wie  er  ©leidjeS  fo  rjäufig  ju  tfyun  pflegte.  23eld)  feine 
Unterfdjeibung  gewahrt  man  bagegen  in  ^Beurteilung  ber  3eitntafee  &ei 
8t  93.  SDcarrJ  ©ans  «3^9  bemerft  er  in  feiner  ^ritif  über  33eetboöen'§ 
Sonate  in  As  dur,  Op.  HO,  («Berliner  9Dcufif=3eitung  1824),  bajj  ber  erfte 
Sag  mit  Slbagto  bejeidmet  werben  muffe.  S)er  (Somponift  febreibt: 
Moderato  cantabile.  3>a§  fann  mijjüerftanben  werben  unb  Wirb  e8  in 
ber  9tegel,  weit  ftdtj  bie  Spieler  lebiglid)  an  ben  bet!ömmlid)en  23egriff  be3 
SJcoberato  rjatten,  barunter  gemeinhin  ein  gemäßigtes  SlKegro  oerfianben  rotrb. 


—     598     — 

Raufen  geroorfen  tft.  3)ie  betben  angeführten  <Sä^e  jeigen  bieS 
gur  ©enüge.  §ier  fterjt  man  eine  ber  §auütquetten,  au§  meldjer 
für  bie  S3eett)oben'fcf)e  ßfat>ier*9Jhtftf  fo  großes  $erberben  ge= 
floffen  ift,  weniger  jebocfr,  oermittetft  be3  gefcfjriebenen  2Borte3, 
al3  üietmeljr  be§  inbibibuellen  UnterridjtS. 

(S^ernr/S  ÜDZetronomiftrung  ber  23eetrjot)en'fcf)en  Staötermufif 
füljrt  un£  §u  SD^aeljei'g  £actmafct)ine  gurücf,  bei  meldjer  mir 
ein  fteineä  ©tänbdjen  macrjen  muffen. 

Sn  bem  titerarifcfjen  !?£ad)faffe  oon  Sgna§  öon  Sftofel  in 
2Sien  f)at  ftc£)  ein  23rief  üon  SSeetfjOöen  an  9ttofet  üor= 
gefunben,  ber  in  ber  $amitie  aufbemarjrt  roirb.  Sine  getreue 
3lbfd)rift  baüon  üerbanfe  idj  bem  berftorbenen  2tforj3  $ud)§. 
Ser  Sßorttaut  ift  nadjfterjenber:344) 

„(Suer  SSofjlgeboren!  §er§üct)  freut  midj  biefeI6e  Slnfidjt, 
melcfje  ©ie  mit  mir  trjetfen  in  2Inferjung  ber  nodj  au§  ber 
Barbarei  ber  Sßufif  rjerrürjrenben  S5e§eidjnungen  be3  QtiU 
mafjeg,  benn  nur  3.  93.  roa§  fann  miberfinniger  ferjin  afe 
9IEegro,  roeldjeä  bodj  ein  für  altemal  luftig  rjeifet,  unb  mie 
meit  entfernt  finb  mir  oft  öon  biefem  begriff  biefeä  3e^mQfee^ 
fo  hüfa  ba3  ©tüd:  felbfi  ba§  ©egentrjeil  ber  93e5eid)nung  fyatl*) 

2Ba<§  bie  öier  §auptberaegungen  betrifft,  bie  aber  bei  SBcitem 
bie  SBaljrljeit  ober  9ftcfjtigfeit  ber  Oier  §auptroinbe  nicljt  f)aben, 
fo  geben  mir  fte  gern  t)inban,  ein  anbereS  ift  e§  mit  ben  ben 
(Srjararter  beS  ©tücfeä  bejeicljnenben  Söörtern,  fotctje  fönneu  mir 
nidjt  aufgeben,  ba  ber  £act  cigenttid)  meljr  ber  Körper  ift, 
biefe  aber  fcfjon  felbft  Se^ug  auf  ben  ©eift  be3  ©tücfeö  fjaben.**) 


*)  Ser  Reiftet  meint  mit  bem  „©egentfjeil"  (Smft,  23ürbe,  ßr  = 
fiabenfieit. 

**)  SSenn  ein  SSett  Don  33eetfiouen  3111  Sluffü^rung  gefommen,  fo 
mar  feine  erfie  ^rage  au^eit:  „2Bie  waren  bie  Sempi?"  StüeS  Slnbere 
festen  ibm  feconbärer  3lrt  ju  fetjn. 

344)  Vgl.  diesen  Brief  an  v.  Mosel  nebst  Erläuterungen  in  B.  S. 
Br.  No.  663  (III.  Band).  Andere  wichtige  Gründe  veranlaßten  mich, 
den  Brief  dem  Jahre  1817  zu  belassen.     Siehe  dort.  A.  d.  H. 


—     599     — 

—  2Sa3  midj  angebt,  fo  l)abe  id)  fd)on  lange  barauf  gebaut, 
biefe  miberfinnigen  Benennungen:  Megro,  ?lnbante,  2(bagio, 
Sßrefto,  aufzugeben,  äJfaefael'ä  Sföetronom  gibt  un§  fjiegu  bie 
befte  (Gelegenheit  —  ict)  gebe  Stjnen  mein  SB  ort  fjier,  ba^  ict) 
fte  in  allen  meinen  ßompofitionen  nicfjt  met)r  gebrauchen 
merbe.  —  (Sine  anbere  $rage  ift  &,  ob  mir  tjieburct)  bie  fo 
nötf)ige  5lllgemeint)eit  be3  Sftetronomä  begiueden  werben,  id) 
glaube  faum!  SDafj  man  un3  aber  für  3w^n9^erren  augö 
fdjreien  mirb,  baran  ^meifle  id)  nicfjt,  märe  nur  ber  ©ad)e  fetbft 
bamit  gebient,  fo  märe  e£  nod)  immer  beffer,  aU  un3  be3 
$eubali<omu3  §u  befdmtbigen. 

S)al)er  glaube  id),  ba3  befte  fei),  befonberö  für  unfere  Sänber, 
mo  einmal  Wn\it  9?ationaU25ebürfni^  gemorben,  unb  jebem 
£>orffd)ulmeifter  ber  ©ebraud)  be£  9Jcetrouom3  geförbert  merben 
mujj,  büfj  DJ^ael^el  eine  gelniffe  5tn§at)t  Metronome  mit  $rä= 
numeration  fudje  anzubringen  gu  rjoEjeren  greifen,  unb  fobalb  biefe 
3af)l  iljn  bed't,  fo  mirb  er  im  ©tanbe  feljtt  bie  übrigen  nötigen 
SJietronome  für  ba§  muficalifdje  9cational=BebürfniJ3  fo  morjtfeit 
§u  geben,  bafe  mir  fidjer  bie  größte  2Ittgemeint)eit  unb  Ber= 
breitung  baoon  ermarten  fönnen.  —  @3  oerfteljt  fid)  öon  felbft, 
bafj  fid)  einige  hierbei  an  bie  ©pitje  ftellen  muffen,  ma§  an  mir 
liegt,  fo  fonnen  ©ie  fidjer  auf  mid)  redjnen,  unb  mit  Vergnügen 
erroarte  idj  ben  Soften,  meldten  ©ie  mir  rjierbei  anmeifen 
merben." 

2)ie  Stbfdjrift  biefe§  Briefes  trägt  bie  3af)re^al)t  1817; 
offenbar  ein  Srrtljum  burd)  frembe  §anb  entftanben.  Belannt= 
lid)  mar  eS  bei  unferm  9fteifter  ©erool)nt)eit,  feinen  Briefen  nur 
feiten  bie  Sarjre^aljl  bei^ufe^en,  roaö  in  §infid)t  auf  ©id)erl)eit 
ber  £>aten  ju  bebauern,  mie  üorfteljenber  gaU  ^eigt.  Unbe^meifelt 
batirt  er  um  mehrere  Safyre  gurüd,  alö  ber  SDtafter  nod)  für 
WaäftVä  Sactmeffer  fcfjroärmte  unb  aud)  nod)  öolt  öftreid)tfd)= 
patriotifdjer  ©efinnungen  geioefen.  ®er  fünfzehnte  Saljrgang 
ber  21Ug.  SDhif.  ßtg.,  ©.  785,  ermähnt  einer  öon  ©alieri, 
Beetljoüen,     SSeigl,    u.    51.    ausgegangenen    (Srftärung     über 


—     600     — 

bie  Sftütjtidjfeit  be§  SOtactgerfc^en  9)?etronom'§,  bort  aber  Chrono* 
meter  genannt.  S)ie§  gibt  @runb,  obigen  93rief  au§>  bem  ^atjre 
1813  ju  batiren.  ©in  anberer  ©rnnb  für  btefe  ?lnnat)ine 
finbet  fidj  in  bei*  Söefeitigung  ber  itafienifdjen  Xembo=$8e3eid)= 
nungen  in  ben  nädjftentftanbenen  ©onaten  Op.  90  unb  Op.  101, 
barin  jeber  ©afc  bie  iljtn  gu!ommeitbc  SBemegung  nebft  SBinfen 
über  beffen  CHjarafteriftif  mir  mit  beutfdjen  Porten  ertjaltcn 
fjat.  ©o  tragen  §.  23.  bie  bier  ©ätje  ber  te|teren  ©onate 
folgenbe  lieber jdjriften:  1.  „@tma§  lebhaft,  unb  mit  ber  innigften 
©mbfinbung."  2.  „Sebfyaft,  marfcfjmäjjig."  3.  „Sangfam  unb 
fetjnfudjtöboll."  4.  „©efdmn'nb,  bodj  nid)t  §u  fet)r  unb  mit 
@ntfd)(offent)eit."  —  S)ie  bem  1.  unb  3.  ©a|e  überbieg  nod) 
(im  ^frewtbeSfretfe)  beigegebene  6f)ara?ter=Se5eid)nung  „STräu* 
merifdje  (Smbfinbungen"  mirb  ber  richtigen  Huffaffung  nod) 
befonber§  gut  gu  ©tatten  tommen. 

üftur  gu  batb  mürben  (Sinroenbungen  gegen  btefe  Uo§>  in 
beutfdjer  ©bradje  beigefettfe  £embo=33egeidmung  bon  engtifdjen 
Verlegern  laut.  Slber  felbft  bie  beutfdj  gegebene  erroie§  fict) 
alSbatb  nid)t  minber  unfidjer  unb  bage,  mie  bie  italienifdje. 
25eett)Oben  fat)  fid)  baljet  fdjon  in  ben  beiben  ©onaten,  Op.  102, 
gur  Beibehaltung  „ber  nod)  au§  ber  Barbarei  ber  9ftufif  f)er* 
rütjrenben  93egeidutungen  be§  .ßeitmakeS"  beranket. 

Sn  ipinfid)t  auf  ba§  ©efdjidjtfidje  be§  9#äfgel'fd)en  9Mro= 
nom'3  mufj  aber  in  Erinnerung  gebradjt  merben,  bafj  e3  5m ei 
mefenttid)  bon  einanber  abmeidjenbe  Sonftructionen  gibt.  S)ie 
erfte  geigt  eine  ^3t)ramibe  bon  §roölf  30II  £>öt)e,  mit  einem 
auf  ber  SSorberfeite  bon  Stufjen  ^angenben  Sßenbet  gur  (Srmitt- 
(ung  ber  roageredjten  ©teflung.  3U  fixerer  @rreid)ung  biefe§ 
ßmedeS  befinbet  fid)  nod)  an  einem  ber  borbern  2)rat)tfüf$e 
eine  ©djraube.  ?(uf  bem  btedjernen  ©c^ilbe  tieft  man  bie 
girma  ^Dtaetger  ncbft  ber  Sat)re^at)(  1815.  2)ie  ^Senbetfäule 
geigt  nur  ßatjlen  bon  50  bi§  einfdjtiefjtid)  160.*)  —  ©e§ 
tjofjen  $oftenbreife§  megen  (brei  SouiSb'or  ber  ©tüd)  fanb  biefe 
ßonftruction  nur  fetjr  geringe  S5ead)tung  in  £)eutfd)tanb.    2)er 


—     601     — 

SBerfertiger  fdjeint  23eetljoben'§  patriotifdje  ©eftnnung  nidjt 
gehabt  ju  Ijaben.  Sdjon  um  bie  gtoangtger  Safjre  liefe  ber  in 
$ari§  mot)nt)afte  SD^aelget  bon  feinem  33ruber  in  SSten  bie 
9J?afdj)ine  in  berHeinertem  3Kafefta6  —  ungefähr  actjt  3°ß 
b,od) —  für  £)eutfd)(anb  anfertigen,  mobon  ba§>  Stüd  gu  einem 
Soui§b'or  abgegeben  mürbe.  SDie  ^enbetfäufe  geigt  eine  3a^en= 
auSbetjnung  bon  40  bi§  208.  Slbtoeidjmigen  biefer  berfteinerten 
bon  ber  urfprüngtidjen  (Eonftruction  Ratten  aber  bamal§  fdjon 
SBeranfaffung  gu  klagen  gegeben,  meit  bie  Sempi  ftdj  nidjt  mefyr 
genau  beftimmen  liefen  oljne  Sßeifatj,  nadj  metdjer  ber  beiben 
(Sonftructionen  bie  9J?etronomiftrung  ftattgefunben. 

2tn  borftetjenbe  Sfjatfadjen  foH  fidj  bie  für  un3  nict)t  minber 
bebeutfame  anfd)tiefeen,  ba$  S3eet§oben  bie  metronomifcfje  SSegeidj* 
nung  feiner  Sinfonien  in  allen  Sä|en  nadj  ber  erften  Son= 
ftruction  ber  9fta[d)ine  gemacht  fyat  £)iefelbe  befinbet  fid)  im 
neunzehnten  Safogange  (1817)  ber  Stffg.  ÜKuf.  ßtg.  Seite  873. 
SSßeldje  ©ettung  fte  bei  (Srfdjeinen  ber  gtoeiten  ßonftruction 
nod)  behalten  tonnte,  ergibt  ficf)  bon  felbft.  2£u§  biefem  ©runbe 
enthält  bie  im  3.  Satyrgetjenb  bei  Steiner  u.  Somp.  erfdjienene 
Partitur  bon  ber  A  dur= (Sinfonie  meift  abmeidjenbe  metro* 
nomifctje  £empo=2Seftimmungen  —  bon  be§  9iutor§  £>anb.  Sie 
finb  nad)  ber  fteinen  Sftafcfjine  gemalt  unb  geigen  burdnoeg 
tangfamere  Sßemegungen.  2)a§  betoeifet,  bajj  bie  gteidje  Qafy 
auf  ben  beiben  ^enbetfäufen  nidjt  nur  nidjt  übereingeftimmt, 
fonbern  bermittetft  ber  fleinen  SJtafdjine  meift  biet  fcrjnettere 
25etoegungen  angegeben  morben.  Sollten  biefe  Umftänbe  Ttictjt 
§ur  ^Beantwortung  ber  fo  oft  lautgemorbenen  $raSe  bienen, 
totäfyaib  23eett)oben  ben  Metronom  unbenutzt  getaffen?  Sn  ber 
Xtjat  finben  fid)  nur  gmei  SSerfe  bon  iljm  fetber  metronomifirt, 


*)  (Sin   mofjIerftalteneS   Gfemplat   ber    erften   Gonftructton   fanb   ber 
SSerfaffer  bei  bem  £of=£>pernfänger  Sromolini  in  ©armftabt. 345) 

345)  Über  diesen  Opernsänger  enthüllen  die  Tagesblätter 
neuester  Zeit  (1909)  Mitteilungen  über  seinen  interessanten  Verkehr 
mit  Beethoven.  A.  d.  H. 


—     602     — 

unb  ätuar  bie  große  Sonate,  Op.  106,  auf  au§brüdlid)en  SSunfrf) 
oon  9?ie3  für  bie  Sonboner  Sluggabe,  bann  nod)  bie  9.  Sinfonie 
jufolge  3Bunfdje§  ber  23erlag§rjanblung  Sdjott  in  ÜJtoing  unb 
ber  *ßtjilt)armonifd)en  ©efellfdjaft  in  Sonbon.  Sin  letzteres?  @e- 
fdjäft  fnüüft  ftcf)  ein  SBorfatf,  ber  be§  SWeifterä  geringe  2Bert§= 
fdjätjung  be£  9ftetronom§  flar  unb  beutlidj  geigt.  (Sr  er« 
fudjte  mid),  bie  einige  Sage  borget  für  SJcaing  gemadjte 
ötotirung  für  Sonbon  gu  copiren,  allein  biefe  mar  üerlegt 
unb  liefe  fid)  nid)t  auffinben.  £>ie  Slbfenbung  brängte,  er 
mußte  fid)  bemnacfj  §u  abermaliger  üßornarjme  biefeS  unan= 
genehmen  ©efdjäftö  bequemen.  Stber  fiet)e,  !aum  mar  bie  SIrbeit 
getfjan,  als  id)  bie  frühere  üftotirung  auffanb.  @in  ^erg(eid) 
geigte  bie  SIbroeidjung  be£  3e^maBe^  bei  allen  ©ätjen.  £)a  rief 
ber  äßeiftet  üoll  Unroillen  au§:  ,,©ar  fein  Metronom! 
Söer  rid)tige£  ©efüfyl  rjat,  braudjt  it)n  nid)t,  unb  mer 
ba$  nid)t  l)at,  bem  nü|t  er  bod)  nid)ts,  ber  lauft  bod) 
mit  bem  gangen  Drdjefter  baOon!"*) 

Sn  ben  früheren  Sluflagen  biefer  Sdjrift  tjat  ber  SBerfaffcr 
einen  augenfcrjeinlicfjen  33eroei3  Oon  SSerroirrung  ber  begriffe  im 
^uncte  Sluffaffung  ber  Seetfjoöenfdjen  Glaoiec=28erre  bamit 
geliefert,  inbem  er  einige  au8  ber  Sonboner  Slu§gabe  mit 
ätfetronomifirung  öon  9)?ofd)ele<§  neben  biefelben  SBerfe  au<§ 
§a§linger'ö  Verlag  mit  9J£etronomifirung  üon  einem  lln= 
genannten  geftetlt  Ijat.  Slber  (£.  Ggernt)  t)at  auefj  eine  9J?etro= 
nomifirung  aller  (Sonaten  be£  SO?eifter§  in  feiner  Glauier=Sdmle 
gegeben,  roeldje  im  Verlage  Oon  2)iabelli  erfdjienen  ift.  ®iefe 
öffigin  liegt  auf  ber  SSeftfeite  be§  ©rabenS  in  SSien,  roäfirenb 
bie  §a§linger'fd)e  ettoa3  fd)räge  gegenüber  auf  ber  Oftfeite  fid) 
befinber.  So  meit  aber  Oft  unb  siÖeft  au^einanber  liegen,  fo 
rceit  geljen  bie  au3  beiben  Offtginen  ausgegangenen  Sftetro« 
nomifirungen  au3einanber.  SSetdje  oon  beiben  ift  bie  richtige, 
im  roarjrt)aft  getreuen  Sinne  be§  SIutor§?     Ggernt;  nimmt  für 


*)  6iel)e  fcorftefjenb  (£.  W.  Don  SSebet'S  iöemerfung  über  ben  Metronom. 


—     603     — 

bie  SBaljrfjaftigfeit  feiner  Slngabe  bie  ßuftucfjt  gur  Srabition, 
unb  barf  bie§  afö  ßeitgenoffe  23eetrjOüen'j§  unbebenflid)  tf)un. 
Mein  feine  £empo=sJ(ngaben  geigen  im  $ergteidje  mit  ben 
§a§(inger'fd)en  t)äufig  entfdjiebenen  Sßaljnfinn,  nnb  fielen  in 
meitefter  Entfernung  öon  ber  Srabition.  Sin  fpredjenber 
33etuei§,  in  metcf/  fyoljem  ©rabe  bie  Erinnerung  in  bem  mit 
adjtrjunbert  eigenen  SSerfen  angefüllten  Stopfe  bei 
Gäernrj  in  Sßerroirrung  geraden.  —  ©eit  biefen  fignalifirten 
Saaten  gmeier  ^orrjprjäen  im  9}irtuofen=©efd)ted)te,  9J?ofcrjete3 
unb  (S^ernt),  finb  nod)  9ttetronomifirungen  ber  SSeetrjoöen'fdjen 
ßlaöiermufif  in  9ftenge  öeröffenttidjt  morben,  forootjl  in  ben 
öerfdjiebenen  2Tu§gaben  ber  SBerfe,  mie  in  muficatifdjen  $eit= 
fünften.  £>ie  bamit  befunbete  3Serfcrjiebent)eit  ber  Slnfcrjauungen 
läf^t  ftcf)  in  parallele  ftellen  mit  ber  SBerfcrjiebenrjeit  ber 
Drd)efter=©timmung,  öon  roetdjer  bie  jur  geftftellung  einer 
Format =©timmung  gu  ?ßax\§>  niebergefefjte  ßommiffion  im 
äßonat  $ebruar  biefe§  Saljrä  ber  Sttufifoett  faft  ungtaub= 
ticfje  SBeifpiele  üorgetegt  Ijat.  ©cfjranfenlofeS  üftadjmacfjen  be§ 
SJtaet^et'fctjen  9)2etronom§  ofjne  ßontrote  in  aüen  Säubern  Ijat 
bie  Unfidjerfjeit  ber  9DZafd)ine  nod)  üermeljrt,  bemnad)  öoE= 
fommen  nutjtoä  gemacht.346) 

2)iefe  ©aten  merben  genügen,  um  bie  STopograpljie  be§ 
muficalifdjen  Q3abet3  in  Söejug  auf  23eetfjot>en'6  ©(aöiermerte 
redjt  anfrfjaufict)  §u  madjen  unb  bor  allen  9#etronomifirungen 
5U  roarnen.  S)iefe  ©bifobe  fdjlieftenb  barf  toorjt  nod)  gefragt 
merben:  ift  morjt  bie  23eetIjoben'fd)e  St'ammer^ufif:  überhaupt 
megen  itjrer  befonberen  Eigentljümtidjfeiten  geeignet  metronomifirt 
5U  merben?  unb  berrätrj  nicfjt  berjenige,  ber  gu  biefem  ©efdjäfte 
bie  §anb  bietet,  botlftänbige  ilnfenntnijs  biefer  ©igentrjümlid)= 
feiten,  ja,  fogar  jebe§  fjötjeren  ^Begriffes  oon  muficatifcfjer 
Erjaratteriftif?  — 

346)  Diese  Bemerkungen  über  die  Verschiedenheiten  bei  metro- 
nomischen  Bestimmungen  derselben  Werke  sind  besonders  beachtens- 
wert. A.  d.  H. 


—     604     — 

35ebor  mir  ba%  mit  gemeinfcfjtötidjen  Srrtf)ümern  tiermifcfjte 
SBtrfen  S^ernr/ö  in  S3eetf)oöen'§  Gfaöiermuftf:  gan§  au3  bem 
©eftd)t§freife  öertieren,  um  un3  bem  SJBirfen  in  gleicher 
©p^äre  öon  Sebenben  ju^umenben,  muffen  mir  nocf)  eine§ 
<5inne3=  unb  STfyatöermanbten  öon  iljm  gebenden,  ber  nid)t 
minber  SSirtuofe  tote  er,  audj  nidjt  minber  in  bem  ©tauben 
befangen  mar,  burd)  3(enberungen  biefer  9J?uftf  ju  nützen. 
($>3  ift  bie§  fein  anberer  aU  gerbin  an  b  9ftie§,  ber  fid> 
rühmen  burfte  in  ber  Äunft  be§  $ianoforte=©öiet§  (Schüler 
öon  Söeetfyoüen  ju  fet)n.  ©er  Unterfdjieb  jtüift^en  biefen  beiben 
SSirtuofen  (batS  SSort  im  befferen  (Sinne)  liegt  bto§  barin, 
bafj  ©gerat)  fein  Xljun  Satyre  tjinburd)  unter  bun  klugen  beS 
Stonbictjterö  öractifd),  nadj  beffen  £obe  aber  tfjeoretifdj  oerübt, 
motjingegen  9fte§  in  Sonbon  unb  anbern  Orten  fein  SSefenntnift 
in  2kett)oöen'3  9J?ufif  mit  ber  Semerfung  abgelegt,  feine 
5Ienberungen  g  e  f  d)  ä  f)  e  n  im  (Sinüerftänbnifj  mit 
bem  Sfteifter.  Sn  einem  ^Suncte  jebod)  befielt  bei  Seiben 
eine  übereinftimmenbe  2(et)nlid)Mt,  unb  jmar:  je  meljr  jeber 
bon  itjnen  fe(bftfd)öüferifd)  glänzen  mottle  unb,  um  biefeä  im 
üotten  äftafje  gu  erreichen,  fid)  ber  neuen  9tid)tung  anfdjtiefjen 
mufjte,  befto  mefjr  t)atte  er  ftd)  öon  bem  ctaffifdjen  $orbilbe 
entfernt.  Reiben  erging  e§  ungefähr  mie  ber  bübenben  Shmft 
in  grcmfretd)  feit  Submig  XIV.  big  um  bie  SKttte  be§  ad)t= 
getjnten  8aljrf)unbert§:  je  meiter  fid)  biefe  com  ©tubium  ber 
3lnti!e  entfernt  unb  nur  bem  äußern  Sffect  fyutbigte,  befto 
fdjneller  ift  fie  in  mibrige  Lanier  unb  ifyeatratifdje  tleber= 
treibung  geraden,  6i§  S)aöib  fie  mieber  gur  Slntife  surüd= 
geführt  t)at.  —  Söie  ftet)t  e§  mot)(  tjeute  fc^on  um  bie  fo  ge= 
nannten  Originat=(£omüofitionen  üon  (S^ernt)347)  unb  $Rie§!?S4S) 


347)  Nein!  Carl  Czerny  gilt  auch  heute  noch  als  einer  der  ge- 
suchtesten theoretischen  Klavierpädagogen,  als  Klaviertechniker  par 
excellence.  Ohne  Czerny  auch  gegenwärtig  kein  Klaviermeister.  — 
Hier  hat  Schindler  wieder  weit  übers  Ziel  geschossen.       A.  d.  H. 

348)  Neudruck  (Schindler)  mit  der  vermißten  Stelle  S.  181.    A.  d.  H. 


—     605     — 

3SaS  Wirb  trtofjt  nad)  ^erjn  Sagten  fid)  nod)  bation  am  Seben 
erhalten  Ijaben?  ÜtieS  rjat  an  200  folcfjer  SBerfe  tieröffentlidjt, 
unb  5toar  in  allen  (Gattungen  muficalifcfjer  (Somtiofition. 

Sd)on  im  Vorwort  warb  bemerft,  bafc  jmifdjen  23eetrjotien 
unb  9fteS  im  Saufe  ber  Saljre  SSerftimmung  unb  Spannung 
auS  mancherlei  ©rünben  eingetreten;  eS  würbe  bort  gezeigt, 
in  Welcher  5$eife  fid)  in  letzterem  ber  ©roll  gegen  93eett)ot»en 
bi§  an  fein  SebenSenbe  erhalten  rjatte.  3sn  ber  3.  ^ßeriobe 
warb  ber  (Störung  biefeS  freunbfct)aftlicr)en  23errjättniffeS  bloS 
tiorübergefjenb  erwäfjnt,  Weil  ber  Ort  ntctjt  ber  geeignete  fcfjien 
auf  5tuSeinanberfet3ung  ber  ©fünbe  einjugeljen.  Geeigneter 
Wirb  eS  nunmeljr  ferjn,  gumal  baS  eben  gefdjilberte  Sötrfen 
(Säernr/S  barauf  t)infüt)rt  unb  baS  betreffenbe  gum  großen 
Sttjeil  muficatifdjer  Statur  ift.  2)iefe  obwaltenben  ®inge  fjaben 
neben  bem  funftrjiftorifdjen  noefj  ein  cutturrjiftorifdjeS  ©etmdjt, 
wenn  man  in  letzterer  §infid)t  baS  tion  3>at)r  $u  iyafjr  im 
publicum  fid)  geminberte  öntereffe  an  SSeetrjotien'S  tieffter 
^ßoefie  in  (Srwägung  jiefjt  unb  weif3,  bafe  fdjon  gu  Stnfang 
beS  3.  Saljr^e^enbS  bie  (Staüiermuftf  faft  gänglicl)  in  bie 
9htmtielrammer  gelegt  mar;  Wenn  man  ferner  ben  Umftanb 
nidjt  für  geringfügig  betrachten  Will,  jWei  begabte  ^ünfiler 
tion  Sebeutung,  bie  beibe  merjr  ober  Weniger  in  unmittelbarer 
9cäf)e  beS  SonbicljterS  gelebt,  als  Sßerbefferer  biefer  ewigen 
Monumente  auftreten  §u  febjen,  anftatt  mit  ferutiulofer  ©ewiffen* 
fjaftigfeit  an  bem  Gegebenen  feftju^alten  unb  eS  als  getreue 
21tioftet  auf  tiractifcfjem  3Bege  weiter  §u  tierbreiten.  3U  allem 
bem  nod)  finb  biefe  obwaltenben  S)inge  in  SSeäierjung  auf 
Seetfjotien  unb  9tieS  tion  befonberS  djaracterifttfdjem 
SSeigef cfjmad,  auS  biefem  ©runbe  Wirb  ein  offenes  3)ar= 
legen  beS  gactifdjen  faft  geboten.  (SS  erforbert  aber  genaue 
Socalfenntnifs,  gumal  SRieS  in  feinen  ü^ot^en  biefe  £)inge  in 
ber  §autitfadje  umgebt  unb  nur  erraten  läfct,  aud)  bie  bort 
abgebrudten  Briefe  tion  23eetf)otien  an  itjn  ben  Seurtljeiler 
irreleiten  tonnen. 


—     606     — 

@§  ift  eben  fo  natürlich  a(3  töblict),  tafa  33eetl)oben  Bei 
bem  33eforgnife  erregenben  3uftanoe  feinet  ($et)ör£>  bebad)t 
war,  fid)  in  [einem  ©djüter  9fe  eine  fräftige  ©tü£e  für  bie 
(Slabier=2öerfe  nid)t  nur  §u  bitben,  fonbern  it)n  and)  für 
längere  3e^  Q^>  dufter  tjierin  gu  erhalten.  511lein,  je  mefjr 
ber  ©ctjüler,  (ber  bom  15.  6iS  gum  21.  £eben§jafir  bei  Söeetfjoben 
geWefen)  fid)  beftrebt  ijatte,  fein  eigenes  compofttorifd)es'  £id)t 
(eud)ten  gu  laffen  unb  ber  neuen  9\id)tung  gu  fjulbigen,  bie 
auf  geiftigen  ©etjatt  ber  <Sd)öbfungen  wenig,  ferjr  biet  aber 
auf  brillante  unb  im  formellen  abgeglättete  Strbeit  reftectirte, 
befto  früher  nutzte  es"  bei  ifjm  bafjin  fommen,  bafe  it)m  bie 
Xonbidjtungen  feines"  SefjrerS  in  itjrer  Wat)rt)aften  (£igentf)üm= 
fidjfeit  immer  ferner  unb  ferner  gerüdt  finb.  S3eben!t  man, 
wie  bietet  unb  wie  bietertei  er  atSbalb  brobttcirt  tjat,  fo 
tonnte  ifjm  unmögtid)  $eit  für  SBerfe  Ruberer  übrig  bleiben, 
nidjt  minber  aud)  für  bie  feines1  SetjrerS.  2)ie  erfte  9fatd)rid)t, 
Wie  Wenig  SfreS  für  feine  9#ufit  in  Sonbon  tljue,  unb, 
wenn  er  öffentlich  ober  in  ^ßribatf reifen  bamit  auftrete,  wetdje 
Henberungen  unb  SSeglaffungen  ganger  ©ä|e  in  (Sonaten 
unb  ^rio'§  er  ftd)  erlaube,  fam  bem  9J?eifter  um  1814 
fdjon  bon  feinem  greunbe  ©alomon.  $u  Einfang  ber 
brüten  Sßeriobe  erfctjien  in  SBien  ber  un§  bereits  belannte 
Souboner  fiünftter  Startes  91  täte,  unb  beftätigte  ba§> 
bon  ©alomon  ©emetbete.  (Sin  (SteidjeS  trjat  ber  um  1817 
nad)  3Sien  gekommene  Sonboner  ^ünftler  (Etybrian  ^ßotter. 
(£§  begreift  fid),  bafe  biefe  übereinftimmenben  üftadjridjten  bei 
23eetf)oben  böfeS  SSlut  erzeugt  tjaben.  ©ort  aber  liegen  bie 
erften  llrfadjen,  bie  fbäterljin  gu  immer  lauter  Werbenben 
Magen  über  feinen  ©djüler  unb  greunb  geführt  Ijaben.  Sßtdjt 
gu  loben  ift  93eetl)oben'§  gängtidjes'  5>erfd)Weigen  be§  35er= 
nommenen  gegen  dlk§>,  Wol)t  aber  liefe  er  feinen  Säbel  über 
beffen  Slmn  in  Qu.\$dftm  an  3Iubere  laut  werben,  toa$ 
erfteren  beriefen  fonnte  unb  WirtTict)  berieft  l)at.  £)er  SBcrfaffcr 
weife  bieS  au»  9fe'  9#unbe. 


—     607     — 

2lu§  folgen  Anfängen  entmidelten  fid)  roeiterljin  ©rünbe 
§u  gegenseitiger  Sßerftimmung  unb  (Spannung,  diejenigen 
®unftlerjrer,  roetdje  mit  ärjnlidjen  Srroartungen  ©cfjüler  gebilbet, 
bafj  biefe  einft  bie  ©tütje  einer  großen  ©acfje  roerben  mürben 
nnb  ifjre  STäufdjung  nod)  erlebt  rjaben,  roerben  biefe  ©rünbe 
am  beften  $u  tarjren  roiffen. 

Slud)  ben  beatmen  SBereljrem  $eetl)oüen'§  fjat  fiel)  9^ic§ 
burd)  fein  Sßerfarjren  mit  beffen  9Jiufif,  be<?gteidjen  burd)  feine 
fritifdjen  Anmerkungen  barü6er,  an  oerfd)iebenen  Orten  6e* 
!annt  gemalt.  Sn  teuerer  Söegieljung  fjatte  er  1830  mit 
Subroig  53erger  in  Berlin  einen  fjarten  ©traufe  §u  befielen, 
mie  bem  SSerfaffcr  bort  bem  baran  Strjeit  genommenen  $ßrof. 
®et)n  berftdjert  roorben.  Unter  anbern  tabelte  9iie§  in  ber 
(Sonate  „Les  Adieux"  Op.  81,  bie  ©teile  gegen  ben  ©djfufe 
be3  erften  9lHegro*@a§e3,  in  meldjer  bie  Konica*  unb  £)omi= 
nate=§armonie  §ufammenf(ingen,  tootnit  ungefähr  ba§  letzte 
Seberoorjt  jttrifdjen  bm  bon  einanber  ©djeibenben  au§  gemiffer 
(Entfernung  auSgebrüdt  mirb;  eine  ©teile,  bie  rjinficfjttid)  be§ 
befonberS  ©igenttjümlidjett  in  aller  9ttufif  roofjl  fdjroerttd)  ifjre§ 
©leiten  ftnben  bürfte  unb  im  Vortrage  bie  größtmögtic^fte 
3artt)eit  erforbert,  foll  fie  burd)  it)r  grembartige§  nietjt  un= 
angenehm  mirfen.     (£3  ift  nacfjfterjenbe : 


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©iefelbe  ftang  bem  9tie§'fdjen  Dt)r  nicfjt  minber  „abfcfjeulid)", 
mie  einften§  ber  au§  ber  $erne  ertönenbe  Jjpornruf  bor  9Sie= 
bereintritt  be§  §aubtmotib'<§  im  gmeiten  Strjeil  ber  Sinfonia 
eroiea.  ©er  fdjarfe  ©ialectifer  ©erger  aber  foH  ben  Stabler 
fdjonung§lo§  befämbft   t)aben.    Um  nod)  eine3  gaHeö  ^u   er= 


—     608     — 

tonnen  fet)  auf  bie  SEBeglaffung  eine3  STfjeiB  au§  bem  5Ibagio 
ber  9.  ©infame  bei  ber  Sluffüljrung  am  üftieberrfyeinifdjen 
Söcitfiffefte  1825  gu  s#ad)en  fjingeroiefen,  tote  e§  bie  geftridjenen 
Crd)efter=Stimmen  bezeugen.  3m  Stilgemeinen  t)atte  e§  ^ieS 
auf  bie  Slbagto'S  abgeben;  faft  alle  maren  itjm  ju  lang 
au<Sgefponnen.  ($)enfel6en  Stabe!  über  bie  Stbagio'ö  führte 
6.  Wl.  Don  s-föeber  im  SKunbe.)  Seiber  fe^tte  bei  9üe3  ba§ 
©efüljt  für  Xtefe,  unb  fein  fteineS  «Spiet  ba^u,  mie  märe  e§ 
itjm  mög(id)  gemorben,  bie  großartigen  Gtjaratterbitber  in 
S3eettjoüen'ö  SWufif  richtig  auf juf äffen  unb  in  baä  gehörige 
Sidjt  5U  ftetten.*) 

ßu  Anfang  ber  gmanjiger  Satjre  tjatte  ficf)  aber  nod)  ein 
anberer  großer  Stein  groifdjen  Sefyrer  unb  Sc£)üter  gelegt,  ber 
bem  beiberfeitigen  ©rotl  üftafjrung  gegeben  unb  burcfj  nid)t» 
meijr  5U  befeitigen  gemefen.  Sd)on  1816  tjatte  Q3eett)Oüen 
Stieg  aufgeforbert,  Ujm  „ma§  £üd)tige§"  $a  bebiciren,  morauf 
benn  ber  93ceifter  aud)  antroorten  merbe  unb  ©teidjeS  mit 
®(eid)em  üergetten.**)    Sn  einem  ©riefe  üom  6.  Stpril  1822 


*)  Sie  in  Sd)tÜmg§  Gncrjriopäbie  enthaltene  Gfiarafterifiif  ber  9tie3'fd)en 
(Xompofitionen  vermag  ba§>  2lngefüt)rte  ju  erhärten.  @3  Reifet  bort:  „$er 
Grnft  einer  93eett)0Den'fd)en  «Sdjufe  ift  atterbingS  ntctjt  barin  §u  üerfennen, 
aber  an  Siefe  erreichen  fie  biefelben  bei  weitem  nict)t,  wie  fie  benn  aud), 
tüa§  SInmutb,  unb  lüJannigfaltigfeit  in  ber  S3ef)anbluna.  be<§  SnftrumentS 
betrifft,  felbft  nod)  hinter  ben  Werfen  eine§  Sufjef  äurüdbteiben.  9lud)  auf 
ben  ©lanj  ber  mobernen  Spielart  eineS  Rummel,  SKofdjeleS,  Salfbrenner 
fönnen  fie  nidjt  Stnfprud)  madjen.  ©od)  galten  fie  eine  gebiegene  2Jiitte, 
ftaben  ein  große§  publicum  für  ftd)  unb  eben  beSfjalb  aui)  in  ber  SSelt 
unb  namentlich  in  Gnglanb  ba£  enorme  ©lud  gemacht.  SRan  barf  wob,! 
fagen,  bah  9?ie§  bei  feinen  Gompofitionen  biefe  Grfolge  ftet§  im  Stuge  ijat. 
(5r  greift  nie  tiefer,  al§  man  e3  in  ber  gemifdjten  SSerfammlung  be§  großen 
s$ublicum§  Hebt,  unb  gibt  anjiefienb,  wa§  man  ofjne  Slnftrengung  be3 
Innern  leidjt  unb  gern  auffaßt.  3)a3  bebingt  nun  aber  aud)  fdjon,  bafj 
nidjt  Sltleö  neu  unb  originell  ift,  bielmeljr  2ftand)e§  auf  ganj  befannte 
SJJotiüe  gebaut  fdjeint." 

**)  s-8iograpf)ifd)e  ^otisen  Don  SSegeler  unb  92ie§  S.  140  ff.349) 
349)  Neudruck  S.  146—147.  A.  d.  H. 


—     609     — 

bemerft  SBeetfjoöen:   „Von  Sf)rer  «Sinfonie  f)abe  id)  nidjtö  er* 

galten."      (£)iefe    fdjeint    nidjt    gebrudt    51t    fetjn.)     8n    ber 

ÜKadjfdjrift   gu   teuerem   Briefe   fctjreibt   Veeirjouen:    „9J?acfjen 

Sie   bod),   bafj   id)  Sfyre  ©ebication    erhalte,   bamit   id)    midj 

luieber  ebenfalls  seilen  fann,  meldje»  atfogleid)  gefdjetjen   foll, 

nad)   Empfang   Sljrer."    —   Sdjon   in   bem   folgenben   Vrief 

(beffen  Anfang   unb  £>atum  fetjlen,  wie  0tte§  anmerlt,)   ftefjt 

5U  lefen:     „2)a  «Sie,  mie  e§  fdjeint   [?]   eine  ®ebication   öon 

mir  batb  münfdjen,  mie  gern  roillfafjre  tdj  Seinen,  lieber  atä 

bem   größten   großen  §errn    entre   nous.    ©er   teufet   raeife, 

mo  man  nid)t  in  it)re  §änbe  geraten  fann.    Stuf  ber  neuen 

Sinfonie  (bie  9.  mit  (Sljören)  erhalten  Sie  bie  S)ebication  an 

Sie,  —  id)  tjoffe,  enblid)  bie  Steige  an  mid)  §u  erhalten."  — 

lieber  ftetjt  gu  lefen  in  Veettjoüen'S  Vrief  öom  16.  Sult  1823: 

„3e£t  merben  bie  Variationen  (Op.  120)  tootjl  ba  fetyn.350)  — 

"Sie  ©ebication   an  Sfjre  grau  tonnte  id)  nidjt  felbft  madjen, 

ba  id)  ifjren  tarnen   nidjt  meiß.    9J?ad)en  Sie  atfo  felbe  im 

tarnen  %fyxt§>  unb  Stjrer  grau  greunbeS;   überrafdjen  Sie  bie 

Sljrige  bamit,  ba§  fdjöne  ©efd)led)t  liebt  bie§."  —  ®a§  copirte 

(Sjemptar  biefer  Variationen  trug  bei  feiner  Stnfunft  in  Sonbon 

mirttid)    bie   31uffd)rift    üon    Veetfyoüen'S    §anb:     „Dediee   ä 

Madame  Ries,"    inbem  3iie§   früher  fdjon   hm  Söunfdj   an<3= 

gefprod)en,  bie  t>om  Sfteifter  i£)m  gugebad)te  ©tjre  feiner  grau 

äu  Xfjett  merben  ju  laffen.    SllS  aber  9liey  ba§>  angelommene 

©jemplar  bem  Verleger  Voofet)   Uortegtc,    ergab   e§   fid),   bafj 

biefe  Variationen   bereite  in   einer  Söiener  unb  ^parifer  2luf= 

läge,  mit  ber  £)ebication  an  Veetfjoöen'S  grantfurter  greunbin, 

grau  Vrentano=Virfenftod,  öerfeljen,  in  Sonbon  auf  bem  $utte 

lagen.  —  lieber  ben  Snljatt  eines  fpäteren   Vriefeö  (ber  mir 

Oor   ber  Slbfenbung   nad)  Sonbon    üon  Veetljoüen    mitgeteilt 

marb)   bemerft  9üeö  S.  124  feiner  Zotigen  bto3:    „lieber  bie 

boppelte   ©ebicatiou    entfdjulbigte    er    fid).     §öcf)ft    fonberbar 


350)  Cf.  B.  S.  Br.  No.  930  (IV.  Band).  A.  d.  H. 

21.  ©djinblerS  23eetf)ODen--8togval>f)ie.  39 


—     610     — 

madjte  er  ei  fjiebei  §u  einer  ausbrücfHcfjen  SSebingung:  ,,„id) 
bürfe  nie  an  ein  ©efdjenf  ober  eine  (SrfenntlidjfeU 
bafür  benfen!""351)  ©ine  auffallenbere  SSenbung  unb  einen 
grelleren  2Siberfprncf)  rjätte  man  bod)  nidjt  teidjt  finben  fönuen!" 

Unftreitig  märe  ber  Sföiberfprud)  ein  greller  unb  in  bel- 
aufe^ (id)en  9?eif)e  üon  SBiberfprücfjen  bei  unferm  SOZeifter  ein 
befonber£  fjerüortretenber  5U  nennen,  gäbe  es»  feine  ßrflärung 
für  foldj'  rätf)fcl£)afte§  SBeuerjmen  in  biefer  2)ebtcation§=©efd)id)te. 
3)er  Sßiberfprud)  märe  511m  %^\{  befeitigt,  ba§  SRätfyfet  aber 
511m  ^erftänbniB  5Xüer  gelöf't,  f)ätte  $ie£  für  gut  befunben, 
ben  legten  nur  in  bürf tigern  2(u§§uge  angeführten  Sßrief  S9eet= 
rioüen'S  im  Ooüftänbigen  Söortlaute  unb  d)rono(ogifd)er 
9ieit)enfo(ge  511  üeröffcntUdjen.  S33ie  biefe  Stngelegentjeit  üon 
tf)m  üorgefegt  erfdjeint,  fann  fte  nicfjt  üerfef)(en,  einen  ftarfen 
dBdjfagfdjatten  auf  Seetfjoüen'ö  Grjarafter  §u  merfen.  £irfd}  = 
bady§>  „93?uficalifd)4'ritifd)e3  9?epertorium"  üon  1844  fjat  Rög= 
lidje  grüdjte  biefer  23erf)eim(id)ung  aufäumeifen.  @§  gebietet  fobjin 
bem  mit  biefer  rätl)feft)aft  fcfjeinenben  <&ad)t  genau  befannten 
53iograpf)en  bie  Sßffidjt,  ben  ©djlüffel  fjiesu  gu  geben,  ba  man 
nid)t  miffen  fann,  mie  biefetbe  aud)  in  ber  ^ofge^eit  nod) 
commenttrt  merben  bürfte. 

3m  Saufe  bc§  Satiren  1823  mürben  bem  SMfter  burd) 
eine  üBiener  üDiufiffjanblung  einige  ber  neueften  (Eompofitionen 
üon  9f?ie§,  barunter  ha?-  „?(bfdjieb^(Eoncert  üon  Soubon,"  ju= 
gefd)irft-  Sdjon  feit  mehreren  Safjren  fjatte  53ectf)oüen  fein 
SSerf  üü§>  ber  geber  feineö  <2d)ü(er<§  unb  $reunbe3  5U  ®efid)t 
bekommen,  tocil  in  bem  et^muficalifdjen  SBien  feine  einzige 
<Sortimentio=9)tuftff)anb(uug  mit  ausfänbifdjen  (Sr^eugniffen  ert= 
ftirte,  bafjer  üon  foldjen  nur  sumeilcn  etma§  ftdjtbar  gemorben, 
ober  auf  bem  Söege  be§  9Zadjbrud3.    %u§>  biefen  Gompofitionen 

351)  Über  diese  Differenzen  ist  bei  Gelegenheit  des  Briefes  vom 
Juli  1823:  B.  S.  Br.  No.  930  (IV.  Band)  unter  den  Erklärungen  über 
Schindlers  Artikel  in  Hirschbachs  Repertorium  eingehend  gesprochen 
worden.    S.  292  (V.  Band).  A.  d.  H. 


—     611     — 

fjatte  ber  sJ)?eifter  bie  Ueber^eugung  gewonnen,  bafe  9?ie§  fid) 
nun  gän^lid)  ber  mobernen  9Rid)titng  angefcfjloffen  unb  in  Dber= 
fläd)tid)feit  erxetlirt.  £)ie§,  unb  bie  Erinnerung  an  bie  üor 
Satjren  fdjon  funbgeroorbene  3(6trünnigfeit  in  ^ßepg  auf  feine 
2Berte,  brauten  ben  rjeiligen  3orn  oeg  §°*)en  SßnefierS  $um 
öollen  5(uflobern.  53on  bem  $euer  ber  Seibenfd)aft  liefe  er  fid) 
§ur  Slbfaffung  eine§  ©d)reiben§  an  bie  9?ebaction  ber  5ltlg. 
9D?uf.  3tg-  rjirireifeen,  barin  9tie§  üerboten  mürbe,  fid)  fernerhin 
nocfj  feinen  ©cfjüler  gu  nennen,  ©lüdlicrjer  SBeife  ift  bie  $lb= 
fenbung  btefe£  ®cfjreiben§  in  tfolge  öon  $orftet(ungen  feiner 
Umgebung  unterblieben,  adein  bie  9f?üge  ift  bem  Setreffenben 
brieftief)  nad)  Sonbon  gugefcfjidt  roorben.  £>aburcfj  roar  ber 
Sftife  in  bem  bereits  burcfjtöcfjerten  greunbfcrjaftioüerfjältmfe  noct) 
üergröjjert.  Snbefe  narjm  23eetrjor>en  boct)  SRüdficfjt  auf  bie 
immer  beroärjrte  £)ienftbefliffenrjeit  feinet  $reunbe3. 

9#öge  fid)  ber  Sefer  bei  23eurtrjeilung  biefer  £>inge  in  Sage 
unb  Stimmung  be3  bejügtid)  feiner  ©(aöier-^ufif  öon  alten 
ben  ©einen  oertaffenen  9J?eifter§  §u  berfetjen  fudjen.  9ludj 
(£.  (ü^ernt)  fjat  Dom  Safjre  1820  an  nid)t§  merjr  bafür  gettjan. 
SGSie  ftünbe  e§  roorjt  um  btefelbe,  fjätte  nicfjt  bie  „Societe  des 
Concerts"  im  ^ßarifer  ßonferüatoire  ben  @ntrjufta3mu!§  aud) 
bei  biefem  Stfjeile  ber  23eett)ooen'fd)en  Stteratur  angefacfjt,  in 
golge  beffen  ein  neue§  Seben  für  bie  gefammte  Literatur  be§ 
öon  feinen  3eit9enoffen  f°  übel  berjanbelten  S£onbid)ter§  ermedt 
roorben  ift?  £)ie§  gibt  ®runb,  bem  §iftorifcfjen  ber  (£in= 
füfyrung  SBeetrjooen'fcfjer  90cufi!  in  ^ari§  aud)  in  biefer  ?Iuf= 
läge  einen  ^ßtatj  anäuroeifen,  roie  e£  bereite  im  5lnrjange  gur 
groeiten  gefcfjeijen. 

III. 

SBenn  man  in  jüngfter  ßeit  fo  tjäuftg  Etagen  über  SSerfaQ 
ber  ©cfjaufüieltunft  begegnet  unb  SSeroeife  bafür  aufftellen  f)ört, 
bafj  man  roorjt  ntcfjt  roenige  beadjteinoroertrje  ©Regalitäten  nad) 

39* 


—     612     — 

23irtuofen=2trt  fid)  auf  ber  23üt)ne  belegen  fetje,  ba^  aber  bie 
$unft,  grofee,  erhabene  (Erjaraftere  orjne  3ut^aten  W*fcä 
2Sirtuofen=2Befen§  barpfteflen,  unb  ber  reine  ©inn,  baZ 
©eiftige  in  ben  ©idjtermert'en  ungetrübt  aufjufaffen,  tägtid) 
fettener  »erben :  fo  mirb  biefe  ©rfdjeinung  unbejmjeifelt  auf 
eine  ©runburfadjc  fdjtiefcen  (äffen,  bie  entmeber  im  gänjlictjen 
SWangel,  ober  in  ju  geringer  Stn-\Q^t  muftergebenber 
Sßorbitber  befielen  bürfte.  Stuf  muficatifcfjem  ©ebiete,  in^ 
befonbere  in  jener  Stbtrjeitung,  mit  ber  mir  e§  fjier  ^uitäcr)ft  gu 
ttjun  rjaben,  taffen  fid)  bie  flägtid)en  3uftan0e  ™  birecter  S3e= 
gieljung  auf  SKcprobuction  beö  (beifügen  in  ben  SLonmerfen  im 
allgemeinen  unb  Speziellen  au3  erfterer  ©runburfacrje  ableiten. 
2ßenn  bie  frühere  Äunftepocfje  t)infict)ttid)  ber  9?eprobuction  be3 
eigentf)ümtid)en  ©eifteä  in  Seetrjoüen'3  (Slaoiermuftt  gumeift 
nur  3rrtt)ümer  auf  bie  gegenmärtige  übertragen,  (mie  gezeigt 
morben,)  ber  <3inn  in  ben  Sebeuben  aber  burd)  practifdje 
dufter  an§  ber  ©d)ule  be3  SfteifterS  für  bie  liefen  feiner 
©djöpfungen  in  feiner  Steife  erfdjloffen  unb  gebtlbet  morben, 
moljer  foll  bei  itjnen  ba§>  richtige  SSerftänbntfe  kommen? 
SBärett  aud)  bie  Slnfdjauungen  in  alter  SOcuftt  nocfj  biefetben, 
mie  einft,  fo  mürbe  fid)  biefeS  Sßerftänbnifj,  menn 
aud)  ben  Intentionen  beS  ÜDteifters  bto§  aunärjernb,  bod) 
nur  in  tuenig  Snbiüibuen  funbgeben,  meit  ba§>  (Srgrünbeu 
mit  ganj  befonberen  ©djtüierigteiten  unb  SorauSfetmngen  öer= 

fnüpft  ift. 

£)ie  laufenbe  (£pod)e  f)at  in  Sfjatberg,  ßtjopin  unb 
Sifjt  bead)ten§mertt)e  SSirtuofen^^pegiatitäten  gefeljen,  Don  benen 
bie  beiben  erfteren  nur  in  bem  befdjrciutten  Greife  itvrer  fünfte 
terifd)en  Snbimbuatität  Stu^ge^eidjneteö  getetftet  unb  beöt)atb 
fügtid)  ben  Stunftegoiften  juge^ätjtt  merben  tonnen,  konnte  bei 
Sltjatberg  ba$  9ftarfige  be§  £on§  at§  mufterljaft  für  alte  ge= 
biegene  9#ufit  gelten,  fo  mar  um  fo  metjr  gu  bebauern,  ba^  er 
biefe  fettene  (Sigenfdjaft  augfdjliefjticrj  nur  auf  feine  getjatttofen 
^onftüd'e  oermenbet  unb  auf  feinen  Äunftreifen  niemals  irgenb* 


—     613     — 

ein  9fteiftermerf  mit  feinen  Sonfarben  tHuftrirt  fyat.  —  Gfyopin'ä 
Sbeatität  beftmbete  fid)  befannttid)  in  ber  eigentf)ümtid)ften, 
fdj(ed)terbing3  unnadjaljmtidjen  ®arfteÖung3roeife  feiner  po(nifd)= 
nationalen  Stonftüdfc,  in  toatyrljaft  d}arafter=eigentpmtid)em 
Gepräge.  Garant  tonnte  er  felbft  in  feiner  Sftufif  !ein  nadj= 
pa^menbeS  SSoroilb  fetjn.  SBaS  ftdf»  bteSfaHS  au§  bem  Vortrage 
feiner  (Sdjüler  funbgibt,  nertjält  fid)  gum  Original,  mie  eine 
2itt)ograpt)ie  gnm  farbenftraljtenben  Detbitbe.  23eibe  genannte 
Spezialitäten  fyaben  bie  $unft  be§  ß(aüierfpiet3  auf  btö  M* 
genteine  be^üglic^  nid)t  nur  nidjt  geförbert,  fonbern  norf)  tiefer 
fjerabgebrürft,  toenngleid)  unabfirijtttd),  beim  9J?and)er  märe 
feinen  eigenen  2Beg  gegangen  unb  üietleidjt  ju  einer  ad)tungS= 
merken  ©ntmidhmg  auf  bemfelben  gefommen,  mäfyrenb  er  be3 
©inen  ober  be§  3(nbern  SKadjafjmer  nmrbe,  ate  foldjer  aber 
atSbatb  ber  Lanier  unb  bem  §anbmer!  oerfallen  ift.  Sie  3a^ 
iljrer  üftadjafymer  mar  Segion. 

2if§t  ift  au§  ©3ernt)'§  Schule  fertig  fjeröorgegangen,  menn 
man  bei  einem  Stlter  öon  smölf  Sauren  bie  8d)u(e  fd)on  für 
beenbigt  galten  miü.  Sag  miü  aber  tjei^en :  bafj  bie  Segriffe 
fid)  fd)on  feftgefteüt  unb  bie  @r!enntni£  be§  Söafyren,  ©uten 
unb  ©djönen  fid)  nid)t  bto§  geläutert,  fonbern  ber  ©efüt)(=  unb 
Senfroeife  be3  <Sd)üler3  fid)  öoltftänbig  eingeprägt  fjaben,  bamit 
bie  mandjerlei  ©türme  im  Äünftterteben  nid)t§  3Befentlid)e§  mefyr 
baran  oerrüden  tonnen.  Sarf  man  ba§>  bei  einem  Sttter  öon 
gmötf  Sauren  ermarten?  2I(§  ber  zehnjährige  St'nabe  §u  Sgernt) 
in  bie  ßetjre  fam,  befunbete  er  fd)on  ben  götttidjen  Junten,  ber 
in  tfjm  mattete.  @3  mar  aber  ein  grofjeä  SJcifjgefdjid,  bafc  er 
ber  güljmng  biefe§  ÜDtanneä  anöertraut  morben.  Sn  ber  öor* 
ausgegangenen  Säuberung  biefeä  $irtuofen=2tbrid)ter3  mirb 
man  2lnt)alt§puncte  genug  finben,  meldje  biefen  Stu^fprud)  red)t* 
fertigen,  ©sernti'ä  Unterricht  Ijielt  ben  Knaben  §mei  Saljre 
f)inburd)  lebigtid)  an  2lu3bi(bung  ber  S5raoour.  Siefe  §errfd)erin 
umgab  aUe§,  ma§  bem  ©d)ü(er  ^u  üben  unb  öffentüd)  $u 
probuciren  auferlegt   mar.    ©ollen  bie  erften  ©djritte  auf  bem 


—     614     - 

2Bege  §um  Sßarnafe  atfo  befdEjaffen  fetm?  S)a  fid)  jebod)  in  ben 
SBedjfelfciUen  beS  ^ßarifer  ©olontebenS  bie  (Sinnrirfung  be£ 
$üt)rer3  batb  a6gefd)tt)äd)t  tyatte,  fo  tonnte  fid)  im  Süngting  bie 
fünftlerifdje  Snbiuibuaütät  freier  entmideln.  Mein  tiefe  tjatte 
fid)  bereite  im  Knaben  als  eine  gur  (Srcentricität  l)inneigenbe 
erliefen,  raa§  in  jeber  ber  fogenanten  freien  gantaften  über 
gegebene  SErjema'S,  in  benen  ber  ®nabe  fid)  befonberö  gefiel  mit 
mogu  er  fortan  anfgeforbert  mürbe,  offen  rjeruorgetreten.  $>er 
Sefjrer  farj  nidjtS  ©efärjrtidjeS  babei.  £>ie  gotgegeit  tjat  aber 
getetjrt,  bis  gu  metdjem  £)öfjepunct  eS  ber  grofje  SStrtuofe  in 
ber  feinem  ©eifte  eigenttjümlicrjen  Ridjtung  gebracht  Ijat.  konnte 
er  fofjin  ein  reines  Sftufter  in  ctafftfdjer  SKufif  ferjn,  fte  trage 
roeldjen  tarnen  immer,  gumat  feine  ©ortragSmeife  im  allgemeinen 
auf  feinem  feften  ©rjfteme  beruhte,  fonbern  meift  nur  Don 
«Stimmung,  Saune  ober  23eifatISfud)t  abtjing?  Önbeffen,  ber 
SBirtuofe  mar  nidjt  fo  einfeitig,  roie  öorbenannte  finalen,  er- 
matte ftcf)  ja  aud)  ber  53eett)otien'fd)en  SJfotftf  bemädjtigt  unb  fte 
bitbete  in  mehreren  feiner  (äigentrjümlidjfeit  entfpredjenben 
Hummern  einen  £)auptbeftanbtt)eil  feinet  Repertoires !  'SaS  mar 
ein  SRiftgefdjid  für  biefe  HJfufif,  jeboct)  nid)t  baS  größte,  maS  im 
Saufe  ber  ßeit  it)r  miberfatjren,  benn  Sifgt  entbehrte  nidjt  ber 
poetifd)en  ?lnfd)auung  bei  biefen  SSerfen,  bemnad)  fanb  er  oft 
ein  Content  fjerauS,  baS,  menn  aud)  meit  entfernt,  um  S3eet= 
bjoüenifd)  gu  fetjn,  fo  bod)  beS  §erren  eigener  ©eift  mar,  aber 
niemals  orbinär.  Sa,  er  tjatte  gumeiten  gemütt)Srut)tge,  fogar 
mei^eüolle  ©tunben,  in  benen  er  oielleidjt  ben  großen  Stonmeifter 
fetber  gang  befriebigt  Ijaben  mürbe,  5.  SB.  fein  Vortrag  beS 
Es  dur=@oncertS  1845  bei  ber  SnauguratiottS^eier  beS  SBeet= 
t)ooen=90?onumentS  in  Sonn.  Seit  beiläufig  geijn  Saijren  fjat 
Sifgt  bie  SaufbaJjn  beS  Sßirtuofen  mit  ber  eines  9JtufifbirectorS 
unb  (Somponiftcn  oertaufd)t,  batjer  er  unS  fjier  am  Orte  nicfyt 
meiter  befdjäftigeu  fofl;  unb  ba  er  als  Sefjrer  beS  StaöierfpietS 
ben  „überttmnbenen  ©tanbpunet"  feftrjätt,  fo  jdjeint  aud)  bie 
clafftfdje  Gtaoiermufif  Oon  itjm  unb  feinen  ©djüfern  wenig  ober 


—     615     — 

nid)t§  mefyr  gu  befürchten  §u  fjaben.  £)anf  biefer  (3d)idfafö= 
fügung!362) 

S)ie  nadj  Sifet  am  meiften  bettmnberte  ©rfcfjeinung  auf 
bem  gelbe  ber  SBirtuofität  ift  grau  ßlara  (Schümann,  ©eit 
oieleu  Saljren  mar  biefe  ßünftlertn  afö  ba3  größte  dufter  in 
33eetf)oöen'§  Sftujif  üon  ber  gefammten  beutfetjen  ^ritit  auf  bem 
©djitbe  getragen,  roa3  bei  ber  beftefjenben  gerfafyrenjjeit  \n  liefet 
Sritil  boct)  morjl  als  ein  t)oct)roict)tige§  Moment  aufgefaßt  »erben 
mufj.  ©äbe  e§  feine  5Inalogieen  für  beriet  bie  ©rengen  be3 
Vernünftigen  toett  überfteigenben  (£ntfjufia§mu§  in  ©acfjen  ber 
Sftufif,  bafj  auet)  fonft  befonnene  SSeurttjeiler  ben  feften  ©oben 
unter  ben  güfjen  öerlieren  unb  mit  bem  teidjt  entgünbbaren  unb 
herleiteten  £)ilettanti3muö  einfjertaufen  fönnen,  (man  bente  nur 
an  bie  9tofftniftf)e  DpernmnftE  in  2)eutfd)tattb  jurüdE,)  fo  müfcte 
man  am  gefunben  ©inne  felbft  be§  2Betfeften  in  unferer  Äunft 
oerjrüeifeln.  (S§  barf  fonaefj  nicfjt  Söunber  nehmen,  raenn  im 
Dorigen  3al)r  ein  Krittler  in  ber  „9J?onatfcfjrift  für  £rjeater  unb 
Sftuftf"  aufrief:  „Sie  £rjeorie  ber  SJftiftf  ift  bie  gefinnung§= 
lofefte,  mettertoenbifd)fte  2öiffenfd)aft  ber  2öeft,  meiere  jeber^eit 
ben  SOtantel  nad)  bem  SStnbe  fjängt." 

Sebe  Unttjat  finbet  enbtidj  iljren  9tid)ter.  5(ud)  in  unferm 
galle  bjat  ftdj  biefer  ©pruefj  betüat)rt;eitet-  ©er  eben  genannten 
9[fconatfd)rift*)   gebührt  ba§>  Sßerbienft,   ba$  allgemeine  55or= 


*)  SBefanntlidj  trat  biefe  gebiegene  unb  tuafjrbaft  unabhängige  geil* 
fdjrift  erft  1855  in'§  Sieben.  Seit  bem  beginn  biefeä  galjreS  aber  erfdjeint 
fie  al§  2Bodjenfd)rift  unter  bem  Site!:  „Diecenfionen  unb  SJJittfjeihmgen 
über  Sbeater  unb  Sftufif." 

352)  Ein  für  allemal  konstatiere  ich,  daß  diese  Partien  des 
Schindlerschen  Buches,  in  denen  der  verdiente  Beethovenbiograph  sich 
herausnimmt,  über  Kunstgenies  wie  Liszt,  Clara  Schumann,  Mendels- 
sohn und  andere  in  unqualifizierbarer  Weise  abzusprechen,  daß  diese 
Partien  zu  den  schwächsten  des  Buches  gehören;  solche  Partien  haben 
es  auch  zumeist  zuwege  gebracht,  daß  er  heftige  Angriffe  erfahren 
mußte.  Ich  bemerke  nur  kurz,  daß  ich  ihm  in  diesen  Dingen  absolut 
nicht  beipflichten  kann.  A.  d.  H. 


—     616     — 

urtfjeU  für  $rcm  ©djumcmn  grünbüd)  erschüttert  unb  ben  feit 
metjr  benn  sroanjtg  Sauren  üon  tiefer  Ä'ünftlerin  arg  mij$s 
Baubeiten  Sßiener  £onbid)ter  gefütjnt  gu  fyaben.  Saburd)  Ijat 
bie  9#onatfd)rift  beriefen,  bafj  fid)  in  SBien  nod)  ein  tüchtiger 
Ueberreft  öon  SBeetfjotien'fdjer  £rabition,  gepaart  mit  genereller 
SBitbung  in  aller  9J?ufif,  ermatten,  metdjer  natjegu  an  brei  3aljr= 
geljenbe  (jinburd)  !ein  $eid)en  beö  SebenS  in  ber  Äritif  gegeben 
tjatte.  Sie  t)oct)gefeierte  unb  mafclog  überfdjäfcte  Äünftterin  ging 
1856,  nad)  ungefähr  17  bi§  18  Sauren,  gum  gmeitenmat  in  bie 
Äaiferftabt,  üiedeidjt  in  ber  (Srmartung,  einen  anbern  ©rillparger 
gu  finben,  ber  fie  unb  it)re  ßeiftungen  nneberum  tüte  bamalö 
befingen  raerbe;  allein  fie  ftiefj  mit  ber  feitbem  in  genannter 
üHonatfdjrift  mieberertoadjten,  unabhängigen,  mit  bem  SBolfö* 
glauben  ntdjtS  gemein  tja&enben  ftritif  gufammen,  bie  ifjre  ©e= 
fange  nid)t  in  ber  fnappen  $orm  oeg  ©onnet§  ertönen  läfct. 
(£§  gehört  aber  in  ba§>  Qkrgeidjnifj  ber  mibrigen  ©d)id= 
fate,  meldje  S3eetf)0üen'ö  S(aluermufit  tiom  brüten  Saljrgetjenb 
an  bi§  gu  biefem  Sage  in  ber  Deffentlidjfeit  erfahren  unb  bie 
mit  $rau  ©djumann  ben  ©ipfetpunet  erreicht  fyaben,  baß  üon 
ber  Sßiener  SBeurttjeilung  aud)  in  biefer  ©djrift  5tct  genommen 
merbe.  SßorauSgegangeneS  foll  fid)  anreihen,  ba3  geigen  wirb, 
bafj  bie  Stiftungen  biefer  Äünftterin  frütjer  unb  anberuxirte 
fdjon  competente  Stimmen  gegen  ifjjr  $erfat)ren  Ijerüorgerufen 
l)aben  —  oljne  bie  geringfte  SBirt'ung  jebod). 

Sm  $ebruarf)eft  öon  1856  mürben  bie  Vorträge  im 
erften  (Soncert  ber  ^'ünftterin  einer  eingefyenben  Äritif:  unter= 
gogen.  S)a3,  23eett)otien'3  (Sonate  in  D  moll,  Op.  31,  93etreffenbe 
fott  faft  mörtlid)  tjier  Sßlatj  finben.  33on  bem  gebrodjenen 
Slccorb,  mit  bem  ber  erfte  @a|  beginnt,  mie  aud)  öon  bm 
SRecitatiüen,  tjeifjt  eS:  „$rau  ©dmmann  üefs  biefe  ©teUen  fallen, 
fpielte  fie  otjne  ba§>  minbefte  93eftreben,  biefem  ©ebanfen  be£ 
9J?eifter3  bie  ifyrn  gufommenbe  —  ober  nur  überhaupt  irgenb 
meldje  Sebeutung  gu  geben.  5It§  in  ber  Stuffaffung  üergriffen 
muffen  mir  aud)  ba§  Slbagio  nennen,    ©in  Slbagio  unb  fpegiell 


—     617     — 

ba$  in  9ftebe  ftefjenbe  tierlangt  eine  28eit)e,  eine  geierticrjfeit, 
eine  ©röfje  be§  Vortrages,  meiere  J)ier  burd)  ba%  getollte 
SCempo  öon  üornljerein  unmöglich  gemadjt  unb  burd)  bie  aller= 
bing§  rufyige,  gteidjtnäjjige,  aber  meber  burd)  ßartfjeit  getoinnenbe 
nod)  burdi  ®raft  imponirenbe  —  unferer  ©möfinbung  nadj 
maljrtjaft  eifig  falte  Betonung  nod)  Weniger  au3geörüdt 
»erben  fonnte.  2Ba§  enblid)  ba3  finale  anbelangt,  fo  fann 
f)ier  nidjt  metjr  öom  21u3brude  einer  persönlichen  9iid)tbefrie* 
bigung,  fonbern  öon  ber  9?üge  eines  unberantmortlidjen 
fünftlerifdjen  9?ergef)en3  bie  9?ebe  ferjn;  grau  <Sd)umann 
öerroanbelte  ba§>  öorgefdjriebene  Megretto  in  ein  ^reftiffimo, 
bafc  e§  it)rer  ftaunensroerttjen  gingerfertigleit  unmöglid)  ift  itjn 
burd)5ufüt)ren  . .  .  £)a§  Ueberftürjen  ber  ^Saffagen,  mie  in  jenem 
23eett)0üen'fd)en  neuerfunbenen  Sßreftiffimo  unb  im  Söeber'fdjen 
9tonbo  au§>  ber  C  dur  ©onate  ift  bto§  bie  leibige  $otge  jener 
unmiberfierjtidjen  ©ud)t  ber  gefammten  jetzigen  W\x\'\U 
mett,  jebe§  &empo  fdjnetter  §u  nehmen,  at3  ber  ©om- 
ponift  unb  bie  einfadjften  @eje|e  ber  üftatur,  ber  Shutft, 
ber  gefunben  Vernunft  e3  geftatten."353) 

Sm  9)Mr§^ef t  er[d)ien  bie  gmeite  mit  ber  erften  überein* 
ftimmenbe  Äritif  über  baZ  gmeite  (Soncert  ber  Äünftterin,  in 
meldjem  jie  unter  anbern  $eetf)ot>en'3  Sonaten,  Op.  106  unb 
81  gunt  Vortrag  gebracht.  9cur  eine  ©teüe  barau3:  „SDie 
unbe5ming(id)e  Suft  am  fdmetlften  £empo,  am  fogenannten  Sagen, 
geigte  ftet)  unter  anbern  in  bem  ljieburd)  unftar  gemorbenen 
Scherzo  e  Capriccio  öon  9ftenbet3fot)n. 

©enug  färben  §u  bem  fpredjenb  ät)nüd)en  33itbe  einer 
ßünftterin,  bie  tauge  3at)re  afö  ^ßrototnp  für  richtiges  &er= 
ftänbnifj  alter  (Sfafjtfer  gegolten.    Snbefj  erachtet  e3  ber  2kr= 


353)  Mit  dem  Final  -  Allegretto  der  D-moll- Sonate  op.  31  ist 
Schindler  neben  seinem  Gewährsmann  wohl  im  Rechte.  Am  Finale 
der  D-moll- Sonate  versündigt  sich  heute  so  ziemlich  jeder  Pianist. 
Das  Tempo  überhastet  da  ein  jeder.  Alle  möchten  ihre  Bravour  dabei 
entfalten.  A.  d.  H. 


—     618     — 

faffer  für  Sßffidjt  im  Sntereffe  einer  rjodjiuicfjttgen  ©adje  nod) 
einige  färben  §ur  SBeröottfiänbigung  biefe»  23itbe§  in  ben  Xoöf 
§u  tfyun  —  benti  mir  Ijaben  ein  ©tüd  &unftgefd)id)te 
auS  unfern  Stagen  bot  un§. 

Sm  SftoOember  1854  brachte  genannte  ftünftlerin  an  §mei 
9tbenben  gu  granffurt  am  Sftain  folgenbe  Sompofitionen  ju  @e= 
Ijör:  (Soncert  in  Es  dur  unb  ©onate  in  C  dur,  Op.  53,  ton 
Q3eetfjooen,  9fionbo  auö  ber  C  ©onate  öon  (E.  2ft.  üon  SBeber, 
Yariations  serieuses  oon  sD?enbefsfof)n,  Saltarella  ton  <3t.  fetter 
unb  jtoei  ©äfce  au3  ber  F  moll  (Sonate  Oon  Sof).  Srafjmö. 
©er  ©inbrud,  oorneljmlidj  bei  ben  Q3eett)ooenTfd)en  SBerf'en  unb 
bem  Sßeber'frfjen  Sßonbo,  mar  bei  allen  SBerftänbigen  ein  petn* 
lidjer  unb  nirfjt  eine  «Stimme  magte  ein  biltigenbeS  Urttjeit  über 
fold)  unfunftlerijdjeS  Serfatjren  mit  clafftferjer  9Jcufif  taut 
merben  gu  laffen,  ausgenommen  bie  Sournate,  bie  überflogen 
Don  obligater  Söerounberung.  S)er  aujjerorbentfidje  9tuf  be= 
redjtigte  gur  (Srroartung,  bafc  grau  ©d)umann  bie  in  unfern 
Sagen  faft  gang  Oerloren  gegangene  Slunft  üerftetje,  ctaffifcfye 
Sföerfe  da ffifd)  auf guf äffen,  fie  in  iljren  Xiefen  §u  ergrünben 
unb  bem  gemäfj  jur  2)arftellung  gu  bringen.  SSir  täufd)ten 
un§  aber  fammt  unb  fonberS,  unb  famen  gur  Ueber^eugung, 
bafj  grau  ©djumann  in  jebem  23etrad)t  mit  bem  großen  Raufen 
ber  SSirtuofen  getje  unb  claffifdje  äJcufif  im  bud)ftäbtid)en  ©inne 
be§  SBorteS  nur  ah^t^t,  nidjt  barftette.  llnferen  ©efüfjlen  gab 
id)  ?lusbrud  in  SHro.  45  ber  9cieberrf)einifd)en  SDcufif  Leitung 1854- 
Tcad)  ben  (Srgebniffen  jener  Slbenbe  mufjte  man  gu  bem  ©cfjlufj 
fommen,  bafe  grau  ©dntmann  in  Segug  auf  £eid)tfinn  in  S3e= 
tjaublung  aller  guten  ÜJcufif,  mie  nidjt  minber  auf  33egriffs= 
lofigfeit  aller  ßljarafteriftif,  ber  Stfenge  gleid)  ftelje,  f)inftcf)tlid) 
beS  ©efüfjlS  aber  für  bie  ^ft)d)e  beS  £on£  unb  be§  Abganges 
mufica(ifd)=rt)etorifd)er  ©djutbilbung  ifjreS  ©leidjen  faum  roieber 
finbe. 

Sn  Slnbetradjt  ber  3uf*änbe  in  ber  ^unftfritit,  bie  bem 
unbestritten   großen  Talente,  ungeadjtet  fo   eclatanter  Mängel, 


—     619     — 

ju  einem  ausgebreiteten  Stufe  berfmtfen,  rooHte  ber  Sßerfaffer 
ba§>  ®et)örte  mie  ein  bebentfameS  gefdjidjtftdjeS  Moment  begriffen 
unb  in  befonberer  SSeife  feftgefteüt  fjaben.  ©emnad)  erbat  er 
fid)  öon  ^mei  511  granffurt  lebenben  Shtnft=93eteranen  oon  an= 
erfanntem  Sßerbienft  bie  ^Beantwortung  nad)ftef)enber  fragen, 
bie  ba%  33itb  mit  einem  9\aljmen  umgeben  füllten. 

„©ubjectioität  in  9(uffaffung  unb  2Iu§füf)rung  d)araf= 
teriftifdjer  SDhiftfroerfe  big  5U  einer  gemiffen  ©ren^inie  5itge= 
ftanben,  innerhalb  metdjer  ber  ßfjarafter  be§  £onftüde3  nod) 
immer  erfennttidj  bleibt,  roenngteidj  ber  Intention  be3  @ompo= 
niften  in  ettnaS  entr  üdt,  fo  entfielt  bie  $rage: 

mar  bie  ?lu§füi)rung  be§  Es  dur  (SoncertS  unb  ber 
©onate,  Op.  53  oon  Seetfjoüen,  meldje  $rau  (Sfara 
©dmmann  in  iljren  ^robuctionen  im  9coüember  tjier 
in  granffurt  oorgetragen,  nocl)  innerhalb  ber  ©ren5= 
tinie  gelitten,  bie  ben  eigentt)ümtid)en  (Stjarafter  biefer 
SSerfe  nid)t  mefentlid)  atterirt,  na^eju  unfenntlid)  ge= 
mad)t  l)at? 
„Sie  Stuffaffung  beiber  SBerfe  Seitens  biefer  $ünf tierin 
inSbefonbere  betreff enb,  fragt  e§  fid): 

gingen  mot)t  au§  bem  Vortrage  Dbjectiüität  unb  3n= 

nerlid)feit   fyeroor,   ober  mürbe  nidjt  oietmef)r,  fyaupt- 

fädjtidj  in  $otge  ber  genommenen  £empi,  baS  6t)a= 

rafteriftifdje  beiber  jerftört?   ÜQüite  fpe^ietl  bie  ©onate 

bei  fotdjer  SBetjanbtung  nicfjt  ben  ßtjarafter  ber  @aton= 

m\\it?" 

Unabhängig  oon  einanber  gaben  beibe  Äunft=SSeteranen 

Ujr  Urtr)eit  in  fotgenben  ^Beantwortungen  ab,  bie  bisher  gurüd* 

gehalten  mürben: 

A.  „©0  menig  man  aud)  baS  grofce  latent  a(3  (Slaoier- 
fpieterin  ber  grau  ©djumann  in  Slbrebe  ftetten  !ann, 
fo  mufj  id)  bod)  bie  fragen  be§  §errn  ©d)inbler  bafjin 
beantmorten,  ba§  biefetbe  ba$  Seetfjoüen'fdje  Es  dur 
ßoncert  Oiel  5U  fet)r  übereilt  t)at;  eben  fo  bie  ©onate 


—     620     — 

in  C  üon  SBeettjotoen,  tooburd)  aller  (Xtjarafter  ju 
©runbe  ging,  fobann  macfjt  biefe  Stünftlerin  oft  einen 
magren  äJftfjörcuufj  mit  bem  tyebai,  roeldjeS  fie  E)äufig 
an  ungeeigneten  ©teilen  gebraucht  unb  —  üerrairrt. 
2)ie3  ift  bie  bottfte  Ueberjeugung  be§  Unterzeichneten 

Dr.  2(fot)§  ©djmitt. 
B.  „üftacrj  meiner  91nfid)t  tjat  $frau  ©cfjumann  im  SBor= 
trag  be§  SBeetljoöen'fdjen  (Soncert§  bie  ©renglinie  ber 
gröfjtmöglidjen  ©djnelligfeit  in  ber  2lu3füf)rung 
besfelben,  über  mclcfje  bie  Intention  be3  (Somponiften 
üernicrjtet  morben  märe,  nicf)t  ü6erfcr)ritten,  aber  be= 
rürjrt.  SSeniger  fdmell  märe  bocf)  beffer  geroejen. 
2)te  ©onate,  Op.  53,  hat  fie  hingegen  im  Allegro 
con  brio  unb  Rondo,  Allegro  moderato,  üiel  5U 
fdjneü,  ba§>  am  (Snbe  folgenbe  Prestissimo  öertyältnife* 
mä^ig  gu  langfam,  öorgetragen,  rooburd)  iljre  Seiftuug 
allerbing3  in  ^Bejierjung  auf  bie  beiben  sutetrt  genannten 
©tüde  ba§>  SSerf  üon  33eett)ot>en  5U  einer  2lrt  öon 
©aton=9)cu[tf  ftemüette. 

©dmtiber  tum  Sföartenfee." 

Ser  ©taat  t)at  bie  ©eraalt  jebe§  93ergel)en  gegen  Crbnung 
unb  @efe§  im  Sntereffe  be§  politifdjen  ©anjen  gut  S3erant= 
mortung  3U  äierjen  unb  511  al)nben.  3Ber  aber  öermag  bie  $er= 
gelungen  ber  Äünjtler  in  ©adjen  ber  Äunft  mirffam  §ur  SSer= 
antmortung  3U  sieben,  tuenn  biefe  unter  bem  antriebe  ober 
©djutje  einer  unzählbaren  sDcenge  fogenannter  Äunftfreunbe, 
namhafter  Slünftter  unb  obenbrein  ber  ftunftlriti!  ifjre  Untaten 
5um  ©c^aben  ber  Äunft,  ja  gut  ©djmad)  beä  auf  mufifalifdje 
SSilbung  5lnfprud)  madjenben  3e^alter§  öerüben  bürfen?  33e= 
Dor  bie  ÜDconatSfdjrift  mit  ber  „Sftüge  eines  unüerantmortlidjen 
SBergetjens"  ber  $rau  ©djumann  entgegen  getreten,  t)ätte  ba& 
jelbe  fdran  Diele  3at)re  früher  gefdje^en  fotlen,  benn  fcfjon  Sarjre 
öotfjer  Ratten  Äunftüerftänbige  au»  ben  Vorträgen  biefer 
ßünftlerin  errannt,  bafc  foruoljl  irjre  erhaltene  ©dmtbilbung,  mie 


—     621     — 

ber  geringe  ©emütljSfonbS  biefelbe  nur  für  moberne  SJcufif 
befähige.  Mein  grau  Schumann  liefe  ftäj  üerteiten,  alle 
Staffüer  auf  tljr  Spult  §u  legen,  um  fie  alle  gu  moberni* 
firen,  b.  1).  übel  31t  befjanbetn. 

Sn  Seettjoüen'S  äJfcifif  mar  fjauptfädjlidj  9JcenbetSfoljn 
majjgebenb.  DaS  mar  ein  entfdjiebeneS  UngCüdE  für  biefe  äRujtf. 
Sie  SBunben,  roelcfje  burdj  biefen  Irodjftefyenben  Slünftter,  als 
(Etaüierfpieter  unb  Dirigent,  ieglidjer  SDbtftf  gefdjtagen  roorben, 
ber  böfe  ©amen,  ben  er  auSgeftreut,  f)at  im  Sorben  unb  ©üben, 
im  Dften  unb  SSeften  beS  muftcatifdjen  Staates  feine  grüßte 
getragen,  bie  mit  nidjtS  mef)r  ju  oertitgen  ferjn  merben,  roie 
fetjr  fid)  aud)  einige  Äunft*Drgane  barum  bemühen,  benn  bie 
©inmirfungen  finb  bereite  in  pfeifet)  unb  S31ut  ber  ©eneration 
eingebrungen.  ■fttdjt  etma,  bafe  eS  nid)t  fdjon  oor  9ftenbetSfot)n 
Dirigenten  gegeben,  bie,  roie  er,  ßlaüier=SSirtuofen,  bemnad}  roie 
er,  jebe  SUhifif  febiglid)  üon  biefem  Stanbpunct  aufgefaßt  unb 
felbft  grofce  Waffen  im  Sturmfdjritt  üor  fid)  t)ergejagt  fjätten, 
5.  $8.  (Sonrabin  ^reutjer,  allein  it»re  ©inroirtungen  blieben  auf 
einen  Ort  befdjränft,  über  roeldjen  IjinauS  it)re  Autorität  ntct)t 
.gereicht.  9)?enbefSfot)n  aber  trug  bereite  im  jugenblidjen  5tlter 
jeine  fünftterifcfje  Slutorität  als  ädjter  ftunftariftofrate  öon 
Sanb  ju  Sanb,  uon  einem  Üftufiffefte  gum  anbern,  fomit  lonnte 
eS  nidjt  ausbleiben,  bafe  er  allenthalben  als  t)öd)fteS  Siftufter  in 
jeber  ©attuug  Sftuftl  anerkannt  rourbe,  §umal  feine  Seiftungen 
nod)  burd)  eminente  Sigenfdjaften  anberer  31rt  unterftü^t 
roorben.  SttS  ber  SBerfaffer  1836  beranlafet  roarb,  gegen  3tfen= 
belSfotm'S  23et)anbtung  ber  9.  Sinfonie  auf  bem  Düffelborfer 
DJcufitfefte  in  ber  Sölnifdjen  ßeitung  aufzutreten,  mar  feine 
(Stimme  eine  oerein^elte,  bie  gotge  batjer  Spott  unb  £)ot)n. 
Damals  mar  eS  aber  noct)  3eit,  mit  ü  er  einten  Straften  ber 
beginnenben  g(utt)  einen  Damm  entgegen  §u  ftellen  unb  eine 
ber  §auptquelten  unfd)äbtid)  5U  machen.  Söo  roaren  jebod) 
jene  §u  finben,  bie  mit  befferer  (Sinfidjt  bem  öom  gefammten 
Dilettantismus  ber  ^robin^  für  unfehlbar  erflärten  $ünftler 


—     622     — 

otjne  gurdjt  unb  Sangen  entgegen  getreten  mären?  —  ©o  er= 
folgte  ein  ©ergeben  im  großen  ©trjl  nacrj  bem  anbern  nnb  mit 
^mtpfommen  anberer  gleichfalls  ju  Halbgöttern  erflärten 
&Iatrier*33irtuofen  mar  ba$  (Srjaratter^epräge  unferer  ßeit  eine 
botlenbete  'Jrjatfadje,  meiere  bie  ®unftgefd)id)te  einftenS  biet  be= 
fdjäftigen  mirb. 

Dtjne  3meifel  M  3rau  ©djumamt  bie  1856  bon  ber 
üftpnatSfcijrift  ausgegangenen  grünbticfjen  23eurtt)ei{iiugen  itjrer 
Vorträge  in  gemiffenrjafte  (Srmägung  gebogen  unb  fiefj  bemüfjt, 
fo  biet  nur  mbgtid)  biefelben  %a  beachten  unb  bamit  ben 
33emeiS  (^u  tiefem,  ba^  fte,  mir t tief)  bon  einem  t)öt)eren  (SeniuS 
befeett,  ber  53elef)rung  ein  milligeS  Dljr  leibje,  um  in  ber 
(Srfenntnifj  beS  2£at)ren  unb  (Sdjönen  ftcf]  metjr  gu  ergeben 
unb  als  gutes  dufter  ber  Sugenb  borsuteucfjten. 

2)er  gefcfjätjte  ?teftt)etifer  Dr.  (Sbuarb  £  auslief  gibt 
in  ber  „treffe"  bom  11.  Januar  b.  &  in  feiner  ^Beurteilung 
beS  5toeiten  SoncertS  ber  ftünftterin  in  SSien  bavüber  STuSlunft. 
ßr  fagt  unter  anbern:  „25a  ber  (Sinftufc  eines  fotdjen  SBeifpielS 
auf  junge  latente  fefjr  grofc  ift,  motten  mir  auefj  auS  bem 
legten  ©oncerte  ein  53eifpiet  anführen.  2ßer  bon  ben  3Us 
rjbrern  märe  im  ©taube  gemefen,  bem  erften  ©tücfe  ber 
„SlretSleriana"  in  biefem  £empo  3U  folgen?  (Schumann  fcfjreibt 
„gorte"  bor  unb  begeictjnet  überbieS  ben  2fnfang  jeber 
Sriole  mit  einem  2lccent;  ein  ^ßrefto  tote  baS  ber  grau 
Schumann  läfet  aber  nid)t  baS  geringfte  $ermeilen  auf  ber 
Safte  5U,  unb  mürbe  felbft  einem  2)ret)fct)od  ober  Ütubinftein 
baS  gorte  unb  bie  5lccente  unmögtid)  madjen."  —  £>iefe 
üföorte  geigen,  bafj  grau  Sdjumann  felbft  bie  SJhtfii  ifjreS 
berftorbenen  ©atten  übel  berjanbelt. 

©djon  in  feiner  ^Beurteilung  beS  bon  ber  ftünftterm 
erftgegebenen  (EoncertS  fagt  ber  genannte  5Ü!ritifer:  „  . . .  gerner 
fanben  mir  ibjre  Neigung  gur  33efd)teunigung  ber  SEempi 
alt§ufet)r  borge)  dj ritten." 

£)ie  „Wecenfionen"   erflären  fiel)  in  9er.  9   bom  2.  9Dcär$ 


—     623     — 

b.  S.  über  bie  jüngften  Vorträge   ber  grau  ©djumann  in  bcr 

Äaiferftabt  barjin:   „ 2Jcöge  e§  nur  gemattet  bleiben,   ben 

@runbfa£  feftgufjatten,  bafe  bteö  feine  9^ict)tung  fet>,  metd)e 
angefjenben  ßomponiften  unb  angerjenben  Sßianiften  $ur  28eiter= 
Verfolgung  empfohlen  »erben  fann.  2Benn  grau  Schumann 
SKo^art  ober  ÜBeetrjoOen,  SSeber  ober  (Sljopin  fpiett,  fo  füljit 
man  jttar  bie  ©egenroart  einer  SDceifterin,  allein  rcirb  un= 
roitlfürlid)  ju  mandjertei  5tu§ftetlungen  gebrängt.  23atb  febjtt 
bie  ©röfje  be§  Xon3,  rcie  fte  grauen  überhaupt  nidjt  gegeben, 
balb  fef)ft  bie  ©ragie,  balb  bie  §er§ttd)fett,  balb  bie  griffe, 
balb  tft  an  ber  Stuffaffung  etwa3  au§gu[e£ett."  —  Unb  mit 
biefen  Mängeln  behaftet  fonnte  biefe  ^ianiftin  für  ba§  größte 
SWufter  in  23eetrjoOen'<§  9Jtuftf  procfamirt  roerben! 

SlHeS  biefe§  ^eigt  aber  gur  ©enüge,  bafj  grau  ©crjumann 
fjeute  nod)  biefetbe,  bie  fte  oor  4  Sauren  geroefen,  \a,  ba^ 
fte  nad)  §an§Iirf'§  SBefunb  in  irjrem  ba<§  SSafjre  unb  (Sdjöne 
ttjatfädjftdj  öerrjöt)itenben  treiben  nod)  Oorgefdjritten  ift.  Samit 
befunbet  fid)  ber  ©etft  ber  mobemen  Shmft41riftofratie.  Sn 
ber  ©emif^eit  be§  Söeifallö  fetteng  ber  in  befferer  ©rtenntnifj 
gän^iid)  Oerfommenen  Stenge  unb  ber  Q3eförberung  ifjrer 
s$riüat=3roede  oon  ber  geftunung3lofen  t)unbert5üngigen  Stxiüt 
oerfcrjliefet  biefe  oornefjme  (Slaffe  oon  SDfrtfifern  bie  Ofjren 
jeber  üom  ©itje  ber  SBiffenfcfjaft  auSgerjenben  SBelefjrung  unb 
gibt  tebigtid)  itjrer  ©ubjectiüität  ben  fdjranfenlofeften  «Spielraum, 
©otdje  23eifpiele  muffen  nnoermeibtid)  auf  bem  fürgeften  Söege 
baf)in  führen,  bie  auf  2Siffenfd)aftlid)feit  berutjenbe  StunftfritiE 
fetjr  balb  ooflftänbig  in  ben  §intergrunb  gu  brängen,  mie  im 
(Eingang  biefeS  XtjeilS  fdjon  berührt  morben.  Sftögen  fid) 
fämmtlidje  gad)blätter  gut  Sefämpfung  biefe3  Sä'monS  bie 
"Deüife  mät)len :  Viribus  unitis,  tuenn  itjre  ©rtfiettg  nad) 
raenig  Satjren  nod)  eine  9Jcögtid)feit  feün  folt. 

Söolten  mir  bie  (Stjararteriftif  alter  oon  einem  Soncert* 
©aal  §um  anbern  getjenben  SBirtuofen  mit  einem  Solide  über= 
flauen,  fo  rjat  uttö  bie  9)couat3fd)rift  im  Slprilfjeft  oon  1857 


—     (324     — 

(ßonceri=23erid)t)  eine  getreue  3eid)nung  geliefert.     2)ort  tefen 
mir  unter  Slnbern: 

„  .  .  .  @S  gehört  31t  ben  oetrübenbften  Erfahrungen  fleifjiger 
(Soncert^efudjcr,  immer  unb  immer  roarjrnerjmen  311  muffen, 
roie  fet)r  bie  Sfaibtlbung  be»  51uffaffung3oermögen£ 
unb  ber  f^egiell  muficatifdjen  f^ätjigfeitert  über  jener 
einer  blo3  äufjerürfjen,  oft  gerabe§u  anti  =  muficatifd)en 
Xedjnif  üernadjtäjfigt  roirb.  S)ie  auffallenbften  ©eifpiete  bafür 
liefern  bie  concertirenben  ^ianiften.  ®a  ift  3.  93.  gräulein  £. 
(Sie  befitjt  einen  äiemtid)  t)übfd)en  $Infd)tag,  Unabrjängigfeit 
ber  §änbe  unb  überhaupt  genügenbe  ^ingerfertigreit.  Unb 
roa§  roeiter?  —  Sßjjrjfijcije  Äraft  ift  nid)t  Gebern  gegeben. 
%Ran  fann  im  Reitern,  grajiöfen  ©enre  SBorttefftidjeS  leiften  — 
bann  ober  üertege  man  fiefj  aud)  mit  ganger  Seele  bar  auf 
unb  getg'e  audt)  hierin  nebft  ben  ted)nifd)en  ©igenfdjaften  @eift 
unb  ©emütf).  2Ba3  Reifet  aber  fo  ein  auf  Glafftcität  5(nfprud) 
macfjenbe»  Programm,  roie  e§  jetjt  üblid)  ift:  §eroifd)e  (Sonaten 
tion  23eet£)ooen,  Skd/fdje  $ugen,  SOZenbelöfuljn'fctje  9}onbo'<o, 
(Stuben  oon  (Stjopin  unb  bagu  Sifjt'fdje  Sransfcriptionen? 
(Eine  rjerrlicfje  gufammenfteltung  üon  rootullingenben  9tamen! 
3So  aber  blieb  bie  erfte  unb  roidjtige  $rage,  bie  ein  Stünftter 
an  fid)  felbft  ridjten  füllte:  —  ma3  fann  id)  leiften?  £.  fpielt 
bie  unüermeiblidjen  F  moll-  unb  C  dur  =  Sonaten.  5)aö 
©rofjartige  berfetben  roiebergugeben,  baju  ferjlt  ber  rotte, 
fräftige  £on;  ein  31bagio  ober  SInbante  unferer  Stofftier 
einfad),  anfprud)§to§,  otjue  Sdjleppen  unb  $erren,  aDer  m^ 
©emütfj,  mit  £on,  mit  richtiger  ?lccentuirung  gefänglich 
f  ctj  ö  n  tior§utragen,  ba§>  mürbe  man  üon  fämmtlid)en  un§ 
betannten  männlidjen  unb  roeiblidjcn  Goncertanten  üergebtid) 
ermarten*),  unb  nun  gar  bie  £empo*$rage,  ba§>  ridjtige  ©efüt)t 
be<§  £empo,  mie  e3  bie  23e3eidjnung  felbft,  ber  ©tjarafter 
be§   Sonftüd^,   bie    gefunbe    SSeruuuft    angibt!    —    Sft 

*)  ©iefer  2tu3fprud)  fteljt  im  beften  (Smflange  mit  bem  oben  bon 
£>ector  33erli£»ü  angeführten. 


—     625     — 

ba§  ein  Sagen,  ein  drängen,  ein  Rubeln!  afö  ob  eine  SBette 
beftünbe,  mer  früher  bamit  fertig  nrirb,  at§  06  e§  ein 
SSerbienft  märe,  aus  Vierteln  Sichtet,  au§  Stdjtetn  Secf^efintet 
gu  machen,  als  ob  5.  53.  Söeetfjoüen  ber  heutigen  ^ianiften* 
Generation  mit  bem  testen  Satje  ber  F  moll  *  «Sonate  eine 
93raOour=@tube  jum  $ßriöatgebraucf)e  übermalt  fjätte!" 

3ur  SSerüottftänbigung  biefes  geitbilbeS  foll  ber  SSiener 
©fijje  eine  ßeipgiger  gur  Seite  geftettt  werben.  2)ie 
<$rengboten  üon  1854  brauten  in  9£r.  19  einen  frttifdjen 
S3erid)t  über  „Sie  Seipgiger  2lbonnement=(5oncerte  im  SBinter 
1853—54"  aus  ber  geber  üon  Otto  gajjtt,  barin  folgenbe 
«Stelle  erfct)eint: 

„@in  ®ruttbfdjaben  für  alle  Seiftungen  beS  Drct)efter§  ift 
baZ  Ueber^e^en  ber  meiften  Xempo'S,  tuefcf)e§  —  teiber  nact) 
9ftenbe(3fof)n'3  Vorgang  —  f)ier  immer  meljr  um  fiel) 
gegriffen  Ijat,  unb  mofür  e§  einen  fcrjfecfjten  ©rfafc  gemährt, 
ba$  gelegentlich  aud)  btö  £empo  entfefcttdj  oerfcfjteppt  mirb. 
®afe  ein  fotcfjeS  fjaftigeS  abjagen,  ma§  bod)  niemanb  mit  geuer 
unb  Seibenfdjaft  üerroetfjfetn  motte,  meiftenS  fcfjon  an  fief)  einen 
fanget  an  richtiger  Stuffaffung  betunbet  unb  ben  ß^aratter 
unb  bie  Söebeutung  ber  (Sompofition  gar  nicfjt  5ur  ©rfcfjeinung 
tommen  Iäfet,  berfteljt  ftetj  eben  fo  fefyr,  aU  bafe  ber  %on  unb 
SHang,  roefenttict)  beeinträchtigt,  nie  $u  feinem  föedjte  fommt. 
3ft  biefe  9kpibität  menigftenS  eine  Sßirtuofttät  beS  DrdjefterS, 
fo  mag  man  barüber  ftaunen.  allein  bei  unS  fteljjt  bie  Sadje 
gang  anberS.  £)a£  Drcfjefter  ift  nicfjt  im  Stanbe,  fdjttrierige 
Sachen  in  ber  Scfjnettigfeit  uotttommen  fjerauSgubringen,  fte 
fommen  nur  J)alb  §um  SSorfdjein,  baZ  detail  mirb  öernad)= 
läfftgt,  unb  biefe  $rt  gu  mifdjen  unb  gu  fd)(ottern,  e§  nirgenbS 
gang  genau  gu  nehmen,  reifet  überhaupt  ein,  eine  feine  Sftuancirung 
unb  Scfjattirung  finbet  niii|t  mef)r  ftatt  unb  fann  burdj  berbe, 
grobe  Sdjtageffecte  nidjt  erfei$t  werben.  2)iefe  §aft  unb  (Site 
üerbreitet  ftcf)  bann  über  bie  gange  9luffaffung  unb  5lu§füf)rung, 
liebeootte  Sorgfalt  unb  einfttf)tige3  (Stngefyen  oermifjt  man  überall, 

K.  ©cfjtnblcrä  SBeet^oeen.58tograp^ie.  4Q 


—     626     — 

eben  fo  feljr  in  ber  fcrjarfen  Beobachtung  ber  rrjtitljmifcfjer! 
©tieberung  afö  in  ber  Sict)t=  unb  Scfjattenüertrjeilung  bei 
polrjpfjonen  ©eftaftungen,  morauf  beren  Berftänbnifc  bor  allem 
beruht.  2Bo  fo  bie  Srfenntnijj  ber  untergeorbneten  S^erc)ättniffe 
ferjtt,  ift  ein  ©rfaffen  unb  3)arftellen  be§  tieferen  ©el)alte3  nodj) 
roeniger  gu  erroarten." 

(Sn  berfefben  SSeife  beurteilte  ber  SBerfaffcr  ba$  Seipgiger 
Drcfjefter  neun  Saf)re  früher  nad)  2lnf)örung  groeier  ©emanb= 
fjau^Goncerte  unter  gerbinanb  £nller3  Seitung.  9J?enbet§fof)n 
mar  fo  eben  in  feine  neue  Stellung  nacfj  Berlin   abgegangen.) 

(So  fterjt  e3  um  bie  ©egenroart!  2Bat)rttcfj,  roenn  unfere 
Slaffifer  mit  leiblichen  ©innen  in  biefeS  friüote  ©etreibe  treten 
fönnten,  fie  mürben  bie  meiften  irjrer  SBerfe  nirfit  mieber  er= 
fennen.  SSenn  nicfjt  bie  großen  muftcatifcfjen  S'örperfdjaften, 
namentlich)  bie  gemifdjten  ©efangöereine,  als  unerfdjüttertidje 
©runbfeften  ba§  ©egengemicfjt  Rieften  unb  bie  eigentlichen 
(Sonferoatorien  (@r§altung§*8nftitiite  be§  ©uten  unb  2Sal)ren) 
repräfentirten;  menn  nid]t  ferner  ein  anfetjnlidjer  23rud)trjei( 
be§  geniefjenben  ^jSublicumS  öon  bem  ©ebafjren  jener  ©(äffe 
oon  9J?ufifern  ermübet  fidj  bem  Befferen  guroenbete,  ba$ 
fommenbe  Sarjrfmnbert  Ejätte  nur  meljr  Ruinen  auf  bem  ©e-= 
biete  ber  claffifcrjen  £onfunft  anäufdjauen. 

Sftöge  jebod)  biefer  Xrjeit  mit  freunbticfjer  ffingenben 
5fccorben  bem  9(bfd)(uffe  nafje  geführt  merben,  al§  bie  nädjft= 
öorftetjenben  geflungen.  Um  biefe3  *u  erreichen  ferj  juuörberft 
ein  S^üdbtid  in  bie  fiebenstage  unfern  erhabenen  £onbid)ter§ 
geftattet.  Seiner  ßlaüiermufif  (bie  ©oncerte  aufgenommen) 
mar  ba§>  feltfame  £oo3  befdjieben,  lebiglid)  in  §mei  tarnen 
bie  mafjrften,  in  ifyren  ©eift  am  tiefften  eingebrungenen 
Vertreterinnen  §u  befi^en,  bie  mit  reinfter  unb  aufrichtiger 
^Sietät  fid)  ben  bjoljen  ©ebitben  genähert  unb  felbe  burcfj  feinerlei 
Birtuofen  =  guttaten  SW  oerbeffern  gemagt  fyaben,  inbem  fie 
Birtuofinnen  in  be§  SSorteg  moberner  Bebeutung  nicfjt  ge* 
mefen,    folgtid)    aud)    ben    biefer    Glaffe    antlebenben   (belüften 


—     627     — 

unb  SSerfutfjungen  nicrjt  unterworfen  nmren.  ©ine  biefer  Samen 
mar  bie  Freifrau  3)orotf)ea  öon  (Srtmann  in  SSien,  bie 
anbere  bie  ©räfin  ©ibonie  oon  23run§tt)icf354)  in  ^Sefttj. 
£>ie  SSirffamfeit  ber  erfteren  —  nnter  Anleitung  $eetf)oüen'3  — 
fällt  in  ba§  erfte  unb  gtoeite  Sarjräerjenb,  bie  ber  anbern  S)ame 
in  ba%  britte  unb  üierte.  lieber  $rau  üon  Srtmann  t)at  ficfj 
ber  Sßerfaffer  bereite  in  ber  britten  Sßeriobe  augfü^rlict)  au^ 
gefprocfjen.  3>ort  ift  unter  anbern  gefagt,  bafc  biefe  £>itf)terin 
im  5lusbrucE  be§  Slnmutljigen  unb  üftatoen,  aber  auf  im  liefen 
unb  «Sentimentalen  ejceßirte,  ferner,  ba$  fie  bie  ©renken  biefe§ 
it)re§  befcfjränften  @ebiete§  üor  Kennern  im  großen  ^aum  nie= 
mal§  Übertritten,  bafj  fie  überhaupt  an  bem  @a^e:  „?ttle§ 
pafet  nicfjt  für  Sitte",  unberrücft  feftgefyalten  \)<xbt.  %{§>  be= 
fonbereä  d)arafteriftifc(je§  9J?er!maI  barf  ber  SJcutf)  biefer 
©otbatenfrau  gerühmt  roerben,  mit  metcrjem  fie  ben  QSirtuofen 
gegenüber  getreten,  Don  benen  fie  ficfj,  tro§  be§  SSotföjubete, 
nicfjt  im  geringften  imponiren  tiefj.*)  —  2tnber§  ftanb  e3  um 
bie  grofce  üüfteifterin  in  ^ßeftrj.  SSenn  in  folgern  $atte  ein 
§8ergleicf)  mit  @enre=  unb  .£nftorien=SDMerei  paffenb  märe,  fo 
bürften  bie  intenfiben  mie  ejtenfiüen  ©igenfdjaften  beiber 
Äünftterinnen  anfcrjautirf)  neben  einanber  geftellt  fetjn.  Sm 
©egenfatie  §u  ber  SSiener  £)ame  mar  nur  ba%  ©rofje  unb 
Stiefernfte  ©egenftanb  ber  Snfpiration  unb  poetifcfjen  3ßieber= 
gäbe  bei  ber  ©räfin  23run3n)icf.  S§re  Seiftungen  tjierin  glichen 
großen  SBanbgemätben   unb  mirften  oft  fcfjtagenb.     3n   S3eet= 


*)  SSeldjen  Spielraum  SBeetfjotien  biefer  Sünfilerm  ju  ©eltenbmadjung 
tbrer  ©ubjectitoität  am  pano  gelaffen,  unb  unter  tuetdjen  S3ebingungen 
ober  23orau§fe£ungen  bieg  gefdjefyen,  ifi  ©.  288  u.  ff.  bemerft. 

3b4)  Über  Dorothea-Cäcilia  ist  bereits  eine  ausführliche  Mono- 
graphie in  der  „Deutschen  Musikerzeitung"  vom  Herausgeber  erschienen, 
über  die  Gräfin  Sidonie  von  Brunswick  wird  „Beethovens  Frauenkreis" 
eingehend  zu  reden  haben.  Über  die  dritte  große  Beethoven-Priesterin 
Marie  Pachler-Koschack  wird  ebenfalls  noch  genau  zu  sprechen 
sein.  Ä.  d.  H. 

40* 


—     628     — 

§oben's  SWuftf  mar  fie  burcfj  iljren  ®emal)t  eingeführt  morben, 
beffen  eigentliche  ©djjüterin  fie  gemefen.  3n  mefentlidjen 
^uncten  trafen  jebotf)  beibe  Samen  §ufammen:  in  getreuer 
üftadjempfinbung  bes  Xonbitfjters,  unb  richtiger  Sr= 
fenntniB  i^rer  ©tärfe  unb  (Sctjmädje.  STuS  erfterem 
©runbe  marb  in  bas  reprobucirte  2Berf  nichts  hinein,  aber  autf) 
mdjtä  ljeraus  gef)eimni^t,  ma§  nicfjt  barinnen  lag  —  mie  ber* 
gleichen  bem  (Sin  gemeinten  mit  allen  Singen  511  ergeben  pflegt,  '■ — 
aus"  bem  anbern  ©runbe  blieb  man  mit  fcrupulofer  ©eroiffen- 
fjaftigfeit  bem  fünftlerifctjcn  Vermögen  getreu,  ©räfin  ©ibonie 
mar  granbios  in  33eetf)oben's  B  dur=2rio,  in  ber  F  moll= 
(Sonate,  in  <2pot)r'§  Ouintett  C  moll,  be§g(eicf)en  in  einigen 
Söerfen  oon  Dnstom,  abftecfjenb  bagegen  in  anbern,  bie  ät)nlid)es 
©epräge  nidjt  getragen,  ober  benen  burctj  bie  gemaltige  föraft 
tt)rer  £)änbe  ein  etmas  uneigentljümlicrjer  (Efjarafter  gegeben 
morben.  %m  teueren  $alte  übte  fie  felber  ftrenge  Äritif  itjrer 
Seiftung,  bie  meift  nur  au§  ©efäßigfeit  für  ^Cnmefenbe  ftatt= 
gefunben.  ©räfin  Sibonie  erfreut  firf)  noctj  be3  Seben§  im 
Greife  ber  itjren,  itjre  |)arfe  jeboct)  ift  mit  bem  1847  erfolgten 
£obe  it)reö  ($emat)ls  auf  immer  oerftummt.  öeibe  Ijaben  bie 
großen  llmroanblungen  auf  bem  ©ebiete  ber  (Joncert*  unb 
Äammermufif  mit  511  beobachten  bie  unerfreuliche  Gelegenheit 
gehabt.*) 


*)  2)a§  §au?  be§  Ghafen  ^ranj  öon  Srunäraicf  gtid)  einem 
Gonferöatorium  im  fleinen  ^Nafeftabe  für  einen  au§erroäf)lten  ßretS  nadj 
^öljerem  firebenber  Sftuufer  unb  ötufiffceitnbe.  (Sin  fieljenbeä  Quartett  in 
mufterb,after  2Ut3bilbung  mit  2abor§fn  (au§  bem  ^rager  Gonferöatorium) 
an  ber  erften  Statine,  ber  ©raf  felber  am  JBioIonceQ,  bie  ©räfin  ba§  ^iano- 
forte  rjanbfja&enb  —  biefeS  fünftlerifdje  -Trifolium  im  25erein  leistete,  roa§ 
man  in  SSien  jur  3eü  öergeblicb,  gefudjt  traben  mürbe.  SSeldj'  ein  Setjrer 
unb  Serbreiter  be3  guten  ©efd)macfe3  öraf  SrunSroicf  im  großen  s3ftafe= 
ftab  geiuefen,  nürb  9?ad)ftel)enbe§  geigen.  1819  übernahm  er  bie  Seitung 
be§  ^eftfyer  Stabttrjeaterö  in  ber  löblichen  ?lbficf|t,  bem  tief  gefunfenen  Qu- 
ftanbe  toieber  aufzuhelfen.  3m  erften  %>at)xe  ging  aüe§  gut  öon  Statten, 
bie  2)inge  waren  merfltcb,    öorgerücft.     %m  jroeiten  Sa^re  aber  »erlangte 


—     629     — 

Sßenben  mir  unä  mit  bicfen  gemife  aud)  für  ^ünftter  Don 
Getier  nacrjat)mung3tt)ertf)en  Seifpieten  §u  ben  ®ornpljäen  ber 
neuen  9Rid)tung  in  jener  3e^^  toetdje  im  Saufe  mehrerer 
Sa^erjenbe  forooEjt  in  ber  öftreid)ifd)en  <paur>tftabt  ttrie  aflent* 
falben  bie  daoierfpietenbe  Sßelt  allein  be^errfd)t  fjatten,  al§: 
Rummel,  attofdjeleS,  $ßiji§  u.  a.  $urd)  irjre  $ro= 
buctionen  tjaben  biefelben  bemiefen,  baft  fie  ifyrem  ©enre  — 
ber  23rillance  burd)  23raoour  —  getreu  geblieben  unb  feinen 
anbern  in  it)r  Söereid)  gebogen  rjaben.  £)arum  teifteten  fie 
$oHfommene<§.  2Iud)  fie  gelten  ben  „übernmnbenen  @tanb= 
punct"  feft,  mie  bie  ,3itfunft8mufifer  öon  *)eute>  benn  aud) 
fie  mochten  geglaubt  fjaben,  nne  bie  ©egenttmrt,  fo  gehöre 
iljnen  aud)  bie  £utunft.  2)a&  fie  SSeetrjoöen'3  Söerte  unbeachtet 
liefen,  foü  nict)t  al3  ftrenger  Xabel  gelten,  benn  biefe  übten 
auf  ein  gemifcfjteä  ßoncert=$ßublitum  ntrfjt  ben  minbeften  Steig 
mefyr,  ftanben  überhaupt  mit  ben  eigenen  (Sompofitionen  biefer 
Äünftter  im  ©egenfatje.  2öiÜ  man  ftd)  öon  bem  ©efagten 
überzeugen,  fo  üerfotge  man  bie  (5oncert=$rogramme  ber  ge= 
fammten  Stünftter  in  ber  3lttgemeinen  Sftuficatifdjen  geitung, 
e£  bürfte  barin  nidjt  ein  einziges  festen.  S)er  ftd)  bortfjer 
aufbrängenbe  SSergleid)  mit  bem  ©tanbe   ber  £>inge  in  unferer 


ber  silbel  mefjr  italienifctje  Opern,  ber  anbere  SDjett  be§  ^ßublicuma  metjr 
SBiener  Sofien.  S5aS  fjiefe  auf  ben  alten  ^lecf  jurücfgetjen.  SDie  Don  ber 
SDirection  gemalten  (Sonceffionen  genügten  ben  23egeljrevn,  oornefjmlicfj  bem 
älbet,  nidjt,  unb  ba  ©raf  SbrunSroicf  bei  feinen  gefaxten  ©runbfä^en  be* 
fmrrte,  fo  fam  e§  alSbalb  batjin,  baf$  fämmtlidje  iiogen  leer  ftanben.  ®a§ 
t)tnbette  iftn  feboct)  feineSroegS,  bie  beften  ©änger  unb  ©djaufpieler  fommen 
ju  laffen  unb  fict)  mit  einer  fleinen  Slnjatjl  ©ingelabener  gefie  in  Oper 
unb  ©ctjaufpiel  ju  bereiten.  Sßacft,  9?ieberlegung  ber  2)irection  1822  mar 
eine  enorme  Summe  Derloren,  aber  bie  ©fjre  nidjt,  aud)  ttictjt  ba%  Seroufet* 
ferjn,  baä  !öefte  gerooüt  unb  e3  in  einem  fleinen  Steile  beä  Sßublifum3 
erreidjt  ju  fjß&en.  @r  Derbüeb  immer  ber  reichbegüterte  Magnat  be§ 
ÄönigreidieS.  2lu3  jenen  Sauren  batirten  einige  intereffante  abriefe  Don 
iöeettyooen  an  feinen  greunb  in  s#efilj,  in  benen  biefer  ermutigt  roorben,  auf 
ber  eingefdjlagenen  Söafjn  fortjumirfen.    ©efegnet  ferj  fein  Slnbenfen! 


—     630     — 

3ett,  (tüte  itjn  bie  üEonatSfdjrift  üor  5(ugen  legt)  ba$  Ch> 
gebnife,  ba^  ba§>  in  jenen  £agen  oben  Stefjenbe  (ängft  üer= 
Rungen,  bagegen  bie  äurücfgefettfe  SD^uftf  unferS  3fteifter§  tote 
ein  ^Ijönir  au3  feiner  ?{fcfje  roieber  erftanben  unb  eine  ©(orte 
erlebt  fjat,  roie  niemals  5U  erwarten  ftanb;  ferner  bie  %fyaU 
fatfje,  bafj  genannte  Äünftler  in  fpäterer  3eit,  afö  üjt  Stern 
im  Untergeben  toar,  ftd)  mit  2lrrangiren  üerfrfjiebener 
Sßerfe  be§  etnft  unbeachteten  9fteifter§  befcfjäftigten  (Rummel 
bie  ©infonien),  enblicfj  gar  an  neuen  §erau§ga6en  biefer  iSBerfe 
ficf)  beseitigten  unb  tfjren  tarnen  barauf  festen  (ÜKofrf)ele§); 
ba§  finb  ©rfdjeinungen,  bie  in  alter  SD?ufi!=Siteratur  feine 
Sßarattete  finben  bürften. 

üftadjfterjenbe  Heberf tc^t  ber  üerfcfjiebenen  ausgaben 
üon  Seetfjoüen'fcrjen  28er fen  roirb  ein  fpred)enbe§  3eu9n^B 
üon  ber  beifpiettofen  Verbreitung  berfelben  tiefern. 

2>ie  Originalausgaben  ber  (Haüier-SBerfe  üer= 
trjeiten  fidj  unter  bie  bermat  befterjenben  SBertagSrjanb* 
hingen  üon: 

£a§linger  in  2Bien,  (im  SSefttje  beä  gefammten  Vertagt 
be§  ehemaligen  3nbuftrie=(£omptoir§), 

Spina  in  SSien,  üomtal§  ®iabeüi  u.  (Somp.,  (im  33efi^e 
be<§  Vertagt  üon  S£rjab.  2öetgt,  iüftattb,.  Slrtaria,  ^Sennauer  unb 
Seibesborf), 

2ßi|enborf  in  2Bien,  (im  SBeftfce  öe§  Vertaget  bon  Sappi 
u.  Sofepf)  Saernti,  £rentfdjen8ft)  u.  SSieroeg  unb  (£b.  9JMo), 

©cfjfefinger  in  23ertin, 

SIrtaria  u.  Gomp.  in  SBien, 

©imrod  in  Sonn, 

$ßeter3  in  Seipjig, 

SSreitfopf  u.  §aertel  in  Seip^ig  unb 

^offmeifter  in  ßeipgig. 

23emerfen3iüerrf)  ift,  ba%  faft  alle  biefe  §anbtungen  fidj 
gegenfeitig  an  btefem  irjrent  ©igentrjum  »ergriffen  unb  melfadj 
nadjgebrudt  t)aben. 


—     631     — 

2Iu§gaben  oon  alten  Sonaten  (mit  5lu§na£)me  öon 
Op.  106,  109,  110  unb  111)  Ijaben  batb  narf)  S8eet^ot)en'§ 
£obe  üeranftaltet: 

§a§linger  in  SBien, 

3ot).  3(nbre  in  Dffenbadj, 

Simrocf  in  93onn, 

Sote  u.  SBocf  in  ©erlitt, 

ßranä  in  Hamburg. 

©ine  meljr  ober  mettiger  grofje  3Cn§at)(  ber  Sonaten  ift 
gebrucft  bei: 

Sreitfopf  u.  £>aertet  in  Seidig, 

üftagel  in  §annoüer, 

$ßeter§  in  Seidig, 

Schlesinger  in  Berlin, 

Spina  in  2Sien, 

Spefyr  in  23raunfd)toeig, 

33ot)me  in  Hamburg, 

Sßi^enborf  in  SBien, 

5lrtaria  u.  (£omp.  in  SSien, 

Scfjubertf)  u.  (Somp.  in  Hamburg, 

2Seinf)o(t3  in  Söraunfdjmeig, 

23atf)mann  in  ^annober, 

©{jallier  in  Berlin, 

Scfjott  in  SJcainj, 

@cf  u.  ßomp.  in  Sötn, 

Söfjr  in  granffurt  am  Sftain, 

©unft  in  granffurt  am  9)tain, 

üftägeti  in  3ur^- 

Seibe  te^genannten  2tu3gaben  ftnb  faft  gän^icr)  Vergriffen. 
Sn  ber  üon  S)unft  befanben  fid)  gugteicf)  alle  S£rio'3,  Duartette, 
£luintette  unb  alle  ©oncerte,  btefe  meift  and)  in  Partitur.  — 
£)e3g(ekrjen  alle  Sieber  unb  ©efänge. 

§oüe  in  SBolfenbüttet  läfct  eine  Stereott)p=2Tu§gabe 
fämmttidjer  SSerfe    „unter  Oteöifion  oon  Dr.  gran§  Sifet" 


—     632     — 

erfreuten.  ^Bereits  finb  eine  ^Inja^I  Sonaten  unb  einige  «Sin- 
fonien, arrangirt  oon  $.  SB.  äftarfull  für  ^ßianoforte  gu  2  unb 
4  ^pänben,  im  publicum. 

^atlberger    in    Stuttgart    fjat    begonnen,    fämmttidje 
Sonaten  „unter  9M>action  bon  SttofcrjeleS"  fjerauSäugeben. 

£>ecfel  in  2J?annt)eim  §at  afle  (Haöier^rio'S  unb  bie 
Partituren  fämmttidjer  Quartette  IjerauSgegeben,  bie  aufjerbem 
aucfj  bie  Verleger  ber  Originalausgaben  öeröffentlidjt  Reiben. 

Sn  ^ßariS  ejiftiren  an  -$et)n  metjr  ober  toeniger  oott= 
ftänbige  ausgaben  aller  6(a0ier=2Berfe.  3Me  Partituren 
alter  (Sinfonien  finb  bafe(bft  in  gnjei  Offizinen  gebrueft; 
bie  Partituren  oon  alten  Goncerten  I)at  fRicfjauIt  ijer* 
ausgegeben. 

Sn  (Snglanb  erjftiren  fecfjS  bis  aetjt  üoltftänbige  2(uS= 
gaben  alter  6(aoier=2öerfe; 

in  Belgien  unb  §oltanb  fünf  bis  fedjS; 

in  üftorbamerüa  oier  bis  fed)S; 

in  SRuftlanb  enblid)  ^mei  bis  brei. 

Sm  ©anjen  ergebt  jidj  bie  3af)t  oer  ausgaben 
Oon  ber  (£taoier=2ftufif  über  oterjin,.  Sebe  511  taufenb 
©jemplaren  angenommen,  mirb  tooljt  nicfjt  übertrieben  fetin. 

(Sn  jüngfier  &it  ift  in  ber  3lnbre'fd)en  $er(agSt)anb(ung 
ein  Unternehmen  mit  33eet§oüen'S  Sonaten  gu  £ag  getreten, 
baS  §u  ben  fettfamften  unb  beflagenStuerttjeften  unferer  främeriftf)en 
©tiotfje  in  Sachen  beS  9#ufifoer(agS  ge^ä^tt  merben  mujj  unb 
fjier  nidjt  unbemerft  bleiben  barf.  2)iefe  SkrtagSfjanbtung  I)at 
nämlitf)  begonnen  Sonaten  auf  4  §änbe  auS5uftrecfen.  S3eteitS 
finb  bie  Pathötique,  bann  bie  in  Cis  moll  unb  D  moll  in 
foletjer  ßerfe^ung  erfcfjienen.  5ttS  Sßotlbringer  biefer  ^fjaten 
nennt  firf)  auf  bem  Titelblatt  SuliuS  Stnbre. 

5ltS  üor  ungefähr  fünfeeljn  Sauren  bie  SSertagStjanbtung 
Schott  eine  buret)  SSertini  bemirfte  3e^fe^u»9  öon  ©eb.  S3ad)'S 
mofyttemtierirtem  ißlatiier  auf  4  §änbe  erfdjeinen  liefc,  t)örte 
man   alle   9J?ufifer  oon  fünftleriftfjer  ©efinnung  einen  Schrei 


—     633     — 

beS  Unwillen^  auSftoften  über  folgen  nie  bageroefenen  freuet 
an  einem  {^eiligen  Sfrinftroerfe.  §ätte  eS  §nr  Qe\t  nur  ein  ein* 
gigeS  unabhängige^  Organ  in  ©adjen  tnuficaltfcfjer  Kritif  in 
2)eutfd)lanb  gegeben,  biefeS  ©acritegium  märe  nad)  Sßerbienft 
gebranbmarft  anftatt  angepriefen  morben.  —  9ftit  bem  Attentat 
auf  23eetl)oöen'S  ©onaten  tl)ue  id)  hiermit,  maS  meines  SlmteS 
ifi  Srgenbmelcfje  biefer  in  fid>  abgefditoffenen  £onbidjtungen 
auf  4  §änbe  ausreden,  fjeifjt  nid)t  meljr  in  bem  ©inne  arran* 
giren,  um  ein  urfprünglid)  für  Drdjefter  ober  Quartett  ge= 
fdjriebeneS  2öer!  ben  9J?ufiffreunben  näf)er  gu  legen,  bamit  eS 
bem  SSerftänbniB  leictjter  äugänglid)  merbe,  —  eS  Reifet  öielmefjr 
ein  Stongemätbe  in  ber  5Irt  gerftören,  als  roenn  ber  (Sopift 
eineS  garbengemälbeS  gelb  ober  rott)  gebraust,  mo  beffen 
©djopfer  blau  angemanbt,  unb  mit  fotdjer  $ermed)felung  ber 
garben  über  alle  Xrjeite  feiner  ßopie  fortfährt. 

3Bett  bie  Sö'ne  jeber  Cctaüe  itjre  eigenttjümlidje  Klangfarbe 
|aben,  fo  mirb  natürtidjerroeife  eine  Sftelobie  auS  ber  ein*  in 
bie  äroei=  ober  gar  breigeftridjene  (ober  aud)  in  eine  tiefere) 
Dctaöe  oerfettf,  ben  öom  (Somponiften  gegebenen  (Stjarafter  eben 
fo  gemifj  einbüßen,  als  burd)  $ermed)fetung  ber  garben  auS 
bem  ©emätbe  etmaS  ganj  anbereS  gemacht  mirb,  als  baS  Dri= 
ginal  aufroeifet  Kann  bemnad)  baS  gerfelen  eines  bem  $ßub= 
licum  in  feiner  urfprünglid)en  ©eftattung  leidjt  jugänglidjen 
KunftmerlS,  morin  jeber  £on  an  bem  öom  Autor  angemiefenen 
^la^e  ju  tjören,  nur  bie  geringfte  Berechtigung  für  fein  S3e= 
fielen  beanfprudjen?  £>iefe  genannten  (Sonaten  finb  bem  Um* 
fange  öon  fünf  Dctaoen  auf's  genaufte  angepaßt,  barum  an 
feiner  ©teile  ein  Bebürfnifj  nad)  3luSmeitung.  Sttan  felje  jeboct) 
in  ben  Anbre'fdjen  „Arrangements"  bie  unääljligen  SSerboppelungen, 
ja,  SSerbreifadjungen  öon  SMobien  gartefter  9?atur;  man  fet)e 
ferner  bie  Sßerboppetungen  fogar  bon  93egleitungSfiguren  für 
2  £)änbe  bei  eben  foldjen  9Jcelobien.  2)ie  3erfefeun9^  ndjtigw 
$erfetjung,  im  3.  ©a|e  ber  Cis  moll=©onate  finbet  mol)t 
iljreS  ©leidjen  nidjt  mieber.    Unb  gu  fold/  ftrafmürbiger  §in= 


—     634     — 

rid)tung  Seetfjooen'fdjer  ^ßoefien  tonnten  fidj  giuei  Söljne  be3 
gelehrten  unb  mit  SNedjt  fmd)gead)teten  3Jcufifer3  unb  Sßecteger^ 
5(nton  5(nbre  oerbünben!  5Iud)  ba§  ift  ein  3e^en  unferer 
pietätäfofen,  befto  meljr  egoiftifdfjen  üühtfifepodje.) 

©djon  oft  mürbe  oon  Shinftfreunben  an  ben  SBerfajfer  bie 
$rage  geftellt,  ob  23eett)ooen  raobi  jemals  bie  Hoffnung  taut 
»erben  tief;,  ba^  feinen  Sßerfen  einftenS  bie  oerbiente  SSürbigung 
3U  Zi)di  merben  mürbe?  SMefe  Sra9e  konnte  mit  öoüer  ©emifc 
tjeit  mit  DciemaU  beantmortet  merben.  £ie  muficaüfdjen 
3uftänbe  ber  testen  geljn  Safjre  feinet  SebenS  im  Mgemeinen 
mußten  jeben  ©ebanfen  an  eine  3ufunft  feiner  SSerfe  tierjdjeudjen, 
tjatte  er  bod)  big  auf  bie  (Sinfonien  unb  Cuartette  faft  aüe 
übrigen  <2d)öpfungen  bereits  fo  gut  mie  tobt  gefefjen.  @§  (ebt 
htbefj  eine  leife  ÜBermuttmng  in  mir,  er  fbnne  bennod)  auf  ein 
SSiebererftetjen  fämmtfidjer  üfikrfe,  menn  and)  in  fernerer  3eü» 
gehofft  Ijaben,  unb  §roar  fnüpft  fidj  biefe  SBermut§ung  an  sJiad)= 
ftet)enbe§: 

©oett)e  in  ber  Sinteitung  ju  bem  Gapitet  im  2öeft=ö filieren 
25iöan,  ba§  bie  Ueberfdjrift  „Sefferem  23erftänbnif3"  trägt  unb 
ftcf)  mit  ber  Sidjtfunft  ber  alten  Hebräer,  Araber,  ^ßerfer,  unb 
mit  ben  £)id)tern  be§  teueren  23o(fe3  befdjäftigt,  füt)rt  an:  „Sd) 
tjabe  bie  ©djriften  meiner  erften  Satjre  olme  Sßormort  in  bie 
23ett  gefanbt,  oljne  aud)  nur  im  minbeften  an§ubeutcn,  mie  eö 
bamit  gemeint  fett;  bie3  gefdjaf)  im  ©tauben  an  bie  üftation, 
baft  fte  früher  ober  fpäter  ba§  Vorgelegte  benutzen  merbe.  Unb 
fo  gelang  mehreren  meiner  arbeiten  augenbtidüdje  Sßirfung, 
anbere,  nid)t  eben  fo  faßüd]  unb  einbringend  beburften,  um 
anerkannt  gu  merben,  mehrere  Satire.  Snbeffen  gingen  aud) 
biefe  oorüber  unb  ein  äroeiteS,  britte§  nad)road)fenbe§ 
©efdjtedjt  entfd)äbigt  mid)  boppelt  unb  breifadj  für  bie 
Unbitben,  bie  id)  oon  meinen  früheren  3e^9ertofleu 
5U  erbutben  fyatte." 

35er  tetste  ©atj  biefes  Gitateä  finbet  fid)  in  bem  Dortjanbenen 
(Sj-emplar  be£  ©oettje'fdjen  Sudjeö  oon  Seettjooen'ä  §anb  jur 


—     635     — 

Seite  angeftridjen,  aber  nod)  befonberS  in  einem  ber  STagebüdjer 
ü6gefd)rie6en.  9D2an  erinnere  fid)  be§  in  ber  Einleitung  ®efagten, 
lüie  23eetrjoüen  (^u  lefen  pflegte  unb  roelcfje  SSebeutung  beriet 
21bfcfjriften  fjaben.  ©ottte  bemnad)  biefer  ©atj  nid)t  einen 
£roftgrunb  $u  eigener  SSerurjigung  über  bie  fetbft  aud)  erlebten 
Unbilben  feiner  ßeitgenoffen  enthalten?  ®afür  fetjft  aüerbingä 
(Serotfjfjeit,  aber  ^u  ^roeifetn  ift  erlaubt. 

Sftod)  Slnbereä  foll  mit  SSorftetjenbem  in  $erbinbung  gebraut 
roerben.  Sei  bem  51nbrängen  ber  italienifdjen  Stonfluttjen  5U 
Anfang  be§  3.  Sarj^erjenb'sS  unb  in  einem  ©efprädie  mit  unferm 
SD?etfter  im  greunbegfreife  über  biefe  faft  troftlofen  ©rfdjeinungen 
£)örten  mir  23eetrjoüen  mit  ©mpfjafe  ermibern:  „üftun,  ben  Sßlatj 
in  ber  $unftgefd)id)te  fönnen  fie  mir  bod)  nid)t  nehmen !"  — 
Dieö  fd)ien  alfo  ber  einzige  <poffnung3anfer  ju  fetjn,  an  roeldjem 
ber  grofce  Seetrjoüen  roenigften3  feinen  tarnen  feftgebunben  fafj 
—  unb.bamit  fdt)ien  er  fid)  5U  begnügen.  §ätte  er  bod)  nur 
eine  geringe  Tantieme  üon  jeber  5Iu3gabe  feiner  2Berte  begießen 
rönnen,  fatt§  er  einige  ber  umfangreichen  nod)  erlebt  rjätte! 
Sn  bem  Q3ud)e  be§  ©cfjidfalS  mar  e3  jeboct)  anberä  beftimmt; 
bie  oftmals  auägefprocfjenen  Sßorte:  ,,3d)  fdjreibe  üftoten  auS 
9^öt£>en",  fottten  für  fein  gangeS  Seben  eine  2öaf)rf)eit  bleiben. 


<£rgän$ungen. 


A.   SBeetfurten'ä  SBilbniffe. 

©oll  ba§  Portrait  fdjon  an  unb  für  fid)  ßfjarafterbitb 
fetyn,  rcenn  e§  nid)t  au§  ber  9fteif)e  äftljetifdjer  *J3robuctionen 
auggefcfjtoffen  fetjn  totff,  fo  rairb  bieg  bei  ^iftortfcEjen  $er= 
fönen  um  fo  ftrenger  genommen  roerben  muffen,  gumal  menn 
bie  2tbbitbungen  bon  ifjnen  berbielfättigt  unb  §um  ftefjenben 
ipanbelSarttfel  geworben.  £er  bljjbfiognomifdje  9lu3brud  be§ 
$ortrait§,  befonberg  be§  gemalten,  foü  nidjt  bto3  bte  51eljn{icrj= 
feit  getreu  miebergeben,  aud)  bie  Sebeutung  ber  ^?erfon  foü  er 
burd)  ba$  ©eiftige  ben  Sefdjauer  leidjt  erratfjen  taffen.  £>iefe 
3Inforberungen  machen  e§  ben  Herausgebern  jur  ^ftid)t,  nur 
fotdje  in  bie  Deffenttidjfeit  gelangen  gu  taffen,  toetdje  in  jebem 
S3etract)te  entfbredjen,  nidjt  bietmefyr  im  augenfdjeintidjen  Sßiber* 
fbrudje  mit  ber  ftct)  offenbarenben  üftatur  ftetjen,  fo  bajj  erft 
ber  betgefe|te  tarnen  be3  3tbgebilbeten  §um  ©rfennen  berfjilft. 

Sftit  biefen  unbeftreitbaren  ©ätjen  an  bie  SBeurtljeUung  ber 
anfet)nlid)en  ßatjt  bon  abmeid)enben  ©arftetlungen  üon  53eet= 
fyoben  gegangen,  wirb  fidj  ber  Sßiograbf)  ungefähr  in  berfelben 
Sage  befinben,  a(3  Ijanbelte  e§  fid)  um  53eantmortung  ber  $rage: 
meldje  unter  ben  bieten  2tu3gaben  bon  be§  9fteifter§  (Etabier = 
mufft  in  2)eutfd)(anb  mot)(  bie  correctefte  fet).  9ftit  befter 
Ueberjeugung  mürbe  er  bie§fafl§  auf  bie  £a§finger'fd)e  t)in= 
roeifen,  meit  biefe  fid)  am  genaueften  an  bie  Driginat=©rude 
gehalten,  —  matjrfdjeinlid)  aud)  moljt  an  bie  berühmte  ^aüi-- 
grabljie  fätnmttidjer  SSerfe  23eetljoben'3,  metdje  burd)  SBermädjt* 
nift  be§  ©rgtiergogS  9f}ubo(bf)  in  ben  33efi£  be§  9Jcufit'berein§  in 
SSien  gefommen,  —  fomit  atfo  ba§  Portrait  g(eid)fam  nad)  ber 
bom  Sfteifter  fetber  corrigirten  geidjnung  gegeben  Ijat,  menn  e§ 
aud)  nidjt  an  bem  ift,  bafj  Sßeetljoben  jene  3MIigrabt)ie  befonber§ 


—     640     — 

ttodj  einer  SReütfton  unterzogen  fyatte,  toogu  ein  öoöe§  3aljr 
auofdjtiefettdjer  Arbeit  erforber(id)  getoefen  märe.  2Sir  !ennen 
feinen  ©rang  $u  neuen  (Schöpfungen. 

3)ie  SBilbmffe  t>on  S3eett)oüen  merben  in  ^tnei  Kategorien 
abzuleiten  fetjn,  uub  jtoar:  in  nad}  ber  Statur  gematte  ober 
blo£  gezeichnete  unb  bann  in  Kupfer  geftodjene  ober  titljo* 
grapfyirte;  ferner  in  btofte  Sßfjantafteftücfe,  ober  nad)  einem  au§ 
beiben  Kategorien  nad)gebilbete,  mobei  einzelnes  abfid)t(id)  Der- 
änbert  morben,  um  nidjt  al3  getreue  (Sopie  fid)  zu  präfentiren 
unb  bem  §erau§geber  Unannet)m(id)feiten  zuzuziehen. 

SSenng(eid)  jeber  Xag  an  bem  ßufäüigen  ber  menfdjüdjen 
<$eftalt  änbert,  ber  Künftler  bemnad)  bfo§  bie  bteibenben  §aupt= 
güge  auffaffen  fott,  fo  behält  bod)  mancfjer  Kopf  fo  biet  eigen* 
tt)ümlid)e§  ©epräge,  nxi§  nur  «Stümper  ober  in  ber  Arbeit  nid)t 
begünftigte  Künftter  serftören  tonnen.  Unter  allen  bekannten 
muficalifdjen  Kunftgröfeen  t)at  öietteidjt  33eetf)oüeu3  Kopf  bie 
eigentf)ümtid)ften  9)?erfma(e,  bie  mit  bem  üppigen  §aarboben 
beginnenb  fidf)  über  Stirne,  9(ugen,  9J?unb  unb  Kinn  üerbreiten 
unb  im  t)armonifd)en  SBerfjättniffe  ftetjen,  mobei  nur  bie  etmas 
breite  üftafe  eine  teife  tjeröortretenbe  ©iffonanz  bitbet.  2fn  fotd)' 
djaratteriftifdjem  ©epräge  mirb  e§  ferner  28efentltd)e§  gu  ber- 
berben,  ober  gar  eine  (Saricatur  barauS  ju  machen,  ©er  2(ugen« 
fdjein  getgt  beibe§  als  üorfyanben.  23i3  zu  üottenbetem  fünfzigften 
Sebensjafjr  mar  ber  ©efammtauSbrud  oon  23eett)oüen'3  ©eftatt 
ba3  erfreutidjfte  23itb  förperlirfjen  2öot)tbefinben3  unb  ^öctjfter 
©eifteSfraft;  ein  Jupiter  fat)  zuteilen  au§  biefem  Kopf  §erau§. 
Sm  ein  unb  fünfzigften  SebenSjafjr  begann  in  £yotge  anbauernben 
llnterteib§(eiben§  bie  5(bna§me,  bod)  gab  e3  bi3  um  bie  SDZitte 
be§  fed)§  unb  fünfzigften  ber  Snteroatle  nod)  biete,  mefdje  an 
bie  ßeit  oor  ber  eingetretenen  £ec(ination  erinnert  Ijaben.  2öir 
merben  barüber  aud)  einen  anbern  Beugen  bernefymen. 

Semerfensmertf)  ift,  baf$  nur  brei  Sßitbniffe,  nad)  ber  üftatur 
in  De(  gematt,  bon  33eetf)ooen  eyiftiren.  2)a3  erfte  ift  ein  Knie= 
ftüd,  ber  Sfleifter,   ungefähr   im   30.  SebenSjaljre,   fi^enb   a&~ 


—     641     — 

{jebitbet;  eS  befinbet  fiel)  in  fetner  gamilie  unb  roarb  toegen 
Unbebeutenbfjeit  nidjt  öerötctfättigt.  2)aS  gtoeite  ift  btö  35ru[t= 
bilb  uon  ©djtmon  aus  ber  ^erbftgeit  tion  1819,  ber  SDtofter 
eben  öofle  49  Safjre  gäfjfenb.  SaS  leiber  ftarf  nadjgebunt'ette 
Original,  früher  mein  ©gentium,  befinbet  [idj  nun  in  ber 
^öniglitfjen  23ibtiotbef  gu  Berlin,  eine  mefenttid)  berbefferte 
(Sopie,  bom  Sßrofeffor  ©cfjmib  in  51adjen  angefertigt,  berblieb 
in  meinem  83efi|e.  2)aS  britte  33itbnifj  batirt  aus  bem  Saljrc 
1822,  unb  marb  bon  ©tiefer  auS  9Jcünd)en  gemalt.  23eetl)ooen 
in  feinem  grauen  §auSrod'e  ift  in  einer  Sßeintaube  ftetjenb  ab* 
gebübet  mit  einem  Rapier  in  ber  Sinfen,  barauf  „Missa  solemnis" 
5U  tefen,  unb  einen  ©riffeC  in  ber  SRedjten  fjaltenb.  ©er  @runb 
auffaüenber  ÜBerfdjiebenjjeit  gtDtfdjen  bem  ©d)imon'fcl)en  unb 
©tieler'fdjen  ©emätbe  erflärt  ficf)  burd)  borauSgegangeneS 
längere^  Seiben. 

üftur  borüberget)enb  mag  auf  einen  Äupferfttdj  bon  ©d)ef  f  ner 
aufmerlfam  gemacht  merben,  melier  bem  fechten  Satjrgang  (1804) 
ber  2IHg.  9J?uf.  3^9-  beigegeben  ift. 

©oll  bie  oftmals  gefteltte  $rage  gu  beantworten  fetyn, 
raetdjeS  öon  ben  berfcljiebenen  SSUbmffen  auS  fpäterer  ßeit 
al§  muftergiltig  für  bie  2Saf)rt)eit  beS  ©tjarafteriftifctjen  an* 
gufefyen,  fo  mufj  unbebenfltct)  bem  ^upferftid)  öon  £)öfel,  nadj 
ber  geidjnung  bon  Set  rönne  auS  bem  Saljre  1814  (bei 
SIrtaria  u.  (Somp.)  ber  5Sor3itg  gegeben  merben.  2)iefe  316* 
bitbung  jeigt  unS  ben  SRetfter  eben  auf  ber  t)öct)ften  ©pitje 
feines  SRuljmeg  angelangt,  (tute  im  biograpfjifdjen  Sljeit  auS* 
geführt  ift,)  mit  leudjtenben,  fdjarf  Ijerbortretenben  3lugen, 
üotlen  Söaden,  überhaupt  ftrotjenb  öon  ©efunbljeit.  %laä)  biefem 
SBilbntffe  ift  baS  Xitelfupfer  beim  neunzehnten  Safjrgang  (1817) 
ber  2111g.  9Jcuf.  3*0-  genommen,  jebod)  in  etmaS  üergrö&ertem 
9J?afeftabe,  tooburdj  ber  SG5at)rtjeit  beS  SluSbrudS  (Sintrag  ge* 
fdjeljen.  £>iefe  (Sopie  erfd)ten  aud)  bei  ©reitfopf  u.  ^aertel 
im  ^panbel. 

©er  $eit  nad)  reibet  fiel)   an  ben  §öfeffd)en  Shtpferftid) 

St.  <Stf)utMer§  33eetIjoüni=S3io3ra))t)ic.  41 


—     642     — 

bie  2t)u)ograüf)ie  bon  5ttoeber  in  Berlin.  ?luf  bem  Stätte 
jM)t  5U  fefen:  „Wad}  ber  Statur  gegeidjnet  1817  in  9D?öb(ing." 
£)er  (Sontraft  jroifdjen  biefem  iTopfe  in  natürttd)er  ©röfte  unb 
jenem  bon  1814  ift  ein  fo  großer,  ba^  ber  Unfunbige  bei  einem 
Vergleiche  in  nid)t  geringe  Verlegenheit  geraten  mu|,  benn  er 
fiefjt  bie  beiben  $ßote  bid£)t  ne6eneinanber.  Sn  ber  Moebeffdjen 
3eid)nung  ift  nicfjt  einmal  bie  Sontur  richtig,  niefoeniger  er= 
fennt  man  a\i§>  ben  groben  3ügen  e*ne  @put  öon  geizigem 
Statte.  £>a§  ift  ba£  SCntti|  eine§  ejjrudjen  23ierbrauer§,  aber 
feinet  ÄfinftlerS,  foHte  e§  aud)  eben  fein  Seetfjoben  fetjn.  Unter 
ben  fd)ted)ten  Slbbilbungen  bon  unferm  SDJeifter  mujs  tiefe 
al3  bie  gern  ein  fte  be^eidjnet  werben.  Sm  nörbficfjen,  toof)!  aud) 
meftlidjen  Seutfcfjtanb  ift  biefe  bie  berbreitetfte.355) 

2)arauf  folgt  ©d)imon'3  Oelgemälbe.  @§  ift  be3  9xaumeS 
roertf)  mit^uttjeilen,  unter  toeldjert  Sebingungen  biefe§  23ilb  gu 
©taube  gefommen.  Stuf  meine  gürfbradje  erhielt  ber  nocl)  fet)r 
junge  äftater  bie  ©rlanbniB,  feine  (Staffelei  neben  bei  Sfteifierä 
2lr6ett3gimmer  aufftellen  gu  bürfen  unb  ba  nadj  Setieben  gu 
fcfjalten.  (Sine  <2it$ung  t)atte  Seetijoben  ftanbfjaft  bertoeigert, 
benn  eben  im  boftften  3uQe  ™ü  oer  Missa  solemnis  erklärte 
er  feine  ©tunbe  3eit  entbehren  §n  fönnen.  ©d)imon  aber  mar 
if)m  bereite  auf  233eg  unb  (Steg  nadjgefdjtidjert  unb  fjatte  fdjott 


355)  Im  allgemeinen  hat  Schindler  natürlich  auch  über  die  Bild- 
nisse Beethovens  das  Beste  und  Anschaulichste  dargeboten.  Über 
Klöber  ist  sein  Urteil  zu  verwerfen.  Hierbei  ist  an  des  Herausgebers 
Abhandlung  in  „Beethoven  und  Berlin",  S.  179  ff.,  ebendort  auch  über 
Schimon  und  Stielers  Bildnisse,  S.  193  ff.  zu  erinnern.  Anschauliche  Er- 
weiterungen in  Sachen  der  Beethovenbildnisse  bietet  Gerh.  v.  Breuning 
in  seiner  Schrift  „Aus  dem  Schwarzspanierhause",  Neudruck  S.  108  f. 
Auch  die  Thayersche  Beethovenbiographie  beschert  viele  neue  Beiträge 
zur  Geschichte  der  Bildnisse  in  allen  Bänden.  Erweiterung  des  Stoffes, 
aber  ohne  jede  Spur  von  Geist  in  der  Auffassung,  kann  man  in 
Th.  Frimmels  „Beethoveniana"  1888,  finden.  Viel  gute  Porträts  enthält 
endlich  auch  Shedlocks  englische  Ausgabe  meiner  Beethoven-Briefe, 
sowie  die  Beethovenhefte  der  „Musik".  A.  d.  H. 


—     643     — 

mehrere  ©tubtert  sunt  33elmfe  feiner  Arbeit  in  ber  3Ro$)e,  mar 
barjer  mit  ber  fo  lautenben  ©rtaubnift  gang  aufrieben.  2lt§  ba§ 
S3ilb  bi3  auf  ein  SBefenttid)e3,  ben  Sttcf  be§  Slugeg,  fertig  roar, 
fc^ien  guter  9iatt)  treuer,  roie  biefeS  5XHerfd)roierigfte  gu  erreichen; 
benn  ba3  Slugenfpiel  in  biefem  ftoüfe  roar  öon  rounberbarer  ?frt 
unb  offenbarte  eine  ©cata  Dom  roüben,  trotzigen  bi§  ^unt  fünften, 
Hebeootlften  5Iu§brude,  gteidj  ber  ©cata  feiner  ©emütp= 
ftimmungen;  für  ben  SJcater  atfo  bie  gefät)rtid)(te  fötiböe.  £>a 
tarn  ber  SDfaifter  felber  entgegen.  £)a3  berbe,  naturroüdjfige 
SBefen  be<3  jungen  9l!abemi£er§,  fein  ungeniertes  23enerjmen  roie 
auf  feinem  2f teuer,  fein  kommen  otjne  „guten  Xag"  unb  ©etjen 
otme  „Sibieu"  gu  fagen,  Ratten  25eetrjoben'3  9hifmerf  famfett  mebjr 
rege  gemacht,  a(§  ba§>  auf  ber  ©taffeiet  ©terjenbe;  furj,  ber 
junge  Biaxin  fing  an  irjn  gu  intereffiren :  er  lub  itjn  511m  Kaffee 
ein.  2)iefe  ©itjung  am  S'affeetifdj  benutze  ©djimon  jur  3lu§* 
arbeitung  be§  5(uge3.  5öei  roieberfjolter  (Sinlabung  5U  einer  £affe 
Kaffee  51t  60  23ob,nen  roar  bem  äftaler  ©efegentjett  gegeben,  feine 
Arbeit  gu  boKenben,  mit  roeldjer  33eettjoben  gang  gttfrieben  geroefen. 

2lu3  fünft(erifd)em  ©eftd)t<§buncte  betrachtet  ift  ©d)imon'<S 
Arbeit  lein  bebeutfameä  &unftroerf,  bennod)  boft  d)arafteriftifd)er 
9ßar)rt)ett.  3m  SSiebergeben  be3  fo  eigentrjümüd)en  S31tcfe§,  ber 
majeftätifcfjeu  ©ttrn,  biefer  Seljaufung  mädjttger,  erhabener 
Sbeen,  be§  (Solorit*,  im  3eid)nen  oeg  feftgefdjtoffenen  9ftunbe3 
unb  be§  mufd)etartig  geftatteten  ®inn§,  t)at  fein  anbereä  23itbnif$ 
!>ftaturroaf)rere§  geleiftet;  nalje  SSerroanbtfdjaft  mit  bem  ®ubfer= 
ftid)  an§  bem  Safjre  1814  ift  int  (Sanken  unberfennbar. 

S^act)  biefem  Detgemätbe  ift  ba§>  SEitetfubfer  su  biefem 
23udje  angefertigt  [bem  9?eubrucf  nid)t  beigefügt].  9?üt)mtid)ft 
befannte  ®ubferfted)er  gu  $ranffurt  am  9ftain  fjaben  bie  Arbeit 
itjreö  bertiner  $ad)genoffen  bem  ©emälbe  gegenüber  einer  Prüfung 
unterzogen  unb  berfetben  aHe§  Sob  gefbenbet,  aber  aud)  erfannt, 
bafj,  ma§  in  biefem  fö'obfe  (nad)  ©d)tmon'<o  ©arfteßung) 
enthalten,  bermittetft  be§  ©rabftidjelS  faum  in  allen  Steifen 
roiebergegeben  roerben  fönne. 

41* 


—     644     — 

3ur  ^bftjeit  Don  1821  präfentirte  fid)  bei  SBeetfyoben 
ber  9ftaler  (Stielet  au§  SDcunctjen  mit  guten  Empfehlungen 
unb  bergteid)en  ^ünftterrufe.  (Sein  perfönüdjeg  SBefen  fanb 
auet)  befonberen  Seifall.  £>iefer  Sünftlet  öerftanb  e§  ben  Iau= 
nigen  Sfteifter  in  fettener  Söeife  511  feinem  groeefe  üerfügbar  ju 
maeljen.  ©itjung  auf  ©i£ung  marb  bemiüigt  unb  nidjt  eine 
Äfage  über  3eitüertuft  laut.  2(t§  ^unftmerf  ift  ba§>  ©tie(er'fd)e 
Portrait  bebeutfam,  gleidjmot)!  ba§>  äufjertidj  ©tängenbe,  ober 
mobern  Gonoentionetle,  mie  gur  ßtit  f^on  üblidt),  nod)  menig 
SSirtuofität  be^oedt;  ba$  ©anje  erfetjeint  im  einfachen  ©ttyle 
ausgeführt.  $n  betreff  be§  djaratteriftifdjen  ?lu3brud3  ift  ber 
Moment  gut  miebergegeben  unb  fanb  3ufümmung.  hingegen 
ftiefj  bie  bom  ^ünftter  beliebte  3(uffaffung  be§  Titanen,  am 
meiften  bie  Neigung  be<§  ®opfe§,  auf  Söiberfprud),  meil  ber 
SDceifter  ben  Sttittebenben  nidjt  anberS  begannt  mar,  al§  feinen 
S^opf  ftolj  aufrecht  tragenb,  felbft  in  Momenten  förperlidjen 
Seiben3.  (Sin  mit  feinem  SBefen  bekannter  9Mer  mürbe  it)tn 
biefe  (Stellung  nid)t  gegeben  §aben. 

®er  erfte  litt)ograpt)ifd)e  Abbrud  banaef)  bei  9)?attf).  Artaria 
mar  gut,  ber  nunmehrige  bei  ©pina  ift  gang  matt,  batjer  ber 
Slbgebitbete  nod)  fränf(id)er  ausfielt,  ab!  ba§  Detgemätbe  geigt. 

2)a§  nädjftfolgenbe  Portrait  in  €)d  ift  ein  Skuftbilb  oon 
SBalbmütler.  Heber  ben  Unmertt)  biefe§  @emätbc§  unb  bie 
feltene  Art  be3  3uftaKbefommem3  fjatte  id)  SSeranlaffung  be= 
reitS  in  9cro.  8  ber  AITg.  9^uf.  3tg.  oon  1835  51t  fpred)en, 
fann  midj  alfo  barauf  begießen.  —  3U  Anfang  be§  $af)re§ 
1823  münfdjte  bie  SBreitfopf  u.  §aertel'fd)e  SßertagSljanblung 
ein  Sßitbnifj  Oon  unferm  SJccifter  ju  befitien  unb  SSatbmüller, 
^rofeffor  an  ber  Afabemie,  marb  gu  beffen  Anfertigung  ge= 
mätjlt.  ilngünftige  SBorbebeutungen  gu  feinem  gwedz  maren: 
bringenbe  Arbeiten  unb  anf)altenbe§  Augenleiben,  baljer  fortan 
übte  Saune,  dlaü)  langem  £)int)alten  mürbe  enbtid)  bie  erfte 
©itjung  beftimmt.  SSalömüller  benahm  fid)  anbei  ehrerbietig 
unb  atlgu  fd)üd)tern,  ein  SSertjatten,  ba§  in  ben  meiften  gälten 


—     645     — 

mit  $8eetl)0üen  gu  feinen  ermünfcfjten  (Srfotg  führte.  Sßir  fjaben 
ja  eben  bernommen,  auf  meld)'  entgegengefetjtem  Sßege  bie  beiben 
oorau>3genannten  Wakv  gum  gtütd  gelangt,  ©o  feljr  fiel)  and) 
SßatbmüHer  mit  ben  Umriffen  be§  ®opfe§  unb  bem  Untermalen 
beeilte,  fo  mürbe  bem  gebanfenüoüen  SMfter  bennod)  bie  ßeit 
§u  lang,  er  üerliefj  batjer  alle  91ugenblide  ben  ©it$  unb  ging 
oerbrüfjtid)  im  ßimmer  auf  unb  ab,  aud)  tn'§  Nebenzimmer  an 
ben  ©djreibtifd).  9?od)  mar  bag  Untermalen  ntdjt  beenbigt,  als 
SBeetfjoüen  31t  beutltdje  3e^en  9a^  oaB  er  ^  ni^t  länger 
aushalten  fönne.  &I3  ber  garbenlünftler  fiel)  entfernt  fjatte, 
ba  bracfj  ber  .ßorn  oe3  9J?eiftcr§  lo§  unb  SMbmüller  mürbe 
ber  fd)ted)tefte  9J?aler  genannt  —  med  er  if)n  mit  bem  ©efidjte 
gegen  ba§>  $enfter  fi^en  liefj.  §artnädig  roie§  er  jebe  $er= 
ti)eibigung  gurücf.  @§  fam  51t  feiner  ©itmng  mein*.  ®er 
äMer  arbeitete  bemnad)  ba£  Portrait  au§  ber  Sßfjantaftc  fertig, 
meil  er  —  mie  er  auf  meine  ©egenüorftettungen  repticirte  — 
ba%  accorbirte  ^onorar  üon  20  ®ucaten  nid)t  miffen  fönne. 
Ob  bie3  fünftlerifd)=reblid)  geljanbelt  mar,  foCC  baljin  geftellt 
bleiben,  ^urj,  bie  9ßatbmüller'fd)e  ©arfteltung  ift  —  mo  mög= 
lief)  —  nod)  meiter  öon  ber  SSafyrfjeit  entfernt,  mie  irgenb  eine; 
ba§>  ift  ba§>  konterfei  eines  efjrtnürbigen  Pfarrers,  in  beffen 
$opfe  eben  eine  £)omitie  gur  (Srbauung  feiner  ßu^örer  georbnet 
mirb,  mit  bem  £onbid)ter  S3eetf)0üen,  au§  beffen  Stopfe  §ur  Qtit 
ber  9tn3arbeitung  biefeö  53itbe3  bereit»  bie  9.  (Sinfonie  f)erOor= 
gugefjen  begann,  tjat  e§  fogar  in  ben  äußern  Umriffen  niefjtS 
gemein  unb  mufj  e§  moljl  SBerftmnberung  erregen,  mie  bie 
SBreitfopf  u.  £)aertet'fd)e  SSertagSfjanbtung  erft  in  jüngfter  $eit 
einen  Shtpferftid)  banacf)  ben  ^unftfreunben  bortegen  fonnte. 

SBar  ber  SBerfaffer  bebadjt  für  bie  meiften  roidjtigeren  2tn* 
füfjrungen  ^Belege  ober  ßeugenberoeife  beizubringen,  ober  nad) 
Umftänben  blo§  barauf  f)in;*,umeifen,  —  mie  e§  bie  ©efdjicb> 
fd)reibung  überhaupt  erforbert  —  mar  t§>  if)m  atö  langjährigem 
Begleiter  be<§  großen  $ünfiter3  ein  leicf)te§,  unter  ben  3eu9= 
niffen  au^eit  bie  mit  ber  28af)rf)eit   übereinftimmenben  mahlen 


—     646     — 

3it  fönnen,  fo  ift  ®teid)e3  in  ber  Sßortraitsgrctge  ber  galt.  Sine 
längft  in  $ergeffent)eit  geratene  $ßerfon3befd)reibung  Don  einem 
unüerfäng(ic£)en  geugen  f0^  angeführt  merben,  tttelcfje  ben  23er= 
etjrern  23eett)oüen'3  al§  fid^erfte  9?idjtfdjnur  bei  ber  SBafjl  eine3 
$ßortrait§  üon  it)m  bienlicr)  fetjn  möge.  £)iefe  getreue  ©d)ilberung 
üerbanfen  mir  griebrid)  9tod)tit3,  ber  biefelbe  nad)  mieber- 
tjolten  ßufammenfünften  mit  33eett)oüen  im  ©ommer  öon  1822 
gu  Saben  bei  ÜEßien  an  feinen  $reunb  ^aertet  nad)  Seipgig 
gefenbet,  fpäter  aber  im  4.  Söanbe  feinet  28er fe3  „%üx  greunbe 
ber  £onfunft"  (©.  350 ff.)  aufgenommen  f)at.  §ören  mir  ifjn; 
er  fdjreibt: 

„ .  . . .  SÖäre  id)  nict)t  üorbereitet  geraefen,  fein  3üiblicf 
ftmrbe  aud)  mid)  geftört  tjaben.  üftidjt  ba$  üernad)(äf$igte,  faft 
üertoilberte  Sleufeere,  nid)t  ba§  bicfe,  fd)ttar5e  §aar,  ba3  ftruppig 
um  feinen  $opf  fjing,  unb  bergt.,  fonbern  baZ  ©an^e  feiner 
©rfdjeinung.  Stenfe  S)ir  einen  9D?ann  öon  ettta  50  Sauren*), 
metjr  nod)  Heiner,  aber  fefyr  fräftiger,  ftämmiger  (Statur,  ge- 
brängt, befonberö  üon  ftartem  Slnodjenbau  —  ungefähr  nrie 
gidjte'S,  nur  fleifctjiger  unb  befonber§  üon  üotlerem,  runberm 
©eftd)t;  rottje,  gefunbe  garbe;  unruhige,  (eudjtenbe,  \a  bei 
firktem  Süd  faft  ftedjenbe  Stugert;  feine  ober  Saftige  S8e= 
megungen;  im  Stuäbrud  be3  Slntü^e^  befonberä  be§  geift*  unb 
lebengooEen  2luge3,  eine  Sftifdjung  ober  ein,  guroeiten  äugen* 
btidtidjer  2Bed)fel  Don  f)er§lid)fter  ©utmütb,igfeit  unb  üon  ©djeu; 
in  ber  gat^en  Gattung  jene  (Spannung,  jene§  unruhige,  be= 
forgte  £aufd)en  be§  Rauben,  ber  fetjr  lebb/tft  empfinbet;  jetjt 
ein  frof)  unb  frei  tjingetoorfeneS  SBort:  fogteid)  nneber  ein  $er= 
finfen  in  büftereä  ©djtueigen**);  unb  51t  alte  bem,  tt>a$  ber 
SSetradjtenbe   fjin^ubringt   unb  toa§  immertt>äb,renb  mit  I)inein= 


*)  Söeetfjoüen  jaulte  ju  jener  3"'  bereits  narje  an  52  ^aljre. 
**)  6§  fd)etnt  moijl  faft  ü6erflüffig  31t  bemerfen,  bau  ber  SDceifier  im 
öertraulidjen  Greife  ein   ganj   abtueicfjenbeä  SBerfjalten  beobadjtet  fjat.    Sa 
toar  er  „aufgetnöpft,"    bem  gremben  gegenüber  jebod)  meift  „jugefnöpft," 
barum  oft  iuortfarg. 


—     647     — 

ftingt:  SDaä  tft  ber  9#ann,  ber  Solutionen  nur  greube 
bringt  —  reine,  geiftige  $reube." 

$ergleid)t  man  biefe  Sefdjreibung  mit  ben  Stbbitbungen 
<xuö  gleicher  ßeit,  fo  finbet  ficf)  Uebereinftimmenbe§  nur  mit 
©crjimon'S  53üb,  mit  beut  öon  ©tieter  feine;  bon  bem  2Sa(b= 
müfler'fdjen,  ba§  fein  boüe§  Satyr  nad)  bem  ®atum  be§  9iocfj= 
ütyfcfjen  ^ßortraitö  auf  bie  Seineroanb  gefommen,  roirb  be= 
greifHdjermeife  gar  nidjt  bie  9?ebe  fet>n  bürfen. 

3u  boüftänbiger  ©rgänjung  ber  ^ortrait=$rage  foü  nod) 
eine  ©teile  au§  9f?od)(it5'  ©rief  Sßfofc  finben.  fRod£)ti^  Berichtet, 
roie  SBeetfjoöen  feinen  SBorfdjtag  in  betreff  einer  Sftufif  ju 
$auft  aufgenommen  unb  brüdt  ftd)  a(fo  au3:  „(£r  (Seettjoben) 
la§.  £>a!  rief  er  aus,  unb  marf  bie  §anb  f)od)  empor.  2)a§ 
mär'  ein  ©tue!  Strbeit!  ®a  fönnt'  e<§  mag  geben!  Sn  biefer 
$rt  fufjr  er  eine  Söeile  fort,  matte  ben  ©ebanfen  ftdj  fogleid) 
unb  gar  nidjt  übel  au§,  nnb  faf)  babei,  gurüd gebeugten 
Raupte 3,  ftarr  an  bie  £>ede." 

2et$tere3  gehört  gu  bem  borbemelbeten  2fugenfpiei  in  2ket- 
fjoben'3  Stopf.  §äufig  trat  ba%  fouft  Hein  fdjeinenbe  ?luge  grofe 
f)erbor  unb  ber  2Mid,  nad)  oben  geridjtet,  blieb  an  ber  2)ede 
ober  am  blauen  SIetrjer  lange  geljeftet,  bie§  entmeber  in  ber 
Sftebitation,  ober  menn  ifjn  im  ©efprädj  etma3  befonberö  afficirt 
rjatte.  ©d)imon  allein  fjat  einen  foldjen  Moment  bortrefftidj 
ausgeführt,  ©tieter  iljn  bto§  angebeutet.  £)ie  gu  Stnfang  1825 
überftanbene  föranfrjeit  f)atte  aud)  ben  ©tanj  be§  9Iuge§  ber= 
nidjtet,  fo  baf$,  mie  in  biefer  $eit  fo  mancfjeg  im  Snnern  unb 
tafjern  fidj  ju  ntetamorpfjofiren  begonnen,  oon  bem  feltfamen 
Slugenfpiel  fernerhin  nid)t§  mefyr  5U  gemäßen  mar.  9ftit  biefer 
SSeränberung  im  Steuern  ftimmt  ©tiefer'S  ©emälbe  trefflidf» 
überein. 

SSatb  nad)  33eetfjoben'3  §eimgang  begann  bie  Snbuftrie  ber 
$ünftter  unb  Verleger  ftd)  auf  SSerbielfättigung  feiner  93iib= 
niffe  5U  raerfen,  bie  bann  in  großer  Sln^l)!  unb  8d)led)tigfeit 
feilgeboten  morben.    2llS  ^rototbp  für  mehrere  galt  bie  Sitfjo* 


—     648     — 

graprjie  bon  ©teinmüiler  bei  5Trtaria  u.  (Somb.  2>er  fifjreienbe 
(Sontraft  giuifrfjen  biefem  ^ßhantafieftüd  unb  ber  £itrjograbt)ie 
nad)  ©tiefer  bei  ÜDcattfjiaS  9(rtaria  bermag  aHein  fdjon  beffen 
SBertt)  gu  beftimmen.  2)en  9Jceifter  boHenbS  mit  furägefcfjnittenen 
paaren  abbitten,  tjeijst  ben  Sötten  mit  abgefctmittener  9JMt)ne 
barftellett.  Sludj  ftetlt  biefeS  25ilbni%  SBeetfjotoen  biet  §u  alt  bar 
unb  im  djaracteriftifdjen  SfuSbrude  tjat  eS  mit  einem  Scfjöpfer 
großer  $unftroerfe  nid)tS  gemein.  Sine  9cad)abmung  tjat 
^rierjuber,  ber  SKeifter  im  Sonoentionellen  unb  ber  Sd)meid)etei, 
bei  §aStinger  erfdjeinen  laffen.  Stuf  biefer  Sitbograprjie  präfentirt 
ficf)  eine  fdjroar^e  ^palSbinbe.  @S  roarb  fein  33ebenfen  getragen 
biefeS  SlteibungSftüd  nacf)  ber  neueften  äftobe  anzufertigen.  3)ie 
toeifje  §alSbinbe,  ruorjt  ein  Sarjrtjunbert  fjinburd)  in  Sftobe,  in 
metdjer  man  benn  aud)  unfern  SBeetrjoben  ftetS  geferjen,  fdjeint 
bem  Sitt)ograpt)en  ein  35erfto^  gegen  foSmetifdje  9nd)tigteit  in 
ber  @eroanbung  geroefen  ju  fet)n.  —  (Sine  fernere  üftadjbUbung 
nacf)  6teinmü(ter'S  Sitrjograpfjie  ift  bie  bei  2>ot).  2tnbre  in 
Dffenbacfj.  —  ©cfjott  in  SDZaing  muffte  aud)  ein  eigenes  Portrait 
tion  33eetrjoben  jum  SBerfaufe  aufbieten  tonnen,  ©er  unfertiger 
biefer  Sitrjograpfjie  ftanb  eine  SSeife  bor  ©dnmon'S  Cetbübe  in 
meiner  Söofjnung  unb  t)at  gegeigt,  bajj  er  bie  (Sontur  beS  ÄopfeS 
fo  giemtid)  im  ©ebäcfjtnift  behalten.  2WeS  Stnbere  aber  ift  ent= 
fdjUiunben.  —  Saruette  in  2(ad)en  rjat  ebenfalls  eine  SittjCM 
graprjie  herausgegeben,  bie  nidjt  51t  ben  bermerftidjen  gefjört. 
2)arin  liegt  einige  Sßertoanbtfcfjaft  mit  ber  9(et)ntid)feit,  nict)t 
aber  mit  bem  geiftigen  SluSbrude  —  bis  um  baS  45.  SebenSjarjr. 
Sßieberrjolt  berfünbigt  fjat  fid)  bie  ©cfjtefinger'fcfje  9J?ufif- 
fyanbtung  mit  2(bbitbungen  bon  unferm  SDceifter.  2)ie  guerft 
fjerauSgegebene,  mit  groei  äJcufiifätsen  in  Sßerbinbung,  bon  benen 
einer  fogar  bie  Ueberfdväft  trägt:  „Derniere  pensee  musicale 
de  Louis  van  Beethoven,"  ift  eine  (Earicatur,  baS  (konterfei 
eines  SBörfenjuben,  ber  mit  grämlidjem  ©eficfjte  feinen  Söerluft 
5U  berechnen  fdjeint.  £>ie  anbere,  eine  Siujograpfjie  bon  Sftittag, 
ftreitet  um  ben  Vorrang  an  ©djtecrjtigfeit,  aber  aud)  §ä^lid)teit. 


—     649     — 

SSarjrlict),  SBerttn  Ijjat  rjinfid)t(id)  ber  Sßitbniffe  üon  23eett)oüen 
ba§>  meifte  ilngtüd.  93eibe  biefe  genannten  fowofjt,  tote  aud) 
t>a§>  üon  Ätoeber,  foHten  au£  Sßietät  für  ben  £onmeifter  gu 
aflernädjft  au§  bem  Jpanbet  entfernt  werben,  wenn  bie  Heraus- 
geber nur  etwaS  üon  ber  2Serüfücfjtung  in  fidj  üerfpüren  würben, 
üon  Jjiftortfdjen  Sßerfonen  mögttdjft  28aljrJjeit3getreue§,  felbft  in 
iljren  33übniffen,  gu  üeröffentlidjen.  Sie  SJäfjgunft  aber,  bie 
tjeutgutage  mit  jcfjledjter  SSaare  anerfannt  guter  Soncurreng 
gu  machen  Wagt,  gäljlt  gu  ben  Wibrigen  Sfterfmaten  im  ^anbet 
mit  Äunftürobucten. 

£>ie  üorrjanbenen  S3üften  üon  Seettjoüen  Würben  audj 
gumeift  bie  Prüfung  nidjt  befielen,  gaft  alle  finb  ülumüe 
äßaffen.  Süngft  ift  üon  bem  jungen  SUbrjauer  ®.  (Sediert) of§ 
gu  granffurt  am  Wlain  eine  SBüfte  nadj  einer  Stelle  angefertigt 
morben,  bie  fidj  öorttjeittjaft  üon  anbern  unterfdjeibet  unb  23e= 
acljtung  üerbient.  ®er  St'ünftter  arbeitet  nun  biefelbe  in  fdjönem 
Sftarmor. 

Sei  ber  2öac)l  ber  Xoitetten=©egenftänbe  im  Portrait  einer 
Ijiftorifdjen  Sßerfon  bürften  boerj  Wot)l  mancherlei  9tüdfid)ten  gu 
beobachten  fetin,  wobei  aud)  gwifdjen  Wodjen=  unb  fefttäglicfjer 
Reibung,  fogar  gwifdjen  guter  unb  fdjledjter  Sa^reS^eit  gu 
unterfcfjeiben  fetin  wirb.  (Sinem  S3eett)oüen,  ber  fidj  auf  ber 
©trafee  wie  im  (Salon  ftetä  anftänbig  gu  Reiben  üerftanb,  wirb 
nod)  inSbefonbere  Hufmerffamfeit  gu  Wibmen  fetin.  Sn  foldjer 
SBegieljung  mufs  üon  bem  9tteifter  gefagt  werben,  ba^  er  eS  bis 
in  feine  legten  ßebenötage  liebte,  nad)  llmftänben  forgfältige 
Toilette  gu  macfjen,  in  welcher  ftetS  tjarmonifdje  Ueberein= 
ftimmung  gu  ftnben  gewefen.  @in  $rad  üon  feinem  blauen 
Sucfje  (bie  beüorgugte  garbe  in  jener  ßeit)  mit  metallenen 
Änöüfen  fteibete  itjn  üortreffüdj.  (Sin  foldjer,  nebft  einem  anbern 
üon  bunfetgrünem  £ud)e,  fetjtte  in  feinem  ©djranfe  niemals. 
3ur  ©ommergeit  falj  man  iljn  bei  guter  Witterung  ftet§  mit 
Weisen  SßantatonS,  ©djuljen  unb  weisen  ©trumpfen  (3)?obe  ber 
3eit).    SBefte  unb  §al§binbe  Waren  in  jeber  Sa^reSgeit  weife 


—     650     — 

unb  aetdjneten  fid)  bei  ifym  fetbft  an  SBodjentagen  burd)  mufter= 
(jafte  9?eintid)feit  au<§.  3U  °iefer  Sefteibung  f)at  man  fid)  einen 
leidjten  ©ang  unb  gerabe  Haltung,  überhaupt  teidjte  Störper= 
bemegungen  51t  benfen,  mie  biefe  unferm  Sfteifter  allzeit  eigen 
gäoefen,  unb  man  tjat  Seetrjooen'3  Sßevfönlidjfeit  oor  klugen. 
SDZit  biefem  Segriffe  roirb  man  fid)  jebod)  Ritten  muffen  oor 
ba$  ©tanbbüb  gu  Sonn  —  nad)  §ärjnef§  9JcobetI  —  5U 
treten,  benn  baran  ift  nid)t§  übereinftimmenbeg  §u  entbeden. 

B.  Scetljoucn  unb  fein  le^ter  Strjt  Dr.  äBatoruä).356) 

Sei  Stufgeidjnung  ber  Segebenljeiten  an  Seetrjooen'ä  ßranfen* 
lager  gefdjat)  uorübergerjenb  (Srroäljnung  eine§  ?fuffatje§  mit  ber 
Heberfdjrift:  „2ter§tüd)er  9?üdblid  auf  8.  Dan  Seetljooen'3 
letzte  2eben§tage,"  au3  ber  $eber  beS  genannten  Str^teS, 
barin  unfer  äfteifter  gum  Slrunfenbotb  gemadjt  roirb.  £)ie 
erfte  Seröffenttidjung  biefeS  5(nffa|e§  fanb  unterm  30.  Sfyril 
1842  in  ber  „SSiener  3e^f^rift"  ftatt  un0  9™9  atebafb  in 
ba§  granffurter  ßonöerfationSMatt  unb  in  anbere  beutfctje 
Stätter,  fogar  in  parifer,  über.  S)ie  Seröffenttid)ung  in  2Sien 
erfolgte  jebod)  nidjt  burd)  ben  Serf affer,  fonbern  burd)  SHorjä 
gud)3,  unb  ghjar,  nad)  feinem  erft  unterm  10.  $ebmar  1852 
mir  gemadjten  ©eftänbniB,  in  nadjftetjenber  SBeifc.  Mafy  5(b= 
(eben  be§  Dr.  SSarorud)  mar  9tf.  $üd)§>  beftrebt,  etroa§  aus 
beffen  muficatifdjem  üßadjlaffe  gu  ermerben.  „Sei  biefer  ®e* 
legentjeit  —  fo  lautet  feine  (Srflärung  —  geigte  mir  bie  SSittroe 
aucfj  ba§  SJtanufcript  it)re§  2ftanne§  über  ben  fragüdjen  ©egen= 


356)  Über  den  Arzt  Dr.  Wawruch,  der  zu  Beethoven  in  seiner 
Todeskrankheit  berufen  ward,  und  der  nachher  den  ärztlichen  Rück- 
blick auf  Beethovens  letzte  Lebenstage  in  die  Welt  sandte,  ist  bereits 
mehreres  hier  veröffentlicht  worden.  All  das  dient  zur  Rechtfertigung 
Schindlers  und  Gerhard  v.  Breunings.  Vgl.  den  Brief  No.  915  an 
Schindler  (IV.  Band)  nebst  Erklärungen  ebenfalls  Brief  No.  1207  an 
Schindler  (V.  Band).  Cf.  besonders  Wegeier  und  Ries,  Notizen,  Neudruck 
Anra.  266,  S.  475  f.  A.  d.  H. 


—     651     — 

ftctnb  unb  bat  mid),  iljr  bef)ütf(id)  51t  fetytt,  ba^  e§  gebrudt 
roerbe  unb  fie  bafür  bodj  (Straa3  befomme.  3»d)  geigte  e§ 
meinem  ^reunbe  Sßittfjauer  unb  bexfelbe  brudte  e§  in  feiner 
geitfdjrift  q6  unb  gab  mir  einen  mäßigen  ^Betrag  für  bie 
Sßittme,  mofür  fie  mir  feljr  ban!te.  Sdj  tjatte  bei  biefer  ©ac^e 
nur  ben  Qtüed  bor  9lugen,  einer  mit  gatjtretc^er  $ami(ie  hinter- 
(offenen  SSittme  eine  Heine  Unterftütmng  gugumenben."  —  ©a§ 
STnbenfen  an  einen  großen  Wann  unbeftedt  gu  magren,  ba3 
tjat  ber  mnficatifd)e  Antiquar,  ber  fidj  mit  33eetf)Oüen  fo  üiel 
3U  befdjäftigen  pflegte,  nid)t  cor  2tugen  gehabt! 

©ie  *ßflidjt  gebot  mir,  gegen  bie  eben  fo  untreren  alz 
öerle|enben  Steigerungen  SBamrud/3  unüermeitt  einguf freiten. 
£)a  jebod)  bie  Entgegnung  üon  ber  SKebaction  ber  SSiener  Qz\t= 
fdjrift  ofyne  jebe  Slnmerfung  gurüdgefdjidt  morben,  —  fo  tief? 
id)  fie  im  $rantfurter  (EontierfationSblatt  abbruden,  14.  Suti 
1842.  Wxt  9Rec£)t  bürfen  bie  $eret)rer  be§  9J?eifter3  forbern, 
baf$  biefem  ttnct)tigen  ^ßunete  and)  in  biefer  ©djrift  S^aum  ge- 
geben merbe. 

(§5teicf)  im  (Eingänge  feines  S(uffa^e§  fagt  Dr.  SBamrud): 
„«Seltene  latente  feiner  (23eett)oöen'3)  2lrt  finb  gemeinigtid)  bi§ 
gum  §infd)eiben  an  intereff  cuiten  Momenten  reid),  bie  üftiemanb 
beffer  aU  ber  befreunbete  2(rgt  gu  fammetn  bermag." 

3ur  SBürbigung  biefeg  ©atjeg  fjaben  mir  un§  au§  ber 
mitgeteilten  ^ranftjeitslgefctjidjte  be3  9J?eifter3  gu  erinnern,  mie 
Dr.  SBamrudj)  an  beffen  ®ranfenbett  gefommen.  £>ie  bort 
angeführte  Steuerung  $eetf)ot>en'§:  man  fjabe  ifjm  einen  Slrgt 
in'ö  §au§  gefdjidt,  er  miffe  nietjt  mie  unb  burdj  men,  ber 
if)n  unb  feine  üftatur  gar  ntd)t  fenne,  —  beletjrt  un3  gur 
©enüge,  bafc  SBamrud)  nid)t§  meniger  al§>  mit  Seetljoben 
befreunbet  gemefen.  ferner  miffen  mir  au§  ber  ®ranft)eit!§= 
gefd)id)te,  hak  be§  9J?eifter3  ehemaliger  $reunb  Dr.  9Jcalfatti, 
nadjbem  er  enbtidj)  feinen  Sitten  ©efjör  gegeben  unb  fid)  im 
Vereine  mit  SSamrudj  feiner  Pflege  angenommen,  ^unfd;ei§ 
Oerorbnet  fyatte,  um  bem  fetjr  oerftimmten  Drgani3mu3  einen 


—     652     — 

be(e6enben  2on  gu  geben.  SBattirud)  tragt  bie§  mit  fotgenbem 
©at^e  5U  motioiren:  „2Ü3  langjähriger  greunb  Der* 
ftanb  9ftalfatti  Seetfyoöen'S  Oortjerrfdjenbe  Neigung 
für  geiftige  ©etränfe  §u  toürbigen."  —  Söeiter 
erlaubt  fid)  biefer  SIrjt  ^in^ugufügen:  „sedebat  et  bibebat" 
unb  nod)  anbere  beriet  er)renrütjrige  Steuerungen,  bie  fämmt= 
lid)  311m  ©runbe  fjaben,  feine  oerfeEjrte  53et)anb(ung3toeife  unb 
itjren  fd)(immen  Srfotg  gu  befdjönigen  unb  glauben  §u  madjen, 
bie  SSafferfudjt,  an  tt>e(d)er  33eettjoüen  üerftorben,  fen  bie  nct£)= 
ttenbige  $o(ge  feinet  unmäßigen  ©enuffeS  öon  Spirituofen. 

SSie  unfer  iDceifter  aber  e£  mit  teueren  gehalten,  ift  Ijier 
bereits  auSgefagt.  2)er  Umftanb  allein,  ba$  er  gugericfjtete, 
refp.  t)erfälfd)te  SSeine  liebte,  tt)enn  er  aud)  §umei(en  bagegen 
eiferte,  mag  geigen,  bafj  er  fein  SSeinfenner  geloefen.  2)aJ3  er 
jeboct)  ftetS  9)to|3  §u  Ratten  mufjte,  toirb  Seber  beftätigen  muffen, 
ber  ifm  lange  bor  1826  näfyer  gefannt.  3n  biefem 
Satyr  finb  allerbingS  einzelne  2lu§naf)m3fäUe  burd)  frembe 
SSerantaffung  uorgefommen  —  raie  im  legten  SIbfdjnitte  be£ 
biograpt)ifd)en  2t)ei(3  ertoätynt  —  bie  aber  in  3^Qe  ber  batb 
eingetretenen  (Sreigniffe  aud)  balb  roieber  ein  Snbe  gefunben. 
Ueber  biefen  $ragepunct  follte  fid)  Dr.  ©ertyarb  öon 
S3reuning  oernefymen  laffen,  ba  er  unbe^roeifett  aud)  üon 
feinem  Später  ©ültigeS  barüber  gehört  fjaben  bürfte;  aud) 
maren  bie  mancherlei  Sßorfommniffe  am  ^ranfenbette  unferS 
greunbeS,  ttne  nid)t  minber  jene  au§>  ber  testen  ^ßeriobe  über= 
tjaupt,  oft  ©egenftanb  unferer  23efpred)ungen  im  Greife  feiner 
gamilie. 

sD2et)r  a(§  meine  SSorte  bermbgen,  mirb  eine  £t)atfad)e 
geigen,  ob  SBeetfyoüen  eine  öortjerrfdjenbe  Neigung  für  geiftige 
©etränfe  gehabt.  %m  Suni  1823  überfdjidte  ein  ÜDcufiffreunb 
unferm  SJceifter  6  gtafdjen  ädjten  Sofatier,  mit  bem  SSunfdje, 
fetben  jur  ©tärfung  feines  Unterleibs  5U  gebrauchen.  Mein 
mid)  in  ber  SSotynung  befinbenb  melbete  id)  S5eett)oüen  nadj 
§et$enborf,    toetd)'    foftbareS    ©efd)enf    für    ifjn    angekommen. 


—     653     — 

Einige  Sage  barauf  fdjrieb  er  mir  unb  legte  ein  ^ßoftfcriptum 
folgenben  3nf)att§  bei: 

„®en  Sofatier  betreff enb  ift  berfelbe  nidjt  für  ben 
©omni er,  fonbern  für  ben  £>erbft,  unb  $mar  für 
einen  Siebter,  toetcEjer  biefeS  eb(e  $euer  §u  ermibern 
im  ©tanbe  ift,  unb  ben  $uJ3  in  Ungemittern  tjatten 
fann."357) 

S)ie  überbringenbe  Haushälterin  tjatte  ben  5tuftrag  bei^u* 
fügen,  id)  möge  mit  bem  Sofatier  tfjnn,  ma3  mir  beliebe. 
2)emnad)  fdjidte  fie  i|m  eine  $tafd)e  bacon,  unb  berfügte  über 
bie  anbern.  (Sin  ^aefimde  biefe§  Sßoftfcriötg  lag  ber  (Sntgeg* 
nung  im  (Sont>erfation3b(atte  bei.  £>a§  Original  ift  öorfyanben. 
©efyr  befrembenb  mar  e§,  in  ^Sari§  fo  oft  bie  $rage  an 
miefj  gefreut  fjören  §u  muffen,  ob  e§  mafjr  felj,  bafj  93eetb,ooen 
unb  3frang  ©djubert  bem  %xunk  ergeben  gemefen  unb  fid)  im 
ftarfen  SBeine  ifyre  S3egeifterung  geholt  tjätten  ?  (£3  jeigt  bie3, 
baf3  fcfjon  Oor  3öamrucf/3  2Iuffat>  biefe§  böfe  ©erüd)t  Verbreitet 
mar.  Söetdje  Sefräftigung  mu§  nicfjt  aber  fotd)'  fatfdjer  ©taube 
burd)  ?Iu§fage  eines  Strgteö  ermatten,  ber  obenbrein  nod)  üor= 
gibt,  er  fet)  mit  bem  sD?eifter  befreunbet  gemefen! 


C.  JBeet^ücn  unb  ftürft  9luotou§  23ori§  ©al^in.358) 

S3ei  nodjmatigem  2)urd)(efen  be3  in  ber  3.  Sßeriobe  über 
ba$  2Serf)ältniJ3  gnnfdjen  Sketijoben  unb  bem  dürften  @aü§in 
3(u§gefagten  fd)eint  gu  Sßermeibung  aller  2Seitfd)roeiftgfeiten 
nid)t§  met)r  erforbertid),  at§  bie  Vorlage  bort  fcfjon  ermätjnter 


357)  Cf.  B.  S.  Br.  No.  915  (V.  Band)  nebst  Erklärungen. 

A.  d.  H 

358)  Auch  die  Differenzen  zwischen  Schindler  und  dem  Fürsten 
von  Galitzin  sind  mannigfach  vom  Herausgeber  behandelt  worden. 
Vgl.  besonders  B.  S.  Br.  No.  1094  nebst  Erklärungen,  S.  156  ff.  (V.  Band). 

A.  d.  H. 


—     654     — 

«Briefe  tom  bem  SRuftf gelehrten  93.  ©amcfe  an  ben  SSerfaffer 
gerietet.  2)er  crfte  brachte  ben  Don  mir  in  SSien  bergeblitf) 
gefügten  ©cfjutbbrief  be§  dürften  an  93eetf)oüen  auS  bem  Sftonat 
iftooember  1826,  mefjr  nod),  er  gab  $unbe,  baß  ba3  (Streit* 
object,  125  £)ucaten  nämlict),  an  btw  Steffen  be§  großen  9Jteifter§ 
gegafjtt  roorben,  tt>ogu  jebocfj  nid)t  roeniger  benn  25  Safyre  er* 
forberltcf)  gewesen,  ©er  gürft  tjatte  ftd£)  §rn.  Damcfe  in  ^eter§* 
bürg  jurn  SBert^eibiger  feiner  @arf)e  gegen  23eetrjot>en  unb  beffen 
SSiograpIjen  geroäbtt,  baijer  bemfetben  bie  ßorrefponbens  mit 
33eett)oben  unb  beffen  Steffen  unb  ©rben  eingerjänbigt.  Sn  ben 
Briefen  be§  (enteren  an  ben  dürften  fanb  ftcf)  ber  gefugte 
©djutbbrief  fammt  ber  Stecfamation  öon  125  ©ucaten  cor.*) 
Saburrf)  gemann  £r.  Samcfe  bie  Uebergeugung,  ba%  be§  gürften 
©acfje  eine  faule  fet>  unb  gab  feine  roeitere  SSertfjeibigung  auf. 
Um  jebocf)  33eett)oöen'§  ©fjre  gu  magren,  fjat  er  mir  unter 
frembem  -Kamen  bie  §auptbata  übermittelt,  bei  feiner  5tnroefen= 
fjeit  1854  5U  $ranffurt  am  Wlain  aber  ftct)  bor  3eu9en  a^ 
ber  Sßerfaffer  ber  beiben  Briefe  genannt  unb  nod)  oerfcfjiebene 
biefen  ©treitöunct  betreffenbe  2)etai(3  mitgeteilt,  roie  er  fte 
au§  ben  ifjm  uorgelegenen  papieren  gefcrjöpft  tjatte.   §ier  folgen 


*)  2)er  Sefer  wirb  fidi  erinnern,  baf$  Bereite  bei  9tnfüt)xicng  biefe§ 
galleS,  S.  437,  bemerft  rcorben,  wie  fcfjon  ©erjfrieb  in  ben  1832  fjerau§= 
gegebenen  „53eett)ot>en'3  Stubien"  (btograöl)ifd)e  Zotigen  S.  12)  biefeä 
ScfmlbpuncteS  ermähnt.  Ski  Angabe  ber  au3  ber  föinterlaffenfcrjaft  S3eet= 
rjoöen'g  erhielten  iotalfumme  fagt  er  in  einer  Stanbnote  auäbrücftid) : 
„9cid)t  eingeregnet  einen  Setrag  üon  125  6t.  ©ucaten,  roelcfje  ber  SSer= 
ftorbene  für  gelieferte  Eompofitionen  an  einen  auSlänbifdjen  dürften  nodj 
§u  forbern  fjat"  —  2)iefen  fürftlicfjen  Sctjutbner  mit  öoflem  tarnen  ju 
nennen,  trar  für  Senfrteb  nictjt  nöttjig,  benn  er  fdjrieb  nur  Scotijen,  leine 
SMograp&ie,  in  roeld)er  bie  fcfcjlimmen  folgen  beg  fürftlicfjen  2Bortbrud)ö 
mit  allem,  rua§  brum  unb  bran  rjängt,  gegeigt  werben  müfjen.  Df)ne 
biefen  SSortbrudj  !ein  ©abritt  bei  ber  pfjüljarmonifcben  ©e  = 
fcllfdtjaft  in  SJonbon  um  llnterftüfcung  unb  feine  üblen  9?aaV 
reben,  bie  unfern  SJieifter  getroffen.  Sediere  rjauptfäctjltct)  bilben  ben 
<S$raerpunct  in  biefer  Slffaire. 


—     655     — 

nun  bie  ©ntbüttungert  einer  ©adje,  bie  bor  roenig  Sagten  bie 
Sftufifroett  beiber  §emiSprjären  fo  febr  in  ©pannung  berfetjt 
fjatte,  Wortgetreu: 

1. 

©t.  Petersburg,  7.  Sanitär  1853. 

„®eebrter  £err!  SSor  einer  jjiemttdj  langen  9?eifje  bon 
Sauren  fjatte  id)  in  ©erlin  bie  (Sljre,  Sbjre  Sefanntfdjaft  51t 
madjen.  Sdj  mar  bamate  nur  ein  unbebeutenber  junger 
©tubent,  beffen  ©ie  fid)  heute  bietleicfjt  faum  noch,  erinnern; 
©ie  rjaben  mir  aber  eine  mohtroollenbe  greunbücfofeit  bezeigt, 
bie  id)  nicfjt  bergeffen  fjabe  unb  für  roelcfje  id)  jetjt  berfucrjen 
»rill,  mid)  banfbar  gu  bereifen,  inbem  id)  Shnen  einiget  ben 
gürften  (Mitjin  unb  fein  ©erhättnifj  5U  ©eetfjoben  Söctreffenbc 
mittheile,  maS  Sljnen  {ebenfalls  intereffant,  bietteicrjt  fogar  nü> 
lief)  fetin  roirb. 

©alifcin  grünbet  feine  ©erttjeibigung  gegen  bie  in  Syrern 
Sudje  auSgefprodjene  Slnftage  auf  bie  ©efyauptung,  er  fjabe  bie 
beiben  legten  Quartette  erft  bei  feiner  ^üdferjr  au§  ^erfien  bor= 
gefunben,  fte  alfo  bei  Sehweiten  23eett)ooen'ö  nicfjt  galten  fönnen. 
@r  märe  entfdjutbigt,  roenn  biefe  ©eljauptung  roatjr  märe;  benn 
bitligermeife  fann  man  nidjt  Verlangen,  bafj  Semanb  gable,  bebor 
er  ba§>  §u  3a^enbe  empfangen  rjat.  2)ie  ©eljauptung  ©atitjin'3 
ift  aber  untuatjr,  mie  fo  mand)e§  Rubere  in  feinen  $lu§fagen. 
—  (Sari  ©eetfjoben,  ber  mirftid)  in  SBien,  Sofephjtabt  221, 
mofynt,  befitjt  an  ätoangig  ©riefe,  bie  ©atitjin  eigenfjänbig  an 
SSeet^oben  gefdjrieben  Ijat.  Unter  biefen  befinbet  fid)  einer, 
meld)er  golgenbeS  enthält:  Charkoff  10/22.  Novembre  1821. 
Mon  eher  et  digne  Mr.  de  Beethoven,  Vous  devez  me  croire 
bien  leger  et  bien  inconsequent  de  Vous  laisser  sans  röponse 
pendant  si  longtemps,  surtont  quand  j'ai  reeju  de  Vous  deux 
nouveaux  chef-d'oeuvres  de  votre  immortel  et  inepuisable 
genie.  Mais  des  circonstances  malheureuses!  .  .  .  Maintenant 
j'habite  le  fond  de  la  Russie  et  sous  peu  de  jours  je  partirai 


—     656     — 

pour  la  Perse  pour  y  faire  la  guerre.  Avant  cela  j'expß- 
dierai  absolument  ä  M.  M.  Stieglitz  et  Comp,  la  somme  de 
125 ^j:  et  je  ne  puis  que  vous  offrir  raes  remerciments  pour 
vos  chef-d'oeuvres  et  mes  excuses  d'avoir  ete  si  longtemps 
sans  vous  donner  signe  de  vie."*)  2>ie  beiben  legten  Guar* 
tette  waren  atfo  bem  dürften  bor  feiner  91breife  zugegangen, 
33eetl)oüen  fjatte  ba§  au§brüdlid)e  2>erfpred)en,  bie  125  ^  füllten 
ifym  absolument  (fofort)  Übermacht  raerben,  er  raar  alfo  böllig 
berechtigt,  ben  befannten  ©rief  bom  21. 3Wärj  1827  an  ©tieglitj 
fdjreiben  gu  (äffen.  Slmen  mar  raofjf  nur  23eetf)ooen's  letzter 
S3rief  befannt;  ©ie  irrten,  inbem  <Sie  barau§  folgerten,  bie 
125^  fetyen  ba§  §onorar  ber  brei  Cuartette,  fo  rote,  nie  fjabe 
SSeetrjotien  eine  ßaf)lung  bon  ©alitiin  erhalten;  aber  bodj  ift 
ber  ©runb  Sljrer  §(u§fage  botlfommen  roafyn  ©atitun  b,at  ben 
armen  23eet(joben  um  125:$:  betrogen!**)  (5r  fjat  bie  be= 
ftellten  ©ompofitionen  erhalten,  ift  alfo  berbflidjtet  ju  zahlen. 
(5r  gatjlt  aber  nidjt,  fonbern  gefjt  nad]  ^erfien,  bleibt  bort 
Safjre  lang,  unb  jablt  fpäter  nur  50^  oem  ©rben  23eert)oben'§, 
at3  ber  $ormunb  beffelben,  §err  £>otfdjeraar,  fiel)  be§f)alb  an 
bie  ©efanbtfdjaft  gemanbt  fjat,  unb  ber  @raf  üfteffetrobe  ü)n 
ba^u  zwingt.  2)as  3llle§  ift  nnreblid)  unb  betrügerifdj.  ?lfler= 
bing§  fjat  ßarl  53eet^ooen  borigen  Sommer  aud)  bie  übrigen 
75^  erhalten,  ba§>  beraeift  aber  nur,  bafj  ©alitjin  ben  Grben 
für  fid)  geraumen  raollte,  um  ungefjinbert  feine  unraafjre  @r= 
gäljlung  bebitiren  5U  fönnen.  —  (Sr  raar  aber  Q3eetf)oben  aufjer 
ben  125 #  nod)  bie  §onorare  für  mehrere  anbere  (Sombofitionen 
fdjulbig,  bie  ifjm  auf  feinen  au^brüdlidjen  SSunfd)  überfanbt 
raorben  raaren.  9J?and)e  berfelben  finb  oeröffentlidjt  raorben, 
anbere  blieben  Gigentfjum  ©a(i§in'£.  95on  lederen  ift  mir  ein 
Quintett  für  ©trcicfjinftrumente  befannt,  eine  fd)raadje  Arbeit, 
raafjrfdjeinlid)   au§  ber  früheren   Qtit   oe§  ätfeifterS.     ©aligin 

*)  2)iefer  ÜBrief  erfcfjetnt  mttgeÜjeUt  fonJD^I  im  CriginaUSejte  wie  in 
ber  Heberiefiung  ©.  477. 

**)  Siefet  s.Hu§brucf  ift  üon  bem  ^erfafjer  nirgenbs  gebraust  luorben. 


—     657     — 

rüfymt  fid)  be§  Sßefitjeä  beffefben,  be^tt  fjat  er  e§  aber  nidjt. 
(Sari  SBeetrjOüen  ift  im  ©tanbe,  3lHe§  btefeS  au3  ben  Briefen 
be§  dürften  §u  betoeifen. 

(Sie  roünfcfjen  nun  natürlich)  su  erfahren,  morauf  ba§,  roa§ 
idj  Seinen  mitgettjetlt  fya6e,  begrünbet  ferj.  2)a§  roitt  idj  Sfjnen 
jagen,  ©allein  rjatte  alte  auf  fein  Sßerrjältnifj  gu  Söeetrjoöen 
be^üglicEjen  Rapiere,  barunter  aitct)  bie  SSriefe  (Sart  93eetrjoüen'3, 
bei  einem  ntefigen  äftuftrer  beponirt,  ben  er  bei  feinem 
literarifcrjen  ©treite  ju  benutzen  fjoffte,  ber  fid)  aber  feitbem  öon 
irjm  loSgefagt  rjat.  SDort  tjafie  id)  alle  Rapiere  unebertjott  ge= 
febjen  unb  ait§  einem  (Schreiben  (Sari  SBeetrjoüen'3,  batirt: 
Sßien,  ben  29.  äftärg  1852,  ben  eben  mitgeteilten  Srief  (ben 
(Sari  gitirt,  um  bem  dürften  gu  betoeifen,  er  fet)  öerpflicfjtet, 
nocfj  75  ^  SU  sat)len)  copiren  tonnen.  2lud)  ba3,  toaä  icfj  öon 
ben  SSerfen,  bie  ©alitjin  aufcer  ben  Quartetten  nocfj  öon  SSeet- 
fjooen  empfing  unb  nid)t  bejahrte,  fagte,  ift  au§  ben  Briefen 
(Sart§  entnommen,  ber  überall  al§  Setoeife  bie  in  §änben  be= 
finbltctjen  Briefe  be<§  dürften  anführt.  2)er  oben  copirte  ©rief 
be§  dürften  fdjeint  mir  befonberg  mistig,  inbem  er  bie  jetzige 
SluSfage  be§  dürften  miberlegt  unb  flar  betoeift,  bafj  ©ie  Dfacfjt 
fjatten,  menn  «Sie  fagten:  23eetl)oüen  ift  um  125  ^  betrogen 
morben.  SJBeber  ©alitjin  nod)  (Sari  Seetfjoöen  werben  im  ©tanbe 
fetjn,  ben  Sßrief  Oom  10/22-  ^oü-  1826  hu  ^überlegen,  menn  ©ie 
ifjn  oeröffentlidjen." 

®enerjtnigen  ©ie,  u.  f.  m. 

2. 

©t.  Petersburg,  13.  gebr.  1853. 
„®eefjrter  §err!  ©ie  bürfen  unb  merben  baZ  unroürbige 
©djreiben  ©alitjin'S  in  9?ro.  3  ber  ^Sarifer  muficalifdjen  Leitung 
nidjt  unbeantwortet  taffen;  benn  märe  ba$  barin  SBefjauptete 
mafjr,  roa3  follte  man  benn  oon  bem  fterbenben  23eett)oüen 
benfen,  ber  eine  ßafylung  üerlangte,  bie  ü)m  nid)t  guftanb?  3dj 
fjabe  S§nen   bereite  in  meinem  öorigen  ©cfjreiben  ben  93rief 

SL  ©djtnölerä  SBcet^oücn=53iograpf)ic.  42 


—     658     — 

©alitjin's  an  23eetf)oüen  mitgeteilt,  roelctjer  bartljut,  bafj  ber 
$ürft  bie  brei  Quartette  bor  feiner  $breife  in  Rauben  fyatte, 
unb  fid)  berpflidjtet,  feine  ©djulb  öon  125  44:  fofort  gu  galjlen, 
mas  er  aber,  betrügerifdjer  Sßeife,  nictjt  ttjat.  ©iefes  Schreiben 
tirirft  feinen  ganzen,  falfd)en  SBertfjeibigungsplan  über  ben  Raufen. 
Slber  aud)  aufeerbem  enttjätt  feine  Sßertljeibigung  2Biberfbrücfje, 
bie  genügenb  ben  unhaltbaren  ©runb  geigen,  auf  bem  er  fufjt. 
@r  fyat  50^4=  borausbegatjlt;  Seettjoben  fenbet  ilmt  barauf  bie 
äfteffe,  mit  ber  Sitte,  fetbige  für  bie  gegaste  ©umme  augu* 
nehmen,  mas  er  annimmt,  ©emungeadjtet  möchte  er  je£t  bie 
beiben  erften  Quartette  als  begabt,  bie  99?effe  aber  als  mc£)t 
begabt  f)infte(Ien.  $n  ber  STtjat  t)at  er  nur  bie  Sfteffe  unb  bas 
erfte  Quartett  begatjtt,  mie  aud)  ^olg  ausfagt,  unb  ift,  mie  ©ie 
gang  richtig  behaupten,  1254t  fdjulbig  geblieben,  um  bie  er, 
tro|  feines  förmlichen  SSerfbredjens,  ben  armen  23eett)oben  fdjä'nb* 
lief)  betrogen  tjat.  SSas  feine  Seljauptung  betrifft,  er  fyabe  nie 
fo  fleinticfj  gebadjt,  bie  ©ebicace  ber  Quartette  für  fid)  gu  ber= 
langen,  fo  fragen  ©ie  itjrt  bod),  ob  er  nictjt  öon  Petersburg 
aus  am  5.  ffllai  1823  an  Seerljoben  getrieben  l)abe:  Je  ne 
demande  pour  moi  que  la  dedicace  et  un  exemplaire  manu- 
scrit  des  que  vous  aurez  fini.  —  5tud)  ben  Srief  (Sari  $eet= 
tjoben's,  ber  bie  legten  feiner  „pieces  justificatives"  bilbet,  t)at 
er  gu  feinem  ßmede  gugeftutjt.  Garl  53eetl)oben  berlangt  (Mb, 
ift  aber  bagegen  $u  Willem  erbötig,  mas  man  nur  milt. 
©0  erbietet  er  fid)  aflerbings  ben  dürften  burd)  eine  3eitungs= 
erftärung  gu  rechtfertigen,  fügt  aber  tjingu:  „fobatb  Votre  Altesse 
mir  bas  (Selb  gegaljlt  Ijaben  mirb,"  ^ptjrafe,  bie  ber  noble  gürft 
bjof)(meislid)  meggelaffen  t)at.  5Iud)  fpäter  fjat  er  bem  dürften 
angetragen,  ben  SBanquiers  ^enidftein  u.  ßomp.,  bie  nichts  mit 
biefer  <3atf)e  gu  tlmn  fjaben  mollen,  einige  Setoeisftüde  gu  über« 
geben,  bie  er  behauptet,  mieber  aufgefunben  gu  tjaben,  bamit  bie 
Sanquiers  biefe,  bielleid)t  unäcfjten,  Schreiben  ben  üftadjfragenben 
bortegen  foüen. 

^ebenfalls  f)aben  ©ie,  mertfjer  §err,  gegen  fid)  felbft,  tote 


—     659     — 

gegen  23eetf)oöen'3  Anbeuten,  bie  $ßftid)t,  tiefe  <SacE)e  meiter  $u 
üerfotgen.  Sfjr  Srrtrjum  betrifft  nur  einen  üftebenumftanb,  ®ie 
glaubten,  Seetrjoöen  f;abe  nie  eine  3arj(ung  üom  dürften  er= 
galten,  roäfjrenb  ifjtn  ba§  erfte  Quartett  gejar)tt  rourbe.  (2öenn 
bie  äfteffe  gegast  rourbe  —  befto  beffer  für  ben  dürften;  aber 
fic  gehört  gar  nicljt  rjiertjer,  roo  e§  fid)  b(o3  um  bie  Quartette 
fjanbeit.)  Sn  ber  |muptfad)e,  ber  ©cfjulb  bon  125  #,  rjaben 
2ne  öoflfommen  fRecfjt,  unb  biefeS  Diecrjt  muffen  ©ie  üertrjeibigen 
unb  aufter  ßtoetfet  fetjen. 

§ier  fterjt  (Mithin  im  fcfjtimmften  9fafe.  Sitte  bie  ifm 
rennen,  b.  t).  faft  bie  gan^e  muficatifdje  SSelt,  §tr>eifelt  nid)t  im 
©eringften  an  ber  SSafjrrjeit  Srjrer  5tu§fage. 

£ann  icfj  Srjnen  in  irgenb  etroa§  burcfj  3(u§fnnft  bienen, 
fo  bin  id)  gern  ba§u  bereit. 

SD^it  üorgügtidjer  §od)ad)tung"  u.  f.  ro. 

Unbegroeifett  roirb  fid)  ber  Sefer  über  bie  §anbtung§roeife 
eines?  fo  rjodjgefteHten  Cannes?  in  einer  (Sfjrenfacfje,  roie  bie 
borliegenbe,  f)öd)üd)  öerrounbern.  <3o  niebrig  aber  and)  biefetbe 
an  fid)  ift,  fo  unttug  unb  gemein  bie  in  ber  Sßotemif  mit  bem 
Sßerfaffer  eingefd)tagenen  28ege  ju  bereu  23efd)önigung  roaren, 
fo  übertreffen  bod)  bie  barin  gegen  unfern  Sfteifter  gefcfjteuberten 
Slnfdjulbigungen  aße3,  roa3  fic£>  in  ben  öorfterjenben  Briefen 
£>amde'3  berührt  öorftnbet.  Unb  biefe3  ftempett  bie  £)anb(ung3= 
roeife  be3  ruffifdjen  dürften  5U  einer  fo  au§ge3eid)net  ptebeifdjen, 
roie  bergleidjen  fid)  roorjt  niemals  üon  folcfjer  §öt)e  rjerabgelaffen 
|aben  bürfte.  Safe  baZ  gefammte  tefenbe  publicum  gteid)  bei 
bem  erften  §eroortreten  be§  dürften  gegen  feinen  „Pamphletaire" 
Partei  für  it)n  genommen,  ift  fdjon  im  biograprjifdjen  £ijeii 
ermähnt.  3)er  ^orje  ^ame  unb  ber  um  jebeS  §aupt  eineä 
Slbligen  fcfjimmernbe  üftimbuS,  ber  ba§  %$ott  in  aßen  ©(äffen 
fjeute  nod)  fo  blenbet,  roie  üor  50  Sarjren,  erftären  fotcfje  btinbe 
Parteinahme.  ®afj  aber  aud)  bie  üarifer  Gazette  Musicale  ben 
dürften  in  ©cfjutj  genommen  unb  feinen  ©iatriben  unbebingten 
©tauben  beigemeffen,  uneracfjtet  meiner  ©egenberoeife,  bafj  fie 

42* 


—     660     — 

fogar  bie  üftiebrigfeit  begangen,  meine  ^tueite  Dtepttf  5U  üer* 
ftümmeln,  nadjbem  fie  überbies  nod)  ben  roörttid)  angeführten 
©djutbbrief  be§  dürften  oottftänbig  gu  unterbrüden  gemagt,  barf 
^ier  nid)t  oerfcbmiegen  roerben,  benn  baburd)  I)at  biefetbe  alle 
Snüectioen  be3  dürften  gegen  23eett)oöen  für  begrünbet  an= 
erfannt,  bie  fo  gefteftt  maren,  bafj  ber  Sefer  irregeführt  morben 
unb  glauben  muftie,  ber  gürft  fet)  ber  betrogene  unb  Steetljoöen 
ber  Betrüger. 

©inen  grellen  9c  ad)  Hang  mibmete  biefer  unfürfttidrjen 
©efd)id)te  ein  ÜDtann,  ber  fid)  feit  einigen  Satjren  als  3ketIjoüen= 
$orfd)er  unb  2Iu£>feger  bem  frangöfifdj  unb  beutfcf)  lefenben 
DJtufilpubticum  befannt  gemalt  fjat.  2Sa§  £>err  2)amde,  ber 
§annoöeraner,  nad)  Prüfung  aller  einfdjtägigen  Rapiere  gu  unter* 
nehmen  unter  feiner  Sßürbe  gehalten,  f)at  ein  £>a(bbeutfdjer  unb 
Öatbruffe  of)ne  fotd)e  Prüfung  gemagt.  £iefer  Ijatte  ben  SJcutJ), 
ungeachtet  be<8  il)m  in  meiner  9ieptif  burd)  bie  ©patien  ber 
„9?euen  3e^tfc^)r^ft  fur  SOJufif"  befannt  geworbenen  ©djutbbriefes 
be3  dürften  für  benfelben  eine  Sänge  einlegen.  Sßütjetm 
non  Seng,359)  ber  Siülänber,  ber  groBe  Sßirtuofe  in  ber 
Gonjectural=$riti£,  er  ift  ber  füöne  bitter.  Seiner  $ertljeibigung 
be§  dürften,  enthalten  im  1.  Xfjeile  feinet  2hidje3  „23eett)oben. 
(Sine  föunftftubte",  f ollen  nur  einige  @ä§e  entnommen  merben, 
bie  oon  ber  Gljaracteriftif:  be§  9Kanne§  Ijinreidjenb  3eu9™B 
geben.  Sr  fagt  bort  ©.  275  u.  ff.  unter  anbern:  „$üf)tte  bie 
beutfdje  treffe  fid)  berufen,  nad)trägtid)  für  einen  ©eift  in'§ 
gelb  §u  treten,  an  ben  bei  feinen  Sebgeiten  fo  toenig  gebaut 
mürbe,  fo  lag  SSien  ü)r  näljer,  beffen  £unftmärttirer  23eet§oüen 


359)  Man  lese  die  übrigens  befangene  Darstellung  von  W.  von 
Lenz  in  seinem  Beetboven,  Neudruck  S.  327 ff.  Besonders  der  Satz: 
„Der  Fürst  Galitzin  wäre  kaum  einem  Angriff  ausgesetzt  gewesen, 
wenn  dieser  nicbt  von  einem  Literaten  ausgegangen  wäre,  der  sein 
Mütcben  an  einem  böber  Gestellten  küblte."  Das  mußte  sich 
Schindler,  der  ganz  von  Lenz  ausgeschrieben  war,  stark  verbitten! 

A.  d.  H. 


—     661     — 

35  Safjre  lang  ttmr.  2Bien  Iäf$t  fid)  bom  Seben,  bon  einer 
Beurteilung  93eetr)ooen'§  nict)t  trennen  —  toa§>  tuen:  für  eine 
fotdje  ©rfenntnifj  babon  §u  gewinnen,  bo^  ein  Elusotänber  mit 
Seibenfdjaft  befd)ulbigt  Wirb,  23eett)oben  ttmtö  fdjutbig  geblieben 
in  fetm?  —  §eut  gu  £age,  too  man  otjnefyin  alle  möglicCje  9J?üf)e 
t)at  fid)  boräitftetten,  baß  23eetI)oben  ein  Sftenfd)  toie  Slnbere  ge= 
mefen!  —  S)ie  ftrenge  ©crjeibnng  ber  ©tänbe,  bie  au§  biefem 
i8err)ältniffe  f)erborgef)enben  5Inimofitäten  finb  eine  burcfjget)enbe 
©rfdjeinung  beutferjen  2eben<§.  (!)  2)er  gürft  ©atitjin  märe  faum 
einem  Angriff  ausgefegt  getuefen,  toenn  biefer  nid)t  bon  einem 
Siteraten  ausgegangen  ttiäre,  ber  fein  ,,„9ftütt)d)en""  an  einem 
r)öt)er  ©efteüten  fünfte.  2)er  gürft  t)ätte  fetnerfeitö  beffer 
ben  £>anbfd)un,  gar  nidjt  aufgehoben  unb  bamit  eine  getjäffige 
Sourna(bo(emif  bermieben,  melcfje  ettoaS  33effere3  51t  berfotgen 
fjatte,  at3  ba$  mifroSfobifcfye  ©treitobjeet."  u.  f.  to. 

2)iefe§  tjatte  f>err  bon  Senj  bie  ©tirn  nieber^ufd^reiben  im 
3afyre  1855,  gur  3ett,  ftÖ  er  n"t  bem  gemeinten  „Siteraten" 
in  faft  ununterbrochener  Gorrefbonben^  geftanben,  (bafür  geugen 
gman^ig  Briefe  bon  feiner  £>anb  an  mid),  meift  eine  9?eif)e 
bon  fragen  über  SSeettjoben'fdje  SSerfe  gum  55et)ufe  feiner 
literarifdjen  arbeiten  enttjattenb);  ber  ©djriftftelter  ferner  fyatte 
bie  ©tirn  ba§>  bruden  gu  taffen,  ber  mie  fein  anberer  mein 
Sud)  über  SBeettjoben  auSgefdjrieben.  ©ielje  ba§>  im  SSottoort 
barüber  eingeführte. 

@3  ift  fdjmerjtid)  alz  ©erränfter  fid)  fetber  (Senugtljuung 
berfdjaffen  511  muffen.  §err  bon  Sen^  f)ätte  e3  anberö  tjaben 
lönnen,  menn  er  meiner  Slufforberung  jufotge  unb  feinem  met)r= 
maligen  $erfbred)en  gemäjj  fie  gegeben  fjätte.  @3  lag  bei  ifmt, 
biefer  Sfränfung  jebeS  geeignet  fdjeinenbe  äftotib  unterstellen. 
(£r  r}at  eS  bennod)  untertaffen,  aber  feine  Eintragungen  fort* 
gefegt,  um  bon  bereu  Beantwortung  öfters  einen  anbern  @e= 
braudj  5U  madjen,  als  if)tn  bon  mir  geftattet  toar  unb  er  ber* 
fjeifjen  tjatte.  ^Sollen  bie§  bie  Sefer  feines  „fritifdjen  StatatogeS 
fämmtlidjer  SSerfe  SBeetljoben'S"  gefätligft  beachten. 


662 


■ftadjtrag. 

(Um  ein  bolle§  3af)r  fpäter,  al§  93orftel)enbe3 

§u  Rapier  gefommen.) 

Selber  fief)t  fid)  ber  SBerfaffer  in  bie  üftotfjbjenbigfeit  ber= 
fe£t,  nad)träg(id)  anmerfen  ju  muffen,  bafc  $ürft  ©alitjin  tro£ 
alles?  SßorauSgegangenen  fid)  nod)  immer  nicfjt  ru£)ig  uerfjalten 
miü.  ®er  Snfjalt  eine§  an  mid)  gerichteten  Briefes?  de  dato 
7.  ©ecember  1858  bezeugt  e£.  9?ad)bem  er  barin  ben  ©treit= 
punct  in  einer  langen  £)iatribe  neuerbing§  a6fpu(t;  nad)bem 
er  angeführt,  bafj  fein  ©ofyn  bie  SSerteumber  feines?  Katers 
bei  ben  ©ericfjten  berfotgen  toerbe,  unb  baf$  berfefbe  bie 
gu  bem  (Snbe  beponirten  125  £>ucaten  git  einer  bollftänbigen 
Verausgabe  aller  SGßerfe  ^Beetfjobeus  opfern  toiU;  ttadjbem 
er  roetter  behauptet,  ba^,  SBeettjoben  i§m  bie  unnütje  ( ! ) 
Partitur  bon  ber  Missa  solemnis  of)ne  fein  Söortmjfen  sugefcfjidt, 
bie  er  einige  Monate  fpäter  nm  5  &f)lr.  gebrucft  faufen 
fonnte;*)  (ber  Sefer  erinnert  fid)  bjofjt  ber  entfjufiaftifcfjen 
2obe3erI)ebungen  au3  be§  gürften  Briefe  an  Seet^oben  nad) 
ber  STuffü^rung  biefeä  Sßerfeä  in  ©t.  Petersburg,  ©.  441) 
unb  nadjbem  er  nod)  gefagt,  bafj  id)  feine  ©enerofttät  unb 
feine  üftobleffe  rjätte  rühmen  folten,  nidjt  aber  tfjn  berleumben, 
fommt  er  junt  ©d)luf$  toie  folgt:  „®ur§,  bjenn  @ie  tttollen, 
ba^  id)  meinen  ©ofjn  bon  feinem  SBorfjaben  abgalten  fotl, 
fo  überfdjiden  ©ie  unS  auf§  fdjneüfte  31)ren  SStberruf,  benn 
nur  unter  biefer  Sebingung  laffe  id)  biefe  2tnge(egenrjeit  fallen. 
(£<§  toirb  bie3  nod)  ein  9(ct  meiner  ©enerofität  febn." 

üDtan  traut  feinen  Singen  nic£)t  beim  Sefen  fotöjer 
(Sjpectorationen  unb  finbet   einzig   unb   allein  einen  Slnljatt^ 


*)  ®ie[e  ©teile  be§  fürfttidjen  SriefesS  öerbient  roöttlicfj  angezogen  311 
werben.  Sie  lautet:  „Reflechissez  un  peu;  qui  a  agi  plus  noblement, 
Beethoven  ou  moi?  11  m'envoie  sans  m'en  prevenir,  une  partition 
inutile,  que  je  ne  lui  ai  pas  demandee,  et  la  taxe  oO^p,  tandis  que 
quelques  mois  plus  tard  j'aurais  pu  l'acheter  imprime'e  pour  5  thalers.' 


—     663     — 

punct  bafür  in  bem  Umftanbe,  ba$  ber  Srieffteöer  ein  ruf fifdjer 
gürft  ift,  getoörjnt  immer  9Rec£)t  5U  behalten.  @8  üerftefjt 
fic£),  bafj  ber  SSerfaffer  auf  biefen  jüngften  $Bemei§  fürftüdjer 
(Senerofität  unb  Sftobteffe  nid)t§  erttribert  rjat,  tjter  gur  ©teile 
aber  irjn  mit  ©tiüfcfjroeigen  übergeben,  fjiefje  eineö  UnrecfjtS 
an  35eetl)Oüen'§  ©ac^e  fid)  fdjutbig  matten. 


D.  „23eetl)0ben'3  (Stubien  im  ©eneraloafj,  ßontratmnct  unb 

in  ber  (Somjjofttion",   ober  Sflnaj  bitter  tum  «Schrieb  unb 

$oMa§  &a§Unger. 

2Boljl  fetten,  ober  niemals  nod),  bürfte  bie  Sftufirroett 
mit  einem  bem  (Gebiete  ber  ^unftliteratur  angerjörigen  SSerfe 
fo  in  bie  Srre  geführt  morben  ferjn,  aU  mit  bem,  beffen 
Xitd  oben  genannt  ift.  ©eit  einigen  Sauren  ift  mancfjeä 
barüber  getrieben  morben.  2)ie  Snitiatiüe  fyat  ber  Sßerfaffer 
bereite  1835  begonnen.  @r  fjatte  e§  unternommen,  burd) 
§erau3;$ierjen  eineö  ©teineä  ben  toorjlbefeftigten  55au  ettt>a§ 
in'S  SBanlen  gu  bringen,  jebodj  ofyne  (Srfofg.  Sn  fpäteren 
Satjren  ift  eä  aber  einem  Slnbern  geglüdt,  benfelben  boüftänbig 
über  ben  Raufen  p  merfen  unb  ben  augenfcfjeinticfjen  23eroei§ 
§u  liefern,  bafj  „95eetrjoöen'io  ©tubien"  ein  untergefdjobeneS 
SBerf  fet).  2öem  ba§>  $erbienft  folcfjer  ©nt^üüung  §u!ommt, 
foll  in  biefer  ©rgän^ung  geäeigt  toerben.  Sßorauägerjenb  ift 
jebocfj  bie  Vorlage  be§  gefd)icfjtlid)en  §ergange§  biefer  5tn= 
getegenrjeit,  fo  roie  noefj  Neffen  erforbertid),  ma§  bamit  in  93er= 
binbung  ftefjt.  (53  foll  bie§  in  einer  gebrängten  3ufammen= 
fteöung  ber  betreffenben  2)aten  gefcrjeijen. 

Sm  üftoüember  be§  Satjreä  1827  fjat  bie  Sicitation  be§ 
„muficalifcrjen  !ftad)taffe3"  bon  Seetrjoüen  ftattgefunben.  2)er 
23erid)terftatter  ber  SfUg.  äRuf.  £tg.  metbet  baöon:  „$).  Slrtaria 
unb  £obia§  £m§linger  fjaben  babei  einen  orbentüd)en  28ett= 
famof  mitfammen  gefämüft.  Seibe  teilten  fiel)  fo  ju  fagen 
burd)   namhafte   äfteiftgebote    faft   gang   au^fcfjtiejjtid)    in   ben 


—     664     — 

unfaßbaren  üftadjlafc,  inbem  jeber  wo  nid)t  bie  §ätfte,  bod) 
minbeften§  ein  SDrtttfjeit  beffetben  erftanb.  Sa  nun  bielteicfyt 
gegen  öt ergig  unbefannte  SBerfe,  rooljt  gröfetenttjetfö  im 
blüfjenben  Sugenbalter  erfdjaffen,  barin  begriffen  ftnb,  fo 
bürfen  ftd)  bie  Seretjrer  be§  t)errlid)en  9Jteifter§  allerbingg 
nod)  erfreuliche  ©enüffe  berfbredjen.  Sftur  ftetjt  ju  be= 
fürdjten,  baiß  bei  einer  foldjen  ©etegent)eit  nur  gar 
§u  Ieid)t  mercantitifdjer  <Sbeculation§=Unfug  getrieben 
merben  !önne." 

Unter  anbern  tjatte  %.  £>a3linger  ein  §eft  bon  frember 
§anb  gefdjriebener  contrabunetifdjer  5lu3arbeitungen  für  einige 
^reuger  erftanben.  Salb  barauf  frug  mid)  ber  Verleger 
Siabetli,  ber  gleichfalls  bem  ^icitation§=5Icte  beigemoljnt,  ob 
id)  moljl  ein  §eft,  fo  unb  fo  auSfetjenb,  bei  Seetfjoben  je 
bemerft  t)abe.  ®er  ßufaü  fyatte  e§  erft  in  ben  legten  Sagen 
bon  23eett)oben'£  Seben  herbeigeführt,  bafc  mir  biefeö  £eft  in 
bie  £mnbe  gefommen;  auf  bie  grage  nad)  bem  llrfbrung  be§ 
3nf)alt3  anttoortete  ber  äfteifter:  „(£§  finb  Setfbiele  bon 
2(tbrec^t§berger  für  feine  ©d)üler  aufgearbeitet."  (£r  behielt 
bann  ba§  §eft  mehrere  Sage  in  feiner  üftälje  unb  mandje 
SKüderinnerung  an  feine  ©tubienjatjre  toarb  baburd)  madt) 
gerufen.  Seim  näheren  Verfolgen  biefes>  ©egenftanbeS  mit 
Siabeüi  maren  mir  beibe  gemifs,  bafj  biefeS  §eft  mirftid)  ba% 
Punctum  quaestionis  fetj. 

©egen  @nbe  1831  bernatjm  Siabelli,  bafy  ©etjfrieb  fidt) 
mit  Bearbeitung  bon  in  ber  Sicitation  be§  Beett)oben'fd)en 
3tad)laffe§  gefauften  Sßabieren  befdjäftige,  bie  bei  §aslinger  in 
einem  Sanb  erfdjeinen  merben.  Unfere  Sermuttjung  fiel  — 
auf  ba§>  ermähnte  £)eft. 

Sm  Safyre  1832  erfdjien  benn  ba§  längft  ange!ünbigte 
SSerf  mit  einer  borgebrudten  üftamenlifte  bon  1293  @ub= 
feribenten  unb  bem  Beifüge  auf  bem  Sitelblatte:  „%u$  beffen 
(Seetfjoben'S)  t)anbfd)rift(id)em  9^ad)(affe  gefammett  unb  t)erau§* 
gegeben    bon    Sgnag    bitter    bon    <2et)frieb."    —    @d)on    bei 


—     665     — 

flüchtigem  durchblättern  erfannte  icf>  einige  bon  ben  brei= 
ftimmigen  $u9en  m^  <Sid)erl)eit  als  alte  Söefannte  au§  jenem 
§efte,  unb  melbete  Qlf§6alb  biefe  ©ntbedung  an  2)iabet(i.  $u 
SSeiterem  muffte  aber  eine  paffenbe  (Megenrjeit  abgekartet 
merben.  9ttittlermeite  ging  ba%  SSiid)  reifjenb  ab,  benn  Seber 
bacfjte,  Oon  bem  SBortlaitt  be3  Titels  geblenbet,  eine  t)on 
33eetf)oben  fetbft  «erfaßte  (Sombofttion§lefjre,  ober  etma§  ber= 
gleichen,  §u  laufen,  mar  bod)  in  ben  geitunggberidjten  °ie 
StuSgabe  für  ein  autrjentifctjeS  SSerf  proclamirt;  unb  felbft 
ber  beim  publicum  in  tjorjer  9td)tung  ftetjenbe  Herausgeber 
jagt  in  feinem  $ormort  anSbrüdticfj:  „%&)  t)abe  mid)  öielmerjr 
mit  ber  gemiffenljafteften  Streue  bemüht,  atle§  genau,  unb  alfo 
georbnet  51t  geben,  mie  icl)  e§  oorfanb;  ja  felbft  be3  21utor§ 
eigene  SBorte  unb  21u«brüc!e  grbfetenttjeitg  beibehalten." 

Sn  dlxo.  2  ber  Mg.  9Jhif.  ßtg.  bon  1835  la§  man 
eine  bombfjafte  31nfünbigung  eineö  üon  S^rietjuber  in  SBien 
titfjograpljirten  „$öpfci)en§  öon  SBeetrjoben,  blo§  1  $oU  rjocC)," 
bei  §a§linger  ju  laufen.  @§  mar  al§  „ba<3  ärjnlidjfte  SSitbnifj" 
bon  Söeetrjooen  anempfohlen.  ®iefer  fonft  gefdjidte  Sitfjograprj 
rjatte  ben  9J?eifter  nur  Oon  ber  ©trajje  gelaunt,  unb  erft 
fieben  Sarjre  nacfj  feinem  Xobe  bie  3e^nun9  gemadjt.  @§ 
läfct  fid)  fonad)  benten,  mie  e§  um  bie  Slerjnlicfjfeit  auögeferjen. 
tiefer  neue  SSemeiS  mercantilifcfjer  ©pecutation  beranlafjte  mid) 
ein  lautet  Söort  über  bie  ©ebarjrungen  biefer  Söiener  SSerlagg* 
fjanblung  —  atteö  unter  ftetä  gerühmter  „greunbfcfjaft" 
mit  bem  großen  lobten  —  in  9^ro.  8  ber  2111g.  Stfuf.  3tg. 
oon  1835  au^ufprecrjen  unb  jugleidj  in  ber  <Sad)e  mit  ben 
©tubien  23eett)pben'3  mid)  „als  Ungläubigen"  gu  erklären. 

2tl3batb  ging  mir  ein  breifadjeS  ©djreiben  auf  einem 
Sogen  ju,  de  dato  SSien  ben  28.  gebruar  1835,  barin 
mid)  £ob.  i^aSlinger,  ©erjfrieb  unb  ber  nocfj  lebenbe  (Saftetli, 
ber  bamalS  bie  erfte  ©timme  in  §a3linger'<§  muficalifdjem 
21ngeiger  führte,  jeber  in  einer  befonberen  2tnfprad)e  5um 
2öiberruf   ber    über    bie    ©tubien    gemachten    Steuerung    auf* 


—     666     — 

forberten.  (Srfterer  brorjte  im  2öeigerungSfalIe  Driginal=33riefe 
Oon  Sßeettjoüen  oeröffentlidjett  §u  motten,  bie  mid)  „auf  eine 
branbrnarfenbe  9trt"  cfjarafterifiren  mürben. 

©er  Wortlaut  biefer  brei  Briefe  üergeroifferte  mid),  bafy 
mein  ©djufc  baS  ©c^mar^e  getroffen;  nur  in  einem  Sßuncte 
blieb  id)  fdjmanfenb,  ob  nämlid)  allen  dreien  gleiche  (Scfjulb 
an  ber  Unterfdjiebung  beijumeffen  ferj.  Senn  ^aStinger  felber 
befaß  faum  fo  ausgebreitete  Äenntniffe,  um,  im  galle  £anb= 
fdjriftftdjeS  Oon  BeetfjOOen  bei  bem  9ftad)roerfe  bod)  benutzt  fetyn 
fotlte,  biefeS  als  autfjentifcf)  ober  nidjt  auttjentifd)  erfennen  ju 
!önnen;  er  lonnte  bemnad)  leicfjt  ber  ©etäufcfjte  fet)n,  —  unb 
ben  ®id)ter  Saftelli  betreff enb  öerftetjt  er  oon  SKuftf  nidjtS, 
fonnte  atfo  nod)  teidjter  getäufdjt  merben.  ®ie  ftcfjere  ©djulb 
concentrirte  fid)  fomit  auf  ©etjfrieb,  ber  als  langjähriger  ßerjrer 
ber  contrapunctifd)en  SBiffenfdjaften,  überbieS  nod)  üertraut  mit 
allen  (Stolen,  allein  gut  Berantroortung  gebogen  merben  fonnte. 
Sn  biefem  @inne  berichtete  id)  ben  Vorfall  an  Dr.  Bad)  unb 
legte  für  'Job.  §aSlinger  ein  offenes  ©cfjreiben  bei,  barin  id) 
mid)  unter  ber  Bebingung  jum  SSiberruf  bereit  erftärte,  menn 
fämmttidje  S5eftanbtt)eile  ber  „©tubien"  oon  Beetfjoüen'S 
eigener  §anb  gefdjrieben  fetjen,  unb  biefeS  oon  mehreren  mir 
bekannten  Männern,  barunter  Dr.  Bact)  ferjn  muffe,  bekräftigt 
merbe. 

Vergebens  fjarrte  id)  auf  eine  fotdje  Befräftigung,  ober 
nur  auf  irgenbeine  (Srloiberung.  „$sm  Bau  ber^-üdjfe"*)  blieb 
alleS  ftill,  felbft  bann  nod),  als  id)  um  1841  in  ber  SSiener 
j£t)eater=3eitung  •  über  bie  erfte  Bearbeitung  ber  Dper  gibelio 
eine  gemünfdjte  Slntmort  gab  unb  gleichzeitig  unfern  ©egenftanb 
ftarf  betont  rjatte.  Slllein  bie  betroffenen  fanben  (Gelegenheit 
ftcf)  in  anberer  SBeife  §u  infinuiren.  %lad)  (Srfcfjeinen  meines 
BudjeS  über  BeetfjoOen  bemühte  fid)  Zok  ^aSlinger  Briefe  an 
feine  ©efdjäftsfreunbe  gu  fcfjreiben,   bie   beffen   ®efammtint)alt 

*)  :8eett)ot>en  pflegte  bie  TOufittjanblung  im  ^aternofter-öäfedjen  311= 
tueüen  einen  gudiäbau  ju  nennen. 


—     667     — 

üerbädjtigten,  ben  SSerfaffer  aber  nur  fur^tr-eg  „Q3eetf)otien'£ 
ßammerbiener"  nannten.  $)®ti  foldtje  Briefe  finb  mir  öon 
ben  (Smpfängern  mitgeteilt  morben.  fraget  nidjt  nad)  ber 
ÜESirfung  biefer  Sntrigue,  §a§linger  ftanb  mit  aüen  Sortimente 
Sftufifljanbtungen  in  gan§  S>eutfd)tanb  in  Sßerbinbung  unb  faft 
alle  (Somponiften  unb  Sßirtuofen  gehörten  §u  feiner  ßtientet; 
befonberS  biet  gu  ©efaüen  traten  itjm  bie  reifenben  23irtuofen, 
mo  feine  Briefe  nidjt  fyinreidjten.  Snbefc  gingen  S3ud)  unb 
Verfaffer  iljre  2Bege  meiter  unb  legerer  ift  im  ©tanbe,  in  bief er- 
neuen Auflage  bie  9lbredjnung  über  biefe  fämmtlidjen  23e- 
mütjungen  Dor^utegen. 

1851  fünbigtc  bie  9ftuftftjanbtung  ©djubertlj  u.  (Somp. 
in  Hamburg  eine  gtoette  Auflage  öon  S3eet£)oöen'§  (Stubien  an. 
3m  Sntereffe  be3  SßublicumS  unb  ber  ©adje  f)ielt  id)  und)  für 
öerpflidjtet,  in  9?ro.  16  ber  leiten  $eitfd)rift  für  SJcitfif  beöfetben 
3aE)re§  auf  biefeS  gewagte  Unternehmen  aufmerffam  gu  madjen, 
unb  ba%  betreffenbe  233er!  offen  für  eine  Sfttjftification,  ober 
ma§  baSfetbe,  für  ein  untergefd)obene§  $a  ertlären,  mit  gleidj= 
zeitiger  Anfügung  einiger  ber  Ijier  angeführten  £)aten.  Snbefe, 
bie  unternetjmenbe  9J?ufiff)anb(ung  Ijat  ftdj  baburd)  nidjt  ftören 
laffen,  oielleicfjt  grabe  beSljalb  redjt  gute  ©efdjäfte  gemadjt;  bie 
Glorie  um  ben  tarnen  SSeetljotien  üerbunfett  ja  alles  um  fid) 
Ijerum.  SDicfc  ©lorie  Ijat  bem  äftufililjänbter  3)?ori^  ©cfjlefinger 
in  $jßari<§  mit  einer  fratijöfifdjen  Ueberfetmng  ber  ©tubien,  nad) 
eigener  Sßerfidjerung,  an  30,000  grc3.  eingebracht.  99cein  §er= 
üortreten  r)atte  jebodj  eine  anbere  SBirfung.  @in  gebiegener 
3J?ufifer  in  $ö(n  raarb  baburd)  angeregt  ber  9D?t)fttficatiort  auf 
ben  ©runb  §u  fommen.  2)a3  ©rgebnifc  feiner  $orfd)itng  |at 
er  in  9?ro.  72  ber  9RE)eintfcrjen  äRuftf Rettung*)  üon  1852 
niebergelegt.  SDiefeä  nod)  fet)r  junge  SKufiforgan  t)atte  aber 
gur  Qtit  n0(f)  3U  wenig  Verbreitung  gefunben,  batjer  bie  Ijödjft 
midjtigen  (ümtljütlungen  $ran3  2)erdum;3  faft  ber  gefammten 

*)  SSorgftngerin  ber  mit  Anfang  3uli  1853  begonnenen  lieber* 
rfjetmfcijen  Wu\it  .-Leitung,  6eibe  unter  3tebaction  üon  $rof.  SubnngSötfdjoff. 


—     6(38     — 

?J?ufiftuett  unbelannt  geblieben,  felbft  «Solchen,  bie  fid)  um 
muficalifdje  Sttcratur  bekümmern. 

£öd)fid)  311  bebauern  ift  e§  aber,  bajj  fogar  5T.  23.  Waxjc 
feine  ^enntnife  bon  aßen  tiefen  Vorgängen  au§>  öerfdjjiebenen 
Zeiträumen  erhalten  Ejat,  mag  au3  feinem  SBerfe:  „Subroig  öan 
Skettjouen  —  Seben  unb  ©djaffen"  flar  erhellet.  (3ournatiften= 
Slrbeit  äquale  £>anaiben=2trbeit !)  £)er  mit  fo  fdjarfen  ©innen 
begabte  ©etetjrte  f)at  in  <Sel)frteb'3  23ud)  nidjt  bie  Sontrebanbe 
gemittert,  au§>  ber  beffen  tt>efenttid)er  Snfyaft  befielt;  er  t)at  ber 
unlauteren  Quelle  Glauben  unb  Vertrauen  gefdjenft  unb  ba= 
burdj  ben  ßrebit  be§  apocrtjüljen  2Berfe§  nur  nod)  mef)r  befeftigt, 
ma§  furj  bortjer  Utibifcljeff  gteidjfallg  getfjan.  SBie  leicht  es 
nun  ber  ©beculation  gemad)t  ift,  ben  SSetrug  mit  bem  23ud)e 
gum  b ritten  Wal  §11  unternehmen,  liegt  auf  ber  <panb. 
^>offentlitf»  toirb  aber  mit  ^adjftetjenbem  ein  fefter  SDamm  er* 
ridjtet  unb  bie  böfe  !>ftad)n)irfung  bon  foldjem  $ihtöal;)rf)aften 
nalnnljafter  mnficatifdjer  Autoritäten  für  alle  $eit  parafyfirt  ferjn. 

/pier  folgen  bie  (Sntfyültungen. 

„SSeetfjoben'S  (Stubien 
ein  ermiefen  untergefdjobeneö  Sßert360 
(Sinige  Safjre  nad)  23eetl)oben'3  £obe  erfd)ien  in  SBien  bei 
£a3linger  ein  SBer!  unter  bem  Stitel:  „2.  Dan  33eetl)oben'3 
©tubien  im  ©eneralbaffe,  ©ontr  abmiete  unb  in  ber  Somüofttion§= 
leljre.  2tu§  beffen  Ijanbfctjriftlidjem  9cad)taffe  gefammelt 
unb   f)erau<§gegeben   üon   S.  Sxitter   bon  ©etyfrieb."     ©egen  bie 


360)  Daß  Schindler  auch  v.  Seyfrieds  apokryphes  Buch  „Beethovens 
Studien  im  Generalbaß"  unter  seine  besondere  Lupe  nehmen  mußte 
und.  nahm,  war  ebenso  selbstverständlich  als  anerkennenswert.  Er 
war  aber  einer  solchen  Aufgabe,  die  sehr  viel  Musikwissenschaft  als 
auch  Ästhetik  erforderte,  nicht  gewachsen.  Ein  nach  ihm  gekommener 
Beethovenforscher,  Dr.  Gustav  Nottebohm,  hat  diese  mühevolle 
Arbeit  mit  Erfolg  getan.  Hierbei  ist  auf  dieses  grundgelehrten  Autors 
Abhandlungen:  „Generalbaßlehre  und  Konipositionslehre  betreffende 
Handschriften   Beethovens"    und    J.   B.   v.   Seyfrieds    Buch:    „Ludwig 


—     669     — 

9Ied)tt)eit  biefeä  9Jcad)merfe3  erfjob  fidj  fdmn  im  Safjre  1835 
51.  ©djinbler,  aber  bie  (Stimme  be§  £üter§  mürbe  trjeit§  über* 
f)ört,  tljeilS  burd)  bie  bei  ber  ©ad)e  beteiligten  unterbrüdt: 
ba§  muftcatifdje  publicum  ift  roie  bie  SBelt,  t>on  ber  baä  ©pridj* 
mort  jagt:  mundus  vult  deeipi;  e§  faufte  ba§>  SBerf  unb  fein 
(Mb  flofe  in  bie  £afd)en  ber  ©peculanten,  meiere  auf  bie  un= 
mürbigfte  SSeife  ben  rjeitigen  tarnen  SBeettjOöen'S  gemiBbraucfjt 
|aben.  „Sßie?  mit  fotdjer  SBeftimmtfjeit  fpredjen  ©ie  ba§>  au§? 
fann  ©djinbler  fid)  nid)t  geirrt  fjaben?  bemeift  nidjt  bie  SSer= 
fidjerung  eines  rjödjft  adjtbaren  Cannes  auf  bem  £itet  be§ 
29nd)e§,  baf$  biefe  ©tnbien  au3  $eetrjot>en'§  t)anbfd)rift(id)em 
9^act)tajfe  gefammett  finb?  Sefen  <Sie  bodj  nur  bie  SSorrebe 
be3  £erau§geber§!"  —  ©o  mirb  bietteidjt  SDcandjer  fragen. 
3d)  aber  fage,  bafj  ©d)inbler  auf  ber  gang  richtigen  ©pur  ge* 
mefen  ift  unb  bafj  mir  itjm  banfen  muffen,  bajs  er  bie  ©acfje 
je|t,  mo  bie  2ße(t  burd)  eine  groeite  Auflage  nod)  einmal 
r)inter'<§  Sicfjt  geführt  merben  foll,  mieberum  öffenttid)  angeregt 
f)at.     Stber   er   t)at   nur   aufgebedt,   ma§   e§   fjiftorifdj    unb 


van  Beethovens  Studien  zu  Generalbaß,  Kontrapunkt"  usw.  als  No.  XIV 
in  Nottebohm,  Beethoveniana,  Leipzig  und  Winterthur,  1872,  S.  144-203 
zu  verweisen.  Schon  hier  konnte  Nottebohm  als  Schlußsatz  in 
seinen  Fußnoten  vermerken:  „Zur  Zeit  des  Streites  um  die  Echtheiten 
des  Seyfriedschen  Buches  erklärte  sich  der  Herausgeber  Schindler 
(vgl.  Biographie  Beethovens  II,  368  ff.)  zum  Widerruf  bereit,  falls  nach- 
gewiesen würde,  daß  sämtliche  Bestandteile  der  Studien  von  Beethovens 
eigener  Hand  geschrieben  seien."  Diese  Forderung  wurde  nicht 
erfüllt,  und  wäre  es  namentlich  an  Seyfried,  als  Herausgeber  des 
Buches  gewesen,  seine  Sache  zu  vertreten  und  seinen  Gegner  durch 
Erfüllung  seiner  Forderung  zum  Schweigen  zu  bringen.  Seyfried 
aber  schwieg.  Er  schwieg,  weil  er  schweigen  mußte.  War  doch  zu 
befürchten,  daß  seine  Fälschungen  ans  Licht  kommen  würden. 
Schindler  ist  aber  auch  hierbei  moralisch  vollständig  im  Rechte,  wenn 
er  auch  wissenschaftlich  unzulänglich  erscheint,  und  um  dessenthalben 
Nottebohm  den  Ruhm  belassen  mußte,  den  er  durch  seine  besondere 
Schrift  „Beethoven-Studien  im  Generalbaß"  erzielte,  ein  Werk  von 
unglaublicher  wissensch altlicher  Befähigung!  A.  d.  H. 


—     670     — 

äußerlid)  für  eine  23emanbtniß  mit  jenem  gefjeimnißbollen 
StRanufcript  fjat:  Staunen  roirb  itjn  unb  bie  gan^e  ftünftlermelt 
ergreifen,  trenn  fie  im  $olgenben  baä  (Srgebniß  meiner  Waty 
forf jungen  über  ba$  innere  be§  33ud)e3  tefen  werben,  monad) 
jene  Sßerfidjerung  auf  bem  Titelblatt  al§  eine  Süge  unb  bie 
SSorrebe  als  eine  mafjre  23ert)öl)nung  erfdjeint.  ^ie  ift  eine 
großartigere  £äufd)ung  be3  ^3ubticumä  ertjört  morben  unb  f.o 
lange  unentbecft  geblieben,  al3  biefe:  benn  ba$  SBerl  ift  nid)t§ 
als  eine  3ufammenftoPPetunS  au^  bereite  im  üorigen 
3al)rf)unbert  gebrudten  £et)rbüd)ern. 

(Sine  foldje  33ef)auptung  forbert  iSeroeife;  fjier  finb  fie. 

9H§  id)  in  biefen  blättern  (Sftro.  70)  bie  9?ad)rid)t  öon 
bem  erneuerten  ^proteft  Sdjinbler'ä  la3,  erinnerte  icE)  mid),  ba^ 
mir  öor  Sauren  beim  Kursblättern  jener  fogenannten  S9eet= 
tjoüen'fcfjen  ©tubien  eine  guge  auffiel,  öon  ber  e§  mir  friert, 
al§  märe  fie  mir  bei  meinen  ©tubien  aud)  fcljon  einmal  §u 
@efid)te  gekommen.  Sdj  netjme  ba§  35udj  in  bie  £>anb,  finbe 
bie  alte  ©efannte  glüdlid)  mieber,  unb  je  meljr  id)  blättere, 
je  meljr  contrannnctifdje  Scifpiefe  id)  lefe,  je  beutfid)er  entmidelt 
ftd)  bei  mir  bie  Erinnerung,  bafj  id)  mid)  in  biefer  9tococco= 
gefetffdjaft  bei  irgenb  einem  großen  §errn  ber  23orgeit  fdjon 
einmal  befunben  l)aben  muffe.  S)a  berganäeSSertl)  be§ 
fraglidjen  S3ud)e§  auf  ber  Annahme  beruht,  baß  bie 
SSeiftoiele  unb  Aufarbeitungen  mirfliclj  oon  23eetl)ooen 
finb,*)  ba^  mir  tjter  bie  intereffanten  35erfucfc)e  eines  jugenb* 
lidjen  ©euie'3  öor  un§  f)abeu,  fiel)  bie  9iegeln  feinet  SefyrerS 
anzueignen  unb  bie  gefteüten  Aufgaben  $u  löfeu,  fo  ließ  mir 
ber  einmal  angeregte  gmeifel  feine  9tul),  unb  mätjrenb  id)  üor 
meinen  23  üdjergef  teilen  finnenb  auf=  unb  abgetje,  mar  e£  mir, 
al3  gtotjten  mid)  auf  einmal  au§  bem  Stitet  eineg  alten  Ouart- 
banbe§  ein  Sßaar  große,  mot)lbefannte  Augen  an.  „Gradus  ad 
Parnassum"  la§  icf)  barauf,  unb  in  bemfelben  Augenblid  fdjoß 


*)  2)iefe§  befeuern  ©etjfrieb'S  feigen  in  ber  Seipj.  9lllg.  2Ku[.  3*9- 


—     671     — 

e§  mir  audj  burd)  ben  Slobf:  gefunben!  Set)  greife  gu  unb 
Ijofe  mir  be§  ölten  ^peroen  Sodann  Sofebt)  $ur.  Gradus  ad 
Parnassum  sive  Manuductio  ad  CompositioDem  regulärem 
ober  Slnfüljrung  §ur  regelmäßigen  (Sombofition  —  au§  bem 
Sateinifdjen  in'S  SDeutfdje  überfetjt  Don  Sorenj  SD? intern; 
Seipjig  1797  bei  $.  ©•  §einfiu3  —  herunter,  labe  ben  e^r= 
mürbigen  (SapeÜmeifter  Sfyrer  faifertidjen  äftajeftäten  £eopolb'3  I., 
Sofepfy'S  I.,  unb  &art'§  IV.  gu  einem  freunbtidjen  ©efprädje 
ein  unb  lege  ifjm  bie  93eifpiete  ou§  Söeettjoben'S  ©tubien  §ur 
Stnfidjt  bor.  SSer  fdjitbert  mein  (Srftaunen,  ai%  er  mit  tjotjfer 
©eifterftimme  erioibert:  „?Iüe3  fdjon  bagetuefen  —  ift  Me§  oon 
mir  —  fjabe  e§  mit  meines  $aifer§  ©nabe  fd)on  2lnno  1725 
burd)  ben  ©rud  an'S  Sidjt  gebracht."  —  3Ba 3  ift  bas?  rufe 
id)  au§:  tüäre  ba§>  mögtid)?  —  SSatjrfcfjeinticr)  Jjatte  StlbredjtS* 
6 er g er,  ber  in  ben  brei  Sänben  ber  (Sebfrieb'fdjen  SluSgabe 
neben  $ur,  auf  bem  ©eftette  ftanb,  unfer  ©efpräet)  bernommen: 
er  ftedte  ben  $opf  über  meine  ©dmltern  toeg  in  bie  23eett)oben'* 
fdjen  ©tubien  unb  flüfterte:  „£>m!  t)tn!-  mir  gang  rootjl  befannt 
—  fdjon  bagetoefen  —  ba§>,  unb  ba§>,  unb  ba$  ift  oon  mir  — 
in  meinem  brüten  S3anb  Dom  bitter  ©etjfrieb,  meinem  lieben 
<3d)üler,  fdjon  Oor  üielen  Sauren  in  ®rud  t)erau§gegeben." 

2)a  fprang  id)  entrüftet  auf,  fd)lug  mit  ber  gauft  auf  ben 
£ifd),  baß  bie  beiben  ©eifier  berfd)tt)anben,  unb  gelobte  mir  bie 
gürnenben  Stauen  SSeetfyoben'S  pt  berfötjnen  burd)  öffentliche 
Stnflage  Sener,  bie  unS  ben  51bfaU  bon  ben  geraden  ber  ge= 
nannten  obtt)of)t  fefyr  efyemuertfyen  alten  §erren  für  bie  gunlen 
feines  teimenben  ©eniuS  oerlauft  tjaben! 

3>d)  getje  beSljatb  nun  gur  gerid)tlid)en  ©egeneinanber- 
fteHung  ber  ©dmlbigen  mit  gur,  unb  SltbredjtSberger  über, 
unb  laffe  bie  actenmäfjige  5Bebjei3füf)rung  folgen.  Sd)  benutze 
bon  gu£  bie  oben  angeführte  StuSgabe  unb  bon  SllbredjtS* 
berger  beffen  fämmtlidje  ©driften  über  ©eneralbaß,  <parmonie= 
tefjre  u.  f.  m,  herausgegeben  bon  feinem  <2d)üler  3-  $•  bon  ©et)frieb. 
3  23be.    SBien  bei  Slnton  ©traufj,  oljne  3af)reSgat){. 


—     672     — 

£er  crftc  Slbfdjnitt  ber  ©tubien:  £ef)re  beä  ®enemtbaffe£, 
lömmt  f)ter  mdjt  in  Setrctdjt.  ®r  umfaßt  74  Seiten  (fte^e 
baüon  nadjljer).  ©er  gleite:  £§eorie  ber  (Sompofitionen,  tft 
berjenige  Sfjeit  be§  SBudjeS,  ben  hrir  nn§  näfjer  anfefjen  tooüen. 
5Iuf  ©.  87  beginnen  bie  contrapunctifdjen  93eifpiete.  3Sa§ 
früher  öon  fleinen  Plagiaten  borfömmt,  übergebe  irf):  aud)  be= 
merfe  idj,  ba§  in  bm  erften  Seiföieten  tjier  unb  ba  eine  ober 
bie  anbere  Sftote  bem  Original  gegenüber  geänbert  er[d)eint. 
SSon  ben  ©tnbien  finbet  ftdj: 
<8eite 


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2. 

249 

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XXXI, 

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II 

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XXXI, 

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5, 

6. 

251 

II 

II 

II 

XXXI, 

II 

6. 

251 

bei  2l(bre<i)t!§berger 

95b.  III,  ©. 

32. 

252 

ebenfo 

ff         ff       » 

38. 

. 

253 

ii 

II          II        II 

39. 

—     673     — 
(Seite  254  bei  2ltbred)t3berger      8b.  in,  ©.  39. 


255 
259 


XXXII, 

afo 

1. 

XXXII, 

n 

1. 

XXXI, 

Sfc 

9. 

XXXIH, 

n 

1. 

XXXHI, 

ff 

2, 

4,  5 

XXXIII, 

II 

3, 

6,  7 

XXXIV, 

II 

1. 

260 
261 


„     262  Bei  2I(bred)t3berger  SBb.     in,     ©.  56,  57,  58. 
„     265  finbet  ficf)  Bei  %vli  Staf.  XXXIII,    gig.     8. 
n     265       „       „      „      „       „     XXXIV,       „       2. 
„     265  unb  266      „      „       „      XXXV,       „       1. 

„     271    nebft   mehreren    folgenben    ©exten    finbet    fiel)    bei 
2Itbred)t§berger  53b.  III,  @.  76.  u.  b.  folg. 

Scf)  benfe,  biefe  gufammenftetlung  genügt.  &$>  mag  ftdj 
nod)  mefyr  finben  laffen,  a6er  id)  bin  be§  unerquidtidjen  9?ac^= 
fd)Iagen§  mübe.  Stafj  aud)  nur  ba§>  SSenige,  ba§  nad)  biefem 
©ünbenregifter  nod)  übrig  bleibt,  lüirfüct)  oon  23eett)Oöen  f)er= 
rüfjre,  ift  burdjauä  unttiafjrfdjeintid).  ©laubloürbiger  ift  bie 
SJcittfjeitung  ©d)inbler'3,  bafc  baZ  ©an§e  ein  §eft  5llbred)t^ 
berger'3,  öietleidjt  nur  eineä  ©d)üler§  beSfelben,  fetyn  mag. 
®iefer  t)at  ba3  2öer!  oon  $uj  benutzt,  au§  meinem  aud)  aufjer 
ben  Sfotenbeifpielen  nod)  folgenbe  bemerfenStoertlje  ©teile  ab= 
gefdjrieben  ift.  $U£en*3  Sud)  ift  nämlid)  in  bialogifdjer  $orm 
»erfaßt,  unb  fo  ermahnt  benn  an  ber  betreffenben  ©teile  ber 
Setjrer  feinen  ©ctjüler  atfo:  „£)u  l)aft  beine  ©adjen  gang  gut 
gemacht,  ©o  fann  man  burd)  9lad)ben!en  unb  arbeiten  Diel 
erlangen.  S)u  mufet  biet)  be3  ©prüdjleinö  erinnern :  ber  Kröpfen 
SBaffer  burdjlöcfjert  enblid)  einen  ©rein,  nidjt  mit  (bemalt, 
fonbern  inbem  er  oft  barauf  faßt.  <pierburd)  toerben  mir  be= 
tet)rt,  ba^  0*e  SBiffenfdjaften  nur  burd)  unermübeten  $leifj  er* 
Ijalten  merben,  fo  ba^  man  nad)  bem  ©prüctmmrt  feinen  Xag 
barf  otjne  Sinie  öorbei  geljen  laffen."  —  SDiefe  ©teile  finben 
mir  in  ben  ©tubien   ©.  92   mit  unbebeutenben   Steuerungen 

3t.  ©cfjinbterS  S3eetf)o»ens33iograpfjte.  43 


—     674     — 

hrieber.  Stuffattenb  tft  aud),  bafe  bon  bem  $ur/fd)en  SSerfe, 
lDtetxiof)t  ber  üftame  $ur.  nocfj  ^mei  9J?at  borfommt,  nur  ein 
eingigeä  9J?af  in  ben  ©tubien  bie  W&e  ift,  nämtid)  <S.  96,  h)o 
e§  rjeifjt:  „§icr  tnirb  in  ber  (Jabenj  bon  ber  Sept  in  bie  Cuinte 
gesprungen,  bie§  ift  bie  Bekannte  ^ud)ft[ct)e  3$ed)fe(note,  öon 
irjrem  (Srftnber*),  bem  f.  f.  Dbercapettmeifter  Sodann  $üd)Z 
alfo  gugenannt,  metdjer  ba§  erfte  trjeorctifd)e  2eb,rft)ftem  über 
bie  ^onfunft  unter  bem  £itet  Gradus  ad  Parnassum  »erfaßte, 
jenes  berühmte  2ßerf,  ba3  fein  erhabener  SJcäcen,  Äaifer  ßart  VI., 
§um  ©rüde  beförberte."  — 

2tt§  id)  biefe  fcrjtagenben  SBööcife  für  bie  Unädjifjeit  ber 
23eetfjoben'fd)en  Stubien  £errn  ^?rof.  33ifd)off  mittrjeitte,  erfudjte 
mid)  biefer,  bod)  nicfjt  p  erfahrnen  im  S)ienfte  ber  SSatjrrjeit 
unb  aud)  ben  erften  Stbfdjnitt,  bie  ©eneratbafeterjre,  nod) 
einmal  einer  genauen  Prüfung  unb  einer  Bergteidjung  etma 
mit  SttbredjtSberger'so  ©enerafbafjfcfjute,  §u  roürbigen.  Sd)  ttjat 
e3,  jeboct)  in  Segug  auf  2ttbrect)t§berger  ofjne  ©rfotg:  bagegen 
fanb  id)  in  ©.  ©.  STürf'3  Anleitung  gum  @enera(6aB= 
fpieten,  §uerft  erfdjienen  im  S-  1791,  bie  Quelle  ber  fo= 
genannten  23eetrjoben'fd)en  Stubien  unb  ba$  Original  ber  gangen 
©enerat&aBleljre  bi3  auf  menige  Stätter  berfetben!  Sdj  fütjre 
XM  nad)  ber  brüten  2tu3gabe,  £atte  1816,  an.  2)ie  2t rt  ber 
Stbfdjreiberei  ift  gteid)  au§  bem  Anfang  be§  erften  ßapitefö  in 
ben  Stubien  ju  erfefjen,  roo  e§  Reifet:  „Stile  Strien  bon  3e^ert> 
njetdje  bie  Begleitung  angeben,  fyeifsen  Signaturen."  Bei  Stürf 
©.  23:  „£)ie  $iffern  unö  3e^enr  ttetdje  fid)  auf  ba$  ©enerat= 
bafefpieten  begießen,  pflegt  man  in*gefammt  Signaturen  gu 
nennen."  Stuf  biefe  SBeife  getjt  e3  fort:  bie  Iftotenbeifptele 
finb  meiftenS  gang  fo  mieber  abgebrudt,  mie  fie  in  %üxt 
fielen.  SDtan  bergteidje  fotgenbe  Stellen: 
Stubien:  ©.    5  unten,  bei  £ürf  <B.  49,  §.  26. 

6      —  —       —  47,  §.  30.  @.  48,  §.  31. 


*)  2Ba3  beiläufig  gefagt  falfcb,  ift,   roie  man  bei  guj  nadjfefen  farnt. 


—     675     — 


©tubien:  ©. 


7  unten, 

bei  Surf  ©.  46,  §.  28. 

8  u.  9 

— 

-  46,  §.  29. 

9  unten 

— 

—  48,  §.  32. 

10     — 

— 

-  49,  §.  34. 

11      — 

— 

—  50. 

12     — 

— 

—  51. 

13  u.  14 

— 

—  52.  u.  54. 

95om  gtoetten  Kapitel  (7  «Seiten  lang)  Ija&e  id),  aufjer  in 
einigen  Äfetmgf  eitert  (©.  21,  bei  Surf  ©.  59,  §.  42)  ben 
ttrfprung  noct)  nictjt  auffinben  fönnen. 

£>ritte§  (Sapttet: 

©.  21,  bei  ZM  ©.     57. 

22,  —       —     61,     62,     63,  65. 

23,  —       —     65,  102,  103. 

24,  —       —  104. 

darauf  folgen  10  glätter,  beren  Duelle  noct)  im  £)unfet 
liegt:  bann  Ijttft  aber  für  ©.  55  ZM  mit  ©.  322  u.  323, 
für  @.  58  berfetbe  mit  ©.  128,  §.  88,  89  au§. 

SBom  fechten  Kapitel  an  get)t  bie  ©actje  in'S  ©rofce. 
£)iefe§  ift  gan§  ba§  6.  Kapitel  iürf'3,  nur  in  üerfrüppetter 
©eftalt.  freilief)  bebarf  e3  eine§  geübten  9$licfö,  um  beftänbig 
auf  ber  gätjrte  gu  bleiben;  ict)  gebe  einige  Slnbeutungen,  roonact) 
Seber,  ben  e§  intereffirt,  bie  anbern  Kapitel  burc£)get)en  unb 
öergleictjen  lann.  Wlan  netjme  5.  93.  bie  erften  9?oten5eilen  auf 
©.  59  ber  ©tubien.  £)er  erfte  Zact  berfelben  fietjt  bei  Xürf 
©eite  264  bei  c.  d.  —  ber  2.  £act  ©eite  265  e.  —  ber 
3.  265  f.  —  ber  4.  465  g.  unb  ber  5.  bei  h.  Mitunter  gel)t 
e§  ettt>a§  lrau§  burdjeinanber,  aber  e§  ift  2Me§  ba.  ©oroie 
baZ  6.  Kap.  ber  ©tubien  au§  bem  6.  bon  Züxt  gemacht  ift,  fo 
ift  ba^felbe  ber  galt  mit  bem  7.,  8.  u.  9.  Kapitel,  tueldje  in 
benfelben  Kapiteln  bei  Züxt  if)re  Quelle  tjaben.  3um  10.  Kapitel 
üergteidje  man  Stürl  ©eite  139  unb  folg. 

Knblid)  t)at  bie  21bt)anb(ung  „s£om  fR ecitatiöw  in  ben 
©tubien  (©.  338—348)  ü)re  Quelle  in  3.  ©.  ©uljer'g  £t)eorie 

43* 


—     676     — 

ber  frönen  fünfte,  Strittet  „föecitatiü"  %%  IV.  ©.  4  ber 
2.  Huflage,  Seip^ig  1799.  Siefer  Strittet  tjat  17  (Seiten  unb 
6  üftotentafetn:  bie  Plagiate  ber  ©tubien  lann  Seber  teidjt  barin 
finben. 

S)ocf)  lange  genug  Ijabe  idj  bie  Spuren  ber  gennffentofen 
Schmuggler  burdj  <Sd)itf  unb  (Sumpf  uerfotgt.  3dj  tja6e  ben 
„33au  ber  $üd)fe"  grünbtid)  burd)ftöbert;  eine  unerfreuliche, 
mütjeootte  Arbeit  —  id)  bin  iljrer  fatt.  5>ietteid)t  finben  SInbere 
bei  fortgefe^tem  Stuf graben  aller  9iöf)ren  nod)  meljr.  (betrieben 
\)dt  mid)  ba^u  ba§  empörte  ©efüljl  über  bie  boppelte  Scfjutb 
ber  Sßerfünbigung  an  Seetjjoüen  unb  an  ber  muficatifdjen  £efe= 
ftielt.  SSte  mandjer  Äunftjünger  mag  e§  fid)  üietteidjt  an  feinem 
9Jcunbe  abgefpart  tjaben,  um  ben  ^reis>  für  eine  Reliquie  Q3eet= 
tjooen'ö  §u  erfdjnnngen!  Unb  ma§  befitjt  ber  arme  nun,  ba 
mir  feinen  ©tauben  rütffidjt§lo§  zertrümmern  mußten?  —  Sdj 
enthalte  mid)  meiterer  23etrad)tungen,  bie  fid)  in  gütte  barbieten; 
benn  mie  ein  S)idjter  ber  Sttten  fagt: 

Si  natura  negat,  fecit  indignatio  versum  — 

fo  müßte  and)  tjier  ein  Zeitiger  gorn  uüer  oen  untoeranttoort* 
tid)en  greüet  an  einem  grof3en  Dramen  bie  $eber  führen. 

$ö(n.  g.  $erdum, 

Seljrer  an  ber  rf)eiiü|'cf)en  Sftufiffdjule." 

S)ie  (SingangS  üernommene  23efürd)tung  be3  SSiener  35e= 
ridjterftatterö  in  Setreff  mercantitifdjen  (Specutation§= 
Unfugs?  ift  atfo  nad)  üortiegenbem  (SrmeiS  in  cotoffatem  SDfafje 
luirfüd)  auggefütjrt  morben. 

(53  bleibt  nun  nod)  ein  anberer  gragepunet  §u  erörtern 
übrig.  SBiebertjolt  nennt  <Set)frieb  unfern  SDreifter  feinen  greunb, 
unb  madjt  bemnad)  ben  Sefer  glauben,  baß  gmifdjen  SBeetfyooen 
unb  it)tn  ein  freunbfdjafttidje»  33ert)ältniB  beftanben,  barauf  fidj 
alle  feine  Stuöfagen  begrünben  (äffen  unb  glaubmürbig  erfd)einen. 
3ur  (Steuer  ber  SSafyrtjeit  muß  (jierauf  entgegnet  roerben,  bafj 
jroifdjen   beiben  Stünfilern  5U   feiner  $eit   irgenbeine  Strt  oon 


—     677     — 

Sßerrjcittnif}  beftanben,  im  ©egentt»eit  tjatte  23eetrjot>en  auf  ©eofrieb 
einen  §afj  geworfen  unb  irjn  jeber  5tcfjtung  unroürbig  erflärt. 
©er  §auptgrunb  lag  im  fittticrjen  SBanbel  be§  (SapeEmeifterS, 
in  feinen  efjelicfjen  SSerrjättniffen,  roomit  er  aU  SSorgefetiter  ein 
fd)lecfjte3  Sßeifpiei  gege6en .*)  Söenn  in  bem  fittentajen  £)onau= 
babet  üftiemanb  baran  2iergernif3  genommen,  fo  mar  e§  bocfj 
nnfer  geftrenger  ßato.  2öie  fjätte  23eetrjooen  ben  rünft(erifcrj= 
acfjtbaren  Sapettmeifter  1824  bom  ®irection§=$utte  gleid)fam 
im  5tngeficfjte  be3  s$ublicum§  anSfcrjUeften  fönnen  —  mie  in 
ber  3.  ^ßeriobe  gezeigt  ift  —  menn  er  nur  einige  9lcfjtung  für 
irjn  gefügt  rjätte?  £>iefe  SebenSöerfjäitniffe  berf  eisten  ben  9ftann 
nacfj  feiner  23erabfctjiebung  im  £tjeater  an  ber  SSien  (1825)  in 
eine  bebrängte  Sage,  roetcrje  irjn  genötigt,  ©tunben  gu  geben 
unb  arbeiten  für  SSerteger^mecte  gu  unternehmen,  bie  mit  ber 
SBürbe  eines  rjocfjfterjenben  2öiffenfcfjaft§manne3,  ber  ©erjfrieb 
roar,  im  Sßiberfprttcf)  ftanben.  £)iefe  ßuftänbe  führten  irjn 
enbücfj  bi3  §u  ber  %$at,  beren  33eurtfjeitung  fo  eben  bem  Sefer 
unterbreitet  morben. 

@3  barf  für  geroife  angenommen  merben,  ba^  feit  ben  im 
Sarjr  1806  im  SHjeater  an  ber  SSien  üon  bem  abgeänberten 
$ibelio  ftattgerjabten  groben  unb  Sluffüfjrungen  23eetrjoDen  unb 
©erjfrieb  fein  2öort  metjr  mit  einanber  geroecrjfeit  rjaben.  SSill 
man  baran  äroeifeln,  fo  befrage  man  ben  gegenwärtigen 
©irector  be§  ^(acfjener  ©tabt^fjeaterS,  SJHcfjaet  ©reiner,  ber 
in  ben  Sauren  1822  unb  1823  nur  gu  oft  ©elegenrjeit  ge= 
rjabt,  beibe  biefe  SDMnner  §n  gleicher  ©tunbe  in  berfelben 
Sveftanration  neben  bem  ^ofeprjftäbter  £rjeater  gu  beobachten. 
3u  borbenanntem  ©runbe  tiefgerourgetter  Üücifsacfjtung  gefeilte 
fict)  aber  nocfj  einer:  Söeetrjooen  rjiett  ben  (Sapellmeifter  ©erjfrieb 
für  ben  ©elbft^ecenfenten  atler  feiner  SJMobramen  in  ber 
5t (fg.  9Jhtf.  3tg.,  baüon  jebe  $ritif  auf   5  bi§  6  (Spalten  au§* 

*)  ©e^ftieb  lebte  lange  Safjre  in  tuttber  (Slje,  unb  probuctite  bie 
iljrem  redjtmäfjig  angetrauten  SOfanne  entlaufene  ftxau  an  alten  öffentlichen 
Drten. 


—     678     — 

gebetjnt  erfcfjeint,  mit  bereit  2lnalt)fe  förmlid)  Schule  gehalten 
toirb.  1822  bemühte  fidj  g.  SRodjtifc  in  SSaben  perfönlidj  ifjm 
btefett  (Glauben  ju  benehmen,  ofjne  ben  eigentlichen  Urheber 
jener  auffallenben  Sobfjubeleien  namhaft  ju  madjen.  öeetrjoüen 
repticirte:  „©agen  Sie,  roa§  ©ie  wollen,  er  i|t  e§  bennodj!" 
3)er  SBerfaffer  roar  $euge  De*  0^eier  Bw^mtbüing. 

gatte  ©erjfrieb  fonacfj  in  Se^ug  auf  33eetljot>eit'§  SebenS* 
üerfjättniffe,  fein  Xfyvm  unb  Saffen,  meift  nad)  Sagenden 
gef einrieben,  fo  roar  bieg  nidjt  gleidjer  gall  in  S5e§ug  auf  be§ 
äftetfterS  Sßerfe,  beren  Sluffütjrung  er  mit  eigenen  Dtrren 
gehört  rjat.  £arum  üerbienen  feine  Urteile  alle  Seacrjtung, 
5itmal  fie  nid)t  üon  einem  voreingenommenen  Äünftter  au3; 
gegangen,  aud)  nicfjt  üerein^ett  baftetjen.  SSaS  aber  bie  unferm 
9Mfter  in  ben  9)tunb  gelegten  Urtfjeite  über  §aenbel,  ätto^art, 
(Stjerubini  unb  SBeber  betrifft,  fo  rjat  fie  ©erjfrieb  ttjeife  auf* 
gerafft,  tqeilä  felbft  erfunben.  —  2£at)r  ift  e3,  baf$  Seetfyooen 
§aenbel  für  ben  „unerreichten  SOceifter  aller  SJceifter"  erllärt 
tjatte;  unter  ben  5llten  roar  er  itjm  ber  befanntefte.  2Sie  fo 
gar  roenigeS  er  toon  @eb.  SBctdj  gefannt,  roarb  fdjort  am  anbern 
Orte  nacfjgeroiefeu.  Ser  ©runb  ift  in  ben  ßeitäuftänben  gu 
fucfjen,  aber  aud)  barin,  baß  man  in  SJBien  Don  „tutrjerifcfjer 
23hifif"  nicfjtS  roiffen  mochte,  ©ben  fo  ift  e§  roatjr,  bafs  93eet= 
tjoüen  bie  $aub  er  flöte  für  baä  allergrößte  beutfdje  Cpern* 
roerf  erfrört  rjatte;  er  ftü§te  fein  Urteil  aber  tjauptfäcfjüct) 
barauf,  roeit  in  biefer  Dper  alle  ©enre§,  Dom  Siebe  bis  jur 
guge,  in  Jjödjfter  Sßollenbung  ausgeprägt  erfdjeinen,  roie  bereite 
«Seite  509  ermähnt  roorben.  äßenn  ©etjfrieb  Seetrjoüen  oom 
2)on  Suan  fagen  läßt:  „Ueberbie»  fotlte  bie  tjeilige  Äunft  nie 
gur  gotie  eineä  fo  fcanbalöfen  ©ujetS  ftd)  erniebrigen  laffen" 
—  fo  bürfte  ba3  ©ange  auf  23eett)ouen'3  oft  getraue  Steuerung 
gu  rebuciren  ferjn,  „bafj  er  biefeä  (Sujet  nidjt  fjätte  componiren 
fönnen."  —  2>aB  Q3eett)oüen  auS  (£t)erubini'3  Requiem  fid) 
„9J?anc^e§  ad  notam  netjmen  mollte,  menn  er  fetber  eineä 
fdjreiben   roerbe,"    ift   Setifrieb'sS   (Srfinbung.     Gin   öeet^ooen 


—     679     — 

ttrirb  fid)  ein  frembeS  SCßufter  ju  irgenbeinem  SSerfe  nehmen! 
SBeetljoöen  fannte  Gtjerubini'g  Requiem  ntdjt;  oon  ®ircl)enmufif 
be§  großen  ßeitgenoffen  mar  ü)m  blo§  bie  ütfeffe  in  D  begannt. 
(§r  tonnte  fid)  bafjer  in  feinem  Söriefe  an  (Sljerubini  1823  — 
mooon  ba§>  etgenljänbige  (Eoncept  in  ber  llönigt.  33ibtiotJ)ef  51t 
^Berlin  aufbematjrt  ift  —  matyrtjeit^getreu  nidjt  anber§  au§brüden, 

als  er  getljan:  „ inbem  icf)  Sfyre  2Berre  über  alle   anbere 

tl)eatralifd)e  fd)ät$e"  u.  f.  m.  SSon  5Urd)enmufif  gefct)ie^t  feine 
(Srmäbnung.  —  2Ba3  23eetl)Oüen  üollenbä  über  ß.  9ft.  üon  SJÖeber 
gejagt  fjaben  fotl,  ift  abfurb  unb  ttrieber  ©etyfrieb'3  (Srfinbung. 
„SSeber  fjabe  ^u  fpät  angefangen  3U  lernen,  barum  tonnte  fid) 
bie  Äunft  nimmer  redjt  natürlich  entfalten,  unb  fein  fid)tlid)e§, 
einiges  (Streben  fet)  baljtn  gegangen,  für  genial  gu  gelten."  — 
Sßeettjooen  mufcte  redjt  toofyt,  ba$  Sßeber  fdjon  mit  20  Saljren 
fid)  in  ber  Dper  üerfudjt  Jjatte.  —  $>ie§  ^ufammen  mirb  nmt)! 
genügen,  um  <Set)frieb'3  SSirf'famfeit  in  (Sadjen  Söeettjoöen'ö 
nad)  jeglidjer  Seite  ttiürbigen  51t  fönnen. 


E.    Seettjotoett  unb  Garl  £ol$. 

2113  in  ber  3.  ^eriobe  be§  SBerfjältniffeö  §mifc^en  $eet= 
Ijoben  unb  (Sari  §ols361)  ©rroäfynung  gefdjat),  mürbe  auf  bie 
(£rgän§ung  ijingemiefen,  barin  baffelbe  mittelft  Vorlegung 
groeier  llrfunben  nad)  beiben  (Seiten  f)in  nätjer  anfdjaulid) 
gemalt  merben  folle.  ©er  SJatttjeilung  biefer  Urfunben  muf$ 
jeboct)  ein  furjer  SSorberidjt  öorau§gefd)idt  merben. 

S5alb  nad)  ber  1826  erfolgten  SSieberoereinigung  mit  bem 
alten   ^reunbe   Stepfjan    oon   93reuning   oertraute   $eetf)oOen 


361)  Über  Schindlers  Antagonismus  gegen  C.  Holz  habe  ich 
schon  oft  gesprochen;  auch  die  beifolgenden  Darlegungen  sind  sehr 
anfechtbar;  weitere  Arbeiten  über  Holz  auf  Grund  der  Konversations- 
hefte werden  mehr  darbieten.  A.  d.  H. 


—     680     — 

bemfelben,  er  fjabe  fürjlirf)  auf  Verlangen  bon  ß.  ^olj  tiefem 
eine  ©djrift  auSgefteltt,  fraft  beren  Snfyatt  er  ermächtigt  merbe, 
feine  23iograpf)ie  f)erau§3ugeben;  in  ber  Serloirrung  aller  Ser- 
Ijättniffe  um  itjn  f)er  fjabe  er  bie  ©actje  nid)t  überlegt,  fet)  ü6er= 
fjaupt  bon  §otä'§  9Infinnen  überrafdjt  morben,  u.  f.  m.  Sem 
Sitten  fügte  er  ba§>  ?lnfud)en  bei,  Sreuning  möge  ben  6.  §o(§ 
um  3uru^9a^e  frefer  ©djrtft  angeben,  mag  biefer  jebod)  ent= 
fdn'eben  abgelehnt.  SBeiterfjiit  tuarb  biefer  Angelegenheit  erft 
mieber  gebadjt,  at§>  mäfyrenb  be§  9fteifter§  ftranftjeit  mit  Sreuning 
unb  bem  SBerfaffer  im  Setreff  einer  Siograbtjie  berljanbett 
tuorben,  roie  bieg  bie  ©intabung  6efagt.  Sa  !am  Seetfjoben 
mieber  auf  biefe  Sdjrift  gu  fbredjen  unb  tiefe  3toeife(  ^au* 
merben,  ob  biefelbe,  toeil  btoä  mit  Sleiftift  bon  Jpofä'3  £anb 
gefcfyrieben,  ©ültigfeit  tjaben  fönne.  @r  fjatte  feinen  9J?utf), 
irgenbeinen  geeigneten  ©cfyritt  felber  §u  ü)un,  um  §0(5  um 
3urüdgabe  ber  Urfunbe  31t  erfudjen. 

3eit  unb  llmftänbe  Ijaben  inbeffen  bewirft,  bafe  biefe  Ur= 
!unbe  bem  Serfaffer  gu  ©eftdjt  gekommen,  unb  stoar  auf 
folgenbem  SBege.  Sie  (Sommermonate  oon  1850  in  §eibelberg 
berbringenb,  erhielt  tdj  bafetbft  ben  Sefud)  beS  grofetjer^ogtidjen 
£of=9ttufif=Sirector§  Dr.  ©afjner  au§  ^artöruije,  beffen  per* 
fönlidje  Sefanntfdjaft  id)  bereite  bei  bem  95eet^oüen*gefte  1845 
3u  Sonn  gemadjt  tjatte.  Slu§  ben  3e^unÖen  tüar  m^x  befannt 
gemorben,  ba^  ©afener  beabftdjtige,  eine  Siograbfyie  oon  S3eet= 
fjoben  abjufaffen.  ©ein  Sefud)  betraf  biefen  ©egenftanb.  @r 
ttjeitte  mir  mit,  ba^  er  in  SBien  Materialien  31t  biefem  Setjufe 
gefammett  unb  jugteid)  bie  im  Sefttje  Oon  (L  §0(3  befinblidjen 
Rapiere  nebft  Seettjoüen'ö  Slutorifation  Oon  biefem  ertoorben 
fjabe,  ungeadjtet  beffen  aber  grofee  ©djmierigfeiten  finbe,  med 
bie  aufgefunbenen  Materialien  nur  einzelne  Momente  au£  ber 
2eben3gefd)id)te  be§  großen  SßeifterS  beträfen  unb  jur  Ausfüllung 
bieler  Süden  ifmi  nod)  alle  Säten  fehlen,  fcnad)  er  bezweifle, 
bajj  e§  je  §ur  Ausführung  feinet  33ort)aben§  fommen  merbe. 
Sie  Autorifation  Seetfjoben'S  an  6.  §0(3,  auf  einem  (Stempel* 


—     681     — 

bogen  öon  fedjä  ®reugern,  legte  mir  ©afener  im  Original 
cor,  gugleid)  bie  (5effton341rfunbe  öon  (S.  £)ot§  an  u)n,  bie  auf 
ber  brüten  ©eite  beffetben  23ogen§  getrieben  ftetjt.  £>er  Sigen= 
u)ümer  gemattete  mir  oon  jeber  eine  9lbfd)rift  §u  nehmen.  S3e= 
fannttid)  ift  biefer  adjtungStoertfje  Huftier  unb  ©djriftfteller  fctjon 
im  Satjre  1851  öerftorben,  nadjbem  für  feine  Arbeit  faum  bie 
erften  Sinien  gegogen  maren.  2UIe  Rapiere  ^ie^u  fammt  jenen 
Urlauben  oerblieben  im  Sefitje  feiner  gamitie. 

©ine  5U  foldjem  ßmde  Don  23eetf)oöen  aufgeteilte  @rllä= 
rung  Ijat  gu  öiel  23ebeutung,  al§>  ba^  fie  ad  acta  gelegt  unb 
ignorirt  toerben  bürfte.  £>ie  $eit  ^rer  SfuSfteHung,  nämtict) 
bie  am  ©djlnffe  ber  britten  Sßeriobe  gefcljitberte  ftataftropt)e 
mit  feinem  Neffen,  meldte  in  biefelben  Xage  fällt,  au§  benen 
biefe  (£r!lärnng  batirt  unb  in  ber  £fjat  alle  Sßerljättniffe  um 
ben  Stfeifter  in  SSermirrung,  biefen  felber  auf'3  SEieffte  erfdjüt* 
tert  unb  niebergebeugt  tjatte,  biefe  ©cfjmergenggeit  be<§  2)atum§ 
biefer  llrfnnbe  ift  mefenttict)  in'S  5tuge  §u  faffen.  Sllle  biefe 
Umftänbe  machen  es?  bem  SSerfaffer  §ur  ?ßfficf)t,  biefe§  bebeut= 
fame  ©djriftftücf  mortgetreu  mitguttjeilen,  ba  man  aufserbem 
nidjt  miffen  fann,  gu  melden  21u3tegungen  ba^felbe  einftenS 
5tnlaJ3  geben  fönnte.  ©eggteidjen  mag  bie  ßeffion  an  Dr. 
©afmer  tjier  $j3ta|3  finben,  iljre  rjerauSforbernbe  23enrtt)eitung 
jebocl)  bem  Sefer  anfjeim  gefteüt  bleiben.  üftur  gm  ei  er  Um- 
ftänbe tuolle  man  fiel)  babei  erinnern:  SBeetijoben'3  oft  mieber= 
ijotter  Silage,  in  SBien  feinen  greunb  3U  befifeen,  ferner  nocl), 
ba%  feine  nätjre  SBefanntfdjaft  mit  (S.  §otg  erft  au§  bem 
Safjre  1825  batire,  ma§  burdj)  bie  in  ber  berliner  §of= 
bibtiotfjef  aufbewahrten  (Sonöerfationö^efte  gegeigt  mirb.  — 
Unb  nun  biefe  Urlunben. 

„9Jät  Vergnügen  gebe  id)  meinem  greunbe  (£arl  ^polg  bie 
gemünfcfjte  (Srflärung,  bafj  icfj  itjn  §ur  bereinftigen  £>erau<§- 
gäbe  meiner  93iograpt)ie  für  berufen  Ijalte,  menn  id)  überhaupt 
annehmen  fann,  ba%  man  fie  münfetjen  folle,  unb  id)  fdjenfe 
U)m  ba§>  üotte  SSertrauen,  bajs  er  baä,  ma§  id)  il)m  §u  biefem 


—     682     — 

3*üecfe   mitgettjeitt    tjabe,    nidjt    entftetft    ber    S^adjtrett    über* 
liefern  roirb. 

Söien,  am  30.  Stuguft  1826." 

Submig  öan  93eett)oüen. 

3)a3  gang  üon  ber  £anb  bon  ©.  §otg  guerft  mit  SBteiftift 
gefdjriebene  Original362)  ift  mit  Stinte  überfahren,  bie  Unter* 
fdjrift  $8eett)ot>en'3  unbegroeifelt  autt)entifct).  Sn  meldjer  28eife 
§ol5  beftrebt  mar,  ba§>  Ueber!ommene  im  Sntereffe  ber  2Bat)r= 
tjeit  5U  oermerttjen  unb  fein  Serufenfetjn  gur  Verausgabe 
einer  SSiograprjie  gu  bocumentiren,  geigt  ber  Söortlaut  ber 
nad)ftet)enben,  rticrjt  weniger  kenn  fiebengetjn  3at)re  fpäter 
batirenben  (Seffton: 

„Snbem  ict)  bie  in  üorüegenber  (Srflarung  mir  gugeftan* 
benen  9?ed)te  meinem  greunbe  Dr.  ©afjner  in  (Sart3rut)e  über* 
trage,  unb  überzeugt  bin,  bafc  bei  feinem  raor)tgeorbneten 
SBorratlje  Hon  Materialien  enblid)  einmal  eine  autf)entifd)e  unb 
beftenS  bocumentirte  23iograpt)ie  SBeettjoüen'ä  ber  jätjrlict)  tvady 
fenben  gafyi  üon  Staljrem  be3  grofjen  SCReifterS  gugefidjert 
»erben  fann,  madje  id)  mid)  üerbinbtid),  nid)t  nur  alle  meine 
gemiJ3  nidtjt  unbeträd)tlid)en  Beiträge  bem  §erra  Dr.  ©ajjner 
gum  S3er)uf  ber  öon  ir)m  beabfidjtigten  ©bition  abzutreten,  fonbern 
and)  burd)  meinen  (Sinflufj  auf  jene  t)ier  nod)  tebenben 
greunbe  33eett)ooen'3,  bie  mit  it)m  in  ttrie  immer  geartete  nähere 
23erüt)rung  gefommen  finb,  bat)in  gu  mirfen,  bajj  nur  neue 
bi£t)er  nod)  nirfjt  berannte  Driginalbaten  au3  ben  (auterften 
Quellen  gugefütjrt,  unb  bie  in  ben  bi§t)er  erfctjienenen  mangels 
t)aften  S3iograpt)ieen  öerbreiteten  Srrtfjümer  berichtigt  rcerben. 
£)iefe  meine  eifrige  Unterftütjung  fage  id)  um  fo  miliiger  gu, 
ai§>  §err  Dr.  ©aftner  fid)  bereit  erHärt  t)at,  fein  Sftanufcriöt 


362)  Was  auch  Schindler  gegen  Holz  anführt,  dies  unantastbare 
Dokument  des  Meisters  sagt  fest,  daß  Holz  von  Beethoven  als  sein 
vertrauensvoller  Biograph  angesehen  wurde.  Cf.  B.  S.  Br.  No.  1170 
nebst  Erklärungen  (V.  Band,  S.  255  f.).  A.  d.  H. 


—     683     — 

fpäteftenä  mit  ®nbe  Stuguft  1844  jjum  £>rud  übergeben  p 
fönnen,  ma§  idj  fdjon  barum  für  leitet  ausführbar  {»alte,  raeit 
er  burtf)  gmeimatige  ?Inmefenf)eit  in  SSien  bie  meiften  51t  feinem 
groed  bientid)en  perfönücfjen  Söelanntfcfjaften  anlnüpfte.    SSBten, 

ben  4.  ftooember  1843." 

ßarl  ipolj, 
2)irector  ber  Concerts  spirituels. 

SSelc^e  2(nmerfungen  mürben  roofjf  bie  alten  $reunbe  be3 
9[Reifter§,  ©tepfjan  oon  Sreuning,  Dr.  23acfj,  ©djuppanaigf), 
u.  a.,  5U  bem  SBorttaute  feiner  (Srftärung  gemacht  t)aben, 
unter  melden  Umftänben  biefetbe  aud)  entftanben,  ob  burdj 
Uebereitung  ober  Ueberrafcfjung,  mie  33eett)oüen  tiorgab!  — 
£ätt  man  fte  mit  ber  Stjatfadje  äufammen,  ba$  Der  fdjeibenbe 
9Weifter  fämmtlidje  £)ocumente  unb  gamitienpaptere  ben  §änben 
93reuning'3,  fämmtlidje  fid)  üorfinblidie  ßorrefponben§  aber 
mir  anüertraut,  (morüber  in  ber  (Einleitung  gefprodien  marb); 
bringt  man  ferner  baS  in  beiben  obigen  Urlunben  5lu3gefagte 
mit  ber  oorbemerften  Steuerung  ©afmer'3  in  Sergteid);  fo 
erfdjeint  btö  ©an^e  eben  fo  rätt)fett)aft,  mie  anbereä  au§  bem 
Safjre  1826  im  biograpt)ifd)en  SJjeit  SBerüfjrte,  menn  nidjt  ber 
23eetrjot>en'fd)e  s^ofitiouö  „mitgeteilt  l)abe"  aU  Anticipatio  facti 
angenommen  werben  fotlte.363) 

SKidjt  minber  rätl)fetf)aft  erfd)eint  aber  nod)  ein  StnbereS. 
Söefanntlid)  mar  (Sart  §ola  TOglieb  be§  ©d)uppanäigf)'fd)en 
Öuartettg  mäijrenb  beffen  gmeiter  s^eriobe,  bie  nad)  ©djuppan* 
^igp  ßurüdfunft  au3  SRufjlanb  mit  ber  erften  @i£ung  am 
12.  Suni  1823  begonnen  unb  mit  feinem  £obe  im  9D?är§  1830 
itjr  (Snbe  erreicht  rjat.  ©iefer  ßeitraum  tion  fieben  Sauren  mar 
genügenb,  um  6.  §o(§  in  ben  SBefifc  ber  Ambitionen  5U  bringen, 
bie  in  biefem  Ouartett=33erein  foroot)!  in  $eett)oüen'§,  mie  audj 
in  §atobn'3  SBerfen  auf'8  Areufte  bemalt  mürben;  nm§  beibe 

363)  Immerhin  behält  die  Affäre  Holz-Gaßner  noch  viel  Dunkles, 
Rätselhaftes.  A.  d.  H. 


—     684     — 

5D?etfter  fetber  für  itjre  ©adje  anbei  gettjan,  roarb  fdjon  im 
biograprjifdjen  %fytit  ausgeführt.  Unter  ben  ©d)uppan§ig£) 
Überlebenben  Sftitgtiebern  roar  §ot^  ber  einzig  SBermögenbe, 
biefe  £rabitionen  —  in  Sejug  auf  STempo  überhaupt,  £empo= 
2£ed)fe(  bei  einzelnen  ©teilen  ober  ganjett  Sßerioben,  befoubere 
Betonung,  u.  f.  tu.  —  gu  Rapier  §u  bringen  unb  fetbe,  roenn 
aud)  nur  im  2Befentfid)ften,  bor  bem  Untergange  gu  retten. 
®ie  fctjon  bei  SSeginn  beS  liierten  SafjrjeljenbS  fid)  funbgegebene, 
alle§  bernünftige  9Jca^  überfdjreitenbe,  ben  geiftigen  (Erjarafter 
in  jeglicher  Äammermuftf  §u  SEobe  fjetienbe  2M)anb(ung  feitenS 
ber  §eranroad)fenben  9JJufifer=@eneration  mar  Slufforberung  ge= 
nug  für  bie  (Singeroeirjten  in  jene  SEonbidjtungen,  um  mit  üjrem 
befferen  SSiffen  einen  £)amm  folgern  ©ebatjren  entgegen  §u 
ftetlen.  Sn  ber  Duartett*3Rufif  genannter  äfteifter  bermocfjte 
bieS  Sftemanb  grünblicfjer  unb  umfaffenber  §u  tfyun,  als  (Sari 
§olg.  @r  aber  fd)tr>ieg;  er  rührte  fict)  felbft  bei  bem  Sluftreten 
beS  S3raunfd)ineiger  DuartettS  in  SSien  nicrjt,  beffen  3Iuffaffung 
ber  bem  borgetragenen  SSerfe  inneroofjnenben  Stjarafteriftif  oft 
fdjnurftradS  entgegen  getoefen,  roeil  bemfetben  felbft  teife,  auf 
Srabition  im  allgemeinen  unb  SBefonbern  S3e§ug  tjabenbe, 
SSinfe  unbefannt  geblieben  roaren.  SSie  roar  e§  §oI§  möglid), 
5U  folgern  23erfat)ren  §u  fdnoeigen?  SDamalS  rjätte  fein  9?eben 
ftcf)ertit±)  nod)  gefruchtet,  benn  eS  fonnte  fid)  auf  nod)  biete 
lebenbe  unb  intelligente  SDZufifer  au§  (Sdjuppanäigrj'S  3e^  ftüfcen. 
5tuf  men  fid)  jetjt,  nad)  OoUftänbig  rjereingebrodjener  $tutt)  üon 
SBerirrungen,  ftüijen,  roo  mir  bereits  barjin  gelangt,  bafj  (£manci= 
pation  üon  ber  *  §errfd)aft  ber  Ueberlieferung  alz  bie  %$at 
eine§  fräftigen,  feiner  ©uperiorität  betouftren  ©eifteS  gilt?  — 
Sn  meinen  kämpfen  gegen  ba§>  immer  brorjenber  merbenbe  Un= 
gettjüm  —  $ßirtuofen-©ubjectibität  an  Snftrumenten  unb  am 
3)irection3^ulte  —  t)atte  id)  roieberfjolt  ©arl  §ot§  öffenttid) 
aufgeforbert,  feine  (Stimme  bernerjmen  gu  laffen;  er  aber  über= 
tjörte  ben  9#arjnruf,  füllte  fotjtn  bie  ü)m  jufterjenbe  SSerpftic^tung 
nictjt,  in  ber  roidjtigen  ©ac^e  mit  gu  interbeniren  unb  baburcfy 


—     685     — 

fein  ©ebenfen  ^8eet§oöen'§  gu  betätigen.    2ßat)rtic£)  ein  rät£)fet= 
fjafteS  ©dnueigen! 

5lnmerfung. 

%la&)  bem  am  9.  üftotiember  1858  erfolgten  5Ibteben  öon 
(Sari  ipotj  rjaben  fiel)  Wiener  SBIätter  mefjrfact)  bemüht,  ganft 
irrige  ^acrjric^ten  über  beffen  SSerljältnife  511  Öeettjoben  unb 
fonftige  groifdjen  beiben  ftattgefunbene  ^artifutaritöten  ju  Der- 
öffentlidjen,  barunter  einige  au<§  erheblichen  ©rünben  tfjeilS 
miberlegt,  ttjeilä  berichtigt  merben  muffen.  Unter  anberen  lieft 
man  in  ber  „^reffe"  öom  16.  üftoüember: 

„§0(5  mar  e£,  ber,  al3  93eettjot)en  bie  berühmte  ©onate 
Op.  101  für  ba§  „§ammerclatiier"  gefcfjrieben,  mit  bemfelben 
bie  3ufammettfteßut19  oer  beutfdjen  $unftau3brüde  fertigte, 
beren  äftitttjeilung  intereffiren  bürfte.  Slrie  nannten  fte:  #uft- 
fang,  ©infang;  23af$,  ©runbfang;  (Sanon,  ®rei3ftud)tftüd ; 
^tjantafie,  Saunenfüiel,"  u.  f.  f. 

2ll§  bie  ©onate  Op.  101  im  Safjre  1816  im  2)rud  er* 
fd)ien  (üergt.  SBeettjotien'S  Sßrief  an  grau  tion  Qürtmann  in  ber 
3.  ^ßeriobe),  fafj  ber  eben  ad)t5et)njät)rige  (£.  §0(5  nod)  auf  ben 
©cfjulbänfen  ber  Unioerfität  unb  fyatte  ficfjerlirf)  feine  SItjnung, 
baß  er  9  %a§ve  fpäter  in  ein  freunbfcfjaftlid)e3  95ert)ättni^  §u 
bem  Somponiften  biefer  ©onate  treten  tuerbe.  —  SCRit  Sßer* 
beutfcfjung  ber  itatienifcfjen  $unftau£brüde  fjatten  fidj  öffentliche 
23lätter,  mie  eingelne  9J?ufifer,  lange  öor  1816  balb  im  (Srnft, 
balb  im  ©djer^  befdjäftiget.  $n  23eetf)Oüen'3  6onnerfation§= 
<peften  bon  1825  ober  1826  fanben  fidj  Slufaeidjnungen  öon 
foldjen  SSerbeutfdjungen,  auf  beren  ©rfinbung  foiootjt  (5.  §0(5 
al§  aucfj  be§  SD^eifterö  üfteffe  Stnfürud)  gemacht.  @ie  Ratten 
bto§  gum  ßmed,  ben  Reiftet  bamit  §u  unterhatten.  Seftt  be= 
liebt  e§  au§  bem  ©djers  (Srnft  §u  machen,  unb  fogar  Seettjooen 
a(§  9J?iterfinber  biefer  9Itbernl)eiten  öarabiren  §u  laffen,  wenn 
er  aucfj  fcrjergmeife  feine  guftimmung  baju  gegeben. 

Sn  bemfelben  SSiener  Statte  mirb  ein  launig  abgefaßter, 


—     686     — 

©efd)äft3fadjen  betreffenber  Q3rief  öon  33eetf)oüen  (Sahen, 
24.  Sluguft  1825)  an  Sart  .fpol^  —  mit  einem  Gommentar  — 
abgebrudt,  barin  nacrjfterjenbe  ©teile  üorfommt:  „©leicfjgültig 
bagegen,  roelcfjer  ^öUenrjunb  mein  ©erjirn  beledt  ober  zernagt, 
ba  e§  nun  fcfjon  einmal  fetjn  mufe,  nur  ba^  bie  Slntroort  nid)t 
§u  lange  ausbleibe,  ber  ^öÜenfjunb  in  Seipjig  fann  märten  unb 
fid)  berroeil  mit  9)cept)i)*topr]ele§,  bcm  9?ebacteur  ber  Seip^tger 
muficattfdjen  ßeitung,  in  21uerbacfj'3  Heller  unterhalten,  roeldjen 
(enteren  näcfjftenS  23e^ebub,  ber  oberfte  ber  Teufel,  bei  ben 
Dljren  nehmen  roirb.''364) 

2)er  (Kommentator  commentirt,  baft  mit  bem  9Jceprjiftoprjete§ 
„<gofratrj  9toct)tii3"  gemeint  fen.  53eetljoüen  fjatte  aber  für 
9xod)(it}  gu  Kki  Sldjtung,  alz  ba$  er  —  fetbft  bei  ber  2öanb= 
tung  in  fonft  gemoljnter  Q3eurtrjeitung  öon  Sßerfonen  unb 
©adjen  in  ben  Saferen  1825  unb  1826  —  (fterje  3.  ^ßeriobe 
unter  III.)  ein  fo(d)e§  ©pitfjeton  tiefem  ©eterjrten  beigelegt 
fjaben  fönne.  SDagu  fommt  nod),  ba$  if)n  Sfocrjüt}  1822  §u 
SBaben  in  meinem  33eifet)n  öon  [einem  batbigen  Dftidtritte  öon 
ber  Sftebaction  ber  muficaüfdjen  3e^tunS  unterrichtet  Jjatte,  ber 
tuirflidt)  fdjon  in  ber  nädjften  $eit  erfolgt  ift. 

(Snbtidj  ermähnt  nod)  biefe  23iener  3e^tun9  e^neg  ^otigen^ 
budje3,  ba$  Gart  §ol§  rjintertaffen,  in  roeldjem  bie  „roertfj* 
bollften  Steten  über  bie  Sftufifäuftänbe  2£ien3,  inSbefonbere  über 
S3eetrjot)en,  enthalten  ferjen,  jebodj  fürdjte  man  menig  üftu^en 
für  bie  Deffentlidjfeit  giefjen  gu  fönnen,  ba  ber  größte  %rjeU  in 
nur  bem  Sßerfaffer  erfennbaren  ©crjlagmorten  unb  Stbfüraungen 
gefdjrieben  ift." 

©ollte  ba§  an  ^Mieten  in  Sejug  auf  23eetfjoüen  atteS 
fetjit  ?  2>a§  mürbe  ba§>  oben  angebeutete  9tötf)fel  nod)  um 
öiele§  erfdjroeren.  9ttag  inbeffen  bie  Söfung  ber  3e^  uöer' 
laffen  »erben. 


364)  Dieser  ganze  Brief  nebst  weitgehenden  Erklärungen,  selbst 
gegen  Schindler,  steht  B.  S.  Br.  No.  1105  (V.  Band).         A.  d.  H. 


—     687     — 

F.  Garl  Wlana  Don  23ßcöcr  al§  Sfrittfer  23ectf)Otoett'3. 

©oll  ba3  tjier  Vorgelegte,  morauf  bereite  unter  ben  2ln= 
fürjrungen  über  bie  Sinfonia  eroica  fjtngemiefen  ifi,  richtige 
SBeurtfjeitung  erfahren,  fo  rjaben  mir  un§  ;$ur  ©teile  in  (S.  9JL 
öon  Sßeber  nid)t  ben  (Somponiften  ber  großen  Opern  ^reifctjü^, 
©urtiantrje  unb  Oberem  oorguftetlen,  fonbern  einen  jungen  Wann 
öon  23  ^arjren*),  ber  eben  erft  bie  ©crmle  bei  5lbbe  Vogler 
berlaffen  unb  in  einigen  (Sompofttionen  Talent  öerratfjen  fjatte, 
beffen  üftame  inbefe  in  roeiteren  Streifen  nod)  gänglid)  unbefannt 
geblieben.  ®afe  e3  fcfmn  üor  Söeber  ^unftjünger  gegeben,  bie 
grofje,  rurjmgetrönte  SDfoifter  in  itjren  Sßerfen  getabelt  unb  fetbe 
in  ifjrer  eigentrjümticfjeu  SBeife  üerfpottet  fyaben,  barf  ebenfo  für 
geroift  angenommen  merben,  al§  e§  SieutenantS  gegeben,  bie 
einen  au§  öielen  ©djladjten  at§  ©ieger  tjerüorgegangenen  getb= 
rjerrn  getabelt  unb  Verfd)iebene§  anber§,  ja  beffer  gemadjt  fjaben 
mürben,  aU  biefer.  Sn  fofern  märe  öon  2öeber'§  Äritifen  fein 
2lufrjeben§  ,^u  macfjen.  51  Hein  bie  tlmftänbe,  bie  fid)  an  berlei 
SDinge  fnüpfen,  geben  iljnen  Sntereffe  unb  gefcfjidjtlicfjen  Söertt), 
unb  gerabe  biefe  ftnb  e§,  metd)e  bie  SJättrjeilung  biefer  SMtifen 
erfjeifdjen,  abgeferjen,  ba£  biefelben  einen  ergängenben  Streit 
ber  3eitbeurtf)eitungen  unfer§  9fteifter3  bon  ©eiten  einer 
anfetjnlidjen  graction  9)?ufifer  repräfentiren.  Saffen  mir  fogteid} 
bie  £t)atfad)en  felber  fprecfjen. 

Unter  ben  9?ad)laJ3papieren  be§  9ftufiföerleger3  £>an§ 
©eorg  üftägeti  in  3ürtct)  l)at  fid)  ein  Vrief  üon  (S.  9J?. 
Oon  SBeber,  de  dato  9#annl)eim  ben  21.  9J?ai  1810,  an  biefen 
Verleger  öorgefunben,  ben  2Iuguft  §i£fc(jolb  in  3ürid),  *n 
SKro.  20  ber  9^ieberrt)einifcr)en  9ftufit=3eüun8  1853  gUr  §ßer= 
öffenttidjung  gebracht,  ©erfelbe  lautet  im  2öef  entließen: 
P   P 

£)a  meine  Verljältniffe  fid)  üeränbert  unb  mtdj  mieber 
gang  ber  Shmft  gemeint  fjaben,  fo  ergreife  id)  ben  erften  Slugen* 

*)  S.  W.  öon  2ßeber  mar  geboten  1786  ben  18.  Sccember. 


—     G88     — 

blid  geit,  ber  fid)  mir  barbietet,  um  bie  burd)  §errn  bort 
SSangentjeim  üoi bereitete  Verbinbung  anjufnüpfen  unb  gug(eict) 
für  ba§>  gütige  Urttjeil,  roeldjeS  Sie  ü6er  meine  (Sompofitionen 
fällten  —  511  bauten.  3)od)  tann  id)  ntdjt  umt)in,  einen  ^ßunct 
gu  berühren,  ber  mir  gu  roidjtig  ift,  a(§  bafs  id)  tt)tt  mit  ©tiu% 
fdjroeigen  übergeben  tonnte,  Sie  fdjeinen  au§  meinem  Quartett 
unb  ber  (Eaprice  in  mir  einen  9iad)al)mer  93eet(joben'§  §u  er= 
bilden,  unb  fo  fd)meid)etf)aft  bie§  aud)  SDtonctjem  feb,n  tonnte, 
ift  e§  mir  gar  nid)t  angenehm.  (Srftenö  r)affe  ict)  atte§,  mag 
ben  Stempel  ber  üftadjarjntung  trägt,  unb  gmeiten§  bin  id)  51t 
fet)r  in  meinen  5lnfid)ten  oon  ©eett)oben  berfdjieben,  at§  bafj 
id)  je  mit  it)m  gufammen  flu  treffen  glauben  tonnte.  Sie  feurige, 
ja,  beinahe  unglaubliche  ©rftnbung3gabe,  bie  itjn  befeett,  ift  öon 
einer  fotdjen  Verwirrung  in  Slnorbnung  feiner  Sbeen  begleitet, 
bat}  nur  feine  früheren  Gompofitionen  mtdj  anfpredicn,  bie 
letzteren  hingegen  mir  nur  ein  bertoorreneS  (Eb,ao§,  ein  unoer* 
ftänblidje§  fingen  nad)  9?eut)eit  finb,  au3  betten  eingelne  t)imm= 
lifd)e  ©enie*83(i§e  t)erborteud)ten,  bie  geigen,  mie  grofe  er  feijn 
tonnte,  menn  er  feine  üppige  ^3t)antafie  §ügeln  mollte.  55a  id) 
mid)  nun  natürlid)  nicrjt  beS  großen  @eniu3  öeetfyoben'g  er= 
freuen  fann,  fo  glaube  id)  menigften§  in  logifd)er  unb  rebnerifdjer 
£>infid)t  meine  9D?ufif  berttjeibigen  gu  tonnen  unb  mit  jebem 
einzelnen  Stüd  einen  beftimmten  (Sinbrud  §u  bemirfen.  2)enn 
nur  ba§>  fdjeint  mir  ber  Qxoed  einer  ®unftau3für)rung  §u  fetjn, 
aus  einem  einzelnen  ©ebanten  ba§>  ©ange  gu  fpinnen,  bat3  in 
ber  größten  ÜDcannigfaltigteit  immer  bie  (£int)eit  burd)  ba$  erfte 
^rincip  ober  Stfyema  erzeugt,  t)erborteud)te.  &txoa§>  ^omifdje^ 
herüber  ftet)t  im  SDcorgenblatt  9?ro.  309  öom  27.  2)ecem6er  1809 
abgebrudt,  meldjeS  Sfynen  nod)  gu  einem  weiteren  33eteg  meiner 
2tnftd)t  bienen  fann. 

„3)er  gufatt  wollte,  bafj  nebft  bem  Quartette,  meldjeä  ict) 
Stuten  gu  fd)iden  bie  (St)re  tjatte,  gerabe  aud)  nur  bie  (Saprice 
abgetrieben  mar,  bafjer  Sie  mat)rfct)einlid)  fdjloffen,  bafc  alle 
meine  Gompofttionen   ben  Stempel  be§  Starren  trügen.    Sd) 


—     689     — 

rpffe  aber,  menn  tdj  baS  Vergnügen  fjaben  fotlre,  Stynen  anbere 
meiner  arbeiten  5U5iifenben,  bafe  @ie  roenigften§  mein  (Streben 
nad)  S!larl)eit,  Haltung  unb  (Smöfinbung  nidjt  üerfennen 
roeröen."  . . . 

£)a§  Jpintoetfen  3Beber'3  auf  ba§>  „®omifd)c"  im  borgen  * 
61att  öon  1809,  ofnie  fid)  at3  beffen  SBerfaffer  gu  erfennen  gu 
geben,  fjat  auf  bie  ^äfjrte  roenigftenS  einer  feiner  Ärititen 
über  Seetbjoüen  geführt,  öon  benen  fctjon  in  ber  erften  Auflage 
biefer  biograptjifdjen  ©cfjrift  geförodjen  mürbe.  2luf  bie  auS 
Bresben  barauf  erfolgte  ^tutf)  öon  5lnflagen  unb  SSormürfen 
(@.  9?ro.  47  ber  91.  ßeitfdjrift  für  9ttufit,  1840)  mit  Setegen 
in  ber  .£>anb  ba§>  ©efagte  gu  üertljeibigen  mar  id)  aufjer  ©tanb, 
roeit  alle  !ftad)forfd)ungen  nad)  einem  Species  facti  üergebtid) 
gemefen.  SBeber  felber  geigte  ben  Ort  an,  roo  etroa§  öon  bem 
©efudjten  gu  finben,  —  unb  e8  ^at  fid)  roirflidj  bort  öor= 
gefunben.  SSieöerum  ein  23eleg  meljr,  mie  bie  $eit  für  (£nk= 
fjüllung  Verborgener  2)inge  unb  STljatfadjen  ba§  23efte  tfjut.  üftidjt 
weniger  benn  brei  foldjer  @ntt)üHungen  in  ©adjen  Seetljoüen'S 
erfolgten  rafdj  auf  einanber:  bie  (Srtlärung  93eetrjoüen'§  für 
Gart  §ot3  öon  1826,  —  ber  ©djulbbrief  be§  dürften  (Mt$in 
an  23eett)oüen  au$  bemfelben  Saljre  unb  (5.  Tl.  ü.  2öeber'3 
Äritif  au§  bem  Saljre  1809.    9?ad)ftef)enb  itjr  SSortlaut: 

„Fragment  einer  muficatifdjen  Steife,  bie  öielteicfjt 
erfdjeinen  mirb. 
„SSoll  3ufriebenf)eit  über  eine  93ormittag§  glüdlidj  geenbete 
©infonie  unb  ein  öortrefffid)e§  9ftittag3mal)t,  entfdjlummerte  id) 
fanft  unb  falj  mid)  im  Traume  jjlöfcttdj  in  ben  6oncert=©aal 
öerfettf,  mo  alle  Snftrumente,  belebt,  grofje  Stffembtee  unter  bem 
Sorfi^e  ber  gefürjtöotlen  unb  mit  naitier  üftafemei§t)eit  erfüllten 
Oboe  gelten.  9fad)t§  Ijatte  fid)  eine  Partie  au§  einer  Viola 
d'amour,  SBaffetrjorn,  Viola  di  Gamba  unb  Flute  douce  arran- 
girt,  bie  über  bie  öerfloffenen  guten  alten  guten  f lagetönten; 
linfö  rjielt  bie  £)ame  Dboe  Sirfet  mit  jungen  unb  alten  (Slari^ 

St.  ©d)inb[er§  23cctf)Oücn=S3ioava})l}te.  44 


—     690     — 

netten  unb  glöten,  mit  unb  oljne  unflätige  Wobeflappen,  unb 
in  ber  Witte  mar  ba§>  galante  (Etatiier  üon  einigen  füfcen  $io= 
(inen,  bie  fid)  nact)  ^5tet>el  unb  ©üromet^  gebilbet  tjatten,  um= 
geben.  Sie  trompeten  nnb  Spanier  jcdjten  in  einer  Qfcfe,  unb 
bie  Sßtccoloflöten  unb  glageotettdjen  burcfjtmrrten  ben  ©aal  mit 
ifjren  naioen,  rinbtidien  (Einfällen,  tuoüon  Warna  §oboe  burefp 
au3  behauptet,  e<§  ferj  äctjt  Sean  ^aut'fdje  Einlage,  burdj  ^efta= 
10551  ^ur  rjödjften  9?atürtid)feit  erhoben,  in  iljren  £önen.  ?tüe§ 
mar  feclcnüergnügt,  al3  auf  einmal  ber  grämliche  (Sontrebaß, 
üon  ein  paar  üerroanbten  Sßioloncelten  begleitet,  jur  £t)ür  ljerein= 
ftürmte  unb  fid)  üoll  Unmutl)  auf  ben  baftef)enben  ©irectiomS* 
©tut)l  roarf,  ba$  ba$  Gtaüier  unb  alle  amoefenben  ©eigene 
Snftrumente  üor  ©djreden  unmiflfürjrlid)  mieberl fangen.  9?ein! 
rief  er  auö,  ba  follte  einen  ja  ber  teufet  t)o(en,  menn  täglid) 
fotcfje  ©ompofitionen  üorfämen!  ®a  fomme  id)  eben  auS  ber 
Sßrobe  einer  (Sinfonie  eine§  unferer  neueften  ßomponiften,  unb 
obroot)!  idj,  roie  belannt,  eine  jiemtid)  ftarfc  unb  fräftige  Statur 
rjabe,  fo  fonnte  id)  e§  boct)  faum  mefjr  aushalten,  unb  binnen 
fünf  Minuten  märe  mir  unau£bteiblid)  ber  ©timmftod  gefallen 
unb  bie  Saiten  meinet  Sebenö  geriffelt.  §at  man  mid)  nid)t 
mie  einen  ©eiSbotf  fpringen  unb  mutzen  laffen,  l)abe  id)  mid) 
nicfjt  jur  Biotine  unnoanbeln  follen,  um  bie  9£id)t=Sbeen  be£ 
§errn  ßomponiften  ju  ejeeutiren,  fo  milt  idj  jur  Sanggeige 
merben  unb  mein  Q3rob  mit  9D?üller'fct)en  unb  Äaner'fäjcn  Zaw^ 
®arftetlungen  üerbienen. 

©rftes  SSioIoncell  (fid)  ben  ©djmetjj  abroifd)enb):  Silier* 
bing§  fjaben  eher  pere  9ied)t;  id)  bin  aud)  fo  fatiguirt,  baft  id) 
feit  ben  6t)erubini'fd)en  Dpern  mid)  feinet  foldjen  (Mjauffement* 
erinnere. 

51tle  Snftrumente:   Gsrjäjjten  ©ie!  ergäben  ©ie! 

3meite3  ißt  o  tone  eil:  Srgärjlen  läßt  fid)  fo  etnmS  faum, 
unb  eigenttid)  tuofjl  nod)  meniger  rjören;  bettn  nad)  ben  23e= 
griffen,  bie  mir  mein  göttlicher  SDceifter  Dxomberg  eingeflößt 
Ijai,  ift  freilid)  bie  üon  un§  eben  ejeeutirte  ©infonie  ein  mufi* 


—     691     — 

califd)e3  Ungeheuer,  mo  meber  auf  bie  Statur  irgenb  eine§  Sn= 
ftrumentg,  nod)  auf  21u3füt)rung  eine§  ©ebanfen3,  nod)  auf 
irgenb  einen  anbern  3med,  aU  ben  be3  neu  unb  originell 
©d)einenmolIen<§  Eingearbeitet  märe.  SOtan  läfet  un§  gleict)  ber 
Violine  in  bie  §öl)e  Vettern  .... 

(Srfteä  93io  ton  cell  (iljtt  unterbredjenb) :  $ll§  ob  mir  baä 
aurfj  nidjt  eben  fo  gut  tonnten!" 

(SBir  befeitigen  f)ier  bie  oieten  nodj  folgenben  ©efprädje 
ber  anbern  Snftrumente,  beren  faft  jebeä  einzelne  mit  anjüg^ 
licfjen  2ßit}en  ober  audj  mit  orbinären365)  ^Bemerkungen  unb  5lu3= 
fällen  feinen  Beitrag  liefert,  unb  fahren  im  Sonteyt  meiter  fort.) 

„Stuf  einmal  trat  ber  (Satcant  in  ben  ©aal,  unb  erfcfyroden 
fuhren  bie  Snftrumente  auSeinanber;  benn  fie  fannten  feine 
gemaltige  §anb,  bie  fie  jufammenpadte  unb  ben  groben  ent* 
gegentrug.  SBartet!  rief  er:  rebeüirt  it)r  fdjon  mieber?  SSartet! 
gleid)  mirb  bie  Sinfonia  eroica  Oon  Seetljouen  aufgelegt  merben, 
unb  mer  bann  nod)  ein  ©lieb  ober  eine  Etappe  rühren  fann, 
ber  melbe  fid). 

,,9ld),  nur  ba§  nidjt!  baten  alle.  Sieber  eine  italienifdje 
Dper;  ba  tann  man  bod)  nod)  jumeilen  babei  niden,  meinte 
bie  S3ratfdje. 

„Sartfari!  rief  ber  (Safcant:366)  man  mirb  tud)  fdjon  lehren, 
©täubt  i()r,  ba$  in  unfern  aufgegärten  ßeiten,  mo  man  über 
alle  Sßertjättniffe  megüoltigirt,  euretmegen  ein  Somponift  feinem 
götttidjen,  riefent)aften  3been=©d)munge  entfagen  mirb?  ©ott 
bemale!  ©3  ift  nidjt  meljr  Oon  Äfartjett  unb  ®eutlid)feit, 
Haltung  unb  ßeibenfcfjaft,  mie  bie  alten  St'ünftter  ©lud,  £aenbe( 


365)  Das  ist  genauer  in  Carl  Maria  von  Webers  Hinter- 
lassenen  Schriften  zu  lesen:  I.  Band  „Tonkünstlers  Leben".  2.  Ausgabe. 
Leipzig  1850.  S.43ff.  Zum  22.  Kapitel  zu  lesen.  Vergl.  auch  die  von  Georg 
Kaiser  besorgte  Neuausgabe  von  Webers  Sämtlichen  Schriften.  A.  d.  H. 

366)  Schindler  hat  lange  nicht  alles  aus  dieser  ergötzlichen 
Satire  mitgeteilt.  Vieles  fehlt  von  den  Worten  der  zweiten  Violine. 
„Ein  jeder  bleibe  in  seinen  Schranken"  usw.  A.  d.  H. 

44* 


—     692     — 

unb  SKojart  mahnten,  bie  3Rebe.  Stein,  f)ört  baS  Sftecept  ber 
neueftcn  «Sinfonie,  ba§  id)  fo  e6en  oon  Sßien  erhalten,  unb 
urteilt  banad):  GrfienS,  ein  tangfameä  £empo,  üolt  fur^er,  ab* 
geriffener  Sbeen,  mo  ja  feine  mit  ber  anbern  ßufammenljang 
fjaben  barf;  alle  SBiertelftunben  brei  ober  Pier  jföoten!  —  3)a8 
fpannt!  '£)ann  ein  bumpfer  Sßaufennrirbel  unb  mpfteriöfe 
©ratfdjenfäfce,  2lüe§  mit  ber  gehörigen  Portion  ©enerat^aufen 
unb  §alte  gefdjmüdt;  enblid),  nadjjbem  bie  ßufjfrer  Oor  lauter 
Spannung  fdjon  auf  ba§>  StÜegro  SSerjidjt  getrau,  ein  roüttjenbe^ 
Xempo,  in  meldjem  aber  f)auptfäd)tid)  bafür  geforgt  fepn  muf$, 
haft  fein  ^auptgebanfe  berüortritt  unb  bem  guljörer  befto  mefjr 
fctbft  0u  fud)en  übrig  bleibt;  Uebergänge  üon  einem  2one  in  ben 
anbern  bürfen  nid)t  festen,  man  braucht  ficf)  aber  belegen  gar 
nid)t  su  geniren,  man  braucht  3.  33.  mie  $aer  in  ber  Seonorc 
nur  einen  Sauf  burd)  bie  fjatben  Xöne  $u  madjen  unb  auf  betn 
^one,  in  ben  man  gern  null,  ftefjen  5U  bleiben,  fo  ift  bie 
Hftobulation  fertig.  Ueberfjaupt  oermeibe  man  aüeä  (Geregelte; 
benn  bie  Siegel  feffelt  nur  ba£  ©enie.*) 

„2)a  riß  plötjlid)  eine  Saite  an  ber  über  mir  fjangenben 
©uitarre,  unb  id)  ermadjte  üolt  Sdjreden,  inbem  id)  burdj 
meinen  £raum  auf  bem  2Bege  mar,  ein  großer  ßomponift  im 
neueftcn  ©enre  ober  —  ein  üftarr  gu  merben. 

Gart  SJtarie."367) 

©0  beurteilte  ber  Äunftjünger  SBeber  ben  9J?eifter  23eet= 
l)ouen,  alä  biefer  ben  ©ipfelpunct  feinet  Äünfilerruf)me3  na^u 
erflommen   fyatte. .  ßur  3e^   a^  »^ar^  S^arie"   biefen  Spott 


*)  Cbne  3ttJeifeI  foll  biefer  Spott  junäcfjft  ber  Sntrobuction  unb  bem 
etften  Safce  ber  Sinfonie  in  B  dur,  9?ro.  4,  gelten. 

367)  Folgenden  Schlußsatz  aus  Weber  I,  47  hat  Schindler  unter- 
drückt. „Dank  der  freundlichen  Begleiterin  des  Gesanges  für  deren 
Aufmerksamkeit;  ich  eilte  schnell  zu  meinen  eben  vollendeten  Arbeiten, 
fand  sie  nicht  nach  den  Regeln  des  gelehrten  Kaikanten,  und  ging, 
beruhigt  und  den  Himmel  im  Busen  vor  Erwartung  in  die  Aufführung 
des  Don  Juan."    (Siehe  auch  Kaisers  Weber- Ausgabe.)        A.  d.  H. 


—     693     — 

im  borgen btatt  abbrutfen  tiefe,  roaren  bon  unferm  9J?eifter 
bereits  6  (Sinfonien,  9  Quartette,  bon  ben  «Sonaten  (bi§  ein* 
fcfjtiefetict)  ber  in  A  dar  mit  S?iotonceII,  Op.  69)  eine  lange 
^eirje,  nebft  anbern  SSerfen  gleichen  ©etjatteS  nocfj,  beröffent= 
fid)t.  üftadj  o6igem  Sbecimen  bon  3?erbtenbung  unb  SDMice 
mirb  man  an  ber  @ri[ten§  eine§  nodj  biet  fcf/timmeren  nic£)t 
5tt>etfefn  bürfen,  worin  SSeber  nadj  ?tnt)örung  ber  A  dur*<Sinfonie 
unfern  Sfteifter  reif  für'3  üftarrenf)au§  erflärt  fjat.  5Tuct)  biefe§ 
ift  im  2)rud  erfdjienen,  unb  mirb  rootjt  früher  ober  fbäter  aud) 
nodj  aufgefunben  metben.  3n  ber  Xfjat  fbredienbe  SBemeife  bon 
tranScenbentatem  Semufjtfetjrt  eines  ÄunftjüngerS  —  um 
mit  Äant  §u  reben  —  metd)e§  bor  alter  ©rfatyrung  borau3gef)t 
unb  5U  Sßerirrungen  fütjrt,  roie  un§  bor  Sfugen  liegen! 

£)af$  biefe  fritifdjen  Sucubrationen  unb  Xräume,  bon  beten 
$etf äffet  in  bie  fRu6rtf  „SbmifdjeS"  geftettt,  bem  SBiener  £on= 
meiftet  nidjt  unbefannt  geblieben,  ift  in  ben  früheren  Sluftagen 
bereite  auSgefagt.  Sängete  ßeit  tjinbutd)  ftanb  23aron  bon  Sannoh, 
bet  befannte  (Sombonift  unb  Sdjriftftetter,  im  $erbad)t,  itjr  5ßer= 
faffet  §u  ferjn,  biö  um  ba§  Satjr  1820  (Satt  Stftarie  bon  SSeber 
at§  Urfjeber  fämmttidjer  genannt  morben.  SDeffen  unerad)tet  tjat 
2Beber  im  Sftobembet  1823  eine  fteunbtidje  5tufnat)me  bei  25eet= 
rjoben  gefunben,  beten  am  geeigneten  Orte  botftebjenb  ertbätjnt 
ift,  unb  rjatte  ficf)  betfetbe  übtv  33eett)oben  in  nidjtS  anbetem  ^u 
beftagen,  at3  übex  ba§>  nad)  bem  ungünftigen  (Stfotge  feinet  Oper 
(Surrjanttje  an  ben  großen  ßeitgenoffen  geftetlte,  bon  biefem  abet 
abgelehnte  ?tnfud)en:  3tenbetungen  in  bet  ^attitut  bon  trief  er 
Oper  nad)  feinem  ©utbünfen  bornetjmen  §u  motten.  9lad)  @in= 
fid)t  ber  Partitur  tjatte  fid)  jebod)  SSeetbjoben  bat)in  erftärt,  bafj 
Söeber  biefeS  Stnfudjen  bor  bet  Huffütjrung  ber  Ober  fjätte 
macfjen  folten,  jefct  finbe  et  e3  $u  fbät,  aufeer  SSeber  motte  fotdje 
9\efotmen  bamit  bornerjmen,  roie  et  mit  feinem  $ibetio  getrjan. 
Sterjntidje  Reformen  —  beigerjenb  bemetft  —  finb  fbäterrjin  roirf= 
lid)  bon  ?tnbetn  mit  bet  (Suttjanttje  borgenommen  morben. 

(£in  unbegmeifett  erfjörjtereS  Sntereffe  geminnen  bie  2Beber'= 


—     694     — 

fd)en  Stritifen,  menn  man  bie  SSanblung  in  ben  ßhunbfätjen 
be§  (Somponiften  Sßeber,  mie  biefe  aus  feinen  großen  Cpern 
offenbar  %u  Xage  tritt,  mit  feinen  um  ^eljn  Saljre  früher  ge= 
trjanen  ?ieuf;erungen  in  Sßergleidj  ftetlt.  3)arau3  ergibt  fid)  für 
junge  9J?uftfer  bie  Sftoraf,  fid)  öor  $eröffent(idjung  irjrer 
®unftan)"d)auungen  bei  fremben  SBerfen  t)üten  ^u  füllen,  bamit 
fie  früher  ober  fpäter  nidjt  fetber  trjun,  tt>a3  fte  einft  getabett, 
ober  gar  nod)  5(nbere  in  foldjem  £ijun  überbieten,  toie  öie§  ein 
SSergfeict)  ber  SSerfe  Söeber'§,  bornef)m(id)  ber  Opern,  mit  benen 
oon  unferm  9J?eifter,  (beffen  legten  etma  aufgenommen,)  nid)t 
immer  in  erfreulicher  SSeife  bezeuget. 


G.  gtoci  Zattt  im  Sdjerjo  ber  C  molbSinfoutc 

werben  3>eranloffuug  su  Streit  unb   nnbntiernber  9)tctmmg3« 

toerftf)tebenl)ett.368) 

23ei  bem  1846  gu  2(adjen  ftatrgefyabten  9^ieberrrjeinifcr)en 
SDtofiffefte  uerfünbete  beffen  Dirigent  gelij  9Wenbe(sfof)n,  bafc 
fid)  ein  53rief  üon  Sßeetrjooen  an  bie  Verleger  ber  C  moll- 
(Sinfonie,  SSreitfopf  u.  §aerte(,  oorgefunben,  barin  ber  9Jceifter 
auf  jmei  ungehörige  Stacte  im  (Scrjer^o  (ber  ^bm  im  £rud  er= 
fd)ienenen  Drd)efter=Stimmen)  aufmerffam  madjt  unb  felbe  als 
einen  „großen  53od"  bejeidjnet.  ©3  betrifft  nämfidj  ben  235ieber= 
eintritt  bes  §auptmotio3  nadj  bem  5:t)ei(e  in  C  dur.  Sag  ©an^e 
präfentirt  fid)  auf  (Seite  108  ber  ^artttur,  mit  bem  auf  Seite  107 
oorauygefjenben  Sacte,  in  folgenber  ©eftattung: 


368)  Der  Streit  um  die  zwei  Takte  im  Scherzo  der  c-ruoll- 
Symphonie  hat  die  ganze  Musikwelt  lauge  in  Atem  gehalten.  Die 
ganze  Sache  ist  von  mir  auch  auf  Grund  der  Schindlerschen  Darstellung 
in  den  Briefen  eingehend  behandelt  worden,  vgl.  B.  S.  Br.  No.  222 
vom  21.  August  1«08  (1.  Band)  nebst  Erklärungen  S.  331  f. 

A.  d.  H. 


695     — 


Pfj 


=S 


-T- 


± — *- 


Contrabass  unb  Violoncell. 


2>oco  rittard. 


güig^H 


Clarinetten  unb  Fagotte. 


2)ie  fragüdjen  jtoei  Sacte  finb  mit  Ernteten  begeidjnet. 
28ir  erfefjen  bamit,  bajj  ber  SCßeifter  fie  an  biefer  ©teile  nicf)t 
gebunben,  fonbern  abgeftoj^en  rjaben  toitf,  toie  e§  bie  näcfjften 
gtöet  £acte  aufmeifen.  ©arnad)  mären  alfo  bte  gtoei  gebunbenen 
£acte  ^u  biel.    2>ie§  ber  grofee  53od! 

Sie  ootte  36  ^afjre  erft  naef)  Veröffentlichung  be§  be* 
treffenben  SSerfeS  burrf)  93?enbeteforjn  gegebene  9^ad)ric£)t  fonnte 
tiidjt  oerferjlen,  grojjeS  ?tuffet)en  51t  erregen.  2>a§  näd)fte  (Srgeb- 
nifj  in  ber  SD^etjrsatjt  ber  anmefenben  SCRufifer  mar  ein  SOftfetrauen 
in  ba§  Vernommene,  ja,  einige  9D?ufifbirectoren  erflärten  fog(eid), 
btefe  jmei  £acte  für  feinen  $ef)ter  5U  galten,  bemnaefj  fie  aud) 
nid)t  aufgeben  3U  motten.  Von  mehreren  ©eiten  mit  ber  $ra9e 
angegangen,  ob  idj  oon  53eetf)Oüen  fetber  etma§  in  biefer  &a<fye 
Oernommen,  fonnte  id)  nur  erroibern:  niemals  ein  3Bort. 

5Cuct)  bie  muficatifdje  treffe  bjat  fog(eid)  für  unb  roiber 
biefe  jmei  £acte  Partei  genommen.  SSoran  früher  üftiemanb 
ettoaS  au§gufe|en  fanb,  marb  nun  mit  Vemeifen  für  fefjlerrjaft 
«Hart.  Sn  $)3ari3  rumorte  biefe  ©efdncfjte  nidjt  minber.  §ector 
Vertioft  t)atte  fid)  im  Journal  des  Debats  für  bie  Integrität 
biefer  ©teile  aitygefprodjen.  ©irector  £)abened  machte  mir  bie 
Reibung,  biefe  incriminirten  Sacte  nicfjt  aufjugeben,  ja,  nidjt 
aufgeben  ^u  bürfen,  motte  er  nid)t  einen  ©türm  im  (Sonferüatoir- 
Drdjefter  erregen.  2)a§  Vebenftid)fte  aber  toar,  bafj  in  $olge 
biefeS  internationalen  ©treiteS  bie  Vaumtuottpreife  in  3lmerifa 
bebeutenb  in  bie  §öt)e  gegangen,    ^ebenfalls  offenbarte  fid)  aus 


—     696     — 

bett  3Birhtngen  jener  92ad)rid)t  ein  in  bet  Sftufifmelt  faum  nod) 
bageraefeneS  Moment,  näm(id)  ein  unoerrjoIeneS  2luflefynen  gegen 
ben  erhabenen  Sdjöpfer  beS  SSerfeS,  ber  ja  biefe  ätt>et  Xacte  mit 
einem  2fnatrjema  belegt  ()atte.  ß'urj,  biefer  altfeitig  tjartnäcftg 
geführte  Streit  rjatte  oiele  Stetjnücrjfeit  mit  Streitigfeiten  unter 
^3r)i(o(ogen,  üerfteljt  ftd)  um  äufjerft  roid)tige  S)inge,  alS:  um 
bie  richtige  £efeart  irgenb  eineS  SBorteS,  um  Stellung  eineS 
(Somma,  u.  bergt.  —  ©3  fet>  barum  gcftattet,  ber  (Erörterung 
biefer  Slngelegenrjeit  rjier  ben  erforberlicrjen  9?aum  gu  geben. 

2)ie  ©jifteng  beS  23eetrjotien'fd)en  33riefe§  an  bie  Verleger 
be£  SöerfeS  —  fefjr  roafjrfcfjeinlid)  au§>  bem  Safere  1809  — 
fott  nid)t  be^meifett  merben,  roie  metjrfad)  gefeiten  unb  fogar 
tierlangt  mürbe,  berfelbe  fotle  im  gacfimile  öeröffentücfjt  werben. 
Safj  ftd)  ber  3J?eifter  jebod)  fpäterbjin,  tnetteidjt  alSbatb,  eineS 
anbern  befonnen  unb  ben  53od  gu  ©naben  aufgenommen,  bafj 
er  bie  Ueber^eugung  gemonnen,  bafj  er  eine  rjumoriftifd)e  3Sirfung 
erzeuge,  bemnad)  feft  an  bie  Grippe  §u  binben  fet),  —  baüon 
fjat  er  bie  Verleger  gu  benacfjridjtigen  oergeffen.  93on  ber  ßeit 
beS  ©rfcfjeinenS  biefer  Sinfonie  bis  p  beS  9)?eifter3  Heimgang 
—  öofle  18  Satjre  —  ift  biefelbe  oft  in  feiner  5(nwefent)eit 
entroeber  probirt  ober  aufgeführt  roorben,  ot)ne  baß  feinerfeitS 
ein  SSort  gegen  jene  ©teile,  beSgleidjen  gegen  bie  gegenwärtig 
ebenfalls  beanftanbete  ©enera(=$aufe  im  erften  ©a$  (Sßart.  S.  36) 
bemerft  morben  märe,  unb  bod)  rjörten  mir  Sgnati  oon  SeUfrieb 
auSfagen,  mie  53eet(joüen  atteS  „tjaarfdjarf,  genau  nad)  feiner 
Angabe"  ausgeführt  tjaben  mottte.  SSie  fjäite  er  mot)l  bie 
fraglidjen  Stacte  unbemängett  (äffen  fönnen,  märe  feine  Slnftdjt 
baöon  nod)  bie  frühere  gemefen!  23efonber§  fdjarf  ging  er  auf 
alle  feine  Intentionen  ein,  a(S  er  biefeS  unb  anbere  Sßerfe  mit 
ben  ©irectoren  ber  Concerts  spirituels  öorgenommen,  in  benen 
nicfjt  menige  barunter  ein  neneS  Seben  beginnen  fotlten.  ©(eidjeS 
trjat  er  mit  mir  1823  mit  ber  Sinfonie  in  C  moll  unb  anbern 
nod).  Niemals  eine  Semerfung  über  biefe  gmei  SEacte.  5)ie 
Xrabition  lefyrt  fomit  eoibent,  bafj  beS  StteifterS  5tnfid)t  barüber 


—     697     — 

eine  anbete  geroorben.  SSte  rjätte  öollenbg  fein  fcrjarfeS  2tuge 
biefen  „großen  Sßod"  in  ber  erft  um  jene  ^xt  (5tnfang§  ber 
20ger  Satjre)  erschienenen  Partitur  überfetjen  unb  ungetilgt 
taffen  tonnen?    liefet  Umftanb  tfi  befonberä  morjl  gu  beachten. 

©nbgüttig  fönnte  biefer  gragepunct  entfdjieben  roerben, 
tnenn  man  9?ad)ftef)enbe!§  beacfjten  null.  —  Stimmt  man  23eet= 
f)oüen'fd)e  9ftanufcripte,  befonber§  öon  grofjen  SSerlen,  gut 
£>anb,  fo  geroarjrt  man  nidjt  feiten  einen  Äampf  mit  bet  rfjtjtf)* 
mtfdjen  @efta(tung  bet  ^etioben.  3)a  finbet  fiel)  6alb  einet, 
balb  groei,  üier  unb  noerj  metjr  £acte  butdjfttidjen,  inmitten  bet 
©üfteme,  obet  gang  oben,  nod)  5lnmetfungen,  §.  $8.  „au§,"  obet 
roiebet:  „gut"  —  „bleibt."  Sßergleicrjt  man  biefe  cottigitten 
Sftanufcripte  mit  bem  ©rud,  fo  ergibt  e§  fid),  halft  bie  butd)= 
fttietjen  geroefene,  bann  tuiebet  füt  gut  etfannte  ©teile  üftote 
füt  9?ote  aboptirt  ift.  üftod)  liegen  folctje  SDZanufcripte  bei  mit. 
—  SDftt  Stenntnifc  tiefet  $etfat)ren§  an  bie  fritifdje  ^Beurteilung 
unfere§  galtet  gegangen,  ift  e§  gat  nierjt  gu  begtoeifeln,  bafj 
biefe  gttiei  £acte  urfprünglid)  oom  Slutor  niebergefdjrieben,  fpäter 
oon  it)m  beanftanbet,  enbtid)  abet  füt  gut  befunben  ruotben, 
bafj  überhaupt  bie  rtjt)tr)mifc£)e  ©eftaltung  biefet  ^Setiobe  fo  Oot* 
liegt,  toie  fie  urfprüngltd)  gebacfjt  toar. 

SBenn  Äritifer  angeführt  tjaben,  bafj  aujger  bem  SBerftofj 
gegen  r^t)tt)mifct)e  5tnorbnung  noefj  bet  get)ler  Dor  klugen  liege, 
ba$  bie  grofce  Septime  fis  im  öietten  Sacte  biefet  ©teile  nicfjt 
fogleicf),  fonbetn  etft  im  ftebenten  aufwärts  nact)  g  fdt)teite  unb 
fomit  gegen  bie  Sieget  berftofee,  fo  ift  gu  etroibern:  wa§>  ba§ 
9^t)t)t£)mifct)e  im  Sittgemeinen  betrifft,  fo  offenbatt  fiel)  ja  be= 
fannttict)  Sterin  einet  bet  öorgügtid)ften  fHeige  in  23eett)oüen'3 
3Hufif;  tüelct)7  reigenbe3  Spiel  mit  ben  9?f)t)t^men  %.  23.  gleid) 
im  erften  ©atje  ber  ©infonie  in  C  moll!  Sßelcljer  SReicfjtfjum 
in  SDtannigfaltigteit  ber  rtmtt)mifd)en  formen  im  gangen  SSerfe! 
Unb  bennod)  mirb  biefe  Sftannigfaltigteit  in  mehreren  ©onaten 
für  ^ßianoforte  allein  noct)  roeit  überboten.  9ftan  moHte  ebenfo 
wegen   ber   2lu§betmung  al§  roegen  ber  llngleid)t§eiligfeit  ber 


—     698     — 

in  SRebe  ftetjenben  ^eriobe  einen  ©runb  finben,  bafc  biefet6e 
bom  Sfteifter  nirfjt  atfo  gebaut  ferjn  fönne,  nnb  bcifa  bie  6e- 
5eicr)neten  gtüei  Xacte  aus  Sßerferjen  be3  (Sopiften  rjinsugetommen 
ferjn  mögen.  SSir  fetjen  aber  ba$  §uerft  in  8  Laoten  gegebene 
Sftotiö  bei  beffen  SSiebererfdjeinen  nadj  bem  S^u^epitncte  auf 
ber  'Dominante  fct)on  auf  10  Stacte  uerfängert;  fdjeint  boct)  bie 
einen  ootten  Stact  aufgehaltene  Konica  im  ©ingang  be3  9ttotir>!o 
an  obiger  ©teile  —  womit  bie  Ungleidjtrjeitigleit,  11  SEacte, 
herbeigeführt  ift  —  eine  befonbere  ©eftaltung  berfelben  oejtoeden 
51t  motten.  Verlängerte  sJ?r)t)tf)men,  immer  mit  ben  33eftanb- 
trjeiten  ber  9J?elobie,  finb  ja  bei  33eett)oüen  fo  tjäuftg  51t  treffen. 
2ßa§  ift  bie  ©teile,  meiere  in  ber  C  moll=©infonie  Oom  ©erjerjo 
gum  4.  ©a^  ben  llebergang  bübet  unb  naci)  Utibifcrjeff  „eine 
9trt  bon  abfdjeutidjem  üDiiauen  unb  93?  i  fett  an  g  tjerborbringt, 
bie  felbft  ba§  menigft  empfinblidje  Dt)r  jerret^t  (!!)"  anbereS, 
al§  ein  öerlängerter  ÜttjtjtlnnuS?  —  23eäügtid)  aber  be<§  tjerüor* 
gehobenen  $zf)kx$  mit  bem  Seiteton  fis  barf  ber  fteife  ©rammatifer 
9xed)t  behalten,  menn  e§  üjm  möglich  mirb,  im  $tufj  ber  9tebe 
mit  feinem  Dtjr  an  bem  erften  fis  tjaften  bleiben  51t  tonnen. 

3u  bietteidjt  üotlftänbiger  33eruf)igung  ber  groeifler  mufc 
nodj  beigefügt  merben,  bafj  ber,  lange  Satjre  ben  muficalifdjen 
23egebenr)eiten  in  SSien  gur  ©eite  gegangene  ^ritiler  Semin  §fl) 
alSbalb  nad)  bem  Vorfalle  §u  2Tad)en  Umfrage  bei  nod)  lebenben 
2)cufifern  au§  $8eett)oben'§  $eit  angefteüt  t)at.  3)a§  ©rgebnifj, 
ba^  ftet)  fein  einziger  ber  in  ben  Concerts  Spirituels  trjätig  ge= 
mefenen  irgenbeiner  ?tenberung  in  ben  gebrudten  Drdjefter* 
©timmen  erinnern  tonnte  —  bafür  bie  au§  jener  3eit  nod) 
borrjanbenen  ©timmen  felber  fbredjen  —  t|at  biefer  $ritifer  in 
ber  Sßiener  3eüfd)rift  1846  berannt  gemadjt. 


—     699     — 

H.  3n  ©tt^ctt  be§  qSroccffe§  mit  bcm  «ötedwnifer  aJiaeljel.369) 

1. 

©ebofition. 
,,3d)  Ijatte  SO^aetäet  auf  eigenen  antrieb  ein  ©tücf  ©cfjtad)!* 
©infonie  für  feine  $ßanf)armonica  oljne  ©etb  gefdjrieben .*)  5U3 
er  biefe§  eine  SBeile  fyatte,  bradjte  er  mir  bie  Partitur,  roornad) 
er  fdjon  §u  ftedjen  angefangen,  unb  tt>ünfdjte  e3  bearbeitet  für 
gange§  Drdjefter.  3d)  Ijatte  fdjon  üorrjer  bie  Sbee  einer  <Sd)fadjt 
(SKufif)  gefaxt,  bie  aber  auf  feine  $ßant)armonica  nid)t  an= 
roenbbar  mar.  —  3Bir  famen  überein,  §um  heften  ber  Krieger 
biefe§  SBer!  unb  nod)  anbere  bon  mir  in  einem  (Soncert  0u 
geben.  SBärjrenb  biefe§  gefdjaf),  fam  id)  in  bie  fcfjrecflicrjfte 
(Mbbertegenfjeit.  SSerfaffen  bon  ber  gangen  2ße(t  tjier  in  2Öien, 
in  ©rtöartung  eine3  2$ed)fet3  u.  f.  ro.  bot  mir  9J?ael^et  50  ®u= 
caten  in  ©olb  an.  3d)  narjtn  fie  unb  fagte  ifym,  bafe  id)  fie 
if)m  tjier  roiebergeben,  ober  itjm  btö  2öert  nadj  Sonbon  mit= 
geben  tooHe,  faH§  id)  nictjt  fetbft  mit  it)m  reifte  —  roo  id)  it)n 
im  legieren  gälte  bei  einem  engtifcrjen  Verleger  barauf  amueifen 
merbe,  ber  ifjm  biefe  50  ©ucaten  begasten  fotte.  9?un  gingen 
bie  Stfabemien  bor  ficfj.  SJBäljrenb  biefem  enttoidelte  ficfj  erft 
§errn  9J?ae(5et'§  ^(an  unb  (Srjarafter.  @r  liefe  oljne  meine 
ÖHnroitligung  auf  bie  Slnfdjlagjettet  fetjen,  ba^  e3  fein  ©igen- 
tljum  fet).  ©mbört  hierüber,  mufete  er  biefe  rcieber  abreißen 
laffen.  üftun  fefcte  er  barauf:  „au§  $reunbfd)aft  ju  feiner  9ieife 
nad)  Sonbon;"  biefe3  liefe  id)  ju,  roeit  id)  mir  nod)  immer  bie 


*)  ®iefe§  „oljne  ©elb"  foü  roofil  berfianben  werben:  ofine  Honorar 
bafüt  §u  üerlangen.     3).  SS. 

369)  Auch  die  Mälzel-Affäre  ist  auf  Grund  der  vorhandenen 
Dokumente  eingehend  behandelt  worden.  Vgl.  B.  S.  Br.  No.  354 
„Danksagung"  (Dezember  1813),  No.  394  „Für  seinen  Advocaten  Hrn. 
v.  Adlersburg"  (1810,  Juli,  IL  Band),  N.  395  „Erklärung  und  Auf- 
forderung an  die  Toukünstler  in  London"   (Juli  1814,  IL  Band). 

A.  d.  H. 


—     700     — 

$reif)eit,  unter  mag  für  53ebingungen  id)  iljm  bo§  Sßerf  geben 
roollte,  backte.  Sdj  erinnere  mid)  roäfjrenb  ber  3ette^a^rüde 
fyeftig  geftritten  gu  fjaben,  allein  bie  51t  furge  3eit  —  idj  fdjrteb 
nod)  an  bem  SSerfe.  öm  $euer  ber  Eingebung  gang  in  meinem 
SSerfe  badjte  id)  faum  an  9ftaetgel.  Unterbeffen  gleich  nad)  ber 
erften  ?Ifabemie  auf  bem  Uniöerfität§faa(  rourbe  mir  öon  allen 
(Seiten,  unb  oon  glaubmürbigen  9ttenfdjen  ergäbt,  baft  9Jcaelge( 
überaß  auSgefprengt,  er  f)abe  mir  400  ©ucaten  in  (Mb  ge= 
liefen.  8d)  tie^  hierauf  $otgenbe§  in  bie  3e^un9  einrüden, 
allein  ber  3eitung§fd)reiber  rüdte  e§  nidjt  ein,  \)a  SDcaetget  mit 
allen  gut  fteljt.  —  ©leid)  nad)  ber  erften  ?Ifabemie  gab  id) 
SOcaetgel  feine  50  2)ucaten  mieber,  erltärte  itjm,  bafe,  nadjbem 
id)  feinen  Sfjarafter  Ijier  lennen  gelernt,  id)  nie  mit  ü)m  reife, 
empört  mit  9?ed)t,  öafj  er  oljne  mid)  gu  fragen  auf  bie  3ette^ 
gefegt,  bafj  alle  9tnftatten  für  bie  Stfabemie  öerfefjrt  getroffen, 
unb  fetbft  fein  fd)(ed)ter  patriotifdjer  (Sfjarafter  ftd)  in  fotgenben 
SluSbrüden  geigt:  (id)  fdj  ....  auf  2.,  roenn'3  nur  in  Sonbon 
Reifet,  bafi  man  tjier  10  ©utben  begabt;  nid)t  ber  $ermunbeten 
r)abe  id)  bie§  getfyan,  fonbern  belegen  —  )  aud)  gäbe  id)  itjm 
ba§>  SSerf  nad)  Sonbon  nidjt  anber£  mit  ab§  mit  ©ebingungen, 
bie  id)  itjm  befannt  machen  mürbe.  —  ©r  behauptete  nun,  bafj 
e§  ein  greunbfdjaftägefdjenf;  feti,  tief$  biefen  %ü§>bmd  nadj 
ber  gtoeiten  3(fabemie  in  bie  3e^tun9  fefeen,  ot)ne  mid)  im  9Jan= 
beften  barum  gu  fragen,  ©a  SJcaetget  ein  rofjer  Hftenfdj,  gäng* 
üd)  oljne  (Srgie^ung,  otjne  Silbung  ift,  fo  fann  man  benfen,  mie 
er  fid)  mäljrenb  biefer  3^it  gegen  mid)  betragen  unb  mid)  baburdj 
immer  mefjr  empörte.  Unb  roer  moüte  einem  foulen  9J?enfd)en 
mit  3roan9  e*n  frennbfdjaftüdjefl  ©efdjenf  madjen?  —  üftan 
bot  mir  nun  bie  ©etegentjeit  bar,  bem  Sßringregenten*)  ba$ 
SBerf  gu  fdjiden.  (£§  mar  alfo  nun  fdjon  gar  nidjt  mögtid), 
oljne  SSebingungen  if)tn  biefe£  SBerf  gu  geben.  (Sr 
fam   nnn   gu  Sljnen   unb   mad)te  SSorfctjtäge.    ©3   raarb   tljm 


K)  9?a^^eriger  König  ©eorg  IV. 


—     701     — 

gejagt,  an  metdjen  "Jagen  er  erfdjeinen  fotl,  um  bie  Slntmort 
abgufiolen;  allein  er  tarn  nidjt,  reifte  fort,  unb  t)at  in  Stftündjen 
i>a§>  Sßerf  rjören  (äffen.  2Sie  t)at  er  e§  ertjatten?  —  ©teilen 
mar  nicfjt  mögfid),  —  atfo  £>err  SDkelget  tjatte  einzelne  (Stimmen 
einige  Sage  gu  §aufe,  unb  f)ierau§  ließ  er  öon  einem  muficaüfcrjen 
niebrigen  £>anbmerfer  ba§>  ©ange  gufammenfetjen,  unb  tjaufirt  nun 
bamit  in  ber  SSett  f)erum.  —  §err  SCRaef^et  t)atte  mir  ©et)ör~ 
mafdjinen  üerfprodjen.  Um  it)n  aufzumuntern,  feijte  id)  ifjrn  bie 
©iege£finfonie  auf  feine  ^ßantjarmonica.  ©eine  SCRafdjinen  tarnen 
enblid)  gu  ©tanbe,  aber  nidjt  brauchbar  genug  für  mid).  $ür  biefe 
fleine  SJZütje  meinte  £>err  SD^aefget  tjätte  id)  if)m,  nacfjbem  id) 
bie  <Stege3finfonie  für  großes  Drdjefter  gefegt,  bie  <Sd)lad)t 
bagu  comöonirt,  gum  auSfdjließlicfjen  (£igentt)ümer  biefeä 
2Serfe§  madjen  foEen.  SBoEen  mir  nun  fetsen,  ba^  id)  in 
^üdfidjt  ber  ©etjörmafdjinen  mid)  it)m  einigermaßen  öerbinbüct) 
füllte,  fo  ift  biefe  getilgt,  bafj  er  mit  ber  mir  geflogenen  ober 
öerftümmelt  gufammen  getragenen  ©d)tad)t  menigftenS  500  ©ulben 
in  Gonü.  W.  machte.  @r  t)at  fid)  atfo  fetbft  begabt  gemacht. 
(Sr  fjatte  fetbft  f)ier  bie  ^redjtjeit  gu  fagen,  baß  er  bie  ©d)lad)t 
tjabe;  ja  er  geigte  fie  gefdjrieben  mehreren  2)cenfd)en,  —  allein 
id)  glaubte  e§  nidjt,  unb  tjatte  aud)  in  fo  ferne  Sfccfjt,  al3  ba$ 
©ange  nid)t  öon  mir,  fonbern  öon  einem  anbern  gufammen 
getragen  ift.  lind)  bie  (Stjre,  bie  er  fid)  allein  gured)net, 
fönnte  fdjon  5Mot)nung  fetjn.  SKeiner  ermähnte  ber  §of= 
friegSratf)  gar  nictjt,  unb  bod)  mar  aHe§,  morauS  bie  beiben 
2lfabemien  beftanben,  öon  mir.  —  «Sollte  £>err  'iDcaelget,  mie  er 
fid)  üerlauten  ließ,  megen  ber  ©d)lad)t  feine  Steife  nad)  Sonbon 
öertängert  fjaben,  fo  maren  bie§  aud)  nur  ©cfjmänfe.  £>err 
9ftaelget  blieb,  biö  er  feine  ©tüdroetjr  (?)  üoEenbet  tjatte,  nadj- 
bem  bie  erften  SSerfucfje  nidjt  gelungen  maren. 

Söeetfjoüen  m.  p. 


702     — 


(SrHärung   unb    Stufforberung    an    bie   Xonfünftier 
gu    Sonbon    üon    Submig    öan    Söeetfjooen. 

(©ielje  6eite  283.) 

§err  SOfael^e!,  ber  fid)  gegenwärtig  in  Conbon  befinbet, 
Ijat  auf  feiner  Steife  batjin  meine  ©iegeSfinfonte  unb 
2BeIIington'3  <Scf)Iad)t  bei  QSittoria  in  9ttünd)en  auf= 
geführt,  unb  roirb  bem  SBernefjmen  nad)  aud)  ju  Sonbon 
9Ifabemien  bamit  geben,  fo  mie  er  e§  ebenfalls  in  granffurt 
ju  tf)im  SSißeng  gemefen  mar.  2)iefe§  beranlafct  mid)  öffenttidj 
§u  erflären:  bafj  id)  £>errn  Steiget  nie  unb  auf  feine  SSeife 
bie  genannten  2ßerfe  übertaffen  ober  abgetreten  fjabe,  ba$ 
üftiemanb  eine  Slbfdjrift  berfelben  6eft$t,  unb  tafe  id)  bie 
einzige,  bie  üon  mir  üeräufjert  morben,  an  ©c  fönigl.  ^potjeit 
ben  ^rin^en^egenten  bon  ©nglanb  gefenbet  Ijabe. 

S)ie  2luffüf)rung  biefer  28erfe  burd)  £errn  äftaetget  ift 
bafyer  entmeber  ein  betrug  gegen  ba3  publicum,  inbem  er, 
ber  t)ier  gegebenen  ©rftärung  gufolge,  fie  nid)t  befiijt,  ober, 
roenn  er  fie  befiijt,  eine  ^Beeinträchtigung  gegen  midj,  inbem 
er  fid)  itjrer   auf  einem  roiberredjtlidjen  SBege  bemächtigt  fyat 

?(ber  aud)  in  bem  fe|tern  ^aUt  'mix'i)  oag  publicum 
Untergängen  werben,  benn  ba3,  \m§>  §err  Sftaelgel  unter  bem 
Xitel:  2ßettington'3  (Sct)lact)t  bei  SSittoria  unb  ©iege§  = 
finfonie  if)m  gu  f)6ren  gibt,  rnufc  offenbar  ein  unäd)te3 
ober  öerftümmelteä  Söerf  fetm,  ba  er  bon  biefen  meinen  beiben 
SEBerfen,  aufeer  einer  einzigen  ©timme  auf  ein  $aar  Xage,  nie 
etroaä  öon  mir  ertjieCt. 

tiefer  SSerbadjt  Wirb  gur  ©emi^eit,  wenn  id)  bie  3Ser= 
fidjerung  fyiefiger  Xonfünftier,  beren  tarnen  id)  nötfjigenfaCfö 
öffentfid)  51t  nennen  ermächtigt  bin,  Ijier  beifüge,  bafj  §err 
SDcaetjel  bei  feiner  Stbreife  öon  SBien  gegen  fie  geäußert:  er 
befi^e  biefe  Sßerfe,   unb   bafj  er  ifjnen  Stimmen  babon  gegeigt 


—     703     — 

lja6e,  bie  a&er,  tüie  idj  fdjon  erttriefert,  nicfjt  anberä,  at3  üer* 
ftümmett  unb  unädjt  fetjn  fönnen. 

£)b  $err  9J?aet§et  einer  fotdjen  23eeinträd)tigung  gegen 
midj  fäfjtg  feü?  —  beantwortet  ber  Umftanb:  bafj  er  fiel) 
allein  als  Unternehmer  meiner  t)ter  in  SBien  ©tatt  gehabten 
9Habemien  gitm  heften  ber  im  Kriege  SSerttntnbeten, 
roo  b(o3  meine  Söerfe  aufgeführt  mürben,  in  öffentlichen 
blättern  ofyne  ©rmätjnung  meinet  ScamemS  angeben  ließ. 

Set)  forbre  bafyer  bie  <£ontünft(er  oon  Sonbon  auf,  eine 
fotetje  S3eeinträd)tigung  gegen  mtd),  at§  itjren  Äunftgenoffen, 
burd)  eine  üon  |>errn  äJiaet^et  üeranftattete  Sluffütjrung  ber 
©d)fad)t  bei  QSittoria  unb  ber  ©iegeSfinfonie  bort  iücf)t 
gu  bulben,  unb  ju  üerljinbern,  ba$  ba§>  Sonboner  publicum 
auf  bie  gerügte  SBeife  Oon  if)m  Untergängen  merbe. 

SSien  am  25.  Suti  1814. 


8  e  u  g  n  i  % 

SSir  (SnbeSgefertigte  bezeugen  jur  ©teuer  ber  9Bar)rtjett 
unb  tonnen  e§  nötigen  galle§  befdjmören:  ba$  gmifdjen  §errn 
2oui§  üan  23eetf)oüen  unb  bem  §ofmed)anifer  £>errn  9J?ae(5et 
aflt)ier  mehrere  gufammenfünfte  bei  bem  unterzeichneten  Dr.  6ar( 
ü.  9Ib(er§burg  ftatt  fanben,  metcfje  bie  üon  erfterem  üerfafjte 
muftcatifdje  ßomüofition:  bie  ©d)lad)t  üon  95ittorta  genannt, 
unb  bie  Steife  nad)  (Sngtanb  gum  ©egenftanb  tjatten;  §err 
üftaetset  madjte  tjierbei  bem  §errn  üan  SBeetfjoüen  mehrere 
SBorfdjtäge,  um  ba§  oben  genannte  SSerf,  ober  menigften§  ta§> 
9ted)t  ber  erften  3tuffüf)rung  für  fict)  §u  erhalten.  £>a  ftd) 
jebod)  §err  DJcaet^et  bei  ber  tetjten  üeranftatteten  3"fammen5 
fünft  nicfjt  eingefunben  fjatte,  fo  ift  barüber  nid)t§  ju  ©tanbe 


—     704     — 

gekommen;   ba  er  bie  erfteren   ifym  gemad)ten  93orfd)(äge  nitfjt 
angenommen  fjatte.     Urfunb  beffen  unfere  Fertigung. 

SSien  am  20.  Dctober  1&14. 

(L.  S.)  Sof).  gredjerr  ü.  ^agquatati,  f.  f.  prio. 

©rofcljänbter. 
(L.  S.)  Garl  (Sbler  Don  9(btersburg,  §of=  unb 

@ertd)tg=5Ibt)0CQt,  aud)  f.  f.  öffentlicher 
9?otar.370) 


I.  $ret  Briefe  bon  23eetljot>en  an  Bettina.371) 
1. 

Sßien,  11.  Stuguft  1810. 
Stt)euerfte  Settina! 

®ein  fdjönerer  $rülj(ing  als  ber  fjeurige,  ba§  jage  id) 
unb  füt)fe  e§  audj,  med  idj  Styre  Sefanntfdjaft  gemalt  fyahe. 
(Sie  fjaben  mof)(  fetbft  gefefyen,  bajj  id)  in  ber  ©efedfetjaft  bin, 
mie  ein  grofd)  auf  bem  ©anb,  ber  röäl§t  ftd)  unb  mäl^t  fidj 
unb  fann  nidjt  fort,  bi§  eine  mofylmoüenbe  @atatf)ee  it)n  mieber 
in'3  gemattige  9fteer  f)ineinfd)afft.  Sa  id)  mar  red)t  auf  bem 
Xrotfenen,  liebfte  23ettine,  id)  marb  Don  Seinen  überrafd)t  in 
einem  9(ugenb(id,  mo  ber  90?iJ3mutf)  gan^  meiner  Sfteifter  mar; 
aber  maljrüd)  er  üerfdjroanb  mit  Syrern  Slnblid,  id)  f)ab'§ 
g(eid)  roeg  gehabt,  bafj  (Sie  au3  einer  anbern  Sßett  finb,  a(§ 
au§  biefer  abfurben,  ber  man  mit  bem  beften  SBitlen  bie  Dtjren 


370)  Es  kam  wieder  eine  Versöhnung  zustande;  der  Brief  Mälzeis 
an  Beethoven  vom  Jahre  1818,  19.  April  gilt  als  Beweis.  Er  ist  aus  dem 
Beethoven-Nachlaß  Schindlers  im  Neudruck  Lenz  mitgeteilt,  S.  56  ff.  und 
beginnt:   „Lieber  Freund!     Sie  erwarten  von  mir  — "         A.  d.  H. 

371)  Die  Bettina-Briefe  und  die  dazu  gehörigen  Erläuterungen 
sind  bereits  eingehend  behandelt.  "Vgl.  B.  S.  Br.  No.  220  (I.  Band), 
228,  300  (II.  Band),  I,  323,  II,  311  f.  A.  d.  H. 


—    705     — 

ntdjt  cmftljim  fann.  3d)  bin  ein  elenber  9ftenfdj  unb  beflage 
mid)  über  bie  anbernü  —  2)a§  Derben  ©ie  mir  rootjt  mit 
Syrern  guten  fersen,  baZ  au§  Sfjren  5tugen  fiel)t,  unb  3§rem 
SBerftanb,  ber  in  3f)ren  Dfjren  liegt;  —  sunt  menigften  Der* 
fielen  Sfjre  Dtjren  31t  fdnneidjeln,  menn  fie  suljören.  Steine 
Dfjren  finb  leiber,  (eiber  eine  ©cfjetbemanb,  burct)  bie  idj  leine 
freunbfidje  Sommunicatiott  mit  äßenfdjen  leidet  Ijaben  lamt. 
©onftl  —  SBieHetd)t!  —  rjätt'  id)  mefjr  gutrauen  gefaxt  $u 
Srjnen.  ©o  fonnte  id)  nur  ben  großen,  gefdjeiten  f&iid  S^rer 
3lugen  üerftefjen,  unb  ber  f)at  mir  ^ugefetjt,  bafc  id)'<§  nimmer- 
mehr ocrcjeffen  merbe.  —  Siebe  23ettine,  tiebfte§  IDfäbcfjen!  — 
®ie  Äunft!  —  2Ber  Derftetjt  bie,  mit  mem  fann  man  ficfj 
bereben  über  biefe  grojje  ©öttin!  —  3Sie  lieb  ftnb  mir  bie 
roenigen  Xage,  mo  mir  gufammen  fdjmäftten,  ober  Dietmeijr 
forrefponbirten;  id)  tjabe  bie  flehten  3ette^  Qße  aufbemaljrt, 
ouf  benen  Sfyre  geiftreid)en,  lieben,  liebften  ?lntmorten  fielen, 
©o  f)ab'  id)  meinen  fd)(ed)ten  iDrjren  bod)  gu  Derbanfen,  ba$ 
ber  befte  %I)eit  biefer  flüdjtigen  ©efprädje  aufgefd)rieben  ift. 
Seit  ©ie  meg  ftnb,  t)ab'  id)  Derbrieftlidje  ©tunben  gehabt, 
©djattenftmtben,  in  benen  man  nidjtö  tljun  fann;  icfj  bin 
mof)[  an  brei  ©tunbeu  in  ber  ©d)ünbrunner  2tHee  fjerum 
gelaufen,  a(8  ©ie  meg  maren,  unb  auf  ber  Saftet:  aber 
fein  Sngel  ift  mir  ba  begegnet,  ber  mid)  gebannt  Ijätte,  wie  S)u 
(Snget.  Sßer^eiljen  ©ie,  liebfte  93ettine,  biefe  Slbmeidjung  Don 
ber  Xonart;  foldje  Snterüatte  muß  id)  Ijaben,  um  meinem 
^)er5en  Suft  $u  mad)en.  lh\b  an  ©oetlje  fyaben  ©ie  öon  mir 
gefcrjrieben,  nid)t  maljr?  —  bafj  id)  meinen  ®opf  möd)te  in  einen 
©ad  fteden,  mo  idj  nidjtiS  l)öre  unb  nidjtS  fel)e  Don  allem, 
ma§  in  ber  9Se(t  Dorgefjt,  meil  S)u,  liebfter  (Sngel,  mir  bod) 
ntctjt  barin  begegnen  wirft.  Slber  einen  23rief  merbe  id)  bod) 
oon  3f)nen  ermatten?  —  £>ie  Hoffnung  näfyrt  mid),  fie  nä()rt 
ja  bie  Ijalbe  2Belt,  unb  id)  tjab'  fie  mein  Sebtag  jur  9?ad)barin 
gehabt,  ma<§  märe  fonft  mit  mir  gemorben?  —  Sd)  fd)ide  fyier 
mit  eigner  §anb  gefd)rieben:    „Äennft  bu  ba%  Sanb,"  al§  eine 

St.  ©c^tnöterS  39eetfjoben=33ioßvapI)ic.  «^ 


—     706     — 

Erinnerung  an  bie  Stunbe,  mo  id)  (Sie  fennen  lernte,  idj  fcfjicte 
and)  ba$  anbere,  roa§  id)  componirt  f)abe,  feit  idj  Slbfcfjieb  üon 
S)ir  genommen  ^a6e,  liebe»,  tiebftes  .^erg!  — 

Jperg,  mein  §erj,  ma§  foli  ba§  geben, 
2Öa£  beb  ränget  bidj  fo  fejjr? 
3Setdj'  ein  frembe§,  neues  Seben! 
Sd)  erfenne  biet)  nierjt  meljr. 

Sa,  tiebfte  ©ettine,  antmorten  ©ie  mir  hierauf,  fdjreiben 
(Sie  mir,  tt>a§  e§  geben  fotl  mit  mir,  feit  mein  igerg  ein  fofdjer 
Mette  gemorben  ift.    Schreiben  (Sie  Syrern  treueften  greunb 

©eetljoüen. 
2. 

2Bien  am  11.  $ebr.  1811. 

©etiebte,  liebe  ©ettine ! 

Sd)  Ijabe  fcfjoit  gtoei  ©riefe  üon  Sfjnen  unb  fetje  au§ 
Syrern  ©riefe  an  Streit  ©ruber,  baß  @ie  ftd)  meiner  unb  gtoar 
üiet  gu  öortt)eilr)aft  erinnern.  —  Sfyren  erften  ©rief  f)ab'  id)  bm 
ganzen  Sommer  mit  mir  tjerum  getragen,  unb  er  fjat  mid)  oft 
feiig  gemadjt.  SBenn  id)  Sfynen  aud)  nietet  fo  oft  fd)reibe,  unb 
(Sie  gar  nid)t§  üon  mir  ferjen,  fo  fcfjreibe  id)  Sfynen  1000  mal 
taufenb  ©riefe  in  ©ebanfen.  —  2öie  ©ie  fiel)  in  ©erlin  in 
51nfeb,ung  beö  2öeltgefd)tneif;e§  finben,  tonnte  id)  mir  nidjt 
beulen,  menn  id)'3  nid)t  üon  3>t)nen  gelefen  l)ätte;  üieleö  <sct)tt>ä§en 
über  Shmft  ofjne  Stjaten!!!!!  Sie  befte  geidmung  hierüber 
finbet  fiel)  in  (Sctjitfer'S  ©ebidjt:  „Sie  glüffe,"  too  bie  Spree  fprid)t. 

Sie  tjeirattjen,  liebe  ©ettine,  ober  e§  ift  fdjon  gefdjeljen, 
unb  id)  Ijabe  Sie  nicfjt  einmal  äuüor  nod)  fet)en  tonnen!  fo 
ftröme  benn  oHe§  ©lue!  Stjnen  unb  Syrern  ©atten  §u,  momit 
bie  (£f)e  bie  ©fjelidjen  fegnet.  —  2öa§  foll  id)  3t)nen  üon  mir 
fagen!  —  „©ebaure  mein  ©efdjid,"  rufe  id)  mit  ber  Sorjauna 
au§;  rette  id)  nur  nod)  einige  £eben3jal)re,  fo  mili  id)  aud) 
bafür,  mie  für  atleS  übrige  2Bof)t  unb  2Set)e,  bem  alfe3  in  fid) 


—     707     — 

gaffenben,  bem  £)öd)ften  banfen.  —  2In  ©oettje,  toenn  «Sie  itjm 
Don  mir  fdjreiben,  fudjen  ©ie  alle  bie  SSorte  au§,  bie  ifjm 
meine  innigfte  $ereljrung  unb  23emunberung  auöbrücfen.  3dj 
bin  eben  im  ^Begriff  itjm  fetbft  flu  fdjreiben  megen  ©gmont,  mo^u 
id)  bie  SKufif  gefegt,  unb  ^mar  bto§  am§  Siebe  ^u  feinen 
Stfdjtungen,  bie  midj  glüdlidj  madjen;  roer  rann  aber  einem 
großen  ©idjter  genug  banfen,  bem  foftbaren  föteinob  einer  Nation? 

—  üftun  nicf)t§  metjr,  liebe,  gute  Settine,  id)  fam  biefen  borgen 
um  4  Uljr  erft  Don  einem  öactjanat,  roo  idj  fo  gar  Diel  tacben 
mufjte,  um  tjeute  beinalje  eben  fo  Diel  §u  meinen;  raufd)enbe 
greube  treibt  micf)  oft  geroaftttjätig,  mieber  in  midj  felbft  jurüd. 

—  SBegen  (Element  Dielen  ©and  für  fein  ©ntgegenfommen.  — 
9Sa§  bie  Kantate  betrifft,  fo  ift  ber  ©egenftanb  für  tjier  nid)t 
toicfjtig  genug,  ein  anbereä  ift  fie  in  Berlin;  mag  bie  3uneigung, 
fo  tjat  bie  ©ctjmefter  biefe  fo  fetjr  eingenommen,  bafj  bem  SBruber 
nidjt  Diel  übrig  bleiben  mirb,  ift  itjm  bamit  aud)  gebient?  — 

üftun  lebe   rootj!,  liebe,   liebe  Settine,   id)   füffe  £)id)   auf 

©eine  ©tirne,  unb  brüde   bamit,   mie  mit  einem  ©iegel,  alle 

meine  ©ebanfen   für  ©id)   auf.  —  ©djreiben   «Sie  balb,   balb, 

oft  Äem  ft-reunbe  „     ir 

$eetf)ODen. 

SBeetbjoDen  rooljnt  auf  ber  Völler  Saftet) 
im  $ßa§quatatifd)en  ipaufe. 


Siebe  gute  23ettine! 
Könige  unb  dürften  fönnen  rooljt  ^rofefforen  madjen  unb 
©erjeimerättje  k.  unb  £itel  unb  Drbenäbänber  umhängen,  aber 
grofte  Sftenfdjen  !önnen  fie  nidjt  madjen,  ©eifter,  bie  über  btö 
SSeltgefdjmeifs  IjerDorragen,  ba§>  muffen  fie  motjl  bleiben  laffen 
§u  madjen,  unb  bamit  mutj  man  fie  in  Sfafpect  galten;  roenn 
fo  gmei  gufammen  fommen,  mie  id)  unb  ber  ©oetfje,  ba  muffen 
aud)  grofje  Ferren  merfen,  roa3  bei  unfer  (Sinem  al§  grofj  gelten 

45* 


—     708     — 

fann.    SSir  begegneten   geftern  auf  bem  jpeimroege  ber  ganzen 

faifertidjen  $amitte.     2Bir  fafyen  fic  öon  »eitern  fommen,  unb 

ber  ©oettje  madjte  fid)  bon  meiner  «Seite  Io§,   um  ftdj  an  bie 

(Seite  ^u  fteHen;  id)  mod)te  jagen  »a3  id)  »ollte,  id)  tonnte  iijn 

feinen  ©djritt  toeiter  bringen;   idj   brüdte  meinen  £wt  auf  bzn 

®opf,    fnöpfte   meinen  Dberrod   §u,    unb    ging    mit    unter- 

gefdjtagenen  Firmen  mitten  burd)   ben  bidften  Raufen. 

—  dürften   unb  ©drangen  rjaben  ©palier  gemacht,  ber  @r$= 

fjerjog  Stubotpfy  fjat  ben  Jput  abgezogen,  bie  grau  Staiferin  t)at 

gegrüßt  äuerft.  —  Sie  ^perrfdjaften  fennen  mid).  —  Sd)  faf) 

5U    meinem   magren    ©pafi   bie  Sßroceffion    an   (§5oett)e   üorbei 

befifiren.     (Sr  ftanb  mit   abgezogenem  §ute   tief  gebüdt 

an  ber  Seite.     S)ann  fyab1  id)  ifjm  aud)  ben  ®opf  ge»afd)en, 

id)  gab  feinen  ^arbon  unb  tjab'  itjm  alte  feine  ©ünben  oor= 

gemorfen,  am  meiften  bie  gegen  ©ie,  liebfte  Settine!  »ir  Ratten 

gerabe  oon  3l)uen  gefprodjen.     ©Ott!  t)ätte  id)  eine  foldje  Qdt 

mit  Seinen  tjaben  tonnen,  mie  ber,   \)a$  glauben  ©ie  mir,  id) 

l)ätte  nod)  üiet,  tuet  metjr  ©rofeeö  IjerOorgebrad)t.     ©in  SJcufifer 

ift  aud)  ein  2)id)ter,  er  fann  fid)  aud)  burd)  ein  paar  Slugen 

ptötjlid)  in  eine  fd)önere  SBett  öerjejjt  fütjten,  mo  größere  ©eiftcr 

fid)  mit  it)m  einen  ©pafj  madjen,  unb  it)m  red)t  tüdjtige  2luf* 

gaben  madjen.    3Sa3  tarn  mir  nid)t  ailtä  in  ben  ©inn,  mie  id) 

2)id)  fennen  lernte,  auf  ber  fteinen  ©ternraarte,  toäljrenb  beö 

l)errlid)en  SCßairegenS,   ber  mar  aud)   gang  frud)tbar   für  mid), 

bie  fdjönften  %f)ema'3  fd)tüpften  bamat§  au3  Sljren  23liden  in 

mein  §erg,  bie  einft  bie  SBelt  nod)  entlüden  füllen,  menn  ber 

Seettjoüen   nid)t   niefjr   birigirt.     ©d)enft   mir   ©Ott   nod)   ein 

paar  Saljre,  bann  mu§  id)  3)id)  roieber  fefjen,  liebe,  liebe  S3cttine, 

fo    oertangt'S   bie  ©timme,    bie    immer    redjt    betjält   in    mir. 

©eifter  fönncn  einanber  aud)  lieben,  id)  merbe  immer  um  ben 

3l)rigen  merben.    Stjr  Seifall  ift  mir  am  liebften  in  ber  ganzen 

s-föelt.    Sern  ©oetfje  tjabc  id)  meine  ©Meinung  gefagt,  tote  ber 

93eifalf  auf  unfer  (Sinen  rinrt't,  unb  bafc  man  üon  feines  ©teilen 

mit  bem  Sßerftanb   gefjürt  fet)n  »ttl;   9?ül)rung   pajjt   nur   für 


—     709     — 

grauenjtmmer  (öeräeifj'  mir'§),  bem  Sttann  mujs  SCRufiffeuer  au§ 
bem  ©eift  fd)Iagen.  9ld)  tiebfteö  ÄHnb,  rate  lange  tft'3  fdjon 
Ijer,  bafj  toir  einerlei  Meinung  finb  über  aü*e<§ ! ! !  —  Sftdjtä  ift 
gut,  al§  eine  fcrjöne,  gute  ©eete  Ijaben,  Die  man  in  allem  er- 
fennt,  öor  ber  man  fid)  nidjt  ju  berfteden  braudjt.  Wan 
muft  »a§  fet)n,  menn  man  ma§  fcrjeinen  null;  bie  SÖett 
muü  einen  ernennen,  fie  ift  nidjt  immer  ungerecht.  2)aran  ift 
mir  gtnar  nid)t§  gelegen,  fteit  id)  ein  t)öl)ere3  giet  Ijabe.  —  3n 
SSBien  fjoffe  id)  einen  53rief  üon  Sljnen,  fdjreiben  ©ie  balb,  balb 
unb  redjt  biel;  in  adjt  Sagen  bin  id)  bort,  ber  ipof  getjt  morgen, 
ljeute  fpielen  fie  nod)  einmal.  @r  Ijat  ber  ®aiferin  bie  ^olfe 
einftubirt,  fein  ^ergog  unb  er  tuotlten,  id)  folle  tt>a§  üon  meiner 
SQcuftJ  aufführen,  id)  tjab'S  beiben  abgefd)lagen,  fie  finb  beibe 
öertiebt  in  d)inefifd)  ^or^elan,  ba  ift  9?adjftd)t  öon  9?ötf)en, 
med  ber  SSerftanb  bie  Dberljanb  Oerloren  tjat,  aber  id)  fpiele  ^u 
itjren  Sßerfefyrtfjeiten  nidjt  auf,  abfurbeg  ßeug  madj'  id)  nicfjt 
auf  gemeine  Soften  mit  ^ürftlidjleiten,  bie  nie  au§  ber  2trt 
©d)ulben  lommen.  51bieu,  51bieu  Sefte,  ©ein  letzter  SBrief  lag 
eine  gange  9?adjt  auf  meinem  §er§en  unb  erquidte  micl)  ba, 
SO?u[icanten  erlauben  fid)  alles. 
©Ott  toie  lieb'  id)  ©ie! 
Zepty,  Stuguft  1812. 

©ein  treuefter  $reunb  unb  tauber  S3ruber 
SSeettjooen. 

K.  23eetf)oöett'3  33ricf=6oncc^t  an  ßljeruMm,  nu§  bem 
3a^re  1823. 372) 

„§od)geet)rtefter  §err! 
SDftt  großem  Vergnügen  ergreife  tdj  bie  Gelegenheit   mid) 
Slinen  fdjriftlid)  au  na^en.     Sm  ©elfte   bin  id)   e£  fdjon   oft 


372)  Auch  darüber  ward  viel  gesprochen  und  ergänzt.  Cf.  B.  S.  Br. 
881,  883  (IV.  Band),  903,  an  Schlösser  (IV.  Band).  A.  d.  H. 


—     710     - 

genug,  inbem  id)  Sfyre  SBerfe  ü6er  ade  anbete  tljeatratifcrje 
fd)ä^e.  üftur  mufe  bie  Shinftroett  bebauern,  ba%  feit  längerer 
3eit,  luenigftens  in  unferm  SJeutfcrjtanb,  fein  neues  tfyeatralifdjes 
Sßerf  oon  Sfmen  erfdjienen  ift.  ©o  Ijod)  aud)  3f)re  anbern 
Söerfe  oon  magren  Kennern  gefdjäfct  roerben,  fo  ift  es  bod) 
ein  ttmfyrer  SBerluft  für  bie  Shmft,  fein  neues  ^ßrobuct  öljre§ 
großen  ©eiftes  für  bas  'Xrjeater  ^u  befigen.  SSaijre  Shmft 
bleibt  unüergänglid),  unb  ber  roatjre  Äünftfer  fjat  inniges 
Vergnügen  an  großen  ©eiftesprobucten.  (Sben  fo  bin  id)  aud) 
entgücft,  fo  oft  id)  ein  neues  SSerf  oon  Sfjnen  üernefnne,  unb 
nefune  größeren  ?fntt)etl  baran,  als  an  meinen  eigenen;  Eurg 
irf)  eljre  unb  liebe  (Sie.  2Säre  nur  meine  beftänbige  Äränfüd)= 
feit  nictjt  Sd)ulb,  (Sie  in  $paris  fefjen  gu  fönnen,  mit  roeld)' 
aufserorbentlicfjem  Vergnügen  roürbe  id)  midj  über  £unft= 
gegenftänbe  mit  $>f)nen  befpredjen!  ©tauben  (Sie  nid)t,  baß, 
meil"  id)  jefct  im  SBegriff  bin,  Sie  um  eine  ©efäüigfeit  p  bitten, 
bies  blos  ber  ©ingang  baju  fet).  3d)  tjoffe  unb  bin  überzeugt, 
baß  Sie  mir  feine  fo  niebrige  Senfungsrueife  ^umutljen. 

Sd)  t)a6e  fo  eben  eine  große  folenne  ÜJZcffc  uollenber,  unb 
bin  SBillens,  felbe  an  bie  europäifdjen  §öfe  ^u  fenben,  raeif 
id)  fie  öor  ber  £>anb  nid)t  öffenttid)  im  ©tidj  herausgeben 
roill.  8dj  fjabe  baljer  burd)  bie  fran^öfifdje  ©efanbtfdjaft  fjier 
aud)  eine  ©inlabung  an  (Se.  üftajeftät  ben  ®önig  oon  ^ranf= 
reict)  ergeben  (äffen,  auf  biefes  2Serf  gu  fubfcribiren,  unb  bin 
überzeugt,  bafj  ber  Sönig  felbe  auf  Sfjre  @mpfef)lung  gewiß 
nefjmen  roerbe.  Ma  Situation  critique  demande,  que  je  ne 
fixe  pas  seulement  comme  ordinaire  mes  voeux  au  ciel,  au 
contraire,  il  faut  les  fixer  aussi  en  bas  pour  les  necessites 
de  la  vie.  2Sie  es  aucfj  gefjen  mag  mit  meiner  Sitte  an  Sie, 
id)  werbe  (Sie  bennod)  ade  3e^  Heben  unb  oeretjren,  et  Vous 
resterez  tousjours  celui  de  mes  contemporains,  que  je  l'estime 
le  plus.  Si  Vous  mes  voulez  faire  un  estreme  plaisir,  c'etoit, 
si  Vous  m'ecrivez  quelques  lignes,  ce  que  me  soulagera  bien. 
L'art  uuit  tout  le  monde,    wie  uiel   meljr   toarjre  föünftler,  et 


—     711     — 

peut-etre    Vous    nie    dignez   aussi,   de   me  mettre   auch,    §it 
rechnen  unter  biefe  3af)f. 

Avec  le  plus  haut  estime 

Votre  ami  et  serviteur 
Beethoven." 

L.  $a§  9Jtottb  pun  legten  @a^e  beä  Quartetts  in  Cis-moll, 
Op.  131. 373) 

Sn  ber  brüten  ^eriobe  marb  auf  bie  mancherlei  Sßerfudje 
aufmerffam  gemacht,  tnetcfje  S3eethoüen  mit  ben  erfunbenen 
Sftotiüen  (3J2efobien)  fyäufig  anstellen  pflegte,  bi3  jebeä  6in= 
fidjttid)  feiner  ©eftaltung  fo  jurecht  gelegt  mar,  baJ3  cS  gu 
allen  Intentionen  in  ber  Aufarbeitung  be3  betreffenben  @atje3 
nodfommen  bientich  fetin  fonnte.  (Sin  3$eleg  bafür  mirb  mit 
bem  ^auptmotiü  beö  4.  ©a$e3  ber  neunten  (Sinfonie  51t 
©djiller'S  Dbe  in  einem  gaefimile  gegeben;  ein  noch  intereffantere3 
foü  narfjfteljjenb  mit  bem  SDcotio  beS  legten  ©a|e§  gum  Quartett 
in  Cis  moll,  Op.  131,  getreu  nach,  ber  üorljanbenen  <Sft35e  5U 
biefem  Sßerfe,  gegeben  merben,  bie  fiel)  unter  fo  öielen  anbern 
in  ber  Äönigt.  Sibtiotfjef  gu  Berlin  beftnbet.  ©er  Sßerfucrje 
mit  biefem  SOcotih  ftnb  nidjt  meniger  benn  fieben,  Oiel(eid)t 
bie  tjötfjfte  ftafy,  mefdje  je  in  ben  ©fi^en  unfern  StteifterS  auf* 


373)  Die  Autographe  der  Königlichen  Bibliothek  in  Berlin  enthalten 
als  No.  8  (Kalischer)  Skizzen  zu  den  großen  Quartetten  in  B-dur 
und  cis-moll.  Auf  Blatt  8  hat  Schindler  vermerkt:  „Zum  Quartett 
in  cis-moll  von  hier  an,  abwechselnd  mit  dem  Quartett  in  B-dur  und 
der  10.  Symphonie."  Blatt  11  nach  Schindler:  „Diese  Idee  zum  Anfange 
des  letzten  Satzes  im  Cis-moll-Quartett.  Alle  anderen  6  bis  7  ver- 
schiedenen Anfänge  (vgl.  die  Schindlerschen  Beispiele)  mit  einer 
anderen  Hauptidee  folgen  später."  —  In  demselben  Bande  ein  weiteres 
Heft:  „Skizzen  zu  dem  Cis-moll  von  Beethoven"  (Schindler).  Auf 
Blatt  4  „Anfang  zum  4.  Satz  des  Cis-moll  Quartetts,  jedoch  verworfen" 
(Schindler).  Blatt  18:  „Anfang  vom  4.  Satz  des  Cis -moll -Quartetts 
jedoch  verworfen."     Hier  Schindlers  „Notenbeispiele".        A.  d.  H. 


—     712     — 

gufinben  getoefen.  Sogar  in  einer  anbern  Stactart  toarb  bamit 
ein  SSerfud)  angebellt;  üftro.  5  geigt  eö  int  2/4  ^oct.  ^ür 
SRid)tigfeit  einzelner  Stoten  unb  aud)  Sactftridje  fann  nidjt  ein* 
geftanben  inerben,  tt>eil  alle  ©fi^ett  2>eetfyoDen'3  fid)tbare  Se* 
tneife  großer  $(üd]tigfeit  in  9totirung  ber  Sbee  anfroeifen; 
bemnad)  and)  ber  3etd)en  batb  mctjr,  halb  toeniger,  al3  er- 
forberüd). 

Nro.  1.     „Finale  Cis  moll." 


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716 


M.  2ht§  bcr  Sonate  Jmtpttque.374) 

Grave. 


r-c&rzrt 


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2)ie  im  erften,  jtüeiten  unb  brüten  Sacte  nacfj  ftarfem 
Stnfdjlage  beginnenben  ?(ccorbe  follen  beinahe  gang  üerflingen, 
ba$  gortfdjreiten  in  rjier  angegeigten  Sängen  unb  Bürgen 
gefcfjierjt  mit  meidjem  5tnfd)lage  in  unbeftimmtem  3eitmafje, 
bie  ©edj§5et)ntelpaufe  mit  bem  ^Suncte  im  SBaffe  jebeS  biefer 
brei  £acte  ift  um  etttm§  gu  verlängern;  erft  bie  legten  brei 
Slccorbe  im  brüten  £acte  finb  mit  fettem  Slnfdjtage  unb  in 
gemeffener  S3emegung  gu  geben,  e6en  fo  bie  im  öierten  £acte 
fotgenben  bi3  gur  germate.  2)iefe  ift  in  ifjrer  <&tifta%$mppt 
fo  frei  öorgutragen,  tt>ie  ber  itatienifdje  (Bänger  jebe  germate 


374)  Es  folgen  einige  Beispiele  aus  der  Sonate  pathe'tique.  Schon 
hier  ergeht  sich  Schindler  über  das  Geschichtliche  zur  Einführung 
Beethovenscher  Musik  in  Paris.  Wir  müssen  jedoch  erwähnen,  daß 
Schindler  uns  eine  große,  bedeutende,  selbständige  Arbeit  überliefert 
hat,  die  betitelt  ist  „Beethoven  in  Paris".  Die  Schrift  ist  auch 
selbständig  gedruckt  als  „Zweiter  Nachtrag"  zur  zweiten  Ausgabe  der 
Biographie  von  Ludwig  van  Beethoven,  Münster  1845.  A.  d.  H. 


—     717     — 

in  betjanbetn  pflegt;  bie  SSorfdjrift  be§  (Somponiften  bewerft 
:ko§  eine  fidjere  Xactgeftattuitg,  ofjtte  bem  Vortrag  ba3  9ftafc 
ber  £öne  aufbringen  ju  motten,  fo  menig  ber  SDidjter  ba3 
©tylbenmaft  bem  ©ectamator  öorf ^reiben  mifl.  23eibe3  fofl  nur 
Dom  gebilbeten  @efd)mad  be§  <3änger§,  <Spieter3  unb  ©edamator-S 
beftimmt  werben.  (Srft  bie  im  fünften  STacte  beginnenbe  5 arte 
(Santitene  mit  it)rem  f djroff en  ©egenfatje/'  bemegt  fid)  unoerrüdt 
im  feften  3e^tmaBe  tner  Sacte  rjinburdj,  ba§  gmeigeftridjene  F 
mit  ber  OctaDe  im  neunten,  bann  nod)  ba§>  breigeftridjene  C  im 
Reimten  £acte  finb  etma§  länger  anhalten  unb  bie  fid)  an* 
tnüpfenben  ©nippen  mit  3ar^e^  uno  fdjöner  Stbrunbung 
gleicfjfam  rjingutjaudjen.  ©in  Hauptaugenmerk  muffen  in  biefer 
ßantilene  bie  Bürgen  ferjn,  bamit  ifjr  GfjarafterifiifcfjeS  nidjt 
oertetjt  rcerbe.  ©ie  finb  bafjer  meid)  unb  etma§  breit  gu  geben. 
2)af$  biefer  SBinf  nid)t  aud)  bem  ©egenfatje  gilt,  öerftebjt  ftd) 
mot)(  tion  fefbft. 

5?teffact)e  ©rfatjrung  tjat  micfj  betetjrt,  ba$  e§  felbft  ge= 
bitbeten  SJhififern  fd)tt>er  mirb,  irgenbmetdje  Stelle,  fet)  fie  Dorn 
(Eomponiften  nod)  fo  tief  empfunben  unb  bem  ridjtigen  3Ser= 
ftänbnife  natje  gelegt,  nicljt  mie  ein  Ittjrmerf  abpfpieten;  bie 
Sd)riftgeid)en  beö  iji  %act§>  fjaben  batjer  biefelben  im  gmang^ 
lofen  5tu§brud  iljrel  ©efütjbo  fortan  beirrt.  'Sie  Umluanblung 
aber  biefer  Sntrobuction  in  einen  '2/i  %act,  tnoburd)  bem  oer= 
mötjnten  Singe  bie  breigefdmwnäten  sJioten  entzogen  merben,  Jjat 
bi3meUen  ein  ermünfdjieS  9^efuttat  getjabt.  QtiQt  ber  5lugen= 
fdjein  be§  in  ber  t>orau<§geIjenben  ©rgöngung  angeführten  aftotiüä 
auS  bem  Cis  moll=Ouartett,  mie  S3eett)ooen  mit  feinem  SDZoriü 
$erfud)e  in  oerfdjiebenen  Sactarten  gum  23ef)ufe  beabfidjtigter 
©eftattung  be§  gangen  ©atjeS  angeftellt,  (tljematifd)e  ©urcfj* 
fü^rung,)  fo  fotl  ber  reprobucirenbe  Äünftler  ärjntidje  $erfud)e 
gum  Seljufe  richtigen  Vortrages,  menn  aud)  bto§  mit  einzelnen 
Reiten  eines  großen  2Berfe3,  nid)t  üerfdmtärjen.  3U  fixerer 
Sluffaffung  fdjmieriger  ©teilen  oedjetfen  pmeilen  gar  rounber* 
licfye  Sßerfudje  auf  ©eitenmegen. 


—     718     — 


@eitenfa§  aus  bem  erften  Sütegro 

pocco  dimin. 


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decresc. 


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e  irttard. 


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ufto. 


(Srfcfjeinen  bie  beiben  principe  (©egenfä'jse)  in  ber  3>ntro= 
buction  nur  erft  angebeutet,  fo  björen  mir  fie  in  biefem  <2eiten= 
fat>  in  gebräugter  $orm  ftcfj  neben  einanber  toieber^oft  au3= 
fpredjen.  ©etbft  ber  üertrodnetfte  ©fatoierfe^rer  bürfte  nicl)t 
anftetjen,  biefem  ©a§e  eine  befonbere  S3ebeutung  aujuerfennen, 
roenn  irjm  berfetbe  in  runfttertfct)  burcrjbactjtem  Vortrage  §u 
©et)ör  gebraut  loirb.  £ie  erforberlidje  üftuancirung  liegt  mit 
borftefjenber  83egeicf)nung  offen  5U  Stage.  ©a§  öfter  bor= 
fommenbe  3eid)en  v  foü  nid)t  b(o§  einen  üerftärften  3fccent,  aucf) 
nodj  ein  fteineS  ^ertueiten  auf  ber  betreffenben  9?ote  anbeuten, 
tnoüon  aber  bie  begleitenben  (Stimmen  in  ber  Unten  §anb 
feine  9?oti3  netjmen;  fie  bemegen  fid)  in  feftem  ßeitmafj  bi§ 
jum  testen  £act  ber  ^eriobe.  (©iefje  bie  (Scr/ufemorte  öon 
*Jfy  ®m.  93acr/3  ßet)rfat3,  II,  227.) 

Sin  grceiten  <3a£  ber  Pathetique  „Stbagio"  festen  öiele 
btynamifdje  SBe^eicrmungen  in  allen  £)ruden.  ©djon  im  S£rjema 
erfjebt  fid)  ber  SluSbrud  üom  piano  (Eingang)  bi§  ^um 
mezzo  forte  im  6.  £acte,  unb  fefjrt  am  ©djluffe  (im  8. 
Xacte)  mit  einem  diminuendo  jum  piano  gurüd.  SBarnteS 
©efüfyl  im  SSortragenben  mirb  bie  ferjtenben  ©egeidinungen  an 
ber  red)ten  (Stelle  unfdjroer  3U  erfe^en  miffen.  gurüdljalten 
ber  SBemegung,  5.  $.  bei  ber  ©efangftelte  in  F  moll  üom 
17.  bi3  23.  %act,  unb  $ormärt3get)en  mit  ber  S3emegung, 
üom  37.  Sacte  an  b\§>  §um  SSiebereintritt  be§  £)auütmotiü3 
in  As  dur,  gehören  tjier  im  galt,  roie  in  jebem  anbern  2lbagio, 


—     720     — 

gu  ben  roefenttidjen  Grforberniffen  ber  SDarftetfung  im  ©eifte  ber 
Stoubid)tung.  (©ielje  9)2  uficalif  djen  3$ett  oon  Seite  575  bi§ 
579.)  9?ur  ber  gebilbete  $unftgefdjmad  roirb  im  3ur"cf^alten 
ttne  aud)  im  &lormärt§gerjen  ba$  richtige  3ftafs  treffen,  oft  aber 
erft  liad)  merjrfadjen  Sßerfudjen.  Sern  ©efütjle  aflein  ift  nidjt 
3U  öertrauen.  —  ferner  finb  in  biefem  ?(bagio  fomorjt  rfyetorifdje 
Raufen  mie  Gäfurcn  mctjrfacrj  angumenben.  Unerläfeüd)  roirb 
eine  foldje  Sßanfe  fetin  tior  ^Beginn  ber  Gantilene  in  F  moll, 
unb  eine  Säfut  Hör  ber  in  As  moll  im  37.  Sacte. 

3m  britten  ©afte  „9ionbo"  feljlt  feinet  ber  notfyroenbigen 
SBortragSgeidjen,  roenn  man  bjiegu  blo§  bie  übficfjen  gäfjten  roitt. 
2)er  benfenbe  ©pieter  roirb  aber  nad)  bem  fyier  eingeführten 
bie  ©teilen  balb  auffinben,  roo  er  bie,  bie  SBirtung  nod)  gu 
ertjöfjenben  äßittel  muficalifdjer  9\ebefunft  anguroenben  f)at.  2)a§ 
4J>auptmottö  biefe3  (5a|e§  in  ber  Jjumortfttfdjen  Sßeife  anfd)au= 
üd)  madjen  gu  rooften,  roie  es  23eett)ooen  fetbft  tiorgetragen, 
roiberftrebt  jebem  Serfudjc  mit  SSorten  unb  3e^en- 

9Jcögen  bie  sperren  „Glatiier=sJ)tafter"  fortfahren,  biefe 
(Sonate  foroof)!  rote  alle  nnbern  ber  erften  unb  großenteils 
aud)  ber  groeiten  ^eriobe,  toeil  fte  feine  fingerbredjenben  ^Saffagcn 
enthalten,  gu  ben  „fleinen"  511  gälten,  unb  au3  biefem  ©runbc 
felbe  oon  itjren  ©d)ülern  mit  unb  oljne  latent  abflimpern  gu 
laffen.  ®§  fann  nad)  allem  9lu§gefagten  nicfjt  meine  2lbfid)t 
fetin,  fte  eine!  SBeffern  belehren  gu  motten.  Senn  mer  fid)  nidjt 
belehren  (äffen  roill,  ober  bie  $affung3fraft  für  JBeffcreS  nid)t 
beftgt,  an  bem  fdjeitert  fogar  ber  pofttiofte  SBeroeiS.  2)ie  Gn> 
folge  oon  9)?antetreben  in  ben  ÜBSinb  gehalten  tjabe  id)  bei  mir, 
mie  bei  Sinteren,  fdjon  oft  genug  gu  beobachten  ©etegenfjett  ge=. 
fjabt.  ©§  feti  gier  nur  nod)  bemerft,  baß  e§  bie  SSctt  root)t 
nod)  nid)t  gefetjen  tjaben  bürfte,  baß  ©djtfler'§  große  ltirifd)e 
©icfjtungett  gu  Vorlagen  für  ©d)üler  auf  ben  unterften  ©tufen 
gebraucht  roorben  mären.  9J?it  ^onbidjtungen  aber,  bie  mit 
jenen  auf  gleicher  Jpölje  ftetjen  unb  bie  tjoctjften  Slnfprüdje  an 
bie    SBortragenben   ftellen,   pflegt   mau    e»   anberS   gu    galten, 


—     721     — 

natürlich,  man  fiet)t  ja  nur  geidjen  uor  f%  toetöje  Zone  be- 
beuten.  Sn  folgern  $erfat)ren  offenbart  ftd)  nitfjt  nur  ber 
flägtid)e  23ilbung§grab  bei  bem  allergrößten  XtjeUe  derjenigen, 
bie  fiel)  mit  bem  Unterrichte  ber  Sugenb  befaffen,  e§  mirft  über- 
Ijcmtit  ben  ftärtften  Scfjlagfrfjatten  auf  bie  tion  Stfterfritilern 
fortan  geuriefene  intelligent  unferS  muficalifetjen  ßeitalter§. 


N.  ©efdjid)tltdje§  über  ßinfütyrung  SBeeujotien'fdjer  SÖtuftf 
in  Sßari§. 

tiefer  gefdjicfjttidje  Umriß  finbet  in  hm  Einführungen  beö 
3)cuficatifd)en  £rjeite§  (Seite  611  feine  Segrünbung.  Söiebertjolt 
muß  anerkannt  merben,  baß  ot)ne  ba§>  ^Sarifer  ßonfertiatoire 
üorneljmlict)  bie  gefammte  Slatiier^ufif  unferS  3fteifter<§,  bie 
buret)  bie  fjeranbrängenbe  $(utt)  ber  mobernen  bereits  um  bie 
SJtitte  be§  äloeiten  SafjrgctjenbS  oom  Repertoire  gu  tierfdjtoinbett 
begann,  niemals  mieber  it)re  2tuferftet)itng  gefeiert  tjätte.  ©iefem 
funftrjiftorifcl)  tt>ic£)tigen  (Sreigniß  timrb  im  Sfadjtrag  §u  ben 
früheren  Auflagen  biefer  ©djrift  eine  auSfüfjrtidje  ?tbt)anblung 
gemibmet,  bie  fiefj  gleichzeitig  fritifcX)=6etract)tenb  über  bie  außer* 
orbentlidjen  Seiftungen  biefeS  ^arifer  SnftitutS  tierbreitet  tjatte. 
@egenmärtige3  fott  fiel)  jebocfj  b(o§  an  ba§>  ©efdjicrjtlidje  galten 
unb  geigen,  weldie  ^ßrjafen  bie  23eett)otien'fd)e  SDJufif  burdj* 
gumaerjen  gehabt,  bis  bie  (Eonftituirung  ber  Societe  des  Concerts 
eine  £rjatfad)e  gemorben.  3u9^e^  foff  eS  bie  SJcänner  narntjaft 
madjen,  meiere  eine  Reirje  tion  Sauren  tjinburet)  bemütjt  gemefen, 
bie  Stuf  nannte  ber  23eett)otien;)d)en  Snftrumentat-^tufil  im  (Son= 
fertiatoire  trofc  alter  §inberniffe  anjubarjnen.  £)iefe£  Sßerbienft 
gebütjrt  ju  aUernäctjft  brei  2)eutfd)en,  bereu  9iamen  in  ber 
9Jhrfinoelt  tion  gutem  Stange  finb.  (Sie  Reißen:  llrtjan,  ©ina 
unb  ©t o dt) au fen.  (Srfterer,  au§  SKontjoie  im  Regierung^ 
bewirte  3lad)en  gebürtig,  tuarb  feinet  feltenen  latente!  megen 
fd)on  al§  Snabe  tion  ber  Saiferin  Sofeptjtne  nad)  $ari3  ge= 

2t.  ScJ)tnMer§  95eetijoöe:t=58io8rat>tjic.  4g 


—     722     — 

nommen  unb  im  Sonferbatoire  erlogen;  Den  tarnen  be3  anbern 
§at  ber  2efer  unter  ben  äKttgliebern  be§  9iafumom§fr/fd)en 
Quartette  in  2Bien  nennen  gehört,  unb  ©tocffjaujen  mar  Warfen« 
birtuofe  unb  tjatte,  ttrie  Sina,  feinen  beftänbigen  Sfufentfjalt  in 
$ßari§  genommen,  liefen  brei  föünfttern  berbanft  ber  SBerfaffcr 
bie  betreffenben  £aten,  bie  bon  ^abened,  £utou,  $b,üipb, 
unb  anberen  9)?ttbegrünbern  ber  Societe  des  Concerts,  bem 
S?crfafjer  gegenüber  als  maf)r  bekräftigt  morben  ftnb. 

93i3  in'S  Satjr  1800   mar  Seettyoben'S  9came   in  ^ari§ 
nur  einigen  Duartett=Spie(ern  befannt,  barunter  £>abened  unb 
^tjilipp.     Sßaö  (Eljerubini  über  bie  in  Sßien  gemachte  33efannt= 
fc^aft   mit   ben   Crdjefter*2Berfen    be3   beutfct)en   äMfierä   ben 
^ßarifern  mitgebracht,  mar  für  biefetben  nid)t§  meniger  a(s  bor= 
tfyeiftjaft,   —   barüber   fdjon   be§   9Mt)eren   gefprodjen   morben. 
&ber  gerabe  biefe  Sluäfagen  maren  Sßerantaffung  51t  einem  $erfucb, 
mit  ber  erften  Sinfonie,   ber  gum  Sßorttjeit  be§  SBerfeö   auä= 
gefallen.    Sm  Sa§re  1807  erhielt  bie  2lllg.  3Ruf.  £tg.  auö  <}Sari3 
einen  furzen  Seridjt  über  ba$  (Sonferoatoire,  beffen  SJSortlaut 
nad)ftet)enber  ift:    „Sfyerubini   t)at  feit  feiner  .ßurücf  fünft   au§ 
SBien,  in  ©efellfdjaft  mehrerer  treuer  unb  t)ocf)ad)tung§mürbtger 
Sefjrer,  bem  (Eifer   ber  ßöglingc   be§  GonferbatoireS  nicf)t  nur 
einen   neuen  Sdjtuung,  fonbern   aud)   eine   befonbere,   auf  ba3 
©rnfte,  ©rofje  unb  Strenge  gerichtete  Sßenbung  gegeben  .... 
Wad)  mehreren,   niemals   bom  publicum  begünftigten,  früheren 
SBerfudjen,  5.  25.  bie  SJcoäart'fcfjen  (Sinfonien  befannter  §u  machen 
unb  iijnen  ben  berbienten  (Eingang  %u  berfdjaffen,  berfudjen  Sie 
bieö  bod)  immer  röieber,  unb  e§  fängt  nun  an  ifjnen  gu  glürfen  — 
befonberg  aud),  ha  bie  jungen  äftufiler  biefe  Sinfonien,  nadjbem 
fte  fte  mit  ben  Seljrera  einftubirt  tjaben,  gan§  bortrefflid)  aus- 
führen.   25or  einigen  SSodjen  berfudjte  man  e§  nun  aud)  mit 
23eett)Oben'§  Sinfonien  unb  gab  bie  erfte  meiftertjaft.    *3)a  biefe 
fet)r  lebhaft  unb  meiftenS   teidjt  berftänbtid)  ift,   aud)  manches 
angenelmt4aunige  f)at,  fo  ließ  ftd)  ber  93eifaü  borauefetjen:  aber 
bod)  ein  fo  auSge^eidjneter  nid)t! . . .  3e£t  ermartet  man  nädjftenS, 


—     723     — 

aufjer  mehreren  Sftojart'fcfyen,  üftro.  2  ber  ©infonien  üon  93eet= 
tjoOen,  mit  tuetdjer  man  aber  etoa£  fdjmerereä  ©piet  fjaben 
mirb,  ba  fie,  bei  fdjmierigerem  rjarmonifdjem  ^Cnttjeit,  fo  beträcrjt= 
tid)  länger  ift,  at§  man  e§  fjier  nod)  gemotjnt  tuerben  fann. 
Snbefe,  ma§  ü)ut  bei  un§  ein  einmal  aufgeregter  @ntt)ufia3mu§ 
ttidjt!"    Stttg.  9)?uf.  ßtgv  9.  $af)rg.,  ©.  516. 

2)er  (Sorrefponbent  f)atte  bie  flippen  richtig  üorauSgefefyen. 
©er  burd)  bie  erfte  ©infonie  aufgeregte  @ntt)ufia§mu§  marb  in 
$otge  ber  Sänge  einiger  ©ä§e  ber  feiten  ööüig  mieber  erfticft 
unb  ba§  2Ber!  fatlen  gefaffen.  ©eitbem  backte  Sftiemanb  baran, 
e§  mit  ben  fotgenben  $u  oerfuctjen. 

®ie  Dccupation  ber  oerbünbeten  SDcäctjte  braute  1815  einen 
fönigt.  preufcifdjen  SBerpflegungSbeamten,  9?amen§  $ari3,  in 
bie  frangöfifdje  §auptftabt,  öon  bent  ber  näcfjfte  SmputS  im 
Sntereffe  ber  25eetl)oüen'fd)en  3nftrumentat=9Jcufif;  ausgegangen 
ift.  ?tt§  befonberer  9Jcufiffreunb  unb  fetbft  Stuäübenber  fyatte 
biefer  Beamte  halb  einige  beutfd)e  9)?ufiter  an  ftc£>  gebogen, 
barunter  Urf)an  unb  ©todfjaufen.  Stuf  feine  @mpfef)lung 
ttefj  ber  teuere  bie  Siufonia  eroica  au§  £)eutfd)tanb  fommen 
unb  übergab  fie  in  Segleitung  üon  Urtjan  an  £abened*),  ber 
jur  3e^  ftf)°n  °*e  ßoncerte  ber  gögtinge  be§  SonferüatoiresS  §u 
feiten  gehabt,  ©rft  nad)  längerer  3eit  fcfrjritt  biefer  gu  einer 
^robe  baöon.  dlad)  bem  erften  ©afce  lachte  atteS  taut  auf, 
fo  nacfj  bem  jmeiten  unb  e§  toftete  ttic£)t  menig  Ueber* 
rebung,  ba§>  Drd)efter  gum  ©urdjfpieten  ber  nod)  fotgenben 
©ä£e  gu  oermögen.  ©omit  fdjien  ber  23eetljoben'fd)en  9ftufit 
bafetbft  ber  ©tab  für  immer  gebrodjen,  unb  ba  fetbft  §abened 
ben  9ttuü)  tiertoren,  tootjt  audj  nod)  5U  menig  @tnfid)t  in  bie  ©adje 
getjabt  fyaben  mochte,  fo  mußten  ade  Weiteren  $erfud)e  aufgegeben 
unb  bie  &\t  ber  fortgefcfjrittenen  23itbung,  ober  ein  abermaliger 
öon  5tu^en  fommenber  Smputö  §u  erneuerten  SBerfucrjen,  ab= 
gemartet  merben.    Sn^mifdien  marb  mit  ben  bereite  bekannten 

*)  §abenecf'§  SSater  war  aus  sIRann()etm  gebürtig,  er  fefbcr  aber  in 
Sßari§  geboren  unb  üerfianb  fein  Sßort  ©eutfcö. 

46* 


—     724     — 

SBerfen  greüet  getrieben  unb  nur  feiten  gefdjal)  es,  ban  man 
irgenb  einen  %fyÜ  a(§  Südenbüfcer  gebraucht  fjat.  23eetf)oüen 
fjörte  Don  Duabriüen  unb  hängen,  bie  man  auZ  [einer  SQcufif 
in  $ariS  madjte. 

©egen  1820  fam  Sina  nad)  SßariS  unb  enifdjfoj}  fidj 
balb,  feinen  bteibenben  5lufentt)att  bafelbft  gu  nehmen.  SDie 
ärgerlichen  3uf*änbe  mit  SeetfjOüen'S  fämmttidjer  DJcufif  uer= 
anlasten  it)n,  nad)  längerer  3e^  m  ©emeinfdjaft  mit  llrljan 
nod)  einen,  oielleidjt  ben  testen  Schritt  bei  §abenetf  ^u  tt)un. 
9cad)  feiner  2Inficf)t  füllte  ber  näcfyfte  Sßerfud)  mit  ber  C  moll= 
Sinfonie  gemalt  toerben,  üon  beren  ©jiften^  fogar  bie  ftortipl)äen 
im  Gonferüatoire  nod)  feine  Slenntnift  gehabt,  ßin  Ummeg 
marb  öorgefd)(agen,  um  menigftenS  ^abened's  Steugierbe  nad) 
bem  SBerfe  rege  ^u  machen.  Ss>  roarb  ifjm  nämtid)  ein  anonymer 
23rief  §ugefct)icft,  ber  üerfd)iebene  Öcotijen  über  bie  C  moll= 
(Sinfonie  enthielt,  mie  fte  nur  Sina  5U  geben  öermodjt, 
ber  aud)  biefeö  SBerf  unter  be§  SD^eifterö  perfön  tidjer  Leitung 
fennen  gelernt.  §abened  fjatte  geuer  gefangen  unb  münfdjte 
bie  Partitur  §u  fetjen,  meldje  Urf)an  glüdttdjermeife  in  ber 
fönigt.  23ibIiott)ef  öorfanb.  9?ad)  siemücr)  langer  3°9^*ung 
fam  e§  gu  einer  ^Srobe  baüon,  bie  befriebigenb  auffiel;  aber 
erft  in  einer  ber  folgenben  fing  e§  in  ben  köpfen  ber  9J?u[ifer 
an  §u  bämmern.  Unüerrceilt  fdjritt  man  ju  Sßerfudjen  mit 
ben  anbern  Sinfonien,  bie  nod)  unbefannt  geblieben,  unb  fiet)e 
ha,  ber  (Srfotg  mar  gur  Ueberrafdjung  Mer  bem  mit  ber  in 
C  moll  erreichten  gteidj. 

2)ie3  maren  bie  öerfdjiebenttidjen  Anfänge  mit  53eetf)ODen'§ 
Snftrumentat=9)?ufif  im  ^arifer  Gonferöatoire.  2)ie  immer 
größeren  (Srfolge  bei  öermefjrtem  ^ertrautmerben  mit  berfetben 
erzeugten  in  fämmtttd)en  Äünfttern  eine  53egeifterung  unb  ein 
bi§  bafjin  nod)  nict)t  gekanntes  §od)gefüt)t,  beffen  fid)  biefetben 
nod)  im  3af)re  1841  mit  ebtem  Sto^e  erinnerten.  3d)  fyörte 
fie  fagen:  „33eett)ooen  letjrte  unö  bie  $oefie  ber  Sonfunft, 
feine  Sftufif  ermedte  in  um§  guerft  ba<S  Semu^tfeftn  ber  2Bürbe 


—     725     — 

unb  öebeutung  unfereS  23erufe§,  unb  nadjbem  mir  itjn  jum 
Srjeil  begriffen  Ratten,  erfannten  mir  auctj  bie  un3  obtiegenbe 
^fticfjt,  bie  Verbreiter  feiner  SOcuftf;  roerben  31t  f ollen.  @r  ift 
unfere  $reube,  ober  aucfj  unfere  Veräroeifhtng,  roenn  mir  it)m 
nadjftreben  motten." 

2)a§  $ebürfnif$  §ur  SBegrünbung  eines  gefcfjtoffenen  Vereines 
§ur  9tealiftrung  eine§  fo  rwrjen  Qroedtä  füllte  Seber;  allein 
£n'nberniffe  mannidjfadjer  2frt  traten  beffen  Gonftituirung 
entgegen,  h\§>  bie  ®unbe  öon  Veetfjoüen'»  Stob  aüe  befeitigen 
r)alf.  ©djon  im  Sanitär  1828,  neun  ütfonate  nadj  be§ 
9Jieifter3  §eimgange,  eröffnete  bie  Societe  des  Concerts  itjre 
©ituuigen.  SDer  SBettruf  itjrer  Seiftungen  mact)t  Ijeutäutage 
jebe§  SSort  p  ifjrem  Sobe  überflüffig.  3ludj  nad)  bem  §in= 
fdjeiben  §a6ened'3,  ber  bie  ©eele  be§  (fangen  geroefen,  be= 
Rauptet  ficb  biefe  feine  ©djöpfung  (bem  ©eifte  nad))  at§  ba§ 
erfte  Snfritut  ber  SBett. 

(3ur  ©teile  mirb  e§  nidjt  ofjne  Sntereffe  feint  §u  erfahren, 
mie  e§  ber  SKuftf  unferS  SJceifterS  in  (Sngtanb  ergangen  ift. 
©cfjon  um  ba§  Satjr  1812  Waren  bie  Sinfonien  bon  1  bi§ 
inctnfine  6  auf  bem  Repertoire  ber  prjilfjarmonifcfjen  ©efeü- 
fcfjaft  in  Sonbon  unb  erfreuten  fic£)  alle  gleichen  SBeifattö;  be= 
äügtid)  ber  ^aftorale  ift  tjerooräurjeben,  baf?  biefelbe  nirgenbS 
weniger  2(nftoJ3  erregt  rjatte,  at§  eben  bafetbft.  Sd)on  nad) 
einigen  SSieberrjotungen  warb  ifjr  ooüfommene  SBürbigung  ju 
%tytil  SBenn  fid)  a6er  beffen  ungead)tet  noctj  einzelne  ©iffenterS 
gegen  bie  3.,  4.,  5.  unb  aud)  6.  fanben,  roetctje  bie  beiben  erften 
Sinfonien  aüein  gelten  laffen  wollten,  fo  Wirb  biefe  (Srfdjeiuung 
au§  jenen  Sarjren  wotjt  weniger  auffallen,  als  wenn  man 
llübifcfjeff  fogar  im  fecpten  Sarj^eljenb  nod)  ber  1.  Sinfonie 
ben  SßreiS  guerfennen  rjört.  (Sr  nennt  fie  in  feiner  Sttojart* 
Viograöfjie  „bewunbernswürbig,"  —  weit  er  äKogarFS  Strjl 
barin  finbet.  —  9tod)  1816  ift  üon  einem  in  SBien  gewefenen 
englifdjen  ©eneral,  Samens  §am,  (oorgebtid)  im  auftrage  ber 
pfjUtjarmonifdjen  @efeHfd)aft)   unferm  9D?eifter   ber  Antrag  ge= 


—     726     — 

madjt  morben,  gfoei  (Sinfonien  im  ©tt)(e  feiner  1.  unb  2.  für 
biefe  ©efettjdjaft  ju  fdjreiben.  @8  läfjt  fid)  benfen,  meld)'  un= 
tiebfame  Shifnaljme  biefer  Antrag  gefunben.  SllSbalb  marb  aber 
SSeetljoöen  in  $otge  birecter  anfrage  in  Sonbon  oergettnffert, 
bau  ber  (General  nur  feine  perföntidjen  SBünfdje  au§gefprod)en 
Ijabe  unb  afö  auäfdjftefeftdjer  SBerefjrer  3J?05art'fd)er  SOcuftf 
befannt  feto.) 


0.   ©in   9lütfblicJ   auf  SBeetljotoen'g   ganbftftltotfje!  unb   bic 

öffcntlidje  SSerftetgentng  bc§  mufUaltfdjen  9lnd)toffe3  im 

9io*em*er  1827.37B) 

SBer  ba<§  früher  tion  mir  über  beS  9J?etfter3  93ib= 
liotljef  2(ngefül)rte  in  Sßerg(eid)  fteüt  mit  ber  in  „Seetljoöens 
©tubien"  ©.41  u.  ff.  gegebenen  „geridjttidjen  Snbentur  unb 
©djätmng  ber  ^ur  SBerlaffenfctjaft  gehörigen  SOiuftcalien  unb 
SSüdjer  be§  oerftorbenen  2onfe§er§,M  mirb  in  ber  muficalifdjen 
?(btt)ei(ung  einen  auffallenben  SSiberfprud)  finben  unb  fragen: 
auf  metdjer  ©eite  ftefyt  benn  bie  SSat)rt)cit  ?  2Säf)renb  ber 
Siograpt)  unter  anbern  augfagt:  „93on  Sof.  §aübn  unb 
(Sljerubini  mar  feine  üftote  ba,  u.  f.  m."  fü£|rt  jene§  SSer^eidjni^ 
in  ber  SRubrif  „gefdjriebene  9J?ufif"  bie  Partitur  üon  ©t)eru= 
bini'3  $ani£fa  nebft  21  üerfcfjiebenen  ^ßiöcen,  ebenfo  öon  £mt)bn 
unb  üücojart  öerfdjiebene  2öerfe  auf.  2>e3g(eicfjen  erfdjeinen  in 
ber  9tubrit  „geftodjene  9Jcufif"  brei  SBerfe  oon  §at)bn  unb 
mehrere  oon  SD^ö§artr  9tod)a,  ©atieri,  (Sfjerubini,  SKeljuI, 
^SaefteEo,  ©eb.  23ad)  u.  a. 

lieber  foldje  !Retc^t)aCtigfeit  allein  in  ber  muficaüfdjen  51b* 
ttjeilung  (bei  notorifdjem  Stbgange  felbft  eines  fleinen  9Jcufif= 
ober  S3üd)erfd)ranfe§   in    be3  äfteifters?   befdjeibener  Söofmung) 


375)  Über  die  Versteigerung  von  Sachen  Beethovens  wolle  mau 
auch  nachlesen:  G.  von  Breuning  „Aus  dem  Schwarzspanierhause". 
Neudruck.    S.  188  f.  A.  d.  H. 


—     727     — 

fjat  ber  SSerfaffer  atSbafb  feine  $errounberung  unüerfmten  au3= 
gefproctjen,  als  it)m  biefeg  ^eräeidjnifj  in  SBicn  ^u  ©efidjjt  ge= 
fommen  mar;  mit  üoller  ©idjetfjeit  lonnte  er  fidj  äußern,  ba^ 
biefe  nnb  jene  in  bemfetben  mit  aufgeführten  2öerfe  25eett)ooen 
nictjt  befeffen  nnb  ba%  fetbe  burdj  trgenb  jemanben  miberred)t= 
lief)  eingefdjmuggett  morben,  um  bei  ber  SSerfteigerung  anfet)n= 
lidje  greife  bafür  §u  e^ieten;  baft  bergleictjen  bei  Sfadjtaf^ 
oerfteigerungen  berühmter  Seute  oft  §u  gefcf)er)eit  pflegt,  ift  ja 
befannt.  SWidjtS  feister  aber  afö  ein  (Sinfcfjtnuggetn  frember 
©egcnftänbc  in  ben  ÜRadjtajj  jegtidjer  SXrt  unferä  9Keifter§,  ba 
ber  33erIaffenfdjaft8*(Surator  ba§  3lbt)anbetn  biefer  mistigen 
Slngelegenfyeit  einem  SDfanne  übertragen  Jjatte,  ber  mit  ben 
^panptagenten  bei  bem  SSerf teiger ung§*  Stete  auf  oertrautem  gufje 
geftanben  unb  in  9fted)t§fad)en  überhaupt  fetjr  geringen  $er= 
trauend  genoffen  —  menn  nicfcjt  mef)r  gu  fagen. 

bereits  fjaben  bie  Sefer  au$  bem  ©rgängunggauffa^ 
„Seetfyooen'ö  ©tubien,"  mie  nict)t  minber  au£  ber  9ftanb= 
note  (Seite  371  einen  SSorgefctjmacf  ermatten,  mie  mit  bem 
mufieatifdjen  ^cadjlaffe  bei  beffen  SSerfteigernng  berfatjren 
morben.*)  Qu  ftarer  Gsinftdjt  in  biefe  djarafteriftijdjen  2)inge 
merben  einige  aus  ber  $eber  be§  muficatifd)en  9tntiquar§  SltotiS 
$nd)§>  an  ben  Sßerfaffer  gelangte  9Jäitt)eitungen  bienen.  Unterm 
30.  (September  1851  fcfyreibt  ber  mürbige,  meiten  Greifen  be= 
fannte  SJcann: 

„  . . .  .  2Ba§  bie  Driginal=^artitur  oon  25eetf)oüen'3  $ceffe 
in  D#  betrifft,  fo  fann  ict)  Sfynen  gotgenbeS  au§  eigenem  (£r= 
lebnift  mitreiten: 

®§  mar  im  §erbft  be§  Sa^reS  1828,  afö  mief)  ber  Sfynen 
gemifj  aud)  bekannte  muficatifdje  ©efd)id)t3forfd)er  ©.  ^ßöldjau 
au§  Berlin  befudjte,  unb  ba  mir  fdjon  lange  im  autograptjifcljen 
SSerfefjr   ftanben,   mid)   fragte,   ob   ict)    it)m    nid)t   ein  fdjöneä 

*)  (£§  öerbient  bemerft  ju  merben,  ba$  ben  au§tuärtigen  Verlegern 
biefer  9Serfteigernng§=9lft  gänsltcf)  unbefannt  geblieben,  barnm  Don  bortfjer 
leine  Soncnrren^  gefomrnen  ift. 


—     728     — 

2Iutogro.pt)  üon  ^eetljoben  üerfdjaffen  tonnte?  S5a  id)  6et 
33eetljoüen'3  STucticn  Slugengeuge  mar,  mie  bie  Verleger  Slrtana 
unb  ipaStinger  3Btte3  gufammenrafften,  unb  fetner  armen  (SI)riften= 
feefe  etma3  gufommen  (offen  moüten,  fo  rietf)  id)  §rn.  ^ßötdjau 
gu  einem  biefer  Ferren  511  geljen,  um  fid)  etmaS  auögufudjen. 
(£r  entfdjieb  fid)  für  9(rtaria  unb  bat  mid)  ü)n  bafjin  ju  führen. 
@l  mürben  un§  mehrere  Driginaüen  üon  Seettjooen  oorge^eigt, 
bie  mir  mit  bem  größten  Sntereffe  befdjauten.  Unter  biefen 
befanb  fid)  aud)  bie  Partitur  ber  feiten  Stteffe  in  D?  in  un= 
geljeuerm  gr.  $o(io-gormat,  unb  Sßöldjau  taufte  ba§  gange 
Kyrie  um  4  (2t.  3)ucaten  in  (Mb.  3d)  erinnere  mid)  nod), 
bafc  p  Anfang  be§  @tüde§  öon  23eetf)oüen'S  ftano  gefd)rieben 
ftanb:  „9§om  feigen  fam  e3,  §um  Jpergen  möge  e§ 
gefjen."*)  (SS  geljört  aber  ein  faufmännifdjer  $anbali§mu* 
baju,  üon  einem  fotdjen  SSerfe  ba§  Kyrie  einzeln  gu  üerfaufeu, 
unb  fo  ba§>  ©ange  roie  ein  gefdj(ad)tete3  Samm  pfunbmeife  aui^ 
§ufd)roten.  9Sie  mit  ber  ©ortirung  be$  Q3eett)oüenfdjen  %lafy 
(affeg  umgegangen  mürbe,  tjabe  ict)  felbft  erfahren,  inbem  id) 
mir  unter  an  bem  Stutograpfyen  aud)  ba3  Kyrie  ber  erften  SOJeffe 
in  C  taufte,  nad)  Sauren  aber  eben  bei  9trtaria  baZ  Gloria 
biefer  9J?effe  fanb,  meldjeg  id)  um  fernere  Opfer  an  mid)  bringen 
mußte,  um  biefes?  fcfjöne  SSerf  nur  einigermaßen  gu  ergänzen. 
Seiber  get)t  ba§>  Gloria  nur  bis>  gum  Quoniam,  unb  mo  ber 
9teft  fet)n  mag,  miffen  bie  ©ötter.  ?(tle  angemanbten  SBerfudje 
ber  Sluffinbung  blieben  frud)t(oö.  $ietfeid)t  miffen  «Sie  hierüber 
Sefdjeib?" 

Setber  fonnte  id)  bem  treffüdjen  Spanne  nidjt3  erfreulid)e* 
ermibern,  ba  id)  mid)  §ur  ßeit  be3  $erfteigerung3=2Tcte3  in  ^JSeftf) 
befanb.  (£§  gab  metjr  benn  einen  @runb  bem  3ufa^e  3U 
banten,  ber  mid)  üom  Sdjjauptatje  fo  ärgerüdjer  Vorgänge  fern 
gehalten,  fid)erüd)  märe  id)  im  Stampfe  mit  ben  greütern  allein 

*)  2£Iot)§  gud^S  bemerft  tjier  in  einer  9tanbnote,  bafc  ftdj  biefe§  Kyrie 
gegenwärtig  in  ber  berliner  §of=23i61iot^ef  befinbe  fammt  bem  ganzen 
^öidjau'id)en  SRacfjlaffe.    S)ort  tjat  e§  aud)  ber  53erfaffer  gefefjen. 


t-     729     — 

geftanbeu,  roie  fo  oft  im  Saufe  ber  fotgenben  Saljre.  Snbefc 
fyatte  obige  SJcittrjeilung  fo  3J?and)eS  in  ber  Erinnerung  roieber 
macfj  gerufen,  bem  nun  burd)  ©efättigfeit  bon  2lfot)S  $ud)S 
weiter  nacfjgeforfdjt  roerben  tonnte.  <5o  fagte  mir  aud)  bie  @r= 
innerung,  bajj  baS  9{ufnal)me=$8er5eid)nif$  beS  33eetrjoben'fdjen 
9cacfjtaffeS  bie  Partitur  üon  ber  Missa  solemnis  nidjt  enthalten 
unb  iclj  mid)  bergebenS  bemüht  r)atte  p  erforfdjen,  rooljin  biefeS 
anfeljnlid)e  Sßolumen  gefommen,  baS  bis  §ur  ©terbeftunbe  beS 
SKeifterS  auf  bem  3}üd)er~9tebofitorium  51t  fetjen  geroefen. 
?(.  $udjS  erbat  ftd)  in  ber  Standet  bon  Dr.  $8ad)  Einfielt  in 
jene§  SSeräeidjnijs  unb  fanb  genannte  Partitur  roirfticfj  nidjt 
barin.  lieber  biefeS  Ergebnis  berichtet  er  mir  unterm  28.  Dctober 
1851  9cad)fte§enbeg: 

„ 2tuf  merdje  SBetfe  §x.  % in  ben  23efi§  beS 

Originals  bon  Sßeetljoben'S  9)?effe  Djf  gefommen  ift  —  biefeS 
bermag  icf)  nidjt  51t  erflären;  man  muji  raoljl  tjoffen  auf  feine 
anbere  $trt,  aU  burd)  ben  Stnfauf  in  ber  Slucrion;  hak  biefeS 
&tM  im  Snbentar  nidjt  berjeidmet  mar,  beroeifet  nur  aber= 
matS,  mit  roefdjer  ©adjfenntni^  jene  Männer  auSgerüftet  roaren, 
roeldje  ben  muficalifdjen  Sfadjlafi  23eetrjoben'S  georbnet  unb 
ber^eidjnet  Ijaben.  Sdj  fjabe  bie  ©buren  foldjer  SIbfurbitäten 
in  £)änben,  tote  man  mit  biefen  ©djätjen  geroirtljfdjaftet  rjat."  u.  f.  ro. 

9ttöge  mit  SSorftefjenbem  nun  aud)  baS  (Sabitel  ber  ber= 
tegerifdjen  grebel  an  ber  ^erfon  beS  großen  SDceifterS  roie  aud) 
an  feinen  ©eifteSbrobucten  gefdjloffen  ferjn,  obgfeid)  eS  beimeitem 
nidjt  erfdjöbft  ift.  Sie  gereifte  ©träfe  bafür  roirb  jeber  reblidj 
"Senfenbe  felber  $u  bictiren  rjaben.  23ie(teid)t  bemädjtigen  fidj 
bie  literarifdien  ipetferSljelfer  biefeS  gercif3  inljaltfdjroeren  (SabitefS 
unb  merben  e§  fo  fdjön  au^ufdjmüden  berfterjen,  bafj  bie  $reb(er 
in  adjtbaxz  ^uuftförberer  umgeruanbelt  erfdjeinen,  benen  bie 
gefammte  9Jcufifroeft  511  'Saufe  berbfüdjtet  febn  folt.  Sergleidjen 
mar  aud)  bereits  ba,  roeit  bie  offieiöfen  Söüdjter  über  Shtnft  bei 
rügenSroertljen  Saaten  einzelner  Verleger  feit  beginn  beS 
4.  3arjr§efjenb§,  als  bie  §errfdjaft  ber  mobernen  3Sirtuofen  nnb 


—     730     — 

burd)  [ie  bie  „<Salon=9)htfif"  ijjreit  Anfang  genommen,  immer 
burcf)  bie  Ringer  gefefyen,  benfeHben  bafyer  freiet  ©piel  gefaffen 
fyaben.  ©urd)  fo(d)'  pflidjtmibrige§  ©djmeigen  ift  an  ben  SSefjer* 
geftnnten  biefe3  ©efdjäftäaroetgeS  ein  Unrecht  begangen  werben, 
weil  man  nur  gu  geneigt  mar,  £)iefe  mit  Senen  in  gleiche  Sinie 
ju  ftetten.  Sine  rüfjmtidje  2lu3naljme  f)at  allein  ba$  ^> i r  f et)  = 
bad)'fd)e  w9?epertorium  für  Sftufif"  toäljrenb  feineö  nur  5tt>ei= 
jährigen  23eftef)en§  —  1844  unb  1845  —  gemacht.  @g  I)at 
jebod)  üergebücf)  SSHrfungen  befämpft,  bereu  Urfacfyen  e3  nid)t 
§u  entfernen  üermodjte,  inbem  biefe  bereite  ben  ganzen  Äörüer 
rote  ein  freffenbeö  ©ift  inficirt  Ratten.  Sei  ben  nunmehrigen 
ßuftänben  jenes  3roeige3,  ber  längft  aufgehört  einen  „Sunft* 
fjanbel"  ^u  betreiben,  ftd)  oielmefjr  in  einen  bloßen  SQ^uftftjanbel 
mit  gan§  üerfdjiebenen  Gegriffen  unb  Qmdm  umgeftaltet  fyat, 
mürbe  fetbft  bie  üon  jebem  ©influffe  öon  jener  (Seite  unab* 
gängige  ^ritit*  fid)  Oergebenä  bemühen,  um  eine  2tefferung  im 
SßerlagStoefen  jum  $8ortIjeiIe  matjrtjafter  $unft  unb  üerbienter, 
3ufunft  üerfjetftenber  Äunftjünger  51t  erftreben,  —  unb  eine 
©djmalbe  madjt  audj  t)ier  im  $all  feinen  (Sommer,  raenn  man 
ja  auf  23egünftigung  etma  eine§  in  biefe  Kategorie  gätjtenben 
latentes  tjinmeifen  wollte,  ha§>  nietjt  feine  einer  Ijöfjeren  (Som* 
pofition§=@attung  angefjorenben  SBerfe  auf  eigene  Stoffen 
bruden  laffe.  —  §anbel  mit  fdjon  berühmten  9camen,  ofme 
9tüdfid)t  auf  innern  SBertt)  it)ver  s^robucte,  ift  in  feinem  ®unft= 
^meige  meljr  ab§  in  ber  SOZitftf  bie  signatura  temporis. 

P.  SBorljtrnbene  Reliquien  Don  Seetljobctt.376) 

©egenftänbe,  bie  großen  Scannern  bei  rtjren  täglichen  33er* 
ridjtungen  ftetö  gur  §anb  maren,  ftfeibungSftüde,  Steile  oon 
ifjrem  ^auSgerätfye,  unb  anbereS  nod)  au3  it)rer  einfügen  Um= 
gebung,  finb  5U  allen  Qdkn  als  merttjooße  @rinnerung^eid)en 
f)od)   in  @f)ren   gesotten  morben.    3n  foldjem  SBetradjte  t)aben 

376)  Viele  der  hier  von  Schindler  genannten  Sachen  Beethovens 
werden  im  Verein  „Beethoven-Haus"  zu  Bonn  aufgehoben.    A.  d.  H. 


—     731     — 

Stepfjan  üon  SSreuning,  Dr.  95ad)  unb  ber  SSerfaffer  für 
münfd)en§mertf)  befunben,  einige  ®egenftänbe  au§  $eetrjooen'§ 
.f)intertaffenfcr)aft,  beren  jeber  an  fiel)  üon  geringem,  ober  Don 
gar  feinem  (Mbmertlje,  a(§  (Srinnerung^eidjen  an  ben  großen 
ßünftler  aufeubemarjren.  Unsere  Sßaljl  fiel  ^umeift  auf  Uten= 
filien  Don  feinem  <Sd)reibtifd)e,  ber  in  früheren  Satjren  ein 
9tepofttorium  für  üietertei  ©adjen  getoefen,  bie  ben  SBefdjauer 
trjeitS  in  bie  alte  ©rieben*  unb  Sftömerraett  üerfe§ten,  tljeity 
3eitbegebenf)eiten  üor  Slugen  fteüten,  unb  roenngteiefj  aufteilen 
aU  (Spielereien  auäfefjenb,  für  ben  ernften  (Sinn  be3  9D?eifterS 
bennod)  feine  maren.  Seiber,  bafj  bie  meiften  biefer  ©egen= 
ftänbe  nod)  bei  feinen  Sebjeiten  üerforen  gegangen,  raie  am 
anbern  Drte  bereits  auSgefagt  tuorben. 

Unter  ben  öom  3Serf affer  aufbewahrten  Reliquien  befinben  ftd): 

a)  Sine  $enbetuf)r  in  $orm  einer  umgeftürgten  ^^ramibe 
mit  einem  Keinen  grauenfopfe  oon  ?tfabafter.  (Sin  ©efdjenf 
ber  gürftin  £id)nom§fü.) 

b)  SSon  ber  <panb  Seetfyooen'S  copirte  Snfcfjriften  üü§>  bem 
Tempel  ber  ©öttin  Sfteitl)  in  (Sgtipten,  (in  3M)men  unb  unter  ©laS.) 

c)  (Sine  Heine  SanDfdjaft  au$  23eetfjooen'§  paaren  oer- 
fertigt,  unter  ©la§. 

d)  (Sin  meffingener  Seuctjter  mit  einem  ©ctjirm.  ((Sin  Slmor 
in  einem  S^adjen  fitjenb  unb  ben  Seucfjter  mit  beiben  §änben 
fyaltenb.) 

e)  3^e^  ^ofafen  oon  SBronje  al§  93riefbefd)toerer. 

f)  ©ine  Heine  Sifdjgtode. 

g)  (Sine  grofje  ^5apierfd)eere. 

h)  3roei  Siegel  mit  SSeetljoüen'S  Initialen.  S)a§  gro^e 
nannte  er  fein  «StaatSfieget. 

i)  gmei  dritten  in  befonbern  Futteralen;  auf  bem  einen  fteljt 
oon  SSeettjoOen'ö  §anb  gefdjrieben  „alt",  auf  bem  anbern  „Oorbere." 

k)  (Sine  Sorgnette,  bie  er  lange  Sat)re  an  einer  f^mar^en 
Schnur  am  £alfe  rjängenb  getragen. 

1)  (Sine  «Statuette,  örutuä  Oorftellenb. 


—     732     — 

ni)  Sine  ©tafjt*  unb  eine  @an§feber  im  f^mar^en  gutteraL 
3Rit  (euerer  fdjrieb  er  fein  gmeiteä  Xeftament.  S»  roaren 
feine  festen  ©rf)rtftjüge. 

n)  Sin  9kfiermeffer. 

o)  Sin  ©pagierftorf;  ein  23ambu3roljr  mit  einem  (Silber* 
plätteten  oben,  worin  fein  9?ame  eingraüirt  ift. 

2öe(dje§  ber  einfüge  SdtfberoafyrungSort  biefel  flehten  aber 
bod)  intereffanten  Q3eett)ouen=9ftufeum§  fetin  roirb,  barüber  bin 
itf)  gur  ©tunbe  nodj  unfd)lüffig.  SebenfaßS  mirb  nnb  fott  e§ 
üon  ber  anfefjnlidjen  3at)(  üortjanbener  fdjriftftdjen  Reliquien 
an  9futograpf)en  unb  £>ocumenten,  fo  an  Suchern  unb  2ftufi= 
catien,  auf  meld)'  (entere  bereits  aufmerffam  gemacht  roorben, 
nidjt  getrennt  werben.377) 


377)  Zwei  Gegenstände  aus  dem  Schindlerschen  Beethoven- 
Nachlasse,  die  im  Beethovenhanse  Aufstellung  gefunden  haben,  sind 
ernster  Erörterung  wert:  aj  das  Lichnowskysche  Streichquartett, 
b)  das  Beethovenporträt  von  E.  Schimon.  Wer  hat  die  Lichnowsky- 
schen  Streichinstrumente  nach  Bonn  verschenkt?  Eine  wohl  aufzu- 
werfende Frage.  Diese  kostbaren  Streichinstrumente  sind  durch  Schindler 
vom  Preußischen  Staate  angekauft  und  für  die  Königliche  Bibliothek 
erworben  worden.  Vgl.  B.  S.  Br.  No.  55:  Das  Heiligenstädter  Testa- 
ment, wo  alles  Bekannte  und  Wissenswerte  über  die  Instrumente 
gegeben  ist  (I.  Band).  Wer  hat  also  das  Eigentum  der  preußischen 
Staatsregierung  einem  Privatverein  verschenken  dürfen?  Die  Instru- 
mente gehören  der  Königlichen  Bibliothek  und  müssen  dieser  Bibliothek 
in  Berlin  wieder  zugestellt  werden.  So  verlangt  es  das  ganz  deutliche 
Eigentumsrecht.  Mit  dem  zweiten  Punkt,  dem  Schindlerschen  Schimon- 
Ölgemälde,  verhält  es*  sich  natürlich  ebenso.  Das  herrliche  Schimonbild 
hing  im  Musiklesesaal  der  Königlichen  Bibliothek  zu  wahrer  Erbauung 
der  dortigen  Besucher.  Mit  einem  Male  verlegte  die  preußische 
Staatsregierung  das  von  Schindler  angekaufte  Eigentum  in  den 
Bonner  Privatverein  Beethoven-Haus,  was  durchaus  nicht  angeht. 
Das  ist  eine  Eigentumsverletzung,  gegen  die  die  Berliner  Königliche 
Bibliothek  protestieren  muß.  Das  Schimonsche  Beethovenporträt  muß 
dorthin  zurückkehren.  So  will  es  Recht  und  Ordnung.  Hören  wir  hier 
den  königlichen  Philosophen  Kant,  den  Biesenbruder  Beethovens,  der 
die  Gerechtigkeit  himmelhoch  hebt.    Kant  lehrt  über  das  Strafgesetz  die 


—     733     — 

goldenen  Worte:  „Das  Strafgesetz  ist  ein  kategorischer  Imperativ,  und 
wehe  dem,  welcher  die  Schlangenwindungen  der  Glückseligkeitslehre 
durchkriecht,  um  etwas  aufzufinden,  was  durch  den  Vorteil,  den  es 
verspricht,  ihn  von  der  Strafe  oder  auch  von  einem  (Trade  derselben 
entbinde,  nach  dem  pharisäischen  Wahlspruch:  ,es  ist  besser,  daß  ein 
Mensch  sterbe,  als  daß  das  ganze  Volk  verderbe';  denn  wenn  die 
Gerechtigkeit  untergeht,  so  hat  es  keinen  Wert  mehr,  daß 
Menschen  auf  Erden  leben."  Und  auch  diese  xqvoeo.  Im]  lesen  wir 
da:  „Denn  die  Gerechtigkeit  hört  auf  eine  zu  sein,  wenn  sie  sich  für 
irgendeinen  Preis  weggibt."  (Cf.  A.  Chr.  Kalischer,  Immanuel  Kants 
Staatsphilosophie.    1904.   S.  57.)  A.  d.  H. 


Anhang. 
Ein  Brief  Schindlers  an  Beethoven.378) 

Aus  dem  Schindlerschen  Beethoven-Nachlaß  (Mappe  II.  No.  73. 
Autogr.  36).  Schindler  schreibt  folgenden  unbekannten,  höchst  wichtigen 
Familienbrief  an  den  Meister  aus  Hetzendorff  3.  Juli  1823.  Man  ver- 
gleiche den  Neudruck  Schindler  S.  469  f. 

„Gott  zum  Gruss!  Der  beigefügte  Brief  ist  von  H  Schlöesser 
aus  Paris.*)  Ein  junger  Mahler  Nahmens  Wust  brachte  ihn  gestern 
mit  dem  Bedeuten,  dass  ihm  Schloessar  den  Auftrag  gab,  die  allen- 
fällige  Antwort  bei  Ihnen  zu  übernehmen,  u.  selbe  ihm  nach  Paris  zu 
senden.  Er  Hess  mir  deshalb  seine  Adresse  zurück.  Aus  Gastein 
Mittags  schickte  Fürst  Hatzfeld  heraus  mit  der  ernsten  Frage,  ob  er 
die  Messe  itzt  erhält,  nachdem  der  Termin  abgelaufen  sey.  Er  werde 
von  Berlin  deshalb  so  sehr  bestürmt,  dass  ihm  die  ganze  Sache  schon 
sehr  zur  Last  falle.  Sie  möchten  daher  die  Güte  haben,  ohne  Verzug 
dem  Fürsten  zu  schreiben,  wann  er  das  Werk  erhält,  damit  er  sich 
doch  in  Berlin  mit  Ihrer  eigenen  Handschrift  ausweisen  könne.  Er 
wohnt  itzt  zu  Penzing  Nro.  28,  das  3*^  —  6te  Haus  links  wenn  man  von 
Wien  aus  ins  Dorf  geht. 

*)  Über  Ihren  Brud.  u.  seine  theuren  Angehörigen  will  ich  mich 
denn  selbst  bezwingen  Ihnen  so  weit  es  die  Umstände  itzt  erlauben,  mit- 


378)  Vgl.  B.  S.  Br.  No.  903  vom  6.  Mai  1823  und  den  sechsstim- 
migen Kanon  für  L.  Schloessar,  Mai  1823,  No.  904  (IV.  Band). 

A.  d.  H. 


—     734     — 

zutheilen.  Er  ist  ein  schwacher,  leider  zu  schwacher  Mensch,  aber  doch 
höchst  zu  bedauern.  Er  ist  Ihr  Brud,  folglich  auch  aller  Ihrer  Auf- 
merksamkeit werth.  —  Diese  Krankheit  war  u.  ist  der  Probierstein, 
was  er  für  2  Schlangen  au  seiner  Seite  hatte,  und  die,  da  ich  täglich, 
so  lange  er  liegt,  3 — 4  Mahle  ihn  besuchte  u.  Stundenlang  ihn  unter- 
hielt, so  hatte  ich  Gelegenheit,  diese  2  Personen  genau  zu  beobachten. 
Ich  kann  hier  auf  Ehre  erfahren,  dass  diese  Personen  würdig  wären, 
die  alte  ins  Zuchthaus,  die  junge,  ins  Correctionshaus  gesperrt  zu 
werden.  Wie  man  einen  Gatten,  u.  Vater  in  seiner  Krankheit  be- 
handeln kann,  könnte  man  von  Barbaren  nicht  erleben,  nur  solche 
Menschen  können  es  thun.  Diese  Krankheit  kam  ihnen  Beide  gerade 
recht,  um  frei  und  unschenirt  ihr  Wesen  treiben  zu  können.  (Verfaulen 
hätten  sie  ihn  lassen,  diese  L. — ,  wenn  sich  nicht  fremde  Menschen 
sein  angenommen  hätten.  Hundertmahl  hätte  er  sterben  können,  u.  die 
eine  war  im  Prater  oder  in  Nussdorf,^]:  die  andere  beym  Bruder 
gewesen;  ohne  dass  sie  sich  nur  um  ihn  umgeschaut  hätte.  So  blieb 
er  krank  in  der  Hand  der  Dienstboten  die  ihn  nicht  hatten  allein 
Hessen,  da  er  doch  mehrere  Wochen  kein  Glied  bewegen  konnte.  Es 
blieb  also  nichts  übrig,  als  dass  er  sich  einen  eigenen  Krankenwärter 
nahm;  obwohl  da  3  weibliche  Personen  im  Hause  sind.  Diese  Kost 
aber  unglücklicherweise,  sehr  schwer:  folglich,  ist  ihm  mit  ihr  nicht 
ganz  gedient.  Er  hat  oft  geweint,  über  das  Betragen  seiner  An- 
gehörigen und  bath  mich  einstens  ganz  in  Schmerz  versunken,  ich  soll 
ihnen  doch  berichten,  wie  mau  mit  ihm  umgeht,  damit  Sie  herein 
kommen,  u.  diese  Beyden  nach  Verdienst  hauen  sollten;  allein  sein 
eigenes  Wohl  befahl  mir  es  nicht  zu  thun,  u.  Ihnen  nichts  von  allem 
zu  sagen,  was  vorgeht.  Letzten  Freitag  kam  ich  wieder  wie  gewöhnlich, 
u.  traf  den  Doctor  bei  ihm,  dem  er  klagte,  wie  er  die  letzte  Nacht 
ganz  ohne  Hilfe  liegen  musste;  wie  die  Wärtern  die  ganze  Nacht  so 
hart  schlief,  dass  er  sie  nicht  erwecken  konnte,  es  (was)  auch  kein 
Wunder  ist,  da  sie  schon  14  Tage  nicht  geschlafen  hatte.  Die  andern 
liegen  aber  im  letzten  Zimmer  und  lassen  ihm  rufen.  Ich  konnte 
meinen  Unwillen  nicht  länger  mehr  zurückhalten  u.  brach  samt  dem 
Doctor  in  ein  lautes  Fluchen  aus.    Ganz  natürlich  war  die  gnädige  Frau 

darüber  ganz  entrüstet,  ich  mir  aber  den  Teufel  daraus  mache  ( ) 

Es  ist  doch  höchst  unnatürlich,  und  mehr  als  barbarisch,  wenn  die 
Frau,  während  der  Mann  krank   liegt,    ihren  Liebhaber   zu   ihm  ins 


^  Die  Tochter  nämlich;  sie  war  ein  anHsereheliches  Kind  der 
Frau  van  Beethoven,  die  diese  ihrem  Gatten  in  die  Ehe  mitgebracht 
hatte,  im  Jahr  1823  bereits  18  bis  19  Jahr  alt. 


—     735     — 

Zimmer  führt  sich  in  seiner  Gegenwart  aufputzt  wie  ein  Schlittennest 
dann  mit  ihr  spazieren  fäbrt  und  den  kranken  Mann  zu  Hause 
schmachten  lässt.  Das  hat  sie  sehr  oft  gethan.  Ihr  Bruder  hat  mich 
selbst  darauf  aufmerksam  gemacht,  er  ist  der  Narr,  es  so  lange  ge- 
duldig ansehen  zu  können.  Entweder  müssen  ihm  seine  Hände  ge- 
bunden sein,  dass  er  diesen  Frevel  (!)  dulden  muss,  oder  wie  immer, 
kurz  sein  Benehmen  in  diesem  Punkte  ist  mir  durchaus  ein  Bätsei.  — 
Ich  war  seit  dem  letzten  Vorfall  am  Freitag  erst  gestern  wieder  bei 
ihm,  denn  nur  seine  Person  und  seine  Umstände  zwingen  mich  ihn 
nicht  zu  verlassen,  und  ihn  einige  Augenblicke  des  Tags  zu  unter- 
halten, weil  sonst  von  seinen  vielen  Freunden  auch  nicht  einer  ihn 

besucht.   Eben  höre  ich,  daß  es  ihm  heute  wieder  schlechter  geht 

Sobald  es  nur  möglich  ist  daß  er  sich  ohne  Gefahr  hinaus  wagen  darf, 
so  bitte  ich  Sie  u.  seinetwillen  ihn  zu  sich  (Seh.)  zu  nehmen.  Er 
sagte  mir  selbst  letzthin,  daß  er  gern  auf  kurze  Zeit  zu  Ihnen  gehen 
werde,  wenn  es  sein  Zustand  gestattet.     Dr.  Saxinger  ist  sein  Arzt; 

Er  ist  ein  sehr  strenger  Mann  und   behandelt  ihn  gut 

Nun  über  dieses  Thema  einstweilen  genug,  obwohl  noch  viel  darüber 
zu  sagen  sein  wäre.  Ich  muß  Sie  aber  Ihres  Bruders  u.  meinetwegen 
inständigst  bitten,  nur  jetzt  nichts  zu  thun,  weil  man,  weil  man  die 
Sache  nur  noch  verschlimmern  würd.  Das  Factum  ist  da  und  Sie 
können  zur  gehörigen  Zeit  Gebrauch  davon  machen.  Für  jetzt 
ignorireu  Sie  alles,  denn  sonst  könnte  ich  unter  keiner  Bedingung  das 
Haus  Ihres  Bruders  mehr  betreten,  was  doch  jetzt  nicht  ratsam  ist, 
auch  würde  jeder  Zorn  dem  Bruder  nur  schaden,  denn  den  Beweis 
habe  ich  von  ihm,  daß  er  nach  jedem  derartigen  Auftritt  immer 
schlechter  geworden  ist.  Auch  hat  ihm  der  Arzt  streng  verboten,  sich 
zu  ärgern.  Ebenso  kann  es  jetzt  nicht  mehr  schlechter  werden,  als 
es  schon  war.  —  Schreiben  Sie  doch  einige  Zeilen  au  den  russischen 
Geschäftsträger  Obreskow.  Es  reisen  stets  viele  Küssen  nach  Peters- 
burg, so  könnte  man  das  Paquet  so  sicher  u.  geschwind  fortbringen. 
Vielleicht  könnte  man  das  Paquet  so  sicher  u.  geschwind  fort- 
bringen, durch  die  Handelshause  geht  es  auch  sehr  laugsam.  Ich 
gelbst  habe  im  Jahre  1819  ein  Paquet  Bücher  durch  Geymüller  nach 
Riga  geschickt,  das  erst  nach  18  Monathen  in  Riga  ankam.  Denn  es 
ging  über  Warschau  nach  Danzig  von  dort  zurück  nach  Lübeck  u. 
von  da  erst  nach  Riga.  Überall  blieb  es  mehrere  Monathe  liegen. 
Am  schnellsten  geht  es  noch  über  Hamburg  nach  Petersburg.  Was 
die  30  fr.  Postgeld  für  den  Briefträger  betrifft,  so  sind  Sie  selbst 
schuld  daran,  wenn  Sie  die  Briefträger  erwähnen,  denn  ich  hörte  letzt- 
hin auf  der  kleinen  Post,  daß  die  Briefträger   sich   laut  rühmen,  die 


—     736     — 

Ihnen  an  Briefe  ergeben,  daß  wenn  sie  lauter  solche  splendide  Herren 
zu  bedienen  hätten,  sie  bald  reich  werden  müßten,  also  sie  schweigen 
am  Ende  noch  darüber.  Sie  könnten  etwa  wohl  für  jeden  Brief  6  fr. 
geben,  aber  nicht  30  fr.  so  viel  giebt  kein  Fürst 

So  eben  komme  ich  von  der  Polizey,  die  Haushält,  war  mit.  Der 
Hausherr  ist  auf  Morgen  5  Uhr  Nachmittag  sammt  mir  bestellt 
worden:  Der  Alte  braucht  nicht  erst  zugegen  zu  seyn.  Der  Polizei- 
direktor H.  Ungermann*)  lassen  sich  Ihnen  empfehlen  —  u.  ihre  Sache 
sey  schon  im  Voraus  so  abgethan  wie  Sie  es  wünschen.  Nur  wegen 
der  Beleuchtungsbetrag  sollen  Sie  nicht  die  6  fr.  annehmen,  damit 
ihnen  der  Flegel  von  ihrer  Seite  nichts  anhaben  kann.  Ich  bereite 
mich  auf  Morgen  vor,  denn  ich  bin  gerade  geneigt,  ihm  den  Text  zu 
lesen,  so  gut  das  es  vor  der  Behörde  geschieht.  Das  Resultat  werde 
ich  Ihnen  alsogleich  melden. 

Übrigens  bin  ich  in  tiefster  Sousmission  Ihr 
unveränderlicher  treuer 
A.  Schindler. 
Das  Paquet  für  Fürst  Galitzin  dessen  Inhalt  die  Messe  C  betrifft 
(viel  ausgestrichen.) 

Dieser  Schindlerbrief  über  die  Misere  in  Bruder  Johannes  Heim 
muß  allen  denen  zu  denken  geben,  die  von  den  Familien tragödien  in 
Bernhard— Hajdecky'schen  Papieren  Kenntnis  genommen  haben.  Diese 
mysteriösen  Papiere  sind  offenbar  nach  den  Schindler'schen  Papieren 
im  Beethoven-Nachlaß  fabriziert  worden;  sie  geben  nichts  Neues  über 
die  hier  dargebotenen  Enthüllungen.  Das  Neue  und  Originelle  enthalten 
diese  Schindler-Papiere.  Das  Mysterium  der  anderen  Papiere  bleibt 
bestehen.  Ich  betone  hierbei,  daß  Herr  Hajdecky  noch  nichts  auf  meine 
Anzweifelung  eines  seiner  Beethovenbriefe  an  Bernard  in  der  „Musik" 
geantwortet  hat.  A.  d.  H. 


*)  Cf.  B.  S.  Rj.  No.  865  (IV.  Band);  ferner  No.  954  an  Bruder 
Johann  u.  Erklärungen,  Band  IV,  S.  324.  A.  d.  H. 


BEETHOVENS 
SÄMTLICHE  BRIEFE 

Kritische  Ausgabe  mit  Erläuterungen 

von 

Dr.  Alfr.  Chr.  Kalischer 

I.  Band:  1783  bis  1810 

IL  Band:  1811  bis  1815 

III.  Band:  1816  bis  1818 

IV.  Band:  1819  bis  1823 
V.  Band:  1824  bis  1827 


Jeder  Band  ist  einzeln  käuflich  und  kostet 
geh.  M.  4.20,  geb.  M.  5.50 


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WEITERE  NEUDRUCKE  DER 
BEETHOVEN- 
LITERATUR 

mit    Ergänzungen    und    Erläuterungen 

herausgegeben  von 

Dr.  Alfr.  Chr.  Kalischer 
Wegeier  und  Ries,  Biographische  Notizen 

Über    Beethoven.      Mit  verschiedenen  Beilagen. 
Zweite  Auflage  Geh.  M.  3. — ,  geb.  M.  4. — 

Gerhard  von  Breuning,  Aus  dem  Schwarz- 
spanierhause.   Mit  zehn  Bildern. 

Geh.  M.  3.—,  geb.  M.  4.— 

Wilhelm  von  Lenz,  Beethoven.    Das  Leben 
des  Meisters  Geh.  m.  4.—,  geb.  M.5.— 

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SEINE  ZEIT- 
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Dr.  Alfr.  Chr.  Kalischer 

in  vier  Bänden: 

Band    I:  Beethoven  und  Berlin 
Band  II:  Beethoven,  Wien  und  Weimar 
Band  III:  Beethovens  Frauenkreis.    I 
Band  IV:  Beethovens  Frauenkreis.  II 

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CARL  MARIA  VON  WEBERS 
SÄMTLICHE  SCHRIFTEN 

Kritische   Ausgabe 
von 

Georg  Kaiser 

Ein  starker  Band  mit  einem  Porträt 
geh.  M.  12.—,  geb.  M.  14.— 


Für  eine  der  dankenswertesten  und  wichtigsten  Publikationen  halte 
ich  diese  kritische  Gesamtausgabe.  Hier  sind  die  literarischen  Er- 
zeugnisse Webers  zum  ersten  Male,  nach  den  Urdrucken  revidiert, 
vollständig  vereinigt.  Der  „Freischütz"-Komponist  war  auch  als 
Musikschriftsteller  von  einer  derartigen  Bedeutung,  daß  eine  Her- 
stellung seiner  Hinterlassenschaft  in  authentischer  Lesart  geradezu 
ein   Bedürfnis  war.  (Berliner  Tageblatt.) 

Daß  C.  M.  v.Weber  so  viel  und  so  vielseitig  über  Kunstfragen  ge- 
schrieben hat,  und  daß  seinen  Aufsätzen,  die  eingehend  und  treffend 
sind,  noch  heute  Wert  und  Bedeutung  beizumessen  ist,  das  wird 
man  mit  Verwunderung  und  Dank  aus  dem  ungemein  sorgfältig 
gearbeiteten,  ausführlichen,  durchaus  vortrefflichen  Werke  Georg 
Kaisers  lernen  können.  Es  mag  auch  erwähnt  sein,  daß  Kaiser 
eine  Reihe  von  Aufsätzen  gefunden  bat,  als  deren  Verfasser  man 
Weber,  der  oft  unter  Decknamen  schrieb,  bisher  noch  nicht  kannte. 
Sein  Buch  gehört  zu  denen,  die  eine  Lücke  ausfüllen,  und  zwar 
in  recht  ausgiebiger  Weise.  (Nordd.  Allgem.  Zeitung.) 


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BERLIN  W57 


Herrose  *  Ziemsen,  G.  m.  b.  H.,  Wittenberg.